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Full text of "Deutsches Wörterbuch"

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DEUTSCHES 


WÖRTERBUCH 


VIERTEE  BAND 
I.  ABTEILUNG   6.  TEIL 


DEUTSCHES 


WÖRTERBUCH 


VON 


JACOB  GRIMM  und  WILHELM  GRIMM 


VIERTER  BAND 
I.  ABTEILUNG    6.  TEIL 
GREANDER-GYMNASTIK 


Bearbeitet  von  Arthur  Hübner  und  Hans  Neumann 
in  Verbindung  mit  der  Arbeitsstelle  des  Deutschen  Wörterbuches 


4- 


I 


LEIPZIG 
VERLAG  VON  S.  HIRZEL 

1935 


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VORWORT 


JLn  diesem  Bande  steckt  die  beste  Kraft  meiner 
jungen  Jahre.  Ich  war  kaum  promoviert,  als 
mich  Gustav  Roethe  aufforderte,  das  Schluß- 
stück des  G  zu  übernehmen.  In  10  bis  12  Jahren 
sollte  es,  laut  Vertrag,  geschafft  sein  .  .  .  Die 
erste  Lieferung  erschien  1914  (Greander  —Grenz- 
jörster),  die  zweite  1919  (Orenzf ort  — Grille),  die 
dritte  1922  (Grille— groß),  die  vierte  1925  (groß 
bis  grün),  die  fünfte  1931  (grün  —  grundfest). 
Ein  schnelleres  Tempo  als  jedes  dritte  Jahr  eine 
Lieferung  war  eben  nicht  zu  erreichen,  wenn 
man  das  Werk  nach  alter  Art  auf  Mitarbeiter 
stellte,  die  sich  von  ihrem  Hauptberuf  die  Zeit 
für  das  Wörterbuch  absparen  mußten.  So  habe 
ich  am  eignen  Leibe  erfahren,  daß  nur  eine 
grundsätzliche  Änderung  des  Arbeitsverfahrens 
das  Wörterbuch  zum  Abschluß  bringen  könne : 
es  mußte  versucht  werden,  eine  Vielzahl  von 
Mitarbeitern,  die  möglichst  ihre  ganze  Kraft 
dem  Wörterbuch  widmeten,  an  einer  mit  allen 
Hilfsmitteln  ausgestatteten  Stelle  zusammen- 
zufassen. Die  Neuordnung  gewann  im  Jahre  1930 
Gestalt  in  der  Gründung  der  Berliner  ,Arbeits- 
stelle  des  Deutschen  Wörterbuches'.  Nunmehr 
konnte  auch  der  vorliegende  Band  in  schnellem 
und  regelmäßigem  Fluß  gefördert  werden.  1932 


erschien  die  sechste  JjieieTung( grundfest — Grün- 
span), 1933  die  siebente  (Grünspan  — Gunst), 
1934  die  achte  (Gunst  —  gut)  und  1 9  3  5  die  neunte 
und  letzte  (gut— Gymnastik). 

Innerhalb  der  Arbeitsstelle  hat  die  nach  Um- 
fang und  Gewicht  weitaus  bedeutsamste  Arbeit 
Hans  Neumann  geleistet,  einer  meiner  besten 
und  mir  am  nächsten  verbundenen  Schüler.  Er 
hat  mich  in  der  fünften  Lieferung  abgelöst.  Die 
Wörter  grün  und  Grund  stammen  noch  von  mir, 
die  Ableitungen  und  Komposita  dazu  hat  Neu- 
mann anfänglich  zusammen  mit  mir,  bald  ganz 
selbständig  bearbeitet.  Vor  allem  gehört  ihm 
die  große  Gruppe  gui.  Die  Lücke  zwischen  den 
grün- Zusammensetzungen  und  gut  füllten  fol- 
gende Mitarbeiter:  Karl  Münzel  (Gulden, 
Gurgel,  Gürtel),  Kurt  Ranke  (Guß),  Konstan- 
tin Reichardt  (Gruß),  Ernst  Scheunemann 
(Gruppe,  Gunst)  und  Hellmuth  Thomas  (Gülte). 
Durch  Ergänzung,  Bearbeitung,  manchmal  auch 
Neuformung  von  Artikeln  anderer  Verfasser 
haben  an  dem  Zwischenstück  starken  Anteil 
Bernhard  Beckmann,  Hans-Holm  Bielfeldt, 
Peter  Diepers  und  Wilhelm  Wissmann,  dieser 
besonders  durch  die  Überprüfung  der  etymo- 
logischen Artikelköpfe. 


1.  Dezember  1935. 


ARTHUR  HÜBNER 


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GREANDER-2GRECH 


iGRECK  — GREDE 


GREANDER,  m.,  alte  nd.  bezeichnung  für  den  andom. 
marrubium  vulgare  Pritzel-Jessen  231»  aus  den  Syn- 
onyma apothecariorum  (ib.  Jh.),  Diefenbagh  850»;  wie 
andern  auch  für  ballota  nigra  Pritzel- Jessen  54^ 
-ander  =  andern,  gre-  ursprünglich  wohl  zur  Unterschei- 
dung von  ballota  nigra,  die  oft  schwarzer  andern,  brune 
ander,  brunader  u.  ä.  genannt  wird  (Pritzel-Jessen  54). 
gjg.  __  green  'grün'f  nebenformen  greandon,  greadon 
Pritzel-Jessen  231». 

IGREBE,  m..  darf  Vorsteher,  specif  hess.:  schultheisz, 
die  man  auf  den  dörfern  im  land  zä  Hessen  greben 
nennet  Kirchhof  wendunmuth  i,  178  Österley ;  vgl. 
ViLMAR  186;  aus  grSve,  der  md.  form  für  gräve.  auch 
als  familienname  in  Hessen  verbreitet. 

2GREBE,  /.,  in  der  Schweiz  name  des  haubentauchera, 
colymbus  cristatus  Staub-Tobler  2,  688;  aus  frz.  grobe, 
m..  doch  vgl.  Suolahti  vogelnamen  4M;  wohl  dasselbe 
wort  lübeck.  greber,  gref  'säge-,  haubentaucher'  zeitschr. 
f.  d.  wortf.  9,  3  beiheft;  grebenhaut  die  zu  muffen  und 
besatz  verwendete  haut  dieses  vogels  Jacobsson  5,  735»; 
Heinsius  2,  526». 

iGREBEL,  m.,  mhd.  grebel,  ahd.  grebil;  tu  graben. 

1)  Werkzeug  zum  graben,  bohren: 

so  er  (der  einbrecher)  rltet  über  velt  . .  , 

hert  Isen  unde  grebel, 

örter  zu  den  slozzen 

füert  der  unverdrozzen 

in  dem  einen  ermel  wol     Seifr.  Helbling  1, 184; 

weil  wir  nit  mochten  ruben  essen, 

müsz  wir  zu-letzt  den  grebel  fressen 

H.  Sachs  21,  312  Keller-Oötze ; 

grebel  sarculus  vocabul.  incipiens  teuton.  ante  lat.  ä  5»; 
vgl.  ScHMELLER  1,  982;  kurstartige  hacke  Staub-Tobler 

2,  688. 

2)  pfähl,  pflock:  grebil,  crebil  u.  ä.  =  riutel,  paxillum 
Graff  4,  808/.;  seine  seile  mit  grebiln  funiculosque  il- 
liua  et  paxillos  Wenzel-bibel  2.  Mos.  39,  40  nach  Jelinek 
mhd.  wb.  f.  Böhmen  330  (dort  falsch  übersetzt). 

3)  totengräber:  grebila,  crepila  polinctores  Graff  4, 
309;  Staub-Tobler  2,  688  mit  belegen  aus  dem  a.  jh. 

2  GREBEL,  m.,  körperlich  oder  moralisch  häszlicher, 
ekelhafter  m,ensch,  auch:  magerer  mansch  Staub-Tobler 
2,  687;  dazu  grSbelen  abscheulich,  häszlich  sich  betragen, 
grSb(e)lig  häszlich,  garstig  ib. 

IGREBELN,  vb.,  bohren,  heimlich  auf  etwas  hinarbei- 
ten, iterativbildung  zu  graben:  quia  spiritus  superbus 
non  quiescit,  er  bort  und  grebelt  so  lang,  donec  inve- 
niat  foramen  Luther  25,  444  Weim.;  quod  lust  haben 
proximum  zu  honen  .  .  ,  grebeln  und  lauren,  ut  eum 
dedecorent  27,  358 ;  für  der  weit  heyst  das  eyn  buben- 
stück,  wenn  man  den  rechten  grund  eyner  guten  Sachen 
verbirget  und  gröbbelt  die  weyle  eyn  loch  dreyn  zu 
machen  18,  68,  hier  anscheinend  lautlich  durch  grübeln 
beeinßuszt. 

2  GREBELN,  vb.,  lärmen  f 

die  bauem  grebeln  sehr  und  schrein  auf  offner  bahn 
der  commiszarius,  der  kommt  uns  sauer  an 

Dan.  V.  CzEPKO  satyr.  ged.  (ms<^t.). 

GREBING,  m.,  chirogrillus  Diefenbagh  123»;  nach 
Frisch  l,  369 •>  der  erdengerling  (gryllotalpa) ;  wenn  gre- 
binc  auch  bloszes  grillus  wiedergibt  (Diefenbagh  o.  a.  o.), 
scheint  das  Frisghs  deutung  zu  bestätigen,  doch  braucht 
bei  der  m^hrdeutigkeit  von  chirogrillus  (Du  Gange  2,  310») 
die  bedeutung  nicht  überall  dieselbe  geicesen  zu  sein ;  im 
jüngeren  nd.  für  den  dachs:  grewing  Schambach  68^; 
grewink,  gräwink  Dähnert  161»;  ebenso  holl.  greving, 
dän.  grävinge;  vgl.  Berghaus  i,  611»;  schon  im  Eeinke 
de  vos  ist  grevink  stehender  name  des  dachses,  v.  30.  149. 
405  u.  ö.;  zu  graben. 

IGRECH,  adj.,  fertig,  s.  gerech. 

2GRECH,  m.,  bastard: 

Eckerich  sprach :  du  ungetriuwe  wlp, 
daz  der  grech  sehende  dlnen  llp 

Germ.  9, 336  aus  Karl  u.  Elegast; 

IV.  1.  6. 


deminut.  dazu  grechel: 

ouch  hete  er  des  vil  grOzen  ruom, 

daz  er  dar  an  niht  was  betrogen 

daz  er  daz  göuchel  {var.  grechel)  hsete  gezogen 

V.  D.  Hagen  gesamtabenteuer  2,  384; 

im  thür.  wird  noch  hie  und  da  zu  kindern  gesagt:  du 
kleiner  krechel  (kröchel) !  Germ.  9,  336 ;  anscheinend  also 
md.  Seitenstücke  zu  gouch,  göuchelin. 

^GREGK,  m.  l)  eiternde  augenentzündung ,  abge- 
schicächt:  augenschleim;  bair.  wort;  für  pituita  bei  Die- 
fenbagh 489»;  für  lippa  ib.  332'',  beides  in  obd.  voca- 
bularen  des  15./16.  jhs. ;  gregge  vertrockneter  augenschleim 
Lexer  kämt.  123 ;  kreko  dspa,  augenbutter  Sghmeller 
cimör.  138";  Gastelli  153;  iJ^wr..-  gregken  g^ramif,  oculo- 
rumpituitf,  lippa  PimciAUVS  prompt.  (1516)  G  2";  grieg- 
ken  Sghmeller  i,  993;  gregken,  auch  gragken  Schöpf 
210;  vgl.  gräcke  Fischer  schwäb.  3,  782;  Sghmeller 
und  Schöpf  verzeichnen  als  hauptbedeutung  'grieben,  fett- 
graupen' ;  aber  obgleich  ie  in  der  Stammsilbe  alt  ist  (s.  u 
greckig),  besteht  schwerlich  ein  ursprünglicher  Zusammen- 
hang mtfgriebe,  wie  Schöpf  a.  a.  o.  will;  die  heutige  ver- 
mengung beider  Worte  tcird  secundär  sein,  dazu  gregk- 
augat  triefäugig  Schöpf  211;  greggaugat  Lexer  kämt. 
123.  —  gregker  person  mit  triefenden  äugen;  auch  ver- 
ächtlich: kleine  unansehnliche  person  Schöpf  211. 

2)  gregge,  etwas  kleines,  verkrüppeltes;  ein  schmäch- 
tiges kind,  an  dem  kein  wachsthum  zu  bemerken  ist 
Lexer  kämt.  123;  deminut.  greggile;  ursprünglich  selb- 
ständiges wort  (vgl.  griggel);  wie  greckig  erst  nachträg- 
lich mit  der  sippe  greck  vermengt. 

2GRECK,  m.,  falschspieler :  denn  die  grecks,  diese 
groszen  genies,  haben  vermöge  der  karten,  den  stein 
der  weisen  gefunden  Klinger  werke  l,  113;  vgl.  105.  107. 
110;  aus  frz.  grec  falschspieler,  betrüget;  die  entlehnung 
ist  isoliert  geblieben. 

1  GRECKIG,  adj..  lippus. 

i)  so  sint  diu  ougen  röt  unde  heiz  unde  griekich 
zwei  deutsche  arzneibücher  38,  14  Pfeiffer  (18.  jh.) ;  lippi- 
tudo,  zubachen  oder  grecket  äugen  Pinicianus  prompt. 
(1516)  G  2^;  die  gregkete  äugen  haben  lippientes  Khüff- 
ner  Celsus  (1531)  6»;  so  sich  ein  greckig  rinnen  der 
äugen  zuträgt  orta  lippitudine  91»;  gregket  triefäugig 
Schöpf  2il.  —  greckigkeit,/.,  lippitudo:  aber  die 
trucken  und  dürre  greckigkeit,  wiewol  sie  einen  wee- 
tage  mitbringet,  wirt  sie  doch  zeitlicher  geendet  Kh Off- 
ner Celsus  (1531)  91». 

2)  gregget  verkrüppelt,  knorperig,  ohne  wachsthum 
Lexer  kämt.  123;  ursprünglich  selbständiges  wort,  vgl. 
greck  2. 

2 GRECKIG,  adj..  mischfarbig,  meliert:  ein  greckiges 
zeug  Frischbier  l,  251". 

GREDAMT  und  andere  composita  mit  gred-  s.  unter 
grede  2. 

GREDE,  /.,  stufe,  treppe ;  unmittelbarer  Zusammenhang 
mit  lat.  gradus  kann  nicht  vorliegen;  zum  mindesten 
weist  der  vocal  auf  frz.  vermittelung.  wohl  von  mlat. 
*grada  (erhalten  in  span.  grada  stufe,  bank,  freitreppe) 
oder  mit  frz.  vocalfärbung  *greda  (vgl.  gredarium  für 
gradarium  Du  Gange  4,  109»).  neben  inlautendem  d  er- 
scheint in  alter  zeit  auch  t,  tcie  es  scheint,  besonders  md.; 
vermengung  mit  mhd.  grät,  plur.  grsete  icird  die  Ursache 
sein:  grete  Wartburgkr  69,  4.  5  Simrock;  städtechron.  8, 
95,  11  (Straszburg) ;  grSde,  grete  Frankfurts  reichscorresp. 
2,  in  ff.  Janssen;  mehrfach  im  plur.:  den  (ketzer)  bran- 
ten  sie  vor  den  gretin  an  sente  Steffans  tage  Rothe 
Dür.  chron.  597 ;  uf  den  greten  vor  dem  münster  städte- 
chron. 8,  477,  14  (Straszburg).  mhd.  stark  und  schwach 
flectiert  (mhd.  wb.  1,  569»);  später  gewöhnlich  stark. 
l)  treppe;  so  gewöhnlich  im,  mhd.: 

vor  dem  palas  an  der  grSde 

si  wurden  wol  enpfangen  Parz.  794,  8; 

d5  lief  herab  die  grede 

alt  unde  junge  bede 

WoLFR.  V.  Eschenbach  Willeh.  139,  21; 


GREDEL 


GREDELHAMMER  —  GREGORIUS 


besonders:  die  grosze  freitreppe,  estrade,  namentlich  vor 
kirchen:  auf  der  gred  bey  dem  marektthurn  städte- 
chron.  15,  27,  14  {Regensburg) ;  {der  kaiser)  lies  alda  ain 
pün  (bei  Sant  Heimeran  porten,  oben  so  man  auf  den 
freithof  gSt,  auf  der  gred)  aufmachen  Aventin  hayer. 
chron.  5,  461  Lexer;  sehr  üblich  im,  schwäb.:  uf  die  gred 
gen  sant  Ulrich  städtechron.  5,  179  {Augsburg);  vgl. 
Fischer  schwäb.  3,  816/.;  die  grede  diente  auch  als  grab- 
statte :  leit  begraben  auf  der  grett  bey  irem  man  städte- 
chron. 22,  390  {Augsburg) ;  daher  geradezu  für  'grabstätte' 
Fischer  a.  a.o.;  alem,.  auch  der  innerhalb  der  kirche 
vor  dem  chor  liegende  platz  mit  den  stufen,  die  zum 
schiß  hinunterführen :  der  pfarrer  kam  mit  einem  grossen 
buch  auf  die  grät  und  las  daraus ;  über  die  gräte  zum 
opfer  gehen  Staub-Tobler  2,  704  mit  belegen  seit  dem 
14.  jh. ;  noch  heute  im  thür.  grede,  grsede  für  treppen,  die 
an  der  hinterseite  eines  hauses  aufwärts  führen  Hertel 
salz.  17 ;  auch  als  eigenname  GrSde,  Gride  für  einen  engen 
treppenweg  thür.  109. 

2)  stufenförmige  unterläge,  basis: 

der  toufnapf  was  ein  rubbfn, 
von  jaspes  ein  grede  sinwel, 
dar  üf  er  stuont  Parz.  816,  21 ; 

besonders:  gerüst  für  darauf  abzustellende  waren :  haben 
wir  den  burgern  zu  Schongau  erlaubt,  gredt  in  ihr  kauf- 
haus  zu  machen,  also  das  man  nun  fürbas  alle  kauf- 
manschaft  darin  wol  setzen  mag  Schmeller  l,  986 
(a.  1419);  wein  legen  auf  ein  gred  oder  in  ain  gewelb 
ib.;  daraus  entwickelte  sich  die  bedeutung:  warennie- 
derlage,  lagerhaus,  kaujhaus;  schwäb.  und  alem.  seit 
dem  ii.jh.  allgemein,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  817;  Staub- 
Tobler  2,  704;  bald  synonym  mit  wage,  bald  davon  ge- 
schieden: {das  haus)  sollt  nur  ain  gwelb  haben,  trey 
leden,  den  hafner  und  die  gret  oder  wag  und  ain 
buxenstadel  Bau  mann  quellen  z.  gesch.  d.  bauernkrieges 
1,  202;  da  brachen  sie  auch  das  kaufhaus  und  die 
wag  und  die  gredt  ab  Seb.  Frangk  Germ,  chron.  330; 
in  dieser  bedeutung  bildet  grede  den  ersten  bestandtheil 
einer  fülle  von  composita  {bis  auf  gredstadel  sämmtlich 
bei  Fischer  schtväb.  3,  818/.).-  gredamt,  amt  an  der 
grede;  gredbrücke:  in  Überlingen-Meersburg  war  die 
gredbrücke  bis  an  das  kugelwehr  schiffstelle  Birlinger 
Augsb.  ma.  202 ;  g  r  e  d  g  e  1 1,  abgäbe  für  benutzung  der  grede, 
auch  Staub-Tobler  2,  704;  gredhaus:=  grede,  auch  ib.; 
Schmeller  i,986;  gredkarren,  karren  im  dienst  der 
grede,  auch  Staub-Tobler  2,  704;  gredknecht,  ange- 
stellter an  der  grede,  auch  ib.;  Schmeller  1,  986;  gred- 
lon  =  gredgeld;  gredmeister,  Vorsteher  der  grede, 
auch  ibb.;  gredordnung,  Verordnung  für  die  grede; 
gredschreiber,  Schreiber  an  der  grede;  gredstadel 
=  grede,  tautolog.  bildung  Schmeller  i,  986;  2,  732; 
gredzettel,  preiszettel;  gredzieher,  männer,  die  das 
überführen  der  guter  aus  der  grede  in  die  häuser  be- 
sorgten; gredzoll  =  gredgeld;  gredzoller,  der  ein- 
zieher des  gredzolles. 

3)  namentlich  im,  bair.-österr.  breite  stufe  längs  der 
Vorderseite  eines  gebäudes  {besonders  des  bauernhauses), 
erhöhter,  fester  gang  um  das  haus  herum,  Schmeller 
1,986;  Unger-Khull  steir.  SOS**;  Staub-Tobler  2,704; 
erhöhter  rand  oder  gepflasterter  weg  um  die  düngergrube 
Höfer  l,  321;  Unger-Khull  a.  a.  0.;  gepflasterter  gang 
im  innern  des  hofraumes  Loritza  54^;  statt  grede  steir. 
auch  greche.  dazu  gredenbaum,  baumstamm,  der 
zur  einfassung  eines  solchen  ganges  dient  Unger-Khull 
«.  a.  0.;  gredenhochzeit,  afterschm,aus,  den  die  schma- 
rotzenden gaste  auf  der  grede  abhalten  ib.;  grede n- 
scheiszer,  Stubenhocker  ib. 

4)  hölzerne  lagerstätte,  in  bauernhäusern  um,  den  ofen 
gebaut  Schmeller  l,  986;  Fischer  schwäb.  3,  817. 

5)  das  an  den  wänden  aufgeschichtete  brennholz  Schöpf 
210;  Lexer  kämt.  123. 

GREDEL,  deminut.  zu  grede,  mit  doppeltem  geschlecht: 
l)  /. ;  sie  {die  hausotter)  hat  ihren  wohnsitz  gewöhn- 
lich unter  der  gredel,  dem  freien,  etwas  erhöhten  platze 
zwischen  dem  hause  und  der  traufrinne  Peter  volks- 


thüml.  aus  Österr.- Schlesien  2,  33;  ins  haus  kommen  wir 
am  Erlitzgebirge  über  die  gredel,  eine  steinlage  zur 
thüre  hin  Petters  Stoffsammlung  25;  vgl.  grede  3. 

2)  n. :  häufe  aufgeschichteter  holzscheiter,  holzstosz 
Unger-Khull  steir.  305'';  Schmeller  l,  986;  holzgredl 
Schöpf  210;  vgl.  schon  im  iG.jh.:  vacerre  gredel  an 
dem  zäun  GoLius  (1585)  51. 

GREDELHAMMER,  m.,  hammer  für  müller  mit  ge- 
kerbten schlagflächen  Unger-Khull  305*>. 

GREDELN,  vb.,  holz  aufschichten  Schmeller  l,  986; 
Schöpf  210;  Unger-Khull  305^;  im  selben  sinne  grea- 
den  Lexer  kämt.  123;  vgl.  grede  5;  gredel  2. 

GREDEN,  vb.,  mit  einer  treppe  versehen ;  nur  im,  pari. 
gegredet  und  nur  mhd.;   vgl.  mhd.  tob.  1,569*;    Lexer 

1,  1076. 

GREDENWERK,  s.  gretenwerk. 

GREDER,  GREDNER,  m.,  =  gredmeister,  s.  grede  2; 
greder  ist  die  schicäb.,  gredner  die  ahm.  form  Fischer 
schwäb.  3,  818;  Staub-Tobler  2,  704. 

GREDSCH,  *.  gretisch. 

GREEDE,  /.,  gras-,  grün-,  Weideland;  besonders  im 
fries.,  doch  auch  in  angrenzenden  nd.  dialecten  verbreitet; 
altfr.  greed,  gree;  westfr.  greyde,  ostfr.  gröde,  greide, 
mnd.  gröt,  grSdt  Doornkaat-Koolman  l,  676^;  grijde, 
griede  Molema  gron.  138'';  greede,  gröde  Schütze  holst. 

2,  65;  ut  de  gröde  breeken  grasland  bepflügen  ib.;  vgl. 
altfr.,  ostfr.,  ndsächs.  groden  angeschwemmtes  land,  auch 
Weideland,  ostfr,  ettgrode,  nordfr.  ethgrow,  dän.  ette- 
gröde  Molema  138 *>;  =  mhd.  gruot /.,■  vgl.  greien. 

GREEN,  s.  gran. 

GREEN  SAND,  m.,  mineralogische  bezeichnung  eines 
grünen  Sandsteines  Gehler  3,  1091 ;  Beil  l,  261. 

GREEP,  TM.,  am,  schiff  der  theil  des  Vorstevens,  der 
das  Wasser  durchschneidet,  engl,  the  gripe  Bobrik  319*; 
Stenzel  152*;  dazu  greeptau,  greeptauswind  Bobrik 
a.  a.  0.;  nd.  form  für  hd.  greif,  vgl.  greife. 

GREFF,  /.,  gemeindeschreiberei,  gerichtsschreiberei;  aus 
frz.  greffe  {lat.  graphium)  in  den  westlichsten  dialecten 
heimisch  geworden,  vgl.  Martin-Lienhart  i,  270^;  der 
schulmeischter  muss  a  de  greff  kunne  mache  Foll- 
mann  lofhr.  214^;  Autenrieth  pfälz.  56;  bei  Gangler 
luxemb.  188  greffe,  m.,  kanzlei. 

GREFFIER,  m.,  gerichts-  oder  anderer  Schreiber;  aus 
dem  frz.,  seit  anfang  des  18.  jhs.  von  den  lexikographen 
notiert  Chr.  Weise  zeitungslex.  738;  Gladow  283;  die 
Schriftsprache  des  19.  jhs.  benutzt  das  wort  wenig:  der 
damalige  greffier  hat  es  {das  protokoll)  in  ganz  unge- 
schickten und  abgeschmackten  ausdrücken  abgefaszt 
Lassalle  reden  und  Schriften  2,  266;  aber  in  den  west- 
deutschen dialecten  hat  es  vrie  das  Stammwort  greff  wurzel 
gefaszt  Martin-Lienhart  l,  270'';  Follmann  lothr.  214''; 
Autenrieth  pfälz.  56;  Gangler  luxemb.  I88. 

GREGEL,  m.,  lärm;  lautes,  schnelles,  unverständliches 
sprechen;  froschquaken;  grggeln  solchen  lärm  erregen 
Lexer  kämt.  123 ;  zu  krägeln,  alem.  gregelen,  ursprüng- 
lich garrire,  gracillare,  dann  auch  lallen,  schreien,  zanken 
{s.   th.  5,  1953)?  vgl.   th.  5,  1977. 

GREGELL,  s.  krakeel  2  c;  3  b  th.  5,  1977. 

GREGELN,  vb.,  gackern:  so  die  heimischen  hennen 
die  leus  suchen  und  stets  greglen,  als  ob  rägen- 
tropfen  herab  fielen  Heyden  Plinius  (1565)  429;  ahd. 
chragilon ;   vgl.  krägeln  th.  5,  1955  m,it  weiteren  belegen. 

GREGIER,  n.,  helmzeichen: 

eyn  fliegend  hertz  ist  dein  gregier 

Wickram  4,  40  BoUe-Seheel ; 

entstellung  von  mhd.  kroiier  Lexer  l,  1745;  vgl.  geregier 
th.  4,  1,  2,  3619. 

GREGORIUS.  1)  der  gregori  ist  nach  Schmeller  1. 
992  ursprünglich  das  Schulkinder  fest,  das  am,  tage  Gre- 
gors d.  gr.  (12.  märz)  zur  feier  des  Schlusses  der  udnter- 
schule  mit  spiel  und  mu7nmenschanz  begangen  wurde, 
dann   schulfest   überhaupt;   übertragen  jede  mummerei: 


GREIBE  —  1  GREIF 


1  GREIF 


6 


das  menschliche  leben  ist  ganz  maschkarad  und  purer 
gregori  und  harlekinad  Schmeller  aus  Marcell. 
Sturm  ;  ähnlich  in  der  gegend  von  Eichstätt  für  lärm, 
aufzug,  hinter  dem  nicht  viel  steckt  zs.  f.  hd.  maa.  5, 
163;  in  gregori  gehn  vom  Schulmeister,  der  am  Grego- 
riuatage  milde  gaben  empfing  Schöpf  2il ;  dazu  das  vb. 
gregörlen  das  Gregorsfest  begehen  Staub-Tobler  2,  724; 
Birlinger  wb.  z.  volhsthüml.  36;  an  die  ausgelassen- 
heit  und  maskerade  des  Gregorsfestes  ist  vermuthlich  die 
Verwendung  des  eigennamens  in  folgenden  fällen  anzu- 
knüpfen {vgl.  Müller-Fraureuth  l,  439*>):  ein  rechter 
gregori  spasziger,  seltsamer  kerl,  hanswurst  zs.  f.  hd.  maa. 
5,  163  (Eichstätt);  närr'scher  guri  (in  harmlosem,  scher- 
zendem sinne)  Müller-Fraureuth  1,  439*';  vgl.  patseh- 
gori  gedankenloser  Schwätzer  Schmeller  l,  415;  göri, 
knoUen-gorjes  Spottname  eines  drollig  aussehenden,  un- 
praktischen tölpels  Staub-Tobler  2,  408.  composita  mit 
Gregorius  (dialect.  Gregori):  -engel  maske  für  das  Gre- 
gorsfest Müller-Fraureuth  i,  439»;  -feierlichkeit 
Görlitzer gymn.-progr.  z.  d.jan.  1826,  s.  l;  -fest  Adelung 
2,792;  Heinsius  2,526";  Müller-Fraureuth  1,438''; 
-lied  am,  Gregorsfeste  gesungenes  lied  Staub-Tobler  2, 
724 ;  -Schüler  für  das  Gregorsfest  herausgeputzter  schüler 
Müller-Fraureuth  l,  439'';  -singen  singen  der  chor- 
schüler  auf  den  straszen  am  Gregorstage  Adelung  2, 
793;  Heinsius  2,  526*;  Schöpf  211 ;  dasz  .  .  .  bei  dem 
Gregoriussingen  brezeln  an  die  schulknaben  vertheilt 
werden  Böttiger  kl.  sehr.  1,  354;  -tag  12.  märz  Hein- 
sius 2,526»;  Schmeller  1,992;  -umgang  umzug  der 
schüler  am  Gregorsfest  Müller-Fraureuth  l,  438''; 
-wind  tirol.  nordwind,  der  in  andern  gegenden  beisswind 
heiszt  Schöpf  211,  nach  dem  datum  Gregori  benannt; 
vgl.  wenn  an  Gregori  der  biswind  gät,  so  gät-er  40  tag 
lang  nach  enand  Staub-Tobler  2,  723;  lebt  in  gregori- 
wind  umgedeutet  die  ältere  bezeichnung  des  nordosttvindes 
grego  (Osw.  v.  Wolkenstein  17,  28  Schatz;  aus  ital. 
greco)  fort? 

2)  nd.,  auch  md.  ist  Gregorius  mehr  oder  iceniger  be- 
wuszte  Verdrehung  von  chirurgus ;  Gregur  heilgehülfe 
Berghaus  1,  608'';  vgl.  Schütze  holst.  2,  66;  Hertel 
thür.  109;  Jecht  mansfeld.  44'';  Jäschke  lat.-roman. 
fremdwb.  der  schles.  ma.  55. 

GREIBE,  adj.,  scharf,  herbe,  säuerlich;  hess.  xcort: 

iezö  hete  sih  behaft 

under  in  beidersit 

der  clebere  unde  der  greibe  nit 

Pilatus  370  {zs.  f.  d.  ph.  8,  282) ; 

der  spinat  schmeckt  greibe  Vilmar  136;  vgl.  kreubeere 
preiszelbeere  Pritzel-Jessen  425*? 

GREIBENSCHINDER,  s.  griebenschinder. 

GREIDELN,  s.  greiteln. 

GREIDENSTEIN,  m.,  kreide: 

schmierst  du  gleich  salben  an  und  scharfen  greidenstein 

grosze  klunkermutz  (1671)  vorrede, 

übersetzt  psilothro  viret  aut  acida  latet  oblita  creta 
Mart.    6,  93,  9. 

GREIDIG,  adj.,  von  ansehnlicher  gestalt,  hoch,  schlank: 
eine  greidige  tanne,  ein  greidiges  mädchen  Frischbier 

I,  251'^. 

GREIF,  m,.f,  wachsthum,  gedeihen,  grünen;  fries.  als 
greie,  greue,  groie,  grei'  Doornkaat-Koolman  l,  676''; 
Berghaus  1,  608'';  nl.  groci,  m.;  auch  nd.,  denn  hier- 
her musz  das  in  der  gegend  von  Berlin  erscheinende  grei 
gehören,  womit  alle  kleinen  fische  bezeichnet  werden,  die 
noch  nicht  grosz  genug  zum  verspeisen  sind,  z.  b.  der 
plötzen-grei ,  karpfen-grei ;  nach  Franck2  216'>  junges 
wort;  vgl.  greien. 

GREIEN,  vb.,  grünen,  wachsen,  gedeihen;  fries.  mit 
den  nebenformen  greüen,  groien  Doornkaat-Koolman 
1,676'';  Berghaus  1,608'';  nl.  groeien;  dazu  greisam, 
adj.  Doornkaat-Koolman  1,  677'';  greiwurm  die  made 
der  rinderbremse  ib.;  zur  etymol.  vgl.  grün. 

1  GREIF,  m.,  fabelthier. 

herkunft  und  form. 

1)  wort  und  begriff  wurzeln  im  Orient,  das  griech. 
yqvxp,   gen.  yqvno^  ist  dem  semit.  entlehnt  (vgl.  assyr. 


k'rub  geflügeltes  fabelwesen,  hebr.  kerüb  geflügelter  engel) 
und  steht  ivahrscheinlich  auszer  Zusammenhang  mit  yqvnös 
gekrümmt,  ins  lat.  übernommen  als  gryps,  grypis,  daneben 
grypus.  das  spätlat.  bevorzugt  spirantisierte  formen  mit 
ph  und  flectiert  das  wort  auch  consonantisch  mit  dem 
sziffix  -on;  daher  im  mlat.  die  formen  griphus,  griffus, 
gripho,  griffo  (Diefenbach  270*;  Du  Gange  4,112*""'), 
häufig  auch  griphes,  gripes  u.  ä,  (Diefenbach  gloss. 
270*;  nov.  gloss.  120'';  Graff  4,  319).  demgemäsz  icird 
das  wort  ahd.  sowohl  vocalisch  wie  consonantisch  flec- 
tiert: grif,  acc.  sg.  grif  neben  grifo,  griffo,  crifo,  grife, 
plur.  grifen  Graff  4,  319.  auch  die  romanischen  sprachen 
haben  die  entsprechenden  doppelbildungen,  z.  th.  mit  diffe- 
rencierter  bedeutung :  ital.  grifo,  grifone;  span.  grifo, 
grifön;  frz.  griffen;  provenc.  grifö.  in  der  mlid.  litte- 
ratur  hat  sich  das  sw.  masc.  durchgesetzt;  nur  in  der 
frühzeit  ganz  vereinzelt  stark  (sofern  kein  Schreibfehler 
vorliegt) : 

da  {in  Skythia)  sint  inne  gerife  (:  uor  rifen) 

ged.  d.  11.  u.  12.  jtis.  366, 15  Diemer. 

2)  im  nd.  dagegen  hat  die  starke  form  geherrscht:  eyn 
dels  hebben  ze  (die  menschen)  grypes  houede  Schiller- 
Lübben  2, 148;  vgl.  den  stadtnamen  Gripeswolde.  deswegen 
hat  auch  das  nordgerm.,  das  das  wort  dem,  nd.  entlehnt 
hat,  das  st.  m,asc.:  anord.  gripr,  schwed.  grip,  dän.  grib. 
auch  das  holländ.  besitzt  die  alte  nd.  form  grijp,  TOghel- 
grijp  Dufflaeus  (l599)  I6I*;  dazu  kam  durch  entlehnung 
aus  dem,  frz.  griffoen.  engl,  nur  das  dem  roman.  ent- 
lehnte griffin  (älter  griffon,  gryphon),  doch  altir.  auch  grif. 
das  nd.  kennt  auch  die  formen  mit  schlieszender  Spi- 
rans, die  die  regel  bilden  sollten:  soe  hat  der  Leuiacon 
vier  voesse  mit  klauwen  wie  eyn  %v]]a pilgerfahrt  d.  rit- 
ters  V.  Sarff  137  v.  Groote;  Diefenbach  notiert  atis  einem 
lat.-nd.  vocabular  grife  gloss.  270*;  Berghaus  kennt 
neben  griip  auch  die  formen  griif  und  grypf  Sprachschatz 
1,  612'';  vgl.  auch  dän.  grif  neben  grib.  aber  die  form 
mit  p  herrscht  durchaus  vor  (vgl.  noch  grijp  Diefenbach 
gloss.  270*  aus  der  gemma  gemmarum;  gryp  nov.  gloss. 
120'')  und  erscheint  auch  in  modernen  nd.  maa.  (gr^ip 
Bauer-Collitz  41*).  das  p  erklärt  sich  aus  secundärer 
anlehnung  an  den  verbalstamm  grip-.  auch  im  gebiet 
des  hd.  hat  die  naive  Sprachanschauung  älterer  zeit  das 
tcort  geicisz  stets  mit  greifen  in  Zusammenhang  gebracht; 
so  ist  nach  Stieler  der  greif  avis  quaedam  fabulosa, 
dicta  a  greifen,  quod  uncis  unguibus  praedam  surripiat 
Stammbaum  (i69i)  699.  noch  Adelung  2,  793  und  Hein- 
sius 2,  526*  stehen  auf  demselben  Standpunkt. 

3)  noch  da^  nhd.  läszt  die  ursprüngliche  locale  treii- 
nung  der  starken  und  schwachen  form  erkennen;  denn 
das  st.  masc.  flndet  sich  fast  ausschlieszlich  bei  md.  und 
nd.  autoren:  die  wapen  .  .  .  die  einen  fliegenden  greiff 
.  .  führten  Micraelius  Pommerland  2,  209;  vor  zeiten 
pflegte  man  auf  die  leichensteine  greiffe  ab  zu  bilden 
Ch.  Weise  polit.  redner  (i677)  572;  Anthyrs  bild  .  .  hat 
auf  dem  helme  einen  güldenen  greiff  Lohenstein  Ar- 
minius  (1689/.)  1,  531*; 

es  wacheten  greife  Herder  27,  258 ; 

Säulen  .  .  .  ,  die  in  den  voluten  greife  haben  Nicolai 
reise  d.  Deutschland  i,  152;  die  goldhütenden  ungeheuer, 
die  greife  des  gebirgs  Voss  antisymb.  288; 

vom  hagem  greif  bewacht 

Matthison  sehr.  1,  207; 

die  greife  der  tausend  und  einen  nacht  Gutzkow  säku- 
larbilder  (1846)  1,  237;  GÖTHE  kennt  beide  formen:  Oke- 
anus  auf  dem  greif  47,  341  Weim. ;  es  stehen  zwei  greifen 
an  einem  opfertische  20,  266;  desgleichen  Freiligrath: 

der  herold  aber,  mit  dem  greife 

von  Silber  4,  168 ; 

(der  nekromant,  der)  auf  des  greifen  schwinge 

durch  die  Sahara  fliegt  1,  14. 

obd.  ist  die  starke  form  so  vereinzelt,  dasz  sie  auffällt: 

da  mit  des  griffes  schwayn 
erschuttelt  sin  gefider 
und  lies  sich  güetlich  nyder 
H.  V.  Sachsenheim  Spiegel  {meister  Altswert  198,  38); 

daneben  schwach: 


1  GREIF 


«GREIF 


8 


man  spricht,  in  Indien  dort 

da  sin  griffen  wild  199,  36 ;  vgl.  200,  4 ; 

indifferent  der  griff  197,  l.  li.  23;  198,  30.  bei  Schiller 
braucht  die  starke  form  nicht  bodenwüchsig  obd.  zu  sein : 

zwey  greife  halten  wache  an  der  pforte 

Piccolomini  1577 ; 

mit  dem  19.  jh.  imrd  das  st.  masc.  mehr  und  mehr  zu- 
rückgedrängt, und  die  ursprünglich  obd.  schwache  form 
wird  auch  bei  norddeutschen  Schriftstellern   die  übliche: 

stürzt,  brüder,  gleich  dem  freien  greifen, 
euch  muthig  auf  den  süszen  raub 

Arndt  werke  3, 141 ; 

ich  will  den  greifen,  der  sich  an  mein  herz 
mit  seinen  klauen  hängt,  besiegen 

TiECK  Schriften  1,  46 ; 

im  säum  {des  gewandes)  .  .  sind  nach  hrn  Schulz  greifen 
zu  erkennen  Ed.  Gerhard  akad.  dbhandl.  l,  96;  auf 
einem  greifen  Raabe  Abu  Telfan  2,  19. 

4)  das  endungs-e  der  schw.  form,  erscheint  nhd.  nicht 
häufig,  aber  noch  recht  spät: 

wie  seltzam  füsse  hat  denn  er, 
gleich  schier  als  er  ein  greiffe  wer 

Chryseus  hoffteuf el  d  7^; 

der  greife,  der  greife 

must  auf  der  hochzeit  pfeifen 

Uhland  h.-  u.  nd.  volksl.  36 

nicht  mehr  regte  sich  der  greife 

TiECK  Schriften  1, 117 

tüie  lange  die  form  greife  lebendig  blieb,  geht  daraus  her 
vor,  dasz  noch  H.  Braun  wb.  126''  sie  ausdrücklich  zu 
rückweist,  obd.  erscheint  gelegentlich  das  -en  der  obliquen 
casus  auch  im  nom.:  ein  greiffen  See.  Franck  {s,  u. 
sp.  8,  2).  in  Basel  heiszt  das  alte  local  einer  ehrengesell- 
sehaft  nach  ihrem  wappenthier  der  grifen,  zum  grifen 
Staub-Tobler  2,  709;  hier  könnte  ein  erstarrter  dat. 
zum  nom.  getvorden  sein. 

5)  der  stammsilbenvocat  zeigt  die  dialectgemäszen  Schwan- 
kungen; im  alem.  des  16.  jhs.  das  alte  i: 

volck  aller  handt 
grülich  als  gryffen  merck  mich  recht 

Gen  GENBACH  83; 
Vögel  mit  oren,  so  von  irem  krumben  schnabel  gryffen 
genennt  werdend  C.  Gesner  vogelb.  LXVIIP;  storcken, 
falcken,  gyren  und  gryffen  Judas  Nazarei  62  neudr.,- 
bair.  gelegentlich  mit  gerundetem  vocal: 

ich  psorg  des  greuffen  trueg  und  list 

H.  Sachs  22,  548, 18  Keller-Götze  ; 
böhmisch  (f)  grief  =  grephes  lat.-deutsches  vocabular  17" 
Schröer  (anfang  15.  jh.). 

6)  nicht  ganz  selten  ist  die  latinisierte  form  gryph: 
den  vogel  Phoenix,  Gryph,  Harpyesche  raub  vogel  halte 
ich  für  gedichte  Comenius  ianua  (i638)  cap.  162  (im  in- 
dex: der  vogel  greiff);  es  ist  so  viel  als  arabesco,  gro- 
teskes, arabeskes  laubwerk,  in  dergleichen  dort  beim 
Manilli  gryphe  geflochten  waren  Lessing  ll,  337  Lach- 
mann (1839);  dieselbe  form  nach  Sanders  1,  622''  bei 
Nicolai  ;  gelegentlich  wird  wenigstens  die  Schreibung  durch 
das  lat.  bestimmt: 

man  hat  dem  Plinius  nicht  gerne  wollen  glauben, 
dass  greiphe  sind,  die  gold  aus  tiefer  erde  rauben 

Logau  37  Eitner. 

7)  vereinzelt  findet  sich  eine  dem,  part.  praes.  von  grifen 
entsprechende  form,:  was  man  des  hordes  nuisset,  dar 
uf  die  griffenden  wonende  sint  Scherz-Oberlin  670. 

bedeutung  und  gebrauch. 

l)  die  mittelalterlichen  Vorstellungen  vom  greifen: 
swarz  was  ime  {Alexander)  daz  ander  (äuge), 
näh  einem  grifen  getan  Straszb.  Alexander  165 ; 

wer  könde  gr6z  wunder  grözer  grifen 
mit  kleinen  worten  wol  begrlfen,  ,  . 
daz  zwene  künige  offenbar, 
binden  lewen,  vom  adelar, 
gemischet  sint  in  einer  hiute 

H.  V.  Trimberg  renner  19497  Ehrismann; 

der  vogel  (sc.  greif)  ist  vierfüezig  und  ist  dem  adlarn 
gleich  an  dem  haupt  und  an  den  flügeln,  iedoch  ist  er 
verr  groezer.  daz  ander  tail  seines  leibes  ist  ainem 
lewen  geleich,    und  wont  auf  den  pergen,  die  da  haizent 


hyperborei  K.  v.  Megenberg  buch  d.  natur  190,  2;  de 
ghryp,  de  is  vor  eyn  arne  unde  achter  eyn  louwe 
Schiller-Lübben  2,  148  aus  Loccumer  bibl.  erzähl.;  die 
anschauung  ist  also  nicht  fest;  neben  der  antiken  Vor- 
stellung eines  löwenleibes  mit  flügeln  und  vogelkopf  (vgl. 
Furtwängler  in  -Roschers  mytholog.  lex.  i,  ili^ff.) 
entmckelt  sich  frühzeitig  das  bild,  das  in  der  heraldik 
fest  geworden  ist:  ein  thier,  dessen  ganzer  vorderleib  ein- 
schlieszlich  der  Vorderbeine  vogelartig  gestaltet  ist; 

smaracde  sint  in  Cithia  (Scythien); 

die  grifen  wonent  euch  da, 

die  der  gimmen  hüten 

H.  V.  Hesler  apoc.  21646; 
es  schreiben  auch  vil  von  dem  greiffen,  den  man  in 
India  soll  finden  Seb.  Münster  cosmogr.  1156;  dasz  in 
morenland  vögel  mit  oren,  so  von  irem  krumben  schna- 
bel gryffen  genennt  werdend,  wonind,  halt  Plinius  für 
ein  fabel  G.  Gesner  vogelbuch  is**; 

erstlich  nennt  die  Arimaspos, 
welche  haben  ein  aug  sehr  gross 
mitten  an  irer  stiren  breyt, 
sie  haben  mit  den  greiffen  streyt, 
die  das  golt  aus  den  bergen  holn 

H.  Sachs  14,  201  Keller-Oötze; 

all  das  ist  schon  antike  fabelet;  vgl.  Paulys  realencycl. 

d.  klass.  alterthum,s  7,  1902 jf. 

2)  gern  m,it  anderen  Ungeheuern  zusammengestellt,  na- 
mentlich im  mittelalter: 

er  (Achilles)  hat  die  kraft  an  sich  genomen, 

daz  er  mit  tracken  stritet, 

kein  grtfe  sin  erbltet 

noch  kein  löuwe  noch  kein  her 

K.  V.  Würzburg  troj.  13578;  vgl.  14334; 
ausserhalben  desz  landes  zil 
ist  greyffen  und  tracken  vil 

H.  V.  Neustadt  Apollonius  10949; 

da  waren  auch  köstliche  opfer  käntlin,  etlich  gemacht 
wie  ein  löwe,  etlich  wie  ein  drack,  etlich  wie  ein 
greiffen  Seb.  Franck  Germ,  chron.  I7i;  es  liesz  sich 
sehen  als  wann  ob  dem  circkel  ein  greiff  oder  drach 
schwebet  volksb.  von  dr.  Faust  14  neudr.;  Rom  were 
das  rechte  Babylon  .  .  .  und  die  officialen  oder  hof- 
diener  des  römischen  hofes  weren  teufelische  harpeyen, 
raubvögel  oder  greiffen  Fisch art  binenkorb  4:^ ; 

die  undurchdringlichen  forste, 
der  drachen  und  greifen  horste 

Rückert  12,  46; 

vereinzelt  wird  drache  und  greif  gleichgesetzt: 

ir  (Heichen)  troumte  wie  ein  wilder  tracke  waere 

gevlogen  also  balde 
durch  ir  kemenäten  dach, 
und  nam  ir  mit  gewalde  .  .  . 
owe !  ir  liebe  süne  beide. 
er  vuort  si  hin  üf  eine  breite  beide. 

si  hete  in  ir  goume 
waz  den  kinden  geschach. 
si  sach  in  ir  troume, 
daz  si  der  grife  zebrach  Babenschlacht  125,  4; 

jünger  ist  die  Zusammenstellung  mit  dem  adler: 

der  adler  aber  wie  ein  greiff 

die  schlangen  fasset  grimmig  steiff 

Spreng  Aneis  237"; 

da  wir  doch  weder  adler  noch  greiffen  sind  Mosche- 
rosch  gesichte  25;  wenn  der  römische  adler  seine  flügel 
aus  Europa  strecket,  so  vermögen  die  asischen  und 
africanischen  greiffen  nicht  sicher  für  ihme  sein  Prä- 
TORIUS  catastrophe  muhammetica  180; 

ein  adler  schwebt  im  himmelhohen, 
ein  greif  ihm  nach  mit  wildem  drohen 

GÖTHE  15 »,  271  Weim. 

3)  während  das  mittelalter  den  greifen  nur  als  loildes 
raubthier  kennt,  wie  ihn  namentlich  die  sagen  von  her- 
zog Ernst  und  von  Alexander  schildern  (vgl.  über  die 
mittelalterl.  greifensagen  Bartsch  herzog  Ernst  CLllff.), 
erscheint  er  seit  der  zeit  des  classicismus  auch  in  ande- 
ren functionen,  die  unmittelbar  aus  antiker  kunst  ge- 
schöpft sind :  ihr  (Apollos  leier)  horcht  der  schwan,  oder 
greif  zu  seinen  füszen  Herder  17,  355;  ein  wagen,  von 
zwei  greifen  gezogen,  deren  einer  vor  sich  hin,  der 
andre  rück-  und  aufwärts  blickte  23,  19;  bei  der  'ele- 
ganten Zeitung'  schlug  er  vor,  den  hüben,  der  die  greifen 
zügelt  (auf  der  Vignette),  umzukehren  Göthe  gespräche 


I 


9 


1  GREIF 


2  GREIF 


10 


1,  255;  der  Tieckische  Apollo  auf  seinem  von  greifen 
gezogenen  wagen  Hegel  10  2,  mo;  greifen  und  rosse  zu- 
sammenspannen, wird  sich  immer  schlimm  verlohnen 
GuTZKOViT  ges.  werke  12,  164  (jungentur  iam  grypes  equis 
Vergil  bucol.  ed.  8,  27). 

4)  ebenfalls  zur  zeit   des   classieismus   wird   auch   der 
pegasus,  der  hippogryph,  bisweilen  greif  genannt: 

unwillig  steigt  der  greif         Schillek  11,  21 ; 
es  war  ein  groszer  Zuwachs  seiner  schmerzen, 
dasz  er  nunmehr  den  greifen  auch  vermiszt 

A.  W.  Schlegel  Athenäum  2,  263; 

vgl. 

ein  greif  erzeugt's  {das  flügelpferd)  mit  einem   mutterpferd 
Gries  Ariostos  ras.  Roland  1,  91 ; 

die  alten  sagen   vom  greifenritt   mögen   die  bedeutungs- 

übertragung  erleichtert  haben: 

ich  für  vil  tougenlichen 

da  her  uf  ewem  griffen         j.  Titurel  4792; 

es  glaubt  ihnen  niemand  mehr,  dasz  sie  auf  einem 
greifen  oder  dem  vogel  Roch  nach  Nippenburg  geritten 
seien  W.  Raabe  Abu  Telfan  2,  19. 

5)  zu   bildern  und  vergleichen   dienen  namentlich  die 
klauen  des  greifen: 

ouch  het  der  vil  unsüeze  {der  drache) 
als  ein  grife  füeze  Wigalois  132,  3  Pfeiffer; 

als  ein  grffe  het  si  {das  weibsbild)  klä 
an  den  vingem  allen  163, 13 ; 

scherpfer,  dann  seind  desz  greiffen  klawen 

"Wickram  8, 189  Bolte-Scheel 
{nach  Albr.  v.  Halberstadt); 

so  wenig  das  kind  klauen,  wie  ein  greif,  und  eine 
löwenmähne  hat:  so  wenig  kann  es,  wie  greif  und 
löwe,  denken  Herder  5,  82 ;  für  das  mittelalter  war  der 
greif  Symbol  des  geizes  (vgl.  Roethe  Reinm.  v.  Zweier 
anm.  zu  100,  9);  das  wirkt  in  vergleichen  lange  nach: 
wir  beschlossen  eine  fahrt  nach  ihm,  der  wie  ein  ge- 
heimniszvoUer  greif  über  .  .  .  schätzen  waltete  Göthe 
36,  206  Weim.;  da  haust  ein  alter  schwarzer  magier,  ein 
astrologe,  und  brütet  wie  der  greif  über  schätzen  Immer- 
mann 16,  20;  vgl.: 

wer  mit  gott  und  Vaterland  sein  liebstes  nicht  theilt, 

den  erwürget,  der  auf  den  schätzen  verweilt, 

der  hagere  greif  mit  der  hungerkette     Brentano  7,  319 ; 

bildlich  auch  für  personen : 

ach  Sünder,  fliuch,   dir  jaget  nach  ein  grlfe,   ein  freislich 

bilde  {der  teufel) 
Kolmarer  hs.  116,  95  Bartsch ; 

nu  aber  kan  für  den  greiffen  und  lewen  niemand  blei- 
ben, reissen  alle  hendel  zu  sich  Luther  32,  451  Weim.; 
landrauber,  andere  tyrannen,  wahrfälscher,  amptleut, 
kaufleut,  fürkäufer,  Wucherer,  falsche  propheten  .  .  . 
dise  greiffen  müssen  sein,  und  sind  gottes  geissei  und 
rüt  schöne  weise  klugreden  (1548)  106*;  vom  Vormund 
eines  mädchens: 

der  schätz  . .  ,  da  ihn  bei  tag  und  nacht 
ein  alter  greif,  der  selten  schläft,  bewacht 

Wieland  nach  Sanders  1,  622i>; 

lothr.  ist  greif  verächtliche  bezeichnung  für  eine  grosze, 
magere  person  Follmann  214^  {offenbar  nach  der  heral- 
dischen gestalt  des  thieres);  sprichwörtlich: 

bei  hofe  weisz  ein  greif  zur  taube  sich  zu  machen 

Lohenstein  hyaeinthen  70; 
die  fabel  kehrt  sich  um. 
Apollo  flieht,  und  Daphne  setzt  ihm  nach, 
die  taube  jagt  den  greif;  die  sanfte  hindin 
stürzt  auf  den  tiger  sich  Shakespeare  1,  207. 

6)  eine  grosze   rolle  spielt   der  greif  in  der  heraldik: 

gelicher  baniere 

man  gein  im  fuorte  viere,  .  . 

an  ieslicher  eins  grifen  zagel        Parz.  72,  21; 

.  .  ainen  schwartzen  greyffen, 

von  rotem  golde  was  das  velt 

H.  V.  Neustadt  Apoll.  17928; 
der  kunig  fürt  den  greyffen: 
so  fürt  ener  den  dracken  18852; 

den  Schild  ziert  ein  goldner  greif  Klinger  werke  4,  18; 
da  steckte  er  die  grosze  herrschaftsfahne  mit  dem 
springenden  greifen  auf  den  wimperg  der  bürg  G.  Kel- 
ler 6,  225;  auf  dem  heim  stund  ein  greif  mit  offenem 
rächen  Bugholtz  Herkuliskus  24;   des  Anthyrs  bild  .  . 


hat  auf  dem  helme  einen  güldenen  greiff  Lohen  stein 
Arminius  531*;  die  heraldische  bedeutung  ist:  weiszheit, 
geschwind  und  tapfer  zugleich,  aufmercksamer  rath 
Schumacher  wapen-kunst  61;  vgl.  welche  (sc.  schilder- 
bilder)  keiner  nicht  verstund,  er  verstund  dann  auch 
die  natur,  kraft  und  eygenschaft  der  vorfigurirten  .  .  . 
natürlichen  sachen.  als  der  helfant  ein  keyser:  ein 
grosz  ohr  ein  weyser  .  .  greiff  Schnelligkeit  Fisghart 
geschichtklitt.  188/9  neudr.;  von  einem  orden:  den  gelben 
greifen  umgehangen  Pügkler  nach  Sanders  l,  622*; 
häufig  als  münzzeichen,  vgl.  Halke  117;  'der  greif  war 
das  wappenbild  des  .  .  pommerschen  fürstenhauses.  die 
fürsten  nannten  sich  selbst  nach  demselben  de  gripen, 
^oie  aus  vielen  Urkunden  erhellt,  de  under  den  grypfen 
beseeten  sint  heiszt  es  u.  a.  in  dem  der  stadt  Olden- 
Stettin  .  .  1449  ertheilten  Privilegium'  Berghaus  l,  613. 
aus  der  heraldik  ist  der  greif  seit  dem,  12.  jh.  in  die 
ortsnamengebung  eingedrungen;  obd.  und  md.  meist 
bürgen :  Greifenstein  an  der  Donau,  bei  Zabern,  auf  dem 
Eichsfeld  u.  ö.,  nd.  städte:  Greifswald,  Greifenberg, 
Greifenhagen. 

7)  in  der  magie  und  alchymie:  dann  oft  bedeut  .  .  . 
ein  königin,  oder  greiff,  den  planeten  Lunam,  oder  das 
metall  silber  Paracelsus  opera  2,  304  b;  greiff  ist  bey 
den  alchymisten  ein  sehr  starckes  allgemeines  men- 
struum,  welches  alle  cörper  auflösen,  sonderlich  aber 
das  gold  ihrer  liebhaber  in  ein  nil,  nihil,  und  nihilum, 
oder  in  ein  pures  nichts  verwandeln  kan  Chomel  öcon. 
u.  physic.  lex.  4,  1339. 

8)  in  jüngerer  zeit  dient  greif  auch  als  ornithologische 
bezeichnung;  nach  Adelung  2,  793  bei  neueren  Schrift- 
stellern ebenso  vrie  greifgeier  für  den  condor;  desgl.  bei 
Heinsius  2,  526*  und  Sanders  i,  622^;  vgl.:  ob  übri- 
gens Ludolffs  muthmassung  zutreffe,  dasz  der  alten  greiff 
unser  casuarius  sey  .  .  ,  stellet  man  dahin  Chomel  öcon. 
u.  physic.  lex.  4,  1339.  merkicürdig  ist  die  vermengung 
mit  der  giraffe :  geyraff  quasi  geiziger,  gieriger  raff,  der, 
camelopardalis,  .  .  .  alii  exponunt  camelopardalim,  den 
vogel  greif  Stieler  1479;  greif  .  .  ,  gryps,  gryphus,  ca- 
melopardalis Steinbach  l,  637. 

9)  vogel  greif  scheint  erst  seit  dem,  16.  jh.  vorzukom- 
men; hier  bleibt  greif  als  eigenname  stets  unflectiert:  vo- 
ghel-grijp  Dufflaeus  (1599)  161";  der  vogel  greiff  Co- 
MENius  janua  (1638)  im  index;  wie  etwan  von  dem 
schwanen-gesange  also  redet  der  Libarius  .  .  vom  vogel 
greyf  J  Prätorius  winter  flucht  21;  metallspiegel  aus 
Silber  mit  der  getriebenen  figur  des  vogel  greif  Ritter 
erdkunde  8,  330 ;  dann  schau  dich  um  und  du  siehst  den 
vogel  greif  am  rothen  meer  sitzen  Grimm  kinder-  u. 
hausmärchen  2,  12;  der  geyer  wird  sich  mit  der  hyäne 
paaren,  und  madame  Mollia  wird  den  vogel  greif  be- 
sitzen Holtei  2,  158; 

flügelschläge  hört  er  schallen, 
rauschen  langen  federschweif, 
und  er  ruht  in  eisenkrallen, 
und  ihn  trägt  der  vogel  greif 

JuL.  MosEN  werke  1,  233. 

auch  auf  menschen  übertragen  {vgl.  oben  5) :  das  ist  ein 
rechter  vogel  greif  heiszt  es  von  einem  diebischen  koch 
theater  der  Deutschen  13,  520;  dat  es  en  rechten  vuagel- 
grip  loird  von  kleinen  kindern  gesagt,  die  nach  allem 
greifen  Wo  ESTE  85'*;  auch  das  waldeckische  kennt  den 
viugel  griep  Bauer-Collitz  220*;  'vagel  grip'  titel  einer 
gedichtsammlung  von  J.  Bringkmann. 

2  GREIF,  m.  1)  dreizinkige  mist-,  seltener  heugabel 
Follmann  lothr.  214^;  greef  Gangler  luxemb.  187;  wb. 
d.  luxemb.  ma.  (1906)  152*;  auch  in  der  Eifel  Martin- 
Lienhart  1,  270*;  das  ausschleifen  des  mistes  aus  dem 
stalle  geschieht . .  mit  dem  greif  (misthaken)  Schwerz 
prakt.  ackerbau  (1882)  77;  vgl.  creagra  eyn  greiff  Diefen- 
bagh  155°  (vocab.  aus  Mainz,  1414);  dagegen  elsäss.,  hess. 
greife,  nd.  grepe  /.  in  derselben  bedeutung:  greif  Mar- 
tin-Lienhart  1,  270*;  greipe  Vilmar  136;  greif  (greift) 
Westerwald,  greipe  nördl.  Kurhessen,  grSwe  Battenberg 
Grecelius  1,435;  greipe  Bauer-Collitz  40*;  graipe 
Woeste  84*;  grepe  Sghambach  68*;   greep  Berghaus 


11 


3GREIF  — GREIF- 


GREIFAN 


12 


I,  608;  vgl.  creagra  en  grepe  vel  en  gaffele  myt  dren 
tacken  Diefenbagh  155";  greef,  m.,  auch  für  einen 
wächsernen  dreizach  im  liturg.  gebrauch  Gangler  luxemb. 
147. 

2)  hie  und  da  erscheint  greif  an  stellen,  wo  griff  ge- 
wöhnlich ist  {vgl.  unten  greifel  für  griffel):  der  greiff 
COMENIUS  sprachentür  (l638)  index,  aber  an  der  entspr. 
textstelle:  mit  dem  gabelehen  (welches  du  bey  der  scha- 
len [dem  griff]   halten  solt)  cap.  558; 

er  brachte  hier,  toback,  zwo  karten,  und  vier  pfeifen, 
und  ein  kostbares  stück,  ein  paszglas  mit  zween  greifen 

Zachariä  poet.  sehr.  1,  21; 

vom  edelwild  köpf  und  hals  .  .  vom  Schwarzwild  die 
greif  Schwappach  hdb.  d.  forst-  u.  jagdgeseh.  2,  640  {vgl. 
griff  klaue). 

3  GREIF,  substantivierter  imper. 

1)  kinderspiel :  ich  .  .  hätte  .  .  noch  lust,  hier  .  .  wie 
ein  bengel  zu  jauchzen,  zu  jodeln,  'greif  (haschemann) 
zu  spielen  Bog.  Goltz  ein  jugendleben  3,  252;  sie  spiel- 
ten dann  greif  oder  haschemännchen  miteinander  Storm 
ges.  sehr.  (1868^.)  8,  163;  pretisz.  greifchen  Frischbier 

1,  252». 

2)  auch  der  offenbar  uralte,  bis  heute  beliebte  hunde- 
name  Greif  wird  urspr.  imperativ  sein  {vgl.  Greifan, 
Packan,  Rasp  in  dem  folg.  beleg),  wenn  der  name  auch 
bisweilen  nach  dem  gleichlautenden  greif  gryphus  umge- 
deutet sein  mag: 

in  witem  umbesweife 

liuf  Erg  unde  Greife 

Rasp  unde  Gite 

{vermuthlich :  umbesweif  :  Grif) 

Seifr.  Helbling  4,434; 
der  Schäfer  bald  vergiszt  das  pfeiffen, 
ruft  seinem  Strom,  Trostrein  und  Greiffen 

B.  Waldis  Esopus  2,  249  Kurz; 
der  dorfhund.  Greif,  hat  es  getan 

LiCHTWER  äsop.  fabeln  (1748)  140; 

gewisz,  lieber  Greif,  du  wirst  nicht  zu  kurz  kommen! 
du  braver  hund  Hippel  kreuz-  u.  querzüge  l,  555;  vgl. 
greif,  greyp,  gryphond  harpalus  Diefenbagh-Wülcker 
634. 

3)  satir.  als  eigenname: 

darumb  so  stot  hye  doctor  Gryff, 
der  ist  eyn  gelert  und  witzig  man, 
er  grift  eym  yeden  die  oren  an 

Brant  narrcnsch.  76,  72. 

GREIF-  als  verbales  compositionsglied  ist  besonders  für 
die  spräche  der  Zoologie  fruchtbar  geworden,  theils  in  be- 
nennungen,  theils  in  gelegenheitsbildungen :  greif  äffe, 
m,.,  gattung  der  amerikanischen  äffen  oder  breitnasen 
{nach  dem  zum  greifen  geschickten  schwänz)  Oken  allg. 
naturgesch.  7,  1730.  —  greifarm,  m.:  ihre  {der  tinten- 
fische)  arme  sind  mittelmäszig  lang,  nur  die  greifarme 
sind  länger  Brehm  thierl.  10,  276  Pechuel- Lösche.  — 
greifbein,  n. :  auch  bei  den  raubinsekten  .  .  kommen 
.  .  greifbeine  vor  Brehm  10,  57.  —  greifbewegung, 
/..•  durch  diese  greifbewegungen  der  zungenzähne  wer- 
den {von  den  bauchfüszern)  beutetiere  gefangen  ib.  — 
greif extremität,  /.;  ein  greiffusz  ist  eben  eine 
greifextremität,  d.  h.  eine  band  Baer  reden  u.  versch. 
aufsätze  2,  313.  —  greiffalke,  s.  an  alphab.  stelle.  — 
greiffuszhüpf  er,  m.,  hypsiprym,nodon  moschatus,  zur 
familie  der  beutelthiere  gehörig  Brehm  3,  665.  —  greif- 
geier,  gypaetus  barbatus  Cuvier  Naumann  naturgesch. 
d.  Vögel  i,  180,  also  =  lämmergeier,  vgl.  Brehm  6,  415; 
früher  auch  =  kondor  Heinsius  2,526^;  Hübner  zei- 
tungslex.  31 2,  83*;  nach  Heinsius  2,  526»  bei  einigen  auch 
für  den  greifen;  bildlich:  aber  in  unsere  mittlere  stände, 
auf  unsere  lämmer  schieszet,  ihr  greif-  und  lämmer- 
geier, nicht  herab  Jean  Paul  l,  297  Sempel;  die  grösze 
dieser  zentimanen  der  Völker  und  greifgeier  der  weit 
{sc.  der  Römer)  35,  60;  vgl.  45 — 47,  385;  dazu  greifgeier- 
klaue,  /. ;  die  ganze  Wappenkunde  .  .  mit  tiger-,  löwen- 
.  .  .  tatzen,  dann  mit  adler-,  falken-,  greifgeier-klauen 
49 — 51,  293.  —  greifklaue,  /.,  Waue  der  raubvögel 
Heinsius  2,527».  —  greiforgan,  n.:  so  wird  er  {der 
fusz  des  gorillas)  doch  eben  dadurch  zu  einem  greif- 
organ VKSCHKt.  Völkerkunde  i.  —  greifschnabel,  m.; 


{der  schan  sichert  sich  in  einem  stein  vor  feindlichen 
fischen)  mit  ausnähme  der  scharben,  deren  .  .  .  greif- 
schnabel ihn  .  .  .  hervorzuziehen  weisz  Brehm  8,  151; 
dagegen  ist  das  wort  in  dem,  sinne  'werkzeug  der  Wund- 
ärzte, gemsenfusz'  mit  greif  gryphus  componiert;  vgl. 
greif enschnabel.  —  greifschwanz,  m,.,  bei  äffen  Oken 
allg.  naturgesch.  7,1730;  Brehm  1,57.  —  greifstach- 
le r ,  m.,  cercolabes  prehensibilis,  zur  familie  der  Stachel- 
schweine gehörig,  nach  dem  kletterschwanz  benanntBREHM 
2,575.  —  greifwerkzeug,  n.:  der  rüssel  des  elefanten 
ist  ein  greifwerkzeug  l,  5.  —  greifzelle,  /..-  wie  ver- 
wertet nun  .  .  die  ctenophore  {rippenqualle)  ihre  greif- 
zellen  10,  545.  im,  selben  sinne  auch  in  der  spräche  der 
gewerke:  greifanker,  m.,  dient  dazu,  kabel  vom  meeres- 
gründe   aufzuheben  Blasghke   wb.   d.   elektrotechnik  56. 

—  greifcylinder,  m.,  Muspratt  chemie  7,  932.  — 
greifmechanismus,  m.,  an  torfmaschinen  4,410.  — 
greifzirkel,  m.,  zirkel  m,it  gebogenen  schenkein,  um 
damit  breite  oder  dicke  eines  gegenständes  zu  tnessen, 
namentlich  im  gebrauch  von  tischlern  und  drechslern: 
wird  der  diameter  der  abgewogenen  kugel  mit  einem 
greiff-circul  gefast  Gruber  mathem.  friedens-  u.  kriegs- 
schillern;  vgl.  Jacobsson  2, 149*^;  Blasghke 56;  Unger- 
Khull  306»;  bei  Ghomel  öcon.  u.  physic.  lex.  4,  1339 
m,it  dem,  taster  (s.  d.)  identifidert,  bei  Beil  l,  261  mit 
dem,  dickzirkel,  vgl.  th.  2,  1084.  selten  hat  greif-  passiven 
sinn :  was  oder  worauf  gegriffen  wird :  greifbrett,  n., 
brett  am  hals  der  violine,  über  dem  die  saiten  liegen  {ge- 
wöhnlich griffbrett) :  alsdann  brauchen  sie  die  finger 
der  lincken  band,  wie  auf  dem  greiff-brett  der  Violinen 
Stranitzky  Ollapatrida  75,  8  neudr.  —  greifholz, 
n.,  die  hölzernen  griffe  an  der  schere  der  tuchscherer 
Jacobsson  2,  149^;  Beil  1,  26l.  alle  anderen  Substantiv- 
composita  sind  bis  auf  einige  bezeichnungen  des  polizisten 
(greifhahn,  -hummer)  gelegenheitsbildungen:  greifbote, 
m.,  häscher:  ich  habe  gesehen,  dasz  sie  {Persephone)  von 
den  Schergen  und  greif -bothen  des  gestrengen  herrn 
Pluto  .  .  erhaschet  worden  Linden born  Diogenes  (1742) 
1,  533.  —  greif  fehler,  m.:  es  gehört  eben  unter  die 
alten  Irrlichter,  welche  diese  vorrede  vertreiben  will, 
dasz  man  druckfehler  heiszt,  was  eigentlich  setzfehler, 
greif-  oder  sehfehler  sind  Jean  Paul  55 — 58,  313  Hempel. 

—  greiffleisch,  n. ;  {der  staat  könnte  durch  wegschnei- 
den fauler  ferien  erreichen)  dasz  er  ein  ordentliches 
groszes  raspel-  und  arbeitshaus  würde  überall  mit 
emsigem    sitz-   und    greiffleisch    ausgepolstert    19,   176. 

—  greifhahn,  m.,  Spottname  für  Zollbeamte:  ihr  sollt 
dank  haben,  herr  greifhahn,  dasz  ihr  nicht  auch  meine 
hosen  habt  durchsuchen  wollen  Holberg  dän.  Schau- 
bühne 4,  3.  —  greifhand,  /. :  besonders  ist  er  {der 
storch)  ein  arger  bienendieb,  die  er  im  grase  .  .  .  zu- 
sammenlieset,  und  wohl  6  bis  8  greifhände  voll  täglich 
erhaschet  Leopold  hdwb.  d.  Ökonomie  503'^.  —  greif- 
hummer,  m.,  in  Hamburg  Spottname  für  die  bettel- 
vögte,  die  die  gassenbettler  zu  greifen  haben  Schütze 
holst.  2,  69.  —  greif knochen,  m.:  bei  gaunern  und 
taschendieben  sind  die  greifknochen  des  rechten  armes 
immer  wunderbar  schön  und  gelenkig  geformt  Gutz- 
Kow^  5,  338.  —  greifschere,/.,  der  Engländer  hatte 
im  eifer  seiner  dissertation  ihn  wie  mit  greifscheren 
festgehalten  Kürnberger  ges.  icerke  4,  240;  es  ist  an 
krebsscheren  zu  denken.  —  greifsucht,/.;  die  hab- 
und  greifsucht  eines  äffen  Jean  Paul  27 — 29,  18  Hempel. 

—  greifzange,  /.:  wenn  man  die  haut  mit  einer 
greifzange  .  .  in  die  höhe  ziehen  würde  Brehm  thierl. 
1,  370  Pechuel -Lösche.  adjectivcomposita  sind  selten: 
greiffähig:  sie  {die  otter)  kennzeichnet  der  .  .  .  nur 
ausnahmsweise  greiffähige  schwänz  Brehm  7,  392.  — 
greiflustig:  er  benutzte  jede  gelegenheit,  sich  der 
strengen  zucht  {seiner  mutter)  zu  entziehen,  und  das 
zwischen  handwerk  und  feldbau  geteilte  schaffen  des 
Städtchens  brachte  dem  greiflustigen  solcher  gelegen- 
heiten  genug  0.  Ludwig  2,  323.  —  greifunfähig: 
kleine  .  .  äffen  mit  schlaffen,  .  .  greifunfähigen  schwän- 
zen Brehm  1,  237. 

GREIFAN,  m.,  ital.  sbirro,  insidiator,  ein  spürer,  aus- 
Späher  Stieler  46;  hundename: 


13 


GREIFBAR 


GREIFBARKEIT  —  GREIFEN 


14 


der  bellende  Greifan, 
ein  Windspiel  Gleim  2,  374 ; 

vgl.  hauptmann  der  gwardi  Jacob  Grifsan   N.  Manuel 

60  Bächtold. 

GREIFBAR,  adj.,  junges  wort;  schon  bei  Kramer 
teutsch-italiän.  (1700)  1,  559''  notiert,  aber  erst  seit  der  zwei- 
ten hälfte  des  IS.jhs.  litterarisch  verbreitet. 

i)  von  den  verschiedenen  bedeutungen  des  verbums  grei- 
fen hat  das  adj.  wesentlich  nur  die  elementare  des  be- 
greifens,  fassens  aufgenommen  und  weiterentivickelt. 

a)  nicht  allein  das  sichtbare  daran,  sondern  das  hör- 
bare, riechbare,  greifbare  .  .  weisz  er  sich  anzueignen 
und  wiederzugeben  Göthe  40,  300  Weim.;  ihre  maierei 
neigt  zu  bildhauerartiger  auffassung,  rund  und  greifbar 
wollen  sie  die  dinge  erscheinen  lassen  Grimm  Michel- 
angelo 2,  62;  andere  frauen  können  .  .  geheime  Schub- 
fächer aufschlieszen  und  mit  einem  schosz  voll  greif- 
barer angedenken  niedersitzen .  W.  Raabe  Abu  Telfan 
1,  190;  gern  im  gegensatz  zum  ideellen:  die  letzten  hand- 
griffe  haben  immer  etwas  geistiges,  wodurch  alles  kör- 
perlich greifbare  eigentlich  belebt  und  zum  unbegreif- 
lichen erhoben  wird  Göthe  II  5  ',  302  Weim.;  was  der 
mensch  hier  {in  London)  nicht  haben  kann,  das  suche 
er  beim  urgroszvater  seeliger,  in  dieser  greifbaren  weit 
nicht  Lichtenberg  briefe  l,  11;  wir  beschäftigen  uns 
mit  der  greifbaren  sinnlichen  weit  Büchner  kraft  u. 
Stoff  (1856)  42;  dem  bis  vor  wenigen  jähren  nur  in  der 
idee  bestehenden  pfefferkuchenhause  greifbar  zu  be- 
gegnen Fontane  I  4,  302;  so  namentlich  greifbare  Wirk- 
lichkeit: dasz  sie  das  ideelle  in  greifbare  Wirklichkeit 
verwandelt  Ludwig  ges.  sehr.  5,  181;  so  dasz  für  uns  die 
weit  des  traumes  auf  das  engste  mit  der  gegenwärtigen 
und   greifbarsten   Wirklichkeit  verbunden  war   Keller 

1,  337. 

b)  die  zugehörigen  substantiva  oder  parallele  adjectiva 
weisen  häufig  auf  den  rein  sinnlicheri  ausgangspunkt  der 
bedeutung  zurück:  mit  neugieriger  liebe  erfaszte  sie  alles 
.  . ,  was  ihrer  wogenden  phantasie  dargeboten  wurde, 
und  sie  bekleidete  es  alsbald  mit  den  sinnlich  greifbaren 
formen  der  Volkstümlichkeit  Keller  l,  63;  in  dem  aus- 
zuge  des  Marsilius  nimmt  alles  etwas  greifbarere  gestalt 
an  Scherer  kl.  sehr.  2,  208;  nicht  lange  darauf  verlieh 
Ndega  seiner  freude  über  unser  kommen  greifbare  ge- 
stalt, indem  er  uns  .  .  körbe  mit  höhnen  überbringen 
liesz  Götzen  durch  Afrika  84;  dasz  man  dasjenige  auf 
ein  einfaches  sichtbares  und  gleichsam  greifbares  gesetz 
reduciren  soll,  was  in  der  natur  sich  ewig  verändert 
Göthe  II  6, 318  Weim.;  der  richter  unter  der  linde  spricht 
nur  über  ruchbare  und  greifbare  that  G.  Freytag  9,  300; 
wenn  gegenwärtig  das  übel  sich  ohne  greifbare,  fasz- 
bare  äuszerlichkeiten  fortspann  W.  Raabe  hungerpastor 

2,  207;  nicht  die  greif-  und  meszbare  summe  dessen,  was 
ein  mensch  leistet,  ist  das  masz  seines  werths  Justi 
Winckelmann  l,  373;  aber  die  mehrheit  .  .  ist  die  einzige 
wirkliche  und  notwendige  macht  im  lande,  so  greifbar 
und  fühlbar,  wie  die  körperliche  natur  Keller  3,  247; 
aber  auch  schon  früh  ohne  solche  hinweise  auf  den  sinn- 
lichen kern  des  adj.  neben  reinen  abstr actis:  sie  haben 
ein  recht  greifbares  argument  Arnim  trösteinsamkeit  92; 
doch  tritt  diese  Verwendung  erst  in  jüngerer  zeit  m,ehr  in 
den  vordei-grund :  aber  wie  fein  {urtheilte  er)  doch  auch 
über  die  greifbaren  schädlichen  Wirkungen  des  katholi- 
cismus  Gervinus  gesch.  d.  detitschen  dichtung  5,  274; 
die  kaiserwürde  gewährte  ihm  keinen  unmittelbar  greif- 
baren Zuwachs  an  macht  Döllinger  akad.  vortrage 
1,46;  das  frühere  vage  heldenideal  ward  greifbar  Sgherer 
lit.  gesch.  '  23 ;  er  .  .  verlangt  aber  auch  zuweilen  unge- 
duldig eher  greifbare  ergebnisse,  als  .  .  Prutz  preusz. 
gesch.  3,  52;  anders:  in  welchem  grade  Mozart  {in  der 
zauberflöte)  Situationen  wie  personen  lebendig  und  in 
greifbarer  anschaulichkeit  hingestellt  hat  Jahn  Mozart 
4,  670;  er  sah  die  heimat  vor  sich  mit  greifbarer  deut- 
lichkeit  Polenz  Orabenhäger  2,  66. 

c)  ebenfalls  erst  in  jüngerer  zeit  gewinnt  das  adverbiale 
greifbar  ausbreitung;  hier  icird  das  verblassen  der  ur- 
sprünglichen sinnlichen   bedeutung  am  fühlbarsten :   ab- 


gesehen von  der  tendenz,  die  in  herrn  dr.  0.  Jägers  ge- 
schichte  der  jähre  1848  und  1849  .  .  so  offen  und  greifbar 
zu  tage  tritt  briefe  von  u.  an  Herwegh  835 ;  nicht  minder 
bewundernswert  tritt  uns  hier  seine  technische  meister- 
schaft  entgegen,  in  mancher  beziehung  sogar  greifbarer 
als  anderswo  Jahn  Mozart  4,549;  indem  es  uns  in  sei- 
nen Sprüchen,  liedern,  sagen  und  sitten  genau  und  greif- 
bar Urkunde  gibt  über  viele  seiner  innersten  gedanken 
RiEHL  deutsche  arbeit  111;  die  stamme  sind  greifbar 
noch  heute  da:  die  spräche  zeigt  es  Lagarde  deutsche 
sehr.  10;  {Haupt  hat)  dieses  problem  erst  recht  deutlich 
und  greifbar  hingestellt  Scherer  kl.  sehr,  l,  121;  die 
von  ihm  gegründeten  Volksschulen  Litauens  zeigen  ihm 
das  {dasz  Friedrich  Wilhelm  I.  Preuszens  erzieher  war) 
greifbar  Meinecke  Boyen  l,  67. 

d)  vereinzelt  kehren  im  adj.  gewisse  phrasenhafte  Ver- 
wendungen des  verbums  wieder:  wenn  die  finsternis  sicht- 
bar und  beinahe  greifbar  vor  mir  brütete  Schubart 
leben  u.  gesinnungen  2,  249  {vgl.  greifen  sp.  25);  dasz  wir 
unsere  narrheiten  in  utopische  orte  übersiedeln  müssen, 
die  uns  alle  so  greifbar  nahe  liegen  Gervinus  gesch. 
d.  deutschen  dichtung  5,  627   {vgl.  greifen  sp.  2l). 

2)  nur  sehr  selten  zeigt  sich  in  dem  adj.  eine  speciali- 
sierte  bedeutung  des  verbttms:  etwas  was  sich  fangen, 
rauben  läazt  (vgl.  greifen  sp.  19): 

ein  mädchen  ist's  gewisz: 
ein  schönes  zartes  bildchen.    laszt  uns  sehen, 
ob  es  wohl  greifbar  und  genieszbar  ist? 

Göthe  11,272  Weim.; 

da  waren  sie  {die  kinder)  den  genossen  der  bände,  welche 
greifbares  suchten,  in  die  bände  gefallen  und  der  klei- 
der  entledigt  worden  Freytag  verl.  handschrift  (1905) 
1,  172. 

GREIFBARKEIT,  /. ;  die  färbe  wirkt  .  .  ungleich  sinn- 
licher, als,  trotz  der  greifbarkeit  der  form,  marmor  und 
erz  ViscHER  ästhetik  3,  520;  diese  greifbarkeit  schien 
den  elementen  des  sinnlichen  {den  atomen)  zu  gebühren 
Lange  gesch.  d.  inaterialism,ua  364;  also  aubst.  zu  greif- 
bar l),  *.  d. 

GREIFE,  s.  1  greif  l). 

^GREIFEL,  m,.,  griff el;  vereinzelte  {in  anlehnung  an 
greifen  irrthümlich  diphthongierte?)  bildung:  zweyerley 
schreibtäfelin :  eyns  soll  zimlich  dick  von  schifersteyn 
sein,  mit  eynem  kleynen  greiffei  SEBiz/eWöaw  (1579)  473. 

2GREIFEL,  /.,  preiszelbeere  Grassmann  153;  Schweiz. 
griflen,  grifli  Staub-Tobler  2,  722. 

GREIFELBEERE,  /.,  heidelbeere  Bürgel  öcon.  u.  phys. 
lex.  4,  1339;  vgl.  griffelbeere. 

GREIFELN,  vb.,  Schweiz.,  einen  lärmenden  umzug  ab- 
halten, der  mit  maskerade  und  possenspiel  verbunden 
war  Staub-Tobler  2,  708;  umsonst  eiferten  lange  gegen 
diesen  wilden  taumel  oder  gegen  das  'greifein'  priester 
und  Seelsorger  Zschokke  ausgew.  sehr,  6,  26. 

GREIFEN,  vb.,  capere,  palpare. 

ursprtmg  und  form. 

1)  gemeingerm.  wort:  got.  greipan;  ahd.  grifan,  mhd, 
grifen;  alts.  gripan,  mnd.  gripen;  afries.  gripa,  ofries. 
gripen,  wfries.  gryppjen;  mnl.  gripen,  nnl.  grijpen;  ags. 
gripan,  engl,  gripe;  anord.  gripa,  norw.  schwed.  gripa, 
dä7i.  gribe.  aus  dem  germ.  entlehnt  frz.  gripper  packen, 
griffe  klaue,  griffer  mit  klauen  ergreifen,  lomb.  grippä 
wegschnappen,  au^  einer  idg.  vmrzel  ghrib-,  die  wieder- 
kehrt in  lit.  grSbiü,  grSpti  greifen,  dazu  das  iterat.  grai- 
baü,  graibyti  umhergreifen;  lett.  gribet  verlangen,  wollen, 
griba  tville. 

2)  neben  dem  starken  vb.  besaszen  mehrere  germ.  dialecte 
ein  abgeleitetes  schwaches,  ahd.  greifen,  ags.  gräpian,  anord. 
greipa.  dem,  sinne  nach  toaren  beide  verba  ursprünglich 
anscheinend  in  der  weise  geschieden,  dasz  das  starke  ca- 
pere, fassen,  ergreifen,  das  schwache  palpare,  tasten,  fühlen 
bedeutete,  das  ags.  zeigt  den  unterschied  noch  intact, 
anord.  greipa  die  hände  nach  etwas  ausstrecken,  sich  mit 
etwas  befassen,  hat  schon  die  bedeutung  des  starken  vbs. 
angenommen,  dieselbe  bedeutungsübertragung,  die  sich  im 


15 


GREIFEN 


GREIFEN 


16 


alid.  vollzieht,  in  der  regel  zeigt  dhd.  greifön  zwar  noch 
den  ursprünglichen  sinn;  texte  und  glossen  brauchen  es 
für  palpare,  manu  tentare,  temptare  (Graff  4,  318); 

'ih  bin  iz',  quad  er,   'uuizlt  thäz,  ther  blint  hiar  betolönti 

saz, 
ih  iö  mit  stäbu  nöti  giang  uueges  greifönti 
zi  männoliches  uuenti  Otfrid  3,  20,  38; 

gisehet  mino  henti  inti  fuozi,  thaz  ich  selbo  bin,  greifet 
inti  gisehet  Tat.  230,  5.  aber  fälle  wie  greiphontem 
prensantem  und  die  composita  kihantcreifon  violasse,  er- 
greifota  si  iro  brüste  u.  a.  (Graff  a.  a.  o.)  lassen  eine 
vermengung  mit  grifan  erkennen,  andererseits  greift  auch 
grifan  in  die  bedeutungssphäre  von  greifön  über:  Notker 
gebraucht  regelmäszig  grifen  für  tasten,  fühlen  1,  337,  7. 
339,  27.  359,  17.  436,  2.  ibi,  18  u.  ö.  der  bedeutungsver- 
mengung  tritt  zuweilen  eine  formale  zur  seite:  ich  ge- 
griffen dih  (reprehendam)  Williram  131,  i.  die  aus- 
gleichsbewegung  setzt  sich  im  mhd.  fort,  wesentlich  in 
der  weise,  dasz  greifen  seine  bedeutung  an  grifen  abgibt; 
man  vergleiche: 

sus  gieng  er  allez  enbor 

.und  greifende  mit  henden 

an  müren  unde  an  wenden, 

biz  er  zir  beider  bette  kam  Tristan  13595; 

swer  birget  s6  diu  ougen  sin,  .  . 

der  muoz  grlfende  gän  Barlaam  136,  37; 

wan  unz  dar  so  gangen  wir  als  die  blinden  schlichen  und 
greifen  umb  uns  H.  Seuse  deutsche  sehr.  387,  12  Bihlm^i/er ; 
aber:  gangen  wir  also  die  blinden  slichen  und  griffen 
umb  uns  468,  16.  greifen  tvird  je  später,  je  seltener  {mhd. 
wb.  1,  572*;  Lexer  1,  1077).  der  durch  die  diphthongie- 
rung  von  i  hervorgerufene  zusammenfall  von  grifen  und 
greifen  in  den  präsensformen  beschleunigte  den  unter- 
gang  des  schwachen  vbs.,  und  m,it  dem  14.  jh.  ist  der 
aufsaugungsprozesz  im  wesentlichen  beendet,  wenigstens 
für  die  spräche  der  litteratur.  in  einzelnen  dialeeten  hat 
sich  die  schwache  form,  aber  noch  lange  gehalten;  noch 
ScHUPPius  sagt:  der  artzt  greiffete  nach  des  krancken 
puls  sehr.  769  {also  in  der  urspr.  bedeutung  'fühlen'), 
vielleicht  nach  dem  muster  einer  nd.  form  {auch  das  fries. 
kennt  neben  geivöhnlichem  griip,  griep  ein  prät.  grypte 
Winkler  477*);  7ioch  ende  des  18.  jhs.  weist  H.  Braun 
das  schwache  prät.  zurück:  ich  griff  (nicht  griffe,  noch 
minder  greiffete)  wb.  126''.  auch  alem.:  sy  habend  hend 
und  könnend  nit  greyffen  {manus  habent  et  non  palpa- 
bunt)  Zürcher  bibel  ps.  113  B  {v.  7) ;  noch  in  der  modernen 
ma.  greifen  vom,  betasten  der  hühner,  also  ebenfalls  mit 
bewahrung  des  ursprünglichen  sinnes  Staub-Tobler  2, 
708 ;  in  derselben  bedeutung  häufiger  grifen  ib.  713 ;  auch 
Schöpf  kennt  neben  dem  prät.  griff'  noch  greiffet'  tirol, 
id.  211.  den  ersatz  des  alten  greifön  übernahm  z.  th. 
tasten,  das  um  1200  aufgenommen  wurde,  zu  einer  zeit 
also,  als  greifen  schon  stark  zurückgedrängt  war. 

3)  im  nhd.  findet  sich  der  präsensvocal  i  Schwab,  noch 
ende  des  ib.  jhs.:  gryffen  Stainhöwel  de  dar.  mul.  335 
Drescher;  alem.  herrscht  i  in  den  drucken  des  16.  jhs. 
noch  vor,  z.  b.  bei  Nicl.  Manuel  46,  360;  143,  242;  184,  I4il 
Bächtold;  in  der  ewigen  vÄszheit  betbüchlin  (1518)  25".  142*, 
bei  Judas  Nazarei  31,  37;  34,  6;  41,  35  neudr.;  auch  noch 
bei  Murner  narrenbeschw.  5,119;  215,  80  Oödeke;  bei  Eb.  v. 
GÜNZBURG  erscheinen  beide  formen:  gryffen  1,113;  2,122, 
greyffen  aber  auffälliger  weise  fast  immer  in  der  bedeu- 
tung begreifen,  erkennen:  ir  greiffen  und  befinden,  das 
1,  52  neudr.;  so  man  yetz  greyfft,  wie  1,  204,  ähnlich  3,  78; 
da  die  bedeutung  begreifen  an  tasten  anzuknüpfen  ist, 
könnte  hier  statt  diphthongierter  formen  das  alte  greifön 
vorliegen;  doch  vgl.:  so  greyffent  kecklich  yn  die  klöster 
zins  3,  31.  seit  1600  herrscht  ei,  z.  b.  Stumpf  Schwytzer- 
chron.  312'»  u.  ö.  md.  bis  ins  16.  jh.  griffen  chron.  d.  Wi- 
GAND  Gerstenberg  80  Diemar;  Alsfelder  passionsspiel 
V.  7802  Qrein.  sehr  auffällig  ist  der  alte  vocal  bei  Hars- 
dörffer:  ich  will  diesem  velleisen  meisterlich  den  puls 
grieffen  frauenz.  gesprechsp.  2,  327;  bevor  ich  .  .  ihm  den 
puls  griffen  lasse  5,  86  {gewöhnlich  greiffen  2,  288  u.  ö.), 
anscheinend  also  an  diese  redensart  geknüpft,  hie  und 
da  erscheint  statt  i  im  präs.  ie,  besonders  alem. :  grieffen 
Wickram  2,  ll  BolteScheel;  der  ew.  unszheit  betbüchlin 
(1518)  85»;  auch  md.:  grieffen  Diefenbach  430<=. 


4)  der  vocal  des  sing.  prät.  steht  in  toechseltoirkung  mit 
dem  des  präs.,  insofern  die  dialecte,  die  das  1  des  präs. 
am  festesten  bewahren,  auch  das  ei  des  prät.  am  längsten 
halten,  in  der  regel  sogar  länger  als  den  vocal  des  präs. 
alem.  steht  ei  bis  ins  17.  jh.  hinein  fest,  z.  b.  N.  Manuel 
221,  14  Bächtold;  Wetzel  söhne  Giaffers  21  Mscher-Bolte ; 
regelmäszig  bei  Stumpf  Schwytzerchron.  339^.  369*.  427''; 
die  Straszburger  drucke  des  16.  jhs.  haben  greiff:  Pauli 
schimpf  u.  ernst  220  Österley ;  Arigo  decam.  69,  36.  275,  21 
Keller;  im  17.  jh.  griff  Paracelsus  opera  2,258'';  auch 
rheinfr.  im  16.  jh.  ursprünglich  noch  greiff  E.  Alberus 
loider  Jörg  Witzeln  mammelucken  G  3*;  Scheit  frölich 
heimfart  B  2'';  Amadis  290  Keller;  daneben  griff  Scheit 
Grob.  2258.  4818;  fr  öl.  heimf.  K  2''  {die  herrschende  form); 
Amadis  372  Keller;  buch  d.  liebe  98*  u.  ö.;  herrschend  bei 
Fisch  AKT  flöhatz  169  neudr.;  Eulenspiegel  1306  Hauff en. 
am  längsten,  bis  gegen  ende  des  17.  jhs.,  hält  sich  ei  im 
ostmd.:  Luther  3o1,  166;  32,  272  u.  ö.  {auch  griff  Diez 
2,  162'');  Lindener  katzipori  74  Lichtenstein;  Eyering 
proverbia  2,  493;  Rachel  sat.  ged.  90.  96  neudr.;  Sgriver 
seelen-schatz  1,219;  aber  griff  Chemnitz  schwed.  krieg 
2,665;  Schwab,  dagegen  steht  seit  dem  16.  jh.  griS  fest: 
V.  Warbeck  Magelone  ü,  li  Bolte;  Schaidenreiszer 
Odyssea  39*;  Spreng  Ilias  72*.  81*.  83''  u.  ö.  bair.  er- 
scheint i  im,  prät.  schon  früh  im  15.  jh.:  gryff  städte- 
chron.  2,  38  {a.  I42l) ;  auch  in  Nürnberger  drucken  herrscht 
griff:  Maximilian  Teuerdank  39,  19  Gödeke;  H.  Sachs  3, 
486,25;  selten  greiff  Val.  Schumann  nachtbüchl.  212  Bolte; 
Forster  frische  teutsche  liedlein  121  neudr.  {aber  die 
2.  ausg.  [1552]  hat  gryff,  die  3.  [l563]  grieff). 

5)  für  das  i  im  prät.  und  part.  prät.  erscheint  vom, 
16.  bis  ins  18.  jh.  auch  ie,  namentlich  im  md.,  und  zwar 
besonders  ostmd.:  grieffen  N.  Herman  sontags  evangelia 
154  Wolkan;  grieff  Rollen hagen  froschmeuseler  (1595) 
D  V",  LoGAU  sinnged.  95  Kitner;  Weise  drei  ärgsten 
erznarren  76  neudr.;  grief  Lohenstein  Armin.  (1689/".) 

1,  12*;  grieffen  2,  337*;  gegrieffen  2,  279'';  grieff,  griffen, 
gegriffen  Steinbagh  1,  639;  auch  ivestmd.:  grieffen  Kirch- 
hof wendunm.  2,  842  Österley;  gegrieffen  2,  550;  grieffe 
Moscherosch  gesichte  (l650)  5;  nicht  so  häufig,  aber  um 
so  länger  obd.:  grief  österr.  weisth.  6,  149,  37;  S.  v.  Bir- 
ken forts.  d.  Pegnitz  -  schäferey  (1645)  53;  grieffe  Grim- 
melshausen  4,  531,  6  Keller;  gegrieffen  disc.  d.  mahlern 

2,  163;  griefen  M.  J.  Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  3,  233; 
grief  Schubart  briefe  2,  244  Strausz. 

6)  gerundete  formen  erscheinen  im  schwäb.  und  bair.: 
greufft  Schiltberger  reisebuch  1O8,  3  Langmantel;  inf. 
greüfen  Tauler  sermones  (1508)  AIII'';  häufig  bei  H. 
Sachs:  {er)  greufft  8,  151,  15;  499,  37;  imper.  greüff  ll, 
314,  18;  greuffet  22,  204,  3;  part.  grüffen  österr.  weisth.  6, 
200,  16.  vereinzelt  und  offenbar  unter  obd.  einflusz  auch 
bei  Luther:  greufft  9,  557,  25;  560,  5  Weim. 

7)  das  part.  prät.  verliert  durch  eine  art  ekthlipsis  ge- 
legentlich das  präjix  ge-;  namentlich  obd.,  bis  ins  17.  jh.: 
griffen  städtechron.  1,  142,  19  {Nürnberg,  1388) ;  23,  316,  9 
{Augsburg,  ca.  1534);  altd.  passionsspiele  aus  Tirol  423 
Wackernell;  Eb.  v.  Günzburg  3,  68  neudr.;  Agricola 
750  teutscher  sprichw.  (1534)  LI*; 

dieweil  du  hast  gesehen  mich 

und  griffen  H.  Sachs  6,349  Keller; 

JOH.  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  2,  B  8*;  Mathesius 
Sarepta  (l57l)  10*;  getast,  griffen  Paracelsus  opera  l, 
325;  vgl.  2,  480;  grüffen  österr.  weisth.  6,  200,  16;  nur  sel- 
ten md. :  gefallen  und  griffen  Luther  18, 19  Weim.  {meist 
gegriffen  16,  20,  23;  28,  342,  2.  20  u.  ö.);  Fischart  flöhatz 
30,  1005  neudr.  {öfter  gegriffen  geschichtklitt.  87  neudr.; 
Philosoph,  ehzuchtbüchlin  191,  22  Hauffen). 

8)  sing.  prät.  zuweilen  mit  epithel,  e:  greiffe  Arigo 
decam.  31,  18  Keller;  griffe  Tabeus  Mäynhincklers  sack 
(1612)  B  1*;  grieffe  Moscherosch  gesichte  (1650)  5;  griffe 
S.  V.  Birken  verm.  Donau-strand  (i684)  122;  Hahn  einl. 
z.  teutschen  staats-hist.  2,  47. 

9)  in  nhd.  zeit  herrscht  die  Schreibung  mit  ff  auch  nach 
langem  vocal  bis  in  den  anfang  des  18.  jhs. ;  doch  erscheint 
seit  altera  daneben  auch  f,   besonders  im  bair.  und  an- 


J 


17 


GREIFEN 


GREIFEN 


18 


grenzenden  gebieten  nicht  ganz  selten:  imper.  greift  cod. 
Teplensis  l,  120  Huttier;  (er)  greifet  Nürnberger  polizei- 
ordn.  35  Baader;  greifen  städtechron.  5,  317,  3  (Augsburg, 
ca.  1468);  österr.  iceisth.  6,  27,  17;  428,  38  u.  ö.;  md.  weit 
spärlicher:  greifst  Fischart podagr.  trostb.  43, 11  Haufen; 
greifen  A.  U.  v.  Braunschweig  Oct.  1,94;  greift  exempl. 
priester  (l690)  153;  seit  der  2.  hälfte  des  il.jhs.  empfehlen 
die  theoretiker  greifen:  Bellin  hd.  rechtschreibung  a  7''; 
Stieler  Stammbaum  (l69l)  698;  aber  erst  in  der  zeit  von 
1720—50  setzt  sich  f  durch:  greift  Weighmann  poesie  d. 
Niedersachsen  2,  95;  greifen  Gottsched  vernünft.  tadl. 
2,  154;  (er)  greifet  Heppe  aufrichtiger  lehrprinz  34;  grei- 
fen 45;  Gottsched  ged.  (l75i)  14;  imper.  greif  Dusch 
verm.  werke  560;  doch  hält  sich  greiffen  darüber  hinaus 
noch  ziemlich  lange:  greiffen  Döbel  jäger  practica  (1754) 
1,  96;  Dusch  verm.  werke  470;  Lessing  17,  420 ;  er  greifft 
Schiller  2,  142;  ich  ..  greiffe  Güthe  38,282  Weim.; 
greiffen  Schubart  leben  u.  gesinn.  2,  9;  Stelzhamer 
ausg.  dicht.  2,  122  Rosegger;  noch  ende  des  18.  jhs.  schreibt 
Angerstein  wenigstens  für  den  imper.  greiff  doppel-i 
vor,  anweis.  170.  wohl  nicht  ohne  Zusammenhang  mit  die- 
ser orthographischen  beioegung  ist  eine  andere  parallel 
laufende,  die  auch  im,  sing.  prät.  ff  durch  f  ersetzt;  im, 
17.  jh.  spärlich:  grif  Zesen  erhöhte  majestät  (I661)  153; 
Butschky  Pathmos  (1677)  407 ;  hauptsächlich  in  der  2.  hälfte 
des  i8.  jhs.:  grif  Schönaich  Heinrich  d.  vogler  (l757)  43; 
Kästner  verm.  sehr.  2,  137;  Kretschmann  2,  97;  Her- 
der 5,  63;  12,  176;  Arnim  trösteinsamkeit  80  Pf  äff. 

bedeutung. 

die  Vorgeschichte  des  mhd.  grifen  läszt  ericarten,  dasz 
bei  dem  verbum,  zwei  bedeutung slinien  getrennt  werden 
m,üssen,  die  sich  zwar  berühren,  aber  begrifflich  klar 
unterschieden  sind. 

I.  m,it  gekrümmten  fingern  ein  ding  oder  nach  einem 
ding  fassen. 

A.  absolut. 

1)  warumb  haben  die  vinger  glider  ?  Arestotiles 
spricht  das  si  füglich  sein  zu  dem  nemen,  geben  und 
greiffen  proplemata  Arestoülis  9*;  der  hayden  götter 
sein  .  .  .  werch  menschlicher  hende,  sy  haben  .  .  .  hend 
und  greiffen  nit  Berth.  v.  Ghiemsee  teutsche  theologey 
590;  dasz  der  Intellekt  .  .  .  abhängt  von  .  .  .  dem  gehirn, 
dessen  funktion  er  ist,  wie  das  greifen  funktion  der 
band  Schopenhauer  2,  287;  dadurch  wird  die  band 
geschickt  zum  betasten,  kneifen,  greifen  Sömmering 
vom  bau  des  menschl.  körpers  2,  185;  Zuckungen  liefen 
über  stirn  und  mund  und  die  bände  griffen  Jean  Paul 
45,  365  Hempel;  auch  von  thieren:  durch  ihre  .  .  .  fühl- 
losen schuhe,  welche  die  zehen  zum  tasten  und  greifen 
unfähig  machen,  sind  die  huftbiere  auf  pflanzenkost 
gewiesen  Vischer  ästhetik  2,  145;  die  Säugetiere,  welche 
klettern  .  .  .  oder  greifen  Brehm  thierleben  l,  4;  über- 
tragen : 

ktthn  nach  oben 
greift  aus  nacht 
waldespracht         Eichendorff  1,  468; 

es  waren   schwarze    fahnen   droben    (a?n.  himmel),    aus 
denen  feurige  zungen  griffen  Stifter  2,  112. 

2)  zugreifen:  wan  ir  nun  züchtig  wölten  greiffen  .  .  , 
so  wolt  ich  euch  lassen  greiffen  einen  griff  usz  diser 
kannen  Eulenspiegel  142  neudr.;  er  nimmt  mit  dem 
löffel,  wo  er  mit  der  gabel  greifen  soll  Gutzkow  Zau- 
berer V.  Rom  6,  102;  dann  nahm  sie  ein  glas  mit  bon- 
bons  aus  dem  Schaufenster,  'nun  greif  einmal,  aber 
herzhaft!'  Storm  2,  185;  dialectisch:  gript,  wen  't  ript! 
Doornkaat-Koolman  1,  689; 

8.S  is  nix  zum  greiffen, 
für'n  Schnabel  kain  wald! 

Stelzhamer  ausgeio.  dichtungen  2,122; 

anders:  kumm  Marthla,  greif  a  wing  .  .  .  stitz  mich  a 
wing  Hauptmann  Rose  Bernd  (i90i)  135;   mit  präpos.: 

zu  der  apfel-verkäuferin 
kamen  kinder  gelaufen,  . . 
mit  munterm  sinn 
griffen  sie  aus  dem  häufen 

GöTHE  3,  185  Weim.; 

IV.  1.  6. 


unsern  schwager  und  Schwester,  die  wie  ich  höre  glücks- 
ritterlich aus  lotteriebuden  greiffen  Sghubart  briefe 
2,  118  Strausz.  leicht  konnte  sich  die  bedeutung  des  ge- 
waltsamen greif ens  entwickeln;  vgl.  schon  ahd.  cagrifu 
arripio,  kikrifant  rapiu7it  Graff  4,  315; 

das  t&nd  si  {landstricher)  armen  luten  abstraiffen 

mit  hinken,  biegen  und  graiifen  teuf  eis  netz  6259; 

unde  worden  so  bequeme  alse  lammere,  dede  torvoren 
weren  alse  gryppende  wulfe  städtechron.  16,  465,  18. 

3)  der  gebrauch  des  wortes  in  Wendungen  wie  die  säge, 
der  bohrer,  der  hobel  greift  (Heinsius  2,  526*')  dürfte 
älter  sein,  als  die  belege  erkennen  lassen:  gleich  der  erste 
ruck  {beim  anziehen  der  winden)  griff  vortrefflich:  der 
Obelisk  erhob  sich  von  der  basis  Ranke  37,  313;  meist 
ganz  unsinnlich:  warum  diese  redaction  (vo7i  Romeo  u. 
Julia)  .  .  .  auf  dem  deutschen  theater  nicht  gegriffen 
GÖTHE41  1,  71  Weim.;  hätte  Castels  widersprach  damals 
gegriffen  imd  auch  nur  einen  theil  der  gelehrten  weit 
überzeugt  II  4,  151;  bei  Göthe  häufig,  vgl.  IV  16,  57;  27, 
220;  ihre  (der  regierung)  befehle  und  anordnungen  griffen 
nicht  mehr  Ranke  15,  405;  vgl.  't  gript  nijt  eine  sache, 
eine  arbeit  geht  nicht  vorioärts  Molema  Qroning.  ma. 
134. 

B.  transitiv. 

1)  ergreifen;  mhd.  gleichberechtigt  mit  ergrifen: 

sinen  staf  greif  er  Rolandslied  2060/ 

glaser  und  müraere 
muosten  grifen  dö  zehant 
gleser,  mermel  wol  bekant 

Jansen  Enikel  weltchr.  12853; 
de  en  grep  en  bret,  de  ander  en  span 

Gerh.  V.  Minden  115, 163  Leitzmann ; 

Hato  trinckt  und  greufft  sein  leib  und  spricht  H.  Sachs 
8,  151,  15  Keller; 

sie  treten  zu  mit  groszer  freud 

und  greifen  seine  füsze 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  342" 

er  greif  ein  gläslein  wein 

J.  Rachel  satyr.  ged.  96  neudr. 

(der  meerteufel)  griff  sie  hinterrücklich  in  der  mitten 
.  .  .  und  kam  so  weit,  dasz  er  sie  schwängert  Präto 
Rius  katzen-veit  B3V;  H.  v.  Kleist  bevorzugt  das  harte 
Simplex  auffallend,  z.  b.  die  zügel  greifen  2,  34;  eine 
knospe  greifen  2,  60;  den  bogen  greifen  2,  113;  die  kröne 
greifen  2,  120; 

doch  sie  sprach  nicht, 
griff  leise  meine  band,  und  führte  mich 
durch  viele  lange  leuchtende  gemacher 

Heine  1,  138; 

im  19.  jh.  erlischt  dieser  gebrauch ;  das  verbum  bekommt 
den  nebensinn  des  zufälligen,  absichtslosen  er  greif  ens: 

der  in  den  totenschädeln  störte, 
bald  einen,  bald  den  andern  griff 

Pfeffel  poet.  vers.  3, 19; 

die  Pfennige  aber  oder  die  von  betrunkenen  in  der 
Zerstreuung  gegriffenen  groschen  .  .  .  brachten  jährlich 
mindestens  eben  soviel  ein  Gutzkow  ritter  v.  geist  4, 
109;  seit  je  auch  mit  unpersönlichem,  subject: 

Sigebandes  vriunde  greif  disiu  leide  not 

Gudrun  60,  1 ; 
darinne  wart  in  grifen 
ein  niuwe  liebe       passional  419,  30  Köpke ; 
lasz  uns  fliehen  recht, 
das  uns  nit  griff  der  gottes  zorn 

Seb.  Brant  narrensch.  26,  60; 
und  der  hochmuth, 
gleich  einem  gewaltgen  adler,  kam  und  grif  mich 

Kretschmann  2,  97 ; 
ein  fieber  griff  ihn  dann 

Ayrenhoff  2,  186 ; 

auch  die  füsze  greifen:    da   .  .  .  die   kameele  mit  den 

fuszsohlen   die   hügel  weichen   sandes   griffen   Stifter 

3,  20;    (der  diskobol)    ruht   auf   dem   rechten   fusz,   die 

zehen    krümmend    wie    um    das    erdreich    zu    greifen 

Welgker  alte  denkm.  l,  423. 

2)   schon  frühzeitig   tritt    in   uneigentlichem   gebrauch 

eine  abschwächung  der  bedeutung  ein:  'etwas  aufnehmen, 

sich  an  etivas  machen': 

diu  junge  greif  die  nächvart  (kam  hinterher) 

Iwein  5670; 


19 


GREIFEN 


GREIFEN 


20 


hyrna  grepe  wy  unde  de  van  Hamburg  dit  orleghe  mit 
der  dat  Schiller-Lübben  2,  U9»  aus  hannöv.  urh.  v. 
1S66;  vergleichbar  in  neuerer  zeit:  nein,  mein  kind  — 
so  gern  ich  die  dinge  leicht  greife  —  so  stehen  wir  .  . 
dennoch  jetzt  an  dem  offenen  grabe  unsrer  ruhe  Iff- 
LAND  theatral.  werke  5,  195; 

auf  diesem  weg',  den  ich  im  irrthum  griff 

Kleist  2,  418 ; 
küsse,  bisse, 
das  reimt  sich,  und  wer  recht  von  herzen  liebt, 
kann  schon  das  eine  für  das  andre  greifen  2, 164. 

zusammenhängender  und  weitgreifender  tritt  eine  Steige- 
rung der  bedeutung  in  erscheinung:  'haschen,  langen 
nach':  dann  er  (der  delphin)  kan  nichts  greiffen,  er  hab 
sich  dann  umbgeworfen  Eppendorff  Plinius  9,  103; 
die  kleine  hand  griff,  was  das  äuge  reitzte  Kästner 
verm.  Schriften  2,  2li; 

zur  sonne  will  er,  möcht'  sie  greifen,  drücken 

FouQUE  held  d.  nordens  1, 142; 

Übertreter  des  gesetzes,  und  solche,  so  rechte  greifen, 
die  nicht  ihre  sind  Alexis  Roland  v.  Berlin  2,  162;  sie 
sah,  dasz  alles  schön  war.  sie  versuchte  es  zu  greifen, 
mitzusummen,  wiederzugeben  ...  sie  griff  in's  leere 
H.  V.  Kahlenberg  Eva  Sehring  iS;  'packen':  so  kanstu 
yhn  {Qott)  gewislich  greiffen  und  haben  Luther  23,  150 
Weim. ; 

greifs,  oder  fangs  an, 

so  ists  schon  halb  gethan 

Wille  Sittenlehre  (1781)  73; 

ich  hatte  teuer,  wuszte  wie  die  menschen  zu  greiffen 
waren  Sghubart  leben  u.  gesinnungen  2,  9;  von  dieser 
Seite  griff  ich  meinen  Faust  maler  Müller  2,  8. 

s)  fangen;  so  schon  got.:  {)ammei  kukjau,  sa  ist: 
greipij)  J)ana  Mc.  14,  44;  ebenso  48.  49.  51 ;  auf  deutschem 
boden  ursprünglich  nd.;  vgl.  die  zahlreichen  mnd.  belege 
bei  Schiller-Lübben  2,  149";  ahd.  und  mhd.  anschei- 
nend ganz  fehlend ;  auf  hd.  gebiet  zuerst  in  md.  maa. : 
sy  weren  also  starg,  das  sy  den  torworten  griffe  und 
dy  tor  uffene  halde  wolden  Stolle  thür.  chron.  2;  liss 
den  bobist  griffen  unde  liss  eme  die  ougen  ussbrechin 
chron.  des  Wigand  Gerstenberg  80;  erst  seit  dem 
16.  jh.  auch  obd. :  sie  liesz  auch  Constantinum  6.  iren 
eygen  sun  greiffen  .  .  und  in  ein  ewig  gefengnusz  wer- 
fen Seb.  Franck  Germ,  chron.  69;  haben  den  Amphi- 
damum  in  argwon  gefasst,  fürgenommen  ihn  zugreif- 
fen  und  gefangen  in  Etolien  zuschicken  Xylander 
Polybius  256;  aber  bis  ins  18.  jh.  vorwiegend  bei  md. 
autoren:  als  hernacher  derselbige  wegen  eines  mords 
riffen  .  .  worden  Nigrinus  von  Zauberern  265; 


ihr  knechte,  greift  die  magd,  die  fürsten  trotz  darf  zeigen 
A.  U.  V.  Braunschweig  Octavia  1, 1000; 

deswegen  er  ihn  a.  940  greiffen  und  blenden  lassen 
wolte  Hahn  einl.  z.  d.  teutsch.  Staats  historie  2,  64;  bis 
ins  19.  jh.  poetisch  wie  prosaisch  gleich  gebräuchlich : 

mich  aber  dort  ein  räuber  griff,  der  phrygische 

GöTiiE  FauBt  II  8512; 
der  bischof  liesz  sie  spüren,  liesz  sie  greifen, 
die  häuser,  drin  sie  ünernacbtet,  schleifen 

Lenau  641  Barthd; 
und  wenn  sie  mich  greifen,  Zanga, 
stosz'  von  rückwärts  mir's  in  leib 

Grillparzer  8, 183; 

sie  sind  entflohen  und  haben  uns  im  stiebe  gelassen, 
drum  greifet  die  beiden  da,  wir  wollen  sie  als  geisein 
behalten  W.  Hauff  l,  256;  wo  sich  eine  (hexe)  verspätet 
beim  tanz,  ich  greif  sie  Eichendorff  3,  255;  die  regie- 
rung  .  .  hat  einige  hundert  handwerksbursche  aus  ihren 
betten  greifen  und  in's  gefängnisz  werfen  lassen  G. 
Forster  sämtl.  sehr.  8,  131 ;  die  armen  kerle  (dänische 
gefangene)  waren  sehr  gekniffen  und  werden  sich  nicht 
zum  zweiten  male  greifen  lassen  Moltke  Schriften  u. 
denkwürdigk.  6,  410;  besondere  Wendungen:  ideo  libenter 
volo  esse  stultus  und  wollen  uns  fangen  lassen  und 
gegreppen  geben,  quod  Christus  sit  deus  et  homo  con- 
tra omnem  rationem  et  sensum  nostrum  Luther  tisch- 
reden  12  Preger;  sikk  gripen  als  spiel  Dähnert  161^; 
unterwegs  aber  wollte  man  spielen  und  sich  greifen 
Fontane  I  5,  177.  noch  mehr  scheint  greifen  beim  thier- 
fang  auf  nd.  und  md.  gebiet  beschränkt  zu  sein: 


gl  werden  dar  müse  bi  hopen  gripen 

Reinke  de  vos  41; 
entsprechend: 

da  kanstu  frey 

in  groszer  meng  sie  greiffen 

Eeinicke  fuchs  (1650)  94 ; 
da  kündt  ihr  sie  (die  vögel)  nach  eurem  sinn 
greiffen  und  fangen  wie  ihr  wolt 

Sandrub  histor.  u.  poet.  kurzweil  118,  27  neudr. ; 

dasz  die  thiere  von  natur  so  zahm  waren,  dasz  sie  der 
mensch  greifen  konnte,  wann  er  wollte  Liscow  sati/r. 
u.  ernsth.  Schriften  621; 

der  bärin  wegen 
die  Hermann  jüngst  im  walde  griff 

H.  V.  Kleist  2,  436; 
vgl. 

wo  bist  du,  glück,  in  himmelsbahnen  ? 
steig  nieder,  wo  fass'  ich  die  flügel, 
dasz  ich  dich  greife,  dich  binde 

TiECK  Schriften  2,  115 ; 

auch  von  leblosen  dingen:  die  granate  entfiel  und  ich 
griff  sie  geschickt  Arnim  trösteinsamkeit  80. 

4)  mit  Präpositionen;  namentlich  bei,  in  älterer  zeit 
wie  das  greifen  des  vorigen  abschnitts  beschränkt  auf 
das  nd.  und  m,d.: 

Clemens  ein  guter  man  genant 
den  greif  er  liebliche  bi  der  hant 

passional  170,  58  Hahn ; 

ther  enne  prestere  bi  tha  here  gripi  Righthofen  787  ■ 
(vgl.  noch  im  heutigen  fries.  licht  bi  't  hart  gräpen 
leicht  gerührt  Stürenberg  76); 

he  grep  dat  kannin  bt  der  kele 

Reinke  de  vos  4393; 

und  greiff  den  fordersten  bei  dem  bar  Eulenspiegel  12 
neudr. ; 

er  greif  mich  bey  den  arm,  er  stiess,  er  rükkte  mich 

Rachel  satyr.  ged.  90  neudr.; 

iemant  by  de  kop  grypen  laten  Kramer  nider-hoch- 
teutsch  wb.  (1719)  107'';  iemant  by  de  hand  grypen  ib.; 
diese  wendung  am,  häufigsten: 

er  griff  mich  bey  der  hand  und  hielt  mich  fest 

Shakespeare  3,  192 ; 

er  greift  Hannibal  bei  der  hand,  der  sich  davon  schlei- 
chen will  Bauernfeld  ges.  sehr,  i,  231 ; 

greifest,  wenn  sie  nun  rennt  durch  den  busch,  die  sau  bei 
den  ohren  Mörike  1,80; 

die  hexe  hatte  ihn  noch  nicht  am  schöpfe  gegriffen 
W.  Alexis  hosen  l,  96;  neue  hunde  kamen  an,  und 
griffen  es  (das  schwein)  fest  an  den  hinterläufen  Laube 
ges.  sehr.  2,  9;  do  grep  en  schiltknecht  ene  schottein 
van  der  taffeien  Schiller-Lübben  2,  149*  aus  Herm, 
Körners  chron.;  in  hast  griff  ich  das  fläschchen  von 
dem  tische  Stifter  2,  lll;  wenn  überhaupt  die  meisten 
menschen  ihr  loos  aus  dem  glückstopfe  greifen  J.  J. 
Engel  Schriften  7,  164;  wie  er  .  .  .  sein  achatenes  dös- 
chen zwischen  den  fingern  wirbelte  und  eine  feurige 
prise  nach  der  andern  daraus  griff  Mörike  3,  71;  da 
bückte  sie  sich  flugs  und  griff  in  ihre  hand  dorten  und 
dorant  Grimm  deutsche  sagen  l,  42. 

5)  formelhafte  Wendungen. 

einen  muth,  ein  herz  greifen,  alte,  wiederum  ur- 
sprünglich nd.  redensart:  do  ward  he  sere  entsettet, 
doch  so  grep  he  enen  mot  Schiller-Lübben  2,  149» 
aus  Herm.  Korners  chron.;  grypet  ein  herte  ib.;  dat 
erste  is,  dat  nemant  schal  vallen  in  twifelen  mod,  deme 
bange  is,  men  sik  sulven  trösten  unde  gripen  einen 
konen  mod  Reinke  de  vos  158  Prien; 

0  Sünder  greiff  nun  hertz  und  mut, 
hör  auf  die  sünd  zu  mehren 

Spee  trutznacht.  (1649)  73 ; 

so  griff  sie  eines  morgens  .  .  .  ein  herz,  und  liesz  jene 
sonderbare  aufforderung  in  die  intelligenzblätter  von 
M  .  .  .  rücken  H.  v.  Kleist  3,  275;  seltene  Variante:  wir 
brauchen  es  auch  für  frölich  werden  und  zumüt  greif- 
fen oder  getrost  werden  schöne  weise  klugreden  (i548) 
113*. 

platz  greifen  u.  ä.  erst  seit  dem  is.jh.;  ursprüng- 
lich ohne  präpositionalen  zusatz:  darum  griffen  die  vor- 
schlage   zu    einem    frieden    endlich    platz    Hahn    ein- 


21 


GREIFEN 


GREIFEN 


22 


leit.  z.  d.  teutsch.  ataats-historie  4,  155;  er  .  .  zeigt  .  .  , 
wie  wenig  die  allgemeinheit  dieses  grundsatzes  platz 
greife  allg.  deutsche  biblioth.  22,  i57;  es  wäre  denn,  dasz 
eine  andre  einrichtung  .  .  platz  gegriffen  habe  J.  Moser 
sämtl.  werke  3,  212;  später  mit  in:  dass  in  Deutschland 
der  geist  der  chikane  und  eigennützigkeit  .  .  nicht  so 
leicht  hat  platz  greifen  können  J.  Schmidt  gesch.  der 
Deutschen  3,  261 ;  die  fixe  idee  .  .  griff  immer  mehr  in 
seinem  kranken  hirn  platz  Raabe  leute  aus  d.  ivalde  2, 
115;  dasz  in  einigen  derselben  (staaten)  .  .  .  andere  be- 
stimmungen  platz  greifen  für  die  kommunalbesteuerung 
MOLTKE  Schriften  und  denkivürdigk.  7,  85.  in  anleh- 
nung  an  platz  greifen  tritt  auch  in  den  Wendungen  fusz, 
Wurzel  fassen  gelegentlich  greifen  ein:  das  gefühl,  das 
im  land  anfängt  fusz  zu  greifen  Pestalozzi  7,  334;  die 
gröszten  Unverschämtheiten  des  herrn  v.  Schele  haben 
da  Wurzel  gegriffen  brieftv.  zw.  J.  u.  W.  Grimm,  Dahl- 

MANN    U.    GeRVINUS   2,  160. 

etwas  aus  der  luft  greifen  u.  ä.  seit  demlS.jh.; 
besonders  von  frei  erfundenen,  willkürlichen  angaben  und 
behauptungen :  vom  Plutarch  versichert  er  uns  gar,  dasz 
er  dieses   stück   des  Euripides   für  das  rührendste  .  .  . 
gehalten  habe,    dieses  letztere  ist  nun  gänzlich  aus  der 
luft  gegriffen  Lessing  9,  347;   zahlen,   die   vollkommen 
aus  der  luft  gegriffen  sind  Niebuhr  röm.  gesch.  1,  160; 
wenn  auch  deine  argumente  unläugbar  aus  der  luft  ge- 
griffen sind  B.  V.  Arnim  Oünderode  2,  130;  merkwürdige 
geschichten,   die   gewisz,   wenn   man   die  Bettinaschen 
zuthaten  abrechnet,   doch  wol  nicht  alle  aus  der  luft 
gegriffen  waren  Hoffmann  v.  Fallersleben  ges.  sehr. 
7,  265;  anders:  diese  aus  der  luft  gegriffene  Unterhaltung 
endigte    dann    gewöhnlich    mit    lustigen    schimpfreden 
EiCHENDORFF  2,  3;  das  war  eine  oratorische  figur,  eine 
«edensart,    aus   der  luft  gegriffen,    die   heutzutage  mit 
solchen  sätzen   angefüllt  ist  Bauernfeld  ges.  sehr.  4, 
118;  gern  in  anwendung  auf  poetische  Schöpfungen:  kein 
Charakter  veranlaszt  Situationen;  alles  ist  aus  der  luft 
gegriffen  und  kümmerlich  zusammengestoppelt  allgem. 
deutsche  biblioth.  l2,  232;   alle   seine  geschöpfe  sind  aus 
der  luft  gegriffen  Göthe  37,  215  Wdm.;  aber  eben  dieser 
Vorzug,  dasz  ich  meine  geschichten  nicht  aus  der  luft 
greife,  sondern  aus  depeschen  Jean  Paul  15,  51  Hempel; 
ohne  bibliothek  hier,  in  einem  groszen  nackten  zimmer, 
ist  es  mir  unmöglich,   irgend   einen   stoff  aus  der  luft 
zu  greifen  Lev.  Schücking  bei  A.  v.  Droste-Hülshoff 
briefe  66 ;  das  gegentheil  ist  aus  dem  leben  greifen :  kein 
Charakter  ist  individuel  aus  dem  leben  gegriffen  Heinse 
3,  571;  kurz,  wir  machen  hier  soeben  novelle  .  .  was  da 
aufduckt  in  dem  revier,   italienische   gräfin  oder  deut- 
scher michel  .  .  ,  wird  ohne  barmherzigkeit  unmittelbar 
aus  dem  leben  gegriffen  Eichendorff  3,  169;  vgl.  aber 
noch  mehr  aus  dem  menschlichen  leben  gegriffen  sind 
die  zahlreichen  epitaphe  J.  Grimm  kl.  sehr.  2,  233;  ver- 
einzelt: es   ist  mit   solchen  bildern  wie  mit  den  degen 
und   helmen   des  Attila  und  Skanderbeg  .  .  .;   sie   sind 
aus   der   fantasie   gegriffen   oder  nach   münzen   gemalt 
E.  M.  Arndt  Schriften  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  l,  215. 

zum  greifen  nahe.  jung;  anscheinend  erst  im, 
19.  jh. :  die  wunderschönen,  blauen,  lockenden  berge  . . , 
gleichsam  zum  greifen  nahe  Stifter  3,  61;  vgl.  die 
gallerie  .  .  ,  die  so  nahe  an  den  (ivasser)  fall  gebaut  ist, 
dasz  man  ihn  beinahe  .  .  greifen  kann  Pückler  briefw. 
u.  tageb.  2,  121. 

C.  erweiterung  durch  adverbia. 

l)  weit,  hoch,  nahe,  tief  greifen  intrans.:  darumb 
wer  sich  solchs  unterstehet  vom  nehisten  zu  sagen, 
greifft  eben  so  weit  als  keyser  und  alle  öberkeit  Luther 
30 1,  171  Weim.;  indem  sie  (die  verrätherei)  auch  so  weit 
grif,  dasz  sie  den  könig  selbst  vor  einen  verrähter  er- 
klähren  durfte  Zesen  erhöhte  majestät  (l66l)  153;  meist 
comparativisch  m,it  der  bedeutung  des  Überschreitens  ir- 
gend einer  grenze,  gebühr,  befugnis,  wie  das  moderne  'zu- 
weit gehen':  ye  lenger  ye  weyter  greyffen,  für  und  für 
rucken  M aaler  teutsch  spraach  (i56l)  192  •>;  aber  do  der 
anfenger  fület,   das  man  im   schier  in  sattel   geholfen. 


greifft  er  ferner  denn  zuvor  im  angeben  .  .  war  Mathe- 
sius  Sarepta  (l57l)  cliiii»;  da  aber  der  hund  zu  weit 
wolt  greifen,  hieb  ihn  die  katz  ...  mit  einer  dappen 
über  die  nas  Kirchhof  wendunm.  (l603)  7,  109;  diesem 
nun  vorzukommen  {dasz  die  pastoren  sich  die  Jurisdic- 
tion über  die  stände  anmaszen)  und  damit  der  herr  ad- 
ministrator  nicht  weiter  greiffe  acta  publica  verhandl. 
der  schles.  fürsten  u.  stände  2,  261 ;  seine  {des  kaisers) 
eigene  Überzeugung  schien  zu  sein,  dasz  er  seinerseits 
bisher  zu  weit  gegriffen  habe  Ranke  16,  60;  der  soldat 
.  .  greift  in  seinen  scheltworten  weiter  als  ihm  zusteht 
Laube  ges.  sehr.  14,  216;  anders  und  erst  im  19.  jh.  er- 
scheinend: Metellus  zug  .  .  durch  eine  noch  weiter  grei- 
fende expedition  zu  verdunkeln  Mommsen  röm.  gesch. 
2,  152;  (es  entspann  sich)  ein  nach  und  nach  immer 
weiter  greifendes  gefecht  Moltke  Schriften  und  denk- 
würdigk.  S,  217 ;  das  ältere,  aber  seltenere  zu  hoch  greifen 
steht  dem  zu  weit  greifen  nahe: 

wand  im  der  sin  entsUfet, 

ob  er  ze  höhe  grifet 

Lampr.  V.  Regensburg  tochter  Syon  2154; 

denn  da  seyt  yhr  eyn  tyrann  und  greyfft  zu  hoch,  ge- 
pietet,  da  yhr  widder  recht  noch  macht  habt  Luther 
11,  267  Weim.;  etlich  artickel  {der  bauern),  die  zu  viel 
und  zu  hoch  greyffen  18,  333 ;  in  der  bedeutungsrichtung 
mit  den  vorigen  verwandt  ist  zu  nahe  greifen:  niemand 
sich  in  eines  andern  ainpt  menge,  noch  andern  zu  nahe 
greiffe,  noch  das  ire  nem  Luther  nach  Diez  2,  163*; 
die  stand  sollen  sich  dergleichen  sr.  churfrtl.  drtl. 
hochem  respect  ...  zu  nahe  greiffender  meisterlosen 
reden  enthalten  {vgl.  unser  'zu  nahe  treten')  Schmeller 
1,  990  (a.  d.j.  1669).  abseits  steht  tief  greifen;  diese  iven- 
düng  ist  auch  darin  von  den  vorgenannten  unterschieden, 
dasz  sie,  wenn  auch  früher  vorbereitet,  erst  im  Vd.  jh. 
zur  vollen  entfaltung  gelangt:  so  mag  ich  nicht  so  tief 
hyneyn  greyffen  und  unsauber  von  der  ehepflicht  schrey- 
ben  {mich  tief  einlassen  auf  Pauli  spruch)  Luther  nach 
Diez  2,  162  »>;  diese  gleichheit  tief  greifender  gefühle 
Iffland  theatral.  werke  3,  62;  ich  habe  wieder  die  er- 
fahrung  gemacht  .  .  ,  dasz  das  .  .  wovon  wir  glauben, 
enthüllt  und  erklärt  müsse  es  eine  völlige  Umwand- 
lung unsers  gefühls  .  .  nach  sich  ziehen,  —  nur  sehr 
selten  so  tief  greift  Solger  nachgel.  schrift.  u.  brieftc. 
1,  486;  noch  tiefer  griff  der  Vorgang  in  der  hauptstadt, 
welchen  die  zuchtlosigkeit  eines  ganzen  regiments  ver- 
anlaszte  Dahlmann  gesch.  d.  franz.  revolut.  220;  eine 
anfangende,  wenn  auch  noch  so  tief  greifende  theorie 
Steffens  was  ich  erlebte  4,  180;  dieser  gedanke  barg 
zugleich  einen  dritten,  tiefer  greifenden  titel  Riehl 
deutsche  arbeit  9;  vgl.  Hütten  ist  kein  groszer  gelehrter: 
seine  gedanken  greifen  nicht  sehr  in  die  tiefe  Ranke 
reform,  gesch.  1,  291. 

2)  daneben  greifen  u.  ä.  ursprünglich  von  dem  misz- 
greifen  auf  musikinstrumenten  {vgl.  unten  IV)?:  es  greif- 
fen  nit  alleyn  sorglose,  sonder  auch  zu  vil  fleiszig 
hend  darneben  Seb.  Franck  spric/iw.  l,  102»;  aber  noch 
spät  ganz  concret:  wie  er  die  bände  nach  der  schaufei 
ausstreckte,  zitterte  er  so  stark,  dasz  er  daneben  griff 
Ebner-Eschenbach  4,  206;  jünger  scheint  fehl  greifen: 
{ein  brief)  in  welchem  er  ihm  den  Attilio  Regolo,  wel- 
chen er  componiren  sollte,  ausführlich  zergliedert,  da- 
mit er  in  der  musikalischen  Charakteristik  nicht  fehl 
greife  0.  Jahn  Mozart  i,  272;  wir  werden  nicht  fehl 
greifen,  wenn  wir  vermuthen,  dasz  Nitzsgh  deutsche 
Studien  163;  dagegen  transitiv:  die  idee,  dasz  er  sein 
lebensloos  falsch  gegriffen  Gutzkow  ges.  werke  5,  63; 
vergleichbar : 

wenn  nicht  das  rechte 
mädchen  zur  stunde  sich  zeigt,   so  bleibt  das  wählen  im 

weiten, 
und  es  wirket  die  furcht,  die  falsche  zu  greifen,  am  meisten 
Göthe  Herrn,  u.  Dor.  4,  206. 

3)  mannigfach  schillert  die  bedeutung,  wenn  transitives 
gveiien  mit  adverbieii  verbunden  ist ;  'bemessen,  ansetzen': 
sie  {die  auffassung)  litt  nur  an  dem  fehler,  dasz  sie 
die  Wortbedeutung  von  nexum  zu  weit  griff  Jhering 
geist.  d.  röm.  rechts  2  2,  570;  so  kann  das  kind  einer 
hochgebildeten  familie  allerdings  die  ehre  der  arbeit  zu 

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GREIFEN 


GREIFEN 


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tief  greifen  Riehl  deutsche  arbeit  31;  ähnlich  nament- 
lich in  participialein  gebrauch :  wenn  sie  nun  eine  ober- 
flächliche berechnung  machen  und  auch  nur  ...  die 
niedriger  gegriffene  ziffer  annehmen  Bismarck  polit. 
reden  4,  106 ;  erst  durch  die  praxis  überzeugte  ich  mich, 
dasz  die  juristischen  einzelheiten  psychologisch  nicht 
richtig  gegriffen  waren  gedank.  u.  erinner.  2,  167  volks- 
ausg.;  der  willkürlich  gegriffene  vertheilungsmaaszstab 
der  lex  Huene  Bennigsen  nationallib.  partei  132;  an- 
ders: um  seine  wähl  zu  verhindern,  setzte  Albero  von 
Trier  in  einer  rasch  und  kühn  gegriflenen  intrigue  die 
wähl  Konrads  III.  durch  Nitzsch  deutsche  Studien  11; 
in  ariderem  sinn,  aber  ebenfalls  participial  in  anwen- 
dung  auf  künstlerische  production:  zu  fein  ist  in  den 
hymnen  keine  empfindung,  keine  pflicht,  kein  trost  ge- 
griffen Herder  18,  16;  das  ganze  gesiebt  überhaupt  ist 
unsicher  gegriffen,  und  kömmt  von  keiner  lebendigen 
vollen  anschauung  (urtheil  über  eine  büste)  Heinse  10, 
178;  seine  (Sallusts)  beschreibungen  von  charaktern  und 
ländern  (sind)  tief  gegriffen  und  anschaulich  5,  178;  jene 
oben  erwähnte  Situation  .  .  wäre  dramatisch  interessant 
genug,  nur  müszte  die  behandlung  viel  tiefer  gegriffen 
werden  Göthe  40,  323  Wdm. ;  dennoch  musz  ich  unter 
uns  gestehen,  dasz  dessen  Schilderung  tief  und  wahr 
gegriffen  ist  Pügkler  briefw.  u.  tageb.  6,  123;  vgl.  das 
zwingt  ihn  {den  dichter)  die  personen  und  ihre  motive 
real  zu  greifen,  dagegen  räum  und  zeit  ideal  zu  be- 
handeln Ludwig  ges.  sehr.  5,  536. 

II.  fühlen,  tasten,  als  bezeichnung  des  fünften  sinnes; 
diese  bedeutung  ist  im  ahd.  v/rsprünglich  auf  greifön 
beschränkt. 

A.  rein  sinnlich. 

l)  iis  man  verstau  mag  s6hendo.  hörendo.  stinchendo. 
sm6ehendo.  crifendo.  täz  ist  6r.  6r  s61biu  verstäntnisseda 
Notker  1,  436,  2; 

swes  herze  die  fünf  sinne  hat, 
swaz  ez  beeret,  smecket,  siht, 
draehet,  grtfet,  ist  ein  niht 

Lampr.  V.  Regensburg  tochter  Syon  2795 ; 

wenn  kein  äuge  were,  und  wir  allein  die  vier  synnen 
als  greiffen,  riechen,  schmecken,  hören  heften  Luther 
26,  416  Weim.;  dann  wie  man  sagt  von  den  fünf  sinnen, 
sehen,  schmecken,  hören,  greiffen,  versuchen  Para- 
CELSUS  opera  2,  199'';  daher  gern  in  parallele  mit  an- 
deren Sinnesbezeichnungen,  namentlich  sehen;  vorwiegend 
transitiv:  gisehet  mino  henti  inti  fuozi,  thaz  ich  selbo 
bin,  greifet  inti  gisehet  Tat.  230,  5;  chörondo  infindgn 
uuir  des  hönangis  suezi.  crifendo  infinden  uuir  des  zän- 
derin  h6izi  Notker  1,454,18;  änderis  nemähti  siu  {cor- 
poralia)  nioman  sdhen  .  ünde  grifen  l,  436, 16  {häufig  bei 
Notker;  vgl.  i,  837,7;  339,  27;  359,  17);  und  keyn  kauf- 
mann  dem  andern  weyter  trauen  thar,  denn  er  sihet  und 
greyfft  Luther  15, 311  Weim.;  und  niemandts  sieht  ihn, 
niemandts  greifft  ihn,  und  ist  aber  da  Paracelsus  opera 
1,  241";  claine  beulen,  die  man  bas  greiffen  dann  sehen 
mag  Mynsinger  von  den  falken,  pferden  u.  hunden  61 ; 
eyn  .  .  mensch,  der  .  .  solche  gnade  und  gueter  nicht 
greyffet  noch  schmecket  Luther  14,  22  Weim.  (Bucer: 
neque  sentit  neque  olfaeit);  wie  solt  ein  blinder  von 
der  färb  vernünftig  richten,  der  doch  allein  dieselbig 
greiffen  oder  schmecken  müsse  Ayrer  hist.  proc.  iuris 
233 ;  bis  ins  17.  jh.  bleibt  die  bedeutung  'fühlen'  durchaus 
lebendig;  später  selten  in  formelhafter  er  starrung:  die- 
selbe {wirthschaftl.  entwicklung)  beginnt  mit  den  gutem, 
die  man  sehen  und  greifen  kann  Jhering  geist  d.  röm. 
rechts  2  2,  456;  in  demselben  sinne  dient  greifen  zur  d^fi- 
nition  des  materiellen:  corpus  heiszt  ein  ieglich  ding 
dasz  man  greifft  oder  greiffen  kan  Er.Alberus  dict.9^; 
auch  mit  abhäiigigem,  satz: 

ey,  leg  dein  band  uff  mein  hertz, 
das  prynnet  recht,  als  ain  kertz, 
und  greiff,  wie  kaum  es  lebt 

HÄTZLERiN  liederbuch  146; 
(ich)  bin  ein  loch  in  ruggen  glägen, 
darzü  wol  dry  bülen  in  grind. 
griff,  lieber,  wie  ist  es  so  lind 
und  allenthalben  so  gar  scer! 

Manuel  weiiupiel  572  neudr.; 


vergleichbar: 

ouwe  ouwe,  frouwe  Minne, 
mir  ist  wg. 

nu  grif  her,  wie  sere  ich  brinne 
Ulr.  V.  Lichtenstein  frauendienst  7,  27  Beckstein. 

2)  oft  im,  sinne  des  tastens,  ohne  zu  sehen;  ein  beispiel 
aus  Otfrid  ist  sp.  14  angeführt;  mhd.  belege  ebd.;  und 
du  greiffest  zu  mittem  tag  als  der  blind  hat  gewon- 
heit  zegreiffen  in  der  vinster  erste  deutsche  bibel  4,  220, 
46 ;  so  das  gesehen  ist  .  .  ,  sol  sie  {die  hebamme)  .  .  . 
höflich  und  mit  züchten  suchen,  greiffen,  und  den  ausz- 
gang  desz  kinds  erfahren  mit  iren  fingern  Ruoff  heb- 
amtnenbuch  53; 

und  greiff  ein  jede  mit  der  handt, 
ob  si  noch  füll  ein  kalte  wandt 

Scheit  frölich  heimfart  B  II  * ; 

ein  blinder  .  .  harfenschläger  .  .  sich  mit  greiffen  und 
tasten  behelfen  musz  Dannhawer  catechismus  milch 
4,  174;  wan  man  nicht  sieht,  ist  erlaubt  zu  greifen 
Kirchhofer  Schweiz,  sprüchivörter  244;  er  .  .  griff  sich 
durch  den  gang,  in  welchem  die  lampe  herabgeworfen 
worden  war  Stifter  3,  26;  tastend  suchen: 

{Eulenspiegel)  wischt  gleich  mit  der  band  hinausz, 
greifft,  ob  der  förderst  hab  kein  lausz 

Fischart  Eulenspiegel  61,  929  Haufen; 

er  nahm  das  kalbfellränzchen,  öffnete  es  und  griff  so- 
lange, bis  er  das  fläschchen  fand  Stifter  ö^,  244. 

3)  vom  betasten  der  frauen: 

er  begonde  näher  grifen  {im  brautbett) 

H.  V.  Freiberg  Tristan  753; 

greiffen  und  küssen  bewegt  das  fleisch  Marq.  vom  Stein 
Spiegel  der  tugent  (1498)  d  5^*;  wer  mit  sehen,  greiffen, 
willigen  gedancken  sich  reitzt  und  befleckt  Luther 
l,  253  Weim.;  Allessander  ein  wenig  höher  greiff,  do  er 
fände  zwei  .  .  prüstlein  Arigo  decam.  69,  36; 

wann  dir  ein  junckfrau  auf  der  Strassen 
begegnet,  so  mach  dich  zfithätig, 
mit  greiffen,  tasten,  nur  unflätig 

Scheit  Grobianus  1151  neudr.; 

hier  wird  ein  hereinspielen  der  bedeutung  'fassen'  fühl- 
bar, zumal  bei  transitivem  gebrauch: 

ewer  gröste  wyszheit  ist, 

wie  ir  gredt  müllerin  gryfft  die  brüst 

Murner  narrenbeschw.  5, 119  neudr. ; 

denn  was  hilft  mich,  ob  ich  keyn  weyb  sehe,  höre 
odder  greyffe  Luther  12,  98  Weim.;  der  jung  gesell  .  . 
bat  sie,  sie  wolt  ine  doch  das  wertzlin  greyffen  laszen 
MoNTANUS  Schwankbücher  38. 

4)  einzelne  Wendungen. 

puls  greifen  u.  ä.  seit  dem  15.  jh.  belegbar;  bis  ins 
le.jh.  meist  in  Verbindung  mit  dem  harnbesehen:  furbas 
so  künden  die  artzt  .  .  die  ursach  und  natur  der  krank- 
hait  so  subtilglich  fürheben,  mit  maisterlichem  erzögen 
desz  brunnen  senhens,  mit  gryffen  desz  puls  Stain- 
HÖVi^EL  de  dar.  mulier.  835  Drescher;  als  aber  die  arczt 
syne  ädern  griffent  Esopus  170  Österley;  doctor  Rundegk 
besah  iro  den  harn,  greif  die  bulzader  N.  Manuel  221, 14 
Bächtold;  (die  arczte)  sein  krancheit  beschauten,  sein 
pulsz  und  härm  sachen  und  griffen  Arigo  decam.  131 
Keller;  sie  besahen  der  junckfrawen  ihren  baren,  grif- 
fen ihr  die  puls  und  ädern  Schümann  nachtbüchlein 
306  Bolte;  du  dann  am  montag  etliche  mahl  den  puls 
greiffest  Spee  güld.  tugend  buch  (1649)  625;  seltener 
nach  und  an:  der  artzt  greiffete  nach  des  krancken 
puls  Schupp  Schriften  769;  an  den  puls  greifen  Stein- 
bach 1,639;  auch  bildlich  für  'untersuchen,  erforschen':  ich 
will  diesem  velleisen  meisterlich  den  puls  grieffen  Hars- 
dörffer  frauenz.  gesprechsp.  2,  327;  einer  sache  die  puls 
greiffen  .  .  .  scandagliarlo  e  ponderarlo  bene  Kramer 
teutsch.-ital.  dict.  (1700)  1,  558";  wie  es  das  alter  trägt,  der 
weit  recht  an  dem  puls  zu  greiffen  Fleming  vollk. 
teutsche  soldat  184  §  2.  die  wendung  geht  deutlich  vom 
obd.  aus;  greifen  nach  und  an  d.  p.  scheint  md.  im, 
18.  jh.  erlöschend,  ersetzt  durch  fühlen  {vgl.  th.  VII  2213). 

hennen  greifen  u.  ä.:  warumb  geht  ihr  nicht  in 
die  kuchen  und  kocht,  .  .  greiffet  die  hennen  obs  eyer 
haben  Guarinonius  grewel  d.  verivüstung  (1610)  79;  noch 
heute  dialecüsch:   d'  henne  grife"  Staub-Tobler  2,  708; 


25 


GREIFEN 


GREIFEN 


26 


d  hüehner  grifen  Martin -Lienhart  1,270;  d'  hihner 
greifen  Follmann  lothr.  216";  viit  dativ  nur  lexicalisch 
zu  belegen:  den  pfäwin  greiffen  i.  e.  experiri  num  gestant 
ova  CoRViNUS  1,  370*;  den  hünern  greiffen  tastare  le 
galline  Kramer  teutsch.-ital.  dict.  (l700)  1,  558";  den 
hennen  greiffen  Dentzler  (1716)  139'»;  die  Wendung 
scheint  specifisch  obd.,  das  heutige  nd.  sagt  'tasten',  ver- 
gleichbar: ein  vieh  greiffen  {ob  es  fett  ist)  Kramer 
hoch-nider-teutsch  wb.  (l719)  100". 

die  finsternis  greifen  können,  aus  der  bibel 
stammender  ausdruck  (et  sint  tenebrae  super  terram 
Aegypti  tarn  densae,  ut  palpari  queant  ex.  10,  2l): 

ez  wirt  vil  vinster      ze  der  zeswen  unde  ze  der  winstir 
daz  man  si  griffen  mach      als  ez  si  tunchliu  naht 

genesis  150,  3  Diemer; 

das  so  finster  werde  in  Egyptenland,  das  mans  greiffen 
mag  2  Mos.  10,  21 ;  egiptische  finsternisz  sind  ubir  und 
yn  yhn,  die  man  greyffen  mag  mit  fingern  Luther 
10^,1,  660  Weim.;  von  Luther  als  sprichwörtlich  bezeich- 
net: es  komen  so  dicke  finsternisse,  das  man  sie  greif- 
fen möchte,  wie  wir  Deudschen  pflegen  zu  reden  16, 152 ; 
es  sind  nun  alle  kühe  schwartz,  es  ist  so  finster,  dass 
mans  greiffen  kan  Harsdörffer  frauenz.  gesprechsp. 
2,  288; 

finsternis,  die  man  betastet, 

die  man  greifen  kan  wie  jene, 

die  Ägypten  einst  belastet  Heine  1,315; 

da  wurde  es  im  ganzen  himmel  auf  einmal  so  dunkel, 
dasz    man   es   ordentlich    mit    bänden    greifen   konnte 

StORM   2,  210. 

B.  ins  unsinnliche  übertragen. 

l)  schritt  für  schritt  läszt  sich  die  entwicklung  von 
'tasten,  fühlen'  zum  rein  geistigen  'begreifen'  verfolgen; 
besonders  bei  substant.  object  ist  die  ursprüngliche  sinn- 
liche bedeutung  noch  durchaus  lebendig:  es  bleyben  eygen- 
sinnige  harte  köpf,  ob  sie  schon  greyffen  die  warheyt 
und  wunder  gottis  Luther  8,  21  Weim.;  man  sagt  die 
new  wal  Ludowico,  der  wils  nit  glauben  .  .  .,  bis  ers 
greyffen  müst  See.  Frangk  Germ,  chron.  (1538)  199;  das 
man  ye  in  Christo  gott  greiffen  und  sein  art  sehen  solt 
paradoxa  (1558)  23^;  gott  fühlet,  spüret  und  greifet  man 
in  allen  creaturen  Mathesius  evang.  S.  Joh.  21»;  so 
solches  nit  augenscheinlich  were  und  getast,  griffen  ohn 
allen  zweiffei  würde  Paragelsus  opera  2,  480;  ähnlich 
noch  sehr  spät: 

lerntest  du  doch  nur  zu  lügen, 
lügtest  nicht  so  ohne  kunst, 
dasz  man  greift  den  lügendunst 

ROCKERT  1,  326; 

in  anderen  fällen  zeigt  sich  deutlich  eine  himcendung  zu 
der  bedeutung  'erkennen,  begreifen',  namentlich  bei  abso- 
lutem gebrauch:  dieser  psalm,  wie  man  wol  greyffen 
kan,  ist  ein  gemein  gebet  aller  fromen  Luther  19,  582 
Weim.;  disze  lugen  von  den  xxv.  jar  s.  Peters  zu  Rom 
wollen  wir  so  klar  machen,  das  auch  Emser  greyffen 
musz  7,  671;  die  lesterung  möchte  den  Juden  nit  zu 
hertzen  gen,  wie  du  ausz  dem  evangelion  greyffen  kannst 
flugschr.  a.  d.  kämpf  d.  schicärm,er  geg.  Luther  31  neudr.; 
ist  bekandt  .  .  .,  und  die  tägliche  erfahrung  gibt  es  zu 
greiffen   Guarinonius  gretcel  d.  Verwüstung  (1610)  5; 

den  boltz  (der  himml.  liebe)  wer  je  gefühlet 
geschmidt  in  süssem  brand,  .  . 
mags  greiffen  mit  verstand 

Spee  trutz-nacht.  (1649)  73; 

am,  klarsten  tritt  die  bedeutung  'begreifen'  zu  tage,  wenn 
abhängige  sätze  folgen,  aber  auch  hier  noch  fälle  con- 
creteren  gebrauchs,  etica:  das  man  die  sach  aufs  deut- 
lichst an  tag  gebe,  das  es  auch  die  jugent  durch  offne 
spil  sehen,  hören  und  erkennen  und  gleichsam  greiffen 
möge,  wie  unrecht  dem  Hussen  gesehen  ist  Vogelgesang- 
CoGHLÄus  heimlich  gespräch  11  neudr. ;  schon  früh:  ent- 
schlüs  din  inren  sinne,  tu  uf  dinu  geistlichen  ogen  .  . ; 
sich  so  mäht  du  grifen,  daz  ich  minen  vründen  daz 
aller  minncklichest  tun  H.  Seuse  deutsche  sehr.  237,  5 
Bihlmeyer;  so  man  yetz  greyfft,  wie  grossen  schaden 
auch  haiiger  lerer  biecher  geborn  haben  Eb.  v.  Günz- 
BURG  1,  204  neudr.;   das   sage   ich   darumb,   das   man 


greiffe,  wie  der  Zwingel  mit  gauckeley  umb  gehet  Lu- 
ther 26,  359  Weim.;  denn  an  diesen  Sprüchen  greyfft 
eyn  kind  wol,  das  18,  310;  hei  hvTHER  sehr  häufig,  vgl. 
18,  164.  197;  26,  346.  379;  34*,  294;  demnach  greyffen  sie 
auch  das  war  sein,  nemlich  das  die  religion  der  Christen 
weit  ein  anders  ist  dann  See.  Frangk  beschreibung  d. 
Turckey  A  11^; 

ja  halt  man  ewer  bücher  doch 
gen  dem  Trentisch  concili  noch, 
da  wird  man  greiffen  deutlich  eben, 
das  ir  darwider  gentzlich  streben 
Fisch  ART  von  s.  Dominici  artl.  leben  126,  125  Kurz; 

ders  nicht  greifft,  das  die  Ordnung  in  allen  Sachen  den 
menschen  .  .  gebüre  Guarinonius  grewel  d.  Verwüstung 
(leio)  83;  es  können  ja  wohl  die  bauern  greifen,  dasz 
Frankreich  und  Holland  so  vil  als  öffentliche  feinde 
seyn  Leibniz  deutsche  sehr,  l,  171;  im  19.  jh.  ist  das  rein 
geistige  greifen  anscheinend  erloschen;  ein  merkwürdig 
später  nachhall  bei  Lenau  : 

dir  sind  zu  eng  des  glaubens  schranken, 
dein  Christus  ist,  greif  ich  dich  recht, 
die  summe  göttlicher  gedanken 
im  ganzen  menschlichen  geschlecht 

werke  498  Barthel. 

2)  dasz  für  greifen  intellegere  von  der  bedeutung  con- 
trectare,  nicht  von  capere  auszugehen  ist,  erhellt  evident 
axis  Sätzen  wie:  auf  das  solch  grobe  blinde  köpf  greyf- 
fen, wie  weyszlich  sie  mit  yhrem  regiren  faren  Luther 

12,  116  Weim.;  kain  haid  ist  nie  so  plind  und  unsinnig 
gewest,  der  solches  unpilt  nit  griff  Aventin  bayer.  chron. 
4,  402  Lexer;  dann  ein  blinder  griffe,  dass  die  schritten 
Avicennae  nicht  mögen  ein  warheit  seyn  Paragelsus 
Chirurg,  bücher  17";  dafür  spricht  auch  die  häufige  Zu- 
sammenstellung mit  sehen,  in  der  dieselbe  enticicklung 
zu  beobachten  ist  wie  beim,  einfachen  greifen,  s.  o.  1: 

man  sieht's  und  grift's,  dass  ich  nit  lügen 

N.  Manuel  Barbali  242  Bächtold, 
Barbali,  du  hast  mich  überkon ! 
du  redst  so  gruntlich  und  wol  darvon, 
dass  wir's  sehen  und  grifen  müessen 
und  drüber  fallen  mit  den  füessen  1411; 

ich  sihe  und  greiff  das  du  zornig  bist  Murner  an  den 
adel  53  neudr.;  was  darfstu  uns  leren,  das  diesz  priester- 
schaft durch  gewonheit  biszher  blieben  ist?  wilch  baur 
und  kind  sihet  und  greyffet  dasselb  nit?  Luther  7,  635 
Weim.,  vgl.  15,  191;  26,  262;  34 S  288;  derhalben  nimpt 
michs  sehr  frembd,  dasz  unser  guter  M.  Gentian  hier- 
über den  köpf  prechen  mag,  zu  beweisen  .  .  als  ob  es 
nicht  vor  klar  genug  sei,  dieweil  mans  täglich  sehen 
und  greiffen  mag  Fischart  binenkorb  (1588)  74>>; 

du  siehst  und  greifst,  wie  gut  er  sey 
dem,  der  ihn  ehrt  und  liebt 

F.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  401*>; 

nun  siehe  ichs  wol,  ,  .  und  greiff  es  wol,  .  .  es  musz 
gestorben  seyn  Abr.  a  St.  Clara  mercks  Wien  (1680)  19 ; 
im  18.  jh.  erlischt  die  bedeutung  'fühlen'  im  icesentlichen 
{s.  0.  A  l);  wenn  also  sehen  u.  gr.  ganz  spät  plötzlich 
wieder  in  stark  concreter  färbung  erscheint,  erklärt  sich 
das  daher,  dasz  jetzt  an  greifen  capere  gedacht  wird:  du 
sollst  nur  etwas  erfinden,  dadurch  Tiefsinns  thorheit  so 
klar  an  den  tag  kommt,  dasz  sie  deine  frau  sehen  und 
greifen  musz  Petrasch  lustsp.  (i765)  i,  64;  ich  werde 
mich  über  manches  aus  dem  gedächtnisse  zu  schwan- 
kend, zu  unbefriedigend  ausgedrückt  haben  —  unter 
meinen  büchern   sollst  du  sehen  und  greifen  Lessing 

13,  410.  andere  doppelwendungen :  das  sie  greyffen  und 
fülen  möchten  .  .,  wie  blindt  und  verstockt  sie  handien 
Luther  15,  254  Weim.,  vgl.  18,  367;  wadurch  der  böse 
feind  sie  dan  .  .  in  die  stricke  führet,  daz  sie  es  selbst 
schier  weder  fühlen  noch  greiffen  Moscherosgh  in- 
somnis  cura  107  neudr.;  und  was  ist  not,  das  ich  alle 
unterscheydt  .  .  .  ertzele,  so  doch  die  unvernünftigen 
thier  solchs  mercken  und  greyffen?  Luthers, 521  Weim., 
vgl.  15, 128 ;  hiebey  merck  und  greyff  doch  lieber  Christ, 
was  das  müssen  für  leüt  sein  Joh.  Nas  antipap.  eins 
u.  hundert  2,  160";  ir  greiffen  und  befinden,  das  man 
mit  unfruchtbaren  märlin  uff  der  cantzel  umb  gat  Eb. 
V.  Günzburg  1,  52  neudr.;  warlich  alle  Vernunft  mus 
bekennen   und  yderman  greyffen,    das    Luther  12,  ii2 


27 


GREIFEN 


GREIFEN 


28 


Weim.;  das  es  alle  Vernunft  greiffen  und  tappen  mag 
28,  323. 

8)  an  der  wand  greifen :  man  mocht  es  an  der  wandt 
greiffen,  das  es  des  teufeis  spill  sey,  noch  will  nymant 
di  äugen  aufthun  Luther  9,  543  Weim.;  greiffs  an  der 
wand,  an  rex  sim  27,  113; 

ha  ha,  das  greifft  man  an  der  wandt, 
solt  gottes  söhn  in  solchen  standt 
sich  han  begeben? 

Kküger  aktion  v.  d.  anfang  u.  ende  d.  weit 
(1580)  D  Villa; 
und  zwar  es  ist  kund  und  bekant, 
ein  blinder  griff  es  an  der  wand, 
ich  hab  es  lang  bey  mir  gedacht, 
dasz  es  der  vatr  nicht  recht  gemacht 

RiNCKHART  Christi,  ritter  78  neudr. ; 

vgl. :  er  soll  ihnen  den  vater  für  die  äugen  stellen,  das 
sie  ihnen  (ihn)  greiffen  und  dappen  kondten  wie  die 
wanth  Luther  33,  557  Weim. 

i)  mit  bänden  greifen;  da  diese  wendung  in  älterer 
zeit  genau  so  gebraucht  wird,  wie  die  unter  l  bis  3  ge- 
nannten, liegt  es  nahe,  auch  sie  an  die  bedeutung  'tasten' 
anzuknüpfen:  nu  greyff  du  es  selb  mit  der  band  ob  das 
nit  eyn  grosze  tolle  vorkerung  ist  Luther  9,  250  Weim.; 
so  wil  ich  euch  dez  unterweisen  daz  ir  es  mit  euern 
henden  greiffen  und  äugen  sechen  sölt  Arigo  decam. 
195  Keller;  dass  man  es  mit  bänden  greiffen  kan,  dass 
das  i  für  das  u  oder  e  .  .  gebrauchet  werde  Zesen  rosen- 
mänd  (I65i)  92;  hingegen  niemand  ist,  der  nicht  mit 
bänden  greifen  könne,  wie  es  so  gar  anders  im  lande 
stehen  würde  Leibniz  deutsche  sehr,  i,  242;  auch  mit 
fingern  gr. :  und  das  yderman  muge  mit  fingern  greyf- 
fen,  das  sie  zu  Rom  nit  eine  gedancken  haben,  die 
warheit  zuvorteydingen  Luther  6,619  Weim.;  vel  coeco 
adpareat.  man  möcht  es  mit  fingern  greiffen  Seb.Franck 
sprüchw.  (l54i)  2, 16*;  aber  so  mus  man  ligen,  das  mans 
mit  allen  fünfen  greifen  könne,  was  man  nicht  kan 
sonsten  behaupten  Beinicke  fuchs  (1650)  865;  anscheinend 
nicht  übers  17.  jh.;  dagegen  kommt  mit  bänden  gr.,  das 
im  16. /l7.  jh.  nicht  sehr  häufig  ist,  im  18. /l9.  erst  zu  voller 
blüthe;  greifen  vnrd  nunmehr,  da  die  bedeutung  fühlen' 
im  18.  jh.  erstirbt,  als  'fassen'  verstanden:  hier  sieht  man 
die  Wahrheit  in  ihrer  Wirklichkeit  klar  vor  äugen,  dasz 
man  sie  mit  bänden  greifen  kann  Reimarus  loahrheiten 
d.  nat.  relig.  (1766)  313; 

wollt  ihr  mein  wort  nicht  gelten  lassen, 
sollt  ihr's  mit  bänden  greifen  und  fassen 

Schiller  Wallensteins  lager  867; 

man  glaubte  mit  bänden  zu  greifen,  dasz  der  könig  von 
einem  papistischen  einflusz  beherrscht  werde  Ranke 
16,  96;  ich  will  es  nicht  glauben,  ob  ich  es  gleich  mit 
bänden  greife:  den  allermeisten  fehlt  das  intellectuale 
gewissen  Nietzsche  5,  37;  daneben  stellt  sich  seit  dem 
18.  jh.  ein  concreterer  gebrauch  m.it  substant.  object  ein: 
und  da  Gretchen  den  fremden  in  dem  gütchen  herum- 
führte, und  ihn  alles  schöne  desselben  mit  aug  und 
bänden  greifen  lies  Hippel  lebensläufe  3,  287 ;  ich  könnte 
einen  gewissen  jemand  mit  bänden  greifen,  der  auf  mich 
gar  nicht  gut  zu  sprechen  war  Bäuerle  kom.  theater 
2,  48;  die  .  .  Sternbilder  .  .  hängen  da  in  der  klaren  luft, 
der  geist  kann  sie  mit  bänden  greifen,  so  deutlich  nah 
schimmern  sie  herab  B.  v.  Arnim  dies  buch  gehört  d.  könig 
1,  198;  als  ob  unsere  luft  sich  beinahe  mit  bänden  grei- 
fen liesze  Allmers  marschenbuch  l,  55;  spunceise  deutet 
sich  die  auffassung  von  greifen  als  capere  schon  vor  dem, 
18.  jh.  an:  lügen,  die  man  wohl  mit  allen  fünf  fingern 
hätte  haschen  und  greiffen  können  Zend.  a  Zendoriis 
teutsche  winternächte  529 ;  man  möchts  mit  fingern  greif- 
fen Eyerin G  proverbia  3,197;  so  wohl  auch  schon:  woldet 
yr  myr  nicht  gleuben,  so  gehet  hyn,  höret,  sehet  yhn 
und  greyffet  myt  feusten,  an  non  sit  Christus  ille  Lu- 
ther 29,  626   Weim.;  Varianten: 

da  band  und  äuge  greift  und  sieht, 

wie  gott  und  glück  dich  rückwärts  führen 

Stoppe  Pamasz  (1785)  2; 

ich  greife  mit  band'  und  füssen,  wie  freundlich  der  herr 
sey,  in  der  belebten  und  leblosen  natur  Bräker  sämtl. 
sehr.  2,  112. 


III.  präpositionale   und   adverbielle  Zusätze  neben  dem 
intransitiven  verbum. 

A.  greifen  zu. 

i)  auf  gegenstände  angewendet,  der  bedeutung  'ergrei- 
fen' nahe  stehend: 

a)  mit  grimmegen  muote  greif  Hagene  zehant 

vil  balde  ze  einer  scheide,  da  er  ein  wäfen  vant 

Mb.  1502,  2; 
sie  griffen  zä  der  speyse 

SCHAIDENREISZER  Odyssca  (1537)  15i>; 
von  hertzog  Emsts  bewartem  schiff, 
wie  er  zu  dem  carfunckel  griff 

Scheit  Grobianus  2258  neudr.; 
greift  fröhlich  dann  zum  wanderstabe 

Schiller  11,  312; 

als  ich  nun  glaubte  meine  kräfte  wären  wieder  herge- 
stellt, griff  ich  zu  meinen  noch  übrigen  binden,  und 
wollte  sie  um  einen  zacken  des  mauerkranzes  winden 
Göthe  43,  330  Weim.; 

ist  euch  schon  der  wind  nicht  günstig, 

zu  den  rudern  greifet  brünstig  2,  39; 

da  griff  ich  zuo  den  blumen,  die  du  siehst 

Grillparzer  7,  13 ; 

er  griff  also  zu  hut  und  stock  Fontane  I  6,  48;  von  je- 
her auch  verblaszt  oder  bildlich: 

diu  swert  diu  leiten  si  dernider 
und  griffen  zu  der  stöle  wider 

W.  V.  D.  Vogelweide  9,  31 ; 

dieweil  ich  aber  merckte,  das  es  sehr  kurtz  .  .  so  hab 
ich  zur  feder  griffen  und  eine  völlige  erklärung  .  .  ge- 
stelt  Fischart  binenkorb  (1588)  A  6";  die  besondere  fü- 
gung,  dasz  ein  mann  .  .  in  augenblicken  wo  uns  die 
sinne  vergehen,  .  .  zur  feder  greift,  das  unerträgliche  in 
der  gegenwart  zu  schildern  Göthe  IV  36,  26  Weim.;  Carl 
der  fünfte  .  .  grif  gemeiniglich  zu  einem  buche,  wenn 
er  das  schwerdt  .  .  .  aus  der  hand  gelegt  Butschky 
Pathmos  (1677)  407;  schicken  sie  mir  sie  {die  neue  schrift) 
doch ;  wenn  es  der  mühe  werth  ist,  will  ich  einmal  zur 
peitsche  greifen  {in  einer  kritik)  Görres  briefe  3, 167. 

b)  besonders  vom  ergreifen  der  waffen,  und  zwar  han- 
delt es  sich  immer  um  den  degen  oder  ähnliche  waffen: 

ich  war  es,  der  zumahl  der  erste  grief  zum  degen 

S.  V.  Birken  forts.  d.  Pegnitz-schäferey  (1645)  58; 

als  griff  der  ungeschickte  kerl  zum  sebel  Ziegler  asiat. 
Banise  (1689)  67 ;  nicht  allemabl  greift  der  gedrückte  unter- 
than  zum  dolch  Haller  Alfred  könig  d.  Angels.  125; 
Wilhelm  und  Laertes  griffen  zu  den  rapieren  Göthe 
22,  37  Weim,.;  selten  und  spät  von  anderen  waffen: 

was  recht  liebt,  sollte  zu  den  keulen  greifen, 
um  dieses  ungetüm  der  macht  zu  tilgen 

Kleist  1,  380; 

ich  werde  nicht  auf  alles  einzelne  eingehen,  halte  es 
aber  doch  für  pflicht,  bei  einigen  ausfällen  zum  Schilde 
zu  greifen  Vischer  altes  u.  neues  2,  4.  feste  formein: 
zur  wehr  greifen  {vgl.  die  belege  th.  14 *,  180),  seit  dem 
16.  Jh.,  vom  18.  jh.  an  seltener;  weniger  gebräuchliche  Va- 
riante dazu  zum  gewebr  gr. ;  zum  geweer  greyffen,  den 
krieg  anfahen  Frisius  diction.  (i556)  iig'';  bey  solcher 
herannahung  des  feindes  wurden  auch  die  römisch-ca- 
tholischen  bauren  im  Brisgow  aufrührisch,  griffen  zum 
gewebr  Chemnitz  schtced.  krieg  2,  250;  will  man  dem 
dichter  dieses  gefühl  allgemeinen  heiligen  behagens  rau- 
ben .  .,  dann  steht  der  friedliche  mann  auf,  greift  zum 
gewebr  und  schreitet  gegen  die  ihn  so  fürchterlich  be- 
drohenden irrsale  Göthe  40,  274  Weim.;  zu  den  waffen 
greifen;  seit  dem  16.  jh.;  anfangs  seltener,  erst  mit  dem 
18.  jh.  recht  zur  entfaltung  gelangt:  zu  Iren  waffen  grif- 
fen, von  leder  rückten  Arigo  decam.  341  Keller;  eyn 
junckfrawe  .  .  umb  der  willen  ich  zu  dem  waffen  und 
Schwert  greiff  275;  so  greiffen  sie  zu  prügel  und  spie- 
sen,  zu  wehr  und  waffen  Eeinicke  fuchs  (1650)  392;  er 
.  .  begert,  dass  si  {die  fürsten)  zun  waafen  griffen,  ine 
{den  kaiser)  erretten  Tschudi  chron.  Helvet.  1,  ¥i ;  ohne 
wenigstens  eine  partei  unter  ihnen  {den  churfürsten)  zu 
haben,  konnte  Franz  I.  doch  nicht  zu  den  waffen  grei- 
fen Ranke  reform,  gesch.  1,  259;  welche  dritten  Staaten 
werden  um  deshalb  zu  den  waffen  greifen  weil  Moltke 
Schriften  u.  denkwürd.  5,  195;    in  einem  kämpfe  derart 


I 


29 


GREIFEN 


GREIFEN 


30 


.  .  sieht  man  die  waffen,  zu  denen  man  greift,  .  .  nicht 
an  BiSMARCK  ged.  u.  erinn.  2,  78  volksausg.  eine  ähn- 
liche entivicklung  von  der  gegenständlichen  zu  einer  mehr 
oder  minder  bildlichen  venoendung  läszt  sich  bei  zum 
Schwert  gr.  beobachten: 

d6  grifFen  si  z6  den  swerten 

Straszb.  Alex.  1732  Kinzel; 

man  .  .  viel  findet,  welche  vom  pflüg  .  .  zum  schwert 

gegriffen  Grimmelshausen  Simpl.  48  Kögel; 

gilts  deine  ehre,  greift  zum  schwert  die  band 

BÖHME  volksthüml.  Ueder  64. 

2)  übertragen  'sich  machen  an,  schreiten  zu'. 

a>  er  kom  zeinem  wazzer  haizet  Tuonouwe, 

da  greif  er  wol  ze  bouwe, 
ain  stat  worht  er  da         kaiserehron.  686  Schröder; 

d6  man  aber  darzuo 

wolt  grifen  mit  den  teidingen 

Ottokar  österr.  reimchron.  37342,  vgl.  7621;  35873; 

also  worden  mannliche  hertzen  durch  weiblich  treher 
.  .  bewegt,  das  sie  von  dem  streit  liessent  und  zu  der 
theyding  griffen  Carbach  Titi  Livii  röm.  hist.  6"  (ad 
foedus  faciendum  duces  prodeunt  Liv.  1,  13,  4);  ob  du 
gleich  unschuldig  und  der  man  schuld  hat,  so  solstu 
doch  .  .  erstlich  zur  sönung  greiffen  Barth  toeiberspiegel 
(1565)  FVI»; 

greiff  dapfer  zu  der  gegen-webr 

H.  Sachs  1,  219  Keller; 
wo  anfangs  nicht  ein  mann  zur  gegenwebre  griff 

Gottsched  dUche.  schaub.  1,385; 
vergisz  nit  zu  vermanen  heut, 
das  wir  all  greiffen  zu  der  Schlacht 

Spreng  Iliaa  (1610)  U^; 
das  er  verzweifeln  mus 
und  nicht  mag  greiffen  zu  der  bus 
Krüger  aktion  v.  d.  anfang  u.  ende  d.  weit  (1580)  G  V ' ; 

als  den  20.  februar  1629  Hanns  Jäggler  .  .  sein  richter- 
ambt  aufkindet,  hat  ein  löbl.  magistrat  ...  zu  einer 
neuen  richterwahl  grüffen  österr.  weisth.  6, 200, 16 ;  anders  : 
wenn  sie  (die  richter)  hernach  zum  ampt  greiffen,  das 
sie  .  .  kein  person  ansehen  Luther  28,  537  Weim.;  als  er 
Albrecht  II.)  zur  keyserlichen  regierung  greiff,  freweten 
sich  dieses  herren  alle  reichsgenossen  Hossmann  von 
keyserl.  wähl  u.  krönung  Sil;  'kommen  auf,  übergehen  zu': 

die  red  süIl  wir  läzen  vam 
unde  grifen  zuo  den  järn  .  . 

Jansen  Enikel  weltchr.  6062; 

ehe  wir  zur  auszlegung  greiffen,  müssen  wir  zu  vor 
ausz  dem  weg  reumen  das  unkraut  falscher  lere  Lu- 
ther 8,  344  Weim.;  ich  aber  zä  dem  andern  fürnem- 
lichen  theyl  greyff   Güttel  evang.  warheyt  (1523)  B  P; 

drumb  lass  dir  die  zeyt  sein  nicht  lang  I 

wir  wollen  greiffen  zum  anefang  {steht  im  prolog) 

Schumann  nachtbüchlem  177  Balte; 

wider  gr.  zu  'sich  wieder  zuwenden': 

nfi  sult  ir  widir  grifen 
zu  uwirme  schepfere 
unde  lazit  iu  wesen  unmere 
die  vil  bösen  abgot 

Trierer  Silvester  430  Kraus; 

anders:  diser  Arnoldus  bewegt  das  volck  zu  Rom,  sie 
söltend  wider  zu  irm  uralten  regiment  .  .  und  irer  statt 
fryheiten  gryiTen  Tschudi  chron.  Helvet.  i,  67. 

b)  besondere  Wendungen. 

zur  ehe  greifen,    ohne  dialectische  unterschiede  vom 
14.  bis  in  den  anfang  des  17.  jhs. : 

diz  merke  ouch  du  vil  ebene, 
e  du  grifes  zu  der  e 

passional  291,  79  Köpke; 

er  greiff  widder  zu  der  ee  ader  nit  (sive  contrahat  ma- 
trimonium  sive  non)  oberrhein.  stadtrechte  I  1,  9  (urk. 
von  1325); 

wilt  du  mit  ir  zu  der  ee  greifen? 

fastnaehtsp.  513,  2; 

darzü  sag  ich,  das  zö  heuraten  oder  zä  der  ee  greiffen 
niendert  geboten  ist  von  got  Murner  an  den  adel  deut- 
scher nation  43  neudr.;  wilche  person  mügen  mit  eyn- 
ander  zur  ehe  greyffen  Luther  10^,  275  Weim.;  die 
zweymal  zur  ee  griffen  haben  Casp.  Hedio  chron.  Germ. 
(1530)  237^;  wann  sy  wider  zu  der  andern  ee  greiffen 
Sghaidenreiszer  Odyssea  (1537)  63»;   in  .  .  paten  das 


er  zu  götlicher  ee  griffe  Arigo  decam.  657  Keller;  Hans 
N.  und  Greta  N.  wollen  .  .  zum  heiligen  stand  der  ehe 
greiffen  kircJienordn.  f.  Braunschweig  (1569)  96;  die  .  . 
castriert  seind,  .  .  mögen  nicht  zur  ehe  greiffen  Para- 
CELSUS  opera  2,  414;  seltene  Variante:  derhalben  soll  sie 
es  gleich  mit  im  wagen,  und  mit  im  in  die  ee  greiffen 
Bebel  facetien  (i558)  M  l»;  bair.  auch  zu  der  konschaft, 
zur  heirat  gr.  Sghmeller  1,  989;  hie  und  da  taucht 
im  16.  jh.  zun  ehren  greifen  'heirathen'  auf:  umb  derer 
willen,  so  dise  fasznacht  zun  ehren  greiffen  wollen 
Kirchhoff  wendunm.  l,  296  Österley,  anscheinend  eine 
Vermischung  von  zur  ehe  greifen  und  zu  ehren  schreiten 
{vgl.  th.  3,  57).  tcohl  nicht  ohne  Zusammenhang  m,it  zur 
ehe  gr.  mit  ist  folgende  ivendung :  ein  man  sali  gelden 
furo  seine  frawen  .  .  und  die  fraw  vor  den  mann, 
wanne  wer  sich  verändern  will,  der  sehe  sich  vor,  zu 
weme  er  greife  Purgold  rechtsbuch  2,  344  Ortloff. 

zur  Sache  greifen  'auf  die  sache  kommet,  die  sache 
angreifen':  darnach  greifft  er  mit  ernst  zur  sachen  und 
wils  aus  dem  text  Johann.  6.  beweisen,  das  Luther 
26,  367  Weim.;  da  greyffet  S.  Petrus  recht  zu  den  sachen 
und  wil  so  viel  sagen  14,  28; 

wolan  das  ichs  nicht  zlang  mache 
so  wöln  wir  greiffen  zur  sache 
M.  Agricola  musica  instrum.  deudsch  150  Eibner; 

yetzt  wil  ich  zur  sachen  greiffen,  und  das  gantz  ge- 
schwirm  .  .  erklären  Jon.  Nas  antipap.  eins  u.  hundert 

4,  71»;  ähnlich,  aber  ungleich  seltener:  nun  wollen  wir 
zum  handel  greyffen  Eb.  v.  Günzburg  3,  260  neudr.; 
aber  wir  wollen  zum  fürgenommenen  handel  greiffen 
Begh  Agricola  bergtcerck  buch  (l62l)  2;  auch  'sich  thätig 
einer  sache  annehmen,  die  sache  in  die  hand  nehmen': 

ir  liebn  getrewn  greifft  zu  den  sachen 
und  rhatet  mir  mit  gantzen  trewen, 
ir  dörfft  daran  gar  niemand  schewen, 
zu  straffen  die  schendlichen  that   , 

H.  Sachs  15,  94  Keller-Qötze , 

dann  etlich  wolten  sein  fridlich  leben  nit  sehen  noch 
dulden,  sonder  eh  selbs  zur  sach  greyffen  Stumpf 
Schwytzer chron.  374'*; 

lasz  uns  mit  Worten  nicht  umbgehen, 
dardurch  das  werck  beleibt  anstehen, 
wir  wollen  greiffen  zu  der  sach 

Spreng  Utas  (1610)  21». 

zum,  werk  greifen  u.  ä:  welcher  zu  einem  solchen 
werck  wil  greyffen,  der  sol  in  seinem  fürnemen  wissen 
was  er  machen  wil  Dürer  vier  bücher  v.  menschl.  Pro- 
portion TU»;  sich  nicht  zu  säumen,  sondern  zum  werk 
zu  greifen  Leibniz  deutsche  sehr,  l,  205;  nach  dem  rath 
greiff  zur  that  Seb.  Franck  sprüchw.  (l54i)  1, 157»;  vgl. 
109''; 

fürst  Hector  griff  auch  zu  der  that 

Spreng  Utas  (1610)  83»>; 

wan  er  {der  bischof)  zu  euch  (der  haushälterin) 

do  wirt  schleichen ; 
haist  euch  die  füchszkürssen  weichen, 
ee  das  er  zu  arbeit  thut  greiffen 

Pfarrer  v.  Kaienberg  42,  847  neudr. ; 

jedoch  vollstreckt  er  das  gebott, 
60  ihm  gegeben  war  von  gott, 
und  bald  bereiten  liesz  die  schiff. 
damit  man  zu  der  arbeit  griff 

Spreng  Hias  (1610)  72». 

8)  abzusondern  ist  der  gebrauch  von  gr.  zu,  wo  es  sich 
um  eine  wähl  handelt:  er  (gott)  hat  dir  feur  und  was- 
ser  fürgestellet,  greiff  zu  welchem  du  wilt  Sir.  15,  16; 
darumb  steet  in  des  menschen  freyem  will,  zegreyffen 
zuo  tyerischer  oder  zuo  erster  menschlicher  art  Berth. 
V.  Chiemsee  teutsche  theol.  369  Eeithmeyer;  leidenschaft 
und  Zufall  werden  mir  schon  maasregeln  an  die  hand 
geben,  wenn  ich  auch  jetzt  noch  nicht  weiss,  wozu  ich 
greifen  soll  Meiszner  skizzen  l,  136;  ähnlich  und  seit 
dem  16.  jh.  häufig  für  das  ergreifen  einer  maszregel  u.  dgl. 
beim,  versagen,  fehlen,  nichtgenügen  anderer  möglichkeiten, 
'seine  Zuflucht  nehmen  zu':  will  solches  alles  nicht  hei 
fen,   so  musz   man  zum  scheiden  greifen   Luther  br. 

5,  667  de  Wette;  dass  sie  nicht  leichtlich,  ohne  hoch 
dringende  noth  zur  nottaufe  eilen  oder  greiffen  sollen 
kirchenordn.  f.  Braunschweig  (l569)  70 ;  bliebe  endlich  der 
sieg  dem  Bardanes,  und  muste  Gotarzes  zur  flucht  grei- 


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GREIFEN 


GREIFEN 


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fen  A.  ü.  V.  Braunschweig  Octavia  (1677)  l,  94;  und 
vater  und  söhn  muszten  wieder  zum  handwerk  greifen 
Grimm  kinder-  u.  hausmärchen  (1812)  i,  165;  in  der  Ver- 
zweiflung griff  man  mitunter  zu  ganz  abenteuerlichen 
.  .  konjekturen  Gentz  sehr.  2,  170;  der  arzt  welcher  .  . 
zaghaft  zu  palliativen  greift,  wird  nie  die  krankheit  heben 
B.  V.  Arnim  dies  buch  gehört  d.  könig  2,  382;  man  griff  {bei 
der  rekrutenausliebung)  zu  unbärtigen  knaben  und  fa- 
milienvätern  Häusser  deutsche  gesch.  2,  473;  wir  wären 
dann  nicht  genöthigt,  zur  besteuerung  der  genuszmittel 
zu  greifen  Bismargk  polit.  reden  4,  243;  so  mit  Vorliebe 
in  Verbindung  mit  mittel,  doch  kommt  diese  phrase  erst 
mit  dem  19.  jh.  recht  in  schwang:  sie  musten  ihre  wol- 
fahrt  beobachten,  und  zu  andern  mittein  greifFen 
Olearius  reise-beschreib.  (1696)  119;  eine  {philologische) 
Schwierigkeit,  bei  der  er  {Klotz)  so  gar  zum  gefährlich- 
sten mittel  greifen  musz  Herder  3,  339;  vermelde  dem 
guten  Rehbein :  .  .  dasz  ich  diese  tage  zu  keinem  ärzt- 
lichen hülfsmittel  greifen  müssen  Göthe  IV  36,80  Weim.; 
wirklich  griff  Brienne  .  .  zu  den  mittein  der  Verzweif- 
lung Dahlmann  gesch.  d.  frz.  revol.  138;  die  nothwen- 
digkeit,  im  kämpfe  gegen  eine  Übermacht  des  auslands 
im  äuszersten  nothfall  auch  zu  revolutionären  mittein 
greifen  zu  können  Bismargk  ged.  u.  erinn.  2,  78  Volks- 
ausgabe. 

4)  isolierte  Wendungen. 

zu  sinne  gr.  'des  sinnes  werden,  sich  entschlieszen, 
sich  besinnen,  zur  besinnung  kommen';  wesentlich  nd. 
ausdruck : 

ich  dachte  an  daz  raegetin, 

ich  leyt  swere  gantze, 

ich  greyff  hertlich  doch  zu  syn, 

ich  hob  uff  myne  lantze 

Cersne  minneregel  4221; 

darum  se  to  synne  greppen, 
des  insampt  do  worden  al  eyn 

gtüdtechron.  16,  196; 

de  hadde  on  seer  vorschrecket 
in  dem  haghen  dar  he  do  slcp, 
dat  he  yo  nicht  to  synne  grep  16,  202; 

das  ein  radt  der  altenstadt  das  Barfuesser  kloster  hat 
lassen  befehlen  zuzustehen,  bisz  das  rumorisch  volck 
wieder  zu  sinnen  greiffe  27,  172  {aus  der  historia  des 
Magdeburgers  Seb.  Lanohans). 

zu  den  zügen  gr.  'in  die  agonie  verfallen,  sterben' 
Schmeller  1,  990,  seltene  Variante  zu  in  die  z.  gr.  {vgl. 
sp.  88);  vielleicht  veranlaszt  durch  Wendungen  wie:  als 
einez  zem  töde  grifende  wirt,  so  hat  man  des  site 
Berth.  V.  Regensburg  43,  5  Pfeiffer. 

gr.  zu  auf  Personen  angewendet  'gefangen  nehmen', 
specifisch  alem.:  wer  anders  liefe,  .  .  zu  dem  wil  man 
griffen  und  in  den  turn  legen  Straszburger  zunft-  u.  poli- 
zeiverordn.  149  Brucker;  do  griff end  die  von  Costentz 
zu  im  und  Sengen  in  und  entran  sin  knecht  Richen- 
TAL  chron.  d.  Constanzer  conz.  90;  zu  einem  greyffen 
und  in  gefencklich  an  nemmen  Maaler  (i56i)  192*; 
Dentzler  (1716)  139*»;  in  anderen  dialecten  mit  an- 
derer bedeutung:  botschaft  .  .  . ,  daz  der  herren  von 
Bairn  volk  etlich  dez  reichs  stet  angriffen  haben,  e  daz 
man  zu  in  griffen  {sie  angegriffen)  hat  städtechron.  l, 
142,  19  {Nürnberg,  a.  1388) ;  we  ok  myt  deme  andern  gud- 
liken  ghelevet  heft,  de  en  schal  nicht  to  om  gripen 
noch  ienneghen  schaden  don  Sghiller-Lübben  2, 148'' 
aus  einem,  landfrieden  von  1391 ;  nur  im  alem.  auch  von 
gutem  'wegnehmen':  darnach  graif  erst  unsser  herr  der 
küng  zu  hertzog  Fridrichs  gut  Richental  chron.  d.  Con- 
stanzer conz.  70;  darumb  ist  es  so  vil,  man  hat  yhm 
die  kue  genommen,  als,  man  hat  yhn  zu  yhrer  narung 
griffen  Agricola  750  teutscher  Sprichwörter  (1534)  LI»; 
in  solchem  krieg  greiff  keyser  Otho  der  4.  zu  dem  schloss 
Rheynegk  Stumpf  Schwytzerchron.  (1606)  339'';  vgl.  einem 
zum  seckel  greiffen  darausz  zu  stelen  Galepinus  undec. 
ling.   (1598)   866*'. 

in  der  Jägersprache:  da  denn  der  Jäger  bemühet 
seyn  musz,  den  hund  hiervon  hinweg  zu  bringen,  da- 
mit er  wiederum  zur  erden  greiffe  Göchhausen  nota- 
bilia  venatoris  (l74i)  4 ;  ein  wohlgeführter  leithund,  der 
wol    zur    färthe    greifet,     keine    leichtlich    überziehet 


Heppe  aufrichtiger  lehrprinz  34;  da  lernt  der  hund 
desto  besser  zu  boden  greiffen  Döbel  jäger-practica  (1754) 
1,  96. 

B.  greifen  nach. 

l)  in  eigentlichem  sinn,   mit  dinglichem  object. 

a)  im  unterschiede  von  gr.  zu  liegt  bei  gr.  nach  das 
gröszere  gewicht  auf  der  handlung  des  greifens  als  sol- 
cher, dem,  langen,  haschen  nach  etwas;  daher  denn  auch 
das  resultat  nicht  nothwendig  ein  ergreifen  zu  sein 
braucht : 

d5  rang  er  nach  ir  minne  und  zerfuorte  ir  diu  kleit. 
do  greif  nach  eime  gürtel  diu  herliche  meit 

Nib.  587,  2; 

das  h.  öl  ...  ,  darmit  man  die  krancken  schmiert, 
wann  sie  anfahen  nach  dem  leilach  greiffen  und  im 
hals  rochein  Fisghart  binenkorb  (1588)  182''; 

wann  mir  die  sach  gelücken  thut, 
das  ich  die  männer  beyd  gewisz  .  . 
werd  überwinden  unverdrossen, 
so  greiff  du  eylends  nach  den  rossen 

Spreng  Ilias  (1610)  57»; 
indem  der  meisten  herz  von  wollust  überläuft, 
imd  bHndlings,  ohn  bedacht,  nach  einem  gatten  greift 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  2,  95 ; 

retten  sie  das  kindl  rief  sie;  wir  wollen  nach  dem 
übrigen  greifen  Göthe  22,  214  Weim.;  Achill  erfreut  sich 
daran,  indessen  die  frauen  nach  den  gefälligen  waaren 
greifen  48,  19;  er  .  .  griff  nach  dem  kettenzwickel  und 
machte  den  .  .  ziehhund  los  Fontane  I  5,  125;  planlos 
griffen  ihre  bände  nach  diesem  und  jenem  Storm  i, 
229;  bisweilen  klingt  die  bedeutung  'tasten,  fühlen'  an: 
also  begab  es  sich  in  einer  nacht,  daz  der  ritter  aus 
seinem  schlaff  erwachet,  und  wolt  neben  sich  greiffen 
nach  seiner  frauwen  buch  d.  liebe  (i587)  286";  wer  was 
wehes  hat,  der  greifft  darnach  Henisgh  1738;  ich  greife 
im  finstern  nach  der  klingel  Brentano  Godivi  l,  160; 
die  begriffsgruppen,  mit  denen  sich  das  verb.  vorzugs- 
iveise  verbindet,  lassen  die  ursprüngliche  bedeutungsrich- 
tung  der  formel  klar  erkennen: 

dö  greif  er  {der  esel)  sä  durch  gewin 

nach  dem  haberen  dar  in      Stricker  Amis  276; 

ow&  my,  owe  Eva, 

dattu  iüwerlde  greppest  dar  na  (nach  dem,  apfet) 

Sündenfall  1122  Schönemann; 

'ja',  sprach  der  Eulenspiegel,  'ja', 
wolt  nach  dem  braten  greiffen  da 

Fischart  Eulenspiegel  282,  7786  Hauffen ; 

vgl.  in  einer  wüsten,  kahlen,  menschenleeren  zeit,  greift 
das   herz   nach  jeder  nahrung  Börne  ges.  sehr,  l,  I8i; 

die  kisten  schlosz  er  auf  gedrot 
nach  dem  gut  griffen  sie  bhende 

Gengenbach  36  Gödeke; 

als  die  kaiserliche  flotte  .  .  auf  allen  selten  nach  reicher 
und  bequemer  beute  um  sich  griff  RAUMER^escÄ.  d.  Hohen- 
staufen  4, 109 ;  das  greifen  des  polypen  nach  der  wahrge- 
nommenen beute  D.F.Strausz  sehr.  6,138;  ich  griff  nach 
einer  pistole  Schiller  4,  216;  ich  muszte  ihn  lange 
rütteln,  plötzlich  fuhr  er  auf  und  griff  nach  dem  pistol 
MoLTKE  sehr.  lt.  denkwürdigk.  6,  15;  ein  offizier  ward 
über  die  Verwegenheit  des  Indianers  so  aufgebracht, 
dass  er  nach  einem  gewehr  griff  J.  G.  Forster  sämtl. 
sehr.  2,  10;  listig  blickt  er  auf  ihn  hin,  lauernd  dasz 
er  ihn  tödten  könne,  indem  er  heimtückisch  nach  dem 
versteckten  dolche  greift  Hegel  10*,  260;  das  gehen  und 
greifen  nach  der  waffe  dauerte  doch  länger,  als  der 
eher  zum  umkehren  und  wiederangriff  zeit  gebraucht 
hatte  Laube  ges.  sehr.  2,  9;  nicht  selten  verschwimmt  der 
unterschied,  der  gr.  nach  und  gr.  zu  bei  icaffen  trennt: 

dort  hat  ein  paar 

sich  bey  dem  haar: 

der  greifft  nach  seinem  degen; 

Königsh.  dichterkreis  31  neudr., 
auch  ihr,  o  beiden  rechter  art! 
die  langsam  nach  dem  Schwerte  greifen 

Gottsched  ged.  (1751)  14; 

jung  und  erst  bei  erzahlern  des  19.  jhs.  häufig  in  fällen 
vne:  Wurm,  (greift  nach  hut  und  stock  .  .)  Schiller  3, 
365;  einige  griffen  schnell  nach  ihren  hüten  Langbein 
sämtl.  sehr.  31,  143;  Fanny  und  deren  tante  griffen  nach 


33 


GREIFEN 


GREIFEN 


34 


ihren  Umschlagetüchern  Holtei  vierzig  jähre  l,  199; 
älter:  greiiJfen  als  die  kind  in  die  Spiegel  nach  dem 
bild,  das  sie  sehen  Keisersberg  irrig  schaf  (i5ii)  51"; 
das  kind  greift  nach  allem,  betastet  alles  Salzmann 
ameisenbücJdein  83;  die  kindische  art,  in  die  ich  ver- 
fallen, sofort  nach  dem  glänzenden  zu  greifen  Keller 
3,  229. 

b)  in  gewissen,  z.  th.  formelhaften  Wendungen  zeigt 
sich  ein  verblaszter  oder  bildlicher  gebrauch:  zuerst  also 
griff  ich  nicht  nach  werken,  die  er  .  .  geschrieben  hatte 
Herder  17,  28;  es  kommt  ein  büchlein  von  ihm  her- 
aus .  .;  begegnet  es  dir,  so  greife  darnach  Göthe  IV 
35,  147  Weim.;  will  man  nicht  katholischen  orten  Cal- 
deronische  stücke  geben,  so  greife  man  nach  der  groszen 
Zenobia  E.  Th.  A.  Hoffmann  4,  76;  wie  entschieden  das 
Publikum  vorzugsweise  nach  jenen  darstellungen  aus 
zweiter  band  greift  Schopenhauer  i,  25;  ich  griff  (bei 
der  lectüre  Göthes)  zuerst  nach  allem,  was  sich  durch 
den  druck  als  dramatisch  zeigte  Keller  2,  11 ;  wer 
auf  treume  helt,  der  greifft  nach  dem  schatten  Sir. 
34,  2; 

wer  sind  sie  (die  larven)?  —  schatten  von  vergnügen.  — 
ihr  greift  nach  ihnen.  —  sie  verfliegen 

Jon.  E.  Schlegel  4, 183; 

ich  bin  zu  sehr  wachend,  als  dasz  ich  nicht  fühlen 
sollte,  dasz  ich  nach  schatten  greife  Göthe  FV  i,  263 
Weim.  ; 

wer  immerdar  nach  schatten  greift, 

kann  stets  nur  leere  luft  erlangen  5,  44 ; 

hernach  lies  der  bapst  Clemens  eine  bulle  ausgehen  .  .  , 
darinne  er  grieff  nach  aller  könige  und  fürsten  gelt 
Luther  (l56l)  6,  536";  ich  liebe  beydes:  ich  halte  es 
mit  dem  silber  und  greiffe  auch  nach  dem  golde  Birken 
ostländ.  lorbeerhayn  10 ; 

sie  (die  streber)  haschen  nach  würde, 
sie  greifen  nach  geld 

OvERBECK  verm.  gedickte  52; 

vgl.  der  nit  nach  dem  seckel  stelt  und  greifft,  .  .  .  der 
ist  ein  bider  Christen  mann  schöne  weise  klugreden 
(1548)  96*;  als  er  .  .  einen  dolch  zu  sehen  glaubt,  und 
mit  einem  griff,  wie  man  nur  nach  krönen  greift, 
nach  dem  hefte  haschte  Sturz  sehr,  i,  12;  aus  ehr- 
geitz  griff  man  itzt  nach  kutten  wie  nach  krönen 
Zimmermann  einsamkeit  i,  328; 

hab  ich 
gefehlt,  mein  gnädigster  gemahl,  so  sollte 
die  königskrone  dieses  reichs,  womach 
ich  selber  nie  gegriffen  habe,  mich 
zum  mindesten  für  dem  erröthen  schüzen 

Schiller  5,  51 ; 

ich  wagte  .  .  ihm  zu  sagen,  dasz  wir  uns  liebten,  und 
der  gebrochene  mann  griff  danach  wie  nach  einem 
Strohhalm  Storm  i,  280;  er  stehe  nicht  hilflos  da 
und  brauche  nicht  nach  jedem  Strohhalme  zu  greifen, 
den  man  ihm  hinhalte  Polen  z  Qrabenhäger  2,  20. 

c)  von  personen:  als  der  aussatz  greufft  geren  nach 
dene,  die  do  zertlich  sein  Luther  9,  557  Weim.;  die 
kalte  hand  des  todes  erstarrt  den  nicht  schneller,  nach 
dem  er  greift,  als  Klinger  werke  4,  35;  anders:  nun 
aber  wäre  zu  berathschlagen,  was  zu  thun;  ob  bey 
zelten  nach  der  Griechin  zu  greiffen  .  .  wäre?  Lohen- 
stein Arminius  (1689/.)  2,  615*; 

man  greife  nun  nach  mädchen,  krönen,  gold, 
dem  greifenden  ist  meist  Fortuna  hold 

Göthe  Faust  II  7102 ; 

häufig  als  'gefangen  nehmen',  vortdegend  bair.  und 
Schwab,  (vgl.  das  alem.  greifen  zu  oben  sp.  3l):  sonder 
ein  rath  wil  hie  und  anderswo,  wo  der  betreten  wir- 
det,  nach  im  greiffen,  ine  ein  halbe  höre  an  den  pran- 
ger  stellen  lassen  Nürnb.  polizeiordn.  240  Baader;  öfter 
in  den  österr.  weisth.,  so  6,2,44;  18,  11 ;  erlaupt  mir, 
so  will  ich  nach  in  greifen  und  in  fanknus  pringen 
städtechron.  2,  317,  3  (Augsb.);  Nero  liesz  nach  vielen 
greiffen  und  hart  umb  Unschuld  martern  See.  Frangk 
Germ,  chron.  (1538)  20 ;  also  sol  der  profosz  nach  dem- 
selbigen  greifen  Fronsperger  kriegsbuch  l,  c  4V;  dasz 
die  oberkeyt  nicht  nach  ihm  griffe  des  todtschlags  hal- 
ben Nigrinus  von  zäuberem  (1592)  30. 
IV.  1.  6. 


2)  von  jeher  auch  uneigentlich,  vielfach  neben  abstractis  .- 

slns  herzen  gir  nach  prise  greif  Parz.  15,  25 ; 
das  man  erkenne,  wöUicher  recht  oder  unrecht  gryffe 
nach  der  freyhayt,  so  yetz  gepredigt  würdt  in  gottes 
evangelio  Eb.  v.  Günzburg  sämtl.  sehr.  2,  122  neudr.; 
denn  man  ungern  unterlasset,  nach  der  occasion  zu 
greifen,  die  man  .  .  gewünschet  Leibniz  deutsche  sehr. 
1,  249;  die  alten  (arzneimittel  und  kleidertrachten)  kom- 
men ausser  der  mode,  da  ein  jedweder  begierig  nach 
dem  neuen  greift  allg.  deutsche  bibl.  i2,  126;  sie  .  .  ver- 
achten das  naheliegende  gute,  um  nach  fernen  erschei- 
nungen  zu  greifen  Knigge  timgang  m.  menschen  (1796) 
1,  206;  wenn  unsre  höhere  weit  deutsch  spricht,  greift 
sie  nicht  jeden  augenblick  nach  einem  französischen 
Worte  Arndt  Schriften  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  426; 
nach  einem  Zeitvertreib  zu  greifen  Mörike  3,  29;  der 
dichter  soll  nach  realistik  greifen  Pocci  komödien- 
büchlein  (i859)  214;  sich  selbst  zerfleischend,  griff  sie 
nach  den  härtesten  werten  Storm  3,  65;  haben  die 
Römer  .  .  .  damals  erstlich  nach  den  übrigen  ländern 
Italic  gegriffen  Xylander  Polybius  (1574)  4;  an  den 
neuen  zäunen  .  .  .  sieht  man  wie  viele  wohlhabende 
leute  in  der  letzten  zeit  nach  gröszern  und  kleinern 
stücken  eines  fruchtbaren  bodens  gegriffen  haben  Göthe 
IV  12,  215  Weim.;  biss  sie  auch  nach  dem  zäum  der 
herrschaft  griffen  Stumpf  Schwytzer chron.  (16O6)  342''; 
(die  preuszische  macht)  die,  in  ihrer  geltung  im  reiche 
mächtig  gewachsen,  doch  nicht  nach  dem  kaisertum 
greifen  wollte  Ranke  31,  452;  ein  guter  genius  hat  seine 
(des  kindes)  hand  geführt,  dasz  es  nicht  nach  dem  tode 
griff,  der  so  nahe  zubereitet  stand  Göthe  23,  299  Weim. ; 
von  allen  selten  gedrängt,  greift  er  zerstreut  und  un- 
willkührlich  nach  dem  tode  Tieck  *cÄr.  7,  135;  berech- 
nungen  einer  nach  allen  mittein  des  Widerstandes  greifen- 
den gefährdeten  existenz  B-hNViE  reform,  gesch.  2,  112;  ein 
mensch,  der  hungert  und  friert  .  .  greift  nach  den  mit- 
tein, welche  die  gegenwart  ihm  bieten  kann  Moltke 
sehr.  u.  denkwürd.  7,  76;  nicht  selten  in  einem  sinn,  der 
dem  von  gr.  zu  oben  sp.  30,  3  sehr  nahe  kommt:  Newton 
griff  also  nach  der  ausflucht  Göthe  II  2,  134  Weim.; 

als  don  Karlos  fliehen  muszte 
mit  der  ganzen  tafeirunde, 
und  die  meisten  paladine 
nach  honettem  handwerk  griffen 

Heine  2,  356; 

für  ernstere  fälle  .  .  griff  sie  nach  dem  starken  .  .  sal 
volatile  irgendeines  kraftspruches  Fontane  I  1,  53. 

3)  m,it  dat.  der  person: 

sie  kan  dich  singen  lassen,  pfiffen 
und  sie  dir  nach  dem  seckel  greiffen 

Murner  die  mülle  12,  235  Albrecht, 

zih  den  balken  vor  ausz  deim  aug,  eh  aim  andern  nach 
seim  Splitter  greifst  Fischart  podagr.  trostb.  43,  11 
Hauffen;  mit  besonderem  sinn:  satan  greifft  dem  gott 
stets  nach  der  chron  Luther  32,  155  Weim.;  das  sie  . 
Christo  nach  seinem  rieht  stuel  greiffen  18,  529;  das  wir 
uns  nicht  haddern  über  der  gotheit,  alioqui  greiff  ich 
gott  nach  seim  namen  27,  242;  (die  laffenprediger)  die 
leudt  leren  gantz  gott  entgegen,  und  ym  nach  seyner 
eer  greiffen  9,  186;  dasz  sie  ihrer  fürstl.  durchlaucht 
nach  der  oberbotmäszigkeit  gegriffen  acta  publ.,  verhandl. 
d.  schles.  fürsten  u.  stände  240;  Adam  und  Eva  (haben) 
gleichsam  als  Absolon  ihrem  vater  gott  im  himmel  nach 
scepter  und  cron  gegriffen  Dannhawer  catechism.  milch 
1,  122;  vornehmlich  von  theilen  des  körpers:  nach  der 
gurglen  greyffen  Maaler  (l56i)  192 1>; 

will  er  da  sitzen  lang  zu  mausen, 
so  greiff  im  bald  nach  der  kartausen 
und  wirff  in  ubern  nächsten  banck 

Scheit  Grob.  670  neudr. ; 

erst  hetzt  es  an  mich  seine  hund, 
die  griffen  mir  nach  kehl  und  mund 

Rollenhagen  froschmeuseler  (1595)  l  v*; 

Ehrenfried  die  alteration  sehende,  griff  ihr  nach  der 
hand  mediz.  maulaffe  (1719)  17;  sie  .  .  wollte  dem  Gockel 
mit  gewalt  nach  der  hand  greifen  und  ihm  den  ring 
wieder  zurück  drehen  Brentano  5,  lOi;  gern  bildlich: 
quare  tum  non   fecerunt   (sc.    vestes  straverunt)  ponti- 

3 


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GREIFEN 


GREIFEN 


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fices  et  Pharisaei,  immo  murmurabant  und  wolten  yhm 
nach  dem  köpf  greiffen?  Luther  27,  438  Weim.;  ein 
aufrürer  aber  greifTt  der  gewalt  nach  dem  köpf  und 
nach  dem  schwerd  17  *,  266;  dieser  medicus  Christus 
greifft  dieser  kranckeit  nach  dem  hals  3^2,  329;  weil  sie 
(die  weiber),  die  ohnedies  allzeit  den  männern  nach 
dem  hart  zu  greifen  begehren,  hierdurch  die  gewalt  in 
die  bände  bekamen  deutsche  Volksbücher  5,  7  Simrock; 
besonders : 

belegt  er  dich  mit  creutz  und  noth 
und  greifft  dir  nach  dem  hertzen 

SiM.  Dach  158  Oesterley; 
du  schickst  mir  einen  brief  und  greiffst  mir  nach   den 

hertzen 
H.  V.  HoFFMANNSWALDAU  u.  and.  ged.  1, 1  Neukirch; 

da  greift  ihm  das  verlangen  nach  der  freundschaft  wie 
ein  schmerz  nach  dem  herzen  Jean  Paul  flegeljahre 
(iSOif.)  1,  139;  selten  ohne  dativ:  aber  die  stürme  fahren 
doch  auf  und  greifen  nach  dem  herzen  Jean  Paul  7, 
100  Hempel. 

4)  nach  als  blosze  richtungsbezeichmmg :  betrachtungen 
dieser  art  greifen  freylich  nach  allen  selten  und  sind 
schwer  zusammen  zu  fassen  Göthe  IV  28,135;  ein  enges 
aber  festes  Frankreich,  das  nach  allen  selten  greifen 
konnte  Laube  ges.  sehr.  4,  72. 

C.  greifen  in. 

l)  im  ursprünglichen  sinn  des  fassens,  langens. 

a)  zunächst  bei  hohlräumen  verschiedenster  art: 

ist  schon  eyn  edler  do  den  ir, 

des  achtendt  nit,  greyfft  in  das  geschir 

Murner  schelmenzunfl  35, 10  neudr. ; 

die  in  krebslöcher  greiffen,  werden  ein  menschen  band 
heraus  ziehen  Fischart  praktik  15  neudr.;  immer  tie- 
fer greift  sie  in  die  tüte  Holtei  erzähl,  sehr,  l,  15; 
sprichwörtlich:  er  mag  mitten  in  die  schüssel  greiffen 
er  hat  ein  Vorrecht  Eyering  proverb.  copia  2,  405;  be- 
sonders : 

der  krämer  greifft  in  die  wehr  {in  das  degengefäsz)  und 
spricht         H.  Sachs  9,16; 
sie  lissen  von  den  werten, 
und  griffen  in  die  schwert 

Mittler  deutsche  Volkslieder  4; 
in  de  wunden  greif  eins  arztes  hant 

Parz.  480,  5; 
griff  mir  (Jesu)  in  mine  wunden 
und  gleube  zu  dissen  stunden 

Alsfelder  passionssptel  7802  Grein; 
wohlan,  mein  herz !  in  dieser  stunde 
will  ich  in  dein  geheimnisz  schauen, 
und  greifen  tiefst  in  deine  wunde 

Lenau  3,  187  Grün ; 

mit  was  für  einer  edlen  Unverschämtheit  er  nur  ohn- 
längst  dem  kammermädchen  in  den  busen  griff  Rabener 
sämtl,  sehr.  4,  49 ; 

in  ihren  busen  greift  der  lose 

und  zieht  ir  schmeichelnd  keck 

das  sanfte  veilchen  und  die  rose 

hervor  aus  dem  versteck  Lenau  27; 

jung:  ein  frischer  wind  griff  unterdesz  rüstig  in  die  ge- 
flickten segel  Eichendorff  3,  229;  in  den  beutel  greifen 
u.  ä.  seit  alters  für  geld  hervorholen:  wenn  ich  helfen 
.  .  solt,  mus  ich  yn  den  beutel  greiffen  Luther  342, 
334  Weim. ;  dasz  er  in  die  tasche  greife,  wenn  ers  nöthig 
hat  Schwabe  volleingeschancktes  tintenfäszl  84;  und  du 
antwortest  ihrer  scheuen  bitte  und  greifst  in  deinen 
säckel,  greifst  ziemlich  tief  Ebner-Esghenbach  4,  333; 
d'  brautführa  greifan  in  sack  und  vosteht  so  hübsch 
toif  Stelzhamer  ausgew.  dicht.  3,  69  Eosegger ;  hier  ist 
zu  rechnen  und  nicht  zu  fühlen,  zu  erwägen  und  nicht 
in  einen  loostopf  zu  greifen  Göthe  IV  9,  113  Weim.,- 
greifen  sie  nie  in  den  elenden  loostopf  B.  v,  Arnim 
dies  buch  gehört  d.  könig  1,  274;  vgl. 

nicht  ohne  Schauder  greift  des  menschen  band 
in  des  geschicks  geheimniszvolle  urne 

Schiller  12,  216. 

b)  darüber  hinaus  in  mannigfachen  Verbindungen,  den 
verschiedenen  Verwendungsmöglichkeiten  der  präpos.  ge- 
mäsz:  in  dreck  greiffen  Kramer  teutsch-italiän.  (1700)  l, 
559*;  wie  die  blinden,  die  nach  dem  wasser  tappen  und 


greiffen  yns  teuer  Luther  26,  148  Weim.;  wie  wir  deud- 
schen  von  den  weybern  sagen:  sie  ist  so  zart  und  ver- 
zumpen,   sie   greiffe   nicht  yn  ein   kalt   wasser  23,  609; 

und  wenn  ich  wolte  was  berührn, 

so  möcht  ich  keine  entpfindung  spüm, 

greiff  in  die  reine  luft  hinein 

Ringwaldt  Christi,  wamung  B  V»; 

ihre  zitternden  hände  griffen  umsonst  in  die  leere  fln- 
sternisz  Storm  1, 161;  die  wurtzel  ist  starck,  und  greifft 
tief  in  den  boden  Chomel  öcon.  u.  physic.  lex.  5,  729; 
bildlich: 

aufblicken  musz  ich  freudig  zu  den  frohen, 

und  in  den  äther  greifen  über  mir 

mit  freiem  geist  Schiller  braut  2724; 

doch  nicht  allein  sind  es  kräfte  .  .  der  bewuszten  natur, 
welche  land  schaffen;  auch  der  mensch  greift  mit  star- 
kem arm  in  die  flut  Allmers  marschenbuch  1,  90;  — 
hie  haben  sie  auch  vier  gelyd  gesetzt,  das  ich  nach 
meyns  weybs  todt  nicht  mag  widder  yn  yhre  freund- 
schaft greyffen  Luther  lO^,  281  Weim.;  diese  beide  ge- 
schlecht griffen  in  einander  mit  heirath   16,  102; 

greiff  hurtig  in  das  geld 

Olearius  verm.  reise-beschreib.  389; 

zudem  hatte  onkel  Nebendahl  seine  frau  veranlaszt,  in 
die  schätze  ihrer  rauch-  und  Vorratskammer  zu  greifen 
Seidel  Leberecht  Hühnchen  253;  jünger: 

liebe  greift  auch  in  die  ferne 

Schiller  15',  7; 

so  weit  in  die  Unendlichkeit  hinaus 
greift  unser  geist 

Raupach  dram.  werke  ernster  gattung  5, 152 ; 

er  (Jean  Paul)  greift  in  die  fernsten  gegenstände  der 
kosmischen  weit,  um  bilder  für  die  geheimsten  Stim- 
mungen der  Seele  zu  finden  Gervinus  gesch.  d.  deut- 
schen dichtung  (i853)  5,  215;  der  sänger  greift  .  .  mitten 
in  die  materie  Herder  24,  235;  zudem  hatte  .  .  Mar- 
siglio  in  seinem  werke  weit  über  die  .  .  entwicklung 
des  kirchlichen  Systems  hinaus,  in  die  christliche  urzeit 
gegriffen  Döllinger  akad.  vortrage  l,  130;  specifisch 
göthisch:  weil  ich  aber  gar  wohl  weisz,  dasz  dergleichen 
in's  ganze  greifenden  einrichtungen  manches  hinderliche 
im  wege  steht  IV  29,  200  Weim.;  vgl.  I  25,  6;  II  6, 118;  III 11, 
64;  isoliert:  da  hatte  er  sich  wohl  verkältet,  und  wie  im 
ersten  augenblicke  denn  keine  hilfe  zu  haben  war,  griff 
er  in  die  phantasie  und  wurde  immer  schlechter  und 
schlechter  Grillparzer  13,  264 

c)  ineinander  greifen  urspr.  vom  rädergetriebe ;  vgl.: 
wie  bey  der  uhr  ein  rad  in  das  andere  greift  Rabener 
sämtl.  sehr.  4,  121;  sieben  kammräder,  wovon  jedes  in 
einen  trilling  greifet  Nicolai  reise  d.  Deutschland  i,  265; 
daher  erst  seit  dem  iS.jh.  in  schicang:  eine  stätige  reihe 
in  einander  greifender,  aus  einander  gleichsam  quellen- 
der färben  zu  trennen  .  .  . ,  ist  eine  schwere  aufgäbe 
Göthe  II  2,  62  Weim.;  es  gehört  heut  zu  tag  ein  ent- 
setzlicher umfang  dazu,  um  in  den  Wissenschaften  kom- 
plett zu  sein  .  .  und  was  hat  man  davon,  nichts  als 
die  ehre,  dasz  alles  in  einander  greift  mit  leeren  bän- 
den Brentano  5,  57;  ein  fest  in  einander  greifendes 
kunstwerk  E.  M.  Arndt  werke  l,  242 ;  das  werk  vieler  in 
einander  greifender  umstände  Ludwig  2,  570;  die  Solo- 
stimmen und  der  chor  greifen  selbständig  ineinander 
Jahn  Mozart  4,  587. 

d)  nu  grifest  du  mir  in  min  herz  mit  dem  under- 
gang  miner  eren  Seuse  deutsche  sehr.  67,  2  Bihlmeyer; 
darumb  so  ist  gottes  furcht  nichts  anders  denn  gottes 
dienst,  damit  greiffen  wir  gott  yns  hertz,  das  wir  yhn 
fürchten  Luther  19,  305  Weim.; 

um  sing  und  sang 

schweifen  die  pfeifen,  und  greifen 

in's  herz, 

mit  freud'  und  mit  schmerz      Brentano  2,  333 ; 

vgl.  th.  4  ^,  1213 ;  seit  dem  stürm  und  drang  tritt  die  seele 
daneben  (ähnlich  bei  von  grund  der  seele,  s.  grund) :  un- 
sinniger, warum  greifst  du  so  kühn  in  meine  seele? 
Klinger  werke  i,  5; 

bey  gott, 
er  greift  in  meine  seele  Schiller  5,  311 ; 


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GREIFEN 


GREIFEN 


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seltener:  lasz  mich  tiefer  in  deinen  busen  greifen,  ich 
will  mit  stürm  in  die  gluth  blasen,  die  du  in  deinem 
herzen  gesammelt  hast  Klinger  iverke  3,  275; 

0  welch  ein  schauder  greift  mit  kalter  band 

in  meine  brüst  Mich.  Beer  iverke  88; 

vergleichbar:  aber  ich  halte,  der  prophet  greiffe  dem 
könige  und  den  seinen  yns  gewissen  Luther  19,  Ml 
Weim.;  in  anderem  sinne  reflexiv:  es  heiszt:  Hans  nim 
dich  selbs  bey  der  nasen  und  greiff  in  deinen  eigen 
bösen,  wenn  du  wilt  ein  schalck  suchen  Luther  32, 
479  Weim.;  bei  Luther  häufig,  vgl.  2,  122;  20, 142;  28,  530; 
32,  478;  greiff  in  dein  eygen  büsen.  sihe  dich  selbs  an 
See.  Franck  sprüchiv.  (I34l)  2,  120«' ;  bis  ins  18.  jh.  ge- 
bräuchlich: jeder  möge  in  seinen  eignen  busen  greifen ! 
Göthe  II  5I,  392  Weim.;  wer  doch  immer  in  seinen 
eignen  busen  griffe?  G.  Forster  8,  170;  seit  busen  im 
sinne  'inneres'  zu  veralten  beginnt,  treten  andere  worte 
an  seine  stelle: 

merkt,  wenn  ihr  wollt,  ein  weises  Sprüchlein  euch, 
und  greift  dabei  in  eure  eigne  brüst 

Z.  Werner  söhne  d.  thales  (1803)  1,102; 
du  wirfst  mir  falschheit  vor  ?  .  . 
greif  in  dein  eignes  herz! 

Bauernfeld  1,  243; 

herr  gensd'arm!  jreifen  sie  in  ihr  herz,  ob  sie  janz 
fehlerfrei  sind?  Glaszbrenner  Berlin  icie  es  ist  und  — 
tri7ikt  6,  th.  3,  5. 

e)  ins  haar,  in  den  hart,  ins  maul,  ins  äuge  greifen 
u.  ä.  nur  die  erste  dieser  Wendungen  ist  seit  alters  auch 
in  wörtlichem  sinne  verbreitet: 

er  greif  im  aber  in  daz  här 

Stricker  Amis  1971 ; 

greifet  aber  ain  gast  ainem  burger  in  sein  har  oder 
sieht  oder  stoeret  in,  der  ist  darumb  schuldig  fünf  pfunt 
haller  Nürnberger  polizeiordn.  B5  Baader;  Wenski  (greift 
ihm  in  die  haare)  Fr.  L.  Schröder  dram.  werke  3,  12 ; 
daneben  bildlich:  willtu  nicht  sein  (des  satans)  eigen 
sein,  so  were  dich,  greiff  yhm  yn  die  hare  Luther 
23,  70  Weim.;  mit  diesen  werten  hat  dennoch  Pilatus 
den  Juden  viel  in  die  har  gegriffen,  ob  er  schon  scherfer 
und  herter  mit  inen  bette  reden  sollen  28,  342;  vgl.  th.  4^ 
14;  ähnlich:  itzt  wollt  ich  .  .  eym  solchen  man,  der  eyn 
weyb  also  aufs  narrn  seyl  füret,  wol  basz  yn  die  wolle 
greyffen  10'^,  279;  vgl.  342,  76;  {Witzel)  trat  auf  und  pre- 
digt und  greiff  den  hern  und  fürsten  weidlich  in  die  wol- 
len, schalt  und  lestert  greulich  auf  sie  Alberus  widder 
Jörg  Witzeln  mammeUiken  G  3";  anders:  das  gott  redt, 
er  sey  ein  starcker  eiferer,  er  lasse  yhm  nicht  yn 
hart  greiffen  Luther  16,  467  Weim.;  vgl.  14,  341;  die 
fürsten  .  .  greyffen  godt  zu  frech  yn  den  hart  17^,  390; 
—  Pharao  sol  bey  seinem  eigenen  brot  und  mit  seinen 
gutem  seinen  eigenen  feind  auferziehen  .  .  das  heiszet 
dem  Pharao  ins  maul  und  nasen  gegriffen  und  alle 
seine  anschlege  .  .  zu  schänden  gemacht  I6,  20;  divina 
potentia  greyfft  dem  todt  yns  maul  17 1,  73;  gern,  wo 
ein  verdrehen  oder  meistern  von  geboten  gottes,  Christi 
u.  s.  w.  gescholten  wird:  das  ist  ye  nit  anders,  denn 
gottis  willen  und  meynung  wandeln  und  machen  nach 
unserm  willen  und  meynung;  das  heyst  denn  gott  yn 
das  maul  greyffen  Luther  10 1,1,  538  Weim.;  weitere  be- 
lege th.  6, 1791 ;  zartere  gemüther  milderten  in  solchem  fall 
die  Wendung:  will  ein  eeman  parfottisch  Christen  wer- 
den, müss  er  .  .  vom  weyb  geschayden  seyn,  das  auch 
trutzlych  Jhesu  von  Nazareth  in  den  mund  griffen  werde 
Eb.  V.  GÜNZBURG  3,  58  neudr.;  wahrend  die  genannten 
Wendungen  ivesentlich  im  16.  jh.  blühen,  bleibt  die  folgende 
bis  ins  18.  durchaus  lebendig:  wer  aber  die  {Christen) 
berürt,  der  greifft  gott  yn  sein  augapfel  Luther  20,  516 
Weim.;  wer  im  ein  leids  thüt,  greifft  mir  in  die  äugen 
Seb.  Franck  sprüchwörter  (i54l)  2,  74^;  es  war  auch  .  . 
nicht  ein  geringes  den  falschen  mönchen  und  der  ehr- 
würdigen geistlichkeit  in  die  äugen  zu  greifen  Zimmer- 
mann über  die  einsamkeit  1,  288;  wer  meinem  Evchen 
was  an  der  ehr  abschneiden  will,  der  greift  mir  ins 
aug  H.  L.  Wagner  theaterstücke  (1779)  95;  vgl.  th.  i,  794; 
seltener:  sol  den  teufel  lassen  her  rennen  und  . .  greiffen 
yhm  yns  fleisch  Luther  32,  272  Weim.;  der  teufel  greyff 


yn  dises  Christi  fleysch  ebd.;  welche  fromme  bischoff 
aber  dem  laster  in  die  zän  griffen  Stumpf  Schwytzer- 
chron.  (16O6)  220*;  in  die  haube  gr.  ist  unursprünglich 
und  eine  späte  entstellung  des  echten  auf  d.  h.  gr.  (s.  u.) : 

wil  gegenpart  sich  gleichwol  straube, 
greiffe  wir  einander  in  die  haube 

GiLHUSius  gramm.  (1597)  112; 

ich  wolt  ihnen  auch  wol  in  die  hauben  greiffen,  und  ihre 
tück  zu  offenbaren  einen  sonderlichen  tractat  machen 
Paracelsus  opera  1,  SSO''. 

f)  in  die  züge  gr.  in  den  letzten  zügen  liegen,  in  die 
agonie  verfalleti,  vorzüglich  bair.,  auch  schwäb.  (Edw. 
Schröder  vermuthet  als  ausgangspunkt  der  redensart: 
in  die  zieche  ins  betttuch  greifen): 

man  thut  in  manchem  haus  oft  finden 
fünf  kranck,  eins  schreit,  daz  ander  jemert, 
das  drit  ächtzet  und  das  viert  wemert, 
das  fünft  das  greiffet  in  die  züg 

H.  Sachs  10,  374  Keller; 
als  sie  griff  in  die  züg  hernach 

Spreng  Rias  (1610)  238 *>; 
drumb  seit  fein  still !  dann  es  dunckt  mich, 
ihr  majestat  greiff  in  die  züg 

Ayrer  dramen  1,  719; 

dasz  ich  .  .  ihn  so  lange  bey  dem  hals  würgete,  bis  er 
in  die  zügen  griff  Hafner  lustspiele  l,  42;  auch  in  die 
letzten  züge  gr.  Otho  evang.  krancken  trost  520  U7id  sehr 
oft;  vgl.  Schmeller  l,  990;  Fischer  schwäb.  3,  820;  sel- 
ten mit  dativ:  Achilles,  der  eben  in  seinen  lezten  zügen 
grif  Birlinger  schwäb. -augsb.  201^  {aus  d.  j.  1540). 

2)  hemmend,  hindernd,  schädigend  in  etwas  {ein)greifen ; 
einen  eingriff  vornehmen. 

a)  ich  aber  stund  im  in  den  weg, 

griff  ihm  in  zäum  H.  Sachs  3,  486  Keller; 

aber  sie  {Medea)  zu  ehren,  greif  ich  dem  Stürmer  in 
den  zügel  Klinger  werke  2,  302; 

aber  fest  griff  sie  in  das  milchweisze  rosz 

und  risz  seinen  reiter  zur  erde  Arndt  6,  238; 

als  ihm  auch  der  schergen  einer  in  den  degen  greiffen 
wolte,  hieb  er  ihm  die  faust  lahm  Bucholtz  Herku- 
liskus  7; 

als  schnöde  raserey  dir  in  dein  richter-schwerdt 
durch  balgen  und  durch  mord  zu  greiffen  hat  begehrt 

Heraus  ged.  u.  lat.  inschr.  145; 
greiff  in  die  starken  arme 
den  frieden -Stürmern,  dasz  sie  doch  das  wehrte  christen- 

bluth 
so  grausam  nicht  vergieszen  mehr 

Rist  d.  friedewünschende  Teutschland  35; 

man  musz  .  .  dem  schlechten  in  den  arm  greifen  B.  v. 
Arnim  Günderode  2,  28;  dasz  er  allein  das  wehrlose 
Frankreich  vor  einem  deutschen  Überfall  bewahrt  habe, 
indem  er  uns  mit  einem  quos  egol  in  den  arm  gegriffen 
.  .  habe  Bismarck  ged.  u.  erinn.  2,  200  volksausg.;  mit 
welchem  rechte  .  .  ein  wurm  wie  du  .  .  in  die  räder 
dieser  ungeheuren  .  .  maschine  greift  Klinger  werke 
3,  269; 

in  Ixions  rad  möcht'  ich  greifen 

Göthe  17,  42  Weim. ; 

verwegener!  greife  nicht  in  das  rad  fremder  Verhäng- 
nisse! Eighendorff  3,  184;  ein  held,  ein  dem  glücks- 
rad  in  die  Speichen  greifender  unüberwindlicher  B.  v. 
Arnim  dies  buch  gehört  d.  könig  1,  218. 

b)  abstr acter:  ist  das  nicht  eyn  toll  küner  geyst,  der 
gott  so  frech  yn  seyne  wort  greyfft  und  eraus  zwacket, 
was  yhm  gefellet?  Luther  18,  145  Weim.;  es  ist  mehr 
dann  kündig,  das  sie  eigentlich  meineten  .  . ,  es  würde 
e.  m.  thätlich  darein  {in  die  reformation)  greiffen  Slei- 
DANUS  reden  159  Böhmer;  ihr  untersteht  euch  mir  in 
meine  Werbung  zu  greifen  Stephanie  lustsp.  96; 

0  zeit,  du  greifst  in  meinen  furchtbam  plan! 

Schiller  13,  110; 
doch  dann  kommt  erst  das  gesetzegeben, 
das  greifet  dem  klügsten  in  das  leben 

Arnim  6,  9 ; 

die  bureaukratie  mit  ihren  hundert  armen  griff  in  jeg- 
liche Wissenschaft  Riehl  deutsche  arbeit  43;  auch  re- 
flexiv: wie  selten  sind  indessen  exempel  von  leuten, 
die  aus  schmerz  sich  ins  leben  greifen  Hippel  lebens- 
läufe  3,  66;    meist  vom   eingreifen  in  rechte  und  compe- 

3* 


39 


GREIFEN 


GREIFEN 


40 


tenzen  irgend  welcher  art:  er  wölt  in  die  krön  ze  Behem 
nit  grifen,  wann  sin  brüder  Wentzlau  noch  in  leben 
war  RiCHENTAL  chroii.  d.  Constanzer  conz.  108;  vil  nei- 
diger menschen,  die  nit  wollen  .  .  verzeihen,  sie  wollen 
sich  rechen,  und  greiffen  got  in  seinen  gewalt  Pauli 
schimpf  u.  ernst  30  Österley;  wie  viel  mehr  werden  sie 
tyrannen  und  reuber  sein,  so  sie  got  yn  sein  reich 
fallen  und  yn  sein  regiment  greiffen  Luther  26,  585 
Weim.;  die  beichvetter  wolten  sich  enthalden  und  nit 
yn  gottes  gericht  greiffen  7,  292;  dazu  greiffen  sie  auch 
yn  die  bepstliche  rechte  und  freyheit  26,  563;  so  greyff 
ich  aber  in  dein  xirteyl,  so  ich  mich  nit  lasz  benügen 
an  der  zal  und  gradt,  daran  dich  benügt  Eb.  v.  Günz- 
BURG  2,  159  neudr.;  uwer  bischoff  wolt  mir  in  mein 
recht  griffen  Tsghudi  chron.  Helvet.  l,  149;  dasz  der  hübe 
in  das  heiligthum  der  gesetze  griff  Schiller  3,  34;  man 
musz  nicht  in  die  alimacht  gottes  greifen  Kirghhofer 
Schweiz,  sprüchw.  131 ; 

greif  du  nicht  in  der  götter  richteramt 

Grillparzer  6,  167; 

indem  er  klagte,  dasz  man  ihm  in  die  obrigkeit  greife 
Ranke  reform,  gesch.  1,  99;  man  nehme  den  klöstern  .  . 
ihre  barschaft  und  kleinodien,  greife  den  geistlichen  in 
ihre  freiheiten  2,  314;  attch  bei  realen  competenzen :  uns 
ist  nicht  zymlich  noch  fugelich,  das  wir  dem  . .  bischoff 
zu  Bresslow  .  .  in  sein  furstentum  und  lande  die  sein 
veterlich  erbe  sein  greiffen  und  in  doran  swechen  lehns- 
urk.  u.  iesitzurk.  Schlesiens  1,  361  (a.  1413) ;  solt  er  {Karl- 
stadt) nicht  .  ,  dem  fursten  .  .  frechlich  yn  seyn  gut 
greyffen  Luther  18,96  Weim.;  der  richter  soll  alsdann 
auf  anzaigen  des  glaubigers  dem  Schuldner  in  seine 
gueter  greiffen,  und  den  glaubiger  davon  zalhaft  machen 
LoRi  hair.  bergrecht  226  (a.  1532) ;  nun  haben  die  von 
Nürnberg  mit  dem  bischoff  zühandeln  gehabt,  dann  sie 
ainander  zänahent  in  daz  gebiet  griffen  heften  Nas 
antipap.  eins  u.  hundert  2,  B  VIII*;  dasz  die  burger  mit 
erweyterung  ihrer  vorstatt  dem  abt  .  .  in  das  sein  grif- 
fen Stumpf  Schwytzerchron.  (1606)  375»;  noch  den  land- 
fürsten  in  ire  gejaide  .  .  mit  purschen,  jagen  .  .  zue- 
greiffen  österr.  weisth.  6,  18,  2;  besondere  formein:  yhr 
aufrurischen  gottes  diebe,  die  yhr  mir  yn  mein  ampt 
greifft  Luther  19,  641  Weim.,- 

ich  glaub,  dasz  sie  auch  han  geschworn, 
den  ketzermeistem  inquisitom 
ins  ehrlich  henckerampt  zugreiffen 

Fischart  nacht  rab  26,  889  Kurz; 

damit  .  .  kein  richter  ohne  schwere  Verantwortung  in 
ein  höher  ambt  greiffen  .  .  darf  Thomasius  gedancken 
u.  erinn.  2,  5;  (ich  fürchte)  der  gütigen  vorsieht  durch 
meine  wünsche  ins  amt  zu  greifen  Schiller  br.  l,  259 ; 
doch  herr  pastorl  ich  hab'  es  gewagt,  ihnen  ins  amt 
zu  greifen  Kotzebue  2,  238; 

welch  schreckenslaut  tönt  durch  die  stille  nacht 
und  greift  dem  schlaf  verscheucher,  kummer,  in  sein  amt? 

Grillparzer  4,  204; 

—  in  das  handwerk  der  kürsner  greifen  sich  übergriffe 
erlauben  durch  herstellung  von  kürschnerwaren  Jelinek 
mhd.  wb.  für  Böhmen  330  (aus  Iglauer  stadtb.,  15.  jh) ; 
der  Sommer  zu  zelten  dem  winter  in  das  handwerk 
greifft  Abr.  a  St.  Clara  mercks  Wien  (1680)  149 ;  da  kein 
priester  vorhanden  war,  griff  ich  der  klerisei  ins  hand- 
werk PÜCKLER  briefw.  u.  tageb.  3,221;  vgl.  th.  i^,  i25; 
ähnlich  die  materialisten  .  .  den  apoteekern  in  die  kunst 
greiffen  wollen  Moscherosch  gesichte  (1650)  344;  —  zum 
andermal  greiff  ich  got  yn  seyn  ere  und  nim  mich  des 
an,  das  got  alleyn  zugehört  theologia  deutsch  12  Mandel; 
(man)  erzürnet  gott  desto  mehr,  die  weil  man  damit 
yn  sein  ehre  und  werck  greifft  und  wils  den  menschen 
zu  eigen  Luther  so  2,  130  Weim.;  wie  der  mensch,  so 
er  ihm  selber  etwas  gutes  zuschreibt  oder  zueignet,  .  . 
greifft  gott  in  seine  ehre  Jon.  Arndt  Thomas  a  Kempis 
übers.  (I63l)  5. 

D.  greifen  an. 

1)  al  zehant  so  leit  man  riemen  und  rüder  zä  und 
griffent  alle  an  den  anker  Tauler  pred.  325,  10  Vetter; 
darumb  greiff  an  disen  rimen,  und  hilf  hinüber  rügen 
Hütten  4,  6  Böcking; 


indem  so  griff  er  an  das  hun 

und  zog  es  strack  vom  spisz  herab 

Fischart  Eulenspiegel  73, 1306  Hauffen ; 
die  diener  griffen  noch  nicht  an  den  abhub  des  ersten 
ganges,  da  Laube  2,60;  anders:  an  nestel  gr.  manus  alicui 
dare  Frisius  diction.  (1556)  439;  sie  griffen  denn  zuvor 
an  das  baret  und  zogen  es  abe  Luther  16,  136  Weim.; 
und  der  selb  (der  neu  eingesetzte  richter)  sol  an  daz 
stab  grifen,  ain  gemainer  richter  ze  sin,  nach  sinem 
gewissen  . .  zu  richten  österr.  weisth.  4,  343,  21 ;  die  misz- 
theter  sicher  waren  . . ,  wenn  sie  an  die  hörner  des  altars 
griffen  Mathesius  Sarepta  (l57l)  43^;  greifet  flugs  an  die 
erde  Grimm  deutsche  sagen  l,  42; 

drauf  greift  er  mit  der  band  an  den  geschärften  stahl 

Zachariä  poet.  sehr.  1,  13 ; 

ich  griff  an's  schwert  vor  ihrem  anblick  maler  Müller 
3,  283;  die  preuszischen  officiere  griffen  an  ihre  waffen, 
um  den  frechen  Franzosen  niederzuhauen  Freytag  13, 
110;  frühzeitig  entwickelte  sich  die  bedeutung  'sich  an  et- 
was machen': 

hey,  wie  lichte  man  erbiten 

mochte  den  vil  guten  man  (die  heiden  zu  taufen) ! 

er  greif  mit  vreuden  dar  an 

passional  394,  66  Köpke; 

do  greyfft  er  myt  der  tauf  an  seyn  ampt  Luther  34 1,  25 
Weim.;  mit  rath  und  kenntniszen  ausgestattet,  griff  er 
ans  werk  Herder  24,  430;   ähnlich  zu  verstehen: 

wil  das  nicht  helfen,  ist  zu  schlecht, 

so  greiff  ich  an  das  fauste  recht, 

und  brauch  mich  desz  dich  zu  vertreibn 

GiLHusius  gramm.  105. 
2)  in  anwendung  auf  personen : 

sie  lagen  lang  in  groszer  lust 
ir  freud  thet  sich  nur  mehren 
er  greyff  ir  lieblich  an  die  brüst 

Förster  frische  teutsche  liedlein  121  neudr. ; 
greift  doch  an  euren  steisz 

GÖTHE  5,  121   Weim. ; 

als  wir  uns  aber,  ohne  ein  wort  zu  sagen,  an  beiden 
bänden  griffen  Storm  ges.  sehr.  (1868^.)  9,  62;  eine  kühle 
morgenluft  griff  stärkend  an  alle  glieder  Eichendorff 
2,  303;  dagegen: 

die  schuld  des  bösen  fiebers, 
das  ganz  erstaunlich  an  die  nerven  greift 

Schiller  5,  323; 

jung  scheint:  gott!  gott!  (greift  sich  an  den  köpf  und 
fällt  auf  die  knie)  Lenz  1,  70;  sie  griff  sich  an  die  stirn, 
ein  schmerzlicher  ausdruck  flog  über  ihr  angesichtEsNER- 
Esghenbach  4,  227;  Stertinius  sagte:  dasz  ihm  hiermit 
ans  hertz  gegrieffen  würde  Lohenstein  Armin.  (1689/.) 
2,  279»;  zurück!  weg!  greife  nicht  an  das  vaterherz, 
knabe!  Schiller  3,  483; 

die  reizende  gestalt  I  der  edle  anstand  I 

wie  mirs  ans  herz  greift  13,  374; 

lord  Byron  ist  aber  der  wilde  vater  jener  modernen 
poesie  ohne  pietät,  welche  mit  nackten  bänden  ans 
herz  greift  Laube  8,  358;  vgl.  th.  42,  1213;  Varianten:  wer 
diese  angreift,  der  greift  uns  an  die  seele  Dusch  krit. 
u.  satyr.  sehr.  199;  ich  musz  dir  etwas  stark  an  deine 
entnervte  seele  greifen  Klinger  werke  5,  69;  das  wieder- 
sehen mit  Peter  .  .  hatte  auch  ihm  ans  gemüt  gegriffen 
Boy-Ed  ABC  des  lebens,  Velh.  u.  Klos,  monatsh.  1901  I  546 ; 
älter,  aber  selten  auch  reflexiv: 

nu  gripet  an  iuwe  herte 
unde  denket  an  de  smerte, 
de  god  an  dem  cruce  leit 

osterspiel  25  Schönemann; 
oft  griff  ich  auch  dem  trotzer  an  die  kehle 

Schubart  sämmtl.  gedickte  2,  55; 

greyfft  man  an  deine  ere,  gut  gerucht,  gut  und  was 
du  hast,  so  greyfft  man  nit  in  deyn,  syndern  yn  Christus 
gut  Luther  2,  91  Weim.; 

den  Frundsberg  greift's  an  seine  ehr' 

Hoffmann  v.  Fallersleben  gedickte' Si7 ; 

jemand  ans  leben  greiffen  Kramer  teutsch-italiän.  (i700) 
1,  558  <=. 

E.  greifen  auf. 

dem  hat  kinig  Ferdinand  alle  wort  nachgesprochen 
und  hat  mit  beiden  henden  auf  das  evangelibüch  grif- 
fen städtechron.  23,  S16,  9;  (der  priester)  geet  herab  von 


I 


41 


GREIFEN 


GREIFEN 


42 


dem  altar,  so  geent  man  und  frauen  für  in,  so  greufft 
er  in  auf  das  haupt  Sghiltberger  reisebuch  108, 3  Lang- 
mantel; hiebei  griff  er  mit  der  freien  band  auf  die 
pistole  und  spannte  beide  bahne  Stifter  5^  363;  über- 
tragen: (Leo  X.)  schencket  sie  (die  fürsten)  alle  dem 
teufel  .  .  gab  yederman  gewalt,  auf  sie,  ihre  lant  und 
leut  zu  greiffen  Sleidanus  reden  115  Böhiner;  nament- 
lich im,  bair.  fester  rechts ausdruck :  da  von  sullen  all 
die  daigen  die  in  der  freiung  gesessen  sind  vor  dem 
lantgericht  von  Wolkenstein,  das  ain  richter  noch  sein 
anwald  in  kainerlai  weis  auf  seu  nicht  zu  greifen  hat 
österr.  weisth.  6,  27, 17 ;  ob  aber  ein  richter  so  stolz  wehre 
und  grief  freventlich  auf  die  freiheit,  so  ist  er  verfallen 
149,  37;  'mit  beschlag  belegen':  eim  auf  sein  gut  gr.  con- 
fiscare  Frisius  diction.  (1556)  292*';  wann  ainer  umb  geld- 
schuld  oder  ander  erbar  sach  wich,  auf  des  guet  soll 
niemant  greifen,  weder  richter  noch  phleger  428,  38; 
vgl.  24;  es  war  eine  gutthat  des  Sempronius  Gracchus, 
dasz  man  nur  auf  die  guter  griff  Haller  Fabius  u. 
Cato  156,  11;  anders:  auf  diese  weise  müssen  die  weni- 
gen, so  noch  gut  stehen,  und  worauf  man  zur  zeit  der 
noth  doch  greifen  musz,  nothwendig  zu  gründe  gehen 
J,  Moser  3,276.  feste  formein:  auf  die  haube  gr., 
nicht  nur  drastisch  volksmäszig,  sondern  auch  litterarisch : 

sihe  Claus  was  hastu  für  ein  buben? 
du  greiffst  im  nit  gnug  auf  die  hüben, 
er  hat  uns  schier  hie  all  erschreckt 

Fischart  Eulenspiegel  36,  212  Hauffen; 

dasz  sie  (die  kaiserlichen)  auch  ihren  feind  auf  die  haube 
greiffen,  und  offensive  gehen  dörfen  Chemnitz  schwed. 
krieg  l,  460,  2;  weitere  belege  th.  i^,  563;  Varianten:  dasz 
kan  ein  groszer  konig  gesein,  der  der  groszen  konigen 
darf  also   auf  die  krön   greyffen  Luther  32,  75  Weim.; 

wer  nicht  bescheiden  tuht, 
dem  greifft  er  mit  der  faust,  wie  billig,  auf  den  hut 

Rachel  satyr.  ged.  70  neudr. ; 

auf  die  haut  gr.  'auf  den  leib  rücken':  als  der  guber- 
nator  merckt,  dasz  man  ihm  auf  die  haut  greiffen  wolt, 
ordiniert  er  sein  Schlachtordnung  Stumpf  Schicytzer- 
chron.  270*';  in  deme  der  general  Tilly  .  .  dem  chur- 
fürsten  zu  Sachsen  selbst  auf  die  haut  griff  und  das 
messer  an  die  gurgel  setzte  Chemnitz  schwed.  krieg 
1,  202,  2;  seltener:  einem  aufs  lebendige  greiffen  Kramer 
teutsch.-italiän.  (1700)  1,  558°; 

darumb  halt  ob  in  hart  und  vest, 
mit  strenger  herrschaft ,  ist  das  best  I 
und  greuf  in  dapfer  auf  das  maul 

H.  Sachs  9,  314  Keller; 

darumb  selten  wir  bitten  .  .,  das  got  dem  kayser  so  vil 
genad  geh,  das  er  die  fürsten  in  zäum  hielt,  die  fürsten 
den  adel  und  die  stet  und  also  fort  die  oberherren  den 
underherren  auf  die  köpf  gryffen  und  visitierten  Lu- 
ther 17*,  150,  11  Weim.;  anders:  wir  sind  all  gebrech- 
lich sagt  mein  fraw  aptissin,  do  greiff  sie  uff  das  heupt 
Eyering  prov.  2,  493;  wenn  ich  nur  sonst  ein  wacker 
kerl  bin,  und  ihr  weidlich  auf  die  wolle  greiffen  kan 
(im  brautbett)  engl,  comedien  u.  tragedien  (1624)  Z  3^. 

F.  greifen  um. 

ich  griff  rasch  um  das  fernrohr  und  schwang  es  gegen 
jene  stelle  des  himmels  Stifter  l,  14;  selten  in  solchem 
gebrauch,  gewöhnlich  reflexiv  um  sich  gr. 

l)  in  wörtlichem  verstände:  do  es  nun  mitternacht 
was,  erschrack  der  mann  und  greyff  umb  sich  Zürcher 
bibel  (1531)  Ruth  3  B  (v.  8) ; 

(wenn  die  gaste)  sitzen  an  dem  disch, 

und  keiner  ist  zu  essen  frisch, 

so  greiff  umb  dich,  nimb  ein  par  wecken 

Scheit  Grob.  2749  neudr.; 
da  ich  das  gleichgewicht  verlier',  und  gleichsam 
ertruncken  in  den  lüften  um  mich  greife, 
fasz  ich  die  hosen  H.  v.  Kleist  1,  326 ; 

in  iveiterem  sinne:  und  zum  dritten,  das  man  eraus 
fare,  umb  sich  greiffe  und  begere,  das  iderman  mochte 
geholfen  werden  Luther  28,  79  Weim.;  sie  .  .  sehen  .  . 
vil  lieber  es  wäre  kain  richter,  kain  hoheschül  damit 
sie  nur  frey  keck  und  frisch  umb  sich  greiffen  und 
toben  möchten  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  1,  207''; 
jedes  wesen   darf  von  natur  um  sich  greifen,   so  weit 


es  macht  hat  Heinse  i,  155;  man  müsse  den  kindern 
nicht  merken  lassen,  wie  lieb  man  sie  habe,  sie  griffen 
immer  zu  weit  um  sich  Göthe  21,  24  Weim.;  ich  freue 
mich  sehr,  dasz  die  xenien  bey  ihnen  eingang  .  .  ge- 
funden haben,  und  ich  bin  völlig  der  meinung,  dasz  wir 
weiter  um  uns  greifen  müssen  IV  lo,  356 ;  besonders  mili- 
tärisch, politisch:  haben  sich  die  Visigotthier  empöret, 
umb  sich  gegriffen,  ihr  landmarck  erweytert  Stumpf 
Schwytzerchron.  192  »>;  gleichwol  .  .  gewan  der  feind  im- 
mer mehr  und  mehr  luft,  sich  hervorzuthun  und  ümbe 
sich  zugreiffen  Chemnitz  schived.  krieg  2,  104;  er  sah 
ruhig  zu,  dasz  die  Oesterreicher  rasch  von  Straubing 
aus  weiter  um  sich  griffen  Döllinger  akad.  vortr.  1,48; 
die  .  .  so  gewaltig  .  .  um  sich  greifende  etruskische 
nation  Mommsen  röm.  gesch.  l,  302;  vertheidigungsbünd- 
nisz  .  .  für  den  fall,  dasz  Napoleon  in  Italien  weiter 
um  sich  griffe  Treitsghke  detäsche  gesch.  im  19.  jh. 
(1897)  1,  218;  seit  alters  auch  unpersönlich:  im  mör  aber, 
das  so  weit  umb  sich  greifft  Eppendorff  Plinius  9,  99; 
sintemal  diser  bäum  mit  seinen  ästen  weit  um  sich 
greifft  Sebiz  feldbau  (i579)  363 ;  dasz  hier  das  gebiet  des 
flugsandes  .  .  immer  weiter  um  sich  greift  Ritter  erd- 
kunde  l,  1017;  abstracter:  das  ist  ein  starck  wort,  greifft 
aus  der  maszen  sehr  umb  sich  Luther  33,  17  Weim.; 
xodfxios  hat  Luther  gar  wohl  durch  das  wort  sittig  über- 
setzet, das  greift  etwas  weiter  um  sich  exempl.  priester 
(l690)  153;  es  war  mir  sehr  angenehm  .  .  eine  meiner 
homerischen  Untersuchungen,  die  am  weitesten  um  sich 
greifen,  bestätigt  zu  finden  J.  H.Voss  antisymb.  2,  145; 
die  grosze  thätigkeit  .  .,  die  täglich  weiter  um  sich  greift 
Göthe  l,  216  Weim.;  welch  erstaunen  griff  um  sich,  dasz 
Ranke  4,  15;  ein  allmähliches  zurückgehen  dieser  älteren 
gebrauchsarten  zu  gunsten  der  unten  genannten  ist  un- 
verkennbar. 

2)  in  neuerer  spräche  mit  Vorliebe  von  irgendwie  de- 
structiven,  schädlichen,  abzuwehrenden  dingen  und  ten- 
denzen;  in  diesem,  sinne  schon  früh  von  krankheiten: 
so  man  sie  (die  geschwüre)  lasst  irer  art  nach  immer 
mehr  umb  sich  greiffen  Xylander  Polybius  (1574)  61 ; 
so  können  die  pestilentzischen  krankheiten  ohne  an- 
rühren um  sich  greiffen  Harsdörffer /ratteji^.  gesprech- 
spiele  6,  15 ;  (die  bestechlichkeit)  greift  gleich  der  pest  um 
sich  Klinger  werke  6,  58;  da  gerade  seit  der  zeit  das 
legenden-  und  heiligenfieber  um  sich  gegriffen  .  .  hat 
Göthe  IV  23,  243  Weim.;  alt  wohl  auch  neben  feuer:  das 
feuer  greifft  um  sich  Steinbagh  i,  639;  feuer  anlegen 
zu  lassen,  und  diejenigen  pläze  (der  stadt)  sorgfältig  aus- 
zusuchen, wo  das  feuer  schneller  um  sich  greifen  könnte 
Schiller  4,  118;  die  geschichte  griff  um  sich,  wie  das 
wilde  feuer  Bode  Tristram  Schandi  l,  50;  diese  stroh- 
flamme so  gewaltig  sie  um  sich  greift,  so  schneller  wird 
sie  verflackern  B.  v.  Arnim  Oünderode  2,  120;  die  leiden- 
schaft  greift  wie  die  flamme  von  selbst  um  sich  0.  Lud- 
wig 5,  451 ;  aber  erst  seit  dem  18.  jh.  mit  steigender  häuflg- 
keit  in  buntester  Verwendung:  wenn  es  nicht  .  .  sichtbar 
wäre,  dasz  dieser  kitzel  .  .  täglich  weiter  um  sich  greift 
Gerstenberg  schlesw.  lit.  briefe  206,  33  lit.-denkm.;  die 
langeweile  müsste  mächtig  um  sich  greifen  Meissner 
Aldbiades  i,  140;  auch  in  Berlin  greift  täglich  der  ver- 
derbte geschmack  weiter  um  sich  K.  Fr.  Gramer  Neseg- 
gah  2,  X; 

war  schon  das  bös'  auch  unvermeidlich, 
doch  griff's  nicht  um  sich  so  gefräszig 

RtJCKERT  2, 114; 

das  heirathen  durch  die  Zeitungen  greift  um  sich 
Gutzkow  4,  287;  die  immer  weiter  um  sich  greifende 
abneigung  der  höheren  stände  mit  frau  und  kindern 
sich  ZU  plagen  Mommsen  röm.  gesch.  2,  43;  übrigens 
greift  auch  hier  die  französische  tracht  um  sich  Meyr 
erzähl,  a.  d.  Ries  1,  5;  überall  erhält  man  den  eindruck 
einer  um  sich  greifenden  Verstimmung  Justi  Winckel- 
mann  l,  223;  besonders  von  meinungen ,  geistigen  Strö- 
mungen: die  ihm  beygemessenen  meynungen  greiffen 
weit  um  sich  Arnold  kirchen-  u.  ketzer-hist.  69*;  sah 
er  ,  .  die  neue  sekte  .  .  immer  weiter  um  sich  greifen 
D.  F.  Strausz  3,  385;  gaben  die  Offiziere  doch  den  de- 
mokratischen Ideen  räum,  welche  in  der  armee  um  sich 


43 


GREIFEN 


GREIFEN 


44 


gegriffen  hatten  Ranke  16,288;  wie  die  schamanistischen 
wahngebilde  zur  zeit  des  exils  um  sich  griffen  Peschel 
Völkerkunde  301. 

G.  andere  präpositionen  und  adverbia. 

1)  aus:  wenn  die  töchter  guter  hatten,  musten  sie 
sich  nicht  vergreiffen,  wenn  sie  aber  nicht  guter  hatten, 
so  mochten  sie  aus  dem  geschlechte  greiffen  und  in  ein 
ander  geschlecht  freien  Luther  16, 102  Weim.,-  alle  die 
sich  unehrlich  beweiben,  auch  aus  dem  adel  greiffen 
MoscHEROSGH  gesichte  (1650)  2,  404;  ebenso:  alle  die  .  . 
auszer  dem  adel  greifen  Vieth  encyclop.  d.  leihesübungen 
1,  262;  —  durch  (vgl.  durchgreifen  th.  2,  1624):  sah  die 
sense  des  Schnitters  durch  die  halmen  greifen  Bren- 
tano 4,  153;  nur  nicht  weinen,  mein  kind,  .  .  es 
greift  mir  zu  sehr  durchs  herz  Tieck  Schriften^  8,  201; 
anders:  er,  um  deszwillen  du  durch  die  führung  des 
Schicksals  verwegen  griffst  Klinger  3,  269;  du  greifst 
gewaltsam  durch  die  gesetze  {indem  du  einen  ge- 
fangenen mörder  befreist)  7,  170,  dem  sinne  nach  also 
gleich  dem  gewöhnlichen  greifen  in  (s.  o.  sp.  38/.);  das 
dritte  und  vierte  (kennzeichen)  (die  epenthetischen  1 
und  d)  sind  die  bedeutendsten,  sie  greifen  durch  viele 
Wörter  J.  Grimm  kl.  sehr.  4,  187;  —  über:  sie  muste  .  . 
sich  dieselben  {zettelchen)  unter  das  hauptküssen  legen, 
des  morgends  sobald  sie  erwachete  rücklings  über  den 
köpf  greiffen  Gottsched  vernünft.  tadl.  l,  325;  wenn 
das  gewitter  mit  schwarzem  wolkenarm  über  die  dächer 
griff  Raabe  hungerpastor  1,  34;  man  greifft  und  hat  ge- 
griffen vilmals  frisch  ubir  die  schnür  Chrosner  ser- 
mon  V.  d.  christl.  kirche  60  Giemen;  —  unter:  andere 
griffen  unter  den  arm  nach  ihrem  wundsegen  Fischart 
geschichtklitt.  364  neudr.;  als  sie  unter  das  kopfkissen 
griff,  lagen  da  drei  goldstangen   Grimm  deutsche  sagen 

1,  27;  anders: 

wem  er  geneigt,  dem  sendet  der  vater  der  menschen  und 

götter 
seinen  adler  herab,  trägt  ihn  zu  seinem  Olimp, 
imter  die  menge  greift  er  mit  eigenwillen 

Schiller  11,  270; 

wo  ich  unter  meine  briefschafften  greiffe,  finde  ich  trau- 
rige denkmahle  Göthe  38,  282  Weim.;  einem  unter  die 
arme  gr.  seit  dem  16.  jh.:  die  beförderung  in  weitem 
feld  stünde,  wan  einer  keine  freunde  hätte,  die  einem 
unter  die  arme  griffen  Grimmelshausen  Simpl.  443 
Kögel;    mit   geld   unter   die   arme   zu  greifen   Vogelnest 

2,  373  Keller;  auch  wohl  nach  gelegenheit  den  autoribus 
mit  nachrichten  und  sonst  in  Zeiten  unter  die  arme 
gegriffen  würde  Leibniz  deutsche  sehr.  2,  282;  eben  so 
ruhig  konnte  er  seine  kinder  in  seinem  hause  auf- 
wachsen und  ihm  in  seinem  alter  unter  die  arme  grei- 
fen sehen  M.  J.  Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  3,  208;  einige 
indessen  hatten  vollends  die  gutheit,  mir  .  .  .  thätlich 
unter  die  arme  zu  greifen  Bräker  l,  177;  sie  werden 
vielleicht  .  .  bemerkt  haben,  dasz  mir  der  erleuchtete 
Jacob  Böhme  gütig  dabei  unter  die  arme  gegriffen  Bren- 
tano 5,  392;  es  war  damals  dem  himmel  noch  leicht, 
durch  einen  guten  gedanken  einem  ehrlichen  kerl  unter 
die  arme  zu  greifen  Arnim  3,  82;  eigenartig:  wenn  meine 
liebe  mutter  den  eifer  bemerkte,  der  mir  bei  der  erzäh- 
lung  von  Herkules  unter  die  arme  griff  Hippel  lebens- 
laufe  1,  68;  jünger  und  ungleich  seltener  mit  nicht  per- 
sönlichem object:  man  müsse  den  biblischen  geheim- 
nissen  mit  erdichtungen  unter  die  arme  greifen  Gott- 
sched neueste  aus  d.  anmuth.  gelehrsamk.  2,  523;  von 
diesem  augenblicke  an  nahm  ich  mir  vor,  meinem 
yaterlande  unter  die  arme  zu  greifen,  alle  tage  gab 
ich  ein  neues  mittel  an  die  band,  die  gemeinen  ein- 
künfte  zu  erhöhen  Rabener  sämtl.  sehr.  2,  142;  ihre 
hamburgischen  patres  conscripti  wollen  nun  auf  einmal 
mit  aller  gewalt  den  Wissenschaften  unter  die  arme 
greiffen  Lessing  17,420;  —  vor:  so  aber  der  lantrich- 
ter  .  .  in  sölhem  Unwillen  fräflich  für  den  marchstein 
herein  ritt,  ging  oder  griff,  der  ist  zu  wandl  österr. 
weisth.  6,  66,  27;  —  zwischen:  wer  thar  es  wogen  im 
zwischen  die  zeene  zu  greiffen  Hiob  41,  l. 

2)  darnach  greiff  herab  auff  die  nechste  linien  dar- 
über,  sprich:  halb  2.  macht  i  Riese  rechenb.  (i58l)  6^; 


von  natur  pfleget  der  hund  gerne  auf  dem  boden  mit 
seiner  nase  überall  herum  zugreifen  Heppe  auf  rieht, 
lehrprinz  45  {vgl.  greifen  zu  o.  sp.  31);  dasz  die  herren 
abiturienten  in  Jena  auch  mich  in  ihre  schmutzige  sache 
ziehen  möchten,  giebt  mich  nicht  wunder,  da  sie  zu 
deckung  ihrer  schände  nach  allen  selten  herum  greifen 
Göthe  IV  16,  283  Weim.; 

es  soll  gelten,  da  thu  ich  stehn, 

greiff  um  her,  wo  der  ander  sey 

H.  Sachs  17,  48  Keller-Qötze , 

die  hand  .  . 

greift  irr  umher  Geibel  2,  72; 

{die  wiszbegierige  Jungfer)  greiffe  in  der  Christ -nacht 
rücklings  zur  stuben-thür  hinaus,  so  bekömmt  sie 
solche  haare  in  der  hand  J.  G.  Schmidt  rocken-philo- 
Sophia  1,  176;  greift  hinein  bis  über  die  eilenbogen  und 
theilet  aus  Luther  45,  22  Erlang.; 

greift  nur  hinein  in's  volle  menschenleben ! 

Göthe  Faust  1 167 ; 
im  selben  sinne:  strawe  aus,  greif  drein,  ein  fröhlicher 
geber  liebt  gott  Luther  40,  277  Erlang.;  wer  was  eigens 
hat,  greiff  drein  wie  [in]  eine  salzmeste  sprichwörter- 
samml.  nr.  25  Thiele;  aber  sihe  .  .  . ,  ob  dirs  auch  be- 
folhen  sey,  das  du  mit  der  faust  drein  greiffest  28,  248 
Weim.;  vgl.  15,213;  33,621;  iam  hodie  greifft  er  drein 
mit  der  that  31 1,  25 ;  anders :  wie  gefährlich  es  ist,  wenn 
man  das  messer  auf  den  rücken  legt,  denn  es  kan  ein 
ander  leicht  drein  greiffen  Weise  drei  erznarren  128 
neudr.;  dem,  sinne  von  greifen  in  sp.  38  nahekommend: 
{Jesus)  tritt  mitten  in  den  tempel  an  den  orth,  do  die 
pfaffen  regierten  .  .  .  und  greifft  also  ins  spiel  hinein 
Luther  33,  343  Weim.;  auszer  dasz  ich  .  .  meinen  Jona- 
than fallen  liesz,  und  genöthigt  war,  mit  der  hand 
hinunter  zu  greifen,  und  ihn  zu  holen  Göthe  21,  26 
Weim. ; 

der  krebs  greifft  stetigs  hin  und  her 
im  gehn  mit  seiner  offnen  scher 

H.  Sachs  9,  245  Keller; 

nichts  desto  weniger  stunde  er  nicht  still,  sondern  griff 
mit  den  henden  hin  und  her  Amadis  206  Keller; 

man  greif  zusamne  (that  sich  zusammen)  allen  wegen, 
üf  daz  ir  gesche  ein  schade  passional  343  Köpke; 

ebenso:  so  sullen  .  .  meiner  fraun  von  Göss  leut  und 
auch  des  pharrer  leut  ab  Sand  Veitzperg  all  zu  ein- 
ander greifen  und  jeder  man  auf  sein  mit  seiner  wer 
österr.  weisth.  6,  318,  4;  anders:  item  es  greyffen  zwey 
zusamen  aus  groszer  liebe,  verheirathen  sich  Luther 
15,  365  Weim. 

V.  greifen  in  der  musik.  mit  Vorliebe  und  wohl  ur- 
sprünglich in  anwendung  auf  Saiteninstrumente ;  zur  ab- 
grenzung  der  bedeutung  vgl. :  was  man  {auf  der  laute) 
greiffen  oder  ongegriffen  müsz  schlagen  oder  zwicken 
Virdung  musica  gelutscht  (i51i)  K  2»;  jede  hausz- 
haltung  bedarf  frei  ding,  wie  ein  seytenspil,  nämlich 
die  zirlichkeyt,  den  lieblichen  klang  und  das  greiffen 
oder  spielen  Fischart  ehzuchtbüchlin  239,  11  Hauffen; 
{die  musika)  wird  .  .  geübt  .  .  durch  greiffen  und  rüren 
oder  spielen,  uff  selten  in  mancherley  weise  C.  Spangen- 
berg musica  34  Keller. 

1)  object  ist  das  instrument:  alle  saiten  ohne  mit  der 
lincken  hand  gegriffen  heissen  a  Baron  instrument  d. 
lauten  (1727)  152; 

greift  eure  harfen ! 
allg.  deutsche  bibl.,  anh.  zu  bd.  25—36,  30, 11 ; 
besserer  sänger  sei  ich,  und  greif  auch  erträglich  die  cyther 

Voss  sämtl.  ged.  2,  77 ; 
von  blasinstrumenten : 

schwegel,  klein  flöt,  platerspiel,  sackpfeiffen 
mus  man  all  durch  nngerlöcher  greiffen 

M.  Agricola  musica  deudsch  9  Eitner; 
vgl. : 

trug  auch  an  seinem  hals  ein  pfeiffen, 
ktmdt  also  blind  die  löcher  greiffen 

Spreng  Aneis  59»; 
von  tasteninstrumenten : 

positif,  regal,  die  man  kan  greiffn 

Ayrer  dramen  551, 15  Keller; 

welche  tasten  man  mit  der  rechten  hand  greiffen  soll 
Mattheson  kl.  generalbasschule  (1735)  84; 


45 


GREIFEN 


geigt  einer  LoUi  nach; 

greift's  klavikord  wie  Eckard  greift 

Schübart  sämtl.  ged.  3, 107 ; 

mir  ist  mehr  darum  zu  thun,  dasz  ihre  kleinen  finger 
jezt  die  claves  mit  Sicherheit  greifen  Caroline  l,  167 
Waitz; 

um  der  freiheit,  seinem  liebchen, 

aufzuspielen  Serenaden 

mit  der  feldschlacht,  seiner  orgel, 

die  er  weisz  so  stark  zu  greifen  Lenau  308. 

2)  object  sind  die  töne  und  melodien;  bis  ins  17.  jh. 
häufig  ein  lied  gr.  u.  ä.:  süze  wise  an  harpen  und  an 
rotten  grifen  leben  d.  hl.  Elisabeth  172  Rieger; 

so  lang  bisz  er  sein  liedlein  pfeifft, 
singt  und  auf  der  sackpfeiffen  greifft 

Wickram  6,  341  BoUe-Scheel; 
hab  ich  je  ein  gutes  lied 
auf  dem  haberrohr  gegriffen? 

Birken  ostländ.  lorbeerhäyn  (1657)  i2i; 

im  18.  jh.  absterbend,  aber  noch 

soll  vielleicht  im  Schimmer  goldner  raifen 
götter,  euch  die  kühne  hymne  greifen 

Schiller  1,  341 ; 

umgekehrt  gewinnt  einen  ton  gr.  u.  ä.  in  jüngerer  zeit 
sichtlich  an  ausdehnung:  daz  herr  Bierfiedler  ein  stüm- 
per  ist,  der  nicht  drey  reine  thöne  greifen  kan  Gott- 
sched Vernunft,  tadl.  2, 154;  wenn  ich  zween  töne  greife, 
wo  drey  tasten  darzwischen  sind,  so  habe  ich  die  grosze 
terz  Ph.  E.  Bach  art  d.  clavier  zu  spielen  2  i,  34;  wie 
nun  alle  diese  töne  auf  der  flöte  gegriffen  werden  müs- 
sen QuANTz  anweisung  d.  flöte  zu  spielen  35; 

ich  musz  die  lust'gen  triller  greifen 

Brentano  2,  335 ; 

sie  .  .  .  greift  auf  dem  klavier  einige  töne  Tieck  sehr. 
2,  275;  sie  müssen  den  tam-tam  schlagen  .  .  oder  falsche 
quinten  greifen  Immermann  l,  47;  als  .  .  die  zweite  Vio- 
line dis  spielte,  und  er  rief:  'verflucht,  wollt  ihr  d  grei- 
fen!' Jahn  Mozart  3,  122;  accorde  greifen  lieben  die  er- 
zähler  seit  dem  18.  jh.:  ich  weisz  nicht,  sagte  Allwill, 
indem  er  sich  gegen  mich  wendete,  und,  melodramatisch, 
noch  einige  accorde  griff  Fr.  H.  Jagobi  l,  128;  die  linke 
band  .  .  ruhte  auf  dem  tisch,  als  greife  er  einen  accord 
auf  dem  flügel  E.  Th.  A.  Hoffmann  l,  12;  noch  einzelne 
accorde  in  seine  guitarre  greifend  Eichendorff  3,144; 
dann  griff  sie  einen  dreiklang  und  sang  Storm  l,  14; 
vereinzelt:  zu  einer  Instrumentalmusik,  deren  takt  zu 
greifen  ihm  genügte  Niebuhr  röm.  gesch.  i,  89. 

3)  ohne  object  mit  präpositionen.  zumeist  in,  ursprüng- 
lich natürlich  beim  Saiteninstrument: 

greif  in  die  mächtige  leyer 

Dusch  verm.  werke  560 
griffst  in  die  harfe,  die  Jova  dir  gab 

Schubart  sämtl.  ged.  2, 184 
in  die  saiten  der  zither  greift  er  schnell 

Heine  1,  23 
und  der  sänger  greift  in  die  harfe  kühn 

Geibel  1,  59 
greif  in  die  saiten,  mich  zu  grüszen 
nach  Sänger  art 

Pocci  tust,  komödienbüchlein  223; 
seltener  in  prosa:  der  sänger  griff  in  die  saiten  und 
sang  ein  lied  von  dem  stammeshelden  G.  Freytag  17,83; 
das  blasinstrument  verlangt  auf:  der  eine  (schäfer)  auf 
dem  flagulet  pfeiffend  und  greiffend  Birken  ostländ. 
lorbeerhäyn  27;  vgl.  die  belege  unter  1  und  2;  indessen 
wurden  die  präpositionen  später  aus  ihrem  ursprüng- 
lichen geltungsbereich  in  andere  gebiete  übertragen:  greif 
auf  der  laute,  wenn  die  glocken  tönen  Hippel  lebens- 
läufe  4,  93 ;  wie  trunken  griff  er  in  die  tasten  und  sang 
Storm  l,  168;  vereinzelt: 

meine  muse,  fort  zur  feyerl  .  . 
geh,  und  suche  deine  leyer, 
geh,  und  greiffe  munter  dran 

Henrici  emst-scherzh.  u.  sat.  ged.  1,  38; 
Hortensia  griff  leise  über  die  saiten  hin   Laube  8,  253. 

4)  absolut: 

die  laute  stimmen,  eh  man  greifet 

Schönaich  bei  Gottsched 
d.  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamkeit  4,  255; 

ein  treflicher  Violoncellist,  der  .  .  sehr  rein  und  fertig 
greift  Heinse  7,  312. 


GREIFENÄHNLICH  -  GREIFENKLAUE   46 

GREIFENÄHNLICH,  adj.:  auf  einem  greifenähnlich 
verzierten  thron  ohne  lehne  sitzt  Jupiter  archäolog.  ztg. 
V.  Gerhard  l,  130.  —  dies  und  das  folgende  wort  reprä- 
sentieren als  beispiele  die  beiden  hauptschichten  der  com- 
positionen,  die  mit  dem  subst.  gv^ii gebildet  worden  sind: 
die  ältere  geht  von  dem  fabehvesen  der  mittelalterlichen 
sage  aus  {schon  mhd.  vertreten;  vgl.  grifenkraz,  -schif, 
grifkraz  bei  Lexer  l,  1083/.,  nachtr.  219;  dazu  die  unter 
greif engefieder,  -klaue  gegebenen  belege);  die  jüngere  hat 
es  direct  mit  dem  greifen  der  antiken  plastik  und  litte- 
ratur  zu  thun;  diese  ztveite  wesentlich  erst  im  19.  jh.; 
meist  in  gelehrten  Schriften.  —  greifenbanner,  n., 
banner,  auf  dem  ein  greif  ist:  zwei  der  greifenbanner 
{die  die  Pommern  führten)  waren  schon  in  die  bände 
der  Märker  gefallen  Hesekiel  Nürnberger  tand  l,  346. 
vgl.  greif  6. 

GREIFENBERGER,  m.,  dieb,  taschendieb  {gaunerspr.) 
Ave-Lallemant  4,  546;  umdeutung  von  Greifenberger, 
bewohner  der  Stadt  (jiVe.\iQn\)&Tg;  auch  berlinischer  dialect- 
OMÄcirMCÄ  Traghsel  20;  ähnliche  bildungen  sind  drücke- 
berger,  Schlauberger  th.  9,  505;  vgl.  von  Greifenberg  sein 
nach  dem  busen  greifen  Amaranthes  nach  Müller- 
Fraureuth  2,  440*;  anders  im  heutigen  sächs.:  das 
schlimmste  is  es,  hat  mer  eene  {magd)  aus  Greifen- 
berg, d.  h.  eine  diebische,  ib. 

GREIFENBLUT,  n. :  als  dieses  epitaphium  mit  greifen- 
blut  und  dem  schwerd  auf  einen  stein  geschrieben  war, 
so  gieng  er  schritt  vor  schritt  seinen  weg  Heinse  3,  496. 

—  greifenei,  n.:  die  in  mittelalterlichen  schatzver- 
zeichnissen  vorkommenden,  zu  pocalen  gefaszten  greifen- 
eier  sind  strauszeneier  Buch  er  reallex.  d.  kunstgewerbe 
169*.  —  greifenflügel,  m. .- 

ein  herrlich  adeliches  weib, 
zwen  greiffenflügel  het  ir  leib 

H.  Sachs  7,  432  Keller ; 

{ein  vmnderbild),  welches  . .  einen  menschen  mit  greiffen- 
flügeln  und  adlers-klauen  fürbildete  Lohenstein  Armin. 
(1689/.)  1,  1351*'.  —  greif enfusz,  m.: 

wie  man  den  feind  {den  teufet)  zu  mahlen  pflegt, 
der  greiffen  fusz  und  klauen  tregt 

Eyering  prov.  cop.  1,  559. 

—  greifengefieder,  n..- 

dö  hiez  si  im  bereiten      einen  kiel  wunnesam 
mit  guotem  grTfengevidere,      der  was  wol  getan 

Wolfdietr.  B  348; 

rund  umher  fand  man  .  .  .  auf  den  inseln  das  greifge- 
fieder  deutsches  mus.  hg.  v.  Fr.  Schlegel  4,  322;  über 
das  wechseln  der  formen  greifen-  und  greif-,  greifs-  s.  u. 
greifenklaue.  —  greifengespann,  n.:  die  göttin  .  .  . 
giebt  sich  .  .  als  Artemis  zu  erkennen  durch  das  hirsch- 
kalb  .  .,  in  Verbindung  mit  dem  greifengespann  ihres 
Wagens  Welcker  alte  denkm,.  2,  71;  im  hermaphrodit 
den  lacchos  zu  erkennen,  wird  .  .  nahegelegt  .  .  durch 
den  mann-weiblichen  Jüngling  mit  greif-  und  panther- 
gespann  Ed.  Gerhard  akad.  abhandl.  2,  145;  2,  74  auch 
greifengespann.  —  greifenhaupt,  n.: 

an  anderm  ort  kämi)ft  Martasin  mit  macht, 
der  auf  dem  heim  ein  greifenhaupt  getragen 

Gries  Bojardos  verl.  Roland  4,  161. 

—  greifenhut,  /.:  ich  habe  da  stets  an  die  Hespe- 
riden  gedacht,  wo  unter  bloszer  greifenhut  die  herrlich- 
sten schätze  und  geheimnisse  ruhen  Laube  5,  168.  — 
greifenklaue,/,  bei  diesem  wort  gestattet  die  gröszere 
zahl  der  belege  die  beobachtung,  dasz  die  m,it  greif-,  greif s- 
componierten  formen  durchaus  auf  das  nd.  und  md.  be- 
schränkt sind;  das  erklärt  sich  au^  der  unter  greif /orm  2.  3 
dargelegten  thatsache,  dasz  das  nd.  und  md.  das  subst. 
stark  flectierten ;  vgl.  die  entsprechenden  belege  «nfer  greifen- 
gefieder, -gespann,  -klauig.  alte,  aber  vereinzelte  neben 
form:  unmassig  lang  warend  ir  {des  riesenweibes)  arm 
und  ir  bein,  und  die  negel  an  den  henden  warend  als 
griffelklowen  deutsche  volksb.  229,  13  Bachmann  ■  Singer ; 
gebildet  durch  anlehnung  an  griffein  Lexer  l,  1083. 

l)  ein  lanzen  scharpf,  niht  swaere,  .  . 

(ir  snide  was  ein  grifen  klä) 

WoLFR.  V.  Eschenbach  Willehalm  356,28; 
die  greiffen-klahen  {des  Ungeheuers  'eigennutz')  deuten  sindt, 
das  eygner  nutz  ist  rund  und  gschwind 

H.  Sachs  3,  496  Keller; 


47        GREIFENKLAUIG  —  GREIFENTHIER 


GREIFENWAGEN  -  GREIFIG 


48 


und  stand  das  bette  auf  sechs  güldenen  greiffen-klauen 
Lohenstein  Armin.  (1689/.)  2,  957";  er  erschlug  sie  .  . 
und  nahm  eine  greifenklaue  mit  sich  Fontane  I  2,  606; 
bildlich:  also  suchte  Kromwel  seine  obermacht,  wie  er 
sich,  als  ein  .  .  fuchs  immer  näher  und  näher  darnach 
zugeschlichen,  bis  er  sie  zuletzt  volkömlich  in  seine 
greifs-klauen  bekommen,  auf  eben  dieselbe  .  .  weise  zu 
erhalten  Zesen  erhöhte  majestät  (l66l)  274;  vierjährige, 
schreckliche,  gräuliche  einsamkeit,  jede  stunde  mit 
schlangengeiszeln,  mit  zakenflügeln,  mit  greiffenklauen 
gerüstet  Sghubart  briefe  2,  42  Strausz;  als  wappen- 
zeichen: waapen  mit  dem  gryffenklawen  Stumpf  Schw.- 
chron.  (1606)  458'';  {die  von  Schulenburg)  führen  einen 
in  vier  theile  getheileten  schild,  in  dessen  zwey  feldern 
drey  rothe  greiffen  klauen  Micrälius  altes  Pommer 
land  6,  526. 

2)  die  hohle  greifenklaue  als  hörn  oder  gefäsz: 

und  ein  vergülter  ereiffenklo, 

der  was  auch  gar  höffelich  do, 

den  setzt  der  risz  an  munde, 

wenn  er  der  zwerg  ein  haben  wolt, 

ein  hören  er  da  schalt  Sigenot  159  Schade; 

(zum  kirchenschatz  gehörte)  ein  greiffklauen  mit  dem 
bildt  S.  Thomse  Wolfg.  Franzius  histor.  erzehlung  der 
bei/den  heiligthümen  .  .  in  der  schloszkirchen  zu  Witten- 
berg (1618)  Gl»;  ähnlich  C  2»';  die  Indianer  sollen  aus 
greiffen-klauen  trincken  Lohenstein  Arminius  (1689/.) 
2,  777  " ;  die  in  mittelalterlichen  Schatzverzeichnissen  vor- 
kommenden .  .  greifenklauen  aber  (sind)  nashornhörnei 
Bugher  reallex.  d.  kunstgewerbe  169*. 

3)  in  der  alchymie:  ahubene,  das  ist  greiff  klawe, 
feucht  Thurneyszer  magna  alchymia  (i583)  114;  greifs- 
klaue,  hierunter  verstehen  die  chymici  die  Proserpi- 
nam,  oder  das  silber  Bürgel  öcon.  u.  physic.  lex.  4, 
1339. 

4)  nd.  griepsklaue  eine  diebische  oder  im  zugreifen 
schnelle  hand:  he  moot  sine  grieps-klauen  allerwegen 
in  hebben  brem.  wb.  2,  546;  dazu  griepsklauer  einer, 
der  anderen  vorgreift,  alles  an  sich  reiszt  ib.  — 
greifenklauig,  adj.,  bildl.  räuberisch:  "wrie  er  auch 
der  berendatzen  nicht  achtet,  er  liesz  sie  den  schwer- 
tapigen  und  greiffklauigen  fürsten  Fisghart  geschicht- 
klitt.  4,  79  neudr.  —  greifenkopf,  m.:  da  der  stadt 
wapen  ein  roth  gekröneter  greifenkopf  ist  Micrälius 
altes  Pommer  land  6,  569 ;  die  Samier,  welche  .  .  einen 
grossen  krater  mit  greifenköpfen  rings  umher  besetzt 
.  .  weiheten  Welgker  alte  denkm.  2,  77;  während  sie 
Percevals  (eines  hundes)  greifenkopf  mit  ihren  .  .  kinder- 
händen  umfaszt  hielt  Thom.  Mann  königl.  hoheit  (1910) 
292.  —  greifennest,  n.:  danach  stieg  unser  herzog 
aus  dem  greifennest  Fontane  I  2,  506.  —  greifen- 
p forte,  f.: 

(Günther)  sobald  der  frühe  mond 

hinabging,  lösch  ich  sacht  im  brautgemach 

die  fackel  aus.    dann  harre  mein  am  Vorhang 

der  greifenpforte  Geibel  6, 19. 

—  greifenschild,  m..- 

und  wohl  vertheidigte  sich  Olivier, 
verlor  er  auch  den  greifenschild  im  streite 

Gries  Bojardos  verl.  Boland  3,  224. 

—  greifenschnabel,  m.:  i)  arabesken,  blumenge- 
winde  mit  Schmetterlingen,  greifenschnäbeln  und  der- 
gleichen Schnörkeln  Gutzkow  9,  254.  2)  gryphus,  zu 
deutsch  greiffs-schnabel,  oder  gemsen-fusz,  ist  ein  chi- 
rurgisches Instrument,  womit  man  die  zahne  auszu- 
ziehen pfleget  Bürgel  öcon.  u.  physikal.  lex.  4, 1392;  ähn- 
lich Heinsius  2,  527*;  Werkzeug  der  Wundärzte  Voigtel 
2,  130».  —  greifensessel,  m.: 

dem  lager  nah  im  greifensessel 

lehnt  sich  Isold'         Immermann  13, 156  Hempel. 

—  greifenstein,  m.,  im  hessischen  und  eisenachischen 
die  grobkörnigen  schichten  des  todtliegendenYoiGT  mineral. 
abhandl.  2,  276;   vgl.  greifstein?  (s.  unter  greifmuschel). 

—  greifenstuhl,  m.: 

der  trost  dem  greis'  im  greifenstuhle, 
ist  seiner  base  königin  buhle 

Immermann  13,  245  Hempel. 

—  greifenthier,  n.: 


jetzt,  kem'  Artyrus  her  (der  vor  zweytausend  jähren 

zu  Alexanders  zeit  bey  Rügen  angefahren, 

und,  nechst  dem  Steuermann,  das  greiffenthier  geführt 

Harsdörffer  Srauenz.  gesprechsp.  5,  zuschr.  s.  3. 

—  greifenwagen,  m.,  von  greifen  gezogener  wagen: 
diese  fahrt  (Alexanders)  in  der  taucherglocke  nach  dem 
reich  der  fische,  und  im  greifenwagen  ins  reich  der 
Vögel  Gervinus  gesch.  d.  deutschen  dichtung  (l853)  2,  52; 
die  .  .  gruppe  von  Hekate  und  Eros  auf  einem  greifen- 
wagen archäolog.  ztg.  hg.  v.  Gerhard  3,  37.  —  greifen- 
wirth,  m.,  der  wirth  des  gasthauses  'zum  greifen':  der 
hausknecht  des  greifenwirts  Auerbach  12,  195.  —  grei- 
fenwirthshaus,  n.,  wirthshaus  'zum  greifen':  die  kö- 
niglichen koche  machten  ein  essen  fertig  im  greifen- 
wirtshaus  Mörike  ges.  erzähl.  (l897)  261.  —  greifen- 
zunge,  /.;  und  schwarzrot,  an  der  spitze  sich  dreieckig 
verbreiternd,  hing  seine  (des  hundes)  triefende  greifen- 
zunge  daraus  (aus  dem  maul)  hervor  Thom.  Mann  königl. 
hoheit  (1910)  339. 

GREIFER,  m.  l)  zu  greifen  palpare:  palpo  greiffer 
vel  taster  Diefenbagh  408*;  catulaster  smaicher  .  .  . 
liebkoser,  greyffer,  taster,  federclauber  107  <>;  toccatore, 
tastatore,  palpatore,  maneggiatore  Kramer  teutsch-ital. 
(1700)  1,  559". 

2)  ZU  greifen  capere:  invasor,  prehensans,  captator 
Stieler  698;  er  schmeichelte  mir  neulich:  ich  hätte 
einen  so  wunderbaren  grif,  aus  der  natur  so  viel  auf- 
zufassen, das  andern  greifern  durch  die  finger  schlüpfte 
br.  von  u.  an  Bürger  2,  237  Strodtmann; 

0  ihr  gaffer,  greifer  in  die  ferne ! 

Arndt  5,  280  Rösch-Meisner ; 

nd.  für  hand,  finger:  h6  hed  sin  lütje  gripers  aferal  in 
Doornkaat-Koolman  1,  689*;  vielfach  in  technischer 
spr.;  z.  b.  unterscheidet  der  nähmaschinenbau  schiff chen- 
maschinen  .  .  .  von  denjenigen,  welche  man  mit  dem 
namen  greifermaschinen  belegt  hat,  wegen  der  grei- 
fenden Wirkung  des  den  zweiten  faden  durchbringenden 
Instrumentes,  des  sogenannten  greifers  Preghtl  tech- 
nolog.  encycl.  24,  410;  vgl.  413;  in  der  stahlfabrication: 
ein  eiserner  griff,  der  an  das  stahlmassel  geschweiszt 
loird  und  der  zange  als  angriffspunkt  dient  15,  525. 

GREIFEREI,  /.,  rofwei*cÄ/ür  jjofeei  Ave-Lallemant 
4,  546. 

GREIFERIN,  /.,  foemina  palpans,  contrectans,  prehen- 
dens  Stieler  698. 

GREIFERLEIN,  s.  greinerlein. 

GREIFFALKE,  m.,  eine  falkenart,  erodius  Diefen- 
bagh 208";  gryfalco  270*;  girofalco  nov.  gloss.  193";  iden- 
tisch mit  dem  gehrfalken  (4^,2,  2552)  oder  geierfalken  (ib. 
2562).  der  name  scheint  durch  metafhesis  und  Volksety- 
mologie aus  dem  älteren  girvalke  (Lexer  l,  1022),  mlat. 
girofalco  (du  Gange  4,  ill«  s.v.  grifalco)  entstanden;  der 
vogel  (sc.  greiffalk)  ist  der  aller  edlist  under  allen  vö- 
geln, er  ist  gel  als  ain  wahs,  iedoch  daz  mgrer  tail 
seins  leibes  ist  weizlot,  an  an  dem  herzen  oder  an  der 
prust  K.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  185,  28 ;  das  paszt 
freilich  besser  auf  den  Jagdfalken  als  auf  den  gerfalken, 
vgl.  Brehm  thierl.  6,  215/  Pechuel- Lösche;  Suolahti 
vogelnamen  334 jf. 

GREIFHAFTIG,  adj.  =  greiflich  comprehensibilis  Stie- 
ler 699. 

GREIFIG,  adj.  l)  activ:  was  (gern  und  fest)  greift; 
rapax  Diefenbagh  484*;  rapidusiSi^  (daselbst  die  neben- 
form  grifftich,  -tig);  greifige  klauen  Heinsius  2,  526"; 

als6  phlaege  ichs  immer  gerne,  möhte  ich  des  geniezen, 
s6  daz  mich  die  dörper  mines  16nes  iht  verstiezen; 
des  ist  Uoze  grlfic  und  sin  rüher  schavernac 

Neidhart  v.  Reuental  54, 13; 

wie  durchvert  die  vogel  greific  are 

Ludwigs  d.  fr.  kreuzfahrt  7679; 

(das  ei  ist  unecht;  vgl.  das  nebeneinander  von  grifen  und 
greifen  im  mhd.,  sp.  15);  das  ist  ein  gryffige  frag,  dann 
er  will  in  gryffen  so  er  hinnach  würt  sprechen  Terenz 
(1499)  156".  2)  passiv:  ein  greifiger  oder  eingreifiger 
bäum,  dessen  dicke  man  mit  beiden  händen  umspannen 
kann  Adelung  2,  794;   vgl.  griffig;   eine  greifige  wäre, 


49 


GREIFING  -  GREIFLICH 


GREIFLICH 


50 


nach  der  die  diele  gerne  greifen  Adelung;  die  gesucht 
ist  Heinsius  2,  526'';  vgl.  greifisch,  auch  angreifisch, 
-greiflich,  -griffig  th.  1,  357. 

GREIFING,  m.,  dachs  Brehm  thierl.  l,  645  Pechuel- 
LöBche;  falsche  verhochdeutschung  von  nd.  gräving  =  gre- 
bing,  *.  d. 

GREIFISCH,  adj.,  der  bedeutung  nach  =  greifig,  aber 
vorwiegend  nd.  l)  activ:  greifischer  wolf  lupus  rapax 
Stieler  699;  grepsch  der  gerne  zugreift,  diebisch  Righey 
id.  hamburg.  80;  Schambach  68;  Berghaus  i,  608»; 
greepisch  Bock  id.  pruss.  15;  grifsch  gern  zugreifend, 
hungrig  Hertel  thür.  109.  2)  passiv:  besonders  von 
ivaren,  die  sehr  gesucht  sind,  reiszend  weggehen  Richey, 
Schambach,  Bock  a.  a.  o. ;  en  grepschet  begehrtes  mäke 
Frischeier  i,  250*';  ähnlich  dit  volk  is  up'  stund  regt 
greepsk  es  hält  schwer,  gesinde  zu  bekommen  Berghaus 
a.  a.  0. 

GREIFLACHEN,  s.  grieflachen. 

GREIFLIGH,  adj.,  was  sich  fassen,  sinnlich  oder  geistig 
wahrnehmen  läszt;  mhd.  noch  selten  (vgl.  u.  1;  passional 
733 ''  Köpke  ohne  citaf);  im,  16.  jh.  in  blütke;  im  18.,  mehr 
noch  im  19.  jh.  zurückgehend,  heute  fast  erstorben;  schon 
bei  Adelung  2,  794  als  'ein  im  hd.  unbekanntes  wort' 
bezeichnet;  den  ersatz  übernehmen  z.  th.  handgreiflich  (erst 
im  18.  jh.  häufig,  vgl.  th.  i^,  39l)  und  das  noch  jüngere 
greifbar  (vgl.  sp.  13).  in  älterer  spräche  erscheint  zu- 
weilen eine  erweiterte  form:  offenliche  und  griffenliche 
lugen  Staub-Tobler  2,  721  (a.  1589);  vgl.  unbegrifenlich 
myst.  2,  536,  40;  der  gebrauch  des  adj.  läuft  dem  des 
verbums  vielfach  parallel  und  ist  von  ihm,  bestimmt. 

1)  ursprünglich:  was  sich  m,it  der  hand  greifen  läszt; 
sinnlich  wahrnehmbar ;  oft  geradezu  körperlich,  materiell: 

wir  sullen  irsten  alle  .  . 
vor  unses  herren  ougen 
griflich  und  entsebelich 
H.  V.  Hesler  apocal.  20233  Helm;  vgl.  18110; 

er  helt,  das  die  engel  greifflichen  leib  haben  Luther 
(1562)  8,  24";  so  dann  die  kranckheiten  nichts  greiffliches 
sind,  sondern  dem  wind  gleich  Paracelsus  opera  l, 
246'';  als  im  firmament,  da  sind  die  siben  glieder  wie 
in  einem  menschen,  .  .  .  nicht  als  greiffliche  glieder, 
sonder  als  krefft  und  tugenden,  ohn  ein  corpus  277''; 
obwohl  unerfahrene  menschen,  was  geistlich,  vor  träum, 
und  was  greiflich,  vor  Wahrheit  halten  Leibniz  deutsche 
sehr.  1,  412 ;  die  färbe  darf  nie  mit  der  greiflichen  todten 
form  zusammenkommen  Brentano  Godvd  l,  174;  die 
unbestimmten  nebel  zerrannen  in  dichte  greifliche  figu- 
ren  Tieck  sehr.  18,  256;  vergleichbar:  darum  sind  auch 
Dante's  allegorien  so  überzeugend,  weil  sie  sich  bis 
zur  greiflichsten  Wirklichkeit  durchgearbeitet  haben  4, 
129;  sehr  häufig  verbunden  mit  adjectiven  ähnlicher  be- 
deutung srichtung,  namentlich  sichtig  u.  ä.  (vgl.  greifen 
und  sehen  sp.  23):  leiblich,  greiflich,  sichtig  ding  mag 
ein  vatter  seinem  sun  verschaffen  Seb.  Franck  zeytbuch 
(i53i)  13*^;  das  es  (das  gold)  euszerlich  ein  schöner, 
gelber,  sichtbarlicher,  greiflicher,  schwerer,  kalter  und 
gedigner  leib  ist  Paracelsus  opera  (1590)  6,  384;  das 
äuszere,  sichtbahre,  empfindliche,  greiffliche  reich  der 
äussern  weit  Jag.  Böhme  2,  457;  (der  trieb)  die  leben- 
digen bildungen  als  solche  zu  erkennen,  ihre  äuszern 
sichtbaren,  greiflichen  theile  im  zusammenhange  zu  er- 
fassen GÖTHE  II  6,  9;  stehende  Wendung:  greifliche  finster- 
nis  (vgl.  greifen  sp.  25),  oft  bildlich  für  geistiges  dunkel: 
wir  seyen  hie  in  ainer  grausamlichen  blindthait  und 
greiflichen  vinsternusz  umbgeben  in  unser  verstentnusz 
Geiler  v.  Keisersberg  siben  hauptsünd  (1510)  cc  2*'; 
was  liechts  sollt  yn  den  köpfen  seyn,  da  solche  greyff- 
liche  finsternis  ynnen  ist?  Luther  18,  142  Weim.;  vgl. 
7,  565,  28;  19,  7,  30;  SO  man  schon  ein  Hecht  in  dieses 
gefängnus  gebracht  hätte,  es  jedoch  von  der  ducken 
greifflichen  finstere  so  bald  wäre  erstickt  worden  Mo- 
scherosch  gesichte  (1650)  2,  795;  greifliche  dunkelheit 
und  unverständlichkeit  Görres  ges.  sehr.  4,  633. 

2)  uneigentlich,  ins  abstracte  übertragen. 

a)  tt'OÄ  sich  geistig  aufs  deutlichste  wahrnehmen  läszt; 
klar  erkennbar,    in   die  äugen  springend,    handgreiflich; 
IV.  1.  6. 


die  weite  Verbreitung,  die  diese  bedeutung  namentlich  im 
16.  und  17.  jh.  zeigt,  entspricht  der  reichen  entfaltimg ,  die 
greifen  erkennen,  begreifen  im  älteren  nhd.  gefunden  hat 
(vgl.  sp.  25/.):  solche  stucklin  heysse  ich  nicht  eynen 
subtilen,  sondern  groben  greyfiflichen  teufel  Luther  19, 
122  Weim;  die  not  trib  Galenum  .  .  dahin,  das  er  auf- 
höret die  Christen  zu  verfolgen,  und  greiflich  gottes 
gericht  sähe  Seb.  Frangk  Germ,  chron.  (t538)  33";  dar- 
inn  du  bayderlay  gestalt,  nemblich  der  vermainten  war- 
hait,  und  der  gewissen  lugen  ein  solchs  greiflichs 
muster  vermercken  würst  Jon.  Nas  antipap.  eins  u. 
hundert  1,  vorr.  a  III»;  dennoch  erschien  an  ihm  greiff- 
liche gottes  hülf  und  beistand  bei  den  schweren  kriegs- 
leuften  Schigkfus  chron.  v.  Schlesien  (1625)  220;  die 
linie,  welche  das  völlige  der  natur  von  dem  überflüs- 
sigen derselben  scheidet,  ist  sehr  klein,  und  die  gröszten 
neueren  meister  sind  über  diese  nicht  allezeit  greifliche 
gränze  ...  zu  sehr  abgewichen  Winckelmann  i,  25; 
aber  besonders  merkwürdig  ist  der  greifliche  zirkel, 
worin  man  sich  befindet  Savigny  beruf  uns.  zeitfge- 
setzgebung  u.  recht  139 ;  seltener  von  gefühlsmäsziger  Wahr- 
nehmung: so  wirstu  .  .  in  deinem  hertzen  einen  solchen 
starcken  und  greifflichen  zug  und  antrieb  .  .  .  empfin- 
den Spee  güld.  tugend  buch  (1649)  719; 

da  hat  das  greifliche  gefühl  mich  erst  durchdrungen, 
dasz  ich  nichts  anders  bin,  als  woraus  ich  entsprungen 

RüCKERT  8,  540; 

synonyme  adjectiva  beleuchten  die  bedeutung:  notum  laut- 
brecht, clerlich,  greifflich,  augenscheinlich  Schöpfer 
Synonyma  c  i^;  öffentliche  sichtliche  und  greiffliche 
zeugnisz  Melanchthon  corpus  doctr.  christ.  (i560)  712; 
es  ist  aber  der  atheismus  und  gottlosigkeit  dreyerley, 
eine  gar  grobe,  scheinbare  und  greiffliche  Dannhawer 
catechismus  milch  i,  124;  dasz  demnach  hieraus  die  ab- 
weichung  dieser  letzteren  zelten  von  dem  ersteren  lau- 
teren Wesen  mehr  als  zu  greifflich  und  offenbahr  ist 
Arnold  kirclien-  u.  ketzer  hist.  (1699)  112*';  anders:  die 
ungöttlichkeit  des  daseins  galt  ihm  als  etwas  gegeb- 
nes, greifliches,  undiscutirbares  Nietzsche  5,  301;  aus 
adverbialem  greiflich  (s.  u.  3)  erwächst  die  Verwendung 
des  adj.  in  fällen  wie:  wie  ihr  dann  solches  in  greiff- 
licher  erfarung  empfindet  Fisghart  geschichtklitt.  195 
neudr. 

b)  in  dieser  bedeutung  stehendes  epitheton  neben  lüge, 
fehl,  irrthum  u.  ä.:  das  ist  doch  ja  eine  öffentliche 
greiffliche  lüge  Luther  302,  213;  vgl.  18,  190.  261;  wie 
einer  .  .  dem  Foglietta  ein  hyperbolen,  das  ist,  greiff- 
liche lügen  gesagt  Kirchhop  wendunm.  2,  418  Österley; 
es  sey  so  ein  greiflich  lugen,  wie  die  finsternusz  in 
Egypten  Fisghart  binenkorb  (i588)  82»;  öffentliche  und 
greiffliche  lügen  Hennenberger  erclerung  d.  preuss. 
landtaffel  (1595)  191;  er  solte  so  gar  greifflich  fäl  nit 
fürbringen,  noch  das  volck  zu  falschem  glauben  be- 
wegen Bebel  facetien  deutsch  (i558)  D  s'';  die  offen- 
liche, greiffliche  unwarheit  und  lästerung  Andree 
abfertigung  d.  vortrabs  Friderici  Staphyli  (1562)  vorr.; 
so  greiffliche  mehrlein  und  fabel  Eysenberg  heilig 
brotkorb  (1584)  59;  wenn  sie  es  etwan  mit  irem  betrug 
zu  greifflich  machten  Rätel  Joachimi  Curäi  chronica 
(1607)  377;  ein  greiflicher  irrthum  Tabernaemontanus 
kräuterbuch  (1678)  81; 

wer  ist  so  blöde 
und  sieht  nicht  diesen  greiflichen  betrug? 

Shakespeare  9, 123 ; 
vergleichbar:  wo  solche  greyffliche  blindheyt  ist  Luther 
15,  110  Weim.;  vgl.  278;  die  menschen  ...  in  öffentliche 
greiffliche  abgötterey  und  blindheit  geraten  Dedekind 
papista  conversus  (1596)  m";  auszer  öffentlich  loird  na- 
mentlich das  allitterierende  grob  häufig  parallel  geordnet: 
wie  sichs  bisher  mit  groben  greifflichen  lugen  .  .  hat 
lassen  effen  Luther  32,  582  Weim.;  vgl.  7,  626; 

(der  tevfel)  die  heyden  durch  vil  irtumb  blendt, 
die  doch  so  grob  und  greufilich  sendt 

H.  Sachs  9,  78  Keller; 

(euer  rühm)  allein  bestehet  in  vielen  greifflichen  groben 
lügen  Mosgherosch  gesichte  (1650)  2,  50;  nur  ganz  sel- 
ten neben  dem  subst.   entgegengesetzten   sinnes:   das   sie 


51 


GREIFLICHKEIT 


GREIFLING  — 2GREIN 


52 


das  helle  liecht  und  greiffliche  warheit  nicht  sehen 
Luther  (i561)  6,  74". 

c)  viel  seltener,  obgleich  concreter,  ist  das  uneigentlich 
gebrauchte  adj.  in  dem  sinne:  icas  sich  anpacken,  fasse^i 
läszt,  ohne  die  bestimmte  richtung  auf  geistiges  erfassen 
wie  unter  a,  b;  merkwürdigerweise  erst  in  jüngerer  zeit 
verbreitet:  Blücher,  dessen  sinn  auf  greifliche  thatsaehen 
der  gegenwart  gerichtet  war  Varnhagen  Blücher  192; 
macht  der  Deutsche  sein  geistiges  leben  in  der  dar- 
stellung  wie  in  der  idee  oft  zu  dünn,  zu  unfaszlich  und 
ungreiflich,  so  macht  der  Schwede  es  zu  greiflich  und 
körperlieh  E.  M.  Arndt  Schriften  f.  s.  l.  Deutschen  i, 
341;  wenn  man  den  ganzen  tag  acute  und  chronische 
übel  unter  bänden  hat,  greifliche  leiden,  wie  gicht 
Immermann  2, 121  Hempel;  eine  greifliche,  anschauliche, 
scheinbar  tiefere  metaphysik  Gervinus  gesch.  d.  d. 
dichtung  (1853)  5,  283;  denn  hier  haben  sie  eine  greif- 
liche bequeme  handhabe,  um  ihr  donnerndes :  du  sollst 
nicht  lügen!  dem  .  .  eründungsgenie  in  die  obren  zu 
schreien  Keller  4,  171;  anders,  aber  ebenso  jung:  die 
natur  ist  mir  nicht  greiflich,  sie  sitzt  mir  nicht  mehr, 
dasz  ich  sie  malen  kann  Hippel  lebensläufe  4,  27;  als 
kirehe  wird  die  religion  ganz  objectiv  und  ebendadurch 
für  die  posse  greiflich  Visgher  ästhetik  l,  412. 

3)  im  adv.  wiederholt  sich  die  geschichte  des  adj.;  ur- 
sprünglich rein  sinnlich :  denn  es  ist  freilich  nicht  leib- 
lich noch  greifflich  zugangen  Luther  (i56l)  6,  78*;  in 
der  regel  aber  neben  verben  dicendi  und  sentiendi  (vgl. 
2  a): 

er  wirt  ubr  das  noch  kriegn  fünf  sinn 

dasz  er  ja  greiflich  fülen  kan 

die  pein  so  im  gelegt  wirt  an 

Schade  satiren  u.  pasquille  1, 143; 

doch  ist  viel  besser,  das  hierinnen 
du  ein  papisten  selber  hörst, 
auf  dasz  aus  greiflicher  erferst 

Fisch  ART  nachtrab  v.  466  Kurz; 

dasz  ich  es  inen  .  .  greiflicher  erkläret  geschichtklitt.  18 
neudr.;  daraus  dann  klar  und  greifflich  zu  schliessen 
Guarinonius  grewel  d.  Verwüstung  (I610)  2;  o  wie  greiff- 
lich sehe  ich  jetzund  gottes  straffe  engl,  comedien  u. 
tragedien  (i624)  k  ii";  aus  wolerwogenen  und  greifflich 
betrachteten  motiven  Chemnitz  schwed.  krieg  2,  737; 
indem  wir  ganz  greif  lieh  erfahren,  dasz  Göthe  II  l,  212 
Weim.;  der  gegenständ  meiner  innigsten  Zuneigung  ist 
ein  himgespinst,  eine  greiflich  nachzuweisende  täuschung 
Fichte  2,  196;  ähnlich: 

diesz  greiflich  dumme  spiel  hat  doch  den  trägen  gang 
der  nacht  getäuscht  Shakespeare  1,  289; 

nur  wegen  seines  loosbuches  hat  Fischart  den  Wick- 
ram belobt,  das  so  lächerlich  und  greiflich  vexierlich 
geschrieben  sei,  dasz  Gervinus  gesch.  d.  d.  dichtung 
(1853)  3,  127;  gern  neben  betrügen  und  ähnlichen  verben 
(vgl.  2  b):  wie  hat  er  S.  Gregorion  yn  seym  dialogo 
so  greyfflich  betrogen  Luther  15,  190  Weim.; 

so  nemm  man  allein  für  ir  lehr, 
wie  greifflich  die  gotslehr  verkehr 
Fischart  die  gelehrten,  d.  verkehrten  v.  539  Kurz; 

auch  hier  zeigt  sich  in  jüngerer  zeit  eine  hinwendung  zu 
concreterem  gebrauch  (vgl.  2  c): 

ihm  fehlt  es  nicht  an  geistigen  eigenschaften, 
doch  gar  zu  sehr  am  greiflich  tüchtighaften 

Göthe  Faust  II  8250 ; 

und  die  idee  des  unsterblichen  Volkes  wehte  mir  im 
rauschen  dieser  eichen  .  .  .  fast  greiflich,  möchte  ich 
sagen,  entgegen  Immermann  l,  189  Hempel;  je  unmittel- 
barer und  greiflicher  uns  aus  der  darstellung  eines 
wissenschaftlichen  lebens  zugleich  die  kritik  seines  ge- 
dankeninhaltes  entgegenspringt  Haym  ges.  aufsätze  361 ; 
greiflich  nahe  wird  er  (der  stoff)  ihm  (dem  dichter)  ferne 
VisCHER  ästhetik  3^,718;  eigenartig:  hoffe  also  von 
Lucifer  ich  das  jenige  amt,  so  Belial  vor  1608.  jähren 
nit  erwerben   können,    greifflichen  verdienet   zu  haben 

MOSCHEROSGH   gcsichtc   (1650)   657. 

GREIFLICHKEIT,  /..-  also  sind  auch  des  fleischs  und 
des  marcks  nutriment  nur  ein  geist  ohn  alle  Sichtbar- 
keit und  greiffligkeit  Paracelsus  opera  1,  63  b;  als  ein 
rauch  der  ein  substantialische  form  anzeigt,  und  doch 


kein  greiffligkeit  hatt  829  a;  die  träume  und  schäume, 
die  von  ihm  ausgegangen,  und  die  Wirklichkeiten  und 
greiflichkeiten  mischten  sich  seltsam  durcheinander  und 
bildeten  fratzenhafte  züge  Görres  6,  295;  obgleich  er 
noch  nicht  schlief  .  .  .  ,  so  stand  doch  bald  mit  der 
greiflichkeit  eines  lebhaften  traumes  das  zimmer  auf 
dem  rittergute  . .  vor  seinen  äugen  V.  v.  Strausz  lebens- 
führungen  (1888)  2,  133. 

GREIFLING,  m.,  gauner spräche:  finger,  hand  Ave- 
Lallemant  4,546;  handschuhe 4:,Q3;  Müller-Fraureuth 
2,  440";  vgl.  griffling. 

GREIFMÜSCHEL,  /.,  eine  fossile  art  der  auster;  die 
eine  schale  ist  platt,  die  andere  gewölbt,  wie  ein  halber 
mond  gestaltet  und  mit  einem  habichtsartigen  schnabel 
versehen;  der  name  verdeutscht  die  lat.  bezeichnung  gry- 
phaea;  vgl.  Heinsius  2,527*;  Uübner  zeitungslex.  ^^  2, 
83*.  —  greifmuschelstein,  m.:  die  versteinten  mu- 
scheln  (sc.  greifmuscheln)  werden  greifmuschelsteine, 
oder  greifsteine  (gryphiten)  genannt  Heinsius  2,  527*; 
auch  schon  bei  Kinderling  reinigk.  d.  deutsch,  spräche 
176;  Adelung  2,  842.  —  greifstein,  m.,  gryphit  Ade- 
lung; Hübner  zeitungslex.^^2,  97*.  —  greif stein- 
muschel,  /.,  gryphit  Hübner  a.  a.  0. 

GREIFUNG,  /.,  in  der  doppelten  bedeutung  des  verbums : 
das  fassen,  ergreifen  und  das  tasten,  befühlen;  lexicalisch 
bis  ins  18.  jh.:  apprehensio  Diefenbach  48*;  raptus  484'' ; 
raua  485 " ;  tractus  591  * ;  tactus  571" ;  nov.  gloss.  357  ^ ;  fehler- 
haft für  intercapedo  gloss.  SOS'»;  einzelne  dieser  stellen 
geben  auch  die  nd.  nl.  formen  gripinge,  gryppynge ;  pren- 
satio,  rapina,  tactus,  contrectatio,  palpatio  Stieler  698; 
tactus,  prensio  Steinbach  1,  639.  literarisch  nicht  eben 
häufig:  liedtitel:  die  greiffung  (gefangennahmt  Christi) 
SiM.  Dach  242  Österley;  so  braucht  man  sie  (die  gerichts- 
bedienten) auch  zur  greiff-  und  abthuung  der  missethäter 
Olearius  verm.  reise  beschr.  (1696)  21;  wie  er  in  greif- 
fung der  pulsen  .  .  den  stand  der  kranckheit  erkennen 
möchte  Stranitzky  Ollapatrida  268,  13  neudr. 

GREIFVOGEL,  m.,  vogel  greif:  es  sollen  inen  (den  In- 
dern) aber  die  grossen  greiffvogel  bisweilen  einen  starcken 
grief  darein  gethan,  und  das  golt  in  ihre  nester  geführet 
haben  Albinus  meiszn.  bergchronica  (i590)  56;  jene  scharf- 
beklauete  und  beschnabelte  thieren,  die  ich  für  eine  art 
von  jenen  greif-vögel  halte  Lindenborn  Diogenes  (1742) 
1,  489;  vgl.  1  greif  9. 

GREIFZU,  m.,  subst.  imper.,  ital.  sbirro,  insidiator, 
ein  spürer,  ausspäher  Stieler  46;  meist  stärker,  homo 
rapax: 

her  Schalkevunt  is  dar  (zu  Rom)  6k  ein  here, 
6k  doctor  Griptö  unde  der  noch  mere 

Beinke  de  vos  4156; 

sein  finger  heissen  greyff  zu  uncis  esse  unguibus  He- 
nisch  1737;  danach:  seine  (Heynes)  äugen,  seine  schreib- 
finger  (die  anderer  gelehrten  Zeugnis  als  sein  eigenthuni 
verwertheten)  hieszen  greifzu  Voss  antisymb.  2,126;  sollte 
dem  greifzu  (executor)  verflucht  schwer  fallen,  euch  in 
ein  kerkerloch  zu  bringen  Holtei  erz.  sehr.  28,  9;  vgl. 
5,  125;  etwas  anders  von  männern,  die  nur  aus  äuszeren 
gründen  ihre  gattin  wählen:  die  vorliebnehmer  und  greif- 
zu schämen  sich  nicht  —  nur  durch  ihre  weiber  zu  stehen 
Jahn  1,  354  Euler. 

1  GREIN,  m,.,  mhd.  als  grin  geschrei,  gewieher  mehrfach, 
vgl.  mhd.  wb.  1,  576**;  Lexer  1, 1086;  nhd.  nur  dialectisch: 
grain  m.  piato,  litigio,  contesa  Schmeller  cimbr.  126; 
zu  greinen,  das  bair.-österr.  zanken  bedeutet,  auf  sub- 
stantivisches grein  weisen  auch  die  composita  grein- 
heit,/.:  gannitus  grynheit  Diefenbach  nov.  gloss.  189*; 
greinschaft,  /.,  hader:  als  wir  bishere  in  Unwillen, 
Ungnaden  und  greinschaften  gestanden  Lexer  nachtr. 
219   (a.  1472). 

2 GREIN,  7iur  in  der  geheimformel  der  vehme:  thom 
sieveten  seeget  ebnen  de  frygrefe  mit  bedeckten  hoefft 
de  hemlike  vehme  strick  stein  gras  grein,  unde  kleret 
ebnen  dat  up  Wigand  femgericht  Westphalens  265  (proto- 
coll  von  1490) ;  auch  entstellt  zu  stock  stein ,  gras  grein 
ib.  524.  525;  verkürzt:  dasz  wir  nur  mit  hilfe  .  .  .  einer 


53 


GREIN--!  GREINEN 


1  GREINEN 


54 


regen  phantasie  von  'stein,  gras  und  grein'  träumen 
können  Droste-Hülshoff  2,  346;  'was  bedeutet  grein?' 
fragte  er,  denn  dies  wort  hatte  er  noch  nie  vernommen, 
'also  nannten  unsere  väter  den  ast,  an  dem  der  ver- 
urtheilte  aufgehängt  wird',  erläuterte  der  freigraf  Hese- 
KIEL  Nürnberger  tand  2,  56;  demnach  =  anord.  grein, 
dän.  schwed.  gren  ast. 

GREIN-  als  erstes  compositionsglied  in  zahlreichen  schel- 
ten: griinaap,  einer,  der  über  alles  lacht  BEnoHAVS  1, 
612^;  greinarsch,  fanciullo  che  non  fä  che  piangere 
Kramer  teutsch-ital.  (1700)  i,  33";  mensch,  der  gerne  weint 
und  zankt  Kehrein  volksspr.  u.  volkssitte  in  Nassau  l, 
173;  grinebart  =  griinaap  Dähnert161*;  greinbeisz, 
zänkischer  mansch  Kehrein  a.a.O.;  empfindliches  mäd- 
chen  (besonders  kinder)  Crecelius  148;  greineis,  leicht 
und  oft  weinendes  mädchen  Crecelius  435;  Askenasy 
Frankf.  149;  greinkatze,  scheltendes  streitsüchtiges  weib 
Unger-Khull  306°;  greinquack,  was  greinarsch  Kra- 
mer :feMfscÄ-iteZ.  (i700)  1,  563°;  greinsack  dasselbe  Kehr- 
ein a.a.O.;  grinesnüte  dasselbe  Wöste  85^;  grein- 
teuf el,  ein  laut  weinender  {besonders  kinder)  k^TOü  Ober- 
lausitzer  Wörter  8,  15;  grientöt,  grienviet,  lachsüch- 
tige weibliche  person  Schütze  holst.  2,  68.  —  andere  com- 
posita:  greinhandel,  m.,  zank,  Streitigkeit;  wie  greinen 
zanken  vorzüglich  bair.:  greinhandel,  der  sich  zwischen 
dem  Studiosen  Franz  Stifler  und  dem  Organisten  Georg 
Reif  .  .  zugetragen  hatte  zeitschr.  f.  d.  w.  7,  162  aus  Salz- 
burger sehr.;  gern  im,  plural:  dem  mann  maniche  grein- 
handel . .  verursacht  Guarinonius  grewel  d.  Verwüstung 
(l6lo)  550;  hochzeiten,  allwo  er  unter  den  bauern  schlimme 
greinhandel  anstifte  Abele  v.  Lilienberg  künstl.  Un- 
ordnung 2,  43;  am  feyertag,  mein  bauer,  must  du  nit 
allein  nit  dreschen,  sondern  auch  keine  grein -händel 
ausdreschen  Abr.  a  St.  Clara  Judas  3,  164.  —  grein- 
hase,  m.,  kaninchen,  'nach  dem,  knurrenden  ton,  den  es 
von  sich  gibt'  Crecelius  435;  Vilmar  136.  —  grein- 
süchtig, adj.,  zanksüchtig:  ihr  seyd  zwey  alte  grein- 
und  zancksichtige  haderkatzen  und  tumultuanten  Gry- 
PHius  lustspiele  331  Palm.  —  greinsuppe,  /.,  verweis, 
schelte  Unger-Khull  306°.  —  greintölpisch,  adv.: 
also  musz  man  die  knie  beugen,  darnach  mach  ich 
auch  baselmänigs  (baise-les-mains),  das  wird  recht  grein- 
tölpisch stehen  engl,  comedien  u.  tragedien  (1624)  Cc  4°; 
wohl  an  greinen  grinsen  anzuknüpfen.  —  greinvögel- 
chen,  n.,  pieper,  anthus pratensis  Naumann  naturgesch. 
d.  Vögel  2,  774;  nach  Suolahti  vogebiamen  94  schon  bei 
C.  Gesner  als  grienvögelin ;  vgl.  greinerlein  l.  —  grein- 
winkel,  m.:  wie  ist  es  möglich,  dasz  gott  .  .  einkehre 
in  eine  solche  juden-schul,  in  einen  solchen  grein-  und 
zanck-winckel?  Abr.  a  St.  Clara  etwas  für  alle  2,  183. 
—  greinwort,  n.:  mit  schelt  und  grein  Worten  auf- 
hetzen Guarinonius  grewel  d.  Verwüstung  (1610)  365. 

GREINE,  /.,  das  weinen: 

kein'  auch  sey  die  liebe  meine, 
die  die  lache  mit  der  greine 
stets  in  einem  säkklen  hat 

W.  ScHERFFER  gcd.  (1652)  559. 

i  GREINEN,  vb.,  knurren,  zanken,  weinen,  lachen. 

form. 

1)  gemeingerm.  wort:  ahd.  grinan,  mhd.  grinen;  m7id. 
grinen  de7i  mund  verziehen  zum  knurren,  winseln,  heulen, 
lachen;  mnl.  grinen  schreien,  weinen,  brüllen  (von  thieren), 
grinsen,  hohnlachen;  nnl.  grijnen  greinen,  ividerlich  wei- 
nen, flennen  (namentlich  von  kindern) ;  fries.  grinen  grei- 
nen, iveinen,  wimmern,  grinsen;  anord.  grina  den  m,und 
verziehen,  dasz  die  zahne  sichtbar  werden  (vor  zorn,  beim 
lachen  oder  weinen);  dän.  grine  greinen,  grinsen,  lachen, 
kichern,  zahne  fletschen;  norw.  grine  das  gesicht  zu  einer 
sauren  miene  verziehen;  schwed.  grina  greinen,  das  gesicht 
verzerren,  grinsen;  got.  fehlend,  zweifellos  besteht  Zusam- 
menhang mit  der  sippe  germ.  gren-,  gran-  (ahd.  grennan 
mutire,  granon  grunzen;  mhd.  granen  weinen,  flennen; 
ags.  grennian  die  zahne  zeigen  als  ausdruck  der  heiter- 
keit,  des  zornes,  Schmerzes  [engl,  to  grin] ;  anord.  grenja 
einen  furchtbaren  ton  ausstoszen  u.  a.  Fi  CK  *  3,  140);  im 
idg.  fehlen  unmittelbare  verioandte.     Falk-Torp  denken 


an  Zusammenhang  mit  anord.  grein  zweig  (zur  idg.  würzet 
*ghrei  offen  sein)  etym.  wb.  1,348;  vgl.  Fick  ^3, 143,  offen- 
bar mitbestimmt  durch  die  bedeutung  'offen  stehen'  (von 
kleidern),  die  grine  im  dän.  haben  kann,  die  grundbe- 
deutung  müszte  dann  sein  'den  mund  aufsperren',  was 
wenig  wahrscheinlich  ist.  die  bedeutungsentwicklung,  die 
sich  im  deutschen  beobachten  läszt,  dazu  die  anscheinend 
ganz  parallele  der  nachbarstämme  gren-,  gran-  und  end- 
lich die  bedeutung  des  direct  verwandten  germ.  *grain6n 
(ags.  gränian  stöhnen,  klagen,  engl,  to  groan)  führen  eher 
darauf,  den  begriff  des  Unwillens  als  dem  worte  eigen- 
thümlich  anzusehen  und  nach  dieser  richtung  hin  an- 
knüpfungen  zu  suchen.  Frangk  denkt  deshalb  an  Zu- 
sammenhang mit  gril-  (in  mnl.  grillen  knurren,  mhd. 
grellen,  grüllen,  grol)  etym.  wb.  2215°,  das  sich  mit  grei- 
nen in  einer  wurzel  *gher  vereinigen  könnte,  vgl.  Pers- 
SON  wurzelerw.  195.  Kluge  vermuthet  Zusammenhang  mit 
sanskr.  hri  sich  schämen  etym,.  wb.  '^180;  von  Seiten  der 
bedeutung  hat  das  wenig  für  sich. 

2)  die  ehemals  starke  flexion  hat  sich  in  den  heutigen 
dialecten  z.  th.  noch  gehalten,  das  obd.  und  einige  md. 
maa.  kennen  wenigstens  das  st.  part.  prät.  noch:  'grin- 
nen,  'greint  Schmeller  1,  999  (daneben  die  mischform 
'grinnt);  g'grinnen,  theilweise  g'grint  Staub -Tobler  2, 
745;  (ge)grint,  grinnen  Martin-Lienhart  1,275;  gegrinne 
Gh.  Schmidt  elsäss.  45'';  gegrint,  gegrin  Follmann 
216*';  gekrine  Müller-Fraureüth  1,440°;  getcisse  west- 
nd.  dialecte  kennen  bis  heute  nur  die  st.  flexion,  vgl. 
Bauer-Collitz  41°;  Wöste  85'';  auch  im  Süden  der  Nie- 
derlande noch  stark  wb.  d.  nederl.  taal  5,  723 ;  fries.  prät. 
griiide,  seltener  %v^n  Doornkaat-Koolman  1,688°;  dän. 
gren.  schriftsprachlich  ist  die  schw.  flexion  jung;  im 
älteren  nhd.  stehen  die  st.  formen  durchaus  fest;  statt 
grein  zuweilen  dialectisch  gren  (:  zwen)  B.  Waldis  Esopus 
1,  379  Kurz  (aber  grein  :  hinein  l,  358,  :  sein  2,  207).  bei 
H.  Sachs  neben  grein  17,  345,  10  auch  schon  grin,  sowohl 
im,  reim  1,  213,  15,  wie  im  versinnern  (grien  15,  453,  41). 
von  den  leocikographen  verzeichnet  noch  Kramer  nur  die 
st.  fleocion  teutsch-ital.  wb.  (l700)  1,  563";  dagegen  Stie- 
ler nur  die  schw.  Stammbaum  700;  Steinbach  läszt 
die  Wühl  wb.  l,  644;  dementsprechend  herrschen  literarisch 
seit  der  2.  hälfte  des  18.  fhs.  die  schtuachen  formen:  (er) 
greinte  Kretschmann  6,  328;  gegreint  maler  Müller 
1,  266;  Kortum  Jobsiade  (1799)  1,  69;  aber  noch  im  id.jh. 
vereinzelt  stark  gegrinnen  Rückert  l,  233. 

3)  bisweilen  mit  verändertem  anlaut:  sie  (die  bauern) 
kreynen  oder  knartzen  und  zancken  steif  mit  einander 
Veroander  lasterprobe  183;  mögn  unsre  feynd  kreinen 
und  blerren  Schwabe  tintenfäszl  (1745)  B  7''. 

4)  ganz  vereinzelt  mit  rundung:  greunen  Rompler 
V.  Löwen  halt  erstes  gebüsch  (1647)  73. 

bedeutung. 

die  geschichte  des  wortes  im  deutschen  führt  auf  eine 
ausgangsbedeutung  'zum,  ausdruck  der  miszstimmung,  des 
Unwillens  den  mund  verziehen';  vgl.  die  noch  heute  im 
dän.  und  holl.  vorhandene  bedeutung  'die  zahne  fletschen'. 
dasz  sie  alt  ist,  erweisen  roman.  entlehnungen:  ital.  di- 
grignare  die  zahne  fletschen;  prov.  grinar  die  zahne  wei- 
sen, knurren,  picard.  grigner  les  dents.  im  deutschen 
haben  sich  auf  gemeinsamer  grundlage  zwei  nahezu  ent- 
gegengesetzte bedeutungsgruppen  entwickelt,  nämlich  mur- 
ren, weinen  u.  ä.  (vorwiegend  hd.)  und  grinsen,  lachen 
u.  ä.  (vorwiegend  nd.). 

1.  hd.  schlieszt  der  begriff  in  der  regel  auch  die  töne 
der  miszstimmung,  des  unmllens  ein. 

A.  auf  thiere  angeicendet. 

1)  knurren,  von  hunden;  dies  ist  die  älteste  im  deut- 
schen festzustellende  bedeutung,  die  recht  ursprünglich  an- 
muthet:  ringere  grinen  proprie  est  canum  ahd.  gloss.  2, 
736,  39;  dasselbe  meinen  offenbar  die  gleichsetzungen  mit 
mutire  und  gannire  Graff  4,  328; 

weder  ez  (das  hündchen)  engrein  noch  enbal 

G.  V.  Straszburg  Tristan  15890; 

im  bilde: 


55 


1  GREINEN 


1  GREINEN 


56 


er  (der  schlechte  mann)  Mzet  da  sin  grtnen  niht  hat  widerseit 

W.   V.  D.  VOGELWEIDE   29,  9; 

mhd.  die  herrschende  hedeutung  (vgl.  mhd.  wb.  1,  576*), 
ohne  unterschiede  des  dialects;  nhd.  allmählich  erlöschend: 

wenn  den  hunden  die  beuch  kurren, 
vil  gras  essen,  greinen  und  murren 

Reynmann  Wetterbüchlein,  in  der  bauemregel  ; 
der  hundt  der  greint  und  grant  mich  an 

Wickram  4,  30  Bolte-Scheel; 
seit  alters  gern  im  vergleich: 

sie  {die  heiden)  grinen  sam  thie  hunde 

Rolandslied  4837; 
sumelicher  üf  in  grein 
alsam  ein  ungeslahter  hunt 

passional  507,  16  Köpke; 
wer  greinen  oder  murren  will, 
ut  canes  decet  rabidos 

Fischart  geschichtklitt.  135  neudr.; 

eyner  geht  greynen  als  ein  hundt  Morhof  Unterricht 
V.  d.  dtschen  spräche  (1682)  1,  853 ;  dasz  die  jüngeren  be- 
lege wesentlich  alem.  und  rheinfr.  sind,  ist  kein  zu/all; 
das  alem.  samt  angrenzenden  gebieten  hat  greinen  als  be- 
zeichnung  von  thierstimmen  am  reichsten  enttvickelt. 

2)  grunzen,  schreien,  vom  schwein;  löst  in  der  häußg- 
keit  seines  vorkom/mens  das  vorige  geradezu  ab;  vom,  14. 
bis  16.  jh,  allgemein  obd.  bis  ins  hess.,  später  selten :  ein 
greindez  swein  K.  v.  Megenberg  buch  d.  natur  136,  6; 
aber  ain  suw  volget  nit  nach  (wenn  sie  zum  tode  geführt 
wird)  sonder  grynet  sie  und  schryet  allweg  Stainhöwel 
Esopus  52  Österley;  eine  sau  im  kadt,  wo  sie  jemandt 
zuweschen  understehet  .  .  .,  wider  die  greynt  sie  Seb. 
Franck  weltbuch  (1567)  löS»;  (die  elefanten)  werden  aber 
lyederlich  durch  einer  sau  grynen  erschreckt  Eppen- 
DORFF  Plinius  (1543)   8,  46; 

der  sau  art  ist  dasz  greint  und  kirt 
do  ir  nicht  gleich  zu  fressen  wirt 

Kirchhof  wendunmuth  (1563)  467^; 

im  vergleich:  dargegen  wil  Christus  das  sie  sein  stille 
schaf  und  nit  greinende  seu  Seb.  Franck  sprüchwörter 
(1541)  1,  146'';  der  ymmerzü  greint  wie  ein  sau  an  eim 
gatter  .  .  ,  dero  boldern  gewont  man  (1545)  i,  73'*;  wie 
ein  junges  schweinlin  hub  mit  zorn  das  weih  an  zu 
greinen  Kirchhof  wendunm.  (I602)  1,  522;  vgl.:  die  achte 
{haut  der  weiber)  seye  eine  sau-haut,  wenn  man  auf  diese 
schlage,  so  gruntze  und  greine  sie,  dasz  es  eyn  elend 
sey  Stranitzky  Ollapatrida  168,  23  neudr.;  auch  nd.  be- 
kannt: to  blasen  alse  slangen  unde  to  grynene  alse  ver- 
kene  Schiller-Lübben  2,  147^  (a.  1473). 

3)  greinen  braucht  nicht  nothwendig  ausdruck  des  Un- 
willens zu  sein,  sondern  kann  die  thierstimme  schlechthin 
bezeichnen :  sein  (des  kameels)  weip  hat  so  grözen  gelust 
zuo  im,  daz  si  vor  gelust  greint  K.  v.  Megenberg  buch 
d.  natur  124,  23;  gannire  huylen  als  eyn  vosz  grint  Die- 
FENBACH  257^  (aus  der  gcmma  gemm,.,  1507);  namentlich 
im  alem.  und  nachbargebieten  in  verschiedener  Verwen- 
dung; vom  vdehern  der  pferde: 

man  hörte  ros  da  weien 
unde  lüte  grinen 
KoNR.  V.  Würzburg  Partonopier  21723; 

spannen  die  pferd  an  der  heiligen  wegen  einen  und  der 
priester  hat  acht  auf  ir  greinen  und  schreiben  Micyl- 
LUS  Tacitus  441*;  noch  heute  im  elsäss.  Martin-Lien- 
hart  1,  275;  vgl.:  lasz  die  storcken  klöpren,  die  essel 
greinen,  die  hund  bellen  Geiler  v.  Keisersberg  nar- 
rensch.  (l52o)  89*;  vom  piepen  der  mause:  die  eygenschaft 
der  wassermus  ist  das  sie  heller  susen  oder  grynen 
dann  die  andren  müse  Terenz  deutsch  (Straszb.  1499)  81*; 
und  da  die  meusz  fast  greinen  und  grunsen  zeygt  es 
auch  eyn  kälte  an  Mich.  Herr  feldbau  (i55i)  15^;  weil 
er  gesagt;  wie  pipen  die  meuse,  als  sie  greinen  und  sich 
jammerten  Nigrinus  ^opisi.  inquis.  345;  vom  singen  der 
Vögel:  der  rap  hat  auch  sein  gesang,  eben  als  wol  als 
die  schwanen  etwan  yr  grinen  reform. -flugschr.  4,  lil 
Giemen  (Karsthans) ;  (ein  Deutscher)  verwundert  sich  nur 
anderer,  das  ir  sau  feyszt  wie  ein  zeiszlein  greint  Seb. 
Franck  german.  chron.  (1538)  vorr.  12;  noch  heute  im 
alem.  Staub-Tobler2,  746;  in  anderen  fällen  ist  die  ältere 
bedeutung  des  unwilligen,  zornigen  lautgebens  noch  zu  er- 
kennen:  (der  drache)   greint  und   ginet  mit  dem  maul 


K.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  268,  22;  der  vigent  get 
umbe  also  ein  grinender  löwe  Ch.  Schmidt  elsäss.  156* 
aus  Tauler;  vgl.  noch:  si  (das  böse  weib)  grynet  als 
eyne  grille  Müskatblüt  77,  6  Groote. 

B.  in  der  anwendung  auf  manschen  zunächst:  knurren, 
brummen,  keifen  u.  ä. : 

untriuwe  an  deme  schinet 

swer  lachende  grlnet  Freidank  43,  25; 

m,hd.  nicht  selten,  vgl.  mhd.  wb.  l,  576*;  nhd.  häufig  präg- 
nanter: zanken,  schmälen;  der  herd  dieser  bedeutungen 
ist  das  bair.,  doch  erscheinen  sie  auch  Schwab.,  alem.  bis 
hinauf  ins  hess.;  seit  dem.  18.  jh.  wesentlich  auf  das  bair. 
beschränkt,  dort  bis  heute  lebendig,  vgl.  Schneller  bair. 
1,  999,  cimbr.  126;  Schöpf  211;  Höfer  1,320;  österr.  hat 
die  bedeutung  eine  weitere  Zuspitzung  erfahren:  verweis 
geben  Lexer  kämt.  123;  wienerisch:  ausschelten  Loritza 
54,  verweise  geben,  schimpfen  Hügel  70;  tadeln  Walt- 
RICH  siebenb. -Sachs.  44. 

1)  zancken  vel  grinen  rancere  Diefenbach  483"=;  gri- 
nen mit  Worten  gestire  261";  kriegen  vel  grinen  rixari 
499  ^ ;  wiewol  ihm  bei  solcher  schmalen  küchen  das  grei- 
nen ja  solt  vergangen  sein  Kirchhof  wendunm.  (I602) 
1,  351;  gern  von  ehelichem  zwist:  so  sie  der  man  ver- 
manet,  fieng  sie  an  zu  greinen  Fischart  klag  d.  ehe- 
Stands  (1614)  246;  wo  das  vilfältige  greinen  ist,  dort  er- 
kaltet die  lieb  Abr.  a  St.  Clara  Judas  (l686jf.)  l,  61; 
gern  auch  vom  verdrieszlichen  alter:  wenn  ein  frow  ein 
alten  man  hat,  der  do  sitzt  zu  grynen  Geiler  v.  Kei- 
sersberg bilgerschafft  (1512)  32<>; 

Franckreich  mag  indessen  greinen 
nach  der  alten  weiber  art 

Soltau  Volkslieder  (1836)  522; 

der  alte  greinet  den  gantzen  tag  Kramer  teutsch-ital. 
(1700)  1,  563*;  participial:  greinende  Heracliti  Fischart 
Eulenspiegel  15  Hauff en;  derselbig  (lehr er)  aber  wäre  ein 
greinender  pedant,  wolte  alles  mit  schnarchen  und  strei- 
chen ausrichten  Zinkgref  apophthegmata  (i628)  88;  unter 
der  belehrung  und  aufsieht  eines  greinenden  pedanten 
Birken  ostländ.  lorbeerhäyn  (1657)  157;  in  jüngerer  zeit 
nur  bair. -österr.:  man  musz  .  .  sich  drey  bis  vier  stund 
aus  dem  athem  schreyen,  hernach  greinen  die  herren 
comödianten  gleichwohl  immer,  und  ist  ihnen  nie  nichts 
recht  samml.  v.  Schauspielen  (Wien  1764 j^.)  5,  49;  (zwei 
weiber),  eine  verschwendete,  die  andere  verwarf  alles; 
die  eine  greinte,  die  andere  zankte  Hafner  lustspiele 
1,  55;  sie  ist  der  leibhafte  Widerspruch  .  .;  lach'  ich,  so 
weint  sie;  scherz  ich,  so  greint  sie  Aurbacher  volks- 
büchlein  2,  246; 

da  wird  die  arme  frau  gequält, 

die  täglich  kaufen  soll  —  ohne  geld. 

da  greint  er,  weil  die  suppe  fett 

Bauernfeld  ges.  sehr.  3,  24. 

sprichwörtlich :  die  not  greint,  in  schlimmer  läge  ist  man 
zum  zanken  geneigt  Schmeller  l,  999. 

2)  äuszerst  häufig  erscheint  greinen  verbunden  mit  ver- 
ben  gleichen  oder  ähnlichen  sinnes  (nicht  nur  in  der  be- 
deutung zanken,  sondern  auch  sonst,  vgl.  besonders  C  3); 
das  liegt  z.  th.  an  dem  ethos  des  wortes,  das  eine  schel- 
tende häufung  ähnlicher  ausdrücke  begünstigte,  z.  th.  aber 
auch  an  seiner  mehrdeutigkeit,  die  eine  genauere  begriffs- 
bestimmung  durch  synonyma  wünschenswerth  machte;  am 
häufigsten  neben  zanken:  (der  texifeV)  noch  stetigs  pis  zu 
end  der  weit  krieg,  hader,  zanken  und  greinen  .  .  zue- 
richt  Aventin  bair.  chron.  4,  48,  11  Lexer,  vgl.  l,  194,  36 
4,  76, 10 ;  darzu  so  schlecht  mich  mein  mann  und  greint, 
auch  zanckt  für  und  für  Val.  Schumann  nachtbüchl 
105  Bolte;  es  wird  nicht  gut  thun,  mit  der  schwieger 
mutter.  —  das  keift  und  zankt  und  greint!  Bauern 
FELD  ges.  sehr,  l,  176;  gern  auch  neben  allitterierenden 
Worten : 

do  (in  meiner  ehe)  entpfündt  ich  nüt,  dann  ach  und  wee, 
grinen,  grannen  ist  mir  nit  thür  fastnachtsp.  1035,  7; 

ich  grein,  ich  gran,  ich  kiff,  ich  zanck 

H.  Sachs  7,  35  Keller; 

thet  stetigs  nit  anders  dann  mit  ir  zancken,  greynen 
und  grannen  Frey  gartengesellschaft  66,  10  Bolte;  die 
mit  zorne  umbeg6nt,  die  fluochent  unde  scheltent  vor 


57 


1  GREINEN 


1  GREINEN 


58 


zorne  unde  grinent  und  grisgrament,  so  sie  sich  anders 
niht  gerechen  mügent  Berth.  v.  Regensburg  l,  466, 12 
Pfeiffer;  weil  sie  nimmer  mögen  stets  grumbsen  und 
greinen  Guarinonius  greifet  der  Verwüstung  (1610)  162; 
was  ist  der  weiber  thun  und  lassen  andersts  als  wie 
sie  den  mann  durch  unaufhörliches  greinen  und  grum- 
men  den  gantzen  tag  nur  beunruhigen  Moscherosch 
geeichte  (1650)  2,  301;  andere  Verbindungen  sind  seltener: 
thu  darumb  greinen  oder  schnurren, 
so  machst  du  mich  nit  zn  keiner  gurren 

/astnachtsp.  152,  18 : 

mit  eifern,  grein  macht  er  mir  pein, 

liesz  doch  wol  billich  bleyben. 

er  greint  und  murt,  im  hausz  umb  schnürt, 

sieht  er  mich  frölich  schertzen 

mit  einem  gast,  so  graut  im  fast 

Forster /mcÄe  teutsche  liedlein  135  neudr.; 

wofern  er  gern  .  .  frist  und  säuft,  schlemmet  und  dem- 
met,  .  .  greinet  und  hadert  Aeg.  Albertinus  hirnsleiffer 

(1664)  81; 

nur  iebimol  hör  i 

di  brummein  und  grein'n 

Stelzhamer  ausgew.  dicht.  1,60  Rosegger. 

S)  das  vb.  ist  durchaus  intrans.,  nur  vereinzelt  in  poe- 
tischer spräche  trans.  {nach  dem  muster  von  aus-,  er- 
greinen Schmeller  1,  999) : 

aber  spricht  der  heilige  Niköla: 

greine  {schelte)  mich  nicht,  donnerer  Ilia 

J.  Grimm  kl.  sehr.  4,  453  {übers,  aus  d.  serb.); 
{ebenda:  greint  ihn  aus  der  donnerer  Ilia); 
von  Präpositionen  bevorzugt  die  ältere  zeit  gegen,  wider: 

die  man  hie  sit  grinen 
und  werbin  wider  gotte 

H.  V.  Langenstein  Martina  198,43; 
der  tüvil  aldä  vor  in  quam 
in  einre  forme  grüwesam 
im  offinllch  irschinende 
und  vreislich  kegn  im  grinende 

Jeroschin  18921  Strehlke; 
Esau  widern  Jacob  greint 

B.  Waldis  Esopus  4,  96  Kurz; 

auch  reflexiv:  Judas  murmerot  und  grein  wider  sich 
selben  pred.  l,  47  Grieshaber;  vgl.:  so  lag  er  underwilent 
und  grein  und  grisgramet  in  im  selb  Seuse  deutsche 
sehr.  39, 19  Bihlmeyer;  später  meist  mit,  entsprechend  der 
bedeutungswandlung  von  knurren  zu  zanken :  {ein  gelehr- 
ter) die  andern  all  veracht,  mit  in  zankt,  greint,  kriegt, 
hadert  Aventin  bair.  chron.  4,  445,  9  Lexer; 

{die  hoffart)  begert  uberal  ob  zu  schweben, 
da  mag  sich  leicht  ursach  begeben, 
das  sie  mit  ander  herrschaft  greindt 

H.  Sachs  8,  463  Keller; 

wann  sie  {die  eheleute)  unainig,  zornmütig  .  .  seynd,  im- 
merdar mit  einander  greinen  und  in  weitem  feldt  ligen 
Aeg.  Albertinus  Lucifers  königreich  57,  37  Liliencron; 
ebenso  im  heutigen  bair.  Schmeller  l,  999;  der  gegen- 
ständ des  Zankes  toird  mit  um  oder  über  gegeben: 

mir  ist  als  ein  hast  wer  drumbe  grein 

Kvl.  chron.  1542  Pfeiffer; 

sie  grynnen  und  granen  über  alles  das  sie  sehen  Gei- 
ler V.  Keisersberg  bilgerschafft  (1512)  144*';  wir  hal- 
ten uns  dermassen  .  .  gleich  sam  weder  teufl  noch  feg- 
feur,  hell  noch  himl  sein,  und  die  am  maisten,  di  umb 
solches  stätigs  zanken  und  greinen  Aventin  bair.  chron. 
4,  59,  22  Lexer. 

G.  am  jüngsten  ist  die  bedeutung  weinen,  die  erst  mit 
dem  14.  jh.  aufzukommen  scheint;  ihr  hauptgebiet  ist  das 
alem.,  wo  sie  sich  bis  heute  am  reinsten  gehalten  hat; 
vielfältig  modificiert  als  klagen,  jammern,  weinerlich  thun, 
sogar  heulen,  schreien;  der  ausgangspunkt  ist  in  jedem 
fall  das  schmerzliche  verziehen  des  gesichts;  noch  ziemlich 
spät  werfen  ein  licht  auf  die  entwicklung  dieser  bedeu- 
tung fälle  wie: 

zuhand  der  baur  anfieng  und  asz 
auf  sechs  roch  zwiffel  solcher  mas, 
die  bissn  ind  äugen,  dasz  er  grin 

H.  Sachs  22,  213  Keller-Götze; 
der  Juncker,  der  was  bald  gerüst 
und  dunckt  gar  tief  und  wol  darein  {in  den  senf); 
'es  ist  kein  wunder,  dasz  ich  grein, 
wie  ist  der  senf  so  leyden  herb? 

Fischart  Eulenspiegel  1165  Hauffen. 


l)  Verbreitung :  alem.  grynen  lachrymare,  flere,  lamen- 
tari  Maaler  teutsch  spraach  194"^;  fleo  Calepinus  un- 
dee.  ling.  570*;  vgl.  effleo  ißi^ ;  lacrymo  786^;  ploro  1103**; 
flere  Diefenbach  239°  {Straszb.  a.  1590);  lacrimari  315* 
(iö.);  vagire  605*  (t6.);  sanft,  schmerzlich,  still  weinen,  im 
gegensatz  zum  lauten,  häszlichen  weinen  Staub-Tobler 
2,  746;  tceinen,  besonders  von  kindern  Martin-Lienhart 
1,  275;  ob  auch  der  ausser  mensche  greinet  oder  weinet, 
das  müs  man  wol  leiden  Tauler  sermones  (i508)  128^; 

sie  müessend  singen,  so  sie  lieber  grinnen 

N.  Manuel  Barbali  265  Bächtold; 

Lucie:  bonjour,  mamme,  do  bin  i  widder.  oho,  was 
isch,  du  grinsch?  Greber  Lticie  16;  durchaus  edles 
wort,  weinen  fehlt  dem  dialect;  dasselbe  gilt  fürs  schiväb.: 
die  .  .  nymmer  mocht  gedencken  an  bitters  mitleiden, 
weinen  und  greinen  summer  teil  der  heyligen  leben  (l472) 
83*;  die  vortreflichen  grafen  von  Stollberg  waren  auch 
hier ;  .  .  o  das  sind  dir  leute.  narr,  greinen  möcht  ich, 
wenn  ich  nur  an  sie  denk  Schubart  briefe  l,  223  Strausz; 
warum  greinen?  es  ist  noch  nichts  verloren  Auerbach 
sehr.  10,  111;  rheinfr.:  weinen,  greinen  Follmann  lothr. 
216'';  weinen  Autenrieth  pfälz.  56; 

Dominicus,  der  sah  sie  weinen 

und  sprach:  'was  hilfet  euch  euer  greinen? 

Fischart  Dominicus  4116  Kurz; 

mit  solch  einem  herzbrechenden  liede  hätt'  ich  wollen 
.  .  steine  zum  greinen  bewegen  maler  Müller  werke 
(1811)  1,134;  vgl.  2G6;  nur  ausgescholten  wird  er  von  ihr 
und  er  greinet  beinahe  Börne  ges.  sehr,  i,  59;  'kommt 
hie  und  da,  z.  fh.  in  etwas  verändertem  sinne  {aus  bos- 
heit  weinen)  oder  als  vornehmeres  wort  für  das  ganz  un- 
gebräuchliche weinen  vor,  neben  den  land-  und  volksüb- 
lichen Wörtern  gerren  und  flennen'  Crecelius  oberhess. 
435; 

so  leid  liesz  ir  die  frau  auch  sein, 

das  sie  für  grosser  freude  grein 

B.  Waldis  Esopus  2,  207  Kurs; 

sehr  üblich  in  der  Diemelgegend  und  im  Schmalkaldischen 
ViLMAR  136;  rheinabwärts  bis  ins  gebiet  des  ndfr.: 

dem  rauher  ich  mit  greinen 
hett  hertz  und  muth  erweicht, 
er  mir  auf  stätes  weinen 
den  raub  hett  hergereicht 

Spee  trutznachtigall  (1649)  86; 
er  hat  wirklich  laut  geweint 
und  im  arm  seiner  freunde  gegreint 

KoRTUM  Jobsiade  (1799)  1,  69; 

ostfränk.  greinen,  weinen  Brenner-Hartmann  Bayerns 
maa.  2,  332;  Vogtland.  Müller-Fraureuth  2,  440*; 

den  sie  {die  eitern)  mit  ihrer  straf  bescheyden 
in  der  jugent  nit  machten  greinen 

H.  Sachs  1,  201  Keller; 

plorare,  lugere,  lachrymari  Serranus  synon.  (1579)  0  5^; 
es  stehet  heszlich,  wann  ein  mann  greinet;  ich  hab 
greinen  müssen;  jemand  greinen  oder  greinend  machen 
Kramer  teutschital.  (l700)  i,  563*;  thür.  weinen  Hertel 
thür.  109;  Kleemann  nordthür.  7";  weiber  können  grei- 
nen, wenn  sie  wollen  ut  flerent  oculos  erudiere  stcos; 
er  greint,  dasz  ihn  der  bock  stöszt  os  sibi  opplet  lachry- 
mis  cum  singultu  Stieler  700;  (Hans  [schluchzend]) 
herr  capitän,  ich  kann  nicht.  (Franz)  ich  glaube  gar, 
du  greinst?  Kotzebue  8,  104;  obersächs.:  in  der  mitte 
des  grabmals  sollen  zween  kleine  geflügelte  hüben,  die 
ganz  erbärmlich  greinen,  das  schild  halten  Rabener 
sämtl.  werke  5,  129;  auch  im  Erzgebirge  Müller-Frau- 
reuth 2,  440";  schles.  weinen,  besonders  von  dem  stäten 
weinen  kränklicher  kinder  Weinhold  schles.  30*;  preusz. 
weinen  Bock  idiot.  pruss.  15;  Schemionek  Elbing.  14; 
grinsend  weinen  Frischbier  l,  252;  diese  bedeutung 
stammt  aus  der  spräche  hd.  colonisten,  nicht  aus  dem 
nd.;  auch  im  siebenbürg,  hat  greinen  dieselbe  bedeutung 
wie  in  der  rheinischen  heimat  der  colonisten:  weinen 
Waltrich  44;  Kramer  Bistritzer  dial.  39.  —  nd.  nur 
im  Westen  auf  beschränktem  gebiet  Wöste  westfäl.  Sb^; 
Bauer-Collitz  waldeck.  41";  da  was  he  bedröwet  un 
glöwte,  nu  moste  he  sterwen,  un  he  geit  sitten  un  grient 
brüder  Grimm  kinder-  tc.  hau^märchen  2,  150  {westfäl.); 
die  rheinische  ausbreitungszone  ivird  fortgesetzt  durch 
das  nl.,   wo  greinen  u,  a.  bedeutet:  ein  weinerliches  ge- 


59 


1  GREINEN 


1  GREINEN 


60 


sieht  machen,  schreien,  heulen,  besonders  von  hindern 
woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  724;  auch  schon  mnd.:  gi 
sullet  grinen  und  weinen  (plorabitis  et  flebitis  vos  Joh. 
16,  20)  ScHiLLER-LÜBBEN  2,  147^  (u.jh.);  E.  klagede  er 
dat  geschichte  mit  grynen  (=  grinenden)  ogen  148''; 
desgl.  mnl.  Verwijs-Verdam  2,  2144;  fries.  leise  weinen, 
wimmern  Doornkaat-Koolman  l,  688». 

2)  besonders  vom  weinen  kleiner  kinder,  in  verschiede- 
nen färbungen;  die  weite  Verbreitung  dieses  gebrauches, 
auch  noch  in  den  heutigen  maa.  (s.  l),  läszt  in  ihm  etwas 
ursprüngliches  vermuthen:  vagire  kindes  grynen  Diefen- 
BAGH  nov.  gloss.  376"  {pfälz.,  1466);  dann  so  bald  die 
selben  (kinder)  geboren  werden,  und  nach  irer  art  grei- 
nen und  schreien  Ruoff  hebammenbuch  (1580)  151; 

ein  creutz  kömpt  eim  selten  allein, 
da  grant  das  weib,  da  grein  die  kind 
.  Eyering  proverbiorum  copia  1,  32; 

recht  wie  ein  kleines  kind,  dasz,  wan  man  es  gestrichen, 
mit  greünen  und  mit  laid  in  winkel  hin  geschlichen 

RoMPLER  V.  Löwenhalt  erstes  gebüsch  73; 

die  dunkle  kinderstube,  worin  die  kleinen  spielen  und 
greinen  Jean  Paul  6,  28  Hempel;  schon  lange  sitze  ich 
an  der  wiege  des  guten  lieben  deutschen  kindes  .  . 
endlich  erwacht  es  und  greint  sanft  wie  ein  kätzchen 
Börne  lo,  19; 

sein  lebenlang  spielt  einer  manche  rollen, 

durch  sieben  akte  hin.    zuerst  das  kind, 

das  in  der  wärt'rin  armen  greint  und  sprudelt 

Shakespeare  4,  215 ; 

im  vergleich:  sie  werden  euch  freundlich  bitten,  grey- 
nen,  flehen  wie  die  kinder  Luther  18,  368  Weim.;  sie 
wiegte  das  miszgeschöpf  (das  alraunmännchen)  in  ihren 
weiszen  armen,  wenn  es  wie  ein  kind  greinte  Heine 
6,  323; 

wie  ich  jetzo,  so  greint,  im  schilf  des  Nils 

versteckt,  der  krokodil  und  ahmet  nach 

des  kindes  unschuldvolle  klagetöne       Grabbe  1,  69. 

3)  antithetische  und  parallele  verba  lassen  am  besten 
gevnsse  modificationen  der  bedeutung  erkennen,  bezeich- 
nenderweise erscheint  der  gegensatz  greinen  —  lachen  weit 
überwiegend  im  Südwesten  Deutschlands,  wo  die  bedeutung 
'weinen'  bis  heute  die  herrschende  ist: 

wer  päsen  kinden  waich  erscheint, 

der  ist  ir  aller  gröster  feint, 

und  lacht  yetzt  desz  ir  nachmals  greint 

ScHWARTZENBERG  teutsch  Ciccro  (1535)  127; 

die  hie  weinen,  werden  getrost  im  himmel,  und  die 
hie  lachen,  werden  greinen  am  selbigen  ort  Paracelsus 
opera  (1590)  9,  115; 

gott  geh  du  wöltst  grein  oder  lachn 

GiLHUsius  gramm.  (1597)  84; 

wie  frau  Aja  endlich  wie  betrunken  auf  den  besten 
fürsten  zuläuft,  halb  greint,  halb  lacht  Göthe-jahrbuch 
2,  310  (frau  rath) ;  viel  seltener  ostmd. :  greinet  oder  lachet, 
da  frag  ich  nit  nach  Luther  34 *,  86  Weim.;  hier  eher 
antithesen  wie: 

denne  wird  Christus  in  eim  nu  erscheinen, 
und  ihr  freud  verkehren  in  ein  greinen 

RiNGWALDT  evangelia  B  4^ ; 

hie  singt  er  frey,  dort  greint  er  widr 

Christi.  Warnung  K4»; 
vgl: 

seiner  freunde  tod  beweinen 
stehet  einem  Christen  zu,  aber  ungeduldig  greinen 
pflegen  die  trostlosen  beiden 

Neumark  fortgepflanzter  lustwald  2,  46 ; 

auch  die  reimformel  greinen  und  weinen  erscheint  auf- 
fälligerweise voruriegend  im  Südwesten,  obgleich  sie  nicht 
auf  alem.  boden  aufgekommen  sein  kann;  tautologisch: 
das  greynen  und  weinen  ^e^ws,  ploratio  Maaler  teutsch 
spraach  (i56l)  194"*;  auf  dasz  der  kinderfresser  Saturn 
.  .  nicht  .  .  .  vernem  wann  der  jung  herfür  kriechend 
bastart  Jupiter  mit  weinen  und  greinen  den  tag  an- 
zännt  Fischart  geschichtklitt.  155  neudr.;  daz  er  .  . . 
greinet  und  weynet  wie  ein  sieche  kuh  226; 

sie  seufzt,  sie  schreit,  sie  weint  und  greint 
Spangenberg  u.  Fröreisen  griech.  dramen  2,  283 

Dähnhardt ; 

ostmd.  mit  klarem  unterschiede:  w§  üch  di  nü  lachit, 
wan  ir  sult  grinen  und  weinen    (quia  lugebitis   et  fle- 


bitis) Beheim  evang.  buch.  Luc.  6,  25;  fühlbarer  werden 
gevnsse  modificationen  der  bedeutung  'weinen',  die  theils 
abschwächen  (wimmern),  theils  steigern  (jammern),  in 
manchen  der  folgenden  doppelwendungen:  ein  frau,  die 
in  kinds  arbeit  ligt,  die  grinet  und  wintzelet  Geiler 
V.  Keisersberg  postill  3,17; 

was  hilfts  dich,  dasd'  vil  grynst  und  klagst 

Schweiz,  schausp.  des  16.  jhs.  1,  227  Bächtold; 

ein  andrer  hingegen  greint  und  ächzt  über  nichts  und 
wieder  nichts  Bräker  sämmtl.  sehr.  2,  113;  was  ge- 
schehn  ist,  ist  geschehn,  da  hilft  kein  greinen  und 
kein  jammern  H.  L.  Wagner  theaterstücke  118;  je  stär- 
ker es  regnete,  desto  heftiger  greinte  und  schluchzte 
der  miszliche  kriegsmann  G.  Keller  6, 132;  greinen  und 
bentzen  *.  th.  i,  1478;  in  älterer  zeit  ist  am  häufigsten 
greinen  und  zäunen,  anscheinend  nur  bis  ins  16,  jh.: 

d6  der  aide  ermannete, 
er  grein  unde  zannete, 
wan  sin  unmezic  leit 
stete  durch  sin  herze  in  sneit 

Marienlegenden  248,  260  Pfeiffer; 
(secundvs  miles.)    leg  an  und  lass  spannen, 
das  er  (Christus)  werd  grein  und  zannen 

passionssp.  aus  Tirol  134,  2123  Wackernell; 
(der  söhn)  der  tag  und  nacht  ligt  bey  dem  wein, 
lest  die  alten  zannen  und  grein 
daheim  in  grossem  hertzenleid 

H.  Sachs  17,  301  Keller-Götze; 
nicht  so  häufig: 

was  hör  ich  für  ain  schall  und  ton 
von  grunzen,  greinen,  schreien,  beiszen? 

histor.  Volkslieder  1,  548  Liliencron; 

also  nur  kein  solch  hönisches  gesiebt,  kein  greinen 
und  kein  grunzen,  meine  söhn'  und  töchter!  Bräker 
sämmtl.  sehr,  i,  269;  abzusondern  isf  greinen  neöen  heulen, 
schreien  u.  ä.;  alem.  genügt  auch  hier  'weinen': 

myn  hertz,  das  würd  in  mir  verschwynen; 
vor  leidt  müsz  ich  hülen  und  grynen 
Schweiz,  schausp.  des  16.  jhs.  2,  199  Bächtold;  vgl.  1,  85,  837; 

aber  auszeralem.  scheint  die  bedeutung  öfter  fast  bis  zu 
'heulen,  schreien'  gesteigert: 

secht,  lieben  freund,  dem  golzen  zu  1 
er  lut  und  heult  sam  ein  ku. 
nu  grein  du,  aller  teufel  namen ! 

fastnachtsp.  588, 11 ; 

hiezwischen  liefen  die  bürger  dem  schlosz  zu,  und 
fragten  was  das  bedeute,  das  so  ein  grosz  greinen  und 
geschrei  drinnen  sei  Achacius  chronica  291  •*;  ein  lau- 
teres greinen  und  geschrei  österr.  weisth.  5,  416, 17;  kompt 
Jhann,  der  bottenlaufer ,  schreit  Jammer,  greint  und 
heilt  Ayrer  dramen  1,  140  Keller. 

i)  wesentlich  auf  norddeutschem  boden  und  erst  in 
jüngerer  zeit  bekommt  greinen  einen  verächtlichen  bei- 
geschmack:  flennen,  plärren,  unmännlich  jammern:  du 
greinst?  du  bist  deiner  mutter  söhn  nicht,  du  unge- 
heuer! Gerstenberg  TJgolino  261,26  Hamel;  wenn's 
euch  kommoder  ist,  in  gottes  namen,  heult  und  greint, 
bis  euch  die  äugen  aus  dem  köpfe  fallen  Tieck  sehr. 
3,  252;  vgl.  1,  192;  ich  will  die  buhen  heulen  und  grei- 
nen lassen  über  das  elend  Immermann  i,  49  Hempel; 
Berlioz  will  lachen,  weinen  ..,  wie  Beethoven,  aber 
sein  lachen  ist  sogleich  ein  grinsen,  sein  weinen  so- 
gleich ein  greinen  Gutzkow  7,  222;  süddeutsch  selten: 
ehrloser!  treuvergessener!  und  du  willst  abfallen,  wenn 
eine  mäze  greint?  Schiller  2,  199. 

5)  construction ;   meist  absolut,    doch  auch   m,it  object: 

dei  traanen,  de  se  greine, 

dei  dei'en  der  modder  sau  wei 

nd.  Volkslied  bei  Herder  25,  76; 

da  sasz  er  auf  der  Ofenbank, 

mit  gott  und  weit  und  sich  im  zank, 

und  greinte  bittre  zähren      Kretschmann  6,  328; 

er  häd's  klor  brunnewasser  grinne  Staub-Tobler  2,  746; 
gelegentlich  auch :  ein  paur  greint  den  reimen :  .  .  (gegen- 
satz: der  ander  paur  lacht  den  reimen)  fastnachtsp. 
538,  1 ;  den  grund  des  greinens  geben  die  präpositionen 
über  tmd  um:  feuchtohrige  hüben  .  .  greinen  über  die 
siege  des  Scipio,  weil  sie  sie  exponieren  müszen  Schil- 
ler 2,  29;  du  narr  hast  gar  drüber  gegreint  maler 
MÜLLER  1,  266; 


61 


1  GREINEN 


2  GREINEN,  GREINER 


62 


sondern  er  hat  länger  und  mehr  geweint 
als  mancher  mann  um  seine  tote  frau  greint 

KoRTUM  Jobsiade  3, 128 ; 
anders: 

so  deine  kinder  umb  brot  greinen 

"Wickram  4,  65  BoUe-Sched; 

kinder  hört'  ich 
greinen  nach  der  mutter 

RiCH.  Wagner  6,  250; 

im  älteren  md.  häufiger  sich  zu  tode   oder  tot  greinen: 
da  ich  yetz  lag  in  gotts  gewalt, 
und  starb  in  meine  äugen  nein, 
flux  er  sich  auch  zu  todte  grein 

Hayneccius  Ifans  Pfriem  27,  596  neudr.; 

wenn  man  sie  {die  toten)  aber  tregt  darvon, 
wollen  sie  (ßie  überlebenden  gatten)  sich  zu  todt  drumb  grein 
Eyering  proverbiorum  copia  1, 15; 

du  wirst  ja  auch  .  . 
mich  recht,  von  hertzen  meynen, 
sonst  müst  ich  mich  todt  greinen 
Chr.  Reuter  harlequins  hochz.-schmaus  289  EUinger. 

6)  7ieben  nichtpersönlichem  subject  ziemlich  selten  und 
meist  mehr  oder  minder  bildlich: 

hier  knurren  fagotte,  hier  ragen 
hoboen  und  greinen  vor  frost 

Kretschmann  5,  72 ; 
kennst  du  noch  die  alte  weise, 
die  am  anfang  so  elegisch 
greint  und  sumset,  wie  ein  kessel, 
welcher  auf  dem  nerde  kocht?        Heine  1,  443; 

der  .  .  kalte,  grämliche,  greinende  .  .  octoberwind  W. 
Raabe  hungerpastor  1,  225;  wann  de  Lippe  schint  un 
'et  Süerland  grint  {nach  regen  aussieht),  dann  giat  et 
guat  w^er  Wöste  85";  österr.  dagegen  'brummen'  (vgl. 
oben  B): 

der  brummbasz  greint  und  die  zither  erklingt 

PiCHLER  neue  marksteine  139; 

nur  zwei  fälle  zeigen  greinen  in  fester  Verbindung  mit 
einem  leblosen  subject:  die  Weinreben  greinen,  wenn  im 
frühjahr  der  frische  soft  aus  den  beschnittenen  zweigen 
tropft  Staub-Tobler  2,  746;  Martin-Lienhart  1,  275; 
alter  alein.  ausdruck,  denn  schon  bei  Frisius  super- 
lachrymare  weinen  oder  grynen  als  die  Weinreben,  Staub- 
Tobler  o.  a.  0.;  (es  bringt  schaden)  wann  man  mit  dem 
schneiden  zu  lang  verzeucht,  an  welchen  orthen  die 
reben  sehr  greinen  Hohberg  georgica  curiosa  aucta  (1715) 
258*";  ferner  vom  kreischen  ungefetteter  thürgelenke  o.  ä.: 
ein  tür,  die  verruckt  ist  aus  irem  angel,  die  kürret  und 
greinet  Geiler  V.  Keisersberg  seelenparadies  61^ ;  erst 
greinte  die  hofthür,  aber  heut  abend  will  ich  sie  salben 
B.  V.  Arnim  Günderode  l,  200;  hab  ich  mich  doch  an 
die  verflucht  pump  gewöhnt,  die  in  eim  fort  da  vor 
der  thür  greint  dies  buch  gehört  d,  könig  l,  82 ;  vgl.  Lexer 
kämt.  123. 

II.  nd.  herrscht  die  bedeutung  'grinsen,  lachen',  die 
sich,  vnewohl  nicht  mit  derselben  ausschlieszlichkeit,  auch 
in  den  verwandten  und  benachbarten  german.  dialecten 
findet:  nl.  grinsen,  lachen;  ebenso  dän.;  schwed.  grinsen; 
fries.  grimassen  machen,  grinsen. 

l)  die  bedeutung  erstreckt  sich  über  das  ganze  nd.  ge- 
biet mit  ausnähme  des  westfäl.  (doch  auch  hier  stellen- 
tveise,  so  in  der  alten  grafschaft  Mark,  Berghaus  1,  612'') 
und  des  preusz.,  wo  das  hd.  'weinen'  vorherrscht;  doch 
schwankt  sie  in  den  einzelnen  theilen  dieses  gebietes  ziem- 
lich stark:  in  widrigem  lachen  oder  lächeln  das  gesicht  ver- 
ziehen, grinsenMvi.t,ER-FRAVREVTH  2,440*;  M.  SCHULTZE 
nord-thür.  37  *;  Schambagh  68'';  H.  Meyer  der  richtige 
Berliner  ^öö*;  auch  in  Leipzig  Alb  recht  125^;  mit  Ver- 
zerrung des  mundes  lachen,  wird  greinen,  ein  verzerrtes 
lächeln  wird  grinsen  Jahn  werke  i,  105  Euler;  schon  früh: 
als  man  schrifft  von  tween  wisen  narren, 
der  de  ein  plecht  altid  grinen,  de  ander  blarren 

Lauremberg  scherzged.  2,  10  neudr. 

in  manchen  gegenden  mit  anderer  färbung:  sarkastisch, 
boshaft  lächeln,  hohnlachen  Berghaus  l,  612";  tückisch 
lächeln  Schambach  es";  boshaft  lächeln  Mi  mecklenburg .- 
vorpomm.  29";  höhnisch  lachen  Hupel  deutsche  spr.  in 
Lief-  u.  Esthland  82;  vgl.  schadenfroh  lachen  woordenb. 
d.  nederl.  taal  5,  724;  höhnisch  lachen  Outzen  fries.  gloss. 
106;    auch   schon   mnl.  für   hohnlachen    Verwijs-Ver- 


DAM  2,  2144;  anord.  für  zornig  lachen,  zumal  die  be- 
deutung des  bösartigen  lachens  scheint  ursprünglich;  denn 
sie  stellt  sich  unmittelbar  neben  die  des  bösartigen  zahne- 
fletschens,  knurrens,  die  sich  als  alt  erweisen  läszt  (vgl. 
sp.  54) ;  das  indifferente  'lachen'  ist  dann  aus  einer  präg- 
nanteren bedeutung  verblaszt;  in  diesem  sinn  bei  Richey 
id.  hamburg.  80;  brem.  wb.  1,  543;  Schambach  68*;  über 
das  ganze  gesicht  lachen  Hentrigh  Eichsfeld  22;  mit 
offenem  munde  lachen  Dähnert  161*;  schwächer:  lächeln, 
schmunzelnScHAMBACH  68";  lächeln Müller-Fraureuth 
2,440*;  lächeln,  schwächer  als  ZacÄen  Danneil  70*;  schmun- 
zeln Trachsel  20;  de  oll  grient  nu  ümmer  so  vor  sik 
hen  Reuter  olle  camellen  (i860)  38;  und  trinkt  um- 
schichtig vor  twei  un  grient  lustig  öwer  dat  ganze  breide 
gesicht  64;  mit  't  jansze  jesicht  jrinen  pfiffig  lächeln 
auch  berlinisch  Berghaus  l,  612^;  niederhess.  thöricht 
lächeln;  redensart:  hä  grint  wie  ein  honnichkuchen- 
pärd. 

2)  in  hd.  schriftspraclie  naturgemäsz  vorwiegend  bei 
autoren  aus  dem  norden  Deutschlands;  eine  ältere  zeit 
setzte  das  wort  ins  hd.  um: 

fort  mit  den  satanswörtem !  fort! 

die  nur  mit  satansfratzen  greinen  {grinsen)\ 

Arndt  5,  326  Rösch-Meisner , 

rauhhaarige  greinende   grinsende  fratzenhafte  schlingel 
Fr.  Arndt  bei  E.  M.  Arndt  sehr,  an  s.  l.  Deutschen  1,  4; 
dann  wieherte  daher  ein  wildes  rosz, 
und  quer  drauf  sitzend,  mit  verkehrtem  greinen, 
ein  orang-outang  Baggesen  poet.  werke  4,  63; 

da  vor  dem  pascha,  welcher  höhnisch  greinte, 
küszt'  er  den  staub  und  schrie:  'nimm  ab  den  sold  mir!' 
Strachwitz  gedickte  (1850)  315. 
später  ging  das  gefühl  für  die  sprachliche  identität  mit 
greinen  verloren,  und  die  dialectform  wurde  beibehalten: 
'wie  darfst  du  grienen,  du  bösewicht',  fuhr  ihn  das  weib 
an  G.  Freytag  ll,  180;  '.  .  ich  kenne  doch  die  manns- 
leute'.  'ja,  ja',  sagte  Polzin  und  griente,  'die  kennst 
du'  Fontane  I  5,  49;  vgl.  iQ;  'hebe,  der  herr  förster', 
griente  sie  (das  betrunkene  weib)  Gl.  Viebig  d.  schlafende 
Jieer  (l904)  1,  128;  vgl.  die  (frauenzimmer)  stehen  immer 
dabei  und  lehnen  sich  auf's  klavier,  wenn  ich  spiele, 
und  grienen  mich  an  Hirsghfeld  mütter  (1896)  63. 

3)  dem  anscheine  nach  vorwiegend  nd.  und  deshalb 
vielleicht  hier  anzuschlieszen  ist  folgender  merkwürdige 
gebrauch: 

sin  sanc  der  stät 

reht  als  diu  wät, 

diu  ninder  kein  gelenke  hat, 

da  vadmen  grinent  durch  die  nät 

Frauenlob  168, 18; 
dat  blood  grünt  dör  (scheint  du/rch)  Dähnert  161*;  vgl. 
dat  grint  (grinnt)  dör  wenn  z.  b.  eine  naht  aufgegangen 
ist,  durch  die  das  futter  sichtbar  toird  Outzen  fries.  106. 
2  GREINEN,  rö.,  aus  *greinjan,  causativ  zum  vorigen, 
betrüben,  bekümmern,  belästigen: 

d6  sprach  der  her  zdem  rihtaer : 

'warumbe  tuost  du  niht  ein  reht  (an  dem  armen)"}' 

'ez  ist  jener  ein  edel  kneht', 

sprach  der  rihter,  'der  in  greint' 

Teichner  bei  Karajan  s.  90  anm.  136 ; 

dass  wir  unsern  eidgnossen  von  Zürich,  in  was  gstalt 
sy  greint  oder  bekümbert  wurden,  wider  menklich  sollten 
beholfen  syn  Staub-Tobler  2,745  (a.  I53l);  und  warend 
die  von  Zürich  ze  vil  Schadens  kommen,  und  vorhin 
ze  vast  gegreint  Tschudi  chron.  Helvet.  2,  344;  hierher 
wohl  auch  nd.  greinen   necken,  foppen  Schambach  68*. 

GREINER,  «i.  das  subst.  entspricht  in  der  Verschie- 
denheit seiner  bedeutungen  und  ihrer  vertheilung  auf  die 
dialecte  wesentlich  dem,  stammverbum. 

l)  als  plorator  besonders  alem.,  daneben  md. :  gryner 
plorator  Maaler  teutsch  spraach  (l56l)  194^;  Calepinus 
undec.  ling.  (1598)  1103" ;  greiner  clamator,  plorator,  qui- 
ritans,  lamentans  Stieler  stammb.  701;  piangitore  Kra- 
mer teutsch-ital.  (l700)  1,  563*;  ^ioraior  Steinbach  i,  644; 
diser  unrüebig  graf  Eberhart  ist  nur  der  greiner  oder 
rauschebart  von  Würtemberg  genent  worden,  dann  als 
sein  muetter  .  .  mit  im  gangen,  do  hat  er  in  irem  leib 
grinen,  das  für  ain  besonders  presagium  ist  gemerkt 
worden  Zimm.  chron.  1,  174  Barack  (doch  vgl.  u.  2); 


63 


GREINEREI 


GREINERIN  —  GREIS 


64 


Hans  Weistorfer  und  du  machet  vil  zagen, 
als  burger,  landsknecht  und  handwerkmanner 
aus  iren  kindem  gemacht  greiner  und  zanner 

histor.  Volkslieder  2,  482  Liliencron  ; 

er  {Don  Qalaor)  wer  auch  nicht  ein  solcher  Zärtling  und 
weichlicher  ritter  noch  ein  solcher  greiner  als  sein  bru- 
der  (der  franz.  Amadis)  Bastel  v.  d.  Sohle  Bon  Kichote 
(1648)  16;  denn  sie  sind  wohl  bei  weitem  der  greiner 
{plorator)  nicht,  der  ich  bin  D.  F.  Strausz  10,  58; 

dasz  ich  irre  schmerzzerrissen 
durch  die  flur,  ein  armer  greiner 

Kerner  ged.  (1847)  168; 

nd.  wie  das  vb.  im  westfäl.:  van  dem  sughtende  deer 
scryers  efte  gryners  ward  de  gantze  kercke  ghefuUet 
ScHiLLER-LüBBEN  2, 148  *  aus  Herm.  V.  Lerbecks  schaum- 
burg.  chron,;  vgl.  plorator  greiner,  weiner,  flenner  Die- 
FENBAGH  uov.  gloss.  295*'  aus  Kilian;  in  jüngerer  zeit 
und  vorvdegend  norddeutsch  mit  scheltendem  nebensinn: 
greinen  heiszt  so  viel  als  winseln,  klagen,  weinen,  jam- 
mern; und  einer,  der  dieses  oft  und  ohne  Ursache  thut, 
ein  greiner  Lessing  7,  377,  Interpretation  zu: 

für  Zeiten  stunden  junge  den  alten  höflich  auf; 
jetzt  heist  es:  junger,  sitze!  und:  alter  greiner,  lauf I 

LoGAu  sinnged.  350  Eitner  (doch  vgl.  unten  2); 
die  lanzenbuben,  troszhauptmänner 
gebrauchen  diesen  greiner,  flenner  (den  zwerg), 
wenn  sie  nicht  wissen,  was  sie  woll'n 

Immermann  13,276  Hempel; 

verfluchter  greiner!  Hebbel  1,368;  griner  alter  geizhals. 
der  immer  über  mangel  klagt  Staub-Tobler  2,  746;  im 
selben  sinne  rappengriner  Martin -Lienhart  l,  276*'. 
dazu  das  compos.  greinerleben,  jammerleben,  in  dem 
häufigen  Sprichwort:  Zigeunerleben  greinerleben  Seb. 
Franck  sprüchw.  (I54l)  l,  84*';  schöne  weise  klugreden 
(1548)  P  7^;  Eyering  proverbia  2,  3. 

2)  als  Zänker,    tadler,   schelter  hauptsächlich  im  bair. 

und  nachbargebieten: 

ain  arger  pöser  greiner 
Beheim  buch  V.  den  Wienern  12,  20  Karajan; 

Aristoteles  hat  der  alten  mainung  all  verworfen,  zankt 
und  hadert  sich  in  allen  püechern  mit  denen,  so  vor 
im  gewesen  sein;  darumb  nennen  in  etlich  gelert  den 
'greiner'  Aventin  bayer.  chron.  4,  442,  7  Lexer;  aber  ich 
.  .  wil  wider  auf  die  fürgenommen  fart  kommen  und 
der  tadlmaister  und  greiner  müessig  sten  194,  10;  der 
zehent  heist  dominus  iniuriosus  oder  Juncker  greiner, 
zancker,  raufer  und  balger  Aeg.  Albertinus  Lucifers 
königr.  184,  23  Liliencron;  graf  Eberhard  zu  Würtemberg, 
den  man  wegen  seiner  Unfreundlichkeit  und  vielfältigen 
kriege  mit  den  reichsstädten  contentiosum,  im  teutschen 
den  greiner  nannte  Spangenberg  henneb.  chron.  (1599) 
197  (wohl  die  richtige  erklärung;  schwerlich  nach  einer 
gewohnheit,  das  gesicht  zu  verziehen  Fischer  schwäb. 
3,  822);  m,it  Vorliebe  von  dem,  mürrischen,  nörgelnden, 
scheltenden  alter: 

die  jung  frau  sprach  (zu  ihrem  alten  mann):  du  alter  greyner 

H.  Sachs  5,  263  Keller; 

Mentor  du  alter  greiner  und  thore,  waz  hastu  jetzo  gret 
sagen  die  freier  Schaidenreiszer  Odyssea  (1537)  7*; 

gang  alter  gryner  (schelter),  straaf  dyn  kind 

Schweiz,  schausp.  d.  16.  jhs.  1,  72  Bächtold; 
dasz  gmeinglich  ein  schön  junger  mann 
musz  ein  alt  unfletige  han, 
und  ein  altr  garstiger  greiner 
hat  ein  schöners  weib,  als  sonst  keiner 

Ayrer  4,  2496,  33  Keller. 

3)  auf  nd.  boden  ist  die  bedeutung  'lacher,  grinser'  zu 
erwarten;  daher: 

nur  ist  mir  jener  greiner  dort  fatal 
(den  orang-outang  meinte  sie) 

Baggesen  pect,  werke  4,  72. 

4)  als  eigenname:  der  schlammbeiszer,  Wetterfisch  oder 
greiner  =  cobitis  fossilis  Askenasy  frankf.  174;  uccello 
detto  stoparuala  Kramer  teutsch-ital.  (i700)  l,  568*  (ge- 
wöhnlich greinerlein,  *.  d.);  im  2jillerthal  liegt  eine  berg- 
kuppe namens  Greiner. 

GREINEREI,  /.,  ploratus  nach  Drechsler  W.  Scherf- 
fer  u.  die  spräche  d.  Schlesier  123  in:  der  grobianer  u, 
die  grobianerin  (Brieg  1640);  grineree,  grinerije  weinen, 
lachten,  leibschneiden  Bergbaus  i,  612^. 


GREINERIN,  /.,  clamatrix,  ploratrix  Stieler  701 ; 
Kram  er  teutsch-ital.  (1700)  1,  563*;  die  alten  gr  einerinnen 
Götz  Gressets paperle  13;  vgl.  Martin-Lienhart  l,  275'». 

GREINERISCH,  adj.  l)  zänkisch:  aber  leider  dieses 
weib  ist  dermassen  greinerisch  und  zänckisch  Aeg.  Al- 
bertinus hirnschleifer  (1664)  158;  ebenfalls  von  weibern: 
gibts  in  selbigem  land  lauter  greinerische  hader-katzen? 
Abr.  a  St.  Clara  etwas  f.  alle  2,  292;  vgl.  Unger-Khull 
306*.  2)  weinerlich:  piangoloso,  z.  b.  greinerisch  gesicht 
Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  563*;  greinersch  weinerliche 
Weibsperson  Follmann  215*.  8)  nd.  lachsüchtig:  griner- 
sche  von  einer  weiblichen  person,  die  über  alles  lacht 
Berghaus  l,  612''.  alem.  mit  anderem,  suffix:  greine- 
rig  weinerlich  Staub-Tobler  2,  747. 

GREINERLEIN,  n.  l)  anderer  name  des  piepers,  an- 
thus  campestris  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  2,  745; 
arcanthis  flavirostris  Brehm  thierleben  4,  292  Pechuel- 
Lösche;  vgl.  Suolahti  vogelnam^n  94;  in  älterer  zeit 
meist  mit  acredula  gleichgesetzt  (Diefenbach  lO**;  voca- 
bula  rei  nummariae  [l552]  E  4*;  Schmeller  1,  1000  mit 
belegen  aus  dem  Xl.jh.;  Steinbach  1,  644),  dessen  bedeu- 
tung freilich  nicht  feststand :  acredula  greinerlein ,  qui- 
dam  putant  esse  lusciniam  GOLius  onomast.  (1582)  291; 
ähnlich  Bas.  Faber  thesaurus  (i587)  10*;  selten  anders: 
cwrruca  Diefenbach  164*;  greinerlein,  stoppelvogel,  spies- 
lerche,  grienvögelin,  guckerlin  stoparola  avicula  parva 
ex  alaudarum  genere  Henisch  1738;  zur  bedeutung  des 
namens  vgl.: 

das  greynerlein  thet  auch  sehr  weynen 

H.  Sachs  4,  283  Keller; 

das  nd.  gryperlin  Diefenbach  10^  scheint  denselben  vogel 
zu  meinen. 

2)  bambino  che  sempre  piange  Kramer  teutsch-ital. 
(1700)   1,  563";   HeinSIUS   2,  527*. 

GREINERLICH,  adj.  adv.,  weinerlich :  hie  redt  er  mit 
andacht  gantz  greinerlich  Cyr.  Sghnausz  etwas  neus 
(1555)  B  3*;  Jahn  sagt  greinerlich  Ayrer  l,  214  Keller; 
dasz  der  apotheker  .  .  Marien  das  'lamentable  greiner- 
liche  air'  vorgehalten  Jean  Paul  7/10,  225  Hempel;  vgl. 
Stieler  701;  Frischbier  1,252*;  nur  in  älterer  spräche 
belegbar  ist  greinlich: 

dem  ritterligen  knechte 

sust  bot  dy  frowe  grynlich  (lachend)  er 

Eb.  V.  Cersne  minneregel  3080. 

GREINERN,  vb.,  intensivum  zu  greinen  weinen  Cre- 
GELIUS  435. 

GREINERT,  m.,  weinerlicher  kerl  Follmann  215*;  gren- 
geit  greiner  lux.  ma.  (l906)  153'*;  nd.  grinert  mensch,  der 
viel  lacht  Dähnert  161 '';  Berghaus  1,  6i2i>;  schwein 
(schinderspr.)  Ave-Lallemant  4,  546  nach  greinen  grun- 
zen, vgl.  sp.  55,  2. 

GREINHEIT,  -SCHAFT  s.  0.  unter  1  grein. 

GREINIG,  adj.,  zänkisch:  Magdalena  gestand  sich  .  ., 
der  alte  mann  sei  greinig  und  launenhaft  wie  ein  kind 
Anzengruber2,  144;  krittelig  Creceliüs  485;  vgl.  grinec 
Lexer  l,  1086?  dazu  greinigen,  vb.,  zank  anfangen  mit 
jemand:  der  Eiszner  am  Priewaldt  in  gegrainigt  oder 
erzürnet  hab  Unger-Khull  306*  (a.  1604);  mit  anderem 
Suffix:  greinisch,  adj.:  rancidus  zanck-  vel  grinisch 
Diefenbach  484*. 

GREINIST,  m.,  mit  fremder  endung,  zänker:  die  welt- 
ling,  die  zanck-  und  greinisten  Abele  v.  Lilienberg 
künstl.  Unordnung  2,  47. 

GREINÜNG,  /.  1)  gannitura  Graff  4,  328;  gannitio 
Diefenbach  257'';  gannitus  nov.  gloss.  189*;  ploratus 
Calepinus  undec.  ling.  (1598)  1103*';  ejulatu,s,  quiritatu^, 
lamnentatus,  fletus,  ploratio  u.  ä.  Stieler  702.  2)  ran- 
cor  zanck-  vel  grinung  Diefenbach  484*;  gwerra  2,12"; 
rixa  499^. 

GREIS,  adj.  subst. 

form  und  Verbreitung. 

1)  urspr.  nd.  wort:  asächs.,  mnd.,  mhd.  gris,  ebenso 
afries.,  mnl.;  nnl.  grijs;  dazu  wohl  auch  anord.  griss 
ferkel,  borch;  schwed.,  dän.  gris  ferkel;  aus  dem  germ. 
frz.,  Span.,  portug.  gris,  ital.  griso,  grigio,  mlat.  griseus; 


65 


1  GREIS 


1  GREIS 


66 


die  letzteren  formen  weisen  auf  germ.  *greisja-;  die  ety- 
mologie  liegt  völlig  im  dunkeln;  vielfach  mit  grau  auf 
dieselbe  idg.  tcurzel  ghere  strahlen  zurückgeführt,  vgl. 
FiGK'iS,  144. 

2)  im  Heliand  fehlend,  wird  das  adj.  in  seiner  grund- 
bedeutung  'grau'  durch  die  glosse  grisa  cani  diut.  2,  192 
fürs  asächs.  bezeugt;  mnd.  mehrfach  belegt  Sghiller- 
LÜBBEN  2,  149";  in  den  lebenden  nd.  maa.  allgemein: 
Schütze  holst.  2,67;  Righey  hamburg.  81;  brem.  wb.  2, 
546;  Strodtmann  osnabr.  76;  Leihener  cronenberg. 
47^;  lux.  ma.  (1906)153*;  Wöste  westfäl.  86*;  Bauer- 
CoLLiTZ  waldeck.  41*;  Schambach  götting.-grubenh.  68^ ; 
Danneil  altmärk.  70^;  Mi  mecklenburg.-vorpomm.  29*; 
Frischeier  -preusz.  1,  253.  auch  im  niederhess.  noch 
bekannt;  doch  scheint  das  adj.  sonst  den  md.  maa.,  nach 
dem  schioeigen  der  idiotica  zu  schlieszen,  im  ganzen  fremd 
{bei  Hertel  salz.  17  als  ungebräuchlich  bezeichnet),  das 
litterarische  vorkommen  von  greis  grau  entspricht  diesem 
befunde.  das  obd.  hat  das  adj.  anscheinend  vom  nd.  emp- 
fangen (ahd.  fehlt  es  noch),  und  auf  obd.  boden  entwickelte 
sich  die  bedeutung  'alt';  auch  in  der  Schöpfung  des  subst. 
greis  scheint  das  obd.  vorangegangen,  diese  loeiterbildxmgen 
gehören  ^cesentlich  der  litteratursprache  an,  für  die  dialecte 
bedeuten  sie  wenig,  von  ihnen  findet  sich  nd.  nur  das  subst. 
bis  in  die  moderne  ma.  gelegentlich;  obd.  erscheint  das  adj. 
als  'alt'  nur  imalem.,  Staub-Tobler2,  799,  das  subst.  häu- 
figer, ib.  800;  Fischer  schwäb.  2,822;  Schmeller  1,1010; 
aber  im  schwäb.  liefert  z.  th.  noch  die  form  den  beweis, 
dasz  es  sich  um,  eine  entlehnung  aus  der  Schriftsprache 
handelt;  fürs  tirol.  wird  greis  subst.  bei  Schöpf  212  aus- 
drücklich als  volksunüblich  bezeichnet,  die  grundbedeu- 
tung  'grau'  ist  dem  obd.  in  nhd.  zeit  verloren  gegangen, 
wenigstens  im  litterarischen  gebrauch;  dialectisch  findet 
sich  die  alte  farbbezeichnung  noch,  merkwürdiger  weise 
aber  an  eine  form  des  adj.  gebunden,  die  von  der  zu  er- 
wartenden gestalt  abweicht:  alem.  mit  kürze  griss  oder 
grisch  grau  {schon  1676 :  der  wolf  wird  zwar  grisser,  aber 
niclit  besser  Staub -Tobler  2,  800);  griss  subst.  weisz 
und  schwarz  gefleckte  kuh;  vgl.  grisel  adj.  von  gemischter 
färbe,  weisz  und  schwarz  durcheinander  {schon  bei  NoT- 
ker  crisil  fuscum  Graff  4 ,  334) ;  grislen  /.  eine  so  ge- 
färbte ktih;  (g')grisslet,  was  grisel,  auch:  gesprenkelt,  ge- 
fleckt; griset  adj.  ebenso,  vgl.  greisig;  im  bair.  entsprechen 
formen  ohne  diphthongierung :  gris  canuto,  grigio  Schmel- 
ler cimbr.  126'';  vgl.  griset  adj.,  österr.  ziemlich  ver- 
breitet {tirol.  auch  griselet),  mit  derselben  schwankenden 
bedeutung  wie  im  alem,.,  s.  u.  greisig.  man  beachte,  dasz 
sich  zu  der  formalen  ausweichung  ein  auffallender  unter- 
schied der  bedeutung  gesellt;  vermuthlich  stehen  beide  er- 
scheinungen  in  Zusammenhang,  allem,  anschein  nach  liegt 
eine  toortv  er  mengung  vor,  aber  es  ist  fraglich,  ob  das  bei 
Staub-Tobler  2,  800  für  die  mit  Vsuffia;  gebildeten  for- 
men des  alem.  herangezogene  risel,  bezeichnung  gespren- 
kelter, mit  andersfarbigen  tupfen,  flecken  übersäter  thiere, 
zur  erklärung  ausreicht;  vgl.  auch  das  dän.  adj.  grisset 
von  grauer  oder  gemischter  färbe. 

3)  im  17.  jh.  erscheint  nicht  selten  die  Schreibung  greus, 
gräus:  alt  und  greüsz  Rompler  v.  Löwenhalt  erstes 
gebüsch  125;  bei  den  greüszen  {subst.)  94;  die  jungen  und 
grausen  Zesen  verm.  Helicon  (1656)  2, 133;  gräuser  bahrt 
s.  u.  I  A  2;  der  greuse  bisam  *.  m.  I  A  l.  ursprünglich 
wohl  nur  die  vermeintliche  iciederJierstellung  einer  schein- 
bar m,undartlich  entstellten  form,  wurde  diese  Schreibung 
auch  theoretisch  begründet  durch  etymologische  anknüp- 
fung  an  grau  und  grausen:  weil  man  ein  grausen  und 
abschäu  für  den  alten  hat  Belli  n  hd.  rechtschreibung 
(1657)  35.  noch  ende  des  18.  jhs.  musz  H.  Braun  die 
Schreibung  gräus  zurückweisen  wb.  (1793)  120".  vereinzelt 
gräisen  Grimmelshausen  Simpl.  4,767,30  Keller;  Hars- 
dörffer  teutsche  secretarius  2,  674. 

4)  zur  Schreibung  des  Spiranten  sei  bemerkt,  dasz  das 
ältere  nhd.  mit  ziemlicher  consequenz  im,  inlaut  s,  im, 
auslaut  sz  amvandte.  im  16.  jh.  erscheint  allerdings  greis 
noch  nicht  ganz  selten,  aber  im  17.  nur  sehr  spärlich: 
Birken  forts.  der  Pegnitz - schäferey  81;  Fleming  1,48. 
115  Lappenberg;    Butschky  Pathmos  (i677)  218;    umge- 

IV.  1.  6. 


kehrt  tritt  auch  sz  im  inlaut  auf:  A.  v.  Eyb  deutsche 
sehr.  2,  100,  20;  BiRKEN  ostländ.  lorbeerhäyn  (1657)  181; 
Treuer  deutscher  Dädalus  i,  71.  270;  Lohenstein 
Arminius  (1689/.)  1,  140*.  901*;  in  der  ersten  hälfte  des 
18.  jhs.  liegt  die  gleich'inäszige  moderne  Schreibart  mit  der 
alten  im  kämpf;  unter  dem,  vorgange  Stielers  {Stamm- 
baum 696)  dringt  greis  vom  md.  aus  vor:  Weighmann 
poesie  d.  Niedersachsen  1, 198;  Thomasius  ged.  u.  erinn.  1, 
vorr.  1;  Besser  sehr.  1,65  König;  Schwabe  belustigun- 
gen  l,  440;  Lichtwer  äsop.  fabeln  (1748)  24.  89;  Gott- 
sched neueste  ged.  (l750)  81;  ged.  (l75l)  1,170;  doch  hält 
sich  greisz  als  seltenere  form  noch  bis  ins  19.  jh. :  Hal- 
ler üsong  (1771)  69;  Hippel  lebensl.  2,  587;  Kretsch- 
mann  1,  71;  Göthe  IV  l,  255  Weim.;  Schubart  briefe 
1,51;  2,67  Strausz;  Schenkendorf  g'ed.  (1815)  179;  selbst 
im  inlaut  kommt  sz  noch  bis  ende  des  18.  jhs.  hie  und 
da  vor:  Uz  133  lit.  denkm.;  Hufeland  kunst  d.  menschl. 
leben  zu  verlängern  (1797)  119. 

I.  greis,  adjectivum. 

A.  grau,  und  zwar  bezeichnet  greis  gegenüber  grau  den 
helleren  ton;  daher  mit  'tceiszgrau,  hellgrau,  silbergrau' 
umschrieben  Wöste  86*;  Schambach  68'';  Frischbier 
1,  253;  Doornkaat-Koolman  l,  689*;  derselbe  unterschied 
gilt  fürs  nl.  Verwijs  en  Verdam  2,  2139. 

l)  die  dialecte  gebrauchen  das  adj.  mit  Vorliebe  neben 
ganz  bestimmten  begriffsgruppen ;  namentlich  vom  haar 
des  menschen  {auf  dem,  ganzen  nd.  gebiet);  dann  auch 
vom  haar-  und  federkleid  der  thiere:  ene  grise  katte 
Sghambach  68**;    grise  gos  wildgans  Wöste  86»;    vgl.: 

dazu  sind  noch  die  haselmeus, 

mit  ihren  breiten  schwentzlein  greis 

Rollenhagen  froschmeus.  2,  136, 14  Gödeke; 

der  schwartze  {bisam)  aber  ist  lang  so  gut  nicht,  als 
der  greuse  Arnold  wahrhaft,  beschreibungen  (1692)  207; 
daher  geurisse  Substantivierungen:  der  grise  esel  Frisch- 
bier 1,  253'';  den  griisen  nennt  der  pomm,ersche  bauer 
den  woü/ Dähnert  161»;  vgl.: 

sag,  jaufkint,  warumb  ist  der  walt  weisz 
und  warumb  ist  der  wolf  auch  greisz 

fastnachtsp.  555, 1; 
später  umgedreht: 

durch  waz  ist  der  walt  so  grise? 
durch  waz  ist  der  wolf  so  wise? 

Uhland  hoch-  u.  niederd.  Volkslieder  5; 

nichts  ist  da,  als  greise  wolfshäupter  J.  Grimm  Bein- 
hart fuchs  vorr.  LXii ;  in  diesem  gebrauch  als  eigen- 
name  auch  alem.  dialectbesitz  geworden :  griss,  grisel  grau- 
schim,mel,  schwarz  und  weisz  gefleckte  kuh,  graue  ziege 
Staub-Tobler  2,  800;  sprichwörtl. :  's  graue  {das  kalb) 
Schlot  der  grische  {der  alten  kuh)  noch  2,  799;  vgl.: 

also  kennt  gris  den  gromen  (graumann)  wol 
(ein  esel  kennt  den  andern) 
Murner  narrenbeschw.  72, 107  Oödeke; 

die  zweite,  mit  der  vorigen  allenfalls  vergleichbare  begriffs- 
gruppe  umfaszt  linnen,  tuch  u.  ä. :  griseus  pannus  gries 
düch  Diefenbach  nov.  gloss.  198»;  grise  {ungebleichte) 
lenewand  Sghambach  es*»;  Danneil  70*»;  Doornkaat- 
Koolman  1,689'*;  grise  tweren  ztcirn  Sghambach  68''; 

seht  an  disen  grlsen  roc 

W.  V.  D.  Vogelweide  XVIII  19; 

über  das  stifteten  auch  gemelte  eheleuth  von  ihrem 
gut  .  .  den  hauszarmen  leuthen  .  .  zehen  stück  griser 
und  wüllen  thuch  (man  heiszt  es  loden)  zur  Meldung 
auszzuspenden  Wolfg.  Hartmannus  Augsp.  chronica 
(1595)  165;  alle  jähre  wurden  einige  stücken  linnen  in 
der  haushaltung  gemacht  und  einige  greis  zugekauft, 
welche  sie  hernach  zusammen  bleichen  liesz  J.  Moser 
sämtl.  werke  1,  206;  daneben  in  mannigfachen  anderen  Ver- 
bindungen: griis  utkiken  von  kälte  blasz  aussehen  Berg- 
haus 1,  613'';  he  Word  gris  fan  kolde,  oder  fan  angst 
un  schrik  Doornkaat-Koolman  1,  689'';  hg  sügt  so  gris 
{fahl)  üt,  as  wen  hg  krank  is  ib.;  se  es  so  gris  as  ne 
hucke  Wöste  86»;  auch  niederhess.  von  fahlem  teint; 
grise  graite  {grete)  buttermilchsuppe  Wöste  86»;  grise 
grapen  ein  graues  gericht  brem.  ivb.  2,  546;  griser  (wn- 
gewaschener)  hals  Frischbier  1,  253; 

ö 


67 


1  GREIS 


1  GREIS 


68 


was  bös,  was  gut,  was  blaw,  was  greisz 
vater  nunmehr  ich  selber  weisz 

HoLLONius  freimuth  13^; 

erst  ist  sie  (die  butterblume)  gelb  und  wird  dann  greis 

TiECK  sehr.  2,  356. 

2)  zu  vollem  litterarischem  leben  ist  greis  grau  nur  in 
wenigen  Verbindungen  gelangt. 

a)  greises  haar  u.  ä.  in  mhd.  zeit  auch  obd.  ganz  ge- 
wöhnlich: 

gemischet  was  sin  (Hagens)  här 
mit  einer  grtsen  varwe  Nib.  1672,  3; 

der  hart  sin  was  von  alter  grls 
und  da  bl  des  häres  loc 

K.  V.  WtJRZBURG  Partonopier  20532 ; 

nhd.  seit  der  Opitzischen  reform  sehr  geläufig;  fast  aus- 
schlieszlich  in  poetischer  oder  doch  gehobener  spräche;  bis 
ins  19.  jh.  fast  nur  bei  norddeutschen  autoren: 

der  wangen  zier  verbleichet,      das  har  wird  greisz 

Opitz  teutsche  poemata  143  neudr. ; 
ich  schrie:  ihr  beiden  schont!  schont  meiner  greisen 

haare!     Gryphius  trauersp.  113  Palm; 
manch  greiser  hart  erstarrt  ob  meinen  gelben  hären  272; 
wann  sich  kraft  und  saft  verlieren,  . . 
schreyen  sie  erst  greisz  am  haare 
nach  dem  früling  ihrer  jähre 

TscHERNiNG  deutscher  getichte  früling  (1642)  107 
ihr  alten  greisz  von  haaren 

Spee  trutznaeht.  (1649)  167 
das  alter  kan  die  kunsf:  färbt  schwartze  haare  greisz 

LoGAU  sinnged.  180,  85  Eitner, 

des  alten  gräuser  bahrt  hing  noch  ganz  fol  bluthes 
Zesen  adriat.  Rosemund  112  neudr.;  ihm  sey  es  zwar 
umb  seine  greise  haare  nicht  so  leid  Lohenstein  Ar- 
minius  (1689/.)  l,  23^; 

sein  hart  war  greis,  nicht  wahr? 

Shakespeare  3, 162 ; 
er  mitten  drin,  von  greisem  haar  umhangen 

Eichend  ORFF  (1864)  1,424; 

Nereus  mit  greisem  haupt-  und  barthaar  Welcher  alte 
denkmäler  1,  206;  bildlich: 

ach  das  der  winter  sich  mit  seinem  greisen  haar 

verender'  in  den  lentz 

Opitz  teutsche  poemata  186  neudr. ; 

ich  kene,  und  scheze  seine  ferdinste  um  unsre  spräche; 
und  ich  habe  dise  durch  in  .  .  hir  und  da  in  noch  grei- 
seren hären  gesen,  als  ich  si  forhär  kante  Klopstogk 
über  spr.  u.  dichtkunst  3,  43;  wesentlich  erst  seit  dem 
19.  jÄ.  durch  litterarische  Übertragung  auch  bei  süddeut- 
schen: 

ward  ich  einen  mann  gewahr, 
arbeitsam  mit  greisem  haar 

Uhland  gedichte  (1898)  1,  40 
keinem  greiser  ward  das  haar 

Kerner  lyr.  ged.  (1847)  24 
in  den  härten,  langen,  greisen 

bilderbuch  (1849)  168 
rang  in  fruchtlos  blut'gem  ringen 
um  ihm  liebe  abzudringen 
für  des  mannes  greises  haar 

Grillparze  R  4, 109; 

seit  dem  ende  des  18.  jhs.  bei  einigen  auch  greise  locken : 
schluchzend  wälzt  sie  sich  auf  der  erde,  die  fauste  voll 
greiser  locken  maler  Müller  i,  105; 

0  reisz  mich  nicht  an  diesen 

greisen  locken  2,  241 ; 

ein  edler  lorbeer  ist  es,  der  die  greise 
verehrte  locke  der  erfahrung  schmückt 

Stägemann  krieg s-gesänge  62; 

wer  aber  kommt  die  haide  hergezogen . . 
das  haupt  von  greisen  locken  wild  umflogen? 

Lenau  53  Barthel; 
ich  schüttle  mit  Verzweiflung  greise  locken 

Chamisso  (1836)  4,  31. 

b)  greiser  köpf  u.  ä. ;  erheblich  seltener  als  greises  haar, 
im  übrigen  liegen  die  Verhältnisse  ähnlich;  die  ältere  zeit 
bevorzugt  köpf: 

wird  denn  mein  greiser  köpf  den  schönen  tag  erleben, 
der  unser  langes  leid  soll  durch  die  freud  aufheben? 

Gryphius  trauersp.  153  Palm; 

lasz,  greiser  wunder-kopf,  den  schwärm  der  grillen  fliegen ! 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  1,  242; 

als  der  kaiser  Augustus  sähe,  dasz  die  .  .  cammer-fräule 
seiner  tochter  Julia  die  grauen  haare  gar  sorgfaltig  aus- 


rupfeten,  fragete  er  seine  prinzessin  tochter,  ob  sie  lie- 
ber einen  kahlen,  oder  einen  greisen  köpf  haben  wolte? 
Lindenborn  Diogenes  (1742)  i,  500;  in  einer  .  .  weise  .  ., 
die  den  nüchternen  kenner  der  weit  befremdet,  der  den 
enthusiasmus  im  greisen  köpfe  und  den  schauder  vor 
der  wirklichen  weit  in  dem  gereiften  manne  nicht  dul- 
den mag  Gervinus  gesch.  d.  deutschen  dichtung  (l853) 
5,  198;  die  jüngere  zeit  zieht  das  poetischere  haupt  vor: 

bis,  wenn  dein  greises  haupt  zur  ruhe  sich  gesenket, 
ein  ewig  lied  von  dir  in  Davids  harfe  töhnt 

Drollinger  gedichte  92; 

eine  doppelte  Schlafmütze  auf  seinem  greisen  haupt 
Herder  15,  145; 

seht,  auf  die  brüst 
zielt  man !  nach  diesem  greisen  haupte! 

Schiller  12, 301 ; 
ach  in  deinen  schoosz  mein  greises  haupt! 

MALER  Müller  1, 107; 

der  ritter  von  Lichtenstein  richtete  sein  greises  haupt 
auf  Hauff  sämtl.  werke  i,  283; 

über  Apo's  greisem  haupte 
die  zwei  nachtigallen  schweben 

Brentano  (1852 #.)  3,451; 

Tages  .  .  .  ,  als  zwerghafter  wunderknabe  mit  greisem 
haupt  Gerhard  akad.  abhandl.  l,  299;  vgl. 

reizt  man  auch  noch  mit  greisem  kinn, 
und  beinen,  wie  ein  storch,  die  schöne? 

GoEKiNGK  gedichte  1,  147. 

c)  namentlich  in  mhd.  dichtung  nicht  selten  als  färbe 
des  winters: 

der  walt  stuont  aller  grise 

vor  sn§  und  ouch  vor  Ise  Neidhart  6, 1 ; 

die  boume  die  dö  stuonden  grls, 
die  habent  alle  ir  niuwez  rts 
vögele  vol  4,  36 ; 

die  beide  siht  man  von  dem  kalten  winter  grise 

V.  D.  Hagen  minnes.  1,  26''; 
auch  hagel  weisz,  auch  flocken  greisz 
von  schnee  und  eysz  entzogen 

Spee  trutznaeht.  (1649)  142; 
als  Phebus  in  den  Steinbock  trat, 
da  sähe  man  den  winter  kommen, 
den  winter,  welcher  kahl  und  greisz 
die  felder  überzog  mit  eisz         Rist  Pamasz  748; 

nv/r  mhd.  auch  vom  grauenden  tag: 

der  tac  schoen  unde  grise 
sin  lieht  beginnet  meren, 
und  muoz  ich  hinnen  kgren 

K.  V.  Würzburg  troj.  9180; 
des  morgens  d6  der  grtse 
tac  üf  dringen  solle  Partonopier  16394; 

ahnlich: 

si  sach  vil  ungerne 
gräwen  tac, 
den  morgensteme, 
diu  wölken  grise 

v.  D.  Hagen  minnes.  2,  237 »; 
vgl.  237''  (Mahner). 

B.  alt;  die  entwicklung  dieser  bedeutung  vollzieht  sich 
in  mhd.  zeit  auf  obd.  boden,  bezeichnenderweise  also  in 
einem  gebiet,  wo  das  adj.  anscheinend  nicht  einheimisch 
ist;  md.  erst  seit  dem  11.  jh.  häufiger;  den  dialecten  ist 
die  abgeleitete  bedeutung  im,  ganzen  fremd,  wenn  es  auch 
an  ansätzen  nicht  fehlt:  he  word  al  older  un  griser 
Doornkaat-Koolman  l,  689*';  vgl.  Staub-Tobler  2,  799. 

l)  am  fühlbarsten  icird  der  bedeutungsübergang  beim 
vergleich  gewisser  fälle  prädicativen  gebrauche,  wenn 
nämlich  greis  sein,  werden  mit  präpositionalen  aus- 
drücken verbunden  ivird: 

diu  {olbente)  was  frümec  unde  wls 
und  darzuo  vor  alter  gris 

Reinhart  fuchs  1440; 
und  ir  vil  starke  wisheit 
würd  üf  ir  vater  da  geleit 
der  von  alter  wsere  grls 

K.  V.  Würzburg  troj.  10945; 
von  manegen  kriegen  wart  er  grls 

U.  V.  Zatzikhoven  Lanzelet  46; 
jener  Engelmär, 
von  des  schulden  bin  ich  grls 

Neidhart  93,  6; 
vor  leide  werden  gris  Lexer  l,  1088  au^  U.  v.  Tür- 
heims  Willehalm; 


69 


1  GREIS 


1  GREIS 


70 


solt  ich  von  sorgen  werden  greis, 

und  nach  dem  schaden  klueg  und  weis 

0.  V.  Wolkenstein  87, 1  Schatz; 

noch  heute  dialectisch:  he  ergert  sik  gris  Wöste  86*; 
hier  ist  die  ursprüngliche  bedeutung  intact;  dagegen: 

und  {ich)  mag  in  zühten  werden  gns 

Winsbehin  6,  5 ; 
du  vervlühter  alte  unwis, 
in  gottes  vlüche  bistu  gris  Barlaam  317,  24; 

Verlan  myn  alte  wyse 
darin  ich  bin  worden  gryse 

Staub-Tobleb  2,  799  (a.  1557); 

du  träumst  dein  ganzes  leben,  wirst  greis  in  deiner  kind- 
heit        Dusch  verm.  werke  19 ; 

sollen  denn  wir  und  unsre  kinder  im  kriege  greis  wer- 
den und  nie  frieden  bekommen?  Niebuhr  röm.  gesch. 
3,  240;   man  vergleiche  weiter: 

juncherre  wls  (Christus), 

du  weere  gris : 

nun  zieret  dich  ein  brüner  vahs 

K.  V.  Würzburg  Ueder  u.  sprüche  1, 17 

U7id  die  bezeichnung  gottes  als  alter  greiser  jungeling 
Ackermann  aus  Böhmen  65,  17  Knieschek;  grau  und  greis 
ist  eine  alte  tautologische  formel;  und  doch  verschiebt 
sich  auch  in  ihr  allmählich  die  bedeutung: 

wer  daz  ieman  in  der  jugent 

von  tugenden  mochte  wesen  wls, 

so  was  er  (der  jüngling)  grä  unde  gris 

in  sime  hertzen  binne  H.  v.  Fritzlar  132; 

die  frau  sähe  in  (ihren  alten  mann)  übel  an. 

sie  sprach:  'kommstu  iez  von  Pareis? 

noch  bistu  aber  grau  und  greisz 

Fischart  ehzuchtbüchlin  261,31  Hauffen; 

dasz  damals  unsere  aufgäbe  war,  uns  von  den  über- 
lebten, greisen  und  grauen  Verhältnissen  der  mittleren 
Zeiten  auf  geistigem  wege  zu  befreien  Gervinus  gesch. 
d.  deutschen  dichtung  (1853)  5,  110. 

2)  gegenüber  solchem  schwanken  sichern  attribute  und 
antithesen  auch  schon  für  das  mhd.  die  bedeutung  'alt': 

du  wirst  der  buoche  wise: 
s6  bin  ich  der  järe  grtse 

Hartmann  v.  Aue  Gregoriua  1466; 
er  schein  der  järe  gris  und  alt 

K.  V.  Würzburg  Partonopier  4252; 
ich  dacht,  du  wärest  der  jar  ze  greys, 
das  du  lebst  nach  mannes  art 

HÄTZLERiN  liederbuch  280; 
ein  kel  wiz 
hat  wol  den  prls: 
si  machet  mich  an  lügende  gris 

V.  D.  Hagen  minnesinger  2,  65 1> ; 
sl  (die  junge)  hiez  sich  schöne  brisen 
und  huop  sich  von  der  grisen 

Neidhart  7,  5; 
die  jungen  zuo  den  grtsen 
Lamprecht  v.  Regensburg  Franciscus  254; 
die  höhin  und  di  wisen, 
die  jungen  und  die  grisen     Martina  83,  84 ; 

diese  im  mhd.  äuszerst  häufige  antithese  (Lexer  l,  1088) 
ist  im  nhd.  sehr  in  den  hintergrund  getreten: 

alles  Tfitschland  soll  si  prysen, 
die  jungen  und  die  grysen 

Tschudi  chron.  Helvet.  1,  489 ; 

das  jähr  ist  niemals  gleich,  bald  ist  es  kalt,  bald  heisz. 
wir  ändern  uns  mit  ihm,  itzt  sind  wir  jung,  bald  greis 

Fleming  deutsche  ged.  l,  115  Lappenberg ; 

die  jungen  und  grausen 

Zesen  verm.  Helicon  (1656)  2, 133 ; 

ein  in  jüngerer  zeit  beliebtes  oxymoron  ist  schlecht  ver- 
gleichbar, weil  greis  in  ihm  oft  eine  besondere  färbung 
hat:  aus  den  meisterstücken  menschlicher  dichtkunst 
.  .  (sind)  kindereien  geworden,  an  welchen  greise  kin- 
der und  junge  kinder  phrases  lernen  und  regeln  klau- 
ben Herder  5,  lll;  was  wollt  ihr  alte,  greise  kinds- 
köpfe  mit  euren  kindischen  vorurtheilen  und  ammen- 
märchen?  E.  M.  Arndt  sehr,  für  s.  l.  Deutschen  4,  64; 
'das  junge  Deutschland!'  —  deutsche  jungen  seid  ihr, 
weiter  nichts!  greise  Jünglinge,  die  als  philister  enden 
werden  Bauernfeld  ges.  sehr.  3,  304.  das  nhd.  bevor- 
zugt vielmehr  statt  der  antithese  die  paarung  alt  (und) 
greis,  die  mhd.  erst  recht  selten  erscheint: 

sage,  du  aide  griser  man  (Petrus), 
mich  duncket,  du  borest  Jhesum  an 

Alsfelder  passionsspiel  112,  3514  Grein; 


drauf  ir  habt  ein  alten  greisen 
ambtman  sitzen  in  seinem  hart 

teuerdank  249, 160  Oödeke; 

diese  waren  alte  greisze  .  .  .  weiber  Lohenstein  Ar- 
minius  (1689/.)  l,  901*; 

mir  gehn  die  äugen  über, 
mir  altem  greisen  mann 
Hoffmann  v.  Fallersleben  ges.  sehr.  3,  221 ; 
ain  ritter,  alt  und  greis, 
wolt  dienen  got  mit  fleisz 

HÄTZLERIN  liederbuch  163; 
wer  abr  sein  vatter  alt  und  greisz 
verlest,  der  wird  zu  schänden  werden 

H.  Sachs  19,13  Keller-Götze; 
du  machst  dein  mann  grau,  alt  und  greisz 

Wickram  4,  44  Balte-Scheel ; 
dasz  wir  auch  denen, 
so  nunmehr  alt  und  greüsz,  auch  kranck  und  kraftlos  seyn, 
noch  lange  lebenstag  und  jare  wünschen  wollen, 
das  möge  ich  keines  wegs 

Rompler  V.  Löwenhalt  erstes  gebüsch  125; 
ach  alter  man,  ach  greiser  man 

Uhland  hoch-  u.  niederd.  Volkslieder  1,254; 

die  reihenfolge  alt  —  greis  steht  durchaus  fest;  höchstens 
im  reim  um,gekehrt: 

nu  bistu  gris  und  alt, 
der  lip  ist  dir  von  alter  kalt 

Schauspiele  d.  mittelalters  1,  81,  200  Mone; 

erst  in  jüngerer  zeit  wird  greis  dem  substantivierten  alt 
vorangestellt: 

kaum,  dasz  erfahrung  noch  die  greisen  alten  lehrt 

Schwabe  belvstigungen  1, 199 ; 
was!  auf  das  feld?  mich  hülflos  greisen  alten? 

H.  v.  Kleist  2,  208; 
sechzehn  jähr'  —  und  wie  ein  greiser 
alter  sitz'  ich,  matt  und  krank 

Freiligrath  ges.  dicht.  (1870)  1,5; 

man  beachte,  wie  häufig  sich  die  bedeutung  nach  der 
Seite  des  gebrechlichen,  abgelebten  neigt;  besonders  deut- 
lich: 

einst  war  ich  jung  und  frisch 

jetzt  bin  ich  greis  und  alt         Herder  25,  565. 

3)  wo  das  mhd.  die  bedeutung  nuanciert,   geschieht  es 

meist  in   der  richtung  auf  die  iveisheit  und  erfahrung 

des  alters: 

ja  ist  si  (Minne)  gewaltec  der  tumben  und  der  grisen 

W.  v.  Eschenbach  Titurel  70,  1; 

swie  tumb  ich  doch  sl  der  tage, 
ich  sl  doch  wol  so  sinne  gris, 
daz  ich  behalt  wol  ritters  prls 
Ulr.  V.  Lichtenstein  frauend.  47,  7  Lachmann; 
du  waere  der  witze  gris 
und  der  järe  gar  ein  kint 

Tristan  als  mönch  2059; 
vgl. 

üf  stuont  der  fürsten  einer  d6, 
die  bl  dem  rate  wären,  . .  . 
des  libes  edellch  und  alt, 
beidiu  grise  unde  wlse 

Tristan  15351;  vgl.  2740; 

im  nhd.  steht  diese  bedeutung sschattierung  hinter  der 
untere  behandelten  (gebrechlich,  abgelebt)  erheblich  zurück: 

myn  narrheyt  loszt  mich  nit  sin  grys, 
ich  byn  fast  alt,  doch  gantz  unwys 

Seb.  Brant  narrensch.  8, 1  Zamcke 
die  fürsten  worent  ettwan  wisz, 
hattent  alt  rät,  gelert,  und  grysz  46,  64 

und  wenn  ein  greiszer  thor  dich  einen  neuling  nennt 

Günther  gedichte  (1735)  384 
auch  die  alten  und  die  greisen 
werden  nicht  im  rathe  ruhn 

Göthe  16,  373  Weim. 

4)  attributiv  in  älterer  spräche  besonders  neben  man; 
greiser  man  vertritt  vielfach  das  subst.  greis: 

einer  heizet  der  von  Berne, 
mit  dem  so  rit  ein  griser  man 

Virginal  81, 11 ; 
vgl.  mhd.  wb.  1,  577"; 

darauf  sprach 
mein  vatter  der  viel  greise  man 

Fischart  flöhatz  7, 139  neudr. ; 
von  mir,  der  ich  von  meinen  brüdern  hier 
ganz  ohne  kunst  das  kleine  lied  gesagt,  .  . 
von  mir  spricht  einst  vielleicht  ein  greiser  mann 

Seume  gedichte  (1804)  9; 

doch,  lebt  er  noch  hienieden, 
so  ist's  ein  greiser  mann 

Flaten  1,  20  Hempeh 


71 


1  GREIS 


1  GREIS 


72 


der  greise  mann  hatte  blüthen  und  blätter  sinnig  zu- 
sammengestellt HOLTEi  erzähl,  sehr.  7,  17;  wesentlich 
erst  seit  dem  18.  jh.  erweitert  sich  der  kreis  der  substan- 
tiva;  zunächst  meist  in  poetischer  spräche: 

der  Alster  greise  fürst,  der  schutzherr  ihrer  wellen, 
verliesz  den  kühlen  grund        König  gedickte  (1745)  313; 

in  lauben,  die  er  selbst  gepflanzt, 
der  greise  bürger  sitzet 

Miller  gedickte  (1783)  194; 

dasz  Thetis,  mit  dem  silbersaum, 

des  greisen  meergotts  tochter,  dich  berückt 

Bürger  602  Boktz; 

ehrt  eures  eignen  greisen  vaters  haupt 

in  diesem  greis  Schiller  Turandot  2243; 

der  noth  gehorchend,  nicht  dem  eignen  trieb 

tret'  ich  ihr  greisen  häupter  dieser  stadt 

heraus  zu  euch  braut  v.  Messina  2 

als  mir's  mein  greiser  vater  drohte 

Grillparzer  5, 174 

nun  spricht  ein  greiser  bauer 

in  seiner  knechte  kreis  Hebbel  6, 161 

besonders  seit  dem  19.  jh.,  dann  auch  in  der  prosa  ganz 
allgemein:  hier  segneten  greise  helden  ihre  söhne  Meisz- 
NER  Alcibiades  3,  79;  in  einem  schiffe  ist  der  greise  fähr- 
mann  .  .  abgebildet  Göthe  48,  93  Weim.;  greiser  beamten 
und  officiere  .  .  giebt  es  hier  eine  menge  Immermann 

1,  199  Hempel;  die  erstorbene  zeugungskraft  greiser  ehe- 
leute  neu  beleben,  konnte  gott  als  sehöpfer  .  .  der  weit 
Strausz  4,  37;  der  greise  neunzigjährige  Gutzkow  ritter 
V.  geist  (i850^.)  i,  32;  seit  mehreren  jähren  war  nun 
der  greise  kantor  und  stiftsherr  von  Mure  tot  Keller 
6,  40;  die  priesterinnen,  greise  frauen  in  weiszen  linne- 
nen  gewändern  Mommsen  röm.  gesch.  2,  173;  vgl.  l,  807; 

2,  207.  257;  der  ton,  in  welchem  er  redete,  glich  dem 
eines  greisen  warners,  der  junge  verirrte  von  einem 
verderblichen  vorhaben  abmahnt  Moltke  sehr.  u.  denk- 
würdigk.  i,  58;  aus  furcht  vor  der  fremde,  wo  sie  des 
greisen  königs  gemahl  werden  sollte  Storm  i,  47 ;  jung 
scheint  der  gebrauch  neben  eigennamen:  zuerst  sang  sie 
die  grotte,  wo  der  greise  Saturnus  nickt  maler  Müller 
1,  149;  bei  der  leichenfeier  des  Patroklus  erweist  er  dem 
greisen  Nestor  die  höchste  achtung  und  ehre  Hegel 
10 1,  305;  der  greise  Voss  .  .  .  erhob  jetzt  freudig  seine 
stimme  Treitschke  deutsche  gesch.  (1897)  8, 194;  nament- 
lich der  greise  Lappenberg  unterhielt  sich  lange  .  .  mit 
dem  manne  Steub  drei  sommer  in  Tirol  l.  16;  selten 
von  thieren:  machte  den  greisen  Sultan,  den  ältesten 
der  Mühlenhof-hunde,  von  der  kette  los  HoltEi  erzähl, 
sehr.  5,  197. 

6)  ganz  jung  ist  die  anwendung  des  adj.  auf  theile 
des  körpers,  an  denen  das  alter  besonders  in  erscheinung 
tritt;  namentlich  greises  gesicht  ist  bei  netteren  erzäh- 
lern  ziemlich  häufig:  es  erschreckte  mich  nur,  dasz  .  . 
kindereien  und  thorheit  plötzlich  aus  dem  greisen  ant- 
litze  eines  magiers  mir  wieder  lebendig  würden  Tieck 
Schriften  20,  124;  den  eigensinn  des  greisen  gesichts 
Ludwig  1,  146;  ein  frösteln  durchfuhr  den  jüngling,  als 
er  in  das  greise  feierliche  angesicht  des  meisters  blickte 
Storm  3,  23;  anderes  mehr  poetisch: 

mein  greises  gebein  ist  schwer  und  leer 

Strachwitz  gedickte  (1850)  337; 
sie  (die  freikeit)  kleidet  sich  zu  dieser  zeit  in  vielerlei  ge- 
stalten : 
bald  weih,  bald  mann,  bald  nur  ein  kind,  bald  hat  sie  greise 

falten 
W.  Müller  gedickte  (1868)  2, 131 ; 
vgl. 

horch!  wie  in  hellen  kinderstimmen  singt 
die  lebensahnung,  und  zusammenklingt 
mit  greiser  stimmen  tiefem  todesahnen 

Lenau  4,  139  Grün; 
die  lust  beflügelt  ihren  greisen  schritt 

M.  Beer  sämtl.  werke  217. 
6)   soweit   greis   nicht  mit   personen   verbunden   wird, 
steht  es  weit  überidegend  neben  abstracten  begriffen;  nur 
ganz  selten  neben  concretis: 

greise  flehten  splittern 

Körner  2,  239  Hempel; 
in  der  ruine  dort,  die  greis 
hintrauert 
RoQUETTE  Waldmeisters  brautfahrt  (1874)  76; 


die  greise  thurmuhr  rasselte  zwei  viertel  nach  zehn 
HoLTEi  erzähl,  sehr.  35,  21. 

a)  neid  weret  lang,  wird  alt  und  greisz 

H.  Sachs  3,  341  Keller; 

sein  rühm,  der  wird  nicht  greis, 
sproszt  immer  jung  herfür 

Fleming  deutsche  gedickte  1,  48  Lappenberg; 

schön  und  blühend,  wie  die  jugend 

des  heiigen  eichbaums  grünt, 

war  er  der  fürsten  liebling,  hatte  sich  durch  tugend 

viel  greisen  rühm  verdient  Kretschmann  1, 126 ; 

da,  nach  des  herbstes  mildem  segen, 

das  greise  jähr  mit  kaltem  regen 

die  Auren  umgewühlt  Uz  361  Sauer; 

Theanor  .  . 

.  .  sah  den  greisen  tag  im  lichten  sterbgewand 

Pfeffel  poet.  versuche  1, 198 ; 

auch  für  'alt'  im  sinne  'vor  langer  zeit  entstanden': 

was  uns  die  gottesfurcht  und  greiser  brauch  befiehlt, 
das  nehmet  von  mir  an 

Fleming  deutsche  gedickte  l,  121  Lappenberg ; 

ein  greises  wort,  vielberühmt  den  menschen,  lautet  also 
Droysen  Äschylus  (1841)  68; 
auch  umgekehrt  für  'spät': 

so  lange  wird  man  dich  der  greisen  nachweit  melden 

Lohenstein  Arminius  (1689/.)  1,  e5; 
vgl. : 

aber  ich  {die  kunst),  ich  weisz  zuzieren 
mich  mit  greiser  ewigkeit 

Knittel  poet.  sinnenfrückte  (1677)  138; 

also  wesentlich  in  poetischer  spräche;  anscheinend  liegt 
ein  urspr.  bildliclier,  vom  greisen  menschen  her  über- 
tragener gebrauch  vor. 

b)  nur  in  zwei  fällen  ist  greis,  ohne  mit  personen 
verbunden  zu  sein,  bestandtheil  der  prosasprache  gewor- 
den; greises  alter  {oft  mit  dem  nebensinn  des  gebrech- 
lichen, vgl.  oben  2) : 

dann  welcher  haszt  das  alter  greis, 
der  wirt  der  jaren  nimmer  alt 

Wickram  3,  155  Bolte-Scheel ; 

kombt  ...  in  dem  schwachen  unholden  greisen  alter 
{geschr.  Alter)  der  tod  Harsdörffer  der  teutsche  secre- 
tarius  2,  40;  diese  flamme  hätte  nun  auch  die  .  .  . 
seele  des  feldherrn  Marcomius  angefeuret:  dasz  seine 
andacht  weder  im  greissen  alter  {geschr.  Alter)  noch 
im  tode  erkaltet  wäre  Lohenstein  Arminius  (1689/.) 
1,  140*;  vgl.  2,  572*^;  über  diesen  beschwerden  kömmt 
unvermuthet  das  greise  alter,  wo  gleichsam  alle 
Schwachheiten  der  menschlichen  natur  zusammen  flie- 
szen  disc.  d.  mahlern  4,  38;  er  {Kant)  in  seinen  blü- 
hendsten Jahren  hatte  die  fröhliche  munterkeit  eines 
jünglinges,  die,  wie  ich  glaube,  ihn  auch  in  sein  grei- 
sestes alter  begleitet  Herder  17,  404;  aber  das  alter 
musz  nicht  greis,  das  beharrliche  nicht  eigensinnig, 
der  stillstand  nicht  sogleich  der  tod  sein  Gutzkow  ges. 
toerke  7,  129;  ähnlich:  denn  ungeachtet  die  greise  zeit 
bey  diesem  greisen  schon  alles  andere  teuer  ausgelescht 
hatte  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  2,  43*; 

du  {graf  Eberhard)  schlugst  dich  unverwüstlich  noch  greise 

jähr'  entlang 
Uhland  1,  242  Fränkel; 

dazu  kommt  erst  in  jüngerer  zeit  greis  bei  epochen,  poli- 
tischen und  socialen  gebilden  {oft  mit  dem  nebensinn  des 
senilen):  ich  will  vielmehr  mit  der  Unschuld,  mit  der 
Plato  seinen  greisen  erlaubt,  die  spiele  der  muntern 
Jugend  anzusehen,  aus  meinem  greisen  Zeitalter  hinaus- 
treten Herder  3,  298;  gilt  der  Vorwurf  der  lobrednerei 
veralteter  zeiten  nicht  ebenso  gut  greisen  körperschaften 
als  einzelnen  greisen?  Jean  Paul  34,  14  Hempel;  ist 
das  greise  Europa  bestimmt,  vom  jugendlichen  Amerika 
überwunden  zu  werden?  Gvtzk.o'w  ges.  werke  S,Bb;  das 
wort  aus  der  bekannten  grabschrift  'als  greis  leicht- 
sinnig und  grillig'  gilt  auch  vom  greisen  hellenenthume 
Nietzsche  i,  80. 

n.  greis,  substantivum. 

A.  flexi on.  die  st.  flexion  hat  sich  zuerst  auf  md. 
boden  ausgebreitet;  sie  erscheint  vereinzelt  schon  mnd. 
(Schiller-Lübben  2, 149*),  ist  aber  erst  mit  der  l.  hälfte 


73 


1  GREIS 


1  GREIS 


74 


des  18.  jhs.  zur  herrschaft  gelangt:  greis  acc.  sg.  Ziegler 
asiat.  Banise  (1689)  625;  Hahn  einl.  z.  teutsch.  staats-hist.  3, 
171 ;  Besser  sehr,  i,  &b König;  Sghönaich  Hermann  (l75l) 
8;  greises  Gramer  nord.  aufseher  1,68;  greise  dat.  sg.  Les- 
sing 2,  291,  2;  noni.pl.  Schnabel  insel  Felsenburg  77,  22 
Ullrich;  Sghönaich  Heinr.  d.  vogler  (1757)  20;  Stein- 
BAGH  setzt  als  pl.  greisze  an  wb.  l,  637;  bis  ins  ende  des 
17.  jhs.  herrscht  md.  durchaus  schw.  ftexion;  im  18.  jh. 
nur  noch  selten:  dat.  sg.  Brockes  ird.  vergnügen  2, 166; 
Triller  poet.  betracht.  l,  300;  aber  selbst  im  id.jh.  noch 
möglich,  freilich  meist  im  gen.  sg.,  wo  die  schw.  form 
aus  euphonischen  gründen  der  st.  vorgezogen  wurde  (vgl.  u. 
Schiller);  so  bei  Fouque  altsächs.  bildersaal  4,  72; 
Strachwitz  ged.  (i850)  105;  für  acc.  sg.  bei  Chamisso 
(1836)  3,  293;  4,  36;  nd.  dialecte  haben  die  schw.  fleodon 
ebenfalls  lange  gehalten  Schütze  holst.  2,  67.  —  dem 
md.  folgt  das  bair. ;  in  Nürnberg  kämpfen  schon  im  17.  jh. 
st.  und  schw.  fleodon:  greisen  gen.  sg.  Harsdörffer 
frauenz.-gesprechsp.  5,  54;  greisse  gen.  pl.  teutsche  secre- 
tarius  (1656)  1,  506;  greissen  dat.  sg.  Birken  osüänd. 
loröeerhayn  181;  greis  acc.  sg.  forts.  d.  Pegnitz-schäferey 
81;  im  18.  jh.  herrschen  dann  die  st.  formen:  greises 
Mast  ALIER  ged.  (1774)  102,2;  greise  dat.  sg.  Mayr  päck- 
chen  Satiren  (1769)  54;  greis  acc.  samml.  v.  Schauspielen 
{Wien  1764 jf.)  1,45;  doch  bei  Denis  noch  mehrfach  schwach, 
lieder  Sineds  (1772)  169,  22;    200,  8;    noch  bei  Schmeller 

1,  1010  plur.  greisen.  —  am  zähesten  halten  die  alem,. 
dialecte  die  schw.  formen;  sie  hat  Adelung  anscheinend 
im  äuge,  wenn  er  dem  wort  im  obd.  schw.  fleodon  zu- 
schreibt, lehrgebäude  1,  405.  im  schwäb.  vollzieht  sich  der 
Übergang  erst  spät  im  18.  jh.;  der  junge  Wieland  sagt  im 
acc.  sg.  den  greisen  3,  6  akad.  ausg.;  der  junge  Schiller 
gebraucht  nach  Pfleiderer  beitr.  28,  334  bis  1782  nur  die 
schw.  formen  {doch  greise  nom.  pl.  2,  95  [räuber]),  um, 
später  ebenso  entschieden  die  st.  zu  bevorzugen;  nur  im, 
gen.  sg.  ist  er  der  form,  greisen  treu  geblieben;  auch 
Sghubart  schivankt:  schw.  formen  s.  bd  Pfleiderer 
a.  a.  0.,  dazu  greisen  dat.  sg.  sämtl.  ged.  l,  191,  aber 
greise    nom.  pl.  ästhetik  d.  tonkunst   14.  73;    sämtl.  ged. 

2,  26 ;  gen.  pl.  2,  280 ;  vereinzelt  noch  spät  im  19.  jh. :  des 
greisen  {ideder  gen.  /)  Mörike  l,  97  Göschen  {aber  dem 
greise  l ,  263) ;  nach  Pfleiderer  haben  auch  schwäb. 
grammatiker  bis  zu  Gayler  {deutsche  declin.  mit  beson- 
derer rücksicht  a.  d.  schwäb.  dial.  [1835]  lll)  die  richtig- 
kdt  der  schw.  fleodon  vertreten;  sehwdz.  erschdnt  schon 
merkwürdig  früh  eine  ganz  verdnzelte  st.  form,:  ein  alten 
grysz  in  den  sehwdz.  schausp.  des  16.  jhs.  {s.  u.  3  a); 
gibt  hier  der  gebrauch  als  schelticort  die  erklärung?  noch 
im  18.  jh.  fast  ausnahmslos  schwach  {aber:  einen  . .  greisz 
Haller  Usong  69) ;  auch  noch  im  19.  jh. :  acc.  sg.  U.  Heg- 
ner ges.  sehr.  5,  86;  dat.  sg.  G.Keller  6, 184  {aber:  einem 
greise  2,  91);  nach  Staub-Tobler  2,  800  noch  in  heutiger 
m,a.  plur.  grisen.  —  auch  bd  Rheinfranken  noch  ziemlich 
spät;  gen.  pl.  Brentano  6,  202;  vielldcht  noch  bd  Ger- 
viNUS:  dennoch  bedurfte  es  nur  einer  poetischen  zeit 
wie  1813,  um  den  greisen  (JV.  Stolberg)  noch  einmal  für 
das  irdische  lebendig  zu  machen  gesch.  d.  deutsch,  dicht. 
(1853)  5,  43.  —  vorstehendes  gilt  nur  für  die  obliquen 
casus;  im  nom.  sg.  Jierrscht  schon  im  16.  jh.  die  form 
greis  überall;  vgl.  Luther  20,  255, 14  Wdm.;  fastnachtsp. 
316,  9;  teuerdank  183,  134  Qödeke;  H.  Sachs  17,319,6 
Keller-Götze;  Zimm.  ehren.  1,  595,  47;  597,  33  Barack; 
Gengenbach  35  Gödeke;  Boltz  Terenz  (l539)  99*;  Seb. 
Franck  Germ,  chron.  26*;  Fischart  Eulenspiegel  8,  190 
Hauffen;  aber  der  greise  erschdnt  bis  ins  17.  jh.  im 
ganzen  Sprachgebiet  noch  gelegentlich,  so  bd  Forster 
frische  teutsche  liedlein  98,  Liii  1  neudr.;  D.  v.  d.  Werder 
rasender  Eoland  (1638)  8;  Mosch erosgh  gesichte  (1650) 
2,  146;  Happel  akad.  roman  (i690)  542;  auch  die  lexiko- 
graphen  sind  um  die  wende  des  16.  und  17.  jhs.  noch  nicht 
entschieden:  ein  alter  greise  Kramer  teutsch-ital.  (l700) 
1,  563*';  alter  greis,  aber:  die  alte  greisen;  der  greise 
verkehrt  oft  nicht  seine  weise  Stieler  696;  verdnzelt 
noch  im  18.  jh.:  ich  greise  Denis  lieder  Sineds  (1772) 
120,  9;  tde  lange  das  wort  als  ein  ursprüngliches  adj. 
empfunden  wurde,  zeigt  die  noch  spät  mögliche  prono- 
minale fleodon: 


musz  ein  priester,  musz  ein  greiser 
für  den  thüren  bettlen  gehn? 

Rist  friedejauehz.  Deutschland  (1653)  18; 

einer  wäre  ein  alter  greiser,  der  seine  schwachen  beine 
mit  krücken  stützete  Lindenborn  Diogenes  (1742)  1, 701. 

B.  gebrauch,  das  subst.  wurzelt  in  der  abgeldteten 
bedeutung  des  adj.  greis,  nämlich  'alt'  {über  Substanti- 
vierungen des  adj.  in  der  bedeutung  'grau'  s.  I  A  l) ;  da 
das  adj.  in  diesem  sinne  ursprünglich  auf  personen  be- 
schränkt war,  gilt  auch  das  subst.  nur  von  alten  men- 
schen; ausnahmen  sind  durch  bildlichen  gebrauch  zu  er- 
klären : 

ein  greis  der  käfer  redt  ihm  zu 

LiCHTWER  äsop.  fabeln  (1748)  24; 

erstaunlich  ists,  was  man  unter  den  kaltblütigen  was- 
serbewohnern  .  .  für  greisze  findet  Hufeland  kunst  d. 
menschl.  leben  zu  verlängern  119. 

1)  a)  zahlenmäszige  begrenzung: 

sechtzig  jar  gehet  dichs  alter  an 
sibentzig  jar  ein  greisz, 
achtzig  jar  nimmer  weise 

schöne  weise  klugreden  (1548)  76*; 

vgl.  Agricola  750  teutscher  sprichw.  (l534)  Z  ii";  das 
reimwort  weise  wdst  noch  auf  die  ursprüngliche  schw. 
form,  greise;  dagegen  schdnt  die  heute  übliche  gestalt 
des  letzten  verses  achtzig  jähr  schneeweisz  zu  jung,  um 
unmittelbar  durch  die  Verkürzung  von  greis  hervorgerufen 
zu  sdn;  im,  18.  jh.  noch  die  tirspr.  fassung  ThomasiüS 
gedanken  u.  erinn.  1,  vorr.  i;  Eisenhart  grundsätze  der 
deutschen  rechte  in  sprüchw.  28;  es  ist  ein  groszes  ver- 
gnügen, einen  greis  so  zu  sehen,  obgleich  über  70  jähre, 
ist  er  doch  .  .  gesund,  thätig,  frölich  Nicolai  rdse  d. 
Deutschland  1,  193;  allein  Petrus  Diaconus  thut  der 
Sachen  ohnstreitig  zu  viel,  wenn  er  Lotharium  zu  einem 
hundertjährigen  greisz  macht  Hahn  dnl.  zu  d.  teutschen 
Staats-historie  3,171;  so  satt  hat  kein  100 jähriger  greisz 
gelebt,  als  ich  40jähriger  elender  Schubart  briefe  2,  67 
Strausz;  so  überholt  mancher  zwanzigjährige  Jüngling 
den  hundertjährigen  greis  Pückler  briefw.  u.  tageb. 
2,  231. 

b)  häufiger  ist  dne  schddung  nach  lebensepochen: 

er  kennet  dich  nunmehr  als  Jüngling,  mann  und  greis 

Besser  Schriften  l,  65  König; 
da  war  jedem  die  zunge  gelöst;  es  sprachen  die  greise, 
männer  und  Jünglinge  laut  voll  hohen  sinns  und  gefühles 
GÖTHE  Herrn,  u.  Bor.  6,  38 ; 

bringet  sie  {die  wahrhdt)  der  Jugend,  den  erwachsenen, 
den  greisen  bey  Haller  restaur.  d.  staatsidss.  l,  lxvi; 
es  wäre,  als  erhöbe  sich  der  Jüngling  über  den  mann, 
der  mann  über  den  greis  Fouque  gefühle,  bilder  (1819) 
1,  95; 

nach  gold  und  vorrang  gieren  wir,  mann  und  greis 

Voss  sämtl.  ged.  (1802)  3,  32; 

kommt  ihr  männer  und  greise! 

Schubart  sämtl.  ged.  (1825)  2,  26 ; 

den  Jüngling  Walther  sieht  man  in  seinen  gedieh ten 
mann  und  greis  werden  Gervinus  gesch.  d.  deutschen 
dichtung  (l853)  l,  314;  — 

der  gottlosz  wird  an  haarn  ein  greisz, 

aber  an  dem  verstand  nicht  weisz 

Eyering  proverö.  1,40; 
(Harris)  gute  menschen  leben  lange.  (Mertens)  so  wür- 
den sie  ein  greis  H.  Beck  rettung  für  rettung  (I801)  140; 

reift  vollends  hinan  zum  greis  er, 
jede  Schmach  musz  dulden  er  dann 

Platen  1,  223  Hempel; 
er  wurde  schon  ein  greis,  da  er  zu  schreiben  begann 
HoLTEi  erz.  sehr.  3,  64;  häufig  ist  der  in  den  himmel 
zurückgekehrte  gott  zum  greise  geworden  Ratzel  Völ- 
kerkunde 2,  91;  — 

er  sparte  als  greis  den  rest  seiner  kräfte 

KoRTUM  Jobsiade  (1799)  1, 104; 

was  physische  erdkunde  .  .  J.  Banks,  dem  greise,  ver- 
dankt Ritter  erdkicnde  l,  34;  wie  von  Goethe's  Wahr- 
heit und  dichtung  geurtheilt  worden  ist,  dasz  der  greis 
in  der  ruhigen  klarheit  des  alters  sich  in  die  stürme 
und  Wirrnisse  seiner  Jugend  gar  nicht  mehr  recht  habe 
hineindenken   können   Strausz   Schubarts  leben  l,  xv; 


75 


1  GREIS 


1  GREIS 


76 


unberührt  von  den  Umwälzungen  der  stürm-  und  drang- 
zeit  freute  er  sich  noch  als  greis  seines  Gleims  Mei- 
necke Boyen  i,  51;  er  {der  köpf  des  Sophokles)  .  .  stellt 
überhaupt  den  greis  vor,  nur  nicht  mit  so  starkem 
ausdruck  des  alters  wie  die  unten  vorkommende  erz- 
büste  Welcher  alte  denkmäler  i,  459;  neben  eigennamen: 
also  sagt  der  alte  betagte  und  lebenssatte  greiss  Simeon 
Dannhawer  catechismus  milch  {ie57ff.)  2,  64;  besonders 
im  episcJien  stil: 

Ilioneus  treffliches  schiff,  und  des  tapfern  Achates, 
Abates,  und  des  greisen  (geschr.  Greisen)  Alethes   sind  alle 

vom  stürme 
ttbermeistert  (grandaevos  Aletes  Äneis  1, 121) 

Schiller  1, 123; 

um  des  thebaiischen  greises  Teiresias  seele  zu  fragen 

Voss  Odiissee  188,  492  Bernays; 
da  reichten  alle  gaste  dir, 
greisz  Siegmar,  ihre  bände 

Kretschmann  sämtt.  werke  1,  71 ; 

bin  ich  doch  der  greis  Olympos, 
den  die  ganze  weit  vernahm 

GÖTHE  3,  219  Weim. 

c)  wo  die  bedeutung  irgendwie  gefärbt  ist,  gesellt  sich 
ihr  meistens,  wie  beim  adj.,  der  begriff  des  abgelebten, 
zum  tode  reifen:  denn  ungeachtet  die  greise  zeit  bey 
diesem  greisen  schon  alles  andere  teuer  ausgelescht 
hatte;  war  doch  das  teuer  seiner  väterlichen  Zuneigung 
.  .  so  thätig  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  2,  43"; 
das  müssen  reize  sondergleichen  seyn, 
die  einen  greis  in  solches  feuer  setzen, 

Schiller  Maria  Stuart  1401 ; 

da  bleibt  ein  gr^s   nicht   kalt   Müllner  dram.  werke 

(1828)   7,  187; 

du  irrest  Salomo! 
nicht  alles  nenn'  ich  eitel; 
bleibt  doch  dem  greise  selbst 
noch  immer  wein  und  beutel 

GÖTHE  3,  280  Weim. ;  — 
wie  bebt  der  greisz, 
dafem  er  weisz, 

das  itzt  der  tod  auf  ihn  die  sichel  wetzet 
MoRHOF  Unterricht  v.  d.  dtsch.  spr.  (1682)  1,  762; 
wann  zeit  und  Schwachheit  ihn  dem  grabe  näher  leiten, 
seufzt  der  betrübte  greis,  und  schmählet  auf  die  zeiten 

Cronegk  Schriften  (1766)  2,  83; 
röchelnd  hofft  es  der  greis,  du  wirst  unsterblich  seyn 

Schiller  1,  42; 

ein  greis  am  rande  des  grabes  zieht  die  summe  seiner 
existenz  Sgherer  kl.  sehr,  l,  15;  oder  der  begriff  des 
ohnmächtigen:  was  hab'  ich  dir  denn,  wenn  ich  so  ein 
greis  bin,  zu  leide  thun  können  Wieland  Lucian  (1788) 

2,  34; 

habt  ihr  denn  gar  kein  eingeweid',  dasz  ihr 

den  greis,  der  kaum  sich  selber  schleppen  kann, 

zum  harten  frohndienst  treibt?         Schiller  Teil  366; 

wo  Witwen  und  waisen,  greise  und  krüppel  an  den 
wasserströmen  sitzen  und  heulen  Sghubart  ästhetik  d. 
tonkunst  73;  in  diesem  sinne  ganz  stereotyp,  wo  gewalt- 
thätigkeiten  wehrlosen  gegenüber  geschildert  werden  sollen: 
morgen  . .  ersteigt  er  unsre  höhen  . .  ermordet  die  greise 
Klinger  neues  theater  l,  21; 

das  winseln  deiner  greise  ruft:  'erwache  1' 

KÖRNER  1, 122  Hempel; 

du  bist  Almansor  nicht,  sonst  dränge  dir 
ins  ohr  der  greise  und  der  weiber  wimmern 

Heine  2,  295  Elster; 
weitere  belege  s.  u.  2;  seltener  und  schwächer  klingt  der 
begriff  des  ehrwürdigen  an: 

stirb,  prophetischer  greis,  stirb! 

Klopstock  Oden  l,  107  Muncker-Pawel; 
so  war,  zu  Breslaus  rühm,  der  theure  greis  gelehrt 

KÄSTNER  verm.  sehr.  1, 109 ; 
wo  sind  edlere  thränen,  als  die  auf  den  wangen  des 
greises,   der  gleich   einer  alten  eiche   dasteht   Herder 

3,  29;  kronischer  greis  für  Homer  Voss  antisymb.  44; 
ebenso:  es  ist  eine  süsze  stunde  meines  lebens  .  .  in 
welcher  ich  ihnen  das  lied  des  göttlichen  greises  über- 
reiche ges.  tcerke  der  brüder  Stolberg  11  vorr.;  dasz 
ein  umherirrender  greis  den  segen  .  .  nicht  der  undank- 
baren Vaterstadt,  sondern  gastfreien  fremdlingen  zu- 
wendet G.  Freytag  14,  153;  der  segen  eines  greises 
wird  dir  nicht  schaden  Pocci  komödienbüchlein  5,  19; 
nd.  wenigstens  in  einer  wendung  prägnant  für  den  blö- 


den, geistesgeschwächten  greis:  he  brukt  em  vom  griesen 
er  hat  ihn  zum  besten  Schütze  holst.  2,  67. 

d)  sprichwörtlich:  der  greisz  verkert  nit  sein  weysz 
See.  Franck  sprüchw.  (l54l)  2,22*^;  vgl.  Henisgh  1739; 
Stieler  696;  danach: 

dieweil  ich  mich  nicht  hoch  erschwing, 

sonder  behalt  mein  eulenweisz, 

die  nicht  hoch  steigt,  gleich  wie  ein  greisz 

Fischart  Eulenspiegel  8, 190  Hauffen; 
bulerei  und  stekenreiten,  wan  ich  etwas  merken  kan, 
stehet  eines  wie  das  ander'  einem  alten  greisen  an 

Grob  dichter.  Versuchung  26; 

so  oft  sie  alte  greisen  sehen  auf  dem  stecken  reiten 
disc.  d.  mahlern  i,  3;  die  alte  greisen  soll  man  ehren 
Stieler  696. 

2)  antithetische  Verbindungen. 

a)  am  häufigsten  kind  und  greis: 

was  hab'  ich  dessen  frommen, 
ob  ich  ein  kind,  ob  ich  ein  greisz 
von  hie  werd  hingenommen? 

SiM.  Dach  157  Osterley; 
die  parzen  reiszen 
die  Kinder  und  greisen 
alle  mit  einerlei  sichel  dahin 

Erlach  Volkslieder  d.  Deutschen  3,  305; 

im  eigentlichen  metaphysischen  verstände  ist  schon  nie 
6ine  spräche  bei  mann  und  weih,  vater  und  söhn,  kind 
und  greis  möglich  Herder  5,  124; 

freiheit!  freiheit!  .  .  . 

es  sei  des  kindes  erster  laut, 

es  sei  des  greises  letztes  wort 

HoFFM.  V.  Fallersleben  ged.^  400; 

durch  solche  sprachliche  Spielereien  wird  zuletzt  be- 
wiesen, dasz  ein  greis  ein  kind,  und  ein  kind  ein  greis 
sei  BiSMARGK  polit.  reden  3, 18;  besonders  beliebt  in  fäl- 
len wie:  kranke,  sagst  du,  greise  und  kinder  {sind  bei 
dem  Überfall  umgekommen)'!  Schiller  2,  95;  von  allen 
selten  schallte  ihm  das  geschrei  der  kinder,  der  greise 
entgegen,  die  man  ermordete  4,  168;  jene  wehrlosen 
flüchtlinge,  weiber,  greise  und  kinder,  sahen  sich  nun 
der  wuth  des  entsetzlichen  .  .  .  feindes  preisgegeben 
Ranke  reform,  gesch.  8,  307  {vgl.  o.  1  c);  in  diesem  ge- 
brauch auch  gesteigert: 

der  rauch  von  Friedrichs  festen  städten 

wirbelte  mit  dem  Jammergeächz' 

der  Säuglinge,  der  greise, 

der  schwangern  und  kranken  gen  himmel 

Schubart  sämtl.  ged.  (1835)  2,  280 ; 

mit  teuer  und  schwert  soll  diese  stadt  heimgesucht  wer- 
den, und  greise  und  Säuglinge  sollen  für  den  ungehorsam 
büszen  Meisl  theatral.  guodlibet  1,  203;  nicht  so  häufig 
ist  Jüngling  und  greis,  das  etwa  dem  mJid.  die  jungen 
und  die  grisen  entspricht  und  den  begriff  greis  iceniger 
extrem  faszt:  dann  werden  Jünglinge  und  greise  den 
tod  fürs  Vaterland  .  .  betrachten  lernen  Th.  Abbt  verm. 
werke  2,  41;  sie  kann  den  Jüngling  wie  den  greis  ge- 
winnen Gleim  briefiv.  1, 51  Körte;  greise,  Jünglinge,  wein- 
ten, segneten  ihn  S.  v.  Laroche  frl.  v.  Sternheim,  i,  79; 

Jünglingen  ein  muster,  greisen 

wie  zu  loben,  wie  zu  preisen ! 

Herder  25,  367; 

nicht  mehr  um  eichenkränze 

ficht  Jüngling  nun  und  greis 

Schenkendorf  gedickte  (1815)  8; 

vgl.:  indehm  aus  einem  gesegneten  .  .  Jünglinge  ein  .  . 
verteufelter  greis  wird  Butschky  Pathmos  (1677)  218; 

und  ich  {Telemach)  scheue  mich  auch,  als  Jüngling  den 
greis  {Nestor)  zu  befragen 

Voss  Odüssee  35,  24  Bernays; 
er  ist  der  arm  des  Jünglings  in  der  schlacht, 
des  greises  leuchtend  aug'  in  der  Versammlung 

Göthe  Iphigenie  1384; 
vereinzelt: 
alles  schreibt,  es  schreibt  der  fcnabe,  der  greis,  die  matrone 

Schiller  11, 156; 
mann  und  weib,  ihr  greis'  und  Jüngsten, 
singt  all' !  Voss  sämtl.  ged.  5, 11. 

b)  neben  diese  elementaren  antithesen  läszt  sich  eine 
fülle  anderer  stellen,  die  den  gegensatz  weniger  scharf 
oder  weniger  schlicht  fassen:  wenn  nun  aber  ein  alter 
eyf ersüchtiger  greisz  seine  junge  frau  verdrüszlich  macht 
Stranitzky  Ollapatrida  84,  17  neudr.; 


f 


77 


1  GREIS 


1  GREIS 


78 


Geilinde,  die  bereits  auf  junge  freyer  dencket, 
nun  ihren  schwachen  greisz  ein  jäher  stick-flusz  kräncket 
Hagedorn  vers.  einiger  gedickte  50  neudr.; 

das  schönste  weih  auf  dieser  weit,  .  . 
kaum  zwei  und  zwanzig  frühlingen  entflogen, 
und  eines  greisen  frau  Schiller  5, 11 ;  — 

wenn  der  von  seinen  ungerathenen  kindern  verstoszene 
greisz  die  bände  gen  himmel  über  sein  haupt  zusam- 
menschlägt Hippel  lebensläufe  2,  587; 

da  schüttelt,  froh  des  noch  erlebten  tags, 
dem  heimgekehrten  söhn  der  greis  die  bände 

Schiller  Piccolomini  550; 

öfter  ach!  verkehrt  das  geschick  die  Ordnung  der  tage, 
hülflos  klaget  ein  greis  kinder  und  enkel  umsonst 

GöTHE  1,  284  Weim. ;  — 

ich  bin  jung  gewesen,  und  bin  zum  greise  geworden 

Klopstock  Messias  4,  360; 

und  es  blühten  dem  greise 
von  scherzliebender  jugend  die  rötelnden  wangen  noch 

einmal    Mörike  1,  263  ööscAen; 

kräftige  mannet  gingen  neben  den  pferden,  vier  oder 
fünf  trauen  saszen  auf  dem  wagen  .  .,  nebst  mehreren 
kindern  und  selbst  einem  greise  G.  Keller  2,  91 ;  bild- 
lich: ihr  Hellenen  bleibt  doch  immer  kinder;  nirgends 
ist  in  Hellas  ein  greis  Humboldt  kosmos  2,404;  in  viel- 
fachen Variationen  erscheint  das  dankbare  oxymoron  vom 
kindischen  greis: 

schaut  wie  ein  greysz  und  kind  so  gleich  einander  sind: 
denn  der  ist  an  verstand,  als  das  an  jahm  ein  kind 

Warnecke  poet.  versuch  (1704)  177  ; 

er  hatte  von  einem  kind  und  einem  greisen  den  gegen- 
satz  gemacht :  die  kindheit  nehme  bey  dem  ersten  durch 
die  jähre  ab,  bey  dem  andern  zu  Bodmer  Sammlung 
crit.,  poet.  sehr.  2,  110;  ein  edelmann,  der  keine  andern 
Verdienste  hat,  als  seine  ahnen,  der  ist  .  .  höchstens 
einem  in  die  kindheit  gerathenen  greise  gleich,  der  ehe- 
mals grosze  thaten  verübet  hat  Gottsched  neueste  atcs 
d.  anmuth.  gelehrsamkeit  4,  25; 

alles,  du  ruhige,  schlieszt  sich  in  deinem  reiche,  so  kehret 
auch  zum  kinde  der  greis,  kindisch  und  kindlich,  zurück 

Schiller  11,  185; 

da  waren  die  altklugen  kinder,  welche  es  unter  ihrer 
würde  hielten,  durch  den  reif  zu  springen,  und  die  kin- 
dischen greise,  welche  gern  .  .  gesprungen  wären,  es  je- 
doch nicht  konnten  Raabe  hungerpastor  (i864)  2,  213. 

8)  attributive  bestimmungen. 

a)  alter  greis,  diese  Verbindung  ist  so  alt  wie  das 
subst.  selbst  und  verdankt  ihr  entstehen  vielleicht  mit 
dem  bedürfnis,  den  sinn  des  jungen,  aus  einem  doppel- 
deutigen adj.  entsprungenen  subst.  bestimmter  festzulegen  ; 
daher  mhd.  häufiger  als  das  blosze  subst.: 

er  was  ein  alt  grlsen,  niht  uerre  mohte  er  chiesen 

Milstäter  genesis  105,  32  Diemer 

(alt  man :  chiesan   Wiener  gen. ;  also  die  xmform  grisen 

unter  dem  zwang  der  umreimung); 

dö  sprach  Symon  al  offenbar: 

we  dir  aldeme  grisen     passional  173,  62  Hahn; 

vgl.  mhd.  wb.  1,  577*;  Lexer  l,  1088;  im  älteren  nhd.  so 
stark  überwiegend,  dasz  einfaches  greis  verhältnismäszig 
selten  ist;  erst  im  18.  jh.  aus  seiner  Vorherrschaft  ver- 
drängt, erst  im  19.  gemieden;  die  wendung  ist  in  der 
regel  rein  tautologisch,  erst  in  jüngerer  zeit  häufen  sich 
fälle,  in' denen  das  adj.  steigern  soll:  warumb  nymme 
ich  nicht  dem  alten  greiszen  seinen  stecken  und  slahe 
in  A.  V.  Eye  deutsche  sehr.  2,  100; 

neun  guter  lehr  ich  geben  will  . . 
die  lehret  mich  ein  alter  greiss 
H.  Sachs  17,  319  Keller-Götze;  vgl.  4,  411,  29; 

Nerva  der  alt  greisz  regiert  ein  jar  und  vier  monat 
See.  Franck  Germ,  chron.  (1538)  26"; 

fürsichti^,  gnädig  und  wysen, 
losend  ein  klein  mir  alten  grysen 
Schweiz.  Schauspiele  des  16.  jhs.  3,41,586  Bächtold; 

darauf  sprach  der  alte  gris 

Zimm.  chron.  1,  597,  33  BaracTc; 

Alethes  auch  der  alte  greysz 

Spreng  Aneis  (1610)  5»; 

Adam,  Adam,  du  alter  greysz 

Wackernagel  kirchenlied  3, 126 ; 

vgl.:  Adam,  die  oude  grise  Verv^tus-Verdam  2,  2139; 


zu  Crailszheim  war  ein  alter  greisz, 
redt  all  sein  sach  fast  reimen  weisz 

Sandrub  hist.  u.  poet.  kurzweil  123  neudr.; 

ein  alter  greyse  pülfert  sein  haar,  will  das  eckelende 
frauenzimmer  dabey  überreden,  seine  haar  wären  nicht 
alters  halben  grau  Mosgherosgh  gesichte  (1650)  2, 146 ; 
der  alte  greise  klopfete  dem  Teutschen  auf  die  schul- 
tern Happel  akad.  roman  (1690)  542; 

ihr  lüfte,  die  ihr  uns  zu  alten  greiszen  macht, 
erfüllet  unser  land  mit  segens-reichen  jähren 

Henrici  emst-scherzh.  gedickte  (1727^.)  2, 10; 

kennst  du  nicht  den  alten  greis,  Friederich  den  groszen? 

DiTFURTH  100  kistor.  Volkslieder  57 ; 

wilst  du  sein  bild ,  so  stell  dir  einen  groszen  .  .  mann, 
.  .  den  gang  eines  alten  greises  vor  Caroline  i,  307 
Waitz;  in  Übersetzungen  für  einfaches  senex:  er  möcht 
.  .  ein  list  erdichten,  ausz  welchem  der  Jüngling  .  .  disen 
zähen  unwilligen  alten  greysen  über  sein  willen  erhielt 
BoLTZ  Terenz  (1539)  73»  (hunc  difficilem  invitum  vor- 
saret  senem  heautontim.  535);  namentlich  alem.  nicht 
selten  m,it  scheltendem  nebensinn: 

er  erwuscht  den  wirt  bey  seinem  kragen 
thet  in  raufen  und  schlagen, 
wolher  du  alter  greisz 

Gengenbach  35, 129  Gödeke; 

ich  will  dich  werlich  beut  üben  du  alter  greisz,  wie 
du  wirdig  bist  Boltz  Terenz  (l539)  99»  (ego  te  exercebo 
hodie,  ut  dignus  es,  silicernium  adelphi  587); 

das  will  djugent  nit  von  im  lyden, 
facht  an,  wider  den  alten  zkyben, 
nent  in  frefflich  ein  alten  grysz 

Schweiz,  schausp.  d.  16.  jks.  2, 122, 181  Bächtold; 

auch  beim  hinzutreten  anderer  attribute  fällt  alt  in  der 
regel  nicht  fort : 

Neidelhart,  der  bös  alt  ^reis, 
im  hoflichen  entgegen  gieng 

teuerdank  183, 134  Gödeke; 

sehet  nn,  was  der  gut  alt  greis  in  seim  hertzen  hab 
Luther  20,  255  Weim.; 

sie  sihet,  dasz  der  ist  ein  erbar  alter  greise 

D.  V.  D.  Werder  rasender  Roland  8; 
so  ir  mir  alt  verwaisten  greisen 
in  dem  kein  barmung  wolt  beweisen 

H.  Sachs  8,  24  Keller, 

diesen  alten  vorsichtigen  greysen  {Tilly)  Chemnitz 
schwed.  krieg  l,  207,  2; 

wenn  du  siebest  alte  leut',  alte  wohlbetagte  greisen, 
sollst  du  ihnen  nach  gebühr  allen  dienst  und  ehr'  erweisen 
Neumark  fortgepfl.  Iv^twald  3,  54; 

der  alte  betagte  und  lebenssatte  greiss  Dannhawer 
(s.  1  b);  da  sass  ein  alter  ansehenlicher  greiss  Schupp 
Schriften  (1663)  558;  ein  alter  eyfersüchtiger  greisz  Stra- 
nitzky  (*.  0.  2  b);  Steigerungen: 

fürst  Nestor  der  uhralte  greisz 

Spreng  Hias  (1610)  45"; 

sehr  alt  scheinende  greisse  Schnabel  insel  Felsenburg 
77,  22  Ullrich;  ich  glaube,  er  lebt  als  hochbetagter  greis 
noch,  während  ich  dies  schreibe  Laube  l,  37;  Super- 
lative: welches  auch  die  älteste  gräisen  in  hämisch 
jagen  mögen  Grimmelshausen  Simpl.  4,  767,  30  Keller; 
die  urältesten  greise  unseres  hauses  waren  auf  dem 
steine  gesessen  Stifter  5*,  19;  schon  früh  auch  nd.: 
also  smeckede  dem  olden  gryse  Hanna  dat  hemmelsche 
brot  Schiller-Lübben  2,149»;  een  old  griis  ein  sehr 
alter  mann  Dähnert  161*. 

b)  die  bunte  fülle  attributiver  adjectiva  gehört  wesent- 
lich dem  18.  jh.  an;  die  epitheta  deuten  leise  den  Über- 
gang von  einer  roheren  älteren  auffassung  des  greises 
zu  einer  humaneren  an,  die  sich  im  18.  jh.  ausbreitet. 

a)  körperlich  und  geistig  hinfällig,  abgelebt: 

zu  voraus  der  kaiköpfte  greis  .  . 
er  mus  beschlagen  sein  gar  wol 

Hayneccius  Hans  Pfriem  23,  423  neudr. , 

weh  mir!  was  in  dem  mund  zahnloser  greisen 
die  nusz,  sind  thoren  räthsel  eines  weisen 

Brentano  6,  202; 

einem  runzligen  von  der  sonne  verbrannten  greis  Momm- 
SEN  röm.  gesch.  5,  94; 

wie  krumme  greise,  satt  des  lebens 
Gottsched  neueste  aus  d.  anmuth.  gelehrsamkeit  6,  363 ; 


79 


1  GREIS 


1  GREIS 


80 


so  kont . .  sie  (.Pallas)  doch  von  mir  schier  dürren  greisen 
(nunmehr  so  kalt  und  alt)  erwarten  schlechte  brunst 

Weckherlin  ged.  2,  309  Fischer ; 

kinderlos,  ein  welker  greis 

Grillparzer  i,  18; 

ich  bin  ein  schwacher  greise, 
zieh'  nicht  mehr  weit  hinaus 

FouQUE  zauberring  (1812)  1,48; 

ich 
bin  nichts  mehr  —  ein  ohnmächt'ger  greis 

Schiller  5,  421 ; 

ohnmächtige  greise  Tieck  Schriften  l,  88; 

küszt  ein  verlebter  greis  der  Jugend  purpur-wangen 

Neukirch  anfangsgriinde  z.  teutsch.  poesie  753; 

als  ob  der  tod  nicht  eben  so  wohl  Jünglinge,  als  abge- 
lebte greisen  hinraffete  Breitinger  crit.  dichtkunst  i, 
4rl2;  kaum  zwanzig  alte  abgelebte  greise  Meiszner  A^ 
cibiades  l,  120; 

jetzt  treiben  kaum  entnervte  greise 
den  pflüg  in  zweifelhafte  gleise 
Gottsched  neueste  aus  d.  anmuth.  gelehr samkeit  8,  540; 

in  seinen  letzten  lebensjahren  beginnend,  hatte  die 
neue  Verehrung  für  ihn  (Grillparzer)  nach  dem  tode 
des  müden  greises  ungeahnte  ausdehnung  gewonnen 
Jahrb.  d.  Qrillparzergesellsch.  l,vii;  welche  besorgnisz 
.  .  kann  sie  .  .  zur  flucht  vor  dem  thörichten  greise  an- 
spornen? HoLTEi  erz.  sehr.  2,  6;  die  kindischen  greise 
Keller  {s.  2  b) ; 

ein  armer  mann,  der  eine  milde  gäbe 

von  euch  zu  bitten  kommt,  ein  dürft'ger  greis 

Bauernfeld  ges.  sehr.  5,  27; 

anders:  da  sie  aber  grausam  genug  sind,  mich  armen 
greis  nicht  persönlich  sehen  zu  wollen  Pückler  briefw. 
u.  tageb.  1,  353; 

denn,  wenn  sie  vorüberzögen 

geräuschlos,  meine  tage; 

so  stUrb'  ich  als  gemeiner  greis 

Schubart  leben  u.  gesinn.  1,  280. 

ß)  rüstig,  ehrwürdig,  weise:  übrigens  war  die  zahl 
blühender  greise  in  Italien  sehr  grosz  J.  v.  Müller 
sämtl.  tverke  1,  243;  {Göthe)  ist  das  bild  eines  schönen 
und  rüstigen  greises  Humboldt  br.  an  Welcher  140; 

so  sollst  du,  muntrer  greis, 
dich  nicht  betrüben 

Göthe  6, 17  Weim. ;  vgl.  49,  7 ; 

er  (gott)  hat  uns  nicht  den  muntern  freundlichen  glück- 
lichen greisz  entrissen  IV  l,  255;  so  ein  glücklicher  greis 
Sturz  Schriften  l,  50 ;  ein  feiner  greis  von  aufrechter 
haltung  mit  silberweiszem  haar  Mörike  3,  9  Göschen; 
käme  ein  ansehnlicher  greiss  mit  den  sesselträgern  vor 
des  .  .  .  Civilis  haus  A.  ü.  v.  Braunschweig  Octavia 
1,  540; 

ein  hoher  greisz  mit  weiszen  haaren 

Lenau  476  Barthel; 

der  majestätische  greis  {Ludwig  XIV.)  Dahlmann  gesch. 
d.  frz.  revol.  5;  ein  erbar  alter  greise  D,  v.  d.  Werder 
(s.  3  a);  er  hat .  .  die  andächtige  leichtgläubigkeit  jenes 
ehrwürdigen  greises  gemisbraucht  Gottsched  neueste 
aus  d.  anmuth.  gelehrsamkeit  3,  354;  diesem  verehrungs- 
würdigen greis  Gottschedin  briefe  l,  143  Bunkel,-  einen 
ehrwürdigen  greisz  Haller  Usong  69; 

wenn  wir  den  würdgen  greis,  und  sein  ruhmvolles  alter 
mit  sanften  zähren  seegneten 

Giseke  poet.  werke  161  Gärtner 

ehrwürd'ger  greis,  war  greis  er  immer  doch 

Grillparzer  8, 120 

geht  hin  an  diese  gruft,  seht  den  verdienten  greisz 

Pietsch  gebundene  sehr.  184 

du  gleichfalls,  hochverdienter  greis! 
verdienst  das  ganze  lob 

Gottsched  ged.  (1751)  l,  170; 
Teutschland  hat  an  ihm  verlohren  einen  seiner  weisen 

greisen  Neumark  teutsche  palmbaum  369 ; 
lehren  aus  dem  munde  erfahrner  greise  Herder  12, 113; 
wenn  hier  etwas  an  meiner  erziehung  versehen  wurde; 
so  war  es,  dasz  man  mich  auf  einmal  zu  einem  ge- 
lehrten greise  machen  wollte  Knigge  roman  meines  le- 
bens  1,  187. 

y)  ethisch  kennzeichnende  adjectiva:  der  bös  alt  greis 
teuerdank  (s.  8  a);   indehm   aus   einem  gesegneten  .  .  . 


Jünglinge  ein  .  .  verteufelter  greis  wird  Butsghky  Path- 
Tnos  218; 

du  hast  mit  dem  köpf  geändert  auch  dein  hertz,  du  falscher 

greisz 
H.  V.  HoFFMANNSWALDAU  u.  o.  gedichte  2,110  Neukirch; 
als  mann  zu  thaten  willig, 
als  greis  leichtsinnig  und  grillig 

Göthe  2,  289  Weim.; 

nicht  selten  wird  der  jugendliche  Verschwender  noch 
ein  geiziger  greis  Hebel  2,  27  Behaghel; 

um  ihn  saszen  edle  greise,  deren  herz  durchs  äuge  sprach 
ScHÖNAiCH  Heinrich  d.  vogler  20; 

die  bestellung  eines  briefes  an  Hadem,  von  dem  er 
den  edlen  greis  so  oft  unterhalten  hatte  Klinger  werke 
8,  149; 

zu  deinem  vater  wende  dich  zurück 
und  tröste  den  gebeugten  edlen  greis 

Göthe  9,  427  Weim. ; 

du  müsztest,  wo  du  nur  kannst,  diesem  edlen,  heilig- 
mäszigen  greis  .  .  das  wort  reden  Görres  ges.  briefe 
3,  227; 

vor  freuden  weint  der  fromme  greisz 

Stoppe  Pamasz  279 
Arist,  ein  frommer  greis 

Pfeffel  poet.  versuche  1,  6 
der  prior,  ein  frommer,  ein  eifriger  greis 
Arent,  Conradi,  Henckell  mod.  dichtercharaktere  247 

dasz  sie  einem  rechtschaffnen  greise  die  wenigen  schritte 
zu  seinem  grabe  noch  so  schwer  und  bitter  machten 
Lessing  2,  291;  der  gut  alt  greis  Luther  (s.  3  a); 

ich  sehne 
mich  nach  dem  stillen  gange,  nach  den  worten 
des  guten  greises  Göthe  11,300  Weim.; 

bei  der  ankunft  Maximilians  erwachte  in  dem  kinder- 
losen gutmüthigen  greise  die  .  .  Zärtlichkeit  Ranke  re- 
form, gesch.  i ,  66 ;  Micipsa ,  ein  schwacher,  friedlicher 
greis  MoMMSEN  röm.  gesch.  2,  138;  kein  treuer  und  un- 
schuldiger greis  und  vater  kann  würdigere  thränen  wei- 
nen B.  v.  Arnim  Ol.  Brentanos  frühlingskr.  166; 

held  York,  der  strenge  greisz 

Schenkendorf  gedichte  (1815)  179. 

4)    bilder  und  vergleiche;   gott   als   greis   schon   mhd., 
s.  mhd.  wb.  l,  577»; 

ichbitt  allein  demütig, 
mein  alter,  frommer  greisz, 
wolst  mir  doch  seyn  so  gnedig 

WiLH.  Alardus  bei  Fischer-Tümpel  2, 158; 
ein  kind  nach  Adams  weise 
an  ihren  brüsten  lag. 
es  war  ein  alter  greise, 
erschuf  den  ersten  tag 

Mittler  deutsche  Volkslieder  305; 
ein  solches  wesen  nun  soll  einzig  und  allein 
mein  gott,  und  nicht  das  götzen-bild 
von  einem  alten  greisen  seyn 

Brockes  ird.  vergnügen  2,  166; 
sie  (die  bauem)  stellen  sich  gott  nur  im  bilde, 
als  einen  erbam  greisen,  für, 
der  gutj  geduldig,  sanft  und  milde, 
und  keinen  menschen  gern  verlier 

Triller  poet.  betrachtungen  1,  300; 
vom  teinter: 

es  hat  ohn  alle  gnad  der  kahl  und  kalte  greysz 
wäld,  gärten,  berg  und  thal  entgrünet  und  entlaubet 

Weckherlin  2,395  Fischer; 
o  wie  manche  der  braute 
hat  gefreiet  der  tod  der  greis 

Rückert  ges.  poet.  werke  1,  469; 

den  vater  Rhein  herauf,  der  hinter  den  sieben  bergen 
vom  kloster  Rolandswerth  an  .  .  wie  ein  lichtheller  greis 
im  silberhaar  von  lustigen  rebenhügeln  gleich  jungen 
liebesgöttern  umwimmelt  da  liegt  Heinse  10, 1  Schüdde- 
köpf;  vgl.:  erstlich  müste  gemahlet  werden  der  Elbe- 
strom in  gestalt  eines  alten  greisen  HARSDÖRFFER/rawen- 
zimmer  gesprechsp.  5,  54 ;  vor  mir  aber  .  .  stand  der  ur- 
alte dorn,  nicht  grosz,  nicht  düster,  sondern  wie  ein 
heiterer  greis  Heine  3,  243  Elster;  um  den  Montblanc 
...  zu  sehen,  ein  greis  der  auf  die  grüne  Jugend  der 
Dauphin6  .  .  .  herabschaut  Laube  ges.  sehr.  5,  161;  es 
bleibt  in  ihr  {der  litterarischen  weit)  dadurch  ein  ewiges 
leben,  sie  ist  immer  greis,  mann,  jüngling  und  kind  zu- 
gleich Göthe  IV  12,  57  Weim.;  die  zeit,  die  jung  zu  sein 
schien,  als  ich  ein  knabe  war,  war  nun  einem  kindi 
sehen  greise  gleich  geworden  Arndt  geist  d.  zeit  (1807)  l,  5. 


81 


2  GREIS 


3  GREIS  — 1  GREISE 


82 


5)  erst  in  jüngerer  zeit  breitet  sich  ein  gebrauch  aus, 
der  das  hinfällige,  senile  zum  viesen  des  begriff s  macht 
und  vom  alter  absieht :  er  hat  graue  haare,  .  .  ohne  ein 
greis  zu  seyn  A.W.  Schlegel  im  Athenäum  2,  85; 

der  kummer  machte  frühe  mich  zum  greise 

Zach.  Werner  söhne  d.  thals  (1804)  2, 170 ; 

viele  menschen  bleiben  in  gewissem  betrachte  ewig  kin- 
der,  indesz  andre  vor  der  zeit  greise  werden  Knigge 
Umgang  mit  menschen  (i796)  2,  i;  sein  vater,  früh  zum 
greise  geworden,  hatte  sich  vom  geschäfte  zurückgezogen 
HoLTEi  erz.  sehr.  5,  183; 

mit  vierzig  jähren  siecher  greis,  ist  er  von  land  zu  land 

gefahren    Droste-Hülshoff  2,  25  Schücking ; 

ich  bin  42  jähre  alt  und  fühle  mich  als  greis  jahrb.  d. 
Grillparzergesellsch.  3,  211;  ähnlich: 

so  schmücke  bockshaar  nicht  die  stim  von  jungen  greisen 
Zachariä  poet.  sehr.  1, 172; 

blödsinnige  alte,  junge  greise,  aufgedunsene  müsziggänger 
.  .  trieben  sich  in  der  halle  umher  Holtei  erz.  sehr. 
1,  80;  wie  oft  kam  ich  mir,  mit  dir  verglichen,  vor  wie 
ein  greis  Ebner-Eschenbach  4,  113;  anders,  aber  ver- 
gleichbar: 

disz  mich,  wie  jung  ich  starb,  zum  alten  greiszen  macht 
S.  v.  Birken  ostländ.  lorbeerhäyn  181 ; 
er  starb  in  seiner  Jugend, 
und  starb,  der  seele  nach,  so  männlich,  als  ein  greis 

J.  J.  Schwabe  belustigungen  1,  440. 

III.  greis  in  compositionen. 

so  weit  es  sich  um  Zusammensetzungen  m,it  dem,  adj. 
handelt,  hat  greis  fast  ausschlieszlich  den  ursprünglichen 
sinn  'grau',  die  bedeutung  'alt'  tritt  ganz  zurück,  vgl. 
greisalt  und  vielleicht  greiskraut;  icie  danach  zu  erwarten, 
erscheinen  ableitungen  und  compositionen  vorwiegend  auf 
nordd.  boden;  noch  heute  im,  nd.  nicht  selten:  grislich 
grauartig,  ins  graue  spielend  Schambach  69»;  Bauer- 
GoLLiTZ  41'';  Frischbier  l,  253'';  griishaftig  grauartig 
Berghaus  1,  614»;  griisschömmel  ib.;  grishempen  ^rrau- 
hänfen  Kl.  Groth  quickborn  (1900)  glossar;  vgl.  die  nd. 
belege  unter  greisgrau,  greiskopf ;  beachtung  verdient,  dasz 
sich  in  einigen  alten  compositis  greis  als  'grau'  auch  obd. 
findet,  vgl.  greisbart,  greisgrau,  greiskopf  (mhd.  noch  gris- 
var,  -gevar  Lexer  1,1088/.),-  das  ist  deswegen  hervorzu- 
heben, weil  greis  'grau'  als  simplex  dem  obd.  in  nhd.  zeit 
fast  völlig  fehlt  {vgl.  I  A  2).  unter  den  Zusammensetzun- 
gen mit  greis  subst.  sind  die  ältesten  greisenalter  und 
greisenjahre  (17,  jh.),  das  18.  jh.  fügt  nur  wenige  hinzu 
wie  greisenhaar,  -köpf,  -leben,  -Weisheit,  die  breite  fülle 
gehört  erst  dem  19.  jh.  an.  trotz  dem  übertritt  des  subst. 
in  die  st.  flexion  bleibt  greisen-  als  compositionselement 
auch  in  den  jungen  bildungen  die  regel;  doch  erscheint, 
nachdem  die  st.  ßexion  endgültig  zur  herrschaft  gelangt 
war,  vom  ende  des  18.  jhs.  bis  hoch  ins  19.  greises-  nicht 
selten  {vgl.  greisesalter,  -arm,  -brüst,  -erotik,  -erstarren, 
-gestalt,  -band,  -ohr,  -runzel,  -tage);  namentlich  zu  an- 
fang  des  19.  jhs.  ziemlich  häufig;  m,ehrfach  bei  Voss, 
Arndt,  auch  noch  bei  Hebbel,  Gutzkow;  obd.  selten; 
bisweilen  anscheinend  mit  absieht,  weil  individueller,  der 
geicöhnlichen  bildung  vorgezogen ;  mehr  gelegenheitsbildun- 
gen  sind  die  compositionen  mit  dem  endungslosen  subst., 
greisgespenst,  -kind,  -knabe;  vgl.  dazu  jriesekel  alter 
mann,  der  ein  ekel  ist  Meyer  richtige  Berliner^  55». 

2  GREIS,  m.  i)  eine  bergart:  wir  nennen  solche  taube 
oder  lehre  arten  in  unserm  silber  bergwerck  glantz, 
.  .  cobalt,  speyse,  greusz,  gilbe  leiten  Mathesius  Sa- 
repta  (1662)  39'»;  quarzum  arenaceum  körniger  quarz, 
bergin.  greis  Schreber  beschr.  d.  eisen-,  berg-  u.  hütten- 
werke  zu  Eisenärz  (1772)  51;  der  greisz  ist  eine  weisze 
grisige  bergart  .  .  und  findet  sich  .  .  bey  dem  eisensteine 
ein  5 ;  der  echte  vocal  scheint  eu,  vgl.  greusz  terra  sicca 
cinerea  Schmeller  l,  1011  {aus  dem  promptuar.  von  1618); 
deshalb  vielleicht  eine  umgelautete  form  zu  mhd.  grüz 
körn;  doch  kommt  wegen  der  färbe  des  gesteins  auch  greis 
grau  in  betracht;  vgl.  *  greisen.  —  2)  greis,  kreis  .  .  die 
quarze  und  steinstücken,  welche  bey  der  seifenarbeit 
mit  dem  trog  aus  dem  graben  ausgehoben  und  von 
Zwittern  (=  zinnerz)  abgesondert  werden  Jacobsson  tech- 
IV.  1.  6. 


nol.  wb.  2,149'';  in  den  zinnseifen  die  steinchen,  die  ohne 
zinngehalt  sind  Voigt  minerälog.  abh.  (l789)  2,  275;  hier- 
her scheint  zu  gehören:  also  wie  disem  eysen  geschieht 
durch  die  stercke  des  fewers,  geschieht  auch  hie  in  die- 
sen kranckheiten,  das  ist,  das  die  bein  schifer  abwer- 
fen wie  das  eysen  den  greyst  Paracelsus  chir.  sehr. 
(1618)  245  A ;  fraglich  ist  die  Zugehörigkeit  von  greis  m. 
gravier,  gros  sable  Beil  technol.  wb.  261;  anderer  her- 
kunft  scheint  greis  m.  trockener  mörtel  Martin  -  Lien- 
hart  1,281'»;  FoLLMANN  215».  —  gr eisähnlich ,  adj.: 
den  Nachberg  aus  greisähnliehem  granit  allg.  deutsche 
bibl..  anh.  zu  bd.53 — 86,  679.  —  greiszwitter,  m.,  zinn- 
erz, das  mit  greis  versetzt  ist;  eine  schiefrichte  zwitter- 
art  MiNEROPHiLUS  bergwerkslex.  (1743)274'';  ähnlich  3a- 
cobsson  technol.  wb.  2,  149'';  vgl.  Voigt  minerälog.  abh. 
(1789)   2,  276. 

8  GREIS,  ? 

und  dein  nas  {wäre)  g&t  zä  eim  leschhom, 
dein  zung  ein  dreck  darmit  zu  bom, 
dein  oren  zä  eim  henckers  greis, 
dein  äugen  z&  einr  raben  speis 

FoLZ  klopf  an,  Weim.  jahrb.  2, 120, 13 ; 
göltzet  und  fartzet  wie  ein  schwein 
und  stinckt  im  aus  dem  hals  der  wein, 
wirft  etwan  auch  darzu  ein  greis, 
ein  sau  het  wol  daran  ir  speis 

H.  Sachs  9,  97  Keller. 

*  GREIS,  n..  rauschbrand,  acute  krankheit  des  rind- 
viehs  Martiny  lob.  d.  milchwirtsch.  47;  Staub-Tobler 
2,  799  mit  etymol.  versttchen. 

5  GREIS,  n..  s.  gereis. 

GREIS  ALT,  adj.:  auch  da  wir  grosz  und  greisz  alt 
worden  seind  Spee  güld.  tugend  buch  (1649)  150 ;  eiskalter 
und  greiszalter  mann  Schottel  teutsche  haubtspr.  (1663) 
784;  sehr  alt.  uralt  Unger-Khull  steir.  306». 

GREISANGESICHT,  n..  momangesicht,  larva.  persona 
ficta.  barbaris  misea;  gall.  masque  Henisch  1738;  zu 
3  greisen,  sp.  85. 

GREISART,  m.,  seltenes,  aus  dem  nd.  stammendes 
wort:  da  wardt  könig  Ludwig  gar  zornig  und  sprach  zu 
Heymon  'du  alter  greisart'  {alter  brummbär)  P.  v.  d.  Aelst 
Heymonskinder  32  Pf  äff;  in  jüngerer  zeit  für  greis: 
greisart  eanus  Henisch  1738; 

so  ruft  auch  ihr  zum  freudenspiel 
den  lebensmüden  greisart  auf 

Arndt  4,  271  RötchrMeisner ; 

nl.  häufig,  und  zwar  besteht  zwischen  m,nl.  grisaert  und 
nnl.  grijsaard  derselbe  bedeutungsunterschied .  den  die 
obigen  belege  zeigen;  wegen  der  im  mnl.  stets  ungünstigen 
bedeutung  vielleicht  nicht  zu  gris  camis.  sondern  zu  grisen 
grinsen,  s.  3 greisen. 

GREISBART,  m..  graubart:  herre  grisbart  Lexer  l, 
1088;  kommet  ein  alter  greiszbart  einem  entgegen  des- 
sen köpf  gantz  mit  syllogismis  angefüllet  Schupp  Schrif- 
ten (1663)  410;  du  bist  schö"  an  älda  greisbart  Hart- 
mann volksschausp.  in  Bayern  u.  Österr.  151,  85;  grisbart 
Frischbier  l,  253'';  griesbärt  gemeiner  ziegenfusz  lux. 
ma.  (1906)  154;  vgl.  Grassmann  nr.  260.  —  greisbärtig, 
adj..  graubärtig :  besonders  war  mir  ein  greisbärtiger 
Schmiedeknecht  am  meisten  aufsässig  und  zuwider  Tieck 
ges.  nov.  (1838)  7,  314;  vgl.  317. 

GREISBOCK,  m.,  eine  antilopenart  im  Kaplande,  anti- 
lope  m^lanotis  Oken  naturgesch.  7,  1363;  nach  dem  holl. 
grijsbok  woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  751. 

GREISCHEN,  7i. :  vor  einem  zehn  fusz  hohen  kamin- 
spiegel  aber  stand  ein  winziges  eisgraues  greisehen  G. 
Keller  5,  72. 

1  GREISE,  /.,  canitüs: 

tag,  wer  hat  dich  gesant? 

dein  gewant 

imser  schäm  nicht  decken  wil. 

zwar  dein  greis      ich  preis      doch  klein 

Osw.  v.  Wolkenstkin  8,  26  Schatz ; 
warumb  werden  die  wölf  greysicht?  in  dieser  frag  merck 
den  underscheidt  zwischen  grauwen  und  greysichten: 
dann  die  grauwe  hat  seine  ursaeh  von  dem  gebrechen 
der  natürlichen  wärm,  aber  die  greyse  kompt  von  fres- 
sigkeit  und  füllung  .  .  zum  andern  ist  auch  dieses  der 


83 


2  GREISE  — 2GREISEN 


2  GREISEN 


84 


underscheidt  zwischen  der  greyse  und  grauwe,  dieweil 
die  greyse  über  den  gantzen  leib  wirdt,  die  grauwe  aber 
alleine  auf  dem  häupte  problem.  Aristot.  (1589)  13/. 

2  GREISE,  /.,  blumenname,  wohl  verkürzt  aus  dem  hau- 
figeren  baldgreise,  das  sowohl  erigeron,  wie  senecio  be- 
zeichnet Grassmann  nr.  350;  vgl.  Pritzel-Jessen  374*; 
für  dieselbe  pflanze  auch  greiskraut,  *.  d. 

GREISELKRAÜT,  n.,  frühlingsblume ,  erophila  vulg. 
ünger-Khull  stdr,  306*. 

GREISELN,  vb.,  canescere,  senescere: 

•  und  nicht  blos  das  junge  volk, 

nein  auch  die  schon  greisein 
als  verzückte  säusler  sie 
überall  umsäuseln 

Schall  i-eime  u.  räthsel  (1849)  70; 

aber  der  kahlköpfige,  bei  fünfunddreiszig  jähren  schon 
greiselnde  Junggeselle  miszfiel  auch  ihm  W.  Jordan  die 
Sebalds  (1904)  l,  63. 

GREISEMLICH,  adj.,  gräszlich,  furchtbar :  bist  du  dann 
ain  manszbild,  so  feit  dir  ein  von  der  rainigkeit  unser 
lieben  frawen,  also  ungestalt  und  also  greisemlich 
das  es  nit  zusagen  ist  Geiler  v.  Keisersberg  geistl. 
Spinnerin  G  3^  in:  buch  granatapfel  (1510);  abgeschwächt 
greisenlich :  da  ist  am  morgen  umb  4  ur  am  himel  ge- 
sechen  worden  greisenliche  zaichen  städtechron.  25, 179 ; 
so  schon  früh:  diu  grisenliche  fortuna,  horribilis  Graff 
4,  301  aus  Notker  Boethius;  vgl.  grisam  at/rox  Diefen- 
BAGH  nov.  gloss.  40  {aus  dem  aur.  vocab..  i486);  grisamlich- 
kait  horror  ib.  206*;  zu  nd.  grisen  vne  greislich,  s.  d. 

1  GREISEN,  m.,  ein  körniges  graues  granitartiges  ge- 
stein  Oken  naturgesch.  1,  486;  die  bergleute  haben  sol- 
ches (aus  glimm^r  und  quarz  zusammengesetztes)  gestein 
greiszen  genannt,  sehr  glücklich,  mit  einer  geringen  ab- 
weichung  von  gneis  Göthe  II  9,  127.  141;  hier  konnte 
die  ganze  masse  zu  gute  gemacht  werden,  weil  die 
greiszen  stockwerkartig  metallhaltig  waren  152 ;  s.  noch 
IV  25,  214;  anders:  in  Hungern  und  Böhmen  krystall- 
gruppen,  die  in  andern  ländern  drusen  benennt  werden 
Voigt  mineral.  abh.  (i789)  2,  276;  vgl.  2greis. 

2  GREISEN,  vb,  das  wort  berührt  sich  in  gebrauch 
und  dialectischer  ausbreitung  nah  mit  dem  adj.  greis. 
alt  und  ursprünglich  auf  nd.  md.  boden,  wo  es  noch 
heute  mundartlich  lebendig  ist  Frischbier  l,  254*;  da- 
her in  nhd.  litteratur  fast  ausschlieszlich  bei  norddeut- 
schen autoren ;  in  mhd.  zeit  auch  obd.  ziemlich  verbreitet, 
und  zwar  bezeichnenderweise  in  reicherer  bedeutungs- 
nüanderung  als  auf  dem  heimathlichen  nordd.  boden; 
den  obd,  dialecten  fremd. 

I.  greis  werden. 

1)  grau  werden:  grizen  canere  Diefenbach  95'  (lat. 
nd.  voc.  1420);  meist  von  haaren:  du  beginnest  to  alden 
unde  dine  loke  grisen  Sghiller-Lübben  2,149'';  er  solte 
sich  gedulden,  weil  ihm  der  hart  noch  so  bald  nicht 
greisen  würde  Bugholtz  Herkuliskus  (1665)  1208; 

dieses  haar, 
das  unter  schwerem  heim  in  mancher  kriegsgefahr 
gegreist  Greflinger  Cid  Cij^ 

(ces  cheveux  blanchis  sous  le  harnois    Corneille  Cid  11,7); 
Schäfer,  euch  greiset  der  hart,   und  ihr  glaubt  so  kindische 

possen  ? 
J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  (1802)  2,  192; 
wie  götterhauptes  haare  niemals  greisen 

W.  V.  Humboldt  sonette  (1853)  302; 
bildlidi : 

der  saft  vertrucknet  aus,  der  matten  erden  man, 
der  müde  himmel  greist 

Fleming  deutsche  ged.  1,38  Lappenberg  ; 
mhd.  auch  von  der  weisze  des  vdnters  und  dem  däm- 
mernden schein  des  morgensterns  (vgl.  greis  sp.  68  und 
1  greise) : 

wenn  dan  (im  winter)  die  boum  risent 
und  berg  und  tal  grisent 

MEISTER  Altswert  70,  8 ; 
auch  Lucifer,  der  klarhält  vein, 
dein  greisen  du  last  überfrein 

Osw.  V.  Wolkenstein  6,  87  Schatz. 

2)  wird  das  vb.  auf  personen  angewendet,  so  geht  die 
bedeutung  'grau  werden'  in  'alt  werden'  über: 


so  verwünne  ich  alle  senende  wise, 

daz  ich  wol  ze  prise 

immer  an  daz  alter  vrolich  grise 

V.  D.  Hagen  minnes.  3,  Sit»; 

gerade  im  minnesang  beliebt,  auch  in  freierer  vericen- 
dung: 

min  gelink 

muoz  da  grisen  (verkümmern)  3,  287 '' ; 

er  (der  hund  'gedanken')  ist  ouch  understunden 
85  grä,  ez  möcht  ein  kindel  von  im  grtsen 

Had.  V.  LA.BEB.jagd  291,  7; 
kam  mir  die  (brüst  der  geliebten)  plösslich  an  die  prust, 
so  war  mein  greisen  gar  umb  sust 

Osw.  V.  Wolkenstein  5,  24  Schatz; 
mein  freund  die  hassen  mich  überain 
an  schuld,  des  muess  ich  greisen  107,  83; 

in  der  jugent  mfisz  er  greisen 
vor  pittem  sorgen 

Hätzlerin  liederb.  1,  35,  28; 
so  auch  wann  männer  greisen, 
verschrumpfet  band  und  fusz 
Tscherning  deutscher  getichte  frül.  (1642)  233; 
uns  leb'  und  greise 
wohlauf  und  froh! 
Klamer  Schmidt  neue  poet.  briefe  48; 
es  sagen  mir  die  weiber: 
Anacreon,  du  greisest, 
schau  in  den  Spiegel,  siehe, 
dein  haar  ist  dir  entfallen 
und  kahl  ist  deine  stirne 

brüder  Stolberg  15,  254; 
gern  neben  alte(r)n: 

anders  muoz  ich  grisen 
unde  in  sorgen  werden  alt 

K.  V.  Würzburg  Partonopier  7712; 
frfi  grtsen,  e  zit  alten 
mäz  ich  von  disem  hunde, 
ich  mein  den  hund  Gewalten 

Had.  V.  Laber  jagd  549,1; 
aber  steigernd: 

er  (der  mensch)  blühet,  altert,  greiset 

J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  (1802)  4, 100; 
die  flügelschnelle  zeit: 
sie  blühet,  altert,  greiset, 
und  wird  Vergessenheit  4,  96; 

solch  bildlicher  gebrauch  ist  selten: 

Lotichs  preisz  wird  nimmer  greisen 
Knittel  poet.  Sinnenfrüchte  (1677),  absondert,  buch  19; 

greisen  in  icie  greis  werden  in  (vgl.  greis  sp.  69): 

er  künde  in  eren  slniu  jär 
wol  grisen  und  gräwen 

K.  v.  Würzburg  troj.  39817; 
ob  ich  in  arbeit  grlse, 
ich  weiz  ez  ist  dir  leide 

Had.  V.  Laber  jafird  242, 1; 
bischof  von  Menz,  von  Köln,  z&  Trier, 
nun  rüstend  euch  zu  helfen  schier, 
wend  ir  in  eren  greisen 

histor.  Volkslieder  1,  277  Liliencron ; 

mehr  nd.  md.  scheint  greisen  mit;  de  da  mit  schalkheit 
gryset,  de  wart  up  dat  older  nicht  gebetert  Sghiller- 
Lübben   2,  149"; 

waz  sol  wfsen  mere 
dem  der  dekeiner  vuoge  gert?  mit  tumber  vuore  er  grfset 
Frauenlob  21,  6  Ettmüller;  vgl.  2T7, 12; 
alter,  das  one  weiszheit  greiszt 

Kirchhof  wendunm.  2,  383  Osterley, 

eine  anspielung  auf  das  verbreitete  sprichioort:  ergreiset 
ehe  er  weiset  Seb.  Frangk  sprichw.  (l54l)  2,  22*;  vgl. 
Eyering  ^roverft.  cop.  2,255;  Sghellhorn  «pWcÄw.  (1797) 
136;  vielleicht  nd.  Ursprungs:  he  griset,  er  he  wiset 
Sghiller-Lübben  2,  149";  vgl.  das  alter  weyset  und 
greyset  aetate  prudentiores  reddimur  Apherdianus  me- 
thodus  discendi  (l60l)  151;  Stieler  696;  Kirghhofer 
Schweiz,  sprichw.  (1824)  204;  von  Apherdianus  zu  grei- 
sen canum  reddere  gestellt;   indessen  zeigt  die  Variation 

der  alte  greist  und  nichten  weist 
bei  Eyering  proverb.  cop.  1,  40,  dasz  greisen  auch  in- 
trans.  verstanden  wurde;  sprichwörtlich  auch:  der  wolf 
mag  wol  greisen,  er  laszt  aber  seine  tick  nicht  Henisch 
1738;  der  wolf  mag  wohl  greisen,  er  bleibet  aber  ein 
wolf  lupus  pilum,  mutat,  non  mentem  Stieler  696. 

3)  greisend  seit  ende  des  18.  jJis.  in  poetischer  spräche 
beliebt: 

deine  mutter,  dein  vater  und  ich,  mit  der  greisenden  locke, 
kind,  sind  kinder  wie  du  Fr.  Stolberg  2,  206 ; 


85 


3  GREISEN  -  GREISENALTER 


GREISENANGESICHT 


86 


bis  spät  im  greisenden  haare 
du  mir  schlössest  das  aug',  oder  ich  weinender  dir 

FouQUE  gefühle,  bilder  1, 187 : 
ihr  greisendes  haar, 
das  flatterte  wild  im  winde  Heine  1,  341 ; 

meist  von  personen: 

irrend  umher  mit  der  zärtlichen  mutter,  dem  greisenden 

vater, 
mit  den  kindelein  klein,  und  dem  jungfräulichen  weib 

Arndt  geist  d.  zeit  2,  67 ; 
sieg  mir,  dem  greisenden  krieger  sieg 

FouQUE  held  d.  nordens  (1810)  1,  61 ; 

auch  in  prosa:  es  (das  haar  des  pferdes)  sah  fast  aus, 
wie  struppiges  hauptgelock  eines  greisenden  menschen 
altsächs.  büdersaal  2,  46;  nun,  Römer,  entzieht  sich 
euch  ein  verbannter,  greisender  mann,  vor  dem  ihr  ge- 
bebt, bis  sein  letzter  athem  dahin  Grabbe  3,  499  Blu- 
menthal;  die  greisende  matrone  hat  nun  keinen  haus- 
stand  mehr  jahrb.  d.  Orülparzergesellsch.  3,  276 ;  mannig- 
fach übertragen: 

es  verjüngt  wohl  greisendes  alter  ihr  lächeln! 

Voss  Luise  89; 
so  frisch  blüht  sein  alter  wie  greisender  wein 

Arndt  4,  90  Rösch-Meimer  ; 
ich  seh'  aus  meiner  ruh' 
am  greisenden  hollunder, 
der  mich  umschirmt,  dem  wunder 
der  schönen  mischung  zu 

TiEDGE  werke  (1823)  3, 196; 
eh  noch  der  heut'ge  tag  hinuntersinkt 
ins  meer  der  greisenden  Vergangenheit 

Grillparzer  10,  159; 

sehr  viel  älter  ist  das  pari,  in  einer  bestimmten  formel: 
der  aller  schädlichest  gleyssend  und  grysend  wolf 
Fischer  schwäb.  2,822  (le.jh.);  {Wolfv.  Wunnenstein.) 
den  man  den  greissenden  wolf  genannt  ib.  (17.  jh.) ; 
herleitung  des  'pari,  von  greisen  canere  ist  nach  2  und 
greis  sp.  66,  l  nicht  zu  bezweifeln  (gegen  Fischer  a.  a.  c). 
IL  greis  Tnachen: 

den  walt  der  winder  griset 

Warnung  1925  zs.  f.  d.  a.  1,  491; 
wirt  er  nu  hie  geletzet,  daz  ist  ein  dinc  daz  mich 

an  jugende  griset  j.  Titurel  5613,  4; 

ganz  vereinzelt  nhd: 

die  flocken  fallen,  das  wasser  eist, 
weil  der  winter  die  ganze  erde  greist 

E.  RosMER  königskinder  (1910)  81. 

3 GREISEN,  vb.,  nur  lexicalisch:  greisen,  die  stirn 
rimpfen,  obducere  frontem,  corrugare,  contrahere  He- 
NiscH  1738;  Stieler  696;  offenbar  identisch  mit  einer 
nd.  nebenform  von  grinsen:  grisen  ringere  Diefenbagh 
498»;  mnl.  grisen  grinsen,  schelten,  lachen;  nortoeg.  dia- 
lect.  gvisa,  Zähne  zeigen,  grinsen;  vgl.  Franck  2215'';  dazu 
grismaulen  ein  greinendes  maul  ziehen  Frischbier  l, 
254*;  sich  begrismulen  korresp.-bl.  d.  ver.  f.  nd.  sprach- 
forsch. 29  (1908)  40. 
GREISENAAR,  m.: 

fleug  greisenaar !  fleug  auf  zu  höhrem  tage ! 
(apostrophe  an  den  greisen  Jacob  Degen)  deutsch,  mtts.  von 

F.  Schlegel  1,  358. 
—  greisenader,  f.: 

und  dafür  .  .  gnüg'  ein  wenig  blut 
aus  halbverdorrten  greisenadem  ? 

FouQüE  held  d.  nordens  (1810)  2, 160. 
GREISENALTER,  n.,  bis  ins  ende  des  iS.jhs.  ziemlich 
selten. 

1)  von  personen:  die  kindheit,  die  jünglingschaft,  das 
männliche,  das  stillstehende  und  das  gräisen  alter, 
jedes  enthält  zweymal  sieben,  das  ist  14.  jähre  Hars- 
dörffer  teutsche  secretarius  2,  674 ;  zumal  da  diese  con- 
scription  vom  18 ten  jähre  bis  zum  60jährigen  greisenalter 
.  .  .  anhält  Ritter  erdkunde  4,  969;  sonst  auch,  wenn 
man  sechzig  jähre  verstände,  müste  ja  Hadubrand  dem 
greisenalter  nah  gewesen  sein  W.  Grimm  heldensage 
(1867)  26  (vgl.  zu  diesen  zeitlichen  begrenzungen  greis  sp.  74, 
1  a) ;  es  (das  kind)  grosz  worden  war,  und  zum  greisen 
alter  kommen  Spee  güld.  tugendbuch  (1649)  149; 
die  nun  greisenalter  drückt 

Denis  lieder  Sineds  (1772)  134,  26 ; 
an  dem  menschen  sind  vorn  und  hinten,  wie  an  den 
büchern,   zwei  leere  weisze  buchbinderblätter  —  kind- 


heit und  greisenalter  Jean  Paul  7 — 10,  277  Hempel;  der 
mensch  erlebt  jedem  object  gegenüber  ein  jünglings- 
mannes-  und  greisen-alter  Hebbel  briefe  3,  266;  die  ge- 
schichte  von  Göthe's  greisenalter  ist  so  vollkommen 
und  so  natürlich,  wie  sein  jugendleben  Gervinus  ge- 
schichte  d.  deutschen  dichtung  (1853)  5,  652; 

euch  war's  vergönnt, 
bis  an  des  greisenalters  dürre  schwelle  .  .  . 
die  kraft,  den  rühm,  das  glück  euch  treu  zu  fesseln 

Körner  3,  8  Hempel; 
bin  darüber  an  die  schwelle  des  greisenalters,  ja  in 
dieses  selbst  hineingeschritten  D.  F.  Strausz  6,  5;  du 
siehst  mich  jetzt  an  der  schwelle  des  greisenalters 
stehen  Seidel  Leb.  Hühnchen  (1899)  263;  vgl.  den  be- 
reits in's  greisenalter  tretenden  künstler  Stifter  14, 
213;  attribute:  in  jähren  früher  Jugend,  und  in  zeiten 
des  hohen  greisenalters  Jahn  l,  99  Euler;  dagegen  be- 
grüszte  der  meister  im  höchsten  greisenalter  den  em- 
pereur  Louis  Napoleon  Rich.  Wagner  5,  8;  die  frohe 
aussieht  eines  glücklichen  greisenalters  öffnet  sich  mir 
wieder  Kotzebue  sämtl.  dram.  werke  3,  74;  erfreuen  sie 
sich  noch  lange  eines  heitern  greisen-alters  Hebbel 
tageb.  4,  121;  alles  material  zu  einem  geordneten  leben, 
zu  einem  ruhigen  greisenalter  durcheinander  geworfen 
Raabe  Abu  Telfan  3,  85;  gern  präpositionell :  nicht  im- 
mer war  mir  dieses  so  klar,  als  es  jetzt  im  greisen- 
alter ist  Fr.  H.  Jacobi  4I,  xxiii;  Haydn  .  .  .  gibt  uns 
im  greisenalter  seine  'schöpfung'  R.  Schumann  ges. 
sehr.  4,  179;  auf  den  ruinen  dieser  ihrer  herzenspassion 
wandelte  nachher,  bis  in  ihr  greisenalter,  eine  zweite 
Holtei  vierzig  jähre  (1843/.)  l,  13;  die  lehre  habe  ich 
bis  .  .  an  das  greisenalter  nicht  beherrscht  L.  v.  Fran- 
COIS  letzte  Beckenburgerin  (l87l)  2,  149. 

2)  in  übertragenem,  gebrauch  mit  Vorliebe  von  Völkern, 
politischen  gebilden,  culturepochen  (vgl.  greis  adj.,  sp.  72  b) : 
Völker  haben  kein  alter,  oder  oft  geht  das  greisenalter 
vor  dem  Jünglingsalter  Jean  Paul  7 — 10,  341  Hempel; 
dasz  es  vorsichtiger  sei  (im  leben  des  Volkes)  von  perio- 
den  unentwickelter  .  .  .  kräfte  zu  sprechen,  als  von 
kindes-,  Jünglings-,  mannes-  und  greisenalter  Scherer 
kl.  sehr.  1,  171;  jedem  Staate  ist  die  monarchische  ge- 
walt  in  seiner  kindheit  die  laufbank,  in  seinem  greisen- 
alter eine  krücke  Börne  ges.  sehr.  12,  14;  während 
Preuszen  in  voller  kraft  .  .  der  Jugend  blüht,  .  .  zeigt 
Oesterreich  alle  Symptome  der  abnähme  und  der  ent- 
kräftung des  greisenalters  Görres  ges.  sehr.  2,  332;  (die 
Stadt)  genieszt  .  .  .  eines  ruhigen,  schläfrigen  greisen- 
alters Raabe  hungerpastor ;  wenn  diese  gottmenschen 
den  ewigen  frieden  werden  auf  die  erde  gebracht  haben, 
so  wird  das  greisenalter  der  weit  angebrochen  sein 
Gervinus  gesch.  der  deutschen  dichtung  (1853)  5,  348; 
Nürnberg,  das  die  bildenden  künste  so  sehr  förderte 
und  in  seinen  Spielsachen  gleichsam  bis  in  das  kindi- 
sche greisenalter  hegte  3,  291;  ein  so  drastisches  ge- 
mälde  .  .  .  der  im  greisenalter  des  heidenthums  ausge- 
bildeten magie  und  theurgie  Döllinger  akad.  vortrage 
1,  74. 

3)  die  form  greisesalter  übertoiegend  bei  norddeutschen 
autoren,  besonders  zu  anfang  des  19.  jhs. : 

ein  unsterbliches  übel  beschied  dem  armen  Tithoneus 
Jupiter;  schrecklicher  ists  als  der  gefürchtete  tod, 
greises-alter  Herder  26, 157; 

im  greisesalter  J.  J.  Engel  sehr.  2,  285;  dem  greises- 
alter nahe  Ad.  Müller  verm.  sehr.  2,  62;  dasz  einige 
Völker  durch  Unglück  und  zufall  früh  zum  greisesalter 
gelangen  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  2,  430; 
vgl.  357;  von  Heinsius  sogar  der  form  greisenalter  vor- 
gezogen wb.  2,527";  vgl.  Schütze  holst.  2,67;  obd.  sel- 
ten; besonders  zu  beachten  bei  Schiller,  weil  er  den 
gen.  greises  meidet  (s.  0.  sp.  73): 

von  seinem  Friedland 
trennt  Buttler  sich  nicht  mehr  im  greisesalter 

12, 126  anm. ; 

der  concinnität  zu  liehe:  das  mannes-  und  greisesalter 
erst  kann  die  echte  reife  des  kunstwerks  zur  Vollen- 
dung bringen  Hegel  10 1,  365  (dagegen  greisenalter  7  2, 
92).    —    greisenangesicht,  n,:   des   meister   Friede- 


87    GREISENANTLITZ  -  GREISENGESICHT 

wald  .  .  .  mitfühlendes  greisenangesicht  Fouque  alt- 
sächs.  bildersaal  4,  597 ;  das  bild  eines  welken  greisen- 
angesichtes  Ebner-Eschenbach  4,  342.  —  greisenant- 
litz,  n.:  wie  zum  treffen  geschaart  standen  hämische 
da,  und  neben  ihnen  sahen  ernste  greisenantlitze,  hart 
gemeiszelt,  .  .  von  den  wänden  herab  Fouque  zauber- 
ring (J.812)  l,^; 

wie  ein  greisenantlitz  droben 

ist  der  himmel  anzuschauen 

Heine  1,  220  Euter. 

—  greisesarm,  m.:   Hubertus   hat   mich   oft  meilen- 
weit nachts  auf  seinen  greisesarmen  getragen  Gutzkow 
Zauberer  v.  Eom  s,  14.  —  greisenarmuth,  /.;  dessen 
jugend-aar-muth  ausschlug  in  greisen-armuth  Rügkert 
(I867jf.)  2,457.   —   greisenart,  /.;  es  ist  nun  einmal 
Sängerart  .  .  mit  .  .  lust  nach  der  vorweit  hinzublicken, 
und  wie  es  auch  greisenart  sein  mag  Fouque  altsächs. 
bildersaal  4,  36.  —  gr eisenartig,  adj.:  der  greis  musz 
hier  ein  bischen   greisenartig   schwatzen  und  erzählen 
Arndt  sehr.  f.  u.  a.  s.  l.  Deutschen  4,  375.  —  greisen- 
atmosphäre,/.:  was  soll  sie  in  diesem  altmodischen 
wesen,    in  dieser  greisenatmosphäre?  Ebner-Eschen- 
bach 3,  375.  —  greisenauge,  n.:  und  nun  ist  er  mit 
den  ernstfreundlichen   greisenaugen  erloschen  Fouque 
altsächs.  bildersaal  4,  65 ;    er   ist  ein  Januskopf,   dessen 
Jünglingsantlitz  in  die  zukunft,   dessen  greisenauge  in 
die   Vergangenheit   blickt    Gutzkow   skizzenbuch   (1839) 
221.  —  gr  eisenbanne  r,  n.;  an  der  spitze  des  greisen- 
banners  ritt  ein  hoher  schön  gewaffneter  held  Fouque 
altsächs.   bildersaal  4,  148.    —    gr  eisenhart,   m.:  mit 
einer  behendigkeit,  die  durch  den  lang  hervorwallenden 
greisenbart  etwas  entsetzliches  . .  gewann  ¥ovqve  Jahres- 
zeiten 2,  89.  —  greisenbild,  n.:  und  richten  sich  von 
allen  selten  um  den  blutheerd  schwarz  verhüllte  greisen- 
bilder  auf  altsächs.  bildersaal  ^^  383.  —  greisenblöd- 
sinn,  m.,  dementia  senilis  Brockhaus  convers.-lex.  1*3, 
99».  —  greisenblut,  n.:  {Frankreich  droht)  die  trans- 
fusion  parodirend,  mit  veraltetem  greisenblut  den  körper 
des  romanischen  bruders,   der  sich  verjüngen  will,   zu 
vergiften  Kürnberger  Siegelringe  (1874)  307.  —  greis en- 
bogen,  m.,   arcus  senilis,  gerontoxon,  eine  altersverän- 
derung   der   hornhaut   des   menschl.   auges    Brogkhaus 
convers.-lex.  "7,  786".  —  greisenbrand,  m.,  gangraena 
senilis,  alterskrankheit  Brockhaus  convers.-lex.  1*3,  371**. 
—   greisenbrust,  /..-   ein   wunderschöner   greis,  .  .  . 
hoch  und  stattlich  weiszen  haupthaares  und  eines  hartes, 
der  glänzend   auf  die   schöne   breite   greisenbrust  her- 
niederwallte Stifter  1,225;   diesz   hat  mich   aus  den 
jungfräulichen  armen  meines  milden  Vaterlands  an  die 
greisesbrust   des   rauhen   winterlichen  nordens   geführt 
Hebbel  8,  lO;  vgl.  5,250.  —  greisencolonie,  /.:  seine 
frau  machte   witze   über   die   greisencolonie  in  Sieben- 
schlosz,   denn   auch  die   alten  Siegshofen   hatten   sich 
.  dahin  zurückgezogen  Ebner-Eschenbach  4,  203.  — 
greiseserotik,  /.;  es  ist  nicht  greiseserotik  in  ihrem 
specifisch-reinen   geist  und    Charakter,   es  ist  blosz  zu- 
fällig verspätete  jugenderotik  Kürnberger  lit.  herzens- 
sachen  (1877)  132.    —    greiseserstarren,    n.:    gar   zu 
hart  .  .  war'  es,  wenn  nun  der  in  die  schmutzige  larve 
eingekerkerte  Schmetterling  nach  allem   schmerzhaften 
hautabsprengen,  engen  einwindeln  und  greises-erstarren 
in   der   kaum   regen   puppe    zuletzt   nicht   herauskäme 
Jean  Paul  59—60,  113  Hempel.  —    greisenf  alte,  f.: 
wiewohl    den    siebzig  nicht   mehr  fern,    war  exzellenz 
von  Knobelsdorff  rüstig  in   körperlichem  wie   in  geisti- 
gem betracht.     sein  gehrock  zeigte  nicht  eine  greisen- 
falte  Thom.  Mann  königl.  hoheit  (1910)  410.  —  greisen- 
gehirn,  n.:   die  chemische  Constitution  des  greisenge- 
hims  nähert  sich  . .  derjenigen  der  jüngsten  lebensperiode 
Büchner  kraft  u.  stoff  (1856)  120.  —  greisengelock, 
n. :  und  lieszen  ihr  langes  greisengelock  über  antlitz  und 
schultern  fallen   Fouque  altsächs.  bildersaal  4,  325.  — 
greisengeschlecht,  n.: 

die  klügsten  waldgeister  sind  die  alräunchen, 
langbärtige  männlein  mit  kurzen  beinchen, 
ein  fingerlanges  greisengeschlecht 

Heinb  1,  393  EUter. 

—  greisengesicht,  ».;   ein  .  .  wehmütiges   ansehen 


GREISENGESTALT  -  GREISENHAFTIGKEIT    88 

gab  ihm  sein  von  leiden  durchfurchtes  greisengesicht 
Heine  6,128  Elster.  —  greisengestalt, /..-  nun,  der 
Froger  war  auch  einäugig;  eine  gewaltig  hohe  greisen- 
gestalt Fouque  altsächs.  bildersaal  2,  451;  nun  kamen 
ältere  herren  im  ornat  und  mitten  unter  ihnen  .  .  eine 
gebückte  greisengestalt,  der  Jubelpriester  Rosegger 
Wildlinge  (1905)  237;  des  Dionysos  .  .  bildnisse  pflegen 
sie  in  kindlichem,  theils  in  jünglingswuchs  aufzustellen; 
auszerdem  in  bärtiger,  auch  greisesgestalt  J.  H.  Voss 
antisymb.  396; 

ich  sähe  bei  ave  Maria  und  kreuzen, 
geschmücket  mit  höhern,  unsterblichen  reizen, 
wohl  eine  ätherische  greisesgestalt 

Novalis  1, 155  Minor. 

—  greisengrille, /.; 

greisenkummer,  greisengrille  I 
wenn  wir  altem  und  erschwachen, 
dünkt  die  weit  uns  alt  und  schwach 

ZscHOKKE  sämtl.  ausgew.  sehr.  39,  38. 

—  greisenhaar,  n.: 

ich  will  den  schandbrief  ihm  vor's  äuge  halten, 

dasz  seiner  wangfen  roth  in  todtenweisz, 

sein  haar  vor  schreck  in  greisenhaar  sich  wandelt 

Raupach  dram.  werke  ernster  gattung  8, 121 ; 

wir  können  erzählen,  warum  die  junge  mutter  mit  dem 
greisenhaar  von  ihrem  .  .  söhne  .  .  edelweisz  wünscht 
Auerbach  sehr.  16,  4;  die  kinder  mit  dem  greisenhaar, 
wie  die  Italiener  verwundert  die  flachsköpfigen  jungen 
des  nordlandes  bezeichneten  Mommsen  röm.  gesch.  2, 173; 
der  getreu  bis  zu  den  greisenhaaren 

Denis  lieder  Sineds  (1772)  272,  18; 

unserer  jüngsten  generation  und  Jugend  imponiren  .  . 
keine  autoritäten,  keine  greisenhaare  mehr  Bog.  Goltz 
ein  jugendleben  3,  880. 

GREISENHAFT,  adj..  was   dem  greise   eigen  ist;  an- 
scheinend erst  seit  dem  19.  jh.: 

herr,  sprach  er,  dieser  hart,  so  greisenhaft, 

kann  manchen  wohl  vielleicht  zum  wahn  bethören, 

das  alter  raube  mir  des  muthes  kraft 

Gries  Bojardos  verliebter  Boland  2,  306 ; 

Baton,  dem  zum  contrast  mit  der  jugendlichen  gestalt 
ziemlich  greisenhafte  züge  gegeben  sind  Welcker  alte 
denkm.   2,  177 ;   ein   greisenhafter   zug   bildete   sich   um 
seinen  mund  Ebner-Eschenbach  6,  98;  der  hofrat  sang 
die  erste  strophe  dieses   liedes  in   einem  greisenhaften 
falsett  MÖRIKE  3,  87  Göschen;  geistig:  lauter  prahlereil 
greisenhafte  eitelkeit  Holtei  erzähl,  sehr.  9,  62;  Marius 
in    seiner    greisenhaften    Verbitterung    Mommsen    röm. 
gesch.  2,  838;  er  fühlte  sich  von  dem  gedanken  greisen- 
haften nichtkönnens  'wie  von  hunden  angefallen'  jahrb. 
d.  Orillparzergesellsch.  4,  34;  ähnlich  gern  adverbiell:  ob- 
gleich mein  blut  bei  der  frage  nach  Walthers  heimath 
greisenhaft  ruhig  bleibt  Scherer  kl.  sehr,  l,  302 ;  etwas 
greisenhaft   ängstliches   sprach   sich   in   seinem  wesen 
aus  Ebner-Eschenbach  3,  378;   er  zeigte  sich  sehr  .  . 
gesprächig,    ja,    wie    einige    meinten,    greisenhaft    ge- 
schwätzig  Steub    drei   sommer   in    Tirol   (1895)    2,  137; 
bildlich:  aber  darüber,  dasz  sie  {unsere  zeit)  ein  gräm- 
liches, greisenhaftes  gesiebt  hat,  werden  sich  alle  stim- 
men leicht  vereinigen   Hebbel  12,  200;   und  doch  kam 
die   ästhetik   in   etwas   greisenhafter   gestalt    zur  weit 
JusTi  WincÄeZmann  1,  78;  bei  übertragenem  gebrauch  hat 
das  adj.  meist  den  sinn  des  senilen,  abgelebten,   oft  mit 
tadelndem  beigeschmack:  unsere  jungen  dichter  .  .  stell- 
ten sich  gegen  alles  greisenhafte,  pedantische,  veraltete 
.  .  in   schule,    haus   und   selbst  im   Staate   Gervinus 
gesch.  d.  deutschen  dichtung  (1858)  4,379;  in  der  that  er- 
scheint uns  der  roeocostil  jetzt  greisenhaft  iMsiiWinckel- 
mann  1 ,  257 ;    so   ging  denn  das   greisenhafte  regiment 
schläfrig   und   langweilig   weiter   Treitsghke   deutsche 
geschickte   (1897)    3,  513;    doch    auch    weniger   prägnant: 
schauen   wir   aber    in    die   lange   zukunft  jenseits   un- 
seres   grabes   hinaus   oder   hinab;    so    stellt    sich    uns 
alles   mehr   alt,   abendlich  und   greisenhaft   dar   Jean 
Paul   in   Fr.  Schlegels  deutsch,  mus.  l,  417;    die   ly- 
rische poesie    hat  etwas  kindliches,    die    dramatische 
etwas    männliches,    die    epische    etwas    greisenhaftes 
Hebbel  tageb.  1,399.   —    greisenhaftigkeit, /.;   arg 
übertrieben   hat   man   die   angebliche   greisenhaftigkeit 


89 


GREISENHAND  -  GREISESOHR 


GREISENPAAR  -  GREISENWORT 


90 


der  generalität  Prutz  preusz.  geschickte  3,  396;  nur 
durch  den  kaufmannsgeist  der  Lombardei,  durch  die 
greisenhaftigkeit  und  abgelebtheit  Venedigs  sind  wir 
verführt,  die  italienische  nationalität  gering  zu  schätzen 
Gutzkow  lo,  208;  es  musz  eine  zeit  des  marasmus, 
der  byzantinischen  greisenhaftigkeit  sein  Kürnberger 
liter.  herzenssachen  20;  seine  unwürdige  junge  greisen- 
haftigkeit fühlte  er  aufs  schärfste  jener  reinen  Jugend 
gegenüber  Raabe  leute  a.  d.  tcalde  2,  179.  —  greisen- 
hand, /.;  man  sollte  kaum  glauben,  dasz  eine  greisen- 
hand  sie  (die  Helenagestalt  im  Faust)  gemeiszelt  Heine 
6,  509  Elster;  greiseshand  Nestroy  ges.  werke  4,  237.  — 
greisenhaupt,  n.:  die  ein  richteramt  verwalteten, 
hieszen  grauen  oder  grafen,  von  ihren  ehrwürdigen 
greiseshäuptern  Becker  weltgesch.  i,  842;  das  wilde  beer 
der  Ennsthaler  alpen  reckt  seine  unzähligen  riesen-  und 
greisenhäupter  .  .  empor  zum  Hochschwab  Rosegger 
11x2,48.  —  greis enh eit, /.,  singulär:  und  so  schien 
uns  jenes  buch  {des  greisen  Holbach  Systeme  de  la  na- 
ture),  als  die  rechte  quintessenz  der  greisenheit,  un- 
schmackhaft, ja  abgeschmackt  Göthe  28,  69  Weim.  — 
greisenherrschaft,  /..•  das  unter  seiner  schwachen 
greisenherrschaft  mehr  und  mehr  erstarrende  Oesterreich 
Treitsghke  deutsche  gesch.  5,  63.  —  greisenherz,  n.: 
da  schlägt  dies  greisenherz  im  glühenden  weh!  Fouque 
altsächs.  bildersaal  i,  431.  —  greisenjahr,  n.:  des 
menschen  alter  .  .  ,  welches  bestehet  in  der  müszigen 
kindheit,  .  .  männlichen  stärke,  und  dann  den  geitzigen 
greisen  jähren  Harsdörffer  frauenz.  gesjprechsp.  6,  54; 

wann  das  alter  kömpt  heran, 
wird  diesz  alles  abgethan, 
denn,  der  greiszen  jähre  ziel 
weder  lieben  kan  noch  wil 

Königsb.  dichterkr.  54  neudr.; 

einen  alten  berühmten  kriegshelden,  der  in  seinen 
greis enjahren  mönch  geworden  war  Fouque  zauberring 
(1812)  1,  53.  —  greisenkind,  n.;  schon  seine  'wohl- 
beleibtheit' war  dem  verhungerten  greisen-kinde  im 
wege  HoLTEi  vierzig  jähre  (1843/.)  i,  297.  —  greisen- 
kindheit,  f.: 

schwach  ist  die  weit,   in  greisenkindheit,  nur  flammendes 

Schreckbild 
zeigt  ihr  den  abgrund,  den  ihr  verdunkeltes   äuge  nicht 

mehr  sieht 
Fr.  V.  Sonnenberg  Donatoa  (1806)  1,  160. 

—  greisenkleid,  n..-  aber  uns  hängt  das  alte  greisen- 
kleid  noch  verhüllend  über  der  blühenden  gestalt 
Fouque  altsächs.  bildersaal  i,  157.  —  greisenkopf,  m.: 
bekanntlich  wurde  unter  dem  minderjährigen  Ludwig 
XV.  der  greisenkopf  auf  den  alten  louisd'or  .  .  .  blos 
durch  den  druck  eines  rades  in  den  .  .  kinderkopf  um- 
gemünzt Jean  Paul  24—26,  50  Hempel;  mit  unrecht  ver- 
absäumt ward  es,  bey  berührung  dieses  bilderschatzes, 
von  einem  trefflichen  greisenkopfe  Rembrandts  künde 
zu  geben  Matthison  sehr.  (1825)  4,  135.  —  greisen- 
kummer,  m. ,  s.  greisengrille.  —  greisenleben,  n.: 
runzelicht,  mit  den  markirtesten  gesichtszügen  des  al- 
ters treten  sie  (die  neugeborenen)  auf  den  Schauplatz 
dieser  weit,  und  nach  ein  paar  wochen  .  .  beschlieszen 
sie  ihr  greiszenleben  Hufeland  ku7ist  das  menschl. 
leben  zu  verlängern  (1797)  460.  —  greisenlocke,  f.: 
das  heitre,  von  silberweiszen  greisenlocken  umspielte 
angesicht  Fouque  altsächs.  bildersaal  3,  2.  —  greisen- 
maske,/. ;  die  stehenden  masken,  deren  es  eine  ge- 
wisse feste  zahl,  zum  beispiel  acht  greisen-,  sieben  be- 
dientenmasken  gab,  aus  denen  .  .  der  dichter  nur  aus- 
zuwählen hatte  Mommsen  röm.  geschickte  1,  867.  — 
greisenmord,  m..-  ein  heldenspiel  ...  wo  man  den 
feldtod  kaum  bemerkt  vor  lauter  meuchelmord  und 
kindermord,   greisenmord  Jean  Paul  52/53,  94  Hempel. 

—  greisenmund,  m.: 

greisenmund  voll  rathes  ist  ein  hört 

RüCKERT  (1867  J.)  12,  182. 

—  greisennacht,  /.; 

tod  und  nacht,  die  deutsche  greisennacht 

Arndt  5,241  Jtösch-Meisner. 

—  greisennatur,  /.;  die  greisennatur  machte  doch 
ihr  recht  einiger  ruhe  geltend  Laube  ges.  sehr.  11,  188. 

—  greisesohr,  n.: 


ein_  knabe  noch,  erzählt'  ich  greisesohren 
mein  kurzes  leben,  das  so  reich  schon  war 

Freiligrath  ges.  dichtungen  (1870)  4, 179. 

—  greisenpaar.n.:  die  äuszerst  schwache  betonung 
jener  an  dem  greisenpaar  (Philemon  und  Baucis  im 
Faust)  begangenen  bestimmten  thatschuld  Visgher  altes 
u.  neues  2,  38.  —  greisenregiment,  n.:  jetzt  erst  be- 
gann das  starre  greisenregiment  zu  Wien  die  folgen- 
schwere bedeutung  der  preuszischen  handelspolitik  zu 
ahnen  Treitsghke  deutscke  geschickte  (i897)  4,  382.  — 
greisenring,  m.,  was  greisenbogen  Brogkhaus  konv.- 
Zea;.  1* 8 ,  241  *.  —  greisenrolle,  /..-  Abellino  (seiner 
greisenroUe  vergessend,  in  voller  kraft  aufgerichtet) 
Zsghokke  sämÜ.  ausg.  Schriften  39,  65.  —  greises- 
runzel,  f.: 

durch  reges  aufstehn  ehrte  der  sänger  chor 
dich  hohen  iüngling,  der  vom  Teutonenhain  .  . 
froh  in  bescheidener  wtird'  einherging, 
aus  greisesrunzeln  wie  aus  gewölk  enthüllt, 
ein  nord-Apollon 

J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  (1802)  3,  251. 

—  greisenscham,  f.: 

sank  er  in  kissen,  herzte,  schwebt' 
in  lust  und  grauen,  zwischen  bangen 
vor  greisenscham,  bräut'gamsverlangen 

Immermann  13,  257  Hempel. 

—  greisenschar,  /..-  der  tod  berührte  seine  opfer: 
Barthold  Niebuhr,  Georg  Hegel  .  .  die  greisenschar  des 
deutschen  ruhms  wird  lichter  Gutzkow  9,  209.  — 
greisenschrulle,  /.:  es  (der  ekeplan)  war  eine  grei- 
senschrulle,  würdig  der  eisenfesten  erhalterin  (ikres  ge- 
sckleckts)  L.  V.  Franko  IS  letzte  Beckenburgerin  (l87l)  1, 
213.  —  greisenschwäche,  /.;  vielmehr  scheint  jed- 
wedes (volk)  bestimmt,  seine  kindheit,  seine  tölpeljahre, 
.  .  seine  greisenschwäche  durchzumachen  Holtei  erz. 
sehr.  23,95.  —  greisensitte, /.;  Spener  ging  seiner 
Schülerin  —  nach  greisen-sitte  um  andere  unbeküm- 
mert —  entgegen  Jean  Paul  15 — 18,  285  Hempel.  — 
greisenstab,  m.:  durch  lebensalter  und  natürliche 
Verhältnisse,  .  .  am  wander-  und  greisenstabe  wird  der 
mensch  zum  eigentlichen  leben  geführt  graf  Loben 
lotosblätter  2,  66.  —  greisenstimme,  /.:  er  sprach 
mit  matter  greisenstimme  W.  v.  Polenz  Grabenhäger 
1,  247.  —  greisentage,  plurale  tant.:  aber  er  vermied 
.  .  das  harte  Schicksal  nicht,  das  ihm  für  seine  greises- 
tage  aufbehalten  war  Begker  weltgesch.  l,  419;  den 
alten  herrn  .  .  .  ,  der  sich  noch  in  seinen  greisestagen 
das  lachende  roth  des  national-liberalismus  auf  die 
Wangen  legte  Gutzkow  9,  426 ;  in  seiner  kindheit  waren 
hier  die  urwälder  ausgerottet  worden;  .  .  und  nun  in 
seinen  greisentagen  lieszen  sie  das  Weiszbrunnthal 
wieder  anwachsen  Rosegger  8,206.  —  greisentraum, 
m. ;  willst  du  die  künftigen  greisenträume  deines  kindes 
wie  ein  trauerzimmer  schwarz  ausschlagen?  Jean  Paul 
44,  76  Hempel.  —  greisen th um,  n. ;  ein  greisenthum 
dieser  art  ist  .  .  .  nur  das  caput  mortuum  des  lebens 
Schopenhauer  4,  551  Qriseback;  'der  pfarrer  steht  im 
fünfundsiebzigsten  jähre.'  'nun,  das  beweiset  nichts, 
im  gegentheil,  desto  schlimmer  für  den  alten  mann, 
wenn  seinem  greisenthume  zum  trotze,  er  dennoch  .  . 
wie  alt  ist  denn  die  hübsche  wirthschafterin?'  Holtei 
erz.  sckr.  16,  6;  vgl.  38,  98;  (gedächtnisschwache)  auch 
eines  der  .  .  .  anzeichen  des  hereinbrechenden  greisen- 
thums  Ebner-Esghenbagh  6,  265.  —  greisenüber- 
lebtheit,  /.;  mitten  in  die  gedankenembryone ,  die 
nicht  leben,  und  die  greisenüberlebtheiten,  die  nicht 
sterben  können,  schleuderte  die  Vorsehung  eine  aufgäbe 
Gutzkow  lO,  75.  —  greisenvolk,  n.-. 

denn  greisenvolk  auf  krücken, 
dazu  hochschwangre  frau'n  (flohen) 

Freiligrath  ges.  dicht.  (1870)  4,  94. 

—  greisenwahn,  m..- 

auch  mir  will  oft  das  haupt  der  greisenwahn  umdüstern 

RüCKERT  (1867  ff.)  8,  349. 

—  greisenweisheit,  f.: 

milde  greisenweisheit 

von  den  lippen,  von  der  stirne  spricht 

Denis  lieder  Sineds  (1772)  105. 

—  greisenwort,  n.:  greisen worte  gedichttitel  beiUn- 
LAND  ged.  (1898)  1,  98;    all'    seine   gedanken   weiszt   er 


91 


GREISENZEIT  -  GREISIG 


GREISIN  -  GREISKRAUT 


92 


(Beethoven)  in  den  basz  hinab,  manchmal  ist's,  als 
möchte  er  noch  einen  ton  finden,  der  ganz  im  tiefsten 
abgrunde,  wie  das  tausendjährige  greisenwort  des  alten 
Saturn,  brummte  Gutzkow  2,  408.  —  greisenzeit,/.; 
dasz  wir  uns  wohl  in  die  kinderzeiten  zurück,  aber 
nicht  in  die  greisenzeit  hinaus  träumen  Jean  Paul  u, 
151  Heinpel. 

GREISERICH,  m.,  panicum  crus  galli  Pritzel-Jessen 
261*;  Grassmann  nr.  742;  Schweiz,  form  für  grenserich, 
s.  d. 

GREISGESPENST,  n..  gespenst  in  greisengestalt:  das 
soll  nun  währen,  bis  zwei  brüder  in  der  familie  auf- 
kommen, von  denen  der  eine  den  andern  ermordet  .  . 
so  lautet  eine  steinalte  prophezeihung  und  man  sagt, 
dasz  das  greisgespenst  nun  sehnlich  darauf  warte  Tieck 
sehr.  11,  40. 

GREISGRAM,  adj.,  irrthümliche  diphthongierung  von 
grisgram :  er  ist  mir  gar  greisz  gram,  todt  spinnen  feindt 
mihi  vehementer  iratus  est  Apherdianus  methodus  dis- 
cendi  (l670)  75;  vgl.  greisgrimmig. 

GREISGRAU,  adj.,  verstärktes  grau  (vgl.  greisalt);  in 
manchen  nd.  dialecten  Frischeier  1,253^;  im  rhdnfr. 
durch  volksetymologische  anlehnung  an  grütze  entstellt 
zu  gritze-gra  ganz  und  gar  grau  Schmeller  l,  1018; 
ViLMAR  138;  ebenso  waldeckisch  gritsegrä  Rauer-Col- 
LITZ  41^; 

zuband  sprach  sich  ein  altgreise, 
ein  alter  greisgrawer  man 

Mittler  deutsche  Volkslieder  (1865)  133; 

also  dass  landgraf  Wilhelm  ,  .  .  seinem  alten,  abgeleb- 
ten, greisgrauen  vater  .  .  den  gebührenden  unterhalt  .  . 
nicht  reichen  könte  Chemnitz  schwed.  krieg  l,  86;  ein 
alten  greiszgrauen  mann  vergleichet  er  einem  blühen- 
den bäum  Aeg.  Albertinus  hirnschleiffer  (1664)  47;  das 
abgelebte,  weiszbeschneite,  .  .  .  welcke,  .  .  .  wolbetagte, 
greiszgraue,  unbegnügte  .  .  alter  Treuer  deutscher  Da- 
dalus  (1675)  1,  74;  wenn  Schröpfer  zum  beispiel  seinen 
alten  greisgrauen  bebarteten  mann,  seine  kalten  riesen 
und  Zwerge  .  .  .  heraufzauberte  La  vater  ausgew.  sehr. 
1,  259;  mit  bewahrung  des  nd.  vocals: 

aufgepaszt:  da  kommt  ein  wahrer 

eisbär!  huh,  ein  griesegrauer !  (ein  altes  hökerweib) 

Dehmel  zwei  menschen  (1908)  91; 

statt  dieser  intensiven  bedeutung  kennt  das  nd.  weithin 
eine  abgeschwächte:  zeigen  sich  die  grauen  haare  erst 
einzeln,  so  heiszt  das  grisgrau  oder  grimmlich  Danneil 
70^;  griesgrau  grau  mit  etwas  dunkelm  gesprenkelt  brem. 
wb.  2,  biß;  ähnlich  Adelung  2,  795;  vgl.  grisgrö, /.,  butter- 
milchsuppe  Leihener  cronenberg.  47'';  Wöste  86*;  m,eck- 
lenburg.  auch  als  Scheltwort:  de  olle  grisegrape  kiirl,  de 
olle  grisegrape  sog  von  einer  weibsperson  Rerghaus  1, 
613''  (die  Umbildung  scheint  anzuknüpfen  an  grise  gra- 
pen  [grapsen]  ein  graues  gericht  brem.  wb.  2,  546). 

GREISGRIMMIG,  adj.,  irrthümliche  diphthongierung 
von  grisgr.  (vgl.  greisgram) :  herr  Zanckmann,  der  ganz 
greiszgrimmig,  wie  ein  low  aussiebet  Quistorp  bei 
Danzel  Gottsched  140; 

nur  nicht  gespottet,  freund!  du  könntest  mich  bewegen, 
des  Zolls  rüstung  auch  greiszgrimmig  anzulegen 

ScHÖNAiCH  in:  d.  neueste  aus  d.  anmuth.  gelehrsamkeit 

V.  Gottsched  2,  884. 

GREISHAAR,  n.,  capitis  nives  Henisch  1738;  er  .  .  . 
steckte  den  köpf  mit  dem  wehenden  greishaar  durch 
die  Zaunlücke  Storm  6,  lOi. 

GREISHEIT,/.,  canifo'es  Henisch  1738;  beschaffenheit, 
eigenschaft  einer  suche,  da  sie  greis  oder  grau  ist  Hein- 
sius  2,  527''. 

GREISHOLZ,  n.,  örtliche  benennung  des  ligu^ters  (nach 
der  weiszen  färbe  des  holzes)  Rossmässler  der  wald 
(1863)  493. 

GREISICHT,  adj.:  andere  halten  es  für  zehe,  lettig, 
greusicht  oder  kyfricht  land  Mathesius  Sarepta  (1562) 
155*;  zu  2greis  l,  sp.  81. 

GREISIG,  adj.,  im  gebrauch  von  greis  kaum  unter- 
schieden: 

er  {der  vater  Rhein)  nickt  aus  den  fluten  mit  greisigem  haar 
und  spendet  erquickenden  segen 

HOFFM,  V,  Fallerslbben  ges.  sehr.  3,  32 ; 


der  Jüngling    sah   starr   in   die    greisigen    runzeln    des 

nachtgesichtes   Kürnberger  novellen   (l86l)  l,  18;    die 

greisigsten   greise   erinnern   sich   nicht   solchen  august 

erlebt  zu  haben  Fontane  familienbr.  2,  8; 

nun  aber,  berühret  mit  dem  kalten  griff 

des  greisigen  alters,  schreitet  einher  im  schon  falben  hain, 

deren  einer  brüder  Stolberg  2,  336 ; 

dasz  in  dem  germanisch  verjüngten  Europa  das  greisige 
Celtenvolk  mit  verdorbenem  römerblut  in  den  ädern 
befruchtend  an  unserer  seite  liegen  könne  Kürnberger 
Siegelringe  (l874)  166;  adverbiell: 

wolltest  greisig  dich  gebärden, 
weil  den  scheitel  schnee  bedeckt 

Arndt  5, 161  Bösch-Meisner ; 

auch  dialectisch:  gräsich  grau,  ins  graue  streifend  Kra- 
mer Bistritzer  dial.  39;  in  älterer  zeit  greisicht,  problem. 
Aristot.  (1589)  13  (s.  o.  *  greise);  canus,  rancidulus,  emu- 
cidus  Stieler  696;  daher:  griset  (färbe  von  rindvieh) 
stichelhaarig  und  dadurch  grau  erscheinend  (Kärnten) 
Martiny  wb.  d.  milchwirthsch.  (l907)  48;  griset,  gris'lt 
grau,  grislete  woll;  sprenkelig,  eine  griselete  henne 
Schöpf  214;  grisat  grau  Racher  Sprachinsel  Lusern 
263;  griset  piccJiettato,  an  alter  griseter  man  Schmeller 
cimbr.  126'';  zu  dem  auffälligen  vocal  vgl.  greis,  sp.  65,  2. 
—  greisigkeit,  /.,  canities,  canitudo,  mucor  Stieler 
696. 

GREISIN,  /.,  ganz  junges  wort;  noch  von  Adelung 
als  nicht  üblich  bezeichnet  wb.  2,  795;  wie  es  scheint,  von 
Voss  eingebürgert: 

(Aphrodite)  in  gestalt  der  wolle  krampelnden  greisin 
(yyjji  di  ,utv  hxvla  nalaiytvii  r  386)  Ilias  3,  386; 

Pallas  nimt  der  greisin  gestalt,  und  fälscht  um  die  schlafen 
graues  haar  (Pallas  anum  simulat  metam.  6,  26) 

Ovid  nr.  26,  22; 
ohne  frucht,  und  gebückt  als  greisinnen,  stehn  wir 

sämtl.  ged.  (1802)  2,  198; 

seit  anfang  des  19.  jhs.  häufig:  die  freundliche  greisin 
küszte  ihren  söhn  auf  die  stirn  Fouque  altsächs.  bilder- 
saal  4,  150;  (die  weiber  haben)  lange  falten  im  gesicht, 
als  wären  sie  schon  greisinnen  Ritter  erdkunde  15, 
1104;  das  der  greisin  Mafuike  .  .  .  gestohlene  teuer 
Ratzel  Völkerkunde  (iBSbff.)  2,  306;  vde  greis  auch  von 
thieren:  ihren  zahnen  nach  darf  man  ihr  (der  affin) 
ein  alter  von  vier  jähren  zusprechen,  obschon  man  sie 
nach  ihrem  runzeligen  gesiebte  für  eine  hundertjährige 
greisin  halten  möchte  Rrehm  thierleben  l,  222  Pechuel- 
Loesche;  im  vergleich:  so  ruht  diese  graue  tochter  des 
mittelalters  (die  Wartburg)  in  ihrem  grünen  waldes- 
kranze  wie  eine  ehrwürdige  greisin ,  von  blühendem 
leben  umfangen  Aug.  Sach  deutsche  heimat  (i902)  346; 
übertragen : 

diese  greisin,  diese  düstre  flehte 

zeigt  die  narben,  die  auch  sie  (in  der  schlackt)  empfieng 

TiEDGE  eleg.  1,  76. 

IGREISING,  m.,  senex,  nur  mhd.:  ein  alter  grisinc 
Rerth.  V.  Regensburg  820,  29;  321,  i.  3. 

2GREISING,  s.  greuszing. 

GREISKIND,  n.,  kindischer  greis:  überall,  wo  die 
sonne  aufglänzen  konnte,  hatte  er  ordentlich  mit  dem 
kindischen  Wohlgefallen  eines  greiskindes  bunte  glas- 
kugeln   auf  stäbe  gesteckt   Jean  Paul  32,  156  Hempel. 

GREISKNARE,  m.,  greisenhafter  k^iabe:  (die  ägypti- 
sche, das  knabenalter  der  m^nschheit  darstellende  cultur 
scheint  dir  roh  und  unentwickelt;  aber)  siehst  du  nicht, 
,  .  wie  deine  bürgerliche  klugheit,  philosophischer  deis- 
mus  .  .  den  knaben  wieder  zum  elenden  greisknaben 
würde  gemacht  haben  Herder  5,  490. 

GREISKOPF,  m.,  graukopf;  nd.  sehr  gewöhnlich:  gris- 
kop  Schambach  69*;  Danneil  70'';  den  ölen  griiskopp 
Kl.  Groth  nach  Berghaus  i,  614*;  der  alte  greiskopf 
Simeon  sagt  auch  davon  Otho  evang.  krancken  trost  50; 
ist  das  nicht  eine  schände  für  einen  solchen  alten  greis- 
kopf? Gottsched  deutsche  schaub.  5,  363. 

GREISKRAÜT,  n.,  sowohl  für  senecio  Pritzel-Jessen 
374,  wie  für  erigeron  Grassmann  nr.  350,  wb.  d.  lux. 
ma.  (1906)  153*;  beide  pflanzen  verblühen  schnell  und 
tragen  dann  auf  ihren  blüthenköpfen  helle  haarkronen, 
die  ihnen  ein  greisenhaftes  aussehen  geben;  vgl.  2 greise. 


93 


GREISLEIN  -  GREITELN 


GREITEN,  GREITIG 


94 


GREISLEIN,  n.:  Bodmer  ist  ein  altes  greislein  mit 
kahlem  vorhaupt  Heinse  10,  81  Schüddekopf;  argloses 
greislein,  achtzigjähriges  kind,  durchschaust  du  nicht 
dieses  heuchlers  tücke?  Holtei  erz.  sehr.  17,86;  der 
pfarrer  war  ein   rasches   greislein  Rosegger  III  2,  353. 

GREISLICH,  adj.,  furchtbar,  abscheulich,  häszlieh: 
greyslich  atrox,  dirus  Diefenbach  nov.  gloss.  136  •";  hör- 
rendus  gloss.  280'';  rictu  foedus  et  minax,  horribilis 
aspectu  Henisch  1788; 

nun  hab  ich  mir  ain  weib  genümen,  .  . 
sie  sieht  hesziich,  so  pin  ich  scheuslich; 
sie  sieht  dueekiseh,  so  pin  ich  greiszlich 

H.  Sachs  fastn.  sp.  76,  91  Qötze; 
das  unrecht  wird  nu  wehrt  gehalten 
und  ich  (die  gerechtigkeit)  musz  drüber  greiszlich  alten 

Knittel  poet.  Sinnenfrüchte  (1677)  120 

{toohl  eher  hierher  als  im  sinne  'greisenhaft'  =  nd.  gris- 
lich  grauartig,  s.  greis  sp.  81,  III) ;  auch  in  einigen  westd. 
dialecten:  greiszlich  Follmann  215*;  lux.  ma.  (1906)  153»; 
vgl.  greiserlich  entsetzlich  Kramer  bistritz.  39;  gehört 
wie  das  verwandte  greisemlich  (s.  d.)  zu  der  im  nd. 
blühenden  sippe  von  grisen  schaudern,  s.  d. 

GREISTEN,  vb.,  =  kreisten  kreiszen:  sihe,  so  wird  er 
nach  bösem  greisten,  mit  Unglück  ist  er  schwanger 
Scheue psalmen  c  4»  (jp*.  7,  15);  nach  bei  kreiszen  auch 
sonst  bezeugt  th.  5,  2165. 

GREISUMLOCKT,  adj.:  die  feinde  beachteten  den 
kleinen,  greisumlockten  mann  wohl  gar  nicht  FouQUE 
altsächs.  bildersaal  i,  643. 

GREISUNG,  /.,  das  greis  werden: 

was  zu  sehen  ihr  graut,  die  klare  gestalt  ihrer  greisung, 
davon  haszt  sie  auch  mit  das  schattengebild 

Arndt  6, 111  Rösch-Meisner. 

GREISZELN,    vb.,    in   kleinigkeiten   genüge  finden:    o 

glücklicher  greisler,  wie  ruhig  greiszelst  du  den  lebens- 

pfad  dahin  Nestroy  gesamm.  werke  5,  194;  gelegenheits- 

bildung  zu  greiszier,  *.  d. 

GREISZEN,  vb.,  bergmänn.  wort  für  'von  einander 
spellen,  spalten'  Minerophilus  bergwerkslex.  (1743)  274''; 
nach  Jagobsson  technolog.  wb.  5,  735»  im  Erzgebirge; 
=  gereiszen?  Adelung  2,  795. 

GREISZLER,  m.,  victualienhändler,  die  im,  heutigen 
österr.  fest  gewordene  form  für  gräuszier  («.  d.),  Schöpf  212, 
Hügel  Wien.  dial.iO,  Loritza  id.  Vienn.M,  Sghmeller 

1,  1010  mit  weiteren  nachioeisen;  die  einkehr  nahmen  sie 
bei  einem  krumpfhändigen  greiszier,  allwo  ich  gleich- 
falls zu  kost  und  bett  gienge  Abele  v.  Lilienberg 
künstl.  Unordnung  i,  192;  dahero  er  (Judas)  mit  under- 
schidlichen  leuthen  beschäftiget  worden,  nemblich  mit 
einkaufern,  mit  verkäuflern,  .  .  mit  greiszlern,  würthen 
Abr.  a  St.  Clara  Judas  (1686/".)  i,  268;  dazu  greisz- 
lerin  Nestroy  ges.  werke  2,  210;  ünger-Khull  305»; 
greiszlerladen  Nestroy  ges.  werke  2,  37;  Rosegger 
II  13,  338;  greislerleute  Nestroy  ges.  werke  5,  194; 
greislerstandpunct :  vorausgesetzt,  dasz  die  ver- 
legerfrage nicht  absolut  unlösbar  ist,  was  der  fall  zu 
sein  scheint,  so  lange  die  Wiener  Verleger  den  ideen- 
losen greisler-standpunkt  nicht  aufgaben  H.  Lorm  aus- 
gew.  briefe  (1912)  247. 

^GREIT,  OT.,  begierde,  habgier;  nur  alem.,  besonders  el- 
süss.;  vom  li.jh.  an:  so  ist  ir  leben  gar  faste  gekert 
uf  ere  und  ufe  grit  und  ufe  unkuscheit  Staub-Tobler 

2,  286  (li.jh.);  es  bewiset  ouch  des  bobestes  und  der 
Cardinal  grit  und  ire  hofart  Closener  in  den  städte- 
chron.  8,  70,  8;  vgl.  340,  15;  dorecht  gsatz,  schinderey, 
gryt,  koufmanschaft  Glemen  reform,  fiugschr.  4,  108 
(Karsthans) ;  such  nit  hoffart,  nit  unkeuscheit,  nit  greit, 
sunder  demut,  küschheit,  meszikeit  Geiler  v.  Keisers- 
BERG  evangelia  (l517)  144'';  gryt  ist  unordentlich  begird 
etwas  zu  haben  christl.  künigin  cc  l'';  vom  17.  jh.  an 
nicht  tnehr  belegt,  der  heutigen  ma.  fremd;  zur  etyTno- 
logie  vgl.  greitig. 

2  GREIT,  adv.,  s.  gereit. 

GREITELN,  vb.,  wesentlich  bair.  seitenform  zu  grit- 
teln  (s.  d.) ;  urspr.  die  beine  spreizen :  graitlen  divaricari, 
cruribus  esse  distr actis    Schön  sleder  prompt.  (1647)  x 


6»;  graideln,  zergraideln  late  dimovere  gradum,  eoque 
rumpi  Prasch  dissertatio  (1686)  29;  greitlen  Stieler  üüi; 

sie  graidelt  über  in  verzwunzen, 
wolt  auf  den  vogel  prunzen 

MoNTANUS  schwankb.  544  lit.  ver. ; 

so  wolle  das  weib  ihre  Oberschenkel  immer  beisammen 
halten  und  sie  keineswegs  von  einander  graiteln  Mau- 
riceau  deutsch  (1687)  462;  dann  auch:  spreizbeinig,  schwer- 
fällig gehen: 

der  gmechtpruch  graytelt,  gieng  verzaget 

H.  Sachs  4,  407,  34  Keller; 
noch  heute  bair. -'österr. :  graideln,  graigeln  sich  die  füsze 
verrenken  oder  brechen  durch  allzuweite  schritte  Loritza 
id.  Vienn.  53;  finger  oder  beine  spreizen,  mit  anstrengung 
gehen,  steigen,  klettern  Schmeller  l,  1016;  tirol.  gratteln 
Schöpf  209;  so  auch  schon  bei  Stieler  691;  dazu  grei- 
tel,  /.,  die  beiden  gespreizten  beine;  greitlerisch,  adj, 
und  adv.,  tnit  weit  auseinander  gesperrten  beinen  (stehen, 
sitzen  u.  s.  w.)  Schmeller  i,  ioi7. 

GREITEN,  vb.,  seltene  seitenform  zu  gritten  (s.  d.); 
der  bedeutung  nach  =  greiteln:  das  (pferd)  sprang  so 
eylend  auf  allen  fiern  herab,  das  [es]  .  .  uff  alle  vier 
fiel  und  greytet,  doch  unverletzt  wider  aufstund  Seb. 
Frangk  Germ,  chron.  (1538)  283''. 

GREITIG,  adj.,  avidus  Diefenbach  61»;  cupidus  163»; 
Martin  behandelt  das  wort  Straszb.  stud.  I,  381^.;  er 
irrt  nur  darin,  dasz  er  es  für  specifisch  alem,.,  beson- 
ders elsäss.  hält;  auch  im,  nd.  häufig:  griddig  gierig, 
habsüchtig  Wöste  westfäl.  85»;  gridig  gierig  E.  Hoff- 
mann vocale  d.  Lippeschen  ma.  44;  grittig  eifrig,  gierig 
in  der  Diemelgegend  Vilmar  138;  vgl.  gridden  syn 
geizig  sein,  grithüngerig  heiszhungrig  Strodtmann  os- 
nabr.  76/.  Zusammenhang  mit  got.  gredags  hungrig,  den 
schon  Frisch  annimmt,  ist  kaum  zu  bezweifeln,  obgleich 
der  stammsilbenvocal  Schwierigkeiten  macht.  Martins 
erklärung  (mhd.  gritec  nach  gitec)  befriedigt  deshalb 
nicht  recht,  weil  sie  für  die  nd.  form,en  nicht  anwendbar 
ist;  denn  git,  gitec  sind  wesentlich  obd.  worte,  vgl.  th.  4  ',2, 
2812.  die  dialecte  kennen  übrigens  eine  dem,  got.  gredags 
genauer  entsprechende  form:  rheinhess.  grädig  Martin- 
Lienhart  1,  286;  schioäb.  heiszgrätig  geizig,  naschhaft 
Fischer  3,  1398;  gretig  avidus,  vorax  Henisch  1741; 
gretiglich  ib.  die  kürzung  zu  grittig  ist  secundär,  aber 
alt:  schon  bei  Ruolman  Merswin  nach  Martin  (a.  a.  o. 
38l)  oft  grittig;  bei  Keisersberg  grüttig  (s.  u.  l);  vgl. 
mhd.  gitec  zu  gittig  th.  4 1,2,  2810;  das  heutige  elsäss. 
hat  neben  der  gekürzten  auch  noch  die  form,  mit  langem 
vocal  Martin  a.  a.  o.  382.  die  bedeutung  empfiehlt  ent- 
schieden Zusammenstellung  m,it  gredags : 

l)  in  den  heutigen  maa.  meist  vom  essen  und  trinken: 
trink  nit  so  gritig  wasser  in  d  hitz  Martin-Lienhart 
1,  286;  vgl.  Follmann  lothr.  217»;  gridig  essen  Staub- 
Tobler  2,  705;  so  auch  in  älterer  zeit:  hastu  irgend  zu 
gritig  gefressen?  o  wehe  nein  —  nit  grittig  gessen 
Moscherosch  gesichte  (1650)  374;  vgl.  die  andern,  die 
den  sand  von  dem  meer  keuwen  und  in  sich  fressen, 
das  sind  die  grüttigen,  denen  ist  das  ganze  ertrich  zu 
schmal  Geiler  v.  Keisersberg  seelenparad.  155». 

a)  schon  früh  allgemeiner: 

iedoch  dunket  er  sich 

niht  vollen  sselic  da  mite 

nach  gltiger  (var.  gritiger)  Hute  site 

Fleck  Flore  4822; 

daz  wir  durch  keines  guotes  kraft 

üf  erden  gritic  sollen  sin 

K.  V.  Würzburg  Silvester  3877; 
er  (könig  Albrecht)  was  gar  gritig  noch  gute  Closener 
in  den  städtechron.  8,  64,  5;  nu  was  Chayn  ain  acker- 
mann  und  gritig,  darumb  opferte  er  das  krenkeste  von 
sinen  frühten  Königshofen  ebd.  239,  22;  was  crützes 
haben  die  gelt-greitigen  Keisersberg  evangelibuch  81^  ; 
vgl.  den  beleg  unter  sorgaffe  th.  lO^,  1755;  auch  in  der 
heutigen  ma.:  nie  soll  merr  uf  e  mann  so  griddi  sin 
versesse;  e  jedwedder  will  kryddi  rych  wäre  Martin- 
Lienhart  1,286.  dazu  greitigkeit,/.,  habgier:  griti- 
keit  cupiditas  Diefenbach  163»;  vgl.  gretigkeit  aviditas. 
voracitas  Henisch  1741; 


95 


GREITSCHEN  —  »GRELL 


1 GRELL 


96 


mome  s6  versuochent 

ob  ir  stne  gitekeit  (var.  grttekeit) 

mit  gebender  behendekeit 

mugent  Schatzes  gesäten        Fleck  Flore  4-781; 

ein  deil  ist  gefangen  mit  der  sünden  der  gritikeit  Mer- 
swiN  neunfelsen  29  Schmidt;  der  (Leo)  begert  von  grite- 
keit  einre  kröne  Closener  in  den  städtechron.  l,  33,  li; 
fürsichtikeit  wirt  genennet  grütikeit  Keisersberg  seelen- 
parad.  vorr.  5*;  die  ehemalige  Straszburger  hs.  G  von 
Boners  edelstein  hat  nach  der  ausgäbe  von  Scherz  in 
der  5.  fabel  mehrfach  grittekeit  (Martin  a.  a.  o.  382). 

GREITSCHEN,  vb.,  nebenform  zu  grätschen:  der  herr 
graf  standen  ausgegreitscht  F.  H.  Jacobi  im  Merkur 
(1776)  2,  4r6,  später  durch  ausgespreizt  ersetzt;  vgl.  lothring. 
graitsch  groszer  schritt,  graitschen  abschreiten  Follmann 
213». 

GREIZEN,  m.,  panicum  crus  galli  Pritzel-Jessen 
216*;   Grassmann   nr.  742;   Schweiz,  form  für  gränsen 

StAUB-ToBLER   2,  783. 

GREKE,  GREKEN-,  s.  grieche,  griechen-. 

GRELING,  m.,  das  kleinste  und  schwächste  kabel-  oder 
ankerthau,  welches  bei  dem  gabelanker  dienste  thut  Jacobs- 
son  2,  149 '';  eine  pferdeleine  oder  ein  kabelweise  geschla- 
genes thau  Bobrik  319^;  vgl.  Heinsius  2,  627";  Beil 
1,  261;  ins  frz.  übergegangen  als  grelin. 

1  GRELL,  adj. 

Verbreitung  und  form:  ein  ursprünglich  md.  nd. 
wort;  ahd.  fehlend,  auch  in  mhd.  zeit  nur  auf  md.  boden 
(s.  u.  l);  von  den  modernen  maa.  kennen  die  obd.  das 
wort  kaum  {bei  Fischer  3,  823  als  nicht  populär  be- 
zeichnet; doch  vgl.  Staub-Tobler  2,  729),  um  so  häufiger 
ist  es  im  nd.:  brem.  wb.  2,  533;   Doornkaat-Koolman 

1,  677'';  Berghaus  i,  609";  Wöste  85";  Bauer-Gollitz 
40^';  Dähnert  leo*";  Mi  29»;  Hupel  82;  nicht  minder 
häufig  ist  die  abgeläutete  form,  grall:  Schiller-Lübben 

2,  138»;  brem.  wb.  2,  533;  Strodtmann  75,  mit  verschärf- 
tem anlaut  krall  Schambach  iil»;  vgl.  krallog  Mi  46» 
(in  dieser  gestalt  vereinzelt  in  die  Schriftsprache  einge- 
drungen, s.  th.  5,  I980);  orthographisch  wirkt  das  neben- 
einander von  grell  und  grall  nach  in  der  Schreibung  gräll, 
z.  b.  bei  HoLLONius  (s.  u.  2);  nl.  als  gril  (selten  grel) 
zornig,  heftig  Verwijs-Verdam  2,  2140;  ivb.  der  nederl. 
taal  5,  764;  anord.  nur  im,  compos.  grellskap  erbitterung, 
zorn  Snorra  edda  146  Jonsson;  dän.  norweg.  grel  {von 
stimmen  und  färben)  scheint  dem  detitschen  entlehnt  Falk- 
ToRP  1,  844.  der  Wechsel  im  stammsilbenvocal  xoiederholt 
sich  bei  den  zugehörigen  Substantiven:  hd.  grell,  grill, 
grall  schrei  {s.  d.);  mnd.  gral  zorn,  univille,  grille  dass.; 
über  die  form,  des  vbs.  grellen  s.  u.  sp.  104.  Zusammen- 
hang mit  groll  ist  nach  der  ursprünglichen  bedeutung 
des  adj.  nicht  zu  bezweifeln;  im,  idg.  fehlen  unmittelbare 
verwandte;  vgl.  Fick^s,  142;  Franck2  218». 

bedeutung:  l)  die  älteste  auf  deutschem  boden  nach- 
weisbare  bedeutung  ist  'zornig';  zufrühest  nd.  md. :  iratus 
ertornieh  vel  grel  vel  unmodich  Diefenbach  309»;  vgl. 
austeriter  gral,  unmodich  nov.  gloss.  44;  darumme  was 
dut  Volk  gans  gralle  und  spreken  unde  repen  Schiller- 
Lübben  2,  138»  {aus  Braunschw.  schichtb.); 

ich  mache  ir  ettesitchen  grel 
Rumsland  bei  v.  d.  Hagen  minnes.  3,  64»; 
daz  tuot  der  t6t,  des  muot  ist  üf  mich  worden  grel 

Regenbogen  ib.  345^; 

nhd.  geht  die  bedeutung  über  in  'wild,  ungestüm,  leiden- 
schaftlich, hitzig': 

botz  angst,  wer  hat  uns  nur  verschwatzt, 
dasz  mein  mann  also  grel  rein-platzt 
mit  solchem  eyfer  und  argwon? 

H.  Sachs  17, 185  Keller-Götze; 

hab  ein  grausam,  frech  gesicht, 
scharpf,  mürrisch,  trützig,  grell  und  wild 

Scheit  Orob.  4691  neudr.; 

(Achilles)  lief  Hectori  entgegen  schnell 
und  fasset  einen  zoren  grel 

Spreng  Ilias  (1610)  310^; 

grell  fuhr  Antilochus  darvon  326»; 

Notus  von  mittemtag  so  grell 

drey  schiff  trib  an  die  felsen  schnell       Äneis  4i>; 


ir  tragt  gut  wissen  die  grele,  gewaltsame  handlung,  so 
euer  mitburger  .  .  an  mir  .  .  begangen  haben  Baumann 
quellen  z.  gesch.  d.  bauernkriegs  aus  Rotenburg  398;  über 
dis  alles  laufen  .  .  bei  den  frembden  nationen  und  po- 
tentaten  solche  geschwinte  und  grelle  anschleg  und  vor- 
haben für  der  religion  halben  Laz.  v.  Schwendi  bei 
Eiermann  140;  weiter  abgeschwächt  zu  'heftig,  stark': 
anno  1482.  ist  .  .  in  Schwaben  ein  so  grellen  klemme 
theurung  Seb.  Franck  Germ,  chron.  270»;  schattechte 
schöne  bletz  .  . ,  in  denen  man  sich  vor  der  grellen 
hitz  der  sonnen  kan  aufhalten  Rauwolff  beschreibung 
d.  reise  (1583)  25  {dies  häufiger),  die  angeführten,  im, 
älteren  nhd.  vorherrschenden  bedeutungen  sterben  im  17.  jh. 
für  den  litterarischen  gebrauch  ab;  mundartlich  leben  sie 
fort:  wild,  unartig,  jähzornig  Staub-Tobler  2,729;  na- 
mentlich nd.  in  verschiedenster  färbung :  zornig,  ergrimm,t 
brem.  wb.  2,  533;  böse,  voll  eifers  Dähnert  160 '';  hg  kikd 
so  grell  üt,  as  wenn  hS  6n  upfräten  wil  Doornkaat- 
Koolman  1,  678»;  hitzig,  brünstig,  gierig:  h6  is  so  grel 
up  de  wichter  {mädchen),  up  't  äten,  na  't  geld ;  de  bull' 
is  grel  1,  677*';  heftig,  stark:  'i  frust  grell  Berghaus 
1,  609»;  schnell  Wöste  85»;  lop  grell  hen  Mi  29»;  ver- 
drieszlich,  miszmüthig,  zänkisch,  unruhig  Hupel  82. 

2)  zur  bezeichnung  von  gehör  seindrücken:  hell,  schrill, 
durchdringend,  schneidend;  anscheinend  erst  secundär 
neben  der  vorigen  bedeutung;  denn  im  älteren  nhd.  über- 
raschend selten:  unter  des  ruft  er  grell  und  hell  Fi- 
schart geschichtklitt.  366  neudr.;  nur  in  folgender  tcen- 
düng  häufiger:  wie  können  sie  {die  namen)  dann  so  grell 
in  oren  und  unangenem  sein  163 ;  sehet  disz  laut  den 
ketzern  grell  in  obren  binenkorb  (1588)  131*';  etlichen 
zarten  heiligen  wird  die  bittere  und  verhassete  warheit 
gräll  in  den  obren  thun  Hollonius  somnium  72  neudr.; 
erst  mit  dem  ende  des  iS.jhs.  litterarisch  dtirchgedrungen ; 
gern  neben  stimme,  ton,  namentlich  aber  schrei  und  pfiff: 
reine,  kleine,  grelle  stimme,  der  discant,  vox  acuta  He- 
nisch  1739,  ähnlich  Stieler  701;  bergleute,  die  .  .  mit 
lebhaften  und  grellen  stimmen  .  .  lieder  vortrugen  Göthe 
21,  147;  die  streitenden  stimmen  tönen  grell  neben  ein- 
ander Fr.  Schlegel  im  Athenäum  l2,  154 ;  mehr  grelle 
und  böse  stimmen  als  liebliche  vernahm  er  {im,  getriebe 
des  lebens)  um  sich  her  Raabe  hungerpastor  2, 143 ;  dasz 
ich  jetzt  nichts  hörte,  und  jetzt  wieder  von  grellen  tönen 
erschreckt  wurde  Tieck  sehr.  17,  313;  {die  hohe  läge  der 
singstimmen)  wodurch  der  ton  laut  und  grell  wird  Jahn 
Mozart  4,  720;  bildlich:  die  resonanz  seiner  seele  war 
zu  zart  gebaut,  als  dasz  sie  alle  erschütternden  und 
grellen  töne  der  geschichte  hätte  aushalten  können 
Gutzkow  ges.  werke  12,  105; 

und  dazwischen  schreit  unbändig  grell  Silenus  öhrig  thier 

Göthe  Faust  II 10033 ; 
welch  greller  schrei  die  stille  bricht? 

Droste-Hülshoff  2,  78  Cotta; 
neben  mir  es  pfeift  noch  greller 

Göthe  4,  70  Weim. ; 

der  grelle  pfiff  der  Wächter  Brentano  6,  10;  das  sibi- 
rische murmelthier  .  .  thut  einen  grellen  pfiff  mit  hel- 
lem ton  Ritter  erdkunde  2,  715; 

der  Sturm  pfeift  grimm  und  grell 

Strachwitz  ged.  (1850)  280; 

jung  neben  lachen:  der  abenteuerliche  mensch  lachte 
grell  auf  Gutzkow  ritter  v.  geiste  2,  169;  ein  grelles 
lachen  ges.  werke  5,  345;  ein  grelles  gelächter  Ebner- 
EscHENBACH  4,  14;  daneben  in  den  verschiedensten  Ver- 
bindungen von  menschlichen  wie  thierischen  stimmen  und  ^m 
anderen  geräuschen:  ^H 

in  die  saiten  der  zither  greift  er  schnell,  ^~ 

und  singt  dabei  recht  hohl  und  grell 

Heine  1,  23  Elster; 

und  schrie  im  grellsten  falsett  Gaudy  sämtl.  werke  13,  91 ; 

ein  grelles  jauchzen,    das  einer  aufsteigenden  raketen- 

garbe  nachgellte  Anzengruber  1,  190; 

die  hyäne  heulte  so  grell 

Brentano  1,  385 ; 

kein  greller  vogelschall,  kein  thierisches  gestöhne 

Rückert  8, 11; 

mit  grellem  schwirren  sprang  .  .  die  straffe  saite  Müll- 
ner dram.  werke  2,  12;  dann  drückte  er  gegen  einen  .  . 


97 


1 GRELL 


1 GRELL 


98 


knöpf,  worauf  im  innern  eine  grelle  glockenstimme  ant- 
wortete Stifter  2,  50;  ein  greller  zug  an  der  haus- 
klingel  Gutzkow  ges.  tcerke  3,  143;  etwas  anders:  eine 
grelle,  lustige  jagdmelodie  hört  man  .  .  einfallen  Kör- 
ner 3,  96  Hempel; 

ruf  ich  den  lauten  segen  in  die  grelle 

musik  des  donners  Mörike  1,  48  Oöschen; 

iisweilen  ist  die  bedeutung  in  ähnlichem  sinne  modificiert 
loie  bei  der  anwendung  des  adj.  auf  färben  {s.  m.  3  b  a) : 
doch  ist  es  .  .  mode  geworden,  um  der  abwechselung 
willen,  die  trios  oft  in  sehr  grelle  töne  zu  setzen  Schu- 
bart ästhetik  d.  tonkunst  351;  bildlich:  dasz  er  durch 
die  grellsten  dissonanzen  zur  harmonischen  auflösung 
durchdringe  Börne  7,  lil;  auch  dialectisch:  h8  hed  so 
'n  grellen  täl,  dat  klingt  mi  to  grel  Doornkaat-Kool- 
MAN  1,  678*. 

S)  zur  bezeichnung  von  gesichtseindrüchen.  nach  der 
analogie  sinnvertcandter  Wörter  ist  zu  vermuthen,  dasz 
dieser  gebrauch  aus  dem  vorigen  hervorgegangen  ist  (vgl. 
Grimm  gramm.  2,  86/.);  aber  beweisbar  ist  das  nicht, 
denn  grell  vom  licht  erscheint  ebenso  früh  v>ie  grell  vom 
schall,  um,  gleichfalls  erst  gegen  ende  des  18.  jhs.  allge- 
m^eine  litterarische  Verbreitung  zu  finden. 

a)  vom  licht:  hell;  meist,  aber  nicht  unbedingt  mit  dem 

nebensinn  des  blendenden,  stechenden: 

der  himmel  ist  von  stemen  grell 

Wickram  6,  27  Balte-Scheel; 

der  inner  regenbogen  ist  so  grel  .  .  in  seinem  schein 
gewesen,  das  er  zu  sehen  unleidlicher  ist  gewesen  dann 
die  sunn  See.  Franck  zeitbuch  (l53i)  242'';  ein  stetigs 
feur  das  nicht  zu  grell  und  grosz  ist  Mathesius  Sa- 
repta  (1671)  195»; 

die  feuer  angezündet  hell, 

so  vorhin  gaben  flammen  grell, 

jetzt  brinnen  tunckel  und  unsteth 

Spreng  Aneis  177»; 

in  jüngerer  zeit  am  häufigsten  vom  prallen  Sonnenschein: 
der  letzte  grelle  Sonnenschein  des  kurzen  wintertags 
Mörike  3,  81  Oöschen;  wo  .  .  ein  kinderwagen  in  greller 
mittagssonne  hielt  Fontane  I  5,  4;  grelles  Sonnenlicht, 
das  mir  in  die  äugen  fiel,  hatte  mich  aufgeweckt  Ebner- 
Eschenbach  4,  251;  überhaupt  gern  neben  licht:  beim 
nächtlichen  lampenschein,  der  ein  grelles  licht  auf  eine 
stelle  warf  Forster  sämtl.  sehr.  3,  60; 

Tind  was  aber  nicht  will  sprieszen 

im  grellen  lichte,  sondern  duft'ger  nacht 

RÜCKERT  (1867  Jf.)  2,284; 

der  bediente  .  .  läszt  die  battants  offen,  aus  denen  grelle 
lichtwogen  herausfluten  Brunner  erzähl,  u.  sehr,  l,  296; 
der  grellen  lichter  tanz  Brentano  4,  91;  bildlich:  bald 
übertreibt  man  die  albernheit,  um_  sie  in  ihrem  grell- 
sten lichte  zu  zeigen  Gramer  Neseggab  8,  55;  erschienen 
ihr  die  mängel  des  sohnes  in  immer  grellerm  licht 
Melgh.  Meyr  erzähl,  a.  d.  Eies  l,  316;  ein  negativer 
Staatsstreich,  der  .  .  die  verlegene  Spannung  des  mo- 
ments  in  das  grellste  licht  stellte  und  beseitigte  Nitzsch 
deutsche  Studien  174;  iveiter  neben  lichtschein  u.  ä.:  wohl 
ist  ein  grelles  morgenroth  vor  uns  emporgestiegen  (i.  j. 
1848)  Haupt  nach  Scherer  kl.  sehr,  i,  115;  ein  wolken- 
risz,  der  den  grellen  abendschein  durchliesz  Keller 
4 ,  103 ;  (die  scenische  Wirkung  wird  unterstützt  durch) 
rufe  von  auszen  her,  Signale,  grellen  lichtschein  Frey- 
tag 14,  67;  ein  blitzstral  .  .  zeigte  im  grellen  Wider- 
scheine die  gebirgsformen  Laistner  nebelsagen  307; 

ein  heiszer  groll 

flammt  auf  wie  greller  blut'ger  nordlichtschein 

Arent,  Gonradi,  Henckell  mod.  dichtercharakt.  94; 

anderes  seltener: 

stählt  Waffen  dort  am  russ'gen  herd  und  schürt 
den  brand,  umsprüht  vom  grellen  funkensch warme 

ElCHENDORFF  3,  543 ; 

woher  die  glut,  die  flücht'ge,  grelle, 
die  jener  wölke  schwarz  umfliegt 

Freiligrath  1,  8; 

wenn  du  .  .  sähest,  dasz  der  grelle  tag  .  .  die  .  .  däm- 
merung  vertreibt  (nach  dem  fällen  der  bäume)  Schmid 
alte  u.  neue  gesch.  aus  Bayern  28;  grelle  Schneeflocken 
C.  F.  Meyer  an  L.  v.  Fran^ois  244;    adverbial:  seinen 

IV.  1.  6. 


.  .  Schild,  auf  dem  grell  die  sonne  zurück  blitzte  maler 
Müller  l,  187;  die  aussieht  ins  freie  wird  durch  einen 
blitz  grell  erhellt  Nestroy  2,  29;  es  waren  die  tage 
ihrer  hochzeit,  die  grell  beleuchtet  vor  ihr  standen 
Storm  1,  161 ;  die  strahlen  der  ersten  frühlingssonne 
fielen  grell  auf  den  erdboden  Freytag  13,  202;  dialec- 
tisch: dat  für  brannd,  dat  lücht  schind  so  grell;  dat 
is  so  'n  grel  für  Doornkaat-Koolman  1,678*;  ähnlich 
WÖSTE  85»;  grell  hell,  schimmernd;  ne  grelle  schmucke 
dirn  Mi  29»;  dat  süt  grell  hübsch  üt,  dat  is  recht  grell 
hört  man  im  mecklenburg. 

b)  von  färben. 

a)  wie  das  vorige  keineswegs  immer  mit  dem  nebensinn 
des  unangenehmen :  er  war  aber  erstaunt,  (in  dem  Luther- 
bild von  L.  Cranach)  ein  gesiebt  voll  neuer,  heller  und 
greller  färben  zu  finden  Nicolai  reise  d.  Deutschland  27; 
die  färbung  (eines  vogels  ist)  schön,  obschon  grelle 
färben  nicht  vorhanden  sind  Brehm  thierl.  l,  275  Pechuel- 
Lösche;  meist  aber  V07i  zu  lebhaften,  aufdringlichen  oder 
schreienden  färben:  indessen  muszten  sie  (die  bildnis- 
maler)  sich  nach  den  grellen  rauschenden  färben  be- 
quemen, welche  die  mode  ihrer  zeit  erforderte  Göthe 
II  3, 375  (TTeiwi.) ;  im  fall  er  (der  Johanneskopf  nach  Bafael) 
mir  .  .  etwas  grell  geworden  wäre  Heinr.  Meyer  in: 
sehr.  d.  Göthegesellsch.  5,  129;  das  Verhältnis  der  färben 
ist  beinah  grell  Fr.  v.  Schlegel  6,16;  die  färben  (des 
bildes)  sind  hart  und  grell  Forster  sämtl.  sehr.  3,  79; 
zeig'  ihr  ein  bild  vom  genius  vollendet,  .  . 
und  eins,  wo  grell  und  roh  die  färben  streiten 

Geisel  (1888)  1, 148 ; 
wie  prahlen  die  wappen,  farbig  grell 
am  schwarzen  sammet  der  decke ! 

Droste-Hülshoff  1,  286  Schücking; 
ihr  anzug  zeigte  alle  mögliche  grelle  färben  Castelli 
10,  24;  man  beachte,  dasz  das  adj.  manchmal  nicht  nur 
die  färbe  als  solche,  sondern  ihr  hartes  Verhältnis  zu 
den  nachbarfarben  kennzeichnet;  das  gilt  theilweise  auch 
in  fällen  loie:  (die  sonne)  zeichnet  schärfer  die  umrisse, 
coloriert  greller  die  verschiedenen  lichter  und  schatten 
der  berge  Schubert  verm.  sehr.  3,  23;  das  kolorit  ist 
zu  grell  Gentz  sehr.  3,  114;  die  geschichte  des  Belisars 
in  grell  kolorierten  bildern  Heine  3,  228  Elster;  im  be- 
sitze eines  grell  illuminirten  marktbildes  Holtei  vierzig 
jähre  (i843/.)  1,  123;  mit  .  .  mehreren  grell  getuschten 
heiligenbildern  Hauptmann  weber  (i892)  25;  gegensatz 
ist  bleich:  (Klöckner  hat)  ein  schlechtes  kolorit,  oft  zu 
grell,  häufiger  grau  und  verbleicht  Arndt  sehr,  für  u. 
an  s.  l.  Deutschen  1,  215;  so  kündigen  die  ersteren  (die 
giftigen  pilze)  durch  ihr  bleichsüchtiges  oder  grelles  aus- 
sehen etwas  verdächtiges  an  Oken  allg.  naturgesch.  3,33; 
werden  färben  genannt,  so  sind  es  natürlich  helle:  die 
drey  personen  der  gottheit  .  .  sind  sehr  grell  vergoldet 
Nicolai  reise  d.  Deutschland  2,  635;  die  bischoffsmützen 
sind  sehr  fatal  für  die  mahlerey;  und  ihr  weisz  .  .  im 
Vordergrunde  grell  Heinse  4,  220;  ein  grell  citronen- 
farbiges  tuch  E.  Th.  A.  Hoffmann  14,  I5i;  grelles  roth 
oder  mattes  blau  als  nichtssagende  Verzierung  an  wer- 
ken Welcker  alte  denkm.  1,  29;  vgl.:  ihr  (der  felder) 
frisches  saftiges  grün  (erscheint)  dem  äuge  fast  wie 
greller  farbenanstrich  Ratzel  Völkerkunde  2,  113. 

ß)  sehr  gern  bildlich;  namentlich  grelle  färben  u.  ä. 
aus  der  maierei  auf  andere  künste  übertragen:  h  dur. 
stark  gefärbt,  wilde  leidenschaften  ankündigend,  aus 
den  grellsten  färben  zusammen  gesetzt  Schubart  ästJie- 
tik  d.  tonkunst  379;  so  liebt  auch  die  alte  heldensage 
grelle  farbengebung  Creuzer  Symbolik  u.  mythol.  1,111; 
da  wo  .  .  alles  auf  eine  feine  Schattierung  ankommt, 
wird  auch  durch  auftragen  greller  färben  alles  ver- 
dorben (urtheil  über  eine  posse)  Börne  2,  86;  (Plinius) 
der  gern  seinem  stil  grelle  und  auffallende  färben  giebt 
W.  V.  Humboldt  4,  188;  von  krasser  Schilderung:  ohne 
ihn  (den  stürm)  .  .  mit  so  grellen  färben  zu  schildern 
Thümmel  reise  10,  274;  seine  alten  und  neuen  sünden 
dem  herzog  gelegentlich  mit  den  grellsten  färben  vor- 
zumalen  Schubart  br.  1,  237  Strausz;  dieser  (Dante) 
verschweigt  vieles  von  dem  was  die  kirchlichen  zeugen, 
oft  in  greller  färbung,   hervorheben   Döllinger   akad. 


99 


1 GRELL 


1 GRELL 


100 


vortr.  1,  110;  dieser  .  .  überzog  die  fehler  seines  vaters 
.  .  mit  dem  grellsten  flrnisz  Klinger  werke  4,  223;  sel- 
tener anders:  weil  sich  die  vom  apotheker  erlogne  Ver- 
mählung Klotildens  .  .  ihm  mit  den  grellsten  färben 
aufdrang  Jean  Paul  7/10,  411  Hempel;  diese  (demokra- 
tische färbung  der  vereine)  wurde  von  der  republikani- 
schen parthei  greller  und  greller  aufgetragen  Gutzkow 
ges.  werke  7,  28;  eigenartig:  er  (Wieland)  allein  hat  den 
sanften  rosenschimmer  über  unsern  parnasz  gezaubert, 
der  die  grelle,  ernste  färbe  desselben  erheitert  Klinger 
werke  11,  104; 

meine  zarte  natur  schockiert  das  grelle  gemählde 

Schiller  11, 138 ; 

die  persönlichen  blöszen  endlich,  die  sich  die  häupter 
gaben,  ziehen  über  diesz  grelle  gemählde  der  schmach 
noch  einen  besonderen  firnisz  Gervinus  gesch.  d.  i^.jhs. 
1,  16;  wäre  irgend  ein  zug  zu  grell  aufgetragen  J.  v.  Mül- 
ler sämtl.  werke  1,  192;  die  Schilderung,  die  der  major 
in  grellen  zügen  entwarf  Holtei  erzähl,  sehr.  21,  131; 
die  renaissance  .  .  zeigt  die  Scheidung  .  .  in  fast  aben- 
teuerlich grellen  zügen  B.iehl,  deutsche  arbeit  66;  neben 
einer  grellen  Schilderung  der  greuel  Scherer  litt,  gesch. 
821;  öfter  deutet  wenigstens  das  vb.  noch  das  bewusztsein 
bildlichen  gebrauches  an:  worin  er  ihm  sein  unrecht 
grell  vormalte  A.  v.  Arnim  7,  67 ;  wenn  man  von  mir 
für  die  möglichkeit  .  . ,  grell  aufgetragene  beweise  ver- 
langt Gutzkow  ges.  werke  3,  23. 

c)  grell  von  äuge  und  blick  läszt  sich  anreihen  an  die 
Verwendung  des  adj.  für  lichteindrücke  (s.  0.  a);  nd.  weit 
verbreitet:  grelle  ögen  feusr sprühende,  schaffe,  auch  be- 
gehrlich blickende  Doornkaat-Koolman  l,  678'';  gralle 
scharfsichtige  ogen  Strodtmann  75;  vgl.  brem.  wb.  2,  533; 
iveitere  nachweise  unter  krall  th.  5,  1980;  litterarisch  nur 
auf  nd.  und  md.  boden : 

und  lodernd  gluth  aus  grellen  äugen  schosz 

F.  L.  Stolberg  15,  21 ; 
ein  adlerauge,  fräulein,  ist  so  grell, 
so  schön,  so  feurig  nicht,  wie  IParis  seins 

Shakespeare  1,  125 ; 

weil  er  (der  satyr)  nicht  so  blosz  thierisch  seine  traube 
verzehrt,  sondern  aus  den  grellen  äugen  schalkhaft 
dazu  lacht  A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  2,  108;  die 
trauen  .  .  ,  deren  grelle  braune  äugen  so  eigen  aus 
den  blassen  gesiebtem  herausschauten  Storm  1,  131; 
stärker:  die  alte  begann  sich  immer  mehr  vor  .  .  den 
grellen  eulenaugen  ihres  herrn  zu  fürchten  2,  285;  m,it 
besonderem  sinn :  'ein  heimtückischer  streich!'  rief  ich, 
und  warf  grelle  (zornige)  äugen  auf  die  mignatur  Thüm- 
MEL  reise  6,  60; 

wie  fromm  und  eiferig  im  dunkeln 
euch  dort  die  grellen  blicke  funkeln! 

Voss  sämtl.  ged.  6,  232  ; 

mit  kühnem  stolze  schweift  ihr  blick  herum,  . . 
und  nicht  die  schäm  im  blöden  angesicht 
kann  vor  dem  grellen  funkeln  ihn  beschützen 

Droste-Hülshoff  2,  345  Cotta; 

nur  ganz  vereinzelt  obd.,  vermuthlich  durch  litterarische 
Übertragung:  er  hatte  die  gleichen  grellen  äugen,  wie 
seine  Schwester  Hansjakob  bauernblut  86;  auch  adver- 
biell  neben  blicken  u.  ä. : 

aber  du  siehst  aus  den  äugen  so  grell,   als  hecktest  du 

heimlich 
Schalksstreich'  unter  der  kapp'  Voss  Luise  79; 

und  der  vollmond  kuckt  so  grell 

aus  den  krausen  wölken  sämtl.  ged.  4,  74; 

da  aber  Zwratka  wankt  .  .  .  ,  faszt  sie  Trinitas  in  die 
arme,  und  wird  grell  von  ihr  angesehen  Brentano  6, 
34;  anders  nl.  gril  kijken  mit  aufgerissenen  äugen,  ver- 
dutzt wb.  d.  nederl.  taal  5,  764;  eigen  ist  grell  schielend 
brem.  wb.  2,  534. 

d)  nur  lexicalisch  belegbar  und  dem  Ursprung  nach 
nicht  klar  ist  die  bedeutung  schwartzgäl,  schwartzlecht, 
ravis,  suatus,  sie  dictus  quod  vasis,  h.  e.  tinctorum  cor- 
tinis  suapte  natura  talis  sit,  ravidus  Henisch  1739; 
anders  bei  Stieler  :  color  lividus,  quasi  unguibus  lan- 
cinatus  (er  denkt  also  an  gralle  unguis),  ravidus  stammb. 
701;  vgl.  grezzo,  ruvido  quasi  lacerato  con  unghie,  acuto, 
aguzzo  Kramer  teutschital.  (l700)  1,  563^. 


4)  gleichzeitig  mit  der  litterarischen  ausbreitung  des 
adj.  gegen  ende  des  18.  jhs.  entwickelt  sich  eine  neue  be- 
deutungskategorie,  die  wesentlich  in  dem  gebrauch  von 
grell  für  licht-  und  farbenviirkungen  wurzelt;  gewisse 
ziveige  jenes  gebrauchs  werden  verselbständigt. 

a)  am  geschlossensten  stellt  sich  eine  bedeutung  dar, 
die  vom  gegensatz  zweier  färben  den  ausgang  nimmt: 

reichen  schnee  zur  erde  nieder 
liesz  der  himmel  Böhmens  fallen, 
dasz  der  feinde  blut  in  grellem 
abstich  möge  drüber  wallen 

Lenau  318  Barthel; 

weisz  und  schwarz  ...  in  grellem  abstich  Naumann 
naturgesch.  d.  vögel  12,  385;  dem  jungen  beobachter  war 
somit  der  grelle  abstand  des  bildes  herauszen  von  der 
Wirklichkeit  drinnen  aufgefallen  Brunner  erzähl,  u. 
sehr.  1,  75 ;  will  man  die  grellsten  unterschiede  von  drei 
groszen  Völkern  auf  drei  worte  zusammenziehen  Arndt 
sehr.  f.  u.  a.  s.  l.  Deutschen  1,  468;  das  waren  .  .  seine 
Worte,  die  freylich  eine  grelle  ausnähme  von  der  vene- 
tianischen  höflichkeit  machen  Seume  Spaziergang  (1803) 
103;  dasz  die  grellen  ausweichungen  nur  dann  von  tie- 
fer Wirkung  sind,  wenn  E.  Th.  A.  Hoffmann  l,  315 
Grisebach ;  in  greller  abwechselung  bald  dem  abenteuer- 
lichen ergeben  Görres  br.  3,  57;  vor  anderthalb  Jahr- 
hunderten .  .  war  dieses  miszverhältnisz  natürlich  noch 
viel  greller  Riehl  deutsche  arbeit  71;  weitaus  am  häu- 
figsten neben  gegensatz  und  widersprach:  das  gemüth 
verfährt  in  seiner  empfindungsart  meistentheils  stosz- 
weise,  macht  .  .  .  grelle  gegensätze  W.  v.  Humboldt 
litt,  denkm.  58,  126;  wie  konnte  er  .  .  .  nicht  noch  mit 
Schlurck  in  gegensätze  gerathen  die  greller  waren  als 
Gutzkow  ritter  v.  geiste  1,  208;  mit  dieser  'Unehrlich- 
keit' stand  in  grellem  gegensatz  die  beliebtheit  (der 
fahrenden)  Freytag  18,  452 ;  es  stand  mit  meinen  grund- 
sätzen  in  einem  zu  grellen  contrast  Pfeffel  pros.  vers. 
5,  25;  durch  grelle  .  .  contraste  von  licht  und  schatten 
JuSTi  Winckelmann  l,  280;  diese  Verschiedenheit  steht 
in  den  grellsten  gegenscheinen  oft  dicht  nebeneinander 
Arndt  sehr.  f.  u.  a.  s.  l.  Deutschen  2,  259;  stand  der 
rückzug  im  grellsten  widerspiel  mit  der  pracht  des 
hinzugs  A.  v.  Arnim  3,427;  welches  aber  bereits  mit 
allen  übrigen  principien  der  neuen  Verfassung  im  grell- 
sten Widerspruch  stand  Haller  restaur.  der  Staats- 
wiss.  1,  229;  der  widersprach  zwischen  Schubarts  .  .  . 
verstände  und  seinem  trüben  glaubensbedürfnisz  .  .  ist 
.  .  .  noch  viel  greller  geworden  Strausz  Schubarts  br. 
2,  220;  anders:  er  nahm  aber  meinen  grellsten  wider- 
sprich auf  die  allerfreundlichste  weise  auf  Görres  br. 
1,  343;  Bettine,  deren  ganzer  richtung  fast  nichts  mehr 
als  grelle  verworrene  Opposition  zusagt  briefw.  zw.  J.  u. 
W.  Grimm,  Dahlmann  u.  Gervinus  1,  496;  ebenso  ad- 
verbiell:  die  blauen,  grauen  und  weiszen  tuchflächen 
stachen  grell  ab  von  dem  grünen  gründe  Freytag  l, 
28;  Martelli,  dessen  kalte  klugheit  zu  grell  von  der 
glühenden  Jugendhitze  abstach  Meiszner  skizzen  3,  139; 
vgl.  th.  1,  127;  das  so  grell  abwechselnde  weiter  briefw. 
zw.  J.  u.  W.  Grimm  93;  dasz  die  hauptvölker  Italiens 
in  ihren  sprachen  grell  von  einander  unterschieden 
waren  Niebuhr  röm.  ^rescÄ.  1,  113;  den  grell  contrastie- 
renden eigenthümlichkeiten  .  .  .  der  einzelnen  völker- 
racen  von  Europa  Humboldt  kosmos  2,  214;  bei  jedem 
anlasz,  wo  verschiedene  ansichten  sozusagen  grell  auf- 
einander platzten  Gutzkow  ritter  v.  geiste  2,  263;  auf 
derselben  linie  stehen:  die  abendsonne  beleuchtete  es 
(das  schlosz)  .  .  und  hob  die  contraste  .  .  grell  hervor 
Laube  2,  14;  die  wenigen  beweise  freundlicher  theil- 
nahme  .  .  hoben  um  so  greller  das  hervor,  was  Hoffm. 
V.  Fallersleben  7,  348;  das  schlechte,  wenn  es  grell 
als  solches  hervortritt  Görres  br.  3,  535;  greller  noch 
als  im  kriege  trat  in  den  diplomatischen  Verhandlungen 
.  .  zu  tage  Hau  szer  deutsche  gesch.  1,  28 ;  weil  sie  sich 
nicht  mehr  so  grell  vor  ihnen  .  .  .  auszeichnen  A.  v. 
Arnim  15,  11 ;  wir  stehn  hier  auf  der  stelle,  auf  wel- 
cher sich  der  dualismus  unserer  natur  und  empfin- 
dung  am  .  .  grellsten  offenbart  Tieck  sehr.  4,  106;  eigen 
artig:   denn  auch  diese  (ehren)   hatten  früher  nicht  so 


101 


1 GRELL 


2 GRELL  -  GRELLFUNKELND 


102 


grell   hervorgestanden ,    als    seit  heute   früh   (nach   der 
haarschur)  Gutzkow  zauberer  von  Eom  1,  59. 

b)  ins  feinste  differenciert  ist  die  hedeutung,  wo  das 
blendende,  überhelle  des  lichtes  und  das  laute,  aufdring- 
liche der  färbe  die  ausgangspunkte  neuer  gebrauchsweisen 
abgegeben  haben;  hie  und  da  wird  noch  fühlbar,  dasz 
ursprünglich  übertragener  gebrauch  vorliegt,  etiva:  diese 
(träum)  gesiebte  werden  so  widrig-gräszlicb  durch  ihre 
grelle  warheit  Klinger  werke  11,  329;  mit  all'  der  her- 
ben und  grellen  Wahrheit  Gutzkow  ges.  werke  4,  79; 
Schiller  in  seiner  jugend  fand  ihn  {Shakespeare)  zu  kalt, 
zu  grell  Ludwig  5,  139;  oder:  was  es  denn  aber  helfe, 
6ine  grelle  figur  abzudämpfen,  wenn  die  übrigen  es 
noch  blieben  {über  Iffland  als  Franz  Moor)  Göthe 
gespräche  2,  128;  {im  gegensatz  zu  Corneille)  glaubte  ich 
meine  meiste  Sorgfalt  auf  den-  (charakter)  des  Trajan 
verwenden  zu  müssen,  dieser  fiel  nun  freylich  nicht  so  grell 
und  brausend  aus  Ayrenhoff  l,  133;  nun  genug  dieser 
grellen  kunstmanier  im  darstellen  einer  bemerkung, 
welche  Jean  Paul  49/51,  417;  herr  DöUe,  chef  der  poli- 
zei,  war  zu  grell,  gefiel  aber  im  ganzen  doch  Grabbe 
4,  270;  in  der  regel  gibt  sich  das  adj.  aber  ganz  selb- 
ständig, SO:  kräftig,  stark  und  grell  erscheint  das  deut- 
sche leben  in  seiner  uralten  ursprünglichkeit  Jahn  2, 
543  Euler;  in  diesen  räumen,  die  am  tage  ein  so  grelles, 
tobendes  leben  erfüllt  Gutzkow  ges.  werke  7,  347;  die 
idee,  dasz  dieser  grelle  Zwischenfall  sein  Verhältnis  be- 
drohe Mörike  3,  143  Göschen;  weil  man  zugleich  das 
grelle  ereignis  {einen  Selbstmord)  damit  verhüllen  und 
mäszigen  konnte  Keller  l,  94;  er  stürzte  sich  in  den 
brunnen,  die  grelle  Wirkung  des  wassers  machte  ihm 
besser  Büchner  nachgel.  sehr.  207;  anders:  insgeheim 
einschmeichelnde  mysterien  {der  götün  Rhea),  öffentlich 
einen  grellen  dienst  ausbreitend  Göthe  41  2,  237  Weim.; 
der  gemeine  mann,  der  nur  blos  durch  grelle  Vorstel- 
lungen im  zügel  gehalten  werden  kann  Jung-Stilling 
8,  547  Grollmann;  ähnlich:  weil  die  fabel  {des  Faust) 
ins  grelle  und  formlose  geht  und  gehen  musz  Schiller 
br.  6,  205  Jonas;  Rembrandts  manier,  aber  greller  {ur- 
theil  über  ein  bild)  Göthe  47,  373  Weim.;  auf  keinem 
der  hiesigen  gemählde  ist  diese  manier  so  auffallend 
grell,  als  Fr.  Schlegel  6,  84;  die  grelle  Symmetrie 
in  der  katastrophe  der  Schroffensteiner  Ludwig  5,  348; 
krasz,  extrem,  übertrieben:  man  scheute  sich  vor  der 
grellen  behauptung:  das  gute  sei  Ursache  des  bösen 
Forster  sämtl.  sehr.  6,  177;  so  entsetzte  er  sich  doch 
vor  den  grellen  Sätzen  in  Heinse's  Jugendschriften  Ger- 
viNus  gesch.  d.  deutschen  dichtung  (1853)  5,  5;  wir  zeigen 
an  einem  grellen  beispiele,  dasz  Gutzkow  ritter  vom 
geiste  6,  319;  eine  gesellschaft,  die  in  ihrer  abgeschlossen- 
heit  in  grelle  einseitigkeiten  .  .  verfällt  ges.  werke  12,  233; 
dasz,  sobald  jede  poesie  aus  ihrer  objectivität  heraus- 
gehet, sie  in  eine  grelle  subjeetivität  überzutreten  pflegt 
J.  Grimm  kl.  sehr.  4,  13;  wegen  des  grell  supranatura- 
listischen Wunderbegriffs  D.  F.  Strausz  ges.  sehr.  3, 126; 
ihr  redet  zu  grell  übertrieben  Pfister  nachtrage  zu 
Vilmar  83;  plötzlich,  unvermuthet,  unvermittelt  {a7i  den 
gebrauch  unter  a  grenzend):  wo  niemand  an  einen  so 
grellen  zerfall  von  Preuszen  noch  denken  konnte  briefw. 
zw.  3.  «.W.Grimm,  Dahlmann  u.  Gervinus  2,  lOl;  so 
wird  der  gewölbte  kreuzgang  von  den  platten  schiffen 
grell  abgeschnitten  Heinse  10,  254  Schüddekopf;  schade, 
dasz  ich  selbst  das  schöne  . .  bild,  das  sie  sich  von  mir 
gemacht  haben  mag,  so  grell  zerstörte  Stifter  l,  138; 
gott  gebe  nur,  dasz  die  rauhere  Jahreszeit  des  winters 
ihr  nicht  grell  in  den  weg  trete  Pückler  briefw.  u. 
tageb.  7,  9;  nicht  minder  verzweigt  ist  die  bedeutung,  wo 
das  adj.  menschliche  wesensäuszerungen  verschiedenster 
art  charakterisiert:  sie  beschämte  uns  .  ,  .  durch  ihre 
geduld  mit  unserer  grellen  oberdeutschen  manier  Göthe 
28,  282  Weim. ;  die  Sanftheit  der  sitten  . . .  bewahret  mich 
vielleicht  vor  einer  zu  grellen  äuszerung  meines  egoismus 
Boten  bei  Meinecke  1, 128;  die  bitterkeit  ihrer  ansichten 
ist  so  grell,  dasz  ich  sie  oft  ersuchen  musz,  sich  zu 
mäszigen  Gutzkow  ritter  vom  geiste  3,  187;  {Varnhagen) 
konnte  .  . .  alle  höflichen  ausdrücke  jach  überspringen 
und  das  grellste  wort  wählen,  um  die  zornige  anschauung 


grell  zu  bezeichnen  Laube  16,35;  alles  ohne  ausnähme, 
was  Schiller  Bürger'n  vorwirft,  wirft  ihm  auch  Schlegel, 
und  zum  teil  viel  greller  vor  Gervinus  gesch.  d.  deut- 
schen dichtung  (1853)  5,  34;  dasz  der  kraftvolle  kämpfer 
für  .  .  protestantische  glaubensgerechtsame  es  so  grell 
nicht  gemeint,  als  ich  es  genommen  habe  Voss  anti- 
symb.  2,  390;  anders:  die  wenigen  .  .  ,  welche  grell  und 
öffentlich  gesündigt  hatten  Niebuhr  röm.  gesch.  3,  517; 
wie  grell  und  unerträglich  war  aber  das  gebahren  vieler 
kleinen  fürstlichen  .  .  herren  Häuszer  deutsche  gesch. 
2,  453;  seine  räche  war  ein  fashionabler,  freilich  etwas 
greller  scherz  Gutzkow  ^es.  werken,  358;  von  gefühls- 
ausbrüchen:  in  greller  Schadenfreude  Ludwig  l,  260;  da 
früher  der  unerwartete  eintritt  des  schwarzen  mannes 
unter  den  kindern  grelles  entsetzen  erregte  Rank  er- 
innerungen  35;  vgl.  {ein  musikal.  satz)  der  lebhaft,  ge- 
räuschvoll, mit  einer  grellen  lustigkeit  ausgedrückt  ist 
Jahn  Mozart  3,  116;  der  sinn  nähert  sich  gelegentlich 
dem  alten  'ivild,  leidenschaftlich'  {vgl.  o.  l),  ohne  dasz 
sich  genau  entscheiden  läszt,  ob  und  wieweit  statt  einer 
art  von  bedeutungskreislauf  ein  nachwirken  der  urspr. 
bedeutung  vorliegt. 

5)  in  eisenhütten  ist  grell  techn.  ausdruck  für  eine  be- 
stimmte beschaffenheit  des  weiszen  roheisens,  vgl.  Jacobs- 
SON  technolog.  tob.  2,  149  •>;  Prechtl  technol.  encyclop. 
5,  7. 

6)  in  compositis  erscheint  grell  erst  seit  dem  ende  des 
18.  jhs. ;  älter  dürfte  nur  das  wesentlich  nd.  grellauge 
u.  ä.  sein,  daher  denn  hier  die  älteste  bedeutung  zornig, 
wild  z.  th.  noch  erkennbar  ist.  die  bezeichnung  von  licht 
und  färbe  spielt  wie  beim  simplex  die  gröszere  rolle,  zu 
einiger  Verbreitung  sind  nur  die  Verbindungen  von  grell 
mit  färben  (grellroth,  grellbunt  u.  ä.)  gekommen,  auch 
grellfarbig ;  alles  andere  sind  gelegenheitsbildungen,  grösz- 
tentlieils  lose  zusammenrückungen  mit  participien,  zumal 
präsentischen. 

2GRELL,  m.,  zorn,  grimm* :  darumb  ret  ich,  daz  man 
die  selsamen  gewonheiten  abstell,  anders  der  trak  mit 
sim  grel  understet  dich  zu  verschluken  loestd.  zs.  für 
gesch.  u.  kunst,  ergänzungsheft  8,  114  {16.  jh.);  schrei:  ich 
het  gethon  ain  grell  Schmeller  l,  993  (16.  jh.) ;  Lexer 
kämt.  123;  auch  schwach:  ich  weisz  gar  wol,  dasz  die 
lieben  Ordensbrüder  .  .  ein  groszen  prellen  und  grellen 
von  ihrer  geistlichen  gerechtigkeit  auf  der  cantzel  her- 
plaudern Joh.  Riemer  politische  guck-guck  (1684)  81. 

GRELLANSCHLAGEND,  ijar^.;  ein  grellanschlagender 
hofhund  Droste-Hülshoff  2,  345.  —  grellauge,  n..- 
grelloog  ein  feuriges,  funkelndes,  scharf  und  starr,  be- 
gehrlich blickendes  äuge  Berghaus  l,  609*  {auch  grall- 
oog  und  mit  metathesis  glarroog);  vgl.  Schütze  holst. 
2,  67;  Mi  mecklenburg.-vorpomm.  29*;  übertragen  auch 
von  personen  m,it  solchen  äugen:  dat  wicht  is  so'n  regten 
grelöge  Doornkaat-Koolman  1,678'>;  dazu:  grell- 
augen,  vb.:  grellogen  die  äugen  verdrehen,  als  ein  zor- 
niger, den  grimm  aus  den  äugen  blicken  lassen  brem. 
wb.  2,  534;  grallögen  sich  bemühen,  scharf  zu  sehen  {z.  b. 
von  einem,  betrunkenen)  Strodtmann  osnabr.  75;  grell- 
äugig,  adj.:  die  beleibte,  geschminkte,  grelläugige  dame 
Gutzkow  ges.  werke  5,  27 ;  die  kleine,  grelläugige,  sonst 
unverzagte  büre  Hansjakob  bauernblut  83;  auch  schon 
bei  Heinsius  2,  527''  vermerkt;  vgl.  nd.  grelloogd  Berg- 
haus l,  609*;  zur  bedeutung  s.  o.  grell  3  c.  —  grell- 
beleuchtet, pari.: 

auf  der  bühne,  grellbeleuchtet, 
sahen  sie  auch  ganz  genau 
die  gestalten  und  die  mienen 

Heine  1,  883  Elster. 

—  grellblau,  adj.:  grellblaue  und  doch  milde  äugen 
Immermann  l,  57  Hempel.  —  grellbunt,  adj.:  dabei 
flaggten  grellbunte  atlasbänder  auf  dem  verjährten  Stroh- 
hut Heine  8,  249  Elster;  grellbunte  kleidungsstücke 
RosEGGER  14,812.  —  grellfarbig,  adj.:  ausländische 
gewächse  mit  grellfarbigen  blüthen  Jean  Paul  l5/l8, 
260  Hempel;  den  köpf  mit  grellfarbigen  tüchern  um- 
wunden Gutzkow  zauberer  v.  Rom  3,  173.  —  grell- 
funkelnd, j^ari.;  die  sonnengeschwärzten  gesiebter  mit 

1* 


103 


GRELLGEFLAMMT  —  i  GRELLE 


2  GRELLE -1  GRELLIG 


104 


den  grellfunkelnden  äugen  Gaudy  21,81.  —  grellge- 
f lammt,  pari.:  {es  ist  für  den  dichter  besser)  in  der 
simplen,  altfränkischen  tracht  unsrer  väter  .  .  .  fortzu- 
wandeln,  als  in  dem  grellgeflammten  aufzug  einer  Ma- 
rino-Lohensteinischen  manier  die  seiltänzersprünge  mit- 
zumachen Broxtermann  ged.,  vorerinn.  IX.  —  grell- 
gelb, adj.:  dies  mal  war  der  grund  grell-gelb  Hebbel 
tagebücher  2,  294;  die  ganze  landschaft  stand  in  grell- 
gelbem licht  Auerbach  17,  76.  —  grellgellend,  ^ari..- 
grell-gellender  verhöhnungschor  der  scherben  und  der 
katze  Visgher  aucJi  einer  2,  81.  —  grellgemalt,  jjari.; 
die  grellgemalten  wappenscheiben  Lev.  Sghücking  an 
A.  V.  Droste-Hülshoff  br.  13.  —  grellgestimmt, 
pari.:  aus  allen  ecken  läuten  grellgestimmte  kirchen- 
glocken  Gutzkow  ges.  werke  11,  95.  —  grellheiser, 
adj.:  zwischendurch  hörte  sie  .  .  den  grellheisern  ton 
des  einharkens  und  einscharrens  der  von  der  bank  ge- 
wonnenen summen  2,  276.  —  grellkoloriert,  part.: 
auf  den  Jahrmärkten  sah  man  .  .  .  nichts  anderes  als 
grellkolorierte  bilder  der  guillotine  Heine  3,  499  Elster. 

—  grellkomisch,  adj.:  die  geschichte  der  Waldhei- 
mer  .  .  ,  wo  es  dann  .  .  an  burlesken  Charakteren  und 
grellkomischen  Situationen  so  wenig  wie  im  Siegfried 
fehlt  Gervinus  gesch.  der  deutschen  dichtung  (l853)  5, 
186.  —  grelllaut,  adj.:  diese  zuletzt  grelllauten  worte 
kamen  wie  aus  der  hölle  Gutzkow  ritter  v.  geiste  9, 
455.  —  grellleuchtend,  part:  fast  so  war  es  bei 
den  grellleuchtenden  blitzen  zu  sehen  Rosegger  15, 
377.  —  grellphantastisch,  adj.:  (indianische  stein- 
schnitzerden)  die  zu  den  grellphantastischsten  gehören 
Ratzel  tJÖÜcerÄimde  2,  596.  —  grellrätschend,  jjari.; 
welches  .  .  meer  von  .  .  grellrätschenden  instrumental- 
tönen losgelassen  wurde  Visgher  auch  einer  l,  339.  — 
grell roth,  adj.:  zuerst,  in  grell-rothen  rocken  mit 
messingknöpfen  .  .  .  zwei  ehrenwerte  männer  Hebbel 
8,  144;  im  grellrothen  lichte  Gutzkow  ges.  werke  2,  253. 

—  grellschimmernd,  part.:  zwischen  den  säuseln- 
den ästen  stieg  ihr  blick  zu  dem  grellschimmernden 
gewölke  auf  Rosegger  14,  267.  —  grellstimmig,  adj.: 
so  hallten  .  .  die  grellstimmigen  gebete  der  Ungarn  .  . 
durch  unsere  gegend  8,  159.  —  grellweisz,  adj.:  der 
himmel  war  dunkel  .  .  ,  nur  am  horizont  zog  sich  ein 
grellweiszer  streifen  hin  R.  Huch  triumphgasse  (1902)  i. 

—  grellzuckend,  part.:  der  Raffl  streifte  ihn  mit 
einem  grellzuckenden  blick  Rosegger  H  3,  133. 

1  GRELLE,  /.,  ein  hauptsächlich  im  nd.  uud  md.  er- 
scheinendes, doch  auch  dem  obd.  nicht  fremdes  wort:  tri- 
cuspis  Diefenbagh  595";  in  ähnlichem  sinne  als  Werk- 
zeug zum  fischfang  mhd.  wb.  1,  569*;  häufiger  als  eine 
gestielte  waffe:  lancea  Diefenbagh  317'^;  lancea  glytcze 
vel  grelle  mscr.  iv  fol.  86  der  Bresl.  univ.-hibl.,  36 rb 
(schles.,  a.  1451);  lanceola  grelle  vel  flyte  ib.;  in  dieser 
bedeutung  dadurch  gestützt,  dasz  es  meist  neben  speer, 
spiesz  u.  ä.  steht:  ore  {der  Sachsen)  stekemeste  (waren) 
lang  und  grot  an  oren  lenden  und  lange  grellen  und 
sper  städtechron.  7,  15,  28  (Magdeb.  schöppenchr.) ;  kulen, 
grellen  unde  sper  als  marterwerkzeuge  Christi  Schiller- 
Lübben  2,  142 *>  (aus  hannöv.  mscr.); 

sy  eylten  zu  den  schiffen, 
zu  spissen  und  zu  grellen 

H.  V.  Neustadt  Apollon.  8168; 

(die  bürger  ergriffen) 
stap  oder  stangen  .  . 
manic  tüsent  grelle 
gesliffen  vil  scharf 

Ottokar  österr.  reimchron.  96323; 

bedeutsam  ist,  dasz  grelle  oft  als  bauernwaffe  erscheint, 
vgl.  die  belege  bei  Lexer  1,  1077;  Sghiller-Lübben 
a.  a,  0.;  das  läszt  vermuthen,  dasz  die  bedeutung  'gabeV 
ursprünglich  ist;  vgl.  Weigand  zs.  f.  d.  a.  6,  486.  Hilde- 
brand identificiert  grelle  mit  kralle  (th.  5,  1982),  gestützt 
auf  dialect.  mistkralle  misthaken;  nicht  voll  befriedigend; 
denn  es  ist  sehr  auffüllig,  dasz  die  echte  form  krelle 
nirgends  erscheint,  obwohl  das  wort  gar  nicht  selten  ist, 
während  sonst  bei  echtem  k  bildungen  mit  g  immer  nur 
nebenformen  sind  (vgl.  krall,  kralle  th.  6,  1981);  demin. 
grellchen  lanceola  Diefenbagh  317*. 


2  GRELLE,  /.  =  gralle,  kralle  Kramer  teutsch-ital. 
(1700)   1,  563". 

*  GRELLEN,  vb.  l)  die  älteste  bedeutung  des  ehemals 
starken  vbs.  lebt  fort  in  dem  mnl.  nnl.  schw.  vb.  grillen 
zornig  werden,  aufbrausen  (vgl.  grell,  adj.);  das  mnd. 
kennt  das  zugehörige  causativum  grellen  in  zorn  setzen: 
daraver  de  ganze  papeschop  ganz  schwerlik  gegrellet 
was  unde  getornet  Sghiller-Lübben  2,  143"  nebst  wei- 
teren belegen;  vgl.  ags.  grillan  ärgern,  zum  zorn  reizen, 
ebenso  engl,  to  grill;  auch  auf  hd.  boden  finden  sich 
formen  mit  i: 

des  wirt  din  laster  grillen 

Frauenlob  276, 12 ; 

belege  aus  heutigen  obd.  dialecten  s.  u.  2;  das  i  könnte 
aus  dem  sg.  präs.  des  st.  vbs.  stammen,  eher  wohl  aus 
gril,  adj.  und  subst.,  der  seitenform  zu  grell  zu  erklären, 
s.  d. 

2)  hd.  meist:  laut,  gellend,  sehrill  schreien  oder  tönen: 

daz  er  (der  grille)  loufe  und  springe  snelle 
durch  büsche,  durch  brämen,  und  lüte  grelle 

H.  V.  Trimberg  renner  5574  Ehrismann; 

ir  geschrey  thüt  eim  in  den  oren  wee  und  grellet  laut 
Stumpf  Schwytzerchron.  (1606)  610»; 

und  metall 

rauher  schall 

grellt  in's  ohr       Göthe  2,  27  Weim. ; 

und  was  kann  er  sich  mit  einer  grellenden  und  quit- 
schenden  stimme  für  einen  erfolg  versprechen?  40,  152; 
einen  so  lauten  grell  enden  juhschrei  H.  Sghmid  alte 
u.  neue  gesch.  aus  Bayern  203;  den  Übergang  der  be- 
deutung von  1  zu  2  erläutern  obd.  dialecte:  grellen,  grillen 
vor  zorn  oder  brunst  schreien  (vom  rindvieh)  Sghmeller 
1,  993;  Fisgher  schioäb.  3,  823.  835;  auch  von  menschen: 
heulend  weinen,  laut  schreien;  im,  schwäb.  ist  die  bedeu- 
tung leicht  differenciert :  die  i-form  bezeichnet  das  grel- 
lere kreischen,  namentlich  der  frauen;  ähnlich  kärntn.: 
grellen  laut  schreien,  widerlich  tönen  Lexer  123,  grillen 
durchdringend  tönen  124;  auch  m,d.  für  laut  schreien 
Hertel  thür.  llO,  salzung.  17. 

3)  nur  selten  von  gesichtseindrücken :  und  schiuszt 
wider  nach  mir,  dasz  ich  den  pfeil  auf  der  erden  sähe 
grellen  Götz  v.  Berlighingen  lebensbeschr.  26  Bieling; 
wir  sahen  viel  kugeln  unter  die  holländische  schiffe 
.  .  grellen  Olearius  verm.  reise  beschreib.  (1696)  99;  jung 
und  vereinzelt,  aber  recht  glücklich:  gaslicht  grellt  ihm 
in  die  äugen  Sohle  eroica  26  Wiesbad.  volksb.;  den  grel- 
len äugen  des  nd.  (s.  sp.  99  c)  vergleicht  sich  die  bedeu- 
tung 'starr  sehen\  auch  'schielen'  Sghütze  holst.  2,  67; 
brem.   wb.  2,  584. 

2GRELLEN,  vb.  =  grallen,  krallen  inuncare  Stieler 
701;  Kramer  teutsch.-ital.  (1700)  1,563'';  vgl.  2 grelle. 

GRELLHEIT,  /.,  lexicalisch  zuerst  bei  Heinsius  2, 
527*;  wie  grell  von  färben  und  tönen:  die  aufgäbe  ist 
also,  diese  grellheit  sowie  gleichzeitig  die  rohe  stoff- 
härte des  farbenmaterials  zu  bewältigen  Visgher  üsthe- 
tik  3^,  567;  so  haben  wir  ...  im  deutsch-französischen 
kriege  das  racengefühl  mit  einer  grellheit  aufschreien 
gehört,  dasz  Kürnberger  literar.  herzenssachen  217; 
häufiger  unsinnlich  und  in  denselben  functionen  wie  das 
adj.:  in  jener  grellheit,  die  uns  Göthe's  anfängliche 
abneigung  gegen  Schiller  erklärt,  erscheinen  diese  gegen- 
sätze  in  .  .  äuszerungen  des  letzteren  Gervinus  gesch. 
d.  deutschen  dichtung  (1853)  5,  463;  bekanntermaszen  ist 
sie  (die  doctrin)  zuerst  von  Montesquieu  ...  in  ihrer 
grellheit  aufgestellt  worden  Haller  restaur.  d.  staats- 
ivissensch.  2,  176;  so  drang  sich  ihm  das  widersinnige 
jedes  gedankens  an  eine  untreue  .  .  in  seiner  ganzen 
grellheit  auf  Mörike  3,  65  Göschen;  welches  (beispiel) 
zugleich,  wegen  seiner  grellheit,  geeignet  ist  Schopen- 
hauer 4,  240  Grisebach. 

1  GRELLIG,  adj.,  zornig,  ergrimmt  (vgl.  grell,  adj.,  l): 
dar  lagen  de  Dithmerschen  to  beiden  siden  grimmich- 
liken  unde  tornich  unde  grellich  Sghiller-Lübben  2, 
143";  grellig  närrisch,  störrig  Danneil  69*;  he  süt 
grellig  ut  er  blinzt  mit  den  äugen  Schütze  holst.  2,  67 
(vgl.  grell  3  c);  dazu  grellichkeit,/.,  zorn:  allerleige 


105 


2  GRELLIG  -  GREMP 


iGREMPE-iGREMPEL 


106 


ander  untugende   di   der  sele   ungesunt  sint,  alse  grel- 
lichkeit  des  gemutes  myst.  l,  49,  11  Pfeiffer. 

2  GRELLIG,  adj.,  daneben  grillig  pruricus,  scahiosus, 
scdber,  scahrosus ;  grellige  geschwulst  jp/iie/7mone,  inflam- 
matio,  tumor  cum  rubere  et pruritu  Henisch  1739;  ebenso 
bei  Stieler  701 ;  grellicht,  grellig /ocoso,  dolorosa;  livido 
e  vergato  comme  la  pelle  viva  dopo  estere  stata  lacerata 
con  artigli;  pruriente,  scabioso  Kramer  teutsch-ital.  (1700) 
1,  563";  Kramer  denkt  also  an  Zusammenhang  mit  gralle, 
kralle,  nicht  ohne  recht;  denn  schwed.  krilla  Jüchen,  krib- 
beln, kratzen,  dän.  krille  jucken,  ico7nit  grellig  offenbar 
in  Verbindung  steht,  ist  mit  kralle  verwandt,  vgl.  th.  5, 
1985;  hierher  weiter  grallerig,  grellerig  krätzerig, 
rauh  machend  oder  einen  strengen  geschmack  erzeugend; 
durch  Vermischung  mit  ^  grellig  auch  grimmig,  verdriesz- 
lieh  Schambach  67;  gehört  auch  grellig-grües  (ganz  un- 
reifes) obs  Staub-Tobler  2,  752  hierher? 

GRELLPITZER,  m.,  rülps:  und  sind  dessen  (des  ma- 
gens)  aufsteigende  wind  und  grellpitzer  nichts  anders 
als  lauter  klagreden  Abr.  a  St.  Clara  4,  245  Strigl; 
Spielbildung  zu  grelzen  ructare.  s.  d.;  vgl.  krelgatzer 
th.  5,  2167. 

GRELLüNG,  /.,  pruritus,  scabrities  Stieler  701 ;  vgl. 
2  grellig. 

GRELZEN,  s.  grölzen. 

GREMAN,  m.,  in  Ostfriesland  harter  schiverer  torf 
ohne  schilffasern  Heinsius  2,  527''. 

GREMASSIG,  adj.  adv.,  grimmig  Martin -Lienhart 
1,  272»;  mürrisch,  voll  übler  laune,  brummig  ünger- 
Khull  306";  kränklich,  schicächlich  Hügel  Wiener  dial. 
70;  univohl,  unpäszlich  Schranka  Wiener  dial.-lex.  64; 
LoRiTZA  id.  Vienn.  54;  Schöpf  212  kennt  als  österr. 
form  auch  krenmassig;  vgl.  gramassig  Fischer  schicäb. 
3,  786;  Weiterbildung  von  gremsig  (s.  d.),  vielleicht  unter 
einßusz  von  grimasse  (s.  d.  die  nebenform  gremasse), 
nicht  Streckform  zum  stamm  grass-,  vde  H.  Schröder 
streckf.  101  icill. 

GREMBEERE,  /,,  brombeere  Follmann  215»;  vgl. 
grambeere. 

GREMELIGH,  GREMLICH,  *.  grämlich. 

GREMEN,  GREMMEN,  *.  grämen. 

GREMEN,  GRßMEN,  vb.,  schmutzen,  schmieren,  mant- 
sehen,  sudeln,  pfuschen  Doornkaat-Koolman  l,  678»; 
dort  wird  Zusammenhang  mit  dem  stamme  grim-,  gram- 
vermuthet;  dazu  gremer,  m.,  sudler;  gremerg,  adj., 
schmutzig,  sudelig;  gremsk,  adj.,  schmutzend  l,  679»; 
sik  begremen  sich  beschmutzen  Berghaus  l,  609 •>;  vgl. 
grimmeln. 

GREMLAGH,  n.,  obd.  collectivbildung  zu  grome  hode 
(s.  d.) :  wann  einem  .  .  knäblin  die  gremlach  grosz  oder 
aufgeblasen  sein  Gäbelkover  artzneybuch  (1595)  2,  141; 
nim  knabenkraut  oder  stendelwurtz,  das  mändlin  mit 
den  runden  gremlaehen  l,  255. 

GREMLEIN,  n.,  deminutiv  zu  grome  hode  (s.  d.):  vom 
fleisch,  so  zwischen  den  säcklin  der  geilnieren  oder 
gremlein  überschr.  bei  KOffner  Celsus  (i53l)  128»;  dar- 
von  (von  knabenkraut)  nim  ein  stängel  sampt  den  ij 
gremiin  Gäbelkover  artzneybuch  (i595)  l,  255;  frau  Lu- 
cretia  N.  verlobt  sich  mit  zwey  wächsenen  grämblein 
wegen  ihres  söhnleins,  das  ein  geschwollenes  grämblein 
mit  ihme  auf  die  weit  gebracht  Sghmeller  i,  995  (a. 

d.  j.  1697). 

GREMP,  GREMPE,  m.,  elsäss.  wort,  in  heutiger  ma. 
butter-,  eier-,  geflügel-,  gemüse-,  mehlhändler  im  kleinen 
Martin-Lienhart  1,  273''  (vgl.  die  composita  käsgremp, 
gängsgremp,  mehlgremp  u.  a.  ebd.);  auch  in  älterer 
spräche  besonders  victualienhändler,  daneben  kleinhändler 
überhaupt:  salsamentarius  gremp  vel  hok  Diefenbach 
508«;  speiszkäsz,  hasenkäsz  ausz  der  grempen  geses 
Fisghart  geschichtklitt.  79  neudr.; 

es  ist  kein  alte  hür  am  Ryn, 
sy  wöUent  alle  grempen  syn 

MuRNKR  narrenbeschw.  67,  40  neudr. ; 


nun  dasz  ich  aber  möcht  bekommen 
ein  trewen  herrn  und  ein  frommen, 
kam  ich  für  eines  grempen  thür 

Frischlin  ätsch,  dicht.  178; 
stranggrempe  hanfhändler  (bildl.  für  henker)  Fischart 
binenk.  198 '';  seltene  nebenform  grempte:  die  in  ihren 
gewerben  als  grempten  und  krämeren  aus  einer  gegni 
in  die  andere  fahren  Staub-Tobler  2,  737.  das  wort 
ist  bei  Martin-Lienhart  seit  dem  u.  jh.  belegt,  ebenso 
das  movierte  fem.  grempin,  das  auch  die  heutige  ma. 
als  grempen,  grempene  besitzt;  weiteres  s.  unter  krampe 
th.  5,  2007,  wo  Hildebrand  das  icort  von  einem  verlorenen 
*kramp,  m.,  'ausschusz,  wegwurf  gerümpeV  abzuleiten 
sucht,  schwerlich  mit  recht;  denn  im  anlaut  ist  trotz 
dem  namentlich  bei  grempel  nicht  seltenen  k  ohne  zwei- 
fei g  das  echte,  und  die  bedeutungsentvÄcklung  der  ganzen 
Wortsippe  weist  auf  den  grundbegriff  des  verkaufens  oder 
handelns;  der  bei  einigen  Wörtern  zu  beobachtende  ein- 
schlag  des  begriff  es  'ausschusz,  gerümpeV  scheint  secun- 
där  (s.  u.  1  grempel  3).  von  Seiten  der  bedeutung  liegt  die 
seit  Frisch  beliebte  anknüpfung  an  ital.  crompare  für 
comprare  recht  nah,  die  freilich  andere  schtvierigkeiten 
bietet,  vgl.  Staub-Tobler  2,  736. 

1  GREMPE,  ff,  ein  vorn  mit  einem  gabelförmigen  eisen 
versehener  hebet,  womit  man  die  starken  hölzer  auf  den 
unterlagen  und  walzen  fortschiebt  Uartig  forstl.  convers.- 
lex.  349;  umlautform  zu  krampe,  grampe  haken,  spitz- 
haue th.  5,  2006? 

2GREMPE,/.,  :=  krampe  th.  5,  2007:  Hess  eine  grempe 
von  seinem  hüte  nieder  Bode  Tristram  Schandi  (1774) 
4,  208. 

^  GREMPEL,  m.  l)  kleinhandel,  besonders  mit  victualien, 
verbreiteter  als  gremp,  doch  auch  hauptsächlich  alem.. 
vgl.  die  nachweise  unter  krämpel  th.  5,  2007;  auf  dem 
grempel  hocken  oder  hausen  far  il  rigattiere  Kramer 
teutsch-ital.  (1700)  l,  563";  das  Schweiz,  hat  den  begriff 
z.  th.  modificiert:  mulchengrempel  handel  mit  käse  und 
butter  im  groszen;  kälbligrempel  aufkaufen  der  kälber 
auf  den  fürkauf  hin;  garngrempel  wucherischer  handel 
mit  garn  (beleg  von  1578) ;  messgrempel  meszhandel  (beleg 
von  1565),  alles  bei  Staub-Tobler  2,  737.  das  wort  hat 
an  Verbreitung  verloren;  es  fehlt  heute  dem  hess.,  doch 
gab  es  im  16.  jh.  in  Homburg  eine  grempelgasze  Vilmar 
136;  e*  ist  auch  nicht  mehr  allgemein  obd.,  wie  Adelung 
2,  796  wohl  sagen  icill;  nach  Martin-Lienhart  i,  274  im 
elsäss.  heute  veraltet,  ebenso  anscheinend  im  bair.,  nur 
fürs  tcienerische   als  'kauf,  tausch'  bezeugt  Loritza  54. 

2)  sehr  häufig  in  der  religiösen  litteratur  des  16.  jhs., 
soweit  sie  alem.,  rheinfr.  und  hess.  ist;  stehend  in  hin- 
weisen auf  Jesu  tempelreinigung :  sie  (die  händler)  ha- 
bent  gemacht  usz  eim  tempel  ein  grempel  Geiler  po- 
stilla  2,  18;  Jesus  .  .  treibet  keufer  und  verkeufer  aus 
und  keret  in  iren  grempel  umb  Reu  quellen  zur  gesch. 
d.  bibl.  Unterrichts   2,  78    (aus  Straszburger   laienbibel); 

Jesus  .  .  .  trib  aus  dem  tempel 
die  händler  so  drinn  triben  grempel 

Fischart  bibl.  flg.  (1576)  S  ii»; 

im  selben  sinne  in  antikatholischer  polemik:  so  an  kost- 
licher jarmark  und  grempel  ist  von  der  todtenmesz 
entstanden  Kessler  sabbata  50;  der  päpstliche  buss- 
oder  geldtax  für  die  sünden,  die  engelweihe  und  der- 
gleichen simonischer  grempel  Staub-Tobler  2,  736  (a. 
d.j.  1699);  bisweilen  anscheinend  mit  weiterer  bedeutung, 
ähnlich  vÄe  sie  sich  bei  kram  entioickelte  (vgl.  th.  5, 1990) 
'äuszerliches  wesen':  das  papstum  mit  synem  grempel 
zeruck  tryben  und  bi  dem  klaren  wort  gottes  blyben  ib. 
(a.  d.  j.  1531); 

der  weit  vil  ergerlich  exempel 
gestifft  han  durch  im  losen  grempel 

BuRK.  Waldis  päpst.  reych  2,  11; 
regier  und  reformier  im  tempel 
nur  mit  gepräng,  gsäng,  schall  und  grempel  . .  . 
was  achtst  des  worts  heymlichs  ergetzen? 

Fischakt  jesuiterhütl.  A  6"; 

eine  allgemeinere  bedeutung  (vneder  geringschätzig  vne  bei 
kram.?)  musz  auch  vorliegen  in  fällen  vde: 

ja  wo  du  volgst  diesem  exempel, 

so  kumbst  recht  in  des  teufeis  grempel 

BuRK.  Waldis  päpst  reych  1,  9; 


107 


GREMPELFRAU  —  GREMPELMARKT 


GREMPELMÄRKLER  —  GREMPELN   108 


Herostrat  .  .  .  welcher  anzünd  den  schönsten  tempel, 
dasz  er  kam  in  histori  tempel  und  grempel  Fischart 
practik  (1607)  b  7*;  anders: 

brenge  her  die  fraw  in  den  tempel  1 

hie  {Jesus)  musz  nu  drinken  des  suem  grempel 

'das  saure  zeug'  Alsfelder  passionsspiel  2703  Orein 

(die  Juden  wollen  Jesu  urtheil  über  die  ehebrecherin 
hören,  um  ihn  verklagen  zu  können). 

8)  sicherlich  jüngeren  Ursprungs  ist  die  unter  krämpel 
(th.  5,  2007)  zum  ausgangspunkt  genommene  bedeutung 
'altes  unbrauchbares  hausgeräth,  gerümpeV;  vgl.  auszer 
den  dort  gegebenen  belegen  Staub-Tobler  2,  736;  Hein- 
sius  2,527^;  grempel  scruta,  frivola,  vetera  et  fracta 
suppellectilia  Stieler  702;  eine  möglichkeit  der  bedeu- 
tungsentwicklung,  die  an  sich  in  dem  worte  lag  {vgl. 
oben  2  u7id  das  sinnverwandte  kram),  wurde  hier  unter- 
stützt durch  die  ähnlichkeit  von  gerümpel :  grempel, 
grimpel,  grümpel,  grümpelwerck,  das  nicht  vil  werth 
ist,  .  .  scruta  Henisgh  1739;  sogar  mit  Veränderung  des 
geschlechts:  gerümpel,  gerümmel  et  grempel,  das,  scruta, 
quisquiliae,  veteramenta  Stieler  1521  {umgekehrt  auch 
gerümpel  masc.  nach  grempel  th.  4,  l,  2,  3773). 

i)  auch  persönlich  für  krämer,  höker,  trödler  Ade- 
lung 2,  796. 

5)  composita:  grempelfrau,  /.,  stracciaruola,  rigat- 
tiera  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  407^;  grempelfrawen 
werden  in  grossem  ansehen  sein  Fischart  practik  13 
neudr.  —  grempelgeräthe,  n.,  stracci,  ferra-vecchi 
Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  563°.  —  grempelhaupt- 
mann,  m,.,  aufseher  über  die  grempler  Fischer  schwäb. 
3,  82i  {aus  Hall,  a.  1639).  —  grempelkram,  m.,  tauto- 
log.  bildung,  'kramhandeV:  sollich  buchlin  hat  Pfeffer- 
korn .  .  durch  sein  weih  in  offem  grempelkraum  yeder- 
mann  fall  gebotten  Reuchlin  augensp.  4*;  anders: 
grämpel-  oder  grimpelkram  kücheninventar  Askenasy 
frankf.  ma.  117.  —  grempelmacher,  m.,  interpolator, 
vestiarius,  et  laminarum  bracteatoi*  Stieler  1193.  die 
letzte  bedeutung  gehört  offenbar  zu  einem  wort  anderen 
Stammes,  aber  zu  welchem  f  vgl.  krampe  'agraffe,  buch- 
schliesze'  u,  ä.,  allgemeiner  vielleicht  'zierrath'P  s.  auch 
krampenmacher  th.  5,  2010.  —  grempelmarkt,  m., 
trödelmarkt,  vÄe  grempel  ehemals  in  ganz  Oberdeutsch- 
land bis  ins  hess.  hinauf  verbreitet:  tendeta  Diefenbagh 
677^;  forum  scrutarium  Frisius  german.-lat.  (1666)  112"; 
stracciaria,  rigatteria  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  1,563"; 
yQVTccQioTKü'kElov,  forum scrutarium¥ Kiscn'Li'!^  nomencl. 
(1586)  204 ''j  forum  scrutarium,  nundinarium,  caupona- 
rium  Serranus  synon.  (i579)  s.  v.;  Kirsch  com.  2, 158^; 
ScHMELLER  1,  998  ttus  alten  glossaren;  Er.  Alberus 
nov.  dict.  (1540)  100*;  auf  dem  grempelmark  feil  haben 
scrutarium  facere  Stieler  1521;  die  Juden  hatten  in 
den  vorhöfen  des  tempels  einen  grempelmarckt  uffge- 
richtet  Geiler  postilla  (1522)  2,  80*; 

wie  ir  dann  halt  solch  gwonheit  starck, 

also  das  ihr  aufm  grempelmarckt 

die  weiber,  so  ihr  kram  anbieten  .  .  . 

anzapfen  Fischart /öAafe  1358  neudr.; 

frühzeitig  vermengt  mit  gimpel-,  gümpel-,  gerümpelmarkt 
(s.  diese  Wörter),  aber  z.  b.  bei  Geiler  nach  Schmidt 
elsäss.  153^  noch  deutlich  als  victualienmarkt  von  dem, 
gümpelmarkt  lumpenmarkt  geschieden;  auch  sonst  ge- 
legentlich in  dieser  Specialbedeutung  {vgl.  krämpelmarkt 
ih.  5,  2008),  in  der  vermuthlich  etwas  altes  steckt  {vgl. 
obe7i  gremp);  spricMcörtlich :  er  ist  under  dem  alten  eisen 
kauft,  auf  dem  grempelmarckt  Seb.  Franck  sprüchtv. 
(1541)  2,  61^;  getreue  diener  findet  man  nicht  auf  dem 
grempelmarkt  Kirchhofer  Schweiz,  sprüchwörter  205; 
mir  war  .  .  .  alles  zu  weit  .  » .  ,  als  ob  ichs  auf  dem 
grempelmarkt  erkauft  hätte  B.  v.  Arnim  Oöthes  briefw. 
m.  e.  kinde  1,4;  sehr  beliebt  in  der  religiösen  polemik 
der  älteren  zeit,  und  zwar  wie  grempel  nicht  nur  in  der 
bedeutung  'handel',  sondern  auch  allgemeiner  'äuszerliches 
wesen,  tand,  narretei':  mit  dem  blut  Christi  ein  solichen 
schandtlichen  grempelmarck  treiben  Schmidt  elsäss. 
163^  aus  Zell;  sie  haben  vermerckt,  wan  sye  die  scheff- 
lin  in  die  bücher  fürten,  ir  grempelmarckt  wurd  nichts 
zünemen  Carlstadt  von  abthuung  der  bylder  (1519)  b  i'»; 


man  helt  nit  mesz  nach  Christi  aufsetzung,  man  hat 
ain  grempelmarckt  und  handtierung  darausz  gemacht 
H.  V.  Kettenbach  nach  Clemen  reform. -fing sehr.  2,  67; 
und  schmeckt  derhalben  Limpricii  grempelmarckt  nach 
einem  sacramentirer  C.  Spangenberg  wider  die  böse 
sieben  (l562)  j  1*  {Limpr.  vertrat  die  nothwendigkeit  der 
guten  werke);  es  gehen  die  kutten  hüben  mit  irem  gau- 
kelwerck,  grembelmarck  und  falschen  gedichten  wunder- 
zeychen  umb  Seb.  Franck  Oerm.  chron.  (1538)  96»;  als 
polemisches  Schlagwort  auch  bei  männern,  deren  dialect  es 
nicht  zukommt:  'iihr  habt  das  altarssacrament)  zu  einem 
pfaffenopfer  und  eigen  verdienst  eines  bösen  buben  .  . 
wie  einen  heidenischen  götzendienst,  ja  wie  einen  schend- 
lichen  grempelmarckt .  .  verwandelt  Luther  7,  412  Jen.; 
nunmehr  aber  ist  das  liebe  predigamt  ein  rechter  grem- 
pelmarkt und  öffentlicher  auszruf  geworden  Rist  neue 
passions ■  andachten  (1664)  vorbericht;  dazu  grempel- 
märkler,  m.,  händler  auf  dem  grempelmarkt  Fischart 
practik  (1607)  c  1».  —  grempelplatz,  m.,  platz  des 
grempelmarktes :  wo  aber  ein  meister  ein  arbeit  auf  den 
kauf  machte  und  denselbigen  durch  die  hausiererin  oder 
fürkäuferin  als  auf  dendel  oder  grempelplatz  und  merckt 
setzte  Fronsperger  bauordnung  {i66i)  108''.  —  grem- 
pelsatzung,  /.,  kleinliche  Satzung:  menschen-  und 
grempelsatzungen  Staub-Tobler  2,  736  aus  Vadian.  — 
grempelvolk,  n.,  krämervolk: 

und  räumet  seinen  tempel  aus, 
treibt  das  grempelvolck  hinaus 
bildunierschr.  aus  einer  Straszburger  laienbibel  nach  Reu 
quellen  z.  geseh.  d.  bibl.  unterr.  2,  78. 

—  grempelwaare,/.,  abgenütztes,  altes  hausgeräthe 
Schmid  schicäb.  242.  —  grempelweib,  ry,  was  gremp- 
lerin  Kramer  teutsch-ital.  (l700)  1,  563«;  vgl.  gerümpel- 
weib  th.  4,  1,  2,  3774.  —  grempelweise,  adv.,  im  klein- 
handel:  in  der  stadt  grempelweis  verkaufen  Fischer 
schwäb.  3,  824  {aus  Lindau,  a.  1412).  —  grempelwerk, 
n.,  trödelkram:  yqvrdQia,  scruta  Frischlin  nomencl. 
(1586)  204'';  stracci,  ferravecchi  Kramer  teutsch-ital.  (1700) 

1,  563";  scruta  Kirsch  com.  2,  158'';  dann  auch  über- 
tragen 'tand,  albernes  wesen'  {wie  grempel,  grempelmarkt) : 
die  Juden  .  .  .  warent  so  verrucht  nit,  das  sye  solich 
grempelwerck  übtent  im  rechten  tempel  Geiler  postilla 

2,  17'';  nu  findet  man  in  iren  Schriften  nicht  ain  wört- 
lin  von  dem  vorigen  bepstlichen  und  papistischen  grem- 
pelwerck und  gaucklerey  C.  Spangenberg  wider  die  böse 
sieben  (1562)  U3'';  vgl.  noch  Schmidt  elsäss.  154;  Fischer 
schwäb.  3,  824;  synonym  ist  gerümpelwerk  th.  4,  l,  2,  3774. 

—  grempelzeug,  n.,  scruta,  frivola  Staub-Tobler 

2,  736   {a.  1662). 

2  GREMPEL,  /.,  s.  krämpel  th.  5,  2008;  das  tvort  wird 
dort  mit  unrecht  bei  Stieler  vermiszt:  grempel  sive 
hechel  dicitur  culex  stammb.  702.  —  grempelkamm, 
m.,  Carmen  Kirsch  com.  2, 158'',  s.  krämpelkamm  th.  5, 
2008. 

GREMPELN,  vb.  l)  im  kldnhandel  vertreiben,  hökern, 
schachern,  feilschen;  der  geltungsbereich  des  wortes  scheint 
sich  mit  dem  von  grempel  ungefähr  zu  decken:  caupo- 
nari  Jos.  Maaler  teutsch  spraach  (i56i)  192»;  gremplen, 
kaufen  nundinari  Frisius  german.-lat.  (1666)  lll'';  ich 
grempel  cauponor  Er.  Alberus  dict.  (1540);  vendere 
scruta  Veneroni  (1766)  78;  nundinari  et  nundinare, 
etiam  cauponari  aliquando  Serranus  synon.  (1579)  s.  v.; 
rivendere,  far  il  rigattiere  Kramer  teutsch-ital.  (l700)  1, 
563";  grimpeln,  alt  hauszgeschirr  verkaufen,  kaufen 
Henisch  1739;  cauponari,  nundinari,  commercari  Stie- 
ler 702;  in  modernen  maa.:  grämplen  kleinhandel  trei- 
ben Staub-Tobler  2,736;  ebenso  elsäss.;  kinder,  die  aller- 
lei miteinander  tauschen,  gremple  mit  nander  Schmidt 
straszb.  44";  mit  victualien  und  geßügel  handeln  Fischer 
schicäb.  3,  824;  dem  bair.  heute  anscheinend  nicht  mehr 
geläufig,  vgl.  Schmeller  l,  998;  doch  tirol.  grampeln 
markten,  feilschen  Schöpf  206;  toienerisch  grampeln  kau- 
fen, handeln  Loritza  54.  — 

disz  ist  der  pfrünenfresser  recht, 

die  das  landt  vergiften  mit  bösen  exempeln 

und  nichts  kynen  dan  pfründen  grempeln 

Gengenbach  623  Oödeke 


109 


GREMPELN  —  GREMPIG 


GREMPISCH,  GREMPLER 


110 


im  fürkouf,  grempeln  gar  verruecht 

Staub-Tobler  2,  737  aus  Aal  (1549); 

der  bischoff  von  Bamberg  wurd  des  geitzs  und  ehren- 
gremplens  verklagt  Sghmeller  a.a.O.  aus  Aventin;  zu- 
weilen nach  dem  muster  von  2grempel  2  'tändeln,  spielen': 
so  grempelte  ich  auf  meiner  chitarre  eine  sonderliche 
courrante  Kuhnaü  music.  quacksalber  173  lit.  ■  denkm. ; 
ach  sie  mag  sich  gar  gerne  einen  tantz  auffiedeln  und 
auf  dem  fickermente  was  hergrempeln  lassen  100. 

2)  anderen  Stammes  scheint  grempelen  rixari  Stieler 
1521;  er  hat  sich  weidlich  mit  ihm  herümgegrempelt 
1522;  denn  abgesehen  davon,  dasz  bei  diesem  wort  und 
seinen  verwandten  anlaut.  k  herrscht  {s.  krämpel  4  th.  5, 
2008  und  krämpeln  2  th.  5,  2009),  erscheint  es  in  anderem 
gebiet  als  die  sippe  gremp-,  nur  nd.  und  md.  —  dazu 
grempeler  altercator,  jurgiosus;  grempelung  contentio, 
jurgium  Stieler  1522.  hierher  wohl  auch:  ariopageta 
grempeler  Diefenbach  iS*». 

GREMPELN,  vb.,  carminare,  s.  krämpeln  th.  5,  2009; 
die  %-form  hat  sich  länger  gehalten  als  dort  erkennbar: 
wollen  grempeln  Stieler  702;  grempeln  Kirsch  corn. 
2,  WS'';  wie  sie  die  wolle  kämmen,  grempeln  und  spin- 
nen Bode  Tristram  Schandi  (1774)  7,  34;  aber  spinner 
und  gremp  1er  waren  alle  zu  bett  gegangen  ib.  (siehe 
krämpler  th.  5,2015);  gremplerin  pectrix  Diefenbach 
418°;  grempelung  ca»-7m?ia<io  Stieler  702;  vgl.  ^grem- 
pel  sp.  108. 

GREMPEN,  vb.,  handel  treiben,  hökern,  trödeln;  gegen- 
über grempeln  anscheinend  die  ältere  bildung:  wil  er 
domit  kaufen  oder  grempen  Fischer  schiväb.  3,  824  (aus 
Seilbronn ,  a.  1378) ;  im  heutigen  schtcäb.  mit  alten  klei- 
dem  handeln;  ebenso  im  elsäss.:  wer  mit  alte  kleider 
krampt  Martin-Lienhart  1,  273^^;  dort  aber  auch:  mit 
eszivaaren  handeln;  ebenso  tirol.  grämpen  obst  und  andere 
kleinigkeiten  verkaufen  Schöpf  206;  bei  Kramer  teutsch- 
ital.  (1700)  563"  =  grempeln;  dazu  vergrempen  verscha- 
chern städtechron.  8,  50,  21  (Straszb.) ;  nebenform  grempten 
bei  Kramer  a.  a.  o. 

GREMPER,  m.,  händler,  höker;  erscheint  älter  als  das 
synonyme  grempler,  wie  grempen  älter  als  grempeln; 
penesticus  Diefenbach  422'';  velaris  609'';  mango  nov. 
gloss.  245";  rigattiere,  ferravecchi,  stracciaruolo  Kramer 
teutsch-ital.  (l700)  l,  563";  Stieler  702;  H.  Meier,  der 
gremper  Staub-Tobler  2,  737  aus  urk.  von  1328;  grem- 
pere  und  underkeufer  städtechron.  8,124,  (ChoSEN er  Strasz- 
burger  chron.) ;  salzmütter,  gremper,  kürsener  städtechron. 
9,  962  (Königshofen  Straszburger  chron.);  hanfgremper 
Brugker  Straszburg.  zunft-  u.  polizeiordn.  251  (a.  1478); 
weitere  belege  aus  dem  l4./l5.  jh.  bei  Fischer  achwäb.  3,  824; 

ouch  all  stund  schlahen,  roufen, 

das  darf  ich  umb  kain  grämper  koufen 

Gengenbach  60  Gödeke; 

das  wort  scheint  früh  der  concurrenz  von  grempler  er- 
legen; in  den  heutigen  maa.  fehlend.  —  dazu  grempe- 
rin,  /.,  hökerin;  antionaria  Diefenbach  38'';  penestica 
422'';  gremperen  butter-  und  eierhändlerin  Martin-Lien- 
hart 1,  273''.  —  grempergasse,  /.  Staub-Tobler  2, 
737  (a.  1612).  —  gremperwerk,  n.: 

all  gassen  sint  fürkoufer  voll, 
gremperwerck  triben  schmeckt  gar  wol 

Seb.  Brant  narrensch.  98,  78  Zamcke. 

GREMPEREI,  /.,  'obd.  kram,  trödelhandeV  Heinsius 
2,528*;  rigatteria,  professione  di  rigattiere  Kram  er  teutsch- 
ital.  (1700)  1,  563";  auch  gegenständ  des  kleinhandels :  wer 
ouch  vor  dem  münster  .  .  gremperye  veil  hette,  es  we- 
rent  nüsse,  byren,  äpfel,  eyger,  hünre,  vögel  oder  andere 
dinge  urk.-buch  d.  Stadt  Freiburg  i.  B.  2,  177  (a.  1402); 
heute  anscheinend  nur  noch  Schweiz,  lebendig:  gramperi 
kleinhandel,  wucher  Staub-Tobler  2,737;  vgl.  jedermann 
begibt  sich  und  die  seinen  uff  die  unbillichen  grempe- 
reien  und  Wuchereien  Bücer  nach  Martin-Lienhart 

1,  274». 

GREMPIG,  adj.,  in  älterer  spräche  auch  grempisch, 
alem.  wort. 

l)  groszartig,  übertrieben:  du  machst  grämpig  üwern 
zug  gen  Horgeu  Staub-Tobler  2,  739  aus  Bullinger 


(l532);  ein  minister  (pfarrer)  schwätzte  aus  dem  synodo 
und  machte  den  handel  noch  grempischer  ib.  (1696) ;  ein 
schencke  rümen  und  mit  worten  grempig  machen  or- 
nare  munus  verbis  Maaler  (1561)  192»;  ein  ding  grösser 
und  grämpiger  machen  dann  es  an  ihm  selbs  ist  He- 
NiscH  1739;  er  macht  sich  treflich  grempig  multum  se 
effert  Stieler  701 ;  hierher  wohl  auch  grämpig  wieder  zu 
kräften  gekommen  (von  genesenden)  Sghmeller  l,  997; 
etymol.  unklar;  Zusammenhang  mit  krampe,  grempe  der 
aufgeschlagene  hutrand  (Staub-Tobler  a.  a.  o.;  also 
eigentlich  'aufgeschlagen')  wenig  wahrscheinlich. 

2)  trotzig,  stolz,  unbescheiden:  gremsig,  grempich  ac 
grempisch  ambitiosus,  avidus,  cupiditate  incensus  Stie- 
ler 701;  ähnlich  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  1,563";  wer 
will  so  grempig  sin,  das  er  sagen  bedirf,  ainigs  gut  ym 
menschen  sin?  Schmid  schioäb.  242  aus  Spreter  in- 
atrtict. ;  bei  demselben :  wer  wil  (s)yn  so  gremzig  der  doch 
sagen  mög,  eynigs  guts  im  menschen  syn;  die  weiber 
sind  grempig,  sie  mögen  dise  ding  nit  leichtlich  leiden 
(die  untreue  des  gatten)  Boltz  Terenz  (1539)  129»  (amarae 
mulieres  sunt  Hecyra  7lo) ;  dasselbe  wort  tcie  l  f  an  sich 
denkbar,  da  die  abweichende  bedeutuyig  deutlich  auf  dem 
einßusz  von  gremsig  (s.  d.)  beruht;  doch  vgl.  auch  das 
in  reicher  Verwandtschaft  stehende  schwäb.  krämpig  übel- 
launig, mürrisch,  moros,  neidig  Fischer  4,  679. 

GREMPISCH,  s.  grempig. 

GREMPLER,  m.,  ein  noch  heute  im  Schweiz.,  elsäss., 
schwäb.  lebendiges  wort  für  trödler,  höker,  händler,  be- 
sonders mit  victualien,  eiern,  geflügel  u.  dgl.  Staub- 
Tobler  2,  738;  Martin-Lienhart  i,  274»;  Fischer  3, 
824;  diese  specialisierung  ist  alt:  salarius  Diefenbach 
7WV.  gloss.  324'';  Calepinus  undec.  ling.  (1598)  1288''; 
käszniann  casearius  Frisius  germ.lat.  (1666)  112»;  als 
waren  des  kramers  oder  gremplers  werden  aufgeführt 
carrensalb,  unschlit,  liechter,  schmalz,  gewürtz,  speck, 
schmehr,  käess  Fischer  schwäb.  3,825  (Meszkirch  \&Zi) ; 
dann  auch  ein  händler  gröszeren  stils,  aber  immer  vor- 
züglich mit  lebensmitteln ;  oft  dem  fürkäufer  gleichgesetzt: 
mango  Diefenbach  346";  propola,  cauponator,  nundi- 
nator  Serranus  synon.  (1579)  s.  v.;  frivolarii  .  .  m.an- 
gones  et  propolae  Stieler  702;  das  fürkaufen  der  gremp- 
ler auf  dem  land  Fischer  a.  a.  o.  (Memmingen  1532); 
es  sollend  auch  die  fürkoufer  und  grämpler  zu  keinen 
zyten  anken  an  unser  fronwage  .  .  koufen  Staub-Tob- 
ler a.  a.  0.  (Thuner  stadtsatz.  1539);  das  merteil  körn 
und  vich  wirt  durch  die  grempler  und  fürkoufer  hinyn 
(ins  Welschland)  getriben  ib.  aus  Kessler;  von  jeher 
auch  der  trödler,  althändler:  penesticus  Diefenbach 
422'';  particus  414'*;  scrutarius  Er.  Alberus  nov.  dict. 
(1540)  100»;  yqvTonw'kT]s  Frischlin  nomencl.  (i586)  204''; 
scrutarius,  grempler,  puppenkrämer  Golius  (1585)  236; 
trödeler,  tockenmacher  Henisch  1739;  vgl.  den  beleg 
unter  dockenkäufer  th.  2,  1214;  mangones,  ausstreicher 
und  erneuwerer  alter  dingen  auf  den  kauf,  grämpler 
Staub-Tobler  a.  a.  o.  au^  Frisius;  der  grempelmarckt, 
allwo  die  grempler  den  grümpel  und  nichtswürdige 
Sachen  verkaufen  ib. ;  auf  den  handel  mit  alten  kleidern 
geht  die  glosse  'vestiarius'  Diefenbach  616» ;  der  das 
alte  gewand  .  .  .  wendet  und  .  .  .  feil  hat,  (heiszt)  ein 
grämpler,  altgewander  und  staffierer  Comenius  janua 
(1644)  150;  und  swaz  gewandes  die  grempler  auf  dem 
markt  .  .  .  kaufent,  daz  suln  si  niht  verwandeln  und 
suln  ez  unverwandelt  verkaufen  Nürnberger  polizeiordn. 
161  Baader;  seit  dem  frühen  ih.  jh.  zu  belegen:  eid  der 
grempler  und  merzeler  Staub-Tobler  a.  a.  o.  (a.  1425); 
do  er  (Jesus)  die  Wechsel  benck  im  tempel  umbstysz 
und  die  grempler  hinnusz  treyb  Clemen  reform.-flugschr. 
2,  172;  ich  gebe  nicht  mehr  einen  pfifferling  um  die 
kunst  und  es  kostet  mich  keine  Überwindung,  grempler 
zu  werden  G.  Keller  bei  Bäghtold  i,  115;   redensart: 

sie  {die  ablaszkrämer)  stundend  wie  kouflütknecht  bi  den 

benken, 
grad  glich,  als  ob  gott  ein  grempler  war 

NiCL.  Manuel  83,  1380  Bächtold,  vgl.  1386; 

wirt  also  gott  in  seinen  heyligen  verschetzt,  als  ob  er 
ein  grempler,  kriegsmann  .  .  sey  Fischer  schwäb.  3,  825 
aus  Spreter;  Sprichwort: 


111 


GREMPLERIN  —  GREMSEN 


GREMSIG  —  GRENADIER 


112 


ein  kaufman  der  verdorben  wer, 
gibt  gar  fauler  und  grempeler 

loci  communes  (Basel  1572)  158; 

ein  verdorbner  kaufmann  gibt  einen  guten  werckler  oder 
grempler  Henisch  1739.  —  grempler  als  zweiter  com- 
positionsbestandtheil:  das  er  mit  mir  als  ein  buch- 
grempler  vil  gelts  möcht  gewinnen  Reughlin  augensp. 
XXXII ''; 

ein  säumarck-grempler  man  mich  nent 

H.  Sachs  20, 116  Keller-Götze; 

(Hildebrand  hiesz)  die  münch,  die  da  gelt  und  schän- 
kung  namen,  Simoniacos  .  .  .  schalt  sie  ehrngrempler 
und  hurenpfaffen  Sghmeller  1,998  aus  Aventin;  wort- 
grempler  Schmeichler  Fischart  geschichtklitt.  Ml  neudr.; 
eiergrempler  Martin -Lienhart  l,  274*  aus  moderner 
ma.;  zahlreiche  composita  bei  Staub -Tobler  2,  738/., 
schon  aus  dem  16.  jh.  körn-,  salz-,  mulchen-,  keller- 
grempler  (der  käse  im  heller  aufspeichert,  um  ihn 
weiterzuverkaufen);  aus  jüngerer  zeit  brot-,  anken-,  garn-, 
heu-,  immengrempler  u.  a.  —  das  wort  ist  wie  die  ganze 
sippe  ivesentlich  obd.,  deshalb  verlangen  vereinzelte  nd. 
belege  vorsichtige  beurtheilung :  grempler  de  poppen  edder 
ander  geringe  ding  the  kope  hefft  Chytraeus  274  (Chytr. 
ist  Schwabei);  dy  grempelers  geuen  von  der  tunnen  i  pen. 
Schiller-Lübben  2, 143  (märkisch).  nebenformen:  gremp- 
ner,  seiler,  öbser  Lexer  l,  1078  (Straszburg  1413);  sie 
machten  auch  die  constoffeler,  als  wagener  .  .  schifleut, 
grempner  zu  burgern  Seb.  Franck  Qerm.  chron.  350"; 
grempter  Stieler  1521;  grenter  Lexer  l,  1079  (Frank- 
furt. 15.  Jh.), 

2)  ableitungen  und  composita:  gremplerin,  /.,  höke- 
rin,  tr'ödlerin;  eiergrämplerin  Staub-Tobler  2,738;  scru- 
teria  Diefenbach  521'';  yqvToniäXis  Frischlin  nomencl. 
(1586)  204'';  eine  alte  gremplerin  una  vecchia  rigattiera 
Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  ses";  bei  Stieler  1521  auch 
grempterinn;  der  gremplerin  halben,  das  den  verpotten 
sey  das  keine  am  platz  vor  mittag  nicht  kanfen  Schöpf 
205  (Bozen  1512); 

hett  sy  am  halsz  ein  mülen  stein 
und  leg  doch  mitten  in  dem  Ryn, 
so  geschehe  ir  recht,  der  gremplerin 

Murner  narrenbeschw.  67,  52  Gödeke  ; 

im  heutigen  elsäas.  grempeläre  hökerin  Martin -Lien- 
hart 1,  274*.  —  grempler bank,  /.,  Verkaufsstand  der 
grempler  auf  dem,  markte  Fischer  schwäb.  3,  825  alt. 
spr.  —  gremplergewinn,  m.,  mangonicus  quaestus 
Henisch  1739.  —  gremplerstand,  m,.:  die  schneyderin 
von  Rentsch,  die  ain  grämpler  stand  begert  Schöpf  206 
(Bozen  itöi).  —  gremplerzunft,  /.  Fischer  a.a.o. 

GREMPLEREI,  /.,  kleinhandel  Martin-Lienhart  i, 
274;  daneben  auch  wucherischer  handel  Staub-Tobler 
2,  739;  dem  schwäb.  heute  fehlend,  vom  16. — 18.  jh.  bei 
Fischer  3,  825  belegt;  es  sollen  auch  die  underkeufer 
und  grempelerei  nicht  mer  meze  haben  noch  gewicht 
oberrhein.  stadtrechte  1,  91  Schröder  (aus  Wimpfen);  in 
älterer  zeit  vielfach  auch  als  Schlagwort  antikatholischer 
polemik:  die  gremplereien  des  ablasz  Wurm  v.  Geu- 
dertheim  trost  klostergefangener  (1523)  39'';  alles  ge- 
würm  so  sich  mit  gremplerey  ernert,  als  mit  ablas 
0.  Rrunfels  vom  evang.  anstosz  b  4";  dann  was  wirt 
.  .  .  für  ain  gröszer  gottslesterung  gehalten  dann  ir  ge- 
samiete opfermesz,  ir  höchster  gitzdienst  und  gremp- 
leri  JoH.  Kessler  sabbata  10. 

GREMS,  n.,  elsäss.  (Schmidt  straszb.  44*;  Martin- 
Lienhart  1,  274*)  für  geräms,  s.  d. 

GREMSEISEN,  n.,  eisenstab,  der  zur  salzsudpfanne 
gehört  ünger-Khull  306*. 

IGREMSEL,  m,.?,  was  gremseisen?  in  der  Salzsiederei 
zu  Hallstadt  gab  es:  15  eisenschlegel ,  15  stugkhemer, 
8  gremsel  usw.  monum.  Habsburgica  2, 689  Chmel  (l5.  jh.). 

2GREMSEL,  m.,  nach  Grassmann  nr.  49  name  für 
allium  ursinum  und  sisymbrium  alliaria,  die  meist 
namen  ohne  g  haben,  ramse,  ramsei  u.  ä.,  vgl.  th.  8,  82; 
anlehnung  an  grensel?   *.  d. 

GREMSEN,  vb.,  nach  Stieler  701  antiqua  vox:  de- 
siderio  flagrare,    concitari  stimulis,   ardere,   aucupari; 


worumme  haben  gegremset  die  beiden  Wenzelbibel  ps.  2,  i 
(fremuerunt) ;  gewispelt  haben  sie  und  gegremset  mit 
den  czenden  W.  Jen  2,  l&  (fremuerunt  dentibus);  weitere  be- 
lege aus  derselben  quelle  bei  Jelinek  mhd.  tob.  aus  Böh- 
men 381;  ambitus,  das  ehrgrembsen,  so  einer  über  die 
masz  mit  unrechter  weisz  nach  ehren  trachtet  und  die 
kauft  Sghmeller  i,  998  aus  Aventin;  es  ist  das  ahd. 
gremizon:  (Christus)  gremizota  in  sinemo  geiste  (fre- 
muit)   Tatian  135,  21;   mhd.  mehrfach  Lexer  l,  633.  1078. 

GREMSIG,  adj.,  ableitung  zum  vorigen  oder  zu  dem 
entsprechenden  subst.,    ahd.   gremizza,   -i   Graff  4,  322. 

1)  grimmig,  zornig,  mürrisch,  grämlich:  cremizziger 
tristis  (Charon)  ahd.  glosse  bei  Sghmeller  1,996;  czornik 
und  gremsig  was  Helyu  Wenzelbibel  Hiob  32,  2  (iratus 
indignatusque  est  Eliu);  darumb  ward  der  künig  grem- 
ssig  und  ward  gereizet  von  den  bösen  lasterungen  bibel 
(1483)  468*  (exasperatus  2.  Macc.  14,27);  da  nun  der  lie- 
ben Rahel  solchs  nicht  angehet,  wirdt  sie  gremsig  in 
sich  selber  Mathesius  ausgew.  werke  2,  158  Lösche;  so 
ist  doch  der  alten  zorn  (anders  als  der  der  jungen)  kein 
rechter  zorn,  sondern  allein  ein  grantige  und  grombsige 
weisz,  mit  welcher  sie  ihr  zeit  .  .  vertreiben  Guarino- 
Nius  grewel  d.  Verwüstung  359;  gremset  udderspänstig, 
verdrieszlich  Loritza  id.  Vienn.  54;  grämsig  grämend, 
grämlich  Staub-Tobler  2,  740;  von  widerlichen,  ärger 
und  zorn  ausdrückenden  gesichtszügen  Vilmar  136;  da- 
neben seit  alter  zeit:  leidenschaftlich  verlangend  oder  be- 
harrend: pertinax  Diefenbagh  430"; 

daz  her  was  äne  mäzzen 

üf  strltes  wer  s6  gremsik  (:  emsik)   .. 

JoH.  V.  Würzburg  Wüh.  v.  Osterr.  7837 ; 

hartnäckig,  auf  etwas  bestehend  Heynatz  antibarbarus 
2,  76;  zu  sehr  auf  etwas  erpicht  Heinsius  2,  528*;  wei- 
tere belege  unter  grempig  2,  das  sich  mit  gremsig  ver- 
mengte. 

2)  oberhess.  für  ranzig;  verdorbener  speck,  wurst,  butter 
schmeckt  gremsch,  gremschig  Vilmar  136;  grömmzech 
muffig  riechend  oder  schmeckend  lux.  ma.  (1906)  153'' ;  das- 
selbe wort  wie  l? 

3)  was  bedeutet  gremsig  in  der  spräche  des  bergbauesf 
bröckelig,  locker?  gremsiges  erz  Sghmeller  l,  998  (Salz- 
burg, bergordnung  1532);  aerzt  so  notig  und  grembsig 
bricht  ib.;  da  hat  es  ein  sehr  grob  grembsig  gestein 
Thurneysser  magna  alchymia  (1573)  73;  die  gänge  sind 
nach  der  verschiedenen  beschaffenheit  des  gebirges  theils 
brüchig,  gremsig  und  schwülnig,  theils  ganz  und  derb 
Krünitz  20,  12  (tirolisch). 

GRENADE,  /.,  was  granate  sprenggeschosz  (s.  d.);  die 
franz.,  noch  im  anfang  des  19.jhs.  nicht  seltene  form: 
allwo  sie  (die  grenadiere)  ihre  grenaden  fertig  machen 
und  solche  von  sich  werfen  Fleming  vollk.  teutsche 
Soldat  (1726)  243*; 

(ich)  hörte  Gleim,  den  kühnen, 
der  des  liedes  feuerpfeil 
wie  die  grenade  wirft 

Schubart  sämtl.  ged.  2,  276 ; 

Hoyer  wb.  der  artillerie  spricht  theils  von  granaten  1, 
199  Jf.,  theils  von  grenaden  suppl.  (l83l)  285;  auch  für 
gewisse  kugelähnliche  gebäcke,  fleischgerichte  frauenz.-lex. 
(1773)  1209;  gespickte  pastete  Jagobsson  technol.  wb.  2, 
150*;  ausführliche  beschreibung  bei  Krünitz  20,  12^. 
gelegentlich  grenate,  mischbildung  aus  der  ital.  und  der 
franz.  form:  (die  grenadiere)  sollten  die  .  .  granaten  oder 
grenaten  mit  der  band  werfen  Götzinger  reallex.  d. 
deutschen  alterthümer  251*;  dazu  grenadenbrander, 
m.,  Zünder  der  granate  Hoyer  wb.  der  artillerie  l,  8.  — 
grenadenwerfer,  m.: 

so  still  steht  Gleim, 

der  silberlockichte  grenadenwerfer 

Schubart  sämtl.  ged.  2,  286; 

(der  kurfürat)  zählte  daselbst  .  .  sieben  schaaren  fusz- 
volks,  sechshundert  grenadenwerfer  zu  fusz  Zsghokke 

34,  206. 

GRENADIER,  m.,  urspr.  fuszsoldat.  der  handgranaten 

wirft. 


I 


113 


GRENADIER 


1)  die  form  schwankt;  neben  stets  herrschendem  grena- 
dier  nameiitlich  im,  17.  und  in  der  ersten  hälfte  des  18.  jhs. 
häufig  forrnen  mit  a,  entstanden  durch  einflusz  von  gra- 
nate,  vielleicht  auch  von  ital.  granatiere  (Schulz  fremd- 
icb.  255):  granadirer  Birken  vermehrte Donau-strand  (1648) 
216;  Kirsch  com.  2,  158*;  Apinus  gloss.  nov.  (i728)  252; 
Corps  von  granadierern  Fleming  vollk.  teutsche  soldat  I46 
§  8;  granatirer  Fäsch  dictionn.  des  ingenieurs  (1723)  88 
granatier,  granadier  Kramer  teutseh-ital.  (1700)  l,  555" 
granadir  Koenig  ged.  (1745)  30;  neue  schausp.  (Preszb. 
Lpz.  tili  ff.)  10,  st.  i,  53;  noch  Kinderling  läszt  grana 
tier  neben  grenadier  zu  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  (l795)  134; 
und  H.  Braun  bevorzugt  sogar  granatier  orthogr.-gramm 
wb.  (1798)  126*;  noch  heute  kennen  obd.  dialecte  die  a 
formen,  Schweiz,  granidier,  grenitier  Staub -Tobler  2 
744;  weiteres  s.  u.  2;  grenadierer  Gruber  (1697)  kriegs 
disciplin  36;  Schiller  2,376;  plural  in  älterer  zeit  häufig 
grenadiers  Fleming  vollk.  teutsche  soldat  74  §  8.  213  §  5 
u.  ö.:  Ditfurth  ein  histor.  Volkslied  d.  preusz.  heeres  46. 

2)  zur  Sache  vgl.  besonders  Fleming  a.  a.  o.  146;  die 
grenadiere  kommen  im  50jährigen  kriege  auf,  urspr.  aus- 
gesuchte leute,  die  als  handgranatenwerfer  bei  schwierigen 
aufgaben,  stürmen  u.  dgl.  verwendet  wurdest;  auch  als 
sie  ihre  eigentliche  function  aufgaben  (ende  des  18.  jhs.), 
blieb  dem  wort  der  begriff  der  kerntruppe;  daher  vielfach 
für  den  fuszsoldaten  xar'  f^o^^y: 

bin  ich  nicht  offizier, 

bin  ich  doch  grenadier 

Erlach  Volkslieder  d.  Deutschen  2,  434; 
nach  Frankreich  zogen  zwei  grenadier, 
die  waren  in  Ruszland  gefangen  Heine  1,39; 

aber  ihm  war  weder  beschieden,  des  reiters  säbel,  .  .  . 
des  grenadiers  muskete,  noch  des  Jägers  büchse  zu  er- 
greifen HoLTEi  erz.  sehr.  12,  12; 

ihr  deutschen  grenadier', 

weil  ihr  nunmehr  seid  in  Frankreich, 

so  schmückt  das  haupt  euch  allzugleich 

RÜCKERT  (1867  #.)  1,50. 

fast  ein  begriff  für  sich  sind  die  altpreusz.  grenadiere: 
sie  steckten  ihn  gleich  ohne  barmherzigkeit  als  flügel- 
mann  unter  die  Brandenburger  grenadiere  Hauff  2,  317; 
da  las  ich  auf  der  Krakauer  schule  von  den  alten 
Fritzischen  grenadieren  Fontane  I  2,  26;  das  charakte- 
risticum  des  grenadiers  ist  von  je  die  hohe  mutze  {der 
hut  hinderte  beim  schleudern  der  granaten):  ein  soldat, 
der  sich  durch  die  hohe  mutze  vom  musquetier  unter- 
scheidet frauenz.-lex.  (1773)  1209;  mögen  engel  bei  dir 
wachen,  bei  mir  thuts  ein  bärenmütziger  grenadier  Bis- 
MARGK  br.  an  s.  braut  u.  gattin  346;  man  erwehlt  hier- 
zu die  ansehnlichsten,  stärcksten,  dauerhaftesten  und 
ramassirten  leute  Fleming  a.  a.  o.  146;  daher  der  begriff 
des  starken,  groszen,  martialischen  bei  dem  wort,  zu  dem 
auch  Friedrich  Wilhelms  I.  riesige  grenadiere  (Kerner 
bilderbuch  7)  beigetragen  haben: 

und  grenadiere,  starke  leute  .  . 

sah  man  Droste-Hülshoff  2, 172  Cotta ; 

kranatier,  kranatiarar  starker,  groszer  mann  Martin- 
Lienhart  1,  27i'';  granadirer  Schimpfname  für  eine 
starke,  grosze  frauensperson  Hügel  Wiener  dial.  70;  vgl. 
e  greenedier,  e  gruszes  tier  Müller-Fraureuth  1,440"; 
vgl.  die  composita  grenadiergrösze,  -länge,  -mäszig,  -model, 
-stimme;  gern  in  vergleichen:  in  dem  groszen  Berlin, 
wo  ein  haus  dem  andern  gleicht  wie  ein  tropfen  was- 
ser  oder  wie  ein  grenadier  dem   andern   Heine  3,  149; 

{die  päppeln  stehen  an  der  landstrasze) 

gleich  grenadieren  aufgestellt, 

in  langgedehnten  häufen; 

weh',  dem  das  loos  der  strafe  fällt, 

die  gass'  hindurch  zu  laufen 

RÜCKERT  (1867  #.)  3,  88; 

vgl.  grenadiergasse ;  {Klopstock  und  seinesgleichen)  lassen 
sich  gleich  alten  grenadieren  im  hohen  alter  noch  mes- 
sen, um  zu  erfahren,  um  wie  viel  sie  zurückschlugen 
Schiller  2,  376;  er  handhabte  die  satirische  waffe  wie 
die  grenadiere  die  handgranaten  Jean  Paul  7 — 10,  291 
Hempel;  Gleim  als  dichter  der  grenadierlieder  (s.  d.)  wird 
öfter  als  grenadier  bezeichnet:  sie  glauben  nicht,  wie  zu- 
frieden ich  mit  ihnen  und  dem  grenadier  bin  Lessing 

IV.  1.  6. 


GRENADIERARTHEILUNGr  - -REGIMENT  114 

17,  148  (in  Lessinga  briefen  ständige  bezeichnung  für  Gl.); 
meine  lieblinge  .  .  waren  .  .  Gleim  als  grenadier  Sghu- 
bart  leben  u.  gesinnungen  1,  91. 

3)  in  der  Zoologie  name  für  loxia  oryx,  den  capischen 
Cardinal,  einen  sperlingsartigen  exotischen  vogel  Oken 
allg.  naturgesch.  7,  278;  für  macrourus,  coryphaena  ru- 
pestris,  eine  art  berglachs   6,  162. 

4)  composita:  grenadierabtheilung, /.  Fontane  I 
2,  237.  —  grenadieradler,  m.,  feldzeichen  der  grena- 
dierregimenter  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte  l,  143.  — 
grenadierbajonett,  n.:  das  französische  grenadier- 
bajonett  stürmt  die  höhe  Visgher  altes  u.  neues  3, 121, 

—  grenadierbärenmütze,  /.  Alten  a.  a.  o.  —  gre- 
nadierbataillon,  n.  Meinecke  Boyen  l,  4i;  Alten 
a.  a.  0.  —  grenadierblock,  m.,  eine  einscheibige  rolle 
zum  durchscheeren  von  tauen,  die  an  der  marsraa  be- 
festigt ist  BoBRiK  319*.  —  grenadiercolonne,  /. 
Andr.  Wasserburg  Arkonavis  reise  n.  d.  monde  (1816) 
208.  —  grenadiercompagnie,  /.,  altes  compositum: 
die  eintheilung  einer  grenadierer  compagnie  Fleming 
vollk.  teutsche  soldat  217  §8;  vgl.  92  §11;  Apinus  nov. 
gloss.  (1728)  253;  Lessing  18,  45i;  mit  zwanzig  jähren 
schon  .  .  .  trat  er  in  die  grenadierkompanie  des  regi- 
ments  Möllendorf  ein  Fontane  Ii,  82.  —  grenadier. 
Corps,  n.  Meinecke  Boyen  2,  89;  Alten  a.  a.  o.  1,128. 

—  grenadierdivision,  /.  Alten  a.  a.  o.  2,  357.  — 
grenadiereinrichtung,  /. .•  ob  es  nicht  viel  mehr 
dem  geiste  der  landwehr  entspreche,  nach  dem  muster 
der  alten  grenadiereinrichtung  in  jeder  landwehrkom- 
pagnie  als  ansporn  des  Wetteifers  eine  grenadiersektion 
zu  bilden  Meinecke  Boyen  2, 190.  —  grenadiergasse, 
/.;  bis  einmal  alle  setzer  und  correctores  .  .  durch  eine 
preuszische  grenadiergasse  .  .  gejagt  werden  Bürger  an 
Gleim,  Strodtmann  3,  128.  —  grenadiergesicht,  n.: 
die  ...  französischen  truppen,  das  freudige  volk  des 
ruhmes,  das  singend  und  klingend  die  weit  durchzog, 
die  heiter  -  ernsten  grenadiergesichter  Heine  3,  147.  — 
grenadiergrösze,  /..•  in  der  kirche  zu  Landsberg 
steht  in  grenadiergrösze  freund  Hain  von  holz  mit 
weiszem  sand  bestreuet  K.  J.  Weber  Deutschland  i,  499. 

—  grenadierhauptmann,  m.  Kramer  teutschital. 
(1700)  1,  555";  Petrasch  sämtl.  lustsp.  (1765)  2,  331.  — 
grenadierkappe,  /.  Kerner  bilderbuch  (1849)  3.  — 
grenadierlandwehrbataillon  Meinecke  Boyen  2, 
189.  —  grenadierlänge,  /.;  er  hatte  schon  damals 
die  richtige  grenadierlänge  jahrb.  d.  Grillparzergesellsch. 
4,321.  —  grenadierlied,  n.:  in  den  vortreflichen  gre- 
nadiersliedern  (Gleims,  1758)  Herder  3,  246;  an  Gleims 
grenadierliedern  Scherer  kl.  sehr.  2,  82.  —  grenadier- 
mädchen,  n.,  in  einen  grenadier  verliebtes  mädchen: 
man  vergleiche  .  .  Hagedorns  verliebten  bauer,  wovon 
das  verliebte  grenadiermädchen  eine  nachahmung  seyn 
soll  allg.  deutsche  bibl.  19,  249.  —  grenadiermarsch, 
m,.,  militärmärsche,  die  einzelnen  truppentheilen  mit  der 
bestimmung  verliehen  worden  sind,  dasz  sie  als  präsen- 
tiermärsche  nur  von  ihnen  gespielt  werden  dürfen  Alten 
a.  a.  o.  4,  369;  in  der  Soldatensprache  name  einer  speise 
Unger-Khull  306».  —  grenadiermäszig,  adj.,  stark- 
und  hochgewachsen;  derb,  plump  Unger-Khull  306*; 
in  den  norddeutschen  marschen  sind  grenadiermäszige, 
ihrem  manne  schier  gleich  gewachsene  bauernweiber 
noch  nahezu  die  regel  Riehl  naturgesch.  d.  volkes  3,26; 
sie  (die  magd)  sieht  verteufelt  grenadiermäszig  aus  Hol- 
berg dän.  Schaubühne  1,289;  (Benedict  XIV.)  behielt 
seine  grenadiermäszigen  vergleiche  und  worte,  und  sein 
bologneser  patois  bei  Justi  Winckelmann  2^,  139.  — 
grenadiermodel,  m.,  starke,  grosze  weibsperson  (von 
der  grenadiere  als  nachkommen  zu  erwarten  sind)  Unger- 
Khull  306*;  vgl.  model  th.  6,  2438.  —  grenadier- 
mütze,  /.;  anstatt  des  hutes  tragen  sie  eine  grosze 
grenadiermütze  Fleming  a.  a  o.  146;  nicht  nur  von 
den  Pelzmützen,  sondern  auch  von  den  preuszischen  blech- 
hauben  :  sie  .  .  hatten  .  .  über  den  steinharten  zöpfen 
hohe  spitze  grenadiermützen  sitzen  Kerner  bilderbuch  l; 
übertragen:  barbatus  mons  Veneris  Unger-Khull  306*. 

—  grenadierregiment,  n.    Meinecke   Boyen   2,  35; 

8 


115        GRENADIERSÄBEL  -  2  GRENSEL 


GRENSELHAMMER  -  GRENSING        116 


Alten  a.a.o.  1,143.  —  grenadiersäbel,  «1.  Petrasch 
sämü.  lustsp.  (1765)  1,  701.  —  grenadiersection,  /., 
*.  grenadiereinrichtung.  —  grenadiersitte,  /.:  die  so- 
genannte lady  L*  ist  nur  im  gegensatze  ihrer  Schwester, 
welche  grenadiersitten  hat,  gutherzig  Abbt  verm.  werke 
1,  142.  —  grenadiersteif,  adj.:  gärten  mit  grenadier- 
steifen pallisadenzäunen  Kürnberger  der  Ämerikamüde 
87.  —  grenadierstimme,  /.;  ein  robuster  .  .  .  haus- 
drache  .  .  sparsam  bis  zum  geiz  und  mit  einer  grena- 
dierstimme versehen  Holtei  erzähl,  sehr.  11,  351.  — 
grenadiertasche,/. ;  granadiertasche  tasche  für  die 
handgranaten  Kram  er  teutsch-ital.  (1700)  l,  555*.  —  gre- 
nadiertruppe,/.  Meinecke  £ot/en  2,10;  Alten  o.  a.  0. 
1,  452. 

GRENATE,  /.,  granatblüthe,  a.  granate. 

GRENDEL,  s.  grindel. 

GRENDES,  andorn:  anthdorn  vel  grendes  marruhium 
DiEFENBACH  642 1»;  verkürzt:  Sindovn  oder  ^vens  ßloaofos 
235°;  zusammenhängend  mit  greander?    s.  d. 

GRENDIG,  -ISCH,  s.  grantig. 

GRENDSTEIN,  m.,  bedeutungf:  aber  die  grendstein, 
welche  in  sommertagen  in  dem  graben,  darein  ein  bach 
gelassen,  gewaschen  werden,  im  winter  aber  sollen  sie 
.  .  geschmelzt  werden  Agricola  bergwerck  buch,  übers. 
V.  Beck  (i62i)  340. 

GRENGGE,  GRENNGEL  u.  ä.,  a.  grang. 

GRENIS,  n.,  der  achte  theil  eines  kuxea  Minerophi- 
LUS  bergivercks-lex.  (l730)  310;  schwerlich,  wie  Krünitz 
20,  16  annimmt,  zu  gran. 

GRENSE,  /.,  nach  Grassmann  nr.  743  vereinzelt  für 
panicum  crus  galli,  so  im  tirol.  Schmeller  l,  1005,  wo 
auch  die  form  greese  erscheint  Pritzel- Jessen  261 ; 
Schweiz,  in  derselben  bedeutung  greizen  (*.  o.  ap.  95)  und 
greiserich  {s.  o.  sp.  9l) ;  die  genauer  entsprechende  form 
greise  bezeichnet  hier  andere  pflanzen :  wisse  greise  litho- 
spermum  arvense;  chlme  greise  cynodon  dactylon;  greise 
{auch  greising)  alopecurv^  agrestis;  gele  greise  ranun- 
culus  arvensis  (wofür  sonst  grensing,  ä.  d.)  Staub-Tob- 
ler  2,  783;  auch  grensen  potentilla  Diefenbagh  450^ 
beruht  auf  vermengung  mit  grensing.  —  Oken  vereinigt, 
ausgehend  von  grensel  portulack,  unter  dem  namen  gren- 
sen die  familien  der  tamariacinen,  portulaceen  und  theil- 
weise  die  gruppe  der  paronychieen  aus  der  familie  der 
caryophylleen  Heufler  botan.  beitrug  z.  dtsch.  Sprach- 
schatz 9. 

^  GRENSEL,  m.,  ältere,  besonders  alem.  bezeichnung  des 
gemeinen  portulacks,  portulaca  oleracea;  vgl.  Diefen- 
bagh 449*  {aus  Tabernaemontanus  und  Gesner), 
Frisius  diction.  (1556)  1025^;  Calepinus  undec.  ling. 
(1598)  1117*;  burgel  oder  grensel  Bock  abbildungen  zum 
kräuterbuch  (1553)  cxxii ;  portulaca  bürtzel,  grensel  Go- 
Lius  onom.  (1585)  419;  burzelen,  grensel  Frischlin 
nomencl.  cap.  30;  vgl.  Henisgh  1740;  andrachne  burtzel, 
sawburtzel,  sawbon,grenselDiEFENBACH  14*  aw^RössLiN 
kreuterbuch  {l53S) ;  portulaca  agrestis  grensel  Er.  Alberus 
(i540)  FFij^;  grensel,  portulac  .  .  burtzelkraut  Pancovius 
(1673)  323;  mit  verweis  auf  portzelkraut  bei  Chomel 
öcon.  u.  phys.  lex.  4,  1343;  von  Oken  als  benennung  der 
ganzen  familie  der  portulaceen  in  die  kunstsprache  der 
botanik  eingeführt,  aber  mit  falschem  geschlecht,  als  fem. 
naturgesch.  3,  1348^.,-  nebenformen :  grenzel  Pritzel- 
Jessen  303  {aus  Toxites);  burtzelkraut  oder  grentzell 
?ebiz  feldhau  (1579)  58;  andrachne  grentzel  Sturmius 
(1590)  H6'';  grentzel  CORVINUS /ons  üafimtefi*  (1646)  649; 
grenzel  axich  bei  Henisch  1740;  gränzel  oder  portzelkraut 
Staub-Tobler  2,  783  (a.  1710);  greusel,  grensel,  gensei, 
kreusel  Grassmann  nr.  226.  —  nach  Staub-Tobler  2,  783 
bei  Durheim  auch  für  potentilla  anserina,  getvöhnlich 
grensing,  s.  d.  —  nach  Heinsius  2,  528*  'eine  in  Indien 
am  meeresstrande  wachsende  pflanze,  mit  auf  der  erde  hin- 
gestreckten Stengeln,  an  tcelchen  sich  glänzende,  schmale, 
gespitzte,  erhobene  blätter  und  einzeln  gestellte  blum^n  be- 
finden'. 

2  GRENSEL,  m.,  vordertheil  des  achiffea:  auf  des  kiels 
grensel   in   aummitate  trieria    Schmeller  l,  1005;    der 


grensel  prora,  prior  pars  navia  Aventin  i,  570,  13;  und 
wurden  auch  die  schiff  und  ir  grensel  wolbewerten 
schifmaistern  empfolhen  herzog  Ernst  253,  ll  Bartsch: 
und  legten  den  herzogen  und  grafen  Wezilonen  verhaft 
uf  den  grensel  und  höhin  des  schifs  268,  3;  bair.  öfter 
entstellt  zu  kränzl  Schmeller  a.  a.  o.;  ableitung  von 
grans  hervorragender  theil  eines  körpera,  Schnabel,  rüaael, 
maul,  s.  d. 

GRENSELHAMMER,  m.,  bedeutungf  ünger-Khull 
306^  aus  der  älteren  spräche  des  bergbaues;  =  gremsel 
sp.  111? 

GRENSEN,  vb.,  vor  zorn  den  mund  verziehen,  mit  den 
Zähnen  knirschen:  grenczen  vel  zornen  ringere  Diefen- 
bagh 498«;  he  schall  ropen  alse  eines  louwen  wolp 
unde  he  schall  grensen  (frendet)  unde  holden  den  roeff 
ndlberstädter  bibel  (1522)  Jes.  5,  29.  grensen  neben  gren- 
nen  {mhd.  vereinzelt,  Lexer  1,  1069  unter  grannen)  tvie 
gransen  neben  grannen,  *.  diese  Wörter;  vgl.  auch  grinsen. 

GRENSIG,  adj.  zum  vorigen:  wer  do  sagt  zu  seynem 
bruder  racha  (das  ist  eyn  greulich  zornigs  grenszigs 
zeychen  gibt)  Luther  9,  292,  17  Weim.,-  vgl.  das  syn- 
onyme gremsig  sp.  112. 

GRENSING,  GRENSIG,  GRENSELING  u.  ä..  m.,  name 
mehrerer  pflanzen. 

l)  am  häufigsten  als  grensing,  und  zwar 

a)  msist  für  potentilla  anserina,  gänsefingerkraut,  vgl. 
Grassmann  nr.  190;  vom,  ahd.  an  bezeugt:  grensinc  poten- 
tilla diutisca  2,  188;  Diefenbach  324°.  450^;  nov.  gloss. 
299^;  Bock  kräuterbuch  (1539  jf.)  l,  cxlij^;  potentilla  vel 
portentilla,  grensing,  bei  den  alten  schwerlich  zufinden 
RYFFcon/ec^  OMCA  (1548)  bv^ ;  genserich  oder  grensing  Came- 
RARius  kräuterbuch  759;  griensing,  gänserich,  potentilla 
WiRSUNG  arzneibuch,  register;  auch  mnd.:  contra  fluxum 
sanguinis  nym  potentilla  dat  ys  grensynck  Schiller- 
Lübben  2,  144;  wortelen  .  .  van  grensinghe  ghewaschen 
unde  ghedroghet  unde  up  de  tene  gelecht,  dat  vordrift 
den  worm  van  den  thenen  ib.;  auch  die  mlat.  glossie- 
rung mit  nymphaea  meint  dieselbe  pflanze,  so  bei  Die- 
fenbagh 381*.  642°  {aus  nymphaea  verderbt  sind  kympha 
119°  und  kymphta  639°);  grensinc,  nimphea,  clavus  Ve- 
neria Graff  4,  333  (12.  Jh.),  auch  diese  bezeichnung  nicht 
selten  Diefenbagh  126^;  nov.  gloss.  96*;  synonym  mit 
potentilla  ist  auch  ercularis,  -arius  Diefenbagh  207*'. 
641*;  excularis  {l.  ercularis)  Schiller -Lübben  2,  144 
aus  Wolfenbütteler  mscr.;  seltener  erscheinen  die  bezeich- 
nungen  ros  marinus  Diefenbagh  500^  und  inguinaria 
298°,  die  mlat.  anscheinend  beide  potentilla  meinen  kön- 
nen; vereinzelte  nebenform  grensring  argentaria  Staub- 
Tobler  2,  783   (15.  JA.); 

b)  für  verschiedene  ranunculaceen,  hahnenfuszgewächse : 
flammula  Diefenbagh  238 '^  {nach  Pritzel-Jessen  326  der 
mlat.  name  für  ranunculussceleratus);holli'wasseTsemden, 
hannenfusz,  grensing,  swefelprech  279''  {auch  hier  tceisen 
die  parallelen  bezeichnungen  auf  ran.  sceler.);  JeiNEMNiCH 
für  ranunculus flammula  nach  Staub-Tobler  2,  784;  atif 
ranunkelarten,  besonders  ran.  flammula,  weist  ferner  die 
gleichsetzung  mit  brennkraut,  -wurzel  Heinsius  2,  528*; 
für  atragena  bei  Oken  naturgesch.  3^,  1152; 

c)  für  achillea  millefolium,  Schafgarbe  {anscheinend 
nur  md.  und  nd.) :  millefolium  magnum,  genserich,  gren- 
sing, grosz  garb  Er.  Alberus  ee  4*;  gränsing  Schaf- 
garbe Weber  öcon.  lex.  (1829)  202;  =  schäpgarbe;  eine 
art  heiszt  wite  grensing  Schambach  götting.-grubenh.  68* 
{im  benachbarten  ivaldeck.  aber  für  potentilla  Bauer- 
CoLLiTZ  41*);  im  seZieji  sinne  gransinc  Pritzel-Jessen  6; 

d)  für  agrimonia  Diefenbagh  19''  {nach  Pritzel- 
Jessen  13  agrim.  eupatoria,  Odermennig,  ackerkraut); 
häufiger  mit  argemone  glossiert:  inguinariam  herbam 
quidem  argemonen  vocant  ....  grensing  oder  genserich 
Bas.  Faber  theaaurus  (1587)  409*;  grensing  argemone 
Kirsch  com.  2,  158''.  da  daa  mittelalter  agrimonia  tind 
argemone  vermengte  (Diefenbagh  19''),  brauchte  argemone 
an  dieaen  stellen  nicht  nothwendig  eine  besondere  pflanze 
zu  meinen;  an  sich  aber  bezeichnet  papaver  argemone  den 
wilden   mohn,   und  so    versteht    es    sicher    Frischlin.: 


W      117 


117      GRENSINGKRAUT  -  GRENZACCISE 

argemona,    komrosz,   wild   gremsing   nomencl.   cap.   31; 
vgl.  argemone  wilder  grensing  Sturmius  l  2*; 

e)  ganz  vereinzelt  für  endivia:  grensing  vel  gensetzungen 
DiEFENBACH  202";  nach  Pritzel-Jessen  98  in  derselben 
bedeutung  auch  gennsing.  —  die  form  gensing  für  poten- 
Ulla  nach  Grassmann  nr.  190  anscheinend  ganz  geivöhn- 
lich;  schon  ahd.  gensinc  Graff  4,220;  aber  doch  wohl 
erst  volksetymolog.  Umbildung  von  grensing  {die  gänse 
fressen  die  pflanze  gern),  grensing  {mit  grense,  grensel) 
zu  grans  vorsprung,  spitze,  gran  spitze,  grannef 

2)  theils  durch  dissimilation  {vgl.  kuning,  pfenning 
u.  a.),  theils  durch  einwirkung  anderer  pflanzennamen 
auf  -ich  (WiLMANNS  2,  378)  entstehen  aus  grensing  die 
formen  grensig,  -ich;  bedeutung  vne  unter  l:  grensich 
wird  auf  lateinisch  anserina,  potentilla,  tanacetum 
agreste,  agrimonia  sylvestris  .  .  .  genennet  Kräuter- 
mann blumen-  u.  kräuterbuch  (l75l)  195;  p{r)otentilla 
grensih,  -ich,  -ig,  gränsich  Diefenbach  450^.  643«;  Rim- 
Ulla  {l.  Potentilla)  498°;  nimphea  nov.  gloss.  264'*;  ros 
marinum  320*;  grensich  anserina  Bock  kräuterbuch 
(1539 jf.)  1,  cxlij^;  grSnsick  pot.  anserina  Frisghbier 
preusz.  1,  252;   unklar  ist:  doma  grensich  Diefenbach 

189«. 

3)  nicht  selten  ist  grenserich,  entstanden  durch  ver- 
mengung von  grensing  mit  dem  synonymen  genserich 
{vgl.  das  nebeneinander  von  grensing  und  gensing,  o.  l) : 
grenserich  potentilla  Diefenbach  450'';  anserina  Bock 
kräuterbuch  (1589  jf.)  1,  cxlij'';  grenzerich,  grenserich, 
grensing  agremone,  agrimonia  sylvestris :  anserina  vulgo, 
et  ingvinaria,  aliis  potentilla,  tanacetum  agreste  Henisch 
1740;  vgl.  genserich  oder  grensing  Sebiz  f eidbau  (1579) 
58;  grensing,  gänserich  Staub-Tobler  2,783;  dazu  %ä.rv- 
serich  <ä.  4  *,  1,  1277;  nebenformen:  gremsrich  kympha 
{statt  nymphea,  s.  o.  l)  Diefenbach  nov.  gloss.  90"*;  gre- 
nerich  Grassmann  nr.  190. 

4)  die  form  grenseling  könnte  auf  eintoirkung  von 
grensel  beruhen,  das  ja  seinerseits  zuweilen  die  bedeu- 
tung von  grensing  angenommen  hat:  grenseling  als  name 
für  clematis  erecta,  potentilla  anserina,  ranunculus  flam,- 
mula,  atragena  {also  durchaus  im  sinne  von  grensing) 
Sanders  1,  625'';  grenselinck  Diefenbach  450'';  grens- 
lich  ib. 

5)  composita:  grensingkraut,n.;  etliche  haben  den 
glauben,  wann  sie  grensingkraut  in  die  schü  legen,  der 
fluss  sol  davon  gestilt  werden  Bock  kräuterbuch  (1539 jf.) 
1,  cxlij'';  grensingkraut  in  der  Harzgegend  für  poten- 
tilla anser.  Pritzel-Jessen  304;  grensekrud  m  dersei6e7i 
bedeutung  brem.  wb.  2,  540;  Berghaus  l,  609''.  —  gren- 
sich Wasser,  n.:  grensichwasser  ist  den  roten  äugen 
düglich,  düchlin  darinn  genetzt  und  über  geschlagen 
sol  alle  flecken  vertreiben,  die  flüsz  und  schmertzen 
stillen  Bock  (l55i)  182''. 

GRENST,  s.  grans. 

GRENTE,  /.,  preiszelbeere  {kämt,),  e.  grante,  grandel. 

GRENTIG,  -ISGH,  *.  grantig. 

GRENTSCH,  m.T  hamster:  grutschel,  grentsch,  krietsch 
mus  cricetus  Nemnich  2,  651;  zu  grennen  die  zahne  flet- 
schen, mit  den  zahnen  knirschen,  wie  grutschel  zu  grut- 
schen  stridere  Frisch  1,  380? 

GRENZABSTAND,  m.,  der  gesetzlich  festgelegte  Zwischen- 
raum zwischen  einem  bauwerk,  bäumen,  gesträuchen  usw. 
auf  dem  einen  grundstück  und  der  grenze  des  nachbar- 
grundstückes  Meyer  convers.-lex.^  8,  218^.  —  grenzab- 
steckung,  /. ;  {Kant)  begann  vielmehr  vorsichtig  das 
reich  abzugrenzen,  innerhalb  dessen  dieser  begriff  über- 
haupt sinn  hat  (man  ist  auch  jetzt  noch  nicht  mit  die- 
ser grenzabsteckung  fertig  geworden)  Nietzsche  5,  300. 
—  grenzabtheilung, /. .-  es  geschieht  eine  grenzab- 
theilung  unsers  forstes  maler  Müller  3,  387;  ihre  {der 
landkarten)  Überkleidung  .  .  .  durch  politische  grenzab- 
theilungen  verhindert  das  durchschimmern  der  natür- 
lichen gränzen  allg.  deutsche  bibl.  83,  503.  —  grenz- 
abtretung,  /.,  abtretung  von  grenzgebiet  Bismarck 
polit.  reden  5,  68.    —    grenzaccise,  /.;    seit   .  .  der 


GRENZ  ACKER  —  GRENZBACHLEIN   118 

einführung  der  neuen  grenzaccise  ist  das  hammel- 
fleisch  sehr  theuer  geworden  Grabbe  1,  413  Blumen- 
thal; vgl.  grenzsteuer.  —  grenzacker,  m.,  ager  confinis 
Stieler  17;  grenzacker  agri  limitanei,  in  limitatibus 
provinciae  proocime  hostes  siti  Henisch  1740.  —  grenz- 
ackerung,  /.,  grenzbezeichnung  durch  umpflügen:  die 
grenitzen  durch  steine,  zeichen,  kreizbeume  und  neuen 
grenzackerungen  bezeichnet  Hüttel  Trautenauer  chron. 
265  Schlesinger.  —  grenzadel,  m.,  adel  der  grenzmark: 
der  sitz  des  landesältesten  ist  unter  dem  grenzadel 
Nitzsch  deutsche  Studien  211.  —  grenzadler,  m.,  adler 
als  grenzzeichen:  der  preuszische  grenzadler,  sonett  von 
Körner.  —  grenzalterthum,  n.,  denkmal,  zeugnis, 
brauch  aus  älterer  zeit,  die  auf  das  grenzwesen  bezug 
haben:  deutsche  grenzalterthümer  akadem.  vortrug  von 
Jac.  Grimm  kl.  sehr.  3,  20;  bildung  nach  dem  muster  von 
rechtsalterthum  <ä.  8,  423.  —  grenz amt,  n.:  der  wirk- 
liche ausgang  {der  waren)  musz  durch  begleitscheine 
nachgewiesen  werden,  die  innerhalb  einer  gewissen  zeit 
von  den  gränzämtern  bescheinigt  zurückkommen  müs- 
sen Hamann  6,  236  Roth-Wiener;  der  postillion  wendet 
sich ,  in  den  wagen  hineinrufend :  'hier  ist  das  grenz- 
amtl'  HoLTEi  erz.  sehr.  35,278.  —  grenzangabe, /.: 
westfälische  Urkunden  des  9.  jahrh.  .  .  liefern  bei  einer 
grenzangabe  DrevanamSri  J.  Grimm  kl.  sehr.  2,  34.  — 
grenzangelegenheit,  /. ;  von  zeit  zu  zeit  kommen 
chinesische  und  mongolische  gesandtschaften  in  grenz- 
angelegenheiten  nach  Irkutsk   Ritter  erdkunde  3,  133. 

—  grenzanweisung,  /.,  feststellung  der  grenze:  da 
aber  ein  part  an  der  gräntzanweisung  unrecht  befunden 
worden,  soll  dasselbe  deme,  welcher  die  sache  erhelt, 
alle  schaden  und  Unkosten  .  .  gut  machen  und  entrich- 
ten SCHICKFUS  chron.  v.  Schlesien  (lG25)  3,  485.  —  grenz- 
anwohner,  m. :  eben  diese  nächsten  grenzanwohner 
Aegyptens  nennt  Macrizi  Nubas  Ritter  erdkunde  l,  563. 

—  grenzarmee, /.;  nachdem  Lyon  erobert  war,  gin- 
gen viele  dieser  truppen  nach  den  gränzarmeen  Lauk- 
HARD  leben  u.  Schicksale  4,337.  —  grenzenaufschie- 
bung,  /. :  man  wird  durch  blosze  gradsteigerung  der 
kraft  so  wenig  zum  gefühle  des  wunderbaren  gelangen 
als  durch  Unendlichkeit  oder  grenzenauf Schiebung  zum 
absoluten  Jean  Paul  52/53,  11  Hempel. 

GRENZAUFSEHER,  m.,  beamter  zur  beaufsichtigung 
der  landesgrenze,  zollaufseher :  ihr  mann,  gränzauf sehet 
Kayser,  ist  vor  elf  jähren  gestorben  B.  v.  Arnim  dies 
buch  gehört  d.  könig  2,  564;  von  unschlitt  .  .  .  will  ich 
leben,  wenn  ich's  dem  kerl  verzeih',  dasz  er  mich  .  . 
an  die  grenzaufseher  verraten  hat  Fontane  I  6,  12; 
junges,  schriftdeutsches  tcort  für  volksthümliches  grenzer, 
grenzjäger,  -Wächter;  bureaudeuisch :  grenzaufsichtsbe- 
amter reichsstempelgesetz  (1906)  §  60  satz  2.  —  grenz- 
auf Stellung,  /. ;  die  .  .  200000  mann  starke  russische 
armee  in  Polen,  deren  marsch  nach  der  Krim  die  dor- 
tige Situation  entschieden  haben  wüde,  wenn  die  öst- 
reichische  grenzaufstellung  ihn  hätte  zulässig  erscheinen 
lassen  Bismarck  gedank.  u.  erinn.  1,  119  volksausg.  — 
grenzausdehnung,  /. :  das  Verhältnis  der  grenzaus- 
dehnung  zum  flächeninhalt  des  Staates  ist  {bei  Deutsch- 
land) .  .  nicht  günstig  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flotte  3,  83. 

—  grenzausgleichung, /.:  die  in  verschiedenen  Pe- 
rioden .  .  .  statt  gefundenen  gränzausgleichungen  mit 
Ungarn  Jahrbuch  d.  Grillparzergesellsch.  2,  151;  die  bil- 
dung ist  abhängig  von  grenzvergleich,  s.  d,  —  grenz- 
ausmittelung,/.,  ermittelung  der  grenze:  ein  rechtes 
zeichen  für  das  hohe  alter  der  markeneinrichtung  ist 
die  art  der  grenzausmittelung  Bernhardt  ^escA.  d.  wald- 
eigentums  l,  95. 

GRENZBACH,  m.,  sowohl  bei  privatem  besitz  wie  bei  poli- 
tischem gebiet  gebräuchlich;  zuerst  notiert  bei  Adelung  2, 
776;  jenseit  der  stadt  lag  .  .  eine  wiesenfläche  zwischen 
einem  breiten  graben  und  dem  grenzbach  {sc.  der  Prosna, 
ztcischen  Posen  und  Polen)  Freytag  l,  47;  demin.  grenz- 
bach lein,  n. ;  noch  heutiges  tages  wird  das  grenzbäch- 
lein  gezeigt,  bis  zu  welchem  der  einsinkende  Glarner 
den  siegreichen  ürner  getragen  habe  Grimm  deutsche 
sagen  l,  194;   wie   einst   eine   lawine  das  grenzbächlein 

8* 


119       GRENZBALKEN  -  GRENZBEGANG 


GRENZBEGEHUNG  -  -BERICHTIGUNG    120 


entzweite  und  damit  auch  die  beiden  groszbauern  Ro- 
SEGGER  13,  288.  —  grenzbalken,  m.:  liminares  trabes 
.  .  .  grenzbalken,  welche  die  decke  des  zimmers  aus- 
machen Rode  Vitrtiv  anJiang  41.  —  grenzbank,  f.: 
heut  .  .  gingen  wir  an  der  grenze  vom  Stadtgebiet  gegen 
die  Schweiz  hin,  sahen  die  grenzbank,  halb  thurgauisch, 
halb  badisch  bemalt  briefw.  von  Ed.  u.  Therese  De- 
VRIENT  396.  —  grenzbann,  w.  bannbezirk  an  der  grenze: 
eben  wie  die  eingesessene  eines  gränzbannes  fordern, 
dasz  die  zu  hause  bleibenden  für  sie  den  acker  be- 
stellen .  .  sollen,  wenn  der  dritte  mann  von  ihnen  für 
das  jähr  zu  felde  liegen  musz  Moser  2,  206;  eigen  für 
'grenze  des  bannbezirks' :  in  der  gleichen  berggegend, 
welche  vom  Ruechensteiner  grenzbann  durchschnitten 
war,  kreiste  der  rathschreiber  Schafürli  herum  G.  Kel- 
ler 5,  241.  —  grenzbarriere,  /.,  in  der  ersten  hälfte 
des  19.  jhs.  häufig ,  heute  durch  grenzschranke  ersetzt: 
1579  wurde  .  .  die  grenzbarriere  durch  die  erbauung  des 
starken  forts  . .  sehr  verstärkt  Ritter  erdkunde  5,  633 ; 
so  durfte  sie  .  .  .  nur  jenen  blick  voll  jungfräulicher 
hoheit  auf  den  sündigen  menschen  und  seine  begierden 
herabblitzen  lassen,  so  schlich  man  sich  .  .  hinter  die 
grenzbarrieren  der  bescheidenheit  zurück  Hauff  3,112; 
Arkansas  erklärt  ihnen,  dasz  es  dem  Import  ihrer  bände, 
ihrer  Intelligenz  und  ihres  kapitals  keine  grenzbarriere 
in  form  eines  kaufschillings  entgegengesetzt  Kürnber- 
GER  der  Amerikamüde  68.  —  grenzbauer,  m.,  an  der 
reichsgrenze  wohnender  bauer  Ritter  erdkunde  2,  476. 

GRENZBAUM,  m.,  ein  bäum,  der  die  grenze  eines  ge- 
bietes  bezeichnet:  und  sol  solcher  vertrag  mit  neuen 
kreuzen  und  grenitzbaumen  in  monatsfrist  verschriben, 
versiegelt  und  bekreftiget  werden  Hüttel  Trautenauer 
chron.  289  Schlesinger  (a.  1586);  deshalber  er  (der  weisz- 
buchenbaum)  auch  zu  maal-  und  gräntz-bäumen  in  den 
gehöltzen  sehr  schicklich  ist  Döbel  neueröffnete  jäger- 
practica  (1754)  3,  7;  der  pfarrer-oheim  hat  mich  begleitet 
bis  zum  grenzbaum  seines  sprengeis  Rosegger  H  15, 
307;  in  älterer  zeit  meist  durch  eingeschlagene  kreuze  ge- 
kennzeichnet, daher  kreuzbaum  th.  5,  2186,  lachbaum 
th.  6,  11,  malbaum  th.  6,  1499;  vgl.  markbaum  th.  6,  1636; 
Jean  Paul  spielt  gern  mit  dem  tvort:  drittens  war  ihr 
Stammbaum  ein  grenzbaum  und  Verwahrungsstock  3,  69 
Hempel;  nun  stehen  wir  wieder  auf  dem  boden,  wo 
man  die  blumen  der  liebe  zu  heu  anschlägt  —  und  wo 
es  im  paradies  keine  andere  bäume  giebt  als  grenz- 
bäume 15/18,  596;  denn  ich  stand  wie  ein  runder  grenz- 
baum zwischen  beiden  48,  370;  auch  als  eigenname: 
gräntz-baum  wird  auch  zuweilen  insbesondere  der  bäum 
Achiott  oder  Bixa  genennet,  weil  er  von  den  Indianern 
.  .  .  zur  bezeichnung  ihres  reviers  um  ihre  Wohnungen 
gepflanzet  wird  Chomel  öcon.  u.  physic.  lex.  4,  1297; 
natürlich  auch  specialisiert :  (ein  blitz)  der  eine  tausend- 
jährige grenzeiche  zersplitterte  MusÄus  Volksmärchen 
1,  18  Hempel;  grenzkiefer  J.  Grimm  kl.  sehr.  2,  44;  du 
gehst  durch  den  wald  und  siehst,  dasz  der  grenz- 
lärchbaum  frisch  gefällt  ist  Rosegger  III  7,  164;  du 
machst  ihn  auf  den  Irrtum  aufmerksam,  er  hätte  zu- 
fällig die  grenzlärche  erwischt  ib.;  es  hat  aber  je- 
mandis  itziger  zeit  die  grenitzweiden  weggebrent 
Hüttel  Trautenauer  chron.  260  Schlesinger.  —  grenz - 
beamter,  m.:  sie  schickten  sechs  Unterhändler  zu 
dem  .  .  chinesischen  grenzposten  voraus  .  . ,  um  die 
absieht  des  dortigen  grenzbeamten  zu  erfahren  Rit- 
ter erdkunde  2,  702;  in  Oderberg  nahm  ich  abschied 
von  den  grenzbeamten  Holtei  erzähl,  sehr.  39,  256.  — 
grenzbefestigung,  /. :  hier  verweilte  er  eine  Zeit- 
lang, um  gegen  Sachsen  hin  eine  gränzbefestigung  auf- 
zuführen Dahlmann  gesch.  v.  Dänemark  l,  21;  der  zu- 
nehmende ausbau  der  grenzbefestigungen  der  nachbar- 
staaten  Alten  handbuch  f.  heer  u.  flotte  l,  528;  dazu 
grenzbefestigungslinie  2,  727. 

GRENZBEGANG,  m.,  die  feierliche,  in  bestimmten 
fristen  vriederholte  begehung  der  grenze,  die  ihrer  auf- 
rechterhaltung dienen  soll:  in  den  öffentlichen  rechts- 
gebräuchen  ist  .  .  die  feierliche  lustration  der  wege,  der 
grenzbegang,  wobei  vor  alter  götterbilder  und  priester 


kaum  gefehlt  haben,  ganz  zu  vergleichen  J.  Grimm 
deutsche  mgthol.  *1,  62;  vgl.  rechtsalterth.  *  2 ,  75;  freier 
auch  für  die  Schilderung  eines  grenzbeganges :  wenn  wir 
nun  in  den  meisten  grenzbegängen  die  scheide  durch 
eichen  bezeichnet  finden  kl.  sehr.  2,  56.  hat  J.  Grimm 
das  wort  geschaffen  oder  erneuert?  nach  ihm  nicht  selten 
grenzbegänge  der  alten  zeit  Bernhardt  gesch.  d.  wald' 
eigentums  3, 409 ;  die  formen  der  grenzbegänge  und  grenz 
beschreibungen  Sghwappagh  hdb.  d.  forst-  u.  jagdgesch. 

1,  340;  älter  ist  grenzbegehung,  vgl.  auszerdem  grenzum 
gang,  -beritt,  -umritt,  -ritt,  -beziehung,  -zug,  -besichti- 
gung  und  die  grenze  begehen,  beziehen  sp.lZd.  —  grenz 
begehung,  /.,  loas  grenzbegang,  *.  d.:  am  abend  wur 
den  die  siege  gefeiert,  wie  ehemals  die  grenzbegehungen 
man  trank,  tanzte  und  spielte  Lichtenberg  verm.  sehr. 
5,  270;  sieben  jähre  wie  sieben  tage  häufig  fristbestim' 
mend,  z.  b.  für  die  grenzbegehung  J.  Grimm  rechtsalter 
thümer  i,  294;  heiszt  es,  dasz  burggraf  Papo  von  Regens 
bürg  durch  eine  grenzbegehung  unter  Zuziehung  von 
zeugen  .  .  .  das  eigentum  erworben  habe  Schwappach 
hdb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  l,  149. 

GRENZBEGRIFF,  m.,  begriff,  der  bis  an  die  grenze 
des  menschlichen  erkennens  oder  denkens  führt:  ihm  fie- 
len die  Worte  des  sterbenden  fischers  ein  —  alles,  alles, 
alles!  —  dasz  er  gleichsam  da,  wo  sich  ein  neues  da- 
sein von  dem  alten  scheidet,  diesen  höchsten  grenzbe- 
griff so  oft  wiederhohlte  Moritz  Anton  Reiser  287  neudr.; 
seit  Kant  philosophischer  terminus,  der  ihm  bei  der  be- 
Stimmung  des  dinges  an  sich  dient:  der  begriff  eines 
noumenon  ist  blos  ein  grenzbegriff,  um  die  anmaszun- 
gen  der  Sinnlichkeit  einzuschränken  und  also  nur  von 
negativem  gebrauche  werke  (1838^.)  2,  250  (Kant  legt 
neben  dem  begriff  der  erkenntnisgrenze  auch  den  der  Sinn- 
lichkeitsbegrenzung in  das  wort);  ähnlich  oft:  der  vor- 
theil  des  begriffs  ursprünglicher  kräfte,  den  die  dyna- 
mische Philosophie  in  die  naturwissenschaft  eingeführt 
hat.  sie  dienen  .  .  nicht  zu  erklärungen,  sondern  nur 
als  gränzbegriffe  der  empirischen  naturlehre  Sghelling 
(1856^.)  2,  386;  anders  in  jüngerer  philosophie:  die  be- 
griffe der  coexistenz  und  succession,  der  Inhalt  unserer 
räum-  und  zeitvorstellung,  .  .  .  sind  ...  als  empirische 
grenzbegriffe   zu   bezeichnen   Riehl  philos.  kriticismus 

2,  1,  73.  —  grenzbegünstigung,  /.;  fast  alle  ihm  be- 
nachbarte fürsten  haben  zu  den  zeiten  der  königlichen 
regierung  in  Frankreich  orden,  regimenter,  pensionen 
oder  gränzbegünstigungen  .  .  empfangen  Iffland  theatral. 
werke  10,  311.  —  grenzbehörde,  /. ;  die  grenzbehörde 
scheint  verbrechen  nachzuspüren  Kotzebu e  sämtl.  dram. 
werke  37,  271;  das  an  die  grenzbehörden  ergangene  ver- 
bot .  .  . ,  keinen  der  in  russische  dienste  eingetretenen 
deutschen  Offiziere  über  die  grenze  zu  lassen  Meinecke 
Bogen  1,255.  —  grenzbereisung,  /.;  die  kosaken 
bringen  von  ihren  grenzbereisungen  stets  von  diesem 
arzneimittel  .  .  mit  Ritter  erdkunde  2, 1023;  die  lithau- 
ische  forstordnung  von  1777  schreibt .  .  alljährliche  grenz- 
bereisungen durch  den  oberforstmeister  vor  Schwappach 
hdb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  i,  341.  —  grenzbereiter, 
TO.,  'eine  person,  welche  die  grenzen  bereiten  musz,  um 
die  heimliche  einbringung  verbotener  waaren  zu  verhüten' 
Heinsius  2,  528^;  atich  bei  Adelung;  der  wegweisende 
bauer  .  .  .  nahm  abschied,  aus  der  Ursache,  er  dörfte 
sich  in  dem  hause  nicht  lange  aufhalten,  denn  der 
grentzbereiter  kehre  .  .  da  ein  Riemer  polit.  colica  (I68O) 
209.  —  grenzbereitung,/.,  die  thätigkeit  des  grenz- 
bereiters  Heinsius  2,  528'';  vgl.  aber  auch  unten  grenz- 
besichtigung.  —  grenzberg,  m.:  das  heer,  welches  sich 
wider  die  finnischen  götzendiener  .  .  versammelt  habe, 
seie  schon  gegen  die  grenzberge  vorgerückt  Fouque 
zauberring  (1812)  2,  58;  Tirol  ist  von  seinen  grenzbergen 
wie  von  wall  und  mauer  umgeben  H.  v.  Schmid  21, 126. 

GRENZBERICHTIGüNG,  /.,  nach  heutigem  verstände 
unbedeutendere  grenzver ander ungen,  meist  zwischen  stauten 
(verdrängt  das  ältere  grenzregulierung) :  wie  nun  Napoleon 
.  .  sich  erbot,  das  noch  immer  vorenthaltene  Braunau 
zurückzugeben,  wenn  man  sich  in  Italien  einige  gränz- 
berichtigungen  gefallen  lasse  Häusser  dtsch.  gesch.  3,  313; 


121  GRENZBERITT  -  GRENZBESTIMMUNG 


GRENZBEVÖLKERUNG  -  GRENZBEZIRK  122 


in  älterer  zeit  dmieben  mit  leichter  abiceichung:  die  ge- 
naue bestimmung  der  gränzen  durch  meszungen  und 
errichtung  gewiszer  gränzzeichen  Kinderling  reinig- 
keit  d.  deutschen  spr.  396  (vgl.  unten  grenzbestimmung) ; 
übertragen:  aber  jede  sittliche  elgenthümlichkeit  bedarf 
ihrer  grenzberichtigung  durch  ausbildung  des  entgegen- 
gesetzten kraftpols  Jean  Paul  55—58,  31 ;  {Fichte)  hat 
zuerst  .  .  den  begrifif  des  rechtes  von  dem  der  moral 
abgelöst  und  mit  vollständiger  grenzberichtigung  beider 
gebiete  die  erstere  {die  rechtslehre) . .  durchgeführt  Fichte 
3,  V ;  dazu  grenzberichtigungscommission  jahrb.  d.  Grill- 
parzergesellsch.  5,  28.  —  grenzberitt,  m..  grenzbegang 
zupferde,  wie  z.  b.  in  Biedenkopf  {mittheilung  Edw.  Schrö- 
ders). —  grenzberührung,  /.;  die  grenzberührung 
der  verschiedenen  poesien  unserer  romantiker  mit  ver- 
wandten wissenschaftlichen  fächern  liegt  überall  vor 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  (i853)  5,  556;  Gerv. 
liebt  diese  bildung,  vgl.  i,  16.  4,  101.  5,  146.  —  grenz- 
besatzung,  /.;  und  zu  der  zeit  machten  die  Francken 
und  Thüringen  nach  dem  muster  Drusii  zuvor  zwo  grentz 
besatzungund  marggrafthum  Ammersbach  cÄMrJrancfenS. 
chron.  89;  hoflentlich  werde  die  bereitschaft  der  Schlesier 
.  .  die  grenzbesatzungen  dem  kaiserlichen  feldlager  zu- 
geschickt haben  acta  publica,  verhandl.  d.  schles.  fürsten 
u.  stände  i,  183;  so  sei  er  {der  kaiser)  darauf  bedacht, 
. .  nur  die  zur  grenzbesatzung  nöthigen  truppen  im  lande 
zu  lassen  6, 147;  die  mameluckenherrschaft  in  Ägypten  . ., 
die  ihre  grenzbesatzungen  gegen  Nubien  bis  nach  .  . 
Assuan  vertheilten  Ritter  erdkunde  i,  608.  —  grenz- 
b  e  s  c  h  n  a  d  u  n  g ,  /.,  die  periodische  erneuerung  der  grenz- 
zeichen Schwappach  handb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  2,  889 ; 
vgl.  schnat(e)  grenze  ^7t.  9, 1193.  —  grenzbeschreiber, 
m.,  kartograph,  feldmesser?  als  beruf sbezeichnung :  Simon 
Hittel,  maier,  grenizenbeschreiber  Hüttel  Trautenauer 
chron.  201  Schlesinger ;  in  dem  felde  zur  lincken  sollte 
Terminus,  der  ruhige  gränzbeschreiber,  .  .  stillschwei- 
gend mit  dem  schlangenstabe  einen  gränzstein  bezeichnen 
{beschreibung  eines  monuments)  sehr.  d.  Göthegesellsch.  16, 
91.  —  grenzbeschreibung,  /.,  urkundliche  festlegung 
der  grenzen  eines  gebietes,  allg.  deutsche  bibl.  58,  556; 
=  bezirck-brief  Chomel  öcon.  u.  physic.  lex.  i,  1297;  im 
Bremervörder  register  von  1500 — löio  findet  sich  in  der 
grenzbeschreibung  des  gerichtes  Sittensen  bei  Scheeszel 
der  flurname  Danhorst  Hoops  waldbäume  u.  kultur- 
pflanzen  193.  —  grenzbeschützung,  /.;  jene  grenz- 
und  grabesbeschützung,  die  als  eigenschaft  . .  Juppiters 
uns  bezeugt  ist  Gerhard  akad.  abhandl.  i,  292.  — 
grenzbesetzung,  /.;  ich  erinnere  sie  daran,  dasz  zu 
verschiedenen  malen  schon  grenzbesetzungen  stattge- 
funden haben  Moltke  sehr.  u.  denkwürdigk.  7,  104.  — 
grenzbesichtigung,  /.,  was  grenzbegang,  s.  d.,  so 
Adelung  2,  777;  dergleichen  grenzbesichtigungen  {der 
gerichtsbezirke)  .  .  oder  bereitungen,  nicht  selten  in  den 
feierlichen  formen  eines  umritts  vorgenommen,  waren 
ein  bürgerfest  Luschin  v.  Ebengreuth  münzkunde  u. 
geldgesch.  27;  daneben  auch  weniger  prägnant:  den  21 
dito  bin  ich  auf  einer  grenzbesichtigung  zwischen  der 
wahlstatt  und  Rosenau  gewesen  Schweinichen  denk- 
würdigk. 472;  ich  erinnere  mich,  wie  er  einst  bei  einer 
grenzbesichtigung  den  gegner,  einen  lateinischen  advo- 
katen,  in  die  enge  trieb  Voss  antisymb.  2,  178;  dazu 
grcnzbesichtigungsreise,  /.,  allg.  deutsche  bibl.  106,  527.  — 
grenzbesitzer,  m. :  doch  waren  auch  diese  {die  topo- 
graphischen Verhältnisse  in  der  nähe  des  grenzgebirges) 
den  beiderseitigen  grenzbesitzern  {Ruszland  u.  China) 
selbst  sehr  wenig  bekannt  Ritter  erdkunde  2,  526.  — 
grenzbestätigung,  /.,  festsetzung  der  grenze:  nu 
folget  die  grenizbestetigung  Hüttel  Trautenauer  chron. 
265  Schlesinger. 

GRENZBESTIMMUNG,/.;  heiszt  entweder  eben  das, 
was  gränzberichtigung  ist,  oder  ein  feyerlicher  vertrag, 
wodurch  eine  gewisze  abgezeichnete  linie  zur  gränze 
gesetzt  wird  Kinderling  reinigkeit  d.  detäschen  spr.  396; 
häufiger  das  erstere:  der  styl  ist  . .  empörend  mit  Sprach- 
fehlern besudelt,  z.  b.  .  .  ausmarchung  statt  gränzbe- 
stimmung  allg,  deutsche  bibl.  116,  213;  für  das  hohe  alter 
der  mark  {des  ungeurbarten  landes  zwischen  den  ansie- 


delungen)  spricht  unter  anderem  die  übliche  grenzbe- 
stimmung durch  hammerwurf  Bernhardt  gesch.  d. 
waldeigentums  l,  38;  neben  diesem  elementaren  gebrauch 
sind  zwei  vericendungen  zu  scheiden:  grenze  in  der  be- 
deutung  'Scheidelinie':  giebts  eine  grenzbestimmung  zwi- 
schen begriffen  der  einbildungskraft  und  des  Verstandes  ? 
Herder  21,  183;  die  Römer  .  .  sind  ungewisz  in  ihrer 
gränzbestimmung  zwischen  den  deutschen  und  slawi- 
schen Völkern  Fr.  Schlegel  ii,  22;  ein  groszer  histo- 
riker  sähe  . .  in  diesem  hochlande  eine  natürliche  grenz- 
bestimmung zwischen  dem  nomadenleben  und  der  an- 
gesiedelten gesittung  der  Asiaten  Ritter  erdkunde  2,  42; 
ihre  grenzenbestimmung  der  toleranz  und  Intoleranz 
werde  ich  begierig  lesen  Forster  8,  102;  Lamarck  .  . 
hatte  die  .  .  Pariser  Sammlung  des  j  ardin  des  plantes 
.  .  in  arten  vertheilt,  wobei  die  Schwierigkeit  der  grenz- 
bestimmung einen  tiefen  eindruck  auf  ihn  gemacht  zu 
haben  scheint  K.  E.  v.  Bär  reden  u.  versch.  aufsätze  2,  267; 
grenze  in  der  bedeutung  'endgrenze,  abschlieszende  grenze' 
{vgl.  grenze  B) :  so  wird  auch  wol  .  .  dieses  die  sicherste 
grenzbestimmung  sein  für  unsere  befehlshaber,  wie  weit 
sie  die  stadt  ausdehnen  .  .  sollen  Schleiermacher 
Piaton  6,  224 ;  in  diesem  sinne  fester  terminus  der  Philo- 
sophie: aber  innerhalb  dieser  ihm  angewiesenen  Sphäre 
hat  das  Subjekt  gewählt,  die  nächste  grenzbestimmung 
seines  handelns  sich  selbst  absolut  gegeben  Fichte  3, 
41 ;  auf  diese  weise  wirkt  die  scharfsinnigste  anwendung 
der  Vernunft,  wodurch  sie  ...  eine  grenzbestimmung 
ihres  eigenen  Vermögens  zu  stände  brachte  Forster 
5,  304;  einer  unsrer  ersten  naturforscher  hat  .  .  diese 
grenzbestimmung  seiner  Wissenschaft  {der  naturerkennt- 
nis)  näher  erläutert  Dilthey  einl.  in  d.  geisteswissensch. 
1,  11;  nur  er  {der  sinnliche  mensch)  ist  das  princip  der 
erkenntnis,  und  der  übersinnliche  erscheint  nur  als  eine 
problematische  grenzbestimmung  Windelband  gescJi. 
d.  neueren  philos.'^  2, 152.  —  grenzbevölkerung,  f.: 
inmitten  der  fleiszigen  . .  ungarisch-deutschen  und  nieder- 
österreichischen  gränzbevölkerung  kann  sich  ein  so  läs- 
siges naturvolk  {die  Kroaten)  nicht  lange  mehr  behaupten 
Riehl  naturgesch.  d.  volkesi.SGO.  —  grenzbewachung, 
/.;  die  truppen  zur  grenzbewachung  dieses  departements 
sind  Mandschu  Ritter  erdkunde  4,  441.  —  grenzbe- 
wahr er,  m.:  denn  als  die  serischen  gräntzbewahrer 
.  .  hiervon  kundschaft  erlangten,  fielen  sie  unvermerckt 
.  .  aus  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  1,605**.  —  grenz- 
bewohn er,  m.:  wenn  auch  die  einwohner  des  Innern 
Deutschlands  handlung  und  gewerbe  wenig  achteten, 
so  standen  doch  die  gränzbewohner  mit  den  sarmiti- 
schen  .  .  in  Verbindung  Kinderling  reinigkeit  d.  deut- 
schen spr.  92;  im  19.  jh.  häufig.  —  grenzbezeichnung, 
/..-  sobald  aber  Katharina  zur  gränzbezeichnung  ihres 
gebiets  gränzsteine  setzen  .  .  liesz  Jahn  l,  82  Euler.  — 
grenzbeziehung,/.;  i)  was  grenzbegang  (*.  d.)  Ade- 
lung 2,777;  das  meiste  {von  den  publicierten  Urkunden) 
sind  grenzbeziehungen  allg.  deutsche  bibl.  il,  335.  2)  im 
Staatenleben:  wenn  es  sich  um  die  wichtigsten  grenz- 
beziehungen zwischen  Völkern  handelt,  welche  zusam- 
men siebzig  millionen  menschen  ausmachen  KiJRN- 
BERGER  Siegelringe  198.  3)  in  der  mathematik:  {die 
grösze  s  liegt  zwischen  den  grenzen  &  und  &  -\-  d^ ;)  um 
während  der  Integration  von  dieser  grenzbeziehung  un- 
abhängig zu  bleiben,  wendet  man  den  kunstgriff  an  .  . 
CzuBER  Wahrscheinlichkeitsrechnung  1,  261.  —  grenz- 
bezirk, m.,  bezirk  an  der  landesgrenze :  die  distinguir- 
testen  militärpersonen  .  .  giengen  sogleich  mit  der  nö- 
thigen vollmacht  in  die  gränzbezirke  ab  K.  E.  Oelsner 
22;  die  grenze  bildender  bezirk:  Cuno  und  Schrader  suchen 
seinen  {des  urvolks)  ursitz  in  den  steppen  Südruszlands, 
Seiler  in  dem  mittelrussischen  grenzbezirk  zwischen 
wald  und  steppe  Hoops  waldbäume  ti.  kulturpflanzen 
113 ;  begrenzter  bezirk,  ähnlich  wie  bereich : 

du  kommst  mit  hellem  antlitz  zu  mir  her: 

'die  weit  ist  schön  —  ich  wag  der  fahrten  mehr!' 

gut  heill  der  heimat  grenzbezirk  ist  klein 

wird  dir  die  fremde  auch  so  freundlich  sein? 

HuGGENBERGER  hinterm  pflüg,  geleitverse; 
durch  Goethe  müszten  sie  {die  Franzosen)  das  grund- 
schema,  den  ursprünglichen  grenzbezirk  kennen  lernen, 


123 


GRENZBILD  —  GRENZCOLONIE 


GRENZCOMMANDANT  —  GRENZE       124 


innerhalb  dessen  sich  bei  ans  die  schaffenden  geister 
entwickeln  Gutzkow  gea.  werke  7,  385. 

GRENZBILD,  n.,  l)  =  lat.  Hermes  oder  Terminus, 
.  ,  ein  brust-bild,  welches  auf  hohen,  geschlancken  und 
unterwärts  spitzig  zulaufenden  fusse  stehet,  woran  ein 
säulen-fusz  ist,  .  .  die  Römer  setzten  sie  auf  die  land- 
strassen,  wo  sich  eine  meile  endigte;  .  .  heut  zu  tage 
braucht  man  selbige  an  den  ecken  der  all^en  in  gärten ; 
setzt  sie  auch  als  wand-pfeiler  an  eine  wand  u.  a.  w. 
Chomel  öcon.  u.  physical.  lex.  4,  1297;  2)  je  weiter  der 
schein  {der  kerze  an  der  wand)  sich  verbreitet ,  desto 
schwächer  wird  er;  allein  er  ist  doch  immer  .  .  die 
ausgedehnte  Wirkung  ihres  bildes;  man  könnte  diese 
kreise  daher  gar  wohl  gränzbilder  nennen,  weil  sie  die 
gränze  der  thätigkeit  ausmachen  und  doch  auch  nur 
ein  erweitertes  bild  der  flamme  darstellen  Göthe  II 
1,  160  Weim.  —  grenzbildung,  /.:  die  kriege  mit 
Frankreich  hatten  .  .  .  eine  geographisch -militärische 
grenzbildung  geschaffen,  welche  an  sich  für  Frankreich 
voller  Versuchung  .  .  war  Bismarck  polit.  reden  5,  51. 

—  grenzboden,  m..-  die  familie  Esterhazy  .  .  fand 
ausgang  und  Schwerpunkt  ihrer  macht  und  ihres  be- 
sitzes  .  .  auf  überwiegend  deutsch-ungarischem  gränz- 
boden  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes  4,  366;  so  musz  ich 
tag  und  nacht  reiten,  um  vor  ablauf  dieser  frist  den 
grenzboden  Navarras  zu  erreichen  Laube  3,  143.  — 
grenzbollwerk,  n.:  man  kömmt  ..  zuerst  nach  Villa 
Franca,  einem  .  .  schlösse,  das  .  .  ursprünglich  als  ein 
gränzbollwerk  dasteht  Chr.  Fr.  Schulz  reise  eines  Liv- 
länders  (i797)  7,  196;  sicher  .  .  haben  wir  es  (im  limes) 
.  .  zu  tun  mit  einem  .  .  grenzbollwerk  Mommsen  reden 
u.  auf  Sätze  347;  schon  seit  dem  11.  Jahrhundert  war  es 
{Belgrad)  ein  viel  umstrittenes  grenzbollwerk  Alten 
handb.  f.  heer  u.  flotte  2,  123.  —  grenzbote,  m.:  die 
grenzboten  in  Leipzig  erscheinende  Wochenschrift  für 
politik,  litteratur  und  kunst;  1841  in  Brüssel,  an  der 
grenze  des  deutschen  landes,  gegründet;  daher  der  name. 

—  grenzbrauch,«!.;  {der  knecht  erklärte  an  der  grenze,) 
die  reisenden  müszten  auf  ihr  geleit  warten  nach  grenz- 
brauch Freytag  8,  255.  —  grenzbrief,  m. .-  recessus 
et  conventiones,  in  quibus  fines  designati  sunt  Stieler 
239;  ferner  das  auch  sollen  auf  beiden  thailen  öffent- 
liche grenzbriefe  und  besigelte  verschreibungen  der 
neuen  grenitzen  gegen  einander  gemacht  und  gegeben 
werden  Hüttel  Trautenauer  chron.  265  Schlesinger; 
worüber  auf  Unterhandlung  beider  obristen  den  6.  martii 
anno  1565  brief  und  Siegel  seind  aufgerichtet,  der  Law- 
enawischer  brief  herausz  gestellet  und  der  grentzbrief 
bei  krefften  und  wirden  .  .  verplieben  Cyr.  Spangen- 
berg chronicon  (1612)  268;  seit  dem  18.  jh.  ersetzt  durch 
grenzrecess,  -tractat,  -vertrag,  -vergleich.  —  grenz- 
brücke, /.;  an  einer  grenzbrücke,  zugleich  wie  der 
buchdrucker-hyphen  das  trennungs-  und  Verbindungs- 
zeichen beider  fürstenthümer  Jean  Paul  i5 — 18,  357 
Hempel;  vgl.  Heinsius  2,528''.  —  grenzbrunnen,  in.: 
diese  personen  haben  das  grenitzflosz  hienauf  durch 
gestritte  und  geritt  ausgereumbt  bis  zum  grenzborn 
Hüttel  Trautenauer  chron.  271  Schlesinger.  —  grenz - 
bürde,  /.,  financielle  lasten  der  grenzvertheidigung :  weil 
er  {könig  Ferdinand  I.)  die  ungrischen  gräntz- bürden 
tragen  .  .  müssen  Schickfus  schles.  chron.  (1625)  3,  179. 

—  grenzburg,  /. :  Carlisle  .  .  und  andere  gränzburgen 
hielten  die  alten  Britten  im  lande  Wales  von  einfallen 
ab  J.  V.  Müller  2,  216;  bildlich:  da  war  die  mark 
Brandenburg  das  mächtigste  land  im  deutschen  reiche, 
seine  grenzburg  und  sein  schild  nach  mitternacht  und 
morgen  Alexis  faUche  Woldemar  (1842)  i,  7. 

GRENZCANZLEI,  /.  .•  früher  war  bei  Seleginsk  .  .  die 
grenzcanzlei  für  den  verkehr  mit  China  Ritter  erdkunde 
3, 186.  —  grenzcastell,  n.:  das  grenzcastell  des  reiches 
Fezzan  gegen  norden  l,  993.  —  grenzcollision,  /..- 
{die  Hermunduren^  mit  denen  .  .  .  niemals  grenzcolli- 
sionen  stattgefunden  haben  Mommsen  röm.  gesch.  5, 144. 

—  grenzcolonie,  /..-  die  .  .  Überfälle  der  Kirghisen 
dauerten  fort  und  setzten  die  jungen  sibirischen  grenz- 
colonien  öfter  in  die  verzweifeltste  läge  Ritter  erdkunde 


2,  1066.  —  grenzcommandant,  m.,  commandant  von 
grenztruppen  2,811.  —  grenzcommandeur,  m.,  das- 
selbe 2,  663.  —  grenzcommissar,  m.,  staatlich  ange- 
stellter beamter  zur  handhabung  der  polizeilichen  grenz- 
geschäfie  Bitter  handwb.  d.  preusz.  Verwaltung  1,  826"; 
der  königliche  polnische  und  churfürstlich  sächsische 
grentz  und  land  commissarius  herr  Zürner  Fleming 
vollk.  teutsche  soldat  36  §  2;  die  grenzcommissarien 
beider  mächte  erschienen  Zschokke  sämtl.  ausgew. 
sehr.  5,  274;  dazu  grenzcommissariat  Bitter  i,  827".  — 
grenzcommission,  /.:  eine  zwischen  Pohlen  und 
Schlesien  niedergesetzte  gränzkommiszion,  welche  den 
Verfasser  als  gränzingenieur  dazu  berufen  allg.  deutsche 
bibl.  58,  559.  —  grenzconferenz,  /..-  da  die  parteien 
sich  trennten,  standen  die  traktate  so  wie  bei  einer 
grenzkonferenz  zweier  benachbarten  Staaten,  wo  kein 
theil  seinen  gerechtsamen  etwas  vergeben  will  MusÄus 
volksmährchen  i,  113.  —  grenzconvention, /.;  gränz- 
convention  zwischen  dem  kaiser  und  der  pforte  allg. 
deutsche  bibl.  104,  50.  —  grenzcordon,  m..  truppen- 
kette  an  der  grenze  oder  als  grenze:  den  tübetischen  und 
chinesischen  gränzcordons  auf  den  Himalayahöhen  Rit- 
ter erdkunde  5,  lOii ;  plötzlich  . .  brechen  hannoverische 
truppen  ins  Braunschweigische  ein,  besetzen  alle  städte 
und  dörfer  .  .  und  ziehen  einen  gränzkordon  rings  um- 
her K.  Fr.  Becker  weltgesch.  9,  133;  hier  aber  hört  die 
allmacht  ihres  geistes,  mein  Umgelder,  gleichsam  an 
einem  grenzkordon  auf  Jean  Paul  24 — 26,  175. 

GRENZDAMM,  m.,  Heinsius  2,528";  der  blasse  klare 
teint  scheint,  wie  ein  gränz-damm,  die  rothe  lebens- 
blume  nach  innen  zurückgedrängt  zu  haben,  um  sie 
frisch  und  unvergänglich  zu  erhalten  Hebbel  briefe  2, 
200.  —  grenzdeckung,  /.;  dazu  {die  Schweiz  zu 
vertheidigen)  gehören  neunzigtausend  mann;  nämlich 
dreiszigtausend  zur  grenzdeckung  Zschokke  sämtl. 
ausgew.  sehr.  9,  206 ;  dasz  es  sich  {bei  Rom^  expeditionen 
nach  Germanien)  .  .  um  mehr  handelte  als  um  .  .  eine 
offensive  grenzdeckung  Mommsen  reden  u.  aufsätze  331. 

—  grenzdeich,  m.,  Heinsius  2,  528".  —  grenzdia- 
lect,  m.:  die  baumnamen  der  grenzdialekte  zwischen 
Indien  und  dem  Iran  Hoops  waldbäume  u.  kultur- 
pflanzen  128.  —  grenzdienst,  m.:  um  die  kosacken 
in  ihrem  grenzdienst  abzulösen  Ritter  crdÄunrfe  3, 199; 
an  stelle  der  neunten  legion  versah  fortan  die  sechste 
.  .  den  grenzdienst  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte  9, 141. 

—  grenzdistrict,  m.,  wie  grenzbezirk  entweder  district 
an  der  grenze  oder  die  grenze  bildender  district:  mehrere 
gründe  .  .,  das  recht  Avas  an  jene  grenzdistricte  Muni- 
pores  zu  beweisen  Ritter  erdkunde  5,  286;  nur  auf  dem 
sandigen  boden  des  fränkischen  beckens  .  .  sowie  in 
den  grenzdistrikten  zwischen  laub-  und  nadelwald  tritt 
sie  {die  kiefer)  in  gröszerem  umfang  bestandbildend  auf 
Hoops  waldbäume  u.  kulturpflanzen  140.  —  grenzdorf, 
n.:  die  handlung  spielt  in  einem  deutschen  grenzdorfe 
Körner  4,  102  Hempel;  dasz  in  den  Elsaszer  grenz- 
dörfern  der  nationalhasz  am  stärksten  ist  Görres  ges. 
sehr.  2,  252.  —  grenzdreieck,  n.:  der  Deutsche,  wel- 
cher sich  Holland  erobern  will,  .  .  sucht  .  .  des  gränz- 
dreiecks  zwischen  Rhein  und  Maas  herr  zu  werden 
Riehl  naturgesch.  d.  volkes  4,  45. 

GRENZE,  /.,  finis,  terminus. 

I.  form  und  ausbreitung. 

1)  grenze  ist  lehnwort  atis  dem  slav.  {poln.  granica, 
tschech.  hranice,  vgl.  Miklosich  76"),  das  um  die  mitte 
des  IZ.jhs.  im  Deutschordenslande  übernommen  wurde, 
die  erneuerte  kulmische  hantveste  (l25i)  übersetzt  termini 
noch  mit  gemerke  Philippi  preusz.  urk.-buch  l,  1, 183^.,- 
dagegen:  an  unser  granizze  l,  2,  130  {Thorner  urk.  von 
1262);  bynnen  denselbigen  grenitczen  1,  l,  164  {urk.  von 
1262 — 63);  do  eine  geczeichente  grenitze  stehet  Voigt 
cod.  dipl.  Pruss.  2,  123  (a.  I32l);  auch  in  der  poet.  litte- 
ratur des  Ordens:  grenytzen  Hiob  9566.  14163;  als  man 
of  yensyt  der  Swecze  zoch  und  do  an  der  grenicz  lag 
Marienburger  tresslerbuch  589,  36  Joachim;  grenicze,  -czen 
geometria  Culmensis  16.  19  Mendthal;  metae,  quae  po- 
lonice   gränizen    dicuntur  Weinhold  schles.  30*   {urk. 


125 


GRENZE 


GRENZE 


126 


von  1291) ;  daz  selbe  hus  mit  dem  dorfe  mit  alle  seinen 
grenitzten  lehnsurk,  u.  besitzurk.  Schlesiens  i,  125  (a.  1319) ; 
daz  scol  sin  die  grenitze  zwischen  uns  beidersit  ib.;  alle 
unser  lande  .  .  .  mit  irn  weipilden  und  grenicen  l,  163 
(a.  1344) ;  zahlreiche  belege  aus  dem  böhm.  des  14.  jhs.  bei 
Jelinek  mhd.  wb.  f.  Böhmen  331 ;  auch  die  lat.  urhunden- 
sprache  hat  das  wort,  vielleicht  erst  auf  dem  wege  über 
das  deutsche,  dem  poln.  entlehnt;  die  ältesten  belege  wei- 
sen auch  hier  in  die  zweite  hälfte  des  13.  jhs. :  a  grani- 
cia  ipsorum  Voigt  cod.  dipl.  Pruss.  l,  176  (a.  1283);  in- 
fra  dictos  limites  sive  granicies  2,  129  (a.  1322);  metas 
et  grencias  civitatis  Haltaus  752  {aus  urk.  der  mark- 
grafen  v.  Brandenburg  a.  1285);  universis  metis,  grani- 
ciis  ac  circumferenciis  lehnsurk.  u.  besitzurk.  Schlesiens 
1,  490,  3  (a.  1343);  in  suis  grenniciis  et  limitibus  491,  34 
{a.  1343);  usque  ad  gades  et  grenicias  villae  Gunzendorff 
Du  Gange  4,  lio*  (a.  1337);  ebd.  und  100"  weitere  belege, 
im  ib.  jh.  dringt  das  wort  aus  den  grenzmarken  nach 
Westen,  sowohl  nd.  wie  hd.:  nicht  in  syn  lant  men  up 
eine  grensze  to  komen  Sghiller-Lübben  6,  144"  aus 
den  recessen  d.  hansetage  {a.  1437);  m^ta  grenicz  Diefen- 
BACH  359^  (obd.,  anfang  15.  jh.);  confinium  grenicz  vel 
landes  scheydung  141*»;  gades  rein,  grenitz  641  •>;  ebenso 
nov.  gloss.  187^  (pstd.,  1420);  aber  litterarische  belege  sind 
noch  rar:  an  disen  grentzen  Stainhöwel  de  dar.  mul. 
324  Drescher;  von  der  grenitzen  wegen  irer  bistumbe 
städtechron.  3,  271  (Meisterlin  Nürnberger  chron.  1488). 
2)  erst  im  laufe  des  16.  jhs.  hat  sich  grenze  allgemeine 
litterarische  geltung  errungen,  nicht  zuletzt  durch  den 
einflusz  Luthers,  der  geradezu  eine  Vorliebe  für  das 
ivort  hat.  es  lohnt,  seinen  Sprachgebrauch  mit  dem  an- 
derer bibelübersetzungen  zu  vergleichen:  da  mit  sie  ire 
grentze  weiter  machten  A7nos  i,  13;  ir  eyne  grentzen 
Hetzer-Dengk Prophetenübersetzung  (Worins  1527) ;  seine 
landsmarck  ausz  zu  braiten  Eck  bibel  (Ingolstadt  1550) ; 
ire  landmarchen  Zürcher  bibel  (l53l).  —  {Tyrus)  deine 
grentze  seind  mitten  im  meer  Hes.  27,  4;  deine  grentzen 
Hetzer;  Eck  abweichend;  deine  landmarchen  Zur.  — 
deine  kinder  sollen  wider  in  ire  grentze  komen  Jer.  31, 
17 ;  in  ire  eygne  grentzen  Hetzer  ;  zu  iren  landmarcken 
Eck;  in  ir  land  Zur.  —  (sünde)  die  ir  in  allen  ewren 
grentzen  begangen  hat  Jer.  15,  13;  in  deinen  grentzen 
Hetzer;  in  allen  deinen  märckten  Eck;  in  allen  euwern 
landmarchen  Zur.  —  geschrey  gehet  umb  in  den  grentzen 
Moab  Jes.  15,  8;  gehet  gerings  umb  den  gräntz  Moab 
Hetzer;  umbgeet  die  landmarck  Eck;  übergieng  das 
gantz  land  Zur.  —  schaden  oder  verterben  in  deinen 
grentzen  Jes.  60,  18;  in  deinen  grentzen  Hetzer;  in 
deinen  gränitzen  Eck;  innert  deinen  letzinen  Zur.  — 
die  die  grentze  verrücken  Hos.  5,  10;  die  marck  steyn 
Hetzer;  Eck,  Zur.  ebenso.  —  deine  thore  von  rubinen 
und  alle  deine  grentzen  von  erweleten  steinen  Jes.  54, 
12;  alle  deine  marck  Hetzer;  Eck  ebenso;  alle  deyne 
ende  Zur.  —  eine  iveiter  geführte  vergleichung  würde 
bestätigen,  dasz  die  rheinfränk.  Übersetzung  in  der  aus- 
dehnung  des  gebrauchs  hinter  Luther  nicht  erheblich 
zurücksteht,  während  die  bair.  wesentlich  zurückhaltender 
ist  {namentlich  in  der  Verwendung  von  grenze  für  'ge- 
biet') und  die  hochalem.  das  wort  überhaupt  nicht  kennt, 
dem  entspricht  es,  wenn  Adam  Petri  im  glossar  zu 
seinem  nachdruck  des  lutherischen  neuen  testaments  (1523) 
grentz  erklärt  durch  gegny,  umbkreysz.  die  nd.  Lü- 
becker bibel  (1533)  übernimmt  in  den  meisten  fällen 
Luthers  grenze,  nur  in  de7-  bedeutung  'gebiet'  tritt 
öfter  anderes  ein;  z.  b.  heiszt  es  Jer.  31,  17  {s.  o.)  in  er 
landt;  oder:  nam  Israel  in  all  dat  landt  der  Amoriter 
rieht.  11,  22  statt  Luthers  alle  grentze.  sicherlich  vnrkt 
Luthers  einflusz  mit,  wenn  das  ivort  namentlich  seit 
den  dreisziger  jähren  des  16.  jhs.  auf  hd.  boden  allge- 
meine Verbreitung  findet,  und  zwar  zuerst  in  den  ge- 
bieten, die  sich  der  reform,ation  öffneten:  fränk.  Albe- 
Rus  dict.  (1540)  45''.  114»;  fabeln  115  neudr.;  Garbach 
Livius  207'';  Kirchhof  wendunm.  2,  67.  372  Österley; 
sehr  häufig  bei  H.  Sachs;  schwäb.:  städtechron.  23,  50,  2 
(Clemens  Senders  Augsburger  chron.);  Seb.  Franck 
Germ,  chron.  (1538)  2*.  137'';  sprichw.  (l54l)  2,  185'';  nd.- 
alem.:   Hedio  chron.  Germ.  (l520)  pvi'';   Agricola  750 


sprichw.  (1534)  KU»;  grentz  limes  Dasypodius  (1536)  338''; 
Eppendorff  FUnius  (i543)  8,  47;  Wigkram  l,  20l,  3;  im 
bair.  dagegen  anscheinend  erat  später  durchgedrungen: 
Nas  antipap.  eins  u.  hundert  l,  93'';  2,  b  3*';  oft  freilich 
schon  bei  Aventin  bair.  ehr.  1,  262,  33;  4,  75,  2.  281,  21.  355, 
21.  356,  2.  919,  15;  auch  Schweiz,  scheint  das  wort  erst  in 
der  2.  hälfte  des  16.  jhs.  zur  herrschaft  gelangt  zu  sein: 
der  grenitze  halb  beyder  künigreichen  Seb.  Münster 
cosmogr.  (1550)  cxv;  die  grentzen  Asiae  Xylander  Poly- 
bius  (1574)  l;  vgl.  Frisius  diction.  (1556)  804».  926»;  JosuA 
Maaler  teutsch  spraach  (i56l)  192»;  Galepinus  undec. 
ling.  (1598)  192».  823'';  vereinzelt  allerdings  auch  schon  in 
der  1.  hälfte  des  16.  jhs. :  greniz(e)  in  eidgenöss.  abschieden 
von  1521  und  1529  nach  Staub-Tobler  2,  785». 

3)  in  den  heutigen  dialecten  überall:  grenzen  Staub- 
Tobler  2,  785;  krantsa,  theilweise  krsentsa  Martin-Lien- 
HART  1,  279»;  gräniz,  gränaz  Schmeller  l,  999;  granatz 
Schöpf  206 ;  gränaze  Lexer  kämt.  121 ;  grenitz,  granitz 
LoRiTZA  idiot.  Vienn.  54;  grenz  Follmann  lothr.  215''; 
grenz  lux.  ma.  154»;  krents  Meisinger  rappenau.  77''; 
kränz  für  flurgrenze,  rain  Müller-Fraureuth  l,  440»; 
grenze  Weinhold  schles.  so»;  grens'  Danneil  69''; 
grense  Schambach  68»;  gr^ntse  Bauer-Gollitz  41»; 
grens  Schmidt-Petersen  53'';  grense,  grens',  älter  gre- 
nitts  und  die  erweiterung  grensinge  Berghaus  l,  609'' 
(up  de  negde  an  de  gränsinge  des  stichts  brem.  wb.  2, 
541);  grense,  grens  Doornkaat-Koolman  l,  680»;  aus 
dem  nd.  in  die  benachbarten  germ.  sprachen  gedrungen: 
nl.  grens,  nach  Franck  2  213''  zuerst  bei  Plantijn  (1573) ; 
dän.  grsense;  schtced.  gräns. 

4)  die  echte  form  mit  m.ittelvocal  ist  nördl.  des  Mains 
anscheirvend  im,  15.  jh.  erloschen,  wenn  sie  auch  Stieler 
noch  notiert:  olim  gränitz  stamtnb.  693;  aber  auf  südd. 
boden  erscheint  sie  bis  zur  mitte  des  16.  jhs.  und  darüber 
hinaus  noch  überall;  vgl.  Staub-Tobler  2,  785»;  Mün- 
ster cosmogr.  (1550)  cxv;  Baumann  quellen  z.  gesch.  d. 
bauernkriegs  aus  Rotenburg  112;  stets  bei  Aventin  und 
Nas  {bei  H.  Sachs  dagegen  anscheinend  fehlend) ;  frawen 
Maria  zu  Ungarn  .  .  .  gründtlicher  bericht  (1543)  F  3''; 
Mathesius  Sarepta  (l57l)  78'';  Garbagh  Livius  (l55l) 
207 '' ;  dann  erlag  sie  der  auf  md.  boden  entwickelten  und 
namentlich  durch  Luther  propagierten  form  grenze; 
nur  das  bair.  hat  bis  heute  an  der  alten  form  festge- 
halten: lantmarchen  und  grenitzen  Schöpf  206  {aus  d. 
tirol.  landordnung  von  1603);  auf  der  schlesischen  grä- 
nitz Mayr  epitome  (1604)  174»;  oft  in  den  österr.  weisth., 
z.  b.  1,  81,  20.  104,  30.  267,  15;  zur  gränitzen  Procopius 
patrociniale  (1674)  336 ;  die  gränitzen  Judeae  Abr.  a  St. 
Glara  Judas  (1686^.)  l,  142;  Kramer  bezeichnet  gränitz 
ausdrücklich  als  österr.,  teutsch-ital.  (1700)  1,  556»;  ebenso 
Diedr.  V.  Stade  erläuter-  u.  erklärung  (1724)  278;  be- 
lege für  die  modernen  maa.  s.  oben  unter  3. 

5)  als  stammsilbenvocal  erscheint  im  älteren  schles.  a: 
in  allen  reynen  und  graniczen  lehnsurk.  u.  besitzurk. 
Schlesiens  2,  370  {a.  1443);  yn  seynen  reynen  und  grant- 
czen  1,  553  (a.  1493) ;  die  deutsche  grantze  (:  pomerantze) 
LoGAU  sinnged.  884  Eitner;  vgl.  unten  granczhaus  {schles. 
a.  1618);  bair. -österr.  bis  heute:  grahnitz  Zaupser  bair.- 
oberpfälz.  id.  32;  bei  Klein  provincialwb.  l,  159  granitz 
als  österr.  vermerkt; 

kain  gräniz  von  ländem 
mehr  kennt  mk 

Stelzhamer  3, 132  Bosegger; 

seit  dasz  die  granitz  (grenze)  gesperrt  ist  Rosegger  7, 
231;  weitere  belege  für  die  heutigen  bair.  maa.  s.  oben 
unter  3;  auch  Steinbachs  angäbe  granitz  antiqua  vox 
in  Suevia  adhuc  usitata  wb.  l,  637  hat  wohl  nur  das  bair. 
im  sinn;  alem.  nur  in  dbleitungen:  granltzer,  gewöhn- 
lich granitzier,  auch  gränitzler  hausier  er,  Schmuggler ; 
granitzlen  einen  solchen  beruf  treiben  Staub-Tobler  2, 
745;  an  der  französischen  granze  bei  Arndt  sehr,  für 
u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  237  scheint  druckfehler.  —  selten 
ist  ei  in  der  Stammsilbe:  confinium,  greynicz  vel  landes 
scheydung  Diefenbach  141'';  an  den  eussersten  enden 
und  gräinitzen  der  weit  Albertinus  Lucifers  königr. 
249,  19  Liliencron;  landtsgrainz  Schöpf  206  aus  Trojer 


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chronica  .  .  der  beruembten  Stadt  Batzen,  (a.  1626).  —  ver- 
einzelt mit  rundung:  alle  unsere  grönitz  (plur.)  Alex. 
Seitz  vom  groszen  abentmal  (l540)  F  viii»;  ebenso  selten 
mit  sproszvocal:  cancellus  .  .  .  dicitur  theutonice  eyn 
schrang  vel  gerenitze  Haltaus  752. 

6)  bis  ins  16.  jh.  wird  der  stammsilbenvoeal  e  geschrie- 
ben; erst  in  der  2.  hälfte  dieses  jhs.  findet  man  ä  öfter: 
grännitzen  Staub-Tobler  2,  785»  aws  Vadian;  an  der 
steirischen  gräntz  Kirchhof  wendunm.  2,  67  Österley ; 
gräntze  Schütz  hist.  rer.  Pruss.  (1592)  l,  i ;  auch  bei 
AvENTiN  herrscht  indessen  schon  gräniz ;  aber  erst  im  17.  jh. 
getcinnt  ä  die  oberhand:  grenze,  grenz,  gränz  notiert 
Henisch  1740;  gränz  et  grenz  dagegen  Stieler  693;  es 
scheint,  als  wenn  das  vordringen  von  gränze  zum  guten 
theil  auf  die  rechnung  der  Schlesier  kommt,  denen  diese 
Schreibung  dadurch  nahe  gelegt  war,  dasz  ihr  dialeet  die 
a.form  lange  gehalten  hat.  jedenfalls  bevorzugen  ä  män- 
ner  wie  Gryphius,  Logau,  Angelus  Silesius,  Lohen- 
stein, auch  Fleming,  Olearius,  Chr.  Weise,  wäh- 
rend &  vorherrscht  bei  ZESE.a ,  Schottel,  Schupp,  Spee, 
Chemnitz,  im  18.  jh.  nimmt  gränze  eher  zu  als  ab, 
und  nicht  zutreffend  ist  Steinbachs  bemerkung:  qui- 
dam  adhuc  hodie  scribunt  gräntze,  quod  hodie  plerumque 
grentze  scribitur  wb.  1,  634;  noch  am  ende  des  jhs.  schreibt 
Braun  gräntze  vor  wb.  (l793)  126»-;  noch  in  der  l.  hälfte 
des  19.  jhs.  halten  ä  und  e  sich  ziemlich  die  wage,  und 
Heinsius'  angäbe:  'grenze  ist  jetzt  die  gewöhnlichste 
Schreibung'  wb.  2,  529*  ist  verfrüht. 

7)  vereinzelt  erscheint  schwache  ßexion  im  sing.:  in 
seiner  grentzen  (:  mit  .  .  fuchs-sehwentzen)  H.  Sachs 
5,  143,  14  Keller;  in  Polen  an  der  grentzen  Opel-Cohn 
dreiszigjähr.  krieg  77 ;  auch  im  nom. :  derhalben  ist  nun 
das  Wasser  der  Sala  eine  gräntzen  Prätorius  katzen- 
veit  (1665)  B  1^;  auffälliger  ist  ein  stm.  grenz,  anschei- 
nend beschränkt  auf  die  bedeutung  'gebiet':  umb  den 
gräntz  Moab  Hetzer-Dengk  prophetenübers.,  Jes.  15,  8 
{s.  0.  2);  was  sich  bei  uns  zugetragen  in  unserm  grenz 
Staub-Tobler  2,  785  (a.  1620). 

II.  bedeutung. 

A.  im  eigentlichen  sinne  bezeichnet  grenze  die  gedachte 
linie,  die  zur  Scheidung  von  gebieten  der  erdoberfläche 
dient;  der  Sprachgebrauch  vergröbert  vielfach  den  begriff, 
indem  er  ihn  überträgt  auf  die  äuszeren  merkmale,  denen 
die  grenze  folgt,  z.  b.  wälle,  wasserläufe,  gebirgszüge  (bei- 
spiele  unter  C  l  a):  meta  grenicz  Diefenbach  359'';  ga- 
des  rein,  grenitz  641 1>;  confinium  grenicz  vel  landes  schey- 
dung  141'»;  grentz  limes  Dasypodius  (l536)  338'';  limes, 
terminus,  confinium  Serranus  synon.  (i579)  s.  v.;  zur 
Synonymik  vgl.:  margines  imperii  die  marchen,  kreisz, 
frontieren  und  grentzen  desz  reychs  Frisius  diction. 
(1556)804";  die  grentzen:  landtmarchen ^ne«,  orae,  clima; 
die  grentzen  oder  frontieren:  die  marchen  und  anstösz 
eines  reychs,  limina  imperii  Maaler  teutsch  spraach 
(1561)  192«';  fines  agri  grentze  oder  ende  des  ackers 
Golius  (1585)37;  grentzen,  anwandung,  anstösz,  landt- 
marchen,  frontier,  anrein,  scheyde  Sattler  (i658)  230; 
czweiunge  umb  der  stollen,  greniczen  und  marscheid 
Jelinek  mhd.  wb.  f.  Böhmen  331  (14.  jh.) ;  alle  czweiunge 
und  stosse  von  den  gemerken  und  greniczen  ausczu- 
richten  ib. ;  welcher  dem  feldmesser  die  anstösz,  grent- 
zen, end  ,  .  des  stucks,  so  zumessen,  zeyge  Sebiz  feld- 
bau  (1579)  473;  {beim  kauf  eines  gutes  bedenke  man)  ob 
die  ausmarckungen,  gräntzen,  rain  und  steine  richtig 
oder  nicht  Hohberg  georg.  cur.  (i682)  i,  9;  grentze  oder 
landsende,  da  man  aus  einem  lande  yn  das  ander  tritt 
Luther  nach  Diez  2,  164»;  vgl.  Galilea  aber  heyst  eyn 
grentze,  da  die  land  enden  8,  393  Weim.;  das  wasser 
Rubicon  (domals  ein  end  und  gräniz  Italien  .  .)  Aven- 
TiN  4,  281,  21;  aus  dem  anstoss  oder  grentz  Armeniae 
Thurneysser  magna  alchymia  (l583)  53;  vgl. 

und  dasz  ich  vil  der  anstösz  hab, 
beweget  mich  ausz  noth  vorab 
hie  meine  grentzen  zubewahren 

Spreng  Ilias  (1610)  15i>. 

l)   bei  privatem  besitz;   vielleicht  der   ursprünglichste 

gebrauch  des   wortes;   3.  Grimm   bemerkt  mit  recht:  es 


leuchtet  ein  wie  wesentlich   der  begriff  der  grenze  mit 
dem  des  eigenthums  sich  verknüpfe  kl.  sehr.  2,  so; 

ander  lan 
über  recht  ir  grenytzen  gan 
{terminos  transtulerunt    Job  24,  2) 

Hiobparaphrase  9566  Karsten; 
die  nachpauren  sein  und  ire  greniczen  czusammen- 
stossin  Jelinek  mhd.  tvb.  f.  Böhmen  331  nebst  iceiteren 
belegen;  daz  eyn  yderman  syn  lant  yn  richteger  gre- 
nicze  mochte  ackeren  und  pflanczen  geometria  Culmen- 
sis  16  Mendthal;  gevilde  und  hovereite  yst,  daz  do  bot 
lenge  und  breyte,  dez  greniczen  linien  adir  dreboume 
sint  19;  sonsten  hatten  diese  geistliche  leut  auch  zu 
sprechen  über  .  .  anforderung,  erbschaft,  gräntze,  tod- 
schläg  und  dergleichen  Schill  teutscher  sprach  ehren 
kränz  (i644)  50;  einer  seiner  nachbarn  hatte  ihn  .  .  we- 
gen seiner  gränzen  in  anspruch  genommen  Hippel  kreuz- 
u.  quer  Züge  l,  77; 

des  eigenthums  gemessne  gränzen  ehrend 

Schiller  12,  86 ; 
hat  der  eigentümer  .  .  über  die  grenze  gebaut  bürgert, 
gesetzb.  %  912  abs.  l;  auch  wo  der  begriff  des  eigenthums 
zu  dem  des  macht-  oder  Wirkungsbereiches  verblaszt:  er 
[der  jägerbursch)  musz  sich  .  .  die  grentzen,  wege,  stege 
. .  wol  bekannt  machen  Heppe  aufricht.  lehrprinz  (l75l) 
229;  Thiel  begleitete  den  zug  bis  an  die  grenze  seines 
reviers  Hauptmann  bahnwärter  Thiel  (1892)  50;  etwas 
anders : 

die  herold  nit  ansprachen  ihn  {Achilles) 

sonder  stunden  mit  reverentz 

und  ehrentbietung  an  der  grentz  (des  zeltes) 

Spreng  Ilias  (1610)  8». 

2)  bei  politischen  gebilden;   diese  Verwendung  gevnnnt 

allmählich  die  herrschaft;  richtig  sa^'i  Henisch:  termini 

proprie  non  privatorum,   sed  regnorum  et  principatuum 

teutsche  spr.  u.  weish.  1740. 

a)  {Alexander)  quam  czu  den  grenizcin 

mit  aldir  rittir  wizcin 
des  volkis  Bragmanorum  lant 

md.  schachbuch,  zs.  f.  d.  a.  17,  220,  34; 

der  krieg  zwischen  Eberharten  bischoff  zu  Bamberg  und 
Gundecaro  .  .  .  von  der  grenitzen  wegen  irer  bistumbe 
städtechron.  3,271,25  (Nürnberg,  ende  15.  jh.);  von  den 
grentzen,  gelegenheit  und  begriff  Germaniae  Seb.  Franck 
Germ,  chron.  2";  das  sonderlich  an  der  feind  grentzen 
ein  besatzung  an  der  andern  (geivesen)  Fronsperger 
kriegsbuch  i,  e  6»;  alda  schlieszt  sich  die  gränitz  des 
erzstifts  österr.  weisth.  1,104,30;  volgen  die  gränitzen 
des  landgerichts  Täxenpach  267, 15;  gewisse  präpositionen 
bevorzugen  den  plur.:  die  in  den  grentzen  der  ^stadt 
wohnen  Steinbach  l,  638;  dasz  der  keyser  .  .  dasselbe 
(königreich  Schweden)  in  seinen  scheeren  und  grentzen 
wol  sicher  und  unbekümmert  lassen  solte  Chemnitz 
schwed.  krieg  i,  17'*;  dasz  das  reich  .  .  mit  geistlichen 
Personen  genügend  versehen  sei,  um  jede  innerhalb 
seiner  grenzen  entstandene  Streitigkeit  zu  schlichten 
Ranke  reform.-gesch.  4,  35;  durch  die  gräntzen  eines 
landes  ziehen  Kramer  teutsch-ital.  (i700)  i,  556»;  beide 
den  alten  unbekannte  und  noch  jetzt  nicht  weit  über 
unsere  gränzen  gekommene  Wissenschaften  Göthe  46, 
91  Weim.;  wir  wollten  uns  .  .  .  vor  die  gränzen  des 
reichs  gegen  die  wölfe  die  Türken  .  .  lagern  8,  115;  in- 
ländischer namen  zwar,  aber  solcher,  die  auch  jenseits 
der  bajuvarischen  grenzen  bekannt  sind  Steub  drei 
Sommer  in  Tirol  1,  15;  der  sing,  namentlich,  wo  eine 
feste  geographische  bezeichnung  hinzutritt:  er  wollte  sich 
nach  Breslau  begeben,  um  der  russischen  grenze  näher 
zu  sein  Rüge  briefw.  u.  tageb.  2,  44;  ob  es  noth  wendig, 
die  vorspringende  grenze  Congreszpolens  .  .  weiter  ab 
von  Berlin  zu  rücken  Bismarck  ged.  u.  erinn.  2,  119 
volksausg.;  wir  waren  auf  diese  weise  unvermerkt  .  . 
über  die  gränze  des  erzherzogthums  Oesterreich  ge- 
kommen Nicolai  reise  d.  Deutschland  2,  481;  während 
der  eilwagen  über  die  preuszische  grenze  fuhr  Moltke 
sehr.  u.  denkwürdigk.  6,  4;  welcher  auf  einen  kurzen 
Urlaub  von  der  persischen  grenze  her  .  .  .  gekommen 
war  HoLTEl  erzähl,  sehr.  1,  lll;  an  der  behmischen 
grentz  Luther  nach  Dietz  2,  164»;  an  der  grenitz  sei- 


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nes  fürstenthumbs  atädtechron.  23,  50,  2;  als  sie  an  die 
mährische  gräntze  gerathen  Migraelius  pommer  land 
(1640)  1,  89;  Salomo  war  ein  herr  .  .  bis  an  die  grentze 
Egypti  Schupp  sehr.  (1663)  31;  Fort  de  Joux  .  .  ,  hart 
an  der  gränze  des  Pays  de  Vaad  Dahlmann  gesch.  d. 
franz.  revol.  176;  die  ältere  spräche  vertoendet  in  ähn- 
lichen fällen  auch  den  pltir.:  schriebe  er  .  .  .  seinem 
könig,  dass  er  mit  seim  voick  nun  ohn  sorg  gegen  den 
frantzösischen  grentzen  gehen  möchte  Moscherosch 
gesichte  (i650)  2,  480;  und  werden  böhmische  völcker 
an  die  pannonischen  grentzen  geführet  Bucholtz  Her- 
kuliskus  229 ;  eine  gewisse  landschaft,  die  keine  geringe 
Verdienste  .  .  hat,  aber  an  den  grenzen  von  Deutsch- 
land liegt  Gottsched  deutsche  sprachkunat  54;  in  jün- 
gerer zeit  mehr  in  gehobener  spräche: 

mutig  stand  an  Persiens  grenzen  Roms  erprobtes  beer  im  feld 

Platen  1,  7  Hempel; 

der  gehorsamst  unterzeichnete  lebte  ein  jähr  lang  an 
den  grenzen  des  alten  Mährenreiches  Brunner  erzähl, 
u.  poeL  sehr.  1,  202;  eigenartig: 

an  den  beyden  grentzen  geschach 
Sachsner  und  Hennenberger  land, 
den  doctor  Luther  gfangen  band 

Eyering  proverb.  1,  291 ; 

vom  16. — 18. jÄ.  häufig  mit  auf:  wurden  .  .  .  des  rein- 
grafen  il  fänlein  auf  der  lothringischen  grentz  in  die 
dörfer  quartieret  Kirchhof  wendunm.  372  Österley;  soll 
man  sie  {die  Jesuiten)  auf  die  ungarische  und  türckische 
grentzen  verschaffen  Fischart  hinenkorb  (i588)  22*;  auf 
den  flandrischen  gräntzen  von  Franckreich  her  wardt 
.  .  eine  katzen  folgender  weiss  aufgericht  Kirchhof 
militaris  disciplina  175;  in  einem  kloster  auf  der  flan- 
drischen gränze  Schiller  4,  213;  von  einer  bürg  auf 
der  attischen  gränze  Droysen  Äschyl.  8.  —  derhalben 
so  ist  nun  das  wasser  der  Sala  eine  gräntzen  zwischen 
den  Gatten  und  Hermunduren  Prätorius  katzen-veit 
(1665)  B  l**;  die  grenze  zwischen  Ober-  und  Unter-Wla- 
stowitz  Ebner-Eschenbach  4,  6;  schreib  auch  dem  von 
Schwendi,  dass  er  die  grentzen  gegen  Sibenbürgen  wolle 
versorgen  Stumpf  Schwytzerchron.  28»;  die  gränze  Asiens 
gegen  Afrika  verliert  sich  in  der  sandwüste  zwischen 
Gaza  und  Pelusium  J.  v.  Müller  sämtl.  werke  i,  36; 
mit  dem  venezianischen  nobiluomo  Donado  unsere 
gränze  mit  der  republik  Venedig  besser  zu  reguliren 
Ayrenhoff  werke  l,  11. 

b)  weil  die  bedeutung  der  politischen  grenze  die  herr- 
schende ist,  vnrd  das  wort  frühzeitig  ohne  weiteren  Zu- 
satz prägnant  für  landesgrenze  gebraucht:  wie  uns  gott 
den  Türeken  an  die  grentz  geschickt  hat  theatr.  diabo- 
lorum  (1569)  249'»; 

alsbald  er  angenommen 
von  uns,  die  auf  der  gräntz  ihm  starck  entgegen  kommen 
Gryphius  trauersp.  169  Palm; 

er  wundert  sich,  dass  ihn  das  land  nicht  durch  bevoll- 
mächtigte an  der  gränze  einholen  lässt  Raben  er  sämtl. 
sehr.  5,  125; 

aufruhr  an  der  grenze  zu  bestrafen 

GöTHK  5,51  Weint.; 

80  namentlich  mit  über:  brachte  meinen  .  .  cörper  .  .  . 
über  die  grentze  Schnabel  insel  Felsenburg  25,  17  Ull- 
rich; als  nach  dem  .  .  tode  des  fürsten  dessen  maitresse 
die  schätze  des  landes  über  die  grenze  bringen  wollte 
Kerner  bilderbuch  (1849)  30;  er  wisse  wohl,  dass  kein 
bauer  etwas  über  die  gränze  führen  dürfte  Klinger 
7verke  3,  112;  die  Franzosen  seien  über  die  grenze  ge- 
rückt Arndt  i,  106  Rösch-Meiszner ;  ich  legte  mich  .  . 
der  länge  nach  ins  stroh  und  fuhr  . .  unbehelligt  über 
die  gränze  Hoffm.  v.  Fallersleben  ges.  sehr.  7,  113; 
über  die  grenze  gehen,  über  die  feldmarken,  ins  nächste 
dorf  gehen  Weinhold  schles.  30*;  nimm  die  post,  in 
zwölf  stunden  bist  du  über  die  grenze  Iffland  thea- 
tral.  werke  l,  248;  ehe  seine  freunde  es  merkten,  waren 
sie  mit  gestreckten  zügeln  über  die  gränze  Alexis 
hosen  i,  149;  wir  müszen  immer  fort  fahren,  bis  wir 
über  der  gränze  sind  Stephanie  lustsp.  143,  25;  in  einer 
stunde  bin  ich  über  der  gränze  Schiller  3,  471;  fluch't 
über  der   gränze   (d.  h.  wenn  ihr  über  der  grenze  seid) 

IV,  1. 


3,  139;  er  soM  sich  eine  braut  über  der  gränze  suchen, 
hier  im  lande  wachsen  keine  mädeln  für  ihn  Bäuerle 
kam,  theater  2,  18;  der  plur.  erscheint  seltener  in  ähn- 
licher Verwendung: 

bald  strerfen  auf  den  gräntzen 
die,  so  nur  raub  ernährt 

Gryphius  trauersp.  33  Palm; 
dasz,  wenn  auch  heute  noch  der  Türck  im  felde  war 
und  Moguls  reiterey  schon  an  die  grentzen  rennte 

Günther  nach  Steinbach  1,  638; 

ich  ward  .  .  aus  besonderer  gnade  infam  aus  den  grän- 
zen  gejagt  Schiller  2,  126;  wir  müssen  noch  vor 
Sonnenuntergang  über  den  gränzen  sein  147; 

denn  nicht  mit  Speeren  allein 
wird  der  feind  geschlagen; 
und  nicht  kann  es  gedeih'n 
von  den  gränzen  ihn  jasen 

■Rückert  (1867  #.)  1,45. 

3)  auch  ohne  den  begriff  des  eigenthums  von  localen 
bezirken  jeder  art:  hynden  in  Africa,  uff  der  frontyer 
oder  grenitz  gegen  Ethiopia  Eppendorff  Plinius  (l543) 
8,  47;  die  grentzen  Asie  Xylander  Polybius  (i574)  l; 
die  kleine  stadt  .  .  lag  hart  an  der  grenze  der  marsch- 
landschaft Storm  1,57;  die  räumliche  Verbreitung  eines 
münzbildes  weit  über  die  grenzen  seines  ursprungs- 
gebietes  Luschin  v.  Ebengreuth  münzkunde  47; 

jetzt  betraten  sie   gegen  einander  die  grenzen  des  Kampf- 
raums 
Bürger  1,  210  Bohtz; 

die  grenzen  der  einzelnen  Übungsplätze  Jahn  2,  103;  vgl. 
an  den  grenzen  der  gesellschaft  und  hie  und  da  selbst 
zwischen  den  tischen  balgte  sich  die  knabenschaft 
Stifter  2,  122;  alte  wendung:  damit  sie  ausser  der 
weit  grentzen  kommen  Aeg.  Albertinus  hirnschleifer 
(1664)  58; 

jenes  tiefverhaszte  bild, 
dem  ich  entfliehen  möchte,  war  es  auch 
weit  über  dieser  erde  dunkle  grenzen 

Grillparzer  4, 173; 

jenseits  der  grenzen  des  erdenrunds  Gerhard  akad. 
abhandl.  1,  18;  vgl. 

des  feuers  wut  erreicht  die  gränzen 
der  Schöpfung 

Denis  lieder  Sineds  (1772)  34,  3; 

da  sitzt  sie,  die  nacht,  die  thronende,  und  bewahrt 

die  grenzen  der  Schöpfung  Herder  22,  61 ; 

so  fühlten  die  alten  .  .  ihre  einzige  behaglichkeit  inner- 
halb der  lieblichen  gränzen  der  schönen  weit  Göthe 
46,  22;  die  bedeutung  nähert  sich  der  unten  5  behan- 
delten. 

4)  im  16.  jh.  bilden  sich  die  bedeutungen  'grenzgebiet' 
und  'gebiet'  schlechthin;  fines  .  .  natio,  ora,  plaga,  solum, 
ein  land,  eine  gegent,  pfleg,  grentz  Alberus  diction. 
45^». 

a)  anders  als  bei  mhd.  marke  bleibt  die  entwicklung 
der  bedeutung  'grenzland'  in  den  anfangen  stecken:  zwackt 
und  reisset  er  {der  Türke)  etwas  den  grentzen  und  nach- 
barn  abe  Luther  so 2,  172  Weim.;  man  helt  es  darfür, 
dass  sie  {die  zigeuner)  auss  Egypten  und  auss  den  gren- 
tzen Aphricae  herfür  kommen  seyen  Nigrinus  von  Zau- 
berern (1592)  52/.;  ausz  Judäa  und  den  grentzen  desz 
Jordans  (^  neQixojQo;  rov  'loQ&äyov  Matth.  3, 5)  Schupp 
sehr.  308 ;  wie  es  {Österreich)  dann  allbereit  zu  der  Rö- 
mer Zeiten  die  mark  oder  gränze  Teutschlands  gewesen 
Birken  ostländ.  lorbeerhayn  122;  ähnlich:  als  kind  der 
grenze  lernte  ich  früh  mein  deutsches  wesen  .  .  lieben 
Freytag  1,  4;  mehr  zum,  folgenden  stellen  sich:  ihr  band 
auch  gehört,  wie  sye  {von  Paris  aus)  den  ersten  weg 
in  Portugal  schifften,  dergleich  ander  umbligende  ort 
und  grentzen  besichtigten  Wickram  1,201,3  Bolte-Scheel; 
das  der  insel  Cippern  vil  frücht  aus  Grätia,  Siria  und 
Eygipten  zuverkaufen  zugefüert  werdt;  hingegen  wenn 
solche  gräntzen  auch  not  leyden  und  Cippern  was  ibe- 
riges  hatt  Krafft  reisen  72. 

b)  die  bedeutung  'gebiet'  kommt  {xcie  bei  lat.  fines)  zu- 
nächst natürlich  dem  plur.  zu;  bis  ins  18.  jh.  ganz  ge- 
ivöhnlich :  begegneten  uns  etlich  hundert  leüt  von  aller- 
lay  grentzen  mit  irer  waar  Nas  antipap.  eins  u.  hundert 
2,  B  iii^; 


131 


GRENZE 


GRENZE 


132 


daher  die  frucht,  die  manigfalt 

und  schmackhaft  war,  zum  unterhalt 

gewidmet  blieb  den  teutschen  gräntzen 

Neumark  neuspr.  teutsche  palmbaum  xxix; 

wir  werden  zwar  deine  gräntzen  nicht  mehr  betreten 
Zend.  a  Zendoriis  winternächte  (l682)  124; 

dasz  ...  du  ein  jedes  reich  besehen, 

nur  Pohlen,  Schwedenland  und  Russens  gränzen  nicht 

König  ged.  (1745)  34; 

sieh !  wie  des  glückes  zom  Ulyssens  lauf  verwirrt, 
der  seine  gränzen  sucht,  und  stets  im  elend  irrt 

J.  E.  Schlegel  1,167; 

da  seine  Jagden  allen  gutbesitzern  und  hirten,  deren 
gränzen  er  dadurch  von  verwüstenden  feinden  reinigte, 
nützlich  wurden  Schiller  9,  142;  auch:  der  weit  gren- 
tzen  (will  ich  dir  geben)  zu  deinem  aigentüm  Schede 
psalmen  15  neudr.; 

aber,  was  er  auch  für  tücke  hege, 
kämpfen  will  ich  um  des  himmels  gränzen 

Droste-Hülshoff  3,  22  Cotta; 

im  19.  jh.  verblassend :  so  erhielt  Makedonien  die  einig- 
keit  zurück  und  auch  ungefähr  wieder  die  grenzen  wie 
es  sie  .  .  gehabt  Mommsen  röm.  gesch.  2,  41 ;  ungemein 
häufig  nach  gewissen  präpositionen :  sie  suchten  eine 
schöne  dirne  in  allen  grentzen  Israel  i  kön.  l,  3;  er  nun 
also  gehandlet  .  .  in  den  palestinischen  und  arabischen 
grentzen  Casp.  Hedio  chron.  German.  (1580)  p  vi*";  in 
Lappland  und  den  benachbarten  grentzen  Prätorius 
saturnalia  (1663)  66;  das  stadtlein  Beske,  im  märcki- 
schen  grentzen  gelegen  winter  flucht  d.  sommer  vögel 
(1678)  66; 

dass  ich  hier  unbekannt  in  fremden  grenzen  lebe, 

...  ist  mein  geringster  schmerz 

Gottsched  deutsche  Schaubühne  2, 19; 

die  nymphen  sahn  erstaunt  in  den  beschäumten  grenzen 

(im  meer) 
ein  fliegend  holz  sich  drehn 

Wieland  1  >,  41  akad.  ausg. ; 

{das  vom  russischen  kaiser  aufgerufene  volk)  versam- 
melte sich  in  allen  gränzen  des  weiten  reiches  Arndt 
sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  239;  dieweil  die  Rö- 
mer damit  umbgehen,  fallen  die  von  Antemna  in  ire 
grentzen  Müntzer  Livius  (l57l)  a  6^;  da  werde  ich  den 
Helicon  mitten  in  ihre  grentzen  setzen  Grimmelshau- 
sen  Simpl.  211  Kögel; 

(wir  wollen)  sie  unversehens  uberfalln 
und  mit  gantzer  macht  zurück  treibn, 
dasz  sie  auf  iren  grentzen  bleibn 

Ayrer  dramen  1, 133  Keller; 

und  nöthigte  uns  nur  eine  halbe  stunde  von  dannen 
mit  ihm  auf  die  grentzen  unserer  religions-genossen  zu 
reuten  polit.  maulaffe  (1679)  113; 

wofern  uns  theurung  nur  und  misswachs  nicht  verheeren, 
der  krieg  schlägt  keinen  noch  auf  unsern  gräntzen  todt 

Besser  sehr.  1,  69  König; 

hei  anderen  präpositionen  tritt  die  bedeutung  weniger 
scharf  hervor,  um  sich  in  jüngerer  zeit  fast  ganz  zu  ver- 
flüchtigen: sein  der  rechten  Gadarener  arth  gewesen, 
die  .  .  .  Christum  ausz  iren  grentzen  weichen  heissen 
Sandrub  hist.  u.  poet.  kurziveil  53  neudr.; 

was  Grönland  folgen  läszt  aus  seinen  kalten  gräntzen 

BuTSCHKY  Pathmos  (1677),  vorw.  ij»; 

fliehet  vor  des  gottes  grimme, 
eilt  aus  unsern  gränzen  fort 

GÖTHE  2,  30  Weim. ; 

dass  man  den  feind  aus  den  grenzen  werfen  .  .  könne 
Stifter  3,  146;  dasz  mein  fleisz  die  meisten  fruchte 
biszhero  ausser  den  gräntzen  des  Vaterlandes  getragen 
hat  Chr.  Weise  polit.  redner  (1677)  vorr.;  die  bestim- 
mungen  .  .  nicht  . .  auszerhalb  der  eigenen  grenzen  krieg 
zu  führen  Mommsen  röm.  gesch.  2,  25; 

er  (.Tesus)  ihm  (dem  tod)  von  falben  grentzen 

entlief  mit  vollem  trab  Spee  trutznacht.  (1649)  57; 

du  eilest  fort,  eilst  fern  von  diesen  grenzen, 
wo  man  so  oft  dir  lorbeer-kronen  wand 

Za-ch.  Werner  ged.  (1789)  57. 

c)  merkwürdiger  weise  gewinnt  auch  der  sing,  die  be- 
deutung 'gebiet';  das  könnte  sich  daraus  erklären,  dasz 
sing,  und  plur.  im,  älteren  nhd.  vielfach  noch  zusammen- 
fielen: und  ire  grentze  waren  von  Zidon  an,  durch  Ge- 
rar,  bis  gen  Gasa   l  Mos.  10,  19;   von  der  wüsten  an  .  . 


bis  an  das  grosse  wasser  Phrath,  das  gantze  land  der 
Hethiter  .  .  sollen  ewer  grentze  sein  Josua  i,  4;  und  er 
stund  auf  und  gieng  von  dannen  in  die  grentze  Tyri 
und  Sidon  (eig  tcc  oqia  Tvqov)  Marc.  7,  24;  vgl.  31;  so 
wil  ich  alle  deine  grentze  mit  fröschen  plagen  2  Mos. 
8,  2;  vgl.  rieht.  11,  22;  und  sandte  in  alle  grentze  Israel, 
durch  die  boten  l  Sam.  11,  7 ; 

geht!   schafft  hotten  in  alle  grentz 
zu  verkünden  diesen  sententz 

H.  Sachs  1, 120  Keller; 

es  sol  geschehen,  qui  est  ex  tuo  (sc.  Abrahae)  sanguine, 
der  soll  den  segen  austreiben  unter  alle  grentz  Luther 
20,  550,  2  Weim.; 

herumb  im  land  durch  alle  grentz 
regieret  auch  die  pestilentz 

H.  Sachs  1,  407  Keller; 
demgegenüber  deutlicher  sing.: 

ein  hohes  schlosz  heist  Falckenstein, 
das  ligt  ein  meil  wegs  von  dem  Mein, 
zur  rechten  handt  des  occidents, 
es  ist  umbher  ein  feine  grentz 

Alberus  fabeln  115  neudr. ; 

er  musz  sie  (die  spräche)  in  ihren  gründen  ersehen,  ihre 
weite  und  breite  grentze  ein  wenig  mit  fleisse  durch- 
wandert .  .  haben  Sghottel  teutsche  haubt  spräche  10; 

wer  war  der  grosse  held,  den  Tyros  gräntze  trug 

Rachel  satyr.  ged.  75  neudr. ; 
auch  von  der  weit: 

kein  schedlicher  pestilentz 
sey  in  der  weyten  weldte  grentz, 
denn  wo  der  woUust  ob  bestimmet 

H.  Sachs  3,424  Keller: 

der  mensch,  die  kleine  weit,  beherrscht  der  grossen  gräntze 
Lohenstein  rosen  (Bresl.  1680)  63; 

wie  der  plur.,  zumeist  nach  präpositionen: 

da  richtet  sich  der  teufel  on 

und  wolt  auch  sein  ein  Schöpfer  fron 

und  macht  viel  gaisz  in  seiner  grentzen 

H.  Sachs  5,143  Keller; 

welchen  ich  damals  nicht  könnet,  als  er  in  der  Gaza- 
rener  grentze  wandlet  Ayrer  processus  iuris  (i600)  663; 

nichts  neus  auf  diszmahl  ich  vernim, 
denn  dasz  es  theur  in  diser  grentz 
Sandrub  histor.  u.  poet.  kurzweil  124, 13  neudr. ; 

die  Thessali  (sind)  mit  einem  gewaltigen  kriegshehr  in 
die  grentze  der  Phocentium  eingefallen  Barth  weiber- 
Spiegel  (1565)  0  im'»;  ein  solcher  mensch  gehet  in  die 
grentze  des  friedens  und  der  ruhe  Jon.  Arnd  Thomas 
a  Kempis  übers.  (I63t)  97; 

der  langverbannte  friede  kehrte 
jauchzend  zurück  in  der  Deutschen  grenze 

Herder  27,  59; 

aber  du  wohnest  noch  auf  der  gräntze  Edom  die  dem 
fluch  übergeben  ist  Jag.  Böhme  sehr.  (1620)  4,  vorrede 
4.  büchl.; 

der  hertzog  sprach  im  den  sententz : 
hörst,  gang  du  mir  ausz  meiner  grentz 

Fischart  Eulenspiegel  134,  3229  Haufen ; 

er  (hatte)  sie  durch  der  Philister  als  streitbarer  völcker 
gräntze  durchführen  wollen  Dannhaw^er  catechismus 
milch  (1657  jf.)  1,  102; 

■  0  gott!  dein  wort  und  reich  gieng  erstlich  auf  vom  morgen 
biss  unsrer  gräntzen  zu 

LoGAU  sämtl.  sinnged.  190  Eitner; 

in  der  modernen  spräche  kaum  nachwirkend:  überdies 
w^eigerte  der  adel  sich,  auszerhalb  der  ungarischen 
grenze  zu  fechten  Moltke  sehr.  u.  denkwürdigk.  l,  lll; 
fast  adverbial  für  'allerorten': 

ein  mercksam  gschicht  in  aller  grentz 

Eyering  proverb.  1,  625 ; 

vgl.  ; 

dergleich  im  landt  an  aller  grentz 
die  junge  mannschaft  ist  erschlagen 

H.  Sachs  11,  21,  23  Keller; 

friedlich  ohn  alle  gegenwehr 

die  Parthier  dacht  aller  grentz 

empfiengen  in  mit  reverentz  8,  422,  22. 

5)  aus  dem  localen  in  jüngerer  zeit  ins  temporale  über- 
tragen: höhere  geister  sehen  die  zarten  Spinneweben 
einer  that  .  .  an  die  entlegensten  gränzen  der  Zukunft 
und  Vergangenheit  anhängen  Schiller  3,  6; 


133 


GRENZE 


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134 


blickt  noch  einmal  zur  zeit  der  schmach  hinüber! 
seht,  wie  ein  dunkles  traumbild  liegt  sie  da! 
sie  liegt  dort  an  der  grenze  schöner  zeiten 

TiEDGE  werke  (1823)  3,80; 

der  vertrag  von  Verdun,  den  man  gewöhnlich  als  die 
gränze  dieser  periode  angiebt  Eichhorn  deutsche  staats- 
u.  rechtsgesch.  1,  6;  gern  bei  menschlichen  lebensaltern: 
blühende  und  lachende  gesiebter,  die  an  der  grenze  der 
kindheit  noch  alle  frisch  und  lieblich  waren  Keller 
6, 18;  an  der  grenze  ihrer  Jungfrauenzeit  Bettina  v.  Ar- 
nim frühlingskranz  226;  ich  habe  Wüstlinge  gekannt  .  ., 
die  .  .  schon  an  der  grenze  des  alters  von  einer  höhern 
leidenschaft  .  .  ergriffen  wurden  Tieck  sehr,  i,  65;  weil 
die  grenze  der  verschiedenen  lebensalter  sich  nicht  fest- 
stellen läszt  BiSMARGK  polit.  reden  3,  18. 

6)  auch  sonst  vielfach  in  der  Sphäre  des  abstracten, 
doch  breitet  sich  dieser  gebrauch  erst  mit  dem  18.  jh.  aus; 
im  sinne  von  'grenzlinie':  weiszt  du  mir  wohl  die  grenze 
zu  nennen,  wo  jede  tugend  mit  dem  verwandten  laster 
zusammenflieszt  ?  Meiszner  Alcibiades  (l78l)  l,  227; 
(geisterersc?ieinungen ,  verurtheilt)  auf  der  gränze  zwi- 
schen dieser  und  jener  weit  zu  verweilen  Jung  Stil- 
ling  6,  588;  {ein  Schauspiel)  welches  an  jenen  grenzen 
zwischen  weit  und  überweit  aufgeführt  wurde  Nietz- 
sche I  2,  149;  bei  der  undeutlichkeit  der  grenze  zwi- 
schen menschlichem  und  göttlichem  Ratzel  Völker- 
künde  2,  126;  die  grenze  zwischen  beiden  Wissenschaften 
Fichte  l,  67;  (sie)  Gngen  an,  die  grenzen  zwischen  staat 
und  kirche  zu  erörtern  Scherer  litt,  gesch.  240;  an 
der  grenze  der  Scheidung  zwischen  licht  und  schatten 
Humboldt  kosmos  3,  493;  anders:  nur  wir  heterogenen 
leiden  .  .  .  und  plagen  uns  mit  unsrer  erhaltung;  .  .  . 
mitteldinger  zwischen  seyn  und  nichtseyn!  zusammen- 
geballte grenzen  des  verschiednen  Heinse  4, 285  Schüdde- 
köpf;  in  arideren  fällen  liegt  mehr  oder  m,inder  deutlich 
die  bedeutung  'gebiet'  (s.  o.  4)  zu  gründe;  daher  'bezirk, 
bereich':  so  bald  die  gräntzen  der  tugend  von  der  einen 
partey  verlassen  werden,  so  hat  die  freundschaft  ein 
ende  discourse  d.  mahlern  2,  30;  nichts  war  bey  ihnen 
weniger  möglich  als  .  .  die  gränzen  ihrer  und  der  geist- 
lichen macht  zu  unterscheiden  M.  J.  Schmidt  gesch.  d. 
Deutschen  i,  338;  du  thust  wohl,  dich  in  jene  gränzen 
einer  gemeinen  stelle   zu  sehnen   Göthe  21,  81  Weim.; 

dort  schwingt  sich  aus  den  alten  gränzen 
der  Seele  neu  entbundne  kraft 

Haller  ged^  (1882)  162; 

kann  die  zunge  .  .  dem  ehr  .  .  faszlich  machen,  was 
auszer  den  gränzen  der  sinne  liegt?  Klinger  werke 
3,  55;  wo  .  ,  dieselbe  ihren  anfang  genommen,  ist  aus- 
zumachen auszer  den  gränzen  unsers  gegenwärtigen  Vor- 
habens Göthe  46,72  Wcim.;  die  rolle,  die  der  Verfasser 
selbst  spielt,  schweift  etwas  zu  sehr  aus  den  grenzen 
natürlicher  einfalt  und  naivetät  Solger  nachgel.  sehr. 
1,  4;  wer  hat  uns  in  den  gränzen  unserer  einsichten  die 
gröszten  beweggründe  zur  kenntnis  unsrer  selbst  gegeben 
Zimmermann  von  dem  nationalstolze  127;  sehr  schön 
beträgt  sich  Winckelmann  innerhalb  der  gränzen  der 
pflicht  und  dankbarkeit  Göthe  46,  61  Weim.;  vielleicht 
wirkt  Hemsterhuys  schwärmerey  mächtiger,  weil  sie 
sich  immer  in  den  gränzen  des  schönen  ergieszt  A.  W. 
Schlegel  im  Athenäum  l2,  37;  in  engeren  grenzen,  da- 
für aber  um  so  unverkennbarer  in  meteorischer  be- 
ziehung  stellt  sich  die  folgende  erzählung  dar  Laist- 
NER  nebelsagen  115;  also  wie  unter  i  b  plural;  doch 
auch  sing.: 

präpositiö:  das  verbum  hat  von  mir  gut  heil; 
und  bin  behülflich  seiner  grentz 

GiLHUSius  gramm.  (1597)  129  ; 

die  liebe  macht  alles  wichtig,  was  die  liebenden  betriff 
—  auszerhalb  ihrer  gränze  ist  eine  kröne  des  aufhebens 
nicht  werth  Hippel  lebensläufe  4,  508; 

auszerhalb  der  gränze  des  gesetzes 

Göthe  6,  36  Weim. ; 

in  neuerer  zeit  eher:  jene  worte  lagen  jenseit  der  grenze 
seiner  pflichten  Storm  7,  72;  sehr  beliebt  ist  grenze  in 
der  kunsttheorie  des  18.  jhs.:  Laokoon  oder  über  die 
grenzen  der  mahlerey  und  poesie  Lessing;  danach: 
gränzen  der  musik  und  poesie  buch  von  Ambros;  Les- 


sing soll  "Winkelmann  .  .  philosophiren  gelehrt,  ihn  die 
grenzen  und  das  wesen  der  kunst  gewiesen  .  .  .  haben 
Herder  3,  8;  nur  dasz  sie  (Palladio  und  Eaphael)  die 
gränzen  und  gesetze  ihrer  kunst  .  .  kannten  Göthe  HI 
1,  309  Weim.;  ihre  {der  poesie)  gränzen  und  gründe  genau 
zu  bestimmen,  das  ist  der  gegenständ  dieses  Versuchs 
Fr.  Schlegel  sämtl.  tverke  4,  8;  ich  bitte,  prinz,  dasz 
sie  die  schranken  unserer  kunst  erwägen  wollen,  vieles 
von  dem  anzüglichsten  der  Schönheit  liegt  ganz  auszer 
den  gränzen  derselben  Lessing  2,  381;  ihre  {der  Juden) 
nachherige  Schicksale  waren  .  .  allegorisch  vorgestellt, 
da  eine  .  .  reale  darstellung  derselben  auszer  den  grän- 
zen der  edlen  kunst  liegt  Göthe  24,  250  Weim.;  vgl.  so 
sollte  er  {der  bildende  künstler)  sich  auch  für  zu  gut 
halten,  an  ihren  {der  dichtung)  äuszersten  gränzen  her- 
umzuschleichen  A.  W.  Schlegel  sämtl.  werke  9,  lll; 
nicht  auf  der  gränze  schwebst  du  {Novalis),  sondern  in 
deinem  geiste  haben  sich  poesie  und  philosophie  .  .  . 
durchdrungen  Fr.  Schlegel  im  Athenäum  3,  33;  an  der 
gränze  der  mythologie  ist  die  dichtung  .  .  vorherrschend 
Niebuhr  röm.  gesch.  1,  174. 

7)  adjectiva  neben  grenze.  m,an  spricht  von  einer  na- 
türlichen oder  künstlichen  grenze,  je  nachdem  sie  durch 
physische  gebilde  {flüsse,  gebirge  usw.)  oder  durch  künst- 
liche zeichen  {grenzsteine ,  -wälle  u.  ä.)  dargestellt  wird: 
aber  es  {Italien)  ist  sehr  spät  im  umfang  der  natür- 
lichen gränzen  unter  diesem  einzigen  nahmen  zusam- 
mengfefaszt  Niebuhr  röm.  gesch.  1,24;  anders:  nicht 
blosz  menschenleben,  auch  völkerleben  hat  seine  natür- 
lichen grenzen  Lagarde  deutsche  sehr.  33;  grenzen  eines 
Staates  sind  entweder  blos  politische  .  .  oder  physische 
HoYER  wb.  d.  krieg sbaukunst  2,  76;  natürliche  oder  ge- 
machte .  .  .  öffentliche  oder  privatgrentzen  allgem.  haus- 
halt.-lex.  (i749jf.)  1,  618;  dient  eine  reihe  durch  natur 
oder  kunst  fester  punkte  zu  Sicherung  der  grenze  .  . 
und  zur  basis  der  .  .  Operationen  im  fall  eines  krie- 
ges:  so  entstehet  eine  militairische  grenze  ib.;  vom  mili- 
tärischen standpunct  aus  heiszt  die  grenze  stark,  schwach, 
offen,  vgl.  Hoyer  a.  a.  o.;  auch  nach  anderer  richtung 
hin  ist  der  vorrath  an  typischen  bezeichnungen  gering: 
die  äuszersten  gränzen  wuszte  man  weder  von  Europa, 
noch  von  Asien  Gottsched  neueste  aus  d.  anmuth.  ge- 
lehrs.  1,  268;  an  der  äuszersten,  unbesuchtesten  grenze 
unsers  landes  Zimmermann  einsamkeit  1,  xi; 

denn  bis  an  diese  letzte  grenze  selbst 
belebter  Schöpfung  .  .  . 

.  .  .  raubt  der  vögte  geiz 

Schiller  Teil  1048; 

ihr  öffnet  uns  die  länder, 
.  .  .  zieht  der  verbündnüsz  bänder 
umb  ferne  gränzen  her 

Fleming  deutsche  ged.  1,  75  Lappenberg; 

du  rufest  sie 
von  entfemeten  gränzen 

Denis  lieder  Sineda  (1772)  131; 

ich  liesz  mich  an  der  fernsten  gränze  des  reiches  nie- 
der Tieck  sehr.  8,  27; 

die  beiden,   die  du  (Deutschland)  hast  in  deinen  weiten 

gräntzen 
Knittel  poet.  sinnen/rüchte  (1677)  4; 

dasz  die  music  an  sich  selbst  eben  so  weite  gräntzen 
habe  als  alle  andere  wissenschafften  Heinichen  general- 
basz  2; 

wer  den  gierigen  geist  zähmt,  herrscht  in  weitem 

grenzen,  als  wer  Lybien  mit  dem  fernen 

Gades  bände  Herder  26,  247; 

wenn  es  nur  kein  provinzialwort  ist,  das  auszer  den 
engen  gränzen  einer  landschaft  nicht  gilt  Gottsched 
crit.  dichtkunst  (i75l)  302;  demnach  ist  es  allerdings 
nöthig  unseren  absiebten  etwas  engere  gränzen  zu  setzen 
beyträge  zur  crit.  historie  1,  5;  hat  ihre  liebe  so  enge 
gränzen  Klinger  werke  l,  180. 

B.  während  der  begriff  der  grenze  im  ursprünglichen 
sinne  auf  der  Vorstellung  eines  raumes  diesseits  und 
jenseits  der  Scheidelinie  fuszt,  entwickelt  sich  wesentlich 
erst  seit  dem  18.  jh.  ein  gebrauch,  der  von  dem  rauvi 
jenseits  der  grenze  mehr  oder  weniger  absieht  und  das 
wort  so  den  bedeutungen  'schranke,  abschlusz,  ziel,  ende' 

9» 


135 


GRENZE 


GRENZE 


136 


nähert;  der  echte  begriff  noch  in  Kants  defMÜion:  gren- 
zen (bei  ausgedehnten  wesen)  setzen  immer  einen  räum 
voraus,  der  auszerhalb  einem  gewissen  bestimmten  platze 
angetroffen  wird  und  ihn  einschlieszt  iverke  (1838^.)  8, 
278;  doch  kennt  die  philosophische  spräche  auch  die  jüngere 
nüance:  die  äuszern  enden  der  ausdehnung  heiszen  grän- 
zen  Mendelssohn  ges.  sehr,  i^,  115;  vgl.  es  ist  einmal 
nicht  von  festen,  durch  unveränderliche  gränzen  um- 
schriebenen Substanzen,  sondern  von  ewig  wechselnden 
kraftenergien  die  rede  W.  v.  Humboldt  aufsätze  über 
d.  Mass.  alterth.  116;  ein  bild  entsteht  nur  durch  grän- 
zen, diese  gränzen  übersieht  Newton  ganz  Göthe  II  2, 
10  Weini.  zum  festen  begriff  wird  diese  bedeutung  in  der 
mathematik ,  die  unter  grenze  diejenige  grösze  versteht, 
der  sich  das  Verhältnis  ziveier  gröszen  unbeschränkt  an- 
nähert (der  bruch  1/3  ist  z.  b.  die  grenze,  der  sich  das 
decimalverhältnis  0,3  um  so  mehr  nähert,  je  unbeschränk- 
ter man  es  als  0,33,  0,333  u.s.w.  fortsetzt). 

1)   die   entwicklung  ist   auf  localem  gebiet  deutlich  zu 
spüren : 

des  landguts  hag  war  meiner  wünsche  grenze 

Salis  ged.  (1793)  4. 

paradiesische  zeit,  .  .  da  all  mein  fürwiz  und  alle  meine 
wünsche  an  den  gränzen  meines  väterlichen  horizonts 
wieder  umkehrten  Schiller  4,  34;  Rio  de  los  Reyes 
ist  die  grenze  der  spanischen  entdeckungen  Forster 
sämtl.  sehr.  4,  34;  die  grenze  des  baumwuchses  hat  also 
damals  weit  höher  hinauf  gereicht  als  heutzutage  Moops 
waldbäume  u.  kulturpflanzen  60 ;  die  Himalaya-kette  liegt 
weit  auszerhalb  der  grenze  tropischer  klimate  Hum- 
boldt kosmos  1,11;  an  der  gränze  des  bewohnten  lan- 
des  Göthe  24,  121; 

nachdem  ihr  nun  die  weit  an  allen  gräntzeu 
mir  unter's  fahn,  ja  untern  fuss  gebracht 

Lohenstein  Ibrahim  sultan  (1680)  45; 

an  der  westlichen  grenze  der  weit  0.  Ludwig  ges.  sehr. 
2,  418;  (wärme),  welche  .  .  an  den  gränzen  des  äthers 
die  planeten  hervorbringt  Oken  allgem.  naturgesch.  l,  6; 
die  gränzen  unsres  Sonnensystems  Göthe  25,  272;  gern 
von  der  himmels grenze:  dasz  sie  hinausz  in  den  hoff 
gehen  weiten,  welcher  den  himmel  zur  gräntz  und 
decken  hatte  Bastel  v.  d.  Sohle  Juncker  Harnisch  190; 

die  sonne  stehet  schon  an  unsers  himmels  gränzen 

Gottsched  deutsche  Schaubühne  4,28; 

die  blaue  grenze  des  absinkenden  himmels  Herder 
6,  3 ;  ähnlich  : 

dieselben  lichter  nun,  die  in  so  langer  reih 

an  denen  gränzenlosen  gränzen 

des  ausgespannten  luftraums  glänzen 

Triller  poet.  betracht.  (1750)  1,  2 . 
nicht  bäum  und  Strauch,  nur  wiesengrund  zu  sehn 
bis  an  die  gränze,  wo  die  wölken  gehn 

Lenau  52  Barthel; 

auch  in  bildlichem  und  übertragenem  gebrauch:  von  die- 
ser (spräche)  .  .  .  das  gebiet  aller,  an  deren  äussersten 
gränzen  die  uncultivirten  stehen,  zu  übersehen  W.  v.  Hum- 
boldt briefe  an  Welcker  34;  hätte  ich  sie  doch  bis  an 
die  grenze  dieses  lebens  begleiten  können  Solger  nach- 
gel.  sehr.  u.  briefw.  1,  85 ;  die  dünnen  körperfesseln  wur- 
den länger,  sein  ziehender  geist  flatterte  höher  an  den 
grenzen  des  lebens  Jean  Paul  3,  52  JSempel;  ähnlich: 
diejenigen,  die  wir  lieben,  bis  dahin  zu  begleiten,  wo 
die  äuszersten  gränzen  der  dunkelheit  sind,  die  vor  un- 
sern  äugen  hängt  briefe  von  u.  an  Klopstock  11 ;  auch 
gestattet  ihm  bis  zu  einer  gewissen  grenze  die  natur 
eine  bestimmende  einwirkung  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6, 
63;  aber  die  f ortschritte  gingen  nur  bis  zu  einer  gewis- 
sen grenze  und  standen  dann  unerbittlich  still  Keller 
2,  141 ;  häufig  erläutern  antifhesen  oder  parallele  substan- 
tiva  die  besondere  bedeutungsfärbung: 

jede  deiner  morgenstunden  glänze 
rosig,  wie  dein  angesicht, 
hehr  und  heiter  sey  des  tages  gränze 
wie  dein  reines  augenlicht 

Blumauer  ged.  (1782)  13; 

auf  dieser  erde  gibt  es  nur  anfange;  keine  gränze  ist 
bezeichnet  Göthe  40,  205  Weim.;  wenn  Justus  etwas  be- 
ginnt, so  kennt  er  die  grenze,  wo  er  aufhört  Gutzkow 
ritter  v.  geist  l,  179;  das  äuszerliche  (beim  menschen)  ist 


nichts  als  die  endung,  die  gränzen  des  Innern  Lavater 
physiogn.  fragm.  1,  33; 

Romeo  verbannt! 
nicht  irgend  ende,  gränze,  masz  noch  ziel 
ist  dieses  wertes  tod.   da  reicht  kein  wort  hin 

Göthe  9,  226; 

ziel  und  grenze  setzen,  abstecken  s.  u.  C  2;  ohne  masz 
und  grenze  s.  u.  5;    zutüeilen  ganz  identisch  mit  'ende': 

schon  nahte  sich  Apoll  der  grenze  seiner  bahn 

Pfeffel  poet.  versuche  1,  42. 

2)  es  ist  zu  beachten,  dasz  grenze  in  dem  specialsinn 
als  'ende  eines  ausgedehnten'  (s.  0.  B)  in  der  regel  die 
endgrenze  bezeichnet;  seltener  für  die  anfangsgrenze:  denn 
weilen  die  liebe  getreuer  eitern  sich  auch  über  die 
grentzen  des  todes  erstrecket  Besser  sehr,  l,  111  König; 
sich  bis  an  die  grenzen  der  gottheit  erheben  Justi 
Winckelmann  1,  134;  ein  umstand,  der  mich  hernach 
von  stufe  zu  stufe,  bis  an  die  gränze  der  verstockung 
brachte  Schubart  leben  u.  gesinnungen  1,  69;  jeder  kör- 
per,  der  eine  eigenschaft  besitzt,  .  .  hat  auch  eine  grenze 
dieser  eigenschaft,  einen  eigenschaftspunkt,  wo  sie  sen- 
sibel wird  Novalis  sehr.  2,  204  Minor;  ähnlich  auch 
temporal: 

weil  schon  der  tag  ist  an  des  abends  gränzen 

RüCKERT  werke  3, 178 ; 

begrenzung  nach  beiden  Seiten:  gräntzen  .  .  .  heissen  in 
der  astronomie  2  puncte,  wo  ein  planet  die  gröste  breite 
hat,  das  ist,  wo  er  am  weitesten  von  der  sonnen-strasse 
ausschweiffet,  und  ,  .  sich  wieder  der  ecliptic  zu  nähern 
anfängt  Ghomel  öcon.  lex.  l,  1304;  er  sieht  sie  (die  Un- 
schuld) an  den  beiden  grenzen  seines  daseins  Pesta- 
lozzi 7,  172;  öfter  in  der  spräche  der  musik:  sonsten 
bedeutet  dieses  wort  (sc.  ambitus)  auch  diejenigen 
grentzen,  worinn  die  nach  ihren  modis  eingerichtete 
choral-lieder  enthalten  sind  Walther  music.  lex.  (1732) 
31;  die  äusersten  chromatischen  und  enharmonischen 
gräntzen  unsers  circkels  (der  tonarten)  Mattheson  kl. 
generalbasschule  138;  die  grenzen  der  einen  stimme  (der 
bruststimme)  müssen  sich  bis  auf  ein  paar  töne  ins  ge- 
biete der  andern  (der  falsettstimme)  erstrecken  Hiller 
aniveisung  z.  geswng  11. 

3)  besonders  fühlbar  wird  der  begriff  des  endes  neben 
geivissen  abstracten:  ich  fürchte  nichts  —  nichts  —  als 
die  gränzen  deiner  liebe  Schiller  3,  371;  indessen  ward 
.  .  bald  .  .  sichtbar,  dasz  die  liebe  grenzen  habe  Her- 
der 15,  305; 

er  hat's  so  gut  wie  ihr  gethan 
und  kennt  des  glückes  gränzen 

Göthe  4,  87  Weim. ; 

wird  denn  unser  haus  des  Wahnsinns  kein  ende  finden? 
wo  wird  die  grenze  sein?  Mommsen  röm.  gesch.  2,  98; 
wesentlich  erst  seit  dem  19.  jh.  folgender  gebrauch:  so 
gibt  es  auch  für  die  ganze  summe  menschlicher  kräfte 
eine  bestimmte  grenze  der  darstellbarkeit,  über  welche 
hinaus  die  darstellung  die  nötige  dichtigkeit  .  .  .  nicht 
behalten  kann  Novalis  4,  172  Minor;  bis  nahe  an  die 
grenze  seiner  tragfähigkeit  belastet  Seidel  vorstadt-ge- 
schichten  146;  man  lebte  wie  in  einer  traumweit,  in  der 
es  keine  grenzen  des  möglichen,  des  denkbaren  gab 
Döllinger  akad.  vortr.  1,  75;  ähnlich  schon  im  18.  jh.: 
was  ist  nicht  schon  erfunden,  und  das  reich  der  mög- 
lichkeit,  wer  kennt  seine  gränzen?  Hippel  lebensläufe 
3,  188;  anders:  er  besasz  nie  mehr  als  zwei  anzüge  und 
trug  sie  bis  zur  äuszersten  grenze  des  möglichen  Moltke 
ges.  sehr.  u.  denkwürdigk.  1,  239;  betroffen  .  .  von  dem 
starken  ton  dieser  schrift,  der  so  dicht  an  die  äuszerste 
literarische  grenze  ging  Kürnberger  literar.  herzens- 
Sachen,  vorrede. 

4)  mit  Vorliebe  von  der  begrenztheit  menschlicher  kräfte, 
namentlich  des  erkenntnisvermögens :  die  Ursache  davon 
liegt  .  .  in  den  engen  grentzen  des  menschlichen  Ver- 
standes Ramler  einl.  in  die  schön,  wissensch.  l,  95;  nun 
sind  wir  schon  wieder  an  der  gränze  unsres  witzes 
Göthe  14,  226  Weim.;  meinst  du,  deine  stinkereien  in 
Leipzig  machen  die  gränzen  des  menschlichen  witzes 
aus?  Schiller  2,  35;  würde  dieses  wohl  möglich  seyn, 
wenn   die   grenzen  unsrer  phantasie  zugleich  die  gren- 


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GRENZE 


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zen  unsrer  fassungskraft  wären?  10,  219;  dasz  .  .  in  der 
grenze  des  menschlichen  Wahrnehmungsvermögens  kei- 
neswegs eine  grenze  der  folgerichtigkeit  .  .  der  natur- 
gesetze  läge  Keller  3,  16 ;  da  wir  doch  hier  die  gränze 
des  schauens  eingestehen  sollten  Göthe  IIi,  72;  der 
begriff  von  grenzen  des  naturerkennens  Dilthey  einl. 
in  die  geistesicissensch.  1,  11;  —  aber  was  sollte  dieses 
genie  thun,  dessen  iruchtbarkeit  gränzen  hatte  Ramler 
einl.  in  die  schön,  tvissensch.  l,  12;  die  zum  wesen  des 
subjects  selbst  gehörige  grenze  seiner  selbstthätigkeit 
Schleiermagher  I  3,  17;  sicherlich  hat  Scherer  gerade 
in  seinen  grammatischen  leistungen  seine  .  .  grösze  und 
.  .  die  grenzen  seiner  begabung  .  .  enthüllt  Burdach  in 
Scherers  kl.  sehr.  1,  einl.  XVI ;  im  IS.  jh.  häufig  'grenzen  des 
tnenschen,  der menschheit' u.a.;  früh  vorhlingend :  du wey st 
aber  wol  was  grentzen  uns  das  gsatz  der  natur  geben  hat 
schöne  tveise  klugreden  (1548J  122'';  ich  erlaube  meinem 
geschlechte  einen  kleinen  umweg  zu  nehmen;  allein 
wo  wir  unsere  grenzen  aus  dem  gesiebte  verlieren,  so 
gerathen  wir  in  ein  labyrinth  Gottschedin  briefe  1,27; 

geleitet  durch  dein  {der  Vernunft)  licht,  bis  an  der  mensch- 
heit gränzen 
KÄSTNER  verm.  sehr.  1, 104; 

namentlich  der  stürm  und  drang  empfand  diese  grenzen: 
wer  kann  die  gränzen  des  menschen  bestimmen  Klin- 
ger werke  5,  40;  früh  fand  er  die  gränzen  der  mensch- 
heit zu  enge  3,  4;  einen  menschen  .  .  ,  der  übermüthig 
gegen  die  gränzen  seiner  natur  angestoszen,  die  eine 
mächtige  hand  vor  unsern  horizont  gestellt  hat  8,  I8i; 
s.  auch  3,  50;  vgl.  Göthes  gedieht  'grenzen  der  mensch- 
heit'; ähnlich: 

da  zeitig  der  grosze  Pelide 
sinken  wird  in  den  staub,  der  sterblichen  gränze  bezeichnend 

Achilleis  102. 

5)  ohne  grenzen  im  sinne  'grenzenlos'  ist  im,  letzten 
drittel  des  18.  jhs.  ungemein  häufig  und  hält  sich  bis 
über  die  mitte  des  19.  jhs.;  meist  neben  abstractis  ver- 
schiedenster bedeutung:  nun  ist  aus  Zend-Avesta  bekannt, 
dasz  die  zeit  ohne  grenzen  das  erste  principium  der 
ganzen  Perser-theologie  gewesen  Herder  15,  582;  dasz 
.  .  sein  ansehen  fast  ohne  gränzen  war  M.  J.  Schmidt 
gesch.  d.  Deutschen  3,  173;  es  ist  ein  wirrwar  ohne  grän- 
zen Göthe  25,  203  Weim.;  mein  dank  würde  ohne  gren- 
zen bleiben  17,  10;  vgl.  23,  24;  IV  9,  251 ; 

0  ohne  grenzen  ist  dein  glück! 

Schiller  11,  233; 

der  schmerz  der  familie  ist  ohne  grenzen  4,  286 ;  er  hat 
hier  eine  popularität  ohne  grenzen  Sghücking  bei  A. 
V.  Droste-Hülshoff  briefe  4;  seltener  neben  adjectiven: 
er  war  dankbar  und  hingegeben  ohne  gränzen  Göthe 
21,  44  Weim.;  {er  ist)  langweilig  ohne  grenzen  Dein- 
HARDSTEIN  gcs.  dram.  werke  6,  200;  eigen  gebraucht  bei 
Grillparzer: 

der  ströme  und  flüsse  unnennbare  zahl 
und  das  ohne  grenzen  gewaltige  meer 

werke  5,  40; 

die  schöne  blaue  glocke  unserer  erde  war  {dem  ballon- 
fahrer)  ein  ganz  schwarzer  abgrund  geworden,  ohne 
masz  und  grenze  in  die  tiefe  gehend  Stifter  i,  22;  es 
wurde  mir,  als  sollt  ich  sie  ohne  masz  und  ohne  gren- 
zen lieben  l,  61;  da  stellt  man  sich  etwas  unnennbares 
dabei  (bei  der  liebe)  vor,  eine  Seligkeit  ohne  masz  und 
gränzen  Deinhardstein  ges.  dram.  iverke  1,  18. 

6)  eigenartig  gefärbt  ist  die  bedeutung  häufig  nach 
über:  die  grenze  schlieszt  hier  das  gebiet  des  recht- 
mäszigen,  gehörigen,  schicklichen  ab:  verfolgte  sie  ihren 
sieg  über  die  grenze  des  berechtigten  Auerbach  land- 
haus  1,  87;  jenes  zwitterverhältnis  .  .  ,  in  welchem  er 
.  .  .  die  Unabhängigkeit  seiner  Stellung  noch  über  die 
gränzen  jener  Instruction  hinaus  erweiterte  Häusser 
deutsche  gesch.  1,  520;  nichts  ist  jungen  leuten  .  .  nach- 
theiliger, als  wenn  man  ihre  erwartungen  von  den  men- 
schen und  ihrem  werth  über  die  grenzen  der  Wirklich- 
keit treibt  Klinger  werke  8,  51 ;  doctor  Sphex,  dessen 
wiszbegierde  ihn  nur  zu  oft  über  die  grenzen  einer  er- 
laubten vorsieht  .  .  treibt  Brentano  6,  865;  auch  ohne 
abhängigen  genetiv:  die  aufmcrksamkeit,  deren  sie  mich 


würdigten,  hat  mich  über  die  gehörige  grenze  .  .  ver- 
leitet Heinse  5,  28;  und  ganz  prägnmit:  leidenschaft- 
lich über  die  gränze  {der  Zurückhaltung)  gerissen  .  .  . 
begann  er  anzustimmen  Göthe  24,  372  Weim.;  ich  finde, 
dies  lied  ist  schon  über  der  grenze  {des  noch  anstän- 
digen) Fontane  I  5,  36;  anders:  mit  wenig  Worten  — 
denn  eine  weitläuftigere  Unternehmung  würde  uns  über 
unsre  gränzen  führen  Gerstenberg  recensionen  281 
Fischer;  von  dem  hut  {Grünebaums)  wollen  wir  des- 
halb nichts  sagen,  weil  wir  fürchten,  dadurch  über  die 
grenzen  des  gegebenen  raumes  unwiderstehlich  hinaus- 
gerissen zu  werden  Raabe  hungerpastor  1,  155.  —  wenn 
.  .  die  menschen  anfangen,  mit  einer  über  alle  grenzen 
ausschweifenden  frölichkeit  zu  sündigen  Gramer  nord. 
auf  Seher  1,  58;  ich  habe  mich  an  ihr  versündigt,  weit 
über  alle  gränzen  der  hofnung  auf  Verzeihung  Bode 
Thomas  Jones  6,  482;  weil  ich  dich  liebte  über  alle 
grenzen  Schiller  14,  116;  die  gefühllose  partheylich- 
keit  der  patricier  risz  die  erbitterung  über  alle  gränzen 
hin  NiEBUHR  röm.  gesch.  i,  405;  vgl.  die  grenzen  über- 
treten, übersteigen  u.  ä.  sp.  143/. 

C.  die  ungewöhnlich  zahlreichen  verbalen  Verbindungen, 
in  denen  grenze  erscheint,  zeigen  ein  starkes  verfiieszen 
der  verschiedenen  bedeutungen,  selbst  innerhalb  derselben 
formel,  und  zwar  besonders  bei  uneige7itlichem  gebrauch. 

l)  grenze  im  elementaren  sinne. 

a)  mitten  im  bach,  der  die  grentze  ist  5  Mos.  3,  16; 
und  aber  sein  des  alten  Sveviae  grentzen  gewesen  die 
Elb,  der  berg  Garpathus  Rätel  Curaei  chronica  v.  Schle- 
sien (1607)  4;  die  gräntze  des  landes  ist  ins  norden  mit 
der  ost  see  begriffen  Schütz  historia  rer.  pruss.  (i592) 
1,  i;  iren  nochpawern,  di  mit  in  grenicz  halden  Jeli- 
NEK  mhd.  wb.  für  Böhmen  331;  dieser  flusz  hielt  die 
gränze  mit  den  Sarmaten  Lohenstein  Arminius  2,  827; 
flüsse,  so  die  grentzen  halten  Chomel  öcon.  l-ex.  4, 1303; 
in  dem  meere,  das  die  grenzen  von  Europa  und  Klein- 
asien macht  Heinse  3,  394  Schüddekopf;  wo  flusz  und 
meer  eine  natürliche  grenze  machten  Mommsen  röm. 
gesch.  l,  22;  vgl. 

drum  gibt  manch  weiser  mann  der  erde  gute  nacht, 
ob  er  gleich  würdig  ist,  dasz  seines  lebens  grenzen 
der  späten  ewigkeit  geraumer  cirkel  macht 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  1, 194; 

das  atlantische  meer  gegen  westen  und  süden  . .  machen 
seine  gränzen  aus  Abbt  verm.  werke  2  2,  i ;  die  .  .  nach- 
barn  stiegen  zugleich  auf  einen  berg,  der  die  grenze 
zwischen  ihren  besitzungen  bildete  Ebner-Esghenbach 
1,  147;  da  .  .  die  nordküste  von  Asia  ein  fast  beständig 
beeisetes  meer  zur  gränze  hat  Haller  tagebuch  l,  106; 
übertragen:  das  poetische  hat  nur  die  prosa  .  .  .  zum 
gegensatze  und  zur  grenze  0.  Ludv^^ig  ges.  sehr.  5,  409;  die 
grenze  erstreckt  sich  bis  an  jenem  (!)  see  Stosch  gleich- 
bed.  Wörter  2,  452;  übertragen:  nicht  weiter  als  dahin 
sich  ihres  amtes  und  empfangenen  befehls  grentzen  er- 
strekten  Zesen  erhöhte  majestät  (l66l)  87;  aber  warum 
ist  es  gleichwohl  wahr,  dasz  sich  die  gränzen  der 
menschlichen  bosheit  noch  viel  weiter  erstrecken? 
Lessing  2,  299;  {die  philosophie  soll  ausmachen)  wie  weit 
die  grenzen  unserer  verschiedenen  kräfte  reichen  For- 
ster sämtl.  sehr.  8,  43;  dann  scheint  sich  die  gränze 
der  Saone  entlang  gezogen  zu  haben  Raumer  gesch.  d. 
Hohenstaufen  5,  77;  dieser  ort,  durch  welchen  die  gränze 
zwischen  Böhmen  und  Sachsen  durchgeht  Göthe  II  9, 
189  Weim.;  ob  die  grenze  auf  dem  nördlichen  rothen 
oder  südlichen  weiszen  Main  gehn  sollte  Bismarck 
gedank.  u.  erinn.  2,  66  volksausg.;  die  grenze  läuft  den 
flusz  entlang; 

unbeschreiblich  ist  das  gläntzen, 

welches  in  den  silbernen  und  in  den  sapphimen  grentzen, 

da,  wo  sie  sich  schneiden,  strahlte 

Brockes  ird.  vergnügen  4, 19; 

weil  hier  drei  (landes-)  grenzen  sich  schneiden  Holtei 
erzähl,  sehr.  2,  32. 

b)  formein  der  rechtssprache :  das  sie  solche  obbemelte 
grenitzen  wollen  an  eides  statt  beteuern  Hüttel  Trau- 
tenauer  ehron.  203  Schlesinger;  so  soll  nichts  desto  we- 
niger .  .  die  gräntze  geführet  und  angewiesen,  auch  die 


139 


GRENZE 


GRENZE 


140 


koppitzen  aufgeworfen  werden  Schickfus  schles.  chron. 
3,  485;  ich  N.  gelobe  und  schwere  gott  dem  allmäch- 
tigen dasz  ich  eine  rechte  gräntze  gehen  auch  anweisen 
soll  und  will  zwischen  den  gütern  N.  und  N.  3,  484; 
(am  22.  oct.  1522)  ist  von  einem  e.  rath  alhie  .  .  ein  an- 
ordnung  geschehen,  gemeiner  stadt  Trautnaw  grenitzen 
zu  begehen  und  zu  beraumen  Hüttel  a.  a.  o.  270;  also 
hat  der  alte  förster  Hawel  die  gränitz  vorangegangen 
und  hat  ausgesaget,  das  die  rechte  grenitz  den  berg  hin- 
abgehe 203;  vgl.  grenzbegang  sp.  119;  in  jüngerer  zeit  meist 
die  grenze  beziehen,  in  feierlichem  umzug  besichtigen: 
es  ist  dahero  deshalben  höchst  nöthig,  dasz  die  grentzen 
der  güther  fest  gesetzet,  erneuert,  öfters  bezogen  .  . 
werden  allgevi.  haushalt.-lex.  (l749jf.)  1,  619*;  und  damit 
man  diese  grentzen  stets  aufrecht  erhalte,  werden  sie 
jährlich  .  .  mit  gerichtspersonen,  nachbarn  und  zeugen 
bezogen  Chomel  öconom.  lex.  4,  1303;  vgl.  Adelung,- 
auch  nd.:  de  grense  beteien  oder  betrecken  Sgham- 
BACH  68". 

c)  die  grenzen  (um)schlieszen,  umschränken  u.  ä.:  mit 
der  grentz  umbschliessen  fines  constituere,  terminare 
Henisgh  1740;  da,  wo  das  meer  die  grenzen  eines  Staa- 
tes umschlieszt,  sind  diese  als  natürlich  stark  anzu- 
sehen HoYER  ivb.  d.  krieg sbaukunst  2,  76;  ehrengedichte 
.  .  welche  .  ,  diesem  werke  sind  angefüget  und  damit 
die  grentzen  dieses  Parnassus  beschlossen  Rist  neuer 
teutscher  Parnasz  (1652)  857;  die  grenze  ist  mit  einem 
walle  geschlossen  Göthe  III  l,  159  Weim.; 

da  er  (gott)  die  menschenkinder  schied, 
umschränkte  er  der  Völker  gränze 

Eschenburg  beispielsammlung  4,  99; 

in  deinen  unumschränkten  gränzen, 
da  so  viel  tausend  sonnen  glänzen, 
vergehet  aller  sinnen  kraft       Drollinger  ged.  6; 

ist  das  {acher  u.  haus)  bestellt,  stecken  wir  pfähle  aus, 
zäunen  die  gränze,  und  gucken  heraus 

Zach.  Werner  kreuz  a.  d.  Ostsee  (1806)  62; 
nicht  ist  fest  umzäunt  die  gränze  des  lebens 

Göthe  Achilleis  251; 
in  grenzen  (ein)  schlieszen  u.  ä.  anscheinend  nv/r  in  über- 
tragenem, gebrauch: 

diesz  ist,  was  noch  des  landes  freude 
in  menschlich  enge  grenzen  schliest 

Stoppe  Parnasz  (1735)  16; 

dasz  das  drama  selbst  nicht  einmal  in  diese  engen 
grenzen  eingeschlossen  werden  kan  Kretschmann  l, 
32;  das  unendlich  scheinende  schlieszt  sich  in  gränzen 
Göthe  IV  8,  125  Weim.; 

schrenkst  du  sein  nützlichstes  uns  unersetzlichs  leben 
blosz  in  des  stuffenjahrs  gemeine  gränzen  ein? 

König  ged.  (1745)  117; 

{der  versuch)  ihn  in  die  grenzen  der  ehlichen  liebe  ein- 
zuschränken WiELAND  Agathon  (1766/.)  2,  201;  auch  im 
sinne  von  sich  in  gewissen  grenzen  halten  (s.  u.  sp.  144) : 
vielleicht  findet  sich  .  .  gelegenheit,  von  diesen  .  .  doch 
in  gewisse  gränzen  eingeschränkten  auswüchsen  zu 
sprechen  Göthe  II  6,  28  Weim. 

d)  die  grenzen  weitern,  engern,  verrücken  u.  ä. :  wenn 
ich  die  beiden  für  dir  ausstossen  und  deine  grentze 
weitern  werde  2  Mos.  34,  24;  wol  regieren  sey  viel  eine 
grössere  kunst  als  die  gräntzen  erweitern  Zinkgref 
apophthegmata  (i628)  42 ;  strebten  (sie)  nicht  ihre  grenze 
zu  erweitern  Mommsen  röm.  gesch.  2,  51 ;  sehr  gern  über- 
tragen: denn  es  wäre  grösser,  die  gränzen  des  römi- 
schen geistes  eben  so  sehr  erweitert  zu  haben,  als  die 
triumphirenden  die  gränzen  des  reichs  erweitert  hätten 
Klopstock  gelehrtenrep.  271;  wie  bescheiden  (erscheint) 
der  grosze  gelehrte,  der  die  gränzen  des  menschlichen 
denkens  erweiterte  Schiller  3,  510;  wer  sich  in  einer 
weise  gewählten  beschränkung  glücklich  bewegt,  der 
hat  sich  gegen  zwei  feinde  zu  wehren:  gegen  beengung 
und  gegen  erweiterung  seiner  grenzen  Gervinus  gesch. 
d.  dtsch.  dichtung  (1853)  5,  62;  ähnlich:  die  poesie  hat 
gar  nicht  eben  Ursache  ihre  gränzen  so  auszudehnen 
Göthe  IV  1,  199  Weim.,-  (Qhiberti,  Brunelleschi  u.  s.  w.) 
die  sich  in  ihres  vaters  Giotto  erbschaft  teilten  und 
deren  jeder  die  grenzen  seines  anteils  zu  einem  groszen 
reiche   ausdehnte   Grimm   Michelangelo  (l890)  l,  27;   in 


dieser  hinsieht  dehnen  sich  die  gränzen  des  indischen 
einflusses  weiter  aus  W.  v.  Humboldt  7,  11  akad.  ausg. ; 
in  einzelnen  belegen  ist  die  bedeutung  'gebiet'  fühlbar, 
besonders: 

doch  war  das  lorbeer-laub  von  seinen  sieges-kräntzen 
nicht  fruchtlos,  wie  es  pflegt;  es  mehrte  seine  grentzen 

Besser  sehr.  1,40  König; 
verflucht  sey,  wer  seines  nehesten  grentze  engert  5  Mos. 
27,  17;  du  solt  deines  nehesten  grentze  nicht  zu  rücke 
treiben  19,  14;  dieselbe  wendung  spr.  22,  28;  man  wollte 
Frankreichs  grenzen  bis  zum  Rhein  und  zur  Mosel  zu- 
rückschieben Treitschke  deutsche  geschickte  1,  219;  die 
gräntzen  einziehen  restringere  i  limiti  Kramer  teutsch- 
ital.  (1700)  1,  566»;  die  fürsten  Juda  sind  gleich  denen 
so  die  grentze  verrücken  Hos.  5,  10;  bald  hat  man  ihm 
seinen  zäun  zerbrochen,  bald  hat  man  ihm  seine  grenze 
verrückt  Hauptmann  biberpelz  (1893)  43;  beides  lehrt 
die  erfahrung,  sollte  das  die  grenzen  des  aufgestellten 
gesezes  verrüken?  Schiller  l,  163;  die  grentzen  stöhren 
allgem.  haushalt.-lex.  (1749 jf.)  l,  618;  diejenigen,  die  sie 
in  ihrer  wohl  hergebrachten  possession  kräncken  und 
die  grentzen  stören  wollen  Chomel  öcon.  lex.  4,  1303. 

e)  hauptsächlich  zu  der  unter  A  2  b  behandelten  bedeu- 
tung stellt  sich  eine  reihe  von  Wendungen,  die  meist  der 
militärischen  spräche  zugehören:  die  gräntzen  und  passe 
für  neuer  impressa  zu  verwahren  acta  publ.,  verhandl. 
d.  schles.  fürsten  2,4;  ähnlich  Steinbach  1,  637;  die 
Ursache,  warumb  der  könig  seine  gräntzen  zu  bedecken, 
eine  starke  anzahl  Soldaten  halten  muss  Olearius 
verm.  reisebeschr.  21;  er  kan  die  grentzen  kaum  be- 
schützen Steinbach  1,  637;  nachdem  der  Pompeius  die 
grentze  am  meer  vor  den  räubern  gesicheret  Heyden 
Plinius  (1565)  40; 

auszer  wenn  ein  wahrer  held 
Staat  und  gränzen  sicher  stellt 

Gottsched  neueste  ged.  (1750)  48; 
auch  bildlich: 

wenn  sie  dem  menschen  frohe  tat  bescheren, 
dasz  er  ein  unheil  von  den  seinen  wendet, 
dasz  er  sein  reich  vermehrt,  die  grenzen  sichert 

Göthe  Iphigenie  703 ; 
man  befestigte  mit  macht  Deutschlands  noch  entblöszte 

gränzen 
ScHÖNAicH  Heinr.  d.   Vogler  (Xlhl)  3; 

dass  man  nicht  vernachlässigen  möge,  die  grenzen  in 
guten  vertheidigungsstand  zu  setzen  Ranke  reform, 
gesch.  4,  218; 

treu  wie  dem  Schweizer  gebührt,  bewach  ich  Germaniens 

grenze 
Schiller  11, 110; 
die  Jungfrau,  die  die  wage  trägt, 
die  frommen  schützt,  die  bösen  schlägt, 
befriediget  die  gräntzen 

Treuer  deutsch.  Dädalus  1,  646; 

limitanei  milites  die  an  den  grentzen  hüten  Alberus 
diction.  114";  kriegsleut  so  auf  den  grentzen  und  an- 
stössen  zur  hut  ligen  Galepinus  undec.  ling.  (1598)  823*"; 
ein  Soldat  der  auf  der  grenze  liegt  miles  limitaneus 
Stieler  694;  vgl.  Henisch  1740;  auf  den  gräntzen  (an 
der  gräntze)  des  landes  ligen  star'  accampato  alli  confini 
Kramer  teutsch-ital.  (I700)  1,556";  völcker  an  die  gräntze 
legen,  sie  zu  bedecken  vor  dem  feindlichen  einfall  ib.; 
ähnlich  auch  vom  feinde:  dieweyl  sie  (die  bauern)  der- 
massen  an  der  grenitz  unserer  ampt  ligen  und  umb- 
ziehen  Bau  mann  quellen  z.  gesch.  d.  bauernkrieges  aus 
Botenburg  112;  dasz  .  .  .  wir  binnen  acht  tagen  wohl- 
gerüstet an  der  grenze  stehen  können  br.  von  und  an 
Herw^egh  116;  (Alexander)  besetzet  die  gränitz  des  rö- 
mischen reichs  Aventin  bayer.  chron.  4,  419,  15. 

2)  bei  denjenigen  ivendungen,  die  von  einem  markieren 
der  grenze  sprechen,  hat  der  uneigentliclie  gebrauch,  der 
vielfach  die  bedeutung  des  subst.  umgefärbt  hat,  den 
eigentlichen  groszentheils  ganz  verdrängt. 

grenzen  setzen:  zil  und  grentzen  setzen  determinare, 
terminis  designare,  determinare  regiones  Henisch  1740; 
gräntze  setzen  ponere,  mettere  i  limiti  Kramer  teutsch- 
ital.  (l700)  1,  556";  die  grentzen  eines  ortes  setzen  Stein- 
bach 1,  637;  du  hast  eine  grentze  gesetzt,  darüber  kö- 
rnen sie  nicht  ps.  104,  9,-  vgl. 


-^^ 


141 


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142 


Themis  selber  führt  den  reigen,  . . 
setzet  selbst  der  grenze  stein 

Schiller  11,  296 ; 

meist  mit  dativ;  aber  nur  in  der  älteren  spräche  im  ur- 
sprüngliafien  sinne: 

eim  jeden  land  setzst  du  sein  grentz 

H.  Sachs  18,  291  Keller-Götze; 

weil  gott  nicht  haben  will,  dasz  man  die  von  ihm  dem 
meere  gesetzte  gränze  andre  Liscow  sat.  und  ernstli. 
sehr.  23;  dem  römischen  reiche  grentzen  wie  dem  gan- 
tzen  erdbodeme  setzen  imperium  Romanum  orbis  terra- 
rum  terminis  definire  Steinbagh  1,  638;  daneben  früh- 
zeitig übertragen:  gott  .  .  setzet  ihm  {dem  teufel)  seine 
grentze,  darüber  er  nicht  fahren  und  gehn  darf  Nigri- 
NUS  von  Zauberern  (1592)  12;  dieser  gebrauch  herrscht 
seit  dem  18.  jh. ;  die  formet  gewinnt  die  bedeutung  'hem- 
men, einschränken,  einhält  gebieten'  {vgl.  oben  B): 

setze  der  Verfolgung  gräntzen,  halt  den  glaubens-feinden  ein 
ScHMOLCKE  trost-  u.  geistr.  sehr.  1,13; 

er  setzt  seiner  gewalt  keine  grentzen  Steinbach  1,  638; 
dasz  einige  kauf-  oder  doch  sonsten  bürgerliche  .  .  leute 
.  .  .  ihm  grenzen  seiner  siege  setzen  Leibniz  deutsche 
Schriften  1,  213;  oder  wollen  sie  meinen  siegen  grenzen 
setzen  Schiller  8,  155;  die  weite  des  ortes  und  die 
andacht  setzen  unsern  einfallen  {in  der  kirchenmusik) 
gemsse  gränzen  Scheibe  crit.  musicus  (1745)  163; 

diese  (die  haare  des  engeis)  halt  ein  köstlichs  öl .  .  benetzet, 
welches  aller  Sterblichkeit  und  Verwesung  gränzen  setzet 

Triller  poet.  betrachtungen  1,  595; 

dass  der  staat,  welchem  so  enge  gränzen  der  Wirksam- 
keit gesetzt  sind,  keiner  grossen  einkünfte  bedarf  W. 
V.  Humboldt  l,  233  akad.  ausg.; 

helfet!  helft,-     • 
wenn  ihr  es  könnt,  setzt  diesem  blutsturz  grenzen 

Grabbe  1,  28  Blumenthal; 
gern  bei  affecten: 

wer  will  der  lust  hier  grenzen  setzen? 

Stoppe  Pamasz  (1735)  3; 
denn  der  brüderlichen  liebe  wollen  wir  von  der  klug- 
heit  keine  grenzen  gesetzt  wissen  Lessing  lO,  197;  hin- 
gegen der  pöbel  {im  besitz  der  gewalt)  seinen  wilden 
bewegungen  keine  grenzen  zu  setzen  fähig  ist  Wieland 
Agathon  {i.766f.)  2,  162;  eben  diese  zu  grosze  liebe  würde 
dich  in  das  verderben  stürzen,  wenn  du  ihr  nicht  bey 
zelten  grenzen  setztest  Atrenhoff  3,  87;  vgl. 
wir  fangen  schon  die  lust  in  kindorröcken  an, 
und  wissen  weder  maasz  noch  grentzen  auszusetzen 

Hoffmannswaldau  1,  159  Neukirch; 
refleociv:  etwa  ein  halb  dutzend  nur  sind  zu  dem  preis 
gelangt  wo  ich  mir  selbst  grenzen  gesetzt  hätte  Göthe 
IV  29,  108  Weim.;  die  vollzogene  neuerung  {des  calvinis- 
mus)  hat  das  bedürfnisz  sich  grenzen  zu  setzen,  da- 
mit man  sehe,  wo  sie  aufhört  Ranke  sämtl.  werke  8, 
126. 

grenzen  (aus-,  ab-)  stecken  scheint  erst  spät  aufzu- 
kommen: jedoch  damit  wir  nicht  die  gräntzen  einer 
vorrede  allzuweit  ausstecken  Lohenstein  Ärminius 
(1689/.)  1,  d  2;  {der  griechische  künstler)  hielt  sich  gern 
innerhalb  bestimmt  abgesteckter  grenzen  W.  v.  Hum- 
boldt auf  Sätze  über  das  hlass.  alterth.  123  Leitzmann; 
wie  weit  nun  aber  diese  Wirksamkeit  des  .  .  geistes  .  . 
gehen  könne,  davon  lassen  sich  die  gränzen  nicht  ab- 
stecken Strausz  ges.  sehr.  3,  25;  eine  ausgebildete  tech- 
nik  .  .  steckt  der  dramatischen  poesie  einer  zeit  auch 
ziel  und  grenze  ab  Freytag  14,  5; 

dessen  thron  die  weiten  räume  decken, 
dessen  reich  die  sterne  grenzen  stecken 

H.  V.  Kleist  1,11; 

wieweit  auch  die  natur  die  grenzen  seiner  tage  gesteckt 
hatte,  dennoch  erlebte  er  nicht  den  ausgang  dieses 
kampfes  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkwürdigk.  2,  9 ;  es  {das 
Violincello)  tritt  nur  als  basz  auf,  .  .  .  aber  diese  eng 
gesteckten  grenzen  überschreitet  es  noch  nicht  Jahn 
Mozart  l,  613.  in  übertragenem  gebrauch  auch  mit  dem 
besonäeren  sinn  wie  grenzen  setzen: 

ja,  dass  er  endlich  gar  .  . 

dem  laufe  seines  glucks  geweihte  grenzen  stecket, 

und  sich  .  .  mit  einer  kröne  decket 

Neukirch  ged.  (1744)  180; 


mangel  an  lebenserfahrung  .  ,  muszte  dem  knaben  .  . 
hier  am  ersten  grenzen  stecken  Jahn  Mozart  ^\,  94;  wo 
dem  .  .  verkehr  .  .  grenzen  gesteckt  waren,  hat  man 
diese  beseitigt  Bennigsen  nationallib.  partei  46;  nur 
vereinzelt  im  sinne  von  seine  grenzen  haben  {s.  u.  sp.  146) : 
der  menschlichen  geduld  sind  ihre  grenzen  gesteckt! 
Immermann  i,  22  Eempel. 

grenzen  ziehen,  (be)zeichnen  u.  ä.:  den  .  .  .  abhang, 
der  zwischen  acker  und  wald  die  grenze  zog  Fontane 
I  6,  74;  wo  und  weshalb  ist  hier  die  grenze  {zwischen 
geld  als  zahlungs-  und  als  leihmittel)  zu  ziehen?  Luschin 
V.  Ebengreuth  münzkunde  16; 

denn  fessellos,  ein  mächt'ger  könig,  wälzt 
der  Strom  sich  fort  in  selbst  gezog'nen  grenzen 

Beer  sämtl.  werke  120  Schenk; 
wo  ziehst  du  scharf  die  grenze  zwischen  dem,  was 
statthaft  und  was  unstatthaft  ist?  Fontane  I  4,  88; 
wirklich  lassen  sich  bisweilen  scharfe  grenzen  ziehen 
Peschel  Völkerkunde  (1874)  12;  mit  dem  dativ  im  sinne 
von  grenzen  setzen :  das  parlament  suchte  ihr  {der  herr- 
schenden gewalt)  grenzen  zu  ziehen,  die  seinem  begriffe 
entsprachen  Ranke  werke  17,  127;  vgl.  dasz  auch  ein 
weih  sich  frei  erklären  könne  von  den  willkürlichen 
grenzen,  die  der  harte  mann  seit  Jahrtausenden  um  sie 
gezogen  hatte  Stifter  l,  17 ;  mit  dem  schwert  in  der 
band  wurden  die  grenzen  zwischen  beyden  kirchen  ge- 
zeichnet Schiller  8,  IS;  ebenfalls  wie  grenzen  setzen: 
du  {gott)  zeichnest  denen  ihre  gränzen, 
die,  geizig  nur  nach  lorbeerkränzen, 
von  ihrem  ungestüm  nicht  ruhn 

J.  A.  Schlegel  verm.  gedichte  (1787)  1,  17; 
bald  ist  unser  theaterstil  zu  periodisch,  bald  zu  ein" 
förmig,  überhaupt  sind  seine  gränzen  zu  wenig  be" 
zeichnet  Gerstenberg  recensionen  36  Fischer;  blieben 
nun  in  der  Wirklichkeit  immer  schranken  gesteckt  und 
grenzen  abgezeichnet,  so  überschritt  ...  sie  doch  die 
.  .  .  Unschuld  der  phantasievollen  vorzeit  allenthalben 
J.  Grimm  Reinhart  fuchs  vorr.  III. 

die  grenzen  (unter)  scheiden  u.  ä.:  denn  man  die 
grentzen  mit  dergleichen  zeichen  zu  unterscheiden  pflag 
MORHOF  Unterricht  v.  d.  deutschen  spräche  (l682)  l,  23; 
vgl.  die  grentze  und  der  bann  der  statt  N.  sind  von 
N.  lande  also  underscheiden  Sattler  teutsche  orthogr. 
(1658)  230;  die  felsen,  wo  jetzt  der  tanzplatz  ist,  sollten 
die  grenze  scheiden  Grimm  deutsche  sagen  (l89l)  i,  140; 

so  schmal  ist 
.  die  grenze,  die  zwey  lebenspfade  scheidet 

Schiller  12,  217; 
wie  Schott-  und  Engelland  sich  auf  der  grentze  scheidet, 
wann  es  ein  berg  und  ström  ab  von  einander  schneidet 

D.  V.  D.  Werder  rasender  Roland  (1636)  61; 
vgl.  die  gränzen,  wo  sich  zwey  analogien  .  .  scheiden, 
{lassen  sich)  nie  genau  bestimmen  Adelung  lehrgang 
d.  deutschen  spräche  2,  43;  grenze  als  subject:  dasz  ich 
die  grenzen  erkenne  und  verehre,  die  den  dilettanten 
vom  kenner  scheiden  Schiller  3,  533. 

grenzen  bestimmen,  festsetzen,  vorschreiben  u.  ä.: 
bestimmung  der  grenzen  der  anhänglichkeit  für  einen 
freund  {Überschrift)  Knigge  Umgang  m.  menschen  (1796) 
2,  XI ;  man  hat  die  gränzen  des  menschlichen  Verstan- 
des näher  bestimmt  W.  v.  Humboldt  i,  i  akad.  ausg}; 
vergnügen  ist  nutzen  —  wer  möchte  unternehmen  die 
gränzen  zwischen  beyden  zu  bestimmen  Caroline  i,  71 
Waitz;  mit  dativ :  die  natur  hat  allen  dingen  bequeme 
grenzen  bestimmt  Bodmer  samml.  crit.  poet.  schrifteji 
1,  54;  dagegen  mit  dem  sinn  von  grenzen  setzen:  bist 
du  eine  Scythin,  dasz  du  die  gränze  zu  durchbrechen 
drohst,  die  der  Grieche  dem  weib  bestimmt  Klinger 
neu£s  theater  1,  37;  dasz  bisher  nur  die  allgemeinen  ge- 
setze  dieser  dichtungsart  in  erwägung  gezogen  worden, 
ohne  die  grenzen  der  verschiedenen  gattungen  derselben 
festzusetzen  Lessing  lO,  172; 

es  flammt  ein  welten-heer  {von  stemen)  in  angewiesnen 

gränzen 
Uz  111  Sauer; 

nachdem  diese  Zeilen  bereits  mit  so  unverhoffter  ge- 
nehmhaltung,  als  unfleisziger  ausarbeitung,  auszer  der 
ihnen  vorgeschriebenen  gränze,  .  .  an  das  licht  gezogen 


143 


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zu  -werden,  das  glück  .  .  gehabt  Heraus  gedickte  u.  lat. 
inschr.  (i72i)  13;  sie  lassen  sich  von  den  eitern  ihrer 
Schüler  keine  gränzen  vorschreiben  Schubart  briefe  l, 
100  Strausz. 

die  grenzen  aufheben,  verwischen  u.  ä.:  besonders, 
dasz  wir  die  kleinlichen  gränzen  der  Selbstsucht  zwi- 
schen unseren  mittheilungen  aufheben  POckler  briefw. 
u.  tageb.  1,  165 ;  insofern  eine  spräche  überhaupt  laute 
unterscheidet,  giebt  es  auch  eine  conservative  macht 
in  ihr,  welche  diese  grenzen  nicht  verwischen  lassen 
will  ScHERER  M.  sehr.  1,  254; 

euresgleichen  möchte  .  . 

die  grenzen  löschen  zwischen  tag  und  nacht 

Schnitzler  grüne  kakadu  (1899)  29; 

lustspiel  und  trauerspiel  sind  wie  tag  und  nacht;  ihre 
grenzen  verschmelzen  sich  ganz  unmerklich  in  einander 
Kretschmann  sämtl.  werke  i,  xv;  die  leiden  der  tugend 
gräntzen  .  .  an  die  strafen  des  lasters  mit  so  schwim- 
menden gräntzen  Lichtenberg  nachlasz  80;  ältere  be- 
lege dieser  Wendung  th.  9,  2640. 

3)  eine  besondere  gruppe  bilden  die  Wendungen,  die  ein 
mit  über-  componiertes  verbum  enthalten,  insofern  grenze 
hier  bei  übertragenem  gebrauch  meist  dieselbe  bedeutungs- 
nüance  zeigt  wie  nach  der  präposition  über  (s.  sp.  137,  6), 
d.  h.  die  grenze  schlieszt  das  gebiet  des  billigen,  erlaub- 
ten, rechtmäszigen,  einer  befugnis  oder  pflicht  ab. 

die  grenzen  überschreiten,  zunächst  concret:  264  v.  Chr. 
geb.  überschritten  die  Römer  zum  ersten  male  die 
gränzen  Italiens  mit  heeresmacht  H.  Meyer  gesch.  der 
bild.  künste  3,8;  (der  cyclone)  Verheerungen  überschreiten 
niemals  die  grenze  Bengalens  Peschel  Völkerkunde  326; 
dann  übertragen:  die  geister  überschreiten  alle  grenzen 
der  Phantasie  Arnim  15,  20;  neue,  noch  kleinere  und 
schwächer  glänzende  puncte,  deren  entfernung  die 
gränzen  der  einbildungskraft  überschreitet  Schubert 
verm.  sehr.  1,  5;  zumeist  aber  hat  die  Wendung  die  be- 
sondere, oben  angedeutete  färbung:  wenn  ja  der  unver- 
schämte mensch  die  grentzen  gebührender  ehrerbietung 
überschreiten  wolte  Ziegler  asiat.  Banise  (i689)  121; 
ohne  die  grenzen  der  weisen  mäszigung  zu  überschreiten 
Wieland  Agathon  (i766/.)  2,  274; 

die  grenze  keuscher  schaam  ist  überschritten 

Schiller  15',  48; 

{die  ort  der  quellenbenutzung)  überschreitet  aber  doch 
die  grenzen  des  einigermaszen  erlaubten  Ranke  ref.- 
gesch.  2,  383;  wogegen  sie  dem  alten  baron  .  .  nur  eine 
empfindung  widmete,  welche  die  grenzen  der  dankbar- 
keit  nicht  überschritt  Immermann  l,  68  Hempel;  ver- 
gleichbar: Sachen  .  .  welche  die  absieht  und  die  gränzen 
eines  Wörterbuches  überschreiten  Raben  er  werke  2,  227; 
lassen  sie  mich  schlieszen,  damit  ich  die  gränze  eines 
briefs  nicht  überschreite  Göthe  IV  41,  136  Weim.;  es 
würde  die  gränze  dieser  skizze  überschreiten,  wenn 
Liebig  ehem.  briefe  (1844)  110;  auch  ohne  genetiv:  in  den 
künsten  giebt  es  strenge  regeln,  abgecirckelte  gräntzen, 
die  man  nicht  überschreiten  darf  Ramler  einl.  in  d. 
schönest  wissensch.  (1758)  l,  224;  Buttler  .  .  sinket  oft  zu 
tief,  und  redet  die  spräche  des  pöbeis.  Boileau  über- 
schreitet niemals  diese  gränze  Dusch  krit.  u.  satyr. 
sehr.  150;  ein  ganz  frischer,  jede  erlaubte  grenze  über- 
schreitender tintenfleck  Holtei  vierzig  jähre  (1843^.) 
1,  5;  mit  dieser  derben  geschichte  hatte  unser  geplauder 
die  grenze  fast  überschritten,  die  wir  dem  anwesenden 
mädchen  schuldig  waren  Keller  2,  287;  man  meinte, 
ich  habe  meine  grenzen  überschritten  Raabe  hunger- 
pastor  (1864)  2,  136;  vereinzelt:  ohne  aus  den  gränzen 
des  guten  geschmacks  zu  schreiten  Göthe  IV  9,  110 
Weim. 

grenzen  übersteigen,  übertreten  u.  ä.:  und  ermahnet 
.  .  dasz  er,  so  lieb  ihm  seine  seele  und  sein  reich,  ja 
nicht  deszen  grentze  überhupfe  Beinicke  fuchs  (1650)  56 ; 
{Fortuna  blendet)  bald  diese,  bald  jene,  dasz  sie  die 
grentzen  der  gerechtigkeit  zu  übersteigen  .  .  ,  begierig 
werden  Schottel  friedens  sieg  18  neudr.;  später  ohne 
dies  bewusztsein  des  bildes:  mit  einem  egoismus,  der  alle 
grenzen  der  schaamhaftigkeit  übersteigt  Lenz  verthei- 


digung  des  herrn  W.  (1776)  18;  das  elend  überstieg  alle 
grenzen  Moltke  sehr.  u.  denkwürdigk.  l,  170;  wenn  eine 
mark  gegen  die  andre,  und  eine  genossenschaft  gegen 
die  andre  die  gränzen  ihrer  befugnisz  übertritt  Moser 
säm,tl.  werke  I,  380; 

die  Jugend  führ'  ich  an  der  Schönheit  zügel, 

die  gern  die  zarten  grenzen  übertritt 

Schiller  15 1, 12; 
ich  kan  nicht  allzu  wohl  die  grentzen  überfahren 
semel  constitutos  mihi  terminos  egredi  aegre  possum 
Steinbach  l,  638  aus  Hoffmann swaldau.  neben  den 
compositis  auch  die  entsprechenden  simplicia  mit  der  prä- 
pos.,  z.  th.  ganz  concret:  die  Oder  ist  wieder  über  alle 
grenzen  getreten  Moltke  sehr.  u.  denktvürdigk.  4,  14; 
vielleicht  auf  grund  solchen  gebrauches  das  bild:  dasz 
ihnen  die  galle  aufs  greulichste  über  die  grentzen  trat 
Schnabel  insel  Felsenburg  (1744  jf.)  2,  14;  wenn  nur  die 
menschen  nicht  so  leicht  und  so  gerne  über  die  gren- 
zen träten,  die  für  alles  gezogen  sind  Laroche  frl.  v. 
Sternheim  (l77i)  1,  192;  deine  feste  seele  springt  so  leicht 
nicht  über  ihre  grenzen  Hölderlin  2,  182  Litzmann; 
verführte  auch  ihn,  .  .  über  die  schranken  der  Sittlich- 
keit und  über  die  grenzen  des  konventionellen  lebens 
wegzuspringen  Gervinus  gesch.  der  deutschen  dichtung 
(1853)  5,  29;  sei  die  ungedald  .  .  der  einwohner  .  .  über 
alle  grenzen  gestiegen  Brentano  ges.  sehr.  4,  271. 

über  eine  grenze  hinausgehen  (vgl.  th.  4,  2,  1395) :  wenn 
jemand  über  die  grenze  des  sabbaths  auf  eine  nach 
den  gesetzen  erlaubte  weise  hinaus  gegangen  briefe  die 
neueste  litteratur  betr.  11,  116;  {der  Charakter  der  han- 
delnden personen)  der  .  .  nie  über  die  gränzen  der  Wahr- 
scheinlichkeit .  .  .  hinausgehen  musz  Eschenburg  ent- 
icurf  (1783)  69 ;  obgleich  meine  sämmtlichen  arbeiten  in 
diesem  fache  nicht  über  die  gränze  des  umrisses  und 
der  Skizze  hinausgehen  Göthe  IV  21,  86  Weim.;  ähn- 
lich: 

die  thränen  müssen  nicht  aus  ihren  grentzen  gehn 

Besser  .^chr.  1,  254  König. 

4)  zti  den  eben  angeführten  Wendungen  bilden  die  fol- 
genden vielfach  das  gegenstück: 

etwas  oder  sich  in  grenzen  halten:  dasz  das  äuge 
des  Zuschauers  so  wie  die  stimme  des  Schauspielers  es 
bedurften,  innerhalb  gewisser  gränzen  gehalten  zu  wer- 
den Humboldt  aufsätze  über  d.  klass.  alterth.  84  Leitz- 
mann;  öfter  ähnlich  xcie  in  schranken  halten:  so  wuszte 
er  {Friedrich  d.  gr.)  doch  die  Vorsteher  aller  gottesver- 
ehrungen  in  gränzen  zu  halten  Göthe  41^,  17  Weim.; 
{der  schwelende  heustock)  konnte  zwar  nicht  gelöscht 
werden,  wurde  aber  durch  die  spritze  in  einer  grenze 
gehalten,  dasz  das  feuer  nicht  lebhafter  wurde  Stifter 
5I,  333;  vgl. 

gewisz,  ich  hasse  sehr,  die  dich  den  höchsten  hassen:  .  . 
drum  kan  ich  meinen  zom  nicht  in  den  gräntzen  fassen 

Canitz  ged.  (1727)  38; 

meisf  reflexiv:  {roman  und  drama)  müszten  .  .  sich  in 
den  grenzen  ihrer  gattung  halten  Göthe  22,  177  Weim.; 
ich  habe  mich  in  diesem  stück  ganz  in  den  gränzen 
der  geschichte  halten  wollen  Fr.  Schlegel  sämtl.  werke 
5,  188 ;  besonders,  wo  es  sich  um  die  grenzen  des  gebühren- 
den, maszvollen  handelt  {vgl.  o.  3):  nachdem  durch  dieser 
aderlasung  das  übrige  freche  blut  abgelaufen,  haben 
sie  sich  beszer  in  ihren  grentzen  der  Vernunft  und  löb- 
lichen tapferkeit  können  halten  Eeinicke  fuchs  (1650)  61 ; 
sie  fuhr  immer  fort  sich  in  den  grenzen  der  freund- 
schaft  zu  halten  Wieland  Agathon  (1766/.)  1, 185;  {Wil- 
helm) hielt  sich  nicht  in  den  gränzen  eines  proportio- 
nirten  gegengeschenks  Göthe  21,  201  Weim.;  dasz  sich 
alle  in  den  grenzen  des  anstandes  und  der  Sittlichkeit 
halten  mögen  Böhme  gesch.  d.  tanzes  176;  wie  bei  den 
asiatischen  Mongolen  hält  sich  der  prognathismus  in 
mäszigen  grenzen  Peschel  Völkerkunde  432;  auch  präg- 
nant, ohne  erläuternden  zusatz:  Piero's  eigenmächtiges 
verfahren  .  .  .  erregte  eine  Indignation,  von  der  .  .  die 
treuesten  anhänger  der  Medici  mitfortgerissen  wurden, 
dennoch  hielt  man  sich  ihm  gegenüber  in  den  grenzen 
Grimm  Michelangelo  (1890)  l,  120;  die  vertheidigung  {eines 
auswärtigen  collegen)  würde  mich  immer  nöthigen,  mich 


145 


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innerhalb  gewisser  grenzen  zu  halten  Bismarck  polit. 
reden  i,  73;  vereinzelt:  dasz  er  mit  dem  besten  willen 
.  .  .  nicht  in  den  grenzen  des  anstandes  halten  könnte 
briefe  von  u.  an  Herwegh  286;  —  denn  das  bisher  ge- 
sagte soll  die  gränzen  der  allgemeinen  andeutungen 
halten  und  sich  nicht  zu  vielseitig  ausdehnen  Göthe 
II  6,  215  Weim.;  das  ist  aber  das  .  .  .  charakteristische, 
welche  grenzen  er  bei  der  Übertragung  der  aufklärungs- 
gedanken  auf  das  heerwesen  einhält  Meinecke  Boyen 
1,  32. 

in  grenzen  bleiben:  dieweil  die  ...  jahrzeiten  nicht 
allzeit    in    gleichen    grentzen    bleiben     Sebiz    feldhau 

(1579)  44; 

dasz  unsre  ganze  Wissenschaft  (unser  wisseri) 
in  gar  zu  engen  gränzen  bleibe 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  278; 

häufiger  aber  in  dem  sinne  der  maszvollen,  gebührenden 
beschränkung  tcie  sich  in  grenzen  halten:  ey,  die  liebe 
ist  vielerley,  wolte  sich  Zarang  rechtfertigen,  man  musz 
in  den  gräntzen  bleiben  Ziegler  asiat.  Banise  (1689) 
603 ;  das  niedrigkomische,  das  doch  immer  in  den  grän- 
zen der  sittsamkeit  bleiben  musz  Eschenburg  entwurf 
174 ;  dasz  sie  (die  einheit  der  zeit)  .  .  innerhalb  der  grän- 
zen bleibt,  welche  die  kritici  der  dauer  einer  theatrali- 
schen handlung  setzen  schlesw.  litter aturbr.  153  lit.  denk- 
mäler;  ich  bleibe  in  meinen  gränzen  me  measque  vires 
consulo  Serz  teutsche  idiotismen  58*;  dasz  man  eine 
strenge  auswahl  treffe,  damit  ein  unternehmen,  welches 
ohnehin  weitaussehend  ist,  innerhalb  seiner  gränzen 
bleibe  Göthe  IV  25,  181  Weim.;  serenissimo  bezeigen  sie 
.  .  meinen  glückwunsch  dasz  der  Unfall  noch  in  gren- 
zen geblieben  IV  12,  320. 

in  die  grenzen  zurückweisen  u.  ä.:  (es  gelang  ihnen) 
die  nachbarn  in  ihre  alten  grenzen  zurückzuweisen 
Ranke  reform,  gesch.  l,  41 ;  übertragen:  nachdem  er 
durch  die  autorität  herzoglicher  commission  berechtiget, 
den  hofgärtner  Wagner  in  seine  grenzen  zurückgewiesen 
Göthe  IV  30,  185  Weim.;  bis  das  masz  voll  war  .  .  und 
der  übermuth  und  die  Willkür  wieder  in  ihre  grenzen 
zurückgeworfen  .  .  .  werden  sollte  Stifter  5*,  357;  da 
aber  jener  national -enthusiasmus  ...  in  die  grenzen 
einer  .  .  .  würdigen  selbstschätzung  zurücktreten  wird 
Göthe  49,  57  Weim. 

sich  in  .  .  .  grenzen  bewegen  scheint  ganz  jung .  die 
individuelle  auffassung  der  figuren,  .  .  die  er  vorführt, 
bewegt  sich  in  engen  grenzen  Scherer  litt,  gesch.  109; 
(eine  tapfere  politik)  wenn  sie  erfolg  hat  und  dann  sich 
in  vernünftigen  und  ehrlichen  grenzen  bewegt  Bismarck 
ged.  u.  erinn.  2,  HO  volksau^g. 

a)  in  einigen  Wendungen  herrscht  die  unter  B  enüoickelte 
bedeutung  'schranke,  ziel,  ende'  vor;  die  phrasen  breiten 
sich,  ioie  diese  bedeutung,  erst  im  18.  jh.  aus. 

keine  grenzen  kennen,  haben;  selten  mit  persönlichem 
stibject:  man  .  .  schneidet,  da  er  (ein  junger,  aber  tüch- 
tiger mann)  noch  keine  grenzen"  seiner  Wirksamkeit 
kennt,  ihm  luft  und  athem  ab  Herder  16,  274;  wenn 
der  edelmann  im  gemeinen  leben  gar  keine  gränzen 
kennt  Göthe  22,  150  Weim.;  voll  entfaltet  sich  der  die- 
ser formel  eigenthümliche  sinn  erst  bei  abstractem  stib- 
ject;  meist  starke  affecte:  sein  hasz,  seine  wuth,  sein 
gerechter  zorn  gegen  den  decemvir  kennen  weiter  keine 
grenzen  Lessing  6,  118;  so  kannte  sein  eifer  .  .  keine 
grenze  Arnim  19,  308;  nun  .  .  bin  ich  .  .  begeistert  und 
mein  mut  kennt  keine  grenzen  Pocci  lust.  komödien- 
büchlein  (1859)  32;  den  religiösen  fanatismus,  der  .  .  . 
keine  grenzen  kannte  Gutzkow  ges.  werke  lo,  206;  vgl. 
der  Schneider  erhitzt  sich,  lärmt.  .  .  der  Schneider  kennt 
keine  grenzen,  sein  zorn  wächst  l,  76 ;  doch  auch  abstracta 
anderer  begriffsrichtung :  barmherzigkeit  meines  gottes, 
.  .  dessen  gnade  keine  grenzen  kennt!  Bräker  sämtl. 
■fchr.  1,  255; 

an  solchem  freudentag,  den  du  mir  schenkst, 
soll  meine  milde  keine  gränzen  kennen 

Schiller  13,  488; 
erst,  edler  freund, 
lasz  mich  dein  alter  herzen,  dessen  ehre 
nicht  maas  noch  gränze  kennt 

Shakespeare  3, 120; 

IV.  1.  6. 


so  kennt  der  flor  der  Wissenschaft  .  .  . 

so  wie  dein  hoher  rühm  auf  erden,  keine  gränzen 

Gottsched  neueste  ged.  (1750)  15; 

dies  schon  im  17.  jh.  vorklingend: 

dein  rühm  weisz  ausser  dem  fast  nichts  von  gräntz'  und 

schrancken 
Lohenstein  Arminius  (1689/.)  1,  f  1". 

keine  grenzen  haben  ebenfalls  von  starken  leidenschaf- 
ten:  meine  wuth  hat  keine  gränzen  1  theater  d.  Deut- 
schen 18,  57;  ihre  raserei  hat  keine  gränzen  Göthe  41 1, 
166  Weim.;  mein  absehen  gegen  dich  hat  keine  gren- 
zen Arnim  8,  443;  häufiger  aber  in  fällen  wie:  weil 
seine  (des  Schöpfers)  Weisheit  unendlich  ist  und  seine 
macht  keine  gräntzen  hat  Ramler  einl.  in  die  schön, 
wissensch.  2,  8;  Anton  war  so  voller  freude  über  dieses 
anerbieten,  dasz  seine  dankbarkeit  gar  keine  grenzen 
hatte  Moritz  Anton  Reiser  loo  neudr.;  der  tiefsinn  und 
der  wiile  haben  keine  grenzen  Novalis  3,  91  Minor; 
so  wie  der  verstand,  so  hat  die  narrheit  des  menschen 
keine  gränzen  Tieck  scJir.  17,  235;  auch  dialectisch:  dat 
hed  hgl  gSn  grensen  Doornkaat-Koolman  l,  680\ 

seine  grenze  haben;  gern  bilden  geduld,  nachsieht, 
gehorsam  und  verwandte  begriffe  das  subject:  die  milde 
hat  auch  ihre  grenzen  Arnim  18,  212;  der  gehorsam, 
zu  dem  der  untergebene  dem  oberen  verpflichtet 
sei ,  habe  seine  grenzen  Ranke  sämtl.  werke  40,  290; 
allein  es  hatte  dies  gewährenlassen  doch  seine  grenze 
Mommsen  röm.  gesch.  2,  99;  man  schont  die  gereizte 
empündlichkeit  der  kleinstaaten  und  ihrer  kommissare, 
doch  hat  das  alles  seine  grenzen  Moltke  scJir.  u.  denk- 
würdigk.  4,  178;  das  vertrag  ich  nicht,  es  hat  alles  'ne 
grenze,  wenn  sie  mich  provozieren  wollen  Hauptmann 
einsame  menschen  (i89i)  14;  gern  auch  von  der  begrenzt- 
heit  menschlicher  kräfte :  es  ist  natürlich ,  dasz  die 
stärkste  kraft  ihre  gränze  hat,  und  endlich  doch  .  .  . 
erliegen  musz  Bahrdt  geschichte  s.  lebens  2,  126;  die 
menschliche  natur  .  .  .  hat  ihre  gränzen  Göthe  19,  68 
Weim. ; 

und  der  mensch  hat  seine  grenzen, 

grenzen,  über  die  hinaus 

sich  sein  muth  im  staube  windet 

Grillparzer  4,  43 ; 

vgl.  nun  so  wisse,  dasz  auch  die  teufel  ihre  gränzen 
haben  Klinger  werke  3,  55;  fast  sprichwörtlich:  ausser- 
dem  hat  jede   kunst   ihre   grenzen   Gleim  briefwechsel 

1,  242  Körte;  geist  und  kunst  haben  ihre  gränzen  Göthe 
45,  73  Weim.;  alle  menschliche  kunst  hat  ihre  gränzen 
FouQUE  gefühle,  bilder  1,  7;  auch  sonst  mannigfach: 
allein  die  unmäszigste  schwärmerey  hat  ihre  grenzen 
Wieland  Agathon  (1766/.)  l,  lO;  um  mich  herum  natür- 
lich und  auch  unter  mir  hatte  mein  grundstück  seine 
grenzen  Seidel  Leberecht  Hühnchen  (l899)  240;  anders: 

Jupiter,    es  wird  dein  rühm  fortan,  wie  meine  weit, 
in  den  gestimen  seine  grenze  haben 

Kleist  1,  310; 
seltener  ohne  reflexives  pron.: 

nein,  eine  grenze  hat  tyrannenmacht 

Schiller  Teil  1275; 

dasz  das  darstellen  einer  persönlichkeit  in  öffentlichen 
blättern  eine  grenze  hat,  über  welche  der  keckste  Zeich- 
ner nicht  hinausgehen  darf  Freytag  15,  98;  es  gebe 
eine  grenze  dafür,  was  ein  könig  von  Preuszen  anhören 
könne  Bismarck  polit.  reden  2,  76. 

grenzen  finden  ist  ganz  jung  und  vielleicht  deshalb 
schwankend  im  gebrauch,  ohne  die  feste  Orientierung  der 
obigen  formein:  selbst  Napoleon  hatte  in  Spanien  die 
grenzen  seiner  macht  gefunden  Treitschke  deutsche 
gesch.  3,  152;  ähnlich  wie  seine  grenzen  haben:  auch 
diese  geduld  muszte  ihre  grenzen   finden   Jahn  Mozart 

2,  33;  dasz  die  Selbstverleugnung  grenzen  finde,  über  die 
hinaus  sie  in  Unnatur  und  Verzerrung  überginge  Moltke 
sehr.  u.  denkwürdigk.  i,  loi ;  die  kaiserin  Augusta,  deren 
temperament  .  .  .  auch  in  der  rücksicht  auf  alter  und 
gesundheit  des  gemals  nicht  immer  grenze  fand  Bis- 
marck ged.  IC.  erinn.  2,  315  volksausg.;  ähnlich  wie  keine 
grenzen  kennen: 

mord  sollte  freylich  nirgends  freystatt  finden, 

und  räche  keine  gränzen  Shakespeare  3,  316; 

10 


147 


GRENZE 


GRENZEBENE  —  GRENZEN 


148 


anders:  ich  schien  mir  nicht  mehr  ich,  meine  gränzen 
konnte  ich  nicht  mehr  finden  B.  v.  Arnim  Günderode 
1, 27 ;  völlig  abweichend  (grenze  =  Scheidelinie),  aber  gleich 
jung:  dasz  zwischen  dem  'weit  her  sein'  und  dem  'er- 
barmenswerth  sein'  oft  keine  grenze  zu  finden  ist  Grabbe 

4,  155  Blumenthal;  der  kaiser  hatte  {im  streit  mit  den 
ständen)  einiges  nachgegeben,  andres  suchte  er  um  so 
mehr  festzuhalten;  eine  grenze  war  nicht  gefunden 
worden  Ranke  reform,  gesch.  i,  132. 

grenzen  erreichen:  die  eroberung  hatte  die  äuszersten 
grenzen  erreicht.  Rom  erstreckte  sich  vom  eismeer  bis 
zur  libyschen  wüste  Moltke  sehr.  u.  denkwürdigk.  i, 
165;  und  auch  hier  hätten  die  mongolischen  züge  noch 
keine  gränze  erreicht,  wenn  nicht  Raumer  gesch.  d. 
Hohenstaufen  4,  76;  Carsten  stockte,  als  habe  er  die 
grenze  seiner  erzählung  erreicht  Storm  5,  100;  ob- 
wohl ...  sie  gleich  anfangs  die  grenzen  ihrer  leistungen 
scheint  erreicht  zu  haben  Droste-Hülshoff  briefe  99 
Schücking. 

6)  an  die  seltenere  bedeutung  'anfangsgrenze'  (s.  B  2) 
erinnert  die  formal  an  die  grenze  von  etwas  streifen: 
tiefe  fast  an  die  gränze  der  pedanterey  streifende  griind- 
lichkeit  Schubart  ästhetik  d.  tonkunst  81 ;  eine  derb- 
heit,  die  dicht  an  die  gränze  der  grobheit  streift  leben 
u.  gesinn.  i,  256;  in  gesteigerter  höflichkeit,  die  freilich 
an  die  grenzen  des  hohnes  streifte  Holtei  erzähl,  sehr. 

5,  55;  vgl.  der  ton  dieses  Instruments  .  .  .  berühret  oft 
die  grenze  des  baritons  Sghubart  ästhetik  d.  tonkunst 
321;  ich  .  .  .  finde  sie  (die  irreligion)  an  den  stellen, 
welche  sich  den  gränzen  der  moral  nähern  Fr.  Schle- 
gel im,  Athenäum,  2,  297. 

D.  grenze  in  der  composition. 

1)  das  compositionselement  ist  beim  substantivcomposi- 
tum  im  allgemeinen  grenz-;  grenzen-  erscheint  nicht  sel- 
ten, wenn  das  zweite  compositionsglied  eine  verbalablei- 
tung  ist,  also  besonders  bei  vmrtern  auf  -ung  {nam,ent- 
lich  im  ts.  Jh.);  vgl.  grenzenaufschiebung,  -bestimmung, 
-mischung,  -Verletzung,  -Vermessung,  -Vermischung;  doch 
auch  bei  nomina  actionis:  grenzenbeschreiber,  -richter, 
-hüter,  -Wächter,  oft  ist  indessen  nur  die  poetische  form, 
m,aszgebend,  der  das  zweisilbige  grenzen-  m,eist  bequemer 
ist;  vgl.  auszer  den  beiden  letztgenannten  tcörtern  noch 
grenzenschütze,  -vater,  -wacht,  aber  auch  in  prosaischer 
Sprache  ist  über  die  verbalsubstantiva  hinaus  bei  einigen 
compositis  grenzen-  möglich  geivesen;  vgl.  besonders  gren- 
zenstein, grenzengerechtigkeit,  -recht;  die  letzte  form 
notieren  sogar  Adelung  und  Heinsius,  dieser  auch 
grenzengebirge ;  vereinzelt  sind  grenzenlinie,  -masz,  ge- 
legenheitshildung  ist  grenzengedicht.  grenze-  ist  seltener 
und  dient  ebenfalls  oft  dem  versbedürfnis ,  vgl.  grenze- 
flusz,  -stein  (dies  bei  dichtem  des  17.  jhs.  häufiger), 
-scheide ;  doch  daneben  auch  in  prosa  bis  ins  19.  jh.,  vgl. 
grenzeritt,  -stadt,  -städtlein,  -ström.  —  das  einzige  voll 
enturickelte  adjectivcompositum  ist  grenzenlos,  daneben 
namentlich  im  18.  jh.  nicht  selten  grenzlos,  poetisch  auch 
grenzelos.  bildungen  wie  grenzenfrei,  -weit  lehnen  sich 
an  grenzenlos  an;  öfter  finden  sich  adjectiva,  die  von 
componierten  Substantiven  abgeleitet  sind,  vgl.  grenznach- 
barlich, -meisterlich,  -streitig;  huchdeutsch  scheint  gven?.- 
scheidend,  poetisch  ist  selbst  die  verbalableitung  grenz- 
pfaden  gewagt  worden. 

2)  die  ungemein  fruchtbare  Substantivcomposition  setzt 
im  16.  jh.  in  breiterem  umfange  ein.  am  frühesten  er- 
scheinen naheliegende  bildungen  wie  grenzbaum,  -brun- 
nen,  -flusz,  -kreuz,  -mark  (=  grenzzeichen),  -rain,  -stein, 
-wasser  u.  ä.;  auch  grenzhaus,  -schlosz,  -stadt  gehören 
schon  dem  16.  jh.  an,  ebenso  grenzbrief,  -vertrag,  selbst 
künstlichere  bildungen  vne  grenzgedächtnis ,  -oberster. 
auch  persönliche  verbalsubstantiva  setzen  früh  ein,  vgl. 
grenzbereiter,  -beschreiber,  -bewahrer,  -scheider,  -Ver- 
wahrer, selten  sind  im  16.  und  auch  im  17.  jh.  noch 
verbalsubstantiva  auf  -ung,  vgl.  grenzackerung,  -bestä- 
tigung,  -irrung,  -scheidung,  -setzung,  -verschreibung,  -Ver- 
wahrung, erst  im  18.,  mehr  noch  im  19.  jh.  kommen 
diese  bildungen  zu  reicher  entfaltung.  sie  beschränken 
sich  im  ganzen  auf  den  ausdruck   eines  transitiven  ver- 


balverhältnisses,  vgl.  grenzabsteckung,  -abtheilung,  -an- 
weisung,  -ausgleichung  u.  s.  w.;  seltener  anders,  vgl. 
grenzausdehnung,  -begünstigHng,-berührung,  -erstreckung, 
-handlung,  -irrung.  in  grenzabtretung ,  -erwerbung  hat 
grenze  den  weiteren  sinn  von  grenzgebiet.  unter  den  com- 
positis jüngeren  Ursprungs  verdient  eine  gruppe  hervor- 
hebung,  bei  der  grenze  die  oben  unter  B  entwickelte  be- 
deutung des  endes  hat,  vorwiegend  Wörter  aus  dem,  bezirk 
der  mathematik  und  der  philosophie,  vgl.  grenzbeziehung, 
-form,  -läge,  -werth,  -winkel,  -zahl,  -Ziffer;  -begriff,  -be- 
stimmung, -punct;  grösztentheils  erst  dem  i9.  jh.  ange- 
hörig. 

GRENZEBENE,  /..-  das  land  des  obern  Ganges  mit 
allen  seinen  nördlichen  zuströmen  bis  zu  den  grenz- 
ebenen von  Delhi,  Bahar  Ritter  erdkunde  6,  HCl.  — 
grenzecke,  /. :  wir  erhalten  ,  .  in  der  kleinen  gränz- 
ecke  an  der  Leitha  und  dem  Neusiedlersee  .  .  .  die 
bunteste  musterkarte  der  Volkselemente  Riehl  natur- 
gesch.  d.  Volkes  i,  361.  —  grenzeckstein,  ?n..;  Plauen 
.  .  ist  ein  pfeiler,  ein  grenz-eckstein  des  landes,  mit 
dessen  Verlust  .  .  das  land  selbst  gefährdet  ist  Alexis 
falsche  Woldemar  2,  470.  —  grenzeid,  m.,  wird  bei 
der  grenzfeststellung  geschworen  Schigkfus  schles.  ehren. 
(1625)  3,  484.  —  grenzeinf all,  m.;  dies  waren  die 
üblichen  grenzeinfälle  (der  Chatten  in  römisches  gebiet) 
MoMMSEN  röm.  gesch.  5,  136.  —  grenzeisen,  n., 
bestandtheil  der  guszform  beim  geschützgusz :  die  kern- 
stange  .  .  wird  mit  leinöhl  .  .  wohl  bestrichen  gerade 
eingesetzt,  und  damit  sie  nicht  weichen  kan,  oben  am 
verlohrnen  köpf  durch  das  gräntzeisen  befestiget,  wel- 
ches nach  geschehnen  gusse  durch  die  stählerne  säge 
wieder  abgeschnitten  wird  Fleming  vollk.  teutsche 
Soldat  60;  nach  der  prob  musz  man  um  das  grentz- 
eisen  zusehen,  ob  es  sich  nicht  aufgemachet  Gruber 
mathem.  friedens-  u.  kriegs-lust  433;  auch  ein  bestand- 
theil der  form  beim  glockengusz  Prechtl  technolog. 
encyclop.  7,  95.  —  grenzemporium,  n.,  handelsstätte 
an  der  grenze:  (die  grenzsäule),  von  welcher  in  einer 
entfernung,  auf  beiden  selten,  von  120  klafter  erst  die 
grenz-emporien  erbaut  wurden  Ritter  erdkunde  3, 190; 
ohne  zweifei  war  die  landschaft  schon  einigermaszen 
bebaut  .  . ,  als  das  latinische  grenzemporium  (sc.  Rom) 
an  der  Tiber  entstand  Mommsen  römische  geschichte 
1,  47. 

GRENZEN,  vb.     limitare,  finitimum  esse. 

die  form  zeigt  die  bei  grenze  beobachteten  Verschieden- 
heiten: in  ältester  gesialt  greniczen,  grenitzen  (preusz. 
seit  dem  14.  jh.,  schles.,  süddeutsch  bis  gegen  ende  des 
16.  jhs.,  s.  u.  1,  2  b) ;  daneben  gräni(t)zen  (bair.,  schwäb., 
s.  u.  2  G  a,  3);  selten  granitzen  (sy  haben  im  ain  basz 
eingenomen,  der  mit  in  granitzt  hatt  briefe  u.  acten- 
stücke  z.  gesch.  Maximilians  313) ;  grainitzen  (die  Oester- 
reicher  grainitzen  jenseits  mit  Ungern,  und  diszseits 
mit  Böhm  und  Bayrn  Äg.  Albertinus  landstörzer  [i6i6] 
469) ;  grintzen  (herrschaften,  so  .  .  alle  zu  samen  grintzen 
ScHiCKHARDT  nach  FiscHER  schwäb.  3,  826). 

l)  transitiv:  begrenzen,  abgrenzen;  der  ursprüngliche 
gebrauch,  der  erst  im  16.  jh.  von  dem  intransitiven  zu- 
rückgedrängt wurde;  noch  im  17.  jh.  bei  den  lexicographen 
dominierend;  bis  in  die  jüngste  zeit  möglich,  wenn  auch 
nur  in  poetischer  spräche:  lim,itare  czechen  oder  greni- 
czen Diefenbagh  3301>  (hd.,  anfang  15.  jh.) ;  m^tari  gre- 
niczin  nov.  gloss.  252''  (vocab.  von  1420) ;  limitatus  gegre- 
niczt  235'»  (ib.);  limitare,  limitibus  distinguere  grentzen, 
unterscheiden,  austeilen  Bas.  Faber  thesaurus  (i587) 
452*;  grentzen,  unterscheiden,  untermarcken  terminare, 
definire,  determinare,  circumscribere  Henisch  1740;  ähn- 
lich Stieler  694;  dagegen:  angrenzen,  anstossen,  an- 
reinen finitimum  esse,  confinem  esse,  attingere  Henisch 
1740,  von  Stieler  694  übernommen;  vgl.  th.  1,357;  vorbaz 
neme  wir  ouch  us  .  .  andir  hüben  sechse  .  .  dy  uns  dy 
burger  von  Marienwerder  gegebyn  und  gegreniczt  haben 
Voigt  cod.  dipl.  Pruss.  2,  208  (urk.  von  1336);  vgl.  das 
volck  czu  gancze  Preusenlanden ,  vorgreniczt  mit  der 
regel  der  erbarkeyt  (Prusie  populus  honestatis  regula 
limitatxis)  geometria  Culmensis  13  "^  Mendthal; 


149 


GRENZEN 


GRENZEN 


150 


du  hast  in  dem  umbkraysz  .  .  . 

verbrämend  mit  dem  meer  das  land, 

verblümend  auch  das  meer  mit  des  lands  grünem  rand 

das  ein  und  ander  land  gegräntzet 

Weckherlin  1,  354  Fischer; 

Weckherlin  liebt  diese  Verwendung,  vgl.  1,427.  2,82 
und  unten; 

kein  lorbeer  gränzt 
das  braune  haar  Lessing  3,  371 ; 

am  heitern  weinumkränzeten  gestade 
des  Lemans,  den  die  ros'gen  gletscher  gränzen 

Zach.  Werner  2i.  febr.  (1815)  8; 
noch  stand  der  abend  vor  dem  schwarzen  tor, 
den  letzten  dämmer  grenzten  graue  ringe 

LiLiENCRON  werke  (1904)  11,200; 

aber  ganz  fern  .  .  grenzte  ein  goldener  .  .  streifen  den 
himmel  und  den  see  E.  Zahn  helden  des  alltags  (i907) 
106;   öfter  mit  dem  nelensinn  des  einschränkens : 

von  ost  zu  west  .  .  . 

soll  nichts  das  wehrte  lob  und  ehr 

des  höchsten  namens  gräntzen 

Weckherlin  1,  375  Fischer;  vgl.  1,  350; 
und  in  der  mitte  dieser  herrlichkeiten, 
die  keine  gränze  gränzt,  kein  maasz  und  ziel  beengt,  .  . 
hat  er  die  erde  aufgehängt 

Claudius  Asmus  omn.  sua  sec.  portans  5,  39; 
mit  adverb: 

grunzet  es  weit,   das   blutige  recht  {des  krieges);  nicht 

die  nothwehr 
hab'  es  allein!  Klopstock  öden  2,  45  Muncker; 

in  älterer  spräche  vereinzelt  mit  den  präpositionen  mit 
und  an,  die  bei  intransitivem  gebrauch  fest  geworden 
sind:  die  hernochgeschrebenen  darfer  .  .  in  allen  iren 
greniczen,  wy  die  mit  andern  umbgelegenen  darfern 
gegreniczt  sein  lehnsurk.  u.  besitzurk.  Schlesiens  2,  244 
(a.  1416); 

Zucht  und  schäm  war  an  der  stiren, 
darneben  thet  sie  auch  fein  zieren 
ein  edel  par  göttlicher  tugent  .  .  . 
verstand  und  messigkeit  also 
gegrenitzt  an  die  andern  zwo 

D.  Federmann  sechs  triumph  (1578)  174; 

ganz  ve^-einzelt  im  sinne  'berührung  haben  mit'  bei  Her- 
der, der  das  verb.  überhaupt  sehr  eigeninllig  gebraucht 
{s.  u.  2) :  {eine  kritik)  mit  dem  so  lange  abgelebten  spotte 
über  eine  gewisse  gattung  von  theologen  begleitet,  die 
herrn  Klotz  wenigstens  nicht  gränzen  werke  3,  449. 

2)  intransitiv ;  nur  selten  absolut,  ohne  ergänzendes  ob 
ject,  mit  schwankender  bedeutung :  die  grenzen  erstrecken: 

da  ist  kein  reich,  kein  land  .  .  . 

so  weit  Europa  gränzt,  woselbst  du  nicht  gewesen 

König  gedichte  (1745)  4; 

die  regierung  vieler  köpfe  taugt  nichts  in  einem  so  weit- 
grenzenden Staate  Wieland  19,  85  Hempel;  alle  pro- 
vinzen  dieses  weitgrenzenden  reiches  ib.  107;  an  der 
grenze  sich  befinden: 

wer  gräntzt  und  ferne  wohnt,  wer  von  dem  schlusz  wird 

hören, 
wird  beyder  (fiirsten)  macht  mit  ernstem  schrecken  ehren 
Gryphius  trauersp.  189  Palm; 

angrenzen,  übertr.  hereinspielen:  so  gibts  in  jeder  der 
künste  ein  .  .  handwerksmäsziges:  und  auf  der  andern 
Seite  ein  fremdes  wissenschaftliches,  was  aber  nur  von 
fern  gränzt  Herder  4,  167;   sewie  grenze  haben: 

stürmst  du  {meer),  uns  zu  verderben?  nein;  hier  gränzt  ja 

dein  reich: 
hier  sprach  der  herr  der  erden,  hier  wellen,  brechet  euch  1 
Dusch  verm.  werke  (1754)  Gl; 

mehrfach  eigenartig  bei  Klopstock: 

jenseit  ist  das  der  höhe  die  gränzt  (ßie  grenze  bildet) 

Oden  2,  49  Muncker  ; 
ach  wenn  doch  in  der  endlichkeit  räum  die  erkenntnisse 

gränzten, 
diesz  geheimnis  zu  fassen  (an  die  möglichkeit  der  erfassung) 

Messias  (1780)  153; 

in  der  regel  verlangt  das  intransitive  verb.  zwei  compo- 
nenten,  von  denen  die  zweite  selten  durch  abhängigen 
casus,  meist  durch  die  präpositionen  mit  und  an  gegeben 
mrd;  andere  präpositionen  sind  ganz  vereinzelt:  die 
gegend  {Tirols),  welche  gegen  Salzburg  und  Kärnten 
grenzet  Adelung  magazinf.  d.  deutsche  spräche  2,  l,  124; 
betrachtungen  über  das  elend  des  ganzen  menschlichen 
zustandes  gränzen  zu  sehr  in  das  gebiet  des  philosophi- 
schen gedichts,  um  blos  elegie  zu  werden  Herder  i,  480. 


a)  grenzen  mit  dativ,  anscheinend  nur  in  Verbindung 
mit  nahe :  biss  sie  {die  kriegsflamme)  endlich  nicht 
allein  gantz  Teutschland  ergriffen  .  .  sondern  auch  be- 
nachbarten königen  .  .  so  nahe  gegrentzet  Chemnitz 
schtved.  krieg  (1648)  i,  3;  die  auf  eben  dieser  classe  gantz 
unten  sitzen  und  den  mittelmäszigen  köpfen  so  nahe 
als  jene  den  groszen  gränzen  Hippel  über  die  ehe  (1774) 
139 ;  die  mehrheit  entschied  für  die  letztere  {preisschrift), 
doch  mit  dem  zusaz,  dasz  die  deinige  ...  an  innerer 
vortrefflichkeit  ihr  so  nahe  gränze,  dasz  Schiller 
briefe  l,  200. 

b)  grenzen  mit  im  älteren  nhd.  vorherrsche7id,  erst  im 
18.  jh.  von  grenzen  an  zurückgedrängt;  gemäsz  der  be- 
deutung  des  grundwortes  {vgl.  grenze,  sp.  128)  besonders 
bei  politischen  gebilden :  Zidon  und  Tyrus,  welche  grentzen 
mit  Galilea  Luther  7,  343  Bindseil;  im  alem.  des  16.  jhs. 
noch  des  erklärenden  parallelausdruckes  bedürftig  (vgl. 
grenze,  sp.  126/.) :  Teutschland,  das  mit  Sicilia  grenitzet 
oder  anstoszet  Eppendorfp  Plinius  (1543)  8,  49;  denn 
Äsers  stamm  grentzet  mit  dem  gebirge,  und  stösset  an 
den  berg  Lybanon  Mathesius  Sarepta  (l57l)  ii^;  gegen 
mittag  aber  gränzen  mit  Oesterreich  die  herzogthümer 
Steyr  und  Kärndten  Birken  verm.  Donau-strand  (1684)  47; 

denn  uns're  guter  grenzen  mit  den  seinen 

Raupach  dram.  iverke  ernster  gattung  8,  55; 

{er  schritt)  heimwärts  auf  Wolfshau  zu,  wo  seine  förster- 
wohnung  mit  der  der  Menzschen  stellmacherei  grenzte 
Fontane  I  6,  13;  von  jeher  gern  mit  persönlichem  sub- 
ject  und  object:  Madian  aber  sind  yhr  nachpaurn  und 
grentzen  mit  yhn  an  dem  roten  mehr  Luther  lO,  l,  i, 
552  Weim.;  die  kunst  der  mit  den  Hetruriern  gränzen- 
den  Völker  Winckelmann  werke  3,  227;  die  Verhältnisse 
bei  den  kleinen  leuten  und  bauern,  mit  denen  er  {der 
graf)  grenzte  Polenz  Büttnerbauer  2,  204;  mannigfach 
übertragen : 

seine  (des  parficips)  sechs  stück  und  accidentzen 
mit  nomine  und  verbo  grentzen 

Gilhusius  grammatica  (1597)  4,  6,  123; 

so  wie  seine  Wahrheiten  sich  zwischen  philosophie  und 
gemeine  beobachtungen  stellen,  so  gränzt  auch  sein  Vor- 
trag mit  genauigkeit  und  aufwand  Herder  l,  223;  {Herder 
spricht  von  einer  uneinheitlichen  liedersammlung :)  ich 
glaube  doch  nicht,  dasz  .  .  Sicilien  mit  Johann  Sobieski 
und  dieser  mit  Peter  gränzet  {berührtmg  hat)  i,  818;  ihre 
Verachtung  wird  von  denen  mit  ihnen  gränzenden  stän- 
den mit  Verachtung  erwiedert  Lenz  3,  lll  Tieck;  die 
natur,  die  unmittelbar  mit  der  Schöpfung  grenzte,  war 
so  ungebildet  als  möglich  Kant  (1867  jf.)  8,  266;  verstärkt 
durch  nahe,  später  dicht:  wenn  euer  land  .  .  nicht  so 
nahe  mit  der  barbarei  gränzete  Fleming  deutsche  ged. 
1,  86  Lappenberg ;  dieses  geschlecht  der  geschöpfe  {die 
thiere)  gränzet  .  .  nahe  mit  dem  unsrigen  Breitinger 
crit.  dichtk.  (i740)  1,  201;  eine  unendliche  menge  stufTen 
steiget  .  .  hinauf  bisz  zu  derjenigen,  die  .  .  mit  denen 
wesen  von  dem  höhern  rang,  der  auf  die  menschen 
folget,  am  nächsten  gräntzet  Bodmer  abhandl.  v,  dem 
wunderbaren  (l740)  9; 

der  mächtge  reiche  graf  von  Huth 
grenzt  dicht  mit  Thörlings  hufengut 

Kretschmann  2,  253. 

c)  grenzen  an. 

a)  im  ursprünglichen  gegenständlichen  sinn;  am,  frühe- 
sten obd.;  im  16.  jh.  sind  belege  noch  spärlich:  die  Römer 
sind  in  Teutschlandt  ausz  (iallia  gefallen,  das  bisz  an 
Rhein  grenzet  Seb.  Franck  Germ,  chron.  (l538)  17»;  dasz 
sie  {die  bauern)  nit  allein  Würtzburg,  sonder  alle  fräncki- 
sche  fursten,  als  Bamberg  .  .  .  und  alle  die,  so  allent- 
halben daran  gränizen  .  .  wurden  vertreiben  Baumann 
quellen  zur  geseh.  d.  bauernkriegs  in  Oberschwaben  591; 
Histria  .  .  gräntzet  auch  an  obgeschribne  sclavonische 
länder  Stumpf  Schivytzerchron.  (1606)  7^;  im  königreich 
Ungarn  und  andern  an  die  Türekey  grentzenden  landen 
Prätorius  abentheuerl.  glückstopf  {1669)  35i;  Naumburg 
gränzet  an  Thüringen  Stieler  694;  erst  im  18.  jh.  tritt 
die  Verbindung  gleichberechtigt  neben  grenzen  mit,  m»« 
diese  im  19.  jh.  zu  verdrängen;  noch  für  Adelung  sind 
beide  Wendungen  gleichwerthig   wo.  2,  778 ;    auch  bildlich : 

10* 


151 


GRENZEN 


GRENZEN 


152 


der  Weisheit  kleines  reich  gränzt  an  der  thorheit  land 

Cronegk  Schriften  (1766)  2, 111 ; 
eigen: 

zwey  ziele  gränzten,  wo  sich  der  blick  verlor, 

dort  an  die  laufl^ahn    Klopstock  öden  1,10%  Muncker; 

wie  grenzen  mit  viit  persönlichem  subject:  die  an  Frank- 
reich gräntzen,  als  wie  die  Lothringer,  kommen  den 
Franzosen  ziemlich  bey  Fleming  vollk.  teutscJie  soldat 
(1726)  40;  in  Sachsen,  an  das  wir  grenzten  Laube  l,  8; 
zu  beachten  ist,  dasz  der  ausdruck  im  älteren  nhd.  be- 
schränkt ist  auf  das  aneinanderstoszen  politischer  bezirke; 
erst  mit  der  2.  hälfte  des  18.  jhs.  stellt  sich  eine  freiere 
Verwendung  ein:  Karolinens  gemach  grenzte  .  .  an  ein 
zufällig  leeres  Holtei  erzähl,  sehr.  3,  41 ;  seine  stallung 
nämlich  grenzt  an  die  gartenmauer  unseres  hoteis  Laube 
15,  124;  ein  ort  .  .  . ,  wo  in  der  erde  zwei  an  einander 
grenzende  spalten  gewesen  Schleiermagher  Piaton  6, 
514;  ihr  {der  nase)  oberes,  an  den  nasentheil  des  Stirn- 
beins grenzendes  ende  Sömmerring  bau  d.  menscht,  kör- 
pers  5,  600;  die  erste  mondsichel  scheint  einer  gröszern 
Scheibe  anzugehören,  als  der  an  sie  gränzenden  dunkeln 
GÖTHE  II  1,7  Weim.;  die  ränder  zeigen  färben,  weil  licht 
und  schatten  an  denselben  aneinander  gränzet  II  5,  l; 
die  luft  nämlich  .  .  hat  da,  wo  sie  an  die  ferne  gränzt, 
unzählige  kleine  risse  gewonnen  {beschreibung  eines  ge- 
mäldes)  IV  37,  38;   noch  freier  in  poetischer  spräche: 

ihr  {der  tugend)  tempel  ist  ein  trauerzimmer, 

es  gränzt  ein  sarg  an  ihren  thron 

Gottsched  gedickte  (1751)  123; 

mich  selbst  schlosz  er  in  eine  finstre  gruft, 
die,  schwarz  und  tief,  ans  reich  der  schatten  grenzte 

Schiller  15,  1,  56; 

hoch  überm  niedem  erdenleben 
soll  sie  (ßie  glocke) .  .  schweben 
und  gränzen  an  die  sternenwelt  11,  319. 

ß)  ins  unsinnliche  übertragen;  erst  seit  der  2.  hälfte 
des  18.  jhs.;  gewisse  begriffsgruppen  u-erden  deutlich  be- 
vorzugt: {Vergil  wählte  zu  seinem  epischen  gedieht)  einen 
stoff,  der  an  die  fabelhaften  zelten  gräntzte  Ramler 
einl.  in  d.  schön,  wissensch.  2,  189;  fabeln  .  .,  die  sich  .  . 
ihrer  ans  epigramm  grenzenden  Innern  art  wegen  er- 
halten haben  Herder  15,  221 ;  dasz  ihre  prosa  allzusehr 
an  die  poesie  gränzet  Abbt  vertn.  werke  3,  110;  findet 
mehr  ruhige  betrachtung  statt,  so  entsteht  die  epistel, 
die  durch  die  satyre  an  das  epische  grenzt  Solger 
vorles.  über  ästhetik  (l829)  302;  oder  ganz  abstract:  es 
giebt  fehler,  die  so  nah  an  die  tugend  gränzen,  dasz 
Gerstenberg  recensionen  78  Fischer;  die  leiden  der  tu- 
gend gräntzen  .  .  an  die  strafen  des  lasters  Lichten- 
berg nachlasz  80;  die  höhlung  in  der  mitte  der  aug- 
braunen .  .  zeigt  bescheidenheit  und  schäm  an,  die  nah 
an  geheimen  edlen  schmerz  gränzt  Lavater  physiogn. 
fragmente  l,  202; 

die  höchste  Weisheit 
gränzt  hier  so  nahe  an  den  höchsten  wahn 

Schiller  12,  207; 
an  des  lebens  schönstes  glück 
gränzet  manches  leiden 

Becker  müdheim.  liederbuch  50; 
so  nahe  gränzet  oft  die  schwermuth  an  die  freude 

J.  A.  Schlegel  verm.  ged.  2,  262; 

daneben  mannigfach  anders;  der  ausdruck  hat  mit  dem 
19.  jh.  an  Vielseitigkeit  der  Verwendung  verloren:  die 
würkung,  die  die  abenddämmerung  hervoi'bringt:  schwer- 
müthige  ruhe,  die  an  thränen  gränzt  Miller  gedickte 
(1783)  anhang  443;  dasz  lange  nachher  seine  (Deutsch- 
lands) kriege  so  oft  nahe  an  pfaffenstreitigkeiten  und 
bischofsvorzüge  gränzten  Herder  3,  469;  an  dieses  ge- 
schlecht (das  katzengeschlecht)  gränzt  unter  den  raub- 
thieren  .  .  .  der  fuchs  Göthe  37,  350  Weim.;  einen  .  .  . 
stein,  der  an  marmor  gränzt  IV  4,  145;  charakteristische 
(tanze)  grenzen  an  eine  objektive  kunst  I  47,  304;  dein 
leben  macht  eine  plötzliche  pause,  die  zunächst  an  das 
nichtsein  gränzt  Schiller  2,  183;  damit  das  ewige  un- 
endliche herz  die  kleinen  an  asche  gränzenden  nehme 
und  heile  und  wärme  Jean  Paul  7/l0,  115  Hempel;  dasz 
ein  weih,  das  an  die  fünfzig  grenzet,  für  die  liebe  zu 
reif  ist  Ayrenhoff  3,  232;  in  ihrer  einfalt  und  mannig- 
faltigkeit .  .  grenzt  sie  (die  bestimmung  des  landmannes) 
zunächst  an  die  sage  von  dem  paradiese  Stifter  sämtl. 


tverke  3,  216;  aber  alles,  was  an  getreibe  grenzt,  macht 
ihn  durchaus  confus  und  unglücklich  Droste- Hüls- 
hoff briefe  an  L.  Schücking  293 ;  bisweilen  im,  sinne  'er- 
reichen, heranlangen': 

sprich,  dasz  auf  diesem  groszen  rund  der  weit 

kein  elend  an  das  meine  gränze  Schiller  5,  26; 

dies  scheint  .  .  .  der  zauber  zu  seyn,  der  uns  bei  ihm 
in  der  heitern  Stimmung  erhält,  welche  fast  an  die 
grenzt,  die  uns  .  .  Cervantes  bereitet  Solger  nachgel. 
Schriften  u.  briefw.  1,  101 ;  mit  persönlichem  subject  oder 
object: 

dein  platz  ist  nicht  gering;   er  ist  voll  mängel, 
und  gränzt  ans  thier,  doch  gränzt  er  auch  an  engel 

Zachariae  poet.  sehr.  5, 189; 

ein  mann,  der  gegen  die  götter  streitet,  grenzt  an  Wahn- 
sinn Herder  23,  361;  ihr  mann  ein  guter  Schauspieler, 
an  das  chevalierfach  grenzend  Göthe  III  2,  51  Weim.; 
wie  soll  ich  euch  genug  mit  ehr'  und  lieb'  umfassen, 
die  ihr  .  .  durch  blut  und  stand  an  jene  beiden  gränzt, 
die  ich  von  eitern  her  verehre  I  39,  357; 

und  meiner  mutter  stamm  gränzt  an  den  thron 

Zach.  Werner  söhne  d.  thales  (1803)  1,  248; 

damit  aber  meine  leser  ja  nicht  .  .  an  den  gedanken 
gränzen,  als  ob  mein  vater  auch  nur  stillschweigend 
eine  Unwahrheit  verübt  Hippel  lebensläufe  1,  56. 

y)  klar  vom  vorigen  unterschieden  ist  ein  gebrauch, 
der  die  annäherung  eines  zustandes  an  sein  extrem  be 
zeichnet:  zu  einer  an  die  mathematische  evidenz  grän- 
zenden gewiszheit  ist  wenig  zu  bringen  Hippel  kreuz- 
u.  querzüge  l,  329;  die  bis  an  gänzliche  Unmöglichkeit 
gränzende  Schwierigkeit  den  chor  .  .  so  sehr  von  den 
schauspielern  zu  trennen  W.  v.  Humboldt  aufsätze  üb. 
d.  Mass,  alterthum  87  Leitzmann;  hatte  das  tabernakel 
.  .  seine  fast  an  kahlheit  grenzende  Schlichtheit  einge- 
büszt  Fontane  I  6,  205;  vgl.  bei  allen  arten  (des  läppen- 
tauchers)  ist  die  färbung  .  .  ein  .  .  an  schwarz  grenzen- 
des braun  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  9,  671;  der  ge- 
brauch entwickelt  sich  in  der  2.  hälfte  des  18.  jhs.  und 
gewinnt  im,  19.  weite  ausdehnung;  hauptsächlich,  wo  das 
maszlose,  übertriebene  eines  geistigen  zustandes,  einer 
eigenschaft,  besonders  eines  affects  bezeichnet  werden  soll: 
mein  gefühl  für  sie  gränzt  nun  an  Wahnsinn  Klinger 
werke  i,  33;  dasz  einige  freunde  sich  jetzt  auf  eine  art 
betragen  die  nah  an  den  Wahnsinn  gränzt  Göthe  IV 
10,  174  Weim.;  gern  participial:  an  Wahnsinn  grenzende 
vermessenheit  Lichtenberg  verm.  Schriften  4,  26;  fast 
an  blödsinn  grenzende  geistige  beschränktheit  Steffens 
was  ich  erlebte  2,  38;  an  geisteskrankheit  grenzende  Un- 
fähigkeit BiSMARCK  gedank.  u.  erinn.  2,  281  volksausg.; 
exaltation  die  an  narrheit  grenzt  B.  v.  Arnim  frühlings- 
kranz  (1844)  27;  in  einer  sorge,  die  ganz  nahe  an  Ver- 
zweiflung gränzt  Göthe  IV  19,  I66  Weim.;  sein  vertrauen 
auf  gott  gränzte  dicht  an  den  Wunderglauben  Schubart 
lebe7i  u.  gesinnungen  2,  67;  freilich  grenzte  seine  frei- 
gebigkeit  nah  an  Verschwendung  Meiszner  Alcibiades 
1,  215;  eine  an  geiz  grenzende  Sparsamkeit  Spielhagen 
1,  29;  hierher  auch:  das  gränzt  an's  wunder  Göthe  45, 
69  Weim.;  könnte,  dürfte  man  zweifeln  .  .,  so  wäre  es 
hier,  denn  die  sache  gränzt  an's  wunder  Tiegk  Schrif- 
ten 19,  119;   vgl.  hierzu  unten  d". 

S)  gern  regiert  an  das  substantivierte  neutr.  eines  ad- 
jectivs;  die  Wendungen  fallen  m^ist  in  die  unter  y  ge- 
kennzeichnete richtung:  ein  bild,  das  .  .  bei  natürlichen, 
selbst  an's  rohe  gränzenden  gegenständen  .  .  die  anfange 
der  Sittlichkeit  zur  spräche  bringt  Göthe  49,317  Weim.; 
seine  bescheidenheit  war  so  grosz,  dasz  sie  in  der  stimme 
sogar  an  das  klägliche  grenzte  Lichtenberg  verm.  sehr. 
1,  203;  die  zahl  der  sterne  häuft  sich  mit  jedem  neuen 
blick  .  .  und  gränzt  .  .  an  das  unendliche  F.  Th.  v.  Schu- 
bert verm.  Schriften  1,5;  mit  einer  arroganz,  die  — 
manchmal  an  das  edle  zu  gränzen  scheint  Iffland 
theatral.  werke  3,  156;  doch  auch  anders:  sein  kirchen- 
styl  gränzt  sehr  ans  erhabene  Sghubart  ästhetik  d.  ton- 
kunst  209;  ehe  ich  mich  versehe,  bauz!  ein  ausdruck, 
der,  möchte  man  sagen,  beinahe  an's  poetische  gränzt 
Tieck  Schriften  10,  320;  die  ganze  art  dieses  liebes- 
verhältnisses  gränzt  übrigens  fast  an  das  possierliche 


153 


GRENZENFREI,  GRENZENLOS 


GRENZENLOS 


154 


PÜCKLER  hriefw.  u.  tageb.  4,  135;  sehr  ausgebreitet  in 
Wendungen  ivie:  ein  bis  ans  wunderbare  gränzendes 
sammlerglück  Göthe  46,  il  Weim.;  ein  Wahnsinn,  der 
an  das  unglaubliche  gränzt  W.  v,  Humboldt  ges.  sehr. 
i,  192;  es  gränzt  an  das  unglaubliche,  und  doch  war  es 
so  Häusser  deutsche  geschichte  2,  e02;  das  Unglück,  das 
die  glasperlen  verfolgte,  grenzte  ans  märchenhafte  Eb- 
NER-EsciiENBACH  4,  315;  umgekehrt:  und  dem  groszen 
magnaten  und  gastwirt  blieb  nichts  anders  übrig,  als 
das  unerhörte  abermals  so  begreiflich  zu  finden,  dasz 
es  ans  triviale  grenzte  Keller  4,  209;  vgl.  oben  y  schlusz. 
e)  nicht  ganz  selten  steht  im  17.  18.  jh.  der  dativ  nach 
an ;  wohl  einwirkung  von  grenzen  mit :  Augspurg  gräntzet 
am  Bayriand  Henisch  1740;  (schauspiele)  die  an  der  natur 
eines  divertissement  gränzen  schlestv.  litteraturbr.  159 
lit.-denkm.; 

du  gränzest  an  den  finstemissen 
Tinlieilbarer  melancholei 

Götter  gedickte  1,  223; 

beyde  .  .  saszen  an  einem  kleinen  tisch,  der  an  unserer 
tafel  gränzte  Hippel  lebensläufe  4,  537. 

d)  die  bei  intrans.  gebrauch  nothwendige  doppelheit  der 
vom  verbum  bestim,mten  begriffe  kann  auch  durch  plu- 
ralisches oder  mehrgliedriges  subject  gegeben  sein;  eine 
junge  und  verhältnismäszig  seltene  ausdrzicksweise,  die 
aber  doch  wohl  selbständig,  nicht  durch  ellipse  von  an- 
einander 0.  ä.  zu  erklären  ist:  unsere  Wohnungen  gränz- 
ten  so,  dasz  wir  uns  alle  tage  am  gartengeländer  sehen 
muszten  Bahrdt  gesch.  s.  lebens  2,  177;  sie  sind  nun 
schon  drei  jähre  witwe;  unsere  guter  grenzen  Raupagh 
dram.  werke  kam.  gattung  1,  149;  ihr  vater  und  wir  grenz- 
ten mit  der  flur  Freytag  13,  26;  überhaupt  grenzen 
nach  jener  fabel  des  Sokrates  schmerz  und  wohllust 
Herder  5,  9;  so  grenzen  bestimmung  und  unbestim- 
mung,  gewiszheit  und  ungewiszheit  Hippel  10,225;  vgl. 

dort  ist's,  wo  unsre  landmark  und  die  eure 
zusammengrenzen  Schiller  Teil  730. 

3)  reßexiv;  selten  und  verschiedenartig  gebraucht,  wo 
gewöhnlich  das  intransitivum  steht:  wie  weit  sich  das 
Bairnland  vor  zelten  gestreckt  und  gegränitzt  hat  Aven- 
TiN  1,  124,  11;  Medien  das  königreich,  so  .  .  von  westen 
sich  mit  gros  Armenien  und  Assyrien  gränizt,  von  süden 
mit  Persien  4,  353,  13; 

bis  wo  sich  erd'  und  himmel  grenzet 

Kretschmann  6,  247; 
0  wie  schön 
sich  seyn  und  nichtseyn  grenzen 

Herder  25,  389. 
GRENZENFREI,  adj.: 

du  gehst,  stolz  auf  die  gesellschaft 
rings  um  dich  glänzender  götterweiten,  im  hellen  gesiebte 
einer  unendlichen  zukunft  mit  taumelnden  lustvollen 

blicken 
grenzenfrey  schweifend       Wieland  2,23  akad.  ausg.; 

unter  einflusz  von  grenzenlos  stehende  bildung. 

GRENZENLOS,  adj.,  seltener  grenzlos  (s.  u.  3);  in  der 
1.  hälfte  des  18.  jhs.  aufgekommen. 

l)  zunächst  in  wörtlichem  verstände:  keine  grenzen 
habend,  unbegrenzt,  unendlich,  grenzenlos  vermischt  sich 
im  18.  jh.  im  gebrauche  weithin  mit  unbegrenzt  {s.  d.), 
während  die  jüngere  spräche  differenciert  und  für  die  in 
rede  stehende  Verwendung  unbegrenzt  hier  und  da  hat 
vorrücken  lassen. 

a)  bei  räumlicher  ausdehnung  jeder  art:  dieser  unend- 
liche geist  ist  demnach  in  allen  theilen  des  gränzen- 
losen  raumes  wesentlich  zugegen  Gottsched  neueste 
aus  d.  anmuth.  gelehrsamk.  3,  591; 

sein  blick  durchspäht  bald  gränzenlose  Sphären 

Löwen  Schriften  (1765)  1, 101 ; 

{die  astronomischen  entdeckungen)  wandelten  die  erde  .  . 
in  einen  der  kleinsten  theile  des  grenzenlosen  Weltalls 
um  LoTZE  mikrokosmus  1,  xi;  auch  vom  Zeitraum: 

die  lange  gränzenlose  zeit  enthüllt 

was  dunkel,  und  verbirgt,  was  strahlend  ist 

grafen  Stolberg  14,  203; 

grenzenlose  ewigkeit  Lenz  ged.  178  Weinhold;  in  solche 
gränzenlose  weiten  wollen  wir  uns  nicht  verlieren  Göthe 
25,  180  Weim.; 


schaut  in  die  gränzenlose  ferne! 

J.  Ä.  Schlegel  verm.  gedickte  1,  2; 
wie  in  unendlichen  und  gränzenlosen  höhen 
der  himmel  lüfte  sich  in  tausend  wirbeln  drehen 

Schwabe  belustigungen  4,  335; 
nun  des  entbundnen  geistes  schwingen 
durch  dreyer  himmel  gräntzen-lose  kreyse  dringen 

PiETscH  geb.  Schriften  (1740)  248; 

der  plötzliche  anblick  des  freien  grenzenlosen  himmels 
EiGHENDORFF  2,  14;  der  wind  verwehte  seine  Worte  in 
die  grenzenlose  luft  2,  210;  siehst  du  den  grenzenlosen 
äther  Wieland  Lucian  (1788)  2,  408;  das  grund-  und 
grenzenlose  meer  der  ewgen  liebe  Brogkes  ird.  ver- 
gnügen 8,8;  den  gränzenlosen  ocean  A.  W.  Schlegel 
9,  17 ;  Kublai  Chan,  der  .  .  gränzenlose  landstrecken  be- 
herrschte Göthe  7, 185  Weim.;  grenzenlose  schneegefilde 
Kotzebu e  sämtl.  dram.  werke  i,  iq7  ;  die  sonne,  die  die- 
ses gränzenlose  reich  {Persien)  erhellet  Sammlung  von 
Schauspielen  {Wien  1764 jf.)  6,  Xerxes  l;  gern  übertragen: 

du  hast,  o  Gesnerl  in  der  brüst 
ein  gränzen-loses  reich  von  lust 

Hallbr  ged.  113  Hirzel; 
soll  gleich  den  freien  geist,  den  der  erhabne  flug 
ins  grenzenlose  reich  der  möglichkeiten  trug, 
die  gegenwart  mit  strengen  fesseln  binden 

Schiller  11, 13; 

der  ersatz  des  adj.  durch  unbegrenzt  in  dem  Schlagwort 
land  der  unbegrenzten  möglichkeiten  {th.  11 3,  286)  illu- 
striert die  Verschiebung  im  gebrauch  dieser  anfänglich 
ganz  synonymen  Wörter;  vgl.  wenn  jener  die  ganze 
grenzenlose  weit  des  möglichen  zu  freyem  gebrauch  vor 
sich  ausgebreitet  sieht  Wieland  Agathon  (1766/.)  l,  196; 
der  ältesten  zeit,  wo  .  .  die  weide  grenzenlos  war,  lag 
{als  tauschmittel)  nichts  so  nahe  wie  das  heerdenvieh 
MoMMSEN  reden  u.  aufsätze  247;  physicalisch  gesprochen: 
sie  {die  materie)  sey  dicht  oder  locker;  dunkel  oder  hell 
.  .  .;  klein  oder  gränzenlos  briefe  d.  neueste  litter.  be- 
treffend 18,  163;  vgl.  das  mathematische  unendliche  .  .  . 
sei  eine  grösze,  deren  grenzen  .  .  immer  weiter  .  .  hin- 
ausgesetzt werden  können,  ohne  jemals  ganz  aufgehoben 
zu  werden  und  eine  grenzenlose  grösze  zurückzulassen 
Mendelssohn  l,  2i6. 

b)  mannigfach  übertragen :  gebildet  ist  ein  werk,  wenn 
es  überall  scharf  begränzt,  innerhalb  der  gränzen  aber 
gränzenlos  ...  ist  Fr.  Schlegel  Athenäum  l^,  81;  die 
grenzenlose  Wiederholbarkeit  und  erhöhung  der  zahlen 
Humboldt  kosmos  s,  12; 

wie  soll  ich  hier  als  nur  gezwungen  schweigen, 
wo  grenzenloser  stoff  die  rede  nährt 

Göthe  16,  279  Weim. ; 

das  fast  gränzenlose  fach  der  thierzergliederungskunde 
SöMMERRiNG  bau  d.  menschl.  körpers  2,  xxiii;  wer  hätte 
es  nicht  erfahren,  dasz  eine  grenzenlose  ausbreitung 
seiner  empfindungen  diese  nur  schwäche  Herder  13, 
339;  ausschweif ungen,  die  er  sich  gränzenlos  erlaubte 
Schubart  leben  ti.  gesinnu7igen  i,  176;  eine  solche  grän- 
zenlose freiheit  genosz  sie  {die  komödie)  zu  Athen  Fr. 
Schlegel  pros.  jugendschr.  l,  13  Minor;  philosophen, 
welche  von  der  grenzenlosen  capacität  und  Unersätt- 
lichkeit ihrer  {der  seele)  begierden  so  viel  schönes  zu 
sagen  wissen  Wieland  Agathon  (1766/.)  l,  387;  aller- 
dings ist  Faust  ein  mensch,  der  seine  kraft  für  grenzen- 
los hält,  weil  sie  grosz  ist  Hebbel  I  9,  19;  jene  gren- 
zenlosen Projekte,  durch  die  er  {Carl  V.)  Europa  in  be- 
wegung  gesetzt  Zimmermann  über  d.  einsamkeit  l,  64; 
dasz  es  damals  für  unsere  grenzenlosen  wünsche  noch 
grenzenlose  hoffnungen  gab  Jean  Paul  3,  82  Hempel; 
o  könnt'  er  {Cäsar)  leben!  all  den  kühnen  gränzenlosen 
geist  und  nicht  seih  .  .  herz  hingeben!  Herder  28,  55; 
auch  von  gott: 

(gott)  beginnt,  begrenzt,  beschränkt  sich  selber, 
gränzenlos  zwar,  und  beginn-  und  endlos  16,  435 ; 

die  weit  .  .  ist  gegen  den  .  .  gränzenlosen  schöpfer  ein 
.  ,  Sandkorn  allg.  deutsche  bibl.  28,  17;  eigen:  noch  eine 
gränzenlosere  einsamkeit  als  die  meine  war  Thümmel 
reise  4,  127;  wohl  zu  verbinden  mit  beispielen  vne  gren- 
zenlose einöde  Ritter  erdkunde  2, 69i;  grenzenlose  leere 
MöRiKE  3,  64  Göschen;  das  Venusbild  .  .  .  sah  ihn  fast 
schreckhaft  mit  den  steinernen  augenhöhlen  aus  der 


155 


GRENZENLOS 


GRENZENLOS 


156 


grenzenlosen  stille  an  Eichendorff  3,  120;  die  schlage 
eines  heiles,  die  in  der  grenzenlosen  stille  nach  der 
Stadt  hinüber  schollen  Storm  (1899)  5,207;  die  nacht 
hat  etwas  zauberisches  .  .,  so  etwas  grenzenloses,  inni- 
ges, seliges  Heinse  5,  5;  über  die  .  .  schimmernde  erde 
legte  sich  die  grenzenlose  nacht  eines  tiefern  himmel- 
blaues herüber  Jean  Paul  5,  59  Hempel. 

c)  GÖTHE  hat  eine  ausgesprochene  Vorliebe  für  das  wort 
und  gebraucht  es  vielfach  ganz  ungewöhnlich:  du  würdest 
dich  verwundern,  die  gränzenlosen  fascikel  zu  sehen, 
die  immerfort  geheftet  werden  IV  33,  239  Weim. ;  die  hü- 
gel  .  .  zu  einem  grenzenlosen  hopfenbaue  benutzt  III  8, 
283;  das  grenzenlose  Spazierengehen  141^,  163;  gränzen- 
lose  mordthaten  waren  im  September  (1792  in  Frank- 
reich) geschehen  33,  79; 

da  bleibt  kein  rath  als  gränzenlose  thränen  3,  25; 

die  natur  füllt  mit  ihrer  gränzenlosen  productivität  alle 
räume  sehr.  d.  Oöthegesellsch.  21,  259;  ob  ich  gleich  über- 
zeugt bin,  dasz  ich  die  farbenlehre  wohl  gegründet,  so 
ist  doch  das  aufbauen  und  nutzbarmachen  gränzenlos 
IV  36,  74;  verzeihen  sie  mir  dasz  ich  nicht  mehr  sage, 
da  ich  unmittelbar  ein  gränzenloses  detail  vor  mir  sehe 
IV  42,  160 ;  dasz  die  entschiedene  Übereinstimmung  der 
machthaber  die  gränzenlose  majorität  der  öffentlichen 
meynung  wenigstens  für  dieszmal  überwand  IV  36,  61 ; 
selbst  in  der  elementaren  anwendung  auf  den  räum  bei 
ihm  bisweilen  eigenartig:  die  wir  breite  und  gränzenlose 
straszen  .  .  zu  erblicken  gewohnt  sind  I  49,  170; 
dergleichen  hängt  in  sälen  reih  an  reihe  fort, 
in  sälen,  gränzenlosen,  wie  die  weit  so  weit 

Faust  II  9043 ; 
gerade  in  dieser  dichtung  mehrfach:  6240.  6412.  10306;  vgl. 
ferner  I  4,  286.  6,  35.  38,  105;  II  l,  295.  6,  97;  IV  25,  275.  28, 
82.   29,  205. 

d)  das  substantivierte  neutr.  gern  poetisch: 

der  adler  strebt  hinan  ins  grenzenlose 

MöRiKE  1,  140  Göschen 
ich  sehe  des  meeres  tosen, 
drüben  im  grenzenlosen 
durchbricht  den  nebel  ein  schiff 

Hebbel  6,  271; 
übertragen : 

im  gränzenlosen  sich  zu  finden 
wird  gern  der  einzelne  verschwinden 

GÖTHE  3,  81  Weim. ; 
aber  laszt  die  Wirklichkeit  zurücke, 
reiszt  euch  losz  vom  augenblicke, 
und  kein  grenzenloses  schreckt  euch  mehr 

Schiller  11,  59; 
dann  aber  wird  die  seele  selig  schweben 
im  grenzenlosen  über  räum  und  zeit 

Freiligrath  4,  177; 
in  Wendungen  wie  ins  grenzenlose  gehen,  streben  auch 
prosaischer  spräche  gemäsz:  'man  musz  den  schönen 
trauen  nicht  gar  zu  viel  angewöhnen',  sagte  Goethe, 
'denn  sie  gehen  leicht  ins  grenzenlose'  Göthes  gespräche 
6,  15  Biedermann;  der  mann  strebt  seiner  natur  nach 
in's  allgemeine  und  grenzenlose  Spielhagen  2,  316;  den 
dichter  vor  dem  schweifen  ins  grenzenlose  behüten 
Scherer  litt.-gesch.  427;  zu  der  jüngeren  bedeutungs- 
richtung  neigen:  in  auszerordentlichen  krisen  steigerte 
dieser  druck  {militärischer  requisitionen)  sich  .  .  oft  ins 
grenzenlose  Mommsen  röm.  gesch.  2,  385;  die  ...  nähe 
des  kriegsschauplatzes  steigerte  .  .  die  furcht  ins  gren- 
zenlose reden  u.  aufsätze  338;  auch  in  der  umgangs- 
spraclie:  die  frechheit  geht  einfach  ins  grenzenlose 
Hauptmann  weber  (1892)  78. 

2)  jünger  ist  die  bedeutung:  alle  grenzen  überschrei- 
tend, maszlos;  rein  quantitierend ,  mit  starkem  emphati- 
schen gehalt,  deshalb  lieber  attributiv  als  prädicativ; 
diese  heute  vorherrschende  bedeutung  hat  sich  erst  ende 
des  18.  jhs.  voll  entfaltet;  hier  hat  unbegrenzt  weichen 
müssen. 

a)  mit  Vorliebe  von  menschlichen  leidenschaften  und 
empfindungen:  eine  gränzenlose  leidenschaft  für  äusseres 
ansehn  Göthe  40,234  Weim.;  grenzenlose  begierden  nach 
reichtümern  Wieland  Agathon  (i766/.)  2,  86;  grenzen- 
lose herrschsucht  Eichhorn  deutsche  Staats-  u.  rechts- 
gesch.  2,  55;    ich  kenn'  .  .  .  deinen  grenzenlosen  ehrgeiz 


Meissner  Alcibiades  l,  87;  gränzenloser  stolz  Bahrdt 
gesch.  s.  lebens  2,  170;  die  grenzenloseste  eitelkeit  For- 
ster 6,  65;  ein  gränzenloser  geiz  M.  J.  Schmidt  gesch. 
d.  Deutschen  4,  81;  zuletzt  war  mein  absehen  darüber 
gränzenlos  Haller  restaurat.  d.  staatsivissensch.  1 ,  69 ; 
ein  gränzenloser  hasz  gegen  Kotzebue  Göthe  IV  29,  29 
Weim.;  die  grenzenloseste  erbitterung  unter  dem  man- 
tel  der  demuth  versteckend  Mommsen  röm.  gesch.  2,  27; 
liebenswürdig  war  es  von  diesem  grenzenlosen  leicht- 
sinn,  dasz  er  Gutzkow  ges.  werke  4,  288;  mit  der  ihm 
eigenen  grenzenlosen  Willkür  Welcker  alte  denkm.  1,59; 
des  meisters  erstarrung  , .  war  um  so  grenzenloser  Raabe 
hungerpastor  (is&i)  1,131;  nach  gränzenloser  angst  Göthe 
24,  830  Weim.;  der  kardinal  (sei)  in  gränzenlose  furcht 
gerathen  Raumer  gesch.  d.  Hohenstaufen  4,  373;  grän- 
zenloser schmerz  theater  d.  Deutschen  (1768  jf.)  18,  292; 
ihre  Sehnsucht,  ihre  wehmut  überströmten  sie  grenzen- 
los A.  V.  Arnim  i,  172;  der  gränzenlose  kummer  Schil- 
ler 2,  169; 

sie  schien  in  starrer  ruh' 
am  grenzenlosen  jammer  sich  zu  weiden 

Chamisso  4, 136. 

wie  bei  schmerz  u.  ä.  besonders  gern  bei  freude,  liebe, 
vertrauen:  mit  gränzenloser  freude  Meissner  skizzen 
2,  167;  die  bethörte  seele  flatterte  in  grenzenloser  wonne 
umher  Wieland  3, 76  akad.  ausg.;  gränzenlose  lust  Kind 
ged.  5,  30;  sein  entzücken  war  grenzenlos  Immermann 
6,  101  Hempel;  von  den  wünschen  ihrer  grenzenlosen 
liebe  getäuscht  Wieland  Agathon  (i766/.)  i,  219;  gren- 
zenlose, treue  Zärtlichkeit  Knigge  Umgang  m.  menschen 
2,  112;  der  gegenständ  einer  gar  so  demutsvollen  und 
grenzenlosen  weiblichen  hingebung  Keller  4,  57;  die 
maasz-  und  gränzenlose  Schwärmerei  für  Byron  Hebbel 
I  12,  178; 

doch  fassen  geister,  würdig  tief  zu  schauen, 
zum  gränzenlosen  gränzenlos  vertrauen 

Faust  II  6118; 

ein  mann,  auf  den  ich  ein  grenzenloses  zutrauen  setzte 
H.L.Wagner  theaterstücke  (l779)  22;  briefschlusz :  ich  er- 
sterbe mit  gränzenloser  ehrfurcht  Schubart  briefe  2, 
128;  der  kammerherr  .  .  stammelte  etwas  von  seinem 
gränzenlosen  respekt  Alexis  ruhe  ist  die  erste  bürger- 
pflicht  (1852)  1,  336;  frau  von  Bcrkows  gute,  die  grenzen- 
los ist  Spielhagen  1,123;  ihre  gute,  sir,  und  ihre  freund- 
schaft  waren  immer  gränzenlos  für  mich  Klinger  werke 
1,  249;  laut  und  gränzenlos  war  die  dankbarkeit  des  ge- 
retteten NiEBUHR  röm.  gesch.  2,  319;  ich  musz  mich  auf 
gottes  gränzenloses  erbarmen  .  .  .  verlassen  Lavater 
verm.  sehr.  2,  88;  ich  empfand  ein  grenzenloses  mitleid 
mit  Anna  Keller  l,  419.  sehr  viel  seltener  von  mensch- 
lichen eigenschaften :  den  rühm  .  .  .  einer  grenzenlosen 
redlichkeit  Heinse  3,  287  Schüddekopf-  grenzenlose  rüh- 
rigkeit  Mommsen  röm.  gesch. '^s,  18;  man  setze  in  einem 
gemüth  .  .  die  reizbarkeit  der  seele  so  gränzenlos,  dasz 
Fr.  Schlegel  4,  125 ;  wiewohl  eben  seine  grenzenlose 
gravität  ihm  beinahe  noch  ein  komischeres  ansehen 
gab  E.  Th.  A.  Hoffmann  11,  1O8;  häufig  nur  in  fällen 
wie:  beobachtung  der  menschen  und  ihrer  grenzenlosen 
thorheit  S.  v.  Laroche /W.  v.  Stemheim  (i77i)  vorr.  viii; 
in  ihrer  grenzenlosen  Unwissenheit  Droste-Hülshoff 
br.  an  Levin  Schücking  194;  vgl.  erst  sagen  sie  den 
damen  so  gränzenlose  sottisen  Meisl  theatral.  quod- 
libet  2,  155;  den  grenzenlosen  unsinn  R.  Wagner  9,  184. 
b)  auch  von  zuständen,  und  zwar  bevorzugt  das  adj. 
hier  sehr  stark  substantiva  einer  ganz  bestimmten,  nega- 
tiven bedeutungsrichtung:  das  innere  gränzenlose  Unglück 
einer  stadt  Göthe  33,  294  Weim.; 

gott!  so  gränzenlose  noth 
verhängst  du  über  uns  I  9,  445 ; 

die  kurfürsten,  von  der  gränzenlosen  noth  des  Vater- 
landes gerührt  Hebbel  I  9,  196;  ohne  Emma  lag  ein 
grenzenloses  elend  vor  ihm  Tieck  Schriften  8,  342;  mein 
leichtsinn  hatte  mich  in  eine  grenzenlose  Verlegenheit 
gestürzt  Bauernfeld  4,  28;  eine  grenzenlose  Verwirrung 
Varnhagen  V.  Ense  tagebücher  6,  242;  dies  sehr  häufig; 
unsere  ekeln  sitten  zeugen  oft  nur  von  ihrem  grenzen- 
losen verderben  Forster  3,  300;  eine  grenzenlose  ver- 


157 


GRENZENLOS 


Wüstung  Fontane  Ii,  28i;  die  gränzenloseste  Vernach- 
lässigung der  spräche  deutsches  museum  hg.  von  Schle- 
gel 2,  266;  die  grenzenlose  nichtigkeit  der  oligarchen 
MoMMSEN  röm.  gesell.  2,  374;  die  grenzenlosen  betrüge- 
reien,  die  überall  verübt  wurden  Kerner  bilderbuch 
(1849)  61;  bei  andersartigen  Substantiven  selten,  auszer 
macht,  gewalt  u.  ä.:  jene  überaus  grosze  .  .  . ,  ja  fast 
gränzenlose  macht  der  päbste  M.  J.  Schmidt  gesch.  d. 
Deutschen  2 ,  471 ;  (die  fürsten)  glaubten  durch  diesen 
kunstgriff  sich  einer  gränzenlosen  gewalt  zu  versichern 
Schiller  4,  90;  die  Vorrechte  der  jesuwiderischen  zwing- 
schaft waren  .  .  unzählig,  grenzenlos  und  glanzvoll  Jahn 
2,  550  Euler;  den  gränzenlosen  aufwand  H.  Meyer  gesch. 
d.  bild.  künste  8,  195 ;  eine  grenzenlose  fülle  von  Schön- 
heit Grimm  Michelangelo  l,  417;  auszerdem  hat  er  (Mo- 
zart) ...  in  vielen  .  .  ,  privathäusern  mit  dem  grenzen- 
losesten beifall  gespielt  Jahn  Mozart  4,  470. 

S)  das  adverbium  bei  alteren  noch  im  prägnanten,  ur- 
sprünglichen sinne:  ich  begreife  nämlich  kaum,  wie  ihr 
(in  Berlin)  .  .  so  viel  genieszend,  euch  gränzenlos  zer- 
streuend, doch  .  .  auch  wieder  für's  leben  sorgen  könnt 
GöTHE  IV  34,  129;  so  dasz  die  allgemeine  .  .  Sicherheit 
gränzenlos  steigt  Jung-Stilling  3,  438  Grollmann;  ihrer 
(der  Phantasie)  grenzenlos  spielenden  willkühr  Voss  anü- 
symb.  2,  240;  wo  das  adv.  zum  reinen  steigerungsxcort 
tvird,  entsprechen  die  verba  den  Substantiven  unter  2  a: 
nur  hat  sie  .  .  .  in  der  Schwangerschaft  gränzenlos  ge- 
litten GÖTHE  IV  33,  240  Weim. ;  SO  werden  sie  mich  ver- 
muthlich  gränzenlos  verachten  Pückler  briefw.  u.  tageb. 
1,  284; 

sag,  athmet  unter  erdensöhnen  einer, 
der  feurig  liebt  und  gränzenlos  wie  ich 

Schiller  1,  278; 

ich  bin  grenzenlos  verliebt  Bäuerle  hom.  theater  l,  28; 
wenn  er  (der  Schauspieler)  sich  der  läge  grenzenlos  hin- 
gab Stifter  6^,  161; 

diesz  ist  Antonio, 
dem  ich  so  gränzenlos  verpflichtet  bin 

Shakespeare  4, 141 ; 

ähnlich  neben  dem  adj. ;  auch  hier  ist  das  adv.  in  älterer 
zeit  selbständiger  und  sinnhaltiger : 

ich  seh',  ich  sehe  meine  schmerzen, 
gränzenlos  dunkel,  vor  mir  verbreitet 

Klopstock  öden  1,  74  Muncker; 

beschaut  man  die  krystallographie,  stöchiometrische  und 
elektrische  Chemie,  so  findet  man  diese  in  einander  grei- 
fenden regionen  gränzenlos  unübersehbar  Göthe  IV  40, 
265;  bey  der  gränzenlos  reichen  bewegung  des  elements, 
worin  du  schwebst  (der  Berliner  luft)  IV  35,  146 ;  später 
rein  steigernd:  grenzenlos  unglücklich  Schiller  14,  898; 
er  war  grenzenlos  leidenschaftlich  Büchner  nachgelass. 
sehr.  263;  wenn  wir  nur  nicht  so  grenzenlos  eigensinnig 
wären  Smidt  mittheil,  aus  d.  tagebuche  eines  nord.  See- 
mannes 6;  grenzenlos  beharrlich  R.Wagner  1,99;  das 
war  unserm  freunde  Leonhard  grenzenlos  gleichgültig 
Raabe  Abu  Telfan  3,  31 ;  es  wäre  grenzenlos  interessant 
Du  Bois-Reymond  grenzen  d.  naturerkennens  (1873)  27. 

4)  die  form  grenzlos  ist  im,  18.  jh.  ziemlich  häufig;  sie 
beschränkt  sich  tcesentlich  auf  die  ursprüngliche  bedeu- 
tung  'ohne  grenzen',  in  anwendung  auf  räum  und  zeit; 
hauptsächlich  in  poetischer  spräche: 

{gott)  der  millionen  von  sonnen 
in  den  grenzlosen  räum,  als  stralende  funken,  geschüttet 

Zachariae  poet.  sehr.  4, 17 ; 

von  der  grenzlosen  weit  Wieland  2,  187  akad.  ausg.; 

sein  hier,  sein  dort  ist  grenzlos,  ungestadet 

Brentano  6,  352; 
itzt  . .  wollen  wir  diesem  gränzlosen  meere 
einige  tropfen  entschöpfen      Klopstock  ifessias  (1780)  265; 

grenzloser  ocean  öden  2,  12  Muncker; 

so  gränzlos,  wie  das  meer,  ist  meine  neigung 

Göthe  9,198  Weim.; 

in  die  gränzlose  weite  Bodmer  Noah  (1752)  380; 

finsternisz  und  öde 
schlössen  ihn  grenzlos  ein 

Kretschmann  2,  59; 

nie  miszt  der  sichre  mensch  nach  spannen  seine  zeit; 
fast  immer  nach  dem  maasz  grenzloser  ewigkeit 

LÖWEN  Schriften  (1765)  1,  37; 


GRENZENLOSIGKEIT,  GRENZER         158 

wer  der  Olimpischen  überschaut  grenzlos  wol  die  zukunft! 
Sonnenberg  Donatoa  1, 100; 

doch  auch  in  prosa:  in  dem  groszen  beynah  gränzlbsen 
bezirke  der  Wissenschaften  Klopstock  gelehrtenrepubl. 
436;  im  weiten  himmel  und  der  gränzlosen  erde  La- 
vater  physiogn.  fragm.  1,245;  es  ist  die  grenzlose,  d.  1. 
ungemessene  zeit  Herder  24,517;  auch  im  späteren  19.  jh. 
durchaus  noch  im,  urspr.  sinne,  nicht  rein  steigernd  'inasz- 
los':  es  ist  .  .  so  zu  sagen  eine  grenzlose  grenze  Vischer 
ästhetik  l,  222; 

drauszen  in  den  grenzlos  weiten 
feldern  war  kein  platz  zum  streiten 

Rückert  (1867 #.)  3,98; 

nur  selten  und  unsicher  in  dem  jüngeren  quantitierenden 
gebrauch  nachzuweisen: 

gränzlose  lebenspein 

fast,  fast  erdrückt  sie  mich 

Göthe  3,295  Weim.; 
wie  gränzlos  ist  mein  glück! 

Ayrenhoff  1,  173; 

deutlich:  welcher  grausame  spaszvogel  hat  sie  denn  .  . 
veranlaszt,  sich  so  grenzlos  zu  blamiren?  Lassalle 
ausgetc.  reden  u.  Schriften  2,  894.  ganz  vereinzelt  grenze- 
los: 

und  leuchte  künftig  .  .  . 

gleich  dieses  erdballs  sonne,  bey  lausenden 

des  gränzelosen  blauen  äthers 

Ramler  lyr.  ged.  (1772)  158. 

—  grenzenlosigkeit, /.,  im  18.  jh.  noch  selten,  ent- 
spricht m,eist  der  bedeutung  1  des  adj.,  sowohl  in  eigent- 
lichem,, wie  in  übertragenem  gebrauch:  (meer,  himmel,  ab- 
grund  sind  erhaben)  nicht  durch  die  gäbe  der  sinne, 
sondern  der  phantasie,  die  sich  an  die  optischen  gren- 
zen, an  jene  scheinbare  grenzenlosigkeit  hinstellet,  um 
in  eine  wahre  hinüberzuschauen  Jean  Paul  3, 174  Hem- 
pel;  wo  .  .  das  meer  in  glänzender  grenzenlosigkeit  liegt 
Warsberg  odysseische  landschaften  l,  192;  an  das  abso- 
lut grosze  in  uns  selbst  kann  die  natur  in  ihrer  ganzen 
grenzenlosigkeit  nicht  reichen  Schiller  10,  219;  eine 
gewaltige  ahndung  der  schöpferischen  Willkür,  der  gren- 
zenlosigkeit, der  unendlichen  mannichfaltigkeit  .  .  .  der 
Innern  menschheit  Novalis  2,  38  Minor;  weil  seine  Ver- 
schwendung nur  mit  der  gränzenlosigkeit  seiner  Wol- 
lüste im  Verhältnisse  stand  J.  v.  Müller  l,  305;  die 
grenzenlosigkeit  unserer  kräfte  Forster  9,  113;  nur  sel- 
ten als  'muszlosigkeit' ,  analog  der  bedeutung  2  des  adj.: 
menschen,  .  .  die  .  .  für  alles  menschliche,  für  lachen, 
weinen,  essen  .  .  eine  zeit  hatten,  und  die  blos  die  rohe 
grenzenlosigkeit  flohen  J.  Paul  l5/i8,  107  Hempel;  wo 
der  elem,entare  sinn,  das  mangeln  der  grenze,  scharf  her- 
auskom,men  soll,  gelegentlich  grenzlosigkeit:  die  Leipziger 
gegend  engt  also  ein,  weil  die  grenze,  oder  vielmehr 
die  grenzlosigkeit,  nichts  der  phantasie  übrig  läszt 
20/23,  382 ;  doch  vgl.  über  die  letzten  fragen  aber,  anfang 
und  ende,  grenze  oder  grenzenlosigkeit,  .  .  kann  .  .  nur 
die  Philosophie  ,  .  auskunft  ertheilen  D.  Fr.  Strausz 
6, 142.  —  grenzenweit,  adj.:  jener  gränzen weite  blick, 
der  vom  himmel  zur  erde  die  Schöpfung  umfaszt  W.  Fr. 
Meyer  Bya  Na  Sore  l,  45. 

GRENZER,  m.  i)  grenzsoldat:  gränitzer  milites  limi- 
tanei,  knechte  so  auf  die  grentzstädte  zum  schütz  ge- 
stellet werden  Corvinus  fons  latinitatis  (1646)  481 ;  bei 
Apinus  specialisiert:  limitanei  milites  Hungariae  gloss. 
nov.  (1728)  252;  in  einem  gefecht  gegen  türkische  gren- 
zer  Gutzkow  zauberer  v.  Rom  (1858/".)  4,  30;  für  die 
kriege  .  .  stellten  die  grenzer  (in  Österreich)  .  .  infanterie- 
regimenter auf  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flotte  3,  142;  be- 
sonders in  der  function  als  zollwächter :  ich  .  .  .  weisz, 
dasz  euch  allen  der  pascher  und  Wilddieb  von  kindheit 
an  im  leibe  steckt.  .  .  .  wenn  ihr  einen  grenzer  oder 
förster  über  den  häufen  schieszt,  dann  ist  es  nicht 
mord  Fontane  I  6,  10.  2)  die  näher  liegende  bedeutung 
'der  angrenzende'  ist  nur  spärlich  nachzuiveisen :  grenzer 
confinis,  conterminus,  finitimus,  vicinus  Stieler  694; 
im  bair.  eingebürgert:  gränizer  der  angrenzer,  grenznach- 
bar;  der  an  einer  grenze  wohnt  Schmeller  1,  999  (da- 
gegen kärntnisch  gränazar,  grönzar  grenzivächter  Lexer 
121;  wienerisch  grenitzer  gränzsoldat  Loritzaö4);  sonst 


159   GRENZERLEBEN  -  GRENZFESTE 


GRENZFESTUNG  —  GRENZFÖRSTER  160 


nur  vereinzelt  als  gelegenheitswort :  Galilea  aber  heyst 
eyn  grentze,  da  die  land  enden  .  .  .  also  sind  das  alle 
Gallilei  grentzer,  die  nit  williglich  gottis  gepot  halten 
Luther  8,  393  Weim.;  darunter  {unter  den  feinden  der 
Bömer)  .  .  die  Markomannen,  d.  i.  marker  oder  gränzer 
nach  dem  wortsinne  deutsches  museum  hg.  v.  Fr.  Schle- 
gel 4,  337.  3)  alem.  granitzer,  gewöhnlich  granitzier,  auch 
gränitzler  Schmuggler;  mit  kleinwaaren,  nippsachen  hau- 
sierender krämer  Staub-Tobler  2,  745.  vereinzelte  neben- 
form  grenzner: 

der  grenzner  wacht, 

den  schlagbaum  läszt  er  fallen 

RüCKERT  (1867 #.)  1,  134. 

dazu  composita  wie  grenzerleben,  n.:  am  laster- 
haften hofe  von  Byzanz,  in  dem  grenzerleben  an  der 
Donau  bildete  sich  die  unübertreffliche  klugheit  {Theo- 
dorichs) Freytag  17,  128.  —  grenzersitz,  m.:  die 
colonieen  der  Friesen,  Holländer  und  Westfalen  lagerten 
sich  ihren  {der  Slaven)  grenzersitzen  wie  neue  bollwerke 
vor  NiTzscH  deutsche  Studien  214:.  —  grenzerweit,/.: 
Arnim  .  .  lernte  bald  ,  . ,  dasz  er  das  launische  .  .  Polen- 
thum  minder  richtig  beurtheilt  hatte  als  sein  in  dieser 
grenzerweit  aufgewachsener  Vorgänger  Treitsghke  deut- 
sche gesch.  5,  150.  —  grenzerwitwe,  /.;  klage  der 
grenzerwittwe  gedieht  von  Freiligrath  ges.  dichtungen 
2,  229. 

GRENZERHALTUNG,  /.:  im  zweiten  bände  werden 
forstschutzlehre,  jagdkunde,  die  lehre  von  .  .  der  grenz- 
erhaltung  und  den  forstbeschreibungen  abgehandelt 
Bernhardt  gesch.  d.  waldeigentums  2,  116.  —  grenz- 
erstreckung,  /.;  die  auszergewöhnliche  grenzerstrek- 
kung  dieses  landes  {Hessen-Darmstadts)  nöthigte  zu  einem 
kostspieligen  grenzschutz  3,23.  —  grenzerweiterung, 
/.;  die  Perser  hatten  sie  {die  elefanten)  also  selbst  erst 
.  .  durch  ihre  grenzerweiterung  gegen  den  Indus  erhal- 
ten Ritter  erdkunde  5,  910.  —  grenzerwerbung,  f.: 
für  die  abrundung  .  .  nach  auszen  wurde  keine  der  .  . 
anstrengungen  zu  grosz  geachtet,  welche  man  sonst  .  . 
für  die  ehre  Und  für  die  gerechtigkeit  .  .  .  leichter  als 
für  irgend  eine  geringe  grenzerwerbung  gemacht  haben 
würde  Fr.  Schlegel  ii,  358. 

GRENZFÄLSCHER,  m.:  besitzgrenzen  sind  solche 
schranken,  an  welchen  bisweilen  die  seelen  verstorbe- 
ner grenzfälscher  ruhelos  gespenstern  müssen,  bis  der 
versetzte  grenzpfahl  wieder  an  der  richtigen  stelle  steht 
Rosegger  ni  3,  184;  dazu  grenzfälscherhand  sehr.  13, 
207.  —  grenzfälschung, /.;  der  Adam  habe  wohl  ge- 
dacht, da  handle  es  sich  um  eine  grenzfälschung  zum 
nachteil  des  Adamshauses  HI  3,  184.  —  grenzfarbe, 
/.;  Göthe  .  .  unterscheidet  .  .  in  jeder  von  beiden  {den 
färben  rothgelb  und  rothblau)  zwei  färben,  je  nach  der 
gröszeren  theilnahme  der  einen  oder  andern  grenzfarbe 
Visgher  ästhet.  2,  45  {gelb  und  blau  begrenzen  nach  Göthe 
diefarbenscala).  —  grenzfehde,/.:  die  grosze  linie  mög- 
licher grenzfehden  {an  der  russiscJi- chinesischen  grenze) 
Ritter  erdkunde  2,  451 ;  die  unablässigen  grenzfehden, 
das  drängen  der  Völker  wird  von  ihnen  {den  Germanen) 
selbst  in  den  meisten  fällen  durch  das  bedürfnisz  grösze- 
ren landbesitzes  erklärt  Freytag  17,63.  —  grenzfeind, 
m.:  gleichwie  es  {das  haus  Habsburg)  allbereit  vor  400 
Jahren  ein  schild  des  reichs  wider  dessen  gränz-feinde 
genennet  worden  Birken  ostländ.  lorbeerhayn  (1657)  ix*»; 
die  chinesische  politik  suchte  ihren  beistand,  um  ihren 
grenzfeinden,  den  Hiongnu,  einen  krieg  im  rücken  zu 
erregen  Ritter  ercZÄwncie  2,  433. —  grenzfeld,  n.,  con- 
finium  Stieler  464;  {Alexander  Severus),  der  zuerst  sei- 
nen heerführern  und  kriegsleuten  gränzfelder,  oder  land- 
güter,  an  des  reiches  gränzen,  geschenket  hat  Gott- 
sched neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamk.  8,  208;  grentzfeld 
im  schachbrete  Schottel  teutsche  haubtsprache  80.  — 
grenzf  eldherr,  m.,  befehlshaber  von  grenztruppen  Rit- 
ter erdkunde  5,  532. 

GRENZFESTE,  /.,  neben  grenzfestung  verhältnismäszig 
selten  und  öfter,  aber  nicht  unbedingt  den  kleineren  be- 
festigten platz  bezeichnend:  Plancus  gründete  bei  dem 
ausflusz  der  Ergelz  in  den  Rhein  die  raurachische  Au- 


gusta  .  .  . ,  eine  grenzveste  gegen  Gallien  und  Deutsch- 
land ZscHOKKE  sämtl.  ausgew.  sehr.  6,  300;  kaiser  Jo- 
seph n.,  der  in  Tirol  alle  diese  kleinen  Mausen  und 
gränzvesten  aufhob  Steub  drei  sommer  in  Tirol  l,  307 ; 
bildlich:  zuweilen  entschlägt  er  {Rübezahl)  sich  aller 
unterirdischen  regierungssorgen,  erhebt  sich  .  .  auf  die 
grenzfeste  seines  gebiets  und  hat  sein  wesen  auf  dem 
Riesengebirge  MusÄus  volksmährchen  l,  5  Hempel;  über- 
tragen: sahen  wir  nicht,  dasz  man  Düsseldorf  als  eine 
grenzfeste  des  katholicismus  .  .  .  betrachtete  Ranke 
28,  288. 

GRENZFESTUNG,  /.,  propugnaculum  hostibus  opposi- 
tum  Apinus  (1728)  255;  seit  dem  frühen  17.  jh.  nachzu- 
weisen: Sabacium  und  andere  gräntzfestung  an  der  Säle 
eingenommen  Rätel  Curäi  chron.  d.  herzogth.  Schlesien 
(1607)  25;  die  drey  vornehmste  grenzfestungen  wurden 
belagert  Bucholtz  Herkuliskus  (1665)  240;  a.  1660  .  .  er- 
oberte er  .  .  die  hungar.  grentzvestung  Gross -Wardein 
Birken  ve7-mehrte  Do7iau-strand  {iGSi)  175 ;  ob  es  einem 
landes-herrn  in  Teutschland  wohl  vergunt  sey,  grentz- 
festungen  anzulegen  Fleming  vollk.  teutsche  soldat  (1726) 
387;  dasz  man  stücke,  kugeln  und  allerhand  gefräse  in 
die  gräntz  -  festungen  schleppe  Lindenborn  Diogenes 
(1742)  2,  237;  mit  einer  grenzfestung  wie  Strasburg  For- 
ster 8,  322;  früher  anseheinend  auch  mit  schwächerer 
bedeutung:  barriere,  gränzfestung,  gränzwehre  Kinder- 
LING  reinigk.  d.  deutschen  spr.  114;  gern  im  bilde:  die 
gemeinsten  lobsprüche  waren,  dasz  das  verhängnüsz  .  . 
seine  tapferkeit  zu  einer  gesicherten  gräntz-festung  .  . 
gesetzt  hätte  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  1,  368 *>;  der 
theolog  ist  der  furchtsame  soldat,  der  sich  an  den  grenz- 
festungen den  köpf  zerstöszt,  und  kaum  das  land  dar- 
über zu  sehen  bekömmt  Lessing  13,  123;  weil  er  in 
dem  schuldthurm  gemächlich  in  einer  kasematte  und 
grenzfestung  gegen  andere  gläubiger  sitzen  konnte  Jean 
Paul  27/29,  189  Hempel;  dort  ist  schon  euer  weichbild, 
der  Rabenstein,  eure  grenzfestung  ii/i4,  53;  jenes  .  .  . 
skeptische  argument  des  theoretischen  egoismus  {ist  an- 
zusehen) als  eine  kleine  gränzfestung,  die  zwar  auf 
immer  unbezwinglich  ist  Schopenhauer  l,  157  Grise- 
bach;  vgl.  grenzhaus.  —  grenzfläche,  /.;  man  musz 
sich  das  eingeschränkte  licht  als  einen  strohm  vorstel- 
len, der  seine  bestimmte  ufer  und  gränzflächen  hat 
Sulzer  theorie  d.  schönen  künste  3,  245;  die  gestalt  der 
grossen  {stärke-)kÖTner  ist  fast  immer  linsenförmig,  in- 
dem beide  grenzflächen  .  .  .  einerlei  krümmung  haben 
Muspratt  Chemie  (l900)  7,1888.  —  grenzfleck,  m.,  'ein 
an  der  grenze  liegender  fleck,  kleines  stück  land'  Hein- 
sius  2,529*.  —  grenzflecken,  m.:  den  wegen  seines 
götzen-tempels  berühmten  gräntz-flecken  Pandior  Zieg- 
ler asiat.  Banise  (l689)  175;  so  mehrte  sich  die  stadt 
{Rom),  welche  zwischen  vielleicht  bereits  verfallenen 
gränzflecken  sich  gebildet  hatte  Kölle  Rom  i.  j.  1833,  l. 

—  grenzflosz,  n.,  grenzbach:  neben  dem  grenitzflosse, 
welches  das  hinderste  flosz  ist  gegen  Nickel  Firxen  gut 
HÜTTEL  Trautenauer  chron.  204  Schlesinger;  an  dem 
grentzenflosse  hinauf  205.  —  grenzflur,  /.:  die  drei 
steinernen  kreuze  sollen  noch  auf  dem  schlachtfelde  in 
der  Stedinger  grenzflur  zu  sehen  sein  MusÄus  volks- 
mährchen 3,  111  Hempel.  —  grenzflusz,  m.;  bey  dem 
Rubico,  dem  grenzflusz  von  Gallia  cisalpina  allg.  deut- 
sche bibl.,  anhang  zu  53 — 86,  849;  längs  der  Leitha,  die 
.  .  einen  wirklichen  gränzflusz  zwischen  deutschem  und 
ungarischem  lande  bildet  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes 
4,  853;  beachte: 

als  ich  am  fremden  gränzeflusz 

still  stand  auf  deinem  {des  Vaterlandes)  säum 

Lenau  95  Barthel; 

demin.:  in  der  Queis,  dem  ehemaligen  grenz flüsz- 
chen  gegen  die  Lausitz  Wimmer  gesch.  d.  deutschen  bo- 
dens  420.  —  grenzfluth,  /.,  nur  poetisch: 

ihnen  folgeten  die,  die  von  des  alten  Euphrates 
grenzfluth   an  bis   zum  ström,   der  Egypten  von  Syrien 

trennet, 
allgemeinere  namen  von  Baal  und  Astharoth  führten 

Zachariae  poet.  sehr.  6,  57. 

—  grenzförster,  m., 'ein  förster,  welcher  an  den  grän- 
zen eines  groszen  Forstes  wohnet  und  die  gränzhölzer  zu 


161 


GRENZFORT  -  GRENZGEBIRGE 


GRENZGEDÄCHTNIS  -  GRENZGOTT   162 


versehen  hat'  Adelung  2,  778.  —  grenzfort,  n.,  befesti- 
gungswerk  an  der  grenze  Ritter  erdkunde  2,  187.  — 
grenzfrage,  /..-  bericht  mit  Vorlegung  der  die  grenz- 
frage zwischen  Ungarn  und  Oesterreich  betreffenden 
akten  {Überschrift)  jahrb.  d.  GriUparzergesellsch.  2,  149; 
die  grenzfrage  über  das  recht  des  objects  und  das  recht 
der  freiheit  der  phantasie  .  .  läszt  in  abstracter  allge- 
meinheit  keine  nähere  lösung  zu  Vischer  üsthetik  2, 
363;  die  bedeutendste  der  grenzfragen  zwischen  natur- 
wissenschaft  und  philosophie  entsteht  nun,  wenn  man 
.  .  bei  der  frage  nach  einem  letzten  —  oder  ersten  — 
anlangt  altes  u.  neues  3,  204. 

GRENZFREVEL,  m.,  verbrecherische  beseitigung  oder 
Veränderung  von  grenzzeichen:  besondere  abschnitte  {der 
alten  bayrischen  gesetze)  reden  .  .  .  von  mordbrennerei, 
gewaltthat,  grenzfreveln  Zschokke  sämtl.  ausgew.  sehr. 
29,  127;  welche  busze  die  alten  gesetze  von  Wales  .  .  . 
auf  den  grenzfrevel  verfügen,  übergehe  ich  J.  Grimm 
kl.  sehr.  2,  60.  —  grenzfrevler,  m.;  Kuhn  macht.  . 
auf  die  thatsache  aufmerksam,  dasz  die  grenzfrevler 
vielfach  mit  den  Irrlichtern  zusammenfallen  Laistner 
nebelsagen  340;  vgl.  den  beleg  unter  grenzfälscher.  — 
grenzfrieden,  m.:  wir  {groszfürst  Theodor  Juanomtz) 
haben  unter  deszen  den  grentzfrieden ,  wie  er  begeret, 
in  acht  zu  haben  befohlen  Lor.  Peckenstein  in:  rer. 
Siles.  chronica  (1606.  7)  5,  113;  der  hier  {an  der  ägypti- 
schen grenze)  vorwaltende  grenzfrieden  wird  das  seinige 
beigetragen  haben  zum  aufblühen  der  oberägyptischen 
grenzstädte  Mommsen  röm.  gesch.  5,  59G.  —  grenz- 
furche,  /. ;  sind  dieselben  {die  grenzen  des  waldes) 
schon  durch  .  .  graben,  grenzfurchen  u.  s.  w.  bezeichnet 
Zschokke  sämtl.  ausgew.  sehr.  12,  75;  die  alten  Rhein- 
gauer  würden  sich  ...  im  grabe  umdrehen,  wenn  sie 
erführen,  dasz  man  ...  an  den  grenzfurchen  des  Jo- 
hannisberges  neue  —  kartoffeläcker  angelegt  Riehl 
naturgesch.  d.  Volkes  l,  131.  —  grenzfürst,  m.:  mark- 
richter,  grentzfürst,  markgraf  Schottel  teutsche  haubt 
spräche  450;  und  solte  solcher  marggraffe  zu  Branden- 
burg sein  als  ein  Statthalter  des  heiligen  reichs  und 
grentzfürst  gegen  den  Wenden  und  andern  völckern 
Ammersbach  churbrandenb.  chron.  75. 

GRENZGARNISON,  /.:  aber  der  erste  paläologe  .  .  . 
hielt  für  wirthschaftlich,  die  gränzgarnisonen  nicht  län- 
ger zu  besolden  J.  v.  Müller  2,  462.  —  grenzgattu  ng, 
/.;  was  das  leben  der  religion  ist,  ist  der  tod  der  lyrik, 
mit  ausnähme  jener  grenzgattung,  welche  man  die  reli- 
giöse lyrik  nennt  Spielhagen  7,  347.  —  grenzgau, 
m.:  es  würde  aus  dem  verödeten  grenzwall  {dem  Wester- 
wald)  ein  wichtiger  strittiger  grenzgau  werden  {toenn  er 
indtistrie  erhielte)  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes  l,  218. 

GRENZGEBIET,  n.,  junge,  erst  im  19.  jh.  sich  aus- 
breitende composition  mit  doppelter  bedeutung  {vgl.  grenz- 
bezirk, -district):  gebiet  an  der  grenze:  die  von  den  Deut- 
schen eroberten  gränzgebiete  Jahn  l,  83  Euler;  hier  .  . 
betrat  man  das  grenzgebiet  des  Ashanteereiches  Ritter 
erdkunde  1,  322;  gebiet,  das  die  grenze  bildet: 

doch  seine  wohnung  wählt'  er  in  Kapernaum, 
im  grenzgebiet  von  Zabulon  und  Naftali 

RÜCKERT  (1867 #.)  11,  26; 

in  dem  grenzgebiet  zwischen  den  reichen  des  Juba  und 
des  Bocchus  Mommsen  röm.  gesch.  3,  489;  in  beiderlei 
bedeutung  auch  übertragen:  betrachtet  man  aber  andere, 
mehr  verschiedene  formen  des  grenzgebietes  einer  be- 
stimmten {botanischen)  art  als  in  folge  der  veränderten 
Verhältnisse  entstandene  neue  arten,  so  ist  das  voll- 
kommene Willkür  K.  E.  v.  Baer  reden  u.  versch.  aufsätze 
2,  298;  ein  paar  fragmentarische  Strophen,  'lamentation 
eines  Übersetzers'  überschrieben, . .  mögen  . .  für  den  ernst 
seines  strebens  auch  auf  diesem  grenzgebiet  der  kunst 
.  .  zeugnisz  ablegen  P.  Heyse  einl.  zu  H.  Kurz  ges.  werke 
I,  XXXI i;  die  grenzgebiete  zwischen  recht  und  wirth- 
schaft  haben  ihn  angezogen  Scherer  kl.  sehr,  i,  458. 
—  grenzgebirge,  n..- 

Nephtoa, 

nach  der  quelle  genannt  an  Ephrons  gränzengebirge, 

liebte  minder  seitdem  die  gespielen 

Klopstock  Messiaa  (1780)  515; 

IV.  1.  6. 


{diese  form  auch  bei  Heinsius  2,  529*);  dr.  Mitterbacher 
.  .  ist  den  14.  october  auf  dem  gränzgebürg  gegen  Wald- 
münchen gewesen  und  hat  dortselbst  .  .  die  kanonade 
von  Jena  gehört  Göthe  III  3,  219  Weim.;  gränzgebirge  ' 
zwischen  Russland  und  China  F.  Th.  v.  Schubert  verm. 
sehr.  2,  191;  bildlich:  wer  oben  stand  auf  diesem  grenz- 
gebürge  der  weit  und  hinüber  sah  in  das  neue  land, 
in  der  nacht  wohnsitz  Novalis  i,  18  Minor;  bei  den 
politischen  stürmen,  welche  durch  das  grenzgebirge  der 
beiden  Jahrhunderte  sausten  Gutzkow  ges.  werke  8,  380; 
dazu  grenzgebirgsgruppe  Ritter  erdkunde  17, 4;  -kette 
1,107;  -mauer  l,  ill;  -säum  l,  109;  -wand  4,909.  — 
grenzgedächtnis,  n.,  erinnerung  an  die  festlegung 
der  grenze,   s.  den  beleg  aus  Hüttel  unter  grenzrecht. 

—  grenzengedicht,  n.:  wenn  man  darinn  {in  der 
tragödie)  nicht  das  Unglück  geliebter  personen  beweint, 
so  ist  sie  keine  eigentliche  tragödie:  sie  ist  ein  gräntzen- 
gedicht  der  tragödie  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wissensch. 
2,46.  —  grenz gef echt,  n.:  es  waren  grenzgefechte  und 
beutezüge,  die  für  beide  theile  {Römer  und  Etrusker) 
ohne  wesentliches  resultat  verliefen  Mommsen  röm. 
gesch.  1,  302.  —  grenzgegend,/.:  zwey  armeen,  welche 
die  Römer  in  diesen  grenzgegenden  {am  Niederrhein) 
halten,  um  dem  vordringen  der  deutschen  Völker  zu 
steuern  allg.  deutsche  bibl.  100,  302;  bildlich:  wir  wollen 
.  .  den  kurzen  streifzug  in  die  grenzgegenden  der  Wissen- 
schaft nicht  machen,  ehe  wir  Jean  Paul  eingeschoben 
haben  Gervinus  gesch.  d.  deutschen  dichtung  (1853)  5, 
192.  -^  grenzgelände,  n.,  s.  gelände  th.  41,2^  2856.  — 
grenzgemeinde,  /.:  dem  französischen  Sprachgebiet 
gehören  nur  einzelne  grenzgemeinden  {in  Elsasz-Lothrin- 
gen)  an  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flotte  3,  356.  —  grenz- 
gemeinschaft,  /.,  'die  gemeinschaft  der  grenze,  das  an- 
einanderstoszen'  Heinsius  2,  529*.  —  grenzgendarm, 
m.:  der  grenzgendarme  steht  immer  im  felde  Nestroy 
ges.  werke  3,209.  —  grenzgeneral,  m.:  der  erste  grund- 
stein  hierzu  wurde  .  .  von  dem  hungarischen  cantzler 
in  beyseyn  des  keyserl.  gen.  feldmarschalls  de  Souches 
und  anderer  grentzgeneralen  .  .  .  gelegt  Birken  verm. 
Donau  strand  (1684)  186;  der  chinesische  grenz-general 
erhält  jährlich  ein  geschenk  von  500  sterled  Ritter 
erdkunde  2,  642;  vgl.  3,  354.  —  grenzgenie,  /.,  so  nennt 
Jean  Paul  das  empfangende  oder  passive  genie:  ist  der 
talentmensch  der  künstlerische  Schauspieler  und  froh 
nachhandelnde  äffe  des  genies,  so  sind  diese  leidenden 
gränz-genies  die  stillen  ernsten,  aufrechten  wald-  oder 
nachtmenschen  desselben,  denen  das  Verhängnis  die 
spräche  abgeschlagen  Vorschule  d.  üsthetik  (1813)  l,  55; 
v^ri.  58.  61.  —  grenzgerechtigkeit, /.,  das  recht  auf 
unverletzlichkeit  der  grenze:  grentzgerechtigkeit  der  land- 
güther  allgem.  haushalt.-lex.  (i749jf.)  i,  618;  sie  {die  me- 
thode,  das  herz  des  lesers  durch  hinreiszenden  Vortrag 
zu  bestechen)  ist  zugleich  eine  verlezung  der  gränzen- 
gerechtigkeit,  denn  diese  methode  gehört  ausschlieszend 
.  .  dem  redner  und  dichter  {nicht  dem  geschichtschreiber) 
Schiller 4,  63;  v^i.  grenzrecht.  —  grenzgeschäft,  n.: 
{der  Pekinger  hof  ernennt  beamte),  welche  die  civilver- 
waltung  zu  leiten,  die  grenzgeschäfte  zu  besorgen  haben 
Ritter  erdkunde  8,  397.  —  grenzgestade,  n.: 

o  so  zwei  silberströme,  wenn  vereint, 
verherrlichen  die  ufer,  die  sie  fassen ; 
und  solche  ufer  so  vereinter  ströme, 
zwei  grenzgestade,  kön'ge  mögt  ihr  seyn 
den  beyden  prinzen,  wenn  ihr  sie  vermählt 

Shakespeare  5,  43. 

—  grenzgewässer,  n.:  die  handlung  eines  engli- 
schen schiffscapitains  .  .  .  ,  der  ein  amerikanisches 
schiff  innerhalb  der  grenzgewässer  des  chinesischen  ge- 
bietes  .  .  .  caperte  Ritter  erdkunde  4,  835.  —  grenz- 
gezirk,  m.f :  diese  {eisenhämmer)  .  .  .  versehen  gantz 
Steyermarck  {mit  eisen)  und  Nider-Ungarn  .  .  und  Neu- 
stadt ist  ihr  gräntzgezirck  Hohberg  georgica  curiosa 
(1682)   1,  81. 

GRENZGOTT,  m.:  nicht  minder  ist  Juppiter  ein  Ord- 
ner alles  friedlichen  Verkehrs,  zuvörderst  ein  grenzgott 
Gerhard  akad.  abhandl.  1 ,  291 ;  in  der  regel  aber  für 
den  römischen  Terminus:  Germanicus  läszt  .  .  des  römi- 

11 


163  GRENZGOTTHEIT  —  GRENZHANDEL 


GRENZHANDLUNG  —  GRENZHORT   164 


sehen  gräntz-gottes  und  des  Rheines  .  .  .  bildnüsze  .  .  . 
eingraben  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  2,  1310;  wegen 
des  ehemals  in  Rom  verehrten  grenzgottes  Gottsched 
neueste  aus  d.  anmuth.  gelehrsamk.  i,  100; 

und  sie  lenkt  die  herrscherschritte 
durch  des  feldes  weiten  plan, 
und  an  ihres  fuszes  tritte 
heftet  sich  der  grenzgott  an 

Schiller  11,  297; 

er  überläszt  dem  Alexis  die  heerde,  und  führt  seinen 
freund  .  .  durch  die  wiese,  einem  mit  hopfen  behange- 
nen  gränzgott  vorbei  grafen  Stolberg  6,  114;  in  wei- 
terem sinne,  wie  grenzbild  {s.  d.),  für  eine  herme,  wie  sie 
namentlich  in  der  gartenhunst  des  späteren  18.  jlis.  eine 
grosze  rolle  spielten,  vgl.  Adelung  2,  777;  an  die  hermen- 
gestalt  ist  bei  manchen  bildem  Jean  Pauls  zu  denken, 
der  das  wort  im  übrigen  schxvankeiid  und  eigemoillig  ge 
braucht:  dadurch  nämlich,  dasz  er  den  landstand  wie 
einen  grenzgott  oder  einen  geflügelten  genius  mit  der 
untern  hälfte  in  das  hölzerne  kanzelhulfter  steckt  39,  86 
Hempel;  dasz  die  recensenten  sünder  sind,  .  .  .  grenz- 
götter  ohne  arme  und  beine  auf  den  grenzhügeln  der 
Wissenschaft  20/23,  74;  überhaupt  schicke  für  Verkörpe- 
rungen der  abstrakta  die  griechische  mythenlehre  durch 
ihr  beispiel  uns  die  grenzgötter,  welche  uns  nur  zu  be- 
lebungen  von  scharfen  karakterpunkten,  wie  z.  b.  liebe, 
gerechtigkeit  u.  s.  w.,  dringen  lassen  52/53,  126;  das  er- 
habene, weil  es  als  grenzgott  antikes  und  romanti- 
sches verknüpft  49/51 ,  87 ;  dazu  -grenzgottfeier  für  ter- 
minalien  Gottsched  neueste  aus  der  anmuth.  gelehr- 
samkeit  4,  392.  —  grenzgottheit,  /.;  es  ist  ihm  genug, 
dasz  eine  grenzgottheit  auf  beyden  (münzen)  vorgestellt 
wird,  welche  anders  aussieht,  als  der  Erasmische  deus 
Terminus  3,  791;  vgl.  4,  393.  —  grenzgötze,  m..-  der 
Römer  gräntz-götz  hiesz  Terminus,  auf  einer  viereckich- 
ten  post  erhöht  Treuer  deutscher  Dädalus  l,  800. 

GRENZGRABEN,  m.,  'graben,  sofern  er  die  grenze 
eines  landes,  gebiethes  oder  grundstückes  bezeichnet'  Ade- 
lung 2,  778;  grenzwälle,  grenzgraben,  grenzjäger  und 
grenzfestungen  nützen  gleichviel  Jahn  2,446  Euler;  jeder 
kolonist  beginnt  auf  seinem  landstrich  mit  Ziehung  von 
grenz-  und  entwässerungsgräben  Wimmer  gesch.  d.  deut- 
schen bodens  152;  bildlich:  der  Rhein  .  .  ist  wieder  der 
breite  grenzgraben  Deutschlands  geworden  Zschokke 
sämtl.  ausgeic.  sehr.  9, 154;  demin.:  ewig  schade,  dasz  ich 
nicht  über's  grenzgräbel  darf  Holtei  erzähl,  sehr.  16, 52.  — 
grenzgraf,  m,.,  junge,  ziemlich  seltene  bildung;  zuwei- 
len =  markgraf:  man  war  darüber  aus,  den  könig  in 
Preuszen  zum  gränzgrafen  von  Brandenburg  zu  machen 
Jung  Stilling  4,  353;  denn  eigentlich  müssen  wir 
wieder  auf  Aribo  den  tapferen  gränzgrafen  zurückgehen 
Steub  Wanderungen  im  bayr.  gebirge  95;  öfter  geringe- 
ren ranges,  etwa  'burggraf  an  der  grenze':  mit  grenz- 
grafen  besetzte  bürgen  waren  zu  Regensburg,  Erfurt, 
Magdeburg,  Altenzelle,  die  grenzgrafen  hieszen  mar- 
chiones,  duces,  duces  limitis  Bernhardt  gesch.  des 
icaldeigentums  i,  30,  anm.  13;  der  ausdruck  arx  und  il- 
lustris  und  Werbelicz  gab  denen  eine  reiche  fundgrube, 
welche  deutsche  abkauft  (der  familie  Quarbitz)  behaup- 
teten, und  da  ward  denn  ein  bürg-  oder  grenz -graf 
Werbe]  daraus  W.  Alexis  Isegrim  l,  140;  vgl.  (diefestung) 
in  die  er  sächsische  besatzung  und  einen  gränzgrafen 
legte  K.  Fr.  Becker  weltgesch.  5,  93.  —  grenzgürtel, 
m.:  rings  um  die  Holledau  zieht  sich  ein  gränzgürtel 
von  bedeutenden  städten  Riehl  naturgesch.  d.  volkes 
4,  285. 

GRENZHADER,  m.,  hader  um  die  grenze:  Valerius 
Maximus  .  .  erzählt,  dasz  einst  zwischen  Carthago  und 
Cyrene  grenzhader  waltete  J.  Grimm  kl.  sehr.  2,  72; 
das  reich  (Asien)  verzehrte  sich  ,  .  in  dem  grenzhader 
mit  den  östlichen  Völkern,  den  Parthern  und  Baktriern 
Mommsen  röm.  gesch.  1,  663.  —  grenzhag,  m.,  als 
flurname  Fischer  schtcäb.  3,  826.  —  grenzhandel,  m., 
grenzstreitigkeit ,  meist  im  plur.:  wie  auch  der  stände 
grentzhändel  uff  beschehene  besichtigung  decidiren  selten 
Schickfusz  chron.  von  Schlesien  (l625)  3,  255;  England, 
durch  gränzhändel  im  östlichen  Nordamerika  mit  Spa- 


nien im  streit  Häusser  deutsche  gesch.  l,  327.  —  grenz- 
handlung,  /. ,  Verhandlung,  Vereinbarung  über  eine 
grenze:  und  damit  dieser  grenzhandlung  ein  gedenk- 
zeichen sein  möchte,  hat  obgedachter  fürstl.  gn.  ... 
forstmeister  oberwenten  personen  allen  die  bärte  abge- 
schnitten J.  Grimm  rechtsalterth.  I,  203  (16.  ^'A.);  d.  Lan- 
gen verehren  sie  wegen  seiner  bemühung  in  gräntz- 
handlungen  200  thaler  Schickfusz  chron.  v.  Schlesien 
(1625)  3,  202.  —  grenzhaufen,  m.,  'ein  zur  bezeichnung 
der  gränze  aufgeworfener  häufen  von  steinen  oder  erde' 
Adelung  2,  778;  (die  lerchenjagd)  deren  eine  hälfte  wir 
. .  auf  dem  Ganiowitzer  grenzhaufen  verschliefen  Eichen- 
dorff  tagebuchbl.  26. 

GRENZHAUS,  n.,  castellum  limitaneum  Stieler  799; 
vom  ende  des  16.  bis  zum  ende  des  17.  jhs.  reich  belegt: 
(die  Senones  Stievi)  berufen  .  .  die  Sachsen  wider  die 
Römer,  so  noch  an  der  alten  marck  auf  den  grentz- 
heusern  und  bürgen  lagen  Andr.  Angelus  rer.  mar- 
chicar.  breviarium  (1593)  6;  als  der  Türck  .  .  sich  kei- 
nes kriegs  von  Christen  besorget,  hat  er  die  grentz- 
heuser  besetzt  Stumpf  Schwytzerchron.  (I6O6)  21*;  zu 
erhaltung  .  .  der  grenzheuser  und  festungen  acta  publica, 
verhandl.  d.  schles.  fürsten  u.  stände  3,  122;  dasz  er  in 
friedens-zeiten  proviant-häuser,  vestungen,  zeug-  und 
grentzhäuser  baue  Schupp  sehr.  92;  den  12.  novembr. 
eroberten  die  Pohlen  das  türckische  grentz-haus  Cho- 
cim  Birken  verm.  Donaustrand  (1684)  200.  nicht  nur 
neben,  sondern  auch  für  festung:  Potnack  die  festung, 
welche  .  .  fast  für  das  euserste  granczhaus  zu  achten, 
ist  auch  fast  eingangen  acta  publica,  verhandl.  d.  schles. 
fürsten  u.  stände  1,8  (a.  1618) ; 

so  wers  mit  Hunf;arn  längst  gwest  ausz, 
wer  Wien  oder  Lintz  ein  grentzhausz 

bihl.  deutscher  Schriftsteller  a.  Böhmen  8,  302. 

bildlich : 

dis  kreutz  hier  ist  die  seul',  an  die  ich  eingegraben, 
hier  sei  der  tod  sein  grab,   die  kwal  ihr  gräntzhaus  haben 
Lohenstein  thränen  (1680)  137,  36. 

im  18.  jh.  erlöschend;  von  einer  herberge  auf  der  grenze: 
wenigstens  diese  nacht  noch  musz  ich  oben  auf  dem 
gränzhause  zubringen  Göthe  24,  8  Weim.;  aber  noch 
Adelung  definiert:  ein  haus  zur  bewahrung  der  grän- 
zen  eines  gebiethes.  zuweilen  führet  auch  eine  kleine 
gränzfestung  diesen  nahmen  wb.  2,  778;  Heinsius  2, 
529  »•  übernimmt  nur  den  ersten  theil  dieser  erklärung ; 
aber  Jahn  kennt  die  alte  bedeutung  noch,  wenn  er  als 
compositionen  mit  grenze  anführt  gränzhaus,  gränz- 
festung 1,  83  Euler.  —  grenzheer,  n. ;  die  noch  frische 
gewalt  des  chinesischen  grenzheeres  warf  sie  daher  mit 
Verlust  zurück  Ritter  erdkwide 3, i26.  —  grenzherme, 
/.,  herme  als  grenzzeichen  K.  0.  Müller  Dorier  2,  437. 
—  grenzherr,  m.,  'derjenige  herr,  welcher  die  gränze 
eines  landes  oder  gebiethes  besitzet'  Adelung  2,  778 ;  vgl. 
Heinsius  2,529^.  —  grenzherrschaft, /.:  die  Sta- 
tion Kerung,  welche  seit  dem  grenzkriege  1802  an  die 
chinesische  grenzherrschaft  abgetreten  worden  ist  Rit- 
ter erdkunde  4,  32.  —  grenzhilfe,  /.,  Steuer  zur  Siche- 
rung des  grenzschutzes :  von  den  bewilligten  60000  tha- 
lern grenzhilfen  sollen  40000  gülden  in  Oberungarn  ver- 
ordnet werden  acta  publica,  verhandl.  d.  schles.  fürsten 
u.  stände  1,4  (a.  1618);  vgl.  3,  116;  contributionen  an 
gutwilligen  geldhülfen,  an  grentzhülfen  zu  auszahlung 
der  Soldaten  und  reparirung  der  festungen  im  könig- 
reich  Hungern  Schickfusz  chron.  v.  Schlesien  (1625)  3, 
105.  —  grenzhöhe,/.;  diese  paszhöhe  ist  zugleich 
grenzhöhe  und  wasserscheidehöhe  Ritter  erdkunde  4, 
665;  Kqwfj.vos  ist  .  .  Krano  .  .  an  der  gränzhöhe  gegen 
Messenien  K.  0.  Müller  Dorier  2,  ini:\  dasz  der  er- 
zeugungsprozesz  so  früh  und  so  vorzüglich  die  philo- 
sophischen physiker  beschäftigt,  ist  kein  wunder,  sie 
ahndeten  nicht,  dasz  hier  eine  merkwürdige  grenzhöhe 
läge  Novalis  3,  230  Minor.  —  grenzholz,  n..  'ein,  ge- 
holz,  welches  an  der  gränze  eines  landes  oder  gebiethes 
liegt'  Adelung  2,  778.  —  grenzhort,  m.:  dort  wo 
Atlas  der  grenzhort,  hesperiden  die  pförtnerinnen  .  .  . 
sind  Gerhard  akad.  abhandl.  l,  153. 


165        GRENZHÜGEL  —  GRENZIRRUNG 


GRENZJÄGER  —  GRENZKUNDE 


166 


GRENZHÜGEL,  m.,  erdaufwurf  als  grenzzeichen:  so- 
bald aber  Katharina  II.  zur  grenzbezeichnung  ihres  .  . 
gebietes  .  .  grenzhügel  aufwerfen  liesz  Jahn  2,  574  Euler; 
als  solche  {grenzzeichen)  finden  wir  bäume  und  steine 
seit  den  ältesten  zelten,  in  Schlesien  auch  .  .  .  grenz- 
hügel Bernhardt  gesch.  d.  waldeigentums  i,  I2i;  in  den 
Staatswaldungen  Preuszens,  wo  grenzhügel  und  grenz- 
bäume in  den  Verordnungen  des  18.  Jahrhunderts  noch 
.  .  erwähnt  werden  Schwappach  handb.  der  forst-  u. 
jagdgesch.  1,  3i0;  seltener  'ein  {natürlicher)  hilgel,  der  an 
der  grenze  eines  gebietes  liegt'  Heinsius  2,  529^;  bei 
Jean  Paul  öfter  bildlich:  aber  eben  was  unsern  {'pfar- 
rer)  so  beglückte,  war  der  grenzhügel  der  mäszigkeit, 
auf  dem  er  wie  eingewurzelt  verblieb  und  von  da  herab 
erblickte,  was  tausend  andere  verscherzen  3, 127  Hempel; 
grenzhügel  der  Wissenschaft  s.  o.  unter  grenzgott;  vgl. 
7,10,  100.  —  grenzhut,  /. :  zu  seiner  schleiumgebenen 
dorfschaft  .  .,  wo  ohne  zweifei  schon  um  der  gränzhut 
willen  seit  Siegfrieds  .  .  .  zeiten  häufig  der  königssitz 
war  Dahlmann  gesch.  v.  Dännemark  1,  21 ;  über  die  treue 
und  über  die  sichere  schirmgenossenschaft  des  neuen 
reichs  für  Deutschland  und  über  seine  tapfere  und  treue 
gränzhut  .  .  werde  ich  leider  gleich  ein  wörtlein  sagen 
müssen  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  80.  — 
grenzhüter,  m.,  selten  in  einem  sinne  wie  grenzauf- 
seher,  -Wächter:  sie  sehen  immer  nur  noch  den  alten 
dünnhalsigen  .  .  preuszischen  unterofficier  .  ,  als  accis- 
schreiber  und  gränzhüter  der  schlagbäume  an  der  Peene 
Fr.  Arndt  bei  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deut- 
schen 1,  170;  in  der  regel  von  den  militärischen  verthei- 
digern  der  landesgrenze:  seit  Markus  Aurelius  waren 
von  zeit  zu  zeit  einzelne  häufen,  vorzüglich  damit  sie 
gränzhüter  wären,  .  .  angesiedelt  ansichten  tc.  aussichten 
(1814)  140;  gerne  sah  man  zu  Constantinopel  in  Theo- 
dorich .  .  den  grenzhüter  des  reiches  Döllinger  akad. 
vortrage  3,  74;  vielfältig  in  bildlichem,  gebrauch:  Klop- 
stocks  republik  ist  noch  nicht  zu  uns  grenzhütern  von 
Teutschland  gekommen  {aus  einem  in  Elberfeld  geschrie- 
benen brief)  Heinse  9,  219  Schüddekopf;  die  heimat  be- 
schirmen uns  derweil  klippen  .  .  und  meergebraus.  nun 
freilich,  ganz  so  gut  ist  es  bei  euch  mit  den  natür- 
lichen grenzhütern  nicht  beschaffen  Fouque  altsächs. 
bildersaal  2,  133;  und  musz  der  hasz  gegen  die  Fran- 
zosen künftig  euer  gränzhüter  seyn  Arndt  sehr,  für 
u.  an  s.  l.  Deutschen  i,  265;  der  romanschriftsteller,  der 
grenzhüter  des  Parnassus,  hat  mehr  als  jeder  andere 
Ursache,  die  gesetze,  denen  er  unterworfen  ist,  heilig 
zu  halten  Spielhagen  7,  209;  im  18.  jh.  auch  grenzen- 
hüter:  es  werden  allerhand  seltsame  völcker  geworben; 
und  unter  andern  .  .  auch  einige  neutralitäts-soldaten 
und  gränzen-hüter  Lindenborn  Diogenes  (1742)  2,  re- 
gister  11; 

und  opfere  dem  Rhein, 

dem  alten  gränzenhüter  der  Germanen 

Schiller  11,  362. 

GRENZICHT,  adj.,finitimus,  conterminus,  vicinus  Stie- 
ler 694. —  grenzindividuum,  Ji.;  er  (Z'mA)  erfand  sich 
das  wunderliche  wort,  ich  {Gutzkow)  sei  ein  'grenzindi- 
viduum'  zwischen  denker  und  dichter  Gutzkow  Dio- 
nysius  Longinus  50.  —  grenzingenieur,  m.,  s.  o. 
grenzcommission.  —  grenzinsel,/.,  insel,  durch  die 
die  grenze  läuft:  eine  grenzinsel  {Ufenau  im  Zürcher 
see)  hat  ihm  {Hütten)  ein  unbekanntes  grab  gegeben 
Herder  16,  292.  —  grenzinspector,  m.,  als  berufs- 
titel  allg.  deutsche  bibl.,  anh.  zu  53 — 86,  2133;  sie  {eine 
grenzstadt)  wurde  .  ,  zum  sitz  von  zwei  mongolischen 
grenzinspectoren  .  .  erhoben  Ritter  erdkunde  2,  419.  — 
grenzirrung,  /.,  grenzstreitigkeit:  eben  in  dem  jähre 
sind  zu  Prenzlow  ,  .  .  allerley  grenzirrungen  entschei- 
den .  .  .  worden  Micraelius  altes  Pommerland  (l640) 
3,  555;  aber  auch  nachher  haben  grenzirrungen  .  .  . 
mit  diesem  stift  zu  .  .  .  recessen  anlasz  gegeben  allg. 
deutsche  bibl.  100,  324;  unbedeutende  gränzirrungen  ver- 
anlaszten  kriege  mit  landstädtchen  J.  v.  Müller  l,  205; 
zu  Regensburg  .  .  .  befahl  Tassilo  eigenmächtig  fehde, 
wegen  grenzirrung  im  gebirg,  gegen  den  fränkischen 
herzog   Hrodbert  zu  Trident  Zschokke  sämtl.  ausgeio. 


sehr.  29,  218;  das  wort  ist  neuerdings  wieder  sehr  in  auf- 
nähme gekommen. 

GRENZ  JÄGER,  m.,  grenzauf scher,  Zollbeamter:  und 
wurden  am  thor  von  einem  französischen  gräntzjäger, 
der  sich  gantz  höflich  die  visite  de  la  carosse  ausbat, 
untersucht  Eighendorff  11,  205  Kosch-Sauer;  ich  will 
doch  unsern  grenzjägern  einschärfen,  dasz  sie  ein  wenig 
die  äugen  aufmachen  sollen  Raupach  dram.  tverke  kam. 
gattung  2,  49;  wir  haben  nichts  bei  uns  und  können 
daher  den  grenzjägern  gerade  auf  den  leib  fahren  Fr. 
Ziegler  ges.  novellen  u.  briefe  2,  8;  grenzjäger  Kraatz 
Fontane  l6,24;  ein  mehr  ostdeutsches,  zumal  schlesi- 
sches  wort;  auch  im  sächs.  für  grenzaufseher  Müller- 
Fraureuth  1,440*;  in  Frankfurt  a.  M.  nannte  man* 
im  vorigen  Jahrhundert  den  accisemcächter  grenzjäger. 
—  grenzkamm,  m. ,  im  gebirge:  eine  reihe  schwie- 
riger Saumpfade  überschreitet  .  .  den  grenzkamm  Alten 
handb.  f.  heer  u.  flotte  3,  796.  —  grenzkauf leute, 
plur.:  die  chinesischen  grenzkaufleute  .  .  .  hätten  eine 
deputation  an  den  könig  von  Slam  .  .  geschickt  Ritter 
erdkunde  i,  1244.  —  grenzkette,/.,  'eine  gleichsam  als 
grenze  gezogene  kette  von  Soldaten  etc.,  zur  abwehrung 
des  feindes  von  einem  gebiete;  auch  zur  abhaltung  von 
menschen,  vieh  und  Sachen  aus  verpesteten  .  .  gegetiden' 
Heinsius  2,  529'';  ende  des  18.  jhs.  mehrfach  als  ersatz 
von  cordon  empfohlen,  so  von  Kinderling  reinigk.  d. 
deutschen  spr.  124,  auch  von  Campe,  vgl.  Heynatz  aiiti- 
barb.  2,  72;  doch  nicht  recht  zier  geltung  gekommen;  an- 
ders: im  jähr  781  forderten  sie  dieses  gebirge  .  .  .  von 
den  Chinesen  als  grenzkette  Ritter  erdkunde  2,  167; 
vgl.  4,  511.  —  grenzknoten,  m.:  ein  wald  .  .  .  ,  be- 
ginnend an  den  quellen  des  flusses  Thaia  und  fortstre- 
bend bis  zu  jenem  grenzknoten,  wo  das  böhmische 
land  mit  Österreich  und  Baiern  zusammenstöszt  Stif- 
ter 1,211.  —  grenzkönigreich,  n.:  mit  der  thron- 
besteigung  des  kaisers  Gintsong  .  .  .  unterwarfen  sich 
auch  die  tributpflichtigen  grenz-königreiche  Ritter  erd- 
kunde i,  764.  —  grenzkoppitz,m..?  schles.  für  grenz- 
hügel {poln.  kopiec,  böhm.  kopec  hügel):  so  soll  der 
oberhauptmann  .  .  gräntz  koppitzen  aufwerfen  oder  an- 
dere zeichen  machen  lassen  Sghickfusz  schles.  chron. 
(1625)  3,  485.  —  grenzkosten,  pVur.,  gelder,  die  zum 
schütze  der  landesgrenze  dienen:  für  .  .  aussgelegte  gräncz- 
costen  zu  erhaltung  ihrer  kay.  maytt.  habenden  pro- 
prietaet  736  tholer  35  groschen  acta  publica,  verhandl.  d. 
schles.  fürsten  u.  stände  1,  14.  —  grenzkreis,  m.: 

im  morgenroth,  das  naher  gletscher  reih'n 
und  ferner  meere  grenzkreis  glorreich  hellt 

Salis  ged.  (1839)  105; 

und  wo  nur  die  persönlichkeit  von  solcher  art  ist,  .  . 
darf  man  ihr  wohl  gern  das  überschreiten  des  kunst- 
gerecht beschriebenen  gränzkreises  verstatten  Fouque 
gefühle,  bilder  (1819)  2,  158;  vom,  kreis  als  verivaltungs- 
bezirk:  {die  Convention)  müszte  ...  in  den  schlesischen 
grenzkreisen  ähnliche  übelstände  hervorrufen  Bismarck 
polit.  reden  4,  77.  —  grenzkreuz,  n.,  in  steine  {oder 
bäume)  eingehauenes  kreuz  zur  bezeichnung  der  grenze: 
solche  grenitzsteine  sind  aller  mit  grenitzkreizen  be- 
zeichnet bis  zur  kreizbuchen  Hüttel  Trautenauer  chron. 
267  Schlesinger;  anders:  endlich  gestatteten  sie  ihm  doch 
.  .  .  als  grenzzeichen  ein  kreuz  zu  errichten,  dieser 
punkt  ist  auf  der  gouvernementskarte  .  .  .  bezeichnet 
durch  Pesterevs  grenzkreuz  Ritter  erdkunde  2,  1006; 
und  nun  erzählte  er  .  .  ,  wie  ihm  ein  hündlein  nach- 
gelaufen, das  sich  beim  grenzkreuz  erhoben  habe  Ros- 
EGGER  5,  312.  —  grenzkrieg,  m.,  krieg  an  der  grenze: 
nur  sein  {des  chinesischen  kaisers)  tod  hinderte  den  aus- 
bruch  eines  grenzkrieges  zwischen  Russland  und  China 
Ritter  erdkunde  2,  106;  in  Africa  bestand  zwischen 
Karthago  und  Numidien  .  .  .  ein  ewiger  grenzkrieg 
Mommsen  röm.  gesch.  2,  19;  vgl.  3,  202;  5,  209.  —  grenz- 
kunde,  /. ;  kleines  lehrbuch  der  natürlichen  gränz- 
und  länderkunde  {buchtitel)  allg.  deutsche  bibl.  83,  503; 
beyträge  zur  geographischen  methode,  wie  die  kenntnis 
der  läge  der  örter,  oder  die  gränzenkunde  .  .  auf  schulen 
beygebracht  werden  kann   {buchtitel)  62,  469;   die  form 

11* 


167 


GRENZLAGE  —  GRENZLINIE 


GRENZLINIE 


168 


gränzenkunde  auch  104,  509.  —  grenzlage,  /.;  dasz  die 
einwohner  von  Nilang  die  zweizüngigen  .  .  heiszen,  be- 
zeichnet ihre  grenzlage  zwischen  diesen  verschiedenen 
herrschaften  Ritter  erdkunde  3,  966;  anders  in  der 
mathematik:  die  menge  paralleler  geraden  zwischen  zwei 
bestimmten  grenzlagen  wird  durch  den  normalabstand 
dieser  grenzlagen  gemessen  Czüber  Wahrscheinlichkeits- 
rechnung 1,  102. 

GRENZLAND,  n.:  wie  hoch  beschwerlich  und  ver- 
derblich sein  kriegen  den  anrüerenden  teutschen  grenz- 
lendern  uf  den  hals  fallen  wurde  Laz.  v.  Sghwendi 
bei  Eiermann  137;   Wallenstein  zu  Wrangel: 

helft  den  gemeinen  feind  mir  niederhalten, 
das  schöne  grenzland  kann  euch  nicht  entgehn 
*  Schiller  Wallensteins  tod  376; 

häufig  erst  im  19.  jh.,  mit  leicht  schwankendem  sinn: 
landenge  Suez  als  grenzland  zwischen  Arabien  und 
Aegypten  Ritter  erdkunde  l,  852;  in  dem  slavischen 
grenzlande  Schlesien  spielte  Freytags  erster  roman  Sghe- 
RER  kl.  sehr.  2,  21;  ein  buntes  völkergemisch  von  Ru- 
thenen  und  Sarazenen,  Armeniern  und  Tataren  hauste 
in  dem  Südosten  dieses  grenzlandes  der  Christenheit  {des 
Deutschordenslandes)  Treitschke  histor.  u.  polit.  auf- 
Sätze  2,  51;  in  den  grenzländern  der  Donau  und  Oder 
entstanden  im  mittelalter  marken  Freytag  17,  87;  be- 
achte: 

und  kam  an  Nubiens  grenzenland  nunmehr 

Gries  Ariostos  ras.  Roland  3,  367; 

demin.:  in  dem  französischen  grenzländchen  Gex 
D.  Fr.  Strausz  ll,  128.  —  grenzlandschaft,  f.: 
grenzlandschaften  besitzen  ...  in  gewissem  grade  den 
doppelten  werth  der  mittelländischen  gegenden  Lagarde 
deutsche  sehr.  142;  im  jähr  1230  trat  der  herzog  eine 
grenzlandschaft  im  norden  von  Masovien  .  .  ,  das  ver- 
wüstete Kulmer  land,  an  den  orden  ab  Freytag  18, 
199.  —  grenzlauf,  m.,  lauf  der  grenze:  zwischen  land- 
schaften  und  gebieten,  wo  Völker  oder  stamme  sich  von 
einander  abschlössen,  gewahren  wir  durchgängig  natür- 
lichen grenzlauf  J.  Grimm  kl.  sehr.  2,  39;  lauf  zur  grenze: 
die  sage  vom  grenzlauf  rechtsalterth.  l,  xiv;  vgl.  deutsche 
sagen  1,193.  —  grenzlegung, /.;  die  grenzlegung  und 
begebung  heiszt  in  den  alten  Urkunden  circumducere, 
peragrare  rechtsalterth.  2,  74.  —  grenzleiste,  /. .-  auf 
dieser  sandigen  grenzleiste  haben  die  Holländer  1590  die 
kleine  festung  Bourtange  angelegt  Wimmer  gesch.  des 
deutschen  bodens  156.  —  grenzleute,  plur.:  wegen  der 
gefährlichen  nachbarschaft  würden  die  grenzleute  immer 
auf  ihrer  hut  sein  Jahn  2,  590  Euler;  als  kräftige,  krie- 
gerische grenzleute  wurden  die  Ampezzaner  .  .  von  der 
landesherrschaft  immer  mit  besonderem  wohlwollen  be- 
handelt Steub  drei  sommer  in   Tirol  2,  89. 

GRENZLINIE,  /.,  vereinzelt  grenzenlinie  Knigge  Um- 
gang m.  menschen  (1796)  2,  171. 

l)  im  eigentlichen  sinne  gern  von  der  Scheidelinie  poli- 
tischer bezirke  (vgl.  grenze  A  2  b) :  durch  die  eroberungen 
des  Cäsars  wurden  die  Deutschen  nachbarn  der  Römer 
und  der  Rhein  die  grenzlinie  zwischen  ihnen  und  einem 
Volke  M.  J.  Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  i,  59;  seit  der 
zeit  zieht  der  Genfer  see  zwischen  ihnen  (den  Schwei- 
zern) und  Savoyen  die  gränzlinie  grafen  Stolberg  6, 
198;  England  ward  ...  als  nebenbuhler  bekämpft,  da 
hier  keine  glückliche  gränzlinie  die  besitzungen  der  bei- 
den nationen  .  .  schied  Fr.  Schlegel  li,  348;  die  grenz- 
linie wird  dann  jenseit  des  Rheines  ihre  richtung  nach 
Strassburg  nehmen  Ranke  reform.-gesch.  2,  33;  daneben 
mannigfach  anders:  was  den  begriff  anlangt,  den  hr. 
Sch.  von  der  nordischen  geschichte  macht,  so  zieht  er 
die  Elbe  und  Donau  als  zwey  gränzlinien;  so  dasz  die 
.  .  geschichte  in  zwo  .  .  .  hälften  zerlegt  wird  allgem. 
deutsche  bibl.  192,  370 ;  jeder  strebte  die  kugel  .  .  über 
eine  der  gränzlinien  hin  wegzuwerfen  Vieth  encyclop.  d. 
leibesübungen  i,  75;  die  leiste,  die  vom  .  .  vorberge  des 
kreuzbeins  rundlich  anfängt,  .  .  heiszt  die  .  .  grenzlinie 
(linea  terminalis,  auch  ileo-pectinea)  Sömmering  bau 
d.  menschl.  körpers  2,  192 ;  wie  grenze  bedeutet  auch  grenz- 
linie 7iicht  nur  Scheidelinie,  sondern  auch  abschluszlinie. 


ende:  der  wald  wird  doch  nicht  .  .  .  seine  grenzlinien 
hinter  dem  firmamente  haben  allg.  deutsche  bibl.,  anh. 
zu  1 — 12,  410;  wir  näherten  uns  (mit  der  Vermessung  des 
landes)  der  grenzlinie  unseres  angewiesenen  bezirks 
immer  mehr  und  mehr  Stifter  5^  130;  in  so  duftige 
ferne  verschwamm  in  seinen  angaben  die  grenzlinie 
seiner  (des  Pompeius)  östlichen  eroberungen  Mommsen 
röm.  gesch.  ^Z,iil;  die  grenzlinie  seiner  (des  eibenbaums) 
Verbreitung  verläuft  von  den  Alands-inseln  durch  den 
westlichsten  teil  Estlands  Hoops  waldbäume  u.  kultur- 
pflanzen  127;  vgl.  diesz  sind  einige  .  .  .  züge  aus  dem 
Charakter  des  mannes,  von  dessen  halben  gesiebte  wir 
hier  (in  der  Silhouette)  die  äuszerste  gränzlinie  vor  uns 
haben  Lavater  physiogn.  fragm.  l,  220;  decken  sich  .  . 
die  gränzlinien  einer  figur,  so  fallen  auch  die  anfangs- 
und  endpuncte  der  linien  ineinander  allg.  deutsche  bibl. 
105,  70. 

2)  viel  häufiger  übertragen;  auch  hier  in  der  bedeu- 
tung  abschluszlinie:  die  letztern  teile  (des  Tristram) 
wurden  nicht  so  häufig  verkauft,  ein  Schicksal  das 
fast  allen  .  .  .  büchern  gemein  ist,  .  .  deren  Verfasser 
keine  bestimmte  grenzlinie  angezeigt  haben  Bode  Yo- 
ricks  empfinds.  reise  (1768)  i,  xii;  der  mutter  natur  bat 
es  beliebt,  die  äuszersten  grenzlinien  der  Schönheit  und 
häszlichkeit  in  dem  weiblichen  körper  zu  vereinbaren 
MusÄus  volksmährchen  3,  75  Hempel;  von  Pauline  von 
Härder  war  bekannt,  dasz  sie  .  .  mit  Heinrichson  .  .  . 
gleichsam  die  grenzlinie  ihrer  herzenswallfahrt  bezeich- 
nete GuTZKOVi^  ritter  v.  geiste  8,  62;  meist  aber  sclieide- 
linie. 

a)  was  heiszt  christusleeres  christenthum  ?  was  ver- 
nunftlose Schwärmerei?  welches  sind  ihre  gränzlinien 
.  .?  Göthe  37,  263  Weim.;  aber  wo  ist  nun  .  .  die  grenz- 
linie zwischen  dem  erlaubten  und  unerlaubten?  Zschokke 
sämtl.  ausgew.  sehr.  10,  214;  da  ist  das  reich  der  kunst, 
auf  der  grenzlinie  des  reiches  .  .  .  des  ideals  und  des 
reiches  der  Wirklichkeit  Ludv^^ig  5,  372;  eine  scharfe 
richtige  gränzlinie  zwischen  diesen  begriffen  J.  J.  Engel 
7,  90;  die  schärfste  grenzlinie  zwischen  festen  und  flüs- 
sigen körpern  ist  die  bestimmung  der  letzteren  Schel- 
LiNG  1 — 2,  172;  so  hat  mancher  bösewicht  zuerst  seine 
fügend  aus  gefälligkeit  preisz  gegeben,  und  nicht  aus 
hange  zum  laster.  eine  schmale  und  gefährliche  grenz- 
linie! Kretsghmann  5,  340;  nirgends  war  die  gränzlinie 
zwischen  beiden  extremen  (arm  u.  reich)  so  schmal,  so 
schwer  zu  behaupten  (wie  in  Born)  Jhering  geist  des 
röm.  rechts  2^,  243;  gleichwie  man  keine  vest  stehende 
gränzlinien  zwischen  der  kaiserlichen  und  ständischen 
gewalt  hatte  M.  J.  Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  3,  155; 
eine  gewisse  mäszigung  .  .  ,  welche  nach  den  begriffen 
dieser  beiden  die  wahre  grenzlinie  der  fugend  und  des 
lasters  ausmachte  Wieland  Agathon  (i766/.)  2,  73. 

b)  geläufigere  verbale  fügungen:  daher  ist  .  .  .  nicht 
leicht  die  grenzlinie  anzugeben  (zwischen  braunspat  u. 
kalkspat)  A.  G.  W^erner  oryktognosie  172;  wir  .  .  sollen 
.  .  dem  zeitlichen  Interesse  nicht  gar  entsagen,  aber  die 
gränzlinie  zwischen  diesem  und  dem  höheren  interesse 
ist  schwer  zu  treffen  M.  Claudius  8,  74;  er  sollte  die 
grenzlinie,  wo  sich  sein  eigenthum  von  dem  ober- 
eigenthum  des  Staates  scheidet,  .  .  .  nachweisen  kön- 
nen Moser  3,  93;  der  v.  setzt  zuerst  die  grenzlinie 
zwischen  technologie,  naturgeschichte  und  landwirth- 
schaft  fest  allg.  deutsche  bibl.,  anh.  zu  37 — 52,  1041 ;  um 
den  (kränz)  des  muthes  .  .  .  können  ihn  seine  feinde 
selbst  nicht  bringen,  ohne  die  psychologische  grenzlinie, 
auf  der  sich  muth  und  trotz  begegnen,  zu  verrücken 
Gutzkow  ges.  werke  10,  II6;  ich  sehe,  .  .  .  wie  eigen- 
thum, Staats -Verfassungen  und  grenzlinien  aufhören 
Knigge  Umgang  m.  menschen  2,  22;  in  der  .  .  .  person 
dieses  mannes  soll  wirklich  eine  doppelte  natur  liegen, 
deren  grenzlinien  eben  so  sehr  in  einander  laufen,  als 
ihre  äuszersten  enden  sich  von  einander  zu  entfer- 
nen .  .  .  scheinen  Hamann  4,  297  Roth;  vgl.  die  gränz- 
linien der  verschiedenen  stände  schlingen  sich  im  her- 
zigen du  wie  epheu  und  rebenranken  zusammen  Schu- 
bart briefe  2,  245;    es  gibt  so  manche  gefährliche  und 


169 


GRENZLOS  -  GRENZMACHT 


GRENZMAL  —  GRENZMARK 


170 


leicht  verwischte  grenzlinien  Raabe  Abu  Telfan  l,  49; 
besonders:  eine  grenzlinie  ziehen:  allein  .  .  in  dieser 
steten  fortschattierung,  wer  macht  da  arten  ?  wer  zieht 
grenzlinien  und  wegscheide  Herder  5,  237;  gute  dünkte 
ihn  Schwachheit;  und  nur  der  starke  vermag  zwischen 
beiden  die  grenzlinie  zu  ziehen  Forster  6,  271;  in  den 
entwürfen  sei  eine  grenzlinie  gezogen  zwischen  ministe- 
rium   und   könig  Bismargk  polü.   reden  2,  76;    da   zu- 
gleich zwischen  den  hörigen  und  unfreien  dienstleuten 
wohl  noch  keine  scharfe  gränzlinie  gezogen  war  Eich- 
horn deutsche  Staats-  u.  rechtsgesch.  1,  456;  würden  wir 
nicht   unsere    grenzlinie   gegen   den   katholicismus    am 
schärfsten  und  bestimmtesten  ziehen,  wenn  Schleier- 
macher I  5,  166;   was  artistisch  wäre,  nähme  man  in 
die   neue   anstalt,   das   historisch -antiquarische    bliebe 
drüben,    wobey    man    überhaupt    keine   strenge   grenz- 
linie zu  ziehen  brauchte   Göthe  IV  21,  7  Weim.;  unsre 
spräche  scheint  mir  so  wenig  zu  komischen  Wendungen 
gemacht,  und  die  gränzlinie  in  dieser  dichtarth  so  fein 
gezogen,   dasz   die   schön  getrofne  mittelstrasze  ...  in 
dieser  erzählung  allen  beifall  verdient  F.  A.  v.  Kleist 
an  Bürger  3,  294  Strodtmann;  gerne  negativ:   nur  tritt 
bey'm  Epimenides  der  fall  ein,  dasz  die  grenzlinie  zwi- 
schen  dem    abzudruckenden   und  auszulassenden  wohl 
schwer  zu  ziehen  sein  möchte  Göthe  IV  25,  235  Weim.; 
eine  unbedingte  gränzlinie  der  rechte  .  .  des  weltlichen 
und  geistlichen  läszt  sich  nicht  ziehen  Raumer  gesch. 
d.  Hohenstaufen  6,  102 ;  mit  dativ  in  ähnlichem  siniie  wie 
grenzen  setzen  (s.  sp.  140/.) :  das  reine  stille  gefühl  der 
gränzlinie,  die  ihm  {dem  bürger)  gezogen  ist  Göthe  22, 
150  Weim,.;    den   ersteren    {schauspielern)    zog  ich   eine 
grenzlinie,   bis   zu  welcher  ich  die  ausbildung  und  an- 
leitung  ihrer  anlagen  .  .  geführt  wissen  möchte  R.  Wag- 
ner 9,  189;    eine   grenzlinie   überschreiten  u.  ä. 
{vgl.  die  grenze  überschreiten  sp.  143):    schon  mancher 
peripatetischer   philosoph   musz   bemerkt   haben,    dasz 
die  natur  .  .  um  das  miszvergnügen  des  menschen  eine 
grenzlinie  gezogen  hat,  die  es  nicht  überschreiten  darf 
BODE  Yoricks  empfinds.  reise  1,  19;  im  ganzen  sind  seine 
{Palladios)  werke  eine  grenzlinie   die  niemand  ausfüllt 
und  die  so  bald  überschritten  ist  Göthe  IV  10,861  Wetw.; 
leicht  wird  auch   die   zarte   grenzlinie  ,  .  übersprungen 
Immermann  20,  178  Hempel;   Aristofanes   habe   sich  in 
diesem  stücke  .  .  .  über  die  äuszersten  grenzlinien  der 
wohlanständigkeit  .  .  .  hinreiszen  lassen  Wieland  att. 
museum  2^,  iii;  ein  höchster  augenblicklicher  vigor,  der 
aber  auch   gleich   in   den  ruin  der  maschine  übergeht, 
weil  er  über  die  grenzlinie  der  gesundheit  gewichen  ist 
Schiller  l,  163;    {englische  misses  finden   sich  in  Eve- 
line  befriedigt;)   indessen   geht   dies   kleine   verkörperte 
gebetbuch  mit  goldschnitt  .  .  .  über  die  grenzlinie  der 
natur  hinaus  Gutzkow  ges.  werke  11,  380;  die  symboli- 
schen bücher  sind  in  Ulm  .  .  die  gränzlinie,   über  die 
es  frevel  ist,  nur  einen  fusz  hinauszusetzen  Schubart 
leben  u.  gesinnungen  2,  128;    eine   grenzlinie   (ein)- 
halten   u.  ä.:   er  liest   vortrefflich  .  .;    niemand   hält 
wie  er  die  zarte  gränzlinie  zwischen   declamation   und 
affectvoller  recitation  Göthe  22,  170  Weim.;  dasz  sie  {die 
tagespresse)  in  der  überwiegenden  mehrzahl  ihrer  organe 
diese  feine  grenzlinie  berechtigter  kritik  wohl  zu  halten 
weisz  Freytag  15,  99;  der  fromme  .  .  wird  mit  um  so 
gröszerer  scheu  die   grenzlinie   einhalten,    die  ihn  von 
dem,  was  ihm  als  das  göttliche   gilt,   scheidet  D.  Fr. 
Strausz  6,  32;  ettoas  anders:  wie  die  dinge  damals  la- 
gen, war  diese  grenzlinie  zwischen  weltlicher  und  geist- 
licher gewalt  kaum  festzuhalten  Nitzsgh  deutsche  Stu- 
dien 10;  indem  wir  uns  zu  dem  streifzuge  in  die  gebiete 
der  Wissenschaften  rüsten,  entschlieszen  wir  uns,  durch- 
aus nur  auf  der  grenzlinie   zu   bleiben,  wo  der  leben- 
dige .  .  verkehr  statt  hatte   Gervinus  gesch.  der  deut- 
schen dichtung  (1853)  5,  235.    —    grenzlos,   s.  grenzen- 
los. —  grenzmacht,  /. ;  Laos  .  .  bestehe  aus  kleinen 
Staaten,    welche  jenen   drei   politischen   grenzmächten 
{China.  Siam.  Birma)  .  .  tribut  zahlen  Ritter  erdkunde 
4,  1084;  anders:  man  will  ihm  theile  von  Hochburgund 
und  .  .  von  Lothringen  dazu  geben,   damit  er  eine  re- 
spectable  grenzmacht  bilde  Laube  15,  219. 


GRENZMAL,  n.,  grenzzeichen:  wurde  einer  .  .  hinder- 
schleiflich  newe  gräntzmal  aufrichten,  derselbe  soll  .  . 
gestraft  werden  Schickfusz  chron.  von  Schlesien  (i625) 
3,  343; 

{zwei  Carthager)  die  in  Cyrener  land 
sich  lebend  Hessen  scharr'n :  wormit  ihr  Vaterland 
auf  ihrer  edlen  gruft  ein  ewig's  gräntzmal  hette 

Lohenstein  Sophonisbe  (1680)  14; 

Bacchus  .  .  richtete  an  dem  mund  des  Ganges  auf  zwey 
bergen  so  viel  säulen  auf,  als  wenn  daselbst  das  gräntz- 
maal  aller  schiffarthen  wäre  Arminius  (1689/.)  1,  129''; 
bis  an  das  gräntzmal  des  heiligen  waldes  2,  530 **; 

dann  zieh'  er  unversehrt  aus  meinem  schlösse, 
doch  find'  er  seinen  wirth  am  grenzmahl  wieder, 
bewaffnet  mit  dem  schwert  der  räche 

KoTZEBUE  81,  217; 

nach  den  ältesten  deutschen  rechtsquellen  scheinen  als 
grenzmale  vorwiegend  bäume  gedient  zu  haben,  in  wel- 
che kreuze  eingehauen  .  .  waren  Schwappagh  handb. 
d.  forst-  u.  'jagdgesch.  l,  44;    in   älterer  zeit   öfter   auch 

von  flüssen: 

dasz  Donau  und  der  Rhein 
der  röm'schen  siege  gräntz-maal  seyn 

Lohenstein  Arminius  (1689/.)  1, 1361; 

der  strohm  Kür  leget  das  gräntzmahl  zwischen  Schir- 
wan  und  Mokan  Olearius  verm.  reisebeschreib.  (1696) 
237 ;  beachte:  wie  es  unsere  .  .  .  vorväter  gethan,  die  den 
nemlichen  ungewissen  weg,  ohne  Wegweiser,  ohne  gren- 
zenmal, giengen,   der  vor  uns  liegt   Hippel  lebensläufe 

3,  166.  —  grenzmann,  m.,  mir  in  gelegenheitsbildun- 
gen:  auf  der  rechten  seile  {des  mannes,  der  allegorisch 
die  Weichsel  darstellte)  stand  Sarmatien,  auf  der  lincken 
Deutschland,  und  lehnte  sich  jede  mit  einem  arme  auf 
die  achseln  dieses  ihres  gräntzmannes  Lohenstein  Ar- 
minius (1689/)  2,  860»;  ihr  männer  von  Galilea!  das 
ist:  ihr  gräntzen-  und  marcken-männer,  wie  seyd  ihr 
so  irdisch  gesinnet  Dannhawer  catechismus  milch  5, 
1087  {Übersetzung  von  Galilea  'gebiet');  doch  wohl  auch 
für  'grenzbetcohner'  gebraucht,  vgl.  markmann  th.  6, 1642. 
—  grenzmännchen,  n.,  kinderspiel: 

kinder  wart  ihr,  habt 
grenzmännchen  oft  gespielt,  den  ball  geschwungen 

Freytag  8, 163. 

GRENZMARK,  /.  i)  von  der  alten  karolingischen 
Verfassung  der  grenzmark  ist  jede  spur  verschwunden 
Nitzsgh  deutsche  Studien  211;  oft  nur  gehobenerer  aus- 
druck  für  grenzbezirk: 

kann  ich  den  heerbann  wecken, 
wenn's  nicht  die  eig'ne  nächste  grenzmark  gilt 

FouQUE  altsächs.  bildersaal  1, 143; 

wie  ein  markstein,  der  da  kündet 

i'edem  fremden  Wasgengänger: 
der  ist  Deutschlands  grüne  grenzmark 

Lienhart  ged.  (1906)  78; 

besonders  im  pliiral:  dasz  sie  eine  meiner  südlichen 
landsmänninnen  aus  den  grenzmarken  von  Schwaben 
und  Franken  sei  Hauff  2,  382;  und  doch  sind  unsere 
nordöstlichen  grenzmarken  .  .  .  arm  an  augenfälligen 
historischen  trümmern  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes  l, 
167;  die  bewegung  ergriff  alle  deutschen  gaue,  bis  zu 
den    fernen    grenzmarken   Treitschke    deutsche   gesch. 

4,  662.  2)  =  grenzmarke,  grenze,  grenzzeichen;  beson- 
ders schiceizerisch :  an  dem  ende  des  dorfs  Rougemont 
strömt  .  .  ein  bach,  die  gränzmark  der  Deutschen  Bon- 
stetten  briefe  über  ein  schiceizer.  hirtenland  (1782)  15; 
wir  stehen  auf  der  grenzmark  zwey  groszer  zelten  J.  v. 
Müller  16,  i6i; 

wir  aber  an  der  grenzmark  seiner  spräche,  .  . 

wir  rufen  seinen  {Schillers)  schatten      Keller  9,  223; 

an  der  grenzmark  eines  jeden  netzes,  im  blattwerke 
verborgen,  saszen  gleichfarbige  .  .  spinnen,  welche  keine 
eigenen  netze  bauten  3,  22;  vgl.  2,  140;  die  grenzmark 
halte  unverrückt  wie  die  geböte  gottes  Rosegger  l,  800; 
dreierlei  grenzmark  hat  die  natur  geschaffen:  Wasser- 
scheiden .  .  ,  meere  .  .  wüsten  Jahn  2,  574  Euler;  {das 
turnen  wird  werden)  ein  gewaltiges  meer,  das  schirmend 
die  heilige  grenzmark  des  Vaterlandes  umwogt  l,  xxiii; 


171   GRENZMARKE  -  GRENZMESSUNG 


GRENZMILITÄR  —  GRENZORT 


172 


hierher  ivohl  auch:  da  wo  dieser  Cluilische  graben  die 
altrömische  grenzmark  erreicht  Moltke  sehr.  u.  denk- 
tuürdigk.  l,  179;  in  äUerer  zeit  auch  grenzmerk,  loohl 
neutr.,  grenzzeichen:  da  auch  als  man  zum  fundament 
geraumpt  .  .  ,  viel  römische  antiquiteten,  und  darunder 
auch  ein  steinern  grentzmärck,  ausgehawen  wie  die 
stattpinea  .  .  .  gefunden  worden  Wolfg.  Hartmann 
augsp.  chronica  (1595)  214. 

GRENZMARKE,  /.,  zuweilen  ganz  concret  'grenzzeichen': 
zur  Onon-quelle  .  .  ,  wo  die  zwölfte  grenzmarke  steht 
Ritter  erdkunde  2,  522;  du  weiszt,  wer  sich  an  der 
grenzmarke  vergreift,  der  hat  dereinst  keine  ruh  im 
grabe  Rosegger  Schriften  i,  157;  der  grenzvertrag  des 
Jahres  1845  hat  feste  grenzmarken  von  der  Kissmün- 
dung  bis  zum  Teniet  es  Sassi  .  .  .  geschaffen  Alten 
handb.  f.  heer  u.  flotte  1,  249;  ursprünglicher  als  tauto- 
logische  bildung  im  sinne  'grenr.e',  wenn  auch  grenzmarke 
bisweilen  gegenständlicher  empfxmden  sein  mag  als  bloszes 
grenze:  dieser  an  den  grenzmarken  des  romanischen 
und  germanischen  lebend  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l. 
Deutschen  3,  300;  der  präsident  stand  an  der  grenzmarke 
seines  glucks  Gervinus  gesch.  des  id.  jhs.  7,  46;  der 
schweizerische  dichter  und  historiker,  der  auf  den  grenz- 
marken der  länder  (Deutsehlands,  Frankreichs,  Italiens) 
steht  Betsy  Meyer  74;  daher  vielfach  in  denselben 
fügungen  tcie  grenze:  wenn  die  bestimmung  einer  aka- 
demie  .  .  sich  nicht  durch  die  grenzmarken  eines  lan- 
des  beschränken  läszt  Schelling  i — 2,  470;  nicht  die 
engen  schranken  des  positiven  gesetzes  bezeichnen  ihr 
(der  Wissenschaft)  hier  die  gränzmarken  ihres  reichs 
Jhering  geist  d.  röm.  rechts  2-,  414;  die  in  der  mensch- 
lichen natur  begründeten  grenzmarken  des  geistigen 
kosmos  festzustellen  Justi  Winckelmann  1,102;  der  west- 
fälische friede  hatte  grenzmarken  gezogen  (zur  Siche- 
rung der  deutschen  Völker  gegen  religionszivatig)  Döl- 
LINGER  akadem.  vortrüge  l,  800;  die  deutschen  Völker, 
die  bisher  .  .  jedes  nur  innerhalb  seiner  engen  gränz- 
marken .  .  verwaltet  waren  D.  Fr.  Strausz  l,  258.  — 
grenzmarkstein,  m.: 

auf  f;rauem  grenzmarkstein  .  . 
hockt  .  .  ein  greis  Liliencron  7, 188. 

—  grenzmarkt,  m.:  aus  dem  berühmten  Birmani- 
schen grenzmarkte,  eben  jenem  Bhaumo  Ritter  erd- 
kunde 4,747;  vgl.  2,222.  —  grenzmarkzeichen,  ?i. : 
das  Frankfurter  Bundestags-Deutschland  besitzt  seine 
grenzmarkzeichen  von  den  kahlen  Alpen  herab  in  die 
karte  Italiens  hinein  Gutzkow  iverke  10,  318;  (altes  her- 
kommen) dasz  der  bauer,  wenn  er  seinem  söhne  die 
wirthschaft  übergiebt,  denselben  rings  um  die  grund- 
besitzung  führt  und  ihm  bei  jedem  grenzmarkzeichen 
eins  versetzt  Rosegger  4,  161. 

GRENZMAUER,  /..-  er  dehnte  seine  herrschaft  .  .  . 
aus  ...  bis  zu  den  chinesischen  grenzmauern  in  ost 
Ritter  erdkunde  2,  67;  der  karge  ausblick  aus  diesem 
hofe  ging  über  eine  niedrige  grenzmauer  auf  einen  theil 
des  . .  .  nachbarhofes  Storm  14,  63;  bildlich:  seine  blicke 
.  .  .  schweiften  .  .  .  nach  den  fernen  blauen  bergen,  den 
grenzmauern  von  Württemberg  Hauff  1,  67;  da  auch 
die  germanischen  Völker  ihrerseits  der  befestigten  Rö- 
mergränze  eine  lebendige  gränzmauer  . . .  entgegensetzten 
Fr.  Schlegel  14,  39;  der  Verfasser  (wagt  zu  bestimmen) 
.  .  .  dasz  jede  positive  religion  eine  grenzmauer  haben 
. . .  müsse  briefe  die  neueste  literatur  betreffend  28,  29.  — 
grenzmaut,  /..-  wir  kamen  bald  darauf  an  die  bai- 
rische   gränzmauth  Nicolai  reise  d.  Deutschland  7,  31. 

—  grenzmeer,  n.:  bald  im  östlichen,  bald  im  west- 
lichen gränzmeere  (Griechenlands)  landeten  verheerende 
flotten  Becker  iveltgesch.  2,20t.  —  grenzmesser,  m., 
'ein  vereideter  feldm^sser,  welcher  in  streitigen  füllen  die 
grenzen  der  grundsiücke  .  . .  ausmisset'  Heinsius  2,  529''; 
vgl.  Adelung  2,  778;  der  erste  funke  menschlicher  be- 
sinnung  treibet  dahin,  ihr  (der  zeit)  sowohl  als  dem 
räum  grenzen  zu  schaffen  .  .  .  wir  sind  also  die  Mithri- 
date,  die  einen  mihr,  einen  grenz-  und  Zeitmesser  schaf- 
fen Herder  24,  5i7.  —  grenzmessung,  /..•  selbst 
würde  recensent,  wenn  ihm  eine  gränzmessung  aufge- 


geben würde,  sich  dieser  methode  nicht  bedienen  allg. 
deutsche  bibl.  100,  189.  —  grenzmilitär,  n. ;  über  die 
.  .  .  beschaffenheit  des  gränzmilitärs  hätte  er  sich  deut- 
licher erklären  sollen  104,504.  —  grenzenmischung, 
/".;  überhaupt  kenne  ich  nichts  so  unbestimmtes  als  die 
Worte  —  ode,  lyrischer  gesang,  Idylle ;  daher  Abbten  seine 
willkührliche  gränzenmischung  sehr  zu  vergeben  ist 
Herder  2,  303;  vgl.  grenzvermischung. 

GRENZNACHBAR,  vi.,  confinis  Stieler  104;  seit  dem 
11.  jh.  im,  schwang,  zunächst  imd  zumeist  von  deninhabern 
benachbarter  privater  besitzu7igen:  soll  er  dasselbe  viehe 
eintreiben,  und  den  schaden  mit  den  gräntznachbarn 
beführen  Schickfusz  chron.  v.  Schlesien  (l625)  3,  491; 
wenn  bey  den  grentznachbarn  mahl-bäume  umfallen 
Fleming  vollk.  teiUsche  jäger  (l719)  anhang  12;  mein 
gränznachbar  der  kammerherr  von  **  MusÄus  physiogn. 
reisen  l,  179;  dann  auch  von  den  bewohnern  angrenzen- 
der politischer  bezirke:  jemehr  man  provinzen  erobert, 
desto  grösser  wird  der  kreis  unsrer  gränznachbarn  allg. 
deutsche  bibl.  109,  199 ;  Holland  bekam  in  Preuszen  den 
ersten  starken  deutschen  gränznachbarn  Riehl  natur 
gesch.  des  Volkes  4,  62;  freier:  besuchen  sie  öfter  den 
alten  magum  im  norden.  Bückeburg  und  Königsberg 
sind  ohnediesz  gränznachbarn  Hamann  5,  34  Roth;  über- 
tragen: thiere  .  .  .  sind  unsre  (der  menschen)  grenz- 
nachbarn  Hippel  lebenslüufe  l,  337 ;  und  das  thier  wird 
als  mittleres  wesen  zwischen  freiheit  und  nothwendig- 
keit  wie  ein  freundlicher  und  unschuldiger  grenznach- 
bar  geliebt  ViscHER  üsthetik  2,  ilG.  —  grenznach- 
barin,  /.;  ich  habe  ein  .  .  .  unterirdisches  landgut, 
dorthin  will  ich  mich  jetzt  begeben,  um  mit  meiner 
gränznachbarin,  der  alten  fee,  in  einer  holden  eintracht 
zu  leben  Tieck  schriftend,  237.  —  grenznachbarlich, 
adj.:  wenn  es  aufrichtig  und  gräntz-nachbarlich  zugehet 
(in  Jagdsachen)  Döbel  7ieueröffn.  jäger  practica  (ilbi)  3, 100. 
—  grenznachbarschaft,/.;  grenznachbarschaft  und 
Zufall  brachte  meinen  vater  und  mich  in  ihre  bekannt- 
schaft  Kretschmann  32,17;  ein  besseres  gleichgewicht 
in  Süddeutschland  dadurch  herzustellen,  dasz  Baden  . .  . 
durch  angliederung  der  Pfalz  in  unmittelbare  grenz- 
nachbarschaft mit  Preuszen  gebracht  würde  Bismarck 
ged.  u.  erinn.  2,  94  volksausg.  —  grenznutzen,  m., 
grundbegriff  der  modernen  wertlehre;  bezeichnet  den  nutzen, 
'den  der  letzte  zur  Verfügung  stehende  teil  des  Vorrates 
an  einem  gute  für  ein  bestimmtes  wirtschaftendes  Subjekt 
hat;  nach  ihm  bemiszt  sich  der  ivert  einer  mengeneinheit 
des  gutes  für  das  betreffende  Subjekt'  Czuber  wahrschein- 
lichkeitsrechnung  1,  245;  vgl.  Conrad  hwb.  d.  Staats- 
wiss.  5,  56. 

GRENZOBERSTER,  m.,  befehlshaber  von  grenztruppen : 
der  (kriegsoberste)  dann  darumb  ein  grentzoberster  in 
Retica  genannt  wurde  Werligh  augspurg.  chronica  (l595) 
56.  —  grenzopfer,  n.,  das  beim  übertritt  in  fremdes 
gebiet  übliche  opfer :  da  aber  die  gränzopfer  nicht  glück- 
lich ausfielen,  so  giengen  sie  wieder  nach  hause  Heil- 
mann gesch.  d.  pelop.  krieges  (l760)  704.  —  grenzord- 
nung,  /. ;  holz-,  forst-,  jagd-  und  gränzordnung  von  1738 
allg.  deutsche  bibl.  100,  339;  bei  politischen  grenzen:  die 
dort  durch  chinesisches  obercommando  in  neuerer  zeit 
eingeführte  grenzordnung  B-ITTEr  erdkunde  4,95;  unter 
Commodus  wurde  .  .  .  jede  ansiedelung  untersagt,  was 
mit  den  . .  .  grenzordnungen  nach  dem  Marcomanenkrieg 
zusammenhängen  wird  Mommsen  röm.  gesch.  5,  208.  — 
grenzort,  m.,  Ortschaft,  stadt  an  der  grenze  eines  ge- 
bietes:  gräntz-örter /roniaWa  Reyher  tte*.  1056;  grentz- 
örter  arces,  civitates  conterminae  Dentzler  (1716)  140"; 
so  soll  der  kaiser  zuvorn  etliche  angelegene  gräntzort 
befestigen  Schickfusz  chron.  v.  Schlesien  (1625)  3,  229; 
wegen  stehts  besorgenden  kriegsläuften,  welche  dasz 
offene  land,  bevorab  in  solchen  gräntzorten  wie  allhie, 
mehr  alsz  grosse  statte  musz  leiden  Moscherosch  in- 
somn.  cura  par.  123  neudr.;  es  (Cöln)  war  der  grenzort 
des  bereits  eroberten  gebietes  diesseits  der  Spree  Ranke 
25,  19;  übertragen:  wir  sehen  das  schäferleben  als  den 
nächsten  grenzort  zum  paradise  an  Hippel  lebenslüufe 
4,  213;  die  Staaten  . .  .,  die  gleichsam  als  grenzorte  der 


m 


173     GRENZORTSCHAFT  —  GRENZPFAHL 

civilisirten  weit  mit  der  uncivilisirten  in  der  nächsten 
berührung  sind  Schleiermacher  I  12,  2«;  jenes  von 
Lessing  begriffene  bestreben  der  zeit,  in  alle  geistige 
tbätigkeiten,  in  die  gattungen  der  dichtung,  in  die  grenz- 
orte der  kunst  und  Wissenschaft  .  .  .  eine  reine  Schei- 
dung zu  bringen  Gervinus  gesch.  d.  deutschen  dichtung 
5,371;  Msweilen  auch:  ort,  punct,  der  die  grenze  bildet 
oder  bezeichnet:  locus  finitivus  seu  fmes  indicans  Schot- 
TEL  teutsche  haubtspr.  (lG63)  404 ;  gränitzort  in  der  Kirch- 
pichler  schrannen  Überschrift  in  einer  grenzbeschreibung 
österr.  weisth.  2,  52,  15;  so  vielleicht  noch: 

an  diesem  gränzort  zweyer  reiche  lauschet 
der  contreband  (von  der  stadt  Kehl) 

Thümmel  reise  1,  58. 

—  grenzortschaft,/. :  als  jene  grenzortschaften  (an 
der  chinesisch-russischen  grenze)  noch  nicht  einmal  er- 
richtet waren  Ritter  erdkunde  3,  275. 

GRENZPASZ,  m.,  engpasz,  gebirgssattel  an  der  grenze 
zweier  länder,  oder  (im  flachlande)  passierstation,  zoll- 
stelle u.  ä. :  in  dem  gränzpass  zwischen  Thessalien  und 
Griechenland  J.  v.  Müller  l,  41 ;  (e*  teure  zu  tviinschen) 
dasz  in  allen  häfen  und  anführten  unsers  werthen  Va- 
terlandes, so  wie  auf  allen  gränzpässen  nach  der  nieder- 
ländischen Seite  ebenfalls  ein  . . .  zoll  auf  alle  englische 
wollwaaren  gelegt  .  .  .  würde  Moser  sämtl.  tverke  2,  318. 

—  grenzpfad,  m.:  (die  Germanen)  umzogen  ihre  dorf- 
flur  mit  graben  und  heckenzaun  oder  rasenwall  . .  .  und 
oft  mit  einem  geweihten  grenzpfad  Freytag  16,  423; 
dazu  wagt  Herder  das  verbum  grenzpfaden  grenzpfade 
ziehen : 

hast  so  nacht  und  licht 
sie  gränzgepfadet  beide?  (zu  Hiob  38,  20) 

werke  12,  323. 

GRENZPFAHL,  m. :  an  etlichen  orten  . . .  werden  . .  . 
höltzerne  stickel  oder  pfähle  zu  marcken  geschlagen, 
daran  man  .  .  .  ein  creutz  zu  hauen  und  mitten  hin- 
durch einzubohren  pfleget,  welche  gräntz-  oder  mahl- 
pfähle gleiche  krafft  wie  .  .  .  gräntz-steine  haben  Cho- 
MEL  öcon.  u.  physic.  lex.  4,  1299;  grundstücke,  deren 
ecken  die  grenzpfähle  bezeichnen  Mommsen  römische 
gesch.  1,  21 ;  die  landeshoheits-  und  grenzpfähle  mit  dem 
preuszischen  adler  Hoffmann  v.  Fallersleben  7,  13; 
die  blau  und  weiszen,  die  gelb  und  schwarzen  grenz- 
pfähle, an  denen  wir  vorübergingen  Steub  drei  sommer 
in  Tirol  1,  303;  bildlich:  und  wenn  es  auch  wahr  wäre, 
dasz  wir  unsere  kenntnisse  zum  eignen  vortheil  nicht 
vor  dem  vierzigsten  jähre  zu  benutzen  verständen,  son- 
dern bis  an  diesen  gränzpfahl  nur  für  andere  Hippel 
über  die  ehe  (1792)  12;  von  natur  hätten  manche  kraft 
genug,  in  der  filosofie  weiter  zu  kommen,  wenn  sie  nicht 
bey  dem  ersten  grenzpfahl,  der  ihren  verstand  stutzig 
macht,  sogleich  umkehrten  Brinckmann  filosofische  an- 
sichten  17 ;  er  (der  mittelste  planet)  war  der  gränzpfahl 
zwischen  den  4  groszen  und  den  4  kleinen  planeten 
Schopenhauer  5,  151  Grisebach;  besonders,  um  den  be- 
griff der  politischen  grenze  oder  des  politischen  bezirks 
zu  umschreiben:  oder  mindestens  per  schuh  aus  dem 
lande  geschafft  wird,  um  seinen  galgen  innerhalb  der 
nächsten  gränzpfähle  zu  finden  Riehl  deutsche  arbeit 
(1861)  255 ;  dank  unsrer  .  .  .  deutschen  einheit,  der  wür- 
tembergische  brigadier  brauchte  vor  dem  badischen 
grenzpfahl  nicht  zu  stutzen  Gutzkow  werke  4,  405;  Lud- 
wig I.  (hat)  manchem  künstler  ohne  rücksicht  auf  die 
heimatlichen  grenzpfähle  die  sorgen  des  alters  erleich- 
tert Brunn  kl.  Schriften  3,  267;  in  Wahrheit  hörte  der 
gesichtskreis  seines  politischen  denkens  genau  an  der 
stelle  auf,  wo  die  grün -weiszen  grenzpfähle  standen 
Treitschke  deutsche  gesch.  im  id.  jh.  3,  507;  mehr  noch 
als  diese  toendungen  haben  geioisse  präpositionale  formein 
vielfach  einen  beigeschmack  des  tadeis  gegen  particulari- 
stische  enge  und  beschränkung  in  jeder  form:  diese  Zeit- 
schriften erweiterten  den  gesichtskreis  der  deutschen 
gelehrten  über  die  grenzpfähle  ihrer  corporation  hinaus 
Justi  Winckelmann  1,  176 ;  die  zeit  verlangte,  dasz  über 
die  grenzpfähle  des  einzelstaates  hinaus  der  Deutsche 
dem  Deutschen  die  band  reichte  Treitschke  histor. 
u.  polit.  auf  Sätze  1,  407;  ein  .  .  .  gott,   der  jenseits  der 


GRENZPFEILER  —  GRENZPOSTEN   174 

grenzpfähle  der  Vernunft  liegt  Hegel  werke  1,  10;  doch 
ist  dieser  beigeschmack  nicht  obligat:  von  diesem  um- 
fangreichen gebiet,  das  zum  groszen  teil  auszerhalb  der 
grenzpfähle  des  römischen  reiches  liegt  Hoops  u-ald- 
bäume  u.  kulturpflanzen  172.  verbale  Verbindungen :  auf- 
pflanzung von  Wappen,  fahnen,  kreuzen,  gränzpfählen 
Haller  restaiir.  d.  staatsivissensch.  2,  45;  bis  .  . .  general 
von  Lossow  1773  die  alte  grenze  wiederherstellte  und 
grenzpfähle  mit  dem  preuszischen  adler  längs  der  Prosna 
aufrichtete  Freytag  1,  47 ;  sobald  aber  Katharina  II.  zur 
grenzbezeichnung  ihres  neuen  angereihten  gebietes  grenz- 
pfähle eingraben  .  .  .  liesz  Jahn  2,  574  Euler;  so  hängt 
das  recht  der  erblichen  regierung  ...  an  einer  kette 
von  tradition,  deren  ersten  grenzpfal  das  glück  oder 
die  macht  einschlug  Herder  13,  378;  ihr  habt  nach 
allen  richtungen  hin,  die  der  menschliche  geist  neh- 
men kann,  grenzpfähle,  privilegirte  grund Wahrheiten 
zu  betiteln,  gesteckt  Fichte  6,  100;  in  den  meisten 
fällen  blieben  die  menschen  weit  von  dem  erreich- 
baren ziele  zurück,  wenn  man  ihnen  den  grenzpfahl 
nicht  weiter  hinaus,  ins  unerreichbare  steckte  For- 
ster 5,  300 ;  gelegentlich  auch  umgekehrt,  mit  dem  neben- 
sinn des  einschränkens  (vgl.  grenzen  stecken  sp.  141/.): 
je  vollkommener  das  wesen,  .  .  .  desto  fähiger  und  wür- 
diger ist  er,  ...  dem  allgemeinen  besten  schranken  an- 
zuweisen und  grenzpfähle  zu  stecken,  von  denen  er  sich 
nicht  entfernen  darf  7, 184;  dann  wäre  ein  ganz  anderes 
Frankreich  entstanden,  das  wohl  wenigstens  bis  an  die 
Weser  und  den  Lech  seiner  herrschaft  gränzpfähle  hin- 
ausgestellt hätte  Arndt  Schriften  für  u.  an  s.  l.  Deut- 
schen 3,  104;  nicht  für  vorschiebung  der  schwarzweiszen 
grenzpfähle  glaubten  unsere  jungen  leute  zu  sterben 
Mommsen  reden  u.  aufsätze  382;  du  verrückst  immer  die 
grenzpfähle,  und  springst  habsüchtig  hinüber  in  deiner 
dienten  feld  grafen  Stolberg  7,  376  (wohl  nach  dem 
Vorbild  von  den  grenzstein  verrücken  sp.  184;  vgl.  die 
grenze  verrücken  sp.  140) ;  an  diesem  uralten  grenzpfahl 
rüttelt  Schleiermacher  D.  Fr.  Strausz  5,  55;  speciell  in 
der  deutschen  litteraturgeschichte  möchte  man  jetzt  die 
lange  respectirten  grenzpfähle  bei  Goethes  tod  kühnlich 
umreiszen  Scherer  kl.  Schriften  l,  41.  —  grenz - 
pfeiler,  m.: 

vergieb  mir,  theurer  boden,  heimische  erde, 
du  heiliger  grenzpfeiler,  den  ich  fasse, 
auf  den  mein  vater  seinen  adler  grub 

Schiller  in:  sehr.  d.  Göthe-gcsellsch.  9,56; 

bildlich :  die  Hornspitze  .  .  . ,  wo  wir  bei  einem  wunder- 
bar heiteren  .  . .  himmel  alle  gränzpfeiler  von  Tirol  nach 
Osten,  Süden  und  westen  .  .  .  ihre  .  .  .  häupter  empor- 
heben sahen  Görres  briefe  3,  G09;  findet  sich  der  mensch 
im  übersinnlichen  ohne  marksteine  und  grenzpfeiler  so 
leicht  zurecht,  und  im  faszlich-körperlichen  sollte  es  so 
schwer  sein?  Grillparzer  14,  105.  —  grenzpf  osten, 
VI. :  schwarz  und  weisz  .  .  .  sind  nicht  im  eigentlichen 
sinne  färben  ...  sie  stehn  hier  blosz  als  gränzpfosten 
(des  farbenschemas)  Schopenhauer  6,  49  Grisebach.  — 
grenzplanke,/. :  dann  trat  ich  auf  einen  häufen  steine, 
von  wo  aus  ich  über  eine  grenzplanke  in  den  naehbar- 
garten  sehen  konnte  Storm  10,  142.  —  grenzplatz,  m., 
was  grenzort  Heinsius  2,  530'';  es  waren  junge  edel- 
leute,  so  der  könig  zum  kriege  erziehen  liesz,  in  denen 
grentzplätzen  des  königreichs,  als  zu  Straszburg  u.  s.  w. 
Flemming  vollk.  teutsche  soldat  116;  er  .  .  .  befestigte  die 
baierschen  gränzplätze  treflich  Becker  iceltgesch.  8,  126; 
seitdem  waren  auch  die  grenzplätze  von  Croatien  in  die 
bände  des  paschas  gefallen  Ranke  reform. -gesch.  2,  289 
(sehr  häufig  bei  diesem  autor).  —  grenzpolizei,/. ; 
die  genauigkeit  der  controlle  der  chinesischen  grenz- 
polizei Ritter  erdkunde  3,  597.  —  grenzpostamt,  n., 
allg.  deutsche  bibl.  lll,  308.  —  grenzposten,  m.,  die 
bedeutung  schtvankt  entsprechend  posten  (s.  d.) :  in  Basel 
wies  man  mich  damit  (mit  dem  pasz)  an  den  ersten 
gränzposten,  ungefähr  noch  eine  stunde  vor  der  stadt 
Seume  Spaziergang  (1803)  438;  so  war  es  .  .  .  kaum  .  .  . 
erlaubt,  die  chinesischen  grenzposten  zu  überschreiten 
Ritter  erdkunde  2,  371;  ich  betheure  euch  bei  allen 
heiligen,  alle  einsiedler  werden  .  .  .  jenen   grenzposten 


175  GRENZPOSTIERUNG  —  GRENZPUNKT 


GRENZPYRAMIDE  -  GRENZREVIER  176 


{die  bergschluchten  des  Ezel)  bis  zum  letzten  blutstropfen 
verfechten  Zsghokke  sämtl.  ausgew.  Schriften  6,  262; 
ich  unternahm  einen  ausflug  nach  dem  grenzposten  Ce- 
merno  Hassert  reise  durch  Montenegro  iß;  auf  den 
skandinavischen  hochmooren  sind  verkrüppelte  birken 
der  grenzposten  der  baumweit  Roszmaeszler  der  ivald 
(1863)  434.  —  grenzpostierung,/.  =  grenzbesatzung, 
-posten :  zu  den  Vorbeugungen  .  .  .  ansteckender  krank- 
heiten  gehören  grenzpostierungen  und  cordons  allg,  deut- 
sche bibl.  21,  183;  so  war  fürst  und  beer  auf  den  groszen 
kämpf  vorbereitet,  dessen  vorspiele  nun  schon  an  den 
grenzpostirungen  begannen  Ranke  29, 155;  von  hier  aus 
sollten  dann  abwechselnd  einzelne  bataillone  .  .  .  nach 
anderen  städten  als  besatzung  und  zu  grenzpostie- 
rungen detachiert  werden  Meinecke  Boyen  2,  97.  — 
grenzprediger,  m.:  wenn  wir  uns  auch  den  gröszten 
grentz-prediger  für  die  Polen,  Ungarn  und  ehemals 
Schlesier  vorstellen;  der  heiland  hat  doch  .  .  .  noch 
mehr  constante  zuhörer  gehabt,  und  dazu  freiwillige 
leute.  denn  in  einer  grenz- oder  gnaden- kirche  sind 
parochiani  die  menge,  davon  die  meisten  nicht  zuge- 
hören, sie  gehen  nur  so  hin,  weil  sie  dahin  angewiesen 
sind  Zinzendorf  Zeyszer  haupt-ideen  (1759)  101.  —  grenz- 
protokoll,  n.,  protokoU  der  regulierung  einer  (forst)- 
grenze  Hartig  forstl.  convers. -lex. 34:9.  —  grenzprocess, 
VI.:  sie  (die  priesterschaft)  wuszte  die  wichtigsten  civil- 
sachen,  namentlich  grenz-  und  erbschaftsprozesse  an 
sich  zu  ziehen  Mommsen  röm.  gesch.  *3,  224.  —  grenz- 
provinz,  /. ;  schon  mehr  als  einem  deiner  vorfahrer 
gaben  die  statthafter  dieser  gränzprovinz  zu  schaffen 
neue  Schauspiele  {Preszb.  u.  Lpz.  1771  jf.)  4,  1,  19;  die  fran- 
zösische Staatsumwälzung  war  ausgebrochen,  und  das 
Breisgau  als  grenzprovinz  .  .  .  der  gefahr  .  .  .  bloszge- 
gestellt  J.  G.  Jacobi  8,  100;  bildlich,:  zwischen  dem  in- 
ländischen theile  dieses  reiches,  welches  den  Merkur, 
die  Venus,  die  erde  und  den  Mars  einschlieszt,  und  den 
gränz-provinzen  des  Jupiters  und  Saturns,  liegt  ein  leerer 
Zwischenraum  F.  Th.  v.  Schubert  verm.  Schriften  3, 168. 

GRENZPÜNKT,  m.  l)  punM.  der  die  grenze  bildet:  der 
bauer  stellt  seine  kreuzsäule  auf  an  .  .  .  grenzpunkten, 
damit  ein  Siegel  sei  des  rechts  zwischen  mein  und  dein 
RosEGGER  II  7,  284 ;  hinter  und  neben  ihnen  {den  Friesen) 
bewohnen  die  Sachsen  .  . .  ein  gebiet,  dessen  grenzpunkte 
nahe  am  Niederrhein,  an  den  quellen  der  Lippe  und 
an  der  unteren  Elbe  liegen  Wimmer  gesch.  d.  deutschen 
bodens  87;  Nizza  galt  als  gränzpunkt  zwischen  Italien 
und  Arelat  Raumer  gesch.  d.  Hohenstaufen  5,  77 ;  dann 
freier :  punct  {ort)  an  der  landesgrenze :  {infolge  von  über- 
füllung  der  grenzmärkte  mit  fremdlingen)  hat  sich  .  .  . 
an  vielen  grenzpunkten  des  chinesischen  reichs  ein 
mischlingsvolk  .  .  .  angesiedelt  Ritter  erdkunde  2,  222; 
die  Schweiz  ist  .  .  .  fähig,  .  .  .  eine  armee  von  eoooo 
mann  wohlgeübter  . . .  truppen  .  .  .  auf  einen  beliebigen 
grenzpunkt  hinzuwerfen  Zsghokke  sämtl.  ausgew.  sehr. 
9,  168;  ins  unsinnliche  übertragen:  {wir  werden)  in  dem 
zukünftigen  leben  die  itzt  untereinandergeworfene  .  .  . 
bruchstücke  der  wesenkette  in  einer  so  succesziven  Ord- 
nung vor  uns  sehen,  dasz  wir  keinen  gränzpunkt  zwi- 
schen stück  und  stück  mehr  werden  heraus  ßnden  können 
Lavater  aussichten  iii  d.  ewigk.  3,  43;  die  .  .  .  kunst- 
form müszte  demnach  von  dem  grenzpunkte  aus  sich 
bilden,  auf  welchem  jene  gesetze  {der  apperception)  sich 
zu  berühren  vermöchten  R.Wagner  9,  108.  2)  grenze  im 
sinne  'ende,  absrchlusz'  {vgl.  sp.  184B) :  die  stadt  Fulneck, 
ihr  {der  mährischen  brüder)  nördlicher  .  .  .  gränzpunkt 
Fr.  Schlegel  deutsches  rnuseum  4, 117;  Oruros  . . .  ward 
bezeichnet  als  östlicher  grenzpunkt  der  römischen  herr- 
schaft  Mommsen  röm.  gesch.  ^a,  139;  die  ichheit  hat  ihren 
grenzpunkt,  ihren  ichpunkt  Novalis  2,  204  Minor;  der 
grenzpunkt  liegt,  wohin  in  die  Unendlichkeit  ihn  das 
ich  setzt  Fichte  grundlage  d.  ges.  wissenschaftslehre 
237 ;  beide  also  {das  unendlich  grosze  und  das  unendlich 
kleine)  .  .  .  sind  getrennt  und  für  sich  betrachtet  nur 
grenzpunkte,  also  in  der  Wahrheit  nichts  Schleier- 
magher III  5,  22;  auch  temporal:  diese  Ungleichheiten 
hätten  .  .  .  verzeihlich  gemacht  werden  können,  wenn 


der  Verfasser  sich  über  den  gränzpunct  mit  seinen  lesern 
verglichen  hätte,  den  er  der  altern  geschichte  eines  jeden 
Volkes  geben  wollte  {gegenüber  der  neueren)  allg.  deutsche 
bibl.,  anh.  zu  53 — 86,  1044;  für  Jacobus  sind  oben  nur 
die  jähre  1151  und  1178  als  sichere  gränzpunkte  in  seiner 
geschichte  angegeben  worden  Savigny  gesch.  d.  röm. 
rechts  4, 131 ;  die  .  .  .  Untersuchung  über  die  chronologi- 
schen grenzpunkte  der  uns  übrig  gebliebenen  denkmäler 
Ed.  Gerhard  akad.  ahhandl.  i,  140.  —  grenzpyra- 
m  i  d  e ,  /. ;  von  grüner  bergeshöhe  winkte  das  erste  tür- 
kische wachthaus  herab,  nicht  lange,  so  stellten  sich 
die  kunstlos  aus  steinen  aufgethürmten  grenzpyramiden 
ein  Hassert  reise  d.  Montenegro  172;  bildlich:  {der  berg) 
steht  als  grenzpyramide  zwischen  beiden  flüssen  Ritter 
erdkunde  3,  935. 

GRENZRAIN,  m..-  da  haben  sie  den  grenitzrain  ausz- 
geackert  Hüttel  Trautenauer  chron.  131  Schlesinger; 

den  grenzreihn  am  gemähten  feld 
liefs  auf  und  ab 

S.  G.  Bürde  verm.  ged.  (1789)  52; 

bildlich:  die  Wasserscheide  ist  ein  natürlicher  grenzrain, 
wo  jedes  volk  bei  seiner  ausbreitung  erst  halt  und  dann 
kehrt  machen  soll  Jahn  werke  2,  576  Euler.  —  grenz- 
rat,»»..-  Caüitz  richtet  ein  gedieht  an  den  dermahligen 
hochfürstl.  Sachsen- Gothaischen  hof-  und  gräntzrath 
N.  Z&pfen  gedichte  (1750)  204.  —  grenzrecess,  m.  grenz- 
vertrag, -vergleich  Chomel  öcon.  u.  physical.  lex.  4,1299; 
Adelung  2,779;  bildlich:  bis  tief  in  die  nacht  brachten 
sie  beide  mit  friedlichen  entwürfen  und  grenzrezessen 
ihres  doppelromans  zu  Jean  Paul  20/23,  89  Hempel;  vgl. 
42/43,  103/.  —  grenzrecht,  n.  'das  zwischen  zwey  nach- 
barn  überhaupt  bestehende  oder  in  specie  zwischen  zwey 
bestimmten,  einzelnen  nachbarn  ausgemachte  recht  in  be- 
treff der  gränze'  ¥k.  B.  Weber  öcon.  lex.  202;  das  land- 
wirthschaftsrecht  hat  unter  sich  das  landbaurecht,  wor- 
unter .  .  .  das  absonderungs-  und  vereinigungsrecht  der 
landgüter,  das  grenzrecht  .  , .  gehören  allg.  deutsche  bibl., 
anh.  zu  53 — 86,  1701 ;  vgl.  von  mitternacht  behauptete  die 
edle  Donau  das  alte  grenzrecht  {Bayerns)  Zsghokke 
sämtl.  ausgew.  sehr.  29,  98; 

so  nur  wird  der  fluch  gewendet, 
der  auf  diesem  boden  ruht, 
gast-  und  gränzenrecht  geschendet 
in  des  Bourboniden  blut 

Schenkendorf  ged.  (1815)  80; 

anders  definiert  Adelung:  'das  recht,  die  gränzen  an- 
derer in  streitigen  fällen  untersuchen  und  bestimmen  zu 
lassen'  wb.  2,  788  {dort  auch  die  form  gränzenrecht,  ebenso 
bei  Heinsius  2,  530*);  in  älterer  spräche  auch  'brauch  bei 
bestimmung  der  grenze':  und  hat  der  her  Hans  Ficker, 
primas  in  Trautnaw,  .  .  .  diesen  rechten  grenitzstain 
selbst  bekreftiget  mit  dem  grenitzrecht,  wie  vor  alters 
und  nach  breuchlich  ist,  das  er  mit  eigner  band  hat 
diese  drei  personen  von  Trautnaw  auf  dem  ersten  grenitz- 
stein  mit  rutten  gestrichen  .  .  .  zum  grenitzgedechtnis 
der  zeit  Hüttel  Trautenauer  chron.  266  Schlesinger ;  vgl. 
grenzgerechtigkeit.  —  grenzregiment,  n.,  ehemals  be- 
Zeichnung  der  in  der  österreichischen  'militärgrenze'  im, 
osten  des  landes  stehenden  regimenter,  deren  mannschaften 
in  den  grenzgebieten  angesiedelt  waren;  vgl.  Alten  handb. 
f.  heer  u.  flotte  1,  351;  es  haben  vor  wenigen  tagen  .  .  . 
die  sogenannten  grenzregimenter  ordre  bekommen  aus- 
zurücken Gentz  Schriften  4,  67  Schlesier.  —  grenz- 
regulierung,  /.,  =  grenzberichtigung :  der  Baroghil- 
pass,  der  ...  in  dem  schmalen  hochgebirgsstreifen  liegt, 
den  England  gelegentlich  der  grenzregulierung  Afghani- 
stans hinzugefügt  hat  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte  i, 
158.  —  grenzreich,  n.,  conterminum  Stieler  1581; 
während  die  regierungen  der  grenzreiche  mit  der  Weis- 
heit des  Jahrhunderts  vorrückten  .  .  .,  blieben  die  Obrig- 
keiten der  meisten  kantone  sorglos  um  die  fortschritte 
der  Wissenschaften  Zsghokke  sämtl.  ausgew.  Schriften 
i,'i66.  —  grenzreise,/.;  hier  .  .  .  war  die  mühselige 
grenzreise  {an  der  russisch-chinesischen  grenze)  beendet 
Ritter  erdkunde  3,  179.  —  grenzrevier,  n.: 

der  soll  der  wüste  fernem  gränzrevier 

und  der  den  meeresküsten  schütz  gewähren 

Gries  Bojardos  verliebter  Roland  4,  132. 


177  GRENZREVISIÜN  -  GRENZSCHEIDE 


GRENZSCHEIDEKUNST  -  GRENZSCHEIDUNG  178 


—  grenzrevision,/.,  die  (zoU)polizeiliche  Überwachung 
des  personen-  und  güterverkehrs  an  der  grenze;  dazu: 
solche,  welche  gegen  das  pasz-  und  grenzrevisions- 
wesen  poltern  Rosegger  II  il,  6.  —  grenzrevisor, 
m.,  beamter,  der  zur  nachprüfung  der  grenze  bestimmt 
ist:  fragen  nach  den  grenzorten,  weil  die  früheren  grenz- 
revisoren  nie  dergleichen  gethan  hatten  Ritter  erd- 
kunde  2,1017;  vgl.  3,307.  —  grenzenrichter,  m.;  der 
markgraf  war  ursprünglich  ein  kaiserl.  beamter,  .  .  . 
und  nichts  weniger  als  ein  gränzenrichter  allg.  deutsche 
bibl.,  anhang  zu  58—86,  828.  —  grenzrisz,  m.,  Zeich- 
nung der  grenze:  gränzrisse  sind  unumgänglich  nöthig, 
und  eine  blosze  beschreibung  der  gränze  und  abmessung 
der  weite  jedes  grenzsteins  vom  nächsten  sind  nicht 
genung  allg.  deutsche  bibl.  2-,  279.  —  grenzeritt,  vi., 
was  grenzberitt:  nachdem  der  grenzeritt  anging,  so 
speisten  die  herren  mehrenteils  nur  kalte  küche  auf 
dem  felde  Elisa  v.  d.  Recke  l,  103  Rachel. 

GRENZSACHE,  /.,  meist  im  plur.,  grenzstreitigkeiten, 
-angelegenheiten :  dasz  in  gräntzsachen  personen  auf  die 
stell  geschickt  würden,  so  alles  in  augenschein  nehmen 
ScHiCKFUSZ  chron.  v.  Schlesien  (1625)  3,193;  in  baw- 
und  grentzsachen  sind  auch  gewisse  constitutiones  ge- 
fasset MiCRAELius  altes  Pommerland  (l640)  6,  565;  die 
.  .  .  artikel,  die  hier  {im  polizeimagazin)  vorkommen, 
sind  .  .  .  gesinde,  gränzsachen  .  .  .  allg.  deutsche  bibl. 
122,  373;  der  entscheidung  des  ministers  dagegen  blieben 
vorbehalten  .  .  .  arealveränderungen  (der  forsten),  grenz- 
sachen  Bernhardt  gesch.  d.  waldeigentums  2,  52. 

GRENZSÄULE,  /.,  lapis  publicus  ad  dividenda  terri- 
toria  constitutus  Stieler  1693;  vgl.  fürnehmlich  aber 
braucht  man  die  bilderstöcke  und  Säulen  zu  vermar- 
ckung  der  obrigkeit,  daran  man  denn  der  landes-herren 
Wappen  schlägt  Chomel  öcon.  u.  physikal.  lex.  4,  1303; 
auf  der  korinthischen  landenge  .  .  .  .errichtete  er  eine 
gränzsäule  Becker  we%e.9c7i.  i,  171 ;  der  weg  führt  uns 
wenige  minuten  hinter  Schluderbach  an  der  italieni- 
schen grenzsäule  vorbei  Rosegger  alpensommer  (1908) 
366;  früher  auch  speciell  für  die  mit  dem  bild  des  Ter- 
minus gekrönte  säule:  zwischen  dem  Vorhang  .  .  .  sol 
stehen  das  bildniss  des  ohnhändigen  Terminus,  als  eine 
grentzseule  zwischen  der  Vernunft-  und  redkunst  Hars- 
DÖRFFER  frauenz.  gesprechsp.  5,  332;  herr  Boze  unter- 
suchet den  gott  Terminus  bey  den  Römern,  oder  die 
gränz-  und  wegesäulen  Gottsched  neueste  aus  d.  an- 
muth.  gelehrsamkeit  3,  432;  daher  auch  mit  grenzbild 
identificiert  Jacobsson  technolog.  wb.  5,  729*»;  bildlich: 
dieser  (Hercules)  hat  durch  seine  tapferkeit  den  bergen 
Calpe  und  Abila  als  gräntz-säulen  der  weit  seinen  nah- 
men eingeprägt  Lohen  stein  Ibrahim  sultan  u.  a.  ge- 
dichte,  lobschrift  A.8^;  aus  einem  träum  komme  ich 
wieder?  sprach  Abdallah  .  .  . ,  —  o  wo  fängt  die  Wahr- 
heit an?  wo  steht  die  gränzsäule?  Tieck  Schriften  8, 
155.  —  grenz  säum,  m. :  selbst  diese  einzelnen  aus  der 
ganzen  jüngeren  gebirgsmasse  hervorragenden  .  . .  f eisen 
und  striche  .  .  .  liegen  insgesamt  nur  an  dem  äusseren 
grenzsaume  (Südafrikas)  Ritter  erdkunde  l,  114;  das 
sprechendste  Sinnbild  dieses  deutschen  marken-charak- 
ters  des  westungarischen  gränzsaumes  bieten  die  Orts- 
namen RiEHL  naturgesch.  d.  volkes  4,  360;  es  seien  die 
gebeine  des  heiligen  bischofs  Lampert  bis  an  den  gränz- 
saum  des  parthischen  volkes  verbracht  Steub  Wande- 
rungen im  bayr.  gebirge  (1862)  103. 

GRENZSCHEIDE,  /.,  zunächst  der  ort,  wo  sich  gebiete 
scheiden  (im,  gebrauch  vielfach  mit  grenze  identisch): 
grenzscheiden  termini  limites,  fines,  conßnia  Stieler 
1750 ;  an  der  gränzscheid  von  Steyr,  Hungarn  und  Cro- 
atien  ligt  die  vestung  Canisia  Birken  vermehrter  Donau- 
strand (1684)  74;  er  meynt  damit,  dasz  die  gerade  auf 
der  gränzscheide  ansässigen  Cerretaner  theils  zu  Iberien, 
theils  zu  Gallien  gehören  W.  v.  Humboldt  4,  173;  der 
groszvater  .  .  .  hatte  den  geist  des  nachbars  mehrmals 
gesehen,  wie  dieser  an  der  grenzscheide  hin-  und  her- 
ging Rosegger  9,  302;  eine  .  .  .  bank,  die  an  der  grenz- 
scheide des  parkes  und  des  gartens  stand  Gutzkow 
ritter  v.  geisie  5,  4;   wie  grenze  auch  für  natürliche  ge- 

IV.  1.  6. 


bilde,  die  gebiete  scheiden :  der  Gambia  ist  .  . .  nicht  mehr 
die  grenzscheide  zwischen  dem  islam  und  fetischdienst 
R.ITTER  ercJÄMnrfe  1,  364;  mächtige  .  .  .  gebirgsketten  als 
zeugen  groszer  erdrevolutionen,  als  grenzscheiden  der 
klimate,  als  wasser-vertheiler  Humboldt  Äosv^ios  i,  319; 
sie  (engpässe)  sind  .  .  .  leicht  zu  bewachende  pforten, 
natürliche  gränzscheiden  benachbarter  Völker  Oken  allg. 
naturgesch.  1,551;  ins  temporale  übertragen:  auf  dieser 
grossesten  gränzscheide  der  zelten  Creuzer  Symbolik 
u.  inythologie  1,  214;  auch  in  der  mosaischen  darstellung 
ist  also  die  sündfluth  .  .  .  die  gränzscheide  der  zwei 
zelten  Schelling  II  l,  152;  es  (das  lied)  ist  ohne  zweifei 
aus  dem  16.  Jahrhundert,  steht  uns  aber  am  besten 
hier  an  der  grenzscheide  (des  15.  und  16.  jhs.)  Uhland 
sehr.  z.  gesch.  der  dichtung  u.  sage  2,  395;  die  deutsche 
nationalökonomik  an  der  grenzscheide  des  16.  und  17. 
Jahrhunderts  buch  von  Wilh.  Röscher;  auch  sonst 
mannigfach  übertragen:  disz  ist  eine  von  den  grenz- 
scheiden zwischen  mensch  und  thier  Schiller  i,  146; 
in  den  werken  des  Cimabue  sey  die  gränzscheide,  der 
Übergang  von  der  alten  zur  neu  aufblühenden  kunst  zu 
suchen  H.  Meyer  gesch.  d.  bild.  künste  3,  329;  sie  hat 
mich  gefunden,  diese  liebe,  beinahe  an  der  grenzscheide 
zwischen  dem  knaben  und  dem  Jünglinge  Görres  briefe 
1,17;  gern  mit  auf:  hier  stand  er  (Bogen)  mehr  wie 
irgendwo  anders  auf  der  grenzscheide  zwischen  altem 
und  neuen  Meinecke  Bogen  2,  447;  eine  interessante 
notiz  .  .  . ,  die  einen  körper  betrifft,  der  auf  der  gränz- 
scheide zwischen  dem  mineral-  und  dem  vegetabilreiche 
steht  GÖTHE  IV  22,  86  Weim.;  dasz  beide  künstler  (Po- 
lyklet  und  Lysipp)  auf  der  grenzscheide  ihrer  tätigkeit 
noch  zusammengetroffen  sind  H.  Brunn  kl.  sehr.  2,  88; 
es  frasz  mir  das  herz  ab,  ihn  mit  der  sächsischen  magd 
auf  der  grenzscheide  verblümter  tändelei  und  nackter 
herrenfrechheit  spielen  zu  sehen  C.  F.  Meyer  der  heilige 
(l89l)  39 ;  die  verbalen  Verbindungen  ähnlich  wie  bei  grenze : 
entweder  man  nennt  alles  südliches  Frankreich,  was 
jenseits  der  Loire  liegt,  oder  man  zieht  die  grenzscheide 
von  Bordeaux  nach  Lyon  Laube  ges.  sehr.  5,  4;  es 
scheint,  als  ob  für  die  künste,  die  sich  mit  ihr  (der 
Schönheit)  beschäftigen,  da  eine  grenzscheide  gezogen 
wäre,  wo  die  sprachen  aufhören,  die  von  der  lateini- 
schen abstammen  Heinse  6,  330  Schüddekopf;  schon 
1755  hat  er  die  grenzscheide  zwischen  poesie  und  philo- 
sophischer doktrin  scharf  gezogen  Bayer  liter.  skizzen- 
buch  (1905)  192;  da,  wo  sich  beide  männer  begegneten, 
(solle)  die  grenzscheide  festgesetst  bleiben  Grimm  deut- 
sche sagen  l,  193;  nachweis,  dasz  er  (der  rechtssatz)  für 
das  ältere  recht  . .  .  die  gränzscheide  bestimmt  zwischen 
der  rechtsbildenden  gewalt  der  gesetzgebung  .  .  .  und 
der  Jurisprudenz  und  des  lebens  Jhering  geist  d.  röm. 
rechts  2-,  666;  in  der  betonung  des  wertes  'lehrer'  schien 
B.  eine  .  .  .  grenzscheide  zwischen  ihr  und  E.  .  .  .  auf- 
richten zu  wollen  Auerbach  Schriften  6,  185;  poetisch 
auch  die  form  grenzescheide : 

an  der  zelten  grenzescheide, 
bis  zum  islam  lebt  er,  doch  .  . . 
sah  er  den  propheten  nicht 

RÜCKERT  (1867#.)  4,  97. 

—  grenzscheidekunst,  /.  Niebühr  röm.  gesch.  2, 
549.  —  grenzscheidend, part..  'verschiedene  gebiete  von 
einander  scheidend,  ihre  grenzen  besiiinmend'  Heinsius 
2,  530".  —  grenzscheider,  m.,  liminum  distributor, 
confinia  determinans  Stieler  1748;  finitor,  limitator 
Steinbach  2,407;  finitor,  agrimensor  Kirsch  com.  2, 
158 •>;  =  grenzmesser  Adelung  2,  779,  Heinsius  2,  530»; 
in  einer  erörterung  über  kirchenrecht  und  -ordnimg :  er 
war  D.  Martin  Luther,  der  euch  gottes  wort  zurichten 
sollte  .  .  .,  kein  grenzscheider  und  wie  ers  nannte,  und 
die  leute  sonderbar  ansah,  kein  Jurist!  Herder  7,  215. 
GRENZSCHEIDUNG,  /.  l)  'die  Scheidung,  d.  h.  abson- 
derung,  berichtigung  der  grenzen  ziveier  gebiete'  Chomel 
öcon.  lex.  4,  1299;  disterminatio  Reyher  thesaurus  (l686) 
G  6r»;  terminatio,  definitio,  atiniarum  et  grammutorum, 
constitutio  Stieler  1748;  divisione,  spartimento  de' ter- 
mini Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  556"^;  constitutio  li- 
mitum  Stein  BACH  2,  407;  eine  grentzscheidung  machen 

12 


179  GRENZSCHEIDUNGSLINIE  -  -SCHLAGBAUM 


GRENZSCHLOSZ  -  GRENZSICHERUNG  180 


cancellare  regionem,  definire  provinciam  ib.,  cancellatio 
Kirsch  com.  2,  159";  die  älteste  und  häufigste  bedeu- 
tung :  die  klag  der  grentzscheydung,  finium  regundorum 
genant  Gobler  der  rechten  Spiegel  84'^;  (es  solle)  die 
Ukraine  den  cosacken  nach  der  alten  grentzscheidufig 
gelassen  {werden)  Birken  vermehrter  Donaustrand  198; 
daher  machten  sie  mit  den  benachbarten  Beigen  eine 
richtige  gräntzscheidung  Lohenstein  Arminius  (1689/.) 
1,  900"^;  dasz  bey  einer  vorgenommenen  gräntzscheidung 
sich  diese  zwey  gebrüder  lebendig  begraben  lassen,  um 
hiedurch  ihrem  Vaterland'  ein  klein  stuck  landes  zu  ge- 
winnen Warnecke  poet.  versuch  ll;  übertragen:  das 
genie  lacht  über  alle  die  grenzscheidungen  der  kritik 
Lessing  9,  210 ;  wenn  nun  hr.  L.  succession  in  seinem 
buche  zum  hauptgrunde  des  Unterschiedes  zwischen 
poesie  und  maierei  macht;  ist  da  wohl  die  richtigste 
gränzscheidung  zu  erwarten?  Herder  3,  143;  in  der 
kritischen  tendenz  scharfer  grenzscheidungen  macht 
Kant  jenen  berühmten  prinzipiellen  unterschied  zwi- 
schen pflicht  und  neigung  Windelband  gesch.  d.  neuer, 
philos.  ^2,  115;  bisweilen  mit  der  bedeutung  2)  verschwim- 
mend: insonderheit  {soll  der  jagdbediente)  auch  seine 
jagd-gränzen  fleiszig  bereiten,  und,  daferne  etwa  die 
merckmahle  der  gräntzscheidung  zu  vergehen  und  un- 
kenntbar  zu  werden  beginnen  Göchhausen  notabilia 
venatoris  (l74l)  311 ;  das  . . .  gebiet  ist  mit  einem  graben 
umzogen,  der  zur  grenzscheidung  dient  allg.  deutsche  bibl. 
66,  515;  es  hat  mir  in  der  weit  den  gemeingang  nichts 
so  schwer  gemächt,  als  die  bei  fast  jedermann  ver- 
merckte  totale  Unwissenheit  und  unbekümmernisz  wegen 
der  grentzscheidung  dieser  beiden  oeconomien  Zinzen- 

DORF   TIEqI   taviov    (1746)   45. 

2)  =  grenzscheide :  'der  ort,  wo  die  grenzen  zweier  ge- 
biete zusammenstoszen'  Chomel  a.a.O.;  confinium  Stein- 
BAGH  2,  407;  confinium,  collimitium  Kirsch  com.  2,  159»; 
der  Rhein  sey  die  gräntzscheidung  zwischen  ihrem  ge- 
biete und  dem  römischen  reiche  Lohenstein  Arminius 
(1689/.)  1,  18";  auf  ihrer  gräntz-scheidung  Schnabel  ins. 
Felsenburg  208,  9  Ullrich;  die  beere  trafen  auf  der  mit- 
ternächtlichen grenzscheidung  des  reichs  zusammen 
MusÄus  volksmährchen  i,  94  Hempel;  wir  erinnern  uns 
hiebei  jenes  grauen,  gleichfalls  auf  der  gränzscheidung 
des  schwarzen  und  weiszen  beobachteten  bildes  Göthe 
II  1 ,  112  Weim. ;  verbum  wie  bei  grenze  {vgl.  sp.  138) : 
wenn  der  bach  die  gräntz-scheidung  hält  Döbel  neu- 
eröffnete jägerpractica  (1754)  3,  89;  übertragen:  ist  doch 
die  grenzscheidung  zwischen  dem  moralisch  bösen  und 
dem  moralisch  guten  eben  so  unbestimmbar  Lessing 
13,  113;  die  stolze  {vernunft)  bescheide  sich,  den  flachen 
horizont  anzuerkennen  als  die  grenzscheidung  ihres  ge- 
bietes  Brinckmann  j^Zoäo/.  ansichten  (18O6)  69;  nicht  un- 
mittelbar von  dir  zu  mir  und  von  mir  zu  dir  strömt 
die  erkenntnis,  die  wir  von  einander  haben;  wir  für 
uns  sind  durch  eine  unübersteigliche  grenzscheidung  ab- 
gesondert Fichte  werke  2,  301 ;  hier  also  ist  die  grenz- 
scheidung zwischen  der  nothwendigkeit  und  der  freiheit 
für  unsere  Wissenschaft  naturrecht  96. 

3)  =  grenzzeichen:  'auch  das  zeichen  der  grenze'  Cho- 
mel a.  a.  0.;  ebenso  Adelung  2,  779;  beijn  eintritt  in  das 
Vaterland:  ich  sähe  die  gränzscheidung,  und  da  ich 
eben  einen  grünen  platz  fand,  beredet'  ich  meinen  ge- 
fehrten,  Curland  zu  umarmen  Hippel  lebensläufe  2, 167 ; 
so  vielleicht  auch:  diese  bemerkung  halte  ich  für  sehr 
wichtig,  und  möchte  sie  fast  als  die  gränzscheidung 
zwischen  der  gezierten  scheinreinigkeit .  .  .  und  der  bar- 
barischen nachlässigkeit  im  lesen  und  schreiben  an- 
sehen Kinderling  reinigkeit  d.  deutsch,  spr.  (i795)  17. 
dazu:  grenzscheidungslinie,/.,  deutsche  bezeichnung 
für  die  von  papst  Alexander  VI.  festgelegte  ligne  de  de- 
marcation,  die  den  spanischen  und  portugisischen  kolonial- 
besitz  trennte  Chomel  öcon.  lex.  i,  1299;  allg.  deutsche  bibl. 
7,114;  grenzscheidungsvergleich,  m.  Lindenborn 
Diogenes  (1742)  l,  687.  —  grenzschenke,/.;  Andres 
und  ich  begleiten  dich  bis  an  die  grenzschenke  0.  Lud- 
wig 3,  68.  —  grenzschlagbaum,  m.:  als  ich  .  .  .  ko- 
sacken  an  dem  grenzschlagbaum  .  .  .  erblickte  Arndt 


1,  117;  dasz  aber  die  italienische  spräche  einem  nicht 
hinter  dem  grenz-schlagbaum  von  oben  überkomme,  das 
hatte  ich  ...  begriffen  Gau DY  2,  38.  —  grenzschlosz, 
n.,  arx  limitanea  Stieler  I84l;  auf  das  grentzschlos  aber 
gen  Schlochau  schickten  sie  etlich  volck  in  die  besat- 
zung  Schütz  historia  rer.  Prussic.  (i592)  5,  D  2»;  die 
höhen  von  Gualandro,  von  denen  das  alte  grenzschlosz 
mit  seinen  thürmen  und  zinnen  düster  herabschaut 
Gaudy  19, 109.  —  grenzschnitt,  m.  =  grenzscheidung: 
wenn  nun  jeder  ort  seine  alte  protocolle  von  grenz- 
schnitten wolte  drucken  lassen,  so  würde  der  ganze 
Hamburgische  dorn  die  Sammlungen  deutscher  Urkunden 
nicht  fassen  können  allgem.  deutsche  bibl.  11,  335.  — 
grenzschnur,/.  =  grenzkette;  von  Heyn  atz  antibarb. 

2,  72  als  ersatz  für  grenzcordon  vorgeschlagen,  ohne  aber 
rechte  Verbreitung  zu  finden ;  vgl.  Hein sivs  2,530*;  auch 
bildlich:  der  Jüngling,  dem  mädchen  einmal  so  nahe 
gekommen,  wahrte  seinen  vortheil,  ohne  jedoch  im  ge- 
ringsten an  die  grenzschnur  zu  streifen  Rosegger  12, 
388.  —  grenzschranke,/.;  seit  diesem  vorfalle  war 
auf  dem  Verbindungswege  beider  Schlösser  die  grenz- 
schranke niedergelassen  Rosegger  14,  .55;  senkt  er  {der 
ausläufer)  sich  hinunter  als  grenzschranke  des  Platts 
H.V.Barth  a.  d.nördl.  kalkalpen  ei6.  —  grenzschutz, 
m.,  junges  compositum ;  m.eist  von  der  Sicherung  der  lan- 
desgrenze:  um  die  Römer  vom  grenzschutz  und  damit  von 
der  nothwendigkeit  einer  stehenden  besatzung  in  Asien 
zu  befreien  Mommsen  röm.  gesch.  2,  55;  doch  auch  'schütz 
der  grenze  gegen  Veränderung  oder  beseitigung  der  grenz- 
zeichen':  in  den  landesherrlichen  Waldungen  bildete  .  .  . 
der  grenzschutz  bereits  eine  Obliegenheit  der  forstbe- 
amten  Schwappach  handb.  d.forst-  u.  jagdgesch.  1,  145; 
grenzbezeichnung  und  grenzschutz  in  den  markwal- 
dungen  Bernhardt  gesch.  d.  ivaldeigentums  1,  120.  — 
grenzschütze,  vi.,  ein  jäger,  dem  ein  grenzrevier  (be- 
sonders bei  feindseliger  nachbarschaft)  anvertraut  ist  mit 
dem  besonderen  auftrug,  das  überwechselnde  ivild  abzu- 
schieszen  Chomel  öcon.  lex.  i,  1300 ;  Jacobsson  technol. 
wb.  5,  729'";  allgemeiner:  'ein  jäger,  welchem  ein  an  der 
grunze  gelegenes  Jagdrevier  anvertrauet  ist'  Adelung  2, 
779;  Heinsius  2,  530»;  wo  es  .  .  .  feindliche  nachbar- 
schafft giebet,  wird  ein  gräntzschütze  gehalten  Fleming 
vollk.  teutsche  jäger  (1719)  50 ;  ähnlich  bei  Döbel  neuer- 
öffn.  jäger-practica  (i754)  4,  58;  der  heege-knecht  oder 
gräntzschütze,  welchen  der  heege-reuter  ...  in  seiner 
Verrichtung  mit  zu  hülfe  nimmt  Göchhausen  notabilia 
venatoris  (i74l)  324;  inmittelst  muszten  die  bauern,  för- 
ster,  Jägerbursche,  grenzschützen  ...  in  dem  kohlholz- 
bau  die  stamme  anschlagen  Schwappach  handb.  d.forst- 
u.  jagdgesch.  1,  520;  gelegentlich: 

der  schnurren  corporal  musz  gränzen-schütze  heiszen 

J.  J.  Schwabe  belustigungen  i,  353. 

—  grenzschwierigkeit,  /.;  die  loslösung  des  El- 
sasz  von  Frankreich  {wird  nicht  gefördert)  durch  die 
beifallsbedürftige  Weichlichkeit  gegen  locale  beschwer- 
den  und  grenzschwierigkeiten  Bismarck  gedanken  u. 
erinner.  2,  236  volksausg.  —  grenzseil,  n. ;  ferner, 
dasz  er  {der  jäger)  alle  forst-,  jagd-  und  andere  grenzen, 
mit  ihren  gewapneten  oder  ungewapneten  steinen,  mar- 
ken oder  grenzsteinen,  .  .  .  grenz-  und  hegeseilen  .  .  . 
recht  inne  habe  Heppe  aufrichtiger  lehrprinz  (l75l)  135. 

—  grenzsetzung,-/.,  deZimiteÜo  Kirsch  corn.  2, 159»; 
mit  dem  verbtun  von  grenze  {s.  sp.  142) :  zu  deme  were 
viele  und  ßin  grosses  aufgegangen  {ivären  grosze  kosten 
entstanden)  .  .  .  auf  die  grentzsetzunge,  welche  der  könig 
aus  Dennemarck  und  hertzog  Julius  zu  Braunschweig 
zwischen  beyden  fürstlichen  häusern  Pommern  und 
Mechelnburg  gezogen  betten  Micraelius  altes  Pommer- 
land  (1640)  3,575.  —  grenzsicherheit,/. ;  ähnlich  wie 
es  mit  Decebalus  geschehen  war,  durch  aussetzung  jähr- 
licher gratiale  die  grenzsicherheit  zu  erkaufen  Mommsen 
röm.  gesch.  5,  208.  —  grenzsicherung,/. ;  {die  kleinen 
fürsten  fürchteten  die  Überfälle  ihrer  nachbarn  so  sehr,) 
dasz  sie  statt  der  verschanzungen  hier  das  Wachstum  un- 
durchdringlicher Waldungen  als  ihre  grenzsicherung  be- 
trachteten Ritter  errf&Mntie  4,  46;  anders:  sichere  kenn- 
zeichnung   der   grenze:    die   periode   vom    16.    bis    zum 


181 


GRENZSOLDAT  —  GRENZSTADT 


GRENZSTÄDTCHEN  —  GRENZSTEIN   1 82 


18.  Jahrhundert  hat  bezüglich  der  älteren  formen  der 
grenzbezeichnung  und  grenzsicherang  (von  forsten)  mehr- 
fache fortschritte  herbeigeführt  Schwappagh  handb.  d. 
forst-  tc.  jagdgesch.  l,  841, 

GRENZSOLDAT,  in.:  grentzsoldaten  ripariensea  mi- 
Utes  Kirsch  com.  2,  159*;  miles  limitaneus,  finium  pro- 
pugnator  Steinbagh  2,  602,  also  =  grenzer  (s.  d.);  icie 
dies  wort  specialisiert:  gränitzer,  gräntzsoldaten  limitanei 
inüites  Hungariae  Apinus  gloss.  nov.  (l728)  252;  'ein  be- 
sonders in  Ungarn  übliches  wort,  die  Soldaten  in  den 
gränzfestungen  gegen  das  türkische  gebieth  zu  benennen, 
welche  daselbst  auch  gränitzer  genannt  werden'  Adelung 
2,  779;  Heinsius  2,  530";  vielleicht  wollte  er  {Constantin) 
dadurch,  dasz  er  die  grenzsoldaten  zum  theil  in  die  städte 
verlegt,  dem  gewerbe  etwas  aulhelfen  M.  P.  Schmidt 
gesch.  d.  Deutschen  l,  lll;  aller  kriege  ungeachtet  sah 
man  jedoch  ...  in  Polen  noch  keinen  anfang  von  .  .  . 
bleibenden  gränzsoldaten  Becker  welfgesch.  7,  G9i ;  das 
{schmuggelnde)  volk  .  .  .  steht  das  ganze  jähr  hindurch 
unter  den  waffen  gegen  die  gränzsoldaten  und  gens- 
d'armen  Gaudy  8,  178.  —  grenzspalt,  m.:  zu  den 
merkwürdigsten  dieser  längenthäler  .  . .  gehört  die  grosze, 
romantisch-groteske  einsenkung  von  Jezidkhast,  der  na- 
türliche grenzspalt  des  alten  Fars  und  Mediens  Ritter 
erdkunde  9,  17.  —  grenzsperre,  /.,  anläge  zur  ab- 
Sperrung  der  grenze:  der  rätische  (limes),  eine  174  km 
lange  grenzsperre  in  form  einer  aufschüttung  von  bruch- 
steinen  Wimmer  gesch.  d.  deutschen  bodens  16;  vgl.  die 
behelfsbefestigung  hat  ihre  hauptsächliche  bedeutung 
für  grenzsperren  im  gebirge  Alten  handb.  f.  heer  ti.  flotte 
2,  44;  meist:  Unterbindung  oder  einsdiränkung  des  han- 
delsverkehrs  zivischen  verschiedenen  stauten:  der  kaiser- 
liche gesandte  in  Chur  .  .  .  unterdrückte  weiteres  nach- 
forschen mit  androhung  einer  grenzsperre  gegen  Bünden 
ZscHOKKE  38,  254;  Motz  .  .  .  bemühte  sich  wiederholt, 
immer  vergeblich  um  eine  milderung  der  grenzsperre 
Treitsghke  deutsche  gesch.  im  19.  jh.  3,477;  bildlich: 
superklugheit  die  .  .  .  den  freien  geist  als  ausländische 
waare  mit  der  grenzsperre  belegt  B.  v.  Arnim  dies  buch 
gehört  d.  könig  1,  198 ;  der  grund  dieser  letzteren  grenz- 
sperre (zivischen  maierei  u.  plastik)  ist  der  tiefe  gegen- 
satz  im  geiste  beider  künste  Vischer  ästhet.  3I,  104.  — 
grenzsperrung,  /. ;  eine  derartige  .  .  .  grenzsperrung 
(nach  art  des  rütischen  limes)  kann  füglich  schon  vor 
dem  Marcomannenkrieg  den  Hermunduren  gegenüber 
beliebt  worden  sein  Mommsen  röm.  gesch.  5,  144.  — 
grenz  Staat,  in.:  ein  grenzstaat  zwischen  diesen  .  .  . 
negervölkern  war  das  reich  Assin  Ritter  erdkunde  1, 
313;  allerdings  hatten  sich  christliche  mächte  von  nie- 
derem ränge,  grenzstaaten  der  Christenheit,  ...  in  bünd- 
nisz  mit  den  ungläubigen  eingelassen  Ranke  reform, 
gesch.  4,  27.  —  grenzstab,  m.  =  grenzpfahl,  -stock, 
-stecken:  die  deutschen  könige  .  .  .  überlieszen  es  den 
Schauenburgern,  den  immer  auf  der  lauer  zum  einfall 
stehenden  Dänen  die  grenzstäbe  fester  und  dichter  zu 
ziehen  D.  v.  Liliencron  3,  219. 

GRENZSTADT,/..-  grcnzstatt  oppida  confinia  Henisgh 
1740;  grenz-  sive  ir:oniivsiü,Ai  finitima,  limitanea  Stieler 
2113;  grenzstadt  cittä  di  frontiere  Kramer  teutscliital. 
(1700)  1,  556»;  grentzstat  Sghottel  hauptspr.  480;  grentz- 
stadt  76;  und  alle  grentzstedte,  sampt  iren  dörfern  der 
kinder  Ephraim,  waren  gemenget  unter  dem  erbteil  der 
kinder  Manasse  Josua  16,  9;  und  morgens  .  .  .  namen 
(sie)  ihren  weg  gen  Palinges,  ein  gantz  schöne  grentz- 
statt  Amadis  l,  90  Keller;  dasz  Schwiebussen,  als  eine 
gränzstadt,  neben  etlichen  andern  auf  des  gantzen  lan- 
des  Unkosten  solte  befestiget  werden  Sghigkfusz  chron. 
V.  Schlesien  (i625)  4,  157;  der  Schauplatz  ist  zu  Susa, 
einer  persischen  gränzstadt  samml.  v.  schausp.  (Wien 
1764 — 69)  6,  Xerxes,  personenverz.;  die  grenzstadt  gegen 
Samnium  Saticula  Mommsen  röm.  gesch.  1,  341 ;  da  an 
dieser  gränze  sehr  viel  verbotene  waaren  eingebracht 
werden,  ist  man  in  Genf  noch  strenger,  als  in  den  an- 
deren französischen  gränzstädten  Pückler  briefic.  u. 
iageb.  2,  269;  anders:  ich  sah  ...  an  dieser  göttlichen 
grenzstadt  der  wasserweit  (Neapel),   an  diesem  aufstei- 


genden gebirg  von  palästen  hinauf  Jean  Paul  15/18, 
514  Hempel.     gelegentlich  grenzestadt: 

Kales  sich  lihsz  blikken, 
der  Franzen  gränze-stat 

Zesen  adriat.  Rosemund  16  neudr. 

—  grenzstädtchen,  n. :  seine  garnison  Kaelbrau,  ein 
grenzstädtchen  des  fürstenthums  Drallenburg  Gaudy  24, 
li;  im  17. jh.  auch:  in  dem  persischen  grenzestädlein 
Bugholtz  Herkuliskus  (i665)  714.  —  grenzstamm,  m.: 
wir  sahen  bereits,  dasz  er  den  Germanen,  vielleicht 
von  den  grenzstämmen  abgesehen,  nur  die  kenntnis  des 
haferbaues  zugestehen  will  Hoops  waldbäume  u.  kultur- 
pflanzen  im.  —  grenzstandort,  m..-  man  beobachtet 
die  bahnen  von  den  grenzstandorten  aus  (schutzmasz- 
nähme  bei  der  mobilisier ung)  Alten  handb.  f.  heer  u. 
ßotte  3,329.  —  grenzstation, /.;  in  gutem  glauben 
an  die  alimacht  unseres  empfehlungsbriefes  an  alle 
grenzstationen  meinten  wir  die  kette  (die  die  österreichi- 
schen douanen  an  der  grenze  des  Schweizer  hantons  Tes- 
sin  über  den  ueg^  gespannt  hatten)  sofort  fallen  zu  sehen 
ROON  denkicürdigk.  1,  414;  auf  der  grenzstation  Cormons 
hatten  die  damen  anstände  mit  den  italienischen  Zoll- 
beamten Rosegger  II  14,  51.  —  grenzstatthalter, 
m. :  sie  nennt  ihn  zwar  könig  .  .  . ,  aber  aus  der  ge- 
schichte  ergiebt  sich,  dasz  er  wol  eben  nur  vasall  der 
Sassaniden,  von  ihnen  eingesetzter  grenzstatthalter  über 
Hira  war,  oder  vicekönig  Ritter  erdkunde  12,  96.  — 
grenzstecken,  m.  =  grenzstab,  -stock:  statt  sie  (die 
Jinger)  in  die  obren  stecken  zu  müssen  wie  früher, 
wenn  des  vaters  zunge  über  der  sittsamkeit  grenzstecken 
sprang  Herb.  Eulen berg  dogenglück (1899) 63.  —  grenz- 
stecker,  m.:  von  Gomer,  Japhets  söhn,  kommen  die 
Cimmery,  die  man  hernach  hat  Cimbros  genandt,  das- 
selbige  wort  heist  einen  grenzstecker,  feldmesser  (Cu- 
RÄus  11:  finitorem)  Rätei.  Curäi  chronica  von  Schlesien 
(1607)   11. 

GRENZSTEIN,  m.,  'zur  bezeichnung  der  gränze  ausge- 
setzter, mit  einem  buchstaben  und  einer  nummer  bezeich- 
neter stein'  Weber  öcon.  lex.  202;  grentzstein  borne,  con- 
flne  Hulsius-Ravellus  (16I6)  145 >»;  grenz-  eHandgrenz- 
stein  lapis  terminalis  Stieler  2139;  pietra  che  dinotai 
limiti  Kramer  ieutschital.  (lim)  l,  556*;  limes,  cancellus 
Stein  BACH  2,  692;  für  die  dialecte  vielfach  ausdrücklich 
bezeugt,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  826;  Meisinger  rap- 
penau.  77»»;  Follmann  lothr.  215'*;  lux.  ma.  (1906)  154»; 
Bauer-Collitz  waldeck.  41»;  Hupel  idiot.  d.  dtsch.  spr. 
in  Lief-  und  Ehstland  81;  alem.  fehlend  (vgl.  grenze, 
sp.  125,  2). 

i)  eigentlich:  gräntz-steine,  mahl-steine  oder  marck- 
steine  werden  in  öffentliche  und  privat -gräntz-steine 
eingetheilt  Chomel  öcon.  lex.  4,  1300;  zufrühest  für  pri- 
vate grenzsteine:  alda  auf  der  stelle  hat  ein  aufgerichter 
grentzstain  gestanden,  weh  dem  menschen  seiner  seele, 
der  den  grentzstein  hat  ausgegraben  und  weggeschafft 
Hüttel  Trautenauer  chron.  203  Schlesinger;  2.  hat  der- 
selbe (forstbediente)  seine  gräntz-  und  lag-steine  oder 
bäume  in  genauer  obsicht  zu  behalten  Göchhausen 
notabitia  venatoris  (1741)  313;  frau  Walburga  stand  vor 
ihnen  am  grenzstein  der  feldmark  Holtei  erzähl,  sehr. 
4,  81;  Terminus  ...  in  der  alterthumskunde  ein  grenz- 
stein, grenzbild  Kinderling  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  (1795) 
337;  wir  kamen  an  den  grenzstein  zwischen  Schwitz 
und  Zürch  Göthe  III  2,  161  Weim.;  also  zogen  sie  mit 
einander  ...  bis  an  den  grenzstein,  der  das  reich  Hi- 
spania  von  Frankreich  scheidet  Hebel  2,  2ii  Behaghel; 
da,  wo  .  .  das  königliche  wappen  auf  den  grenzsteinen 
ausgehauen  war,  nahm  Hansei  abschied  Auerbach  sehr. 
4,  122;  mit  völligem  verblassen  des  stibstanzbegriffes:  höl- 
zerne grenzsteine  sind  in  den  dorfgemarkungen  nichts 
seltenes  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes  l,  162;  im  vergleich: 
es  (das  doctorhaus)  stand  jetzt  nicht  mehr  so  allein  da 
wie  ein  grenzstein  Ebner-Esghenbach  2,  50;  bildlich: 
ists  nicht  ein  merkwürdiger  anblick,  solche  zween  mark- 
grafen  deutscher  hoheit  (Klopstock  u.  Winckelmann)  von 
ihren  grenzsteinen  zusammen  treten  zu  sehen,  zusam- 
men sprechen  zu  hören  Herder  3,  250;  öfter  in  phrasen 

12* 


183 


GRENZSTEIN 


GRENZSTEIN 


184 


tde:  ist  es  denn  meine  schuld,  dasz  der  erste  mann, 
der  mir  auszerhalb  unserer  grenzsteine  (unseres  besitz- 
thums)  begegnete,  gerade  Rosenberg  war?  Schiller  6, 
285;  und  war  nicht  innerhalb  der  grenzsteine,  die  man 
sich  erobert  hatte  {beim  2.  Pariser  frieden),  freies  feld 
genug   für  kraftvolles   wirken?   Meinegke  Boyen  2,  77. 

2)  übertragen:  die  fixsterne  dienen  uns  nämlich  zu 
gränzsteinen,  an  denen  wir  die  bewegung  des  mondes 
und  jedes  anderen  weltkörpers  .  .  bemerken  Schubert 
verm.  sehr.  1,  31;  zumeist  aber  in  dem  sinne  von  grenze  B 
{sp.  134);  'endgrenze,  schranke' : 

ich  merke  mir  genau  den  gränzstein  meiner  lust 

HoFFMANNSWALDAU  u.  anderer  ged.  1,  4  Neukirch; 

halte  fest  am  frommen  sinne 
der  des  grenzsteins  nie  vergasz ! 
alles  heil  liegt  mitten  inne, 
und  das  höchste  bleibt  das  masz 

Geibel  2, 129  Cotta; 

dieses  alles,  welches  ich  hier  nahmhafft  gemacht  habe, 
sind  so  viele  gräntzsteine,  die  die  ausgelassene  ver- 
messenheit der  menschen  in  dem  punct  des  gedenckens 
hinterhalten  sollten  discourse  d.  mahlern  2,  61;  grenz- 
stein  der  weiblichen  rechte  in  und  auszer  der  ehe  (buch- 
titel)  allg,  deutsche  bibl.,  anh.  zu  53 — 86,  1575;  'ziel,  ende, 
abschlusz,  äuszerster  punct': 

hier  (im  grabe)  ist  der  gräntzstein  aller  macht, 

das  Zollhaus  aller  Sachen       Gryphius  ged.  366  Palm; 

hier  ist  der  eigentliche  grenzstein  des  abc  der  anschau- 
ung  Herbart  ii,  193  Hartenstein;  concreter: 

brich  an  gewünschtes  licht!    willkommen  liebster  morgen I 
du  ziel  der  herben  angst,  du  grentz-stein  meiner  sorgen! 
Günther  ged.  (1735)  1016; 

ich  schau  das  lust-schlosz  höchster  wonne, 
ich  seh  die  allerreinste  sonne, 
ich  seh  den  grenzstein  aller  noth 

Triller  poet.  Betrachtungen  2, 108 ; 

dieser  schwarze  ring  ist  der  pfandbrief  meines  elends, 
meines  vaters  gräszliches  todesurtheil,  der  schwarze 
gränzstein  meines  lebens  Tieck  sehr.  8,  74;  vor  diesem 
gränzsteine  aller  menschlichen  leiden  (Niobe)  zerflieszt 
der  beschauer  in  thränen  A.  W.  Schlegel  über  dram. 
kunsti,  130;  anders:  Michelangelo  war  der  höchste  punct 
in  der  composition,  das  jüngste  gericht  ist  der  gränz- 
stein der  historischen  composition  Runge  hinterlass. 
sehr.  1,  6;  in  zwei  bildern  begegnet  dieser  sinn  von  grenz- 
stein hätifiger: 

welch  getön  durchfliegt  den  verstummten  äther 

hier  auf  Bernhards  kupp',  an  der  Schöpfung  grenzstein 

Baggesen  poet.  werke  2,  77; 

also  so  erhaben  ist  dieser  grenzstein  der  erde  gegen 
den  himmel,  dasz  ihn  zu  viel  licht  ebenso  den  blicken 
entzieht  als  gewölke  und  dunkelheit  (der  Montblanc  ist 
gemeint)  Greif  nachgelass.  sehr.  5;  ferner: 

so  würd  alsdenn  dein  leichenstein 

der  grenzstein  meiner  zeit  wie  deiner  freude  seyn 

Stoppe  Parnasz  (1735)  55; 

es  musz  dein  leichen-stein  der  thränen  grentz-stein  seyn 
ScHMOLCKE  trost-  u.  geistr,  sehr,  i,  695; 

ist  diese  Wahrheit  allgemein, 
und  trifft  sie  auch  die  grauen  alten, 
die  auch  den  spätsten  leichenstein 
für  ihres  Wissens  gränzstein  halten 

Gottsched  ged.  (1751)  279; 
vgl.  auch: 

ein  kahler  scheitel  ist  ein  gräntzstein  der  natur 

Warnecke  poet.  versuch  (1704)  325. 

3)  verbale  Verbindungen:  einen  grenzstein  setzen  (vgl. 
grenze  setzen  sp.  140/.) :  es  last  sich  der  ehrsucht  nicht 
so  leicht  ein  ziel  als  ländern  einen  gräntz-stein  setzen 
Lohen  stein  Armin.  (i689/.)  l,  6^;  sobald  aber  Katha- 
rina zur  gränzbezeichnung  ihres  gebiets  gränzsteine  setzen 
.  .  .  liesz  Jahn  l,  82;  die  zwo  seulen,  welche  Herkules 
zu  einem  gränzstein  seiner  .  .  .  reisfahrten  .  .  gesetzet 
Birken  ostländ.  lorbeerhayn  (\&bl)  185;  bildlich:  ein  schei- 
dendes und  ein  neuauftretendes  Jahrhundert  setzen  gleich- 
sam  durch   sich    selbst  dem  wandrer  einen  grenzstein. 


auf  welchem  er,  vor-  und  rückwärts  blickend,  gerne 
verweilet  Herder  23,  3;  Petrus  setzet  hier  die  taufe 
Johannis  und  die  himmelfahrt  Christi  gleichsam  zu 
grenzsteinen  der  bey  einem  apostel  erforderten  Wissen- 
schaft von  der  historie  Christi  Starke  Synopsis  (1735) 
neues  test.  2,  36; 

du  wähltest  ewig  unter  möglichkeiten, 

war'  nicht  die  Wirklichkeit  als  grenzstein  hingesetzt 

Grillparzer  7,  24 

im  sinne  'schranken  errichten':  das  schlimmste  .  .  war, 
dasz  er  sogleich  von  den  bis  daher  gewohnten  redens 
arten  abgieng  und  sich  neue  schuf,  dadurch  aber  .  . 
für  allezeit  zwischen  ihm  und  seinen  gegnern  gewisse 
gränzsteine  und  schranken  setzte  Schmidt  gesch.  der 
Deutschen  5,  66;  wie  grenzen  setzen  (s.  sp.  141)  oft  in 
dem  sinne  'ein  ziel  setzen,  beendigen':  als  nun  Klodomir 
.  .  die  .  .  schände  .  .  auszutilgen  beemsigt  war,  setzte 
das  verhängnisz  unvermuthet  seinem  leben  und  gebiete, 
nicht  aber  seinem  .  .  .  nachrühme  einen  grentzstein 
Lohenstein  Arminius  (i689/.)  l,  172*; 

Jesus  selbst  will  durch  den  tod 
deiner  last  den  gräntz-stein  setzen 

Günther  ged.  (1735)  109; 
ähnlich: 

was  gilts!  ein  aderlasz,  purgation,  clystir 

kann  eurer  Wissenschaft  den  letzten  grenz-stein  setzen 

(schelte  gegen  die  after-ärzie) 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachnen  3,  99; 

oder  'einhält  gebieten,  einschränken,  hemmen': 

wer  kann  in  dieser  lust  uns  ziel  und  gräntz-stein  setzen 

Neukirch  avfangsgriinde  z.  teutsch.  poesie  119; 

diesem  (rechtssatz)  wird  der  wichtige  gränzstein  gesetzt: 
dasz  .  .  (seine  anwendung  tvird  in  der  weise  beschränkt) 
allgem.  deutsche  bibl.  2 2,  157;  hier  hat  die  natur  .  .  . 
kein  maas  bestimmt  und  keinen  gränzstein  gesetzt 
Haller  restaur.  d.  staatsicissensch.  2,  44;  ich  .  .  sprengte 
lachend  über  die  grenzsteine,  die  sie  der  liebe  setzten, 
hinweg  Herb.  Eulenberg  Anna  Walewska  (1899)  59. 

einen  grenzstein  legen,  aufstellen  i*^  seWe?ier.-  der 
gränzstein  wird  nach  der  schnür  gelegt  Hippel  kreuz- 
u.  querzüge  1,  461; 

wie  weit  der  grentzstein  dieser  weit  ist  grundfest  eingeleget 
Treuer  deutscher  Bädalus  1,  66; 

entsprecheixd :  auch  hat  ein  erber  rath  .  .  den  grossen 
grentzstain ,  so  itzunder  neben  der  Aupen  unter  dem 
Tzschischwengestain  auf  der  rechten  grenitz  leit,  lassen 
aufdecken  Hüttel   Trautenauer  chron.  204  Schlesinger ; 

ein  geist  der  ehre  sucht,  muss  etwas  weiter  ziehn, 
denn  wo  der  gräntzstein  ligt 
Opitz  nach  Bodmer  samml.  crit.  poet.  Schriften  1, 103; 

darin  sieht  man  ihn  (Michaelis)  deutlich  nur  erst  als 
grenzstein  gegen  die  naturdichter  und  Shakespeare's 
schule  hin  liegen  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtxmg  4, 
234;  —  einige  schritte  davon  sind  die  gränzsteine  bei- 
der reiche  aufgestellt  Steub  drei  sommer  in  Tirol  1,  18; 
entsprechend : 

beim  spielen  überlegen 
die  mädchen  selten,  wo  des  spielens  gränzstein  steht 

Müllner  dramat.  werke  4,  45. 

den  grenzstein  verrücken«.«,  (vgl.  die  grenze  ver- 
rücken sp.  140) :  weil  einer  desz  namens  ehedessen  da 
gelebt  und  die  grentz-  oder  marck-steine  desz  feldes 
betrieglich  verruckt  haben  soll  Erasm.  Francisci  höl- 
lische Froteus  (1695)423;  wenn  ein  Alexander  die  grenz- 
steine der  länder  verrücken  sollte  Jean  Paul  7/10,  152 
Hempel;  dieses  (deutsche)  wort  ist  .  .  unser  heiligstes  gut, 
ein  grenzstein  Deutschlands,  den  kein  schlauer  nach- 
bar  verrücken  kann  Heine  7,  149;  ich  bin  .  .  kein  an- 
hänger  eures  liberalismus,  der  alle  grenzsteine  verrückt 
Auerbach  18,  118; 

wie  man  nach  gespenstern  blicket, 
die  den  grenzstein  falsch  gerücket 

Brentano  1,  467; 

welche  die  gräntz-steine  oder  gräntzsäulen  boszhaffter 
weise  niederreissen,  wegschaffen  und  verändern  Ghomel 


185  GRENZSTEINFREVLER  -  GRENZSTELLE 


GRENZSTELLUNG  -  GRENZSTREITIGKEIT  186 


öconom.  lex.  i,  1303;  indem  der  protestantismus  ...  die 
grenzsteine  zwischen  den  beiden  gebieten  kirchlichen 
schriftgebrauches  und  wissenschaftlichen  schriftver- 
ständnisses  ausrisz,  hat  er  sich  selbst  das  grab  ge- 
graben Lagarde  deutsche  sehr.  295;  das  neue  ist  aber 
unter  allen  umständen  das  böse,  als  das,  was  erobern, 
die  alten  grenzsteine  und  die  alten  pietäten  umwerfen 
will  Nietzsche  5,  41;  umgekehrt:  (der  krieg)  der  sie 
{die  romanische  rasse)  jetzt  ...  in  ihre  .  .  .  schranken 
zurückgewiesen  und  die  alten  grenzsteine  deutscher 
nation  .  .  wieder  gefestigt  hat  Mommsen  reden  «.  auf- 
sätze  321.  —  während  xcendungen  wie  grenze  setzen,  ver- 
rücken offenbar  abhängig  sind  von  grenzstein  setzen, 
verrücken,  waltet  gelegentlich  auch  das  umgekehrte  Ver- 
hältnis ob:  indessen  brach  (1618)  in  Deutschland  der 
gewaltige  krieg  aus,  der  —  für  jetzt  den  gränzstein 
meiner  erzählung  machen  soll  Becker  weltgesch.  7,  360, 
vgl.  sp.  188  a;  in  der  Aeneide  Veldeke's,  die  mit  Ruod- 
lieb  die  grenzsteine  der  zeit  bildet,  innerhalb  welcher 
sich  diese  halb  gelehrte  halb  volksmässige  .  .  .  gattung 
von  dichtungen  bewegt  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dich- 
tung  1,  94,  vgl.  sp.  138  a; 

wir  folgen  der  natur,  die  alles  unterscheidet, 

dardurch  verhaszten  streit,  zwist,  zanck  und  irrung  meidet: 

wer  solchen  unterscheid  und  grentzstein  überführt, 

der  hat  auch  den  verstand  der  gantzen  schrift  verkehrt 

Härsdörffer  teutscher  secretarius  1,  Mmm  T*», 

vgl.  sp.  144,  3;  der  gränzstein,  woran  sich  der  hörige 
mann  von  dem  .  .  leibeignen  scheidet,  wird  .  .  .  nicht 
.  .  deutlich  angegeben  Moser  u-erke  3,  185,  vgl.  sp.  142; 
wir  .  .  müssen  uns  hier  mit  der  negativen  erkenntnisz 
begnügen,  zufrieden  den  letzten  gränzstein  der  positiven 
erreicht  zu  haben  Schopenhauer  i,  525,  vgl.  sp.  147. 
4)  bei  dichtem  des  ll.jhs.  nicht  selten  grenzestein: 

{Gott)  sprach  dem  feuer  zu :  hier  sei  euch  stoltzen  flammen 
der  grentze-stein  gesetzt;  nicht  weiter  solt  ihr  gehn 

Zesen  vermehrter  helikon  (1656)  2,  28 ; 

vgl.  Zesens  gränzestat  unter  grenzstadt; 

du  hast  der  breiten  see  den  grentze-stein  gezeiget 
Erasm.  Francisci  indisch-chines.  lusigarten  (1668)  1, 109; 

dich  warf  zur  andern  seit 
Minerva  für  den  halsz  mit  einem  grüntzesteine 
der  auf  dem  felde  lag 

Opii'z  opera  geist-  u.  weltlicher  ged.  (1690)  1,  97; 

grenzenstein  auch  später  noch:  zum  andern  soll  er 
{der  käufer  eines  gutes)  .  .  alle  mit  fremden  herrschaf- 
ten  seiner  nächsten  nachbarschafft  anrainende  gräntzen- 
stein  und  march  .  .  besichtigen  Hohberg  georgica  cu- 
riosa  (1682)  1,  13; 

allein,  es  fehlte  noch  ein  grosser  Alexander, 
ein  mehrer  seines  reichs,  der  länder  grentzen-stein 
^  Besser  sehr.  1,28  König; 

wie  gern  wollt'  ich  grenzensteine  verrücken  und  un- 
rechtes gut  einsammeln,  wenn  Jean  Paul  19,  127  Hern- 
pel.  —  grenzsteinfrevler,  m.:  die  s.  546  berührte 
strafe  der  Verwandlung  in  irrwische  für  grenzsteinfrevler 
J.  Grimm  rechtsalterth.  ^i,  xv.  —  grenzsteinver- 
rück er,  m.:  da  er  (jß.  Wagner)  die  Scheidewand  ein- 
reiszt,  die  die  künste  von  einander  trennt,  so  nenne 
ich  ihn  einen  grenzstein -verrücker  Victor  Hehn  an 
Herrn.  Wichmann  145;  in  ähnlich  übertragenem  sinne  bei 
Görres  ges.  br.  3, 177.  —  grenzstejnverrückung,/.; 
wenn  nicht  die  in  unsern  Zeiten  so  häufigen  grenzstein- 
verrückungen  .  .  für  geographen  und  deren  schüler  eine 
lernäische  hyder  würden  Gaudy  3,  57.  —  grenzstein- 
versetzer,  m.:  auf  anderem  wege  ist  schon  Rochholz 
.  .  dahin  gelangt,  in  den  feldmessern,  marchern,  grenz- 
steinversetzern  u.  s.  w.  alte  feldgottheiten  zu  erkennen 
Laistner  neöeZsa^e?^  341.  —  grenzstelle,/.:  daselbst 
ist  der  newe  müistein  hingefüret  worden  auf  die  alte 
grenitzstelle,  daselbst  auch  vor  50  jaren  zuvor  ein  alter 
grenitzstein  gestanden  hat  Hüttel  Trautenauer  chron. 
267  Schlesinger;  die  Engländer  .  .  bestimmten  eine  grenz- 
stelle zum  marktort  und  tauschplatz  beider  Völker  Rit- 
ter erdkunde  1,  129;  ein  knöchelchen  befindet  sich  an 
der  grenzstelle  zwischen  dünn-  und  bUnddarm  Sömme- 


RiNG  bau  d.  menschl.  körpers  2,  lxxvi.  —  grenzstel- 
lung,  /..•  in  seinen  poetischen  erzeugnissen  ist  er 
(Friedr.  Müller)  ganz  interessant  durch  seine  grenz- 
stellung  zwischen  idylle  und  Schauspiel  Gervinus  gesch. 
d.  dtsch.  dichtung  i,  öZi.  —  grenzsteuer,/.,  geldhilf e 
für  den  grenzschuf z:  ohne  die  hilfe  an  volk  hätten 
f(ürsten)  und  st(ände)  auch  in  der  Brozkaischen  Un- 
ruhe und  sonst  geldhilfen  unter  dem  namen  grenz- 
steuern bewilligt  acta  publica,  verhandl.  d.  schles.  für- 
sten  u.  stünde  4,  204;  vgl.  grenzhilfe.  —  grenzstock, 
m.:  hiernächst  werden  an  vielen  orten  marquen  oder 
grentz-steine,  grentz-stöcke  etc.  nach  der  länge  der  fel- 
der  eingesetzt  allg.  haushaltungslex.  {Xli^ff.)  2,  633**;  vgl. 
grenzstab,  -stecken;  anders:  der  .  .  .  westlichste  grenz- 
stock des  kleinen  Atlas  bildet  am  osteingange  der  strasze 
von  Gibraltar  die  eine  der  säulen  des  Herkules  Ritter 
erdkunde  1,  889.  —  grenzstörer,  m.:  von  den  kritikern, 
den  eigentlichen  zaunhütern  des  geschmacks,  werden 
sie  {die  naiven  dichter)  als  grenzstörer  gehaszt,  die  man 
lieber  unterdrücken  möchte  Schiller  lo,  450.  —  grenz- 
stör ung,  /.;  {die  Obrigkeit)  kann,  was  bey  säen  und 
erndten  auch  nöthig  ist,  hindernisse  abhalten,  grenz- 
störungen,  unkraut  unter  den  waizen  säen,  also  auch 
eingriffe  in  lehrordnungen,  Verachtung  und  Verspottung 
der  lehrwahrheiten  .  .  .  verbieten  und  abhalten  allg. 
deutsche  bibl.  1142,  147.  —  grenzstrang,  m.,  in  der 
medicin  terminus  technicus  für  einen  bestimmten  nerven- 
strang  Ersch-Gruber  I  90,  237;  Sömmering  bau  des 
menschl.  körpers  4,  60.  —  grenz  strecke,  /. ;  die  karte 
von  Deutschland  sieht  in  der  mitte  buntscheckiger  aus 
als  an  dieser  grenzstrecke  {im  Südwesten)  Riehl  natur- 
gesch.  des  volkes  1,  237;  hinter  der  kurzen  serbischen 
grenzstrecke  gegen  Rumänien  liegt  das  verschanzte 
lager  von  Zajecar  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte  3,  185. 
—  grenzstreif,  -streifen,  m.:  Vorschrift  über  die 
grenzstreifen,  die  dem  abpflügen  wehrte  Mommsen  röm. 
gesch.  1,  404;  die  Römer  .  .  muszten  wohl  einsehen,  dasz 
dieser  .  .  .  deutsche  grenzstreif  in  seiner  engen  berüh- 
rung  mit  den  freien  rechtsrheinischen  Germanen  ihrer 
herrschaft  gefährlicher  war  als  das  tlackerfeuer  im 
Keltenland  redeii  u.  aufsätze  (i912)  329 ;  Frankreichs  und 
Oesterreichs  gegenseitige  eifersucht  fand  zwischen  bei- 
den Staaten  den  grenzstreifen  unparteisamer  gebirge 
ersprieszlicher  als  dessen  Vernichtung  Zschokke  37,  I8i; 
in  der  medicin  ist  grenzstreif  bezeichnung  eines  gehirn- 
theils  {taenia  semicircularis)  Sömmering  bati  d.  menschl. 
kö7pers  4,194.  —  grenzstreifer,  m.:  die  Sojoten,  zu- 
mal die  grenzstreifer  {die  an  der  grenze  von  Ruszland 
u.  China  nomadisieren)  sind  sehr  schmutzig  und  roh 
Ritter  erdkunde  2,  1058;  dazu  grenzstreiferei  3,  193. 

GRENZSTREIT,  m.,  disceptatio  seu  pugna  de  finibus 
ScHOTTEL /lattpf«^/".  406;  controversia  de  finibus  Stieler 
2208;  inmassen  dasz  sie  {die  Ordensritter)  auch  vielmalen 
mit  dem  könig  von  Polen  wegen  der  grentzstreitten  mit 
heersgewalt  dapferlich  geschlagen  D.  Federman  Nieder- 
lands beschreibung  ^540)  158  {dieser  plural  noch  bei  Klop- 
STOCK  gramm.  gespr.  (1794)  84;  sonst  dafür  grenzstreitig- 
keiten,  s.  u.);  bei  könige  soll  angehalten  werden,  dasz 
er  sich  resolviren  woU  .  .  .  dem  gräntzstreit  zwischen 
dem  hertzog  von  Teschen  und  bischoffe  zu  Olmutz  ab- 
zuhelfen ScHiCKFUSZ  chron.  v.  Schlesien  (1625)  8,  202; 
den  polnischen  gräntzstreitten  abhelfen  233 ;  das  ist  noch 
schöner  ausgeschmückt  in  der  sage  von  einem  grenzstreit 
zwischen  Uri  und  Glarus  J.  Grimm  kl.  sehr.  2,  7i;  ein 
grenzstreit  hatte  sie  {zwei  bauern)  entzweit  vor  vielen 
Jahren  Rosegger  2,  305;  übertragen:  {Ingredienzien  des 
menschenlebens  sind)  politischer  druck  —  langeweile, 
schlechte  gesellschaft  in  dieser  erdenweit,  gränzstreit 
in  hinsieht  der  theoretischen  Vernunft,  und  unkunde 
der  Vorschrift  der  praktischen  Hippel  kreuz-  u.  quer- 
Züge  2,  466;  vgl.  grenzstritt.  —  grenzstreitig,  adj.: 
freylich  hätten  die  grenzstreitige  partheyen  sehr  leicht 
aus  einander  kommen  können,  wenn  lebensläufe  4,  216. 

GRENZSTREITIGKEIT,  /..  nur  im  plural  {den  sing, 
bildet  grenzstreit,  s.  d.) :  dieweiln  auch  die  grenzstreitig- 
keiten   zwischen   dem   königreich  Polen   und  Schlesien 


187 


GRENZSTRICH  —  GRENZTHAL 


GRENZTHEILUNG  —  GRENZUNG 


188 


bishero  viel  Unrichtigkeit  gegeben  acta  publica,  verhandl. 
d.  scJiles.  fürsfen  u.  stünde  6,  221;  insonderheit  richteten 
sie  über  .  .  erbschaffts-  und  gräfitz-streitigkeiten  Lohen- 
stein Arminius  (1689/.)  I,  560';  der  baron  hat  fast  mit 
allen  nachbarn  gränzstreitigkeiten  theater  d.  Deutschen 
(1768^.)  14,  126;  als  Krokus  .  .  von  einem  flurzuge  heim- 
kehrte, wo  er  .  .  die  grenzstreitigkeiten  zweier  gemein- 
den geschlichtet  hatte  MusÄus  volksmährchen  i,  77  Hern- 
pel;  grenzkämpfe:  manche  ernste  und  heitere  erzählung 
hat  sich  bei  den  eingeborenen  über  die  erbitterten 
grenzstreitigkeiten  mit  den  Türken  erhalten  Hassert 
reise  durch  Montenegro  21;  übertragen:  nichts  ist  also 
mehr  übrig,  als  die  gränzstreitigkeiten  des  genies  mit 
der  tollheit  zu  untersuchen  Hamann  2,  92  Eoth;  auch 
der  eigennuz  regt  sich  öfter  bei  den  grenzstreitigkeiten 
der  confessionen  Schleiermacher  I  5,  83. 

GRENZSTRICH,  m.  i)  Franzos:  den  alten  grenz- 
strich meines  reiches,  den  edlen  Rein,  wil  ich  .  .  hin- 
wieder allein  beschiffen  ?>cmottei.  friedenssieg2i:neudr.; 
es  hatte  jeder  von  den  herren  mit  der  feder  oder  mit 
kohle  und  kreide  darüber  {über  eine  karte)  hingezogen, 
lauter  gränzstriche  Alexis  falsche  Woldemar  (i8i2)  i,  215; 
hier  zwischen  Berlin  und  dem  dicken  russischen  grenz- 
strich Fontane  I  l,  423;  7iicht  ganz  deutlich  an  folgen- 
der stelle: 

gleich  als  hat  die  natur  gepflantzt  der  künsten  garten 
ins  menschen  sinn-begriff,  und  lesset  dessen  warten  .  .  . 
so  sind  der  teutschen  kunst  verliehen  auch  die  grifl'e 
dasz  ein  geübter  geist  in  einem  teutschen  schiffe 
den  grentzstrich  wol  umfährt  und  durch  beschauet  recht 
was  gott  und  die  natur  ins  irrdisch'  hat  gelegt 

SCHOTTEi.  sprachk.  1010,85; 

2)  einzelne  gränzstriche  und  küstenländer  von  Ara- 
bien hatten  einige  der  altern  ägyptischen  pharaonen 
inne  gehabt  Fr.  Schlegel  14,  61 ;  der  schlusz-aufsatz 
versetzt  den  leser  in  den  deutsch -ungarischen  gränz- 
strich  an  der  Donau  Riehl  naturgesch.  d.  volkes  4,  36; 
{Voltaire)  erfand  für  Friedrich  den  beinamen  eines  kö- 
nigs  der  grenzstriche  Ranke  28,  835;  die  kiefer  {ivar) 
namentlich  auf  den  grenzstrichen  zwischen  den  alten 
laub-  und  nadelwaldgegenden  .  .  verbreitet  Hoops  u-ald- 
bäume  u.  kulturpß.  239.  —  grenzstritt,  m.  =  grenz- 
streit, nur  in  älterer  spräche:  daher  es  die  erfahrung  ge- 
wiesen, dass  öfters  dergleichen  commissionsunkosten 
dem  part  viel  schwerer  sein  .  .  als  der  ganze  grenzstritt 
nicht  würdig  acta  publica,  verhandl.  d.  schles.  fürsten 
u.  stände  5,230  (o.  1624);  denn  die  zwey  geschwister- 
kinder  Syphax  und  Gala  bekamen  mit  einander  einen 
gräntzstritt  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  i,  847";  im 
ältesten  beleg  der  bedeutung  'strittiges  grenzland'  nahe- 
kommend: anno  domini  1586  jar  den  19.  und  20.  tag 
augusti  sind  die  3  graenitzstritte  besichtiget  worden 
Hüttel  Trautenauer  chron.  288  Schlesinger.  —  grenz- 
strittigkeit,  /.,  xvie  grenzstreitigkeit  nur  im  plural: 
wie  man  sich  bey  gränzstrittigkeiten  zu  verhalten  allg. 
deutsche  bibl.,  anhang  zu  37 — 52,  1263;  das  geniewesen 
hat  auszer  seinen  bekannten  gränzstrittigkeiten  mit  der 
tollheit  in  der  regel  .  .  troz,  Verachtung  und  übermuth 
mit  sich  verbunden  MusÄus  physiogn.  reisen  3,  72.  — 
grenzstrom,  m.:  dasz  ihn  {den  Amur)  das  Schicksal 
zum  grenzstrom  zweier  weltmonarchien  bestimmte  Rit- 
ter erdkunde  4,  431 ; 

sobald  der  zwei  festlande  grenzstrom  hinter  dir  {der  Bos- 

.,    porus) 
Droysen  Aschylus  (1841)  441; 

ich  bin  nur  der,  welcher  das  gröszte  weh  empfand,  als 
sie  mitten  durch  Deutschland  den  blutigen  grenzstrom 
leiteten  (1866)  Rosegger  H  12,  243;  älter  auch:  von  dem 
alten  gräntze-strohme  Euphrates  an  Bodmer  samml. 
crit.-poetischer  sehr.  1,  26. 

GRENZTHAL,  n.:  es  steigt  also  hier  auf  einmal  der 
grenzboden  weit  stärker,  um  mehr  als  600  fusz  bis  zum 
grenzthale  {zw.  Euszland  u.  China)  Ritter  erdkunde  3, 
185.  —  grenztheil,  m.,  deminut.:  ob  die  seele  einen 
ort  einnehme  und  eine  ausdehnung  habe,  untersuchet 
er  auch :  .  .  ,  doch  saget  er,  sie  sey  nicht  wie  die  kör- 
per  ausgedehnet;  nicht  durch  ihre  eigene  letzte  gränz- 


theilchen,  sondern  durch  andere  umstehende  wesen  ein- 
geschränket  Gottsched  netteste  aus  d.  anmuth.  gelehr- 
samkeit  3,  250.  —  grenztheilung,  /.;  es  wird  von 
beeden  beeren  zugleich  vermeldet,  sie  seyen  dem  Pa- 
triarchen Jacob  aufgestossen  ohne  abwechslung  und 
gränztheilung  Dannhawer  catechismus  milch  (1657)  4,  75; 
=  grenzscheidung :  {des  kaisers)  gemahlin  . . .  bestätigt  die 
präliminarien  von  Breslau,  den  definitiven  frieden  von 
Berlin  und  die  darauf  vollzogene  grenztheilung  Ranke 
29,216;  übertragen:  durch  diese  grenztheilung  soll  die 
versmacherkunst  {gegenüber  der  poesie)  an  ihren  ehren 
und  würden  im  geringsten  nicht  gekränkt  seyn  Bürger 
320  Bohtz.  —  grenzthierchen,  n.,  'das  kleinste  aller 
thiere,  welches  gleichsam  das  thierreich  begrenzt,  und  nur 
durch  vergröszerungsgläser  erkannt  wird  {aufguszthier- 
chen)'  Heinsius  2,  530^  —  grenztractat,  m.  =  grenz- 
vertrag, -vergleich :  einige  in  dem  neuen  grenztractat  von 
Pardo  genannte  {flüsse)  allg.  deutsche  bibl.  62, 141 ;  durch 
die  grenztractate  vom  jähre  1689  .  .  .  ward  er  {der  ge- 
birgszug)  von  den  Russen  an  .  .  .  die  beherrscher  Chi- 
na's  abgetreten  Ritter  erdkunde  2,  90.  —  grenz- 
truppe,  /. ;  um  nun  nicht  genöthigt  zu  sein,  bestän- 
dig grenztruppen  gegen  den  norden  aufzustellen  2,199; 
Almogavares  . . .  span.  grenztruppe  zu  fusz  Alten  handb. 
f.  heer  u.  flotte  1,  274. 

GRENZÜBERSCHREITüNG, /.;  der  eigentliche  und 
nächste  zweck  der  anläge  {deslimes)  war  die  Verhinderung 
der  grenzüberschreitung  Mommsen  röm.  gesch.  5, 143;  der 
nachbar  (Jiat)  den  überbau  zu  dulden,  es  sei  denn,  dasz 
er  vor  oder  sofort  nach  der  grenzüberschreitung  Wider- 
spruch erhoben  hat  bürgerl.  gesetzbuch  §  912,  abs.  1 ; 
übertragen:  den  bescheidenen  bücherschatz,  der  sich 
über  meinen  wissenschaftlichen  grenzüberschreitungen 
aufgestapelt  G.  Kellers,  70;  von  dem  rechte  des  Staates 
aber  wurde  auch  der  katholischen  kirche  . .  .  gegenüber 
nicht  das  geringste  aufgegeben  und  jener  nicht  die  ge- 
ringste grenzüberschreitung  gestattet  V rvtz  jpreusz.  gesch. 
8,47.  —  grenzübertretung,/.;  so  brach  der  mensch 
die  grenze,  und  von  diesem  Zeitpunkt  an  lernte  er  aus 
der  Sünde,  aus  der  grenzübertretung,  das  gute  und  böse 
erkennen  Hippel  ieöensiöM/e 4, 215.  —  grenzübertritt, 
m. :  für  aus  dem  ausländ  eingehende  fahrzeuge  ...  ist 
die  ausstellung  der  erlaubniskarte  alsbald  nach  dem 
grenzübertritte  bei  der  nächsten  zuständigen  behörde  zu 
beantragen  reichstempelgesetz  (i906)  §57,  abs.  2.  —  grenz- 
überwachung,/.;  der  grenzüberwachung  dienen  zahl- 
reiche blockhäuser  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte  2,  600. 

—  grenzumgang,  m.  =  grenzbegang :  in  den  akten 
der  'hohen  mark',  in  denen  bei  grenzumgängen  die 
holzarten  aufgezählt  sind,  ist  von  tannen  und  üchten 
keine  rede  Jagobi  das  römerkastell  Saalburg  (l897)  178. 

—  grenzumkreis,  m. ;  weil  das  vielgestaltete  reich 
der  noch  mehr  gestaltige  grenzumkreis  von  Russen, 
Wälschen,  Galliern  . .  .  einfäszt  Jean  Paul  37, 19  Hempel. 

—  grenzumrisz,  m.,  Silhouette:  man  darf  die  . . .  be- 
deutungsvollsten Züge  ...  im  gränzumrisse  oft  nur  um 
ein  haar  verfehlen,  so  werden  sie  gemein  Lavater  jjÄy- 
siognom.  fragm.  2,  113;  auf  der  822.  seite  kommen  vor 
zehn  gränzumrisse  männlicher  gesiebter  aus  einer  deut- 
schen Stadt  MusÄus  physiogn.  reisen  3,  197.  —  grenz- 
umritt, m,.,  grenzbegang  zu  pferde:  auf  alte  opfer  weisen 
zurück  die  trinkgelage  bei  öffentlichen  gerichten  und 
nach  dem  grenzumritt  J.  Grimm  mythol.  (1878)  3,  29.  — 
grenzunbewuszt,  adj.,  unbegrenzt: 


bestärke  mich  als  mitregenten  deines 


gränzunbewuszten  reichs 


Famt  II  9363. 


GRENZÜNG,  /. :  gr.  et  angrenzung  confinium,  limitatio, 
limes,  et  idem  quod  grenze  Stieler  694;  grentzung  limi- 
tatio Steinbach  1,  638;  Kirsch  com.  2,  159*;  vgl.  auch 
Schottel  hauptspr.  388;  bei  AuEhVNG  fehlend;  auch  in 
den  wenigen  literar.  belegen  in  wechselnder  bedeutung: 
festsetzung  der  grenze :  zu  der  zeit  des  edlen  gestrengen 
ritters  und  herrn  herr  Adam  Sylbers  ...  ist  zwi- 
schen beiden  herren  ein  grentzung  angestaut  worden 
Hüttel  Trautenauer  chron.  202  Schlesinger ;  verlauf  der 
grenze:  {Oi-imm  möge  ermittehi)  wie  er  {der  mattiakische 


189  GRENZUNGSKREIS  —  GRENZVERLEGUNG 


GRENZVERLETZUNG  -  -VERWILLIGUNG  190 


stamm)  weiter  gegen  Rhein  und  Main  mit  den  Franken 
zusammen  gränzt?  eine  gränzung,  die,  wie  ich  fürchte, 
besonders  gegen  den  Main  hin  sehr  verwirrt  und  zer- 
flossen sein  wird  Görres  ges.  br.  3,65;  concret:  zwi- 
schenhin  zog  sich  manches  weisze  kettchen  der  stangen- 
zäune,  die  viehschranken  und  grenzungen  Rosegger  13, 
187,  —  grenzungskreis,  m.  .• 

öfn',  0  Teutonias  genius,  dem  Deutschen  die  äugen, 

dasz  er  sähe  den  gränzungskreis 
den  du  machtest  für  ihre  {der  deutschen  spräche)  beneidete 

bildsamkeit,  liebend 
in  den  gemessenen  räum  sie  riefst 

Klopstock  Oden  2,  131  Muncker-Pawel. 

GRENZÜNTERTHAN,  m.:  schon  oben  habe  ich  an 
dem  beispiele  des  freiherrn  von  Suneck  die  böse  läge 
der  grenzunterthanen  hervorgehoben  acta  publica,  ver- 
handi.  d.  schles.  fürsten  u.  stände  6,  267.  —  grenzur- 
künde,  /. ;  unsern  grenzurkunden  gereichen  hügel  und 
grosze  steine  zu  hauptanhaltspunkten  J.  Grimm  kl.  sehr. 
2,  42;  mehr  als  dieses  straszenstück  musz  uns  die  villa 
Piberah  in  jener  grenzurkunde  interessieren  Wimmer 
gesch.  d.  dtsch.  bodens  79.  —  grenzursache,/. :  die 
gewölbte  nase  ...  ist  unwillkührlicher  ausdruck  von 
witze  .  .  .  Ursache  des  nicht  gröszern,  nicht  geringern, 
nicht  andersartigen  witzes.  gränzursache  Lavater  phy- 
siogn.  fragm.  i,  107. 

GRENZENVATER,  m.; 

da  galts  den  sprung  zu  wagen, 
den  todessprung  in  Leipzigs  schlacht  durch  blutgetränkte 

felder, 
und  fort  zufb  gränzenvater  Rhein  bis  tief  in  Frankreichs 

Wälder. 
Pfizer  hr.  zweier  Deutschen  (1831)  337. 

—  grenzveränderung,  /..-  verschiedene  grenz-  und 
tauschveränderungen  in  Deutschland  allg.  deutsche  bibl. 
83,  512.  —  grenz  verein,  m.,  vereinzelt  für  grenz  Ver- 
einbarung Pfeffel  poet.  versuche  &,  100.  —  grenzver- 
gleich, m.,  von  Adelung  2,  779  und  Heinsius  2,  530*' 
mit  grenzvertrag,  -recess  gleichgesetzt ;  der  .  .  .  schlesi- 
sche  krieg  zwang  die  Theresia  mit  den  Türken  den  be- 
kannten gränzvergleich  . . .  einzugehen  allg.  deutsche  bibl., 
anhang  zu  53 — 86,  870;  es  ist  .  .  .  dieses  der  fünfte  .  .  . 
abdruck  des  gränzvergleichs  106,  394.  —  grenzverglei- 
chung,  /. ;  item  den  21.  tag  augusti  so  geschach  ob- 
bemelte  grenitzvergleichung  auf  Newhoff  an  einem  thail 
durch  obbemelte  herrn  Hüttel  Trautenaiier  chron.  289 
Schlesinger  (a.  1586);  und  ist  die  grentz vergleich ung  aller 
dreier  obbemelter  stritte  also  verglichen  worden,  wie 
folget  ib.  —  grenzverhältnis,  n.;  Vorder-Asien  . . . , 
seine  gestaltung  und  grenzverhältnisse  zu  seinen  nach- 
bar-erdtheilen  Ritter  erdkunde  2,  77;  bei  den  ausge- 
dehnten Waldungen  mit  schlechten  Verkehrsgelegenheiten, 
mangelhafter  aufsieht  und  oft  unklaren  grenzverhält- 
nissen  war  es  leicht  möglich,  dasz  Schwappach  handb. 
d.  forst-  u.  jagdgesch.  l,  139;  anders  in  der  spräche  der 
mathematik:  in  der  erläuterung  des  begriffs  von  den 
differentialen  ist  der  v(erfasser)  sehr  umständlich,  kürzer, 
deutlicher  und  gründlicher  wäre  es  gewesen,  wenn  er 
alles  auf  den  begriff  von  grenzverhältnissen  gebracht 
hätte  allg.  deutsche  bibl.  38,  469 ;  vgl.  grenze  D  2,  sp.  148. 

—  grenzverhandlung,  /..-  habe  der  russische  ge- 
sandte .  .  .  bei  den  grenzverhandlungen  die  heftigsten 
discussionen  mit  den  chinesischen  gesandten  .  .  .  gehabt 
Ritter  erdkunde  s,  189.  —  grenzverkehr,  m..-  latei- 
nisch war  seit  langer  zeit  die  spräche  des  grenzverkehrs 
(zw.  dem  röm.  reich  und  Germanien)  Freytag  17,  107; 
der  limes  ist  also  die  reichsgrenzstrasze,  bestimmt  zur 
regulirung  des  grenzverkehrs  Mommsen  röm.  gesch.  5, 
112.  —  grenzverkürzung, /.;  ob  es  nicht  gut  wäre, 
ihrem  {dem,  iveiblichen)  geschlechte  geistiges  teuer  und 
Wasser,  lesen  und  schreiben  zu  verbieten,  romane  und 
liebesbriefe  werden  diesen  vorzuschiebenden  riegel  und 
die  gränzverkürzung:  bis  dahin  und  weiter  nicht,  mit 
schein  des  rechts  vertreten  Hippel  über  die  ehe  (1792) 
221.  —  grenzverlegung,  /. .-  auch  für  wildjagd  und 
den  pelzhandel  wurden  solche  grenzverlegungen  wichtig, 
weil  jene  sich  nach  diesen  richteten  Ritter  erdkunde 


2,  583.  —  grenzverletzung,  /.;  die  Türken  klagten 
wegen  grenzverletzung  {anläszlich  eines  beim  überschreiten 
der  landesgrenze  entstandenen  krawalls)  Brentano  4,234; 
Störung  der  grenze  durch  Vernichtung  oder  Veränderung 
von  grenzzeichen:  böswillige  grenzverletzungen  wurden 
streng,  ja  geradezu  grausam  bestraft  Schwappach  handb. 
d.  forst-  u.  jagdgesch.  l,  145;  gelegentlich  grenzenverlet- 
zung  Schiller  6,  68.  —  grenzenvermessung,  /., 
allg.  deutsche  bibl.  59,  4^7.  —  grenzenvermischung, 
/..  obscuratio  finium  Ghomel  4, 1304.  —  grenzverrich- 
tung,  /.,  Schlichtung  von  grenzstreitigkeiten :  dasz  zu 
solchen  grenzverrichtungen  vor  andern  diejenigen,  so 
an  der  grenze  {von  Schlesien  und  Polen)  eingesessen, 
möchten  gebrauchet  .  .  .  werden  acta  publica,  verhandl. 
d.  schles.  fürsten  u.  stände  5,  230  {a.  1624).  —  grenz- 
verrücker,  m.:  überreich  sind  unsere  sagen  an  Straf- 
gerichten unehrlicher  oder  unsittlicher  arbeit,  vom  mann 
im  mond  bis  zu  den  feuerglühenden  gränzverrückern 
Riehl  deutsche  arbeit{i86i)  160.  —  grenzverrückung, 
/.;  grenzverrückungen  durch  anbringung  neuer  grenz- 
zeichen sollte  ein  sklave  bei  den  Longobarden  mit  dem 
Verlust  der  band  büssen  Schwappach  handb.  d.  forst- 
u.  jagdgesch.  i,  52;  wie  will  man  über  die  geschichtlichen 
grenzverrückungen  zwischen  starker  und  schwacher  con- 
jugation  ins  reine  kommen  ohne  die  Übersicht  aller 
concreten  fälle  Scherer  kl.  sehr,  i,  27;  vgl.  allg.  deutsche 
bibl.  109,  67;  gelegentlich  gräntzen-verrückung  obscuratio 
finium  Ghomel  öcon.  lex.  4,  1304.  —  grenzverschie- 
bung,  /. ;  seitdem  der  Tiberstrom  die  markscheide 
Etruriens  gegen  Umbrien  und  Latium  bildete,  mag  hier 
im  ganzen  ein  friedliches  Verhältnis  eingetreten  sein  und 
eine  wesentliche  gr'enzverschiebung  nicht  stattgefunden 
haben  Mommsen  röm.  gesch.  iii,  121 ;  ich  bin  überzeugt, 
dasz  alle  übelthat  nur  grenzverschiebung  des  .  . .  Selbst- 
erhaltungstriebes ist  Auerbach  5,  137.  —  grenzver- 
schreibung,  /..-  anno  d.  1582  den  15.  tag  octobris  ist 
einem  e.  rath  alhie  die  obbemelte  grenitzverschreibung 
übersendet  worden  in  behmischer  sprachen  Hüttel 
Trautenauer  chron.  270  Schlesinger.  —  grenzverstei- 
n  u  n  g ,  /. ;  für  die  ...  Haincher  forsten  wurde  die  Ver- 
messung, grenzversteinung,  distriktseintheilung  . . .  1800 — 
1802  durchgeführt  Bernhardt  gesch,  d.  u-aldeigentums 
2,  304.  —  grenzvertheidigung,  /.;  ein  jeder  Staats- 
bürger ...  ist  also  verpflichtet,  .  .  .  auf  den  wink  des 
Staates  zur  gränzvertheidigung  aufzubrechen  Fouque 
gefühle,  bilder  1,  54;  dasz  die  Römer  . . .  nicht  .  . .  vor- 
gedrungen sind,  weil  die  eroberung  des  landes  nordwärts 
derselben  {der  Nilcataracte)  zur  grenzvertheidigung  der 
ägyptischen  präfectur  gehörte  Ritter  erdkunde  i,  591. 
—  grenzvertheilung,  /. .-  als,.  .  .  zwischen  den  be- 
sitzthümern  Spaniens  und  Portugalls  .  .  .  eine  neue 
grenzvertheilung  vorgenommen  werden  sollte  Herder 
24,  24.  —  grenz  vertrag,  m.  =  grenzvergleich,  -recess 
Adelung  2,  779  {unter  grenzvergleich);  Heinsius  2,530^; 
einen  solchen  christlichen  grenitzvertrag  und  verglei- 
chung  obbemelten  artickeln  allen  hat  der  hoch  und 
wolgeborne  herr  her  Jareszlaw  Smirsitzky  .  .  .  gutwillig 
angenomen  und  mit  band  und  munde  solchen  grenitz- 
vertrag bekreftiget  Hüttel  Trautenauer  chron.  265  Schle- 
singer;  gränz  -  vertrag  zwischen  Frankreich  und  Trier 
allg.  deutsche  bibl.  104,  50 ;  nicht  abfall,  sondern  richtiger, 
freundschaftsbund,  gränzvertrag  mit  meinem  J.  Böhme 
Solger  nachgel.  sehr.  u.  briefw.  1,  542 ;  die  gütergemein- 
schaft  und  Stubenverbrüderung  wurde  auf  die  hellsten 
grenzverträge  zurückgebracht  Jean  Paul  2o/23,  347.  — 
grenzverwahrer,  m.: 

nach  diesem  fieng  zu  reden  an 
ein  wolversuchter  kriegesmann, 
der  offtmals  war  dabey  gewesen, 
da  man  steupt  mit  dem  eisen  besem  . . . 
und  war  grentzverwarer  das  mal 

Rollenhagen  froschmeuseler  (1595)  Oo  IUI"; 

kamen  etliche  grentzverwarer  und  wechter,  die  uns  ge- 
fangen nahmen  indian.  reysen  (1603)  114.  —  grenz- 
verwahrung,  /. ;  der  (erzbischof)  indessen  auf  seinen 
hoUsteinischen  ämbtern  unterm  schein  der  grentzverwah- 
rung  etliche  newe  Werbungen  angestellet  hatte  Ghem- 
NiTZ  schwed.  krieg  {i6i8)  i,  257.  —  grenzverwilligung. 


191  GRENZVERWIRRUNG  — GRENZWACHT 


GRENZWÄCHTER  -  GRENZWALL   192 


/.  =  grenzsteuer,  -hilfe :  desgleichen  haben  sie  {fürsten 
ti.  stände)  auch  zu  abführung  der  kaiserl.  und  hunga- 
rischen  gränzverwilligung  auf  künftiges  jähr  folgende 
Steuertermine  beniemet  acta  publica,  verhandl.  d.  schles. 
fürsten  u.  stände  5,103. —  grenzverwirrung,/. ;  läszt 
sich  im  falle  einer  grenzverwirrung  die  richtige  grenze 
nicht  ermitteln,  so  bürgerl.  gesetzbuch  §  920,  abs.  l ;  die 
grenzverwirrungen  zwischen  so  innigst  verwandten  dis- 
ciplinen  sind  um  so  gröszer  Humboldt  kosmos  i,  51 ; 
diese  grenzverwirrung  der  theologischen  und  der  philo- 
sophischen disciplin  ist  nicht  gerade  entstanden,  aber 
immer  wieder  beschüzt  durch  die  oben  angeführten  be- 
nennungen  Schleiermacher  I  12,  7.  —  grenzvisi- 
tation,  /.,  Visitation  der  grenze  Ritter  erdkunde  2, 
1014;  Visitation  an  der  grenze  3, 1082.  —  grenzvogt,  ?«.: 
nimm  das  von  Rübezahl,  dem  bannwart  {anni.:  grenzvogt) 
des  gebirges,  dasz  du  ihm  in'sgehege  fuhrst  MusÄus  volks- 
mäkrchen  1,  57.  —  grenzvolk,  n.:  ja  wenn  Marbod  .  .  . 
die  Übersetzung  der  Sarmater  verhinderte,  verspräche  er 
denen  Marckmann-  und  Quadischen  gräntz-völckern 
jährlich  zwey  tausend  pfund  silber  als  einen  sold  zu 
geben  Lohenstein  Armin.  (i689/.)  l,  1299'';  vgl.  2,  lO»; 
die  Polen,  ein  slawisches  grenzvolk  Heine  7,  204;  bei 
grenzvölkern,  heiszt  es,  findet  man  gewöhnlich  die  Un- 
tugenden der  beiderseitigen  nachbarn  Steub  dreisommer 
in  Tirol  2,  387.  —  grenzvortheil,  m.:  in  diesem  gange 
weiter  schreitend  können  wir  einer  groszen  idee  grenz- 
vortheile,  vielleicht  sogar  grenzen  und  provinzen  opfern 
—  nimmermehr  der  Franzose  Laube  ges.  sehr.  5,  60. 

GRENZWACHE,  /. ,  local:  grenzposten:  an  der  chi- 
nesischen grenzwacJie  Khatun-Karagai  vorüber  Ritter 
erdkunde  2,  782;  auch  für  die  besatzung  des  grenzpostens : 
wir  fanden  ihn  {den  abt)  umgeben  von  Offizieren  der 
grenzwaehe  Vischer  altes  u.  neues  l,  41;  unten  an  der 
Ache  (steht)  .  .  .  ein  städtisches  gebäude,  Bieneck  ge- 
nannt, wo  der  förster  wohnt  und  die  grenzwaehe  gar- 
nison  hält  Steub  drei  sommer  in  Tirol  1,  128;  bisiceilen 
auch  'bewachung  der  grenze':  (die  Schotten)  welche  das 
land  zum  theil  besetzt  und  den  alten  einwohnern  oder 
der  Wüstenei  felder  und  auen  abgedrungen  oder  sie  auch 
unter  der  bedingung  der  gränzwache  von  den  Englän- 
dern abgetreten  bekommen  haben  Arndt  sehr,  für  u. 
an  s.  l.  Deutschen  3,  26 ;  dasz  dieser  staat  gebildet  war, 
ein  Staat  unter  den  vielen  deutschen  Staaten  zur  gränz- 
wehr  und  gränzwache  gegen  welsche  habsucht  3,  83; 
dazu  grenzwachedienst,  m.,  Rückert  (l867jf.)  6, 
168. 

GRENZWACHT,  /.,  concret:  truppe,  die  die  grenze  be- 
wacht: 

es  führt  zwar  Engelland  von  engeln  seinen  namen, 
doch  seine  grenzwacht  wil  dem  himmel  nicht  nach  ahmen 
Grob  dichter,  versuchgabe  (1678)  46; 

als  ein  sehr  mächtiges  beer  (in  Deutschland)  .  .  .  ein- 
brach, da  denn  die  grentzwacht  so  wenig  selbiges  als 
etwa  den  starcken  Elb-strom  aufhalten  . . .  konte  Lohen- 
stein Arminius  (1689/.)  2,  1595*^;  zu  Strabo's  zeit  stan- 
den hier  drei  römische  kohorten  als  grenzwacht  .  .  . 
von  Oberägypten  Ritter  erdkunde  1,  690;  dasz  unser 
reisender  Abraham  und  sein  lohnkutscher  jedenfalls 
nicht  zu  den  freunden  der  grenzwacht  gehörten  Fr. 
Ziegler  ges.  novellen  u.  briefe  2,  19;  seltener:  aufent- 
haltsort  der  grenzwacht,  grenzposten:  ein  ehemaliger  edel- 
sitz  ...  ist  seit  langer  zeit  in  ein  österreichisches  zoll- 
häuschen oder  eine  grenzwacht  umgewandelt  worden 
Steub  drei  sommer  in  Tirol  l,  24;  auch  im  plural:  bis 
zum  Irtysch  .  .  .  waren  diese  chinesischen  grenzwach- 
ten meistentheils  mit  Kalmücken  besetzt  Ritter  erd- 
kunde 2,  782;  daneben  breitet  sich  in  jüngerer  zeit  die 
abstracte  bedeutung  'bewachung  der  grenze'  aus: 

(ich)  stand  auf  der  grenzwacht  jähre  lang 

GöTHE  132,  42  Weim.; 

namentlidh  in  folg.  wendung:  die  provinz  Moesien  .  .  ., 
deren  Statthalter  fortan  in  dem  heutigen  Serbien  .  .  . 
die  grenzwacht  hielt  gegen  Daker  und  Bastarner  Momm- 
sen  röm.  gesch.  5,  20; 


über  euren  gräbern  wieder 
Deutschlands  aar  die  gränzwacht  hält 

Geibel  (1888;  4,  250  Cotta  ; 

ich  .  .  .  fuhr  .  .  ,  dem  wilden  .  .  .  gebirge  zu,  welches 
.  .  .  zwischen  Kärnten  und  Tirol  die  grenzwacht  hält 
RosEGGER  n  7,  401;  ähnlich  schon  im  il.jh.:  lothringi- 
sche regimenter  .  .  .  (haben)  verursacht,  dasz  der  arme 
landmann  sich  auf  die  beschwerlichste  gräntzwachten 
wider  stellen  müssen  Harsdörffer  teutscher  secretarius 
2,  375;  vereinzelt  (poet.)  grenzenwacht: 

kein  freies  volk  erwähle 
so  schlechte  gränzenwacht! 

SCIIENKENDORF  Qed.    (1815)   66. 

—  grenzwächter,  m.  l)  Schützer,  Verteidiger  der  grenze, 
im  militärischen  sinn :  wenn  der  Athener  .  .  .  unter  die 
epheben  aufgenommen  .  .  .  worden,  .  .  .  muszte  er  be- 
kanntlich zwei  jähre  als  grenzwächter  (neoinoXos)  in  den 
castellen  ...  im  umkreise  der  stadt  dienen  Welcher 
alte  denkm.  3,  345;  einzelne  stamme  durften  ihren  .  .  . 
landbesitz  am  linken  ufer  des  Oberrheins  als  römisc"he 
Untertanen  und  grenzwächter  behalten  Alten  handb.  f. 
heer  u.  flotte  9,  129 ;  die  deutschen  gränzwächter  (mark- 
grafen)  in  Österreich,  und  die  slawischen  in  Mähren  .  . . 
hatten  seitdem  oft  mit  ihren  kriegerischen  nachbarn  zu 
schaffen  deutsches  mus.  von  Fr.  Schlegel  i,  530;  ein 
fürst  des  Turkstammes  .  .  .  war  unter  den  Tang  grenz- 
wächter mit  seinem  volke  im  norden  von  Schensi  und 
Schansi  Ratzel  Völkerkunde  3,  341 ;  übertragen:  säulen- 
halter  des  himmels  und  der  erden  ...  ist  er  (Atlas) 
grenzwächter  des  erdenlichts,  .  .  .  diesseits  der  mächte 
des  niedergangs,  diesseits  der  Hesperiden  (jerhard  akad. 
abhandl.  l,  17.  2)  zolhcächter  (vgl.  grenzer  l):  kann  doch 
eine  blosze  postenkette  von  grenzwächtern  nicht  einmal 
den  Schmugglern  das  einschwärzen  verwehren  Jahn  2, 
446;  beim  kreuzwirth  auf  der  höh'  saszen  sie  um  den 
groszen  tisch  herum :  fuhrleute  von  oben  und  unten, 
gewerbsleute  .  .  .,  grenzwächter  Rosegger  8,  7;  poetisch 
gelegentlich  grenzenwächter : 

seid  ihr's  wieder,  finstre  wälder, 
voll  von  mord  und  tod  und  gift, 
wo  man  keine  gränzen-wächter, 
doch  zuweilen  rauher  trifft?  Hebbel  I  6,  224. 

—  grenzwald,  ot.  l)  wald  an  der  grenze:  zwischen 
Schlesien  und  Polen,  da  wo  der  kleine  bach  Prosna  die 
länder  scheidet,  ragte  im  frühen  mittelalter  ein  unweg- 
samer grenzwald  Freytag  i,  5; 

viel  lieber  mag,  anstatt  die  Jagd  zu  übertreiben, 
ein  ungewisses  wild  im  grenzwald  überbleiben 

Rückert  (1867 #.)  8,  340. 

2)  moderne  bezeichnung  für  die  marca  der  germanischen 
Wirtschaftsordnung :  das  den  gauen  bezw.  den  centenen 
zugewiesene  land  wurde  in  drei  gruppen  gegliedert :  grenz- 
wald, allmende  und  sondereigen,  der  grenzwald,  marca, 
umfasste  nicht  nur  wald,  sondern  auch  sumpf,  see,  flüsse 
und  felsen  Sghwappach  handb.  d.forst-  u.jagdgesch.  l,  15 ; 
genossenschaften,  deren  territoriale  grundlage  die  marca, 
der  grenzwald,  bildete  Endres  waldbenutz,  i.  —  grenz- 
waldung,/. :  man  könnte  bei  anderen  verbrechen,  z.b. 
der  ermordung  von  förstern  ...  in  grenzwaldungen,  ähn- 
liche casuistische  fragen  aufstellen  Bismarck  polit.  reden 
4,  370.  —  grenz  wall,  m.  .•  grenz  wälle  und  grenzgräben 
pflegt  man  öde  liegen  zu  lassen  Riehl  naturgesch.  d. 
Volkes  1,  195;  unweit  dem  grenzwall,  welcher  die  guter 
des  geschlechtes  von  der  stadtflur  schied  Freytag  9, 252 ; 
speciell  vorn  römischen  limes  in  Germanien:  als  der  kaiser 
Caracalla  von  Rom  abgeht  um  den  rätischen  grenzwall 
zu  überschreiten  und  die  landesfeinde  auszurotten  Momm- 
SEN  reden  u.  aufsätze  (1905)  288; 

ein  Römer  stand  in  finstrer  nacht 
am  deutschen  grenzwall  posten 

Scheffel  6,  190  Prölsz; 

übertragen:  der  herkömmliche  grenzwall  beider  erdtheile, 
der  Ural  Ritter  erdkunde  2,  19;  oftmals  .  .  .  hatte  er 
gebürge  überklommen,  die  aus  blüthen  in  schnee,  aus 
Schnee  wieder  in  blüthen  zurückführten,  er  wuszte  um 
all  die  Wunderlichkeiten  solcher  eisigen  grenzwälle  ge- 


191 


GRENZWAND  -  GRENZWERTE 


GRENZWESEN  -  GRENZZAUN 


194 


nauen  bescheid  Fouque  altsächs.  bildersaal  2,  582;  es 
waren  die  markfeuer,  einschlieszend  und  zeichnend  die 
.  .  .  verstoszene  waldgemeinde,  ein  glühender  grenzwall, 
der  sie  abschied  von  gott  und  menschen  Rosegger  7, 
158.  —  grenzwand,/.;  durch  späsze  ...  hoffte  er, 
die  sittliche  grenzwand  zwischen  sich  und  dem  vater 
nicht  selten  niederzureiszen  Gutzkow  ritter  v.  geiste 
(1850 jf.)  9,  345.  —  grenzwappen,  n.,  'ein  auf  einem 
gremsteine  oder  einer  gr^nzsäule  angebrachtes  wappen  des 
landesherrn' EEiii SWS  2,530*';  der  lektor  erzählte  dem 
bibliothekar  neben  den  grenzwappen  und  grenzsteinen, 
dasz  beide  höfe  sich  fast  als  blutfeinde  ansähen  Jean 
Paul  l5/l8,  55;  häufig  bei  diesem  autor,  vgl.  852;  19, 132; 
24/26,  198.  —  grenzwari,  m.:  Herakles  war  schon  in 
den  ursitzen  seines  mythus  ein  nach  auszen  thätiger 
held,  ein  grenzwart  und  markgraf  so  zu  sagen  K.  0. 
Müller  Dorier  i,  451 ;  herzog  Tassilo  erwies  sich  in  der 
that  als  grenzwart  der  fränkischen  Christenheit  Frey- 
tag 17,  317;  vgl.  8,  173;  grenzzollbeamter :  der  Grubmann- 
Hans  .  .  .  war  nachforschungen  zufolge  ein  grenz- 
wart, den  der  krieg  thatsächlich  zu  gründe  gerichtet 
hatte  Rosegger  H  8,  346;  *.  auch  grenzvogt.  —  grenz- 
Wasser,  n.,  'ein  jedes  wasser,  so  fern  es  die  grenze  eines 
gebietes  oder  grundstückes  ausmacht  und  bezeichnet'  Ade- 
lung 2,  779;  also  das  disseit  des  Rheins  der  Meien,  und 
jenseid  die  Mosel,  gleich  als  grentzwasser  sein  P.  Al- 
BINUS  meisznische  land-  u.  bergchronica  (1589)  4;  zwi- 
schen den  Aussen  Maluja  im  west  und  Zaine  im  ost, 
welche  auch  Pananti  als  die  grenzwasser  des  algieri- 
schen Staates  angiebt  Ritter  erdkunde  l,  911 ;  das  grenz- 
wasser rauschte  ihm  entgegen  Rosegger  13,  197.  — 
grenzweg,  m.,  'ein  tceg.  sofern  er  zur  bezeichnung  der 
grenzen  zweier  gebiete  oder  grundstücke  dienet'  Adelung 
2,  779;  aber  das  chinesische  gouvernement  .  .  .  hatte 
alles,  was  die  grenzwege  des  reiches  betreffe,  so  lange 
als  möglich  verborgen  Ritter  erdkunde  7,  415 ;  so  lange 
dies  geschah,  blieb  der  limes  ein  grenzweg  Mommsen 
r'öm.  gesch.  5,  112 ;  sie  {die  schnepfe)  war  auf  dem  grenz- 
wege {der  Jagdgebiete)  geschossen  Laube  10,  328. 

GRENZWEHR(E),  /..•  grenzwehr  'eine  wehr  an  dem 
grenzorte  eines  gebietes,  ein  schlagbaum  oder  dergleichen' 
Heinsiüs  2,  530'';  bei  Adelung  noch  fehlend;  es  ist  sehr 
möglich,  dasz  das  wort  {Markomannen)  bis  dahin  nichts 
bezeichnet  als  was  es  etymologisch  bedeutet,  die  land- 
oder  grenzwehr  Mommsen  röm.  gesch.  *3,  231 ;  die  erste 
einrichtung  der  weiterhin  zu  schildernden  grenzwehr 
{der  limes-anlagen)  5,  139 ;  auf  der  ganzen  linie  von  Bonn 
bis  zum  meer  bildet  die  grenzwehr  . .  .  der  Rhein  reden 
u.  auf  Sätze  (1905)  345;  mi  ähnlichem  gebrauch  bei  Arndt 
sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  83,  s.  grenzwache ;  den 
südlichen  flügel  der  deutschen  grenzwehr  zu  decken, 
.  .  .  ist  die  Schweiz  .  .  .  bestimmt  Zschokke  9,  155; 
bildlich:  der  pfarrherr  .  .  .  zog  von  vornherein  eine  so 
generöse  linie  des  allenfalls  zu  duldenden  um  seine  be- 
hagliche person,  dasz  die  Überschreitung  der  grenzwehr 
niemandem  einfiel  und  sogar  nicht  einmal  eine  merk- 
liche annäherung  versucht  wurde  G.  Keller  3, 2ii ;  seltener 
grenzwehre:  barriere,  gränzfestung,  gränzwehre,  schlag- 
baum Kinderling  reinigk.  d.  dtsch.  spräche  114;  da  zog 
sich  nördlich  über  das  ganze  waldgebirg  bis  wieder  zur 
westgrenze  des  Rheines  hinüber  eine  grenzwehre  der 
eigensten  art,  das  sogenannte  Rheingauer  landgebück 
Riehl  naturgesch.  d.  Volkes  1,  150;  plural:  aber  immer 
werden  sie  {die  länder  am  Rhein)  nur  als  gränzwehren 
und  als  mittelländer  für  uns  wichtig  sein,  die  dazu 
dienen  die  französische  pest  möglichst  weit  von  uns 
entfernt  zu  halten  Görres  l,  471.  —  grenzwehr- 
vertrag,  m.  Heinsiüs  2,530''.  —  grenzweite,  f.: 
ists  nicht  gränzweite  genug  für  ein  sterbliches  äuge  W. 
F.  Meyer  Dya  Na  Sore  l,  313.  —  grenzwerk,  n.;  Hans 
Pienzenauer  .  . .  mochte  verdrossen  haben,  dieses  starke 
grenzwerk  {Kufstein)  in  Österreichs  gewalt  zu  sehen 
Zschokke  32,424.  —  grenzwerth,  m.,  junges  wort: 
bei  bestimmung  der  grosse  der  stärkekörner  .  .  .  nimmt 
man  .  .  .  am  besten  die  grenzwerthe  der  grössten  .  .  . 
und   der  kleinen  stärkekörner  Muspratt  chemie  (1900) 

IV.  1.  6. 


7,  2012 ;  terminus  technicus  in  der  spräche  der  mathema- 
tik:  der  grenzwert  der  summe  der  ersten  reihe  ist 
2g  1,  der  grenzwert  der  summe  der  zweiten  4g i  Czu- 
ber  icahrscheinlichkeitsreehn.  1,  146;  dann  auch  in  fäl- 
len wie:  ebenso  können  .  .  .  kurzsichtigkeitsgrade ,  die 
den  zulässigen  grenzwert  übersteigen,  .  .  .  vorgetäuscht 
werden  Alten  handb.f.  heer  u.  flotte  2,  197.  —  grenz- 
wesen,  n.  .•  begehret  käyser  Maximilian  rath  zu  halten 
. . .  wegen  sterckung  des  gräntzwesens  in  Ungern  Schick- 
Fusz  chron.  v.  Schlesien  (1625)  3,  225.  —  grenzwild- 
b  r  e  t ,  n.:  solches  wildpret,  welches  daselbst  {in  grefiz- 
revieren)  gepürschet  wird,  heisset  man  das  gräntz-  oder 
nasch- wildpret  Chomel  öcon.  lex.  4, 1300 ;  vgl.  Fr.  B.Weber 
öcon.  lex.  (1829)  202;  bildlich:  Paul  und  seine  brüder 
konnten  hinter  den  äugen  der  .  . .  mutter  .  . .  nach  eini- 
gem grenzwildpret  des  dorfs  jagen,  z.  b.  nach  Schmet- 
terlingen, grundein  und  birkensaft  Jean  Paul  48,  339 
Hempel;  die  weiber  dieser  männer  .  .  .  nahmen  die  ge- 
sch worne  als  kokette  wildschützin  jedes  ehelichen  grenz- 
wildprets  auf  sich  30,  16 ;  ihre  griechische  nase  —  diese 
schwesternase  aller  madonnen  und  dieses  seltne  grenz- 
wildpret auf  deutschen  gesiebtem  7/10,  91 ;  einer  der  be- 
liebtesten vergleiche  bei  Jean  Paul,  vgl.  19, 17;  49/51,  284; 
52/53,  180.  —  grenzwildnis,/. ;  von  da  durchfuhren 
sie  {die  auswanderer)  eine  stunde  die  grenzwildnis  Frey- 
tag 8,  158 ;  wartleute  des  ordens  .  .  .  stehen  in  den 
kleinen  festen  und  wachthäusern  der  weiten  grenz- 
wildnisz,  die  das  ordensland  gegen  die  barbaren  deckt 
Treitsghke  histor.  u.  polit.  aufsätze  2,  85.  —  grenz- 
winkel,  w. ;  trotzdem  dasz  Ansbach,  Kurmainz  und 
Würzburg  mit  ihren  gränzwinkeln  in's  thal  {der  Tauber) 
hinein  schauten  Riehl  naturgesch.  des  volkes  4,  157; 
anders:  auch  in  der  Kurpfalz  war  1783  eine  anleitung 
für  die  renovatoren  erlassen  worden,  welche  die  mes- 
sung  der  grenzwinkel  mit  dem  astrolabium  verordnete 
Schwappach  handb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  2,  559 ;  in  der 
physik:  der  einfallstvinkel,  unter  dem  ein  lichtstrahl  die 
fläche  eines  festen  oder  flüssigen  körpers  trifft,  sobald  er 
diejenige  grösze  erreicht  hat,  bei  der  totalreflexion  eintritt 
Meyer  convers.  lex.  63,  367.  —  grenzwissenschaft, 
/.;  die  metaphysik  des  auges  —  die  grenzwissenschaft 
zwischen  erfahrung  und  abstrakzion  Jean  Paul  55/58, 
271 ;  ein  dichter  müsse  so  gut  wie  ein  maler  und  bau- 
meister  etwas  wissen,  wenn  auch  wenig;  ja,  er  müsse 
.  .  .  sogar  von  grenzwissenschaften  (und  freilich  um- 
grenzen alle  Wissenschaften  die  poesie)  manches  ver- 
stehen 1,  8;  wie  diese  Wissenschaft  {die  ästhetik)  .  .  . 
dann,  zur  kunstkritik  und  literaturgeschichte  gesellt,  in 
dem  kreis  der  romantiker  überall  diesen  grenzwissen- 
schaften der  dichtung  anfing  über  die  kunsttheoretische 
Produktion  ein  übergewicht  zu  geben  Gervinus  gesch. 
d.  dtsch.  dichtung  5,  375. 

GRENZZAHL,  /..-  der  unterschied  der  polar-abplat- 
tungen  V310  "^d  V320  beträgt  für  die  unterschiede  der 
gröszten  und  kleinsten  erdachse  nach  den  beiden  äuszer- 
sten  grenzzahlen  nur  etwas  über  6600  fusz  Humboldt 
kosmos  4,  30;  die  resultate,  welche  ich  erhalten,  sind 
als  grenzzahlen  ...  zu  betrachten  1,475.  —  grenz- 
zaun,  m.  .• 

wenig  entfernt  von  dem  greis  ist  mit  purpurnen  trauben  ein 

Weinberg, 

welchen  ein  kleiner  knabe  bewacht,  der  sitzt  an  dem  gränz- 

zaun 
grafen  Stolberg  16, 192; 

über  ihm  {dem  Wächter)  ragte  der  wipfel  einer  mäch- 
tigen buche,  nach  beiden  selten  lief  der  grenzzaun  {des 
Stammgebietes)  den  kämm   der  berge  entlang  Freytag 

8,  1;  'hier  rückt  was  doppeltes  an',  schmunzelte  er  dem 
paare  entgegen,  'und  da  musz  man  am  grenzzaun  den 
mauthgroschen  einheben,  wer  über  die  stiegel  will' 
Rosegger  1,  223;  wie  grenzpfahl  {s.  d.)  gelegentlich,  um 
den  begriff  der  politischen  grenze  oder  des  politischen  be- 
zirks  zu  umschreiben:  der  beste  adel  breite,  wie  ein 
schöner  dükker  bäum,  die  zweige  seiner  ehren  auch  über 
den  grentz-zaun  seines  Vaterlandes  Butsghky  Fathmos 
(l677)  494;  auch  mit  dem  beigeschmack  des  tadeis  gegen 
particularistische  enge:  dasz  sie  selten  weiter,  als  über 

13 


195    GRENZZEIGHEN  -  GRENZZONE 


GRENZZUG  —  GRESSERWEIN 


196 


ihren  gränzzaun  und  stadtwall  und  über  die  begeben- 
heiten  und  geschwätze  ihres  kleinen  Städtchens  .  .  . 
hinausbliekten  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen i,  130. 

GRENZZEIGHEN,  n.,  'ein  jedes  körperliches  ding,  so 
fern  es  zur  bezeichnung  der  grämen  eines  gebietes  oder 
grundstückes  dienet'  Adelung  2,  779;  so  einer  koppitzen 
einhacket  oder  gräntzzeichen  aushacket,  derselbe  soll .  . . 
gestraffet  werden  Sghigkfusz  chron.  v.  Schlesien  (i625) 
3,  485 ;  die  ersten  grenzzeichen  waren  bäume  Hippel 
lebensläufe  4,  215;  kreuze  wurden  zumeist  als  grenz- 
zeichen eingeschnitten  Bernhardt  gesch.  d.  waldeigen- 
tums  1,  121;  denn  da  ich  gefunden,  dasz  mir  der  Xte 
oder  kreuztitel  .  .  .  sehr  viel  beifall  zugezogen,  so  habe 
ich  bei  diesem  wohlhergebrachten  gränzzeichen  verschie- 
dene fragen  aufgeworfen  Hippel  über  d.  ehe  (1792)  83; 
sie  (die  Germanen)  umzogen  ihre  dorfflur  mit  graben  und 
heckenzaun  oder  rasenwall,  mit  marksteinen  und  kund- 
baren grenzzeichen  Freytag  16,  423 ;  sicherer  und  dauer- 
hafter, als  andere  arten  von  grenzzeichen  sind  nume- 
rirte  marchsteine  Zschokke  12,  76;  die  legung  der  grenz- 
zeichen geschah  feierlich,  zumal  wenn  sie  für  ganze 
örter,  marken  und  gaue  eintrat  J.  Grimm  rechtsalter- 
thümer  2,  74;  flüsse,  Wasserfälle  ,  .  .  wurden  als  grenz- 
zeichen von  den  Brasilianern  benutzt  Peschel  Völker- 
kunde 251;  schon  seitdem  er  die  ersten  preuszischen 
grenzzeichen  erblickt,  hatte  sich  seiner  wohlthätige 
wehmuth  bemächtigt  Holtei  erzähl,  sehr.  25,236;  bild- 
lich: diese  grenzzeichen  (die  die  gelehrsamkeit  auf- 
richtet) musz  das  genie  überspringen  Gramer  nord. 
auf  Seher  3,  252;  (der  allgemeine  begriff)  ist  gleichsam 
das  gränzzeichen,  wie  weit  man  in  der  erkenntnisz 
der  klasse  gekommen  sey  briefe  die  neueste  litteratur 
betreffend  20,  139;  dieses  werk  (Heinrich  V.)  ist  der 
gipfel  seiner  (Shakespeares)  kraft,  im  Macbeth  und 
Lear  sehn  wir  die  gränzzeichen  der  männlichen  reife 
Fr.  Schlegel  pros.  jugendschr.  2,  852  Minor.  —  grenz- 
ziehung,  /.;  die  erste  bedingung  des  legalen  Ver- 
hältnisses zwischen  Staaten  ist  sonach  die  grenzzie- 
hung  Fichte  3,  374;  auch  statt  grenzbeziehung  i  ? :  auf 
diesen  reisen,  die  man  mit  dem  bei  grenzziehungen  üb- 
lichen ausdruck  landleiten  nennen  könnte,  zeigte  sich 
der  fürst  seinen  fernen  unterthanen  J.  Grimm  rechts- 
alterth.  *l,  330.  —  grenz  Ziffer,  /. .-  die  grenzziffern 
sind  für  Europa  lOOOOO  und  800000  Gonrad  handwb.  d. 
staatswissensch.  2  2,  67 ;  bei  armen  erzen  kommt  man 
bis  5  proc.  herab,  was  aber  schon  .  .  .  die  grenzziffer 
ist,  bei  der  ein  lohnender  betrieb  noch  möglich  ist 
Muspratt  Chemie  (l900)  7,  1205;  vgl.  grenzzahl. 

GRENZZOLL,  m. :  gr.  nennt  man  einen  zoll,  welcher 
auf  der  gräntze  eines  landes  oder  gebietes  bezahlet  wer- 
den musz  Ghomel  öcon.  lex.  4, 1302;  schon  bei  Sghottel 
hauptspr.  528  notiert;  bitten  abermals  umb  abschaffung 
des  newen  gräntzzolls  Schickfusz  chron.  v.  Schlesien 
(1625)  3,  2Q5;  ,ob  ihr  kais.  maj.  zu  Krossen  .  .  .  einen 
grenzzoll  als  ein  sonderbares  dem  könige  in  Böhmen 
und  oberherzoge  in  Schlesien  ohne  mittel  zuständiges 
regal  aufrichten  könne  acta  publica,  verhandl.  d.  schles. 
fürsten  u.  stände  7,  48  (a.  1628) ;  einige  (icoiwoden)  masz- 
ten  sich  die  grenzzölle  in  ihrem  gebiete  eigenmächtig 
an  Ranke  43/44,  112;  seltener  für  zollstelle:  nach  einer 
fahrt  von  anderthalb  stunden  befindet  man  sich  vor  dem 
venetianischen  gränzzoll  Borghetta  Ghr.  Fr.  Schulz 
reise  eines  Livländers  (1797)  7,55;  dazu  grenzzollamt, 
n.:  das  grenzzollamt  Breslau  brachte  für  1626  und  1627 
einen  überschuss  von  c.  je  38  000  fl.  acta  publica,  ver- 
handl. d.  schles.  fürsten  u.  stände  6,  256.  —  grenzzoll- 
beamter,  m.  Ritter  erdkunde  2,  339.  —  grenzzoll- 
commando,  n.  3,  564.  —  grenzzolllinie,/.  7,  392.  — 
grenzzollregulierung, /.  Mommsen  röm.gesch.2,38i. 
—  grenzzollstadt,/.  acta  publica,  verhandl.  d.  schles. 
fürsten  u.  stände  7,  46  (a.  1628).  —  grenzzollsystem, 
n.  Ranke  reform,,  gesch.  2,  32.  —  grenzzone,  /. .-  die 
einrichtung  von  neutralen  grenzzonen,  z.  b.  zwischen 
Batta-gebieten  Ratzel  völkerktmde  2,  447 ;  die  dinkelge- 
biete liegen  sämtlich  in  der  grenzzone  zwischen  den 
gebieten    überwiegenden    weizen-    und    überwiegenden 


roggenbaus  Engelbrecht  landbauzonen  d.  auszertrop. 
länder  1,  40.  —  grenz zug,  m.,  'derjenige  zug,  welcher 
zur  besichtigung  oder  berichtigung  der  grämen  eines  grund- 
stückes oder  dorfes  angestellet  wird'  Adelung  2,  779;  vgl. 
Heinsius  2,  528'';  a^so  =  grenzbeziehung,  grenzbegang 
(s.  d.)  und  älter  als  die  meisten  anderen  ausdrücke  für  diese 
handlung:  grentzzug  circuitus  finium  Schottel  haupt- 
spr. 4:95;  Stieler  2631;  Steinbach  2,1101.  anders:  zu 
beiden  selten  aber  im  o.  und  w.  des  Jenisei  führt  das 
nächste  hochgebirge  dieses  grenzzuges  (zwischen  Rusz- 
land  und  China)  bei  den  dortigen  kosaken-posten  die 
namen  Khoin-Taban  Ritter  erdkunde  2,  999;  jenes 
flache,  lange  und  bis  80  geogr.  meilen  breite  steppenland 
.  .  .  mit  wadis  und  steppenflüssen.  es  ist  ein  continu- 
irlicher  grenzzug  zwischen  dem  hochlande  der  Berbern 
und  dem  groszen  sandocean  l,  991.  —  grenzzwist,  m.: 
Heinrich  .  .  .  glich  .  .  .  mit  dem  herzogthum  Oesterreich 
strittige  rechtsam'  und  grenzzwist'  aus  Zschokke  30, 
277. 

GREP(E),  m.  u.  f.,  mist-,  heugabel,  s.  2greif,  sp.  10; 
vgl.  noch  grepe  ein  pyramidalisch  zugespitztes,  oben  mit 
einem  gitter  versehenes  grabscheit  zum  torfgraben  (ost- 
fries.)  Jagobsson  technol.  wb.  5,  735^;  Heinsius  2,  530 ''. 

GREPISGH,  s.  greifisch ;  vgl.  noch:  sind  (in  einem  hafen) 
viele  guter  zu  laden,  so  heiszt  es :  eine  grepische  oder 
vorgrepische  fracht  Bobrik  302'^. 

^GREPPE,/.,  grübe,  graben,  nur  im  schwäb.-bair.  nach- 
zuweisen: grepp  scrobs  Diefenbagh  nov.  gloss.  332^  (hd. 
glossar  aus  der  Inngegend ,  1429) ;  die  greppen  graben, 
vom  wasser  ausgespült,  der  dabei  zum  fahrweg  dient,  hohl- 
weg  Schmeller  1,  10O6 ;  das  promptuar  von  1618  hat  nach 
Schneller  greppen  cedicula  ruinosa,  male  m,ateriata, 
antrum  obscurum  (vgl.  nhd.  'loch'  im  selben  sinne);  als 
*grappja  zu  graben. 

2GREPPE,  cottus  gobio,  s.  groppe. 

GREPSCH,  m.  u.  f.,  tusche,  kleiner  sack  Frischbier 
1,  250 ;  =  krepse  (s.  d.) ;  lautlich  vermengt  mit  grapsch, 
grapsch,  grepsch  griff,  eine  handvoll  Frischeier  a.  a.  0. 

GREPSEN  s.  gröpsen. 

GRESGHEL,  GRESPEL,  Stachelbeere,  s.  groschel. 

GRESEN,  GRESIG,  GRESüNG  u.  ä.  s.  grasen. 

GRESING,  -IGH,  m..  potentilla  anserina  Diefenbagh 
450 '',  auch  gressing  geschrieben;  nd.  seitenform  zu  gren- 
sing,  s.  d. 

GRESING,  m. :  gresinck  cÄiro^rriHw*  Diefenbagh  123*; 
unklar;  etwa  fehler  für  grefinck?  s.  Diefenbagh  a.  a.  0. 
und  grebing,  sp.  l. 

GRESS,  m..  Schutt  lux.  ma.  (l906)  154»  (urk.  von  1444 
ger6ss);  gleichbedeutend  grösch,  m.  156 '';  daneben  grfesi, 
m.,  Schotter  154*;  eis.  greis,  m..  trockener  mörtel  Martin- 
Lienhart  1,  181;  ebenso  lothr.,  Follmann  215»;  ideji- 
tisch  mit  frz.  gros  Sandstein,  pflaster,  sandsteinpulver ? 
vgl.  2  greis  2)  sp.  82. 

GRESS(E),  m.  u.  f.,  gründling,  gobio  ßuviatilis,  eine 
besonders  im  elsäss.  und  benachbarten  dialecten  übliche 
nebenform  zu  kresse  (s.  d.) :  gräss ,  grässer ,  m.,  demin. 
grässel(e),  compos.  grässelängele  Martin-Lienhart  1, 
281*";  gebsickene  gressen  des  govions  frits  BvKZ  nomencl. 
30;  gobio  fiuviatilis  ein  greszling,  gresz,  kresz,  bach- 
kressen  Gesner  fischbuch  (1563)  159 •>;  gresz  Henisgh 
1741 ;  cyprinus  gobio  heiszt  (in  der  gegend  um  Mainz) 
die  gresse  allg.  deutsche  bibl.  83,  467;  meine  gedancken 
sind  auch  nicht  dahin  gegangen,  dass  ich  grosse  fisch 
wolle  fangen,  ich  behelff  mich  gern  mit  grundlen  und 
gressen  Moscherosgh  gesichte  (l650)  2,885;  auch  vom 
gründling  unterschieden:  die  fische  dieses  flusses  (der 
Altmühl)  sind  .  .  .  der  Schneider,  die  gresse,  der  gründ- 
ling allg.  deutsche  bibl.  104,  488;  componiert:  meergressen, 
spiering,  meergrundel  des  loches  de  mer  ou  esparlans, 
.  .  .  aphyae  vel  apuae  cobites  DuEZ  nomencl.  30;  vgl. 
3  greszling. 

GRESSERWEIN,  m.,  ein  vorzüglicher  ivein,  den  die 
stiftsgeistlichen  in  Würzburg  für  ihre  gressus,  das  mit- 
gehen bei  processionen  bekommen  Reinwald  bei  Schmel- 


197 


GRESSEREI-3GRET 


GRETA  —  GRETE 


198 


LER  1,1010;  lei  Sartorius  würzburg.  (1862)  49  dafür 
gressawein,  gressenwein. 

GRESSEREI,  /.,  umherlaufen,  umhersteigen,  meist  zu- 
sammengesetzt nachtgresserei  ünger-Khull  306^;  zu  lat. 
grassari,  vgl.  graszer,  graszerey  Schmeller  i,  1009. 

GRESSIG,  s.  gretzig. 

GRESSING,  s.  igreszling. 

GRESTEN,  vb.  l)  eilen,  in  eigener  thätigkeit  eilfertig 
sein;  2)  andere  zur  eile  antreiben;  3)  inständig  bitten, 
mahnen,  zureden  Staub-Tobler  2,  820  mit  etymol.  ver- 
such; in  der  bedeutung  2  schon  bei  Redinger  (1662): 
treiben,  gresten,  mennen  urgere,  agere,  pellere  Staub- 
Tobler  2.  819. 

IGRESZLING,  m.,  junges  icaldbäumcJien ,  besonders 
junge  tanne:  kainer  sol  mit  geschlachten  grüenen  stam- 
men noch  greszlingen  zeunen  tirol.  waldordn.  von  1551 
nach  Schmeller  i,  1013;  in  ein  weiszdennen  greszling 
2  kreuz  gehauen  1018;  dafür  auch  gressing  Unger-Khull 
306'^;  ain  veichten  gressing,  ain  verchiner  gressing 
Schmeller  l,  1018;  im  steir.  auch  ältere  bezeichnung 
eines  maszes  für  holz;  umlautform  zu  graz,  grazze 
sprosz,  junge  ziceige  von  nadelholz  Lexer  1,  1015 f.;  vgl. 
gretze. 

2 GRESZLING,  m.,  name  des  leinfinTcen,  fringilla  li- 
naria:  ein  Togel,  greszling  genennet  Gesner  vogelbuch 
(1557)  67";  mhd.  grezel: 

er  wergel,  er  grezel,  er  widehopf! 
sol  ich  in  ziehn  bi  slnem  schöpf? 
K.  V.  Haslau  Jüngling  259  {zs.  f.  d.  a.  8,  558) ; 

7iach   SuOLAHTi    vogelnamen  123   zu  mhd.    graz  tannen-, 
fichtensprossen  (nahrung  des  vogels);   auch   grasl,  gräsz- 
lein  genannt  Schmeller  l,  loio;  Suolaijti  a.  a.  o. 
^GRESZLING,  m.,  nebenform  zu  kreszling  {s.  d.): 

1)  gobio  fluviaUlis:  der  gründling,  der  auch  grundel, 
greszling,  gräszling,  kresse  .  .  .  heiszt  Brehm  thierl.  8, 
256  Pechuel- Lösche;  greszling  Gesner  fischbuch  (s.  o. 
gress[e]);  gressling  =  gründling  Schwan  nouv.  dictionn. 
(1783)  1,  788^;  greszling  österr.  weisth.  6,  328,  33  (ll.jh.); 
ein  masz  grössling  und  laugen  tirol.  tceisth,  i,  19,  il 
{ll.jh.);  greszling  Unger-Khull  306'';  greslung  (drtick- 
fehler?)  Henisch  1741;  als  angelköder  .  .  .  finden  Ver- 
wendung . . .  kleine  fische  (besonders  gresslinge)  Lueger 
lex.  d.  ges.  technik  1,  319. 

2)  im  Schweiz,  nach  Staub-Tobler  3,  852  überhaupt 
ein  jxmger  fisch  {im  ersten  jähre);  speciell  von  den  gat- 
tungen  gemeine  äsche,  salmo  thymallus  (greszling  salmo 
thym.  Nemnich  209)  und  alben,  ukelei,  alburnus  lucidus; 
eine  Zürcher  fischordnung  von  1710  verbietet  gressling- 
netze. 

IGRET,  n.,  bei  den  zeugtcebern  in  Nürnberg  so  viel 
wie  bild ;  in  das  gret  oder  in  das  bild  wirken  sagt  man 
von  aller  künstlicheren  arbeit,  wozu  mehr  als  2  kämme 
und  2  Schemel  erfordert  werden,  überhaupt  von  aller  ge- 
modelten, geköperten  und  gezogenen  arbeit;  in  engerer  be- 
deutung tvird  nur  von  der  gezogenen  arbeit  gesagt,  dasz 
sie  ein  gret  habe  oder  in  das  gret  gewirkt  sei  Adelung 
2,  797 ;  gret,  gräd,  n.,  bei  weibern  ein  gewisser  zierat  in 
der  leinuand  Loritza  id.  vienn.  54 ;  hierher  vielleicht  auch 
gret  untersr  bezug  des  kopfkissens  Birlinger  schwäb.- 
augsb.  203;  nach  geschlecht  und  vocal  auffällige  seiten- 
form  zu  grat  {s.  d.);  zur  erklärung  des  e  reichen  grädel 
für  grat,  adj.  grätisch,  gretisch  kaum  aus;  Adelung 
denkt  an  roman.  einflusz.  hierher  etwa  gretetuoch  em- 
plastrum  Hoffm.  v.  Fallersleben  sumerl.  7,  17?  wohl 
auch  {als  adjectivumf) : 

der  esel  ist  mit  eim  greten  sammet  verdeckt 
und  darauf  hundert  strauszfedern  gesteckt 

fastnachtsp.  765,  21. 

2  GRET,  begierde,  s.  gretig. 

3  GRET,  s.  grede  sp.  2f. ;  in  compositis  öfter  die  t-form  : 
gretthaus,  -knecht,  -meister  Schmeller  l,  986 ;  greth- 
meister  agoranomus  Dentzler  (1716)  140*;  gretrecht 
eine  form  des  Aapelrechtes  Conrad  hwb.  d.  staatsiviss. 
26,  993. 


GRETA,  /.,  auch  grita,  ostfries.  name  der  Pfuhlschnepfe, 
limosa  aegocephala  Doornkaat-Koolman  1,  680'';  jahrb. 
f.  nd.  Sprachforschung  11,  lll ;  so  benannt  nach  dem  ge- 
schrei,  vgl.  Suolahti  vogelnamen  283;  auch  in  der  Ver- 
kürzung mit  dem  frauennamen  völlig  zusammengefallen  .• 

um  mal  hett  elke  vögel  'n  ei, 

de  kukuk  un  de  greet 

de  leggen  in  de  maimaant  neet 

Kern-Willms  Ostfriesl.  106; 

nl.  griet,  gleich  dem  frauennamen  woordenb.  d.  nederl. 
taal  5,  699. 

GRETE,  kurzform  für  margarethe ;  im  mittleren  und 
östlichen  norddeutschland  erscheinen  formen  mit  i :  krita 
Hentrich  Eichsfeld  56;  gride  Hertel  thür.  110;  grete, 
grite,  gritte  Müller -Fraureuth  i,  440;  faule  griete, 
gritte  mark  Brandenburg  Pritzel-Jessen  151 ;  dumme 
gritte  Bernd  dtsch.  spr.  in  Polen  83;  ebenso  im  schles.; 
gritte,  geicöhnlich  gritt,  dem.  grittche  Ermland  Frisch- 
bier 1,254;  sodann  im  westlichsten  nd.:  griat  Leihe- 
NER  cronenberg.il;  vgl.  nl.  griet;  anders  zu  beurtheilen 
alem.  grit,  gritt  Staub-Tobler  2,  826,  'etwas  vornehmer 
als  gret',  nach  frz.  marguerite ;  aus  älterer  spräche  nur 
fürs  md.,  speciell  für  thür.-obersächs.  zu  belegen:  grite 
Bartsch  md.  ged.  73,  12;  griet  Kielmann  Tetzelocramia 
(1617)  f  III»;  Thuringis  griete  Stieler  692;  griete  Ic- 
CANDER  briefe  (1727)  2,  154;  Jungfer  griete  Chemnitzer 
rockenphilosophie  3,  303.  grete  ist  samt  den  deminutiv- 
formen gretel,  gretchen  vielfach  zum  appellativum  ge- 
worden {vgl.  Wackernagel  kl.  sehr.  3,  132.  137) : 

l)  auf  Personen  angewendet. 

a)  vorxviegend  in  alem.  und  rhein.  landen  für  frau, 
mädchen  schlechthin  Staub  Tobler  2,824;  Martin-Lien- 
hart  1,  285;  Follmann  215;  atich  im  nl.,  woordenb.  d. 
nederl.  taal  5,  698 ;  mehr  scherzhaftes  appellativ  Fischer 
schtväb.  S,  821 ;  Schmeller  1,  1017;  gredl  verallgemeinert 
für  frauenzimmer  Schranka  wiener  dial.  64;  du  bist 
ein  wunderlich  gret  {das  mädchen  heiszt  Vreneli)  Gott- 
helf  ülid.  knecht  306;  dis  sind  noch  zwo  wispligi  greten 
mutwillige  mädchen  Martin-Lienhart  a.a.O.;  redens- 
art:  o  weh,  o  weh  kätt,  d  gret  het  s  laufen  da  ist  et- 
was schlimmes  passiert  ib.;  ebenso  in  älterer  spräche: 
gret  quaevis  mulier  Henisch  1741 ;  gret  quaevis  mulier 
dicitur,  quasi  amica  gratiosa  Stieler  692  {er  leitet  das 
wort  von  greten  begehren  ab,  s.  d.); 

Venus  wird  dir  gen  so  vyl  zknetten 

mit  iren  junckfrawen  schon 

das  du  würst  wie  ein  gret  do  ston 

Gengenbacii  131  Qoedeke; 

parodische  bauernregel:  in  dem  mertz  hat  die  grete, 
wann  sie  in  dem  rock  geschissen,  einen  faulen  stertz 
Leyer-Matz  lust.  correspondentz-geist  (1668)200;  Sprich- 
wort : 

mach  dich  der  greten  nicht  zu  nahe, 

wiltu  werden  alt  und  graw 

Lehmann  florileg.  polit.  (1662)  I,  61*, 
dafür: 

mach  dich  der  greten  nicht  zu  nah, 

so  wirst  du  langsam  graw  Henisch  1741. 

alem.  redensart:  ich  bin  halt  der  armen  greten  so^n, 
tochter  ich  habe  kein  glück  Martin-Lienhart  1,285; 
Gh.  Schmidt  straszb.  44;  daneben  ich  ha's  wie  der  arme 
grete  tochter  Staub-Tobler  2,  284;  's  ist  der  armen 
greten  tochter  armer  leute  kind  Fischer  schicäb.  3,  827; 
alte  Wendung:  bin  ich  halt  der  armen  greden  tächter 
Aal  (1549)  nach  Staub-Tobler;  dann  ich  hatte  selbst 
nichts:  war  ärmer  als  der  armen  greden  söhn  Mosche- 
ROSCH  gesichte  (l650)  2,  80;  nd.  redensart:  gretchen  in 
der  küche  für  ungeborene  kinder  Herrigs  archiv  24,  438 
mit  erklärung  {gegenstück  hänschen  im  keller);  gretken 
in  de  koke  eine  gesundheit  an  schwangere  frauen  Däh- 
NERT  160'';  nd.  anscheinend  auch  prägnant  für  das  aller- 
weiblichste:  dat  passt  as  pünt  in  gret  sagen  u-erkleute 
und  andere  arbeiter,  wenn  sie  etwas  nach  dem  äugen- 
masz  machen  und  ohne  gemessen  zu  haben,  glücklich 
treffen  Herrigs  archiv  24,  438.  —  in  frühnhd.  literatur 
typischer  name  der  bauernfrau,  -dirne: 
liebe  greto  thün  mir  gmach 
13* 


199 


GRETE 


GRETE 


200 


sagt  der  bauer  zu  seiner  frau  Gengenbach  149,  1232 
Ooedeke; 

ich  trug  in  (den  käse)  heimlich  meiner  greden  ausz  dem 

haus 
fastnachtsp.  63,17; 
vgl.  H.  Sachs  U,  178,  lO  Keller- Götze, • 

ich  haisz  gretel  prunzinstall 
(stellt  sich  eine  hausmagd  vor) 

fastnachtsp.  401; 

preetj  schöttelwaschersch  'leiname,  den  man  einer  be- 
rührigen magd  gibt,  überhaupt  auch  der  köchin'  Schütze 
holst.  2,  65 ;  daher  wird  grete  speciell  zum  appellativ  für 
bauernfrau,  -mädchen:  weil  nun  die  gretel  mit  dem  ja 
nicht  wolte  heraus,  sondern  lieber  ihres  gleichen  neh- 
men Simplicissimi  alberner  brief.fteller  (1725)  IS  (sonst 
immer  bauren  tochter);  mir  gfalt  die  baurn  gretel  nicht 
übel,  dasz  sie  ihr  vorgenommen,  ihres  gleichen  zu  heu- 
rathen  18;  bauernknechte  so  ihre  grieten  bey  der  hand 
führeten  Iccander  briefe  (1727)  2,  154;  schiveiz.  noch  heute 
in  diesem  gebrauch  Staub-Tobler  2,  824. 

b)  namentlich  im  älteren  alem.  prägnant  für  leicht- 
fertiges, sittenloses  mädchen  in  allen  abstufungen,  nicht 
ganz  so  hart  wie  das  ähnlich  entstandene  metze: 

es  ist  kein  schäm  noch  zucht  do  by, 
■wann  sy  (beim  tanz)  die  töchtern  werfent  fry 
und  gredtlin  sich  hoch  ynher  bricht, 
das  man  ir  weisz  nit  wa  hin  sieht 

Murner  narrcnbeschw.  50,  25  neudr. . 

ebenso  44,  l;  margredt  80,  25;  gret  müUerin  hauptperson 
in  der  mühle  von  Schwindelsheim; 

dann  wo  ein  münich  uff  der  weyde  geet, 
da  ist  gemeinlich  auch  ein  gredt 

Clemen  refortn.-flugschr.  3,51; 

was  gröszer  büberei  ist  das  an  dir,  zu  solcher  zeit  in 
der  nacht  zu  kummen  für  gretleins  thür  Arigo  decam. 
(1535)  28»;  öfter  in  folgender  Verbindung : 

der  krufflos  babst  Calixtas  .  . 
hat  unsz  genumen  grosse  freid, 
die  gretlin  under  dem  fürtüch  treit 

Murner  luth.  narr  4121; 

das  sy  das  hymmelsch  ewig  leben 
umb  gredten  fürdüch  dörlften  geben 

gäuchmatt  2810  Uhl;  vgl.  4337; 

noch  heute  im  schwäb.:  die  ist  jedermanns  gretel  von 
einer  gefallsüchtigen  Fischer  8,  827;  indessen  auch  für 
'geliebte'  ohne  anrüchigen  beigeschmack : 

ein  hanenfeder  muss  er  han, 
ein  hemd  mit  seiden  näten, 
damit  er  möge  wol  bestan 
und  gfallen  seiner  greten 

Uhland  volksl.  637; 

ich  füre  mein  gredel  zum  tanz  Birlinger  schrcäb.-augs- 
burg.  203"  (quelle  von  1710);  gretlein  liebchen  Fischer 
schwäb.  3,  827;  für  ehefrau: 

als  im  der  todt  genommen  het 
Euridicen  sein  schöne  gredt 

See.  Bravt  Jreidank  (1538)  FS"; 

mar  sollat  .  ,  itt  freassa  davau",  noh  ih  noh  mei  graith 
sa'gt  Adam  zu  Eva  Seb.  Sailer  nach  Fischer  schwäb. 
a.  a.  0.;  Sprichwort:  ein  jeder  hat  sein  gretel  lieb,  ob 
sie  schon  beknodelt  ist  Lehman  florileg.  polit.  i,  501; 
der  landamm.ann  von  Schiuyz  ermahnte  die  Toggenhurger, 
sie  sollen  sich  des  psalmensingens  müszigen  und  dafür 
das  gretli  singen  (liebeslieder?)  Staub-Tobler  2,  824 
(ende  des  16.  jhs.). 

c)  tceit  verbreitet  als  scheltendes  appellativ,  je  nach 
dem  dialect  mit  verschiedenem  sinne:  beuse  greete  ein 
böses  weib  Strodtmann  osndbr.  76;  grete,  grite,  gritte 
verächtl.  für  mädchen,  (boshaftes)  frauenzimmer  Müller- 
Fraureuth  1,  440;  auch  im  nl.  booze,  kwade  griet 
woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  698;  ebenfalls  mehr  nord- 
deutsch im  sinne  des  plumpen,  schwerfälligen:  dikke 
greetje  vierschrötige  fratcensperson ;  buur-greetje  brem. 
wb.  2,  541;  grete  Schimpfname  für  ein  träges  frauen- 
zimmer Bau er-Collitz  waWecZt.  41»;  bauerngride  jj^wm- 
pes   mädchen   Hertel   thür.  llO;    spöttisch    baurengretl 


Birlinger  schwäb.-augsburg.  203»;  Schmeller  l,  1017; 
dagegen:  gredl  gezierte  putzpuppe  Schranka  tciener  dial. 
64;  dumme,  putzsüchtige,  hoffartige  frauensperson  Hügel 
70;  vgl.  putzgretl  Schmeller  o.  a.  c;  grethel  dumme, 
blöde  person  Loritza  id.  vienn.  54;  dumme,  a(o)lberne 
gritte  Bernd  deutsche  spr.  in  Polen  83;  du  dumm  gretl 
FOLLMANN  215;  du  dummi  gret  gutartiges  scJielttvort 
Martin -LiENHART  1,  285;  dummi  gret  einfaltspinsel 
Staub-Tobler  2,  824;  vielfältig  componiert,  z.  b.:  fürchti-, 
jamer-,  kumbergretli  825  (schon  bei  Fischart  murrgret 
mürriscJies  iceib  nach  Wackernagel  kl.  sehr.  8,  137); 
schiessgretli  xceibsperson  von  hastigem  wesen  Staub-Tob- 
ler a.  a.  0.  (schon  1605  belegt),  vgl.  laufgretel  Schmel- 
ler a.  a.  0.;  gänsgret  dummes  weib,  schnapsgretl,  pup- 
pengret  MartinLienhart  l,  286;  auch  das  blosze  de- 
min.  hat  schiveiz.  verächtlichen  sinn: 

bin  ich  denn  nüd  en  g'schlagne  ma"" 
das  ich  muess  so  es  gretli  hal 

0    Volkslied  bei  Staub-Tobler  2,  824; 

das  ist  nur  mit  gretli  g'schimpft  nur  wenig,  nicht  stark 
ib.;  lutherisch  gretel  wird  von  katholiken  den  protestan- 
tischen mädchen  nachgerufen  Martin-Lienhart  l,  285. 
die  schwarze  Greet  ist  eine  gestalt  des  nd.  Volksglaubens 
J.  Grimm  dtsch.  mythol.  *Z,  155;  davon  die  redensart: 
da  hett  swatt  Greetj  in  scheeten  von  tauben,  mit  tcurm- 
kot  gefüllten  nüssen  gesagt  Schütze  holst.  2,  66;  auch 
im  älteren  md.  schon  di  swarze  Grite  Bartsch  m.d.  ged. 
73,  12. 

d)  wesentlich  alem.  acheint  die  Übertragung  des  schel- 
tenden appellativs  auf  männer:  homo  effoeminatus  ein 
weybischer  mensch,  ein  gret  Frisius  diction.  (1556)  462''; 
die  gret,  ein  weybisch  man  Maaler  192»;  das  ist  ein 
läpsche  grete  Aowio  est  effoeminatus  Steinbach  l,  638; 
wenn  ein  mann  ein  gred  ist  und  weiberarbeit  thut 
Geiler  brösamlein  (1517)  2,  49»; 

(Venus  sagt  zum  kricgsmann:) 
wann  du  schon  werst  Wn  ruher  stein, 
vyl  herter  dann  ist  ein  magnet, 
machten  usz  dir  dannocht  ein  gret 

Gengenbach  133,  631  Goedeke; 

einem,  dem  die  stime  gleisst, 
der  sich  wie  die  damen  schmüket, 
wird  erweisslich  aufgerüket 
wenn  man  ihn  ein  gietgen  heisst 

Grob  dichter,  versuchg.  (1678)  143; 

gret  furchtsame,  schwache,  unbehülfliche  person,  auch 
männlichen  geschlechts  Staub-Tobler  2,  824;  wiber- 
gretli  weibischer  mann  826;  furchtgret  memme  Stalder 
1,  478. 

e)  alt  ist  die  paarung  hans  und  grete;  bei  Luther 
stereotypes  namenmuster,  z.  b.  in  der  trauformel:  Hans, 
wiltu  Greten  zum  ehelichen  gemalh  haben  30 ^  77  Weim.; 
Hans  willstu  Greten  haben,  Grete  willst  du  Hansen 
haben  vos  amantes  matrimonione  conjungi  exoptatis  Stie- 
ler 692;  es  ist  nicht  mehr  um  die  zeit  da  (Jretlin  span 
und  Hänszlin  stecken  ritt  Fi  schart  binenk.  (I58l)  139; 
Hansel  und  Gretel  im  GRiMMschen  märchen;  Henslein 
und  Gredlein  Uhland  volksl.  671 ;  Hansel,  wo  hast  dein 
Gräthel  gelassen?  anfang  eines  liedes  aus  dein  17.  jh.  bei 
Schmeller  i,  1017;  appellativ:  Hans  und  Gretj  mann 
und  frau  Schütze  holst.  2,  65;  brem.  wb.  2,  541;  'er' 
und  'sie'  Fischer  schwäb.  3,  827;  im  scherz  vnrd  ein 
verliebtes  paar  Hansel  und  Gretel  genannt  Schneller, 
Fischer  a.  a.  o.;  in  zahlreichen  mundartlichen  sprich- 
und  scherzicorien  verbreitet,  z.  b.  jeder  Hansl  find't  e 
Gretel  Martin-Lienhart  l,  285;  Hansl  und  Gredl  spiln 
verliebt  sein  Schmeller,  Fischer;  vgl.  auch  2. 

2)  auf  dinge  übertragen:  gret  name  von  Schauspiel-, 
achieszbuden- ,  fastnachtpuppen  Staub-Tobler  2,  824; 
gretel  eine  marionette  Martin-Lienhart  l,  285;  grete 
auch  für  puppe  Müller-Fraureuth  1,  440;  hansei  und 
gretel  Spielwaren,  figuren  des  puppentheaters  Fischer 
schiväb.  3,  827,  ausgestopfte  figuren  bei  pfingstaufzügen 
Schmeller  l,  1017;  grete,  gretchen  rute  mit  der  kinder 
gezüchtigt  werden  Bernd  deutsche  spr  in  Polen  83; 
birkengretchen  und  karbatschenhänschen  rute  und  peit- 


201 


GRETE 


GRETELN  —  GRETIG 


202 


sehe  a.  <7^.  2,  89;  gretchen  vom.  (am)  deich  ältere,  ende 
des  19.  jhs.  attsgestorbene  bezeichnung  des  kreuzbramsegels 
Kluge  seemannsspr.  328  mit  erklärung;  nach  Bobrik 
319 ''.  631*  dafür  auch  blosz  gretchen.  —  faule  grete 
nannten  die  bauern  ein  schwerfälliges  geschütz  des  kur- 
fürsten  Friedrichs  I.;  groot  greet.j  hiesz  eine  alte  hol- 
ländische übergrosze  kanone  Schütze  holst.  2,  65;  vgl. 
brem.  wb.  2,  541;  eine  dulle  griete  steht  noch  heute  in 
Gent.  —  grise  greetje  sttppe  von  buttermilch  mit  zer- 
riebenem roggenbrot  brem.  wb.  2,  541 ;  grise  greete  Strodt- 
MANN  osnabr.  76. 

8)  .lehr  verbreitet  ist  grete  mit  den  deminutivformen 
in  volksmäszigen  pflanzennamen. 

a)  für  nigella  damascena,  den  türkischen  Schwarz- 
kümmel, haben  die  dialecte  verschiedene  hezeichnungen ; 
am  verbreitetsten  ist  gretchen  im  busch:  gret  in  b. 
Danneil  altmärk.plattd.  70;  gretchen  im  b.  in  Schlesien 
Pritzel-Jessen  247;  vgl.  Sghmelleri,  ioi7;  gretli  im  b. 
Martin-Lienhart  I,  285;  ebenso  in  St.  Gallen  Pritzel- 
Jessen  247,  und  sonst  Schweiz.  Staub-Tobler  2,  825; 
grethchen  im  b.  notiert  Nemnigh  209;  grätchen  im  b. 
Fr.  B.  Weber  öcon.  lex.  202;  vgl.  Holl  135'';  Schlech- 
TENDAL  flora  V.  Deutschland  11,  219.  —  wesentlich  nord- 
deutsch scheint  gretchen  im  grünen  Schlechtendal 
a.  a.  0.;  gretchen,  greten  int  gröne  Pritzel-Jessen  247 
(aus  Holstein);  gretjen  int  gröne  Schütze  holst.  66; 
gretchen  (gretel)  im  grünen  Askenasy  frankf.  170.  — 
aufs  bair.-österr.  beschränkt  scheint  gretel  in  der  stände 
Holl  ISö**;  Höfer  l,  322;  gretel  in  oder  unter  oder 
hinter  der  standen  Schmeller  l,  1017;  gretl  in  der 
staudn  Salzburg.,  unta  de  staudn  bair.  Pritzel-Jessen 
247;  gretel  in  der  stände  Unger-Khull  805'';  gredel 
i.  d.  st.  Nemnich  209.  —  südicestdeutsch  ist  gretchen 
in  der  hecke  Oken  8,  1159;  greitchen  an  der  heck  lux. 
ma.  (1906)  154»;  gretl  henner  der  heck  Follmann  lothr. 
215;  gretel  in  d,  h.,  hinder  d.  h.  Martin-Lienhart  i, 
285;  greedel  i.  d.  h.  Ch.  Schmidt  straszb.  44;  gretli 
i.  d.  h.  Staub-Tobler  2,  825.  —  nur  Schweiz,  erscheint 
greatli  im  struss  (St.  Gallen  bei  Werdenberg)  Pritzel- 
Jessen  247;  gretli  im  strüss  Staub-Tobler  2,  825.  — 
nicht  localisierbar  ist  gretel  in  der  hütte  Wackernagel 
kl.  sehr.  8,  139;  Wagners  archiv  l,  244.  —  gelegentlich 
für  verwandte  pflanzen:  nigella  arvensis,  hornkümmel, 
gretel  in  der  stände  österr.  Pritzel-Jessen  246;  ebenso 
Unger-Khull  305'';  nigella  sativa,  schwarzer  koriander, 
gretli  im  busch  Staub-Tobler  2,  825.  die  namen  be- 
ruhen auf  dem  aussehen  der  blume:  die  weisz- blauen 
blütenblätter  sind  von  den  zu  fäden  entwickelten  grünen 
kelchblättem  wie  von  einem  busch  umgeben;  vgl.  die  für 
dieselbe  pflanze  üblichen  namen  'braut  in  haaren'  und 
'Jungfer  im  grünen' ;  im  (wohl  spontanen)  vergleich  bei 
Bettina  v.  Arnim:  die  secte  die  hier  in  meiner  liebe 
Stadt  Frankfurt  wie  die  gretel  im  busch  aufgeblüht  war 
mitten  im  luxus  von  den  reifröcken,  paniers,  andrieng 
.  .  . ,  die  war  nach  art  der  quäker  dies  buch  gehört  dem 
könig  1,  45. 

b)  zottige  grete  bezeichnet  im  österr.  dianthua  pluma- 
rius,  die  federnelke:  zottichtes  gretl  Höfer  l,  322;  das 
zottlichte  gretl  österr.  Pritzel-Jessen^34;  nacli  Loritza 
id.  vienn.  54  dafür  auch  bloszes  grethel. 

c)  faule  grete  ist  mehrdeutig ;  teils  für  aethusa  cyna- 
pium,  gartengleisze  (anscheinend  mehr  im  norden  Deutsch- 
lands): preuss.  Frischbier  i,  252;  schlea.  Pritzel- 
Jessen  12*;  in  der  altmark  als  ful  gret  ib.;  vgl.  Holl 
135 '';  Nemnich  209;  teils  für  falcaria  vulgaris,  sichel- 
kraut (auch  im  Süden  Deutschlands):  faule  griete,  gritte 
mark  Brandenburg  Pritzel-Jessen  151»;  faule  grete 
in  Schlesien,  Würtemberg  ib.;  Fischer  schwäb.  8,  827; 
vgl.  Nemnich  209.  —  anderes  vereinzelt:  anagallis  ar- 
vensis, gauchheil,  faul  gretchen  Nemnich  209  (mecklen- 
burg.  dafür  fule  lis,  ful  liese  Pritzel-Jessen  25);  fu- 
m,aria  officinalis,  ackerraute  ful  gret  (Altmark,  einige 
dörfer)  Pritzel-Jessen  156»;  auch  für  semen  foeni  graeci 
Frischbier  i,  252,  s.  d. 

d)  feine  (vereinzelt  schöne)  grete  ist  volksmäazige  be- 
zeichnung  und  Verdrehung  von  trigonellafoenum  graecum ; 


fine  greet,  greetjen  norddeutsch,  flne  greifen  götting., 
schone  margret  ostpreusz.,  bloszes  margret  götting.,  ham- 
burg.,  mecklenburg.  Pritzel-Jessen  409;  im  besonderen 
auch  für  das  medicament  .semen  foeni  graeci  Schemionek 
elbing.  47;  Follmann  lothr.  215;  im  selben  sinne  auch 
faule  grete  s.  o.  c;  im  ostfries.  bezeichnet  fine  grete  si- 
symbrium  sophia  Pritzel-Jessen  379. 

e)  hänschen  und  gretchen  in  Hessen  für  veronica 
chamcedrys,  gamander  Pritzel-Jessen  432. 

f)  greetjebladen  (gretchenblatt)  ostfries.  für  plantago 
maior,  wegerich  Pritzel-Jessen  292.  —  nicht  hierher 
gehört  gretwurz,  vereinzelt  für  artemisia  abrotanum 
'eberreis'  HOLL  135'';  metathesis  aus  dem  geläufigeren 
gertwurz. 

4)  zoologisch:  faule  grete  stinkende  baumwanze  San- 
ders  1,  626». 

GRETELN,  vb.,  tändeln,  säumen  Reinwald  henneberg. 
53;  ableitung  vom,  eigennamen  grete,  s.  d.  Ib. 

1  GRETEN ,  vb. ,  ein  auf  hd.  boden  nur  lexicalisch 
nachweisbares  wort:  gr.  hefftig  begeren,  gliscere,  ardere, 
cupere,  avide  desiderare  Henisch  1741;  brünstig  begehren 
Harsdörffer  poet.  trichter  (1647)  2,145;  mnl.  greten, 
greyten,  greyden  gliscere,  cupere,  avere,  appetere  Kilian 
(1605)  160'';  Stieler  erklärt  den  eigennamen  grete  als 
desiderata  von  gräten  discupere,  cordi  esse  stammb.  692; 
die  intransitive  bedeutung,  die  mit  der  transitiven  schicer 
vereinbar  ist,  auch  bei  Henisch  1741:  placere,  gratum 
sive  acceptum  esse,  potiri  pro  animi  arbitrio;  cordi  esse, 
complacere;  genau  so  Kilian  a.  a.  o. ,-  nach  ausiceis  zu- 
gehöriger bildungen  ein  nd.  wort,  das  nur  durch  lexi- 
calische  tradition  nach  Oberdeutschland  gekommen  sein 
dürfte,     zur  etymologie  s.  gretig. 

-  GRETEN,  vb.,  die  beine  auseinanderspreizen,  s.  grät- 
schen. 

GRETENHEKNE,  f.,  weibischer  mann :  als  dieser  Verres 
dem  Cicero  verwiesz,  dasz  er  ein  weibischer  mann  und 
ein  gretenhenne  were  Xylander  Plutarch  (1580)  846»; 
wohl  entstanden  aus  dem  üblicheren  hennengretel ,  das 
denselben  sinn  hat:  der  erbsenzahler  oder  hennengrettel 
le  joerisse  ou  tastepoulle  Martin-Lienhart  l,  286  (quelle 
von  1637) ;  ein  feehtmeister  sagt: 

die  alten  hands  nit  umb  sonst  erdocht, 
djugent  dardurch  in  Übung  bracht  : 
da  thet  mancher  den  andren  tryben  — 
jetz  münd  vyl  hennengredy  blyben 

Schweiz,  scfiauspiele  des  16.  jhs.  2,  241  Bächtold; 

s.  auch  unter  hennengreifer  th.  4,  2,  998. 

GRETENWERK,  n.,  weibisches,  törichtes  werk:  die 
lumpenreüter ,  die  yetzt  in  kryeg  ryten  in  zerhowenen 
rocken  und  wammesten,  dorumb  dasz  man  den  harnesch 
und  die  wyssen  hembder  do  durch  sehen  mög.  das  ist 
ein   affenspil  und   ist  narrenwerck,   gredenwereh  G.  v. 

KeISERSBERG  postill    (1522)   4,  14». 

GRETIG,  adj.,  avidus.  appetens,  cupidua,  vorax  He- 
nisch 1741;  ebenso  bei  Kilian  (1605)  160*,  woraus  He- 
nisch schöpft;  greetig,  gretig  begierig,  geizig,  heisz- 
hungerig  Kramer  nider-hochteutsch  1, 107»;  grStig  rasch, 
gierig:  hS  gript  so  gr.  to,  dat  d'r  h§l  g§n  bargen  tegen 
is;  h§  is  so  gr.  (gierig,  habsüchtig,  hungrig,  verlangend) 
na,  beztv.  up  6n  of  ander  ding;  de  wäre  geid  gr.  weg 
(sehr  begehrt,  rasch,  reiszend)  Doornkaat-Koolman  1, 
682»;  gretig  schnell,  bereit,  begierig,  etw.  zu  thun  Berg- 
haus  1,  610'';  nl.  gretig,  greetig  tcoordenb.  d.  nederl.  taal 
5,  681;  gleichen  Stammes  sind  greten  vb.  (s.  d.),  gret  be- 
gierde  Harsdörffer  poet.  trichter  (1647)  2,  145  (mnl. 
grete,  greyte  Kilian  a.  a.  o.).  etymologisch  anscheinend 
zum  stamm  grat-  in  mhd.  graz  zorn,  wuth,  ahd.  grazzo 
adv.  (Franck  214»),  der  bedeutung  nach  aber  eher  neben 
ahd.  grätag  gierig,  aga.  grsedig,  gredig,  got.  gredags 
hungrig  zu  stellen  (vgl.  auch  hd.  greitig,  nd.  gridig  avi- 
dus, cupidus  sp.  94),-  es  scheint,  als  habe  gretig  'leiden- 
schaftlich, wüfhend'  die  bedeutung  des  lautähnlichen  gredig 
'gierig'  übernommen  (aus  diesem  wort  auch  die  vocal- 
längef).  —  dazu  gretigkeit  aviditas,  vor acitas  Henisch 
1741;  gretiglich  avide,  voraciter  ib.  (av^s  Kilian). 


203 


GRETISCH-2GRETZE 


iGRETZEN  — GREUEL 


204 


GRETISCH,  adj.,  weibisch,  nur  Schweiz,  und  elsäss.: 
muliebris  animus  ein  weybisch  oder  gretisch  gemüt; 
muliebriter  ausz  wey bischer  art,  fröuwisch,  gretisch 
Frisius  diction.  (1556)  844*;  von  Henisgh  1741  über- 
nommen; 

Venus  ein  göttin  aller  lieb, 

ich  bit,  lasz  mir  den  gredschen  dieb 

Gengenbach  135  Oödeke; 

als  wollend  ir  mit  gredtschen  berden 
gantz  und  gar  zu  wiber  werden 

Murner  gäuchmatt  (1519)  mi^; 

wir  gredtscher  sind  den  unsere  wiber  n2*; 

was  zychst  dich  selbs,  du  junger  gsell? 
du  bringst  dich  gar  in  ungefell, 
dasz  du  die  weit  so  gar  verschmohst 
und  also  gredtisch  ynhär  gohst! 
(sagt  der  teufet  zu  einem  büszenden  jüngling) 

Schweiz.  Schauspiele  des  IG.jhs.  1,  78  Bächtold: 

von  solichen  weibischen  und  gretischen  leüten  Zell 
christliche  verantivortung  (1523)  2  3"^. 

GRETSÄULE,  s.  grieszsäule. 

GRETSCHEN,  GRETSCHELN,  s.  grätschen,  grätschein. 

GRETTEN,  vb.:  wurste,  fleisch  gretten  im  kessel  ab- 
kochen, halbweich  sieden,  besonders  zur  metzelsuppe  Fi- 
scher Schwab.  3,  827;  auch  in  älterer  spräche  schon: 
von  den  gesterigen  oleybten  des  nachtmals  machen 
sy  ein  geröstet  oder  gegrettet  und  vergattert  byessen 
G.  V.  Keisersberg  pater  noster  C  4i  auch  gretteln 
Fischer  a.  a.  o.,-  gegretteltes  leicht  abgesottenes  fleisch 
ScHMiD  schtväb.  241;  bair.  krodeln,  krödeln,  krötteln 
Sghmeller  1,  1364;  dazu  grett- (grettel-)  brühe  Wurst- 
brühe; grett- (grettel-)  fleisch  frisch  geschlachtetes  fleisch 
das  gekocht  und  dann  zur  frischen  wurst  verwendet  wird 
Fischer;  gr6telfleisch  Reinwald  henneberg.  (1793)  54; 
kredel- (kretel-,  krezel-)  fleisch  Vilmar  226;  kröd-(krödel-) 
fleisch  Schmeller;  grett- (grettel-)  speck  S2)eck  von  grett- 
fleisch;  grett-  (grettel-)  suppe  suppe  davon  Fischer; 
krödelsuppe  Sghmeller;  gretelsuppe  Reinwald  55. 
etgmologie? 

GRETTEN,  reizen,  s.  gretzen. 

GRETZ,  m.  l)  junger,  auch  verkrüppelter  sprosz  eines 
baumes  oder  Strauches;  gretzen,  f  (atich  wi.),  ruthe,  gerte, 
spec.  rauhe,  dornichte;  plural  oder  gretzi  n.  coli.,  ab- 
gefallene oder  abgehauene  dürre  reiser,  besonders  von 
tannen  und  flehten,  auch  von  reben  Staub-Tobler  2, 
836;  grgzen,  fem.  plur.,  reiser,  kleine  äste,  f aschinen  lux. 
ma.  (1906)  154;  grätzelein  nadeln  dernadelbäume  Fischer 
Schwab.  3,  861;  grätzelreis  860;  herzchen  des  kohls:  e~ 
kalhhgretzl  Schmeller  l,  1018;  grgzken,  ti.,  das  innere 
des  kohlkopfes,  des  Krautes,  das  sprossende  eines  ge- 
wächses  Kramer  Bistritz  40;  gretz,  /.,  plur.  gretzen,  ein 
Stückchen,  ein  biszchen  von  einer  suche,  ein  klein  wenig 
Gangler  189;  vb.  grözen  spieszruthen  laufen  lassen,  mit 
ruthen  hauen  lux.  ma.  (1906)  154. 

2)  übertragen:  gretz,  m.,  von  mädchen  auch  fem.,  ver- 
krüppeltes, kränkliches,  unartiges  kind;  kleiner  frecher 
kerl,  knirps:  halt  emäl  dis  mül,  du  gr.  Staub-Tobler 

2,  836;  vgl.  (?)  krätzlein  magere  kuh,  magere  Weibsperson 
Fischer  schwäb.  3,  861;  grfezert  habsüchtiger,  in  seiner 
äuszeren  erscheinung  vernachlässigter  mensch  lux.  ma. 
(1906)  154''.  —  umlautbildu7ig  zu  grasz,  *.  d.,  vgl.  igresz- 
ling,  grotze. 

^GRETZE,  m.,  ein  raubvagel:  avis  clamosa,  nidulans 
in  turribus,  alibi  sprinzen,  .  .  .  sperber  Henisch  1741; 
gretze  nennet  man  zu  Bell  einen  schreyerischen  vogel, 
der  auf  dem  kirchturm  nist.  an  andern  orten  .  .  . 
heiszt  man  in  sprintz  Fischer  schwäb.  i,  697  aus 
Bauhin.  häufiger  sind  k- formen:  kretz,  kretzo  alietus 
Diefenbach  22'';  wannenweiher  oder  kretz  alicetus 
Frisch  l,  548;  dornkretzer  lanius  cinereus  promptuar. 
von  1618  nach  Schmeller  i,  1388;   vgl.  Staub-Tobler 

3,  934;  nach  Suolahti  vogelnamen  148  eigentlich  für 
den  Würger,  lanius  collurio.  zu  kratzen? 

2  GRETZE,  m.,  korb :  (die  aus  der  stadt  kommende  fraiC) 
wird  von  den  kindern  mit  jubel  empfangen,  indem  die 
naiv-lüsternen  .  .  .  vermuthen,  dasz  für  sie  etwas  gut's 


im  gretzen  ist  Melcii.  Meyr  erzähl,  aus  dem  Eies  3, 
144;  vgl.  236;  geicöhnlich  kratze,  kretze  th.  5,  2073. 

1  GRETZEN,  GRÄTZEN,  vb.,  reizen,  erregen,  erhitzen, 
erzürnen;  einen  menschen  gr.  durch  neckereien  ärgern; 
eine  wunde  vergr.    durch   berühren   reizen   Frischbier 

1,  252;  grezen  reizen,  necken  Kramer  Bistritz  40;  altes 
nd.  icort:  unde  he  beghunde  dat  volk  to  grettende 
{coepit  irritare  plebem)  l.  Makk.  15,  40  lübeck.  bib.  (1494); 
vgl.  Schiller-Lübben  2,  145;  Dähnert  160*';  brem.  tvb. 

2,  541  als  veraltet  bezeichnet;  nl.  als  greten,  gretten  noch 
lebendig  woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  680;  factitivbildung 
zum,  adj.  mhd.  graz  zornig. 

2  GRETZEN,  vb.,  in  unregelmäszige  stücke  schneiden, 
besonders  kartoffeln  für  das  vieh;  vergretzen  unregel- 
mäszig  zerschneiden  Crecelius  oberhess.  439;  vgl.  ver- 
krotzen  (Aschaffenb.)  im  zuschneiden  verunstalten:  ein 
stück  tuch,  den  braten,  das  brot  verkr.  Schmeller  i, 
1392;  aiso  gretzen  «M«  grötzen;  2m  grotzen,  grutzen  kern- 
haus  des  obstes,  verschrumpftes  obst,  alles  verkrüppelte, 
kleine  Crecelius  438;  vgl.  krotze,  krotzen  th.  5,  2424. 

GRETZIG,  GRÄTZIG,  adj.,  leicht  aufgebracht,  er- 
zürnt, widerhaarig,  kratzbürstig:  ein  gretziger  mensch, 
hund;  er  ist  gr.  wie  ein  kaulbarsch  Frischbier  l,  252; 
grätziger  hund  caiiis  acer  Henisch  1741 ;  wer  do  sagt 
zu  seynem  bruder  'racha'  (das  ist  ein  grewlich,  zornigs, 
gretssigs  zeichen  gibt)  Luther  6,  267,  13  {anderer  druck 
aus  Wittenberg:  gressigs,  aus  Nürnberg:  gretzigs,  aus 
Augsburg:  tretzigs,  aus  Basel:  unwürss).  zti  grasz 
wüthend;  vgl.  ^  gretzen  vb. 

GREUBE,  s.  griebe. 

GREÜBEULE,  /.,  ostfries.  dasselbeule  Martiny  wb. 
d.  milchwirtschaft  47;  zu  greien,  *.  d. 

^GREUDER,  n.  l)  schwimmende  reisigbüschel ,  aus 
denen  die  fische  wie  aus  reusen  nicht  mehr  herausfinden 
Unger-Khull  steir.  306*';  artikel,  die  archen,  legschefi'l, 
die  engen  garn  und  greuter  antreffend  Schmeller  l, 
1378  {quelle  von  liHi) ;  vgl.  österr.  iveist.  11,  660^;  im  sel- 
ben sinn:  item  es  soll  kein  fischer  kein  gerewderpurd 
nicht  mehr  legen  ib.  (quelle  von  1484);  später  häufig  iri 
der  Schreibung  kräuterbürde  s.  th.  5,  2115  und  Sghmel- 
ler a.  a.  0.  2)  spreu,  häcksel  Unger-Khull  a.  a.  o. 
(quelle  von  1688).  —  als  gereuter  zu  reuten  gehörig,  'icas 
geholt  wird  vom,  gereute,  der  stelle  wo  wald  gerodet  ist', 
vgl.  th.  i,  1,  2,  3632 ;  auch  dieser  platz  selbst  heiszt  ge- 
legentlich gereuter:  soll  nieman  dem  andern  schaden 
tun  in  sinen  wisen,  garten,  bunden  äker,  gerütteren 
Fischer  schwäb.  3,  406  (quelle  von  1479). 

2  GREUDER,  m.,  in  älterer  bergtcerkssprache  der  knecht, 
der  die  pfanne  heizt:  es  ist  auch  darzu  ein  greuder, 
der  die  scheitter  oder  stroh  under  die  pfannen  wirfft  . . . 
aber  alsbald  der  wircker  mit  dem  ersten  fulaimer  saltz 
in  die  pfannen  gössen  hat,  so  zündet  der  greuder  die 
scheitter  oder  das  strow  an  so  under  die  pfannen  ge- 
legt Bech  Agricola  (l62l)  457  (bei  Agricola  nur:  ado- 
lescens);  offenbar  zu  gereut  catinus  Frischlin  nomencl. 
263,  cap.  de  coctura  metallorum  et  salis,  de  instrumentis 
excocloriis,  s.  th.  £  1,  2,  3632. 

GREUEL,  m.,  gegenständ  und  empfindung  des  grauens. 
form. 

1)  ein  nur  auf  dem  germ.  festlande  verbreitetes  wort, 
das  sich  erst  in  mhd.  zeit  nachweisen  läszt:  mhd.  griul, 
griuwel,  griule  (s.  u.);  mnd.  gruwel,  nd.  grüwel,  gruwel 
(genaueres  s.  u.  3);  fries.  gröl,  gröel;  mnl.  gruwel,  gruel; 
nl.  gruwel;  verwandt  ist  anord.  gryla  'schreckbild,  Zau- 
berin', ableitung  von  gru6n  swv.,  vgl.  Wilmanns  2,  263; 
zur  etymologie  s.  grauen,  die  mhd.  form  griule  wird 
herkömmlich  als  swm.  angesetzt,  doch  liegt  eher  epithe- 
tisches e  vor:  nom.  grule  j.  Tit.  829,  2;  accus,  grözen 
griule  (:  miule)  Neidhart  49,  7  (s.  A4);  sunder  greule 
(:  seule)  j.   Tit.  5479,  2  (s.  B  l). 

2)  greuel  erscheint  wie  im  nl.  (tooordenb.  d.  nederl.  taal 
5,  1189)  auch  im  deutschen  spurweise  als  neutr.:  so  wäre 
diese  einige  sünde  (ehebruch)  ein  solches  greuel  vor  gott 
dasz  Schupp  sehr.  (1663)  520;    beachtung  verdient,    dasz 


205 


GREUEL 


GREUEL 


206 


fast  ausschlieszlich  auf  alem.  bodeyi,  namentlich  in  ge- 
wissen redensarten,  ein  accus,  ein  greuel  erseheint,  der 
freilich  durch  ekthlipsis  aus  einen  gr.  verkürzt  sein  kann, 
also  nicht  unbedingt  neutral  zu  sein  braucht:  an  wel- 
chen got  ain  grewel  hat  Eb.  v.  Günzburg  2, 15  neudr.,- 
ähnlich  1,  86;  Geiler  v.  Keisersberg  eschengrüdel 
(15U)  a  6'';  Ryff  spiegel  d.  gesundheit  bb  IUP;  NiCL. 
Manuel  Barbali  7il  (s.  B  2  a);  U.  Eckstein  (s.  u.  5); 
etwas  für  ein  greuel  halten  Kramer  teutsch-ital.  (1700) 

1,  564»;  vgl.  NiGL.  Manuel  Barbali  39i  (s.  A  7  c); 

dann  mich  als  ein  grewel  ansehen 
gott  und  menschen 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dram.  1,  173 
Dähnhardt; 

seltener  in  anderen  Wendungen:  ein  grüwel  und  böli- 
man  fürgeschlagen  Staub -Tobler  2,  834;  ein  grawel 
.machen  Eb.  v.  Günzburg  3,  7  neudr.;  kein  grüwel 
bringen  tragoedia  Joannis  (1549)  J  iiij  (s.  B  l) ;  nur  selten 
auszerhalb  des  alem.,  aber  meist  in  denselben  phra^en: 
ein  grewl  und  unmuth  haben  H.  Sachs  18,  38,  8  (s.B2c); 
wie  ein  greuel  halten  2.  Mose  i,  12  (s.  A  7  c) ;  wie  ein 
greuel  ahnsehen  briefe  d.  Elisabeth-Charlotte  v.  Or- 
leans 44  (s.  A  7  c);  die  schrift  heisset  die  abgotter 
eigentlich  ein  grewel  Luther  sermon  von  d.  jüd.  reiches 
ende  (1525)  A  iiij  ^.  das  götting.-grubenhagische  scheidet 
dei  grüel  und  dat  grüel  als  schelten  für  männliche  und 
weibliche  personen  Schambach  69  (s.  A  2). 

3)  im  nd.  scheint  ein  bedeutungsunterschied  zwischen 
der  unumgelauteten  und  der  umgelauteten  form  zu  be- 
stehen, wenigstens  in  gennssen  gebieten:  grüwel  'empfin- 
dung  des  grauens,  abscheus'  (s.  B),  grüwel  'gegenständ 
des  abscheus'  (s.  A);  vgl.  grüel  grauen  Sch.\mbach  69; 
grüwel,  gruwwel,  grauwel  grauen  Vilmar  135;  grouwel 
absehen  brem.  wb.  2,  551;  grugel  grauen  Mi  29;  grujel  /. 
grusel  lux.  «la.  (l906)  157;  grool  grauen  Stürenburg 
76'';  dagegen:  grüel  gegenständ  des  abscheus  ScHAUii\C}i 
69;  jriwel  ^rofeÄo^/ Liesenberg  Stieger  ma.  147;  auch  im 
pomm.  besteht  anscheinend  der  bedeutungsunterschied  gruel, 
grüwel  grauen,  grflel  gegenständ  d.  grauens  Dähnert 
163.  Strodtmann /reiKc/t  noh'erf:  'gruwwel  ttnc?  grüwwel 
das  grauen',  osnabr.  77;  ähnlich  schei7ien  im  tcestfäl. 
gruggel-grüggel  geographisch,  nicht  dem  sinne  nach  un- 
terschieden zu  sein  Woeste  86'';  auch  dat  is  en  gruels 
ausruf  des  erstaunens,  der  Verwunderung  Schütze  holst. 

2,  65  {ähnlich  brem.  wb.  2,  55l)  scheint  zu  tcidersprechen, 
für  die  ältere  zeit  sind  bei  der  ungenauigkeit  in  der  be- 
Zeichnung  des  umlauts  schwer  sichere  ergebnisse  zu  ge- 
winnen; doch  vgl.:  legt  ab  den  grul  und  hass  engl, 
comödien  u.  tragödien  (1624)  F  f  V'';  anderseits:  {das 
Judenvolk  ist)  in  all  sülcken  grfiwel  unde  YerwSstinge 
gekommen  Rotmann  restitution  8  neudr.  {freilich  auch: 
in  den  grüwel  der  verwöstinge  gevallen  12;  o  grüwel 
aver  grüwel  76).  die  bedeutung  B  herrscht  im,  nd.,  zumal 
der  älteren  zeit,  vor  (Schiller- Lübben  notiert  nur 
grüwel  'grauen,  furcht',  vgl.  die  beispiele  B  l);  ähnliches 
scheint  für  das  mnl.  zu  gelten,  vgl.  Verwijs-Verdam 
2,  2205. 

4)  die  Wortspaltung,  die  sich  in  dem  nd.  nebeneinander 
von  grüwel-gruwel  ankündigt  und  in  der  nhd.  doppel- 
form greuel-grauel  vollendet  ist  {s.  B  l),  tritt  in  spuren 
auch  im  alem.  auf:  in  drucken  Geilers  v.  Keisers- 
berg findet  sich  gelegentlich  grauwel  im  sinne  von  nd. 
grüwel  'horror',  z.  b.  so  möcht  ir  ein  grauwel  darab 
haben  narrenschiff  (1520)  XI "i;  vgl.  auch  B  2  b;  ein 
grawel  haben  vor  C.  Hedio  {s.  m.  B  2  a);  ebenso  bei  Eb. 
V.  Günzburg  ein  grawel  machen  'grausen  erregen'  sämtl. 
sehr.  3,  7  neudr.  {s.  B  l).  freilich  loird  die  form  grauwel 
vereinzelt  auch  im  sinne  der  bedeutung  A  gebraucht:  der 
unmenschlich  grauel  {papst)  2,  26;  man  könnte  an  eine 
Verwechslung  denken,  wie  sie  noch  nhd.  gelegentlich  er- 
scheint (dies  ist  der  grauel,  wovor  der  mensch  erstarrt 
Rahel  bei  Varnhagen  Rahel  1,  500);  doch  findet  sich 
auch  im  heutigen  elsäss.  ein  grauel,  das  nicht  die  für 
die  unumgelautete  form  postulierte  bedeutung  'horror' 
hat:  do  sy  i,  laider,  hell  denne  Saddans  grauel  Mar- 
tin-Lienhart  1,  265;  e  grauel  essespyse  ib.  Schmidt 
straszb.  44.  45  trennt  greijel  'gräueV  von  gröüel  'Unord- 


nung, durcheinander  von  dingen,  die  nicht  aufgeräumt 
sind'.  —  die  alem.  dialecfform  (grüwel  Staub-Tobler 
2,  834)  erscheint  im  älteren  nhd.  auch  litterarisch  nicht 
selten:  grüwel  Keisersberg  sermones  139'';  Eb.  v.  Günz- 
burg 1,  86  neudr.;  Zwingli  dtsch.  sehr.  1,  222;  Nicl. 
Manuel  Barbali  394,711;  Hedio  chron.  german.  (1530) 
M  IUI";  tragoedia  Joannis  {Solothum  1549)  G  vj.  J  iiij ; 
TscHUDi  chron.  helvet.  2,  34. 

5)  gelegentlich  mundartlich  entrundete  form,en:  greil 
städtechron.  23,  349, 13  {Augsburg);  {das  sacrament)  sei  ain 
greichel  und  ketzerei  178,  13; 

das  ihr  vertilgt  die  christn  alsandt, 
welche  seind  mir  und  gott  ein  greil  (:  weil) 

Ayrer  dramen  3,  1785,  28  lit.  ver. ; 

greijel  grauel  Schmidt  straszb.  44  {s.  o.  4);  sächs.  kreil 
Müller-Fraureuth  1,  440.  ganz  vereinzelt  erscheint  im 
älteren  alem.  eine  art  gerundeter  form:  dass  er  aber  ab 
der  sünd  ein  gröbel  hatt  Staub-Tobler  2,  834  aus 
U.Eckstein  {anfang  16.  jh.);  vgl.  im  modernen  elsäss. : 
so   e   gröjel  kann  i  nit  sehn  Martin-Lienhart  l,  265. 

6)  zur  Orthographie  sei  bemerkt,  dasz  die  Schreibung 
grauel  im  n.jh.  erst  in  spuren  auftritt  (Schill  teutsch. 
spräche  ehrenkranz  [l644]  262;  Rompler  v.  Löwen  halt 
erstes  gebüsch  [l647]  14;  Rachel  satyr.  ged.  35  neudr.; 
Prätorius  glückstopf  [i669]  169);  die  im  älteren  nhd. 
durchaus  herrschende  form  ist  grewel;  auch  im  18.  jh. 
kommt  grauel  erst  in  der  2.  hälfte  in  aufnähme,  natür- 
lich auf  grund  einer  äuszeren  Ungleichung  an  grauen, 
uie  sie  rationalisierender  Sprachbetrachtung  nahe  lag  {vgl. 
neuer  büchersaal  d.  schön,  wissensch.  u.  fr.  künste,  3,  393 ; 
Gottsched  ged.  [l75l]  294;  d.neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrs. 
2,  184;  Ramler  eiyil.  in  d.  schön,  wissensch.  2,  38.  148.  340; 
Lessing  6,  521;  Löwen  sehr.  1,24;  Hagedorn  1,65); 
die  form  erfreut  sich  dann  steigender  beliebtheit  {z.  b.  bei 
Göthe,  Herder,  Klinger,  Bürger  ziemlich  gleich 
häufig  wie  greuel,  icährend  Schiller  grauel  zu  meiden 
scheint),  theoretiker  und  lexicographen  nehmen  sie  auf: 
'grauel  ,  . .  {stammt)  auf  eine  unleugbare  art  von  grauen 
ah'  Adelung  magazin  f.  d.  dtsch.  spräche  2,  2,  117;  'man 
schreibt  dieses  wort  gemeiniglich  greuel,  aber  sehr  un- 
richtig' wb.  2,  787;  Frisch  nouv.  dict.  (1772)  289;  Klein 
provinzialicb.  1,  160;  Braun  orthogr.-gramm.  wb.  (1793) 
126'*  {teeist  greuel  ausdrücklich  zurück);  Heynatz  synon. 
wb.  1,  55'';  Täubel  buchdruckerkunst  (l805)  anhang  11; 
damit  ist  ihr  für  die  erste  hälfte  des  19.  jhs.  die  gleich- 
berechtigung  im  gebrauch  gewonnen;  erst  im  3.  viertel  des 
jhs.  wieder  zurückgedrängt,  neben  herrschendem  grewel 
erscheint  im  älteren  nhd.  gelegentlich  die  form  greuwel, 
aber  fast  nur  auf  alem.  boden  und  dort  verständlich  auf 
grund  der  dialectform  grüwel ;  vgl.  Zur.  bibel  (l53l)  1.  Mos. 
43  F;  3.  Mos.  20  D;  Stumpf  Schicytzerchron.  (1606)  353''; 
Fronsperger  kriegsbuch  l,  1  5r;  auch  bei  lexicographen: 
Frisius  diction.  (1556)  8».  400\  499'';  Maaler  (i56l)  192»; 

HeNISCH    1741. 

7)  die  kurzform  greul  erscheint  vorioiegend  in  poet. 
Sprache,  und  zwar  ebensogut  auf  nordd.  loie  auf  südd. 
boden.  im  16.  jh.  beliebt  bei  H.  Sachs  {werke  7,  408,  28; 
18,  38,  8;  18,  344,  28;  22,  133,  27),  auch  bei  RiNGWALDT 
möglich  {evang.  2r'');  im  17.  jh.  ebenso  in  geistl.  liedern 
(Hock  schön,  blumenfeld  95  neudr.;  P.  Gerhardt  bei 
Fischer-Tümpel  3,  327».  330»)  wie  in  der  alexandriner- 
dichtung  (D.  v.  d.  Werder  ras.  Roland  23;  Rachel 
satyr.  ged.  104  neudr.).  im  18.  jh.  allgemein  gültig  in 
der  modedichtung  der  vorklassischen  zeit  (Heraus  ged. 
u.  inschr.  [i72i]  238;  Schwabe  belustigungen  i,  201;  Neu- 
kirch ged.  [l744]  153;  Dusch  verm.  werke  [l754]  17; 
Gottsched  dtsch.  Schaubühne  4,  23;  Löwen  sehr,  l,  24; 
J.  E.  Schlegel  l,  lO;  Eschenburg  beispielsammlung 
1,  293);  später  seltener  (Voss  odüssee  294,  107  Bernays; 
Overbeck  verm.  ged.  [1794]  185;  A.  W.  Schlegel  im 
Athenäum  l,  114),  nicht  ungewöhnlich  bei  Schiller 
(12,  21;  13,  190;  15,  1,  44);  im  19.  jh.  überall  gelegentlich, 
wenn  auch  spärlicher  als  im  18.  tn  prosaischer  spräche 
ist  greul  im  16.  u.  17.  jh.  nicht  minder  häufig  als  in  der 
poesie  (Seb.  Fischer  Ulmer  chron.  ll  Veesenmeyer ;  Nas 
antipap.  eins   u,  hundert    l,  63'';    Barth    weiberspiegel 


207 


GREUEL 


GREUEL 


208 


[1565]  BB*»;  Prätorius  saturnalia  [l663]  312;  A.  U.  v. 
Braunschweig  Octavia  l,  449;  Abr.  a  St.  Clara  Judas 
[1692]  3,28);  später  selten  (Lessing  6,  25i;  Jung-Stil- 
LING  sümtl.  sehr.  4,  5^9)  und  nur  iis  in  die  erste  hälfte 
des  I9.jhs.  (Ayrenhoff  5,  356;  Heine  3,418;  Möllner 
drain.  icerke  2,  117;  Auerbach  sehr.  15,  179). 

bedeutung  und  gebrauch. 

A.  gegenständ,  zustand,  handlung,  äuszerung ,  die 
grauen  hervorrufen;  diese  bedeutung  wird,  obgleich  reicher 
entwickelt  als  die  zweite,  von  den  älteren  lexicographen 
sehr  vernachlässigt:  horribilitas  Diefenbach  280";  di- 
ritas  Serranus  synon.  (1579)  s.  v.;  z.  t.  mag  die  glos- 
sierung durch  abominatio  hierher  zu  ziehen  sein,  s,  u. 
B2. 

l)  von  dingen. 

a)  alt  scheint  die  bedeutung  'schreckbild' :  griwel  cucitis 
Diefenbach  160"; 

die  {l.  der?)  swert  und  schilde  blicken  zu  den  bilden  un- 
geheure 
leret  die  beiden  schricken.    sie  wanden  daz  die  helle  gar 

mit  feure 
wer  uf  getan  mit  aller  teufel  greulen  j.  TU.  6097,  3 ; 

vgl. 

hilf  uns  durch  die  kestigunge 
die  er  leit  von  Juden  zunge, 
durch  die  villät  an  der  siule 
vor  des  leiden  tiuvels  griule 

Mariengrüsze  726,  zs.  f.  d.  alt.  8,  295; 

wiewol  man  ihnen  (den  aufständischen)  damit  (mit  der 
Zuschrift)  ein  grüwel  und  böliman  fürgeschlagen  Staub- 
Tobler  2,  834  (quelle  von  1525);  gegenstund  des  ab- 
scheus : 

reht  alsam  diu  iuwel 

ist  der  vogel  gruwel  Martina  116,  64. 

b)  in  der  bibelsprache  von  levitisch  unreinen  dingen: 
du  solt  keinen  grewel  essen  5.  Mos.  14,  3;  und  essen 
scliweinefleisch,  grewel  und  meuse  Jes.  66, 17 ;  vgl.  5.  Mos. 
17,  l;  daher  im  scherz  vom  kaffee: 

das  wittere  ja  der  probst  nicht, 
dasz  ein  priester  die  lippen  entweiht  mit  dem  türkischen 

gräuel ! 
Voss  ged.  (1802)  1,99; 

im,  besonderen  von  götzen  und  götzenbildern :  verflucht 
sey  wer  ein  götzen  oder  gegossen  bild  macht,  einen 
grewel  des  herrn  5.  Mos.  27,  15;  da  bawete  Salomo  eine 
höhe  Chamos  dem  grewel  der  Moabiter  .  .  .  und  Mo- 
lech  dem  grewel  der  Ammoniter  l.  kön.  ii,  7;  vgl.  2.  kön. 
23,  24;  von  thiergottheiten :  wenn  wir  denn  der  Egypter 
grewel  für  iren  äugen  opferten,  würden  sie  uns  nicht 
steinigen  2.  Mos.  8,26;  vgl.  i.kön.  11,5;  Hesek.  20,7;  lu7ige 
nachwirkend: 

und  räum  es  {das  herz)  von  den  götzen, 
die  satan,  weit  und  eigensinn 
darein  zum  greuel  setzen 

Günther  ged.  (1735)  26; 

erlöste  !  flieht  aus  Babels  thoren ! 

des  gräuels  wüst,  dem  sie  geopfert  hat, 

hat  ansehn  und  gewalt  verlohren 

Gottsched  ged.  (1751)  294; 

diese  kamen  zuerst  {zum  satan)  .  . . 
die  ihre  greuel  und  götzenaltäre 
oft  in  sein  {goites)  heiiges  gestellt 

Zachariae  poet.  sehr.  6,  53; 

vgl.  greuel  der  Verwüstung  c  cT. 

c)  auch  in  profaner  spräche  'grauenhafte,  ekle  dinge, 
unrat':  für  hunger  allerley  greuel  fressen  müssen  Kram  er 
teutschital.  (l700)  l,  564»;  wie  welzet  sich  das  eingeweide 
in  mirl  der  verschlossene  greuel  tobet  und  suchet  einen 
ausgang  sagt  Thyest,  als  er  erfährt,  dasz  er  seine  kinder 
gegessen  hat  Lessing  werke  (1838)  4, 28l;  sie  (unselige 
geister)  .  .  .  gaben  mit  Zuckungen  den  greul  wieder  von 
sich  (unrat,  den  sie  verschlungen  hatten)  Jung-Stilling 
4,  549;  (der  ehrgeiz)  ist  figurirt  worden  in  jener  fetl  in 
der  Offenbarung  Joannis,  welche  .  .  einen  güldenen  kelch 
voll  grewels  und  unsauberkeit  ihrer  hurerey  in  der 
handt  hatte,  und  allermenniglichen  darvon  zutrincken 
gab  Albertinus  Lucifers  königr.  35,  21  neudr.;  wann 
.  .  .   Macbeths   hexen   im    unterirdischen   gewölbe    um 


den  kessel  voll  gräuel  den  höllentanz  tanzen  Bürger 
1,  322*  Bohtz; 

welche  verwegene  faust,  du  wein-emährende  traube? 
Evius  junges  kind,  risz  von  der  rebe  dich  ab? 
und  da  du  ihm  die  lippe  zusammenzogest,  so  warf  er 
dich  als  gräuel  dem  fusz  irrender  wanderer  hin 

Herder  26,  48; 

hierher  auch  gewisse  fälle  übertragenen  gebrauchs : 

herr,  dein  gesatz  mich  ja  so  scheuzlich  conterfehet, 
dasz  hoffnung  mich  zu  säubern  mir  entgehet,  .  .  . 
ich  bin  voll  unflat,  grewel,  wüst 

Weckherlin  ged.  l,  411  Fischer ; 

viel  gräuel  hab  ich  drein  {ins  herz)  gebracht, 
es  stinkt  itzt,  wie  ein  garstig  schacht, 
darinn  der  satan  wohnet 

allg.  dtsch.  bibl.,  anh.  zu  1—12,  49; 

vgl.  auch  stinkender  greuel  H.  v.  Cronberg  3  ca. 

d)  abstracter  'wüst,  Unordnung':  diese  Unordnung 
macht  uns  beiden  wenig  ehre,  ist  es  gesund,  ...  in 
einem  solchen  stalle  zu  leben?  .  .  .  wie  dir's  so  wohl 
sein  wird,  wenn  der  greuel  einmal  weg  ist  Sturz  sehr. 
1,  256;  das  höllwasser  musste  zu  zelten  seinen  namen 
recht  wohl  verdienen,  da  ein  solcher  gräuel  von  schutt 
und  steinen  neben  mir  lag  Stifter  4,  i,  118  Sauer;  so 
namentlich  elsäss.:  was  e  gröüel  in  dem  zimmer  Un- 
ordnung, durcheinander  von  dingen,  die  nicht  aufgeräumt 
sind  Ch.  Schmidt  straszb.  45;  weiterentwickelt  'lärm,  ge- 
tose,  Verwirrung,  Unordnung'  (Elsasz)  Klein  provinzial- 
wb.  1,  160;  vgl.  säugräuel  Unordnung,  lärmendes  treiben 
MartinLienhart  1,  266'';  d  kinder  machen  e  gräuel 
in  der  stub,  mer  kann  s  nit  ushalten ;  in  dem  wirtshus 
ist^  allewil  e  gräuel  265'';  im  götting.grubenhag.  heiszt 
griiel  jedes  in  seiner  art  auffallende  oder  übermäszig 
grosze  thier  oder  ding  Schambach  69;  dem  vergleicht 
sich  die  bedeutung  'menge':  e  gräuel  essespyse  steht 
drunten  in  der  küch  MartinLienhart  i,  265  (vgl. 
greulich  7). 

e)  andere  fälle  concreten  gebrauchs  bleiben  vereinzelt: 
o  ihr  tünchner  mit  losem  kalkl  —  wie  sehr  schimmert 
der  alte  greuel  durch  Jung-Stilling  i,  346; 

die  Wollust  .  .  . 

den  weggewandten  greul  des  rUckens  stets  verhelt 

Eschenburg  beispielsammlung  1,  293; 

wie  eine  böse  beule 
die  schlimmen  safte  all  des  körpers  anzieht, 
zum  herde  wird  der  fäulnis  und  des  greuls 

Grillparzer  9,  105  Sauer ^ 

0  sein  {des  Rheins)  gestade  brütet  jenes  greuels  {der  mucken) 

auch 
ein  gröszeres  geschlechte  noch  und  schlimmres  aus 

MÖRIKE  1,  186  Göschen; 

vom  phallus:  das  .  .  .  sein  (des  Priapus)  gotzdienst  war, 
das  die  eerbarist  matron  in  der  statt  disz  bilds  grewel  ein 
krantz  müste  aufsetzen  (honesta  matrona  pudenda  virilia  co- 
ronabat  Augustin  de  civ.  dei  7,  24)  Seb.  Franck  mor. 
encom.  12». 

2)  vom  menschen;  besonders  nordd.,  auch  alem.:  der 
mensch  ist  ein  rechter  greuel  abominandus  et  spurcus 
homo  est  Stieler  697;  Pelagia  war  ein  öffentliche  Sün- 
derin zu  Antiochia,  ein  greul  und  Verführerin  der  Ju- 
gend Abr.  a  St.  Clara  Judas  3,  28;  es  ist  ein  un- 
geheuer geboren  und  ein  blutbefleckter  gräuel  aufge- 
standen (Napoleon)  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deufsr-hen 
1,  254;  dieser  mensch!  .  .  .  ein  greuel  ist  er  Frenssen 
Jörn  Uhl  (1902)  446;  im  frühnhd.  stehende  bezeichnung 
des  papstes:  der  grewliche  grewel  zu  Rom,  der  sich 
bapst  nennet  Luther  wider  das  bapstum  (1545)  Aij''; 
aber  der  unmenschlich  gräuel  .  .  .  hat  hye  und  anders 
wo  allen  geschriften  das  hynder  her  für  gethon  und 
wiederumb  Eb.  v.  Günzburg  2,  26  neudr.; 

der  wüste  grewel  sitzet  schon 

an  heyigen  statt       Gengenbach  337  Oödeke; 

der  antichrist  der  ist  ein  grewl 
mit  allen  seinen  pfaffen 

Ringwaldt  evangelia  Zv'>; 

au^h  im  plural:  kompt  hertzu,  yhr  ungeheure  grewel 
der  weit,  und  zeygt  uns  ursach  an,  warumb   yhr  euch 


I 
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GREUEL 


GREUEL 


210 


last  bischoffe  heyssen  Luther  8,  501  Weim.;  vor  deinen 
äugen,  du  holdselige,  .  .  .  erfrechen  sich  die  greuel  ihre 
abrede  zu  treffen  Tieck  sehr.  4,  257;  dialectisch  im  md., 
nd.  und  alein.,  z.  th.  in  veränderter  bedeutung  und  mit 
vorliehe  als  Scheltwort  in  der  anrede:  grliel  als  Schimpf- 
wort sehr  üblich  Schambach  69;  jriwel  trotzkopf  R^hteu 
thür.  110;  trotzkopf,  unartiger  knabe  Liesen  BERG  Stieger 
ma.  14-7;  grool  tauqenichts,  spitzbube,  doch  oft  scherziceise 
Stürenburg  ostfries.  76";  sprichwörtl.  de  alle  grüggel 
es  död  und  de  junge  het  noch  kaine  tqne  Woeste 
wesffäl.  86";  abscheulicher  mensch:  du  wüeste  grüwel 
StaubTobler  2,  834;  von  je  gern  in  der  anrede:  weh 
dyr,  du  grewlicher  grewel  (papst)  Luther  7,  671,  14 
Weim.;  du  greuel  Iffland  theatral.  loerke  1,147;  hör' 
auf,  du  gräuel  1  G.  Keller  6, 195 ;  bei  weiblichen  tcesen  tritt 
das  neutr.  ein:  der  lieben  Emilie  sage,  dasz  ich  prächtig 
italienisch  plappere,  und  das  liebe  greuel  soll  mir  doch 
bald  schreiben  Feuerbach  an  die  mutier  (1855)  l,  397; 
ebenso  im  götting.  Schambach  69;  in  älterer  spräche 
öfter  ericeitert  durch  objectiven  genitiv: 

das  weib,  der  länder  schaden, 

der  menschen  höhn  und  fluch,  der  Schandfleck  ihrer  zeit, 

der  greuel  der  natur,  den  jedermann  anspeyt 

Gryphius  irauersp.  54  Palm; 

(ein  vornehmes  geschlecht)  welches  ich ,  nachdem  es 
mich  als  einen  rechten  greuel  der  tugenden  erzeuget, 
nicht  einmal  nahmhafft  machen  will  sagt  ein  ver- 
ruchter Schnabel  ins.  Felsenburg  (l73i)  l,  213; 

itzt  heiszt  Pompon  ein  greul  der  redlichen  im  lande 

Schwabe  belustigungen  1,201; 

und  ihr  wollt  mir  den  letzten  trost  rauben  im  sterben, 
dasz  ich  ein  greuel  vor  gott  und  menschen  schlafen 
gehen  soll  Schiller  2,  138. 

8)  von  zuständen  und  handlungen. 

a)  die  numeri  stehen  in  der  bedeutung  nicht  gleich: 
der  plural  bedeutet  meist  'grauenhafte  handlungen,  Un- 
taten'; daneben  aber  auch  allgemeiner  'zustände,  erschei- 
nungen,  die  grauen,  abscheu  hervorrufen':  wohl  euch, 
ihr  lieben,  dasz  ihr  für  jetzt  noch  nicht  .  .  .  mit  Ter- 
wickelt  seid  in  den  groszen  kämpf  {gegen  Napoleon)  und 
die  gräuel,  die  ihn  begleiten  aus  Schleiermachers  leben 
2,76;  der  kämpf  um  das  dasein  mit  seinen  zahllosen 
quälen  und  gräueln  D.  Fr.  Strausz  6,  147;  besonders 
fühlbar  wird  der  unterschied  neben  localen  angaben:  er 
hat  aus  dem  tiefen  abgrund  .  .  .  das  stöhnen  der  ge- 
ängstigten und  das  hohnlachen  der  furien  samt  allen 
gräueln  der  dunkeln  reiche  mit  herauf  gebracht  Tieck 
sehr.  4,  427;  die  gräuel  einer  eroberten  Stadt  Ramler 
einl.  in  d.  schön,  tcissensch.  2,  38;  so  öfter  'greuel  der 
weit':  auch  der  weit  und  ihren  greueln  steure,  herr, 
mit  deiner  macht  Schmolcke  trost-  u.  geistr.  sehr,  i,  5; 

1  warum  vertilgt  mit  dem  flammenschwert 

all  die  greuel  von  der  erde 
der  tudesengel  nicht 

HÖLDERLIN  1,  70  Litzmann. 

der  Singular  ist  für  die  einzelne  greuelthat  nie  recht 
geläufig  geivesen:  tuend  nit  einen  diser  grüwlen  Heinr. 
BuLLiNGER  (1540)  bei  StaubTobler  2,  834;  er  .  .  .  ver 
übte  mit  dieser  schändlichen  (hure)  allen  greuel,  der 
mehr  zu  beweinen  als  zu  beschreiben  ist  Zend.  a  Zen- 
DORiis  winternächte  (1682)  319;  in  neuerer  spräche  nur 
poetisch : 

verhüll',  o  Phöbus,  dem  nahen  greuel  dein  antlits 

Gotter  2,510; 

himmel !  ist  solch  ein  greul  nur  denkbar?  also  Menalkas, 
halten  wir  deinen  trost  beynah  mit  dir  selber  verloren? 
(Jieu,  cadit  in  quemquam  tantum  gcelus  Vergil  ecl.  9) 

OvERBECK  verm.  ged.  (1794)  185; 

erschollen  war  in  diesen  thälern  schon 
der  ruf  des  neuen  greuels,  der  geschehn 

Schiller  14,  314  (Teil  II  2); 

in  der  regel  bezeichnet  der  sing,  vielmehr  das  grauen- 
hafte, abscheuliche  als  zustand,  erscheinung:  das  alles 
(wunderzeichen  am  himmel)  die  hendel  zu  diser  zeit  beim 
bapst  und  keiserthumb,  den  grewel  und  weitstand  ab- 
malende, anzeiget  hett  Seb.  Franck  chron.  lOö"; 

IV.  1.  6. 


(man  soll)  was  noch  allhier  den  wahren  gott  vernichtet 
und  auf  den  Christus  pocht,  in  eben  gleicher  pracht 
einliefern  auf  die  bürg,  weil  einmahl  wir  bedacht 
den  greuel  abzuthun  und  diesen  trotz  zu  brechen 

Gryphius  trauersp.  168  Palm; 

wenn  meine  yerehrung  vor  dem  hohen  geiste,  der  uns 
regiert,  noch  zunehmen  könnte,  sie  müszte  bei  dem 
anblick  dieses  greuels  (des  Berliner  bühnenwesens)  zum 
riesen  werden  P.  A.  Wolff  an  Qöthe,  sehr,  der  GötJie- 
gesellsch.  6,  185; 

allmächtiger  regierer, 
die  weit  ist  schlecht  zum  grau'n, 
lasz  über  den  ganzen  gräuel  her 
eine  neue  sUndfluth  thau'n 

Strachwitz  ged.  (1850)  172; 

wir  konnten  nicht  weiter  keuchen,  .  .  . 

frost,  hunger,  elend  und  seuchen, 

sie  haben  uns  hingerafft. 

ein  ungeheurer  knäuel, 

zwölfhundert  oder  mehr; 

es  zieht  sich  über  den  gräuel 

ein  dünner  rasen  her 

ROckert  (1867 #.)  1,  73; 

ganz  dbstract  'das  grauenhafte,  entsetzliche':  die  eifer- 
sucht  führt  .  .  .  den  gräuel  mit  sich,  dasz  sie  bereits 
erkaltete  .  .  herzen  mit  flammenqualen  martert  Holte i 
erz.  sehr.  11,  40;  wir  haben  mühe,  den  greuel,  zu  dem 
im  alterthum  oligarchische  tyranney  stieg,  zu  fassen 
Niebuhr  röm.  gesch.  2,  92;  soll  ich  von  oben  herab, 
soll  ich  von  unten  heraufsteigen  —  etwas  von  dem 
greuel  zu  bemerken,  der  aus  allen  diesen  gesiebtem, 
wie  blut  aus  der  wunde  des  ermordeten  hervorquillt 
La  VATER  physiogn.  fragm.  1,  100;  der  sing,  wirkt  bis- 
weilen wie  ein  collectivum,  zum  plur. :  ich  hatte  den 
Suetonius  genommen,  war  aber  zu  krank  für  den  gräuel. 
welch  ein  abschnitt  der  menschengeschichte  ist  das! 
Varn HAGEN  tageb.  l,  35;  er  .  .  .  fühlte  schon  all'  den 
gräuel  voraus,  unsereiner  versteht  den  gräuel  erst  or- 
dentlich, wenn  er  ihn  mit  äugen  und  bänden  greifen 
kann  (greuelthaten  gewaltsamer  protestantenbekehrung) 
LAube  14,  7; 

als  wie  die  sündfluth  über  alle  borde 

hinschwoll  der  gräuel  durch  das  land  der  väter, 

das  röchelte  im  ungeheuren  morde 

(beim  Hunneneinfall)  Strachwitz  ged.  (1850)  323. 

b)  dem  begriffe  nach  reicht  das  wort  sehr  weit;  es  wird 
namentlich  in  jüngerer  zeit  gern  in  unbestimmt-collec- 
tivem  sinne  ohne  nähere  qualificierung  gebraucht: 

ich  steh  es  gerne  zu,  dass  sein  verletzt  gewissen 
durch  nichts  als  blut  und  tod  mög  alle  greuel  büszen 

Gryphius  trauersp.  28  Palm; 

aber  ihn  in  die  läge  zu  setzen,  dasz  er  vergangene 
gräuel  abbüsze  Klinger  neues  theater  i,  218;  so  soll 
euch  die  strafe  eurer  greuel  bis  auf  das  lezte  andenken 
erlassen  seyn  Schiller  2,  105.  —  die  Medea  der  alten 
dramatiker  bleibt  bei  all  ihren  greueln  noch  ein  groszes 
staunenswürdiges  weib  2,  ll;  (die  'Iphigenie')  ist  voll 
der  wirksamsten  mittel,  die  aus  den  mannigfaltigsten 
greueln  hervorwachsen,  die  dem  stück  zu  gründe  liegen 
Göthes  gespräche  6,  82;  seine  tragödien  behandeln  die 
furchtbarsten  vorwürfe  .  .  mit  gehäuften  greueln  Lud- 
wig 5,223;  denn  was  durch  partheyische  kirchenhisto- 
riker  vor  Unwahrheiten  allerseits  in  die  weit  geschrieben 
und  vor  greuel  auf  die  nachkommen  fortgepflanzet  wor- 
den, ist  wohl  nicht  gnug  zu  bedauren  Arnold  kirchen- 
u.  kefzerhist.  (1699)  vorr.  21;  nur  eine  geringe  mahnung 
aller  der  gräuel  .  .  .  ,  die  sich  hinter  den  deckmantel 
der  religion  versteckten  B.  v.  Arnim  dies  buch  gehört 
d.  könig  2i,  249;  wie  lange,  dasz  wir  durch  die  .  .  ein- 
führung  des  öffentlichen  und  mündlichen  gerichtsver- 
fahrens  vor  der  Wiederkehr  solcher  gräuel  (wie  sie  her- 
zog Carl  V.  Würtemberg  Schubart  gegenüber  verübte)  ge- 
sichert sind?  D.  Fr.  Strausz  Schubarts  leben  l  ,  xvi ; 
(u-er  weisz)  mit  welcher  raffinierten  grausamkeit  die  ge- 
fangenen .  .  vom  militär  behandelt  worden  sind,  oder 
auch  nur  den  kleinsten  teil  dieser  gräuel  durch  tradi- 
tion  kennt  briefe  von  u.  an  Herwegh  184;  doch  auch 
milder:  es  geschehen  viel  greuel  zur  fastnachtzeit  m,olte 
abbominationi   cioe    lascivie  horrende    Kramer    teutsch- 

u 


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GREUEL 


GREUEL 


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ital.  (i700)  1,  564»;  es  mag  sein  dasz  solche  einsamkeit 
{weltabgeschiedener  gelehrter)  auch  wohl  einige  albern- 
heiten,  einige  greuel  veranlasset  Zimmermann  einsam- 
keit 2,  46;  gern  von  unnatürlichen  scheuszlichkeiten :  aber 
bei  diesem  gräuel  (dasz  der  riese  seine  mutter  schlug) 
verfinsterte  sich  der  tag  Grimm  deutsche  sagen  l,  106; 
ein  unglücklicher  vater  —  eine  ausgeartete  tochter!  — 
altern  hilflos,  im  stich  gelassen  von  undankbaren  kin- 
dernl  —  greuel,  die  ich  nicht  fasse  Schiller  u,  202; 
jede  mutter  darf  nur  drei  kinder  erziehen;  das  vierte 
.  .  .  soll  sie  selbst  lebendig  vergraben,  diesem  gräuel 
sind  die  familien  der  hauptleute  nicht  unterworfen  Cha- 
Misso  2,  235;  diejenige  menschen -fresser,  so  ihre  ver- 
storbene nechste  und  liebste  freunde  .  .  auffressen  .  .  , 
begehn  in  der  leichbestattung  den  grösten  greuel  Er. 
Francisci  lustige  schatibiihne  (1697)  3,  958;  besonders  von 
vndernatürlicher  unzucht,  s.  u.  c  ß. 

c)  der  begriff  wird  aber  auch,  namentlich  in  älterer 
zeit,  prägnanter  gefaszt;  Kramer  scheidet  ganz  treffend: 
götzcngreuel,  abgöttereygr. ;  unzuchtgr.,  sodomitische  gr.; 
blutgr.,  mordgr. ;  verwüstungsgr.,  verheerungs-  und  zer- 
störungsgr.,  so  auf  die  sündengreuel  folget;  hellengreuel 
teutschital.  (i700)  1,  564;  einiges  verlangt  besondere  dar- 
stellung. 

a)  greuel  religiös  gewendet:  von  Luthers  bibel  an  zur 
bezeichnung  heidnischen  Unwesens  (s.  o.  A  1  b,  2) :  und  sie 
theten  alle  die  grewel  der  beiden  l.  kön.  14,  24;  hie  hö- 
ristu,  das  es  für  gott  eyn  heydnischer  grewel  ist,  von 
den  todten  oder  geystern  fragen  Luther  10,  i,  l,  588 
Weim.;  nach  allem  greuel  der  heyden  einhergehen,  in 
allen  ihren  greueln  wandeln  caminare  secondo  (in)  tutte 
le  abbominationi  e  horrori  de'  gentili  Kramer  teutsch- 
ital. (1700)  1,  564» ; 

das  schreibt  sich  her  von  euern  lästern  und  Sünden, 
von  dem  greuel  und  heidenleben  Schiller  12,  36; 

and  viele  märtyrer  daselbst  bluteten,  als  ringsum  noch 
heidnischer  gräuel  und  Unsitte  blühte  Alexis  rol.  _v. 
Berlin  (1840)  3,  88;  von  da  aus  tn  der  reformationszeit 
Schlagwort  gegen  den  papst  und  päpstliches  wesen  (s.  o. 
A  2) :  d^rümb  fast  kein  greulicher  ding  auf  erden,  dann 
das  man  heisset  celibatum  .  .  .  wiltu  nu  dem  grewel 
entlaufen,  so  trit  nur  das  gelübde  .  .  mit  füssen  Luther 
24,  54,  16  Weim.;  hat  auch  wider  das  hochwirdig  sacra- 
ment  und  die  mesz  prediget,  es  sei  ain  greichel  und 
ketzerei,  kain  sacrament  städtechron.  23,  178,  13  (Clem 
Senders  augsburg.  chron.);  die  weil  aber  .  .  .  got 
uns  sehen  und  entpfinden  last  den  grawlichen  grewel 
darin  wir  aufs  diefst  stecken,  so  sollen  wir  got  .  . 
bitten  .  .  umb  weiter  erclerung  und  erkanntnusz  solchs 
stinckenden  grewels  H.  v.  Cronberg  sehr.  I2,h ^'■neudr 

so  schweren  sie  dem  antichrist, 
dasz  sie  auch  die  verführen  wollen, 
die  nicht  mit  irem  grewel  stellen 

Fischart  nachtrab  156  Kurz;  vgl.  607; 

wie  wol  er  nichts  davon  gehalten  und  zuvor  wol  ge- 
wust,  wie  er  den  ehstand  verleugnen  und  in  andere 
bepstische  grewel  mithelen  und  willigen  must  Alberüs 
Widder  Jörg  Witzeln  (1539)  F  8'';  auf  irrlehren  bezogen: 
sindt  das  nicht  grewl  und  yrtumb  über  greul  Luther 
34,  1,  507  Weim.;  vgl.  doch  ist  das  evangelion  ein  herr- 
liche artzney  für  .  .  irthumb  und  grewel  des  leydigen 
bapsthumbs  Hennenberger  erclerung  d.  preusz.  land- 
taffel  (1595)  35;  auch  sonst  vielfach  mit  einer  irgendtcie 
religiösen  Orientierung:  denn  was  für  eyn  grewel  sollt 
seyn  die  kirche,  so  sie  sich  nach  eyns  iglichen  sorbo- 
nischen  trewmers  comment  vorwandelete?  Luther  9, 
755,  27  Weim.;  ein  grosser  greuel,  welche  ich  sehe  bey 
lutheranern,  papisten  und  calvinisten  (meint  das  zucht- 
lose kirchweihireiben)  Schupp  sehr.  (i663)  62;  mit  den 
gottlosen  segnen  will  man  ein  sach  erzwingen  .  .  o  wol 
ein  grosser  greuel,  o  wol  grosse  blindheit  der  armen 
leut  Widmann  Faust  44  Keller;  den  durch  ihr  zaube- 
risches Wasser  begangenen  greuel  .  .  ,  auszuwischen 
Lohenstein  Arminius  (i689/.)  2,  622''; 

je  mehr  mir  die  Verkleinerung  von  gott,  im   alten  mann, 

zuwider. 


je  lieber  wehl'  ich  diesen  greuel  zu  einem  Vorwurf  meiner 

lieder 
Brockes  ird.  vergn.  8,  577; 

denn  seine  majestät  will  Regenspurg 
vor  ostern  noch  vom  feind  gesäubert  sehn, 
dasz  länger  nicht  im  dorne  lutherisch 
gepredigt  werde  —  ketzerischer  greul 
des  festes  reine  feyer  nicht  besudle 

Schiller  12, 121. 

tcird  greuel  als  persönliche  schuld  gegen  gott  gefaszt,  so 
nähert  sich  das  wort  der  bedeutung  'sünde': 

denn  all  unsre  greuel  stehen 
entblöszt  vor  deinem  angesicht 

Schub  ART  sämtl.  ged.  (1825)  1,  281; 

wenn  dir  das  stille  herz  (bei  der  selbstprüf ung) 

schnöde  gräuel  und  schulden  zeigt, 

dann  erhebe  das  wort  {gegen  dich)       Herder  27, 131; 

zank,  raubsucht,  neid  und  furcht,  die  quelle  steter  schmerzen, 
und  sieben  gräuel  sind  in  eines  wuchrers  herzen 

Hagedorn  poet.  werke  (1769)  l,  65. 

ß)  greuel  sexuell  gewendet:  und  treiben  unternander 
freund  mit  freunds  weihe  greuel  Hesek.  22,  ll;  aber  sie 
(Jesabel  =  die  röm.  kirche)  wird  sich  nicht  bessern, 
darum  will  ich  sie  in  ein  anderes  bett  werfen,  als  wor- 
innen  sie  bisher  ihre  greuel  getrieben  hat  Jung-Stil- 
LING  3,  67;  besonders  von  widernatürlicher  unzucht:  du 
solt  nicht  bey  knaben  ligen  wie  beim  weibe,  denn  es 
ist  ein  grewel  3.  Mos.  18,  22;  kein  weih  sol  mit  eim 
thier  zuschaffen  haben,  denn  es  ist  ein  grewel  23;  meine 
meynung  .  .  ,  dasz  wir  aus  heiliger  schritt  erkenneten, 
dasz  gott  diese  greuel  (blutschande,  Sodomie  u.  s.  w.)  an- 
fänglich allen  menschen  .  .  verbotten  habe  Thomasius 
gedanken  und  erinnerungen  3,  157;  weil  sie  unerhörte 
greuel  und  widernatürliche  sünden  sollen  getrieben 
haben  Triller  poet.  betracht.  (i746)  2,  627;  eine  Visita- 
tion (der  klöster)  .  .  .  war  .  .  .  auf  unverantwortliche 
.  .  .  aussch weifungen,  greuel  .  .  .  wie  in  Sodom,  ge- 
stossen  Ranke  reform,  gesch.  4,  42;  vgl.  auch:  der  träum 
kitzelte  die  einbildungskraft  des  novizen,  er  erzählte 
ihn  .  .  einem  mönche,  und  so  lief  er  durch  das  ganze 
kloster,  verbrämt  mit  gräuel  und  lüsternen  bildern 
Klinger  3,  8. 

y)  greuel  für  blut-  und  geicaltthaten,  die  von  einzelnen 
verübt  werden,  oder  krieg,  empörung,  executionen  u.  dgl. 
begleiten,  setzt  sich  erst  seit  dem  18.  jh.  recht  durch: 
wie  ist  es  möglich,  dasz  eine  so  thätige  regierung,  wie 
die  sardinische,  nicht  kräftige  maszregeln  gegen  solche 
gräuel  (morde  aus  räche)  zu  ergreifen  weisz?  grafen 
Stolberg  6,  316;  dasz  gott  im  ordentlichen  natur-  und 
geschichtsverlaufe  dergleichen  gräuel  (wie  das  blutbad 
zu  Bethlehem)  zuläszt,  ist  zu  verstehen  Strausz  4,  76; 
während  ihr  gemahl  in  neuen  blut-  und  gewaltthaten 
Zerstreuung  sucht,  .  .  blickt  sie  aus  ihrem  frauengemach 
auf  die  unerhörten,  vergeblichen  gräuel  zurück  Grabbe 
4,  200  Blumenthal ;  ich  habe  eine  ehrsame  wunde ,  die 
einer  meiner  getreuen  mir  schlug,  indem  ich  den  greuel 
abwehrte  (unthaten  der  seinen  an  den  eigenen  landsleuten) 
Hölderlin  2,165  üte»ia7w,-  Constanze  brachte  die  kröne 
an  das  schwäbische  kaiserhaus,  nicht  ohne  blutigen 
Zwiespalt  der  parteien  und  eine  mit  greueln  befleckte 
eroberung  Platen  3,  7  Hempel;  unsere  Chroniken  be- 
wahren noch  mit  blutigen  lettern  tausend  gräuel,  so 
jene  scheuszlichen  horden  (die  Tartaren)  dermaleinst 
in  diesen  Auren  verübet  Holtei  erz.  sehr.  13,  132;  sie 
(die  Vorsehung)  fand  die  voraussendung  aller  der  uns 
empörenden  und  erschreckenden  greuel  nöthig  (von  der 
französ.  revolution)  Klinger  toerke  ii,  ii;  die  national- 
versammlung  ward  liun  offener  greuel  beschuldigt  HÄus- 
SER  deutsche  gesch.  1,  345;  dieses  ist  auch  die  Ursache, 
dasz  die  gräuel  in  Indien  bisher  ungestraft  gehlieben 
sind  Archenholz  England  u.  Italien  l^  21;  in  Chal- 
kis  namentlich  fielen  arge  greuel  vor;  im  ganzen  ward 
aber  doch  in  den  Strafgerichten  (seitens  der  Römer)  masz 
gehalten  Mommsen  röm.  gesch.  2,  47. 

6)  eine  eigene  geschichte  hat  greuel  der  Verwüstung; 
die  ivendung  beruht  auf  3  Danielstellen:  und  bei  den 
flügeln  werden  stehen  grewel  der  Verwüstung  (erit  in 
templo   abominatio  desolationis)  9,  27;    die    werden   das 


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heiligthum  in  der  feste  entweihen  .  .  und  einen  grewel 
der  Wüstung  aufrichten  {et  dabunt  äbominationem  in  de- 
solationem)  11,  31 ;  wenn  das  tägliche  opfer  abgetan  und 
ein  grewel  der  Verwüstung  dar  gesetzet  wird  (posita 
fuerit  alominatio  in  desolationem)  12, 11 ;  vgl.  auch  l.  Makk. 

1,  57;  Matth.  24, 15;  Marc.  13, 14;  die  ältere  theologie  dachte 
dabei  anscheinend  stets  an  heidnische  Standbilder  {vgl. 
greuel  götzenbild  1  b),  doch  ist  das  den  zahlreichen  be- 
nutzem  der  Danielstellen  nicht  immer  klar:  wenn  ir 
sehen  werdend  den  gruwel  der  Zerstörung,  darvon  der 
prophet  Daniel  gesagt  hat  Tschudi  chron.  Helvet.  2,  34; 

Daniel  geweissaget  hat 

das  der  grewl  an  der  heiigen  Stadt 

sampt  der  Verwüstung  werde  stehn 

Nie.  Herman  sontags  evangelia  164  Wolkan; 

wenn  nach  Daniel  sich  hebet 
fluch  und  greul  an  heil'gem  ort 

Brentano  1,  360; 

zur  zeit  do  das  liecht  evangelium  der  heiligen  bilder 
ausz  den  kirchen  gebissen,  ...  ist  an  ir  statt  ain 
grewl  der  Verwüstung  gestelt,  die  bildnusz  des  grew- 
lichen  thiers  {Luthers)  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  l, 
63 1*;  vor  allem  erklärte  man  die  bilder  in  den  kirchen 
für  einen  greuel  an  heiliger  statte  Ranke  reform,  gesch. 

2,  16;  doch  wurde  die  Wendung  frühzeitig  aus  ihrem  rah- 
men gelöst  und  mannigfach  anders  verwendet:  also  ys 
de  christenheyt  in  den  affgrundt  unde  in  den  gruwel 
der  verwöstinge  gevallen  Rotmann  restitution  12  neudr.,- 
ist  mir  die  geschichte  nicht  mehr,  was  sie  mir  sonst 
schien,  ein  gräuel  der  Verwüstung  auf  einer  heiligen 
erde  Herder  17,  353;  und  wo  der  gräuel  der  Verwü- 
stung mitleid  und  trauer  erregt  hatte,  da  sprossten  bald 
nachher  wieder  schöne  saaten  Steub  drei  sommer  in 
Tirol  1,  290;  auch  im  plural:  die  grewel  der  Verwüstung 
menschlichen  geschlechts  Guarinonius  buchtitel;  mein 
.  .  .  söhn  hat  mir  von  den  gräueln  der  Verwüstung,  die 
er  {nach  der  schlacht  bei  Hanau)  in  jener  gegend  und 
auf  dem  ganzen  weg  zu  erblicken  gehabt,  nicht  genug 
erzählen  können  Göthe  IV  24,  190  Weim.;  aus  den 
Spielwaren-  und  andern  laden,  wo  an  diesfem  tage 
greuel  der  Verwüstung  herrschten  Seidel  Leber.  Hühn- 
chen (1899)  82;  variiert:  eth  ys  dat  sulve  volck  {die 
Juden)  ...  in  all  sülcken  gruwel  unde  vorwöstinge 
gekommen,  dat  se  godt  eren  heren  unde  syn  wordt 
gantz  vorachteden  Rotmann  restitution  8  neudr.;  die 
thore  wurden  aufgebrochen  und  die  stadt  allen  greueln 
der  Plünderung  preis  gegeben  Niebuhr  röm.  gesch.  3, 
672;  gibt  er  {der  dichter)  uns  ein  bild  von  den  greueln 
der  Zerstörung  einer  stadt  Brunn  kl.  sehr.  3,  99;  vgl. 
auch:  gräuel  werden  Europa  verwüsten  Klinger  werke 
.s.  33. 

d)  gern  parallel  mit  anderen  Substantiven,  die  dem 
begriff  des  wortes  oft  besondere  färbe  geben;  davon  auf 
die  ältere  zeit  beschränkt:  damit  {hat  er)  .  .  .  allerhand 
greuel  und  scheuel,  sonderlich  aber  die  abgötterey  .  ,  . 
veranlasst  Dannhawer  catechism.  milch  i,  154;  in  dem 
sie  dahin  arbeiten,  dasz  die  orgeln,  als  ein  öffentlicher 
grewel  und  schewel  aus  den  kirchen  strack  heraus  ge- 
rissen werden  Riccius  music-büchelein  (l63i)  8:  wenn 
die  eitern  gottlos  sein,  ...  so  werden  aus  den  kindern 
.  .  .  eifel  grewel  und  schewel  Mathesius  Syrach  (1686) 

3,  32^; 

das  gaukelspiel  der  weit  ist  nichts  als  lauter  list, 

die  so  voll  schand  und  greul  als  schön  von  aussen  ist 

Rachel  satyr.  ged.  104  neudr. ; 

dich  treibt  die  deinige  (lust)  zu  schand  und  gräuel  an 

Drollinger  ged.  46; 

indessen  ist  dieser  englische  freiheitskampf  nicht  durch 
die  schänden  und  gräuel  entehrt  worden,  welche  unsere 
tage  so  scheuszlich  gemacht  haben  Arndt  sehr,  für 
u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  471 ;  noch  habe  ich  von  den 
Franzosen  nichts  als  ihre  gräuel,  ihre  laster  kennen 
gelernt  H.  v.  Kleist  br.  an  s.  braut  197  Biedermann; 

da  kamen  über  uns  gezogen 

die  Schmach,  die  greuel  ohne  zahl 

Schenkendorf  ged.   (1815)  59; 


all'  die  quälen,  gräu'I  und  wunden 
hab'  ich  schon  auf  dieser  erden,  hab'  ich  in  Florenz  gefunden 

Geibel  1,  169  Cotta; 

vgl.  auch  3  a;  alle  gewaltthaten  und  greuel,  welche 
dem  zuchtlosen  sieger  möglich  sind  Freytag  13,  55; 
revolutionen  mit  allen  sie  begleitenden  schrecken  und 
gräueln  Pückler  briefw.  u.  tageb.  4,  84; 

es  sträubte  sich  mein  heldenhaar 
des  mords  und  greuels  wegen 

Blumauer  ged.  (1782)  203; 

von  den  beiden  frauen,  deren  feindschaft  im  sechsten 
Jahrhundert  das  fränkische  königshaus  mit  gräuel  und 
blut  füllte  Freytag  17,  199;  wyr  sind  nit  alleyn  vom 
tempel  durch  bapsts-  und  menschenlere  vorfuret,  son- 
dern haben  auch  yhn  zurbrochen  .  .  mit  allerley  frevel 
und  grewel  Luther  lO,  i,  l,  431  Weim.;  die  grosse  Babi- 
lon,  die  mutter  aller  Unzucht  und  grewel  Mathesius 
ausgew.  werke  188  Loesche;  seine  {Lucifers)  possen  seynd 
eitel  frembde  figuren  und  lügen,  die  gott  nicht  hat  in 
ihme  in  form  eingeführet:  er  aber  führet  sie  in  sich 
in  formen  ein,  und  weiln  es  wider  seine  Schöpfung 
laufet,  so  sinds  lügen  und  greuel  Jag.  Böhme  sehr. 
(1620)  2,  47;  gr.  und  irrthum,  schulden  s.  o.  c  a;  unten  e; 
gr.  und  spott,  lästerung  s.  u,  4;  gr.  und  fluch,  Verwü- 
stung s.  0.  c  &. 
e)  oft  im  ausruf: 

gräuel  —  vater  Jupiter  —  hochverrath! 
Minerva,  deine  tochter, 
steht  dem  rebellen  bei 

GöTHB  39,  203  {Prometheus) ; 

welcher  gräuel!  können  menschen  ihre  nebenmenschen 
so  verdammen  Nicolai  Nothanker  2,  13; 

o  greuel  I  kaum  berührt  er  Berthen 

mit  seinem  hart, 
als  sie,  statt  ganz  ein  weih  zu  werden, 

ganz  drache  ward 

Pfeffel  poet.  vere.  2,  132; 

ha  des  greuels !  harpyen  gebar  Anadyomene ! 

Klopstock  Oden  2,  89  Muncker-Pawel ; 

ja,  du  suchst  unsre  freud  durch  undank  noch  zu  stören 
pfuy  spott  I  pfuy  schmach,  .  .  .  pfuy  gräul 

Hafner  ges.  lustspiele  1,  102; 

auch  gesteigert:  o  grewel  über  alle  grewel  Luther  8, 
513;  o  gruwel  aver  gruwel  Rotmann  restitution  76 
neudr.;  diese  phrase  auch  sonst  in  emphatischer  spräche: 
sindt  das  nicht  grewel  und  yrtumb  über  greul  Luther 
34,  1,  507   Weim. 

4)  von  wort  und  rede;  ein  sehr  seltener  gebrauch;  mit 
ganz  besonderer  färbung  schon  mhd.: 

maneger  sagt  den  wiben  von  dem  guote  grözen  griule 

{schauerliches,  Wunderdinge) : 
kumt  si  mit  ze  Riuwental,  sl  vindet  dürre  miule 

Neidhart  49,  7 ; 

sonst  einfach  'grauenhaftes,  abscheuliches' :  die  unsinnigen 
saszen  halb  nackt  und  sagten  gräuel  Claudius  4,  125; 
im,  sinne  religiösen  freveis  {s.  o.  3ca): 

wenn  der  wald,  wenn  felsen  wiederschallen, 
frevler,  deinen  greul  und  deinen  spott, 
o  so  tönen  dieses  tempels  hallen : 
'eine  feste  bürg  ist  unser  gott!' 

Schubart  sämtl.  ged.  3,30; 

schon  weiter  ab  steht:  das  evangely  der  mönch  zu  Parys, 
welches  sie  .  .  .  umb  das  1260.  jar  gemacht  .  .  .  hatten, 
voll  allerley  grewel  und  lästerung  Fisghart  binenkorb 
(1588)  29*,  das  sich  eher  stellt  zu  greuel  und  irrthum, 
gr.  u.  lügen  3  a  «,  d. 

5)  adjectiva  neben  greuel.  im  16.  t7.jh.  ist  grosz  das 
allgemeinste  epitheton:  es  ist  der  aller  gröst  greuel  auf 
erden,  das  nyemant  der  dürftigen  not  sich  wil  annemen 
kämpf  d.  Schwärmer  gegen  Luther  25  Enders;  von  S.  Do- 
minici,  des  predigermünchs ,  .  .  .  artlichem  leben  und 
grossen  greweln  Fischart  buchtitel;  {die  alten  Deut- 
schen) sagten,  es  were  der  gröste  gräwel,  das  unbe- 
greifliche wesen  der  herrligkeit  gottes  an  einem  steine 
.  .  .  anbilden  Schill  teutsch.  sprach  ehren  kränz  (1644) 
262;  ich  habe  mich  bey  der  anhörung  eines  so  groszen 
greuels    {dasz   für  geistl.   compositionen   ital.    operntexte 

14* 


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GREUEL 


216 


verwandt  wurden)  .  .  .  nicht  wenig  geärgert  Scheibe 
crit.  musicus  (1745)  176;  hvTHERscher  lieblingsausdruck : 
erschrickt  dein  hertz  nicht  für  solchen  grewiichen 
grewel  deiner  abgotterey  werke  so,  2,  564;  viel  grewlicher 
grewel  26,  488;  iveitere  leispiele  unten  und  unter  6; 
daneben  anderes:  die  verstendigen  werdens  leichtlich 
mercken,  weil  es  ist  ein  lauter  grewel  für  gott  Nigri- 
Nus  von  Zauberern  (1592)  192;  ein  hochsträflicher  grewel 
Ayrer  hist.  Processus  juris  (l600)  341 ;  von  dergleichen 
und  wol  ärgeren  gräueln,  so  sich  bey  den  heydnischen 
oraculn  begeben  Prätorius  abentheuerl.  glückstopf 
(1669)  169;  gott  .  .  .  bestraft  auch  den  verborgensten 
gräuel  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  l,  276;  ge- 
legentlich icird  in  dem  epitheton  eine  prägnante  bedeu- 
tung  von  gr.  fühlbar:  so  sollen  wir  got  .  .  bitten  umb 
weiter  erclerung  und  erkanntnusz  solchs  stinckenden 
grewels  {des  päpstl.  wesens)  Cronberg  Schriften  12  neiidr. 
{vgl.  greuel  'unraV  l  c);  an  eine  verbale  Verbindung  {siehe 
u.  7  d)  ist  anzuknüpfen:  unerhörte  greuel  und  wider- 
natürliche Sünden  Triller  {s.  o.  3  cß);  ähnlich:  wenn 
ir  sehen  werdent  .  .  .  den  unauszsprechlichen  grewel 
der  verstörung  am  heyligen  ort  Sleiüanus  reden  40 
Böhmer'  {vgl.  3  c  ()");  dies  waren  mir  alles  unsägliche 
greuel  G.  Keller  l,  348;  ger7i  mit  attributen  des  sub- 
jects,  z.  b.  bäpstliche  grewel  Migraelius  Pommerland 
(1640)  4,  67;  heidnischer  gräuel  Aurbaciier  volksbüchlein 
36;  ähnlich  im  scherz  türkischer  gräuel  {kaffee)  Yoss  ge- 
dickte (1802)  1,  99,  vgl.  1  b;  thiens;'her  greuel  für  Sünden 
des  fleisches  Lavater  verm.  Schriften  8,  60;  eigen: 

dann  ihr  alle,  so  gereinigt 
von  dem  fremden  gräuel 
«  (dem  gr.  der  fremdherrschajt), 

alle  ihr,  nun  so  geeinigt 
zu  der  eintracht  knäuel         Rückert  1. 128; 

ich  stand  auf  bergen  hoch 

und  übersah  die  erde,  .  .  . 

ich  sah  den  blut'gen  greul 

\gr.  des  bluten), 

der  lag  auf  ihren  tiefen  129. 

auch  bei  persönl.  bedeutung  des  subst.  sind  einige  attri- 
bute  typisch;  an  gr.  der  Verwüstung  {s.  o.  Z  c  ä)  lehnt 
sich  anscheinend: 

der  wüste  grewel  (d.  i.  der  papat)  sitzet  schon 

an  heyiger  statt  Gengenbach  337  Goedeke 

{anspielung  auf  die  Danielstellen,  denen  gr.  d.  verw. 
entstammt);  auch  dinglich  {ohne  diese  beziehung):  das 
bapstum  hat  einerley  heubt  und  dennoch  mancherley 
und  nicht  einerley  leib,  das  mag  mir  ein  wüster  grewel 
sein  Luther  26,  603;  noch  heute  als  Schimpfwort  im 
alem.:  du  wüeste  grüwel!  Staub -Tobler  2,  834;  der 
grewliche  grewel  zu  Rom,  der  sich  bapst  nennet  Luther 
wider  das  bapstum  (i545)  A  ij  ^ ;  ebenso  werke  7,  671  Weim. ; 
weniger  characteristisch :  yhr  ungeheure  grewle  der  weit 
{bischöfe)  8,  501; 

denn  wird  entdeckt  seyn  abentewer, 

das  er  {der  papst)  eyn  greul  ist  ungehewer 

H.  Sachs  22, 133  Keller-Qoetze ; 

der  unmenschlich  gräuel  {papst)  Eb.  v.  GOnzburg  2,  26 
neudr.;  doch  war  er  {Cromwell)  nicht  der  schwarze 
gräuel,  wozu  viele  ihn  gemacht  haben  Arndt  ansichten 
u.  aussichten  (1814)  395. 

6)  genitive  neben  greuel.  meistens  hat  der  genitiv  die 
function,  die  begriffe  beider  subst.  zu  parallelisieren ; 
so  namentlich  neben  dem  sing.,  in  älterer  zeit  aus- 
schlieszlich  mit  religiöser  Orientierung:  diese  meinung 
berechnet  man  2000  jähre,  ohne  gesetz,  unter  dem 
greuel  vieler  götter  (=  des  polytheismus)  Harsdörffer 
teutscher  secretarius  2,  49;  wo  ist  der  grewel  des  papstums 
her  entstanden  Moscherosch  insomnis  cura  an  neudr.; 
das  du  sihest,  wilch  eyn  grewlicher  grewel  des  unglaw- 
bens  unter  dem  schonen  leben  ligt  Luther  lo,  i,  i,  408; 
sed  est  ein  schertz  gegen  dem  greulichen  greuel  der 
messe  34,  i,  205 ; 

was  stellstu  vor  dein  angesicht 
den  grewel  unsrer  Sünden? 

SiM.  Dach  bei  Fischer-Tümpel  3,  72; 


doch  jetzt  ergreift  er  {goU)  die  waffen 

den  greul  der  sünde  {auf  erden)  abzustrafen 

Hartmann  volksschausp.  in  Bayern  u.  Österreich 

31,  84; 

vgl.  {das  weibervolk)  war  gekommen  mit  besen  und 
bürsten  .  .  . ,  dem  gräuel  der  sünde  und  schände  {des 
schmutzigen  junggesellenhaushalts)  ein  ende  zu  machen 
Raabe  hungerpastor  (i864)  3,  175; 

weil  seiner  {Roms)  laster  greul  uns  stets  vor  äugen  steht 
Gottsched  deutsche  Schaubühne  4,  23; 

auch  sonst  werden  bis  in  jüngere  zeit  hinein  aus  dem 
gen.  prägnantere  bedeutungen  von  gr.  fühlbar  {vgl.  Kra- 
mers Scheidung  oben  3  c): 

was  konnte  dich  bewegen,  diesen  mund  .  . . 
mit  schwarzer  Sprüche  greuel  zu  entweihn 

Grillparzer  werke  (1887)  4,  55; 

das  wahre  fürstenherz,  das  keine  scene, 
kein  greul  des  todes  niederschlägt 

Maptalieb  ged.  (1774)  28 ; 

sein  {Christi)  ganzer  körper  fliegt 
am  kreuz  empor;  —  er  fühlet 
des  todes  siebenfache  gräuel 

Ramler  lyr.  ged.  (1772)  355; 

aber  bald  wurden  die  musen  durch  den  greuel  der 
wafen  aufs  neue  aus  Latien  vertrieben  Boom  er  Samm- 
lung crit.  poet.  Schriften  1,  83;  willst  du  wirklich  den 
gräuel  des  blutes  über  ein  schuldloses  land  ausgiessen? 
Meiszner  Skizzen  2,  112;  dasz  der  greuel  des  menschen- 
opfers  erst  von  den  Puniern  bei  ihnen  eingeführt  wor- 
den sei  Ranke  14,  5;  drei  funken  irrten  zuletzt  noch 
latlos  an  den  zischenden  scheitern  hin  .  .  .,  die  letzten 
flüchtlinge  aus  dem  greuel  einer  wassersnot  Ludwig 
2,  175;  erst  in  neuerer  zeit  auch  in  unbestimmterem  sinne: 
wer  will  da  worte  Onden,  den  gräuel  der  niederträchtig- 
keit  zu  zeichnen  Lavater  physiogn.  fragm.  l,  89;  in 
dem  gräuel  von  kabalen,  schwarzer  verläumdung,  fal- 
scher devotion,  spiel  und  Wohlleben  Iffland  theatral. 
werke  1,  142;  barmherziger  gott,  .  .  .  welch  ein  greuel 
von  menschenverbindung  an  deinem  altare  {von  einer 
seltsamen  ehe)  Thümmel  reise  9,  144;  so  ein  greuel  von 
miszverhältnissen,  als  ich  nur  einigermaszen  zu  balan- 
ciren  hatte,  ist  mit  gedanken  kaum  zu  fassen  Göthe 
IV  9,  187 ;  plurales  greuel  viit  gen.  wesentlich  erst  seit  dem 
i.8.  Jh.;  häufig  sind  subjective  genitive  verschiedenster  art, 
z.  b.  die  greuel  des  pabstthums  allg.  dtsch.  bibl.,  anhang 
zu  25-36,  8418;  seine  {des  volkes)  Verwilderung,  die  in 
den  greueln  der  revolution  gesteigert  war  Gervinus 
gesch.  d.  Id.  jhs.  1,  5;  ob  die  greuel  der  commune  zum 
ausbruch  gekommen  sein  würden,  wenn  Bismarck  ged. 
u.  erinn.  2,  138  volksausg.;  in  anderen  fällen  handelt  es 
sich  weniger  um  die  Vorstellung  des  Urhebers,  als  um 
die  innerer  Verbindung,  wie  beim  sing.;  dementsprechend 
oft  auch  bestimmtere  fassung  des  begriffs  von  greuel: 
{das  südl.  Hochafrika,)  wo  sich  noch  nicht  die  greuel 
der  Sklaverei  eingewurzelt  haben  Ritter  erdk.  l,  102; 
die  Vorstellungen  vom  baue  des  körpers  sind  mangel- 
haft trotz  der  Vivisektionen,  welche  die  greuel  der 
menschenopfer  mit  sich  brachten  Ratzel  Völkerkunde 
2,  131 ;  ein  ander  mittel,  die  eingeschlichenen  greuel 
dieser  feste  {opferfeste)  abzuschaffen  Gottsched  neueste 
a.  d.  anmuth.  gelehrsamkeit  2,  184;  in  loserer  Verbindung : 
so  öffnet  sie  {die  Unwissenheit)  dagegen  allen  gräueln 
des  aberglaubens  die  thore  H.  v.  Kleist  br.  a.  s.  braut 
207  Biedermann;  dasz  er  .  .  die  unrechtmäszigkeit  seiner 
gefangenschaft  und  alle  die  gräuel  der  tyrannei,  die 
während  derselben  an  ihm  verübt  worden  waren, .  .,  . 
vor  den  äugen  der  nation  ausgestellt  haben  würde 
D.  Fr.  Strausz  9,  126;  du  kannst  die  gräuel  einer 
Schlacht,  eines  lazarets  darstellen  Bürger  l,  344^  Bohtz; 
sehr  häufig  in  fällen  wie:  die  greuel  des  30jährigen 
kriegs  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  3,  436;  die 
anfange  der  neuen  zeit  gingen  unter  in  den  stürmen 
und  greueln  der  bürgerkriege  Justi  Winckelmann  2,  l, 
166;  nicht  selten  ist  ein  halb  temporaler  genitiv: 

lass  nicht  dein  heilig  angesicht 
die  greuel  meiner  Jugend  lesen 

Neukirch  ged.  (1744)  83; 


217 


GREUEL 


GREUEL 


218 


ein  priester  predigte  am  fest  der  Magdalene 
vom  greuel  ihrer  ersten  lebensart 

GoEKiNGK  ged.  3,  238; 

und  schändet  unsers  jungen  kaisers  morgen 
durch  keinen  greuel  schwarzer  mitternacht 

Zach.  Werner  Martin  Luther  (1807)  246. 

7)  greuel  in  verbalen  Verbindungen. 

a)  ein  greuel  sein  (werden),  das  16.  17.  jh.  kennt  ab- 
soluten gebrauch,  ohne  ein  object  der  person:  die  thoren 
.  .  sind  ein  grewel  mit  ihrem  wesen  ps.  14,  l ;  die  kinder 
der  gottlosen  und  die  sich  zu  den  gottlosen  gesellen, 
werden  eitel  greuel  Sir.  ii,  8;  auch  evver  sitten  und 
Wandel  gegen  diser  gehalten  gleich  ein  grewel  sein 
Seb.  Franck  chron.  u.  beschr.  d.  Türkei/  (l530)  A  III*; 
wäre  nun  hoch  zu  wünschen,  dass  unser  land  kein 
grewel  wäre  F.  Wyss  nach  Staub-Tobi.er  2,  834; 

zu  tödten  aber  den,  der  nichts  als  dein  heyl 

und  bestes  sucht,  das  ist  fürwar  ein  grosser  grewl 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Solana  (1636)  23; 

später  selten:  alles,  was  Richard  thut,  ist  greuel;  aber 
alle  diese  greuel  geschehen  in  absieht  auf  etwas  Les- 
sing 10,  121;  ist  das  eine  erziehung?  nein,  das  ist  ein 
gräuel  Brunner  erzähl,  u.  sehr.  1,252;  im  dialekt:  dat 
is  en  gruels  drückt  erstaunen  und  Verwunderung  aus 
Schütze  holst.  2,  65;  dat  were  jo  wol  een  grouwel  das 
wäre  doch  erschrecklich  brem.  wb.  2,  551.  meist  durch 
ein  object  erweitert: 

«)  einem  ein  greuel  sein,  erst  seit  der  reformations 
zeit  voll  enticickelt;  mhd.  selten:  daz  hie  vor  under  den 
alten  vetern  ire  etlich  ein  unmenschlich  .  .  .  strenges 
leben  fürten,  daz  ze  disen  nüwen  ziten  etlichen  weichen 
menschen  ein  grüwel  ist  allein  dur  von  hören  sagen 
Seuse  dtsch.  sehr.  107,  23  Bihlmeyer ;  mit  persönl.  sub- 
ject:  wer  solches  thut,  der  ist  dem  herrn  ein  grewel 
5.  Mos.  18, 12 ;  falsche  mäuler  sind  dem  herrn  ein  grewel 
spr.  12,  22 ;  ein  viel  citierter  und  variierter  spruch :  der 
gerechter  gott,  als  welchem  solche  zweizüngige  leute 
ein  greuel  und  absehen  sind  Rist  d.  friedewünschende 
Teutschland  (1648)  18;  einen  könig  .  .  .,  der  alles  böse 
hasset,  und  welchem  fürnemlich  die  Islutgierigen  und 
falschen  ein  greuel  sind  Besser  sehr,  l,  157  König; 

ich  suche  freundschaft;  abei  wie?    gesellen, 
gelbschnäbel,  klugsichdünker,  obenaus, 
glattzungen,   .  .  . 
sind  mir  ein  klarer  absehen,  greul  und  graun 

TiECK  sehr.  8,  420; 

der  religiöse  einschlug,  den  namentlich  Luthers  bibel  dem 
wort  gab,  bleibt  lange  an  der  wendung  haften: 

das  ihr  vertilgt  die  christn  alsandt, 
welche  seind  mir  und  gott  ein  greil 

Ayrer  dramen  3,  1785  lit.  ver.; 

ja  ein  recht  greuel  kan 
fürst  Fakardin  uns  seyn.  der  schäum  verdammter  Christen 
Lohenstein  Ibrahim  sultan  (1679)  21 ; 

wer  sich  aber  nicht  nach  Rom  bequemt,  ist  den  wahr- 
haft römisch  gesinnten  ein  greuel  Göthe  46,  63;  vgl. 
selbst  noch:  die  benachbarten  Völker,  denen  sie  (die 
ältesten  Römer)  ein  gräuel  sind,  weisen  . . .  die  zumuthung 
zurück,  ihnen  ihre  töchter  zur  ehe  zu  geben  Jhering 
geist  des  röm.  rechts  91 ;  erst  in  jüngerer  zeit  auch  freier : 
du  lebst  ,  .  .  dasz  du  allen  menschen  ein  greuel  bist 
Wieland  Lucian  (i788)  6,  50; 


der  stolzen  frau 
war  dieses  kind  ein  greuel 


Göthe  10,  281; 


ein  klug  schwatzender  Vorleser  .  .  .  wäre  mir  rund  her- 
aus ein  greuel  Fontane  I  4,  85;  auch  reflexiv:  nun  bin 
ich  von  gott  verworfen  und  verflucht  und  mir  selber 
ein  gräuel  Simrock  dtsch.  Volksbücher  2,  34;  so  werden 
sie,  wenn  sie  nicht  versumpfen,  über  kurz  oder  lang 
sich  selbst  ein  gräuel  und  eine  last  sein  Fontane  I  6, 
297;  sprichwörtlich:  der  im  selbs  heyltumb,  ist  andern 
ein  grewel  Seb.  Franck  Sprichwörter  (1545)  i,  41«;  Eye- 
RING  proverb.  1,  541;  Schellhorn  Sprichwörter  118. 
auch  bei  nicht  persönlichem  subject  ist  das  religiöse 
gebiet  zunächst  der  hauptgeltungsbereich :   falsche  wage 


ist  dem  herrn  ein  grewel  spr.  11,  l;  vgl.  20,10;  ihr 
{der  revolution)  antireligiöser  theil  war  mir  ein  greuel 
Haller  resiauration  der  staatswissensch.  1,  vii;  die 
Griechen,  denen  die  kriegslust  der  abendländischen 
geistlichen  ein  gräul  war  Raumer  gesch.  d.  Mohenstaufen 
1,  93;  der  ketzer  lehren  sind  mir  ein  gräuel  Alexis  hosen 
1,95;  2t*  ib:  wie  konntest  du  so  lange  weilen  bey  den 
götzenbildern  .  . ,  die  uns  ein  gräuel  sind  ?  J.  G.  Jacobi 
i,  63;  zu  sc ß:  frygische  nachtorgien  zuerst  besudelten  . . 
die  griechische  religion  mit  Jünglingsschändung,  die  noch 
dem  pisandrischen  Zeitalter  ein  greuel  war  Voss  anti- 
symb.  67;  ich  erkläre  ihnen  .  .  .,  dasz  die  sklaverey  des 
klosters  mir  ein  greuel  ist  Gotter  3,  106;  vollends  eine 
Verlobung  oder  heirath  aus  dem  Stegreife  war  mir  von 
jeher  ein  wahrer  greuel  Göthe  gespräche  4,  261;  dem 
relig.  ausgangspunct  entspricht  der  gebrauch  der  wendung 
zum  ausdriick  sittlicher  Verurteilung :  der  pracht  und  die 
eitelkeiten  der  weibsbilder  sind  dem  ehrlichen  mann 
ein  greuel  v.  Loen  ges.  hl.  Schriften  1,40;  das  ewige  gel- 
tenlassen, das  leben  und  lebcnlassen  war  ihm  (Merck) 
ein  gräuel  Göthe  29,93;  doch  auch  freier:  denn  der  poe- 
tiker hasset  alles  selbstarbeitcn ;  es  ist  ihm  ein  greuel 
Klopstock  gelehrtenrepublik  156;  ich  sage  der  wohllaut; 
weil  dieser  zwar  zwey  auf  einander  folgende  tonlose  syl- 
ben  duldet,  drey  dergleichen  aber  ihm  ein  gräuel  sind 
Adelung  lehrgang  d.  dtsch.  spräche  2,  27;  ohne  den  brief 
wäre  mir  das  telegramm  ein  greuel  gewesen  Fontane  I 
4,  425;  erweitert:  alles  übrige  war  ihrer  genügsamen  seele 
überflusz  und  greuel  Schubart  leben  u.  gesinn.  i,  104;  dem 
dogmatismus  ...  ist  diese  behauptung  eine  thorheit  und 
ein  gräuel  Fichte  l,  499;  und  ein  wischwasch  entsteht, 
der  dem  lieben  gott  eine  thorheit  und  den  menschen 
ein  greul  ist  Heine  3,  418;  die  fremdsucht  ist  ihr  {der 
deutschen  spräche)  galle,  gift  und  greuel  Jahn  2,  n ;  statt 
des  substant.  subjects  auch  nebensätze  oder  infinitive:  es 
ist  einem  teutschen  beiden  ein  grewel,  wan  er  der- 
gleichen wälsche  lappenbossen  siehet  Moscherosch 
gesichte  2,  61 ;  es  ist  mir  ein  greuel,  mich  also  rufen  zu 
hören  Hauff  i,  99. 

ß)  an  stelle  des  dativobjects  auch  präpositionen  oder  ob- 
jectiver  genitiv:  was  hoch  ist  unter  den  menschen,  das 
ist  ein  grewel  für  gott  Luc.  16,  15;  zum  Sprichwort  ge- 
worden, vgl.  Seb.  Franck  sprichw.  (I54l)  i,  130*; 

hoffart  ein  grewel  ist  vor  gott 

EvERiNG  proverb.  1,  74; 

hochmuth  ist  ein  gräuel  vor  gott  Fouque  gefühle,  bilder 
1,  251 ;  die  bapstlich  mesz  ,  .  .  ain  greil  vor  got  ist  städte- 
chron.  23,  849; 

ist  dir  die  sünde  so  zuwider, 
die  dann  ein  greuel  ist  vor  dir 

Besser  sehr.  2,  831  König; 

denn  die  Egypter  thüren  nicht  brot  essen  mit  den  Ebre- 
ern,  denn  es  ist  ein  grewel  für  inen  i.  Mos.  43,  82;  im 
16.  jh.  an  häufigkeit  hinter  dem  bloszen  dativ  nicht  zu- 
rückstehend;  jünger  und  seltener:  {der  liebling  des glückes) 
der  millionen  von  menschen  vor  sich  gebogen  sieht,  für 
die  er  auf  dem  throne  ein  greuel  ...  ist  Zimmermann 
von  dem  nationalstolze  199; 

ihr,  der  religion  unächte,  wilde  töchter, 

ihr  seyd  ein  später  gräul  für  menschliche  geschlechter 

Löwen  schriflen  1,  24; 

der  mann  war  ein  .  .  .  gräuel  für  jeden,  der  etwas  auf 
ein  wohlgewaschenes  gesiebt  .  .  .  gab  Raabe  hunger- 
pastor  (1864)  1,  70;  anderes  vereinzelt:  alles,  was  hoch  ist 
und  erhebt  bey  den  leuten,  das  ist  unachtsam  und  ein 
grewel  bey  gott  Luther  1,268;  ich  armer  bin  ,  .  .  bey 
vielen  ein  eckel  und  grewel  worden  18,  459;  dann  der 
nam  exarch,  Griech  und  constantinopolitanisch  reich 
war  ein  greuel  bei  den  Römern  worden  Seb.  Franck 
Germ,  chron.  632;  -warum  es  aber  in  allen  gesitteten 
Staaten  ein  gräuel  ist  seine  allernächsten  anverwandten 
zu  heirathen  Hippel  über  die  ehe  145; 

ach  soll  denn  ich,  nur  ich  allein 
ein  greuel  meines  Schöpfers  seyn? 

Günther  gedickte  (1735)  64; 


219 


GREUEL 


GREUEL 


220 


vgl. 

und  wirstu  mit  der  zeyt,  bey  sichelkrummen  rücken 

gleich  mit  dem  ganzen  leibe  nicken, 

so  wird  diesz  stumme  jal  alsdenn  mein  greuel  seyn 

Stoppe  Faniasz  (1735)  195; 

fern  sind  die  trauten  meines  herzens, 
ich  bin  ihr  Scheusal,  bin  ihr  greul 

Schubart  sämtl.  ged.  1, 120. 

b)  zum  greuel  machen,  werden :  du  hast  mich  inen 
zum  grewel  gemacht  ps.  88,  9; 

ach  seele,  weil  du  siehst  die  scheuszliche  gestalt  {die  sünde), 
die  dich  zum  greuel  macht  Canitz  ged.  (1727)  26; 

(wie  ich)  jetzt  im  begriff  wäre,  einen  schritt  zu  thun, 
der  mich  meiner  ganzen  familie  zum  greuel  machen 
müszte  Schubart  leben  u.  gesinn.  l,  248;  es  war  der 
mangel  eines  allgemeinen  strengen  unbeweglichen  ge- 
setzes  der  gerechtigkeit,  welches  jedes  andere  gesetz 
zum  gräuel  machte  F.  H.  Jacobi  2,  374; 

{er  soll)  beflecken  nicht  das  band,  das  uns  vereint, 
und  so  der  jüngstverflossnen  jähre  lauf 
zum  greuel  machen  und  zum  ärgern  isz 

Grillparzer  6,  22; 

einem  zu  einem  greuel  werden  Kramer  teutsch -ital. 
(1700)   1,  564  "■: 

durch  die  ereignisse  der  letzten  zeit 

ist's  {das  land)  mir  zum  greul  geworden  und  zur  hölle 

Grillparzer  6,  210. 

c)  für  greuel  halten,  als  greuel  erscheinen  u.  ä.:  et- 
was für  ein  greuel  halten  Kramer  teutsch-ital.  (i700) 
1,  564»; 

und  spricht:  was  hoch  ist  bi  der  weit, 
min  vater  das  für  ein  grüwel  hält 

N.  Manuel  Barbali  394; 

Herodes  beer  hält  dich  für  greul, 
und  bist  doch  nichts  als  lauter  heyl 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,327»; 

die  einen  hielten  die  kindertaufe  nur  für  unnütz,  die 
andern  für  einen  greuel  Ranke  reform,  gesch.  s,  365; 
gelegentlich:  sie  {die  Ägypter)  hielten  die  kinder  Israel 
wie  ein  grewel  2.  Mos.  i,  12;  wasz  es  eine  ahngenehme 
sach  vor  mich  ist,  die  dieszen  heurath  all  mein  leben 
wie  ein  greuel  ahngesehen  briefe  d.  Elisabeth-Char- 
lotte v.  Orleans  44;  beyliegende  acten  enthalten  die 
blätter,  welche  künftigen  geschäftsmännern  nothwen- 
dig  als  ein  gräuel  erscheinen  müssen  Göthe  IV  27,  185; 
sowie  das  moralische  gefühl  .  .  .  wieder  erwachte, 
muszte  dieses  verhältnisz  {der  jfründen-verschenkung 
tisiv.)  überhaupt  als  ein  greuel  erscheinen  Ranke  werke 
8,  132. 

d)  ein  greuel  zu  sehen,  ein  gr.  in  jemandes  äugen 
sein  M.  ä.:  greulich  wird  erklärt  durch  scheutzlich,  er- 
schrecklich, eyn  grewel  anzusehen  Emmelius  sylva  quin- 
quelinguis  (1592)  unter  greulich;  wie  musz  nun  dieses 
wol  ein  schmertz  und  grewel  zu  sehen  gewesen  sein 
Spee  güld.  tugendbuch  (1649)  73;  als  er  ankam  zu  Kro- 
tona,  war  es  ein  greuel  zu  sehn,  wie  da  gelebt  wurde 
Heinse  3,  417  Schüddekopf; 

geschunden  ist's, 
ein  greul  zu  sehn,    ein  stück  fehlt  von  der  wange 

H.  v.  Kleist  krug  37 ; 

befreye  meine  äugen  von  dem  gräuel,  dich  anzusehen 
Ramler  einl.  in  d.  schön,  wissensch.  2,  340;  sehen  sie 
nur  den  greuel  an,  wie  ihr  professor  Fischer  die  farben- 
lehre  vorträgt  Göthe  IV  33,  174 ;  es  ist  ein  greuel,  wenn 
man  sieht  s.  o.  a. ;  vgl.  ech  hä  mi  gril  drän  gesön  Her- 
TEL  thür.  110;  wie  sollen  sie  zu  solcher  sünde  kom- 
men, das  ist  ihnen  ein  grewel  in  ihren  äugen  Eeinicke 
fuchs  (1650)  192;  insonderheit  war  ihnen  Mallia  ...  ein 
greuel  in  äugen  Lohenstein  Arminius  (1689/,)  i,  244"; 
es  musz  folglich  ein  satyrenschreiber  .  . .  ein  greuel  in 
jedermanns  äugen  seyn  Liscow  samml.  sat.  -u.  ernsih. 
Schriften  193 ;  die  Eckartschen  camine  waren  ein  greuel 
in  ihren  äugen  Hippel  lebensläufe  2, 137 ;  wurde  ich  zur 
18.  compagnie  eingetheilt,  wo  ich  dem  hauptmann  ein 
greuel  im  äuge  bin  jahrb.  d.  Grillparzergesellsch.  l,  13; 
denn  er  war  ein  gräuel  vor  ihren  äugen  Raben  er  2,  56 
{vgl.  0.  a.ß);   Ugolino  sagt  zu  Anselmo: 


du  gräuel  meiner  äugen! 

Gkrstenberg  Ugolino  262  Hamel; 

{so  arge  Schmähungen)  dass  es  nit  allein  allen  erbaren 
oren  ze  hören,  sunder  auch  der  sunnen,  die  zuo  über- 
schynen,  ein  grewel  ist  alem.  quelle  von  1531  Staub- 
TOBLER  2,  834; 

ist  iehmals,  weil  der  bau  der  groszen  weit  gestanden, 
so  grimme  tyranney  und  greuel  auch  erhört? 

Gryphius  gedickte  66  Palm; 

ein  solcher  greuel  ist  nicht  erhöret  worden,  weil  die 
Universität  gestanden  Thomasius  nachahm.  d.  Franzosen 
IV  lit.  denkm.;  vgl.  unerhörter  greuel  5. 

e)  greuel  begehen,  verüben,  häufen  u.  ä.:  allerley 
greuel  thun,  üben,  begehen  Kramer  teutsch-ital.  (1700) 
1,  564* ;  darumb  haltet  meine  Satzung  . .  .  und  thut  dieser 
grewel  keine  3.  Mos.  18,  26;  vgl.  l.  Kön.  14,  24;  damit  er 
einen  grewel  begehet  Hes.  18,  12; 

den  greul  den  er  begangen,  wird  er  noch  fügend  nennen 

Dusch  verm.  werke  17; 

darumb  werden  sie  mit  schänden  bestehen,  das  sie 
solche  grewel  treiben  Jer.  6,  15;  wahrlich,  die  bösen 
leute  zu  Ruechenstein  betreiben  ihre  gräuel  wenigstens 
mit  einem  gewissen  aufwand  G.  Keller  5,  197 ; 

also  zahlen  dem  Orpheus  bis  jetzt,  dem  erschlagnen,  die 

weiber 
buszen  für  jenen  gräul,  welchen  an  ihm  sie  verübt 

A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  1, 114; 

von  ähnlicher  schwere  der  verübten  gräuel  ist  die  ge- 
schichte  der  Procne  Hegel  10,  2,  32; 

hab  deinen  zorn  erwäkt  und  mich  von  dir  gekehrt 
zu  grosser  übelthat,  hab  gräuel  angerichtet 

RoMPLER  V.  Löwenhalt  erstes  gebüsch  14; 

könige,  schaaren  aus  Völkern  vollführeten  viele,  nicht  kleine 
greuel  in  Jahrhunderten 

Klopstock  Oden  2,  102  Muncker-Pawel ; 

{romane)  in  welchen  . . .  greuel  auf  greuel  gehäuft  sind 
Knigge  Umgang  m.  menschen  (l796)  2, 106;  seine  tragödien 
behandeln  die  furchtbarsten  vorwürfe,  .  .  .  mit  gehäuf- 
ten greueln  Ludwig  5,  223;  {die  neueren  dichter)  haben 
.  .  .  um  den  mangel  an  Charakter  zu  verstecken,  eine 
menge  der  unnatürlichsten  greuel  auf  das  haupt  ihrer 
beiden  gehäuft  Platen  3,  240  Hempel;  alle  greuel  weg- 
thun,  abthun,  abschaffen,  ausrotten  (vom  greuel  reinigen) 
Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  564». 

R.  empfindung  des  grauens.  indem  theils  das  gefühl 
der  furcht,  theils  das  des  abscheus  stärker  betont  wird, 
ergibt  sich  eine  ledeutungsspaltung,  die  eine  wortspaltung 
zur  folge  hatte. 

l)  'furcht' : 

swelch  man  diu  jär  hat  äne  muot,  diu  doch  manzitic  sint, 
dem  machent  lihte  butzen  griul 

Leutold  V.  Seven  in:  W.  v.  d.  Vogelweide  261,  6 

Wackernagel-Rieger ; 

und  maniger  argen  smehe,  und  slahen  an  der  seule, 
swenne  ez  die  reine  sehe,  so  wer  sie  aller  smehe  sunder  greule 

j.  Tit.  5479,  2; 

frühzeitig  mit  dem  einschlag :  furcht  vor  unheimlichem, 
grauen :  wSre  ich  in  einer  wüestenunge  aleine,  da  mich 
grüwelte,  biete  ich  da  bi  mir  ein  kint,  so  vergienge 
mir  der  grüwel  und  würde  gekreftiget  myst.  2,  104,  12; 
mnd.  sehr  verbreitet:  van  juwem  gruwele  (ve«<ro  ferrore) 
dar  to  gedreven  Jos.  9,  24  halberst.  bib.  (1522); 

dat  schweet  dat  brecht  em  uth  vor  gruwel  und  vor  grase 
Lauremberg  scherzged.  2,  478; 

unde  men  kone  nicht  ein  sak  {wolle)  verkopen,  alse  it 
plecht  to  to  gande,  wen  ersten  de  gruwel  {bestürzung, 
panik)  darin  kumpt  brem.  urk.  von  1567  bei  Schiller- 
LÜBBEN  2,  161,  woselbst  weitere  belege;  im,  heutigen  nd. 
wohl  allgemein,  auch  in  einigen  md.  dialecten:  gruwwel, 
grüwwel  das  grauen  Strodtmann  77;  grouwel  brem. 
xvb.  2,  551 ;  grool  Stürenburg  ostfries.  76";  gruel,  gruwel 
Dähnert  163;  grauwel,  grüwel,  gruwwel  Vilmar  is5; 
grugel  Mi  mecklenburg.-vorpomm.  29;  gruggel,  grüggel 
Woeste  westfäl.  86'';  grujel  grusel  lux.  ma.  (l906)  157; 
redensarten:  do  koning  Cristiern  dat  vornam,  beth  en 


221 


GREUEL 


GREUEL 


222 


i 


de  gruwel  überfiel  ihn  das  grauen  hamburg.  chron.  21 
Lappenberg ;  bit  dy  de  gruwwel  grauet  dich?  Strodt- 
MANN  a.  a.  0.;  de  grouwel  kumt  mi  an  brem.  ivb.  a.  a.  o.; 
mi  geet  de  gruwel  an  ich  bin  furchtsam  und  bange 
DÄHNERT163;  's  geeht  een  e  graul  an,  durch  manche 
Strassen  zu  loofen  Müller-Fraureuth  l,  437 ;  aus  die- 
sem nd.md.  gruwel  ist  ein  heute  auch  der  Schriftsprache 
nicht  fremdes  grauel  (s.  d.)  erwachsen,  meist  mit  der  ver- 
engerten bedeutung  'gespensterfurcht' .  —  obd.  findet  sich 
die  bedeutung  'furcht,  grausen'  im  älteren  nhd.  nur  in 
spuren:  ich  werde  ein  lügner  erfunden,  wo  nicht  die 
erfarung  yhnen  selbs  offt  ein  grawel  gemacht  hat,  do 
von  ich  nit   sagen  will   Eb.  v.  Günzburg  3,  7  neudr.; 

es  sol  dir  ja  kein  grüwel  bringen 

tragödia  Joannis  .  .  .  gespilt  zu  Solothum 
(1549)  I  iiij ; 

forcht,  grewel,  schröcken,  zettermordt 
gespüret  ward  an  allem  ort 

Spreng  Äneis  38*; 

2)  'abscheu'.  erst  bei  den  nhd.  lexicographen:  abomi- 
natio,  detestatio,  horror  Alberus  (l540)  HHja;  abomi- 
. na^io  Maaler  (l56l)  192»;  abom.,  nausea,  fastidium  Ser- 
RANUS  synon.  (i579)  s.  v.;  abom.,  horror,  nausea  Stie- 
ler 679;  abomination,  detestation,  horreur  HuLSius- 
Ravellus  ital.-franc.-ted.  (1616)  145;  aöom.  Wiederhold 
(1669)  151»;  Dentzler  (1716)  140";  Wächter  (1737)  613; 
abominatio  kann  nach  kirchl.  Sprachgebrauch  auch  im 
sinne  der  bedeutung  A  zu  verstehen  sein;  vgl.  A  3  c  cT; 
auch  nd.  neben  der  bedeutung  1,  vgl.  brem.  wb.,  Stü- 
RENBURG,  dazu  auch  Müller-Fraureuth  a.  a.  o.;  mhd. 
anscheinend  noch  fehlend;  auch  nhd.  nur  in  einer  formel 
voll  entwickelt: 

a)  einen  greuel  haben,  meist  mit  an:  denn  sölichs 
alles  habend  sy  gethon,  und  ich  hab  einen  greüwel  an 
inen  gehebt  Zürcher  bib.  (l53l)  3.  Mos.  20  D ;  alle  meine 
getrewen  haben  grewel  an  mir  Hiob  19,  19;  vgl.  Tit.  i,  16; 
der  herr  hat  grewel  an  den  blutgirigen  und  falschen 
ps.  5,  7  {ein  viel  citierter  spruch,  s.  Dannhawer  cate- 
chism.  milch  1,  39;  Schupp  sehr.  (1663)  143;  H.  Sachs 
unten  c) ;  lügen  bin  ich  gram  und  habe  grewel  daran 
ps.  119,  163; 

so  gott  an  hüry  ein  grüwel  hat 

N.  Manuel  Barbali  711 ; 

joch  der  römischen  dienstbarkeit,  daran  einige  römi- 
sche kayser  .  .  .  selbst  einen  greuel  gehabt  Lohen- 
stein Armin.  (1689/.)  1,  64;  ich  hingegen  und  Christoph 
hatten  unsern  greuel  ah  dergleichen  unzüchtigen  lebens- 
art  Leipziger  avanturieur  (i750)  2,  50;  er  verzerrt  ein 
griechisches  bildsäulengesicht  in  hundert  andere  zu 
seinen  figuren,  so  dasz  der  wahre  kenner  der  natur 
und  kunst  seinen  greuel  daran  haben  musz  Gleim 
briefw.  l,  321  Körte;  eigen:  und  werden  myne  kleyder 
[grewel  an  myr  haben]  corr.  in  hesslich  stehen  Luther 
bibel  1,  405  Weim.  (Hiob  9,  3l);  —  seltener  (zumeist  alem.) 
mit  ab :  die  andern  Schwestern  heften  ein  gruel  ab  ir 
Geiler  eschengrüdel  (1514)  a6'';  vil  frummer  hertzen 
haben  ainen  grewel  ab  söUichen  predigern  Eb.  v.  Günz- 
burg 3,  267  neudr.;  und  hat  ein  gruwel  ab  der  chri- 
stenlichen  warheit  l,  86; 

wenn  das  (fleisch  u.  Mut)  hat  einen  grewi  darab  (vor  leiden) 
H.  Sachs  7,  408,  28  Keller; 

auch  vor  ist  selten:  der  du  ein  grawel  hast  vor  den  ab- 
göttern  Hedio  Augustinus  (i532)  57'»;  einen  greuel  vor 
dem  essen  haben  abhorrere  cibum  Stieler  697  (auch 
einen  gr.  woran  haben  abominari,  detestari  aliquid); 
einen  greuel  vor  (an)  etwas  haben  Kramer  teutsch- 
ital.  (1700)  1,  564»;  und  uff  der  orgel  aufgespielet,  dass 
gottliebende  hertzen  dafür  ein  abscheuen  und  greuel 
gehabt  Moscherosch  gesichte  (ißbO)  380 ;  (züchtige  frauen) 
werden  diesem  laster  nicht  allein  nicht  beywohnen, 
sondern  einen  eckel  und  grewel  darvor  haben  Beinicke 
fucha  (Rost.  1650)  374; 

hätte  für  der  menschen  orden 
unser  heyl 
einen  greul 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  8,330; 


meine  tante  hat  einen  gräuel  vor  Wielands  gedichten 
Heynatz  synon.  wb.  1,55*';  noch  heute  nd.:  ik  hebbe 
enen  grouwel  vor  den  minsken  brem.  wb.  2,  551;  en'n 
grüel  wovor  hem  Schambach  69;  —  anderes  vereinzelt: 
das  sie  (die  schivärmer)  dem  sacrament  feind  sind,  groll, 
ekel,  Unlust  und  grewel  im  hertzen  dawider  haben 
Luther  3,  357;  wir  uns  gemeinlich  etwas  darab  ent- 
setzen und  ein  grewel  darzü  haben  Ryff  spiegel  d.  ge- 
sundheit  (1544)  bb  IUP;  volck  des  man  grewel  hat  Jes. 
49,  7.  —  aiich  andere  verba  erscheinen  gelegentlich:  das 
nicht  allein  gott  .  .  .  und  alle  fromme  .  .  .  leuth,  son- 
dern auch  die  teufel  selber  einen  eckel  und  grewel 
dafür  tragen  Musculus  hosenteufel  8  neudr.;  (der  herr) 
gewan  einen  grewel  an  seinem  erbe  ps.  106,  40 ;  unsren 
sündenzustand  insgesamt  und  ieglicher  seine  eigene 
Sünde  recht  zuerkennen  und  einen  greuel  daran  zu 
fassen  Spener  erkl.  d.  erst.  ep.  Joh.  (1699)  449. 

b)  daneben  gelegentlich  in  viendungen  wie:  in  stosset 
ein  gruwel  an  Keiskrsberg  sermones  139^;  so  geet  in 
im  auff  ein  grauwel  derselbe  bei  Martin-Lienhart 
1,  265;  etiam  signa  febrium  sunt  rigores,  dasz  sie  greü- 
len,  als  wenn  man  einen  mit  einer  nadel  sticht,  ein 
grewel  durch    gehet  Paracelsus  opera  (1619)    i,  416A; 

der  gräuel  kommt  ihr  an,  wenn  sie  ein  spinnrad  schaut 

Rachel  satyr.  ged.  35  neudr.; 

es  ist  recht  zum  Jammer,  gräuel  und  ekel,  wie  ohne 
alle  Überlegung  man  zuweilen  nachgeahmt  wird  Bür- 
ger 206  Bohtz ;  weichergestalten  zwey  erzbetrüger  .  .  . 
sich  freventlich  und  zum  gräul  aller  ehrlichen  ein- 
wohner  .  .  .  erfrecht  haben  ihre  berüchtigten  nahmen 
zu  verändern  Ayrenhoff  5,  356;  sonst  selten: 

der  greuel  schnüret  mir  die  kehle  zu 

und  aller  zom  verstummet  in  dem  schrecken 

A.  V.  Arnim  20,83  Grimm; 

c)  gern  mit  anderen  Substantiven  gepaart,  die  die  be- 
deutung des  Wortes  nuancieren:  vol  grewels  und  hasz 
wider  das  sacrament  Luther  3,  357'*;  o  legt  ab  den 
grul  und  hass,  weil  es  mir  von  hertzen  leidt  engl,  comed. 
u.  traged.  (1624)  F  f  v*"; 

der  herr  hat  ein  grewl  und  unmuth 
den  falsch-girigen  nach  dem  blut 
H.  Sachs  18,  38,  8  Keller-Götze  (paraphrase  von  ps.  5,  7); 

aversor  die  äugen  abwenden,  ein  grewel  und  Unwillen 
haben  Calepinus  xi  ling.  (1598)  142'';  du  solt  einen 
ekel  und  grewel  daran  haben  5.  Mos.  7,  26;  daran  alle 
verstendige  .  .  .  leute  einen  grewel  und  ekel  haben 
Jonas  bei  Luther  18,  649  Weim.;  der  anblick  eines 
hungrigen  .  .  .  hat  diese  ansteckende  kraft  nicht;  er- 
barmen und  gräul  und  eckel  kann  er  empflnden  lassen, 
aber  keinen  hunger  Lessing  6,  521;  sehr  häufige  Ver- 
bindung, s.  0.  a,  b;  an  dem  der  vil  wort  macht,  hat 
man  ein  scheuhen  und  greuwel  Züricher  bib.  (1530)  638  ^ 
(ecclesiast.  20,  8);  abominor  verfluchen,  ein  greüwel  und 
ein  abscheühen  haben  Frisius  diction.  (1556)  8»;  ähn- 
lich für  execror  499'';  für  detestor  Calepinus  xi  ling. 
(1598)  410»;  greüwel  und  abscheühen  han  abominari 
Henisch  1741;  despuere  in  mores  verachten  und  ein 
greüwel  darab  haben  Frisius  400». 

C.  greuel  in  der  composition.  seit  je  gern  in  gelegen- 
heitsbildungen ,  die  aber,  was  bedeutung  und  gebrauch 
von  greuel  anlangt,  im  laufe  der  zeiten  Verschiebungen 
erfahren,  nur  die  bedeutung  A  'gegenständ  des  abscheus' 
ist  in  Zusammensetzungen  fruchtbar  geworden,  und  zwar 
ist  am  häufigsten  und  ältesten  eine  art  adjectiver  compo- 
sition, tvie  z.  b.  greuelgötze  (16.  jh.)  'ein  götze,  der  ein 
greuel,  greulich  ist',  das  16.  jh.  hat  erst  toenig  solcher 
composita,  meist  concrete  substantiva,  vgl.  -butze,  -kelch, 
•suppe,  -thier,  -zeichen;  -heim,  -hörn,  -schild;  sie  blühen 
im  17.  jahrh.,  vgl.  -becher,  -fleck,  -schlämm;  abstrae- 
ter:  -ehe,  -geiz,  -laster,  -mord,  -opfer,  -stück,  -sünde, 
-that,  -werk,  -wort;  auch  persönlich :  -fürst,  -kind,  -mann, 
im  18.  jh.  nehmen  sie  schon  ab,  vgl.  -bett,  -ding,  -ge- 
stalt,  -mahlzeit,  -volk,  -wesen;  doch  sind  solche  bil- 
düngen  noch  im  19.  jh.  bis  in  die  jüngste  zeit  hinein 
möglich,  vgl.  -arm,  -geschlecht,  -gott,  -mensch,  -Schlund, 


223 


GREUELANTLITZ  -  GREUELEHE 


GREUELEIN  —  GREUELGESTALT   224 


-schmuck;  -ausdruck,  -gebot,  -gesetz,  -spiel,  fühlbar 
unterschieden  sind  composita,  in  denen  greuel-  objective 
function  hat,  wie  etwa  greuelbild  'bild  des  greuels  oder 
von  greueln';  sie  kommen  erst  im  18.  jh.  in  schivang,  vgl. 
-geburt,  -geschichte,  -jähr,  -leben,  -scene,  -stadt;  und 
gelangen  erst  im  19.  jh.  zur  blute,  vgl.  z.  b.  -botschaft, 
-epoche,  -gemälde,  -häufen,  -haus,  -künde,  -märchen, 
-Schilderung,  -träum,  -weit  u.  a.  das  einzige  aH,e  ad- 
jectivcompositum  ist  greuelhaft  (l7.  Jh.),  dem  sich  im 
18.  jh.  in  ähnlicher  Verwendung  greuelvoll  gesellt,  heute 
abgelöst  durch  grauenhaft,  -voll;  sonst  nur  gelegen- 
heitsbildungen,  vgl.  greuelreich,  -trunken;  -bedeckt,  -er- 
füllt. 

GREÜELANTLITZ,  n.: 

denn  seitwärts  schweift  starrsinnger  boszheit  streben, 
hält  tugend  ihr  den  treuen  spiegel  vor  ; 
ihr  gräuelantlitz  meidet  sie  zu  schauen 

M.  V.  COLLIN  2,  94. 

—  greuelarm,  m.: 

und  deine  schulden  sollen  dich  zerfressen, 
mit  greuelarmen  dein  gehirn  umpressen 

LiLiENCRON  werke  (1904)  11,  146. 

—  greuelausdruck,  m..-  es  ist  doch  .  .  .  keins  so 
weit  unter  alle  menschliche  gefühle  versunken,  dasz 
es  diesen  greuelausdruck  der  höchsten  Verwilderung 
{gleichgültig keit,  ob  die  kinder  gut  erzogen  oder  verwahr- 
lost werden)  .  .  .  auch  nur  denken  ,  .  .  dürfte  Pesta- 
lozzi 4,41.  —  greuelbecher,  m.,  bicchiere.  calice  di 
abominationi  Kramer  teutsch.-ital.  (l700)  1,  564'';  vgl. 
greuelkelch.  —  greuelbedeckt,  pari.:  man  sieht 
eines  jener  greuelbedeckten  ungeheuer,  die  die  römische 
kaiserzeit  befleckten,  auf  dem  throne  Görres  5,  310.  — 
greuelbefehl,  m. ;  (Sejan)  seinen  günstling,  den  all- 
mächtigen knecht  und  Vollstrecker  seiner  {des  Tiberius) 
greuelbefehle  Alexis  zauberer  Virgilius  (i85l)  72.  — 
greuelbett,  n.; 

sie  steigt  in's  greuelbette,  wo 

des  mordes  blut  den  bund  ^ 

des  ebebruches  schlosz 

gedickte  der  grafen  Stolberg  13,  31. 

GREUELBILD,  n.:  da  wurden  jedwedem  die  gräuel- 
bilder  aller  {abscheuliche  menschenhäupter)  sichtbar 
FouQUE  Jahreszeiten  1,  157; 

denn  anders  wurdest  du  seit  jener  stunde, 
der  fürchterlichen,  wo  das  gräuelbild 
des  todes  vor  mir  aus  dem  boden  sprang 

Freytag  3,133; 

jedes  jähr  brachte  .  .  .  neue  rechte,  .  .  .  bis  .  .  .  die 
rednerbühne,  ein  gräuelbild  für  den  bonapartismus,  . . . 
wieder  aufgestellt  wurde  Treitschke  histor.  u.  polit. 
auf  Sätze  3,  317;  anders:  nicht  der  mindest  entsetzliche 
zug  in  diesem  gräuelbild  ist  die  völlige  zwecklosigkeit 
der  meisten  .  .  .  executionen  Mommsen  röm.  gesch.  5,606. 

—  greuelbildnisz,  n.: 

0  gräuelbildnisz,  könig  ohne  ehr'  und  schäm  I 

Fr.  V.  Schlegel  9,  210. 

—  greuelbotschaft,/.;  wenn  von  Frankreich  herüber 
jeder  tag  eine  neue  gräuelbotschaft  bringt  Riehl  gesch. 
aus  alter  zeit  1,  333.  —  greuelbund,  m..-  seit  lange  strebt 
man  dahin,  auch  fürsten  und  könige  für  diesen  greuelbund 
zu  gewinnen  Tieck  sehr.  20,  414.  —  greuelbutze,  m.,  s. 
th.  2, 595  unter  butzengreuel  {falscher  ansatz,  s.  gr.  B  l).  — 
greueldichter,  m.:  besser  mag  sich  der  düstere  schein 
der  nachtlampe  für  den  greuel-,  mord-  und  trauerspiel- 
dichter schicken  Bremser  24.  —  greuelding,  n. : 
diese  greueldinge  sind  so  lange  verdeckt  und  heimlich 
gehalten  worden  A.  Volgk  entdecktes  geheimnis  (1750) 
I,  154;  die  böhmischen  geschichtschreiber  berichten 
gräueldinge  über  die  Verheerungen,  welche  die  Schweden 
anrichteten  Hebbel  9,  195;  vgl.  tageb.  i,  352;  gräueldinge 
die  mein  ohr  nicht  glauben  möchte,  dasz  ein  christlich 
volk  derlei  erdulden  müssen  Alexis  d.  falsche  Woldemar 
(1842)  2,323.  —  greuelehe , /.; 

werd'  ich  mit  thränen  wol  genung  die  wangen  feuchten, 
wo  ich  die  greuel-eh  ja  noch  erleben  kan 

Lohenstein  rasen  (1680)  36. 


GREUELEIN,  ?i.,  demin.  zu  greuel :  greulein  nauseola 
Stieler  697.  —  greuelepoche,  /..•  die  gestalten  des 
wildverworrenen  Zeitalters  Heinrichs  VI.  und  der  greuel- 
epoche Richards  III.  Bayer  Studien  31  bib}.  d.  dtsch. 
schriftst.  aus  Böhmen.  —  greuelerfüllt,  pari.: 

als  bey  dem  greulerfüllten  krieg 
der  Städte  rauch,  des  beters  thräne 
rachfordernd  zu  dem  himmel  stieg 

Löwen  Schriften  (1765)  1, 131; 

dasz  ein  pfad  sich  uns 
eröffne,  der  aus  diesen  Schrecknissen 
des  greulerfüllten  lagerplatzes  führt 

H.  V.  Kleist  1, 169; 

—  greuelfeldzug,  m.,  im  weitkriege  die  feindliche 
Propaganda  gegen  die  greuel,  die  wir  Deutsche  angeblich 
in  Belgien,  Frankreich  und  früher  schon  in  unseren 
kolonieen  verübt  haben;  in  dieselbe  Sphäre  gehören  greuel- 
hetze,  -legende,  -märchen,  -propaganda.  —  greuel- 
fleck,  m. .- 

ich  wündsche,  dass  die  nacht  zertreib  ein  helles  heiter, 
dass  ihr  {meiner  gegner)  verfinstert  hertz  den  schwartzen 
greuelfleck  {ihrer  unthat), 

und  wie  es  sich  verstürtzt,  bey  klarem  licht  entdeck 

Gryphius  trauersp.  461,  335  lit.  ver. 

—  greuelfolge,  /.;  die  unzählbaren  greuelfolgen  der 
unkeuschheitsfehler  Europa's  Pestalozzi  7,  337; 

als  du  des  abfalls  greuelfolgen  sahst 

dort  in  Scheol  Schubart  sätntl.  ged.  2,  300. 

—  greuelfürst,  m.:  der  grewel-fürst  Lucifer  Jacob 
Böhme  sehr.  (l620)  4,200  {vgl.  greuel  A  8  c  a,  6  schlusz). 

—  greuelgebot,  n..- 

diesz  gräul-geboth,  vor  dem  der  edle  sklave  schaudert 

Ayrenhoff  werke  2, 170. 

—  greuelgeburt,  f.: 

sangst,  sehervogel,  warnende  töne  du? 
so  deutet's  reue.  —  brausender  schnob  empor 
mir  gottes  lohe,  hadernd  mit  den 
gräueigeburten  der. trüben  stunde 

gedichte  der  grafen  Stolberg  2,  266. 

—  greuelgeiz,  m.,  greulicher  geiz: 

da  dürfen  sie  noch  wol  aus  gantzem  grewel-geitz 
in  eusserster  armut  die  äugen  auf  mich  setzen 

Weckherlin  ged.  2,  70  Ut.  ver. 

—  greuelgemälde,  n.:  sie  {die  geschichte  der preusz. 
Staaten)  ist  kein  greuelgemälde  der  viehischen  schand- 
thaten  eines  volkes  Jahn  werke  i,  10.  —  greuelge- 
misch,  n.:  . 

welchen  die  eiserne  pflicht  in  der  erde  geschäfte  nicht 

stöszt, 
der  halte  sich  fern  der  unseligen  ding'  gram  triefendem 

gräuelgemisch ! 
Immermann  15,  378  Hempsl. 

—  greuelgeschichte,  /. ;  unter  den  ausführlicher 
erzählten  gräuelgeschichten,  in  welchen  egyptische 
mönche  .  .  .  mit  wirkten,  zeichnen  sich  .  .  .  die  des 
Thimotheus  Aelurus,  eines  mönchs  und  wahren  teufeis 
an  list  und  tücken  {erg.  aus)  aUg.  dtsch.  bibl.  61,  156; 
königin  Elisabeth,  die  es  erlaubt  hatte,  ...  die  greul- 
geschichten  ihrer  .  .  .  familie  .  .  .  auf  der  bühne  dar- 
zustellen Heine  7,228.  —  greuelgeschlecht,  n. : 

anbetung  —  anbetung  — 
über  des  sohnes  werk, 
welcher  erlöst 
ein  gefallen  greuelgeschlecht 

Hölderlin  1,  70  Litsmann. 

—  greuelgesetz ,  n.:  sie  wühlen  im  archiv  der  bar- 
barischen zelten,  um  greuelgesetze  wieder  ins  leben  zu 
rufen  Heine  5,  181. 

GREUELGESTALT,  f.: 

erbebend  schaudert  sie  zurück, 
stets  gräszlicher  entfalten 
sich  ihr  die  gräulgestalten 

gedichte  der  grafen  Stolberg  5,  259; 

der  grimmige  tiger  .  .  .  schlief  noch  fest  und  tief;  den 
noch  bebten  die  trauen  .  .  .  und  konnten  sich  nicht 
entschlieszen ,  über  die  gräuelgestalt  hinzuschreiten 
FouQUE  zauberring  3,  18; 


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225 


GREÜELGOTT  —  GREUELHEER 


GREUELHELM  -  GREUELN 


226 


zwei  drachenhäupter  hatte  das  unthier; 

eine  kröne  von  gold  und  eine  mutze  von  sammet 

schmückten  die  köpfe 

der  gräu'lgestalt  Schubart  sämtl.  ged,  2,  255; 

sieh,  und  mit  einmal  ragten  empor  die  gräuelgestalten, 
ftirchterlich  (die  giganten)        Baggesen  poet.  werke  1,  46. 

—  greuelgott,  m.: 

die  Römer  hätten  die  gefangenen  gezwungen, 
Zeus,  ihrem  greulgott,  in  den  staub  zu  knieen 

H.V.Kleist  2,365. 

—  greuelgötze,  m.:  was  sagen  sie  nu  hie  tzu  yhrem 
abgot  und  grewelgotzen  Luthers,  705;  vgl.  greuel  kl  h. 

GREÜELHAFT,  adj.,  erst  im  iT.jh.  aufgekommen,  in 
der  2.  hälfte  des  19.  jh.  absterbend;  abgelöst  von  grauen- 
haft, besonders  von  unthaten  (vgl.  greuel  A  3  c  7) ;  alle 
entschuldigungen  vertilgen  nicht  das  gefühl  der  greuel- 
haften thaten  {des  Oedipus)  Solger  vorles.  über  ästhe- 
tik  96; 

ein  anschlag,  greuelhaft  und  unerhört 

H.  V.  Kleist  2,  256; 

Klytemnestra,  Orest  .  .  .  verübten  die  greuelhaftesten 
morde  Herder  21,  372;  vgl.  die  wilden,  greuelhaften 
familiengeschichten  der  Merowinger  und  Carolinger 
VisGHER  äsihetik  2,252;  dasz  in  den  aristokraten  und 
in  ihrer  wut  und  härte  zehnmal  mehr  teuflisches  ist, 
als  in  allen  noch  so  gräuelhaften  ausbrüchen  des 
volksgrimmes  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  5,  251;  alles 
krankhafte,  schwache  .  .  .  sowie  alles  schreckliche, 
greuelhafte  und  die  gute  sitte  verletzende  war  ein  für 
allemal  {vom  theater)  ausgeschlossen  Göthe  gespräche 
6,  154;  die  verschiedenen  bedeutungs-  und  gebrauchsarten 
des  subst.  ivirken  beiin  adj.  deutlich  nach;  so  stellt  sich 
zu  'greuel  des  krieges'  {s.  greuel  A  6) : 

doch  so  lehrte  mich  gott  Merkur 
vorzubeugen  dem  greuelhaften  {kriege) 

RüCKERT  1,  457 ; 

die  gräuelhafte  art  der  serbischen  kriegsführung  in  Un- 
garn Hebbel  10,  127;  zu  'greuel  der  abgötterei,  irreligio- 
sität'  {s.  gr.  A  3  c  a):  wer  hätte  den  umgang  mit  gei- 
stern, wer  der  hexen  gräuelhaftes  bündnisz  mit  teu- 
fein in  zweifei  ziehen  mögen  Zschokke  32,  221;  zu 
'greuel  der  lüge'  {s.  greuel  A  3  a  «,  d;  7a«):  eine  an- 
dere .  .  .  form  derselben  {der  falschen  exegese)  liegt 
in  der  .  .  .  allegorischen  auslegung  der  mythen  .  .  . , 
die  bis  zum  greuelhaften  unwahr  kaum  zu  begreifen 
sein  würde  Humboldt  briefe  an  Welcker  85;  zu  'greuel 
zu  sehen'  {s.  gr.  A  7  d) :  aus  dem  läger  aber  von  dem 
wein,  welches  sonst  dem  ansehen  nach  ein  greuel- 
hafftes  abscheuliches  ding  ist  Hohberg  georg.  cur.  (1682) 
1,  373 ;  das  gewerbe  {Vorstellung  einer  somnambulen)  hat 
ein  gräuelhaftes  ansehn  und  sollte  durchaus  untersagt 
sein  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  3,  119;  zu  'für  greuel 
halten'  {s.  gr.  A  7  c): 

verschwendrisch  seyn  mit  menschen-blut, 
das  pflegt  er  greuelhaft  zu  achten 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  1,  36; 

namentlich  in  jüngerer  zeit,  vde  das  subst,  auch  in 
farbloserer  bedeutung:  dasz  einige  vornehme  Etrusker 
.  .  .  sich  jener  gräuelhaften  Üppigkeit  überlassen  haben 
mögen,  die  zu  Rom  .  .  .  ton  ward  Niebuhr  röm.  gesch. 
1,  96;  greuelhafte  Unwissenheit  allg.  dtsch.  bibl.  lil,  I78; 
das  greuelhafte  gejohle  Storm  werke  (1899)  3,  272;  auch 
von  Personen  {vgl.  greuel  A  2) :  den  sündern  und  gräuel- 
haften, den  todschlägern  und  hurern  Herder  9,  222;  es 
treten  hervor  die  greuelhaften  höllenfürsten  Heine  6,494; 
ein  gräuelhafter  kerl!  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  3,  257; 
adverbiell:  jene  greuelhaft- despotische  regierung,  die 
einst  in  Frankreich  blühte  Heine  3,  464.  —  greuel- 
haufen,  m.: 

war'  die  weit  nur  schand'  und  spott 
und  ein  gräuelhaufen  eben 

Immermann  11, 13  Hetnpel. 

—  greuelhaus,  n. :  da  tritt  Iphigenia  auf,  die  .  . .  die 
göttin  schon  frühe  aus  dem  gräuelhause  {der  Atriden) 
forttrug  Alexis  ruhe  2,  221.  —  greuelheer,  n.: 

IV.  1.  6. 


schlangen  sieht  man  gar  nicht  mehr,  .  . . 

und  der  drachen  greuelheer 

mit  geschwollnen  bauchen  H.  v.  Kleist  4,  34. 

—  greuelhelm,  m.:  wann  ich  ein  solchen  knebel- 
bartfressigen  namen  hctte  ...  als  eisenhart  .  .  .  hauff- 
schlag, greuelhelm,  hörschirm  Fischart  geschichtklitt. 
162  neudr. 

GREUELHORN,  n.,  im  16.  jh.  anscheinend  feste,  wenn 
auch  icohl  local  beschränkte  bezeichnung  für  ein  be- 
stimmtes hörn:  so  geschwind  mochten  sie  die  äugen 
gegen  dem  schlosz  nit  gewendt  haben  dasz  sie  nicht 
also  bald  iein  hälles  grewelhorn  von  den  wechtern 
hörten  blasen  Amadis  6  (1595),  46;  hiezu  worden  durch 
das  orlandisch  greuelhorn  aufgemanet  die  schlegel  leutea 
Fisghart  geschichtklitt.  120  neudr.; 

(die  laute)  erschreckt  die  leut  nicht  in  dem  feld, 
beyd  hirt  und  herd,  beyd  wild  und  wäld, 
gleich  wie  das  panisch  grewelhorn, 
welchs  grausen  einjagt  und  den  zorn 

lob  d.  lauten  356,  55  Hauffen. 

—  greueljahr,  n.;  sehet  .  .  .  den  hauptzweck  der 
sündfluth:  dem  menschen  die  frist  seiner  gräueljahre 
zu  kürzen  Herder  7,  164;  die  greueljahre  des  zwischen- 
reichs  {interregnums)  folgen  Jahn  2,  538.  —  greuel- 
kelch,  m.,  calice  apocalittico  delV  abominatione  Kramer 
teutschital.  (1700)  1 ,  768 *" ;  vgl.  apocal.  18,  6 ;  die  ketzer 
solten  doch  den  kelch  nicht  begeren,  dieweil  sie  sich 
so  sehr  vor  der  babilonischen  meszmetzen  grewelkelch 
besorgen  Fischart  binenkorb  (i588)  gs*».  —  greuel- 
kind,  n.: 

hört,  gottsvergessne  sichre  Sünder! 
hört,  ihr  Cains  greuelkinder ! 

Harsdörffer  poei.  trichter  (1647)  1,72. 

—  greuelkunde,  f.: 

ja,  andres  trugst  du  wohl  in  deinem  sinn, 
als  solche  gräuelkunde  zu  vernehmen 

Fouque  held  d.  nordens  2,  172. 

—  greuel  luster,  n.;  es  warnet  aber  auch  die  schrift 
an  unterschiedlichen  orten  für  oftbesagtem  greuel-laster 
Harsdörffer  ob  d.  neid  die  tugend  hindere  oder  beför- 
dere 131.  —  greuelleben,  n..-  dasz  der  allmächtige 
gott  sein  herz  regiren,  .  .  .  dasz  ich  ihn  bald  aus  diesem 
gräuel-leben  wissen  möge  maler  Müller  werke  (I8II) 
2,  72; 

verstockter  frevel  findet  dort 
in  eigner  hölle  seinen  ort, 
des  greuellebens  spuhle 
führt  ihn  den  weg  zum  pfuhle 

gedickte  der  grafen  Stolberg  5,  267. 

—  greuelmahl,  n.:  das  greuelmahl  des  Harpagus 
Grillparzer  17,  195  Sauer;  Thyestische  gräuelmale 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  3,  122.  —  greuel- 
mahlzeit,  /.;  blut  zu  trinken  .  .  .  schien  ihnen  mit 
recht  eine  gräuelmahlzeit  der  götzendiener  Herder  20, 
206.  —  greuelmann,  m.: 

ich  wache  bald  und  schaue  hin  und  her, 
ob  dieser  greuelmann  (der  tod)  nechst  meinem  bette  wer  ? 
Harsdörffer  frauenz.-gesprechsp.  8,  99; 

ihr  furien  des  muttermords!  —  auf!  auf! 
entsteigt  der  qualvoll  dunkeln  schreckensnacht, 
und  diese  beiden  gräuelmänner  greift! 

M.  v.  Collin  2,  51. 

—  greuelmärchen,  n.:  nachdem  man  die  weltlichen 
herrlichkeiten  {von  Paris)  mit  geistlichen  greuelmähr- 
chen  schattiert  hat  Brentano  ges.  sehr.  4,  366.  — 
greuelmensch,  m.:  Vandamme,  der  greuelmensch 
von  Bremen  und  Hamburg  Vilmar  erinnertmgen  (1863) 
1,  37  Hopf.  —  greuelmord,  m.  Schottel  483. 

GREUELN,  vb.,  in  mhd.  zeit  auftauchende  ableitung 
vom  subst.  griuwel. 

1)  nur  die  unpersönliche  Wendung  mir  greuelt  vor  hat 
sich  in  der  Schriftsprache  einigermaszen  entfaltet;  bedeu- 
tung meist  'abscheu,  ekel',  seltener  'grauen,  furcht  emp- 
finden' : 

mir  grüwelt  vor  im  iemer  me, 
deich  in  zeime  male  hän  gesehen 

Virg.  248,  12; 

15 


227 


GREUELN 


GREUELNEST  -  GREUELSCHILD    228 


dö  ime  vor  grüwelte,  daz  gelust  im  nü  Tauler  nach 
Gh.  Schmidt  elsäss.  158;  dir  grewelt  für  den  götzen 
EÖ7n.  2,  22;  vgl.  ps.  119, 1G3  var.;  uns  eckelt  und  grewelt 
für  dem  sacrament  Luther  23,  162; 

die  seel  sich  ferner  mercken  last: 
dein  freunden  gibst  du  wenig  rast, 
mir  greulet  für  dem  schweren  last 

mayntzigch  gcsangbuch  (1661)  274; 

weil  Moses  das  leben  im  blute  setzt,  so  gräuelt  allen 
getauften  rabbinen  vor  der  propheten  geist  und  leben 
Hamann  2,  275  Ruth;  wie  greulte  mir  vor  allem,  was 
ich  gedacht,  gesprochen  Schubart  leben  und  gesinn. 
2,  160;  alem.  mit  ab:  (ein  get'öse)  abe  dem  mir  gar  sere 
gruwelnde  wart  Nie.  v.  Basel  nach  Schmidt  elsäss.  158; 
dir  grewlet  ab  den  götzen  Züricher  bibel  (1530)  Rö7n.  2, 
82;  es  greulet  mir  darab  und  es  gehet  ein  grausen 
durch  mich  L.  Lavater  (1587)  nach  Staub -Tobler  2, 
834;  statt  der  präposition  auch  satz-  oder  infinitiv- 
constructionen: 

mir  griulet,  s6  mich  lachent  an  die  lechelaere 

W.  V.  D.  Vogelweide  30,  12; 

allen  den  es  grewelt  zu  hören,  das  ein  mensch  rechter 
gott  sey  Luther  das  schöne  confitemini  (i53o)  N*''; 
ohne  object:  do  geriet  dem  künige  und  den  die  sin  hü- 
tent  sere  gruweln  und  mahtent  crüze  für  sich :  do  ver- 
swant  der  tyfel  städtechron.  8,  468  (Königshofen  Strasz- 
bürg,  chron.);  selten  mit  accus,  d.  pers.:  w6re  ich  in 
einer  wüestenunge  aleine,  da  mich  grüwelte  myst.  2, 
10*,  12;  an  der  obgenannten  Wai.thkr  stelle  hat  die  hs,  0 
ursprünglich  mich  grület. 

2)  im,  gegensatz  zum  hd.  tritt  im  nd.  die  bedeutung 
'grausen,  furcht  empfinden'  ganz  in  den  Vordergrund; 
so  schon  im  mnd.:  my  gruwelt,  dat  ik  se  bore  no- 
men;  em  gruwelde,  men  wolde  em  grypen  laten:  de- 
sen  hillygen  manne  den  gruwelde  vor  der  hoverdye; 
(sein  söhn)  den  gruwelde  unde  vordroth  der  herscop 
Haraldi  Schiller-Lübben  2,  162*;  die  beim  Substan- 
tiv gemachte  beobachtung,  dasz  das  nd.  die  bedeutung 
'grauen,  furcht'  {besonders  vor  gespenstern)  zur  herr- 
schaft  bringt,  wiederholt  sich  beim  ve7-bum;  auch  insofern 
besteht  eine  parallelitüt ,  als  das  verbum  nd.  weit  über- 
wiegend in  umlautloser  form  erscheint,  wie  dem  nd.  sub- 
stant.  in  der  bedeutung  'horror'  meist  der  umlaut  fehlte 
{s.  greuel,  form  3);  neben  dem  unpersönlichen  gebrauch 
erscheint  auch  reflexive  fügung:  ndhess.  gruweln  vor 
etw.  ein  grauen  haben  Vilmar  135;  grujelen  gruseln  lux. 
ma.  (1906)  157";  grujelen  grauen,  sich  vor  gespenstern 
fürchten  Bauer-Collitz  ii^;  grüggeln  furcht  vor  ge- 
spenstern haben  Woeste  86^;  grulen  gruseln  Möller- 
Frau  reuth  1,446*;  gruwweln,  grüwweln  ein  grauen 
haben:  my  eset  und  grüwwelt  Strodtmann  78;  grül'n 
grauen,  furcht,  widerioillen  empfinden:  ick  grül  mi  oder 
mi  grült  väör  de  arbeit;  hg  geit  nich  allen  to  bett, 
em  grült  Danneil  71*;  grüeln,  grülen  grauen,  grauein, 
furcht  empfinden:  na,  Pauls,  hört  op,  mi  grüelt  all;  on 
hüten  grült  en  mensch  sick  doch  Frischbier  l,  25i»*; 
grölen,  gro'elen  gräuel  vor  etw.  empfinden,  schaudern, 
vor  ettv.  zurückbeben  Berghaus  1,  616*;  ähnlich  grölen 
Sturen  BURG  76.  hie  und  da  erscheint  ein  transitives 
gruweln  'furcht  verursachen':  bat  nä,  brod  röket,  dat 
grüggelt  nitt  sprichwörtl.  Woeste  86'';  grugeln  einen 
grauelig  machen,  ihn  einängstigen  Frisghbier  1,  251''. 
vne  aus  nd.  gruwel  'horror'  im  nhd.  ein  schriftgemäszes 
grauel  entstand,  erwuchs  aus  gruweln  nhd.  graulen,  in 
der  syntakt.  Verwendung  mit  gruweln  übereinstimmend: 
ich  hab  mich  gegrault;  Heinrich,  mir  grault  vor  dir; 
wenn  ich  dran  denke,  fängt  mersch  schon  an  zu  graulen 
Müller-Fraureuth  1,  437'';  sich  graulen  grauen  emp- 
finden Frischbier  l,  251'';  auch  obd.:  grauein  U7id 
graulen  grauen,  grausen  UngerKhull  304 1";  genaueres 
s.  U7iter  graulen. 

3)  wie  in  der  Schriftsprache  tritt  auch  in  den  heutigen 
obd.  dialecten  die  bedeutung  'absehen,  ekel'  stärker  her- 
vor, wenn  auch  die  andere  nicht  fehlt:  grüwelen  grauen, 
grausen,  ekeln  Staub-Tobler  2,  834  {vgl.  grewelen,  ein 
Unwillen    an    einem   ding   haben,    abo7ninari   Maaler 


192»);  es  grielet  mir  es  dünkt  mich  zu  viel  ebd.;  grailen, 
grilen  ekeln,  anekeln:  des  weib  ist  so  drecket,  es  grailet 
einem  Fischer  schwäb.  3,  8ii;  es  hat  ihm  gegräuelet 
er  ist  erschrocken  3,  809;  mir  gräuwelt  (grävvlt)  inich 
wandelt  ein  grauen,  oder  toohl  auch  ein  ztveifel  o» 
ScHMELLER  1,  981;  daneben  persönl.  construction ,  die 
sich  auch  in  geioisse7i  md.  gegenden  findet:  wir  habent 
gegreulet  darvor  Fischer  schicäb.  3,  8li;  Kehrein 
volksspr.  u.  volkssitte  in  Nassau  172  tren7it  von  unpers. 
gebrauchtem  graulen  ein  persönl.  graulen  mit  dem  sinne 
'meine7id  befürchten',  z.  b.  ich  graule,  dasz  es  regen 
gibt;  greule  fürchten  Wegeler  coblenz.  20;  grellen 
{Eifeler  ma.  greueln)  fürchten,  grauen  empfinden,  zu7n 
greuel  sein  lux.  ma.  (1906)  153»;  grewele  7iörgeln  Auten- 
rieth  Pfalz.  56;  an  elsäss.  greuel  'icnordnu7ig ,  lär7n' 
(s.  gr.  Aid)  ist  anzuknüpfen  graulen  lärmen,  toben 
Martin -Lienhart  l,  2.66».  in  älterer  spräche  nur  in 
spuren  nachztiiveisen ;  vo7n  Schüttelfrost:  etiam  signa  fe- 
brium  sunt  rigores.  dasz  sie  {die  patienten)  greulen,  als 
wenn  man  einen  mit  einer  nadel  sticht,  ein  grewel 
durch  gehet  Paracelsus  opera  (1616)  l,  416. 

4)  selten  erscheint  in  der  Schriftsprache  ein  transitives 
persönliches  greueln  'greuel  verübe7i': 

wie  heilig  ist  die  neue  stadt,  .  .  . 
gar  nichts  gemeines  geht  hinein: 
wer  greuelt,  muss  verbannet  seyn 

Fischer-Tümpel  5,  nr.  676,  5; 

ich  weisz  kein  beispiel  in  der  geschichte,  wo  . . .  leiden- 
schaftlicher und  regelloser  gegreuelt  worden  sei,  als  in 
diesen  tagen  in  Paris  gegreuelt  wird  Lavater  in  br. 
von  u.  an  Klopstock  349  Lappenberg ;  hierher  vielleicht, 
mit  abgeschwächter  bedeutung: 

wie  sich  köpf,  band  und  hut  werklich  betauchet, 
wieget  und  bieget,  und  hauchet  und  stauchet, 
.  sollte  diesz  einem  die  äugen  nicht  blenden, 
sehen,  so  greueln  mit  füssen  und  henden? 

W.  ScHERKFER  gcist-  u.  weltl.  ged.  (1652)  410. 

GREUELNEST,  n.: 

entweiche  Phaeton !  disz  hertze  kömmt  ans  licht, 
in  dem  der  gantze  Styx  .  .  .  Diane  lauf  zurücke 
ob  diesem  greuelnestl 

Gryphius  trauersp.  577  lit.  ver.; 

ich  musz  mich  leider  sehr  bey  deiner  ankunft  schämen, 
weil  ich  ein  greuelnest,  kein  wahrer  tempel  bin 

ScHMOLCKE  n-ost-  u.  gctstr.  sehr.  1,  397. 

GREUELNIS,  n.,  greuelthat: 

wenn  ein  verweis,  sanft  aus  der  liebe  mund, 
zu  solchen  greuelnissen  treibt 

H.  V.  Kleist  Penthesilea  2734; 
Schrecknis : 

doch  jetzt,  da  sie  mit  solchen  greulnissen 

auf  ihn  herangrollt  2627 

(Penthesileas  aufzug  mit  rüstung,  hunden  und  elefanten 
ist  gemeint).  —  greuelopfer,  n.,  sagrificio  abbomine- 
vole  Kramer  teutschital.  1,  564'';  sie  hatten  für  diesem 
grewel-opfer  einen  solchen  abschew  Dannhawer  catech. 
milch  (1657)  5,  847;  vgl.  greuel  A3c«.  —  greuelrede, 
/.;  die  greuelreden  dieses  verlorenen  zerrissen  sein  herz 
Handel-Mazzetti  Stephana  Schwertner,  dtsch.  rund^ch. 
155,  371.  —  greuelreich,  adj.:  aber  wir  nähen  uns 
dem  thron  der  natur  und  der  ärgsten  tyrannei,  dem 
Silber-  und  gräuelreichen  Peru  Herder  13,  247.  — 
greuelrüstung,  f.: 

sie  könnte 
in  keiner  finstrem  greuelrüstung  nahn 

H.  v.  Kleist  Pcnthesttea  2546. 

—  greuelscene,  /.;  zwei  zu  dieser  anstalt  {der  mar- 
gue)  verpflichtete  männer  leben  oben  drüber  unter 
demselben  dache  über  diesen  sich  täglich  erneuernden 
greuelscenen  Göthe  41,  2,  3G7;  greuelscenen  bei  bestra- 
fung  der  aufrührer  empörten  zu  Prag  jedes  herz  Hebbel 
werke  9,  90;  die  gräuelscenen  der  französischen  revolu- 
tion  erlebte  sie  in  Paris  Kern  er  bilderbuch  356. 

—  greuelschild,  m.: 

Persei  grewelschildt, 
Medusae  köpf  und  teufelsbildt 

FiöCiiART  Eulenspiegel  5,  82  Hauffen. 


229  GREUELSCHILDERUNG  -  GREUELTHAT 


GREUELTHIER  —  GREUELVOLL 


230 


—  greuelschilderung,  /. .•  darum  ist  einem  bei  all 
seinen  {des  Tacitus)  gräuelschilderungen  wohl  zu  muthe 
Hebbel  tageb.  2,56.  —  greuelschlamm,  m.: 

disz  ist  der  seelenbrunn,  den  Jesus  auf  wil  schlieszen, 
dasz  uns  kein  greuelschlamm,  kein  lasterkotli  verzehr 

Gryphiüs  ged.  75,  8  Palm. 

—  greuelschlund,  m.: 

aus  so  gräszlichen  einzahnigen 
lippen,  was  enthaucht  wohl 
solchem  furchtbaren  greuelschlund ! 

Faust  II  8886. 

—  greuelsehmuck,  m.: 

doch  vorne  stand 
die  larve  des  medusenkopfes 
im  gräuelschmuck  des  schlangenzopfes 

Immermann  13,  102  Hempel. 

—  greuel spiel,  n..-  niemand  darf  diebeshehler  von 
unrecht  sein  und  Zuschauer  beim  greuelspiel  des  recht- 
beugens  Jahn  2,  S15  Euler.  —  greuelstadt,  /.:  die 
zahl  des  geheimnisses  der  bosheit,  das  er  dem  weibe, 
dem  bilde  der  gräuelstadt  {Babylon)  an  die  stirn  schrieb 
Herder  9,  184;  vgl.  Apoe.  17,  5.  —  greuelstätte,  f.: 
in  schaaren  werden  die  Christen  an  die  greuelstätte 
{der  foUefung)  hingetrieben  Görres  5,  810.  —  greuel- 
etück,  n.: 

der  fürsten  heilig  blut  troff  durch  verfluchter  hencker  hand 
in  dem  ob  diesem  greuelstück  entfärbten  sand 

Gryphiüs  trauersp.  150  lit.  ver. 

GREÜELSÜNDE,  /.,  atrox  commissum,  facinus  nefan- 
dum  et  abominabile  Stieler  22i0;  peccato  horribile,  ab- 
bominevole,  che  fä  horrore  Kramer  teutsch-ital.  (l700)  1, 
564'';  besonders  für  sexuelle,  zumal  perverse  Verfehlungen 
[vgl.  greuel  k  B  c  ß):  {der  Türke)  hatte  aber  eine  böse 
brunst,  nach  der  greuelsünde  morgenländischer  vöiker, 
gegen  Ladislaum  in  seinem  hertzen  Harsdörffer  groszer 
Schauplatz  last-  u.  lehrr.  gesch.  (l65l)  1,  115;  ein  solcher 
hurenhängst  hat  dem  teufel  seine  seele  verpfändet,  so 
lang  er  in  seinen  greuelsünden  beharret  secret.  2,  70; 

mäszigkeit 
steuret  allen  greuelsünden, 
machet  zum  gebet  bereit 

Treuer  deutscher  Dädalus  1,  521. 

—  gre uel SU ppe,/.;  fressen  Schweinefleisch  und  haben 
grewelsuppen  in  iren  topfen  Jes.  65,  i,  vgl.  greuel  Alb. 

—  greuelschwarz,  adj.: 

und  dennoch  auf  den  vater  und  die  mutter 
hob  er  die  grauelschwarze  todesfaust? 

M.  V.  COLLIN  3,  300. 

—  greuel  tag,  m.;  das  reine  gefübl  für  das  grosze  und 
schöne,  das  in  ihm  {dem  französ.volke)  noch  war,  haben 
die  greueltage  des  freiheitsschwindels  erstickt  Lach- 
mann bei  Sgherer  kl.  sehr,  l,  94;  der  arme  wurm  sey 
zu  elend  gewesen  für  alle  die  last  von  hunger,  nässe 
und  kälte,  welche  er  in  jenen  gräueltagen  zu  tragen 
gehabt  Riehl  gesch,  aus  alter  zeit  2,  233. 

GREUELTHAT,/.,  seit  dem  \l.jh.;  gern  von  blutthaten 
{vgl.  greuel  A  3  c  j') :  was  wird  in  diesem  geböte  ver- 
boten? .  .  .  mord  und  todschlag:  denn  sie  sind  gräuel- 
thaten  Herder  30,  321 ; 

die  feldherrn,  denen  man  die  greuelthat  gemeldet, 
die  achseln  haben  sie  gezuckt,  die  leichen 
in  eine  grübe  heimlich  werfen  lassen 

H.  V.  Kleist  2,  364; 

besonders  von  unnatürlichen  unthaten  wie  Selbstmord,  ver- 
wandtenmord,  incest  u.  dr/l.  {vgl.  greuel  A3b  schlusz,  cß): 
wie  selten  denn  die  menschen  nicht  rechenschaft  geben 
müssen  .  .  .  von  einem  jeglichen  unnützen  wort  (sol- 
cher greuelthat  [bealisichtigter  Selbstmord]  zu  gesch weigen) 
Harsdörffer  teutscher  secret.  2,  6i;  die  Phönicier  dem 
Saturn  .  .  .  ihre  liebsten  kinder  schlachteten;  da  doch 
diese  greuelthat  denen  höllischen  geistern  zu  abscheu- 
lich seyn  solte  Lohenstein  Arminius  i,  133^; 

gräuelthaten  ohne  namen, 

schwarze  verbrechen  verbirgt  diesz  haus 

Schiller  braut  I  966; 

ist  sie  wahrhaftig  seine,  meine  Schwester, 
so  bin  ich  schuldig  einer  greuelthat, 
'     die  keine  reu  und  büszung  kann  versöhnen 

IV  2480; 


da  hingegen  Orestes  den  zoll  der  menschlichkelt  für 
seine  gräuelthat  bezahlt  A.  W.  Schlegel  im  Athenäum 
2,  244;  Ernst's  vorhaben  nämlich,  sich  selbst,  sein  weib 
und  seinen  söhn  zugleich  zu  tödten,  eine  gräuelthat, 
mit  welcher  der  unglückliche  einige  stunden  lang  .  .  . 
umging  ScHREYVOGEL  (/es.  sehr,  l,  46;  doch  auch  mannig- 
fach anders: 

schaut  meines  sohnes  greuelthat! 

der  sich  von  seiner  mutter  scheidet, 

auf  ihre  brüder  raast,  den  vater  höhnt  und  kränkt, 

sich  an  ein  geiles  weib  durch  thumme  liebe  henckt 

I.ohenstein  Arminius  2,  1429'>; 

der  dörfer  brand  —  o,  fluch  der  greuelthat!  — 
beleuchtete  zu  seinem  (.Kapoleons)  sitz  den  pfad 

TiEDGE  3,  82; 

jene  gräuelthaten  erzählte  Cicero  {dasz  lebende  und  tote 
aneinander  ge'junden  wurden)  K.  0.  Müller  Etrusker  l, 
369;  hier  liegen  die  reste  von  Abälard  und  Heloise,  zum 
ersten  mal  vereint  nach  der  an  dem  geliebten  begangenen 
greuelthat  Gutzkow  briefe  aus  Paris  (1846)  273 ;  sehr 
häufig  in  unbestimmt-collectivein  sinn  ohne  nähere  quali- 
ficierung  {vgl.  greuel  Asb),  namentlich  in  jüngerer  zeit: 

so  gehen  doch  der  Türeken  greuelthaten 
der  weit  und  vorweit  Sünden  für 

Lohenstein  Ibrahim  {Breslau)  2; 

alle  laster  und  gräuelthaten  erschöpfen  rieh  in  der 
geschichte,  bis  endlich  hie  und  da  eine  edlere  form 
menschlicher  gedanken  und  tugenden  erscheint  Herder 
13,  351;  dasz  .  .  .  ihre  {der  religion)  nachtheile  .  .  .  und 
zumal  die  gräuelthaten,  welche  in  ihrem  gefolge  sich 
eingestellt  haben,  am  tage  liegen  Schopenhauer  5,  SV6 
Grisebach.  —  greuelthier,  n.:  sich,  du  christiicher 
leser,  was  für  grewelthier  der  theologen  dis  teyl  der 
weit  Europa  gepiert  Luther  8,  295, 

dass  deich  und  schwerd  gezückt  auf  dich  tyrannon  werde, 
auf  dich  des  himmels  hass,  dich  greuelthier  der  erde 

Lohenstein  Epicharis  {Bresl.  I6i)5)  89. 

—  greueltraum,  m.: 

und  ich  erwachte  neben  ihm,  und  traute 
den  tagerhellten  äugen  kaum,  .  .  . 
noch  bebend  von  dem  greueltraum 

Baggesen  poet.  werke  2, 117. 

—  greueltrunken,  adj. : 

wenn  höllentücke  wüthet,  gräueltrunken 

W.  V.  Humboldt  sonette  122. 

—  greuel volk,  n.:  nach  dem  beispiel  des  Pariser 
greuelvolkes  ersahen  sie  sich  willkürliche  schlachtcpfer 
Göthe  33,  89. 

GREUELVOLL,  adj.,  im  18.  jh.  aufgekommen,  heute 
abgelöst  durch  grauenvoll;  im  gebrauch  vielfach  parallel 
mit  greuelhaft,     von  unthaten  {vgl.  greuel  Ascy): 

wir  hören,  unsre  blutgen  vettern  sind 

nach  Engelland  und  Irland,  leugnen  dort 

frech  ihren  greuelvollen  mord        Schiller  13,  68; 

der  weg  der  greuelvollen  missethat  Ranke  i5,  97 ; 

das  heischt  der  räche 
gräulvollstes  masz         Fouquk  held  d.  nordens  2,  133; 

von  kämpf,  krieg,  empörung  u.a.  {s.  greuel  A6):  man- 
cher .  .  .  prophezeihte  einen  blutigen  gräuelvollen  krieg 
Hoffm.  V.  Fallersleben  7,  25; 

und  die  Zwietracht  selber  jauchzet  zu  dem  gräuelvollen  streite 
ScHÖNAiCH  Hermann  (1751)  149; 

hier  {bei  den  Irländern)  war  es  eine  der  wildesten  gräuel- 
vollsten  empörungen,  welche  die  Weltgeschichte  kennt 
Ranke  16,  7«  ;  wir  haben  . . .  greuelvollere  proscriptionen 
erlebt  Fr.  Schlegel  dtsch.  museum  2,  24;  öfter  greuel- 
volle scene  {vgl.  greuelscene  sp.  228) :  die  nägel  am 
kreuze,  die  lanze  in  der  seite,  .  .  .  nebst  allem  höhn 
und  spott,  den  er  erduldet,  die  ganze  gräuelvolle  scene, 
die  er  von  innen  und  auszen  erlebt  hatte  Herder  19, 
85;  so  musste  die  aristokratie  unterliegen,  deren  aus- 
rottung  von  so  gräuelvollen  scenen  begleitet  wurde  K.  0. 
Müller  Dorier  2, 153;  nach  dem  gräuelvollen  übergange 
über  die  Beresina  löste  sich  jede  Ordnung  Treitschke 
dtsch.  gesch.  i,  397; 

15* 


231   GREUELWELT  —  GREUELWÜSTE 


GREUELZEICHEN  -  GREULICH 


232 


o  wach'  ich  auf,  werd  ich  nicht  rasend  werden, 
umringt  von  all  den  gräuelvollen  schrecken  {des  grab- 

gewölbes)^ 
(,all  these  hideous  fears  Romeo  IV  3)        Shakespeare  1, 138; 

(fiei  GöTHE  : 

umringt  von  all  dem  furchtbar  greuelvollen 

werke  9,  257  Weim.); 

Napoleon  . .  .  behandelte  unser  deutsches  Vaterland  . . . 
mit  der  gräuelvollsten  und  abscheulichsten  tyranney 
Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  236;  von  orten: 
einer  derselben  wars,  der  ihm  {Johannes)  . . .  das  gräuel- 
volle  Babel  zeigte  Herder  9,  94; 

wo  ist  die  greuelvolle  wüste, 

das  chaos  sonder  wenn  und  lüste? 

Schwabe  belustigungen  4,  84; 

und  du,  0  greuelvolle  gruft, 

schleusz  dich  vor  meinen  blicken  wieder 

Gotter  ged.  (1787)  1,  396; 
• 
neben  zeifbegriffen :  Tacitus  beschreibt  die  gräuelvollsten 
Zeiten  Herder  17,  149;  vorüber  zwölf  gräulvolle  jähre, 
im  laster  durchgeschwelgt  maler  Müller  2,  185 ;  über- 
tragen : 

aus  welchem  chaos  stiegs  (mein  dasein)  empor? 
in  welche  gräuelvoUe  nachte 
sinkts  —  wenn  des  Schicksals  ehme  rechte 
mir  winket  zu  des  todes  thor? 

Moritz  Anton  Heiser  247  neudr. ; 

auch  auf  personen  angewendet,  ebenso  im  hinblick  auf 
innere  wie  auf  äuszere  qualitäten: 

des  sohnes  wegen 
.  .  .  trägt  er  noch  die  Sünder 
wie  vormals  Israels  gräulvolle  kinder 

Gramer  sämtl.  ged.  1,304; 

als  hätte  ein  einziger  gräuelvoller  zwerg  sich  verhundert- 
facht FouQUE  altsächs.  bildersaal  4,  146;  in  jüngerer  zeit 
auch  mit  verblaszter  bedeutung:  hätte  doch  der  fürst 
Colonna  .  .  .  lieber  diese  gräuelvoUe  Vorstellung  (ein 
feuerwerk)  vertilget  Ayrenhoff  6,55;  in  greuelvoller  un- 
bekleidung  Storm  6,  197;  adverbiell: 

0  gräuelvoU  selbstmörderisches  trachten ! 

Immermann  15, 100  Hempel; 

im  siebzehnten  Jahrhundert  war  sie  {die  gesellschaft  der 
Spitzbuben)  . .  .  ein  greuelvoll  übertriebenes  seitenstück 
zu  den  menschenquälereien  des  krieges  und  der  glau- 
bensverfolgung  Riehl  deutsche  arbeit  (i8Rl)  25*.  — 
greuelwelt,  /.;  nun  sahen  sie  mit  entsetzen,  welch 
eine  heidnische  gräuelwelt  sie  dicht  unter  ihren  ehr- 
baren äugen  hatten  {darstellungen  auf  den  gewirkten 
tafeldecken  und  trinkgeschirren)  G.  Keller  5,  192.  — 
greuelwerk,  n.;  dasz  die  pfründen  im  gang  plibend 
und  sin  abgöttisch  grüwelwerch  nit  in  abfal  kom  J.  v. 
Watt  dtsch.  hist.  sehr.  3,  368; 

noch  sind,  hilf  groszer  gott !  bey  so  betrübten  Sachen, 
die  ob  dem  greuelwerck  (Vorkehrungen  zur  hinrichtung)  die 

Seele  lustig  machen 
Gryphius  trauersp.  454  lit.  ver. ; 

deckt  nicht  jede  morgensonne 

dem  erschrocknen  blick  des  volkes 

neue  greuelwerke  auf?  Zschokke  39,  49. 

—  greuelwesen,  n.: 

dein  (des  sünders)  verübtes  greuelwesen 
hat  so  viel  holtz  zugelegt, 
dasz  wir  schon  das  urtheil  lesen, 
welches  dich  zur  flamme  trägt 

Schmolcke  trost-  u.  geislr.  sehr.  1, 135. 

—  greuelwort,  n,,  als  beispiel  für  compoaition  m,it 
wort  bei  Harsdörffer  frauenz.  gesprechsp.  8,  62;  er 
hörte  sein  greuelwort  wieder,  es  wäre  nicht  schade, 
wenn  die  alte  hexe  einmal  todt  wäre  Pestalozzi  2, 
863;  und  als  ich  .  .  .  Mädeli  die  gräuelsworte  alle  er- 
zählen wollte,  die  der  pfarrer  ausgestoszen,  waren  sie  mir 
alle  entronnen  Gotthelf  6,  262.  —  greuelwust,  m.: 

der  Weisheit  arsenal  ist  ihre  zarte  brüst, 

was  hier  nach  Sodom  reucht,  heist  ihr  ein  greuel-wust 

MÄNNLING  poet.  blumeng.  (1717)  548. 

—  greuelwüste,  f.: 

die  weit  heist  mir  die  rechte  greuel-wüste 

ebd.  208. 


GREUELZEICHEN,  n.: 

(da.1  wild)  gedenckt  sich  zö  verschliefien, 
wann  es  das  jägerhorn  hört  büffen, 
wolt  gern  dem  zorn  des  menschen  weichen, 
wann  es  erhört  das  greuwelzeichen 

Fisch  ART  lob  der  lauten  357  Hauffen; 

itzt  liefert  er  die  leichen 
auf  Britten  schaugerüst  zu  einem  greuelzeichen 

Gryphius  trauersp.  419  lit.  ver.; 

=  götzenbild  (vgl.  greuel  Alb): 

sie  (die  feinde)  brüllen  um  dein  (gottes)  haus  herum 

und  setzen  ihre  gräuelzeichen 

in  deiner  allmacht  heiligtum  Drollinger  ged.  36. 

—  greuelzeit,  f.: 

bis  hieher,  söhn,  ging  tag  und  nacht  im  wechselgang, 

jetzt  kommt  die  lange  finstemisz  der  gräuelzeit, 

nur  blut  und  schrecken,  mord  und  schneller  Untergang 

Arndt  geist  d.  zeit  2,  282. 

GREUEN,  s.  greien. 

GREUERLICH,  adj.:  eine  fürchterliche  musik,  die 
die  gräuerlich  feyerliche  deklamation  der  Zauberinnen 
begleitet  Ayrenhoff  5,  181,  7;  vgl.  gräuerlich  grausen 
erregend  Müller-Frau  reuth  l,  437*». 

GREUISCH,  adj.  aus  mhd.  *  griuwisch,  nur  vereinzelt 
im,  dialect:  gräüsch  grausenhaft,  greulich,  z.  b.  ä  gräü- 
scher  kärl,  das  is  jü  ä  gräüsch  geschieht  Regel  ruhlaer 
ma.  198;  grai'sch  zum  ekel  geneigt,  wählerisch,  heikel 
Fischer  schwäb.  3,  8ii. 

GREUL,  m.,  myoxus  glis,  Siebenschläfer,  bilch,  rell- 
maus;  nur  in  älterer  spräche  nachweisbar  und  aufs  obd. 
beschränkt,  dem  vorkommen  des  tieres  in  Deutschland 
entsprechend:  glis  ein  greull,  rell  oder  rellmausz,  ein 
grosse  haselmausz  Frisius  dict.  606*;  von  Maaler  192* 
und  Bas.  Faber  thes.  (1587)  99^  übernommen;  greull  glis 
Frischlin  nomencl.  c.  5T,  vgl.  Sghmeller  l,  994;  Ni- 
gidius  wil,  die  spitzmeuss  verkriechen  sich  zu  winters 
zeit  eben  so  wol  als  die  greul  oder  rellmeus  (sicut  glires 
hist.  nat.  VH!  57,  223)  Heyden  Plin.  (1565)  290;  bei  Nem- 
nich  wb.  d.  naturgesch.  209  in  der  form  greuel;  cimbr. 
erscheint  glair,  tirol.  gleir  Schöpf  194,  das  geht  auf  lat. 
glir-  zurück;  die  tirol.  normalform  greil  (Schöpf  211) 
könnte  metathesis  von  gleir  darstellen,  ist  greul  aus  greil 
zu  erklären?  bei  den  alem.  lexicographen  stammt  greul 
wohl  nicht  aus  dem  dialect,  sondern  aus  lexicalischer  tra- 
dition:  die  heutigen  alem.  formen  sind,  neben  rell,  glir 
(=  lat.  glir)  und  grill,  dies  vielleicht  auch  nur  eine  durch 
die  lautliche  und  bpgriffliche  nähe  von  grill  gryllotalpa 
erleichterte  Umsetzung  von  glir. 

GREULICH,  adj.  horribilis,  abominabilis,  teter. 

form  und  bedeutung. 

l)  das  adj.  entfaltet  sich,  wie  das  Stammwort  griul,  in 
mhd.  zeit,  ist  aber  verbreiteter  und  früher  nachzuweisen: 

elliu  dinch  furhten  dich       rehte  alsam  mich,    \ 
niht  si  so  grolich        ezne  widirsitzze  dich 

Milst.  genesis  8, 15  Diemer; 

ein  vereinzelter  beleg  schon  im  altsächs.: 

ik  hebbiu  it  (das  Silber)  so  griolico,  quathie, 
mid  mines  drohtines        droru  gicopot       Sei.  5152; 

im  anschlusz  an  das  substant. ,  das  auf  nd.  boden  eine 
besondere  form,  mit  besonderer  bedeutung  entwickelte  (s. 
greuel  form  3),  hat  auch  das  adj.  auf  nd.  (md.)  boden 
eine  bedeutungsspaltung  erfahren,  die  vielfach  mit  einer 
formspaltung  hand  in  hand  geht;  zunächst  wie  in  der 
Schriftsprache  'horribilis':  greilech  furchtbar  lux.  ma. 
(19C6)  153*;  grülik  greulich  Woeste  86'';  ebenso  grülig 
Schambach  69;  grülig,  grülik  Dähnert  163;  grülich 
Danneil  71»;  gruglich  Mi  29;  grolich  Schütze  holst. 
2,  70;  grülk  dithm.  ebd.  71;  grolig  Berghaus  1,616*; 
grouwelik  brem.  wb.  2,550;  grauwellig  Schütze  holst. 
2,  64 ;  dann  auch  'timidus',  und  zwar  fehlt,  abgesehen  von 
consonantischen  abweichungen,  bei  dieser  bedeutung  fast 
durchweg  der  umlaut.  wie  nd.  gruwel  'furcht'  überiviegend 
ohne  umlaut  erscheint:  grujelech  gruselig  lux.  ma.  167»; 
grugelech  graulich,  bange  vor  gespenstern  Bauer-Collitz 
4i*>;  %xvigg'e>\io)a.  mit  gespensterfurcht  behaftet  Woeste  86^ ; 


233 


GREULICH 


GREULICH 


234 


grülig  graulich  Schambach  69;  grülich  furchtsam  im 
dunkeln  Dähnert  163;  grülich  der  furcht  vor  gespenstern 
hat  Danneil  71*;    grülig  graulich,   bange   Frischbier 

1,  257*;  grüwwelsk  syn  ängstig,  furchtsam  sein  Strodt- 
MANN  77;  uo  das  adj.  in  den  südlicheren  dialecten  er- 
scheint, nur  im  sinne  'horribilis'  oder  in  einer  davon  ab- 
geleiteten bedeutung:  gräulich  Regel  ruhlaer  ma.  198; 
kreilc  Müller-Fraureuth  i,  440;  greilich  fast  nur  in 
steigerndem  sinne  Vilmar  135  (s.  u.  gebrauch  7);  greilich 
greulich,  furchtbar  Follmann  215»;  gräulich  (gräli', 
gräla')  xtne  hd.  Schmeller  l,  981;  gräulich  (grailich, 
grile)  wiehd.,  auch  häszlich,  ekelhaft,  unreinlich  Fischer 
Schwab.  3,  811;  grüwlich  greulich,  schrecklich  Staub- 
ToBLER  2,  835  {in  älterer  spräche  auch  grüwenlich  ebd., 
öfter  bei  Frisius,  *.  u.  2);  im  älteren  nd.  gelegentlich 
erweitert  zu  gruweliksam :  gruwelicksamer  alse  ein  wulff 
Schiller-Lübben  2,  162. 

2)  für  die  literarische  Verwendung  des  wertes  ist  die 
hauptepoche  die  ältere  nhd.  periode ;  und  zwar  ist  die  be- 
deutung von  greulich  vielfältiger  und  innerhalb  der  ein- 
zelnen richtungen  entschiedener  als  in  jüngerer  zeit,  das 
icird  aus  Übersetzungen  und  Umschreibungen  bei  den  lexi- 
cographen  vielfach  deutlicher  als  aus  den  literarischen 
belegen,  meist  glossiert  mit  horribilis  Diefenbach  280'», 
grawleich  nov.  gloss.  20G*,  gruwelich  gemma  gemm.  (1505) 
Iviij*»,  grewlich,  scheutzlich,  erschrockenlich  Calepinus 
XI  ling.  (1598)  657*';  terribilis  greulich  Diefenbach  nov. 
gloss.  362^,  erschrockenlich,  greüwenlich  Frisius  die- 
Hon.  (1556)1305'*.  doch  auch  prägnanter :  saevifer  grausam- 
lich,  greüwlich  1173»;  crudelis  Diefenbach  159«,  grau- 
sam oder  grewlich  Zehner  no?nencL  (1645)  69;  severus, 
severe,  severiter  Diefenbach  531'»;  severiter  strenglich, 
gruwelich,  seer  streng  gemma  gemm.  (i505)  zv'»;  acer 
grausam,  greulich,  grimmig,  tyrannisch  Alberus  (1540) 
Ddij'»;  atrox  Diefenbach  58%  fraissamlich ,  greuleich 
Frommann  2,  292  {böhm.  vocab.  von  1432);  dirus  er- 
schrockenlich, grausam,  scheutzlich,  greüwenlich  Fri- 
sius 422;  truculentus  Diefenbach  nov.  gloss.  372'»,  Fri- 
sius 1333'»,  Calepinus  XI  ling.  1479»;  trux  Frisius 
1333*»;  daher  sie  Katul  truces  d.  i.  greuliche,  grimmige 
nennet  Zesen  verm.  Helicon  (1656)  36 ;  horribilis,  teter, 
trux,  truculentus  Serranus  *ynon.  (1579)  s.v. ;  teter  schnöd, 
greüwHch,  scheutzlich,  schandtlich,  bösz  Frisius  1308»; 
schändlich,  garstig,  gräulich  Reyher  thes.  3,  1891;  tor- 
vus  Diefenbach  590»,  gräszlich,  gräulich,  starr  Reyher 
3,  1944;  corus  {l.  torvus)  grewlicher  o.  hochfertiger  Die- 
fenbach 153"»;  <oro*M*  voller,  vaister,  grewlicher,  hoch- 
fertiger" 583 " ;  scordalis  frech  vel  grülich  520»;  vesanus, 
vecors,  crudelis,  furiosus  wüterisch,  gräulich,  grausam, 
unsinnig  Reyher  thes.  8,  2122;  informis  grülich  Diefen- 
bach 2y7'';  distortus  yslich,  grülich  nov.  gloss.  139»; 
monsfrt^ce  wundersältzamlich,  greüwelich  Frisius  835'»; 
in  anderen  glossierungen  tvird  ein  religiöser  einschlug 
fühlbar  {vgl.  greuel  A  3  c  «):  abominabilis  Diefenbach 
2",  gruwelich  gemma  gemm.  (1505)  alj",  greulich  Albe- 
rus pj^;  abominandus  greüwlich,  wol  wärt  züver- 
flfichen  Frisius  8»;  detestabilis  abschewlich,  grewlich 
Calepinus  XI  ling.  410»;  execrabilis  verflucht .  .  .  greü- 
wenlich Frisius  500»;  devctus  verflucht  ...  greüwlich 

406'». 

gebrauch. 

l)  von  eindrücken,  die  durch  die  sinne  vermittelt  sind; 
nur  sehr  selten  giebt  das  adj.  lediglich  eine  kennzeich- 
nung  der  sinnlichen  empß7idung  {'häszlich',  s.  a  «),  fast 
stets  sprechen  irgendwie  gefühlsmomente  des  abscheus,  ent- 
setzens  mit. 

a)  greulich  fürs  äuge. 

«)  greuliche  steine,  worin  die  male  von  bänden  und 
füszen  eingedrückt  sind  Grimm  dtsch.  sagen  l,  105;  war's 
schon  häszlich,  da  es  klein  ist;  da  oben,  grosz,  ward's 
ein  gräulicher,  verwitterter  steinklumpen  Alexis  roland 

2,  322;  wie  das  so  edle  und  mächtige  feuer  nur  unnütze 
asche  und  greuliche  kohlen  .  .  zeuget  Lohenstein  Ar- 
minius  2,  146»;  das  kind  .  .  tritt  mit  dem  rechten  füsz- 
chen  auf  einen  gräulichen  todtenkopf  Gleim  briefw. 
1,  290; 


{ein  grab)  das  von  auswendig  viel  schöns  hab. 
inwendig  ists  aschn,  grewlich  gbein 

Musculus  hoienteufel  5  neudr.; 

dar  nach  wart  aver  da  vemumen 

ein  zeichen  {wunderzeichen)  gruelich  genuch 

pass.  H.  267,  50; 

ein  greulich  zeichen  steht  im  haus  des  lebens 

Schiller  12,382; 
sehr  gern  neben  gestalt,  bild  «.  ä.: 

sehr  greulicher  gestalt  er  war 

H.  Sachs  21, 180  Keller-Götze; 

die  leute  vergaszen  vor  den  greulichen  gestalten,  dasz 
heut  fastnacht  .  .  .  war  Freytag  ii,  16;  vielleicht  eine 
nachwirkung  der  im,  mhd.  sehr  verbreiteten  participialen 
tcendung  griuliche  gestalt;  zu  letzt  .  .  .  sind  sie  {eine 
expedition  zur  erforschung  einer  berghöhle)  wieder  fimb- 
gekehrt  und  erblichen,  greulich  gestaltet  und  erschreck- 
lich anzusehen  halb  todt  alle  wieder  ausz  dem  berge 
kommen  Prätorius  blocksberg  (1668)  7;  wel  ein  anblikl 
es  samnent  sich  du  grüwlichen  bilde  der  swarzen  mo- 
ren  Seuse  dtsch.  sehr.  285,  7; 

und  im  gesprengten  sarg  .  . 

ringt  langsam  sich  ein  gräulich  bild  hervor 

Geisel  werke  (1888)  2,  74; 

gräuliche,  frazzenhafte  gebilde  Hegel  lo,  i,  444; 

sie  zogen  gräuliche  fratzen 

GÖTHE  Eeineke  fuchs  XI 198; 

{der  äffe)  schnitt  ,  .  greuliche  gesiebter  Brehm  thierl. 
1,  142  Pechuel-Loesche ; 

gruelicher  houbit  viere 
truc  ez  uf  sime  übe 
Daniel  5788  dtsch.  texte  d.  mittelalt.  XIX 

führen  zweene  grewliche  scheussliche  köpfe  {im  icap 
pen)  MiCRAELius  Pommerland  (l640)  6,  514;  neben  ge 
sieht  kann  greulich  im  älteren  nhd.  schlechthin  'häsz 
lieh'  bedeuten:  so  unmöglich  ist  es  auch,  dasz  ein  greu 
lieh  gesiebte  schön  gemacht  werden  könne  Ziegler 
asiat.  Banise  (1689)  502;  so  oft  vom  menschen,  *.  2  a 
dann  aber  auch  'drohend,  grimmig':  sein  {des  falken) 
angesicht  scheint  auch  greulich  und  manlich  und  die 
äugen  prynnent  Mynsinger  von  den  falken  7  lit.  ver. 
owe,  herre  .  .  ,  wie  sßlti  denn  min  herz  din  grüwliches 
antlüt  iemer  erliden  Seuse  dtsch.  sehr.  229,  30;  sü  stän- 
den gegen  mir  mit  grüwlichen  ogen  als  die  risen  ge 
wegenlich  204,  14;  entsprechend  in  adverbialer  vericen 
düng:  der  keiser  sähe  sie  grewlich  an  Hondorff 
prompt,  exempl.  (1572)  327'»; 

gräulich  sah  sie  mich  an 

GöTHE  Reineke  fuchs  XI 191, 

ebenso  schon  Gottsched  297;  und  hat  zu  aller  zeit 
starke  hitze  und  sihet  mit  den  äugen  greulichen  umb 
und  ist  albeg  unsinnig  Ortolf  v.  Bayrland  arzneib. 
17*»;  er  verwandte  die  äugen  greulich  Agyrtas  ^riWen- 
vertreiber  (l670)  162 ;  die  äugen  {des  hingerichteten)  starrten 
gräulich  Freytag  17,  202. 

ß)  abstracter:  schirment  mich  vor  dem  grülichen  an- 
blik  miner  fienden,  der  bösen  geisten  Seuse  dtsch.  sehr. 
89,  11 ;  {der  Pilatussee)  hat  ein  gräuliches  ansehen  Prä- 
torius blocksberg  (l668)  2;  die  ahtede  {holten strafe)  ist 
ein  gruwelich  gesiebt  der  tivele  und  der  drachen  Luci- 
darius  62,  15  Heidlauf;  aspectus  trux  ein  gräulich  oder 
schrecklich  gesiebt  Reyher  thesaurus  (1668)  3, 262;  greüw- 
liche  und  erschrockenliche  gesiebt  in  der  nacht  imago 
turbida  Maaler  192»;  ein  greuliches  gespenst  Kramer 
teutschital.  (l700)  1,  564'»;  greulicher  spuk  Hauff  l,  89; 
somnia  tumultiiosa  unröwig  und  greüwenliche  trSum 
Frisius  diction.  (1556)  1224'»;  {der  melancholiker)  auf- 
wachen ist  schreckhaft,  so  wie  ihre  träume  lebhaft 
und  gräulich  Zimmermann  einsamkeit  1,  358. 

b)  greulich  fürs  ohr:  vox  furialis  ein  gräuliche  er- 
schreckliche stimme  Reyher  thes.  (I668)  2,  2783; 


da  vähten  mit  grimme 
mit  griulicher  stimme 
Wisente  und  ürrinder 


Iwein  410; 


unde  sprak  to  en  {de7i  bösen  geistern)  mit  eyner  gruwe- 
liken  stemme  Schiller-Lijbben  2,  I6I;  öfter  vom  hörn 


235 


GREULICH 


GREULICH 


236 


des  jüngsten  gericMes:  (ein  hörn)  daz  ist  von  dem  lüfte 
gemäht  unde  hat  eine  gröweliche  stimme  Lucidarius 
66,  32  Heidlauf;  auch  geradezu : 

so  kumet  niemer  das  griilich  hom 
US  minen  sundigen  orn 

MoNE  schausp.  d.  mittelalt.  1,  276,  99; 

einen  greulichen  schrey  thun  Kramer  teutsch-ital.  (i700) 
1,  564^;  in  getvissen  schiveizerischen  maa.  noch  heute  vor- 
wiegend  von  geschrei,  geheul  Staub-Tobler  2,  835;  was 
erhebt  nicht  der  ehrliche  mann  vor  ein  greuliches  1er- 
men  Bodmer  sainml.  crit.  poet.  sehr.  2,  26;  seine  spräche 
brach  mit  solchem  greulichen  gekrache  heraus  Zesen 
Assenat  (i672)  77;  es  war  ein  gräulicher  jubel  unter 
der  hausthüre  H.  Beck  rettung  für  rettung  (l80i)  8; 
adverbial:  horrisonus  dasz  greulich  laut  Alberus  (l540) 
c  ij  * ;  ut  indicarent  mord  schrei,  wie  er  greilich  gelaut 
hat  Luther  17,  1,69;  sehr  häufig  greulich  schreien:  sü 
schrüwen  uf  mich  tH  grüwlich  .  .  . :  'nu  henka,  henk 
den  bösen  wiht'  Seuse  dtsch.  sehr.  204,  21;  fiel  er  dar- 
nider  im  cor  und  schrey  grewlichen  Nas  antipap.  eins 
u.  hundert  5,  72^;  {der  räuber)  tratt  zu  ihm  ein,  stellet 
sich  und  brüllet  greuwlich  Kirchhof  wendunmuth  2,  220 
Oesterley ;  ululare  vom  hund,  greuwlich  heulen  Fri- 
sius  diction.  (1556)  180  •'; 

gräulich  heult  der  wolf 
im  Waldgebirge  Gradbe  1,63  Blumenthal; 

nach  dem  greulich  anhub  zu  prumeln  und  toben  als 
der  pern  gewonheit  ist  Arigo  decameron  530,  85  Keller; 
vgl.  auch 

nfiwen  jamer  hub  sie  an 

und  klagt  grälich  ir  leit 

mhd.  minnereden  8,  27  Matthaei; 

da  ist  mir  dasz  flenen  so  greulich  ahnkommen  Elisa- 
beth-Charlotte V.  Orleans  briefe  5; 

seht  doch,  sie  weint  ja  greulich 

MÖRIKE  1,  237  Göschen; 

die  Italiener  lachten  darüber  so  gräulich,  dasz  manch- 
mal ein  kleiner  nachhall  .  .  .  bis  zu  mir  heraufdrang 
Laube  8,  287;  indessen  spricht  bei  den  letzten  belegen 
die  quantitierende  bedeutung  von  greulich  schon  mit, 
s.  biß. 

c)  greulich  für  den  geruch: 

dar  zuo  gevie  der  selbe  slac  {die  vmnde) 

einen  s6  griulichen  smac, 

daz  ime  daz  leben  swaerete  Tristan  7280; 

in  deme  sumpfe  uberal 
was  vil  grulich  ein  stanc 

pass.  K.  £38,  53; 

ein  semlich  grüwenlicher  grosser  ungeschmack  und 
stinken  von  dem  ussetzigen  gieng  bibl.  älterer  schrift- 
u-erke  d.  Schiceiz  I  1,  19;  ein  grewlicher  heszlicher  stanck 
Gabr.  Rollenhagen  indian.  reysen  (1603)  134;  Hero- 
des  ist  nu  todt  und  stinckt  greulich  Luther  34,  l,  561 
Weim. 

d)  greulich  für  den  geschmnck;  selten:  in  Bucs  .  .  . 
hatte  ich  bereits  eine  schale  gräulichen  kaffee  ver- 
schluckt Jahrb.  d.  Grillparzerges.  l,  131;  sollte  mans 
glauben,  dasz  es  narren  giebt,  die  an  dem  gräu- 
lichen zeuge  {feigen)  behagen  finden?  Immermann  2, 
86  Hempel. 

e)  greulich  fürs  gefühl;  hier  wird  deutlich,  wie  das 
adj.  171  jüngerer  zeit  aus  der  charakterisierenden  bedeu- 
tung hl  eine  quantitierende  'getvaltig,  sehr  grosz'  über- 
gehen kann  {vgl.  b  i  ß.l):  das  greulich  kopfwehe  und 
hirnwuten  der  pferden  würt  geheylt  Sebiz /eZdiait  (i579) 
152;  nun  wundert  es  mich  nicht  .  .  ,  dasz  du  so  gräu- 
liches kopfweh  hattest  Wieland  Lucian  2,  55;  so  stil- 
let es  das  grewlich  ohrenwehe  Herr  feldbau  (i55l) 
148"; 

also  das  ein  grewlicher  schmertz 
vergiftet  ihr  götliches  hertz 

Weckherlin  1,156; 

der  gequälte,  in  gräulichem  schmerz  schreiende  Philo- 
ktetes  Freytag  14,  145;  greulicher  hunger,  durst  Kramer 
teutsch-ital.  (i700)  l,  564''. 


2)  von  lebenden  wesen. 

a)  greulich  von  menschen,  mit  sehr  schwankender  be- 
deutung; die  bibelüher Setzung  gehraucht  das  adj.  sub- 
stantivisch: den  verzagten  aber  und  ungleubigen  und 
greulichen  .  .  der  teil  wird  sein  in  dem  pfui  offenb.  21,  8; 
das  ir  nit  thögind  nach  der  greüwlichen  Sitten  Zürcher 
bibel  8.  Mos.  18  D  {v.  26);  vgl.  diese  sind  die  greulichen 
oder  abscheulichen,  .  .  und  bedeuten  vermuthlich  die 
schamlosen  unfläther,  die  in  widernatürlichen  stummen 
lästern  leben  Jung-Stilling  3,  407  Qrollmunn  {vgl. 
greuel  A  3  c  /9);  in  anderem  sinne  in  der  Wenzelbibel: 
alle  greuliche  omnes  horribiles  Hiob  20,  25;  der  do  nicht 
enkante  den  greulichen  {tyrannum),  do  er  kriegte  wider 
den  armen  34,  19;  tvieder  anders:  einen  hochvertigen 
sun  und  einen  greulichen  {proiervum)  5.  Mos.  21,  18; 
überhaupt  gern  im  sinne  des  religiös  zu  verabscheuenden: 
grewliche  ketzer  und  falsche  lehrer  Fisghart  binen- 
korb  (1588)  84*'; 

es  stehen  falsche  Christi  auf 
mit  greulichen  propheten 

ScHMOLCKE  trost-  u.  geistr.  sehr.  1,565; 

diese  gräuliche  sekte  Jung-Stilling  6,  857;  häufiger 
jedoch  in  der  bedeutung  'furcht,  entsetzen  ertceckend': 

Ewie  griullch  nu  sl  Hagne,  ich  wil  in  eine  bestän 

Mb.  1971,4; 
er  Ute  an  underschelde 
zuo  der  patelle  griuwelich 

KoNR.  V.  VVüRZBURG  tumei  945; 

{ztcei  menschen)  dero  was  eins  ein  jungü  subrü  frowe, 
daz  ander 'waz  ein  vil  grülicher  langer  man  mit  einem 
spiesse  Seuse  dtsch.  sehr.  79,  2;  der  gräuliche  Wüterich 
Irenechora  Bucholtz  Herkuliskus  (1665)  16;  Saulist., 
grausamb,  greulich,  grob,  greinerisch  .  .  gewest  Abr.  a 
St.  Clara  Judas  2,  356;  der  gräuliche  riese  Herder 
25,  261 ;  öfter  neben  feind : 

das  man  auch  des  Achilles  seel 
so  bluti,;;  schicket  ab  gehn  heel,  .  . 
das  man  desz  greuling  feindts  komb  ab 

H.  Sachs  12,  301  KeUer; 

da  der  grewliche  feinde  .  .  hinder  und  umb  mich  alles 
ernider  gelegt  Moscherosch  insomn.  cura  6  neudr.; 
desgl.  neben  volk:  ich  wil  über  üch  senden  ein  gruwe- 
lich  volk  Closener  chronik  113  Hegel:  es  warent  gar 
vil  böser,  greulicher,  unmenschlicher  diet  und  haiden 
städtechron.  3,51;  volck  das  grewlicher  ist  denn  sonst 
irgend  eins  Jes.  18,  2;  auch  vor  eigennamen:  der  greu- 
liche Polyphemus  Grimmelshausen  Simplicissimus  10 
neudr.,-  der  gräuliche  Olallin  ist  entflohn  Tieck  sehr. 
11,256;  die  grewliche  Medea  Scheit  frölich  heimfart 
A  III»; 

greulich  weib,  mit  Zaubereien 

mordest  du  mir  meinen  söhn 

Brentano  1,  223; 

dialectisch:  en  grauwelligen  keerl  ein  gräszlicher,  auch 
gefährlicher  mensch  Schütze  holst.  2,  64;  auch  gern 
prädicativ  {man  beachte  die  abschivächung  der  bedexdung 
in  jüngerer  spräche):  ich  sag  dir,  die  alten  sint  gar 
gräulichen,  wenn  si  an  hebent  ze  zürnen  gesta  Rom.  116 
Keller;  , 

er  schildert  mich  so  greulich, 
und  doch  fand  mich  Sophie  nicht  ganz  und  gar  abscheulich 

GöTHE  9,  45   Weim. ; 

und  er  {der  schmied)  ist  doch  nicht  so  greulich,  wie 
man  manchmal  denkt  Ludwig  2,  72;  er  bekommt  wohl 
keine  Edel,  er  ist  viel  zu  greulich  Schvveinichen  denk- 
würdigk.  154;  im  18.  jh.  beliebte  Verbindung :  die  männer 
sind  wol  greuliche  narren  ollapatr.  830,  30  neudr.; 

geh,  ruf  ich,  für  und  für! 
du  iDist  ein  narr,  so  greulich 

Göthe  3, 192  Weim. ; 

ein  gräulicher  narr,  ein  Windbeutel  von  aussen  H.  Beck 
Schachmaschine  (1798)  29;  das  adj.  geht  hier  fühlbar  in 
die  quantitierende  bedeutung  über;  deutlicher  noch  in 
fällen  wie:  ein  greulicher  knicker  ehe  eines  weibes  41; 
so  weis  ich  doch  .  .  .  ,  dasz  ihr  ein  greulicher  Wind- 
macher seyd  Stoppe  Farnasz  (i785)  487 ;  o  du  unerträg- 
licher saufaus  und  noch  gräulicherer  plapperer  maler 


237 


GREULICH 


GREULICH 


238 


MÜLLER  1,  170;  aufs  ältere  nlid.  beschränkt  ist  ein  ge- 
brauch, der  greulich  ästhetisch  faszt  als  gegensatz  zu 
schön  {vgl.  i  a  «):  das  allezeit  das  also  verordnet,  das 
bey  einem  gewaltigen  ein  verworfener  ist,  .  .  bey  dem 
gesunden  ein  krancker,  bey  dem  schönen  ein  grew- 
licher  erfunden  wird  Luther  l,  267;  ähnlich  17,  l,  22; 
Socrates  ist  gewesen  ein  greulicher  mensch,  er  hat  ge- 
habt einen  groszen  dükken  köpf,  hare  wi  sauborsten 
BuTSCHKY  hochd.  kanzelley  232; 

schöne  weiber  sind  der  himmel,  greuliche,  die  sind  die  hölle 
LoGAU  sinnged.  462  lit.  ver.; 

des  königs  Aristons  gemahlin  war  anfangs  die  greu- 
lichste Jungfrau,  hernach  die  schönste  frau  in  Sparta 
Lohenstein  Arminius  2,  89*. 

b)  vom  teufet:  so  cumet  der  tivel  mit  einer  michelen 
schar  gruwelicher  und  eigeslicher  tivele  Lucidarius  61,  22 
Heidlauf;  aber  diser  gevärlichen  zeit  hat  grewlicher 
tewfel  etlich  fals  lere  und  allt  sect  ,  .  widerumb  auf- 
erweckt Berth.  V.  Chiemsee  teutsche  theologey  (l852)  2; 
der  leidige,  greuliche  teufel  Luther  34,  l,  29,  15;  auch 
substantivisch: 

der  greulich  hat  dich  herein  getran 

UiiLAND  Volkslieder  2,801; 

sprichwörtlich :  der  teufel  ist  nicht  so  grewlich  als  man 
yhn  malet  Luther  29,  693;  ebenso  Eb.  v.  Günzburg  2, 
eSneudr.;  vgl.  Wander  sprichwörterlex.  4, 1068,  234;  1069, 
236;  sondern  muss  dem  teufel  den  hyndern  abermal 
auf  decken,  das  yderman  sehe,  wie  hesslich,  schwarz 
und  greuelich  er  da  ist  Luther  i9,  262;  wie  gar  hat 
uns  doch  .  .  der  teufel  .  .  .  mit  dem  grewlichen  anti- 
christ  in  Babel  verführet  Jag.  Böhme  sehr.  (i62o)  4,  87. 

c)  von  thiereu:  cruenta  bestia  grulich  tyr  Prager  ätsch. 
Studien  8,  449  {aus  Kaadners  vocab.,  anf.  U.jh.); 

dar  näh  vil  schiere 

sah  ih  daz  grüwelichiste  tier, 

daz  sint  oder  er 

ieman  mohte  gescowen 

Strassb.  Alex.  5021  Kinzel; 

dat  gruwelike  beist  Soester  Daniel  203  Schmitz;  das  vierde 
thier  war  grewlich  und  schrecklich  Dan.  7,  7;  karten, 
deren  bilder  von  greulichem  getier:  äffen,  katzen  und 
dämonen  .  .  zusammengesetzt  waren  G.  Keller  6,  354; 
den  abgötzen  Jovem,  welcher  doch  ein  greulich  'schand- 
und  wunderthier  gewesen  Rist  neuer  teutscher  Parnasz 
(1652)  b"; 

da  kam  der  gräuliche  drach  daher 

Erlach  Volkslieder  der  Deutschen  1,404; 

orca  ein  grewlicher  wallflsch  im  meer  Calepinus  XI 
ling.  (1598)  1000"^;  etliche  grossmächtige  .  .  .  und  greu- 
liche hund  Guarinonius  grewel  der  Verwüstung  (l6lo) 
1130;  nach  meinem  abschied  werden  unter  euch  komen 
grewliche  wolfe  {Xvy.oi  ßuoeli)  ap.  gesch.  20,29;  ein  gräu- 
licher bär  GÖTHE  25,  117  Weim.;  die  greulichen  katzen 
Schiller  handschuh;  dasz  die  bedeutung  Jür  die  ältere 
Sprache  entschiedener  sein  kann  als  im  nhd.,  lehren  bei- 
spiele  tvie:  {der  hecht)  izt  auch  ainen  andern  hecht, 
also  gräuleich  ist  er  von  nätur  und  so  girig  auf  den 
raup  K.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  254,  12;  ez  sint  die 
ern  under  in  {den  scorpionen)  gräuleicher  wan  die  sien 
282, 20;  ähnlich  bei  Luther  prophet  Habacuc  (l526)  diiij  *>; 
auch  bildlich:  er  sprach  ain  frowen  sin  ain  tiere  un- 
gezämpt,  wild,  untrüw,  beweglich,  unstett,  grim  und 
grüiich  N.  V.  Wyle  translat.  52,  35  Keller;  gern  im  ver- 
gleich: wan  so  ist  si  {die  sündige  seele)  vil  grülicher  et 
ie  chain  sclange  ie  alder  ie  wurde  pred.  d.  XIII.  jh. 
1,  20  Grieshaber;  greulicher  als  ein  tiger  Stieler  697; 
o  mutter,  herter  dan  ein  steyn,  grewlicher  dan  eyn 
Wölfin  oder  lewin  Eb.  v.  Günzburg  3,  35  neudr. 

3)  auch  sonst  von  concreten  dingen,  doch  ohne  dasz 
wie  bei  1,  theilweise  auch  bei  2,  ein  bestimmter  sinn- 
licher ausgangspunct  der  bedeutung  erkennbar  wäre; 
'widerwärtig,  ekelhaft': 

swie  schoene,  swie  milte,  swie  rlche  er  was, 
so  wirt  sin  fleisch  ein  griulich  äs 

H.  V.  Trimberg  renner  24380  Ehrismann; 


kein  grewlicher  asz  dann  vom  menschen  Friedr.  Wil- 
helm Sprichwörter  register  (l577)  nr.  60;  wenn  einer  ge- 
storben ist,  verfaulet  ....  ja  solch  greulich  as  wird, 
das  niemand  umb  in  bleiben  kan  Luther  34,  2,  119 
{vgl.  1  c); 

greulichem  frasz  nachtrachtest  du 

MöRiKE  1,  79  Göschen; 

levitisch  unrein  {vgl.  greuel  Alb):  und  wenn  eine  seele 
etwas  unreines  anrüret,  es  sey  unrein  mensch,  vieh, 
oder  was  sonst  grewlich  ist  8.  Mos.  7,  21 ;  auch  in  heu- 
tigen dialecten  in  der  bedeutung  'ekelhaft,  unreinlich' 
Fischer  schwäb.  3,  811;  hierher  wohl  auch:  gräulich- 
machlos,  m.,  diarrhöe  Frischbier  i,  251*';  auf  einer 
andere7i  linie  liegt:  daz  im  sin  ballige  site  mit  dem 
grülichen  sper  wart  durchstochen  pred.  des  XIII.  jh. 
1,  58  Grieshaber; 

do  man  den  griulichen  spiez 
ir  kinde  durch  sin  siten  stiez 

MoNK  schausp.d.  mittelalters  1,238; 

das  ist  freylich  das  grewliche  schwerd  des  risen  Go- 
liath Luther  23,  143;  und  scheust  myr  solche  greuliche 
pfeyl  yns  hercz  34,  l,  313;  sich  ze  pingen  mit  herinen 
hemdern  und  mit  seiln  und  grülichen  banden  Seuse 
dtsch.  sehr.  107,  6;  gern  mit  religiösem  einschlag: 

was  darf  Christus,  das  wäre  Hecht, 
deiner  {Amlings)  greulichen  latterne? 
Lutherus  meinung  und  bericht 
wol  bleibt  der  rechte  kerne 

Wackernagel  kirchenlied  5, 168; 

do  . .  .  stalt  der  künig  Antiochus  einen  schantlichen, 
greüwlichen  götzen  auf  den  altar  desz  herren  Zürcher 
bibel  (1531)  1.  Makk.  i  T  {v.  57);  grewliche  messen  und 
abgöttereyen  Luther  vom  grewel  d.  stillmesse  (i525) 
Aj*»;  umb  der  grewlichen  abgötterey  des  Baals  Mathe- 
SIUS  Sarepta  (l57l)  III». 

4)  von  naturerscheinungen  und  -Vorgängen,  räumlichen 
und  zeitlichen  begriffen;  die  grundbedeutung  'schrecklich' 
hat  öfter  den  nebensinn  'gefährlich'. 

a)  von  krankheit  und  tod: 

do  sprach  ein  weih :  er  nerte  ouh  mih 
von  einer  griulichen  sucht 

ged.  des  12.  u.  13.  jh.  109,  76  Hahn; 

von  wannen  kommen  so  viel  .  .  .  durch  grewliche 
kranckheiten  ausgedorrete  weiber  Barth  weiberspiegel 
(1565)  NX*;  ein  solcher  grewlicher  tartarus  {steinkrank- 
heit)  Paracelsus  opera  1,  313  G  Huser;  grot  water  und 
gruwelik  stervent  Magdeb.  schöppenchron.  116,  30  Janicke; 
vertilge  den  greulichen  tot  ackermann  aus  Böhmen  21,  8; 
der  todt  ist  greulich,  der  in  nit  kennet  schöne  weise 
khigi-eden  (1548)  145*;  das  einer  lieber  den  grewlichen 
todt  leyden  sollt  Luther  34,  i,  85;  anders  bei  fehlendem 
oder  unbestimmtem  artikel: 

so  mustu  liden  groze  not 

und  darzu  grülichen  tot       pass.  K.  188,92; 

derhalb  forcht  sie,  er  wer  verdorben, 
im  meer  eins  grewling  todts  gestorben 

H.  Sachs  2,  257  Keller; 

indigna  morte  peremptus  eines  greüwlichen  tods  umb- 
kommen  Frisius  diction.   (1556)  683*. 

b)  von  dementen  und  Witterungserscheinungen:  fewer 
und  wasser,  die  zwei  stärckeste,  ja  grewlichste  dement, 
die  gottlosen  zu  peinigen  Kirchhof  tcendunmuth  2,  203 
Oesterley; 

zu  deme  vierden  male 
quam  er  im  grülichen  vur 

pass.  K.  211, 19; 

es  hat  die  statt  ,  ,  .  fünf  grewlicher  bränd  nach  ein- 
ander erlitten  Seb.  Münster  cosmogr.  586;  greuliche 
und  schwehre  wasser-fluthen  Hohberg  georgica  cur. 
aucta  (1715)  3,  390"';  tempestas  saeva  gräulich  ungewitter 
Reyher  thes.  (i668)  3,  1220;  anno  1436  am  tage  visita- 
tionis  Mariae  war  ein  grewliches  unerhörtes  weiter 
Hennenberger  preusz.  landtafel  (l595)  80;  augenblick- 
lich schafft  sie  {Juno)  ein  gräuliches  ungewitter  Ramler 
einl.  in  d.  schön,  wissensch.  2,  53; 


239 


GREULICH 


GREULICH 


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wer  kann  sich  auch  hüten  zugleich 
für  dem  grewlichen  tonnerstreich 

Spangenberg  ausgew.  dicht.  (1887)  212; 

über  das  erschrekliche  ungewitter  und  greulichen  stürm 
anno  1648  Neumark  neuspr.  texäscher  palmbaum  (i668) 
467;  vgl.: 

o  du  grewlicher  kalter  winter 

H.  Sachs  17,  199,  8  Keller-Götze; 

ebenso  adverbiell:  greulich  regnen,  wittern,  donnern, 
blitzen  Kramer  teutsch-ital.  (l700)  i,  564c;  swenne  daz  mer 
in  unden  get  und  alse  grüwelichen  stürmet  und  wütet 
Berthold  dtsch.  pred.  297  Kling;  gott  donnert  mit 
seinem  donner  greulich  Hartmann  fluchspiegel  58;  in 
neuerer  zeit  unter  abschwächung  der  bedeutung  gern  in 
folgender  Verbindung:  und  sei  doch  ein  gräuliches  weiter 
gewesen  und  kalt  und  nasz  Fontane  I  6,359;  ein  gräu- 
liches spätherbstwetter  Laube  i,128;  anders,  mehr 
quantitierend :  o  welch  eine  greuliche  hitze  schausp. 
engl,  comödianten  182,  29  Creizenach. 

c)  von  orta-  und  raumbegriffen: 

wie  grulich  was  die  strut 
und  auch  des  meres  freis 

Altswert  226,  12  lit.  ver.; 

ihr  greuliche  und  stille  wälder  Kram  er  teutschital. 
(l700)  1,  564'';  also  ward  er  mir  in  eim  grewlichen  wald 
gestolen  buch  der  liebe  (i587)  30'; 

gefahrvoll  ist  der  pfad.  —  entsetzlich,  greulich! 

Grillparzer  7,  56; 

und  die  flammen  krümmeten  sich  mit  weichenden  spitzen 
jetzund  an  beyden  Seiten,  und  trennten,  in  wellen  gerollet, 
sich  in  der  mitten,  ein  greuliches  thal! 

Zachariae  poet.  sehr.  6,  36; 

eine  greuliche  tiefe  {in  der  hölle)  Bodmer  samml.  crit. 
poet.  sehr,  i,  5; 

ein  greulich  loch  und  schwefelichter  pfuhl 
wird  sein  sein  stuhl 

Neumark  j)oet.  u.  musik.  lustwäldchen  (1652)  7; 

auch  direct:  ausz  der  grewling  hell  H.  Sachs  8,  280 
Keller;  und  ist  ein  greulich  Sodoma  draus  worden 
Luther  34,  i,  76. 

d)  von  zeitbegriffen:  daz  ist  du  grülich  stunde,  ab  der 
herze  und  sei  erschriket  Seuse  dtsch.  sehr.  819,  6; 

es  schleichen  die  kröten  am  schimmelnden  grund, 
gräuliche  stund  !  Brentano  2,  364; 

sein  vergangenes  dasein  kämpfte  mit  dem  gegenwärtigen, 
es  war  ein  gräulicher  augenblick  Göthe  24,  160  Weim.; 
eine  greuliche  nacht  una  notte  horrenda  Kramer  teutsch- 
ital. (1700)  1,  564*';  wollt  ihr  die  greuliche  nacht  euch  in 
die  Elbe  locken  lassen?  0.  Ludwig  4, 66;  mit  religiösem 
einschlug:  dasz  in  den  letzten  tagen  werden  grewliche 
zeit  komen  2.  Tim.  3,1;  im  selben  sinne:  sie  in  altera 
parte  Turca  so  greulich  und  erschrecklich,  das  sind 
greulich  zeit  Luther  29,  616;  in  jüngerer  zeit  schwächer: 
es   ist  eine  gräuliche  zeit  Gentz  sehr,  l,  133  Schlesier. 

5)  von  handlungen  U7id  zuständen. 

a)  neben  Substantiven  activer  bedeutungsrichtung ;  that, 
unthat,  mord,  kämpf  u.  dgl. :  die  gräuliche  that  empörte 
aller  herzen  Schlosser  weltgesch.  2,  492; 

{Christus)  wahrhaftig  uns  welssaget  hat 
der  Juden  grewlich  missethat 

Endinger  judenspiel  19  neudr. ; 

grewliche  unthaten  Chemnitz  schwed.  krieg  (1653)  2,445; 
greüwliche  schandtliche  und  mörderische  stucke  Stain- 
höwel  de  dar.  mulier.  319  lit.  ver.;  bei  Luther  häufig: 
sage  myr,  wer  hat  yhe  grewlicher  grewel  gehöret? 
12,  236  Weim. ;  vgl.  15,  39 ;  19,  7 ;  26,  488 ;  in  jüngerer  zeit 
mit  schwächerem  sinn:  so  entstand  bald  ein  gräuliches 
jagen  ...  im  hofe  H.  Sghmid  alte  u.  neue  gesch.  aus 
Bayern  81 ;  es  ist  ein  gräuliches  verfahren,  welches  die 
mineralogen  bei  der  bestimm  ung  der  färben  beobachten 
Göthe  gespräche  2,  106;  bei  näherer  specialisierung  der 
unthat  am  frühesten  und  häufigsten  von  blutthaten :  ein 
grüliches  mord  Seuse  dtsch.  sehr.  80,  6;  (Marius)  hat 
...  zu  Rom  ein  grewlich  blutbad  angericht  Kirchhof 
xvendunm.  2,  24  lit.  ver.;  ein  greulich  gemetzel,    worin 


wir  siegten  Göthe  83,  19  Weim.;  yhr  (der  bau^rn)  greu- 
liehs  toben  Luther  18,  336,  13  Weim.;  der  krieg  (ist) 
das  greulich  wütendt  übel  Kirchhof  militaris  disci- 
pli7ia(i602)  i;  das  grewliche  wöeten  des  höllischen  feinds 
erzherz.  Ferd.  v.  Tirol  spec.  vitae  humanae  52  neudr.; 
(die  Türken)  verhergten  drumb  was  sie  ankamen,  mit 
grewlicher  tyrannei  Seb.  Frangk  Germ,  chron.  (i538) 
82';  urtheil,  gericht,  strafe,  namentlich,  wenn  sie  von 
gott  ausgehen:  die  verborgenen  grüwelichen  urtel  gotz 
Schmidt  elsäss.  158*'  aus  Tauler;  wer  es  (das  wort) 
verschmöcht,  der  wirdt  greulicher  urteil  Gnden,  dann 
Sodoma  und  Gomorra  Eb.  v.  GOnzburg  3,  119  neudr.; 

mit  kurzen  Worten  sprichet  got,  sin  griuwelich  gerihte 
sol  vollen  gän 

Rumslant  hei  v.  d.  Hagen  minnes.  3,  57'; 

sie  würdn  ein  grewlich  strafe  tragn  jedermannes  jammer- 
klage (1621)  B  1111»;  gräuliche  höllenstrafen  Gaudy  2,  121; 
hoffe  ich  dasz  aus  dem  .  .  .  Studium  dieses  büchleins 
sich  keine  ketzerische  Albigenser  hervorthun  und  zu 
ihrer  so  greulichen  als  gerechten  bestrafung  das  fromme 
Jahrhundert  aufrufen  werden  Göthe  IV  38,  273  Weim.; 
der  religiöse  einschlug  des  grundivortes  (vgl.  greuel  A  s  c  t^) 
icird  fühlbar  neben  begriffen  loie  sünde  und  laster:  so 
vil  grewlicher  unnaturlicher  sunde  Agricola  750  teut- 
scher  Sprichwörter  (1534)  F  VI'';  namentlich  im  älteren 
nhd.  sehr  häufige  Verbindung;  auch  adverbial:  sich 
greulich  versündigen  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  i,  564"=; 
greuliche,  greuliche  frevel,  die  bis  zum  himmel  hinauf- 
stinken Schiller  2,  lOi;  das  ist  yhe  grewlich  unrecht 
und  Widder  gott  Luther  18,  331  Weim.;  so  yhr  doch 
...  80  grewlich  widder  seyn  recht  thut  und  lebt  307; 
werden  euch  andere  grüliche  laster  furwerfen  Alberus 
widder  Jörg  Witzeln  Mi'';  aber  verlarvtes  laster  ist 
greulicher  im  äuge  des  groszen  kenners  im  himmel 
Schiller  l,  64;  das  grüwenliche  laster  der  trunken- 
heit  Staub- Tobler  2,  835  (quelle  von  1584);  mit  greuel 
A  3  c  /S  vergleicht  sich  grüwliche  Unzucht  zum  ofter- 
mahl  getrieben  würdt  Reutter  v.  Speir  kriegsord- 
nung  13;  Wieland,  den  wir  anfangs  aus  honettetät  ein- 
luden, hat  sich  gräulich  prostituirt  und  schlecht  emp- 
fohlen Göthe  IV  7,  102  Weim.;  greuliche  habsucht 
Arndt  6,  96  Rösch- Meisner;  inscitia  prodigiosa  grew- 
liche, schreckliche  grobheit  Faber  thes.  (i587)  651'; 
man  rechnet  einem  oft  als  greuliche  Unverschämtheit 
an,  was  nur  die  zarteste  scheu  vor  überhebung  ist 
Raabe  Horacker  (1876)  69;  wir  übten  so  .  .  .  schon  als 
knaben  den  greulichen  undank  Holtei  vierzig  jähre 
I,  86. 

b)  nicht  ebenso  häufig  hieben  Substantiven  passiver  be- 
deutungsrichtung; Untergang,  leiden,  marter  u.a.:  also 
ist  der  engel  fall  darumb  so  grewleich  und  schrecklich 
theatr.  diabol.  (1569)  21 '' ;  an  der  rebellischen  pauren  grew- 
lichen und  schrecklichen  Untergang  B.  Krüger  spiel  v. 
den  bäur.  richtern  4;  eine  greuliche  niederlage  foeda 
clades  Apinus  gloss.  nov.  (1728)  369;  es  müsz  .  .  .  mit 
disser  .  .  .  weit  eyn  greulich,  erschrecklich  ende  haben 
Alberus  buch  v.  d.  ehe  (1536)  Gij';  so  haben  sie  darmit 
allein  inen  ein  grewlichen  fluch  auf  ire  häupter  ge- 
laden Fischart  discours  (1589)  G  III'';  armuth,  gräu- 
lichster fluch  Hebbel  briefe  2,  261 ;  knecht  der  armuth, 
gebeugt  unter  der  greulichen  noth  Arndt  6,  23;  dasz 
er  mich  in  eine  greuliche  abhängigkeit  versetzt  For- 
ster 9,  32;  es  mag  wol  sin,  daz  liden  ein  unmessiges 
gut  ist,  da  es  .  .  .  nit  als  grüwlich  und  als  ungehört 
ist  Seuse  dtsch.  sehr.  248,  29;  an  solcher  grülichen  un- 
menschlichen marter  Hedio  chron.  germ.  (l530)  III';  greu- 
liche pein  leiden  Khauer  teutschital.  (1700)  1,564'';  got 
wurde  .  .  .  die  stadt  mit  mancherley  grewlichen  plagen 
angreiffen  Alberus  fabeln  20  neudr.;  darausz  erfindet 
sich  offenbarlich  die  aller  höchst  und  grewlichst  verfüe- 
rung  H.  V.  Cronberg  139  neudr.;  wann  gott  kompte 
mit  greulichen  anfechtungen  Tauler  sermones  (1508)  X'; 
ein  lästerliche  und  grewliche  verderbung  des  mensch- 
lichen geschlechts  Bech  Agricola  (i62i)  7;  der  krieg 
richtet  greuliche  Verwüstungen  an  Heinse  4,396;  die 
gräuliche  französische  umkehrung  und  Verwirrung   (re- 


I 


241 


GREULICH 


GREULICH 


242 


volution)  Arndt  sehr,  für  ii.  an  s.  l.  Deutschen  l,  233; 
da  sie  {die  bibliothek)  m  greulicher  Unordnung  ...  ist 
.1.  u.  W.  Grimm  briefw.  243;  von  diesem  gräulichen 
drunter  und  drüber  gehen  Gramer  Neseggab  l,  162;  oben 
das  greuliche  durcheinander  ist  die  ermordung  des 
ersten  Lehniner  abtes  Fontane  I  2,  ii. 

c)  neben  allgemeineren  attsdrücken  des  geschehens  und 
des  zustandes;  Vorfall,  tinfall,  geschichfe,  ding,  sacke: 
wie  tätig  und  durchgreifend  er  bei  dem  greulichen 
Vorfall  gewesen  Mörike  3,  83  Göschen;  die  greuliche 
scene,  die  maceration  des  leichentheiles  jahrb.  d.  Grill- 
parzer  gesellsch.  3,  240;  das  grewlichste  spectacul,  so  je- 
malen  für  ewren  äugen  kommen  schausp.  engl,  comöd. 
34, 1  Creizenach;  hörte  er  nur  von  den  gräulichen  be- 
gebenheiten  des  tages  reden  Klinger  8,  250; 

darnach  hfib  sich  grosz  mishelle 
und  ein  gr&lich  ungevelle 

higtor.  Volkslieder  168  Lilien  er on  ; 

o  Unfall  schrecklich,  wild  und  grewlich 
.Spangenberg-Fröreisen  griech.  dram.  2, 105  Ut.  ver.; 

und  da  kann  zum  exempel  der  letzte  wurf  eine  gräu- 
liche catastrophc  anrichten  Gleim  briefw.  2,  206;  das 
geschehene  als  berichtetes:  schreckliche,  grewliche  gc- 
schichtc  Luther  34,  2,  234   Weim.,- 

eine  grosse  und  grewlich  geschieht 
von  einer  mfittcr  ich  beiicht, 
welche  sich  legt  zu  ihrem  son 

.  Schümann  nachtbüMein  203  Balte; 

sind  grcwliche  zeytung  eintreten  Güttel  evang.  war- 
hegt  (1523)  A  II*;  dass  man  ihnen  solche  groiiwliche 
ding  von  unserem  land  fürgebildet  Staub -Tobler  2, 
835;  denn  was  kan  grösser,  greulicher  ding  seyn,  denn 
gotts  willen  ungehorsam  seyn?  Luther  19,  198  Weim.; 
o  es  ist  ein  greulich  ding  umb  ein  weltweisen  man, 
der  in  seiner  kunst  .  .  .  ersotlen  ist  Franck  sprich- 
u-örter  (1541)  2,  164";  es  ist  eine  gräuliche  sache  um 
das  Visiten  geben  Gleim  briefic.  2,  28; 

.Tupiiiter  das  seind  grewlich  Sachen 
die  eim  vertreiben  bald  das  lachen 

FisciiAUT  flöhhatz  4,  43  neudr. ; 

eine  greuliche  sache!  ein  greuliches  wesen!  gran  cosa! 
r  forse  cascuto  il  cielo?  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  i, 
564'"=;  es  ist  fast  yedermann  .  .  .  den  geistlichen  umb 
yhr  grewlichs  wesen  .  .  .  feind  j;cwest  Luther  26,  617. 

d)  darüber  hinaus  namentlich  in  jüngerer  zeit  in 
hunter  Verwendung:  sonst  richtete  die  auf  die  theologio 
übertragene  dialektik  ein  greuliches  schisma  in  diesem 
Zeitraum  unter  ihren  Verehrern  an  M.  J.  Schmidt  gesch. 
iL  Detttschen  3,  ild;  denken  sie  sich  die  gräuliche  Stati- 
stik: in  Chalons,  einer  stadt  von  12000  einwohnern, 
gibt  es  nur  eine  einzige  miethkutsche  Bürne  9,  18; 
was  so  eine  musik  von  einem  Pulkkosaken  gesungen, 
für  eine  gräuliche  Wirkung  thun  müsse  Schubart  äs- 
thetik  d.  tonkunst  246;  auszerhalb  der  einen  macht,  vor 
der  nichts  selbständig  sich  gestalten  kann,  ist  nichts 
vorhanden  als  gräuliche  willkühr  Hegel  9,  104;  gern 
im  sinne  des  kiitistwidrigen,  fehlerhaften:  nun  spielte 
ich  .  .  .  mit  dem  gräulichsten  fingersatze  R.  Wagner 
5, 1 ;  unerachtet  der  gräulichen  stelzenpoesie  Schubart 
leben  u.  gesinn.  i,  26;  ein  gräuliches  persicirendcs  grie- 
chisch Ave-Lalle.mant  gaunertum  3,  59. 

c)  adverbiell: 

<c)  die  verba  entsprechen  z.  th.  den  Substantiven  unter 
a  tmd  b: 

die  Prediger  und  die  diener  dein 
wollen  sie  grewlich  schlachten 

J.  Jonas  bei  VVackernagel  kirchenlicd  3,  44; 

wurden  auf  einmal  14  brüder  grewlich  von  inen  er- 
schlagen Nas  antipap.  eins  u.  hundert  2,  G  VIT-"'; 

das  (sc.  bild)  er  gruwelichen  sluc 

mit  scharfen  geisclen  genuc  pass.  K.  21,  38; 

endlich  haben  sie  ...  den  bojaren  .  .  .  überfallen  und 
greulich  geschlagen  Olearius  verm.  reisebeschr.  (1696) 
134;  zu  der  dritten  male  sluc  jenre  gruwelichen  an  di 
ture  mijstiker  l,  91,  12  Pfeiffer;  er  klopfet  greuwlich  an 
IV.  1.  0. 


die  thür  buch  d.  liebe  (i587)  .361*;  jemand  greulich  mit- 
fahren, plagen,  martern,  zerfetzen,  umbringen  Kramek 
teutschital.  (l700)  1,  564";  und  handelst  grewlich  mit  mir 
Hiob  10,  16;  es  wart  aber  seiner  verdienstnüs  nach 
etwas  greulich  mit  im  gehandelt  L.  v.  Eyb  Wilw.  v. 
Schaumburg  155  lit.  ver.;  greulich  mishandeln  Ranke 
reform,  gesch.  4,  237;  greulich  behandeln  Göthe  IV  39, 
66;  o  wie  greulich  wirt  mann  mit  im  umbgehn  que 
fuiura  exempla  fient  in  eum  indigna  Alberus  (1540) 
D  d  iij»;  das  alles  das,  was  die  weltliche  oberkeit  nit 
straffet,  gott  ...  als  der  grewlicher  heimsucht  Mus- 
culus hosenteufel  14  neudr.;  {kaiser  Otto)  straft  auch 
gar  greulich  die  Römer  städtechron.  3,  67;  anno  1524 
.  .  .  ward  .  .  .  der  prior  grewlich  gepeiniget  Hennen- 
berger  prettsz.  landtafel  (1595)  44;  indessen  quälte 
mich  aber  das  ungeziffer  so  greulich  Grimmelshausen 
Springinsfeld  2,  45  Keller;  min  rechter  vüz  (was)  dur- 
graben und  min  lingger  grüwlich  durhöweu  Seuse 
dtsch.  sehr.  210,  19; 

{Paris)  dargegen  aller  zucht  und  ehr 
mich  grewlich  hat  verletzet  sehr 

Spreng  Ilias  (1610)  36''; 

vil  teuflischer  tier  die  rissen  und  zerten  die  seien  gar 
grewlich  Stimmer  teil  d.  lieyligen  leben  (1472)  VII*;  die- 
weil  graf  Riolin  das  land  Careches  abermal  grewlich 
verwüstet  buch  d.  liebe  (1.587)  104'';  das  Buschmannsweih 
habe  ich  .  .  .  betrachtet,  aber  nicht  lange,  jedoch  mit 
diesen  wenigen  blicken  mir  schon  die  einbildungskraft 
gar  greulich  verdorben  Göthe  IV  84,  52;  von  kämpf 
und  streit: 

dö  lief  in  der  rise  gar  griullchen  an 

Rosengarten  A  199,  2  Holz; 

später  mit  ganz  veränderter  bedeutung:  so  prophecey 
ich  dir  das  gewys,  das  du  gar  greulich  und  ungeschickt 
wirst  anlaufen  Hütten  opera  2,  190,  36;  es  gäbe  welche 
{männer),  bei  denen  sie  greulich  anlaufen  würde  Haupt- 
mann ges.  werke  (1912)  2,  328;  grassari  greulich  zu  streit 
gan  DiEi^ENBACH  nov.  gloss.  197*;  horrihiles  custodias 
alicui  circundare  .  .  .  einen  greuwlich  verwaren  Fri- 
sius  diction.  (1556)  223*;  degrassor  grewlich  anfallen 
Calepinus  XI  ling.  (1598)  386*; 

die  hund  auch  grewlich  nach  uns  schnapten 

FiscuART  ßijhhatz  20,628  neudr.; 

icii  habe  gehört,  du  hast  die  wipper  grewlich  abge- 
schmiert  discurs  von  den  itzigen  zustande  der  kipper  u. 
wiijper  (lG2l)  B  II*;  Frotho  .  .  zeucht  aber  greulich  den 
kürtzern  Lohenstein  Arminius  2,  782. 

,i)  alt  ist  eine  quantitierende  bedeutung  des  adverb., 
neben  der  die  characterisierende  ganz  zurücktreten  kann: 
er  .  .  .  rant  als  greulichen,  das  es  erscheyn,  als  oh 
inen  der  hagel  jagt  Aymont  (1535)  k4'';  der  ie  reich 
wil  werden,  .  .  .  dem  laszt  er  {gott)  reichthumb  wider- 
fahren, denn  er  hat  greulich  darnach  gestellt  und  dar- 
nach beide  gebetten  und  gerungen  schöne  weise  klug- 
reden (1548)  104*;  welcher  nunmehr  entschlossen  wäre, 
die  mahlzeit  anzustellen,  darauf  wir  uns  bisz  daher  so 
gräulich  gespitzet  hatten  Zend.  \.  Zendoriis  jcinter- 
nächte  (i682)  136 ;  nachdem  wir  gestern  greulich  gesoffen 
Warnecke  poet.  versuch  (1704)  195;  fing  er  an,  aufs 
greulichste  zu  renommiren  Lev.  Sghücking  an  A.  v. 
Droste-HOlshoff  briefe  37;  vgl.  greulich  bluten  Krk- 
UV.K  teutsch-ital.  (1700)  i,  564";  gräulich  schwitzen  Gott- 
sched dtsch.  Schaubühne  6,  415;  ich  muszte  doch  greu- 
lich danach  husten  Storm  6,  209. 

g)  von  empfindungen,  meinungen,  äuszerungen. 

a)  neben  ausdrücken  des  affects:  gottes  zoi'n  so  schweer 
und  greulich  Luther  28,  17  Weim.; 

wie  ist  sein  zorn,  der  in  den  äugen  flammt, 
zugleich  so  lächerlich  und  gräulich 

Brockes  ird.  vergnügen  4, 162; 

welches  .  .  .  der  grewlichste  hasz  ist  under  den  man- 
schen MoscHEROSCH  insomn.  cura  31  neudr.;  einen 
feyndtlich  und  greuwlich  hassen  Frisius  diction.  (1556) 
909*;  mit  grulicken  frochten  Soester  Daniel  159  Schmitz; 
weil  sich  der  römisch  hoff  so  grewlich  für  einem  freyen 

16 


243 


GREULICH 


GREULICH 


244 


cöncilio  furcht  Luther  artickel  (1638)  Aij';  abominor 
ein  grewiich  abscheuhen  tragen  Calepinus  XI  ling. 
(1698)  O**;  es  würde  mich  greulich  kräncken  Weise  d.  drei 
ärgsten  erznarren  166  neudr.; 

denn  stets  an  einem  weibe  nagen 
ist  ja  ein  greulicher  verdrnsz 

Henkici  ernst-  scherzh.  «.  sat.  gcd.  2, 121; 

es  würde  mich  greulich  schmertzen,  wenn  ollapatr. 
38,  12  neudr.;  sich  greulich  schämen  Günther  ged.  982; 
einen  greulich  erschrecken  Kramer  teutsch-ital.  (i700) 
1,564°;  erschracken  sie  gar  grewiich  all  Frey  garten 
gesellachaft  188,  11  Balte;  die  bedeutung  geht  theihceise 
ins  quantitierende  über,  s.  o.  5  f  ß. 

b)  irrthum,  lüge,  betrug  u.  ä.:  darüber  er  zugefahren 
und  allerley  grewliche  irrthumb  und  secten  erreget 
Krüger  aktion  v.  d.  anfang  u.  ende  d.  tvelt  (1580)  AIII''; 
die  vier  lateranensische  koneilien  ....  wodurch  .  .  . 
ihre  Universalmonarchie  und  viele  greuliche  irrthümer 
zu  glaubenslehren  gemacht  wurden  Juno-Stilling  3, 
329;  geirrt  hast  du  dich,  o  irdischer  Aristipp!  gräulich 
hast  du  dich  geirrt!  Heinse  3,  28;  solche  grewliche 
teufelische  greifliche  lügen  Luther  18,  261,  40  Weim.; 
de  gruwelichsten  lögenen  und  affgaderye  Rotmann  re- 
stitution  16  neudr.;  wer  heiszt  es  nun  dem  herm  Dusch, 
auf  die  rechnung  der  astronomen  ...  so  greulich  zu 
lügen  Nicolai  liter.  briefe  2,  S33;  solch  ungeschwun- 
gener grewlicher  grosser  betrug  Luther  von  der  vdnkel- 
wiCÄse  (1533)  Fiiij*;  es  sey  die  aller  grewlichst  ketzerey, 
so  yhe  gewest  ist  26,  342  Weim.;  ich  weisz  zwar,  dasz 
es  greuliche  narrentheidungen  seyn  Prätorius  aben- 
fheuerl.  glückstopf  (1669)  20;  er  verspottet  darin  ...  die 
gräuliche  thorheit  des  römischen  voicks,  das  von  allen 
dingen  blos  nach  dem  äuszerlichen  ansehen  urtheilt 
Ramler  einl.  in,  d.  schön,  ivissenach,  8,  148. 

c)  schwur,  fluch,  schelttvort  u.  ä. :  (er)  vorpflichte  sich 
rait  grewlichen  oyden  zu  einem  eygenen  knecht  dem 
bapst  Luther  6,  42i  Weim.;  mit  gruweliken  eede  und 
sacrament  Soester  Daniel  166  Schmitz;  ich  hab  erst 
auch  ein  grewlichen  .  .  schwur  gehört  Schwentf.r  ste- 
ganologia  28;  als  nun  der  wirth  heftig  leugnete  und  sich 
darzu  grewiich  verschwur,  er  wolte  desz  teufeis  seyn 
NiGRiNUS  V.  Zauberern  (1592)  6;  ein  greulich  unchristlich 
leste^n  Luther  auf  das  ubirchristlich  buch  (1521)  Diij"; 
sie  fluchten  und  schwuren  so  gottslästerlich,  so  grau- 
sam grewiich  Mosgherosch  gesichte  (l650)  2,  340;  bey 
den  Engländern  hingegen  höret  man  die  greulichen 
fluche  und  herzhaften  Schimpfwörter  J.  E.  Schlegel 
3,  264 ;  debacchor  conviciis  ich  schelt  greulich,  rieht  übel 
ausz  Albeuus  (i540)  xxj**; 

diu  griuwelichen  Scheltwort 
treip  der  klagebsere 

KoNR.  V.  Würzburg  Parton.  17604; 

da  fieng  das  alte  weib  an  so  greulich  zuscheiten  und 
zufluclien  Krüger  Claicerts  tcerckl.  hist.  29  neudr.; 
gräuliche  schimpf-  und  drohworte  G.  Keller  5,  850;  die 
erst  auslegung  .  .  .  drouwet  uns  greulich  umb  unsere 
Unachtsamkeit  gotes  Tauler  sermones  (1580)  registerNl^ ; 

wie  hat  er  (Faust)  doch  im  schiffe  neulich  .  .  . 
auf  seinen  gott  gezankt  so  gräulich 

Lenau  447  Reclam; 

greuliche  worte  reden  detesttmda  verla  proloqui  Stie- 
ler 697; 

redet  nicht  so  grewiich  wie  vorhin, 

denn  ir  habt  hie  ein  red  gefürt 

die  rechten  Christen  nicht  gebürt 

Dedekind  papiata  convcreus  (1596)  114»; 
anders: 

vom  fegfür  und  von  allem  bösen, 

darvon  man  doch  so  grüwlich  redt 

N.  Manuel  vom  papst  u.  s.  priestersch.  v.  11; 

do  hin  die  greuliche  lere  (crudele  dogma)  des  kuniges 
gekumen  was,  do  was  grosse  klage  bei  den  Juden 
Wenzelbibel  Esther  4,  3;  das  ist  eyn  grewliche  leher 
Luther  84,  l,  29  Weim.;  hast  du  jemals  dies  gräuliche 
wort:  verhungern!  recht  überdacht?  Gerstenberg 
ügolino  245,  29  Hamel;  exercet  in  me  calami  rabiem  er 
schreibt  greulich  widder  mich  Alcerus  diction.  (i54o) 


11";  die  Wittemberger  werden  aber  greulich  widder 
euch  schreiben  xcidder  Jörg  Witzel  L  2*';  wie  wol  wurd 
es  dir  gefallen,  wan  dich  einer  in  einem  sölichen  hes- 
sigen und  greulichem  buch  wolt  lernen  erkennen  und 
dich  eren  Carlstadt  abthuung  der  bylder  B  8*. 

7)  adverbiales  greulich  iieben  adjectiven.  das  adv. 
kann  lediglich  characterisierenden  sinn  haben:  die  greu- 
lich weisze  zeit  der  jähr  (das  alter)  Treuer  dtsch.  Du- 
dalus  1,  74;  aber  schon  früh  verbindet  sich  mit  der  be- 
deutung 'zum  erschrecken,  gefährlich,  unangenehm' >anehr 
oder  minder  deutlich  eine  andere  rein  quantitierende 
'sehr,  in  hohem  masze' : 

diz  was  ein  grulich  scharfer  dorn 

pa9s.  K.  84,  70; 

die  clawen  daran  sind  grülich  scharpf  und  starck  Myn- 
SINGER  von  den  falken  7  lit.  ver.;  (die  anfechtung)  gehet 
itzt  zu  unsern  zeiten  greulich  starck  und  gemeine  Lu- 
ther 28,  24,  7   Weim.; 

und  schisz  ins  bctb  so  greulich  übel, 
als  hett  man  drein  geschütt  mit  kiibel 

Fischart  Eulensp.  96,  2057  Hauffen; 

sie  ist  so  greulich  heszlich  nicht  ella  non  e  giä  tanto 
brutta  Kramer  teutsch-ital.  (l700)  1,564«;  ha!  das  mägd- 
lein  ist  greulich  verständig  ollapatrida  240,  80  neudr.; 
es  ist  greulich  kalt  schausp.  engl,  cotnöd.  182,  22  Crei- 
zenach;  das,  was  er  schrieb,  ist  so  greuüch  trocken 
Caroline  l,  260  Waitz;  de  fisch  sunt  grauwellig  dür 
Schütze  holst.  2,  64;  auch  Dähnert  163  utid  Danneil 
71"'  vermerken  diese  steigernde  bedeututig;  greifbar  ist  der 
rein  steigernde  character  des  adv.  neben  adj.,  deren  sinn 
die  ursprüngliche  bedeutung  von  greulich  ausschlieszt:  sie 
ist  greulich  schön,  greulich  holdselig  ella  e  la  dea  della 
bellezza,  delV  amore  Kramer  deutschital.  (1700)  l,  564«; 
gräulich  hübsch  oberhess.  wb.  bei  Estor  teutsche  rechte- 
gelahrtheit  8,  1409;  seynd  wir  nicht  so  greulich  lustig 
auf  der  Lobte  gewest  Schoch  studentenleben  (1657)  Fö"; 
meine  braut  hat  mich  greulich  lieb  Arnim  4,  68;  das 
hat  früh  ividerspruch  gefunden:  wie  ungereimt  klingt 
es  doch  wann  man  sagt:  schrecklich  lustig,  greulich 
schön  Harsdörffer  frauenz.  gesprechsp.  4,  397,  lebt 
aber  im  dialect  noch  heute:  greulich  schön  Fischer 
Schwab.  3,  811;  das  ist  ja  ein  gar  gräulich  schön  mäd- 
chen  Vilmar  185;  gern  neben  reinen  quantitätsbezeicJi,- 
nungen:  ihr  bild  ech  groilich  vil  ey  Gryphius  dorn- 
rose  290  Palm;  ein  junges  frauenzimmer,  welche  .  .  . 
mit  gar  greulich  viel  liebesbriefen  angefochten  wird 
Gottsched  vernünft.  tadlerinnen  i,  853;  greulich  viel 
volck  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  i,  564 <=;  grouwelik  veel 
geld  brem.  wb.  2,  551;  grauwellig  vel  Mi  29»;  das  ist  eyn 
greulich  gros  volck  Luther  17,  i,  S84;  du  bist  ja  gräu- 
lich grosz  geworden  Vilmar  135;  grüwwelik  graut  sehr 
grosz  Strodtmann  osnabr.  77;  auch  das  adj.  hat  vor 
grosz  vielfach  den  steigernden  sinn  des  adverbs:  sonsten 
findet  man  auch  in  Preussen  .  .  .  greuliche  grosse  eich- 
bäume Prätorius  anthropodemus  l,  6i;  solcher  wilden 
gänse  einer  greulicher  groszer  anzahl  sey  in  den  mitter- 
näch tischen  örtern  winterflueht  d.  sommervögel  16;  neben 
anderen  quantitätsbegriffen  seltener:  greulich  grosz,  weit, 
lang,  hoch  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  i,  564";  ein  greu- 
liche lange  zeit  Luther  über  das  erste  buch  Mose  (1527) 
Yiiij*;  nach  X.  ists  noch  greulich  weit  Fischer  schwül. 
8,  Sil;  grillig  dick  Schambach  69;  die  ivendungen  greu- 
lich viel  und  gr.  grosz  haben  substantivische  parallelen : 
deme  sofort  eine  greuliche  mänge  von  spies-  oder  wurf- 
pfeilen  folgte  A.  U.  v.  Braunschweig  Octavia  i,  168; 
man  finde  deren  einige  (cedern)  sehr  alte  und  greu- 
licher grosse  D.  v.  Stade  erläuter-  u.  erklärung  (l7li)  60. 

8)  greulich  in  verbalen  Verbindungen. 

a)  greulich  (aus)sehen:  horribilis  vel  horridus  aspectu 
der  greulich  sihet  Alberus  (1540)  odiij"; 

das  vieh  sieht  greuwlich  nur  allzeit, 
mit  menschen  hat  es  andern  bscheid 

Fischart  Eulenspiegcl  26,  392  Hauffen; 

ein  seltzam  pferd  .  .  . ,  welches  sye  ein  ochsenkopf  ge- 
nannt haben,  entweder  das  es  so  greulich  gesehen,  oder 


I 


j 


245 


GREULICH 


GREÜLICHKEIT 


246 


so  ein  .  .  .  ochsenkopf  hatte  Eppendorfp  Fliniua  8, 75; 
dagegen  'kränklich,  blasz':  der  junge,  das  mädel  sieht 
recht  greil'ch  aus  Möller-Fraureuth  l,  437;  daher  sie 
auch  ganz  blasz  und  greulich  aussiehet  Lehmann  Schau- 
platz der  natürl.  merkwürdigkeiien  im  meiszn.  Obererz- 
gebirge (1699)  775. 

b)  sich  greulich  stellen,  erzeigen,  alem.  wendung: 
saevio  wüten  und  grausam  seyn,  sich  greüwlich  und 
lätz  stellen  Frisius  diction.  (i556)  1173^;  crudelitatem 
in  aliquem  adhibere  sich  greüwlich  stellen  und  erzeigen 
34";  als  sie  nuhn  desz  meidlins  alle  lachten,  wäre  einer 
da,  zog  das  wehr  ausz,  stellte  sich  greulich,  als  wolte 
er  es  itzo  umbbringen  Zinkgref  apophthegmata{XGZ&)  338; 
er  sey  willens  west,  sich  vil  greulicher  zu  stellen  Knebel 
chron.  v.  Kaisheim  444  lit.  ver.; 

wan  wir  (die  teufel)  uns  schon  erzeygten  greulich 
mit  kloen,  hörnern  gar  abscheulich 

Fischart  jesuiter hütlcin  231,  55  Hauffen; 

c)  greulich  thun :  ne  saevi  tantopere  thue  doch  nicht 
so  grewlich  Cokvinüs /ons  latin.  (1646)  36;  greulich  um 
etwas  thun  disperarsi,  far'  il  diavolo,  arrabbiare  per 
qualche  cosa  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  1,564«;  alse  Euse- 
bius  sterven  solde,  do  bcgunde  Eusebius  so  gruwelike 
unde  so  vorverlike  to  done,  dat  alle  de  monike  mit  anxte 
so  vorveret  weren  Schiller-Lübben  2,  i6i;  dagegen 
'sicJi  traurig  zeigen' :  sein  weib  aber  gieng  mit  der  leicht, 
Ihet  grewlich,  weinet  sehr,  hielt  sich  so  übel  umb  den 
gestorbenen  man  Bebel  facetien  deutsch  (1558)  Mi'^;  in 
den  heutigen  maa.  mit  stark  schwankender  bedeutung: 
bair.  grosze  angst,  groszes  Iddwesen  an  den  tag  legen 
Schmeller  1,  981,  doch  auch:  mit  fremder  leute  kindern 
kann  sie  greulich  (affectiert)  thun,  die  eignen  schaut  sie 
gar  nicht  an  ebd.;  schwäb.  ausgelassen  sein  Fischers, 
811 ;  liess.  sich  sehr  traurig  oder  auch  sehr  entrüstet,  sehr 
überrascht  anstellen  Vilmar  135. 

d)  etwas  greulich  machen:  so  mus  man  mir  doch 
nachgeben,  das  .  .  .  man  die  helle  .  .  .  nimmermehr  so 
heslich  scharf  und  grewlich  machen  kan,  sie  wird  noch 
viel  schrecklicher  .  .  .  und  betrübter  sein  Ringwaldt 
Christi.  Warnung  AVII'';  der  fuchs  beschmeiszet  und 
beseicht  ihm  (dem  dacJis)  seine  gruben  inwendig  und 
macht  sie  ihm  so  greulich  und  unrein,  dasz  er  nicht 
wieder  hinein  begehrt  Colerus  hausbuch  433  (vgl.  greu- 
lich 'ekelhaft'  'S) ;  dann  auch  als  redensart:  das  streycht 
der  Stattschreiber  hie  treffelich  aus  und  kan  die  sach 
greulich  machen  iveisz  die  sache  als  gefährlich,  schlimm 
hinzustellen  Blaürer  briefw.  1,  373. 

e)  mir  wird  greulich  mich  ergreift  schrecken,  entsetzen: 
und  übe  mich  also  mein  leben  lang  mit  dancksagung, 
das  es  mir  nit  greulich  werd  in  dem  bittern  tod  Luther 
7,  254  Weim. ;  es  rumorte  heftig  in  allen  ecken,  der  frau 
ward  greulich  und  schauerlich  Grimm  dtsch.  sagen  1, 
115 ;  du  hast  dir  den  doctor  in  den  köpf  gesetzt  . . .  mir 
wird  greulich,  wenn  ich  daran  denke  Freytao  hand- 
schrlft  3,  75 ; 

mir  wird  ganz  greulich  vorm  gesicht 

GöTHE  Urfaiisl  291; 

ich  bii  ganz  greil'ch  wur'n  v'r  schreck  Möller-Frau- 
REUTii  1,  438 ;  wo  in  älterer  spräche  die  icendung  persön- 
lich gebraucht  wird,  hat  sie  andern  sinn:  sie  sind  ver- 
derbet und  grewlich  worden  in  yhrem  thün  (endgültig: 
sind  ein  grewel  mit  irem  wesen)  Luther  bibel  i,  46i 
Weim.  (ps.  14,  i  var.) ;  der  gottlosz  sagt,  es  ist  kein  got, 
und  sie  seindt  in  irem  wolgefallen  zertrent  und  greu- 
lich worden  Eb.  v.  Günzburg  3,  115  neudr. 

f)  etwas  ist  mir  greulich  erregt  schrecken,  abscheu: 

gruolich  und  ungestalt 

was  sie  (die  sätde)  uns  vil  manche  zit 

poet.  bearbeitung  d.  Daniel  980  Hübner; 

er  dan  Kristus  gestarp  .  .  . ,  do  was  der  tot  hezlich  und 
grüwelich  allen  den  menschen  mystiker  1, 118,  29  Pfeiffer; 
er  spricht  als  die  forchtsammen  knecht,  den  kein  künf- 
Irge  verheissung  grulich  oder  schwer  ist  Terenz  deutsch 
(1499)  Lxxv'»  glosse;  ein  wurm  bin  ich  und  nicht  ein 
mensch,  scheusälig  den  leuten  und  greulich  dem  volke 


Freytag  9,  87;  gelegentlich  auch  mit  präpos.:  gegen  den 
ungestümmen  tyrannen  greulich  und  den  gütigen  freundt- 
lich  seyn  Amadis  36. 

g)  etwas  ist  greulich  zu  sehen,  zu  hören,  zn  sagen : 
greulich  anzusehen  seyn  Kram  er  teutsch-ital.  (1700)  l, 
564°;  rancidus  aapectu^  %v&nvf\kGhi\g,  greüwlich  und  un- 
lieblich anzesähen  Frisius  diction.  (i5ö6)  lll5'>; 

o  vielbegehrter,  lieber  todt, 

du  bist  zwar  greulich  anzusehen 

JoH.  Rist  bei  Fischer-Tümpel,  2,  209; 

syn  licham,  dat  van  abstinencien  also  mysmaket  unde 
eyslyck  was,  dattet  gruwelick  was  to  seyne  Schiller- 
Lübben  2,  161 ;  es  ist  gräulich  an  zu  hören  narratio 
horrorem  parit  Steinbach  1,636;  das  ist  greulich  und 
erschrecklich  zu  hören  Luther  24,97  Weim.;  alem.: 
greüwlich  und  unglöublich  zesagen  immane  dictu  Maaler 
192*;  vil  andere  ding,  das  gruweliche  were  zu  sagende 
KÖNIGSHOFEN  chronik  434, 27  Hegel;  (die  Hussiten)  tribend 
vil  unchristliche  sachen,  davon  grülich  ze  sagen  wSr 
TscHUDi  chron.  helvet.  2,  90. 
h)  es  ist  greulich: 

[Herodes  gebot)  daz  man  si  elliu  erslftc. 
daz  was  gröwelich  genuc 

ged.  d.  12.  «.  13.  jks.  82,  48  Hahn; 

wan  sye  schon  rein  bleyben,  geschieht  doch  so  viel 
afterreden,  das  es  greulich  ist  Luther  9,  585  Weim.; 

wenn  wir  ...  so  abziehn, 
da  sieht  es  aus  wie  furcht,  und  das  war  gräulich 

FouQUE  alteächs.  hildersaal  1, 198 ; 

dialectisch  ■■  mit  dem  menschen  ists  greulich  er  macht 
einen  streich  nach  dem  andern  Fischer  schwäb.  3,  811; 
mit  abhängigem  satz  oder  infin. :  so  ists  noch  grewlicher 
und  scheusiicher,  wenn  du  sihest,  das  Luther  16,82 
Weim.;  es  ist  gräulich  zu  insinuiren,  die  toleranz  sey 
gefährlich  Gramer  Neseggab  2,  65;  in  jüngerei-  zeit  gern 
im  ausriif: 

ja,  es  ist  abscheulich,  greulig! 

W.  Busch  heil.  Antonius  (1870)  4; 

o  gräulich!  gräulich!  o  zum  entsetzen  1 

TiECK  sdir.  3,  IIG. 

GREULICHKEIT,  /.,  im  mhd.  noch  selten,  im  16.  jh. 
literarisch  reich  entfaltet,  dann  schnell  zurückgehend. 

l)  bedeutung  und  gebrauch  des  Stammworts  greulich 
erscheinen  bei  dem  subst.  wieder:  crudelitas  Diefenbach 
169";  feritas  220"=;  ferocitas  231*;  severitas  6Si^;  sevitia 
ib. ;  torvitas  590* ;  atrodtas  nov. gloss.  40'' ;  dintas  Frisius 
diction.  (1556)  422'';  truculentia  gemma  gemm.  (1508)  Gl"; 
immanitas  Kirsch  com.  l,  159"; 

{der  bauer)  sluoc  mit  selber  griulicheit 
an  die  müre  ein  s6  mehligen  slac, 
daz  sie  ganz  und  gar  gelac 

H.  V.  D.  TÜRLIN  ti-one  14304; 

als  menschliclie  eigenschaft  meist  in  der  bedeutung  'bos- 
lieit.  grausamkeit'  (vgl.  greulich  2  a):  sol  ich  denn  den 
todt  .  .  .  entrunnen  seyn,  damit  ich  ärgers  dann  den 
todt  durch  meiner  freundin  und  bulschaft  greuligkeit  er- 
dulde? Äinadis  151  Keller;  stach  den  vögeln  ...  die 
äugen  ausz,  nit  ausz  grewlichkeit,  sonder  wie  die  kin- 
der  nach  den  kindlin  in  die  äugen  stupfen  Fischart 
geschichtklitt.  198  neudr.;  aber  nach  erobertem  sig  .  .  , 
ist  ein  erbärmlich  ding,  wo  man  die  überwundnen  tödt 
und  mer  ein  anzeigen  der  toiheit  und  grewligkeit  als 
der  tugent  J.  Frontinus  von  den  guten  räthen  i2^;  wenn 
man  ja  zu  die  greuligkeit,  greszligkeit  und  grausamkeit 
der  so  vermeynten  riesen  oder  tyrannen  .  .  .  die  grosz- 
heit  des  leibes  setzet  Prätorius  anthropodemus  pluton. 
(1666)  2,  209;  sprichwörtlich:  greulicheit  hat  nicht  vil  leut 
Skb.  Franck  sprichio.  (1545)  l,  le";  wann  so  gesehen 
ist  die  macht  und  grewlicheit  der  wütrich  (visa  potentia 
et  crudelitate  tyrannorum)  offenbar,  der  heil.  Birgitte 
(Nür7ib.  1502)  4,  129;  diese  Verbindung  von  greulichkeit 
und  tyrarmei  ist  stehend:  die  czal  seiner  jar  die  ist  un- 
gewiss seiner  greulichkeit  (numerus  annorum  incertus 
est  tyrannidis  eins)  Wenzelbibel  Iliob  15,  20; 

16* 


247 


GREUPER 


GREUSAL  —  GREZEN 


248 


die  unmenschliche  grewlichkeit 

iler  beiden  gottlosen  tyrann 

gegen  Christum  aufs  new  entbrann 

Kirchhof  ivendunm.  3,401  lit.  ver.; 

lere  öde  land  und  leut 

macht  der  tyrannen  greulicheyt 

See.  Ii'ranck  gprichtv.  (1545)  I,  IC^»; 

dazumal  seind  die  Türeken  also  auf  komen  und  also 
in  ein  unsägliche  anzal  und  greulictikeit  gewachsen  wider 
die  kirchen  gottes  chronica  u.  beschr.  ä.  Tiirckey  (l530) 
B  ii"^ ;  de  Dithmarschen  leihen  sick  dar  sehen  mit  groter 
growelicheit  Schiller-Lübben  2,  161 ;  vom  teufel  {vgl. 
greuhch  2  b) :  führe  uns  nicht  in  Verfluchung,  sondern 
ergib  dich  dem  bösen,  denn  dein  ist  sein  reich  und  die 
kraft  seiner  greulichkcit  Opel-Gohn  clreiszigjähr.  krieg 
32 ;  vo7n  tod  (vgl.  greulich  4a) ;  Tan  gruwelicheit  des  dodes 
Schiller-Lübben  2,  161^;  bei  tieren  im  sinne  'bosheit, 
'Wildheit'  (vgl.  greulich  2  c) :  da  Hessen  sy  (die  tiere)  alle 
ir  greulikeit  heiligen  leben  in  dem  winterteil  (1471)  25''; 
etlichen  hunden  ist  es  angeborn,  daz  sy  nit  ausz  greu- 
licheyt sunder  ausz  gwonheyt  bellen  M.  Herr  sittl. 
Zuchtbücher  (i53G)  149^;  dass  aber  die  schlangen  .  .  . 
ihre  natürliche  greuwlichkeit  ablegen  und  sich  fangen 
lassen  Nigrinus  von  Zauberern  (1592)  105;  in  anderen 
fallen  mehr  zur  bezeichnung  des  äuszeren  eindrucks  (vgl. 
greulich  l  a) :  do  vluhen  die  brudere  alle  von  der  grüwe- 
lichkeit  des  tirs  (eines  lüicen)  myst.  l,  2ll,  15  Pfeiffer ; 
und  wäre  das  in  ain  mensch  sölt  sehen  in  seynem  rech- 
ten bilde,  flaisch  und  bain  zerstube  alles  von  der  greu- 
lichayt  Tauler  sermones  (1508)  Gl";  die  greulichkeit 
seines  gesiebtes  truciilentia  vultus  Stieler  698;  anders: 
die  greulichkeit  der  s,\\nAQ  jpeccatorum  deformitas  ib.;  den 
(namen)  nimmermehr  kein  Christ  wegen  seiner  greulich- 
keit vor  sein  maul*.  .  .  kommen  lassen  solte  Grimmels- 
HAUSEN  4,  691  Keller;  das  er  wölte  das  zerknütschet  ror 
mit  seines  urtels  greüwligkeit  nit  zevollen  zerbrächen 
JOH.  Stumpfe  Jcaiser  Heinrichs  IV.  historia  (1556)  79=^; 
greulich  'hüszlich'  (s.  1  a«  ;  2a)  entspricht:  distortia  hesz- 
lichkeit  vel  grauwelichkeit  Diefenbagii  187<';  öfter  auch 
glossiert  mit  indignitas:  uneerligkeit ,  ungebürligkeit, 
schand,  uneer,  greüwligkeit  Frisius  diction.  (1556)  G83»; 
eigen:  ingluvies  grulieheit  Diefenbagh  298*^. 

2)  auch  zur  bezeichnung  von  zuständen  und  handlungen, 
dann  dem  sinne  des  subst.  greuel  nahekommend:  dann 
gottloser  und  verruchten  menschen  einigkcit  in  argen 
und  bösen  sachen  ist  kein  freundligkeit,  sondern  viel 
mehr  ein  grewligkeit  Jac.  Gretter  ej;.  a.  d.  Eömer  (i5G6) 
764;  es  sint  auch  die  Heliopolitaner  ...  in  ein  solche 
grulikeit  gefallen  .  .  ,  das  sy  die  frummen  schamhaften 
junckfrowen  .  .  .  haben  gar  nacket  ausszogen  Hedio 
chron.  german.  (1530)  173 **;  vom  treiben  einer  hexe:  dieser 
übergräulichen  abgötterei  und  abgöttischen  greulichkeit 
habe  ich  den  leser  deszhalben  erinnern  sollen  Prä- 
torius  blocksberg  244;  nach  dem  sie  viel  statt,  land 
und  örter  .  ,  .  mit  viel  und  grossem  schaden,  plünde- 
rung,  todschlag,  raub  und  unerhörten  greuwligkeiten  be- 
schädigt Adam  Reiszner  historia  Frundsbergs  ill'';  die 
meisten  fluchten  auf  die  that  (die  einüscherung  Moskaus) 
als  auf  eine  schauerliche  greulichkeit  Arndt  l,  141  Bosch- 
Meisner;  in  denselben  verbalen  Verbindungen  ivie  greuel 
(vgl.  greuel  7e): 

billich,  wer  grewlichheit  thüt  üben, 
an  dem  wird  grewlicheit  getrieben 

Fischart  flöhhats  1205  neudr.; 

sich  nit  die  strafen  und  grewlichkeit,  so  gegen  den  re- 
ligionsverwanten  geübt  zu  werden  pflegten,  abschrecken 
Hessen  Frisius  narratio  defuroribus  Gallicis  (i573)  AS"; 
do  ertellede  de  hertoge,  wo  de  Pamern  sollike  unminsch- 
Hke  gruwHgkeit  an  eme  und  synem  lande  hedden  be- 
gan,  de  men  sust  ny  gehört  hadde  Kantzow  chron. 
V.  Pommern  32  Böhmer;  an  greuel  'unrat'  (s.  Ale)  er- 
i7inert: 

du  erblaster  freund,  du  bist  aus  dem  thal  gestiegen, 
welches  koth  und  greulichkeiten  allenthalben  bey  sich  führt 
Henrici  ernst-  scherzh.  u.  sat.  gedickte  1, 173. 

GREUPER,  m.,  'sind  kleine  erzstufen  in  der  grösze  der 
wallniisse'  Jacobsson  technolog.  wb.  2,  löo"»;  zu  graupe. 


GREUSAL,  GREUSEL,  n.,  s.  gräusal;  greuseln,  vb., 
s.  gräuseln. 

GREUSEL,  m.,  seltenere  neben  form  zu  grensel  gemeiner 
portulack,  portulaca  oleracea  (sp.  llö) :  sawbon,  greusel 
Lonicerus  kräuterbuch^i^^ ;  Nemnich  ivb.  d.  naturgesch. 
209;  Holl  135'^;  die  greusel  Grassmann  nr.  226. 

GREüSING,  in.,  potentilla  anserina,  günsefingerkraut 
ToLLAT  V.  Vaghenberg  margarita  medicinae  (1516)  25'. 

GREUSLIGH,  GREÜSENLICH,  s.  gräusHch. 

GREUSSELREERE,  /.,  auch  grosselbeere,  la  groseille 
verte,  Stachelbeere  Schwan  7rouv.  dict.  (i783)  i,  789*. 

GREUSZ,  m.,  umlautbildung  zu  grausz  (s.  d.),  mhd. 
grüz. 

1)  von  erdarten:  greusz  te7-ra  sicca,  cinerea  vocab.  rei 
numm.  (i558)  0  4";  greus,  graus  taube  erzerde  Jacobsson 
technol.  wb.  2,  150^;  vgl.  greuszi,  n.  (auch  greupi)  eine 
ader  ganz  unfruchtbaren  erdreiehes  in  einem  sonst  guten 
boden  Stalder  478. 

2)  grütze,  ivohl  auch  in  lueiterem  sinne  von  dem  klein- 
kram  des  gräuszlers  (s.  d.) :  wan  einer  etwasz  kauft,  es 
sei  greisz,  harr  oder  andere  sachen  österr.  weisth.  6,  190, 
18;  grewzz  tirol.  weisth.  l,  93;  farrago  grewzz,  grews 
Diefenbagh  226*;  gräus  eine  gröbere  art  grütze;  haber- 
gräus  LoRiTZA  54'>;  lyhiral  dazu(f):  chreuzzen  oder  elen 
mag  furder  allermenschleich  ze  Wienn  freylich  hin- 
geben ScHMEi,LER  1,  1010  (quelle  von  1368);  an  anderer 
stelle  grewzze,  älter  gruzze  furfures  ib. 

GREUSZLIGH,  udj.,  körnig:  kleine  greuliche  hülss- 
lein  .  .  .  die  haben  inwendig  liegen  einen  runden  klei- 
nen getichten  greusziichen  samen,  wie  linsen  Präto- 
Rius  glückstopf  (iWJ)  278;  ^v&islet  iwm  sedimentierenden 
trüben  urin  Höfler  201'';  gräuszelet  ivie  kör^ichen,  stäub- 
chen  aussehend  Schmeller  l,  1010. 

GREÜSZLER,  s.  gräuszler,   greiszier. 

GREUSZING,  in.,  'bier  aus  (weizen-  oder  gersten-)malz- 
grütze  mit  keinem  oder  geringerem  zusatz  von  hopfen' 
Schmeller  1,  1011;  'greuzenich,  greuwzznig  war  ein  ge- 
tränk  fast  loie  tveiszes  bier,  von  spelten'  Westenrieder 
217;  greissung,  greissing  Diefenbagh  499*  s.v.  risum; 
ungelt  von  wein,  met,  bier  und  gräussing  Schmeller 
a.  a.  0.  (quelle  von  1395) ;  das  sie  täglich  durch  iren  kött 
und  greysing  .  ,  .  vol  und  unsinnig  werden  Thurneis- 
SER  von  tvassern  (1572)  11;  (die  Heilung  der  franzosen- 
krankheit)  ist  nit  also,  wie  es  die  Westphalen  vermei- 
nen, mit  einem  trunk  greusigs  ausgericht  76;  auch  in 
jüngerer  zeit  noch:  scheps  (anderswo  greissing  genannt) 
schlechtes  halbbier  Daxenberger  Müncliener  hundert 
und  eins  (1840)  l,  97 ;  auch  in  den  formen  grewsznigk, 
greisznich  u.  ä.  Schmeller  l,  lOll,  tvoselbst  genaueres, 
zu  greusz  2.  vgl.  nd.  grauwt  condimentum  cerevisiae 
Kilian;  fermentatae  cerevisiae  quod  vulgo  grutt,  gruit 
vocattir  Schmeller  a.  a.  o.  (aus  Utrecht);  gruitgeld  ab- 
gabe  von  bier  Wallraf  31;  fermentator  gruiszer,  gruuter, 
gruyter  Diefenbagh  23i<=. 

GREUTZEN:  greutzen  saltz  gnumis  salis  Dentzler 
(1716)   140". 

^GREVE,  m.,  was  igrebe  (s.  d.):  gerade  so  hat  sich 
in  manchen  gegenden  Deutschlands  der  name  greve 
oder  grebe  für  den  dorfvorsteher  bis  auf  die  neuesten 
Zeiten  erhalten  Savigny  gesch.  d.  röm.  rechts  i,  236; 
'griev,  in  hiesigen  Urkunden  greve,  zunftvorsteher'  Müller- 
Weitz  aach.  74. 

2GREVE,  m.,  haubentaucher,  colymbus  cristatus  Nau- 
mann naturgesch.  d.  vögel  9,  686;  aus  frz.  grobe,  s.  2  grebe. 

GREVIAN,  m.  (?),  als  ein  küchengewächs  angeführt  von 
Hohberg  georg.  cur.  aucta  (1715)  481*;  identisch  mit 
grevinnen,  krähenfusz,  das  im,  allg.  hatishalt.-lexicon 
(1749)  1,  619  als  Zusatz  zu  salatkräutern  empfohlen  wird. 

GREVING,  GREWING,  m.,  dachs,  s.  grebing. 

GREZEN,  vb.,  muffig,  nach  moder  riechen  lux.  ma. 
(1906)  154»;  Follmann  lothr.  215^;  hier  auch  gräwzen, 
wie  elsäss.  grauzen,  vgl.  Martin-Lienhart  l,  287;  Weiter- 
bildung von  grauen  (zu   grau),   das  ähnlichen    sinn  hat 


24-9 


GRI  —  GRICKEN 


GRIDIG-i  GRIEBE 


250 


Martin-Lienhart  1,265;  dazu  grezert,  m..  mvffiger 
fferuch  lux.  ina.,  Follmann  «.  a.  o.;  grczig,  adj.,  mo- 
derig, schimmelig  Autenrieth  pfäh.  56. 

GRI,  ein  laut,  mucks:  ja  wclicher  sölichem  nit  gloubt, 
oder  nun  gry  darwider  redt,  grusamlich  gestraft  ward 
Leo  Jud  von  icarem  u.  valschevi  glauben  r  2^;  da  sagen 
sie  nicht  gri  zu  theatr.  diabol.  (1575)  206»;  vgl.  gri  gar 
nichts  werth,  vilissimum  Henisch  1742;  griech.  y^v. 

GRIBBELGRABBEL,  vorwiegend  nd.  klangwort,  als  f., 
seltener  n.  gebraucht  in  der  wendung:  (geldsiücke,  misse 
ti.  dgl.)  in  de  gr.  smiten,  so  dasz  ein  wüstes  greifen  ent- 
steht ljEiHEnFA\  cro7ienberg.  i7^;  Woeste  85»;  Stüren- 
BURG  75'^;  Mi  29*;  he  schmit  den  nesendröppel  int 
grüwwelgrawwel  ist  ein  geizhals  Strodtmann  78;  höln. 
mit  anlehnung  an  gribbesgrabbes  (s.  d.)  en  der  grib- 
belegraps  Averfe  Honig  es** ;  elsäss.  gribele  grabele,  n^enn 
man  jemand  Idtzelt  Martin-Lienhart  1,267;  als  appel- 
lativ:  griwle - grawle  fetthenne,  hauslauch,  sedum  tele- 
2)hicum  Follmann  217'';  vgl.  kribbelkrabbcl  th.  6,2202 
und  krabbeln  II  4  b  th.  5,  1913. 

GRIBBESGRABBES,  n.,  seltenere  seilcnform  zu  krib- 
bcskrabbes  (s.  d.);  zumeist  von  sinnlosem  gekritzel:  gri- 
besgrabes  über  etwas  machen  worfe  oder  zeilen  einer 
.Schrift  mit  verworrenen  zeichen  überfahren,  so  dasz  sie 
xmlesbar  %ccrden  Klein  provinzialu-b.  i,  1G2;  grippis- 
grappis  unleserliches  geschreibsel  Stauij-Tobler  2,  787; 
griwwes-grawwes  gekritzel  Cregelius  437 ;  gekritzel,  ge- 
sehmiere  Fischer  schicüb.  3,  828;  zu  solchem  ende 
machte  ich  mit  meinem  blossen  degen  .  .  .  zween  ring 
in  einander  und  zwischen  dieselbige  etliche  pentalpes 
und  ander  närrisch  gribes  grabes  Grimmelsiiausen 
Sinipl.  3,  84,  21  Keller;  überhaupt:  durcheinander,  Ver- 
wirrung, auch  adverbiell:  gviw cs-gVRV/es  geschnörkelt,  im 
Zickzack  Follmann  217'»;  durcheinander,  unordentlich, 
Ulikennbar  Sciiranka  64;  gribes-grabes  machen  um- 
stände machen  Fischer  u.  a.  o.,  ebenso  Crecelius; 
hokus-pokus :  das  grosse  buch,  .  .  .  wo  gribis  grabis  darin 
steht:  tunkus,  blemsum,  schalelei  Hebel  2,  351  Be- 
haghel;  grywes  grawes  liolderstock  anfung  eines  kinder- 
sj/ielverses  Martin-Lienhart  a.  a.  o.;  xvenn  man  ein 
kind  in  der  hund  kitzelt,  sagt  man :  's  kummt  e  misele 
in's  kindeis  hisele,  macht  griwes  grawes,  griwes  gra- 
wes Martin-Lienhart  i,  512;  in  anlehnung  an  gribbel- 
grabbel:  Weihwasser,  gaukele! ,  griblis  grablis,  wie  in 
der  Doggeiisreligion  gebräuchlich  Fischer  schicäb.  3, 
828;  vgl.  auch  grimsgrams.  —  verbale  ableitung:  ein  .  . 
vielzügigen,  vielzackechten,  viel  gribisgrabissirenden 
buchstaben  Messerschmid  tust,  narrheit  54. 

GRICK,  /.,  gricken,  grückcn,  m.,  preuszische  bezeich- 
nung  für  den  buchweizen,  polygonum  fagopyrum,  seiteuer 
für  die  hirse  Frischbier  1,  252;  Hupel  dtsch.  spräche 
in  Liv-  und  Ehstland  82;  gricke  Grassmann  no.  602; 
grieken  Holl  135'*;  lit.  grikkai,  lett.  grikki,  poln.  gryka, 
d.  h.  griechisches  körn. 

GRICKELN,  vb..  an  allem  mäkeln  Albrecht  leipz. 
125*";  dazu  grickelig  tadelsüchtig,  eigensinnig  ib.;  alte 
Icute  sind  gern  gricklich  Adelung;  auch  bedenklich': 
eine  grickliche  sacheii.,-  grickelkopf,  grickelköpfig  ?«m- 
nisch,  wählerisch,  nie  zufrieden  Albrecht  «.  a.  o.; 
Grikel,  Grickel  nennt  Luther  in  der  polemik  öfter  Joh. 
Agricola,  Dietz  2,  168;  ableitung  vo7i  gricken,  s.  u.;  vgl. 
auch  krickeln,  kricklich  th.  5,  2204. 

GRICKEN,  vb.,  pfeifen,  feine  töne  hervorbringen :  die 
mausz  mit  irem  grycken  sich  selbs  genug  verraten  und 
anzeigt  hat  Schmidt  e/^«*«.' 154'*  aus  Butzer ;  dazu  eine 
reihe  von  bezeichnungen  der  grille:  grigge,/.,  griggi,  n., 
grigger,  m.  STAu:MroBLER  2, 728;  grygger  Greyerz  bern- 
deutsch 12;  gricker,  m.,  demin.  grickerle  Martin-Lien- 
hart 1,  271'*;  grickelmaus  Autenrieth  57;  griechel 
gryllus  domestictis  Nemnich  209;  vgl.  das  nd.  nl.  krechel, 
krekel  tmter  kreckel  tJi.  5,  2135;  holl.  auch  kriek,  /.,  zu 
krieken  zirpen,  intensivbildung  zu  gricken  i*i  gricksen, 
im  Schwab,  für  'schreien,  lebhaft  iverden'  Fischer  3,828; 
dazu  grickse,  /.,  gricksel, /.,  grille  ib.,  grixe  imrzburg. 
nach  Weinhold   schles.  30;    gricksel   Autenrieth    57; 


krikser, m., Meisinger rappenau.'ii ;  grickserleinFiscHER 
«.  a.  0.;  das  substant.  wird  in  mancherlei  übertragtm gen 
gebraucht  (ähnlich  dem  frz.  cviquQt  grille):  grickes,  m., 
kleiner  mensch,  schelm;  demin.  grickesle,  n.,  kleine 
person;  sanct  Grickeles  narr,  wunderlicher  mensch 
Martin-Lienhart  1,271'*;  grickes  schlechter  brannt- 
jcein  Fischer  schicäb.  3,  828;  grickse  kleines  nasexveises, 
schnippisches  Jratienzimmer,  kleine  person;  grickser 
geizhals,  unzufriedener;  grixen  launen;  grickset,  adj., 
schtvächlich ,  zart  Fischer  a.  a.  o. ;  vgl.  grickeln  und 
gritsche. 

GRIDIG,  GRIDDIG,  *.  greitig. 

1  GRIEBE,  /. 

herkunft  un  d  form. 

1)  die  grundbedeutung  ist  nicht  sicher  zu  ermitteln. 
dhd.  griupo,  griebo,  criebo,  criube  meist  glossiert  mit 
cremium  (gremium)  Graef  4,  310;  Diefenbach  156**; 
nov.gloss.  118**;  Schmeller  l,  983;  noch  bei  Er.  Alberus 
cremum  vel  cremium  ein  grieb  diction.  (1540)  8'*;  doch 
steht  der  si7in  dieses  loortes  nicht  fest;  jedenfalls  hat  gr. 
urajjrünglich  den  begriff  des  ausgedörrten  in  einem  wei- 
teren kreise  umschlossen  als  heute;  vgl.  griupo  gremium 
vel  siccamina  lignorum  Graff  a.  a.  o.;  vgl.  auch  cremium 
greuen  vel  droghe  ding  (lat.-nd.  wb,  v.  1471)  Diefenbach 
nov.gloss.  118'*;  doch  dürfte  auch  die  bedeutung  'ausge- 
lassener fettwürfeV  bis  ins  ahd.  reichen,  vgl.  gremium 
est  caro  in  patella  frixa;  vulgo  dicitur  grübe  zs.  f.  d.  ic. 
5,  7;  in  diesem  sinne  auch  glossiert  mit  frixara,  Dif.fen- 
bach  248**;  vgl.  weiter  fegedo  grieben  Hoffm.  v.  Fallers- 
LEBEN  sumerl.  42'*.  dasselbe  u-ort  liegt  anscheinend  vor 
in  griupo,  pfanna,  frixorium  Graff  a.  a.  o.;  griupo, 
grielTe  frixorium  Diefenbach  248"*;  hierher  wohl  auch 
slrigilis  gruib  nov.  gloss.  SSO**  (andere  glossare  haben 
raste,  rostpfanne).  demnach  scheint  der  begriff  des  dör- 
rens,  röstens  ursprünglich  und  das  subst.  verwandt  mit 
ahd.  *graupjan  frigere  (gigroubit  wirdit  oleo  frigatur, 
kacraupit  frixum  Graff  4,  360;  cacraupta  frixam 
Schmeller  i ,  983),  was  auf  ein  stv.  *griuban  frigere, 
coquere  wiese,  vgl.  Grimm  gramm.  2,  987;  doch  hat  das 
ahd.  daneben  und  häufiger  *raupjan  rösten  (Graff  4,359), 
was  ein  grundverbum  *(ga)riuban  erschlieszen  liesze.  zu 
erwägen  ist  verwandtschuft  von  altengl.  greofa  toj>f  Bos- 
worth-Toller  488'*,  mnd.  gropen  topf  Kluge  '  181". 
sonst  fehlen  2'arallelen  in  andern  german.  dialecten;  engl. 
greaves,  dän.  grever,  schived.  grefvar  sind  junge  ent- 
lehmtngen  aus  dem  nd. 

2)  dem  ahd.  griupo  entsprechend  treten  obd.  bis  in  die 
heutigen  mau.  formen  mit  ü  oder  eu  auf:  grüben,  gräu- 
ben  Staub-Tobler  2,  686;  gröübi  Greyerz  berndeutsch 
12;  gröube,  groibe  Schmidt  straszb.  44;  schicäb.  dialect- 
formen  bei  Fischer  s.  u.  bedeut.  i,  bair.  bei  Schmeller 
ebd.;  grüben  Ave-Lallemant  gaunertum  3,  203;  ebenso 
in  älterer  zeit:  mit  spek  und  greuben  Witten weiler 
ring  36"  18;  vgl.  So«*  2;  cremium  greuben,  kresche  Dentz- 
LER  nach  Staub-Tobler  2,686;  grübe,  greub,  grewben 
Diefenbach  156'*;  grub,  grübe  nov.gloss.  118'*;  weitere 
belege  besonders  unter  bedeutung  l. 

3)  formen  mit  f  (grammat.  Wechsel)  herrschen  in  ge- 
wissen md.  gebieten,  besonders  im  obersächs.,  tJiür.,  unter- 
fränk.;  vgl.  die  nachweise  für  die  modernen  maa.  unter 
bedeutung  l;  die  griffen  Lindener  (s.u.  bedeutung  3); 
griefe  Mathesius  (s.  u.  l,  2);  greifen  Coler  nach 
Frisch  l,  372*;  da  gehet  er  her  wie  ein  Schemen,  wie 
eine  griefe  und  todesgerippe  Herberger  herzpostiUa 
(1613)  1,  362;  die  griefen  fressen  Pape  bettel-  u.  garte- 
teufel  G2»  (s.  u.  i);  grife,  gritfe,  griefen  cremium  Die- 
fenbach 156'*;  griffen  gremium  269";  gviefSe  frixorium 
248  **;  griffe  cremium  nov.  gloss.  118 '*;  da7in  auch  im 
nd..  belege  s.  u.  l;  greue  van  smulteme  vIeche  cremium 
Diefenbach  nov.  gloss.  ils'*;  vgl.  altengl.  greofa?  siehe 
oben  1. 

4)  das  alte  mascul.  hat  sich  bis  heute  dialectisch  ge- 
halten, namentlich  in  westdetii sehen  maa.:  greif,  ni., 
lux.  ma.  (1906)  152'* ;  Gangler  189;  der  griewen  Schmitz 
Eifel  1,  225;   der  griebe  Follmann  217»;   auch  Schweiz. 


251 


1  GRIEBE 


1  GRIEBE 


252 


noch  gelegentlich  als  mascul.  Staub-Tobler  2,  686;  ebenso 
im  bair.,  a.  u.  i. 

bedeutung. 

j)  in  den  heutigen  maa.  allgemein  für  die  festen  Über- 
bleibsel von  ausgelassenen  fettstüclcchen,  dann  überhaupt 
für  Meine  Stückchen  gekochten  oder  gebratenen  fettes: 
gräuben  Staub-Tobler  2,  686;  kriap,  kriöp,  krip,  meist 
ßlur.  krifep»,  kriöwa,  kriw»  Martin-Lienhart  1,  267''; 
plur.  griawei,  gruiwen,  gruawei,  graiwen  Fischer  3,  828; 
kriiwa  Meisinger  rappenau.  78;  der  (?)  griobm,  groibm, 
gruibm  Schneller  l,  983;  der  greben,  die  griebe  ünger- 
Khull  305^,  806";  griet'n,  plur.  griewen  oder  grieben 
RucKERT  unterfränk.  64;  griefa  die  geschnittenen  speck- 
loürfel  in  den  wursten  Sartorius  Würzbicrg  49;  plur. 
grieben  gewürfelter  apeck  in  loürsten  Autenrietii  57; 
greiwe  Crecelius  486;  griebe  Vilmar  137;  der  griebe 
FoLLMANN  217";  griefe  Reinwald  hennebcrg.  i,  54; 
griefe  Müller-Fraureutii  l,  44l;  griefe,  grefe  Hertel 
salz.  17;  gr6fe,  grife,  gr^wen,  jr6we  thür.  llO;  jrSwc 
Liesenberg  Stieger  ina.  147;  jriwe  Jecht  mansfeU. 
a^;  griewe  Weinhold  schles.  30;  der  greif  lux.  ma. 
(1806)  152'';  plur.  griewan  Leihener  cronenberg.  47''; 
grev,  griev,  plur.  grewe,  grieve  Honig  köln.  GS*»;  greiwe 
Bauer-Collitz  41»;  graiwe  Woeste  84*;  plur.  greven, 
grieven  Strodtmann  76;  grebe,  grgwe  Sghambach  68''; 
plur.  grewen  Dähnert  160'';  gröb'n  Danneil  69''; 
griebe,  nd.  grewe  Frischeier  i,  252;  jröw  Fischer 
samländ.  53;  plur.  greven  brem.  ivb.  2,  541;  grefe  Doorn- 
kaat-Koolman  1,  671;  plur.  greven,  grevels  Stüren- 
BURG  ostfries.  75*»;  auch  im  ungar.  colonisationsgebiet  grif, 
plur.  griven  Schröer  385;  plur.  gräwen  Haltrich  43"; 
grftib'n  Kramer  bisü-itz.  so.     so  seit  alters: 

sein  bttckler  waren  heisz  fladen, 
mit  grieben  wol  bestecket 

Keller  erzähl.  591,  8; 

all  den,  die  faistcn  kuchen  lieben, 
die  rosel-würst  mit  faisten  grieben 

II.  Sachs  3,  25  KcUer; 

erbcsz  mit  greben  Grimm  weisth.  2,  480;  als  unslit,  daz 
von  den  rindern  gesamet  ward,  daz  musten  die  flaisch- 
hacker  auslosen,  und  ir  Ion  darumb  warn  die  griben 
städtechron.  2,  314  {Nürnberg) ;  auch  für  das  noch  nicht 
zerlassene  fett,  aus  dem  die  grieben  kommen:  ein  rint, 
das  so  gut  ist,  das  es  ...  by  60  oder  70  pfund  unslitz 
oder  grieben  hat  Schmidt  elsäss.  154'*  (quelle  des  ib.jh.); 
die  geiss  häd  50  pfd  grüben  g'haQ  Staub-Tobler  2,  686; 
vielgebraucht  in  bildlichen  Wendungen:  der  bapst  habe 
aus  Engelland  jerlich  neun  tonne  goldes  gehabt,  .  .  . 
warlich  die  griebe  mocht  Constantinus  erben  zu  Rom 
den  kot  {l.  kol)  fett  machen  Luther  50,  78  Weim.;  das 
auch  die  fursten  und  hern,  die  auf  yhrer  seiten  sündt, 
nichts  von  yhn  {den  geistlichen)  hüten,  wo  sie  nicht 
eine  gute  griben  auf  yhren  kol  dovon  hetten  19,  274; 
ßgürlich  für  geld: 

der  sieh  vor  nit  wol  mocht  enieren, 

also  wol  tuot  {erg.  man?)  im  in  die  band  Schüben, 

daz  im  in  die  taschen  vallent  die  grüben 

teuf  eis  nch  8980, 

{die  verschioender)  schmeltzent  die  guter,  äcker  und 
matten  .  .  .  und  alles  das  si  habent,  dasselb  verkoufent 
sie  und  legent  die  grieben  in  den  seckel  Keisersberg 
postilla  2,49'';  dC  ma^n  hat  grüben  ist  reich;  doch  auch: 
hat  schulden  Staub-Tobler  2,686;  darum  gehets  im 
entlich  nach  unserm  deutschen  Sprichwort,  das  er  den 
hunger  schmelzen  und  die  griefen  fressen  musz  Pape 
bettel-  und  garteteufel  6  2";  6n  zu  greiwe  schlöen  ver- 
Jtauen  lux.  ma.  (1906)  153";  sech  d  greiwe  vun  der  zopp 
huele  lossen  borniert  sein  ib.;  das  sind  alti  grüben  alte 
yeschichten.  auch:  alte  schulden  Staub-Tobler  2,  686; 
he  het  dem  diwel  de  grßwe  ütfrSte  hat  einen  schmie- 
rigen fetten  mund  Frischbier  l,  202;  im  älteren  hess. 
für:  eine  kleinigkeit,  etwas  icertloses:  einen  bäum  für 
eine  speckgriebe  verkaufen  Vilmar  137;  im  vergleich: 
meyne  tage  seynd  vorgangen  wie  ein  rauch  und  mein 
gebeyn  seynd  dorregebraten  wie  ein  gribe  Luther  1, 
195,  8  Weim.  (ps.  102,  4);    meine   bein    dorrten   als   die    i 


grieb  nürnberg.  bibel  (l483)  285'';  vordorden  als  gryven 
halberst.  bibel  (1522);  unter  einwirkung  dieser  bibelstelle: 
sie  sehen  aus  wie  dürre  todesgerippe  und  auszgebra- 
tene  griefen  Herberger  herzpostilla  (I613)  1,  18; 

flUsz  und  die  Schwindsucht  wirt  dich  plagn, 
das  du  ausz  dorrest  wie  ein  grieb 

H.  Sachs  3,  519  KeUer; 

ich  dorre  vor  diesen  tiefen  gedanken  aus  wie  ein 
griefe  oder  scherbe  Mathesius  133.  psalm  B4'';  noch 
heute  im  Schweiz,  dürr  wie-n-es  greubi  Staub-Tobler 
2,  686;  aucJi  mhd.  schon,  wohl  ebenfalls  im  Zusammen- 
hang mit  der  bibelstelle:  zu  eren  dime  zarten  erdorreten 
libe,  der  an  dem  crütze  dorrete  alsam  ein  griebe  Seuse 
dtsch.  sehr.  491,  20  Bihlineyer; 

wenn  er  gezUmet  mit  dir,  . . . 
er  machet  dich  türr  alz  ein  graib 

V.  D.  Hagen  gesamtab.  1,  489,  3; 

ich  wil  in  so  fein  ausz  beraiten  .  .  .  und  machen  also 
dürr  als  ist  ain  grübe  in  ainer  pfannen  Albr.  v.  Eyb 
2,  40,  6  Herrmann;  auch  anders  geHchtete  vergleiche  sind 
geläufig: 

er  smalz  alsam  ein  griebe 

obe  der  minne  vuwer  hie 

paBS.  K.  bin,  82,  ähnlich  498,  7ä; 

von  dem  manne,  der  ein  unflsetic  wip  hat: 

er  smilzit  als  ein  griebe, 
leides  wirt  im  niemer  buoz 

Martina  133,  70; 

es  war  kein  wunder,  einer  verschmelz  wie  ein  grub  in 
einer  pfannen  Frisch  1,  372»; 

die  würtz  sind  steinhart  wie  die  griben 

H.  Sachs  21,43  Keller-Oöte; 

so  lang  künig  David  .  .  .  von  Saul  .  .  .  umbgetrieben 
ward  wie  ein  grieb  in  einer  pfannen  Fischer  achwäb. 
3,829  {quelle  des  id.jh.);  in  heutiger  ma.:  der  ist  un- 
ruhig wie  die  griebe  in  der  pfanne;  dem  steigt  die 
hitze  wie  die  gr.  in  der  pfanne  er  wird  schnell  zornig 
ib.;  vergoe  we'  0  greif  an  der  pän  lur.  ma.  153". 

2)  in  naheliegender  Übertragung  von  allerlei  gerichten 
und  genuszmitteln,  die  wie  grieben  aussehen  oder  ähnlich 
lier gestellt  werden:  in  butter  oder  achmalz  geröstete  brot 
oder  weckwürfelchen  Vilmar  137;  ebenso  bei  Staub- 
Toblek  2,  686;  we  de  beten  gicht  heft,  de  schal  stoten 
rüden  unde  salvicn,  unde  seden  dat  in  botteren,  wentc 
datyt  greven  werden  Sciiiller-Lübben  2, 145'';  'grieben 
auch  von  einer  art  mit  eucker  zugerichteten  arzeney  und 
herzstärkung :  herzgrieben  oder  ki-aftgrieben'  Frisch  l, 
372*;  euckerplützchen,  bonhon  schlechthin:  zeltlein,  mar- 
sellen  und  grieben  zu  machen  capitelüberschrift  bei 
Hohberg  georg.  cur.  (i715)  3, 193 ;  der  zuckerbacher  .  .  . 
bacht .  .  .  kraft-  und  andere  grieben  Abr.  a  St.  Clara 
etw.  für  alle  2,  786;  zu  Nürnberg  in  der  apotecken  macht 
man  ein  confect,  das  heiszt  confect  für  die  pestilentz, 
seind  rote  lange  griben  J.  Thucher  bericht  d.  meerfart 
29;  vgl.  auch  krlebe  th.  5,  2205. 

^  s)  der  rückstand,  die  schlacke,  die  beim  ausschmelzen, 
reinigen,  sieben  eines  Stoffes  zurückbleibt:  grüben,  was 
sich  unten  im  gefäsz  von  einer  geschmolznen  materic 
setzet  Frisch  1,  372=*;  das  oberste  vom  waldpech  ist 
schäum,  das  mittlere  das  beste,  das  unterste  die  griefen 
ib.  aus  Mathesius  Sarepta;  dazu  pechgriefen  Müller- 
Fraureutii  1,  441;  die  greven  der  lichtzieher  .  .  . 
geben  ebenfalls  eine  sehr  schätzbare  düngung  Tiiaer 
grundzüge  d.  rat.  landwirtlisch.  2,  224;  welche  {zinnteile) 
aber  im  geschütt,  schlacken,  grieben  korns  oder  stufF- 
weis  ...  in  der  tamerdt  oder  gebirg  gefunden  werden 
Thürneysser  magna  alchymia  (1583)  ito;  darzu  keine 
grieben  .  .  .  neben  dem  kalch  für  guten  kalch  ein- 
mässen,  sondern  alle  grieben  vom  kalch  auswerfen 
Reyscher  samml.  d.  würtemberg.  gesetze  18,  203  (a.  1665); 
vgl.  kalkgräuben  unbenutzbare  reste  des  kalks  Staub- 
Tobler  2,  686;  schlacken  beim  ausschmelzen  von  harz 
(harzgräuben),  eisen-  und  bleischlacke;  schlackenartige 
steine,  welche  beim  sieben  von  straszenkies  oder  sand  zu- 
rückbleiben ib.;  harte   Überbleibsel  von   kohlen  Martin- 


253 


2  GRIEBE  -  GRIEBELN 


GRIEBELNADEL  -GRIEBS 


251 


LiENHART  1,  267'»;  bauschutt:  10  ß  umb  griuben,  daz 
sint  zerbrochen  ziegel  Fischer  schioäb.  3,  829  ans  Auga- 
hurger  baumeisterrecJm.  von  1369;  lebersteine,  gallen- 
steine,  grieben  sind  alle  thonigen  und  kieseligen  con- 
cretionen  oder  drusen,  die  einen  baustein  unbrauchbar 
machen  Fraas  nutzbare  miner ale  128;  griebe:  die  dolo- 
.rnitischen  steinmergel  auf  der  grenze  zwischen  den 
bunten  mergeln  und  dem  stubensandstein  Fischer 
Schwab.  8,  829 ;  Jnerher  auch  greupi,  n.,  eine  ader  ganz 
unfruchtbaren  erdreicJis  in  einem  sonst  guten  boden 
Stalder  478?  gelegentlich  mehr  oder  minder  scherzhaft 
für  'excremenle':  die  erwuschet  ein  grossen  scheysz- 
hafen  .  .  .  und  schlegt  den  guten  kürschner  für  sin 
schnautzen,  das  im  die  griffen  an  der  goschen  kleben 
Linüener  katzijwri  IGO  Lichtenstein; 

man  geb  in  acht  tagen  weder  trank  noch  speis, 
darnach  sie  über  ein  seutreck  weis,  .  . . 
und  sie  davon  nit  lasse  frei, 
die  weil  ein  griblein  dinnen  sei 

/astnachtsp.  18i,  4  Keller. 

i)  von  1  übertragen  auf  einen  geaichtsausschlag,  der 
namentlich  bei  hindern  an  mund  und  kinn  auftritt, 
herpes  labialis;  besonders  in  gewissen,  vielfach  scherz- 
haft gemeinten  ivendungen:  der  hat  grieben  geleckt,  hat 
die  grieben  beim  schlächter  geholt  Höpler  krankheits- 
namenb.  801;  grieben  ums  maul  haben  Weinhold 
schles.  30;  er  hat  griefen  genascht  Müller-Fraureuth 
1,  441;  Hertel  thür.  110;  salz.  17;  er  hat  (seiner  mutter) 
griewen  gestohlen  Martin-Lienhart  1,267'';  lux.  ma. 
153»;  Müller-Frauueuth  o.  a.  o.;  er  hat  em  här 
(pfarrer)  de  grieben  us  der  pann  geholt  Follmann 
217*;  e  hott  m6ad  dem  paff  griiivve  geasse  Crecelius 
436;  vgl.  Pfister  nachtr.  84;  dou  hiestem  pastören  dfi 
griewen  läket  Bauer-Collitz  41";  der  hat  beim  Schin- 
der grieben  gefressen  u.a.  Fischer  schwäb.  8,829;  e 
drit  gräwen  fil  Haltuigh  43^;  hast  du  grüben  ver- 
schüft?  Staub-Tobler  2,  686;  best  groben  freien?  meck- 
lenburg.;  hierher  wohl  auch:  er  merket  den  possen  als 
der  bader  die  böse  grüwen  Tiieobaldus  Schlacko- 
waldensis  hussiteiihrieg  (1623)  2,  122.  in  ähnlicher  Über- 
tragung auch  vom  augcnschmals:  gramia  groipen  Diefen- 
dach  268^; 

mein  äugen  sint  gespuckt  mit  grUcben 

fastnachtsp.  74,  1; 

ir  äugen  stacken  grieben  vol 

H.  Sachs  22,337  Kdler-Oötze; 

vgl.  Fischer  schwäb.  S,  829;  scherzhaft  auch  für  trockenen 
nasenschleim  Staub-Tobler  2,  086. 

5)  figürlich:  im  wachsthum  zurückgebliebener  mensch 
Weinhold  schles.  so;  ebenso,  auch:  maliciöse  j)^^son 
Alb  recht  leipz.  125;  kleine  person,  besonders  von  hin- 
dern: enne  putzige,  giftge,  wutge  griefe;  auch:  schwäch- 
ling  Müller-Fraureuth  i,  441 ;  Scheltwort  für  kleine 
kinder:  du  kleine  griebe;  kränkliches,  empfindliches 
Weibsbild  Martin-Lienhart  i,  267'';  magerer,  schmäch- 
tiger mensch,  besonders  kind:  üsg'seh  wie  ne  grub  bleich, 
mager  atissehn  Staub-Tobler  8,  687;  a  groipn  unan- 
sehnlicher mensch  Stelzhamer  ausgew.  dicht,  l,  345,  9 
Eosegger. 

6)  anderes  vereinzelt:  im  alem.  gräubi,  n.,  auch  für 
hernhaus  des  obsles  Staub-Tobler  2,  686  (vermengung 
mit  gräubschi,  s.  grid)s);  elsäss.  schöne,  zum  werfen  ge- 
eignete steine,  auch:  OA>/ei(7e7i  Martin-Lienhart  1,  267''; 
preusz.  der  runde  muskel  über  dem  ufter  des  pferdes, 
mis  dem  der  schiceif  tritt  Frisciibier  l,  252. 

2  GRIEBE,  s.  grübe. 

GRIEBEL,  n.,  demin.  zu  i griebe:  anno  1606  haben 
etliche  rotten  gribel  von  halb  verfaulten  menschen- 
fleisch  als  ein  pap  mit  güfft  vermengt  Ertinger  mse- 
beschr.  77  Tietze- Conrad;  zu  griebe  4  ausschlag:  (der 
nardensaft  dient)  zu  schlieren  und  sunderlich  zu  grie- 
peln,  umleufen  und  den  wurm  an  den  zehen  und 
fingern  Thurneisser  erdgeicächse  (1578)  89. 

GRIEBELN,  vb.,  seitenform  zu  kribbeln  th.  6,  2202: 
es  wiebelte  und  griebelte  und  krappelte  und  zappelte 


w^ie  eine   mausz  im   schmalzkiebel  alles  vor  liebe  an 
mir  Grimmelshausen  Simpl.  l,  495  Keller;  vgl.  grübeln. 

GRIEBELNADEL,  -nusz,  -spiesz  u.  dgl.  s.  grübel-. 

GRIEBEN,  vb.:  frixare  grieben,  rosten;  frixus  ge- 
smelzt,  gegrewbt  Schmeller  1,983  aus  vocab.  von  1445; 
grSwen  mit  speck  zubereiten,  speck  auslassen  lux.  m«. 
(1906)  154*;  part.  gegräubet  gekörnt,  körnig,  uneben 
Staub-Tobler  2,  686;   vgl.  gräubete,  /.,   metzelsuppe  ib. 

GRIEBENBART,  m.:  grewenbort  mundausschlag  Mi 
29.  —  griebcnbrot,  n.,  pain  de  creton  Schwan  nouv. 
dict.  1,  789*.  —  grieben  dürr,  adj.:  alle  ding  waren 
auss  mangel  regens  und  übriger  hitz  grübendürr  Seb. 
Franck  chronica  l,  580;  'griebedürr  sehr  üblich  im  ver- 
gleich, ebenso  griebetrocken'  Vilmar  137.  —  grie 
benfräszig,  adj.:  unnd  fürnemlich  bei  dem  kottfleisch 
...  da  halt  man  ordenlich  etlich  tag  dem  s.  Schwein- 
hardo  gribenfressige,  maulschmutzige  begengnusz  Fisch - 
ART  geschichtklitt.  68  neudr.  —  griobenhafen,  w. ; 
uer  einen  ausschlag  am  mund  hat,  ist  dem  schinder 
hinter  den  gr.  gegangen  (gekommen)  Fischer  schwäb. 
8,  829;  er  ist  üwer  dem  griewenhawe^  gewesen  Martin- 
Lienhart  1,  800.  —  griebenkuchen,  m.:  artocreas 
eyn  griebekuche  Diefenbach  52*;  mit  grieben  bestreuter 
kuchen  Martin-Lienhart  i,  422;  Follmann  217'»; 
Fischers,  829.  —  griebenmaul,  n.,  mund  mit  fieber- 
pochen, ausschlag:  griwemul  Follmann  217*',  ebenso  gri- 
weschniss.  —  griebenpfanne,  /.;  greewpän  schmelz- 
pfännchen  Gangler  lux.188.  —  griebenschinder,  m., 
der  das  fett  des  gefallenen  viehes  ausschmilzt:  wan  ich 
nun  gehangen  bin,  daz  dann  der  weinzepfer  wöll  kom- 
men all  morgen,  iii  tag  laug,  der  schenck  zu  dem  ersten, 
der  greibenschindor  darnach  Eulenspiegel  (1515)  91  neudr. , 
die  grciben-  und  schelmenschinder  die  leiden  den  ge- 
stank  auch  urn  des  gowins  willen  Keisersberg  evang. 
(1517)  140''.  —  griebensinnig,  adj.:  er  hat  ...  et- 
liche grobe  Heyntzen  und  gribensinnige  molckenhirn  . . 
gefunden,  die  seinem  schreiben  gleich wol  haben  stat- 
lichen  glauben  geben  Fischart  geschichtklitt.  12,  185 
neudr.  —  griebensuppe,  /. .-  greiwenzopp  suppe,  wor- 
auf gegröwt  ist  lux.  ma.  (1906)  154*;  Follmann  817^. 
—  griebenwurst,  /.,  bluticurst  mit  speckbrocken 
Martin-Lienhart  2,856;  Fischer  äcäiü«ö.  3,  829;  Mei- 
SINGEK  rappenau.  78;  Ruckert  unterfränk.  6*;  Sar- 
TORius  Würzburg  iä.  —  gricbenzählcr,  m.,  geizhals 
Fischer  schwäb.  3,  830. 

GRIEBS,  m.,  älter  grübs,"  gröbs,  kerngehäuse  des 
obstes;  erst  seit  dem  15.  jh.  nachzuweisen  (s.  u.  2);  ahd. 
wäre  *grubiz,  *grobaz  anzusetzen;  herkunft  unklar  (zu 
grob  ?) ;  die  bildung  folgt  ahd.  obaz  obst  und  ebiz,  ebitz 
kerngehäuse,  vgl.  Kluge  "l8l. 

l)  ursprünglich  und  hauptsächlich  'kernhaus  des  obstes, 
besonders  des  apfels  und  der  birne' ;  das  toort  ist  in 
dieser  bedeutung  verbreitet  im  thür.,  obersächs.,  schles., 
hess.,  elsäss.,  Schweiz. ;  dem  schwäb.  nur  noch  in  der  be- 
deutung 3  geläufig,  dem  bair.  anscheinend  fremd,  ebenso 
dem  nd.;  über  Synonyma  in  den  andern  maa.  s.  kern- 
haus i,  5,  th.  5,  603. 

a)  die  modernen  maa.  bevorzugen  die  entrundeten  for- 
men: greebest  Schultze  nordthür.  36'';  jrSwest  Lie- 
senberg 147;  jr6wes  Jeght  mansfeld.  iA^',  grebs,  gröbs, 
kr0wes,  kriwes  Hertel  fM»*.  110;  greebs,  gröbs,  gräbsch, 
griebsch  Müller-Fraureuth  l,  440  (zu  gräbsch  vgl. 
grabisz  arulla  Diefenbach  520);  giiebs,  greebs  Al- 
breght  leipz.  125'';  in  Halle  gröbs  126*;  griebsch  An- 
ton oberlaus.  8,  15;  griebs  Weinhold  schles.  30;  ma 
is  wie  a  griebsch,  an  dem  alle  rumfressen  Hauptmann 
weber  (l892)  57;  nach  Hoffm.  v.  Fallersleben  schles. 
aticÄgrübes  Frommann  4, 170;  schwäb.  erweitert  2;t*grTpsT(/). 
grepsi(;/)  (doch  nur  in  der  bedeutung  3)  Fischer  3,  866; 
grieps  Loritza  54'';  gripes,  /.,  Kramer  bistritz.  41 ; 
gripes,  /.,  'das  von  den  birnen  beim  essen  übrig  bleibende 
kerngehäuse'  IlALTRiCH^^au  13*;  hess.  gribs,  grebs  Cre- 
celius 436;  doch  ndhess.  grüwwesz  Pfister  nacM/-.  85; 
fürs  henneberg.  notiert  Reinwald  64  gröbs,  kröbs,  fei- 
ner: grübs;   alem.  gräbsch,  demin.  griiubschi,  grübschi, 


255 


1  GRIECHE 


1  GRIECHE 


256 


gürbsi  n.  ä.  Stal'bToblkk  2,  G97.  %cie  nach  den  maa. 
begreiflich,  ist  griebs  die  herrschende  schriftform  gewor- 
den: der  hochdeutsche  schreibt  .  .  .  griebs  Adelung 
umständl.  lehrgang  d.  dtsch.  spr.  2,  771;  griebs  Heynatz 
antiharh.  2,  76;  auszer  dem  fleisch  des  genossenen  apfels 
liesz  er  sich  auch  den  griebs  .  .  .  dazu  wol  schmecken 
J.  Grimm  kl.  sehr,  i,  344f;  fruchtkerne  aus  zerplatzten 
ki'iebsen  fallend  Sanders  l,  626*^;  die  ö-formen  seltener: 
er  nagte  lange  an  einem  apfelkröps  MusÄus  3,  117; 
gröps  von  Oken  viel  benutzt,  aber  als  botanischer  kunst- 
ausdruck  für  pistillum,  den  Stempel  allg.  naturgesch. 
2,  71#. 

b)  in  der  älteren  spräche  weit  überwiegend  die  dunklen 
formen:  arulla  grobisz,  grobesz  von  einem  apfel,  grubsz 
DiEFENBACH  52«;  grobisz  nov.gloss.  36^;  pulpa  grubs, 
grubsz  gloss.  472'';  grobis;  kempff  hus  {l.  kernhus)  vel 
grubs  nov.  gloss.  308*»  {tob.  von  ii2l);  nauci  grubs  {bei 
der  nusz)  gloss.  376'';  arulla  kernhaws  vel  grobis  Bres- 
lauer voc.  von  1422;  kröbs  ossiculum.  in  pomis  Stieler 
1034;  noch  Frisch  i,  378  notiert  grubs,  krubs;  des  sach 
ist  daz  der  grübs  der  frucht  kommet  von  dem  nahen, 
das  ist  vom  stamme  Petr.  de  Cresgentiis  ackerbau 
(1531)  13*;  nag  den  grubz  und  spar,  wildu  dich  nern 
Breuner  sjjyac/tJwc/t  25,  19;  den  selben  apfel  hat  jeder- 
man  noch  im  magen,  .  .  .  auch  die  rechten  heiligen 
noch  etwas  zum  wenigsten  von  dem  grobes  in  sich 
haben  Luther  icider  den  xcucher  (i540)  Jj*;  die  äpfel 
haben  in  sich  zehen  diplichen  oder  piinctlein,  .  .  umb 
den  gröbs  herum  Prätorius  saturnalia  (1663)  58;  in- 
dessen sind  auch  i- formen  früh  nachzmceisen :  pulpa 
gribesz,  gribsz,  grybsze  Diefenbagh  472'*  {mittel-  und 
iidrhein.  15.  jh.);  pulpa  was  man  isset  {am  apfel),  das 
nit  griebcs  ist  Alberus  dict.  (1540)  Ffiiij''; 

allein  die  grebes  (der  bimen)  fräs  er  nit 

NiGRiNUS  von  bruder  Johan  Nasen  (lö90)  C3'>; 

schabet  mit  einem  messer  alles  fleisch  {von  den  bimen) 
bisz  auf  den  griebs  herab  Amaranthes  frauenz.  lex. 
218. 

2)  dann  auch  verächtlich  für  tm  an  sehnliches,  verkrüp- 
peltes, fleischloses  obst  Hertel  thür.  llO;  salz.  17; 
griebse  mausen  obst  stehlen;  gar  kein  gräbs  Mülleu- 
Fraureuth  1,440;  schlechtes  obst  Weinhold  schles.  30; 
klein  gebliebenes  obst  Cregelius  436;  im  schicäb.  da- 
gegen vollicertiger  ausdruck  für  obst,  besonders  kernobst 
Fischer  3,  866;  Schweiz,  nur  in  gewissen  redensarten: 
es  hat  hür  enkeis  grübs»hi  obs  ge»  keinen  stil  Staub- 

ToBLER  2,  697. 

3)  vielfach  für  das  pomum  Adami,  den  kehlkopf,  'tceil 
dem  Adam  der  griebs  des  von  Eva  dargereichten  apfels 
in  der  kehle  stecken  geblieben  sein  soll'  Höfler  201; 
vgl.  Hertel  thür.  llO;  Reinwald  henneberg.  i,  54; 
Weinhold  schles.  30;  Cregelius  436;  Staub-Tobler 
2,  698:  als  fem.  bei  Kramer  bistritz.  41;  Haltrich  13»; 
sein  kriebs  stand  wie  ein  erker  vor  der  luftröhre 
Müller-Fraureuth  i,  440;  ältester  beleg  bei  Hulsius 
(1596)  7iach  Weigand  ^l,  765;  die  bedeutung  ericeitert 
sich  in  gewissen  dialecten  scheinbar  zu  'kehle,  hals'  über- 
haupt {s.  Cregelius,  Müller-Fraureuth  a.  a.  o.. 
Höfler  20i),  doch  liegt  da  vermengimg  von  griebs  und 
grips  vor;  näheres  unter  grips  und  krips  th.  5,  2329;  vgl. 
auch  adamsapfel  th.  l,  176. 

4)  auch  auf  menschen  übertragen:  knirps,  kleiner  ver- 
unstalteter mensch:  so  e  (kleener)  griebs!  Müller- 
Fpjvureuth  1,  440;  ähnlich  Cregelius  436;  kleiner, 
trotziger  knabe  Hertel  thür.  iio;  kleiner  gröbs  Schimpf- 
wort gegen  kinder  Reinwald  l,  64;  vorwitziges,  nase- 
weises mädchen  St AVB-Toßt,BR  2,698;  anderes  isolierter : 
alles  zurückgebliebene,  geringe  Weinhold  schles.  30; 
schluchzen  oder  rülps  Loritza  54'',  Staub-Tobler  2, 
698  {vermischtmg  mit  gürbs);  büchgräubschi  nabel  des 
kindes  ib.;  griebs  influenza  Höfler  201  scheint  Verdre- 
hung von  grippe. 

1  GRIECHE,  m.,  Graecus. 

l)  zur  form  {ableitungen  einbegriffen):  ahd.  Grecus 
chreah,  chreach  ahd.  gl.  i,  88,  17;  Greci  chrechi,  chrea- 


Chi  1,  3i,  1;  grecum  est  chrehisüz,  creclies  ist  l,  52,  35: 
granima  chrehisc  uuort,  kreihisc  uuorto  160,  31 ;  vgl.  94,  33. 
95,  32;  mhd.  Krieche,  kriechisch  mhd.  wb.  i,  880 '*,  und  diese 
formen  bleiben  fest  bis  zum  ausgang  des  mittelalters : 
Grecus  eyn  Kryech,  Kriche,  einer  usz  Criechenlandt 
Diefenbagh  269";  Pelasgia  Kriechenlant,  der  Kriechen 
lant  421*;  grecari  kriechisch  reden  269"=;  noch  im  16.  jh. 
nicht  ganz  selten,  s.  die  belege  unter  Krieche  th.  5,  2206; 
erst  in  der  reformationszeit  dringen  die  formen  mit  an- 
lautendem g  durch,  die  den  humanisten  näher  lagen, 
auch  von  Luther  aufgenommen  ivurden  und  gewisz  zu- 
meist durch  ihn  propagiert  icorden  sind:  er  schreibt  nach 
DiETZ  1,  166.  167  bis  1527  Krieche,  später  Grieche,  ent- 
sprechend beim  adj.  kriechisch,  später  griegisch,  -chisch; 
das  g  konnte  ihm  auch  das  nd.  nahelegen,  dem  von  je 
die  %■  formen  zukommen:  Griec  Gallee  vorstud.  zu  e. 
ttUnd.  wb.  119;  Grik  Diefenbagh  269°  aus  gloss.  batav. 
des  ii.  Jh.;  Pelasgus  ein  Greck;  Greyck  421'';  Pelasgia 
der  Grecken,  Greken  lant  421";  (??eaa  Grekenlant  269''; 
Grecus  Grcke  nov.  gloss.  197"; 

Grecken  und  Athenis  han  ich  gesien 

inlgerfahrt  d.  träum,  mönchs  30C3  Borna- ; 

de  Römers  und  Greken  fastnachtsp.  961,  17;  ebenso  im 
heutigen  nd.:  Greek,  greeksch  Dähnert  160";  vgl.  breni. 
wb.  2,  540 ;  diese  formen  erscheinen  auch  nicht  selten  bei 
md.  Schriftstellern:  mit  der  greckischen  taffei  ürbanus 
Regius  tvidder  den  newen  irsal  doctor  Andr.  Karlstad.s- 
Aö*;  liturgia,  wie  die  Grecken  die  mesz  nennen  Justus 
io^AS  übers,  d.  apol.  {Witfenb. ibil)  Ff  3»;  bey  den  Grecken 
JoH.  Kymeus  d.  babsts  Hercules  (1538)  DI",  ebenso  E  IV''. 
G  IV»;  die  Grecken  Mathesius  Sarepta  (1562)  152".  153"; 
Greckenlandt  153 '';  mit  diesem  greckischen  wort  154*; 
weiter  in  rhein.  gegenden :  in  greckisch  genant  decameron 
Arigo  decam.  l,  2  Keller;  vgl.  grechisch  landt  MoYSz 
miszbrauch  d.  weins  48  neudr.;  auch  einzelne  der  obigen 
belege  aus  Diefenbagh  hierher;  entsprechend  noch  in 
modernen  maa.:  greikesch  lux.  ma.  (i906)  153*;  grekesch 
FOLLMANN   luLhr.  215*. 

2)  gebrauc h.  prägnan t  für  griechische  Schriftsteller : 
bald  las  mein  obergeselle  Römer  und  Griechen  mit  mir 
Bahrdt  gesch.  s.  lebens  l,  102;  dann  seit  dem  klassicis- 
mus  für  kenner  und  nachahmer  griechischen  wesens: 
jeder  sei  auf  seine  art  ein  Grieche  !  aber  er  sei's  Götiik 
49,  156  Weim.;  denn  er  {der  cardinal)  war  selbst  ein 
feiner  Grieche  Justi  Winckebnann  2,  i,  320;  die  recitation 
seiner  {Homers)  gesänge,  die  unser  lehrer  .  .  .  von  uns 
verlangte,  um  einem  halben  hundert  anwachsender 
Griechen  .  . .  den  rhythmus  einzuprägen  Holtei  vierzir/ 
jähre  l,  143;  ebenso  beim  femininum:  verzeihe  meine 
Schwärmerei,  liebe  Griechin,  doch  du  schwärmst  und 
schwatzest  ja  in  allen  deinen  briefen  selbst  so  .  .  . 
griechisch  süsz  deine  seele  von  den  lippen  Herder  an 
s.  braut,  nachl.  3,  428;  die  Griechinnen  in  das  griech. 
kostihn  des  empire  gekleidete  damen  G.  Keller  i,  iü; 
sprichwörtlich  ist  die  untreue  der  Griechen:  die  Griechen 
seind  untreu  Qraecia  nequaquam  novit  fidem  Henisch 
1742;  den  Römern  wachsen  die  wort  im  hertzen,  den 
Griechen  im  munde  1743;  daher:  Griech,  ein  betriegor, 
fallax  1742;  ebenso:  das  war  ihr  mann,  der  verdorbenste 
aller  Griechen  briefw.  zic.  Göthe  ti.  Zelter  6,  149;  vgl. 
frz.  grec  falschspieUr ;  s.  auch  greck  sp.  2;  nd.  een 
dullen  Greke  ein  wunderlicher,  eigensinniger,  ungeselliger 
mensch,  brem.  ivb.  2,  540.  über  Kriechen  Griechenland 
s.  u.  Griechenland. 

3)  seit  der  2.  hülfte  des  18.  jh.  in  zahlreichen  compo- 
sitis,  aus  denen  sich  zwei  gruppen  als  literar-  tmd  cttltur- 
geschichtlich  bedeutsam  herausheben ;  die  erste  steht  in 
Zusammenhang  mit  der  propagandierung  des  grieehen- 
thums  in  der  klassischen  jjcriode;  sie  ist  zuerst  bei  HEft- 
der  reich  vertreten  {z.  b.  Griechengeschwätz  iverke  6,  346; 
-handwerk  8,  78;  -lüftchen  6,  346;  -name  347;  -nachriclit 
449;  vgl.  unten  Griechengeist,  -gott,  -länder,  -Weisheit) 
und  gipfelt  in  bildungen  tcie  Griechenauge,  -gefühl, 
-geist,  -jünger,  die  ziceite  entspringt  der  literarischen 
bewegung.  die  die  griechischen  freiheitskämpfe  hervor- 
riefen, vgl.  Griechenblut,  -fürst,  -kind,-'lied. 


257        2GRIECHE  -  GRIECHENLÄNDER 


GRIECHENLIED  -  GRIECHHEIT 


258 


2 GRIECHE,  /.,  pflaume,  schiväb.,  s.  krieche. 

GRIECHELN,  vb.,  'die  alten  Griechen  auf  eine  klein- 
liehe  und  unzweckmäszige  art  nachahmen'  Campe;  herz- 
innig ist  mir  aber  alles  griecheln  und  kunsttändeln 
verhaszt  Görres  ges.  briefe  2,  43;  dazu  griechelei,  /., 
•Campe. 

GRIECHENAUGE,  n.:  während  Goethe  mit  seinem 
klaren  Griochenauge  alles  sieht,  das  dunkle  und  das 
helle  Heine  3,  S)9.  —  Griechenbild,  n..  griechische 
tikulptur:  es  mochte  die  furchtbare  Brunhilde  selber 
sein,  die  hier  finsteren  auges  auf  die  heiteren  Griechen- 
l)ilder  herabsah  Storm  i,  226. 

GRIECHENBLAU,  adj..  blau  {vor  Mite)  tvie  die  kleinen 
zicetschgen,  die  kriechen  {s.  d.)  Hügel  71;  Loritza  U^  ; 
als  ...  zu  Meran  einmal  im  septcmber  ganz  eisige 
Avinde  eintraten  .  .  .  und  die  nordischen  gaste  ganz 
griechenblau   herumliefen  Steub  drei  sommer  in  Tirol 

2,  7i. 

GRIECHENBLUT,  n.; 

freies  Griechenblut  nur  trank  ich  (Acheloos),  kannt  es  wobi 

an  seinem  glühen 
W.  Mi-LLER  Griechenlieder  (1868)  2, 120. 

Griechenfürst,  m.: 

und  der  Griechenfürst  eiseufzte:  'ach,  dasz  ich  gefangen  bin'  1 

2,  lOi. 

—  Griechengefühl,  n.:  so  lang  ich  unter  Fritzens 
uugen  bin,  des  edlen  nianucs  voll  Griechengefühl  und 
gotteskraft,  werd  ich  nie  verwelken  Heinse  an  J.  G. 
Jagobi,  br.  von  xi.  an  Jacobi  70.  —  Griechengeist, 
m.:  da  (in  der  griech.  allegorie)  werden  wir  Griechen- 
geist in  der  niedlichsten  bildcrsprache  entdecken  Herder 
«,  82; 

bis,  wie  der  Luchstab,  aufgelöset, 
der  üriechengcist,  o  graun!  verweset! 

J.  IL  Voss  sämfl.  ged.  6,  216. 

—  Gricchengott,  m. : 

noch  tast  ich  schwere  träume!  du  {Winclelmann) 
webst  schon  als  Griechcngolt  in  hoher,  stiller  ruh 
der  zweiten  Jugend  Herder  29,  301; 

die  weiszen  marmornen  Griechengötter  wurden  bespritzt 
von  diesem  blute  (Christi)  Heine  7,  5i.  —  Griechen- 
göttin, f.: 

mehr  als  ^ene  Griechengöttin, 

mehr  als  jene  fee  des  nordens, 

lieb  ich  dich,  du  tote  jüdiii  2,  401. 

—  Griechenjünger,  m.,  anhänger  und  nachahmer 
der  Griechen  JuSTi  ^Y^nckelmann  1,  103.  —  Griechen- 
kenner, m.:  (mögen)  uns  die  Griechenkenner  zu  jenen 
mehr  oder  minder  verschleyerten  geheimnissen  künf- 
tig den  Zugang  erleichtern  Gütiie  42,  2,  477  Weim.  — 
Griechenkind,  n.: 

Asia  hat  ausgespieen  ihre  gelbe  tigerbrut, 
dasz  sie  purpurroth  sich  trinke  in  der  Griechenkinder  blut 
W.  Müller  griechenlieder  (1868)  2, 125. 

—  Griechenkopf,  in.:  auch  das  gesicht  hatte  jene 
färbe,  die  wir  bei  r\armornen  Griechen-  und  Römer- 
köpfen finden  Heine  3,  159. 

GRIECHENLAND,  n.,  schon  in  mJid.  zeit  aufkominend: 
Helena  von  Kriechenlant  K.  v.  Würzbürg  troj.  4357; 
in  Kriekenlant  Meiszner  bei  v.  D.  Hagen  minnes.  3, 919; 
ze  Kriechlant  Lamprecht  Alex.  7020;  vgl.  Lexer;  doch 
hält  sich  der  mhd.  dat.  pl.  Kriechen  bis  ins  i6.j?i.: 
Grecus  einer  usz  Criechen  Diefenbach  269«;  dort  in 
Griechen  zu  Athen  Schwartzenberg  Cicero  (15S5)  I56d; 
durch  Alexander  den  künig  yn  Kriechen  Luther  pt-o- 
phet  Habacuc  (1526)  ciij'';  er  (der  Türke)  hat  gantz 
Ivriechen  vom  krieg  widder  den  Türken  (1529)  H  j  "^ ;  in 
der  bibel  dagegen  herrscht  Griechenland  (Dan.  8,  21 ;  io, 
20;  Sach.  9,  13  u.  ö.),  das  auch  in  anderen  Schriften  ge- 
legentlich begegnet,  vgl.  Dietz  2,  167;  die  kinder  Zion, 
welche  er  über  die  kinder  Griechslandes  erweckt  23, 
C19,  10  Weim.;  vgl.  Qrecia  Crieschlant,  Kriszlant  Diei'en- 
bach  269 <=.  —  Griechenländer,  m.-.  o  des  ersticken- 
den ecklen  dampfs,  den  manche  neue  Griechenländer 
IV.  1.  6. 


ihren  kargen  besoldern  ums  taglohn  darbringen  Herder 
8,  63.  —  Griechenlied,  n.:  W.  Müllers  'Griechen- 
lieder', zuerst  Dessau  1821.  —  Griechenschaft,/.,  von 
Reiske  in  der  Übersetzung  des  Demosthenes  gebraucht  nach 
Kinderling  rei7iigk.  d.  dtsch.  spräche  S97.  —  Griechen- 
schönheit,/.; jetzt  hat  er  es  wieder  mit  der  Griechen- 
schönheit zu  thunG.  Keller  8, 240.  —  Griechensitte, 
/.:  man  kann  zugeben,  dasz  der  künstler  sich  in  das  .  . 
bedeutende  der  .  .  Griechensitte  hineinzufühlen  gewuszt 
sehr.  d.  Göthegesellsch.  14,  186.  —  Griechenstab,  m. 
Klopstock  12,  186  (s.  th.  6,  75  unter  lahmen).  —  Grie- 
chenstadt, /.;  sie  (die  elruskischen  städte)  sandtezr 
wcihgeschenke  grade  wie  andre  Griechenstädte  K.  0. 
Müller  Etrusker  l,  293.  —  griechenthum,  n.:  w^ur- 
zeln  des  griechenthums  im  orient  Herder  7,  506;  ich 
.  .  .  war  nicht  unempfindlich  für  die  grösze  des  gedan- 
kens  geblieben,  das  junge  griechenthum  mit  dem  altern- 
den .  .  .  Orient  zusammenstoszen  zu  lassen  Immermann 
20,  151  Ilempel;  im  griechenthum  entwickelt  sich  der 
mensch  zur  vollen  selbstunterscheidung  von  der  natur 
R.  Wagner  3,  2I6.  —  Griechenwein,  m.  G.  Keller 
10,  180.  —  Griechenwoisheit,  f.: 

Griechen-  und  Römerweisheit  erklang  die  liebliche  stimme, 
stimm  und  geberde  klang  tief  in  der  Schülerin  herz 

Herder  28, 298. 

—  Griechenwelt,  /..-  sodann  ist  hier  das  latein  nur 
das  organ,  um  kenntnisse  aus  der  Griechenwelt  ans 
licht  zu  ziehen  Creuzer  an  die  Gilnderode  (18O6)  227; 
dieser  troubadour  des  Jammers  (Fluten)  .  .  .  versuchte 
es,  den  gewaltigsten  .  .  .  witzigsten  dichter  der  jugend- 
lichen Griechenwelt  nachzuahmen  Heine  3,  364.  — 
(jriechenzeit,  /.;  der  gegenständ  (der  oper)  ist  aus 
der  heroischen  Griechenzeit  sehr  glücklich  gewählt 
GÖTHE  42,  2,  95  Weim.;  diesen  stiefeln  seh  ichs  an, 
dasz  sie  noch  aus  der  alten  Griechenzeit  zu  uns  her- 
über gekommen  sind  Tieck  selir.  5,  581. 

GRIECHENZEN,  vb.,  bildung  uiie  bockenzen,  fischen- 
zen,  judenzen  (s.  Kluge  "  128  u.  faulenzen);  eigentlich: 
nach  den  Gnechen  schmecken  oder  riechen,  dann:  grie- 
chisches icesen,  griechische  kunst  nachahmen:  gehet  das 
weiter  so  fort:  so  griechenzen  wir  ärger  als  die  -grie- 
chenzendsten  Griechen  gegriechenzet  haben  Sgiiönaich 
neolog.  ivb.  288  neudr.;  bey  diesen  griechcnzenden  Thra- 
ciern  Wieland  19,  209  Gruber;  das  griechenzende  hexa- 
metrische gespenst  (Stolbergs  Homer)  Wieland  an 
Bürger  br.  2,  31  Strodtmann;  griechenzende  kritiker 
und  poeten  Jean  PAUL^ahn/7.  (1798)  1,  I7l;  der  griechen- 
zende formschneider  werke  (1826)  4,  19;  iceiteres  s.  zs.  f. 
d.  uf.  6,  42;  vgl.  brittenzen  unehrfach  bei  Gottsched 
lleichel  1,  917. 

GRIECHER,  m.,  nach  analogie  von  Römer  gebildete 
seltene  seitenform  zu  Grieche:  Grecus  eyn  Kryecher, 
Greker  Diei'enbach  269";  Griecher  Maaleu  192''; 

in  Griecher  und  Lateiner  sprach 
sen  si  vil  künsten  gangen  nach 

Schwartzenberg  Cicero  (1535)  157». 

eine  mischform  Griechner  gebraucht  Pisc.vroR  zur 
Übersetzung  von  ^E).7.T]viait'.i  der  bibel  {griechisch  spre- 
chende Juden)  Dietr.  v.  Stade  280.  —  griecherei,  f.: 
wolan  so  will  ich  d.  Carlstad  mit  seyner  kriecherey 
den  kriechischverstendigen  befehlen  (G.  legt  den  abend- 
mahltext  aus  mit  berufung  auf  das  griech.  ohne  genü- 
gende kenntnis  des  griech.)  Luther  18,158,34  Weim.; 
gewiszl  rief  Wachtel,  .  .  .  diese  griecherei  ist  nur  eine 
kriecherei  Tieck  ges.  nov.  (1835^^'.)  5,  87. 

GRIECHHEIT,  /.,  griech.  art.  gnech.  char acter,  griech. 
eigenheit;  zuerst  anscheinend  von  Bürger  gebraucht, 
noch  zögernd:  deutschheit  würde  sich  nicht  hinein 
bringen  lassen  (in  eine  deutsclie  Ilias  in  hexameiern), 
und  griechheit,  dasz  ich  so  sage,  noch  weniger  werke 
180''  Bohtz  (a.  d.  j.  1776);  ganz  ähnlich  an  Boie  Strodt- 
mann 2,  5; 

auch,  Lessing,  deins,  der  deutsche  art 
mit  griechheit,  unerkannt,  gepaart 

J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  6,  203; 

17 


259 


GRIECHISCH 


iGRIECHLING  —  SGRIEF 


260 


griechheit  überscJtrift  des  xenions  nr.  321  Lei  Schiller; 
in  den  ersten  Jahrzehnten  des  19.  jh.  fast  ein  modewort; 
von  dem  feigenblatt  bis  zum  jeifrocke  und  von  diesem 
Ijis  zur  französischen  griechheit  unsrer  tage  Hegner 
tnolkenkttr  (1813)  53;  was  aber  die  Verschiedenheit  des 
ganzen  tons  .  .  .  zwischen  den  beiden  groszen  hälften 
meines  gedichtcs  (des  gold.  vlieszes)  und  besonders  den 
mangel  an  griechheit  in  der  ersten  betrifft  Grill- 
parzer  5,230  Sauer;  man  giebt  den  berülimten .  maler 
David  gewöhnlich  als  einen  haupterfinder  dieser  arti- 
stischen griechheit  an  C.  A.  Böttiger  kl.  sehr.  8,  70; 
als  coUectivhezeichnung  für  freunde  des  griechischen ;  die 
griechheit  läszt  herzlich  grüszen*  (Bekkcr  und  Mcineke 
natürlich  noch  besonders)  Laciimann  an  Lehrs,  Lud- 
uich  1,  250. 

GRIECHISCH,  adj.,  in  älterer  zeit  oft  verkürzt  criesch 
greca  Diefenbacii  269"=;  criesche  Qingua)  greciim  ib.; 
(jelegentlich  griegisch  Luther  81,  l,  479  Weini.;  das  grie- 
gische  Stieler  vorr.\^\  iceiferes  zur  form  «(Hier  Grieche. 

1)  in  älterer  spräche  lediglich  ethnologisch:  cadus 
chr6hhisc  eimpar  ahd.  gl.  i,  95,  32;  die  crichische  diet 
Herbort  iroj.  13805  tt.  dgl.;  zumal  von  der  spräche: 
kriechisch,  kriesch  reden  grecari  Diefenuach  2C9'=; 
griechisch  können,  gr.  reden  Henisch  1742;  die  ein 
wenig  griechisch  stammlen  können  Seb.  Franck  mor. 
encovi.  67^;  ein  privatcoUegium  über  das  griechisclie 
AVeise  die  drei  ärgsten  erznarren  8G  neudr.;  Göthe 
und  Herder,  die  beide  vielleicht  nur  mäszig  griechisch 
Avissen  W.  v.  Humboldt  an  Schiller  brießc.  (1830)  275; 
ich  berufe  mich  auf  alle  griechsvcrstendigen,  das  der 
Zwinget  hie  mutwilliglich  aus  dem  artickel  .  .  .  ein 
pronomen  macht  Luther  26,  355  Weim.;  ebenso  85G; 
vgl.  oben  grieeherei;  leute,  die  mit  allen  griechisch- 
redenden nationen  gedanken  wechseln  konnten  Herder 
7,  469;  Übungen  im  griechisch  sprechen  Mommsen  röm. 
gesch.  2,  428;  griechischlateinische  handschriften  allg. 
dtsch.  bibl.,  anhang  zu  1—12,  2;  redensart:  es  giebt  sich 
alles  wies  griechische  omnia  ex  voto  fluunt,  oninia  erunt 
facillima  Steinbach  l,  638;  leispiele  tinter  geben  th.  4, 
i,l,]722£;  dat  verstcit  sik  as  dat  leve  greeksk  ist 
eine  ausgemachte  sache,  ist  katifn  des  fragens  icerth 
brem.  üb.  2,  5i0.  nur  in  iiner  tcendunj  hat  das  adj. 
schon  früh  bestimmte  färbe:  griechisch  glaub  das  ist 
kein  treu  graeca  fides  niilla  fides  Hemscii  17J2;  vgl. 
Grieche  2. 

2)  einen  prägnanteren  sinn  gewinnt  das  adj.  erst  mit 
der  2.  hälfte  des  18.  jh. ,  mit  dem  a  ufleben  des  neuen 
griechenthuins :  Wieland  .  .  .  ward  .  .  .  ein  Schriftsteller 
von  mehr  griechischem  geiste  als  vielleicht  kein  Ita- 
liener Zimmermann  einsamkeit  l,  114/.;  und  Fischer 
strafe  die  fühllosen  mit  griechischem  spott  Gleim 
briefw.  2,  370;  daher  kam  seine  griechische  achtung  für 
alle  lebensstufen  Jean  Paul  vorsch.  d.  ästhetik  8,  167 ; 
von  der  Meidung:  das  griechische  kostüm  der  kaiser- 
zeit  (des  empire)  G.  Keller  i,  15; 

indes  jene,  geschmückt,  und  die  fleiszig  geordneten  zöpfe 
unter  dem  griechischen  netz,  offenen  auges  mir  lacht 

MÖRIKE  1,  99  Göschen; 

mit  einer  schwarzen  griechischen  borte  besetzte  gar- 
dinen  Fontane  1 1,  435. 

8)  mehr  oder  minder  appellativ :  griechischer  aussatz 
lepra  Graecorum  Höfler 643''.  griechisch  baldrion  Va- 
leriana graeca  (polemonium  caeruleum)  Fischer  schwäb. 
3,  830  (quelle  von  1594).  griechisches  feuer  bezeichnung 
der  von  den  Byzantinern  erfundenen,  auch  auf  dem 
icasser  brennenden  kriegsfeuer ;  die  feuermasse  war  meist 
eine  mischung  von  kalk  und  erdöl,  vgl.  Brockhaus 
convers.  lex.  1*8,  314; 

schnell 
warf  der  ballist  statt  steinen  eine  &aat 
von  klumpen  griechschen  feurs 

E.  V.  Kleist  1,  259; 

bildlich:  neid  ist  das  verflucht  kriechesch  feur,  das 
man  in  kriegen  pfligt  zu  machen,  das  kain  wasser 
mag  gelöschen  Keisersberg  sieben  hauptsünd  (1510) 
cc  8»;   die   stellen  Petri  II.  20.  v.  und  IV.  15  und  16.  v. 


brannten  oft  wie  griechisches  feuer  in  meinen  gebei- 
nen  Schubart  lebeii  k.  gesinnungen  2,  207;  wenn  ihr 
den  kleinen  griechischen  feuerfunken  nicht  austretet, 
der  diese  kriege  veranlaszt  H.  v.  Kleist  2,  214.  griechi- 
sche flechten  impetigo  (Plinit) :^ liehen  Graecorum k.\. 
Haller  onomaiologia  medica  2,  832  nach  Höfler  152. 
griechisch  heu  in  alter  und  neuer  spräche  für  trigo- 
nella  foenum  graecum,  bockshorn  Pritzel -Jessen  409; 
schon  mhd.  als  kriechischhewe,  krieschheuwe  ib.;  vgl. 
griechisch  hew,  fenugrcck,  fenigrec,  bockhorn,  kühhorn, 
griechischer  klee  Wirsung  artzney  buch  (i,588)  reg. 
griechisch  jähr  annus  Graecorum  'ist  ein  mondenjahr, 
so  aus  12  monaten  bestehet,  tcenn  es  ein  gemeines  ist,. 
hingegen  aus  13  monaten,  wenn  es  ein  Schaltjahr  ist', 
vollständ.  mathem.  lex.  (i747)  606.  griechische  kirche, 
auch  griechisch-katholische  kirche  Herzog  realencyclop. 
f.  Protest,  iheol.  7,  170;  wir  sehen  (in  Ungarn)  den 
katholischen  und  den  griechischen  kultus  getrennt 
MoLTKE  sehr.  ti.  denkwürdigk.  1,115.  griechische  liebe 
Päderastie,  griechische  Ordnungen  in  der  baukunst 
Schwan  nouv.  diet.  i,  789*.  griechisch  pech,  harz 
colophone  Schwan  nouv.  diet.  i,  789»;  griechisch  beclu 
geigenhartz,  pix  Graeca  .  .  .  wird  auch  unrecht  heu- 
ligs  tags  colophonia  genannt  Wirsung  artzney  buch 
(1588)  reg.;  destillire  es  (schuefelbalsam)  im  Warien- 
bad,  bisz  die  Substanz  wie  colophon  oder  griechisch 
pech  bleibet  Hohberg  georgica  curiosa  aucta  (1715; 
3,180';  mhd.  krikenspech,  innd.  grekespek,  greksbcch 
Pritzel-Jessen  175.  griechische  seuche  das  unter 
den  Griechen  auf  Cypern  (vor  1505)  herrschende  Petechial- 
fieber Höfler  641.  griechisch  winden  trochleae  Grae- 
canicae  apud  Catonem,  machinae  iractoriae,  guae  fiunt 
ad  similitudinem  Graecae  litlerae  Henisch  1742.  Bel- 
grad heiszt  Griechisch  Weissenburg  ib. 

4)  adverbial: 

wer  theilt,  wie  er,  die  karten 
auf  griechisch  liurtig  aus? 

IIallek  ged.  93, 

vgl.  Grieche  2  'falschspieler' ;  griechisch  lieben  von  pä- 
derasten:  übergab  ihn  einem  jungen  menschen,  den 
der  könig,  wie  es  scheint,  griechisch  liebte  J.  v.  Müller 
sä  mtl.  werke  10,  12; 

der  kräuter  unterscheid  .  . . 

besingt  Ilesiodus  mit  griechischnetter  zungen 

Triller  poe<.  bctracht.  1,  c2''; 

seine  nase  lief  .  .  .  griechisch-gerade  nieder  Jean  Paul 
7 — 10,460  Ilempel;  Chariton,  wiewol  eine  frau,  doch 
griechisch-schlank  15—18,  176. 

IGRIECHLING,  m.,  nachäffer  der  Griechen  Langbein 
ges.  icerke  26,  43;  griechlings  bekehrung  epigramm  bei 
Radlof  ieutschkundl.  forsch.  3,  171  nach  zs.f.  d.  wf.  2, 
192;  vgl.  römling. 

2GRIECHLING,  m.,  in  Augsburg  für  prunus  hört. 
regina,  zs.  f.  d.  wf.  5,  271 ;  vgl.  krieche  th.  5,  2206,  5  d. 

GRIECHSÄÜLE,  /.,  'beim  pflüge  das  holz,  das  unten 
durch  das  pflughaupt  und  oben  durch  den  grendel  gehf^ 
Chomel  öcon.  lex.  7,707;  Schwan  nouv.  diet.  1,789*; 
nach  Jacobsson  technol.  tcb.  2,  151^  obersächsisch;  häu- 
figer grieszsRule,  s.  d.;  grichsäule  beim  Schiffbau  Ja- 
COBSSON  5,736*  (vgl.  kriech  th.  5,  2205). 

GRIEDLIN,  m.:  der  griedlin  pferdename  (aus  frz.  gris- 
de  lin)  Hohberg  georg.  cur.  aucta  (i7l5)  8,  2,  122^. 

IGRIEF,  adj.,  hager,  mager,  vorzugsweise  von  men- 
schen (westfäl.  hessen)  Vilmar  137. 

2GRIEF,  m.,  beeintrüchtigung ,  beschwerde  Gangler 
lux.  189;  schon  die  erste  Session  war  so  stürmisch,  in- 
dem Bentheim  mit  wenigem  menagement  allen  seinen 
griefs  gegen  Lodern  luft  liesz  Göthe  IV  9,  190  Weim.; 
aus  frz.  grief  m.  molestia  (zu  lat.  gravis);  sie  sehen 
nicht  an  de  sware  grieven,  de  richeit  doet  em,  de  se 
mint  ScHiLLER-LiJBBEN  6,  144'';  ostfries.  grifen  kummer, 
verdrusz,  miszbehagen.  abscheu  hervorrufen,  auch  sub 
stantivisch:  't  grifen  knmd  6n  dr  fan  an,  wen  man  s» 
'n  feiend  sügt  Doornkaat-Koolman  l,  684;  dazu  grifelik, 
grifelk  scJimerz,   miileid,   schauder  erregend,  saterländ. 


261 


GRIEFIG  -  GRIEKE 


iGRIEL  —  i  GRIEN 


262 


grivelig  frostig,  fröstelnd,  schaudernd,  ib.;  aus  dem  nl. 
übernommen:  grievcn,  vb.,  quälen,  kränken;  grief,  m., 
Betrübnis,  gram;  vgl.  engl,  to  grieve. 

GRIEFIG,  ad}.,  schwächlich,  dürftig:  ä  griefges  kind, 
e  kleenes  griefiges  ding  Müller-Fuaureuth  i,  441;  zu 
griefe  =  griebe. 

GRIEFLACIIEN,  vb.,  altes  nd.  u-ort  für  'heimlich 
lachen'. 

1)  griflachen,  smuseiiachen  subridere  Schiller-Lüb- 
BiiN  S,  146''  aus  Stralsunder  vocab.;  do  wart  de  koningli 
grifflachende  unde  sprak  ib.  aus  Herm.  Korn  er;  grif- 
lachen schmultzern,  heimlich  lachen,  brem.  ivb.  2,541; 
DooRNKAAT-KooLMAN  1,  684;  griwwlachcn  Mi  so'";  gricf- 
lachen  schulausdruck  Trachsel  20;  griflachen  lächeln, 
eine  freundliche  miene  machen  Däiinert  161";  oft  mit 
einem  nebensinn:  höhnisch,  schadenfroh  lächeln  Danneil 
70*;  Brendicke  130";  Schemionek  eZ&Mi<ir.  14;  Frisch- 
bier 1,  253;  bei  autoren  niederdeutscher  herkunft  öfter: 
wie  viel  böse  Christen  sind,  welche  diese  geschichte 
als  gedichte  grill'iachende  besehen  und  hören  Präto- 
Rius  catastrophe  muhammetica  15;  Schleicherus  sasz 
und  grihflachte  wie  ein  erpel  Hermes  Sophiens  reise 
(1776)  s,  217 ;  der  kleine  stumme  und  boshafte  kerl,  der 
stundenlang  still  horchen  und  grieflachen  konnte,  wes- 
wegen ihn  die  leute  den  greiner  nannten  Arndt  sehr, 
für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  567;  zuiceilcn  verhochdeutscht: 
darauf  (sagte)  der  könig  greüTlachcnd  Olearius  verrn. 
reisebeschr.  (1696)  340;  'und  doch  sollen  sie  mich  gewisz 
noch  lieben",  fiel  ihr  der  faselhafte  Rambold  greif- 
lachend ins  wort  Nicolai  Nothanker  3,  156;  er  .  .  . 
verwies  ihm  sein  unpassendes  greiflachen  Gutzkow 
5,  35  itn  Blasedow  (l.  utisg.  [1838]  1,81:  grieflachen). 
dazu  grif-,  grieflacher  der  höhnisch  lächelt  Frischbier 
a.  a.  0. 

2)  zum  ersten  bestandtheil  des  wertes  vgl.  grifeln, 
griffein  heimlich  lachen,  brem.  rvb.  2,541;  Berghaus  l, 
611;  auch  nl.  griffelen  unterdrückt  lachen,  tcoordenb.  d. 
nederl.  taal  5,  714;  dazu  das  adj.  grieflich:  da  meinte 
sie  mit  so  'ncm  grief  liehen  lachen  J.  Lau  ff  Pittje  Pitt- 
jeiüitt  (1903)  14;  häufiger  als  grifeln  ist  gniffeln  Doorn- 
KAAT-KooLMAN  1,  <84;  gnyfclii  lächeln,  subridere  Richey 
liamburg.  76;  gniefeln,  gniesen  Schütze  holst.  2,  68; 
nl.  gniflfeln  u-oordenb.  d.  nederl.  taal  5,  175;  gniffeln, 
gniezeu  Molema  126  •";  vgl.  auch  gniffellachen  Doorn- 
KAAT-KoOLMAN  a.  a.  0.;  gnifflachen  Stürendurg  72=*; 
gniflachen  Molema  a.  a.  o.;  sämtlich  klangnachahmende 
bildungen.  stellemveise  gruflachen  Richey  hamb.  82; 
grüflachen  Danneil  70^*;  jröfflache  Fischer  samländ. 
145;  grielaache  hohnlachen  Müller -Weitz  auch.  73; 
HONIG  köln.  GS^;  dazu  grielächer  ib.  —  vgl.  auch  grin- 
lachen  tmter  grienen  xuul  grimmlachen. 

GRIEGELELSTER  ,  /..  lanius  excubitor,  der  grosze 
loürger  Nemnich  ivb.  d,  naturgesch.  2ü9;  Naumann 
naturgesch.  d.  vögel^-2^  7;  grigelalster  Suolahti  152; 
tcohl  zu  grügeln. 

GRIEGELHAHN,  -HUHN  s.  grügelhahn. 

GRIEGS,  m.? 

■viel  gaste  sehnten  slcli  nach  voll-  und  fetten  schusseln, 
iedennoch  war  kein  griegs  vor  ihre  mäuler  da 

Günther  1100, 

wohl  nebenform  von  griebs  (s.  d.  i),  oder  fehler? 

GRIEKE,  f.?,  meist  im  plur.  griegken  (griakng, 
groikng,  gruikng),  wie  grieben  l)  fettgraupen,  2)  der 
trockene  schleim  in  den  augenivinkeln  und  an  den  wim- 
pern  Schmeller  l,  998;  du  hast  schon  wider  groikarln 
in'n  äugen  Castelli  153;  altes  bairisches  wort:  cremium 
krömel  vel  grewken  Schmeller  a.  a.  o.;  gramia  groi- 
chen  Diefenbach  268 '*;  ursach  dessen  (der  geschwulst) 
ist  truckner  oder  grober  zeher  schleim,  .  .  .  doch  er- 
zeigt sich  dieser  mit  greucken  inn  augenecken  und  die 
sich  an  die  augbrauwen  hencken  Wirsung  artzneybuch 
(1588)  C6A;  auch  als  verbum:  frixare  griechen  Diefen- 
bach 248»';  frixus  gesmelczt,  gegrewkt  Schmeller 
a.  a.  0.;  vgl.   igreck,   'greckig. 


^GRIEL,  m.,  name  mehrerer  vögel. 

1)  für  numenius  orquatus,  den  groszen  braeJivogel: 
griel,  am  bodensee  grüel,  auch  triel  Staub -Tobler  2, 
730;  grial  Fischer  schiväb.  3,  867;  rupex  .  .  .  avis  est 
aquatica,  lucifuga  et  prava  ein  griel  oder  moszgriel 
Faber  thes.  (1587)  703*;  der  moszgriel  Rüysbroeck 
Stiftshütte  169*;  rupex  griel  Kirsch  com.  2,  159*;  Stein- 
BACii  1,  642;  rupex  griel  vel  mosgriel;  moosgrille  Suo- 
LAHTi  2S2  aus  dem  dachauer  moos;  grüel  Oken  7,  507; 
Naumann  naturgesch.  d.  vögel  8,  478;  vgl.  auch  grill- 
vogel. 

2)  für  gewisse  arten  des  regenpfeifers,  charadrius,  be-  % 
sonders  für  oedicnemiis  crepitans:  diser  vogel  (charadr.) 
wirt  zu  teutsch  ein  triel  oder  griel  genennt  Gesner 
vogelb.  (1557)  238'';  aus  ihm  von  vielen  übernommen,  vgl. 
AiTiNGER  jagd-  u.  weidbüchl.  (l68l)  86;  Dentzler  (1716) 
140°-;  griel,  driel  charadrius,  avis  ad  accipitris  speciem 
accedens.  pennis  subrufis  Henisch  1743;  griel  charadrius 
oedicnemus  Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  209;  oedicnemus 
crepitans  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  7,  92;  Suolahti 
vögeln.  268  bezweifelt,  ob  die  Variante  griel  für  triel  über- 
haupt reale  existenz  habe;  denn  die  belege  gehen  meist 
deutlich  auf  Gesner  zurück,  dessen  angäbe  unsicher 
ist;  doch  erscheint  griel  auch  nl.,  woordenb.  d.  nederl. 
taal  5,  693;  bei  Kilian  riel  charadrius  nach  Diefen- 
bach 99". 

3)  nach  Frisch  l,  372''  für  die  grasmücke,  sylvia 
hortensis;  von  Adelung  2,  798  übernommen  mit  dem  Zu- 
satz 'in  einigen  obd.  gegenden' ;  wohl  irrig. 

2  GRIEL,  n.:  Mose  zerheuw  den  widder  in  stuck  und 
zündet  an  das  haupt,  die  stuck  und  das  griel  (Jiebr. 
'fett')  Zürcher  bibel  (l53l)  3.  Mos.  8  D  (v.  20) ,  dafür  in 
der  ausg.  von  1540:  den  strumpf  nebst  der  randglosse: 
da  hie  strumpf  stat,  lesend  etlich  das  netze  oder  griel, 
also  anscheinend  'fettnetz' ;  es  sollen  auch  die  metzger 
das  haupfleisch,  die  kröss  und  grül  besonder  und  on 
das  griel  verkaufen  Staub-Tobler  2,  730;  hier  ist  grül 
synonym,  mit  2 grien  (*.  d.),  das  im  selben  Zusammen- 
hang erscheint:  die  edlen  eingeweide,  hinge,  leber,  herz, 
luftröhre. 

GRIELEN,  vb.:  groschlen  et  alia  dialecto  grielen  est 
missilia  in  vulgus  spargere  Stieler  709;  aus  ihm  über- 
nommen(f):  grielen  geld  unter  die  leute  w?e//eji  Kinder- 
LING  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  30;  ein  nl.  wort,  dessen  be- 
deutung  Stieler  wohl  falsch  angibt:  grielen  in  vulgus 
promiscue  sparsa  rapere  Kilian,  xmd  so  noch  im  heu- 
tigen nl.,  vgl.  tcoordenb.  d.  nederl.  taal  5,  694;  dazu 
grielgelt  pecuniae  in  vulgus  promiscue  sparsae  Stieler 
a.  a.  o. 

GRIELTRAPPE,  /.,  auch  trieltrappe  (gelehrte?)  be- 
zeichnung  für  die  Zwergtrappe,  otis  telrax,  die  in  Deutsch- 
land nicht  heimisch  ist  und  sich  nur  sehr  selten  dorthin 
verfliegt  Suolahti  vögeln.  264;  Schw^an  nouv.  dict.  i, 
789»;  Nemnich  tob.  d.  naturgesch.  209;  Behlen  forst- 
u.  jagdkunde  7,  244;   Adelung;   Heinsius;   vgl.  Jgriel. 

GRIEMELN,  vb..  lächeln  Müller -Weitz  aach.  73; 
hohnlächeln,  kicJiern  Honig  köln.  68'';  en  all  der  zick 
sali  se  äwer  nit  ens  gelaach  ov  och  noor  gegriemelt 
han  Firmenich  i,  455,  384  (kölnisch). 

1  GRIEN,  m.  und  n.,  sand,  kies;  ein  vorzugsiveise  alem. 
wort,  das  erst  in  mhd.  zeit  erscheint;  selten  im  md.  als 
grin  tmd  im  mnd.  als  gr§n  (s.  u.  1  a) ;  vgl.  mnl.  grient, 
greent,  m..  sand,  mit  jüngerem  t  Veuwijs-Verdam  2, 
2135,  nnl.  griend;  iwi  anord.  vergleicht  sich  grjön,  n., 
grütze;  dazu  schtved.  noriv.  gryn;  germ.  greu-na-,  wie 
gi'eu-ta-  (mhd.  griez),  zur  würzet  gru  zerreiben  FiCK*3, 
145.  im  älteren  mhd.  anscheinend  ausschlieszlich  masc. 
nie  im  mnl.  und  heute  noch  theilweise  im  schwäb.,  s. 
Fischer  3,  830 ;  Staub-Tobler  2,  747;  aber  schon  bei 
Seuse:  daz  unzallich  gi'ien  in  dem  mere  dtsch.  sehr. 
28,  5 ;  schriftsprachlich  steht  das  neutr.  seit  dem  ausgang 
des  mittelalters  fest,  es  herrscht  auch  in  den  heutigen 
maa.  im  le.jh.  öfter  gvün:  Brvnschwig  distillierbucJi. 
(1509)  35".  41»;  Geiler  evang.  (1517)  216";  Schade  sat. 
3,  190,2;   GoLius  onom.   (1582)  277;  Wirsung  artzney- 

17* 


263 


1  GRIEN 


2  GRIEN  -  GRIENMACHER 


264- 


buch  (1588)  reff.;  früher  selten,  so  bei  Königshofen, 
s.  ti.  la. 

1)  gi'icn  arena  Diefenbach  47'';  sabnhim  50C;  sulcus 
sande,  griesz,  gryen  565". 

a)  mJid.  meist  als  'sand'  schlechthin: 

0  we,  wer  cnkirt  (ankert)  uf  den  iji'ien 

H.  V.  Langenstein  Martina  23,  79; 
swenn  .  .  . 

.  .  .  der  Swarzwalt  wirt  verbrant 
unde  daz  mer  gevttllet  ist  mit  griene 

BOPPE  hei  V.  D.  Hagen  minncs.  2,  334 1>; 

^so  auch  md.  tind  mnd.:  des  Stades  grin  erlösten  ff  925; 
daz  grcn  in  des  meres  Stade  Schiller-Lübben  2,143; 
beliebt  in  der  uendiwff:  als  vil  als  grienes  in  dem  mer 
ist  Seuse  disch.  sehr.  453,  5;  der  alse  vil  ist  alse  grases 
und  grienes  an  dem  mer  mi/st.  1, 271,  4  (Nie.  v.  Strasz- 
burg);  auch  später  noch:  der  (Perser)  do  also  vil  ist 
also  des  grünes  in  dem  mere  städtechron.  l,  306,  15 
(Königshofen);  doch  auch  schon  als  'grober  sand, 
kies': 

vil  manic  brunno  lüterlich 
quäl  iiz  des  horten  grienes  kise 

KONR.  V.  WüuzüUKG  iroj.  G913; 

dieser  begriff  verstärkt  sich  später  immer  mehr:  so  das 
feld  zu  fett,  temperirn  sie  es  mit  grien  und  sand 
Thukneisser  von  urissern  (1572)  91;  von  steinen,  sand 
und  grien  Stumpf  Schivytzerchron.  (l60ü)  440*';  viel 
grien  von  marmelslein  Becii  Agricola  (l62l)  80;  er 
herrscht  in  den  modernen  maa. :  kies,  bes.  straszenkies 
zur  beschottenmg ;  grienerc", /.,  kiesgrttbe  StaubTobleu 

2,  747;  kri^n,  krian  grober  kies,  steine  zum  wegausbes- 
Sern;  kiesgrube  Martin-Lieniiart  1,  275^;  die  unterste 
Schicht    {des  heerxvegs)    bildet    grien    Fischer    schwäb. 

3,  830;  so  auch  schon  früher:  alle  karrengeleisen  in 
Strassen  sollen  mit  grien  ald  kleinen  steinen  verebnet 
werden  Staub-Tobler  2,  747  {quelle  von  1646). 

b)  sandfläche,  sandiger  plan: 

der  nam  z'ein  ander  unde  las 
die  fürstcn  üf  den  witen  grien 

KoNR.  V.  WüKznuiiG  troj.  11G05; 

des  ertrichcs  grien  gold.  schm.  917; 

auf  dem  grien  lag  ain  gslosz  .  .  . 
was  Leupelstorf  genennet 

M.  Beiiaim  nacfi  .ScuMr.i.i.EU  1,1000; 

vogelgricn  vogelherd:  wir  sind  überein  kommen  .  .  . 
das  man  sol  teilen  die  vogelgriene  Martin-Lienhart 
1,  276*  {Straszb.  quelle  des  14.  jh.);  Vogelgrün  darf  bei 
Neubreisach  am  Mhein;  sehr  häufig  als  flurname  {auch 
in  den  formen  grein,  grün)  Bück  flurnamenb.  90;  vgl. 
Staub-Tobler  2,  747;  Schmidt  eis.  154'^;  im  besonde- 
ren: von  fluszsand  oder  geröll  gebildete  sandbank,  insel 
oder  halbinsel:  auen  und  grien  Staub-Tobler  a.  a.  0. 
{urk.  von  1344);  die  flösse  gestundent  uf  eime  griene 
obewendlg  der  brücken  städtechron.  9,  689  (Königs- 
hofen); tamariscen  .  .  .  wachsen  vil  in  den  grünen 
des  Reins  Brunsciiwig  distillierbuch  (1509)  105'';  dasz 
sich  das  goldreiche  sand  sonderbar  linde  auf  den  klingen 
(seyn  von  dem  wasser  selbst  aufgeworfene  sandhäufen, 
auch  grien  genannt)  Sgiieughzer  2,  21;  alluvioncn, 
grienen  und  ausätze  in  den  Aussen  gehören  den  regie- 
renden orten  Staub-Tobler  2,  747  {quelle  von  1729);  das 
Grien  (Spitalgricn)  neckarinsel  Fischer  3,  830.  dazu: 
grienbüggel,  m.,  sandhügel:  gott .  .  .,  der  den  bauern 
im  Emmenthal  gepredigt  hat,  wie  gut  der  klce  sei,  und 
wie  vortheilhaft  die  esparsettc  auf  ihren  grienbüggeln 
Gottuelf  23,  64.  —  grien fläche,  /. .-  der  schlämm 
der  wasserebenen  sand-  und  grienflächeu  bekleidete 
sich  mit  pflanzen  Zsghokke  g,  299.  —  griengrube, 
/.;  ich  .  .  .  sah  .  .  .  einen  felsigten  hügel,  wie  eine 
griengrube  gespalten,  aus  seinem  Schlund  glühenden 
sand  auswerfen  Pestalozzi  10,  103.  —  grienkopf, 
m.,  'jede  von  einem  ström  oder  gieszbach  angelegte  er- 
höhung  von  sand  und  steinen'  Stalder  1,  479.  — 
grien  v/eg,  m.,  kiesweg:  euer  gnaden  fodern  jetzt  sieben 
äcker  zu  schattengängen  und  grienwegen  Pestalozzi 
10,  56. 


2)  nieren-  und  blasenstein:  morbus  calculi  das  grien 
Schmidt  eis.  154  {quelle  von  1396);  alantkrut  und  wurtzel- 
wasser  .  .  .  vertribt  das  grüen  Brunschwig  distillier- 
buch (1500)  17^;  ist  fast  gut  fürs  grien  in  lenden  und 
blasen  Lonigerus  41";  der  das  grien  hat  und  schwarlich 
harnet  Gesner  thierbuch  (1563)  60«";  öfter  bei  Para- 
CELSUS  ojicra  (I6I6)  l,  79  C;  657  A;  gelegentlich  auch  für 
einen  andern  krankheifszustand,  der  aber  ganz  ähnliche 
schmerzen  hervorruft:  ischias,  liufftwee  oder  grien  Das.y- 
PODius  LI  8";  ischias,  hufftwehe,  das  grün  Golius 
onom.  (1582)  277;  den  ischiadicis,  so  in  den  hüfften  weh- 
tagung  und  grien  haben  Prätorius  katzenveit  (1692) 
71;  dazu:  griengaulen,  ri.,  am  stein  leiden :  alle  böse 
flegmatische  flüsz  und  trieffen  als  megre,  grienegaulen, 
Wassersucht  Thurneisser  von  tcassern  (I6I2)  81;  vgL 
Stalder  l,  430  und  gaulig  th.  4,  l,  l,  1573. 

2GRIEN,  n.,  Schweiz,  für  die  edlen  eingeweide  des 
Schlachtviehs:  hinge,  leber,  herz,  Luftröhre;  siellenweise 
wird  auch  köpf,  blut  tmd  fett  dazu  gerechnet  Staub- 
Tobler  2,  748;  exta  eyn  gehenk,  grien  Dasvpodius  291"; 
grien,  eingeweid  exta  Maaleh  192"=,  von  dem  kalb  .  .  . 
besondere  trachten  .  .  .  gekocht,  als  grien,  kröss,  füss 
Gesner  thierbuch  (1663)  125;  sie  würfen  viel  tonnen  mit 
grien  und  unrath  gefüllt  in  die  festung,  wodurch  ihre 
brunnen  und  Wohnungen  verunreinigt  wurden  Frisch 
1,  372''  aus  WuRSTjSKN  Basier  chron.;  es  sollen  die 
metzger  das  kopffleisch,  die  kröss,  grien  (bei  welch  letz- 
teren auch  das  herz  sein  soll)  und  milzi  besonder  und 
ohne  das  fleisch  verkaufen  Zürch.  metzgerordn.  v.  177« 
nach  Staub-Tobler  2,  748,  ivo  auch  die  form  die  grye 
belegt  ist.     ctymol.? 

3GRIEN,  m.,  nebenform  zu  kren  merretig  Grassmann 
nr.  60.  71;  gemeiner  grien  Holl  230"^;  nach  Nemnich  2, 
1093  sind  grien,  grän  ostdeutsch;  mundartl.  im  scJiles. 
krien;  krieneisen  reibeisen;  vgl.  kren  l  c. 

GRIENBÜGGEL  und  andere  composita  mit  grien  sand, 
kies  s.  unter  *  grien  1. 

1  GRIENEN,  vb.  1)  steine  aus  dem  fluszbett  wegräu- 
men {vgl.  1  grien  l  b) ;  kies  auf  straszen  zmd  platze  füh- 
ren {vgl.  igrien  1  a)  Staub-Tobler  2,  748;  geläufiger  ist 
das  compos.  übergrienen.  2)  am  stein  itiden  {vgl.  1  grien  2)  • 
hat  in  das  grineu,  griess  und  ryssend  stain  angestosscn 
Fischer  schzväb.  3,  830  {quelle  von  1535). 

^GRIENEN,  vb.,  lachen,  grinsen,  nd.  form  für  grei- 
nen, s.  d.  II  sp,  61.  —  grienf ichler,  m.,  'Schmeichler, 
der  bei  seinen  reden  grient'  Berghaus  1,  612»;  vgl.  ficheln 
th.  3,  1612.  —  grienfiest,  m.,  berlinisch:  jrlnefiest  einer 
der  immer  lacht  Brendicke  130";  dafür  auch  griinfiister 
Berghaus  1,  612'';  er  grienfiestert  schmunzelt  Trachsel 
20.  —  grienlachen,  vb.,  hinterlistig  lachen  Lkihener 
cronenberg,  47*';  nach  Schmeller  l,  996  uudi  in  der 
llheinpfalz;  vgl.  grieflachen  und  grimlachen. 

GRtENIG,  adj.  1)  sandig,  kiesig:  mit  dem  grienigen 
mer  Reinfr.  v.  Braunschweig  I956l;  im  heutigen 
schiveizer.  'voll  geröll,  kies':  grieniger  boden  im  gegen- 
satz  zum  lehmboden  Staub-Tobler  2,  748;  neben  dürren, 
sandigen  oder  grienigen  und  steinigen  feldern  mit  ma- 
gern! pflanzenwuchse  Zschokke  5,  26;  am  fusz  eines 
elenden  grienichten  hügels  Pestalozzi  Lienhard  (l79ü) 

1,  384. 

2)  am  blasen-  oder  nierenstein  leidend:  calculosus  homo 
dem  grien  und  stein  underworlTen  Frisius  (1556)  175*^; 
die  eselmilch  den  grienechlen  oder  so  das  griess  und 
reysenden  stein  haben,  nichts  schadet  Gesner  thier- 
buch (1563)  43;  den  calculosis  oder  grienigen,  die  sand 
im  nieren  haben  Stumpf  Schioytzerchron.  (I6O6)  661*'; 
im  heutigen  schiceiz.  nur  noch  vom  vieh  Staub-Toblek 

2,  748. 

GRIENITZ  s.  grünitz. 

GRIENKRAUT,  71.,  tnlat.  perdicium,  auch  S.  Peters- 
kraut, tag  und  nacht  Frisius  (1556)  975  **;  heutiger  name 
parietaria  officinalis  Pritzel-Jessen  265. 

GRIENMACIIER,  «1.,  gramtis  Diefenbach  268'';  nov. 
gloss.  196''. 


265 


GRIENSING  -  GRIESELN 


GRIESEN  —  1  GRIESGRAM 


266 


GRIENSIXG,  m.,  Wihsung  arüneyhuch  (1588)  464b; 
gi'iensich  ib.  reg.;  =  grensing,  s.  d. 

GRIENVÖGELEIN,  n.,  alte  bezeichnung  für  den  bäum- 
2neper,  anthus  arboreus;  zuerst  bei  Gesner:  disz  vöge- 
iin,  so  zu  Strassburg  gickerlin,  guckerlin  oder  grien- 
vögelin  genennt  wirk  vogelbuch  (1557)  71'';  anthus  cam- 
pestris  Naumann  naturgesch.  d.  vögel;  denselben  vogel 
meint  alauda  campestris  Nemnich  v'b.  d.  naturgesch. 
209;  identisch  mit  greinerlein,  s.  d.;  vgl.  Süolahti  94/1 

GRIESART,  vi.,  brummiger  mensch;  mit  falscher  ctg- 
mologie  grieshart  Pansner  schimpfivb.  2i^ ;  zu  griescn 
(s.  d.) ;  vgl.  greisart  sp.  82. 

GRIESE,  /.,  nach  schwäbischer  ausspräche  (Fischer 
schiväb.  4,  416)  bisiceilen  gedruckte  form  für  kriese  kirsche 
Pritzel-Jessen  312;  griesze  prunus  avium  Nemnicii 
wb.  d.  naturgesch.  210;  vgl.  griesbeer  Pritzel-Jessen 
312;  griesberen  cerasa  Wächter  614;  ab  illis  ossiculis 
(sc.  intra  baccam)  arbor  ipsa  Francis  vocatur  griesbaum 
ib.;  griesbaum,  griesbeerbaum  Bucic  fiurn.  90. 

GRIESEL,  m.,  das  erschauern:  grissel  horror  Diefen- 
BAGH  280°  (Wetterau);  griescl  pavor,  metiis;  ein  heim- 
licher griesel  überfället  ihn  Stieler  698;  griesel  horri- 
pilatio  Nemnich  lex.  no^olog.  ib^;  griesel  schauder 
.Schmitz  Eifel  225;  grisel  frösteln,  schaudern,  schrecken 
Hünig  69»;  ^visel  schander  Stürenburg  76*;  vgl.  grie- 
seln. 

^GRIESEXICH,  adj.,  horridus,  vorwiegend  im  westl. 
nd.,  Quantität  des  vocals  schwankend:  griselik  grausig 
Bergh.\us  1,  608 '>^;  griselich  Schambacii  69»;  griaselik 
schaurig  Woeste  85'';  %t^?.z\i(ik  fürchterlich  Strodt- 
MANN  osnabr.  97;  rheinfr.:  ergrislich  Kramer  bistritz. 
y9;  grisselich  schauerlich  Wegeler  coblenz.  20;  grislich 
Frischbier  i,  253;  vgl.  afries.  grislik  Richthofen  787; 
mnl.  griselijc,  nnl.  aigrijzelijc;  aeiigl.  grislic,  engl,  grisly. 
das  schwanken  des  vocals  im  deutschen  offenbar  alt: 
j.'rysselich  terribilis  Diefenbach  580'';  grysseliche  hör- 
rendus  im"" ;  griselich  «evusSSl";  grisliken,  -liehen  seve- 
riter,  severe  531'';  ältere  lexicographen  haben  länge:  grie- 
selicht  pavidns  Stieler  698;  Kramer  teut^ch-ital.  l, 
558";  ebenso  tveisen  die  diphthongierten  formen  greislich 
(s.  sp.  93)  tmd  greisemlich  (s.  sp.  83)  auf  länge,  früh- 
zeitig zu  belegen:  so  en  griselicker  vall  AVallraf  31 
{Köln  1334); 

y  «loch  hortieh  eyn  jemerich  schrcy, 

scryen  lut :  owe  1  owach ! 

grob,  cleyne,  gryslich,  meniccrley 

Ceusne  tninncr.  4518, 

nebenform:  grijstelich  horrendus  Diefenbach  280'';  im 
älteren  nd.  herrscht  greselik  horribilis  ib. ;  crudelis  nov. 
gloss.  171»;  trux  373 '^;  severus  531'';  «.  Schiller-Lüb- 
uen  2,  144'';  vgl.  gräszlich. 

-GRIESELICH,  adj.,  sprenkelig,  graumeliei't ;  ivesent- 
lieh  obd. :  grieselicht  zweifarbig,  gesprenkelt,  von  thieren 
Reinwald  henneberg.  2,55;  grieslig,  z^-iG^elt  mischfärbig, 
buntfarbig  Unger-Kiiull  307»;  auf  einem  grawen  od- 
dcr  gryselten  rosz  sitzende  Seb.  Franck  beschr.  der 
Türkei  (l530)  H  1»;  grieselt  (pferde)  und  viel  weiszes 
drunter  gemengt  sind  freudig  Colerus  hausbuch  243; 
dazu  substantivisch  griesel,  m.,  pferd,  das  iveder  Scheck 
noch  Schimmel  ist,  aber  haare  gemischter  färbe  {schwarz 
bis  rot)  hat  Unger-Khull  307»;  grisla,  /.,  kuh  mit 
grau  und  iveisz  gemischten  haaren  Bühler  Davos  2,  5; 
weiteres  s.  unter  greisig  sp.  92  und  *  greis  2  sp.  65,  tfo  zur 
erklärung  des  vocals  ivortvermengung  angenommen  wird; 
ist  an  grieszelich  {s.  m.)  zu  denken? 

GRIESELN,  vb.,  meist  unpersönl.,  erschauern  vor  kälte, 
furcht,  schrecken,  ekel,  absehen;  nd.  tcort,  geltungsbereich 
und  schwanken  der  vocalquantität  wie  bei  igrieselich 
{s.d.):  griseln,  griseln,  ^vnsQln schauern, frösteln  Frisch- 
uiER  1,  253;  götting.  griseln  ib.;  et  griaselt  mi  Woeste 
85'';  et  grisselt  mech  Wegeler  coblenz.  2o;  grieselen 
schaudern  Schmitz  Eifel  225;  grisseln  von  Adelung 
als  nd.  notiert;  auch  im  mnd.  hat  das  stammverbum 
cerschiedene  vocalquantität:  neben  üblicherem  gresen  nach 
uusweis  der  reime  grlsen  Schiller-Lübben  6,  144;  vgl. 
mnl.  grisen  schaudern,  grauen,   nnl.  afgrijzelen;   aengl. 


ägrisan  schaudern,  fürchten;  zur  wurzel  '''grls-,  die  mit 
paralleler  bedeiitung  neben  formverwandtem  *griis-  steht, 
vgl.  Falk-Torp  nor^c.  dän.  etym.  wb.  i,  356;  s.  u.  gries- 
gramen.  das  vb.  entfaltet  sich  später  als  das  adj.,  hat 
aber  als  einziges  tvort  der  gruppe  auch  literarische  Ver- 
breitung geiconnen,  selbst  bei  obd.  autoren:  es  grieselt 
mir  über  den  ganzen  leib  toto  corpore  perhorresco ;  jetzt 
grieselt  ihm  erst  über  dem  was  er  angefangen  hat  ex- 
timescit  eventum  Stieler  698;  es  grieselt  allen  men- 
schen für  den  gespenstern  Kramer  teutsch-ital.  l,  558'^; 

vor  foreht  grieselt  mir  gleich  die  haut 

II.  Sachs  11,457  Keller; 

da  grieselte  es  ihm  doch  den  rücken  hinauf,  eine 
gänsehaut  flog  über  seinen  körper  Hauff  3,  103;  das 
mir  das  hertz  im  leibe  grieslet,  wenn  ich  daran  ge- 
dencke  Friderich  sendbrief  a.  d.  vollen  brüder  (1555) 
c  2'';  den  anwesenden  grieselte  die  haut  Langbein  7, 
62;  das  griseln,  so  man  einen  mit  kaltem  wasser  be- 
schult Mich.  Herr  sittl.  Zuchtbücher  (1536)  155'';  der 
naturfeste  bauerjunge,  der  immer  von  schaudern  (grie- 
sein)  hört  Göthe  42,  2,  89  Weim.;  grieselndes  entsetzen 
Lenau  liSBeclam;  grieselnd  grausen  R.  Wagner  6,  112 ; 
mit  poet.  freiheit:  huh!  huh!  schrecken  grieselt  in  mei- 
nen locken  —  durch  meine  knochen  zermalmung  Schil- 
ler 2,  293;  das  tcort  ivird  vom  volksetgmologischen  emp- 
finden öfter  mit  grieszcln  körnig  werden  vermengt,  dazu 
grieselung:  mit  grieselung  der  haut  schles.  refactions- 
ordn.  (1656)  F4''. 

GRIESEN,  vb.:  grisgramen  kann  .  .  .  durch  die  Zeit- 
wörter griesen  und  grieseln  erkläi't  werden  allg.  dtsch. 
bibl.  42,  579;  icohl  das  im  älteren  nd.  ganz  spärlich,  im 
mnl.  eticas  häufiger  belegte  grisen  ringere,  os  obtorquere 
s.  3 greisen  sp.  85;  dazu  noch  grisen  als  een  hont  sub- 
sannare  Diefenbach  561'';  wohl  gleicher  lourzel  mit  gri- 
seln; vgl.  auch  griesgramen.  vericandt  sind  cryselende 
vel  knerschende  stridulus  Diefenbach  556»;  nd.  kri- 
selen  stridere  th.  5,  2332;  nl.  krijzelen  knirschen;  das  vb. 
scheint  in  jüngerer  zeit  ein  adj.  enttvickelt  zu  haben: 

der  mann  im  mond  guckt  auch  so  griesz  mich  an 

Z.  Werner  kreuz  a.  d.  Ostsee  (1806)  241 ; 

grismaulen  ein  grieses  greinendes  maul  ziehen  Frisch- 
bier 1,  254.     zweifelhaft  ist,  ob  hierher  gehört: 

wenn  man  mir  wolte  schencken  gleich 
JJordwegen,  das  gantz  königreich, 
das  ich  solt  mit  eim  solchen  alten 
saurzapfeten  könig  hauszhalten, 
fürwahr  so  möcht  ich  ihn  nicht  nemen, 
zuhörn  seinem  grisen  und  gremen 

Ayrer  dram.  3,  1617  lit.  ver.; 

hier  könnte  freie  Zerlegung  vorliegen,  wie  sie  vorgenom- 
men  scheint  in  dem  nicht  seltenen  »prichicort:  grisz 
schlecht  gern  nach  gramen,  ain  dieb  bringt  den  andern 
Steinhöwel  Äsop  88  lit.  ver.;  vgl.  Luther  5,  2-aJena; 
Frey  gartenges.  41,  13;  178,  18  lit.  ver.;  oder  deutet  sie 
auf  ein  verschollenes,  selbständiges  gries?  vgl.  die  un- 
klare notiz  bei  Westenrieder  'grics  zorn,  von  gramen, 
grämen'  gloss.  218. 

GRIESFÜGHS,  m.  1)  der  vir  ginische  fuchs,  canis  ci- 
nereo-argenteus,  dessen  rücken  silbergrau  gesprenkelt  ist 
Nemnich  ivb.  d.  naturgesch.  209;  Prechtl  technol.  en- 
cycl.  11,20;  engl,  greyfox.  2)  pferd  von  gviesQÜchav  fär- 
bung  Unger-Khull  307»;  zu  greis  grau,  vgl.  sp.  05  und 
oben  2grieselich. 

1  GRIESGRAM,  m.,  in  alter  spräche  swm.;  zur  form 
und  Jierkunft  vgl.  das  reicher  entwickelte  vb.  gries- 
gramen. 

1)  das  knirschen  der  zahne:  Stridor  gris-,  griszgram 
der  zen  Diefenbach  550»;  vgl.  nov.  gloss.  350'';  ahd. 
nur  in  erweiterter  gestalt  nachzuxceisen :  in  griscramode 
in  fremitu  Graff  4,326;  cristcrimmod  Stridor  dentium 
ahd.  gl.  i,  188,  11 ;  icesentlich  beschränkt  auf  das  Zähne- 
knirschen in  der  hölle: 

thar  ist  gristgrimmo  endi  gradag  fiur 

Hcliand  2144  Mon.; 


267         2GRIESGRAM  —  GRIESGRAMEN 


GRIESGRAMEN 


268 


da  ist  niht  wan  weinen  und  wofen  und  grisgram  der 
zene  spec.  eccles.  168  Kelle; 

da  wirt  alle  freid  tewr 

da  nix  anders  ist  dan  grisgram  der  zend 

passionssp.  aus  Tirol  276  Wackemell; 

dissimiliert:  weinen  und  grissame  Lucidarius  62,  8  Heid- 
lauf;  ertceitert: 

der  armen  cene  grisegram 

piniget  sie  besunder  väterhuch  15210; 

nur  bis  ins  mhd.,  algelöst  durch  grisgramen  der  zene; 
ganz  vereinzelt  im  nhd.: 

wann  wir  die  ewigkeit  der  griszgramstraf  betrachten 

RoMPLEii  erstes  gebüsch  (1647)  9. 

2)  ende  des  18.  jhs.  taucht  das  siibst  mit  ganz  ande- 
rer hedeutung  vdeder  auf,  anscheinend  ohne  Zusammen- 
hang mit  mhd.  grisgrame,  vielmehr  neugebildet  nach  dem 
adj.  griesgramig  und  dem  vb.  griesgramen,  in  anlehnung 
an  das  subst.  gram,  dem  es  auch  in  der  bedeutung  zu- 
neigt: mürnscher  sinn,  miszmuth;  im  nd.  mag  der  ge- 
danhe  an  gris  grau  mitspielen : 

griesgram  sieht  alles  grau 

BÖHME  volksthüml.  Ueder  d.  Deutschen  222; 

ein  alter  hagrer  mops  voll  griesgram 
bleibt  noch  von  köpf  und  pfot  ein  mops 

Voss  sümtl.  ged.  6, 1S2; 

kein  alter  macht  für  die  Schönheit  der  natur  unemp- 
findlich, nur  der  griesgram  thut  es  Hegner  molhen- 
kur  8,124;  gerii  persönlich:  'der  stärkste  ausdruck  für 
den  begriff  des  grämlers  ist  griesgram  (griesgramm)' 
Weigand  synon.  2,431; 

laszt  ja  den  griesgram  gehn ! 

Bürger  21»; 

doch  hat  er  (.Nereus)  einen  harten  köpf, 

der  widerwärtige  sauertopf, 

das  ganze  menschliche  geschlecht 

machts  ihm,  dem  griesgram,  nimmer  recht 

GöTiiE  15, 158  Weim. ; 

oft  gebraucht,  vgl.  13,  l,  10;  16,  238;  IV  21,  132;  37,  136; 
ein  mann,  der  immer  zankt  und  keilt,  ein  griesgram 
Bauernfeld  ^es.  «c/i».  4,  227;  der  ästhetische  griesgram 
Hebbel  tageb.  3,  89;  namentlich  alter  griesgram: 

ja,  alter  griesgram,  dank  sind  wir  dir  schuldig 

Zacii.  WER^■ER  kreuz  a.  d.  Ostsee  (1806)  107; 

seitdem  er  nicht  mehr  schieszen  kann,  ist  er  eigent- 
lich ein  alter  griesgram  Rosegger  4,  267;  aucli  dialec- 
tisch,  besonders  im  nd.:  dat  is  6n  rechten  grisgram; 
grelsgräm  »««rrÄo^/BAUEU-CoLLiTZ  41 " ;  jriesgram Bren- 
dicke  180*;  grisgram  Friscubier  i,  254;  Fischer  sam- 
länd.  53 ;  wer  in  Karlsbad  ein  foidel,  ein  geizhals  ist, 
in  Braunau  ein  lasterband  oder  griesgrom  Petters 
stoffsamml.  13;  grisgram  mürrischer  mensch  Fischer 
Schwab.  3,  842. 

2 GRIESGRAM,  adj.,  mürrisch;  im  älteren  nhd.  nur 
sj)  urweise: 

solch  rauche  wort  wird  er  mir  gehen  .  . 

wie  er  dann  streng  und  griszgram  ist 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dramen  2,118; 

erst  ende  des  18.  und  anfing  des  19.  jhs.  häufiger:  dem 
fürchterlichen  griesgramen  teufel  Maier  Fast  v.  Strom- 
berg 82;  der  griessgrame  kerl  {der  tod)  will  mir  keine 
frist  mehr  dekretieren  Iffland  theatral.  werke  5,  62;  ihr 
griesgrames  muckern  J.\hn  2,  750; 

selbst  der  bischof,  der  gewöhnlich 

griesgram  aussieht,  wenn  er  messe 

lesen  soll  Heine  2, 141  Elster; 

'ein  niedriger  ausdruck  für  mürrisch,  verdrieszlich' 
Rümpf  gemeinnütz.  icb.  (l8ll)  145;  Heinsius  2,  532; 
für  die  alten  greisgramen  gesellen  Maier  stürm  auf 
Boxberg  68 ;  vgl.  z.  f.  d.  iv.  10,  121 ;  schwäb.  auch  mit  dem 
xcmlaut  von  griesgrämig:  es  ist  eine  griesgräme  kälte 
Fischer  3,'  842. 

GRIESGRAMEN,  vh.,  mit  den  zahnen  knirschen. 

herkunft  und  form. 

l)  als  erster  bestandtheil  im  ahd.  meist  gris-,  cris-, 
doch  auch  noch  die  ältere  form  crist-:  cristcrimniot  rtt- 


g-it  ahd.  gl.  1,  154,  17;  cristcrimot  stridit  154,  25;  crlst- 
crimmod  zaneo  Stridor  dentium  188,  11;  kristkrimmunc 
Stridor  252,  27;  vgl.  Graff  4,  326;  asächs.  gristgrimmo 
Heliand  2144  Mmi.;  vgl.  auch  aengl.  grist,  m.  (?),  das  zer 
mahlen,  körn  zum  zermahlen,  zermahlenes  körn;  grist- 
bitian,  -bätian  mit  den  zahnen  knirschen;  gristian  mahlen, 
reiben;  gristel,  m.,  knorpel;  auch  engl,  gristle,  mnd. 
gristel;  mhd.  üz  gristen  ausmahlen  mhd.  lob.  2,  l,  823-'^ 
unter  gerüste;  meist  mit  aengl.  grindan  zerreiben  zu- 
sammengestellt: germ.  *gred-sti  zum  stamm  gred-,  einer 
nasallosen  seitenform  zu  grend-,  vgl.  Fick  ^3,  140;  diese 
deutung,  an  sich  nicht  ohne  bedenken,  läszt  die  in  älte- 
rer spräche  nicht  seltenen  uformen  unerklärt:  cruscrim- 
munt,  grusgrimmon,  gruscrimmotun ,  irgruscrimmota 
Graff  4,  826;  do  grustgramet  er.  also  sol  der  sünder 
grustgramen  in  siner  riuwe  pred.  d.  13.  jhs.  1,  lll  Qries- 
haber;  (er)  grüszgramet  Spreng  Äneis  212*;  noch  im 
heutigen  schiväb.  grusgrämig  Fischer  8,  842;  dazu  offen- 
bar got.  krusts  tun|)iwe  Matth.  8, 12 :  vgl.  Grimm  gr.  2, 
573.  deshalb  eher  zu  den  parallelvmrzeln  gris-  gros-  {s.  o. 
grieseln  horrere,  griesen  Hngere),  als  deren  gnmdbedeu- 
tung  'knirschen'  anzusetzen  zcäre;  so,  nach  Kluge,  Th. 
Braune  dtscli.  etymologieen,  progr.  Berlin  1912;  das  den- 
talsuffix  auch  beim  adj.  grijstelich,  s.  o.  igrieselich. 
aus  gründen  des  ivorti'hythmus  öfter  griese-,  besonders 
im  md.  und  nd.:  griesegrammen  Hesler  apoc.  10642; 
der  cene  grisegram  väterb.  15210;  so  gricsegramet  die 
heilige  kriminaljustiz  Moser  8,  81 ; 

gar  zu  griesegrämlich 
schauet  er  {der  himrnel)  herein 

W.  Mlxler  298  Hatfield; 

griesegrammlich  Wein  hold  schles.  29;  grysegrammen 
Richey  hamburg.  81;  schicüb.  auch  gritzgrammen ;  gritz- 
grimm,  -gramig,  -grämig  Fischer  3,  842;  gelegentlich 
dissimiliert:  gisgrimmot  Graff  4,  326  {oder  fehler?); 
assimiliert  und  umgedeutet:  graszgramen  Seb.  Franck 
sprichiv.  (l54l)  2,  166%  vgl.  grasz  zornig;  falsch  verhoch- 
deutscht:  greisgram,  *.  o.  2 griesgram;  vgl.  greisgram, 
-grimmig  sp.  91 ;  weifer  ab  stehen  grimgrancn  Schade 
sat.  1,  127;  20;  grimgramsen  {s.  d.)  u.  ä.;  zur  Zerlegung 
in  dem  sprichivoi-t  grisz  schlecht  gern  nach  gramen 
s.  0.  unter  griesen. 

2)  im  zweiten  bestandtheil  ist  grimm-  die  ältere  form 
{bedeutung  'knirschen',  wie  sie  auch  beim  adj.  ahd.  grim, 
grimmi  'zornig'  ^'»jmäj'  ist;  vgl.  zano  gagrim  Stridor 
dentium  Monsee- Wiener  fragm.  Matth.  13,  42):  grist- 
grimmo Heliand  2144  Mon. ;  cristcrimmod  zaneo  ahd.  gl. 
1,  188,  11;  kristkrimmunc  252,  27;  auch  beim  vb.  ist  im 
ahd.  -grimmön  häufiger  als  -graniön  Graff  4,  326;  noch 
frühmhd.  nicht  selten: 

vil  griscrimmenle  er  sprach 

kalserc.hron.  0352 ; 

tha  {im  kämpfe)  wart  michel  grisgrimmen 

Jiolandsl.  5914  Bartsch  ;  - 

dfi  sol  wesin  weinen  und  grisgrimmen  der  zende  pred. 
des  13.  u.  U.jhs.  73,  22  Leyser  {aber  74,  19:  grisgram- 
men);  nur  in  einer  formel  der  rechtssprache  länger  leben- 
dig geblieben:  als  ein  grisgrimmender  löwe  Grimm  rechts- 
alterth.  2,  375  {s.  u.  bedeutung  l);  beim  adj.  nur  in 
spuren:  dasz  er  gantz  griszgrimmig  gegen  himmel  ge- 
schaut Abr.  a  St.  Clara  Judas  i,  fri;  schwäb.  gritz- 
grimm  Fischer  3,  842.  —  daneben  auch  schon  im  ahd., 
wenngleich  nicht  ganz  so  häufig,  formen  mit  gram- :  gris-, 
crisgramön,  -cramön  Graff  4,  326;  in  griscramode  in 
fremitu  ib.;  grisgramunga  ahd.  gloss.  1,  718,  30";  natür- 
lich, dem  stamm  gram-  entsprechend,  stets  mit  einfachem 
m;  doch  seit  dem  spätahd.  auch  formen  mit  mm,  die  in 
demselben  masze  zunehmen  tvie  griesgrimmen  zurückgeht 
und  ihre  consonanz  vielleicht  von  da  übernommen  haben ; 
vgl.  Graff  a.  a.  o.;  griesgrammen  ist  auch  die  Schrei- 
bung mancher  neuerer  lexicographen,  vgl.  Adelung  2, 
799;  H.  Braun  126*»;  Voigtel  2,  i3i;  Täübel  buch- 
druckerk.  anh.  il. 

8)  der  zweite  bestandtheil  erscheint,  durch  anlehnung 
an  andere  verba,  in  allerlei  Variationen:  griesgran- 
nen,  nur  in  älterer  spräche:  aber  es  ist  das  er  grysz- 


269 


GRIESGRAMEN 


GRIESGRAMEN 


270 


graiinet  über  dich  suscenset  tibi  Terenz  (li99)  21^;  das 
liab  ich  doch  jetz  am  hergon  mit  mir  selber  grißz- 
grannet  46^;  daneben  gryszgrammen  19^.  92*;  also  grisz- 
grante  und  bran  er  in  im  selbst  Sghaidenreiszer  Od. 
(15S7)  8i*;  griesgrannen /remere //ewima  (7emm.  (1508)  1  l*^; 

der  low  grieszgrant,  thet  zornig  sein 

Eyering  proverb.  1,  139; 

von  den  bösen  zenckischen  weihen 

die  niclits  können  dann  greinen,  zannen, 

anch  scbelten,  fluclien  und  griszgrannen  2,  7i. 

griesgramsen,  ganz  vereinzelt:  also  muste  nun  Sana- 
truzes  solches  einwilligen,  wie  heftig  er  auch  in  sich 
selbst  grieszgramsete  Bugholtz  Herkulisktis  (i665)  197; 
vgl.  13.  g  r  i  e  s  g  r  a  m  e  1  n ,  ebenso  selten :  grisgramle  weder 
laut  noch  im  stillen,  dasz  ich  bisher  deinen  lieben  brief 
unbeantwortet  gelassen  habe  briefe  von  u.  an  Bürger 
»,  252  Strodtmann.  gries grämen,  erst  in  neuerer  zeit: 
alles  heimliche  griesgrämen  der  geistlichen  hilft  da 
nicht  allg.  dtsch.  bibl.  76,  347;  auch  in  der  construction 
an  grämen  angelehnt:  es  griesgrämt  mich,  wenn  ich  so 
viel  unerträgliches  mit  dem  titel  anakreontisch  beehrt 
sehe  Uz  bei  H.  Feuerbagu  Uz  und  Cronegk  33;  dazu 
dialectisch  griesgrämer  homo  morosus  Meisinger  rap- 
penau.  78.  griesgrämeln,  in  jüngerer  zeit  hävfiger: 
die  Ludraer  hatte  bei  dieser  crörterung  zur  antwort  ge- 
griesgrämelt  und  'gebrummkatert'  Gutzkow  riiter  v. 
geiste  8,  70;  wie  denn  auch  griesgrämelnde  kritiker  kei- 
nen anstand  genommen  haben  zu  behaupten  Scherr 
hammerschlüge  (i872)  70;  dazu  griesgrämler  Böhme 
gesch.  d.  tanzes  272;  griesgrämelei:  das  arme  men- 
schenleben  ist  ja  so  kurz,  und  wir  sollten  noch  einen 
so  groszen  thcil  mit  misanthropischen  griesgrämeleien 
verderbenl  Seume  bei  Planer-Reiszmann  92.  gries- 
grauern,  bair.  nach  Heinsius  2,  532. 

hedeutung. 

i)  von  thieren :  zunächst  'mit  den  zahnen  knirschen', 
dann  'murren,  brüllen';  besonders  vom  hund: 

dö  grisgrammete  der  hunt, 

vil  lüt  er  ingegen  dem  henen  screi 

kaiserchron.  407,  29  Diemer; 

aber  auch  von  den  verschiedensten  arideren  thieren,  z.  b.: 

vil  starc  ist  sin  (ß^cs  serpantes)  grisgraninien 
und  sfn  toben  daz  er  tuot 

KoNR.  V.  Würzburg  iroj.  8203; 

als  under  zamen  schäfen 

ein  wilder  wolf  grisgrammet 

und  tif  si  wirt  entpflammet  12619; 

dieser  gebrauch  ist  im  mhd.  am  lebendigsten,  vgl.  IjEXER 
1,  1089;  er  dauert  bis  ins  nhd.: 

und  mit  seiner  beerischen  stimm 

murrt  er  (der  bär)  und  grissgrammet  mit  grimm 

H.  Sachs  9,214  Keller; 

gemeltes  eberschwein  lief  mit  grisgrammen  und  mit 
brinnenden  äugen  auf  diejäger  Sghaidenreiszer  Od. 
(1537)  83^;  seit  je  gern  vom  lötcen:  do  begonde  der  lewe 
grisgramen  und  ungeberdic  sin  väterb.  8,  5  Palm;  darum 
ward  der  leo  zornig  über  den  esel  und  griszgi-amet  mit 
den  zenen  Steinhöwel  Äso-p  86  lit.  ver.;  gelegentlich 
auch  in  der  bibelstelle  1.  Fetr.  5,8:  der  tüfel.  der  get 
üch  noch  alse  ein  grisgrammender  löwe  Nie.  v.  Basel 
i(j8  Schmidt;  als  formel  der  rechtssprache :  es  soll  der 
richter  auf  seinem  richterstul  sitzen  als  ein  gris- 
grimmender  löwe  Grimm  rechtsalterth.  2,  375;  nun  so 
sitze  er  auch  .  .  .  auf  dem  richterstuhle  als  ein  gries- 
grammender  löwe  Adeluno  magazin  2,  l,  141; 

der  richter  sitzt, 
schlagend  den  rechten  fusz  tiber  den  linken, 
griesgramend  als  ein  leu  Kretschmann  2,  280; 

vor  solchen  griesgrimmenden  löwen  dreht  nun  oft  das 
wildprct  der  gerichtsstube  den  hut  Je.\n  Paul  39,  116; 
vgl.  auch:  aber  sagt  Tielleicht  ein  grisgramender  kunst- 
richter  allg.  dtsch.  bibl.  11,  98. 

2)  gern  verbunden  mit  zahn;  namentlich  in  gewissen 
bibelstellen;  vom  spätahd.  durchs  ganze  mJid.  stehend  als 
Übersetzung  von  ibi  erit  fletus  et  Stridor  dentium  Mafth. 


8,  12;  13,  42.  50;  22,  13;  24,  51:  weinen  unt  grisgrammen 
der  zende  ahd.  evang.  übers.,  Germ.  14,  446;  ebenso  Be- 
HEiMS  evang.  buch,  erste  deutsche  bibel  (lit.  ver.);  erst 
bei  Luther,  dann  auch  bei  Eck  {Ingoist.  1551)  und 
in  nd.  bibeln  gemieden;  in  zahllosen  cifalen  und  Va- 
riationen zu  belegen: 

um  die  röten  vüres  flammen, 
dar  die  sele  grisegrammen 
inne  von  ewen  zu  ewen 

Hesler  apoc.  10642; 

in  abgrund  der  hell,  da  nichtz  anders  ist  dann  heulen 
und  wainen  und  grissgramen  und  traurigkait  Keisers- 
BEUG  has  im  pfeffer  c  3*;  es  sey  in  der  hellen  ein  sol- 
ches stettwehrendes  heulen,  grissgramen  Ayrer  Proces- 
sus juris  (I6OO)  592;  nicht  minder  fest  als  Übersetzung  von 
spumat  et  stridet  dentibus  (vom  besessenen)  Marc.  9,17: 
grizgrammit  mit  den  zcenen  Beheim  evang.  buch;  ebenso 
erste  deutsche  bibel  (lit.  ver.);  Eck  bibel  {Ingoist.  1550); 
dann  auch  in  der  profanen  spräche:  liget  der  mensch 
in  einer  sucht  und  mit  den  zenden  grysgrammt,  daz 
bedeutet  den  tod  oder  daz  er  unsinnig  wil  werden 
Ortolf  V.  Bayrland  14'';  öfter  als  ausdruck  von  wuth 
und  zorn:  alle  mine  vint  shrieren  ob  mir  unt  gris- 
gramten  mit  ir  zenden  pred.  des  13.  und  14.  jh.  18 ,  27 
Leyser  ,- 

IJIesentius)  grüszgramet  mit  den  zänen  grewlich 

Spreng  Äneis  212''; 

in  anderer  construction  seltener:  eyn  zorniger  gebaret 
mit  allen  seinen  glidern  zorniglich  .  .  ,  die  zene  knyr- 
schen  und  grissgrammen  Agrigola  750  Sprichwörter 
(1534)  I  1»»; 

dO  wart  ir  Wate  der  alte        in  der  zit  gewar. 

mit  grisgramenden  zenden        ze  hant  huop  er  sich  dar 

Gudrun  1510,  2 , 

der  gcplente  Gyciopes  biss  die  grissgramend  zen  auf- 
ainander  Sghaidenreiszer  Od.  (1537)  89";  grisgramen 
der  cene  von  dem  froste  Luddarius  5,  7  Heidlauf. 

3)  ohne  ergänzung;  das  ethos  des  ausdrucks  ändert 
sich:  zuf ruhest  und  in  mhd.  zeit  vorherrschend  'in  zorn 
gerathen,  zornige  gebärden  zeigen,  vor  zorn  brüllen,  to- 
ben, icüthen':  grisgramen  stridere  Diefenbach  556*"; 
frendere  nov.  gloss.  182*'^;  griszgramen  vor  zorn  fremere 
gloss.  2-46'';  infremo  vor  zorn  murren  und  griszgram- 
men  Calepinus  xi  ling.  (1598)  725*;  griesgrämen  rin- 
gere,  hirrire,  frendere,  corufremere,  infrendere  Stieler 
T04;  ziu  griscramoton  an  Christum  ebraice  gentes  {fre- 
micerunt)  Notker  ps.  2,  l ,  tind  so  stehend  in  der  älte- 
ren bibelübersetzung :  worumb  grisgramtten  die  heyden 
erste  dtsch.  bibel  (lit.  ver.),  ebenso  noch  bei  Eck  {Ingoist. 
1550);  erst  von  Luther  gemieden; 

doch  bringen  sie  mit  dem  verdammen, 
mit  dem  verfolgen  und  griszgrammen 
nur  über  sich  des  herren  zorn 

Fischart  nachtrab  1964  Kurz; 

der  erzhirt  griesgrämt  wie  ein  heyde 

Pfefi-el  jioef.  versuche  3, 15i; 

theilt  man  rippenstösze  aus,  ...  so  griesegramet  die 
heilige  kriminaljustiz  gleich  nicht  anders,  als  wenn  sie 
einen  lebendig  verschlingen  wollte  Moser  3,  8i;  oft 
parallel  mit  ausdrücken  des  zornes,  grimms: 

er  begreif  so  grözcn  haz 

daz  sin  gemüete  in  zorne  bran 

unde  er  grisgrammen  began        Bari.  211,  38; 

was  finden  wir  da  dann  zürnen,  greinen,  griessgrammen 
und  hass  Paracelsus  opera  2,  450;  irasci  ergrimmen, 
griszgrammen,  grüntzen  Schöpfer  s?/non.  b  6  e;  die  er- 
innerung  an  die  ursprüngliche  bedeutung  'mit  den  zahnen 
knirschen'  bleibt  lange  wach: 

man  hörte  dii  grisgrammen 
und  mit  den'zenen  klaffen 

KoNR.  V.  WüRznuRG  Parton.  6164; 

sie  sahen  alle  stürmisch  und  mörderisch  aus,  griss- 
gramten  und  bissen  die  zahn  auf  einander  Grimmels- 
HAUSEN   Simpl.  4,  731  Keller; 


271 


GRIESGRAMEN 


GRIESGRÄMIG 


272 


(die  Mischer  Christi)  zugloich  mit  zahnen  kirrten, 
griszgrammten  ungescheut 

Spek  trutznacht.  (1649)  U; 

daneben  'mit  den  zahnen  klappen,  leben,  inmmern  vor 
angst  und  schmerz';  so  besonders  im  älteren  nhd.: 

ich  hoDre  da  grisgrammen  (:  flammen), 

wainen  unt  wüffon  H.  v.  Melk  tod.  geh.  730; 

da  er  gesehen  hatt  das  zettergeschrey,  wehe,  griszgram- 
inen,  j  ammer  und  pein  volksb.  vo}i  dr.  Faust  52  neudr. ; 

ja  krüm  dich,  wein,  griszgram  und  klag 

Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  1,  244; 

ob  ich  schon  wandert  mit  griszgrammen 
in  dem  gar  forchtsam  iinstem  thal 

H.  Sachs  18,  lOG  Keller-Götze; 

das  naget  mich  an  meinem  Lertzen 
mit  solchem  griszgrammen  und  schmertzen, 
,  das  ich  zu  naht  nit  schlaffen  kan  14, 42; 

da  {im  sterben)  höret  man  manchen  schelten,  winseln, 
griszgrammen,  dasz  sich  männiglich  darob  entsetzt  Joh. 
Sau  BERT  wagen  Simeonis  (1627)  50;  zuletet  entwickelt  sich 
die  hedeutung  'miszmuthig  sein,  brummen,  nörgeln,  schel- 
ten'; so  vielfach  in  neueren  lexicis:  verdrüszlich,  übel 
aufgeräumt  sein,  saure  miene  machen  Kindleben  stu- 
dentenlex.  96;  ein  unwilliges,  menschenfeindliches  gesicht 
zeigen  Heynatz  antibarb.  2,  76,  ähnlich  bei  Klein  l,  163; 
Heinsius  2,  532; 

und  wer  nicht  gern  sieht  leut  beisamen, 
das  er  ganz  ainsam  müszt  griszgrammen, 
und  wer  niman  mag  frölich  schauen 

Fischart  glüclchaß  schiff  51,  50G  neudr. ; 

griesgrame  nur,  fluch  und  vermaledeie 
die  erde,  menschenfeind 

allg.  dtsch.  hihi.,  anh.  zu  53—80, 1843 ; 

als  das  glück,  das  mir  gar  hold  bis  dato  gelächelt 
hatte,  mir  gar  schlumpweise  zu  griesgramen  anhub 
Mylius  drei  märleiii  293;  ein  schwindsüchtiger  pfaffe 
griesgrammt,  dasz  der  kaiser  sein  halbes  reich  nicht 
mehr  in  kutten  stecken  will  Pestalozzi  7,  334;  die 
bibliothek  griesgramt  über  ein  defizit  Görres  briefe  3, 
127;  gelegentlich  reflexiv:  die  Schelmen  mögen  sich 
grieszgramen  und  grämen  maler  Müller  i,  196. 

4)  erweitert  mit  präpositionen : 

Annas  hiez  der  vicrde  Jude, 
der  grisgi-amete  als  ein  rüde 
üf  den  guten  Silvestrum 

imss.  K.  77,  34,  vgl.  39,  84 ; 

do  Maria  unserm  herren  sin  houbt  begöz  .  . ,  daz  ver- 
k6rte  man  ir  unde  grisgramete  uf  si  und  murmelten 
gSn  ir  myst.  l,  334,  80;  do  wart  ein  murmeln  und  ein 
runen  über  den  legaten,  und  griszgrametent  alle  über 
in  und  woltent  alle  wider  in  sin  städtechron.  8,  50,  30; 
der  mit  sich  selbst  .  .  .  mitleidige  geist  unserer  zeit 
griesgramt  spöttelnd  über  diesen  feuersee  Jung-Stil- 
LING  3,  364; 

.  (die  Juden)  begunden  allesamen 

gegen  im  (Jesus)  von  zom  grisgramen 

W.  V.  Rheinau  159,  22; 

diejenigen  {lehrer)  die  .  .  .  immer  gegen  aufklärung 
und  aufklärer  griesgramen  Wieland  32,  835  Hempel; 
refleanv:  er  .  .  .  grein  und  grisgramet  in  im  selb 
Seuse  dtsch.  sehr.  39,  19;  nach  seinem  losament  eylet, 
griszgrammend  in  ihm  selbst  Kirchhof  wendunm.  2, 
527  lit.  ver.;  seltener:  sie  griszgramten  under  in  selbs, 
das  sie  so  kleine  eor  .  .  .  davon  hetteii  bracht  Seb. 
Franck  Germ,  chron.  HS*;  fürwar  das  hab  ich  yetz 
am  hergonds  mit  mir  selbs  griszgrammet  (tnecum  sto- 
machäbar)  Boltz  Terenz  {ihm)  ^&'^ ;  vgl.  Jhesus  ..  gris- 
grampt  im  geist  {infremuit  spiritu)  Joh.  ll,  Sü  erste  dtsch. 
bibel  1,  384,  Keisehseekg  evang.  64^ 

5)  auch  dialectisch  ist  das  vb.  heute  ziemlich  erloschen ; 
nd.  nur  noch  in  älteren  quellen :  grysegrammen  Richey 
hamburg.  81;  griesgramen  heimlich  murren,  gleich  alten 
leuten  Schütze  holst.  2,  67;  griesgramen  vor  unmuth, 
grimm  knirschen,  ioeniger  üblich  als  das  adj.  Schöpf 
213;  vgl.  Sghmeller  l,  995;  nur  in  einer  unpersönlichen 
Wendung  im   obd.    anscheinend   noch   lebendig:    es   gris- 


grammet  es  ist  streng  kalt;  besonders  vom  herumfliegen 
kleiner  Schneeflocken  bei  strenger  kälte  Fischer  schtoäb. 
8 ,  842,  ähnlich  Sghmeller  «.  a.  o. ;  vgl.  grieszeln  l ;  es 
thut  grieszgramen  schon  bei  Klein  i,  168 ;  vgl.  Hein- 
sius 2,  682. 

GRIESGRÄMIG,  -GRÄMISCH,  -GRÄMLICH,  adj.,  mür- 
risch, übellaunig,  miszgestimmt;  seit  dem  ti.jh.  verein- 
zelt zu  belegen  {s.  u.  2),  aber  erst  seit  dem  letzten  drittel 
des  18.  jh.  reichlicher  gebraucht;  Kinderling  empfindet 
griesgramig  als  'verneuertes  ivort'  reinigk.  d.  dtsch.  spr. 
397;  bei  Adelung  noch  fehlend,  bei  Campe,  Heinsius 
als  griesgrämisch. 

1)  die  häufigste  form  ist  griesgrämig;  in  der  regel  von 
Personen:  deshalb  denn  auch  auf  jene  griesgrämigen 
Pädagogen  keineswegs  zu  achten  ist  Götiie  IV  35 ,  98 
Weim.;  sie  geberden  sich  ja  wie  der  griesgrämige  major 
Tellheim  Bauernfeld  7, 81 ;  ich  gebe  daher  jedem  sauer- 
töpfischen, griesgrämigen  manne  unrecht,  der  damen- 
gesellschaft  scheut  Castelli  lo,  156;  besonders  vom  alter: 
dasz  ein  so  hochbegabtes,  schönes  .  .  .  geschöpf  nicht 
geboren  sei,  ihr  leben  ...  an  der  seite  eines  griesgrä- 
migen alten  mannes  zu  vertrauern  Spielhagen  3,  248; 
alte  griesgrämige  .  .  .  männchen  werden  gewöhnlich 
von  dem  rudel  .  .  verbannt  Brehm  thierl.  1,  26  Pechuel- 
LöscJie;  dann  auch  vom  gesicht,  blick:  sie  mag  nichts 
von  deinen  griesgrämigen  gesiebtem  sehen  Bauern- 
feld  1, 5;  begegnete  den  giftigen  blicken  dreier  . .  neben- 
buhlerinnen  und  dem  griesgrämigen  ihres  Wächters 
Gaudy  14,  15;  nur  müszte  man  nicht  so  griesgrämig, 
wie  es  würdige  historiker  .  .  gethan  haben,  auf  dichter 
und  Chronikenschreiber  herabsehen  Göthe  II  8,  132 
Weim.;  das  ölbildnisz  des  alten  herrn  .  .  ,  das  gries- 
grämig genug  von  der  wand  .  .  .  heruntersieht  JüSti 
Winckelmann  l,  121;  aiideres  seltener:  so  finden  wir 
nicht  .  .  .  einen  naturwüchsigen  ausbrach  des  zorncs 
über  die  schmach  seines  volkes,  sondern  ein  griesgrä 
miges  epigramm  über  Staatsmänner  Treitsghke  histor. 
u.  polit.  auf  Sätze  1,  466;  gab  die  tanzkunst  es  auf,  der 
griesgrämisch-tendenziös  . .  schulmeisternden  dichtkunst 
länger  .  .  die  hand  zu  reichen  R.  Wagner  3,  76;  auch 
im  dialect:  gris-,  auch  grüsgremig  Fischer  schwäb.  3, 
842;  kriiskreemic  Meisinger  rfl^jpewa«.  78;  greisgra'meh 
Bauer-Collitzü";  gnsgväjoig  verdrieszlich,  alles  schivarz 
sehend  Mi  29». 

2)  älter  ist  die  umlautlose  form:  wirdelos  und  gris- 
gramig  sterbet  und  in  der  helle  erstinket  ackermann 
aus  Böhmen  12,  18,  hier  wohl  noch  in  der  alten  be- 
deutung  'zähneknirschend'  (s.  o.  griesgi-amen) ;  griesgrg.- 
micht  stomachose,  intemperanter  Stieler  70i;  die  form 
ist  im  18.  jh.  nicht  selten,  später  durch  griesgrämig  ver- 
drängt: einen  alten  grisgramigen  äffen  Bode  Yorick  1, 
118;  die  dame  war  eben  nicht  in  ihrer  festagslaune 
und  überhaupt  ein  wenig  griessgramich  Wetzel  kaker- 
lak  37;  er  verzog  sein  grieszgramiges  gesicht  zu  einer 
art  lächeln  Gaudy  2,  43;  dialectisch:  grisgrämig  Schöpf 
215;  griasgramich  Hügel  71;  gritzgrämig  Fischer  schiväb. 
3,  842;  jrisjrämig  Hertel  thür.  108;  Liesenberg  Stieger 
ma.  147 ;  grisgrämig  Frischbier  l,  254.  nach  dem  muster 
des  verb.  {s.  griesgramen  form  2)  sind  auch  hier  formen 
mit  kurzer  Stammsilbe  zu  erwai'ten: 

cim  wilden  griszgrammigen  alten 

H.  Sachs  7,48  Keller; 

zwanzigtausend  menschen,  die  ein  einziger  criminalist 
durch  Schwert,  beil,  galgen  und  rad  mit  'grieszgrammi- 
gem  leuengesicht'  vom  leben  zum  tode  bringt  Gramer 
Neseggab  4,  349  {vgl.  griesgramen  bed.  l) ;  ein  griesgram- 
miger  alter  herr  E.  Th.  A.  Hoffmann  2,  98  Grisehach; 
griesgrammig  Sguemionek  elbing.  14. 

3)  mit  anderem  suffix:  ein  griszgrämisches  gesicht 
Hippel  lebensläufe  2,  157;  ich  bin  kein  griessgrämi- 
scher  richter  und  verdammer  der  freude  Arndt  sehr, 
f.  u.  a.  s.  l.  Deutschen  2,  162;  und  griesgrämisch  be- 
gann er  hier  eine  predigt  zu  halten  Rückert  5,  273; 
was  mischen  wir  wünsche  wie  färben  und  wirken 
unserra  leben    aus    launen    ein    griesgrämisches    kleid 


I 


273        GRIESGRÄMLICHKEIT  —  GRIESZ 

Eulenberg  Anna  Waletiska  (1899)  36;  auch  dies  ohne 
nmlaut:  sie  haben  recht,  man  miisz  nicht  so  griesgra- 
niisch  seyn  Bürger  an  Gleim.  Sfrodtmann  3,  274;  da- 
bei ist  er  jetzt  griess-gramisch  geworden  Schopenhauer 
briefe  263  Orisebach;  mit  kürze:  griesgrammisch  Martin- 

LlENHART   1,  272-». 

4)  in  anlehnung  an  grämlich  auch  griesgrämlich,  na- 
mentlich, aber  nicht  uusschlieszlich  auf  nordd.  boden: 
griesgrämliche  richter  mit  vertrocknetem  herzen  Göthe 
42,  2,  483  Weim.;  wer  ist  jemals  mit  einem  grisgräm- 
lichen  gesiebte  zu  gaste  gegangen  Wieland  Liician  l, 
253;  der  Verfasser  ist  ein  griesgrämlicher  liberaler,  der 
es  nicht  versteht,  in  einen  sauren  apfel  zu  beiszen 
und  dabei  zu  lächeln  Börne  2,  73;  ich  will  heute  kei- 
nen griesgrämlichen  Sittenprediger  vorstellen  Bogumil 
Goltz  jugendleben  3,  251;  mit  säuerlicher  schärfe  und 
griesgrämlicher  Verdächtigung  wurde  von  stund  an  alles 
französische  besprochen  Gutzkow  12,  399;  und  zöge 
sicherlich  nicht  so  verdrossen  und  griesgrilmlich  ein- 
her und  langweilte  die  menschheit  Raabe  Abu  Telfan 
(1870)    116; 

gar  zu  griesegrämlich 
schauet  er  (der  himmel)  herein 

W.  Müller  ged.  298  Uatfleld; 

grisgremalk  Schmidt -Petersen  54*;  griesegrammlich 
Wein  hold  schles.  29. 

5)  dialeciisch  beschränkt  ist  die  bedeutuny  'grimmig 
kalt'  Fischer  schxväb.  3,  842;  vgl.  ^griesgram  ttwrf  gries- 
gramen  5. 

GRIESGRÄMLICHKEIT,/.,  morositas:  ich,  den  die 
griesgrämlichkeit  des  alters  noch  wenig  angefallen  hat 
Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  4,  369;  die  von 
sorgen  und  griesgrämlichkeiten  gequälte  menschheit 
Agnese  Scherest  aus  dem  leben  123;  gegen  diese  (zu- 
Schrift)  hielt  ihre  griesgrämlichkeit  nicht  stich  Holtei 
erzähl,  sehr.  14,  255. 

GRIESGRAMUA^G,  /.,  Zähneknirschen,  nur  in  älterer 
spräche:  Stridor  dentium  grisgramunga  ahd.  gl.  1,  713, 
30'=;  kristkrimmunc  252,  27;  grisgramung  der  zeen  Die- 
i'ENBACH  556";  da  wirt  wainen  und  grisgramung  der 
zend  erste  dtsch.  bibel  (lit.  ver.)  l,  53,  Matth.  13,  42. 

GRIESGRIMMIG,  adj.,  zornig:  dasz  aber  denselbigen 
tag  lauter  regen  und  ungewitter  war,  ist  er  {Caligula) 
also  erzürnt  worden,  dasz  er  gantz  griszgrimmig  gegen 
liimmel  geschaut  Abr.  a  St.  Clara  Judas  i,  54;  zur 
form  vgl.  griesgramen  form  2. 

GRIESIG,  adj.,  furchtbar,  seltene  seitenform  zu  'grie- 
selicli  (s.  d.j: 

grade  so  garstig, 

griesig  und  grau       R.  W.vgner  6,  133; 

griseg  Schmidt-Petersen  bi^. 

GRIESING,  /.,  ornamentale  glasmalerei,  schwarz  auf 
weiszem  glas  Mothes  ill.  baulesc.  2,  52!»;  zu  greis  gratt, 
vgl.  sp.  65  und  oben  -grieselich. 

GRIESZ,  m.  n.,  sabulum. 
form. 

1)  ahd.  grioz,  crioz  sand,  kies,  gestade;  asücJts.  griot 
sand,  ufer;  mnd.  gvetsand;  mnl.  {selten)  ^ici grober  sand; 
nnl.  ebenso;  afries.  gret  sand,  ufer;  aengl.  greöt  sand, 
staub,  erde;  anord.  grjöt  steine;  schtced.  gryt  körn.  germ. 
greu-ta,  uie  das  synonyme  grien,  zur  würzet  gru  zerrei- 
ben FiCK  43,  145;  vgl.  ahd.  firgriozan,  stv.,  zerreiben;  das 
wort  erscheint  zuf ruhest  in  dem  stam,mnamen  Greutungi, 
(/.  i.  strandbewohtier,  s.  Zeuss  407.  auszerhalb  des  germ. 
sind  verwandt  lab.  rudus;  aslav.  gruda  erdscholle;  russ. 
grüdä  Steinhaufen;  lit.  grüdas  körn,  grüdziu  stampfen;  lett. 
grauds  kom;  ohne  dental  cymr.  gro  sabulum;  com.  grou 
itrena;  aus  dem  germ.  entlehnt  ital.  gteto  steiniger  ufer- 
sand;  prov.  greza  grobkörniger  Sandstein;  frz.  grfes  sand- 
stein  u.  a.,  vgl.  Diez  2,  330;  junge  entlehnung  aus  dem 
deutschen  ist  norw.  gris  feine  grütze. 

2)  das  wort  ist  im  anord.,  aengl.,  mnl.,  wohl  auch  im 
asächa.  neutrum;  ahd.  als  'masc.  bezeugt  durch  den  plu- 
ral  grioza,  merigrioza  GraVf  4,  345;    mericreozza   ahd. 

IV.  1.  6. 


GRIESZ 


274 


gl.  1,  245,  35;  mhd.  meist  masc:  üfen  griez  Parz.  41,  25, 
vgl.  519,  15;  guideinen  griez  K.  v.  Megbnberg  485,  12; 
der  grysz  des  meeris  Rothe  thür.  chron.  237;  nur  im 
alem.,  zumal  im  Schweiz.,  neutrum:  an  daz  griez  gestade 
Konr.  V.  WOrzburg  troj.  25333;  üf  daz  griez  R.  v.  Ems 
Wilh.  14923;  daz  griez  an  dem  stade  des  meres  pred. 
1,  113  Grieshaber;  der  sin  körn  säet  an  daz  griez  v.  D. 
Hagen  gesamtab.  2,  219,  17;  dasz  gries  des  mers  Bir- 
linger  tcb.  z.  volkst.  36  (a/us  Bebenhausener  legendär 
von  1439);  das  griese  furfures  Staub-Tobler  2,  801 
(15.  Jh.);  uf  das  undergriess  ib.  {a.  1606);  begruben  alda 
iren  könig  Adelreich  .  .  in  das  gries  oder  kiese  Hertzog 
chron.  Alsatiae  (1592)  109; 

am  ufer  wütet  sehr  das  griesz 
daran  die  wind^sbraut  heftig  bliesz 

Spreng  Änei«  4''; 

das  sand  .  .  und  auch  das  grisz  Bech  Agricola  (i62i) 
225;  auszerhalb  des  alem.  selten:  das  gries  oder  sant 
tirol.  weisth.  1,  26,  20;  auf  ein  steyniges  griesz  Frons- 
perger kriegsb.  2,  f  f  2V;  nur  in  der  bedeutung  'blasen- 
stein' lierrscht  im  16.  17.  jh.  das  neutr.  allgemein,  um 
dann  vneder  vom  masc.  verdrängt  zu  werden  (^genaueres 
s.  bed.  4) ;  von  modernen  dialecten  gebraucht  das  Schweiz, 
noch  weithin  das  neutr.  Staub-Tobler  2,  801 ;  im  schwäb. 
stellenweise  neutr.  im  si7ine  'blasenstein'  und  'geschrotenes 
gelreide'  Fischer  3,831;  auch  im  lothr.  und  hess.  er- 
scJieint  das  neutr.  noch  Follmann  215'';  Vilmar  137. 
für  gries  in  ßur-  U7id  Ortsnamen  scheint  das  neutr. 
noch  heute  die  regel  {vgl.  den  plural  griesser)  Fischer 
scÄifäi.  3,  830;  BiRLiNGER  *c7ti<;ä6.  203;  Schöpf  213.  auf 
ein  fem.  deutet  ein  freilich  unsicherer  beleg: 

wir  stehn  auf  einer  griesse 
und  freust  uns  an  die  füesse; 
wir  stehn  auf  einem  gilgenblatt 
gott  geh  euch  allen  ein  gute  nacht 

neu  Jahrswunsch  a.  d.  Ib.jh.  {handsctir.). 

3)  Schwab,  gelegentlich  mit  ü  {unter  dem  einflusz  des 
synonymen  grüz?):  das  grüse,  das  in  der  blauter  wirt 
BiRLiNGERÄcAiPöJ.  204;  gicht,  zippcilein  und  grüsz  (:  füsz) 
Weckherlin  1,494;  vereinzelt  auch  im  bair.:  für  das 
grimen  des  harms  oder  grüesz  ünger-Khull  {quelle  d. 
\G.jh.);  hie  und  da  mit  epithetischem  e:  an  das  laut  in 
den  griesse  Arigo  decam.  107,  10  Keller;  ebenso  92,  8. 

:    123,5;  das  griese /«r/«reÄ  Staub-Tobler  2,-801  {quelle 

\    des  15.  Jh.). 

\        4)  zur  Orthographie  des  auslauts  sei  bemerkt,  dasz  die 
j    s-form  noch  im  17.  jh.  selten  ist,  aber  schon  in  die  wörter- 
I    bücher  einzudringen  beginnt:    gries,  griesz  furfures  He- 
i    nisch;  differenciert:  ^ries  arena,  rudus,  furfures ;  griesz 
i    nephritis  Stieler;  im   18.  jh.  gewinnt  sie  die  vorherr- 
i   Schaft,  auch  die  lexicographen  entscheiden  sich  für  sie: 
I   Kramer,   Frisch,   Gottsched  {dtsch.  sprachk.    [i748] 
82),  Adelung,  Campe,  Heinsius  bis  hinab  zu  Sanders 
schreiben  gries,  nur  Steinbach  hat  noch  griesz.    manche 
scheiden  die  formen  nach  der  bedeutung,  aber  ganz  will- 
kürlich: gries  arena,  griesz  nephritis,  furfures  Chomel 
öcon.  lex.  4,  1347;  gries  arena,  griesz  furfures  H.  Braun 
tcb.  (1793)  126'';  Täubel  buchdruckerk.,  anh.  11 ;  bis  gegen 
ende  des  19.  jh.  herrscht  gries,  gestützt  durch  die  nachbar- 
Schaft  von   grus   und  kies,   mais  und  reis,  fast  unbe- 
schränkt, und  zwar  auch  im  inlaut:   mit  feinem  griese 
Barth  kalkalpen  (1874)  581 ;  griese  sind  .  .  bruchstücke 
des  mehlkörpers  Muspratt  chemie  2,  89;   dagegen:  am 
podagra  und  griesze  Droste-Hülshoff  tverke  (i879)  1, 
230.      hetite   hat    die    schulform   griesz    wieder    die    Vor- 
hand. 

bedeutung. 

1)  sand,  kies,  sandfläche. 

a)  sand  schlechthin:  griess  arena  Diefenbach  nov. 
gioss.  33";  arenosus  voll  sand  und  griesz  Frisius  dict. 
(1556)  116»;  griesz,  sandt  gravier  Hulsius-Ravellus 
(1616)  145'';  des  griezes  {Wüstensandes)  hitze  Ulr.  v. 
Eschenbach  Alex.  9806; 

lag  gantz  todt  uff  desz  sandes  griesz 

Wickram  7,  264  lit.  ver.  ; 

18 


275 


GRIESZ 


GRIESZ 


276 


in  älterer  literatur  beliebt  namentlich  in  gewinnen  ver- 
gleichen, die  der  bibel  entstammen;  nach  l.  Mos.  22,  17 
{vgl.  I.  Kön.  4,  20  tt.  a.):  das  imzehlliches  groszes  volk 
also  der  grysz  des  meeris  Rothe  thür.  chron.  237;  sahen 
den  keysser  mit  eyner  unczelichen  schare,  als  gryss 
linde  grass  dess  ertriches,  kummen  Gerstenberg  chron. 
M2  Diemar;  to  hant  quemen  dar  der  ouelen  geyste  so 
Ycle  alse  grases  unde  gretes  Schiller-Lübben  2,  144*; 
vgl.  sand  th.  8,  1758;  nach  Hiob  G,  3:  ob  der  mensch  auch 
so  Til  morde  .  .  .  diebstal  het  getan  wievil  griesz  ist 
in  dem  möre  Eyb  Spiegel  d.  sitten  (i5il)  l  ii'';  nach 
1.  Mos.  13,  16.  15,  5: 

ob  du  des  mers  griez  soldes  zeln 

und  alle  stevnen  sunder  nennen,  ich  bin  unverlorn 

^  warthurgkr.  23,  11  Simrock; 

zähl  jemand,  wo  er  kann,  den  griess  am  Oderslrande 

Günther  ged.,  nachlese  (1742)  14; 
sprich  uörllich: 

der  sin  körn  säet  an  daz  griez, 
der  nem  auch  allen  sin  geniez 

V.  D.  IIagkn  gesamtab.  2,  219,  17; 

auf  das  sand  oder  griesz  sayen ,  sein  arbeit  verlieren 
Frisius  diction.  (1556)  798'\-  und  din  griez  (staub)  nie- 
mer  müzze  kamen  zu  andrem  griezze  schuabensp.,  landr. 
cap.  263  Lassberg  {aus  dem  judeneid) ;  und  jeder  müllner 
{soll)  die  neugehauten  stain  zuvor  mit  seinen  aignen 
grjschen  beschiten  und  das  gries  oder  sant  sauber  dar- 
mit  herabmallen  und  putzen  tirol.  tveisth.  i,  26,  20;  der 
griesz  oder  sand  von  denen  gepochten  ertzen,  daraus 
der  gute  schlich  gezogen  ist  Herttwig  bergbxich  (1734) 
e'*;  besonders  von  dem  sande,  der  von  geivässern  mitge- 
führt icird: 

wan  vil  wazzer  in  ir  lant  truoc 

lür  den  griez  edel  gesteine  Parz.  519,15; 

wann  wie  lauter  ein  wasser  ist,  fleuszt  es  durch  san- 
digen griesz,  das  wasser  wirt  betrieb  Hartlieb  Ovid 
(1482)  50*^;  durch  die  wulkenbrüch  gond  die  wasser  an, 
brechend  aus  und  verfüerend  die  felder  mit  gries,  stei- 
nen, Stauden  und  stocken  Staub-Tobler  2,  801  {quelle 
V.  1582) ;  der  ström  kann  einem  grundeigenthümer  land 
oder  sand  (wasen  oder  griesz)  anschütten  und  abtreiben 
Grimm  rechtsalterth.  *2,  77;  fliezendeu  wazzer  .  .  .  diu 
ziehent  guldeincn  griez  und  etleiclie  edel  gestain  K.  v. 
Megenberg  485,  12; 

der  flüsse  schönes  gold  verwandelt  sich  in  griess 

'die  Lohe  an  die  Oder',  epicedion  bei  Loiienstein 
Ibrahim  suUan; 

hei  MiNEROPHiLUS  anscheinend  prägnant  für  goldsand, 
bergtcerkslex.  (1730)  304.  311;  weiter  vom  grund  eines  ge- 
wässers:  {das  schiff)  nier  dann  halbes  in  den  griesse 
und  grünt  sancke  Arigo  decam.  123,  5  Keller;  trinckt 
er  ausz  ainem  schiffreichen  wasser  sibentzehen  elen  tief 
hynein,  das  man  auf  den  griesz  sehen  kan  Lindeneu 
katzipori  187  lit.  ver.; 

wan  got  den  gerechten  nie  geliesz, 
ob  er  das  schiflin  sinken  liesz 
etwan  nach  bis  uf  den  griesz, 
berüert  doch  nie  den  grund 

bibl.  älterer  Schriftwerke  d.  Schiceis  14, 11 ; 

gelegentlich  auch  im  plural:  der  steine  vindet  me  da 
also  vile  so  der  grieze  ged.  d.  11.  u.  12.  jhs.  366,  14  Die- 
mer; ein  wazzer,  heizet  Hermus,  da  bi  vindet  man 
guldine  griese  Lucidarius  15,  16  Heidlauf;  entsprechend 
noch  in  neuerer  ma.  ein  sing,  gries,  sandkorn  Loritza 
54'». 

b)  daneben  seit  alters  und  je  später  um  so  entschie- 
dener 'grober  sand,  kies';  meist  glossiert  mit  sabulum: 
grysz,  griesz,  gries  Diefenbach  506«';  sand,  griesz  Fri- 
sius (1556)  1171'';  kysz  oder  grysz  Brack  vocab.  rer. 
(1491)  S?*»;  grossior  arena  griesz  Pinicianus  (1516)  KViii«; 
grob  sand,  griesz  Golius  onom.  36,  ebenso  Calepinus 
XI  li7ig.  (1598)  1283'';  dann  auch  viit  glarea:  griez  Die- 
fenbach 204";  gries  nov.  gloss.  194^;  glarea  est  tenuis- 
simus  lapillus  in  torrente,  griez  Sgiimeller  1, 1012  {mskr. 
d.  15.  jhs.);  glarea  griesz,  das  ist  steinächtig  sand  am 
gstad  der  wasseren  Frisius  dict.  (1556)  605'';  glarea 
griesz   oder   kisz    Calepinus  xi  ling.  618'';    ager  calcu- 


losHS  Steinacker,  voll  griesz,  steinächtig  Frisius  ei*»; 
scrupeus  quod  est  lapillosum  voll  steinlin  und  griesz 
Calepinus  1314*;  ebenso  in  modernen  maa.:  grobkörniger 
sand,  kies  Staub-Tobler  2,  801;  kies  und  sand  Fischer 
schicäb.  3,  830;  kies  Meisinger  rappenau.  78;  steingerölle. 
sandmasse  Birlinger  schicäb.  203;  grober  sand  Schmel- 
LER  1,  1012;  Unger-Khull  307;  grobkörniger  sand  Cre- 
celius  436;  Steingeröll  aus  kleinen  steinen  Leihener 
cronenberg.  47'';  grober  sand,  kies  S allmann  esthl.  21''; 
schon  in  alfer  .spräche  mit  sand  zusammengestellt,  doch 
wohl  als  das  gröbere: 

ne  mag  im  sand  endi  greot 
geuuredien  uuid  themu  uuinde 

Heliand  1821; 

der  nimt  vür  golt  griez  unde  sant 

Uenner  2368  Ehrismann; 

auch  den  boden  etwas  mit  frischem  sand  und  griess 
tibersäyen  Sebiz  feldbau  (1579)  96; 

als  vil  thut  an  desz  meeres  rand 
zerstrewet  ligen  griesz  und  sand 

Si>RENG  lUa.'i  2,  27''; 

unbescheidenen  strömen  gleich,  die  aus  ihren  ufern 
treten  und  die  fruchtbaren  felder  mit  sand  und  gries 
bedecken  Arndt  sehr,  für  «.  an  s.  l.  Deutschen  l,  447; 
deutlicher  für  grobsand:  darsum,  in  muri  ein  kleiner 
bühel  von  griesz  oder  grossem  sand  gcsamlet  Frisius 
dict.  (1556)  449'';  auf  gedachte  pfähle  {des  fundaments) 
soll  man  kalch  mit  groben  sand  und  griesz  führen  und 
ausfüllen  Hohrerg  georg.  cur.  (l6?2)  l,  24; 

wie  ein  Atlas  an  gebärde 

hebt  er  boden,  rasen,  erde, 

kies  und  gries  und  sand  und  leiten, 


unsres  ufers  stille  betten 


Faust  II  7550; 


der  grus,  den  man  auch  gries,  und  wenn  die  stücke 
etwas  gröszer  sind,  grand  und  kies  nennt,  ist  das  re- 
sultat  einer  ziemlich  weit  vorgeschrittenen  Zerstörung  .  . 
der  gesteine  OviKnallg.naturgesch.l,hi^;  noch  gröber:  zer- 
mürbtes, gepochtes  gestein,  seJiutt,  geröll:  die  steinbrückcl 
und  das  grisz,  aus  dem  panchtrog  dises  zeugs  genom- 
men .  .  .  ,  soll  der  arbeiter  oben  in  den  durchschlag 
werfen  Bech  Agricola  228;  ist  der  berg  mit  .  .  .  rasen 
bedeckt,  der  ...  an  manchen  stellen  den  granit  und 
den  steinigen  gries  des  grundcs  hervorschauen  lässt 
Stifter  4,  1,  258;  die  schuttlehnen  im  sprunge  hinab, 
der  rollende  gries  vor  meinen  füszen  .  .  das  ganze  feld 
in  bewegung  Barth  kalkalpen  70;  splitteriger  gries  326; 
aus  den  klüften  des  berges  ziehen  straszen  von  schult 
und  gries  ihr  breites  band  schräg  nieder  zwischen  den 
starren  felsmassen  Rosegger  II  7,  190. 

c)  sandflüche;  zumeist  'gestade,  ufer\   auf  grund  von 
griez  ufersand:  griöza  syrtium  Graff  4,  345; 

than  is  im  so  them  salte       the  man  bi  sees  stade 

uuido  teuuirpit:  •      than  it  te  uuihti  ni  dog, 

ac  it  firiho  barn       fotun  spumat 

gumon  an  greote  Heliand  1373; 

an  domo  grieze  des  städes  Notker  l,  87; 

er  treip  hin  an  des  landes  griez 

diu  schif         KoNR.  v.  WürzdüRG  troj.  25288; 

noch  wart  vor  liulen  niht  gesehen 

der  anger  noch  des  Stades  griez  25221 ; 

häufig  besonders  in  der  Kudrun,  vgl.  Martins  anm.  zu 
91,  1,  auch  oft  im  plural: 

si  stuonden  unde  wuoschen       aber  daz  gewant, 
daz  si  getragen  hctcn       nider  zuo  den  griezen 

1205,3; 

von  leydc  und  amacht  nider  sancke  auf  den  griesse 
{su'l  lifo)  Arigo  decam.  92,  8  Keller;  in  dem  komen 
sie  an  den  gries  bey  dem  wasser,  das  In  genent  Lu- 
ther 23,  467  Weim.;  gehe  hin  auf  ein  steyniges  griesz, 
an  einem  fliessenden  wasser  Fronsperger  kriegsb.  2, 
Ff2V; 

zwischen  wasser  und  gries 

hat  der  edle  hirsch  gewaschen  seine  füsz 

Erlach  Volkslieder  d.  Deutschen  1,  513 , 

in  diesem  sinne  häufig  in  bair.-österr.  rechtsqu^llen :  esz 
soll  auf  der  auen,    freiung,'  griesz,   perg    oder   bei   der 


277 


GRIESZ 


GRIESZ 


278 


Muer  niemant  .  .  .  nichts  einzuzeinen  sicli  unterstehen 
österr.  loeisth.  G,  257,  28;  in  allen  zu  dem  südweesen  ge- 
legten Waldungen,  auen,  ^rieszen  Lori  bair.  bergrecht 
420  (qtielle  von  I67l);  noch  heute  'uferland,  flaches  san- 
diges ufer'  Schöpf  213;  Schranka  6i;  Lexer  kämt. 
124;  auch  'inselartige  sandlank  in  einem  flusse':  sie  (die 
sandläufer)  brüten  hier  zu  lande  auf  groszen  in  denen 
flüssen  liegenden  und  umflossenen  insuln  oder  griesen 
auf  blosen  sande  Hohberg  georg.  cur.  aucta  (1715)  357''; 
griesz  sandinsel  im  Main  Sartorius  M'^i'irzburg  143; 
'griesze  heiszen  die  zahlreichen  grieszbünke  des  Lechs'; 
's  griesz  in  Günzburg  eine  insel  am  Kappenzipfel  BiR- 
LINGKR  Schwab.  203;  mittergriessl  kleine  sandinsel  in 
iinem  flusse  Lexer  kämt.  125- ;  j^^'ügnanter :  'platz  am 
ttfer  eines  flusses,  uo  das  auf  demselben  geflötzte  holz 
gesammelt  wird'  Schmeller  1,1012;  Schöpf  213;  item 
wer  santholz  klaubt  in  der  au  oder  auf  dem  griesz 
tirol.  u-eisth.  2,  158,  i ;  so  sollen  die  laiter  und  ire  kneeht 
.  .  .  die  Ordnung  halten,  dasz  sy  kein  holtz  vom  gries 
füren,  es  sey  dann  davor  aufzaint  Lori  bair.  bergrecht 
140  (quelle  von  1509);  vgl.  grieszamt,  -bell,  -meister; 
grtmdstück  am  fliiszufer:  der  ander  purkfridt  gewert 
von  markt  hinausz  in  dasz  Mischl  zu  den  groszen  stain 
gegen  desz  Girczmayr  griesz  über  österr.  iceisth.  6,  257,  2; 
das  trockene  bett  der  icildbäche  Schöpf  213;  Lexer  kämt. 
124;  indessen  nicht  mtr  vom  ufersand:  sumitur  etiam 
pro  quolibet  loco  arenoso  et  lapidoso  vel  sabuloso  Stie- 
rer 702;  Sandboden,  gegend  der  leichten,  sandigen  boden- 
arten  Foi.lmann  215'';  gries,  grieser  heiszen  sandige  äeker 
Schöpf  213;  das  ist  alter  Sprachgebrauch: 

ac  hie  ist  astandau  iu      endi  sind  tliesa  stedi  larea, 
thit  graf  an  theson  griote  Heiland  5824; 

specieller:  gries  (fälschlich  gedeutet  als  greis  kreis)  cir- 
cas,  locus  in  orbem  septus  ad  certamina  et  ludos,  vel 
ud  supplicii  sumendi  securitatem,  vel  denique  ad  pecora 
cogenda  Haltaus  753;  'kampfplatz':  griesz  vel  kreisz 
Stadium  Diefenbach  550";  vgl. 


dft  mite  stacli  er  den  mOr 
hinderz  ors  iifen  griez 


Pars.  41,  25; 


sie  rennent  üf  dem  grleze 

Seifr.  Helbling  15,  249; 

vgl.  kreis  II  2,  th.  5,  2146  und  grieszwart;  'richtstütte': 

Ihuo  sia  thar  an  griete       galgon  rihtun 
an  thein  felde  uppan        folc  Judeono 

Hell  au  d  5532; 

auf  dem  gries  bey  dem  galgen  wart  der  rost  bereit 
Luther  23,  467  Weim.  (hier  freilich  zugleich  fluszufer). 
als  flurn:ime  im  elsüss.  anscheinend  nur  in  älterer  zeit: 
zu  grius  (1277),  uf  griez  (1299)  Schmidt  elsäss.  155*; 
auch  im  schiveiz.  seltener  als  grien:  uf  das  undergriess 
(«.  1606);  's  gries  bucht  einer  bachmündung ;  gries  hin- 
terste Sennhütte  am  fusz  des  gletschers  (also:  gletscher- 
schutt)  Staub-Tobler  2,  801;  umso  häufiger  im  schicäb. 
Fischer  3,  831;  vgl.  Bv gk  flurnamenb.  do;  vielgebraucht 
als  name  für  straszen,  platze,  stadttheile,  Ortschaften  im 
Schwab,  u.  bair. -österr.,  z.  b.  in  Landshtd,  Burghausen 
eine  am  u-usser  entlang  führende  gasse;  am  Griesz  platz 
in  Augsburg;  Ochsengries,  Salzgriesi«  Wien;  vgl.  ochsen- 
griesz,  umgezäumter  ort,  wo  ochsen  verkaufft  werden 
Joh.  Heumann  opusc.  (1747)  696;  Gries  Stadtbezirk  in 
Graz;  den  grünt  und  poden  des  heüsls,  so  da  ligt  auf 
den  Gries  zu  Rovereid  Brandis  landeshauptleute  v.  Tirol 
39  (quelle  von  1319) ;  Gries  bei  Bozen,  auf  dem  Brenner, 
pasz  in  Oberwallis,  bestimmungsort  in  zahlreichen  berg- 
namen,  von  denen  der  Griesmuttekopf  (ah  Grieszmutt 
Ä.  153)  und  der  Grieskopf  in  der  Ferwallgruppe  (als 
Grieskogl  s.  169)  schon  in  ÄIaximilians  gjaidbuch  ge- 
nannt werden. 

2)  allgemein  für  ein  mahlproduct  der  getreidemüllerei ; 
zur  Sache  vgl.  allgem.  huitsh.-lex.  (1749)  1,  620*;  Mus- 
PRATT  Chemie  2,  89;  in  der  regel  ein  feinkörniges  pro- 
duct  (gegenüber  den  gröberen  grütze,  schrot,  kleie),  doch 
schicanken  die  dialecte:  'gries  heisst  in  Oberdeutschland 
überhaupt  soviel  als  grütze,  in  Niederdeutschland  ver- 
stehet  man   aber   darunter  eine  vorzüglich  feine  grütze' 


Jacobsson  iechnol.  ivb.  2,  151 "';  'griesz  heiszt  man  im 
Glarnerland  nicht,  wie  anderswo,  eine  art  feiner  grütze, 
sondern  die  schlechteste  sorte  mehl  (rauchmehl),  die  nur 
noch  dem  grüsch  (den  kleien)  vorgeht  und  ordentlicher 
weise  nicht  als  menschenspeise ,  sondern  zum  futter  der 
Schweine  und  des  federviehs  dient'  Staub-Tobler  2,  8O1 
(quelle  von  18i3);  vgl.  dazu:  item  für  das  krüsche  und 
das  griese,  so  von  myner  herren  brot  etwenn  vor  zyten 
gefallen  ist,  soll  myner  herren  kammer  den  husgenos- 
sen  geben  11  pf.  ib.  (\b.jh);  heute  im  schiveiz.:  grobge- 
schrotenes  mehl,  in  der  mitte  zioischen  backmehl  u.  kleie; 
grütze,  grobgemahlener  weizen,  hafer,  mais  Martin-Lien- 
hart  1,  282;  feinere  grütze  Schmeller  1,  1012;  grütze, 
grieszmehl  Schöpf  213;  grobes  mehl  Bacher  Lusern  263; 
grütze  Lexer  kämt.  124;  ebenso  Loritza  54^;  Sarto- 
rius Würzburg  49;  griesmehl,  grütze  Follmann  215''; 
gre's  lux.  ma.  (190G)  154"^;  grob  gemahlenes  getreide,  grütze 
Crecelius  436;  Vilmar  137;  greis  feine  grütze  Bauer- 
Coi^iATZ  if^',  frischgetnahlener  tceizen,  aus  dem  mehl  ge- 
mahlen wird  MüllerFraureuth  l,44l;  jrisz  griesz- 
mehl Liesenberg  148;  feine  buchweizengrütze  Schütze 
holst.  2,  67;  weetengries  das  grobe  vom  Weizenmehl,  tcus 
im  siebe  bleibt  Richey  hamburg.  80;  jriss  Fischer  sam- 
länd.  53;  auch  hinsichtlich  der  getreidearten  herrscht 
schwanken;  oft  speciell  für  den  weizengries:  der  soge- 
nannte griesz  wird  aus  den  besten  weitzen  gemacht, 
und  ist  dessen  zweyerley  gattung,  ein  grober  und  ein 
feiner  griesz  Marperger  küchen-  ti.  keller-dict.  (nie) 436^ ; 
griesz  ist  der  kern  oder  das  beste  von  dem  weitzen 
Ghomel  öcon.  lex.  4,  I3i7;  Wiener  gries  der  feinste,  aus 
bestem  weizen  hergestellte  gr.  Adelung;  im  ostdeutschen 
auch  für  hirsegries  Hübner  zeitungslex.  31 2,  86'^;  lexi- 
calisch  seit  dem  lö.jh.:  für  gryesz  vel  gryeszmel  Die- 
fenbach 225'';  farrago  griesze  vel  klien  226";  furfur 
griesz  253";  orgza  grisz  401'';  oziza  (l.  oriza)  gris  404^'; 
farrago  griesz,  grieszmel  nov.  gloss.  167";  puls  griesz 
309";  shnela  griesz  339";  udeps  das  marck  des  korns, 
der  griesz  desz  korns,  das  da  recht  schmutzt  dar  in 
Melber  a  5";  crimnmn,  crassior  tritici  et  zeae  farina, 
ex  qua  puls  fit,  griesz  vocab.  rei  numm.  (1552)  j  1";  gries, 
semelen,  kleien  furfures,  farinae  recrementutn  crassius; 
brot  mit  dem  griesz,  kleienbrot  panis  furfuraceus  He- 
NiscH  1745;  (ein  edler)  desz  vatter  hat  gemacht  bum- 
blebum  (ein  küfer  war),  oder  focht  mit  der  stählenen 
Stangen  umb,  der  masz  dem  bauren  griesz,  oder  randt 
mit  dem  judenspiesz  (der  ein  grieszhändler,  krämer  icar) 
Fischart  groszm.  (I6O7)  c  7";  im  plural:  grosze  .  .  . 
bruchstücke  bezeichnet  man  als  schrot,  kleinere  als 
griese  KarmarschHeeren  techn.  wb.  6,  l. 

3)  seltener  für  die  zerkleinerungsproducte  anderer  stoffe : 
gries  kleine  steinkohlenstücke  von  der  grösze  eitier  hasel- 
n.usz  Scheuchenstuel  österr.  berg-  u.  hüttenspr.  108; 
da  der  schiefer  in  der  kohle  grob  eingesprengt  vor- 
kommt, so  muss  die  Zerkleinerung  der  grosskohle  auf 
die  erzeugung  von  .  .  gries  ausgehen  Karmarsch-Hee- 
ren 5,  71;  griess  kohlenklein  Hoyer-Kreüter  technolog. 
wb.  1,  312;  kleine  steinkohlenstücke  ünger-Khull  307; 
kohlenstaub  Leihener  cronenberg.  47*'.  gries,  walgries 
rudus,fragmenta  lapidum  ÜEiiiscii  1745;  gries  sive  stein- 
gemüse  rudus,  .  .  ruinarum  materies,  schuft  Stieler 
925;  gries,  gravois,  ist  das  gemülle  von  eingerissenen 
mauern,  aus  kleinen  Stückchen  kalk,  stein,  leimen  etc. 
bestehend  Eggers  1,1107;  wenn  man  die  steige  mit 
dem  griesz  alter  zerbrochener  niauren  bedecket  allg. 
haush.-lex.  2,  235^;  gries  .  .  der  kalktuft,  welcher  sich 
an  die  gradierreiser  der  salzwerke  anlegt  Voigt  mine- 
ralog.  ubhandl.  (1789)  2,  276;  im  obd.  jeder  grobe  boden- 
satz,  besonders  der  des  u-eines  Campe,  Heinsius. 

4)  harnsand,  blasen-,  nierenstein,  vom  frühen  15.  jh. 
bis  in  die  neueste  zeit:  partusis  der  griesz,  morbus  vesicae 
Diefenbach  nov.  gloss.  289^;  calculus  .  .  .,  lapillus  in 
vesica  der  stain  oder  griesz  Pinicianus  (1516)  G  vi"; 
arenosa  urina  sandächtiger  harn  oder  voll  griesz  oder 
steinlinen  Frisius  dict.  (1556)  1413";  griesz  der  nieren 
nephritis  Henisch  1745;  griesz  sive  schleim  des  harns 
sedimentum  urinae  Stieler  770; 

18* 


279 


GRIESZAMT  —  GRIESZBEERE 


GRIESZBEIL  —  GRIESZ(E)LICH 


280 


fürs  gries  wnd  für  den  kram 
ward  mir  die  haut  erperet 
von  vieren 

Osw.  V.  Wolkenstein  86, 1, 15  Weber; 

im  16.  17.  jh.  vorwiegend  neuirum:  den  stein,  das  griesz 
und  blasenwee  Seb.  Franck  Gei-m.  cJiron.  (1538)  258"; 
bibergeiln  ist  gut  für  den  Schwindel  .  ,  das  griess  Hey- 
DEN  Plinius  (1565)  167;  {ein  zeiclien)  für  das  griess  oder 
lendenstein  Paracelsus  ojpe>-a  2,  SM ;  der  seinen  land- 
leithen  die  drei  schmertzlichen  kranckheiten,  ritten  .  .  , 
das  gries  und  den  stain  so  maisterlich  vertriben  Bran- 
Dis  ehreiikräntzel  166;  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  830; 
ScHMELLER  1,  1012;  diahctisch  hält  sich  das  vetdr.  noch 
heute  : 

dar  Upfel  ischt  süess, 

doch  macht  ar  dar  's  gries 

S.  Sailer  geintl.  reden  27; 

daneben  aber  seit  dem,  15.  jh.  (s.  o.)  das  viasc. :  (das  had) 
nimpt  hinweg  .  .  .  den  griess  und  risenden  stein  Seb. 
Münster  cosm.  470; 

der  greisz  und  auch  der  blasenstcin 

H.  Sachs  i,  407  Keller; 

also  ein  anders  ist  der  griesz  im  menschen,  ein  anders 
der  griesz  in  buchen  Paracelsus  opera  i,283c;  cal- 
culus  renum  der  griesz  oder  lendenstein  Zehner  no- 
mencl.  (1645)  283; 

ein  persischer  kalif,  der  zwar  den  griess, 
das  zipperlein  und  eine  fistel  hatte 

Pfeffei.  poet.  versuche  3, 19; 

seit  dem  18.  jh.  in  der  Schriftsprache  allein  herrschend; 
auch  von  einer  krankheit  des  falken.  die  sich  durch  das 
abgehen  kleiner  weiszer  steinchen  äuszert:  von  der  haupt- 
schwachheit  unsrer  vögel,  nämlich  der  croyen,  so  et- 
liche das  griesz  nennen  d'Arcusia  falconaria  (1617)  82; 
ausführlich  beschrieben  allg.  haush.lex.  (1749)  1,  620*. 

5)  anderes  vereinzelt:  staubartiger  anflug:  um  die  Unter- 
lippe {der  schlänge)  zieht  ein  gries  von  hornbrauner 
färbe,  das  auch  die  schnauze  .  .  färbt  Linck  schlangen 
Deutschlands  (1855)  84;  der  gries  kleine  weisze  knötchen 
auf  der  gesichtshaut  Hügel  7i;  entengries  oder  bloszes 
gries/ür  lemna,  icasserlinsen  Pritzel-Jessen  206  {Frank- 
furt a.  0.);  seltsam  ist:  ulva  (gryesz)  crestit  in  profunda 
maris  Brack  vocab.  rer.  (i49l)  52*;  irrtliümlicJi  scheint 
die  gleichsetzung  von  mhd.  griez  mit  polygonum  fago- 
pyrum  Pritzel-Jessen  298.  —  xvohin  gehört:  antwort 
der  geist:  .  .  dein  verzweifelt  hertz  hat  dirs  vcrschertzt. 
darauf  sagt  d.  Faustus,  hab  dir  S.  Veltins  griesz  und 
crisam,  heb  dich  von  dannen  volksb.  vom  dr.  Faust 
17,  14  neudr.  ? 

GBIESZAMT,  n. ,  hat  an  salineno-ten  die  hohtrift 
zu  überwachen  Schmeller  1,  1Q12;  vgl.  griesz  l  c.  — 
grieszanliegen,  n.,  grieszleiden:  gutt  obs,  so  ime 
in  seinem  beschwerlichen  griessanligen  angenem  ülr. 
Krafft  reisen  430.  —  grieszanschutt,  m.:  wurz- 
liafter  wasen  verbleibe  dem,  von  dessen  grund  er  {durch 
ßieszendes  icasser)  abgebrochen  sei,  der  grieszanschutt 
gehöre  dem,  dessen  boden  er  sich  ansetze  Grimm  rechts- 
alterth.  *  2,  78;  vgl.  griesz  1  c.  —  grieszasche,  /.. 
calcinierter  Weinstein  Chomel  öcon.  lex.  4,  1348;  Ade- 
lung; 'aus  tveinhäfen  gebrannt,  caustica  zu  machen' 
Frisch  i,  372^;  vgl.  griesz  3  bodensatz  des  zveines.  — 
grieszbank,  /.,  sandbank:  neu  entstandene  griesz- 
bänke  bestecken  sich  leicht  von  selbst  mit  holz  durch 
natürlichen  samenanflug  Behlen  3,  49G.  —  griesz - 
hart,  m.,  name  des  geisfu^zes,  aegopodium  podagraria 
Holl  135 '';  Pritzel-Jessen  12  notiert  grieszbart  als  schles. ; 
grieszbart,  wilde  angelick  oder  giersch  Chomel  öcon. 
lex.  4,  1348;  'name  des  hindlaufes  oder  zipperleinkrautes, 
.  .  .  welclies  vdedcr  den  lendengries  und  das  podagra  ge- 
rühmt wird'  Adelung.  —  grieszbaum,  m.  =  griesz- 
säule  1  {s.  d.)  Mothes  illustr.  batilex.  2,  528.  anderen 
Stammes  ist  griesbaum  cerasus,  s.  griese  sp.  265 ;  doch  ge- 
hört hierJier  ahd.  kreozpaum  iuniperum  Graff  3,  121 ;  da- 
nach a}isc}ieinend  enkele,  dubbele  gries  einfacher,  dop- 
pelter wacJiholderbeerbrannficein  Müller-Weitz  aachen. 
74.  —  gries zbeere,  f.,  name  des  gem.  Sanddorns,  hip- 


pophaii  rhamnoides  Holl  135^;  nach  Pritzel-Jessen 
182  tirolisch;  vgl.  Schmeller  1,  1012.  —  grieszbeil, 
n.  1)  grieszbeihel  stange  mit  eisernem  haken  zum 
auffangen  und  abstoszen  des  triftholzes  Schmeller  l, 
1012;  grieszbeichl,  m.  Schöpf  213;  Unger-Khüll  307*; 
altes  wwt:  grieszpäll  österr.  weisth.  1,  19,  45  {quelle  von 
1437);  dasz  meniclichen  sei  verpothen  etlich  wöhren, 
nemblich  alsz  hacken,  die  grieszpeil  mit  den  dreien 
orthen  l,  191,  34.  2)  bergstock  Unger-Khull  a.  a.  0.;  der 
andere  rüstig  den  bündel  Steigeisen  und  das  griesbeil 
schulternd  Stifter  werke  (l90l)  2,  39;  das  eisenbcschläge 
seines  griesboils  schlug  funken  aus  den  steinen  des  weges 
Rosegger  sehr.  3, 76.  —  g  r  i  e  s  z  b  i  e  r , « .,  cerevisia  tenuis  ex 
furfuribus  creta  Henisch  1745;  Stieler  702.  —  griesz- 
brei,  m.:  griesbrey  minestra  di  farro,  polenta  Krajaer 
teui^chital.  (i700)  1,  565*;  Adelung,  Campe ;  =  grieszmus 
Fischer  sc7«cäJ.  3,  831;  von  3  strichmetzcn  gersten  soll 
er  {der  mi'dler)  geben  grosz  gerollte  gersten  drey  achtel, 
grieszbrein  drey  viertel  und  ein  achtel  Hohberg  georg. 
cur.  (1682)  2,  99;  es  kam  griesbrei  in  schmalz  gekocht 
Rosegger  sehr.  II  3,  24-4;  vgl.  grieskoch.  —  griesz- 
brett,  Tl.;  griezpret  oder  rung,  troiea;  trabele,  est  li- 
gnum  positum  siipra  axem  in  curru  vocab.  theutov .  (1482) ; 
vgl.  Diefenbach  unter  drofheca  191"  und  trocea  598"; 
ein  bretlein,  so  man  an  die  runge  der  Wagenräder 
macht,  dasz  der  koth  nicht  auf  die  axe  fallen  und  in 
die  nahe  kommen  kann  Frisch  1,  372 <=;  derjenige  tJieil 
des  vordericagens ,  der  sich  auf  dem  achsenstock  und 
dem  Schemel  befindet  Fischer  schtcüb.  3,  831;  Stauij- 
ToBLER  5,  901;  Seiler  basl.  ma.  147;  Martin-Lienhart 
2,  202;  brett  am  pflüg,  neben  dem  moltbrett  Schmeller 
1,  1012;  in  älterer  spräche  auch  ein  bestandtheil  des  inühl- 
n-erkes  Staub-Tobler  a.  a.  o.  —  grieszbrot,  n.,  grobes 
Schwarzbrot  Krämer  bistrifz.  37.  —  grieszbrücke,  /.. 
unterbau  für  geschiUze  {auf  nachgiebigem  boden):  zu 
solchem  feldtzeug  gehören  8  zimmerleut,  die  sich  brau- 
chen lassen  bey  dem  geschütz  der  arckeley,  .  .  .  gestüb 
und  ansetz  risch  zu  machen,  grieszbrücken  und  was 
man  dann  bedarf  Fronsperger  kriegsb.  2,  48*.  — 
grieszbühel,  m.,  sandbank,  sandinsel:  von  angewach- 
senen griesbuhlen  und  werden  Haltaus  753;  griesz 
buchet  veraltete  hezeichnung  für  sandinseln  im  Main 
Sartorius  Würzbtirg  143.  —  grieszdocke,  /.,  bei 
viühlen-  tmd  tvasserwehren  ein  bestandtlieil  des  griesz- 
wercks  allg.  haush.-lex.  (1749)  1,  621*;  Chomel  öcon.  lex. 
4,1348;  Adelung;  vgl.  grieszsäule. 

GRIESZELBEERE,  /.,  vaccinium  vitis  idaea,  preiszel- 
beere  Pritzel-Jessen  424. 

GBIESZ(E)LICH,  adj.,  körnig:  grieselicht,  griesieht 
ghiuroso,  granito,  granuto,  granoso  Kramer  teutsch-ital. 
(1700)  1,  565*;  namentlich  in  obd.  maa.  allgemein:  griesse- 
lecht  körnig,  sandig  Fischer  schwäb.  3, 831;  griessilat  köi- 
nig  Lexer  kämt.  124;  griaslert /ctnfcörni^  Hügel  71 ;  grie- 
scheli  steinig  {von  ackern)  Schmeller  l,  1012;  nament- 
lich von  gerinnender  milch  grieselet,  grieszelig,  gritzelig, 
grüszelet  Stalder  1,  497;  grieselicht  Sghmid  schwäl. 
243;  grieselicht,  grieszelicht  Reinwald  henneberg.  2,  55; 
auch  von  andern  speisen,  die  körnclien  spüren  lassen: 
's  koch,  mues,  d  selz  wird  scho  grieszalat  Schmeller 
1,  1012;  grieslicher  huni  honig  Follmann  216*;  vgl. 
Müller-Fraureuth  1,  441.  literarisch  seit  dem  li.jh.: 
das  holz  hat  mer  rinden  oder  röcfc  umb  sich  .  .  .,  und 
ist  zwischen  zwain  rocken  ain  kriezlohteu  materi,  diu 
ist  gnuog  mürb  oder  mar  K.  v.  Megenberg  324,  21; 
weiszer  und  grawer  kisz  . .  .  macht  die  zin  mürbe  und 
grieszlicht  Mathesius  Sarepta  (l57l)  99'^;  ist  der  harn 
grieselt  und  scheinen  flechtlein  darinn,  so  liegt  der 
stein  in  den  lenden  Hohberg  georg.  cur.  aucfa  3,  218 •*; 
da  wo  frischer  schnee  sich  rasch  in  firn  (körniger, 
griszelicher  eisschnee)  verwandelt  Berlepsgh  Alpen  179; 
{die  Oberfläche  von  bracteaten,  die)  nicht  glatt,  .  .  .  son- 
dern immer  grieselich  ist  Luschin  v.  Ebengreüth  m 
tnünzkunde  11  \  gelegentlich  mit  erioeitertem  suffix:  et-  S 
lieber  boden  ist  grieselichtig  glareosum  Horscht  ge-  ▼ 
heimnisse  d.  natur  l,  0  7*.  auffüllig  durdi  die  kürze 
des  vocals  sind  grislich  kleinkörnig  Kramer  bistrifz.  41 ; 


281 


GRIESZELN  -  GRIESZHOLZ 


GRIESZHORST  -  GRIESZIG 


282 


grijeleeh  kiesig,  griesig  lux.  ma.  (i906)  154'';  griseleh  voll 
körner  Bauer-Collitz  *i*. 

GRIESZELN,  vb.  i)  intrans.  grieseln  'm  gestult  des 
yrieses,  d.  i.  Meiner  stücke  zerfallen  oder  Jierunterfallen' 
Adelung,  Campe,  Heinsius;  es  grieszelt,  grisselt  vom 
fallen  der  kleinsten  hagel-  oder  schneekörner  Vilmar  137; 
bisweilen  vom  wasser  'rieseln': 

rieselt,  ihr  wellen, 
schleichet  durch  husche, 
grieselt  mit  kwellen 

Zesen  verm.  Helikon  (lG5ß)  2, 126 ; 

hinauf  musz  es  (das  wasser)  rieseln, 

herunter  musz  es  grieseln       Tieck  sehr.  20,  214 ; 

körnig  icerden  (von  gerinnender  milclC)  MOller-Frau- 
keuth  1,  441;  österr.  mehlblen  und  grieseln  JoH.  Heu- 
mann opusc.  (1747)  696,  ico  grieszeln  anscheinend  eine 
ähnliche  bedeutung  hat  wie  bair.  es  mehlbelt;  vgl.  meh- 
leln  th.  6,  1867.  2)  trans.  in  kleine  stücke  zermalmen 
Adelung. 

GRIESZELWERK ,  n.;  grieselwerk  lohnen,  fasolen, 
erbsen,  linsen,  gerste,  gries,  heidekorn  und  kirse  Nem- 
NICH  wb.  d.  natnrgesch.  209. 

GRIESZEN,  vb.  l)  griesen  redigere  in  rudus  Henisch 
1745;  commimiere  in  glareolam  Stieler  702;  den  weissen 
gricssen  quelle  des  \b.  jh.  ftei  Schmidt  c/««*«.  155»;  'deii 
gespitzten  wetzen  zu  grieaz  mahlen'  Adelung;  Heinsius 
schreibt  griesen  und  grieszen  wb.  532»'';  schueiz.  's 
chrüsch  griesen  griesz  aus  der  kleie  gewinnen;  bildl.: 
jemanden  griesen  län  ihn  machen,  gewähren  lassen,  seinem 
Ihun  keinen  werth  beilegen;  auch  schon  in  älterer  zeit: 
bei  einem  drohenden  Schiffbruch  rät  der  patron:  darum 
bychtend  und  tüeg  jeder,  das  er  truw  zu  griesend  tcas 
er  sich  vorzunehmen  getraut  Staub-Tobler  2,  802  {quelle 
von  1519).  2)  Schwab,  sand,  kies  an- oder  wegschwemmen ; 
das  wasser  griesset  unterwühlt  den  boden  Fischer  schtcäb. 
3,  831.  3)  hierher  icohl,  unpersönlich  gebraucht,  grysseu 
als  das  weiter  gefreust  bruniare  Diefenbach  nov.  gloss. 
60»;  vgl.  grieszeln  1. 

GRIESZENTE,  /.  =  krickente  anas  grecca  Unger- 
Khull  307».  —  grieszfeld,  n. .-  der  Wimbachgrat 
.  .  . ,  durch  dessen  scharten  die  griesfelder  des  Wim- 
bachthales  heraufschimmern  Barth  kalkalpen  99.  — 
grieszgallo,  /.,  sandige  oder  steinige  stelle  eines  ackers, 
einer  tviese  Schmeller  1,  1012;  Fischer  scincäb.  3,  831; 
l&MCK  flurnamenb.  90.  —  grieszgang,  m.,  ein  mahl- 
gang,  s.  Krünitz  unter  giüeszklcie.  —  grieszgans, 
/.;  dem.  griesgansl  regenpfeifer,  charadrius  Schöpf  tirol. 
213;  vgl.  Suolahti  vögeln.  269.  —  grieszgerste,  /., 
hordeum  vulgare  Holl  135^.  —  grieszhafter,  m.,  ein 
Salinenbeamter :  wir  haben  .  .  des  ohne  unsers  rath  und 
salzmairs  vorwissen  zur  fänknusz  genommenen  griesz- 
hafters  überschribnen . .  entschuldigungsbericht  zwar  emp- 
fangen LoRi  bair.  bergrechtiU  (quelle  v.  1630);  vgl.  griesz- 
knecht,  -meister.  —  grieszhahn,  m.,  in  Steiermark 
bezeichnung  eines  wasserläufers,  actitis  hypoleticus  Unger- 
Khüll  307»;  Suolahti  289;  andericärts  meint  griesz- 
hennel  den  regenpfeif e^- .  charadrius  Naumann  natnr- 
gesch. d.  Vögel  7,  191;  vgl.  grieszgans,  -huhn.  —  griesz- 
händler,  m.,  grenailleur,  grenetier  Schwan  nouv.  dict. 
1,  789»;  vgl.  gräuszler,  grieszler.  —  grieszhärig,  adj.: 
grieshärig,  stammhärig  icird  von  der  wolle  gesagt,  wenn 
solche  auf  dem  boden  oder  feile  hart  und  z.  th.  filzig  ist 
und  sich  bei  dem  verarbeiten  nicht  recht  leget  Jacobs- 
son  technol.  wb.  2,  152»;  Campe,  Heinsius.  —  griesz - 
haut,/.,  günsehaut  Müller -Fraureuth  i,44i;  vgl. 
grieseln.  —  grieszholm,  m.,  bestimmter  balken  bei 
schleusen  und  wasserwehren:  bei  hölzernen  schleusen 
ist  auf  die  köpfe  der  griessäulen  .  .  ein  griesholm  .  . 
aufgezapft  Lueger  7,  246;  vgl.  grieszbaum,  -säule. 

GRIESZHOLZ,  n.  1)  amerikanisches  holz,  nach  Ade- 
lung vom  belienbaum,  giiilandina  moringa,  nach  Holl 
^•o»»  hyperanthera  moringa,  icb.  268»  oder  von  cissam- 
pelos  136»;  der  abgusz  davon  wurde  in  älterer  zeit  viel 
gebraucht  als  mittel  gegen  den  nieren-  und  blasenstein; 
daher,  ents)>rechend  der  detäschen  bezeichnung,  lignum 
nephritieum,   ad  renum,   urinae  ineommoda  G.  Franck 


flora  francica  100;  bois  nephretique  Schwan  nouv.  dict. 
1,  789»;  vgl.  Chomel  öcon.  lex.  4,  1348;  Jacobsson  teeJi- 
nol.  wb.  2,  152»;  im  18.  jh.  zu  optischen  experimenten  (der 
demonstration  fluorescierender  färben)  verwendet  Chomel 
a.  a.  0.;  Jacobsson  5,  736*;  allg.  dtsch.  bibl.  100,  461 ; 
auch  blaues  Sandelholz  genannt  Adelung.  2)  name  der 
rainweide,  ligustrum  vttlgare  Nkm'sicii  209;  Holl  150»; 
Pritzel-Jessen  214;  schon  bei  Adelung;  nach  griesz 
Sandboden.  3)  'grieshölzer  werden  die  buschholzicaldungen 
an  den  ufern  und  auf  den  auen  der  Donau  und  Hier  ge- 
nannt' Behlen  3,  496;  nach  griesz  uferland.  4)  holz  am 
wagengestell  Schmeller  1,  1012.  —  grieszhorst,  m.. 
sandinsel  in  einem  flusse  Chomel  öcon.  lex.  4,  1349.  — 
grieszhuhn,  n.,  bezeichnung  verschiedener  wasservögel; 
meist  als  'allgemeine  benennung  der  sand-  u.  strandlättfer' 
notiert  Adelung,  Heinsius,  ünger-Khull  307»;  bei 
Oken  naturgesch.  7,  570  werden  die  griesz-  oder  sand 
hühner  als  besondere  gattung  glareola  geführt,  vgl.  schon 
Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  209;  Naumann  9,  437;  stah- 
ren,  gibitz,  grieszhühner  Hohberg  georg.  cur.  2,  709; 
danach  Chomel  öcon.  lex.  4,  1349;  andere  scheiden  griesz- 
huhn und  sandläufer  Döbel  jägerpractica  (1754)  l,  73; 
IIeppe  wohlred.  jäger  (1763)  153'»;  nacli  Suolahti  26S» 
auch  für  den  regenpfeifer,  charadrius;  pluvier  Schwan 
nouv.  dict.  l,  789*';  vgl.  grieszhahn.  —  grieszhülse, 
/.,  name  der  rainweide,  ligustrum  vulgare  NEuyicn  20d; 
Holl  135^;  Pritzel-Jessen  214;  vgl.  grieszholz  2. 

GRIESZICH,  J7.,  collectivum  zu  griesz:  'grieszig  oder 
grusz  ist  tcas  von  dem  werk  an  zäsergen  und  tvachs- 
krumen  herunter  und  auf  den  boden  fällt,  sordes,  pur- 
gamenta'  Overbeck  gloss.  melitt.  (1765)  37;  bei  Schwan 
nouv.  dict.  1,  789'',  Adelung,  Campe  das  griesig. 

GRIESZIG,  adj.,  sandig,  körnig:  grisig  arenosus  Die- 
fenbach 47»;  grieszig  arenosus  Sturmius  L  2«;  grie^. 
secht,  griesechtig,  griesig  sandig,  voll  gries  Henisch 
1745;  griesicht  et  griesig  arenosus,  sabulosus,  glareosus, 
recrementitius  Stieler  702;  griesicht,  grieselicht  Kramer 
teutsch-ital.  (1700)  1, 565» ;  grieszig  Steinbach  1, 644 ;  Schweiz. 
auch  mit  erweitertem  suffi.v:  arenosus  sandächtig,  griesz- 
ächtig  Frisius  dict.  1I6»,  ebenso  für  glareosus  605'', 
sabulosus  1171'';  *.  u.  C.\^lepinus.  in  den  dialecten 
weniger  häufig  als  grieszlich,  mit  dem  es  in  der  bedeu- 
tung theilweise  zusammen  geronnen  ist:  griessig  sandig, 
körnig;  griessiger  (lockerer)  boden;  griessiges  feld  das  mit 
sand  und  steinen  vermischt  ist  Fischer  schtcäb.  3,  382; 
griesig  kleinkörnig  vne  griesz  (von  buttermilch,  geschmol- 
zener butter  und  honig)  Martin-Lienhart  l,  282;  ähn- 
lich griesicht  Schmidt  sttxtszb.  44;  grieszig  mit  sand 
überdeckt  Sallm.vnn  dtsch.  ma.  in  Esthland  50.  lite- 
rarisch allgemein,  und  zwar  zumeist  in  anlehnung  an 
griesz  1  b  grobsand:  ein  gryszig  erdtrich  sabulosa  terra 
Brack  voc.  rerum  (l49l)  37*";  am  dreitzehenden  octo- 
bris  .  .  .  zogen  wir  ferrner  ein  steinige  griesige  gegend 
J.  Tucher  bericht  d.  meerfahrt  49'';  das  land  Cabul  .  .  . 
ein  griesig  und  sandig  lande  Mathesius  Sarepta  (l57l) 
i^;  im  sandichten,  griesz-  und  kiesichten  boden  ist 
hingegen  das  haacken  nichts  nütze  allg.  haush.-lex. 
(1749)  1,  45»;  oder  an  griesz  ic  ufersand:  sandechtig  und 
grieszechtig  erdtrich,  als  gewonlich  ist  an  den  gestaden 
der  wasseren  Calepinus  XI  ling.  (1598)  6I8'';  an  denen 
griesichten  ufern  des  wassers  Döbel  jägerpractica  (1754) 
4,  anh.  84;  griesicht,  grieselicht  bächlein  Sghottel 
hauptspr.  (1663)  346;  sodann:  die  mühlstein  sollen  hart, 
fest  und  nicht  griesicht  oder  sandicht  seyn  Hohberg 
georg.  cur.  (1682)  2,  97;  die  griesigen  (schuttbedeckten) 
platten  des  Wetterstein-  und  Karwendelgebirges  Barth 
kalkalpen  123;  die  Verbrennung  .  .  griesiger  kohle  Lue- 
ger 4,  239;  alt  iti  der  Verbindung  grieszig  (grobes)  mell 
machen  tirol.  weisth.  l,  26,  18;  griesicht  brot  panis 
furfuraceus  Stieler  702;  griesichtes  mehl  Voigtel 
wb.  2,  132.  sehr  früh  nach  griesz  4  mit  bezug  auf  den 
blasenstein :  ist  daz  harn  griezich  unde  daz  diu  flekelin 
schinent  da  inne,  so  lit  der  harnstein  in  den  lanchen 
arzneibüdier  II  a''  Pfeiffer;  also  auch  das  hier  einen 
griesichen  mürben  stein  macht  und  podagram  Para- 
CELSUS  opera  l,  479A  Euser;  griessig  der  das  grien  hat 


28a 


GRIESZKLEID  -  GRIESZxMEHL 


GRIESZMEISTER  -  GRIESZSÄULE       284 


Uentzi-er  liO*;  Venusdiener  die  samptlich  noch  in 
iliren  jungen  tagen  .  .  .  theils  grimsicMig,  theils  griessig 
GUARINONIUS  greuel  d.  Verwüstung  (l610)  1134;  die  dann 
giiessig  und  steinig  sind  Paracelsus  i,  508 B. 

GRIESZKLEID,  n.:  dasz  der  satan  zu  Nicea  in  ge- 
stalt  eines  officiers  mit  einem  langen  etoszdegen  und 
in  einem  weiszen  grieszkleide  zu  ihm  kommen  Berger 
electa  jurispr.  supplem.  2,  374;  hezexchmmg  eines  grö- 
lieren  Stoffes?  griesgaze  von  mehlgaze  unterschieden  bei 
Karmarsgh-Heerkn  3  8,233.  —  grieszkleie, /..  'die 
heim  schrotgange  von  gries  abgesiebte  u.  die  beim  zweiten 
u.  dritten  griesgange  aus  dem  beutel  fallende  Jdeie'  Krü- 
NITZ  40,433;  Adelung;  altes  compositum:  siliqua  griess- 
klyen  DiEFKNBACH  nov.  gloss.  'Am'^ ;  nim  ein  handt  voll 
gryeszklygen  Gersdorff  wundarsnei  (Iäi7)  20;  ihr  (der 
kühner)  speisz  soll  sein  gesottene  gersten,  hirsen,  griesz- 
kleien  HERR/eZrfirt»  (i55i)  1G9^.  —  grieszklosz,  w.  — 
grieszknecht,  m.,  salinenarbeiter  im  holzrechen  Sghriel- 
LER  1,1012;  vgl.  grieszamt,  -hafter.  —  grieszknödel,«!.. 
grieszldosz,  bair.  österr.  Schneller  1,  1012;  Schöpf  213; 
HÜGEL  wien.1l;  dafür  auf  alem.  boden  grieszknopf, 
m.  Fischer  sclnväb.  3,  832;  kriisknepf  plur.  Meisinger 
78;  rfem.griesknöpfleMARTiN-LiENHART  1,282.  —  griesz- 
koch,  m.,  eine grieszspeise  AMAn.\NTHESf rauoiz.-lex.  128. 
L^i;  Adelung;  Unger-Khull  307».  —  grieszkohle, 
f.,  schotterige  kohle  Karmarsch-Heeren  '^5,  72;  Lueger 
4,  239.  —  grieszkolik,  /.,  durch  harn-  oder  nierengriesz 
hervorgerufene  holik  Chomel  öcon.  lex.  4,  1348;  Adelung. 
—  grieszkorii,  n.-.  auch  ist  die  schale  (beim  iriions- 
horn)  mit  .  .  .  groben  griesskörnern  besetzt  Brehm 
ihierl.  10,  395  Fechuel ■  Loesche.  —  grieszkrampf,  m., 
ein  krampf,  der  vom  blasengriesz  herrührt  Campe,  Hein- 
sius.  —  grieszkraut,  n.,  meist  für  melittis  melisso- 
phyllum,  xculdmuttcrkraut  Nemnigh  ^cb.  d.  naturgesch. 
^09;  Schavan  7iouv.  dict.  i,  789^;  Holl  las^;  Martin- 
Lienhart  1,530*;  Campe,  Heinsius;  seltener  für  po- 
tentilla  anserina,  günsench  Nemnich,  Hüll  a.  a.  o.;  vgl. 
auch  Fischer  schwäb.  3,  832;  für  das  grimen  des  harms 
oder  grüesz  nimb  grieszkraut  Unger-Khull  so7*.  — 
grieszkuchen,  m.,  kucheii  aus  grieszmehl  Campe, 
Heinsius;  Crecelius  437;  da  gabs  stollen  .  .  .  eier- 
scheckkuchen,  grieskuchen  Ludwig  ges.  Schriften  2,  52i; 
nach  Campe,  Heinsius  auch  synonym  mit  grieszkoch, 
s.  d.  —  gsieszläui'cr,  on.,  name  des  regenpfcifers, 
charadrius;  char.  hiaticula 'Navmxnn  7,191;  char.  citro- 
Ulcus  Brehim  thierl.  6,  70  Fechuel' Loesche;  griesläufer 
zum  kleinen  u-eidwerk  gezählt  von  Heppe  auf  rieht,  lehr- 
prinz  1G6;  vgl.  grieszgans,  -hahn,  -huhn,  -vogel.  — 
grieszlauge,  /.,  ein  fisch',  leuciscus  agassizi,  strömer 
Brehm  thierl.  8,  264  Pechuel-Loesche ;  in  Augsburg  gries- 
laugele  Siebold  süszwasserfische  218.  —  grieszlein, 
n.:  creozolin  calculus  Graff  4,  ä46;  grieszlin,  klein  gries 
glareola  Henisch  1745;  ofltmahl  in  den  jungen,  nit  allein 
im  menschen,  sondern  auch  im  viech,  stein  gefunden 
werden,  gleich  wie  hirsch  körnlin,  das  ist  griszlin  oder 
hirszgriszlin  Paracelsus  opera  i,  59  C  Huser. 

GRIESZLER,  «j.  l)  grütze-  oder  mehlhändler  Loritza 
id.  vienn.  54;  oft  in  Grillparzers  armem  spielmann: 
dasz  für  die  griesler  trockener  als  für  die  bäcker  ge- 
mahlen wird  Prechtl  technol.  encycl.  10,  58;  dazu 
grieszlcrei  kurzicaren-  (eigentl.  mehl-)  handlung  Müller- 
Fraureuth  1,  441;  neben  dem  synonymen  gräuszier, 
greiszier  (s.  d.)  kommt  das  wort  nicht  recht  hoch.  2)  am 
fhiszufer  tvohnender  Unger-Khull  307. 

GRIESZLING,  m.,  name  des  dornschivamms,  agaricius 
graveolens  Chomel  öcon.  lex.  4,  1349,  der  sonst  auch 
räsling  oder  reissling  heiszt  Pritzel-Jessen  4ü5. 

GRIESZMEHL,  n.,  grobes  mahlproduct,  mehr  oder 
minder  synonym  mit  griesz  2:  grieszmel  farrago  Die- 
fenbach  nov.  gloss.  167»  (gloss.  von  1466);  grisz,  gries- 
mel,  gerstenmusz  oryza  gloss.  iOi";  gryesz  t-eZ  gryeszmel 
far  225'';  grieszmeel,  nachmeel  farina  secundaria  He- 
nisch 1745;  SiiELER  702;  farina  grossa  Krämer  teutsch- 
ital.  (1700)  1,565=';  griesz,  grieszmSl  crimnum  Maaler 
(1561)  192«;  'gries,  griesmehl  ist  das  körn  oder  das  beste 
von  dem  iveitzen'  allg.  haush.-lex.  (1749)  l,  620;  später  und 


seltener   bezeichnet   gr.    ein   besonders  feines   meld:    von 
Calepinus   XI  ling.   (1598)    1346 1'    mit   simila  glossiert; 
aliis  dasz  zartest  un<l  leinest  meel,  simila,  aliis  farina 
subacta  Henisch  1745;    'das  aus  dem  gries  oder  ersten 
schroten  gebeutelte  mehl,   so  am   besten  ist'  Jagobsso.n 
technol.  tob.  2,  152  =*;   öfter  in  alten  recepten:  ein  pflaster 
gemacht  mit  habern-  und  grieszmehl  und  aufgelegt  Hoh- 
BERG  georg.  cur.  1,  305;  als  fischköder  nimm  .  .  .  faulen 
käse,  griessmehl  und   honig  Döbel  jägerpractica  (l754) 
4,  anh.  104;  die  lockvögel  werden  erhalten  mit  weitzenen 
kleyen,  sonderlich  mit  grob  gersten  griessmehl  Aitingek 
jagd-  ti.  iveidbüchl.  (I68l)  267.    mundartlich  heute  wesent- 
lich im  Westen  Deutschlands,   und  zioar  herrscht  die  be- 
deutung    des   grobmehls,    vgl.   Fischer    schwäb.   3,  83:i; 
grob  gemahlenes  mehl  Schmid  sclmäb.  2S3;  dinkelgrütze, 
mehl  aus  kleie  Staub-Tobler  4,  218;   Leihener  cronen- 
berg.  47'';  getreidegrütze  Crecelius  437;  Bauer-Collitz 
41»;   Honig   köln.  68»;   grobes  mehl  Dähnert  161;    als 
lehmcort   ins   jd.  übergegangen:    griesmeel   woordenb.  d. 
nederl.  taal  5,  697.  —  grieszmeister,  m..  'der  an  sa- 
linenorten    die    holztrift    besorgt'    Schmeller    l,  1012; 
grieszmaister  Lori  baier.  bergrecht  26   (quelle  von  1423); 
vgl.  grieszamt,  -hafter.  —  grieszmühle,/.,/MS2mM7iZe; 
von  jeder  hoffhucben,  griesmüU  und  hofstetten   österr. 
weisth.  6,  284,  37;  in  denen  Neckar-  and  andern  schnell- 
und  starck-lauffenden  mühlinen  aber,    auch   in   griesz- 
!   mühlinen,  wo   es   starck  gehet   Reyscher  samml.  der 
I    u-ürttemb.  gesetze  14, 58  (quelle  v.  1729) ;  mühlef.  griesz  2 :  die 
i    mahloperation  der  griesmühlen  Prechtl  24,  324;  entspr. 
j    gricsmüllerei  Sil.  323.  —  grieszmus.  n.,  icas  griesz- 
I    brei,  schwäb.  Fischer  3,  382  (schon  1619  belegt);    griesz- 
i    musz  p.Htanarium   (l.  xdisanarium)   Dentzler  140».  — 
I    griesznagel,  «i..-  'gricsznägel  die  beiden  nägel,  welche 
I  je  einer  nahezu   am   ende   der   langwid  durch  diese  und 
I    den  achsenstock  gesteckt  icerden'  Fischer  schiväb.  3,832; 
vgl.  grieszbrett,  -säulc  2.  —  griesznatter,  /:,  coluber 
miliuns    Nemnich    wb.  d.  naturgesch.  209.  —    griesz- 
nock,    m.,  grieszldosz,   österr.   leibgericht:   er   lebt   ein- 
zig von  den  griesznocken ,   die  er  in  der  pfanne  siedet 
A.  Meiszner    am  stein  (1853)    23;    demin.:   lauter   leib- 
speisen!  griesnockerl  und  wasserspatzen  Meisl  theatral. 
quodlibet   2,  52.    —    griesz pf eiler,    m..    ein    hauptbe- 
standtheil  von  wassericehren  Karmarsch-Heeren  10,260; 
Lueger  7,426;  sie  vertreten  die  stelle  der  älteren  griesz- 
säulen,  s.d. —  grieszplatz,  m.:   sie  landete  nun  an 
einem  weiten  griesplatze,  wo  das  wasser  friedlich  über 
die    kleinen     kiesel    wegschlich    Bronner   fischerged. 
(1787)  48.   —   grieszpulver,  n.,  medicament  gegen  den 
harngriesz:  Thalhäusers  grieszpulver,  wie  ers  im  winter 
auszgeben  hat  Gäbelkover  arzneibuch  (1595)  i,  326.  — 
gries zraute,/:,  galega  officinalis,  geisraute  Holl  136». 
—   grieszrechen,    m.,    rechenförmige   Vorrichtung  an 
einer   art   von   brücken    zum    auffangen    des    triftholzes 
Schmeller   i,  1012;    vgl.   2,  16.   —   grieszsand,   m.: 
gr.  sive  grober  sand  sabulum,  crassior  arena  Stieler 
1680;  sie  habens  darumb  wider  ernewert  und  gebessert 
.  .  .  und  mit  erdinen  schütten  und  grieszsand  verwahret 
Werlighius   augsb.  chron.    (1595)   64;    im   gründe   des 
hertzens  sind  lauter  steinricken,   grober  grisssand  und 
unfruchtbare   branderde  Herberger  herzpostilla  (iGls) 
1,231.  —  grieszsandig,«rfy..-  grieszsandicht  ÄJtjekiesicht- 
sandig  glareolus  Stieler  1685;   kalt  und   trocken  sind 
die  gebürgichten   felder,    wie    auch    der   grieszsandigte 
und  grobe  boden  allg.  haush.-lex.  (1749)  1,31'';  die  .  .  mat- 
teren ^teilen  der  allgemeinen  sonnenoberfläche,  welche 
stets  ein  chagrinartiges,  griessandiges  ansehen  hat,  d.  h. 
an  sand  erinnert,   welcher  aus  gleich  groszen  körnern 
besteht  Humboldt  kosmqs  3,  404. 

GRIESZSÄULE,  /.,  1)  bestandtheil  des  griesz  Werkes 
(s.  d.) :  'griessäulen  werden  die  groszen  eichenen,  gemei- 
niglich mit  laubiverk  oder  wappen  zierlich  atisgearbei- 
teten Säulen  genennet,  ivelche  auf  dem  fachbaum  stehen 
■und  den  Spannrahmen  tragen,  auch  die  schutzbretter  und 
griesdocken  oder  kleine  griessäulen  zwischen  sich  haben' 
allg.  haush.-lex.  (1749)  l,  620'';  vgl.  Jacobsson  technol. 
wb.  2,  152»;  Kahmarsgh- Heeren  3io,  260.  —  2)  bestand 
theil  des  pfluges:   derjenige   stiel,    wodurch   der  untere 


285 


GRIESZSCHAR  -  GRIESZWART 


GRIESZWART 


286 


theil  des  pfluges  mit  dem  bäume  oder  grindel  verbunden 
wird  und  welcher  den  vorderen  theil  des  sogenannten 
pttugkastens  ausmacht,  heisst  die  griessäule  Thaer 
grundzüge  3,  25;  griess-,  griff-  oder  hauptsäule  beschr.  d. 
ackergeräthe  l,  2;  griesz-,  griff-,  kopfsäule  Leopold 
Imndich.  d.  öko)W7nie  (1805)  254«;  in  Obersachsen  griech- 
säule,  griessäule,  griffsäule  Jacobsson  technol.  wb.  2, 151  * ; 
auch  in  jüngerer  mundart  noch,  s.  ünger-Khull  307; 
ROSEGGER  sehr.  8,  356.  griechsäule,  griffsäule  scheinen 
secundüre  Umbildungen;  etymolog.  anschlusz  an  griesz 
'sand'  entgegen  Adelung  kamn  zu  bezweifeln:  vgl.  nd. 
gretsäule  Jacobsson  technol.  wb.  5,  785^.  —  griesz- 
schar,  pflugschar:  ain  grieschar  österr.  weisth.  1,  29*,  14; 
vgl.  grieszsäule  2.  —  grieszschmarren,  m.,  eine 
grieszspeise:  meine  frau  und  ich,  wir  essen  gern  einen 
griessschmarren  samml.  v.  Schauspielen  {Wien  1764)  6, 
haushaltung  n.  d.  mode  65;  vgl.  Schmeller  2,553.  — 
grieszschmerz,  m.,  durch  harngriesz  hervorgerufener 
schmerz:  gries^schmertzen  zu  legen  Wirsung  arziiei- 
biich  (1588)  reg.;  wieder  griesz-  und  steinschmertzen  sind 
gut  unzeitige  beeren  von  hollunder  Fleming  vollk.  teut- 
scher  soldat  (1726)  335.  —  grieszsemmel,  /.,  semmel 
aus  grieszmehl  Heinsius,  Campe.  —  grieszsieb,  n.: 
griessib  eribrum  ruderarium  Henisgh  1745;  Stieler 
702;  'ein  sieb  von  draht  bei  den  müllern,  den  gespitzten 
iveitzeh  damit  zu  sieben  und  gries  {das  Überbleibsel  beim 
sieben)  zu  erhalten'  Yoigtei.  wb.  2,132";  Adelung,  Campe; 
die  griessiebe  der  müller  Muspratt  chemie  4,  1285.  — 
griesz  Stange,  /.,  die  stange,  d/e  (?er  griesz  wart  {s.d.) 
führte  Hübner  zeitungslex.  2,  87*;  Campe,  Heinsius; 
altes  ivort: 

und  itznnt  von  urloigis  mü 

begertin  der  grfzstangin 

Samiii  und  Nattangin  \ 

Nie.  V.  Jeroschin  15075    i 

{d.h.  sie  bekannten  sich  als  überwunden);  literarisch  meist    I 
vertreten  durch  das  simplex  stange,  s.  d.,  ih.  10,  2,  802/. 
GRIESZSTEIN,    vt.,   1)   zufrühest   nachweisbar   in  der 
bedeutung  glareaBiEVRNBACii  gloss.  264«';  sandsfein  nov.    \ 
gloss.  181  "^  unter  fragilis ;  ähnlich  noch  in  modernen  maa.: 
fluszkiesel,   geschiebestein   aus  kiesel  Unger-Khull  307;    j 
Sandstein  Follmann  216*;  technisch:  dieses  steinartige   1 
wesc-n    {die   theilchen,    die   sich  während  der  gradierung   \ 
an  die  dornen  hängen)  pflegt  man  auf  den  meisten  salz-   | 
werken   griessteine   zu    nennen   Langsdorf    von    salz-   j 
xoerken  (l78l)  402.    2)  blasenstein:  dcssglcichen  auch  was 
sich  in  der  blasen  versamlet  hat,   als  nämlich  ist  der   ! 
sand  und  griessstein  Ryff  regiment  d.  gesundheit  (i544) 
84'';  wie  man  .  .  .  den  päbsl.  cörper  geöffnet,  hat  man 
befunden,  dasz  sich  die  medici  in  ihrer  meinung,  einige 
griessteine  zu  liefern,  sehr  betrogen  Prätorius  zodiacus 
mercurialis  173.    8)  i»  mineralogischem,  sinne  der  nephrit, 
jade:  'ist  ein  blau  grünlicher  und  gleichsam  nie  unschlift 
oder  fett  anzugreifender  stein,   kömmt  aus  Indien   und 
wird  also  genennet,   weil  er  für  den  steinschmerz  dienen 
soll'  allg.  haush.-lex.  (l719)  1,  621;  zur  sache  vgl.  Chomel 
öcon.  lex.  4,  1349;  Voigt   mineral.  abhandl.  (1789)   2,  276; 
synon.  lenden-,  nieren-,  schröckstein  Jacobsson  technol. 
wb.  2, 152=^;  ein  schaid  auss  griessstein  Fischer  schwäb. 
3,  832  {quelle  von  I6II);  ain  griessstein,  auf  die  puls  zu 
binden   ib.    {quelle   von   \ni).     4)    ein   besonderer   mahl- 
stein:  'gute  grieszsteine  in  alten  müllerordnungen'  Bir- 
linger  schwäb.  augsb.  204 '';   die  mülen,  darinn  gewon- 
lich  weiszbecken  malen,   sollen   mit  guten  grieszstain 
auch   aufs   mindst  zwaierlai   guten  beuteln  zum  staub 
und  semelmelb  fürsehen  .  .  .  sein  der  neue  laienspiegel 
(1518)  25 ^  —  grieszstock,    m..    holz   am  wagengestell 
Follmann  lothr.  216*;  anscheinend  identisch  mit  griesz- 
brett,  s.d.  —  grieszsucht, /.,  steinleiden:  griessucht 
pertussis  {i.  e.  ptisis)  Diefenbach  430";   dazu  griesz- 
süchtig,  ad}.:  griess-  und  steinsüchtig  Guarinonius 
greuel  d.  Verwüstung  (I610)  2.  —  grieszsuppe,/.:  nach- 
her thun  wir  uns  über  die  griessuppen  her  Rosegger 
H  8,  117.    —    griesztrank,   «i. ,    la   creme  de  gruau 
Schwan  nouv.  dict.  1,  789''. 

GRIESZWART,  -WÄRTER,  -WÄRTEL,  m.,  agonotheta, 
Sequester. 


1)  form. 

a)  2.bestandtheil:  ursprünglich  swm.  griozwarto  Graff 
4,  .S46;  griezwarto  Diefenbach  nov.  gloss.  386*  Sequester; 
plur.  grizuuarton  Schmeller  l,  1012;  diese  schw.  form 
auch  im  mhd.  durchaus  herrschend,  nur  vereinzelt  stark; 
auch  in  den  mhd.  U7id  frühnhd.  glossaren  hält  sich  die 
form  als  grieswarte,  grisbart  Diefenbach  19''^  agoni- 
theta,  griszwart  529''  Sequester,  grieszwart  313  •''  iustitia- 
rius.  ebenso  im  älteren  nd.:  grieduuard  Sequester  Gal- 
LF.E  vorstud.  zu  e.  altnd.  ivb.  120,  greswort  Diefenbach 
19"  agonitheta;  acc.  synen  greyswarden  Karlmein.  526,  62; 
auch  im  jüngeren  fries.  gredwerd  Outzen  104.  nJid.  nur 
noch  in  älterer  spräche:  mit  den  griesswarten  Seb. 
Münster  cosmogr.  697;  die  grieszwarten  Albr.  v.  Eyb 
Wilw.  v.  Schaumburg  157;  vereinzelt  mit  unechtem  um- 
laut  {nach  -werter,  -wertet):  grieszwert  Diefenbach  19"- 
agonitheta;  die  grieszwerten  Wilto.  v.  Schaumburg  124. 
die  form  auf  er  erscheint  erst  im  späteren  mhd.:  griesz- 
warter  (:  marter)  Regenbogen  bei  v.  d.  Hagen  minnes. 
3,  351'';  griswarter  Schmeller  1,  1012;  griesswerter 
mehrfach  in  der  Nürnberger  Zweikampf ordn.  bei  Halt- 
aus 754.  .55;  grieswärter  Schottel  1234;  kreiswärter  {als 
nebenform)  Adelung,  Heinsius,  Campe,  auch  nd.: 
kreitwarder  Reinke  de  vos  6264.  6590  Schröder;  afries. 
gretwerdere  Richthofen  784;  mnl.  grietwaerdere  Ver- 
wijs-Verdasi  2,  2136.  mit  dem  15.  jh.  gewinnt  die  form 
auf  -el  das  übergeuicht :  griezwartel  schon  im  Rolandsl. 
s.  u.  2  a;  grieswartel,  -wertet  Diefenbach  i.9^  agoni- 
theta; gryeswartcl  ml.  hd.  böhm.  wb.  17;  griswertel  städte- 
chron.  2,  21,  11;  vgl.  die  quellen  bei  Haltaus  753.  öi. 
die  lexicographen  bevorzugen  sie:  grieszwärtel  interventor 
Frischlin  nomencl.  (1586)  281'';  grieswartel  Schottel 
328;  grieswartel,  -wärtclSTiELER24S9;  grieszwärtelApiNUS 
gloss.  nov.  (1728)  255;  sie  herrscht  bis  zu  den  erzählenden 
autoren  des  19.  jh.,  und  zwar  ausschlieszlich  in  der  um- 
gelauteten  ge.s/talt;  nur  die  angeführten  lexica  conser- 
vieren  die  form  -wartel. 

b)  1.  bestandtheil :  seit  dem  späteren  mhd.  nicht  selten 
greis-:  grcysswertel  neben  grysswertell  in  einer  qtielle 
des  iö.  jh.  bei  Haltaus  758;  greisswerter,  -wertl  mehr- 
fach in  der  Nürnb.  Zweikampf  ordn.  Haltaus  754/.;  greisz- 
wertel  Glaser  chron.  henneberg.  (1755)  166;  s.  0.  a;  vgl. 
auch  groiswerter  Diefenbach  529*  Sequester;  offenbar 
vermengung  mit  kreis  {als  'kamjjfkreis'  synonym  mit 
griesz),  wie  denn  das  wort  hie  und  da  in  die  form  kreis- 
wärtel  übergeht,  s.  th.  5,  2163;  eine  andere  volksetymolo- 
gische Umbildung  kriegswart  *.  tfi.  5,  2300;  eigen  griesel- 
warte  Haltaus  755  aus  Twingers  vocab. 
2)  bedeutung. 

a)  stehende  figur  im  personal  der  turniere  und  ge- 
richtlichen zxceikämpfe ;  Stellung  und  fimction  wechselnd: 
'grieswartel,  derjenige  aufseher  bei  den  ehemaligen  tour- 
nieren,  welcher  die  gviesstange  fährte,  und  diese  zwischen 
die  kämpfenden  warf,  wenn  sie  zu  hitzig  tcurden,  oder 
wenn  einer  der  kämpfenden  friede  begehrte'  HObner  zei- 
tungslex. 2,  87*;  vgl.  grieszstange  und  stange  2b,  th.  10, 
2,  802; 

thO  wfste  man  sie  zesamene. 

ttiie  griezwartel  sie  maneten: 

ein  ander  sie  ane  ranten        Hol.  8913  Bartsch; 

ich  hazze  iuch  Juden  sunder  mäze,  '' 

umb  den  gelouben  swert  der  kristen  trag  ich  bar 
in  herz,  in  hant,  die  wtl  ich  lebe, 
vrid  üz  gegen  in!  ziuh  üz  den  boum,  griezwarter! 
den  kämpf  ich  nieman  scheiden  läze 

Regenbogen  bei  v.  d.  Hagen  minnes.  3,351''; 

in  {den  beiden  kämpfern)  was  also  gerfimet 
daz  si  dehein  griezwarte  schiet 

Stricker  Karl  10158; 

al'i  halt  brach  der  von  Anhalt  den  stab  in  seinen  hen- 
den  habende,  gab  damit  zaichen,  dasz  die  grieszwarten 
damit  schaiden  selten  Wilto.  v.  Schaumburg  157;  die 
grieszwerten  bedeckten  den  Schweizer  mit  einem  mantel, 
trugen  in  in  die  schleus  124; 

darzu  ordneten  sie  aisander 
,  griswertel  und  dergleich  ein  thail, 

welche  hielten  zwischen  dem  sali 

H.  Sachs  2,  346,  4  Keller; 


287 


GRIESZWART 


GRIESZWASSER  —  GRIFF 


288 


aber  so  man  zum  thurnier  bereit  ist,  sollen  vier 
darzu  als  grieszwerttel  und  vier  zwisehen  die  seyle 
verordnet  werden  Moscherosch  gesichte  (l650)  2,  376; 
jede  partei  hat  ihre  grieszwärtel,  die,  statt  untergeord- 
neter functionen,  auch  Stellung  und  aufgäbe  von  secun- 
danten  haben  können:  soll  der  kempfer  durch  seinen 
fursprechen  ferner  fragen,  ob  er  durch  recht  und  nach 
Ordnung  des  gerichts  icht  billich  haben  solt  sein  war- 
ner,  lusner,  griesswerter  Haltaus  754;  es  was  des  Hugo 
griswertel  der  herr  von  Pern  und  des  Petrus  griswertel 
was  her  Peter  vom  Roslein  stüdtechron.  2,  21,  il;  nach 
dem  die  griszwärtel  die  wehre  beyderseits  besichtiget 
Moscherosch  gesichte  (1650)  2,  276;  bildlich:  und  einer 
so  ungöttlichen  sach  machen  wir  Christum  nit  allein 
ein  grieszwarter,  sonder  ein  hauptmann  Varnbüler 
dulce  bellum  (1519)  C  3^  (et  spectatorem  et  autoreni); 
kampfrichter :  grisswärtel  sind  judicirherren,  zu  welchen 
ämptern  die  vornembste ,  berühmteste ,  erfahrnste  und 
ansehnlichste  under  der  ritterschaft  erwöhlet  werden 
Moscherosch  gesichte  (1650)  417;  befehlshaber  und  griess- 
waertel  ...  die  dann  allerding,  wie  sich  ein  jeder 
rott  in  solchen  ritterschimpf  und  feldscharmützel  ge- 
brauch halten,  darob  seyn  und  fürsehung  thun  solten 
Haltaus  754;  in  den  alten glossaren  vielfach  mit  agonitheta 
gegeben  Diei'enbach  19";  vgl.  noch  bei  Stieler:  diri- 
bitor,  distributor  et  judex  armorum  2439 ;  so  schon  mhd. : 

die  wile  der  raan  im  kämpfe  stät 
und  im  sin  kampfgenöz  niht  hat 
des  wären  sigis  aldfi  veriehin 
und  diu  vergibt  niht  ist  geschehin 
von  dem  renten  griezwart, 
der  da  ubir  ist  geschart 
daz  er  die  wärheit  kiese, 
wer  da,  mit  reht  Verliese 
alder  da  gewinne 

H.  V.  Langenstein  Martina  23,  67; 

sie  (.die  kinder)  wären  eteswenne 

mit  strJte  gemellich, 

also  daz  &i  dC  teilten  sich 

und  machten  krieges  parte : 

j6  was  er  ein  griezwarte 

und  ein  guöt  rihter  under  in 

Kokk.  v.  Würzburg  troj.  622; 

es  scJieint,  als  uenn  diese  bedtutung  die  älteste  ist. 

b)  aus  der  technisch  begrenzten  bedeutung  flieszt,  nicht 
scharf  zu  sondern,  eine  allgemeinere;  statt  kampfrichter 
'Schiedsrichter' :  grieswärtlin  nennt  Osw.  v.  Wolken- 
stein die  schiedsrichterin  zmschen  2  streitenden  beicer- 
bern,  ged.  112,  58  Schatz;  vielfach  mit  Sequester  übersetzt 
s.o.  la;  groiswerter  ve? richter  Diefenbagh  529*;  richter, 
grieszwart  iustitiarius  313*;  nov.  gloss.  224*^;  iusticio- 
narius,  iusticiarius  Haltaus  755  aus  Twingers  vocab.; 
zu  disem  meinem  schülrecht  hab  ich  euch  für  mein 
aufheben  zum  richter  und  grieszwertel  erweit  See. 
Frangk  sprichw.  vorr.;  da  musten  die  vier  obbenannten 
Vertragsfürsten  abermalen  ihre  räthe  zu  greiszwerteln 
zwischen  den  parteien  ordnen  und  niedersetzen,  welche 
über  den  jüngsten  vertrag  noch  einen  beivertrag  auf- 
richteten Glaser  chron.  henneberg.  (i755)  166;  statt  se- 
cundant  'anivalt,  sachtvalter' :  der  ist  seiner  sei  ein  un- 
getreuer griswarter  Schmeller  l,  1012 ;  maister  Husse 
vorprant  wart,  und  dorzu  wart  gegeben  herzog  Ludwig 
von  Heidelberg  von  dem  consilium  und  dem  romischen 
konig  also  ein  grisswerter  des  gotlichen  rechten  Halt- 
Aüs  755;  diese  bedeutung  ist  alt,  denn  schon  ahd.  griz- 
uuarton  caduceatores ,  legati  pacis  Schmeller  l,  1012; 
fraglich,  ob  hierher:  wir  haben  unsern  .  .  .  lieben  ge- 
trewen  Adam  von  Berstheim  den  ladehof  bey  Hagenau 
gelegen  mit  dem  gericht  das  von  alters  her  darinn  ge- 
halten ist,  und  das  grieszwartambt  zu  Ebenheim  .  .  . 
zu  leben  gnediglich  geraicht  und  verlihen  Alsatia  diplom. 
2,  411  Schöpflin  (a.  1479). 

c)  im  gedächtnisz  der  neueren  zeit  ist  nur  die  bedeu- 
tung des  untergeordneten  turnierdieners  geblieben,  vgl. 
Adelung,  Campe,  Heinsius;  die  grieswärtel  waren 
zur  erhaltung  der  Ordnung  bestimmt  Vieth  encyl.  d. 
leibesüb.  l,  245;  die  grieswärtel  machten  ihm  in  dem 
gedränge  platz  Arnim  3,  211  Grimm;  die  grieswärtel 
sprangen  bereits  herbei,  die.  .  .  unbehilflichen  kämpfer 


auf  die  mächtigen  turniergäule  zu  heben  H.  v.  Schmid 
22,  111.  —  grieszwasser,  n.,  medicin  gegen  den  harn- 
griesz:  ain  griesswasser,  wie  es  herzog  Ulrichs  von 
Mechelburg  .  .  .  wittib  selbst  brennet  zs.  d.  hist.  ver.f. 
Schwaben  8,  136  (bair.  quelle  von  I6I1);  recept  bei  Campe. 
—  grieszweise,  adv.,  durch  sa7idanspülung,  in  älterer 
rechtssprache:  und  wurd  mit  recht  auz  bracht,  daz  der 
Lech  ie  dem  man,  alz  daz  rüder  gat,  geben  und  nemen 
mag  gantzer  wasen  weis  oder  griesz  weiz  mon.  boica 
22,  349  {quelle  v.  1367) ;  vgl.  aber  was  das  wasser  iemand 
in  grieszweisz  gibt  und  anschütt,  das  soll  dem  bleiben 
und  zuesteen,  dem  es  angeschütt  und  gegeben  ist  österr. 
weisth.  1,  158,  8.  —  griesz  werk,  n.:  'gr.,  grundwerk 
alles  dasjenige,  wodurch  eine  milhle  geschützet,  d.  i.  das 
ivasser  gehemmet  toird'  Jacobs  SON  technol.  lob.  2,  152" 
mit  genauer  erklärung;  das  ganze  gerippe  eines  schützen- 
wehres  heiszt  auch  grieswerk,  fachzeug  Lueger7,  246; 
vgl.  grieszsäule  1.  —  griesz  würz,  -wurzel,/.,  ameri- 
kanische pflanze,  cissampelos  pareira  Schwan  tiotiv. 
dictionn.  l,  789*^;  Nemnicii  209;  Oken  S,  2,  1248;  zur 
Sache  besonders  Dietrich  3,  114/.;  diente  als  heilmittel 
gegen  Steinbeschwerden. 

GRIETE,  f.,  beim  scJiiffbau  rippe  zwischen  den  deck- 
balken  Bobrik  319 ''. 

GRIETLICH,  -LING,  *.  grittlich,  -ling. 

GRIFF,  m.,  prehensio,  tactus,  jiugillus,  uncus. 

form. 

1)  griff  ist  verbalsubst.  zu  grifan,  grundbedeutung :  das 
greifen;  icestgerm.  als  masc.  *gripi-:  ahd.  -grif  (in  com- 
positis);  mnd.  gripe,  grepe,  nd.  grep,  gräp;  m7il.  grepe, 
greep,  nnl.  greep;  aengl.  gripe,  engl,  gripe;  nordgerm. 
als  neutr.  *gripa-:  alt.  dän.  grib;  norweg.  grip;  schtoed. 
grep  (anord.  *grip  fehlt);  daneben  steht  ein  germ.  fem. 
*graip5,  grundbedeutung  anscheinend:  das  greifende  ding: 
ahd.  greifa  bidens  Grafp  4,  319;  mnd.  nd.  grepe  mist- 
gabel;  ebenso  mnl.  nnl.  die  beiden  snbstantiva,  zu  denen 
noch  ein  germ.  schic.  masc.  *gripan-  kommt  (aengl.  gripa 
manipulus,  pugillus;  norweg.  gripe  greifende  hand,  pu- 
gillus;  schued.  grepe  griff,  henkel),  haben  sich  gegenseitig 
beeinfluszt:  im  nl.  sind  masc.  und  fem,  infolge  der  for- 
malen annäherung  fast  bis  zur  tmtrennbarkeit  verschmol- 
zen;  im  nd.  scheint  der  unterschied  grep,  m.,  griff,  und 
grepe,  /.,  gabel,  im  ganzen  noch  intact  (».  sp.  10 f.  unter 
2  greif  tmd  tmten  II  E  2);  im  hd.  sind  wieder  Vermischun- 
gen zu  beobachten:  es  erscheint  ein  st.  masc.  greif  gabel 
(s.  sp.  10/.  2 greif);  ferner  griff  als  gabelförmiger  hebel, 
also  in  der  bedeutung  des  fem.  (s.  u.  II  E  2). 

2)  ob  auch  bei  gewissen  scheinbar  rein  dialectischen 
oder  usuellen  Schwankungen  in  form  und  Schreibung  auf- 
gesogene formen  mit  hereinspielen,  sei  zur  erwägung  ge- 
stellt; mehrfach  erscheint  griefe  als  länge:  acc.  ein 
grieffe :  dieffe  H.  Sachs  (*.  w.  II A  3  a) ;  diesen  griffe  (:  tieffe) 
Kehrein  kath.  kirchenlieder  nr.  478,  38;  die  Schreibung 
grieff  ist  häufig,  namentlich  im  17.  jh.  und  besonders  auf 
ostmd.  boden;  vor  allem  im  schles.,  ivo  die  form  aus  der 
ma.  zu  erklären  ist  (vgl.  grieff:  schlieff  dormivit  LoGAU 
sinnged.  100  lit.  ver.);  bei  Opitz  und  Lohenstein  reich- 
lich zu  belegen;  noch  Steinbach  schreibt  nur  grieff  wb. 
1,  639;  loelter  des  öfteren  in  druckioerken  sächsisclier  her- 
kunft:  Mathesius  Syrach  (1586)  121».  121  *>;  V.  Herber- 
ger (s.  u.  II  B  1  c);  Chr.  Weise  d.  drei  klügsten  leute 
(1675)  127;  Schütz  hist.  rer.pruss.  (1592)  6,  c  iv'';  Pape 
bettet  u.  garteteufel  (1586)  P  3  R.  auf  westd.  boden  fast 
ausschlieszlieh  in  Frankfurter  drucken  (vgl.  aus  heutiger 
ma.  grief  Ruckert  unterfr.  64);  Kirchhof  wendumn. 
(s.  u.  II  B^4);  volksb.  v.  dr.  Faust  (s.  u.  II  B  2);  Nigri- 
NüS  voti  Zauberern  (1592)  83.  CoRViNUS  fo7is  latin. 
(1646)  81;  sonst  ganz  selten:  Güarinonius  (*.  «.  IIB  2); 
si7ig.  auch  grief  Lohenstein  Artnin.  (i689/.)  2,  188^. 
355''.  620'';  BüTSCHKY  Pathmos  405;  höchst  merkwürdig: 
bey  den  blutigen  griefen  Gerstenberg  (s.  u.  II  A  3  a). 

bedeutung. 

wie  in  dem  ve7bu7n  greifen  zwei  verba  verwandter, 
aber  klar  gesonderter  bedeutung  verei7iigt  si7id ,  tiäm- 
lich    grifan    capere   und   greifön  palpure   (vgl.  sp.  U/.), 


289 


GRIFF 


GRIFF 


290 


ist  auch  beim  substant.  eine  zwiefache  richtung  des  Sin- 
nes erkennbar,  wenngleich  sich  beim  substant.  noch  ent- 
schiedener als  beim  verbum  die  bedeutung  capere  durch- 
gesetzt hat. 

I.  an  grifen  palpare,  tasten,  fühlen,  sind  anzuschlieszen 

1)  griff  als  gefühl,  direct  zur  bezeichnung  des  5.  sinnes; 
bis  ins  16.  jh.  ganz  gebräuchlich: 

sin  gesiebt,  sin  beeren  und  sin  mas, 
stn  smak  und  grif  kiuscbe  was 

W.  V.  RuEiNAU  38,  22  Kelier; 

{das  bestimmen  der  mineralien)  geschieht  ...  in  vierer- 
ley  weg,  als  im  gesicht,  am  griff,  am  geschmack  und 
am  gehörd  Ryff  spiegel  (l5i4)  iiD*»;  die  instrument  der 
empfindtligkeit  verletzen,  als  das  aug  von  hällem 
glantz,  .  .  .  den  griff  wenn  etwas  zu  kalt  oder  zu  warm 
ist  Frisiüs  dict.  (1556)  274'';  es  ist  finster  und  must 
schier  nach  dem  griff  schreiben  Luther  23,471  Weim.; 
{er)  schosz  im  ritt,  im  tritt,  im  lauff,  im  sincken,  nach 
dem  augenmasz,  im  griff,  nach  des  daumens  absehen 
Fischart  geschichtklitt.  28i  neudr.,-  hier  ist  offenbar  die 
im  älteren  nhd.  nicht  seltene  bedeutung  'berührung'  an- 
zuschlieszen: tactus  DiEFENBACH  nov.  gloss.  Zbi^;  und 
so  man  daruff  greift,  das  das  pferd  den  griff  nit  emp- 
findet Mynsinger  V.  d.  falken  76  lit.  verein;  lindharte 
raarmolbrüstlein  .  .  .  auf  die  prob  der  spanischen  filtz, 
die  nach  palmenart  vom  griff  nicht  weichen  Fisghart 
geschichtklitt.  113  neudr.;  die  unholden  lämend  etwan 
lüt  und  vych,  wenn  sy  dieselben  nun  anrüerend,  streich- 
lend  oder  inen  griff  gebend  Staub-Tobler  2,  710  {quelle 
von  1569);  dasz  .  .  leuth  gewest  seien  .  .  welche  nur  mit 
eim  griff  der  schlangen  stich  geheilet  und  das  gifft,  so 
sie  ein  band  darauff  gelegt,  aus  dem  leibe  gezoget  haben 
Heyden  Plinius  (1565)  7  (ßerpentium  ictus  contactu  levare 
solitos,  hist.  nat.  7,  2,  13) ;  die  brechuhg  würdt  erkant  bey 
dem  griff  Braunsghweig  chirurgia  (1539)95*;  so  nament- 
lich am  griff  'beim  berühren,  anfühlen' :  aspera  tactu  rauch 
am  griff  Frisius  dict.  1288'^;  die  delphin  .  ,  .  gespitzelt 
Zungen  haben  scharpf  und  rauch  an  dem  griff  K.  v. 
ilEGENDERG  buch  d.  natur  235,  21;  der  honig  .  .  sei  .  . 
goldtgelb  von  färben,  .  .  am  griff  klebrig  und  feyst  Ryff 
confectbuch  (1548)  2 '' ;  die  Icltzen  .  .  kleiner  und  am  griff 
härter  Wirsung  arzneibuch  (1588)  541";  so  under  der 
haut  am  leib  auflief  ein  harts  gewächs,  das  sich  nit 
bewegen  liesz  .  .  .  und  wer  am  griff  demselbigen  glied 
gleich  Paragelsus  chirurg.  bücher  619  B  Huser;  vgl. 
wä  das  vel  {des  manschen)  dik  ist,  da  ist  ez  sieht  und 
ains  senften  griffs  K.  v,  Megenberg  buch  d.  natur  24,  2; 
im  17.  jh.  erlischt  dieser  gebrauch;  doch  spürt  man  die 
nachvrirkung  noch  spät:  hiesige  wolle,  ich  bitte  band 
ans  werk  zu  legen  .  .  die  herrcn  selbst  aber  scheinen 
nicht  von  hier  zu  sein  und  sich  auf  blick  und  griff  .  . 
nicht  verlassen  zu  können  Hippel  lebensläufe  i,  9.  in 
derselben  bedeutung  ivurzelt  der  griff  von  geweben:  'ein 
Mtidungsstoff  hat  griff,  icerm  er,  indem  man  ihn  durch 
die  hand  gleiten  Jüszt,  innere  festigkeit  bektmdet,  ohne 
gerade  steif  zu,  sein'  Staub-Tobler  2,  710;  alle  diese 
Operationen  sind  bestimmt,  das  ansehen  und  den  griff 
der  gewebe  zu  beeinflussen  Karmarsch-Heeren  i,  I7i; 
eine  art  des  appretirens,  .  .  um  .  .  den  geweben  griff 
und  Steifheit  zu  verleihen  Lueger  5,  19;  ähnlich  vom 
m^hl:  kein  müller  soll  das  mel  zäch  und  schlymerig 
machen,  sonders  uf  den  griff  (wie  maus  nennt)  malen 
Staub-Tobler  2,  710  {quelle  von  1593). 

2)  griff  als  ausdruck  der  schlächtersprache:  'gewisse 
kennzeichen  vermittelst  des  anfühlens  und  angreifens, 
uoratis  der  schlüchter  beym  einkauf  die  fleischigkeit, 
fettigJceit  .  .  .  eines  stücks  vieh  betirtheilet'  Jacobsson 
technol.  tcb.  2,  152''; 

ein  feiszes  (kalb)  weisz  ich  fast  wol  zfinden, 
gut  am  griff,  schwär  an  der  gwicht 

Georg  BiNOEa  in:  Schweiz,  schai'.ap.  1,  258; 

vgl.  deim  schon  mehr  als  einer  .  .  hatte  mit  eigentüm- 
lichem griffe  meinen  strotzenden  mantelsack  betastet, 
ungefähr  wie  die  metzger  thun,  wenn  sie  ,  .  .  ein  stück 
rindvieh  auf  seine  fettigkeit  prüfen  und  ihm  kreuz  und 
lenden  begreifen  G.  Kellhu  3,  116;  sprichwörtlich:  ein 
IV.  I.  6. 


stich  und  ein  griff  ist  einem  metzger  erlaubt  Fischer 
sehicäb.  3,  833;  s.  u.  \\  A.  Z  &;  dann  auch  concret  die  ent- 
sprechenden stellen  am  körperdes  Schlachtviehs;  im  Schweiz, 
vorzugsiceise  der  strich  der  haut  vom  bauche  bis  zwischen 
die  hinterkeulen  beim  rindvieh  Staub-Tobler  2,  710; 
sonst  meist  das  stück  fett  zwischen  den  hinterkeulen  in 
der  nierengegend  SCHMKL1.KR  1, 991 ;  AMARANTHES/rawensr.- 
lex.  688;  die  faistin  oder  griff  von  dem  gemästen  vich 
nit  herauss  zue  schneiden  Fischer  schwäb.  3,  833  {quelle 
von  1553) 

3)  griff  vom  betasten  der  frauen;  die  analogie  des  ver- 
bums (II  A  3.  sp.  24)  iveist  diesen  gebrauch  auf  die  linie 
palpare,  obgleich  das  Sprachgefühl  der  späteren  zeit  noch 
energischer  als  beim  vorigen  eine  Umsetzung  auf  die  linie 
capere  vorgenommen  hat;  schon  ahd.  concret  anegrip  se- 
cretum  mulieris  Grafp  4,  318;  besnidet  .  .  .  iwer  hente 
von  ubeln  griffen  spec.  eccles.  20,  9  Kelle; 

so  gap  sie  {die  weibliche  brüst)  griffe  suoze 

H.  V.  TüRLiN  kröne  23739; 

die  unkäuschen  schinf  haben  mit  halsen,  küssen  und 
bösen  griffen  Jelinek  böhm.  332  aus  Jon.  v.  Iglau; 
gripet  ein  mensche  den  anderen  an  in  unkuschliker 
leve  .  .  .  unde  wolde  he  de  unkuscheit  also  gerne  don, 
mochte  he  de  stede  unde  tyt  dar  to  hebben  als  den 
grepe  Schiller-Lübben  2,  144; 

ein  neuer  liebender  kömmt  nicht  mit  vollen  griffen, 
CS  hiesse  sonst:  monsieur,  ihr  seyd  zu  ungeschliffen 

Henrici  ernst-  schersh.  u.  sat.  ged.  1,  304; 

wag  es  einmal  mit  unzüchtigem  griff  meinen  leib  zu 
betasten  Schiller  räuber  3, 1;  denn  der  meister  Holder 
ist  aueJi  auf  mich  zugekommen  mit  unvorsichtigen 
griffen  0.  Ludwig  2,  48.  —  auf  weitere  spuren  der  be- 
deutung palpare  wird  unter  B  l  c  getviesen. 

II.  die  von  grifen  capere,  fassen,  ergreifen  abgeläuteten 
bedeutungen  wiegen  seit  jeher  vor. 
A.  die  thätigkeit  des  greif ens. 

1)  ahd.  nur  im  compos.  anagrif  Graff  4,  318  zu  be- 
legen; im  mild,  voll  entioickelt. 

a)  im,  eigentlichen  sinn: 

er  {der  lüwe)  hetem  den  schilt  nach  genomn: 

sin  erster  gdf  was  also  komn, 

durch  den  schilt  mit  al  den  kiän  Pars,  all,  24; 

wann  ihr  fein  züchtig  greifen  wolt 
und  nicht  zu  geitzig  in  das  golt, 
so  will  ich  euch  ein  griff  erlauben 

Fischart  Eulcnsp.  443  Hauffen; 

eine  grosse  glücksbude,  da  griff  nun  hinein  wer  wolte, 
es  muste  aber  die  person  vor  einen  iedweden  griff 
einen  ducaten  geben  Chr.  Reuter  Schelmuffsky  102; 
indem  ich  die  ärmel  wieder  hervorziehe,  die  meinen 
armen  bei  dem  hohen  griff  etwas  zu  kurz  geworden 
Brentano  5,  392;  in  jüngerer  spräche  öfter  gesteigert  zur 
bedeutung  des  gewaltsamen  ergreif  ens,  packens: 

0  arm  und  bände  Jesu  . ,  . 
umbfasset  mich  nit  lind  noch  leisz, 
darf  euch  der  griff  ermahnen : 
starck  heftet  mich  an  seine  bnist 

Spee  trutzaacht.  (1649)  0; 

was  mir  mit  ungestümer  hand 
ein  unerlaubter  griff  entwandt 

Triller  poet.  betracht.  (1750)  6,  348 ; 

betracbt'  ichs  recht,  so  gleicht  die  band  des  menseben, 

wenn  sie  die  finger  ausreckt,  einer  spinne. 

ein  griff"  —  sie  hält  —  und  läszt  nicht  wieder  los 

Wildenbruch  Karolinger  (1898)  74; 

dasz  es  {das  thier)  sich  bald  seinem  griffe  entwinden 
würde  Ratzel  Völkerkunde  2,  29;  legte  sich  hammer 
und  zange  zum  griffe  bereit  Immermann  1, 123  Hempel; 
so  wiederholen  sich  beim  substant.  bedeutungsschican- 
kungen  des  verbums,  s.  greifen  IB  3;   sprichwörtlich: 

fünf  finger  und  ein  griff  .  . . 

hat  mehrmals  schon  .  . . 

die  rechnung  ohne  wirth  gemacht  (d.  h.  gestohlen) 

Stoppe  Farnasz  (1735)  254; 

anders:  fief  finger  un  een  greep  is  de  beste  bewies  ein 
handgreiflicher  beweis   ist  der  beste  Schvtzk  holst.  2,70; 

19 


291 


GRIFF 


GRIFF 


292 


er  nimmts  im  griff  fährt  unbesonnen  zu,  iemere  agit 
Staub-Tobler  2,  709;  als  techniscTier  ausdruck:  und  soll 
darzu  vor  der  entlichen  tödtung  .  .  .  der  leib  mit  glüen- 
den  Zangen  gerissen  werden,  nemlich  mit  N.  (so  und 
jio  viel)  griffen  Carolina  art.  194;  vgl.  art.  ISO;  händedruck: 
ich  kannte  dich,  ohne  von  einer  geheimen  gesellschaft 
zu  seyn,  am  wort,  am  griff,  am  schlage  Herder  17,  131  ; 
in  der  liebe  giebt  es,  wie  in  jedem  geheimen  orden, 
zeichen,  wort  und  griff  Hauff  3,  276;  halb  concret,  der 
beutung  E  l  nahekommend: 

ein  haus,  ein  landgiit  kann  der  kleinen  habsucht  stillen, 
da  Stadt  und  länder  kaum  der  grossen  griffe  füllen 

Hagedorn  1,56; 

gehl:,  nehmt  meine  zügel  aus  des  alten  manns  griff 
Arndt  6,  224  Mösch-Sfeisner ;  gelegentlich  auch  als  sicJit- 
bare  spur  des  griffst  noch  heute  ist  der  griff  {des  ver- 
sinkenden riiters,  der  sich  am  geländer  festzuhalten 
suchte)  auf  dem  eisen  zu  sehen  Grimm  dtsche  sagen 
(1891)  1,  235. 

b)  in  übertragenem  gebrauch  wesentlich  erst  im  t9.jh.: 
was  wunder,  wenn  er  (könig  Franz)  da  oft  mit  despoti- 
schen griffen  dazwischen  fuhr  Laube  ^fes.  scÄr.  4, 141;  nie- 
mand war  sicher  vor  den  griffen  seiner  polizei  Treitschke 
dtscJie  gesch.  (1897)  1,  218 ;  der  sing,  gelangt  zu  prägnan- 
terer bedeutung:  jedes  volk  arbeitet  nach  seiner  art. 
der  griff,  womit  es  die  arbeit  anfaszt  Riehl  dtsche 
arbeit  i ;  er  {Rudolf  v.  Habsburg)  war  erprobt  .  .  .  als 
führer  von  schnellem  entschlusz  und  eisenfestem  griff 
Freytag  18,  81;  dem  vor  lauter  nachsinnen  .  .  .  der  be- 
herzte griff  des  verdichtens  abhanden  kam  E.  Schmidt 
in  0.  Ludwig  ges.  sehr,  i,  4;  besonders  von  einer  masz- 
regel,  entscheidung,  wähl,  die  ki'üm,  überrascJiend,  erfolg- 
reich zugleich  ist:  alles  grosze  verlangt  zu  seiner  be- 
handlung  eine  gewisse  kühnheit,  einen  'griff'  0.  Ludwig 
ges.  sehr.  5,  447 ;  allein  wenn  es  (das  bild)  gegen  die 
natur  ist,  so  sage  ich,  es  sei  der  kühne  griff  des  mei- 
sters,  wodurch  er  auf  geniale  weise  an  den  tag  legt, 
dasz  die  kunst  der  natürlichen  nothwendigkeit  nicht 
.  .  .  unterworfen  ist  Göthe  gespr.  6,  110  Biedermann; 
dies  {der  renommist)  ist  das  berühmteste  unter  seinen 
stücken;  er  hätte  auch  viel  mehr  recht  gehabt,  sich 
auf  diesen  griff  etwas  einzubilden  als  auf  den  Älurner 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  4,  103;  so  namentlich 
glücklicher  griff:  weil  sie  ...  auf  der  gränze  des  er- 
haben-poetischen .  .  .  steht,  so  will  ...  die  darstellung 
mit  einem  glücklichen  griff  des  geschmacks  gehascht 
sein  Göthe  48,  67  Weim.;  es  war  ein  unübertrefflich 
glücklicher  griff  Scharnhorsts ,  dasz  er  die  wähl  auf 
Blücher  zu  lenken  wuszte  Häusser  dtsch.  gesch.  9, 127 ; 
dieser  gang  ist  für  den  genialen  griff  eines  acht  analy- 
tischen kopfes  anzusehen  Hegel  3,  349;  ähnlich:  der 
seine  ansieht  aus  ganz  andern  quellen,  mit  viel  prak- 
tischerem griff  ausgebildet  hatte  Gentz  sehr,  t,  230; 
etwas  anders,  mit  hinneigung  zu  B  : 

der  feine  griff  und  der  rechte  ton 

das  lernt  sich  nur  um  des  feldherrn  person 

Schiller  Wallensteiim  lager  6. 

2)  stereotype  präpositionale  Verbindungen;  abgesehen 
von  an  {s.  o.  1 1)  und  mit  wesentlich  erst  seit  dem  18.  jh. 

a)  griff  nach  jjräpositionen ;  am  verbreitetsten  ist  mit, 
zu  dem-  sich  typische  adjective  gesellen: 

du  {leier),  die  sonst  meine  band  mit  kühnem  griff  gerührt 
Cronegk  sehr.  (1766)  2,  219; 

die  unbequemen  thatsachen  der  geschichte  schiebt  der 
idealist  mit  einigen  kühnen  griffen  zur  seite  Treitschke 
hist.  ti.  polit.  aufsätze  i,  24;  so  packte  er  sie  {die  gans) 
mit  sicherm  griff  am  hals  Hebel  2,  215  Behagliel;  er 
wuszte  nicht  einmal  unter  den  mustern  der  dichter 
mit  sicherem  griffe  zu  scheiden  Gervinus  gesch.  d. 
dtsch.  dichtung  3,  499;  hielt  ihm  mit  einem  geschickten 
griff  beide  arme  gegen  den  rücken  zusammen  Fouque 
zauberring  l,  127;  stieszen  mit  einem  mächtigen  griff 
die  .  .  .  lanzen  fest  in  die  erde  hinein  Steffens  was 
ich  erlebte  8,  83;  mit  eisernem  griff  umklammerte  ihm 
Ingo  den  arm  Freytag  8,  99;  er  musz  es  ertragen,  dasz 


der  kranke  nerv  seines  gewissens  mit  rauhem  griff  be- 
rührt wird  jaJirb.  d.  OriUparzergesellsch.  8,  31 ;  seit  dem 
älteren  nhd.  Itätifig: 

ich  will  dich  mit  eim  griff  umbbringen 

ROLLENUAGEN /rOÄcAmcMÄcier  (1595)  D  VI"; 

mit  einem  griff 
/.ergreif  ich  den  quark 

R.  Wagner  6,  89; 

etwas  anders:  man  könne  ein  katholisches  mädchen 
von  einem  protestantischen  mit  einem  griffe  unter- 
scheiden Nicolai  reise  durch  Deutschland  2,  467;  in 
derselben  bedeutung  nl.  met  6en  greep  woordenb.  d. 
nederl.  taal  5,  635;  ich  will  auf  einen  griff  so  viel  zu 
mir  stecken,  davon  ich  ein  halbes  jähr  genug  zu 
schiessen  .  .  .  werde  .  .  .  haben  Zend.  a  Zendoriis 
tcintemächte  (1682)  693;  wie  viele  parapluie  müssen  sie 
machen,  um  lOO  fl.  zu  profitiren  —  hier  haben  sie  sie 
auf  einen  griff  Bäuerle  kom.  tJieater  2,  77;  ich  ... 
machte  den  rantzen  auf  .  .  .  und  langte  im  ersten  grilf 
einen  seckel  herauss  Grimmelshausen  Äiwi^Z.  189  «rfr.,- 
ebenso  28; 

das  steht  Cleant  nicht  an,  .  .  . 

der  was  er  ohne  müh  und  in  dem  ersten  griff' 

nicht  haben  kan,  verschmäht 

Warnecke  poet.  verstwh  (1704)  39; 

der  alte  Gram  hatte  sie  auf  den  ersten  griff  Seidel 
Leber.  HühncJien  (1899)  26;  vgl.  du  erlagst  bey  dem 
ersten  griff  Schiller  2,  97 ;  unter  den  griff,  unter  dem 
ich  dich  hitzt  hab,  krieget  ich  dich  dann  kein  zweits 
mal  wieder  Anzengruber  1,  119; 

die  bremse  stöhnt  laut  unter  starkem  griff 
Arent-Conradi-Henckell  mod.  dichtcrchar.  66; 

seine  hand  löste  sich  von  der  kehle  des  kindes,  wel- 
ches sich  unter  seinem  griffe  wand  Hauptmann  bahn- 
icärter  Thiel  (1892)  56;  nd.  to  gräp  zitr  hand,  bereit 
Stürenburg  74". 

b)  Präpositionen  nach  griff;  am  häußgsten  in: 

steht  uns  ein  griff  oft  in  den  glückstopf  frey 

GÜNTHER  ged.  (1742)  942; 

und  wenn  eine  ganze  armee  viele  jähre  mit  blinden 
griffen  in  den  scliriftsack  zubrächte  Reimarüs  Wahr- 
heiten d.  natürl.  religion  126;  Lasally  .  .  .  sagte  mit 
einem  griff  in  die  tasche  Gutzkow  ritter  v.  geiste  2, 
340;  es  kann  der  griff  in  ein  Wespennest  werden  Alexis 
ruhe  (1852)  i,  2i8;  nach  analogie  von  ins  herz,  in  den 
busen  greifen  (s.  sp.  36/.):  {der  herr  hat  den  ungetretten 
haushalter  entlassen) :  das  wäre  ein  grober  griff  in  seinen 
busen  Abr.  a  St.  Clara  ehcas  für  alle  1,  245;  zuweilen 
geschieht  ein  blick,  ein  grif  in  den  eigenen  busen  Lich- 
tenberg nachlasz  37,  26;  das  stumpfe  küchenmensch 
aber  antwortete:  so  bin  nicht  ich!  .  .  .  ein  eben  so 
tiefer  als  wahrer  griff  in  das  menschliche  herz,  deren 
man  bey  diesem  schriftsteiler  so  viele  findet  Klinger  12, 
20;  Olga  fühlte  etwas  ^vie  einen  kalten  griff  in  ihr  herz 
Gutzkow  ritter  v.  geiste  6,  181;  vgl.  jenes  nagen  an 
dem  eigenen  herzen,  was  uns  diese  stücke  {Z.  Werners) 
verleidet,  hängt  mit  diesem  unwohlthuenden  griffe  iu 
unser  gefühl  zusammen  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dich- 
tung 5,  610;  auch  nl.  een  greep  in  het  gemoed,  het  hart 
woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  636;  jedes  grosze  werk  musz 
mit  einem  vertrauensvollen  griff  in  die  zukunft  be- 
gonnen werden  Stifter  14,  285;  'eingriff'  {fgl.  greifen 
C  2  a,  sp.  38) : 

dies  verbrechen,  das  dem  neuen  griff 
in  unser  recht  erwünschten  vorwand  lieh 

O.  Ludwig  3, 130; 

nach:  sein  erster  griff  war  nach  der  auster  in  der 
patrontasche  Gaüdy  13,  88;  der  griff  nach  der  Elbgrcnze 
war  ein ' gewaltiger  Mommsen  röm.  gesch.  5,  52;  jener 
griff  nach  der  kröne  war  dem  zweiten  geschlechte  vor- 
behalten Laube  4,  211; 

und  eh  auf  einer  domenkrone  schlief, 
als  einen^griff  nach  einer  goldnen  wagte 

Blumauer  ged.  (1782)  116; 


293 


GRIFF 


GRIFF 


294 


feste  forinel.  vgl.  greifen  B  i  b,  sp.  33;  schon  war  ich 
im  grif  nach  der  hand  dieser  lieben  matter,  um  sie 
/u  drücken  Hippel  lebensläufe  l,  180;  andere  präposi 
Honen  seltener:  so  sind  sie  müde,  satt  und  trübe,  und 
der  griff  zum  pistol  liegt  sehr  nah  Pückler  briefiv.  u. 
taget.  1,  305;  indem  er,  durch  einen  griff  an  seine  vio- 
lette mutze,  das  zeichen  zum  abschiede  gab  Nicolai 
Heb.  Nothanker  l,  161. 

3)  verbale  Verbindungen. 

a)  einen  griff  thun  in  schuankender  bedeutung:  ali- 
quid comprehendere  Steinbach  l,  639; 

bald  ein  hurtiger  schwartzer  knab 
an  eine  rant,  noch  fünf  mit  ihm, 
das  weib  das  kunte  schwätzen  nimm, 
es  mfist  zuvor  thun  einen  griff 

Fischart  flöhhatz  13,  367  neudr. ; 

indesz ,  wie  nahe  es  ihm  (Pompeius)  auch  gelegt  war, 
die  weisze  binde  um  seine  stirn  zu  legen,  .  .  .  als  es 
galt  den  griff  zu  thun,  versagten  ihm  abermals  herz 
und  hand  Mommsen  rihn.  gesch.  3,  192;  zumeist  mit  der 
Vorstellung  des  greif ens  in  eticas:  wie  kSnde  ich  so 
gern  einen  sogtanen  grif  tun  {in  den  schätz  des  heiles) 
SeüSE  dtsch.  sehr.  258,  ll; 

herr,  thUet  ein  grietfe.     , 
doch  greuffet  nicht  zu  dielfe 

H.  SAciirs  2->,  204  Keller-Götse; 

er  solt  ein  griff  in  das  gelt  thun,  was  er  in  den  griff 
bekam,  das  solt  ihm  verehrt  seyn  Zinküref-Weidner 
teutscher  nation  tceisheit  3,  73 ;  so  mag  man  in  den  sack 
einen  griff  unbesehens  thun  Olearius  verm.  reisebeschr. 
66;  auf  dieser  thätigkeit  des  greifens  ohne  zu  sehen  {vgl. 
greifen  II  A  2,  sp.  24)  beruht  der  blinde  griff:  man  thue 
einen  blinden  griff"  in  die  vindicias  meines  autors  Her- 
der 3,  327;  {gott)  der  freylich  in  seiner  wähl  keinen 
blinden  griff  thut  Dannhauer  caiechismus  milch  4,  ö^; 
vgl.  Reimarus  oben  2  b;  auch  im  nl.  een  blinde  greep 
woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  634;  entsprechend  ins,  ans 
herz  greifen  {sp.  36/'.  io):  er  verdruckte  seine  ächzer 
bey  den  blutigen  griefen,  die  diese  obotiitischeu  geyer 
in  seinen  busen  thaten  schlesw.  lit.  br.  24,  22  lit.  denk- 
mäler;  es  wäre  von  ihnen  begehret  worden,  Turenne 
solle  etwas  anfangen,  weil  Torstenson  dem  feinde  selbst 
einen  griff  ans  liertze  thun  wolle  Pufendorf  kriegs- 
gesch.  (1688)  2,  153*;  hemmend  eingreifen,  einen  eingriff 
vornehmen  {vgl.  greifen  C  2,  sp.  38): 

kein  kiuuz  und  triibsal  ist  so  tief, 
mein  Lciland  thut  darein  ein  griff, 
führt  mich  heraus  mit  seiner  hand 

Jon.  IlnERMANN  67; 

item  soll  keyner  dem  andern  in  seine  forstliche  gc- 
rechtigkeyt  und  wildbann  cyn  griff'  thun  Sebiz  f eidbau 
(1579)  561 ;  andere  präpositionen  seltener:  mit  vollem  halse 
ruft  jeder  seinem  glükke  zu  .  .  .,  strekket  hertz  und 
hand  ausz,  immer  einen  höheren  grif  nach  demselben 
zu  thun  ScHOTTEL  friedenssieg  9  neudr.;  mit  adjectiveu 
{vgl.  II  Alb):  wenn  er  nicht  verrückt  ist,  ...  so  hab 
ich  einen  glücklichen  griff  gcthan  und  mir  einen  un- 
schätzbaren cameraden  gewonnen  Holtei  erzähl,  sehr. 
11,  319;  du  hast  einen  schlechten  griff"  gethan,  Lebreelit. 
dieses  buch  hättest  du  nicht  mitnehmen  sollen  in  gottes 
grünen  wald  14,  117;  damit  {mit  dem  handbuch)  habe 
ich  einen  guten  griff"  gethan  Gervinus  an  W.  Grimm, 
briefiv.  2,  60;  anders:  he  dede  enen  goden  greep  er  nahm 
nicht  zu  wenig,  hatte  dabei  eiyien  guten  vortheil  Dähnert 
160^;  nach  I  2:  aber  der  metzger  will  erst  seinen  griff 
thun,  eh  er  einschlägt  0.  Ludwig  2,  339;  vgl. 

den  ci-sten  griff,  den  er  {der  metzger)  ja  thät, 
den  thät  er  nach  frauen,  ja  frauen 

Mittleb  dtsch.  Volkslieder  204; 
itn  plural: 

wer  schyessen  will,  der  lüg  und  triff; 
dann  dfit  er  nit  die  rechten  griff, 
so  schüszt  er  zu  dem  narrenschiff 

Beant  narreni-chiff  73,  36  Zamcke ; 
fleiszig  arbeiten: 

gschafft  und  gschaut  .  .  .  und  viel  griff  than 

Stelzhameu  2,  35  Rosegger. 


b)  griffe  machen  ist  weniger  entwickelt:  beim  herab- 
klettern am  tau  musz  man  .  .  .  griffe  machen  Jahn  2, 
70;  er  .  .  .  bebte  und  muszte  an  sich  halten,  dasz  seine 
bände  nicht  griffe  machten,  irgend  etwas  zu  vernichten 
POLENZ  Grabenhäger  i,  137;  im  sinne  von  I  3: 

da.5z  Furbienus  dir  verspricht, 
er  wolle  nicht  mehr  griffe  machen 
HoFFMANNSWALD.\u  «.  and.  Deutsch,  ged.  6,  30-4  Neukirch, 

durch  die  bedetitung  B  gefärbt:  er  schämt  sich  im  spiel 
der  allerniedrigsten  kunstgriffe  nicht  ...  er  hat  hiebei 
das  Unglück,  seine  griffe  sehr  ungeschickt  zu  machen 
Hermes  Sophiens  reise  4,  322;  lux.  mit  spielender  form- 
Veränderung:  griffo  machen  mausen  Gangler  189;  lux. 
ma.  (1906)  154''. 

c)  zu  griffe  kommen  herankommen,  anfassen  können, 
nur  im  nd. :  er  de  lüde  konden  to  grepe  komen ,  so  • 
brande  dat  dake  .  .  .  af  städtechron.  7,  402;  etwas  anders: 
to  greep  gaan  hitzig  zu  werke  gehn  Berghaus  l,  609 '^; 
he  geit  mit  mi  to  greep  er  geht  hart  mit  mir  um 
Schütze  holst.  2,  70;  dagegen  passivisch:  se  scholen 
komen  in  de  grepe  alle  erer  jeghenere  ihnen  anJieim- 
fallen  Schiller-Lübben  2,  144. 

4)  eigen  entivickelt  sich  der  gebrauch  des  ivortes  im 
mhd.  in  der  reimmetapher  kann  sich  die  bedeutung  bis 
zur  bloszen  Umschreibung  verflüchtigen: 

ir  rede  süezekeite  vol 
unde  ir  schoener  worte  grif 
hat  under  mines  herzen  schif 
gezogen  und  gesenket 

K.  V.  Würzburg  Engelhard  2225 ; 

want  er  vorbesichtic 
was  und  gar  iutrichtic 
in  vil  wiser  sinne  grif 

N.  V.  Jeroschin  4835;  vgl.  18809; 

auf  der  andern  seile  ist  eine  co7icretisierung  zu  beob- 
achten : 

in  siuem  vanen  staont  ein  roch : 

daz  bedüte  sinen  wlten  grif, 

daz  im  diu  erde  unt  diu  schif 

voUeclfche  gäben  riehen  zins 

Wolfram  Wiü.  382,  3 ; 
'umifang' : 

der  kUuic,  der  si  sande, 

des  herschaft  hete  witen  grif 

KoNR.  V.  WüRZBL'RG  troj.  19409; 

ir  hete  Acratöu  genuoc, 
diu  äne  Babylöne  truoc 
ame  grif  die  grojsten  wite  Furz.  399, 19 ; 

schlieszlich  ganz  concret  'bezirk':  ein  müli  mit  allem 
griffe,  reht  und  buwe,  so  dar  zu  höret  zs.  f.  d.  gesch. 
d.  Oberrheins  16,  107  {quelle  v.  1361) ;  diese  .  . .  gut  ,  .  . 
mit  allen  iren  gebe  wen  und  griffen  Fischer  schtväb.  3, 
833  {quelle  v.  1371);  später  eistorben,  nur  im  compos.  be- 
griff lebendig  geblieben. 

B.  die  art  und  tceise,  wie  man  greift;  der  gelernte 
'J^'iffs  kunstgriff;  tceiterhin  kniff,  list,  tücke;  namentlich 
im  16.  17.  jh.  auszerordentlich  verbreitet,  dieselbe  bedeu- 
tungsenttcicklung  auch  i?n  nl.  und  schued. 

l)  auszugehen  ist  von  den  griffen  einer  verrichttmg, 
eines  handtverks. 

a)  bei  einer  schweren  geburt  sollen  die  hebammen  die 
schwangere  frawe  zum  bett  verordnen  und  den  ersten 
und  besten  brauch  der  Schiebung  an  die  hand  nem- 
men,  mit  allen  griffen,  wie  in  dem  ersten  .  .  .  capitel 
dieses  buch  gelehret  .  .  .  wirdt  Ruoff  hebammenbuch 
(1580)  87;  der  meyster  sagt  im  {dem  leJirlinq)  nicht  .  .  . 
all  griff,  spitz  und  heymlicheyt  des  handwercks  Seb. 
FiiANGK  sprichw.  (1545)  1,  91"; 

das  ist  auf  sieden  recht  der  griff 

Fir^CHART  Eulensp.  266  Havffen; 

der  weder  art  noch  griff 
zum  steuern  weisz  Opitz  nach  Sanders; 

so  ist  doch  dieser  grief  auf  leinwand  zu  mahlen  so 
gemein  Lohenstein  Armin.  (lC89/.)  2,  188 '^; 

jetz  schnitzlet  er  ihm  bald  ein  schiff, 
ein  wäglein  nach  bestem  griff 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  2,  208  lit.  vor.; 

19* 


295 


GRIFF 


GRIFF 


296 


dann  auch  in  der  aphäre  des  unsinnlichen  die  technik, 
methode  irgend  eirier  kunst: 

in  ewren  ersten  jähren 
.  .  .  habt  ihr  alsbald  erfahren 
den  griff  der  rechenkunst 

Opitz  teutsche  poemata  234  neudr.  ; 

die  Spanier  seyn  zimlich  langsam  auf  den  rechten  griff 
der  poesie  gerathen  Hoffmannswai.dau  getr.  schäfer, 
vorr.;  gute  gewaltige  griff  im  reden  brauchen  nervöse 
dicere  Frisius  dict.  (i55e)  865^;  es  ist  ein  besondrer 
griff  in  der  redekunst  .  .  . ,  den  namen  eines  dinges 
nicht  zu  nennen,  wenn  man  das  ding  selbst  bey  der 
band  .  .  .  hatte  Bode  Tristram  Schandi  3,  67;  ein  groszer 
griff  in  der  versification  ist  es,  verwickelte  construc- 
tionen  .  .  .  auch  im  vers  anzubringen  Lichtenberg 
verni.  sehr.  2,  337; 

•wer  wird  uns  femer  nun  mit  stiller  griffe  weisen, 
gelehrtem  Unterricht,  erfahrner  weiszheit  speisen 

Treuer  deutscher  Dädalus  l,  126; 

auch  im  19.  jh,  noch,  doch  wird  das  wort  dann  icieder 
sinnlicher  empfunden : 

wie  bald  ist  ein  kleines 
körbchen  gemacht,  wenn  einer  den  grif  nur  tüchtig  gelernt 

hat 
Voss  ged.  (1802)  1,  27; 

es  wird  auch  nie  eine  lehrarbeit  recht,  wenn  ein  kind 
die  äugen  nicht  steif  darauf  hält,  bis  ihm  der  griff 
davon  in  die  band  kommt  Pestalozzi  Lienh.  u.  Oertr. 
3,  3i;  andere  gehen  darauf  aus,  den  geist  der  kunst .  .  . 
auf  mechanische  griffe  herunterzusetzen  A.  W.  Schlegel 
9,  15;  geringere  talente  glauben  immer,  es  käme  nur 
auf  griffe  an,  welche  die  groszen  faaeister  zufällig  ent- 
deckt hätten  H.  Grimm  Michelangelo  Z,  5;  und  mit  welcher 
gewandtheit,  die  jedes  griffs  sicher  ist,  hat  der  künstler 
.  .  .  JuSTi   Winckelmann  l,  256. 

b)  speciell  technischer  griff  in  der  handhabung  der  waffe: 
dieser  griff  und  gegenwurf  hat  wol  ein  feines  ansehen, 
kan  aber  leichtlich  untüchtig  und  falsch  seyn  von  der 
lanze  gesagt  Reütter  v.  Speir  kriegsordnung  81 ;  der 
Paradeschritt  taugt  nichts,  die  griffe  bleiben  falsch 
Fontane  I  6,  ii;  wie  da  die  griffe  klappten  49 ;  es  ist 
nicht  ein  griff  seit  1812  zugesetzt  worden  Wilhelm  I. 
militär.  sehr.  1,  344;  griffe  kloppen  soldatenspr. ;  zur 
Sache  vgl.  Poten  handtob.  d.  militär tviss.  9,  157;  ähnlich 
prägnant  spricht  der  turner,  der  ringer  von  griffen;  im 
bilde:  er  (Wagner)  ist  ein  meister  hypnotischer  griffe, 
er  wirft  die  stärksten  noch  wie  stiere  um  Nietzsche 
I  8,  18. 

c)  hierher  wohl  etwas  im  griff  haben,  gründlich  ver- 
stehen, völlig  geübt  sein  (obgleich  anknüpjung  an  griff  I 
tactus  nicht  undenkbar): 

wie  luthenschlagen  hab  ichs  im  griff 

Wickram  5, 127  lü.  ver.; 

du  bereitest  es  artig  und  meisterlich  als  ein  künstler, 
welcher  alles  im  griefl'  hat  Herberger  magnatio  dei 
(1607)  427;  auch  hatte  ers  im  griff,  durch  leichte  bau- 
liche Veränderungen  die  Wohnungen  um  ein  kämmer- 
lein  ...  zu  vergröszern  G.  Keller  6,  290;  in  jüngerer 
zeit  wird  die  wendung  wieder  plastischer  empfunden: 
ebenso  hilft  es  mir  nicht,  wenn  ich  den  winkel,  in 
welchem  ich  das  rasiermesser  anzusetzen  habe,  .  .  . 
wenn  ich  ihn  nicht  intuitiv  kenne,  d.  h.  im  griff  habe 
Schopenhauer  i,  98  Grisebach;  was  da  vor  wahr- 
heilen  mir  vor  äugen  stehn,  und  ich  habs  nicht  so 
im  griff  sie  in  ihrer  kraft  zu  erhaschen  Bettina  v. 
Arnim  dies  buch  gehört  dem  könig  l,  66;  in  obd.  und 
rhein.  maa.  heute  noch  allgemein:  der  N.  hads  zidern- 
gspül  im  griff  ist  darin  sehr  geschickt  Hügel  71;  i  hauns 
im  griff  wie  der  mezger  im  stich  Birlinger  schwäb.- 
augsburg.  201^;  vielfach  mit  dem  zusatz:  er  hats  im 
griff  wie  der  bettelmann  die  laus  Fischer  schwäb.  3, 
833;  vgl.  Staub-Tobler  2,  710;  Martin -Lienhart  i, 
271»;  FoLLMANN  216'';  Leihener  cronenberg.  47*»;  lux. 
mu.  (1906)  154'';  RvcKEKT  unterfränk,  6i;  auch  md.  und 
nd.,  doch  meist  mit  veränderter,  an  A  angelehnter  bedeu- 
tttng,  icie  auch  die  präpos.  in  durch  andere  ersetzt  icerden 


kann :  das  hab  ich  im  griffe  ich  greife  das  richtige  (dan 
rechte  masz)  ohne  zu  sehen  Müller  Fraureuth  1,442; 
he  heft  et  im  greppe  as  de  pracher  de  luus  'er  kann 
das  geschwinde  thun'  Strodtmann  osnabr.  76;  'er  hat 
es  geschwinde  gefassef  oder  schnell  erdacht'  Richey  harn- 
bürg.  80 ;  mancher  hat  eine  lügen  im  grif,  wie  der  pra- 
cher die  laus  Reinicke  fuchs  (Rostock  1650)  213;  he  het 
se  to  grepe  as  de  pracher  de  luus  von  jemand,  der  all- 
zeit mit  einer  lüge  bei  der  hand  ist,  brem.  wb.  2,  544; 
he  hadde  dat  upn  greep  er  durfte  nur  die  hand  danach 
ausstrecken  Dähnert  160'';  vgl.  schon  bei  Kirsch  im 
griffe  haben  in  numerato  habere,  cormicop.  2,  159*,  ähn- 
lich Steinbagh  1,  639;  wo  die  präpos.  an  erscheint  (vgl. 
I  l),  taucht  auch  im  sinn  die  bedeutting  I  tactus  wieder 
auf: 

sie  wissen  ietz  die  rechten  griff, 

wa  jeder  sitz  im  narrenschiff, 

und  die  rechten  Strassen  find, 

obschon  einer  wer  blind, 

das  es  dannocht  het  am  griff, 

wa  ieder  in  den  narren  schlilf 

Murner  luth.  narr  3939  Kurz; 

die  Schlächter,  wann  sie  schlachtochsen  kaufen,  habens 
am  griffe  wie  viel  ein  ochse  talck  oder  unschlet  hat 
viehbüchlein  7;  am  (im)  griffe  haben  etwas  im  gefühl 
haben,  es  beim  greifen  sogleich  fühlen  Campe  ;  docJi  hat 
Steinbach  in  diesem,  sinne  auch  in:  er  hats  im  grieffe 
seit  quantitatem  ex  tactu,  leb.  l,  639;  Varianten:  der 
Schulmeister  machte  eine  rechnung  vor,  die  schüler 
sie  nach,  ...  bis  sie  das  nachmachen  in  griff  bekamen 
Gotthelf  ges.  sehr,  l,  124;  so  würde  man  durch  die  .  .  . 
handhabung  einen  griff  darauf  kriegen  allg.  dtsch.  bibl. 
6,  106;  weiter  ab  steht  einen  guten  griff  haben:  er  musz 
einen  guten  griff  haben,  ein  gutes  lied  sowohl  hervor- 
zubringen als  zu  beurtheilen  Bürger  133'';  in  techni- 
scJier  Verengung  vom  gewandten  setzer,  der  ein  möglichst 
hohes  resultat  in  der  satzmenge  erzielt;  gegentheil:  einen 
schlechten  griff  haben  Klenz  druckerspr.  49». 

2)  doch  frühzeitig  verselbständigt  und  von  jedem  con- 
creten  ausgangspunkt  losgelöst,  wenn  auch  die  erinnerung 
daran  noch  vorJuinden  ist:  (der  teufet)  saget :  hier  kanstu 
zum  herren  werden,  da  ist  ein  reiches  weih,  treibe  der 
liebe  mit  ihr  .  .  .  ohn  zweiffei  ist  mit  diesem  griff  der 
Joseph  in  Egypten  angegriffen  worden  Schupp  sehr.  616; 
mit  solchen  grieffen  haben  beinah  allezeit  die  geist- 
lichen den  weltlichen  herrn  nach  ihren  gutem  gegrief- 
fen  Spangenberg  henneb.  chron.  (l755)  346;  zunächst 
ohne  tadelnden  beigeschmack ,  'kenntnis.  kunst,  mittel': 
ein  unerfahrner  kriegsmann,  deme  die  kriegsvortheil 
und  geheymbnussen ,  die  lands,  feld,  Strassen  durch- 
strich und  andere  dergleichen  grieff  unbewust  Guari- 
NONius  greuel  d.  vencüstung  (1610)  109; 

doch  weil  der  himmel  mir  gelück  allein  gewähret 
und  nicht  zugleich  den  griff  dem  glücke  fürzustehn 

Hoffmannswaldau  getr.  schäfer  147; 

ich  müszte  durch  griffe  euere  gemüter  zu  sänftigen 
mich  bemühen  Opitz  Argenis  i,  737;  ich  sah  dieses 
als  einen  griff  an  mir  auf  eine  gute  weise  zu  sagen, 
ich  würde  übergangen  werden  Lichtenberg  briefe  2, 
345;  in  der  regel  aber  mit  dem,  nebensinn  des  listige)}, 
unfairen,  betrügerischen  (Hildebrand  sucht  den  Ur- 
sprung dieser  bedeutung  zu  speciell  im  kampßeben,  s. 
kunstgriff  th.  5,  270i); 

der  heuchler  praucht  gleich  diesen  grieff: 
mit  süesen  worten  sich  lest  hören 

H.  Sachs  22,  3G6  Keller-Götze: 

die  geizigen  iren  nechsten  mit  täglichen  aufsetzischen 
griffen  betriegen  Kirchhof  toendunm.  l,  218  lit.  ver.;  jetz- 
und  erkennest  du  die  wunden  meines  hertzen,  es  ist 
zeit,  dasz  du  deine  kunst  brauchest,  alle  deine  alten 
steg  und  renck,  alle  liebliche  und  schmeichelhaftige 
wort  und  griff  buch  d.  liebe  (1587)  209  <=; 

gewisz  ein  feiner  grif!  hört  und  bewundert  ihn! 
dasz  man  vorwürfe  macht,  vorwürfen  zu  entfliehn 

Lessing  5, 118; 

meynst  du,  vogt,  wir  mereken  den  griff  nicht,  er  (der 
schloszherr)  will  das  wirthshausrecht  ins  schlosz  ziehen 


297 


GRIFF 


GRIFF 


298 


Pestalozzi  sämtl.  sehr,  i,  47;  'dergleichen  diebes-  und 
andre  dergleichen  griffe  mehr  sonderlich  in  einer  wirth- 
schuft  im  schtvange  gehen,  davor  sich  aber  ein  hauswirth 
wohl  vorzusehen  hat'  allg.  haush.  lex.  1,  621;  noch  heute 
im  dialect:  der  steckt  vollen  griffe  ranke  Fisch ek 
.•^chwäb.  S,  833;  namentlich  von  kunstgriffen  und  ranken 
in  poliiik  und  diplomatie:  wie  aber  dieses  fehl  schlug, 
nam  er  einen  andern  griff  Tor  die  band  und  liesz  .  .  . 
ein  schreiben  ...  an  den  obercommendeur  abgehen 
Chemnitz  schwed.  krieg  i,  455;  es  steckt  aber  dahinter 
ein  nicht  geringer  politischer  griff  Leibniz  dtsch.  sehr, 
i,  194; 

es  hat  der  staatskunst  griff  manch  volk  ins  joch  gebracht 
Schwabe  belustiynngen  5,  84; 

in  diesem  regewerden  der  Verachtung  aller  gewöhn- 
lichen diplomatischen  formen  und  griffe  J.  Grimm  a» 
Wilhelm  briefw.  386;  überaus  häufig  ferner  in  der  geist- 
lichen kämpf  literatur  (s.  u.  3 — 5),  gern  auch  von  den 
schlichen  des  satans:  das  ist  des  diaboli  griff,  ut  'in 
occulto'  Luther  17,  l,  55  Weim.;  derhalben  uns  auch 
der  getreue  gott  so  treulich  .  .  .  für  desz  teuffels  grief- 
fen  .  .  .  walirnet  volksb.  von  dr.  Faust  8  neudr.; 

0  griff  des  satans 

Triller  poet.  betracM.  1,  300; 

item  das  ist  auch  eyn  gryff  des  eygennützes,  das  drey 
odder  vier  kauffleut  haben  eynerley  odder  zweyerley 
wahr  unter  yhren  henden  Luther  15,  308  Weim.; 

in  der  Stadt, 
da  eine  von  den  grösten  frauen 
den  griff  der  buhlerey  mir  wollen  anvertrauen, 
ich  weisz  es,  was  mein  sinn  von  ihr  gelernet  hat 

HoFFMANNSWALDAu  getr.  Schäfer  21 ; 

bisweilen  mit  algeschicächtem  sinn  als  'maszregel' :  auf 
das  wir  aber  die  sach  mit  recht  angreiffen  und,  wie 
angefangen,  hinausz  füren,  ist  das  der  rechte  natür- 
liche griff,  das  bey  nächtlicher  weil  ein  yeder  auf  der 
gassen  ein  windtliecht  tragen  soll  Lindener  katziporl 
64  Ut.  ver.;  ja  eben  der  griff  oder  verhüllen  war  für 
gott  auch  nicht  ein  gut  werck  sondern  sünde  Irenaeus 
Adam  u.  Eva  (1570)  So'';  oder  gefärbt  als  'geheime  ab- 
sieht, zxveck,  grund': 

das  ich  sytz  vornan  in  dem  schyff, 
das  hat  worlich  eyn  sundren  gryff, 
on  ursach  ist  das  nit  getan 

Bkant  narrensch.  1,2  Zarncke. 

ich  hab  noch  kain  lust  zu  euerm  häufen,  Aveyl  also 
rutzigs  und  reudigs  durcheinander  geet  ...  es  hat  auch 
sunst  noch  ein  griff;  ist  der  feel,  ist  es  noch  hohe  zeyt 
H.  Sachs  22,  68  Keller- Götze;  L. :  warumb  blieb  der 
i'.berlin  nit  zu  Rynfelden?  Z. :  do  ist  ein  heimlicher 
gryff.  pfaff  N.  und  N.  haben  geldt  und  gutten  wein 
Eb.  V.  GÜNZBURG  3,  157  ncudr.;  eigen  ist  eine  nur  lexi- 
calisch  zu  belegende  bedeutung:  id  enim  quas-l  caput  et 
columen  impensarum  est  das  ist  der  recht  hafft  oder 
griff,  der  zu  erkennen  gibt,  ob  das  galt  wol  oder  übel 
angelegt  seye  Frisius  dict.  (l556)  253'';  captit  autem  est 
hoc  das  ist  das  fürnemst,  oder  der  rächt  griff  189^;  con- 
tinens  et  firmamentum  causae  dicitur  latine  quod  ptmc- 
tum  litis  decismium  vocant  der  recht  griff,  der  für- 
nembst  artickel  oder  hefft  eines  rechtshandels  322"; 
vgl.  haft  m.  4,  tJi.  4,  2,  130. 

3)  dem  unfesten  und  sittlich  indifferenten  char acter 
des  icortes  entspHcM  es,  wenn  es  in  der  regel  dtirch  at- 
tribtde  ergänzt  tvird. 

a)  von  den  typischen  adjectivattributen  beicahren  einige 
die  erinnerung  an  den  sinnlichen  begriff  des  subst.,  so 
vor  allein  das  häufigste,  geschwind  {ziemlich  beschränkt 
aufs  16.  jh.) :  ambiguitates  crocodilinae  sophistische  argu- 
ment  oder  gschwinde  griff  der  Sophisten  Frisius  dict. 
346*;  deren  überauss  geschwinde  und  bosshaftige  griff 
vil  teurer  heiligen  bey  den  alten  erfaren  haben  Hedio 
chron.  germ.  (15S0)  V";  die  warheyt  hat  ein  einfeltige 
red  und  darf  nit  geschwinder  griff  oder  umbschweyf 
der  auszleger  S.  Frangk  sprichic.  (l54l)  2,  lOl'';  seltener 
ohne  tadel:  eines  solchen  geschwinden  griffs  sollen  sieh 


dise  .  .  .  thier  gegen  den  muscheln  zu  ihrem  forteil 
wissen  zügebrauchen  Heyden  Plinius  368  (tanta  sollen-- 
tia  animalium  hebetiss-imis  quoque  est,  nat.  hist.  9,  30, 
90);  solche  sprüche  werden  sie  alle  mit  behenden  griffen 
verdrehen  Luther  28,  llO  Weim.;  mittler  zeit  nun  er- 
fuhr Evander  von  seiner  Pamülen  täglich,  was  die  vo 
rige  nacht  unter  ihnen  vorgegangen,  ja  er  wüste  fast 
alle  krumme  calvinische  griffe  groszer  klunkermutz  (i67i) 
40;   später  wieder  sinnlicher  gefühlt: 

ein  weiser  lebt,  obgleich  nicht  krumme  griffe 
ihm  geld  und  trost  in  schränk  und  kästen  ziehn 

Hagedorn  poet.  werke  1, 14; 

ein  blinder  griff  fallacia  Er.  Alberus  dict.  (1540)  89* 
(blind  MW  sinne  falsch,  unrecht  th.  2,  122);  die  papisten 
.  .  .  wollen  ihr  opfermesse  .  .  .  mit  listen  und  blin- 
den griffen  erhalten  Luther  30,  2,  612  Weim.;  weil 
wir  nu  hie  so  schönen  gewaltigen  text  haben,  so  last 
uns  fest  daran  halten  und  mit  keinem  blinden  griff 
der  Vernunft  meistern  noch  verfinstern  .  .  .  lassen  28, 
68;  häufig  hei  Luther,  vgl.  Dietz  2,  167^;  verborgener 
griff  hat  concretere  bedeutung:  'versteckter  mechanismus' 
{vgl.  grifflein) :  in  wölchem  .  .  .  sehr  vül  Wasserkunst, 
sonderlichen  von  verborgnen  grüffen;  do  einer  ettwan 
hinein  geth  .  .  .  hatt  es  seine  grüf,  das  einer  aller  nass 
wüert  Sam.  Kiechel  reisen  227; 

auch  war  ein  heimlich  schlosz  daran, 
das  kondt  nicht  öffnen  jederman, 
es  hett  verborgne  griff  zugleich 

Spreng  Hias  191"; 

fiengend  in  an  mit  subtilen  griffen  anzüzepfen,  kondten 
aber  nichts  von  im  erfaren  Wickram  2,  69  Ut.  ver.; 
auss  Ursachen  die  lemures  zu  erkennen  ist  ein  subtiler 
griff  Paracelsus  opera  2,  511  Huser;  listige  griffe  na- 
mentlich im.  17.  jh.  häufig :  wie  vielerley  arten  an  Schät- 
zung und  listige  griffe,  geld  damit  auszufischen,  sie  .  . 
erdacht  Breckling  regina  pecunia  (l663)  10;  die  listigen 
griffe  der  clerisey  Hahn  einl.  zu  d.  teutschen  Staats  .  . 
historie  2,  170; 

der  aber  gewandert  ist  ein  weil 

und  glemt  hat  frembde  griff', 

der  weisz  wie  man  der  Venus  pfeil 

sohlest  Hock  blumevfeld  37  neudr.; 

wie  es  beym  dantz  abgieng,  allwo  ich  mancher  künstlicher 
und  vorteilhaftiger  griff  warnahm  Grimmelshausen 
Vogelnest  2,  897  Keller;  ward  er  {der  angreif  er)  durch 
einen  sonderlichen  künstlichen  griff  des  hohmeisters 
.  .  .  anders  wohin  abgewendet  Schütz  hist.  rer.  prv^ss. 
(1592)  3,  V  IV';  einen  betrüger,  der  mit  sonderlichen 
griffen  denen  leuthen  das  geld  aus  dem  säckel  practiciren 
kan  mediz.  maulaffe  (1719)  115;  ich  weisz  einen  guten 
grif,  mit  gott  und  predigern  zu  handeln  gewissenh.  priester 
(1694)  105;  dasz  der  beste  griff  sei  zu  erhalten,  was  einer 
gern  hab,  dasz  er  einem  jeden  sage,  was  er  gern  höret 
Opel-Cohn  dreiszigjähr.  krieg  391;  über  rechten  gi'ifl' 
s.  u.  4.  5. 

b)  andere  attribute  bezeichnen  die  Sphäre  der  herkunft: 

sophistisch  griff,  ränck,  tück  und  stück 

Fischart  jesuiterhüU.  893  Hauffen; 

du  gost  mit  socratischen  griffen  um  verzucket  Pasquinus 
(1543)  131  **;  der  verfluchte  kerl!  mit  seinen  juristischen 
griffen  Gottsched  dtsch.  schaub.  5,  355; 

ich  tett  ains  niauls  ain  schwebschen  griff 

H.  V.  Sachsenheim  mörin  5848; 
{im  seihen  sinn: 


und  tet  ain  tuck  nauch  schwebscher  art 


5865); 


alle  yhre  bubenstücke,  romische  gryff  und  kunstleyn 
Luther  18,  255  Weim.;  das  sie  sich  von  den  frantzö- 
sischen  griffen,  die  voll  list  und  betrugs  seien,  weisz- 
lich  gehütet  haben  Achatius  144"^; 

baut  er  nur  auf  schlaue  streiche,  wälsche  griffe,  list  und 

kunst 
ScHÖN.^iCH  Heinrich  d.  vogler  (1757)  6 ; 

auf  böse  rencke  gedencken  und  auf  Juristen  giiffe 
Luther  tischr.  834";  advocaten-,  huren-,  kunst-,  lie- 
bes-, Schelmen-,  wortgriff  Kramer  teidsch-ital.  (1700)  i, 


299 


GRIFF 


GRIFF 


30() 


559'';  diebesgriff  ih.  2,  1095;  hilpeitsgriiT  th.  i,  2,  1332;  ih.  5, 
2701. 

i)  oft  erläutern  parallel  geordnete,  synonyme  oder  sinn- 
vericandte  substantiva  'de)i  begriff  des  Wortes :  das  ist 
nichts  denn  ein  falscher  tuck  und  böser  griff  Luther 
26,  584  Weim.;  schal ckeit  und  griffe  34,  2,  381;  ja  er  hat 
ihre  griffe  und  boszheiten  vor  unzehlig  gehalten  Arnold 
IdrcJien  «.  ketserhist.  2,  lO**»;  weil  sie  die  rechte  griff 
und  renck  nit  drauf  wissen  Aeg.  Albertinus  zeitkürzer 
(1603)  Gl";  kam  ihm  zu  sinn  eine  practick  und  grieff, 
von  diesen  beyden  {einem  liebespaar)  eine  beut  zu  er- 
langen Kirchhof  wendunm.  2,  444  Oesterley;  er  erdenkt 
den  list  und  griff  Luther  tischr.  326»; 

der  butz  ist  wider  auf  der  bau, 
braucht  vil  geschwindigkeit  und  griff 

Fischart  d.  geWirten  d.  verkehrten  1352  Kurz; 

durch  allerley  schlupfwinckel  und  griffe  den  Frantzosen 
die  pferde  .  .  .  practiciren  Hohberg  georg.  cur.  aucta 
.".,  87 '^;  ihre  Spitzfindigkeit,  ihre  griffe  und  hinterhalte 
Hippel  lehensläufe  2,  439 ;  unsre  altvordern  bAuchten 
das  wort  finanz  .  .  .  für  böse  griffe  und  kniffe  zum 
übervorth eilen  Körte  spricliioörter  lOl ;  in  harmloserem 
sinne:  wilche  die  rechte  kunst  und  der  rechte  griff  ist, 
aus  aller  not  und  angst  zu  komen  Luther  19,  215 
Weim.;  vorzeiten  haben  die  könige  diesen  griff'  und 
kunst  gebrauchet  Barth  tveibersp.  (1565)  D  vii"^;  durch 
was  für  griffe  und  künste  sie  (die  stadt)  gewachsen  und 
bis  noch  im  flor  stehe  BuTSCHKYPa<7tmos49l;  diese  koppe- 
lung  bis  ins  iT.jh.  nicht  selten;  vgl.  kunstgriff,  das,  im 
18.  jh.  in  schivang  kommend,  den  ersatz  des  in  diesem 
specialsinn  absterbenden  griff'  übernimmt;  es  ist  gold  .  . . 
durch  einen  so  gar  kleinen  und  ringen  griff  und  weg 
der  alchimia  zu  machen  Paracelsus  opera  (1590)  6,  387; 
und  gleich  einen  rechten  feinen  griff  und  mas  zeiget, 
die  Schrift  zu  lesen  und  handeln  Luther  bibel  7,  464 
Bindseil;  (Clemens  IV.)  welcher  schöne  griff  und  mittel 
kont  erfinden,  gelt  und  gut  zusamen  zurasselen  Fisghart 
linenkorb  (1588)  237'*; 

ich  weiss  die  rechte  griif  und  weiss, 
mein  gold  machen  behelt  den  preiss 

Rollenhagen  froschmeuseler  (.1595)  N  vii  •> ; 

weysz  ich  noch  kaum  ein  gesatz  und  griff,  damit  man 
gemainen  landfriden  beständiger  .  .  .  mög  erhalten 
S.  Franck  chron.  Germ.  (1538)  259'';  die  rächten  gründ 
und  griff  eines  redners  Frisiüs  dict.  (l556)  82'';  dis  ist 
die  regel  und  griff  die  schrift  auszulegen  Luther  wider 
d.  bapstum  (i545)  Vj'';  ich  spür  in  historiis  zwcn  griff 
oder  vorteil,  damit  uns  Teutschen  der  Türck  so  hart 
kriegt  S.  Franck  chron.  Germ.  154'';  bisweilen  nähert 
sich  die  bedeidung  dem  sinne  'erkenntnisz,  einsieht'  (vgl. 
greifen  B  i,  sp.  25):  die  Juden  hatten  ein  .  .  .  gesatz, 
die  falschen  propheten  zu  tödten  .  .  .  das  haben  sie 
nie  an  keinem  falschen  propheten  vollstreckt,  sonder 
allweg  die  rechten  propheten  darfür  ergriffen  ...  es 
iält  ihr  (der  tvelt)  am  griff  und  urtheil  S.  Franck  para- 
doxa  (1558)  34». 

5)  stereotype  Verbalverbindungen :  qui  hoc  potest  facere, 
der  hat  den  rechten  griff  Luther  28,  68  Weitn.;  ein 
ieder  buchstab  in  der  ebreischen  spräche  ein  sonder- 
liches geheimnüs  ...  in  sich  habe;  aber  den  rechten 
grif  hat  noch  keiner  Zesen  rosenmand  (l65l)  A5''; 
davon  stehe  nur  bald  ab,  es  ist  nicht  der  gryff  dazu 
(^BuCER:  nequaquam  hac  via  assequeris  quod  venans) 
Luther  14,  23  Weim;  ähnlich  33,  106,  35;  es  gehört  eyn 
ander  griff  datzu,  die  gewalt  thuts  nicht  ii,  264;  und 
aber  so  man  mit  dem  rechten  griff  kompt,  als- 
dann so  scheid  sich  der  tartarus  in  brentenwein  Pa- 
racelsus opera  1,  55  A  Iluser;  geschiehet  wol  oft, 
dasz  es  einem  so  sichs  unterstehet,  aber  die  rechte 
griff  nicht  weisz,  also  miszlingt  Agyrtas  grillenver- 
ireiber  (l670)  20;  disen  griff  kondt  C.  Caesar  Octavianus 
Stumpf  Schwytzerchronik  171^;  der  meister  hat  grosz 
macht  in  dem  köpf  stecken,  er  gibt  gute  griff  Keisers- 
BERG  evang.  (1517)  lö**;  ettliche  subtile  .  .  .  männer  die 
haben  die  bewärung  der  evangelischen  leer  erfunden 
im  sybende  hausz  der  hymelschen  figur,  ...  in  welchem 


winckel  inen  die  Venus  ein  gryff  hat  geben  Gengen- 
bach 202  Goedeke;  bette  freilich  der  teufel  kein  neher 
noch  mechtiger  griffe  erdencken  können  Luther  30,  2, 
598  Weim.;  bald  erfand  er  aus  der  feldstreitkunst  einen 
neuen  grif  die  Schlachtordnung  zu  stellen  Zesen  ge- 
krönte majestät  (i66i)  38;  lieber,  wiltu  ketzerey  vertrey- 
ben,  so  mustu  den  griff  treffen  Luther  ll,  269  Weim.; 
da  hat  der  teufel  eynen  hübschen  griff  troffen,  das  er 
die  leut  von  der  schrift  risse  12,  360;  mit  solchen  griffen 
gehen  sie  umb  Melanchthon  in:  corp.  doctr.  christ. 
(1560)  203;  wo  mit  thut  ers  aber  und  was  ist  der  grifi, 
den  er  dazu  braucht  Luther  12,  571  Weim.;  ebenso  int 
schwed.  bruka  fina  grep. 

C.  das,  woran  man  etwas  ergreift,  die  handhabe,  der 
handgriff;  jung,  erst  im  17.  jh.  häufiger ;  literarisch  am 
weitesten  verbreitet  ist  der  griff  der  hieb-  und  stosz- 
u'affen:  ein  ungewöhnlich  groszes  schwert  mit  langem 
griffe  Hauff  werke  (l890)  i,  I2i;  stach  seinen  degen  ihm 
bisz  an  den  griff  ins  hertze  Lohenstein  Armin.  I,  SC; 
langsam  schritt  er  einher,  die  linke  am  griff  der  seiten- 
waffe  HoLTEi  erzähl,  sehr.  20,  96;  bildlich:  (Marduff:)  ich 
bin  der  griff'  am  schwert  Müllner  dram.  werke  3,  197; 
vom  messer:  den  griff  hatt  ich  davon  vei'lohren  Scnocii 
stud.  leben  (i657)  E  4v ;  ein  florentinischer  dolch  .  .  . , 
von  zierlich  gearbeitetem   griff  Gutzkow  ritter  v.  geist 

2,  380;  wie  vertraut  war  die  hand  meiner  väter  mit 
diesen  griffen  an  den  lanzen  Tieck  sehr,  ii,  82;  ist  es 
gestochen,  so  musz  das  gewehr  von  der  spitze  nach 
dem  griffe  zu  .  .  .  geschmieret  werden  Fleming  vollk. 
teutscher  soldat  356";  englische  (geicehr)  schatte  haben 
weder  backe  noch  griff  Karmarsch-Heeren  3,  453;  den 
griff  der  andern  pistole  ...  im  kaftane  haltend  Stifter 

3,  31;  (den  pfeil)  faszt  er  sogleich  mit  dem  griffe  des 
bogens  Vieth  encyclop.  d.  leibesübungen  i,  135;  des  Spa- 
tens griff'  Freytag  2,  100;  lehnte  sich  auf  einen  kleinen 
stock  von  ebenholz  mit  rundem  griff  Laube  4,  35;  der 
griff  oder  hals  an  besaiteten  instrumenten  Walther 
musical.  lex.  380;  vgl.  lautengriff  manico  d'un  liuto  Kra- 
mer teutsch-ital.  (l700)  i,  .559'';  legte  ihre  schere  mit  den^ 
groszen  und  dem  kleinen  griff' .  .  .  auf  den  tisch  Auer- 
bach 15,  33;  dasz  ...  es  unmöglich  ist,  die  griffe  (eines 
galvano-elektrischen  apparates)  loszulassen  Seidel  vor- 
stadtgesch.  180;  da  ich  eben  den  griff  der  thüre  in  die 
hand  nahm  Tiiümmel  reise  3,  213;  einen  nachtriegel 
fand  sie  eben  so  wenig;  es  fehlte  der  griff'  desselben 
Holtei  erzähl,  sehr.  S,i2;  als  technischer  ausdruckt  von 
vorn  wird  sie  (die  vene)  durch  die  thymus  und  den  griff' 
des  brustbeines  bedeckt  Sömmering  bau  d.  menscfd. 
kötpers  3,  2,  298;  in  andern  füllen  mehr  mit  der  Vorstel- 
lung des  Jienkelförmigen : 

und  in  des  Schildes  griff  musz  sich  die  linke  fügen 

SCHILLEK  6,  378; 

noch  hab  ich  einen  korb  von  mittelmäszger  weite 
mit  einem  deckel  drauf  und  gritfen  an  die  seite 

Dusch  verm.  werte  476; 

eine  rokokokommode,  die  mit  Schildpatt  und  groszen 
goldenen  griffen  .  .  ausgestattet  war  Fontane  I  4,  109; 
verblaszt:  seine  bücher  waren  schwarz  eingebunden, 
silberne  griffe  .  .  . ,  das  heiszt :  der  titel  war  mit  ver- 
silberten buchstaben  eingestochen  Hippel  lebensläufe 
3,  237;  unsinnlich  wie  handhabe: 


beut  den  griff 
dazu  nicht  dar,  dasz  man  dich  werfe 
hin  in  die  gasscn  Heuder  27 


150; 


wenn  men  nit  mit  flattiere  d'  sach  g'winnen  chönn,  so 
sei  sie  verloren;  gesetzlichen  griff  hätte  man  keinen 
Gotthelf  nach  Staub-Tobler  2,  710;  nd.  greep  hand- 
griff Dähnert  160'';  grepc,  gripe  handhabe  Schiller- 
Lübben  2,  144;  ansia  eyn  hantgrepe  Diefenbach  nov. 
qloss.  25";  ancilla,  anxilla  grepe  ib.;  grepe  vel  togel  ut 
in  januis  Schiller- Lübben  2,  144  (quelle  von  1445); 
grebb  handhabe,  henkel,  Öhr  Schmidt-Petersen  53";  da- 
gegen ist  den  obd.  maa.  diese  bedeutung  anscheinend  von 
haus  aus  fremd;  im  scJiiceiz.  fehlend,  im  scJncäb.  'mehr 
gebildet'  Fischer  3,833. 


301 


GRIFF 


GRIFF 


302 


I 


D.  das,  was  man  greifi,  als  tingefälms  viasz:  'grif 
Jieisset  so  viel  man  mit  allen  fingern  in  einer  hand  fassen 
kann^  allg,  haush.-lex.  1,621;  schon  das  ahd.  hat  hant- 
grif  für  pugilhts  Isidor  19,9  Hench;  auch  mhd.  gelegent- 
lich: 

herze,  dirst  ze  gäch. 

volgest  du  den  ougen  nach 

das  ein  schoene  wlp  ersehen, 

s6  verst  in  den  Sprüngen  brehen 

unde  gedenkest  'heyä,  hct  ich  disen  goldes  grif 

Neidhart  100,  35; 

die  wohlgenährten  rate  mit  einem  guten  griff  der  kassen- 
gelder  in  der  tasche  Hauff  2,  61 ;  einem  YOgt  zuo  Zü- 
rich Süllen  werden  die  buossen,  so  vor  im  erteilt  werden, 
die  griff  salz  und  der  boden  wyn  und  nicht  mer  Staub- 
ToBLER  2,  711  {quelle.  V.  1465);  von  jedem  fass  fisch  be- ' 
zahlte  man  l  griff  als  zoll,  ib.  {quelle  v.  1474);  'greepe 
sind  in  der  pomm.  haffordnung  eine  partes/  fische,  uelche 
hey  der  eisfischerey  sich  die  bedienten  und  andre  von 
einem  zuge  ohne  entgelt  anmassen'  Dähnkrt  160 *•;  ein 
grieff  wolle  hapsus  lanae  Steinhach  l,  639;  ein  arm- 
voll  abgeschnittener  halme  Campe; 

hinter  den  mähern 
sammelten  knaben  die  griff'  und  trugen  sie  unter  den  armen 
rastlos  jenen  hinzu  V^oss  II.  18,  555; 

(/laXiig   dQayfiivovtti,    tv    uyxa?.l(^taijt  ipi'jor-Ci;. 
uoneo/ig  näQi/ov  E  555) 

im  forstwesen  =  spanne  Adelung,  in  älterer  spracJie  ge- 
radezu 'umfang':  ist  zu  versehung  solcher  schedlicher 
unortnung  {des  scJdagens  von  zu  jungem  holz)  geortnet 
worden,  das  denen  darzue  verordneten  ein  gewise  masz, 
so  vil  ieder  paumb  zum  w^enigisten  an  dem  griff  haben 
musz,  zugestölt  worden  österr.  weisth.  11,  407  {quelle  v. 
1600);  vgl.  griffig;  beim  nadler:  'diejenige  menge  von  ab- 
geschnittenen stücken  oder  drahtenden,  soviel  ein  arbeiter 
davon  auf  einm,al  zicischen  seinen  fingern  halten  kann' 
Jacobsson  technol.  tvb.  2,  isa**;  beitn  setzer:  eine  anzahl 
gesetzter  Zeilen  Klenz  druckerspr.  49"  mit  ireiteren  er- 
klärungen;  s.  auch  griffchen;  vgl.  grips. 

E.  das,  loas  greift. 

1)  von  ihierkraUen : 

{der  drache)  fuorte  mit  im  an  den  kämpf 

beidiu  rouch  unde  tampf 

und  andere  stiure  .  . . 

an  zenen  unde  an  griffen  Tristan  9025; 

frühzeitig  beschränkt  auf  die  klaue  der  ranbvögel  {vgl. 
fang) : 

sein  griff  so  adeliche, 

kain  nachtegall  fuzz  ward  nie  so  gar  geklenket 

rninncf alkner  4ö  ; 

und  würt  ynen  {den  adlern)  der  griff  oder  die  klawen 
ynwerts  gebogen  Eppendorff  Plinius  lo,  140;  in  dem 
sie  uns  .  .  .  mahlen  .  .  .  bald  mit  klawen  und  griffen, 
da  wir  doch  weder  adler  noch  greiffen  sin  Mosche- 
ROSCH  gesichte  (1650)  25;  der  grosze  adler  .  .  .  mit  un- 
gemein starken  griffen  Ritter  erdk.  4,  52;  noch  heute 
ausdruck  der  Jägersprache  Behi.en  forst-  tt.  jagdkunde 
3,  497;  auch  übertragen  für  einen  krallenschuh;  pflegt 
man  ihnen  {den  Jagdfalken)  einen  griff  (ist  ein  finger 
oder  zähe  wie  ein  lederner  daumling)  zu  machen  Hars- 
dörffer  poet.  trichter  3,  191;  unklar  ist  griff  als  jagd- 
uusdruck  an  folgender  stelle: 

man  wolt  nicht  lokchen  sprintzeu 
durch  paizzen  mit  dem  smalen  griff 

Suchenwirt  xviii,  139. 

2)  eisenspitze  am  schuh  oder  vorn  am  huf  von  Zug- 
tieren, gegen  das  gleiten  auf  eis  und  schnee  Fischer 
schiväb.  3,  833;  Staub-Tobler  2,  711 ;  Martin-Lienhart 
1,  271*;  da  es  auch  glatt  eiset,  soll  man  die  huf  eisen 
der  arbeitspferde  mit  scharfen  griffen  versehen  allg. 
haush.-lex.  1,  h2'';  fuszeisen  mit  zinken,  die  auf  die  ab- 
Sätze  von  bergschuhen  genagelt  xcerden  Staub-Tobler 
a.  a.  o.,  grobe  schuhnägel  Martin-Lienhart  a.  a.  o.. 
vgl.  griffeisen;  hebet,  der  zum  eingreifen  in  den  boden 
imten  mit  einer  eisernen  gabel  beschlagen  ist  Schmeller 
1, 991;  Fischer  schiväb.  3, 83S;  das  nd.  hat  in  der  bedentung 
{:mist)gabel  in  der  regel  ein  fem.  grepe  {vgl.  sp.  10/.  itnter 


-greif),  doch  sind  die  belege,  naiiientlich  aus  älterer 
Spruche,  z.  th.  zweideutig:  grepe  ciragra  {l.  creagra)  DlE- 
fenbach  nov.  gloss.  118*;  tridens  871*;  ^Zos».  596'';  tri- 
denarius  gloss.  595";  vgl.  gräp  gabel  mit  drei  zinken 
Stürenburg  74*^;  greep^5CÄfce5«e»-DÄHNERT  «O**;  tasche 
Schütze  holst.  2,  70. 

F.  griff  in  der  spräche  der  mtisik  vereinigt  verschie- 
dene bedeutungen: 

1)  urprünglich  beim  Saiteninstrument  das  greifen  der 
Saiten,  das  den  ton  erzeugt;  dabei  liegt  das  gewicht  bald 
auf  der  bloszen  thätigkeit  (griff  A),  bald  auf  der  kunst- 
fertigkeit  des  greifens  (griff  B): 

er  konde  woll  der  engel  griff  {heim  saitenspiel) 

Salman  u.  Morolt  2513; 

{die  laute)  erlangt  so  viel  mit  künstlich  griffen 
als  selbst  die  leut  mit  ihrem  rüffcn 

Fischart  lob  d.  lauten  v.  219  Hanffen; 

die  leyr  durch  die  nägel  oder  andere  Instrument  durch 
die  schlahenden  griff  als  vilfeltig  underscheidliche  man- 
cherley  stimmen  .  .  .  zöwegen  bringen  Ryff  anaiomi 
(1541)  K  VI»; 

80  leicht 
als  ein  akkord  dem  griff  des  lautenspielers 
steht  euch  mein  t:eist  nicht  zu  geböte 

Schiller  5,  192, 

die  töne  seiner  griffe  waren  wie  ein  leises  flüstern 
Heinse4,  95;  er  lasse  hören,  ob  er  einen  bessern  mei- 
ster  gehabt  hat,  dann  ich  erkenne  es  bald  am  ersten 
griffe,  was  hinter  einem  steckt  Weise  d.  drei  ärgsten  erz- 
narren 202  netidr.;  dann  auch,  mehr  als  terminus  tecli- 
nicus,  der  griff  der  linken  hund,  der  den  imi  variiert, 
indem  er  die  saiten  gegen  den  hals  des  instrumentes 
preszt:  die  ander  art  der  saitenspiel:  dye  selben  haben 
nit  Schlüssel,  aber  bände  und  sunst  gewise  zile  oder 
gemercke,  do  man  sicher  griff  mag  haben  Virdung 
musica  gelutscht  10  neudr.; 

{der  Violinist)  leistet  durch  der  griffe  Sicherheit 

und  seiner  finger  Schnelligkeit 

mehr  als  man  menschen  möglich  dachte 

Ayrenhoff  5,52; 

in  diesem  sinne  auch  von  der  flöte:  dieser  griff  gibt  C  sol 
Agricola  musica  instr.  12  neudr.;  doch  findet  dieser 
griff  nur  bey  langsamer  bewegung  statt  Quant/  anw. 
d.  flöte  zu  spielen  (1789)  35;  t'owi  tasteninstrument:  {der 
Organist)  musz  ...  in  der  linken  band  .  .  .  rein  an- 
schlagen, als  auch  mit  der  rechten  band  alle  griffe, 
wie  sie  ihm  vorgeschrieben  Scheibe  crit.  musicus  «5; 
bisweilen  allgemeiner  'spiel':  ich  kenne  einen  menschen, 
der  in  seiner  schweren  kranckheit  an  dem  lieblichen 
griff  eines  clavichordii  tausendmal  süssere  erquickung 
empfunden  Er.  Francisgi  lust.  schaub.  (1698)  2,  430; 
häufigste  verbale  verbindttng:  {sie)  that  einen  griff  in 
die  saiten  Göthe  15,  148  Weim.; 

doch  klingt  ein  griff  verwandter  töne, 
den  gott  in  unsre  harfen  thut, 
von  je  und  jetzt  in  gleicher  schöne 

Brentano  2,  494 

{hier  klingt  die  bedeutung  2  an);  nachdem  er  einige 
griffe  auf  der  laute  gethan  Gerstenberg  Ugolino,  dtsch. 
naf.  lit.  48,  266; 

als  ich  nun  den  letzten  griff  fast  auf  röhr  und  pfeife  tähte, 
wie  hastu  dich  dar  betrübt 

Stieler  geharnschte  Venus  12  neudr. ; 

nun  that  er  noch  einige  lebhafte  griffe  auf  dem  clavier 
Fr.  H.  Jacobi  xcerke  l,  128; 

den  poeten, 
der  keinen  ton  versteht  und  auf  den  heischen  flöten 
stets  falsche  griffe  macht 

Gottsched  crit.  dichtkunst  (1751)  53. 

2)  votn  vorigen  nicht  immer  scharf  zu  trennen  ist  eine 
concretisierte  bedeutung  'tonfolge,  accord',  sowohl  als  griff- 
figur  wie  als  tonbild  {vgl.  D) : 

auch  soltu  weiter  mercken  dameben, 
das  die  melodey  des  griffs  wird  gehört 
und  etwas  lenger  denn  sonst  gespört 

Agkicol.v  musica  instr.  70  neudr.; 


303 


GRIFFBEQUEM  —  GRIFFE 


GRIFFEISEN  -  GRIFFEL 


304 


gleicherweis  die  falschen  griffe  auf  der  lauten  dem  gehör 
verdrüsslich,  die  kunstmässige  angenem  sind  Hars- 
DÖRFFER  fratienz.-ge»prechsp.  i,  209;  welche  (triaa  har- 
tnonica)  man  ...  zu  nennen  pfleget :  einen  accord  oder 
.  .  .  griff  Heinichen  generalbasz  120;  arpeggiare  .  .  . 
gebrochen  spielen,  oder  den  vorkommenden  griff  nicht 
zugleich,  sondern  die  in  selbigem  enthaltene  noten  ein- 
tzeln  und  nach  einander  anschlagen  Walther  musical. 
lex.  51;  bey  solchen  mehrstimmigen  griffen  die  beyden 
äussersten  stimmen  auf  halben  tönen  gegriffen  werden 
müssen  Bach  art  d.  Idavier  zu  spielen  l,  36;  nachdem 
sie  die  sanfte  weise  ...  in  vollen  schönen  griffen  durch- 
gespielt hatte  FouQUE  dltsächs.  bildersaal  4,  575;  bis- 
tceilen  fast  =  'klang': 


ihr  leisen  griffe !  flieht  gemach ! 
schlaget!  locket!  Stoppe  Pamasz 


125; 


wie  die  griffe  rauschten 

Denis  lieder  Sineds  188. 

3)  nach  anderer  richtung  hin  concretisiert  {vgl.  C);  die 
stelle  am  hals  des  instrumentes,  gegen  die  die  saite  zur 
erzeugung  eines  bestimmten  tones  gedrückt  wird:  der 
lauten  ihre  griffe  mit  bänden  von  darmseiten  unter- 
schieden seyn  Baron  instrument  der  lauten  153;  {die 
cistra)  hat  beynahe  die  gestalt  einer  laute,  aber  einen 
längern  in  18  griffe  abgetheilten  hals  Walther  musi- 
cal. lex.  166. 

GRIFFBEQUEM,  adv. :  Sophokles,  Euripides  ...  be- 
fanden sich  griffbequem  auf  dem  bücherbrett  just  dciii 
sitzenden  gegenüber  Vischer  aitch  einer  ^2,  53.  — 
griffblatt,  n.,  'ein  blatt,  auf  welchem  durch  zeichen 
deutlich  dargestellt  urird,  wie  die  verschiedenen  töne  auf 
der  flöte  etc.  am,  besten  gegrijfen  werden'  Campe. 

GRIFFBRETT,  n.,  eigentlich  'ein  schmales  brett,  welches 
so  breit  als  der  hals  der  violine  ist  und  zum  theil  auf 
demselben  ruhet,  zum  theil  aber  über  den  körper  der~  vio- 
line selbst  herüber  raget'  Jacobsson  technol.  wb.  2,  152'»; 
iloch  auch  schlechthin  'hals':  ansa  .  .  ist  .  .  so  viel  als 
manubrium,  oder  das  griffbret  an  einer  laute  und  der- 
gleichen instrumenten  Waltiier  musical.  lex.  88;  im 
aufsteigen  wollen  wir  itzt  den  Violinisten  nicht  nach- 
klettern, die  mit  ihren  fingern  sich  bis  über  das  griff- 
brett  hinaus  verlieren  Hiller  amceis.  z.  gesang  36;  wäh- 
rend die  kleinen  finger  aufs  neue  das  griffbrett  faszten, 
hub  sie  an  und  sang  Storm  5,  271;  bildlich:  als  er 
fühlte,  dasz  diese  kleinen  stahlringe  gleichsam  als  fas- 
sung  und  griffbret  seines  herzens  ihre  erschütterungen 
zu  seinen  machen  würden  Jean  Paul  7/10,  408  Hempel; 
dann  auch  'tastatur':  vom  erkenntnisz  des  griffbretts 
an  dem  clavier  Mattheson  kl.  generalbaszschule  68; 
griffbrett  an  einer  orgel  Helfft  wb.  d.  landbaukunst 
161 ;  griffbrett  der  Setzmaschine  Hoyer-Kreüter  technol. 
wb.  1,  312. 

GRIFFCHEN,  n.,  wie  grifflein  {s.  d.)  im  sinne  von  griff 
IIB  kunstgriff;  im  \l.jh.  nicht  selten,  doch  harmloser 
und  mehr  als  demin.  empfunden: 

wie  schleunig  der  sie  kan  gewinnen, 
der  nur  die  rechten  griffchen  weisz 

Stieler  geharnschte  Venus  37  neudr.; 

kan  liebe  mich  stumm  reden  lehren,  . . 
durch  dieses  griffchen  wil  ich  machen, 
das  niemand  unsre  botschaft  spührt 

königsb.  dichterkreis  100  neudr.; 


sieh,  was  er  alles  spinnet, 
und  zur  Verhinderung  manch  heimlich  grifchen  sinnet 

'!!iEVMAKK  fortgepfl.  tmisic.-poet.  lustiu.  (1667)  2,272; 

ein  griffchen  tabak  eine  prise  Campe  {vgl.  griff  II  D); 
anderes  mehr  gelegentlich:  dennoch  wurde  ihme  von 
mir  ausser  einem  griffgen  nichts  erlaubet,  als  mit  wel- 
chem er  sich  diesen  abend  muste  abspeisen  lassen 
Jungfer  Robinsone  83  {vgl.  griff  I  3) ; 

mach  von  zinne  mir  die  sichel, 
giesz  ein  griffchen  dran  von  messing 

Bücher  arbeit  u.  rhythmus  ^238. 

GRIFFE,  /.,  kuh  {stellenweise  auch  pferd)  von  dunkler 
färbe  mit  ueiszer  hautfalte  am  kniegelenk  oder  mit  iceiszen 


streifen,  flecken  an  den  selten  des  bauches  Staub-Tob- 
LER  2,  719;  Bühler  Davos  1,  46;  vgl.  griff  I  2. 

GRIFFEISEN,  n.,  fuszeisen  mit  drei  langen  zacken, 
das  auf  die  absätze  von  bergschuhen  aufgenagelt  wird 
Staub-Tobler  1,  539;  Fischer  schwäb.  3,  833;  vgl.  griff 
II  E  2;  im  schicäb.  auch  grosze  eiserne  stange  (zum  auf- 
laden) ib. 

GRIFFEL,  m.,  graphium,  stilus. 

herkunft  und  form. 

reindeutsche  ableitung  von  grifan  (Wilmanns  2,  262) 
schon  aus  gründen  der  bedeutung  unwahrscheinlich;  viel- 
mehr aus  lai.  graphium  {gr.  yQucpsloi^)  mit  dem  deut- 
schen Suffix  -il  der  Werkzeuge  und  geräthe  gebildet,  das 
auch  das  geschlecht  bestimmt  hat;  die  attsgangsform 
liegt  vor  in  der  glosse  grauio  zraf  {l.  graf)  ahd.  gl.  l, 
255,  24  Weigand  ^i,  768;  trotz  griffel  5  {s.  d.)  kaum 
reinlateinischen  Ursprungs  aus  dem  in  der  bedeutung 
'Schreibstift'  anscheinend  ungebräuchlichen  graphiolum. 
vom,  selben  grundwort  ags.  grsef,  afranz.  grefe,  m.nl. 
greffie,  griffie;  vgl.  griffe  graphium  Diefenbach  268*= 
{ndrhein.).  der  vocal  in  ahd.  grifil  durch  naehträgliche 
anlehnung  an  den  stamm  griff-;  die  echte  form  *grafil 
{'vox  celtica,  qtcae  Cambris  effertur  crafel'  Wächter  614) 
auf  deutschem,  boden  nur  in  unsicheren  spuren:  greffcl 
graphium  Graff  4,  312;  kaum  hierher  aus  modernen  mau. 
krefl  Martin-Lienhart  1,  271";  grefel  Leihener  cro- 
nenberg.  in^ ;  greffel  Honig  köln.  68";  vgl.  mnl.  griffel, 
greffel,  greffeel ;  dän.  schwed.  nur  griffel ;  gelegentlich  ge- 
rundet zu  grüfel  Neidhart  48,  11 ;  im,  älteren  nhd.  unter 
anlehnung  an  greifen  gelegentlich  greifel:  mit  eisern 
greiffein  Menius  chronica  Carionis  (1564)  3,  235*;  vgl.  den 
ersten  beleg  aus  Sebiz  u.  X;  in  westlichen  maa.  bisweilen 
das  giiffel  Martin-Lienhart  1,  271»;  Follmann  216''; 
stellenweise  auch  fem.  Leihener  cronenberg.  47**,  wie  im 
mnl.  zuweilen  und  im  nnl.  allgemein,  wie  das  wort  bis 
in  die  mhd.  zeit  ziemlich  beschränkt  ist  auf  den  litera- 
rischen Süden,  lebt  es  auch  in  heutiger  ma.  wesentlich 
im  obd.,  dazu  in  uestrnd.  dialecten,  und  zwar  in  der  be- 
deutung 'schief er  Stift',  vgl.  Schmeller  i,  991;  Fischer 
schwäb.  3,83*  {stellenweise  drieffel);  MEismGER  rappenau. 
78;  Staub-Tobler  2,  722;  Martin-Lienhart  1,  271"; 
Follmann  216*;  lux.  ma.  154'';  Leihener  cronenberg. 
47^*;  auch  bei  Fischer  samländ.  53  als  jröffel.  thür. 
vertreten  durch  blei-,  schief erstift  Müller-Frau reuth 
1,  442,  nd.  durch  rekensticke  u.  ä.  Adelung. 

bedezitung. 

1)  grundbedeutung :  der  stift  des  Schreibers;  grifil,  gri- 
fel,  criphil  graphium,  stilus  Graff  4,  812;  griffel  gra- 
phium, graphius,  graphus  Diefenbach  268".  269*;  stilus, 
stilarium  552";  stigulus  552'';  fragitida  245*';  pugillaris 
griffel,  pfryeme  nov.  gloss.  308*;  also  dero  geblänetün 
täbelun  büohstaba  gerizzot  uuerdent  mit  krfffele  Not- 
KER  1,  340,  9; 

das  vessel  ist  ain  tevelein, 

da  schreybt  man  mit  dem  griffel  ein 

H.  v.  Neustadt  Apollonius  16652; 

bringe  hcrausz  ain  griffel,  ain  wächsse  taffei  A.  v.  Eyb 
Spiegel  der  sitien  (löil)  cc  viii'';  man  könnte  sagen, 
Schiller  schreibe  mit  dem  griffel  in  wachs,  Goethe  halte 
in  seinen  fingern  ein  bleistift  zu  leichten  .  .  .  zügen 
J.  Grimm  kl.  sehr.  1,  390;  nach  jüngerem  gebrauch  auch 
für  fcderhalter:  grieffel  Stylus  .  .  .  quibus  in  cera,  in 
tabulis  scribitur,  penna,  calamus,  quo  in  papyro,  in 
membrana  Serranus  synort.  (1579)  s.v.; 

werft,  musen,  blatt  und  griffel  hin 

Schwabe  belustigungen  3,  223; 

alsdenn  zeigte  er  .  .  .  schreibepapier,  worauf  sie  mit 
griffein  schreiben  leipziger  avanturieur  (i756)  2,  47; 

wenn  des  geliebten  namen  sonst  so  gern 
die  lippe  bildet  und  der  griffel  zieht 

GöTHE  9,884  Weim.; 

da  sitz  ich  schon,  den  tintebetunkten  griffel  in  der  er- 
wartungsvollen band  Nestroy  12,  8;  so  noch  heute  in 
schles.    Umgangssprache;   wieder   um    eine   stufe  jünger. 


I 
I 


305 


GRIFFEL 


GRIFFEL 


306 


erst  im  \9.  jh.  recht  gehräuchlich,  der  Schreibstift  für  die 
Schiefertafel:  eins  soll  zimlich  dick  von  sehiferstein 
sein,  mit  einem  kleinen  greiffei,  so  mit  einem  schnür- 
lin  an  der  tafel  hanget  Sebiz  f eidbau  (1580)  473;  dasz 
Teteus  gewöhnlich  mit  einem  griffel  auf  Schiefertafeln 
calculirt  Gramer  Neseggab  i,  9;  das  schreiben  musz  .  . 
zuerst  mit  dem  griffel  auf  Schiefertafeln  versucht  wer- 
den Pestalozzi  5,  172;  daneben  von  jeder  andern  art 
des  Schreibens:  Tyridates  .  .  etliche  Schriften  mit  einem 
griffel  in  dieses  marmor  eingegraben  ersehen  {hatte) 
A.  ü.  V.  Braunsghweig  Octavia  (1677)  l,  6;  man  kratzte 
die  hieroglyphen  mit  spitzen  griffein  ein  Becker  loelt- 
gescli.  1,  105;  ein  guldin  griffelin  Flore  2358;  ein  glesin 
grüfel  Neidhart  48,  ll;  mit  eim  silberin  griöel  Kei- 
"- SERSBERG  brösaml.  S*";  schreib  in  die  rinde  mit  eynem 
ährinen  griffel  Sebiz  feldbatt  (1579)  338;  ist  von  Römern 
ein  Stylus,  schreibstiel  oder  eiserner  griffel  gebraucht 
worden  Harsdörffer  teutscher  secrelar.  i,  Ccc  viii^; 
{loaclistafeln)  worauf  man  mit  einem  eisernen  oder  bei- 
nernen griffel  schrieb  bibl.  älterer  schriftwerlce  d.  Schweiz 
11  3,  8;  baumblätter  waren  ihr  papier,  und  spitzige  höl- 
zerne griffel  ihre  sclircibfedern  Meissner  sldzzen  2,  176. 

2)  Werkzeug  des  künstlers,  und  zwar  besonders  der  stift 
des  Zeichners  oder  maiers:  Stylus pictorius  Henisch  1743; 
iin  18.  jh.  sehr  gebräuchlich,  zumal  in  der  parallele  pinsel 
und  griffel :  dasz  sie  sich  die  emulation  lassen  aul'mun- 
iern,  die  natur  mit  ihren  federn  so  .  .  geschickt  nach- 
zufolgen, wie  sie  mit  ihren  delicaten  pinseln  und  grif- 
leln  gethan  haben  discourse  d.  mahlern  l,  l ;  hier  wollt 
ich  nachstammeln  der  natur,  mit  meinem  griffel  aufs 
tuch  hintragen  maler  Müller  l,  357;  ich  habe  mäd- 
chen  gekannt,  die  vortrefflich  zeichneten,  aber  sobald 
sie  frauen  .  .  .  wurden,  war  es  aus;  sie  ...  nahmen 
keinen  griffel  mehr  in  die  hand  Götiie  gespräche  5, 
i2B  Biedermann ;  ich  war  der  meinung,  dasz  ein  kunst- 
werk  nicht  allein  mit  hülfe  des  griffeis,  pinseis  oder 
meiszels  .  .  darzustellen  sei  Pöckler  briefw.  u.  tageb. 
13;  so  dasz  .  .  dem  maler  sein  inneres  gemälde  unge- 
hemmt in  die  fingerspitzen,  die  den  griffel  und  pinsel 
führen,  übergienge  Vischer  ästhetik  3,  l,  11;  diese  for- 
mal meist  in  bildlichem  gebrauch,  «.  ».  3  a;  gern  in  tcen- 
düngen  wie:  welche  anmuthige  grouppe  hätte  der  vor- 
treffliche griffel  einer  Wernerin  nicht  entwerfen  können 
Gottschedin  briefe  l,  244;  dasz  die  feder  eines  Aretin 
und  der  griffel  eines  la  Fage  sich  unvermögend  hätten 
bekennen  müssen,  weiter  zu  gehen  Wieland  Agathon 
2,  104;  daher  .  .  all  das  phantastische  .  .  .  und  zaube- 
rische des  Schwindschen  griffeis  in  diesen  blättern  er- 
Kcheint  Stifter  14,  173;  weiter:  caelum,  instrument  des 
kupferstechers  Chomel  '6con.lex.A,i28%;  grabeisen,  schrot- 
eisen, caelum,  .  .  quo  opijices  aliquid  sculpunt  in  aere, 
ligno,  saxo  Henisch  1743;  fürsten  .  .  setzten  eine  ehre 
darin,  sich  von  seinem  griffel  auf  ihren  münzen  ab- 
bilden zu  lassen  Wacken roder  Jierzenserg.  (1797)  30; 
vgl.  die  gedanken  der  gottheit  mit  dem  griffel  des  bil- 
denden künstlers  in  die  tafeln  der  natur  zu  graben 
Fr.  Schlegel  im  Athenäum  2,  3. 

3)  ztt  ausgebreitetem  literarischen  leben  gelangt  das 
tcort  in  bildlicliem  gebrauch,  der  an  die  bedeutimgen  1 
und  2  anknüpft. 

a)  in  gewissen  mehr  oder  minder  typischen  verbalen 
Verbindungen  metaphorisch  für  schreiben  und  jede  forin 
literarischen  oder  künstlerischen  Schaffens;  immer  in 
poetischer  oder  wenigstens  gewählter  spräche;  schon  mhd. 
sicJi  ankündigend: 

daz  ander  teil  hie  ende  hat: 

min  griffel  an  daz  dritte  gät  Thomasin  2528; 

nimm  den  griffel  und  schreib,   schreib  was  das  volk  dir 

sang 
HoFFM.  V.  Fallersleben  6,230; 

dann  greif  ich  zum  griffel  rasch  und  wild 
und  male  mit  Worten  das  zaubergebild 

Heine  2,  57 ; 
erhebend  zu  des  tages  feier 

den  griffel  ernster  Wissenschaft      Rückert  1,  265; 
ein  andrer  leget  nicht  so  bald  den  griffel  nieder, 
doch  mir  ist  alle  schrifft,  die  stacheln  führt,  zuwieder 

C.4.Nrrz  gedickte  (1727)  92; 

IV.  1.  6. 


Busch  hat  seit  längerer  zeit  den  griffel  niedergelegt 
Vischer  altes  u.  neues  l,  126; 

ach,  meiner  brüst  entsinkt  der  griffel, 
wenn  mordgier  zur  entmenschung  schwärmt 

A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  3, 162, 

beschämt  lasse  ich  den  griffel  sinken  und  kann  nur 
im  nüchternsten  zeitungsstyle  .  .  berichten  Gaudy  13,  81; 
besonders  häufig  in  der  wendung  den  griffel  führen,  die 
fast  ausschlieszlich  bildlich  gebraucht  wird;  dabei  scMvebt 
bald  der  stilus  scripforius ,  bald  der  st.  pictorius  vor; 
seit  dem  17.  Jh.: 

kein  so  beregter  geist,  kein  so  begeistert  regen 
führt  meinen  griüel  an 

MoRiiOF  iinterricht  v.  d.  dtsch.  spräche  1,  791; 

dieser  hat  seine  feder  in  .  .  drachenblut  getaucht,  jener 
(Tacitus)  hingegen  seinen  griffel  gantz  aufrichtig  ge- 
führet Butschky  Pathmos  496;  (epig ramme)  in  denen 
sie  (die  liebe)  .  .  den  zeichnenden  griffel  führte  Herder- 
15,  361;  dasz  bei  diesem  abrisz  nicht  der  lohn,  sondern 
Wahrheit  den  griffel  führt  J.  v.  Voss  milit.  lauf  bahn 
244; 

recht!  icii-will  den  griffel  schärfen 

und  dir  dein  verlohrnes  gut, 

deiner  gattin  werth,  entwerfen 

Gottsched  ged.  (1751)  137; 

die  meisten  spitzten  sich  den  griffel  kluger  Schriften, 
den  tuderblaszten  rühm,  sich  selbsten  dank  zu  stiften 

Neidhard  bei  Gottsched  versuch  e.  crit.  dicht- 

kunst  283; 

obgleich  ein  Zoilus  den  griffel  an  dir  wetzet, 

die  miszgunst  stellt  sich  stets  zu  unserm  ehren-mahl 

Besser  sehr.  2,  780  König; 

verstand  er  doch  so  wenig  vom  innern  Organismus  des 
menschlichen  herzens,  wie  treffend  sein  griffel  es  sonst 
immer  nachzubilden  wuszte  Holtei  erzähl,  sehr.  11, 195; 
kaum  andeutend  wagt  der  griffel  luftgebilde  dieser  art  zu 
bezeichnen  Herder  22,  271 ;  darüber  hinaus  in  freiestem 
gebrauch:  dasz  er  .  .  sich  einen  andern  advokaten  an- 
nehme als  der  war,  durch  dessen  griffel  er  mich  ver- 
klaget hat  Laukhard  leben  u.  Schicksale  5,  107;  mein 
griffel  soll  auch  die  poeten  nicht  schonen,  die  doch 
von  andern  für  könige  des  Helikons  ausgeschrieen  wer- 
den Schwabe  belustigungen  l,  68; 

mein  griffel  wollte  nur  der  Wahrheit  herold  seyn 

Gottsched  ged.  (1751)  i,  399; 

Gottsched  hat  eine  aitsgesprocJiene  Vorliebe  für  ähn- 
licJie  inetaphern,  vgl.  neueste  ged.  (l750)  130;  ged.  (I75l) 
1,  190.  191.  219;  dtsch.  schaub.  6,  57;  meisterhafter  Vers- 
bau zeichnet  auch  sie  (die  dramen)  wie  alles,  was  Pla- 
tens  griffel  gleichsam  in  erz  gegraben,  wunderbar  herr- 
lich aus  Holtei  erz.  sehr.  38,  182;  in  ausgeführtem  ver- 
gleich oder  bilde:  der  hailig  Chrysostomus  hat  den  poeten 
Aristophanes  alls  für  einen  griffel  teglichs  in  seiner  hand 
gehapt  und  alle  seine  reden  nach  im  geformt  und  ge- 
spitzt Reuchlin  augensp.  xi^; 

und  liesz  sich  keinen  rum  des  zeitenbuchs  belieben, 
den  Mavors  griffel  nicht  mit  blut  liineingeschrieben 

Weichmann  poe»ie  d.  Niedersachsen  1,  58. 

b)  mit  dem  18.  jh.  stellt  sich  ein  bildlicher  gebrauch 
ein,  der  durch  ein  beigefügtes  adjectiv  besondere  arten 
und  formen  literarischen  tmd  künstlerischen  Schaffens 
characterisiert:  du  hast  die  gute  sie  (die  gesänge),  den 
kritischen  griffel  in  der  hand,  zu  durchgehen  Göthe  IV 
10,  111  Weim.;  du  kennst  Leidenfrosts  humoristischen 
griffel  Gutzkow  ritter  v.  geiste  3,  177;  an  den  dich- 
tungen  des  alterthums  bildeten  sich  poeten  in  antiker 
weise;  mit  leichtigkeit  führten  sie  den  römischen  grif- 
fe!, aber  für  die  deutsche  sache  Gervinus  gesch.  der 
dtsch.  dichtung  2,  261 ;  hier  müssen  wir  .  .  den  elenden 
griffel  des  stümpers  beklagen  allg.  dtsch.  bibl.,  anh.  zu 
13—24,  1456; 

was  mein  leichter  griffel  entwirft,   ist  leicht  zu  verlöschen 

Göthe  l,  298  Weim.; 

war  ich  zugegen  gewesen,  als  die  Vergleichspunkte  ent- 
worfen wurden,  wohl  möglich,  dasz  einige  von  ihnen 
ein  schärferer  griffel  niedergeschrieben  hätte  Meissner 

20 


307 


GRIFFEL 


GRIFFEL 


308 


Alcibiades  4,  112;  die  naturwahrheiteii  seiner  gemälde 
scheinen  uns  nachlässig  mit  grobem  grilTel  hingeworfen 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  5,  83;  dasz  man  höch- 
stens mit  ungewissem  griffel  einige  kategorien  ...  zu 
umreiszen  suchen  wolle  Vischer  ästhetik  2,  208;  selte- 
ner substantivische  attribute:  die  kühnen  bilder  des  ko- 
rans  .  .  .  mit  dem  glühenden  griffel  der  begeisterung 
hingezeichnet  Klinger  4,  15; 

hingeschrieben 

mit  dem  griü'el  des  Mizes 

Schiller  1,  274. 

c)  gevnase  formen  bildlichen  gebrauchs  gehen  auf  Lu- 
thers bibel  zurück:  die  sunde  Juda  ist  geschrieben  mit 
eisern  griffein,  . .  und  auf  die  tafel  ires  hertzen  gegra- 
ben Jer.  17,  1;  ah,  das  meine  rede  geschrieben  würden 
.  .  mit  einem  eisern  griffel  auf  bley  Hiob  19,  24 ;  derhalb 
Paulus  nit  unartig  anzücht  das  das  gsatz  gottes  mit  dem 
finger  und  griffel  gottes  in  aller  menschen  hertz  ge- 
schriben  sei  Seb.  Franck  chronica  (l53l)  2'»  {Vermischung 
mit  Hebr.  8,  10;  10,  16);  die  thränen  .  .  .  sind  nicht 
schlechtes  wasser,  sondern  griffel,  die  das  unrecht  der- 
gleichen leute  ...  in  das  hertz  der  nachkommenden 
weit  einschreiben  Zend.  a  Zendoriis  icinternächte  6l8; 

der  seine  lieb  ins  hertz  mit  eisern  gri£feln  schreibet 

Treuer  deutscher  Dädahis  1,  336; 

die  schone  zügeinerin  ist  mit  einem  güldenen  griffel 
in  mein  hertz  geschrieben  Harsdörffer  frauem.  ge- 
sjirechsp.  2,  343;  wir  aber  .  .  .  möchten  mit  ehernem 
griffel  grundsätze  in  dein  herz  graben,  welche  der  ge- 
fahr  ewigen  todes  vorbeugen  Raumer  gesch.  d.  Hohen- 
staufen  8,  419;  hier  vielleicht  anzuschlieszen  fälle  uie: 
betrachten  sie  mein  blasses  gesicht.  die  leidenschaften 
haben  sich  mit  ehernem  griffel  hineingegraben;  zur 
Hiobstelle  vgl.  Wendungen  wie:  es  sei  ...  diese  kritik 
mit  eisernen  griffein  in  metalltafeln  eingeschrieben  Stef- 
fens was  ich  erlebte  4,  268;  qui  Jhesum  Christum  pure 
praedicat,  illius  lingua  ist  ein  griffel,  quo  scribit  in 
corda  hominum  Luther  27,  155  Weim.,  vermengung  mit 
ps.  45,  2;  mein  hertz  tichtet  ein  feines  lied,  .  .  .  meine 
zunge  ist  ein  griffel  eines  guten  Schreibers;  eijie  viel 
citierte  stelle;  vgl.  dazu:  dasz  keines  redners  zunge  so 
fertig,  die  es  könte  aussprechen,  noch  keines  dichters 
griffel  so  wol  gespitzet,  der  es  könte  beschreiben  Rist 
friedejauchz.  Deutschland  (l653)  225. 

d)  alt  ist  bildlicher  gebrauch  in  der  gegenüberstellung 
oder  vergleichung  von   Schreiber-   und  schwerthandwerk : 

euch  was  mir  ie  vi!  ger 
für  den  griffel  zuo  dem  sper, 
für  die  veder  ze  dem  swerte 

Hartmann  GregoHus  1590; 

si  (die  ritter)  wären  alle  viere 
tiurltche  schribaere. 
ir  griffel  wären  swaere 

Stricker  Daniel  3544; 

ob  wol  die  sach  nit  mit  degen  oder  spiessen  entschay- 
den  Wirt,  so  erstechen  sy  sich  doch  aneinander  mit 
griflen,  die  mit  gifft  angestrichen  seind  Spalatin  klage 
des  frids  (i53l)  Gl»; 

ach  schmolz  der  väter  tugendkraft  so  weich, 
die  ernst  wie  Rom  so  schwort  als  griffel  führten 

Fr.  V.  Schlegel  10, 11 ; 

frühling!  frühling I  der  griffel  wird  zur  klinge, 
die  mutig  die  verjüngte  weit  befreit 

Herwegh  ged.  e.  lebendigen  (1841)  89; 

einen  vormund  .  .  ,  der  .  .  fähig  war,  für  sie  den  degen 
des  feldherrn  und  den  griffel  des  gesetzgebers  zu  führen 
Mommsen  röm.  gesch.  2,  373. 

e)  jüngerer  zeit  gehört  die  bildliche  Wendung  vom 
'griffel  der  geschichte'  an,  auf  der  bekannten  allegori- 
sclien  darsiellung  beruhend:  aber  Klio,  mit  dem  ge- 
rechten griffel,  schrieb  unsichtbare  worte  darauf  {auf 
den  leicJienstein)  Heine  3,  160;  wie  ist  da  die  .  .  Wahr- 
heit auf  den  köpf  gestellt  I  und  zwar  ganz  offenbar, 
weil  Kilos  griffel  vom.parteigeist  gestohlen  .  .  .  wurde 
Scherer  kl.  sehr,  l,  4l;  allein,  ich  hoffe,  der  universal- 


historie  griffel  verewigt  unsere  Unterhaltungen  noch 
Gramer  Neseggab  4,  504; 

die  thaten,  die  umstralt  von  fabelhaftem  lichte, 
die  ferne  nachweit  einst  dem  griü'el  der  geschichte 
kaum  glauben  wird  Gotter  ged.  (1787)  2,  320 ; 

auf  derselben  Vorstellung  beruhen  weiidungen  wie: 

was  in  das  buch  mit  ehmem  griffel  schon 
der  genius  der  zeiten  eingetragen 

Chamisso  4,  55 ; 

die  meisten  geschichtsschreiber  haben  den  fehler  ge- 
mein, dasz  sie  das  volk,  dem  sie  ihren  griffel  weihen, 
unvermerkt  liebgewinnen  Zschokke  2,  4;  keine  zeit 
aber  hat  den  bewahrenden  griffel  nothwendiger  gehabt 
als  die  gegenwärtige  Steub  drei  sommer  l,  821;  OMch 
Urania  führt  den  griffel:  Urania  durch  den  auf  den 
globus  hinweisenden  griffel  bezeichnet  archäol.  zeitung 
1,  120  Gerhard; 

die  Qdmmelskunde)  zeichnet  rein  den  gang  der  sphäre, 
ihr  griffel  regelt  nacht  und  tag  Göthe  16,  303   Webn. 

4)  seit  je  auch,  ohne  die  specialisierung  von  1  und  2, 
ein  spitzes  oder  scharfes  instrument  für  die  verschieden- 
sten zwecke:  griffel  scalpellum,  radula  Wächter  614; 
griffel  zum  radiren  Kramer  teutsch-ital.  (i700)  l,  559«; 
der  umgekehrte  schreüstift  konnte  diesem  zwecke  dienen: 
sie  wissen,  wie  schwerfällig  ich  arbeite,  und  dasz  ich 
mehr  mit  umgekehrtem  griffel  als  mit  dem  spitzen 
ende  desselben  schreiben  musz  H.\mann  1,471  Roüi; 
grieffel,  zayger,  Stylus  quo  pueri  monstrant  literas  He- 
NISCH  1743;  griffel  zum  buchstabieren  stecco,  toceo  da 
lettere  Kramer  teutsch-ital.  a.  a.  o.;  'ein  spitziges  Mlz- 
chen  oder  ein  draht,  womit  die  kinder  in  den  leseschulen 
die  buchstaben  zeigen'  Adelung;  ein  chirurgisches  in- 
strument: und  wann  man  das  an  dem  falcken  merckct, 
so  sol  man  im  die  naslöcher  mit  ainem  silbrin  griffel 
oder  nadeln  uf  prennen  Mynsinger  von  den  falken  23 
lit.  ver.;  vgl.  wundgriffel  Steinbach  l,  639;  'allerhand 
chirurgische  und  anatomiscJie  instrumente'  Chomel  öcon. 
lex.  4,  1851 ;  grabstichel  des  goldarbeiters  Jacobsson  tech- 
nol.  wb.  2,  143'';  instrument  des  graveurs  Beil.  technol. 
wb.  1,  261;  wer  in  (baisam)  vorn  an  ainen  griffel  tuo 
und  in  anzünd,  so  prinn  er  K.  v.  Megenberg  buch  d. 
natur  359,  82;  vgl.  360,  3;  do  stach  einer  ein  loch  unden 
in  die  luzerne  mit  eime  griffel  städtechron.  8,431,  4;  die 
zweig,  die  sie  setzen  wollen,  spalten  sie  so  weit  als  sie 
in  den  grund  kommen  sollen,  und  nemen  mit  einem 
griffel  das  marck  herausz  M.  Herr  f eidbau  (l55l)  67*; 
fleckige  (deman^)  steine  werden  in  splitter  geschlagen, 
die  man  zu  griffein  verwendet,  womit  man  in  glas 
graviert,  glas  schneidet,  harte  steine  durchbohrt  Oken 
aüg.  naturgesch.  1,  149;  Lasa  Thimrae,  die  einen  leky- 
thos  und  einen  spitzen  griffel,  une  espöce  de  stylet 
(nicht  ein  Schreibzeug)  hält  Welcher  alte  denkm.  3, 
538;  beim  drehen  des  griffeis  greift  ein  kleines  zahnrad 
in  zwei  Zahnstangen  ein  (fensterverschlttszyK.'i.RiiARSCii- 
Heeren  3,  406. 

5)  griffel,  losz,  zweigschosz  calamus  arborum  ac  Vi- 
tium, teres  particula  ac  virga,  apta  ad  serendum  in  terra, 
vel  quae  ramo  alicuius  arboris  inseritur  Henisch  1743; 
Stieler  699;  ebenso  im  mnl.,  vgl.  VerwijsVerdam  2, 
2188;  noch  heute  in  westl.  maa.:  grefel  pfropfreis  Mül- 
ler-Weitz  73;  vgl.  gröff  edelreis  lux.  ma.  154'';  hier 
scheint  unmittelbarer  Zusammenhang  mit  lat.  graffiolum 
surculus,  taleola  du  Gange  4,  102'»  vorzuliegen. 

6)  in  botanischer  kunstsprache  der  mittlere  tJieil  der 
weiblichen  befruchtungsorgane ,  der  die  narbe  über  den 
fruchtknoten  erhebt;  Übersetzung  von  lat.  stilus ;  früheste 
belege:  der  mittlere  griffel  ist  zackigt  und  steht  auch 
noch  auf  der  jungen  frucht  Gottsched  d.  neueste  a.  d. 
anmuth.  gelehrsamk.  3,  257;  der  griffelbau  der  pflanzen 
allg.  dtsch.  bibl.  69,  441 ;  lexicalisch  seit  Adelung,  Gampe. 

7)  anatomisch:  'eine  griffeiförmige  hervorragung  an 
den  knocken  (ßtylus)'  Gampe  ;  die  rechte  seite  des  Unter- 
kiefers .  .  ist  auf  eine  so  merkwürdige  weise  geschwun- 
den, dasz  der  aufsteigende  ast  mehr  einen  zugespitzten 
griffel  als  einen  breiten  knochen  darstellt  Sömmerino 


309 


GRIFFELAST  -  GRIFFELBLUME 


GRIFFELBÜCHSE  —  GRIFFELSPITZE     310 


lau  des  nienschl.  körjpers  2,  cii;  vrß.  zwei  gegliederte 
gi'ifTel  am  hinterleibsende  bei  den  moderkäferlarven 
Brehm  ihierl.  9,  60  Pechuel-Loesche. 

8)  gelegentlich  scMint  die  bedeutung  bestimvit  durch 
substantiva  ähnlichen  klanges:  griffel,  in.,  eisernes,  mehr- 
zinkiges  get-üte  Pfister  nachtr.  zu  Vilmar  82  (vgl.  greif, 
m.,  dreizinkige  mistgabel  sp.  10);  grilfel,  /.,  ehcas  gabeh 
spaltiges  Woeste  86*  {vgl.  7ul.  grepe,  /.  [«;?.  lo]  und 
gaffel,  /.,  mehrzinkige  gabel). 

GRIFFEL-  als  erster  compositionshestandtJieil  zeigt  sich 
besonders  productiv  auf  zwei  gebieten  tcissenschqftlicher 
kunstsprache :  l)  in  der  botanik  (vgl,  griffel  6):  griffel- 
ast,  m.  ScHLECHTENDAL  flora  von  Deutschland  29,  126; 
griff elbasis,  /.  Rohling  Deutschlands  flora  2,  4; 
griffelblüthe,  /.  Oken  allg.  naturgcsch.  3,  737;  grif- 
felcanal,  on.  Schlechtendal  9,  256;  griffelfaden, 
m.  ROHLING  4,676;  gri f f elf orts atz,  m.  Schlechten- 
dal 4,  184;  8.  auch  an  alphabetischer  stelle;  griffelfusz, 
m.  ROHLING  1,40;  griffelkappe,/.  Illiger  Hiier-  und 
Pflanzenreich  (1800)  376;  griffellos,  adj.  Schlechten- 
dal 2, 124 ;  vier  kleine  .  .  Staubfäden  befruchten  .  .  den 
rundlichen,  griffellosen  fruchtknopf  Zschokke  11,  118; 
auch  als  gattungsbezeichnung :  griffellose  agyneia  Nem- 
■aicnwb. d. naturgesch.2iQ;  griffelpolster,?».  Schlech- 
tendal 27,  212;  griffelpolstrig,  adj.  Rohling  i,  152; 
griffelsäule,/.  i,  40;  griffelsäulig,  adj.  3,479;  grif- 
felschenkel,  m.  Schlechtendal  29,  47;  griffel- 
spitze, /.  Oken  3,3,1629;  griffelzipfel,  m.  Roh- 
ling 1,  413.  2)  in  der  osteologie  (vgl.  griffel  7);  die  aus- 
drücke knüpfen  fast  ausschlieszlich  an  den  processus  sty- 
loides  des  Schläfenbeins  an  und  tauchen  im  ausgehenden 
18.  jh.  auf,  meist  als  grobe  eindeutschungen  lateinischer 
termini:  griffelbein,  -fortsatz  s.  an  alphab.  stelle,- 
griff elkieferband,  n.  Sömmering  bau  d.  menschl. 
körpersZ,  1,  184;  griffelloch,  n.,  auch  griffelzitzen- 
loch  foramen  stylomastoideum  Sömmering  2, 55;  Ersgh- 
Gruber  l91,  57;  dazu  griffellochpulsader  styloma- 
stoidea  Sömmering  8,  2,  72;  auch  griffelzitzenschlagader 
Campe;  griffelmäuslein,  n.  Schwan  nouv.  dict.  i, 
790,  dasselbe  icie  griffelmuskel,  vi.,  stylohyoideus. 
styloglossus  Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  210;  griffel- 
schlund(kopf)muskel,  m.,  stylopharyngeus  Sömme- 
ring 4,  476;  2,  xxi;  griffelwarzenast,  m.  5,  826; 
griffelzungenbeinmuskel,  m.,  stylohyoideus  2,  58; 
griffelzungenmuskel,  m.,  styloglossus  ib. 

GRIFFELÄHNLICH,  adj.:  eine  sehr  bestimmte  pris- 
matische structur  (geioisser  schief  er  arten),  vermöge  wel- 
cher sie  beym  zerschlagen  in  griffelähnliche  stücke  zer- 
fallen Oken  allg.  naturgesch.  i,  510.  —  griffelartig, 
adj.,  graphoides  Kinderling  reinigk.  d.  dtsch.  spraclie 
176.  —  griff elbart,  m,.,  exotischer  strauch,  gynopogon 
Dietrich  4,  483.  —  griff elbaum,  m.,  cercis,  der  judas- 
bäum,  salatbaum  Nemnich  cathol.  i,  950/.;  Schwan 
nouv.  dict.  1,  790*;  name  nach  xsQxis.  —  griffelbeere, 
f.,  altbezeugte,  anscheinend  vornehmlich  alem.  bezeichnung 
der  preiszelbeere,  vaccinium  vitis  idaea  Grassmann  153 
(schon  bei  Matthiolus  kräuterbuch  [1626]);  Nemnich 
cathol.  8,  210;  griffel-,  gripfelbeere  Pritzel  Jessen  424 
au^  Hotton  thes.  pytholog.  (1695);  grifeln,  grifla  ibid. 
(Graubünden);  griffen,/.  Staub  Tobler  2,  722;  grifla,/. 
Böhler  Davos  i,  41;  ^rippli  Grassmann  153  aus  Dur- 
heim; in  anderen  gegenden  für  vaccinium  myrtillus, 
heidelbeere  Pritzel-Jessen  422  (Hessen);  Chomel  öcoji. 
lex.  4,  1351;  la  myrsine  Schwan  nouv.  dict.  1,  790*;  sel- 
tenerfür andere  pflanzen :  vaccinium,  uliginosum,  rausch- 
beere Staub-Tobler  2,  722;  uva  ursi,  bärentraube  ibid.; 
uva  Spina  Stieler  ii9.  —  griffelbein,  n.  =  griffel  7: 
unseren  pferden,  die  .  .  nur  im  mittelfusz  noch  auszer 
dem  groszen  mittelfuszknochen  zwei  dünne,  sogenannte 
grifl'elbeine  als  letzte  reste  von  seitlichen  zehen  be- 
sitzen Baer  reden  u.  versch.  aufsätze  2,  368;  im  selben 
sinne  griffelknoehen  Oken  allg.  naturgesch.  4,  404;  auch 
speciell  für  .den  griffelfortsatz  des  Schläfenbeins:  der  ant- 
litznerve .  .  .  tritt  zu  einem  loch  zwischen  griffel-  und 
warzenbein  heraus  4,  61.  —  griffelblume,  /.,  exoti- 
tische  blume  BiETRicii  9,  567,  Übersetzung  des  latein.  na- 


mens stylosanthes  (nach  dem  sehr  langen,  röhrenförmigen 
kelch).  —  griff elbüchse,  /..•  alle  drei  trugen  tafel 
und  griffelbüchse  und  ein  büchlein  unterm  arm  Viebig 
schlaf,  heer  (i904)  l,  173.  —  griffelfehltritt,  m.: 

räum  einen  anstosz  weg,  der  einen  schritt  könnt  irren,  . . 
den  falschgerathnen  zog,  des  griffelfehltritts  spur 

'  RCCKERT  8,  227. 

—  griffelfisch,  m.,  grijfelbüchse  in  fisch  form:  die 
muhme  hatte  mir  ein  bündlein  zurechtgerichtet  und 
schöne  schreibtafeln  und  hängte  mir  einen  wohlgeschnitz- 
ten griffelfisch  an  den  gürtel  Scheffel  3,  24.  —  griffei- 
förmig, adj.,  altgebräuchlicJi  in  dem  osteolog.  terminus 
griffeiförmiger  fortsatz  für  den  processus  styloides  am 
schlaf enbeinBhxyiCAnv)  med.  wb.(mo)  522;  (das zungenbeiti) 
wird  vermittelst  der  bänder  mit  der  zunge,  dem  anfang 
der  luftröhre  und  griffelformigen  fortsatz  des  hauptcs 
verbunden  Fleming  vollk.  teutscher  soldat  350 ;  so  noch 
bei  Sömmering  bau  d.  menschl.  körpers  5,  229;  seit  der 
2.  hälfte  des  iS.jhs.  geicShnlich  ersetzt  durch:  griffel- 
fortsatz, m,.,  Processus  styloides,  vorspränge  und  über- 
ragungen  einzelner  knochen,  die  durch  ihre  konische  ge- 
staltung  und  entsprechende  dünnheit  an  die  griffelform 
erinnern,  meist  gebräuchlich  vom  fortsatz  des  schläfe))- 
beins  Ersch-Gruber  I  91,  57;  Sömmering  2,  44;  Oken 
allg.  natitrgesch.  4,  122;  seltener  und  tceniger  passend  für 
die  forfsätze  der  ellbogenröhre,  Speiche,  des  dritten  mittel- 
handknocJiens  Ersch-Gruber  a.  a.  o.;  vgl.  griffel  7;  in 
anderem  sinn  als  botanischer  ausdruck,  s.  o.  unter  griffel-. 

—  griffelfusz,  m.,  stilarium  Diefenbach  gloss.  552". 

—  griffelfutter,  n.,  stilarium,  stilotheca  ib.  —  grif- 
felgekritzel,  n. ;  ich  glaube,  dasz  er  gar  .  .  römisches 
griffelgekritzel  aufrollt  und  behorcht  Klopstock  9,  191. 

—  griffelgra^s,  n.,  name  des  mannagrases,  glyceria 
fluitans  Dietrich  4,  162;  Nemnich  cathol.  i,  ii6l.  — 
griffelknoehen,  m.  =  griffelbein,  s.d.  —  griff el- 
kunst,  /.,  moderne  bezeichnung  für  die  kunst  des  ra- 
dierers.  —  griffelmohn,  m.,  meconopsis  Prahn  pflan- 
zennamen  41. 

GRIFFELN,  vb.     i)  intensivbildung  zu  greifen: 

waz  scliolt  daz  do  die  gsellen  btragen, 
die  der  minn  mit  grifflen  phlagen? 

WiTTENWEiLER  ring  171,  12, 

(oder  =  grifflin?);  daran  anzuknüpfen  wohl:  griffein  un- 
anständige gebärden  machen,  von  kindern  Lexer  kärntn. 
214; 

es  griffelt  an  der  kh"nke,  .  . 
die  tür  geht  ruckweis  auf 
B.  V.  MCnchiiausen  balladen  u.  ritterl.  lieder  157. 

2)  zu  griffel:  grifflen  schreiben,  aus  schwäb.  krämerspr. 
zs.  f.  d.  wortf.  10,  215;  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  834;  herr 
Seh.  hat  son  buch  gemacht,  woraus  man  solL  cicero- 
nianisch  griffein  lernen  Laukhard  leben  u.  schicksah 
2,  173;  so  auch  im  nl.;  griffel  aus  dem  weichen  schiefer- 
gestein  verfertigen  Staub-Tobler  2,  722;  greiele  pfropfen 
Müller- Weitz  73,  vgl.  griffel  5.  3)  zu  griff  II  E  2:  es 
ist  ausser  einigem  zweifei,  dasz  man  die  pferde  griffein 
musz,  wann  es  gefriert  Hohberg  georg.  cur.  aucta  viii 
168"^;  verbreiteter  griffen,  s.  d.  griffein  vom  riffeln  des 
flachses  Böhme  gesch.  d.  tanzes  169. 

GRIFFELRODEL,  stilarium,  griffelrolle  Diefenbach 
552".  —  griffelscheide,/.,  griffelbüchse  Autenrieth 
57;  HöNiG  68*.  —  griffelschiefer,  m.,  besondere  art 
des  tlionschiefers,  die  sich  infolge  ihrer  textur  leicht  in 
stifte  spalten  läszt  Prechtl  technol.  encycl.  16,  226;  Oken 
allg.  naturgesch.  1,  510.  —  griffelschmied,  m.,  auch 
griffenschmied,  kunstschmied,  alt.  spräche  ünger-Khull 
307.  —  griffelschnecke,  /.,  ancula,  so  genannt  nach 
zwei  fortsätzen  am  köpfe  Brehm  thierl.  10,  312  Pechuel- 
Loesche.  —  griffelspiel,  n.,  voii  der  zeichenkunst : 

gar  manches  artig  ist  gcschehn 
durch  leichte  griffelspiele 

GöTHE  3, 135  Weim. 

—  griffelspitze,  /..-  jener  (Tacitus)  hingegen  seinen 
griffel  gantz  aufrichtig  geführet;  die  hoflaster  zwar  ent- 
worfen, aber  nicht  gebillichet,  .  .  .  sondern  mit  seiner 
griffelspitze   durchstochen    Butschky   Pathmos  496.    — 

20* 


311 


GRIFFELSPITZER  —  GRIFFIG 


GRIFFIGKEIT  -  GRIFFLING 


312 


g  r  i  f  f  e  1  s  p  i  t  z  e  r ,  m.  l)  Instrument  zum  spitzen  des  griff  eis. 
2)  nothzüchterYiscHKK  Schwab.  3,834.  —  griffelstock, 
in.,  gegriffelter  stock  (s.  griffein  3),  bergstock  Unger-Khull 
307.  —  griffelstrieh,  «i.;  als  'griffelstrich',  wie  man 
das  von  eitern  und  voreltem  überkommene  wandergebiet 
eines  Seimatter  händlcrs  nannte,  besasz  der  vater  (ein 
scJiiefertafelhändler)  den  Rhein  bis  ans  deutsche  meer 
Heer  wettericart  (1917)  18.  —  griffelzug,  m.^  einer  än- 
derte hie  und  da  einen  griffelzug,  setzte  hie  urid  da  einen 
hinzu,  die  hauptsache  blieb  Wetzel  sat.  erzähl,  {nii) 
1,  49 ;  durchsichtige  hornblättchen  mit  eingeritzten  buch- 
staben,  die  ...  ,  ein  stummer,  aber  behender  schreib- 
meister,  ihnen  (den  kindern)  ihre  griffelzüge  augenblick- 
lich korrigierten  Herbart  ll,  48  Hartenstein. 

GRIFFEN,  vb. :  ein  pferd  griffen  ihm  einen  besonderen 
beschlag  gegen  das  ausgleiten  auf  dem  eis  geben  Jacobs- 
SON  techn.  %vb.  5,  736'';  Staub-Tobler  2,  719;  hufeisen 
schärfen,  mit  spitzen  nageln  versehen  Mahtin-Lienhart 
1,  271*;  FoLLMANN  216";  ein  altes  hufeisen  neu  gegrift 
Staub-Tobler  a.  a.  o.  (quelle  von  1797);  nach  griff  II  E  2; 
anders:  eine  gegriffete  kuli  deren  fettigkeit  sich  greifen 
läszt  Staub-Tobler  2,  720;  nach  griff  I  2. 

GRIFFENDE,  n.:  auch  ist  das  untere  oder  griffende 
(der  tanze)  vielfach  mit  einem  sechskantigen  knöpfe 
versehen  Rat.'.el  völkerk.  2,  241 ;  anders:  die  platten 
werden  mit  dem  Schnitzer  geschnitten,  dessen  griffsende 
auf  die  schulter  gestützt  wird  Töpfer  Ichrh.  d.  orgel- 
baukunst  675.  —  griffest,  adj.:  zuckte  mit  der  band 
nach  der  tasche,  wo  ihm  ein  grifffestes  messer  stak 
Zahn  Albin  l7idergand  m.  —  griffgerecht,  adv.;  sie 
.  .  zogen  .  .  bei  dem  rauschen  im  waldesdickicht  .  .  . 
ihre  spazierstäbe  grifl'gerecht  zu  sich  hin  Raabe  Hor- 
«cÄer  (187G)  37.  —  griffgewohnt,  «c?y'.;  was  einsmahls 
eine  mansuet  oder  grifge wohnte  Jungfer  von  den  küssen 
.  . .  gesagt  groszer  klunkermiäz  (1671)  82. 

GRIFFGRAFF,  m.,  im  volksrätsel  das  schuein  Frisch- 
bier 1,  253. 

GRIFFHAND,  /.;  xoqu^,  '/^iq  aid'r,Qri,  manus  ferrea 
griffhand  Frisghlin  nomencl.  (i586)  272".  —  griffheft, 
n. :  während  Siegfried  die  .  .  schwertklinge  in  dem  griff- 
hefte befestigt  R.  Wagner  6,  120.  —  griffhenkcl,  m. 
allg.  haush.  lex.  l,  621. 

GRIFFIG,  adj.  l)  activ:  rapax  Dieiknbach  484»; 
rapidus  484  ^ ;  schon  ahd.  crifiga  rapacem  (laudis  dextram) 
Graff  4,  319,  sofern  nicht  crifiga  zu  lesen  ist,  vgl.  greiiig 
sp.  i»;  di  zu  euch  koment  in  scheffim  gewanden,  wan 
inwendig  sint  si  griphig  wolf  cod.  iepl.  Maith.  7,  15 ;  (die 
seele  ist)  gotz  griffig  und  enpfenglich  Tauler  nach 
Schmidt  c^ÄÄ**.  155";  gelt,  reifer,  so  baursleut  haben  grif- 
fige finger  Schönuerr  glaube  u.  heimat  (i9ll)  38;  auf 
diese  weise  hergestellte  Schleifsteine  sind  auszerordentlich 
griffig  Karmarsch-Heeren  4,  678;  übertragen:  die  neu- 
mährische  Verantwortungen  haben  oft  eine  satyrische, 
A^ortheilhafte,  griffige,  höhnische  Schreibart  Rengel 
ubrisz  d,  sog.  brüdergemeinde  (l75l)  S94;  er  hat  griffige 
reden  brauchen  wollen,  ich  hab  ihm  aber  heimgeigt 
Auerbach  neues  leben  (t87l)  l,  91;  die  grazien  dürfen 
aber  wiederum  nicht  echauffirt  und  abgearbeitet,  mit 
scharfen  accenten  oder  mit  'griffigen  redensarten'  in 
scene  gesetzt  sein  R.  Goltz  characteristik  44;  dabei 
hefteten  sich  seine  griffigen  äugen  nicht  ohne  Wohlge- 
fallen auf  die  broche  der  dame  Waldau  aits  d.jnnker- 
uelt  (1851)  1,  299. 

2)  passiv:  ivas  sich  greifen  läszt: 

du  griffic,  sihtic  immer  gebendez  iht  (gott) 

Frauenlob  kreusleich  1,  8; 

der  samen,  darausz  das  holz  wachset,  der  (ist)  sichtbar 
und  griffig  Paracelsus  opera  l,  280  C  Huser;  'gut  und 
weich  anzugreifen'  Unger-Khull  307;  (Werfer-) stangen 
mit  ovalem  durchschnitt  sind,  namentlich  für  kinder, 
nicht  griffig  genug  Kregenow-Samel  gerätkunde  55; 
angesichts  einiger  hübsch  illustrierter  büchcr,  deren 
Verleger  es  auch  an  gutem  papier  und  schönen  grif- 
figen einbänden  nicht  fehlen  lioszen  monatsschr.  büchcr- 
uurm,  m,ärz  1911,  s.  4; 


a  sengsen  sehen  fein, 

aft  a  dirndl  sehen  grifli  — 

wen  soll  das  not  freun! 

Stelziiamer  1,  294  Eosegger; 

etwas  anders :  von  einem  weibsbild,  das  sich  gern  betasten 
läszt  Staub-Tobler  2,  720  (vgl.  griff  I  3);  fest,  von  iceb- 
Stoffen  ib.  (vgl.  griff  I  l);  ein  leichtes  tuch  losen,  aber 
durch  walken  ziemlich  griffig  gewordenen  gewebes  Leipz. 
ztg.  V.  4/5  1849,  s.  2248;  fühlbar  fett,  von  masivieh  (vgl. 
griff  I2)  Staub-Tobler  2,720;  mit  festem  fleisch  versehen: 
das  kalb  ist  nit  griffig  Martin-Lienhart  l,  271'';  kelber- 
griffig  von  einer  trächtigen  kuh,  bei  der  man  das  kalb 
schon  fühlt,  ib.;  im  forsticesen :  'gr.  hat  bei  bauTnstämmen 
die  bedeutung,  dasz  sie  mit  den  armen  umfaszt  werden 
können'  REHLEN/orÄ^  ti.  jagdk.  3,498;  ein  dreigrieffichter 
ahornbaum  Lohenstein  Armin,  l,  1131 ;  eitel  zwei-  und 
dreigriefige  eichbäume  l,  1354;  eine  viergrieffige  riesen- 
eiche  2,  780;  auch  vom  spannenmasz:  eichene  zimlicli 
dicke  zwey  oder  drey  spannengriffige  runde  und  unge- 
schälte pfäle  Hohberg  georg.  cur.  2,  473"  ;  vgl.  greifig; 
dazu  griffigkeit,/.:  (ein  icebproduct),  welches  .  .  milde 
und  griffigkeit  besitzen  musz  Karmarsch-Heeren  5,342; 
mit  verändertem  suffix:  griffisch  gern  zugreifend,  hung- 
rig Liesenberg  Stieger  ma.  85. 

GRIFFKNORPEL,  m.:  ferner  besasz  sie  einen  hand- 
stock, der  am  griffknorpel  ein  riemlein  hatte  Ros- 
egger  8,  32. 

GRIFFLEIN,  n.,  im  16.  und  17.  jh.  sehr  häufig;  nur 
selten  mit  erinnerung  an  die  bedeutung  des  greifens: 
(sie)  fieng  derwegen  an  den  guten  doctor,  welcher  hart 
cntschlaffen,  mit  allerley  grifflein  und  anreitzungen  auf- 
zuwecken Maynhincklers  sack  (I612)  B  l";  in  der  regel 
im  sinne  von  griff  II  B  kunstgriff,  vielfach  ohne  dasz  das 
wort  noch  als  demin.  empfunden  wird:  aber  doch  (mit 
der  vorrede)  ein  kleins  kurtzes  grifflin  zu  geben  den- 
jenigen, so  gnade  und  verstand  haben,  weiter  darnach 
zu  trachten  Luther  bibel  7,  Wi  Bindseil;  warumb  wolten 
wir  verzweiflen  solche  (kunsf)  zu  erlernen,  die  wir  ver- 
stehen mögen  die  griflein  des  Aristotiles  und  Euclidis  ? 
Schupp  sehr.  706;  der  mahler  kunst  und  grifflein  Gua- 
JUNONius  greuel  d.  Verwüstung  (I610)  185;  viel  häufiger 
in  schlechtem  sinne  als  fallacia,  gebrauch  toie  beim  un- 
verkleinerten  wort:  e&  sind  eytel  rechte  teufeis  grifflin, 
da  d.  Carlstad  mit  umbgeht  Luther  18,  194  Weim.; 
von  der  jesuwidir  räncken,  grifflein,  sündlen  und  künst- 
len  Fisch  ART  nachtrab  l  Kurz; 

gut  gsellen  iimb  ir  gelt  zu  bsebcissen 
mit  falschen  würilen,  kartenspil. 
dan  ich  darauf  kan  griffly  vil 

Wickram  5, 161-; 

wer  die  aller  boszhaftigste  und"  verschlagneste  griffel 
erfindet  und  auszgibt,  der  ist  am  besten  dran  Aeg.  Al- 
BERTiNUS  Lucifers  königr.  46,  35  Liliencron;  listige  po- 
litische griffe  GUARINONIUS  greuel  d.  verivüstung  (I610) 
388;  ein  schönes  portal  von  zierlichen  politischen  grift- 
lein  aufgeführet  Mosgherosch  gesichte  (1650)  58;  ich 
hab  durch  meine  politische  griffel  die  sach  so  weit  ge- 
bracht, dasz  der  galgen  .  .  .  gestanden  Abr.  a  St.  Clara 
etwas  für  alle  2,  383 ;  neben  verborgen  mit  leicht  verän- 
dertem sinn  (vgl.  griff  II  B  3a):  viel  tausend  dergleichen 
verborgene  griffel  werden  in  natürlichen  würckungen 
gefunden,  die  doch  der  gemeine  mann  vor-  wunder- 
wercken  auszschreyet  Abr.  a  St.  Clara  Judas  i.  185 ; 
Sprichwort,  ein  kurtze  weise  klügred,  die  summ  eines 
gantzen  handeis  —  als  der  kern,  in  ein  engs  sprüchlin 
und  verborgen  griflein  gefaszt  Seb.  Frangk  sprichw. 
(1541)  vorr.  4*».    vgl.  griffchen. 

GRIFFLICH,  adj.:  grifelig  rapax  Diefenbach  484"-; 
antra  (L  anthrax)  grifflige  (fressende)  blater  Tvvtinger 
vocab.;  vgl.  griffe  bloter  antrax  DiEFENBACK  ncv.  gloss. 
26". 

GRIFFLING,  m.  l)  alter  rotivelscher  ausdruck  für 
finger:  dann  der  bettelstab  ist  inen  erwärmt  in  den 
grifflingen  liber  vagat.  bei  Ave-Lallemant  gaunerthum 
1, 166;  aus  dem  liber  im  16.  jh.  öfter  citiert;  bei  Fischart 
ifn   Zusammenhang   einer   roticelschen   tcortliste:    grauten 


313 


GRIFFLINGS  -  GRIFFZUNGE 


GRIFT  —  GRILLART 


314 


I 


mit  griffling  groszm.  (1607)  C  1*;  Jupiter  besitzt  den  leb- 
haften geist  und  das  hertz,  auch  samen  und  lung,  tastung, 
grifling  und  den  hirschsprung  C  7»;  von  Moscheroscii 
ala  ausdruck  der  feldsprache  bezeichnet,  gesichte  (1646) 
i,  168.  2)  (sand-)  griffling  sandaal,  sandfisch,  ammodytea 
vulgaris  Berghaus  l,  6il.  3)  griffeling  eine  art  kleiner 
kämm  Schmidt  e^ä**.  155»  {quelle  des  15.  jh.).  i)  auf  ein 
nicht  nachweisbares  griffling  zinken  am  hufeisen  (vgl. 
griff  II  E  2)  deutet  wohl  die  notis  eines  ausgabenverzeich- 
nisses  von  1392:  dem  smid  umb  salm  (salbe)  zu  meins 
herrn  grifling  pferd,  das  man  het  eingeschlagen  .  .  . 
xxiiij  {pfg-)  Freybebg  samml.  histor.  sehr.  u.  urk.  2,  119. 

GRIFFLINGS,  adv.:  greiffend,  grifflings  toccando,  pal- 
poni,  tastone  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  l,  559*. 

GRIFFLOCH,  n.,  bei  blasinstrumenten  die  löcJier,  auf 
denen  die  finger  greifen;  gegensatz:  blaseloch  Campe; 
mein  vater  hatte  mir  .  .  .  auf  dem  Jahrmarkt  eine 
pfeife  mit  sieben  grifflöchern  .  .  .  gekauft  Klöden 
jugenderinn.  121;  anders:  in  den  seitenwänden  des  satzes 
(beim  springkasten)  sind  grifflöcher  zum  tragen  ange- 
bracht Kregenow-Samel  gerätkunde  94.  —  griff  Ord- 
nung, /.;  auf  was  art  die  Versetzung  aus  einem  ton 
in  den  andern  oft  eine  andere  griffordnung  erfordert 
MA'srrHESOii  kl.  gener albaszschule  2ii7.  —  griffrad,  ?i.: 
(eine  schraubenpresse,)  welche  durch  die  anordnung  von 
.  .  .  Schraubenspindeln  mit . .  .  grifl'rädern  ausgezeichnet 
ist  Karmarsch-Heeren  7,  40.  —  griffrecht,  adv.: 
in  meine  decke  gehüllt,  sasz  ich,  die  büchso  griffrecht 
neben  mir  Raabe  leute  a.  d.  walde  l,  242;  vgl.  griffge- 
recht. —  griffreich,  adj.: 

{die  laute,)  welche  dir  vou  band  zu  haud  vertraute 

Apollo  Phöbus  selbst,  der  sie  vorerst  erdacht, 

der  deine  schnelle  faust  ihr  griffreich  hat  gemacht? 

Fleming  dtsch.  gedirJite  1, 123  lit.ver.; 

anders:  auch  da  wo  platten  in  gröszerer  ausdehnung 
einen  absatz  überkleiden,  erweisen  sie  sich  rauh  und 
griffreich  Barth  kalkalpen  383.  —  griff  ring,  7».;  da- 
neben ein  schwarzer  lackierter  schubladkasten  mit 
messingbeschlagenen  griffringon  Rosegger  III  6,  337.  — 
griffsäule,  s.  grieszsäule.  —  griffschild,  theil  eines 
thürschlosses  Fronsperger  bauordnung  (1564)  86".  — 
griff  schuh,  m..  bergschuh  7nii  griffeisen  (*.  d.)  Fischer 
Schwab.  3,834.  —  griffspitze,  /.:  je  stiller  die  men- 
schen sind,  desto  mehr  nähert  sich  der  hut  der  hori- 
zontalen läge,  und  je  weiser  sie  sind,  desto  mehr  tritt 
die  griffspitze  über  die  nase  Lichtenberg  vet-m.  sehr, 
i,  152.  —  griffstange,  /.:  ist  abir  das  si  (vor  dem 
Zweikampf)  auf  die  slgpaume  oder  grifstangen  ire  swert 
legen  und  ob  si  (erg.  sich)  noch  wollen  vorrichten  Jeli- 
NEK  böhm.  650  aus  Iglauer  stadtrecht,  anscheinend  volks 
etymologische  Umänderung  der  grieszstange  (*.  d.);  an- 
ders: Webstühle  für  antrieb  durch  band  oder  fusz,  bei 
welchen  die  menschenkraft  nur  an  einer  .  .  griffstange 
.  .  .  thätig  ist  Lueger  7,  879.  —  grifftafel,  /.;  tasta- 
iura  .  .  .  bedeutet  überhaupt  die  grifftafel,  oder  die 
claviere  aller  Instrumenten,  die  dergleichen  haben 
Walther  musical.  lex.  595.  —  grifftriebel,  m.,  'bei 
den  sehwertfegern  ein  Werkzeug,  den  griff  auf  den  angel 
der  klinge  zu  treiben'  Campe;  vgl.  Beil,  technol.  tvb.  1,  262. 
—  griffvogel,  m.:  'in  Germania  inferiori  et  maritima 
apud  Frisios  audio  inveniri  avium  aquaticaru7n  et  ana- 
tibus  fere  aimiliuin  diversa  genera  et  nominatim  ista, 
smeant,  teling,  slup,  griffvogel,  Wildenten'  Gesner  hist. 
anim.  3,  118.  —  griffwechsel,  m..  turnerspr.:  das 
übergehen  aus  einem  griff  in  einen  andern;  auch  als 
hangübung:  das  gleichzeitige  icechseln  der  griffart  durch 
ziehklimmen  Heinsius  2,  534*;  griffwechsel  und  stemmen 
(hangübungen)  Jahn  2,  60.  —  griffweise,  adv.:  wir 
^  bedauern,  dasz  wir  nicht  alle  sonette  aus  dieser  periode 
liefern  können  .  .  .  allein  der  beschränkte  räum  eines 
taschenbuchs  nöthigt  uns,  griffweise,  nur  einige  .  .  her- 
auszuheben Baggesen  karfunkelahnanacJi  73.  —  griff- 
winde, /. ,  'bei  den  sehwertfegern  eine  kleine  eiserne 
winde,  die  degengriffe  mit  draht  zu  bewinden'  Campe; 
i'gl.  Jacobsson  technol.  t'jö.  2,  l53^  —  griffzunge, /., 
der  oberste  theil  einer  schioertklinge ,  vermittelst  dessen 
sie  im  griffe  befestigt  ist  Bl'giier  kunstgewerbe  171^. 


GRIFT,  /.,  verbalabstractum  zu  greifen;  ahd.  ver- 
schiedentlich in  compositis:  pigrift  »wt/iMa,  manipula,  ana- 
grift,  hörgrift  Grafp  4,819;  mhd.  begriff,  hantgrift  mhd. 
tcb.  1,  572'»;  als  simplex  nur  beim  passionaldichter,  zu 
dessen  lieblingsu'örtern  es  gehört;  nur  selten  im  eigent- 
lichen sinne: 

mit  vil  semfteclicher  grift 
gewunnen  si  hervur  den  dorn 

pass.  K.  510, 12  ; 

m^ist  ins  unsinnliche  übertragen  und  zwar  mit  Vorliebe 
in  der  wendung  des  herzen  gr.: 


alle  eines  herzen  grift 
warf  er  an  gotes  gelouben 


423,  78, 


V^i.  435,43.  669,16;  Ja".  80, 17.  140,39.227,45;  Mar.  leg.  %2,  9; 
vüterb.  24007;  von  Jeroschin  dem  passional  entlehnt, 
ehr 071.  2450.  3987,  gelegentlich  auch  deplaciert: 

dirre  guten  lere  wort  . .  . 
namen  in  des  herzen  grift 
der  meister  und  di  brudre  do  27134; 

dasselbe  tcori  ist  wohl  grift,  m.,  der  grosze  eifer,  grimm 
Schambach  68'';  eine  schlänge  voll  gift  und  grift  frasz 
an  seinem  herzen  Sohnrey  im  grünen  klee  146;  vgl. 
griffig. 

GRIFTIG,  adj.:  grifftich  rapax  Diefenbagh  484*; 
sophista  listiger,  behender,  grifftiger  redner  Apherdianus 
meth.  (1601)  31;  zum  angreifen  geneigt,  so  aufgebracjit, 
dasz  man  jeden  augenblick  das  übergeJien  zu  thätltch- 
keiten  erwarten  darf,  grimmig,  tvild;  auch:  auf  etwas  er- 
picht SCHAMBACH    68**. 

GRIGGEN,  vb.,  mit  gespreizten  beinen  gehen,  über- 
tragen: gebrechlich  seiji,,  kränkeln,  elend  sein  Staub- 
ToBLER  2,727;  das  zergriggen  der  schencklen  explicatus 
crurum  Frisius  518»;  dafür  zergricklen  bei  Dentzler; 
eine  Seitenbildung  zu  gritten  (s.  d.),  die  schweizerisch  mit 
zahlreich en  ableitungen  verbreitet  ist:  g r i g  g e  1  e ,  /.,  gabe- 
lung  der  Schenkel,  der  finger,  gabelförmiges  geräth,  der 
winket  zweier  äste:  er  (derhäher)  sich  oft  selbs  zwüschend 
die  grigglen  der  böumen  erhenkt  Heuslin  Gesners  vogel- 
buch 13^;  sein  schosz,  so  zwüschend  den  griggelen  und 
gablen  der  weynräben  aufscheuszt  Frisius  573»;  grig- 
g  e  1 ,  m.,  auch  griggeler,  griggi,  griggis  verwachsener  mensch, 
krüppel,  Schwächling;  verkümmertes  geschöpf  überhaupt; 
vgl.  grigge  ein  kleine  aal,  minima  anguilla  Gesner  nach 
Henisch  1743 ;  grigle,  n.,  schwächlicher,  elend  aussehender 
mensch  Martin-Lienhart  l,  271*';  bei  Gotthelf  öfter 
in  der  form  grieggel :  das  chind  chunnt  nit  für,  e  sellige 
leide  grieggel  nadi  Staüb-Tobler  2,  728;  unsere  .  .  frau 
pfarrerin,  .  .  .  welche  vier  gelbgrüne  griegglen  von  mäd- 
chen  hatte,  schlank  wie  haselstecken  ges.  sehr.  12,  165; 
adj.  griggelet,  griggig  mit  gespreizten  beinen,  elend; 
vgl.  griglet  heiser  Klein  l,  163  (österr.);  das  vb.  grig- 
ge In  auch  vom,  wundsein  in  der  fingergabelung :  gänse- 
kraut  soll  warm  übergelegt  zu  dem  gebrüt  oder  griggeln 
der  henden  oder  fingern  dienen  Heuslin  Gesntrs  vogel- 
buch 62'^. 

GRILL,  m.?,  ältere  bezeichnung  für  den  girlitz,  frin-' 
gilla  serinus:  grill  etiam  est  avis.  cerinus  dicta  Stieler 
702;  'circa  Francfordiam  simpliciter  gryllen  appellant' 
Gesner  hist.  anim.  3,  249 ; 

vier  wydlin  vögel  gerad 

das  luthertumb  zur  narung  hat,  .  .  . 

fledermäuss,  struuss,  han  und  grüllen 

Na3  antipap.  eins  ti.  hundert  4,  99  ", 

hierher?  öfter  auch  in  der  gestalt  hirngrijl  H.  Sachs 
regiment  der  vögel  (l53l)  v.  113;  girlitz,  schwäderle,  hirn- 
gryllen,  fädemle  serinus  Gesner  a.  a.  o.;  vgl.  hirngrille 
th.  4,  2,  1560;  nach  Henisch  1743  'hirngrill  vocatur  a  con- 
tinuo  cantu  ut  grylli',  eher  scheint  eine  volksetymologiscJie 
Umdrehung  der  alten  bezeichnung  girlin,  girle  (Suolahti 
132)  vorzuliegen,  wie  auch  girlitz  verändert  worden  ist  zu 
grilitsch  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  5,  114. 

GRILLART,  m. :  grillemair,  grillart,  fantast,  gestuosus, 
gesticulator  Henisch  1744;  auch  im  nl.  grillaard  passen- 
reiszer,  hansicurst,  uoordenb.  d.  nederl.  taal  5,  763;  vgl. 
grille  II  B  2. 


315 


GRILLCHEN  -  GRILLE 


GRILLE 


310 


GRILLCHEN,  n.  l)  dem.  zu  grille:  grilligen  Diefen- 
BAGH  270 ■; 

wo  das  tnrtelchcn  lockt,  wo  sich  das  grillchen  ergetzt 

GöTHE  2, 124  Weim.; 
mit  anklang  an  grille  II  B  4: 

bald  als  grillchen  und  als  heimchen 
singen,  summen  häusliche  sorgen 

RüGKERT  2,  89; 

auf  eine  person  angewendet  (vgl.  grille  I  B  4):  der  shawl, 
141  welchen  sie  sich  fröstelnd  gehüllt  hatte,  war  .  .  . 
Terblichen;  ganz,  ach  ganz  und  gar  das  arme  grillchen 
ihres  landsmanns  Jean  de  la  Fontaine  Raabe  hunger- 
pastor  (1864)  2,  215. 

2)  fringilla  linaria,  leinfink  Naumann  naturgesch.  d, 
Vögel  5,  174;  vgl.  grill. 

GRILLE,  /.,  heiinchen;  laune. 

I.  das  thier. 

A.  herkunft  und  form. 

1)  nicht  zu  grellen  'schreien'  gehörig,  obgleich  früh  so 
empfunden : 

der  stolze  grille  niht  anders  gert 
denne  daz  er  .  . .  lute  grelle 

H.  V.  Trimberg  renner  5574; 

vielmehr  lehnwort  aus  lat.  gryllus  {yqv).).o;);  das  tcort 
ist  bis  ins  späte  mittelalter  beschränkt  auf  das  bair.- 
ostfränk.;  ausserhalb  dieses  gebietes  bleibt  ihm  lange  eine 
gewisse  volksfremdlieit  anzumerken;  ahd.  grillo,  m.,  grillus 
Graff  4,  320  (cod.  S.  Gall.  9.jh.);  grille  cicada  ib.  (cod. 
Vindob.  12.  jh.);  W.  v.  d.  Vogelweide  und  H.  v.  Trim- 
berg zeigen  grill,  m.,  im  Zusammenhang  der  äsopischen 
fabel  (s.  u.  B  l),  bei  Bon  er  dagegen  höustüffel  edelstein 
63  Pfeiffer;  loeiter  belegt  beim  Marner  (*.  u.  B  4),  bei 
MusKATBLÜT  (s.  u.  B  s) ,  bei  Hadamar  V.  Laber  323; 
seit  dem  15.  jh.  im  schwäb.  nachzuweisen  (mehrfach  bei 
Steinhöwel);  seit  dem  IG.  jh.  auch  dem  alem.  geläufig, 
tco  man  den  namen  z.  th.  onomatopoetisch  erklärt:  cicada 
ist  ein  wurm,  den  etlichen  grillen  nennen,  von  seines 
geschreis  wegen,  den  er  rufet  und  schreiet  ohn  unter- 
lasz  grill,  grill  Ryff  thierb.  311;  bis  ins  hess.  hinauf: 
grill  grillus,  heymchin  Alberus  dict.  (i540)  195«^;  bei 
Kirchhof  anscheinend  noch  erklärungsbedürftig:  dass 
die  grillen  oder  heimen  ...  in  das  haupt  zu  eim  ohr 
ein  gekrochen  wendunm.  2,  653  Österley;  unter  der  fülle 
der  Übersetzungen  für  grillus  in  spätmhd.  und  frühnhd. 
glossaren  tritt  grille  ganz  zurück  Diefenbach  270"; 
cicada  heuschreck,  gryllen,  dreckwybel  639"=;  grillus 
grille  gemma  gemm.  (Straszb.  1508)  1  6*;  erst  den  alem. 
leodcis  des  IG.  jh.  wird  es  geläufig:  achetae  .  .  .  etliche 
sagend  muhenheim  oder  grillen  Frisius  dict.  (1556)  23"; 
die  grillen,  muhenheim  cicadae  Maaler  192«;  gryllus 
heimenmuek,  gryll  Golius  (1585)  326;  gryllus  ein  mu- 
heim,  hauszheim,  feldheim,  gryll  Galepinus  Xlling. 
(1598)  631  "■ ;  seit  dem  17.  jh.  dann  auch  bei  nordd.  lexico- 
graphen:  grill,  grille,/.,  cicada,  gryllus,  locusta  Stieler 
702;  grille,  /.,  gryllus,  achata  Steinbach  i,  642/.,-  der 
gröszte  tJieil  der  nordd.  mundarten  kennt  das  wort  nicht; 
bei  Luther  vereinzelt  und  ganz  deutlich  als  der  ma. 
fremdes  xcort:  also  haben  die  alten  poeten  und  weisen 
gespielet  von  den  grillen  oder  heuschrecken  ausleg.  d. 
ep.  u.  evang.  von  ostern  (1544)  Xx  6'',-  bei  B.  Krüger 
Ciawert  10  neudr.  aus  hd.  quelle  (s.  u.  B  2);  iioch  im 
17.  jh.  bei  nordd.  autoren  selten  (s.  u.  B  1  Warnecke); 
erst  die  poetische  production,  vor  allem  die  liederdichtung 
des  18.  jh.  geivinnt  dem  wort  seine  heutige  allgemeine  lite- 
rarische Verbreitung. 

2)  noch  in  heutiger  ma.  in  der  hauptsache  auf  bair.- 
üaterr.  boden,  und  zwar  zumeist  als  masc:  der  grill 
'österr.'  Popowitsch  163;  der  grill,  grillen  neben  die 
grillen  Schmeller  l,  094;  grill,  m.,  Unger-Khull  307; 
grille,  7/j., /.,  Lexer  kärntn.  I2i;  grillo,  m.,  Schmeller 
cimbr.  126";  gril, /.,  Bacher  Lusern  263;  grille  meist  f., 
im  Osten  m.,  Fischer  schicäb.  3,  835;  demin.  grilli,  n., 
feldgrille  Staub-Tobler  2,  730;  das  masc.  herrscht  bis 
ins  16. jA.  durchaus  vor,  so  stets  bei  Steinhöwel,  H. 
Sachs;  auch  im  n.jh.  noch: 


das  mirs  nicht  geh  gleich  wie  dem  griln  (der  fabet) 

Eyering  provcrb.  2,  8; 

acc.  sg.  den  gryllen  Paracelsus  (*.  m.  B  4);  der  heissre 
grill  am  feuerheerdt  Warnecke  poet.  versuch  (1704)  390; 
noch  in  neuerer  literatur  aus  dem  dialect  heraus  bei 
Raimund  und  Rückert  (s.  «.  B  3);  das  fem.,  das  sich 
wie  bei  heuschrecke,  und  vielleicht  in  parallele  mit  diesem 
wort,  aus  dem  meistgebrauchten  plural  entwickelt  haben 
wird,  zuerst  siclier  nachzuweisen  im  15.  jh.:  als  eyne 
grille  MusK.  77,  6  (Trierer  hs.  von  1433);  ime  ist  als  der 
grillen  stüdiechr.  8,  42 ;  von  den  lexicographen  gibt  ztierst 
Stieler  deutlich  die  grill,  grille  stammb.  702. 
B.  bedeutung. 

l)  wissenschaftlich  bezeichnen  grillen  oder  grabheu- 
schrecken  die  gryllidae,  eine  familie  der  geradfiügler 
Brehm  thierl.  9,  586  Pechuel- Lösche;  für  dialect  und 
literatur  kommen  wesentlich  nur  in  betracht  die  huus- 
grille  (heimchen).  gryllus  domesticus,  und  die  feldgrille, 
gr.  campestris;  die  hausgrille  in  älterer  spräche  vielfach 
in  ungezieferlisten:  da  erschiene  in  des  d.  Fausti  ge- 
mach ,  .  .  allerley  unzifer,  als  omeissen  .  .  .  grillen 
volksb.  V.  dr.  Faust  49  neudr.;  (sind  in  einem  wirths- 
haus)  mause  und  grillen,  wantzen  und  flöhe  Hohberg 
georg.  cur.  l,5l;  als  angelköder,  im  bilde:  dann  was  ist 
die  weit  änderst  als  .  .  ein  silberner  angel  mit  grillen 
überködert  Abr.  a  St.  Clara  mercks  Wien  (1680)  39; 
als  medicament:  nim  ein  guten  theil  grillen,  zerstosz 
sie  in  einem  säubern  mörser  Gäbelkover  arzneibuch 
(1595)  1,  113;  im  Volksglauben: 

und  wenn  der  heiszre  grill  am  feuerheerdt  zirpt  und  schwirrt, 
so  weisz  ich  gantz  gewlsz,  dasz  ander  weiter  wird 

Warnecke  poet.  versuch  (1704)  390; 

die  grillen  oder  ofen  eimichen  bringen  ein  unglück 
Leyer-Matz  lust.  corresp.  geist  (1668)  173;  die  feldgrille 
nimmt  ihren  einzug  in  die  literatur  mit  der  bekannten 
äsopischen  fabel,  vgl.  H.  v.  Trimberg  renner  5565^.,  da- 
selbst der  stolze  grille  5572,  min  her  grille  5689,  im 
Wechsel  mit  heime ;  im  gedanken  an  die  fabel: 

owc  der  wise,  die  wir  mit  den  grillen  sungen, 

dö  wir  uns  solten  warnen  gegen  des  kalten  winters  zit 

W.  V.  D.  Vogelweide  13,  26; 

von  der  amais  und  dem  grillen  (de  formica  et  cicada) 
Steinhöwel  Äsop  188;  die  ameis  und  der  grill  H.  Sachs 
6,  78  Keller;  sie  verbreitet  sich  ungeheuer  im  18.  jh.,  nicht 
zuletzt  durch  die  idyllische  und  bucolische  dichtung;  her- 
vorstechende Wendungen : 

das  lied,  das  eine  grille  singt 
J.  G.  Schmidt  roclcenphilosophie  (1706)  1,  255; 

auch  hier  (bei  den  grabkreuzen)  singen  dann  die  grillen ; 
aber  es  sind  nicht  die  heimchen  des  häuslichen  heerdes 
Storm  (1877)  8,  75;  das  verbum  singen  ist  altgebräuch- 
lich, vgl.: 

die  Stumpf  von  Stumpfberg  sein  desz  willen, 

und  hörten  sie  einen  grillen 

singen  von  ritterspil, 

ae  legten  darauf  costung  vil 

Hund  bayr.  stammenbttch  (1585)  cl''; 

entsprediend:  man  hörte  nichts  als  den  gesang  der  grillen 
Fr.  H.  Jacobi   Woldemur  (1796)  2,  33; 

alsbald  die  sicheln  dengle  ich, 
der  grille  lied  ergötzet  mich 

Schubart  sämtl.  ged.  3,  50; 

grillen  zirpen  aus  dem  moose 

Miller  ged.  (1783)  190; 

wenn  .  .  .  der  klingende  ton  der  grillen  durch  die  feier- 
liche stille  schrillte  Göthe  21,33  Weitn.; 

wo  ...   ungestört  im  gras  die  sommergrille  zischt 

Wieland  12,  73  Ilempel; 

die  grille  und  die  heuschrecke  zwitscherten  Gessner 
werke  (1778)  2,  23 ; 

lieblicher  tönt  dein  gesang,  wie  der  grille  gelispel 

OvERBECK  verm.  ged.  (1794)  181 ; 

die  frösohe  singen  und  die  grillen  pfeifen 

Uhland  ged.  (1852)  203; 


"317 


GRILLE 


GRILLE 


J18 


die  grillen  geigten  Th.  Mann    tod  in  Venedig  (1913)  89; 

die  zirpende,  .  .  .  hüpfende  grille  Treuer  deutscher  Dar 

dalus  i,  527; 

wie  uns  die  well  entschlüpft 

und  wie  die  grille  hüpft, 

so  schwindet  frexindlich  uns  die  zeit 

F.  L.  V.  Stolberg  1,  349  ; 

neben  heimchen: 

es  schweigen  grillen  und  heimen 

Becker  mildheim.  liederbuch  43; 


grillen,  heimchen,  zittertönig 
spielen  auf  von  fern  und  nah 


RÜCKERT  1, 133; 


gelegentlidi,  auch  für  nahesteliende  thiere  gebraucht;  für 
Jteuachrecken : 

gleich  dem  beere  schwirrender  grillen, 
die  vor  sich  blühende  fluren 
und  hinter  sich  wüsten  sehn 

Ramler  poet.  werke  (1800)  1,  87; 
für  cicade: 

(die  alten  auf  dem  skäischen  thore) 
redner  reich  an  rath,  sie  waren  den  grillen  zu  gleichen, 
deren  schwacher  gesang  auf  bäumen  des  haines  ertönet 
{tittlytaaiv  iot/.oti;  F  151)  grafen  Stolberg  11,97; 

2)  bildlicJie  icendungen:   grillen    sticken    als   bild  für 
das  treiben  des  Stubenhockers: 

wer  allzeit  hintern  ofen  sitzt, 

nur  grillen  stickt  und  höltzlin  spitzt  .  . 

der  bleibt  ein  äff  in  seiner  haut 

B.  Krüger  Ciawert  10  neudr.. 

offenbar  aus  hd.  quelle,  denn  dieselben  verse  bei  Henisch 
1744;  ebenso  grillen  schieszen:  dasz  sy  (die  Schwaben) 
hinausz  ziehen,  sich  was  zu  versuchen,  da  andere  na- 
tion  last  haben,  hinder  den  ofen  zu  sitzen  und  grillen 
schüessen  Krafft  reisen  402  lit.  ver.  im  16.  jh.  öfter : 
einem  eine  grille  im  loch  verkleiben  grosze  dinge  gegen 
jemanden  ausrichten : 

Barack,  der  Israelit,  sey  kommen 

und  hab  seins  volcks  mit  im  genomen  .  .  . 

ich  gedenck  mir,  er  wer  auf  gleuben 

uns  ein  grillen  im  loch  verkleiben 

mit  seinem  handtvölligen  beer 

H.  Sachs  10, 136  Kdler; 

s.  auch  unter  verkleiben  l,  th.  12,  657;  vgl.  nicht  desz- 
weniger  vföllen  sie  (die  evangelischen  ketzer)  dargegen 
grosz  grillen  mit  dem  verkleiben,  dasz  dort  steht :  das- 
jenig  dasz  zum  mund  eingeht,  verunreinigt  den  men- 
schen nicht  Fischart  bienenkorb  (1588)  218».  einen 
stechen  die  grillen,  ähnlich  wie  einen  stechen  die  flie- 
gen, die  mucken,  namentlich  im  16.  jh.  nicht  selten;  von 
verschiedenen  gemüthsverfassungen,  übermuth,  ausgelas- 
senheit  (vgl.  II  B  2),  doch  auch  hitze,  zorn  (vgl.  stechen, 
th.  10,  2,  1245.  1259) : 

ich  mein,  es  stechen  dich  die  grillen 
sagt  die  bäurin  zu,  ihrem  sich  närrisch  gebärdenden  manne 
H.  Sachs  14, 175  Keller-Götze; 

wenn  sie  heim  kommen  von  dem  wein, 
so  sticht  sie  der  narr  und  die  grillen, 
w8ln  dweiber  zwingen  umb  nichts  willen 

MoNTANus  schwankb.  557  lit.  ver. ; 

er  ist  grimmiger  und  wilder  dan  das  er  mit  eyniger 
vyrolthat  mSg  versönet  und  gestillet  werden,  er  ist  gar 
zu  schellig,  wann  in  die  grillen  stechen  Fischart  s, 
328  Hauffen;  im  westfäl.  sagt  man:  de  rüe  het  de  grillen 
ist  wüthend  (vom  tollen  hunde)  Woeste  86^,  möglicher- 
loeise  eine  contamination  von  grille  gryllus  mit  grille 
zorn  (vgl.  2grell  sp.  102  und  grillen)  Sciiiller-Lübben 
2,  146  •>. 


S)  im  vergleich: 


wa  sich  unreyn 


eyn  mentschen  düt,  gelichet  Muscaplüt 

als  vogel  und  eyn  grillen  Müskatblüt  78,  75; 


si  (das  böse  weib)  grynet  als  eyne  grille 


77,6; 


ime  ist  als   der  grillen  hinter  dem   offen,    er  redet  so 
man  doch  nit  gern  hört  städtechr.  s,  42; 

wo  er  (Witzel)  troffen  ist,  da  schweigt  er  still, 
er  nach  schreiet  unnütz  wie  ein  grill 

Alberus  contrafactur  A  1»; 


was  nutzen  .  . .  mir  meine  helJenlieder, 

wenn  ich  wie  grillen  nur  im  winkel  singen  musz? 

Neukircii  ged.  (1744)  264; 

machens  s'  eine  beschwörung,  kitzeln  wir  ihn  (den  Zau- 
berer) wo  heraus  bei  einem  loch,  wie  einen  grillen 
Raimund  i,  199;  im  gedanken  an  die  fabel:  während  er 
dabei  so  harmlos  wie  eine  grille  lebte  Spielhagen 
yrobl.  nat.  ^^2,  481;  ich  lebe  still  vor  mich  hin  und  zirpe 
wie  eine  grille  Freytag  4,  347;  nach  der  schlanken,  ver- 
hungerten gestalt  der  hausgrille: 

eingeschrumpft  wie  eine  grille 
sasz  das  fromme  mütterlein 

Chr.  V.  Stolberg  1,  254; 

ach  du  gott,  wie  ist  es  möglich,  dass  der  drach,  der  doch 

so  viel, 

menschenköpf  in  seinem  leib  hat,  klein  ist  worden  wie  ein 

grill 
RüCkert  Napoleon  1  (1815),  49; 

iszt  allawal  und  seggst  dennost  aus  wia  da  grill  am  le'zelt'n 
Schmeller  1 ,  994;  äugen  wie  grillen  unschöne,  grosze 
Fischer  schicäb.  3,  835. 

4)  metaphorisch  von  personen;  noch  als  bild  empfun- 
den: doch  was  halte  ich  mich  mit  diesen  Schwätzern 
auf?  ich  will  meinen  gang  gehen  und  mich  unbeküm- 
mert lassen,  was  die  grillen  am  wege  schwirren  Les- 
sing 10,191;  ähnlich  schon  j'rüh: 

wer  kan  dirre  werlte  nach  ir  willen 

nü  wol  sprechen,  aide  sJnen  sanc  verzem? 

wes,  des       waene  ich,  des 

müggen  süsent,  schrient  euch  die  grillen : 

wer  kann  dirre  tumben  diet  ir  muot  erwern  ? 

Marner  89,  20  Strauch; 

darüber  hinaus  reines  appellativum :  grill,  m.,  Spott- 
name für  kleine  magere  leute  und  zwerghafte  thiere 
ünger-Khull  307;  grüll,  m.,  magere  person  Hügel 
wien.  71;  ha!  alter  grill,  bist  aus  dem  loch?  (zum  alten 
Bott)  Schönherr  glaube  u.  heimat  (1910)  78;  sei  still, 
du  kleiner  grill,  dort;  nehm  dich  nicht  mit  Roseggek 
14,  119;  kleine,  sich  bemerkbar  machende  person  Fischer 
Schwab.  3,835;  speciell:  mageres,  naseweises  weibsbild,  ib.; 
grille,  /.,  homunculus,  ein  geringer  mensch  Stein bach 
1,  642; 

Laura :  ich  will  nicht,  scheuszliches  höllengebild ! 
ungeheuer :  ho,  winzige  grille,  nur  nicht  so  wild! 

Raupacii  dram.  werke  ernster  gattung  13,  40; 

so  enne  alte  grille!  grillige  person  Müller-Fraureuth 
1,  442;  im  schwäb.  nennt  die  katholische  bevölkerung  die 
Protestanten  grillen  Fischer  3,  835  (=  'speculierer,  ketzer', 
vgl.  grillen  'ketzerische  phantasien'  m.  II  B  3  a);  'narr':  der 
musz  ja  wohl  ein  grill  seyn,  der  sich  auch  solche 
thorheit  wünscht  Moscherosch  gesichte  i,  155  (vgl. 
grillen  passen  II  B  2);  als  versteckicort  alter  Soldaten- 
spräche : 

da  kamen  bald  die  grillen  gegangen, 

sie  wollten  dasselbig  mädelein  fangen,  .  .  . 

'ach  lieber  grill,  fang  mich  nicht  eben, 

ich  wil  dir  hundert  stickle  geben' 

iaus  einem  in  Cöln  1608  gedruckten  Soldatenlied) 

SS.  f.  d.  wart/.  1,  59 
(bedeutung  unklar;  landsknceht /) ; 

zu  ärzten,  die  ihm  das  kopfweh  mit  klistier  vertreiben 
wollen,  sagt  der  kranke:  sie  weren  wie  meister  Grill, 
dasz  sie  ihn  unten  weiten  curiren,  da  er  die  schmertzen 
im  köpf  hett  Lehmann  florileg.  polit.  (1632)  l,  59,  viel- 
leicht zu  erklären  aus  grill  als  bezeichnu7ig  des  vitriols: 
solchen  allen  ist  das  höchst  und  das  best  purgieren  mit 
dem  Vitriol,  den  man  in  der  gheim  und  heymligkeit  den 
gryllen  geheissen  hat  Paracelsus  opera  1,  1051  Iluser. 

II.  laune. 

A.  Ursprung,  die  öfter  versuchte  zurückführung 
dieser  bedeutung  auf  gril,  grille  'zorn'  (zu  grellen 
schreien,  s.  o.  sp.  104;  vgl.  I  B  2  schlusz)  ist  kaum  an- 
gängig, schon  die  entwicklung  der  bedeutung  aus  einem 
verbum  des  sinnes  'schreien'  (vgl.  Verwijs-Verdam  2, 
2140)  ist  nicht  ohne  künstlichkeit  möglich,  man  beachte 
weiter,  dasz  grille  'laune'  denselben  weg  genommen  hat 
wie  grille  'heimchai',  von  süden  nach  norden,  während 
die  sippe  grell-  auf  nordd.  boden  reicher  entwickelt  und 


319 


GRILLE 


GRILLE 


320 


nach  Süden  vorgedrungen  ist  (s.  o.  grell  sp.  95).  ivahr- 
scJieinlicher  ist  anknüpfung  an  lat.  grylli  gebilde  der 
groteskmale rei  (s.  n.  B  l).  doch  wird  das  wort  schon  beim 
auftauchen  der  neuen  bedeutung  im  16.  jh.  vom,  volksbe- 
wusztsein  nicht  selten  mit  grille  heim,chen'  identifiziert  (vgl. 
hummel,  motte,  mucke,  schnake  ti.  a.),  und  diese  gleich- 
setzung hat  seinen  gebrauch  je  länger  je  entschiedener 
bestimmt,  zu  beachten  ist,  dasz  die  ausbreitung  der 
jüngeren  bedeutung  nach  norden  anscheinend  in  einem, 
schnelleren  tempo  vor  sich  ging  als  die  von  grille  'heim- 
dien', daher  denn  auf  nordd.  boden  frühzeitig  icendungen 
wie  grillen  machen  (».  u.  B  4)  fusz  faszten,  während 
echte  bilder  wie  grillen  fangen,  vertreiben  selten  bleiben, 
bis  im  17.  jh.  die  reception  von  grille  'heimchcn'  im  md. 
gänzlich  vollzogen  ist,. 

B.  bedeutung. 

1)  die  dem,  lat.  grylli  unmittelbar  entsprechende  bedeu- 
tung im  älteren  nhd.  nur  bei  Fischart  mehrfach  nach- 
zuweisen: von  selsamen  fantastischen  thieren  und  grillen 
geschichtklitt.  440  neudr.;    malerträum,   hülengrillen  18; 

ja  malen  selsam  grillen  dar, 
wie  die  weit  gar  a  rebours  fahr, 
wie  die  leut  auf  den  köpfen  gehn 

d.  gelehrten  d.  verkehrten  331, 10  Kurz, 

ähnlich  flöhhatz  67,  91  neudr.;  vgl.  grillisch;  der  nichts 
als  syrische,  chaldeische,  persische,  aethiopische,  sama- 
ritanische  grillen  an  die  tafel  mahlen  kan  Weise  die 
drei  ärgsten  erznarren  88  neudr.;  dass  überall  ein  guter 
triftiger  sinn  zum  gründe  liegt,  auch  wenn  nichts  als 
lauter  aegyptische  gryllen  und  chinesische  fratzenhäuser- 
chen  daraus  empor  steigen  Lessing  13,  l9i; 

so  zerrüttet  auch  Dürer  mit  apokalyptischen  bildem, 
menschen  und  grillen  zugleich,  unser  gesundes  gehirn 

GÖTiiE  1,  318  Wcim. ; 

vgl.  (zeichnete  er)  einen  ordentlichen  bäum,  ein  haus  .  . 
nach  einem  braven  original,  so  hätt'  ich  nichts  da- 
gegen, aber  da  sind  es  nur  immer  seine  eigenen  grillen, 
hexenhafte  karikaturen  und  was  weisz  ich  Mörike  3, 
393;  auf  plastische  gebilde  angeicendet:  opfern  bald  bände, 
bald  füsze,  bald  köpf,  bald  ochsen,  bald  schaf  und  der- 
gleichen grillen  mehr,  alle  von  wachs  gemacht  J.  A.  v. 
Brand  reisen  157;  dann  schlenderten  sie  in  dem  garten 
von  büste  zu  büste,  von  grille  zu  grille,  von  statue  zu 
statue  SiEGFR.  v.  Lindenberg  2,  309;  vgl.  grillenwerk. 

2)  närriscJtes  gebühren,  faxen,  possen,  dann  auch  ab- 
str acter:  närrische,  lustige  einfalle  (atich  im  mnl.  reich 
cntuickeltYERM'us-YERDA-M  2, 2140) :  grille  possenreiszung, 
gestus,  gesticulatio  Henisch  1743;  grillen  treiben,  possen 
treiben  gesticulari,  gestire  1744 ;  grillen  gesticulationes  et 
gestus  Hdiculi  Stieler  702;  im  IG.  jh.  sehr  häufig,  im 
17.  allmählich  erlösche7id ,-  7nir  im  plur.  gebräuchlich : 

60  findt  ich  meinen  man  da  sitzen 
in  einem  korb  hie  auf  der  dillen, 
treibt  so  seltzam  egel  und  grillen 

H.  Sachs  14, 176  Keller-Götze; 
ebenso  9,  392,  19; 


auch  wo  eim  etwas  wurd  gestoln, 
dem  sag  ich  war  gar  unverholn 
und  lass  in  sehen  in  die  brillen 
und  reiss  in  seltzam  zottn  und  grillen 


17, 130; 


ähnlich  i,  411, 32 ;  grillen  und  zotten  reissen  Seb.  Franck 
chron.  3,  484;  ich  .  .  .  reiss  bossen,  grillen  und  brillen 
Frischlin  com.  46;  grillen  und  pfrillen  seynd  alle  lust 
und  gust  der  weit  gegen  dem,  was  Paulus  schon  ge- 
kost Abr.  a  St.  Clara  mercks  Wien  32;  (der  gesell) 
reisz  viel  schnacken  und  grillen,  das  ein  jederman  zu 
lachen  hatte  Hertzog  schilticache  3  ir; 

das  wir  .  .  .  sind  .  . . 

.  .  .  vollen  Harry  und  grillen 

Manuel  weinspiel  4100  neudr. ; 

(die  freien  knaben)  mehr  lust  .  .  haben  zu  göten  grillen, 
visierlichen  schwäncken  Linden  er  katzipoH  61  lit.  ver.; 
(der  ich)  viel  tausend  fantastischer  fantaseien,  grillen, 
Schnaken  und  bossen  gesehen  Messerschmidt  esels 
adel,  vorr.  i.^; 


das  ist  ein  alte  lumperey, 
possen,  grillen,  esels  gschrey 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  2,  213  llt.  ver.; 

wenn  einer  nicht  .  .  lustige  schwencke,  und  visirliche 
tauben  und  grillen  zu  marckte  bringen  .  .  .  kan  Prä- 
TORius  philosophia  salustiana  H  9*^;  von  närrischen  an- 
schlagen: 

der  grillen  s^ckt  er  voll 

Gryphius  ged.  (1698)  1,  693. 

3)  hauptbedeutung :  seltsame,  wunderliche  einfalle,  auch 
hier  tritt  in  älterer  zeit,  bis  ins  17.  jh.,  gelegentlich  con- 
creterer  gebrauch  auf:  seltsame  geschichten :  Merkurium, 
von  welchem  die  alte  poeten  viele  wunderseltzame 
grillen  haben  gedichtet  Rist  friedewünsch.  Teutschland 
(1648)  45;  wie  denn  in  Rom  etliche  curiosi  gantze  bücher 
von  dergleichen  .  .  spitzfündigen  reden  und  satyrischen 
grillen  vollgeschrieben  besitzen  sollen  Prätorius  an- 
thropodemus  pluton.  (1666)  2,  220;  auch  im  sing.:  die 
schöne  grill  ward  im  concilio  zu  Nicen  von  mönch 
Stephane  ausz  dem  buch  Sophronij  gelesen  (von  einer 
legende)  Fischart  bienenk.  (1588)  156'';  davon  in  folgen- 
der grille  das  seinige  zu  verstehen  ist,  welche  aber, 
ich  weisz  nicht  von  was  für  einem  aufhöre,  aufgesetzet 
ist  also  Prätorius  satumalia  (1663)  52;  in  der  reget 
aber  ganz  abstract:  er  hat  vil  bummeln,  mucken, 
tauben,  meusz  oder  grillen  im  kopff  Seb.  Franck 
sprichw.  (1541)  2,  40"^;  seltzame  .  .  .  köpf  in  der  weit 
stecken  voller  seltzamer  .  .  .  gedancken,  humorn,  bum- 
meln, grillen,  mucken  und  tauben  Aeg.  Albertinus 
himschleifer  (1664)  60;  darin  sie  alle  lehr  und  Satzungen 
irer  rabinen,  alle  ire  träum  und  gesiebten  und  alle  ire 
grundlose  tieffe  speculationen  und  wunderfremde  grillen 
.  .  .  zusammen  getragen  .  .  .  haben  Fisghart  bienenk. 
(1588)  55=^;  ich  seltzame  und  wunderliche  grillen  und 
anschläg  unterwegs  hatte  Grimmelshausen  Simpl.  4,528 
Keller;  meist  ist  der  begriff  durch  verschiedene  uccen- 
tuierung  schärfer  bestimmt: 

a)  das  phantastische,  unwirkliche  wird  stärker  betont: 
hirngespinst,  einbildung,  erfmdung,  täuschung;  oft,  aber 
nicht  nothivendig,  mit  dem  nebenbegriff  des  schrulligen; 
in  älterer  spräche  gern  religiös  gewendet:  dass  noch 
ein  jeder  phantast  seine  närrische  einfäll  und  thorechte 
grillen  mit  h.  schritt  behaupten  will  Grimmelshausen 
Vogelnest  2,  388  Keller;  hinweg  mit  allen  fleischlichen, 
irrdischen,  mahometischen  grillen  und  einbildungen 
Dannhauer  catechismus  m,ilch  b,  1280;  und  was  die  an- 
dern grillen  sein,  dadurch  man  gott  entweder  per  di- 
rectum oder  per  indirectum  zu  der  sünden  Ursache 
machen  will  Weise  d.  drei  ärgsten  erznarren  140  neudr.; 
doch  von  je  auch  auszerhalb  dieses  feldes:  Democritus 
spricht,  es  sey  die  seele  ein  geist,  auss  denen  .  .  . 
stäublein  zusamen  gesetzt,  und  was  dergleichen  wun- 
derbarlichen  grillen  seyn  Spangenberg  ganskönig  5 
Martin;  so  wird  die  antwort  fallen:  dasz  Jesaias 
nicht  den  iget,  sondern  die  amsel  verstanden  haben 
wolle,  und  fallen  dahero  alle  unzeitige  grillen  auf 
einmal  hinweg  Göchhausen  notab.  venat.  (i74l)  69; 
mich  in  den  ruf  zu  bringen,  dasz  ich  .  .  .  ein  kleiner 
phantast  sey,  der  in  nichts  als  in  seine  eigenen  grillen 
verliebt  wäre  Sghreyvogel  l,  104;  auch  im  sing.:  da 
man  . .  zu  diesen  Zeiten  eine  alte  grill  oder  träum  wieder 
im  schwänge  bringet  Prätorius  catastr. muhamm.  S  s  2 °^ ; 
oder  glauben  sie  etwan  auch  an  die  grille,  dass  der 
rang  einen  einfluss  aufs  herz  hat  und  kein  fürst  der 
freundschaft  fähig  seyn  kann  Kretschmann  s,  133; 
man  musz  also  diese  erzählung  für  eine  blosze  grille 
von  gewissen  lustigen  .  .  .  reisenden  ansehen  Forster 
2,  101;  häufig  in  Wendungen  wie:  wer  mit  den  Wissen- 
schaften ein  wenig  bekannt  geworden,  der  weis,  dasz 
es  mit  dieser  eingebildeten  Ordnung  eine  grille  ist  Les- 
sing 8,  23;  das  ganze  goldene  weltalter,  in  welches  die 
Schweizer  die  alten  schäfer  sezzen,  ist  also  eine  schöne 
grille  Herder  i,  345;  aber  was  wil  man  mit  den  ratzen 
machen,  so  nach  dem  Martiale  im  schlaf  fett  werden? 
ich  halte  es  für  eine  poetische  grille  Prätorius  vdn- 
terflueht  (1678)  289;  es  giebt  andere,  welche  die  Ver- 
schönerung der  natur  für  eine   grille  halten  Lessing 


321 


GRILLE 


GRILLE 


322 


10,81;  auch  ohne  artikel:  denn  glaube  ohne  empöndung 
ist  grille  Heinse  4,  880;  philosophie  ohne  geschichte 
sind  grillen  und  wortkram  Hamann  6,  223  Both;  ich 
halle  es  jetzt  für  grille,  dass  dann,  wenn  nur  ein 
musenalm.  wäre,  der  desto  willkommener  seyn  müsste 
Bürger  br.  2,  nr.  432  Strodtmann. 

b)  das  unbegründete,  ivillkürliche,  launische  wird  stärker 
betont:  marotte,  schrulle,  bizarrer  ein/all;  bisweilen  mit 
dem  nebenbegriff  des  eigensinnigen  oder  mehr  durativ: 
fixe  idee. 

«)  müsste  man  .  .  .  den  gerichtsstyl  den  neuerungen 
und  grillen  jedes  modischen  witzlings  preis  geben  Ade- 
lung wia^aztn  2,  l,  142;  es  ist  umsonst,  für  die  willkür- 
lichen grillen  der  menschen  vernünftige  gründe  auf- 
suchen zu  wollen  G.  Forster  i,  363;  dieses  ist  nun 
eine  ihrer  romantischen  grillen  Klinger  l,  94;  es  war 
eine  seiner  stolzen  grillen ,  von  den  teufein  für  den 
erflnder  der  Wissenschaften  gehalten  zu  werden  3,  33; 
das  hier  angeführte  besteht  übrigens  nicht  aus  ein- 
zelnen grillen  der  Franzensprache  Fouque  gefühle, 
bilder  l,  82; 

und  nicht  ein  püppchen,  welche  nur 

der  mode  grillen  eürt  Novalis  1, 124  Minor; 

häufiger  noch  im  sing.:  des  Verfassers  grille,  nicht  unter 
der  academie  stehen  zu  wollen  Göthe  IV  lO,  237  Weim.; 
die  grille  des  Prokrustes,  seine  gefangenen  zu  tode  zu 
dehnen  0.  Ludwig  5,  187 ;  der  grund,  oder  vielmehr  die 
grille,  welche  diese  schnelle  auswanderung  veranlaszte, 
war  wie  folget  Bode  Tristram  Schandi  (1774)  33;  das 
wofür  er  fällt,  heiszt  nicht  idee,  sondern  es  heiszt  grille 
Fichte  7,  5i;  ich  überlasse  denen  finanzverständigen 
zu  urtheilen,  ob  es  gedanke  oder  grille  war  Göthe  37, 
85  Weim.; 

jeden  deiner  wünsche 
erfüll  ich,  keine  grille  Hebbel  Nihel.  IV  11; 

warum  du  dich  nur  sträuben  magst? 

wärs  grille,  bloszer  eigensinn?  Mörike  3,  50; 

namentlich  mit  laune  gern  in  parallele  oder  contrast 
gesetzt:  eine  .  .  .  kluge  matrone,  welche  die  grillen  und 
launen  ihres  eheherrn  gelassen  ertrug  Pfeffel  pros. 
versuche  1,  140;  seine  laune  wird  nie  zur  grille  D.  Fr. 
Strausz  sehr.  6,  236;  ger7i  werden  solche  grillen  den 
/rauen  und  dem  alter  nachgesagt,  wobei  das  tcort  öfter 
gefärbt  ist  durch  den  begriff  des  miszlaunigen,  morosen: 
glauben  sie  mir,  das  beste  weib  hat  seltsame  launen, 
und  taumelt  unter  grillen  und  thorheiten  herum  dtsche 
erzähler  des  18.  jh.  1,  Fürst; 

und  bei  den  grillen  der  hübschen  frauen 
muszt  du  immer  vergnüglich  schauen 

Göthe  2,  280  Weim.; 

das  sind  so  alte  grillen  der  alten  verlebten  leute,  welche 
der  Jugend  die  freude  miszgönnen,  die  sie  selbst  .  .  . 
nicht  mehr  geniessen  können  ollapatr.  36,  32  neudr.; 
gegen  das  ende  seines  lebens  ward  {der  fürst)  capri- 
ciös,  voll  grillen,  tyrannisch,  geizig  Ritter  erdk.  4, 
1195. 

ß)  feste  Verbalverbindungen:  er  hat  seine  grillen;  sonst 
aber  weisz  man  von  ihm  nichts  unredliches  Petrasch 
sämtl.  lustsp.  1,  108;  das  canonische  recht  hat  nun  ein- 
mal die  grille,  dasz  sich  nur  mann  und  weib  verhei- 
rathen  dürfen  Raupach  dram.  werke  kam.  gattung  i,  4; 
die  bisweilen  aus  Unwissenheit  oder  Übereilung  auf 
solche  grille  verfallen,  daran  zu  zweifeln  Gottsched 
d.  neueste  aus  d.  anmutk.  gelehrsamkeit  1,  83; 

ein  zweyter  Don  Quixott,  in  dessen  köpf 

die  thorheit  heckte,  kam  einst  auf  die  grille, 

er  wäre  todt  Ramler  fabellese  (1783)  2,  534; 

wenn  mein  vater  die  grille  kriegen  sollte,  es  (das  geld) 
nach  Frankfurt  zu  haben  Göthe  IV  t,  160  Weim.;  mit 
einem  mal  überkommt  ihn  die  grille,  die  gesellschaft 
.  .  .  hierher  bescheiden  zu  lassen  Beer  sämtl.  werke 
(1835)  737; 

und  in  Wien  hab'  ich  hänser  sehr  viele, 

das  ist  halt  schon  so  meine  grille, 

dasz  ich  immer  in  einem  fort  bau' 

Raimund  l,  22; 

IV.  1,  6. 


es  war  eine  grille  der  Griechen,  .  .  .  ihre  mythologie 
mit  der  ägyptischen  zu  vermengen  Wieland  Lucian 
2,  37. 

y)  nach  präpositionen :  meine  Weigerung  dir  zu  fol- 
gen, wenn  du  aus  noth  oder  grille  wandern  würdest 
Göthe  25,  257  Weim.;  tochter  und  Schwiegersohn,  aus 
romantischer  grille,  machen  verkleidet  irgend  eine  wall- 
fahrt ans  meer  41,  i,  70;  vgl.  33,  265; 

aus  eurer  grille,  nicht  der  meinen,  soll  ich 
mein  alt  erprobtes  urtbeil  von  ihm  ändern? 

Schiller  12,  246  G. ; 

wie  er  ihr  aus  grillen  den  einzigen  Umgang  .  .  .  ver- 
dränge Arnim  7,  140  Grimm;  nun  wünsche  ich  nur, 
dass  er  es  annimmt  und  nicht  grillen  halber  ausschlägt 
W.  Grimm  an  Jacob,  briefw.  898; 

bald  zürnend,  lockend  bald,  nach  ihrer  grille  .  .  . 
entzündete  sie  mich  so  ungeheuer 

Gries  Bojardos  verliebter  Roland  2,  272. 

c)  seit  detn  17.  jh.  mit  zunehmender  häufigkeit  von  den 
wunderlichen  einfüllen  grübelnder  gelehrter,  philosophen, 
theosophen:  die  wunderlichen  sachen,  welche  der  dis- 
cursus  sol  vorgebracht  haben,  sind  philosophische  grillen 
Harsdörfer  frauenz.  gesprechsp.  5,  162;  wenn  euch 
des  Plato  grillen  besser  gefallen  als  meine  gespräche 
Lohenstein  Armin.  2,  1025";  die  allegorischen  grillen 
der  grammatiker  übergehen  wir  Voss  krit.  blätter  l,  202; 
ebenso  im  sing.:  (da)  die  ganze  idee  von  dieser  Wieder- 
kunft .  .  Christi  auf  erden  als  eine  schwärmerische  grille 
verspottet  .  .  .  wird  Jung-Stilling  3,  438;  wollen  wir 
sagen,  dasz  die  ganze  regel  vom  setzen  des  accents 
eine  unnütze  grille  sei?  J.  J.  Engel  7,  66;  ähnlich  auch 
bei  unpersönlichem  regens:  dasz  sie  sich  mit  den  alter- 
thümern  und  mit  den  römischen  rechts  grillen  den 
köpf  sehr  zumartern  v.  Fleming  vollk.  teutscher  sollat  9; 

lasz  deine  bücher  stehn,  vergisz  der  rechte  grillen 

Neukirch  ged.  (1744)  135; 

bisweilen  fühlbar  abgeschuächt  und  mit  annäherung  an 
begriffe  wie  theorie.  hypothese :  wir  bemerken ,  .  .  .  wie 
sie  (die  naturforscher)  neu  sich  bildende  grillen  mit 
freuden  aufnehmen  Göthe  115,2,377;  wirst  du  etwa 
mich  auslachen  über  eine  etymologische  grille?  grafen 
Stolberg  8,  175;  gehörte  bis  hierher  das  wunderliche  des 
einfalls  noch  zum  tcesen  des  begriffs,  so  sondert  sich  in 
der  2.  hälfte  des  18.  jh.  eine  neue  bedeutungslinie  ab,  die 
dies  Clement  des  sinnes  beinahe  aufgibt:  poetischer,  wis- 
senschaftlicher einfall,  gedanke,  project  schlechthin:  dieser 
anfang  eines  briefes,  der  sich  mit  einer  grille  über  eine 
stelle  ihrer  philosophischen  gespräche  .  .  .  schlieszen 
sollte  Lessing  is,  288  ilf.,-  gegenwärtige  poetische  grillen 
.  .  .  (aber  wie  viel  besser,  wird  man  sagen,  klingt  re- 
veries!)  5,488;  ebenso  antiquarische  grillen  17,262;  füll- 
horn  philologischer  und  kritischer  grillen  Hamann  2,  279 
Roth;  ich  habe  wieder  neue  grillen  über  das  tragische 
und  epische,  die  ich  ihnen  .  .  .  mittheilen  will  Göthe 
IV  13,  256  Weim.;  oft  bei  Göthe,  vgl.  I  19,  254;  28,  142; 
IV  21, 233 ;  42, 29;  ästhetische  betrachtungen,  philosophische 
grillen,  gedichte,  Übersetzungen  Mörike  3,  140  Göschen. 
4)  im  11.  jh.  und  anscheinend  aufmd.  boden  entwickelt 
sich  die  bedeutung :  trübselige,  sorghafte  gedanken,  von 
sorge  meist  dadurch  geschieden,  dasz  es  sich  um  grund- 
lose, einer  wunderlichen  einbildung  oder  melancholischen 
gemüthsverfassung  entspringende  kümmernisse  handelt; 
curae  et  agitationes  animi  Stieler  702;  cura,  sollici- 
tudo  Steinbach  l,  642;  fast  nur  im  plural:  Cotys  .  . 
mühte  sich  ihm  seine  grillen  auszureden  Lohenstein 
Armin.  2,  46^;  wenn  man  sich  gleich  einmahl  wieder 
erholet  .  .  hat,  .  .  so  hats  doch  nicht  bestand,  es  kom- 
men die  alten  grillen  immerzu  wieder,  und  suchen  ihr 
voriges  quartier  Carpzov  leichpredigten  (1698)  82; 

verächtlich  lächelnd  schlich  er  dort  herum 
am  walde,  grillen  murmelnd  und  betrübt 

Seume  ged.  (1804)  9; 

ich  bin  .  .  .  vielen  sorgen  und  grillen  .  .  .  entwischt 
Thümmel  reise  8,  20;  das  wort  war  bis  ins  19.  jh.,  an- 
ders als  heute,  auch  hoher  spräche  durchaus  gemäsz: 

21 


323 


GRILLE 


GRILLE 


324 


der  ort  an  sich  bringt  grillen  der  Verzweiflung 
auch  ohne  weitern  grund  in  jedes  hirn 
(the  very  place  puts  toys  of  desperation) 

Hamlet  I  i; 

laszt  fern  uns  von  zanken  und  eifersucht  sein, 
und  nimmer  die  stunden  mit  grillen  entweihn 

Novalis  1, 128  Minor; 

festes  requisit  des  älteren  Studentenliedes ;  ungemein  häufig 
in:  studentenspr.  u.  studentenlied  in  Halle  vor  100  jäh- 
ren, anhang  (l78l),  z.  h.: 


jubelt,  laszt  die  grillen  fahren 
laszt  uns  fort  die  grillen  jagen 


stereotype  verba:  er  macht  grillen  inquietus  est;  curis, 
sollicitudine  affectus  Serz  SS**;  ich  sehe,  wie  Herodes 
selbst  in  seinem  gemach  auf  und  ab  spatzieret,  ein 
häufen  grillen  gemacht  .  .  hab  Schupp /rettnof  i.  d.  not 
31  neudr.;  hier  kömmt  eine  nahrung,  bey  der  man  eher 
grillen  machen  kann,  der  liebe  melancholische  kaffee! 
Lessing  2,  227  M.;  ich  mache  mir  hundert  grillen  und 
mährchen,  was  alles  daraus  erfolgen  könne  Göthe 
25,  79  Weim.;  er  läszt  sich  die  grillen  gantz  einnehmen 
dedit  se  iotum  aegritudini  Steinbach  1,  643; 

und  wird  sich  stets  umsonst  mit  leeren  grillen  schlagen 

Stoppe  nach  Steinbach  a.  a.  0.; 

wer  wollte  sich  mit  grillen  plagen 

HöLTY  ged.  (1869)  208; 

doch  wer  wird  am  Weihnachtsabende  solchen  grillen 
nachhängen,  die  doch  eigentlich  gar  keinen  grund  haben? 
E.  Th.  A.  Hoffmann  12,  17  Grisebach;  er  solle  eine 
fuszreise  nach  Spanien  machen,  da  würden  ihm  die 
grillen  vergehen  Laube  8,  311;  der  sing,  erscheint  nur 
selten  und  in  poet.  spräche: 

kam  einmal  eine  grille  mir, 
so  schlosz  sie  mich  in  arm; 
und  hatt'  ich  einen  kusz  von  ihr, 
weg  war  der  sorgen  schwärm 

Miller  ged.  (1783)  349; 

ich  nehm'  es  auf,  und  weisz  in  allen  fällen 
das  schönste  glück  durch  grille  zu  vergällen 

Faust  5371 ; 

auch  in  heutigen  mundarten  'unbegründete  besorgnisse' 
D00RNKAAT-K00LMAN  1,  684;  Dähnert  161;  ebenso  im 
oberd.:  Loritza  55*;  ich  mache  mir  grillen  (in  den 
köpf);  ich  plage  mich  mit  grillen  Fischer  schwäb.  3, 
835;  do  macht  merr  sich  ken  grille  Martin-Lienhart 
1,  272»;  'wie  nhd.'  Staub-Tobler  2,  730;  im  älteren  obd. 
nur  in  spuren:  avertere  sensus  infandos  non  sani  pec- 
toris bösz  grillen  lassen  fallen  Frisius  dict.  1200"^. 

5)  feste  Wendungen. 

a)  grillen  im  köpf  u.  ü.  die  wendung  schwankt  nach 
zeit  und  ort  in  der  bedeutung  ebenso  wie  bloszes  grille; 
in  älterer  spräche  zumeist:  wunderliche  gedanken,  einbil- 
dungen:  atrabilis  (i.  e.  mania)  gryln  im  kopphe  Diefen- 
bach  57«  {quelle  von  1517);  grille  im  haupt,  falsche  ein- 
bildung,  fantasey  Henisch  1743;  er  hat  grillen  im  köpf 
Luther  br.  4,  549;  ich  glaub  das  Luther  mehr  grillen 
im- köpf  gehabt  dann  Marckolphus  Nas  antipap.  eins  u. 
hundert  ^,  li^ ;  wunderseltzame  dauben  und  kauderwel- 
sche grillen  stiegen  mir  damals  ins  hirn  Grimmels- 
hausen  Simpl.  1, 41  anm.  Keller;  närrische  einfalle  (vgl.  2) : 
da  sie  .  .  .  nicht  wüste,  was  vor  närrische  grillen  in 
meinem  köpf  steckten  l,  180 ;  trübselige  gedanken  (vgl.  4) : 
melancholische  grillen  im  köpf  haben  nil  nisi  triste 
cogitare  Apinus  gloss.  novum  (i728)  348;  ich  habe  gar 
zu  viel  verdrieszliche  grillen  im  hirnkasten  Elisabeth- 
Charlotte  V.  Orleans  br.  i,  265  lit.  ver.;  mein  tage  habe 
ich  mir  die  grillen  nicht  lassen  zu  köpfe  wachsen 
Gottsched  deutsche  Schaubühne  1,  16O;  laune,  schrulle, 
fixe  idee  (vgl.  3  a.  b.  c),    besonders  im  sing.: 

da  vil  mir  in  köpf  ein  grill, 
wolt  uff  die  hochzeit  nit  kommen 
Alex.  Seitz  vom  groszen  abendmahl  (1540)  d  vi»; 

die  odenjder  Sappho  hab  ich  längst  besser  und  deut- 
scher übersetzt;  damals  hatte  ich  eine  sonderbare  grille 
von  treue  im  köpfe  Heinse  10,  271;  so  namentlich  in 
der   Wendung  gr.   in   den   köpf   setzen:   wenn  der  Ver- 


fasser sich  nicht  die  grille  in  den  köpf  gesetzt  hätte, 
die  briefe  .  .  .  fast  durchgängig  zur  basis  seiner  be- 
trachtungen  zu  nehmen  Gerstenberg  recens.  4,  27  lit. 
denkm.;  anders:  das  ist  aber  nicht  artig,  ein  einfaltiges 
landmädchen  .  .  zu  vexiren  und  ihr  grillen  in  den  köpf 
zu  setzen  Miller  Siegwart  1,  I66;  einem  grillen  in  den 
köpf  setzen  inanes  species  anxio  animofigurare  Stein - 
BACH  1,  643;  vgl.  einem  eine  grille,  einen  floh  ins  ohr 
setzen  Schellhorn  sprichw.  67.  auch  im  dialect: 
grillen  im  köpf  haben  Fischer  schwäb.  3,  835;  hö  hed 
grillen  in  de  kop  Doornkaat-Koolman  1,  684;  vgl. 
nl.  grillen  int  hooft,  in  de  kop  hebben  (seit  dem 
16.  Jh.);  umgekehrt:  liebe  mutter,  lasz  mich  mein  aller- 
liebste braut  .  .  .  sehen,  ob  mir  die  grillen  ausz  dem 
köpf  kämen  buch  d.  liebe  (i587)  214»;  schlage  dir  nur 
diese  schwermüthigen  grillen  aus  dem  köpfe  Cronegk 
sehr.  (1771)  1,  76;  bis  ihm  alle  grillen  wieder  aus  dem 
köpfe  sind  Göthe  48,345  Weim.;  und  welche  sich  be- 
müheten,  ihm,  was  sie  nannten,  die  grillen  aus  dem 
köpfe  zu  sprechen  Knigge  roman  meines  lebens  3,  173; 
oft  in  anschaulicherem,  bilde: 

von  grillen  schwärmt  der  köpf 

Günther  ged.  (1785)  416; 

mir  schnurrt  eine  grille  im  Oberhaus  Mörike  Nolten 
4,  86;  leute  .  .  die,  wenn  ihnen  eine  grille  bei  den  obren 
in  ihren  hohlen  schädel  hineingekommen  ist,  .  .  sich 
die  obren  zustopfen,  dasz  diese  grille  in  ihrem  hirn- 
kasten erst  recht  rumoren  kann  Seb.  Brunner  erzähl, 
u.  sehr.  1,  320;  selten:  über  diese  worte  entsetzte  er 
sich,  und  bekam  eine  grille  in  sein  hertz  Olearius 
verm.  reisebeschr.  (I686),  pers.  baumg.  100; 

wo  die  verliebten  grillen 
hertz  und  gehirne  füllen 

Neukirch  an/angsgründe  (1724)  60; 

b)  grillen  fangen  u.  ä.  meist  im  sinne  trübselig,  misz- 
vergnügt  sein  {vgl.  4),  seit  ende  des  17.  jh. :  grillen  fangen 
angi  vana  meditatione  Steinbach  1,  643;  sonst  wer 
schon  grillen  fangen  und  mit  schwermüthigen  gedancken 
handeln   wil   Weise   die   drei  klügsten  leute  (1675)  lll; 

ich  will  lachen  .  .  . 

andre  mögen  grillen  fangen ! 

Günther  ged.  (1735)  179 ; 

der  gast  im  lehnstuhl  .  .  der  hausherr  ihm  gegenüber 
grillen  fangend  Polenz  Grabenhäger  l,  138;  auch  im 
dialect  Fischer  schwäb.  8,  835;  Doornkaat-Koolman 
1,  684;  auf  einen  einfall  kommen  (vgl.  3  c): 

verwünscht  sey  doch  der  tag,  da  ich  die  grille  fing 
und  zur  philosophie  als  jung  in  dienste  ging! 
neue  samml.  v.  Schauspielen  (Wien  1764—69)  1,  Democrit  3; 

seit  dem  ich  Klopstocks  abhandlung  gelesen,  habe  ich 
ganz  eigene  grillen  über  die  prosodie  gefangen  Lessing 
I7,238lf.;  die  theorie  von  der  Individualität,  über  die 
ich  nun  meine  eigne  grillen  mir  fange  Gramer  Neseg- 
gab  1,  34; 

wer  wird  bei  vollen  flaschen  .  . 
die  Stirn  in  falten  ziehn  und  magre  grillen  haschen? 

Wieland  16,  20  Hempel; 

dagegen  hat  das  ältere  grillen  schieszen  trübselig  sein 
(s.  th.  9,  43)  einen  anderen  ausgangspunct,  vgl.  I  B  2. 

c)  die  grillen  vertreiben  u.  ä.,  gegentheil  von  b,  eben 
falls  erst  seit  dem  ausgehenden  17.  jh.:  dieses  vertreibt 
mir  die  grillen  hoc  a  sollicitudine  me  abducit  Apinus 
gloss.  nov.  255;  da  Gelanor  oben  auf  dem  gange  die 
melancholischen  grillen  vertreiben  und  auszspatziren 
wolte  Weise  die  drei  ärgsten  erznarren  217  neudr.;  es 
vertreibt  die  motten!  die  motten  im  köpf,  die  grillen, 
die  raupen,  den  ärger  Gutzkow  ritter  v.  geiste  3,  173; 
alle  grillen  verbannisiren ,  omnes  cogitationes  animum 
perturbantes  expellere  Apinus  gloss.  nov.  61; 

denn  dir  die  grillen  zu  verjagen 

bin  ich,  als  edler  Junker,  hier  Faust  1534; 

Reinekens  freunde  blieben  beisammen  die  nacht  durch  und 

scheuchten 
seine  grillen  durch  muntre  gespräche 

Göthe  50,  167  W. ; 


Ii 


325 


GRILLEN 


hei  Lessing  tvieder  im  sinne  'einfaW  (s.  o.  3  c):  bald 
aber  ward  die  grille  von  einer  andern  verjagt  tverke  t, 
SOOM.;  deutlicher  als  bild  empfunden: 

ich  musz  die  grillen  heunt 
im  wein  zu  tode  schlagen 

Stieler  gehamschte  Venus  86  neudr. ; 

die  pfeif  hat  lang  genug  gefeiert,  ich  musz  mir  die 
grillen  ausräuchern,  die  wurlen  mir  jetzt  so  viel  häufig 
im  köpf  herum  Anzengruber  3,  118:  in  jüngerer  spräche 
gern  in  Wendungen  ivie:  dann  müssen  sie  ihre  geigen 
und  flöten  holen  und  sich  die  grillen  und  den  —  hunger 
verspielen  Gleim  briefw.  l,  lOi ;  eigentlich  aber  sang  er 
.  .  nur,  um  sich  selber  die  grillen  zu  versingen,  denn 
ihre  läge  war  übel  genug  Eichendorf  3,  285. 
d)  andere  bildliche  Wendungen  sind  seltener: 

brüt'  nur,  brüt'  über  deinem  bücherschrein,  .  . 
weid'  grillen  unterdesz,  schulmeisterlein 

Eichendorf  3,529; 

denke  an  meine  freunde  und  füttre  meine  grillen  Cha- 
Misso  5, 105;  ettvas  häufiger:  so  kan  ich  leicht  schliessen, 
dasz  es  (das  ammenmärchen)  eine  in  einer  wochenbett- 
stube  ausgeheckte  grille  sey  Schmidt  rockenphilosophie 

1,277; 

wer  diesen  zweck  nicht  hat, 
der  bleib  nur  in  der  stadt 
und  heck  betrübt  zu  haus 
die  magren  grillen  aus 

Triller  poet.  beiracht.  i,  177; 
'einfalle' : 

die  astronomisch  phantasey  : 
die  bracht  mit  sich  wunderbar  grillen  : 
die  sie  allein,  umb  der  gansz  willen, 
auf  Martins  tag  wolt  fliegen  lassen 

W.  Spangenberg  ganskönig  81,  2  Martin; 

lasz,  greiser  wunderkopf,  den  schwärm  der  grillen  fliegen 
Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  l,  242. 

GRILLEN,  vb.  l)  seitenform  zu  grellen  schreien;  zur 
form,  bedeutungsentwicklung  und  differenzierung  gegen- 
über grellen  s.  d.  sp.  104;  namentlich  im  schicäb.  reich 
enttoickelt,  auch  im  bair. : 

die  vor  an  dich  gelaubet  hant, 
die  pfeiß'en  dir  mit  grillen 
zu  tanz  auff  ainer  tillen 

Osw.  V.  Wolkenstein  63, 135  Schatz, 

oder  ist  hier  ein  subst.  grill  {vgl.  2  grell  sp.  102)  anzu- 
setzen? meist  von  hohen,  schneidenden  tönen:  unter  den 
eusserlichen,  so  das  gehör  hart  schwechen,  seynd  scharpf 
grillende,  rauche,  unversehne,  schnelle  und  gewaltige  ge- 
thön  WiRSUNG  arzneibitch  (1588)  121  c;  eine  nicht  ge- 
schmierte maschine  grill(e)t  Fischer  schwäb.  3,  835;  krei- 
sehen,  besonders  von  frauen  ib.;  getroffen  von  einem 
apfel  grillt  es  (das  mädchen)  Auerbach  sehr.  I8,  6;  der 
bursche  grillt  (nach  einem,  schmerzhaften  druck)  auf  und 
lacht  Vischer  auch  einer  *1,  136;  öfter  in  etymologisie- 
rendem sx>iel  von  der  grille: 

kein  ox  kan  also  brüllen, 
als  wie  die  grillen  grillen 

Harsdörfer  poet.  trichter  (1653)  3,  246; 

wann  es  (das  männchen)  die  flügel  etwas  aufhebt  und 
damit  grillet  und  singt  Frisch  insecten  i,  1;  alle  mög- 
lichen Insekten,  voran  die  cikade,  summen,  grillen  und 
zirpen  Vischer  altes  n.  neues  l,  57. 

2)  seit  dem  17.  jh.  als  ableitung  von  grille  II;  das  zu- 
gehörige subst.  griller  ist  früher  nachzuweisen,  s.  d.;  meist 
nach  grille  II  B  4  'trübseligen  gedanken  nachhängen' : 

allwo  er  mancherley 
bey  sich  gegrillet  hat,  bisz  er  sich  endlich  nieder 
zur  sanften  ruh  gelegt 

Neumark  poet.  u.  music.  lustwäldchen  (1652)  150; 

grille  nicht  bei  sommersonnenschein, 
dasz  es  wieder  werde  winter  sein 

Göthe  3,  167  Weim.; 
auch  reflexiv: 

warum  doch  marterst  du  und  grillst  dich? 

Voss  ged.  (1802)  6, 107; 

seltener  icerden  andere  bedeutungen  des  subst.  in  dem 
verbum  lebendig: 


GRILLENBARTGRAS  -  GRILLENFÄNGER  326 

was  hilft  eines  narren  wort, 
der  nichts  mit  bedacht  erweget 
und  nur  schwärmt  und  grillet  fort? 
Knittel  poet.  Sinnenfrüchte  (1677)  absondert,  buch  43, 

vgl,  grille  II  B  8  a ; 

schmollt  der  mann  und  grillt  die  frau 

Göthe  14,  216  Weim., 
vgl.  grille  II  B  3  b  a. 

GRILLENBARTGRAS,  n.,  andropogon  gryllus  v.  Per- 
ger 3,88;  vgl.  grillengras.  —  grillenbuch,  n.,  buch  voll 
närrischer,  seltsamer  geschichten  (vgl.  grille  II  B  2.  3): 
was  aber  demnach  sein  (des  Rabelais)  fürnemmen  und 
bedencken  solche  grillenbücher  zu  stellen  belanget  Fi- 
schart geschichtklitt.  11  neudr. 

GRILLENFANG,  m.,  nur  übertragen;  zumeist  wie  grillen 
fangen  (s.  grille  II  B  5  b)  von  trübseliger,  miszvergnügter 
Stimmung;  seit  dem  tS.  jh.  und  wie  die  verbale  ivendung 
zunächst  auf  nordd.  boden  ausgebreitet: 

der  grillenfang  macht  kranck 

Günther  ged.  (1735)  267  ; 

gebet  härm  und  grillenfang, 
gebet  ihn  den  winden 

HÖLTY  ged.  197  Halm ; 

da  spottet  ich  der  nebel 
von  grillenfang  und  gram 

Matthisson  sehr,  l,  95; 

seltener  klingen  andere  bedeutungen  von  grille  an;  von 
einem  ungereimten  verlangen: 

ihr  (der  frau)  grillenfang  ist  mehr  als  lächerlich; 
die  rednerin  will  mich  zum  besten  haben 

Hagedorn  poet.  werke  (1769)  2,  285, 

vgl.  grille  II  B  3  b;  die  wenigen  übrigen  sectierer  von  der 
alten  art  zweifeln  bloss  aus  liebhaberey  des  grillenfangs 
Klopstock  gelehrtenrep.  (i774)  368,  vgl.  grille  II  B  3  c; 
und  nun  komme  ich  daher  und  finde  dich  an  einem 
abenteuerlichen  grillenfang  stehen,  wie  die  weit  noch 
keinen  zweiten  geboren  hat!  G.  Keller  2,  268.  —  gril- 
lenfangen, n.,  der  substant.  inf.  ist  namentlich  im 
18.  jh.  nicht  selten : 

sie  ist  von  lustigem  gemüthe, 

das  nichts  aus  grillenfangen  macht 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  1,  420; 

sind  das  nicht  Ursachen  genug  zum  grillenfangen?  Löw^en 
sehr.  3,  181; 

(ich)  kannte  mühe,  sorg  und  grillenfangen 
nicht  mehr  als  griechisch  und  philosophie 

Baggesen  poet.  werke  2,  9. 

GRILLENFÄNGER,  m.,  nur  übertragen;  in  dem  wort 
wiederholt  sich  z.  t.  die  geschichte  von  grille. 

l)  zunächst  von  einem  menschen,  der  phantastische, 
wunderliche  einfalle  hat  und  sich  dementsprechend  auf- 
führt (vgl.  grille  II  B  2.  8) ;  gesticulator,  febricitans,  cu- 
riosus,  gestuosus,  cerebrosus,  fanaiicus  Stieler  703; 
cacciatore  di  grilli  cioe  fantastico,  giribizzoso  Kramer 
teutsch-ital.  1,  337^:  was  höre  ich  doch  von  diesem 
grillenfänger  wunderliche  händel  .  .  vernehme  ich,  dasz 
in  der  weit  kein  grösser  phantast,  als  er  sey  zu  finden 
Rist  d.  friedejauchzende  Teutschland  (l653)  90;  es  wahre 
bey  ihme  seine  seele  und  Seligkeit  viel  wolfeiler  als 
das  geringste  seyl  dder  bändigen,  so  der  grillenfänger 
in  seinem  tabulitke,  betrugs-buden  .  .  hatte  Prätorius 
katzenveit  (1665)  Gl'';  die  medici  sind  wohl  wunderliche 
grillenfänger!  alles  meinen  sie  mit  purgiren  und  laxiren 
auszurichten  ollapatr.  266,  28  neudr. ;  das  ethos  des  Wortes 
weist  zunächst  ins  heitere:  so  hat  fast  noth wendig  ein 
lepidum  caput,  oder  freudiger  grillenfänger,  sich  zu 
gegenwärtiger  materie  finden  sollen  Prätorius  philo- 
sophia  colus  (1662)  vorr.  3*;  ich  folgte  gern  (der  auffor- 
derung  ein  lied  zu  singen),  weil  ich  eben  in  laune  war, 
wie  dan  die  musici  gemeiniglich  seltzame  grillenfänger 
sind  Grimmelshausen  Simpl.  296  neudr.;  gelegentlich 
an  den  concreten  gebrauch  von  grille  II  B  3  anfang  er- 
innernd: weil  solche  lobbriefe  nur  bey  den  heydnischen 
grillenfängern  gelten  Arnold  kirchen-  u.  ketzerhist.  (i699) 
363*';  der  müssige  grillenfänger  Lucianus  schreibt  ein 
buch  von  der  fliege  medic.  m,aulaffe  (1719)  959. 

21* 


327 


GRILLENFÄNGEREI 


2)  im  18.  jh.  tritt  eine  andere  bedeutung  mit  anderem 
Stimmungsgehalt  in  den  Vordergrund:  homo  cerebrosus 
qui  inanibus  studiis  distrahitur  Wächter  (1737)  614;  ist 
der  verstand  noch  *hwächer,  so  geräth  er  auf  fratzen, 
bedeutende  träume,  ahnungen,  wunderzeichen,  er  ist 
in  gefahr  ein  .  .  .  grillenfänger  zu  werden  Kant  2,  244 
Hartenstein,  wo  der  begriff  philosophisch  erläutert  wird  ; 
die  einbildungen  aller  einsiedlerischen  grillenfänger  in 
den  wüsten  Egyptens  Zimmermann  einsamkeit  2,  69; 
dann  'einsamer  kauz,  querkopf,  Sonderling':  damit  mich 
aber  niemand  vor  einen  geitzhalsz  oder  grillenfänger  an- 
sehen möchte,  so  besuchte  meine  nachbaren  fleiszig 
Schnabel  insel  Felsenburg  404,  30  Ullrich;  diesem  wird 
ein  andrer  entgegen  gestellt,  der  aus  ehrsucht  ein  Son- 
derling und  grillenfänger  ist  neuer  büchersaal  d.  schön, 
wissensch.  u.  fr.  künste  1,  70.  mit  groszer  Vorliebe  ge- 
braucht das  18.  jh.  das  wort  für  den  gelehrte7i  oder  schein- 
gelehrten Sonderling,  querkopf,  pedajiten;  es  wird  das 
gangbarste  Scheltwort  gegen  die  gelehrten:  wenn  man  den 
grammatikalischen  grillenfängern  folgen  wollte  Schön- 
AiCH  ästhetik  (1754)  78;  die  gelehrten  nannte  er  nur  gril- 
lenfänger und  pedanten  Eschenburg  beispielsamml.  8,  2, 
65 ;  ihr  herren  grillenfänger  könnt  freylich  mit  niemand 
klügerm  reden  als  mit  euch  selber  Lessing  2,  67  M.,-  vgl. 
4,  342;  7,  472;  es  ist  aus  der  ganzen  stelle  klar,  dass  sie 
nur  von  Sophisten,  gelehrten  handwerksmännern,  gril- 
lenfängern und  halbgelehrten  reden  Wieland  I  2,  295 
akad.  ausg. 

3)  die  jüngste  entwicklung  schiebt  ein  bedeutungselement 
in  den  Vordergrund,  durch  das  der  ursprüngliche  stim- 
mungsgehalt  des  wortes  {s.  l)  ins  gegentheil  verkehrt  ivird: 
'der  in  trüben  (miszstimmenden ,  beunruhigenden,  ver- 
drieszlichen,  sorglichen),  seltsamen,  ivunderlichen  einfül- 
len mit  eigensinniger  Stimmung  befangene  und  ihnen 
nachhängende'  Weygand  synon.  2,  618;  also:  griesgram, 
murrkopf,  hgpochonder ;  am  frühesten  wird  diese  bedeu- 
tung fühlbar  in  der  bis  heute  beliebten  Zusammenstellung 
alter  gr.:  der  studiosus  wolte  auch  nicht  aus  beisorge 
den  korb  zu  bekommen,  bei  diesen  alten  grillenfänger 
umb  die  tochter  ehrlich  anhalten  Joh.  Riemer  polit. 
leiermann  (1688)  111;  ihr  vater,  ein  alter  verwünschter 
grillenfänger  Kürnberger  novellen  (l86l)  1,  51;  vgl.  auch 
glossierungen  wie  muricidus,  curia  Steinbach  1,380;  er 
ist  ein  rechter  grillenfänger  vanas  curas  fovet  ib.;  aber 
erst  seit  denn  ende  des  18.  jhs.  recht  lebendig ;  heute  herr- 
schend : 

grillenfänger,  unsre  feinde, 
packet  euch,  wir  sind  gedeckt 

Studentenlied  in  Halle,  anhang  12  Burdach ; 

du  bist  der  ewige  grillenfänger  Schiller  3,  24  Q.;  der 
ehestand  hat  ohnehin  der  trübseligkeiten  'so  viele,  dass 
ein  fröhlicher  mensch  vollauf  zu  thun  hat  .  .  . ,  nun 
erst  ein  grillenfänger  Bäuerle  kom.  theater  4,  61.  — 
selten  in  verkürzter  form:  dasz  die  beste  weit  eine 
grille,  die  monaden  ein  träum,  .  .  und  Baumgarten  ein 
dunkler  grillfänger  sey  Nicolai  lit.  br.  i,  130. 

GRILLENFÄNGEREI,  /..  namentlich  im  18.  jh.  recht 
häufig. 

l)  meist  in  der  bedeutung  '(unfruchtbare)  grübelei,  ver- 
worrene, abstruse,  haltlose  speculation' : 

der  Unlust  trübe  nacht,  die  seinen  geist  erfüllt, 

die  grillenfängerey  unruhiger  gedancken, 

die  ihn  stets  eingesperrt  in  seiner  stube  schrancken 

Caspar  Abel  Boileau  (1729)  335; 


kein  verworrnes  bücherlesen, 
keine  grillenfängerey, 
wohnte  dir  im  leben  bey 

Triller  poet.  betracht. 


2,  302 ; 


einseitiger  Scharfsinn,  der  in  der  ausartung  .  .  grübelei 
(grillenfängerei)  wird  Schelling  l,  292;  'pJmntasie':  prä- 
laten  und  speciale,  welche  .  .  blosz  auf  die  zinnen  der 
Oetingerischen  musik  steigen,  sich  von  ihrer  erhitzten 
grillenfängerey  alle  reiche  einer  unbekannten  weit  und 
ihre  herrlichkeit  zeigen  lassen  Nicolai  reise  d.  Deutsch- 
land 10,  85;  als  'ergebnis  des  grübelns'  zuweilen  einfachem 
grille  nahekommend:  eine  solche  wunderliche  grillen- 
fängerey  kann    niemanden   in   den  sinn  kommen,   als 


GRILLENFÄNGERIN,  GRILLENFÄNGERISCH  328 

der  es  nicht  weis,  dasz  alle  vocalen  kurz  oder  lang 
Gottsched  dtsch.  sprachkunst  40;  gern  ausdrücklich  dem 
exakten  forschen  gegenübergestellt:  von  diesem  augen- 
blick  an  (mit  dem  auftreten  des  Baco  von  Verulam) 
scheint  beobachtung  über  grillenfängerei  zu  siegen 
Göthe  II  5,  1,  162  Weim.;  oft  auch  im  plural,  wo  sich 
die  bedeutung  einfachem  grille  am  meisten  nähert:  denn 
es  ist  warlich  zu  beklagen,  dasz  man  ...  an  statt  der 
herrlichen  wissenschafften  solche  brodlose  grillenfänge- 
reyen  auf  die  bahne  bringt  Weise  d.  drei  ärgsten  erz- 
narren 111  neudr.;  und  eben  darum  mit  den  .  .  subtili- 
täten  und  grillenfängereien  der  heutigen  diener  Mosis 
.  .  nichts  zu  schaffen  haben  will  Zinzendorf  creutz- 
reich  (1746)  26;  concreter:  was  vor  mühe  es  unsern  ehr- 
lichen versmacher  gekostet,  ehe  er  seine  grillenfängerey 
an  das  tageslicht  gebracht  hat  Gottsched  vernünft. 
tadlerinnen  1,389;  über  'spitzfindige  grübelei'  schlieszlich 
zur  bedeutung  ' silbenstecherei.  kleinigkeitskrämereV :  doch 
wir  .  .  wollen  diese  vorrede  .  .  nicht  zum  kampfplatz 
unnützer  grillenfängereyen  und  sylbenkriege  machen 
Boom  ER  samml.  crit.  poet.  schriften  2,  54;  wiewohl  heu- 
tiges tags  einiger  mut  dazu  gehört,  mit  betrachtung 
solcher  kunstregeln  .  .  .  sich  dem  vorwürfe  der  klein- 
fügigkeit  und  grillenfängerei  auszusezen  Voss  antisymb. 
2,  219;  ganz  analog  grille:  das  ist  eine  grillenfängerei 
ein  zwar  künstlicher,  aber  doch  unnützer  gedanke  Ade- 
lung; grillenfängereien  im  köpfe  haben  ib. 

2)  laune,  marotte,  eigensinn,  auch  in  der  sprachlichen 
Wendung  vielfach  mit  einfacJiem  grille  übereinkommend: 
mir  wird  übel,  wenn  ich  nur  von  dergleichen  grillen- 
fängerey etwas  höre  (von  einem,,  der  seine  silbernen 
knöpfe  nicht  verkaufen  ivill)  Holberg  dän.  Schaubühne 
4,  73 ;  ich  liebe  sie  (m,eine  freunde)  bis  zur  grillenfängerey 
Hamann  3,  161  Both;  diese  einzige  grillenfängerey  aus- 
genommen, ist  er  sonst  ein  sehr  feiner  mensch  Pet- 
RASCH  sämtl.  lustsp.  1,  248;  'einbildung'  (vgl.  grille  II 
B  3  a) : 

der  blick ,   an  welchem  zwey  seelen    einander  stracks  er- 
kennen .  .  . 
sey  grillenfängerey  Wieland  (1794/.)  4,26; 

wenn  ihre  freundschaft  zu  mir  das  ist,  wofür  ich  sie 
immer  gehalten  habe  (und  das  musz  sie  seyn,  oder  es 
ist  grillenfängerey  damit)  F.  H.  Jacobi  Woldemar  (1796) 
1,  279. 

3)  miszmut,  hypochondrie,  die  jüngste  bedeutung :  so 
entsteht  gemüthsunruhe,  besorgnisz,  grillenfängerei  und 
gram  ohne  Ursache  Schopenhauer  5,  6i6  Grisebach; 
auch  Baron  soll  deine  hypochondrische  grillenfängereien 
theilen  Gaudy  16,  107;  als  ich,  die  mislaune  und  gril- 
lenfängerei des  onkels  berücksichtigend,  leise  mit  Agnes 
zu  sprechen  begann  Bog.  Goltz  jugendleben  3,  206.  — 
gelegentlich  verkürzt:  mit  dergleichen  grillfängereien  ver- 
triebe ich  die  edle  zeit  Jan  Rebhu  iceltkucker  (1679)  3,  6i. 

GRILLENFÄNGERIN,/.,  nicht  ganz  seltene  movierung: 
gleichwohl  gebe  ich  noch  nicht  alle  hoffnung  auf,  dasz 
sie  nicht  .  .  .  unter  dem  namen  der  liebenswürdigen 
grillenfängerin  ansehnliche  eroberungen  sollte  machen 
können  Wieland  vorr.  zu  1,k  Roche  fräul.  v.  Stern- 
heim 8  lit.  denkm.;  'ei,  so  lasz  die  grillenfängerin!'  rief 
der  alte  ärgerlich  Zschokke  27,  318. 

GRILLENFÄNGERISGH,  adj.,  namentlich  im  18.  jh. 
ziemlich  häufig:  grüblerisch,  unfruchtbaren  speculationen 
nachhängend;  so  von  politisch  unzufriedenen:  er  warnete 
sie  (die  Staatsversammlung)  auch  vor  dem  grüUenfänge- 
rischen  anhange  etlicher  kriegsbedienten  Zesen  ver- 
schmähete  majestät  (i66i)  312;  diese  gedancken  werden 
vielleicht  manchen  gar  zu  tiefsinnig  oder  gar  zu  grillen- 
fängerisch zu  seyn  scheinen  Gottsched  vernünft.  tad- 
lerinnen 1,  34;  absonderlich,  launisch,  eigensinnig :  wenn 
ich  ihnen  einen  besuch  gebe,  so  thut  es  noth,  dasz 
ich  .  .  zuvor  schmuck  und  schminke  und  jede  kostbar- 
keit  von  mir  lege,  wundern  sie  sich  über  diese  grillen- 
fängerische behutsamkeit  nicht  Schiller  3,  552  G.;  ver- 
drieszlich,  hypochondrisch :  alles  .  . ,  was  ich  dachte  dasz 
mich  aufheitern  und  aus  dem  grillenfängerischen  leben 


329   GRILLENFEDER  -  GRILLENHAFT 

herausreissen  würde  Miller  briefwechsel  l,  270;  im  i9.jh. 
erlöschend:  durchlaucht  geben  ein  muster  in  glimpf  und 
nachsieht  .  .  für  die  scheinbare  ungebühr  eines  schein- 
bar grillenfängerischen  Untertanen  Pückler  briefw.  u. 
tageb.  3,  136. 

GRILLENFEDER,  /.,  als  zeichen  des  narren:  die  gril- 
lenfederen ofTentlich  zu  tragen  Lindener  rastbüchl.  53 
lit.  ver.;  vgl.  grille  II  B  2.  —  grillenfieber,  n.,  grübet- 
sinn,   trübseligkeit : 

und  der  thäte  gantz  verkehrt 
welcher  stets  das  jrrillenlieber 
und  die  freude  nicht  begehrt 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  3,  350, 

vgl.  grillenkrankheit.  —  grillen  fr  esser,  m.,  was  gril- 
lenfänger:  was  demnach  die  sawersehenden  grillenfresser 
wieder  die  trunckenheit  plappern  und  schnaddern  Hegen- 
dorf encomium  ebrietatis  (l61l)  ii  7*.  —  grillenfüch- 
sig,  adj.,  hypochondrisch,  wunderlich  Fischer  schwäb. 
3,  835.  —  grillengedanke,  m. .-  sich  mit  allerhand 
grillengedancken  herum  balgen  haver'  il  capo  pieno  di 
giribizzi  Kram  er  teutsch-ital.  1,  54*=.  —  grillengeist, 
m.,  narr:  der  unbedachte  und  oftbelachte  gauch,  der 
sturmvolle  grillengeist  Harsdörfeu  poet.  trichter  3,  359. 
—  grillengesang,  m.:  {der  gesang  des  strandläufers) 
klingt  .  .  wie  grillengesang  Naumann  naturgesch.  d.  vögel 

1,  403;  an  warmen  sommermittagen  war  es  voll  von 
grillengesang  Storm  2,  162.  —  grillengeschrei,  ?i..- 
was  aber  eigentlich  derer  nutzen  seyn  mag  oder  wor- 
innen  das  glück  bestehen  soll,  das  von  grillengeschrey 
herkomme?  Schmidt  gestriegelte  rockenphilosophie  (1706) 

2,  316;  vgl.  grille  I  B  l.  —  grillengeschwirr,  n.,  Kose- 
garten dicht.  (1824)  2,  83.  —  grillengezirp,  n.:  bei 
heiserem  grillengezirp  Voss  ged.  (1802)  2,  129;  das  leise 
rieseln  des  grillengezirpes  Rosegger  III  8,  105.  —  gril- 
lengierig, adj.,  nach  schnurren  verlangend  {vgl.  grille 
II  B  2):  zu  lieb  den  grillengirigen  zeitbetrieger  Fischart 
groszm.  (1607)  D6'.  —  grillengras,  n.,  andropogon 
gryllus,  'weil  es  die  grillen  lieben  sollen'  v.  Perger  3,83; 
vgl.  grillenbartgras. 

GRILLENHAFT,  adj.,  lexicalisch  seit  dem  ende  des 
\1.  jhs.:  grillicht,  grillenhaft  cogitabundua,  inquietus,  cere- 
brosus.  gestuosus  Stieler  702;  giribizzoso,  capriccioso 
Kramer  tetitschital.  l,  565*  mit  verweis  auf  närrisch; 
literarisch  erst  seit  der  2.  hälfte  des  18.  jhs.  in  schicang; 
bei  Lessing,  neben  vielgebrauchtem  grille,  noch  selten, 
bei  Wieland  bereits  sehr  häufig;  in  der  2.  hälfte  des 
19.  jhs.  von  grillig  verdrängt,  s.  d.;  ein  früher  beleg  mit 
erweitertem  suffix:  ich  hatte  allerley  .  .  .  grillenhafftige 
einfäll  Grimmelshausen  Simpl.  2,  lO,  15  Keller. 

1)  nicht  selten  tritt  bei  einer  concreten  Verwendung  die 
ursprüngliche  bedeutung  von  grille  (II  B  l)  noch  zu  tage: 
schnörkelig,  kraus,  barock,  bizarr:  keine  von  allen  sce- 
nen  aber  war  unterhaltender  .  .  .  auf  diesem  unsern 
grillenhaften  theater  als  die,  welche  öfters  aus  eben 
diesem  .  .  .  kapitel  von  langen  nasen  entstund  Bode 
Tristram  Schandi  (1774)  3,  195;  das  kleine,  vertrauliche 
zimmer,  das  grillenhaft  ausgeschmückt . .  war  Tieck  sehr. 
18,132;  eine  einsame  grotte  ..,  noch  ein  Überbleibsel 
jenes  grillenhaften  schmuckes  altmodischer  gärten 
Eichendorf  2,  397;  wie  sie  die  fäden  werfen  {am  iceb- 
stuhl  der  geschichte),  weben  sich  seltsame  gestaltnisse, 
grillenhafte  bilder  Görres  5,  12; 

die  kleidung  kostbar,  wies  dein  beutel  kann, 
doch  nicht  ins  grillenhafte;  reich  nicht  bunt 

Shakespeare  3, 167 ; 

dem  vergleichen  sich  fälle  wie:  das  heutige  sonett  ist 
eine  grillenhafte  reimkünstelei  Voss  krit.  blatten-  l,  524; 
die  schmucklose  Wahrheit  dieser  {volks)  lieder  litt  nicht, 
dass  sich  irgend  etwas  grillenhaftes  an  ihnen  ansetzte, 
wie  in  der  ritterpoesie  so  oft  Gervinus  gesch.  d.  dtsch. 
dicht.  2,  273;  nur  die  manieristen  umgehen  das,  was  sie 
sagen  wollen,  und  bieten  uns  immerwährend  symbole, 
beiwerke,   grillenhafte   Zufälligkeiten   Gutzkow  il,  142. 

2)  in  der  regel  aber  abstracter:  wunderlich,  schrullig; 
die  bedeutung  schillert  nach  den  nüancen  des  subsf.  und 
ist  bald  gefärbt  durch  den  begriff  des  eigensinnigen,  bald 


GRILLENHAFTIGKEIT,  GRILLENHANS   330 

gesteigert  zu  bizarr,  verschroben,  excentrisch:  die  kleinen 
grillenhaften  wünsche  ihrer  freunde  Göthe  IV  16,  211 
Weim.;  mein  wunderliches  und  vielleicht  grillenhaftes 
halbincognito  I  30,  211;  bei  Göthe  sehr  häufig; 

allein  die  Schüchternheit  so  weit  wie  er  zu  treiben, 

ist  grillenhaft  Wieland  (1794)  10,  268 ; 

nachdem  man  meine  .  .  grillenhaften  forderungen  ab- 
gelehnt Voss  krit.  Matter  2,  19;  die  grillenhaftesten  ge- 
lübde  {in  den  ritterromanen)  Gervinus  gesch.  d.  dtsch. 
dichtung  2,  209;  anders:  am  ende  war  es  doch  mein 
grillenhaft  beobachteter  vorsatz,  das  mädchen  nicht  zu 
genieszen  Grillparzer  tageb.  61;  staatsmännische  Weis- 
heit und  groszer  blick  neben  grillenhafter  beschränkt- 
heit  G.  Freytag  16,  193;  auch  bei  personen  in  schwan- 
kendem sinn:  Warburton  war  ein  mann  von  groszen 
talenten  .  .,  aber  äuszerst  leidenschaftlich,  grillenhaft 
und  stolz  allg.  dtsch.  bibl.,  anh.  zu  53 — 86,  520;  so  man- 
cher grillenhafte  heilige  ging  in  die  wüste  Mörike  4,  26; 
mit  besonderer  Vorliebe  neben  Substantiven  eines  ganz  be- 
stimmten begriff scom^plexes :  vielleicht  findet  sie  {die  nach- 
tcelt)  mehr  geschmack  an  grillenhaften  einfallen  Nicolai 
lit.  br.  15,  177 ;  meine  zuweit  getriebne  grillenhafte  ideen 
S.  V.  La  Roche  fräul.  v.  Sternheim  (l77l)  l,  333;  seine 
{Paolo  Veroneses)  grillenhafte  phantasie  hat  sich  .  .  noch 
eine  eigne  ergötzlichkeit  gestattet  A.  W.  Schlegel  im 
Athenäum,  2,  115;  so  namentlich  von  phantastischen  oder 
erklügelten,  haltlosen  philosopheinen,  lehrmeinungen  und 
dgl.;  im,  18.  jh.  nicht  minder  häufig  als  die  entspre- 
chende bedeutung  von  grille  (*.  d.  II  B  3  c) :  so  unzuver- 
lässig, übertrieben  und  grillenhaft  er  die  geisterlehre  .  . 
seines  freundes  Plato  zu  finden  glaubte  Wieland  Aga- 
thon2,2'M;  die  fertigkeit  .  . ,  ein  reines  durchdringendes 
anschauen  von  grillenhaften  meinungen  zu  unterschei- 
den Göthe  IV  34,  93  Weiin.;  dieser  geheimniszreichen, 
grillenhaften  und  auf  eine  völlige  atheisterey  hinaus- 
laufenden lehre  zufolge  Zimmermann  einsamkeit  l,  370. 

3)  vom  vorigen  nicht  ganz  scharf  zu  trennen  ist  die 
bedeutung  launisch,  eigenwillig:  das  volk  .  .  ist  ein  gar 
launiges  grillenhaftes  thier  Wieland  (1794)  7,  338; 

vom  niedern  dienst  im  stalle  stieg  ich  auf,  .  .  . 
das  Spielzeug  eines  grillenhaften  glucks 

Schiller  12,  162  G.  ; 

während  ihn  also  Hymen  führte,  wandte  sich  dieser 
grillenhafte  gott  von  Fanny  . .  ab  Holtei  vierzig  jähre 
1,  227;  namentlich  von  frauen  vielgebraucht:  wäre  der 
graf  nicht  so  gütig  gewesen,  ich  hätte  die  grillenhafte 
Venus  {seine  tochter)  auf  der  stelle  im  stich  gelassen 
Zschokke  17,  102;  erst  im  19.  jh.  öfter  in  dem  sinne 
übellaunig,  grämlich,  moros:  oder  hast  du  irgend  etwas 
fröhliches  in  diesen  stunden  vor,  so  lasz  mich  grillen- 
haften menschen  allein  gehn  Fouque  gefühle,  bilder  2, 
231 ;  {mein  vater)  war  ein  grillenhafter  kränklicher  knabe, 
welcher  seine  frau  .  .  vor  der  zeit  zu  tode  quälte  Raabe 
hungerpastor  2,  48. 

GRILLENHAFTIGKEIT,/.,  laune:  diese  willkührlichen 
Verbindungen,  an  denen  das  herz  keinen  anteil  hat,  die 
man  aus  eitelkeit,  langer  weile,  Vorwitz,  grillenhaftig- 
keit,  gewohnheit  oder  bequemlichkeit  eingeht  und  wieder 
aufhebt  Wieland  (1794)  12,  isO;  phantasie:  es  ist  wun- 
derbar, wie  uns  manchmal  der  gedankenstrom  unserer 
ausschweifenden  grillenhaftigkeit  fortreiszt  K.  Fr.  Gra- 
mer Neseggab  1, 119;  Überspanntheit-  da  eine  periodische 
geistesverwirrung  .  .  ihr  einen  fortwährenden  zustand 
von  confusion  und  grillenhaftigkeit  zu  wege  gebracht 
hatte  Droste-Hülshoff  briefe  74;  könnte  ich  nicht 
auch  ein  Sonderling  sein,  ein  Engländer,  der  sich  aus 
grillenhaftigkeit  in  nichtswürdige  kleider  steckt?  Hebbel 
I  8,  251 ;  vgl.  aus  grille  (II B  3  b  7) ;  Verworrenheit:  beweisen 
aber  in  Wahrheit  nur  die  grillenhaftigkeit  und  Oberfläch- 
lichkeit ihres  Verfassers  Sgherer  lit.  gesch.  686;  concret: 
das  gegentheil  gilt  von  Tiecks  treuem  Eckart  und  den 
grillenhaftigkeiten,  die  ihm  gleichen  und  auf  ihn  folgten 
Hebbel  I  11,  241. 

GRILLENHANS,  m.,  gaukler,  phantast:  seind  solche 
grillenhansen ,    und  halten  sich   für  Galenos  Messer- 


331  GRILLENHÄUSCHEN  -  GRILLENMACHER 

SCHMID  lust  narrh.  164;  Lutherns  . .  hat  schon  zu  seiner 
zeit  von  dergleichen  imaginationierern  weisz  gesaget, 
dasz  sie  nichts  als  grillhansen  sein  Jan  Rebhü  weit- 
kucken,  169;  vgl.  grille  II  B  3.  -  grillenhäuschen, 
n.:  grillehäusle  kleiner  behälter.  in  dem  kmder  gnllen 
halten;  auch:  kleine  hütte  Fischer  schiväb.  3,  835;  er 
baute  niedliche  grillenhäuschen,  mausfallen  Rosegge r 
sehr.  1 1,112;  grillenhäuszlein  casuccia  da  grilli,  auch 
il  cervello  humano  fantastico  e  pieno  di  giribizzi  Kra- 
mer teutsch-ital.  l,  565^  —  grillenheer,  n.: 

in  die  einsamen  waldwüstenein, 
die  vom  lüftezug  durchklungenen, 
von  grillenheeren  durchsungenen 

RÜCKERT  12,  46 ; 

öfter   übertragen:    von   den  phantastischen   einfallen   des 

poeten: 

des  dichters  grillenheer 

gab  oft  dem  weisen  was  zu  lachen 

Brockes  ird.  vergnügen  1,  559 

{quelle:  des  fougues  de  l'auteur  le  sage  s'amusoit);  von 

trübseligen  anfechtungen : 

'  er  der  nie  grillen  fängt,   und  wenn  ihr  schwärm  ihn  plagt, 
das  ganze  grillenheer  zu  tausend  teufein  jagt 

LÖWEN  sehr.  3,  183. 

—  grillenhütte,  /.,  kleine  hütte:  ist  es  möglich?  .  . 
dass  euer  weg  euch  zu  dieser  grillenhütte  führt?  B.  v. 
Arnim  Göthes  briefw.  m.  e.  kinde  3,  144;  vgl.  grillenhäus- 
chen. —  grilienkäfig,  m.:  es  kam  mir  vor,  wie  wenn 
man  einen  groszen  sommervogel  in  einen  kleinen  gril- 
lenkäOg  hätte  setzen  wollen  G.  Keller  3,  265 ;  vgl.  gril- 
lenhäuschen. —  grillenkopf,OT.,  =  grillenfänger  imt« 
von  ebenso  wechselnder  bedeutung:  phantast.  griesgram, 
Querkopf,  launischer  mensch;  cacciagrilli,  grillante  cioe 
fantastico.  capogirlante  Kramer  teutsch-ital.  l,  565*; 

der  teufel  mit  der  sau  um  regiment  thut  streiten, 
unruhig  bey  der  nacht,  ein  grillenkopf  bey  zeiten 
(übersetzt:  nocteruit  tota,  redeunt  phanta.tmata  manej 

Abele  v.  Lilienberg  künstl.  nnordn.  2,  33 

ich  {die  weit)  bin  .  .  ein  pfnottwinckel  der  grillenköpff 
Abr.  a  St.  Clara  etw.  f.  alle  2,  407 ;  i  der  alte  grillkopf 
denkt  gleich,  es  ist  was  versehen  Bretzner  räuschgen 
(1786)  113;  ich  weisz  es  {dasz  Claudia  statt  zu  heiraten 
Vestalin  iverden  will)  und  weisz  auch,  dasz  mein  neuer 
landsitz  ohne  den  kleinen  grillenkopf  bestehn  soll  Fou- 
QUE  alisächs.  bildersaal  2,  644. 

GRILLENKRANK,  adj..    'von  einem  zustande,   in  ivel- 
ehern  man  sieh  seinen  grillen  und  dem  nachtheiligen  ein- 
flusz   derselben   auf  heiterkeit   und  Zufriedenheit  des  ge- 
müthes  überläszt   {hypochondrisch)'    Campe;    von   natur 
ein  braver  .  .  .  mann,   hatte  er  {Merck)  sich  gegen  die 
weit  erbittert  und  liesz  diesen  grillenkranken  zug  der- 
gestalt in  sich  walten,  dasz  Göthe  28,  95  Weim.;  wozu 
führt  dieses  grillenkranke  schwärmen?  Immermann  16, 
dSSHempel;  t;^?.  grillensüchtig.  —  grillenkrankheit, 
/.,  der  zustand  eines  grillenkranken  Campe,  Heinsius; 
von  Kant  als  wissenschaftliche  bezeichnung  im  sinne  von 
hgpochondrie  gebraucht:  die  oberste  eintheilung  {der  ge- 
müthskrankheiten)  ist  .  .  .  die  in  grillenkrankheit  (hypo- 
chondrie)  und  das  gestörte  gemüth  (manie)  10,  226  Harten- 
stein. —  grillenkraut,  n.,  achillea  millefolium.  Schaf- 
garbe Pritzel-Jessen  6  {Salzburg.);  Holl  136«'.  —  gril- 
lenlerche,  /..  alauda  obscura  Nemnich  wb.  d.  natur- 
gesch.  210;  anthus  arboreus  Naumann  natur gesch.  d.  vögel 
2,  758;    anthus  pratensis  Brehm  thierl.  4,  247   Pechuel- 
Lösche.    —    grillenloch,    n..    loch    der   grille,    auch: 
Schlupfwinkel  Fischer  schwäb.  3,8i&;  bildlich:  zöge  mit 
heerscrafft   uf  Regenspurg  zu,  vermaindt  kay.  may.  in 
ein  grillenloch  zu  verklauben  quelle  des  16.  jhs.  &ei  Fischer 
Schwab.  3,  835;   vgl.  einem   die   grillen  verkleiben  unter 
grille  l  B  2.  —  grillenmachen,   n..  =  grillenfangen: 
iedoch   musz  ich  auch  bekennen,   dasz  die  grillen,   die 
ich  mache,  alle  stumm  sind,  und  lasset  sich  .  .  keine 
hören     ob   ich   gleich   manchmahl   gantze   nachte   mit 
grillenmachen  schlaflosz  zugebracht  habe  Schmidt  ge- 
striegelte rockenphilosophie  (1706)  2,  316;  vgl.  grille  II  B  4; 
dazu  grillenm acher  als  Scheltwort  Pansner  24'».  — 


GRILLENMEIER  -  GRILLENSPIEL       332 

grillenmeier,  m.,  der  seltsame  einfalle  hat:  er  ist 
halb  und  halb  ein  seltzamer  grillenmeyer,  das  hirn 
ligt  im  nit  recht  See.  Franck  sprüchw.  (I54l)  2,  40»^.  — 
grillenmeinung, /.;  dasz  so  der  verstand  am  besten 
in  den  stand  gesetzt  wird,  .  .  sich  vor  abergläubischen 
und  unnützen  grillenmeynungen  zu  hüten  allg.  dtsch. 
bibl  26,254.  —  grillenmuschel, /..  öei  Campe,  Hein- 
sius für  käfermuschel.  —  grillenreich,  adj..  reich 
an  einfüllen:  ein  grillenreicher  hofjunker  Harsdörfer 
frauenz.  gesprächsp.  3,  142; 

die  gedanken  bleiben  reg, 
ruhen  nicht,  wann  alles  ruhet, 
grillenreiches  traumgeheg 

poet.  trichter  3,  218 ; 

tadelnd: 

die  grillenreiche  schar  der  thörichten  poeten 

hat  im  verwirrten  sinn  bald  disz,  bald  das  erdacht 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  4,  254. 

grillenreiszer,  m..  possenreiszer.  gaukler: 

ein  stacionirer  schalckhafft, 
rit  sanct  Anthonii  bottschafft, 
auch  ein  seltzamer  grillenreiser 

H.  Sachs  17,  355  Keller-Götze; 

die  Schmeichler  erster  art  nannten  die  alten  Galli  jangle- 
rios,  das  ist,  lotterbuben,  bossenreisser,  grillenreisser, 
machedorn  Nigrinus  regentenkunst  {ibso)  66^ ;  eine  lau- 
tere einbildung  und  phantasie,  mit  welcher  dieser  alte 
grillenreiszer  schwanger  hereinziehe  Abele  v.  Lilien- 
berg gerichtshändel  (1668)  1,  553.  —  grillenreiter,  w.: 
grillenreuter  Schimpfwort  für  kleine  leute  Fischer  schwäb. 
3,  836  {quelle  von  1711);  ihr  nennet  sie  {die  kleinen  men- 
schen) punckete  krotten,  .  .  kleine  spitzkappen,  griUen- 
reiterl  Abr.  a  St.  Clara  Judas  l,  124;  nach  grille  II  B  3: 
aber  Tiburtius,  du  bist  ja  der  gründlichste  narr  und 
grillenreiter,  den  es  je  auf  der  erde  gegeben  hat  Stifter 
4^  i^  75.  _  grillensang,  m.:  im  grase  klingt  der  grillen- 
sang Rosegger  II  7,  100.  —  grillenscheiszer,  m., 
=  grillenreiszer:  wann  man  mich  für  ein  guten  prillen- 
reisser  und  grillenscheisser  auszschreit  Fischart  ge- 
schichtklitt.  28  neudr.  —  grillenschwarm,  m.; 

dasz  der  grillenschwarm  beym  schalle 
süszer  lieder  sich  hurtig  zerstreut 

GöKiNGK  ged.  (1780)  3,  64. 

GRILLENSPIEL,  n.     l)  verschiedene  arten  von  geduld- 
spielen; am  verbreitetsten  war  anscheinend  rfas  Nürnberger 
grillenspiel :  'ein  spiel  mit  33  kleinen  kegeln,  die  auf  einem 
breite  nach  einer  gewissen  Ordnung  in  löchern,   von  wel- 
chen eins  leer  bleibt,  stehen,  und  die  man  nach  gewissen 
gesetzen  aus  einem  loch  in  das  andere  steckt,  indem  immer 
ein  kegel   über  einen  andern  hinweg  in   ein  dahinter  be- 
findliches leeres  loch  gesteckt  und  der  übersprungene  kegel 
weggenommen  wird,  so  dasz  am  ende  nur  ein  kegel  übng 
bleiben  musz'  Campe  {der  name  scheint  also  von  der  m 
ihr  loch  schlüpfenden  grille  I  hergenommen);  auch  bei  Ade- 
lung schon;  frz.  solitaire  Jacobsson  techii.  wb.  5,  736   ; 
genau   beschrieben   bei  Ersch-Gruber  I  91,  80;    anderer 
art  ist  das   chinesische   grillenspiel,    bei  dem  aus  ver- 
schiedenen geometrischen  figuren   gröszere  gebilde  zusam- 
menzusetzen sind,  ibid.;  das  mathematischchinesische 
grillenspiel   der  verschieden   geformten   täfeichen,    mit 
einer    dazu    gehörigen    pappe   Göthe  IV  31,  149  Weim.; 
schicke  mir  ein  chinesisches  grillenspiel,  aber  mit  mög- 
lichst vielen  verschiedenen  bogen  voll  mancherlei  risse 
Fr.  L.  Jahn    briefe   133;    drittens   von   einem   spiel   'mit 
ringen  auf  einem  gabelförmigen  drahte,    welche  nach  ge- 
wissen  regeln abgespielet  loerden  müssen'  Adelung,  Campe ; 
im  bilde  und  vergleiche:   mit  vergnügen  folgte  ich  dem 
grillenspiel  der  natur  Göthe  II  6,  170  W.;  wäre  das  spiel 
mit  unserer  Unwissenheit  nicht  unendlich  .  . :  so  wurde 
es  uns  mit  der  Wissenschaft  wie  mit  dem  Nürenberger 
so  genannten  grillenspiel  ergehen,    das  uns  anekelt,  so 
bald  uns  alle  seine  gänge  und  mögliche  Wendungen  be- 
kannt und  geläufig  sind   F.  H.  Jacobi  3,  30,   eine  vielbe- 
rufene stelle,  vgl.  Hegel  16,  lll;  Schelling  I  8,125. 

2)  in  spielender  variierung  von  l) :  das  mienenspiel  als 
ausdruck  der  grillen: 


333      GRILLENSPITZE  —  GRILLENWERK 


GRILLENZIRPEN  -  GRILLIG 


334 


wie  hast  du,  guter  mops,  nicht  meiner  stirne  falten, 
sah  ich  dem  grillenspiel  der  deinen  zu,  gegleicht 

Thümmel  reise  2, 156 ; 

spiel  der  laune: 

Lucifer:  bracht  eine  Jungfrau  in  die  wochen,  — 
seltsame  reise  eines  gotts, 
wir  hieltens  werth  nur  unsres  spotts, 
fUr  eines  greisen  grillenspiel 

Immermann  15,  60  Hempd. 

—  grillenspitze,  /.:  subtilisationes  gespitzte  grillen 
oder  grillenspitzen  als  Verdeutschungsvorschlag  bei  Zeil- 
ler episfoi.scÄaizfcammer- (1683)  593».  —  grillenstecher, 
m.,  phantast,  irrlehrer,  Schwindler: 

dann  die  warheit  mit  ihrer  Klarheit 
plend  all  beschirmer  der  unwarheit; 
ja  sehend  all  flnstre  grillenstecher 
und  der  heyigen  schrifft  widersprecher 

FiscHART  bieneiikorb  (1688)  272»; 

vgl.  jetzund  weist  du  wer  ich  bin,  und  dasz  ich  kein 
so  schlechter  mauskopf  oder  kleiner  grillenstecher  .  .  . 
sondern  ein  hoher  bedienter  der  niedervvelt  und  in  desz 
mächtigen  Pluto  reich  sei  Jon.  Riemer  trunkener  trau- 
mer  (i68i)  40;  von  aufschneidein:  wie  dergleichen  grillen- 
stecher' .  .  verlacht  werden  Prätorius  Blockesberges  Ver- 
richtung (1668)  228;  vgl.  grille  IB2.  —  grillensucht, 
/. ;  {die  dritte  stufe  der  torheit  ist)  wann  man  nicht  nur 
den  verstand  gekränkt,  sondern  zuweilen  gantz  verloren 
hat  und  in  allen  Sachen  thörigt  handelt:  iedoch  ist  diese 
Wahnwitz,  grillensucht  und  narrheit  von  der  raserey 
unterschieden  Harsdörfer  ^Joe*-  trichter  3,359;  in  jün- 
gerer spräche  dagegen  für  hypochondrie  Campe,  Heinsius. 

—  grillensüchtig,  adj.,  hypochondrisch  Campe,  Hein- 
sius. —  grillentand,  m.: 

lasz  nur  die  stümper  laufen 

und  ihren  grillen-tand,  statt  ächter  poesie, 

mit  tollem  ungestüm  um  etwas  geld  verkaufen 

Weichmann  j)oesie  d.  Niedernachsen  2, 178; 

o  könnt  ich  diese  zeit  erkaufen, 

die  ich  auf  eitlen  grillentand 

vor  diesem,  oft  umsonst,  verwandt 

Triller  poet.  betracht.  2,  441 ; 

zu  gville  IIB  3  poetischer  einf all.  —  grillenvertreiber, 
m.,  un  chasseenntii  Schwan  nouv.  dict.  1,790'';  grillen- 
vertreiber, das  ist:  newe  wunderbarliche  historien,  selt- 
zame  abentheurliche  geschichten  usw.  (l670),  fortsetzung 
der  'Schildbürger' ;  Morohn  (gegen  die  jungfrawen):  höret 
ihr?  ja  ja  das  were  so  ein  nachtschwermergen  und 
grüUenvertreiber  schausp.  engl,  comöd.  228,  4  Creizenach. 

—  grillenvogt,  m., phantast:  artliche  grillenvögt  waren 
vorzeiten  die  Römer,  welche  bald  so  viele  götter  als 
gätter  zählten  Abr.  a  St.  Clara  i,  127  Strigl;  vgl.  Judas 
1,  120;  dort  stunde  einer  und  hiesz  den  Noe  einen  alten 
grillenvogt  etwas  für  alle  2,209.  —  grillenvoll,  adj.. 
voll  grüblerisclier ,  sorglicher  gedanken: 

nur  geister,  die  selbst  kalt,  vergnügen  sich  an  dünsten, 
und  bauen  in  der  luft  ein  grillenvolles  haus 

Canitz  ged.  (1727)  65. 

grillenvolle  ruhe,  grübelnder  verstand  {in  einem  porträt) 
La  VATER  physiogn.  fragm.  2,  14; 

wenn  itzt  die  nacht  erschienen, 
erscheint  bey  ihm  {dem,  reichen)  der  tag,  an  dem  er  wachen 

soll, 
das  äuge  schlieszt  sich  nicht,  das  haupt  ist  grillenvoll 

Triller  poei.  betracht.  1,280; 

voller  launen:  nirgends  anders  steckt  die  ursach  als  in 
der  weiber  grillenvollem  köpfe  Gryphius  lustsp.  488  P.; 

vor  der  trauung,  welche  launen! 
in  der  eh,  wie  grillenvoll ! 

Sonnenfels  ges.  sehr.  9, 130. 

GRILLENWERK,  n.,  'heisset  man  in  der  baukunst 
niedrig- erhabnes  bildwerck,  so  aus  mancherley  nach  der 
Phantasie  geschlungenen  zügen  von  laubicerck  oder  blu- 
men  bestehet,  .  .  in  dem  .  .  mancherley  wunderliche  ein- 
falle dabey  vorgestellet  werden'  Wolff  math.  lex.  (i734) 
589;  vgl.  Chomel  öcon.  lex.  4,  1353;  grillenwerk,  des  gro- 
tesques,  se  dit  des  figures  imaginees  par  les  caprices  d'un 
peintre  Schwan  nouv.  dict.  1,  790'':  falsche  deutungen 
der  bezeichnung ;  in  Wirklichkeit  nach  grille  II  B  l;  bildlich: 


die  durch  geburt  und  glück  dem  fürst  zur  seite  gehn, 
die  pflegen  meinen  werth  sehr  selten  einzusehn; 
und  wenn  sie  für  den  flor  vertrauter  länder  wachen, 
der  Wahrheit  grillenwerk  nur  spöttisch  auszulachen 

Gottschedin  brtefe  1,  250  Kunkel; 

das  tvort  musz  erheblich  älter  sein,  als  die  lexical.  belege 
erkennen  lassen;  denn  schon  bei  Harsdörfer  ist  es  über- 
tragen auf  zopfiges  schnörkelwerk  in  der  musik  {im  gegen- 
Satz  zum  strengen  stil  der  älteren  meister): 

doch  hört  man  leichtlich  jetzt,  wie  ferne  darvon  weichet 
der,  so  nach  seinem  köpf  mit  grillwerk  mich  behengt 

Jrauenz.  gesprechsp.  4,  43. 

—  grillenzirpen,  «.;  dasz  sich  .  .  ein  vielstimmiges 
grillenzirpen  auf  dem  berge  erhob  Stifter  2,  50. 

GRILLER,  m.  l)  wer  grillt,  kreischt,  besonders  fem. 
grillerin  Fischer  schwäb.  3,  836;  ein  einmaliges  grillen; 
einen  gr.  tun,  lassen  ib.;  grillar  einmaliges  zirpen,  heller 
ton  Lexer  kärntn.  124;  vgl.  grillen  l.  2)  gr.  alias  gril- 
lenfänger  gesticulator,  febricitans,  curiosus,  gestuosus, 
cerebrosus,  fanaticus  Stieler  stammb.  703;  von  dem  koch, 
der  unzufrieden  ist,  dasz  ihn  Circe  aus  einem  schwein 
wieder  zum,  menschen  macJit: 

der  koch  abr  war  gryller  genant, 
und  bracht  das  Sprichwort  erst  ins  land, 
wenn  man  sagt,  das  derselb  hab  gryllen, 
dem  es  nicht  geht  nach  seinem  willen 

Rollenhagen  froschmeuseler  (1595)  p  iii  ^ 

{am  rand:  der  koch,  Gryllus  genannt,  ist  ungern  ein 
mensch) ;  vgl.  grillen  2.  —  g  r  i  1 1  e  r  e  i ,  /.,  'ist  die  gesamt- 
heit  der  mit  scharfem,  tcegwerfendem  urtheil  belegten  grillen, 
welche  ein  mensch  hat'  Ersch-Gruber  I  91,  79. 

GRILLIG,  GRILLICHT,  adj.,  seit  dem  17.  jh.  erschei- 
nend als  ablösung  von  grillisch  (*.  d.),  dem  ältesten  deri- 
vatum  von  grille;  doch  lassen  jüngere  bildungen,  nament- 
lich grillenhaft,  das  adj.  grillig  bis  zum  ende  des  18.  jhs. 
literarisch  nicht  hochkommen:  'grillig  U7id  grillisch  für 
grillenhaft  und  grillenfängerisch  sind  keine  zierde  der 
guten  Schreibart'  Heynatz  antibarb.  2,'/6;  noch  bei  Ade- 
lung, Campe  hinter  grillenhaft  zurücktretend;  erst  im 
19.  jh.  beginnt  das  adj.  sich,  in  der  bedeutung  kaum 
differenciert ,  neben  grillenhaft  durchzusetzen,  um  dies 
wort  in  der  2.  hälfte  des  jhs.  zu  übertcinden.  die  bedeu- 
tung folgt  den  Wandlungen  von  grille  II:  grillig,  hirn- 
wütig, cerebrosus,  qui  habet  perversum  cerebrum ;  gestuo- 
sus, gesticulator  Henisch  1744;  wunderlich,  bizarr,  gro- 
tesk {vgl.  grillenhaft  l) : 

lasst  phantaseyen,  lasst  chymeren 

sich  zeigen  unserm  geist  bey  gantzen  beeren 

in  solcher  un^ieformt-  und  wüsten  Seltsamkeit, 

in  solcher  grilligen  beschaffenheit, 

als  nie  gewesen  sind  und  nimmer  kommen  können 

Brockes  ird.  vergnügen  3,  31 ; 

so  wie  wir  über  des  altertümlers  {von  Scott)  grilliges 
kostüm  hinüber  sind  und  den  durchschnittsmenschen 
auch  in  ihm  aufgefunden  haben  0.  Ludwig  6,  120;  neben 
geicissen  abstractis  willkürlich,  launisch  {vgl.  grillenhaft  2) : 
die  grilligen  einfalle  dieses  büreaus  Gentz  sehr.  2,  202 
Schlesier;  die  entwicklung  erschien  mir  willkührlich, 
grillig,  der  Hamlet  selbst  der  unleidlichste  gesell  von 
der  weit  E.  Devrient  an  Tieck,  br.  l,  175  Holtei;  nament- 
lich aber,  zumal  in  jüngster  zeit,  von  personen  {vgl.  gril- 
lenhaft 2  und  3);  verschieden  nuanciert:  am  widerwär- 
tigsten sind  die  kricklichen  beobachter  und  grilligen 
theoristen  Göthe  II  11,  129  Weim.;  er  behielt  aber  seine 
.  .  Vorliebe  für  seltsame  käuze  und  verkehrte  gern  mit 
leuten  aus  dem  volk,  mit  echten  Cockneys,  grilligen 
originalen  G.  Freytag  16,  17;  je  später,  je  stärker  tritt 
der  begriff  des  grämlichen,  morosen  in  den  Vordergrund: 
{der  greise  fürst)  der  jetzt  kränkelnd  immer  grilliger 
und  auffahrender  wurde  Treitschke  deutsche  gesch.  8, 
528;  leidende  sind  nun  schon  mal  grillig  Stehr  drei 
nachte  (1909)  146;  man  gebe  ihnen  alles,  gesundheit, 
nahrung,  wohnung,  Unterhaltung,  —  sie  sind  und  bleiben 
unglücklich  und  grillig  Nietzsche  4,  235.  in  älterer  zeit 
grillicht:  gr.,  grillenhaft  giribizzoso,  capricaioso  Kramer 
teutsch-ital.  1,565*;  Stieler  702;  nach  Ersch-Gruber 
I  91,  79  grillicht  populär  für   grillig;    literarisch   selten: 


335 


GRILLISCH  -  GRILLVOGEL 


GRIMASSE 


336 


fast  zweifle  ich,  dasz  die  'richterwespen'  {des  Aristo- 
phanes),  die  specülativen  'wölken'  .  .  die  Athener  ent- 
zückt haben  würden,  wenn  alle  diese  grillichten  Selt- 
samkeiten ihnen  .  .  als  neue  bekanntschaften  entgegen- 
getreten wären  Immermann  20,  164  Hempel;  vgl.  was 
ernste  liebhaberey,  ja  auch  die  leichteren  und  grilli- 
chern  (Tulgo  Steckenpferde  genannt)  dem  armen  .  .  men- 
schen für  willkommene  schwimmwämser  sind  Göthe 
IV  27,  64  Weivi. 

GRILLISCH,  adj.,  älteste  ableUung  von  grille  II;  wun- 
derlich, phantastisch,  hizarr,  gern  neben  concretis:  die 
wundergestalte,  grillische,  grubengrotteschische,  fantasti- 
sche krüg,  laden,  büchsen  und  häfen,  .  .  von  aussen  be- 
malet mit  lächerlichen,  gecklichen,  ja  oft  erschrecklichen 
häw-  und  graszteufeln  Fisch art  geschichtJditt.  17  neudr.; 
von  den  xii  monaten  und  dem  eingang  der  sonnen  in  die 
XII  zeichen  . .  sampt  einer  grillischen  lasztafel  praktik 
16  neudr.;  grillischen  .  .  .  haussrath  Moscherosch  ge- 
sichte  (1650)  1, 130;  sein  wams  und  hosen  seyn  so  befleckt, 
dass  man  allerley  grillische  figuren  .  .  darauss  denken 
könne  Harsdörfer  frauenz.  gespreclisp.  8,  280;  dise 
schulfüchse,  so  .  .  .  von  der  weit  wegen  ihres  wüsten 
grillischen  lebens  in  kleydung  und  geberden  für  albere 
thoren  gescholten  werden  Moscherosch  gesichte  (1650) 
1,  582;  öfter  mit  bezug  auf  die  ausschweifende  phantasie 
oder  laune  des  poeten:  das  pferd  Pegasus,  welchem  die 
grillischen  poeten  flügel  anheften  Abr.  a  St.  Clara 
etwas  für  alle  l,  171; 

verse  machen  oft  mich  doli 
und  so  grillisch,  dasz  ich  weil 
möchte  hörner  kriegen 

SiM.  Dach  791  lit.ver.; 

im  18.  jh.  für  literarischen  gebrauch  erstorben;  grillig  und 
grillenhaft  übernehmen  den  ersatz;  in  niederer  spräche 
bis  heute  lebendig :  grillisch  =  protestantisch  in  der  spräche 
schwäbischer  händler,  zs.  f.  d.  tcortf.  10,  215;  Fischer 
Schwab.  3,  836,  vgl.  grille  I  B  4;  in  nd.  dialecten:  grillsch 
voll  grillen,  unaufgeräumt  Dähnert  161;  mismuthig 
HuPEL  id.  d.  dtsch.  spr,  in  Lief-  u.  Ehstland  82. 

GRILLISIEREN,  vb.,  zunächst  phantasieren,  grübeln, 
dann  auch:  ergrübeltes  aussprechen,  namentlich  in  spä- 
terer zeit,  bildung  nach  dem  muster  begriffsverwandter 
Wörter,  vgl.  da  giebt  es  winckelstatisten,  die  judiciren, 
spintisiren,  grillisiren,  definiren,  disputiren,  kalmeusern 
von  der  sache  Jan  Rebhu  tceltkucker  (1679)  3,  187;  7iach 
Weigand  ^1,  769  scho7i  bei  Fischart;  im  17.  jh.  recht 
häufig,  im  18.  seltener:  0  dass,  welcher  die  poeterey, 
das  versmachen  und  reymen,  das  grillisiren  anfangs 
erdacht  hat,  an  meinem  ort  hie  sitzen  und  höllische 
reymen  schwitzen  müste!  Moscherosch  gesichte  (1650) 
1,  471;  über  den  leidigen  geldmangel  wundert  sich  alle 
weit,  .  ,  grillisiret  und  spintisiret  Butschky  Pathm.  736; 
dass  gar  gewisse  alle  wasser  zu  wein  in  weynachten 
werden:  und  zwar  .  .  umb  11.  bisz  zu  12.  oder  (wie  die 
meisten  grillisieren)  von  l.  bisz  2.  nocte  intempesta  Prä- 
TORius  saturnalia  (1663)  9; 

{das  darf)  grillisierte  viele  zeit 
von  wegen  dieser  neuigkeit 

Burmann  Jab.  (1773)  166; 

es  ist  nicht  das  erstemal,  dasz  ich  das  wichtigste  neben- 
her thue,  und  wir  wollen  darüber  nicht  weiter  grilli- 
siren und  rechten  Göthe  30,  249  TFeim.  —  grillist,  m., 
Spielbildung  nach  sophist  m.  ä.:  dass  ich  .  .  müh  hatte 
meinen  guten,  einfaltigen  und  reinen  glauben  .  .  .  aus 
den  mode-bändergen ,  subtil-stricklen  und  fein-nezlein 
der  theologischen  grillisten  wiederum  heraus  zu  klauben 
Lindenborn  Diogenes  (1742)  2,  256. 

GRILLLUMME ,  /.,  vogel  aus  der  familie  der  flügel- 
taucher ,  uria  grylle  Brehm  thierleben  6,  138  Pechuel- 
Lösche. 

GRILLÜNG,  /.:  intentio  vocis  erhebung  der  stym, 
gryllung  Diefenbach  303»;  vgl.  grillen  1. 

GRILLVOGEL,  m.,  von  verschiedenen  arten  des  regen- 
pfeifers;  charadrius  apricarius  Nemnich  wb.  d.  natur- 
gesch.  210;  eh.  hiaticula  sprenkeliger  grillvogel  Naumann 


naturgesch.  d.  vögel  7,  191;  eh.  pluvialis  Brehm  6,  65 
Pechicel-Lösche ;  bei  Frischbier  für  den  'grünen  kiebitz', 
vanellus,  preusz.  lob.  1,  253;  nach  Diefenbach  504»  hat 
Gesner  gr.  für  rupex,  wofür  sonst  griel,  *.  d. 

GRIMASSE,  /.,  gesticulation,  fratze,  Verstellung. 

I.  herkunft  und  ausbreitung.  das  wort  ist  im 
späten  17.  jh.  aus  dem  frz.  entlehnt  worden;  literarisch 
seit  den  80er  jähren;  bei  Stieler,  Kramer  teufschital., 
Steinbach  noch  fehlend,   zuerst  in   den  fremdwbb.  des 

18.  jhs.  notiert:  plur.  grimacen  Wächtler  manual  (1714) 
7iach  Weigand  ^l,  769  {in  der  ausgäbe  von  1703  noch 
fehlend);  grimace  'tvunderliche  gebärden,  das  krümmen 
des  mundes  und  des  gesichts;  eine  erdichtete  gestalt  einer 
Sache'  Sperander  handlex.  (1727)  283;  grimace  oris  in- 
concinna  compositio;  indecora  vultus  cojiformatio ;  oris 
depravatio  Apinus  gloss.  nov.  (1728)  255;  in  der  2.  hälfte 
des  18.  jhs.  am  reichsten  entfaltet;  von  Wieland  als 
'unentbehrlich'  bezeichnet  t.  Merc.  (1774)  2,  218  anm.;  das 

19.  jh.  schränkt  den  geltungsbereich  des  tcortes  wieder  ein. 
heute  auch  mundartlich  im  westd.  iceit  verbreitet,  fast 
nur  in  der  bedeutung  'fratze':  grimass  lux.  ma.  (1906) 
154^;  grimassen  machen,  schneiden  Martin-Lienhart 
1,  272;  Follmann  216»;  Fischer  schu-äb.  3,  836;  krimäsa 
Meisinger  Rappenau.  78;  auch  im  nd.:  ndsüchs.  wat 
makt  de  vor  grimasse  wunderliche  gebärden;  grimassen 
maken  DoornkaatKoolman  1,  685;  grimass  Sghmidt- 
Petersen  54»;  grimasz  Honig  Köln.  68^;  dialectisch 
auch  grammassen  Fischer  a.  a.  0.,  offenbar  unter  dein 
einflusz  von  gramanzen  («.  u.  II  l);  jramassen,  jremas- 
sen  Meyer  d.  rieht.  Berliner  555»;  vgl.  auch  gremassig 
sp.  105. 

IL  bedeutung. 

1)  vorangestellt  sei  ein  gebrauch,  der  rein  vom  franz. 
aus  nicht  verständlich  ist,  sondern  sich  offenbar  aus  einer 
kreuzung  mit  kramanz,  -en  {th,  5,  I99l)  erklärt;  grimasse 
hat  in  manchem  geradezu  das  erbe  des  älteren  wortes 
übernommen;  es  zeigt  dann  stets  den  plural;  zunächst 
von  den  höflichen  gesten  des  gesellschaftlichen  lebens  {vgl. 
kramanz  l  c):  weil  sie  von  den  ceremonien  und  den 
grim^agen  der  societät,  welche  man  sonst  gesetze  der 
höflichkeit,  der  galanterie,  der  politesse  etc.  heisset,  am 
allerwenigsten  verderbt  .  .  .  sind  chron.  d.  gesellsch.  d. 
mahler  32  Vetter  {a.  1721);  {weil  er)  gegen  das  fräulein 
Helena  soviel  grimacen  machte  Fleischer  herrv.Ly- 
dio  (1734)  3,  198;  ich  war  gestern  auch  bey  einer  assem- 
bl6  aus  der  einigen  Ursache,  einige  vornehme  grimassen 
zu  lernen  Holberg  dän.  schaub.  3,  191;  wozu  soll  das 
kniebeugen,  das  kreuzmachen,  die  entblösung  des 
hauptes?  dergleichen  grimassen  gehören  für  die  klopf- 
fechter  und  tänzer  Lessing  5,  339  ilf.,-  tausend  höfliche 
grimassen,  womit  man  uns  in  gesellschaft  beehrt,  wären 
nichts  gegen  den  stillen  umgang  mit  einem  freunde 
Zimmermann  einsamk.  3,  408,  wo  'höfliche  redensarten' 
{vgl.  kramanz  l  e)  gemeint  scheinen;  deutlicher:  die  com- 
plimente,  die  grimatzen,  die  Wortspiele  .  .  .  haben  un- 
gleiche Wirkungen  über  ungleiche  gemüther  discourse 
d.  m.ahlern  2,  187 ;  iceiter  für  'ziererei,  umstände'  {vgl. 
kramanz  l  g): 

ein  gläsgen  wein  und  ein  gebraten  huhn 
esz  ich  mit  wenigen  grimassen 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  1,  409; 

es  wird  überhaupt  mode,  sich  zu  zieren  und  grimassen 
zu  machen  Vulpius  Göthejahrb.  10,  36; 

da  machten  sie  grimassen 

und  sperrten  sich  gar  sehr       Rückert  1,  220; 

ebenso  auch  dialectisch,  s.  th.  5,  1993,  3  a;  in  der  ersten 
hälfte  des  iS.  jhs.  ist  dieser  gebrauch  der  ausgebreitetste ; 
man  beachte,  dasz  das  ethos  des  ausdrucks  je  länger,  je 
mehr  das  tadelnde  von  grimasse  2  u.  5  ist;  aber  auch 
spät  noch  ohne  solche  note: 

{wülst  es)  tragen  heim  im  busenlacken, 

und  mit  zierlichen  grimassen 

in  der  still'  es  tanzen  lassen  Rückert  1,  527, 

ganz  toie  kramanz  1  b. 


337 


GRIMASSE 


GRIMASSE 


338 


2)  unter  den  bedeutungen,  die  unmittelbarer  ans  franz. 
anzuknüpfen  sind,  tritt  am  frühesten  ein  allgemeinerer 
gebrauch  hervor,  der  das  wort  nicht  nur  für  gesichts- 
Verzerrungen,  sondern  für  alle  arten  von  gesticulation 
und  grotesken  betvegungen  verwendet;  auch  hier  mag  die 
nachbarschaft  von  kramanzen  einflusz  üben  (s.  d.  l  b). 
im  M.jh.  der  herrschende  gebrauch;  icie  l)  stets  im  plu- 
ral,  meist  mit  dem  verbum  machen:  was  der  arme  ge- 
plagte herr  David  hierbey  allenthalben  mit  maul  und 
nasen,  bänden  und  füssen  für  abendtheurliche  grimacen 
machte  Chr.  Thomasius  monatsgespr.  (1688)1,217;  der 
eine  blieb  mit  dem  fusz  an  der  erden  hafften,  darüber 
er  eben  so  wunderliche  grimassen  machte  als  Aristo- 
teles, da  er  mit  dem  studierrocke  hengen  blieb  Tentzel 
Unterredungen  (1689)  581;  wann  ihnen  alsdann  baar- 
schaften  oder  pretiosa  vorgelegt  werden,  so  wissen  sie 
durch  allerhand  mit  denen  bänden  machende  grimassen 
etwas  zwischen  die  finger  ...  zu  practiciren  Kluge 
rotw.  i,  2U;  diesen  Ursachen  musz  ich  die  wunderbaren 
grimassen  zuschreiben,  in  die  ich  mehrere  frauenzimmer 
ausbrechen  sah.  die  klügste  setzte  sich  in  eine  ecke 
.  .  .  und  hielt  die  obren  zu.  eine  andere  kniete  vor 
ihr  nieder  und  verbarg  den  köpf  in  der  ersten  schoos 
GÖTHE  19,  34  Weim.;  Staub  (legt  sich  beym  treibhaus 
mit  dem  ohr  auf  die  erde),  bürgermeister:  was  macht 
denn  unser  botaniker  für  grimassen?  Meisl  theatr. 
Quodlibet  2,  114;  weil  das  pferd  ...  sie  {die  graben)  durch- 
aus nicht  überspringen  wollte  und  nach  vielen  wunder- 
lichen grimassen  von  rosz  und  reiter  uns  zu  einem 
weiten  umwege  zwang  Pückler  briefw.  und  tagebücher 
2,  316. 

3)  am,  häufigsten  aber  von  den  gebärden  des  gesichts; 
lexicalisch  seit  dem  frühen  18.  jh.  {s.  o.  I),  nach  den  lite- 
rarischen belegen  indessen  anscheinend  erst  seit  der  mitte 
des  jhs.  reicher  entfaltet;  nicht  unbedingt  mit  dem  sinn 
des  fratzenhaften,  wenn  auch  meist  scheltend:  jeder  er- 
scheint mit  einer  grimasze  aus  seinem  gesiebt  und 
spricht  mit  dem  ton  seiner  stimme  Sturz  sehr,  l,  12; 
den  bedrängten  Roderich  hör  ich  auf  offener  bühne  .  . 
seine  gemüthsbewegungen  sorgfältig,  wie  eine  Pariserin 
ihre  grimassen  vor  dem  Spiegel,  durchmustern  Schiller 
2,  3*3  G.;' häufiger  aber  mit  der  bedeutung  des  verzerrten: 
vor  allen  grimassen  musz  man  sich  hüten  Quantz 
anweisung  d.  flöte  zu  spielen  (1789)  106;  zwei  manns- 
personen  .  .  .  sangen  oder  sprachen  .  .  .  mit  sonderlich 
verzerrten  grimassen  einige  worte  her  G.  Forster  i,  282; 
als  reflex  unangenehmer  empfindungen :  wenn  nun  ein 
jeder,  nachdem  sein  gaumen  beschaffen  ist,  sie  {die 
ambrosia)  sich  entweder  glatt  hinunter  gehen  läszt, 
oder  auch  zu  seltsamen  grimassen  sein  antlitz  verzerrt 
K.  Fr.  Gramer  Neseggab  1,  lOl;  die  grimasse,  durch 
welche  er  noth  und  elend  ausdrücken  wollte  J.  J.  Engel 
sehr.  7,  162;  doch  auch  bei  entgegengesetzten  reizungen: 
keine  lächerliche  grimasse,  dummer  junge  S.  v.  La 
Roche  frl.  v.  Sternheim  (1771)  1,  206;  zuweilen,  loie  fratze, 
concreter  für  das  gesteht:  ich  schmeiss'  dir  in  deine 
grimasse!  maler  Müller  (I8li)  3,  826;  ich  wuszte  da- 
mals nicht,  .  .  .  dasz  der  Inhaber  dieser  künstlichen 
grimasse  kaum  eine  ahnung  von  Ironie  und  sarkas- 
mus  besasz  Seidel  Leberecht  Hühnchen  (1899)  27.  als 
begleitendes  verbum  erscheint  zuerst  machen  {vgl.  2): 
gegen  die  Philosophie  selbst  eine  kleine  faunische  gri- 
masse machen  Wi bland  Lucian  (1788)  l,  27; 

dort  macht  vielleicht  mancher  herr  kunstrichter 
zwar  grimassen  und  saure  amtsgesichter 

KORTUM  Jobsiade  (1799)  2,  4; 

das  heute  herrschende  grimassen  schneiden  ist  im  18.  jh. 
noch  selten:  er  .  .  .  schnitt  fürchterliche  grimassen 
Klinger  3,  157;  ein  mensch  hat  krämpfe;  ein  anderer 
giebt  ihm  eine  ohrfeige,  weil  er  glaubt,  jener  schneide 
ihm  grimassen  Hebbel  tageb.  l,  362;  der  kleine  Hans 
schnitt  eine  vergnügte  grimasse  C.  F.  Meyer  d.  heilige 
(1891)  107 ;  seltener  ist  grimassen  ziehen :  Alexander  . . . 
sieht  mit  einer  miene  von  unbehaglichkeit  Philippen 
an,  der  gleichfalls  eine  grimasse  von  erstaunen  und 
verdrußz  zieht  Göthe  38,  878  Weim.;   ich   bin  ein  ehr- 

IV.  1.  6. 


lieber  kerl  . .  .,  ich  kann  keinem  eine  grimasse  ziehen 
H.  Eulenberg  dogenglück  (1899)  149. 

4)  die  bedeutung  3  erfährt  mancherlei  Übertragungen 
ins  tm sinnliche ;  zunächst  rein  bildlich:  gebt  euch  nur 
die  mühe,  ihr  spötter,  die  ihr  mich  mit  euren  grimassen 
verwirrei^  möchtet,  sie  {die  deutsche  Verfassung)  zu  stu- 
dieren Klinger  3,  40;  wo  das  schöne  geschlecht  eine 
hülle  darum  {um  das  urtheil)  wirft,  um  .  .  seiner  Innern 
Schönheit  keine  entstellung  oder  grimasse  zu  schulden 
kommen  zu  lassen  Krummacher  das  xc'örtlein  'und' 
(l8li)  69;  bösewichter  solcher  art  thun  keine  schand- 
that  aus  liebhaberei,  sondern  nur,  weil  sie  ihnen  vor- 
theil  bringt,  und  daher  ohne  die  grimasse  der  sünde 
Börne  2,  ll;  aber  auch  selbständiger  'bizarrerie,  marotte': 
selbst  seine  {Bonapartes)  Sonderbarkeiten,  die  bisweilen 
in  wunderliche  launen  und  grimassen  ausschlugen 
Häusser  dtsch.  gesch.  2,  242.  besonders  hervorzuheben 
ist  ein  gebrauch,  der  grimasse  für  die  karrikatur,  Über- 
steigerung irgend  einer  erscheinung  verwendet:  reitz  am 
unrechten  orte  ist  affektation  und  grimasse  Lessing  9, 
198  M.;  meine  absieht  ist  nie,  mich  durch  gewaltsame 
insolenzen  und  grimassen  auszuzeichnen  sagt  Bijrger 
zur  rechtfertigung  gewisser  kühner  ausdrücke  seiner  Homer- 
übersetzung,  werke  206*  Bohtz;  wie  die  nation  den 
früheren  scharfgezeichneten  Charakter  um  grimasse  ein- 
getauscht GÖRRES  l,  136;  so  namentlich  bei  gewissen 
verbis :  daraus  ist  es  zu  erklären,  weshalb  .  .  die  grazie 
so  oft  in  grimasse  ausartet  Smidt  tageb.  eines  nord. 
Seemannes  (1830)  80;  indem  alles,  was  bei  den  Griechen 
natur  w^ar,  bei  ihnen  {den  Franzosen)  zur  grimasse  ge- 
worden ist  Platen  3,  226  Redlieh. 

5)  etwa  gleichaltrig  mit  3  ist  die  Verwendung  im  sinne 
'die  täuschende  maske,  larve',  die  sich  herleitet  von  der 
bedeutung  'die  blosze,  hohle  gebärde':  {leute)  welche  .  .  . 
mit  ihrer  Seligkeit  fertig  zu  werden  meynen,  wenn  sie 
Paulo  die  grimasze  der  demuth  nachmachen  allg.  dtsch. 
bibl.  12,  8;  wer  irgend  einem  tüchtigen  meister  die  gri- 
masse der  arbeit  abgesehen  hat,  ist  darum  noch  kein 
arbeiter  Lagarde  dtsch.  sehr.  195;  meist  tritt  der  Cha- 
rakter des  heuchlerischen,  täuschenden  stärker  hervor:  es 
{das  porträt)  könnte  allenfalls  ein  Joseph  seyn,  der  ohne 
grimmasse  affectirter  oder  in  der  schule  gelernter  fröm- 
migkeit  mehr  dächt  als  spräche  Lavater  physiogn. 
fragm.  1, 121;  eine  schlaue  kokette,  die  mein  herz  durch 
die  grimasse  der  empfindsamkeit  . . .  täuschte  Pfeffel 
pros.  vers.  5,  51 ; 

er  {der  lad)  heuchelt  nicht  und  schmeichelt  nicht, 

er  wischt  grimassen  vom  geeicht        Herder  27,  888  S.,- 

ganz  verselbständigt:  lüge,  Verstellung,  komSdie: 

grimasse  war 
ihr  kusz 

allg.  dtich.  bibl.,  anh.  zu  53—86,  492; 

wie  er  ihr  so  nahe  ist,  dasz  sie  nicht  mehr  entfliehen 
kann,  so  fleht  sie  dem  fluszgotte,  dasz  er  sie  verwan- 
deln soll,  grimasse!  Wieland  Agathon  {ilGef.)  1,  158; 
es  sey  nur  grimmasse,  wenn  weiber  ihre  männer  glau- 
ben machten,  sie  hätten  ein  sehr  kaltes  temperament 
Knigge  Umgang  2,  89;  ich  lernte  grimasse  von  realität 
unterscheiden  Bahrdt  gesch.  s.  lebens  (1790)  3,  363;  natür- 
lich blosze  grimasse,  um  ein  höheres  geleitsgeld  zu  er- 
ringen Gaüdy  5, 123;  auch  milder  'fiction' :  sollte  es  .  .  . 
nicht  eine  grimasse  unseres  verf.  seyn,  dasz  er  nicht 
wissen  will,  wer  diese  recension  gemacht  hat  allg.  dtsch. 
bibl.  86,  26.  dieser  gebrauch  ist  in  der  hauptsache  auf 
die  2.  hälfte  des  18.  jhs.  beschränkt;  später  tritt  neben 
dem,  begriff  des  erlogenen  der  des  widrig  grotesken,  ver- 
zerrten wieder  hervor;  farce':  diese  .  .  .  kniebeugungs- 
und  andachtsscene  vor  dem  versammelten  reichstage, 
der  mühe  gehabt  haben  mag,  bei  der  grimasse  seinen 
ernst  zu  bewahren  jahrb.  d.  Grillparzergesellsch.  5,  214; 
die  blinde  gerechtigkeit  .  .  faszt  mit  ihrem  strafenden 
arm  .  . .  die  arme  verführte  . . ,  und  treibt  dann  mit 
dieser  ihre  fade  grima^e  ganz  ernsthaft  Pestalozzi  7, 
314;  ein  gebet,  das  nur  aus  anbequemung  gesprochen 
wird,  ist  eine  widerliche  grimasse  D.  Fr.  Strausz  4,  197. 

22 


339      GRIMASSENMACHER  -  GRIMASSIG 

6)  tvie  im  fram.  auch  'ein  zur  ioilette  des  frauen- 
Zimmers  gehöriges  kästchen,  dessen  oberer  theil  ein  nadel- 
kissen  tsi' Krünitz  öcon.  encycl.  20,48;  Rumpf  gemein- 
nütz, wb.  (1811)  146. 

7)  eine  art  Stachelschnecke,  murex  anus  Nemnigh  wb. 
d.  naturgesch.  210.  , 

GRIMASSENMACHER,  m.  fratzenschneider  Follmann 
lothr.  216»;  lux.  ma.  (1906)  154'';  Pansner  schimpfwb. 
2i^;  in  älterer  spräche  auch  ' Schwindler'  (vgl.  grimasse 
II  5):  die  grimassenmacher,  quacksalber,  gaukler, 
taschenspieler,  kuppler,  beutelschneider  .  .  theiien  sich 
in  die  weit  Wieland  (i794)  8,  121.  —  grimassen- 
schneiden,  n.  :  wogegen  der  ungebildete  .  ..  nicht 
anders  als  durch  .  .  .  mienen  und  gebehrden  sich  ver- 
ständlich machen  zu  können  glaubt,  —  dadurch  aber 
mitunter  sogar  zum  grimassenschneiden  verleitet  wird 
Hegel  7,  2,  244;  ein  bestimmt  ausgesprochenes  talent 
für  diese  oder  jene  kunst:  poesie,  musik,  .  .  grimassen- 
schneiden, plastik  Spielhagen  i,  247.  —  grimassen- 
schneider,  m.:  die  Lear- und  Hamlet  Spieler,  die  jetzt 
auf  unsern  theatern  den  gröszten  beyfall  einärnten, 
gehören  in  .  .  .  die  klasse  der  .  .  .  grimassenschneider 
Ayrenhoff  6,201;  Pansner  schimpfwb.  24^.  —  gri- 
massensprache,  /. :  vor  der  grimassensprache  der 
taubstummen  Grillparzer  13,  151  Sauer. 

GRIMASSIER,  m.,  fratzenschneider  Heyse  kl.  fremd- 
tob.  (1840)  177;  {der  tanzlehrer)  ein  mann,  der  .  .  als  ein 
gesichterschneider,  grimassier  und  faxenmacher  seltener 
art  mich  bald  entzückte  Holtei  vierzig  jähre  i,  48; 
nach  frz.  grimacier. 

GRIMASSIEREN,  vb.,  grimassen  machen;  seit  dem  ende 
des  18.  jhs.;  bei  Adelung  fehlend;  bei  Voigtel  2,  133"^, 
Heinsius  2,  535*^  notiert;  'gesichter  schneiden,  misgebehr- 
den  machen  ....  grinsen,  sich  grimmig  gebehrden,  mit 
häszlich  verzerrtem  gesichte  lächeln'  Rumpf  gem^innütz. 
wb.  (1811)  146:  dabei  soll  man  sein  äusseres  studiren, 
sein  gesicht  in  seiner  gewalt  haben,  nicht  grimaciren 
Knigge  Umgang  1,  87;  statt  seine  natürliche  Physiogno- 
mie zu  zeigen,  grimassirt  er  Schubart  ästhetik  d.  ton- 
kunst  136; 

(wer)  ist  die  Silengestalt,  die  aufgedunsne, 
die  sich  von  einer  der  ägyptischen 
gottheiten  borgt  die  wunderlichste  larve 
und  drin  mit  tollen  Sprüngen  grimassiert? 

Hamerling  Ahasver  3,  158; 

mit  frechen,  herausfordernden  gliedern  und  grimassie- 
renden  lippen  H.  v.  Kahlenberg  Eva  Sehring  (l90i)  185; 
ein  grimassiertes  hohngelächter  Heinse  7,  285  Schüdde- 
köpf;  vom  gebärdenspiel  des  Schauspielers,  ohne  den 
nebensinn  des  verzerrten:  jeder,  nur  halb  geschickte 
Schauspieler,  wenn  er  sich  ein  wenig  auf  grimassiren 
versteht,  wird  als  könig  Lear  .  .  .  lärmenden  beyfall 
erhalten  Ayrenhoff  5,  227;  im  grimassiren,  gestikuliren 
und  moduliren  des  tons  war  sie  meister  G.  Forster 
3,  152;  herr  Koberwein  als  Aetes  grimassirte  und  decla- 
mirte  schlecht  und  hohl  jahrb.  d.  Grillparzergesellsch. 
5,  5;  transitiv:  einen  wahnsinnigen  könig  Lear  zu  gri- 
massiren Ayrenhoff  2,  lOO;  doch  auch  tadelnd:  dazu 
kommt  aber  bei  mademoiselle  George  noch  hinzu,  dasz 
sie  in  den  augenblicken  des  höchsten  affectes  oft  gri- 
massirt PÜCKLER  Semilasso  2,  69;  in  älterer  spräche 
klingen  bisweilen  andere  bedeutungen  von  grimasse  an: 
all  unser  hofiren  und  grimassiren  (vor  dem  kaiserlichen 
gesandten)  wird  zu  weiter  nichts  nützen  als  uns  vor 
den  bürgern  zu  narren  zu  machen  Klinger  3,  68;  sie 
—  schämte  sich,  grimassirte  und  zierte  sich  anfangs 
so  artig  und  fein,  wie  eine  richardsonsche  heldinn 
J.  K.  Wetzel  Tobias  Knaut  4,  277  (vgl.  grimasse  II  i) ; 
Sophie:  .  .  .  ich  will  ihn  züchtigen,  papa!  sie  sollen 
ihre  freude  sehen!  Stahl:  nur  nicht  grimassirt,  wir  ken- 
nen uns!  Klinger  i,  lOO  (vgl.  grimasse  II  5);  dazu  gri- 
massiererei,/. .•  ob  nicht  noch  eine  menge  elender 
grimassirerei  in  unsern  deutschen  sitten  .  .  .  herrscht 
J.  K.  Wetzel   Tobias  Knaut  2,  96. 

GRIMASSIG,  adj.,  zornig,  aufgebracht:  ich  will  nicht 
schimpfen,    aber  solcha  grimmassige   spindein  wie  der 


'GRIMM 


340 


herr  ist,  nimm  ich  zwölfe  Bäuerle  kom.  iheater  3,  19; 
einen  grimassigen  bengel  sehts  und  nichts  weiter  Han- 
del-Mazzeti  Jesse  und  Maria  (1906)  2,  145;  wann  ä  kam 
ganz  grimässi  und  sagät:  mein  geld  he!  Stelzhamer 
ausgew.  dicht.  2,  55;  österr.  wort;  unter  anlehnung  an 
grimasse,  grimm  aus  häufigerevi  gremassig,  s.  sp.  105. 
1  GRIMM,  adj. 

A.  form,  dem  west-  und  nordgerm.  gemeinsames  wort: 
ahd.  grim ,  grimmi ,  asächs.  ags.  afries.  grim ,  anord. 
grimmr;  übereinstimmende  bedeutung  ist  'wütend,  wild', 
vielfach  weiter  entwickelt  zu  'böse,  furchtbar';  im  got.  nur, 
mit  anderer  ablautstufe,  gramjan  'reizen',  von  einer  idg. 
tvurzel  *ghrem-  'reiben,  knarren,  knirschen',  die  in  gr. 
/OEfxlCoi,  yqefJLtd-o}  'mit  den  zahnen  knirschen,  wiehern', 
yoofxos  u.  a.  wiederkehrt,  vgl.  FiCK  ^3,  142;  Falk-Torp 
1,  340.  347.  die  grundbedeutung  tritt  rein  zu  tage  im  ahd. 
subst.  zano  gagrim  Stridor  dentium  Mens,  fragm.  10,  6.  24; 
16,  2  Heneh.  das  adj.  hat  in  mhd.  zeit  noch  die  vorhand 
vor  grimmig  (s.  d.),  in  der  nhd.  zeit  wird  es  allm.ählich 
von  dem  abgeleiteten  adj.  zurückgedrängt,  und  im  18.  jh. 
ist  es  in  gefahr,  der  concurrenz  zu  erliegen  (grimm,  olim 
für  grimmig  Frisch  [i74i]  373*';  'im  hochdeutschen  ver- 
altet, im  oberdeutschen  aber  noch  für  grimmig,  wütend. 
grausam  gebraucht'  Adelung),  als  es  sich  in  die  poe- 
tische spräche  rettet,  um  auf  diesem  gebiet  noch  ein  kräf- 
tiges leben  zu  entfalten. 

B.  bedeutung.  als  ausgangspunkt  der  bedeuhings- 
entwicklung  ist  der  begriff  der  zähneknirschenden  wut  an- 
zusetzen; und  vielleicht  steckt  in  der  bei  Murner  (nach 
Schmidt  elsäss.  155'')  überlieferten  redensart  ein  grimen 
zan  den  tempelknechten  zeigen  etwas  sehr  altes. 

l)  am  nächsten  heran  an  diesen  ausgangspunkt  führt 
die  bedeutung  'in  wut  geratend,  zornwütig,  ergrimmt' : 
so  der  grimme  rihtare  an  der  jungesten  urleile  zorn- 
lichen chumet  spec.  eccl.  143  Kelle; 

daz  zurnder  s6  sere,        daz  er  mich  dö  sluoc 
mit  einer  starken  schalten :        des  wart  ich  grimme  genuoc 

JS'ih.  1545,  4 ; 

doch  tritt  diese  bedeutung  im  mhd.  gegenüber  3  zurück, 
wie  man  etwa  am  Nib.-lied  studieren  kann;  später  häu- 
figer: efferus  grimm  und  schier  als  ertaubet 'Frisius 
(1556)  460'>;  soll  einem  das  nicht  das  hertz  grim  machen, 
qutfd  dicit  'dominus'  Luther  29,  666  Weim.;  der  lew 
schmecket  usz  dem  geruch  des  pardi  den  eebruch  der 
lewin.  darumb  würt  er  grimm  das  selbig  zu  rechen 
Eppendorff  Plinius  (1543)  50;  mit  j)räpos.:  das  pöfel 
.  .  wider  die  Carthaginenser  grimm  machen  Xylander 
Folybius  (1574)  59 ;  ist  er  in  seinem  gemüt  erzürnt  und 
gantz  grimm  über  Lewfriden  worden  Wickram  2,  351 
lit.  ver.;  und  so  bis  in  die  neue  zeit: 

mein  Tilly  kam  nicht  aus  dem  hain, 
er  war  erhitzt  und  grimm  genug 

Droste-Hülshoff  2,158; 
natürlich  auch  übertragen: 

der  keiser  übel  unde  röt 
der  rede  im  antwtirte  bot 
üz  eime  grimmen  herzen 

KoNR.  V.  Würzburg  Otto  v.  231 ; 

als  ich  die  wort  ausz  grimmem  sinn 
in  zorens  weis  warf  her  und  hin 

Seb.  Brant  nach  Schmidt  elsäss.  155"-; 

trifft  mit  dem  arm  und  grimmen  blicken, 
was  schnell  nicht  aus  dem  pfad  kann  rücken 

Dkoste-Hülshoff  2,67; 

der  herzog  grimmen  tones  sprach 

Arnim  14,  262. 

2)  von  bedeutung  ist  ein  nur  im  mhd.  nachzuioeisender, 
später  erstorbener  gebrauch,  der  das  adj.  auch  für  andere 
erregungen  als  die  der  wut,  des  zornes  verwendet;  'wild, 
auszer  sich  vor  schmerz,  Verzweiflung  u.dgl.': 

dö  hörter  eine  stimme 
jsemerlichen  grimme 
von  dem  wege  wüefen, 
nach  helfe  rüefen 
erbarmeclichen  ein  wip 

so  namentlich  neben  weinen  und  klagen: 


Er.  5297; 


341 


1  GRIMM 


1  GRIMM 


342 


sie  waineten  vil  grimme  Rol.  199,  24; 

s6  chlaget  er  dich  grimme  235,  9, 

beides  in  der  volksepik  öfter;  s.  u.  5  b;  diese  bedeutung 
findet  beim  verbum  l  grimmen  eine  stütze,  s.  d.  l;  schliesz- 
lieh  kann  das  adj.  ganz  zum  begriff  leidenschaftlicher  er- 
regung  verblassen ;  so  spuriceise  im  frühnhd.:  (der  kaiser 
u.  seine  frati)  sachend  das  grim  louffen  des  volks  und 
hortend  auch  das  geschrey  dtsche  volksb.  285,  25  Bach- 
m,ann- Singer ;  vgl.  2 grimm  4. 

3)  der  weitaus  vorherrschende  gebrauch  zeigt  das  adj. 
in  einem  von  1  deutlich  unterschiedenen  sinne,  mehr  dau- 
ernde eigenschaft  als  vorübergehenden  zustand  bezeichnend, 
also  acer,  atrox,  ferox,  ferus,  efferus,  trux,  scevus  u.  ä. 
Graff  4,  324;  crudelis  Dief.  nov.  gl.  121*;  crudus,  cru- 
delis  Frisius  (1556)  346'*;  immanis  650*;  importunus 
662"-;  violentus  1385  *>. 

a)  zumeist  von  menschen:  der  eher  bedäut  uns  die 
grimmen  laut,  die  .  .  alle  zeit  grimmik  und  swarz  be- 
leibent  in  irn  sündenKoNR.  v.  Megenberg  buch  d.  natur 
121,  15;  da  man  etwen  einen  menschen  findet,  der  ist 
grimm,  er  ist  rauh,  wil  jederman  überfaren  Keisers- 
BERG  .^eeUnpar.  vorr.  2'»;  im  älteren  nhd.  öfter  in  der 
allitterierenden  Verbindung:  do  sindt  die  beiden  .  .  grim 
und  grob  gewesen  Hedio  chron.  germ.  (1530)  P  vi'';  seit 
alters  gern  attributiv,  und  ztcar  vielfach  in  einem,  halb 
formelhaften  gebrauch:  der  grimmo  Nero  saeviens  Graff 
4,  324;  im  Heliand  stehendes  beiwort  der  Juden; 

haiden  die  grimmen 

die  weiten  gerne  unterdringen 

dere  eristen  scar  Hol.  167,  1  u.  ö., 

gerade  bei  diesem  subst.  bis  ins  nhd.  vielgebraucht;  der 
grimme  Hagne  Nib.  934,  i  u.  ö.,  vne  überhaupt  gr.  ein 
lieblingswort  des  Nib.  dichter s  ist; 

der  küng  Porsena  grimm  und  streng 
belegert  Rom 

ScHWARZENBERG  Ciccro  (1535)  119»; 

der  grimme  sultan  Lohenstein  Ibrahim  sultan  37;  so 
von  der  zweiten  hälfte  des  18.  jhs.  bis  in  die  neueste  zeit 
in  gehobener  spräche  wieder  sehr  häufig:  er  ziehe  gegen 
grimme  Saracenen  Herder  15,  85  S.; 

wenn  wir  dem  grimmen  Weifen  widerstanden 

RiCH.  Wagner  ges.  sehr.  u.  dicht.  2,21; 

feste  fügungen  sind  der  grimme  teufel  und,  bis  in  unsere 
zeit  fortlebend,  der  grimme  feind  U7id  der  grimme  tod : 
so  siht  er  denne  die  grimmen  tüfel  Schmidt  elsäss. 
155*  (aus  dem  14.  jh.); 

gott,  der  liebt  nicht  nur  die  frommen,  .  .  . 
sondern  auch,  die  ihm  genommen 
durch  den  primmen  seelenfeind 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3, 299''; 

allwo  er  jetzt,  da  neu  entbrannt  der  krieg, 
gar  hart  gehalten  wird  vom  grimmen  feind 

Grillparzer  8,10; 

o  du  grymer  tod,  wie  kanst  du  so  bert  und  so  streng 
seyn  Fortunatus  (l509)  94  neudr.; 

(der  acker)  drauf  seine  garben  wacker 
hinwirft  der  grimme  Schnitter  tod 

Freiligrath  3,80  Schmidt -Weiszenf eis; 

ältere  spräche  versteht  diese  xcendung  vielfach  anders, 
s.  u.  3  b.  namentlich  die  früheren  perioden  der  spräche 
lassen  gewisse  schioankungen  des  sinnes  erkennen,  wie 
sie  schon  aus  manchen  glossierungen  erhellen:  ingratus, 
acharis  Graff  4,  324;  malignus  Dief.  344»;  spurcus  549"; 
besonders  die  bedeutung  'streng,  hart,  grausam'  hebt  sich 
schärfer  heraus:  acerbus  crim,  grim  ahd.  gl.  1,  12,6;  auste- 
rior  crimmira,  crimmiro  i,  2G,  36;  severus  Dief.  531'';  ih 
forahta,  uuanta  thö  grim  man  bist,  nimist  thaz  thü 
ni  säztos  (quia  homo  aust-erus  es)  Tat.  151,  7 ;  grimmen 
chuning  immitem  Graff  4,  324; 

die  vorvluchten  und  die  grimmen, 
die  diser  werlde  walden 
und  ir  gut  vor  enthalden 
den  dürftigen,  den  husarmen 

Hesler  apoc.  22694; 


davon  fiel  er  in  viel  laster  und  ward  eyn  grimmer  herr 
und  von  den  seinen  verhast  Carbach  Livius  127»; 

ein  ochsen  hab  ich  in  dem  stal, 
den  will  ich  schencken  im,  ja  im, 
weil  ich  nicht  gelt  hab  allemal, 
dasz  er  nicht  sey  so  grim 

Ayrer  5,  3039  lit.  ver.; 

vgl.  dazu  homo  durus,  tumidus  grimm,  stoltz,  hoch- 
fertig, hochtragen  Frisius  (i556)  1336*';  ferox  fräch, 
stoltz,  grimm  Calepinus  xi  li^ig.  (1598)  556»;  verbunden 
mit  dem,  dat.  kann  das  wort  der  bedeutung  'wild,  grau- 
sam' die  des  fehidseligen  beimengen: 

doch  lies  er  (Pilatus)  in  (Jesus)  gebunden  stan 
bi  denen  die  im  warent  grim 

Schweizer  Wernher  Marienl.  9195; 

SO  ist  nach  dem  todt  Tiberii  der  keyser  Caius  inen  gar 
grim  und  zuwider  gsin  Hedio  chron.  germ.  (1530)  bs''; 
erst  in  jüngerer  zeit  in  einer  abgeschwächten  bedeutung 
' drohend- finster' :  aber  wie  schlecht  steht  dem  ernsten 
grimmen  Beethoven  solches  kinderspiel  D.  Fr.  Strausz 
sehr.  6,  247.  wieviel  lebendiger  das  wort  in  älterer  spräche 
war,  erhellt  auch  aus  den  m.annigfachen  formen  adver- 
bialen gebrauchs:  wie  grimm  die  Juden  mit  dem  herrn 
Jesu  umbgiengenKEiSERSBERG  nach  Schmidt  elsäss.  155''; 
ist  er  (der  papst)  dan  der  allerheiligest  an  gots  stat 
und  lasset  so  grym  die  lüt  tödten?  Karsthans  174  bei 
MüRNER  luth.  narr  (Kurz); 

die  viech,  die  hund  und  die  maulthier 
grimm  wurden  in  den  todt  gestürzt 

Spreng  Hias  (1610)  2^; 

später  ungewöhnlich:  die  ihr  mir  mein  liebes  fest  so 
grimm  zerreiszt  Fouque  nach  Sanders. 

b)  von  thieren:  seit  alters  stehendes  beiicort  des  löwen: 

daz  ein  grimmer  lewe  nie 
sO  giric  was  nach  eime  vihe 

Konr.  V.  Würzburg  Eng.  2748; 

an  dem  grimmen  löwen  sich  auch  rechen 

Gengenbach  90  Gödeke; 

auch  anderweitig  oft:  leopartun  crimmistun  tigridi  fero- 
cissimae  Graff  4,  324;  den  grimmen  serpant  Heinr. 
v.  Freiberg  Tristan  6446;  apri  acres  grimm,  gewaltig, 
mächtig  und  scharpf  Frisius  (l556)  21»;  am  deutlichsten 
tritt  der  bedeutungskern  bei  prädicativem  gebrauch  zu 
tage:  das  weyblin  (des  baren)  ist  .  .  grimmer  weder  das 
männlin  Herold-Forer  Gesners  thierbuch  (1563)  l**»; 
wann  sie  der  wölfin  in  der  brunst  nachlaufen,  sein  die 
wölf  am  aller  grimmsten  und  grausamsten  Sebiz  feld- 
bau  (1579)  614;  grimm  kann  gegensatz  zu  zahm  sein: 
onager  waltesel,  ain  stark  o.  grimmer  esel  Dief.  nov. 
gl.  271  •>; 

das  man  macht  zam  eyn  yedes  thier, 
wie  hert,  wie  wild,  wie  grymm  das  ist 

Brant  narrensch.  22,  33  Zarncke; 

der  grimme  vogel  (vielleicht  unter  dem  einflusz  von  krimm- 
vogel  th.  5,  2310  und  der  grimmende  vogel  ib.  sp.  2305 
stehend)  ist  der  raubvogel:  daz  diu  swalb  von  den  grim- 
men vögeln  nümmer  gelaidigt  werd  Konr.  v.  Megen- 
berg buch  d.  natur  200,  15;  vgl.  193,  9;  seit  dem  spätereti 
17.  jh.  immer  mehr  auf  die  poetische  spräche  und  attri- 
butiven gebrauch  beschränkt,  weil  für  die  prosa  abgelöst 
von  grimmig  (s.  rf.  2  b) :  (Apollo)  der  grosze  schütz  und 
tod  der  grimmen  trachen  Treuer  dtsch.  Dädalus  i,  97; 

den  grimmen  geier,  der  dich  so  zerfleischt 

Brentano  ges.  sehr.  2, 197; 

denn  ich  bin  grimmig,  wie  der  grimme  leu 

Grillparzer  5,  119  Sauer. 

c)  übertragen. 

ce)  dem  eigentlichen  gebrauch  des  adj.  am  nächsten 
kommt  die  Übertragung  auf  die  träger  und  sitze  des 
grimms;  schon  im  Heliand  grimman  hugi  4263.  4629, 
grimmon  sebon  2687 ;  im,  mhd.  findet  man  grimmer  muot 
in  jeder  art  von  epik,  besonders  im  Nib.;  später  xcird 
grimmes  gemüt  zu  einer  festen  Wendung:  und  würt 
keiner  sach  bei  allen  verstendigen  höcher  getadelt  als 
seines  gehen  zorns  und  grimmen  gemüets  halben  zimm. 
ehr.  2,  269,  2;  doctor  Peter  Meyer  .  .  .  hat  .  .  .  auch  gegen 

22* 


343 


»GRIMM 


1  GRIMM 


344 


meyner  person  ...  ein  giftig,  natterisch  und  überusz 
grimmist  gemüt  und  meynung  getragen  Hütten  opera 
2,  117  Böcking;  in  neuerer  spräche  nur  noch  poetisch: 

könig  Högni  vor  der  Schwester  stand, 
ihr  sinn  war  grimm  und  graus 

Strachwitz  ged.  (1860)  257; 

dagegen  hat  sich  ein  concreterer  gebrauch  erst  in  jüngerer 
zeit  recht  entwickelt  {vgl.  grimmig  2  c  «) : 

(Jcrokodü)  das  war'  ein  nam'  gewesen,  welcher  zu 

der  grimmen  miene  paszte  Grabbe  1,  337; 

er  .  .  .  blitzte  sie  mit  seinen  kleinen  grimmen  äugen 
an  Storm  2,  264;  oder  von  thieren: 

blut  im  grimmen  rächen 

Denis  lieder  Sineds  47,  7 ; 

wie  zwei  drachen 
mit  grimmen  klauen 

0.  Ludwig  ges.  sehr.  3,  584; 

namentlich  grimmer  zahn  ist  häufig: 

es  haut  nach  mir  mit  grimmen  zahnen 

Schiller  11,  280  G.,- 

aussatz,   der  tief  ins  fleisch  sich  friszt  mit  grimmem  zahn 
Droysen  Äschylus  (1841)  123; 

das  ist  vielleicht  sehr  alt,  s.  o.  B;  auch  neben  anderen 
begriffen,  die  die  auffassung  eines  beseelten  wesens  ge- 
statten, behält  das  adj.  seinen  ursprünglichen  subjectiven 
Charakter;  so  sehr  gern  von  den  elementen: 


swart  logna  . 
grim  endi  gradag 


Heiland  4369; 


feretrum  grim  mer  Dief.  247*;  under  dien  {winden)  ist 
einer,  heisset  aquilo,  und  ist  grimmer  denne  die  andern 
Seuse  dtsch.  sehr.  452,  4;  in  vollem  bilde: 

an  sant  Michahels  tage 
drat  in  mein  sumer-haus 
der  grim  winter  mit  klage 

H.  Sachs  23,  253  Keller-Götze; 

in  neuerer  poetischer  spräche  wieder  sehr  häufig: 

wenn  ein  anders  grimmes  wetter  blitzend  wider  jenes  {wetter) 

zieht 
Schönaich  Hermann  144; 

der  grimme  nord  vertauscht 
sein  reich  für  Zemblens  eis 

Wieland  1 1, 115  akad.  ausg. ; 

denselben  subjectiven  Charakter  zeigt  das  adj.  in  der  im 
älteren  nhd.  nicht  seltenen  wendung: 

den,  den  die  grimme  weit 
vom  höchsten  himmel  aus  bis  in  das  grab  gefällt 

Fleming  1, 16  lü.  ver. 

ß)  in  anderen  fällen  erscheint  eine  objectivere  bedeu- 
tung,  die  sich  zuweilen  dem  sinn  von  'grausig,  furcht- 
bar, schrecklich^  nähert,  so  in  der  in  mittelalterlicher 
Sprache  sehr  üblichen  formel  grimme  hölle:  schon  im 
Heliand  5429  bezeugt; 

s6  werfent  in  gebunden  . 

die  tiuvel  in  die  grimmen  helle 

Lampr.  V.  Regensburg  tochter  Syon  1293; 

oder  in  der  bis  in  die  neuere  zeit  üblichen  Verbindung 
mit  that,  unthat  u.  dgl. :  im  Heliand  5150  wird  is  grimmon 
dad  mit  sundeon  parallelisiert;  ähnlichen  sinnes  grim- 
mun  uuerc  3229; 

d6  huop  sich  under  degenen  ein  mort  vil  grimme  unde  grSz 

Mb.  1898,  4; 

glaubt,  dasz  ihr  euch  befleckt  durch  diese  grimme  that 

Lohenstein  Arminius  2, 1332^; 

bis  einst  um  einen  grimmen  mord  der  schmerz 
den  reichen  schätz  zur  asche  wird  verglühn 

Brentano  ges.  sehr.  6,  91 ; 

auch  detaillierter:  in  dem  anschowene  dez  abziehens 
einer  kleider  und  des  grimmen  annegelens  sins  herren 
an  das  krüz  Seuse  dtsch.  sehr.  36,  15;  hat  sich  Hegelin 
schnell  gewendt  und  ain  grimen  stich  auf  disen  schmid 
thon  Knebel  chron.  v.  Kaisheim  387  lit.  ver.;  nicht  selten: 
grausam  grimm  laster  refervens  crimen  Maaler  teutsch 
^praach  (l56l)  191«; 


der  tugend  Untergang,  der  grimmen  laster  sieg 

Gryphius  trauersp.  41  P.; 

am  häufigsten  von  kämpf  und  streit: 

den  herten  und  den  grimmen  strlt 
triben  si  biz  üf  die  naht 

KoNR.  V.  Würzburg  Parton.  16306; 

soll  abermal 
heilloser  krieg  und  grimme  Schlacht  entstehn 

Bürger  156"  Bohtz; 

darüber   hinaus   in   jüngerer   spräche    in   mannigfacher 
Verwendung,  aber  ausschlieszlich  in  poetischer  rede: 

SO  sind  die  grimmen  stunden, 
die  singen  mich  gelehrt, 
dann  nicht  von  dir  entbunden 

Brentano  ges.  sehr.  2,519; 

so  mögt  die  grimme  unbill  denn  erfahren 

Droste-HÜLSHOFF  2,  252 ; 

hier  trieb  der  teufel  sein  verruchtes  spiel, 

ein  grimmer  irrthum  waltet       Arnim  5, 165  Grimm. 

y)  endlich  von  dem  persönlichen  ausgangspunkt  völlig 
gelöst  und  ganz  objectiv  'hart,  schlimm,  bitter,  schmerz- 
lich, schwer': 

von  disem  grimmen  msere 
huob  sich  dar  diu  lantschaft       mit  vil  klegUcher  kraft 

klage  1123; 
ähnlich  ein  grimmez  scheiden  1212; 

schwartz  ist  ain  grymme  wät, 
wee  dem,  der  des  geclaidet  gät 

HÄTZLERIN  165; 

mit  Vorliebe  aber  neben  ganz  bestimmten  begriff sgruppen : 

dem  ich  von  schulden  jehen  muoz 
daz  er  grimmen  kumber  leit 

KoNR.  V.  Würzburg  Parton.  15857; 

also  starb  er  (der  gesteinigte)  in  grimmer  not 

H.  Sachs  1, 192,  22  Keller; 

vgl.  auch  den  adverbialen  gebrauch: 

ach,  hett  ich  g'lost  des  Daniel  stimm, 
so  giengs  mir  nit  so  ruch  und  grimm 

J.  Murer  (1559)  nach  Staub-Tobler  2,  733; 

in  neuerer  zeit  wieder  viel  gebraucht: 

ach,  der  heiligste  von  unsern  trieben,^ 
warum  quillt  aus  ihm  die  grimme  pein? 

Göthe  4, 162  Weim. ; 

Sklaven  des  daseins  —  nur  verschweigen 
laszt  uns  des  daseins  grimme  quäl 

Freiligrath  ges.  dicht.  4, 194; 

auf  dieselbe  linie  gehören  beispiele  loie: 

wan  si  diu  grimme  vorhte  treip 


Er.  6662; 


da  ich  in  schnöder  lust,  in  toller  eitelkeit 
und  grimmer  angst  verthan  die  beste  lebenszeit 

Gryphius  trauersp.  271  P.  ; 

concreter:  do  er  .  .  dez  nahtes  von  nSten  des  grimmen 
siechtagen  nit  mohte  schlafen  Seuse  dtsch.  sehr.  69,5; 
er  ist  auch  guot  zuo  der  grimmen  muoter  in  dem  leib, 
diu  ze  latein  colica  haizt  Konr.  v.  Megenberg  buch 
d.  natur  369, 1;  grymme  müter  in  dem  übe  colica  Dief. 
nov.  gl.  100»;  vgl.  gloss.  131  *•;  grymmer  siechtag  hyliaca 
{i.  e.  iliaca)  gloss.  277 '' ;  da  die  üblichste  bezeichnunq  für 
colica  das  grimmen  ist  {s.  u.  sp.  356),  läszt  sich  ver- 
muthen,  dasz  das  vb.  grimmen  die  wähl  des  adj.  in  den 
obigen  Verbindungen  begünstigt  hat;  eine  besondere  ge- 
schichte  hat  der  grimme  tod ;  in  alter  spräche  ist  gr.  ge- 
wöhnlichstes attribut  von  tod  (vgl.  J.  Grimm  myth.  ^a, 
708);  stehend  als  beiwort  von  Christi  martertod,  wo  man 
an  die  bedeutung  crudelis  denken  möchte: 

der  {Christus)  den  grimmen  tot  leit 

Hesler  apoc.  19420; 

den  erlöser, 
der  uns  durch  sinen  grimmen  tod 
erlöszt  hat 

H.  R.  Manuel  weinspiel  3866  neudr.; 

in  der  regel  aber  schlechthin  'der  bittere  tod' ;  zahlreiche 
mhd.  belege  im  mhd.  wb.  1,  574»;  wann  sy  erinnert  wer- 
den des  grimmen  tods  Judas  Nazarei  41,  6  ndr.:  neben 
her  läuft  dieselbe  ivendung  als  bezeichnung  für  den 
personifizierten    tod    {nunmehr   grimm   im  sinne  saevus, 


345 


1  GRIMM 


2  GRIMM 


546 


atrox),  die  in  jüngerer  spräche  allein  üblich  geblieben 
ist,  a.  0.  3  a. 

6)  grimm  kann  im  sinne  'scharf  auch  ganz  concret  von 
gegenständen  gesagt  werden,  doch  nur  in  älterer  spräche:    ! 

sie  {die  rosse)  wurden  beide  ersprenget  1 

mit  grimmen  und  mit  scharfen  sporn  I 

KoNR.  V.  Würzburg  iroj.  3893,  vgl.  6248; 

und  wart  üncz  an  die  elenbogen 
im  (Jesu)  über  sin  arm  hin  gezogen 
so  grimmü,  vesteklichü  bant 

Schweizer  Wernher  Marienl.  9311; 

dasz  es  sich  hier  nicht  um  poetisch-übertragenen  gebrauch 
zu  handeln  braucht,  lehrt  die  feste  bezeichnung  grimme 
geisel  für  scorpio,  s.  th.  i,  i,  2,  261"?  c  ß,  y;  dazu  noch 
grimme  gaysei  anguilla  Dief.  nov.  gl.  24». 

4)  erst  in  jüngster  zeit  und  nur  in  gewissen  Wendun- 
gen zeigt  sich  die  bedeutung  'wild'  mehr  oder  minder  ge- 
färbt durch  den  begriff  des  bitteren  oder  boshaften:  das 
wort,  das  er  jetzt  oft  halb  im  grimmen  spott  und  halb 
voll  wehmüthigen  glaubens  im  munde  führt  Spiel- 
hagen 1, 11;  der  grimme  höhn,  welcher  den  gegner  traf, 
wurde  höchlich  bewundert  G.  Freytag  17,  203 ;  dieser 
gebrauch  hat  sich  am  adj.  grimmig  entudckelt  (s.  d.  4); 
von  da  gelegentlich  auf  grimm  übertragen. 

5)  eine  besondere  bedeutung  entvnckelt  sich  dadurch, 
dasz  sich  dem  ursprünglichen  sinn  des  adj.  ein  intensi- 
tätsbegriff  beigesellt;  grimm  kann,  tcie  furchtbar,  schreck- 
lich, greulich  u.  a.,  zur  reinen  quantitätsbezeichnung 
werden;  schon  im  mhd.  vorbereitet. 

a)  es  handelt  sich  zunächst  nur  um,  eine  färbung  der 
grundbedeutung  durch  den  begriff  des  heftigen,  gewaltigen ; 
sie  wird  früh  fühlbar,  wo  das  adj.  mit  begriffsverwandten 
abstractis  verbunden  ist,  zumal  in  der  in  älterer  spräche 
überaus  häufigen  Wendung  grimmer  zorn ;  von  haus  aus 
rein  charakterisierend : 

den  held  begriff  sein  grimmer  zorn 
do  er  also  in  banden  hieng 

Laurin  2000  Schade; 
deutlich  quantitierend  gefärbt: 

Joseph  laszt  sie  drum  hart  anfahrn, 
und  stell  sich  mit  eim  grimmen  zom 

Frisch  LiN  dUch.  dicht.  76; 

ach  wie 
was  nun  dein  zoren  hie 
so  grym 
P.  Speratus  bei  Wackernagel  kirchenl.  3,  36; 
ähnlich : 

auf  vilen  wafen  steht  der  Mars  in  grimmer  wuth 

RoMPLER  erstes  gebüsch  150; 

namentlich  war  ein  grimmer  hasz  gegen  Waldstein  in 
ihm  reif  geworden  Laube  ges.  sehr.  14,  182;  aber  auch 
neben  andern  Substantiven: 

er  sluoc  der  küniginne  einen  grimmen  swanc 

Nib.  362,  7,  2  Z. ; 

vgl.  der  heim,  vom  grimmen  hiebe  schon  fast  zertrüm- 
mert, war  bald  gelöst  Fouque  zauberring  l,  68; 

ach  hör  den  grimmen  donnersehlag 

H.  Sachs  8,343  Keller-Götze; 

und  thunt  im  grimmen  widerstand  18,  26 ; 

namentlich  bei  superlativem  gebrauch; 

die  Römer  schmotztent  durch  die  faust, 
bisz  zum  grimsten  stund  diser  strausz 

Alex.  Seitz  vom  grossen  abentmal  (1540)  A5'>; 

dass  hier  mehr  furchts  und  noths,  als  in  dem  grimsten  streit 
Gryphius  trauersp.  30  P.; 

d'selben  zeyt  bemelter  Römer  aller  grimmiste  feynd 
Stumpf  Schwytzerchron.  (1606)  179'',  und  gerade  in  dieser 
formet  bis  in  die  jüngste  zeit. 

b)  reiner  tritt  das  intensitätsmoment  zu  tage  in  der 
alten  Wendung  grimme  kälte  u.  ä.,  die  sich  namentlich 
auf  alem.  boden  findet:  ein  strengin,  grimmin  keltin 
Staub-Tobler  2,  733  (quelle  von  1520) ;  1334  was  .  .  ein 
mercklicher  ryfif  und  krimme  kälte  Tschudi  chron.  helvet. 
1,  334;  grimme  kälte  Auerbach  dorfgesch.  (1846)  i,  7; 
vgl.  Fischer  schwäb.  3,  83C;  doch  auch  auf  nordd.  boden: 


das  thier  sucht  in  den  grüften 
fUr  der  grimmen  kälte  ruh 

Königsb.  dichterkr.  87  neudr.; 

ob  schon  für  grimmen  frost  desz  daches  nagel  springt 

LOGAU  632  lit.  ver. ; 

entsprechend:  radiorum  verber a  die  grimm  und  häftig 
hitz  der  sonnenstreymen  Frisius  (1556)  1360"';  grimme 
hitz  aestv^s  atrox  Schmeller  1,  996  {vocab.  von  1618); 
auf  derselben  linie  liegen:  usz  dem  synd  aber  entsprun- 
gen grimme  megery,  den  siechen  blaiche  färb  Stein- 
höwel  de  dar.  mul.  38  lit.  ver.;  der  vogel  hat  einen 
grimmen  hunger  und  wirt  nimmer  sat  Konr.  v.  Megen- 
BERG  buch  d.  natur  167,  32 ;  vom  grimmen  durste  über- 
mannt Seb.  Brunner  erzähl,  u.  sehr,  l,  2;  so  asz  er  in 
einem  grimmen  geitz  vil  ungesotten  rohe  fleisch  Seb. 
Franck  cAron.  Germ.  (1538)  28*;  zuweilen  wiegt  das  quan- 
titätselement  in  der  bedeutung  noch  stärker  vor:  also 
grime  und  tief  was  der  schnee  städtechron.  5,  180. 

c)  wie  bei  furchtbar,  schrecklich  u.  ä.  ist  es  besonders 
der  adverbiale  gebrauch,  in  dem  diese  intensive  bedeutung 
zur  geltung  kom,mt:  vgl.  grimme  weinen,  klagen  u.  ä. 
oben  2;  im  mhd.  übericiegt  der  begriff  der  leidenschaft 
noch  den  des  grades,  später  umgekehrt;  die  belege  weisen 
wieder  zumeist  ins  alem.  gebiet:  und  trafen  einander  so 
grimm  mit  den  spiessen,  leiben  und  pferden  an,  dasz 
ire  lantzen  entzwey  brachen  Amadis  l,  100  lit.  ver. ; 

drumb  wäm  das  gfall,  mit  luter  stimm 
der  zeig  es  an  und  schryge  grimm ! 

RuOF  Adam  und  Heva  4586; 

dorab  erschrack  Zacharias  grimm 

tragödia  Joannis  (1549)  A4; 

ganz  ähnlich  verläuft  die  entwicklung,  wo  grimm  als 
adv.  neben  einem  adj.  steht: 

d6  sie  gehört  diu  msere,        daz  was  ir  grimme  leit 

Nib.  1214, 1  «.  ö.  ; 

swie  grimme  und  swie  starke       sie  in  vlent  wsere 

1803,  1; 

ebenso  noch  spät:  die  münchen,  denen  er  grimm  viend 
was  Tschudi  chron.  helvet.  l,  66;  die  Falkenouw  grimm 
hoch  erhoben  Staub-Tobler  2,  733  {quelle  von  1620); 
schlieszlich  ganz  zur  gradhezeichnung  verblaszt:  grimm 
chrank,  nass,  lieb  Staub-Tobler  o.  o.  o. 

2GRIMM,  m. 

A.  form.  Substantivbildung  zum  adj.  grimm,  aber 
anscheinend  erst  secundär  aus  dem  älteren  subst.  grimmi 
(».  grimme)  entwickelt  {vgl.  Paul  dtsch.  gramm.  2,  112); 
ahd.  erst  ein  vereinzeltes  gagrim  {s.  i  grimm  A),  auch 
mhd.  noch  selten,  vgl.  Lexer  1,  1084;  dazu  von  dem 
grimme  Rol.  226,  9 ;  erst  nhd.  voll  entfaltet  als  ersatz  für 
das  absterbende  fem.  grimme  (*.  d.);  im  älteren  nhd.  er- 
scheint nicht  selten  ein  swm.  grimme,  besonders  obd., 
zumal  alem.:  die  .  .  .  wandelbaren  .  .  .  sind  .  .  .  on 
allen  grimmen  Herold  Forer  Gesners  thierb.  (1563)  15*; 
dasz  sy  {die  baren)  ires  grimmen  und  wilde  vergäszen 
15  *> ;  ausz  grossem  grimmen,  den  die  Alemannier  zu  den 
Römern  .  .  .  trügen  Stumpf  schwytzerchron.  (1606)  307 •'; 
die  jenigen,  die  ihren  grimmen  wider  mich  erwecken 
Albertinus  zeitkürzer  (1603)  184^;  schwäb.  belege  bei 
Fischer  3,  836;  auch  im  böhm.:  der  gehe  grimme  Jäh- 
zorn Jelinek  mhd.  wb.  332;  gar  czornig  wart  der  grimme 
unseres  herren  Wenzelbibel  num.  11,10;  von  dem  czorne 
seines  grimmen  {ab  ira  furoris)  deut.  13,  17 ;  noch  Fr.  v. 
Spee  braucht  gewöhnlich  die  schw.  form,  z.  b. 

schaff,  herr,  dasz  ich  mit  zähren  heisz 

den  grimmen  dein  vergüte         trutznacht.  (1649)  85; 

ihr  alter  und  ihre  ausbreitung  läszt  sich  nicht  sicher  be- 
stimmen, da  das  subst.  in  den  meistgebrauchten  casus, 
dat.  u.  acc,  mit  dem  subst.  in  f.  zusammenfällt;  doch 
mägen  schon  aus  dem  mhd.  hierher  gehören  fälle  wie: 

man  sach  si  (die  kämpfenden)  als  daz  wilde  fiur 
limmen  in  dem  grimmen         Job.  v.  Würzburg  8741; 

vielfach  gestattet  der  Zusammenhang  die  recogyioscierung 
des  subst.:  den  zorn  und  grimmen  auszstossen  über 
Frisius  (i556)  503''; 


347  2GRIMM 

dann  ich  trag  ob  mir  ohne  das 
der  götter  grimmen,  neyd  und  hasz 

Spreng  Äneis  37^; 

zumal  nach  präpos.  ganz  wie  grimm  und  nicht  minder 
häufig  {s.  M.  B  1  b).  z.  b. 

nit  töd  doch  mich  usz  dinem  grimmen 

Schweiz,  schausp.  d.  IG.  jhs.  3,  96  Bächtold; 

welcher  . .  den  brueder  in  seinem  grimen  wolt  erstechen 
fontes  rer.  austr.  2,  43,  204  {tirol.  quelle  von  1555);  dasz 
er  im  grimmen  ein  stein  ergriffen  Abr.  a  St.  Clara 
Judas  1,  54;  wenn  noch  ganz  spät  vereinzelt  der  grimmen 
erscheint, 

es  raube  dich  der  grimmen  deiner  hasser 

Denis  Ueder  Sined^  (1772)  43,  5, 

so  ist  das  offenbar  vermengung  mit  dem  masc.  grimmen 
(s.  2  grimmen  2  b,  c). 

B.  bedeutung  u.  gebrauch. 

l)  häufigste  bedeutung  'wut,  wütender,  heftiger  zom'; 
die  erinnerung  an  die  eigentliche  bedeutung  des  wortes 
(«.  1  grimm  A)  klingt  lange  nach: 

und  mit  seiner  beerischen  stimm 

murrt  er  {der  bär)  und  griszgrammet  mit  grimm 

H.  Sachs  9,  214  Keller-Qötze; 

grimm  knirscht  in  seinen  zahnen  Gerstenberg  TJgo- 
lino  252,  15  Hamel;  von  Dürers  Matthäus:  ein  ängst- 
licher ausdruck  in  dem  wenig  geöffneten  munde,  in 
welchem  die  sichtbaren  zahne  eine  art  leisen  grimmes 
aussprechen  Göthe  49,  l,  242  Weim. 

a)  bei  den  älteren  nhd.  lexicographen  tritt  die  extremste 
bedeutung  am  stärksten  in  den  Vordergrund:  animi  ra- 
bies,  hoc  est  für or,  grimm,  unsinnigkeit  Bas.  Faber 
thes.  (1587)  679*;  furiatus  zu  grimm  und  wütigkeit  be- 
wegt, ertaubet  Calepinus  xi  ling.  (i598)  602»;  furie: 
der  grimm,  die  hitze,  tollheit,  raserey,  das  wüten 
Spanutius  (1720)  259;  auch  literarisch  bis  in  die  neuste 
zeit  reichlich:  die  tobheit  (var.  der  grimm)  des  herren 
ward  bewegt  wider  daz  volck  erste  dtsche  bibel  4,  47  lit. 
ver.;  mit  yhn  machen,  was  seyn  {des  teufeis)  aller 
wütigester  grym  für  nympt  Luther  18,  358  Weim.;  die 
bestrebungen  dieser  unglückseligen  empörten  endlich 
alle  meine  geister  zu  einem  grimm,  der  mich  ihrer 
eigenen  wuth  überlegen  machte  Wieland  Agathon 
(1766/.)  1,  310;  dasz  man  sich  ...  in  eine  art  von  ra- 
serei  zu  versetzen  sucht,  dergestalt  dasz  die  bravour 
der  Tahitier  blos  eine  art  von  künstlich  erregtem  grimm 
ist  G.  Forster  sämtl.  sehr.  2,  80;  aber  auch  eine  gelin- 
dere bedeutung  greift  schon  früh  im  17.  jh.  in  den  lexicis 
platz:  Henisgh  1744  stellt  grimm  'zom,  indignatio,  ira, 
stomachus'  vor  grimm  'unsinnigkeit,  rabies,  scevUia' ; 
ähnlich  Stieler  703;  coruccio.  colera,  furore,  rabbia, 
fremito,  indignatione  Kramer  teutsch-ital.  l,  565**;  ent- 
sprechend definieren  die  synonymiker  der  jüngeren  zeit 
grimm  meist  als  einen  hohen  grad  von  zom,  so  Stosch 
gleichbed.  Wörter  1,  347;  Voigtel  tvb.  2, 133*;  vgl.  ein  zorn, 
der  .  .  .  oft  ein  grimm  ward  E.  M.  Arndt  l,  81  Bösch- 
Meisner;  wenn  daneben  öfter  als  wesentliches  characte- 
risticum  'ungewöhnliche,  widrige  gesichtszüge'  (Voigtel 
a.  a.  0.)  oder  'ein  wütendes  ansehen'  (Teller  2,  254)  ge- 
nannt werden,  so  zeigt  das,  dasz  die  grundbedeutung 
noch  empfunden  wird;  vgl.  das  ganze  gesiebt  zum  grimm 
verzerrt  J.  J.  Engel  sehr.  7,  357;  die  schwächere  bedeu- 
tung findet  sich  Much  im  16.  jh.  schon  und  tritt  je  später 
je  stärker  hervor:  fleuch  zu  meinem  bruder  Laban  in 
Haran  und  bleib  eine  weile  bey  im,  bis  sich  der  grim 
deines  bruders  wende  l.  Mos.  27,  44; 

will  denn  dein  schöner  grimm  mich  gantz  u.  gar  verzehren 
Hoffmannswaldau  nach  Steinbach  1,  643; 

namentlich  im  18.  jh.  dem  sinn  von  zorn  oft  recht  nahe 
kommend  {s.  u.  b): 

die  [stimme  des  gewissens)  lispelt  mir  im  sündenschlafe  .  .  . 
von  eines  richters  huld  und  grimm 

Drollinger  ged.  15; 

er  hatte  in  heiligem  grimme  geschworen,  dasz  Lauk- 
HARD  leben  u.  schicks.  l,  342; 


2  GRIMM 


348 


und  {das  flügelrosz)  wirft,  von  edelm  grimm  entbrannt, 
den  karren  um  an  eines  abgrunds  rand 

Schiller  11,  20  G.; 

und  wenn  der  rat  nichts  zu  taugen  schien  und  fehl 
schlug,  so  ertrug  sie  willig  den  grimm  der  männer 
G.  Keller  4,  99.  im  16.  u.  17.  jh.  wird  grimm  aufs 
mannigfachste  mit  zorn  verbunden:  den  zornigen  grim, 
den  er  {der  teufet)  auf  uns  hat  Luther  32,  113  Weim.; 
kere  dich  von  dem  grim  deines  zorns  2.  Mos.  32,  12; 
vgl.  5.  Mos.  13,  18;  i.  Sam.  28,  18;  in  zornes  grimb  H.Sachs 
1,  536;  den  zorn  deines  grimms  Hieb  40,  6  ganz  verein- 
zelt und  ungewöhnlich;  mit  deutlicher  Unterscheidung: 
und  inen  nichts  im  zorn  noch  grimm  befäle  Sebiz 
f eidbau  (1579)  36;  wenn  zorn  und  grimm  zusamen 
thun,  so  Werts  in  die  leng  und  in  die  strenge  Henisgh 
1745; 

{die  Pfauen)  fielen  ihn  {den  raben)  an  im  zorn  mit  grim 

Eyering  proverb.  1,  76 ; 

meist  einfach  nebeneinandergestellt:  sobald  der  riese  das 
vernahm,  sprang  er  mit  grimm  und  zorn  heraus  volksb. 
v.  geh.  Siegfried  71  neudr.; 

zueg  ab  sein  rock  in  grimb  und  zorn 

H.  Sachs  17,  359  Keller-Götze; 

wenn  solche  im  älteren  nhd.  überaus  häufigen  Wendungen 
mit  dem  18.  jh.  fast  erlöschen,  mag  das  m,it  daran  liegen, 
dasz  sich  der  ursprüngliche  abstand  zwischen  grimm  ra- 
bies, furor  und  zorn  in  jüngerer  zeit  vielfach  verringerte 
{s.  0.);  deshalb  nunmehr  lieber  in  der  form,  des  paralle- 
lismus:  da  trifft  denn  oft  der  grimm  des  sterbenden 
manchen,  den  der  zorn  des  lebenden  verschont  hatte 
Steub  drei  sommer  in  Tirol  2,  6.  bisweilen  erscheint 
die  bedeutung  schon  im  älteren  nhd.  gefärbt  durch  den 
begriff  der  feindseligkeit,  deshasses:  odium  nd.  hat,  grim 
vel  nit  DiEF.  893 •>;  die  .  .  .  allein  auss  hass,  grimm, 
neydt  .  .  .  einen  .  .  .  under  sich  zwingen  Kirchhof 
milit.  discipl.  (1602)  4;  nicht  selten  mit  hasz  gepaart: 
wider  welche  sie  auch  täglich  in  grossem  grimm  und 
hass  toben  und  wüten  theatr.  diabol.  (i569)  9*; 

zuvor  zog  er  die  wehr  auf  alle  weibesleut 
herausz  mit  hasz  und  grimm 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  ges.  28  str.  3; 

im  contrast:  die  göttliche  Wahrheit  und  die  göttliche 
liebe  .  .  .  hörten  .  .  .  auf  der  erde  auf,  und  dagegen 
wirkten  . . .  falschheit  und  grimm  unaufhaltbar  allent- 
halben Jung-Stilling  2,  38;  grimm  und  liebe  hatt'  in 
diesem  menschen  gerast  Hölderlin  2,  90  Litzmann; 
so  in  jüngerer  zeit  häufiger;  auch  ohne  solche  Verdeut- 
lichungen urird  die  bedeutungsnüance  bisweilen  fühlbar: 
ich  werd  nit  rechtlich  .  .  .  ersucht  sonder  mit  mut- 
willigem grimm  meyner  feinde  betrangt  Hütten  l,  411 
Böcking;  ich  machte  gewaltige  poetische  ausfälle  gegen 
diese  schwarze  gesellen,  die  ...  mich  dagegen  mit 
bitterem  grimme  verfolgten  Schubart  leben  u.  gesinn. 
1,  237.  aufs  ältere  nhd.  beschränkt  scheint  die  abschwä- 
chung  der  bedeutung  'wut'  zu  'wütender  eifer': 

gleich  wie  das  hörn  und  rfiffen  thut 
des  Jägers,  .  .  . 

also  war  auch  dem  schiff  die  stimm, 
bekam  zu  rüdern  erst  ein  grimm 

Fischart  gliickh.  schiff  v.  380  neudr. 

b)  gewisse  charakteristische  präpositionale  Verbindungen 
sind  hervorzuheben:  das  schon  im  mhd.  sehr  häufige  mit 
grimme  bleibt,  im  sinne  eines  reinen  adverbiums,  voll 
lebendig  bis  ins  16.  jh.:  er  .  .  .  lieff  mit  grimm  für  die 
kamer  sommertheil  der  heil,  leben  (1472)  37''; 

(der  Spieler,  der)  so  er  verlürt,  nit  wiet  mit  grym, 
ein  frummer  spiler  würdt  er  gnant 

Murner  narrenbeschio.  236  neudr.; 

aus  grimm  ist  im,  mhd.  noch  selten: 

er  sprach  üz  eime  grimme 
mit  fröudeloser  stimme 

Stricker  Karl  7805; 

im  16.  jh.  ebenfalls  sehr  häufig:  das  sie  {die  verständi- 
gen frauen)  iren  männern,  wann  die  aus  grimm  toben 
und  schreien,  zu  schweigen  .  .  .  pflegen  Fischart  eh- 
zuchtbiichl.  170,  29  Sauffen; 


349  2  GRIMM 

Ulysses  sprach  auss  grossem  grlm 

Rollenhagen  froschmeuseler  (1595)  F  1  *> ; 

später  nur  noch  selten: 

seht,  wie  die  frechen  Tartar-horden 

aus  grimm  und  angst  einander  selber  morden 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  l,  24; 

umgekehrt  ist  vor  grimm  in  älterer  spräche  selten,  um 
erst  seit  dem  18.  jh.  sich  weiter  auszubreiten:  der  bapst 
möchte  für  grimm  zubersten  Luther  tischr.  (Frank/. 
1574)  371^;  er  schnaubte  vor  grimm,  redte  kein  wort 
Ulr.  Bräker  sämtl.  sehr,  l,  71;  allein  im  grimm  dauert 
durch  die  ganze  nhd.  zeit: 

und  war  so  irr  in  einem  grimm 
dasz  er  nicht  wüst  auch,  was  er  thet 

Fischart  Eulensp.  196,  v.  5140  Haufen; 

den  rannte  er  an  und  schlug  ihn  in  grossem  grimm  zu 
todt  buch  d.  liebe  (1587)  334";  wenn  die  laster  sie  (die 
tugend)  anfallen  und  in  vollem  grimme  bekämpfen 
Neumark  d.  neuspr.  teutscJie  palmb.  Si;  imid.jh.  auch 
öfter  prädicativ:  ich  bin  so  im  grimm,  dasz  ich  mich 
selber  zerreiszen  könnt  Nesthoy  ges.  tcerke  l,  13;  da- 
neben in  jüngerer  zeit  aber  auch  in  merklich  schwächerer 
bedeutung  und  in  gebrauchsweisen,  die  mit  zorn  überein- 
kommen (s.  0.  a):  bey  aufhebung  derselben  (stände)  in 
Wirtenberg  hat  Napoleon  im  grimme  zum  minister  ge- 
sagt Hegel  19,  i,  130; 

du  sollst  den  preis,  den  ich  im  ersten  grimm 
auf  seinen  schlechten  köpf  gesetzt,  erhalten 

Hebbel  I  3,  60; 
ach,  die  natur  schuf  mich  im  grimme 

M.  Claudius  Asmus  8,  54; 

gott  habe  die  fürsten  und  herren  der  weit  in  seinem 
grimm  gegeben  Ranke  reform,  gesch.  S,  145;  auch  mit 
abhängiger  prüpos.:  im  grimme  über  jenen  unglück- 
lichen abend  hatte  ich  es  verschworen  Fouque  zauber- 
ring 1,  80. 

c)  feste  verbale  Verbindungen:  seinen  ersten  grimm 
auslassen  jetter  son  premier  feu  Schwan  nouv.  dict.  i, 
790^;  da  du  deinen  grim  ausliessest,  verzeret  er  sie  wie 
stoppeln  2.  Mos.  15,  7;  liesz  er  sein  grimm  an  den  auf- 
richtigen freunden  hinausz  gehen  Seb.  Franck  chron. 
Germ.  (1538)  27";  Bertram  wird  auch  noch  seinen  grimm 
in  einer  besondern  schritt  gegen  mich  auslassen  Abbt 
verm.  tcerke  5,  202;  weil  die  ganze  familie  ihren  grimm 
...  an  dem  thiere  ausläszt  Holtei  erzähl,  sehr.  2,  56; 
dazu  die  Variante:  jetzt  kam  die  zeit,  wo  .  .  .  der  Ob- 
skurantismus seinen  grimm  auf  die  aufklärung  losliesz 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  5,  352;  auch  aus- 
schütten hält  sich  bis  ins  19.  jh.:  der  herr  (hat)  im  sinn 
gehabt,  noch  in  Egypten  seinen  grimm  über  sie  auszu- 
schütten Dannhawer  catech.  milch  i,  100;  hier  schüttet 
er  denn  seinen  ganzen  grimm  über  die  Wiener  .  .  .  aus 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  2,  180;  ausgieszen 
nur  im  ältereti  nhd.  häufiger:  (der  teufel)  geusset  seinen 
zorn  und  grim  auff  ein  mal  aus  Luther  34,  2,  394  Weim.; 
er  (gott)  wolle  seinen  grim  auszgiessen  wider  solch  volck 
NiGRiNus  von  Zauberern  (i592)  436. 

d)  auf  unpersönliche  siibjecte  übertragen:  die  grund- 
bedeutung  'wuV  tritt  am  reinsten  zu  tage  bei  der  anwen-' 
düng  auf  demente  und  witterrtngserscheinungen,  ein  bis 
ins  19.  jh.  sehr  häufiger,  wenn  auch  mehr  poetischer 
spräche  eigener  gebrauch: 

wer  hört  der  winde  grimm,  der  lüfte  rasen  nicht? 

Gryphius  ged.  22,  6  Palvi 

der  grimm  des  wetters  raaszt  und  pfeiffet  um  die  mäste 
Olearius  verm.  reisebeschr.  (1696)  191 

des  brandes  grimm  verzehrte  hülten 

ScnuBART  sämtl.  ged.  2,  294 

in  gewissen  Verbindungen  aber  auch  der  prosa  gemäsz 
trotzte  . .  mehrere  wochen  lang  dem  grimm  der  Witterung 
Schiller  8,  393;  anderes  seltener:  die  alten  balken  zit 
terten  unter  dem  grimm  ihrer  stimme  0.  Ludwig  ges 
sehr.  2,  384;  in  einigen  auf  die  poetische  spräche  be 
schränkten  fällen  scheint  das  subst.  unmittelbar  aus  dem 
entsprechend  gebrauchten  adj.  erwachsen: 


J  GRIMM 


350 


der  stral  (des  blitzes)  kan  nicht  so  tief  durchhawen 
als  deiner  straichen  schwerer  grim 

Weckherlin  ged.  1, 123  lit.  ver. 

(hier  mit  dem  intensitätsbegriff  des  adj.,  vgl.  *  grimm  5  a); 
anders : 

dasz  selbst  des  neides  grimm  den  Widerspruch  nicht  wagt, 
wo  jeder  jeden  Stands,  was  er  verloren,  klagt 

Heraus  ged.  u.  inschr.  (1721)  157; 

(der  gerechte,  der)  der  bohren  Weisheit  stimme 
folget,  troz  der  Selbstsucht  heiszem  grimme, 
die  sein  herz  mit  schwerdem  sticht 

Schiller  1,  264  G.; 

erst  in  jüngerer  prosa  häufiger  in  fällen  wie:  dasz  selbst 
dies  geduldige  volk,  vom  grimm  der  Verzweiflung  er- 
griffen, sich  nachher  gewaltsam  erhob  Häusser  dtsch. 
gesch.  2,  79;  während  diese  erinnerung  ihn  mit  allem 
grimm  der  leidenschaft  anfiel  Storm  l,  307. 

2)  weniger  entwickelt  als  beim  adj.  ist  eine  bedeutung, 
die  grimm  nicht  als  affect  und  ausbruch,  sondern  als 
eigenschaft  und  zustand  faszt  (vgl.  1  grimm  3). 

a)  'Wildheit,  grausamkeit,  bösartigkeit,  bosheit' ;  schon 
mhd.  gelegentlich: 

wen  ich  nie  der  dinge  dort 
begienc,  die  sie  han  geseit 
nf  mich  und  uz  geleit 
böslich  in  irme  grimme 

sagt  Susanna  von  den  beiden  Juden,  md.  Daniel  7697 
Hübner;  so  öfter  in  den  ältesten  lexicis:  severitas  Dief. 
531'*;  atrocitas  gemma  gemm.  (I508)  c  S*»  sp.  l;  ferocitas 
k  2''  sp.  2; 

eur  grimb  und  auch  eur  hertigkhayt 
ist  mier  zwar  mit  trewen  laydt 

sagt  Pilatus  zu  den  Juden  altd.  passionssp.  aus  Tirol 
395  Wackernell;  des  Türeken  grimm  Stumpf  Schvcytzer- 
chron.  (1606)  23'';  des  Neronis  grimm  und  grosse  tyran- 
ney  A.  U.  v.  Braunschweig  Octavia  l,  5'';  in  neuerer 
Sprache  seltener: 

bald  wird  der  beiden  grimm  erfahren 
des  Christengottes  schreckenshand 

Novalis  4, 103  Minor; 

so  öfter  von  thieren:  ottern  grym  und  gift  als  Übersetzung 
von  'iudaei,  sub  quorum  labiis  venenum  aspidum'  Luther 
5,  32  Weim.; 

ein  löwe,  dessen  grimm  und  raubsucht  nichts  verschonte 

Ramler  /abellese  1, 152; 

wilden  thieren  .  .  .,  die  mitleidig  vor  meiner  Unschuld 
ihren  grimm  vergaszen  maler  Müller  werke  (l8ll)  l,  147 ; 
auch  der  stereotype  grimm  des  teufeis  wird  zunächst 
hierher  gehören:  wollen  wir  aber  dem  grimm  der  ewigen 
natter  entweichen  J.  Böhme  sehr.  4,  4; 

entfleuch  des  satans  grimme 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  342 

ähnlich:  es  ist  auch  bald  einmal  zeit,  dass  dem  grimme 
der  hölle  einhält  gethan  wird  JungStilling  2,  143; 

ey,  wer  war  so  unbedacht,  dass  er  diesen  lasse  nicht 
hin,  wo  dieser  weit  ihr  grimm  seine  freche  hömer  bricht! 
LoGAU  sinnged.  175  lit.  ver.; 

im  Sprichwort :  der  weit  grimm  ist  der  frommen  gewin 
Henisch  1745;  gelegentlich  auch  schwächer,  dem  sinne 
drohender  strenge  sich  nähernd: 

der  bär  tregt  den  weyhkessel  vor 

und  ainen  sprengwadel  empor, 

welchs  deut  den  grimm  und  bärentratz, 

dardurch  man  schirmt  die  menschengsatz 

Fischart  l,  427  Hauffen ; 

ähnlich  auch  in  neuerer  zeit:  aber  der  militairische 
grimm  .  .  .  fehlte  ihm  Alexis  ruhe  (1852)  i,  49. 

b)  hei  sächlichem  regens  erscheint  zuweilen  eine  mehr 
objective  bedeutung,  die  beini  adj.  deutlicher  hervortritt 
(vgl.  1  grimm  3  c  y)  'härte,  bitterkeit,  pein' :  von  einem 
quälenden  träum: 

ain  weipliche  stymme 

die  schray  in  schlauffes  grymme : 

obe,  obe  mir  ymmer  wee  !  Hätzlerin  125; 


351 


GRIMMBART 


GRIMMBÄRTIG  -  GRIMME 


352 


dann  eben  drumm 
hat  er  den  grimm 
des  creutzes  auch  am  leibe  wollen  tragen 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  329  •>; 

mich  Ton  dem  grimme  meines  geschicks  zu  überzeugen 
Ayrenhoff  1,  286;  zuweilen  auch  concreter  'schreckliches, 
grausiges' : 

wie  sein  hertz,  aller  boszheit  quell, 
stehts  grewel,  grim  und  grausz  erfindet 

Weckherlin  2, 19  Ut.  ver.;  vgl.  1,  123; 

im  18.  jh.  liest  man  nicht  selten: 

die  gröszte  klugheit  ist,  der  zeiten  grimm  verlachen 

Neukirch  ged.  (1744)  40; 

dieses ,  fürsten ,  ist  der  weg,   durch  der  zeiten  grimm  zu 

dringen 
ScHÖNAiCH  Heinrich  d.  vogler  25; 

doch  läszt  sich  diese  uendung  auch  von  a  aus  verstehen. 

3)  im  späteren  18.  jh.  tritt  eine  Sonderbedeutung  deut- 
licher hervor,  die  erst  im  19.  jh.  voll  entfaltet  ist  und 
zuerst  von  Sanders  scharf  formuliert  tvird :  'ein  tvilder 
zorn,  der  noch  nicht  hervorbrechen  kann,  aber  die  kraft 
dazu  fühlt  und  danach  strebt'  wb.  dtsch.  synonymen  486; 
ich  wollte  die  zahne  zusammenbeiszen  und  an  meinem 
grimm  kauen  Göthe  8, 120  Weim.;  sein  ziehvater  .  .  schlug 
ihn  unbarmherzig  ...  er  weinte  .  .  .  nicht,  der  grimm 
erstickte  seine  thränen  S.  Brunner  erzähl,  u.  sehr.  1,  51; 
gewöhnlich  wohnt  in  einer  so  starken  seele  .  .  grimm 
gegen  den  nur  durch  zufall  mächtigen  .  .  Unterdrücker 
NiEBUHR  röm.  gesch.  2,  818;  öfter  müssen  attribute  den 
sinn  in  diese  richtung  lenken: 

allein  es  trotzt  mit  unterdrücktem  grimme 

dem  goldnen  stral  des  ?wingherm  frevle  stimme 

Stägemann  kriegsgesänge  64; 

wie  hinter  seinem  lächeln  verbissener  grimm  verborgen 
lag  Pestalozzi  Lienh.  u.  Gertr.  1,  21 ;  die  truppen  hörten 
in  reih  und  glied  die  bekanntmachung  mit  stillem 
grimm  an  Brentano  ges.  sehr.  4,  178;  ähnlich  schon  bei 
BuTSCHKY:  sonst  ...  ist  der  eifer  .  .  .  besser  als  der 
heimliche  und  tükkische  grimm  Pathmos  137;  am  häu- 
figsten sind  folgende  adjectiva:  voll  innerlichen  grimms 
über  W.  .  .  suchte  er  durch  .  .  .  sticheleyen  .  .  .  sich 
luft  zu  machen  F.  H.  Jacobi  6,  89;  mit  erstaunen  und 
mit  innerm  grimm  habe  ich  oft  den  diener  diese  bücher- 
haufen  zu  ihnen  hereintragen  sehen  Fr.  v.  Schlegel 
5,  215;  daher  verbale  Verbindungen  wie:  ein  längst  ver- 
haltener grimm  bricht  los  Göthe  41,  l,  226  Weim.;  wenn 
der  grimm  in  mir  überwallen  wollte  Immermann  2,  70 
Hempel. 

4)  selten,  aber  durch  parallelen  beim  adj.  grimm  (_s.  d. 
2),  beim  subst.  grimme  {s.  d.  8)  und  beim  verb.  'grimmen 
(s.  d.  1)  zu  stützen  ist  die  bedeutung  'schmerzliche  oder 
leidenschaftliche  erregung' : 

wan  ir  herze  was  so  wunt, 

daz  ez  diu  znnge  noch  der  munt 

nie  mer  . .  . 

.  .  .  künde  uz  giezen 

nach  des  herzen  grimme 

mit  Worten  noch  mit  stimme 

schausp.  d.  mtttelalt.  l,  235  Mone; 

von  der  prophetin  Maodlla,  als  sie  das  kreuzholz  betrat 
und  ihre  kleider  feuer  fingen : 

d5  nü  daz  wunder  geschach, 

die  vrouwe  erschrac,  dö  siez  ersach; 

sie  rief  in  grözem  grimme 

mit  wissagender  stimme 

Heinr.  V.  Freiberg  kreuzholzleg.  755; 

die  princessin  aber,  nachdem  sie  die  zehern  (des  ab- 
schiedsschmerzes)  oftmals  zurück  getrieben,  ward  doch 
endlich  überwunden  und  gieng  im  grimm  auch  fort 
Opitz  Argenis  (i644)  l,  380  {subito  impetu  semovit  se  a 
conspectu  Barclay). 

GRIMMBART,  m.,  alter  grimmiger  oder  mürrischer  kerl: 

von  Venus  reuterdienst  kan  grimmbart  nit  mehr  wissen 

Rachel  satyr.  ged.  79  neudr. ; 

scherzhaft  scheltend  für  den  alten  Walewski  bei  Herb. 
Eulenberg  Anna  Walewska  (i899)  87;  in  Göthes  Rei- 


neke  fuchs  name  des  dachses,  ebenso  bei  Gottsched  und 
im  Reinke  de  vos  247  u.  ö.;  entstanden  aus  dem  eigen- 
namen  Grimberht,  Grimbeert  (Edw.  Schröder),  der  erst 
nachträglich  umgestaltet  ivurde  zti  einer  bildung  ähnlich 
dummbart,  brummbart  u.  dgl.,  vgl.  knasterbart  th.  5,  1358. 

—  grimmbärtig,  adj.: 

doch  fuhr  er  seinem  neffeii  nicht 
grimmbärtig  in  das  angesicht 

Immermann  13,  95  Hempel; 

auf  den  ecksteinen  lauern,  zusammengekauert,  grimm- 
bärtige kobolde  Raabe  sperlingsgasse  (1894)  174. 

GRIMMBEBEND,  adj.:  so  freveltrotzige,  so  grim- 
bewende,  so  zornblinde  eiserne  wort  Harsdörfer 
frauenz.  gesprecJisp.  3,  320;  solche  zusammenrückungen 
mit  dem  part.  präs.  sind  selten:  -schnaubend  Wie- 
land nach  Campe;  -wallend:  mit  grimm-wallenden 
äugen  Butschky  Pathmos  143;  «m  so  häufiger  sind  zu- 
sammenrückungen mit  dem  part.  prät.,  in  denen  nament- 
lich die  poetische  spräche  der  neueren  zeit  sehr  fruchtbar 
ist,   z.  b.  grimmbeflügelt   Fouque   reiseerinnerungen 

I,  81;  -beschäumt  Wieland  »iac/j  Campe;  -entbrannt 
Hebbel  I  4, 131;  -erhitzt  Gryphius  lustsp.  281  P.,-  -ge- 
rötet Pyrker  Tunisiaa  9,  345;  -verflucht:  Cäsars 
fuss  zertritt  den  grimmverfluchten  sand  A.  U.  v.  Braun- 
schweig Octavia  3,  684;  -verstört  Fouque  altsächs. 
bildersaal  2,  128;  -verzerrt  J.  Rank  erinnerungen  373; 
gröszere  ausdehnung  hat  nur  grimmerfüllt  gewonnen, 
s.  an  alphab.  stelle. 

GRIMMBITTER,  adj.  Palleske  Schilhr  1,  176;  vgl. 
grimmsauer.  —  grimmböse,  adj.:  malignua  grymbösz 
DiEF.  nov.  gl.  2*4".  —  grimmbrummen,  vb.: 

sie  murmeln  allzumal,  grimmbrummen,  sind  erhitzt 

Andr.  Scultetus  bei  Lessing  11,  195  M. 

—  grimmchen,  n.,  demin.  zu  2 grimm:  die  stecknadel- 
natur  des  weiblichen  zornes  stach  überall  hervor,  und 
das  dünne  spitze  grimmchen  war  gar  zu  komisch  Börne 

II,  133; 

du!  wenn  deine  schöne  Sklavin 
dich  bedroht  mit  einem  grimmchen 

RÜCKERT  11,  443. 

GRIMMDARM,  m.,  colon,  theil  des  dickdarms;  so  be- 
nannt als  vermeintlicher  sitz  des  grimmen  s;  schon  bei 
DiEF.  133^  grimmendarm  colon;  grimmdarm  Kramer 
teutsch-ital.  1,  565«;  auch  grimer-,  kriemerdarm  Hyrtl 
kunstworte  d.  anatomie  65;  dazu,  grimmdarmband 
ligamentum  coli  Campe;  Sömmering  bau  d.  menschl. 
körpers  5,  97;  - e in dru ck /aciecw^a  colica  5,  117;  -fall- 
thürlein  =  grimmdarmklappe  (s.  d.)  Chomel  öcon.  lex. 
4,  1354;  -gekröse  mesocolon  Campe;  allg.  dtsch.  bibl. 
106,295;  Sömmering  5, 199/.;  -klappevaifM^a  coHCampe; 
Sömmering  5,  99;  -pulsader  S,  2,  182;  -Schlagader 
4,  699;  Campe;  -vene  Sömmering  3,  2,  830;  -zelle  cel- 
lula  coli  Campe;  -zweig  rawMScoWct««  Sömmering  4, 701. 

GRIMME,  /.,  die  älteste,  im  ahd.  fast  allei7i  bezeugte 
(grimmi,  grimmin  Graff  4,  824/.)  und  im  mhd.  vorherr- 
schende Substantivbildung  zum  adj.  grimm;  namentlich 
auf  alem.  boden  reich  bezeugt;  vgl.  auch  Fischer  schwäb. 
3,  836 ;  noch  im  16.  jh.  nicht  selten,  aber  doch  schon  stark 
zurückgedrängt  von  dem,  synonymen  grimm  stm.;  immer- 
hin noch  grimme  atrocitas,  feritas,  saevitia  5et  Dentzler 
clavis  (1716)  140*. 

1)  von  lebenden  wesen:  'wut,  wütender  zorn':  grymme 
furor  Dief.  253<=;  saevitia  Graff  4,  324;  Calepinus  xi 
ling.  (1598)  1287»; 

iz  (dos  taujwasser)  twinget  den  der  untwingenlich  ist, 
ich  meine  den  herren  Jhesum  Krist, 
und  machet  sine  grimme  zam 

BrUN   V.  SCHOENEBECK  5211; 

die  fraw  erkant  ires  mans  zorn  und  grimme  Aimon 
(1535)  g  6";  mit  solcher  grim  und  rachgierigkeit  Schütz 
hist.  rer.  pruss.  2,  N  2'';  ' Wildheit,  grausamkeit,  härte':  ^H 
feroeitas,  crudelitas,  tyrannis,  pervicacia  Graff  4,  324/.,-  ^B 
atrocitas  Calepinus  xi  ling.  (1598)  138'';  der  wardt  mit 
groser  erbärmbdnus  . .  des  umbstenden  volks,  das  wider 
die  grimme  und  hertigkait  ires  herren,   des  grafen,  nit 


353 


GRIMMELN 


1  GRIMMEN 


354 


reden  dorft,  gerichtet  zimm.  chron.  i,  203, 16;  zum  ersten 
das  laster  der  grimmy  und  rühi  würt  geschetzet  ge- 
rechtigkeit  Keisersberg  seelenparad.  vorr.  2^;  ebenso 
seit  alters  von  thieren:  kechöront  sie  {die  löwen)  des 
plüotes,  so  uuirt  in  sär  uf  iro  6rera  grimmi,  redeunt 
resides  olim  animi  Notker  l,  138  F.;  so  der  mensch  den 
wolf  zum  ersten  ersieht,  so  soll  derselbige  von  siner 
grimme  gar  vil  verlieren  Sebiz  feldlait  (lö79)  610. 

2)  auch  ICO  das  subst.  nicht  auf  Übende  icesen  geht,  zu- 
nächst mannigfach  im  sinne  saevitia,  atrocitas: 

so  möhte  boum  unde  gras  .  .  . 
dorren  von  der  grimme 
miner  unreinen  stimme 

Hartm.  V.  Aue  Greg.  3525; 

kampfes  grimme  lu:  7519;  daneben  zeigt  sich  die  beim 
adj.  (s.  d.  3  c  y)  festgestellte  objective  bedeutung  reich  ent- 
faltet, also  'härte,  schivere,  not,  pein' ;  ahd.  amaritudo 
pittri  anti  crimmi  ahd.  gl.  1,  26,  35;  so  wohl  schon: 

gar  zergangen  ist  des  winters  grimme 

V.  D.  Hagen  minnes.  2,  394'', 

mhd.  öfter,  s.  mhd.  wb.  1,  574 **;  vielleicht  auch:  o  wie 
schnell  VFÜrt  dich  überfallen  die  grymme  des  bitteren 
todts  Baseler  plenar.  (1518)  137'»;  ganz  deutlich  in  den 
mhd.  nicht  seltenen  Verbindungen  wie: 

den  tet  diu  fürsorge  we 
und  diu  bitter  leides  grimme 

Ulr.  V.  Zatzikhofen  Lanz.  5261 ; 

er  rufte  durch  die  grimme 
gar  mit  luter  stimme 
in  jüdschem:  heli,  heli 

schausp.  d.  mittelalt.  1,  236  Mone; 

ähnlich  auch  in  der  redensart: 

diu  weit  mit  grimme  stet; 

der  darundir  müzic  get, 

der  mag  vol  verwerden  diut.  3,  187; 

daneben  aber  auch  concreter  'schärfe': 

dö  begundens  houwen 

diu  ros  mit  grimme  der  sporn 

KoNR.  Fleck  Flore  413, 

«0  man  lieber  eine  anknüpfung  an  krimmen  («.  2  grim- 
men) suchen  möchte;  doch  vgl.  i  grimm  B  c  &. 

3)  von  besonderem  interesse  sind  einige  nur  beim,  pas- 
sionaldichter  nachweisbare  Sonderbedeutungen,  weil  sie  ein 
paar  gleich  isolierte  bedeutungsrichtungen  von  grimm  subst. 
{s.  d.  4)  und  adj.  (s.  d.  2)  erhellen  und  bestätigen  helfen; 
der  begriff  der  wuth  ist  verblaszt  zu  dem,  der  leiden- 
schaftlichkeit,  heftighei  t : 

seht,  do  wart  gotes  gute 
uf  Traianum  beweit 
durch  dises  barmeherzikeit, 
die  in  twanc  mit  ir  grimme 

pass.  K.  207,  39 ; 

als  in  diu  gotes  liebe  ouch  twanc, 

die  in  hete  in  ir  grimme  väterb.  3247  Reise. ; 

pass.  K.  423,  14  legt  der  Zusammenhang  die  bedeutung 
'leidenschaftliche  erregung'  nahe;  endlich  auch  'hitze, 
leidenschaftliche  begier': 

als  die  erste  grimme, 

die  er  zu  dem  hirze  truc,        ' 

in  im  sich  gar  darnider  sluc 

pass.  K.  151,  54; 

GRIMMELN,  vb.,  toimmeln,  seltenere  seitenform  zu 
krimmein,  das  th.  5,  2309/.  ausführlich  behandelt  ist; 
hd.  wie  nd.:  burrio  .  .  de  formicis,  wimmeln  und  grim- 
meln  Corvinus  fons  latin.  (i646)  119;  des  künigs  buch 
vol  bitterer  wort  grimmelet  und  wimmelet  Nas  antipap. 
eins  u.  hundert  5,  270  •> ;  da  er  spricht :  yhr  wasser,  gebt 
fische,  hubs  bald  an  zu  wimmeln  und  grimmein  für 
fischen  Luther  32,  72  Weim.;  entgegen  Hildebrands 
angäbe  auch  ohne  die  paarung:  (der  stadt)  vielfältige 
zuwege  und  offene  pforten  voll  menschen  grimmein 
Andr.  Müller  denkwürd.  reisen  (1678)  29'';  mit  de  wiel 
grimmelt  dat  all  vull  allerlei  französch  volk  up  den 
schloszhof  Reuter  olle  camellen  (1860)  118. 

IV.  1.  6. 


1  GRIMMEN,  urspr.  starkes  vb.  aus  derselben  würzet, 
die  im  adj.  grimm  vorliegt;  ahd.  nur  selten  bezeugt 
(s.  u.  2);  auch  alts.  grimman  toben,  wüthen;  ags.  grimman 
toben,  rasen,  brüllen;  bis  ins  13.  jh.  nur  stark,  im  14. 
vollzieht  sich  der  Übergang  in  die  schto.  flexion;  auch 
mnl.  nur  schwach;  im  17.  jh.  abgestorben  {s.  u.  l). 

1)  urspr.  'mit  den  zahnen  knirschen';  frendere  Dief. 
246";  diese  grundbedeutung  bleibt  lange  lebendig:  grum- 
men  sy  mit  iren  zenden  über  mich  erste  deutsche  bibel 
7,  290  (ps.  34,16);  grimmen,  dasz  maul  aufsperren,  die 
zän  blecken,  zusammen  beissen,  frendere  dentibus,  rin- 
gere  Henisch  1744;  zunächst  also  offenbar  von  thieren. 
die  bedeutung  wandelt  sich  auf  der  einen  seile  in  fremere 
Dief.  246";  rugire  503'*: 

geswigen  ist  des  lewen  limmen 
und  der  lewinne  grimmen 

»id.  Hiob  1650  Karsten; 

so  vielfach  im  mhd.,  vgl.  mhd.  wb.  1,573'';  wann  der 
low  anfaht  grimmen  See,  Münster  cosmogr.  1437;  im 
bilde: 

die  von  Nusz  grymmeten  als  die  behem, 

die  das  widderwere  zu  thune  begern 

Stolle  thüring.  chron.  117  lit.  ver. ; 

aber  nicht  nur  von  tönen  des  zornes,  sondern  auch  des 
Schmerzes:  die  werdint  dar  nach  grimmende  in  deme 
helleviure  pred.  des  13.  14.  jhs.  74,  22  Leyser;  ich  grim- 
mete  von  suchten  mins  hertzen  {rugiebam  ps.  37,  9)  ndrh. 
psalmenübers.  39  Jaiiota.  auf  der  anderen  seile  entwickelt 
sich,  indem  das  psychologische  mom,ent  in  den  Vorder- 
grund gerückt  wird,  die  bedeutung  saevire  Dief.  531'^, 
furire  253'',  ohne  dasz  doch  eine  scharfe  trennung  der 
beiden  bedeutung sziceige  möglich  wäre;  schon  ahd.  furit 
crimmit  ahd.  gl.  1,  154,  18; 

er  {ÄcMlles)  gram  unde  bram 

Herb.  v.  Fritzlar  troj.  4575; 

auch  von  schmerzlicher  erregung:  so  grimmet  ir  herze 
mit  bitterem  jämer  myst.  l,  351,  6;  öfter  in  Übersetzung 
von  ps.  2,  1  {quare  fremtterunt  gentes) :  warumbe  grim- 
metend  die  lüte  Staub-Tobler  2,  733  (15.  jh.);  das  oft 
und  lange  gebrauchte  part.  prüs.  scheint  adjectivische  be- 
deutung, ähnlich  'wüthend',  angenommen  zu  haben:  sie 
lauffen  in  der  alten  stad  wie  die  grimmende  beeren 
Schütz  hist.  rer.  pruss.  5,  F  4";  der  schreckliche  grim- 
mende brüllende  low  Gryphius  teutsche  ged.  (1698)  l,  734; 
auch  mit  präpos.:  es  ist  {des  menschlichen  blutes)  wenig 
fast  gnäg  und  zu  vil  vergossen,  man  hat  fast  gnüg  ge- 
grimmt  anainander  umbzubringen  Spalatinus  klage 
d.frids  (1521)  Hl*;  ob  ir  sie  {die  armen)  verseeret,  .  .  . 
mein  zorn  wird  grimmen  über  euch  Waissel  chron. 
(1699)  154'';  schwächer  'murren':  und  si  grummen  {var. 
grimten)  wider  si  {das  weib,  das  Jesu  füsze  salbte,  Marc. 
14,  5)  cod.  Tepl.  1,  66;  öfter  in  bestimmter  Sphäre  im  sinne 
von  'keifen':  darnach  sein  sie  die  gantzen  nacht  schwetzig, 
kippeln  und  keifen,  grymmen  und  zäunen  Albr.  v.  Eye 
dtsch.  sehr.  i,6;  ebenso  mnd.:  het  he  se  gan,  se  karde 
weder,  het  he  se  wesen  vro,  se  gram  Schiller-Lübben 
2,  147";  eigen  ein  paar  mal  bei  Murner:  'ein  drohendes, 
trotziges  ansehen,  gebaren  haben': 

die  Jugend  grimpt  in  waffen  gar 

Äneis  (1543)  277»; 

ähnlich  252'';  das  vb.  stirbt  als  xoort  lebendiger  rede  im 
17.  jh.  ab;  die  ivörterbücher  schleppen  es  weiter:  grimmen 
et  frequentius  ergrimmen  fremere,  ira  furibunda  corripi 
Stieler  703;  grimmen  irasci,  ergrimmen  acerbe  irasci 
Wächter  615;  bei  Voigtel  wb.  2,  133 b  als  veraltet  be- 
zeichnet; nur  ganz  vereinzelt  in  poetischer  spräche: 

grimm'  immerfort,  spei  feuer!  regengüsse! 

Herder  25,39; 

hasz,  der  noch  im  stillen  grimmet 

Rückert  1, 127, 

hier  also  mit  der  jüngsten  bedeutungsnüance  des  nomens, 
s.  2  grimm  B  3. 

2)  sehr  gern  als  subst.  infinitiv:  das  grimmen  primo 
est  contractio  vultus  et  fremitus  oris   Stieler  703;   ge- 

23 


355 


2  GRIMMEN 


2  GRIMMEN 


356 


wohnlich  näher  an  das  subst.  grimm  herangerückt,  öfter 
geradezu  im  Wechsel  mit  ihm:  welcher  ist  der  unmessig 
zorn  seiner  tobheit  (var.  seins  grimmens)  erste  dtsehe 
bibel  4,  228;  auch  umgekehrt:  aiiff  das  der  herr  von  dem 
grimmen  seines  zorns  abgewendet  werde  5.  Mos.  13,  17 
(vgl.  2 grimm  B  l  a);  s.  auch  ps.  37,  8  var.;  Hiob  21,  80; 
deren  hertz  entzündt  und  erfült  ist  mit  funcken  des 
grimmens,  zorns  und  wütens  Aeg.  Albertinus  Lucifers 
königr.  132,  16  Liliencron; 

Planeten,  mond  und  element 
lieäzen  ihr  grimmen  blicken 

Opel-Cohn  dreissigjähr.  krieg  228; 

fähet  einmal  zornigklich  mit  grossem  grimmen  und 
grammen  an  Lindener  katzipori  86  lit,  ver.; 

lasz  ab,  lasz  ab,  und  widerkehr 
von  deinem  tobn  und  grimmen 

Ringwald  evang.  g  8^ ; 

zumeist  auf  md.  boden;  obd.  mit  dem  swm.  grimme  {s.  o. 
2  grimm  A  2)  zusammengeflossen  und  höchstens  im  gen. 
noch  von  ihm  zu  trennen;  in  neuerer  zeit  nur  ganz  ver- 
einzelt u.  mit  verändertem  sinne  {entsprechend  2  grimm  B  3) : 


die  verstockt  in  grimmen 
selber  sich  verstimmen 


RÜCKERT  1,  121. 


3)  von  interesse  ist  die  bedeutungsentvncklung  von 
'knirschen'  zu  'schauern'  {vgl.  grieseln  sp.  265/.),  die  sich 
im,  Schweiz,  findet:  eim  grimmen  ab  schaudern  Staub- 
ToBLER  2,  733;  der  grimmen  (auch  grimmen)  neben  'zahne- 
knirschen'  auch  'schauder  infolge  von  entsetzen,  schmerz, 
selbst  frost  u.  ä.'  ib.;  wohl  urspr.  subst.  inf,  aber  formal 
Tnit  dem,  subst.  grimm,  grimme  vermengt;  so  auch  in  dem 
{leider  quellenlosen)  citat: 

daz  eym  uszdringt  kalt,  grym  und  sweisz; 
es  gand  mir  grymen  durch  myn  bluet 

qiielle  von  1555  bei  Staub-Tobler  2,  734, 

woselbst  weitere  nachweise. 

4)  erst  spät  und  nicht  häufig  erscheint  ein  grimmen, 
das  sich  ivie  eine  causativbildung  zum  adj.  ausnimmt: 
grimmen  irritare,  exasperare,  provocare  ad  iram  Wäch- 
ter 615;  was  ihn  das  ärgern,  grämen,  grimmen  musz 
MALER  MÜLLER  2,  46;  es  grimmt  mich  aber  noch,  dasz 
sie  es  wagten,  nach  euch  zu  forschen  Hesekiel  Nürn- 
berger tand  1,  326;  vermuthlich  handelt  es  sich  nur  um 
eine  unter  der  einwirkung  von  grimm  erfolgte  umdeutung 
der  häufigen  Wendung  es  grimmt  (=  krimmt)  mich,  s. 
2  grimmen. 

2  GRIMMEN,  vb.,  kneipen,  vornehmlich  von  kolikschmer- 
zen; nhd.  nur  noch  schwach,  von  haus  aus  stark:  es  ist 
mhd.  krimmen,  das  durch  anlehnung  an  *  grimmen  sei- 
nen anlaut  veränderte;  Hildebrand  skizziert  th.  5,  2305 j^. 
form-  und  bedeutungsgeschichte  des  verbums;  doch  ist 
sein  versuch,  die  doppelformen  landschaftlich  zu  vertheilen 
(II  1  a),  nicht  stichhaltig:  grimmen  erscheint  nicht  nur 
obd.,  sondern  auch  md.  (gram  pass.  K.  482,  18)  und  nd. 
(Schiller-Lübben  2,  147");  eher  scheinen  sie  sich,  we- 
nigstens nhd.,  nach  dem  sinne  zu  gruppieren,  insofern 
die  bedeutung  '(leib)schmerzen  haben'  sich  immer  mehr 
auf  die  g  -form  beschränkt;  im  folgenden  nur,  was  für  das 
literarische  grimmen  des  nhd.  an  ergänzungen  nöthig  ist. 

l)  rein  verbal. 

a)  nur  selten  als  'kratzen'  oder  in  einer  davon  abge- 
leiteten bedeutung  {vgl.  krimmen  I  3  a,  e): 

ich  will  dich  reiszen,  krellen  und  grimmen 

fastnachtsp.  281,11  K.; 

wie  ein  knäblein  .  .  .  fühlet  und  gewar  wirdt,  wo  es 
die  gerte  hinbeisset  und  grimmet  Bütner  dialectica 
teutsch  (1588)  77'^;  sein  gewissen  in  grimmen  und  peissen 
ward  Arigo  decam.  258,  4  Keller;  die  marter  .  .  die  .  . 
dich  härtigklichen  mit  grimmenden  schmerczen  qwelen 
wirt  Hartlieb  buch  Ovidii  (1482)  33*;  hierher  offenbar 
das  in  österreichischer  ma.  häufige  sich  grimmen,  grüm- 
men  sicJi  härmen,  grämen,  sorgen  Schmeller  i,  997; 
Mareta  26;  LoRiTZA  55;  meinetweg'  kannst  schon 
.gehen,  gleichwohl  ich  mich  genug  werde  grimmen 
.müssen  um  dich  Rosegger  I  8,  251. 


b)  weit  überwiegend  von  leibschmerzen ,  und  zwar  in 
mannigfach  wechselnder  construction ;  zumeist  unpersön- 
lich: grimt  dichs,  fühlest  du  eine  beschwerung  im  magen 
Mathesius  Syrach  2,  49»;  denn  grimmet  dich  im  bauch 
Kejsersberg  häslein  (i5lo)  Dd3»;  so  bis  in  die  neuere 
zeit:  mich  grimmts  im  bauch  und  ich  musz  abseiten 
Aurbagher  volksbüchl.  257; 

dann  schickt'  ich  sie,  wem  es  behagte, 
rasch  in  den  leib  hinab,  dasz  drinnen  es  grimmte  und  wühlte 

RÜCKERT  2,  123; 

mit  concretem  subject:  aber  Schafmilch  die  ist  grober 
art  und  grymmet  schier  in  dem  magen  Ortolf  von 
Bayrlanu  (1479)  71'»;  vgl. 

dann  er  offt  speisz  und  tranck  annimpt, 
die  den  bauch  hefftig  plagt  und  grimpt 

Eyering  proverb.  1,  515; 
gelegentlich  auch: 

wenn  mich  grimbt  der  bauch 

Sandrub  higt.  u.  poet.  kurzweil  5  neudr. ; 

imgewöhnlich :  dann  also  ists  im  leib,  da  er  hol  ist, 
dass  seine  schmertzen  grimmen  Paracelsus  opera  l, 
525  A  Huser;  erst  spät  mit  dativ:  es  grimmt  ihm  im 
bauche  Voigtel  wb.  2,  133'»;  vgl.  H.  Braun  wb.  126*'; 
in  jüngerer  zeit  öfter  übertragen:  das  büchlein  wird  sie 
noch  manche  zeit  im  bauche  grimmen  Göthe  IV  27,  233 
Weim.  {nach  offenb.  Joh.  10,  9.  10,  s.  krimmen  I  8  f  /S) ;  ich 
las  ihn  nicht,  ich  verschlang  ihn,  ob  mich's  gleich  im 
bauche  grimmte,  wenn  er  mir  in's  gewissen  sprach 
Sghubart  leb.  u.  gesinn.  2,  251. 

2)  substantivisch. 

a)  am  häufigsten  im  subst.  itifin.  {vgl.  krimmen  1 3  f  «) : 
grimmen  colica  Dief.  I3i'»  {so  meist);  tormsn  5S8'';  hyliaca 
{d.  i.  iliaca)  nov.  gl.  203*»;  bauchgrimmen  cholera  Frisius 
(1556)  218*;  grimmen  ileos  Calepinus  xi  ling.  (1598)  674^; 
vermina  Faber  thes.  923";  affici  torminibus  das  grim- 
men oder  die  müter  im  bauch  haben  Frisius  (1556)  58*; 
vgl.  mutter  th.  6,  2812  oben;  ein  unsettiger  fräs  .  .  hat  das 
grimmen  und  bauchwehe  Sir.  31,  24;  doch  auch  als  ein 
leiden  schwererer  art:  miserere :  grimmen  und  reissen 
im  leib,  und  ist  weit  ärger  als  die  colic,  weilen  selten 
jemand  mit  dem  leben  dann  kommet  curiöses  bauemlex. 
(1728)  108;  vgl.  auch  gegicht  th.^,  i,  2,  2305;  Dasypodius 
trennt  das  grimmen,  darmgicht,  ileos  und  grimmen  des 
oberen  eingeweyds,  cordia,  et  cardiaca  dict.  (1536)339*; 
bis  in  die  neuere  zeit  durchaus  lebendig:  es  entsteht 
heftiges  grimmen,  erbrechen  und  Stuhlgang  Oken  allg. 
naturgesch.  3,  l,  34;  gelegentlich  auch  von  anderen  körper- 
theilen:  kaum  hatte  sie  der  patient  eingenommen,  als 
er  ein  heftiges  grimmen  im  gehirne  empfand  Raben  er 
loerke  2,  111 ;  bildlich: 

das  gespenst,  das  ernste,  bleiche, 

macht  nur  dem,  ders  nicht  glaubt,  grimmen 

Kerner  lyr.  ged.  (1854)  159; 

allmählig  schwieg  das  grimmen  der  erde,  und  es  ward 
eine  bewohnbare  weit  Herder  22,  231. 

b)  nicht  selten  erscheint  bis  in  die  moderneyi  maa.,  in 
bedeutung  und  gebrauch  mit  a  völlig  übereinstimmend, 
ein  masc.:  guot  . .  für  den  grimmen  in  dem  leib  Konr. 
v.  Megenberg  buch  d.  natur  147,  20;  wann  sie  den 
grimmen  haben  Lindener  katzipori  I47  lit.  ver.;  es  liesze 
sich  am  leichtesten  anknüpfen  an  ein  freilich  schwach 
bezeugtes  sw.  masc.  krimme,  grimme  krimmender  schmerz 
{s.  th.  5,  2304),  das  dann  mit  dem  subst.  inf  ganz  zu- 
sammengeronnen tväre;  denn  auch  im  nom.  immer  mit 
dem  n  des  infinitivs,  z.  b. 

am  Sessel  trug  voran  der  schmertz 
und  der  grimmen  trug  hindterwertz 

H.  Sachs  4,  408  Keller; 

bisz  der  grimmen  nachlaszt  Gäbelkover  arzneibuch 
(1595)  1,  234;  vgl.  FiscHER  Schwab.  3,  837;  Schmeller 
1,  997;  aus  einem  urspr.  selbständigen  subst.  verstünde 
sich  am,  leichtesten  der  nicht  seltene  pluralische  gebrauch : 
so  geligend  dir  die  grimmen  alsbald  Steinhöwel  Äsop 


357 


GRIMMEN  -  GRIMMGANNEN 


GRIMMGRAM  -  »GRIMMIG 


358 


211  lit.  ver.;  so  sind  sie  (die  bäder)  zuträglich  in  der 
colica,  darmgicht  und  andern  grimmen  medic.  maulaffe 
(1719)  482;  ekthlipüsche  Verkürzung  ergab  eine  form,  die 
eine  vermengung  mit  grimm  furor  ermöglichte  {tvie  um- 
gekehrt auch  das  subst.  durch  die  form  des  verbums  be- 
einfluszt  wurde,  s.  2 grimm  A  schlusz):  grym  tormen 
DiEFENBACH  588 >* ;  grymm  rfysen^eWa  Pinicianus  (1516) 
G  4";  sehr  oft  bei  H.  Sachs,  z.  b.  i,  407,  13;  8,  151,  16; 
9,  317,  23  Keller-Götze ;  sogar  den  grimb  5,  3,  13. 

c)  selten  auch  von  andern  schmerzen  körperlicher  und 
geistiger  art;  die  tcenigen  belege  sind  formal  nicht  ein- 
deutig, doch  mag  auch  hier  das  alte  subst.  (s.  o.  b)  noch 
zu  tage  treten:  da  hieb  er  im  den  arm  gantz  ab  und 
durch  das  haubt,  das  er  in  dem  weetag  und  grimen 
herab  lief  die  stiegen  und  viel  nider  und  starb  städte- 
chron.  11,  666,  1;  also  haben  sy  inen  beden  die  hendt 
abgehauen,  und  er  sager  im  grimmen  und  schrecken 
davon  gelauffen  Thom.  v.  Absberg  44  lit.  ver.;  das  ihm 
sein  gantzer  leybe  von  einander  mit  grossem  grymm 
und  schmertzen  ryss  Schumann  nachtbüchl.  350  lit.  ver.; 
der  zweiffei  sturtzet  entlich  den  menschen  in  ver- 
zweiffelung  und  hellische  angst  und  grimmen  Melan- 
CHTHON  in:  corp.  doctr.  Christ.  (1560)  583. 

GRIMMEN,  n.,  in  der  Jägersprache:  der  hirsch  drucket 
die  ballen  feste  ein  und  fast  vorwärts ;  da  denn  in  der 
mitte  das  erdreich  erhöhet  wird,  wie  ein  gewölbe,  wel- 
ches man  den  burgstall  oder  das  grimmen  nennet 
Döbel  jäger-practica  (1746)  l,  6;  vgl.  aus  dem  Winkell 
handb.  f.  Jäger  (1805)  l,  174,  woselbst  weitere  nachtceise; 
in  älterer  spräche  auch  grimmer  Sebiz  feldbau  (1579) 
573;  zti  2 grimmen  =  krimmen  kratzen,  scharren;  vgl. 
burgstall  schlusz,  th.  2,  544. 

GRIMMENKRAUT  s.  grimmkraut.  —  grimmenöl, 
n.:  grimmöl  .  .  .  für  die  kinder,  wann  sie  grosse  leib- 
wehe leiden  Hohberg  georg.  cur.  aucta  447*.  —  grim- 
menpulver,  n.,  gegen  das  bauchgrimmen  Martin- 
LiENHART  1,  272*>.  —  grim m en s ä cklein ,  n.,  zum 
auflegen  beim  bauchgrimmen  Gäbelkover  arzneibuch 
(1595)  I,  241.  —  grimmenstich,  m.,  jägerausdriick : 
also  benennen  einige  das,  was  ein  angeschossen  wild- 
stück macht  .  .  .  wann  es  sonderheitlich  tödtlich  ver- 
wundet, ziehet  es  die  4  läuffe  zusamm  und  greiffet  mit 
den  spitzen  der  schaalen  scharf  zu  boden  Heppe  JcoÄ^ 
»•ed.  ja^rer  (1779)  188 ;  v^f^  grimmen.  —  grimmentrank, 
m,.,  gegen  das  bauchgrimmen  Gäbelkover  arzneibuch 
(1595)  1,228.  —  grimmenwasser,  n.,  aqua  carmina- 
tiva,  'ein  herrliches  mittel  in  blehungen,  colick-  und 
magen-beschwerungen'  Chomel  öcon.  lex.  4,  1354;  vgl. 
Adelung. 

GRIMMER,  m..  gypaetus  barbatus,  lämmergeier  Rrehm 
thierleben  6,  4:15  Pechuel- Lösche;  =  krimmer,  s.  d.  th.  d, 
2310. 

GRIMMERFÜLLT,  adj.,  in  poetischer  spräche  seit  der 
ziceiten  hälfte  des  18.  jhs.  häufig: 

düster,  grimmerfüllt 
drang  jeder  vorwärts 

Ulr.  Hegner  ges.  sehr.  177; 

freylich  weicht  die  menschenliebe,  wenn  man  mit  dem 

Schwerte  lehrt 
und  mit  grimmerfüllten  fausten  ein  verführtes  volk  bekehrt 
ScHÖNAicH  Heinrich  d.  vogler  (1757)  80; 

0  nacht,  so  schwarz  von  färb,  o  grimmerfüllte  nacht  I 

Shakespeare  1,  277. 

—  grimmernst,  adj.:  einige  stunden  nach  dem  de- 
jeuner  wurde  das  tableau  auf  meiner  band  grimmernst 
lebendig  K.  Marx  an  Fr.  Engels,  briefw.  4,  454. 

GRIMMES-  als  erster  compositionsbestandtheil  im  XI.  jh. 
häufiger,  so  grimmesflamme  Neumark  fortgepfl. 
musik.-poet.  litstw.  (1657)  1,64;  -glut  Fleming  dtsch. 
ged.  1,3  lit.  ver.;  -hitze  1,19;  -macht  Jag.  Röhme 
sehr.  5,  127. 

GRIMMGANNEN,  vb.,  murren,  fremere;  von  den  auf- 
sässigen Seelen  in  der  hölle: 

sie  tummeln,  schreien,  schnurn  daher, 

sie  grimganen  ie  lenger  mer      Schade  sat.  1, 127; 


dissimilation  aus  grimmgrannen,  vgl.  griesgrannen  sp.  268 
unten;  —  grimmgram,  m.,  im  volksrätsel  der  wolf 
Frischbier  1,253.  —  grimmgramsen,  vb.,  murren, 
mürrisch  sein:  die  gesellschalTt  liesz  ihr  solches  wol- 
gefallen,  aber  ihr  führer  grimgramsete,  ob  er  sich  von 
so  einem  .  .  menschen  solte  unterweisen  lassen  Ruch- 
OLTZ  Herk.  (1666)  l,  568;  'spieen  haben,  hypochondrisch 
sein'  Campe;  =  griesgramen  Richey  hamburg.  81 ;  auch 
fcei  Frischbier  l,  253;  nd.  wort;  vgl.  griesgramsen  «p.  269. 
—  grimmgrösze,  /.;  iracundia  .  .  .  unwirse,  grim- 
grösse,  zürnung  Schöpfer  syn.  b  6".  —  grimmhard, 
m.,  mürrischer  mensch  Grob  dichter,  versuchg.  (1678)  15; 
bildung  tvie  grieshart  {s.  sp.  265),  loUhard  u.  ä.  statt 
eines  echten  grimmart. 

GRIMMHEIT,  /.,  seltene  alte  seitenform  zu  grimmig- 
keit,  zumeist  in  alem.  quellen:  feritas  Diefenbach  230"; 
severitas  531*';  feritas  gemma  gemm.  (1508)  k  2^;  vgl. 
Fischer  schwäb.  3,  888;  auch  nd.  Schiller-Lübben  2, 
147'';  daz  die  untötlichen  göter  rechen  müszten  die 
grymheit  der  Affern  Heinr.  v.  Mügeln  Val.  Max.  ö"*; 
sy  hat  in  irem  weibischen  gemöt  enpfangen  ein  grymm- 
heyt  das  sy  vil  fürsten  getöt  hat  Hartlieb  gr.  Alexan- 
der (1473)  166*;  unwirszhait  und  grimmhait  Keiser.'^- 
berg  «pinn.  (l510)f  4"*.  noch  seltener  ist  grimmkeit:/eri- 
tas  Diefenbach  230"=;  sevitia  bSl^;  daz  klag  ich,  daz  sü 
in  so  grosser  grimmkeit  sich  gen  mir  bewisent  Seuse 
dtsche  sehr.  85, 19.  —  grimmhitzig,  adj. :  sein  (des Mars) 
blutiges  und  grimhitziges  mütlein  Andr.  Rosa  practica 
/1571)  A  4". 

»GRIMMIG,  adj.,  erst  spätahd.  Graff  4,  325  (vgl. 
grimmigkeit) ;  im  asächs.  früher,  aber  ebeyifalls  nur  ver- 
einzelt nachztiweisen :  grimmag  Hei.  2144  C ;  mhd.  noch 
stark  hinter  grimm  zurückstehend,  gewinnt  das  adj.  im 
verlauf  des  nhd.  die  oberhand;  auch  in  den  maa.  hat 
grimmig  das  ältere  grimm  übericunden,  soweit  sie  über- 
haupt ein  adj.  dieser  Stammform,  besitzen;  das  scheint 
aber  nur  im  obd.  in  gröszerem  umfange  der  fall,  vor- 
nehmlich im  Schweiz.,  Staub-Tobler  2,  734;  iceniger  im 
Schwab.,  Fischer  3,  836;  vgl.  Schmeller  l,  996;  sonst 
noch  im  thür.  MOller-Fraureuth  l,  442;  dem  nd.  im 
ganzen  fremd  (doch  vgl.  Mi  29;  Fischer  samländ.  108), 
schon  in  mnd.  zeit;  im,  nl.  dagegen  herrschend;  vereinzelt 
grimmecht  Diefenbach  581  •>  s.  v.  sevire;  gelegentlich 
grüm(m)ig  städtechron.  4,  279  anm.  2;  Simon  Dach  931 
lit.  ver.;  die  bedeutungsentwicklung  läuft  im  ganzen  der 
von  grimm  adj.  parallel. 

l)  'wütend,  zornicütig,  ergrimmt',  namentlich  in  jüngerer 
zeit  zuweilen  fast  gleich  'zornig' ;  mhd.  noch  selten,  etwa: 

des  wart  der  herre  zomic  unde  grimmic  genuoc 

Nib.  206,  4 ; 

auch  in  den  frühen  glossaren  gegenüber  2  zurücktretend: 
fremebundus  Diefenbach  246°;  furibundus  253 *>;  demen- 
tatus  nov.  gl.  130*;  vecors  377*';  erst  seit  dem  16.  jh.  in 
breiter  ausdehnung:  rabiosus  grimmig  wie  ein  doUer 
hund  Bas.  Faber  thes.  (i587)  679*;  grimmig,  wfietig, 
unsinnig,  tobend  .  .  .  furiosus,  rabidus,  saevus,  rabiosus 
Henisch  1744;  der  teuffei  .  .  .  machet  die  fursten  .  .  . 
grimmig  und  zornig  Luther  33,  484  Weim.;  der  mensch 
konte  so  grimmig  werden,  dasz  er  weder  seines  noch 
irgend  eines  andern  lebens  schont^  Bahrdt  gesch.  s. 
lebens  3,  34;  milder:  von  natur  zu  gelassener  betrach- 
tung  der  dinge  aufgelegt,  werde  ich  doch  grimmig,  so- 
bald ich  sehe,  dasz  man  dem  menschen  das  unmög- 
liche abfordert  Göthe  gespräche  2,  352;  mit präpositionen : 
(ein  predigen)  das  dem  pöfel  die  obren  kutzeln  und 
Widder  die  oberkeyt  wütend  und  grimmig  macht  Al- 
berus  tcidder  Jörg  Witzeln  G  3*;  von  gott: 

und  bist  so  grimmig  immerdar 
über  die  schafe  deiner  weid 

H.  Sachs  18,  290  Keller-Götze; 

Lessing  ward  so  grimmig  über  das  deutsche  publikum 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  4,  359;  in  Kopenhagen 
ist  man  auf  die  Xenien  ganz  grimmig  Schiller  an 
Oöthe  5,  111  Jonas;  statt  dessen  gelegentlich  auch  mit 
dem  dativ: 

23* 


359  1  GRIMMIG 

mein  jüngster  bruder  mir  so  grimmig  war 

E.  M.  Arndt  6,  162  Kösch- Meisner ; 

das  adv.  gleicher  bedeutung  mit  Vorliebe  neben  verbis  di- 
cendi,  zumal  increpandi: 

derselb  auch  fieng  an  zu  rumorn 
und  den  bawren  grimmig  anplatzt 

H.  Sachs  21,  217  Keller-Götze; 

namentlich  in  neuerer  spräche  sehr  häufig :  schweig!  rief 
grimmig  ausbrechend  der  könig  Laube  ^e*.  sehr.  3, 152; 
grimmig  fuhr  er  seine  frau  an  Langbein  31,  121 ;  man- 
nigfach übertragen:  so  vindest  du  in  mit  eime  grim- 
migen zornigen  urteilenden  antlit  Tauler  pred.  367,  14 
Vetter;  ihre  äugen  sind  auf  eine  besondre  art  ange- 
nehm, wenn  sie  ein  wenig  grimmig  werden  Rabener 
sämtl.  werke  i,  152;  die  Sabine  warf  ihm  einen  grimmi- 
gen Blick  zu  Kotzebue  18,  57;  und  fuhr  ihn  mit  grim- 
migen Worten  an  Lohenstkin  Armin,  l,  47^;  wand  ihm 
das  Schwert  aus  der  band  und  schleuderte  es,  in  einem 
grimmigen  wurf,  weit  über  den  platz  hinweg  H.  v.  Kleist 
3,  203  E.  Schmidt. 

2)  ivie  bei  grimm  adj.  zeigt  sich  die  durative  bedeutung 
als  zustand  und  eigenschaft  am  frühesten  und  reichsten 
entwickelt,  also  atrox,  saevus  Diefenbach  58*.  531". 

a)  zumeist  von  menschen;  so  schon  mhd.  öfter: 

du  gewinnest  schiere  einen  sun  .  .  . 

der  wirt  scherf  unde  grimmich        wider  den  Hut  unsaelich 

Milst.  genesis  36,  11; 

den  grimmigen  hellischen  schäm 

Hesler  apoc.  16004; 

aber  erst  nhd.  in  weiterer  ausbreitung,  und  zwar  am 
lebendigstell  in  der  älteren  zeit:  wider  die  macht  und 
gewalt  des  grimmigen  sathans  Erzherzog  Ferdinand 
speculum  vit.  hum.  54  neudr.;  Hartman  von  Grunbach, 
ein  grimmiger  und  tyrannischer  man  Schütz  hist.  re- 
rum  pruss.  I,  F  3  '^ ;  die  Paterculus  ein  frech  und  grim- 
mig volck  nennet  Migrälius  Pommerla?id  (i640)  l,  24; 
später  eingeschränkter,  mehr  an  bestimmte  substantiva 
gebunden:  die  spinnmädchen  erzählen  von  .  .  .  grimmi- 
gen riesen  Voss  krit.  blätter  2,  255;  es  haben  grimmige 
geister  im  leben  gewalt  über  mich  gehabt  Fouque 
zauberring  i,  99;  schicke  den  grimmigen  todt,  dass  er 
über  mein  hertz  triumphir  engl,  comed.  u.  truged.  (1624) 
0  6»;  gerade  gegen  meinen  äugen  über  sitzet  der  grim- 
mige tod  BoDMER  abhandl.  v.  d.  wunderbaren  299,  vgl. 
dazu  c  y ;  am  besten  hält  sich  der  grimmige  feind :  wanne 
vil  starker  grimmiger  vigende  hastu  in  dir  zä  über- 
windende Tauler  pred.  13,  16  Vetter;  gegen  den  grim- 
migen feind  des  reichs  und  der  Christenheit  Göthe  13, 

1,  249  Weim. ;  freilich  verändert  hier  die  jüngere  zeit  die 
bedeutung,  s.  u.  5a;  die  älteren  glossare  lassen  m,ancher- 
lei  färbungen  des  sinnes  erkennen:  acer  Diefenbach  8"; 
barbarus  68*";  crudelis  159"=;  feralis  230*»;  ferox  231"; 
ferus  231«;  malignus  344'';  severus  531^;  spurius  (i.  e. 
spurcus)  549*;  tirannus  585'';  torvus  590»;  am  deutlich- 
sten hebt  sich  die  bedeutung  'hart,  grausam'  heraus: 

got  den  grymmegen  leydigern 
birget  daz  schone  liecht  gemeit 
der  eren  und  der  selekeit 

md.  Hiob  13746  Karsten; 

solch  plündern  .  .  .  einen  grimmigen  tyrannen  zu  ver- 
stehen geben  {soll)  J^irchhof  milit.  discipl.  (1602)  196; 
o  Amor,  du  grimmiger  tyrann!  Grimmelshausen  Simpl. 

2,  531  lit.  ver.; 

o  grimmige  Jungfrau,  princessin  meiner  sinnen, 

kan  euch  dann  meine  bitt  und  seuftzen  nicht  gewinnen 

Opitz  teutsche  poem.  40  neudr. ; 

anders:  das  die  leute  hoffertig  und  grimmig  sind,  das 
ist  von  gott  nicht  geschaffen  Sir.  lo,  21;  die  jüngere 
zeit  hat  einige  mildere  nüancen  entwickelt:  der  grimmige 
präceptor  Braun  Kern  er  bilderbuch  216;  ein  summen- 
des gewimmel  von  vielen  hundert  jungen  leuten  aus 
allen  ständen,  welche  jedoch  bald  von  einer  gruppe 
grimmiger  kriegsleute  zur  stille  gebracht  .  .  .  wurden 
G.  Keller  2,  90.  auch  der  adverbiale  gebrauch  ist  im, 
älteren  nhd.  reicher  entfaltet:  wiewol  der  mann  grimmig 
auf  ihn  sticht  Paracelsus  opera  (1616)  2,  583  C  Huser; 


1  GRIMMIG 


360 


entgegen  Diomedes  scharff 

sein  spiesz  nach  Marte  grimmig  warff 

Spreng  Ilias  (1610)  69»; 
als  ihm  der  äugen  paar  ward  grimmigst  ausgerissen 

Gryphius  trauersp.  20  P. 

b)  so  auch  meist  von  thieren;  am  fühlbarsten  wird 
der  volle  bedeutung sg ehalt  des  adj.  in  geioissen  fällen 
prädicativen  gebrauches:  warumb  seindt  die  thier  gar 
grimmich,  wan  sy  sich  zweyen  wellen  proplem.  Aresto- 
tilis  18'';  je  gröser  und  länger  eyne  im  ist,  desto  ärger 
und  grimmiger  sie  auch  ist  Sebiz  feldbau  (1579)  297; 
inwendig  seint  sy  grimig  wolff  erste  dtsche  bibel  i,  26; 
hundert  grosser  grimmiger  hunden  Wetzel  söhne  Oiaf- 
fers  68  lit.  ver.;  ein  grimmiger  hengst  Jer.  8,  6;  mit  Vor- 
liebe und  zur  formel  erstarrt:  ewer  widdersacher  .  .  . 
gehet  umb  und  umb  als  ein  grymmiger  .  .  .  lawe  Lu- 
ther 9,  157  Weim.;  nicht  viel  seltener: 

das  er  uns  wie  ein  grimmig  beer 
hin  Opfer  und  zureisse 

Ringwald  evang.  Hl**; 

gern  auch  in  Verbindungen  tcie  der  grimmige  drache 
Jag.  Böhme  sehr.  4,  94;  ein  grimmig  ungeheuer  Gott- 
sched d.  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamkeit  l,  403;  all 
dies  bis  ins  17.  jh.  überaus  häufig;  dann  stark  zurück- 
tretend: ward  ein  grimmiger  stier  herbeygeführt  Ger- 
stenberg schlesw.  literaturbr.  255,  30  lit.  denkm. ;  der 
grimmige  tiger  entflieht  vor  seinem  schelten  Göthe  17, 
135  Weim.;  nur  die  icendung  grimmiges  thier  im.  sinne 
'icildes  thier'  hält  sich  besser: 

für  fewr,  für  dieb,  für  kriegesknecht, 
für  der  grimmigen  thier  geschlecht 

Rollenhagen  froschmeuseler  (1595)  G2»; 

einen  .  .  .  verwünschten  prinzen,  .der  ...  in  der  haut 
von  einem  grimmigen  thier  im  wald  herum  musz  lau- 
fen B.  V.  Arnim  d.  buch  gehört  d.  könig  i,  147. 

c)  mannigfach  übertragen. 

«)  unter  Währung  des  ursprünglichen,  subjectiven  Cha- 
rakters der  bedeutung;  am  nächsten  liegt  die  Übertragung 
auf  träger  und  sitze  des  grimms  beim  menschen,  gewöhn- 
lich im,  sinne  acer,  atrox,  saevus: 


der  wirt  sprach  unsuoze, 

wan  er  ein  grimmic  herze  truoc 


Lanz.  4453; 


eine  abscheuliche,  bösartige,  grimmige  seele  Herder 
3,  184;  wirklich  geläufig  aber  nur  in  wendtmgen  wie:  wo 
er  den  satan  mit  grimmigem  blicke  den  göttlichen 
weltbau  durchirren  läszt  Lessing  8,  50  M.;  man  hörte 
Mirabeaus  harte,  grimmige  stimme  .  .  .  weit  durch  den 
saal  Dahlmann  gesch.  d.  frz.  rev.  214;  weil  er  das 
grimmige  gesicht  des  officiers  für  tapferkeit  hielt  Mil- 
ler Siegwart  {\lll)  2,  480;  etwas  anders:  ein  hagerer  .  . 
mann  .  .  mit  eckiger  stirn  und  kleinen  grimmigen  äugen 
Storm  2,  264;  weiter  gern  neben  Substantiven,  die  mehr 
oder  minder  bewuszt  als  bilder  oder  Substitute  persön- 
licher loesen  genommen  werden:  auf  dem  feldwege,  der 
aus  dem  walde  und  aus  der  schlimmen,  der  grimmigen 
weit  gegen  ihr'  heimathdorf  hinlief  Raabe  Horacker 
(1876)  196;  so  .  .  werden  die  wünsche  deines  Schubarts 
von  seinem  grimmigen  Schicksale,  wie  tauben  von  stosz- 
vögeln,  umher  getrieben  Schubart  briefe  l,  119;  sehr 
häufig  namentlich  von  elementen  und  witterungserschei- 
nungen : 

wann  schon  ein  grimmiger  orcan 

zuweilen  alle  kunst  (des  Steuermanns)  besieget 

Haller  ged.  111  H. ; 

das  grimmige  meer  mare  imperversato  Jagemann  (l799) 
544; 

wohl  stand  ich  so  oft,  .  .  . 

umbraust  von  grimmigen  wettern 

Herwegh  ged.  eines  lebendigen  (1841)  32; 

ähnlich  auch :  an  dem  tage,  wo  eingeschlachtet  .  .  wird 
gegen  den  grimmigen  winter  Jean  Paul  3,  ii  Sempel; 
diese  subjective  färbung  der  bedeutung  tritt  überhaupt 
in  neuerer  spräche  am  stärksten  hervor:  die  Gottschedi- 
sche Sprachkunst  hat  schon  mehr  solche  grimmige 
anfalle  überstanden  Nicolai  lit.  br.  4,  281; 


361 


1  GRIMMIG 


»GRIMMIG 


362 


dir  ist  von  dieser  wüthenden  parthey 
der  grimmige  vertilgungskrieg  geschworen 

Schiller  12,  453  G.; 

selbst  neben  concretis  wie:  als  nun  die  sonne  .  .  .  durch 
Streifnebel  gebrochen  die  grimmigen  felsen  beleuchtete 
Jahrb.  d.   Grülparzergesellsch.  1,  374. 

ß)  in  älterer  spräche  vielfach  weiter  von  dem  persön- 
lichen aiisgangspunkt  entfernt  und  fühlbar  objectiver, 
severus,  crudelis:  hertzog  Liupold  von  Osterreich  .  .  . 
richtet  den  griemigen  krieg  also :  schad  gen  schad,  prand 
gen  prand  städtechron.  5,  28,  17;  die  wilden  Teutschen 
(haben)  ihre  kunst  in  dem  grimmigen  faustrecht  begrün- 
det Harsdörfer  frauenz.  gespräehsp.  2,  A  3";  nament- 
lich gern  von  unthaten:  seine  böse,  grimmige,  unbarm- 
hertzige  übelthaten  erschollen  weit  Kirchhof  icendunm. 
2,  218  lit.  ver.;  er  sich  mit  fewr  oder  andern  grimmigen 
freffel  rechen  soll  Reutter  v.  Speir  kriegsordn.  21; 
etwas  anders  neben  begriffen  loie:  alle  Griechen  weit 
ubertroffen  haben  an  grimmigem  ungerechtem  leben 
Xylander  Polybius  (1574)  207;  heu!  was  grimmiger 
Sitten  kommen  in  das  Griechenland  Kirchhof  wendunm. 
2,  15  lit.  ver.;  auch  neben  concretis: 

der  grimmig  flam  [des  blüzes)  durchtrang  sein  hertz 

Spreng  Äneis  3"; 


und  lasz  in  mir  dein  grimmig  pfeil 
bisz  in  den  tod  nicht  stecken 

Ring  WALD  handbüchl. 


A9b; 


dem  ersten,  den  ich  seh  bey  meiner  liebsten  stehn, 
dem  sol  ein  grimmig  schwerdt  durch  leib  und  seele  gehn 
Chr.  Reuter,  Harlequins  hochz.  schm.  v.  65  neudr. 

y)  am  fühlbarsten  wird  die  rein  objective  bedeutung 
schwer,  schlimm,,  bitter,  quälend'  neben  begriffen  wie: 

wählet  der  kenner  der  höhen  und  tiefen 
lust  und  entsetzen  und  grimmige  pein 

GöTHE  1,  228  Weim.  ; 
wir  sahn's,  dich  faszt  ein  grimmig  leid 

Immermann  15,  59  Hempel; 

grimmig  war  die  noth  der  beiden  im  streit  gegen  die 
seegespenster  G.  Freytag  9,  227 ;  ähnlich  schon  in  älterer 
zeit:  ach  du  fleischliche  begierd,  .  .  .  wie  bist  du  mir 
in  einer  stunde  verkehret  und  verwandelt,  so  scharpf 
und  grimmig  geworden?  buch  d.  liebe  (i587)  108^; 

also  die  göttlich  grimmich  straff 
dise  zwey  gar  erschröcklich  traff 

H.  Sachs  2,  273  Keller; 
auch  concreter: 

durch  beharrlichen  fleisz  der  armut  grimmigen  stachel 

zu  versöhnen  Mörike  1,  90  Göschen  ; 

auf  derselben  linie  liegt :  allein  die  grimmige  notwendig- 
keit  zwang  ihn,  .  .  .  den  Hieronymus  für  ertrunken  zu 
halten  G.  Keller  2,  121 ;  in  älterer  spräche  gehört  hier- 
her vornehmlich  der  zur  formel  gewordene  grimmige  tod ; 
gelegentlich  zwar  im  sinne  eines  besonders  qualvollen 
todes : 

her  {Christus)  leit  den  grimmigen  tot 

Hesler  apoc.  12924; 

wir  ime  ewern  lasterlichen  und  grimmigen  todt  ver- 
künden werden  Aimon  (1535)  b2'';  getoöhnlich  aber  an- 
scheinend einfach  der  schwere,  bittere  tod: 

sie  ilten  alle  in  den  grimmigen  tot        Hol.  272, 18 ; 

(sein  weib)  gab  willig  ihren  jungen  leib 
für  ihn  in  den  grimmigen  todt 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  1,  71  lit.  ver. 

d)  das  19.  jh.  entivickelt  die  bedeutung  saevus,  atrox 
zu  ein  paar  besonderen  Spielarten;  öfter  von  literarischen 
erzeugnissen,  dem  sinne  von  'bissig'  nahekommend:  könn- 
ten sie  mir  nun  so  ein  recht  derbes,  etwas  grimmiges 
büchlein  über  unsre  minister  schreiben  Tieck  sehr.  20, 
153 ;  am  morgen,  da  die  grimmige  kritik  in  der  zeitung 
erschien  Laube  ges.  sehr.  1,  123;  weiter,  neben  gewissen 
abstractis,  'wild,  verbissen':  und  machte  mich  plötzlich 
mit  so  grimmiger  entschlossenheit  an  die  arbeit  G.  Kel- 
ler 3,  222;  anders,  aber  ebenso  jung:  bei  mir  ist  sie 
{die  Politik)  durchaus  grimmiger  ernst  Gentz  Schriften 
1,  338. 


3)  in  geicissem  gegensatz  zu  l  steht  ein  erst  in  neue- 
rer zeit  sich  entxoickelnder  gebrauch,  der  beim  subst.  grimm 
ausgeprägter  erscheint:  das  adj.  bezeichnet  nicht  die  aus- 
brechende, sondern  die  verhaltene  oder  versteckte  wuth :  dasz 
er  .  .  nicht  ohne  grimmige  hintergedanken  das  büszer- 
hemd  anzog  G.  Freytag  14,  254;  deutlicher  und  öfter  in 
fällen  wie : 

da  sah 
der  feind,  mit  grimmiger  bewundrung,  starr 
ihm  nach !  Lessing  3, 369  M. 

in  grimmiger  beschämung  gehn  wir  heim 

H.  V.  Kleist  2,  25  E.  Schmidt; 

ähnlich  auch:  wir  empfinden  tief  und  grimmig  deine 
schmähliche  erniedrigung  Klinger  10,  278;  der  erst 
miene  macht  ins  wasser  zu  springen,  aber  als  ihn  der 
schmied  bei  der  jacke  faszt  .  .  .,  grimmig  das  entkom- 
men aufgiebt  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  74;  grimmig  steckte 
der  Sammler  das  bescholtene  alterthum  wieder  an  sei- 
nen platz  Immermann  1,  136  Hempel. 

4)  ebenfalls  erst  im  19.  jh.  breitet  sich  ein  gebrauch 
aus,  der  das  adj.  mit  Worten  entgegengesetzter  sinnes- 
richtung  verbindet,  wobei  der  begriff  des  wilden  mehr  oder 
minder  durch  den  des  bitteren  oder  boshaften  gefärbt  oder 
ersetzt  ist:  eine  freude,  wilde  grimmige  freude  .  .  brach 
in  geberde  und  werten  heraus  G.  Freytag  13,  180; 
Hackerts  antlitz  verzog  sich  zu  einem  bitter  grimmigen 
lächeln  Gutzkow  ritter  v.  geist  l,  131 ;  lache  dann  nicht 
mehr  so  grimmig,  dasz  die  menschen  irrlichter  sind 
Jean  Paul  Titan  2,  Si\  ähnlich  au^ch:  aber  bald  verzog 
sich  dies  gesiebt  zur  graulichen  maske,  aus  der  recht 
bitterer,  grimmiger  .  .  .  höhn  herauslachte  E.  Th.  A. 
Hoffmann  6,  84  Orisebach;  schwächer:  erwiderte  er  mit 
seinem  grimmigen  humor  y.  d.  Steinen  naturvölker 
Zentralbrasiliens  6;  das  grimmige  behagen  0.  Jahn  Mo- 
zart 3,  117. 

5)  eine  ganz  neue  Sinnesrichtung  ergibt  sich  dadurch, 
dasz  sich  der  charakterisierenden  bedeutung  eine  quanti- 
tierende  beigesellt;  auch  darin  übernimmt  grimmig  eine 
ftinction  von  grimm  (s.  d.  B  5). 

a)  am  besten  läszt  sich  das  einsetzen  und  allmähliche 
erstarken  der  in«  intensive  weisenden  nebenbedeutung 
neben  geioissen  ausdrücken  des  affects  beobachten:  wie 
sehr  er  gegen  der  jungfrauwen  vorhin  in  liebe  entzün- 
det, übertrifft  doch  jetz  der  gehe  und  grimmige  zorn 
solche  liebe  weit  J.  Wetzel  söhne  Giaffers  38  lit.  ver.; 
wie  gros  ist  der  grymmige  zorn  gottis  über  die  sunde 
der  gotlosen  Luther  15,  125  Weim.; 

da  krag  der  römische  kaiser 
einen  groszen  grimmigen  zorn 

Mittler  dtsch.  volksl.  408: 

in  grimmigster  erzürnung  Raabe  hungerpastor  (1864)  1, 
51 ;  diese  Verbindung  mit  zorn  im  älteren  nhd.  überaus 
häufig;  erst  in  jüngerer  zeit  kommen  mehr  zur  geltung : 
in  so  grimmigen  hasz  hatte  des  Artabanus  liebe  .  .  sich 
verwandlet  A.  U.  v.  Braunschweig  Octavia  l,  75;  wenn 
es  etwas  gab,  was  er  tief  und  grimmig  haszte  G.  Frey- 
tag I,  108; 

der  fürstliche  stolze  verbeiszet 

die  grimmige  wuth  Göthe  3,  5  Weim.  ; 

aber  auch  neben  anderen  begriffen  wird  der  Übergang  der 
bedeutung  'tvild,  wüthend'  in  eine  intensive  'erbittert,  hef- 
tig, hartnäckig'  fühlbar:  häfftiger  und  grimmiger  krieg 
bellum  acre  et  magnum  Maaler  192*;  bey  allem  dem 
angebohrnen  muthe  .  .  .  konnten  sie  den  grimmigen 
anfall  der  Jenjitscheri  nicht  ausstehn  IIaller  Usong 
(1771)  68;  nachdem  wir  den  grimmigstn  widerstand  ge- 
than  Schnabel  insel  Felsenburg  l,  44,  4;  loie  denn  über- 
haupt der  in  jüngerer  zeit  stark  zunehmende  superlati- 
vische gebrauch  wesentlich  auf  die  rechnung  dieser  be- 
deutungsentivicklung  zu  setzen  ist;  die  alte  formel  grim- 
mer feind  {s.  0.  2  a)  erscheint  nunmehr  überwiegend  in 
dieser  gestalt,  z.  b.  dasz  ein  ungeschickter  freund  oft 
mehr  schaden  thut  als  der  grimmigste  feind  Göthe 
IV  31 ,  2 ;  so  entsteht  daher  die  grimmigste  feindschaft 
der  .  .  .  Vernunft  gegen  den  erlöser  Jung -Stilling 
3,  43, 


363 


2  GRIMMIG  -  GRIMMIGKEIT 


GRIMMIGKEIT 


364 


b)  reiner  tritt  das  intensitätsmoment  heraus  in  der 
alten  uendung  grimme  kälte:  die  hund  pflegen  zu  wü- 
ten ...  in  ...  schärfster  grimmiger  kalt  im  winter 
Sebiz  feldbau  (1579)  147;  die  gröszte  hitze  in  der  einen 
weltgegend  und  die  grimmigste  kälte  in  der  andern 
Hebel  2,  45  Behaghel;  der  entsprechende  adverbiale  ge- 
brauch scheint  jünger:  noch  dazu  war  es  im  damaligen 
Winter  grimmig  kalt  Rabener  sämtl.  icerke  8,48;  H.  Sachs 
sagt  statt  dessen: 

nun  war  es  gar  grimmig  und  kalt 

9,  180  Keller; 

wie  bei  grimm  (s.  d.  5  b)  iceisen  auch  hier  die  belege  we- 
nigstens der  älteren  zeit  übericiegend  ins  südwestl.  Deutsch- 
land; dort  noch  heute  im  dialect,  s.  Staub-Tobler  2, 
734;  Fischer  schwäb.  3,  838;  s.  u.  c;  dazu  dann  mancher- 
lei ableger:  den  grimmigen  frost  unseres  winters  Prä- 
tori US  winterflucht  (1678)  304; 

und  grimmig  begann  es  zu  frieren 

GÖTHE  50,155  W.; 

es  war  grimmig  frisch  Ulr.  Bräker  sämtl.  sehr.  2,  89; 
unter  dem  einflusz  der  grimmigen  kälte  mögen  auch  fälle 
stehen  wie:  er  ging  in  den  grimmigen  regen  hinaus 
GÖTHE  33,  111  Weim.;  es  war  ein  grimmiger  wind  iii  l, 
108;  weiter  häufig  neben  begriffen,  die  ein  tmlustempfin- 
den  ausdrücken:  grimmige  Zahnschmerzen  Gutzkow  5, 
194;  das  grimmigste  kopfweh  G.  Keller  5,  58;  da  faszte 
den  jungen  gesellen  grimmiges  heimweh  Frenssen 
Jörn  Uhl  (1902)  140;  man  musz  aber  grimmigen  hunger 
haben  Göthe  45,  79  Weim.;  den  grimmigen  durst  des 
eigenwillens  .  .  kühlen  Schopenhauer  i,  500  Grisebach. 

c)  am  stärksten  hat  sich  das  intensitätsmoment  bei 
adverbialem  gebrauch  ausgewirkt,  wo  die  bedeutung  schliesz- 
lieh  beim  reinen  quantitätsbegriff  endet;  im  älteren  nhd. 
pflegt  die  ursprüngl.  bedeutung  noch  vorzuwiegen: 

soll  uns  dann  gott  nit  grimmig  plagen 

H.  Sachs  1, 193  Keller; 

die  itzund  grimig  schreien, 
wens  auf  der  cantzel  stan, 
mort  über  die  ketzereien 

bergreihen  56  neudr. : 

dagegen:  ich  setzte  mich  .  .  hinter  den  letztern  (spieler), 
der  schon  grimmig  im  Verluste  war  H.  L.  Wagner 
theaterst.  (1779)  51;  grimmig  obacht  ge«  Staub-Tobler 
2,  734;  auch  beim  adj.  zunächst  in  fällen  wie:  grimmig 
zornig  seyn  esser'  infuriato  Kramer  teutsch-ital.  l,  565"; 
ich  ward  grimmig  böse  über  den  grobian  Laukhard 
leben  u.  Schicksale  2,  22; 


du  hast's  verdient,  es  geht  dir 


»rimmig  schlecht 
JÖTHE  15,  326  Weim.; 


sie  hat  ja  recht,  ich  that  ihr  grimmig  weh 

Hebbel  i  i,  282; 
aber  auch: 

der  mensch  ist  grimmig  reich 

KoTZEBUE  7, 178; 

der  nam'  ist  grimmig  wunderschön 

Baggesen  poet.  werke  3,  273; 

so  noch  heute  in  den  maa.:   grimmig  recht  war  's-mer 
u.  dgl.  Staub-Tobler  2,  734;  grimmig  dül,  kold,  hgt  u.a. 

DOORNKAAT-KOOLMAN    1,  686. 

2 GRIMMIG,  adj.,  an  bauchgrimmen  leidend:  eier  in 
essich  hert  gekocht  werdend  mit  pfäffer  dem  grimmigen 
zu  ässen  gegeben  Heusslin  Gesners  vogelbuch  (i557)  98 '' ; 
vgl.  2  grimmen. 

GRIMMIGEN,  vb.,  erzürnen,  ganz  seltene  causativ- 
bildung  zu  ^ grimmig:  dar  umb  so  bedunckt  mich,  daz 
er  von  uns  syge  ze  gütigen  mit  diensten  .  .  und  nit  ze 
verachten  noch  ze  grimigen  mit  widerspennikait  Nicl. 
V.  Wtle  translat.  146  lit.  ver. 

GRIMMIGKEIT,  /.,  in  bedeutung  und  gebrauch  mit 
dem  subst.  grimm  im  ganzen  identisch;  im  älteren  nhd. 
recht  häufig,  seit  dem  18.  jh.  nur  noch  selten;  Hm  hoch- 
deutschen ungewöhnlich'  Adelung  unter  grimmig;  vgl. 
auch  grimmheit. 

l)  zunächst  furor  Diefenbagh  253'=;  furia  853^;  se- 
vitia  531";   mit  einem   nachklingen   der  grundbedeutung 


von  grimm:  er  begundte  .  .  .  vor  grimmigkeit  die  zän 
auff  einander  beissen  buch  d.  liebe  (1587)  274*; 

er  hängt  den  schweif,  zieht  mich  am  kleid 
und  bleckt  die  zahn  voll  grimmigkeit 

Brentano  2,  82; 
dem  begriff  des  zorns  sich  nähernd: 

das  sie  ausz  groszer  grimmigkeit 
stoszt  ausz  so  unbescheidne  wort 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dramen  2,287; 

er  (hat)  die  kauffer  und  verkauffer  mit  grosser  grimmig- 
keit vertrieben  .  .  .  ausz  dem  tempel  Aeg.  Albebtinus 
zeitkürzer  (1603)  28'';  vielfach  mit  zorn  verbunden: 

Unfalo  wolt  nit  mer  fragen 

aus  rechtem  zorn  und  grimigkeit 

Teuerdank  126,  43  Oödekc ; 

in  grosser  grimmigkeit  und  in  harten  zorn  buch  d.  liebe 
(1587)   273". 

2)  zumeist  mehr  dauernde  eigenschaft  als  momentaner 
zustand. 

a)  atrocitas  Diefenbagh  58";  ferocitas  231»;  feralitas 
nov.  gl.  170"; 

daz  rede  ich  doch  dar  umbe  niht, 

daz  ich  entsitze  ir  {der  Griechen)  grimmekeit 

KONR.  V.  Würzburg  troj.  18723; 

lotterbüben  und  spilleüt,  die  sein  grimmigkeyt  erwey- 
chen  mögen  {quae  feritatem  eius  emolliant)  Mich.  Herr 
sittl.  Zuchtbücher  (l536)  50";  häuflg  von  thieren:  aber  er 
(der  leopard)  wirt  nümmer  so  zam,  daz  er  seiner  grim- 
michait  vergezz  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  natur 
145,  18;  des  löwens  grimmigkeit  Henrici  ernst-,  scherzh. 
u.  sat.  ged.  4,  104;  vielfach  nuanciert:  austeritas  Diefen- 
bagh es*;  torvitas  590»;  livor  334";  asperitudo  nov.  gl. 
38";  immanitas  210";  grimmigkheit,  stoltze,  hochmut, 
Übermut,  ferocia.  ferocitas  Henisch  1744;  im  ältesten 
beleg  im  sinne  'bosheit' :  in  grimicheite  han  ich  gesun- 
det Graff  4,  325;  gern  als  'härte,  strenge':  severitas 
Diefenbagh  531";  der  fürst  kert  sich  von  dem  stül  der 
erbärmd  zu  dem  sitz  der  grymmikeit  buch  d.  beispiele 
19  lit.  ver.;  es  herschen  auch  die  lang  und  sicher,  die 
da  nit  die  forcht  von  irer  grimmigkeit  wegen,  sonder 
die  lieb  irer  gütigkait  halb  iren  burgern  eingiessen 
H.  Boner  Herodian  (1582)  2";  nicht  minder  häufig  für 
'grausamkeit' :  ez  ist  ain  grimmichait,  daz  wir  unser 
prüeder  twingen  in  unser  dienst  Konr.  v.  Megenberg 
buch  d.  natur  492,  9;  er  hatt  ein  lust  und  wolgefallen 
an  grimmigkeit  pro  deliciis  crudelitas  Uli  fuit  Frisius 
diction.  (1556)  1059";  aber  die  türkische  grimmigkeit  und 
zitische  grausamkeit  seiner  feinde  war  so  eisern  Zesen 
verschmähete  majestät  (1661)  172 ;  auch  concreier  'grausame 
that' :  ich  .  .  .  dancken  dyr  .  .  .  der  grymmikeit  so  sy 
an  dyr  begiengent  der  ew.  wiszheit  betbüchl.  (1518)  116"; 
pluralisch:  die  arme  Christenheit  empfand  die  grimmig- 
keiten  des  Wüterichs  so  hart,  als  nie  vor  diesen  zelten 
Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  372. 

b)  seltener  in  einer  mehr  objectiven  Verwendung,  'schreck- 
lichkeit, härte,  pein' : 

daz  her  {Christus)  die  selben  quäle 
des  todes  in  der  grimmekeit 
von  sinem  willen  ie  geleit 

Hesler  apoc.  1093; 

ich  zittre  zwar,  wenn  ich  bedenke 
der  bittren  marter  grimmigkeit 

MÜHLPFORT  teutsche  ged.  52; 

auch  in  der  Verbindung  mit  tod  scheint  das  subst.  m^ist 
so  empfunden:  in  forhten  sin  uf  die  grimmekeit  des 
gemeinen  dodes  Schmidt  elsäss.  155"  {aus  pred.  des 
14.  jhs.);  das  wir  der  grimmigkait  des  todts  entflohen 
Schaidenreiszer  Odyssea  (1537)  35";  freilich  auch,  bei 
personiflciertem  tod,  im,  sinne  von  a:  daz  sie  ihm  {dem 
tod)  aber  in  die  ander  band  mahlen  ein  hacken,  spa- 
ten, heil  oder  spiesz,  damit  zielen  sie  auff  des  todes 
grimmigkeit  Prätorius  hundert  auserlesene  abdankungen 
(1663)   898. 

8)  wie  grimm  auch  mit  quantitierender  bedeutung, 
'heftigkeit' :    grimmigkeit   der    schlacht  Amadis  24,  544-; 


365 


GRIMMIGLICH  -  GRIMMKALT 


GRIMMKLAUE  —  GRIMMSAUER 


366 


noch  deutlicher:  grimmigkeit  der  hitze  Jag.  Böhme  wor- 
genröte  2;  bis  ihm  endlicli  die  grimmigkeit  der  kälte 
die  beine  umbfressen  Prätoriüs  winterflucht  d.  sommer- 
Vögel  (1678)  380;  die  krankheit  sei  diesmal  von  einer  er- 
schrecklichen grimmigkeit  Laube  ges.  sehr.  14,  253. 

GRIMMIGLICH,  lis  ins  19.  jh.  nicht  selten  aU  adv. 
zu  grimmig  gebraucht;  dem  mhd.  auch  als  adj.  ganz  ge- 
läufig, s.  mhd.  wb.  1,  574";  Lexer  1,  1085. 

1)  zunächst  in  der  bedeutung  'wütend':  seve  Diefen- 
BAGH  581 '»;  also  grimmigklich  schreyet  er  {der  papst), 
also   tobt   und  wütet  er   Hütten  opera  i,  884  Böching ; 

und  so  raste  dieses  wüthen  auf  sich  selber  grimmiglich 

ScHÖNAic»  Heinr.  d.  vogler  99; 

meist  mehr   oder   minder   durch   den   begriff  des  zomes 

gefärbt: 

do  ward  der  held  Seyfride 
so  grimmigklich  gemüt 

hürn.  Seyfr.  20  neudr.; 

Reymund  sähe  sein  . .  frauwen  grimmiglichen  und  zornig- 
lich  .  .  an  buch  d.  liebe  275*;  einmal  brachte  ihm  Züseli 
.  .  .  rothen  wein,  da  begehrte  er  über  die  Verschwen- 
dung grimmiglich  auf  Gotthelf  ges.  sehr.  lO,  219. 

2)  häufiger,  zumal  im  älteren  nhd.,  im  sinne  atrociter 
Diefenbagh  58";   ferebunde  gemma  gemm.    (1508)  ll*»; 

weit  aber  ihn  nit  gar  erstechen 

oder  ihn  grimmigklich  erschlagen 

Sandrub  higt.  u.  poet.  kurzweil  121,  31  neudr.; 

welcher  ...  die  leute  gantz  grimmiglich  fresse  Präto- 
riüs anthropodemus  pluton,  1,21; 

vor  hat  der  rauhe  winter  sich 
an  uns  erzeiget  grimmiglich 

Opitz  teutsche  poevi.  50  neudr.; 

oder  severe,  severiter  Diefenbagh  581'';  crudeliter  Cale- 
PINUS  XI  ling.  (1598)  352";  (er)  herschet  grymmiklich  über 
dich  A.  V.  Eyb  spiegel  d.  sitten  (l5U)  J  s"*;  sie  würden 
nicht  wissen,  wie  grimmiglich  sie  sich  wiederumb  an 
euch  rechnen  solte  schausp.  engl,  comöd.  28,  37  Creize- 
nach. 

3)  nicht  selten  auch  mit  dem  quantitierenden  sinne  des 
adj.;  so  schon  mhd.  häufiger,  z.  b.: 

da  wider  hat  er  {das  kind  Achilles)  keine  wer, 
wan  er  so  grimmenclichen  slief, 
daz  er  sich  zuo  dem  wäge  tief 
lie  dinsen  üz  der  clüse 

KoNR.  V.  Würzburg  troj.  13983; 

verzagte  hertzen  mügen  sich 
förchten  für  dem  tod  grimmiglich 

J.  Ammann  charta  lusoria  (1588)  G3; 

(als  Agamemnon)  sich 

thet  mit  Achille  grimmiglich 

entzweyen  und  erzürnen  heiftig 

Spreng  Utas  1»; 

nach  Oswitz  .  .  .,  wo  es  grimmiglich  regnete  Eichen- 
dorf 11,  18  Kosch-Sauer. 

GRIMMISCH,  adj.,  ein  schwächeres  grimmig;  grim- 
misch, ingrimmisch  eolerico,  rabbiosetto,  furiosetto  Kra- 
mer teutsch-ital.  i,  565";  die  unsinnigen  rosz  sehen  mit 
den  äugen  gar  grimmisch  und  vorkeren  dieselb  Zeghen- 
DORFER  zwei  bücher  v.  gebrechen  d.  rosz  (l57l)  2,  52; 

wie  sich  die  kinder  und  gesind 

so  grimmisch  und  gröppisch  machen  itzUnd ! 

Grosz-Löhichauer  weihnachtsspiel,  zs.  d.  ver. 
f.  thür.  gesch.  6,  273. 

GRIMMKALT,  adj.,  eine  alte  obd.,  bis  in  die  neuere 
zeit  übliche  zusammenrückung: 

nun  war  es  ein  grim-kalte  nacht 

H.  Sachs  9,  443  Keller; 

dem  .  .  .  kriegshör,  wie  es  solte  das  grosse  und  grimm- 
kalte gebürge  übersteigen  Sebiz  feldbau  (1579)  887;  im 
grimmkalten  winter  Auerbach  sehr.  10,  73;  bis  zum 
ende  des  16.  jh.  überwiegend  getrennt  geschrieben  und 
zuweilen  deutlich  als  adv.  -^  adj.  empfunden:  den  neeh- 
sten  tag  darnach  do  was  es  grimm  kalt  städtechron.  l, 
395;  perfrigidus  grimm  kalt,  hefftig  kalt  Calepinus  xi 
ling.  (1598)  1059 *>;  deshalb  gelegentlich  auch:  zu  dem  war 


es  gar  grimme  kalt  Hertzog  schiltwache  Y.^ ;  vereinzelt 
wann  es  gar  .  .  .  grimmen  kalt  ist  Sebiz  feldbau  (1579) 
147.  —  grimmklaue:  'bcpus  scythicus,  .  .  .  fera  quae 
in  ultima  Scandinavia  .  .  .  reperitur,  quam  Olaus  Ma 
gnus  .  .  depinxit,  appellat  autem  germanico  nomine  grim- 
klaw,  ab  unguium  acie,  quod  Ulis  praecipue  saeviat' 
Bas.  Faber  thes.  (1587)  lOOl*;  ^vohl  zu  2  grimmen  = 
krimmen.  —  grimmkraut,  n.,  senecio  vulgaris,  kreuz- 
wurz:  herba  torminalis,  ad  tormina  enim  ventris  se- 
danda  efficax  Pancovius  (1673)  372;  daher  auch  grim- 
menkraut Erhart  öcon.  pflanzenhist.  (1753 jf.)  register  (im 
textl,  130  grimmkraut);  Pritzel-Jessen  374.  —  grimm- 
lachen, vb.,  nd.  wort:  'ein  verstelltes  lächeln  blicken 
lassen;  aus  bitterm  zorn  und  lust  zur  räche  lächeln' 
brem.  xcb.  2,  542;  lächeln  'als  zeichen  des  innern  verbis- 
senen zomes'  Campe  unter  lächeln  i;  vgl.  Doornkaat- 
Koolman  1,  685'»;  ein  verzerrtes  lächeln  wird  grinsen, 
und  das  lachen  wilder  empörter  leidenschaften,  wie  des 
hasses  und  groUs,  bricht  in  grimmlachen  aus  F.  L.  Jahn 
1,  105  Euler;  aber  nicht  notwendig  in  einem,  ungünstigen 
sinn,  sondern  auch  für  'freundlich  lächeln' :  im  gründe 
wollten  sie  der  jungen  frau  krazfussen  und  grihm- 
lachen  Hermes  für  eitern  und  ehelustige  5,  172;  beide 
bedeutungen  auch  im  nl.,  woordenb.  der  nederl.  taal 
5,  776. 

GRIMMLICH,  adj.  adv.,  schon  ahd.  ein  paar  mal: 
crimlih  crudelis,  grimlicho,  crimlicho  crueiiter,  deterrime, 
compar.  grimlichor  sevius  Graff  4,  325;  mhd.  erst  in 
der  Spätzeit  öfter,  bei  Konr.  v.  Würzburg  und  jüngeren 
Lexer  l,  1085;  nhd.  nur  noch  selten  und,  wie  schon  in  den 
älteren  epochen,  icesentlich  auf  alem.  baden  (vgl.  grimm- 
heit); vereinzelt  auch  gelängt:  grimmenlich  Diefenbagh- 
WOlcker  hoch-  u.  nd.  wb.  685;  als  adj.:  grimmlich  sevus 
gemma  gemm.  (1508)  Zb^;  crudelis  g  3'' ;  torvus  C  4* ;  barba- 
»•msDief.  68";  literarische  belege  sind  rar :  ist  auch  also 
mit  schrecklichem,  grimlichem  geschrei  dahin  gefaren 
M.  Chr.  Irenäus  spiegel  d.  hellen  (1588)  20";  mit  grimb- 
lichen,  nicht  lustigen  gemüth  Guarinonius  greuel  d. 
vericüstung  (l610)  1191;  häufiger  als  adv.:  atrociter  gemma 
gemm.  (1508)  C  2";  ferociter  k  2";  fremebunde  Diefen- 
bagh 246";  severe,  severiter  531";  torve  590'';  austere 
ml.  hd.  böhm.  wb.  46;  in  ussprechung  sol  der  redende 
...  nit  grimmlich  grissgramende  .  .  .  reden  Riederer 
spiegel  d.  wahren  rhet.  (1493)  a4";  begund  pabst  Cle- 
mens der  IV.  grimmlich  wider  keiser  Ludwigen  ze  wüten 
TscHUDi  chron.  helv.  i,  372;  ich  .  .  .  danck  dir,  .  .  .  das 
du  .  .  .  dich  also  grimlich  liest  schlagen  d.  ew.  wiszheit 
betbüchl.  (1518)  117*;  so  grimlich  kan  man  sich  ouch 
in  irrtumb  und  aberglouben  bestricken  J.  v.  Watt  l,  77 
da  war  es  so  grymlichen  kalt  Seb.  Fischer  Ulmer  chron 
78;  auch  nd.:  grymmelk /ertts  Diefenbagh  nov.  gl.  172* 
Sghiller-Lübben  2,  147*;  ebenso  ags.  grimlik,  afries 
grimlik.  dazu  grimmlichkeit,  /.,  atroeitas  Diefen 
BACH  58*;  crudelitas  159";  severitas  531 ".  —  grimm 
ling,  m.,  'reizbarer,  aufbrausender  mensch' Vnger-Khv Li. 
307;  wodurch  solche  neidharte  und  grimmlinge  am  besten 
ertauben  Schottel  ethica  (l669)  160.  —  grimmütig, 
adj.:  nit  bis  ein  freund  des  zornigen  menschen,  noch 
gee  mit  dem  grimmütigen  man  bibel  (l483)  303*,  spr. 
Sal.  22,  24.  —  grimmnis,  /.,  erbitterung:  das  alle  Un- 
willen, fehde  und  gremmenysse  .  .  gancz  tod  und  abe 
seyn  lehnsurk.  u.  besitzurk.  Schlesiens  l,  433  (a.  d.  j.  1452) ; 
grimmnis  /cMmmer,  sor^re  Unger-Khull  307".  —  grimm- 
öl,  s.  grimmenöl.  —  grimmsal,  n.,  scheusal,  wider- 
liches geschick  Sallmann  neue  beitr.  z.  dtsch.  ma.  in 
Estland  66;  zorn,  kummer.  heimlicher  gram  Unger- 
Khull  307";  dazti  grimmsälig  bekümmert,  vergrämt  ib. 
—  grimmsam,  adj.,  =  grimmig,  ganz  selten:  man 
mag  wol  nach  streitt  oder  grümsamen  saehen  fragen 
Hartlieb  buch  aller  verbot,  kunst  (1456)  53;  du  waist, 
wie  grimsam  falsch  und  gyttig  gewesen  ist  Hanibal 
NiCL.  V.  Wyle  translat.  241,  27  lit.  ver.  —  grimm - 
sauer,  adj.: 

da  soll  ich  nun 
hier  sitzen,  soll  mit  eines  protocolles 
grimmsaurem  nachgeschmack  mein  jugendfest 
beschlieszen  Fr.  Halm  werke  6,  27; 


367        GRIMMSCHAFT  —  GRIMMZORNIG 

vgl.  grimmbitter.  —  grimmschaft,  /.,  erbüterung: 
von  dannen  her  .  .  haben  die  romanisten  ein  solliche 
grimmschaft  gegen  mir  genomen  Hütten  opera  l,  379 
Böcking;  nd.  häufiger,  s.  ScHiLLER-LüBBen  2,  147».  — 
grimmscharf,  adj.: 

werdn  etlich  leut  geboren  da,  ■ 

haben  ein  grimmscharpf  katzengsicht, 
bey  der  nacht  gsehen  ohn  ein  liecht 

H.  Sachs  16,  202  Keller-Götze. 

GRIMM  SICHTIG,  adj.,  torvua  Dasypodius  (1536)  339«; 
crudelis  ungehewr,  grimmsichtig,  scheutzlich  Schöpfer 
syn.  (1550)  b  7";  der  grimmsichtige  tod  la  morte  fiera, 
grimmsichtige  äugen  occhi  crudeli,  niinaccianti  Kramer 
teutsch.-ital.  1,  565*,  wo  offenbar  sieht  aubst.  als  zweiter 
compositio7isbestandtheil  angenommen  wird;  eher  ist  an 
den  mit  s-suffix  ertoeiterten  stamm  zu  denken  («.  u.  grim- 
sen),  an  den  ableitendes  -ehtic  getreten  ist,  s.  Wilmanns 
2,  466;  in  form  u.  gehrauch  mit  grimmsüchtig  (*.  d.) 
durcheinandergeraten:  die  menschen  ...  zu  letst  .  .  . 
ein  störrige,  grimmsüchtige,  hartneckige  natur  bekom- 
men Heyden  Plinius  31  (in  rigorem  quendam  torvita- 
temque  naturae  duram  et  inflexibilem  hist.  nat.  7,  19, 
79);  vom  benehmen  beim  tanze:  der  dreyzehendt  ist  .  .  . 
grimsichtig  wie  ein  mausz  in  der  kindtlbeth  Alber- 
TINUS  hauspol.  (1602)  2,  144^,  offenbar  'mürrisch,  gallig', 
vgl.  kindbett  ic;  dazu  grimmsichtigkeit,/.,  torvitas 
Dasypodius  (i536)  339";  Calepinus  xi  ling.  (i598)  1475". 

—  grimmsinnig,  adj.,  Fisch art  geschichtklitt.  103 
neudr.  —  grimm  sucht,  /.,  wut: 

die  grimsucht  het  ihn  gar  besessen, 
rhumoi't  umb  unter  dem  gesind 

H.  Sachs  9,  299  Keller. 

—  grimmsüchtig,  adj.,  biliosus:  (sich  zu  erbrechen)  ist 
aber  nutz  denen,  die  wol  bei  leib  seind  und  die  grimm- 
süchtig und  zu  vil  galles  haben  (utilis  plenis  et  biliosis) 
Khüffner  Celsus  (I53i)  3'»;  formal  mit  grimmsichtig 
(s.  d.)  vermengt:  dessen  hast  du  hier  zu  land  allent- 
halben .  .  exemplen  an  unsern  grimmsichtigen  Guari- 
NONius  greuel  d.  Verwüstung  (1610)  667.  —  grimmung, 
/.;  grimmunge  furor  Jelinek  mhd.  wb.  aus  Böhmen  332 
{aus  d.  Wenzelbibel) ;  fremor,  fremitus  gemma  gemm.  (l508) 
1  1  •> ;  auch  =  krimmung :  grimmung  tortis  (i.  e.  tortura, 
formen)  Diefenbach  589«. 

GRIMMVOLL,  adj.,  namentlich  im  späteren  18.  zmd  in 
der  ersten  hälfte  des  19.  jhs.  nicht  selten,  vgl.  Campe, 
Heinsius;  die  bedeutung  schwankt  entsprechend  dem 
grundwort:  wurde  dannenhero  die  Bellona  für  eine  zorn- 
und  grimmsvolle  göttin  von  den  alten  gehalten  Sand- 
rart  iconologia  deorum  (1680)  128''; 

keine  güllotine  war  da. 
grimmvoll  entschlosz  er  sich  eine  zu  baun 

Klopstock  Oden  2,  115  M.-P.; 

die  räche  eines  siegreichen  und  grimmvollen  feindes 
Zschokke  sämtl.  ausgew.  sehr.  36,  235;  einen  grimm- 
vollen blick  auf  den  ritter  schieszend  Wieland  (1853) 
19,  187;  mit  grimmvoller  stimme  gab  er  nun  befehle 
0.  Ludwig  ges.  sehr,  l,  347;  adverbiell: 

da  heult  er  plötzlich  grimmvoll  auf 

FouQUE  altsächs.  bildersaal  1,  110. 

—  grimmwurz,  /.,  dentaria  pentaphyllos  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  210;  d.  enneaphyllos  Pritzel-Jessen 
132;   vgl.  Unger-Khull  SO?*».   —   grimmwütig,  adj.: 

desz  ist  in  grimmwütigem  zorn 

der  könig  H.  Sachs  20,  148  Keller-Götze. 

—  grimm  zorn,  m.:  weil  er  eben  auch  den  grimm- 
zorn  gegen  den  rittmeister  hatte  wie  wir  Auerbach  18, 
167;  im  älteren  nhd.  gelegentlich  grimmenzorn: 

sein  grimmenzorn  in  kurtzer  frist 
auff  Israel  angangen  ist 

Kehrein  Urchenl.  3,  264  str.  14, 

vgl.  265  slr.  24;  282  str.  7.  —  grimmzornig,  adj.,  im 
wesentlichen  auf  das  alem.  gebiet  beschränkt;  es  ist  eine 
zusammenrückung  von  adverbialem  grimm  und  zornig 
{vgl.  igrimm  B  5  c) :  da  er  nu  hört,  dasz  sie  gäntzlich 
beschlossen,  sich  ...  zu  widersetzen,  ward  er  grimm 


GRIMPE-i  GRIND 


368 


zornig  buch  d.  liebe  218'';  aber  frühzeitig  als  composi- 
tum empfunden: 

schlugen  und  hawten  ihn  todtwund  .  .  . 

und  haben  grimmzornig  zu  räch 

nacket  ausszogen       H.  Sachs  15,  489  Kcller-Götzc; 

dem  grimzornigen  Achille  Eppendorf  kriegsühung  (l55i) 
SO*»;  öfter  bei  Auerbach:  mein  mann  war  grimmzor- 
nig neues  leben  (1871)  2,  168;  vgl.  sehr.  {I8d2ff.)  11,  198; 
16,  198. 

GRIMPE,  /.,  (auch  m.?),  cyprinus  gobio  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  210;  gobio  fluviatilis  Brehm  thierl.  8, 
256  Pechuel- Lösche;  derselbe  fisch,  der  sonst  kresse,  gründ- 
ling  heiszt,  s.  d.;  nd.  bezeichnung,   vgl.  brem.  wb.  2,  543. 

GRIMPEL,  m.,  ein  fiach,  cyprinus  pkoxinus  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  210;  leuciscus  phoxinus  Brehm  thierl. 
8,  265  Pechuel- Lösche ;  nach  Oken  6,  292  westfäl.;  vgl. 
elderze  th.  3,  403. 

GRIMPEN,  n.,  ein  kartenspiel,  jouer  ä  la  grimpe  Duez 
nom.  (1652)  162. 

GRIMSEN,  vb.,  jammern,  schreiend  klagen :  sie  schrei- 
ete  und  grimsete  Unger-Khull  307^  (quelle  von  1724); 
es  ist  das  ahd.  grimmisön  saevire  Graff  4,  325/.;  ge- 
legentlich atich  unter   anlehnung  an  2 grimmen  1  b  (vgl. 

1  grimmen  4)  unpersönlich:  'bösen,  wurmen':  wie  wirds 
dem  kerl  so  innerlich  grimsen,  dasz  du  so  fromm  und 
er  so  gottlos  ist  Hertzberg  Eulenspiegel  l,  172;  dazu 
adj.  grimsig: 

und  sprach  in  grimsigem  laid 

d.  maget  cröne  135  •>  Zingerle; 

'Verstärkung  zu  grimmig'  Müller-Fraureuth  1,442; 
tceitergebildet  grimstig  brem.  xvb.  2,  543 ;  vgl.  gramstig  ib. ; 
auch  subst.  grimsigkeit: 

dö  kam  er  in  grimsikait 

d.  maget  cröne  136''; 

im  ags.  entspricht  grimsian  saevire,  grimsung  Bosworth- 
Toller  489. 

1  GRIND,  m.,  aand,  schorf,  köpf;  die  bedeutungen  l  u.  2 
gehören  zweifellos  zusammen  und  rücken  das  wort  neben 
ags.  grindan  mahlen  und  germ.  granda-  grobsand  Fick 
*3,  140,-  nicht  ebenso  sicher  ist,  ob  grind  köpf  zur  selben 
Wurzel  gehört,  nicht  wegen  der  bedeutungsentwicklung, 
die  keine  schioierigkeiten  macht  (s.  u.  3),  sondern  weil 
grint  als  bergname  im  obd.  früh  bezeugt  (Graff  4,  330) 
und  iveit  verbreitet  ist,  was  die  bedeutung  'köpf  als  sehr 
alt  erscheinen  läszt;  vgl.  Staub-Tobler  2,  763;  Fischer 
Schwab.  3,839;  Bück  ßurnameiib.  91 ;  gelegentlich  neutr. 
ViLMAR  187  (ebenso  im  mnl.,  s.  u.  l);  im  obd.  stellen- 
?i'eise/em.  Unger-Khull  307;  Bacher  iitsern  263;  öfter 
als  gründ  Behrend  hautkrankh.  (1839)  5;  Luther  *.  u. 

2  a ;  auch  grund  (wesentlich  nd.) :  prurigo  grint,  grünt 
Diefenbach  469'';  scabiea  grund  515";  scabiosus  \ol  grund 
514 <=;  grund  (oldenburg.)  Höfler  krankheitsnamenb.  202'*. 

1)  sand,  kies;  auszerhalb  des  ndfr.  nur  in  spuren  zu 
belegen:  in  grente  (i  über  dem  ersten  e)  in  argillosa 
(terra)  Graff  4,  330  (ll.  jh.) ;  also  den  grint  des  meres 
(sicut  arenam  maris  ps.  77,  27)  Trierer  interlinearvers. 
d.  psalm.,  Graff  364 ;  salictum  i.  alluvius,  insula  grynt, 
wardt  Diefenbach  508"  (ndrh.,  1475);  grind  an  strömen, 
grober  triebsand  Jacobsson  technol.  wb.  2,  153'',  vermuth- 
lich  atts  westd.  quelle;  im  mnl.  als  grinde  /.  und  grint 
n.  voll  lebendig  Verwijs-Verdam  2,  2143;  'name  einer 
Stadtgegend  bei  Marburg,  jetzt  einer  strasze  längs  der 
Lahn'  (heute  in  grün  umgedeutet)  Vilmar  137/.  m,it  wei- 
teren nachweisen;  'kies  .  .,  kleine  kiesel  oder  auch  son- 
stige kleine  harte,  scharf  und  rauh  anzufühlende,  bz. 
unter  den  zahnen  knirschende  körperchen'  Doornkaat- 
KoOLMAN  1,  686;  im  nl.  'gries,  feine  grütze'  und  so 
gelegentlich  auch  auf  7id.  baden:  ob  es  denn  nicht 
besser  wäre,  gesunder  und  saftreicher  speisen  zu  ge- 
nieszen  als  grind  und  saufleisch  Kosegarten  rJiap- 
sodieen  8,  239. 

2)  hautausschlag,  hautkrankheit;  das  körnige,  borkige 
gewisser  ausschlage  hat  diese  bedeutungsentwicklung  ver- 
anlaszt. 


369 


1  GRIND 


1  GRIND 


370 


a)  zunächst  von  dem  einzelnen  ausschlug  oder  schorf: 
crint  pustule  Graff  i,  330;  paptda  Diefenbach  ml.  hd. 
böhm.  ivb.  201;  livor  gloss.  334'';  ein  roter  grint,  plater 
o.  wertz  papula  nov.  gl.  279^  {doch  scheint  roter  gr.  auch 
eine  bestimmte  hautkrankheit  zu  bezeichnen,  s.  b) ;  pruritus 
grint,  schorp  307";  vulneris  crusta  der  rupf  auf  einer 
wunden,  der  grind  Corvinus  fons  latin.  1022;  'die  harte 
rinde,  icelche  nach  einem  geschwüre  zurückbleibt'  Ade- 
lung; wie  man  einen  gründt  abkratzt  Luther  12,  591 
Weim.;  streue  .  .  .  kalck  hinein  (iii  d.  wunde),  das  .  .  . 
macht  eine  crustam,  das  ist  ein  harten  grind  auf  den 
schaden  Walther  pferde-  u.  Viehzucht  (1658)  55;  natür- 
lich auch  im  plural:  grinder  .  .  chirurgi  appellant  duros 
quosdam  cortices,  quibus  vulnera  ulcerave  obducunlur 
Reyher  thes.  (1668)  l,  1558;  es  worden  mit  ersten  breite 
blättern,  dar  noch  worden  sy  breite  grinder  und  rochen 
sere  ubele  Stolle  thür.  chron.  185;  so  hat  disz  haupt 
.  .  .  auch  seine  schupen  und  grinde,  leuse  und  nisse 
gehabt  Mathesius  Sarepta  (l57l)  83*. 

b)  zumeist  aber,  wie  schon  in  dem  ältesten  beleg,  von 
der  krankhdt  als  solcher:  pilos  in  album  mutatos  colo- 
rem,  ut  %xini  facit  Graff  i:,  330  {8.—  9.jh.);  und  zwar 
umgreift  das  wort  nam,entlich  in  älterer  spräche  sehr 
verschiedene  hautkrankheiten  des  menschen:  diewyl  viler- 
lei  gattig  des  grinds  sind,  so  ist  kein  wunder,  dass  die 
arznei  darfür  auch  unglych  sind  Staub -Tobler  2,  759 
{quelle  von  1588);  das  lassen  auch  die  glossierunqen  er- 
kennen: impetigo,  alopicia  Graff  i,  330;  achores  Diefen- 
bach 10";  petigo  432*;  prurigo  i&9^ ;  tinea  ^ii";  serpedo 
nov.  gl.  336*^;  porrigo  erbgrind;  achor  fliessend  häupt- 
grind;  favus,  cerion  gelbfeuchtende  häuptgrind  Orsaeus 
235;  gangroina  der  alten  odder  ungesunden  leut  grindt, 
der  sich  schwerlich  heyin  leszt  .  .  .,  mit  erst  wirt  er 
weisz,  darnach  schwartz,  und  das  fleysch  fült  nichts 
Alberus  dict.  (l540)  ß9*;  in  moderner  ma.  stellenweise 
=  krebs,  lux.  ma.  (1906)  151;  öfter  mit  kratze  «.  raude 
in  parallele  gesetzt:  glabrio  grind,  kretz,  rawde  Diefen- 
bach 264*;  scrabera  gryndt,  rawde  520";  wie  herr  Me- 
lanchthon  hat  zu  sagen  pflegen,  ein  studente  dreyerley 
kranckheiten  habe  als  armuth,  grind  oder  kratze  und 
rotz  d.  wohlgeplagte  priester  (1695)  44;  im  pfülz.  =  kratze 
Autenrieth  56;  attribute  scheiden  bestimmte  arten: 
roth  grinth  vel  vi&rczoien papula  Diefenbach  411'';  vgl. 
rothgrund  heiszt  jeder  bösartiger,  nicht  zu  heilender  ,  . 
borkenloser  ausschlag  Goldsghmidt  Volksmedizin  im 
nordwestl.  Deutschi.  184;  scharpffer  gryndt  claber  Die- 
fenbach 125*;  grosz  grint  morphea  868'';  der  spitze 
grind  =  kratze  Crecelius  437;  schwerende  grinde  Petr. 
de  Crescentiis  (1493)  8*;  fliessender  grind  Hohberg 
georg.  3,402'';  nasser,  fliessender  grind  Kramer  teutsch.- 
ital.  1,  566*;  der  dürre  grint  pupnla  Diefenbach  473<=; 
der  trockene  grind  furfuratio  Blancard  med.  %vb.  (1710) 
281;  =^  flechte  Adelung;  schebigter  grind  Luther  34,  l, 
524  Weim.;  ein  .  .  .  gelbes  fleckelein  (auf  teutsch  fran- 
tzosen  oder  schebichten  grind)  Prätori us  abenthetierl. 
glückstopf  (1669)  436 ;  im  selben  sinne :  ein  frantzösisch 
grind  Logau  sinnged.  430  Ut.  ver.;  besonders  böser  grind, 
in  neuerer  zeit  speciell  im  sinne  von  erbgrind  (*.  d.) 
Blancard  arzneiw.  wb.  (1788)  3,  211'';  es  ist  der  böse 
grind,  der  aussatz  am  köpf  oder  harte  Mendelssohn 
ges.  sehr.  7,  259;  früher  anscheinend  auch  allgemeiner: 
ccntagium  bosir  grint  Diefenbach  nov.  gl.  lio*";  caco- 
ethes  .  .  .  ein  bösz  gschwär  das  kaum  .  .  .  zeheilen  ist, 
als  kräbs  und  böse  grind  Frisius  (1556)  167'';  wiltu 
heylen  den  bösen  grind  an  dem  leyb  Tollat  v.  Va- 
chenberg  marg.  med.  (1516)  16*;  tvo  bloszes  grind  ap- 
pellativ  gebraucht  wird,  ist  in  der  regel  der  kopfgrind 
gemeint,  in  älterer  zeit  eine  der  gewöhnlichsten  krank- 
heiien:  zukt  er  im  daz  piret  von  synem  köpf  und  sieht 
daz  er  den  grind  hat  Steinhöwel  Äsop  316  Ut.  ver.; 
wir  brauchen  es  .  .  .  für  grindt  und  leüsz  Braun- 
schweig ehirurgia  (i5S9)  111  ^ ;  auch  als  kinderkrankheit 
oft  erwähnt:  lattime  .  .  .  der  grind  oder  kratze,  so  die 
jungen  kindlein  gemeiniglich  auff  dem  haupt  bekommen 
HuLSius  (1618)  2,  221»;  diese  bedeutung  ist  noch  heute 
u-eiihin  in  den  maa.  lebendig;   daneben   aber  bis  in    die 

IV.  1.  6. 


neuere  zeit  auch  als  ausschlag  schlechthin:  Judei  omnem 
grind,  schebicht,  gnetzig  dixerunt  lepram  Luther  12, 
664  Weim.; 

und  kratzen  all  weg  iren  grind, 

die  reudig  oder  krätzig  sind 

Scheit  Orob.  4919  neudr.; 

und  sind  über  und  über  im  gantzen  gesiebte  voller 
blasen  und  grind  geworden  Chr.  Reuter  Schlamp, 
krankh.  u.  tod  100  ndr. 
'  c)  zahlreiche  sprichicörter  u.  redensarten  bezeugen,  wie 
verbreitet  zumal  der  kopfgrind  in  früheren  Zeiten  war: 
wen  die  lausz  in  grindt  kompt,  als  man  spricht,  so  wird 
sie  stoltz  Luther  14,  358  Weim.;  man  darf  nicht  leusz 
in  peltz  oder  in  gründ  setzen,  sie  wachsen  wol  selbst 
drin  Henisgh  1746;  gerade  die  Verbindung  von  grind 
und  laus  ist  sehr  gewöhnlich,  s.  th.  6,  351  unten;  der 
malefizkerl!  man  wird  ihm  'nmal  den  grind  herunter- 
fegen ihn  schinden  Schubart  leb.  und  gesinn.  2,l4i; 
einem  den  grind  lausen  'einen  wacker  ausschänden' 
Aler  dict.  1,  982'';  wenn  man  dem  narren  seinen  grind 
nicht  laust,  so  meint  er,  er  sey  der  gelehrteste  Petri 
d.  Teutschen  tceisheit  (1604)  C  cc  6'';  im  sinne  'schnell 
mit  eticas  fertig  werden' : 

wer  seglen  kan  mit  allem  windt 
und  lusen  oben  hin  im  grindt 

Murner  geheimem.  53  neudr. ; 

'sauer  sehen':  er  sihet  als  wolt  er  grind  schweren  {l. 
schmeren?)  Seb.  Franck  sjrüchwörter  (l54i)  2,  62*;  es 
ist  noch  wäre,  were  grint  streit,  der  hat  sölichen  lone 
Arigo  decameron  574,  9  Ut.  ver.;  wer  wird  einen  frem- 
den grind  kratzen?  Wander  2,  137;  grind,  unflat,  leuse 
und  flöhe  sind  des  faulen  tägliche  geste  Petri  Gg6*; 
gesellen  sitten  und  grind  erben  Ff  3*;  lausiger  grind 
beisset  durch  M  m4'';  grind  oder  schorf  lehrt  klawen 
Gg6*;  wo  grind  ist,  da  ist  jucken  Stieler  704;  zu 
einem  bösen  grind  gehört  eine  scharfe  lauge  Kirch- 
hofer Schweiz,  sprüchwörter  243  ;  wer  die  reud  fircht,  der 
findt  den  grind  Henisch  1746;  seinen  grind  an  jemand 
reiben  pei-vertirlo  col  suo  cattivo  esempio  Kram  er  teutseh- 
ital.  1,  566*;  der  hat  alle  grind  im  leib  ist  ein  durch- 
triebener kerl  Wander  2,  137;  in  vertvünschungen : 

du  grobes  rindt,  hab  dir  den  grindt ! 

Jag.  Hartlieb  de  flde  meretr.  104; 

der  grind  soll  ihm  über  den  köpf  fahren!  Wander  2, 
137*. 

d)  seltener  von  haut-  und  haarkrankheiten  der  thiere: 
für  den  gryndt  des  habichs  Mynsinger  von  den  falken 
43;  für  die  raude,  grind  und  schuppen  derer  hunde 
V.  Fleming  vollkomm,  teutscher  jäger  (1719)  193;  so  sich 
einer  befürchtet,  dasz  die  schafe  den  grind  bekommen 
möchten  Mich.  Böhme  vieharznei  (1682)  19;  welches  ross 
gründig  oder  reudig  ist,  dem  schür  das  haar  ab,  da  der 
grind  ist  Seütter  hippiatria  243. 

e)  endlich  auch  'knorrige,  borkige  ivucherung,  misz- 
bildung  an  bäumen'  Staub-Tobler  2,  760;  zeigen  die 
kranken  stellen  {der  angefressenen  kiefer)  schorf,  grind 
und  harzpusteln  Ratzeburg  loaldverderbnis  l,  198;  wei- 
ter ist  gr.  auch  das  kleine  mües  auf  dem  boden  und 
an  denen  bäumen  Heppe  wohlred.  jäger  153*^;  vgl.  den 
beleg  atcs  Heppe  unter  lehde  l,  th.  6,  537;  im  schtoeiz, 
als  eigenname  für  cuscuta  epilinum,  ßachsseide  Pritzel- 
Jessen  122;  für  die  ist  dort  kein  platz,  so  wenig  als 
für  klee,  wenn  der  grind  einreiszt  Staub-Tobler  2,  760 
{quelle  von  1842);  vgl.  763. 

3)  köpf  von  der  bedeutung  2  b,  kopfgrind,  aus  un- 
schwer zu  verstehen. 

a)  zunächst  von  menschen;  schon  mhd.  bezeugt,  Lexer 
1,  1087;  namentlich  im  älteren  nhd.  ungemein  häufig,  zu- 
mal in  alem.  quellen;  meist  mehr  oder  minder  scheltend 
oder  verächtlich,  was  entschieden  für  anknüpfung  an  2  b 
spricht: 

was  gat  uns  denn  Christus  an 

und  Petrus  mit  dem  glatzeten  grind 

N.  Manuel  64,  861  Bächtold: 

pfuy  dasz  man  dir  nicht  die  fleischsuppe  über  den  grind 
herab   giessen   soll   Weise  d.  drei  ärgsten  erznarren  59 

24 


371 


1  GRIND 


2  GRIND  — GRINDEL 


372 


neudr.;  hast  aber  recht,  was  brauch'  ich  dem  kerl  da 
erst  über'n  grind  z'fahren?  Anzengruber  l,  264;  wenn 
das  kalb,  der  gerichtspräsident,  da  wäre,  an  den  grind 
hinan  sagte  ich  es  ihm  Gotthelf  ll,  S96,  mit  beson- 
derer Vorliebe  in  Wendungen  loie:  das  ich  dich  nicht 
über  den  grint  slahe  Arigo  decam.  526,  80  lit.  ver.; 

ich  wolt  dir  dfaust  an  grindt  baldt  schlagen 

H.  Sachs  14,  30  Keller-Götze; 

betrügt  sie  Laudon,   so  schlag  ich  ihm   den   grind  ein  < 
Arnim  li,  232;  gern  auch:  so  würd   man   sie   all  beim 
grind  in  die  turn  werfen  Aventin  4,447;   da  nam  der 
teufel  sie  heym  grindt  Aeg.  Albertinus  Lucifera  könig- 
reichte,  25 Lilienc7-on ;  besonders  alem.  sind  Wendungen  wie: 

der  gouch  sitzt  inen  zu  tief  im  grind 

N.  Manuel  Elsli  Tragdenkn.  v.  40  Bächtold; 

ich  han  so  gar  ein  tollen  grindt 

Schweiz,  schausp.  d.  IG.  jhs.  2,  136  Bächtold; 

im  fluch:  so  helf  mir  gotts  grind!  Staub-Tobler  2,  762 
(quelle  von  1411);  bax  grind  teuf  eis  netz  8707 ;  pox  (potz) 
grint  fastnacJitsp.  173,  14;  283,  5;  339,  35  u.  ö.; 

ach  wee,  nur  wee,  potz  lausz,  potz  grind  I 

H.  Sachs  9,  30  Keller; 

bei  meim  grind  Fischart  Eulensp.  v.  8209  Hauffen; 
mit  besonderer  färbung  'der  harte  schadet' :  die  harten 
Bernergrinden  wurden  wol  stürm  davon,  aber  brachen 
nicht  ein  Gotthelf  ges.  sehr.  5,  67;  auch  bildlich  im 
sinne  des  schwer  fassenden,  häufiger  noch  des  störrigen, 
eigensinnigen  Jcopfes:  magstu  disz  aber  in  dein  alten, 
stettigen,  abergläubischen  grind  dennoch  nicht  bringen 
Guarinonius  greuel  d.  Verwüstung  (16I0)  32;  dasz  sy  die 
gschrift  nach  irem  grind  bücken  wellind  und  zwingen 
ZwiNGLl  dtsch.  sehr.  1,  79; 

ein  altes  weib  bhelt  ihrn  grindt  gleich  wie 
ein  hundt  und  esel  eben 

HöcK  schönes  blumenfeld  83  neudr.; 

gerade  diese  Sonderbedeutungen  sind  in  der  modernen  nia. 
reich  entfaltet,  Staub-Tobler  2,  762/.,  Fischer  scAwäö. 
3,  839;  aber  bisweilen  auch  ohne  jeden  verächtlichen  neben- 
sinn, sogar  in  poet.  spräche: 

(Peneleos)  sein  schwerdt  zoch  ausz  der  scheyden  blosz 
und  thet  ihm  hawen  wegk  den  grind 

Spreng  Utas  (1610)  197"; 

schössen  und  schlugen  zsam  geschwind, 
das  blut  in  lieff  über  die  grind 

ScHMELTZL  zuQ  in  d.  Hungerland  (1556)  A  4'>; 

so  auch  heute  stellenweise  noch  im  Schweiz,  u.  schwäb.; 
das  wort  ist  auch  auszerhalb  des  obd.  in  neuerer  ma.  weit 
verbreitet,  tnd.  vom  lothr.  bis  zum  schles.,  strichweise 
auch  im  nd.  (Dähnert  161;  vgl.  schon  Schiller-Lüb- 
BEN  2,  148*),  aber  dem  anschein  nach  in  der  hauptsache 
in  bestimmten  Wendungen  wie  einem  eins  auf  den  grind 
geben  u.  ä.;  daher  sich  gelegentlich  die  bedeutung  synek- 
dochisch verändern  konnte:  einen  beim  grind  nehmen 
aliquem  obtorta  gula  abripere  Aler  dict.  1,  982'';  'nacken' 
Follmann  lothr.  2i6'>;  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  838. 

b)  dasz  dem  wort  jede  nebenbedeutung  abgehen  konnte, 
zeigt  am,  deutlichsten  die  im  alem.  nicht  seltene  anwen- 
dxmg  auf  den  köpf  von  thieren:  (die  schlangen)  tragen 
auf  dem  grind  acht  hörnlin  Heyden  Plinius  126;  dieser 
hat  ein  grossen  grindt  oder  köpf  Forer  Oesners  fisch- 
buch 40"';  in  neuerer  ma.  besonders  von  rindern  Staub- 
Tobler  2,  760;  auszerhalb  des  alem.  zum  terminus  der 
Jägersprache  geworden:  nennen  auch  einige  des  hirschens 
köpf  grind  Heppe  wohlred.  Jäger  188 '';  der  köpf  von 
roth-,  dam-  und  elenwild  Behlen  forst-  u.  jagdkunde 
3,  501;  wo  das  rothwild  äsete,  das  anfangs  mit  hoch- 
aufgeworfenem grinde  sicherte  Train  Weidmanns  pract. 
25  Thüngen;  auch  in  heraldischer  spräche:  wenn,  wie 
im  Wappen  der  grafen  Sandizell  u.  a.  die  büffelhörner 
noch  mit  einem  stück  grind  (hirnschale)  und  obren 
erscheinen  Siebmacher-Gritzner  wappenb.  -B(i890)  157; 

4)  zoologisch  als  bezeichnung  einer  delphinart,  globio- 
cephalua  melas  Brehm  3,  612  Pechuel- Lösche;  der  schwarze 
(sc.  delphin)  oder  grinde  delphinus  m^las,  globiceps  Oken 

7.  1078. 


2GRIND,  adj.,  nur  zu  igrind  2:  grint  scaber  Biefeh- 
bach  514«;  einer  der  da  ist  grint  o.  schuppet  uff  dem 
heubt  o.  sust  an  der  hude  515''  s.  v.  scabrositaa;  gla- 
brius  grynt,  glacz  nov.  gl.  193*; 

dann  als  das  gryndige  diere 
hasset  die  scherre  schiere 
und  das  grynte  heubt  den  strel 
Pilgerfahrt  d.  träum,  mönchs  7537;  vgl.  10284; 

ich  geh  dir  nit  ein  böse  krumme  guten, 
ja  nit  ein  lus  us  einer  grinden  rufen 
um  din  falschen  ablass 

N.  Manuel  ablaszkrämer  v.  262  Bächtold; 

so  vielleicht  auch:  ob  er  hat  ein  fei  in  dem  äugen  oder 
ein  grinde  sucht  (jugem  scabiem,  3.  Mos.  21,  20)  erste 
dtsche  bibel  3,  433  (ocfer  =  grintsucht?);  nicht  etwa  zu- 
sammengezogen aus  grinte(h)t,  sondern  adjectiviertes  sub- 
stant.;  schon  ahd.  grint  glabrio,  ebenso  grinder  Gkaff 
4,  880. 

GRINDBANK,/.,  sandbank  Benzler  l,  177.  —  grind - 
hart,  m.,  'mit  grind  ausgefahrener  bart  und  mensch, 
der  einen  solchen  hat'  Crecelius  437.  —  grindbatz, 
m.,  rognoso,  rognosaccio,  tignoso  Kramer  teutsch-ital.  1, 
566*;  vgl.  batze  th.  l,  1160.  —  grindbaum,  m.,  elsäss. 
für  rhamnus  frangula,  faulbaum  Pritzel-Jessen  330; 
vgl.  grindholz.  —  grindbein,  n.,  scabiosis  cruribus, 
'pöbelwort  zum  schimpf  Frisch  (l74i)  i,  78''.  —  grind- 
b einig,  adj.:  ein  grindbeinichter  kerl  homo  putridis 
pedibus  Stieler  125.  —  grindberg,  m.,  sandberg:  ein 
grintpergk  neben  Gracius  Freytags  grüntpergk  aus  einer 
gutsbeschreibung  (Zeitz,  iG.  jh.)  Frommann  dtsch.  maa. 
7,  253.  —  grindbeule,/. .•  gr.,  grinddrüse  bolla,  gomma 
di  rogna  Kramer  teutsch-ital.  l,  566\  —  grindbühel, 
m.:  grindpuchel  prurigo  Diefenbach  307'';  vgl.  bühel 
4,  <A.  2,  497.  —  grindbürsterin,  /.,  scabiatrix  Die- 
fenbach 515*.  —  grindbüszerin,  /.,  scabiatrix  ib.; 
nov.  gl.  329^.  —  grindb  utze,  m.,  eigentlich  grindblatter, 
s.  den  beleg  aus  Ryff  unter  pfutze  th.  7,  1817;  dann  als 
Scheltwort:  du  grintbutz  Murner  luth.  narr  4283;  es 
weren  nichts  als  huderbutzen,  grindplützen,  fetzglocken 
Fisch  ART  geschichtklitt.  368  neudr.  —  grinddest,  m., 
s.  dest  6,  th.  2,  1031 ;  =  grindbatz   Kramer  teutsch-ital. 

1,  566*.  —  grinddrüse,  /.,  s.  grindbeule. 
GRINDE,  /.,  jasione  Waldbrühl  pflanzenn.  42. 
GRINDEL,  m.,  altes,  im  westgerm.  xveitverbreitetes  loort, 

das  mit  verschiedenem  stammsilbenvocal  erscheint;  die 
i-form,  ahd.  fast  allein  bezeugt  (Graff  4,  332)  und  auch 
mhd.  vielbelegt  (mhd.  wb.  1,  576*;  Lexer  1,  1086),  scheint 
später  zurückgedrängt  worden  zu  sein;  sie  herrscht  heute 
als  grindel,  gringel  im  nd.,  in  bair.-österr.  maa.  und 
nachbargebieten,  findet  sich  auch  im  thür.,  hess.,  lothr. 
bis  ins  Schweiz,  hinauf;  die  t-form,  die  ahd.  erst  verein- 
zelt begegnet,  hat  ihr  hauptgebiet  im  schiceiz.  und  elsäss., 
erscheint  als  grendel,  grennel,  grengel  aber  auch  im 
schioäb.,  hess.,  sowie  in  nd.  maa.,  namentlich  des  We- 
stens; iceiterhin  thür.,  obersächs.  bis  ins  schles.  hinüber; 
differenzierungen  der  bedeutung  sind  gelegentlich  festzu- 
stellen :  Schweiz,  meist  grendel  'gatter',  grindel  'pflugbaum' , 
genaueres  bei  Staub-Tobler  2,  757;  doch  läszt  sich  ein 
alter  bedeutung sxmter schied  zwischen  grindel  xmd  grendel 
nicht  mehr  erkennen;  urspr.  offenbar  verschiedene  stamme, 
germ.  *grindila-  und  *grandila-  (Franck  etym.  wb.  2213''); 
über  germ.  und  auszergerm.  verwandte  s.  ebd.  und  Siebs 
Kuhns  zs.  87,  822;  seltener  erscheint  als  stammvocal  ü 
oder  11,  vornehmlich  österr.  (s.  u.  5)  und  westnd.:  gründet 
clatrum  Diefenbach  126*;  obex  387»;  obex  schulder, 
regel,  grundel;  pressulum  cleng,  grundel,  zwinget;  ver- 
tipellum  eyn  dorgrundel,  der  in  der  want  stecket  nov'. 
gl.  267*.  290*.  380*  aus  demselben  rhein.  glossar  (a.  1476). 
gründet  Apherdianus  nach  Frisch  871";  auch  im  alem.: 
grfindel  sQ-yccrrj  Frisghlin  nach  Diefenbach  564*  (s.  v. 
succula);  ebenso  noch  heute  im  Thurgau,  Staub-Tobler 

2,  757 ;  auch  hier  mag  alter  ablaut  zu  gründe  liegen,  vgl. 
mnl.  grundel,  grondel  neben  grindel,  grendel ;  stellemoeiae 
scheint  der  n-form  eine  besondere  bedeutung  zugewiesen 
(s.  u.  6). 

i)  'ein  pfähl,  ein  bäum  von  mittler  stärke'  Campe  s.  v. 
grendel;   grendel   paoeillua   Diefenbach   418'';    ich   wil 


373   GRINDELBALKEN,  GRINDELBAUM 


GRINDELHAMMER  -  GRINDIG 


374 


dir  mit  disem  grundel  für  den  köpf  schlagen  Eulen- 
spiegel (1515)  72  neudr.;  de  houede  der  grindele,  myt 
welken  de  arche  ghedreghen  ward  {vectium  capitd)  Lüb. 
bibel  (Udi)  2.  chron.  6,  9;  meist  in  speciellerer  bedeutung, 
und  zwar 

2)  pflugbaiim:  der  pflugbaum  oder  der  grindel  ist  der- 
jenige theil,  mittelst  welchem  der  körper  des  pfluges 
in  der  erde  fortgezogen  wird  Thär  grundsätze  3,  26; 
so  seit  aliers:  grendil  grave  robur  {sc.  aratri)  Wadstein 
kl.  asächs.  sprachdenJcm.  llO,  36  {Oxford.  Vergilgl.);  grin- 
til  temo  Graff  4,  332;  girintal  temo  Diefenbach  nov.  gl. 
360^;  das  lange  holtz,  das  hinaus  gehet  wie  am  wagen 
die  deichsei,  und  hinden  durch  die  stertze  zur  lincken 
handt  gehet,  daran  die  löcher  sein,  nennet  man  den 
grengel  M.  Grosser  anleitung  z.  d.  la^iduirtsch.  (l590) 
N  S**;  in  den  modernen  maa.  allgemein  gebraucht. 

S)  der  riegelbalken ;  ebenfalls  schon  ahd.:  grintil,  crintil 
repagulum,  pessulus,  vectis,  obex,  sera  Graff  4,  332/^ ,• 
erino  portun  ih  firchnussu,  iisnine  grindila  firbrihhu 
Isidor  6,  3  Hench;  obex  grendel  oder  rigel  an  einer 
thuer  Diefenbach  387*;  repagulum  grendel,  grosser  rigel 
GoLius  (1585)  334;  öfter  als  der  vorlege-  oder  vorschieb- 
balken  vom  riegel  geschieden:  so  schleusz  sie  {die  thür) 
zu,  indem  du  den  grindel  dafür  schiebest  oder  nur  den 
riegel  Comenius  sprachenth.  542  Docemius;  wann  die 
rigel  und  grendel  aufgebrochen  und  das  tor  also  ge- 
fallen .  .  .  wäre  Staub-Tobler  2,  758  {quelle  von  1548); 
vom,  fensterverschlusz :  darum  siebet  man  auch  keine 
Schlösser  an  den  thüren  noch  grindel  an  den  fenstern 
W.  Schultz  ostind.  reise  (1676)  ss'';  auch  im  tcestlichen 
nd.  bis  in  die  neue  zeit  ganz  gewöhnlich. 

4)  in  weiterem  sinne  für  Sperrvorrichtungen  verschie- 
denster art,  und  zwar  wesentlich  auf  hoch-  und  nieder- 
alem.  boden;  sera,  clausura,  claustrum  Serranus  syn. 
(1579)  *.  V.;  vacerra  grendel  an  dem  zäun  Golius  onom. 
(1582)  50;  grendel  =  blegi  {sperre  für  zaundurchgänge) 
Martiny  ivb.  d.  milchuirtsch.  47;  'schlagbaum  vor  einem 
thore'  {Schweiz.)  Campe;  'hölzernes  gitterthor  an  einer 
bannscheide'  Schmidt  elsäss.  154*  mit  alten  belegen; 
'starkes  hölzernes  gitterthor'  MartinLienhart  1,  277''; 
so  söUent  sie  den  grendel  uf  sant  Arbogasts  brücken 
zu  slahen  Straszb.  ordn.  30  Brucker;  'äuszerer  gatter  an 
den  stadtthoren  {Basel,  alt.  spr.)'  Staub-Tobler  2,  757; 
{ein  absagebrief)  ist  auf  Catharinä,  j.  1458  im  grendel 
vor  dem  oberen  thor  gefunden  worden  Petri  d.  stadt 
Mühlhausen  geschichten  134  Graf;  'pallisademcerk' :  am 
eingang  des  schlosz  war  ein  grendel  vor  der  mauren 
mit  vilen  scharpfen  langen  eisen  besteckt  Hedio  Co- 
m,ines  176*;  vgl.  propugnaculum  vurburge,  gryndel,  run- 
deel  Diefenbach  466'';  im  Schweiz,  vielfach  für  ver- 
schiedenartige tvassersperren ;  im  älteren  Zürich  war  der 
grendel  eiii  pallisadenwerk,  das  die  stadt  gegen  den  ein- 
tritt vom  See  her  sicherte  Staub-Tobler  2,  757;  vgl.  eben 
war  man  {auf  d.  schiffe)  durch  das  wasserthor  des 
grendels  gefahren  C.  F.  Meyer  Jürg  Jenatsch  (l90l)  88; 
bildlich:  durch  den  grendel  der  zene  Keisersberg 
Vaterunser  (1515)  C  2*. 

5)  welle  von  rädern:  grindel,  wellbaum  an  dem  mül- 
rad  axis  rotae  aquariae  Henisch  1746;  ein  neu  Wasser- 
rad oder  gründel  bauordn.  bei  Birlinger  schwäb.-augs- 
burg.  205'';  das  Wasserrad  am  halbverkohlten  gründel 
.  .  .  war  stehen  geblieben  Rosegger  I  8,  182;  bei  .  .  . 
gebläse  rädern  .  .  .  nennt  man  sie  {die  achsen)  vorzugs- 
weise wellbäume  oder  gründel  Scheughenstuel  österr. 
berg-  u.  hüttenspr,  262. 

6)  der  hebelarm  eines  spannwerkes:  sucula  grändel, 
darmit  man  spannet  Frischlin  nom.  (1586)  268*;  gren- 
del: windenzug  succula,  ergata,  machina  tractoria  He- 
nisch 1740;  s.  windenzug  th.  14,  2,  297;  'auch  der  Span- 
ner an  der  armbrust  unrd  grendel  genannt  {in  der  Schweiz)' 
Jacobsson  technol.  wb.  2,  iso''. 

GRINDELBALKEN,  m.:  die  am  grengel-  oder  pflug- 
balken  befindlichen  löcher  allg.  haushält,  lex.  3,  624.  — 
grindelbau  m,  m.,  =  grindel  Kram  er  teutsch-ital.  l, 
566'';   de  sone  Leui  nemen  de  arcken  godes  .  .  up  6re 


schulderen  mit  grindelbömen  {in  vectibus)  Halberstädt. 
bibel  (1522)  1.  chron.  15,  15;  pßugbalken  Jacobsson  tech- 
nol. wb.  2,  150*;  'der  bäum,  tcelcher  das  thor  trägt,  und 
dessen  unterster  theil  der  angel  ist'  österr.  Popowitsch 
versuch  17.  —  grindelhammer,  in.,  unsicherer  be- 
deutung, öfter  in  alten  steir.  inventarprotokollen  Unger- 
Khull  308*.  —  grindelholz,  n.,  riegel  vor  dem  boden 
der  fässer  Schütze  holst.  2,  68.  —  grindelkette,  /.. 
'diejenige  kette  an  dem  grendel  eines  pfluges,  vermittelst 
ivelcher  der  pflüg  tiefer  oder  seichter  gestellet  wird'  Ade- 
lung; allg.  haush.  lex.  1,100*. 

GRINDELN,  vb.,  pessulare  Diefenbach  431'';  sie 
sullen  auch  die  portzen  ovends  grindelen  Wallraf  31 
{quelle  von  1340);  grendelen  obdere  pessulum  ostio  He- 
nisch 1740;  bei  Stieler  711  auch  gründelen;  grengeln 
zuriegeln  Loritza  id.  vie7in.  54;  vgl.  schon  ahd.  picrin- 
tilon  u.a.  Graff  4,333.  —  grindel wiede,  /.:  wo 
leichte  acker  sind,  braucht  man  {statt  der  grindelkette) 
nur  starcke  geflochtene  weidene  .  .  .  wieden,  die  man 
grengelwieden  heisset  allg.  haush.  lex.  l,  618*;  die  kurtze 
eyserne  ketten,  so  man  an  den  grengel  leget  .  .  .,  nen- 
net man  die  grengelwiedte  Grosser  anl.  zu  d.  land- 
wirtsch.   (1590)  N  4*. 

GRINDEN,  vb.,  grindig  sein,  tcerden:  unsere  leibe 
werden  dort  nicht  ein  stancksack  sein,  grinden,  rotzen, 
eitern  Chr.  Irenaeus  Spiegel  d.  ew.  lebens  (i589)  1  2*; 
auch  mhd.  schon,  Lexer  l,  1086.  —  grindfleck,  m.: 
scabiem  profundam  grintflecken  Diefenbach  nov.  gl. 
328'';  grindflecke,  krätzflecke  vestigia  scabiei  Stieler 
497;  anders:  die  küssen  .  .  .  waren  .  .  .  mit  neugewa- 
schenen ziechen  überzogen,  darinnen  wir  die  grind- 
flecken gar  artlich  sehen  konnten  franz.  Simpl.  (1683) 
1,1.34.  —  grindhand, /.,  l)  grindige  hand;  2)  name 
eines  korallentieres ,  alcyonium,  exos.  Nemnich  wb.  d. 
naturgesch.  210;  vgl.  Campe.  —  grindhaube,  /.,  mit 
grindsalbe  beschmierte  haube,  teignasse  Mozin-Biber  wb. 
d.  frz.  spr.  1,  431'';  auch  von  einer  pechhaube,  die  noch 
im  vorigen  Jahrhundert  bei  einer  eisenbartkur  verwendet 
wurde:  man  liesz  die  haube  einige  zeit  auf  dem  grind- 
köpf  und  risz  sie  dann  mit  dem  daran  festhaftenden 
grinde  vom  köpf;  genaue  beschreibung  bei  Chomel  öcon. 
lex.  4,  1355;  so  vielleicht  schon  bei  Keisersberg:  die 
hüben  must  du  zucken ;  wan  eim  kind  der  grind  obnen 
dannen  thut  .  .  .  und  man  meyancken  daruff  salbet, 
der  wachsset  über  nacht  wider  ...  es  thut  sein  nit, 
du  must  die  grindhaub  gar  dannen  zucken,  das  ist  die 
wurtzlen  haruss  thun  evang.  (1517)  81  * ;  oder  mit  Frisch 
(1741)  1,  373"  als  'totius  cranii  sive  capitis  scabiosi  crusta' 
zu  verstehen ?  —  grindheil,  n., veronica  officinalis, ehren- 
preis  Pritzel-Jessen  433;  Toxites  hörn  d.  heils  G  6*; 
grüntheil  Bock  fcräwferi.  (i56i)  so».  —  grindholz,  n., 
rhamnus  frangula,  faulbaum  Pritzel-Jessen  330;  lux. 
ma.  (1906)  152;  Adelung;  wenn  dieses  holz  .  .  .  bey 
feuchter  Witterung  .  .  .  anfängt  zu  faulen,  so  erzeugt 
sich  die  tremella  purpurea  L.  .  .  .  darauf,  welche  wie 
rothe  punkte  aus  der  rinde  hervorbricht  Schkuhr 
botan.  handbuch  l,  150;  daher  der  name;  vgl.  grind- 
baum. 

GRINDIG,  GRINDICHT,  adj.,  schon  ahd.  als  grintoh- 
tir  yrurchus  Diefenbach  310*;  der  ichi- form  scheint 
seit  alters  das  md.  mehr  zuzuneigen ;  sie  ist  im  18.  jh. 
in  Norddeutschland  geradezu  die  bevorzugte  schriftform; 
die  seit  Adelung  öfter  wiederholte  trennung  grindicht 
'dem  grinde  ähnlich',  grindig  'mit  dem  gr.  behaftet'  ist 
haltlos,  seltenere  formen:  grinnicht  scaber  Diefenbach 
614«;  grinniger  scabrosus  515";  gründicht  Sebiz  feldbau 
(1579)  601;  gründig  s.  u.  l  a,  c;  grundig  scabidus  Die- 
fenbach 515*  {nd.,  vgl.  grind). 

1)  fast  ausschlieszlich  zu  grind  2,  'mit  ausschlag  be- 
haftet', wobei  die  bedeutung  entsprechend  dem  grundwort 
schwankt:  scabiosus  .  .  .  grindicht,  schebicht,  reudicht 
Alberus  dict.  (1540)  59*;  grindochte  alopiciosus  Diefen- 
bach 25°;  espidus  {statt  hispidus)  scharpfTer,  gryndiger, 
kretziger  210°;  grindig  glaber  264*;  kretzig  0.  grindig 
impetiginosus  288" ;  grinticht  pruriginosua  iSd^ ;  ulceratua, 
ulcerosus  Kirsch  com.  2,  159*. 

24» 


375 


GRINDIG 


GRINDIGE  -  GRINDLEIN 


376 


a)  zumeist  auf  menschen  bezogen:  der  grindig  Guggoch 
Witten  WEILER  ring  143,  23;  ich  bin  der  sklav  eines 
jeden  bürgers,  der  mir  einen  grindigen  buben  anver- 
traut Schubart  br.  l,  lOO  Strausz;  als  Scheltwort:  grin- 
diger schuft  Shakespeare  7,  168 ;  gern  substantivisch :  die 
gründigen  werden  sich  selbst  beissen,  grammen  und 
fressen  Fischart  praktik  29  neudr.;  weitere  belege  unter 
b;  man  wird  in  den  meisten  fällen  an  den  grind  y.uT 
f^oxrji',  den  ausschlug  des  kopfes,  zu  denken  haben;  vgl. 
und  was  das  grindige,  schorbige  haupt  begehre,  das  thun 
die  andere  glieder  Schupp  sehr.  (1663)  827;  ich  .  .  .  liesz 
kinder  mit  grindichten  köpfen  das  abece  lesen  Win- 
CKELMANN  11,  98;  aber  auch,  wenngleich  seltener,  von 
andern  körpertheilen  : 

und  beissen  dich  die  grindig  hend, 
so  kratz  dich  fluchs  am  selben  end 

Scheit  Grobian,  v.  466  neudr. ; 

grindige  sehen  ekel,  ein  grindig  maul  Kram  er  teutsch- 
ital.  1,  566*;  ein  grindicht  gesicht  Schmidt  gestrieg. 
rockenphilos.  (1706)  2,  215;  schrundig  in  dinen  henden 
und  grindig  by  dinem  gemecht  buch  d.  beisp.  76  lit.  ver. 

b)  von  thieren,  vielfach  synonym  m,it  räudig:  ist  es, 
das  der  habich  gryndig  oder  reydig  ist  Mynsinger  von 
den  falken  43;  ich  als  ein  grindiger  guckuck  aussähe 
Grimmelshausen  Simplic.  Sil  neudr.;  würt  eyn  pferdt 
schebig  oder  grindig  Herr  f eidbau  (l55i)  191*;  so  eyn 
rind  grindig  wirt  Sebiz  f eidbau  (1579)  128;  zu  welchem 
orthe  die  schafe  reudieht  oder  grindicht  seyn  Böhme 
vieharznei  (i682)  19;  damit  nit  so  faul,  grindig  und  un- 
rein vieh  geschlachtet  werde  Frankfurter  zunfturk.  I  l, 
382; 

(wo  er)  den  grindigsten 

der  hunde  trinken  sah        Hedbel  1 1, 125 ; 

auch  als  schelte:  du  grindicher  hund !  Follmann  lothr. 
216". 

c)  wie  das  subst.  in  zahlreichen  Sprichwörtern  u.  redens- 
arten ;  wieder  tritt  der  enge  Zusammenhang  zwischen  grind 
und  laus  zutage:  wer  lausig  ist,  der  wirdt  baldt  grindig 
Henisch  1746;  es  heiszt  eben  prediget,  wie  man  eim 
grindigen  lauszt,  obenhin  Schmidt  elsäss.  155"  aus  Zell  ; 
weiteres  unter  lausen  1 ,  th.  6,  358 ;  sonst  lust  ein  grin- 
diger dem  anderen  d.  h.  ein  bemakelter  schilt  den  an- 
dern Clemen  reform,  flugschr.  l,  238,  ein  vielcitiertes 
Sprichwort;  auch  variiert:  ich  lacht  schier  gern,  dasz 
ein  grindiger  dem  andern  so  sanft  krauelt  Schade  saf. 
u.  pasqu.  2,  76;  in  neuerer  ma.:  da  will  ich  lieber  einem 
grindigen  lausen  als  Fischer  schwäb.  3,  840;  es  hat  mir 
alles  wöler  gethan  als  den  reudigen  das  strigelen  und 
den  grindigen  das  strälen  Fisghart  geschichtklitt.  2ii 
neudr.;  dem  grindigen  köpf  ist  immer  bang,  man  werde 
ihn  kämmen  Otho  evang.  krankentrost  1342;  der  furcht- 
sam furcht  sich,  wie  ein  grindiger  köpf  vor  der  laugen 
Lehmann  florileg.  polit.  l,  253;  indessen:  auf  ein  grin- 
digen köpf  gehört  ein  scharfe  lauge  Petri  d.  Teutschen 
iceisheit  2,  J  5"  ;  wenn  ein  haupt  grindig  oder  schäbig  ist, 
so  hawt  maus  doch  nicht  ab  Lehmann  l,  465;  barm- 
hertzige  mütter  ziehen  lausige  oder  grindige  töchter  2, 
809 ;  ein  schön  angesicht  verkaufft  wol  einen  grindigen 
leib  Petri  2,  Y  3";  grindige  haut  blutet  bald  2,  Gg6», 
und  ähnlich  nach  Wander  2,  138  auch  in  jüngeren  Sprich- 
wörtern; im  ganzen  aber  ist  deutlich,  wie  mit  der  krank- 
heit  selber  auch  der  bunte  reichtum  dieser  Wendungen 
zurückgegangen  ist;  von  thieren  ist  seltener  die  rede:  grin- 
dige, schwache  oder  unnütze  katzen  leben  lang  Petri 
2,  Gg  6**;  ein  grindig  schaf  macht  die  ganze  herd  grin- 
dig 2,  V  3». 

d)  weiterhin  auch  'grindartig,  vom  grind  herrührend' : 
benimpt  auch  die  bösen  grindigen  flecken  im  angesicht 
Lonicerus  114";  {wenn)  an  der  slirn  immer  rothe, 
grindigte,  schwindartige  flecken  aufzufahren  anfangen 
Hufeland  makrob.  ^2,  124;  so  .  .  .  die  grindige  rud  zä 
einem  ammal  kommen  ist  Herold -Forer  Gesners 
thierb.  (1563)  56". 

2)  nur  im  alem.  auch  zu  grind  3,  'eigensinnig' :  sonder 
sy  werden  durch  gfietig  ermanung  in  iren  herten  nack 


nur  deszt  starrer  und  gryntiger  Berth.  v.  Chiemsee 
teutsche  theol.  (1852)  6;  vgl.  Staub-Tobler  2,  769. 

GRINDIGE,  /.,  das  grindigsein:  eieröl  benimpt  die 
cholerisch  grindige  Heusslin  Gesners  vogelbuch  97*;  an- 
scheinend auch  als  neutr.:  würt  aber  schmertzen  oder 
apostem  oder  jucken  oder  grintig  Braunschweig  chi- 
rurgia  (1539)  87";  vgl.  räudige  th.  8,  256. 

GRINDIGKEIT,  /.,  pupulositas  Diefenbach  nov.  gl. 
309";  raud,  .  .  grindigkeyt  scaöies  Dasypodius  293:  raud 
und  grindigkeit  wirt  mit  essich  und  alaun  vertriben 
Herold-Forer  Gesners  thierb.  (i563)  135*;  und  hilfet  vast 
in  alopieia,  daz  ein  grindigkeit  des  houbtes  ist  Braun- 
SGHWEIG  kunst  zu  distilieren  (1500)  120*.  —  grindkinn, 
«.,  mentagra  Nemnich  lex.  nosol.  iö'^.  —  grindkol- 
ben,  7n.,  der  butzen  des  grindgeschwürs  {vgl.  kolbe  6  g, 
th.  5,  1606) :  also  tief  seind  die  grindkolben  inge wurzelt 
von  der  erbsünd  Keisersberg  evang.  (1517)  87*;  'die 
unterstell  weiszen  enden  an  den  haaren,  die  im  grind- 
kopf  stecken'  Frisch  (i74l)  l,  373". 

GRINDKOPF,  m..  ein  grindiger  köpf;  tinea  Nemnich 
lex.  nosol.  15*:  der  grindkopf  {ist)  von  unzifer  Dann- 
hauer catech.  milch  1,  288;  eine  epilepsie,  welche  von 
einem  grindkopfe  entstanden  war  allg.  dtsch.  bibl.  21, 
133;  als  redensart: 

pfaff,  pfaff,  fürber  mit  dem  gelt,  gib  us, 
eb  dass  ich  dir  den  grindskopf  erlus  I 

N.  Manuel  ablaszkr.  166  B.  ,- 

bildlich:  es  ist  ein  wunderbar  ding  ums  regiment  dieser 
weit,  so  einen  politisch  moralischen  grindkopf  nur  halbe 
wege  zu  säubern  Göthe  iv  3,  129  Weim.;  dann  auch 
für  den  menschen,  der  einen  grindkopf  hat:  tignoso,  tigno- 
saccio  Kramer  teutschital.  l,  566*; 

der  auf  dem  haupt  ist  kahl  und  blosz, 
der  dünkt  sich  bei  dem  grindkopf  grosz 

dtsch.  Volksbücher  1,  13  Simrock: 

seit  alters  als  scheltivort:  ich  muz  dich  grindkopffe  ein- 
mahl gehen  lernen  Kirchhof  ivendunm.  3,  236  lit.  ver.; 
so  noch  heute  in  alem.  und  westmd.  maa.,  bisiveilen  m,it 
besonderer  bedeutung:  'dummkopf  Martin-Lienhart  1, 
460;  'mürrischer  mensch'  lux.  ma.  (1906)  151;  vgl.  dazu 
grind  3;  in  älterer  spräche  stelleniveise  für  eine  rosinen- 
torte  Radlof  teutschkundl.  forsch.  1,  70;  'kleiner  kram' 
Grolman  spitzbubenspr.  27*;  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  841. 

GRINDKRAUT,  n.,  name  mehrerer  pflanzen,  die  als 
Jieilmitiel  für  den  grind  gebraucht  wurden. 

1)  zumeist  für  scabiosa  arvensis,  und  zwar  am  frühe- 
sten und  häufigsten  in  alem.  und  den  nördlich  angren- 
zenden md.  maa.,  ico  die  bezeichnung  noch  heute  im  dia- 
lect  erscheint:  scabiosa  Diefenbach  515*;  Alberus  dict. 
(1540)  FF  4=^;  scabiosa,  das  ist  grindtkraut,  darumb  das 
solch  kraut  für  die  grind  und  rauden  gebraucht  würdt 
Fuchs  (1543)  c.  273;  die  blaue  scabiose  oder  grindkraut 
Neumark  neuspr.  teutscher  palmb.  287;  vgl.  Martin- 
Lienhart  1,  530*;  PritzelJessen  199;  stellenweise  auch 
für  andere  scabiosenarten :  scab.  columbaria  lux.  m.a. 
(1908)  152 ;  bei  Campe  auch  gattungsname  der  scabiosen. 

2)  ziemlich  häufig  und,  wie  es  scheint,  auch  in  dem 
unter  1  umschriebenen  gebiet  für  senecio  vulgaris,  kreuz- 
würz,  mlat.  erigeron:  grindkraut  oder  baldgreisz  Loni- 
cerus kräuterb.  (1604)  128*;  senecio  Calepinus  xi  ling. 
1828*;  erigeron  492*;  vgl.  Pritzel-Jessen  374;  gemeines 
kreuzkraut  Frischeier  l,  258. 

3)  seltener  und  in  älterer  spräche  nicht  belegbar  für 
fumaria  officinalis,  gewöhnlich  'erdrauch',  auch  'krätz- 
heil' genannt  Sghkuhr  bot.  hdb.  2,  322;  Holl  88"; 
Pritzel-Jessen  156. 

4)  nur  vereinzelt  für  rumex  obtusifolius,  wilder  ampfer, 
gewöhnlicher  grindwurz  {s.  d.)  Pritzel-Jessen  348;  Nem- 
nich wb.  d.  naturgesch.  210.  —  grindlattich,  m.,  bar- 
dana  Diefenbach  68";  lapathum  818*;  nach  Pritzel- 
Jessen  346  deutet  beides  auf  rumex-arten  {s.  grindkraut 
4);  grindlattich,  grindwurz  rumex  patientia  ib.  349;  vgl. 
schorflattich  th.  9,  1577.  —  grind  laus,  f.,  pidocchio  di 
rogna  Kramer  teutsch-ital.  l,  566*.    —   grindlein,  n.. 


377 


GRINDLIPPICHT  —  GRINDWAL 


GRINDWURZ  -  GRINNEN 


378 


demimct.  zu  grind  2:  nu  mus  man  leiden,  ob  etwa  an 
einem  schönen  leibe  eine  wartzen  oder  grindlin  sey 
Luther  51,  548  Weim.;  (das  rosz)  wirft  oft  ayter,  oftmals 
auch  grindlein  oder  ruffen  .  .  mit  dem  speichel  heraus 
Zechendorfer  gebrechen  d.  rosz  (l57l)  1,  25*.  —  grind- 
lippicht,  adj.,  ostigine  foedus  Stieler  i060.  —  grind- 
magen,  s.  grindmohn.  —  grindmal,  n.;  eine  .  .  . 
beschreibung  und  klassißcation  der  vormäler,  d.  h.  der 
flecken  und  fleckmaale,  der  flechten  und  grindmaale 
allg.  dtsch.  bibl.  102,  30.  —  grind  maul,  n.,  ostigo 
Stieler  1255;  als  Schimpfwort  Pansner  schimpfwb. 
2i^.  —  grindmohn,  m..  papaver  rhoeas,  klatsch- 
mOhn  HoLL  136^;  in  älterer  form:  im  bistumb  Speier 
und  Wormbser  gaw  nennt  man  sie  (die  klapperrosen) 
auch  grindmagen  Bock  kräuterb.  (l55l)  45'';  noch  heute 
im  hess.  grindmage  Crecelius  437;  auch  preuszisch 
noch,  Frischbier  2,  526;  Pritzel-Jessen  263.  — 
grindnase,  /. .-  ihro  Spektabilität  .  .  .  leiden  seit  eini- 
ger zeit  an  einer  .  .  .  grindnase  Krummagher  unser 
groszvater  90;  als  Schimpfwort  Pansner  schimpfwb.  24"^. 
—  grindort,  m.,  in  einen  ström  vorspringende,  aus 
triebsand  bestehende  landzunge  (ndrhein.)  Benzler  1, 177,- 
Jacobsson  technol.  wb.  2,  153^.  —  grind  pf  last  er,  n. 
Chomel  öcon.  lex.  4,  1355.  —  grindpfutze,  s.  grind- 
butze.  —  grindrabe,  m.,  corvus frugilegus :  die  rücken- 
oder  grindraben,  bey  diesen  ist  der  schnabel  voller  grind 
Heppe  wohlred.  Jäger  (1'1'79)  295^;  Adelung;  vgl.  rücken- 
rabe  th.  8,  1364.  —  grindrebe,  /.,  glechoma  hederacea, 
gundermann  Pritzel-Jessen  166;  acera  Diefenbach 
nov.  gl.  6"^;  vermengung  von  acer  und  acera  hat  in  man- 
chen glossaren  die  grindrebe  neben  den  massholter  ge- 
bracht, vgl.  maszholderbaum  th.  6,  1741.  —  grindrose, 
/.,  l)  knautia  (arvensis)  grindkraut  {s.  d.)  Prahn  pflan- 
zenn.  36;  2)  holzwucherung :  grindrose  der  esche  Ratze- 
burg ivaldverderbnis  2,  108.  —  grindrufe,  /.;  grind- 
rufe, -raude,  -rinde  chiazza,  crosta  di  rogna  Kramer 
teutschital.  1,  566*.  —  grindsalbe,  /..-  etlich  machen 
gute  grindsalbe  von  dem  scabiosensaft  Tabernaemonta- 
nus  (1644)  449"';  FisGHER  schwäb.  3,841;  Campe.  —  grind- 
sand,  m.,  kiessand  Doornkaat-Koolman  l,  687^.  — 
grindschmitze,  m.  und  f.,  schlag  auf  den  köpf :  aber 
mit  der  handt  gaben  sie  ihm  starcke  maultaschen  und 
grindtschmitzen  Albertinus  Lucifers  königr.  158  Li- 
liencron;  hätte  dir  längst  schon  einen  grindschmitzen 
versetzet  Jan  Rebhu  tceltkucker  (1679)  3,  107.  —  grind- 
schnabel,  m..  Saatkrähe,  corvus  frugilegus  Naumann 
naturgesch.  d.  vögel  2,  78;  Heppe  aufricht.  lehrprinz  (l75l) 
167;  vgl.  grindrabe.  —  grindschuppe,  /.,  von  grind 
herrührende  schuppe:  ein  brunne,  dessen  wasser  .  .  . 
oben  auf  nicht  anders  anzusehen,  als  ob  es  mit  grind- 
schuppen bedeckt  wäre  Happel  relationes  curiosae  (1685) 
2,  678 *;  das  wasser,  darin  andern  gesotten,  heilt  alle 
böse  grind  seh  tippen,  flechten  und  mäler  Fechner  er- 
klärung  volksthüml.  pflanzenn.  11;  vgl.  schuppe  3,  th.  9, 
2014.  —  grindschüppel,  m.,  nur  als  Schimpfwort: 
der  berauschte  Herodes  hatte  .  .  .  grosses  wolgefallen 
an  diesem  hupfenden  grindschippel  (Salome)  Abr.  a 
St.  Clara  etiv.  f.  alle  i,  182;  ein  rusziger  grindschippel 
brachte  mir  ein  langes  brod  daher  Stranitzky  lustige 
reiszbeschr.  29  Werner;  grindschiepel  Schimpfname  eines 
bauern  Göthe  38,  439  Weim,.;  noch  heute  mundartlich 
grindschüppel  schmutziger,  ekliger  kerl  Unger-Khull 
308;  Schmeller  2,  438;  die  etymologie  des  zweiten  be- 
standtheils  ist  zweifelhaft;  vgl.  schüppel  th.  9,  2018  und 
schiepe,  schiepel  tö.  19.  —  grindschuppig,  adj.:  vier 
rotzklitzige ,  grindschupige  .  .  .  hurenkinder  Fischart 
geschichtklitt.  66  neudr.  —  grindschusz,  m.,  kopfschusz 
Behlen  forst-  u.  jagdk.  8,  501.  —  grindstein,  m.  'wird 
an  einigen  orten  der  granit  genennet'  bergmänn.  wb.  (1778) 
242;  was  auf  gengen  und  stocken  bricht,  das  bricht  ge- 
meinigklich  .  .  in  einem  Sandstein,  .  .  biszweilen  auch 
in  einen  grindstein,  kisz  Mathesius  Sarepta  (i57l)  99*; 
natürlich  von  der  körnigen  beschaffenheit  des  gesteins 
(vgl.  grind  l),  nicht  von  seiner  ähnlichkeit  mit  einem 
grinde,  wie  öfter  angegeben  wird;  gr.  lapis  scabiosus, 
vilis  Henisch  1746;  vgl.  Chomel  öcon.  lex.  4,  1355;  saxa 
vilia  grindstein  Frischlin  nom.  (1616)  361*.  —  grind- 


wal,  m. ,  eine  delphinart,  glohiocephalus  melas  Brehm 
thierl.  3,  612  Pechnel- Lösche;  =  grind  4,  s.  d. 

GRINDWURZ,  /.,  name  verschiedener  pflanzen. 

1)  zumeist  für  rumex  obtusifolius,  mengelwurz,  eitie 
ampferart  Pritzel-Jessen  3i8;  dieselbe  pflanze  meinen 
bezeichnungen  wie  rumex  acuta  Alberus  dict.  (l540) 
FF  3*;  hippolapathum  ländewurtz  .  .  grindwurtz  Frisius 
(1556)  630*;  lapathum  sylvestre  hasenampfer,  grindwurtz 
GoLius  (1585)  418;  grindwurtz,  wilder  ampfer,  mengel-, 
streif-,  zitterwurtz  rumex  acutus,  oxalis,  lapathum  acu- 
tum .  .  .  quod  scabiem  curat  Henisch  1746;  grindwurz, 
mengel-  et  streifwurz  lapathum,,  oxylapathum  Stieler 
2586;  noch  heute  im  dialect,  vgl.  Unger-Khull  308*; 
Frischbier  l,  253;  selten  für  andere  ampferarten:  ru- 
mex patientia  italiänische  grindwurz  Schkuhr  bot.  Hdb. 
1,  310;  vgl.  grindlattich. 

2)  nicht  häufig,  aber  früh  bezeugt  für  chelidonium 
maius,  schellkraut:  grintwrz  cilidonia  Graff  1,  1051; 
clielidonia  Diefenbach  nov.  gl.  83*. 

8)  ebenfalls  nur  selten  für  lappa  maior,  die  gemeine 
Mette  Frisch  (l74i)  374*;  arctium  lappa  gemeine  klette 
.  .  .  grindwurz  Schkuhr  bot.  hdb.  3,  48;  vgl.  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  210,  wo  aber  grindwurz  statt  grind- 
steinwurz  zu  lesen;  würzet  von  arctium  lappa  Unger- 
Khull  308*;  die  blätter  sind  denen  von  rumex  obt.  (s.o.l) 
ähnlich;  mlat.  ebenfalls  wie  l)  als  lapathum  bezeichnet; 
liegen  Verwechslungen  vor?  derselbe  verdacht  besteht  in 
einigen  andereii  fällen:  in  einigen  quellen  für  senecio 
vulgaris,  kreuzkraut  Pancovius  (1673)  372;  Holl  136*; 
v^^.  Nemnich  a.a.O.;  grindwurtz  gerontea,  cruciata,  se- 
necium  Steinbagh  2,  1054  scheint  auf  dieselbe  pflanze 
zu  zielen;  sie  heiszt  gewöhnlich  grindkraut  (s.  d.  2).  grind- 
wurtz scabiosa  Kramer  teutschital.  2,  1409'',  also  für 
gewöhnliches  grindkraut  1.  ebenso  vereinzelt:  gallium 
creutzwurtz,  grindwurtz  Frischlin  nom.  (1616)  115* ; 
kann  nur  auf  gallium  cruciatum,  eine  labkrautart,  gehen, 
vgl.  Pritzel-Jessen  159;  Holl  218*;  wohl  Verwechslung 
mit  kreuzkraut  =  grindkraut  l.  verdächtig  ist  auch  die 
beziehung  auf  chenopodium  bonus  henricus,  gänsefusz, 
bei  Nemnich  a.  a.  o.  —  grindwurzel,  /.  l)  =  grind- 
wurz 1:  rumex  obtusifolius  Pritzel-Jessen  348;  grind-, 
menwenwurzel  bardana  Diefenbach  68";  lapathium 
agreste  Alberus  dict.  (1540)  FF  3*;  dise  rhabarbara  und 
ire  Schwester  grindtwurtzel  Bock  kräuterb.  (l55l)  115  **. 
—  2)  =  grindwurz  3:  klette  und  von  einigen  auch 
dockenkraut,  grindkraut,  grindwurtzel  .  .  genannt,  lat. 
bardana,  lappa  oder  personata  Chomel  öcon.  lex.  5,  1197; 
auch  schon  bei  Pancovius  (1673)  226;  auch  für  verwandte 
pflanzen:  arctium  bardana,  filzige  klette  Holl  195"; 
SchlechtendalS  2,  118. 

GRINITSCH,  m.,  name  verschiedener  ginsterartiger 
pflanzen,  zumal  genista  tinctoria,  färbeginster,  und  spar- 
tium  scoparium  (oder  sarothamnus  scoparius)  pfriemen- 
kraut:  es  findet  sich  . .  jenseits  der  Elbe  eine  . .  art  (genest), 
so  insgemein  grinitzsch  genennet  wird,  aber  es  ist  mehr 
eine  wilde  art  und  unkraut,  als  etwas  nützliches  zu 
nennen  Carlowitz  amoeis.  z.  baumzucht  (l713)  253 ;  viel- 
fältig variiert:  grinitz,  grintz,  gritsche,  grünsche,  grisse 
V.  Perger  l,  180;  grintsche  Holl  128'',  grichsche,  grim- 
sche,  grische,  grünitz  ti.  a.  283*';  vgl.  Pritzel-Jessen 
127;  Oken  erhebt  grische  zum  gattungsnamen  für  die 
glydneen,  allg.  naturgesch.  3,  3,  1629^.,-  nach  v.  Perger 
liegt  überall  lat.  ginestra  zu  gründe. 

GRINGEL,  m.,  flschname  s.  gründel. 

GRINITZ,  m.,  loxia  curvirostra,  kreuzschnabel  siehe 
grünitz. 

GRINNEN,  vb.,  nur  bis  ins  IG.jh.  literarisch  belegbar; 
zunächst  'knirschen' :  si  grunnen  über  mih  mit  zanen 
(frenduerunt  dentibus  ps.  24,  29)  interlinearvers.  d.  psal- 
men  143  Oraff;  weiterhin:  gannire  greynen,  grynnen 
Diefenbach  257'';  grunnire  grynnen  porcorum  nov.  gl. 
198*; 

so  wol  wir  euer  mit  grinnen  walten 
sagt  der  teufel  Lasterpalk, 

meister  Reuaus  668,  Wagners  arch.  1,  87; 


379 


GRINSEBEUTEL  —  i  GRINSEN 


1  GRINSEN 


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'schreiend,  keifend  behaupten':  die  letzte  olang  ist  kein 
sacrament  .  .  .  wie  die  rangen  zu  Löven  grynnen  Lu- 
ther tüider  die  S2  art.  der  teologisten  (l545)  B  l'';  das  vb. 
scheint  heute  noch  nachzuleben,  wo  die  maa.  scheinbar 
kurzvocalige  seitenformen  zum  praes.  grinen  zeigen:  krina 
stellenweise  im  elsäss.  Martin-Lienhart  l,  275»';  's  vö- 
geli  grinnt  {im  frühling ,  wo  kein  futter  mehr  gestreut 
wird)  Staub-Tobler  2,  733;  auch  im  Schweiz,  grinn  zor- 
nig, ergrinnen  in  jähen  zorn  geraten,  grinnetschen  zor 
niges  gesteht  machen  u.  ä.  (a.  a.  o.  7i5)  könnte  das  alte  st.  vb. 
stecken;  verwandt  sind  grannen,  gransen  («.  ci.) ;  eine  ab- 
leitung  ist  grinsen;  iXber  auszerdeutsche  verwandte  vgl. 
FiCK  *3,  140;  von  greinen  der  wurzel  nach  tvohl  ganz  zu 
trennen;  doch  mag  das  untergehen  des  alten  vbs.  auf  die 
rechnung  des  bedeutungsähnlichen  grinen  kommen,  zum 
selben  stamm  das  adj.  grinnicht  erbittert,  grimmig 
SCHILLER-LÜBBEN    2,  148^ 

GRINSEBEUTEL,  m. ;  ein  solcher  gruntzer  und  zorn- 
brater  oder  grinsebeutel  ist  gewesen  der  harte  Demea 
Mathesius  Syrach  (1586)  29^,  also  zu  l grinsen  l ;  das  wort 
dient  auch  heute  noch  im  thür.  obersächs.  zu  mannig- 
fachen schelten  für  weinerliche  personen,  besonders  kinder 
(also  igrinsen  2):  grinsebüchse,  -ding,  -meppe, 
-michel,  -peter,  dies  auch  von  dem  grabebitter ;  grins - 
lies,  -mine  Müller-Fraureuth  1,442;  im  selben 
sinne  auch  grinselbüchse,  -peter,  -trine  Anton 
Oberlausitzer  icörter  1,12;  grinselkopf  murrkopf  W El :^- 
HOLD  schles.  30. 

GRINSELIG,  adj.  'oft  und  viel  grinselnd'  Bernd  Posen 
(1820)  82;  grinslicht  morosus,  querulus  Steinbagh  l,  644; 
cudownik  .  .  ein  grinselichter  Sonderling  Bandtke  poln. 
dtsch.  wb.  1,  75^;  über  ein  anderes  grinselig  s.  u.  2grinsen. 

GRINSELN,  vb.,  ableitung  von  '  grinsen ;  zunächst,  ent- 
sprechend *  grinsen  l,  'das  gesicht  verzerren': 

wie  grinsein  sie  {die  toten)  grasz ! 
wie  blecken  sie  blasz ! 

Baggesen  poet.  werke  3,  295; 

grinsln  den  mund,  das  gesicht  verzerren  Castelli  Österr. 
152 ;  zumeist  der  bedeutung  von  *  grinsen  2  sich  nähernd,  'oft 
und  viel  über  kleinigkeiten  Unzufriedenheit  äuszern,  wei- 
nerlich klagen'  Bernd  Posen  (1820)  82;  diese  iterative 
bedeutung  ist  vorzüglich  ostdeutsch:  er  grinselt  den 
gantzen  tage  toto  die  querulas  edit  voces  Steinbach  l, 
644;  vgl.  Weinhold  schles.  30;  darvor  (Casaubonus)  aber 
auch  leiden  muszte,  dasz  Lipsius  ihn  brav  schraubte, 
ob  er  gleich  noch  so  sehr  .  .  hierüber  pinselt  und  grin- 
selt Schultes  wohlm^in.  erinn.  (i730)  70;  aber  das 
spötteln,  nergeln  und  grinsein  um  den  kehricht  her  .  . 
ist  mir  im  innersten  muthe  zuwider  Immermann  l,  162 
Hempel;  nur  selten  an  *  grinsen  3  anknüpfend:  ein  ver- 
gnügt grinselnder  feldlümmel  .  .  gaffte  mich  an  G.  Kel- 
ler 3,  219;  'einem  niedrig  schmeicheln,  .  .  eigentlich:  in 
übertriebener  freundlichkeit  die  mienen  verzerren'  Cre- 
GELius  437;  eine  eigenartig  verschobene  bedeutung  zeigt: 
welch  eine  Ungeduld  in  der  Stellung,  ...  die  zahne 
grinsein  ein  wenig  hervor  Gramer  Neseggab  i,  515;  ähn- 
lich bei  greinen,  s.  d.  II  8. 

1  GRINSEN  vb.  A.  form,  das  wort  ist  erst  nhd.  be- 
zeugt und  noch  im  17.  jh.  ziemlich  selten;  erst  ende  des 
18.  jha.  in  voller  literarischer  geltung;  zu  gründe  liegt 
grinnen  stv.  {s.  o.),  von  den  mit  hülfe  der  ableitungs- 
silben  -sen  {aus  -isön)  und  -zen  {aus  -azzen,  -ezen)  zwei 
selbständige,  ursprünglich  wohl  auch  nach  der  bedeutung 
geschiedene  verba  grinsen  und  grinzen  gebildet  wurden; 
wenigstens  bevorzugt  die  bedeutung  2  'weinen'  bis  in  die 
neuere  ma.  die  z-form.  freilich  greift  schon  im  17.  jh. 
grinzen  auf  andere  bedeutungen  über  {s.  u.  1.  3),  und  dasz 
das  nicht  blosz  orthographisch  zu  verstehen  ist,  beweist 
noch : 

wo  die  wüsten  negerprinzen 

aus  papiermanschetten  grinzen 

L.  EiCHRODT  lyr.  kehraus  (1869)  1,  16; 

noch  zu  anfang  des  19.  jhs.  steht  grinzen  {für  alle  be- 
deutungen) hinter  grinsen  nicht  weit  zurück;  erst  in  der 
2.  hälfte  des  jhs.  schriftsprachlich  erloschen;  mundartlich 
noch  heute:   grinzen  Frischbier  2,  526;   krintson  neben 


grinsen  Follmann  lothr.  217°;  krentso  stellenweise  im 
elsäss.  Martin-Lienhart  l,  278''.  das  wort  scheint  von 
haus  aus  md.,  den  obd.  maa.  heute  noch  grösztentheils 
fremd,  ebenso  anscheinend  den  meisten  nd.;  auch  litera- 
risch erst  seit  dem  späteren  18.  jh.  in  Oberdeutschland 
sich  ausbreitend. 

B.  bedeutung.  das  vb.  hat  seine  grundbedeutung  von 
grinnen,  ist  aber  in  seiner  weiteren  entwicklung  sichtlich 
von  dem  vb.  greinen  beeinfluszt,  in  dem  das  vb.  grinnen 
anscheinend  untergegangen  ist  {s.  o.  grinnen). 

1)  grundbedeutung  ist  'knirschen' :  frendere  grinsen 
Diefenbagh  247«;  seind  voll  heuchelei,  verbeissen  ihr 
murmeln,  grintzen  mit  den  zahnen  wie  die  Juden  Abe- 
lin hist.  antipodum  (i63l)  113;  ballte  die  fauste  und 
grinste  mit  den  zahnen  Alexis  Rol.  v.  Berlin  (i840)  2, 
16  i;  sodann  'die  zahne  fletschen'  und  'm,urren,  knurren' 
u.  ä.  {wie  bei  greinen,  s.  sp.  58),  ohne  dasz  sich  diese 
beiden  bedeutungen  in  jedem  fall  sondern  lieszen;  zu- 
nächst von  thieren: 

schäumend  grinzte  sie  {die  hyäne)  die  zahne 

Pfeffel  poet.  versuche  5,  91 ; 

er  .  .  .  rennt  im  grimme  bäume  über  den  grinsenden 
tieger  maler  Müller  i,  23;  während  dem  essen  .  .  . 
grinsten  sie  {die  hunde)  wieder  und  Hessen  ein  schwa- 
ches murren  hören  Stifter  sämtl.  toerke  s,  329;  de 
swine  myt  ereme  grinsende  unde  pustende  Schiller- 
Lübben  6,  144  aus  Korner;  seltener  auf  personen  über- 
tragen: 

doch,  fordert  sie  ein  kleid?  so  fängt  er  an  zu  grinsen, 
als  wie  ein  junger  wolf,  der  auf  die  lämmer  laurt 

Neukirch  ged.  (1744)  202; 

wenn  er  dagegen  nicht  schimpfen  mag,  so  grinst  er  da- 
gegen GÖTHE  49,  264  Weim.;  der  verzweifelnde  held  .  . 
mit  dem  tyrannischen  fürsten  rad  an  rad  geflochten,^ 
grinsend,  zahne  fletschend  Steffens  was  ich  erlebte  4, 
99;  noch  in  moderner  ma.  knirschen,  knurren,  verdriesz- 
lich  sein  Follmann  lothr.  217*;  gelegentlich  bildlich: 
Antonios  feder  grinzte  auf  dem  papier  Aug.  Lewald 
reisen  2,  280. 

2)  'das  gesicht  im  schmerz  verziehen'  Weinhold  schles. 
80;  daraus  flieszt  die  bedeutung  'weinen',  die  {anders  als 
bei  greinen)  nur  im  thür.  sächs.  voll  entwickelt  scheint: 
grinsen  idem  qtiod  greinen,  collachrymari,  plorare  Stie- 
ler 701;  grinze  sie,  wie  sie  will;  mein  herz  ist  wie 
speck  und  nimmt  keine  weiberthränen  an  Chr.  F. 
Weisze  kom.  op.  (1778)  3,  25;  vgl.  3,  36.  38;  ich  grinze 
auch  nicht  wie  du  und  krieche  nicht  beständig  hinter 
die  liebe  mutter  Rabener  sämtl.  tcerke  6,  50;  grinsen, 
grinzen  weinen  Bruns  volkswörterb.  d.  prov.  Sachsen  26**; 
grinsn  Göpfert  sächs.  Erzgeb.  44;  grinsen  Hertel  thür. 
110;  'die  grinst  heiszt  es  allgemein  auch  in  theilnehmen- 
dem  sinne  von  einer  teeinenden'  Müller-Fraureuth  i, 
442;  weinerlich  reden,  über  kleinigkeiten  wehklagen  Al- 
brecht leipz.  126";  auch  im  lothr.  als  'loeinen' :  er  hat 
et  krinzen  un   lachen  in    änem   sack  Follmann  217  ^ 

3)  verbreiteter  als  ausdruck  des  entgegengesetzten  affects: 
das  gesicht  zum  lächeln  verziehen;  die  grundbedeutung 
bleibt  auch  hier  erkennbar,  insofern  grinsen  vielfach  ein 
bösartiges  lächeln  bezeichnet:  heimtückisch  lachen  Hey- 
natz antibarb.  2,  76;  hämisch,  unangenehm  lächeln  Bren- 
dicke  Berliner  wortsch.  130*;  schadenfroh  oder  höhnisch 
lächeln  Wöste  85*;  ihr  lächeln  wie  das  grinzen  eines 
schadenfrohen  menschen  Knigge  roman  m.  leb.  3,  23; 
das  hämische  lachen  (grinsen)  ist  feindselig  Kant  10, 
292;  unabweisliche  schmach,  die  uns  ihr  höhnisch  lä- 
chelndes antlitz  mit  tückischem  grinsen  zukehrt  Holtei 
erz.  sehr.  24,  227;  überhaupt  von  unangenehmem  lächeln: 
Alonso  sah  von  seinem  golde  mit  einem  schielenden 
blick  und  einem  grinsenden  lächeln  auf  Tiegk  sehr.  19, 
480;  sie  {die  helfershelfer)  stehen  in  breiter  schaar  lä- 
chelnd oder  grinsend  beim  Usurpator  Laube  ges.  sehr.  V 
4,  217 ;  doch  konnte  diese  specifische  bedeutung  verblassen  M 
zu  'thöricht  lächeln':  risu  inepto  res  ineptior  nulla  est 
es  ist  nichts  häszlichers,  als  wenn  einer  immer  geht 
und  grinizt  Corvinus  fons  latin.  (1646)  710;  auch  ihres 


381 


1  GRINSEN 


2  GRINSEN -1  GRIPPE 


382 


tänzers  schämte  sie  sich,  der  in  einem  fort  grinste 
Ebner- EsGHENBAGH  6,22;  sie  grinsten  verlegen  und 
stieszen  sich  an  Viebig  schlaf,  heer  lOO;  schlieszlich 
auch,  ohne  scheltenden  nebensinn,  von  einem  breiten,  das 
gesicht  stark  verziehenden  lächeln:  war  aber  einer  unter 
den  guten  schluckern,  der  het  ein  sonderliche  arth, 
wann  er  grinsen,  auf  polnisch  lachen  wolt  Lindener 
Icatzipori  141  lit.  ver.;  der  immer  vergnügt  grinsende  riese 
war  . .  .  ein  anblick  für  götter  v.  d.  Steinen  naturvölker 
Zentralbrasiliens  452;  der  alte  grinste  über  das  ganze 
gesiebt  vor  stolz  und  freude  Polenz  Grabenhäger  l,  70; 
vne  lachen  («.  th.  6,  24)  auch  mit  dem  acc.  des  inneren 
objects,  doch  mehr  poetisch: 

es  grinzte  der  tod  ein  scheuszliches  lächeln 

Zachariä  poet.  sehr.  6,  203 ; 

der  magister  grinzte  ein  triumphierendes  lächeln  C.  F. 
Bahrdt  pastor  Eindvigius  i,  152;  oder  mit  äuszerem 
object: 


grinzte 


wenn  er  beifall 

Voss  nach  Sanders; 


diese  bedeutungsentwicklimg  läuft  der  gleichen  bei  dem 
nd.  verbum  grienen  (s.  greinen  II)  parallel  und  hat  sich 
deutlich  an  ihr  gestützt;  dies  grinsen  bleibt  deshalb  auch 
dem  obd.  ziemlich  fremd. 

4)  der  allgemeinste  und  entwickeltste  gebrauch,  auch 
obd.  voll  entfaltet,  entfernt  sich  insofern  am.  weitesten 
von  der  grundbedeutung ,  als  das  wort  die  function  als 
ausdruck  eines  affects  eingebüszt  hat;  das  gewicht  liegt 
nunmehr  auf  dem  tcidrigen,  erschreckenden,  grausigen 
eindruck,  den  die  Verzerrung  der  gesichfszüge  hervor- 
ruft: ich  fühle  mich  aufgelegt,  die  ganze  natur  in  ein 
grinsendes  scheusaal  zu  zerkrazen  Sghiller  s,  151  6?.; 
mich  schreckten  die  grinsenden  larven  der  ungeheuer 
E.  Th.  A.  Hoffmann  l,  15  Grisebach;  ähnlich  in  der  oft 
gebrauchten  loendung :  aus  seinem  lachen  wird  ein  grin- 
sen Lavater  phyaiognom.  fragm.  i,  94;  sehr  häiifig  vom 
bilde  des  todes: 

ich  nahm  ihr  den  schleier,  da  grunzte,  o  weh ! 
ein  gräszlicher  todtenkopf 

Kalchberg  ged.  (1793)  28; 

ab  und  zu  mit  object:  schon  steht  ein  macerirtes  ske- 
let  und  grinset  hohläugig  sein  memento!  Voss  anti- 
symb.  2,  296; 

hölle  grinste  sein  angesicht  da 

Sonnenberg  nach  Sanders; 

gerade  diese  bedeutung  neigt  sehr  zu  bildlichem  gebrauch: 
man  sah  über  keiner  geheiligten  thür  das  niederträch- 
tige wort  'honoratiorenstube'  grinsend  dummheit  .  .  . 
bescheinigen  Raabe  leute  a.  d.  walde  3,  191 ;  gern  neben 
reinen  abstr actis  wie: 

dicht  hinter  ihm  grinst  noch  die  grause  gefahr 

G.  Schwab  362; 

hier  grinste  die  Wahrheit  von  den  kahlen  wänden 
Raabe  Abu  Telfan  2,  148;  namentlich  in  Verbindung  mit 
geviissen  adverhien :  wohin  ich  sehe,  grinzt  mir  die  Ver- 
zweiflung entgegen  Kotzebue  sämtl.  dram.  werke  3,89; 
hinter  den  gebilden  grinzte  die  Verzweiflung  hervor 
M.  Hartmann  Wanderungen  a.  m.  gefängnisse  74;  weiter- 
gehendes nur  in  poetischer  spräche: 

es  grinzten  auch  zelten, 
ha,  wo  die  weit  war  untergegangen,  wenn  beiden  nicht 

waren 
Sonnenberg  Donatoa  1, 127; 

hervorzuheben  ist  ein  besonderer  gebrauch  des  pari,  praes.; 
zunächst  'icidrig  verzerrt'  im  eigentlichen  sinne:  sie  kau- 
erten nieder  im  grinsenden  wahnwitz  Droysen  Al,exan- 
der  474;  aber  vielfach  unsitmlicher:  mochte  Marianel  .  . 
in  fortwährender  angst  vor  des  barons  angedrohten  ent- 
hüUungen  .  .  .  sich  zur  grinsendsten  freundlichkeit  für 
den  hofmeister  zwingen  Holtei  erz.  sehr.  14,  85;  die 
bücklinge  und  grinzenden  höflichkeitsbezeugungen  der 
menschen  Schopenhauer  2,  115  Grisebach;  anders: 
denn  obgleich  die  kinder  der  armen  nicht  schlimmer 
und  etwa  boshafter  sind  als  die  reichen  .  .,  so  haben 
sie  doch  manchmal  äuszerliche  grinsende  derbheiten  in 


ihren  gebärden  G.  Keller  l,  91 ;  stereotyp  sind  auch  Ver- 
bindungen wie:  den  wiz  zur  grinsenden  spottsucht  er- 
niedrigt Sghubart  leben  u.  gesinn.  2,  159;  das  von  den 
jungen  leuten  allerdings  mit  grinsendem  höhne  behan- 
delte .  .  .  examen  Lagarde  dtsch.  sehr.  273. 

2 GRINSEN,  vb.,  körnig  werden:  'grinsen'  heist,  wenn 
die  schwartzkupferprohe  auf  dem  scherbel  im  feuer  an- 
fanget zu  gehen  Minerophilus  bergwerkslex.  (1730)  311; 
dazu  wohl  grinsein:  insgemein  soll  das  honig  über 
laulich  warm  seyn,  d.  i.  so  warm,  dasz  es  an  den 
fingern  krintzele  Grüwel  bienenkunst  (1719)  168;  ebenso 
auch  das  adj.  grinselig  trübe  (von ßüssigkeiten)  Sghe- 
MIONEK  elbing.  14;  krümelig  Lemke  volkstküml.  aus  Ost- 
preuszen  1,  167;  vermutlich  gleichen  stam,mes  wie  das  vor- 
hergehende; die  bedeiitungsentwicklung  wäre  anzuknüpfen 
an  'knirschen' ;  vgl.  grieseln  sp.  265  aus  der  wurzel  gris- 
frendere  sp.  268. 

GRINSENHAFT,  adj.  u.  adv.,  von  lächelnd  verzerrtem 
gesicht:  in  dieser  .  .  ,  Stellung  lächelte  sie  mich  zuerst 
grinzenhaft  an  Thümmel  reise  9,  50;  {zwang  er  auch 
Stirn  und  äugen  zum  lachen),  so  verlor  er  den  ausdruck 
der  stärke  .  .  .  und  wurde  grinsenhaft  unbedeutend 
GÖRRES  ges.  sehr.  1,  323;  mit  grinsenhaftem  lächeln 
H.  Marggraff  balladenchron.  36;  unhäufiges  wort,  aber 
doch  nicht,  wie  Campe  meinte,  fehlerhafte  einzelbildung. 
—  grinsenwinde,/.,  lonicera  xylosteitm,  heckenkirsche 
Pritzel-Je.ssen  220;  Nemnich  wb.  d.  natur gesch.  210. 
grinser,  m.,  quiritans  Stieler  701.  —  grinsig,  adj.. 
von  verzerrtem  gesicht:  (als  der  doktor  ihm  in  die  äugen 
sehen  tcollte),  machte  er  ein  grinzig  gesicht  und  riss 
beide  äugen  sperrweit  auf  Jung-Stilling  l,  336;  zieht 
der  kerl  aber  ein  so  flämisch  grinziges  gesicht,  als  hätte 
er  rhabarbara  gefressen  Sghreyvogel  2,  223;  anders 
{ZU  igrinsen2):  grinsicht  lamentans,  ejulans  Stieler  701; 
wieder  anders  (zu  1  grinsen  l):  grinsi/  zänkisch,  bissig 
Follmann  luthr.  217*. 

GRINSING,  GRINSIG,  m.,  nicht  seltene  nebenformen 
zu  grensing  u.  ä.  (sp.  116);  zumeist  toie  dies  für  poten- 
tilla  anserina:  grinsich,  grinsing,  grünsing  Pritzel- 
Jessen  304;  grinsing  Chomel  öcon.  lex.  4,  1356;  grinsig 
WiRSUNG  arzneib.  (1588)  reg.;  Megiser  pol.  (1603)  1,  253*; 
für  achillea  millefolium:  grinsing  HoLL  136'». 

GRINSLER,  m.,  homo  morosus  Steinbach  l,  644; 
Bernd  Posen  (i820)  82;  murrkopf  Wein HOhD  schles.  30: 
denn  der  cavalier  war  sonsten  ein  alter  grinszier  schles. 
Robinson  (i723)  1,  87;  und  wenn  der  alte  grinszier  aus 
der  haut  führe  Stoppe  Parnasz  (1735)  499. 

GRINZLING,  m.,  l)  emberiza  citrinella,  goldammer 
Heppe  wohlred.  Jäger  (i763)  153'';  grintzling  Zingken 
öcon.  lex.  982;  grinsling  Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  210; 
gründschling  Coler  hausbuch  (1603)  5,  159 :  grünschling 
Döbel  jägerpract.  (1746)  61;  grinschling  Popowitsch 
139;  ein  md.  und  ostd.  ivort;  näherem  bei  Suolahti  106. 
2)  fringilla  chloris,  grünfink  Naumann  naturgesch.  d. 
Vögel  5,  62;  Brehm  4,  290  Pechuel- Lösche;  grintzling, 
grüntzling  Chomel  öcon.  lex.  i,  1382;  gewöhnlicher  grün- 
ling,  s.  d.  , 

GRIPFEN,  vb.,  intensivbildung  zu  greifen;  in  älterer 
spräche  nicht  selten: 


daz  vingerhn  er  griphte 


Ortnit  iU,  2; 


weiteres  mhd.  wb.  1,573*;  in  obd.  maa.  noch  lebendig: 
gripfen  stark  eingreifen,  z.  b.  mit  den  klauen  Lexer 
kärntn.  124;  tastend  zwicken,  streichen  Bacher  Lusern 
263;  kneifend  greifen,  zwicken  Reiser  Allgäu  2,  705;  dazu 
gripf,  m.,  griff  IjKXer,  Bacher  a.a.O.;  gripfig,  adj.: 
inwendig  sint  si  griphig  wolf  cod.  Tepl.,  Matth.  7,  15; 
vgl.  den  artikel  kripfen  th.  5,  2320,  von  dem  das  meiste 
hierher  gehört. 

1  GRIPPE,  /.,  Schnupfenfieber,  inßuenza,  eine  seit  Jahr- 
hunderten beobachtete,  anscheinend  aus  Asien  stammende, 
epidemisch  oder  pandemisch  auftretende  krankheit;  durch 
die  grippeepidetnien  des  Weltkrieges  ist  das  tvort  wieder 
allgemein  gebräuchlich  geivorden,  auch  für  die  in  jedem 
jähr  vereinzelt  attftretenden  fälle,    die  man  vordem  ge- 


383 


2  GRIPPE  —  GRIPPEN 


GRIPPIG  —  GRISETTE 


384 


wohnlich  influenza  nannte;  aus  frz.  grippe  {v;ohl  auf 
ruas.  chripü  heiserkeit  zurückgehend,  zs.  f.  d.  w.  9,  21) 
ende  des  18.  jhs.  entlehnt;  {die  hauswirtin)  schimpft  auf 
die  häszliche  grippe,  die  ihr  schon  manchen  guten 
fremden  verjagt  hätte  Thümmel  reise  2,  107;  schon  vor- 
her in  der  {an  pips  sich  anlehnen  den  f)  form  grips  'die 
influenza,  ruszische  krankheit'  hei  Zaupser  bair.-ober- 
pfälz.  (1789)  38;  im  19.  jh.  allgemein:  das  jähr  1831  .  .  . 
brachte  die  grippe  Chamisso  6,  85;  die  grippe,  die  in 
Hamburg  so  stark  grassieren  soll  Hebbel  br.  i,  168;  zur 
Sache  vgl.  Schhirek-Y ierob-VT  encycLd.pract.  med. 2,  ii8. 

2 GRIPPE,  /.;  'grip  eüi  fahrzeug  wie  eine  brigantijie' 
Jacobsson  technol.  üb.  2,  158^;  wan  vil  Sarraceni  mit 
mancher  leyen  schiffen,  fusten,  grippen  und  armaten 
zulendeten  Breidenbach  reisen  gen  Jerusalem  (i486); 
darin  macht  man  .  .  .  naue  und  grippen  und  fusten 
und  barcken  klein  und  grosz  F.  Fabri  eig.  beschreibung 
(1556)  14''; 

und  als  sie  in  den  golfen  kamen 

von  Satallea,  sie  vernamen 

uf  dem  mör  zwo  grippen  dort 

fiist.  volksl.  3,  39  Liliencron; 

franz.  grip,  m.,  Godefroy  i,  360*. 

3  GRIPPE,  /.,  die  kleinsten  grälchen  zur  be-  und  ent- 
wässerung  der  wiesen  Lueger  ^i,  631;  ähnlich  schon  bei 
Benzler  l,  181 ;  dieser  pflüg  macht  eine  sehr  regulaire, 
rechtwinklichte ,  viereckige  wasserrinne  oder  grippe 
Thär  beschr.  d.  ackergeräthe  3,  15. 

GRIPPEANFALL,  m.:  als  ein  übler  grippeanfall  end- 
lich überwunden  schien,  folgte  auf  ihn  der  zweite,  här- 
tere Jag.  Grimm  an  Dahlmann,  briefw.  l,  536;  leider  hat 
sich  unser  guter  fürst  .  .  wieder  einen  verschlimmerten 
grippenanfall  zugezogen  Pückler  briefw.  u.  tageb.  i,  172. 
—  grippekrank,  adj.,  Fontane  familietibr.  1,182; 
heute  bin  ich  müd  und  grippkrank  Scheffel  an  Schwa- 
nitz,  br.  248;  Theodor  .  .  .  kam  grippenkrank  hin  Bis- 
MARCK  br.  a.  s.  braut  u.  gattin  254. 

GRIPPELE,  /.,  entzündung  an  der  hand:  wan  einer 
den  ungenammten  an  einem  finger  oder  ein  grippelen 
an  der  handt  erlitten  Würtz  practica  d.  wundarznei 
(1612)  463;  vgl.  grippeln  parongchia,  das  böse  ding,  nagel- 
geschwür  Blancard  lex.  med.  471;  gripp-  ist  eine  im 
alem.  {s.  Staub-Tobler  2,  788)  ga7iz  gewöhnliche  seiten- 
bildung  zum  stamm  gritt-,  s.  u.  griffen;  vgl.  auch  grig- 
geln  unter  griggen  sp.  314. 

GRIPPELN,  vb.,  hadern,  zanken:  ist  aber  {der  leiher) 
dabey  geitzig  .  .  .  zahlt  ungern,  grippelt  und  zancket 
gerne,  so  ist  es  besser  mit  ihm  unverworren  seyn  Hoh- 
BERG  georg.  cur.  (1682)  i,  29";  dazu:  ob  er  {der  kauf  er) 
.  .  die  unbilligkeiten  hasse,  nicht  unnothwendige  gripp- 
lereyen  liebe  und  suche  1,14;  biszweilen  {sind)  die 
gemeinen  leute  und  bauren  allzu  gripplerisch,  nei- 
disch und  boshafftig  2,  49;  wohl  als  krippeln  anzusetzen; 
der  bedeutung  nach  am  nächsten  zu  kritteln,  das  nach 
kribbisch  und  zugehörigem  (th.  5,  2204)  umgestaltet  sein 
könnte. 

GRIPPEN,  vb.,  an  sich  raffen,  stehlen,  mausen;  grap- 
pare,  raffare  Kramer  teutsch-ital.  1,  556'';  besonders  west- 
deutsch: das  grippen  oder  stehlen  gieng  gewöhnlich  in 
der  frühe  .  .  vor  sich  Staub-Tobler  2,  788  {quelle  von 
1805);  Martin-Lienhart  l,  279'';  lux.  ma.  (1906)  154'»; 
Gregelius  435;  Müller-Weitz  Aach.  74;  auch  bair. 
Schmeller  1, 1006;  die  ^-formen  {s.  krippen  4,  th.  5,  2326) 
sind  unecht,  vielmehr  ahlautbildun g  zu  grappen  {s.  d.); 
vom  stamme  grip-  greifen  etymologisch  zu  trennen,  wenn 
auch  gelegentlich  vermengungen  in  form  und  bedeutung 
zu  beobachten  sind;  so  mit  gripfen: 

dein  ädern  und  auch  die  rippe 
nicht  mit  eysen  gryppe  {zwicke,  kneipe) 
Angst),  killender  (15.  jÄ.)  nach  Schmeller  1,  1006; 

dazu  gripp  dieb,  grippig  dieiiÄcA  Staub-Tobler  2,  783 
und  anderweitig ;  grippieren  toegkapern  Moigt  handtvb. 
für  die  gescMftsführung  1,  358;  Ostwald  rinnsteinspr. 
.62;  intensivbildung  zu  grippen  ist  grippeln  Kramer 
teutsch-ital.  1,  556'';   noch  heute  im  schu-eiz.  Staub-Tob- 


ler a.  a.  0.;  häufiger  gripsen  {auch  gripschen)  s<eÄ- 
len,  mausen,  gewöhnlich  in  der  bedeutung  getrennt  von 
grapsen  (grapschen)  mit  schnellem  griff  erfassen,  an  sich 
reiszen,  der  analogen  bildung  zu  grappen;  mundartlich 
soicohl  md.  wie  obd.  anscheinend  allgemein  verbreitet,  vgl. 
krips  2  b  «.  ß,  th.  5,  2329;  snatta  scheint  so  viel  als  unser: 
mausen,  gripsen  Jag.  Grimm  kl.  sehr,  i,  iii;  auch  nd.: 
gripsen  Bauer- Collitz  41";  Sghambach  68'';  griebb- 
sen  Sghemionek  elbing.  14,  also  mit  dem  vocal  von 
gripen;  vgl.  Frischeier  l,  250.  253.  dazu  gripser  dieb 
Staub-Tobler  2,  792  und  sonst;  grips,  gripsch  griff, 
verstand  {s.  an  alphab.  stelle);  grips  graps  adv.  zur 
bezeichnung  des  schnellen,  raffenden  greifens  Frisgiibier 
1,  250;  lux.  ma.  (1906)  154  und  sonst;  es  geht  grips  graps 
mit  den  waaren  sie  gehen  reiszend  ab  Spiess  henne- 
berg.  85; 

{die  katzcn)  rissen  ripps,  rapps, 
die  küchlein  und  ihr  mütterlein  treu, 
gripps  grapps  in  viele,  viele  restchen 

Brentano  5,  82; 

mit  anderer  ablautung  grips  grups,  als  substant.  be- 
handelt, eigentlich  'dieb',  aber  anscheinend  auch  allge- 
meiner 'nichtsnutz' :  was  habe  ich  vor  eine  lust  davon, 
wann  ich  etwas  lamento  setze,  und  ein  solcher  grips 
grups  hinten  und  forn  verschwentzt  mir  meine  arbeit? 
Jan  Rebhu  weltkucker  l,  33;  latinisiert  gripsgrum- 
pazius:  demut  erfordert  nicht  .  .  .  von  einem  hoch- 
gelehrten, sich  für  einen  gripsgrumpazium  zu  halten 
BuTSCHKY  rosenthal  (1679)  918. 

GRIPPIG,  adj.  zu  *  grippe :  ich  bin  von  den  grippigen 
zuständen  und  den  diners  ...  in  die  mitte  genommen 
BiSMARCK  br.  an  Schwester  u.  schivager  83. 

GRIPS,  m.  l)  Substantivbildung  zu  gripsen  {s.  o.  grip- 
pen), 'griff  Hertel  thür.  110;  ebenso  gripsch  Frisch- 
BIER  1,  250;  und  zivar  sowohl  das  greifende:  spängrips 
leuchter  für  lichtspäne  Gregelius  436,  wie  das  gegriffene: 
griff  an  der  sense  Fischer  schwäb.  3,  841;  grüpps  haver 
handvoU  hafer  Schütze  holst.  2,  70;  häufiger  übertragen: 
das  vermögen  geistigen  ergreif ens,  fassungskraft,  verstand; 
so  allgemein  in  den  maa.  des  mittleren  und  östlichen 
Norddeutschlands  und  in  gröberer  Umgangssprache,  Mi 
29;  Danneil  70* ;  Brendicke  berlin.  130;  Hertel  thür. 
110;  Jeght  mansfeld.  ii^ ;  Müller-Fraureuth  1,  443''; 
Frischeier  l,  253;  auch  schles.;  er  ist  ein  verständiger 
mensch ;  der  Peter  und  Gottlieb  haben  keinen  grips 
Alexis  Isegrim  2,  60:  ich  bin  kein  groszes  licht,  doch 
so  viel  gribs  hab'  ich  im  schädel,  dasz  ich  weisz  Hol- 
tei  erz.  sehr.  37,  142;  die  sauren  gepfefferten  preszköpfe 
.  .  .  sind  in  unserem  Organismus  zu  gehirn  und  gripps 
verarbeitet  worden  Fr.  Reuter  br.  499. 

2)  desselben  Stammes  scheijit  das  grips  der  redensart 
einen  beim  gr.  nehmen,  in  niederer  Volkssprache  über 
ganz  Deutschland  verbreitet;  vgl.  krips  th.  5,  2328 _^.,  nur 
sind  die  g-formen  häufiger  als  dort  erkennbar,  öfter  im 
selben  diulect  neben  der  k-form:  gribs,  kribs  Follmann 
lothr.  217 *;  jripps,  kribbs  Jeight  mansfeld.  44'';  griebs, 
krips  Müller-Fraureuth  i,440;  grips,  kripsch  Frisch- 
eier 1,  253;  bair.  österr.  als  fem.,  s.  krips  i  c,  dazu  bei 
der  griebs  packen  Höfler  20i  ;  se  hab'n  den  dieb  glei 
bei  der  gribs  g'habt  Hügel  71;  gripes/ewi.  Fr.  Kramer 
Bistritz.  41 ;  icie  bedeutungsvermengung  mit  griebs  kehl- 
kopf  stattfand  {s.  griebs  3,  sp.  255),  ist  auch  eine  solche 
mit  grips  l  zu  beobachten:  eins  auf  den  gr.  geben  einen 
schlag  auf  den  köpf  versetzen  Müller-Fraureuth  i, 
440 ;  literarisch  wagt  sich  das  wort  kaum  hervor:  den 
{versicherten)  kann  er  {gott)  nimmer  am  grips  kriegen 
Auerbach  u,  148. 

GRIPSEN  s.  grippen. 

GRISCH,  GRIST  kleie  s.  grüsch. 

GRISCHE,  GRITSCHE,  GRISSE  u.  ä.  s.  grinitsch. 

GRISETTE  l)  urspr.  ein  einfacher  grauer  stoff,  später 
auch  von  künstlicheren  geweben  Krünitz  öcon.  encycl. 
20,  101 ;  Jacobsson  iechnol.  wb.  5,  787 ;  aiis  frz.  grisette 
/.,  doch  im  deutschen  anscheinend  gewöhnlich  grisett  als 
masc..  Voigt  hdwb.  f.  d.  geschäftsführung  i,  358;  im 
18.  jh.  sehr  beliebt: 


385 


GRISSELN  -  GRITSCHE 


GRITTEN  -  GRITZEN 


386 


sie  {die  weste),  die  ietzt  spöttisch  kurz  um  deine  hüften 

schlägt, 
eey  länger  aus  grisett  und  stark  mit  gold  belegt 

Zachariä  poet.  sehr.  1,  50 ; 

grisets  oder  geblümte  zeuge  Nicolai  reise  10,  61  beil. 

2)  wie  ivi  frz.  auch  für  die  trägerinnen  solchen  zeuges, 
zunächst  schlechthin:  einfaches  berufstätiges  mädchen. 
nähterin ,  putzmacherin  u.  dgl.:  nicht  ohne  wehmuth 
sahn  sie  die  gespielinnen  zu  armseligen  grisetten  und 
VTärterinnen  erniedrigt  Meister  neue  Schweiz.  Spazier- 
gänge (l790)  9;  häufiger  in  dem  specifischen  sinne  des 
selbständigen,  arbeitenden  mädchens,  das  die  geliebte  eines 
mannes  ist:  Jeannette  Vaubernier,  ein  armes  Waisenkind 
.  .  .,  früher  eine  putzmacherin,  eine  grisette,  später  zur 
gräfin  umgebacken  Bauernfeld  6,  80;  auch  einfach 
'geliebte' :  grisetten  und  freundinnen  befriedigen  —  nicht 
die  Wollust,  —  sondern  das  herz  Immermann  18,  70 
Hempel.  dazu  compositionen  tvie  grisettenartig  F. 
RuNKEL  Böchlinmem.  147;  -ball  Fr.  Dingelstedt  2, 
293;  -gesiebt  M.  Hartmann  3,  98;  -wesen  Immer- 
mann 1,  17  Hempel. 

GRISSELN,  vb.,  von  rieselndem  erschauern,  =  grieseln 
{sp.  265);  dies  die  herrschende  schriftform,;  doch  ist  die 
kurzform  namentlich  im,  älteren  obd.  nicht  selten:  aber 
die  hertzogin  sähe  in  an,  all  ir  geblüt  grisselt,  und  h\ib 
an  zu  bidemen  Aimon  (1535)  g  5^;  das  der  frawen  die 
haut  griselt  und  ir  schwindelt  in  dem  haupt  Dryander 
d.  ganzen  arznei  inhalt  (1542)  3**;  gern  aufs  haar  ange- 
wendet: 

allererst  do  begund  mir 

mein  har  gen  himel  grislen 

Zimmer,  ehr  an.  1,589; 

V071  einer  frau   in  geburtsschmerzen: 

wie  wird  mir  wieder  so  schlimm,  auweh  ! 
mir  grisselt  auf  dem  köpf  ein  jedes  haar 

ScHiNK  marionettenth.  (1778)  40 ; 

anders:  schauder  .  .  .  laufen  einem  den  rücken  hinab 
und  grisseln  in  den  haaren  Tieck  sehr.  5,  133;  aiich  die 
grundbedeutung  der  xcurzel  gris-,  frendere  (s.  sp.  268), 
.macht  sich  gelegentlich  7ioch  geltend:  ir  machet  mir  die 
zeen  also  grisslen  .  .  .  mit  ewerm  schmatzen  und  küs- 
sen WiRSUNG  Calistus  92;  vgl.  auch  griesen  sp.  266. 
das  entsprechende  gris s(en) lieh,  adj.  u.  adv.,  =  igriese- 
lich  {sp.  265)  begegnet  spärlicher:  der  wint  .  .  nam  grisz- 
lich  uberhandt  F.  Fabri  eig.  beschreibting  (1557)  208'»; 
dasz  .  .  der  hailige  ritter  sant  Jörg  den  gryssenlichen 
wurm  überwunden  Ehingen  reisen  13  lit.  ver.;  ein  grisz- 
lich  heulen  der  hunde  und  wolffe  mon.  hist.  Warm.  8, 
295. 

GRISS(E)LICH,  adj.,  körnig,  =  griesz(e)lich  {sp.  280); 
die  dort  als  mundartlich  erwähnten  kurzformen  gelegent- 
lich auch  schriftsprachlich:  die  färbe  ist  ganz  schwarz, 
mit  Wasser  vermischt  ein  wenig  griszelich  Göthe  iii  i, 
272  Weim.;  pferde,  in  der  sonne  geröstete,  .  .  hier  gris- 
liche  rothbraune  fleischmassen,  .  .  dort  schon  abgezehrte 
gerippe  lagen  .  .  umher  Alexis  erinn.  124 ;  {das  junge 
grün)  spreizt  sich  grisslig  wie  kresse  Scui^af  frühlingsbl. 
23;  vgl.  noch  grisslich  von  speisen  .  .,  die  gleichsam  feine 
körnchenspuren  lassen  Albrecht  Leipz.  126*;  hier  liegt 
eine  besondere  kurzvocalige  tcurzel,  toohl  das  unter  gries- 
gramen  {sp.  268)  behandelte  gris-,  zu  gründe;  gelegentlich 
gritzlich:  seyhe  es  darnach  durch  ein  starcks  tüchlin, 
dasz  nichts  gritzlechts  hindurch  mög  Gäbelkover  arz- 
neib.  i,  S85. 

GRISTELN,  vb.,  zerkleinern:  gristeln,  kfirtzlen  Hars- 
DÖRFER  poet.  trichter  (1648)  2,  145;  mhd.  üz  gristen  aus- 
mahlen, s.  0.  sp.  268. 

GRITSCHE,  /.,  gryllus  domesticus  Nemnigh  tob.  d. 
naiurgesch.  210;  Weinhold  schles.  30;  Popowitsch 
versuch  164 ;  schallnachahmende  benennung  in  anlehnung 
an  gritzen  stridere  {s.  kritzen  3,  th.  5,  2345) ;  gritzen  sin- 
gultare  Diefenbach  536"';  vgl.  gritschen  zirpen  Uüger- 
Khull  306'';  gritsch(e)  kleines  dürftiges  kind,  zwerg 
Weinhold  a.  a.  o.;  Schmeller  i,  lo:8;  Hügel  71  ist 
wohl  dasselbe;  vgl.  gricken  sp.  249. 

IV.  1.  6. 


GRITTEN,  vb.,  nur  obd.,  die  beine  spreizen;  graten, 
gratlen,  griten  divaricare,  distendere  crura  Staub -Tob- 
LER  2,  827  {quelle  von  1662)  und  ebenso  noch  im  heutigen 
Schweiz.;  mit  gespreizten  beinen  einhergehen,  auch:  klettern 
Fischer  schwäb.  3,  843;  griten  schreiten,  rittlings  sitzen 
Schmeller  cimbr.  126;  mit  object:  (JcüJie,  die)  so  sie 
gehen  sollen,  die  füsz  nit  zu  weit  von  eynander  gritten 
Herr  feldbau  (l55l)  193 **;  dann  auch  'sich  spreizen': 
divaricata  crura  bein,  so  von  einander  gritten  Dentzler 
nach  Staub -Tobler  a.  a.  o.;  übertragen:  der  {feigen-) 
paum  ist  gesträut  mit  weit  gritenden  esten  K.  v.  Me- 
genbehg  322,  4;  die  feder  die  da  griffet  und  nit  recht 
schreiben  wil  Keisersberg  sünden  d.  munds  49'^  {th, 
5,  2346  *.  v.  kritzen  4  d  falsch  erklärt);  hierher  wohl  auch, 
im  sinne  überspreizen,  d.  h.  umfassen: 

{Dido  nahm)  so  vil  land 

dann  die  riemen  möchten  gritten 

ausz  einer  büffelshaut  geschnitten 

Murner  nach  Schmidt  elsäss.  1561»; 

das  dem  got.  grids  m.  schritt  entsprechende  zu  gründe 
liegende  suhst.  begegnet  nur  in  spuren :  gritmali,  critmali 
Graff  4,  311;  passus  schriet,  griet  Schmeller  l,  1017 
(quelle  des  15.  jJis.);  grit,  griit  schritt  cimbr.  126;  dazu 
bair.  und  alem.  vielerlei  andere  ableitungen,  so  grit- 
teln,  grosze  schritte  machen,  die  beine  auseinandersper- 
ren Lexer  kämt.  122;  klettern  ¥isghkk, schwäb.  s,  844; 
varicare  die  bein  weit  von  einandern  setzen,  grittlen 
Dentzler  nach  Staub-Tobler  2,  827;  auch  im  neueren 
alem.,  ib.  828;  gritter,  eig.  einer,  der  beim  gehen  die 
beine  iceit  oder  ungeschickt  auseinanderbringt,  dann  vom 
steifen,  mühsam  gehenden  alter,  als  Scheltwort: 

es  ist  ein  wurmstichiger  mann, 
ein  alter  gritter  und  koszbauch 

Frischlin  Susanna  (1589)  326; 

weiteres  Fischer  schwäb.  3,  843;  im  selben  sinne  gritti: 
die  mutter  war  eine  stattliche  frau,  so  für  einen  alten 
gritti  .  .  .  mehr  als  gut  Gotthelf  7,  110;  vgl.  Staub- 
Tobler  2,827;  grittecht  adj.:  der  mit  den  schenck- 
len  umb  die  knefiw  und  schinbein  weyt  von  einanderen 
grittet  Maaler  192^;  am  häufigsten  grittling(en)  acZv., 
mit  gespreizten  beinen,  rittlings;  von  Christi  Stellung  am 
kreuz: 

und  woltent  baide  ffisse  han 

hinder  das  crüce  also  gezogen  .  . 

das  er  grittelingen  wsere 

gestanden  in  der  swaere 

Schweizer  Werniier  Marienleben  9995; 

er  must  nider  auf  das  sail  gritling  sitzen  städtechron. 
10,  166;  iceiteres  s.  unter  dem  falschen  ansatz  gerittling 
#74.4,1,2,3715;  auch  grittlisch:  da  sassen  zwen  lands- 
knecht  zu  obersten  auf  der  mauer  grietlisch  städtechron. 
15,  229;  gritlisch  Aventin  5,  147,  20;  beides  auch  in  den 
modernen  obd.  maa.;  auch  das  isolierte  gritte  pruni- 
ceps  Diefenbach  469''  wird  hierher  gehören. 

GRITTELN,  GRITTLICH,  GRITTLICHKEIT  s.  kritteln 
u.  s.  w. 

»GRITTIG,  -ISCH,  adj.,  zänkisch:  bruder  Rauschen, 
grittische  und  farnesische  bastart  Fischart  groszm. 
(1623)  0  4»; 

60  seyt  ir  mender  .  .  . 

.  .  trutzig,  sawer  und  ghrüdisch 

"H.  Sachs  4,  21,  31  Keller; 

über  das  vorkommen  in  neuerer  ma.  s.  krittlich  l  c  y, 
th.  5,  2340,  dazu  Fischer  schwäb.  i,  771. 

2GRITTIG,  adj.,  habgierig,  a.  greitig  sp.  94;  dazu  grit- 
tigkeit,  /. :  der  begert  von  gritekeit  einre  kröne  .  . 
mit  karbünkelsteinen  städtechron.  8,  33;  das  die  pfaffen 
ungerecht  werent  mit  hoffart,  mit  grittikeit  und  un- 
küscheit  E.  Windegke  denktcürdigk.  108;  gritti  glich, 
adv.:  wie  sie  den  lüten,  die  in  befolhent  sint,  ir  gut 
und  arbeit  .  .  griteclichen  verslindent  ebd.  327. 

GRITZE  s.  grütze. 

GRITZEL,  GRITZELMÖHRE  s.  kritzelmöhre. 

GRITZEN,  vb.,  knirschen:  hüt  sich  auch,  das  er  we- 
der mit  den  leftzen  schmatz,  oder  mit  den  zenen  wie 
ein   saw  wetz,   gritz  oder  schnauf  J.  V.  Deyger  paedo- 

25 


387 


GROB 


GROB 


388 


nomiaE?*;  als  aber  der  winter  mit  kelte  gritzet  Joh. 
Kessler  sabh.  157;  ein  noch  heute  im  alem.  reich  ent- 
faltetes icort,  s.  Staub -ToBLER  2,  836;  das  wort  wird 
th.  5,  2345  mit  kritzen  identificiert  (s.  d.  3),  kaum  mit  recht; 
etwa  =  gristen  (*.  griesgramen,  form  l,  sp.  268)  mit  um- 
gesprungenem s?  jedenfalls  des  öfteren  im  ivechsel  mit 
dem  stamm  gris-:  der  bapst  forcht,  gritz  wurd  grommen 
nachschlachen  {die  erhitterung  würde  sich  steigern)  J.  v. 
Watt  dtsche  histor.  sehr,  l,  304  statt  des  üblichen  grisz 
schlecht  nach  gramen  (*.  griesen  sp.  266) ;  im  schwäb.  gritz- 
grammen  u.  ä.,  s.  o.  sp.  268. 

GROB,  adj. 

form,  und  Verbreitung. 

das  wort  scheint  altheimisch  nur  auf  hd.  und  nd.  boden  ; 
dann  spütanord.  gröfr  'grosz,  grob'  stammt  aus  dem 
nd.,  engl,  gruff  'barsch,  roh'  aus  dem  nl.  ältester  beleg 
cropa  zascruntan  ^sswra  Graff  2,356  {hraban.  gloss.); 
häufiger  erst  bei  Notker  (l,  705,  2;  722,  10;  819,  2;  887,  17; 
vgl.  852,  10.  24),  der  bedeutung  nach  bereits  voll  enttvickelt; 
iti  der  classischen  mhd.  dichtung  fehlend;  erst  seit  der 
2.  hälfte  des  iS.jhs,  häufiger,  zumal  aufmd.  boden;  mnd. 
und  mnl.  reich  entfaltet,  bei  Notker  bis  auf  i,  837,  17 
stets  gerob,  ebenso  das  abstractum  als  geroubi  l,  852,  8. 
17  {vgl.  grobe),  aber  das  e  wird  sproszvocal  sein, 
die  etymologie  ist  schwierig;  an  auszergerm.  beziehungen 
bietet  sich  lit.  grubüs  holperig,  grumbü,  grübt!  holperig 
werden;  lett.  grumba  runzel,  abg.  gr^bü  grob,  raiih,  s. 
Franck  217'';  auf  eine  ähnliche  grundbedeutung  führt 
auch  die  bedeutungsgeschichte  des  deutschen  Wortes;  höher 
hinauf  ist  Wurzelverwandtschaft  mit  grosz  wohl  möglich, 
vgl.  Falk-Torp  1,  850. 

bedeutung  und  gebrauch. 

die  schwer  zu  durchschauende  bedeutungsentwichlung 
ist  mir  zu  verstehen  bei  der  annähme,  dasz  der  quantitäts- 
begriff  'massig,  dick',  den  man  gewöhnlich  als  die  grund- 
bedeutung ansieht,  nicht  primär  ist,  dasz  vielmehr  aus- 
gegangen werden  musz  von  der  bedeutung  'uneben,  rauh', 
die  auch  die  idg.  parallelen  nahelegen;  sie  ist  freilich 
frühzeitig  überwuchert  ivorden  durch  die  quantitative  be- 
deutung, die  sich  auf  dem  wege  über  'bröckelig,  grobteilig' 
entwickelt  haben  mag  {vgl.  grosz),  bricht  aber  in  vielfachen 
Veränderungen  u.  färbungen  des  quantitätsbegriffes  immer 
wieder  durch,  xvenn  sie  auch  nur  in  tvenigen  gebrauchs- 
weisen  rein  zu  tage  tritt;  immerhin  gehört  sie  an  den 
anfang. 

A.  grundbedeutung:  uneben,  rauh,  heute  nur  noch  im 
abstractesten  gebrauch,  in  der  anwendung  auf  menschen 
{s.  u.  F),  voll  lebendig;  im,  älteren  nhd.  noch  entioickelter. 

l)  zunächst  ganz  sinnlich:  aspera  tactu  rauch  und 
grob  anzerüren  Frisius  dict.  (i556)  1288  »■;  die  grobe  rauhe 
band  weiss  und  glatt  zumachen  Sebiz  feldbau  (1579)  78; 
nim  der  groben  birckenrinden,  die  unden  vom  bäum 
herab  fallen  Gäbelkover  arzneibuch  (1595)  i,  83;  das 
kennt  auch  die  neuere  S2)rache  noch:  die  muskeln  sind 
.  .  mit  einer  groben  rauhen  haut  überzogen  Göthe  37, 
347  W.;  vgl.  dem  uralten  brauch  .  .  liegt  gewisz  ein 
frommes  gefühl  zu  gründe,  aber  es  steckt  in  einer  gro- 
ben hülle  D.  Fr.  Strausz  6,  17;  der  abstractere  gebrauch 
im  sinne  'rauh,  ivild'  dagegen  wesentlich  im  älteren  nhd.: 
der  Christo  .  .  .  aufm  rauhen,  groben  und  unebenen 
weg  ...  der  lügenden  nachfolgt  Albertinus  him- 
Schleifer  (1664)  302;  das  heilig  wasser  entspringt  ausz 
groben  bergen  und  ungehobelten  felsen  Seb.  Franck 
sprichw.  (1541)  1,  ISO**;  ist  ,  .  über  das  grob  und  hoch 
gebirg  gangen  Guarinonius  greuel  d.  Verwüstung  (i610) 
816; 

noch  umgibt  uns  ocean 

grober  wasser  Herder  6,  190; 

ganz  vom  sinnlichen  ausgangspunkt  gelöst:  so  ist  Ybernia 
ain  grob  hert  land,  da  weder  wein  noch  ander  edel 
frücht  innen  wachsea  Fortunatus  74  ndr. ;  ich  schicke 
meyn  tochter  nitt  in  dasz  ferre  grobe  land  {Dänemark) 
Vogelgesang  heiml.  gespräch  23  ndr. ;  eyn  birgig  unfrucht- 
bar landt  und  wie  under  eynem  groben  hymel  gelegen 
Franck  weltb.  95";  das  gantz  jar  wurde  feucht,  schwer, 


grob  und  ungesund  sein  J.  B.  Grass  schöne  historie  (l670) 
194;  von  schlechtem  weiter  bis  heute  im  österr.:  endlich 
ward  das  wetter  'grob'  (es  regnete)  W.  v.  Chezy  erinn.  2, 
183; 

(er)  liegt  untän  frei'n  himmel,  is's  grob  oder  sehen 

Pailler  weihnachtslieder  u.  krippensjnele  1,  187; 

auch  ganz  inconcret:  der  sig  ist  zu  grob,  der  mit  blüt 
ligt  ob  Seb.  Franck  sprichiv.  (1545)  l,  63  *;  rauh  in  der 
loirkung,  'scharf,  stark':  man  musz  oft  einen  mit  groben, 
scharpfem  saltz  reiben  Lehmann  florileg.  polit.  2,  749; 
es  sind  aber  gar  grobe  rauhe  artzneien  und  deszhalben 
nicht  liederlich  zubrauchen  Gäbelkover  arzneibuch 
(1595)  2,  158;  etwas  anders  {mit  anklang  an  F  2):  es  sieht 
einer  groben  baurenartzney  gleich  Wirsung  arzneibuch 
(1588)   554«. 

2)  das  alter  dieser  bedeutung  erweist  der  schon  im  ahd. 
bezeugte  gebrauch  für  'rauhe'  töne  von  jeglicherlei  art: 
taz  aber  in  nideren  esten  dero  erdo  sih  nähta,  daz  lütta 
gerobo  gravitas  rauca  quatiebat  Notker  i,  705,  2;  ähnlich 
1,  722,  10;  sang  also  grobo  -so  Dores  singent  l,  837,  17; 
welhes  menschen  überpräwe  vil  härs  habent  und  rauch 
sint,  der  .  .  .  und  ist  sein  sprach  unrain  und  grob 
KONR.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  45,  17;  mit  grober 
grausamer  stym  (er)  sprach  Arigo  decam.  85  lit.  ver. ; 
im  zorne  schreit  er  {der  rollaffe)  mit  tiefer  und  grober 
stimme  Brehm  thierl.  i,  231  Fechuel-Lösche ;  das  {sc.  zöttlin 
von  dem  wuUen  tfich)  nympt  den  saiten  das  kesseln 
oder  dye  grobe  onfreuntlich  hallung  oder  thonung  Vir- 
dung musica  getutscht  (löil)  F  i'';  kriegt  dieser  reso- 
nanzboden  .  .  einen  sprung,  dann  .  .  geben  {die  saiten) 
einen  dumpfen,  groben  ton  Nestroy  l,  46;  aus  'rauh' 
entwickelte  sich  die  bedeutung  'tief :  bassa  vox  grob  und 
nyder  stym  Brack  vocab.rer.  (1491)40*^;  das  du  das  selbig 
für  die  gröbst  oder  nidrist  stym  des  clavicordis  .  .  magst 
erkennen  Virdung  musica  getutscht  (i5ll)  F  3*;  so  schon 
ahd.:  also  imo  ouh  tie  andero  {saiten)  so  uilo  gerobor 
inquedent,  so  uilo  so  si  lengeren  sint  Notker  i,  852,  10; 
vgl.  24;  {die  saiten)  die  etwas  schlaffer  angezogen  waren, 
die  grobe  stimme  machten  E.  G.  Baron  instr.  d.  lauten 
(1727)  12;  von  musikinstrumenten:  grobes  hörn  Hars- 
dörfer  frauenz.  gesprächsp.  4,  490; 

und  streicht  den  groben  violon 

Stoppe  Parnasz  (1735)  91; 

auch  von  dunklerer  färbe  des  tons,  'dumpf: 

und  die  kartaune  töhnt  den  groben  leichenklang 

Stieler  geharnschte  Vaius  8  ndr.; 

dann  der  messing  laut  von  natur  grob  und  der  stahel 
cleyn  Virdung  musica  getutscht  (i5li)  Fl'';  etliche  bliesen 
sehr  klahr  und  helle,  ander  wieder  grob  und  dunckel 
Dapper  Africa  (I67l)  609'';  dies  eine  sehr  geläufige  anti- 
these : 

das  war  ein  blocken,  quäcken,  quacken  .  .  . 

so  grob,  so  klar,  so  mancherley 

LiCHTWER  äsop.  fabeln  (1748)  114; 

sie  (,die  biene)  sang  bald  grob,  bald  klar 

Fr.  Kind  ged.  3,  127 ; 

handelte  es  sich  nur  um  zweistimmigen  gesang,  oder 
um  'grob  und  fein',  wie  wir  es  bequemer  nannten 
HoFFM.  v.  Fallersleben  7,  11  Oerstenberg. 

B.  nicht  minder  alt,  aber  viel  ausgebreiteter  ist  grob 
als  quantitätsbegriff:  'dich,  stark,  umfangreich,  grosz' 
(^egensatz  'dünn,  klein');  grossus  Diefenbach  270'';  nov. 
gl.  198";  vgl,  die  alten,  formelhaften  paarungen: 


{von  edlen  bäumen  sie)  brachen  obz 
beide  deine  unde  grobz  p( 


s.  H.  36,  1 ; 


ebenso  K.  l,  31;  5,  19; 
tenden  {zehnten)  .  . 
149''  {quelle  V.  1407); 
wo  grob  und  fein 
Eichendorf  2,  163; 
sagt  man  grob  und 
kaufen,  verkaufen), 
grosz'. 

l)  im  eigentlichen 


dat  wy  hebben  verkofft  enen  unsen 
groff  un  smal  Schiller-Lübben  2, 
alt  klingt  auch:  ein  .  .  hoher  bäum, 
erquicklich  durcheinander  wächst 
am  Niederrhein  und  wohl  auch  sonst 
grosz  für  'sachen'  {z.  b.  grob  u.  grosz 

urspr.  wohl  gemeint  als  'dick  und 

dinglicJien  gebrauch. 


389 


GROB 


GROB 


390 


a)  wie  grosz  auf  einen  ausgangspunkt  'grobkörnig' 
weist,  mag  auch  hier  in  der  zählebigen  bedeutung  'dick- 
theilig' das  genetisch  älteste  stecken:  grober  staub  Er. 
Alberus  dict.  (i540)  23^ ;  ■  cibarium  grob  med  B.  Faber 
thes.  (1587)  171'';  kleye  .  ,  ist  das  grobe,  so  vom  körne 
.  .  überbleibet  Gueintz  rechtschreib.  (1666)  91;  examur- 
care  oleum  die  trusen  und  grobe  matery  vom  öl  thun 
Calepinus  XI  ling.  (1598)  503'';  zu  einem  pfund  groben 
werckpulfer  Reutter  v.  Speir  kriegsordn.  llG;  viel 
grobes  sands  En.  Alberus  dict.  54*;  {wege)  mit  grobem 
kisz  bedeckt  Bahrdt  gesch.  s.  leb.  3,  314;  (eine  trepi:e) 
groben  gerölles  Moltke  ges.  sehr.  u.  deiikw.  i,  21;  eine 
Stufenfolge  groben  getrümmers  begleitet  .  .  den  grat 
H.  V.  Barth  Kalkalpen  625;  mit  groben  hasenschrot 
ollapatr.  43,  30  ndr.;  ebenso  adverbiell:  grob  stossen, 
hacken,  schneiden  Kramer  teutsch-ital.  i,  5&7^;  vgl.  die 
zusammenrückungen  grobgestoszen  u.  a.  sp.  407/".;  ähnlich 
in  der  spräche  des  berqbaues:  was  grob  zu  gewinnen  ist 
....  darf  nicht  weggestufet  .  .  .  werden  Veith  bergicb. 
(1870)   249. 

b)  frühzeitig  aber  auch  zur  bezeichnung  des  massigen 
schlechthin;  von  menschen  zunächst  einfach  'dick' :  grouer 
(grossus)  homo  Graff  2,  850;  groff  corpulentus  Hiefen- 
BACH  nov.  gl.  115";  Carolus  der  drilt,  genant  der  grob 
kaiser  städtechron.  3,  65;  Pipinus  met  syme  zonamen 
der  grove  Wallraf  81  [quelle  von  1451);  zu%veilen  auch 
mehr  qualitativ  gefärbt,  *.  C  1 ;  alem.  noch  heute  für  'hoch- 
schwanger' Staub-Tobler2,  689;  grobes  leibes  seyn  'obd.' 
Adelung;  vgl.  grob  schwanger  unten  2  a;  von  thieren 
'stark,  grosz' ;  schon  bildlich: 

solch  grobe  fisch  {fette  opfer)  han  sie  gefangen 
mit  büberey  und  bösem  garn 

BuRK.  Waldis  Esopus  (1565)  203; 

gerade  in  dieser  Verbindung  noch  heute  in  manchen  maa., 
vgl.  Schröer  nachtr.  80;  weindroschel  und  ander  grobe 
Vögel  {im  gegensatz  zu,  finken  und  lerchen)  Mathesius 
Sarepta  (1571)  175'';  von  groben  und  kleinen  vögeln  ins- 
gemein AlTiNGER  Jagd-  u.  weydbüchl.  (l68l)  titelbl.;  ses 
hunde  starck  unde  grof  Reinke  de  vos  v.  336;  grobe 
ochsen  wilder  art  Spreng  Ilias  93"';  doppelsinnig  (vgl. 
F  la):  feist  land  gibt  grobe  ochsen  Petri  d.  Teutschen 
weish.  2,  Ooo8*;  ein  rudel  lauter  starcke  oder  grobe 
sauen  Döbel  neueröffn.  jäger-pract.  1,  25,  und  so  noch 
heute  in  der  Jägersprache;  grob  wildpret  =  schwarz  w. 
Heppe  xoohlred.  Jäger  (1763)  153'';  etwas  anders  (mit  Hin- 
neigung zu  Es):  (des  esels)  gebein  ist  gantz  dünn,  .  . 
dieweyl  es  sunst  so  ein  grob  thier  HeroldForer  Oes- 
ners  thierb.  (1563)  41'';  'derb,  stark,  fett,  vom  vieh'  Fischer 
Schwab,  3,  844;  ähnlich,  im  schtceiz. 

c)  auch  wo  das  adj.  sonst  von  körperlichem  gebraucht 
loird,  in  erster  linie  zur  bezeichnung  der  masse,  des  rund- 
umfangs:  mein  minster  finger  der  ist  gröbere  (grossior) 
dem  rucken  meins  vatters  erste  dtsch.  bib.  5,  297  (3.  kön. 
12,  10);  ebenso  noch  heute  in  der  ma.:  (der  geschwollene 
finger)  isch  fasch  d's  halbe"  gröber  es  d'r  anger;  ärm- 
lisgrob  so  dick  wie  ein  kleiner  arm  Staub- Tobler  2, 
688; 

me  nimt  e  achs  u  geit  u  bätzget 
im  holz  a  mengem  grobe  bäum 

hihi.  alt.  schriftw.  d.  Schweiz  I  5,  196; 

(die  trutznachtigall)  sich  setzt  an  grober  eichen 

Spee  trutznacht.  (1649)  4; 

grob  holtz  du  gros  bois  Duez  nomencl.  (1652)  87;  grobe 
stocke  auszreuten  Petri  d.  Teutschen  Weisheit  2,  Z  7*; 
gern  bildlich  im  Hinblick  auf  die  bedeutung  F :  ich  sehe 
wol,  ich  musz  mit  den  pawrexten  ubir  die  groben  bloch 
kummen  Luther  9,  741  W..  nach  dem  Sprichwort:  zu 
groben  biochen  gehört  ein  bawernaxt  Lehmann  fioril. 
polit.  1,  350;  auf  einen  groben  ast  gehört  ein  grober 
quast Gottsched vers. einer  crit. dichtkunstlQ ;  vgl. Scham- 
bach eg^';  heute  gewöhnlich:  auf  einen  groben  klotz  ge- 
hört ein  grober  keil  teutsche  sprichto.  (1790)59;  schon  be- 
nutzt von  Henrici: 

grobe  klotze  musz  man  keilen 

ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged,  3,  476, 


aber  anscheinend  noch  älter:  den  groben  Schmidelini- 
schen  klotzen  müsz  man  grob  keyl  aufsetzen  Nas  anti- 
gratulatio  (1568)  33*;  gelegentlich  auch:  auf  ein  grob  holtz 
gehöret  ein  grober  keil  Spanutius  (1720)  595;  auch  grobe 
Späne,  an  sich  nur  'dicke,  starke  späne',  in  verschiedent- 
lich übertragenem  gebrauch:  der  (noch  unerzogenen)  Jugend 
die  groben  späne  abhauen  u.  ä.  s.  span  th.  10,  1,  1866  /; 
von  ungeschickten  reden  und  Schriften  sagt  man:  es 
seind  grobe  hobelspän  .  .  es  seind  grobe  brocken,  die 
ein  starcken  magen  zu  verdawung  bedörfen  Lehmann 
florileg.  polit.  i,  373; 

der  alt  woIf  het  ein  schaf  zu  bissen,  .  . 
er  schlang  es  auf  bey  groben  flecken 

BuRK.  Waldis  Esopus  1,  22  Kurz; 

so  bleiben  die  groben  kolen  .  .  in  dem  sieble  Ercker 
mineral.  ertzt  (i580)  9'';  die  bynnerste  muyre,  die  gar 
dick  was  mit  groeuen  steynen  off  gemuyrt  pilgerfahrt 
d.  rittera  v.  Harff  67 ; 

sie  (die  liehe)  spottet  grober  mörsersteine 

Stieler  geharnschte  Venus  8  ndr.  ; 

die  ähren  von  besondrer  grosse,  gefüllt  mit  groben 
körnern  Brockes  ird.  vergn.  7,  401;  dabei  heulender 
wind  und  grobe  flocken  Bismarck  br.  a.  s.  braut  und 
gattin  14;  aber  icirklich  lebendig  in  neuerer  spräche  nur 
in  fällen  icie:  fast  immer  enthält  es  in  feineren  oder 
gröberen  theilen  schwefeleisen  Humboldt  kosmos  8,  614. 
d)  weiterhin,  mehr  oder  minder  technisch,  von  den  ver- 
schiedenartigsten künstlich  erzexigten  gegenständen:  gro- 
ber draht  dicker  dr.  Krünitz  20,  106;  mit  ayner  groben 
oder  dicken  saitten  bezogen  Virdung  musica  getutscht 
j  3'';  grobe  säge  die  grosze  zahne  hat  Kramer  teutsch- 
ital.  2,  iio^ ;  ebenso  grober  kämm  Frischbier  l,  254''; 
vgl.  kemme  den  köpf  für  erst  mit  groben,  darnach  mit 
den  kleinen  zänden  nomencl.  lat.  germ.  (1634)  335;  cribrum 
loliarium  ein  grobe  sieb  362;  grober  pensei  Harsdörfer 
frauenz.  gesprächsp.  1,  D  3";  drei  gebiete  sind  besonders 
hervorzuheben:  achrift  und  druck:  eine  grobe  feder 
penna  cuspide  crassiori  nomencl.  lat.  germ.  (1634)  289;  auch 
in  verschiedenartig  pointierter  Übertragung : 

hie  hab  ich  grobe  fedren  gschnitten 

Scheit  Qrobianus  v.  98  ndr.; 

Scipio  sey  nur  von  der  groben  feder  des  Ennius  ge- 
rühmet Lohenstein  Armin.  (1689)  l,  233*;  je  nach  der 
federatürke  kann  maii  rein  oder  grob  schreiben  escrire 
menu  ou  gros  Duez  nomencl.  (1652)  I5l;  er  .  .  schreibt 
drauff  (auf  die  tafel)  mit  deutlichen,  groben  buchstaben 
Luther  19,  390  W.;  grobe,  fette  schritt  carattere  grosso 
Kramer  teutsch-ital.  2,  655";  die  drucker  nennen  ver- 
schiedene typenstärken  kleine,  grobe  canon,  sahen  «.  a. 
Täubel  buchdruckerk.  (i79i)  i,  172;  ausser  dem  .  .  gesang- 
buche, welches  jährlich  in  grobem  und  feinem  drucke 
aufgelegt  ward  Nicolai  Nothanker  i,  20;  in  Zürich  tver- 
den  reini  u.  grobi  bettagsbüchlein  herausgegeben  Staub- 
Tobler  2,  689;  auch  die  bedeutung  E  kann  hereinkreuzen: 
ein  grob  gedrucktes  blatt  Storm  6,  118.  —  münze: 
grobe  münze  bezeichnet  urspr.  ganz  concret  ein  groszes 
geldstück,  dann  für  die  hochwertigen  münzsorten  im  gegen- 
satz zur  Scheidemünze: 

an  dicken  groschen,  groben  talern 

BuRK.  Waldis  Esopus  1,  406  Kurz; 

was  gute  grobe  müntz  ist,  als  taler  und  neuwe  reichs- 
güldner  Ercker  mineral.  ertzt  (1580)  25*;  300  thaler  in 
groben  münzsorten  Göthe  IV  35,  29  W.\  wenn  die  Eng- 
länder grob  und  klein  geld  in  öinen  beutel  legen  Hippel 
über  d.  ehe  (i792)  77;  ebenso  alt  auf  nd.  boden:  in  guden 
golde  unde  grouen  suluergelde  quelle  von  1474 bei  Sch iller- 
LObben  2,  150*;  von  den  maa.  kennt  noch  heute  das  alem. 
grobs  (geld)  grosze  (silber)atücke  im  gegenaatz  zur  münz, 
zu  chlinem  Staub-Tobler  2,  689;  hat'  weder  grobs  noch 
münz  ebd.  (i7.jh.);  vgl.  müntz  für  grob  geld  wechseln 
Kramer  teutsch-ital.  2,  80°.  —  geschütz:  das  adj.  be- 
zeichnet hier  urapr.  tcohl  die  stärke  des  rohres  (vql.  gro- 
ber bäum  u.  ä.  unter  b),  dann  das  grosze  geschütz:  mit 
zwölf  groben  stücken  Chemnitz  schwed. krieg  (1648)  l,  130  ^ ; 
namentlich   neben   collectivem  geschütz    vom   16.  bis  ins 

25* 


391 


GROB 


GROB 


392 


19.  jh.  ganz  gewöhnlich:  meine  herren  haben  .  .  etlichs 
grobs  geschütz  auf  etliche  berg  fürn  .  .  lassen  städte- 
chron.  32,  478 ;  ein  platz  zu  dem  uberigen  kleinen  und 
groben  geschütz  Fronsperger  kriegsbuch  1,  44«-;  so- 
bald das  grobe  geschütz  zu  spielen  anfing  G.  Forster  2, 
198;  heute  abgelöst  durch  schwer;  nur  in  der  ende  des 
18.  jhs.  aufkommenden  übertragenen  Verwendung  ist  auch 
heute  noch  grob  möglich:  erst  wie  die  .  .  anklage  in  ihrer 
nichtigkeit  verpuffte,  führte  der  hauptmann  .  .  sein 
grobes  geschütz  auf  Fr,  L.  Jahn  2,  202;  vgl.  geschütz 
th.  4,  1,  2,  3976/. 

2)  seit  alters  auch,  auf  unsinnliches  bezogen,  als  in- 
concretes  masz. 

a)  'grosz'  schlechthin: 

und  in  wie  tugentlicher  art 

an  manigem  was  ir  {Marias)  helfe  grob 

pass.  K.  690,  23, 

t?»  mhd.  nicht  selten,  s.  mhd.  üb,  2,  i,  7G2  * ; 

wan  ik  hadde  bekant 
eynyghe  sake  in  my,  kleyn  noch  groff 

Beinke  de  vos  4333; 

das  zue  grob  und  hoch  wetten  soll  bestraft  werden 
Staub-Tobler  2,  689  (a.  d.j.  1595);  groben  übernutz 
(wucher)  üben  ebd.  (a.  d.j.  1682);  eigen:  grober  herr  gnä- 
diger, hochansehnlicher  herr  SCHRÖER  nachtrag  30;  ebenso 
adverbial  'sehr,  in  hohem  m,asze' : 

{Antonius)  horte  wol,  wie  rehte  grob 
uf  den  bruder  trat  ir  lob 

väterbuch  2319  Reissenberger ; 

Hans  V.  Toggenburg,  ein  wundarzt,  der  kaisern  und 
küngen  grob  gedient  Staub-Tobler  a.  a.  o.  (a.  d.j.  1477); 
mit  besonderer  färbung:  eyner  der  do  grab  ritte  grandi- 
loquus  Diefenbagh  268";  dieser  fürs  nhd.  besonders  aus 
dem  alem.  zu  belegende  gebrattch  hat  sich  dort  bis  heute 
gehalten:  grobb  lang  v.  Klein  l,  164;  ich  han  dich  grob 
lieb  u.  a.  Staub-Tobler  2,690;  aber  auch  im  bair.  sich 
grob  verwundern,  grö'  vil,  grob  guat  u.  ä.  Sghmeller  l, 
98 i;  zu  allgemeinerer,  auch  schriftsprachlicher  Verbrei- 
tung ist  nur  gelangt :  die  damaln  auch  grob  schwanger 
war  Schütz  hist.  rer.  Pruss.  (1592)  54";  als  Messalina 
bereits  grob  schwanger  mit  ihr  gegangen  A.  U.  von 
Braunschw^eig  Octavia  (1677)  2,  62;  später  zum  compo- 
situm verwachsen:  da  sie  nun  grobschwanger  A.  Bre- 
mer chron.  Kiliense  243;  grobschwanger  von  projecten 
GÖCKINGK  an  Bürger,  br.  2,  19  Strodtmann. 

b)  daneben  frühzeitig  als  intensitätsbegriff  ungünstiger 
färbung  in  der  bedeutung  'heftig'  oder  auch  'schlimm', 
offenbar  unter  einflusz  der  grundbedeutung  A;  nament- 
lich im  älteren  nhd.  in  bunter  Verwendung:  das  ist  ein 
grober  buff  wider  unsern  köpf  Luther  12,  595  W.;  en 
.  .  strid  in  St.  Peters  munster,  de  so  grof  unde  groth 
wart  Schiller-Lübben  2,  150"-;  do  geschach  von  den 
burgern  .  .,  die  sich  verheizen  Hessen,  ein  grober  uff- 
lauf  über  des  pfaltzgraven  reth  M.  v.  Kemnat  chron. 
Friedrichs  I.  53;  umb  dise  zeit  .  .  gieng  abermalen  al- 
lenthalben grob  jamer,  krieg,  verwüestung  .  .  empor 
V.  Brandis  landeshauptl.  v.  Tirol  14;  die  grobe  maltzei 
Sebiz  f eidbau  (l579)  894;  ebenso  adverbial: 

(er)  traf  des  beiden  schiff  so  grob, 
das  es  sich  halb  von  ander  klob 

Teuerdank  153  <?.; 

Btiesz  er  mit  dem  fusz  so  grob  wider  die  thür,  dasz  sie 
ausz  den  angeln  fiel  Amadis  176  lit.  ver.;  losz  sie  {die 
anfechtungen)  kommen,  wie  grob  sie  wollen  Keisers- 
BERG  bilgersch.  (1512)  56"; 

wodoch  ik  byn  gheschendet  groff 
van  Reinken 

Reinke  de  vos  v.  872,  vgl.  3250,  4236 ; 

mit  dem  biet  er  got  aufs  gröbist  gelestert  Berth.  v. 
Chiemsee  teutsche  theol.  (1852)  70;  was  dörfen  sie  sich 
dan  also  grob  an  irem  vatterland  vergessen  Fisghart 
ehzuchtbüchl.  122,  19  Hauffen;  ich  dich  so  offt  und  grob 
erzürnet  hab  Spee  güld.  tugendb.  (1649)  30; 

der  traumgott  hatte  sie  im  schlaafe  grob  erschrekkt 

Stieler  geharnschte  Venus  120  ndr.; 


neben  vritterungser scheinungen  vermuthlich  älter  als  die 
belege  erkennen  lassen: 

offt  musz  sich  der  Sonnenschein 
noch  im  gröbsten  donner  zeigen 

ScHMOLCKE  sämtl.  trost-  u.  geistr.  sehr.  1,  95; 

na  hat  er  gschickt  an  groben  wind 

K.  Stieler  ged.  1,  18  Reclatn; 

vgl.  so  oft  sie  {die  nerven)  aber  ein  grober  Sturmwind 
schlägt  Börne  9,  29;  so  empfindet  man  heute  auch  grobe 
see  heftiger  seegang  v.  Alten  handb.  f.  heer  u.fiottei, 
399,  urspr.  ganz  eigentlich  'grosze,  hohe  see' ;  vgl.  die  see 
begunte  hohl  und  grob  zu  gehen  Andbeas  Müller 
denkwürd.  reisen  (1678)  118*;    grobe   see  =  hohl  wasser 

BOBRIK   819. 

c)  je  später,  je  tnehr  schränkt  sich  diese  Verwendung 
des  adj.  auf  bestimmte  begriffsgruppen  ein:  der  mit  gro- 
ben toidsunden  beladen  was  Wigand  Gerstenberg 
chron.  207; 

thu  weck  dein  grobe  sünd  und  schuld ! 

H.  Sachs  1,  280  Keller; 

in  älterer  spraclie  ungemein  häufig;  mit  leichter  färbung 
nach  D  4:  {eine  einkleidung,  der)  durch  die  gröbsten 
Versündigungen  gegen  die  sitten  und  das  costüme  von 
Indien  widersprochen  wird  Scijiller  6,  11  G.;  gröbere 
vergehungen  und  laster  Eschenburg  theorieSi;  mit  den 
gröbsten  verbrechen  Kretsghmann  2,  14;  sie  bekennen, 
dasz  sie  grob  gesündiget  .  .  betten  Eeinicke  fuchs  (1650) 
847;  wie  grob  auch  ein  mansch  fehlet  Moscherosgh 
gesichte  (l650)  1,  67;  im  hause  hielt  uns  .  .  ein  respectus 
quasi  parentalis  .  .  von  groben  excessen  ab  Leipz.  avan- 
turieur  (i756)  1,  76;  wenn  ein  grober  unfug  eine  bestra- 
fung  .  .  erforderte  Fontane  I  l,  7l;  wegen  .  .  groben 
miszhandlungen  GötheIVS4,  122  W.;  es  haben  .  .  auch 
andere  nationen  ir  sondere  gröbere  vitia  Scheit  Orob. 
4  ndr.;  mit  allen  ihren  eigenheiten,  lächerlichkeiten, 
abgeschmacktheiten,  auch  wohl  gröbern  fehlem  Miller 
ged.  (1783)  aiih.  456;  auf  einer  andern  linie  liegen: 

dasz  ichs  für  grobe  thorheit  halt, 
wer  gschlagen  sein  will  mit  gewalt 

Scheit  Grob.  v.  1586; 

darumb  sehr  grob  gewisz  ist  deren  Unverstand 

VVeckherlin  ged.  1,  436  lit.  ver.; 

aus  diesen  durch  grobe  Unwissenheit  und  einbildung 
veruhrsachten  fehlem  Zesen  verm.  Helicon  l,  7;  jtmg: 
grobe  Unvorsichtigkeit  Hebbel  I  8,  54;  grobe  fahrlässig- 
keit tcechselordmmg  art.  74;  'crass':  grober  eigennutz 
Novalis  im  Athen,  i,  95; 

als  ich  ihn  des  groben  Undanks  zieh 

Collin  Regulus  119; 

ein  grober  handwerksneid  Gottsched  d.  neueste  a.  d. 
anmutJi.  gelehrs.  5,  126;  in  andern  fällen  klingt  die  be- 
deutung F  5  b  mit  an:  weil  er  .  .  gegen  seine  heiligkeit 
eine  grobe  Verachtung  zeigte  Göthe  43,  3io  W.;  so 
wäre  es  eine  .  .  grobe  unhöflichkeit  Gottsched  dtsch. 
schaub.  2,  87; 

der  Wohlstand  wird  zu  grob  verletzt 

Stoppe  Parnass  (1735)  271; 

jung:  bei  einer  thätlichen  oder  groben  wörtlichen  be- 
leidigung  Spielhagen  2,  842;  eine  grobe  injurie  K.  Fr. 
Gramer  Neseggab  l,  173;  (er)  greift  darum  zu  den 
gröbsten  Schmähungen  Melchior  Meyr  erzählungen 
a.  d.  Ries  l,  62;  vÄe  überhaupt  neuere  spräche  eine  super- 
lativische vencendung  liebt:  die  gröbsten  gegensätze 
Herder  17,  231 ;  dem  Vorwurf  der  gröbsten  inconsequenz 
Schleiermacher  1 5,  54;  die  gröbsten  vorurtheile  Brem- 
ser medic.  parömien  124. 

d)  im  gefolge  von  c  auch  mit  persönlichem  regens: 
einen  groben  sünder  Treuer  dtsch.  Dädalus  1,8;  dagegen 
mit  himieigung  zu  C  i:  das  evangelium  kan  leychtlichen 
mit  offenen  und  groben  sunderen  umbgehn  Luther  9, 
539  W.; 

wie  er  tUrstig  hie  und  dort  als  ein  grober  dieb 
vielen  raub  zusammen  trag 

Reinicke  fuchs  (1650)  25; 


393 


GROB 


GROB 


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ein  grober  pferdedieb  149;  aufenthaltsort  der  gröbsten 
Verbrecher  W.  Grimm  an  Dahlmann,  briefxv.  l,  528;  wie 
der  gröbste  missethäter  Schubart  br.  2,  68;  anderes  ver- 
einzelt: das  war  einem  groben  enthusiasten  wie  mir 
ganz  übrig  Pückler  Iriefio.  u.  tageb.  l,  92. 

e)  es  (zu)  grob  machen,  treiben  u.  ä.  'zu  weit  gehen', 
in  verschiedener  anwendung: 

ob  wir  es  zu  grob  betten  gemacht, 
so  soll  ir  es  für  einen  schimpf  versten 

fastnachtgp.  1,  329,  6  K. ; 

nun  mochtens  auch  der  stedte  soldener  etwas  zu  grob 
machen  Gyr.  Spangenberg  chron.  (1614)  143;  anders: 
also  gedachte  er  auch  immerdar,  er  hette  es  mit  seiner 
verschreibung  zu  grob  gemacht  volksb.  von  dr.  Faust  1I8 
ndr.;  vgl.  dazu  er  hat  es  grob  gemacht  graviter  peccavit 
Steinbagh  1,  645; 

der  löwe  trieb  die  tyranney 

80  grob,  dass  ihn  das  volk  verjagte 

Pfeffel  poet.  vers.  6, 196; 

kommt  es  aber  doch  einmal  (wie  wir  zu  sagen  pOegen) 
zu  grob  ERZHERZOG  JoHANN  an  Prokesch- Osten,  briefic. 
61;  von  auf  schneiderischem  erzählen :  andere  machten  es 
noch  gröber  Holston  u.  Augusta  (1780)  10;  hoho,  das  ist 
zu  grob  und  unwahr,  unterbrach  Alexander  den  crzllhler 
E.  Th.  A.  Hoffmann  6,  1S3  Grisebach;  seass  batze  vorsz 
hinkel  is  rneir  sze  grob  zu  stark,  teuer  Pfister  1.  er- 
gänz, heft  zu  ViLMAR  13;  in  ähnlichem  sinne  ist  auch 
ein  attributiver  gebrauch  möglich :  eine  grobe  (übertriebene) 
forderung;  die  grobe  schusterrechnung  G.  Freytag  verl. 
handschr.  2,  142;  vgl.  es  {das  imblikum)  wurde  nur  grö- 
ber und  ausschweifender  in  seinen  forderungen  Lichten- 
berg verm.  sehr.  (i800)  l,  68. 

C.  andere  gebrauchsweisen  haben  das  gemehi,  dasz  bei 
Urnen  der  maszbegriff  mehr  oder  weniger  umgewandelt  ist 
in  einen  wertbegriff. 

1)  aus  'dick,  stark'  wird  'fest,  gut':  nimant  setzit  In 
einen  schroten  grobis  tflches  in  ein  alt  cleit  Beheim 
evang.  buch,  Matth.  9.  16;  und  so  noch  in  modemer  ma.: 
das  tuech  ist  grob  hat  gute  Qualität,  ist  solid  Staub- 
Tobler  2,  689;  grobi  arbet  solide,  starke  arbeit  ebd.; 
vgl.  das  Sprichwort:  was  grob  ist,  das  ist  starck  und  bricht 
nicht  bald  Lehmann  florileg.  polit.  i.  878;  grob6  glida' 
starke  glicder  Schneller  l,  984;  so  wird  aus  grob  cor- 
ptdentus  {s.  B  1  b)  grolT  van  licham  robustus  Diefen- 
bach  499";  ist  der  mensche  nicht  vast  grop  und  gross 
und  starcker  natur,  so  nim  auf  ein  mal  Va  quartir  ader 
minner  Pfolspeundt  bündth ■  ertznei  (1460)  148  Häser- 
Middeldorpf;  {ein  mittel)  nicht  für  jederman,  sonder 
allein  grobe  harte  leut  Gäbelkover  arzneibuch  (i595)  i, 
214;  ähnlich  im  alem.  noch  heute,  s.  Staub-Tobler  a.a.O.; 
doch  ist  im  ganzen  dieser  gebrauch  selten. 

2)  gewöhnlich  zur  bezeichnung  schlechterer  qualität: 
ivas  dicker,  stärker,  aus  gröszeren  bestandteilen  zusammen- 
gesetzt ist,  gilt  als  gerin girertiger;  auch  hier  schimmert 
stellenweise  die  bedeutung  A  'uneben,  rauh'  durch  {s.  be- 
sonders b,  c,  auch  e);  so  besonders  bei  bestimtnten  be- 
griffsgruppen: 

a)  von  nahrungsmitteln :  grob  brot  secundarii  panes 
Diefenbach  523",  zunächst  einfach  das  aus  gröberem 
mehl  hergestellte  brot;  aber  frühzeitig  in  abschätzigem 
sinne,  namentlich  vom  Schwarzbrot  gegenüber  dem  iceisz- 
brot: 

. .  .  grob  brot  schwartz  gleich  wie  ein  kol 

Scheit  Grob.  v.  2737  ndr.; 

der  von  Jugend  auf  schwartz  grob  brodt  gessen  und 
hernach  zu  guten  weiszbrodt  kommt  Lehmann  jßoriVe^r. 
polit.  1,  .54;  grob  brod,  dünne  hier,  lange  meilen  bezeichnet 
das  sprichiüort  als  eigenthümlichkeit  Westfalens  Tappius 
adag.  (1545)  29^;  vgl.  schon  Seb.  Franck  sprichiv.  (l54l) 
2,  21"-;  Diefenbach  632''  s.  v.  Westualus;  ganz  entspre- 
chend in  älterer  spräche  häufig  vom  fleisch :  {des  büffels) 
fleisch,  so  er  auch  gleych  jung,  ist  grob  Herold-Forer 
Oesners  thierb.  32^;  {der  schwan)  hat  ein  ungeschmack 
fleisch,  ist  schwartz  und  grob  Lehmann  floril.  polit.  2, 
728;    groff   fleisch    dat    is    zu    verstaen    koefleisch   ind 


hamellleisch  SchillerLübben  2,  150";  ähnlich:  grosse 
Wasser  haben  grosse,  grobe  und  undäuliche  fische  jfecÄ- 
büchl.  14;  datteln  ist  ein  grob  undäwige  frucht  Ryff  con- 
fectbtich  (1548)  c  6'';  grobe  speise,  gemeine  speise  cibo 
grosso  Kramer  teutsch  ital.  2,  855";  {leute)  denen  die  köst- 
liche trachten  nicht  meh  schmacken  und  darfür  an 
schlechter  und  grober  kost  iren  lust  büsen  Fischart 
ehzuchtb.  200,  9  Hauffen;  ganz  ebenso  schon  mhd.:  mit  kost 
so  grobe  Nie.  v.  Jeroschin  preusz.  chron.  6287  Strehlke. 

b)  von  gesponnenem  und  gewebtem,  auch  hier  zunächst 
ohne  ungünstigen  7tebensinn  'dick,  derb':  auch  hat  die 
hart  woU  mit  einem  groben  faden  .  .  ein  groszen 
werdt  Eppendorf  Plinius  (1543)  83;  eyn  beuteltuch  .  . 
von  starcker  grober  leinwaht  gemacht  Sebiz  feldbau 
(1579)  390;  oft  aber  und  neben  m.anchen  Substantiven  vor- 
iviegend  mit  dem  beisinn  des  geringwertigen,  gewöhnlichen ; 
zurceilen  spürbar  unter  dem  einflusz  der  bedeutung  A: 
nicht  nur  die  dicke,  auch  die  Unebenheit  und  rauhheit 
des  fadens  oder  des  gewebes  bedingt  die  mindere  qualität : 
grob,  ungebutzt  garn,  daraus  die  seil  oder  stricke  wer- 
den Decimator  thesaurus  (1615)  register;  einer  groben 
zwilch  an  ein  purper  kleid  negen  wolte  Caspar  Hedio 
chron.  germ.  (1530)  a  1*;  grobe  cattune  Göthe  25,  116  W.; 
kamelotte,  chalons  und  allerlei  gröbere  wollene  zeuge 
G.  Forster  4,  91;  man  findet  weiber,  denen  auch  ein 
grob  geringe  thuch  wol  anstehet  Barth  weiberspiegel 
(1565)  Vi»;  (es)  muste  für  jedes  pfund  fremdes  tuch, 
ohne  rücksicht  ob  es  fein  oder  grob  war,  40 xr.  mauth 
bezahlt  werden  Nicolai  beschr.  e.  reise  (1783)  2,  489;  auch 
bei  kleidungsstücken  tu  älterer  spräche  manchmal  ein- 
fach 'dick':  wullen  vel  grof  wynter  cleit  Diefenbach 
34 "^  s.  V.  andromoda;  vgl.  toga  crassa  ein  grober  dicker 
rock  Frisius  dict.  (1556)  340'';  gewöhnlich  aber  in  ab- 
schätzigem sinne:  Esopum  .  .  in  einer  groben  juppen 
{solum  cilicio  amictum)  Steinhöwel  Äsop  44  lit.  ver.: 
in  einem  groben  bawrenrock  Jon.  Arno  Thom.  a  Kempis 
(1631)  A  6*;  ein  alt,  schwartz,  grob,  zerlumbd  hembde 
Schoch  stud.  leben  (1657)  E  3^,  im  bilde  {vgl.F2):  die 
gleichmäszige  höflichkeit,  welche  der  conducteur  dem 
feinen  mantel  und  der  groben  blouse  angedeihen  läszt 
Laube  4,  121 ;  anscheinend  von  hier  aus  übertragen  ge- 
legentlich auch  bei  anderen  kleidungsstücken:  ich  hab 
das  erst  piret  verwechselt,  dann  es  war  grob  Dürer 
tageb.  (1884)  81 ; 

dein  groben  paurenschüch  zeuch  ab 

Scheit  Grob.  v.  683  ndr. ; 

die  Wendung  grob  (garn)  spinnen  vielfältig  in  sprich- 
wörtlichem und  bildlichem  gebrauch :  ausz  grobem  flachs 
kan  man  kein  subtil  garn  spinnen  Petri  der  Teut- 
sehen  Weisheit  2,  K  2»;  hat  man  grob  garn  gesponnen, 
so  gibts  grob  tuch  Lehmann  floril.  polit.  2,  761  {unter 
'sünd');  der  teufel  ist  subtil  und  spinnt  doch  grob  garn 
d.  h.  richtet  böses  an,  ebd.  766,  vgl.  garn  I  5  a,  th.  4,  1,  1, 
1364;  anders 

ich  soll  kein  grob  garn  nicht  spinnen 

VoiGTLÄNDER  odcn  u.  Hcder  (1642)  5, 

d.  h.  incondite,  putide  loqui,  zahlreiche  belege  unter  spinnen 
n  8,  th.  10,  1,  2523;  s.  auch  unten  D  4  b. 

c)  darüber  hinaus  auch  sonst  mannigfach  bei  stoff- 
bezeichnungen,  namentlich  in  jüngerer  zeit:  granit,  .  . 
grober  marmor  Kinderling  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  176; 
eine  kleine  urne  aus  grobem  thon  Hiller  v.  Gärt- 
ringen  Thera  2,  37; 

mit  feinem  gold  wird  grobes  tiberzogen 

W.  Müller  ged.  301  Hatfleld ; 

der  den  zäun  aus  grobem  holze  zimmert  Hölderlin  2, 
136 ;  straffes  grobes  haar  {bei  den  eingeborenen  Amerikas) 
Pesghel  völkerk.  97;  hut  aus  grobem  stroh  Holtei 
erz.  sehr.  7,  157;  grobe  waaren  'welche  von  schlechter 
würde,  häufig  zu  hahen,  schwer  von  gewichte,  schmutzig 
im  umgehen  .  .  sind'  Krünitz  20,  106;  vgl.  allg.  haush. 
lex.  (1749)  3,  627 ;  grobe  gusswaren  handwb.  d.  staatsiciss. 
23,  482;  grob  kramerpapier  Hulsius  (1618)  2,  78»;  ebenso 
spricht  man  von  grobem  glas,  porzellan,  leder  u.  a.; 
hierher  auch  aits  der  spräche  des  bergbaues  grobe  gänge. 


395 


GROB 


GROB 


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das  sind  erzadern,  die  grobe  geschicke,  d.  i.  minderwer- 
tige erze  führen  Minerophilus  lergw.  lex.  (17S0)  311/.; 
vgl.  LüEGER  3,794;  gegentheil  edle  geschicke,  vgl.  geschick 
II  6  d,  th.  i,  i,  2,  3874;  vergleichbar  schon  im  mhd.:  du 
bist  Yor  andern  furstin  alse  ein  edil  gesteine  undir  den 
grobin  steinen  leben  d.  hl.  Ludwig  38,  33;  auch  uneigent- 
lich: das  vergnügen  des  experiments  hat  .  .  den  bessern 
theil  meines  bluts  wachend  erhalten  und  den  gröbern 
eingeschläfert  Bode  Yoricks  reise  (i7G8)  l,  71 ;  {dem  dichter) 
kommt  es  zu,  das  vortreffliche  seines  gegenständes  .  . 
von  gröbern  .  .  beymischungen  zu  befreyen  Schiller 
6,  323  G. 

d)  weiterhin,  indem  als  vergleichsobject  nicht  mehr  eine 
bessere  qualität  desselben  Stoffes  zu  denken  ist,  sondern 
andere  Stoffe  besserer  qualität,  'gemein,  gewöhnlich'  schlecht- 
hin; 7iamentlich  im  älteren  nhd.  häufig: 

der  sammet  und  die  seiden  dein 
das  ist  grob  hew  und  windelein 

Luther  bei  Wackernagel  kirchenl.  3,  23; 

{Pauli  episteln)  schmöckend  mir  glich  wie  grob  distlen 

N.  Manuel  v.  papst  u.  s.  priesiersch.  v.  284  B.; 

{der  verlorene  söhn)  aus  dem  kübel  frasz 
träber  und  des  groben  grasz 

Mittler  dtsche  Volkslieder  367; 

daz  sie  {Adams  kinder)  der  groben  erden  gleich  an  irem 
leib  gedemütigt  .  .  sollen  werden  Jag.  Strausz  christl. 
Unterricht  (1523)  a  2''; 

die  mutter  hat  dich  nicht  mit  grober  milch  erzogen, 
die  musen  sind  dir  mehr,  als  du  begehrst,  gewogen 

Neukirch  ged.  (1744)  196; 

mit  grobem  zinn  .  .  bedient  man  ihre  tafel 

Schiller  12,  401  ö.; 

ähnlich:  ein  binsenhalm  ist  mir  {zum  blumenbinden)  ,  . 
zu  dick  und  zu  grob  Fontane  I  5,  192. 

e)  so  schlieszlich  auch  von  tätigkeiten ;  grobe  arbeit 
und  dgl.  heiszt  zunächst  nur  'derbe  arbeit'  und  braucht 
nicht  abschätzig  z\i  sein:  unser  son  Claudius  ist  einer 
kleinen  stärck,  derhalben  er  zu  keim  groben  handel  zu 
gebrauchen  ist  buch  d.  liebe  (1587)  7'';  die  zu  einem  guten 
groben  handwerck  .  .  bäser  gewidmet  wären  als  zu  bü- 
cheren  Rompler  v.  Löwen  halt  erstes  gebüsch  (i647) 
vorrede  7 ;  aber,  indem  sich  mit  der  Vorstellung  gröszerer 
masze  wieder  der  begriff  des  rauhen  verbindet,  frühzeitig 
auch  mit  qualitätsurtheil,  ähnlichen  sinnes  wie  grobe  waren 
oben  0:  zu  dem  buw  der  erden  und  grober  erbeit  syn 
sie  geschickt  Breidenbach  heil,  reisen  (i486)  94'»;  nicht 
also,  das  man  hinder  dem  ofen  sitze  und  kein  grobe 
arbeit  thue  Luther  80,  l,  145  W.;  vom  handtverk  auf  den 
handwerker  übertragen: 

wenn  grobe  schmide  bey  dem  Bober 
das  weiten  thun  was  doctor  Cober 

ZiNKGREF  auserl.  ged.  24  ndr.; 

bildlich  {im  spiel  mit  F  6) :  das  {wort  gottes)  wyrt  .  .  sich 
nicht  entsetzen  für  solchen  groben  schmiden  Luther 
12,  94  W.;  anscheinend  nur  gelegenheitsbildung  eben  in 
geringschätzigem  sinne,  nicht  schlichte  handwerksbezeich- 
nung;  vgl.  grobschmied. 

D.  in  andern  fällen  wird  grob  vom  quantitätsbegriff 
'dick'  zum  consistenzbegriff'  'dicht';  aber  nicht  in  der 
breiten  ausdehnung  wie  das  adj.  dick  {s.  th.  2,  iQlöf.), 
sondern  nur  in  einigen  gebrauchsiveisen.  die  eine  herlei- 
tung aus  der  bedeutung  'dicktheilig'  (B  l  a)  nahelegen. 

l)  bei  flüssigen  körpern  'dickflüssig,  verdickt':  das  ist 
{in  der  rotwurst)  nicht  allein  dünne  blut,  sondern  auch 
gelievert  {geronnenes)  und  gekocht,  ein  seer  grob  blut 
Luther  50,  527  W.;  disze  thyer  seind  die  stercksten,  die 
ein  grob  geblüt,  die  klügsten,  so  ein  subtil  blut  . .  haben 
Eppendorf  Plinius  (1548)  220;  die  leber  sendet  durch  die 
ädern  in  leibliche  glid  grobe  feuchtikait  Berth.  v.  Chiem- 
see  teutsche  theol.  (i852)  186;  lema,  die  butzen  der  äugen 
aus  grober  feuchte  entstehend  Garth  lex.  lat.germ.graec. 
(I657)  448  **;  {die  krankheit  tvird)  dardurch  kälter,  gröber 
und  unflüssiger  Sevtter  hippiatria  29;  auch  ist  grosse 
underscheyd  der  weine  an  irer  substantz  der  lauterkeit. 
wann  etlicher  ist  gar  subtile,  etlicher  wesserig,  etlicher 


irdisch  grob,  etlicher  mittelmessig  Petr.  de  Crescen- 
Tiis  (l53l)  57*";  im  16.  jh.  eine  stehende  Wendung:  sie  soll 
auch  oft  roten  groben  wein  trinckcn  Wirsüng  arznei- 
buch  (1588)  548*;  {zum  granatwein)  pflegt  man  unzeitige 
granatäpfel  .  .  in  eyn  omen  groben  schwartzen  weins 
einzulegen  SEßlzfeldbau  (1579)  528  {Umsetzung  in  die  be- 
deutung C?);  wo  die  jüngere  spräche  noch  ähnliches  hat, 
drängt  sich  der  abschätzige  sinn  von  G  icieder  vor: 

das  grobe,  dicke  deutsche  blut 
benahm  mir  alle  kraft  und  muth 
Gottsched  d.  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  1,  611; 

wann  anders  nicht  Unordnung,  grobe  safte  .  .  .  den 
leichten  Umlauf  des  geblüts  verhindern  v.  Loen  ges. 
kl.  sehr.  (1749)  1,  9;  von  hier  aus  läszt  sich  auch  die  an- 
wendung  auf  compacten,  fetten,  schtceren  erdboden  ver- 
stehen: wa  grob,  weych,  fett  oder  wässerig  erdtrich,  als 
gemösz  und  sümpfige  ort  Ryff  spiegel  d.  gesundheit 
(1544)  8^  {gegensatz:  da  .  .  das  erdtrich  dürr,  subtil,  hart 
und  trucken  ist);  vgl.  grob  land  fetter  boden  Hertel 
Thür.  110. 

2)  ebenso  von  gasförmigen  körpern;  medicinisch:  es 
{das  heihcasser)  leget  alie  wehetagen  {des  kopfes)  und 
zeucht  die  grobe  dünst  ausz  Gäbelkover  arzneibuch 
(159."))  1,  12;  da  samlen  sich  .  .  viel  dünste  und  grobe 
qualme,  welche  hernach  ins  gehirn  steigen  Prätorius 
anthropod.  pluton.  (1666)  1,  26;  die  groben  bläst  in  dem 
gedärm  löszt  er  auf  Herold-Forer  Gesners  thierb.  (l563) 
30^;  atmosphärisch:  der  nebel  kümt  von  wäzzrigem  gro- 
bem dunst  KoNR.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  95,  15; 
der  lufft  des  lands,  wiewol  er  feucht  und  grob,  so  ist 
er  nichts  desto  weniger  .  .  gesund  Federman  Nider- 
lands  beschr.  (l580)  7;  die  grobe  luft  nennet  man  aerem, 
.  .  die  feinere  heisset  aether  Mattheson  vollk.  capell- 
meister  (1739)  10;  ein  recipient,  daraus  .  .  Guericke  zu 
Magdeburg  die  grobe  luft  gepumpet  Leidniz  dtsche 
sehr.  1,  268;  auch  hier  tvieder  verändert  erst  die  jüngere 
zeit  den  begriff  nach  C:  eine  grobe  ungesunde  luft 
Krünitz  20,  103.  von  hier  aus  wird  sich  die  bedeutung 
'dunstig,  trübe'  entwickelt  haben:  so  offt  du  die  gemainen 
stern  dick  tunckel  und  grob  siehst,  bedeut  allwegen 
ändrung  des  wetters  Revnmann  wetterbüchl.  3  ndr.;  ist 
der  mon  schwartz  oder  grob,  bedeut  ain  kalten  lufft  und 
regen  ebd.  9. 

3)  ein  besonderer  bedeutungszweig  ergibt  sich  daraus, 
dasz  das  vergleichsobject  ins  unsinnliche  gerückt  wird; 
grob  bezeichnet  dann  unterschiedliche  grade  der  annähe- 
rung  an  das  rein  geistige,  auch  abstufungen  innerhalb 
des  geistigen  selbst. 

a)  'körperhaft':  toh  nesint  sie  {demones)  so  gerobes 
lichamen  {quelle:  corpulenti),  daz  sie  gesihtig  sin  men- 
niskon  Notker  l,  819,  2;  der  leichnam  {wird  verglichen) 
der  erden,  wann  er  ist  grob  und  begreifleich  Albr.  v. 
Eyb  Spiegel  d.  sitten  (l51l)  A  1»;  je  später  je  häuflger  zur 
bezeichnung  der  materie  gegenüber  dem  geistigen  als  dem 
feineren:  indem  der  cörper  etwas  gröberes,  beschwer- 
licheres, plumperes  ist  als  der  geist  Bodmer  abhandl. 
V.  d.  lounderbaren  (l740)  33;  die  gottheit  ist  in  eine  grobe 
erdgestalt  verschattet  Lavater  physiogn.  fragm.  (1775) 
1,  4;  zu  fein  .  .  und  zu  überirdisch  sind  die  religiösen 
geister  geworden,  als  dasz  man  sie  unmittelbar  an  die 
grobe  erde  binden  .  .  könnte  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u. 
an  s.  l.  Deutschen  2,  95;  vgl.  weiterhin:  um  nun  das  her- 
abfallen in  die  gröbere  körperlichkeit  zu  verhindern, 
ist  die  kontemplation  .  .  als  mittel  angegeben  Hegel 
13,  152;  ich  glaube  nicht  an  gespenster,  die  mehreren 
zugleich  einen  groben  sinnlichen  spuk  vorgaukeln  Hol- 
te! erz.  sehr.  3, 126;  der  grobe  materialismus  des  plumpen 
handwerkers  "Wieland  Agathon  (1766/.)  l,  261 ;  oder  das 
adj.  charakterisiert  die  sinnlichen  functionen  des  menschen 
gegenüber  den  geistigen:  in  der  gröbsten  sinnlichen  Wol- 
lust empfinden  wir  noch,  dasz  wir  mehr  als  körper 
sind  Hegner  ges.  sehr.  5,  298;  Vergnügungen  der  phan- 
tasie  .  .,  die  dem  verfeinerten  erdenbürger  so  viel  mehr 
als  die  gröbern  freuden  der  sinne  gelten  J.  J.  Engel 
sehr.  2,  232;  liebe  .  .,  von  der  groben  Sinnlichkeit  ge- 
läutert Herder  15,  812;  {die  dichtkunst  ist)  freilich  kein 


397 


GROB 


GROB 


398 


den  groben  hunger  stillendes  nahrungsmittel  Kretsch- 
MANN  2,  11 ;  oder  es  statuiert  innerhalb  des  sinnlichen 
unterschiede  der  körjperhaftigkeit :  dasz  die  erinnerung 
der  empfmdungen  desto  schwächer  ist,  je  gröber  die 
sinne  sind,  durch  welche  sie  erweckt  worden  Gersten- 
berg recens.  21  lit.  denkm.;  bei  denen  sinnen,  die  man 
die  gröbsten  zu  nennen  pfleget  Herder  22,  3i;  der  grö- 
bere sinn,  das  äuge,  hatte  also  doch  auch  seinen  an- 
theil  Bauernfeld  2,  38;  {das  volk)  fühlt  an  statt  des 
triebes  nach  ehre  nur  die  triebe,  die  .  .  die  gröbsten 
der  sinne  vergnügen  Haller  Alfred  (1773)  lU;  oder  es 
malt  innerhalb  des  gedanklichen  unterschiede  der  ent- 
fernung  vom  materiellen:  diese  grobe  Yorstellungsart 
wollte  feineren  geistern  nicht  gefallen  Göthe  H  6,  l, 
430  W.;  so  grob  diese  sinnliche  Vorstellung  auch  ist 
V.  Schubert  verm.  sehr.  2,  37;  die  groben  materialisti- 
schen begriffe  von  einem  mechanischen  handeln  Fichte 
2,  155. 

b)  darüber  hinaus  auf  allen  gebieten  des  abstracten 
für  das  handfeste,  derbe  gegenüber  dem  feineren;  schon 
älterer  spräche  möglich:  (der  mensch)  stat  sin  (gottes) 
doch  lidig  in  diser  grober  nemunge,  wan  er  hat  ein 
nehers  begrifen  Seuse  dtsche  sehr.  182  B.; 

wtirt  gott  ümb  unser  sach  geert,  .  . 
solch  thörlich  götlich  lieb  wer  grob 

ScHWARTZENBERG  Cicero  (1535)  131  •»; 

aber  erst  seit  dem  späteren  18.  jh.  in  der  heutigen  bunten 
Verwendung :  einmal  gab  das  publikum  .  .  einem  recht 
groben  sophism  seinen  herzlichen  beyfall  Göthe  HI 
1,  223  TFT;  es  ist  .  .  ein  recht  grober  kitzel  des  egois- 
mus  Fr.  Schlegel  im  Athen,  l,  2,  80;  ob  wir  gleich  uns 
sehr  hüteten  nicht  zu  lügen  und  im  groben  sinne  falsch 
zu  sein,  so  waren  wir  es  doch  im  zartern  Göthe  25, 
237  W.;  aller  bemüh ungen  des  groben  und  feinen  Un- 
glaubens ungeachtet  Lavater  auss.  in  d.  eivigk.  3,  146; 
nur  musz  man  die  zarte  Stimmung  dieses  schönen  ge- 
sprächs  (Piatos  Ion)  nicht  so  grob  nehmen  wie  ge- 
wöhnlich Fr.  Schlegel  3,  17;  stark,  laut  und  grob 
müssen  die  eindrücke  .  .  seyn,  um  gemeinen  köpfen 
vergnügen  zu  verschaffen  Zimmermann  einsam^,  l,  42 ; 
ähnlich  auch  in  der  häufigen  Verwendung:  dörfen  sie 
wohl  solche  grobe  kunstgriffe  zu  hülfe  nehmen?  Gott- 
sched dtsche  schaub.  1,  306;  (auf  das  volk  ivirken)  durch 
die  gröbsten  mittel  sehr.  d.  Qöthegesellsch.  9,  239. 

4)  andere  gebrauchsweisen  sind  dadurch  gekennzeichnet, 
dasz  sie  das  hauidgeivicht  auf  den  besondern  grad  von 
Wahrnehmungsfähigkeit  legen,  der  einem  handfestem,  der- 
bem object  innewohnt. 

a)  grob  ist,  tvas  das  verstehen  erleichtern  will;  'hand- 
greiflich, drastisch',  auch  'deutlich,  allgemeinverständlich' : 
und  wil  dich  einen  verren  anblik  läzen  tuon  nach 
einer  groben  glihnüsse  Seuse  in  Wackernagels  leseb. 
&l,  1225;  ein  grob  byspil  hör  Z\\iügl.\  freiheit  d.  sj).  2S  ndr.; 
das  mus  ich  mit  eym  groben  gleychnis  eynbilden  Luther 
18,  397  W.;  das  mus  ich  ein  wenig  grob  ausstreichen, 
das  mans  verstehe  30,  l,  133;  byn  ich  yhn  schuldig  .  . 
aufs  grobist  und  klarlichst  Unterricht  zcuthun  9,  229; 
ist  aufs  erste  .  .  eyn  grober,  schlechter,  eynfeltiger 
guter  catechismus  von  nöten  19,  76;  ähnlich  noch  heute 
im  alem.  e  grobi  bredig  Staub-Tobler  2,  690;  ego  volo 
aufs  gröbst  deudschen  Luther  27,  505  W.;  das  ist  loca- 
liter  darvon  geredt  und  subtylich.  nun  wollen  wir  lai- 
caliter  und  grob  davon  reden  Keisersberg  Maria 
himmelf  (1512)  8"*;  und  so  bis  ins  18.  jh.:  agam  pingui 
Minerva  ich  will  grob  von  der  sache  reden  Spanutius 
(1720)  498 ;  ein  nachhall  dieses  gebrauches  liegt  vor  in 
fällen  tvie:  eine  gute  art  .  .,  wie  man  den  menschen 
die  Wahrheit  fein  zeigen  mag,  ohne  sie  ihnen  grob  ins 
gesteht  zu  sagen  Aurbacher  volksbüehl.  (1835)  67,  wo 
heute  freilich  der  sinn  F  6  b  vorvxiegt. 

b)  grob  ist  auch,  tvas  sich  dem  erkennen  nicht  ent- 
ziehen kann;  'augenfällig,  am  tage  liegend,  plump': 

aber  dieweil  dein  bubenstück 
liegen  am  tag  so  grob  und  dick 

Fischart  nachtrab  v.  254  Kurz; 


zwen  teufel,  die  das  recht  verderben;  einer  heist  trug 
und  list,  der  machts  grob  Petri  d.  Teutschen  Weisheit 
2,  C  c  7*;  er  stahl  .  .  .  auf  eine  so  grobe  art,  dasz  er 
.  .  .  flüchtig  werden  muszte  F.  M.  Klinger  3,  85;  er  wird 
sie  nicht  offen  und  grob  anfeinden  Justi  Winckelmann- 
2,  164;  ähnlich:  solche  stucklin  heysse  ich  nicht  eynen 
subtilen,  sondern  groben,  greyflichen  teufel  Luther  19, 
122  W.;  der  .  .  .  gottlosigkeit  dreyerley,  eine  gar  grobe, 
scheinbare  und  greifliche  Dannhauer  catech.  milch  l, 
124;  namentlich  bei  bestimmten  begriffsgruppen :  sy  .  . 
liegent  .  .  so  .  .  grob,  das  man  es  mit  henden  greyfen 
mag  Philad.  Regius  von  luth.  wunderzeichen  (i524)  A  s*»; 

dieser  groben  lüge  konnten 
sie  glauben  schenken?  Schiller  5,  2,  417  G. ; 

der  gantz  grob,  öffentlich  betrug  . .  des  ablas  Luther 
18,  255  W.;  (er)  bemitleidete  die  andern,  die  sich  so 
grob  täuschen  lieszen  E.  Th.  A.  Hoffmann  l,  47  Grise- 
bach; 

doch  solchem  groben  gaukelspiel  erliegen! 

Schiller  13,  272  O.; 

eticas  anders:  wie  man  sonst  die  oper,  eben  wegen  ihrer 
groben  unwahrscheinlichkeit,  lächerlich  machen  wollte 
Göthe  47,  260  T^'^,,-  (die  kirche)  irrt  so  fast  und  so  grob, 
dasz  es  ouch  die  beiden  .  .  wol  wüssend  Zwingli  dtsche 
sehr.  I,  140;  ähnlich  empfundeyi :  iedoch  weil  ein  ieder 
grober  und  sichtbarer  fehler  des  feindes  .  .  verdächtig 
seyn  soll  Lohenstein  Armin.  (i689 /.)  2,  1062»;  von 
Schmeicheleien  u.  dgl.:  sie  haben  ihm  grob  genug  ge- 
schmeichelt G.  Freytag  Journalisten  I  1;  es  vt  kein 
grobes  kompliment,  aber  eine  Wahrheit  br.  von  u.  an 
Herweg  h  19;  vgl. 

gut,  ich  will  verwegen  sein 
und  ihr  mit  kecker  stim  den  gröbsten  Weihrauch  streun 

Körner  4, 16  Hempel. 

auch  das  bei  bildlichem  gebrauch  stark  schillernde  grob 
spinnen  (vgl.  C  2  b)  ist  manchmal  hierher  zu  stellen: 

wollt  ir  ewrs  liegens  werden  fro, 
so  bleibt  hie  niden  bey  der  erden,  .  .  . 
denn  wenn  irs  all  zu  grob  wolt  spinnen, 
werd  irs  zuletst  nit  fedmen  können 

BcRKARD  Waldis  ^sopws  (1555)  193 » ) 

dein  gespinst  von  trug  und  tücken 

ist  zu  grob  Weber  Dreizehnlinden  (,ld07)  323. 

c)  aus  b  entwickelt  sich  frühzeitig  eine  andere,  klar 
unterschiedene  bedeutung,  die  den  sinn  ins  quantitative 
rückt:  die  grobe  lüge,  irrung  usw.  wird  aus  der  durch- 
sichtigen  zur  starken,  krassen ;  in  neuerer  zeit  der  vor- 
herrschende gebrauch:  ich  halte  diese  zeitung  für  lauter 
grobe,  erdichtete,  schändliche  lügen  Rist  d.  friedejauch- 
zende Teutschland  (1653)  62 ;  indem  er  nun  die  Deutschen 
mit  der  groben  lüge  zu  bethören  hoffte,  dasz  es  ihm 
um  die  rettung  ihrer  glaubensfreiheit  zu  thun  sei 
Moltke  sehr.  u.  denkwürdigk.  2,  185;  weiberlob  betrüget 
grob  Binder  210;  aus  furcht,  vom  müller  .  .  grob  über- 
vortheilt  zu  werden  Körte  sprichiv.  XVHI;  dasz  die, 
so  da  vermeynen  zum  mehrsten  wissen,  vielmals  zum 
gröbsten  fehlen  Amadis  38  lit.  ver.;  (ein  gemälde)  wo 
sie  (die  perspective)  mit  den  gröbsten  fehlem  angebracht 
ist  Lessing  lO,  265  M.;  ein  grober  Schnitzer  un  error 
maiuscolo,  capitale  Kramer  teutsch-ital.  2,  633 '';  werden 
wenigstens  keine  groben  Unrichtigkeiten  in  den  ange- 
führten beweissteilen  sein  Fr.  L.  Jahn  l,  26  Euler;  ver- 
zeihen sie  .  .  den  groben  irrthum  Holtei  erz.  sehr.  5, 
55;  ähnlich:  ein  grobes  missverständnis  A.  W.  Schlegel 
im  Athen,  i,  2,  64;  grobe  Verwechselung  Gerstenberg 
schlesiD.  lit.  br.  164,  26  ndr.;  so  berührt  sich  schUeszlich 
diese  bedeutungslinie  mit  einer  von  anderer  stelle  aus- 
gehenden, *.  0.  B  2  c. 

E.  für  sich  steht  ein  gebrauch,  der  grob  für  dinge 
verwendet,  die  nicht  den  grad  von  feinheit  und  ausar- 
beitung  erreichen,  der  an  sich  möglich  oder  zu  wünschen 
wäre;  auch  diese  bedeutungsgruppe  veranschaulicht  vne- 
der  das  ineinanderspielen  der  begriffe  'dick,  grosz'  und 
'rauh'. 

l)  am  deutlichsten  tritt  die  grundbedeutung  'rauh' 
heraus  in  gewissen  festen  Verbindungen  der  älteren  spräche: 


399 


GROB 


GROB 


400 


antiquitas  trisiis  et  impexa  die  spraach  der  alten  grob, 
ungeziert,  unlieblich  Frisius  dict.  (1556)  658'';  freilich 
wird  sie  mehr  oder  minder  überdeckt  von  der  aus  B 
herzuleitenden  'unförmig,  plump':  die  ausländer  .  .  den 
groben,  klotzigen,  ungehobelten  teutschen  wörteren  keine 
zier  beymessen  Schottel  hauMspr.  (i668)  6;  dasz  eine 
einfältige  grobe  spräche  der  künstlichen  den  anfang 
gegeben  Morhof  Unterricht  v.  d.  dtsch.  spr.  l,  67;  die 
spräche  der  leute  .  .  wird  friesisch  genennet,  ist  aber 
nur  ein  grobes  plattdeutsch  Gottsched  d.  neueste  a.  d. 
anmuth.  gelehrs.  8,  760;  ettcas  anders:  und  redeten  grob 
griechisch  ein  rohes,  schlechtes  griechisch,  türkischer  va- 
gant  (1683)  59;  schlieszlich  ganz  nach  B:  {ein  gut)  das 
wir  mit  unserer  groben,  unbeholfenen  spräche  glück 
benennen  Tieck  sehr.  9,  154;  ähnliche  mischungen  hei 
der  altüblichen  anwendung: 

ich  vürhte,  min  gesank  dem  iuren  si  ze  grop 
Regenbogen  «m  Frauenlob,  minnes.  3,  345*  v.  d.  Hag.; 

lesung  grober  und  unzierlicher  gedichten  N.  v.  Wyle 
translat.  8  lit.  ver.;  ein  .  .  grob  gereimtes  tractätlin 
Scheit  Grob.  s.  l  ndr.;  so  noch  in  jüngerer  zeit:  (die 
Chinesen)  kannten  die  tonkunst,  aber  sie  war  grob  und 
unvollkommen  Zimmermann  nationalstolz  (nbS)  61  ;  aber 
auch  feiner:  ein  weitschweifiges  und  grobes  buch  Jüsti 
Winckelmann  1,  146. 

2)  der  neueren  spräche  ist  diese  bedeutung  am  geläu- 
figsten  in   concreterem   gebrauch   von  allerlei  technischer 
arbeit;  der  maszhegriff  getoinnt  die  vorhand:  grobe  stiebe 
nähen  Kramer  ieutsch-ital.  l,  566";  vgl.  ein  grob  geflick- 
tes  röckeben  Brentano  5,  123;   dazu   {zur  kunstkritik) 
sind   den   meisten    die   nasen  doch  zu  grob  gebohrt  E. 
M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  150;  jedes  «n- 
günstigen   nebensinnes    entkleidet    in    den   mannigfachen 
ausdrücken  u-issenschaftliche,r  spräche  wie  grob  gekerbt, 
gesägt,  gezähnt  vo7i  blättern  Behlen  forst-  u.jagdk.  ?, 
501;    gewöhnlich   rückt   in    solcherlei   Verbindungen   adv. 
und  part.  bis  zur  composition  zusammeti,  vgl.  sp.  i07f.; 
gern  von  bildnerischer  arbeit:   {die  Athener)  welche  das 
.   .    Minervenbild    als   grob   und    ungestalt   verachteten 
Lohenstein  Armin.  (i689/.)  2,916*;  das  schnitzbild,  wel- 
ches Phidias  sehr  grosz  und  grob  gehauen  J.  E.  Schle- 
gel 3,  138;   so  dasz  die  münzen  der  Athenienser  gegen 
jene  grob  und  ohne  kunst  gepräget  erschienen  Winckel- 
mann 6,  69;  ähnlich  empfunden:  die  groben  thürme  der 
Frauenkirche  Laube  8,  177;  von  einfachen  gesetzen,  so 
wie   von   groben   gestalten  schreitet  sie  {die  natur)  ins 
zusammengesetztere,   künstliche,    feine  Herder  13,  49 ; 
in  der  maierei  sind  grobe  umrisse  'diejenigen,  wenn  die 
m,uskeln  mit  den  sehnen  und  Schlagadern  vermengt  scheinen, 
so  dasz  nichts  artikuliert  oder  ausgesprengt  ist'  Jacobs- 
SON  techn.  wb.  2,  154»;  eine  auch  in  mannigfach  übertra- 
genem gebrauch  häufige  fortnel:  {ein  Schiller)  welcher  — 
in   groben   umrissen   und   aus   der   ferne  betrachtet  — 
einstweilen  nichts  ist  als  ein  landflüchtiger  rebell  Kürn- 
B  ERG  er   liter.   herzenssachen  92;    mit   hinneigung   zu  4: 
dasz  Herz  in   den   ersten   gröbern   umrissen  seiner  toi- 
lette  genau  war  Gutzkow  ges.  werke  8,  274 ;  ebenso  wird 
grobe  striche  u.  ä.  meist  uneigentlich  gebraucht:  die  etwas 
rohen  und   groben   pinselstriche   unsers   autors  Göthe 
22,  174;   W.;  Personen   und   zustände   mit   groben   aber 
deutlichen  strichen  gezeichnet  Scheffel  l,  loo;  Juvenals 
gemälde  .  .  haben  brennende  färben,  kühne  aber  grobe 
Züge   Ramler   einl.  in  d.  schön,  wissensch.  3,  169;  man 
sieht    oft    in    solchen    Puppenspielen    die    herrlichsten 
copien,   obgleich   im   groben,    al  fresco  gemalt  Knigge 
roman  m.  lebens  2,  6;  Plautus  malt  seine  Charaktere  mit 
breiten   strichen   .  .,   immer   für  die   Wirkung   aus   der 
ferne  und  im  ganzen  und  groben  Mommsen  röm.  gesch.^ 
2,  434;  versurtheiler,  die  keinen  vers,  auch  nur  im  gro- 
ben, vortragen  können  J.  H.  Voss  zeitm.  d.  dtsch.  spr.  5. 
S)  ähnlich  von  der  bildung  des  menschlichen  körpers: 
grobe  glieder,  bände  membra,  mani grosse  Kramer  teutsch- 
ital.  1,  566°;  eigentlich  'dicke,  starke  glieder'  {so  wohl  grove 
ledemate  Diefenbagh  nov.  gl.  879''  s.  v.  vertebra),  dann 
aber  'plumpe,   derbe,   unfeine':   ein  kleiner  dicker   kerl, 
mit  groben  gliedern  Tieck  sehr.  8,  7;  einem  psychologen 


hätte  vielleicht  schon  ein  blick  auf  ihre  groben  füsze 
gezeigt  Alexis  ruhe  (1852)  l,  79;  mit  besonderer  note  {vgl. 
F2): 

und  ihr  finger  ist  vil  zu  grob, 

die  dorische  harpf  recht  zu  zwicken 

Weckherlin  1, 111  lit.  ver.  ; 

so  soll  ihn  {den  faden)  . .  mein  guter  sinn  so  weit  und 
dünn  ausdehnen,  dasz  ihre  groben  finger  ihn  so  leicht 
nicht  fassen  werden  F.  M.  Klinger  4, 87;  namentlich  vom ge- 
sichtsschnitt:  das  verbrannte  .  .  gesiebt  hatte  grobe  züge 
Laube  2, 28;  grobe  wie  feine  .  .  gesichtsbildungen  kommen 
untermischt  vor  Peschel  völkerk.  483;  auch  war  ihr 
gesiebt  ganz  so  grob  geschnitten  wie  das  seine  G.  Haupt- 
mann bahnwarter  Thiel  (1892)  4;  ein  ältlicher  mann  mit 
einem  groszen  groben  köpfe  G.  Keller  l,  35;  ähnlich 
schon:  ein  subtiler  lerchenkopf  und  grober  sewkopf  sind 
weit  unterschieden  Petri  d.  Teutschen  tceisheit  2,  Y  5''. 

4)  öfter  mit  dem  besonderen  sinn  einer  ersten,  vorläu- 
figen thätigkeit,  der  eine  feinere,  sorgfältigere  folgen  soll: 
grob  überhoblen  Frisius  dict.  (1556)  443"  s.  v.  dolo;  wie 
er  {Moses)  auch  sonst  gemeyniglich  von  ersten  ein  ding 
pflegt  grob  und  obenhyn  zu  schreiben  .  .,  das  er  her- 
nach besser  eraus  streichet  Luther  24,  48  W.;  {es)  fin- 
den sich  überall  leute,  die  das  schon  so  grob  oben  weg 
zu  machen  wissen;  musz  es  doch  hernach  erst  poliren 
MALER  Müller  2,  40 ;  vgl.  grobhin,  -weg;  also  nur  eine 
grobe  Skizze  der  festlichen  szenen  Pfeffel  pros.  vers.  5, 
125;  obgleich  mein  entwurf  grob  und  unausgearbeitet 
ist  Kant  werke  (1838)  6,  100;  nach  einem  groben  durch- 
lesen bin  ich  kaum  erst  an  den  zweiten  feinen  gang 
gelangt  Görres  br.  2,  263;  das  elementare:  rhdimenta 
grammatices  die  erste  anleitung,  das  grobe  in  der  gramm. 
CoRviNUS  (164G)  718;  Albinus  zeigte  nur  das  gröbere  der 
anatomie  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  25 — 36,  442 ;  vgl.  grob 
gruntlich  underwisung  rudimentum  Diefenbagh  502". 
hierher  auch  die  vielgebrauchte  wendung  eine  sache  aus 
dem  groben  (gröbsten)  arbeiten  u.  ä.  die  äuszerlichsie, 
roheste  arbeit  verrichten,  die  der  feinen  durchbildung 
vorangeht:  die  arbeit  aus  dem  groben  oder  das  erste 
schleifen,  'einreiszen'  {bei  der  glasschleiferei)  Karmarsgh- 
Heeren^  4,  61;  wenn  sie,  die  Aegypter,  die  steine  aus 
dem  groben  gearbeitet  hätten  H.  Meyer  gesch.  d.  bild. 
künste  2,  28 ;  vielleicht  ist  diese  anwendung  auf  die  arbeit 
des  stein-  und  bildhauers  die  ursprünglichste:  nur  aus 
dem  groben  läszt  er  sich  den  block  durch  den  arbeitet 
hauen  Fr.  Th.  Vischer  ästhet.  3,  l,  13;  dafür  auch  {vgl. 
2  schlusz) :  zwei  von  den  .  .  gestalten  liesz  er  dort  {in 
Carrara)  schon  im  groben  zuhauen  H.  Grimm  Michelangelo 
1,  284;  gern  superlativisch:  die  .  .  baumeister  setzten  die 
vollkommensten  seulen  unten,  die  nur  aus  dem  gröbsten 
gearbeiteten  in  die  höhe  Lohenstein  Armin.  (i639)  l, 
630 *>;  das  untere  theil  dieser  statuen  ist  nur  aus  dem 
gröbsten  entworfen  Winckelmann  5,22;  nachdem  er  die 
platten  aus  dem  gröbsten  geschmiedet,  schwellen  die  bil- 
der  .  .  unter  seinen  feinern  schlagen  aus  dem  erzte  her- 
vor Lessing  9,  111  M.;  aber  frühzeitig  auch  von  anderer 
arbeit:  weil  ich  gleichsam  nur  mit  diesem  werckgen 
eine  arbeit  aus  dem  gröbsten  gebracht  habe  J.  G. 
Schmidt  gestrieg.  rockenphilos.  (1706)  l,  vorr.  6*;  im 
bilde:  die  Deutschen  sind  es  .  .,  welche  das  russische 
Volk  .  .  aus  dem  groben  gearbeitet  haben  E.  M.  Arndt 
1,  200;  eine  mit  grob  G  2  b  spielende,  scherzende  benutzung 
der  technischen  formet  scheint  auch  vorzuliegen  in  der 
Wendung:  Ettner  machte  sich  ein  wenig  aus  dem  groben 
legte  die  Überkleider  ab  Ettner  und  Eiteritz  medic. 
maulaffe  (1719)  844. 

5)  andere  fälle  sind  dadurch  unterschieden,  dasz  die 
an  sich  ähnliche  begriffscontrastierung  unter  einem  an- 
dern accent  steht:  das  erste,  äuszerlichste  ist  hier  das 
hauptsächliche,  wesentliche,  wichtige:  dasz  die  .  .  arbeit 
mehr  als  eines  menschenalters  nöthig  war,  auch  nur 
die  groben  spuren  der  Zerstörung  zu  verwischen  Häusser 
dtsche  gesch.  1,  l;  dasz  er  nur  erst  das  gröbste  und  am 
meisten  in  die  äugen  fallende  wegräumen  wollte  M.  L 
Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  1,  383;  diese  bedeutung  in 
mannigfachen  Wendungen  der  mundart  und  der  Umgangs- 
sprache: nu«  gueti   so  säg's!  doch  d's  grebsti  nur  das 


401 


GROB 


GROB 


402 


tvichtigste  Staub-Tobler  2,  689;  de  gräbsten  freind  die 
zunächst  wohnenden  freunde  Müller-Fraureuth  l,  M3, 
die  intimsten,  vertrautesten  Fischer  schwäb.  3,  845;  oft 
mit  deutlichem  durchbrechen  der  bedeutung  A  im  sinne 
des  schwierigsten,  schlimmsten:  das  gröbste  wegmachen 
das  noticendigste,  schicierigste  erledigen  Müller-Frau- 
reuth a.  a.  0. ;  die  gröbste  (Äam^/)arbeit  ist  nun  wohl 
gethan  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkw.  6,  392;  am  häufigsten: 
aus  'n  gröbsten  raus  sein  über  die  Schwierigkeiten  hin- 
weg sein  Müller-Fraureuth  a.  a.  o.;  de  weekenfro  is 
all  ut  dem  grövsten  auszer  gefahr  Schütze  holst.  2,71; 
gern  von  hindern:  die  kleine  patchen  Adelheid  ist  nun 
bald  aus  dem  gröbsten  nach  bildhauerausdruck  Rauch 
an  Rietschel,  briefw.  1, 242  {im  gedanken  an  den  gebrauch  i) ; 
wenn  das  Fritzle  nur  einmal  so  weit  aus  dem  gröbsten 
war,  dasz  er  könnt  frein  0.  Ludwig  2,  129;  das  gröbste 
war  also,  gott  lob!  überstanden  Ayrenhoff  i,  13;  misch- 
construction :  das  wäre  sonach  nun  aus  dem  gröbsten 
überstanden  Fichte  5,  378;  öfter  mit  i  durcheinander- 
rinnend: die  deutsche  nation  hat  sich  aus  dem  gröb- 
sten herausgehauen,  da  sie  ihre  nationalität  .  .  gerettet 
hat  Riehl  deutsche  arbeit  56. 

F.  die  feinsten  abschattungen  zeigt  die  bedeutung  des 
adj.  bei  der  anicendung  auf  die  äuszere  gebarung  und 
innere  heschaffenheit  und  artung  des  menschen  (und  ge- 
wisser thiere);  loieder  treten  die  bedeutungen  'rauh'  und 
'dick'  in  eiginfhümlicher  Wechselwirkung  auf. 

l)  i7i  anwendung  auf  die  inneren  organe  des  menschen 
bezeichnet  grob  die  Stumpfheit  des  Verstandes,  der  sinne, 
des  gefühls;  dieser  gebrauch  ruht  auf  der  grundlage  von 
B  'dick'  und  vergleicht  sich  der  Spielart  E  'tiicht  fein 
genug  ausgearbeitet'. 

a)  grober  verstand  obtusitas  ingenii  Er.  Alberus 
dict.  (1540)  17*;  welher  mensch  vil  flaischs  hat  .  .,  daz 
bedäut  groben  sin  und  hert  Vernunft  Konr.  v.  Megen- 
BERG  buch  d.  natur  47,  9 ; 

darzu  ist  mein  Vernunft  ze  grob 
und  kan  des  nit  erdencken 

Hätzlerin  liederb.  266"; 

die  jünger  sind  allweg  grobs  Verstands  gsyn,  bis  sy  den 
geist  gottes  empfiengend  Zwingli  dtsche  sehr,  i,  225; 
sprichwörtlich  (mit  anspiehmg  auf  C  l) :  grober  verstand 
helt  bestand  Lehmann  florileg.  polit.  i,  103;  grob  köpf 
behalten  lang  schöne  weise  klugreden  (1548)  160*';  an  den 
groben  köpfen  ist  kosten  und  arbeit  verloren  Fr.  Wil- 
helm Sprichwörterregister  (xbll)  a  2^;  ein  voller  bauch 
und  grober  köpf  rieht  wenig  ausz  Petri  d.  Teutschen 
weish.  Y  8**;  weiter  vom  menschen  selbst:  di  einen  sint 
gemeine  lüte  und  grobe  lüte  .  .  in  disen  wirt  dicke  ge- 
born  daz  gwige  wort,  daz  si  is  nicht  enwizzen  myst. 
1,  44,  23  Pfeiffer;  etlich  Römer  warn  so  grob  und  un- 
vernüftig,  das  sy  nit  mochten  vernemen  das  sy  seilig 
wem  worden  erste  dtsche  bibel  2,  4,  16; 

damit  mich  nit  ertappen  gleich 
die  etwas  grob  seind  am  verstand 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  2,  9  lit.  ver. ; 

zuioeilen  geradezu:  hebes  dorn  vel  grop  ingenio;  hebetatus 
dumme  o.  groppe  Diefenbach  273«;  du  must  .  .  der 
grobiste  und  ungeschicktiste  aller  teufein  seyn,  dass 
du  dich  hier  .  .  einsperren  last  Lindenborn  Diogenes 
1,  196;  tnit  besonderer  färbung :  indocilis  grob,  ungelehrig 
Faber  thes.  (i587)  255'';  es  were  dann,  das  sich  einer 
(ein  lehrjunge)  im  jare  also  pessert  oder  das  er  als  gar 
grob  und  ungelirnig  wer  Tucher  baumeisterb.  d.  Stadt 
Nürnberg  86  lit.  ver.  von  hier  aus  versteht  sich  die  na- 
mentlich im  älteren  nhd.  ungemein  häufige  anwendung 
auf  thiere  (meist  als  Scheltwort  für  menschen);  'stumpf, 
stupide,  dumm': 

er  ist  ein  unvernünftig  thier, 

ein  kue,  ein  ochs,  ein  grober  stier 

Hayneccius  Hans  Pfriem  v.  2148  ndr.; 

grober  büffel  s.  th.  2,  492;  geld  setzt  einen  groben  ochsen 
hoch  ans  bret  Petri  d.  Teutschen  weish.  2,  F  f  l*;  wei- 
teres unter  ochs  th.  7,  1131;  namentlich:  das  Leiptzig  .  . 
solche  bachanten  und  grosse,  grobe  esel  neeren  mus 
Luther  26,  542  W.; 

IV.  1.  6. 


wir  spotten  seiner  (des  esels)  zwar;  allein  könnt  es  geschehn, 
dasz  man  dies  grobe  thier  auf  der  catheder  sehn  (sollte) 

Neukirch  ged.  (1744)  176; 

sehet,  wie  der  grobe  eselskopf  dort  stehet  und  plaudert 
schausp.  engl.  com.  76,  2  Creizenach;  vgl.  esel  th.  3,  1145. 
b)  wesentlich  jünger,  erst  im  18.  jh.  recht  entfaltet,  ist 
eine  reihe  anderer,  ähnlicher  anwendungen;  von  den  sinnen: 
den  (staub)  kan  auch  ein  grobes,  ein  dunkles  äuge 
sehen  Zesen  Assenat  (l679)  75;  (der  Ursprung  der  Grie- 
chen) der  sich  vom  gewöhnlichen  nur  durch  wenige 
zarte,  groben  äugen  ganz  unsichtbare  merkmahle  unter- 
scheidet Fr.  Schlegel  4,  105;  eticas  anders  (an  D  3  er- 
innernd):  den  Sonnenstrahl,  so  wie  ihn  unser  grobes 
äuge  blickt  Heinse  4,  287  Schüddekopf ;  seltener  vom 
gehör: 

sie  (die  ein/alt)  hört  auch  grob,  und  in  der  melodie 
der  nachtigall  erschallt  kein  ton  ftir  sie 

Hagedorn  1, 100; 
von  de7i  inneren  sinnen: 

du  bist  von  den  belebten  seelen, 
die  zur  empfindlichkeit  geneigt  .  . 
sich  mehr  als  grobe  sinnen  quälen 

Besser  sehr.  1,  291  König; 

grob  ist  der  mensch  und  will  erschütterung  in  seinen 
groben  sinnen  fühlen  Klinger  n.  theat.  2,  109;  schliesz- 
lieh  auch  vom  träger  der  gröberen  inneren  Organisation : 
je  nachdem  die  gegenstände  vom  häszlichsten  und 
schönsten  punkte  einander  näher  rücken,  ein  desto 
feineres  .  .  äuge  wird  .  .  erfordert,  es  zu  unterscheiden, 
was  man  .  .  freylich  bey  groben  menschen  nicht  er- 
warten darf  hwATEH  phgsiogn.  fragm.  l,  60; 

poeten  wissen  tausend  Sachen, 
die  in  dem  groben  theil  der  weit 
der  wahn  und  aberwitz  belachen 

Hagedorn  2, 169; 

erforschung  der  natur,  das  schöne  weltgebäude 

sind  nicht  der  wuchrer  lust  noch  grober  seelen  freude 

1,26, 

eine  im  späteren  18.  jh.  öfter  anzutreffende  formel,  die 
gelegentlich  deutlich  ihren  ausgangspunkt  aufweist:  ihr 
heisset  ihn  eine  grobe  und  dicke  seele  Schwabe  be- 
lustig. 1,  125. 

2)  mit  dem  blick  mehr  auf  das  äuszere  menschlicher 
erscheinung  und  gebarung:  'derb,  roh,  ungeschlacht' ;  die 
bedeutungen  'plump,  massiv'  und  'rauh'  sind  unlöslich 
miteinander  verbunden;  in  älterer  spräche  besonders  als 
epitheton  niederer  stände  (womit  das  adj.  sich  der  linie 
C  nähert): 

weil  du  nur  bist  ein  grober  knecht 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  1, 130  lit.  ver.; 

der  letzte  ist  nichts  als  ein  grober  reitknecht  Stepha- 
nie D.j.sämtl.lustsp.,  vorr.B;  wie  ein  grober  baur  hiebet 
er  den  bauch  Luther  30,  3,  239  W.;  als  sey  ein  jeder 
grober  baur  geschikt  eine  solche  bürde  zu  tragen  Eei- 
nicke  fuchs  (1650)  230;  dasz  ich  als  ein  plumper  grober 
bauer  auch  bey  personen  über  meinen  stand  recht 
wohl  gelitten  bin  Bräker  2,  96;  freilich  zeigen  sich  ge- 
rade bei  dieser  häufigsten  formel  Schwankungen  der  be- 
deutung, namentlich  nach  1  a  hin:  was  leret  yhr  mich 
doch  mit  solcher  grosser  kunst,  denn  eben  das  mich 
der  gröbist  pawr  .  .  leren  künde  LutHer  7,  681  W.;  auch 
des  gröbsten  bauern  fühlhörner  sind  immer  noch  fein 
genug  Riehl  dtsche  arbeit  (l86i)  197;  vgl.  3;  weiter  auch 
von  dem,  was  niederem,  volke  eigen  ist:  etwo  in  grober 
sprach  werden  sie  Schergen  genant  d.  neu  laienspiegel 
(1518)  5'';  eine  grobe  art  zu  leben  genus  vitae  agreste 
Steinbach  l,  644;  ähnlich  ist  anscheinend  die  nament- 
lich im  älteren  nhd.  häufige  formel  grob  deutsch  zu  er- 
klären; urspr.  die  spräche  des  geicöhnlichen  volkes  gegen- 
über dem  lateinischen:  zu  latein  genant  .  .  comitatus, 
nach  grobem  teutsch  grafschaft  Knebel  chron.  v.  Kais- 
heim 5  lit.  ver.;  Pilatus  solte  wol  also  hergegangen  sein 
und  mit  inen  gut  grob  deudsch  geredt  haben  Luther 
28,  343  W,;  gern  um  eine  Unanständigkeit  des  ausdrucks 
zu  entschuldigen  (also  an  5  a  sich  anlehnend):  sy  (die 
beiden  nackten)  haben  ein  ander  gebraut,  grob  teütsch 
dag,  antwurt  (Augsb.  1497)  153  *•;  auf  grob  teutsch  eyn 
gwölle    Sebiz  feldbau    (1579)   570;    vgl.   und,    grob    und 

26 


403 


GROB 


GROB 


404 


deutsch  gesagt,  das  maul  zu  halten  Raabe  Leute  a.  d. 
walde  (1863)  1,  69.  jüngere  zeit  erweitert  und  verfeinert 
die  Verwendungsmöglichkeiten  dieser  bedeutung  mannig- 
fach: solch  schlächtervolk  ist  grobe  nation  Ti eck  «cÄr. 
1,  199; 

sehet  auch,  wie  ihr  (ßistichen)  in  S***  den  groben  fausten 

entschlüpfet 
GÖTHE  5,  216  W.; 

anders,  mehr  im  gegensatz  zum  zarten:  die  weit  streckte 
ihre  grobe  band  nach  ihrem  glück  aus  Storm  i,  142; 
vgl.  {in  Berlin  lebt)  ein  so  verwegener  menschenschlag 
.  .,  dasz  man  mit  der  delikatesse  nicht  weit  reicht, 
sondern  dasz  man  .  .  mitunter  etwas  grob  sein  musz 
GöTHE  gespr.  i,  330;  und  habe  ich  weh  getan,  so  war 
es  gewisz  nicht  meine  absieht,  am  wenigsten  grob  zu 
sein  PÜCKLER  briefw.  u.  tageb.  i,  142. 

3)  mit  wechselndem  Zielpunkt  im  sinne  des  ungeform- 
ten,  unentwickelten,  rohen;  hier  tritt  neben  dem  maszbe- 
griff  in  der  Spielart  E  die  bedeutung  'rauh'  im  sinne 
des  unbearbeiteten,  ungeschliffenen  deutlicher  hervor;  so 
im  Hinblick  auf  mangelnde  erziehung  und  kultur  des 
menschen:  'unioissend,  ungebildet': 

es  wissen  nit  die  groben 

astronomy  die  konst      Muskatblüt  96,  85; 

mancher  ungelerter  grober  laye  N.  v.  Wyle  translat. 
10,  2  Keller;  ward  in  teutschen  landen  gantz  grob  und 
ungelert  priesterschaft  städtechron.  3,  80;  ein  grober  und 
unerfahrner  höfischer  sitten,  ein  Bergomascer  Kirch- 
hof wendunm.  2,  418;  ein  grober  mensch  gibt  .  .  den 
künstlern  nicht  gern  gelt  aus  Fr.  Wilhelm  sprichwör- 
terreg.  (i577)  p  2»;  der  deutsche  adel,  der  bis  dahin 
unwissend  und  grob  gewesen  war,  reiste  dorthin  {nach 
Paris)  Jung-Stilling  6,  12;  nicht  notwendig  mit  tadeln- 
dem sinn;  öfter  für  'einfach,  simpel' :  bedenckt,  das 
die  heiligen  aposteln  auch  grob  einfeltig  fischer  .  .  ge- 
wesen sind  H.  V.  Cronberg  sehr.  98  ndr.:  Ferondo  gar 
ein  schlecht  grob  man  mit  weise  und  geperde  Arigo 
decam.  217  Keller;  der  tochter  vatter  was  ain  schreyner, 
ayn  fromm  grob  man  Fortunatus  55  ndr. ;  von  schlech- 
ten, armen,  groben  altern  geboren  Wigkram  2,  66  lit. 
ver.;  aber  auch  vom  stände  völliger  Unkultur:  wie  kan  ein 
gröber  mensch  sein,  dann  der  das  fleisch  rohe  friszt 
und  die  haut  ungearbeit  anlegt  Paragelsus  op.  (16I6) 
1,  219  B  ; 

sie  {die  stimme)  hat  uns  menschen  erst  zu  menschen  recht 

gemachet  .  ., 
als  wir  noch  waren  grob 

Fleming  dtsche  ged.  1, 122  lit.  ver.; 

von  Völkern  'primitiv,  uncivilisiert' :  es  were  ja  solch 
recht  .  .  in  aller  menschen  hertzen  geschriben  und 
auch  bei  den  allergröbsten  völckern  gebreuchlich  Acha- 
cius  chron.  Sleidani  (l557)  62"^; 

lehrt  auch  das  grob  volck  die  Viehzucht 

H.  Sachs  8,  459  Keller; 

aufs  kurtzist,  ist  es  ain  gantz  grob,  aber  guet  volck 
Abr.  Ortelius  Schauplatz  d.  erdbodems  (l572)  53'';  auch 
hier  kann  'primitiv'  auszeichnendeii  sinn  haben:  sehr  ein 
einfältig,  simpel,  fromm  .  .  volck  .  .,  rechter  deutscher 
art,  grob  von  sitten  und  leben  Ammersbach  churbran- 
denb.  chron.  17. 

4)  beschränkter  ist  ein  gebrauch,  nach  dem  grob  das 
ungeformte,  rohe  in  sittlich-religiösen  dingen  bezeichnet; 
bei  Keisersberg  häufiger:  schick  dich  mer  zu  der 
hailigen  beicht  dann  ander  grob  menschen,  die  allain 
in  der  vasten  .  .  beichten  granatapfel  (löio)  B  s^;  seyd 
ir  leben  also  grob  und  unerkant  ist  gen  got  in  iren 
jungen  tagen  gewesen  C  i^;  unUr  umständen  kann  das 
adj.fast  die  bedeutung  von  'sündig'  annehmen:  gott  hat 
mir  als  vil  güts  gethon,  und  hett  mir  es  ain  grober 
mensch  geton,  ich  war  in  schuldig  lieb  zuhaben  0  4«; 
ähnlich  empfunden  scheinen  fälle  wie:  wyr  dürfen  solichs 
fegens  .  .  teglich  wol,  von  des  alten  groben  Adams  we- 
gen Luther  12,  273  TF.,-  so  bald  der  mammon  die  gro- 
ben, steinechten  hertzen  eingenomen  Scheit  Orob.  s.  4 
ndr.;  vielleicht  auch:  zwar  mögen  etliche  {priester)  wohl 


biszweilen  grob  und  geitzig  seyn  und  gerne  sehen,  wenn 
ein  solch  pinguis  victima  {ein  reiches  bdchtkind)  in  ihre 
band  komme  d.  wohlgepl.  priester  (l689)  162. 

5)  umso  ausgebreiteter,  aber  erst  seit  dem  nhd.,  für 
die  roheit  in  bezug  auf  anstand  und  sitte;  hier  aber, 
anders  als  bei  3,  mit  einem  starken  positiven  gehalt,  der 
sich  nur  unmittelbar  aus  der  bedeutung  'rauh'  herleiten 
kann;  'die  unhöflichkeit  bestehet  in  einem  mangel  der 
guten  und  artigen  sitten  .  .;  die  grobheit  .  .  in  übeleti 
sitten,  ivelche  allen  menschen  anstöszig  sind'  Stosch 
gleichbed.  Wörter  2,  506. 

a)  ivesentlich  aufs  ältere  nhd.  beschränkt  ist  die  derbste 
bedeutung  'unflätig,  schmutzig,  gemein':  obscoenus  un- 
flätig, wüst,  grob,  unrein,  unkünsch  Frisius  dict.  (1556) 
895»;  der  grob  ist  der  unfläterey  gewohnt  wie  der  Stall- 
knecht desz  mists  Lehmann  florileg.  polit.  i,  373;  als 
Scheltwort: 

du  grobe  möstsaw,  pfey  dich  an 

Scheit  Orob.  v.  4006  ndr. ; 

denn:  under  allen  thyeren  ist  die  saw  ein  grob  thyer 
Eppendorf  Plinius  (1543)  86;  fartzet  auch  darzü  wie 
ein  grobe  küw  Lindener  katzipori  130  lit.  ver.; 

{ein  knebel)  der  sich  grob  hielt  und  sewisch  fräsz 

Scheit  Orob.  v.  486  7idr. ; 

darzft  ists  auch  ein  grober  sitt 

ein  brastlens  mit  der  nasz  zumachen 

V.  262  und  sonst  oft ; 

gern  auch  von  gesprochene^i  Unanständigkeiten:  etliche 
nennen  diese  glieder  (gromen  oder  hoden)  züchtig  die 
gemechte  .  .  vermeinen,  es  seye  wie  oben  viel  zu  grob 
geredt  Wirsung  arzneihuch  (i588)  312 '^;  mithin  müssen 
alle  grobe,  unflätige  und  zweydeutige  worte  aus  den 
Versen  bleiben  Neukirch  anfan gsgründe  109;  und  das 
ichs  grob  erausz  sage  Luther  lO,  2,  156  W.;  wo  hat 
ers  gelesen?  der  sau  im  (grob  heraus)  hindern  Prä- 
TORIUS  saturnalia  (l663)  141;  ähnlich  zuiveilen  grob 
deutsch,  s.  o.  2;  ob  schon  die  hystoria  an  ihr  selber  grob 
und  unflätig  ist  Schumann  nachtbüchl.  225  lit.  ver.;  wann 
einer  unter  euch  einen  groben  zoten  und  stinkenden 
possen  vorbringt  Reinicke  fuchs  (1650)  266;  grobe,  un- 
flätige, säwische,  schäm-  und  zuchtlose  narrentheidung 
Sandrub  hist.  u.  poet.  kurzweil  6  ndr.; 

wenn  aber  ein  poet  nur  mit  der  saue  leutet 
und  gern  auf  schändlich  ding  mit  groben  possen  deutet 
Rachel  satyr.  ged.  74  ndr. ; 
so  auch: 

wir  haben  zu  ser  über  di  schnür  gehauen 
und  haben  ain  grobs  leben  gefürt 

fastnachtsp.  1,  724,  7  Keller. 

b)  der  zunehinenden  gesittung  entsprechend  verfeinert 
sich  der  begriff  je  später,  je  mehr ;  im  16.  jh. :  rudis  grob 
und  wild  an  den  sitten  Diefenbach  503»;  iin  18.  jh.: 
immodestus,  inurbanus  indiscret,  unhöflich,  grob  Apinus 
gloss.  nov.  (1728)  287; 

Thell,  wie  bist  du  so  ein  grober  mann, 
das  du  für  mins  herren  hat  darfst  gan, 
neigst  dich  nit,  thüst  im  kein  reverentz? 

Schweiz,  schausp.  d.  16.  jhs.  3,  24  Bächtold; 

geschenck  verweissen  ist  grob  und  bewrisch  Petri  der 
Teutschen  tveish.  F  f  3»;  seine  grobe  aufführung  misfällt 
jedermann  *e*  manieres  criies  Schwan  nouv.  dict.  i, 
791^;  ha,  ha,  ha!  fiel  er  mit  grobem  gelächter  ein 
Gutzkow  zauberer  v.  Rom  (1858/'.)  5,  169;  anders: 

die  abgekommne  cortesie  erhob 

er  hoch,  bedeutend:  diese  weit  wird  grob! 

C.  F.  Meyer  Huftens  l.  tage  (1905)  27; 

vgl.  unsere  deutsche  sitten  düncken  uns  zu  grob 
Butschky  Pathmos  (l677)  26;  seit  alters  im  gegensatz  zu 
'höflich':  werden  mancherley  leut  .  .  fürgwendt,  diser 
gütig,  der  rauch,  diser  höflich,  der  grob  Boltz  Terenz 
(1539)  86»;  ich  hab  manchen  menschen  gefunden,  der 
vor  lauter  höflichkeit  grob  ward  Bode  Montaigne  l,  91; 
vgl.  gar  zu  höflich  ist  halb  grob  Schellhorn  sprichic.  87; 

Meph.   du  weiszt  wohl   nicht,   mein  freund,  wie  grob 

du  bist? 
Bacc.    im  deutschen  lügt  man,  wenn  man  höflich  ist 

GöTHE    15,98  W.; 


405 


GROB 


GROB 


406 


die  letzten  beispiele  zeigen  das  verrinnen  dieser  bedeutung 
mit  6  b,  s.  d.;  hierher  auch  die  noch  heute  in  niederer 
Umgangssprache  und  in  den  maa.  verbreitete  tvendung: 
ek  wil  sau  grof  (so  unhöflich)  sin  beim  annehmen  einer 
einladung  zum  mitessen  Schambach  69";  Fischer schtcäb. 
3,  846  und  sonst. 

6)  endlich  die  anwendung  auf  die  Sinnesart,  die  die 
grundbedeutu7ig  A  am  reinsten  zeigt: 

a)  'roh,  wild' :  disz  ist  .  .  .  ein  grausam,  grob,  ver- 
wegens,  freysams  volck  {die  Türken)  Seb.  Franck  chron. 
Germ.  (1538)  70'';  allweg  streitpar,  wie  gemeynklich 
grob  wild  unbesunnen  leut  seind  3*;  hippocentauri  .  .  . 
waren  grobe  leut  in  Thessalia  Alberus  dict.  (1540)  50»; 

ihn  (dem  an  betrug,  meinayd, 
hochmuht  und  wühterey  die  grobe  feind  gleich  leben) 

Weckherlin  ged.  1,  353  lit.  ver.; 

ebenso  in  der  formel:  grimm  und  grob,  s.  grimm  adj.  8  a; 
auch  von  ihieren:  der  selben  liebe  .  .  ist  als  eines  gro- 
ben,  tobenden   hundes  liebe   Hartlieb  Ovid  (1484)  6"; 

als  er  sie  macht  zu  einer  speysz 
den  vöglen  und  den  hunden  grob 

Spreng  lUas  (1610)  1»; 

etwas  schicächer:  'rauh,  hart' ;  asper,  dtirus,  inhumanus, 
obduratus  Henisch  1747;  daz  ist  grob  von  euch  gehand- 
let und  unbarmhertziglich  (ßuriter  inmisericorditerque 
adelphi  662)  Boltz  Terenz  (l539)  101  *>; 

.  .  .  Jupiter,  du  strenger  gott, 
wie  bist  du  gegen  mir  so  grob 

Spreng  /Zzas  (1610)  36^; 

{wäre  ich  doch  gestorben)  ehe  denn  mich  das  feindtselige 
ungefell  verknüpfet  hette  einem  harten  und  groben 
mann  buch  d.  liebe  (l587)  113";  gelegentlich  noch  spät:  bei 
welcher  die  organe  Gisquets  .  .  mit  säbeln  und  stocken 
unter  schuldigen  und  unschuldigen  eine  grobe  scene 
aufführten  Gutzkov^^  7,  26;  hierher  auch  die  alte  formel: 
nach  grobem  schertz  folgt  gemeiniglich  blut  Petri  der 
Teidschen  weish.  2,  Pp  7»;  es  ist  ein  grober  schertz,  der 
taschen  leert  Aas'';  die  gelindere  bedeutung  im  ganzen 
jünger:  ev  {Rudolf  v.  Habsburg)  machte  und  vertrug  einen 
groben  scherz  G.  Freytag  18,  82. 

b)  aus  a  entwickelt  sich  in  neuerer  zeit  eine  mildere, 
anders  gefärbte  bedeutung:  'rauh'  im  sinne  'barsch,  un- 
freundlich';  heute  der  lebendigste  gebrauch:  im  amte 
musz  man  grob  seyn,  denn  von  der  grobheit  kommt 
die  autorität  Raupach  dram.  werke  ernster  gattung  3, 
339;  wenn  das  auswärtige  amt  nicht  so  rücksichtslos 
und  grob  gewesen  wäre  Bismargk  ged.  u.  erinn.  2,  194 
volksausg.;  ihr  seid  ein  biszle  grob  mit  den  leuten 
0.  Ludwig  2,  56;  nicht  selten  mit  dem  besonderen  sinn 
der  rauhen  auszenseite,  die  den  guten  kern  birgt:  gab 
mir  mein  vater  Uli  M.,  einen  groben,  aber  geraden, 
ehrlichen  menschen  zum  gehülfen  Bräker  l ,  73 ;  er 
blieb  grob,  und  wurde  desto  gröber,  je  .  .  herzlicher 
er  sein  wollte  Holtei  vierzig  jähre  l,  233;  adverbial: 
wann  man  ihn  {einen  fremden)  grob  anfahret  Abr.  a  St. 
Clara  etw.f.  alle  2,  75;  wart  nur,  kommst  du  mir  grob, 
komm  ich  dir  auch  nit  fein  Anzengruber  3,  122;  etwas 
anders  {mit  hinneigung  zu  D  4  a) : 

der  hergott  weisz  mit  Fohlen  umzugehen, 

wenn  er  nicht  grob  kömmt,  so  verstehn  wirs  nicht! 

Zach.  Werner  kreuz  a.  d.  Ostsee  (1806)  134; 

'Gortschakoff  est  un  animal',  was  in  dem  Petersburger 
Jargon  nicht  so  grob  gemeint  ist,  wie  es  klingt  Bis- 
margk ged.  u.  erinn.  2,  256  volksausg.;  bei  sächlichem  re- 
gens  auf  ganz  bestimmte  begriffscomplexe  beschränkt: 
eine  schritt  wieder  mich  .  .,  so  grob  .  .,  das  ich  sehr 
darüber  gelacht  habe  Gleim  brießv.  2,  216 ;  auch  ist  sie 
{die  proclamation)  nicht  in  Scheles  grobem  stil,  sondern 
milder  und  erträglicher  geschrieben  Jac.  Grimm  an 
Dahlmann,  briefw.  1,  306;  eine  zwar  ziemlich  grobe,  aber 
lesenswerte  kritik  Jahrbuch  d.  Grillparzergesellsch.  6,  17; 
einen  sehr  groben  brief  E.  Th.  A.  Hoffmann  13,  135 
Grisebach;  das  bezeichnende  für  diesen  gebrauch  ist,  dasz 
gewöhnlich  der  begriff  des  unhöflichen  mehr  oder  minder 
stark   mitklingt;    besonders  deutlich:  Sebast.:    aber   die 


Wahrheit  ist  nicht  immer  höflich.  Helene:  so  laszt 
mich  denn  eure  grobe  Wahrheit  hören  Bauernfeld  2, 
163;  da  .  .  sich  Göthe  .  .  so  bäurisch  grob  gegen  mich 
benommen  hat  Bertuch  im  Göthejahrb.  2,  375; 

und  an  jeden  groben  keilner 
hab'  ich  mich  umsonst  gewandt 

Heine  1, 127  Elster; 

(man)  excommunicirte  den  guten  kayser  mit  den  gröbe- 
sten,  ungeschliffensten  ausdrückungen  von  der  weit 
j  Hahn  eint.  z.  teutschen  kaiserhist.  3,  148;  {er  wurde)  mit 
I  den  gröbsten  schimpfreden  überschüttet  D.  Fr.  Strausz 
j  ges.  sehr.  9,  4;  so  verrinnt  diese  bedeutungslinie  schliesz- 
I    lieh  mit  der  von  5  b. 

7)  sehr  zahlreich  sind  die  sprichtvörter ,  reden sarten 
und  vergleiche,  die  das  grob  F  l — 6  bieten,  wobei  bald 
die  eine,  bald  die  andere  der  Sonderbedeutungen  vor- 
klingen kann:  grobe  leute,  grobe  antwort  Fr.  Wilhelm 
sprichwörterreg.  {ibll)  u  2»;  gut  land,  grob  volck  Petri 
d.  Teutschen  iceish.  2,  H  h  3  * ;  bey  den  groben  wird  man 
grob  K8'';  was  grob  ist,  hält!  sagt  man,  um  grobheit 
zu  beschönigen  Müller-Frau reuth  1,443»;  ähnlich  im 
alem.  Staub -Tobler  2,  689;  vgl.  Gl;  an  A  2  schlieszen 
sich  bilder  wie: 

er  (der  kenker)  soll  disz  gsetz  mit  groben  noten 
ihm  fein  auf  seinen  rucken  schreiben 

Sandrur  hist.  u.  poet.  kurzweil  66  ndr. ; 

in  noch  gröberer  tonart  gab  ihm  Malte  seine  Unzu- 
friedenheit zu  erkennen  W.  v.  Polenz  Grabenhäger  l, 
200;  an  B  1  c;  weil  .  .  keines  verlegen  war,  auf  die 
grobe  münze  des  andern  kleingeld  genug  herauszugeben 
G.  Keller  6,  228;  auf  G  2  c  beruht  grob  wie  bohnenstroh, 
heute  wohl  allgemein,  hd.  tvie  nd.;  alte  Wendung:  er  sei 
denn  gröber  denn  bonenstroh  Halverius  icahrhaft.  be- 
schreib. (1570)  212;  Eyering  proverb.  2,  386;  aber  früher 
auch  im  sinne  von  1  a:  du  bist  grober  dan  bonenstro 
Praxillae Adonide  stupidior 7 appivs  adag.  (1545)  78»;  auch 
gr.  wie  saubohnenstroh  Ruckert  unterfränk.  65,  Fischer 
Schwab.  3,846;  wie  haf  er  st  roh  ib..  Staub-Tobler  2,  688; 
wie  Sackleinwand  (vgl.  Gab)  Müller -Frau  reuth  l, 
443»;  vgl.  Ruckert  65;  geheimderäthin :  . .  der  oberste  ist 
doch  sehr  indiskret!  Goldentraum:  zu  deutsch,  grob  wie 
ein  sack  Kretschmann  3,  53;  gröber  als  grob  Fischer 
schiväb.  8,  846  und  sonst,  bilder  sind  auch  zahlreiche  schelt- 
tvorte  mit  attributivem  grob ;  die  meisten  stellen  sich  zu 
dem  gebrauch  B  1  b;  in  älterer  zeit  vielfach  auf  die  be- 
deutung 1  zielend,  in  neuerer  gewöhnlich  auf  5  b  oder  6  b : 

kan  man  nicht  galant  betrügen , 
nennt  man  uns  ein  grobes  holtz 

Günther  ged.  (1735)  83; 

bei  Schupp  noch  in  vollem  bilde:  es  war  unmöglich, 
aus  diesem  groben  holtz  einen  doctor  ...  zu  schnitzen 
sehr.  802;  vgl.  meister  Grobianus,  künstreicher  .  .  löffel- 
schnitzler  und  träher  der  groben  höltzlin  zu  Lourde- 
mont  Scheit  Grob.  8  ndr.;  o  yhr  groben  klotze  Luther 
8,  311  W.;  vgl.  klotz  I  3  b; 

du  bist  ein  wüst  und  grober  knoll 

H.  R.  Manuel  weinsp.  1926  ndr.; 

'n  grafen  knüll  grobian  Stürenburg  76^;   vgl.  knolle 

n  9; 

hier  bawer,  bengel,  grober  knöpf, 

hörst  nicht?  Gilhusius  gramm.  (1597)  73; 

vgl.  knöpf  II  13  b;  er  ist  ein  grober  knortz  Eyering 
proverb.  2,  841;  vgl.  knorz  7;  grober  knoten  s.  knoten  H 
15  a;  du  bist  ein  grober  zaunsteck  Eyering  l,  786;  (un- 
nütze arbeit  hat)  welcher  .  .  einen  groben  ast  zum  hey- 
ligen  mit  lehren  will  machen  Lehmaj^n  florileg.  polit.  l, 
■495;  en  gröwe  ast  grobian  Schambach  69»:  überall  ist  es 
das  gleiche  sinnliche  verstehen  des  adj.,  das  die  Schaffung 
dieser  formein  begünstigt  hat;  fraglicher  ist  das  bei  gro- 
ber kegel,  grober  flegel,  wo  sich  von  anfang  an  eine 
abgezogenere  bedeutung  des  adj.  verstehn  liesze,  s.  kegel 
11,  flegel  2;  vgl.  auch  grober  keil  unter  keil  6; 


ihr  groben  filtz  an  zucht  und  ehr! 
{sagt  Eva  zu  ihren  kindern) 

H.  Sachs  I, 

26» 


1  Keller, 


407 


GROB- 


GROB- 


408 


a«cÄ  das  urspr.  ein  büd  nach  Gab,  den  in  groben  filz  ge- 
kleideten bauern  bezeichnend,  s.  filz  i  mit  vielen  belegen; 
grober  rülz  beruht  auf  der  bedeutung  4  a,  belege  unter 
rülz  2;  ein  grober  cuius  Eyering  proverb.  2,  340;  ein 
grober  lümmel  G.  Keller  5,  164;  grober  ochs,  esel  u.  ä. 
*.  0.  1  a;  im  selben  sinne  grober  hempel  th.  i,  2,  985; 
manche  deutsche  stamme  sind  von  sprichwörtlicher  grob- 
heit:  grober  Hesse  ist  heute  im  sinne  'grobian'  bis  ins 
schles.  bekannt;  ebenso,  als  reines  appellativum,  schon  im, 
15.  Jh.:  zu  diesen  zeiten  ward  durch  die  groben  Hessen 
{die  mitglieder  der  zünfte)  ausz  dem  rathans  {zu  Nürn- 
berg) getragen  alles,  das  von  alter  her  behalten  was 
an  briefen  städtechron.  8,  146;  urspr.  vielleicht  ebenso  wie 
blinder  Hesse,  also  nach  l  a  zu  verstehen;  den  er  was 
ouch  ein  grober  Schwab  {von  einem  Baseler  meister) 
Platter  52  Boos  {im  sinne  6  b);  vgl.  th.  9,  2143/.,-  grob 
wie  ein  Baier  Fischer  schwäb.  3,  846;  auch  vom  Deut- 
schen überhaupt,  im  vergleich  zu  andern  Völkern:  dar- 
durch  es  dahin  gerhaten,  dasz  wir  .  .  von  andern 
nationen  .  .  teutsche  volle  sew  und  grobe  volle  Teut- 
schen  .  .  genant  werden  Scheit  Qrob.  4  7idr.: 

stell'  mich  dem  groben  Deutschen  gegenüber, 
der  seine  klinge,  wie  ein  grobschmied,  schwingt 

Hebbel  I  2,  82. 
GROB,  n.,  grobheit: 

bey  dieser  tummen  zeit  hat  seinen  besten  nutz 
der  bauem  starrig  grob,  der  krieger  toller  trotz 

LoGAU  106  Eitner; 

daraus  ßieszt  die  bedeutung  'grobes  volk' :  in  den  dörfern 
um  Basel  sind  die  leute  ein  abscheuliches  grob,  wie 
das  grob  im  Trierland  Laukhard  nach  Müller-Frau- 

REUTH    1,  443. 

GROB-  als  compositionsbestandtheil  in  mannigfacher 
Verwendung ;  seit  dem  16.  jh.  in  steigender  häufigkeit  zu- 
sammengerückt mit  präteritalen  participien ;  neben  beliebig 
zu  vermehrenden  gelegenheitsbildungen  auch  fester  gefügte 
Verbindungen :  grobangelegt:  grobangelegter  betrug, 
plan  u.  ä.;  es  ist  eine  dumpfsinnige  verblendnis,  solchen 
grobangelegten  behexungen  glauben  zu  stellen  Fr.  L. 
Jahn  l,  247  Euler;  -aufgetragen:  wir  lachen  itzt  über 
die,  die  sich  einst  von  diesen  grobaufgetragenen  färben 
.  .  hintergehn  lieszen  Tieck  sehr.  6,  50;  -behauen:  am 
grobbehaunem  mühlstein  Kind  ged.  (1817)  5,  271;  -ge- 
backen: gr.  rockenbrot  Gäbelkover  arzneib.  (1595)2, 
71;  -gebaut:  die  grobgebaueten  Egypter  Herder  15, 187; 
-gehackt:  gr.  kraut  nomencl.  lat.  gertn.  (1634)  105;  -ge- 
kerbt, von  blättern  Rohling  Deutschlands  flora  l,  340; 
-gekleidet  Ritter  erdk.  8,  161;  -gekörnt  Kramek 
teutsch-ital.  1,836*;  gr.  pulver  Wallhausen  kriegsmanual 
(1616)  155;  eine  handvoU  grobgekörnten  sandes  H.  v. 
Kleist  l,  378  E.  Schmidt;  -gemahlen:  den  grobge- 
malenen  kaffe  J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  (1802)  2,  282;  -ge- 
nagelt: grobgenagelte  schuhe  Rosegger  seJir.  I  2,  852; 
-genäht,  ebenfalls  von  schuhen,  ib.  HI,  8,  I7i;  -gepul- 
vert Gäbelkover  arzneib.  {t^^b)  1,49;  -gequetscht: 
grobgequetze  eychelen  Sebiz  /eW^aw  (1579)  511;  -ge- 
sägt, von  blättern  ScHhECHTE^DAi^florav.  Deutschland 
^18,  151;  -geschnitzt:  {das  boot)  am  vordertheil  durch 
ein  grobgeschnitztes  menschengesicht  verzieret  G.  For- 
ster 1,  124;  bildlich:  da  das  zusammenhanglose,  grob- 
geschnitzte marionettenbild  .  .  sich  noch  auf  Thaliens 
bretterweit  behauptete  ^sghokke  sämtl.  ausgew.  sehr. 
39,  4 ;  im  sinne  von  grob  Fla:  es  meynen  die  grobge- 
schnitzten vätter,  wann  sie  Iren  kindern  nur  gut  und 
gelt  .  .  verlassen,  das  sey  der  Jugend  grösles  heyl 
GuARiNONius^reweZ  d.  vertvüstung  (l6io)  256;  -geschro- 
ten: in  grobgeschroteten  redens-  wie  lebensarten  B. 
Goltz  hinter  d.  feigenblättern  2,  219;  -gesiebt  Hoyer- 
Kreuter  (1902)  1,  299;  -gesinnt:  zum  andern  sind  sie 
{die  Russen)  zu  dumm  und  zu  grobgesinnt  G.  Forster 
an  Sömmering,  briefio.  291;  gewöhnlicher  grobsinnig,  *.  d.; 
-gesittet  Kramer  teutsch-ital.  2,  822*;  -gespitzt:  die 
mänschliche  grobgespitzte  Vernunft  Mosgherosch  in- 
somn.  cura  119  ndr.;  vgl.  grob  Fla;  -gesponnen,  auch 
bildlich:  dagegen  alles  grobgesponnene,  mühsam-er- 
drechselte  wunderbare  uns  wunderbar  wegscheucht 
Herder  23,  296;   -gestoszen:    grobgestossene  mandel 


Höh  BERG  georg.  cur.  (i682)  1,  223;  -gestreift:  grobge- 
streiftes packtuch  Schwan  nouv.dict.i,  791'*;  -gewürzt: 
grobgewürzter  scherz  Triller poet.  betracht.  4,  418;  -ge- 
zähnt, von  blättern  Oken  allg.  naturgesch.  3,  2,  1167; 
-gezeichnet:  {die  wände)  mit  grobgezeichneten  kari- 
katuren  benagelt  Riehl  Eisele  u.  Beisele  (1848)  195;  über- 
tragen: {der  gebildete  geist)  den  die  grobgezeichneten 
dramatischen  larven  anekeln  G.  Forster  sämtl.  sehr.  3, 
64;  -punktiert  Ratzeburg  ichneumonen  l,  73;  -schat- 
tiert: auf  einem  grobschattierten  holzschnitt  Hauff 
2,  119;  -zerstoszen,  von  kräutern  Gäbelkover  arzneib. 
(1595)   1,  291. 

weniger  häufig,  aber  auch  alt  sind  zusammenrückun- 
gen mit  dem  part.  präs.:  grob  fühlend:  von  der  last 
blosz  grobfühlender  Sinnlichkeit  Lavater  physiognom. 
fragmente  2,  192 ;  -knarrend:  wie  sie  {die  Gelten)  we- 
ren  .  .  .  einer  grobknarrenden  stimme  Schill  teutsch. 
spr.  ehrenkranz  {l6ii)  18G;  -lautend:  ab  etlichen  grob- 
lauttenden  wörtlin  als  leno,  eunuchus  Boltz  Terenz  (1539) 
As*;  -tönend,  von  der  baszgeige  Bog.  Goltz jugendl. 
8,  198. 

in  der  spräche  der  geicerke  vielfach  in  infinitiv-com- 
positionen,  gewöhnlich  mit  dem  sinn  der  vorläufigen, 
roheren  arbeit,  der  die  feinere  zu  folgen  hat  {vgl.  grob 
E  4) :  grobhämmern  Prechtl  technol.  encycl.  15,27; 
-mahlen  Muspratt  chemie^  2,  Zbl ;  -pochen,  bei  der 
erzbearbeitung  Prechtl  16,  73;  -schleifen  Krünitz 
18,  714;  -schwing ein  v.  Sghwerz  prakt.  ackerbau  570; 
-strecken  Karmarsch-Heeren^  6,  184. 

erst  im  18.  jh.  mehren  sich  zusammenrückungen  mit 
adjectiven,  die  getvöhnlich  das  eigenschaftsicort  durch  den 
beisinn  des  rohen,  plumpen  färben  wollen,  z.  b.  grob- 
irrig:  einige  worte  .  .,  die  nicht  grobirrig  sind  J.  G. 
Schütze  herrnhuthian.  in  iMwiore  (1749)  2 ,  431 ;  -mate- 
riell: weit  entfernt  von  der  .  .  grobmateriellen  Wirkung 
der  criminalnovelle  Scherer  kl.  sehr.  2,  266;  -materia- 
listisch DiPPEL  Wegweiser  (1705)  1,  59;  -niedrig:  das 
grobniedrige  {eines  ausdrucks)  allg.  dtsche  bibl.  112,  178; 
-populär:  die  grobpopulär  oder  steifhöfisch  gereimten 
relationen   Er.  Schmidt  Kleistausg.  3,  9;   -praktisch 

A.  RuGE  sämtl.  werke  2,252;  -schwärmeri|sch:  der 
grobschwärmerische  Lavaterianismus  allg.  dtsche  bibl. 
97,  596;  -thierisch  Campe;  -witzig  Lavater  physio- 
gnom. fragm.  4,  157 ;  die  wenigen  Verbindungen,  die  über 
die  gelegenheitsbildung  hinausgediehen  sind,  suche  an 
alphab.  stelle. 

am  häufigsten  sind  Substantivcompositionen  mit  dem 
Suffix   -ig,  -icht,  die  dem  dingwort  den  begriff  von  grob 

B,  seltener  von  grob  C  geben;  ihre  zahl,  zu  der  verschie- 
dene fachsprachen,  namentlich  die  der  mineralogie  und 
botanik  erheblich  beitragen,  ist  unbegrenzt,  z.  b.  grob- 
aderig,  vom  holz  Döbel  neueröffn.  jägerpract.  8,  18; 
-blätterig,  von  mineralien,  'wenn  die  blätter  grosz  sind 
und  sich  m^eistentheils  durch  das  ganze  stück  erstrecken 
und  einander  decken'  Jacobsson  technol.  wb.  5,  737*';  von 
pflanzen  Sghlechtethukl  flora  von  Deutschland^  12,  175; 
-eckig  Zappe  mineral.  handlex.  (1817)  l,  58;  -erdig: 
groberdiger  kalkstein  Oken  naturgesch.  l,  661;  -filzig 
Marperger  beschr.  d.  hutmacher-handwerks  (1719)  18; 
-flockig  Muspratt  chemie  8,  585;  -jährig  'sind  die 
bäume,  loenn  die  ringel  oder  jähre  auf  dem  abgeschnit- 
tenen stamme  grosz  und  breit  sind'  Jacobsson  technol. 
wb.  2,  154*';  Göchhausen  notab.  venat.  (l74i)  216;  -kerbig 
Schlechtendal  5i8,  300;  -kieselig:  (ei?i  Sandstein) 
nicht  mehr  feinkörnig,  sondern  grobkieselig  L.  v.  Buch 
ges.  sehr.  1,58;  -klüftig:  grobblätterichtes  oder  grob- 
klüftiges gestein  Veith  bergwb.  (i870)  100;  -kolbicht: 
ein  grosz  grob  kolbete  nase  grossus  nasus  Diefenbach 
270'>;  -nähtig  Jean  Paul  27/29,  398  Hempel;  -narbig 
Rohling  Deutschlands  fiora  4,  29;  vom  leder  Unger- 
Khull  308'';  -netzig  Rohling  1,  353;  -porig  Ross- 
mässler  tcald  (1863)  476;  -rissig:  an  grobrissigen  stam- 
men Ratzeburg  tvaldverderbnis  2,  219;  grobrissige  bor- 
kenrinde  Rossmässler  wald  45i;  -sägig:  deckblätter 
mit  grobsägigem  rande  Schlechten  dal^  22, 45 ;  -schich- 
tig: {eine)  wand  grobschichtigen  Schiefers  Ritter  erdk. 


409 


GROBÄCHTIG  -  GROBDRAHTIG 


GROBDÜNSTIG  —  GROBE 


410 


2,  895;  -schiefrig  Zappe  mineral.  handlex.  l,  144; 
-schuppig  'heiszt  ein  mineral,  dessen  schuppen  von 
ziemlicher  grösze  sind'  Jacobsson  technol.  wb.  5,  738 ''; 
rümpf  {des  insects)  ziemlich  grobschuppig  Ratzeburg 
ichneumonen  2,  156;  -speisig,  im  bergbau,  aus  groben 
xoürfeln  bestehend:  grobspeisiger  bleyglanz  Krünitz  120, 
109;  altes  wort:  glantz  .  .  helt  oft  bley  und  silber  .  . 
da  er  nicht  gar  zu  grobspeissig  und  spissig  ist  Mathe- 
sius  Sarepta  (1571)  101^;  ein  grobspeissiger  wasserkies 
Albin  US  meisznische  bergchron.  (1590)  139;  im  bergmänn. 
wb.  (1778)  242  grobspreisig ;  -splitterig:  lager  von  hell- 
weissem,  grobsplittrigem  quarz  L.  v.  Buch  ges.  sehr. 
1,44;  vgl.  ihcoüssoü  technol.  wb.  5, '738'^ ;  -stengelig, 
von  kraut  Döbel  neueröffn.  jägerxiract.  3,  71;  Schlech- 
TENDAL-^  12,  175;  -strahlig,  von  einem  mineral,  'dessen 
strahlen  breit  und  dicke  sind'  Jacobsson  5,  738'';  dass 
reiner  salpeter  .  .  einen  grobstrahligen  brach  zeigt 
Muspratt  Chemie  4,  934;  -strichig:  werke,  wie  sie 
werkelmänner  mit  dem  pinsel  des  maurers  grobstrichig 
überstoszen  Dittrich  bemerk,  auf  e.  reise  221 ;  -warzig 
Brehm  thierl.7,7i9  Pechnel- Lösche;  -wellig:  Jahresringe 
(der  zeder)  grobwellig  Lueger  6,  5G8;  -würflig  Jacobs- 
son technol.  ivb.  2,  154'';  -wurzelig  v.  Scherz  prakt. 
ackerbau  (1882)  200;  -zähnig,  von  blättern  Schlechten- 
dal5  15,  173.  geläufigere  und  weniger  technische  compo- 
sitionen  s.  an  alphab.  stelle. 

GROBÄCHTIG,  adj.:  die  wollen  des  lands  ist  waz 
grobächtig  Federman  Niderlands  beschreib.  (1580)  11; 
im  sinne  von  grob  C  1  b.  —  grobarbeiter,  m.,  scheint 
im  sinne  von  grob  G  2  e  einmal  gangbare  bezeichnung  ge- 
wesen zu  sein;  vgl.  sonach  lieferte  also  wohl  Nordost- 
deutschland eine  treffliche  grobarbeiterzucht  Fr.  L.  Jahn 

1,  266  Euler;  spielend  umgesetzt  in  die  bedeutung  von 
grob  E  4:  je  sieben  bis  acht  grobarbeiter  {aus  dem 
groben  übersetzende)  sind  einem  stillsten  zugeteilt  Hauff 

2,  333.  —  grobartig,  adj.  =  grob;  vom  IG.  jh.  an, 
doch  nicht  häufig:  {er)  gäbe  dem  grobartigen,  seinem 
jüngeren  brüder,  der  es  ihm  an  frechheit  und  stercke 
vor  thet,  allein  die  grafschaft  Gastinois  Wurstisen 
Pauli  Ämilii  .  .  historien  (1572)  1,  174;  vilen  grobartigen 
und  mit  Venus  wüst  besudleten  medicis  Guarinonius 
greuel  d.  verwüst.  (iBio)  1113;  ein  witz,  der  nicht  zu  fein, 
sondern  ein  wenig  grobartig  sein  musz  Knigge  umgang 

3,  79;  auch  mundartlich:  'june  wos  denn',  säht  der  omts- 
diener  a  wing  grobortig  J.  Lowag  ges.  sehr.  5,  84.  — 
grobbäcker,  m.,  der  nur  Schwarzbrot  bäckt  {vgl.  grob 
G  2  a)  Sanders  tob.  dtsch.  synon.  583.  —  grobbank,/., 
Werkbank  zum  ziehen  groben  drahtes  Blumhof  eisen- 
hüttenkunde  {isn)  2,  iS7.  —  grobbäurisch,  adj.  Kra- 
mer teutschital.  l,  567'*; 

ein  Juncker  sein,  und  doch  grobbäurisch  leben 

MosCHEROSCd  sres.  (1650)  2,  421. 

—  grobb eitel,  m.,  bildhauerwerkzeug  Hoyer-Kreuter 
1,  312.  —  grobbläser,  m.:  liesz  er  .  .,  als  die  priester 
in  ihrer  .  .  andacht  waren,  seine  grobbläser  thonen 
Olearius  verm.  reisebeschr.  (1696)  227.  —  grobblech,«., 
dickblech  Lueger  4,778.  —  grobbrot,  n.,  roggenbrot, 
im  gegensatz  zum  feinbrot  {xceizenbrot)  v.  Gutzeit  l,  275"- ; 
Frischbier  i,  254;  Schumann  Lübeck  (1907)  14;  schon 
bei  Er.  Alberus  panis  acerosus  grob  brod,  hunds  brod 
dict.  (1540)  65";  deutlicher  als  compositum  grob-  oder 
hundebrot  Stieler  246.  —  grobdraht,  m.,  starker 
draht  Campe. 

GROBDRÄHTIG,  adj.,  grobfädig:  sein  {des  büffels) 
fleisch  ist  sehr  grobdrahtig  Dapper  Africa  (i67i)  551*; 
grobdrähtiges  fleisch,  ein  grobdrähtiger  zeug  Krünitz 
20,  108;  die  .  .  haare  um  den  hals  des  seelöwen  .  .  sind 
hart  und  grobdrätig  G.  Forster  2,  393;  'aus  grobem 
drahte  bestehend'  Voigtel  tcb.  2,  134*';  in  neuerer  zeit 
gewöhnlich  übertragen,  schlechthin  =  grob;  mit  Vorliebe 
im  sinne  der  bedeutung  D  3:  die  grobdrähtige  leiblich- 
keit des  den  ersten  menschen  nach  seiner  statur  .  . 
knetenden  .  .  judengottes  Lagard e  dtsche  sehr.  409; 
grobdrähtigen  epikureismus  Mommsen  röm.  gesch.*  3, 
567;  doch  auch  anders:  wenn  die  gesellschaft  bei  grob- 
drähtigen   späszen    in    Verlegenheit    geräth   0.   Gilde 


MEISTER  essays  i,Sl;  grofdrätig  von  grobgesitteten  man- 
schen Schütze  holst,  i,  243.  —  grobdünstig,  adj.: 
{das  schlesische  bier)  ist  trübe,  scharf  und  grobdönstig 
RÄT  EL  Curäi  chron.  (1607)  301. 

GROBE,  /.,  adjectivabstractuin  zu  grob;  vereinzelt 
schon  im  ahd.  {s.  u.  2),  aber  erst  seit  dem  nhd.  häufiger; 
weniger  enttcickelt  als  grobheit,  mit  dem  es  in  einem 
geicissen  ergänzungsverhältnis  steht:  die  concreten  ge- 
brauchsweisen  des  adj.  bevorzugen  grobe;  mit  recht  sagt 
Heynatz:  'die  grobe  für  die  grobheit,  wenn  von  der 
beschaffenheit  eines  stoffs  die  rede  ist'  antibarb.  2,  76; 
heute  schriftsprachlich  fast  erloschen,  aber  dialectisch 
namentlich  im  obd.  durchaus  lebendig, 

1)  zunächst  'rauheit'  {vgl.  grob  A);  duritia  scherpfe, 
reuche,  grobe  Frisius  dict.  (1556)  455*;  von  der  rauhe, 
härte  und  grobe  der  obern  zwey  röcklein  (die  das  kind 
im  mutterleib  umgeben)  Ruoff  liebammenb.  (l680)  12;  ab- 
str acter:  ursach  {der  Streitbarkeit  der  Schwaben)  acht 
ich  sei  die  grobe  disz  lands  Seb.  Franck  Oerm.  chron. 
(1538)  vorr.  aa  6'';  die  grobe  des  gebirgs  Paracelsus 
op.  (1616)  1,  1113  C;  'härte,  derbheit' :  ettlich  kranckheiten 
enden  sich  in  4  oder  5  tagen  .  .  nach  ruhe  und  gröby 
der  leuten  Seb.  Münster  cosm.  (1550)  470;  adverbiale 
formet  'auf  harte,  kräftige  art' :  daz  die  artzney  nach 
der  grobe  mit  dir  handle  Guarinonius  greuel  d.  verw. 
(1610)  965;  geistig:  die  rauche  und  grobe  oder  unhand- 
same  desz  gemüts  asperitas  animi  Frisius  dict.  (1556) 
125'';  dem  wüten  und  grobe  des  pöfels  erlaubt  Stumpf 
Schwytzer chron.  (l606)  330'';  vgl.  noch  aus  modernen  maa.: 
so  schlag  i  drei'  nach  da  gröbn!  Hartmann  volksschausp. 
in  Bayern  204 ;  gröbne  an  sich  dannen  haben  grob  sein, 
'aber  wohl  nur  als  eigenschaft,  nicht  als  akt'  Fischer 
Schwab.  3,  847;  verborum  asperitas  die  reuche  und  grobe 
zereden  Frisius  125'';  dasz  sie  narren  seind,  das  ist 
in  der  subtilitet  geredt,  sonst  nach  der  grobe  spricht 
mann  hüben  Paracelsus  op.  l,  237  B;  obscoenitas  un- 
künschhcit,  .  .  wüst,  grobe  Frisius  895»;  grobe  der 
Sitten  incivilitas  Stieler  708;  atechnia  grobe,  unwüssen- 
heit,  Unverstand  Frisius  132»;  rfoc/i  bevorzugen  diese 
mir  lexicalisch  nachzuweisenden  bedeutungen  auch  im 
älteren  nhd.  schon  grobheit. 

2)  auf  töne  angewendet,  zunächst  ebenfalls  'rauheit' : 
das  heyszere  und  grobe  der  stimm  als  krankheitssymptom 
Gersdorff  tctmdarznei  (1517)  78" ;  frühzeitig  aber,  gemäsz 
grob  A  2,  von  tiefer  tonlage:  lychanos  ypaton  .  .,  der 
drivalta  geroubi  habet  gagen  demo  churzisten  nete, 
wanda  er  drivalta  lengi  habet  Notker  l,  852,  17;  vgl. 
ebd.  8;  doch  so  ist  es  {das  falkengeschrei)  ettwas  an 
dem  anfang  hoch,  aber  es  nydert  sich  ettwas  in  die 
gröbin  bis  an  das  ende  mer  Mynsinger  v.  d.falken  5 
lit.  ver.; 

zur  grobe  weisz  ich  nicht,  wer  besser  in  dem  pasz 
alsz  du  rohrdommel  dienst,  du  taugest  nur  zum  basz 
schles.  quelle  bei  Drkchsler  Wencel  Scherffer  123. 

3)  als  quantitätsbegriff  'dicke,  stärke'  {vgl.  grob  B) : 
bey  vile  und  grobe  der  knöpfen  {der  hörner)  wirt  ir 
{der  geissen)  alter  abgemässen  Herold-Forer  Gesners 
thierb.  (1563)  57'';  ein  mahler,  der  wegen  gros  und  gröbin 
des  leibs  für  riesengeschlecht  geachtet  ward  Fischer 
Schwab.  3,  847  {quelle  v.  1666) ;  die  seilten  seyen  ungleicher 
ducke  oder  grobe  A.  Cario  neue  hall-  u.  thonkunst  (1684) 
104;  dbr  päm  hat  a~  gröb'n  Lexer  kämt.  124;  concret 
'die  dicken  bestandtheile' :  grobe  sind  die  bei  dem  stampfen 
.  .  des  hauwerkes  abgesonderten  gröszeren,  mit  erz  durch- 
zogenen  körner  Sgheughenstuel  108;  absieben  und 
nachheriges  mahlen  der  grobe  {bei  der  guanoverarbei- 
tung)  Muspratt  chemie^  2,  1067;  von  der  consistenz  von 
körpern  {vgl.  grob  D) :  nach  gröbi  ihres  liquors  Para- 
celsus op.  1, 127  C;  welche  {körper)  von  wegen  ihrer  grobe 
zwar  leicht  gestehen  und  ihre  flüssigkeit  verliehren 
können  J.  Chr.  Sturm  kurzer  begriff  d.  physic  (1713)  388; 
dasz  grobe  und  feinheit  ausdrücke  sind,  die  auf  das 
licht  gar  nicht  passen  J.  J.  Engel  lO,  84. 

4)  als  Qualitätsbezeichnung  neben  gewissen,  meist  künst- 
lich erzeugten  Stoffen   {vgl.  grob  C):   grobe  der  leinwad, 

i   des   holtzes,    des   garns  grossezza  del  legname  etc.  Kra- 


411 


GROBEISEN  -  GROBFASERIG 


GROBFEILE  -  GROBHANS 


412 


MER  teutsch-ital.  l,  567^;  {unterschiede  der  leinwand) 
an  schmele,  gröbi  oder  dünne  halb  Staub -Tobler 
2 ,  691  {quelle  von  1542) ;  zumal  da  sich  grobe  und 
feine  leinwand  darzu  schicket  und  jener  ihre  grobe, 
wann  sie  einmahl  bedruckt,  so  starck  nicht  zu  erkennen 
ist  Marperger  beschr.  d.  hanfs  (l7io)  58;  grobe  der  lein- 
wand, des  Zeuges,  des  glases,  des  papiers  Campe  ;  dieses 
tuch  hat  zuviel  groben,  ein  kleid  daraus  zu  machen 
V.  Klein  l,  164;  dieser  gebrauch  ist  jüngerer  spräche  am 
geläufigsten,  er  ist  am  ehesten  auch  heute  noch  möglich; 
so  gewöhnlich  in  den  obd.  maa.;  vgl.  Schmeller  l,  984; 
Unger-Khull  308;   Lexer  kär7it.  124;    Fischer  3,  847; 

StAUB-ToBLER  2,  690. 

GROBEISEN,  7i.,  'stabeisen,  welches  unier  den  .  . 
schweren  hämmern  {.  .  grobhämmern)  ausgehämmert  wird' 
Scheuchenstuel  109. 

IGRÖBEL,  m.,  grobian:  gab  .  .  Alcibiades  dem  gröbel 
ainen  backenstraych  Schaidenraiszer  Odyssea  (1537) 
vorr.  4*;  nach  Drechsler  124  häufig  in  Scherffers 
Grobianus:  ein  häufen  gröbel  109;  mein  gröbel  110  u.  ö.; 
daselbst  auch  mancherlei  ableitungen:  gröbelei,  gröbeler, 
gröbelheit;  gröbelbruder  u.  a..  s.  Drechsler  a.  a.  o. 

2  GRÖBEL,  OT.,  'ist  ein  bergmännisch  maasz,  so  einer 
spanne  lang  ist'  Wolff  mathem.  lex.  (1747)  608;  bei  Chomel 
4,  1360  auch  gräpel;  vielleicht  =  grebel  grabwerkzeug  ?  s. 
d.  sp.  i;  dorthin  gehört  auch: 

der  vor  oft  nicht  mocht  ruhen  essen, 
der  musz  zu  letzt  den  gröbel  fressen 

H.  Sachs  3,  529  Keller, 
wo  andere  drucke  gräbel  bieten. 

GRÜBELN,  s.  grübeln. 

GROBEN,  vb.  l)  starkgliedrig,  corpulent  werden  Staub 
Tobler  2,  690;  2)  bäurische  sitten  annehmen  ebd.; 

wan  einer  schon  will  höflich  say, 
so  groben  andre  doch 

Rattay  Ostracher  liederhs.  21; 

vgl.  als  der  herr  Oberstwachtmeister  in  sein  zlmmer 
trat  und  seinen  getreuen  Johann  angrobte:  'warum  .  . 
H.  V.  Zobeltitz  im  Daheim  31,  161  •>;  mundartlieh  statt 
dessen  auch  angrobsen  anfahren  Müller-Fraureuth 
1,  22. 

GROBEN,  vb.  vergröszern:  gibt  ihm  dieselbige  {misse- 
that)  gleichsam  durch  ein  verkleinerndes  ferrnglasz,  her- 
nach aber  durch  ein  gröbendes  zu  schauen  Er.  Fran- 
cisci  traursaal  (1669)  2,  950;  vereinzelt,  aber  doch  wohl 
kein  fehler  statt  gröbern,  s.  d.;  vgl.  'simplex  non  adeo 
in  usu,  sed  vergröben  rustice,  crasse  .  .  agere,  dicere' 
Stieler  706. 

GRÖBEREI,  /.,  unhößichkeit:  was  das  vor  gröberei 
wäre,  wenn  wir  einem  grossen  herrn,  der  uns  grüsset, 
nicht  dancken  wollten  V.  Herberger  Jesus  Sirach  548»; 
hüte  dich  für  der  gröberei  der  einwohner  zu  Bethlehem, 
welche  diesem  ehrenkindlin  keinen  räum  in  ihrer 
herberge  geben  herzpost.  (1618)  l,  61. 

GRÖBERN,  vb.,  vergröszern:  ein  brill  .  .,  die  da  grö- 
bert  und  kleinert  Mathesius  Sarepta  (l57l)  196'»;  ver- 
dichten {vgl.  grob  D) :  es  sey  mit  werme  gesubtilirt  oder 
von  kelte  craszirt  und  gegröbert  Thurneysser  alchymia 
(1583)  131. 

GROBFÄDIG,  adj,:  grobßldemicht  filis  crassioribus 
textus  Stieler  525;  grobfädemicht  tuch  Kramer  teutsch- 
ital.  1, 318"^;  grobfädige  wolle,  grobfädiges  fleisch  Krünitz 
20,  108;  ein  grobfädiges  hemd  Zschokke  sämtl.  ausgew. 
sehr.  27,  202;  freier:  dein  mond  {auf  dem  bild)  ist  ein 
Irrwisch  und  dein  äther  grobfädig  Thümmel  reise  7,  52; 
überhaupt,  wie  grobdrähtig,  gelegentlich  für  grob  schlecht- 
hin; vgl.  meine  'gröszen  der  modernen  literatur'  mit 
ihrer  feineren  ästhetik,  durch  welche  manche  her- 
kömmliche grobfädigkeit  aufgedeckt  wird  Dühring 
Überschätzung  Lessings  50.  —  grobfaserig,  adj.,  be- 
sonders von  mineralien,  z.  b.  quarz  A.  G.  Werner  ort/k- 
tognosie  (1792)  39;  formation  von  grobfasrigem  .  .  perl- 
stein Humboldt  kosmos  4,  349;  und  'von  hölzern  .  .,  die 
aus  starken  fibern  bestehen'  Helfet  wb.  d.  landbaukunst 
(1836)  161;  hartes  .  .  grobfaseriges  holz  Schlechtendal& 


1    10,  112;   doch  auch  sonst:   {gazellen)  deren  fleisch  zwar 
grobfaserig  Ritter  erdk.  2,  754;   grobfaseriges  .  .  pulver 
I    MusPRATT  Chemie  3,  212.   —    grobfeile,  /.,  le  carreau 
I    Schwan  nouv.  dict.  l,  791*'.   —   grobfleischig,   adj., 
I    von  grobem  fleisch  {vgl.  grob  C  2  a) :    die  {glatten  fische) 
\    halt  man  für  grobfleyschig  Ryff  Spiegel  d.  gesundh.  (1544) 
57'';  anders:  {bei  den  Brabanter  frauen)  ist  etwas  schlaffes 
!    und  grobfleischiges  zugleich  bemerklich  G.  Forster  3, 
!    168.  —  grobfüszig,  adj.:  einen  feinen  starcken  grob- 
\   füssigten  gaul  Winter  v.  Adlersflügel  stuterei  (1687) 
;    12;  grobfüssige  figur  Göthe46,  256  W.  —  grobgedackt, 
n..  ein  orgelregister,  dessen  pfeifen  mit  einem,  decket  ver- 
schlossen sind  Walther  music.  lex.  (1732)  481;  vgl.  schon 
bei  Stieler   grobgedacktes  plicata  maior  stammb.  285; 
Jean  Paul   rühmt  scherzend  an  der  deutschen  spräche 
ihr   32  füssiges   grobgedackt   tcerke  54,  XVI  Hempel;  ent- 
stellt: aus  dem  grobgetakt  und  schnarrwerk  der  männ- 
lichen brüst  ll/l4,  96.  —  grobgeld,   n.,  crassa  monefa 
Henisgh  1748;    'bedeutet  eigentlich  die  species-  oder  grö- 
bern münzsorten'  Chomel  öcon.  lex.  4, 1358;  vgl.  grob  B  i  d. 
—  grobgeschütz,   n.:  dasz   ein  büchse  oder  grob-ge- 
schütze  nicht  zuspringe  Fleming  d.  vollk.  teutsche  soldat 
(1726)  355*';    vgl.  grob   B  1  d.   —   grobgliedrig,    adj. 
Hulsius-Ravellus   (1616)    146*;    grosze    grobgliederige 
menschen   Hebel  2,  360  Behaghel.  —   grobgrei flieh, 
adj.  adv.:  das  ist  eine  gute  grobgreifliche  unverschampte 
lügen  Zanger  Jesuwider  (1562)  T  6*»;  ob  sie  .  .  ubir  mich 
grob  greyflich  liegen  Luther  7,  626  W.  —  grobgries, 
m.,  als  eine  bestimmte  erzqualität  Muspratt  chemie  7, 
458,  507. 

GROBGRÜN,  m.  und  gewöhnlicher  n.,  aus  frz.  gros- 
grain  entstellte  bezeichnung  verschiedenartiger  starkfädiger 
zeuge;  meist  von  Wollstoffen  geringer  qualität,  doch  auch 
für  Seidenstoffe;  seit  dem  16.  jh.,  zumal  in  kleiderord- 
nungen  und  inventaren,  häufig:  grobgrein,  grobgran 
subsericum,  subserica,  bey  uns  gantz  schivartz,  schlechter 
als  tubin,  de  laena;  aliis  vestis  cymatilis  .  .  wusserblau 
Henisch  1748;  pannus  camelinus  türckisch  grobgrün 
nomencl.  lat.  germ.  {Hamb.  1634)  421 ;  etlich  stück  grobgrün 
Ayrer  dr.  4,  2453  lit.  ver.;  wullinwahr,  als  macheyer, 
engelsaith,  grobgrien  quelle  von  1601  bei  Fischer  schwäb. 
3,  847,  woselbst  mehr  belege;  den  dienstmägden  soll  .  . 
seiden  gewand  zu  schauben  .  .  verboten  seyn,  sondern 
ein  schlecht  grobgrün  kleiderordn.  von  1640  bei  Frisch- 
bier 1, 254;  dagegen:  seidengrofgrün  Rostocker  kleiderordn. 
(1585)  12  {vgl.  Frisch  [i74i]  i,  374");  seidengewandt  von 
allerhand  färben,  als  nemlich  grobgrün,  atlasz  A.  Cas- 
siODORUS  regnum  Congo  (1597)  2,  34;  nd.  grofgrön  bei 
Schiller- Lübben  2,  150  reich  belegt;  vgl.  brem.  wb.  2, 
548;  seltenere  formen:  grobgran  Fisch art  geschichtklitt. 
450  ndr.;  grobgran,  grobgrin  grain  de  soye  Duez  nomencl. 
(1652)  50;  grobgran  Federman  Niderlands  beschr.  (1580) 
139;  s.  o.  Henisch;  zur  sache  vgl.  besonders  Chomel 
öcon.  lex.  8,  2402;  Jacobsson  techn.wb.  2,  155;  auch  ad- 
jectivisch:  vestis  tramoserica  ein  grobgrün  kleid  no- 
mencl. lat.  germ.  (1634)  425;  zween  grobgrüene  rock;  zwei 
grobgrüene  büeblein  Fischer  schwäb.  3,  847  (17.  jh.); 
türckisch  grobgrüne  wullen  Wolfg.  Ouw  miszbr.  d. 
kleider  (1662)  182;  dazu  grobgrünmacher  Sghiller- 
Lübben  a.  a.  o.  aus  Stralsunder  bürgertab.;  grobgrün - 
weber  Fischer  schwäb.  a.  a.  o. 

GROBHAARIG,  adj.:  {ein  hemd)  von  der  grobhärich- 
testen  Sackleinwand  Bastel  v.  d.  Sohle  junker  Har- 
nisch (1648)  169;  SO  wird  der  flachs  grobhärig  J.  G. 
Schmidt  rockenphilos.  (i706)  l,  149;  mit  einem  grobhaa- 
rigen pinsel  Karmarsch-Heeren3  5,  589;  um  grobhaa- 
riger dirnen  willen  Storm  6,  253;  vgl.  grobhären.  — 
grobhälmig,  adj.:  das  .  .  lange  und  grobhälmichte 
stroh  schles. wirtschaftsb.  (1712) 370.  —  grobhammer,m.; 
das  .  .  erstarrte  kupfer  wird  . .  unter  einem  grobhammer 
.  .  zerschroten  Karmasch-Heeren3  5,  381 ;  vgl.  grobeisen; 
aiich  von  gemssen  hammertoerken :  Krieglach  .  .  darf  .  . 
seiner  grob-  und  zeughämmer  wegen  ein  wenig  als  in-  jH 
dustrieort  gelten  Rosegger  II  7,  90.  —  grobhans,  m.:  Sl 
grobhans,  bauershans  rustico,  zotico,  grossolano  Kramer 
teutsch-ital.  l,  626*; 


413 


GROBHART  -  GROBHEIT 


GROBHEIT 


414 


weil  grobhans  noch  nit  essen  will 

Scheit  Groh.  3032  ndr.; 

grobhenslin  ib.s.l.  —  grobhart,  m.,  grobian:  lieber 
mein  grobharde  Scheit  Groh.  2678  ndr.  —  grobhären, 
adj.,  Schwan  nouv.  dict.  t,  791^;  ein  grobhären  tuch 
K.  J.  Weber  Deutschland  i  (i828),  176.  —  grobhaus, 
n.,  ein  hazardspiel,  frz.  lansquenet,  manchenorts  stoszen 
genannt  studentenspr.  u.  -lied  in  Halle  (1894)  52;  es  war 
das  verderbliche  infame  grobhaus  Laukhard  leben  u. 
Schicksale  5,  222;  nach  Adelung  'auf  dem  lande  in  Ober- 
sachsen üblich',  dazu  grobhäuser,  aber  einfach  im 
sinne  'grobian'  Gaudy  8,  181;  grobhäusern,  vb.,  das 
grobhaus  spielen  Adelung.  —  grobhäutig,  adj.,  cras- 
sioris  cutis  Stieler  803;  ihre  (der  mohren)  händ  sind 
grobhäutig  A.  Dürer  schriftl.  nachl.  349;  auch,  ähiüich 
ivie  grobdrähtig,  -fädig,  als  ein  versinnlichtes  grob:  das 
'reich'  ist  zunächst  .  .  eine  ziemlich  rohe  grobhäutige 
form  H.  Conrad!  ges.  sehr.  3,  357. 

GROBHEIT,/.,  seit  dem  mhd.;  streckeniceise  in  gleicher 
Verwendung  ivie  grobe  (s.  namentlich  2),  aber  von  anfang 
an  abstracte  gebrauchsweiseti  bevorzugend;  je  später  je 
mehr  auf  m.enschliche  artuiig  und  gebarung  beschränkt, 
ivo  grobe  kaum  begegnet  (s.  d.  1  schlusz);  in  älterer 
Sprache  auch  grobkeit,  doch  selten:  pilgerf.  d.  träum, 
mönchs  449;  *.  u.  3/  zim.m.  chron.  2,  160,  15;  N.  v.  Wyle 
translat.  93,  8  lit.  ver.;  Murner  schelmenz.  36,  38  ndr.; 
entwickelter  ist  grobigkeit,  s.  d. 

1)  die  grundbedeutung  'rauheit'  (s.  grob  A)  ist  ^vegen 
der  concurrenz  von  grobe  (s.  d.  l)  im  eigentlichen  sinn- 
lichen gebrauche  nicht  zu  belegen;  xoohl  aber  übertragen 
als  'herbheit,  schärfe':  die  andern  art  (nämlich  daz  si 
zesamen  zeuht)  hat  si  (die  wermut)  von  der  grobhait 
ires  saffes  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  natur  381,  22; 
alle  wort  haben  bürischen  bitterkeit  und  grobheit  3'e- 
re7iz  (1499)  118";  asperitas  orationis  die  reuche  und  grob- 
heit der  red  Frisius  dict.  (1556)  125'';  der  sprachen  grob- 
und  härtigkeit  Schottel  haubtspr.  (1663)  26;  grobheit, 
rauhe,  herbe  asperitas,  opp.  lenitas  Henisch  1748;  reich 
entwickelt  nur  in  der  anwendung  auf  den  menschen, 
s.  u.  5. 

2)  entsprechend  grob  B  =  grossitudo,  grossicies  gemma 
gemm.  (1508)  1  6*;  granit,  der  nur  in  rücksicht  auf  grob- 
heit oder  feinheit  des  kornes  einige  Verschiedenheiten 
zeigte  Kerner  bilderb.  (1849)  377;  weiterhin:  grobheit,  die 
dicke,  feiste  crassities,  crassitudo  Henisch  1748;  corpu- 
lenza  grobheit  oder  schwere  desz  leibs  Hulsius  (l618) 
2, 109^;  im  sinne  von  grob  D:  densitas, plenitudo  Henisch 
a.  a.  0.;  spissitudo,  spissitas  Serranus  synon.  (1579)  s.  v. 
grobheit;  sich  aber  die  erde  .  .  wegen  ihrer  grobheit 
und  unbeweglichkeit  mit  keinem  dement  vermischen 
kan  Harsdörfer  d.  teusche  secret.  2,  613;  die  dicht-  und 
grobheit  der  cörper,  so  in  der  äussern  natur  die  durch- 
strahlung  des  lichts  verhindern  J.  C.  Dippel  aufricht. 
Protestant  (1783)  90;  mit  der  zunehmenden  entfernung 
von  der  sonne  nimmt  .  .  auch  die  dichtigkeit  der  pla- 
tteten, die  grobheit  des  Stoffes  auf  denselben  ab  D.  F. 
Strauss  6,  111;  et^vas  anders,  zur  bezeichnung  festerer 
Substanz:  die  matery  der  blüt  ist  ausz  behendem 
wässerigem  vermischet  mit  behendem  oder  subtilem 
yrdischem,  das  es  seiner  subtigligkeit  halben  billicher 
geformet  würt  zu  blüt  wann  zu  feuchter  grobheit  (wie 
sie  in  den  blättern  vorliegt)  Petr.  de  Gresgentiis  (l53l) 
11";  ähnlich  auch:  daz  feur  .  .  benymt  im  (dem  holz) 
die  feuchtikayt  und  die  grüne  und  grobhait  (festigkeit, 
Zähigkeit)  Tauler  sermones  (1508)  84";  vgl.  myst.  2,  431, 
21;  als  densitas  auch  von  flüssigkeiten :  die  ander  ursach 
ist  grobheyt  und  dicke  des  geblüts  Ryff  spiegel  d.  gesund- 
heit  (1544)  136*;  mit  seiner  grobheit  verstopfet  er  (der 
süsze  wein)  ...  die  subtilen  äderlin  der  lebern  Petr. 
de  Gresgentiis  (i53i)  57»;  dasz  man  in  das  meer, 
wegen  des  wassers  färb  und  grobheit  nicht  weit  hin- 
unter sehen  kann  Otho  krankentrost  701;  schlieszlich 
überhauijt  zur  bezeichnung  des  substantiellen  gegenüber 
dem  geistigen ;  iti  mystischer  spräche  vielgebraucht:  gropheit 
der  liplicheite  myst.  2,  668,  9;  daz  materielichiu  grop- 
heit also  behende  si  also  geistlichiu,   daz  enwirt  eime 


unglorificierten  libe  niht  ib.  11 ;  also  ist  er  (Christus) 
ouch  in  dem  heiligen  sacrament  on  grobheit  und  on 
alle  schwere  der  ew.  toeisheit  betbüchl.  (1518)  142*; 

mein  leib  der  wird  für  gott  wie  ein  carfunkel  stehn, 
wenn  seine  grobheit  wird  im  feuer  untergehn 

A.  Silesius  Cherub,  loandersm.  50  ndr.; 

geradezu  für  das  irdische: 

als  er  des  vatters  willen  endt, 

ward  er  behend 

ausz  der  grobheit  genummen 

Wackernagel  kirchenl.  5,  728; 

(er  wird)  verklärt  von  gott,  bisz  sich  natur  verlieret 
und  grobheit  flieht  samt  aller  irdigkeit 

G.  Arnold  göitl.  sophia  (1700)  2,  58 ; 

ein  in  älterer  spräche  recht  ausgebreiteter  gebrauch;  er 
hält  sich  in  Wendungen  wie  grobheit  der  materie  Kant 
(1838  ff.)   8,  368. 

3)  wenig  entwickelt  ist  die  grob  C  entsprechende  Ver- 
wendung, die  den  nachdruek  auf  die  qualitätsbezeichnung 
legt  (hier  herrscht  durchaus  grobe,  s.  d.  4); 

eben  als  wol  die  grobekeit  (sc.  der  speise) 
als  die  gude  spise  mich  lecken  deit 

pilgerf.  d.  träum,  mönchs  10519; 

grobheit  des  glases  Krünitz  20,  iii;  grobheit  des  vlieszes 
(beim  schaf)  Brehm  thierl.  3,  236  Pechuel- Lösche;  über- 
tragen: diese  grobheit  des  stoffes  und  des  gewebes  in 
dem  baue  der  menschlichen  natur  Kant  (1838/".)  8,  368 ; 
ebenso  selten  im  sinne  grob  E,  die  mangelnde  feinheit  der 
gestaltung  eines  dinges  betonend:  grobheit  des  antlutz 
Diefenbach  157»  s.  V.  crepundia  (l5.  jh.);  die  Zartheit 
oder  grobheit  der  augenfelder  (bei  den  schmalböcken) 
Brehm  thierl.  9, 179;  nur  von  unsinnlichem  häufiger;  gern 
von  uncultivierter  spräche  (vgl.  grob  E  l),  loo  die  bedeu- 
tung  nahe  an  1  grenzt:  (da  Luther  die  spräche)  aus  der 
ungeschlachten,  ungeschliffenen  grobheit  in  eine  zier- 
liche anmuhtigkeit  gebracht  Zesen  rosenmand  (l65l)  12; 
die  französische  spräche  wäre  noch  lange  in  dem  zu- 
stande der  grobheit  geblieben  neuer  büchers.  d.  schön, 
vnssensch.  u.  fr.  künste  5,  125;  auch  sonst  verschieden- 
artig für  den  zustand  des  plumpen ,  rohen ,  undurchge- 
bildeten  gegenüber  dem  feinen,  geschliffenen:  eine  affec- 
tirte  Schreibart,  welches  der  entgegengesetzte  fehler 
von  der  grobheit  ist  Ramler  einl.  in  d.  schön.  Wissen- 
schaften 1,  70;  er  hätte  die  satyre  beiszender  und  feiner 
gemacht,  deren  grobheit  ihn  sehr  geärgert  hat  G.  For- 
ster 7,  137;  anders,  mit  hinneigung  zw  D  4:  er  lies  sich 
so  .  .  offenbar  bestechen,  dass  kein  mensch  es  gröber 
machen  konnte,  und  eben  diese  grobheit  war  feinheit 
Hippel  lebensläufe  3,  322. 

4)  nur  in  »puren  zu  belegen  ist  Substantivierung  der 
beim  adj.  reich  entfalteten  bedeutung  'grosz,  geioaltig, 
heftig',  von  unsinnlichem  (s.  grob  B  2):  grobheit  der 
Sünde  gravezza  .  .  del  peccato  Kramer  teutsch.-ital.  l, 
567'';  viel-  und  grobheit  der  laster  W.  v.  Kalghus  Sal- 
lust  (1629)  28;  das  thut  die  grobheit  der  Unwissenheit, 
dasz  wir  nicht  wissen,  was  in  uns  geboren  ist  Para- 
celsüS  op.  (1616)  1,  141  B;  doch  lebt  eine  aus  dieser 
ivurzel  entsprossene  bedeutung  mundartlich:  ich  fürchte 
mich  vor  eurer  grobheit  'euer  ansehen,  vornehmer  stand 
macht  mir  bange'  Schröer  30;  vgl.  grob  B  2  a. 

5)  um  so  entfalteter  ist  die  zu  grob  F  gehörige  anwen- 
dung auf  beschaffenheit  und  benehmen  des  menschen. 

a)  Stumpfheit  der  geistigen  und  sinnlichen  organe  des 
menschen  (vgl.  grob  Fl):  grobhayt  des  sinns  Diefen- 
bach nov.  gl.  201°'  s.  V.  hebes;  grobheit  des  verstandts 
ruditas  Galepinus  xi  ling.  (i598)  1278*;  groffheit  der  vor- 
nuft  Schiller-Lübben  2,  löo'';  so  gethan  underschützig 
dencken  komet  allein  von  grobheit  der  sinnen  d.  ew. 
ivei^h.  betbüchl.  (i5i8)  58'';  wenn  unsere  sinnen  feiner 
wären,  deren  grobheit  die  form  möglicher  erfahrang  .  . 
nichts  angeht  Kant  3,  190  akad.  ausg.;  weiterhin  als 
Charakter  des  menschen  stumpfer  Organisation:  ineptia, 
fatuitas,  hebetudo  Er.  Alberus  dict.  (l540)  17*';  ruditas, 
secordia,  stupiditas  Stieler  706;  etlichü  unverstandnu 
menschen  .  .  von  ir  grobheit  kein  bessers  in  in  selber 
kunnen  verstan   Seuse   dtsche  sehr.  5,  6  Bihlm.;   aber 


415 


GROBHEIT 


GROBHIN 


416 


die  teufelische  untugent  .  .  .  kan  des  menschen  umb- 
steende  grobhait  .  .  nit  erkennen  Luther  l8,ioi  W.; 
Unverstand  und  grobheit  ist  das  50,  596;  als  tliierisches 
Vorrecht  {vgl.  grob  F  i  a  sc/tZw*«) .-  dem  bapstesel  jucken 
die  obren  und  wil  sein  .  .  grobheit  gekutzelt  haben  26, 
576;  etwas  anders:  nachdem  ich  aber  aus  der  allent- 
halben in  der  schrift  .  .  hervorscheinenden  tummheit 
und  grobheit  des  concipienten  gewahr  wurde,  dasz  eine 
dergleichen  ingenieuse  satyre  sein  werck  nicht  seyn 
könne  Chr.  Thomasius  ged.  u.  erinn.  l,  vorr.  8. 

b)  univissenheit,  Unbildung,  roheit  (vgl.  grob  F  3): 
barbaries,  inscitia,  imperitia,  ignoraniia  Er.  Alberus 
dict.  (1540)  17^;  inscitia  prodigiosa  grewliche,  schreck- 
liche grobheit  Bas.  Faber  thes.  (1587)  651";  grofheyt 
inerudicia  Diefenbach  nov.  gl.  215»; 

(ich  ?iab)  zulehrnen  mich  belliessen 
dasjenig,  so  der  gmeine  mann 
ausz  grobheit  nicht  kann  wissen 
W.  Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  1,  Itö  lit.  ver.; 

(ihr  sammelt  ein  werk) 
das  treflich  wol  kan  dienen 
vor  grobheit,  Unverstand 

Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  4,  b  7»; 

von  Völkern  'unkultur,  barbarei':  wir  Teutschen  ver- 
achten das  (geschickte  aufzuschreiben),  wann  unser  grosz 
grobheit  versagt  uns  gedechtnus  der  künftigen  städte- 
ehron.  3,  167;  sich  ein  sehr  grosse  barbarey  und  grob- 
heit und  abgötterey  gegen  mitternacht  findet  Nigrinus 
von  Zauberern  (1592)  243;  wenn  die  einwohner  aus  der 
Wildheit  und  grobheit  durch  policey  und  Ordnung  zu 
reichtum  und  macht  gelangen  7ieuer  büchers.  d.  schön, 
wissensch.  u.  fr.  künste  2,  119;  nicht  unbedingt  tadelnd:  i 
Rom  selbst  sieht  er  in  den  Zeiten  seiner  ersten  grob- 
heit für  ein  so  tugendhaftes  volk  an  Gottsched  das 
neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  1,  484;  mit  besonderem  sinn: 
(bei  dem  namen  Rhetigow)  ist  bald  durchs  volcks  grob- 
heit das  P  hinzu  gesetzt  und  Prättigow  darausz  wor- 
den Stumpf  Schtcytzerchron.  (1606)  637". 

c)  roheit,  ungeschliffenlieit  der  sitte  und  ihres  trägers 
(vgl.  grob  F  5);  rtisticitas  Diefenbach  504«;  ruditas 
nomencl.  lat.  germ.  (1634)  275;  der  bauer  ist  das  Sinnbild 
dieser  grobheit  (vgl.  grob  F  2) :  urbanitati  contraria  sunt 
insulsitas,  grobheit,  bewrische  unsittigkeit  Bas.  Faber 
thes.  (1587)  968^;  aber  sein  grobheit  und  bürischeit,  wan 
er  ein  buer  was,  so  ist  er  entschuldigt  Pauli  schimpf 
u.  ernst  81  lit.  ver.;  redensarten:  (ihr  möget)  ob  ich  solchs 
nit  wol  treffe,  dasselb  meiner  grobheit  zumessen  sagt 
der  ritier,  der  mit  der  königstochter  tanzen  soll  Schü- 
mann nachtbüchl.  98  lit.  ver.;  sie  wollen  meine  grobheit 
zu  gut  halten  Kramer  teutsch-ital.  l,  567'';  die  grobheit 
ablegen,  einem  die  gr.  abstreifein  ebd.;  tvie  bei  dem  adj.. 
ist  eine  allmähliche  Verfeinerung  des  begriff sgehaltes  wahr- 
nehmbar: 

die  grobheyt  ist  yetz  kumen  usz 

Brant  narrensch.  71,  41  Zamcke; 
Jesu  Christi,  der  unser  sundt,  grobheit  der  sitten  .  .  . 
lieblich  geduldet  hat  Eb.  v.  Günzburg  2,  41  ndr.;  da- 
gegen: Übermächte  höfligkeit  ist  verdrüsslicher  als  grob- 
heit Grob  dichter,  versuchg.  (i678)  70;  jetzt  kann  ich 
sie  nicht  ohne  grobheit  mehr  von  hier  verweisen  Ar- 
nim 16,  122;  Kinderling  setzt  grobheit  =  incivilität 
reiragk.  d.  dtsch.  spr.  (i795)  279;  Lucinde  und  der  my- 
lord  tadeln  beyderseits  Crabs  äuszerliche  grobheit  Gott- 
sched d.  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  7,  22;  anders  u. 
noch  feiner:  verwöhnt  durch  die  leichte  anmuth  der 
Pariser   salons  wollte   er   sich   in   die  grobheit  der 

heimath  .  .  nicht  finden   Treitschke  dtsche  gesch.  im 
19.  fh.  8,  432.  •' 

d)  die  heute  vorherrschende  bedeutung  'rauheit,  barsch- 
heit.  Unfreundlichkeit'  wird  im  älteren  nhd.  gewöhnlich 
durch  solche  stärkeren  affectgehaltes  vertreten:  'wildheit 
brutalität'  (vgl.  grob  F  6  a):  alle  diese  hat  Caius  Cali- 
gula  . .  in  grobheit  übertrofFen  Dannhauer  catech.  milch 
1,  167;  ir  (der  Hussiten)  grobheit  und  ubermut  ward 
also  grosz  und  mächtig,  dass  si  all  herren  .  .  sehädi- 
getend  Tschudi  chron.  helvet.  2,  90 1»; 


und  ihr  erzittert  leib  und  blut, 

80  bald  dein  grobheit  reden  thut 

grillenvertr.  (1670)  3, 145; 
anscheinend  auch  im  sinne  'übermuth,  trotz'  (vgl.  grob- 
stolz):  (das  hoff  artige  weib)  sprach,  sy  wölt  sich  spie- 
gelen  als  die  andern  täten,  also  in  irer  grobheyt  sten 
beleyb  Arigo  decam.  897  lit.  ver.;  darumb  schlage  mein 
hals  und  rücken,  damit  ich  meine  grobheit  unter  dei- 
nen willen  biege  Jon.  Arnd  Thom.  a  Kempis  (i63l)  137; 
die  grobheit  und  halsstarrigkeit  eines  ungehorsamen! 
unfreundlichen  weibs  Mosch erosch  insomn.  ciira  75 
ndr.;  aber  auch  schon  in  der  hexitigen  bedeutung  (vgl. 
grob  F  6  b):  asperitas  grobheit,  unfreundligkeit  Bas. 
Faber  thes.  (1587)  87»;  darinn  er  .  .  nach  aller  grobhait 
den  bapst  .  .  als  ain  lodtersbüb  aussholiplet  Jon.  Nas 
antipap.  eins  u.  hundert  2,  e  8»;  (recensenten  sprachen) 
über  ehre  und  schände  der  verdientesten  gelehrten  mit 
einer  bisher  unerhörten  .  .  .  grobheit  ab  v.  Haller 
restaur.  d.  staatsiciss.  i,  130;  grobheit,  fluchen  und  geiz 
ist  der  falsche  weg  zu  gutem  gesind  Hebel  2,  257  Be- 
haghel:  das  geflügelte  wort  göttliche  grobheit  geht  auf 
Fr.  Schlegel  zurück  (Lucinde  [i799]  30);  zu  seiner  ge- 
schichte  s.  Gombert  zs.f.  d.  w.  3,  176;  danach  in  neuerer 
zeit  Verbindungen  wie: 

0  stünde  Bolans  glückselige  grobheit 
mir  zu  gebot  1  Geibel  werke  (1888)  5,  162; 

herzerquickende  grobheit  v.  d.  Steinen  naturvölker 
Zentralbrasiliens  6;  ein  brief  von  vollendeter  grobheit 
H.  Grimm  Michelangelo  (1890)2,294;  die  jüngere  spräche 
gibt  der  bedeutung  gern  den  beisinn  des  unhöflichen,  so 
dasz  diese  bedeutungslinie  schlieszlich  mit  der  von  c 
durcheitiander läuft:  die  höflichkeit  der  fremden  dame 
ist  mir  empfindlicher  als  die  grobheit  des  wirths  Les- 
sing 2,  185  M.;  ein  volk,  das  .  .  den  fremden  nicht  mit 
grobheit  .  .,  sondern  mit  höflicher  sitte  behandelt  E. 
Th.  A.  Hoffmann  14,  171  Grisebach;  eine  derbheit,  die 
dicht  an  die  gränze  der  grobheit  streift  Schubart  leb. 
u.  gesinn.  I,  256. 

e)  die  bedeutungen  a —  d  auch  in  concreterem  gebrauch, 
als  rede  und  that;  'dummheit'  (nach  a) :  disz  sey  ein 
grosse  feiszte  lugen  und  ein  esclische  grobheit  Fisghart 
bienenk.  (1588)  117  '^ ;  häufiger  nach  c  'rüpelei,  flegelhaftig- 
keit'  u.  ä.:  damit  nun  die  allgemeine  freude  durch 
diese  grobheit  nicht  möchte  verstöret  werden  (der  prinz 
hat  der  Banise  wein  auf  den  hals  geschüttet)  Ziegler 
asiat.  Banise  (1689)  258;  wenn  das  (den  köpf  auf  den 
stock  sinken  lassen)  ein  bauersmann  (hut,  so  hält  man 
es  für  eine  grobheit  Mayr  päckchen  Satiren  (1769)  62; 

zu  solcher  grobheit  ladest  du  mich  ein? 
(nämlich  zu  reiten,  während  du  gehst) 

M  Gries  Bojardos  verl.  Roland  1,  277; 

gelegentlich  auch  stärker  (im  sinne  grob  F  5  a)  'Unan- 
ständigkeit': possenspiele  .  .  .,  mit  schmutz  und  grob- 
heiten  untermengt  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wissensch. 
2,  374;  am  häufigsten  im  sinne  d:  'rauhe,  barsche  hand- 
lungen  oder  getvöhnlich:  reden':  ich  will  der  scheltwbrte 
und  der  grobheiten  seiner  bände  gegen  sie  nicht  er- 
wähnen Heinse  2,  42  Schüddekopf;  wer  .  .  kein  trink- 
geld  geben  will,  hat  die  gröszten  grobheiten  zu  erwarten 
Archen  HOLZ  England  u.  Italien  2,  I6I;  es  waren  ihm 
.  .  eine  menge  witziger  Schimpfwörter  und  komischer 
grobheiten  in  den  sinn  gekommen  Eichendorf  2,  28; 
gewisse  verbale  Verbindungen  sind  stereotyp:  und  etwan 
ein  grobheit  begieng  Pauli  schimpf  u.  ernst  342  lit.  ver. ; 
ich  bin  nicht  hergekommen,  mir  grobheiten  sagen  zu 
lassen  Lenz  1,  18  Tieck;  ich  möchte  .  .  ihm  alle  grob- 
heiten ins  gesiebt  sagen  können  Bauernfeld  l,  32;  ^m 
blosz  weil  er  .  .  .  Jupitern  .  .  .  grobheiten  ins  gesiebte  jfl 
warf  Wieland  Lucian  (1788)  1,  65;  ich  lasse  mir  (von  ^P 
niemandem)  grobheiten  machen  Jung-Stilling  1,  378; 
grobheiten  einstecken  Göthe  21,  249  W.;  wissen  sie, 
das  zieh  in  meinem  hause  von  niemanden  grobheiten 
annehme  Stephanie  d.  j.  sümtl.  lustsp.  (l77i)  70. 
GROBHIN,  adv.,  von  einer  fuszspur  im  schnee: 

und  links  unförmig  grobhin  eingetölpelt 
ein  ungeheurer  klotzger  pferdefusz 

H.  v.  Kleist  1,  414  E.  Schmidt; 


417 


GROBHIRNIG  —  GROBIAN 


GROBIANIN  -  GROBIGKEIT 


418 


vgl.  grobweg.  —  grobhirnig,  adj.,  unverständig:  aus 
disem  alln  ist  nimand  als  thum  und  grobhirnig,  das  er 
selbs  nicht  süssen  möge  Al.  Ghrosner  sermon  von  d. 
hl.  Christi,  kirch  57  Giemen;  vom  grewi  der  grob-  und 
auch  weychhirnigen  eitern,  so  ihren  kindern  .  .  wein 
zu  trincken  geben  Guarinonius  greuel  d.  vertvüsttmg 
(1610)  727;  vgl.  grob  Fla.  —  grobhobel,  m.,  hobel 
für  die  erste,  roheste  bearbeitung  des  hohes  (im  gegen- 
satz  zu  dem  nachglättenden  Schlichthobel,  s.d.):  ist  gleich 
als, ein  grobhobel,  damit  die  groben  äste  der  Sicherheit 
hinweg  gestossen  werden  S.  Artomedes  pred.  (1604)  4. 

—  grob  holz,  m.,  grobian  (vgl.  grob  F7):  Nebalus, 
bawer,  grobholtz  im  personenverzeichnis  von  Haynec- 
Gius  Almansor  (1582);  noch  etwan  auf  die  bibel  sieh 
mit  dem  gesäsz  setzen,  wie  manche  grobhöltzer  thun 
Er.  Frangisci  lust.  schaub.  (1702)  i,  308;  eticas  anders 
(mit  F  4  sich  berührend) :  (der  Leser  des  psalters)  hats 
gewisz  in  seiner  christlichen  weiszheit  viel  weiter  ge- 
bracht als  andere  grobhöltzer,  die  sich  mit  unnützen 
scartecken  tragen  Herberger  trauerbinden  4  (l6i7j,  178. 

—  grobhörig,  adj.:  der  grob-  und  harthörigen  giebt 
es  in  gewissen  sehr  vornehmen  zirkeln  so  viele  Raü- 
LOFF  teutschkimdl.  forsch.  1,  289;  vgl.  grob  F  i  b. 

GROBIAN,  m.,  verkürzt  aus  grobianus,  einer  urspr. 
sclierzhaft  gemeinten  latinisierenden  Substantivbildung  zu 
grob;  beeinßtissung  durch  grober  Jan  =  Johann  (so  schon 
Adelung)  ist  bei  der  oberdeutschen  heimat  der  bildung 
tvenig  wahrscheinlich;  doch  bleibt  die  parallele  von  grob- 
hans  (s.  d.)  zu  beachten,  das  freilich  auch  auf  grobian 
beruhen  könnte;  noch  im  18.  jh.  grober  Hans  allg.  dtsche 
bibl.  29,  368;  bei  Luther  m,ehrfach  Hans  Grobianus,  s.  u. 
■und  DiETZ  2,  171";  ältester  beleg:  bauer,  rusticus,  gro- 
bianus voc.  theut.  (1482)  e  4*;  der  bahnbrecher  für  das 
wort  war  Seb.  Brant,  der  für  die  bei  tische  flegelnden 
einen  neuen  orden  erfand: 

eyn  nuwer  heylig  heiszt  Grobian 

narremch.  72,  1  Zarncke; 

Murner  (*.  u.)  und  H.  Sachs  griffen  das  icort,  dieser 
auch  das  bild  auf: 

wan  wir  habeu  hir  ainen  gspon, 
der  kumbt  her  von  sant  Grobion 
und  wil  zu  sant  Dölpian  gen 

23,  158  Keller-Götze; 

vgl.  9,  316,  9;  17,  416,  iff.;  SO  mag  sich  sant  Grobianus 
nit  verbergen  Wickram  rolhcagenb.  3,  68  Balte;  der 
stärkste  Verbreiter  des  ausdrucks  und  der  satire  tvar 
Scheit  durch  die  Verdeutschung  von  Dedekinds  Gro- 
bianus; bei  ihm  statt  des  heiligeri  der  meister  Grobia- 
n(us)  s.  8  ndr.;  buch  U7id  titelfigur  bleiben  lange  leben- 
dig: 

izunt  thut  man  gar  anders  reformiern, 
man  thut  den  Grobianum  declamiern 
sat.  u.  pasqu.  1, 163  Schade  (quelle  von  1587); 

vgl.  160,  219;  können  .  .  ihre  jünger  solcher  lügen  nicht 
satt  werden,  wie  ausz  Setzii  und  seines  Grobiani  schö- 
nem gespenst  wider  D.  Hunnium  offenbahr  Nigrinus 
unticalvin.  (1595)  419;  dem  besuchten  will  dergleichen 
(höflichkeit)  gebühren;  im  fall  er  nicht  für  einen  ge- 
schwornen  bruder  des  Grobiani  wil  angesehen  .  .  seyn 
BuTSCHKY  Fathmos  (1677)  682;  lateinische  formen  bis  ins 
18.  Jh.:  pfu,  du  grobianus!  Holberg  dün.  schaub.  3, 152; 
noch  heute  mundartlich  grobianes  lux.  ma.  (1906)  155'^; 
bedeutung  zunächst:  mensch  von  rüpeligem,  unanstän- 
digem, benehmen: 

darumb  blybt  er  ein  grobian, 

das  heiszt  zfi  gfittem  tütsch  ein  losz 

Murner  narrenbeschw.  41  ndr. ; 

und  zwar  besonders  bei  tisch: 

beneveneritis  nobis,  her  grobian! 
sursum  corda,  facht  essen  an! 

schelmenz.  35  ndr.  ; 

doch  auch  sonst:  Fisghart  bei  der  abwehr  eines  Spott- 
gedichtes: 

ich  mus  die  mistüig  mistflig  nennen,  .  . 

ich  mus  aim  solchen  grobian 

die  sach  grob  geben  zuverstahn 

glückh.  schiff  «.  48  ndr.; 

lY.  1.  C. 


so  bis  heute,  wenn  auch  der  grad  der  unhöflichkeit  und 
:    Sitteverletzung    immer  geringer   icird    (vgl.   grob   F  5  b) : 
die   musen   klagen   über   dichter,    die   den    Helicon    um 
schicärmen : 


wollen  uns  —  wie  garstig!  — 
ey!  die  grobian! 
was  ich  ohne  schamerröthen 
nicht  erzählen  kann 


nöthen, 


Schiller  1,  245  G. 


1  quod  si  Romanos  nos  esse  meminissemus  (wir!  .  .  . 
!  schlieszt  sich  mit  ein,  der  grobian!)  K.  Fr.  Gramer 
■    Neseggab  4,  156; 

er  nimmt  mir  aus  dem  munde 

das  wort,  herr  grobian !         Brentano  7,  225 ; 

I    daneben  seit  alters  im  sinne  von  grob  F  6,  'rauh,  barsch, 
unfreundlich': 

man  iindt  wol  eynen  grobian, 
der  grifft  ein  frouw  so  schentlich  an 
;  Murner  gäuchmatt  v.  4889  Uhl; 

wie  wird  man  angeschnauzt  von  grobianen  Jean  Paul 
'  palingen.  2,  65;  der  grobian!  ;■.  da  schaun  sie  her,  wie  er 
mich  gedruckt  hat  Bäuerle  kom.  tJieater  2,  43;  jeder 
regierungs-kanzlist  .  .  ist  .  .  ein  grobian  Börne  sehr. 
5,  16;  in  älterer  spräche  klingen  auch  aiidere  bedeutungen 
!  des  adj.  an:  tölpel,  bardus  Henisch  1747;  grobian  sig- 
nificans  bardum,  blennum,  grossum,  idiotam,  fungum, 
I  truncum,  stipitem,  asinum,  rusticum  Stieler  706;  der 
könig  der  Scythier,  der  lieber  wollt  hören  ein  pferd 
wichlen  dann  das  .  .  seitenspiel,  wirt  als  ein  grobian 
verlachet  quelle  von  1582  bei  Staub -Tobler  2,  690;  der 
baurenknecht ,  welches  sonst  plumpe  grobiani  zu  seyn 
pflegen  Grimmelshausen  Simpl.  3,  196  Kurz;  schon  bei 
Luther  im  sinne  'dummkopf:  o  Hans  Grobianus  bist 
du  16,  164  W.     ericeitert  grobianer: 

das  sollich  red  der  grobianer  was 

Murner  schelmenz.  20  ndr.; 

diese  form  hat  dann  Scheit  in  scliicang  gebracht;  bei  ihm 
stehende  bezeichnung  der  schüler  des  tneisters  Grobian; 
er  spricht  vom  grobianer  orden  v.  1097,  vom  grobianer 
geschlecht  v.  1162,  von  der  grobianer  zunft  v.  2073;  rechte 
grobianer  Höniger  narrensch.  (1574)  392'';  der  grobianer 
Eyering  proverb.  i,  28;  so  noch  im  lä.  jh.  bei  Ludwig 
teutschengl.  lex.  (1716)  812;  der  verf.  .  .  nennt  .  .  diese 
herren  .  .  grobianer  allg.  dtsche  bibl.  96,  286.  —  gro- 
bianin, /.;  die  diebische  grobianin  Jean  Paul  l5/l8, 
389  Hempel.  —  grobianisch,  adj.,  sclieint  eine  Schöp- 
fung Scheits:  in  disem  grobianischen  büchlin  Grob.  6 
ndr. ;  das  grobianisch  gsind  v.  2283 ;  ein  grobianisch  leben 
V.  3347;  ein  grobianisch  stück  v.  4539  u.  a.;  schon  bei 
Maalek  lexiconsfähig,  teutsch  sprach  (l56l)  192*1;  j^^jj^^. 
litus,  stupidus  Stieler  706;  aber  gegenüber  dem  grund- 
wort  doch  ziemlich  selten:  sprach  er  auf  gut  westphä- 
lisch  und  grobianisch  Kirchhof  wendunm.  i,  202  lit. 
ver.;  wir  wollen  sehen,  sagt  Silvia,  ob  dieser  schäfer 
so  gar  grobianisch  ist  Borstel  v.  d.  lieb  Astreae  (1019) 
1,  173;  seiner  äuszerlich  grobianischen,  innerlich  aber 
äuszerst  zartempfindenden  natur  jahrb.  d.  Grillparzer- 
gesellsch.  8,  241;  grobänisch  erzogen  Gotthelf  nach 
Staub  Tobler  2,  690 ;  man  sei  gar  grobänisch  auf  dem 
lande  ders..  ges.  sehr.  14,  66;  auch  mundartlich  im  Schweiz, 
noch  voll  lebendig;  neuerdings  häufiger  als  stichivortfür 
den  Charakter  des  iG.jhs.,  des  'grobianischen  Zeitalters'; 
die  grobianische  literatur  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes 
1,  5;  vgl.  (schwanke  und  Volksbücher)  scheuen  nicht,  das 
nackteste  der  grobianischen  volkssitte  zu  berichten  Ger- 
viNUS  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  2,  302.  —  grobianis- 
mus,  7/1.,  concret  =^  grobiansstück  Chr.  Weise  d.  drei 
ärgsten  erznarren  33  ndr.  —  grobianist,  m.  =  grobian 
Flitner  Sphinx  (1624)  599,  vereinzelte  bildung;  ebenso 
grobiant,  m.  Guarinonius  greuel  der  Verwüstung  (i6lo) 
1043. 

GROBIGKEIT,  /.,  eine  im  le.  jh.  ziemlich  häufige  ab- 
siractbildung ,  ohne  dasz  sich  das  adj.  grobig  literarisch 
nachweisen  liesze  (doch  vgl.  groppet,  groppicht  sehr  grob, 
plump  LoRiTZA  id.  Vienn.  55;  gröppat  Schm eller  i, 
1007);  die  bedeutung  zeigt  die  buntheit  des  grundwortes; 

27 


419 


GROBIRDISCH  -  GROBKÖRNIG 


GROBKÖRNIGKEIT  -  GRÖBLICH 


420 


nach  grob  B  i:  grobigkeit  oder  geschwuist  der  aug- 
brawen  Gersdorff  wundarznei  (1517)  71^;  nach  grob  D: 
in  der  wunden  würt  wenig  eyters  und  von  seiner  gro- 
bigkait  mag  es  nit  absteigen  Braunschweig  chirurgia 
(1589)  39'';  dann  da  ist  im  dement  fewr  kein  grobig- 
keit, die  sich  untermische  Paracelsus  op.  (1616)  2,  35  B; 
nach  grob  F  1 :  ihn  {den  groszen  meistern)  mit  flcisziger 
Übung,  soviel  mich  die  grobigkeit  meiner  natur  nit  irrt, 
ileiszig  nochzufolgen  Dürer  schrifÜ.  nachlasz  259;  nach 
grob  F  4:  sollen  rechtschaffene  predigcr  hie  von  S.  Paulo 
lernen,  das  sie  umb  etlicher  leute  undanck  und  grobig- 
keit willen  nicht  eine  gantze  gemein  übergeben  Mathe- 
sius  Sarepta  (l57l)  219"^.  —  grobirdisch,  adj.:  welcher 
farre  den  grobirdischen  .  .  .  menschen  andeutet  Jag. 
Böhme  sehr,  i,  48;  ihr  (der  abgötter)  leib  ist  .  .  .  im 
übrigen  grobirdisch  Boom  er  ahhandl.  von  d.  vninderb. 
(1740)  64;  grobii-disch  und  vergeistert  Fr.  L.  Jahn  i, 
246  Euler.  —  grobisieren,  vb.,  von  grobianiscJiem  be- 
nehmen Eyeb.}KG  proverb.  1,  28.  —  grobität, /.,  ^e^'c^ 
haftes  benehmen:  allen  und  jeden,  so  zu  grober,  wüster, 
uugereumpter  grobitet  lust  tragen  Scheit  Grob,  lo  ndr.; 
vgl.  V.  1068.  2813  u.  ö. ;  zu  anzeigung  ihrer  grobitet  Gua- 
RiNONius  greuel  d.  Verwüstung  (1610)  1222;  studentisch 
erhalten;  vgl.  Seiler  kultur  i.  spiegel  d.  lehnte.  8,  81.  — 
grobitätisch,  adj.,  im  icortspiel  mit  gravitätisch: 

nun  trat  her  ausz  dem  wald  ungfähr 
ein  esel  grobitetiscb  schwer 

Fischaut  1,434  ifat/ Jen, • 

vermeynen  gar  grobitetiscb  oder  gravitetisch  zuhandlen, 
wann  sie  die  leut  grob  anfahren  Guarinonius  greuel 
der  Verwüstung  (l610)  315.  —  grobkalk,  m.,  ein  be- 
stimmter grobkörniger  kalkstein  Ritter  erdkunde  9,  586; 
MoTHES  illustr.  baulex.  2,529.  —  grobkantig,  adj.: 
sein  Sancho  Pansa  ...  ist  eine  vortrefflich  gehaltene 
figur,  deren  grobkantig  derbe  .  .  natur  die  niederdeut- 
sche nationalität  charakterisirt  F.  G.  Kühne  xiottr.  u. 
silh.  2,62.  —  grobkern,  n.  '(Jiütteniverk),  so  nennt  man 
auch  das  kleinerz'  Jacobsson  technol.  tvb.  5,  738'*.  — 
grobkies,  m.  Muspratt  chemie  7,495.  —  grobklü- 
her,  m.  'nennen  die  böttger  den  jenigen,  der  im  walde 
mit  seiner  axt  und  spalteisen  zum  zwickein  arbeitet' 
Chomel  öconom.  lex.  4,  1859;  grobklüver  Jacobsson 
technolog.  wb.  2,  154 '^;  grobklieber  Campe.  —  grob- 
knochig, adj.:  nun  seht  den  grobknöchigen  flegel 
...  da  an  0.  Ludwig  4,  357;  dessen  kleine  äugen 
begehrlich  aus  dem  grobknochigen  angesicht  hervor- 
schielten Storm  6,  61;  übertragen:  diese  .  .  grobknochige 
zeit  B.  V.  Arnim  Göthes  briefw.  m.  e.  kinde  3,  170.  — 
grobkohle,  /.,  zumeist  für  eine  unterart  der  Steinkohle 
Blumhof  eisenhüttenk.  (1817)  2,  487;  vgl.  Karmarsch- 
Heeren  3  8,  466;  da7in  auch  von  einer  meilerkohl-en.sorte 
Muspratt  chemie  4,  376;  so  schon:  dass  .  .  gut  grobkohl 
gebrennet  .  .  werde  A.  v.  Schönbero  berginform.  (i693) 
1,66.  —  grobkomisch,  adj.:  solch  einen  grobkomi- 
schen auftritt  Grabbe  l,  443  Blumenthal;  die  grobkomi- 
schen darstellungen  der  niederländischen  genrebilder 
Gervinus  gesell,  d.  dtsch.  dichtung  6,  iß.  —  grobköp- 
fig,  adj.:  obtusus  ingenio  dumm,  stumpf,  grobköpfig 
ScHÖPPER  synon.  aS";  mehr  im  sinne  'rudis':  einen 
grosz  und  grobkopfeten  menschen  Guarinonius  greuel 
der  Verwüstung  (l6io)  299.  —  grobkorn,  n.  l)  beim 
zielen  das  überragen  des  korns  über  die  kante  des  visiers 
V.  Alten  handb.  f.  heer  u.  ßotte  4,  392.  2)  =  grobkorn- 
eisen  Muspratt  chemie  2,  1396.  —  grobkorneisen, 
n..  besondere  form  des  roheisens  Lueger  s,  585;  Kar- 
marsch-Heeren^  2,  773. 

GROBKÖRNIG,  adj.:  welches  (salz)  graw  und  gar 
grobkörnich  ist  Neumayr  \.  Ramszla  reise  in  Frank- 
reich (1620)  78;  grobkörnicht  pulver  Kramer  teutsch-ital. 
1,  836°;  grobkörnigen  und  feisten  pumpernickel  Hoff- 
mann V.  Fallersleben  ges.  sehr.  4,  92;  starkes,  grob- 
körniges papier  G.  Keller  2,  19;  {Schleifsteine)  von  wel- 
chen der  eine  grobkörnig,  der  andere  feinkörnig  sein 
musz  TÖPFER  orgelbaukuttst  (18.55)  44;  in  der  spräche  der 
mineralogie  heiszen  grobkörnig  'mineralien,  deren  brach 
crhöhungen  hat,  welche  gröszer  sind  als  linsen'  Motthes 


ill.  baulex.  2,  529;  in  welchen  ertzen  das  golt  grob  kör- 
nicht  stehet  Ercker  beschr.  aller  miner.  ertzt  (1580)  45''; 
grobkörnigen  tonschiefer  A.  G.  Werner  gebirgsarten 
(1787)  18 ;  seit  dem  vorigen  jh.  gern  übertragen  gebraucht, 
um  ein  sinnfälliges  wort  für  grob  zu  gewinnen  {vgl. 
grobdrähtig,  -fädig,  -schrötig);  zunächst  um  statur  und 
geistesart  von  menschen  zu  bezeichnen,  mit  verschiedener 
färbung:  ein  verrottetes  schnapsgesicht,  das  auf  einem 
ziemlich  grobkörnigen  körper  sasz  M.  Hartmann  10,  40; 
wir  Märker  sind  grobkörnige  bursche  Fr.  Ziegler  ges. 
nov.  und  br.  8,  44;  Otto  Ludwig  nennt  in  seiner  grob- 
körnigen weise  Hebbels  .  .  .  gestalten  kurzab  'psycho- 
logische Präparate'  Treitschke  hist.  u.  polit.  aufs,  i, 
463;  weiter  gern,  wo  von  volksmäszig  rauhem,  derbem  die 
rede  ist:  bei  dem  ersten  fremdartigen  grobkörnigen  laut 
Rosegger  H  15,  186;  {Auerbach)  fand  die  erzählungs- 
weise . .  zu  grobkörnig  J.  Rank  erinn.  (1896)  804;  grob- 
körnige bauernzoten  Mommsen  röm.  gesch.  2,  442;  anders, 
im  sinne  von  grob  D  4:  dessen  {sc.  des  publikuma)  grob- 
körnige moral  .  .  ,  nur  materielle  gröszen  duldet  F.  G. 
KÜHNE  portr.  u.  silh.  2,  160;  reichen  vorrath  von  gott- 
losigkeit,  frivolität,  grobkörnigem  naturalismus  Görres 
ges.  sehr.  6,  94;  ähnlich:  seine  poetische  natur  empörte 
sich  gegen  das  nüchterne,  prosaische,  grobkörnige  R. 
Haym  a.  m.  leben  238.  dazu  grobkörnigkeit:  wegen 
der  grob-  oder  feinkörnigkeit  der  erbsen  J.  N.  v.  Schwerz 
prakt.  ackerbau  (1882)  397;  auch  übertragen:  {bei  den 
iruppen)  konnte  man  über  die  teutonische  urkraft  und 
die  massive  grobkörnigkeit  unserer  .  .  .  heimathsleute 
.  .  Studien  machen  Gutzkow  Deutschland  am  Vorabend 
(1848)  142.  —  groblässig,  adj.,  in  grober  weise  nach- 
lässig {mit  dem  quantitierenden  sinn  von  grob  B  2  a,  b) : 
wiewol  daran  der  unfleissig  und  groblässig  priester 
swärlich  sündigt  Berth.  v.  Chiemsee  teutsche  theol. 
(1852)  441.  —  grobleibig,  adj.:  grobleibiger,  vaister 
Diefenbach  67"  s.  v.  baner;  grop  libich  j^jrocerwÄ  461''; 
nov.  ^Z.  304".  —  grobleinen,  adj.:  ein  zimlich  grob 
leinen  tuch  Thurneysser  magna  alch.  (1583)  46;  ein 
grobleinen  tuch  Hohberg  georg.  cur.  (1682)  i,  371;  in 
einem  grobleinenen  anzuge  Stifter  4, 1,  21  Sauer;  grob- 
linnene  decke  Schöpf  43;  unter  dem  groblinnenen 
kragen  Handel-Mazzetti  Jesse  u.  Maria  (i909)  1,  124. 
—  grobleinwand,  /..-  die  kleidung  .  .  ärmlich,  aus 
blaugefärbter  grobleinwand  Rosegger  I  12,  148,  aber  viel 
älter;  vgl.  das  adject.:  er  sey  von  sammeter  .  .  ein- 
bildung,  aber  von  grobleinwanten  verstände  J.G.  Schmidt 
gestrieg.  rockenphilos.  (1706)  1,  193;  vgl.  grob  F  1  a. 

GRÖBLICH,  adv.  und  adj.;  ursprünglich  reine  adver- 
bialbildung  zu  grob,  doch  nicht  für  alle  bedeutungsrich- 
tungen  des  adj.  gleichmäszig  entwickelt. 

l)  nur  für  die  beiden  am  reichsten  entfalteten  gebrauclis- 
weisen  bleibt  gröblich  bis  in  die  jüngste  zeit  in  parallele 
zum  grundwort. 

a)  entsprechend  grob  B  2  a,  b  als  quantitätsbegriff,  aber 
gewöhnlich  neben  verben  ungünstiger  sinnesrichtung,  'stark, 
heftig,  schwer':  so  macht  sich  die  grundbedeutung  'rauh' 
{s.  grob  A)  geltend:  {das  pferd)  fiel  also  gröblich,  dasz 
der  hertzog  darunter  kam  und  beyde  stürben  buch  d. 
liebe  (1587)  338  * ;  welche  .  .  gröblich  sich  verwundet  be- 
funden Prätorius  Blockesberges  verricht.  (1668)  429;  gern 
von  getcissen  affecten: 

do  erschrac  vil  grobeliche 
der  gute  man  Pafuncius 

väterb.  5222  Reisscnberger ; 

alle  die,  die  gröblieh  betrübet  und  geengstiget  werden 
Agricola  750  sprichw.  (1534)  0  7'';  warumb  ich  mich 
nicht  unbillich  gröblich  erzürne  Ayrer  hist.  procesaus 
juris  (1600)  368; 

ihr  solt  euch  alle  gröblich  schämen 

lieinicke  fuchs  (1650)  147 ; 

im  älteren  nhd.  mit  gröszter  häußgkeit  neben  begriffen 
wie:  sündigen  sie  gröblich  gegen  das  ander  gebot  theatr. 
diabol.  (1569)  138"; 

{personen)  so  gröblich  unrecht  betten  thon 

H.  Sachs  1,  iSd  Keller; 


421 


GRÖBLICH 


GRÖBLICH 


422 


das  ich  well  mit  unrechte 

fidem  katholicam  gröblich  perawben 

U.  FÜETRER  Merlin  str.  5; 

weil  es  den  evangelischen  gleichsamb  mitten  im  schösse 
lag  und  dieselbe  gröblich  incommodirteCHKMNiTZÄc/ucerf, 
krieg  2,  190;  sehr  gröblich  hat  dieser  das  kloster  ge- 
schädigt G.  Freytag  9,  63;  stereotyp  auch:  ich  will  .  . 
der  .  .  groben  weit  yetzt  verschonen,  die  gleichwol  gröb- 
lich verfürt  ist  Nas  antipap.  eins  tt.  hundert  2,  vorr.  4=^; 
der  .  .  mann,  der  sich  so  gröblich  von  seinen  leiden- 
schaften  verleiten    läszt    Gersten berg   recens.  90   Ut. 

denkm.  ; 

ward  mein  weiberherz 
gröblich  bestrickt  von  seinen  honigworten 

Shakespeare  9,  140; 

jünger  scheinen  die  heute  vielgebrauchten  Wendungen :  ge- 
seze  und  proceszform  gröblich  verlezen  v.  Hallek 
restaur.  d.  staatstvissensch.  2,  242;  wollte  ich  nicht  bei 
der  .  .  .  nachbarschaft  auf  das  gröblichste  anstoszen 
Hauff  3,  267;  die  unhöflichen  .  .  sitten  mancher  junger 
galane,  die  uns  so  gröblich  zu  beleidigen  pflegen  Gott- 
sched Vernunft,  tadler.  1,  234;  atis  dem  adverbialen  ge- 
brauch erivächst  gelegentlich  ein  adjectivischer,  der  aber 
seilen  bleibt:  gröbliche  uberfahrung  solcher  znchtigungc 
M.  Beuther  v.  Carlstat  praxis  rer.  crim.  (1565)  252»; 
daran  theten  sie  ihme  gröbliche  gewalt  und  unrecht 
Ayrer  hist  proe.  juris  (l60l)  526;  das  Unglück  eines 
jeden  zu  erleichtern,  der  es  nicht  durch  sein  gröbliches 
verschulden  verdient  hatte  Heinse  3,  119  Schüddekopf; 
sehr  viel  beschränkter  und  wesentlich  älterer  spräche  zu- 
gehörig ist  der  rein  quantitative  gebrauch,  ohne  den  bei- 
sinn  des  schxoeren  oder  schlimmen;  in  mhd.  zeit  aufmd. 
boden  nicht  selten  'in  groszer  menge': 

er  gap  so  grobeliche, 

daz  die  kargen  des  verdröz 

EnERN.  V.  Krkl'RT  684, 
ähnlich  3519; 

in  wuohs  grobelichen  zuo 

livl.  chrcm.  8382  Pf.; 
'in  hohem  grade': 

{er)  began  sich  grobelich  do  vreun 

pai<)s.  H.  87,  74; 

dy  heren  ertin  en  gröblich 

Sont.  rer.  hohem.  3,  16 ; 

ähnlich  bis  ins  nhd.:  und  schlafet  denn  der  mensch 
vil  dester  tiefer  und  gröblicher  sermones  Thauleri  (1508) 
205"; 

welch  manszbild  sie  anblicken  war, 

der  het  sie  gröblich  lieb  und  hold 

H.  Sachs  3, 170  Keller; 

noch  im  heutigen  Schweiz,  gröbelig  vil  geld  Staub-Tob- 
ler  2,  690. 

b)  nicht  minder  häufig  im  anschlusz  an  grob  D  5 
'handgreiflich,  augenfällig,  deutlich':  aber  weil  sie  noch 
nit  witzig  sein  worden,  musz  ich  mit  groben  köpfen  gröb- 
lich reden  Luther  6,  302  W.;  für  er  omnes  mus  mans 
{das  gesetz)  .  .  leyblich  und  gröblich  treyben  18,  6g; 

wir  nemen  (leyder)  gröblich  war 
des  krysten  glouben  not 

Brant  narrensch.  94,  10  Z.; 

dann  er  sie  gröblich  erdappet  mit  merern  männern,  die 
ehe  gebrochen  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  2,  g4»; 
welches  .  .  möchte  die  schand  der  heyligen  römischen 
kirchen  gröblich  entdecken  Fischart  bienenk.  (1588) 
179*;  so,  als  'greifbar,  plump',  von  haus  aus  auch  in 
der  überaus  häufigen  Verwendung  neben  irren,  lügen 
M.  dgl.:  wie  gröblich  sie  sich  auch  irren  Fischart  3, 
73  Hauffen;  o  ir  herrn  und  fürsten,  das  ir  euch  so 
gröblich  lasset  .  .  betriegen  reform,  flugschr.  2,  lOO  Gie- 
men; (was  mag  gott  meinen)  das  er  den  Schwarmgeist 
so  gröblich  lest  narren  yn  der  schritt  Luther  26,  427 
Weim.;  und  noch  in  neuerer  zeit:  es  ist  nicht  erlaubt, 
.  .  eine  so  neue  geschichte  so  gröblich  zu  verfälschen 
Lessing  9,  279  M.;  allein  wie  gröblich  die  ganze  Ur- 
kunde erdichtet  ist  Savigny  gesch.  d.  röm.  rechts  l,  407; 
aber  schon  frühzeitig  ins  quantitative  übergehend  und 
mit  a  verrinnend :  warumb  leugstu  so  gröblich?  Luther 


18,  141  W.;  wan  weise  leut  narrn,  so  narrn  sie  gröblich 
Er.  Alberus  u-idder  Jörg  Witzeln  (1539)  L  l*»;  wo  ich 
nicht  gröblich  irre,  bin  ich  diese  stunde  so  glückselig 
worden,  dasz  Bucholtz  Herkuliskus  (1665)  33;  am  gröb- 
lichsten aber  würde  sich  derselbe  (leser)  irren,  wenn 
Fichte  6,  44;  im  älteren  nhd.  sehr  häufig  gröblich  feh- 
len,   U7id  zwar  in  allen  Verwendungsarten  des  verbums: 

Solon,  in  disem  fehlst  du  gröblich 

II.  Sachs  20,  239  Keller-Götze : 

sin  anschlag  doch  so  gröplich  fält 

Brant  narrensch.  15,  27  X. ; 

wie  gröblich  aber  fehlte  er  wider  seines  reiches  ge- 
meinen nutzen?  Harsdörfer  teutscher  secret.  i,  136; 
dasz  er  es  mit  unfleisz  oder  sonsten  ausz  büberey  also 
gröblich  versähe  Kirchhof  wendunm.  l,  158  Ut.  ver.  ; 
jung:  kein  vernünftiger  mensch  .  .  wird  mich  so  grob 
lieh  unrichtig  verstehn  K.  Fr.  Gramer  Neseggab  4,  584  ; 
aber  sie  (nordische  wörte?-)  .  .  werden  zum  theil  gröb- 
lich miszverstanden  Sgherer  kl.  sehr,  l,  719;  die  an- 
sichten  der  geistig  so  hoch  begabten,  früher  so  gröb- 
lich unterschätzten  Hottentotten  Peschel  völketk.  (1874) 
270;  als  adject.  recht  selten: 

sehr  gröbliche  lügen  er  auf  uns  erticht 

Reinieke  fuchs  (1650)  371; 

verflucht  die  sinne,  die  so  gröblichem 

betrug  erliegen!     H.  v.  Kleist  1,  307  E.  Schmidt  ; 

zu  glauben,  solcherley  gröbliche  sophisterey  werde  nicht 
.  .  .  gleich  beym  ersten  anblicke  entdeckt  Klopstock 
gelehrt^nrep.  282;  Heynatz  antibarbar.  2,  77  polemisiert 
nicht  ganz  ohne  grund  gegen  gröbliche  irrthümer  allg. 
dtsche  bibl.  25,  2,  508. 

2)  in  den  anderen,  selteneren  gebraiichsweisen  erscheint 
die  bedeutung  'grob'  mehr  oder  minder  abgeschwächt  zu 
'nicht  ganz  grob,  etwas  grob' ;  freilich  erst  in  jüngerer 
zeit;  urspr.  auch  hier  zunächst  schlechthin  adv.  zu  grob ; 
Z'gl.  inepte,  imperite,  inscit«,  incomposite  .  .  barbare,  ru- 
stice,  rusticatim  gröblich,  wie  ein  ungeschickter,  grober, 
ungelerter  etc.  Er.  Alberus  dict.  (1540)  17^;  noch  bei 
Stieler:  gröblich  et  gröbicht  (wohl  fehler  statt  gröb- 
licht, doch  s.  0.  gröbigkeit)  id  quod  grob:  asper.  rudis, 
imperitus,  incivilis,  stammb.  706;  aber  schon  bei  Kramer  : 
grossaretto,  grossetto,  grossettino,  teutsch-ital.  l,  567'». 

a)  am  häufigsten  noch  im  sinne  von  grob  B  l  a;  dise 
stuck  soltu  alle  groblecht  zerknitschen  Ryff  confect- 
buch  (1548)  135";  gröblicht-zerstossenen  pfeffer  Hohberg 
georg.  cur.  (1682)  l,  214;  gröblich  zerkleinerte  eichenrinde 
MusPRATT  Chemie  3,  1197;  etwas  gröblich  klein  stoszen, 
stampfen;  gröblich  gemahlner  kaffee  'ein  wenig  grob' 
Campe;  entsprechend,  aber  sehr  viel  seltener,  das  adj.: 
sand  ist  ein  klein  zerschlagener  .  .  .  stein,  .  .  welcher 
kiesz  .  ,  geheissen  wird,  so  er  gröblich  ist  Comenius 
janua  iv  ling.  (1644)  20;  gröblichte  kohlen  Gruber  math. 
friedens-  u.  kriegsschul  (1697)  631 ;  anders  (vgl.  grob  D) : 
darum  musz  man  .  .  setzen,  dasz  die  feuertheilgen  in 
etwas  gröblicht  .  .  seien  J.  Chr.  Sturm  kurzer  begriff 
d.  physik  (1713)  350. 

b)  weiterhin,  entsprechend  grob  C  2,  mehr  oder  2oeniger 
j  entschieden  als  ausdruck  schlechterer  qualität:  crasse 
I  compositxim  aliquid  gröblich,  schlechtlich  Frisiüs  dict. 
i  (1556)341";  gröbliches  mehl,  brot  Campe;  gröblich  tuch, 
!  gröbliche  leinwand  panno  grossaretto,  tela  grossetta  Kra- 
■  MER  teutschital.  i,  567";  obgleich  er  in  gröbliches  tuch 
I  gekleidet  war  W.  Alexis  Shakespeare  ti.  s.  freunde  l,  19; 
;  entsprechend  grob  E :    welche  .  .  .  die   wasser  nit  recht 

fleissig,  sonder  schlecht  gröblich  .  .  .  distillieren  H.  J. 
Wecker  vmi  künstl.  wassern  (l57l)  a  2";  ebenso  bei  rein 
abstracter  Verwendung:  von  mangelnder  feinJieit,  glätte, 
schärfe:  etwas  gröblich  und  ungeschicktlich  than  pin- 
gui  Minerva  aliquid  facere  Henisch  1747;  verba  duriter 
translata  gröblich,  nit  lieblich  Frisius  dict.  (1556)  455*; 
impoliie  unseuberlich ,  unzierlieh,  gröblich,  rauchlich 
660";  vgl.  daneben  mehrere  gröbliche  hexameter  Schef- 
fel 2,  213;  was  der  trivial,  gröblich,  kritiklos  nennt, 
nenn  ich  humoristisch  Fowiaj^e  familienbr.  l,  281;  etwa.f 
abstellend:  man  beschimpft  seinen  feind  nicht  gröblich, 

27* 


423 


GRÖBLING  -  GROBMASCHIG 


sondern  man  verleumdet  ihn  mit  kunst  Lessing  i, 
390  M. 

c)  entsprechend  grob  F  5  von  menschlicher  gesittung; 
hier  wird  der  intensitätsunterschied  zwischen  älterem 
'grob'  und  jüngerem  'etwas  grob'  besonders  fühlbar: 
rustice  beuwrisch,  groblieh,  ungeschicklich  Frisius 
dict.  (I55fi)  1171 '',•  gröblich  baren  und  thun  o.  leben  ru- 
dere DiEFENBACH   502"; 

so  werft  irs  (^das  flschhaupt)  gröblich  undem  disch 

Scheit  Grob.  v.  3542  ndr. ; 

mit  dem  besonderen  sinne  von  grob  F  5  a :  unanständige 
Worte  sind  die  niederträchtige,  oft  etwas  gröbliches  an- 
deutende Worte,  die  der  pöbel  braucht  Leibniz  dtsche 
sehr.  1,  477;  'ungezogen': 

frech,  voll  gröblicher  wort'  und  gedanken 

Bürger  1, 197»  Bohtz; 

'derb':  'der  hat  ja  ein  maul,  wie  eine  laufende  schuld  1' 
sagte  der  kaplan,  .  .  zu  dem  gröblichen  volksausdrucke 
greifend  G.  Keller  3,  236; 

Graziano.  was?  sind  wir  hahnrey ,  eh  wirs  noch  verdient? 
Porzia.  sprecht  nicht  so  gröblich         Shakespeare  i,  147; 

er   hat  sich   einmal   darüber  ziemlich   gröblich    ausge- 
drückt Ranke  reform,  gesch.  3,  212;  ebenfalls  schwächer 
t      ate  grob:    weil   sie   im   verkehre   gröblicher  waren   als 
diese  {die  Franzosen)  Laube  i,  3. 

d)  nach  grob  F  6  'barsch,  rauh,  unfreundlich':  aspere 
reuchlich,  hertigklich,  gröblich  Frisius  dict.  (i556)  125''. 

wie  er  ein  mal  viel  anders  hielt, 
das  er  jetzund  so  gröblich  schilt 

FiscuART  nachtrab  v.  1236  Kurz; 

namentlich  im  jüngeren  nhd.  recht  häufig,  immer  in  der 
färbe  und  meist  auch  in  der  stärke  der  bedeutung  von 
grob  unterschieden:  {der  tod)  packt  einen  gar  zu  gröb- 
lich mit  seinen  eiskalten  klauen  an  Bräker  2,  157; 

und  recensenten  liengen  an, 
mich  gröblich  anzutasten 

Miller  ged.  (1783)  69  ; 

sein  werk  verdient  .  .  nicht,  so  gröblich  behandelt  zu 
werden  Ayrenhofi-  5,  176;  milder:  er  wird  mein  gebet 
nicht  gröblich  abweisen  Scheffel  i,  134;  oft  mit  dem 
beisinn  verletzter  sitte,  schicklichkeit:  leute  von  rang 
können  recht  gröblich  verfahren,  wo  sie  nicht  reprä- 
sentieren Iffland  theatr.  tcerke  5,  281 ;  seit  er  so  gröb- 
lich in  die  gruft  des  groszen  Frankenkaisers  eindrang 
ScHERER  lit.  gesch.  59;  ähnliche  unterschiede  auch  beim 
adj.:  ein  lied  des  Nicl.  Manuel,  das  überaus  gröblich 
ausgefallen  ist  Ranke  reform,  gesch.  2,  199;  milder:  er 
hat  mir  neulich  einen  ganz  gröblichen  bi-ief  geschrieben 
Görres  ges.  br.  2,  248;  noch  deutlicher  abgeschwächt:  du 
gröbliches  liebchen  G.  Keller  5,  354.  —  gröblich- 
keit,  /.;  grobelichkeit  proceritas  Diefenbach  461''; 
'asperitas': 

es  ist  auch  keine  gröbligkeit  (,sc.  im  hinimelreich) 

Meyfart  kimml.  Jerus.  (1630)  2,  265; 
'  robustheit': 

(ihr  seid)  zu  altherkömmlich  und  zu  feyerlich. 
erwägt  es  nach  der  gröblichkeit  der  weit 
{ivith  the  grossness  of  this  age) 

Shakespeare  9,  93; 
GROBLING,  m.     i)  grobian: 

dardurch  im  schände  und  Ungunst 
bey  iederman  denn  auferwachs 
als  eim  gröbling 

IL  Sachs  21,  253  Keller-Götze, 

vgl.  7,  327,  3;  9,  315,  11;  manche  uncivilisirte  gröblinge 
Happel  relat.  curios.  (1685)  2,  395».  2)  stockschwamm, 
s.  grübling. 

GROBLINIG,  adj. :  die  schrift  .  .  ist  zu  gross,  zu  grob- 
linigt  allg.  dtsche  bibl.  37—52,  296;  sein  gesicht  war  grob- 
linig  und  rauh  Anzengruber  3,  29.  —  grobmaler,  m.; 
gr.  sive  flachmaler,  rhyparographus,  qui  etiam  tüncher, 
.  .  .  Stubenmaler  dicitur  Stieler  1220;  dipintore  alla 
grossa,  alla  dozzina,  senz'  arte  Kramer  teutschital.  i, 
567**;  Campe.  —  grobmaschig,  adj.:  grosz-  oder  grob- 


GROBMÄULIG  -  GROBSCHNAUZE       424 

niaschigt  fatto  u  maglie  grosse  e  larghe  Krämer  teutsch- 
ital. 2,  29^;  grobmaschige  leinwand  Lueger  4,  268;  wenn 
die  lederhaut  .  .  noch  eine  sehr  lockere,  grobmaschige 
textur  hat  Sömmerring  bau  d.  menschl.  körpers  b,  571. 

—  grobmäulig,  adj.:  bist  du  allweil  so  grobmäulig 
Anzengruber  8,  113;  die  {festhaltung)  des  grobmäuligen 
bräuburschen  F.  Carion  getheiltes  herz  3,  140 ;  dazu 
grobmäuligkeit  Rosegger  III  6,  317.  —  grobmehl, 
n.  Gorvinus /oh*  latin.  (1646)  1019.  —  grobmeiszel, 
m.  =  Stemmeisen  J.  G.  Schaffer  dtsch.-frz.  wb.  1,  769. 

—  grobmörtel,  m.,  beton  Prechtl  technol.  encycl. 
8,  83;  Lueger  2,  295.  —  grobnervig,  adj.:  von  grob- 
nervichten  geschöpfen,  für  die  das  feinere  vergnügen 
nicht  in  die  natur  gelegt  worden  Sonnenfels  ges. 
sehr.  4,560.  —  grobpapier,  n.  KarmarschHeeren^ 
6,  482;  Lueger  4,  779.  —  grobpossichtig,  adj.,  scur- 
rilis,  qui  movet  risum  cum  turpitudine;  etwas  grob- 
possechtig  oder  schamper  Calepinus  xi  ling.  (1598) 
1315*.  —  grobriemer,  vi.,  als  handiverksbezeichnung ; 
an  manchen  orten  unterscheidet  man  grob-  und  schwartz- 
riemer,  weiszriemer  Chomel  öcon.  lex.  8,  328.  —  grob- 
rieszling,  m.,  weiszweinsorte  Metzger  Pflanzenkunde 
(1841)  907.  —  grobrinde,/.;  gewinnung  der  grobrinde 
{von  eichbäumen)  Karmarsch-Heeren 3  2,  736;  vgl.  Lue- 
ger 4,  582.  —  grobrindig,  adj.:  grobrindicht,  dick- 
rindicht  Kram  er  teutsch-ital.  2,  357'';  ich  achtete  .  .  auf 
einen  alten,  grobrindigen  lärchbaum  Rosegger  Wild- 
linge (1905)  123.  —  grobrunk,  m.,  grobian:  Ladisla 
hätte  diesen  grobrunk  nicht  umb  viel  gemisset  Bu- 
CHOLTZ  Herk.  (1676)  1,  82;  vgl.  runks  th.  8,  1521. 

GRÖBS,  s.  griebs. 

GROBSACK,  m.,  grobian  Kleemann  nordthür.  id.  7"; 
Müller -Fraureuth  1,  443.  —  grobsalz,  n.,  grob- 
stückiges salz  Hennenberger  preusz.  landtafel  (1595) 
189;  Muspratt  Chemie  6,  650.  —  grobsand,  m.,  saba- 
luin  Orsäus  nomenclat.  method.  (1623)  149.  —  grob- 
sand ig,  adj.:  grobsandicht  sabulosus  Stieler  I68O; 
{wir)  ritten  .  .  durch  ein  ebenes,  roth,  grobsandichtes 
.  .  land  Olearius  verm.  reisebeschr.  (i696)  250;  auf 
insuln  und  grobsandigten  örtern  Döbel  neuerößn.  jüger- 
pract.  1,  73.  —  grobschimpflich,  adj.:  grobschimpf- 
liches gewäsch  soll  man  meiden  {scurrilis  dicacitas) 
Stieler  1797.  —  grobschlacht,  adj.:  er  kannte  jenen, 
zäh,  grobschlacht  und  doch  gewandt  E.  Zahn  einsamk. 
(1910)  295.  —  grobschlächtig,  adj.:  die  .  .  trompeten- 
bläser  .  .  .  dünkten  mich  gar  grobschlächtige  gesellen 
L.  V.  FRANf:ois  Reckenburgerin  (1871)  98. 

GROBSCHMIED,  m.,  'ein  eisenschmid,  welcher  nur 
grobe,  d.  i.  grosze  arbeiten  verfertiget,  ein  hufschmid, 
waffenschmid  .  . ;  zum  unterschiede  von  einem  kleinschmid 
oder  Schlösser'  Adelung;  dafür  heute  einfach  schmied, 
das  compositum  ist  im  ganzen  auf  uneigentlichen  ge- 
brauch beschränkt;  ähnlich  anscheinend  schon  im  späte- 
reu  18.  Jh.,  vgl.  'der  professionist  selbst  verbittet  stand- 
haft die  ihm  verhaszte  benennung  eines  grobschmids' 
Jacobsson  technolog.  wb.  2,  154*;  faber  ferrarius  ein 
eisenschmid,  grobschmidt  Orsäus  nomencl.  method. 
(1623)  186;  faber  magnarius  Stieler  1879;  die  klein- 
schmiede beweisen  doch  den  grobschmieden  wenig  guts 
B.  Krüger  Ciawert  9  ndr.;  erst  das  id.  jh.  prägt  den 
gegensatz  zum  goldschmied: 

von  hundert  schlagen,  die  der  goldschmidt  thut,  trifft  keiner 
ein  hunderttheil  so  stark,  als  von  dem  grobschmied  einer 

RÜCKERT  8,  252; 

beliebt  ist  der  vergleich:  zuschlagen,  dreinschlagen  wie 
ein  grobschmied  Müller-Fraureuth  l,  443;  s.  den  be- 
leg atis  Hebbel  grob  F  7  schlusz;  gern  auch  bildlich: 
es  {das  tanzpoem  Faust)  ist  eine  leichte  goldarbeit,  wor- 
über gewisz  mancher  grobschmied  den  köpf  schütteln 
wird  Heine  1,  483  Elster;  namentlich  im,  sinne  von  gro- 
bian: es  finden  sich  zwar  unter  denen  hofepurschen 
iederzeit  säuglöckner,  grobschmiede  .  .  .  gar  gnug  T. 
Schrödter  Sittenschule  (I66O)  9;  geistesgegenwart  war 
nie  seine  sache.  es  geht  allen  poltrons,  lärmmachern, 
grobschmieden  so  Gutzkow  8, 196.  —  grob  seh  miede, 
/.  Blumhof  eisenhüttenkunde i,  653.  —  grobschnauze, 


i25    GROßSCHNAUZIG  -  GROBSTOLZHEIT 


GROBSTRÜMPFIG  -  GROCHZEN        426 


f.,  schelticort,  um  grobe  redeweise  zu  tadeln:  unterthä- 
nigeten  dank  heiszt's  {und  nicht:  wir  danken),  grob- 
gchnauzen!  C.  Töpfer  ges.  dram.  toerke  i,  75.  —  grob- 
schnauzig,  adj.:  mancher  .  .  adelige,  der  nichts  kann 
als  grobschnauzig  sein  K.  Braun  büder  2,  322.  —  grob- 
sch reiner,  m.:  grob-  sive  lumpenschreiner  abietarius 
grossus  Stieler  1930;  grobschreiner,  dorfschreiner  ma- 
rangone  alla  grossa  Kramer  teutsch-ital.  2,  663''.  — 
grobschrift,  /.,  dicke  schrift  Nestroy  6,  29.  —  grob- 
schrötig,  adj.,  grob  geschroten:  grobschrötige  erbsen 
Campe  ;  häufiger  bildlich  (vgl.  grobdrähtig,  -fädig,  -kör- 
nig): er  setzte  ihm  zunächst  die  grobschrötige  volks- 
kost  des  tatsächlichen  im  'Perikles,  prinz  von  Tyrus' 
.  .  vor  J.  Bayer  studien  225;  ein  grobsch rötiger  mensch 
ein  grober  Campe  ;  repräsentanten  seiner  (des  Zeitalters) 
grobschrötigen  kultur  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dich- 
tung  3,  153.  —  grobschwanger,  s.  grob  B  2  a.  — 
grobsinnig,  adj..  hebes  Diei'enbach  873«;  obtusu.9 3di^; 
rudis  503*;  tondo,  muteriale  Kbamer  teutsch-ital.  1,  567*'; 
wann  je  du  so  grobsinnig  bist,  dasz  dus  nit  verstehest 
GUARINONIUS  greuel  d.  vertcüstung  (1610)  218;  grobsin- 
nige, unerfahrne  .  ,  obrigkeiten  728;  dasz  ich  mich  gegen 
einen  grobsinnigen  menschen  .  .  herablasse,  ihm  Schön- 
heiten begreiflich  machen  zu  wollen  F.  M.  Klinger 
neues  theater  2,244.  —  gro b sinnigkeit,  /.,  ruditas 
DiEFENBACH  503*;  ein  grössern  menschen  Unverstand 
und  grobsinnigkeit  Guarinonius  greuel  d.  vertcüstung 
(1610)  256.  —  grob  sinnlich,  adj.,  auf  eine  crasse  art 
»  sinnlich;  .whon  in  Zeningers  glossar  von  1482  grob- 
synnlicher,  grobsynnperlicher  rudibilis  Diefenbach  502"=; 
aber  erst  im  19.  jh.  recht  geläufig,  als  Verstärkung  ent- 
weder von  sinnlich  3:  es  ist  .  .  alles  sehr  grobsinnlich 
und  roh  {in  der  katholischen  religiosiiät)  allg.  dtsche  bibl. 
71,  572;  dass  sie  die  materie  grobsinnlich  betrachten 
Schlegels  Europa  2,  5i ;  was  geben  uns  die  grobsinn- 
lichen Vorstellungen  an  G.  Forster  3,  49;  oder  von 
sinnlich  4:  nur  der  mund  droht  dem  ganzen  gesiebt 
grobsinnlich  auszusehen  Tu.  Huber  bemerk,  über  Hol- 
land (1811)  167 ;  ob  diese  befriedigung  sich  auf  grobsinn- 
liche begierden  .  .  bezieht  G.  Forster  6,  299;  ein  fei- 
nerer begriff,  der  nicht  blos  grobsinnlichen  genusz  .  . 
bezeichnet  Fr.  Th.  Vischer  ästhetik  l,  196.  —  grob- 
sinnlichkeit, /.;  dem  lebhaften  gefühl  (der  grobsinn- 
lichkeit)  der  südlichem  Völker  .  .  konnte  sie  {die  Pro- 
testant, religion)  nicht  gefallen  Fr.  L.  Jahn  i,  224  Euler. 

—  grobspahn,  m.,  übertragen:  bald  heisset  sie  {das 
zurückhaltende  mädchen)  landviole,  .  .  bald  fräulein  grob- 
spoon  d.  tust,  philosophus  (1715)  253;  vgl.  grob  B  l  c.  — 
grobspaltig,  adj.,  grobgespalten,  allgem.  deutsclie  bibl. 
102,  461;  je  grob-  und  glattspaltiger  das  holz  gescheitet  ist 
ZsGHOKKE  sämtl.  ausgetv.  sehr.  12,104.  —  grobstahl,  m., 
allg.  dtsche  bibl.  115,  544;  Sgheuchenstuel  231.  —  grob- 
stich, m.,  ein  besonderer  stickstich  Lueger  7,519.  — 
grobsticheler,  m.,  motteggiatore  sgarbato,  sgratiato, 
rustico  Kramer  teutsch-ital.  2,  920"=.  —  grobstimme, 
/.,  basz  {vgl.  grob  A  2) :  wer  .  .  höret  gern  eine  solche 
musik,  davon  das  zetergeschrey  die  basz-  oder  die  grob- 
stimme ist?  ScHÖNAiCH  ästhet.  (1754)  260;  seine  grob- 
stimme, seine  faulstimme  klang  wie  nachtigallenschlag 
E.  Th.  A.  Hoffmann  lO,  203  Grisebach.  —  grobstim- 
mig, adj.,  tief  stimmig :  nach  den  kleinäugigten ,  dick- 
leibigten  .  .  und  grobstimmigten  schönen  Sonnenfels 
ges.  sehr.  4,  424.  —  grobstock,  m.,  grobian  Kleemann 
nordthür.  id.  70;  Hertel  Thür.  110;  vgl.  grob  B  l  c;  F  7. 

—  grobstolz,  adj.,  hoff  artig  {zu  grob  F  6,  vgl.  grob- 
heitsd);  namentlich  im  älteren  nhd.  nicht  selten:  eine 
treuhertzige  Warnung  an  die  grobstoltzen  tyrannen  V.  Her- 
berger Jesus  Sirach  360*;  seid  nicht  grobstoltz  wie 
Agar  herzpost.  (1613)  l,  173;  {Christus  hat)  nirgends  wo 
ein  .  .  .  ruhiges  räumlin  in  der  gottlosen,  grobstolzen 
weit  herberge  antreffen  .  .  können  S.  Emrich  geburts- 
ieit  (1653)  44;  ein  mann  von  gemeiner,  grobstolzer  Sinnes- 
art K.  Fr.  Becker  u-eltgesch.  —  grobstolz,  m...  seltener 
als  das  adj. :  zum  glück  .  .  .  war  sein  fehler  weder  grob- 
stolz  noch  dummstolz,  sondern  eine  weit  feinere  art 
von  hochmuth  Kretschmann  5,  237.  —  grobstolz- 
heit,  /.,  W.  Scherffer  nach  Drechsler  45.    —   grob- 


strümpfig,  adj.:  grobstrümpfiger  schurke  Shakespeare 
3,280  {loorsted-stocking  knave);  vgl.  grobwoUstrümpfiger 
Schubbejack  Voss  Shakesp.  3,  198.  —  grobstückig, 
adj.:  grobstückiges  getrümmer  deckte  den  boden  H.  v. 
Barth  nördl.  Kalkalpen  217 ;  bei  grobstückigen  brenn- 
stoffen  MusPRATT  chemiei,  329.  —  grobstuhl,  m.,  'fast 
erloschene  bezeichnung  für  vorspinnmule'  Karmarsch- 
Heeren  3  4,  i65;  Prechtl  technolog.  encycl.  1,562.  — 
grobth eilig,  adj.:  weil  die  säure  .  .  des  brandeweins 
aber  beständig  oder  fix  oder  grobtheilig  ist  Knorr  v. 
Rosen  ROTH  pseudodoxia  (1680)  543.  —  grobtuchen, 
adj.:  die  wenige  munition  in  einem  grobtuchenen  sacke 
Häusser  dtsche  gesch.  3,  349.  —  gröbung,  f.,  ganz  sel- 
ten: {der  sonnendampf)  so  .  .  aus  unterschiedlichen  .  . 
theilen  besteht,  die  ihre  gewisse]  stufen)  der  tunckel- 
heit  und  dicke  oder  gröbung  haben  Er.  Francisci  d. 
eröffn.  lustliaus  (1676)  1138,  also  zu  grob  D  2.  —  grö- 
bungsglas,  n.,  vergröszerungsglas  Er.  Francisci  xueh 
der  eivigkeit  (1686)  980  u.  ö.;  vgl.  gröbern  sp.  411.  — 
grobverständig,  adj.,  stumpfen  Verstandes  {vgl.  grob 
F  1  a),  im  älteren  nhd.  nicht  selten :  dasz  ist  nun  wenig 
eine  anzeigung  den  grobverständigen  Paragelsus  op. 
(1616)  2,543*;  man  sagt  auch,  dasz  ein  so  grobver- 
ständiger, nichts  erfahrner  student  einsmals  nach 
Athen  kommen  Flitner  Sphinx  (1624)  636.  —  grob- 
ware,  /.,  Muspratt  ehemie*  8,  594.  —  grobweg,  adv.: 
herr  Gabriel,  freilich !  herr,  herr,  herr,  sag  ich,  nicht  so 
grobweg  Gabriel!  G.  Keller  6,  374;  vgl.  grobhin.  — 
grobwerg,  n.,  stuppa  Diefenbach  558».  — grobwild, 
n.,  hochtcild  BKin.Eti  forst-  u.jagdk.s,bOl;  Kehrein  weid- 
mannspr.  148;  auch  das  Schwarzwild  gehört  dazu:  Heppe 
setzt  grobwildpret  gleich  schwarzwildpret  wohlred.  Jäger 
274''.  —  grob  wirken,  adj.:  pannus  stupeus  grob  wir- 
cken  tuch  Zehner  nomencl.  (1645)  877.  —  grobwollen, 
adj.:  kein  grobwollne  Unterrock  B.  v.  Arnim  d.  buch 
gehört  d.  könig  (1843)  1,  44.  —  grobwollig,  adj.:  grob- 
wollige hadern  Luegek  2,193;  die  grobwollichten  schaafe 
allg.  dtsche  bibl.  11,  343. 

GROBZEUG,  n..  falsche  verhochdeutschung  von  nd. 
kröp-,  krüptüch ;  kröp  {zu  krupen  kriechen)  eigentlich  ein 
kleines  kriechendes  thier ;  im  Harz  heiszt  kröp  das  vieJi 
Liesenberg  Stieger  via.  165;  'zwerg'  Schambach  113*; 
vgl.  das  kroopzeug  {der  sjoerlinge)  hörte  nicht  auf,  mir 
die  obren  voll  zu  zwitschern  Bode  Montaigne  3,  83; 
kropzeug  kinder  Reuter  stromtid  1,3;  das  grobzeug 
will  beiszen  {von  hunden)  G.  Freytag  verl.  handschr. 
(1905)  1,  130;  meist  als  schlimmes  Scheltwort  für  'pack, 
gesindeV:  ihro  majestät  .  .  haben  keine  schlingel,  .  .  . 
hunde  und  grobzeug  im  dienste,  sondern  rechtschaffene 
Soldaten  A.  v.  Witzleben  a.  alten  purolebüchern  8;  der 
Deutsche  gehört  bei  ihnen  {den  anderen  Völkern)  zum 
grobzeug  Fr.  L.  Jahn  2,  736  Euler;  dasz  2000  polizisten 
.  .  hinreichend  sind,  dieses  feige  Berliner  grobzeug  in 
Ordnung  zu  halten  denkwürdigk.  aus  d.  leben  Leop.  v. 
Gerlachs  1,  169;  bildlich:  das  grobzeug  von  gedanken 
J.  F.  Schink  theater  zu  Abdera  (1789)  2,  292.  —  grob- 
zügig, adj.:  die  aus  dem  hiesigen  bisthume  ein  ge- 
sunder, starker,  lebhafter  und  etwas  grobzügigerer 
schlag  als  die  jenseits  Görres  ges.  hr.  i,  168;  anders: 
so  grobzügig  läuft  die  weltkultur  nun  doch  nicht  ab 
R.  Huch  winterioanderung  \2^.  —  grobzüngeler,  m.: 
frey-  et  grobzüngeler  immodicus  linguae,  parrhesiastes 
Stieler  2655;  Kramer  teutsch-ital.  2,  i486*.  —  grob- 
züngig,  adj.:  diesen  namen  kunten  die  grobzungichten 
Ungarn  nicht  herausreden  J.  Tröster  das  alt  u.  neu 
teutsche  Dada  (1666)  145.  • —  grobzwilchen,  adj.: 
ein  mann  ...  in  grobzwilchenem  tschoben  Scheffel 
2,  32;  ebenso:  drei  'katzelmacher'  .  .  mit  grobzwilchigen 
Joppen  Rosegger  III  9,  220.  —  grobzwirnig,  adj.: 
grobzwirnicht  ex  filo  crasso  Stieler  2663. 

GROCHZEN,  vb.,  auch  gruchzen  ächzen,  jammern, 
klagen;  in  diesen  formen  nur  obd.,  vor  zugl.  alem.;  auch 
würzburgisch  grochsa  ächzen  Sartorius  50;  gruchzen 
schwach,  elend  herumgeJien  Sghmeller  l,  985;  verbrei- 
teter ist  krochzen,  s.  d.  th.  5,  2348;  schon  mhd.  grogezen 
Lexer  1,  1092;   grochsen,   grechzen,  winseln  quiritari. 


427 


GROCKEN  -  GROG 


GRÖLEN 


428 


conqtien  Redinger  (i6G2)  nach  Staub -Tobliüi  2,  703; 
wenn  einer  von  grossem  weh  grochset  und  sich  übel 
ghebt  e&rf.  {quelle  v.  1629);  auch  von  thieren:  wenn  man 
das  viehe  (bei  der  lungenseuche)  an  der  listen  ein  wenig 
stosst,  so  lasst  es  sich  stark  ein  und  grochset  ebd. 
(quelle  v.  1732);  öfter  bei  H.  Sachs: 

bey  Girce  müssen  (ivir)  gfencklich  sein, 

unser  leben  lang  ihrs  baus?.  hüeten 

mit  ewing  grochsen,  gron  und  wütten        12,  78  K., 

und  so  öfter,  gerade  vo7i  schiveinen,  vgl.  9,  192,  18;  12,  71, 
4;  17,346,6;  vgl.  damit  krochen  i,  krochzen2b;  war- 
umb  sein  sie  nit  .  .  denen  öffentlich  unders  maul  ge- 
standen, wider  die  sie  sonst  ein  ewiges  quachsen  und 
grochsen  haben,  als  die  frösch  in  ihren  lachen  Gonr. 
Vetter  schrächengast  (1599)  d  i^;  dein  mutter  kann  in 
ihren  jungen  tagen  nichts  als  gruchzen  und  flennen 
Auerbach  sehr.  12,  43;  dazu  grochs,  m.,  klagelaut: 

du  liessest  manchen  grochs  und  schrei 

lied  von  1712  bei  Staue-Toüler  2,  702; 

gr ochser,  -in:  angsthafte,  kleingläubige  grochser  ebd. 
(iS.  Jh.);  sein  vater  haszte  ihn,  sagte  ihm  nur  serbling 
und  alte  grochserin  Qammerweib)  Pestalozzi  2,  271. 

GROCKEN,  vb.,  krächzen,  vom  raben:  die  nachtgall 
bezaichnet  künftige  ding  mit  der  stimm  ires  gesanges, 
der  rapp  mit  synem  groken  Steinhöwki-  Äsop  176  lit. 
ver.;  häufiger  krocken,  s.  d.  th.  5,  2349. 

GROD,  m.,  oder  grodgericht,  das  gericht  eines  sta- 
rosten  KrOnitz  20,  HO;  V07i  poln.  gröd  hurg,  burgge- 
richt:  so  sollten  alsdann  die  land-  und  grodgerichte 
Soldaten  bewilligen  allg.  dtscJie  bibl.  69,  18;  entsprechend 
grodrichter,  verweser  des  starosten  in  einem  solchen 
gericht  Krünitz  a.  a.  o.;  von  den  grod-  oder  burgrich- 
tern  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  37 — 52,  114. 

GRÖDELN,  Ä.  grüdeln. 

GROBEN,  tn.,  'in  den  ndsüchs.  marschländern  eine 
atiszerhalb  einem  deiche  angeicachsene  wiese;  inngleichen 
eine  grasreiche  insel  in  einem  ßusse,  xcelche  der  flusz 
selbst  ansetzt'  Krünitz  20,  110;  groden  oder  helder,  wie 
in  verschiedenen  marschen  diese  anschwemmungen 
auszerhalb  der  deiche  genannt  werden  H.  Allmers 
marschenb.  (1858)  70;  (der  ameisenbär)  bewohnt  (in  Para- 
guay) überschwemmte  orte  und  die  groden  oder  das 
vom  meer  verlassene  land  Oken  allg.  naturgesch.  7, 
852;  auch  von  schon  eingedeicJitem  marschland:  was  des 
Vortrags  andern  haubtpunct,  als  den  eingeteichten  El- 
lenser  groden,  betrifft  J.  J.  Winkelmann  Oldenburg, 
friedenshandl.  (l67l)  240 '>;  auch  wohl,  wenn  .  .  die  fluth 
.  .  neues  land  ansetzt,  durch  eindämmung  daraus  pol- 
der  und  groden  zu  bilden  A.  H.  Niemeyer  beobacht.  auf 
reisen  I,  43;  zu  germ.  *gröaii  grünen,  gedeihen  FiCK*  3, 
144;  mhd.  entspricht  gruot  Lexer  1,  1105;  vgl.  atich  pol- 
der  <Ä.  7,  1976.  dazu  grodendeich,  deich,  vor  dem  ein 
groden  liegt  Jagobsson  technol.  rvb.  2,  154^;  Benzler 
1,  178;  -land:  bey  Verzögerung  aber  dessen  hat  sich 
das  groden-land  durch  anführung  des  schlicks  von  jäh- 
ren zu  Jahren  ergrösert  J.  J.  Winkelmann  Oldenburg, 
friedensliandl.  (l67l)  468*;  -lücke,  zu  bestimmten  zwecken 
in  grodendeichen  angelegte  lücke  Jagobsson  2,  154  **; 
-rute,  als  längenmasz  v.  Alten  4,  393;  aticJi  groden- 
landruthe  Motthes  ill.  baulex.  3,  342. 

GROFFEL,  /.,  name  einer  blume:  die  fünfte  blum 
desz  jungfräulichen  kräntzels  ist  die  groffel  der  demut 
ÄG.  Albertinus  hirnschl.  (1664)  l,  149;  wohl  identisch  mit 
groffelsnegelin  u.  ä.,  gewürznelke,  caryophyllum  (tcoraus 
der  name  groffel)  Diefenbagh  101<=;  groffelsnagel  onica 
396 '';  dies  in  manchen  gegenden  auch  für  syringa  vul- 
garis, den  spanischen  flieder  Möller- Weitz  Aach.  75; 
im  alem.  bezeichnet  grofflin  oder  gröfli  gentiana  verna, 
den  enzian  Pritzel-Jessen  162'^;  dasselbe  icort? 

GROG,  m.,  ein  heiszes  getränk,  geivohnlich  aus  rum, 
Wasser,  zucker;  =  engl,  grog,  'nach  dem  new  engl.  dict. 
seit  1770  als  aus  Westindien  stammende  bezeichnung  eines 
matrosengetränks  bezeugt'  Schulz  fremdwb.  l,  256;  in 
Deutschland   zuerst  bei   G.   Forster    häufiger:    Tohah 


[  kostete    von   unserm   grog  sämtl.  sehr.  2,51;  vgl.  7,85; 

I  tiach  Schulz  a.  u.  o.  in  Forsters  Übersetzung  von  Cooks 

\  reise   (1784)   noch   stet^   durch  anmerkungen  erklärt:   ich 

i  habe  schon  mehrmals  erinnert,   dasz    grog  branntwein 

;  mit  Wasser  vermischt   ist  2,  370;   zwei  terrinen   krok, 

!  eine  art  punsch  ohne  citrone  quelle  v.  1819  bei  Müller- 
Fraureuth  1,443*';    in   den    älteren   belegen  noch  deut 

,  lieh  als  matrosengetränk: 

I  erst  reich'  einer  vom  grog  mir  ein  tröpfeichen 

;  Baggesex  poet.  werke  2,  344 , 

j   Teimotu,  Kahumanu  .  .  .  wurden  mit  grog  und  andern 
'    erfrischungen  bedient  E.  Th.  A.  Hoffmann  13,  16  Gris., 
erst  im  ii).jh.  häufiger: 

wenn  er  glühwein  trinkt  und  pun.sch 
oder  grog  nach  herzenswunsch 

Heine  2,  HO  E. , 

bei  der  kälte  that  der  steife  grog  .  .  gut  W.  v.  Polen/ 
Grabenhäger  i,  366.  dazu  grögchen,  n.:  ich  denke, 
wir  machen  uns  ein  grögchen  Seidel  Leb.  Hühnchen 
34;  grocken,  vb.,  grog  trinken  (studentisch)  Th.  v. 
Kobbe  humorist.  erinn.  2,  67;  auch  mancherlei  composi- 

;    tionen   wie   grogbasz:   jene   ausgepichten   und   ausge- 

I   theerten  grog-bässe  Fr.  Dingelstedt  5,  194;  -glas  D. 

I    V.  LiLiENCRON  6,  78;   -trinker    Reda  Weber  charak- 

i    terb.  436. 

GRÖLEN,  vb. 
j        l)  form  und  Ursprung. 

>  die  lierleitung  des  erst  im  18.  jh.  häufiger  belegten  wortes 
ist  schwierig;  es  scheinen  form-  u.  bedeutungskreuzungen 
stattgefunden  zu  haben,    bei  dem  Hessen  Hartm.  Braun 

i  mehrfach  als  reimfoi-mel:  die  münche  und  nonnen  in 
ihren  clostern  .  .  aulT  gut  baalitisch  grollen  und  bröllen 
conciones  de  tempore  (1619)  decas  1,  100;  mit  grüllen  und 
brüllen  5,  161;  und  wie  unsinnige  leut  geruffen,  gegrült 
und  geprült  dies  cinerum  (1608)  14;  das  scheint  aw/ groll, 
gruU  als  ausgangspunkt  zu  führen;  deutlichen  Zusammen- 
hang 7nit  dieser  sippe  hat  steir.  grölen,  grollen  brüllen, 
grunfsen,  heulen,  rülpsen  (vgl.  grölwerk,  gröUwerk  ge- 
brülle, geplärre,  gegrunze)  ünger-Khull  308'',  alem. 
gröle''  mit  gesteigerter  oder  verstellter  stimme  rufen,  schreien 
Staub-Tobler  2,  730,  das  sich  an  obd.  grellen  (s.  d.  2) 
ivie  grollen  (s.  d.  3)  anlehnt  und  seinen  stammvocal  (der 
in  grölzen  [s.  d.]  wiederkehrt)  vielleicht  lautmalenden 
tende7izen  verdatikt.  aber  das  hauptgeltungsgebiet  von 
grölen  ist  das  nd.,  dem  grellen  als  'schreien'  fremd  ist 
und  grollen  nur  als  'murren'  geeignet  zu  haben  scheint; 
damit  paszt  die  geioöhnliche  bedeutung  von  grölen  'lär- 
men, misztönig  schreien,  singen'  schlecht  zusammen;  sie 
scheint  das  vb.  vielmehr  neben  nd.  grälen  zu  rücken,  auf 
das  auch  die  im,  nd.  weitverbreiteten  formen  mit  ä  hin- 
iceisen:  gräelen  grölen  Berghaus  l,  607"  (^grafisch.  Mark) ; 
^Tselen  misztönend  schreien  Woeste  84";  grselen  lärmen, 
schreien  Bauer-Collitz  41*;  grälen  unschön  singen  Mi 
28;  anderseits  iveist  thür.  grele  mürrisch  thun  Hertel 
HO  auf  bedeutu7igsztisammenhang  mit  grollen  irasci;  die 
länge  ist  schon  fürs  lö.  jh.  zu  erweisen: 

de  mosten  dar  mydde  grölen  (:  molen  'mühlen') 

städteehron.  16, 164  (Braunschweig), 

(u7id  anscheinend  mit  derselben  bedeutung  'lärmen'  auch: 

wold  me  myt  ome  nicht  gralen  [:  halen  'holen'] 

ebd.  103;) 

doch  lind  man  etlich,  die  da  groln  (:  befohln) 
und  bleiben  stracks  bei  ihrem  schwelgen 

A.  P.'VPE  Jonas  rhythmicus  (1605)  1.8"; 

im  schles.  thür.  obersächs.  mit  entrundung  U7id  überdies 
theilweise  mit  k-anlaut:  grelen  Wein  hold  schles.  30"  ; 
grelen  v.  Klein  l,  161  (Duderstadt);  Kleemann  nord- 
thür.  7*^;  jrelen  Jecht  Mansfeld.  44^*;  Liesenberg  147; 
krölen,  grelen  Albrecht  iei^z.  126";  kreelenC.F.BAHRüT 
pastor  Bindvigius  i,  107;  nun,  jungens,  krehlt  noch 
eins  0.  Ludwig  2,  509;  auch  im  esthnischen  deutsch 
krölen  ,juchze7i,  grell  aufschreien  K.  Sallmann  neue 
beitrage  47. 


429 


GROLL 


GROLL 


430 


2)  Verbreitung  und  bedeutung. 

das  vb.  ist,  in  der  bedeutung  schwankend ,  auf  nd. 
boden  allgemein  bekannt,  auch  in  weiten  md.  gebieten,  im 
schles.,  thür. -ober Sachs.,  hess.,  nach  Albrecht  Leipz.  126* 
auch  im  fränk. ;  tji  obd.  maa.  selten  (s.  o.  l)  und  nicht 
als  alt  zu  erweisen,  das  derbe  volkswort  wird  erst  von 
Campe,  Heinsius  der  aufnähme  gewürdigt  und  breitet 
sich  erst  im  19.  jÄ.  literarisch  aus,  um  schlieszlich  auch 
bei  süddeutschen  autoren  zu  erscheinen,  vielleicht  mehr 
infolge  literarischer  Übertragung  als  atis  der  mundart  her- 
aus, getcöhnlichste  bedeutung  ^brüllen,  laut  und  misz- 
tönig  schreien':  andere  grölen  ausz  lesterlichem  halse 
daher,  Bibel,  Bubel,  Babel  G.  Rost  heldenb.  v.  rosen- 
garten  (1628)  i8^;  bin  doch  kurjos  zu  wissen,  was  da 
so  gröhlet  (voii  lautem  declamieren)  Müller  v.  Itze- 
hoe Siegfr.  v.  Lindenberg  1,  87;  {die)  Berliner  freien, 
die  einmal  beim  saufgelage  ein  kräftiges  pereat  goU ! 
gröhlten  Treitschke  5,  372;  das  ist  unser  liebes  volk 
von  Paris,  hören  sie  nur,  wie  sie  gröhlen  Schnitzler 
d.  grüne  kakadu  (1899)  164;  zwei  rüpel  .  .  drückten  sich 
gröhlend  umher  G.  Keller  8,  182;  mit  anderer  für- 
bung:  der  glückselig  gröhlende  bahn  Sohnrey  im //ne- 
nen  klee  6;  componiert:  wo  ist  .  .  die  zweileibigte  He- 
kate,  seine  tochter?  grölte  ihn  Skühala  an  J.  F.  Schink 
iheater  zu  Abdera  1,  271;  so  zumeist  auch  in  den  maa.: 
gröhlen  lärmen,  laut  sein  Richey  hamburg.  81;  grölen 
misztönig  schreien  Schambach  69*  und  so7ist.  gern  in 
dem  besondern  sinn  eines  brüllenden,  ungeschlachten  sin- 
gens:  an  diesem  tage  zogen  die  Studenten  .  .  .  durch 
alle  straszen  und  grölten  burschenlieder  Laukhard 
leben  u.  schicks.  2,  lll;  unter  diesem  zarten,  sinnigen 
Hede,  dessen  jodler  die  bursche  begeistert  unisono 
gröhlten  Anzengruber  i,  124;  in  den  meisten  kirchen 
wird  mehr  geschrien  und  gegrölt  als  gesungen  Allmers 
mursehenb.  143;  auch  das  kennen  die  maa. :  grSlen  wider- 
lich singen  Weinhold  *cÄZe*.  80*;  jiölen  schlecht  singen 
Trachsel  berlin.  26;  vgl.  Frischbier  l,  254;  StOren- 
BURG  76»;  DoornkaatKoolman  1,  693;  in  der  marsch 
auch  'leise  etwas  singen'  Schütze  holst.  2,  72  {vgl.  grol- 
len 3  Henisch);  hei  groelt  sik  so  wat  Toer  im.  sinne 
von  quinquelieren  beleg  ohne  Ortsangabe;  'brüllend  xcei- 
nen,  heulen' :  obgleich  Pittalacus  unter  den  schlagen  so 
entsetzlich  grölte  und  bölkte  Reiske  JJemosthenes  und 
Äschines  l,  440;  grölen  brüllen,  laut  weinen  K.  Bruns 
Volkswörter  d.  prov.  Sachsen  26";  vgl.  auch  Trachsel, 
Frischeier  a.  a.  o. ,-  auch  von  brüllendem  lachen:  dasz 
er  .  .  nun  in  ein  prustelndes,  gröhlendes  lachen  aus- 
brach Anzengruber  i,  3;  der  oberst  liesz  sich  erzählen 
und  gröhlte  vor  lachen  Rosegger  I  2,  224;  'übermäszig 
lachen'  Stürenburg  76*;  m  Hessen  'laut  u.  derb  spre- 
chen, schimpfen'  Vilmar  138  {auch  subst.  gröl,  m.,  lärm, 
streit  Pfister  l.  ergänzungsh.  zu  Vilmar  15);  gröl'n 
'drückt  das  anhaltende  schreien  der  frösche  aus'  Dan- 
neil 70*;  im  selben  sinne  nordfries.  graalen,  grölen 
Stürenburg  a.  a.  o.  dazu  gröler,  m.,  'einer  der  .  . 
laut  und  widerlich  schreiet'  Campe;  grölerei,/.,  *cÄe^ 
tend  für  gesang  Brendicke  ISO'»;  grölhans,  m.,  Schrei- 
hals C.  Schumann  LübecklO;  gröltrine,/.,  scheltend  voii 
schreienden  Sängerinnen :  bevor  sie  den  geschmackvollen 
Sänger  .  .  zur  ruhe  verweisen,  müssen  sie  jedenfalls 
allen  den  gröhl-trinen  den  mund  verschlieszen  A.  Senfft 
V.  Pilsach  an  R.  Franz,  briefw.  200;  grölig,  adj.:  wer 
einen  harten  köpf  will  erweichen,  der  musz  gröhligte 
Worte  gebrauchen  Hoffmann  polit.  Jeszis  Syrach  (1740) 
45;  bei  einem  groszen  banern  .  .,  der  sehr  dumm,  gröh- 
lig  und  schläflrig  war  Frenssen  Jörn  XJhl  (1902)  198; 
diisz  die  hausgenossen  seine  gröhligen  ausrufe  verstehen 
konnten  346. 

GROLL,  7«.,  ira,  odium,  rancor. 

I.  form. 

l)  groll  steht  im  dblautverhältnis  zu  grell  zornig  {s. 
sp.  95),  grellen  zornig  werden,  schreien  {s.  sp.  104),  nd. 
grall  zornig ;  genaueres  bei  Franck^  217*»;  nach  der  heu- 
tigen dialectischen  Verbreitung  könnte  es  scheinen,  als  sei 
das  subst.  von  haus  aus  norddeutsch  {^cie  grell,  *.  d.), 
doch  zeigt  es  sich  bei  seinem  stärkeren  literarischen  her- 


vortreten um  die  wende  des  15.  und  16.  jhs.  auch  obd. 
voll  entfaltet ;  ältester  beleg  aus  dem  14.  jh. :  hap  keine 
vigentschaft  noch  haz  noch  grollen  gegen  dime  eben- 
menschen Germ.  3,  231'';  die  mundarten  zeigen  heute 
z.  th.  u-formen,  nicht  nur  nd.,  wo  sie  sich  latitgeschicht- 
lich  versteJin  lassen  (gruU  brem.  wb.  2,  552;  jrul  Hertel 
Thür.  HO;  Liesenberg  Stieger  ma.  148),  sondern  verein- 
zelt auch  obd.:  grül,  m.,  groll,  zorn  Bacher  Lusern  264; 
GruU  als  eigenname  für  ochsen  Rosegger  I  4,  290;  hier 
liegt  offenbar  einwirkung  des  verhums  grüllen  =  grollen 
vor,  bei  dem  die  \i-form  ein  besseres  recht  hat;  litera- 
risch selten:  ein  heimlichen  grnll  S.  Grünau  preusz. 
chron.  3,  74. 

2)  das  wort  ist  von  haus  aus  snm.  im  Vi.  jh.  herrscht 
die  schwache  flexion  noch  vor,  obd.  icie  md.,  freilich  nur 
in  den  obliquen  casus;  der  nom.  grolle  ist  ziemlich  sel- 
ten: der  unwill  und  grolle  Kirchhof  wendunm.  2,  475 
lit.  ver.;  solcher  grolle  Moscherosch  insomn.  cura  88 
ndr.;  er  erscheint  aber  noch  spät,  so  bei  Dentzler  (*.  u. 
II  3  c);  vgl.  auch  den  acc.  grolle  bei  Stieler  (.?.  u.  II  8a); 
aucJi  im  17.  jh.  häufig  noch  schwach,  wenngleich  die  starke 
flexion  schon  die  Vorhand  hat:  bei  Henisch  nur  schwach, 
ebenso  bei  CORVINUS  fons  latin.  (1646)  383,  bei  HuL- 
sius-Ravellus  {s.  II  2  a),  Wiederiiold  {s.  II  2  a).  Stie- 
ler nur  stark;  doch  gebrauchen  auch  nordd.  autoren 
noch  die  schwache  form:  den  grollen  Spee  trtdznacht. 
(1649)  180  {docli  im  groll  ebd.  14);  einen  hasz  oder  zorn, 
grollen  oder  Widerwillen  wider  mich  schöpfen  Präto- 
RIUS  philos.  saltist.  e  7";  im  iS.  jh.  erscJieinen  die  n- 
formen  nur  noch  lexicalisch  und  zwar  im,  obd.,  zumal 
bair.,  wo  sich  die  schic.  flexion  big  ins  id.jh.  gehalten 
hat:  einen  hasz,  Widerwillen,  grollen  auf  (wider)  jemand 
haben  Kramer  teutsch.-ital.  i,  588*;  Frisch  (i74l)  375* 
kennt  nur  schw.  flexion,  ebenso  H.  Braun  orthogr.  gramm. 
wb.  126";  der  noch  jieuerer  ma.  geläufige  nom.  der  grol- 
len (Schmeller  maa.  Bayerns  264;  Staub-Tobler  2, 
780)  begegnet  schon  im  älteren  nhd.  öfter:  wil  doch  der 
alte  grollen  nu  widerumb  auffstossen  E.  Sarcerius 
buch  V.  heil,  ehestande  (i553)  105*;  diser  grollen  Wurst- 
ISEN  (*.  II 3  c);  grollen,  m.  {ältere  spr.)  Unger-Khull 
308*»;  genetiv  öfter  grollens:  zu  glimpflicher  begütigung 
seines  gefaszten  zornkoders  und  grollens  Fischart  ge- 
schichtkliti.  383  ndr.;  des  verborgnen  grollens  halben 
Xylander  Polybius  122.  auf  der  anderen  seile  erscheint 
aber  auch  auszerhalb  des  nom.  schon  im  16.  jh.  die  starke 
fiexion:  bei  Luther  herrschend  {s.  II  2  a,  3  a),  wie  denn 
überhaupt  das  md.  schneller  zu  der  st.  form  übergeht: 
schweren  grol  Kirchhof  wendunm.  i,  71  lit.  ver.;  einen 
alten  groll  Schütz  hist.  rer.  pruss.  i,  j  4*;  Pape  («.  II 
2  a) ;  doch  auch  bei  Süddeutschen  schon  im  16.  jh. :  ewern 
.  .  groll  Frischlin  dtsche  dichtungen  178  Vit.  ver.;  ihren 
gefassten  groll  Matiiesius  ^Sarepte  233" ;  Fischart  («. 
II  1);  vgl.  AfoLZ  P.-B.  beitr.  27,  231. 

II.  bedeutung. 

l)  als  grundbedeutung  ist  nach  der  etymologie  anzu- 
setzen 'zorn' ;  so  im  älteren  nhd.  nicht  ganz  selten:  ira 
zorn,  groll,  hone  Frisius  dict.  733*;  groll,  zorn,  hasz 
colera,  stizza  HuLsius  (1618)  1,  142";  den  liederlich  die 
gall  überlauft  .  .  . ,  räumen  den  grollen  eins  mals  vom 
hertzen  schöne  weise  klugreden  (1548)  108*;  man  ein  we- 
nig .  .  schweige,  bis  der  grol  für  über  ist  J.  Barth  trei- 
berspiegel  .16"; 

das  niemand  mich  bör  oder  seh, 
bis  diesr  groll  und  unwill  vergeh 

Dedeuind  d.  Christi,  ritter  g  3"; 

ey  dan  dich  troll, 
rief  ich  im  groll 

Spee  tridznacht.  (1649)  14; 

daher  epitheta  wie:  sonderlich  zeöffnen  hitzigen  grollen 
Berth.  V.  Chiemsee  teutsche  theol.  HO;  sprichwörtlich: 
voll  bringt  groll,  groll  schlägt  drein  toll  Fischart  ge- 
schichtklitt.  347  ndr.;  groll  macht  toll  Petri  d.  Teutschen 
Weisheit  2,  Gg6*;  auch  der  neueren  spräche  ist  die  be- 
deutung der  momentanen  aufwallung  {wenn  auch  gefärbt 
nach  3)  7ioch  bekannt:  Abdallah  wollte  seinem  bruder 
nahen;    aber  von   dem   augenblicke,  da  ihn  dieser  er- 


431 


GROLL 


GROLL 


132 


kannte,  erfüllte  wilder  groll  sein  herz  Fr.  M.  Klinger 
7,  214;  mein  groll  empört  sich  tödtlich  dem  nach,  der 
so  mir  schmäht  maler  Müli-er  3,  378;  wenn  nun  ir- 
gend etwas  vorfällt,  das  den  groll  des  Zauberers  .  .  . 
reizt  Eatzel  völkerk.  2,  96; 

wem  je  im  {rrimm,  wem  je  im  groll 
die  blaue  stimenader  schwoll 

Strachwitz  geü.  17, 

eine  alte  paarung:  das  ein  solicher  grymm  und  groll, 
nyd  und  hasz  in  iren  hertzen  uffgieng  wider  Christum 
Jesum  Keisersrero  post  (1522)  2,  18'';  dementsprechend 
neben  verben  wie: 

entlichen  Dido  fas/t  ein  liert/., 
als  bey  ihr  stig  der  groll  aufi'wertz 

Sprkng  Änei8  69^; 

den  ersten  aufsteigenden  groll  Staub -Tobler  2,  730 
{quelle  V.  1727);  ebenso  noch:  der  alte  graf  .  .  hatte  sich 
.  .  den  aufsteigenden  groll  .  .  von  der  seele  herunter- 
geredet Fontane  I  4,  is;  die  formel  groll  und  zorn  ztt- 
weilen  einfach  tautoloc/isch : 

er  schreyet,  schilt  und  drewt  und  ru£ft  mit  zorn  und  grolle 
D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  ge».  9,  str.  70; 

nach  langer  müh'  und  vielen  ärgemissen 
wächst  ungeheuer  Rolands  groll  und  zorn 

Gries  Jlojardos  verl.  Holand  1,  139. 
vgl.  auch: 

also  sprach  er  in  zorens  grollen 

Spreng  Ilias  37''; 
anders  unten  2  a. 

2)  aber  schon  in  älterer  spräche  häufiger  in  mehr  du- 
rativem sinne;  dann  gelegentliclt,  auch  pluralisch:  wie 
es  {das  habylon.  volk)  euch  {den  Juden)  gram  und  bitter 
auff  euch  ist,  so  wird  es  auch  seinen  bittern  grollen 
nach  euch  urteylen  Luther  I9,  367  W.;  wann  die  koh- 
len gerathen  sollen,  wie  die  kohlbrenner  wollen,  so 
müssen  sie  frey  seyn  von  allen  grollen  Abrah.  a  St. 
Clara  etw.  f.  alle  2,  329. 

a)  hasz,  erlitterung:  odium  hasz,  groll,  ein  alter  zorn 
Frisius  dict.  908^;  dasz  gegen  den  barfüssern  ein  grosser 
groll  im  volck  erwüchsz  Kirchhof  wendunm.  i,  499 
lit.  ver.;  gewan  ain  grossen  grollen  zu  künig  Karl 
AvENTiN  5,  109;  aus  diesem  äussersten  groll  wider  sie 
entstunden  die  grausamsten  Verfolgungen  Arnold  kir- 
chen-  u.  ketzerhist.  211»;  gegensatz  ist  liebe:  do  ist  keyn 
grol  noch  drewen,  szonder  eyttel  herczlich  libe  Luther 
34,  1,  356  W.;  verbale  Verbindungen:  einen  grollen  auf 
einen  haben  Frisch  nouv.  dict.  272;  so  sie  {die  diebe) 
einen  grol  auff  den  hauszwirt  haben  Pape  bettel-  und 
garteteufel  M  6*;  einen  groll  auff  einen  fassen  sepiquer 
contre  quelqu'un  Hulsius-Ravellus  146*;  bei  Stieler 
706  auch  übersetzt  mit  invidere  alicui;  wenn  nun  die 
Griechen  solche  .  .  tyrannische  exempel  der  regenten 
.  .  gesehen,  haben  sie  darfür  einen  abscheu  bekommen 
und  einen  groll  gefasset  Olearius  verm.  reisebeschreib. 
172»;  dasz  .  .  der  herr  Verfasser  nicht  eben  wider  alles, 
was  in  Leipzig  ist,  einen  groll  fassen  wird  J.  J.  Schwabe 
belustig,  l,  182;  dies  die  geläufigste  Verbindung,  die  bis 
ins  19.  jh.  durchaus  lebendig  bleibt:  er  hatte  daher  einen 
groll  gegen  Jukundus  gefaszt  und  predigte  gegen  ihn 
G.  Keller  5,  302,  hier  freilich  gefärbt  nach  3;  jünger 
scheint:  die  liederliche  kreatur  fing  also  an,  einen  bit- 
tern groll  auf  die  frau  .  .  zu  werfen  Jung-Stilling  6, 
331;  so  hat  er  groll  auf  mich  geworfen  Tiegk  sehr,  i, 
178;  namentlich  in  älterer  spraclie  gern  mit  begriffsähn- 
lichen oder  -gleichen  nominibus  verbunden : 

ist  das  die  brüderliche  lieb  .  .? 
aber  ich  merck  zu  dieser  zeit, 
woher  dir  kompt  der  groll  und  neid 

Fischart  dicht,  l,  142  Kurz; 

ein  grüner  husch,  ein  brunn,  ein  breites  feld: 
dar  lebte  man  ohn  allen  neid  und  grolle 

Stieler  gehamschte  Venus  149  ndr.  ,• 

{der  teufet)  durch  d.  Carlstads  neydischen  groll  sich 
gerne  wollt  an  uns  rechen  Luther  18,  i9i  W.; 

sondern  das  hertz  kein  zorn  noch  groll 
gegen  seim  nechsten  haben  sol 

N.  Herman  sonntagsevang.  (1895)127; 


es  sey  wol  gebotten  den  zorn  und  grol  im  hertzen  zu- 
lassen, aber  nicht  die  zeichen  des  zorns  Luther  32, 
361  W.;  vgl.  rancor  der  groll  des  zornsz  vel  ein  bitter- 
kalt Diefenbach  484'';  häufigste  formel  hasz  und  groli. 
so  schon  in  dem  ältesten  beleg ,  s.  o.  I  1 ;  so  musz  ein 
jeder  darauf  sehen  .  .,  dasz  er  .  .  mit  keinem  grol  und 
hass  gegen  seinen  nebenchristen  .  .  beschweret  werde 
Reinicke  fuchs  (1650)  154; 

hört  man  aus  Africa,  dasz  sich  aus  hasz  und  groll 
in  löwens  republic  ein  krieg  entspinnen  soll? 

Hoffmannswaldaus  u.  cmd.  Deutschen  auserl.  ged. 

(1695)215; 

auch  dies,  wenngleich  umgefärbt,  noch  im  19.  jh.  nicht 
selten : 

es  hört  in  diesem  augenblick 
der  herzog  nur  den  alten  hasz  und  groll 

Schiller  12, 116  6'.; 

besser  klingen  doch  die  sagen 
von  der  götter  hasz  und  groll 

HoFFM.  V.  Fallersleben  4,260; 

hieraus  erwüchse  zwischen  vater  und  son  widerwil 
und  groll  E.  Menius  ehren.  Carionis  (1560)  1,  131»;  es 
sey  der  widerwill  und  groll  noch  von  der  schlacht,  so 
Michiel  .  .  mit  inen  gehalten,  herkommen  H.  Kellner 
chron.  (1574)  27^*,  eine  im,  älteren  nhd.  recht  häufige  ver 
bindung. 

b)  die  bedeutung  a  zeigt  mancherlei  feinere  abschat- 
iungen:  feindschaft' ;  von  älteren  lexicographen  gern  mit 
simultas  glossiert,  dict.  nominum  verborumque  (l620) 
N  4»;  Zehner  nomencl.  65;  odium  hostile,  simultas  Stie- 
ler 706;  namentlich  Heniscii  1749  läszt  diese  bedeutung 
stark  hervortreten:  ira,  inimicitia.  odium,  simultas,  alie 
natio,  disjunctio  animorum,  hostilitas;  schriben  die 
ainbtleut  .  .  .  des  lands  Syrien  umb  des  alten  grollen 
willen,  den  si  zue  der  Judischait  betten,  einen  häftigen 
briefe  gein  Babylon  Aventin  4,  298;  weil  zwischen  dem 
Christoph  Landskron,  den  Axleben  und  Canitzern  ein 
groll  war  Sghvveinichen  denkwürd.  282  Österley;  fol 
genden  jahrs  war  der  alte  groll  graf  Reginalds  .  .  mit 
dem  stift  Basel  wieder  aufgeglommen  S.  Fr.  Hahn 
einl.  z.  d.  teutsch.  kaiserhist.  5,  115;  'abneigung,  ivider 
streben' : 

da  ich  nu  sach,  das  sie  mich  flog, 

den  grollen  merckt  ich  balde. 

sie  hat  ein  andern  lieber  denn  mich 

bergreihen  70  ndr. ; 

so  besonders  vom  widerstreben  gegen  gott:  sollicher  groll 
Widder  gott  stecket  ym  hertzen  Luther  12,  570  W.; 
unser  gantzes  leben  ist  nichts  anders  als  ein  groll  und 
Widerwillen  wider  gott  Dannhawer  catech.-milch  l,  26i ; 
entsp7'echend : 

und  dasz  mein  leben,  wie  es  soll, 
dein  eigen  sey  ohn  falsch  und  groll 

Fischer-Tümpel  evang.  kirchenlied  3,  517  ; 

aber  der  grosse  grol  und  eckel,  den  sie  widder  das  .  . 
sacrament  .  .  .  haben  Luther  23,  166  W.;  dieselbe  paa 
rung  126,  5 ;  stärker  'absehen' :  dem  menschen  ist  es  un- 
glaublich .  .  .  und  ein  gantzer  unwille  und  ein  groll 
allem  leiblichen  verstand,  dasz  der  mensch  vom  teuffei 
soll  besessen  werden  Paracelsus  opera  (i6l6)  l,  86C; 
aucli  concreter  'zuist,  zank' :  piquanterie  die  stichel-rede, 
beschimpfung ,  der  groll  Spanutius  369;  dasz  .  .  sich 
bald  zwischen  eheleuten  keif  und  groll  beginnet  Prä- 
TORius  anthropod.  pluton.  3,  347; 

(jjeht  mir)  euern  sinn  und  eure  gute 
ohne  groll  und  ohne  zank 

R.  Z.  Becker  mildheim.  liederb.  33; 

fünfzehn  goldene  jähre,  die  wir  zusammen  gelebet, 
ohne  gezänk  und  groll  Herder  27,  246  >S'. 

3)  die  neuere  zeit  nimmt  die  bedeutung  gewöhnlich  prä- 
gnanter; groll  ist  'der  heimliche  oder  verschlossene,  ein- 
gewurzelte, finstre  hasz'  Weigand  synon.  i,  423;  dabei 
kann  der  begriff  verschieden  accentuiert  sein: 

a)  der  nachdruck  liegt  auf  dem  begriff'  des  geheimen, 
im  inneren  verborgenen:  'verborgene  feindschaft'  Frisch 
nouv.  dict.  272;  ingeheim  einen  hasz,  groll  genannt 
Kant  io  {isn9),  SOO  Hartenst.;  wie  wenig  diese  bedeutung 


433 


GROLL 


GROLL 


434 


dem  Worte  ursprünglich  ist,   erhellt  daraus,    dasz  sie  in  ■ 
älterer  zeit  fast  immer  das  attribut  heimlicli  verlangt: 

und    verblieb  jederzeit    ein   heimlicher   groll  und  ver-  j 

borgen  misztrawen  Dilich  ungar.  chron.  (1606)  208;  auch  i 

concreter:  haben  doch  die  elenden  leut  sich  .  .  .  nicht  : 

regieren   können,   unter   so  viel  zertrennung,   auffruhr,  } 

heimlichen  grollen  und  innerlichen  kriegen  G.  Lauter-  | 

BECK;    es  bleibt  dem  subst.   bis  ins  19.  jh.  treu:   mein  j 

groszvater  .  .  wurde  wegen  alten  heimlichen  grolls  von  | 

drey  hüben  des  Leiningers  überfallen  Kotzebue  sämtl.  \ 
dravi.  icerke  3,  68;    so   dauert  doch    der   geheime   groll 
(zwischen  Österreich  und   Ungarn)  fort  Moltke  sehr.  u. 
denkiD.  l,  112;  jünger  ist  still: 

kann  er  bey  solcher  huld  noch  stillen  groll  verhelen? 

J.  E.  Schlegel  4,  9; 

im  ganzen  verzichtet  erst  eine  neuere  zeit  mehr  und  rnehr 
auf  solche  Verdeutlichungen :  sein  blick  verrieth  den 
groll  Ayrenhoff  i,  81;  Fritz  .  .  .  konnte  nicht  verhin- 
dern, dasz  sein  groll  einmal  durchschimmerte  durch 
seine  Verstellung  0.  Ludwig  l,  210;  doch  vgl.  auch  schon: 
wiltu  einen  kennen,  so  lob  ihn;  steckt  ein  groll  in  ihm, 
so  wird  er  .  .  ein  feder  .  .  fallen  lassen  Petri  d.  Teut- 
sehen  xceisheit  2,  LH  S*»;  in  jüngerer  zeit  gern  von  dem 
duvipf -verhaltenen  hasz,  wie  er  besonders  in  politisch  u. 
social  benachtheiligten  schichten  rege  zu  sein  pflegt:  wo 
sie  {Fieskos  vericundte)  dann,  zwischen  den  ganzen  gi'oU 
der  republik  gepresst,  die  wähl  haben  Schiller  3, 
95  G.;  nur  die  scharfe  erkenntnis  des  fleiszes  {der  unter- 
nehmerarbeit) .  .  bricht  jenem  .  .  ungerechten  groll  des 
arbeiters  die  spitze  ab  Riehl  dtsche  arbeit  209;  ähn- 
lich: in  den  italienischen  .  .  regimentern  zeigte  sich  oft 
ein  dumpfer  groll  Treitschke  dtsche  gesch.  im  19.  jh. 
1,  395;  vgl.  schon:  dazu  unlust  und  groll  des  poffels  Wid- 
der die  oberkeyt  nicht  stercker  werde  Luther  18,  438  W.; 
formelhaft  ist  seit  ende  des  18.  jlis.  (lang)  verhaltner 
groll,  namentlich  in  poetischer  spraclie: 

mein  lang  verhaltner  groll  bricht  endlich  aus! 

J.  D.  Falck  Satiren  3,  113; 

tritt  hervor 
aus  deiner  höhle,  langverhaltner  groll 

Schiller  12,502  G.; 

während  die  skribler  .  .  seine  erhebung  mit  neid  und 
verhaltenem  groll  aufnehmen  werden  jahrb.  der  Grill- 
parzergesellsch.  1,  44;  auch  geioisse  verbale  Verbindungen 
sind  stereotyp:  {er  hatte  ihn  hingerichtet)  wegen  eines 
geringen  unvernehmens  und  daraus  gefaszten,  aber  ver- 
stellten grelles  Lohenstein  Armin,  l,  61"^;  ein  cabalen- 
macher . .  selbst  wenn  er  seinen  groll  verbirgt  Gersten- 
berg recensionen  289  lit.  denkm.;  der  graf  barg  seinen 
groll  hinter  gezwungenem  lachen  G.  Freytag  9,  56;  als 
der  groll  schon  gährte  H.  P.  Sturz  sehr,  i,  153;  vor 
einem  .  .  aufgährenden  groll  Fontane  I  2,  377;  alt  und 
sehr  häufig:  da  brach  der  groll  ausz  Seb.  Franck  Germ, 
chron.  116 *>;  nun  brach  in  den  drei  schlummernden  ge- 
sellen ein  wilder  groll  aus  G.  Keller  4,  238;  variiert: 
ihr  gemeinsamer  groll  strömte  in  die  xenien  aus  Ger- 
vinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  5,  330;  weniger  prägnant: 
er  werde  seinen  groll  auff  yhn  .  .  ausschütten  Luther 
24,  571  W.;  odium  occlusum  effundere  seinen  gefasseten 
und  heimlichen  grollen  .  .  ausgiessen  Bas.  Faber  thes. 
184»;  hat  .  .  .  bitterkeit  und  grollen  wider  uns  auszge- 
lassen  Henisch  1749;  bei  jeder  gelegenheit  lassen  sie 
ihren  groll  gegen  die  weltweisen  aus  Schiller  3, 545  G.; 
erst  im  19.  jh.  häufiger:  indem  .  .  dieser  .  .  seinem  grolle 
offen  luft  machte  Meinecke  Bogen  l,  331. 

b)  oder  der  nachdruck  liegt  auf  dem  begriff  des  an- 
haltenden, nicht  nachlassenden:  denn  groll  .  .  ist  änderst 
nüt,  wenn  ein  veralteter  hasz  Keisersberg  seelenpar. 
98»;  odium  est  ira  inveterata,  ein  alter  groll  Reyher 
thes.  (1668)  2,  4935:  pluralisch:  veteres  inimicitiae  alte 
grollen,  gezänck,  hasz  Apherdianus  meth.  disc.  (1580) 
110;  wie  denn  überhaupt  alt  bis  heute  das  geläufigste 
Attribut  ist: 

das  sich  anzünt  der  alte  groll, 
der  nie  ist  recht  erloschen  wol 
H.  Sachs  aämtt.fab.  u.  schwanke  2, 161  ndr.; 
IV.  1.  ü. 


der  alte  groll  wirdt  nur  mitt  dem  leben  enden  E.  Cii. 
V.  Orleans  br.  i,  205  lit.  ver.;  man  kann  den  alten 
groll  gegen  Preuszen  nicht  vergessen  Görres  ges.  sehr. 
2,  387;  sprichwörtlich:  aller  {l.  alfer?)  groll  lest  sich  nicht 
leicht  auszkratzen  Petri  d.  Teutschen  tceish.  2,  h  7  » ;  alter 
groll  verrostet  nicht  HoFFMxtiN  polit.  .Jesus  Sgrach  IS; 
vgl.  unvertilgbaren  groll  J.  J.  Engel  sehr.  3,  217;  mit  un- 
verjährbarem groll  Lenz  3,  286  Tieck;  ihren  zähen  groll 
Mommsen  röm.  gesch.  3,  4; 

sie  haben  uns  ewigen  groll  geschworen 

Körner  2,  208  Hempel: 

doch  bedarf  diese  bedeutungsspielart  solcher  Zusätze  nicht, 
um  deutlich  zu  teer  den: 

vielleicht  dasz  dieser  bund  zu  groszem  glück  sich  wendet 
und  eurer  häuser  groll  durch  ihn  in  freundschaft  endet 

Shakespeare  1,  66; 

(ivo)  wir  thoren  wühnten,  durch  den  bund  den  groll 
der  Weifen  und  Waiblingen  zu  vernichten ! 

Grabüe  2,  300/«.; 

gewisse  charakteristische  verbale  Verbindungen  ruhen  atif 
dem  durativen  dement  der  bedeutung:  einen  alten  groll 
regen  cica^n'ceni  re/ncare  Dentzler  2,140^;  der  alte  groll 
wollte  sich  regen  Göthe  II  11,  17  W.;  er  .  .  weckt  den 
alten  schlafenden  groll  Schiller  9,  370  G.;  Dngen  auch 
die  Korinthier  an,  einen  heftigen  grol  gegen  die  Athe- 
nienser  zu  nähren  Heilmann  Thukydides  120;  er  hat 
die  art  des  kindes,  .  .  das  oft  unwillig  ist,  aber  keinen 
langen  groll  nähret  Herder  13,  321  S.; 

doch  hegst  du  einen  alten  groll  im  busen 

Göthe  10,  215  W. ; 

diese  tcendung  meist  freilich  farbloser:  eine  seele,  die 
noch  den  geringsten  groll  in  sich  hegt  Jüng-Stillino 
6,  584;  wenn  er  gegen  alte  spieszgesellen  .  .  in  stegreif 
trat,  muszte  er  starken  groll  in  sich  herumgetragen 
haben  G.  Freytag  18,  801,  und  aus  derselben  vorsteHuw/ 
lieraus  schon  im  älteren  nhd.  häufig:  wer  .  .  weder  die 
burger  grol  dreyt  Worviser  recht  10  Kohler;  er  wird  .  . 
weder  das  weih  noch  den  ehebrecher  deshalben  sauer 
ansehen,  viel  weniger  .  .  groll  .  .  .  auff  ihn  tragen 
Olearius  verm.  reisebeschr.,  anhang  insul  Formosa  44; 
negativ:  durch  Verzeihung  und  ablegung  alles  vorigen 
grols  M.  Haganäus  unterweis,  z.  weltl.  regiment  {lb99)  317; 
nainentlich  in  jüngerer  dramatik  sind  ähnliche  Wendungen 
oft  zu  finden: 

umarmt  euch,  prinzen ! 
laszt  allen  groll  und  hader  jetzo  schwinden 

Schiller  13,  211  6'., • 

ersäuft 
sey  aller  grull  in  diesem  bundestrunk! 

12,  175; 

mit  diesem  kusz  sei  aller  groll  vergessen  Arnim  5,  317; 
weil  ich  es  ohne  den  mindesten  nachgebliebenen  groll 
erzählen  kann  J.  G.  Jacobi  1,  ix;  dasz  deine  vorwürfe, 
wenn  sie  mir  auch  im  augenblick  empfindlich  sind, 
keinen  .  .  groll  im  herzen  zurücklassen  Göthe  IV  9, 
91  W.;  ohne  groll  in  jüngerer  zeit  sehr  häufig  in  ge- 
wissen stereotypen  Verbindungen:  lassen  sie  uns  mit  ein- 
ander brechen  wie  leute  von  Vernunft,  .  .  ohne  bitter- 
keit, ohne  groll  Lessing  2,  323  ilf.;  so  lassen  sie  mein 
andenken  verlöschen,  ohne  groll  Iffland  theatr.  werke 
1,  30; 

so  lasz  uns  scheiden,  ohne  hasz  und  groll 

Grillparzer  5,  194. 

c)  oder  das  tief  wurzelnde  des  grolls  wird  betont:  grolle 
simultas,  odium  intestinum  Dentzler  2, 140'';  diser  grol- 
len ist  dem  könig  tieffer,  dann  jemandts  achten  mögen, 
zu  hertzen  gesessen  Chr.  Wurstisen  Pauli  Aemilii  .  . 
historien  (1572)  2,  334; 

und  im  tiefen  gemüth  wohnet  am  tiefsten  ein  groll 

Herder  26,  387  S. ; 

daher  formelhafte  Verbindungen  wie:  zwischen  den  bey- 
den  römischen  befehlshabern  herrschte  eingewurzelter 
groll  NlEBUliR  röm.  gesch.  2,  225;  dieselbe  wendung  schon 
bei  Lessing  2,  44  M.;  aber  nur  um  so  tiefer  frasz  sich 
der  groll  in  die  herzen  ein  Sybel  begründ.  d.  dtsch. 
reiches  1,  90. 

28 


435 


GROLL 


GROLLECHTIG,  GROLLEN 


i86 


d)  erst  in  jüngerer  zeit  gern  in  einem  gebrauch,  der 
de?!,  begriff  des  mismutigen,  grämlichen,  verbitterten  be- 
sonders unterstreicht,  oft  ohne  dasz  noch  ein  bestimmtes 
zielobject  der  empßndung  gegeben  wäre: 

der  meuschenfeind,  die  last  der  erde, 
ans  hochmuth,  oder  auch  aus  groll 

Lenz  ged.  184  Weinhold; 
mit   anderer  färbung: 

weltscheue  schwermnth  füllt  meine  bmst. 
unendliches  weh  und  unendlicher  groll 
Arent-Conradi-Henckell  mod.  dichterchar.  8 ; 

daher  paarungen  wie:  wie  bei  den  unschuldigsten  stel- 
len ihm  groll  und  niismut  in  die  finger  zuckt  J.  H,  Voss 
antisymh.  2,  87; 

und  kam  mir  groll  und  trübe  laune,  wie 
sie  jeden  heimsucht,  der  in  büchem  lebt 

G.  Freytag  2,117; 

in  der  seele  groll  und  trauer  15,  101;  namentlich:  ein 
.  .  luftgebilde  .  .,  dem  wir  in  dem  glücke  zulächeln,  .  . 
auf  das  wir  in  dem  Unglück  .  .  .  mit  groll  und  unmuth 
blicken  Fr.  M.  Klinger  xcerke  i,  16; 

fragt  nicht  nach  seinem  unmuth,  seinem  groll 

Chamisso  4, 113; 

sogar:   nicht  des  unmuths  groll  .  .  spricht  das  aus  mir 

AyRENHOFF  2,  281. 

e)  öfter  auch  mit  einer  {beim  verb.  grollen  [».  d.  II  2  b] 
stärker  hervortretenden)  Verdünnung  der  ursprünglichen 
bedeutung  ''Verstimmung,  ärger' :  auch  heute,  als  die  am 
schwächsten  beschenkte,  verrieth  sie  weder  groll  noch 
neid  Holtei  erz.  sehr.  14,  9;  das  milderte  schon  etwas 
ihren  groll  G.  Keller  6,  153;  dieser  groll  über  den 
lannenbaumkultus  hielt  aber  nicht  vor  Fontane  I  6, 
252;  vgl.  und  legte  sich  dann  mit  lächelndem  grolle 
schlafen  unter  die  bank  Steub  drei  sommer  in  Tirol 
i,  205. 

4)  amcendung  auf  einen  unpersönlichen  subjectsbegriff 
ist  selten:  du  müstest  für  lauter  rachgierigkeit,  groll 
und  grimmen  deines  viehischen  appetits  (deiner  sinn- 
lichen begierden)  in  stück  zerspringen  Spee  güld.  tugendb. 
."ilS;  etwas  häufiger  nur  in  jüngerer  poetischer  spräche 
vom  donner,  aber  auch  das  erst  nach  dem  vorgange  des 
verbums  {s.  grollen  II  i  d): 

bei  jedem  strahle,  der  klirrte 
schmetternd  durch  donners  groll 

Brentano  2,  58; 

nach  diesem  muster  gelegentlich   auch  von   andern    ele- 

menten: 

der  elemente  .  .  gift'gen  groll 
auf  sein  .  .  haupt  herabzudonnem 
I  Körner  3, 179  Hempd; 

{du)  bewandeltest  die  fluth  mit  festen  füssen 
hin  durch  der  winde  groll 

Freiligrath  5,  36. 

5)  bei  Mürner  erscheint  öfter  ein  pltiral  mit  concre- 
ierem,  sinn,  'gehässigkeiten,  vorwürfe,  anschuldigungen' , 
auch  'verwünschungeii' :  daz  du  (Luther)  dise  grollen 
erst  usz  geschüttet  hast,  nach  dem  und  du  in  des  bapst 
Ungnaden  kummen  bist  a?i  d.  adel  86  ndr. ;  wo  sy  nit  ir 
rede  unterlassen,  so  wel  er  die  rechten  grollen  sagen, 
das   schöpf  den   galgen  rüren  müsz  gäuchmatt  46  UM; 

ich  wil  die  rechten  grollen  bringen, 
die  dienstlich  sein  zu  unsern  dingen 

luth.  narr  v.  1204  Kurz ; 

wir  kumment  yetz  uff  andre  Stollen 
und  bringen  här  die  rechten  grollen 

history  v.  d.  fier  ketzeren  pred.  ord.  (1509)  e  3»; 

nicht  immer  sicher  von  der  bedeutung  'possen,  unfug, 
streich'  zu  trennen;  deutlich  so: 

gut  grollen  hab  ich  uff  der  teschen, 
ir  sollent  mir  den  beltz  wol  weschen 

sagt  der  beichtende  narr  zum  beichtvater,  narrenbeschw. 
282  ndr.;  das  stellt  sich  zu  dem  im  nl.  reich  entfalteten 
grol,  plur.  grollen  'dwaze  nietigheid  of  nietige  dwaasheid' 
woordenb.  d.  nederl.  taal  5,  918,  nach  Franck  217*»  etymo- 
logisch identisch  mit  grol  oditim.     auf  deutschem  boden 


nicht  häufig:  die  etwan  grollen  in  köpfen  haben  stecken 
Keisersberg  evang.  (1517)  12'»;  ich  bin  seltsamer  grollen 
voll  RuoF  nach  Staub-Tobler  2,  730 ;  dasz  alle  die 
ceremonien  der  heil,  kirchen  .  .  alle  ire  fremde  grollen 
und  grillen  so  artlich  ausz  der  schrifft  geschnitzlet  seind 
Fiscuart  bienenkorb  174*>  {auch  nl.  grillen  eu  grollen 
a.  a.  0.  5,  915).  diese  bedeutung  hat  also  Murner  nach 
groll  oditim  hin  verändert. 

6)  ganz  vereinzelt:  weih  ein  geselschafft  syhe  ich  da 
{in  Sachsen),  weihe  trünck!  weihe  grollen  {im  tat.  text: 
quales  ructus),  weih  spewen!  Hütten  4,  283  Böcking, 
also  im  sinne  des  von  grollen  abgeleiteten  grolz,  grölzen; 
vermutlich  kannte  die  ältere  spräche  auch  für  grollen 
die  bedeutung  ructare  {vgl.  grollen  II  l  c)  und  vom  vb.  ist 
sie  auch  dem  subst.  zugeflossen. 

GROLLECHTIG,  s.  grollig. 

GROLLEN,  vb. 

I.  form,  zu  beachten  ist,  dasz  die  wenigen  mhd.  be- 
lege u  (ü)  zeigen:  s6  man  in  da  von  {von  der  unkiusche) 
prediget,  so  winket  einer  üf  den  andern  unde  grüUet 
üf  in:  'ja  wä  wil  din  sgle  hin?'  Berth.  v.  Regensbürg 
1,  82  Pf,  tcohl  im  sinne  'murren',  «.  t*.  II  3  a; 

{die  brüder)  richtin  üf  der  vestin 
mit  wer  sich  kegn  den  gestin 
üf  ein  widdirgruUin 

N.  V.  Jeroschin  24564; 

grollen,  grullen,  grüllen  stomachari  Diefenbach  554 '\ 
noch  heute  nd.  grullen  Doornkaat-Koolman  l,  700^; 
WoESTE  86*»;  Mi  29*";  literarisch  herrscht  seit  dem  beginn 
des  nhd.  durchaus  die  oform,  die  ihren  vocal  vom  subst. 
empfangen  haben  kann,  in  der  aber  vielleicht  auch  zioei 
ursprünglich  getrennte  verba,  ein  deverbativum  *grulljan 
{zu  grellan,  s.  Wilmanns  2,  54)  und  ein  denominativum 
groUön  zusammengeflossen  sind;  grüllen  ist  schriftsprach- 
lich im  nhd.  ziemlich  erstorben  {doch  s.  u.  II  3  a),  es 
scheint  aber  für  die  Vorgeschichte  von  grölen  in  betracht 
zu  kommen,  s.  d.  l  anfang. 

II.  bedeutung. 

l)  im  älteren  nhd.  ist  am  entwickeltsten  eine  bedeutung, 
die  nicht  den  affect  an  sich,  sondern  zugleich  mit  ihm^ 
die  töne  seiner  äuszerung  bezeichnet;  daraus  entwickelt 
sich,  ganz  wie  bei  dem  stammverwandteii  grellen  {s.  sp. 
104),  schlieszlich  eine  reine  schallbezeichnung ;  nur  geht 
grollen,  grullen  mehr  auf  rollende,  dumpfe  töne,  grellen, 
grillen  aufJielle,  schrille:  grollen,  rauschen  strepere,  stre- 
pitare,  crepitare;  grollen  als  die  katzen,  loUen,  lullen, 
mussare,  mussitare,  murire,  numeros  non  verba  canere, 
sonum  imitari;  grunnire,  murmurare  Henisch  1749,  der 
hier  freilich  z.  th.  von  Kilian  abhängig  ist,  s.  löU  th.  6, 
1144;  ähnlich  aber  auch  bei  Stieler  707;  Kramer  teutscJi- 
ital.  1,  567"  nimmt  das  verb.  rein  als  schallwort  {'verb. 
fatto  dal  suono')  und  glossiert  es  nur  mit  bruire,  rom- 
bare, trombare,  brontolare. 

a)  von  menschen  'zornig  murren':  brummen,  grollen, 
grollen  im  zorn  und  im  unmut  stomachari  Diefenbach 
554'»;  vgl. 

(der  erzbischoj'  v.  Mainz)  vast  ser  in  sinem  zom 
vil  ubermütiglichen  grolt 

M.  Beiiei.m  reiinchron.  49; 

ob  schon  der  hohe  meister  mit  dem  orden  dawider 
groUeten  und  murreten  monum.  hist.  Warm.  8,  255;  alle 
gottlose  verdampfe  menschen  .  .  werden  wider  gott 
und  seine  gerechtigkeit  grüllen  und  murren  M.  Chr. 
Iren  Aus  spiegel  d.  hellen  (i588)  309*; 

(als  er)  mit  seim  gesprech  die  hantwerck  schmecht, 
nun  war  die  bursch  vast  wol  bezecht 
und  fiengen  darob  an  zu  grollen 

H.  Sachs  17,  238  A'.-G.  ,• 

da  seyn  denn  die  knechtlein  auff  einander  ergrimmet, 
-  -  grollen,  gruntzen,  stossen  theatr.  diabol.  260'';  in  be- 
sonderer spMre:  auf  das  sie  nicht  in  ansehens  irer 
morgengab  anfiengen  wider  die  menner  zu  grollen, 
stoltzieren  und  ungehorsamen  St.  Vigiliüs  de  rebus 
memßrandis  (1641)51*;  und  ähnlich  noch  spät: 


437 


GROLLEN 


GROLLEN 


4Ji8 


weil  einmal  im  jähr  sich  gern  jedes  erholt, 
wenn  man  zu  elf  monat  zu  haus  brummt  und  grollt 

Raimund  1, 19; 

frau,  dann  grolle  nicht, 
roth  im  angesicht! 

J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  5,  53. 

wie  bei  grellen  (s.  d.  2)  ist  auch  hier,  tcenigstens  im  bair., 
die  entvdcldung  bis  zu  'heulen,  plärren,  weinen'  vorge- 
schritten: er  grolt  als  ain  ku  die  kelbern  wil  oder 
ain  fraw  dies  zwank  hat  Sgumeller  1,  994;  das  ab- 
scheuliche hjänen  und  grollen  der  stadtvocalisten  ebd.; 
grollen  'weinen'  v.  Klein  l,  165;  Schöpf  tirol.  215; 
Zaupser  38; 

'o  jesses',  hat  der  kloane  grollt 

Karl  Stielkr  ged.  2,  59  Reclam. 

b)  auch  von  thieren  geiiöhnlich  als  äuszerung  des  Un- 
muts: {der  hund)  grollet  und  bysset  Keisersberg  WZ//. 
146'';  'heftig  bellen,  wie  fleischerhunde'  Loritza  vienn. 
55;  vom  stier  Schöpf  tirol.  215;  der  tauber  grollt  Campe, 
loohl  aus  dem  nd.;  vgl.  de  duffert  sit  up't  hüs  to  grullen 
Doornkaat-Koolman  1,  700»>;  'grollen  wird  zur  brimst- 
zeit  das  geschrei  des  hirsches  beim  kämpfe  mit  einem 
andern  genannt'  Behlen  3,  501 ;  das  dumpfe  grollen  eines 
gorillas  Brehm  ihierl.  l,  82  Pechuel-Lösche ,-  {der  gefangene 
gorilla)  begleitete  jeden  .  .  abgetragenen  teller  mit  .  . 
einem  .  .  grollenden  husten  l,  70. 

c)  am  reinsten  tritt  der  Charakter  als  schallicort  zur 
hezeichnung  eines  dumpf  rollenden  gerüusches  hervor  bei 
der  anwendung  auf  unlebendiges;  altgebräuchlich  ist: 
dönet  im  {dem  unsettigen  frasz)  der  magen,  grollet  ihm 
der  bauch  C.  Harberinus  spiegel  d.  hausziicht  (1553)  251"^ ; 
da  hebte  ihm  der  leib  gähling  an  zu  blähen,  das  ge- 
därm  zu  grollen  Er.  Francisgi  d.  alleredelste  unglück 
(1670)  35;  es  grollet  mir  der  bauch  Kramer  teutsch-ital. 
1,  567";  wohl  auf  dieser  formal  fuszend: 

dasz  mir  davon  die  obren  grollen 

TiECKlS,  297; 

in  bildlicher  leziehung  auf  den  brodelnden  kochtopf: 
wann  der  Unwillen  im  hafen  zu  vil  will  sieden,  brütein 
and  grollen,  so  hebt  sie  den  deckel  ab  Fischart  ge- 
achichtklitt.  103  ndr.;  die  abgebrochenen  töne  der  predigt 
.  .  klangen  {auszerhalb  der  kirche)  .  .  bald  in  hohen 
fisteltönen,  bald  tief  grollend  G.  Keller  i,  303;  die  sinn- 
liche Vorstellung  des  dumpf  rollendeii  bleibt  auch  in 
mancherlei  gebrauchsweisen  fühlbar,  die  an  sich  mehr 
den  affect  ausdrücken  wollen: 

im  kühnsten  walde  die  verwachsnen  schwellen, 
wo  eurer  (der  quellen)  mutter  kraft  im  berge  grollt 

MÖRIKE  1,  86  Göschen; 

zumal  bei  unpersönlichem  gebrauch:  dasz  es  in  dem  volck 
grollet  'brodelt,  gährt'  Paracelsus  op.  (1616)  2,  457  c;  es 
rollte  und  grollte  in  seinen  worten  wie  in  einer  ge- 
witterwolke  Ebner-Eschenbacii  4,  170;  vgl.  d;  in  der 
brüst  des  vortrefflichen  {des  stadtbüttels)  grollte  und 
brummte  es  wie  in  einem  dem  ausbruch  nahen  vulkan 
Raabe  hungerpastor  1,  61;  sie  klingt  auch  hörbar  mit 
in  fällen  wie:  gleichwohl  grollte  bey  Mirmod  noch 
immer  der  schimpf  Riemer  jjoZi^.  maulaffeSS;  starke 
ausbrüche  des  noch  grollenden  Schmerzes  wechseln 
miteinander  {in  dem  quintett)  0.  Jahn  Mozart  4,  102. 

d)  rfas  schalltoort  hat  sich  nur  ein  groszes  geltungs- 
gebiet  bis  heute  gewahrt,  das  ist  die  bezeichnung  des 
tobens  der  demente;  besonders  vom  donner  {und  zwar 
vorzüglich  eines  fernen,  heraufziehenden  oder  abziehenden 
getoitters) :  wann  es  aber  starck  blitzet  und  der  donner 
in  den  wolcken  gewaltig  kracht,  grollet  und  rasselt 
Valvasor  ehre  d.  Jterzogthums  Cr  ain  (1689)  1,  312";  so 
grollen  auch  die  sieben  donner  ihre  eigenen  stimmen 
Jung-Stilling  3,  528;  zumal  in  neuerer  poetischer  spräche 
überaus  häufig: 

er  springt  ans  ufer,  er  eilet  sehr, 

schon  grollet  der  donner  dumpf  und  schwer 

M.  ScHNECKENiiURGER  dtschc  Uedcr  52; 

gern  im  vergleich:  mit  einem  solchen  gelaut,  als  wie 
ein  grollendes  und  noch  etwas  gelinde  rasselndes  donner- 
wetter    Er.   Francisci   höll.    Proteus  (l690)   126;    seine 


stimme  konnte  grollen  wie  der  donner  EbnerEschen- 
bach  1,  180; 

und  wie  ein  feurig  wetter,  das  immer  näher  grollt, 
rings  steigen  die  geschicke  still  und  verhängnisschwer 

Eichendorf  3,  507; 

bildlich:  das  eheliche  gewitter  grollt  nur  unter  seinen 
füszen  Börne  3,  248;  aucJi  unpersönlich: 

den  ganzen  abend  hat  es  schon  gegrollt 

J.  Hart  bei  Auent-Conradi-Henckeli. 
mod.  dichterchar.  46; 

von  andern  elementen  jünger  tmd  künstlicher:  war  der 
stürm,  der  schon  lange  gegrollt  hatte,  losgebrochen 
Spielhagen  2,  387;  im  grollenden  stürme  der  allge- 
meinen Zerrüttung  Fr.  Th.  Visciier  ästhet.  3,  l,  47; 

der  stürm  erwacht,  die  wogen  grollen 

Kosegarten  nach  Sanders  synon.  1,  i'il; 

es  grollt  und  brandet  die  see 

Heine  1, 102  EMer; 
ähnlieh  auch: 

seit  jenem  tage 
grollt  über  dieser  ebne  unverrückt 
die  Schlacht        IT.  v.  Kleist  3,  26  E.  Schmidt: 

gehobene  spräche  dehnt  diesen  gebrauch  gelegentlieh  noch 
weiter  aus: 

wie  dort  im  rothen  qualm  gegrollt  die  feldkanonen 

Geibel  1,  184; 

trommeln  grollen  dumpf  und  pfeifen  schallen 

H.  Marggraff  balladenchron.  18; 

aus  ihrer  {der  turmspitze)  mitte  grollte  der  glocken- 
klang  viele  meilen  weit  Jung-Stilling  4,  136;  das  mo- 
derne Sprachgefühl  empfindet  das  verb.  in  solchen  fällen 
nicht  als  reines  schallicort,  sondern  mehr  oder  minder 
als  metupher  von  der  bedeutung  2  aus,  recht  deutlich: 
wenn  sich  die  grollenden  demente  versönen  Schiller 
3,  54  G.;  {mir  icar)  als  sei  mein  grimm  mit  .  .  dieser 
grollenden  fluth  ein  ding  Fi;.  Tu.  Vischer  auch  einer 
1,  52;  nd.  mundarten  bewahren  noch  das  ursprünglichere: 
grullen  leise  donnern  Woeste  86^;  de  sS  grulld;  de 
donner    grulld   nog   lank   na   Doornkaat-Koolman  i, 

700". 

2)  die  heute  entwickeltste  bedeutung  hat  sich  erst  in 
neuerer  zeit  so  stark  entfaltet;  sie  läuft  der  des  sub.it. 
groll  parallel. 

a)  erst  im  17.  jh.  lexicographisch  öfter  mit  zürnen 
gleichgestellt  {vgl.  groll  II  i):  grollen,  zirnen  odisse,  in- 
dignari  Henisch  1749;  ähnlich  HülsiusRavellus  146»; 
dem  entspricht  es,  wenn  ältere  nhd.  belege  selten  sind 
und  noch  mehr  nach  1  a  weisen:  grollte  die  gemain  .  . 
under  einander  Schaidenreisser  Odyssea  lo''; 

der  Kayer  zornig  war  und  grollt, 
das  ihm  niemand  abkauffen  wolt 

H.  .Sachs  9,  263  A'. . 


des  ich  zwar  hab  pesorget  langst 
almal  sein  grollen 


22,  543, 


hier  mit  der  besonderen  färbung  neidischen  hasses  {vgl. 
groll  II  2  a) ;  hl  jüngerer  zeit  ausschlieszlich  im  sinne  von 
groll  3,  also  von  anhaltend  und  verschlossen  bewahrten 
zom-  und  haszgefühlen : 

zürnen  magst  du,  doch  nicht  grollen 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden  (1907)  115; 

es  ist  mir  leid,  dasz  du  noch  immer  grollst 

Kaupach  dram.  werke  ernster  gatt.  8,  98 ; 

die  grollende  erinnerung  an  die  blutige  räche  des  Sie- 
gers Häusser  dtsche  gesch.  3,  Ul;  aus  erfahrungen  und 
erlebnissen  im  grollenden  herzen  .  .  gifte  kochen  Fr. 
L.  Jahn  l,  359;  entsprechend  groll  3  a — d  auch  hier  ver- 
schiedene abschattungen  der  bedeutung:  die  grollende 
hungrige  menge  Mommsen  röm.  gesch.  z,iQi\  die  schwie- 
rigen und  grollenden  unterthanenschaften  2,  222  {vgl. 
groll  3  a  schlusz) ; 

doch  hielt  ich  gut  und  grollte  still  und  tief 

Grillparzer  7,  14; 

draus  (oits  den  tvellen)  sieht  im  stummen  grollen 
mein  finstres  äuge  herauf  Strachwitz  ged.  93: 

28* 


439  GROLLEN 

einer  Jungfrau  stilles  weinen, 
einer  greisin  finstres  grollen 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden  (1907)  4 ; 

er  war  wohl  schon  viel  heftiger;  aber  so  .  ,  bitter 
grollend   war  er  doch  nie  Iffland  theatr.  iverke  4,  271  ; 

ich  seh  den  meister  tückisch  grollen 

Arnim  19,  36; 

voll  grollenden  unmuths  Fr.  L.  Jahn  2,  202;  überhaupt 
neigt  die  neuere  kunstsprache  sehr  zu  participialem  ge- 
hrauch, zumal  auch  in  zusammenhängen  wie:  der  zweite 
wandte  sich  grollend  von  seinem  volke  ab  Ebner- 
EscHENBACH  i,  5;  warum  schlieszen  sie  mir  grollend  ihr 
herz?  HOLTEI  erzähl,  sehr.  5,  70;  vgl.  b;  mit  abhängigem 
saiz: 

ich  grollte  stets,  dasz  ich  ein  mädchen  war 

Grillparzer  6,  167; 

(m  Arabien  irrt)  ein  Polenheld  und  grollet  still, 
dasz  noch  sein  herz  nicht  brechen  will 

Lenau  1  (1855),  159  Grün. 

sehr  häufig  in  neuerer  erzählungsliteratur  ist  grollen  im, 
sinne  'grollend,  unwillig  ausrufen':  'wiszt  ihr  nicht' 
grollte  der  priester,  .  .  'dasz  blumen  .  .  .  Römerinnen 
ein  greuel  sind?'  Gaudy  2,  iii;  'kein  wort  weiter', 
grollte  der  bauer  Anzengruber  i,  85;  darin  scheint  ein 
nachhält  der  bedeutung  1  zu  liegen. 

b)  nicht  selten  auch  mit  starker  ahschwächung  des  ur- 
sprünglichen affectgehaltes  'böse,  verstimmt  sein'  {vgl. 
groll  II  3  e) :  er  grollte  nicht  einmal,  nicht  ein  gedanke 
von  fluch  in  seinem  herzen  Schiller  2,  U7  G.;  mehr 
grollend  als  zornig  warf  er  dem  könige  vor,  dasz  er 
ihn  vernachlässige  Laube  2,  30;  Sophie,  welche  noch 
immer  grollend  dasteht  Nestroy  2,  68;  das  ewige  .  . 
grollen  und  sorgen  verdirbt  einem  nur  die  laune  Laube 
10,  2;  häufig  ist  die  reimformel: 

mir  aber  nagt's  am  herzen  schier, 
das  schmollen  und  das  grollen 

IMöRiKE  1,  32  Gösdien; 

deshalb  schmollte  und  grollte  ich  von  vornherein  mit 
allem  weibervolk  G.  Keller  4,  39;  von  gebärden  des 
unmtds: 

zwar  grollt  noch  ihr  gesiebt 

Pfeffel  poet.  versuche  1,  28; 

er  . .  grollte  mit  den  brauenbögen  wie  vater  H.  Federer 
berge  und  menschen  (l91l)  311. 

c)  dieselben  bedeutungs-  und  intensitätsschwankungen 
wie  unter  a  und  b  auch  bei  der  Verbindung  mit  objec- 
ten;  am  gewöhnlichsten  mit  dem  dativ: 

gemahn'  ihn  nicht  an  dich,  du  weiszt,  er  grollt  uns 

Schiller  14,  341  G. ; 

das  militär,  das  ihm  {dem  könig)  unversöhnlich  grollt 
Varnhagen  V.  Ense  tageh.  6,  179;  es  liegt  in  dieser 
bettele!  etwas  so  naives,  .  .  dasz  man  ihr  nicht  grollen 
kann  Gaudy  5,  78;  in  völlig  gleichem  sinne  früher  grollen 
mit:  ich  sollte  eigentlich  mit  ihm  grollen,  da  er  mich 
.  .  nie  besuchte  Pöckler  briefw.  u.  tageb.  6,  164;  grolle 
nicht  mit  uns  andern,  weil  du  in  Unfrieden  von  einem 
scheidest  G.  Freytag  8,  lOS;  heute  im  rückgang.  abge- 
sehen von  einem  besonderen  fall,  in  dem  die  bedeutungs- 
Variante  'hadern  mit'  die  präpos.  begünstigt:  Napoleon 
grollte  noch  in  der  kriegsschule  zu  Brienne  mit  seinem 
beengten  geschicke  Droste-Hülshoff  2,  378;  ich  habe 
mit  der  weit  gegrollt,  d.  h.  mit  mir  selbst  G.  Freytag 
i,  366;  er  (Mannhardt)  grollte  nicht  mit  dem  Schicksal 
W.  Scherer  kl.  sehr,  l,  165;  ähnlich: 

und  wer,  wie  ich,  mit  gott  gegrollt, 

darf  auch  mit  einem  könig  grollen 

Herwegh  ged.  eines  lebendigen  125; 
auch  gegen  ist  früher  nicht  selten :  am  meisten  grollte 
Stein  gegen  den  Staatskanzler  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u. 
an  s.  l.  Deutschen  3, 239 ;  Lucrezia,  die  . .  sich  zum  mittel- 
punkte  der  gegen  Soderini  grollenden  adelspartei  machte 
H.  Grimm  Michelangelo  i,  343;  ich  wäre  zu  tadeln,  wenn 
ich  ferner  gegen  sie  grollte  Holtei  erzähl,  sehr,  n,  300; 
anderes  ist  ungewöhnlich:  so  düster  schaute  die  wilde 
felsgestalt  auf  mich,  wie  grollend  über  die  nähe  dessen, 
der  H.  v.  Barth  Kalkalpen  540. 


GROLLER  -  GROLLSCHAFT 


4-iO 


3)  7iicht  häufig  tmpersönlich  im  sinne  'bösen,  ivurmen ' : 

es  grollt  sie,  wann  sie  nur  daran  gedenckt,  dasz  sie 
des  liebsten  namen  hab'  Orlando  geben  ie 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  19.  ges.,  slr.  18; 

das    grollt    mich    'ärgert    mich'    mehrfach   bei    Gustav 
Schilling  nach  Müller-Fraureuth  i,  443'';  'dies  grollt 
mich  für  dies   bringt  mich  auf  .  .  ist  nicht  gut'  Hey- 
natz antibarb.  2,  77;    die  Wendung  nimmt  sich  aus  wie 
I    eine  parallelbildung   zu   das    grimmt   mich,  wo  freilich 
:    grimmt  atts  krimmt  umgedeutet  ist,    vgl.  i  grimmen  4; 
j    auch  mit  dativ : 

nur  dem  klugen  ist  es  ferne, 
dasz  es  ihm  im  herzen  grollt, 
I  wenn  der  freund  ihm  Wahrheit  zollt 

Stephanie  d.  j.  sämtl.  singsp.  80; 

aber  dasz  er  noch  prahlte,  .  .  das  grollte  mir  J.  v.  Soden 
doktor  Faust  (1797)  9;  vgl.  den  dativ  unter  II  i  c;  das 
nd.  kennt  einen  reflexiven  gebrauch  'sich  gräinen' :  hei 
grullt  sik  ser  um  de  frü. 

GROLLER,  m.;  l)  zu  grollen  i  b:  sobald  nu  der 
I  beer  das  fewr  geschmeckt,  ...  ist  (er)  mit  einem  er- 
I  schröcklichen  groller  auf  den  kerl  zugeloffen  Chr.  A. 
I  HÖRL  V.  Wätterstorff  Bacchusia  (1677)  112.  2)  per- 
I  sönlich,  zu  grollen  2 :  der  richter  wird  dich  halsstarrigen 
I  unversönlichen  groller  dem  diener  überantworten  S.  Ar- 
TOMEDES  Christi,  auslegung  (1609)1,582.  —  groll erei, 
j  /.,  malevolentia,  odium  inveteratum,  invidia  u.  dgl.  Stie- 
I  LER  707;  bei  Henisch  1749  auch  concreter:  dicta  aut 
I    scripta  inepta  et  odiosa.  —  grollerfüllt,  adj.: 

i  die  kämpfer  aber  saszen 

I  des  Streitens  müde,  grollerfüllt  und  stumm 

K.  Hepp  loeuzdom  121 ; 

!  sie  .  .  schlich  herein  .  .  grollerfüllt  wie  immer  Ebner- 
Eschenbach  6,61.  —  grollerisch,  adj.,  zornwütig: 
Saul  ist  .  .  greinerisch,  grimmig,  grändig,  grollerisch 
gewest  Abr.  a  St.  Clara  Judas  2  (1699),  356.  —  groll- 
funke, deminut.:  denn  weil  .  .  die  groU-fünklein  in 
seinem  hertzen  noch  in  etwas  glimmetcn  Er.  Frangisci 
schau-  u.  ehrenplatz  (i684)  24.  —  groUgeist,  m.:  wie 
ihr  den  wol  bettet  sehen  können,  wen  euch  der  eiferige 
grol-geist  nicht  eingenommen  gehabt  Chr.  Hoburg 
apol.  prätoriana  (1653)  39.  —  grollhaft,  adj.:  den 
strengen,  grollhaften  fürstenfeind,  Odoardo  Herder  17, 
186  S.;  vereinzelte  bildung.  —  gr ollheit,  /.;  dan  straaf 
und  regiment  will  der  krieg  haben,  aber  doch  ohne 
grolheit  und  tyranney  W.  Uilich  kriegsbuch  124,  wohl 
im  sinne  von  groll  II  2  a. 

GROLLIG,  adj.,  odiosus,  invisus,  exosus,  infensus 
Stieler  707;  grollicht  amarus,  iracundus  Steinbagh 
1,  645;  viel  zorniger,  ungeberdiger,  verbitterter,  grolliger 
.  .  hertzen  Mathesius  Syrach  2,  15 *j  die  schreckliche 
straf  aller  grollichter,  zornheltiger,  unversöhnlicher, 
rachgieriger  menschen  Artomedes  christl.  auslegg  (i609) 
1,  786;  in  neuerer  zeit  gewöhnlich  mit  etwas  speciellerer 
bedeutung  im  sinne  von  groll  II  3  d :  der  grollige  hass 
dörrt  die  letzten  borne  des  genius  aus  A.  Rüge  briefiv. 
u.  tageb.  2,  197;  diese  Schwerfälligkeit,  die  oft  in  mürri- 
sche stummheit  und  grolligen  trübsinn  ausartet  E.  M. 
Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  4, 112;  wiewohl  .  .  . 
Koch  aber  einen  solchen  widerwitz  gegen  Hackert  .  . 
hat,  dasz  er  auch  über  Goethe  ungereimt  und  grollig 
redet  B.  G.  Niebuhr  bei  Dora  Hensler  lebensnaeh- 
richten  über  B.  G.  Niebuhr  2,  263;  ich  finde  mich  hier 
mit  einem  hämischen  und  grolligen  litterarischen  an- 
griff begrüszt  ebd.  3,  54;  blosz  gegen  mich  ist  sie  immer 
kurz  und  manchmal  grollig  Frenssen  Jörn  Uhl  328; 
nach  den  belegen  deutlich  ein  wesentlich  nordd.  wort;  die 
maa.  kennen  es  noch  heute:  jruliY  erzürnt  Hertel  Thür.. 
110;  grollsch  voll  groll  ^kisgubikk  i,  2h5;  seltene  seilen- 
bildung:  so  bistu  .  .  mit  hass  grollechtig  Caspar  Hedio 
chron.  germ.  309". 

GROLLKOPF,  m.:  wer  .  .  ein  starr-  oder  grollkopf 
.  .  gewesen,  der  stehe  davon  ab  A.  Taurer  buszrufer 
(1596)  Y  3^;  was  tauget  deine  hadersucht,  du  neidiger 
grollkopf?   Otho.  —   grollschaft,  /..-   iracundiu    un- 


441 


GROLLSINNIG  -  GROLZEN 


GRÖLZICHT,  GROMANN 


442 


wirse,  grimgrösse,  zürnung,  grollschafft  Schöpfer  synon. 
b6°.  —  grollsinnig,  adj.:  einem  Soldaten,  welcher 
.  .  grollsinnig  einherschleicht,  dem  will  man  befehlen, 
beym  plündern  menschlich  zu  seyn?  Laukhard  leben 
u.  Schicks.  3,  201.  —  grollsucht,/.,  'die  neigung,  heim- 
liche feindschaft  zu  unterhalten'  Kinderling  reinigk.  d. 
dtsch.  spr.  397;  die  hämische  grollsucht  befriedigen  My- 
Lius  Peregr.  Pikle  3,  138  nach  Kinderling  a.  a.  o.  — 
grollsüchtig,  adj.:  der  grollsüchtige  miszmuth  ehd. 
—  grollteuf el,  m.:  drumb  sihe  zu,  lieber  Christ,  dasz 
du  .  .  dein  hertz  .  .  für  dem  grollteuffel  .  .  bewarest 
Artomedes  Christi,  ausleg.  (1609)  l,  352.  —  grollzorn, 
m.:  der  zorn  ist  von  dreyerley  art,  als:  der  jachzorn, 
der  grollzorn,  der  dollzorn  Schottel  ethica  233.  — 
grollzornigkeit,  /.:  dieses  bittere  hertz  und  groll- 
zornigkeit  meinet  Sirach  ebd.  234. 

GRÖLPSEN,  vb.,  aufstoszen,  aus  gründen  der  schall- 
nachahmung  umgebildet  aus  grölzen  (s.  d.):  grölpsen 
ructare  Diefenbach  502 '';  der  ander  grölbetzen  (thut) 
GüARiNONius  greuel  d.  Verwüstung  490;  am  uberstössen 
oder  grölbetzen  879;  vgl.  grölpezen  Schöpf  tirol.  215; 
grölpaz'n  Castelli  ma.  in  Österr.  153;  dazu  substan- 
tivisch grellpitzer  ructus  sp.  105. 

GRÖLZ,  m.  i)  ein  aufstoszen:  grölz  ructus  Diefen- 
bach 502";  Henisch  1749;  grolz  Veneroni  icb.  (1766)  78; 
grulz  Schottel  haubtspr.  283;  wann  einer  . .  nach  dem 
anfang  der  krankheit  einen  sauren  grölz  thut  Colerus 
hausapothek  141;  gelegentlich  auch  schtvach:  liesz  mit 
fleisz  einen  grültzen  Zinkgref  apophthegm.  i,  251.  2)  cre- 
pitus  ventria: 

manchem  entfehrt  ein  groltz  im  schlauch, 
der  spricht,  es  grini  in  in  dem  bauch 

Eyering  proverb.  1,  607 ; 

vgl.  grölzen  3  schlusz.  3)  possen:  ein  grober  groltz,  von 
einem  bawren-knecht  einer  gütten  frommen  diernen  ge- 
than  Lindkner  katzipori  138  lit.  ver.;  ein  unerhörter 
groJz  ebd.  lOO;  vgl.  groll  5. 

GROLZEN,  GRÖLZEN,  vb.,  auch  grülzen,  ableitung 
von  grollen  (grollen,  grüllen),  *.  Wilmanns  2,  109. 

1)  am  häufigsten  im  sinne  ructare;  vtdgäres  wort:  'ist 
noch  niedriger  als  rülpsen'  Heynatz  antibarb.  2,  77; 
heute  wesentlich  aufobd.  maa.  beschränkt {grölzenFiscHER 
Schwab.  3,848;  grülzen  Birlinger  schwäb.-augsb.  206°^; 
grölzen,  grölzen  Schmeller  l,  994;  grollezn  Lexer 
kämt.  124;  grölletzen  üngerKhull  808^)  und  auch  da 
anscheinend  von  andern  bezeichnungen  zurückgedrängt; 
in  älterer  spräche  aber  auch  auf  nordd.  boden  verbreitet; 
die  umgelauteten  formen  haben  die  vorhand:  gröltzen 
ructare  Diefenbach  502'';  grölzen  Henisch  1749;  gröl- 
tzen rottare  HuLSius  (1618)  2,342'*,  aber  ein  gröltzen  rotto 
ebd.  2,  342  •>;  gröltzen  nomencl.  Hamb.  (1634)  66;  kröltzen 
Harsdörfer  poet.  trichter  2, 144;  grültzen,  gröltzen  Kra 
iA}s.Kteutsch-ital.  1,  bli";  grolsen,  grölsen;  grülsen,  grül- 
zen Frisch  (i74l)  375'^; 

dieweil  mein  voller  narr  da  schießt,         , 
gröltzet  und  farlzet  wie  ein  schwein 

H.  Sachs  9,97  Ä'.; 

vgl.  5,  168,  6;  7,  133,  12;  17,  282,  26;  19,  133,  12  u.  ö.;  mit 
grölzen  17,  375,  23;  dünstet  wie  ein  badofen  und  gröltzet 
wie  ein  bawer  Mathesius  Syrach  (l586)  2,  44*; 

kein  gröltzen  bschleusz  in  deinem  mundt 

Scheit  Grob.  v.  339  u.  ö. ; 

in  ScHEiu-'FERS  Grob,  grültzen  nach  Drechsler  124;  da- 
für fisten,  farzen,  grölzen  sie  überschwenglich  G.  Regis 
Rabelais  1,  711;  schwächer:  sich  räuspern:  der  todten-pre- 
diger  .  .  riebe  die  bände  und  grülzete  mit  dem  halse,  als 
ob  er  gleich  sich  .  .  verantworten  wolte  Lindenborn 
Biogenes  i,  363;  mit  object:  das  sie  das  maul  zu  weit 
auffgethan  und  sehr  grobe  grumpen  herausz  gegröltzet 
quäcker  quackelei  (1663)  104;  unpersönl.:  es  grolzet  ihm 
auf  EsTOR  der  Teutschen  rechtsgeluhrtheit  3, 1410;  vgl.  die 
rettiche  grolsen  einem  immer  auf  Frisch  notiv.  dict. 
272;  s.  auch  krülzen  th.  5,  2438. 

2)  aber  noch  in  neuerer  ma.  auch  allgemeiner:  steir.  = 
grollen,  also  'brüllen,  grunzen.heulen' l]ifGER-KHVt.i.S08^ ; 


viel  rennt  den  nach  und  zruck,  dö  andern  fiirö,  wo's  gröl- 

lätzt 
Stelzhamer  ausgeiv.  dicht.  3, 115; 

das  gröltzen  der  säw  Hulsius  (1618)  2,  184»;  es  war  eine 
tausendgliedrige  masse,  grölzend,  brüllend,  wiehernd 
(beim  carneval)  J.  Mosen  7,  28;  flachs,  demselben  eine 
stimme  abzunöthen  oder  grölzend  zu  machen  Wiegleb 
zauberlex.  (1784)  703;  drauf  vernahm  ich  eine  heisere 
grölzende  stimme  MusÄus  Volksmärchen  2,  103;  eine 
grölzende,  misztönende  stimme  quelle  von  1808  bei 
Unger-Khull308'';  bildlich:  dagegen  grunzte  und  grölzte 
die  dicke  mystik  in  einer  art  von  strohbasz  Immer- 
mann 1,  100  Hempel;  aber  auch  ohne  tadel:  wo  er  {der 
fink)  noch  lange  auf  dem  apfelbaum  vor  dem  hause 
grölzte  J.  Mosen  8, 222;  grölzen  für  das  worgen  beim  auer- 
ÄaÄ7i  Wurm  auerwild  (iSSSi)  12;  vgl.  krollen,  krolzen  th.5, 
2353. 

3)  spedell  vom  knurrenden  magen:  wann  einem  der 
magen  vor  hunger  gröltzet  Hulsius  (I6I8)  2,  62*;  der 
bauch  gröltzet,  gorgelt,  murret  ihm  Kramer  teutsch- 
ital.  1,  60'';  in  verschiedentlich  übertragenem  sinne:  'be- 
gierig sein  nach' :  nach  diesem  allem  grolzet  den  bau- 
ren  .  .  der  bauch  ser,  weren  auch  geren  edel  gewest 
quellen  z.  gesch.  d.  bauer7ikriegs  254  Baumann;  dass  er 
(der  reiche  bauer)  über  stand  und  verstand  hat  wollen 
angesehen  seyn  und  ihm  der  bauch  nach  einem  edel- 
mann  gegrolzet  habe  Fischer  schwäb.  3,  849  (quelle  v. 
1667);  anders,  im  sinne  'wurmen,  grimm.en' : 

es  geht  mir  aber  gar  schwer  ein, 

dann  es  gröltzt  mir  noch  in  meim  bauch 

Ayrer  dr.  1, 173  lit.  ver. ; 

vgl.  grollen  3  c;  noch  anders  (im,  sinne  unartiger  ableh- 
nungf):  wenn  man  den  bauern  bittet,  grölzt  ihm  der 
bauch  teutsche  sprichw.  (1790)  60,  em  altes  Sprichwort; 
vgl. : 

der  bauch  wurd  in  da  grölzen, 

als  seit  man  bawem  bitt 

histor.  volksl.  3,  473  Liliencron; 

mundartlich  Jieiszt  grölletzen  auch  pedere  Unger-Khull 
808^. 

4)  im  sinne  von  grollen  1  a  'murren';  selten:  (die 
bauern)  tetten  sich  aus,  sy  woltn  nicht  huldigen,  sun- 
der sy  wollen  sy  wern,  und  grolotzn  und  sprachen,  die 
herrn  warn  lassig  und  sawmig  J.  Unrest  chron.  austriac. 
bei  D.  S.  F.  Hahn  coli.  mon.  vet.  et  rec.  dipl.  I  (1724),  675; 
die  graen  punter  .  .  marren  und  gröltzen,  als  solt  der 
fridt  prochen  sein  Scheurl  briefb.  2, 163;  mit  l  vermengt : 
acht  aber  gar  nichts,  was  die  ketzer  hie  entgegen 
röltzen  und  gröltzen  Fr.  Staphylus  vom  letzten  abfall 
(1565)  28*.  dazu  grölzer,  m.:  l)  ructus  gröltzer  Die- 
fenbach 502";  grültzer,  gröltzer  Kramer  teutschital.  l, 
571«; 

so  trincks  gar  ausz,  thu  darzu  kreisten, 
ein  gröltzer  drauff  zimbt  dir  zum  meisten 

H.  Sachs  17,  418  Ä'.-G.,- 

liesz  er  ein  gröltzer  über  den  andern  gehn  Linden  er 
katzipori  130  lit.  ver.;  wollen  etwan  dir  die  kopper,  gröl- 
zer und  dergleichen  magentriller  aufstossen  Tölpel 
baurenmoral  (1752)  15.  2)  ructator  Stieler  707;  grölzerinn 
ructatrix  ebd.    3)  Schreihals: 

da  was  manch  vaiger  gralczer 
und  upiglicher,  graber  knaur! 

M.  Beheim  buch  v.  d.  Wienern  242; 

vgl.  grölzen  2.  —  grölzicht,  adj.,  ructitans,  ructando 
ejidens,  eructans  Stieler  707;  grültzicht  rottoso  Kra- 
mer teutsch-ital.  1,  571";  grolzichte  speisen  Schrader 
dtsch.-frz.  wb.  1,  575. 

GROMANN,  GROMEN,  GRAMAN  u.  ä.,  m.,  =  grau- 
mann, als  bezeichnung  von  pferden;  enttveder  im  eigent- 
lichen sinn  für  graue  pferde  (dann  auch  als  eigenname): 
von  den  färben  har  werdend  inen  .  .  etlich  nammen 
gegäben,  als  rapp,  schimmel,  blasz,  grommen  Forer 
Oesners  thierb.  132''; 

zwo  her  an,  gromann  und  pleszlein 

j'astnaehtsp.  l,  248,  2  Keller; 


443 


GROME  —  GRONEN 


GRONERISCH  -  GRONNE(N) 


444 


so  seye  im  sein  guter  graman  von  einem  wolff  gefressen 
Frey  gartengeaellsch.  42,  32  Bolie;  gern  als  demin.:  {wir 
bitien)  ir  wollet  eur  grommelin  .  .  leyhen  privatbr.  d. 
mittelalt.  1,  238  Steinhausen;  brüder,  nemen  das  pfert, 
das  gromenlin  Pauli  schimpf  u.  ernst  83  lit.  ver.;  seh  da 
meinen  plassen mein  lerehle ,  mein  gromel  Fi- 
schart geschichtklitt.  206  ndr. ;  oder  als  gattungsbegriff  für 
'pferd'  überhaupt;  dann  gewöhnlich  mit  der  besonderen 
note  'alter,  schlechter  gauV :  da  begegnet  in  ein  alter 
graman  auff  ein  dürre  weyd  gespannen  Seb.  Franck 
sprichw.  (1541)  2,  29*;  graman,  du  vil  dürrer  gaul  über- 
schr.  eines  geistl.  liedes  bei  Hoffm.  v.  Fallersleben 
gesch.  d.  dtsch.  kirchenlieds^  885;  bei  H.  Sachs  in  der 
eigenartigen  form: 

gar  oöt  mir  auch  ein  gramina  stirbt 

9,  14  A'. , 

auch  als  fem.:  der  jud  mit  der  geschunden  grama 
Überschrift  eines  schwankes  9,  494,  im  innerii  des  schwan- 
kes freilich  masc;  von  dieser  Sonderbedeutung  aus  will 
verstanden  sein:  welcher  vier  pferd  hat,  ausz  welchen  das 
eine,  ein  grömlein,  was  daz  schwechst  Höniger  v.  Tau- 
berkönigshopen  narrensch.  (1574)  90^;  sprichivörtlich : 
hclfl',  was  helfFen  mög,  groman  will  nit  alle  zeit  ziehen, 
wann  wir   sterben   sollen    Frey  gartengesellsch.    78,  29 

Bolte; 

sie  gaben  yn  der  hopfen  stangen, 
dasz  sie  noch  wyter  gerten  fliehen, 
ir  graman  der  wolt  nymmer  ziehen 

histor.  iiollsl.  2,  61-8  Lüiencron  ; 

also  kent  grisz  den  gromen  wol 

im  sinne:  ein  schelm  versteht  den  andern 

Murner  narrenbeschw.  19, 107  u.  anm.  ndr. ; 

das  Sprichwort  steht  unter  dem  einflusz  eines  andern: 
grisz  schlecht  nach  gramen,  s.  griesen  sp.  266. 

GROME,  m.,  hode,  vom  14. — n.jh.  nur  obd.  nachzu- 
weisen; verwandt  ist  mnl.  grom  eingeiceide,  besonders 
von  fischen  Verwms-Verdam  2,  2165,  ebenso  fries.  Dijk- 
STRA  1,  479*;  vgl.  Fi  CK*  3, 142;  heute  nur  noch  nachlebend 
in  dem  verb.  grumme»  schweine  schneiden  Staub-Tobler 
2,735;  aucJi  in  den  ältesten  belegen  von  thieren:  des  pokhes 
gromen  Schmeller  i,  995  (li.jh.);  die  gromen  des  bibers 
ViNTLER  1284, 1290 ;  deszgleichen  thue  am  glincken  gromen 
(des  Pferdes)  Seuter  roszarznei  (1599)  74;  die  gromen 
oder  hoden  desz  mannes  Thurneisser  erdgeioächse  118*'; 
haben  sie  dem  bischoff  ain  hiltzin  spindel  durch  beid 
gromen  gestochen  städtechron.  23,  19;  der  mit  eim  grü- 
men  allein  geboren  oder  einen  verloren  hat  Fronsperger 
kriegsb.  3,  283'';  bei  Wirsung  gelegentlich  auch  von  den 
eierstöcken  des  weibes,  s.  Fischer  schicäb.  3,  849  hiebst 
weiteren  belegen;  demin.  grömlein  Schmeller  1,995; 
frau  Lucretia  N.  verlobt  sich  mit  zwey  wächsenen 
grämblein  wegen  ihres  söhnleins  ebd.  (quelle  v.  1697); 
vgl.  gremlein  sp.  105;  collect,  gremlach,  s.  sp.  105;  com- 
posita:  gr omenbalg,  m,.,  haut  des  hodensacks  Wirsung 
arzneib.  251;    gr  omensack,    m.,   hodensack   ebd.  305^. 

GROMMELN,  GROMMEN,  s.  grummeln,  grummen. 

GRONEN,  vb.,  ein,  wie  es  scheint,  auf  das  bair.,  das 
angrenzende  schwäb.  und  gewisse  fränk.  maa.  beschränktes 
wort;  'murren,  brummen,  knurren,  grunzen,  .  .  .  seinen 
Unwillen  durch  andauernd  verdrieszliche  m,ienen  u.  worte 
zu  erkennen  geben'  Schmeller  l,  lOOO;  'stille  jammern' 
Fischer  schwäb.  3,  849  (fränk.);  'murren,  klagen,  grollen' 
u.  ä.  Sartorius  Würzburg.  50;  'etwas  iveniger  als  grei- 
nen .  .  sich  beklagen'  v.  Klein  i,  165  (Ansbach); 

(sie)  vertritt  mir  in  meim  hausz  ein  hund 
mit  irem  gronen,  belln  und  marren 

H.  Sachs  21, 188  K.-G.; 

mein  alte  schaf-schelln, 
die  nichts  kan  denn  gronen  und  pelln  17,  66; 

vgl.   17,  144,  25;   22,  454,  6  u.  Ö.; 

was  thustu  nach  deim  alten  fragn? 
sein  gronen  lasz  dich  nichts  erschreckn  I 

Ayrer  dr.  4,  2503  lit.  ver.  ,- 
so  bis  in  die  moderne  ma.: 

er  aber  zürnt  und  gront  und  streift 

Karl  Stieler  ged.  3,  36  Recl.  und  som-t  oft; 


j  im  vergleich:  wie  die  sew  gronen  wir  in  der  miathül 
j  Seb.  Franck  tninkenh.  (l53l)  e  3'';  dagegen  mit  der 
[  fränkischen  spielart  der  bedeutung: 

\  welcher  mann  vil  kleiner  kinder  hat  .  . 

;  und  etlichs  kind  vor  hunger  gront 

'  eins  freyharts  predig  (Frankf.  1563)  L  4 1' ; 

•    die  länge  des  0  icird  auch  für  die  ältere  spräche   schon 
;    durch  reime  sichergestellt:  gronen  :  verschonen  H.  Sachs 
i   2,  128,  19;  20,  128,  no  K.-G.;  :  wohnen  Ayrer  dr.  2,  1305,  27 
i    lit.  ver.;  gront  :  gewont   ScHWARZENBERfi    Cicero  (i535j 
103''';  daher  die  Schreibung:   ich  flehnet,    ich  stampffet, 
ich  krohnet.     hilfft  alls   ninx  Schw^abe  tintenf.  2;   da- 
neben aber  auch  eine  form  mit  kürze:    die   gute    wittib 
legt  dieser  bereits  gronnenden,  greinenden,  grimmenden 
Urschel   mehrmal   auf,    sie  solt  .  .  Abr.  a  St.  Clara 
Judas  2  (1699),  10;  sein  zanckendes,  gronnendes  .  .  weib 
etiv.  f.  alle  2,  443 ;  Zusammenhang  mit  grannen  (*.  d.)  ist 
sicher ;  vielleicht  ist  gronen  nur  die  gelängte  mundartl.  form 
von  grannen  (nach  Schmeller  1,  1000  reimt  H.  Sachs 
auch  granen  :  unterthanen ;  adj.  granat  statt  des  getcöhn- 
lichen  gronet  =  gronicht  ders.  4,  36,  28  K.;  noch  Hüfer 
:    verzeichnet   nebeneinander:   granen,    gronen   murren   une 
ein  zorniger  mensch  oder  hund,   österr.  wb.  1,  313);    oder 
\    ablautbildung !'     vgl.  grunnin   von   übler   laune,   erzürnt 
'    sein  Lexer  kämt.  125  mit  reicher  vertvandtschaft.    dazu 
I    groner,    m.:    gronner    'ein  feindseligem;    über  alles  kla- 
\   gender,  stets  tadelnder  mensch'  Westenriede«  219; 

so  wil  ich  gon 
und  dem  alten  groner  aufton 

II.  Sachs  23,93  A'.-o'., 

;  grunner  Lexer  kämt.  125.  —  gronerisch,  adj.,  mür- 
I  risch,  übler  laune  Schmeller  l,  1000;  gibts  in  dem- 
j  selben  land  lauter  gronerische,  greinerische  haderkatzen? 
i  Abr.  a  St.  Clara  Judas  l,  270.  —  gronicht,  adj., 
m,ürrisch: 

ach,  wer  hat  uns  nur  thun  versagen 
bev  meim  groneten  eyfrendn  alten? 

H.  Sachs  17,  189  K.-G. . 

gronet  und  gremisch,  die  alzeit  sorgen      4,  15,  15; 
seltener  mit  anderem  suffix: 

eygensinnig,  gronisch  und  grentisch  9,  293,  8. 

—  gronickel  (d.  i.  gron-nickel),  m.,  =  groner  Westen- 
rieder   219;    Schmeller   1,  1000;    der   gronigl   gedieht- 
überschr.  bei  K.  Stieler  ged.  3,  36  Eecl. 
GRÖNING,  *.  grüning. 
GRÖNITZ,  *.  grünitz. 

GRÖNLAND,  einige  ableitungen  zeigen  appellativen  ge- 
brauch :  grönlandfahrer.OT.,  l)  walfischfänger  Hoyer- 
Kreuter  1,  312;    'die  compagnie  derer  kaufleute,   welche 
jährlich  eine  anzahl  schiffe  .  .  auf  den  walfischfang  aus 
\    rüsten'  allg.  haush.  lex.  i,  623;  da  man  nicht  mehr  un- 
i    bedingt   den  erzählungen   der  grönlandfahrer  und  sibi- 
I    rischen  fuchsjäger  traut  Humboldt  kosmos  1,  204;  bild- 
\    lieh :  er  selber  war  nur  der  musikalische  hollandgänger 
i    und  grönlandfahrer  bei  fürsten  Jean  Paul  komet  1,  C8. 
i    2)  schiff  für   arktische  fahrten,    besonders   zu  fischerei- 
i    zwecken   Hoyer-Kreuter  a.  a.  0.;   man  hat  zwar  ein- 
i    zelne  beispiele  von  sogenannten  grönlandfahrern,  oder 
I    schiffen,   die   auf  den  wallfischfang  gegangen  sind   G. 
■    Forster  4,  125;   es   blieben  .  .  .  zwölf  grönlandsfahrer 
i   im  eise  sitzen  Muspratt  chemie  5,  577.  —  grönland- 
I    schiff,  n.  =  grönlandfahrer  2  Fontane  vor  d.  stürm 
I,  53.  —  grönlandwal,  m.,balaena  mysticetus  Brehm 
thierl.  8,594  Pechuel- Lösche.    —    grönländisch,  adj.: 
dasz   das    sogenannte    grünländische    eis    drei    gantzer 
monaten  lang  um  diesen  berg  schwimmen  solte  Er.  Fran- 
cisci  well  d.  ewigkeit  282,  also  im  sinne  von  packeis;  in 
neuerer  spräche  öfter  bildlich:  ich  lebe  noch  immerfort 
.  .  mein  einsames  grönländisches  leben  Bürger  br.  2, 
260  Str.;  wenn  ich  dann  im  pelz  und  grönländisch  ge- 
stiefelt sitze  Fr.  L.  Jahn  hr.  176  W.  Meyer. 

GRONNE(N),  m.,  'ein  zeichen  der  hirschfährte  als:  ein 
kleines  hügelchen,  welches  der  hirsch  in  gutem  boden  .  . 
macht,  worin  schale  und  ballen  zusammenstoszen'  Behlen 
3,  502;   heysset  der  gronne  oder  der  brugstall   (l.  bürg- 


440 


GRONSEN  -  GROPPEN 


iGROPPEN  —  GRÖPSEN 


446 


stall,  s.  d.)  Sebiz  feldbau  573;  vgl.  Heppe  wohlredender 
Jäger  31  *". 

GRONSEN,  »i.;  (der  schiffmann)  rufft  derwegen  vom 
hindern  theil  oder  gronsen  des  schifFes  oben  herab 
widernmb  also  christl.  ueish.  lustg.  593;  vgl.  grans,  gren- 
sei,  xcas  freilich  'vordertheiV  bedeutet. 

GROPP,  GROPPE,  m..  ein  kleiner  fisch,  cottus  gobio; 
eine  obd.,  zumal  alevi.  bezeichnung;  auch  dem  nd.  an- 
■"tcheinend  nicht  ganz  fremd,  vgl.  Schiller -Lübben  2, 
162'';  grob,  gründling  gobius  Veneroni  üb.  78;  groppe, 
fem.  Frischbier  l,  255;  auch  im  Schweiz,  theilweise  fem. 
Staub-Tobler  2,  788;  altes  tcort:  ahd.  gioppo  gobio  Die- 
FENBACH  270''  s.  v.  gubca;  nach  IIolthausen  zu  grob 
icie  rappe  zu  rabe,  Wörter  und  Sachen  2,  2il;  in  älteren 
glossaren  häufig  als  allota  Diefenbach  24"=;  nov.  gl.  16''; 
capito  gloss.  97";  carabtis  99'';  gobio  capitaius  GOLius 
onom.  (1582)  ZW) f.;  cotttis,  gobius  fiuviatilis  gropp,  gropt 
Bas.  Faber  ihes.  1024";  vereinzelt  gröppe  Montanus 
schwankb.  643  lif.  ver.  ,•  häufiger  grupp,  gruppe,  nament- 
lich Schwab.,  s.  Fischer  8,  850 ;  ain  mass  gruppen  städte- 
chron.  23,  328  (Äugsb.);  grupp  Aler  dict.  1,  991'';  gelegent- 
lich hyperhochdeutsch :  etliche  gropfen  oder  kaulhaupt 
fischbüchlein  62;  allerley  fisch  .  .  äschen,  groppen,  grund- 
len  See.  Münster  cosm.  402;  welschgropp  im  Rodan, 
groEz  groppen  zu  Preszburg,  schwartzgropp  in  der  Lind- 
magd {d.  i.  Limmat)  Fischakt  pract.  groszm.  (i607)  h  3*; 
öfter  geringschätzig:  was  meinend  ir,  das  gott  daran 
lig:  ir  ersättigind  üweren  hunger  mit  kalbfleisch  oder 
mit  groppen?  Zwingli  dtsche  sehr,  l,  316;  du  solt  ausz 
eim  nasenfenger  ein  hasenfenger  werden,  wan  es  schon 
groppen  weren  Fischart  geschichtklitt.  237  ndr.;  vgl. 
Fischer  schwäb.  a.  a.  o.;  auch  scheltend  von  menschen: 
warumb  lestern  ihr  groppen  und  codroltzen  dann  mich 
von  unwissenden  ärzten  Paracelsus  op.  (1616)  i.  143^' 
{anscheinend  im  Wortspiel  mit  grob  Fla  'dumm');  als 
fcheltname  für  kleine  kinder,  überhaupt  kleine  menschen 
noch  heute  im  alem.,  Staub-Tobler  2,  789;  vgl.  auch: 
so  hast  du  mir  den  hunds  groppen  her  gefüret  {cani- 
num  hunc  capitotiem)  auf  Äsop  bezüglich  Steinhöwel 
Äsop  47  lit.  ver.;  vgl.  kopp  th.  5,  1782;  ruppe  th.  8,  1533; 
kaulhaupt,  -köpf,  -quappe  th.  5,  361/.  —  dazu  gropp- 
brett:  (der  weg  soll  so  breit  sein)  das  zwen  (fischer) 
Hebend  einandren  mit  einem  gropbrett  dann  gan  mö- 
gent  weisth.  5,  95.  —  groppeneisen,  inatrument  z.  fang 
der  groppen  Brehm  thierlebai  8,  129  Pechuel- Lösche.  — 
groppfisch,  =  gropp  Campe.  —  groppenleber,  in 
inedici7iischer  Verwendung  Wirsung  arzneib.  562''. 

GROPPE,  /.,  eindeutschung  von  frz.  Croupe:  groppe 
eines  pferdes  oder  andern  thieres  Krönitz  20,  112;  also 
dasz  kopff  und  halsz  auff  der  lincken  selten,  die  groppe 
aber  auff  der  rechten  selten  (der  traversierten  linea)  in- 
cliniret  stünden  G.  v.  Danap  beschr.  eines  tcolabgericht. 
Pferdes  (1624)  16. 

GROPPEN,  m.,  metallener,  und  zwar  gewöhnlich  eiser- 
ner topf,  kessel,  tiegel,  eine  wesentlich  nd.  bezeichnung 
(mid.  grope,  mnd.  grope)  heute  gewöhnlich  grapen: 

kessel,  grapen,  schusseln,  teuer 

Voss  90,  63  Sauer; 

vgl.  schon  grape  lebes  Diefenbach  nov.  gl.  230'';  cucuma 
ein  eysern  grape  nomencl.  (Hamburg  1634)  390 ;  der  aus- 
druck  greift  aber  zumindest  im  hess.  auch  aufs  md.  über, 
s.  ViLMAR  138;  Creceliüs  1,  437;  in  älteren  glossaren 
sehr  häufig:  cabus  crop,  gropp  Diefenbach  86*;  lebes 
groppe  321'=;  cocula  eyn  erne  grope  nov.  gl.  98'';  olla 
pot ,  top ,  saxonice  grope  271 ' ;  palas  (i.  e.  patellas)  de- 
ghele,  potte,  gropen  276»;  suffusorium  854''  (durchweg  nd. 
quellen);  lebes.  aeneus  tripus.  ein  gropp  Alberus  dict. 
95'»;  bei  C.\LEPiNUS  kaum,  bodenwüchsig :  ein  grab,  vd\)ir(, 
genus  vasis.  quo  aqua  manibus  datur,  sept.  ling.  (l73l)  1, 
79  » ;  seit  dem  spätmhd.  nachiveisbar :  coppir,  gropen  zu  gyssen 
Marienb.  treslerbuch  140  Joachim;  Jerusalem  were  ein 
gropen,  daran  das  fett  ...  so  tielT  angebrand  were 
Luther  so,  666  W.;  in  seiner  hausrechnung  schreibt  er 
groppen  zs.  für  hist.  tfieol.  1846,  412;  sprichwörtlich:  zu- 
bricht der  mann  gropen,   so   zubricht   das  weib  kriege 


Henisch  1760;  fem.:  eyne  gropen  \acc.),  da  man  eyn 
hun  inne  sieden  kan  dtsche  stadtrechte  d.  ma.  173  Oengler 
(quelle  v.  1473);  demin.  groppelin  Berth.  v.  Holle  De- 
mantin  7284;  gelegentlich  auch  mit  anlautendem,  k,  s.  th.  5, 
2405;  etymologie  unsicher;  zu  ahd.  griubo  röstpfanne? 
vgl.  FiCK*3,  146.  dazu  gropp(n)er,  topf  er:  figulus 
groper,  gropper  Diefenbach  234'';  ceramius  eyn  groper 
nov.  gl.  86'';  lutifigulus  groper  173'',  groppener^io«».  340^^; 
groppenbraten  Gutzeit288''  s.v.  fleischgeld;  -deckel 
Diefenbach  86''  s.  v.  cacabus;  -gieszer:  lebifusor  gro- 
pengheter  Diefenbach  nov.  gl.  2ZQ^;  groppen  gisser  ilfa- 
rienb.  treslerbuch  378  Joachim;  auch  in  allgemeinerem 
sinne:  erarius  gropengyszer  vel  glockensmyt  Diefen- 
bach £07'';  'eisengieszer'  Schütze  holst.  2,  62;  -mach er 
lutifigulus  Diefenbach  nov.  gl.  242^ 

•GROPPEN,  vb.,  greifen,  tasten:  wan  sie  vol  weins 
seind,  so  sie  gon  an  den  wenden  groppen  Keisersberg 
evang.  (1617)  131";  (in  der  dunklen  kammer)  gropet  er 
so  lang,  bisz  er  die  milch  fand  Wickram  3,  83  lit.  ver.; 
musz  man  .  .  .  nach  der  warheit,  wie  ein  blinder  an 
einer  wandt,  in  menschen  Satzungen  gropen  Nigrinus 
papist.  inquis.  (1589)  102;  grop  in  der  schussel  hin  und 
her  nach  dem  allerpesten  stuck  qu,elle  bei  Schneller 
1,  1007;  so  solle  man  gar  nicht  an  die  wunden  greiffen, 
noch  darin  groppen  Würtz  wundarznei  (1612)  24;  vgl. 
107;  aus  moderner  ma.:  bein  kellrinnan  umanand  grop- 
pen A.  Hartmann  volksschausp.  in  Bayern  829;  alem. 
mit  länge  gräpe»,  gropen  Staub-Tobler  2,  786;  seiten- 
bildung  zu  grappen,  s.  d. 

2GR0PPEN,  vb.,  groppen  fangen:  dass  gar  niemas 
hinfür  nachts  mit  liechtern  .  .  nit  solle  groppen  quelle 
V.  1520  bei  Staub-Tobler  2,  789;  in  der  zeit,  darinnen 
die  farchen  laichen  .  . ,  (soll)  das  groppen  gar  verbotten 
sein  LoRi  Lechrainm;  bildlich:  haben  vermaint, wollen 
vischen,  aber  habent,  deo  sint  laudes,  nur  groppet  Seb. 
BÜRSTER  schwed.  krieg  265;  auch  in  den  modernen  obd. 
maa.  noch  lebendig. 

•GROPPER,  m.,  für  verschiedene  vögel:  der  grosze 
gropper  trynga  subarquata,  ein  atrandvogel,  auch  lerchen- 
schnepfe  Oken  allg.  naturgesch.  7,  l,  499;  tringa  alpina 
Naumann  naturgesch.  d.  vögel  7,  426;  für  diese  abart 
hat  Oken  7,  l,  498  die  bezeichnung  gropperlein,  auch  bei 
Naumann  a.  a.  o.  gropperle;  gropper  bei  Oken  7,  i,  448 
auch  für  eine  entenart,  den  braunkopf.  anas  glaucion; 
hier  deutlich  zu  2 groppen. 

2GR0PPER,  m.:  dero  mauihner  .  .  von  amts  wegen 
.  .  .  salz-zwicker,  gropper,  welchen  auch  das  schmiern 
gebiert  .  .  und  andere  nothwendige  diener  .  .  aufnehmen 
LORl  baier.  bergrecht  368,  im  register  641»  gedeutet  als 
'arbeiter.  so  die  salzwägen  laden';  auch  'Spediteur' :  in 
Salzburg  sind  drey  bürgerliche  gropper,  wovon  einer 
die  Nürnberger,  einer  die  Tyroler  und  einer  die  Vil- 
lacher  waarenfrachten  .  .  zu  besorgen  hat  Schmeller 
1,  1007  mit  iceiteren  nachiveisen. 

GRÖPS,  «i..  =  griebs  sp.  254,  in  dieser  form  von  Oken 
als  kunstausdruck  für  pistillum.  den  Stempel,  in  die  bo- 
tanik  eingeführt,  allgem.  naturgesch.  2,  Uff-;  auch  in 
mancherlei  compositionen  wie  gröpsbalgs,  l,  21;  -blatt 
3,  1,  20;  -haut  3,  8,  1450;  -stiel  3,  3,  2042;  -schale  3,  3, 
2072 ;  vor  allem  als  terminologisches  dement  bei  der  glie- 
derung  seines  pfianzensystems :  gröpsblumen  8,  2,  838; 
-farren  3,  l,  308;  -gräser  3,  i,  436;  -moose  3,  1,  247 
u.  s.  w. 

GRÖPSEN,  vb.,  ructare:  die  ander  schell  der  säw 
narren  ist,  schandtliche  weiszen  und  gebärt  treiben, 
nemlich  gröpsen  Höniger  v.  Taubehkönigshofen  nar 
rensch.  (1574)  264'';  vgl.  grepsen  Follmann  lothr.  216 
gröpser  ructus  Ruckert  65;  im  bair.  längere  formen, 
die  bei  rüpsen  alte  parallelen  haben  (s.  th.  8,  1535):  grop 
pezen  Schmeller  i,  1007;  vgl.  1378;  greppetzen  Unger 
Khull  305'';  österr.  grepizen  Jon.  Heumann  opusc 
(1747)  696;  tirol.  gropfezn  Frommann  dtsche  maa.  5,  ui 
gröpsgen  Schöpf  215;  ebenso  in  älterer  spräche:  wo  nicht 
der  hellische  vater  .  .  zu  Rom  euch  dieselben  (sünden) 
aus  seinem   hellischen  wanst  .  .  .  heraus  bölckete  .  . 


447 


iGROS- GROSCHEN 


GROSCHEN 


448 


und  groppetzte  J.  Zanger  Jesu%vider  (1562)  Li";  er  {der 
Säufer)  gröpetzt  und  singt  solche  magendriller ,  dasz 
Abr.  a  St.  Clara  Judas  i,  224.  das  verb.  steht  neben 
seltenerem  groppen  (groppen  ructare  Henisgh  1750;  grop- 
per  ructator  Stieler  707;  gropp'n  Lexer  kämt.  124) 
vne  das  als  alt  zu  erweisende  röpsen  neben  seltenem  rop- 
pen  (s.  rüpsen);   Vermischung  von  röpsen  und  grölzen? 

iGROS,  n.,  ein  masz  von  12  dutzend,  lehnwort  aus 
dem  franz.,  xvo  seit  dem  16.  jh.  la  grosse  (sc.  douzaine) 
dieselbe  Bedeutung  hatte;  der  Wechsel  des  geschlechts  er- 
klärt  sich  durch  anlehnung  an  andere  zählmasze  icie 
dutzend,  schock;  die  e7itlehnung  dürfte  ins  späte  n.jh. 
fallen :  ein  grosz  knöpfe  un  grosso  (jnazzo  etc.)  di  bottoni 
Kramer  teutsch-ital.  i,  569*;  grosz  in  der  kauffmann- 
schaft  oder  in  waaren,  ist  so  viel  als  12  dutzend  Mar- 
PERGER  kauffm.  mag.  (1702)  557;  1200  grosz  (das  grosz  zu 
12  dutzend)  .  .  schuhblätter  Nicolai  reise  1,  253;  ein 
ganzes  grosz  grüne  brillen  Bode  dorfprediger  v.  Wakeßeld 
{iTil)  131 ;  heute  gewöhnlich  mit  kurzem  vocal,  früher  auch 
mit  länge:  von  Kramer  unter  das  adj.  grosz  eingereiht, 
noch  Adelung  schreibt  grosz.  das  wort  sclteint  im  18.  jh. 
gerade  auch  dem  nd.  handel  geeignet  zu  haben:  een  gross 
pipen  brem,.  wb.  2,  549;  'ndsächs.  ein  grösz  oder  grötchen' 
KrÜnitz  20, 127;  hier  wäre  mit  einer  entlehnung  über  das 
nl.  zu  rechnen,  vgl.  Kluge  etym.  ivb."^  i82. 

-GROS,  n.,  hauptmasse,  und  zwar  zunächst  des  heeres; 
als  militärisches  lehnwort  im  17.  jh.  dem  franz.  ent- 
nommen; nach  Kluge  etym.  wb.~  182  in  Stielers  zei- 
tungslust  (1695)  verzeichnet ;  grosz  der  arm6e  maior  pars 
exercitus  Apinus  gloss.  nov.  256;  vgl.  Frisch  l,  376«; 
schon  bei  Lohenstein  :  dem  Inguiomer  .  .  vertraute  er 
das  grosz  des  heeres  .  .  auf  den  kampfplatz  zu  stellen 
Armin.  1,34»;  das  mittlere  grosz  hatte  anderthalb  le- 
gionen  Römer  37"; 

wir  aber  schnitten  ihn  vom  gross  des  heeres  ab 

Besser  8chr.  1,  46  König  i 

das  gros  des  zuges  Mommsen  röm.  gesch.  3,  239;  im 
18.  jh.  auch  allgemeiner:  das  gros  der  leser  Wieland 
in:  br.  an  Merck  i,  249  Wagner;  hat  Pindar  nicht  schon 
längst  einen  unterschied  gemacht  zwischen  dem  gros 
seiner  ausleger  und  .  .  Herder  3,  446  S.;  gros  der  nation 
Schlözers  staatsanz.  (1783)  8,  258;  was  wir  'volk'  nennen, 
.  .  das  ist  nichts  weiter  als  das  gros  und  der  kern  der 
menschheit  Rosegger  II  2,  54;  das  gros  der  centrums- 
partei  Bennigsen  nationallib.  partei  157;  seltener  mit 
sächlichem  subject:  welches  ihn  verhindert,  sich  ins 
gros  der  weltgeschäffte  zu  mengen  Zinzendorf  be- 
denkest u.  besondere  sendschr.  1  (1734),  23  {geschrieben  1725) ; 
mit  dem  gros  der  effekten  Pückler  bildersaal  (1840)  2, 
118 ;  das  gros  der  waldbäume  Hoops  waldb.  u.  kulturpfl. 
63;  weitere  belege  bei  ScHVi^z  fremdiob.  1,  256;  heute  franz. 
ausgesprochen,  früher  vielfach  eingedeutscht  tmd  zum 
adj.  grosz  gezogen;  dafür  sprechen  neben  der  Orthogra- 
phie älterer  belege  besonders  fälle  wie:  das  grosse  der 
armee  il  grosso,  il  corpo  delV  arniata  Kramer  teutsch- 
ital.  1,  569»;  die  schwache  gutmüthigkeit  .  .,  die  doch 
das  höchste  ist,  wohin  bis  jetzt  das  grosse  der  mensch- 
heit hat  gebracht  werden  können  Pestalozzi  Lienh. 
(1790)  2,  294. 

GROSCHCHEN,  n.,  deminut.  zu  groschen: 

und  ohne  sünde  sich 

ein  gröschchen  zu  gewinnen 

H.  Democritus  d.  weit  im  argenl26; 

ein  gröschchen  für  ein  hier,  ein  halbes  gröschchen  nur 
für  einen  wödka  Ol.  Viebig  d.  schlaf,  heer  i,  173. 

GROSCHEL,  als  münzbezeichnung,  s.  gröschlein. 

GROSCHELN,  vb.:  groschlen,  aita  rfiaZecto  grielen,  est 
missilia  in  vulgus  spargere.  inde  groschel  raptura, 
groschelgelt  sive  grielgelt  pecuniae  in  vulgus  promiscue 
sparsae  Stiel  er  709;  vgl.  grielen  sp.  262. 

GROSCHEN,  m. 

1.  form. 

l)  das  wort  zeigt,  wie  nach  dem  grundwort,  mlat.  gros- 
8US,  zu  erwarten,  in  den  älteren  quellen  ss  oder  sz:  gros- 


sus  eyn  grosze,  en  grosse,  krosse  Diefenbach  270''; 
Thuronensis  grosz  602  <^;  2  schog  behmischer  grossen 
Marienb.  treslerb.  103,  23  .Joachim;  bair.  herrschen  im 
15.  jh.  formen  wie  zwen  gros,  sechs  grosz,  zwen  grosen 
ScHMELLER  1,  1014;  doch  in  Tüchers  baumeisterb.  fünf 
gross  101,  9  neben  fünf  grosch  112,  26;  in  den  fastnacht- 
spielen umb  ein  grossen  l,  369,  5  nebeii  grosch  208,  ij; 
265,  17  u.  ö.  im  Schwab,  dauert  die  sform  noch  länger; 
in  den  Augsb.  Chroniken  des  15.  jhs.  fast  allein  üblich, 
s.  Fischer  schioäb.  3,  851 ;  doch  grosch  stüdtechron.  5, 
112,  6;  aiich  im  anfang  des  16.  jhs.  noch  auftretend:  {der 
hafer  galt)  14  grosz  ain  schaff  städtechron.  23,  464,  13 ; 
vgl.  465,  19;  erst  in  Clem.  Senders  chronik  herrscht 
grosch:  l  schaff  koren  um  lO  grosch  ebd.  34,  23;  vgl.  81,  7; 
102,  15.  am  Zähesten  hält  das  alem.  an  der  echten  form 
fest:  belege  bis  ins  17.  jh.  bei  STAue-ToBLEii  2,  802;  ver- 
einzelt, aber  gewisz  nur  orthographisch,  auch  bei  Luthei«  : 
die  Pfennige  und  grossen  19,  77,  27  W.  aus  dieser  s-form 
vernieder  deutscht  sind  die  münzbezeichnungen  nd.  grot, 
engl,  groat. 

2)  das  bislang  unerklärte  seh  von  groschen  wird  aus 
der  böhm.  form  gros  herzuleiten  sein;  denn  der  böhmi- 
sehe  groschen  ist  das  Vorbild  des  deutschen  geworden 
{s.  u.  II  l),  tmd  im  böhm.  muszte  aus  lat.  grossus  laut- 
gesetzlich gros  entstehen;  daher  fast  alle  nachweise  für 
seh  aus  dem  14.  u.  15.  jh.  nach  Ostdeutschland  führen, 
s.  die  belege  unter  II  1 ;  vgl.  noch  das  siudtbuch  von  Fal- 
kenau  ed.  Rietsch,  das  s.  'd2ff.  nur  die  form  grosch(eii) 
kennt,  die  dem  böhm.  gros  entsprechende  kurzform  grosch 
ist  in  älterer  spräche  sehr  verbreitet:  grosch  regalis  Die- 
fenbach 490»;  grasch  grossus  270'»;  der  grosch  fast- 
nachtsp.  1,  208,  12;  ein  baierisch  grosch  Aventin  4,  402,  7; 
ein  behemischer  weisser  grosch  Mathesius  Sarepta 
176*';  auch  im  accus.:  den  verloren  grosch  Berth.  v. 
Chiemsee  teutsche  theol.  284;  im  stadtbuch  von  Falkenau 
heiszt  es  gewöhnlich  einen  groschen  35,  aber  das  macht 
VIII  grosch  34,  newn  grosch  36  u.  dgl.;  für  zwen  grosch 
fastnachtsp.  l,  265,  17  K.;  weitere  belege  s.  II  i,  4,  7.  die 
lexicographen  des  17.  jhs.  bevorzugen  die  kurzform,  so 
HuLSius  (1618)  2,  183*';  Orsäus  nomencl.  method.  (i623) 
147;  Zehner  nomencl.  (1645)  314;  Stieler  708  setzt  an 
grosch,  groschen ;  auch  im  18.  jh.  noch  grosch  bei  Kra- 
mer teutsch-ital.  1,567°;  Frisch  (1741)  i,  375  hat  nur 
grosch,  Weitenauer  orthogr.  lex.  (1764)  58  grosch,  gro- 
schen. bei  schioacher  flexion  des  sing,  sclieint  die  nom. 
form  grosche  nie  sonderlich  verbreitet  gewesen  zu  sein: 
grosche  grossus  Diefenbach  270'';  grösche  Luther, 
Henckel  s.  u.  3;  grosche  Zingken  allg.  öcon.  lex.  993; 
ein  verlorner  grosche  Zinzendorf  reden  in  Jiethel  ge- 
halten (l758)  55;  vereinzelt  noch  im  19.  jh.: 

der  grosche,  den  ich  aufgehäuft  für  mich 

Shakespeare  8,  78; 
doch  heute  auch  mundartlich:  groske  Bauer -Collitz 
146;  aber  seit  dem  iß.  jh.  auch  im  nom.  sing,  mit  stei- 
gender häufigkeit  groschen :  mein  groschen  ist  gefunden 
Fischart  geschichtklitt.  107  ndr.;  so  bei  Grypius  *.  II  5, 
Petri  II  7,  Ang.  Silesius  II  S;  seit  dem  is.jh.  bei  den 
lexicographen  vorherrschend:  groschen  Dentzler  2, 140''; 
Steinbach  i,  645;  Aler  dict.  (i727)  i,  984»;  Apinus 
gloss.  nov.  255. 

3)  gewisse  md.  gebiete  zeigen  seit  alters  umgelautete 
formen:  ein  grösche  Luther  33,  127,  10  W.;  die  grös- 
schen 18,  71,  i;  kein  grösche  Henckel  gewissens  tritt 
(l62i)  27;  'oZiV/i  groschen'  Stieler  708;  entsprechend  noch 
in  heutiger  ma.  jreschen  Hertel  Thür.  110;  Liesen- 
berg  147. 

II.  bedeutung  und  gebrauch. 

1)  in  Frankreich  ivurde  seit  der  münzreform  k.  Lud- 
wigs IX.  1266  zur  ausprägung  des  bisher  nur  als  rechen - 
werth  geltenden  solidus  {=  12  denarii)  eine  dickmünze,  der 
(denarius)  grossus  geschlagen,  nach  seiner  prägestelle  gros- 
sus Turonensis,  gros  Turnois,  genannt,  die  münze  fand 
schnell  auch  in  Deutschland  anklang,  der  name  begegnet 
als  turnos,  turneis,  tornusch  u.  ä.  bis  ins  le.jh.  Lexer  2, 
1586;  Diefenbach  602<=  s.  v.   Thuronensis;  aucJi  mit  ad- 


449 


GROSCHEN 


GROSCHEN 


450 


jectivierung  des  grossus:  ein  pfenningbrot  galt  3  grosze 
turnose  städtechron .  8,  53  (Closeners  Straszb.  ehr.);  von 
den  dreiszig  ailberlingen : 

ir  waerind  viere  also  gut 
als  nu  ain  grosser  turnei  tut 

Schweizer  Wernher  Marienh  Sl()6; 

im  j.  1300  liesz  Wenzel  II.  von  Böhmen  nach  franz.  Vor- 
bild in  Prag  silber^ie  dickmünzen  schlagen,  die  grossi 
Fragenses  (du  Gange  i,  117")  oder  böhmischen  groschen, 
die  sich  solcher  beliebfheit  erfreuten,  dasz  sie  bald  in  den 
nachbarländern,  später  in  ganz  Deutschland  {mit  aus- 
nähme der  küstengebiete)  nachgeprägt  wurden;  vgl.  KrO- 
MTZ  20,  116  jT".;  Halke  120 jf.  das  xcort  wurde  allmäh- 
lich zur  gangbarsten  münzbezeichnung  in  Deutschland; 
attributive  adjectiva  müssen  die  sehr  verschiedenen  m,ünz- 
sorten  schmden:  ein  guldener,  halb  guldener  groschen 
Fischer  schwäb.  3,  85l  {Uhn  1529);  wie  ein  armer  bergk- 
mann  .  .  bisz  in  hundert  tausent  gülden  groschen  .  .  . 
auszbeut  gehaben  Mathesius  Sarepta  l?*"; 

steck'  unter  seine  zung'  ihm  diesen  gUldnen  groschen 

Lohenstein  Cleopatra  (1680;  104; 

vgl.  gülden-groschen  B'risch  (l74l)  375'';  der  {sc.  müntz) 
von  zin  {gelten)  xxv  für  ein  silberin  grosch  Seb.  Franck 
weltb.  (1534)  207*;  eine  yede  person  ein  silbern  groschen 
Luther  12,  28  W.;  vgl.  silbergroschen  iA.lo,  l,  1009;  küpf- 
ferne  Marien  groschen  {d.  h.  gefälschte)  Weise  erznar- 
ren 16  ndr.;  im,  ästen  Deutschlands  tcaren  im  18.  und 
19.  jh.  kupfergroschen  des  polnischen  münzsystems  im 
kurs,  vgl.  Bernd  Fosen  83;  Frisghbier  l,  255;  daher 
die  redensart:  einen  roten  groschen  bei  seite  legen  zs. 
für  d.  viaa.  6  (1911),  58;  a.  1506  werden  gemacht  bay- 
risch weisz  grosch,  der  ainer  .  .  .  ainlflhalb  schwarze 
Pfenning  gilt  Schmeller  l,  1014; 

auff  zalten  sie  vier  weisse  groschen 

bergreihen  48  Jidr.; 

vgl.  Weilmeyh  261;  schwarze  groschen  Jacobsson  tech- 
nol.  wb.  5,  738'';  vgl.  ein  groschen  schwarzer  münze 
Adelung;  auch  hüb  man  an  die  gantzen  grosz  ze 
stempffen  städtechron.  4,  321;  halber  oder  schwertgro- 
schen  dimidius  grossus  Stieler  709;  a.  1390  sollen  keine 
halben  grossen  weiter  geschlagen  werden  Schmeller 
1,  1014;  vgl.  Weilmeyr  253/.,-  doppelte  groschen  ebd.  250; 
Marperger  kaufmann-mag.  986;  ein  hauffen  alte  grosse 
böhmische  groschen  disc.  v.  d.  itzigen  zustand  d.  kipper 
u.  u-ipper  a  2*;  dasz  nicht  .  .  grosse  groschen  vor  zwey- 
groschen-stücken  .  .  .  mit  eingezählet  werde  Schmidt 
rockenphilos.  1,  13;  ain  kleinen  groschen  oder  sieben 
kleine  pfennig  quattembergelt  mittheil.  d.  ver.  f.  gesch. 
d.  Deutschen  in  Böhmen  39,  85;  vgl.  Jacobsson  5,  738''; 
mittelgroschen  Krünitz  20,122;  dieser  hohmeister (flem- 
rich  Deszmer  1345)  müntzete  zum  ersten  die  breiten  gro- 
schen in  Preussen  Schütz  hist.  rer.  pruss.  (1592)  81»; 
umbe  eine  und  sechzeig  schok  und  hundert  breiter  gro- 
schen lehnbuch  Friedrichs  d.  Strengen  283 ;  umbe  firczen- 
hundert  schok  smaler  groschen  ebd.  282;  vgl.  Krünitz 
^0,  120/.,-  Frisch  375''-";  leichter  groschen,  Hassiacus. 
alias  dickbein  Stieler  708;  nach  dem  prägbild:  hor- 
nichte,  schildichte  groschen  Frisch  i,  375«;  bärtige 
groschen  Wächter  617;  guter  groschen  seit  dem  l^.  jh. 
sehr  geläufig,  gewöhnlich  für  den  meisznischen  groschen,  \ 
von  dem  24  auf  einen  reichsthaler  gehen,  vgl.  Frisch  1.  i 
375'*;  Weilmeyr  252/.,-  (er)  erhielt  für  die  stunde  einen 
guten  groschen  Göthe  gespr.  i,  11; 

vier  gute  groschen  hab'  ich  gespart 

Hebbel  w.  6,  167 ; 

dagegen  scheint  ein  guter  grosch  un  buon  grosso  Kra- 
mer teutsch-ital .  1,  567«  als  gegensatz  zum  bösen  groschen 
(*.  u.)  gemeint;  schlechte  groschen  im  fränk.  Jacobs- 
son 5,  738'';  in  älterer  .iprache  häufig  auch  alter  gro- 
schen: einen  englischen,  deren  drey  einen  alten  grossen 
thun  quelle  v.  1357  bei  Frisch  1,376*'; 

Heinz  Mist  hat  alter  groschen  vil 

fantnachtup.  1,109,17  A'.  ,• 

was  wollen  ir  darfür  haben?  der  meister  sprach:  ein 
alten  groschen  Eulensp.  Ti  ndr.;  neue  groschen  Halke 

IV.  1.  fi 


\    320  {iö.jh.);  neuer  groschen  nummus  receus  percussus 
I    Stieler  708;  noch  zahlreicher  sind  die  Unterscheidungen 
i    nach  dem  ausgabeland  oder    ort;   am,  verbreitetsten   war 
in    älterer  zeit  der  böhmische   groschen:    a.  1433  gehn 
201/0  behemisch  grosz  auf  den  gülden  rhein.  Schmeller 
•    1,  1014  nebst  weiteren   belegen,  in  jüngerer  tritt  besonders 
\    hervor  der  meisznische  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  25 — 36, 
i   3312  oder  (ober)sächsische  groschen   Steinbach  1,  645; 
Chomel  öcon.  lex.  4,  1363;    zu  den  gerin gtverthigsten  ge- 
hörte der  polnische  groschen  }?ars  impenalis  nonagesimu 
Steinbach  1,  645;   daher:  wie  sie  allsammt  blank  .  .  . 
wären  und  keinen  polnischen  groschen  im  beutet  hätten 
Gaudy  8,  142;    ausführliche    liste   dieser   art   bei  Weil- 
meyr 250—266;  Frisch  1,  375/.,-  ein  nicht  vollgewichtiger 
i   groscJten  heiszt  höser  gT,:  worunter  {unter  den  2  fl.)  doch 
ein  böszer  grosch  gewesen  J.  Thomasius  aufzeichn.  313; 
man  streitet  .  .  .  über  böse  groschen   E.  Tu.  A.  Hoff- 
mann   1,  10  Gr.;   gelegentlich    auch    bildlich    im    sinne 
'leichte  tcare':  im  schlusz  .  .  geht  freilich  wol  ein  böser 
grosch   mit   durch   Er.   Francisci   bis*,   schaub.   (i698) 

3,  634. 

2)  hei  gröszeren  Zahlungen  rechnete  man  ehedem  nach 
schock  groschen:  zwei  tausent  geschoke  .  .  .  preiter 
guter  Freiperger  grosen  quelle  v.  1373  th.  4,  l,  3,  4507  (),• 
item  10  schok  bemischer  groschen  Marienbnrg.  tressler- 
buch  9,  2  Joachim,;  zahlreiche  weitere  belege  unier  schock, 
th.  9,  1433;  vgl.  Halke  320;  seltener  ist  die  rechnung 
nach  mark  groschen :  alle  iar  20  mr.  groschin  czu  czinse 
archiv  f.  österr.  gesch.  31,  iiö;  nach  Adelung  3,  1616/. 
in  Böhmen  im  13.  U.jh.  gleichwerthig  mit  schock  groschen. 

3)  im  18.  und  beginnenden  19.  jh.  hat,  in  Norddeutach 
land  icenigstens,  der  gute  groschen,  der  Vi  pf.  gilt  und 
voll  dem  24  auf  einen  reichsthaler  gelten,  die  Vorhand, 
vgl.  Alkr  gloss.  nov.  (1727)  255;  Frisch  1,  875'';  Chomel 

4,  1363;  deshalb  sagt  der  prahler: 

sechs  und  zwanzig  groschen  gilt  mein  thaier  I 

flATHE  9.  250  II'..- 

kleine  groschenmengen  regeln  sich  daher  nach  dein  duo- 
decimalsystem ;  manche  dieser  werthbezeichhungen  sind, 
zur  formet  erstarrt,  in  niederer  spräche  bis  Jieute  leben- 
dig geblieben;  die  kleinsten  mengen,  zwei  und  vier  gro- 
schen, treten  schon  sehr  früh  als  landläufige  summen 
mehr  oder  minder  formelhaft  auf: 

die  {eam)  nem  ich  für  zwen  grosch  ein  nacht 

fastnachlsp.  1,266,17  A.  ; 

dein  vater  .  .  hat  mir  offt  ein  gantze  wochen  nit  tzween 
groschen  in  die  kuchen  gegeben  Vogelgesano  heiml. 
gespr.  84  ndr.; 

wer  einen  Schandfleck  braucht ,  der  darf  zwey  groschen 

zahlen 
Stoppe  Parwasr  318; 

der  kamerer  zu  dem  pfarrer  sprach : 
nempt  hyn  vier  grosen,  get  selbst  darnach 

Pfarrer  v.  Kaienberg  68  ndr. ; 

die  wochen  vier  groschen  fagtengeld  n.  samml.  v.  schausp. 
(1764 — 69)  6,  haush.  n.  d.  mode  57;  und  spendirte  ihre 
vier  groschen  .  .  zur  kanne  wein  Jon.  Riemer  polit. 
maulaffe2;  als  festes  eintrittsgeld : 

{ein  xtudcnt)  der  jederzeit  geschmack  an  dieser  btthne  fand 
und  ihr  auch  tag  vor  tag  vier  groschen  zugewandt 

Rost  rer«?.  ged.  67; 

wie  Scheusale  angestaunt  .  .  von  bürgern  um  vier 
groschen  Güthe  17,  lOO  W.;  ich  bitte  sie  um  vier  gute 
groschen  wn  alles  iji  der  weit  Albrecht  Leipz.  126"; 
bey  den  musterungen  sol  .  .  iedweder  person  desz  tages 
6  weisse  groschen  ex  publico  erfolgen  acta  publ.,  ver- 
handl.  d.  schles.  fürsten  u.  stände  2,  119;  diese  summe  {^^ 
1/4  thaler)  aber  erst  in  jüngerer  zeit  häufiger:  wir  geben 
alle  monate  sechs  groschen  in  die  armencasse  Rau- 
PACii  dramat.  werke  kom.  gattung  4,  66;  er  hat  neulich 
den  Aaron  geprügelt  und  ihm  sechs  groschen  genommen 
Droste-HOlshoff  2,  268;  desgleichen:  wilstu  mit  gehen, 
so  kanstu  auch  8  gr.  verdienen  Chr.  Reuter  ehrl.frau 
32  ndr.;  für  acht  groschen  sohle  habe  ich  mir  von  den 
stiefeln  gelaufen  Raupach  dramat.  werke  kom.  gattung 

29 


451 


GROSCHEN 


GROSCHEN 


452 


2,  145;  eine  soldzulage  von  zwölf  groschen  monatlich 
Meinecke  Boyen  2,  126;  {das  buch)  kostet  .  .  hier  und 
in  Potsdam  16  gr.  Lessing  7,  2  M.;  er  soll  sich  ja  wohl 
sechzehn  groschen  erspart  haben  G.  Hauptmann  Rose 
Bernd  (1904)  15 ;  das  erstarren  gerade  dieser  summenzahlen 
wurde  dadurch  begünstigt,  dasz  für  sie  besondere  münz- 
stücke vorhanden  waren;  vgl.  groschenstück,  greschner; 
-gröschler  unter  gröschlein.  als  durch  das  reichsgesetz 
vom  9.  Juli  1873  die  neue  reichsivährung  eingeführt  ivurde, 
übertrug  man  die  bezeichnung  auf  das  iO-pfennig-stück  ; 
so  heute  noch  allgemein;  ein  treueres  festhalten  an  älterer 
Währung  liegt  vor,  ivenn  sich  bezeichnungen  ivie  zwei 
groschen  für  25  pf,  sechs  groschen  für  75  pf.  in  der 
landbevölkerung  {z.  b.  Schlesiens)  bis  ins  20.  jh.  gehalten 
haben. 

4)  das  nebeneinander  vieler  groschensorten  in  älterer 
zeit  führte  dazu,  dasz  das  wort  auch  schlechthin  im 
sinne  'münze'  gebraucht  tverden  konnte:  ein  igliclier  gab 
ihm  einen  schönen  grosschen  Hiob  i2,  ii;  verehret  mir 
auf  den  fall  ein  schön  groschen,  der  ungefähr  9  gran 
schwer  war  Schweinichen  denkw.  78  Österley;  nach- 
klingend in  fällen  wie:  wir  kaufen  .  .  eine  pelzmütze 
und  hängen  .  .  einen  blanken  groschen  an  die  troddel 
Fontane  I  l,  288;  'unter  der  benennung  groschen  oder 
dickpfennige  werden  in  den  münzgeboten  von  1506  und 
1513  allerley  ausländische  .  .  m,ünzstücke  aufgeführt' 
Sghmeller  1,  1015;  noch  das  18.  jh.  konnte  das  ivort  so 
verstehen  Krünitz  20,  116;  daher  bildtingen  wie  groschen- 
kabinett,  s.  d. 

5)  der  literarische  gebrauch  des  wortes  spiegelt  in  der 
wechselnden  färbe  des  ausdrucks  vielfach  das  sinken  des 
münzwerths  udeder:  ich  habe  ir  selbs  viel  erlebt,  welche 
in  die  tasschen  griffen  .  .  und  keins  grosschen  nicht 
achten,  aber  hernach  fro  weren  worden,  das  sie  so  viel 
heller  betten  gefunden  Luther  32,  471  W.;  der  todte 
gilt  ihnen  etwan  ein  pfennig,  der  lebendige  aber  viel- 
mahls  ein  groschen  .  .  oder  mehr  Aitinger  jagd-  xind 
weidbüchl.  144;  erst  in  jüngerer  zeit  mit  dem  beisinn  der 
g eringwerthigen  münze: 

preise  dem  kindc  die  puppen,  wofür  es  begierig  die  groschen 
hinwirft  Götiie  5,  245  W.; 

(kerle  zu  dieaem  ispasz)   find  ich  an  jeder  ecke  und  bezahl' 
sie  nur  mit  groschen  Gradue  2,  67  Bl. ; 

auch  erst  in  jüngerer  zeit  als  almosen:  dasz  ich  einem 
knaben,  der  neben  mir  vorbeihüpfte,  einen  groschen 
bot  Schiller  4,  69  G.;  er  pflegte  .  .  stehen  zu  bleiben, 
bis  ihm  ein  groschen  zugeworfen  wurde  Holtei  vierzig 
jähre  1,  51,  sehr  anders  im  ethos  als  im  16.  jh.:  wo  sie 
{die  land Streicher)  nit  etliche  grosschen,  herberg  und 
maltzeit  dazu  kriegen,  so  .  .  Pape  bettel-  und  garteteufel 
K  2^;  ebenso  scheiden  sich: 

ich  gib  euch  ein  pfunt  {feigen)  neur  umb  ein  grossen 

fastnachtfp.  1,  369  K. 
imd: 

man  könnt'  an  kirschen  mehr  als  zwölf  pfund  am  gewichte 
um  einen  einz'gen  groschen.  kaufen 

Brockes  ird.  vergn.  2,  433; 

im  scherz:  ein  stiller  behäbiger  mann,  er  sprach  nicht 
viel  um  einen  groschen  Auerbach  schatzk.  1,4;  deshalb 
auch  erst  in  neuerer  zeit  in  manyiigfachen  Wendungen , 
die  das  sparen  malen:  wie  süsz  war  die  empfindung, 
mit  der  ich  einst  jeden  ersparten  groschen  zurücklegte 
Kotzebue  sämtl.  dram.  werke  7,  189;  sie  legte  groschen 
zu  groschen  G.  Keller  3,  32;  sie  hat  mir  .  .  versprochen, 
künftig  alle  groschen  umzuwenden,  ehe  sie  einen  aus- 
gibt theafer  d.  Deutschen  8,  210; 

so  nimm  ein  alles  weih  .  . 

die  jeden  groschen  weis  nach  eilen  auszudehnen 

Neukirch  gcd.  135; 

vom  geiz:  das  herz  hängt  ihm  am  groschen  allg.  dtsche 
bibl.  anh.  zu  25 — 36,  2043;  aiidere  bilder  zielen  auf  das 
saure  erringen  des  geldes:  so  wie  hingegen  ein  mit 
schweisz  beträufter  groschen  einem  wechselgroschen 
gleicht  Schubart  leb.  u.  gesinn.  l,  147;  da  ist  wohl  kein 
groschen  im  kästen  gewesen,  da  nicht  etliche  seufftzer 


von  armen  leuten  daran  geklebet  Weise  erznarren  9* 
ndr.;  das  er  .  .  manchen  groschen,  daran  .  .  trehnen 
.  .  kleben,  unter  seinen  vorraht  menget  Butsghky 
Fathmos  141 ;  eine  geprägte  formet  scheint: 


anders : 


den  todten  {sie)  hin  zum  grabe  singen, 
so  lang  dabey  die  groschen  klingen 

B.  Waldis  pöpsfe'cÄ  reich  (1555)  Pp  3' 


welch   groschen  itzt  nicht  klingt,  wen  Jesus  leucht  undt 

kehrt,  .  . 

taug  nichts,   als  das  man   ihn  weg  sambt  dem  unraht 

sclimeisse 
Gryphius  sonn-  %i.  feiertagsson.  i&vdr.; 

schon  in  älteren  recepten  als  ungefähre  maszangabe:  es 
nehmen  auch  etliche  vor  ein  groschen  entzian  und  vor 
ein  groschen  wolffsmilch  J.  Walther />/crde-  u.  Viehzucht 
65;  nim  .  .  darvon  .  .,  so  vil  auff  einem  groschen  ligen 
kan  Gäbelkover  arzneib.  l,  22;  öfter  ist  von  dem  gro- 
schen als  ziel  die  rede:  schosz  eim  ein  groschen  zwischen 
den  fingern  hin  Fisghart  gesckichtklitt.  285  ndr.;  dasz 
er  mit  einem  bogen  oder  feuer-rohr  auff  einen  groschen 
zu  schiessen  weisz  Abr.  a  St.  Clara  auf,  auf  ihr  Chri- 
sten !  81  ndr. 

6)  sehr  gewöhnlich  als  Umschreibung  von  'geld' : 

so   lang  sie   {sc.  reuter  und  Schreiber)  nur  noch  groschen 

wiszen, 
sind  sie  auf  deren  fang  befliszen 

Brant  narrensch.  77  Z.  ,• 

zumeist  in  mehr  oder  minder  formelhaften  Wendungen. 

a)  nur  selten,  mit  respect  vor  dem  groschen,  im,  sinne 
einer  beträchtlichen  summe: 

und  wie  dus  {das  mahl)  habst  so  thewr  genomen, 
wie  dichs  so  manchen  groschen  steh 

Scheit  Grob.  4140  ndr. ; 
auch  ertceitert: 

darmit  er  neben  seinen  bossen 
bekommen  hat  manch  schönen  groschen 

Fischart  Eidensp.  159  Rauffen  ,- 

wie  manchen  schönen  groschen  haben  uns  nur  die 
präsenter  —  {eingebracht)  Schiller  3,  359  G.;  vgl.  srhoti 

kttnig  Sigmund  vollet  mier 

den  strich  mit  manchem  groschen  zier 

Osw.  V.  Wolkenstein  63, 198  rar.  Schatz; 

groschens  musz  der  mensch  haben  Albrecht  Leipz. 
126*;  vgl.  Brendicke  Berlin.  130;  nicht  bei  groschen 
sein  kein  geld  haben;  gewöhnlich  bildlich:  er  ist  nicht 
recht  bei  groschen  nicht  recht  gescheit  Frischbier  l, 
255;  weit  verbreitete  wendung. 

b)  gewöhnlich  zur  bezeichnung  einer  geringfügigen 
summe;  zuweilen  mit  dem  beiklang  des  verächtlichen  und 
zwar  schon  früh:  sprechen,  sie  geben  ihre  gute  werck 
umb  einen  grosschen  Luther  30,  2,  214  W.;  positiv  'ein 
kleiner  betrag,  eine  kleinigkeit' :  herr  —  wenn  zu  ihren 
fressen  da  —  auch  nur  etliche  groschen  von  jenem 
vermögen  verwandt  sind  Iffland  theatr.  werke  2,  116; 
vom  Vormund  erhielt  ich  .  .  nur  wenige  groschen,  mein 
elendes,  tägliches  dasein  zu  fristen  Holtei  erzähl,  sehr. 
2,  105;  für  ein  paar  groschen  iszt  man  so  viel  man  will 
Götiie  IV  8,  92  W.;  wie  er  sich  abäscherte,  nur  um  dem 
Schmied  die  paar  groschen  verdienst  zu  nehmen  Immer- 
mann 1,  128  Hempel;  so  zumal  auch  in  einigen  festen 
verbalen  fügungen : 

die  frau  soll,  wenn  sie  dir  den  rächen  voll  last  schütten, 
dich  dennoch,  schöner  wirth,  um  jeden  groschen  bitten 
HoFi'MANNSWALDAUs  u.  u.  Deutschen  auserl.  ged.  (1695)  189; 

damit  er  nicht  ehrenhalber  einen  groschen  mehr  ver- 
zehren dürfe  Gottsched  dtsche  schaub.  4,  497;  dasz  er 
zitterte,  wenn  er  einen  groschen  ausgeben  solte  K.  Fr. 
Bahrdt  gesch.  s.  lebens  2,  23;  auch  bildlich:  ich  wette  . ., 
{es)  werden  keine  zwei  {dieser  jungen  leute)  .  .  den  ge- 
lehrten fond  unseres  Vaterlandes  um  einen  groschen  be- 
reichern Lichtenberg  verm.  sehr.  (1844)  3,6;  weil  es  mir 
gelungen,  von  der  schweren  {moralischen)  schuld  einen 
groschen  abzutragen  Kotzebue  sämtl.  dram.  werke  2, 19; 

{der  könig)  der  den  letzten  groschen  von  uns  erpreszt 

Heine  2, 177  EMer; 


453 


GROSCHEN 


GROSCHEN-  —  GROSCHENBREIT    454 


dasz  diese  partei  bereit  sei,  den  letzten  mann  und 
groschen  zu  bewilligen  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkw.  7, 137 ; 
mit  Possessivpronomen :  (arbeiter)  lieszen  ihren  groschen 
unter  lautem  gelächter  aufgehen  Nicolai  Nothanker  2, 25; 
der  seinen  groschen  von  heut  auf  morgen  verdient  Alexis 
Roland  v.Berlinl,  123 ;  um  ihm  (dem  kritiker)  seinen  freitisch 
nicht  zu  verderben  und  den  groschen  zu  entziehen,  den 
ihm  der  Verleger  zahlt  Hippel  kreuz-  u.  querzüge  l,  577 ; 
wie  wärs,  .  .  wenn  ihr  euch  hinseztet  .  .  und  um  den 
lieben  groschen  recensirtet  Schiller  2,  ii  G.  negativ 
'nicht  das  geringste':  zur  schadloshaltung  von  Sachsen 
wolle  er  keinen  groschen  beitragen  Ranke  sämtl.  werke'^ 
30,  380;  schon  ein  jähr  ist  es,  .  .  dasz  ich  keinen  gro- 
schen vom  papste  erhalten  habe  H.  Grimm  Michelangelo 

1,  281 ;  zum  bilde  getvorden :  für  das  leben  der  könig- 
lichen familie  gebe  ich  keinen  groschen  G.  Forster  8, 
193:  ich  habe  von  meinen  eitern  nicht  einen  groschen 
bekommen  können  ScHOcn  stud.  leb.  m  i°-\  ohne  dasz 
es  ihm  einen  groschen  kostet  Alexis  ruhe  l,  143;  re- 
flectionen  .  .,  die  aber  nicht  einen  groschen  taugen 
GöTHE  38,  391  W.;  alle  Wendungen  beruhen  auf  der  Vor- 
stellung des  groschens  als  einer  gering loerthigen  münze, 
daher  erst  seit  dem  18.  jh.  recht  entfaltet;  im  alteren  nhd. 
nur  ganz  selten  ähnliches:  anders  ich  euch  nitt  mit 
einem  groschen  het  gedienen  mügen  Arigo  decam.  537 
lif.  ver. 

c)  die  zusammenrückung  groschen  geld  seitdem  18. jh.: 
er  vertraut  deinen  bänden  nicht  einen  groschen  geld 
an  Rabener  i,  201 ;  jedes  hielt  für  unschicklich,  nur 
noch  irgend  einen  groschen  geld  in  der  tasche  zu  be- 
halten GöTHE  21,  246  W.;  mein  vater  gab  mir  noch 
einige  groschen  geld  mit  auf  den  weg  Eighendorf 
3,  3;  einen  hübschen  groschen  geld  haben,  sammeln, 
erben  Campe. 

d)  'groschen  ist  auch  die  benennung  gewisser  ab-  und 
atisgaben,  als  da  sind  abnähme-,  gedinge-,  häusel-,  hufen-, 
mieth-,  muth-,  quartal-  und  dergleichen  groschen'  Cho- 
MEL  öcon.  lex.  4,  1364;  dazu  mancherlei  andere  compo- 
sitionen  wie  bettel-,  gnaden-,  paten-,  Spargroschen. 

7)  sehr  häufig  tritt  der  groschen  i?i  sprichtvörtern  auf; 
aus  älterer  zeit  stammend  behandeln  sie  ihn  meist  m.it 
achtung:  der  zum  heller  geschlagen  ist,  der  kompt 
nimmer  zum  groschen  Lehmann  florileg.  nolit.  3,  124; 
wer  den  pfennig  nicht  acht,  kommt  nimmer  zum  gro- 
schen Stieler  709;  vgl.  wer  den  pfenning  nicht  zu 
rathe  hält,  bekömmt  sein  lebtage  keinen  groschen  kern 
auserles.  sprüchw.  (l718)  59;  später: 

wer  den  heller  nicht  ehrt, 
ist  des  groschens  nicht  werth 

ScHELLHORN  spricliw.  142 ; 

der  groschen,  den  man  hat  erspart, 
nutzt  mehr,  denn  der  gewonnen  ward 

Petri  d.  Teutschen  tveish.  2,  o  1"; 

variiert:  ein  ersparter  pfennig  ist  besser  und  gilt  mehr, 
den  ein  unerworben  groschen  2,  t  6^;  der  groschen,  den 
die  frau  erspart,  ist  so  gut  als  der,  den  der  mann  er- 
wirbt Binder  80;  der  groschen  ist  wohl  angewandt,  wo 
ich  viere  erspahre  kern  auserles.  sprüchw.  10;  umgekehrt: 
ein  groschen  gewinn  ist  wenig  werth,  wenn  er  mit  einem 
thaler  erkauft  wird  Arnim  2,351;  besser  heute  einen 
groschen  als  morgen  einen  gülden  Jon.  Hoffmann  polit. 
Jesus  Syrach  126;  ein  schwarzes  kind  find  auch  wol 
ein  weissen  groschen  Petri  a.  a.  o.  2,  y  4*;  man  gehet 
niemals  in   den   stall,   man   find   einen  groschen  darin 

2,  Nn  2*^;  ein  groschen  im  sack,  aber  für  zwei  groschen 
durst  Binder  80;  vgl.  hat  er  einen  groschen  in  der 
tasche,  so  hat  er  für  zwei  groschen  durst  Heine  3,  25 
Elster;  gib  einem  jungen  einen  groschen  und  thu'  es 
selber  Binder  102;  andere  Sprichwörter  knüpfen  an  die 
unterschiede  nach  werth  und  gute  an:  am  gsang  kent 
man  das  vögelein,  häfen  und  groschen  an  dem  klang 
Eyering  proverb.  1,  890;  ähnlich  2,  135;  vgl.  es  ist  fein 
zu  sehen,  das  man  einen  groschen  über  dem  licht 
scheiden  kan,  wenn  er  mit  schwefFel  bestrewet  ist 
Petri  a.  a.  o.  2,  Aa?"*;  von  verblühter  Schönheit:  ihr 
groschen   gilt  keinen  batzen  mehr  Körte  sprichw.  178; 


zahlreiche  Sprichwörter  aus  neuerer  ina.  sammelt  Fischer 
Schwab.  3,  851/. 

8)  einige  biblische  stellen,  die  vom  groschen  handeln, 
sind  literarisch  fruchtbar  geworden,  besonders  Luc.  15, 
8/.;  jede  {ahre)  macht  uns  freude,  wie  dem  weihe  sein 
verlorener  und  wiedergefundener  groschen  Jung-Stil- 
LING  5,  231 ; 

meine  seele  war  der  groschen, 

der  verlohren  und  verloschen; 

aber  nun  ist  er  gefunden 

bey  dem  lichte  deiner  wunden 

Ang.  Silesius  Seelenlust  70  ndr. ; 

zweifelte  Susanna  im  geringsten  nicht,  sie  müszte  wohl 
der  rechte  verlorne  groschen  seyn,  den  sein  wahrer 
eigenthümer  wiedersuchte  Bode  Thotnas  Jones  i,  17;  auch 
sprichwörtlich:  wann  gott  nicht  den  verlohrnen  groschen 
sucht,  so  gehet  er  nicht  von  sich  selbst  wieder  in  säckel 
Lehmann  florileg.  polit.  l,  lOi;  na^h  Matth.  20,  l^..- 

doch  weil  du  auch  nimbst  an, 
die  nur  in  deinem  dinst  ein  stundlin,  herr,  verthan, 
kanstu  den  groschen  ja  nicht  wegem  deinem  kinde 

Gryphius  sonn-  u.  feiertagsson.  22  ndr.  ,- 

auch  in  die  geschickte  von  den  anvertrauten  centnern 
{Matth.  25)  oder  pfunden  {Lue.  19)  dringt  des  öfteren  der 
groschen  ein:  so  wol  die  schlechte  arten  als  auch 
die  geringe  anzahl  meiner  gedichten  (in  welchen  beeden 
ich  die  armuth  dessen  mir  verlyhenen  groschens  .  . 
erkenne  und  gern  bekenne)  Wegkherlin  l,  295  lit.  ver.; 
vgl.  wie  Christus  .  .  an  viellen  orten  durch  den  ausz- 
verlihenen  und  wider  abgeforderten  groschen  bezeugt 
GUARiNONius  greuel  d.  vertvüstung  14. 

GROSCHEN-  als  erster  compositionsbestandtheil  ist  be- 
sonders nach  zwei  nchtungen  hin  fruchtbar  geicorden. 
zumeist  bestimmt  es  den  werth  des  haupfbegriffes  auf  einen 
groschen ;  wesentlich  erst  in  jüngerer  spräche  mit  verächt- 
lichem, beisinn  in  compositionen ,  die  mehr  oder  minder  gelegen- 
heitsbildungen  sind  und  sich  noch  heute  vermehren  lassen, 
z.  5.  groschenfibel:  {kinder  zerfetzen  bücher)  weil  ihnen 
die  groschenfibel  ein  zu  ordinaires  vergnügen  geworden 
ist  B.  Goltz  zur  Charakteristik  110;  -flöte  Jean  Paul 
20 — 23,  28  Hempel;  -galerie,  der  billigste  theaterplatz 
3,  77;  vgl.  15 — 18,  243;  auch  bildlich:  der  tumult  der 
erwartung  rüttelte  die  edelleute  mit  der  groschen- 
gallerie  des  staats  in  eins  zusammen  il — 14,  200;  -knall - 
büchse:  der  alte  stadtförster  .  .  hat  sicher  mit  einer 
groschenknallbüchse  geschossen  V.  Trau  dt  winkelbür- 
ger  67;  -postille:  derselbe  schreibt  in  seiner  mosai- 
schen und  evangelischen  groschen-postili  J.  C.  Dippel 
das  gestäupte  papstthum  (1698)  lli ;  -Übersetzung: 
man  kauft  sich  groschenübersetzungen  oder  wohlfeile 
taschenausgaben  W.  Hauff  2,  336;  -werk:  UJn  nur 
einige  exemplare  von  einem  elenden  groschenwerklein 
mehr  abzusezen  Bürger  briefe  l,  809  Str.;  auch  über- 
tragen von  billigen  geistesproducten :  -epigramm: 
solche  groschenepigramme  liegen  in  der  luft  A.  Kerr 
ges.  Schriften  4,  60;  -witz:  um  in  behaglicher  ruhe 
.  .  .  die  thaler-  und  groschenwitze  zu  genieszen  R. 
Walter  parlament.  gröszen  l,  15;  geläufigere  compo,9i- 
tionen  dieser  art  s.  u.  an  aiphabet,  stelle,  eine  zweite 
gruppe  umfaszt  bicomposita,  die  den  iverth  des  hauptbe- 
griff es  auf  mehrere  groschen  angeben;  auch  diese  zu 
sammensetzungen,  seit  dem  17,  jh.  nachioeisbar,  sind  be- 
liebig vermehrbar,  dahin  z.  b.:  f ünfgroschenbrot; 
achtgroschenjunge,  in  der  Verbrechersprache  für  den 
jjolizeispitzel ;  dreigroschenplatz  im  ^Äeafe»- Lichten- 
berg verm.  sehr.  (1844)  4,  16;  sechsgroschen  wein , 
zehngroschenwein  Weise  erznarren  44  ndr.;  besonders  in 
münzbezeichnungen,  s.  u.  groschenstück. 

GROSCHENBIER,  n.  ünger-Khull  308 1-  (17.  jh.).  — 
groschenbild,  n.:  dass  in  der  bauernstube  .  .  noch 
die  groschenbilder  aus  den  befreiungskriegen  .  .  an  den 
wänden  hängen  Steub  drei  sommer  in  Tirol  l,  295;  die 
.  .  Maria  von  Carlo  Dolci  in  einer  vertausendfachung 
als  groschenbild  D.  v.  Liliencron  3,  137;  anders  'präg- 
bild  auf  d^m groschen' :  die  groschenbilder  betet  man  auch 
nicht  an  Luther  28,  677  W.  —  groschenbreit,  adj.: 
man  .  .  sah  auch  nicht  ein  groschenbreites  scheibchen 

29* 


455  GROSCHENBROT  -  GROSGHENWURST 


GROSCHENZmS  -  GRÖSCHNER 


456 


von  dem  blauen  himinel  Rosegger  I  12,  187.  —  gro- 
schenbrot,  7i..-  ein  schwarzes  groschenbrot  Leipziger 
avanturieur  i,  28;  holt  euch  ein  groschenbrod  Holtei 
erzähl,  sehr.  16,  4;  redensart:  da/u  hat  ein  herz  gehört, 
so  grosz  wie  ein  groschenbrodt  Gottsched  deutsche 
schaub.  e,  395,  d.  h.  ein  tapferes  herz;  vgl.  ScH rader 
dtsch.frz.  ivb.  1,  575;  Campe.  —  groschenfrau,  /.,  176- 
mietefes  Idageiceib  bei  leichenbegängnissen  Amaranthes 
frauenz.  lex.  604.  —  groschengärtner,  m.,  bezeichming 
eines  Meinen  darf  süssen:  scheffel-,  groschen-  und  dresch- 
gärtner  sind  für  diesmal  exempt(von  der  contribution)  acta 
publ.,  verhandl.  d.  schles.  fürste7i  u.  stände  6,  313.  — 
groschengeld,  n.,  als  bezeichnung  einer  abgäbe  LORi 
baier.  bergrecht  490*".  —  groschengrosz,  adj.:  der 
naseweise  laprifolium  kommt  schon  mit  groschengroszen 
blättern  Bismargk  br.  an  s.  braut  xi.  gattin  258; 

erste  dicke,  groschenKrosze 
tropfen  klatschen  auf  uns  nieder 

D.  V.  LiLIENCRON  8,  151. 

—  groschen  gut,  n.:  (die  bauerngüter  haben  ihre  be- 
nennungen)  teils  von  dem  handlone,  der  lehnwaare, 
wovon  die  ehrschäzige  guter  .  .  die  mut-,  lasz-,  groschen- 
güter  .  .  den  namen  füren  Estor  der  Teutschen  rechts- 
gelahrtheit  3,  835;  vgl.  Besold  thes.  pract.  2,  250''.  — 
groschenhure,  /.,  puttanaccia  di  due  bezzi  Kramer 
teutschital.  i,  li^'-\  —  groschenjunge,  m.;  Dickens, 
der  sich  gleichsam  vom  litterarischen  'groschenjungen' 
zu  einer  Weltbedeutung  heraufgearbeitet  hatte  0.  Ro- 
QUETTE  siebzig  jähre  1,  259.  —  groschenkabinett, 
«.,  münzsammlung  Krünitz  20,  125;  im  18.  jh.  des  'öfteren 
auch  als  titel  numismatischer  nrrkr,  z.  b.  'neueröffnetes 
groschenkabinet'  von  Joachim  (i749jf.);  vgl.  groschen 
II  4.  —  groschenkraut,  n.,  alplatiich,  homogyne  al- 
pina  HoLi,  136 •*;  vgl.  gröschelkraut  unter  gröschlein.  — 
groschenlaib,  m.:  jene  madame  .  .  hat  ölfters  kein 
groschen- laibl  bei  dem  brodsitzer  zu  bezahlen  J.  V. 
Neineu  tändlmarckt  (1734)  16;  Unger-Khull  309*^  {ältere 
spr.).  —  groschenlicht,  n.,  sprichwörtlich:  mancher 
sucht  einen  pfennig  und  verbrennt  dabei  ein  groschen- 
licht Binder  152;  groschenlichterchen  Holtei  erzähl. 
sehr. 22,16.  —  groschenpflaster,  n.,  Abr.aSt. Clara 
etwas  für  alle  l,  683.  —  groschenrund,  adj.:  er  .  . 
hat  ein  groschenrundes  glatzlein  auf  dem  haupte  Ro- 
segger II  1,  160.  —  groschenschlag,  m.:  der  hohe- 
meister  hette  vor  einem  jähr  lassen  muntz  machen  auf 
groschenschlag  von  silber  Grünau  j^^-ettsi.  cÄro«.  2,  516. 

—  groschensiech,  adj.,  geldgierig  Fischer  schiväb. 
3,  802.  —  groschenstrafe,  /.,  als  eine  griqjpe  der 
in  den  sünften  üblichen  Convention  aistrafen  gejiannt  bei 
CnoMEL  öcon.  lex.  2,  99.  —  grosclienstück,  n.:  war- 
um bis  in  das  jähr  1699  kein  .  .  einfaches  groschen- 
stück vorkomme  allg.  dtsche  Uli.  anh.  zu  37 — 52,  1601 ; 
eine  ungeheure  krawatte,  wogegen  herrn  studiosus 
Würgers  ein  groschenstück  war  W.  Hauff  2,  46;  ge- 
wohnlich  als  bicomposituvi  mit  einem  zahlwort:  zwey-, 
vier-,  sechs-,  acht-,  zwölfgroschenstück  Krünitz  20,  117; 
vier-,  acht-,  sechzehngroschenstück  Stieler  709;  vgl. 
Frisch  (1741)  376";  dasz  nicht  zwey-  vor  vier-groschen- 
stücken  (mit  eingezählt  werden)  J.  G.  Schmidt  rocken- 
philos.  1,  13;  die  24  groschenstücke  acta  publ.,  verhandl. 
d.  schles.  fürsten  u.  stände  5,  182;  fünfgroschenstück 
V.  A.  Huber  concordia  (i849)  121.  —  gros  chenthea- 
ter,  n.:  auch  ein  groschen-  und  ein  kreuzertheater 
befanden  sich  in  der  ältesten  zeit  in  Wien  J.  F.  Ca- 
stelli  memoiren  1,  277.  —  groschenware,  /.;  um 
eine  glasvase  .  .  war  allerlei  kleine  groschenware  .  . 
zierlich  aufgebaut  J.Schlaf  «ommerfod  15.  —  groschen- 
weib,  H.,  was  groschenfrau  Amaranthes ymt<e?i^.  Zea\ 
1247;  Chomel  öcon.  lex.  4,  1364.  —  groschenwein,  m., 
billiger  wein  Fischer  schwäb.  3,  852.  —  groschen- 
weise, adv.:  wie  sauer  ein  thaler  wird,  wenn  man 
ihn  groschenweise  verdienen  will  Göthe  9,  134  W.  — 
groschen werth,  m..-  hat  Philander  etwa  100  groschen- 
werth  Übels  an  euch  gethan  Schupp  sehr.  816;  vgl. 
pfennigwerth.  —  groschenwurst,  /.,  billige  icurst 
Fischer  schwäb.  3,  852;  der  pudel  stiehlt  sich  .  .  eine 
groschen-wurst  Hebbel  w.  8,  252;  erquickt  man  sich  an 


den  berühmten  Nördlinger  brat-  oder  geräucherten 
groschenwürsten  Melgh.  Meyr  erzähl,  a.  d.  Ries  l,  52. 
—  groschenzins,  m.:  von  geheis  wegen  dieses  land- 
graffen  wandelten  wir  unsere  groschenzinse  in  gold  und 
lötig  Silber  stadtrecht  v.  Eisenach  37. 

GRÖSCHLEIN,  GRÖSCHEL,  demin.  zu  groschen. 

1)  Scheidemünze,  die  in  jüngerer  zeit  besonders  in 
Schlesien  und  Böhmen  unter  dem,  nam,en  gröschel  im 
Umlauf  war;  ihr  werth  belief  sich  seit  dem  18.  jh.  auf 
den  fünften  theil  eines  guten  groschens,  auf  den  vierten 
eines  kaisergroschens  (=  3  kreuzer).  also  =  ^/^  kreuzer: 
gröschel  quadrans  trigesimae  imperialis  in  Silesia  par- 
tis  Apinus  gloss.  nov.  255;  ähnlich  Steinbach  1,  645; 
zur  Sache  vgl.  besonders  Krünitz  20,  111;  Weilmeyr 
1,  248;  Halke  119;  synonym  ist  fledermaus,  «.  rf.  4;  in 
älterer  zeit  hat  der  name  in  weiteren  gebieten  gegolten, 
anscheinend  auch  münzen  mit  stärkeren  werthunterschieden 
umfaszt:  hat  solchs  gröschlin  sieben  pfenige  gegolten 
S.  Hüttel  chron.  d.  stadt  Trautenau  231 ;  'gröschlein,  eine 
für  Obersachsen  und  den  fränk.  kreis  von  kaiser  Karl  V. 
1551  angeordnete  münze,  deren  84  =  60  kr.'  Weilmeyr 
1,  248;  vgl.  ScHMELLER  I,  1015;  goslarische  Vierpfennig- 
stücke  hieszen  gröschlein  Frisch  (i74i)  875*^;  ein  Wallisser 
klein  gröschlein  neu  müntzbuch  {München  1597)  72* ;  Saltz- 
burger  gröschlein  ¥ibcha.kt geschichtklitt.i^^ndr.;  gröschl 
=  sibner  (7  schwarze  Pfennige  geltend)  Schmeller  i, 
1014; 

wer  ausplieb,  junger  oder  gsel, 
zw  pus  ain  t'röschlein  geben  sei 

H.  Sachs  23,  70  K.-G. ; 

alles  klein  geld  und  dreyer  {ist  rar) .  . 
die  gröschlein  hat  der  geyer 
AüELE  V.  Lilienüerg  künstl.  unordn.  3,  310; 

als  ich  ihm  für  seine  mühewaltung  etliche  gröschlein 
reichen  wollte  Steub  wander.  im  bayr.  gebirge  18i;  ein 
bayrisches  gröschel  wollte  ich  geben,  .  .  wenn  ich 
wüszte  Rosegger  I  ö,  95;  vor  allem  weisen  die  belege  ins 
schles.,  und  je  später  je  häufiger:  die  eingeschmelzete 
böse  gröschlein  acta  publ.,  verhandl.  d.  schles.  fürsten 
u.  stände  4,  249;  vgl.  5,  302  u.  ö.;  abends  mit  i.  f  g.  um 
ein  gröschel  gespielet  Schweinichen  denkwürd.  455; 
ihr  schlesisches  geld,  böhmen  und  gröschel  G.  Freytag 
13,  4;  ich  bin  doch  bekannt  bei  den  leuten,  wie  a  beese 
greschel  G.  Hauptmann  weber  (1892)  99;  auch  in  allge- 
meinerem sinn,  ähnlich  groschen  6  b:  sie  werden  die 
paar  gröschel  zeitig  genug  brauchen!  Holtei  erzähl, 
sehr.  25,  220. 

2)  erst  in  jüngerer  zeit  gelegentlich  auch  begrifflieh 
=  groschen,  also  loie  gröschchen  («.  d.): 

silbern  seh'  ichs  heute  glasten 
in  dem  braunen  kupfermeer  .  .  . 
gröschlein,  ei  wo  stammst  du  her? 

G.  Schwab  ged.  (1851)  147; 

der  eine  hat  sich  aufgespart 
ein  gröschlein  in  der  taschen 

RüCKERT  2,  m. 

zu  1  ableitungen  wie  zweigröschler  zweigröschelstück 
Sanders  l,  680^;  sechsgröschler  acta  publ.,  ver- 
handl. d.  schles.  fürsten  u.  stände  4,  129,  noch  im  19.  jh. 
gebräuchlich;  und  compositionen  wie  gröschelbrot, 
-Semmel  Bernd  Posew  88;  gröschleindrucker,  der 
gröschleinliteratur  herstellt  {vgl.  oben  groschenfibel  u. 
dgl.):  dieweil  mich  beyd  die  gestirngeltpracticher  und 
gröschlintrucker  erbarmeten  Fischart  groszm.  (1607) 
vorr.  2*;  gröschelkraut,  tussilago  alpina,  alpenhuf 
lattich  Schkuhr  botan.  handb.  3,  84;  Holl  136^;  so  ge- 
nannt nach  der  form,  seiner  runden  blätter;  gröschlin- 
kraut  Pritzel-Jessen  188  {schles.);  gröschelkräutig  ebd.; 
viT/i.  groschenkraut;  gröschelweise:  wer  den  brandte- 
wein  mit  einander  kaufft,  der  thut  besser,  als  wenn 
ers  gröschel-weise  holen  last  Chr.  Weise  curieuser 
körbelmacher  (1706)  60. 

GRÖSCHNER,  m.,  grosso,  pezzo  d'un  grosso  Kramer 
teutschital.  l,  568"^;  aber  wirklich  geläufig  wohl  nur  in 
Verbindungen  wie  zwey-,  drey-,  viergröschner  Stieler 
709;  6-gröschner  acta  publ.,  verhandl.  d.  schles.  fürsten 
u.  stände  4,  129;  nach  Krünitz  20,  117  oberdeutsch. 


457 


GROSZ  I  A  1. 2 


GROSZ  I  A  2 


458 


GROSZ,  adj. 

herkunft  und  form. 

das  adj.  ist  rein  westgerm.:  ahd.  groz,  cröz,  usächs. 
gröt,  mnl.  groot,  afries.  grät,  ags.  gröat.  die  vorform 
germ.  *grauta-  ist  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  etymo- 
logisch zu  germ.  greuta-,  ahd.  grioz  zu  stellen;  derselbe 
vocul  in  anord.  grautr  brei,  vgl.  HolthaüSen  anz.  f. 
d.  alt.  20,  234;  grundbedetitung  also  'grobkörnig';  atif  sie 
ffihrt  die  bedeutungsgeschichte  des  ags.  wortes:  grSat 
urspr.  von  hagel  und  salz,  erst  seit  dem  12.  jh.  in  all- 
gemeinerem gebrauch,  s.  Kluge  dtsche  sprachgesch.  194; 
auf  sie  führt  auch  die  entvncklungsgeschichte  des  deut- 
schen adj.,  nur  dasz  das  tempu  der  entwicklung  hier 
schneller  war  als  im  ags.  die  schriftsprachliche  form 
ist  sehr  fest:  im  älteren  nhd.  vereinzelt  grusz  geschrie- 
ben: grusz  wustinunge  Diefenbagh  225''  «.  v.  Fharan; 
vgl.  mit  .  .  grossem  flysse  N.  v.  Wyle  trunslat.  10,  6 
Keller;  etwas  öfter  mit  einem  unechten  umlaut:  grosz, 
groesz  vastus  Diefenbagh  607  S  aus  grossem  zorn  Lu- 
ther 18,  231  W.;  ein  grossen  teil  Zwingli  v.  ßeiheit 
d.  sp.  1  ndr.;  im,  Superlativ  ivird  die  form,  gröszeste 
noch  ende  des  18.  jha.  von  grammatikem  gefordert  oder 
zugelassen,  vgl.  Voigtel  wb.  2,  135 '^;  H.  Braun  wb.  126»; 
sie  wird  noch  spät  im  19.  jh.  gelegentlich  geschrieben :  es 
wäre  der  gröszeste  fehler  Bismarck  ged.  u.  erinn.  l, 
123  volkaausg. 

bedeutung  und  gebrauch. 

nach  dem  obigen  etymologischen  ansatz  tcird  es  be- 
greiflich scheinen,  wenn  grosz  in  bedeutung  und  Verwen- 
dung starke  berührungen  mit  grob  aufweist,  mir  dasz 
bei  diesem  adj.  der  maszbegriff  nur  partielle  bedeutung 
gewann,  während  er  das  adj.  grosz  von  anfang  an  in 
der  ganzen  breite  seines  gebrauchs  beherrscht,  ohne  dasz 
noch  Vorstufen  der  quantitativen  bedeutung  erkennbar 
wären,  wie  etwa  bei  klein,  dies  adj.  stellt  in  den  aller- 
meisten fällen  den  gegensatz  zu  grosz  dar,  wie  denn 
nach  Hildebrands  treffender  bemerkung  (<ä.  5, 1090)  beide 
adjectiva  sich  an  einander  entwickelt  haben;  auch  die  ab- 
lösung  von  michel  durch  grosz  hängt  mit  der  von  lützel 
durch  klein  innerlich  zusammen;  sie  ist  ende  des  ib.  jhs., 
abgesehen  vom  alem.,  ziemlich  abgeschlossen  gewesen;  bald 
danach,  im  iG.jh.,  steht  grosz  auf  der  höhe  seiner  aus- 
dehnung,  um  in  den  folgenden  Jahrhunderten  wieder  an 
boden  zu  verlieren;  s.  u.  A;  B  i  a.  ß,  l  c  n.  2.  3.  4  b;  D 
1  b.  c.  d ;  F  1  c  ()'. 

I.  adjectivisch. 

A.  Vorstufen  der  hatiptbedeutung . 

1)  das  genetisch  älteste  steckt  in  der  bedeutung  'grob- 
körnig' {vgl.  grob  B  i  a):  grosz  kleyen  farrago  Diefen- 
bagh 226";  grosz  melb  Tengli.r  laiensp.  (1544)  22»;  gros 
oder  grob  sand  arena  crassior  Bas.  Faber  thes.  705*; 
dorsum  ein  kleiner  bühel,  von  griess  oder  grossem  sand 
gesammlet  Frisius  nach  Staub -Tobler  2,  801;  ent- 
sprechend grob  D  1  auch  von  flüssigkeiten  als  'dicktJiei- 
Hg':  4  tonnen  grosis  öls  Marienb.  tresslerbuch  127,  6  Joa- 
chim [gegensatz:  2  tonnen  kleynis  ölis);  diu  milch  swar- 
zer  schal  ist  pezzer  und  groezer  wan  an  den  weizen 
KoNR.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  155, 16;  entsprechend 
grob  D  2  auch  von  der  luft:  pingues  aurae  grosser  oder 
dicker  lufft  Frisius  dict.  143". 

2)  aus  1  läszt  sich  die  bedeutung  'dick'  herleiten;  vgl. 
nieder  die  parallele  von  grob  (s.  d.  B  l  b),  die  in  ein- 
zelnem bis  in  die  neuere  ma.  zu  verfolgen  ist:  grosz  hören 
.otark  taub  sein  i.  S.  Vater  proben  dtsch.  volksmaa.  43 
(a«*  Unterkärnten) ;  vgl.  Schmeller  i,  1013,  tvie  grob 
hören  sp.  402;  vgl.  groszhörig. 

a)  im  mhd.  die  vorherrschende  bedeutung,  die  noch  in 
älteren  nhd.  glossaren  kräftig  hervortritt:  crassus  dick, 
grosz,  mastig,  feiszt  Frisivs  dict.  3M^;  praecrassus  gar 
dick  und  grosz  Calepin  xi  ling.  1127"; 

so  ist  abir  der  grozzist         undir  in  (dem  fingern)  der  nutz- 

zist, 
ich  meine  den  dorne  Milst.  genesis  5,  29; 

später  icird  der  gröszte  finger  zum  längsten,  mittelßnger, 
sl  u.  B  1  f; 


wand  er  (der  fisch)  was  lanc  unde  gröz 

Hartm.  V.  Aue  Greg.  3285 ; 

diu  sper  wären  kurz  unt  gr6z  2123; 

vgl.  ein  armgrozez  sper  unter  dick   anfang,  th.  2,  1078; 

daz  niht  der  vaden  würde  gröz 

KoNR.  V.  Würzburg  troj.  15  876, 

und  entsprechend  von  einem  grobfädigen  geivand: 


ir  hemde  was  ein  sactuoch 
gezerret,  swarz  unde  grÖz 


Ru.  -1929 


{vgl.  grob  C  2  b) ;  von  ayner  grossen  oder  dicken  saytten 
bezogen  Virdung  musica  gelutscht  i  s^;  wen  wier  die 
grossen  strik  oder  sunst  seil  machten  Platter  53  Boos; 
ein  grosz  seil  una  corda  grossa  Kramer  teutach-ital. 
1,  568''; 

er  thut  so  gwaltiglichen  liegen, 
das  sich  die  grossen  balcken  biegen 

Eyering  proverb.  2,  57  ; 

wenne  daz  ai  volpräht  ist,  so  kümt  daz  groezer  tail  6 
ze  land  'das  dickere  ende'  Konr.  v.  Megenberg  buch 
d.  natur  195,  13;  vgl.  thue  es  {das  ei)  am  grossen  ort 
auff  Gäbelkover  arzneib.  l,  298;  gravigena  .  .  der  grosz 
wangen  hat  Diefenbagh  269'';  bliesz  die  backen  so 
grosz  auf,  dasz  Weise  erznarren  118  ndr.;  mammosus 
mit  grossen  dutten  oder  brüsten  Calepin  xi  ling.  861''; 
namentlich  vom  dicken  bauch:  corpulentus  leibächtig, 
grosz  von  leib  339  *' ;  so  daz  wip  ze  groz  wirt  ztcei  dtsche 
arzneibücher  24,  27  Pfeiffer;  das  der  saw  der  pauch  nit 
zu  gross  wurd  Luther  7,  271  W.;  so  bis  in  die  neuere 
ma.:  groszer  leib  kommt  netvon  kleinen  linsen  Fischer 
Schwab.  3,  856 ;  feste  Verbindungen : 

herr  apt,  ir  sind  gar  gross  und  feiss 

N.  Manuel  i  ßäeht.  ,• 

darumb  das  dye  seel  davon  .  .  gros  und  feth  wirt  Lu- 
ther 2,  111  W.;  von  geschioollenen  gliedern:  {ein  bruder) 
der  eyne  zuswollene  grose  band  hatte  Marienb.  tress- 
lerb.  105,  9  Joachim;  ganz  stereotyp  in  fällen  wie: 

der  schlangen  bald  in  zorens  quäl 
zur  räch  ir  halsz  grosz  auffgeschwal 

H.  Sachs  9, 164  K. ; 

{sie)  funden  den  könig  an  einem  bett  ligen,  grosz  ge- 
schwollen und  ohnmächtig  buch  der  liebe  (1587)  267^; 
entsprechend  schon  ahd.  crozza  tum.idas  {papiUas)  Grapp 
4,  336. 

b)  so  in  mannigfachen  Wendungen  bis  in  die  netteste 
zeit  von  schwangeren  (vgl.  grob  B  1  b) :  wen  si  was  groz 
alse  ze  keminaten  solte  gan  Lueidar.  45,  12  Heidlauf; 
da  war  die  Feronica  so  gross,  daz  der  hertzog  mainet, 
es  möcht  ir  ein  seh  ad  widerfaren  Sghumann  nacht- 
büchl.  162  Bolie;  vgl.  unde  machte  sich  grosz  mit  cl ei- 
dern unde  sprach,  sie  trüge  eyn  kynt  J.  Rothe  thür. 
chron.  67  Lil.;  die  gyngk  grosz  unde  was  nahe  das  sie 
geligen  sulde  200;  so  noch  heute:  grosz  gen  schwanger 
gehn  Schmeller  1,  1013;  adverbiell: 


ein  wolf  ze  einer  liwen  sprach, 
do  er  si  gröze  tragen  sacn 


Boner  28,  3 ; 


ebenfalls  bis  lieute:  ti  khuu  treict  krous  Lenz  Hand- 
schuhsh.  dial.  29'';  gross  tragend  trächtig  Staub-Tobler 
2,  803;  mein  liebe  liausfraw  Elisabet  was  grosze  ains 
kinds  städtechron.  5,  137;  die  künigin  .  .,  die  gros  kin- 
des  ging  8,  444;  sein  hawsfraw  gieng  auch  grosz  mit 
aim  kind  quellen  z.  gesch.  d.  bauernkriegs  2,  361  Bau- 
mann; grosz  mit  üeisch.  gravida,  Diefenbagh  269'';  die 
mit  eim  kind  gadt  oder  grosz  zum  kind  ist  Frisius 
dict.  1040»;  vgl.  wo-n-i  zum  eltesten  buch  bin  grosses 
g'sin  Staub-Tobler  2,  803; 

do  er  (Joseph)  kam  und  die  maget  (Maria)  sach 
gross  an  dem  lip 

gedieht  v.  Johannes  d.  tauf  er  1149  Adrian; 

dasz  Sara  grosses  leibs  worden  Abraham  a  St.  Clara 
etwas  f.  alle  2,  20;  Ciboria,  als  sie  grosz  leibs  gangen 
mit  dem  Juda  Judas  1,  l ;  zum  compositum  verschmolzen : 
werend  sie  mit  Henrico  groszleibs  war  F.  A.  v.  Bran- 
Dis  d.  tirol.  adlers  ehrenkräntzel  lOl ;  7iicht  selten  tau- 
tologisch:   das   sich   die  jungkfraw   on   ir  wissen  grosz 


459 


GROSZ I  B  1 


GROSZ I  B  1 


460 


und  schwanger  fand  Arigo  decam.  (l535)  120*';  unan- 
gesähen  dasz  sie  grosz  und  schwanger  war  Stumpf 
Schwytzerchron.  219*;  diese  formel  sieht  deutlich  in  be- 
Ziehungen  zu  der  ebenfalls  gerade  im  alem.  häufigen 
Wendung  grosz  schwanger,  in  der  sonach  das  adv.  von 
haus  aus  ganz  concret  als  'dick',  nicht  rein  steigernd 
als  'sehr'  {s.  u.  D  3  a)  zu  verstehest  sein  tvird:  (sie)  do 
eyns  kindes  grosz  schwanger  was  Arigo  decam.  602  lit. 
ver.;  het  er  sein  weih  grosz  schwanger  hinder  im  ge- 
lassen Wickram  2,  172  lit.  ver.;  doch  zuweilen  auch  deut- 
lich als  Steigerung,  wie  hochschwanger,  empfunden: 

mit  sehr  und  gross  schwangerem  leyb 

H.  Sachs  2,  12  K. ; 

weitere  belege  unter  schwanger  1  f,  th.  9,  9284 ;  vgl.  auch 
grob  schwanger  unter  grob  B  2  a. 

B.  hawptbedeutung :  grosz  als  maszbegriff,  zur  bezeich- 
nung  von  ausdehnung  und  menge. 

l)  in  anwendung  auf  ein  concretes  ausgedehntes. 

a)  die  vorausliegende  bedeutung  'dich'  führt  zunächst 
natürlich  zu  einem  masz  für  körperliche  dinge  (vgl.  die 
analoge  entwicklung  von  grob,  B  1  c) ;  thatsächlich  ist  der 
begriff  des  raummaszes  als  der  eigentliche  und  ursprüng- 
liche des  adj.  deutlich  tcahrzunehmen  und  als  solcher 
noch  heute  spürbar:  ein  groszer  bäum  ist  nicht,  wie 
Adelung  ivill,  ein  hoher,  sondern  einer,  der  mit  der 
höhe  eine  umfängliche  kröne  verbindet;  vgl.  dero  palmon, 
diu  der  nidana  smal  unte  rüch  ist  unte  ab  obana  gröz 
unte  scöne  ist  Williram  121,  6;  mit  eyme  grosen  harte 
Marienb.  tresslerb.  253,  29  Joachim  läszt  noch  heute  m,ehr 
an  einen  starken  als  an  einen  langen  denken  u.  s.  f. , 
erst  auf  dieser  stufe  tritt  der  gegensatz  zu  klein  i»! 
seine  vollen  rechte,  mag  es  sich  um  eine  relative  masz- 
angäbe  handeln,  so  dasz  ein  anderes  ding  gleicher  gat- 
tung  als  vergleichsobject  vorschwebt,  oder  um,  eine  abso- 
lute, wo  ein  vergleichsobject  anderer  gattung  zu  suchen 
ist;  dieser  fall  der  seltenere,  etwa:  unmet  grot  {vom  ol- 
bundeo  gesagt)  Hei.  8299;  der  grosse  walfisch  Luther 
10,  1,  1,  624  W. 

a)  so,  als  masz  räumlich  ausgedehnter  dinge,  in  un- 
endlich mannigfaltigem  gebrauch,  von  lebendem  und  totem, 
z.  b.  einen  eher  grözen  Nib.  88i,  l;  prägnant:  praesepe 
ein  stall  für  die  grossen  thier,  viechstall  Calepin  xi 
ling.  1140*;  blocken  .  .  wird  meistentheils  dem  grossen 
viehe  zugeschrieben  Gueintz  rechtschreib.  42;  sprich- 
wörtlich {mit  anspielung  auf  die  bedeutung  F  1  c) :  grosser 
vogel  grosz  nest  schöne  weise  klugreden  (1548)  43*';  die 
grosse  fisch  seynd  der  geringen  todt  h&HMANH  florileg. 
polit.  1,  334;  thie  groto  sten  Hei.  5804;  bildlich:  ist  mir 
ein  groszer  stein  vom  herzen  Göthe  IV  l,  197  W.;  die 
grossen  schollen  mit  dem  karst  zerschlahen  Frisius 
dict.  156";  ein  grosser  dreckpatz  Luther  34,  i,  84  W.; 
das  gröste  stück  gilt  Friedr.  Wilhelm  sprichwörter- 
reg.  s  2'';  bildlich:  ich  habe  immer  grosze  stücke  auf 
ihn  gehalten  Eichendorf  3,  104; 

auch  wann  du  iszt,  schneid  grosse  schnitten 

Scheit  Grob.  3298  ndr.; 

so  auch  adverbial  'umfänglicher,  dicker': 

daz  si  der  fürsten  braten 
snlden  groezer  baz  dan  e 

Walth.  V.  D.  Vogelweide  17,  15; 

ein  grosse  garben  stro  H.  Sachs  l,  63  K.;  grosz  flei- 
schächtige  kriesen  Frisius  dict.'2l0^;  bildlich:  ein  hoch- 
fahrender Schlingel,  der  grosze  rosinen  im  sack  hat 
Fontane  I  6,  26;  dem  in  groszen  schweiszperlen  vor 
ihr  stehenden  I  5,  134;  adverbial:  fällt  der  schnee  grosz, 
breit  'in  dicken  flocken'  W.  Körte  Sprichwörter  5i3;  so 
bis  herauf  zu  den  gröszten  körpern: 

Saturn  ist  grosz,  dem  äuge  fem  und  klein 

Göthb  15,  17  W.  s 

die  gröszeren  erden  Klopstock  öden  l,  134  M.-P.;  des- 
gleichen von  künstlich  erzeugten  gegenständen:  groszer 
hamer  marcus  Diefenbach  349";  en  groet  mes  203*  *.  v. 
ensarius;  grose  laterne  Marienb.  tresslerb.  21,30  .Joachim; 
wie  grobes  geschütz,   stück   {s.  grob  B  i  d)   auch:   drei 


püchsenmeister  mit  dem  grossen  werck  stüdtechron.  a, 
276;  sampt  dem  grossen  geschütz  Fronsperger  kriegsb. 
1,  44*;  anstatt  der  groszen  stücke  Voigtländer  öden 
u.  lieder  36,  6;  ein  grosses  schiff  Arigo  decam.  74,  12 
lit.  ver.  und  so  schon  Nib.  s.  240  Z.;  bey  grossen  Öfen 
ist  sich  gut  wermen  Eyering  proverb.  1,  179  mit  an 
spielung  auf  die  bedeutung  F  i  c;  das  her  dy  rothen 
buchstaben  hat  gemachet  in  den  grosen  brefir  Marienb. 
tresslerb.  97, 16  Joachim;  ob  grosz  und  vil  bucher  machen 
kunst  sey  LüthIer  6,  203  W.;  ein  groszes  dickes  histo- 
rienbuch  Caroline  1,  32  Waitz.  einiges  bedarf  beson 
derer  liervorhebung : 

;?)  seit  alters  vom  menschlichen  körper  und  gewissen 
theilen  desselben;  doch  hat  in  manchen  fällen  jüngere 
spräche  andere  adjectiva  eintreten  lassen:  humerosus  das 
grosse  und  breite  achsel  hat  Calepin  xi  ling.  661"»;  pec 
torosus  das  ein  grosse  und  starcke  brüst  hat  1039'»; 


zwäre  ime  was  sin  houbet 
groezer  danne  eim  üre 


Iw.  431: 


bildlich:  wer  für  sich  schwülstig  ist,  dem  soll  man  den 
köpf  nicht  grösser  machen  Lehmann  florileg.  polit.  1, 
464; 

darumb  blybt  er  ein  grobian, 

das  heiszt  zu  güttem  tUtsch  ein  losz, 

und  blybendt  im  syn  oren  grosz 

Murner  narrenhcscMo.  41  ndr. ; 

als  zeichen  scharfen  gehörs:  auritus  der  grosse  oren  hat, 
oder  ein  gut  gehör  Frisius  dict.  145'';  deshalb:  richter 
sollen  grosse  obren  und  kleine  hende  haben  Petri  d. 
Teutschen  weiszheit  2,  Rr4'*;  groszer  fusz  in  jüngerer 
zeit  vielfach  bildlich:  ein  .  .  jüngling,  der  in  Italien  in 
einem  alten  schlösse  auf  groszem  fusz  gelebt  hat 
Eichendorf  3,  91;  genaueres  unter  fusz  I  A  5  a,  th.  i, 
1,  1,  970;  auch  grosze  band  erscheint  in  eigenartig  über- 
tragenem gebrauch:  er  hat  eine  grosze  band  beim  könig 
Fischer  sc/iwäb.  3,  855,  wie  sonst  von  der  langen  band 
eines  mächtigen  die  rede   ist,   s.  th.  4,  2,  329  unten;    vgl. 

ihr  seit  von  redlichkeyt,  von  grosser  streitbarer  hande 

Fischart  gefchichtklitt.  54  ndr.  ,• 

mit  etivas  anderer  färbung  {vgl.  unten  C):  gutturosi  die 
grosse  auffgeblasene  kälen  haben  Calepin  xi  ling.  632'»; 

dann  sie  hond  weite  grosse  kehlen 

Scheit  Orob.  3305  ndr.  ,■ 

Daniel  .  .  deutet  desselbigen  {ungeheuers)  grosses  maul 
Luther  80,  2,  169  W.;  heute  gern  bildlich  {vgl.  F  1  g, 
2  b):  in  dem  heldenthume  .  . ,  das  im  volk  'das  grosze 
maul'  genannt  wird  Gutzkow  werke  l,  143;  weiteres 
unter  maul  7  a,  th.  n,  1789;  auch  elliptisch:  die  grosze 
{erg.  gusche,  klappe)  haben,  hegen  viel  reden,  prah- 
lerisch, vorlaut  sein  Müller-Fraureuth  1,  444*;  mit 
anderer  syntaktischer  formulierung : 

gröz  was  er  zen  brüsten  Nib.  1672,  2 ; 

lacertosus  grosz  oder  starck  von  armen  Calepin  xi  ling. 
786*;  superciliosus  grosz  von  augbrawen,  in  einem  a7i- 
deren  glossar:  hoverdich  vel  grois  van  wymbrauwen 
Diefenbach  566'^;  vom  ganzen  menschen: 

sfn  junger  lip  wart  beide  michel  unde  gröz 

Walth.  v.  d.  Vogelweide  27,  5, 

d.  h.  lang  und  stark;  im  selben  sinne  gröz  gebüre  star- 
ker bauer  Hartm.  v.  Aue  Greg.  2791;  doch  auch  mhd. 
schon  häufiger  m,it  der  bedeutung  körperlicher  länge,  siehe 
unten  c  ß. 

y)  genauerer  betrachtung  bedürfen:  oculi  eminentes 
grosse  äugen  nomencl.  lat.  germ.  {Hamb.  1634)  I9l;  die 
zierrath  ihrer  grossen  äugen  Ziegler  asiat.  Banise  81; 
oft  mit  besonderer  note:  das  kind,  das  die  groszen,  ver- 
schlafenen äugen  gegen  die  .  .  .  frühlingssonne  aufrisz 
Storm  1,  48;  der  alte  mann  sah  mit  groszen,  theilneh- 
menden  äugen  zu  ihr  herüber  1,  209;  ich  fühlte,  wie 
mir  die  äugen  grosz  wurden  von  innerer  ergriffenheit 
1,  130;  namentlich  als  ausdruck  der  Verwunderung:  der 
jud  .  .  .  machte  demnach  grosse  äugen  Happel  akad. 
roman  258;  das  grosze  äuge  des  jungen  verrieth,  dasz 
er  den  älteren  nicht  verstand  Alexis  Roland  1,  31 ;  doch 


461 


GROSZ I B  1 


GROSZ I  B  1 


462 


auch  der  hestürzung:  der  hof  macht  grosze  äugen  wegen 
der  Türeken  znrüstungen  la  carte  stä  adomhrata  Ca- 
8TEI.LI  ital.teutsch  1,  18»;  des  zornes:  und  er  sieht  den- 
jenigen mit  groszen  äugen  an,  welcher  das  geringste 
darwider  versieht  J.  E.  Schlegel  5,  I8i;  der  begier:  die 
äugen  seynd  immer  grösser  dann  der  bauch  Lehmann 
ßorileg.  polit.  1,  63;  junge  Variante:  man  hätte  ein  gar 
grosz  gesicht  gemacht,  war  es  ihm  im  ernst  beikommen 
Alexis  Roland  l,  108;  älter  und  häufiger:  speyet  dar- 
umb  solchem  mohren  ein  groszen  blick  in  sein  ange- 
sicht  und  sagte  mit  zorn  und  ungedult  Kirchhof  wend- 
unm.  2,  254  lit.  ver. ;  der  alte  warf  grosze  und  grimmige 
blicke  nach  der  tür  Sohnrey  im  grünen  klee  209;  ein 
groszer,  verwundernder  blick  flog  auf  ihn  Stifter  l,  26 
Sauer;  sehr  gerti  mit  dem  {elliptisch  zu  verstehenden) 
adv.,  und  zwar  nieder  mit  stark  schicankender  bedeu- 
tung:  ich  sah  ihn  grosz  an,  wuszte  mich  aber  seiner 
nicht  zu  erinnern  Eichendorf  3,  37;  zornig:  I^eonore 
(sieht  ihn  grosz  an)  Schiller  3,  47  0.;  Rose  —  starrt 
Flamm  grosz  und  entsetzt  an  G.  Hauptmann  Base 
Bernd  (1904)  125;  sie  sah  mich  einen  moment  grosz  an, 
als  ob  sie  über  eine  wahrhaftige  antwort  nachdenke 
L.  V.  Francois  Reckenburg.  (1904)  304; 

0 !  und  sie  im  frommen  silberhaare,  .  . 

die  so  grosz  zurückblickt  auf  so  viele  schöne  jähre 

Hölderlin  1,  41  Litzm. 

d)  ein  ähnliches  schwanken  zeigt  die  alte  wendung  das 
herz  ist  (wird)  grosz,  wo  sie  dem  ausdruck  von  em.pfin- 
dungen  dienen  soll;  die  bedeutung  des  adj.  vergleicht  sich 
hier  mit  A  2  a  schlusz  'geschwollen' ;  vgl.  die  parallele  Wen- 
dung das  herz  schwillt  th.  9,  2498;  zumeist  als  ausdruck 
des  muthes,  der  tapferkeit: 

min  herze  ist  grOz  unt  wart  nie  swach, 

daz  ez  getorstc  ernenden 

alsolhe  swsere  minneB.  1,81»  r.  d.  Hagen; 

das  wort  soll  mir  mein  hertz  gros  machen,  ja  grosser 
denn  himel  und  erde  Luther  32,  336  W.;  klein  leut, 
grosse  hertzen  See.  Franck  »prichtc.  i,  121^;  des  zor- 
nes: Rengnold  verstuond  die  ungeschickten  reden  wol, 
so  man  über  inn  sagt;  darumm  er  das  hertz  so  grosz 
hatt  das  Haimonskinder  84,  32  Bachmann;  der  rührung: 
do  sy  Ruolland  gsach,  do  ward  im  daz  hertz  so  grosz, 
das  er  nut  reden  mocht  Morgant  202,  24  Bachmann;  in 
welcher  rede  ihm  das  wasser  in  die  äugen  schoss  und 
das  herz  fast  gross  ward  Staub -Tobler  2,  805  aus 
Vadian;  der  freude:  Ruolland  hat  das  hertz  so  grosz, 
darumm  daz  inn  Rengnold  gfelt  hat  Haimonskinder  155, 
29  Bachmann;  vgl.  noch  spät: 

ihm  wird  das  herz  in  freuden  grosz 
wohl  ob  dem  lieben  kränzel 

E.  M.  Arndt  5,  13  R.-M. ; 

nicht  selten  auch  als  ausdruck  der  betrübnis:  einem  das 
herz  grosz  machen  in  sollicitudinem  adducere  Staub- 
Tobler  2,805  {quelle  v.  1683);  belege  unter  herz  I  4  b, 
th.  4,  2,  1212/'.  ,•  t)ariiert:  mach  mir  itzt  den  köpf  nicht 
so  grosz  Staub-Tobler  a.  a.  o.;  die  wordt  syndt  ausz 
grossem,  tiffem  herczen  gegangen  'schtcerem'  Luther 
34,  1,  191  W.;  jünger:  sein  herz  wurde  grosz  bis  zur  an- 
dacht  Jean  Paul  sämtl.  w.  l  (i826)  165,  wo  freilich  die 
bedeutung  F  1  f  schon  stark  mitklingt;  auf  anderer  linie 
liegt  ein  groszes  (edles)  herz,  *.  u.  F  l  e  f^ 

e)  auch  bei  gewässern  in  einem  gebrauch,  der  dem  von 
ä  entspricht:  umb  des  (sturmes)  willen  sich  daz  mere 
ser  betrübet  und  grosse  ward  'schwoll  an'  Arigo  decam. 
75  lit.  ver.;  ward  die  Limagd  so  gross,  dass  si  zu  Zü- 
rich über  beid  brücken  gieng  Tschudi  chron.  helvet.  l, 
369*;  grosse  wasser,  grosse  kriege  inundationes  sequun- 
tur  magna  bella  PiSTORius  thes.  par'öm.  459;  das  was- 
ser war  grosz  heute  früh  und  das  floszholz  hätte  fast 
die  brücke  weggerissen  Göthe  IV  4,  209  W.;  einen  an- 
deren gebrauch  s.  u.  b  «. 

0  eine  besondere  färbe  gewinnt  die  bedeutung  öfter 
neben  gewissen  begriffen,  bei  denen  das  adj.  nicht  so  sehr 
das  masz  des  concreten  dinges  als  vielmehr  das  volumen 
seines  raumgehalts  bestimmen  soll:  grosse  gläser  aus- 
sauffen  Kramer  teutschital.  2,  iSi" ;   auch  elliptisch:  es 


grosses  most  ein  groszes  glas  most  Staub-Tobler  2, 
805;  einen  groszen  korb  voll  schmutziger  wasche  Ger- 
stenberg schlesw.  litbr.  145  lit.  denkm.;  man  machet 
grosse  gruben  Arigo  decam.  l  lit.  ver.;  und  her  wiset 
üch  ein  groz  müshüs  bestrowit  Beheim  evang.  buch, 
Marc.  14,  15;  die  gewölbte  flurhalle,  grosz  und  geräu- 
mig, trotz  der  eichenschränke  Fontane  I  l,  26;  was 
unten  der  hausraum  zu  grosz  war  0.  Ludwig  2,  306; 
ähnlich  auch:  das  kleid  ist  ihm  zu  grosz  vestis  Uli 
enormis  est  Steinbach  l,  646. 

b)  deutlich  eine  jüngere  stufe  der  bedeutungsentvnck- 
lung  stellt  die  heute  sehr  lebendige  anwendung  auf  flä- 
chen dar;  erst  seit  dem  nhd.  in  schwang:  amplus  weit, 
breit,  grosz  Calepin  xi  ling.  82*;  gros  und  weit  am- 
plus Henisch  1750;  ältere  spräche  hat  breit  oder  wit. 

et)  von  landflächen:  ein  grosser  anger  vel  burcz  garten 
viridarium  Diefenbach  nov.  gloss.  SSB'-'';  ein  groszer 
garten  Steffens  tvas  ich  erlebte  i,  53;  ein  groszer  platz 
magnus  locus  Steinbach  l,  646;  durch  diese  grosse 
wüsten  5.  Mos.  2,  7;  die  selbig  kilch  .  .  .  sucht  nit  .  .  . 
grosz  land  und  lüt  under  sich  ze  drucken  Zwing li 
dtsche  sehr.  1,  140; 

so  schien  auch  dir  dein  land  schon  in  noch  früher  jugend, 
wie  grosz  es  war,  zu  eng  v.  König  ged.  3 ; 

ein  weiser  thätiger  könig  eines  groszen  groszen  reiches 
Lessing  13,  93  M.;  aber  in  der  landschafft  desz  grossen 
Teutschlands,  welche  Westfahlen  genandt  Bech  Ägri- 
colas  bergwerck  buch  218;  als  die  weit  wirtschaftlich  im- 
mer groszer  wurde  Riehl  dtsche  arbeit  42;  ähnlich  von 
Wasserflächen:  kamen  an  ein  grosz  tief  wasser  Pauli 
schimpf  u.  ernst  70  lit.  ver.;  procella  ein  Sturmwind, 
sonderlich  auff  grossen  wassern  Calepin  xi  ling.  1158»; 
kein  groszer  wasser  als  die  Thur  {hatte  ich  bisher  ge- 
sehen) ü.  Bräker  sehr.  1,  94;  den  gröszten  husen  des 
oceans  Mommsen  röm.  gesch.*  i,  S;  besonders  {und  hier 
wenigstens  manchmal  gefärbt  nach  F  2  a  ;8) : 

der  lisch  unzäblich  heerde 
im  grossen,  wilden  meer 
P.  Gerhardt  bei  Fischer-TCmpel  3,352»; 

diese  wendung  auch  appellativ,  s.  u.  f ;  auch  mannigfach 
sonst:  ein  grosz  lynin  tüch  Zwingli  v.  freiheit  d.  spei- 
sen 5  ndr.;  in  groszen  Ölgemälden  Kern  er  bilderb.  i; 
das  grosze  kupfer  nach  G6rard  Göthe  IV  42,  6  W.;  da 
mein  .  .  briefpapier  unerträglich  durchschlägt,  so  will 
ich  mich  einmal  in  gröszerem  format  vernehmen  lassen 
IV  41,  142;  grosze  löcher  in  den  strumpfen  Moltke  sehr. 
u.  denkw.  l,  128;  ähnlich:  rara  retia  die  grosz  mäschen 
habend  Frisius  dict.  1156'';  dami  auch  geradezu  die 
grossen  jägergarn  ib.;  zu  letzt  müssen  sie  (die  bundes- 
genossen)  sehen,  dasz  ...  sie  in  die  grosze  garn  zu 
bringen  angestellt  gewesen  Lehmann  florileg.  polit.  l, 
129;  ein  groszes  licht,  das  den  tag  regiere  1.  Mos.  l,  16; 
bis  heute  gern  übertrageji  (mit  färbung  der  bedeutung 
nacJi  F  1  d) :  sint  .  .  .  für  gröste  lichter  der  kunst  ge- 
halten worden  N.  v.  Wyle  translat.  18  lit.  ver. ;  genaue- 
res U7iter  licht  II  17,  th.  6,  876/'. ;  zuweilen  der  bedeutung 
'breit'  nahekommend:  es  war  aber  ein  grosser  bach,  der 
lewe  holet  aus,  sprang  uberhin  Luther  26,  549  W.; 

und  geh  allzeit  den  grösten  weg, 
zur  tugent  geht  ein  schmaler  sieg 

Scheit  Grob.  1352  ndr. 

li)  abgesondert  sei  die  mannigfache  anwendung  auf 
buchstaben,  schrift  u.  ä. :  grosz  geschrift  im  Wechsel  mit 
grof  scrift  Diefenbach  205**  s.  v.  epituphium;  bildlich: 
(das  btich)  darynn  ich  doch  .  .  mit  grossen  buchstaben 
habe  verzeichent,  wozu  ich  antwort  begerd  d.  h.  'aufs 
deutlichste'  Luther  26,  261  W.;  das  wort  nachahmung 
mag  klein  oder  grosz  gedruckt  werden  'fett'  Dusch 
verm.  krit.  u.  satt/r.  sehr,  a  4'';  anders:  mit  der  groszen 
und  etwas  unleserlichen  handschrift  Carls  V.  Ranke 
sämtl.  werke'^  3,  viii;  miniatus  liber  da  die  grossen 
buchstaben  mit  rotther  dinthen  geferbt  seindt  Er.  Al- 
berus  dict.  19'';  zum  unterschiede  eines  grossen  I 
Gueintz  7-echtschreib.  14;  wan  er  .  .  wol  gar  das  grose 
D.  zuwegen  bringt  den  doctortitel  Rompler  v.  Löwen- 


463 


GROSZ I B  1 


GROSZ I  B  1 


Wi 


HALT  erstes  gebüsch  vorr.  8";  adverbial:  grot,  grof  scri- 
ven  ingrossare  Diefenbach  298";  heute  änderte:  mit 
groszem  anfangsbuchstaben  schreiben;  ist  .  .  ain  unver- 
sigloter  brieffbogen,  grosz  überschriben,  .  .  .  gefunden 
worden  städtechron.  23,  354;  redensart:  groot  anschreven 
wesen  bi  enem,  groot  an't  bred  wesen  gut  angeschrieben 
sein,  brem.nieders.  wb.  2,  549;  sie  stehen  bei  dem  manne 
grosz  angesehrieben  G.  Hauptmann  biberpelz  (1893)  75. 
c)  zur  bezeichnung  linearer  ausdehnung:  procerus  hoch, 
lang  und  grosz  Calepin  xi  ling.  1158»;  dieser  gebrauch 
erscheint  auch  im  ahd.  und  mhd.  schon;  doch  ist  viel- 
fach fühlbar,  nie  sich  der  Vorstellung  der  lüngenaus- 
dehnung  die  ältere  de.s-  räumlichen  umfanges  beimengt. 
a)  stangün  gröza  Otfr.  IV  16,  21,  d.  i.  eine  lange  und 
zugleich  starke  stange;  genau  so  noch  heute:  frau  Dörr 
strickte  mit  groszen  holznadeln  an  einer  .  .  wolljacke 
Fontane  I  5,  185;  mit  einem  grossen  stecken  Arigo 
decam.  259  lit.  ver.;  deshalb  in  älterer  spräche  gern  von 
bergen,  ivo  hezite  hoch  gebräuchlich  ist:  eyn  grosz  berch 
Diefenbach  226''  s.  v.  Phartis;  grosse  berge  Jes.  30,  26; 
bildlich:  sie  bilden  sich  .  .  rechte  grosze  berge  von  sich 
selbst  ein  Gottsched  dtsche  sehaub.  i,325;  adverbial: 
weil  unser  land  bürgig  und  grosz  über  die  erden  er- 
hoben Guarinoniüs  greuel  d.  veruüst.  765;  überhaupt 
ist  dies  grosz  heute  in  mancherlei  uendtmgen  durch  an- 
dere adjectiva  ersetzt:  das  weiter  schlegt  nur  in  grosse 
thürn  schöne  weise  klugreden  151^; 

(dc7-  Hmidel)  thät  gros  wällen  da  auftreiben 

Fisciiart  glückh.  schiff  v.  534  mir. ; 

nur  mundartlich  noch:  's  grosz  holz  hoher  waldbestand 
Staub-Tobi.er  2,  804;  die  schatten  werden  gros  Jer.  6,  *; 
wann  der  schatten  am  grösten  ist,  so  geht  die  sonn 
bald  unter  Lehmann  florileg.  polit.  i,  175. 

ß)  so  sehr  häufig  von  körperlicher  grösze:  der  gröze 
rise  Iw.  4915  und  oft  im  mhd. ,-  friss  du  grosser  riesse 
Luther  7,  678  W.;  der  (säme)  macht  ainen  grözen  men- 
schen über  gemain  laut  übernormalgrosz  Konr.  von 
Megenberg  bxich  d.  natnr  im;  dasz  übermäszig  groszen 
Individuen  etwas  an  geist  abgehe  Göthe  II  8,  41  W.; 
die  ehemahlige  grosze  garde  in  Potzdam  Adelung;  bis 
in  die  neueste  zeit  gern  in  paarungen ,  die  ein  nach- 
klingen der  ursprünglicheren  bedeutung  des  adj.  spüren 
lassen : 

jrrosz  und  statlicb  bist  du  von  ansehn 

J.  H.  S'^oss  Odysseen  Bern.; 

eine  heerde  buhen  .  .  .,  alle  grosz  und  stark,  wie  die 
jungen  esel  maler  Müller  i,  140;  aber  auch:  grosz 
und  hager  Kortum  Jobsiade  l,  7;  grosz  und  schlank 
Fontane  I  5,  149;  so  hätte  man  im  m,hd.  kaum  schon 
sagen  können;  mit  gen.: 


diz  was  ein  mau  erlich  gestalt, 
des  llbes  grOz  und  darzü  alt 

ode  ich  entsitze  ein  getwerc 
harter  dan  iuweni  grözen  Ifp 
{von  efvem  rieseii) 


pas».  K.  42,  60; 


Iw.  5011; 


auch  dies  bis  ins  nhd. :  warumb  hastu  diesem  ein  gros- 
sen leib  geben  und  mir  einen  klein?  Luther  19,  497  W. 
Y)  aus  ß  ßieszen  verschiedene  forme7i  abgeleiteten,  z.  th. 
ins  uneigentliche  übergehenden  gebrauches;  grosz  heiszt 
'erwachsen':  so  habe  ich  eine  gröze  tochter  di  ist  blint 
myst.  1,  90  Pf.; 

schämend  üch,  dass  ein  kind  me  kan 
denn  ir  all,  gross,  gstanden  man! 

N.  Manuel  191  Bäckt.; 

wenn  zuweilen  kinder  oder  auch  grosze  erwachsene 
leute  hinfällig  .  .  sind  J.  G.  Schmidt  rockenphilos.  i,  7; 
von  kindern  'herangewachsen,  nicht  mehr  in  den  ersten 
"'akren  stehend':  grosse  kinder  werden  schwärlich  zü- 
entwänen  sein  Fischart  groszm.  i  ndr.;  grosse  kinder, 
grosse  sorge  Lehm AifN  ßorileg.  polit.  i,  i9i;  daher  auch: 
gross  schul  die  oberklasse  einer  zweiklassigen  .schule 
Follmann  218";  Müller-Fraureuth  l,  444*; 

dft  bist  dem  be.smen  leider  alze  groz, 
den  swerten  alze  kleine 

WaLTIL    V.   D.    VOGELWBIDK   101,  25; 


sy  war  vor  sechs  jaren  grosz  genug  gewesen  zum  hei- 
rathen  Fortunaius  55  ndr.;  neuerdings  öfter  spielend: 
im  nu  drängten  sich  über  20  männer  und  weiber  .  . 
um  uns  herum,  und  ich  hatte  mühe,  die  groszen  kin- 
der zu  befriedigen  Hassert  reise  d.  Montenegro  36;  von 
mehreren  kindern  ist  das  gröszere  das  ältere  (selbst  wenn 
es  an  körperlicher  grösze  hinter  dem  jüngeren  zurück- 
steht); schon  in  älterer  spräche  durchaus  gewöhnlich:  da 
Isaac  alt  war  worden,  .  .  rief  er  Esau  seinem  grössern 
son  1.  Mos.  27,  i;  und  hub  am  grossesten  an  bis  auff 
den  jüngsten  44,  12;  etliche  kinder  .  .,  under  den  das 
groste  pey  acht  jaren  alt  was  Arigo  decam.  131  lit.  ver.  ,■ 
ebens'O  in  heutiger  Umgangssprache :  der  grosze  bruder, 
die  grosze  Schwester  die  älteren  Albrecht  Leipz.  126* 
und  sonst;  mit  gen.: 

daz  er  der  järe  wser  s6  gröz, 

daz  er  wa^r  von  reht  dem  pistuom  woi  genoz 

Lohengr.  .3228; 


vgl. 


da  er  nun  zu  gröszern  jähren  gekommen, 
ward  er  aus  der  deutscnen  schule  genommen 

Kortum  Jobsiade  1, 


grosz  werden  kann  eigentlich  verstanden  werden:  'wie 
grosz  du  geworden  bist',  sagte  er  Storm  l,  18;  häufiger 
im  .<nnne  'heranwachsen': 

auff  der  mutter  schosz 
werden  die  kinder  grosz 

Lehmann  florileg.  polit.  1,  190; 

wenn  sie  grosz  würden,  so  würde  sich  der  verstand 
schon  Gnden  Chr.  Reuter  ehrl.  frau  zu  Plissine  29 
ndr.;  nicht  nur  von  menschen:  dann  lassen  sie  die 
stamme  wachsen  und  grosz  werden  Göthe  24,  4  W.; 
freiheit  ists,  worin  alles  gute  gedeihet  und  grosz  wird 
Küetsghmann  1,18;  gelegentlich  auch:  so  wuchs  ich 
grosz  1,  51;  mit  präpo.sitionen :  dasz  ich  mit  den  poch- 
jungen  grosz  geworden  bin  Göthe  24,  53  W.;  sie  war 
in  bürokratischen  und  liofkreisen  grosz  geworden  Bls 
MARCK  ged.  u.  erinn.  l,  S3  volksausg. ;  die  Verhältnisse,, 
unter  welchen  ich  grosz  wurde  Steffens  was  ich  er- 
lebte 1,  170;  ähnlich  grosz  ziehen  'aufziehen':  ihr  habt 
mich  wie  einen  bauren  grosz  gezogen  Shakespeare  4, 
159;  (ein  schäfer,  der)  lämmer  grosz  zog  Tieck  sehr.  4, 
338;  die  gurken,  melonen  und  kiirbisse  weisz  mein 
gärtner  ebenfalls  grosz  zu  ziehen  d.  Leipziger  avantu- 
rieur  2,  165;  Ursus  .  .  wurde  von  einer  bärin  grosz  ge- 
macht Tieck  .^chr.  1,  148,  dies  eine  nd.  formel:  h6  hed 
mi  gröt  mäkd  aufgezogen  Doornkaat-Koolman  i,  697»; 
dasz  ihn  die  mutter  mit  eigener  milch  grosz  säugte 
Wackenroder  herzenserg.  204,  auch  dies  häufiger. 

()')  'lang,  weit'  als  abstractes  entfernung.9masz :  du  ha.sl 
einen  grossen  weg  für  dir  l.  kön.  19,  7;  grosze  tagreisen 
grosse  giornate  Kramer  teutsch.-itaL.l,  568 •';  ein  pferd, 
so  .  .  ein  grosse  reisz   gethan   Lehmann  florileg.  polit. 

1,  86;  proferre  pas.sus  proceros  weyt  oder  grosse  schritt 
thim  Frisius  dict.  955'';  leicht  und  kurtz  angekleidet 
gieng  sie  mit  groszen  schritten  Ramler  einleit.  in  die 
schön,  'wissensch.  1,  293;  übertragen:  da  haben  sie  schon 
einen  groszen  schritt  aus  der  weit  getahn  Göthe  IV  i, 
186  W.;  der  einn  grossen  sprung  wil  thün,  geht  hirtder 
sich  schöne  weise  klugreden  107'';  der  ziehhund  ...  in 
groszen  sätzen  nach  Fontane  I  5,  125;  dieser  abstracte 
gebrauch  .scheint  er.^t  im  nhd.  aufzukommen;  in  fäUen 
wie 

einen  schuz  he  dö  schOz 
der  was  s6  freislichen  greOz 
daz 

EiLiiART  V.  Oberg  Trist.  7800,  vgl.  7821 

dürfte  eher  'gewaltig,  .stark'  als  'weit'  gemeint  sein,  ».  ü. 
D  1  d.  " 

d)  die  formel  grosz  und  breit  musz  tirsprünglich  rein 
räumlich  gemeint  sein;  aber  frühzeitig  anders:  ein  here 
groz  unde  breit  Graff  4,  336;  vgl.  2  a;  in  neuerer  zeit 
gewöhnlich  mit  einem  beiklang  des  sinnes  von  F2c:  (ein 
rittergutsbesUzer)  unterschreibt  sich  grosz  und  breit  mit 
seinem  ganzen  major  auszer  diensten  und  allen  kreu- 
zen, deren  Inhaber  .  .  er  ist  Gutzkow  7i7fer  v.  ffei6fe 

2,  353;    'hier  darf  nicht  geraucht  werden'   stand   grosz 


465 


GROSZiÖi 


GROSZ I B  1 


4^66 


und  breit  in  den  saloppsten  kellerlöchern  an  der  wand 
Gaudy  2,  123;  übertragen: 

das  hat  der  Blücher  grosz  und  breit 
gezeigt  in  mancher  Schlacht 

HoFFM.  V.,  Fai.lbrsleben  gen.  tr.  3,  173; 

auch  hier  mit  demselben  beisinn: 

des  stillen  glückes  Seligkeiten 
erzählt  ihr  alle  grosz  und  breit 

Strachwitz  ged.  3 ; 

vgl.  e  groszes  iin  breetes  latschen  MOller-Fraureuth 
1,  44**. 

e)  bei  conereier  massangabe  tritt  das  als  masz  die- 
nende object  in  den  gen.;  u-ieder  lassen  die  formelhaften 
filgungen  erkennen,  dasz  die  bedeutung  des  rimdum,fanges 
die  primäre  ist: 

des  was  niht  berlfn  gröz  an  dir  vergezzen 

.?.   Tit.  5173; 

pcrlin  .  . ,  die  waren  einer  ziemlichen  nusz  grosz  buch 
d.  liebe  (^1587)  190",  dies  die  geläufigste  formel;  brüstlin 
wol  öpfel  gross  N.  v.  Wyli:  translat.  52  lit.  ver;  aus 
einer  sunde,  die  eins  mahenkornleins  gros  ist  Luther 
32,  26  W.;  so  bis  in  die  neuere  zeit:  einer  erbse  grosz 
LiCHTWER  üsoj).  fabeln  2\  \  einen  Minervenkopf  in  to- 
pas,  einer  starken  nusz  grosz  Göthe  *s,  75  W.;  viel- 
fach auch  in  alten  recepten  mit  Übergang  in  die  bedeu- 
fung  des  mengenmaszes  \s.  it.  2):  (i'O/i  dem  pulver)  nim 
einer  nusz  grosz  auff  einem  .  .  weckenschnittlin  Gäbel- 
kover  arzneib.  i,  15;  nemmet  einer  haselnusz  grosz 
wcisz  kupfferwasser  SEBiz/eWia«  74;  auch  bei  weniger 
formelhaften  vergleichungeri  bis  ins  19.  jh.  geicöhnlich  als 
räumliches  masz:  bern  gröz  wie  ein  bär  minnes.  2,  217^' 
V.  d.  Hagen;  stroherne  schäbel  eines  zimlichen  besens 
grosz  HoHBf:RG  georg.  cur.  2,  88'';  auch  in  den  obli- 
gaten blättern  ist  nicht  das  kleinste  nur  einer  brand- 
blase  grosze  satyrische  extravasal  von  ausschweifung 
ersichtlich  Jean  Paul  sämtl.  werke  21  (i827),  61 ;  häres 
gröz  eigentlich  '.90  dick  urie  ein  haar'  (vgl.  groszer  faden 
u.  ü.  oben  A  2  a);  mhd.  häufig  in  uneigentlichem  sinn, 
z.  b.: 

ern  schämte  sich  niht  häres  gröz 

Wigaloig  5430; 
später  tcird  die  formel  zerstört: 

das/,  der  dieb  mir  nicht  sol  ein  hUrlein  gros  versehren 

Reinicke  fuchg  (1650)  59; 
ebenso : 

daz  ich  im  wolde  iemer  stiien  gröz  vertragen 

Lohcngr.  545, 

nach  RÜCKERTS  anm.  zur  stelle  ein  lieblingsuusdruck 
hier  wie  im,  jg.   Tit.; 

die  ring  waren  wol  armes  groz 

I. aurin  2009  Schade  v 

dactylis  eines  lingers  dick  oder  grosz  Calepin  xi  ling. 
368'';  ist  ein  kleines  üschlin,  eines  fingers  grosz  Herold- 
Forer  Gesners  fi^chbuch  {166S)  2*^ ;  oder  hier  als  lüngen- 
maszf  in  der  bedeutung  des  flächenmaszes  erst  seit  dem 
nhd.  («.  0.  b  anfang):  die  sonne  were  nur  eines  tellers 
grosz  Schupp  sehr.  523; 

mit  feueraugen,  tellersgrosz 

Bürger  24»  /.'.; 

keines  groschens  grosz  Brockes  ird.  vergn.  6,  442;  nebst 
einem  kleinen,  etwa  eines  thalers  groszen  Stückchen 
papiers  Chamisso  5,  7  Hitzig;  von  ihren  forderungen 
.  .  .  nicht  nagelsgrosz  nachzulassen  Mörike  w.  2,  102 
Maync;  ungewöhnlicher:  eines  fingerringes  grosz  Rük- 
KERT  w.  4,  29;  eines  nadelöhrs  grosz  4,  29;  auch  als 
längenmasz  jünger  und  überhaupt  spärlich:  einer  eilen 
gros  1.  Mos.  6,  16;  betten  kinder  kein  anstösz,  so  wüch- 
sen sie  wol  eines  baums  grosz  Lehm ai^tü  florileg.  polit. 
1,  191; 

und  wärst  du  eines  kirchthurms  grosz ! 

Reithard  110; 

der  acc.  des  maszes  scheint  ganz  jung:  der  garten  ist 
zehen  quadratruthen  grosz  Krünitz  20,  127; 

(,das  herz)  weit  bis  zum  sitz  der  götter 
und  eine  spanne  grosz  nur  in  der  brüst 

Grillvarzer  8, 179; 

IV.  1.  6. 


vier  eilen  gros  i.  kön.  7,  19  m,ag  noch  genetivisch  emji- 
funden  sein;  ganz  vereinzelt  in  älterer  spräche  mit  dat.:: 
einem  ey  grosz  F.  Würtz  wundarznei  (1612)  34;  aber 
auch  die  anfügung  der  maszbestimmung  durch  partikeln 
ist  altgebräzinhüch:  steyne  als  gros  als  eyn  houpt  Ma- 
rienb.  tresslerb.  212  Joachim;  steyne  als  dy  füste  gros  572; 
geschwulst  .  .  grosse  als  die  eyer  Arigo  decam.  3  lit.  ver. 
f)  auszerordentlich  ausgebreitet  und  hier  nur  in  bei- 
spielen  zu  veranschaulichen  ist  der  appellative  gebrauch 
des  concret-quantitativen  grosz;  seit  alters  der  kunst- 
sprache  naturbeschreibender  disciplinen  ebenso  geläufig 
me  volksmäsziger  terminologie ;  botanisch:  grosz  wolff- 
milch  esula  Diefenbagh  211»;  grote  vel  stinkende  gouwe 
hirundinaria  278' ;  grosz  kletten  ^e»-*onato  430*;  der  ge- 
mein oder  grosz  Steinklee  sertula  campana  Calepin  xi 
ling.  1336'';  zoologisch:  groz  mus  so7-ex  Graff  4,  336; 
grosz  flige  o.  ertbene  fucus  Diefenbagh  250»;  grosze 
bienen,  brachvögel  Chomei.  öcon.  lex.  4,  1368;  groszer 
falcke,  Sperber,  weiszfisch  1370 f.;  anatomisch:  grosz 
ingedärm  exta  Diefenbagh  nov.  gl.  163»;  colon  der  grosz 
darm  Calepin  xi  ling.  270*;  ulna  das  gröst  bein  am 
arm,  die  grosz  armschinen  Frisius  dict.  1.S97'';  grosze 
ellenbogenröhre  Chomel  4,  1368;  grosze  pulsader  1369; 
grosse  Seite  achillessefine ,  chorda  magna  Hippocrafis 
quelle  des  n.jhs.  bei  Hyrtl  kunstworte  d.  anatomie  67; 
groszes  hinterhauptloch  151;  groz  zelie  allux  Diefen- 
bagh 25»;  der  grosze  finger  mittelfiuger :  drey  grosser 
linger  lang  Luther  19,  405  W.;  anders  oben  Ä  2;  geo- 
graphisch: kamen  ausz  grossen  Britannien  drey  ga- 
leen  in  Schotten  an  Amadis  1,84  Ut.  ver.;  aber  im  17.  jh. 
schon:  Jacobus  könig  in  grosz  Britannien  Lehmann 
florileg.  polit.  2,  683;  die  grosze  oase  in  der  libgscJten 
icüste;  oceanus  das  hoch  meer  oder  grosz  meer  Cale- 
pin XI  ling.,  onom.  2ü8";  das  grosze  meer,  .  .  das  Welt- 
meer Kuameu  teutsch-ital.  2,  35'';  vgl.  schon  the  groto 
seo  das  mser  Hei.  4315;  der  grosze  oder  stille  ocean; 
der  grosze  Belt  Chomel  öcon.  lex.  4,  1368;  der  grosse 
bach,  das  mediterranische  meer  StaubTobleu  2,80t 
{quelle  v.  1695),  offenbar  scherzhaft;  vgl.  über  de«  groszen 
bach  nach  Amerika  ib.,  heute  auch:  über  den  groszen 
teich ;  gern  bei  bergnamen :  groszer  Arber,  grosze  Sturm- 
haube w.a.;  astronomisch:  groszer  bär,  liund,  wagen 
Chomel  öcon.  lex.  1367.  70.  71; 

den  grossen  baren  . . , 

so  man  den  wagen  nennet  sunst 

Spreng  //.  264";. 

der  grosze  löwe  Wolff  mathem.  lex.  (i747)  l,  812;  numis- 
matisch: grosse  turnes  grossus  Diefenbagh  nov.  gl. 
198»,  wo  freilich  grosse  erst  durch  umdeutung  aus  gros- 
sus Turonensis  entstanden  ist;  genaueres  unter  groschen 
II  1;  gröze  pfenninge  Lexer  l,  1094;  umb  fyer  hundert 
grosser  pfenning  Eppendorff  Plinius  77;  grossus  Ar- 
qentoriitensis,  vulgo  ein  Schilling  grosz  vocab.  rei  numm. 
(1552)  A  2»;  groszer  groschen  s.  groschen  II  l;  groszer 
taler  Fisgher  schwäb.  2,  38;  in  der  technischen  spräche 
der  verschiedenstell  berufe  und  gewerbe:  seemännisch  gro- 
szer mast,  grosze  raa  u.  a.  Chomel  öcon.  lex.  4,  1369; 
grosze  Stenge,  groszes  segel  Jacoüsson  techn.  ich.  2, 
156  **;  grosze  blinde  velum  infimum  in  prora  dependens 
Apinus  gloss.  710?'.  256;  groszer  hobel  der  füghobel  der 
tischler.  groszes  fenster  als  bautechnisclier  ausdruck, 
grosze  schaufei  in  glashütten  Jacobsson  2,  156»;  das 
grosze  buch,  das  grosze  cassabuch  bei  kattfleuten  und 
banquiers  5,  739*;  dagegen  rein  flächenhaft  verstanden 
bei  formatbezeichnungen :  diese  englische  modeschrift, 
wie  sie  hier  in  grosz  4°  .  .  vor  mir  liegt  Göthe  IV  13, 
36  W.;  deshalb  liesz  er  sein  concept  in  grosz  octav  .  ." 
abdrucken  IV  42,  103;  auch  mannigfach  sonst:  gröze 
steine  die  'figuren'  des  Schachspiels  Heinr.  v.  Beringen 
schachged.  2698  lit.  ver.;  vgl.  9474;  grosze  wage,  stadt- 
wage, hauptwage  Kramer  teutsch-ital.  2,  1233"^;  die 
grosze  glocke  huuptglocke  einer  kirche;  lutt  man  stürm 
mit  der  grossen  gloggen  zum  münster  Platter  7G  Boos; 
daher  die  redensart: 

lasz  in  an  die  grosz  glocken  laufl'en  , , 

{weil  du  nein  kleid  beschüttet  hast) 

Scheit  Grob.  1648  riät:'; 

30 


467 


GROSZ  I  B  1.  2 


GROSZ I B  2 


468 


heute  etwas  an  die  grosze  glocke  bringen,  hängen;  das 
grosze  Siegel  Staatssiegel,  s.  Siegel  2  c,  th.  lo,  l,  897;  den  tod 
durch  das  grosze  schwert  das  scharfrichterschwert  Gutz- 
kow ges.  werke  5,  139;  groszer  zeiger  auf  der  uhr;  Lu- 
thers groszer  catechismus,  durch  die  länge  vom  kleinen 
hinter  schieden;  ebetiso  ursprünglich  die-  grosze  propheten 
li  profeti  maggiori  Kram  er  teutsch-ital.  1,  568'',  heute 
freilich  mehr  im  sinne  F  1  d  verstanden;  gröziu  mile 
die  deutsche  meile  im  gegensatz  zur  welschen  Lexer  1, 
2138;  miliare  Suevicum  vel  Helveticum  ein  grosse  teut- 
sche  meyl,  ein  vierteyl  lenger  als  ein  gemeine  teutsche 
meyl  Orsäus  nomencl.  method.  145;  Canopus  .  .  .  vier 
grosser  teutscher  meil  von  Alexandrien  gelegen  Cale- 
PIN  XI  ling.,  onom.  74'';  auf  c  y  beruht  grosze  magd 
'diejenige  magd,  so  hacken,  melken  und  das  grosze  vieh 
bestellen  musz,  auch  auf  die  küche  achtung  zu  geben  hat' 
Amaranthes  frauenz.  lex.  694,  eigentlich  die  erwachsene, 
ältere  gegenüber  der  kleinen  magd;  ebenso  wird  auch 
dem  compos.  groszknecht  (s.  d.)  ein  adjectivisches  groszer 
knecht  vorausgegangen  sein;  vgl.  das  Sprichwort  kleiner 
herr  ist  besser  als  groszer  knecht  Binder  88;  hier 
schafft  der  grosze  hirt  mit  dem  zuhirten  Schöpf  tirol. 
11;  groszes  wild  hochwild  Fischer  schwäh.  3,  853;  ent- 
sprechend groszes  weidwerck  Chomel  öcon.  lex.  4,  1871. 

2)  eine  andere  anicendung  von  grosz  als  quantitäts- 
begriff  legt  den  nachdruck  auf  die  Vorstellung  der  menge; 
auch  aif  diesem  felde  hat  das  adj.  in  jüngerer  zeit  nicht 
unbeträchtliche  einbusze  erlitten;  es  kann  die  Vorstellung 
beherrschen 

a)  der  begriff  der  zahl:  grosz  bedeutet  dann  'zahl- 
reich': numerosus  grosz  an  zahl  Calepin  xi  ling.  959''; 
so  besonders  bei  persönlichem  regens,  wo  jüngere  spräche 
nicht  selten  viel  bevorzugt:  siht  er  ein  grosses  volck 
dort  stehn  Er.  Alberus  fab.  18  ndr.;  wurd  ze  beiden 
teilen  gross  volck  erschlagen  Tschudi  chron.  helvet.  l, 
30;  vgl.  schon  grot  folc  Judeono  Hei.  3783,  ähnlich  grot 
gumscipi  '(128; 

alsMS  si  mit  im  riten 
mit  vil  grözem  her 

Tristan  als  manch  1401 ; 

ein  vil  groze  schar  Nihel.  1969,  l;  grosser  hauff  W. 
Schmeltzl  zug  in  d.  Hungerland  A  i  ** ;  aber  wie  die 
unverstendigen  gemeinlich  den  grossesten  hauffen  an 
der  zahl  machen  F.  Würtz  wundarznei  (1624)  28;  groz  ge- 
sinde  Mb.  833,  4;  {die  kaußeute)  in  grosses  gesind  wider 
kernen  waren  Arigo  decam.  67  lit.  ver.;  (sie)  hielten 
grossen  hoffe  von  meiden  und  knechten  66;  {Kriemhild) 
machet  ein  grossen  hof  Laurin  s.  91  Schade;  von  einem 
groszen  gefolge  begleitet  Fr.  M.  Klinger  3,  74;  Jieben 
Substantiven  wie  den  letzten  neigt  die  bedeutung  leicht 
zu  E2;  bauchknecht  ist  das  gröste  geschlecht  Leh- 
mann florileg.  polit.  1,  66; 

grosz  ist  in  Unterwalden  meine  fieundschaft 

Schiller  14,  302  G. ; 

{er  wird  sterben)  mit  hinterlassung  einer  groszen  familie 
W.  Raabe  Horacker  68;  et  macht  ein  grosse  schule, 
quia  tum  fuerunt  Hierosolymis  mher  denn  hundert 
dreissig  taussent  Luther  34,1,481  W.;  solche  grosse 
versamlung  der  menschen  Fronsperger  kriegsbuch  l, 
vorr.  &  2^;  es  were  zu  grosze  werlt  zu  ErlTort  zuviel 
leute  Stolle  ihür.  chron.  21  lit.  ver. ;  ein  grosse  weit 
von  allerlei  leuten  Staub-Tobler  2,  805  {quelle  v.  1625); 
ganz  anders  unten  F  1  c  d';  mit  grosser  geselschaft  von 
münchen  und  dienern  Arigo  decam.  67  lit.  ver.;  dazu 
wurde  eine  landpartie  .  .  in  gröszerer  gesellschaft  ver- 
abredet Storm  1,  8. 

b)  der  begnff  des  quantums;  grosz  bedeutet  dann 
'reichlich',  copiosus;  heute  vielfach  durch  viel  abgelöst: 
bis  das  es  (das  predigen)  .  .  grosse  frucht  bracht  hat 
Luther  26,  539  W.;  tantzt  ein  alter,  so  macht  er  gros- 
sen staub  Lehmann  floHleg.  polit.  i,  15; 

da  ward  vergossen  groszes  blut 

Volkslieder  d.  Deutschen  2,  203  Krlach ; 

kommen  nirgens  anders  her  dann  von  grosem  und 
kalten  wasser  trincken  SiKBVA  feldbau  153;  so  wohl  auch: 


sprichstu,  'ich  eauff  ein  grossen  wein', 
daher  kanstu  nicht  edel  sein 

Er.  Alberus  fab.  61  ndr.. 

schwerlich  schon  mit  der  qualitätshedeutung  von  F  2  e; 
groses  goldes  wert  ?>y.biz  fel^bau  252;  auch  nd.:  datwas 
grotes  goldes  wert  Schiller-Lübben  2, 155*  aus  Korner; 
ein  grosses  har  B.  Waldis  Esopus  2,  233  Kurz;  noch 
heute  Schweiz,  e  grosses  här  langes  und  dichtes  haupt- 
haar  Staub-Tobler  2,  804;  wie  überhaupt  das  ahm.  zu 
diesem  gebrauch  zu  neigen  scheint;  völlig  fest  ist:  {das 
schaf)  kumpt  nit  in  die  wäld  dann  bey  grossem  schnee 
Herold-Forer  Gesners  thierbuch  68";  durch  eingefall- 
nen  groszen  schnee  U.  Bräker  i,  178;  auf  einer  ande 
ren  linie:  grosz  gut  wil  haben  starcken  müt  schöne 
weise  klugreden  154'';  ein  groszes  vermögen  Göthe  45, 
16  W.;  ein  gut  vrunt  is  beter  dan  ein  grot  schat  Tun- 
Nicius  sprichw.  nr.  1216;  gröziu  gäbe  Nib.  1263,  4;  brach- 
ten grosz  almusen  und  opfer  Warbeck  Magelone  91'* 
Bolte;  grosz  presentz  schöne  weise  klugreden  24";  auch 
bei  entsprechenden  Verbalsubstantiven:  die  frawe  in  grosse 
schankung  tet  Arigo  decam.  72  lit.  ver.;  nicht  umb  der 
greffin  grosz  verheissen  willen  231;  einen  bettler  be- 
rahten  gibt  ihm  offt  mehr  nutzen  als  grosse  zusage 
Lehmann  florileg.  polit.  l,  6;  wieder  auf  anderer  linie 
{heute  in  concurrenz  mit  hoch):  äne  groze  miete  Walth. 
V.  D.  Vogelweide  56,  24;  üwer  Ion  ist  vil  oder  grosz 
in  den  himmlen  Zwingli  dtsche  sehr.  1,85;  dasz  sie 
mehr  auf  gute  behandlung  als  grossen  gehalt  sehe  Bren- 
tano 5,  65;  ein  grossen  kosten  haben  Frisius  dict. 
38*>;  grosz  auszgab  Lehmann  florileg.  polit.  i,  259;  sind 
deine  schulden  so  grosz?  Schiller  3,  15  G.;  durchaus 
fest  ist  grosz  noch  im  18.  jh.  neben  geld,  was  sich  aus 
einem  nachicirken  der  ursprünglichen  bedeutung  'entgelt' 
erklären  mag:  was  hilfft  nu  das  grosse  gelt,  so  von 
allen  landen  geschunden  ward  Luther  19,  412  W.;  du 
hast  auf  diese  reise  zu  groszes  geld  verwendet  Göthe 
43,  291  W.;  ich  verzehre  hier  groszes  geld  Iffland  thea- 
tral.  tverke  3,  79;  vgl.  geld  4  e,  th.  4,  1,  2,  2900;  das  vihd. 
kennt   auch   einen  entsprechenden    adverbialen  gebrauch: 

dar  zuo  s6  nam  ir  Marke  war, 
so  gröze  und  also  riche, 
daz  si  alle  rtliche 
lebeten  unde  wären  vrO 

GOTTFR.   V.   STBASZIiURCi   Tritst.  607; 

swer  also  gröze  bringet,  der  sol  willekomen  sin 

Ortnit  254,  3; 

do  her  an  seyme  totbette  lagk  unde  seyne  almoszen 
grosz  usz  richte  Rothe  thür.  chron.  192  LH. 

c)  ähnlich  bei  den  reinen  abstracten  von  zahl  und 
menge  {ico  die  bedeutung  gelegentlich  mit  Die  verrinnt) : 
eine  grosze  fremdenzahl  Göthe  IV  41,  142  W.;  mit  einer 
grossen  mengen  wol  gewopendes  volks  K.  Stolle  thür. 
chron.  1  lit.  ver.;  ob  schon  der  widerredenden  ein  grosse 
vile  ist  Zwingli  dt<)che  sehr,  i,  50; 

etliche  gar  ein  grosse  sum 
köstlicher  wahren  bey  sich  betten 

Spreng  Jf.  93»; 

neben  erlegung  einer  grossen  summa  gelts  J.  Wetzel 
söhne  Oiaffers  35  lit.  ver.; 

ouch  wonte  sfner  frouwen  mite 
höher  tugent  ein  grözez  teil 

KoNR.  V.  Würzburg  Kngelh.  653; 

den  grössten  teyle  meines  götz  Arigo  decam.  24  lit.  ver.; 
in  die  sprachen,  welcher  sich  das  grösser  theil  gebraucht 
die  meisten  menschen  Scheit  Orob.  s.3  ndr.;  adverbial: 
ich  kenne  den  satan  von  gotts  gnaden  ein  gros  teil 
Luther  26,  soo  W.;  befind  ich  mich  um  ein  grosz  teil 
leichter  Göthe  IV  5,  13  W. ;  ging  auch  das  .  .  familien- 
gefühl  .  .  groszen  theils  zu  grabe  Herder  17,  22  S.;  in 
neuerer  spräche  auch  gern  superlativisch  grösztentheils ; 
von  dieser  wendung  aus  zu  verstehen:  weil  sie  {die 
färben)  dem  äuge  theils  völlig,  theils  grösztens  zuge- 
hören Göthe  II  l,  l  Weim.;  das  gröszere  oder  kleinere 
maasz  {von  stolz),  das  man  bey  ihnen  zu  bemerken 
glaubt  Arghenholz  England  und  Italien  1,1,49;  in 
älterer  spräche  mit  einer  art  elliptischen  gebrauch»:  ein 
frölich  pylgram,   der  den  grosten  weg  gangen   Hütten 


469 


GROSZ  I  B  2-4 


GROSZ  I  B  4.  C  1 


470 


2 ,  190 ,  d.  h.  das  f/röszte  stück  des  iceges  (JLat.  confecto 
prope  itinere);  hierlier  auch  aus  mathematischer  sjyraclie : 
dasz  das  gantze  grösser  sey  als  sein  theil;  {die)  grö- 
szere  verhältnisz  .  .  ist,  wo  der  exponente  in  einer  ver- 
hältnisz  gröszer  als  in  der  andern  ist;  {das)  gröszte  ge- 
meine maasz  der  zahlen  Wolff  mathem.  lex.  (1747)  i,  609 
und  anderes  dergleichen. 

d)  auch  dies  grosz  vielfältig  in  appellativem  gebrauch: 
die  grosze  armada  Philipps  II.,  die  grosze  armee  Napo- 
leons gegen  Ruszland:  bevor  der  Untergang  der  groszen 
armee  sich  entschied  Treitschke  deutsche  gesch.  im 
id.jh.  1,398;  von  da  aus  auf  das  heer  der  toten  übertragen: 
zur  groszen  armee  abgehen,  abberufen  werden;  der 
grosze  rat  im  gegensatz  zum  engeren,  aus  weniger  per- 
sonen  bestehenden :  auff  disen  tag  ist  hie  der  gantz  grosz 
rat  zu  ainander  versamlet  worden  städtechron.  23,  324; 
wir,  der  burgermeister,  rat  und  der  grosz  rat,  so  man 
nämt  die  zweyhundert  der  statt  Zürich  Zwingli  dtsche 
sehr.  1,  115;  danach  gebildet:  schiffsbauer  und  groszer 
rathsherr  Götue  41,  i,  149  W.;  kleiner  und  groszer  aus- 
schusz  im  tvürtemb.  landtag  Fischer  schwäb.  l,  612;  de 
groote  school  eine  Stadtschule,  daran  viele  lehrer  sind 
Dähnert  168";  auf  der  linie  b  liegend:  am  selben  tage, 
an  welchem  diese  {arbeit)  mit  dem  groszen  preise  ge- 
krönt wurde  Ebner-Esghenbach  4,  260;  wenn  ich  das 
grosze  loos  gewinne  Arnim  15,  60;  vgl.  los  lo,  ih.  6,  1156. 

3)  grosz  als  masz  von  zeitbegriffen:  otium,  alttim  grosse 
weyl  Frisius  dict.  78**;  namenüidi:  wan  als  gröz  zeit 
die  müeter  verzerent  ob  den  kinden,  als  gröz  zeit  ver- 
zerent  diu  kint  ob  den  müetern  Konr.  v.  Megenberg 
buch  d.  natur  176,  20;  grosse  zeit  vieler  monate  Schupp 
.•ichr.  404;  Philoktet,  der  .  .  ihn  {den  schmerz)  eine  grosze 
zeit  selbst  dem  Neoptolem  verbergen  will  Herder  3, 
14  S.;  die  freuden  der  liebe  blieben  ihm  die  gröszte  zeit 
seines  lebens  unbekannt  Göthe  23,  80  W.;  auch  adver- 
bial: wenn  ich  einem  ein  unschöne  wort  mein  lebe- 
tage  grosz  gesaget  habe  Chr.  Reuter  Schlamp,  krank- 
heit  u.  tod  93  ndr. ;  heute  durchiveg  lang ;  am,  ehesten  ist 
auch  heide  noch  grosz  m.öglich  in  fällen  wie:  groszes 
schweigen  Schiller  3,  Sit  6.;  meine  frau  fand  ich  in 
groszer  angst  über  mein  groszes  ausbleiben  vor  W. 
Frh.  V.  Richthofen  biogr.  1,  88;  auch  dies  geUgentlich 
appellativ:  groszer  hörn  januar  gegenüber  dem  kleinen 
hörn  februar,  s.  th.  4,  2,  1821;  etwas  anders  {mit  färbung 
nach  F  2  a)  : 

im  groszen  kriege 
legt'  ihn  des  frommen  königs  (^Gustav  Adolfs)  band 
auf  eines  kriegerkindes  wiege 

Gerok  av/  eins,  gangen  -"•199; 

das  grosze  gebet  das  48  tage  und  nachte  dauert  Staub- 
TOBLER   2,  805. 

4)  auch  sonst  in  buntester  mannigfaltigkeit  zur  quan- 
titätsbezeichnung  von  inconcretem. 

a)  dabei  kann  jeder  der  unter  l — 3  behandelten  masz- 
begriffe  mehr  oder  weniger  plastisch  die  Vorstellung  be- 
stimmten oder  färben:  haustus  magnus  groisz  drunck 
DiEFENBACH  273«;  den  plan  der  gröszern  gedichte 
Kretsghmann  1,35;  das  pensum  war  zu  grosz  Göthe 
IV  8,  lOTT^.  ,•  vgl.  hüte  dich  für  grosser  arbeit  und  schmalem 
imbisz  Scheit  Grob.  s.  25  ndr.;  unsinnlicher:  {sie)  mit 
einander  grosse  rede  und  gespreche  betten  Arigo  de- 
cam.  175  lit.  ver.;  prägnanter: 

si  {die  merker)  habent  mich  äne  schulde  in  eine  gröze 

rede  bräht 
minnes.  frühl.  13,  17; 

solhes  im,  auch  uns,  gross  wort  und  nachrede  brächt 
privatbr.  d.  ma.  1,  47  Steinhausen;  den  groszen  ruf,  den 
er  sich  erworben  hatte  Göthe  43,  257  W.;  der  bauch 
wurde  yhm  bersten  für  grosser  kunst  Luther  26,318  W.; 
auch  in  den  frawen  grosse  Vernunft  sein  musz  Arigo 
decam,.  39  lit.  ver.;  alle  grosze  hoffnungen,  die  ich  mir 
von  ihm  gemacht,  alle  grosze  erwartungen,  die  mir  sein 
heldenmuth  einflöszte  Lenz  t,  78  Tieck;  da  man  sich 
von  demselben  {heere)  und  dessen  feldherrn  grosze  dinge 
versprochen  hatte  Archenholz  England  u.  Italien  i, 
1,  46;  auf  anderer  linie:  nach  grossem  befehlen  sol  nie- 


!   mands  engstiglich  streben  Friedr.  Wilhelm  spiichw. 
\   reg.  c  c  1 » ;  {helden)  die  gott  mit  sondern  hohen  tugen- 
■   den  begabt,  grosze  regiment  durch  sie  zu  faszen  Kirch- 
'    HOF  wendunm.  2,  20  lit.  ver.;  eine   grosze   conversation 
;    .  .  nach  allen  weltgegenden  hin  Göthe  IV  34,  130  W., 
eine  grosze  allgemeine   gastlichkeit  E.  M.  Arndt  1,34 
Ü.-M. ;  mit  anklang  an  F  2  b:   in  grossen  weitleufOgen 
;   hendeln  schöne  weise  klugreden  ios^ ;  auch  der  künig  in 
:   vil  prauchet  in  seinen  grossen  gescheften  Arigo  decam. 
:    73  lit.  ver.;   {Philipp  II.)   behielt   das   übergewicht   bei 
jeder  groszen  Verhandlung  Schiller  4,  92  (?. ,-  halbtech- 
nisch:  tagesgemäsz  ist  gegenwärtig  ja  blosz  die  grosze 
politik  RiEHL  dtsche  arbeit  l;  wieder  auf  besonderer  linie: 

und  schlug  sie  mit  sehr  groser  schlacht 

H.  Sachs  1,222  A'.  ; 

I   die  schlügen  die  feind  mit  grosser  niderlag  Seb.  Franck 

chron.  Germ.  (i538)  82'^;  durch  grosze  kämpfe  .  .  .  eine 

!   glorreich  berühmte  stadt  E.  M.  Arndt  l,  65  E.-M. ;   in 

[   einen  groszen  krieg  verwickelt  Fr.  M.  Klinger  3,  7. 

I        b)  auch  hier  wieder  hat  das  adj.  in  jüngerer  spräche 

I    mancherlei  einbuszen  erlittest,   besonders  zu  gunsten  des 

adj.  hoch :  es  ist  keim  züseher  kein  spil  zu  grosz  schöne 

weise  klugreden  B7 ^ ;   und  so  noch:  wir  hätten  bei  ihm 

vortrefflich  gegessen,    groszes  spiel  gespielt   Göthe  45, 

17  W.;  groszes  amt,  grosze  sorg  Aler  dict.  1,988**;  die 

hoffnung  zu  groszen  ehrenstellen  J.  E.  Schlegel  3,  34G; 

es  kommt  der  gröszte  fall  von  hohen  orten  her 

Hoffmannswaldau  nach  Steinu.^cii  1,  640; 

die  neuere  ma.  kennt  noch  er  hat  es  grosz  vor  Alhkeght 
Leipz.  126",  tco  höhere  spräche  sagt  er  will  hoch  hinaus; 
vgl.  auch  es  zu  grosz  anfangen  imporla  troppo  alia, 
voler  volare  troppo  alto  Jagemann  .546. 

c)  mannigfach  in  technischer  verivendung :  noch  halb 
concret:  der  puls  ist  grosz,  wenn  die  Schlagader  voll 
und  die  kraft  des  herzens  zugleich  wirksam  ist  Blan- 
CARD  2,  641*';  juristisch:  groszer  frevel  oder  (groszer) 
blutfrevel  Fischer  schwäb.  2,  1758; 

so  Sprech'  ich  aus  hiermit  den  groszen  bann 

ob  Jason  Grillparzek  ü,  171 ; 

wenn  sie  nicht  eine  weit  von  neuigkeiten  mitbringen, 
so  belegen  wir  sie  mit  dem  groszen  bann  Fontane  I 
5,  167;  nach  den  grundsätzen  der  groszen  haverei  hau- 
delsgesetzb.  f.  d.  dtsche  reich  §635;  ein  stein  ze  stossen, 
22  pfd  schwer  des  grossen  gewichts  Staub-Tobler  2, 
806  aus  Vadian  ;  {das)  grosze  einmal  eins  Wolff  math. 
lex.  (1747)  1,  610;  vielfältig  in  der  spräche  der  musik:  gehe 
ich  weiter  von  .  .  f  ins  nah-gelegene  g  und  überhüpfe 
das  zwischen-liegende  fis,  so  heiszet  ein  solches  Inter- 
vall .  .  eine  grosze  secunde  oder  ein  gantzer  groszer  ton 
Mattheson  kl.  generalbasschule  116;  die  Ordnung  dos 
groszen  und  kleinen  tons,  wie  sie  itzund  auf  unsern 
claviaturen  .  .  befindlich,  da  c— d  ein  groszer,  d— e  ein 
kleiner,  f — g  ein  groszer  .  .  .  ton,  das  heiszt,  wie  ein 
groszer  ton  gestimmet  ist  vollk.  capellmeister  51 ;  so  höret 
er  den  zusammenklang  des  groszen  halben  tons,  z.  e. 
e — f50;  die  grosze  tertz,  sext,  septime  47.48.49;  in  den 
groszen  ton-arten  {durtonarten)  ist  die  septime  von  sich 
selbst  grosz  kl.  generalbasschule  139. 

C.  für  sich  steht  eine  spielart  des  quantitätsbegriffes, 
bei  der  der  nachdruck  liegt  auf  der  Vorstellung  des  zu- 
samtnenfassenden ,  ungegliederten  gegenüber  dem  einzel- 
nen, dem  detail. 

l)  heute  groszes  geld,  d.  h.  geldstücke  oder  scheine, 
die  ein  vielfaches  kleiner  Scheidemünze  enthalten,  gegen- 
satz kleines  geld  th.  4,  i,  2,  2902;  {das)  grosze  singen  {der 
ganzen  gemeinde  im,  Verhältnis  zur  stimme  des  einzelnen) 
Jean  Paul  sämtl.  w.  54  (1828),  25; 

(wenn,  jüngling,)  dein  name 
noch  unerhöht  mit  der  groszen  fluth  fleuszt 

KLopstock  öden  1, 118  M.-P. , 

so  namentlich  in  einigen  festen  formein:  ein  wald  thut 
in  einiger  entfernung  schon  als  grosze  einförmige  masse 
unserm  äuge  wohl  Göthe  II  5,  l,  3  TT.,-  denn  .  .  .  der 
grosse  hauffe  keret  sich  an  gottes  wort  nicht  Luther 

30* 


471 


GROSZ  I  C  2.  3.  D  1 


GROSZ I  D  1 


472 


19,  642  W.;  der  grosze  häufe  (iiennt)  alles  poesie,  was  in 
verse  gebracht  ist  Ramler  einl.  in  d.  schön,  tciasensch.^ 
i,  123;  der  grosze  häufen  ist  zu  angründlich,  liederlich 
{in  Frankreich)  Görres  2,  26;  einen  solidem  beifall  .  ., 
als  der  des  groszen  publicums  sei  Göthe  21,  162  W.; 
es  ist  so  manches  daraus  .  .  vor  das  gröszere  publikum 
gebracht  worden  A.  W.  Schlegel  Europa  2,3;  etwas 
anders:  das  interesse  der  groszen  gesellschaft  will  es 
augenscheinlich,  dasz  man  die  grundgeseze  eines  Staats 
nicht  ungestraft  verlezen  lasse  Schiller  4,  98  G.; 

ich  bin  ein  aussatz  an  der  groszen  menschheit 

J.  MosEN  4,  428. 

2)  seit  dem  18.  jh.:  das  grosze  ganze  (einer  dichtung) 
Gerstenbehg  schlesw.  lit.  br.  221  Ufer,  denkm.;  so  ein 
groszes  ganze  die  kriegsgeschichte  war,  so  ein  groszes 
und  eignes  ganze  ist  auch  die  geschichte  des  west- 
phälischen  friedens  Schiller  8,  «4  G.;  die  .  .  .  be- 
ziehungen  .  .  zwischen  dem  Innern  leben  des  einzelnen 
.".  und  dem  groszen  ganzen  Justi  Winckelmann  2,  l,  5; 
selten: 

im  ganzen  groszen,  wo  des  einen  nachteil 

des  andern  vorteil  wird  Grillparzer  8,233; 

atich  purallelisiert :  wie  kann  das  grosze  und  ganze  .  . 
auf  eine  höhere  stufe  bürgerlicher  glückseligkeit  er- 
hoben werden  Fr.  Delbrück  sinnverw.  Wörter  (1796)  l, 
1.^3;  besonders  mit  im:  so  trägt  doch  {in  der  griech.  dra- 
matik),  im  groszen  und  ganzen  betrachtet,  alles  nur 
einen  einzigen  durchgehenden  character  Göthe  gespräche 
6,  123;  die  .  .  .  tiefere  bewegung  des  geistes,  die  ihr 
[der  abendländ.  Christenheit),  im  ganzen  und  groszen 
angeschaut,  zugeschrieben  werden  musz  Ranke  sämtl. 
werke'^  1,4;  diese  reihenfolge  früher  sehr  gewöhnlich: 
ob  denn ,  da  alles  in  der  weit  seine  philosophie  und 
Wissenschaft  habe,  nicht  auch  ...  die  geschichte  der 
menschheit  im  ganzen  und  groszen  eine  philosophie 
und  Wissenschaft  haben  sollte?  Herder  is,  7  S.;je  später 
je  mehr  zum  adv.  verblassend:  dasz  diese  gliederung  {der 
laute)  im  ganzen  und  groszen  mit  Brückes  System  über- 
einstimmt W.  Scherer  kl.  sehr,  l,  406;  er  bekannte 
sich  zwar  im  ganzen  und  groszen  zu  den  lehren  des 
calvinismus  Treitschke  hist.  u.  polit.  aufs,  l,  15;  um- 
gekehrt: welchen  vortheil  oder  nachtheil  die  europäische 
gesellschaft  im  groszen  und  im  ganzen  dabey  mag  ge- 
ärntet  haben  Schiller  8,  414  G.;  in  einer  zeit,  wo  man 
im  groszen  und  ganzen  .  .  .  nicht  gerade  weichlich  ist 
Bismarck  pol.  reden  4,  330;  da  uns  .  .  hievon  im  gro- 
szen ganzen  noch  wenig  bekannt  ist  Herder  13,  266  S. 

3)  ähnlich:  etwas  in  groszen  umrissen  darstellen;  er 
fand  die  umständliche  geschichte  seines  lebens  in  groszen 
scharfen  zügen  geschildert  Göthe  23,  142  TT'.;  mein  ge- 
dächtnis  ist  wie  ein  sieb,  nur  die  groszen  züge  be- 
wahrt es,  nicht  die  kleinen  feinheiten  Seidel  vorstadt- 
gesch.  45:  all  dies  wurde  übrigens  in  kurzen  groszen 
Sätzen  erledigt  Fontane  I  6,  24. 

D.  vielfach  geht  die  bedeutung  aus  dem  quantitativen 
ins  intensive  über;  das  adj.  hat  die  function,  eine  Ver- 
stärkung des  in  dem  regierenden  wort  gegebenen  begriffes 
auszudrücken. 

l)  mit  sächlichem  subject;  nur  vereinzelt  iv  anwen- 
düng  auf  ein  concretum:  {die  rade)  kan  für  ein  grosses 
Unkraut  nicht  gerechnet  werden,  dan  brantewein  dar- 
aus gebrant  wird  Gueintz  rechtschreib.  111. 

a)  so  in  anwendung  auf  eigenschaften ,  affecte,  emp- 
findungen,  innere  und  üuszere  zustände  des  menschen; 
hier  hat  sich  bis  in  die  neueste  zeit  der  Sprachgebrauch 
wenig  verändert:  mit  grozen  triuwen  Nib.  566,  4;  grosz 
manheit  Laurin  2555  Schade;  mit  grosser  danckbarkeit 
RiEDERER  Spiegel  d.  wahr.  rhet.  a  3»;  grosze  fälle  von 
Schönheit  und  höflichkeit  Campe  aw»  IjAvater;  sollich 
lieb  .  .  .  was  dem  manne  ein  grosze  freude  A.  v.  Eye 
dtsche  sehr.  1,  9;  wie  er  grosse  last  hett  sie  schlaffende 
an  zu  schawen  War  deck  MageloneiO'-  Balte;  groszer 
Wille  s.  th.  14,  2,  150/.;  mit  groszem  behagen  Göthe  46, 
63  Wl;  {worte)  die  mich  .  .  grosses  leyte  haben  tragen 
machen  Arigo  decam.  43  lit.  ver.;  der  aller  groeziste  haz 


Nib.  1858,4;  in  vil  giözem  zorne  s.  237  Z.;  in  jirossen 
Unwillen  und  verdrusz  Carbach  Livius  49*»;  nah  grozer 
ubermuote  Graff  4,  336 ;  grözara  angusti  Otfr.  H  4,  36 ; 
diu  gröze  vorhte  gotes  Rud.  v.  Ems  Barlaam  371,  35; 
grosser  sorg  wirt  liederlich  rath  schöne  loeise  kingreden 
95 *;  ausz  grosser  liebe  Warbeck  Magelone  25''  Bolte; 
in  grosser  andacht  80»;  mit  groszer  Inbrunst  Göthe  2, 
143  W.;  in  grosser  gehorsame  Frisius  dict.  89ß»>;  dar- 
umb  gehöret  grosse  gedult  dazu  Luther  30,  2,  634  W.; 
sein  grosser  glaube  mitten  ynn  der  sunden  19,  199;  die 
dinge  der  weit  mit  groszer  seelenruhe  anzusehen  Ranke 
reform,  gesch.  1,  63; 

ir  grözen  danc  si  niht  versweic 

Parz.  196,  4, 

die  bis  ins  19.  jh.  herrschende  formet:  das  nahm  ich  nun 
.  .  zu  groszem  danck  an  Götz  v.  Berlichingen  leben.s- 
beschr.  91  Bieling;  groszen  dank,  bursche!  Shakespeare 
9,  107;  grossen  hunger  Luther  30,  2,  551  W.;  vgl.  schon 
unmet  grot  hungar  Hei.  4329;  grossen  durst  Hätzlerin 
271*»;  grossen  wehtag  Sebiz  f eidbau  183;  ein  wasser  für 
grosses  hauptwehe  Gäbelkover  l ,  i ;  von  dem  nebel 
kümt  oft  grozer  siechtum  Konr.  v.  Megenberg  buch 
d.  natur  96,  4;  im  61.  jähr  .  .  habe  ich  grosz  gefährliche 
krankheit  .  .  .  ausgestanden  Schweinichen  denkw.  14 
Österley;  fiel  er  in  grosse  und  schwere  melancholey 
Amadis  l,  30  lit.  ver. 

b)  weiter  neben  abstractis  verschiedenster  art: 

von  dem  im  e  was  geschehn  .  . 

gröz  heil  und  michel  ungemach  Iw.  3929; 

wer  kein  sorg  hat,  der  hat  grosz  glück  Lehmann  flo- 
ril.  polit.  2,  743;  grosse  not  Laurin  1942  Schade;  grosz 
gefahr  Scheit  Grob.  2200  ndr.;  von  grözzoren  Sren  Milst. 
gen.  74,  15;  grosse  wirde,  grosse  bürde  Eyering ^roveci. 
i,.8S3;  mit  grossen  deinen  schänden  Arigo  decam.  159 
lit.  ver.;  daz  wer  mir  ein  grozzer  trost  privatbr.  d.  ma. 
1,  4  Steinhausen;  das  bringt  grosse  hülff  Gäbelkover 
arzneib.  i,  265;  grözan  scadon  Otfr.  IV  24,  34;  ein  gro- 
szer übelstand  eurer  spräche  A.  W.  Schlegel  im  Athen. 
1,  14;  durch  gröze  fintschaft  Nib.  1552,  4  B.;  amicitia 
ampl-a  ein  grosse  und  eerliche  freundtschafft  Frisius 
88";  grozer  sünde  erlöst  Walther  v.  d.  Vogelwetdr 
124,  40; 

wie  so  grosz  unrecht  faul  seyn  sey 

P.  Gerhardt  bei.  Fischer-Tümpel  3,  377»; 

gros  wunder  mus  ich  sagen  fry 

Fi.scHART  gluckh.  nchiffSi  nur.; 

nam  ir  für,  in  grossem  geheim  ir  liebe  ...  zu  offen- 
baren irer  ammen  Warbeck  Magelone  17"  Bolte;  in 
grozer  vinster  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  natur  1.51, 
27;  mit  grosser  stille  zu  des  münchs  zellen  ginge  Arigo 
decam.  37  lit.  ver. ;  kam  mit  grosser  eyl  ein  hertzog  buch 
d.  liebe  (i587)  91'^;  mit  groszer  bestimmtheit  Mommsen 
röm.  gesch. ^  1,  10;  das  in  der  feldarbeyt  .  .  .  ein  grose 
Ungleichheit  sicherhält  SiEbiz  f eidbau  l\  dasz  zwischen 
unserer  seele  .  .  und  zwischen  dem  flachs-  und  hanfbau 
eine  grosze  ähnlichkeit  herrsche  Lenzi,  72  Tieck;{d.  fri.es. 
spräche)  welche  .  .  nichts  anderes  war,  als  eine  abzwei- 
gung  des  niederdeutschen  in  groszer  verwandschaft  mit 
dem  angelsächsischen  Allmers  marschenb.  1,  188:  es  ist 
ein  grosser  underscheid  zwischen  Miriam,  Davids  und  der 
.  .  weit  tantzen  Ambach  vom  tantzen  (1.548)  b  2»;  doch 
greift  die  vertcendungsmöglichkeit  dieses  intensiven  grosz 
in  älterer  spräche  noch  icesentlieh  weiter  als  heute :  wel- 
cher .  .  gemein  man  hat  nit  ein  grosser  gewissen ,  so 
er  an  eins  apostel  abent  .  .  .  fleisch  esse,  den  ob  .  .  . 
Luther  7,  796  W.;  wo  nicht  durch  grosse  gewonheit 
ein  natürlicher  brauch  ausz  embsigem  essen  .  .  gemacht 
Scheit  Grob.  s.  8  ndr.:  obtinet  magnum  locum  in  me- 
dicuminibus  haec  herba  ist  in  grossem  brauch  Frisius 
dict.  900l>;  was  groser  rechnung  miessen  dy  eitern  got 
.  .  geben  H.  Gebweiler  beschirm,  des  lobs  Marie  32"; 
helt  ene  in  groter  bewaringe  Sghiller-IjÜbben  2, 155-'; 
wiwol  nun  gemalte  exempel  und  bewerüng  fast  grosz 
und  glaubhafftig  sein  Schwartzenberg  Cicero  62  •>;  er 
müsz  grosse  ursach  haben,  sonst  thett  ers  gewiszlich 
nit  Vogelgesang  heiml.  gesprüch  31  ndr.;   und  ähnlich 


473 


GROSZ  I  D  1 


GROSZ  I  D  1 


4/4 


noch  spät:  dies  sind  die  gröszten  gründe,  dasz  der  Rliein 
.  .wieder  deutsch  werden  musz  E.  M.  Arnt>t  sehr,  für 
u,  an  s.  l.  Deutsclien  2,  33 ;  oder  auch  als  intensivierung 
verbaler  begriffe:  auch  waren  sie  von  wegen  der  grossen 
flucht  noch  schnauffend  und  müde  buch  d.  liebe  28";  als   i 
bald  der  könig  erfähret,    dasz   ihr  entlaufTen   seyt,    so 
wirdt  grosses  nachsuchen  werden  91'';  begert  demnach    j 
mitt  grosser  bitt  'inständiger''  J.  Wetzel  söhne  Giaffers   \ 
19  lit.  ver.,  dies  sehr  häufig  im  älteren  nhd.;  ] 

von  manchem  ritter  gar  küne  i 

ward  do  gar  grosse  frag  gethan  'eifrige  frage'  \ 

Laurin  89  Schade;    \ 

eigenartig,  mit  Steigerung  einer  prägnanten  bedeutung  des  j 

ȟbst. :  ', 

des  moht  in  dünken  gröziu  zit  'hohe  zeit' 

Erec  28C6;  i 
es  ist  zu  essen  grosse  zeit 

H.  Sachs  2,  62  K.;  \ 

ewrn  sun  .  .  . ,   der   nun   in  den  künsten  weiter  fürzü-  \ 

schreiten  und  höher  zekommen  grosse  zeit  hätte,   auff  1 

die  löbliche  hoheschül  .  .  .  zuschicken   M.  Pegius  von  \ 

äiensibarkeiten  (1558)  lil^;    alem.  bis  heute  gebräuchlich,  { 

StaUB-ToBLER   2,  80Ö. 

c;  neben  unbestimmten  maszbegriffen :  und  alles  volck  ■ 

.  .  sind  leut  von  grosser  lenge  Züricher  bib.,  4.  Mos.  13  D;  i 

also   das   ein   grosse   praiten   darzwischen  war   Dürer  j 

tageb.  »5;    aul    der   groszen   höhe  war  der  himmel  mei-  i 
stentheils  rein  von  dünsten  Göthe  II  i,  Si  W.; 

in  grosser  meng 

sie  {die  quellen)  mit  gedreng  | 

wie  pfeil  von  felsen  ziehlen  j 

Spee  trutznacht.  35;  1 

vgl.  hierzu  B  2  c ;  ständig  in  älterer  spräche  neben  alter,  ' 
tro  heute  hoch  steht:  wie  es  denn  seinem  grossen  alter  - 
und  eibgrawen  kopff  .  .  gemes  war  2.  Macc.  6,  23;  wer  ; 
einem  grosz  alter  wündseht,  der  wündscht  ihm  viel  ■ 
Ungemach  Leuuakn  ßorileg.  polit.  I,  15;  in  seinem  gro- 
szen alter  Weidner  nach  Sanders  l,  681*;  was  ein  gros- 
ses alter  der  zeit  mit  sich  führet  aus  recht  alter  zeit 
stammt  Schupp  sehr.  778;  gelegentlich  sogar:  dieser  grosse 
alte  (dieser  hochbetagte)  disputirte  bisz  in  seinen  todt 
817 ;  mit  ganz  anderer  form  der  Steigerung  neben  fixen 
maszbegriffen:  Südwest  von  Rusor  eine  grosse  halbe 
meil  zur  see  ist  eine  .  .  klippe  Manson  seebuch  8;  wie- 
der sasz  ich  eine  grosze  halbe  stunde  Fr.  H.  Jacobi 
1,  13;  heute  'gut'  oder  'stark';  nur  neben  concretis  noch 
heute  in  ähnlicher  function:  das  ist  ein  groszes  brot, 
d.  h.  übernormalgrosz ;  dieselbe  bedeutung  technisch:  ein 
groszes  hundert  eine  zahl  von  120,  ein  groszes  tausend 
eine  zahl  von  1200  Krünitz  20,  129;  groszes  dutzend, 
'd.  h.  12  dutzend  zusam^men'  Rvmff  gemei7inütz.  üb.  146; 
annus  magnus  vel  annus  mundanus  das  grosse  jähr, 
haltet  neun  und  viertzig  tausent  gemeiner  jar  Goi.ius 
(1585)  27;  das  bey  des  vogels  {des  phönix)  leben  die 
umbkerung  des  grossen  jars  fürgeen  soll  Eppendorfp 
Plinius  138. 

d)  weiterhin  neben  begriffen,  die  sich  dem  concreten 
mehr  oder  minder  nähern;  gerade  hier  greift  die  jüngere 
»praclie  tneist  zu  adjectiven,  die  die  intensivierung  aus- 
drucksvoller bezeichnen,  stark,  heftig,  kräftig,  schwer  ti.  a. : 
mit  siegen  grozzen  Graff  4,  336 ;  die  schlugen  im  zween 
grosse  schleg  buch  d.  liebe  100";  mit  solchem  grossen 
puff  Luther  19,  203  W.;  (das  schiff)  von  dem  grau- 
samen mere  der  grossen  stösse  .  .  nicht  mer  erleyden 
mochte  Akigo  decamer.  106  lit.  ver.;  aber  auch:  under 
euer  lincken  brüste,  do  ich  eyn  grossen  kusz  hin  getan 
hab  262;  szo  yhr  aber  auff  dem  sandt  stehet,  wirft 
euch  eyn  schwinder  grosser  fall  begegen  Luther  8, 
482  W.;  nit  mit  schlechten,  sunder  mit  grossen  martern 
Judas  Nazarei  v.  alten  u.  neuen  gott  8  ndr.;  das  wort 
gottes  ist  nie  on  grosse  straf  übersehen  Zwingli  dtsche 
sehr.  1,  87;  vgl.  durch  daz  sult  ir  grözere  gerichte  int- 
fän,  d.  h.  strengeres  gericht  Beheim  evang.  buch,  Matth. 
i3,  14; 

wer  dir  der  bosz  zu  grob  und  grosz 

ScHErr  Grob.  3065  ndr.; 


auch  ir  sere  zu  herczen  gangen  was  das  grosse  weynen 
Arigo  decam.  62  lit.  ver.;  die  grossen  seufczen  125;  nach 
vil  grossem  lachen  58;  so  sagte  er  mit  groszem  lachen 
zum  Cardinal  Göthe  44,  6  W.;  mit  groszem  schnaufen 
Mörike  1,  187  Göschen;  ein  tiefifer  grosser  schlaaf  alta 
quies  Frisius  dict.  1107'»;  der  mohn  last  wegen  seines 
grossen  glantzes  die  slernen  nit  sehen  Aü.  Albertinus 
zeitkürzer  2^;  bildlich:  da  mit  er  seyner  gifft  eynen 
grossen  scheyn  und  ansehen  mache  Luther  18,  181  T-T.,- 
ähnlich:  es  kömmt  darauf  an,  sie  (die  folgerten g)  noch 
weiter  auszuführen  und  in  ein  gröszeres  licht  zu  setzen 
Kamler  einl.  in  d.  schön,  wissensch.  1,  50;  ein  grosser 
und  häfitiger  geschmack  vastitas  odoris  Fhisius  dict. 
1348";  und  ist  sein  smack  (des  amomum)  groezer  wan 
der  raufen  smack  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  natur 
356,  31 ;  ervant  er  von  dem  gire  so  gröz  ercenie  so  kräf- 
tige, zwei  dtsche  arzneibücher  47,  26  Pfeiffer;  dar  umb 
tuot  man  in  zuo  grozen  starken  erzneien  Konr.  v.  Me- 
genberg a.  a.  0.  370,  21;  vgl.  364,  12;  auf  derselben  linie 
liegt:  Wolfen  aber  sie  ez  ze  grozz  machen  und  wollen 
die  lut  verderben  es  zu  stark  treiben,  weisth.  6,  99. 

e)  so  besonders  auch  von  elementarischen  und  Witte- 
rungserscheinungen; doch  hat  sich  hier  das  adj.  besser 
gehalten:  grossen  frost  Scheit  Grob.  2666  7idr.;  je  grösser 
die  hitz  ist  Ergker  beschr.  aller  m,ineral.  ertzt  8*;  eyn 
grosse  truckenhait  Reynmann  tcetterbüchl.  7; 

do  wart  daz  weter  also  gröz  Iw.  2537 ; 

nach  Sonnenschein  kompt  gemeiniglich  ein  grosz  wetter 
hEUidAi^ii  fiorileg.  polit.  1,283;  gros  ungewitter  Sebiz 
f eidbau  9;  der  herr  liesz  donnern  einen  groszen  donner 
über  die  Philister  Züricher  bib.,  1.  kön.  7B;  ist  ain  so- 
licher  grosser  regen  gewest  Knebel  chron.  v.  Kaisheim 
87  hf.  ver.;  in  einem  grossen  hagel  Mathesius  Sarepta 
56'';  ein  grözer  stürm  diut.  3,  62;  wann  .  .  grosse  wind 
wähen  Sebiz  feldbau  529;  grandior  aura  ein  grosser 
wind  oder  ein  starcker  lufft  Frisius  dict.  143 '';  ich 
glaube  aber,  dasz  es  (das  augenleiden)  eher  vom  viellen 
weinen  kompt,  alsz  von  der  groszen  lufft  E.  Gh.  v. 
Orleans  br.  3,  134  lit.  ver.;  doch  kann  gr.  luft  auch 
etwas  anderes  meinen,  s.  o.  A  i;  ähnlich  auch:  den  winter 
über,  der  dieses  jahrs  grosz  und  hefftig  war  Rätel 
Curäi  chron.  199;  was  so  grot  en  winter,  dat  men  .  .  . 
Schiller-Lübben  2,  155*  aus  Korner;  vgl.  noch  spät; 
nun  brach  der  grosze  winter  ein,  der  schauervollste 
den  ich  erlebt  habe  ü.  B räker  l,  196. 

f)  bei  der  anwendung  auf  klänge  und  geräusche  kann 
die  bedeutung  'stark,  kräftig'  in  'laut'  übergehen:  wer 
ain  grözen  stimme  hat,  der  ist  küen  Konr.  v.  Megen- 
berg buch  d.  natur  46,  81;  welche  eine  grobe  und  grosse 
stimme  haben,  die  helt  man  für  verläumbder  J.B.Porta 
physiogn.  (i60l)  275;  die  stimm  ist  grösser  dann  der  man 
schöne  weise  klugreden  146*';  hörte  er  hinter  sich  eine 
grosze  stimme  Jung-Stilling  3,  90;  anders  unten  F  2  e; 
lere  fesser  geben  grossen  don  Petri  d.  Tetd^chen  iveisz- 
heit  2,  Mm  4'>; 

da  Martin  mit  groszem  laut 

seinem  bauszgesind'  ankündet 

dasz  Reinicke  fuchs  (1650)  101; 

gros  geschrey,  wenig  wolle  Friedr.  Wilhelm  sprichw. 
reg.  s  2*;  auch  uneigentlich:  ein  groszes  geschrei  von 
etwas,  über  etwas  machen  oder  erheben  mehr  davon 
sprechen  als  es  verdient  Campe;  grözen  schalle  Nib. 
s.  145  Z. ;  (alle)  fielen  zu  mit  grossem  schall ;  nu  haben 
wir  den  rechten  könig  funden  Luther  26,  548  W.;  mit 
groszem  lärmen  Arnim  l,  29;  mit  solchem  grossen  knall 
Rompler  V.  Löwenhalt  i.  gebüsch  79; 

ein  thuren  feilt  mit  grossem  krachen 

Spreng  JZ.  48''; 

hierher  auch  fälle  tvie:  sein  stimm  (icar)  wie  ein  grosz 
wasserrauschen  Züricher  bibel,  Apoc.  l  C;  taub  und  ge- 
hörlosz  .  .  .  von  wegen  des  grossen  rauschens  und  ge- 
lümmels  desz  wassers  Äg.  Albertinus  hirnschleifer  53. 

g)  hervorzuheben  sind  geicisse  formen  Superlativen  ge- 
brauchs:  de  grötteste  winter  Dähnert  163%  d.  h.  die 
höhe  des  xcinters;  vgl.  der  gröst  winter  würt  von  mitten 


475 


GROSZ  I  D  1-3 


GROSZ I  D  3 


476 


des  winters,  bisz  dasz  tag  und  nacht  im  früling  sich 
vergleichen  M.  Hkrk  feldbau  22'^;  ebenso  im  gröszten 
sommer  Kompert  am  pflüg  l,  iil  7iach  Sanders;  die 
kornschütten  .  .  sollen  .  .  zum  grösten  tagliecht  offen 
stehn  Sebiz  feldbaii  2"? ;  ganz  anderer  ari,  aber  ebenfalls 
von  dem  intensiven  grosz  a^ls  zu  verstehen  und  auf  diese 
sonderbedeuttmg  des  adj.  beschränkt  ist  ein  elativer  ge- 
brauch der  Superlativ  form:  die  grosseste  kälte,  hitze 
un  freddo,  un  caldo  estremo  Kramer  teutsch-ital.  1,  569 '•; 
ihr  köntet  ins  gröszeste  Unglück  dardurch  kommen  ib.; 
mit  der  gröszten  Versicherung,  dasz  er  recht  habe 
GöTHE  22,  89  W. ;  betragt  euch  mit  der  gröszten  ruhe 
und  Sicherheit  45,  106;  sieht  man  ihn  im  gröszten  ne- 
glig6  gespr.  i,  34;  zu  ihrer  gröszten  Verwunderung  Bren- 
tano 5,  46; 

dem  sag  i  die  gröszten  grobheiten  hin 

Karl  Stieler  ged.  2,  43  JiecL; 
ähnlich: 

dann  Eulenspiegel  liesz  das  brot 

mit  floisz  fallen  ins  gröste  kot 

Fischart  2,  50  Hauffen ; 

im  gröszten  moder  (kampierest)  Sulzer  bei  Körte  br.  d. 
Schweizer  S2S;  diese  heute  sehr  verbreitete  ausdrucksweise 
scheint  sich  erst  im  18.  jh.  auszubreiten;  doch  früher 
schon  ähnliches:  gerüst  mit  selten  und  prustwehren  von 
gedörrten  .  .  wursten,  .  .  die  sie  zur  grösten  zier  umb 
den  tisch  hencken  Fischart  geschichtklitt.  78  ndr. 

2)  ganz  ebenso  auch  bei  persönlichem  subject;  mit  be- 
greiflicher Vorliebe  neben  Verbalsubstantiven:  under  dem 
schein  der  erberkeit  grose  verfürer  H.  Gebweiler  be- 
schirm, des  lobs  Marie  28^;  er  was  ein  grosser  schel- 
ter und  flucher  gotz  Arigo  decamer.  20  lit.  ver.;  die 
grossen  sauffer  23;  grosser  spiler  Schwartzenberg 
Cicero  146^;  fürstellung  desz  grossen  creutztragers  Hiobs 
Schupp  sehr.  reg.  )(  l*,  d.  h.  der  ein  schweres  kreuz  zu 
tragen  hatte;  apotecker  sind  die  grösten  Wucherer  Leh- 
mann florileg.  polit.  i,  62;  in  neuerer  ma.:  ein  groszer 
eiler  kommt  nit  weit  u.  ähnl.  fügungen  Fischer  schwäb. 
3,  855;  aber  auch  sonst:  sind  wir  ketzer,  so  sind  sie 
noch  grösser  ketzer  Luther  26,  533  W.;  dasz  die  Frank- 
furter grosze  Patrioten  sind  Solger  nachgel.  sehr.  1,21; 
so  wäre  ich  das  gröszte  ungeheuer  auf  erden  Pfeffel 
pros.  vers.  2,  68;  das  adj.  bevorzugt  bei  diesem  gebrauch 
ganz  bestimmte  begriffsgruppen :  dich  solchen  grossen 
esel  Boltz  Terenz  iö'^;  das  ich  h.  Georgen  für  einen 
grossen  narren  hielte  Luther  30,  2,  33  W.;  yhe  grosser 
schalck,  yhe  besser  gluck  19,  556;  artzebove,  de  grot- 
teste  bove  s.  v.  archischurro  Diefenbach  nov.  gl.  32"; 

in  allen  winckeln  thet  sichs  paren 

(ich  glaub  eins  theils  grosz  huren  waren) 

M.  Mangold  marckschiff  b  3  ■* ; 

ein  grosser  heimlicher  dieb  Arigo  decam.  20  lit.  ver., 
ein  erzdieb,  anders  unten  F  1  c  « ,•  (diese  menschen)  grosse 
rauber  und  mörder  waren  59 ;  das  er  auch  ein  grosser 
mechtiger  mörder  würde  Luther  30,  2,  126  W.;  denn 
wie  wol  ich  ein  grosser,  schwerer,  schendlicher  sunder 
bin  gewest  26,  508;  und  was  als  ein  grosser  liebhaber 
götlicher  kunst  erste  dtsche  bibel  3 ,  14 ;  von  .  .  .  dem 
groszherzog,  einem  groszen  freunde  der  Pflanzenkunde 
Göthe  IV  28,  8  W.;  er  war  ein  groszer  musikfreund 
Ranke  werke'^  3,  46;  (Senacherib)  ein  groser  gottes- 
feind  H.  Sachs  l,  226  K.;  ein  unruwiger  mann  und 
grosser  viend  keisers  Barbarossae  Tschudi  chron.  hei- 
vet.  1,  92;  der  was  des  von  Branndis  grosser  und 
threwer  freunt  J,  A.  v.  Brandis  landeshauptl.  v.  Tirol 
24;  auff  herren  Eberhard  Möllers,  seines  grossesten 
freundes,  bildnisz  Rist  n.  teutscher  Parnasz  517. 

3)  am  anschaulichsten  ist  die  intensive  bedeutung  bei 
dem  recht  ausgebreiteten  gebrauch  als  adverb. 

a)  neben  adjectiven  nur  in  beschränkter  Verwendung: 
grosz  kreffticlich  violenter  Diefenbach  621^;  nit  dasz 
ich  sollichs  grosz  nothwendig  zusein  vermeint  J.  Wet- 
ZEL  söhne  Qiaffers  5  lit.  ver.;  szo  weren  alle  sunde  un- 
schedlich,  ja  gros  forderlich  Luther  2,95  W.;  hatte 
Petrus  hie  nicht  gros  recht?  18,  311;  comparativisch:  dei 
filius  .  .  der  ist  grosser  heilig  quam  X  praecepta  34,  l, 
475;   und  ist   noch   vil  gröser  lutherisch  worden,   dan 


er  vor  gewest  ist  städtechron.  23,  155;  auch  nd.:  syn 
puls  is  grot  slicht  unde  drade  Schiller-Lübbkn  2,  ISS**: 
alem.  noch  heute:  das  wasser  ist  nüd  gross  heiss  Staub 
Tobler  2,  806. 

b)  um  so  häufiger  im  verbalen  gefüge;   schon  altsäch- 
sisch : 

uuas  mi'grotun  tharf  Hei.  4425; 

7nhd.  ganz  gewöhnlich,  s.  Lexer  l,  1094;  auch  dem  älte- 
ren nhd.  noch  sehr  geläufig: 

wir  haben  uns  versündet  grosz 

fl.  Sachs  1,39  A..- 

welchen  wir  so  grosz  verdammen  Vogelgesang  heiml. 
gespräch  18  ndr.;  dasz  w^irs  grosz  vergessen  Paracel- 
sus  oyera  (1616)  2,  318:  darab  sich  der  kaiser  grosz  ver- 
wundert städtechron.  23,  324 ;  ebenso  auch  in  der  häufigen 
Wendung  es  nimmt  mich  grosz  wunder,  in  der  das  wort 
freilich  anscheinend  auch  adjectivisch  verstanden  werden 
konnte:  vom  Agricola  .  .  nimpt  michs  nit  grosz  wunder 
Vogelges.\ng  heiml.  gesvräch  17  ndr.;  mich  nimpt  gross 
wunder,  .  .  .  daz  ir  .  .  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  2, 
C  2^;  antwurt  im  herr  Albrecht,  es  nem  in  das  gröszest 
wunder,  das  .  .  zimm.  chron.  1,  112;  er  fröwe  sich  de.s 
als  grosz  als  wer  es  im  selber  Fischer  schwäb.  3,  854 
{quelle  v.  1486);  vgl.  noch  spät: 

wie  sitzt  mir  das  liebchen  ? 
was  freut  sie  so  grosz? 

Göthe  3,  56  W.; 

darvon  etlich  grosz  brochen  vehementer  vomuerunt  Fi- 
scher schwäb.  3,  854  (17.  i/t.),-  das  geschach  gross  wider 
iren  willen  U.  Füetrer  baier.  chron.  154  Spiller;  das 
was  gros  wuder  die  lutterischen  und  iren  brediger 
Fischer  schwäb.  3,  854  (16.  jh.);  auch  nd.:  de  weren 
vormanet  unde  grot  bedrowet  Schiller-Lübben  2,  155'; 
se  reden  grot  eme,  dat  he  volghede  155^;  comparati- 
visch: wye  weitest  du  nun  grosser  getrost  werden,  dan 
so  du  ein  sulchen  hulffer  findest  Luther  9,  149  W.;  do 
ward  der  ritter  noch  grosser  erfrawedt  Warbegk  Mage- 
lone  29"  Bolte;  verschiedenartig  gesteigert:  du  waist,  wie 
seer  und  grosz  ich  brinn  N.  v.  Wyle  translat.  47  lit. 
ver.;  weil  sie  weisz,  dasz  euch  sehr  grosz  darmit  ge- 
dienet ist  Happel  akad.  roman  248 ; 

bistu  so  mächtig  gros  erfaren 

Fischart  glückh.  schiff  s.  42  ndr. ; 

100  die  heutige  spräche  noch  adverbiales  grosz  ähnlich 
verwendet,  ist  das  ethos  anders:  er  war  so  gut,  so  stark, 
.  .  dasz  das  leidvolle  geschöpf  grosz  aufatmete  H.  Böh- 
LAU  Isebies  (l9ll)  370. 

c)  ebenso  au^h  in  negativen  fügungen: 

ihr  htilff  beger  ich  mir  nicht  gros 

Hayneccius  Hanf  Pfriem  44  ndr.; 

wir  kommen  nicht  grosz  aus,  und  was  rechtes  kommt 
nicht  zu  uns  Chr.  Reuter  ehrl.  frau  zu  Pliss.  40  ndr. , 
die  rechnung  kann  nicht  grosz  bezweifelt  werden  Staub- 
ToBLER  2,  806;  in  älterer  spräche  ist  häufig:  auch  ist 
nit  gros  dran  gelegen,  ob  Luther  6,  203  W.;  ligt  euch 
.  .  nit  grosz  an  in  Schwartzenberg  büchl.  vom  zu- 
trinken 22  ndr.;  doch  kann  hier  grosz  auch  nominal  emp 
funden  sein  (vgl.  II  2  a) :  pluma  haud  interest  es  ist  nit 
einer  feddern  gros  dran  gelegen  Bas.  Faber  thes.  628 '"; 
vereinzelt  geradezit:  im  mfisz  freylich  grosses  daran  gelegen 
sein  Wickram  l,  5  lit.  ver.;  bis  in  die  neuere  ma.:  nicht 
grosz  nach  einem  fragen  sich  nicht  viel  aus  ihm  machen 
Albreght  Leipz.  126";  ik  si  der  nitt  gröt  op  Woeste 
westf.  86^;  auch:  et  het  em  nitt  grots  hulpen  ib.;  nich 
groots  nicht  sehr  Stürenburg  76'';  doch  macht  sich  in 
dieser  negativen  fügung  je  später,  je  stärker  eine  beson- 
dere Sinnesfärbung  geltend,  insofern  sich  sieben  der  in- 
tensiven bedeutung  die  tirsprünf;liche  quantitative  wieder 
vorschiebt:  wir  aber  wollen,  woher  ihr  eigentlich  der 
nähme  kommen,  nicht  grosz  streiten  Rist  n.  teutscher 
Parnasz  68,  d.  h.  'nicht  umständlich,  mit  groszem  auf- 
wand' ; 

doch  aber  dieser  ist  so  grosz  nicht  zu  beklagen 

Rachel  satyr.  ged.  62  ndr. ; 


477 


GROSZ  I  D  3.  E  1 


GROSZ  I  E  1—3 


478 


ich  habe  nicht  erst  grosz  sortiert  keine  besondere  aus 
lese  gehalten  Müller-Fraureuth  1,444»;  diese  bedeu- 
iung  ist  bis  in  die  neueste  spräche  durchaus  lebendig, 
aber  tvesentlich  nur  lieben  einigen  ganz  bestimmten  ver 
balen  begriffen:  zwar  weisz  ich  wol,  dasz  .  .  meiner  poe 
tischen  aufwartung  nicht  grosz  nöhtig  gewesen  Neu 
MARK  fortgepfl.  musik.-poef.  histw.  1,  234;  dass  die  tra 
gödie  der  sitten  nicht  grosz  bedürfe  Lessing  10,  193  M. 
sie  achten  auch  uff  unser  schyssen  nit  grosz  Balth 
Springer  merfart  (1509)  c  i**;  doch  hätte  ich  mich  end 
lieh  auch  nicht  grosz  an  das  verschweren  gekehret 
Chr.  Reuter  Schelm.  13  ndr.;  allerhand  neuerungen, 
um  die  sich  Jochen  zwar  nicht  grosz  kümmerte  W.  v. 
PoLENZ  Grabenhäger  1 ,  270;  niemand  hatte  grosz  acht 
auf  ihre  abfahrt  E.  Zahn  helden  des  alltags  27;  es 
kommt  hier  auf  ein  menschenleben  nicht  grosz  an 
Storm  5,  228. 

d)  diese  bedeutungsspielart  auch  ohne  negation,  aber 
wesentlich  beschränkt  auf  ganz  bestimmte  syntaktische 
fügungen:  wer  bekümmerte  sich  grosz  umb  den  armen 
Lazarnm?  Schupp  sehr.  427;  wie  sollen  wir  grosz  stau- 
nen Brentano  4,  121;  was  würde  es  dem  Ursprung  der 
lügen  grosz  geschadet  haben  Lohenstein  Armin.  2, 
1606^; 

ach!  sagte  Petz,  was  fragst  du  grosz 

LiCHTWER  äsop.  /ab.  75; 

auf  dieselbe  linie  gerathen  schlieszlich  Wendungen,  die 
ursprünglich  wohl  anders  construiert  sind: 

ist  gott  dein  freund  und  deiner  Sachen, 

was  kan  dein  feind,  der  mensch,  grosz  machen? 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,423''; 

der  wehre  wohl  ein  narr,  der  es  nicht  thete?  aber  was 
ist  es  gros?  Schoch  com.  v.  stud.  leben  D  8"; 

was  thut's  so  grosz,  dasz  ihr  mal  flausen  macht? 

TiECK  scUr.  3,  468; 

die  zu  gründe  liegende  construclion  bricht  noch  spät  ge- 
legentlich durch:  was  hast  du  denn  groszes  an  uns  aus- 
zusetzen? 4,  47;  vgl.  aus  heutiger  ma.:  na,  hebb'  ick  nu 
jrosz  wat  davon?  G.  Hauptmann  biberpelz  (1893)  20; 
wat  is  do  graut  te  vertellene!  Bauer-Collitz  200»; 
auszerhalb  solcher  syntaktischen  Verbindungen  ungleich 
seltener:  ich  achte  unnötig  zu  seyn,  dasz  ein  musicus 
über  dem  einfeltigen  urtheil  .  .  sich  grosz  bekümmern 
sol  Königsb.  dichterkr.  68  ndr.;  damit  war  mir  auch 
wol  grosz  gedient,  wenn  ich  noch  kinder  dazu  bekäme 
Lenz  1,  77  Tieck;  besonderen  sinnes:  thu  du  noch  grosz 
dein  maul  auf  Anzengruber  3, 138. 

E.  gewisse  gebrauchsweisen  haben  das  gemein,  dasz  der 
quantitätsbegriff,  der  immer  noch  die  grundbedeutung  ab- 
giebt,  mehr  oder  minder  stark  gefärbt  ist  durch  einen 
beisimi,  der  sich  in  anderen  fällen  (s.  u.  F)  zum  haupt- 
sinn gemacht  hat. 

1)  in  sehr  mannigfaltiger  Verwendung  mit  einem  bei- 
klang  der  bedeutung,  die  als  'bedeutend,  wichtig,  wesent- 
lich' auch  selbständig  auftritt  (s.  u.  F  2  a):  eine  grosze 
reise  zu  thun  ist  für  einen  jungen  mann  äuszerst  nütz- 
lich GüTHE  23,  237  W.,  d.  h.  nicht  schlechthin  eine  lange, 
sondern  eine  solche,  die  überdies  bedeutendes  sehen  und 
erfahren  läszt; 

und  schon  ist  der  neue  chausseebau 
fest  beschlossen,  der  uns  mit  der  groszen  strasze  verbindet 

50,  209  W., 

die  nicht  allein  grosz  nach  ihrer  räumlichen  anläge,  son- 
dern bedeutend  als  verkehrstceg  ist;  entsprechend:  grosser 
hof  wil  vil  gsind  schöne  weise  klugreden  132";  grosze 
Städte,  grosze  sünden  Chr.  Weise  d.  drey  klügsten  leute 
(1675)  176;  ein  paar  grosze  handelsstädte  Göthe21,  58  W.; 
du  hast  nun  einige  grosze  weltliche  höfe  .  .  .  gesehen 
Fr.  M.  Klinger  3,  216;  vgl.  schon: 

wurden  ir  die  grözen  höve  benomen 

W.^^LTH.  v.  D.  Vogelweide  65,  29; 

die  groszen  Werkstätten  der  literatur,  die  deutschen 
Universitäten  Ranke  werke^  1,  161;  eine  macht  .  .  ., 
wie  sie  seit  der  zeit  der  groszen  herzogthümer  nicht 
bestanden  l,  50;  die  rechtsgeschichte  der  einzelnen  gro- 


szen culturvölker  Riehl  dtsche  arbeit  10;  dasz  Preuszen 
.  .  .  unter  den  groszen  mächten  nur  feinde  gefunden 
hätte  BiSMARCK  ged.  tmd  erinn.  2,  26  volksausg.;  etwas 
anders  {mit  anklang  an  C):  Africa  einer  ausz  den  drey 
grossen  theilen  des  erdbodens  Calepin  xi  ling.,  onom. 
17*>;  ähnlich:  die  culturgeschichte  .  .  in  ihren  vier  gro- 
szen entwickelungsstadien  Mommsen  rüm.  gescJi.*  i,  3; 
auf  anderer  linie:  die  fursten  schreben  ouch  den  hant- 
wergen  .  .  zu  Erffort  grosze  und  vil  breffe  unde  clagiten 
ubir  den  rad  K.  Stolle  thür,  chron.  148  lit.  ver.,  d.  h. 
tiicht  blosz  lange,  sondern  geurichtige;  nun  folgt  der  grosze 
merkwürdige  brief  des  apostels  Johannis  selbst  Jung- 
Stilling  3,  22;  vielleicht  wirckt  diese  possierliche  apo- 
thecker-büchse  .  .  .  mehr,  als  wenn  ich  den  Catonem 
mit  grossen  commentariis  hätte  auflegen  lassen  Chr. 
Weise  erznarren  3  ndr.; 

ich  schreibe  jede  that  .  . 

ins  grosze  buch,  aus  dem  einst  engel  richten 

Klopstock  öden  1,102  M.-l\; 

halbtechnisch:  Tancred.  grosze  heroische  oper  von  Ros- 
sini, grosz  ist  sie,  wenn  dieses  so  viel  heisst  als  lang 
aus  einer  kritik  bei  Börne  2,  92;  er  wii"d  alle  stücke 
tragen,  in  denen  er  eine  grosze  rolle  hat  Gutzkow 
werke  7,  241;  vielfach  auch  uneigentlich:  Streitigkeiten, 
in  denen  .  .  .  der  gegensatz  .  .  .  eine  grosze  rolle 
spielte  Ranke  werke'^  1,  H;  vgl.  rolle  l  c  /J,  th.  8,  1139; 
ich  hab  eine  grosze  Unterredung  mit  meinen  bäumen 
gehabt  Göthe  IV  5,  I8  W.,  d.  h.  lang  und  zugleich  be- 
deutsam; jene  grosze  philosophische  bewegung,  die  durch 
Kant  begonnen  I  46,  55;  ganz  anders,  aber  mit  gleicher 
zioiespältigkeit  der  bedeutung:  die  drei  schwarzen  mas- 
ken  treten  mit  groszen  bewegungen  näher  Schiller  3, 
20  G.,  d.  h.  raumgreifend  und  ausdrucksvoll;  sie  stürzte 
sich  auf  ihre  kleinere,  zierliche  gefährtin  und  begrub 
sie  in  einer  groszen,  mütterlichen  umarmung  H.  v. 
Kahlenberg  Eva  Sehring  83. 

2)  oder  mit  dem  beisinn  von  aufivand  und  pracht:  ze 
s6  grözem  antpfange  Nib.  583,  3  B.;  groze  höchgezite 
504,  4;  grosse  feste  und  hochzeit  Arigo  decam.  72  lit. 
ver.;  in  dem  grossen  schieszen  Fortunatus  \bl  ndr.;  dasz 
heute  ...  in  Kosen  .  .  .  der  grosze  holzmarkt  gefeiert 
wird  Göthe  IV  29,  92  W.;  etwas  anders:  vor  dem  hause 
des  Kaiga-ma  war  grosze  musik  Bücher  arbeit  u.  rhyth- 
mus*  262;  pancket  .  .  (ist)  ein  grosses  mahl  Gueintz 
rechtschreib.  35;  der  reiche  herr  ober  uns  giebt  grosze 
tafel  Nestroy  1,  9;  auch  durch  andere  weg  als  durch 
götlich  menschen  und  heilige  person  grosser  gotzdinst 
verpracht  warde  (während  der  pest)  Arigo  decam.  3  lit. 
ver.;  eine  grosze  leiche  funus  amplum  Frisch  1,  376*'; 
und  so  noch  heute  in  niederer  spräche  ganz  gewöhnlich: 
da  Solls  wohl  eine  grosze  leich  geben?  0.  Ludwig  2, 
163;  an  so  'nem  groszen  begräbnisfest  G.  Hauptmann 
weber  (1892)  50;  grosze  aufwartung  apparitura  solemnis 
Apinus  gloss.  nov.  256;  grosze  aufwartung  'heiszt  am 
wienerischen  hofe,  we?m  nebst  den  abgesandten  U7id  rit- 
tem  des  güldenen  vlieszes  alle  hofämter  ihre  Verrichtung 
leisten'  Chomel  öcon.  lex.  4,  1367;  der  in  der  groszen 
livree  der  Wittekinds  harrende  diener  Gutzkow  Zau- 
berer von  Bom  l,  286;  da  erschien  frau  Kurzmichel  in 
groszem  Staate  Ebner-Eschenbach  4,  34;  ähnlich  auch 
adverbial:  bey  ihm  muss  es  grosz  hergehen  bey  solchen 
gelegenheiten  Fr.  M.  Klinger  1,  73,  heide  'hoch  her 
gehen' ;  grosz  leben  vivere  alla  grande,  splendidamente 
Jagemann  546;  hierher  vielleicht  auch: 

(sie  hat)  es  auf  dem  freiherrlichen  .  .  schlosz 
auch  beim  herrn  und  der  gnädigen  frau  gar  grosz 

KoRTUM  JobKiade  2, 182; 

vgl.  aus  neuerer  ma.  grosz  gehn  groszen  aufwand  trei- 
ben FoLLMANN  lothr.  218";  möglichertceise  ist  auch  grosz 
sten  (werden)  zu  gevatter  stehen  (im  henneberg.  stolz  sein) 
Schneller  l,  I0t3  ähnlich  zu  verstehen. 

3)  oder  mit  dem  beiklang  eines  gefühlstones  wie  'er- 
haben, gewaltig',  auch  'furchtbar,  drohend'  u.  ä.  (s.  u. 
F  2  a,  d): 

wenn  gleich  zerfällt 
das  grosze  weltgebäude 
Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  365*; 


479 


GROSZ  I  E  3- 


GROSZ I F  1 


480 


{gott  läszt  nicht  ab)  die  grosse  weltöconomiam  noch 
immerdar  mit  schönster  .  .  .  Ordnung  unaufhörlich  zu 
bestellen  Hohberg  georg.  cur.  i,  vorr.  a  2^;  so  erblickt 
denn  Luther  in  dem  alten  und  neuen  testament  das 
Symbol  des  groszen  sich  immer  wiederholenden  welt- 
wesens  Göthe  IV  27,  234  W.:  schicächer  in  der  altererb- 
fsn  tvendiing: 

ihr  durchstudirt  die  grosz'  und  kleine  weit 

I  U,  94  (Faust  ^012); 

vgl.  grosz  wernt  macrocosmus  Diefenbach  342*;  (gottes) 
grosse  ewige  wonder  niemant  verlaugnet  Arigo  decam. 
10  lit.  ver.;  herr  wie  sind  deine  werck  so  gros  Hen- 
NENBERGER  preusz.  lundtufel  l; 

nach  dem  grossen  sttnden-tlusse 
setzte  gott  den  gnaden-bogen 

LoGAU  sinnged.  154  lit.  ver. ; 

die  darstellung  des  letzten  akts  jenes  groszen  weltge- 
schichtlichen Schauspiels  Mommsen  röm.  gesch.*  i,  i; 
die  jüngere  spräche  kennt  auch  formen  leiserer  modulie- 
rung  des  quantitätsbegriffes :  die  bäume  führten  bergauf 
in  einer  langen  ansteigenden  prozession.  grosz,  ernst- 
haft, hundertjährig  H.  v.  Kahlenberg  Eva  Sehring  36; 
'herr  graf!'  fuhr  der  landrath  auf  und  richtete  sich 
grosz  in  die  höhe  Gutzkow  werke  2,  299,  nicht  'hoch', 
sondern  'wuchtig  drohend' ;  vgl.  selbst:  der  pfaffe  machte 
mir  eine  grosze  faust  nach  Schubart  leben  u.  qesinn. 
2,   2. 

+)  oder,  indem  der  quanfitätsbegriff  eine  ganz  beson- 
dere, weniger  concrete  form  räumlicher  Vorstellung  ge- 
winnt, wieder  mit  mehr  oder  minder  starken  gefühls- 
mäszigen  beildängeii:  {Wilhelm)  erfreute  .  .  .  sich  der 
groszen  gebirgsansicht  Göthe  24,  9  W.;  wenn  sie  uns 
.  .  hinausführen  in  die  freie  grosze  natur  Fr.  Schle- 
gel 5,  195;  mit  eigenem  ton:  man  kann  nicht  immer 
grosze  natur  schwelgen  Fontane  I  6,  140;  auf  anderer 
Urne:  menschen  die  ein  groszes  und  bewegtes  leben 
führen  Göthe  IV  8,  292  W.,-  im  fortgange  der  mensch- 
heit  findet  er  .  .  sein  daseyn  gröszer  und  freier  Her- 
der 17,  5  S.;  wie  ist  diesz  in  einem  so  groszen  com- 
plicirten  zustande  {wie  es  ein  aufenthalt  in  Berlin  ist) 
denkbar?  Göthe  IV  33,  55  W.;  tcieder  anders:  alles  geht 
nach  einem  groszen  plane  RückeIvT  1,  30;  mittlerweile 
deine  leblosen  werke,  sonne,  mond  und  Sterne,  ihren 
groszen  gang  fortgehn  U.  Bräker  2,  223;  weil  sie  {die 
natur)  nach  ihrem  groszen  gange  tausend  zwecke  auf 
einmal  befördert  Heroer  18,  54  S.;  dasz  das  leben  der 
Staaten  einen  groszen  gesetzmäszigen  verlauf  habe  Justi 
Winckelmann  l,  210; 

nach  ewigen,  ehrnen, 

groszen  gesetzen  Göthe  2,  84  W.; 

noch  entsinnlichter:  der  grosze  und  freie  blick,  mit  wel- 
chem sonst  jeder  sein  Vaterland  und  seinen  staat  an- 
sah Solger  nachge'.  sehr.  1,43;  sich  zu  dem  zu  er- 
heben, was  die  blume  aller  geschichtlichen  forschung 
ist,  zu  den  gross^en  und  allgemeinen  ansichten  des 
ganzen  Göthe  48,  97  W. 

5)  technisch:  grosz  malen  (peindre  largement)  .  .  . 
breite  pinseldrucke  geben  und  die  gegenstände  durch  grosze 
massen  vertheilen  Jacobsson  technol.  wb.  2,  155'»;  wenn 
man  sagt,  die  gliedmaszen  müssen  grosz  seyn,  versteht 
man  dadurch  nicht,  dasz  sie  gröszer  und  dicker  als 
ihr  maasz  ist  .  .  seyn  sollen;  sondern  .  .  dasz  man  sie 
eher  stark  als  kleinlich  und  eher  fett  als  mager  machen 
soll  ib.;  dafür  auch  grosze  manier  156*;  es  sind  die 
starken  völligen  gesiebter  im  groszen  stil,  aus  welchen 
man  drei  vier  gesiebter,  oder  vielmehr  hübsche  ge- 
sichtchen .  .  scheint  schnitzeln  zu  können  E.  M.  Arndt 
sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  218;  doch  eiitfernt  sich 
gerade  diese  formel  gern  noch  weiter  vom  sinnlichen:  sie 
{die  erste  veneziun.  aper)  ist  grosz  im  style  Schubart 
ästh.  d.  tonkunstSS;  in  die  bedeutung  F  1  f  übergehend: 
in  diesen  werken  {griech.  bauten)  kann  man  den  reinen 
groszen  und  soliden  styl  kennen  lernen,  in  welchem 
jene  glücklichen  menschen  arbeiteten  Göthe  IV  12, 
45  W.;  vgl.  aiich  F  2  e. 


F.  schlieszlich  löst  sich  die  bedeutung  von  dem  sinn- 
lichquantitativen  ausgangspunkf  und  legt  das  Schwer- 
gewicht auf  den  ausdruck  innerer  maszverhältnisse ;  ge 
rade  hier  läszt  sich  die  fülle  der  vericendungen  und  he- 
deutungsabschattungen  nur  andeuten. 

l)  von  menscJien;  die  grosze  bestimmt  sich 
a)  nach  besitz  und  schaffenskreis ;  hier  spricht  in  r/e- 
wissen  Verbindungen  noch  am  ehesten  die  concrete  grund- 
bedeutung  mit:  der  grosz  meyer  mit  fünfl'tzig  haupt 
vihe  schöne  weise  klugreden  94*;  der  gros  reich  land- 
meyer  Cato  Sebiz  feldbau  4;  nach  jenen  ausgedehnten 
gütern  des  groszen  landbesitzers  Göthe  24,  61  W.,-  in 
den  bänden  der  groszen  grundbesitzer  Mommsen  röm. 
geseh.  i,  189;  vgl.  groszgrundbesitzer;  Wilkens,  ein  grö- 
szer bauer  0.  Ludwig  3,  lO:  magnarius  ein  grosser  ge- 
werbsmann,  der  mit  grossen  kaufTmanschatzen  umb- 
geht  Calepin  xi  ling.  854'';  mer  grosser  kauffleut  und 
unterkäufel  Arigo  decam.  31  lit.  ver.;  vgl.  groszkauf- 
mann ;  solt  einer  doch  lieber  ein  schinder  sein  den  ein 
grosser  reicher  pfaff  Luther  19,  275  W.;  ähnlich,  aber 
erweitert  durch  den  begriff  politischer  macht:  an  den 
grozzen  grauffen  von  Ungern  stüdtechron.  4,  78;  ein  grö- 
szer, sich  dem  kaiser  gleichstellender  fürst  Göthe  IV 
33,  64  W. ;  vgl.  schon  mhd. : 

ez  heten  hie  bevor  die  gr(5zen  ftirsten  niht  gelogen 

WaLTH.  V.   D.   VOOF.I.WEIDE   107,  14; 

ofFt  ist  ein  stand  grosz  und  mächtig  Lehmann  florilei/. 
polit.  1,  374; 

zu  werden  reich  und  gros  durch  krieg   und  krieges -wallen 
Grimmei.shausen  3,  5  Keller; 

damit  (;äsar  Borgia  grosz  werde,  musz  sein  bruder 
bluten  Fr.  M.  Klinger  8,  227:  etwas  anders,  zum  folg. 
hinüberführend:  und  Mose  war  seer  ein  grosser  man 
in  Egyptenland  für  den  knechten  Pharao  2.  Mos.  ii.  .i; 

gewonheit  ist  die  größte  frau.  beherrschet  .alle  weit 

LoGAU  »innged.  533  lit.  ver. , 

an  c  grenzend:  die  herzöge,  fürsten,  groszen  beamten 
Ranke  werke^  1,13;  äJinlich  avch  als  feste  titulatur: 
soll  die  messigung  zu  der  kais.  maj.  grossen  hoff- 
meister  oder  in  seinem  abwesen  zu  einem  andern  hoff- 
meister  .  .  steen  dtsche  reichstagsacte ,  jg.  reihe  2,  140 
(a.  d.  j.  1520);  ein  grosser  hoffmeister  wolte,  sein  herr 
solt  nur  landkinder  zu  dienst  und  emptern  befürdern 
Lehmann  florileg.  polit.  l,  19. 

h)  nach  ansehen  und  geltung:  dö  wart  her  gar  grüz 
under  deme  volke  {ob  seiner  ivunderthaten)  myst.  i, 
193  Pf.;  wer  wgnistu  der  der  grözere  ist  in  dem  riebe 
der  himele?  Beheim  evang.  buch,  Matth.  18,  i;  es  gilt  in 
Christi  reich  nicht  grosz,  sondern  klein  werden  Petri 
der  Teutschen  weiszh.  1,01";  das  solche  ding  wurden 
öffentlich  alda  gesagt  von  dem  grossen  man  {Sim^on) 
ynn  dem  öffentlichen,  heyligen  ort  Luther  lO,  i,  l, 
381  W.;  du  {Moses  Freudenstein)  wirst  ein  gröszer  mann 
werden  unter  den  fremdlingen  Raare  hungerpastor  i, 
177;  wo  ich  meint  die  gröst  ritterin  worden  sein,  die 
in  allem  künigreiche  was  Arigo  decam.  81  lit.  ver.:  die 
gröszten  weiber,  wo  im  städtle  sind  0.  Ludwig  2,  55; 
ganz  ähnlich  in  der  häufigen  formel:  von  dem  aufgang 
der  sunen  unz  auf  iren  undergang  ist  grosz  mein  name 
unter  den  beiden  erste  dtsche  bib.  3,  28 ;  doch  mit  nichten 
der  meynung,  einigen  rühm  oder  grossen  nahmen  da- 
mit zu  suchen  Götz  v.  Berlichingen  lebensbeschrei- 
bung  4  Bieling ;  die  Schlacht  von  Marignano  .  .  hatte 
ihm  .  .  einen  groszen  namen  gemacht  Ranke  iverke- 
1,  242. 

c)  nach  geburt  und  stand. 

c()  die  groszen  menschen  Diefenbach  343''  s.  v.  ma- 
gnas;  gros  geporen,  gros  vrey  geborn  iö.,-  aber  auch: 
grosz  von  stadt  magnatus  ib.;  jo  hoger  unde  groter  van 
State,  jo  he  otmodiger  sal  syn  Tunnicius  sprichic. 
nr.  1128;  grosz  am  stände  und  herrlichkeit  Stieler  707; 
also  'hochgeboren,  hochgestellt,  vornehm': 


ich  sag  iu,  daz  die  boten  gröz 
wären  und  fürsten  genOz 


Lanz.  8731; 


481 


GROSZ  I  F  1 


GROSZ  I  F  I 


482 


an  siner  geburt  was  er  grOz 

Wigalois  137,  13  Pf.; 

dieweil  sie  .  .  grosse  freund  und  sipschafft  im  land  hat- 
ten Amadis  l,  l*  lit.  ver.;  was  kan  grossen  leutten  löh- 
licher  sein,  als  wann  sie  sich  von  ihrer  hochheit  .  .  . 
herunder  lassen  Moscherosch  insomn.  cura  8  ndr.; 
sollen  sie  den  tod  grosser  häupter  und  vornehmer  leute 
andeuten  Prätorius  winterflucht  360;  meinen  patroncn 
und  grossen  gönnern  J.  Riemer  polit.  maulaffe,  vndm.; 
ich  habe  allen  respect  vor  einen  so  groszen  und  vor- 
nehmen mann  wie  du  bist  Apinus  gloss.  nov.  466;  es 
müssen  auch  diener  und  dienerinnen  .  .  .  seyn,  damit 
der  geringere  dem  grössern  auf  den  dienst  warte  Hoh- 
BERG  georg.  cur.  3,  84^;  da  die  geseze  auch  die  grösten 
unsrer  mitbürger  angehn  Klopstock  gelehrtenrep.  28; 
so  scheint  ursprünglich  auch  das  Sprichwort  von  den 
groszen  und  kleinen  dieben  verstanden  zu  sein,  bei  dem 
man  heute  an  'diehe  im  groszen'  denkt:  die  kleinen  dieb 
henckt  mann ,  gegen  den  grossen  zeucht  mann  die 
kappen  ab  schöne  weise  klugreden  144»;  auch  manche 
anderen  Varianten  des  Sprichwortes  legen  das  nahe.  s.  th.  2, 
1088 ; 

doch  hänt  mich  grOze  frouwen  ie 

ir  werden  handelunge  erlän  Parz.  403,  2; 

grosz  frawen  geberen  in  dreien  monaten  (mit  bezug  auf 
Livia  und  die  geburt  des  Tiberius)  schöne  weise  klug- 
reden liO^;  des  zucht  und  tugent  einer  iglichen  grossen 
edelen  frawen  wirdig  sein  Arigo  decam.  71  lit.  ver.;  heute 
mit  besonderer  färbung :  die  grosze  dame  wird  ihr  Spiel- 
zeug bald  satt  H.  v.  Kahlenberg  Eva  Sehring  186; 
mundartlich:  een  graut  mann  ein  vornehmer  m,ann 
Strodtmann  osnabr.  76;  dat  is  man  vor  grote  lüde 
das  können  nur  vornehme  sich  halten  Dähnert  163»; 
älterer  spräche  sehr  geläufig  als  epitheton  von  fürsten, 
zumal  in  der  anrede: 

der  grosz  durchleuchtig  fürst  und  herr 

H.  Sachs  2,  22  K. : 

grosz  und  mächtiger  keyser,  ich  habe  .  .  schausp.  engl, 
comöd.  26,  3  Creizenach;  o  grosser  prinz!  v.  König  ged.  4; 

vernimm  es,  groszer  könig 

Schiller  13,  8  G.; 
vgl.  bereits 

iu  enbiutet  an  den  Rtn 
getriwelichen  dienest       der  gröze  voget  min 

mb.  1133,  2. 

ß)  einige  besonders  entvdckelte  form^ln;  groszer  herr: 

in  dem  selben  lande  nie 

dehein  (sc.  höchzit)  s6  wünnecllche  ergie 

und  von  herren  alsO  gröz  Erec  10059; 

scriver,  eyn  de  groter  heren  sake  vor  steyt  Diefen- 
BACH  nov.  gl.  332»  s.  V.  scriba;  es  ist  bösz,  mit  grossen 
herren  kirschen  essen  Höniger  narrenschiff  (1574)  358; 
an  grosser  herren  und  potentaten  geburts-tagen  Prä- 
torius saturnalia  4; 

es  ist  gar  hübsch  von  einem  groszen  herm, 

so  menschlich  mit  dem  teufel  selbst  zu  sprechen 

GÖTHB  14,  23  W.  (Faust  352); 

der  gröszte  herr,  den  die  dörfler  ...  zu  sehen  bekom- 
men, ist  der  pfarrer  Stifter  5,  l,  200  Sauer;  vgl.  auch: 
des  berühmten  und  grossen  herrn  vicekanzlers  Strube 
Zimmermann  einsamkeit  i,  x;  ungemein  verbreitet,  na- 
mentlich im  i6.  Jh.,  ist  groszer  hans:  herr  Georg 
von  Rosenberg  und  herr  Georg  truchsäsz  von  der  Au 
und  viel  grosser  hannsen  mehr  Götz  v.  Berlichingen 
lebensbeschr.  31  Bieling;  auch  die  grossen  bansen,  so 
man  die  rethe  zu  hofe  nennet  Luther  30,  2,  659  W.; 

vgl.   19,  335;   23,  11   u.  Ö.; 

(das  Podagra)  spricht  hingegen  wolbedächtlich  bei  den  gros- 
sen hangen  zu 
J.  Grob  dichter,  versuchg.  30; 

gross  und  klein  bansen  bei  den  landsknechten  Frons- 
perger nach  Fischer  schwäb,  3,  855,  woselbst  zählreiche 
weitere  belege;  später  verschiedentlich  verändert: 

der  grosze  hans,  ach  wie  so  klein ! 


IV.  1.  6, 


der  grosze  hans,  ach  wie  so  klein ! 
lag',  hingeschmolzen,  ihr  zu  filszen 

GÖTHE  14,  134  W.  (Faust  2727); 


wenn  in  den  wind 
man  treuer  eitern  wamung  schlägt  und  selbst 
ein  groszer  hans  sein  will 

Chamisso  Fortunati  glückseckel  38  lit.  denkm.; 

vom  iß.jh.  bis  heute  groszesthier:  nach  R.  M.  Meter 
400  schlagiDorte  3  ßndet  sich  bestia  magna  als  Scheltwort 
für  einen  äuszerlich  vornehmen  und  protzenhaften,  aber 
innerlich  leeren  gesellen  in  einem  um  1516  verfaszten  lat. 
mahngedicht  Kaspar  Scheits;  gott  ist  ein  grosser  koch, 
.  .  drumb  mestet  er  grosse  thier,  das  ist  mechtige  kö- 
nige  und  fursten  Luther  19,383  W.;  worausz  etliche 
urtheilen,  dasz  ein  magister  weyland  ein  grosses  thier 
gewesen  Happel  akadem.  roman  868;  weiteres  unter 
thier  4  b  th.  11,  375  und  bei  Ladendorf  histor.  schlag- 
wörterb.  (1906)  iil;  vgl.  dasz  ich  irgend  ein  groszes  kalb 
(einen  angesehenen  Schriftsteller)  ins  aug  geschlagen  {be- 
leidigt) haben  werde  Wieland  in:  br.  an  Merck  (1835) 
247  Wagner. 

y)  appellativ:  der  grosse  herr,  nemlich  der  grosz-türck 
il  gran  signore.  il  sultano  Kramer  teutsch-ital.  l,  568»; 
vgl.  der  grosse  herr  oder  grosz-sultan  Frisch  l,  376"=; 
da  der  groysse  here  der  zoldayn  hoff  heldet  v.  Harff 
Pilgerfahrt  2;  doch  kreuzt  hier  die  bedeutung  a  her- 
ein; dasz  der  grosze  welt-herr  hierdurch  eure  begierde 
zur  freundschafft  erwecken  wil  Chr.  Weise  polit.  red- 
ner  39;  ebenso  bei:  in  Indien  bey  den  grossen  mogol 
Chr.  Reuter  Schelm.  5  ndr.;  da  läszt  sich  drauf  schla- 
fen, vergnügter  als  der  grosze  mogul  Lenz  i,  44  Heck; 
'in  Ostreich  bekommt  die  älteste  erzherzogin,  auch  wenn 
sie  noch  in  der  wiege  liegt,  den  titel  grosze  frau'  Krü- 
NiTZ  20,  131;  vgl. 

der  groszen  frau  zu  Ztirch  bin  ich  vereidet 

Schiller  14,  332  G., 
gemeint  ist  die  äbtissin  eines  frauenklosters. 

&)  mit  sächlichem  regens:  dirre  Anthonius  was  von 
grözeme  und  von  kunclicheme  gesiechte  myst.  i,  60  Pf; 
geboren  von  eim  solchen  grossen  geschlecht  Boltz  Te- 
renz  92»;  von  einer  vornehmen  familie,  die  mit  den 
grossesten  häusern  in  Rom  verwandt  war  Ramler  einl. 
in  d.  schön,  tciss.  3,  119;  kutschen  .  .,  die  durch  die  be- 
dientenlivreyen  die  groszen  familien  zu  erkennen  gaben 
Archenholz  England  u.  Italien  i,  i,  25;  grosze  zunft 
patricierzunft  Fischer  schwäb.  3,  853  (quelle  von  1525); 
entsprechend  groszer  Zunftmeister  ib.;  die  grosze  weit 
vornehme  personen  Adelung;  ein  mistfinke  wird  sich 
niemals  in  die  grosse  weit  schicken  Heinse  2,  136 
Schüddekopf;  in  der  verderbten  groszen  weit  von  Ma- 
drid A.  V.  Arnim  8,  24;  ähnlich  auch  neben  abstracteren 
begriffen:  eines  tags  kam  und  begert  ein  mann  groszes 
und  sonderlichs  ansehens,  mich  anzureden  Kirchhof 
wendunm.  2,  382  lit.  ver.;  der  sein  sollende  grosze  ton, 
der  doch  mitunter  merklich  ins  rüstike  sank  J.  G.  Möl- 
ler d.  herren  v.  Waldheim  (1787)  1,  51;  dadurch  sie  ire 
eigne  vorfarn  und  groszväter,  grosses  Stands  und  adels 
.  .  mit  solchem  geticht  beruchtigen  Vogelgesang  heiml. 
gespräch  3  ndr.;  doch  kann  hier  die  Vorstellung  'vornehm' 
auch  durch  die  mehr  quantitative  'hoch'  vertreten  werden, 
wie  denn  in  jüngerer  spräche  des  öfteren  dies  adj.  ein- 
getreten ist:  keiner  sol  sich  eines  grossen  herkommens 
rühmen  Friedr.  Wilhelm  sprichto.  reg.  c  2»;  daz  sie 
von  grossem  adell  und  reiche  were  Arigo  decam.  70 
lit.  ver.;  besser  adelisch  leben,  und  sich  nicht  grosses 
adels  berhümen  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg.  b  2"^ 
(diese  Verbindung  aber  auch  von  D  aus  zu  verstehen); 
ähnlich:  die  herren  sollen  der  grossen  tittel  nicht  achten 
g  1";  Prisca:  .  .  gefelts  ewer  gnade?  Martha:  .  .  warum 
gebt  ir  ire  so  grosse  titel?  Vogelgesang  heiml.  gespr. 
27  ndr.;  etliche  kommen  zum  ampt  .  .  per  nominati- 
vum,  dasz  sie  grosse  namen  haben  Lehmann  ßorileg. 
polit.  1,  20;  er  kannte  ihr  geschlecht,  ihren  grossen 
namen  Fr.  M.  Klinger  i,  219;  doch  hat  groszer  name 
meist  einen  anderen  sinn,  s.  o.  b. 

d)  nach  können  und  leistung. 

a)  ist  das  Jhesus,  der  grosse  man, 

der  so  grosse  wunder  hat  getan? 

passionssp.  aus  Tirol  96  Wackernell ' 

31 


483 


GROSZ  I  F  1 


GROSZ  I  F  1 


484 


es  ist  eine  wollust  einen  groszen  mann  zu  sehen  Göthe 

8,  17  W.;  nicht  jeder  grosze  mann  ist  ein  groszer  mensch 
Ebner-Esghenbach  1,  48,  das  letztere  zu  e;  Schiller  ist 
ein  groszer  kerl   Schubart  br.  bei  D.  Fr.  Strausz  w. 

9,  32;  sprichwörtlich:  in  kleiner  heut  stecken  grosz  leuth 
schöne  weise  klugreden  178*;  vor  eigennamen :  sam  der 
gröz  Basilius  spricht  Konr.  v.  Megenberg  buch  der 
natur  160,  3;  der  grosse  Alexander  Luther  19,  589  W.; 
als  der  grosz  keiser  Karolus  47  jar  regiert  hat  Judas 
Nazarei  V.  alten  u.  neuen  gott  27  ndr.;  dies  die  Vorstufe 
zu:  keyser  Karl  der  grosz  Fisch art  geschichtklitt.  39 
ndr.;  khaiser  Otto  der  erst,  genannt  der  grosse  J.  A. 
V.  Brandis  landeshauptl.  v.  Tirol  11;  doch  hält  sich  die 
ältere  ausdrucksiveise  lange,  um  erst  in  jüngerer  zeit  die 
färbe  zu  verändern:  meinem  .  .  kayser,  könige  und  her- 
ren,  dem  grossen  Leopold  Butschky  Pathmos,  ein- 
führ. 5»; 

wer  ist  an  majestät  dem  grossen  Friedrich  gleich 

Rachel  satyr.  ged.  5  ndr.  ,• 

wie  der  grosze  Alexander,  als  er  noch  ein  kleiner  junge 
war  Kästner  verm.  sehr,  l,  217;  die  .  .  .  feinde  des 
groszen  Friedrich  E.  M.  Arndt  l,  8  B.-M.;  schlummerte 
nicht  zuweilen  der  grosze  Homer?  Ramler  einl.  in  d. 
schönen  wiss.  -1,  31 ;  Basilius,  der  grosze  kirchenvater 
Schubart  leb.  u.  gesinn.  i,  xi; 

die  palmen  welcken  in  der  enge, 
und  grosse  fürsten  im  gedränge 

Besser  sehr.  1,  4  König; 

fehlt  es  uns  nicht  an  männern,  die  alsdenn  an  die 
stelle  der  grossen  ausländer  und  der  noch  grössern 
alten  treten  müszten  Lessing  8,  14  M.;  genau  so  ge- 
meint ist  ursprünglich  die  bezeichnung  groszer  unbe- 
kannter, zuerst  auf  Walter  Scott  bezüglich,  vgl.  Büch- 
mann 2229;  dagegen  neigt  in  anderen  ähnlichen  prägungen 
das  adj.  zu  der  intensiven  bedeutung  (s.  o.  D  2):  der 
grosze  heide  für  Göthe  ib.  622;  Ladendorf  hist.  schlag- 
wörterb.  109;  der  grosze  Schweiger  für  Moltke  lio;  prä- 
dicativ  nicht  gleich  geläufig: 

aber  das  ist  dar  inn  (beim  disputieren)  das  böst, 
das  yederman  wer  gern  der  gröst 

Brant  narrensch.  29  Z. ; 

die  heyligen  seyen  wie  gross  sie  wollen  Luther  ig, 
1,1,  584  >F.;  auf  derselben  linie:  bewunderung  groszer 
exempel  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wiss.  ^l,  135; 

ein  groszes  muster  weckt  nacheiferung 

Schiller  12,  6  6. ; 

ein  bild  der  völcker,  welche  früher  als  Rom  in  Italien 
grosz  waren  Niebuhr  röm.  gesch.  l,  19;  appellativ:  die 
grosze  nation  gab  ein  groszes  Schauspiel  Herder  23, 
14  iS.,  als  Übersetzung  von  la  grande  nation;  heute  ge- 
tvöhnlich  ironisch. 

ß)  wenn  das  subst.  eine  speciellere  fähigkeit  bezeichnet, 
kann  sich  die  bedeutung  des  adj.  nach  D  2  hin  färben: 
Leonardus  Aretinus  der  gröst  und  beste  redner  und 
dichter  N.  v.  Wyle  translat.  8  lit.  ver.;  der  grössten 
feldherrn  jenes  Jahrhunderts  wird  gedacht  Göthe  40, 
G  W.;  dasz  er  der  gröszte  und  genialste  klavierspieler 
seiner  zeit  war  0.  Jahn  Mozart  4,  3;  ein  grosser  acteur 
samml.  v.  schausp.  {il&iff.)  l,  vorber.  6;  dasz  einer  von 
den  freunden  .  .  ein  groszer  landwirt  im  kleinen  war 
Lenz  8,  94  Tieck;  ähnlich:  {die)  Kriechin  was  ein  grosse 
meisterin  gift  zemachen  Arigo  decam.  269  lit.  ver.;  etwas 
anders,  aber  auch  hierher:  von  dem  grossen  meinster 
Galieno  8;  die  wysen  grossen  doctores  und  raboni 
Judas  Nazarei  v.  alten  u.  neuen  gott  62  ndr.;  es  kan 
eyn  bawr  so  wol  eyn  weisz  wort  reden  als  eyn  grosser 
doctor  Tappius  adag.  (i539)  159». 

y)  ähnlich  von  göttlichen  wesen:  erschrecklich  ist  der 
herr  und  sehr  gross  Grimmelshausen  2,  389  Keller; 
der  allmächtige,  grosze,  starke  gott!  maler  Müller 
1,  108; 

rasen  meine  stolzen  feinde, 

grosser  gott  I  so  segne  du 

Neukirch  ged.  57; 

bey'm  groszen  gott  des  himmels 

Schiller  12,  215  G. ; 


in  jüngerer  zeit  zum  ausruf  abgeschwächt:  groszer  gott, 
ich  begreife  nur  nicht,  was  ihr  herz  so  zusammen  zieht 
Göthe  IV  3,  25  W.;  {ein  geschöpf)  das  der  grosze  geist 
.  .  führte  durch  wüste  Caroline  i,  23  Waitz; 

groszer  brama,  herr  der  mächte ! 

Göthe  3,  9  W. ; 

im  jähr  1392  sandte  die  grosze  frau  im  himmel  einen 
engel  aus  Grimm  dtsche  sagen  i,  229; 

grosze  Venus,  mächt'ge  göttin ! 

Göthe  4,  92  W. ; 

megalesia  die  fästtag  .  .  .  der  grossen  göttin  Cybeles 
Calepin  XI  ling.  878^;  ähnlich: 

grosze  Vorsehung, 
ich  will  es  dir  vergeben 

Schiller  5,  38  O.  ,- 

weiter  ab  steht:  das  grosze  eherne  Schicksal  .  .  regiert 
auch  sie  Lenz  3,  290  Tieck;  dagegen  vergleicht  sich 

der  gröze  tiufel  Lucifer 

Stricker  bei  Docen  miscell.  2,  220. 

e)  nach  gemüthlichen  und  geistigen  Qualitäten:  grosz 
vom  leibe  und  gemüthe  sein  et  animo  magnum  et  cor- 
pore esse  Steinbach  i,  646;  es  giebt  menschen,  die 
innerlich  beynahe  grosz,  äuszerlich  beynahe  klein  sind, 
bestäubte,  mit  koth  bedeckte  .  .  .  edelsteine  Lavater 
handbibl.  (1793)  2,  109;  der  gütige  Humboldt,  der  grosze, 
der  weise  B.  v.  Arnim  d.  buch  gehört  d.  könig  l,  viii; 
den  herzog  von  Braunschweig,  dessen  grosse  eigen- 
schaften  er  zu  würdigen  wusste  Göthe  46,  68  W.;  doch 
lassen  sich  neben  solchen  fällen  allgemeineren  gebrauchs 
auch  speciellere  bedeutungen  aussondern,  wenngleich  ihre 
grenzen  stark  verßieszen. 

«)  mit  verliebe  von  seelischer  grosze:  wie  grosz,  wie 
edel  .  .  hat  sich  bei  der  .  .  .  theurung  nicht  manches 
herz  zeigen  können  I  J.  Moser  2,  40; 


mein  herz  .  . 

zu  grosz  zum  neide 


Göthe  1,48  TT.,- 


wars  klein  von  mir,  ihn  (den  fehler)  hitzig  zu  begehen, 
so  ist  es  grosz,  ihn  zu  bereun  Gellert  (1789)  2,  64; 

aber  grosz  ist  nicht,  wer  viele 

wie  ein  Xerxes  überschifFt, 

grosz  ist,  wer  zu  heil'gem  ziele 

mit  gerechtem  würfe  trifft       Brentano  2,  37 ; 

es  giebt  grosze  gedanken,  die  in  der  brüst  eines  höf- 
lings  nicht  räum  genug  finden;  die  freigebung  Napo- 
leons ist  ein  solcher  Börne  6,  96;  Turgot,  immer  grosz 
gesinnt,  liesz  den  schriftsteiler  frei  walten  Dahlmann 
gesch.  d.  franz.  revol.  83;  wenn  er  fähig  wäre  gross  zu 
fühlen  Fr.  M.  Klinger  3,  122; 

und  reden  könnt'  er,  grosz  und  fürstlich  reden! 

Grillparzer  6, 105 ; 

ähnlich,  aber  nicht  ohne  differenzierungen,  die  im  18.  jh. 
in  schwang  kommende  formel  grosze  seele :  ich  kenne 
die  macht  der  dankbarkeit  über  grosze  seelen  samml. 
V.  schausp.  (1764/".)  1,  25; 


den  unwissenden 
sind  die  geschäfte  grosser  seien 
unsichtbar  stets  uhd  verdekt  gewesen 

Klopstock  Oden  1, 1 


M.-P. ; 


ich  weisz  es,  dasz  ich  einer  so  groszen  seele,  wie  die 
deinige,  alles  entdecken  darf  Wieland  Agathon  l,  256; 
es  war  eine  selbstständige,  grosse  seele  {Friedrich  d.  gr.) 
Herder  17,  82  S.;  die  ältere  zeit  hat  in  ähnlichem  sinne: 
der  fürste  der  tochter  grosses  gemüte  wol  vername 
Arigo  decamerone  253  lit.  ver.;  {der  poet)  musz  .  .  ein 
grosses  unverzagtes  gemüte  haben  Opitz  dtsche  poete- 
rei 12  ndr.; 

bezeichnen  ein  recht  grosz  und  königlich  gemüthe 

V.  KÖNIG  ged.  33; 

{das  gefängnis)  sein  grosses  hercze  und  edel  gemüt  im 
nicht  gemindert  het  Arigo  decam.  99  lit.  ver.; 

grosses  herz !  ach  zürne  nicht 

Neukirch  ged.  16; 


485 


GROSZ  I  F  1 


GROSZ  I  F  2 


486 


eigenartig:  sie  (die  damen)  alle  diemütig  von  grossem 
diemütigen  herczen  und  mute  sein  Arigo  decam.  18 
lit.  ver.; 

ein  gross  gemüte  pflegt  in  demut  sich  zu  zeigen 

Rachel  satyr.  ged.  5  ndr. 

ß)  in  anderen  fällen  liegt  der  schiverpunkt  im  sitt- 
lichen: die  ehre  ist  ein  sporn  .  .,  wordurch  grosse  gei- 
ster  zur  tugend  angespöret  .  .  .  werden  S.  v.  Birken 
ostländ.  lorheerhayn  vorr.  )(  2''; 

der  mensch  kann  grosz,  ein  held,  im  leiden  sein 

H.  V.  Kleist  2,  100  E.  Schmidt; 

Rom  war  grosz,  es  war  das  unsterbliche  und  göttliche 
Rom,  als  es  seine  Furier,  Decier  und  Fabricier  hatte 
E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  2,  55; 

glückt  uns  nicht  Brutus  that  --  auch  Catos  tod  war  grosz 

Ayrenhoff  1,  81; 
adverbial: 

so  in  des  Vaterlandes  groszer  sitte 
lebt  Claudia,  die  Römerin,  auch  grosz 

Brentano  2,  490; 

und  soll  das  messenische  volk  einst  fallen,  so  falle  es 
grosz!  Fr.  M.  Klinger  neues  theater  l,  7;  etivas  anders: 

vollende  grosz,  was  weise  begonnen 
(an  Alexander  v.  Eussland  bei  dem  krieg  gegen  Napoleon) 
Stägemann  kriegsges.  7 ; 

zu  sterben  ...  sei  aller  loos;  grosz  zu  handeln,  nur 
weniger  auserwählten  Fr.  Schlegel  i,  141. 

y)  von  geistiger  Überlegenheit:  die  groszen  köpfe,  .  . 
die  den  plan  zu  einem  epischen  gedichte  entwarfen 
Ramler  einl.  in  die  schön,  wissensch.  ^2,  51;  sodasz  es 
nur  eines  groszen  kopfes  .  .  bedurfte,  um  .  .  .  das  ge- 
bäude  der  geistlichen  herrschaft  zu  vollenden  Raumer 
gesch.  der  Hohenst.  i,  21;  sanct  Bernhart  ist  eyn  man 
von  grossem  geyst  gewesen  Luther  15,  40  W.; 

mein  churfürst,  diesz  hat  dein  verstand, 
dein  groszer  geist  allein  erfunden 

Gottsched  ged.  (1751)  1,41; 

gern  persönlich  genommen:  dasz  .  .  .  kein  grosser  geist 
sich  findet  ohne  einen  gran  von  narrheit  Göthe  45, 

13  w:,- 

ein  groszer  geist  ist  froh,  auch  andre  grosz  zu  finden; 
er  sucht  sogar  noch  gröszre  geister  auf 

J.  A.  Ekert  episteln  u.  verm.  ged.  58; 

das  .  .  raffinement  (in  E.  T.  A.  Hoffmanns  Don  Juan), 
welches  die  gemeine  Sinnlichkeit  mit  der  Zerrissenheit 
und  Weltverachtung  sogenannter  groszer  geister  deco- 
rirt  0.  Jahn  Mozart  4,  827. 

f)  nach  höhe  und  weite  des  schauens  tmd  empfindens: 
dann  erglüht  nicht  selten  sein  (Winckelmanns)  grosser, 
den  alten  verwandter  geist  Göthe  46,  75  W.,-  und  alle 
seine  Innern,  seine  äussern  Verhältnisse  zur  weit 
(wurden)  mit  so  grossem  sinne  dargestellt  als  ange- 
schaut 23;  ich  bin  ...  so  für  Michel  Ange  eingenom- 
men, dasz  mir  nicht  einmal  die  natur  .  .  .  schmeckt, 
da  ich  sie  doch  nicht  mit  so  groszen  äugen  wie  er 
sehen  kann  IV  8,  71 ;  die  ansichten  sind  grosz  und  rein 
IV  22,  41  bei  der  besprechung  eines  geschichtsiverkes ;  ein 
lieblingsausdruek  des  späteren  Oöthe;  wie  wahr  und 
grosz  die  empfindung!  Solger  nachgel.  sehr,  i,  2; 

die  du  dem  fühlenden  sänger 
grosze  empfindungen  schenkst 

Schubart  ged.  2, 158; 

er  lächelte  grosz  Hölderlin  2,  76  Litzm.;  ähnlich  auch 
von  künstlerischem  schaffen:  die  künstler  hatten  das 
idealische  gefasst,  ...  sie  arbeiteten  grosz  und  leicht 
Niebuhr  röm.  gesch.  2,  486;  ich  will  zuletzt  nichts,  als 
dasz  man  das  grosze  recht  grosz  nehme  Solger  nach- 
gel. sehr.  1,  362;  vgl.  2  d. 

g)  schlieszlich  noch  eine  iti  oberd.  maa.  auftretende 
Sonderbedeutung:  groass  grosz,  stolz,  aufgeblasen  Lexer 
kämt.  124;  das  ist  a~  groasser!  ein  prahlhans  ib.;  grosz 
dran  sin  prahlhansig,  hochmüthig  sein  Staub-Tobler  2, 
804;  literarisch  nur  vereinzelt  zu  belegen:  sie  aber  war 
gross,  dass  sie  auch  eine  mussqueten  bekommen  Fi- 
scher schivüb.  8,  856  (ca.  1700). 


h)  einige  der  unter  a — g  behandelten  bedeutungsspiel- 
arten  treten  auch  in  der  Verbindung  mit  präpositionen 
auf;  besonders  d,  und  zwar  neben  in:  der  Jude  in  sei- 
nem gelauben  und  judischen  gesecze  ein  grosz  meister 
und  raby  was  Arigo  decam.  30  lit.  ver.;  nun  war  er  in 
den  Wissenschaften  der  gröszte  mann  Göthe  43,  279  W.; 
häufiger  ohne  subst.: 

und  leuchte  künftig,  (unter  der  glänzenden 
gekrönten  reihe  deiner  ahnherm 
grosz  in  den  künsten  der  triumphirer, 
in  allen  friedenskünsten  der  grössere) 

Ramler  lyr.  ged.  158 

charaetere,  die  grosz  in  übelthaten  .  .  sind  Gersten 
BERG  recensionen  116  lit.  denkm.;  (die  priester)  ein  ge 
schlecht,  welches  immer  und  überall  in  frommen  ver 
fälschungen  gross  war  Fr.  Schlegel  pros.  jugendschr 
1,  240  Minor;  dagegen  scheint  mehr  quantitativ  empfun 
den:  wenn  aber  eyn  gott  viel  gibt  odder  gros  ym 
geben  ist  Luther  17,  l,  432  W.;  dieselbe  Zwiespältig- 
keit bei  von: 

der  herr  grosz  von  that,  von  rath  weisz 

Jon.  FÖRSTER  bei  Fischer-Tümpel  1,  56''; 

dagegen  deutlich  quantitativ,  an  a  erinnernd: 

dieweil  ich  nicht  von  adel 
noch  grosz  von  mittein  bin 
Chr.  Weise  d.  grün,  jugend  überfl.  gedanken  156  ndr. ; 

godt  de  almechtige  unde  de  groth  van  erbarminge  ys 
Rotmann  restit.  8  ndr.;  an  scheint  jünger: 

o  höchster!  öffne  deinen  schoosz 

und  mache  die  an  Wohlfahrt  grosz, 

die  .  .  Gottsched  ged.  (1751)  1,  63; 

ihr  vater,  grosz  und  reich  an  gutem  .  . 

Bürger  1,164"  Bohtz, 
ungewöhnlich  ist  zu: 

der  niemahl  satte  frasz,  ohn  seinen  got  bauchlosz, 
und  gotlosz  ohn  den  bauch,  allein  zu  schwelgen  grosz 

Weckherlin  ged.  2, 148  lit.  ver.  ,• 

selten  und  nur  in  älterer  spräche  auch  m,it  einem  gen. 
qualitatis:  * 

Maria,  hOch  drtvaltec  slOz, 

der  tugende  gröz 

Frauenlob  291,  2  Ettmüller; 

die  enget,  die  doch  der  sterck  und  krefft  grösser  sind 
Luther  14,  48  W. 

2)  bei  dinglichem  subjectsbegriff;  die  grosze  bestimmt 
sieh 

a)  nach  kraft  und  geholt. 

((.)  und  wünsch  dir  damit,  nit  .  .  ein  fröliche  sanfTte 
rö,  sonder  grosze  ernstliche  dapfere  und  arbeitsame 
geschafft  Hütten  l,  449  Böcking;  ein  ehrliches  gemüth 
nimpt  ime  grosse  ding  für  Friedr.  Wilhelm  sprichw. 
t^g.  kl'';  möchte  ich  doch  auf  Fausts  mantel  getragen 
mich  ins  Opernhaus  zu  deiner  groszen  function  nieder- 
lassen Göthe  IV  29,  77  W.;  weise  leut  thun  selten  grosse 
thaten  hEHMAni^  ßorileg.  polit.  2,  899;  wenn  die  neuere 
englische  geschichte  voller  groszen  thaten  ist  Archen- 
holz England  u.  Italien  l,  l,  49;  ähnlich  spricht  m,an 
von  einer  groszen  tradition,  geschichte;  diese  rückkehr 
zu  seinen  grossen  Überlieferungen  sollte  dem  Staate 
eine  schreckliche  demüthigung  bringen  Treitschke 
dtsche  gesch.  im  19.  jh.  l,  288; 

auf  den  tapeten  mag  er  da  die  schlachten 
der  groszen  zeit  bequemlichstens  betrachten 

Göthe  15,  79  W.  (Faust  6384); 

(antike  bildwerke)  die  zu  gröszerer  zeit,  durch  mehr- 
vermögende menschen  hervorgebracht  wurden  IV  40, 
257;  auf  anderer  linie:  eine  menge  groszer  und  er- 
schütternder Situationen  Gerstenberg  schlesw.  litbr. 
114  lit.  denkm.;  ich  bin  weit  entfernt,  den  plan  dieses 
Stücks  zu  tadeln,  ich  glaube  vielmehr,  dasz  kein  grö- 
szerer ersonnen  worden  sei  Göthe  22,  89  W.;  ich  halte 
diese  popularität  (bei  Fichte)  für  eine  annäherung  der 
Philosophie  zur  humanität  im  wahren  und  grossen 
sinne  des  worts  Fr.  Schlegel  im  Athen.  2,  31 ;  das  ist 
im  gröszern  sinne  motivierung  0.  Ludwig  5,  413. 

31* 


487 


GROSZ  I  F  8 


GROSZ  I  F  2 


488 


ß)  auch  einige  prägnantere  bedeutungen  treten  auf: 
'furchtbar,  schrecklich':  und  bedencken  wurden,  wer 
doch  das  grosse  mort  begangen  het  (einen  fürstenmord) 
Arigo  decam.  115  lit.  ver.;  ach  waffen  dess  grossen 
mordes,  den  die  fraw  unwissentlich  .  .  begienge  buch 
der  liebe  106"^;  so  schon  Nib.  1898,  4;  diese  gefaste  ein- 
bildung  {dasz  der  krieg  dauern  werde,  so  lange  die  erde 
steht)  kommet  uns  grosz  und  schröcklich  für  Schupp 
sehr.  781;  es  ist  eine  grosse  sache,  zu  einer  ewigen  ge- 
fängnisz  geboren  zu  werden  Eeinicke  fuchs  (1650)  133 ;  im 
älteren  nhd.  öfter  'schwer,  schwierig':  das  grosz  schwer 
gebot  ist  unsz  uffgetrochen  durch  die  romanisten  Eberl. 
V.  GÖNZBURG  1,  19  ndr.;  niemant  weisz,  wie  grosz  es 
ist,  got  allein  trawen,  dan  wer  es  anfehet  und  mit 
wercken  vorsucht  Luther  6,  234  W.;  es  ist  ein  grosser 
kämpf  mit  sig  mit  dem  glück  kempfen  schöne  weise 
klugreden  140 '';  gab  sich  da  usz  für  ein  grossen  meister, 
zu  berichten  grosse  fragen,  dy  sunst  ander  meister  nit 
usz  legen  .  .  kunten  Eulenspiegel  42  iidr.  ; 

die  sach  (das  schreiben  des  buches)  ist  grosz  und  wirt  mir 

säur 


vgl.  schon: 


Scheit  Grob.  v.  101  ndr.  ; 

gote  ist  niht  ze  swsere 
noch  ze  gröz  slner  kraft 

Wigalois  177, 10  Pf.; 

'veranticortungsvolV :  darumb  ist  es  grosz,  zubesitzen 
das  ampt  der  artzney,  und  nicht  so  leicht  wie  etliche 
vermeinen  Paracelsus  op.  (I6I6)  1,  37  B. 

b)  nach  bedeutung  und  Wichtigkeit. 

a)  und  hat  nichts  so  gros  in  dem  hause,  das  er  für 
mir  verholen  habe  1.  Mos.  39,  9;  meister,  welch  ist  das 
grözste  gebot  in  der  6?  Beheim  evang.  buch,  Matth.  22, 
36;  von  wegen  derselben  hohen  bedeytung  ist  die  ee 
genent  ain  gros  sacrament  Berth.  v.  Ghiemsee  teutsche 
theol.  682; 

die  Zeitung,  die  du  bringst,  muss  gross  und  wichtig  seyn 
Gottsched  dtsche  schaub.  l,  237; 

ich  habe  grosze  neuigkeit  zu  verkünden  Arnim  6,  247; 

vom  Franken  ein  gesandter!  grosz  ereignisz 

GÖTHE  4,  332  W.  s 

es  ist  eine  grosze  bemerkung,  dasz  die  Franzosen  .  .  . 
die  ersten  waren,  die  es  wagten,  den  mollton  zum 
herrschenden  zu  machen  Schubart  ästhetik  der  tonk. 
261;  ein  groszer  (wichtiger)  satz  Kant  (1838_^.)  8,  36  H.;  in 
den  grössten  wichtigsten  puncten  .  .  mag  man  Winckel- 
mann  keck  vertrauen  Göthe  46,  78  W.;  hie  hebt  sich 
eine  grosse  (bedeutsame)  frage  Luther  24,  27  W.;  nicht 
durch  reden  oder  majoritätsbeschlüsse  werden  die  gro- 
szen  fragen  der  zeit  entschieden  Bismarck  polit.  reden 
2,  SO;  der  mann  von  genie,  der  einen  allgemeinen  irr- 
thnm  verschreit,  oder  einer  grossen  w^ahrheit  eingang 
verschafft  Göthe  45,  13  W.; 

du  sprichst  ein  groszes  wort  gelassen  aus       10, 15; 

im  Volke  .  .  .  regte  sich  noch  kaum  eine  ahnung  von 
dem  grossen  sinne  des  krieges  Treitschke  dtsche  gesch. 
im  19.  jh.  1,  245;  sie  (die  kleinen  heidelbeerbüsche  am 
tcege)  standen  wie  dinge,  die  ein  groszes  amt  erfüllen 
H.  V.  KAHhENBERG  Eva  Sehring  35;  anders:  wenigstens 
für  die  geschichte  ihrer  religion  lassen  sich  einige 
grosze  (fundamentale)  thatsachen  gewinnen  Scherer 
lit.  gesch.  8;  im  älteren  nhd.  sehr  häufig:  wie  kleyn 
glaub  auff  ander  leuth  zusetzen  sei  in  grossen  Sachen 
schöne  weise  klugreden  75^; 

es  seyen  gross  und  wichtig  sachen, 
darum  mir  jetzundt  wollen  sprachen 

Endinger  Judenspiel  27  ndr. ; 

SO  grosse  sachen  des  glaubens  und  götlicher  schrifft 
Vogelgesang  heiml.  gespräch  11  ndr.;  es  ist  gar  zu  ein 
grosz  ding  um  den  ehstand  heut  zu  tage  Göthe  IV  1, 
185  W.;  vgl.  schon 

that  is  grötara  thing 
that  man  bisorgon  scal       seolun  managa 

Heliand  1865. 


ß)  in  gewissen,  z.  th.  formelhaften  Verbindungen  ge- 
winnt  die  bedeutung  «  in  jüngerer  zeit  deutlich  einen 
eigenen  klang:  'von  grundlegender,  entscheidender  bedeu- 
tung': das  ist  der  grosze  fehler  fast  aller  theoretiker, 
dasz  sie  .  .  Gerstenberg  recens.  193  lit.  denkm.;  ist 
dies  musz  nicht  eine  grosse  lehre?  Herder  5,  176  8.; 
die  grosze  frage:  ist  Jehovah  der  wahre  gott?  Jung- 
Stilling  8,  123; 

der  groszen  Wahrheit  voll,  dasz  alles  eitel  sey 

Wieland  I  7, 164  akad. 
auf  anderer  linie: 

wem  der  grosze  wurf  gelungen, 
eines  freundes  freund  zu  seyn 

Schiller  4,  l  O.; 

ihr  wankendes  ansehn  durch  einen  groszen  schlag  .  . 
zu  erneuen  Ranke  werke  ^i,  i85;  wieder  anders: 

{sie  werden)  dir  einen  um  den  andern  listig  stehlen, 
bis,  wenn  der  grosze  erdstosz  nun  geschieht, 
der  treulos  mürbe  bau  zusammenbricht 

Schiller  12,  212  G.i 

gerüstet  zum  geschäft  der  groszen  räche 

Mich.  Beer  28. 

y)  neben  zeitbestimmtmgen ;  groszer  tag  alte  geläufige 
bezeichnung  für  das  jüngste  gericht:  Christo  auff  den 
grossen  tag  seiner  erscheinung  entgegen  zu  gehen  Am- 
bach V.  zusauffen  8  4*^;  barmhertziger  gott,  der  du  .  . 
rechnung  forderen  wirst  an  deinem  grossen  tag  Mosche- 
ROSCH  insomn.  cura  103  ndr.; 

wenn  ihr  dereinst  am  groszen  tage  steht, 
umgeben  von  den  engein  eurer  thaten 

Grillparzer  6,  211; 

von  da  aus  vereinzelt  axich:  meine  kinder  verhungern 
sehnl  und  dann  verhungern  I  das  ist  das  grosze  gericht 
Gerstenberg  TJgolino  245  d.  nat.  lit;  erst  seit  dem 
18.  jh.  im  sinne  'festlich-bedeutungsvoll' : 

hundert  jähre  können  dich, 
grosser  tag  I  uns  neu  gewähren 

Neukirch  ged.  18; 

und  so  entlass'  ich  euch,  damit  den  groszen  tag, 
gesammelt,  jedermann  sich  überlegen  mag 

Göthe  15,  286  W.  {Faust  10975); 

das  war  ein  groszer  tag  (der  communionstag)  Anzen- 
gruber  3,  12;  vgl.  der  grosze  tag  festlichkeit.  familien- 
fest  Staub-Tobler  2,805;  anders: 

diess  sey  der  grosse  tag,  wo  man  das  treffen  wagt 

Gottsched  dtsche  schaub.  1,  7; 

doch  der  grosze  morgen  (der  Vergeltung)  wird  ja  kom- 
men! Gerstenberg   TJgolino  247  d.  nat.  lit.; 

als  die  grosze  nacht  sich  hellte, 
jene  heilnacht  {der  geburt  Christi) 

Schubart  ged.  2,  93 ; 

weiter  appellativ  von  getcissen  zeiten  und  tagen  des  christ- 
lichen kalenders:  in  der  grossen  wochen,  so  man  auch 
die  heilig  nennet  Bebeis  facetien  deutsch  (1558)  m  4*; 
auch  von  einzelnen  tagen  der  charwoche:  der  gros  drüs- 
tag  in  der  vasten  quelle  von  1362  bei  Grotefend  zeit- 
rechn.  1,  77»;  der  grosse  donstag,  der  grosse  mitwuche 
Frisch  1,  376^  awsTscHUDi;  der  grosse  sonntag  palm- 
sonntag  Staub-Tobler  2,  805;  grosse  fasten  'allgemeine 
bezeichnung  der  frühjahrsf asten  von  aschermittwoch  an' 
Grotefend  1,  58*;  auch  von  anderen  tagen:  grosser 
fastelabend  estomihi  oder  tnontag  und  dienstag  danach 
1,  57*;  grosse  fassnacht  invocavit  l,  55'»;  item  in  dem 
selven  jar  was  der  gros  fastabent  of  sant  Petters  dag 
städtechron.  14,  925;  grosser  sonntag  estomihi  oder  invo- 
cavit Grotefend  1,  77'';  groszes  neujahr  epiphanias 
Fischer  schwäb.  3,853;  diesen  Umgang  hält  sie  (frau 
Holle)  bis  zum  groszen  neujahr  Grimm  dtsche  sagen 
1,  6;  grosser  maitag  1.  mai  Grotefend  1,  77'',  wo  noch 
anderes  dergleichen;  si  contingebat  in  festa  sabbatum 
illud,  szo  hiesz  er  doch  der  grosse  sabbath  Luther 
84,  1,  259  W.; 

als  der  August  zu  Rom  das  grosse  stuffen-jahr  .  . 
sein  drey  und  sechzigstes,  im  vierten  überstiegen 

Besser  sehr.  1,  7  König. 


489 


GROSZ  I  F  2 


GROSZ  I  G  1 


490 


c)  nach  anspruch  und  aufmachung. 

a)  groszihuerisch ,  prunkend:  mit  guten  thaten  er- 
langet man  basz  ein  gedechtnis,  dann  mit  grossen  uber- 
schrifften  der  greber  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg. 
bb  l*»;   grosse   prechtige   tittel   thun  nichts  zur  sachen 

t  2»; 

ist  sonsten  nichts  zu  fangen, 
als  mit  den  tituln  nur  und  grossen  brieten  prangen 

Rachel  sat.  ged.  122  ndr. ; 

so  vor  allem:  grosze  wort,  pracht  der  worte  magnilo- 
quentia  H.  Degimator  thes.;  grosse  wort  und  nichts 
darhinder  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg.  1 1*;  die  wort 
sind  grösser  als  der  mann  Lehmann  ßoril.  polit.  3,  50; 
von  ihren  weitläuftigen  geschafften  und  ihrer  amts- 
mässigen  Zerstreuung  ein  paar  grosse  worte  zu  seufzen 
Rabener  6,  171;  die  neigung  der  Jugend  zum  geheim- 
nisz,  zu  ceremonien  ^und  groszen  werten  ist  auszer- 
ordentlich  Göthe  23,  211  W.;  etwas  anders  in  der  häu- 
figen formel:  der  wirth  war  .  .  burgermeister,  darumb 
sasz  er  auch  unter  seinen  gasten  und  hatte  das  grosse 
wort  allein  Chr.  Weise  d.  drei  klügsten  leute  (l675)  167; 
wo  eine  betschwester  oder  ein  müssiggänger  das  grosse 
wort  führen  Rabener  5,  26;  Ghiberti,  der  .  .  gewohnt 
war,  in  sachen  der  kunst  das  grosze  wort  zu  führen 
H.  Grimm  Michelangelo  l,  83. 

ß)  ähnlichen  klanges:  grandiloquus  der  hoch  einher 
redt,  der  von  grossen  dingen  redt,  herrliche  wort  braucht 
Calepinus  XI  ling.  625*;  sy  (die  hochmüthigen)  reden 
grosse  hefftige  ding  Albr.  v.  Eyb  spiegel  d.  sitten  (l5ll) 
8  * ;  atif  anderer  linie,  aber  ebensowenig  schlechthin  quan- 
titativ: 

auch  soltu  ausz  einr  kleinen  sachen 

allzeit  ein  grossen  handel  machen 

Scheit  Grob.  3721  ndr.  ; 

man  macht  auch  kein  grosz  werck  darvon,  fleisch  in 
der  fasten  .  .  zuessen  Fisghart  bienenkorb  a5*; 

(dem  weib)  wirt  dir  ein  langen  text  daher  .  . 
und  ein  grosse  histori  machen 

Scheit  Grob.  4016  ndr.j 
besonders: 

{dein  weib  wird)  machen  erst  ein  grosses  wesen 
und  dir  ein  lang  register  lesen  3998; 

man  schwätzet  mir  viel  vor,  man  macht  ein  grosses  wesen 
Rachel  sat.  ged.  141  ndr.; 

was  groszes  wesen  ist  ein  kusz 

Königsberger  dichterkr.  103  ndr.  i 

nicht  gesonnen,  grosze  umstände  zu  machen  0.  Lud- 
wig 2,  858;  et  is  ken  graut  roiimens  d^rfan  t«  mäk^n 
Baüer-Gollitz  86»;  vgl.  schon  mhd.: 


wä  mite  machet  irz  s6  gröz? 
so  viel  avjhebens  davon 


Erec  8034. 


d)  nach  innerer  weite  und  erhabenheit:  es  ist  alles  so 
grosz  um  mich,  wie  wenn  gott  durch  die  nacht  ginge 
Jean  Paul  sämtl.  w.  7  (1826)  274  JS.;  zuweilen  mit  stärkerem 
anklingen  der  quantitativen  grundbedeutung:  drinnen  (im 
dorn),  wie  grosz  nimmt  uns  das  auf.  wie  strömt  das 
beklommene  herz  in  eine  unendliche  weite  Gutzkow 
tverke  11,  99;  jene  mythen,  wahrhaft  grosz,  stehen  in 
einer  ernsten  ferne  respectabel  da  Göthe  IV  23,  25  W.; 
die  religion  ist  schlechthin  grosz  wie  die  natur  Fr. 
Schlegel  im  Athen,  l,  2,  92;  von  künstlerischen  Schöp- 
fungen :  das  gröszte  werck  der  Innern  groszheit  nach 
die  rotonde  (in  Rom)  Göthe  IV  8,  45  W.;  vier  kleine 
lieder,  die  sie  (die  Sängerin)  dergestalt  grosz  zu  machen 
wuszte,  dasz  die  erinnerung  daran  mir  noch  thränen 
auspreszt  IV  37 ,  189 ;  das  tutti  kehrt  wieder ,  wie  ein 
riese  hehr  und  grosz  schreitet  das  unisono  fort  E.  Th. 
A.  Hoffmann  l,  13  Gris.;  das  lied  ging  fort  und  wurde 
grosz  und  fromm,  erschütternd  einfach,  wie  im  kirchen- 
style  vorgetragen  Stifter  l,  145  Sauer; 

kometen  winken,  die  stund'  ist  grosz 

Göthe  16,  372  W. 

e)  endlich  in  einem  gebrauch,  der  einem,  qualitäts- 
urtheil  nahe  kommt,  aber  nur  in  einigen  Wendungen 
neuerer  spräche:  man  spricht  von  schöner  klangwirkung 


einer  groszen  stimme ;  ein  groszer  wein ;  in  der  spräche 
des  »ports:  das  pferd  lief  ein  groszes  rennen,  gewann 
in  groszem  stil,  war  in  groszer  form  u.  ä. 

G.  eine  reihe  verbaler  Verbindungen  ist  gesondert  zu 
behandeln,  weil  sie  z.  th.  mehrere  der  unter  A — F  ent- 
wickelten  bedeutungen  übergreifen. 

l)  grosz  machen,  in  stark  schwankender  bedeu- 
tung: 

a)  zunächst  in  dem  ursprünglichen,  rein  quantitativen 
sinne:  groszmachen  oder  weitern,  mehren  ampliare 
Degimator  thes.;  daz  der  herre  hat  groszgemachet 
sein  derbarmd  cod.  Tepl.  79  var.;  das  sind  alles  wort 
einer  grundlichen  rewe,  die  da  gros  macht  und  viel  die 
gnade  gottes,  ynn  dem  das  sie  gros  und  viel  macht 
yhre  sunde  Luther  18,  499  W.;  an  der  zweiten  stelle 
aber  schon  in  dem,  besonderen  sinne  'verbis  augere',  und 
so  nicht  selten:  es  scheinet  .  .  nicht,  das  so  grosse  fahr 
.  .  .  daran  lige.  aber  s.  Paulus  machets  warlich  gros, 
das  es  nicht  gelte  geld  noch  gut  34,  2,  888;  und  ob 
schon  ettliche  thorechte  pfäfflein  .  .  grosz  machen  das 
fasten  gebot  Eberlin  v.  Günzbukg  i,  20  ndr.; 

dann  hilft  ihr  aufschneiden  und  groszmachen 
so  viel,  dasz  man  sie  thut  auslachen 

Opel-Cohn  dreiszigj.  krieg  422; 

ein  ding  mit  Worten  grösser  machen  als  es  ist  Kram  er 
teutsch-ital.  1,  569'';  seinen  schaden,  seine  schmerzen 
groszer  machen  (vorstellen)  als  er  ist  Adelung;  vgl. 
schon  grosser  machen  maiorare  Diefenbach  344»;  a7i- 
ders  'prahlerisch  erheben'  (vgl.  b) :  grosz  machten  sie  den 
(sieg)  mit  schritten  und  geschrei  P.  Eschenloer  gesch. 
d.  st.  Breslau  2,  46;  die  groszmachende  stimm  Augusti 
.  . ,  welcher  .  .  spräche  .  . :  Rom  hab  ich  von  Ziegelstein 
empfangen,  ich  verlasz  sie  euch  von  marmel  Schupp 
sehr.  742;  sehr  häufig  im  älteren  nhd.  als  magnifi,care: 
und  machten  grosz  gott  der  Israhel  erste  dtsche  bib. 
1,  eovar.;  des  feindes  lob  macht  den  uberwinder  desto 
grösser  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg,  gl»;  mein  sei 
macht  grosz  den  herrep  Berth.  v.  Chiemsee  teutsche 
theol.  193;  in  dieser  bedeutung  bisweilen  zum  festen  com- 
positum verwachsen:  mein  seel  grossmachet  den  herrn 
Tauler  serm.  (1508)  192'';  ich  lobe  und  groszmache  dich 
herzmaner  li  * ;  dar  dorch  men  godt  laven ,  benedyen 
unde  groitmaken  mach  B.  Waldis  verl.  söhn  3  ndr.; 
weiter  im  sinne  von  Fla:  die  herren  machen  die  offt 
gros,  welche  ihnen  am  nngetreuesten  sein  Friedr. 
Wilhelm  sprichw,  reg.  gl»;  diese  bedeutung  in  neuerer 
zeit  herrschend: 

will  mit  gold  ihn  überhäufen,  .  . 
grosz  ihn  machen,  grosz  und  reich 

Grillparzer  7,  149; 

aber  nicht  die  federfuchser  haben  Preuszen  grosz  ge- 
macht Fontane  l5,  161;  etwas  anders:  allein  ...  es 
fehlt  ihnen  (den  italien.  componisten)  im  ganzen,  was 
Mozart   grosz   macht  über   alle  0.  Jahn  Mozart  4,  274. 

b)  reflexiv  'prahlen,  sich  brüsten':  grosz  machen  sich 
selbst  semet  augere  Kirsch  corn.  2,  159'';  ich  bitt  mengk- 
lichen,  dass  wir  uns  nit  durch  unser  gross  machen  ver- 
füerind  Staub -Tobler  2,  804  (quelle  von  1470);  alldie- 
weilen  solch  volck  sonst  nichts  mehr  weisz,  als  nur 
mit  dem  maule  sich  grosz  zumachen  J.  Riemer  polit. 
maulaffe,  vorr.  8»;  ohne  mich  eben  grosz  zu  machen, 
ich  bin  ein  ehrlicher  bedienter  Cronegk  sehr,  l,  40;  er 
macht  sich  noch  grosz  er  rühmt  sich  noch  (s.  dumm- 
heit)  FoLLMANN  218»;  auch  mitpräpos.:  sich  mit  etwas 
grosz  machen  Kramer  teutsch-ital.  1,  568";  um  sich  da- 
mit bei  andren  grosz  zu  machen  und  rühmen  E.  Fran- 
cisci  traursaal  (l665)  1,  902;  alle  künste,  womit  wir 
uns  so  grosz  zu  machen  pOegen  Wieland  (1794/".)  i, 
86;  etwas  anders,  milder: 

hier  macht  ein  mägdgen  sich  mit  einem  kätzgen  grosz 

Henrici  ernst-,  schersh.  u.  sat.  ged.  1,  289; 

vgl.  damit  sich  der  .  .  .  grosz  gesehen  macht  sich  ein 
groszes  ansehen  gibt  Fischer  schwäb.  3,  855  (quelle  von 
1562);  im  selben  sinne:  da  er  auf  eine  so  dumme  art 
den  grossen  machen-  wollte   Petrasch   lustsp,  2,  575; 


491 


GROSZ  I  G  2—4 


GROSZ  I  G  5.  6,  H 


492 


so  noch  heute  im  Schweiz.:  den  grossen,  sich  grosz  ma- 
chen StaUB-ToBLEK  2,  804. 

2)  grosz  thun,  erst  seit  dem  späten  17.  jh.  bezeugt; 
zunächst  anscheinend  'prunken,  protzen':  grosz  thun  os- 
tentare  Stieler  2352;  paradiren,  eine  parade  machen, 
grosz  thun,  sich  prächtig  sehen  lassen  cur.  hauernlex. 
(1728)  129;  wenn  unsre  mandarine  der  Wissenschaft  .  . 
darben,  indesz  die  unwissenden  .  .  verschwenden  und 
groszthun  Herder  23,  553  S.;  so  lange  die  leute  noch 
im  Wohlstand  waren,  wollten  sie  groszthun  Zschokke 
14,  203;  und  so  mundartlich  noch  heute:  der  tut  grösser 
als  er  ist  Fischer  schwäb.  3,  855;  de  nig  groot  doon 
kann,  möt  groot  praalen  Dähnert  162^;  dann  auch 
'mit  Worten  prahlen,  sich  brüsten':  Tasso  ist  so  gut  als 
fertig,  noch  aber  darf  ich  nicht  grosz  thun  Göthe 
IV  9,  121  W.; 

für  einen  zwerg  thust  du  gewaltig  gross 

Pfkffel  poet.  vers.  7,  189; 

ich  hab  immer  gesagt,  was  ich  für  einer  war,  und  hab 
grosz  gethan  0.  Ludwig  2,  381 ;  mit  präpositionen :  stocke 
.  .  .  womit  sie  {die  handwerker)  durch  die  stadt  grosz- 
thun B.  Mayr  päckch.  sat.  68;  zwar  thut  Saxo  gegen 
das  ausländ  noch  auszerdem  mit  einer  ganz  beson- 
deren .  .  quelle  grosz  Dahlmann  gesch.  v.  Dänem.  l, 
11;  reflexiv: 

und  hab  ich  gleich  mit  mir  ein  biszgen  grosz  gethan 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  4, 146; 

ich  weis  nicht,  worauf  sie  grosz  thut  P.  A.  Schrader 
scherze  (1762)  i,  196;  will  man  aber  mit  dem  briefe  auf- 
treten und  noch  grosz  darauf  thun  Göthe  IV  14,  66  W.; 
vgl.  I  16,  20;  (eine)  die  mit  den  göttern  eifert  und  gegen 
sie  grosz  thut  Sghleiermacher  Piaton  6,  181;  seltener 
mit  reflexivem  acc:  von  dem  kaltsinn  so  vieler  men- 
schen, die  sich  mit  dem  namen  Christen  groszthun 
Lavater  handbibl.  5  (l79l)  58 ;  und  wenn  sies  nun  wüszt 
.  .  .  und  thät  sich  grosz  damit,  der  Holders-Fritz  .  .  . 
thut,  was  ich  will  0.  Ludwig  2,  isi. 

3)  grosz  reden,  sprechen«,  ü.  seit  dem  IG.  jh.: 
es  war  gros  geredt,  quod  ex  semine  Abrahae  sol  Chri- 
stus etc.  Luther  29,  34  W.; 

de  ok  grötspreken  dorsten, 
helt  me  klöcker  vor  deniforsten 

städtechron.  16, 155 ; 

(er)  fängt  an  vortrefflich  grosz  zu  sprechen 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  3,  482; 

namentlich  mit  von:  denn  bey  dir,  bey  meinem  söhne, 
musz  es  mir  erlaubt  seyn,  von  dieser  sache  grosz  zu 
sprechen  Garve  Cicero  von  den  menschl.  pflichten  i,  59 ; 
sprachen  gegeneinander  grosz  von  sich  und  ihren  thaten 
Droysen  gesch.  Alexanders  131;  nicht  selten  auch  als 
compositum  geschrieben  und  empfunden:  ei!  so  musz 
hr  Klotz  nicht  groszsprechen  Herder  8,  421  S.;  wenn 
er  recht  log  oder  groszsprach  L.  Schefer  ausgew.  w. 
7, 114;  mit  objectsatz:  dahero  nachmahls  die  Römer  ohne 
grund  groszsprachen,  dasz  .  .  .  Lohenstein  Armin.  2, 
1210";  groszprahlen  Kramer  teütsch-italien.  l,  570»;  du 
schämst  dich  nicht,  damit  grosz  zu  prahlen?  Schiller; 
du  zwingst  mich  groszzuprahlen  0.  Ludwig  4,  366;  sel- 
ten; dagegen  ist  das  part.  groszprahlend  sehr  geläuflg, 
s.  sp.  575;  von  seinen  Zauberlaternen  schwatzte  er  sehr 
grosz  Z.  C.  V.  Uffenbach  merkw.  reisen  l,  51;  ein  .  .  . 
tyriacksman,  der  rühmet  grosz  von  seinem  tyriack,  .  . 
wie  kräfftig  derselbe  were  Kirchhof  wendunm.  2,  166 
lit.  ver.;  entsprechend:  ein  groszer  Sprecher  grandiloquus 
DiEFENBACH   268«. 

4)  etwas  grosz  achten,  halten,  schätzen: 
magnifl^are  groszachten  Diefenbach  343^;  multifacio 
hoch  oder  gross  achten  Calepin  xi  ling.  918 *>;  dass 
man  die  heyligen  sacrament  gross  acht,  sie  yn  ehren 
habe  Luther  8,  686  W.;  so  .  .  dich  dise  allweg  allein 
grosz  hat  geachtet  Boltz  Terenz^^;  er  den  Epigenem 
als  einen  kriegsgeübten  mann  grosz  geachtet  Xylander 
Polybius  289 ;  diese  von  andern  grossgeachte  Wollüsten 
.  .  der  weit  Grimmelshausen  4,  668  Keller;  auch  mit 
besonderen  Sinnesfärbungen:  dasz  wir  lernen  erschrecken 


für  den  greueln  der  papisten,  dieselben  lernen  grosz 
achten  Opel-Cohn  dreiszigj.  krieg  300;  aber  es  wird 
jetz  für  gross  geachtet,  wo  einer  nur  ein  theil  seiner 
ersten  andacht  .  .  .  behalten  möchte  Jon.  Arnd  Thom. 
a  Kempis  13;  sehr  beliebt  als  negative  wendung:  aber 
das  du  mich  liebhast,  das  acht  ich  nit  grosz  N.  v. 
Wyle  translat.  86  lit.  ver.; 

und  dörftends  wol  nit  grösser  achten, 
als  wenn  sy  hett  bissen  ein  lusz 

H.  R.  Manuel  weinsp.  3769  ndr.  ; 

ob  ich  einmahl  wein  trincke  oder  nicht,  ich  achte  ihn 
auch  eben  so  grosz  nicht  Chr.  Reuter  ehrl.  frau  zu 
Plissine  23  ndr.;  etliche  weiber  sollens  auch  nicht  grosz 
achten,  wenn  sie  von  ihren  männern  .  .  getödtet  wer- 
den V.  Mandelslo  morgenl.  reisebesehreib.  (1696)  95°' 
Olearius;  die  formel  gerieth  theilweise  unter  den  ein- 
flusz  des  intensiven  grosz  («.  o.  D  3  b) :  denn  die  Lace- 
demonier  nit  grosz  zärtlicher  speisz  und  prechtiger  essen 
achten  Cyr.  Spangenberg  jagteuffel,  tlieatr.  diabol. 
(1569)  293''.  —  der  jenigen,  so  gottes  wunderwerck  sehen, 
gros  halten,  loben  und  rhümen  Luther  16,  277  W.; 
diser  .  .  tyrannisch  gwesen  ist  fürnemlich  gegen  denen, 
die  Athanasium  gross  hielten  C.  Hedio  chron.  germ. 
155'';  dass  die  astronomey  von  den  alten  gross  gehalten 
ist  worden  Paracelsus  opera  (1616)  2,  341;  anders:  der 
uff  den  sieg  Juliani  wartet  und  sein  tröwen  groszhielte 
(auf  s.  drohen  viel  gab)  C.  Hedio  chron.  germ.  184»;  mit 
reflexivem  casus:  und  sie,  die  sich  von  solchem  hüpschem 
edlem  Jüngling  gefreyet  sähe,  sich  das  grosz  hielt  Lin- 
dener  rastbüchl.  38  lit.  ver.;  men  sal  sik  nicht  to  gröt 
holden,  men  wet  nicht,  wat  noch  komen  kan  Tunni- 
cius  sprichw.  nr.  387;  verändert  nach  F  1  c:  dasz  er 
{der  kurfürst)  sich  nicht  zu  grosz  gehalten,  kleine 
Winkelzüge  zu  brauchen  Lessing  12,  240  M.  —  selten 
ist:  groszschatzen  magni  pendere  Decimator  thes.;  da 
ist  .  .  .  alles  .  .  .,  was  die  weit  gross  schätzet  Dann- 
hawer  catech.  milch  1,  259;  ein  dapfer  gemüt  schetzet 
sich  auch  gros  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg.  o  l»; 
später  entstellt:  grosz,  ja  übertrieben  wurden  die  äuszer- 
lichkeiten  einer  besser  geglaubten  vorzeit  werthgeschätzt 
Göthe  49,  38  W.;  nur  lexicalisch:  grosz  wyegen  vel 
achten  magnipendere  Diefenbach  843°. 

5)  grosz  halten,  denken  von  etwas:  Balbum 
quanti  faciam  .  .  wie  gros  ich  vom  Balbo  halte  Bas. 
Faber  thes.  243''; 

der  aber  gschwind  fmantzen  kan, 

der  ist  der  man, 

von  dem  man  grosz  musz  halten 

G.  Forster  frische  teutsche  liedl.  147  ndr.  ,■ 

auch  reflesdv:  die  gros  geystlichen  .  .  können  nicht  an- 
ders denn  yhn  selbs  wolgefallen  .  . ,  gros  von  sich  hal- 
ten Luther  18,  48i  W.;  die  andern  stolzen  heiligen,  die 
viel  und  grosz  von  sich  selbs  halten  sämmtl.  w.  I  6,  4 
-Erlang,  ausg.;  hier  scheint  deutlich,  dasz  grosz  zunächst 
object  war  (=  groszes),  um  erst  später  adverbial  emp- 
funden zu  werden;  im  selben  sinne  ursprünglich  grosz 
denken :  Altfranken  .  .  die  grosz  vom  vaterlande  denken 
Klopstogk  w.  12  (1817  Göschen)  100; 

der  hochselige 
hat  immer  grosz  gedacht  von  euer  gnaden 
fürtrefflichem  verstand  und  feldherrngaben 

Schiller  12,  218  G. ; 

doch  färbt  sich  diese  wendung  nach  F  1  e:  von  seinem 
fürsten  edel  und  grosz  zu  denken  l,  14;  man  musz  den 
phalanx  der  männer  verstärken,  die  über  das  grosze 
grosz  denken  K.  Fr.  Cramer  Neseggab  3,  5. 

6)  sich  grosz  wissen,  dünken:  diejenigen  für 
stümper  zu  schelten,  die  sich  grosz  damit  {mit  dem 
beifall  des  pöbeis)  wissen  Liscow  samml.  sat.  u.  ernath. 
sehr.  480;  mag  doch  also  der  gelehrte  musicus  sich  da- 
mit grosz  düncken  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wissensch. 
~i,  214;  so  däuchte  er  sich  in  seiner  bosheit  grosz  Sal. 
Gessner  2,  50. 

H.  die  alte  formel  grosz  und  klein  ist  ebenfalls  für 
sich  zu  stellen,  weil  sie  über  ihr  ursprüngliches  geltungs- 
gebiet  hinau^gegriffen  hat. 


493 


GROSZ  I  H  1.  2 


GROSZ  I  H  3.  4— II  1  (substantivisch)        494 


1)  voji  haus  aus  iyi  der  hedeutung  B  i;  frühzeitig  im 
sinne  einer  zusammenfassenden  formet  'von  verschiedenem 
gröszenmasz' : 

da  nach  chßmen  steine       grozze  und  chleine 

Müst.  exod.  IM,  26; 

daz  (laken)  schein  des  nachtes  . . 

von  dem  edelin  gesteine 

gröz  unde  deine, 

daz  dar  allenthalben  ane  stunt 

graf  Rudolf  2,  4; 

es  sein  auch  darinnen  {in  Schlesien)  viel  fischreiche 
•Wasser,  gros  und  klein  Rätel  Curäi  chron.  275;  in  jün- 
gerer spräche  nicht  mehr  so  verbreitet  wie  ehedem:  grö- 
szere  und  kleinere  feste  Göthe  IV  32,  50  W.;  häufiger 
in  der  bedeutung  'alle  iyisgesamt': 

d6  Ute  er  (Noah)  iiz  läzen       cleinez  unde  grOzez 

Vormier  gen.  13, 13; 

sie  zalden  min  gebeine 
beide  gröz  und  deine 

Hesler  ev.  Mcod.  1620  ; 

(es)  warden  von  got  erschafTen  .  .  .  vögel  und  visch, 
grosz  und  klein  Albr.  v.  Eyb  dtsche  sehr,  l,  40; 

alle  geschöpf  grosz  unde  klein 

H.  Sachs  1,436  K.i 

vgl.  kein  thier  auf  erden  so  grosz,  so  klein,  es  geht 
niemahls  allein  maler  Müller  l,  84;  sächlich  und  sub- 
stantiviert: 

wen  undir  einandir  vechten  di  steine, 
daz  si  rlzen  gröz  und  kleine 

Brun  V.  Schönebeck  10971; 

auch  flectiert:  all  dies  einrichtungsmaterial,  kleines  und 
groszes  Fontane  I  5,  20 ;  zu  F  2  gehörig: 

halt  immer  dich  an  den  natursinn : 
in  ihm  hat  grosz  i^id  kleines  sitz 

Grillparzer  3,  212; 

ungewöhnlich  in  adverbialer  Verwendung: 

weiszt  du  nicht  heute  abend  klein  und  grosz 

mir  zu  erzählen,  was  sich  hier  begab  7,  26. 

vgl.  im  groszen  und  kleinen  II  2  d. 

2)  am,  häufigsten  auf  personen  bezogen  im  sinne  'alle 
insgesamt'  und  so  bis  in  unsere  zeit  voll  lebendig: 

dö  rifen  die  jüden  gemeine 
beide  gröz  und  deine 
Christ,  u.  Pil.  18  bei  Kraus  dtsche  ged.  d.  12.  jhs., 

dazu  die  anm.  s.  247,  icoselbst  zahlreiche  nachiceise  fürs 
mhd.;  so  sehr  formelhaft,  dasz  der  ursprüngliche  sinn 
darüber  vergessen  icerden  konnte,  z.  b.: 

'nu  habe  wir  diz  getan', 
sprächen  si  algemeine 
gröz  unde  deine 

Straszb.  Alex.  4093  Kinzel, 

wo  höchstens  'ritter  und  knappen'  gemeint  sein  können; 
erst  in  jüngerer  spräche  wieder  anschaulicher:  sie  sassen 
da  alle  gross  und  klein  (==  die  ganze  familie)  Jung- 
Stilling  1,  290;  gross  und  klein,  alt  and  jung,  alles 
kam,  euch  zu  sehn  Babo  schausp.  l,  16;  weitere  belege 
unter  klein  th.  5,  1090;  auch  nach  prSpositionen  unver- 
ändert: 

und  wird  von  gross  und  klein  gefragt 

Günther  ged.  128; 

ein  kräftig  ja,  ein  freundlich  nein 
macht  dich  beliebt  bei  grosz  und  klein 

Ulr.  Hegner  sehr.  5,  215; 

die  umgekehrte  reihenfolge  mhd.  höchstens  aus  reimgrün- 
den gelegentlich,  z.  b.  Straszburg.  Alex.  5217  Kinzel;  im 
älteren  nhd.  aber  häufiger:  der  tod  nimpt  gleych  hin 
die  armen  und  die  reychen,  klein  und  grosz  Frisius 
diet.  1227*»;  frauwen  . .  die  .  .  durch  ihre  tugendt  viel  ehr 
and  gnaden  von  klein  und  grosz  überkommen  haben 
buch  der  liebe  286*;  sollen  die  kinder  ynn  der  musica 
geübet  werden,  alle,  klein  und  gros  Luther  26,  237  W.; 
vor  klein  und  grosz  zu  schustern  Grimmelshausen  3, 
432  Keller;  als  diese  .  .  suppe  aufgetragen  war,  setzte 
sich  klein  und  grosz  .  .  .  darumb  her  410;  flexion  ist 
nicht  häufig: 


der  patriarche  d5  gebot 
grözen  und  deinen 
allen  gemeinen, 
daz  si  sungen  gote  zu  6ren 

graf  Rudolf  15,  21; 

'ä',  sprächens  al  gemeine 
gröze  unde  kleine 

GoTTFR.  V.  Straszburg  Trist,  3266; 

lasz  groszen  und  auch  kleinen 

die  gnadensonne  scheinen 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3, 333'>; 

eine  ländliche  festlichkeit  ist  geeignet  die  gemüther 
der  kleinen  und  der  grossen  in  allarm  zu  bringen  S. 
Brunner  erzähl,  u.  sehr.  1,  41. 

3)  seit  dem  nhd.  nicht  selten  auch  in  einem  abgelei- 
teten sinne;  besonders  'hoch  und  niedrig'  (s.  o.  Flc): 
wie  denn  auch  viel  ynn  deutschen  landen  beyde  gros 
und  kleyn  mein  reden  und  schreiben  .  .  .  verfolgen 
Luther  15,  27  W.;  dass  kein  person,  klein  oder  gross, 
in  .  .  Österreich  .  .  gerichtszwang  üben  .  .  solle  Tschudi 
chron.  helvet.  1,  79;  oh,  das  bei  groszen  und  kleinen  Ver- 
ehrung des  kaisers,  fried'  und  freundschaft  der  nach- 
barn  .  .  .  bewahrt  würde  Göthe  13,  l,  299  W.;  weiteres 
unter  klein  th.  5,  1098;  'bedeutend  und  unbedetdend'  (s.  o. 
F  1  b):  die  übrigen  ausländer,  grosz  und  klein,  thaten 
.  .  .  ein  gleiches  Fr.  M.  Klinger  lO,  156;  von  fürsten 
und  Staaten  {s.  o.  Fla):  doch  grosz  und  klein  ist  gegen 
mich,  und  ich  musz  kämpfen  Grabbe  3,  139  Bl. 

4)  im  mhd.  ist  auch  der  entsprechende  negative  ge- 
brauch reich  entfaltet: 

so  ist  der  tier  denn  kain, 
weder  groz  noch  klain, 
es  pisse  sich  und  grimm 

zs.  f.  ätsch,  alt.  1, 121; 


noch  hom  deheinez 


gröz  noch  chleinez 

Milst.  exod.  137,  22; 


der  wind  nehete  neheine  mäht, 
gröze  noh  deine 


Pilatus  217 ; 


daz'weder  under  in  genas 
der  gröze  noch  der  cleine 

KoNR.  V.  WÜRZBÜRG  troj.  12881*, 

er  het  nit  acht  ir  kaines, 
weder  grosses  noch  klaines 

Pfarrer  v.  Kaienberg  il  ndr.; 

substantivisch  im  ainne  'nichts': 

daz  sl  kleine  noch  gröz 
mohten  gevähen 

Hartm.  V.  Aue  Greg.  950; 
entsprechend  adverbial: 

weder  klein  noch  grözze       spurt  er  nu  den  bracken 

j.  Tit.  1257, 1; 

men  he  roghede  sik  nicht  klein  noch  groet 

Reinke  de  vos  183  Prien; 

nhd.  nur  in  einzelnen  nachklängen: 

veracht  mein  rhat  nicht  grosz  noch  klein 

H.  Sachs  19,  25  K.-Q. 
II.  substantivisch. 

l)  persönlich. 

a)  im  sinne  der  bedeutung  I  B  l  c  y:  mei  groszer,  de 
grusze  der  älteste  söhn,  die  älteste  tochter  MOller-Frau- 
reuth  1,  444*;  der  grosze  {von  zwei  brüdern)  der  ältere 
Bruns  volksw.  d.  prov.  Sachsen  26^;  wohl  allgemein  in 
ma.  und  Umgangssprache;  die  älteren  Schulkinder  heiszen 
die  groszen  Fischer  schwäb.  3,  854;  de  groten  möten  de 
klenen  nage  wen  vdrd  zu  älteren  kindern  gesagt  Dähnert 
163»;  {Thiel)  hörte  den  groszen  ihre  Schulaufgaben  ab 
G.  Hauptmann  bahnwärter  Thiel  (1892)  16; 

den  kleinen  gebt  die  rute,  die  groszen  steckt  ins  loch 

Gerok  auf  eins,  gangen  ^»iii; 

der,  die  grosze  oberknecht,  groszmagd  Fischer  schwäb. 
3,  854  {vgl.  grosz  I  B  1  f);  meist  elliptisch  zu  verstehende 
ausdrücke;  ebenso  auch:  der,  die  grosze  groszvater,  -mutter 
Hertel  Thür.  ilO;  lux.  ma.  156;  grossen  groszmutter 
Staub-Tobler  2, 806;  häufiger  deminutiv:  grösi  m.;  grösi, 
grösseli  /.  und  n.  ib. ;  grosel  groszmutter,  überhaupt  alte 
frau  Schmidt  Straszb.  45»;  vgl.  Follmann  218'';  Auten- 
rieth  57  und  sonst;  nd.  groszke  groszmutter,  alte  frau 


495 


GROSZ  II  2  (subatantiviach) 


GROSZ  II  2  (substantivisch) 


496 


Frischbier  l,  255 '•;  grootje  groszmütterchen  Stüren- 
BURG  76'';  beschränJder  anwendung  ist  groszchen/ür  grosz- 
Und  zs.  f.  d.  w.  2,  829. 

b)  in  Uterarischem  gebrauch  gewöhnlich  im  sinne  der 
uneigenüichen  bedeutung  I  F  1 ;  erst  in  jüngerer  zeit  ge- 
legentlich nach  F  1  d  oder  e:  noch  denken  wir  mit  den 
gedanken  jener  groszen  und  weisen  Herder  16,  36  S.; 
die  einzelnen  groszen  stehen  weniger  isolirt  unter  den 
Griechen  und  Römern  Fr.  Schlegel  im  Athen.  2,  68; 
ich  weisz  heute,  dasz  ich  nicht  zu  den  groszen  gehöre 
Schnitzler  Anatol  (l90l)  77;  zumeist  aber  nach  F  l  c; 
hier  tritt  substantivischer  gebrauch  schon  im  älteren  nhd. 
auf,  doch  festigt  sich  die  ausgesprochene  Substantivierung 
im>  sinne  'optimates'  erst  mit  dem  späteren  17.  jh.:  die 
wenigen  und  die  grossen  und  die  reychen  und  die  armen 
erste  dtsche  bibel  2,  503;  fände  (er)  von  den  höchsten 
grösten  und  kleinsten  gemeiniglichen  alle  in  Unzucht 
Arigo  decam.  31  K.;  was  für  .  .  schändliche  fehler  be- 
gehen etliche,  sonderlichen  die  grössere  Schupp  sehr. 
756;  solches  aber  zu  verhüten,  machten  die  grossen  in 
Meden  ihnen  kein  gewissen  A.  U.  v.  Braunschweig 
Octavia  l,  48;  Clotharius  IL  hatte  Arnulpho,  Pipino  und 
einigen  andern  groszen  ...  zu  dancken  Hahn  einleit. 
zu  der  keiserhist.  1,5;  die  liberalität  der  römischen 
groszen  gegen  die  unteren  stände  Jhering  geist  des 
römischen  rechts  2,  1,  256;  mit  präpos.:  dasz  er  keine 
freunde  unter  den  groszen  im  kriegs  -  departement 
hatte  Bode  Thomas  Jones  8,  I5i;  der  Charakter  der 
groszen  in  der  nation  Kästner  verm.  sehr.  2,  52;  häu- 
figer mit  gen.:  die  grossen  des  hoffes  Ziegler  asiat. 
Banise  87;  den  groszen  der  erde  Arghenholz  England 
u.  Italien  1,  1,  5;  beruht  auf:  wie  der  name  der  groszen 
auf  erden  2.  Sam.  7,  9;  variiert:  es  haben  die  groszen 
dieser  weit  sich  der  erde  bemächtiget  Göthe  21,  53  W.; 
vgl.  was  sind  wir  groszen  auf  der  woge  der  menschheit 
8,  184;  auch  mundartlich:  die  grossen  die  durch  vermögen 
und  sociale  Stellung  hervorragenden  Staub-Tobler  2,  804; 
ein  groasser  ein  fürst,  ein  vornehmer  Schöpf  216;  vgl. 
Müller-Fraureuth  1,  444*;  ich  hab's  von  eme  grosze 
AsKENASY  Frankf.  177,  hier  besonders  von  personen  des 
Stadtregiments. 

2)  sächlich. 

a)  von  der  concreten  grundbedeutung  aus  zu  verstehen: 
vele  kleine  maken  ein  grot  Tunnicius  sprichw.  nr.  1041; 
das  klein  wird  gestohlen,  dasz  grosz  genommen  Leh- 
mann florileg.  pol.  1,  331;  zudem  ist  die  natur  in  dem 
kleinen  eben  so  grosz  .  .  als  in  dem  groszen  Breitinger 
crit.  dichtk.  1, 120 ;  auch  noch :  die  arme  meines  geistes  . . , 
mit  denen  ich  ins  unendliche  griff  und  .  .  ein  groszes 
zu  umfassen  hoffte  Göthe  21,  131  W.;  gewöhnlich  unsinn- 
licher im  sinne  der  bedeutung  I  F,  und  zwar  in  vielfäl- 
tigen modulationen ;  gern  in  Sprichwörtern:  it  is  ein  gek, 
de  gröt  annimt  sunder  hulpe  Tunnicius  sprichw.  nr.  1342; 
wem  das  wenige  verschmähet,  dem  wird  das  grosser 
nicht  Luther  fabeln  17  ndr.;  wer  das  geringe  nicht 
achtet,  der  ist  desz  grossen  nit  werth  Lehmann  j^oriie^r. 
pol.  1,  289;  im  geringen  sieht  man,  was  einem  in  grossem 
zu  trawen  l,  344;  es  gibt  offt  einer  etwas  geringers,  dasz 
er  ein  grossers  davon  bringe  Petri  d.  Teutschen  weish. 
2,  z  8*;  in  kleinem  fanget  man  an,  in  groszem  höret  man 
auf  Chr.  Wolff  gedanken  von  der  menschen  thun  628; 
so  fern  er  .  .  im  grossen  wie  im  kleinesten  trew,  fleissig 
und  fürsichtig  ist  Mathesius  Sarepta  7*;  in  jüngerer 
spräche  nähert  sich  diese  formel  adverbialem  gebrauch, 
8.  u.  d  schlusz;  ganz  entsinnlicht:  ich  bitt  nit  grosses 
N.  v.  Wyle  translat.  83  lit.  ver.; 

mich  truckt  ein  grössers,  lieber  sun! 

H.  Sachs  6, 150  K.; 

ich  wer  dir  wol  geneigt  in  dem  und  noch  vil  grosserem 
zu  willfarn  Seb.  Virdung  m,usica  getutscht  a  4'';  anders: 

dasz  das  groszes  zu  bedeuten  (haC) 

Grillparzer  4,  86; 

doch  in  dieser  wendung  gewöhnlich  etwas  gr.,  s.  u.  c;  es 
gehe  nichts  am  hofe  vor,  weder  groszes  noch  kleines 
Mörike  3,  20;  das  grosze  an  der  sache  ist  die  wissen- 


schaftliche Verwertung  Schnitzler  Anatol  (i90i)  17;  es 
ist  das  grosze  nicht  das  hat  nicht  viel  zu  sagen  Albrecht 
Leipz.  126*^;  neuerdings  häufiger:  dasz  ich  der  graf  P** 
aus  M —  und  zu  groszem  berufen  sei  E.  Th.  A.  Hoff- 
mann 6,  23  Gris.;  du  bist  zum  gröszten  bestimmt  Laube 
2,  136;  etwas  anders:  er  ist  einer  von  denen,  die  die 
natur  zum  groszen  geschaffen  F.  M.  Klinger  3,  37;  ebenso 
jung  sind  Wendungen  wie: 

wer  groszes  will,  musz  sich  zusammenraffen 

Göthe  4, 129  W.; 

begierig  nach  vergnügen,  ungeneigt  nach  groszem  zu 
trachten  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  *5,  10; 

ein  held  ist,  wer  das  leben  groszem  opfert 

Grillparzer  5,  67; 

die  formal  das  grosze  (als  begriffliche  abstraction  der  be- 
deutungen  I  F  2  a  und  d)  ist  eine  Schöpfung  der  klassi- 
sclien  Periode;  mit  verschiedenartig  gefärbtem  sinn:  und 
es  ist  eben  so  wahr,  dasz  das  grosze,  das  edle,  das 
gute  ...  in  der  metaphysik  unsrer  begriffe  was  anders 
ist,  als  die  grosze,  der  adel,  die  gute  Herder  4,  303(S'.; 
weil  dieses  garstige  gezücht  das  schöne,  edle,  grosze 
herunterzieht  Göthe  IV  38, 171  W.;  ein  lebendiges  gefühl 
für  das  grosze  und  schöne  Gaudy  13,  li;  aber  das  sitt- 
liche grosze  lag  .  .  auszerhalb  dem  gebiethe  der  poesie 
Fr.  Schlegel  4,  70;  Horaz  hat , .  vielleicht  am  meisten 
sinn  für  das  heroisch  grosze  l,  86;  dasz  das  grosze,  das 
schreckliche  .  .  besser  auf  uns  wirkt  als  das  artige,  das 
zärtliche  Lessing  8,  42  M.;  das  einfach  grosze  und  stille 
ihres  Charakters  (von  gebirgsgegenden)  Göthe  24,  367  W.; 
im  sinne  der  bedeutung  IG:  A.  v.  Humboldt  .  .  deutete 
auf  ein  streichungsgesetz  im  groszen  des  erdbaues  hin 
Ritter  erdk.  l,  35;  ähnlich  in  der  formel:  alle  Weis- 
sagungen, die  auf  das  grosze  und  ganze  der  erlösung 
des  menschlichen  geschlechft  . .  abzielen  Jung-Stilling 
3,  422;  vgl.  I  C  2;  auf  anderer  linie,  eine  eindeutschung 
von  frz.  gros:  meistens  für  das  grosze  in  Deutschland 
Herder  i,  286  S.;  vgl.  ^gros  schlusz. 

b)  auch  etwas  groszes  vielfältig  im  sinne  von  I  F: 
wer  etwas  grosz  will  bitten,  der  musz  dargegen  etwas 
schencken  Lehmann  florileg.  pol.  i,  80;  wenn  jemand 
würt  etwas  grosses  geschenckt,  so  vergandt  es  im  jeder- 
man  seh.  w.  klugr.  (1548)  75"';  enger  (vgl.  I  F  l  b): 

ist  diesz  nicht  puppen-werck,  wer  etwas  grosses  heissen 
und  seinen  lorbeer-krantz  mit  golde  zieren  wil 

Chr.  Weise  d.  grün,  jugend  überfl.  gedanken  172  ndr.; 

ähnlich:  es  mit  der  zeit  .  .«zu  etwas  groszem  in  der  weit 
zu  bringen  Eichendorf  3,  15;  nach  I  F  2  b:  dasz  sich 
gemeiniglich,  nach  dem.  sich  diese  fisch  sehen  lassen  .  . , 
etwas  wichtiges  und  grosses  am  Bodensee  zutrage  fisch- 
büchl.  158;  ist  in  der  politischen  weit  Europens  kaum 
etwas  groszes  und  merkwürdiges  geschehen,  woran  die 
reformation  nicht  .  .  .  antheil  gehabt  hätte  Schiller 
8, 3  G. ;  seit  alters  in  einigen  Wendungen  besonderen  klanges: 
(die  scheinheiligen)  zu  hant  in  zorn  fallen,  als  were  wider 
die  nature  was  gar  grosses  geschehen  Arigo  decam.  \GhK.; 

was  war  denn  auch  so  groszes  an  dem  ring? 

•  TiECK  sehr.  3,  352; 

s'ist  gar  was  groszes  um  'ne  unze  blut 

Müllner  dram.  werke  3,  12; 

auf  anderer  linie :  mainend,  sy  thüend  etwas  gross  mit 
irem  fasten  Eb.  v.  Günzburg  i,  17  ndr.; 

jungkfraw,  soll  es  seyn  etwas  grosz, 
dasz  du  herprangen  thust  zu  rosz 

Spreng  Aneis  235''; 

sie  bilden  sich  was  groszes  ein  auf  etwas,  was  in  ihrem 
köpfe  sitzen  soll  E.  Th.  A.  Hoffmann  ig,  16  Gris.,  hier 
an  die  quantitative  bedeutung  von  f  streifend. 

c)  ins  grosze  ist  in  seiner  ältesten  Verwendung  zurück- 
zuführen auf  das  kaufm,annstoort  en  gros,  das  als  fremd- 
wort  in  der  2.  hälfte  des  17.  jhs.  aufgenommen  worden  ist, 
s.  Schulz  fremdwb.  172*;  seit  dem  ende  des  jhs.  einge- 
deutscht und  im  sinne  von  I  C  verstanden:  handel-häuser, 
. .  in  welchen  die  frembde  kauffleute  eingehen  und  ihre 
wahren  ins  grosz  verhandeln   Olearius  persian.  reise- 


497 


GROSZ  II  2  (substantivisch) 


GROSZ  II  2  (substantivisch) 


498 


heschr.  234;  ins  grosz  verkauffen  in  solidum  vendere 
Stieler  707;  in  grosz  handeln  Kramer  teutschital.  i, 
509';  grossirer  .  .  ist  ein  kaufmann,  der  ins  grosze  han- 
delt Sperander  283»;  preiss-courant  von  allerhand  fein- 
und  gi-oben  wahren  ins  grosz  und  klein  Casselische  ztg. 
1731,  notific.  3;  auch  eine  reihe  jüngerer  gebrauchsweiaen 
scheint  sich  aus  dieser  würzet  herzuleiten:  die  bücher- 
macherei  wird  mir  noch  bei  weitem  nicht  gehörig  ins 
grosze  getrieben  Novalis  2,  8  Minor;  denn  er  war  hut- 
fabrikant  und  trieb  die  sache  sehr  ins  grosze  G.  Frey- 
tag ges.  w.  6 ,  23 ;  o ,  der  treibt  die  unglücksmacherei 
schon  ins  grosze  Nestroy  8,  66;  ein  beschränkter  kauf- 
mannsgeist,  der  es  nicht  wagt,  sich  ins  grosze  auszu- 
dehnen Fr. M. Klinger  3,73;  da  die  bestellung  ins  grosze 
geht  Göthe  IV  41,  19  W.;  dasz  er  sie  .  ,  auszer  stand 
gesetzt  hat,  thorheiten  ins  grosze  zu  begehen  IV  10,  86  W.; 
selbwachsen  ist  die  formet  in  icendungen  xde:  die  Zeich- 
nung brauchte  nur  in  kleinem  format  zu  seyn,  ich  würde 
sie  hier  schon  ins  grosze  übertragen  lassen  IV  12, 123  W. ; 
Glimour  ist  beschäftigt,  ein  miniaturporträt  . .  ins  grosze 
zu  mahlen  Babo  schausp.  l,  179;  auch  bildlich:  man  hat 
von  dem  dichter  verlangt,  dasz  er  die  fehler  der  jünger 
mehr  ins  grosze  hätte  malen  sollen  Gerstenberg  re- 
cens.  I2i  lit.  denkin.;  eine  begebenheit  in  einer  einzigen 
oder  in  ein  paar  flguren,  und  dieses  in  grosz  gezeichnet, 
vorzustellen  Winckelmann  (iSOSff.)  l,  243;  anders:  in 
diesen  künsten,  die  so  ganz  dafür  gemacht  sind,  ins 
grosze  .  .  zu  arbeiten  Europa  2,  29  Schlegel;  mundart- 
lich: 'i  is  watt  in't  groote  es  ist  was  auszerordentliches 
Stürenburg  76^. 

d)  im  groszen,  mehr  oder  minder  adverbial  gebraucht, 
ist  eine  junge  formel;  i?i  gewissen  Wendungen  ebenfalls 
von  en  gros  abhängig:  ein  guter  materialienhändler  im 
groszen  Göthe  45,  16  Vi'^.;  indem  er  holz  im  groszen  kauft 
III  2, 103;  die  freiheit  .  . ,  auf  diesem  markte  im  groszen 
zu  verkaufen  Moser  i,  loi;  die  treiben  holzhandel  im 
groszen  G.Hauptmann  weJer  (1892)  56;  (der  garnträger) 
tauscht  .  .  garn  ein  .  . ,  und  überläszt  es  dann  wieder 
mit  einigem  profit  im  gröszern  an  die  .  .  fabricanten 
Göthe  25,  109  W.;  andere  gebrauchsxveisen  sind  selbstän- 
dig: 'im  groszen  arbeiten  ,  .  grosze  gemälde  verfertigen, 
deren  figuren  in  ganzer  oder  wenigstens  in  halber  lebens- 
grösze  sind'  Jacobsson  techri.  wb.  2, 156*;  im  groszen  ge- 
mahlet dipinto  in  grande,  in  grandezza  naturale  Jage- 
mann (1799)  546;  der  treffliche  mann  nimmt  seine  sache 
(die  landwirthschaft)  ganz  im  groszen  Varnhagen  v.Ense 
tageb.  l,  39;  ein  westindischer  pflanzer  hat  dort  seine 
Pflanzungen  angelegt  und  im  groszen  betrieben  Ritter 
erdls.  1,  839; 

bey  solcher  gelegenheit  geht  alles  im  groszen, 

da  wird  mehr  verschleppt  und  ruinirt,  als  genossen 

Meisl  theatral.  Quodlibet  1,  55; 

auf  anderer  linie  (vgl.  I  C): 

wärt  ihr,  philister,  im  stand,  die  natur  im  groszen  zu  sehen 

SCHILLERill,  170  G.; 

die  Viehgeschichte  bedarf  noch  ihres  Universalhistorikers, 
der  die  thiere  im  groszen  zu  greifen  und  zu  malen  ver- 
stünde Fr.  Arndt  bei  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l. 
Deutschen  i,  73;  die  aufgäbe  des  platonischen  Staates, 
und  also  der  gesammten  menschlichen  thätigkeit  im 
groszen  betrachtet,  sei  keine  andre  Schleiermacher 
Piaton  6,  43;  ähnlichen  sinnes  wie  im  groben  (s.  grob 
E  2  schlusz) :  ich  überlasse  ew.  wohlgeb.,  ob  sie  etwa  . . 
eine  Zeichnung  der  vier  Jahreszeiten  im  groszen  voraus 
entwerfen  wollten  Göthe  IV  14,  70  W.;  man  .  .  mache 
einmal  einen  Überschlag  im  groszen  E.  M.  Arndt  scä»-. 
für  u.  an  s.  l.  Deutschen  l,  399;  anders,  'im  allgemeinen': 
hielt  ich  dasjenige  vor  unzulänglich,  was  ich  an  die- 
sem gedichte  im  groszen  und  überhaupt  gerühmet  hatte 
Bodmer  abhandl.  v.  d.  wunderb.  433;  'in  groszem  um- 
fange, maszstabe':  reste  einer  furchtbaren  bewegung .  . , 
die  . .  die  Oberfläche  der  erde  im  groszen  verändert  hatte 
Steffens  was  ich  erlebte  l,  234;  dagegen  neben  Substan- 
tiven 'in  vergröszertem  maszstabe':  das  theater  frangois 
ist . .  das  theater  Faydeau  im  groszen  Solger  nachgel. 
sehr.  1,  54;  schreitet  ihnen  eine  gestalt  entgegen,  nusz- 

IV.  1.  6. 


knacker  im  groszen  Immermann  l,  57;  ähnlich,  nur  ab- 
stracter:  barometer-beobachtungen  .  . ,  die  .  .  Pfaff  .  . 
durch  ihre  anwendung  im  groszen  für  die  lehre  von 
den  climaten  .  .  fruchtbar  zu  machen  wuszte  Ritter 
erdk.  i,  42;  gern  mit  hinzufügung  des  gegensatzes:  wie 
im  groszen  und  in  natura,  so  dienten  mir  diese  stadt- 
thürme  .  .  auch  nachgemacht  und  im  kleinen  oft  zum 
Spielzeuge  Kern  er  bilderb.  10;  es  wiederholte  sich  nun 
im  groszen,  was  ich  im  kleinen  so  genau  wuszte  Göthe 
23,  59  W.;  verblaszt,  'in  jeder  beziehung':  wenn  ich  nicht 
wuszte,  wie  thätig  sie  für  ihre  freunde  im  groszen  und 
kleinen  sind  IV  22,  75 ;  zu  im  groszen  (und)  ganzen  vgl. 
IC  2. 

e)  von  besonderem  interesse  ist  ein  substantivisch  ge- 
brauchtes, unßectiertes  neutr.  grosz,  das  im  mhd.  und 
älteren  nhd.  nicht  selten  als  mengenbegriff  (vgl.  I  B  2  b) 
in  ähnlicher  function  wie  viel  auftritt:  dem  gib  der 
erzenie  also  groz  same  zwo  welhesch  nuz  zwei  dtsche 
arzneibücher  26  Pfeiffer; 

daz  ich  nicht  goldcs  äne  list 

s6  grOz  naeme  s6  du  bist  («o  viel  wie  du  grosz  bist) 

Stricker  Karl  5398; 

vgl.  auch  das  absolute  grosz  mit  dem  gen.  des  maszes, 
nim  einer  nusz  grosz  u.  ä.,  als  mengenangabe  I  B  1  e; 
ganz  u~ie  vil   auch  als  zahlbegriff  mit  abhängigem  gen.: 

(so  dasz  man)  nie  gesach  noch  nimmer  mer  wirt  sehende 
sO  gr6z  üf  einer  plänie  der  houbt,  den  man  sl  fursten 

namen  jehende         j.  Tit.  1810,  4; 

Italia  armentosissima  vychreych,  die  grosz  vych  erneert 
Frisius  dict.  120^;  vgl.  noch  spät:  zu  messen,  wie  grosz 
ganzes  er  an  seiner  kleidung  habe  Gotthelf  nacASTAUB- 
Tobler  2,  804;  auch  das  in  älterer  spräche  stereotype 
grosz  neben  kosten  wird  von  hier  aus  zu  verstehen  sei7i : 
er  Hess  auch  zu  Prag  anfahen  ein  hohe  schul  und  liess 
sich  das  gross  kosten  städtechron.  8,  156;  wenn  sie  der 
krigk  grosz  gekost  hatte  Rothe  thiir.  chron.  618  LH.; 
unde  heft  grot  gekostet  Schiller-Lübben  2, 155'>;  selbst 
in  fällen  wie  den  folgenden  glaubt  man  noch  einen  nach- 
klang des  alten  grosz  'viel'  zu  verspüren:  von  der  witwen, 
die  mit  eynem  deinen  opfer  grosz  verdienet  erste  dtsche 
bibel  1,  432;  verhyesz  im  grosz  zu  schencken  Fortuna- 
tus  90  7idr.; 

gross  gäben  din  vorfaren  drumb, 

das  sie  mich  hätten  vor  geläsen 

Eb.  V.  GÜNZBURG  1,  35  ndr.; 

mit  vil  verbunden  als  tautologische  formel: 

wan  ir  trehene  vil  unde  gröz, 
die  sie  in  die  wunden  gOz 

Tristan  als  viönch  1872; 

doch  seind  allweg  der  frösch  vil  und  grosz  im  bach 
seh.  w.  klugr.  104 '';  (ein  frauenminner  ist)  des  här  vil 
und  gröz  ist  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  natur  52, 10; 
und  im  ouch  von  früntschaft  wegen  des  kaisers  stetz 
grosz  und  vil  geschenckt  war  N.  v.  Wyle  translat.  24 
lit.  ver. ;  comparativisch :  daz  nur  üwir  gerechtikeit  werde 
grözir  und  mgrre  dan  der  scribgre  Beheim  evang.  buch, 
Matth.  5,  20  (lat.  nur:  plus  quam  scribarum);  das  unsser 
her  der  keyser  durch  die  gnade  gottis  grosser  und  mehr 
wircken  mag  zu  gotis  ehre  H.  v.  Cronberg  sehr.  9  ndr. 
f)  seit  dem  16.  jh.  vnrd  dieses  grosz  abgelöst  durch  ein 
groszes  =  viel:  dann  ein  groszes  daran  gelegen  ist  Frons- 
perger kriegsb.  1, 106*;  darob  man  sich  ein  groszes  ver- 
sprechen können  Leibniz  dtsche  sehr.  1,829;  mit  der  Ver- 
sicherung, dasz  es  ein  groszes  zu  weiterer  aufnähme  . . 
ihrer  blätter  .  .  bey  tragen  würde  d.  vernünft.  tadler.  l, 
410;  dasz  sie  dadurch  schon  ein  groszes  über  ihn  ge- 
wonnen hatten  Wieland  Agaihon  2,  216;  sehr  gern  ganz 
concret  von  einer  hohen  summe  geldes:  das  es  ihm  zu 
schwere  wurde,  ihre  sendeboten  .  .  weiter  zu  erhalten, 
den  die  zeit  her  ein  gross  auf  sie  gegangen  Grünau 
preusz.  chron.  8, 193;  dasz  darin  alle  jähr  ein  grosses  auf 
die  armen  spendiret  werde  Schupp  sehr.  329;  vgl.  380 ; 
es  hat  mich  ein  groszes  gekostet;  ich  wolte  ein  groszes 
drum  geben  Kramer  teutsch-ital.  i,  569";  noch  Frisch 
erläutert:  ein  groszes  magna  summa  peeuniae;  aber  auch: 
res  magni  pretii,  magni  momenti  l,  876";  die  letztere  be- 


499 


GROSZ  III  1  {eompositionstypen) 


GROSZ  III  1  {eompositionstypen) 


500 


deutung  {vgl.  I  F  2  b)  macht  sich  frühzeitig  geltend  in  der 
beliebten  wendung  es  ist  ein  groszes,  die  aber  von  haus 
aus  auch  nur  quantitativ  zu  verstellen  ist:  das  ist  auch 
an  ym  selbs  ein  grosz,  daz  einer  den  willen  hat  selig 
zu  werden  {lat:  et  hoc  muitum  est:  velle  servari)  Mich. 
Hkrr  sittl.  Zuchtbücher  (1536)  87^;  es  ist  ein  grosz  .  .  mit 
dem  glück  kempfen,  noch  ein  grössers,  hie  nit  erligen 
seh.  w.  klugr.  58''; 

ey  köndt  ihr  dasz,  das  wer  ein  grosz 

Ayrer  2,  1426  K. ; 

es  ist  ein  groszes,  die  weit  zu  überwinden  Auerbach 
sehr.  5, 193;  selten  ohne  artikel:  wer  dann  nit  recht  eelich 
geboren  ist,  der  mag  mein  gemelt  nit  wol  sehen,  der 
landtgraff  sprach :  meister,  das  wer  groszes  Eulensp.  40 
ndr.;  auch  negiert:  darumb  ist  auch  kein  grosses  {macht 
es  nicht  viel  aus),  ob  sich  auch  seine  diener  verstellend 
zu  Prediger  von  der  gerechtikeit  Andr.  Althamer  v.  d. 
erbsünde  (1525)  a  2'';  adverbial:  würde  sich  dieselbe  {trau- 
rigJceii)  ein  groszes  vermehren  schausp.  engl,  comöd.  158 
Creizenaeh;  dasz  mir  die  logik  .  .  ein  groszes  gefruchtet 
Leibniz  dtsche  sehr,  l,  377;  im,  selben  sinne  auch  um  ein 
gr.,  je  später,  je  häufiger:  {die  Ulmer)  erweiterten  sie 
{ihre  Stadt)  auch  umb  ein  grosz  See.  Franck  Oerm. 
chron.  (1538  im  äugst)  171^;  hierinnen  ward  er  umb  ein 
grosses  bestärcket,  als  Ziegler  asiat.  Banise  41;  seine 
naturgaben  waren  eben  nicht  von  der  ersten  klasse.  sie 
waren  aber  durch  .  .  erziehung  um  ein  groszes  ausge- 
bildet BoDE  Tho7nas  Jones  l,  256;  das  haben  sie  denn 
freylich  .  .  .  um  ein  groszes  besser  Göthe  IV  29,  9  W.; 
um  wie  ein  groszes  würde  die  Wahrscheinlichkeit  .  .  . 
dabei  gewinnen?  Lenz  2,  839  Tieck. 

III.  grosz-  als  eompositionsbestandtheil  zeigt  eine 
ungeheure  triebkraft,  die  bis  in  die  jüngere  zeit  immer 
neue  compositionstgpen  geschaffen  hat.  im  folgenden  eine 
übersieht,  die  alter,  eigenart  und  sproszkraft  dieser  typen 
an  beispielen  veranschaulichen  soll,  die  meist  aus  dem 
bezirk  der  {beliebig  vermehrbaren)  gelegenheitsbildungen, 
der  fach-,  berufs-  und  Standessprachen,  z.  th.  auch  der 
mundarten  genommen  sind,  entwickeltere  und  allgemeiner 
gebrauchte  Zusammensetzungen  suche  man  an  aiphabet, 
stelle. 

i)  adjeetiva. 

a)  im  ganzen  jung  sind  zusammenrückungen,  in  denen 
grosz  noch  als  adj.  selbständigen  und  veränderlichen  sinnes 
empfunden  wird,  um  die  bedeutung  des  zweiten  compo- 
sitionsgliedes  irgendwie  zu  ergänzen:  groszdumm:  wo- 
mit soll  ich  diesen  mann  vergleichen?  er  ist  immer 
groszdumm  Pestalozzi  lo,  172;  -frei:  heroischer  gross- 
freyer  heldenmuht  Dannhauer  catech.  milch  6,  65;  eine 
tochterfreiheit  musz  es  bleiben  von  unserer  groszfreien 
mutter  Fr.L.Jahn  l,51l;  -geheimnisvoll:  das  g-dur- 
concert  .  .  mit  seinem  groszgeheimnisvollen  adagio  R. 
Schumann  2,  207;  -gut:  groszguter  regent  des  Riesen- 
gebirges MusÄus  volksm.  l,  63;  -kräftig:  die  grosz- 
kräftigen  menschen  der  bibel  allg.  dtsche  bibl.  92,  692; 
-lebendig:  er  allein  {der  Italiener)  bringt  nichts  grosz- 
lebendiges  zu  stände  Laube  8,251;  -rund:  mit  den 
groszrunden  äugen  Jean  Paul  27,65;  -schön:  in  grosz- 
schöner  gestalt  Voss  antisymb.  2,  37;  -vornehm:  eine 
groszvornehme  donna  Italiänerin  Kortum  Jobsiade  3, 
157. 

b)  noch  jünger  sind  zusam,menrückungen ,  in  denen 
grosz-  in  einer  verschieden  gefärbten  adverbialen  bedeutung 
den  sinn  des  adj.  modifidert.  bei  concretem  gebrauch  als 
reine  maszangabe:  groszgrobkörnig:  grosz  -  grobkör- 
niger granit  Karmarsch-Heeren  3*,  153;  - kry stall i- 
nisch  MusPRATT  chemie  i,  21 ;  auch  uneigenÜich  'in 
groszen  maszen,  in  groszem  sinne':  -geschichtlich:  des- 
halb ist  er  {Qöthe)  dem  groszgeschichtlichen  ferne  ge- 
blieben 0.  Ludwig  5,  269;  -historisch:  auch  ihre  (der 
bibel)  zwei  hauptbestandteile  sind  echt  groszhistorisch 
Novalis  2,  SlO  M.,-  -politisch:  das  .  .  ,  was  man  die 
regierung  nennt  oder  das  groszpolitische  in  den  Völkern 
E.  M.  Arndt  Schriften  für  u.  an  seine  lieben  Deutschen 
2,  40*. 


c)  eine  andere  adverbiale  zusammenrückung,  in  der 
grosz-  einfach  den  steigernden  sinn  der  intensiven  bedeu- 
tung I  D  hat,  ist  dagegen  gerade  im  älteren  nhd.  reich 
entwickelt;  aleni.  bis  heute  {vgl.  grosz  IDsa):  grosz- 
alt  grandevus  Diefenbach  268^  {daneben  auch  die  son- 
derbare form  groszaltig,  von  e  aus  zu  verstehen?);  -be- 
herzt sehr  mutig  G.Alt  buch  d.  cron.  (l493)  258';  Sghot- 
tel  ethiea  (1669)  131;  -berühmt  divinis  laudibus  ornatus 
Stieler  1637;  redliche  thaten  groszberühmter  herren 
Petrarcas  hülf  (1559)  59 ';  -beweglich;  ohne  groszbe- 
wegliche  Ursache  V.  Thilo  franz.  hist.  (1584)  1,  69''; 
-fleiszig:  ire  diemutige,  grosfleissige  und  zimliche  bete 
lehnsurk.  u.  besitzurk.  Schlesiens  2,  162;  -gar:  groszgar 
machen,  spleiszen  techn.  ausdruck  bei  der  kupferzube- 
reitung  in  schmelzhütten  Jacobsson  techn.  wb.  2,  157*; 
-gefräszig:  von  dem  groszgefräszigen,  welcher  stürmisch 
alle  Osche  auf  dem  markt  zusammenkauft  J.  Burck- 
hardt  vortr.  110;  vgl.  groszfräszig  gierig,  auch  prahle- 
risch Müller-Fraureuth  1,  444'';  -geherzt:  verwun- 
derte sich  über  seiner  . .  groszgeherzten  rede  Bücholtz 
Herkules  (I666)  l,  470;  -gelehrt  substantiviert  Luther 
9,  230  T7.;  -gerecht  18,528;  -gnädig:  anwald  seines 
groszgnedigen  herrn  und  principaln  Jesu  Ayrer  hist.  proc. 
iuris  i:9Z;  -grimmig  J.  Dreyfelder  hist.  d.  hauses  Est 
(1580)  208*;  -gütig:  er  wolle  . .  dessen  {des  kindes)  grosz- 
gütiger  herr  pathe  .  .  seyn  aus  einem,  einladungsbrief 
Menantes  allem,  art  272;  -heilig  Danniiauer  ca<ec7t. 
mi7cÄ2,4l9;  -hitzig:  ingroshitzigenjharenmisswachsung 
. .  erfolgt  J.  Heben streidt  progn.  (1566)  Di*;  -lieb:  dat 
meyne  volck  was  so  groteleve  unde  begerlick  to  der  lich- 
ten munte  städtechron.  16,  420;  -listig  Eulensp.  85  ndr.; 
-lüstig:  dem  groslüstigen  und  frölichen  poeten  Plauto 
A.  v.  Eyb  sp.  d,  Sitten  (I51l)  vorr.  3^;  -menig  sehr  viel 
Unger-Khull  309^*;  -merklich:  und  andere  grosz- 
merckliche  wunder  A.  Taurer  buszrufer  (1596)  v  4*; 
-reich:  die  groszreichen  aller  Staaten  Pestalozzi  4, 
857;  -rühmlich  Luther  18,  262  W.;  -schätzbar  ho- 
noratissimus ,  venerandus  Stieler  1742;  -schwanger 
Abr.  a  St.  Clara  merks  Wien  54;  sehr.  d.  Oöthegesellsch. 
16,  337;  vgl.  grosz  IA2b;  -spaltig:  woher  kumbt  nun 
dise  groszspaltige  unainigkeit?  F.  Staphylus  christl. 
gegenber.  (l56i)  F4»;  -sträflich:  den  .  .  groszstreflichen 
bösen  handel  Fundling  anzeig,  zweier  falschen  zungen 
Luthers  (1526)  A  3*;  groszsträfig  h  3'';  -vernünftig 
Heyden  PZiw. 855;  -verständig  H.Pantaleon  mitnächt. 
Volk.  hist.  (1562)  1,  82;  -weise  sat.  u.  pasqu.  8,  85  Schade; 
-wert  aestumatissimus  Stieler  2507;  grosz-  und  lieb- 
wehrte freunde  Neumark  netispr.  teutsch.  palmb.  51; 
-wirdig  autoritate  praeditus  Henisch  1755;  -wunder- 
lich BiEFENBACn  3iS^  s.v.  magnalia;  -zornig  L.  Pol- 
lio  V.  ew.  leben  (1583)  55''. 

d)  ain  häufigsten  sind  Zusammensetzungen  mit  Sub- 
stantiven, die  durch  das  Suffix  -ig,  -icht  adjeetiviert  sind; 
schon  im  16.  jh.  reichlich;  je  später,  je  häufiger,  zumal 
da  verschiedene  naturicissenschaftliche  fachsprachen  diese 
bildungsweise  ihrer  terminologie  dienstbar  machen  .-grosz- 
aderig  venosus  Diefenbach  610";  {ein  weibsbild)  dürr, 
groszadrent  H.Sachs  3,481  ä".,-  -ähr ig:  wann  die  saaten 
. .  .  groszährieht  und  vielkörnig  {sind)  Hohberg  georg. 
cur.  2,11;  groszähriges  liebesgras  Sghlechtendal  y?ora 
V.  Deutschi.  8,  8;  -backig:  dasz  hinter  maul,  weil  sol- 
ches gar  groszbackicht  sey  Leyermatzs  corresp.  geist  67 ; 
von  disen  aufgeblasen  groszbackenden  gesellen  {den  win- 
den) Abr.  a  St. Clara  Judas  l,590;  -batzig:  die  wand 
mit  grosspatzeten  rotzschlegel  .  .  .  gezeichnet  Guari- 
NONius  greuel  d.  vertvüst.  511;  {einem)  grossbatzenden 
drey-centner-schwein  682;  zit  batze  ^ä.  1,1160;  -beerig: 
mit  .  .  groszbeerigen  trauben  Voss  ged.  6,  318;  die  .  . 
groszbeerichte  ceder  HiRSCHFEhu gartenk. 2, 20;  -blasig: 
erdschlacken  . .  von  . .  groszblasigem  ansehen  A.  G.  Wer- 
ner gebirgsarten  23;  groszblasige  laven  Lueger  3,496; 
-blätterig:  einen  groszblättrigen  kürbisstock  Abr.  a 
St.  Clara  merks  Wien  103;  vielfältig  in  der  fachsprache 
der  botanik  und  mineralogie:  groszlDlätterichter  ehren- 
preis  Chomels  öcon.  lex.  4,  1365;  mit  .  .  groszblättrigem 
feldspath  allg.  dtsche  bibl.  84,470;  -blumig:  am  wege 
standen  die  malven  .  .  groszblumig  Görres  br.  i,  221; 


501 


GROSZ  III  1  (compoaitionstypen) 


GROSZ  III  2  (compositionatypen) 


502 


auch  terminologisch:  der  groszblumige  biberbaum  Oken 
8,  2,  1240;  vielfältig  in  anwendungen  wie:  kleider  .  .  von 
groszblümichtem  stoffe  Sonnenfels  4,  354;  in  einem 
weiten  groszblumigen  Schlafrocke  Stifter  3,  327  Sauer; 
-bogig:  alleen,  die  .  .  in  groszbogichten  Schlangenlinien 
hinlaufen  S.G.Bürde  erz.  v.  e.  gesellschaftl.  reise  (1785) 
304;  auf  ihrer  groszbogigten  stirne  Lavater  physiogn. 
fragm.  3,  292;  -brockig,  bildlich:  je  mehr  groszbrockige 
redensarten  von  öffentlicher  Wohlfahrt  .  .  sie  ausgehen 
lassen  J.  Scherr  Schiller  2,  2Q;  -federig:  das  gefieder 
ist  .  .  groszfederig  Brehm  thierl.  4,  553  P.L.;  -fleckig: 
{das  vieh  tvarf)  groszfleckichte  jungen  allg.  dtsche  bibl. 
44,  240;  der  .  .  pelz  ist  groszfleckig  schwarz  und  weisz 
Brehm  thierl.  1,279  P.-L.;  -füderig:  si  Hessen  ouch 
grossfüdrig  stein  gegen  den  eydgnossen  laufen  Tsghudi 
chron.  helvet.  2,165;  oder  zu  c?  -füszig  che  ha  piedi 
grandi  Jagemann  546;  anders:  grosz  füessig  mensch  vel 
wijterschrijterDiEFENBACH  269"  s.v.(7ressw<MS; -gliedig 
membratus  Diefenbach  855'';  membrosus  Stieler  670; 
groszglidet  in  armen  Paracelsus  op.  (1590)  6,  340;  grosz- 
gliederig  corpulentus  Diefenbach  152<=;  die  kienketten 
soll  glatt,  groszgliederig  .  .  seyn  Hohberg  georg.  cur. 
2,  161;  -goschig:  groszgoschichter  chilo  Stieler  ioi8; 
uneigentlich; 

schau  da,  der  groszgoschete  baur! 
wie  unbedachtsam  red  der  laur? 
Spangenberg-Fröreisen  griech.  dr.  2,  207  lit.  ver.; 

-grindig,  groszköpßg:  ein  grossgründeten  dolmb  Guari- 
nonius  greuel  d.  verwüst.  299;  ebenso  414;  wider  den  un- 
geheuren groszgrindigen  Goliath  Abr.  a  St.  Clara  Judas 
1,59;  -gültig:  demnach  an  geringen  und  groszgültigen 
gütern  raub  geschehen  mag  M.  Beuther  v.  Carlstat 
prax.  rer.  crim.  (1565)  192»;  vgl.  kleingültig;  -hörnig: 
groszhörnigt  vieh  Gorvinus  114;  -kalibrig  von  ge- 
schützen  Lueger  6,  715;  -kehlig  gutturosus  Stieler 
914;  unserm  groszkäligen  Grandgusier  Fischart  geschieht- 
klitt.  118  ndr.;  -kelchig  Rohling  Deutschlands  flora 
3,97;  -klüftig:  mit  groszklüftigem  holz  Voss  Tibull 
143;  vgl.  klüftig  3,  th.  5,  1268;  -knochig:  (ein  stier  musz 
haben)  gerade  groszknochichte  knie  Hohbero  georg.  cur. 
2,268;  -knorrig:  groszknorrend,  wimmerig,  ästig  block 
See.  Franck  sprichw.  2, 170 >';  sonsten  hinken  weder  die 
groszknorrichte  (loripedes)  noch  die  krummbeine  Go- 
MENius  Jan.  IV  ling.  (1644)  82;  -knotig:  groszknödig 
axavQo^  Frischlin  (1586)  Sl^ ;  groszknotiger  knöterich 
ScHLECHTENDAL^omv.Dettfsc/iL  9,100;  -koppig:  gross- 
köpichte  pomerantzen  Sebiz  feldb.  278 ;  groszköppige  hüner 
J.  G.  Schmidt  rockenphilos.  1,  82;  -körnig  grandis  Cor- 
viNUS  396;  grandiculus  Stieler  122;  groszkörnig  ist  das 
pulver  Schottel  cf/itca  (1669)  451;  groszkörnigten  soge- 
nannten Schwarthafer  Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  ge- 
lehrs.  8,612;  aus  groszkörnichtem  granit  allg.  dtsche  bibl., 
anh.  zu  53—86,  670;  -lippig  labiosus  Diefenbach  314»; 
brochus  82»;  -löcherig:  mit  einem  groszlöcherten  sib 
A.  Cario  neue  hall-  u.  tonkunst  (i684)  45;  die  basaltischen 
bruchsteine  .  .  sind  .  .  porös,  klein-  oder  groszlöchrig 
Ritter  erdk.  15,  850;  -maschig  maculis  amplis  con- 
textus  Stieler  1218;  -muschelig  vom  bruch  des  basalts 
A.  G.Werner  oryktogn.  114;  quarz  von  grosz-  und  flach- 
muscheligem bruch  Oken  1,  142;  -nackig  lacertosus 
Diefenbach  8140;  -porig:  gegenüber  den  groszporigen 
mittelzellen  der  kiefern  Ratzeburg  waldverderbnis  2,  4; 
tuff  ist  ein  loser,  groszporiger  .  .  stein  Schönermark- 
Stüber  850;  -randig:  mit  groszrandigen,  spitzen  hüten 
Steub  drei  sommer  in  Tirol  1,400;  mit  groszrändriger  horn- 
brille  Gaudy  23,  66;  -schildig:  drey  schock  der  gross- 
schildetenhaderleuss  H. Sachs  17, 339  JC.-ff.;  - s chna blig : 
groszschnablige  meerschwalbe  Naumann  naturgesch.  d. 
Vögel  10,  18;  -schröffig:  weilen  der  weg  gantz  grob 
groszschröffig  gewest  quelle  v.  1668  bei  Unger-Khull  809^; 
-splitterig:  {der  holzstein)  springt  .  .  in  groszsplitterige 
bruchstücke  A.  G.Werner  oryktogn.  64;  -stirnig/ron- 
tosus  Diefenbach  248";  die  spitzköpfe  und  die  grosz- 
stirnige  (cilones)  Comenius  jan.  iv  ling.  (1644)  78;  grosz- 
stirnige  spinner  eine  abteilung  der  spinner-nachtschmetter- 
linge  Behlen  8,  506;  -strahlig:  das  gefieder  ist  .  .  , 
ziemlich  grosz-  und  weichstrahlig  Naumann  naturgesch. 


d.  vögel  2,  1,  858;  grosz-  und  kleinstrahlige  {laubhölzer), 
nach  den  markstrahlen  so  bezeichnet  Ratzeburg  tvald- 
Verderbnis  2,  103;  -t  raub  ig:  mit  grosztraubigem  wein 
Voss  antisymb.  2,  469;  auch  als  mineralog.  ausdruck 
Zappe  miner.  handlex.  3,  iSS;  - iviiti g  gradus  grandiens 
Stieler2334;  -wampig:  die  grosswampeten  predicanten 
Guarinonius  greuel  d.  vericüst.  1244;  -wüchsig:  die 
wege  von  groszwüchsigen  bruchweiden  .  .  .  beschattet 
Ritter  erdk.  4,571;  eine  anzahl  besonders  groszwüchsiger 
(voifc*)stämme  Ratzel  völkerk.  2,  662;  -wundrig:  sehdt 
die  groszwundrigen  geschieht  gottes  C.  Güthel  e.  selig 
new  jar  (1522)  G  2^;  -würfelig:  eine  art  von  kamlot  .  . 
allzeit  groszwürfelig  in  bunten  .  .  färben  gewählt  Böt- 
tiger kl.  sehr.  3,42;  -zahnig:  groszzähnicht  bronchus 
Stieler  2597;  das  ansehen  einer  .  .  langnasigen,  grosz- 
zahnigen  alten  J.  Grimm  mythol.  *i,  223;  blätter  groszzäh- 
nig  Oken  3,  2,  728;  -zehig:  mit  .  .  groszzehigen  füszen 
Brehm  thierl.  4,  52  P.L. 

e)  sehr  viel  seltener  sind  Zusammensetzungen  mit  verben, 
die  durch  das  suffix  -ig,  -icht  adjectiviert  werden:  grosz- 
atmig  von  pf erden  als  ein  fehler  Krünitz  20, 132;  an- 
ders: die  einzige  art  von  freundschaft,  die  unsern  grosz- 
athmichten  Jünglingen  zu  erlauben  wäre  Brentano 
Qodici  2,  28;  -blühig:  groszblühiger  fingerhut  digitalis 
grandiflora  Rohling  Deutschlands  flora  4,  416;  -hörig 
schwerhörig  {vgl.  grosz  I  A  2)  Schmeller  l,  1013;  Lexer 
kärntn.  124;  Unger-Khull  309»;  er  war  etwas  'grosz- 
hörig'  Rosegger  Il,138;  -lebig:  in  einer  zeit . .,  welche 
die  vorübergehende  begeisterung  des  Individuums  mit 
ihrer  groszlebigen,  dauernderen  zu  unterhalten  . .  vermag 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.'^  5,  592;  -wächsicht  in 
proceritatem  surgens  Stieler  2400.  auch  das  frühnhd. 
versucht  sich  öfter  in  papiernen  Schöpfungen  solcher  art; 
so  ist  vielleicht  zu  fassen  groszachtig:  die  min  ist  .  . 
gylerisch,  grosachtig,  zerhafft,  edel  Terenz  deutsch  (l499) 
74''  {magnifica  hautontim.  227);  oder  etwa  =  groszechtig? 
s.  u.  sp.  582;  -dächtig:  gros  dachtig  magnificus  Diefen- 
bach 243"^;  vgl.  groszdächtlich  im  sinne  memorabilis: 
dasz  ihnen  Annibal  die  groszdächtliche  schlacht  abge- 
wunne  Marc.  Tacius  bei  Fronsperger  kriegsb.  8  (i573) 
244»;  -wirklich:  magnificus  grosz würcklicher,  wircker 
groszer  ding  voc.predic.  (i486)  p  10^;  entsprechend:  magica 
ars  kunst  der  grosz wircklichkeit,  scz.  schwartze  kunstiJ.; 
vgl.  auch  gelegenheitsbildungen  wie:  dasz  er  um  einen 
schatten  seiner  groszdünkigkeit  sich  mit  den  Lacä- 
demoniern  .  .  abwarfe  Lindenborn  Diogenes  1,  566;  ist 
demnach  solche  historia  von  wegen  der  groszleuchtig- 
keit  der  geschichten  .  .  wol  zu  mercken  J.  Sghlusser 
d.  peurisch  krieg  (1573)  vorr.  2 ^ ;  hierher  auch  eine  reihe 
von  bildungen  aus  mundart  und  Umgangssprache  toie 
groszbrasselig  groszsprecherisch  Albrecht  Leipz.  126'' ; 
groszprasselig  Müller-Fraureuth  l,  145*';  -platzig 
groszsprecherisch  I,  117'';  -pratschig  s.  sp.  676. 

f )  eigenartig  ist  eine  wesentlich  auf  die  mundarten  be- 
schränkte Zusammensetzung,  bei  der  dem  worte  grosz  ein 
nur  zu  Steigerung  seines  begriffes  dienendes  adj.  nach- 
gesetzt ivird;  den  accent  trägt  in  solchem  fall  das  ztoeite 
compositionsglied :  groszeinig:  groseini  {ivie  langeini, 
spateini  u.  a.)  Schmeller  l,  93;  auch  groszeinzig  ib.; 
-mächtig:  groszmechti  {wie  klainmechti,  vilraechti  ti.  a.) 
1,  1564;  allein  dies  wort  ist  auch  schriftsprachlich  seit 
alters  voll  entwickelt ,  vgl.  groszmächtig  2,  sp.  558;  auch 
mit  weiterer  Steigerung :  do  steht  auf  ee  mol  a  groszall- 
mächtiar  kärl  vor  m'r  Sartorius  Würzburg  143;  -mög- 
lich: a  gruszmöglichs  haus,  ugelick  u.  a.  Müller- 
Fraureuth  1,445»;  -mördlich:  a  graussmärdlicha 
kanonakugel  «.  a.  Fischer  schwäb.  3,  859;  hierher  ivohl 
auch:  der  rezensent  .  .  .  findet  groszgrimmige  Ver- 
schiedenheit in  den  sitten  der  alten  meretricum  . .  und 
unserer  heutigen  kupplerinnen  Lenz  dram.  nachlasz  17. 

2)  participia  praeteriti. 

a)  nicht  häufig  sind  zusamm^nrückungen  mit  steigern- 
dem grosz-,  die  den  adjectivischen  Verbindungen  1  c  ent- 
sprechen ;  g  r  0  s  z  g  e  e  h  r  t :  die  edle  und  groszgeehrte  poeten- 
zunft  Brandt  bericht  v.  leben  Taubmanns  33;  gegen  mei- 
nen groszgeehrten  herren  Bütschky  hd.  kam.  9;  -ge- 

32» 


503 


GROSZ  III  2  (compositionstypen) 


GROSZ  III  3  (compositiotiatypen) 


504 


fürchtet:  gegen  die  groszgefürchtete  macht  Oesterreichs 
ZscHOKKE  85,91;  -geliebt  Heine  1,236^.;  -geschätzt 
Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  43.  noch  seltener  als  adjecti- 
visehe  zusammenrückung  im  sinne  von  l  a:  die  sieben 
letzten  plagen  .  .  .  (feuer-  und  zornschaalen)  nach  dem 
groszgeweihten  bilde  der  propheten  Herder  9,  66  S. 

b)  sehr  getcöhnlich  sind  seit  dem  17.  jh.  compositionen, 
in  denen  grosz-  als  maszangabe  den  sinnesgehalt  des  part. 
genauer  bestimmt:  groszbedruckt:  zwischen  den  grosz- 
bedruckten  selten  {des  gesangbuches)  Herm.  Sghmid  alte 
u.  neue  gesch.  aus  Bayern  m;  -bepackt:  in  86  grosz- 
und  wohlbepackten  küsten  graf  Sporck  streitged.  193; 
-gebahnt:  der  groszgebahnte  sathansweg  B.  Bahnsen 
antiehristent.  (1660)  109;  -gebaut:  den  groszgebauten  saal 
Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  277;  anders:  der  groszgebau- 
ten und  ungelenken  ballkönigin  Jean  Paul  82, 87;  -ge- 
messen: 

forschend  übersieht  dein  blick 

eine  groszgemess'ne  weite        Göthe  1,49  W.; 

-geöffnet;  dein  äuge,  groszgeöffnet  C. F.  Meyer  ^ecZ.  91 ; 
-gepflastert:  die  alte  agora,  deren  groszgepflasterter 
boden  .  .  aufgedeckt  ist  Ritter  19,  1056;  -gerollt:  von 
3  strichmetzen  gersten  soll  er  (der  müller)  geben  grosz- 
geroUte  gersten  drey  achtel  Hohberg  georg.  cur.  2,  99; 
■  geschnitten:  ein  stattlicher  mann  .  .  .  mit  groszge- 
schnittenem,  fleischigem  gesiebt  G.  F.  Meyer  Jürg  Je- 
natsch  266;  -gestaltet:  ein  schöner  grosz-  und  wohl- 
gestalteter mann  Göthe  29, 43  TT.,-  -gewölbt:  der  grosz- 
gewölbte  himmel  M.  Sghirmer  Virgil  (1668)  380;  -um- 
strahlt: wo  hinter  felsen  ein  rundes,  groszumstrahltes 
Sonnengesicht  aufgeht  Welgker  alte  denkm.  3,  54;  -ver- 
siegelt: ein  umfangreiches,  groszversiegeltes  schreiben 
W.  Raabe  Abu  Telfan  2, 125.  erst  seit  dem  späteren  18.  jh. 
häufen  sich  Zusammensetzungen  gleicher  art,  in  denen 
grosz-  eine  irgendwie  entwickeltere  bedeutung  zeigt:  -an- 
gelegt: groszangelegte,  breitausgeführte  gefühlsscenen 
G.  Freytag  14,  124;  das  groszangelegte  im  römischen 
.  .  wesen  Justi  Winckelmann  2,  l,  102;  -geartet:  wie 
manche  warme  und  groszgeartete  seele  Stifter  i,  119 
Sauer;  -geboren  magnas  Diefenbach  843'^;  nov.  gl. 
243^;  bei  manchem  groszgebohrnen  herrn  Gottsched 
d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  2 ,  320 ;  hoch-  und  groszgeborne 
fran  Zsghokke  13,82;  -gedacht:  welche  vortheile  die 
kunst  .  .  aus  zweckmäszigen ,  groszgedachten  einrich- 
tnngen  zog  Fr.  Schlegel  dtsch.  mus.  1,257;  nein,  alles 
so  obenweg  nur  hingeworfen,  .  .  .  um  dasz  es  nur  um 
so  neuer,  so  groszgedachter  klingt  R.  Schümann  l,  228; 
-gemuthet:  seine  (Schillers)  stücke  haben  .  .  die  auf- 
gäbe dieser  erziehung  .  .  kühn  und  groszgemuthet  über- 
nommen F.  Wehl  zeit  u.  menschen  2,  154,  freilich  ein 
uneigentliches  part.,  vgl.  gemuthet  th.  4,  l,  2,  3828;  -ge- 
schaffen: sie  erfüllte  sie  (die  pßicht)  .  .  .  ganz  nach 
ihrer  groszgeschaffenen  natur  L.v.Fra'SQOIS Reckenburg. 
2,  237;  -gestimmt:  und  dort  (auf  Helgoland),  grosz- 
gestimmt  von  dem  beständigen  anblick  .  .  .  des  meers 
Heine  3,  363  E.;  -geschildert:  die  Charaktere  seiner 
handelnden  sind  allezeit  zwar  groszgeschilderte  men- 
schen GRAFEN  Stolberg  13,  xvi;  -gezeichnet:  dazu 
bedürfen  sie  (kinder)  groszgezeichnete ,  in  die  äugen 
stechende  Vorbilder  Herder  28, 178  S.;  -stilisiert:  ich 
sah  kein  gleich  groszstilisiertes  landschaftsgemälde  irgend- 
wo Gregorovius  wanderj.  in  Ital.  4,  352. 

c)  recht  entwickelt  sind  schon  im  17.  jh.  compositionen, 
die  nur  formal  als  participia  erscheinen,  dem  sinne  nach 
adjectivierte  Substantive  darstellen,  die  durch  grosz-  rein 
quantitativ  bestimmt  werden  (vgl.  id):  groszbegütert: 
(nach  der  bäuerlichen  rangordnung)  stehen  zunächst  die 
kleinbegüterten  unter  den  groszbegüterten  Melgh.  Meyr 
erz.  a.  d.  Eies  3,73;  -beschnallt:  in  ihrer  schwarzen 
trachtmitden  groszbeschnallten  schuhen  M.  Hartmann 
3,68;  -beschwingt:  der  ..  groszbeschwingten  sphinx 
Welgker  aZfe  denÄm.  8, 87 ;  -geäugt:  die  groszgeäugete 
göttin  (ßotönig)  Grafen  Stolberg  12,  56;  -gebaucht: 
ein  schön  groszgebeuchet  .  .  trinckgeschirr  Fischart 
geachichtklitt.  18  ndr.;  vgl.  82;  lOi;  -geblümt:  gardinen 
von  groszgeblümtem  gewebe  Hauff  i,il7;  -gefleckt 


RosEGGER  I  8,  86;  -geflügelt  Platen  2,  458;  -geglie- 
dert: der  groszgegliederte  halbmensch  Latreus  Voss 
Ovids  veno.  (1829)  2,  234  (membris  et  corpore  Latreus  maxi- 
mus  metam.  12,463);  -geherzt:  vermag  ein  solcher  grosz- 
gehertzter,  magno  et  laxo  corde  instructus  homo,  selten 
etwas  grosses  und  gehertztes  verrichten  Schottel  ethica 
(1669)  131;  in  anderer  bildung  und  bedeutung  unter  l  c; 
-gehörnt:  einen  grossgehörnten  bokk  Neumark /orf- 
gepfl.  mus.  poet.  lustio.  2,  189;  -gemustert  von  Seiden- 
stoffen Karmarsch-Heeren  3io,  493;  -geöhrt:  ein  töl- 
pel  grosz-geöhrt  Knittel  2)oe^.  *tn7ien/r.  87;  -gestirnt: 
hoch- *it»e  groszgestirnet /ronfo  Stieler  2172;  -geweiht: 
den  groszgeweihten  hirsch  Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  384. 

3)  participia  praesentis. 

a)  nur  selten  erscheint  grosz-  hier  im  sinne  einer  in- 
tensivierung  des  verbalbegriffes  (vgl.  IDsb):  groszbit- 
tend:  mit  ettlichen  groszbittenden  werten  verhandl. 
über  Thom.  v.  Absberg  131;  -tragend:  die  wölfin  war 
eines  mahls  grosz-tragend  Moscherosgh  ges.  (l650)  2, 163, 
also  wie  groszschwanger,  wo  grosz-  freilich  nicht  unbe- 
dingt intensiv  zu  sein  braucht,  vgl.  I  A  2  b ;  Zsghokke 
liebt  solche  bildungen:  erwarteten  die  deutschen  unter- 
thanen  von  seite  ihrer  fürsten  groszentscheidende 
maasregeln  sehr.  7,  37;  mit  groszermunterndem  lobe 
14,  285;  ein  gesandter  Ludwigs  XIV.  .  .  sicherte  ihm  .  . 
von  den  gemeinschaftlichen  eroberungen  .  .  .  grosz- 
lohnenden  antheil  zu  34,  203;  er  ist  dabei  abhängig  von 
schweizerischer  ausdrucksweise,  s.  o.  1  c. 

b)  geläufiger  sind  compositionen,  in  denen  grosz-  als 
rein  quantitative  bestimmung  erscheint:  groszblickend: 
Seelen,  in  welchen  es  (das  feuer  der  begehrung  nach 
gott)  ain  volle  .  .  groszblickende  glüt  hat  Karlstadt 
e.  sermon  v.  stand  d.  christglaub,  seelen  c2*;  -blühend: 
ein  .  .  bunter  teppich  der  .  .  groszblühenden  viola  al- 
taica  Ritter  errfÄ.  2,  942;  -flatternd:  der  planet  Mars 
(wird)  .  .  .  gantz  fewrig  und  grossfladerend  .  .  .  herfür- 
kommen  J.Kepler  7,  693;  -glimmend:  als  der  tropfen 
groszglimmend  wie  eine  sonne  auf  fünf  blumen  lag  Jean 
Paul  l,89i;   -hangend:    eine   schöne   groszhangende 

i  traube  Hohberg  georg.  cur.  3,  257'';  -wachsend:  das 
versetzen  . .  pringet . .  grosswachsende  bäume  und  frücht 
herfür  Sebiz  feldb.  321 ;  (der)  lindenbaum  ist  ein  grosz- 
wachsender  breitästiger  .  .  bäum  Hohberg  georg.  cur. 
2,  590;  nach  einem  groszwachsenden  rinderschlage  Ros- 
egger  I  6,  343.  häufiger  noch  Verbindungen,  in  denen 
eine  irgendwie  modificierte  bedeutung  des  quantitativen 
grosz  de7i  begriff  des  verbums  zu  ergänzen  hat;  die  syn- 
takt.  beziehung  des  ersten  compositionsgliedes  zum  zweiten 
bleibt  oft  fraglich:  groszanfordernd:  (Sand)  der  .  .  . 
einer  in  Wissenschaft  und  leben  groszanfordernden  zeit 
nicht  gewachsen  war  an  ethischer  .  .  kraft  Gervinus 
gesch.  d.  id.jhs.  2,626;  -denkend:  (7iach  einem  leben  des 
Überflusses)  müssen  armut  und  Verbannung  für  einen 
groszdenkenden  geist  bittrer  seyn  als  der  tod  Th.  Abbt 
2,  84;  im  späteren  18.  jh.  sehr  gangbar;  anders:  als  ein 
groszdenkender  überschauender  mann  hegt'  er  den  ge- 
danken,  der  späteren  .  .  .  regenten  gleichfalls  beiging 
Göthe  42,  l,  25  T-F.,-  -fühlend:  die  groszfühlende  frau 
(v.  Stael)  Heine  5,  216  E.;  sie  haben  mir  .  . ,  groszfühlen- 
der  und  tiefdenkender  fürst,  einen  alp  von  der  brüst 
gewälzt!  PÜCKLER  briefic.  u.  tageb.  5,  54;  -gebietend: 
dasz  sie  einen  herlichen  thon  und  groszgebietende  redens- 
art  gegen  ihr  .  .  zukünftiges  gesinde  angewehnen  mögte 
Lindenborn  Diogenes  l,  682;  -gleiszend:  wollen  wyr 
nu  sehen,  wie  sich  die  grosz  gleyssende  bruderschaften 
.  .  hie  zu  gleychen  Luther  2,  754  T7.;  -lautend:  darum 
gebrauchte  Klopstock  so  häufig  .  .  .  das  groszlautende 
wort  'sank'  Jean  Paul  42  (1827),  224  Reimer;  -prangend: 
die  taufen  pflegten  .  .  sehr  groszprangend  vor  sich  zu 
gehen  Chrysander  Händel  1,227;  -redend:  (das  apo- 
kalyptische thier)  mit  .  .  eim  prächtigem  grosz  redenden 
maul,  das  die  fromen  .  .  betrübet  Sleidanus  reden  33; 
-schallend:  der  stil  ist  niedrig,  nur  hie  und  da  mit 
groszschallenden  Wörtern  aufgestützet  Sonnenfels  3, 
318;  -scheinend:  so  miessen  wir  .  .  allain  thun,  was 
da  veracht  wirt  von  den  groszscheinenden  gleissnern 


505 


GROSZ  III  4  {conipositionstypen) 


GROSZ  III  4  (compositionstypen) 


506 


Luther  7,  249  W.;  -tönend:  durchaus  die  spräche  des 
pöbeis,  wenn  ich  einige  zur  unzeit  grosztönende  stellen 
ausnehme  Sonnenfels  5,  366;  die  grosztönenden  mäuler 
an  der  Seine  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen 
2, 322 ;  -w  a  1 1  e  n  d :  des  groszwaltenden  meergottes  H.  Hett- 
NER  griech.  reisesk.  20;  -wirkend:  (Jesus)  der  doch  die 
Seelen  durch  seine  groszwirkende  gnad  reinigt  Abr.  a 
St.  Clara  l,  66  Sirigl;  dasz  Preuszens  Friedrich  und 
Frankreichs  Napoleon  die  geistvollsten  und  groszwirkend- 
sten  fürsten  der  neuen  zeit  gewesen   sind   Zsghokke 

3,  164. 

4)  subatantiva. 

a)  grosz-  fungiert  in  seiner  hauptbedeutung  als  masz- 
begriff,  als  bezeichnung  von  ausdehnung  und  menge  {vgl. 
I  B  1.  2) ;  seit  dem  frühnkd.  mit  steigender  häufigkeit,  zu- 
mal auch  in  den  Sondersprachen  einzelner  berufe  und  ge- 
werke:  groszbasz  grosze  baszgeige  Campe;  -bau,  nur 
im  plur.:  diese  städtischen  groszbauten  Mommsen  röm. 
gesch.  1,  101;  erhabene  groszbauten  des  periodenstils  Th. 
Mundt  kunst  d.  dtsch.  prosa  378;  -bild  'ein  ruland,  co- 
lossus,  statua  ingentis  magnitudinis'  Henisch  1753;  ent- 
sprechend grosbildet  colossaeus  ib.;  -blech  dickblech  Krü- 
NiTZ  20,  132;  -boot  barkasse  Mothes  baulex.  1,  454; 
-bronze  münzbezeichnung :  die  groszbronze  fängt  mit  .  . 
Marius  an  allg.  dtsche  bibl.  77,  591 ;  anzeige  eines  Werkes 
über  die  römischen  groszbronzen  Böttiger  kl.schr.  l,  lxv  ; 
-brummer,  neben  mittelbrummer  und  kleiner  brummer 
bezeichnung  gewisser  lautensaiten  Chomels  öcon.  lex.  2,  585; 
-büchse  als  artilleristische  bezeichnung  Stahl  getcehrge- 
recht.  Jäger  59;  -buchstabe  majuskel  S.  v.  Birken  rede- 
bind- u.  dichtk.  61;  -bund:  1377  verband  sich  die  statt 
S.  Gallen  mit  den  stetten  Ulm,  Gostentz,  Rotwyl  .  .  diss 
ward  genent  der  grossbund  Stumpf  Schwytzerchr.  385'^; 
-familie  als  sociologischer  begriff:  das  bestehen  der 
patriarchalischen  groszfamilie  Conrad  handtcb.  d.  staats- 
wiss.  22,  415;  -fäustel  im  gegensatz  zum  handfäustel 
Veith  bergwb.  175;  -feld  latifundium  nomencl.  lat.  germ. 
[Hamb.  1634)  360;  -feuer  als  technischer  ausdruck  der 
thomcarenfabrikation  Chomels  öcon.  lex.  4, 1366;  Musprait 
Chemie  8,  555 ;  allgemeiner  verbreitet  im,  sinne  eines  groazen 
schadenfetiers ;  -firmament  als  freimaurerische  bezeich- 
nung: die  kirche  des  groszfirmaments  und  groszorients 
GÖRRES  5,  233;  -galle  milzbrand  der  schweine  ünger- 
Khull  309»;  -garn  groszes  fischernetz  Krünitz  20,133; 
Frischbier  l,  255^;  vgl.  grosz  garn  sagena  Diefenbagh 
507*;  -gehöft  RoSEGGER  I  4,  107;  -gemeinde:  Ercsi, 
groszgemeinde  im  komitat  Stuhlweiszenburg  v.  Alten 
3,403;  -gesch ütz:  zwantzig  stück  groszgeschütz  monum. 
hist.  Warm.  8,  358  (ca.  1575);  -gestalt  coloss:  die  grosz- 
gestalt  auf  dem  achteck  der  Wilhelmshöhe  Campe;  dazu 
groszgestaltig  ib.;  -gras:  alles  gras  der  erde,  das  klein- 
gras eben  wie  das  groszgras,  in  gleicher  natur  Pesta- 
lozzi 10,  69;  -gro sehen  dortmundische,  auch  sächsische 
silbermünze  Weilmeyr  1,249;  vgl.  groschen  II  l;  -gut: 
Verhältnis  zwischen  .den  groszgütern  und  bauern  E.  M. 
Arndt  tcerke  l,  87;  auf  einem  altbayrischen  groszgute 
Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  HS;  -heer:  das  kaiser- 
liche groszheer  Schubart  zs.f.  d.  w.  ll,  112;  -hof  groszer 
bauernhof  Rosegger  I  3, 1.53;  II  1, 165  u.  ö.;  -holz  bau- 
holz  cod.  dipl.  Sil.  4,  einl.  75;  -kohle  Karmarsch-Hee- 
ren ^6,  71;  -korb:  cumera  ein  groszkorb  da  man  körn 
in  thut  Diefenbagh  102'';  -mast  'der  mittelste,  gröszte 
tmd  schicerste  mastbaum  eines  Schiffes'  allg.  haush.  lex. 
1,  623 ;  von  da  aus  bezeichnet  grosz-  dann  alle  auf  den 
groszmast  bezüglichen  takelungstheile ,  auch  gegenstände 
oder  räumlichkeiten  in  der  nähe  des  groszmastes,  z.  b. 
groszbaum,  -mars,  -segel  (^gl.  schon:  epidromon  der  grosz 
segel  binden  in  dem  schiff  Diefenbagh  204*;  artemon 
das  grosz  segel  im  schiff  Calepin  xi  ling.  124I'),  -topp, 
-want  u.a.,  s.  Kluge  seemannsspr.  Z2%ff.;  -masz  misura 
grande  Kramer  teutsch-ital.  2,  52'';  -ofen  Lampadius 
handwb.  d.  hütienk.  225;  -pfeife  Agrigola  mus.  instr. 
deutsch  (I5i5)  19'^ndr.;  -reich:  währenden  daseyns  eines 
solchen  (assyrischen)  groszreichs  allg.  dtsche  bibl.  79, 175 ; 
das  groszreich  (Haralds  Schönhaar),  welches  über  den 
trümmern  von  vielleicht  dreiszig  königreichen  sich  er- 


hob Dahlmann  gesch.  v.  Dänemark  2,  85;  -röhr  xbqxi^, 
radius  (osteologisch)  Frischmn  (1586)  74'';  -schiff  gr. 
ämterbuch  196,  34:  Ziesemer  (a.  d.j.U20);  baratrum  grosz- 
schiffe  Diefenbagh  68*;  -groszschüler:  Jakobus,  wel- 
chen die  losen  kinder  so  oft  auf  dem  Schulwege  als 
ernsthaften,  pedantischen  groszschüler  trafen  G.  Kel- 
ler 6,  19;  -Schwester,  altschwester  mia  sorella  mag- 
giore  Kramer  teutsch-italien.  2,  721"=;  ich  muszte  .  .  ., 
wenn  die  groszschwester  eine  männliche  gesellschaft 
hatte  .  .  . ,  im  Vorzimmer  auflauern  Elisa  v.  d.  Recke 
1,  26  Sachet;  -seidel  flüssigkeitsmasz  Unger-Khull 
309'';  -Seite  hypotenuse  Campe;  -Spiegel  in  bauern- 
Stuben  Zappert  stab  und  ruthe  (1852)  51;  -strauch: 
die  viminalis,  groszstrauch,  fast  baumartig  Ratzeburg 
waldverderbnis  2,  315 ;  -  u  h  r  im  gegensatz  zur  taschenuhr 
Lueger  7,  753;  dazu:  groszuhrmacher  allg.  haush.  lex. 
3,  585;  allg.  dtsche  bibl.  18,  638;  groszuhrmacherei  Kar- 
marsch-Heeren 37,791;  -volk:  der  erzvater  eines  dei*- 
einstigen  deutschen groszvolks Fr. L.Jahn  1,227;  -wasser 
hochwasser  Henisgh  1755;  -weidwerk  'alles  wild,  so 
zur  hohen  jagd  gehöret'  Jagobsson  techn.  wb.  2,  158*; 
-werk  werk  groszen  umfangs:  einen  gröszeren  bankrott 
an  Phantasie,  als  hr.  Czerny  in  seinem  neuesten  grosz- 
werke  entwickelt,  kann  es  schwerlich  geben  R.  Schü- 
mann 3,24;  -wurst  scutillus.  irceua  Steinbagh  2,1054. 
auf  eine  concrete  anschauung  (vgl,  I  B  l  c  y)  geht  auch 
der  gebrauch  in  einem  Sonderfall  zurück,  wo  später  unter- 
und  ober-  eingetreten  ist:  anfangs  hatte  Walt  ...  die 
klein-tertia  und  darauf  die  grosz-tertia  .  .  .  besucht 
Jean  Paul  20-23,  31;  ebenso  bei  Gutzkow  w.  9,193. 

b)  so  seit  alters  in  appellativer  Verwendung  innerhalb 
der  naturbeschreibung ;  wissenschaftlicher  kunstsprache 
ebenso  gemäsz  %vie  volksmäsziger  terminologie,  hauptsäch- 
lich in  botanischen  und  zoologischen  bezeichnungen, 
z.  b.  groszandorn  Chomels  öcon.  lex.  4,  1365;  ebenda 
groszaurinwurz,  -baldrian,  -beilkraut  ti.  a.;  -apfel:  unge- 
rische  groszäpfel  Hohberg  georg.  cur.  l,  396;  -bohne: 
grot-  und  Saubohne  in  Mecklenburg  für  ackerbohne  Metz- 
ger pflanzenk.  836;  -brot  Diefenbagh  505";  644»  s.  v. 
sabana;  welche  pflanze?  -eisenkraut  469*'  s.  v.  pruneta; 
-fäsel:  faseolus  welsch  bonen,  groszfäseln  Gesner  erd- 
gewächse  115;  -garbe  millefolium  Chomels  öcon.  lex.  4, 
1366;  =  grensing  i  c,  ».  sp.  116;  grensing  hiesz  wol  zu 
güttem  teutsch  groszgarb  Bock  kräuterb.  (l55l)  182''; 
-klette  arctium  lappa  maior  Krünitz  20, 140;  vgl.  Die- 
fenbagh 68°;  638''  s.  V.  bardana;  -klettenkraut  per- 
solata  Maaler  193°;  -kutte  als  besondere  quittetiart 
vocab.  rei  numm.  (i552)  j  7";  -lattich  bardana  Diefen- 
bagh 68°;  638'';  -lauch  allium  scorodo-prasum  Holl 
136'':  vgl.  Diefenbagh  68°  s.  v.  bardana;  -lendikraut 
bulapathum  Frisius  166'';  -mangelwurz  =  dem  vori- 
gen, iö.;-natterwurz  dracunculus Maaler  193° ;  - n e s s e  1 
archangelica  Diefenbagh  45°;  vgl.  Pritzel-Jessen  420; 
-pappel  rosa  canina  Alberus  (i540)  ff  3'';  aber  bei 
Pritzel-Jessen  23'^  für  althaea  offici7ialis ;  -peterlein 
latifolium  apium  vocab.  rei  numm.  (i552)  J3»;  -purpur 
kunstname  für  eiiie  besondere  nelkenart  Harsdörfer 
frauenz.  gesprächsp.  8,146;  -raden  anemone  Frisius  91»; 
Steinbach  2,  214;  -stände:  das  vierd  (sc.  lotus)  ist  der 
gros  stand,  cytisus  Bock  kräuterb.  (l6B9ff.)  2,  5;  -Stein- 
brech 1,  87;  vgl.  Pritzel-Jessen  386*;  -wedendunk 
chaerophyllum  hirsutum  Nemnich  211;  Holl  182'';  da- 
gegen cicuta  virosa  Frischeier  1,256»;  -Wolfsmilch 
sonchus  arborescens  Henisgh  1755.  groszbär  als  be- 
zeichnung für  eine  familie  der  baren  Brehm  thierl.  2, 
213  P.-L. ;  -  b  e  r  s  i  g ,  ein  fisch,  yerca,  autem  krätzer  voca- 
fwr  Stieler  80;  vgl.  hetsich;  -ente,  eine  art  wildenten: 
maiores  (sc.  anates)  quas  Oerm,ani  grosenten,  mertzenten 
vocant  vocab.  rei  numm.  (1552)  E  4*;  Heusslin  Gesnera 
vogelb.S2^;  anasfera  torquata  maior  ein  groszendte  Faber 
thes.  52'';  anas  boschas  Oken  7,  464;  -eule:  bubo  .  .  ., 
uhu  .  .  .,  groszeule  Faber  thes.  1I6'';  -falk  'in  einigen 
gegenden  eine  benennung  des  sackerfalken ,  falco  sacer' 
Krünitz  20,  133;  die  sacri  falcken  oder  groszfalcken 
Fleming  vollk.  teutsch.  jäger  319;  Brehm  thierl.  6,  220 
P.-L.;  -gans  ocha  grossa  Heusslin  Gesners  vogelb.  u*'-, 
-hahn  auerhahn  Ünger-Khull  309»;   -maus:  Luther 


507 


GROSZ  III  i  {compoaitionatypen) 


GROSZ  III  4  {compositionstypen) 


508 


sei  eine  ratte  oder  groszmausz  geworden  Flederwisch 
schles.  zipfelpelz  3G;  -meise:  grosmeis,  kolmeis  parus 
ater  Henisgh  1754;  die  pick-,  grosz-,  kohl-  oder  Spiegel- 
meise  allg.  haush.  lex.  2,303'*;  Brehm  thierl.  4, 172P.-X.,- 
-Schnecke  Umax  Diefenbach  330*;  vgl.  lunacia  339»; 
-Schnepfe Naumann  naturgesch. d.  vögel  8, 26i;  -trappe 
Brehm  ^Äieri.  6, 152;  -würger  4,486;  -uhu:  ömöo  grosz- 
huhu  JuNius  (1567)  64'';  Henisch  1763;  -zieiaev  mistel- 
drossel,  turdus  viscivorus  Steinbach  2, 1092;  die  schnarre 
oder  der  groszziemer  bunzlauische  monatschr.  4  (1776),  297; 
nach  Fromm  ANN  4, 170  auch  für  den  krammetsvogel,  tur- 
dus pilaris. 

c)  eine  andere,  reich  entwickelte  gruppe  von  compo- 
sitione7i  sondert  sich  von  a  und  b  insofern,  als  hier  ein 
charakteristischer,  quantitativ  hervorstechender  theil  zur 
benennung  des  ganzen  dient:  groszarsch  qui  obesia  est 
natibus  Stieler  58;  stolzer  mensch  Müller-Frau reuth 
1,  444'';  -backe  bucco  Steinbagh  l,  53;  -enkel  einer 
der  grosze  knöchel  hat:  die  krummfüsze  .  .  . ,  die  grosz- 
enkel,  die  breitfüsze,  ob  sie  wol  alle  übel  einher  gehen, 
hincken  sie  doch  nicht  Comenius  sprachenth.  {iG57)  nr.  290; 
-fittig  oder  -flügel  von  Campe  vorgeschlagen  für  pele- 
canus  aquilus,  einen  seevogel;  -gosche  labeo  Stieler 
1018;  scheltend  tvie  groszmaul  Müller-Fraureuth  l, 
444'';  -hals:  grauthals  prählhans  Bauer-Collitz  41"^; 
-haupt  capito  Henisch  1753;  -hut  spoitname  der  rei- 
chern allmendgenossen  Staub-Tobler  2,  1793  {quelle  v. 
1830);  -knote  scaurus  Maaler  193'';  -läppen  eine ^m- 
gelschnecke,  strombus  latissimus  Campe;  Nkmnich  211; 
-ripp  'der  grosse  ripp  hat,  costatus'  Maaler  193"; 
-schädel:  ihr  goliathische  groszschedlABR.A St. Clara 
Judas  1,  126;  -schnabel;  die  vögel  theilt  er  in  raub- 
vögel,  groszschnäbel  allg.  dtsche  bibl.  94,  165;  Illiger 
mammalia  et  aves  201;  -schnauze  groszmaul,  prahler 
Müller-Fraureuth  1,445'';  Danneil  71*;  -schwänz: 
groszschwänze,  macruridae  Brehm  thierl.  8,  223  F.-L.; 
-wanst  LoGAU  172  Eitner;  Sghottel  458;  auch  dies 
also  gern  in  naturwissenschaftlichen  bezeichnungen  {vgl. 
groszauge,  -köpf,  -maul,  -ohr  an  aiphabet,  stelle) ;  nur  in 
solcher  Verwendung  erscheint  dieselbe  bildung  mit  suffix: 
^roszflosser  poJyacanthus  viridiaui-atus  Brehm  thierl. 
8,  185  P.-L.;  -flügler  megaloptera,  eine  insektenfamilie 
Brockhaus  1*8,427'';  - schnsihl er  coccothraustes Campe; 
loxia  Oken  7,  263;  das  gleiche  gilt  für  bicomposita  tvie 
groszfuszhuhn  Brehm  thierl.  5,  631  P.-L.,-  grosz- 
kopfschildkröte  Brogkhaus  ^*8,  429'';  groszohr- 
fuchs  Brehm  tJiierl.  2,  201  P.-L.;  groszschnabel- 
Togel  G.  Forster  5,334;  groszzahnbarsch  Brock- 
haus 1*8,  433''  u.  a. 

d)  innerhalb  geographischer  terminologie  in  ver- 
schiedenartiger, aber  immer  noch  rein  quantitativer  an- 
wendung:  Groszasien  .4sia  maggiore  Kramer  ^ew^scA- 
ital.  \,  am^;  -britannien  Frisch  1,376°;  dies  anschei- 
nend auch  im  n.jh.  schon  als  festes  compositum,  vgl. 
I  B  1  f ;  entsprechend:  bei  sr.  groszbritannischen  majestät 
G.  Forster  1, 19;  grotbritannsch  hochmütig  Schumann 
Lübeck  84;  -griechenland  magna  Graecia  G.  Forster 
6,  362;  GöTHE  46,66  W.;  entsprechend:  vasenbilder,  welche 
der  groszgriechischen  auffassungsweise  vorangehen  H. 
Brunn  kl.  sehr.  3,91;  -mähren  Brockhaus  1*11,479''; 
-polen  Pologna  maggiore  Kram  er  teutschital.  l,  568''; 
Jean  Paul  27-29,249;  -ruszland  Brogkhaus  i*8,  43i; 
auf  anderer  linie  stehen  compositionen,  die  nicht  als  geo- 
graphische, sondern  als  politische  termini  zu  werten  sind 
und  nicht  ein  bestehendes,  sondern  ein  erstrebtes  Staats- 
gebilde  bezeichnen,  wie  Groszdeutschland  s.  sp.  52i; 
-hessen:  in  Darmstadt  träumte  man  von  einem  grosz- 
hessischen  Staate  Treitsghke  hist.  u.  polit.  aufs.  2,  I9i; 
-preuszen:  den  sieg  des  österreichisch-schwäbischen 
ßüdbundes  über  das  nichtsnutzige  groszpreuszenthum 
K.  Braun  bilder  3,  197;  die  kerle  müssen  jetzt  gegen 
ihre  eigenen  groszpreuszischen  phrasen  auftreten  Fr. 
Engels  an  Marx,  briefw.  3,  822;  rein  quantitativ  vneder 
in  flurnamen  wie  groszmatt,  -weid,  -wis  u.  a.  Staub- 
ToBLER  2,  804;  in  Ortsnamen  vÄe  Grosz-Berlin,  -Gerau, 
-Glogau,  -Schönau  u.  a.  oder  unter  erstarrtmg  einer  flec- 


tierten  form  Groszenhain,  -linden,  -see,  nd.  Grotenburg, 
-beck  u.  a.;  bei  bergnamen  im  sinne  gröszerer  höhe 
{vgl.  I  B  1  c  «) :   Grossglockner,  -venediger. 

e)  eine  gruppe  von  compositionen,  die  dem  modernen 
wirthschaftlichen  leben  entspringen ,  zeigt  öfter  eine 
färbung  der  bedeutung  im  sinne  von  grosz  I  E;  «ie  ent- 
falten sich  erst  in  der  2.  hälfte  des  19.  jhs.  reichlicher, 
um  heute  immer  neue  ableger  zu  treiben:  groszbank 
Conrad  handtvb.  d.  staatswiss.  ^S,  11;  -bazar  Jagobs- 
SON  techn.  tvb.  5,  740'';  Conrad  2*,  sei;  -brauerei  ^2, 
833;  -brennerei  ^7,  204;  solche  bildungen  zahlreich; 
-fabrikant  Rosegger  III  9,51;  -gärtner:  {die  Römer) 
züchteten  ihn  {spargel)  ebenso  fleiszig  wie  die  modernen 
groszgärtner  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  285;  ein  an- 
deres groszgärtner  5.  sp.  537;  -geschäft:  zu  einer  selbst- 
reform,  deren  kein  gewerbe  mehr  bedarf  als  der  klein- 
handel,  —  mit  ausnähme  vielleicht  der  gröszten  grosz- 
geschäfte  an  der  börse  V.  A.  Huber  soc.  fragen  7,  90; 
speculanten,  welche  ...  die  grosz-  und  geldgeschäfte 
im  ganzen  umfang  der  römischen  hegemonie  betrieben 
MoMMSEN  röm.  gesch.  2,109;  -ge werk /a&riÄ  Campe; 
-gewerker  fabrikant  ib.;  vgl.  wenn  groszgewerksleute 
oder  bankiersfamilien  kamen  R.H.Bartsch  Schwammerl 
278;  -gewerklich  Campe;  -Industrie:  allmälig  aber 
wurde  die  ganze  groszindustrie  von  dieser  socialen  krank- 
heit  ergriffen  V.A.  Huber  soc.frageyi  7,  2;  die  prosaische 
unschönheit  der  modernen  groszindustrie  Treitsghke 
dtsche  gesch.  im  19.  jh.  3,463;  die  letztere  {spiritusfabri- 
kation)  ist  eine  der  .  .  groszindustrien  Muspratt  chemie 

1,  311;  das  lüort  schafft  gelegentlich  parallelbildungen : 
ebenso  hat  ihm  {dem  adel)  die  Verfassung  an  der  seite 
der  groszindustrie  und  so  zu  sagen  der  groszintelli- 
genz  ,  .  einflusz  zu  gewähren  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6, 
182;  wie  .  .  die  groszindustrie,  so  ist  die  grosz  Wissen- 
schaft .  .  ein  .  .  Clement  unserer  kulturent Wickelung 
Mommsen  red.  u.  aufs.  209;  -industriell:  heute  stellt 
.  .  der  .  .  Werkstättenbetrieb  oft  .  .  dringendere  schutz- 
forderungen  als  der  groszindustrielle  Conrad  23,  782; 
namentlich  substantiviert:  unter  den  groszindustriellen 
selbst  macht  sich  diese  ansieht  .  .  geltend  V.  A.  Huber 
soc.  fragen  7,  11 ;  in  dem  hause  eines  groszindustriellen 
W.  V.  Polenz  Orabenhäger  1,  232;  -kapital:  der  .  .  . 
grund  liegt  in  der  anhäufung  des  groszkapitals  Conrad 
22,  54;  die  handwerker-  und  die  detaillistenbewegung 
wenden  sieh  gegen  das  groszkapital  25,  815;  -kapitalis- 
mus  25,  184;  -kapitalist  Doren  Florent.  ivolltuchind. 
149;  -kapitalistisch  97;  -krämer  =  groszkaufmann 
(s.  *p.  550)  Costenoble  tageb.  i,22b;  -kultur,  inbezug 
auf  die  landbestellung :  groszkultur  oder  spatenkultur 
V.  A.  Huber  reisebr.  2, 116;  -magazin  Conrad  27,  343; 
3i,i4;  -meierei,  als  schweizerischer  provincialismus 
allg.  dtsche  bibl.  C3,  497;  -pacht:  daher  ist .  .  die  klein- 
pacht  auf  den  monarchischen  Staatsdomänen  .  ,  vor 
wiegend,  groszpacht  und  Sklavenbetrieb  dagegen  die  aus- 
nähme Conrad  3i,  65;  -pächter:  die  groszpächter,  die 
dann  das  land  an  die  .  .  bauern  in  Unterpacht  gaben 
Mommsen  röm.  gesch.  5,  574;  ein  groszpächter  hat  sie 
nehmen  wollen,   einer  von  der  Loire  her  Rosegger  I 

2,  144;  -producent  V.  A.  Huber  concordia  1,  26;  -pro- 
duction  Lassalle  red.  u.  sehr.  1,36;  -reichthum, 
älteres  wort  für  groszkapital :  der  vorzüglich  vom  han- 
deis- und  fabrikstand  ausgehende  hochflug  des  spielen- 
den haschens  nach  groszreichthum  Pestalozzi  15,395; 
vor  allem  garantirte  das  landeigenthum  dem  Staat  die 
treue  .  .  des  groszreichthums  7,  84;  ich  habe  weit  mehr 
als  ich  brauche,  aber  nicht  zum  groszreichthum  J.  v.  Dü- 
ringsfeld  literaten  i,  80;  -Schiffahrt  Conrad  22,  872; 
-Schiffahrtsweg  27,143;  -Unternehmer:  den  fabri- 
canten  und  groszunternehmern  des  handeis  Nietzsche 
5,77;  der  habgier  kapitalistischer  groszunternehmer  Con- 
rad 23,45;  -Unternehmung:  tendenz,  die  groszunter 
nehmungen  gegenüber  den  kleinen  zu  bevorzugen  Doren 
Florent.  wolltuchind.  288;  alle  weit  zieht  es  vor,  bei  inter- 
nationalen groszunternehmungen  ihren  bedarf  zu  decken 
Rosegger  III  7,  38;  -verkehr:  in  dem  natürlichen  em- 
porium  des  groszverkehrs,  in  Londinium  Mommsen  röm. 
gesch.  5, 161;  in  dieser  Zusammensetzung  {ivie  in  einzelnen 


509 


GROSZ  III  4  {compoaitionstypen) 


GROSZ  III  i  (compositionsti/pen) 


510 


anderen)  berührt  sich  die  vorliegende  compos.-gruppe  mit 
der  folgenden;  -werkstätte:  aus  eeinen  federstrichen 
entstanden  eisenbahnen,  paläste  und  groszwerkstätten 
RoSEGGER  laset  uns  v.  liebe  reden  285. 

f)  auch  eine  andere  variierung  des  quantitätsbegriffea, 
grosz  als  das  zusammenfassende  gegenüber  dem  kleineren 
einzelnen,  dem  detail  {vgl.  I  C),  tritt  in  verschiedenen 
compositionstypen  hervor:  groszballei  Campe;  -löge: 
zur  Wiederbelebung  der  freimaurerei  .  .  vereinigten  sich 
die  . .  vier  logen  . .  zu  einer  groszloge  Zschokke  5,  323; 
•prior ei  36,  82;  vgl.  hierzu  die  compositionsgruppe  k;  im 
geldwesen:  -geld:  das  rind  ist  sozusagen  das  groszgeld 
MoMMSEN  red.  u.  aufs.  242;  -gold:  die  prägung  des 
groszgoldes  (ivar)  dem  groszkönig  vorbehalten  Luschin 
V.  Ebengreuth  196;  -münze:  unserer  rechnung  von 
sechszig  kleinmünzen  auf  die  groszmünze  Mommsen 
red.  u.  aufs.  257;  so  besonders  in  gewissen  ausdrücken 
ivirtschaftlicher  spräche:  -bezug:  die  ermöglichung  des 
Vorteils  des  groszbezuges  auch  für  den  kleinsten  haus- 
hält Conrad  25,  333;  -einkauf  Rosegger  III  8,  252; 
dazu alleger vne  groszeinkaufsgenossenschaft Con- 
rad 25,  486;  -gesellschaft  25,  337;  -verein  23,  737; 
-preis:  der  unterschied  des  groszpreises  vom  parcellen- 
preise  V.  A.  Huber  reisebr.  2,  447;  -verkehr:  dasz  der 
preis  im  kleinverkehr  sich  höher  stellt  als  im  grosz- 
verkehr  Conrad  26, 189;  -verschleisz  26,277;  dieselbe 
Spielart  der  bedeutung  auch  sonst  vereinzelt  in  gelegen- 
heitsbildungen :  -blick:  als  dem  heldendichter  der  epi- 
sche groszblick  bei  allen  nebenblicken  auf  silbenmes- 
sungen  .  .  {festbleiben  kann)  Jean  Paul  *.  10.  42  (1887), 
i6  Reimer;  -name:  Sveven  heiszen  also  schlechthin 
Seeländer,  statt  welches  namens  Plinius  den  namen 
Vandalen  als  einen  grosznamen  gebraucht  E.  M.  Arndt 
scJir.  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  4,  299. 

g)  die  beim  simplex  reich  entfaltete  vericendung  als 
quantitätsbezeichnung  von  inconcretem  (l  B  4)  erweist  sich 
der  composition  nicht  als  günstig:  groszangriff  tägl. 
rundsch.  vom  25.  okt.  1917,  nr.  545;  -gastspiel  Hebbel 
6r.  7,  46;  -kämpf:  der  ehemalige  groszkampf  der  nach- 
bargemeinden schien  sich  im  kleinen  erneuern  zu  wollen 
Steub  drei  sommer  in  Tirol  l,  232;  auch  dies  wort  im 
■weitkriege  erneut  geschaffen  und  auch  in  bicompositis  ver- 
wendet wie  groszkampffeld  tägl.  rundsch.  vom  31.  okt. 
1917,  nr.  556;  -tag  heeresbericht  vom  17.  aug.  1917;  auch 
mit  einer  entwickelteren  bedeutung  des  adj.,  aber  durch- 
aus in  gelegenheitsbildungen:  -pl&n  RÜCKERT8,77;  -ton: 
einer  .  .  .  wohlthätigkeitsgesellschaft,  die  im  höchsten 
groszton  einer  Staatsanstalt  selber  monatlich  einmal  .  . 
zusammenkam  Pestalozzi  3,259;  -werk:  er  schafft  in 
den  groszwerken  und  in  dem  groszwirken  Fr.  L.  Jahn  l, 
212,  eine  parallelbildung  zu  groszthat,  s.  an  alphab.  stelle; 
-wort:  dasz  seine  {Napoleons)  groszthaten  und  groszworte 
eine  gewisse  hohe  comik  .  .  verrathen  T.  H.  Friedrich 
dritter  satyr.  feldzug  156;  intensiv:  -gewühl:  es  lernt 
sich  nicht  die  schöne  bestimmung  fürs  hausleben  im 
groszgewühl  Fr.  L.  Jahn  1,  275;  -kraft:  mit  göttlicher 
groszkraft  Körner  2,  28  HempeV;  anders:  auch  der  lei- 
tenden groszkraft  wird  durchaus  kein  materielles  opfer 
zugemuthet  V.  A.  Huber  soc.  fragen  4,6;  -neigung: 
hoch-  sive  gvoszneignng  favor  admirabilis  Stieler  1845; 
noch  anders:  -tugend  virtutum,  regina  272;  Kram  er 
teutsch-ital.  2,  1160^. 

h)  die  intensive  bedeutung,  angewendet  auf  fixe  masz- 
begriffe  {vgl.  I  D  l  c) ,  treibt  eine  ganze  reihe  von  com- 
positis,  so  groszdutzend  für  zwölf  dutzend  Campe; 
-hundert  eine  zahl  von  120  Krünitz  20,  129;  vgl.  Ade- 
lung 2,  811;  {ich  habe)  untfangen  ein  halb  groshundert 
clappholtcz  handelsrechn.  d.  dtsch.  ord.  501  Sattler;  sein 
gröszestes  langschiff  war  von  82  ruderbänken  und  2  grosz- 
hundert  besatzung  Dahlmann  gesch.  v.  Dänem,  2,  308; 
-jähr  annus  magnus  sydereus  vel  Platonicus  et  definitur 
annia  solaribus  36000  Stieler  879;  -schock:  sechtzig 
sekel  {halten)  ein  mina  oder  groszschock  Mathesius 
Sarepta  168";  -tausend  eine  zahl  von  \2m  Krünitz  20, 
129;  vgri.  Adelung  2,811;  -tonne  Muspratt  chemie  5, 
1132;  von  papierformaten:  -duodez:  in  zwey  groszduo- 


dezbänden  allg.  dtsche  bibl.  58,  586;  -folio:  ein  paar  in 
groszfolio  zusammengeheftete  .  .  bogen  Lessing  17,  347 
M.;  ein  aus  zwölf  groszfolioblättern  bestehendes  Zeichen- 
buch GöTHE  48,  130  W.;  10  groszfolioseiten  Voss  anti- 
symb.  1,  342;  octav:  zu  zween  .  .  .  bänden  in  grosz- 
octav  allg.  dtsche  bibl.  28,  306;  gelegentlich  auch  adjecti- 
visch:  100  enggedruckte  groszoctave  selten  K.  Chr.  Fr. 
Krause  briefw.  2,362;  -quart:  die  universalchronicke 
aller  nordscheine  .  .  in  12  bänden,  groszquart  Schwabe 
belustig.  4,  112;  ein  billet,  in  groszquart  gebrochen  Jean 
Paul  15-18,  34l;  in  dem  groszquartwerke  36,7;  vo7i  Campe 
und  anderen  sind  statt  dessen  vorgeschlagen  und  gebraucht 
worden  groszachtel,  -bogen,  -viertel,   vgl.  Campe 

2,  460''. 

i)  bei  den  Substantivcompositionen  m,it  persönlicher  be- 
deutung zeigen  eine  reihe  von  berufsbezeichnungen  grosz- 
als  quantitätsbegriff  elementaren  sinnes:  groszbäcker 
brotbäcker  Bücher  Frankf.  beruf swb.  54  {quelle  v.  1445); 
-binder  doliarius  conficiens  vasa  majora  Steinbach 
1,  222;  Adelung,  Campe;  -maier  megalograph  Voigt 
handtcb.  f.  d.  geschäftsführg  2, 152 ;  ein  miniaturmaler  ist 
immer  noch  weit  mehr  eigentlicher  künstler  als  ein 
faustfertiger  groszmaler  Fr.  Th.  Vischer  ästh.  3,  546; 
entsprechend  groszmalerei  entweder  grosze  m.anier  des 
malens  oder  die  maierei,  die  sich  nur  mit  groszen  stücken 
beschäftigt  Campe;  Voigt  a.  a.  0.;  -seh mied,  grob- 
Schmied,  magnano  Kram  er  teutsch-ital.  2,  608'^;  -Wä- 
scherin lavandaia  di  panni-lini  grandi  2,  1262'';  vgl. 
schon:  grossarius  gros  schriber  Diefenbagh  270*. 

k)  sehr  viel  entwickelter  ist  eine  gruppe,  die  sich  mit  f 
vergleicht;  sie  umfaszt  amts-  und  rangbezeichnungen  ver- 
schiedenster art,  besonders  solche  der  groszxcürdenträger 
des  hofes  und  Staates  in  älterer  zeit;  grosz-  unterscheidet 
hier  von  haus  aus  einen  beamten,  der  mehreren  gleichen 
titeis  übergeordnet  ist;  steuere  spräche  bevorzugt  vielfach 
ober-:  groszadmiral,  dem  engl,  high  admiral  nach- 
gebildet; deshalb  gewöhnlich:  groszadmiral  von  Engelland 
Fäsch  (1726)  120'';  Fr.  L.  Jahn  i,  441;  dann  überhaupt 
Oberbefehlshaber  zur  see  H.  Grimm  Michelangelo  2,  877; 
der  gewaltigste  aller  stürme  ist  groszadmiral  auf  unserer 
barke  B.  v.  Arnim  d.  buch  gehört  d.  könig  2,  532;  in  der 
kaiserlich  deutschen  marine  neu  aufgeglommen  als  bezeich- 
nung  des  höchsten  dienstgrades  v.  Alten  4,  397;  -almo- 
senier  urspr.  der  träger  des  höchsten  geistlichen  hof- 
amtes  am  franz.  hofe  K.  L.  v.  Haller  restaur.  d.  staats- 
toiss.  4,  218;  Grillparzer  6,  19;  frühzeitig  schon  über- 
tragen: das  ende  oder  statt,  do  sant  Johans  der  grosz- 
almusiner  geheyssen  .  .  hatt  tod  und  marter  gelydten 
Breidenbach  reisen  (i486)  140'';  eingedeutscht  grosz- 
almosenpfleger  Kramer  teutsch-ital.  2,  206**;  -banner- 
herr  Zschokke  29,  226;  v.  Alten  1,  842;  -beamter: 
bei  der  wähl  der  groszbeamten  .  .  fragte  man  die  Orakel 
der  götter  E.  M.  Arndt  geist  d.  zeit  1,  167;  der  raths- 
pensionär  .  .  . ,  desgleichen  die  beiden  andern  groszbe- 
amten der  Union  Treitsghke  hist.  u.  pol.  aufs.  2,  457 , 
als  groszbeamter  des  rosenkreuzerordens  H.  Prutz  preusz. 
gesch.  S,  260;  -bürgermeister  regierender  bürgermeister 
städtechron.  16,  126;  -ceremonienmeister  Olearius 
kgr.  Persien  7*;  -dien er:  so  ändern  sich  auch  die  aller- 
wichtigste  . .  groszdiener  bey  den  höfen  Stieler  zeitungs- 
lust  (1695)  407;  -falkner  Widerhold  beachr.  d.  sechs 
reisen  (168I)  1,255'';  Zschokke  29,281;  groszfalckenierer 
Chomels  öcon.  lex,  4,  1366;  -gebietiger  im  deutschen 
Orden  Ranke  reform. gesch.  2,  SS8;  -Inquisitor  Schiller 
6, 2, 439  Cr.;  gern  auch  uneigentlich:  wenn  er  las,  wie  Froriep 
auf  seinen  gegner  schimpfte,  ihn  bald  einen  groszinqui- 
sitor  an  der  Leine,  bald  . .  nennet  allg.  dtsche  bibl.  lOl,  492; 
Herder  sasz  nicht  wie  ein  litterarischer  groszinquisitor 
zu  gericht  Heine  5,  271  E.;  hatte  er  .  .  .  die  dogmen- 
strenge eines  groszinquisitors  Fontane  1 1, 100;  -Jäger- 
meister J.  Chph.  Beer  Äsia  (I68I)  i,  50'';  Olearius 
kgr.  Persien  7'';  -kämmerer  Apinus  gloss.  nov.  256; 
PLATEN3, 19;  -kammerherr  Krünitz  20, 139;  Ranke 
35,  118;  -komtur  im  deutschen  orden,  gr.  ämterb.  534,  8 
Ziesemer  {a.  1376);  Marienb.  tresslerb.  44,  89  Joachim;  don 
Loys  de  Requesens  .  .  .  grosscommeter  von  Castilien 


511 


GROSZ  III  4  (compositionstypen) 


GROSZ  lll  4c.  5  (compositionatypen)  512 


Stumpf  Schwytzerchr.  277 ■■;  -konsul:  herrliche  zenith- 
und  hochmenschen,  wahre  potentaten  und  groszkonsuln 
ihres  ichs  Jean  Paul  45-47,  189;  -kronbeamter  Her- 
der 24,  879  S.;  -kronf eldherr  Adelung  umst.  lehrg. 
2,274;  -kronkammerherr  G. Forster  8, 204;  -major 
'eine  bei  den  Rheinbundstruppen  vorkommende  bezeichnung 
für  den  Oberstleutnants  dienstgrad'  v.  Alten  4,  471;  -mar- 
sch all  als  militärische  würde:  der  grosmarschalch  des 
Ordens  Schütz  hist.  rer.pruss.  5,  c  2»;  Olearius peman. 
reisebeschr.  270;  als  polnischer  kronbeamter:  der  grosz- 
marschall  von  Litthauen  sehr.  d.  Oöthegesellsch.  9,  246; 
-offizier:  der  .  .  .  könig  hatte  4  groszofficiere  seines 
hauses  ernannt  Ritter  erdk.  4,  1126;  groszoffizier  der 
ehrenlegion  Heine  6,  456  E,;  -pathe  'compatres  primi 
ac  praecipui.  ita  tres  Uli  vocantur  apud  pontificios,  qui 
primum,  locum  tenent  in  baptismate,  .  .  qui  etiam  cereum 
et  vestem  lustricam  sali  attingunt'  Haltaus  756  mit 
beleg  von  1516;  -pensionär  beamtenwürde  innerhalb  der 
provinzialstaaten  Hollands  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu 
1-12,  86;  G.  Forster  3,  849;  Souffleur  war  Gentz,  der 
'groszpensionär'  der  europäischen  kabinette  Scherr 
gröszenw.  172;  -prediger  oberprediger :  dasz  er  (Jacobus) 
groszprediger  und  bischoff  zu  Jerusalem  gewesen  Her- 
berger herzpost.  (1613)  2,  830;  -prinz  der  toscanische 
kronprinz,  parallelbildung  zu  groszherzog  («.  d.)  3.  Chph. 
Nemeitz  nachlese  (i726)  852;  Franz  Joseph,  grosz-  und 
erbprinz  von  Toscana  allg.  dtsche  bibl.  117,  1S8;  -prior 
ordinis  equestris  magistri  supremus  in  aliqua  regione 
vicarius  Apinus  gloss,  nov.  267;  dem  groszprior  in  Franck- 
reich  Abr.  a  St.  Clara  merks  Wien  153;  der  groszprior 
des  Johanniterordens  allg.  dtsche  bibl.  63,  480;  -profosz 
prevöt  de  l'armee  Schwan  nouv.  dict.  i,  794*;  Göthe 
45,  282  W.;  -richter:  bannus  .  .  .  bedeutet  eigendlich 
einen  grosz-  oder  oberrichter  Stieler  zeitungs-lust  (1697) 
402;  -ritter:  groszritter  Astyages  Rinckhart  christl 
ritter  94  ndr.;  -schäffer  hohes  amt  im  detitschen  ofden 
gr.  ämterb.  4,  4  Zies.;  Marienb.  tresslerb.  9,  10  Joachim 
Winreich  von  Maustet  grosscheffern  Schütz  liist.  rer 
pruss.  5,  c  2*;  dazu:  wart  bruder  Cuncze  Seffeler  des 
amptis  der  grosse hafferie  von  Koningisbergh  dirlas 
sen  handelsrechn.  d.  dtsch.  ordens  280  Sattler;  -schätz 
meister  superior  aerarii publici  praefectus  Steinbagh 
2,41;  -seneschall:  groszseneschal  oder  stadthalter  von 
Engelland  Apinus  gloss.  nov.  257;  dasz  .  .  die  herzöge 
der  Lothringer  des  10.  Jahrhunderts  .  .  des  königs  grosz- 
seneschallen  oder  verweser  gewesen  allg.  dtsche  bibl. 
58,  26;  -Siegelbewahrer  hohes  staatsamt  in  Frankreich 
und  England  Apinus  gloss.  nov.  240;  Ranke  w.  2i4,  i46; 
30,  288;  gern  übertragen:  gott  segne  die  partei,  die  sie 
zu  ihrem  groszsiegelbewahrer  gemacht  hat  Lassalle 
red.  u.  sehr.  2,  450;  {Herder)  verlachte  diese  pedanten  der 
reinigkeit,  die  groszsiegelbewahrer  der  sprachkeuschheit 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtg  4,  417;  ein  prophet  einer 
neuen  Offenbarung,  ein  groszsiegelbewahrer  der  mensch- 
heit  KÜRNBERGER  Uter.  herzenss.  128;  Vatnhagen  von 
Ense:  groszsiegelbewahrer  aller  kleinigkeiten  Hebbel 
tageb.  4,  824;  -Stallmeister  Olearius  kgr.  Persien  7^; 
-Statthalter:  weszwegen  er  .  .  zum  groszstadthalter 
über  die  Quaden  .  .  bestellet  worden  war  Lohenstein 
Arminius  1,  1234"';  -Vorsteher  Hephata  (1836)  221 ; 
K.  Fr.  Becker  Weltgeschichte  7,  678;  -wart:  er  {ein 
nestorianischer  episcop)  ist  unser  vicar  und  der  grosz- 
wart  unsers  Stuhles  in  der  nachfolge  Petri  Ritter  erdk. 

9,  686 ;  -Wechsler:  der  ander  {küchenmeister)  heist  emim- 
mutpagi,  ist  so  vil  gesagt  als  der  groszwechsler  Nicl. 
Nicolai  raysz  in  d.  Türkey  (1572)  69»;  -Zahlmeister 
am  türckischen  hof  Apinus  gloss.  nov.  242.  ebenso  in 
den  bezeichnungen  exotischer  potentaten,  geistlicher  und 
weltlicher  Würdenträger  aller  art:  groszchan  Rückert 

10,  491 ;  -  k  0  p  h  t  a  bezeichnung,  die  sich  Cagliostro  beü-egte 
als  vnederhersteller  der  angeblichen  ägyptischen  maurerei; 
durch  Göthes  drama  bekannter  geworden:  welche  . .  sich 
als  .  .  zeugen  für  die  wunderthätigkeit  des  groszcophta 
der  marktplätze  bekunden  Gaudy  19,  98;  o  du  grosz- 
kophta  alles  unsinns!  Lassalle  red.  u.  sehr.  2,  429; 
-lama  Ritter  erdÄ.  2,  268;  -mandarin  2,265;  -mufti 
Widerhold  beschr.  d.  sechs  reisen  (i68l)  i,  85*;   Heine 


3,  878  ^.;  -pope:  der  groszpope  von  Kasan  Rosegger 
II  14,  342;  -Sultan  eigentlich  ein  obersultan,  der  andere 
unter  sich  hat  Krünitz  20,  138;  negerreich,  dessen  Ober- 
haupt der  groszsultan  aller  negerkönige  ist  Ritter  erdk. 

1,  441;  gewöhnlich  imperator  turcicus  Apinus  gloss.  nov. 
257;  der  grosssultan  Suleiman  S.  v.  Birken  verm.  Donau- 
strand 45;  noch  im  älteren  19.  jh.  herrschende  bezeichnung 
des  türkischen  oberherm;  auch  übertragen:  Ratbot  der 
mause  groszsultan  Lichtwer  äsop.  fab.  44;  der  thiere 
groszsultan  {löioe)  106;  ebenso  bei  Ramler  fabelt,  l,  76; 
der  groszsultan   der  götter  {Jupiter)  Wieland  Lucian 

2,  14;  -türke  'eine  ehedem  sehr  gewöhnliche  benennung 
des  türkischen  kaisers,  wofür  jetzt  groszherr  oder  grosz- 
sultan üblicher  sind'  Krünitz  20,  138;  Olearius  kgr. 
Persien  i*»;  samml.  v.  schausp.  (1764^.),  caffeehaus  10; 
aber  auch  im  19.  jh.  noch  üblich,  zumal  in  gewissen  stehen- 
den Wendungen:  wenn  jemand  sich  an  seiner  frau  .  .  . 
versündigt,  als  ob  er  kein  christenmensch,  sondern  der 
grosztürke  .  .  wäre  Spielhagen  4,  630;  väter  und  ehe 
männer  .  .  verwünschten  messer  Orazio  ärger  als  den 
grosztürken  Gaudy  13,  20;  -vezier  summus  praetoriae  et 
militiae  turcicae  praefectus  Apinus  gloss.  nov.  257;  gross- 
visir  Lohenstein  Ibrahim  64»;  Schele  hat  . .  die  gewalt 
allein  in  bänden  und  schaltet  damit  wie  ein  groszvezier 
briefw.  zw.  J.  u.  W.  Grim.m,  Dahlmann  u.  Gervinus  1,  278; 
dazu  auch  eine  gruppe  mehr  oder  minder  parodischer  bil- 
düngen,  meist  gelegenheitsschöpfungen:  groszbüttel:  als 
groszbüttel  Bonapartens  sasz  in  dem  heiligen  teutschen 
reiche  der  marschall  Davoust  E.  M.  Arndt  geist  d.  zeit 

3,  84;  -kämmerling:  den  groszkämmerling  gottes,  den 
Moscowiter  Fischart  Wenen/c.  47'';  -pfaffe:  der  grosz- 
pfaffe  von  Rom  Heine  8,  495  E.;  so  ist  er  geflohen  und 
ihm  nach  die  groszpfaffen,  die  herren  von,  zu,  auf  und 
hinter  A.  Fitger  v.  gottes  gnaden  6;  -preusze:  noch 
wieder  die  Preuszen  und  der  Groszpreusze,  der  könig 
E.  M.  Arndt  bei  Meisner-Geerds  464;  nach  grosztürke 
gebildet;  -Schimpfer:  derPfohre.der  groszschimpfer  des 
reichs  S.  Brunner  erzähl,  u.  sehr.  2,  179;  -Schulmei- 
ster: seine  {Karl  Eugens)  Stellung  als  groszschulmeister 
seiner 'mihtärischen  akademie'  J.  Scherr  Schiller  i,  105; 
-Zensor:  unter  jenem  groszzensor  Europas  {Napoleon) 
Jean  Paul  45-47,  243. 

1)  sehr  viel  seltener  und  mehr  oder  minder  gelegenheits- 
bildungen  sind  composita,  bei  denen  grosz-  ei7ie  ins  in- 
tensive gehende  Steigerung  des  subst. -begriffes  bezweckt 
{vgl.  I  D  2,  F  1  d  (3):  grosz arzt:  er  gleiche  .  .  dem  be- 
rühmten doktor  Platner  und  Haller  und  ähnlichen  grosz- 
ärzten  Jean  Paul  27-29,  186;  -gauner  Saarbrücker  ztg. 
V.  11.  Jian.  1917;  -humorist  Fontane  nacÄ^.  217;  -künst- 
1er:  mit  dem  nordlichen  groszkünstler  Shakespeare  Fr. 
Arndt  bei  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen 
1,  149;  -märtyrerin:  der  leichnam  der  heil,  groszmär- 
tyrerin  Barbara  Kosmeli  harml.  bemerk.  182;  -mörder: 
die  naivetät,  die  .  .  in  Napoleon  nichts  als  eine  art  von 
groszmörder  erblickt  Hebbel  w.  ii,  278;  -narr  Rosegger 
I  7,  88;  -Zweifler  Fr.  L.Jahn  2,  855.  in  einzelnen  dieser 
beispiele  sprechen  rein  quantitative  Vorstellungen  mit,  noch 
deutlicher:  war  früher  ein  groszautor,  konnte  aber 
nicht  mehr  schreiben  Jean  Paul  59-60, 143;  vgl.  24  26, 107. 

m)  reine  Verbalsubstantive;  am  entwickeltsten  ist  der 
typus  groszprahler,  -schreier,  -Sprecher,  -thuer,  s.  an 
alphab.  stelle;  daneben  gelegenheitsbildungen  wie  grosz- 
deuchter:  wie  er  sehen  und  hören  müssen,  dasz  einige 
groszdeuchter  ihm  solches  lied  abzusprechen  .  .  .  sich 
unterstanden  J.  C.  Wetzel  hymnopoeogr.  (1719)  2,  224; 
-Schwänzer:  prahlhansen  und  groszschwänzer  Lin- 
denborn Diogenes  2,578;  -Schwätzer  Heine  8,  220  JE.,- 
-Streicher:  was  ein  groszstreicher  ist,  der  trifft  alle- 
mal, aber  mit  dem  Suppenlöffel  sein  maul  Döbel  neu- 
eröffn.  jägerpract.  1,  108;  -wirker:  lieber  stiller  grosz- 
wirker  Lavater  an  Göthe,  sehr.  d.  Göthegesellsch.  16,  242. 

5)  verbum. 

hier  ist  die  grenze  zmschen  der  Verbindung  zweier  selb- 
ständiger Worte  und  der  trennbaren  composition  völlig 
flieszend;  immerhin  gleit  es  eine  erst  in  neuerer  zeit 
touchernde,  auf  der  elementaren   bedeutung  des  adj.  be- 


513 


GROSZ  III  6 


GROSZ  m.  -  GROSZAHN 


514 


ruhende  gruppe  von  Verbindungen,  die  im  ganzen  als  com- 
Positionen  empfunden  und  orthographisch  entsprechend 
behandelt  werden:  groszbrüten:  keine  verderbtheit,  wie 
sie  Neapel  namentlich  groszbrütet  Opfer  mann  hundert 
jähre  3, 189;  -füttern:  das  groszfüttern  des  neugebohre- 
nen  ohne  brüst  allg.  dtsche  bibl.  88,  2,  133;  ein  weih,  die 
ihre  leidenschaft  von  purem  herzblut  .  .  .  groszfüttern 
will  Bog.  Goltz  Jugendl.  2,93;  -hätscheln:  manche 
idee,  welche  wi-r  mit  liebe  gepflegt  und  groszgehätschelt 
haben  Gaudy  10,46;  -nähren  Bürger  i,  159  jBoAifz,-  bis 
er  halb  unfrei  von  der  groszgenährten  geburt  seines 
eigenen  gehirnes  fortgezogen  wurde  Fr.  Th.  Vischer 
auch  einer  *2,  282;  -päppeln  J.  Scherr  gröszenw.  218; 
-säugen:  {sie  hat  mein  kind)  groszgesäugt  und  mütter- 
lich gepflegt  Heine  2,  266  E.;  kühne  tyrannei,  vom  laster 
groszgesäugt  Eschenburg öeispieZsammi. 4,421;  -wiegen: 
das  .  .  im  schosze  des  reichthums  groszgewiegte  kind 
Spielhagen  6,337;  -ziehen  educare  usque  ad  puber- 
tatem  Stieler  264-3,  das  grundverbum  der  ganzen  sippe 
{vgl.  I  B  1  c  /) ;  seit  dem  19.  jh.  in  mannigfach  übertra- 
genem gebrauch:  dasz  die  neue  ansieht  der  dinge  .  .  eine 
ganz  andere  generation  von  fürsten  groszgezogen  hatte 
H.iussER  dtsche  gesch.  1,  119;  so  wurde  .  .  .  das  sportel- 
und  taxenwesen  .  .  groszgezogen  Döllinger  akad.  vortr. 

1,  71;  am  wenigsten  will  ich  die  Vorstellung  groszziehen, 
dasz  Fontane  I  2,  28;  dazu:  die  künstliehe  grosz- 
ziehung  des  Proletariats  Mommsen  röm.  gesch.  3,  517; 
die  intransitiven  gegenstücke  sind  loeniger  bunt  entfaltet: 
groszwachsen:  sie  hätten  ohne  disz  ihren  feind  allzu 
groszwachsen  . .  lassen  Lohenstein  Armin,  l,  27";  dasz 
sie  durch  .  .  hartherzigkeit  das  elend  so  groszwachsen 
lassen  Görres  sehr.  3,  76;  eine  theoretische,  dann  und 
wann  zu  einer  Sehnsucht  nach  religion  groszwachsende 
anerkennung  der  religion  Lagarde  dtsche  sehr.  280;  vgl. 
auch  groszgewachsen  sp.bZS;  -werden  grandescere,  ado- 
lescere  Dentzler  2,141*',  u.  so  gewöhnlich,  im  sinne  phy- 
sischen wachsthums  {vgl.  I  B  1  c  j') ;  doch  auch  freier  und 
anders:  neigung  . . ,  die. .  gleichsam  ein  groszge wordener, 
erwachsener  trieb  ist  Hippel  ehe  120;  das  groszwerden 
des  jungen  geistes  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung 
4,  13;  das  groszwerden  der  kleinen  hat  Teutschland  zer- 
stört Görres  2, 335 ;  die  groszgewordenen  äugen  herrschten 
B.  V.  Arnim  Oöthes  briefic.  m.  e.  kinde  l,  86;  -wuchern: 
wenn  die  wildnisz  groszgewuchert  sein  wird  Rosegger 
I  I,  189. 

6)  der  Superlativ  gröszt-  als  compositionselement. 

vor  Substantiven  nur  in  einer  bestimmten  gruppe 
etwas  häufiger:  gröszthöhe:  meist  wird  die  errichtung 
einer  einfassung  .  .  von  bestimmter  mindest-  und  gröszt- 
höhe vorgeschrieben  Lueger  4,  328;  -masz:  das  zu- 
lässige grösztmasz  {des  vorsprungs  wird)  seitens  der  bau- 
behörde  festgesetzt  ib.;  -neigung:  die  grösztneigung  der 
stadtstraszen  7,  540 ;  anderes  ganz  vereinzelt  und  gelegen- 
heitsbildung :  auf  der  .  .  büchermesse  wollte  der  despo- 
tismus  oder  grösztherr,  gleich  dem  groszherrn,  sich 
nur  von  gelehrten  stummen  bedienen  lassen  Jean  Paul 
36, 21 ;  kleinasiatische  kammern  zeigen  in  gröszern  Staaten 
nur  plusmacher  (mehrmacher),  erst  in  den  kleinern  sind 
maximummacher  oder  grösztmacher  45-47,  174.  vor 
adjectiven  nur  in  einem  falle  vollentivickelt:  gröszt- 
möglich,  seit  dem  späteren  18.  jh.  häufig:  der  gröszt- 
möglichen  erweiterung  unseres  Verstandes  Kant  3,  327 
akad.  ausg.;  aus  jedem  vorfalle  des  lebens  .  .  die  gröszt- 
mögliche  quantität  gift  .  .  auszusaugen  Lichtenberg 
verm.  sehr.  (i800)  1,25;  wir  befanden  uns  .  .  in  dem  gröszt- 
möglichen  gewirr  und  gewimmel  Göthe  33, 131  W.;  kein 
menschlicher  Scharfsinn,  wäre  es  auch  des  grösztmög- 
lichen  universellen  genies  Lenz  3,  154  Tieck;  so  bis  heute; 
die  umgekehrte  form  der  Steigerung  tritt  nur  vereinzelt 
auf:  mit  groszmöglichster  vorsieht  Raabe  schüdderump 

2,  229;  dagegen  ist  doppelte  superlativierung  so  häufig, 
dasz  sie  als  zulässige  bildung  anerkannt  werden  musz: 
dasz  die  grösztmöglichste  weite  noch  zu  klein  war  Lich- 
tenberg erklär,  d.  Hogarthischen  kupferst.  11,  51;  dieses 
unternehmen  gab  nun  gelegenheit  zu  dem  grösztmög- 
lichsten  zeitverderb  Göthe  27,  133  W.;  in  seinen  nach 

IV.  1.  6. 


der  grösztmöglichsten  wissenschaftlichen  Vollständigkeit 
strebenden  .  .  .  werken  Fr.  Schlegel  1,  59;  um  dem 
feind  den  grösztmöglichsten  schaden  zuzufügen  Wil- 
helm I.  mil.  sehr.  1,242;  hatte  sie  das  Unglück  am 
Vestatempel  mit  grösztmöglichster  Sentimentalität  auf- 
gefaszt  Waiblinger  die  Britten  in  Rom  21.  anderes  ver- 
einzelt: in  ihrem  neuen  wohnort  nehmen  sie  theil  an 
den  grösztbewegten  zuständen  Göthe  IV  42,  80  W.; 
sogar:  so  will  ich  dich  gröstlich  verklagen  Boltz 
Terenz  145^,  sofern  nicht  druckfehler  {dicam  tibi  inpingam 
grandem  Pharm.  439). 

GROSZ,  m.,  mehlgries,  grütze  Schneller  1,  1013; 
graupen,  gries  Fischer  schwäb.  3,852;  dazu  groszknöpfe 
eine  griesmehlspeise  ib.,  groszmues  Schmeller  a.  a.  o.; 
interessante  ablautbildung  zu  griesz,  etymologisch  mit 
dem  adj.  grosz  identisch;  spunceise  auch  in  älterer  spräche: 
grosz  0.  grutz,  als  die  swein  essen,  mancherlei  körn 
gemengt  Diefenbach  404°  s.  v.  pabulum;  vgl.  grot  der 
swyne  411''  *.  v.  papulum. 

GROSZACHTBAR,  adj..  höflichkeitstitel  {vgl.  grosz  III 
1  c),  der  im  tl.jh.  aufkommt:  magnificus  .  .  .  prächtig, 
vel  quem  alii  magnifaciunt,  groszachtbar,  i.  e.  groszge- 
achtet  CoRViNUS /ons  latin.  509;  groszachtbar  excellens, 
clarissimus,  praelustris  Stieler  12;  besonders  von  ge- 
lehrten: des  edlen,  vesten,  grossachtbaren  und  hochge- 
lahrten herrn  .  .,  beider  rechten  doctorn  Neumark /orf- 
gepfl.  musik.-poet.  lustw.  2,  72;  so  titulire  ich  ihn  wie 
einen  magister;  wol-ehrenvest,  grosz-achtbar  und  wol- 
gelahrt  Chr.  Weise  polit.  redner  199;  so  gewöhnlich  auch 
noch  im  18.  jh.,  in  dem  aber  der  ausdruck  allmählich 
veraltet:  als  der  wohledle,  groszachtbare  und  wohlge- 
lahrte herr  .  .  die  schon  längst  verdiente  höchste  würde 
der  Weltweisheit  . .  erhielt  Schwabe  belust.  6, 167;  grosz- 
achtbare herren  redet  Lucian  die  philosophen  an  Wie- 
land Lucian  l,  405;  doch  nicht  notwendig  mit  dieser  be- 
schränkung:  auf  der  Gammel  mühle  des  groszachtbahren 
herrn  Heinrich  Müllers  Prätorius  anthropod.  pluton. 
2, 177;  der  edele,  wolehrenveste,  grosachtbare  und  kunst- 
berühmte hr.  Georg  Hendel  .  .  mit  Jungfrau  Dorotheen  . . 
kirchenbucheintragung  von  1683  bei  Chrysander  Händel 
1,  5;  und  ebenso  vermutlich  auch  beim  kanzelauf gebot; 
vgl.  die  bemerkung  Campes:  'ein  titel,  .  .  welcher  noch 
in  kanzelden  und  auf  der  kanzel  in  manchen  fällen  üb- 
lich ist';  im  19.  jh.  nur  noch  gelegentlich  in  scherzender 
spräche:  sein  valet  de  chambre,  hoch-  und  wohlgeborne, 
edelfeste  und  groszachtbare  hr.  hr.  monsieur  Hanns  Haf- 
ner ges.  sehr.  2,  39.  —  groszachtbarkeit,  /.:  dasz 
die  groszachtbarkeit  und  das  ansehen  eines  solchen 
kaisers  .  .  darinnen  bestehe  {unbeweglich  zu  bleiben)  P. 
della  Valle  reisebeschreib.  (1674)  1,  59;  in  welcher  {Ver- 
sammlung) ihm  am  höchsten  gelegen  war,  seine  macht, 
gewalt  und  groszachtbarkeit  dem  volcke  sehn  zu  lassen 
J.  Cais  sinnreiche  werke  i,  2,  107;  o  ich  bin  in  sittner 
gruszachtberkeet  in  unsem  dürfe  Gryphius  lustsp.  307 
lit.  ver.;  auch  als  anrede:  eure  hoch-  sive  groszachtbar- 
keit amplitudo  vestra  Stieler  12;  vgl.  Aler  dict.  l,  985*. 
—  groszachtung,/.,  verbalsubst.  zu  grosz  achten  {s. 
grosz  I  G  4):  groszachtunge  magnipensio  Diefenbach 
343<';  aber  grusamer  yrthum  m.ag  geschehen  yn  gross- 
achtung  des  ablass  Luther  i,  392  W.;  Lysander  führet 
mit  nicht  geringerer  groszachtung  die  gemeinen  gedichte 
des  Charilius,  als  Alexander  die  . .  Ilias  .  mit  sich  Lohen- 
stein blum,en,  vorr.  5;  anders:  ohn  fernere  groszachtung 
des  erlittenen  Schadens  Opitz  Sidneys  Arcadia  110;  ob- 
jectiver  'ansehen':  wir  versprechen,  dasz  des  römischen 
nammens  herrliche  groszachtung  hiemit  solle  in  guter 
Sicherheit  stehen  J.  J.  Grasser  Schatzkammer  (i6lo)  214; 
ich  will  lieber  .  .  sterben,  denn  .  .  das  geringste  titul- 
chen  von  der  würde  und  groszachtung,  darinn  ich  bei 
yederman  stehe,  .  .  verschertzen  F.  M.  Pinto  wunderl. 
reisen  (1671)  55.  —  groszadel,  m.,  hochadel:  unter  die- 
sem persischen  .  .  .  groszadel  Mommsen  röm.  gesch.  5, 
455.  —  groszadelich,  adj.,  splendidiore  genere  natus 
Stieler  21,  bei  dem  aber  das  subst.  noch  fehlt.  —  grosz- 
ahn, m.:  abavus,  proavi  paterni  vel  materni  pater  .  .  . 
groszäni   Pinicianus  (1516)  m  3»;   gewöhnlich  aber  um- 

33 


515       GROSZAHNHERR  -  GROSZARTIG 


GROSZARTIG 


516 


fassender  'vorahn':  etliche  ligen  neben  ihrem  groszähnen 
dem  Muamedt  Höniger  sarrazen.  gesch.  (1580)  33;  hat 
also  dieser  .  .  keyser  {Ferdinand  II.)  wohl  verdienet  .  . , 
gleich  seinen  höchstlöbl.  groszahnen,  keys.  Rudolfen  I. 
und  keys.  Albrechten  L,  der  siegreiche  .  .  .  zuheiszen 
SiGM.  V.  Birken  ostländ.  lorbeerhain  241;  die  mächtige 
eiche,  die  Jahrhunderte  durchlebt  und  bei  der  geburt 
unserer  groszähnen  grünte  K.  v.  Egkhartshausen  Aglais 
198;  dazu  diefeminina  groszan  abavia  Pinicianus  m  3"; 
des  Danaos  groszahnin  Jo  J.H.Voss  antisymb.  2,420. 
—  groszahnherr,  m.:  wer  der  heiligesten  furstin  .  . 
vater,  groszvater,  eldervater,  groszeldervater,  anherre, 
groszanherre  gewest  seint  Hedwiglegende  (1504)  a  2";  die 
heutigen  Paracelsisten  sind  .  .  nicht  so  weit  gekommen, 
als  ihnen  ihr  groszahnherr  vorgegangen  war  allg.  dtsche 
bibl.  87,  186;  entsprechend  groszahnfrau  MathesiüS  hoch- 
zeiipred.  (1584)  76*.  —  groszältervater,  m.,  urur- 
groszvater;  atavus  Aler  dict.  1,985^^;  Steinbagh  2,884; 
auch  nd.  groot-ölder-vader  Dahnert  163*;  so  hat  Suanti- 
borus  fürst  Bilungen  zum  grosseltervater  gehabt  Mi- 
CRÄLius  altes  Pommerland  1,  217;  vgl.  den  beleg  aus  der 
Hedwigleg.  (1504)  unter  groszahnherr;  auch  mit  der  von 
groszvater  (s.  d.  2)  übernommenen  erweiterung:  gott  gebe 
diesem  königlichen  söhne  des  grosz  älter  herrn  vaters 
Christiani  I.  glückseligkeit  Chr.  Weise  polit.  redner  994; 
entsprechend  groszältermutter  atavia  Aler  a.a.O.;  Stein- 
bach 2,  94;  auch  freier  'urahnin':  endlich  gelangte  er 
für  den  thron. des  Chaos,  bey  dem  die  groszältermutter 
Nacht  .  .  sasz  Gottsched  beitr.  z.  crit.  historie  1,  96; 
auch  die  bildung  groszaltvater ,  -mutter  scheint  bestan- 
den zu  haben;  denn  Aler  notiert  groszaltvater(mutter)- 
schwester  abamita,  abmatertera  dict.  1,985".  —  grosz- 
amt,  n.;  ehemalige  Jakobiner  in  den  groszämtern  des 
consularischen  Staates  Becker  weltgesch.  13,  450;  kennt- 
nis  des  persischen  hofs  und  seiner  groszämter  Welcker 
alte  denkm.  5,  352;  vgl.  grosz  HI  4k.  —  groszansehen, 
n.;  beide  waren  damals  beim  Nero  in  sonderbarem 
groszansehen  A.  U.  v.  Braunschweig  Oct.  2,  984;  bil- 
dung tvie  groszgunst,  s.  d.;  dazu  groszansehnlich, 
adj.,  -an sehnlichkeit,  /,:  es  seien  alles  mit  ein- 
ander, so  wol  als  alle  andre  groszansehnlichkeiten  dieses 
grossen  rundes,  lauter  schatten  E.  Francisci  wol  der 
ewigk.  (1717)  413. 

GROSZARTIG,  adj.,  ganz  junges,  aber  auszerordentlich 
reich  und  fein  differenziertes  wort;  bei  Adelung  und 
Campe  noch  fehlend,  erst  in  der  zeit  der  romantik  häu- 
figer; ein  subst.  groszart  geht  nicht  voran,  sondern  er- 
scheint nur  gelegentlich  als  rückbildung :  die  königliche 
groszart  dieses  thiers  J.  H.  Voss  Shakespeare  3,  li5. 

l)  groszgeartet ,  in  anwendung  auf  seelische,  geistige 
und  sittliche  Qualitäten  des  m,enschen:  was  bildet  den 
menschen  als  seine  lebensgeschiehte?  und  so  bildet  den 
groszartigen  menschen  nichts  als  die  Weltgeschichte  No- 
valis 2,  315  Minor;  um  so  lachen  zu  können,  musz 
man  eine  groszartige  und  milde  seele  haben  Ebner- 
EscHENBACH  4,  92;  {eine  Stimmung)  die  so  ernst  be- 
schaulich und  groszartig  ist,  dasz  alles  unangenehme 
.  .  nicht  mehr  auf  sie  wirken  kann  L.  Sghücking  an 
A.  v.  Drösle  br.  5;  {Moser)  der  mit  groszartigem  sinn 
überall  die  geschichte  zu  deuten  suchte  Savigny  beruf 
uns.  zeit  15;  ein  weih  von  vieler  klugheit  und  grosz- 
artigem ehrgeiz  Raumer  gesch.  d.  Hohenst.  4,  76;  ich 
kann  nur  auf  einem  fiisz  mit  menschen  verkehren,  auf 
dem  eines  groszartigen  Vertrauens  Hebbel  br.  3,  188; 
dann  auch  von  äuszerungen  einer  solchen  inneren  artung: 
den  groszartigen  spruch  .  . ,  nicht  darauf  komme  es  an, 
dasz  irgend  ein  theil  des  ganzen  sich  .  .  wohlbefinde 
Schleiermacher  Piaton  6,  43;  so  musz  alles,  was  mit 
dem  könige  zusammenhängt,  groszmüthig  und  groszartig 
erscheinen  Laube  2,  267;  mit  etwas  anderem,  klang,  an  5 
gemahnend:  er  war  eine  groszartige  natur,  die  das  volk 
in  freiwilliger  Verehrung  mit  sich  fortriss  Ranke  w.  88, 
100;  welch  ein  kühner,  groszartiger  und  fester  geist  in 
Luther  arbeitet  w.^  l,  210;  dieser  groszartige  mann, 
sicher  in  allem,  was  er  schrieb,  voll  von  rath  und 
festem  entschlusz  G.  Freytag  ges.  w.  6,  81. 


2)  sinnlicher:  groszgestaliet,  groszlinig,  in  anwendung 
auf  gebärde,  erscheinung,  form,  stil:  die  Überzeugung  .  ., 
dasz  nur  das  einfache  groszartig  A.  v.  Droste  an  L. 
Schücking  226;  vgl.  so  bewundert  er  die  groszartige  ein- 
fachheit  Homers  D.  Fr.  Strausz  ges.  sehr.  8,  30;  den 
einfach  groszartigen  text  des  Notkerischen  liedes  media 
vita  Scheffel  2,  234;  sie  sind  .  .  entwöhnt,  in  den  ein- 
fachen, reinen,  groszartigen  Verhältnissen  zu  leben,  wie 
sie  bauer,  förster,  matrose  kennen  Lagarde  dtsche  sehr. 
38;  als  gegensatz  wird  oft  das  bewegte,  tceiche,  anmutige 
verstanden:  wenn  man  dieser  den  reiz  und  die  anmuth 
nicht  absprechen  konnte,  so  kam  jener  der  preis  einer 
edlen,  groszartigen  Schönheit  zu  W.  M.  L.  de  Wette 
Theodor  2,  7;  {das  gemälde)  ist  dem  Raphaelischen  ein- 
zigen talent  gemäsz,  überall  zugleich  groszartig  und  an- 
muthig  zu  seyn  Göthe  IV  4i,  138  W.;  in  anderen  fällen, 
auf  1  zurückgreifend,  mit  stärkerer  betonung  des  seeli- 
schen gehalts:  ganze  chöre  der  groszartigsten,  edelsten, 
lieblichsten  .  .  marmorßguren  Brentano  5,  94;  der  ge- 
schmack  am  hohen  und  groszartigen  in  allen  künsten 
H.Meyer  gesch.  d.  bild.  künste  1,  256;  bei  meiner  neigung 
für  das  groszartige  und  erhabene  ist  es  natürlich,  dasz 
es  mich  .  .  zu  der  tragödie  .  .  hinzieht  Mich.  Beer  665. 

3)  groszgestaliet,  aber  in  hinsieht  auf  eine  nach  maszen 
und  müssen  gesteigerte  form;  meist  mit  starken  gefühls- 
mäszigen  beiklängen:  'imposant,  grandios';  besonders  gern 
von  landschaftlichem:  groszartige  gebirgsgegend  Göthe 
49,  368  W.;  Heidelberg  liegt  wunderschön,  eine  natur, 
die  groszartig  ist,  ohne  zu  erdrücken  Hebbel  br.  l,  63; 
das  grüne  Inntal  .  . ,  in  welchem  der  ström  .  .  grosz- 
artig dahinflutet  Steub  Wanderungen  126;  doch  auch 
mannigfach  anders:  das  Louvre  ist  ein  altes  und  .  .  . 
nichts  weniger  als  groszartiges ,  vielmehr  formloses  .  . 
haus  Fr.  Schlegel  6,  9;  villa  Albani,  die  es  in  dem 
groszartigen  der  anläge  mit  einer  jeden  aufnehmen  kann 
Caroline  v.  Humboldt  an  Wilhelm  6,  51;  doch  die 
groszartigsten  und  mächtigsten  bleiben  ...  die  nord- 
deutschen mooie  Allmers  marschenb.^  75;  ein  grosz- 
artiger ameisenbau  Ebner-Eschenbagh  l,  130;  grosz- 
artige hafenanlagen  v.  d.'  Steinen  naturvölker  Zentral- 
brasiliens 5;  ähnlich  auch  bei  abstracten  suhjectsbegriffen: 
groszartig  und  unerreicht  steht  jene  zeit  in  jeglicher 
erinnerung  W.  v.  Rahden  Wanderungen  i,  53;  es  war  ein 
volk  {sc.  die  Germanen),  dem  die  einzelleben  stark  und 
groszartig  entwickelt  waren  G.  Freytag  17,  95;  grosz- 
artig ist  die  erscheinung  Savonarolas  auch  darum,  weil 
sie  an  die  höchsten  allgemeinen  Interessen  anknüpft 
Ranke  40/41,  257;  so  lag  in  der  idee  dieser  feier  .  .  . 
etwas  imposantes,  etwas  von  jener  groszartigen  Uni- 
versalität, die  von  jeher  in  den  absiebten  des  römischen 
geistes  .  .  lag  H.  Gelzer  Protestant,  br.  117;  gern  auch 
in  Verbindungen  wie:  und  so  schelte  mir  keiner  die  grosz- 
artige albernheit  {Hogarth  über  Rafael  zu  setzen)  Tieck 
sehr.  4,  27;  groszartige  Stupidität  W.  Raabe  schüdderump 
173;  sein  {Napoleons)  kaiserthum  nimmt  immer  mehr 
den  Charakter  eines  groszartigen  schwindeis  an  Moltke 
sehr.  u.  denkw.  4, 151;  in  einem  groszartigen  irrthum  be- 
fangen HoLTEi  erz.  sehr.  19, 122. 

4)  weitreichend,  weitgreifend,  weitausschauend;  neben 
verbalen  leitbegriffen:  alles,  was  könig  Abenner  unter- 
nahm, war  groszartig  Chph.  v.  Schmid  15,  166;  gleich- 
zeitig entfaltete  .  .  Winfried  ,  .  seine  groszartige  Wirk- 
samkeit im  Frankenreiche  Döllinger  akad.  vortr.  1,57; 
er  betrieb  das  baugeschäft  .  .  ebenso  groszartig  wie  vor- 
sichtig Mommsen  röm.  gesch.  3,  13;  ihr  habt  das  ding 
wenigstens  groszartig  betrieben  {in  groszem  stile  schulden 
gemacht)  G.  Keller  1,  152;  dieser  groszartige  Sammler 
JuSTi  Winckelmann  l,  184;  ebenso  spricht  man  von  einem. 
groszartigen  betrüger,  gauner;  das  groszartige  finden  und 
das  ruhige  ausbilden  {als  züge  von  J.  Orimms  wissen- 
schaftlicher art)  Scherer  kl.  sehr.  1,40;  heute  erfolgt  die 
münzerzeugung  als  groszartiger  fabrikbetrieb  Luschin 
V.  Ebengreuth  münzk.  172;  an  dem  groszartigen  ver- 
kehre des  Weltmarktes  zu  Brügge  Treitschke  hist.  u. 
pol.  aufs.  2,  42;  gern  in  bestimmten  stibstantivverbin- 
dungen:  den  groszartigen  .  .  planen  eines  Perikles  Droy- 


Ö17 


GROSZARTIG 


GROSZARTIGKEIT 


518 


SEN  Äschylus  20;  der  groszartigste  seiner  entwürfe  Momm- 
SEN  röm.  geschA^  2,  121;  so  umfassenden,  groszartigen 
zielen  Ranke  werhe^  2,70;  ähnlich:  nie  hatte  ein  ge- 
schlecht groszartigere ,  umfassendere  aussichten  i,  237; 
eine  überaus  groszartige  Stellung  (die  der  cardinal  von 
York  1521  einnahm)  14,  112;  so  auch  in  einigen  mehr 
oder  minder  formelhaften  Wendungen:  der  Unternehmungs- 
geist der  Athener  stieg  ins  groszartige  Lange  gesch.  d. 
materialismus  18;  processkrieg  im  groszartigsten  stil 
Mommsen  röm.  gesch.  2, 124;  tempelplünderung  im  grosz- 
artigsten maszstab  2,  59;  colonisirung  im  groszartigsten 
sinne  des  vrorts  Hebbel  w.  10,  153. 

6)  die  bedeutungen  l — 4  werden  vielfach  dadurch  um- 
gefärbt, dasz  ihnen  ein  werthurtheil  beigemengt  wird;  so 
nehmen  sie  den  sinn  'hervorragend,  ausgezeichnet'  m.it  in 
sich  auf:  nicht  befähigt  .  . ,  durch  groszartige  Schöp- 
fungen in  die  reihen  berühmter  meister  zu  dringen 
HoLTEi  erz.  sehr.  5,  ii;  bedeutende  leistungen  groszer 
meister  legten  zeugnisz  von  ihrer  groszartigen  ausbil- 
dung  ab  O.Jahn  Mozart  l,  ni ;  ein  geschlecht  arm  an 
begeisterung  .  .  ,  aber  .  .  von  groszartiger  Willenskraft 
G.  Freytag  18,  lll;  Miltons  groszartiger  Idealismus 
Treitsghke  hist.  u.  pol.  aufs,  l,  18;  zumal  bei  super- 
lativem  gebrauch:  {unsere  Universitäten)  sind  .  .  eine  der 
groszartigsten  erscheinungen  in  der  geschichte  der  civili- 
sation  V.A.  Hüber  einige  zweifei  u.  bemerkungen  57;  eine 
der  groszartigsten  .  .  entdeckungen  .  .  ist  das  aiphabet 
Jhering  geist  d.  röm.  rechts  2,  2,  359;  was  dann  in  der 
monarchie  zu  der  groszartigsten  entwicklung  gedieh 
Mommsen  röm.  Staatsrecht  l,  255;  früh  einsetzend:  die 
groszartige  geschichte  der  brittischen  Völker  Arnim  15, 
12;  das  adj.  endet  auf  dieser  entwicklungslinie  schliesz- 
lieh  bei  der  reinen  qualitätsbezeichnung,  'vortrefflich':  ihr 
Weizen  ist  groszartig!  G.  Viebig  d.  schlaf .  heer  1,40;  so 
sehr  gebräuchlich  in  heutiger  Umgangssprache,  zumal  auch 
m,it  unbestimmtem  subject:  das  ist  groszartig;  vgl.  diese 
art,  wie  der  kerl  an  die  luft  gesetzt  wurde,  .  .  ist  doch 
zu  groszartig  Fr.  Engels  an  Marx,  briefw.  8,158;  auch 
ironisch,  als  ausdruck  der  entrüstung:  da  drehte  er  sich 
{nach  der  resoluten  antwort  des  arbeiters)  .  .  herum  und 
sagte  halblaut:  'es  ist  doch  groszartig'  Karl  Fischer 
denkwürdigk.  e.  arbeiters  1,  363  Göhre. 

6)  mannigfach  atisgestaltet  zeigt  sich,  aber  erst  in 
jüngerer  zeit,  eine  bedeutung,  bei  der  sich  der  Vorstellung 
der  grösze  irgendivie  der  begriff  von  fülle,  aufwand,  prunk 
beigesellt;  diese  bedeutung  zeigt  starke  unterschiede  auch 
hinsichtlich  des  ethischen  oder  ästhetischen  werthurtheils. 
das  ihr  verbunden  sein  kann;  auszeichnend,  im  sinne 
freigebig-generös:  {dein  vater)  gab  uns  in  einer  grosz- 
artigen weise  die  mittel,  um  den  drohenden  stürz  ab- 
zuhalten G.  Freytag  7,  291 ;  in  Windsor  übt  die  königin 
immer  eine  groszartige  gastfreiheit  Moltke  sehr.  u. 
denkw.  6,  299;  dagegen:  ja  drüsse  bisch  schenerös  un 
grossarti,  do  machsch,  wie  wenn  dü's  d'heime  hüffes- 
"wis  leije  hättsch  Greber  Lude  14;  auf  anderer  linie: 
die  hochzeiten  waren  dazumal  noch  sehr  groszartig  G. 
Keller  l,  72;  was  macht  ihr  denn  für  groszartige  ge- 
schichtenl  das  ist  ja,  als  ob  ein  fürst  einzug  hielte! 
W.  V.  PoLENZ  Grabenhäger  1,8;  das  .  .  namenserbe  {sc. 
Eberhardine)  .  .  wurde  für  einen  leutnantshaushalt  zu 
groszartig  befunden  L.  v.  Fran^ois  Eeckenb.  1,85;  auch 
abstracter:  diese  chöre  haben  Mozart  zu  groszartigen 
und  mit  allem  glänz  auch  der  äuszeren  mittel  ausge- 
statteten compositionen  veranlassung  gegeben  0.  Jahn 
Mozart  2,  394;  groszartiger  pomp  wechselt  mit  kriechen- 
der prosa  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  5,  46;  in 
anderen  fällen  mehr  oder  minder  abschätzig,  m,it  dem  bei- 
sinn des  prahlerischen:  Stine  folgte,  weil  sie  nicht  sitzen 
bleiben  und  groszartig  die  dame  spielen  wollte  Fon- 
tane I  5,  22;  wenn  ich  aber  sagte:  gut,  so  bewirb  du 
dich,  machte  er  den  groszartigen  Ebner -Eschenbach 
2,  314;  er  war  zu  groszartig,  um  zu  fusz  zu  gehen 
Frenssen  Jörn  TJhl  (1902)  86;  gruszärtiges  vulk,  dos  sich 
ni  emol  vor  ene  griszen  kann  Müller-Fraureuth  i, 
444'*;  mundartlich  schlieszlich  geradezu  'vornehm,,  reich, 
hochgestellt',  aber  mit  scheltendem  heisinn,  ib.;  gruszart'g 


reden  Schriftdeutsch  sprechen,  ib.;  von  der  prahlerischen 
groszen  gebärde  in  that  und  rede:  der  lieutenant  .  .  liesz 
sich  ein  glas  hier  auf  das  pferd  reichen,  schleuderte 
das  geleerte  glas  groszartig  auf  die  steine  G.  Freytag 
13,  86;  was  die  leut  sagen!  erwiderte  der  Adams -Lieb 
groszartig  0.  Ludwig  2,  52;  da  heiszt  es  immer  so  grosz- 
artig: ich  habe  eine  religion  der  that  G.  Hauptmann 
eins,  menschen  (l89l)  88;  etwas  flnders:  es  wirkt  doch 
groszartig,  .  .  seine  frau  begraben  und  .  .  über  wissen- 
schaftliche fragen  diskutieren  Schnitzler  d.  grüne 
kakadu  (i899)  64;  es  handelt  sich  jetzt  nicht  darum,  so 
groszartig  oder  so  tiefsinnig,  sondern  so  vernünftig  zu 
sein  als  möglich  liebelei  70. 

GROSZARTIGKEIT,  /.,  nicht  in  allen  bedeutungen  des 
adj.  gleich  entfaltet. 

1)  wenig  üblich  im  eigentlichsten  sinn  des  adj.  {s.  d.  l), 
von  groszer  artung  innerer  anlagen  des  Tnenschen  {auch 
hier  gewöhnlich  schon  mit  dem  gefühlsmäszigen  beisinn 
von  2) :  eine  gewisse  groszartigkeit  und  Universalität  der 
anschauungen  in  Müller  imponirte  ihm  Fr.  v.  Gentz 
sehr.  1,  230;  hierin  liegt  eben  groszartigkeit  der  ganzen 
natur  R.Wagner  9,  54;  ein  Charakter  wie  Richard  III. 
konnte  auch  nur  in  durchaus  poetischer  haltung  ent- 
faltet werden,  ohne  von  seiner  groszartigkeit  zu  ver- 
lieren 0.  Ludwig  5,  79;  öfter  mit  einer  besonderen  note: 
der  graf,  berühmt  durch  die  groszartigkeit,  womit  er 
seiner  'himmlischen  Seraphine'  thun  und  treiben  igno- 
rirte  Holtei  erz.  sehr.  7,  234;  reiner  tritt  die  grundbe- 
deutung  des  adj.  hervor  in  geivissen  gebrauchstoeisen,  die 
sich  an  groszartig  2  anlehnen:  sie  {die  Hellenen)  fanden 
in  ihr  {der  tonkunst)  .  .  .  einfache  groszartigkeit  K.  0. 
Müller  Darier  2,  319;  die  einfache  groszartigkeit  der 
ersten  kapitel  der  genesis  Raabe  hungerp.  1,35;  der 
landschaftliche  grund  .  .  stimmt,  vermöge  seiner  einfalt 
und  groszartigkeit,  mit  dem  ernst  der  darstellung  über- 
ein Göthe  49,  1,  373  W.;  ob  das  werk,  ungeachtet  seiner 
groszartigkeit,  nicht  von  einem  spätem  meister  herrührt 
H.  Meyer  gesch.  d.  bild.  künste  1,  295;  an  3  streifend: 
die  behandlung  des  materials  nicht  nur  im  sinne  einer 
habituellen  groszartigkeit  der  technik  Fr.  Th.  Vischer 
ästh.  8,  1,  139;  zum  folg.  hinüberführend:  was  hier  my- 
thus  ist,  wird  dort  märchen,  verliert  dabei  an  grosz- 
artigkeit und  gewinnt  an  menschlicher  zugänglichkeit 
Ratzel  völkerk.  2,  311. 

2)  am  häufigsten  in  der  bedeutung  gesteigerter  form 
und  erweiterter  masze,  immer  zugleich  als  ausdruck  der 
gefühlsmäszigen  oder  icertenden  reaction  des  menschen  auf 
die  erscheinung  {vgl.  groszartig  3 — 5):  vor  dem  erstaun- 
ten blicke  entrollt  sich  in  überwältigender  groszartig- 
keit der  Durmitor  Hassert  reise  d.  Montenegro  125;  alles 
dies  vereint  gibt  ein  bild  von  wilder  groszartigkeit  All- 
mers  marschenb.^  Zi:-,  auf  anderer  linie:  die  groszartig- 
keit Londons  Heine  8,  439  E.;  die  ungemeine  frucht- 
barkeit  und  groszartigkeit  der  Römer  in  nicht  religiösen 
bauten  Fr.  Th.  Vischer  ästh.  3,  2,  297;  als  bei  erschei- 
nung des  landvvehredikts  .  .  jeder  über  die  groszartig- 
keit dieser  Schaffung  erstaunte  Wilhelm  I.  milit.  sehr. 
1,  165;  zu  groszartig  4:  der  kornhandel  ward  .  .  schon 
mit  einer  gewissen  groszartigkeit  betrieben  Jhering 
geist  d.  röm.  rechts  2,  i,  244;  bleibt  der  Charakter  dieser 
älteren  forscher  immer  ehrwürdig  wegen  der  Unschuld 
und  groszartigkeit  ihrer  bestrebungen  Fr.  Creuzer  symb. 
u.  myth.  1,  257;  groszartigkeit  der  entwürfe  {bei  Friedrich 
d.  Gr.)  Döllinger  akad.  vortr.  3,  209;  und  mannigfach 
sonst:  obgleich  sie  {die  erdbebenkatastrophe  von  Lissabon) 
in  ihrer  groszartigkeit  vereinzelt  steht  Peschel  völkerk. 
326;  die  groszartigkeit  dieses  zuges  {über  die  Alpen)  Ker- 
ner bilderb.  289;  von  .  .  .  ihrer  {der  revolution)  impo- 
santen, weltumschaffenden  groszartigkeit  .  .  .  darf  der 
lehrer  nichts  sagen  F.  v.  Sallet  5,  319 ;  nicht  ohne  phan- 
tastische groszartigkeit  ist  jene  Vorstellung,  dasz  die 
kirche  eine  himmel  und  erde  .  .  .  umfassende  gemein- 
schaft  bilde  Ranke  w.  2  i,  207. 

8)  wo  der  beisinn  von  prunk,  fülle,  aufwand  die  be- 
sondere färbung  des  subst.  ausmacht,  in  gleicher  mannig- 
fälügkeit  wie  das  adj.  {s.  d.  6) :   dasz  die   neu   sich  bil- 

33* 


519 


GROSZÄTTE  —  GROSZBÄRTIG 


GROSZBASE  -  GROSZBOTSCHAFT   520 


dende  kirche  in  groszartigkeit  und  glänz  ihrer  erschei- 
nung  sich  mit  der  bisherigen  hierarchie  .  .  .  nicht  .  .  . 
messen  konnte  Ranke  werke'^  2,  343;  nichts  ist  ge- 
mein natürlich  daran  und  doch  keine  spur  leerer,  con- 
ventioneller  groszartigkeit  H.  Grimm  Michelangelo  1, 151; 
anders:  die  frau  .  .  entwickelt  groszartigkeit  und  tum- 
melt sich,  die  fremden  gaste  lukullisch  zu  bewirten 
Gutzkow  w.  l,  93;  höchstens  die  hochzeiten  und  be- 
gräbnisse  mögen  sich  durch  eine  gewisse  groszartigkeit 
auszeichnen  Allmers  marschenb.^  315;  tcieder  anders: 
dieser  unglückliche  hatte  einen  jungen  mann  voll  'grosz- 
artigkeit' erwartet  und  fand  einen  abscheulichen  kra- 
kehler  Gutzkow  zauberer  v.  Born  4,  68;  u7id  so  auch 
mundartlich:  ' groszartiges  wesen,  prahlsucht'  lux.  ma. 
156^;  nichts  ist  wirksamer  für  den  erfolg  eines  gelehr- 
ten .  .  als  aplomb  in  seiner  haltung,  groszartigkeit  im 
abfertigen  Justi  Winckelmann  2,1,77;  Ilona,  sich  noch 
einmal . .  umwendend,  mit  aifektierter  groszartigkeit:  auf 
wiedersehen!  Schnitzler  Anatol  (i90i)  206. 

GROSZÄTTE,  m.,  groszvater:  progenitor  Frisius  dict. 
1070;  dem  groszäti  giengs  eben  so  Ulr.  Bräker  1,14; 
auch  heute  noch  allgemein  auf  alem.  boden,  vgl.  Staub- 
ToBLER  1,  586;  Martin-Lienhart  1,82;  Fischer  schwäb. 
3,856.  —  groszauge,  n.,  zunächst  ein groszes  äuge:  grosz- 
auge  des  stolzes  Schubart  nach  zs.f.  d.  w.  ii,  112;  dann 
ein  wesen  mit  groszen  äugen  (vgl.  grosz  III 4  c) ;  als  schmei- 
chelname  für  ein  kind  Herb.  Eulenberg  Anna  Wa- 
lewska  (1899)  llO;  name  einer  art  von  meerbrassen,  sparus 
boops  Campe,  vgl.  Oken  6,  229 :  man  hiesse  sie  {die  fische) 
nur  grosz -äugen  Chr.  Reuter  Schelm.  37  ndr.;  schon 
Diefenbach  notiert  groszaugen  s.  v.  bupthalmus  gloss. 
84";  bei  Oken  6,  629  auch  für  eine  gruppe  der  ainphibien. 
—  groszäugig,  adj.  l)  was  grosze  äugen  hat:  grosz- 
augeter  mensch  o.  thier  Diefenbach  84°  s.  v.  bupthal- 
mus; groszeugig  turgidulis  oculis  Stieler  69;  der  Persier 
Zeniat  . .  {war)  fast  lang,  groszäugig  J.  B.  Porta  physiogn. 
(1601)420;  diese  groszäugige  grille  J.  G.  Schmidt  roc&en- 
phil.  2, 157;  mannigfach  übertragen:  die  groszäugige  win- 
tersonne Jean  Paul  5,  58  Hempel;  groszäugige  käse  H. 
V.  Barth  Kalkalpen  486 ;  'schaal  vom  bier,  weil  es  grosze 
blasen  schäumt'  Rüdiger  Zuwachs  2,  80;  in  naturwissen- 
schaftl.  terminologie:  der  groszäugichte  raubkäfer  allg. 
dtsche  bibl.  50,496;  die  groszäugige  schnauzenassel  Oken 
5, 611;  8  arten  groszäugiger  ichthyosauren  A.  v.  Humboldt 
kosm.  1,  287.  2)  7iicht  selten,  wie  grosze  äugen  {s.  grosz 
I  B  1  a  ;^)  prägnant  als  zeichen  eines  affects;  namentlich 
als  ausdruck  der  Verwunderung:^ 

wer  selbst  denket,  und  nicht  groszäugig  anstaunt 

Klopstock  Oden  2,  121  M.-P.; 

der  groszäugige  bewundrer  steht  in  kurzem  da,  wie  .  . 
Loths  weib,  die  salzsäule  Herder  22,  222  S.;  das  mäd- 
chen  .  .  hörte  groszäugig  den  fabelhaften  erlebnissen  zu 
H.  Hesse  diesseits  (1907)  147;  sahen  sich  beide  grosz- 
äugig verschreckt  an  F.  Holländer  Thomas  Truck  l,  15; 
schmachtend  groszäugige  gesiebter  Heine  3,  258  E.;  vgl. 
der  groszäugigte  verdacht  Schiller  3,  132  G.  —  grosz- 
bänker,  7n.,  'ein  bankmeister,  tvelcher  das  recht  hat, 
seine  wäre  in  einer  groszen  bank,  d.  i.  öffentlichen  bude, 
zu  verkaufen'  Krünitz  20,  132;  wie  auch  iedweder  flei- 
scher  {musz)  seine  fleisch-banck  haben,  und  werden  da- 
selbst {in  Breslau)  in  grosz-  und  kleinbäncker  getheilet 
A.  Beier  von  Werkstätten  (l69l)  20.  —  groszbart,  m.. 
barbone  Kramer  teutsch-ital.  l,  569 '';  mein  lieb  herr 
grosbart  (von  Paulus)  Hayneccius  Hans  Pfriem  62  ndr.; 
als  schelte,  anscheinend  im  sinne  'prahler':  der  groszbart 
Kessel  Schweinichen  denkw.  (1878)  388.  —  groszbär- 
tig,  adj.,  barbuto  Kramer  teutsch-ital.  1,569*';  ein  alter 
groszbärtigter  mann  H.  C.  Arend  gedechtnis  der  ehren 
.  .  .  Albrecht  Dürers  (1728)  §  12;  den  groszbärtichten 
.  .  bock  Lohenstein  Armin.  2,  206'';  die  groszbärtige 
schwalbe,  die  ziegenmelkerin  Lichtenberg  verm.  sehr. 
(1800)  1 ,  339 ;  im  17.  und  18.  jh.  aber  häufig  auch  in  un- 
eigentlicherem gebrauch  'ehrwürdig ,  angesehen':  wann 
einer  grosz  bärtige  männer  .  .  .  erkaufen  kan,  kan  er 
seine  falsche  sache  wol  hinauszführen  türk.  vagant 
(1683)  34;   unterstund  ich  mich  nicht,  diesen  hochspre- 


chenden und  groszbärtigen  männern  meinen  beifall  zu 
versagen  Gottsched  iwcian 57;  in  jenen  dunkeln  zeiten, 
wo  man  einen  einfall  eines  groszbärtigen  mannes  mit 
dem  geschrei  aufnahm:  in  proverbium  abeat!  J.  T.  Her- 
mes misz  Fanny  1,  216;  vgl.  wann  die  alten  groszbärtigen 
vocales  reden,  musz  .  .  ein  junger  diphtongus  kein  muta 
.  .  seyn  Tölpel  bauernmoral  (1752)  26.  —  groszbase, 
/.,  avita  magna,  soror  avi  Sghottel  haubtspr.  259;  pro- 
amita  Stieler  100;  die  kammer  ihrer  groszbase  Ros- 
egger  II  8,  311 ;  wie  grosztante  {s.  d.  schlusz)  auch  mit 
einem  besonderen  accent:  gelungen  ist  es  der  mode  .  . , 
die  sitte  .  .  lächerlich  zu  machen  und  als  eine  alte 
runzlichte  und  grämliche  groszbase  hinzustellen  E.  M. 
Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  2,  158.  —  grosz- 
bauch,  m.,  ventriosus  CoRviNUS  fons  latin.  949;  der 
groszbauch  und  rothbart  Schweinichen  denkio.  (i878) 
404  (hier  anscheinend  übertragen  'prahlhans' ,  s.  o.  grosz- 
bart); solte  sich  dieser  groszbauch  nicht  in  seine  seele 
Schemen  Herberger  herzpost.  (1613)  i,  735;  weil  mich 
dieser  gute  alte  groszbauch  ganz  enge  an  sich  druckte 
la  doppia  impiccata  (1668)  172.  —  groszbäuchig,  adj., 
ventricosus  BiEFEi^BACH  611^;  darzu  seind  die  selsorger 
mester  worden  irer  leib,  feist,  groszbauchet  Stein höwel 
Spiegel  menschl.  lebens  (1479)  180^;  die  heuschreck  ist  ein 
unflätig  groszbäuchig  thier  J.  Schmidt  christl.  gottwol- 
gefäll.  busz  (l67l)  171;  häufig  von  schicangeren : 


samb  wer  er  ein  grossbauchent  weib 

H.  Sachs  17, : 


K.-G. ; 


(mause)  die  auss  müter  leibe  geschnitten  schon  selbs 
grossbeuchig  waren  Heyden  Plinius  291 ; 

grosbeucbet  gangen  nrjit  unglukke 

Schede  psalm.  29  ndr.; 

mannigfach  übertragen:  runde  kürbisz  und  groszbeuchete 
J.  B.  Porta  natürl.  magia  (1617)  194;  in  dem  groszbäu- 
chigten  backtroge  J.  G.  Schmidt  rockenphil.  2,  53;  ein 
groszbäuchichtes  gläsern  gefäsz  J.  J.  Woyt  thes.  (1696) 
308;  eine  mächtig  groszbäuchige  Weinflasche  Heine  3, 
390  E.  —  groszbauer,  m.,  'ein  vollständiger  bauer,  ein 
pferdner  oder  pferdebauer;  zum  unterschiede  von  einem 
kleinbauern  oder  hintersassen'  Krünitz  20,  132;  sein 
grosz-bauer  hatte  einmahl  was  kostbahres  essen  wollen 
Kuhnau  music.  quacksalber  168  lit.  denkm.;  der  grosz- 
bauer Traugott  Büttner  W.  v.  Polenz  Büttnerbauer  1,  1; 
moviert:  ich  möchte  aber  doch  auch  groszbäuerin  sein 
Auerbach  18,  3i;  dazu  composita  wie  groszbauern- 
gut  Conrad  handwb.  d.  staatswissensch.^  7,  1054;  -hof 
Rosegger  I  3,  37;  -Wirtschaft  Conrad  2,  438.  — 
groszbesitz,  m.,  groszgrundbesitz :  mr.  Gurdon  hält 
den  groszbesitz  fest  V.  A.  Huber  sociale  fragen  l,  26; 
trat  neben  den  groszbesitz  ein  mittlerer  von  100 — 10  ha 
Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  178;  entsprecliend  grosz- 
besitzer  =  groszgrundbesitzer  Con rad  handwb. d. staats- 
wissensch.^  1,  123;  groszbesitzung:  in  Africa  aber  gab 
es  .  .  .  ausgedehntere  groszbesitzungen  Mommsen  röm. 
gesch.  5,  648. 

GROSZBETRIEB,  n.,  das  betreiben  irgend  eines  zweiges 
der  wirthschaftlichen  production  oder  des  ericerbslebens 
im  groszen:  vortheile  .  . ,  die  der  groszbetrieb  .  .  vor 
dem  Zwergbetrieb  voraus  hat  V.  A.  Huber  soc.  fragen 
4,  6;  immer  mehr  den  fabrikmäszigen  groszbetrieb  an 
die  stelle  des  handwerksmäszigen  kleinbetriebes  .  .  zu 
setzen  Lassalle  ausgew.  reden  u.  sehr,  l,  37;  aber  erst 
gegen  ende  des  19.  jhs.  allgemein  verbreitet :  den  bauern- 
stand  ruinirt  die  .  .  maschine  und  der  groszbetrieb  Ros- 
egger II  2,  65;  in  der  Seeschiffahrt  nimmt  der  grosz- 
betrieb zu  V.  Alten  4,  59i;  dann  auch  concret:  alle 
betriebe  werden  mehr  und  mehr  groszbetriebe  H.  v.  Kah- 
lenberg  Eva  Sehring  39;  die  Vorarbeiter  in  den  grosz- 
betrieben  Conrad  handicb.  d.  staatsioissensch.'^  5,  822.  — 
groszbote,  m.,  böte  von  rang,  gesandter:  er  wolle  mein 
grossbott  seyn  und  solches  Jungfrau  Melisa  einhändigen 
HARSDÖRFER/rawenz.  gesprächsp.  8,  400;  aus  diesen  wählt 
der  kaiser  .  .  die  groszboten,  welchen  er  sendschaften 
auftragen  will  E.  M.  Arndt  geist  d.  zeit  3,  364.  —  grosz- 
botschaft,  /.,  ambassade:  die  absendung  einer  grosz- 


521  GROSZBOTSGHAFTER  —  -DEUTSCHLAND 


GROSZDING,  GRÖSZE  A  i.  2 


522 


botschaft  nach  Frankreich  ciiat  bei  Campe;  entsprechend 
groszbotschafter,  ein  im  älteren  i9.  jh.  oft  begegnen- 
des wort:  kamen  die  englischen  groszbotschafter  im  spät- 
herbst  1814  in  Wien  an  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s. 
l.  Deutschen  3,  148;  als  Talleyrand  noch  lebte  und  als 
groszbotschafter  .  .  von  hof  zu  hof  rollte  J.  Gotthelf 
21,  271.  —  groszbrodig,  -brotig,  adj.,  aufgeblasen, 
eingebildet,  geschwollen,  protzenha/t  Müller-Fraureuth 

1,  444^;  ein  thür.-obersächs.  wort;  vgl.  Jecht  44^;  grosz- 
brötsch  Bruns  volksw.  a.  d.  prov.  Sachsen  26;  groszprottig 
Kleemann  beitr.  zu  e.  nordthür.  id.  16";  auch  bei  dem 
nicht  seltenen  literarischen  vorkommen  verrät  sich  dies 
Ursprungsgebiet:  dieser  groszbrodige  schuft  von  einem 
kammerdiener  W.  v.  Polenz  Büttnerbauer  2,  207;  sein 
groszbrodiges  prahlen  und  absprechen  über  Kaulbach 
J.W.  Grosse  urs.  u.  ivirk.  162;  er  .  .  sagte  in  grosz- 
brodigem  tone  zu  seiner  frau  Ompteda  Eysen  (1900)  l, 
179;  wie  protzen  zu  der  im  nd.  reich  entwickelten  sippe 
von  prat,  pratt  stolz,  prahlerisch  Doornkaat-Koolman 

2,  755*;  prot  Schambach  159'»;  dazu  das  aubst.  grosz- 
brod,  m.,  prahler.  groszthuer  Rüdiger  zmcachs  2,  80; 
Alb  recht  Leipz.  126'';  man  schalt  ihn  insgeheim  meister 
Duns  und  ritter  Groszbrod  MusÄus  volksm.  (1826)  l,  83. 
—  groszbuch,  n.,  codex  Diefenbach  98";  in  fester 
vericendung:  das,  nachdem  ain  gut  vergannt  ist  worden, 
alszdann  nit  stat  habe  die  hülf  des  zwaiten  gesatz  im 
groszbuch  gantrecht  (l566)  G  2». 

GROSZBÜRGER,  m.:  das  kleine  bürgerrecht  wird  auf 
ebenmässige  weise  wie  das  grosse  gewonnen,  nur  allein 
dasz  die  so  es  gewinnen,  so  viel  geldes  der  wette  nicht 
als  die  grosz-bürger  abgeben  müssen  G.  R.  Curicke  d. 
Stadt  Danzig  hist.  leschr.  (1688)  132^;  'in  kleinen  Städten 
haus-  und  grundbesitzer'  Frisghbier  1,  255";  'zur  zeit 
des  Ordens  erhielten  ansiedier  in  städten  häuser  mit  bau- 
gerechtigkeit  und  den  ehrentiiel  groszbürger'  ib.  mit  nach- 
weisen;  städte,  wo  ein  gelehrter  nichts  gilt,  weil  er  nicht 
officiant,  nicht  kaufmann  und  nicht  groszbürger  ist 
J.  T.  Hermes  meine  .  .  geschichte  2,  134;  in  jüngerer  zeit 
iveniger  technisch  der  durch  besitz  gehobene  bürger:  bürger 
sind  wir  alle,  der  arbeiter,  der  kleinbürger,  der  grosz- 
bürger Lassalle  ausgew.  red.  u.  sehr,  l,  195;  dem  Ber- 
liner klein-  und  groszbürger  fehlte  schon  damals  das 
.  .  staatliche  Pflichtgefühl  Meinegke  Boyen  2,  265.  dazu 
groszbürgerlich  Doren  Florentiner  ivolltuchind.  20; 
groszbürgerschaft  Meinecke  Boyen  l,  28.  —  grosz- 
darm,  «i.,  alte  bezeichnung  für  den  dickdarm  {oder  theile 
von  ihm),  also  grosz-  im  sinne  I  A  2;  grozdarm  extalis 
ahd.  reichlich  bezeugt  Graff  5,226;  extalis  Diefenbach 
219";  Colon  133";  intestinum  colon  Junius  nomencl. 
(1567)  34". 

GROSZDEUTSCH  hiesz  in  der  ersten  deutschen  national- 
versammlung  die  partei  und  späterhin  die  anhängerschaft 
der  idee,  die  auf  schaßung  eines  bundesstaates  hinzielte, 
der  alle  deutschen  stauten  einschlieszlich  Österreichs  um- 
faszte:  an  die  Groszdeutschen  Überschrift  bei  G.  Pfizer 
weder  jetzt  das  direktorium  (1849)  14;  (männer)  die  in 
Frankfurt,  wo  man  groszdeutsch  ist,  für  und  in  Berlin, 
wo  man  preuszisch  ist,  gegen  die  reformakte  sind  Las- 
salle ausgeiv.  red.  u.  sehr.  2, 199;  die  sehr  lauten  grosz- 
deutschen demokraten  {ivollen)  den  eintritt  Badens  in 
den  Norddeutschen  bund  nicht  G.  Freytag  22,  412 ;  das 
wort  ist  in  diesem  specifischen  sinn  eine  prägung  aus 
den  tagen  der  Paulskirche,  vgl.  Gombert  zs.f.  d.  10.  3, 
313;  als  gelegenheitsbildung  schon  öei  Jean  Paul:  später 
lernte  ich  diesen  ächten  Ur-  und  Grosz-deutschen  näher 
kennen  (Gleim)  w.  11-14,  380  Hempel,  d.  h.  einen  Deutschen 
in  groszem  sinne  (parallelbildungen  Jean  Pauls  unter 
grosz  III  4  1).  entsprechend  Groszdeutschland:  Per- 
thes hatte  so  sehr  Groszdeutschland  im  äuge,  dasz  er 
darüber  fast  mit  Niebuhr  verfallen  wäre,  der  allein 
Preuszen  (was  man  jetzt  in  Frankfurt  Kleindeutschland 
nennt)  im  äuge  hatte  W.  Menzel  lit.  bl.  v.  17.  märz  1849, 
80";  unsere  {Berliner)  akademie  wird  .  .  das  centrum 
für  die  weitere  fortführung  des  werkes  unter  betheiligung 
der  Wiener  und  Münchener.  hier  ist  also  wieder  ein 
stück  Groszdeutschland  gerettet  E.  Curtius  lebensb.  in 


briefen  626;  anders,  als  Übersetzung  von  Germania  magna: 
das  rechte  Rheinufer  war  Grosz-Deutschland  Fr.  L.  Jahn 
2,  1,  422;  und  so  schon  früh:  zöge  mit  heeres  krafft  über 
den  Rhein  in  grosz  Teutschland  B.  Hertzog  chron.  alsat. 
(1592)  1,  11 ;  auch  dies  in  besonderem  sinne  schon  bei  JeaU 
Paul:  leider  ist  bis  zu  gegenwärtiger  minute  .  .  Klein- 
deutschland im  gegensatze  von  Groszdeutschland  so  un- 
glaublich wenig  bekannt  w.  27-29, 249,  wo  Kleindeutschland 
etwa  im  sinne  von  kleinstad  t  verstanden  ist.  —  groszding, 
71.,  'eine  in  Breslau  übliche  benennung  des  ordentlichen 
Stadtgerichtes'  Krünitz  20,  132;  in  dem  groszdinge,  wel- 
ches man  .  .  auch  sonst  das  stadtrecht  nennet,  werden 
gefördert  .  .  alle  bürgerliche  Sachen  Bresl.  gerichtsordn. 
(1591)2. 

GRÖSZE,  /.,  bereits  ahd.  als  grozi  reichlich  bezeugt 
Graff  4,  337;  formen,  die  auf  die  Seitenbildung  *gr6zin 
zurückweisen,  zum,al  auf  alem.  boden  bis  ins  ältere  nhd.: 
grössin  immanitas  Diefenbach  nov.  gl.  210";  teylsanr- 
keit  liplicher  grössin  gloss.  477"  s.  v.  quantitas  mobilis; 
gestalt  und  grössin  Keisersberg  schiff  d.  pön.  53*;  die 
grössin  des  diepstalls  Carolina  l,  87  Kohler- Scheel;  von 
wegen  der  grössin  der  hülen  Xylander  Polybius  247; 
vgl.  auch  A  2  a  of .  B  9  a ;  die  abstractbildung  mit  dem 
Suffix  -ida  erscheint  nur  ganz  selten:  di  grozede  der  stat 
{Rom)  myst.  1,  25  Pfeiffer;  eyn  groszde  eynr  persone 
Diefenbach  nov.  gl.  347"  s.  v.  statura;  wohl  aber  in 
modernen  nd.  maa.:  gröted©  Bauer-Collitz  4l";  gröde 
Leihener  Cronenb.  47. 

A.  entsprechend  der  eigentlichen  bedeutung  des  adj.  zur 
bezeichnung  quantitativer  Verhältnisse. 

1)  'dicke';  im  ahd.  die  vorherrschende  bedeutung:  grozi 
crassitudo  {eius  quatuor  digitorum)  Graff  4,  837 ;  grozze 
grossitudo  ib.;  seit  dem,  mhd.  seltener  als  nach  dem,  ent- 
sprechenden gebrauch  des  adj.  {s.  d.  I  A  2)  anzunehmen 
wäre: 

daz  kint  nam  an  der  lenge  zuo 
mer  denn  ez  an  der  groeze  tuo 

Lexer  1, 1095»  aus  einem  cod.  Pal.; 

die  grosse  oder  dicke  desz  baums  was  vier  klaffter  Fri- 
sius  dict.  1397";  grosse  des  leibs  und  dicke  corpulentia 
Calepin  XI  ling.  339";  speciell  von  der  schicangerschafb 
{vgl.  grosz  I  A  2  b) : 

nüt  lang  mocht  es  verborgen  sin 
durch  grössi,  die  von  der  geschieht 
man  an  den  frowen  allen  sieht 

Schweizer  Wernher  Marienleben  425; 

eins  tages  irer  müter  alle  sache  irer  grosse  ze  wissen 
thet  Arigo  decam.  353  lit.  ver. ;  bi  der  groeze  ^am  dicken 
ende'  ist  im  mhd.  eine  feste  toendung: 

euch  nim  ich  bl  der  groeze 

den  besem,  daz  mac  werden  schJn 

der  Wipfel  an  dem  rucke  din  Helbl.  3, 194; 

vgl.  Lexer  1,  1095». 

2)  hauptgebrauch,  entsprechend  grosz  I  B  1,  im  sinne 
einer  messenden  bezeichnung  von  umfang  und  ausdehnung, 
zunächst  angewendet  auf  concreta.  zwei  bedeutungen  sind 
auseinanderzuhalten : 

a)  gewöhnlich  dem  sinne  von  'umfang,  masz'  schlecht- 
hin nahekommend,  also  in  einer  bedeutung,  wie  sie,  nur 
abstr acter,  der  spräche  der  philosophie  geläufig  ist:  den 
begriff  der  grösze  .  .  kann  niemand  erklären  als  etwa 
so:  dasz  sie  die  bestimmung  eines  dinges  sei,  dadurch, 
wie  vielmal  eines  in  ihm  gesetzt  ist  Kant  3,  205  akad. 
ausg.;  kleinigkeiten ,  welche,  so  klein  sie  auch  seyn, 
nicht  ohne  einige  physische  grösze  seyn  Leibniz  dtsche 
sehr.  2,  331;  in  den  atomen  sind  keine  qualitäten  auszer 
grösze,  figur  und  schwere  Lange  gesch.  d.  material.  28; 
vgl.  schon:  atomis  die  neheina  grozi  ne  habent  Graff 
4,  337  aus  Notker;  eyn  punckt  ist  ein  solch  ding,  das 
weder  grösz,  leng,  breyt  oder  dicken  hat  Dürer  under- 
weysung  d.  messung  a  2». 

a)  wie  beim  adj.  wird  auch  hier  wieder  deutlich,  dasz 
grosz  von  haus  aus  als  raummasz  auf  das  volumen  eines 
dinges  zielt:  Egiptii  .  .  wänten,  daz  daz  herz  alliu  jär 
auf  nsem    ain   klain   grcezin   {corda  augeri  omni  anno) 


523 


GRÖSZE  A  2 


GRÖSZE  A  8 


524 


KoNR.  V.  Megenberg  hucli  d.  natur  27,  18;  solt  du  in 
der  gross  einer  zimlichen  bonen  auf  ein  mal  geben 
Rtff  confectbuch  18'';  ist  ihr  .  .  der  hals  in  grosse  aines 
kopfs  aufgethan  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  1,46";  sein 
{des  Sackerfalken)  grösze  ist  nachet  gleich  der  grösze  der 
aren  Mynsinger  v.falken  7;  iedes  kleyd  sol  nach  der 
grosse  des  leibs  gemodelt  .  .  sein  Seb.  Frangk  sprichw. 
1,  4*';  schiffe  von  allerhand  gröszen  Archenholz  Eng- 
land u.  Italien  l,  96;  fünf  pfeiler  von  der  grösze  einer 
dorfkirche  Moltke  sehr.  u.  denkwürd.  4, 157; 

mancher  schöpfrische  geist  berechnete  fernen  und  gröszen 
{der  gestirne)  Zaciiariä  poet.  sehr.  4, 185; 

entsprechend  grosz  I  B  1  a  e :  und  hattend  von  grösze 
wegen  der  wassern,  die  uffgangen,  nit  mögen  darkom- 
men TsGHUDi  chron.  helvet.  l,  209;  vgl.  wassergrösze 
regengusz,  Überschwemmung  Staub -Tobler  2,  807;  als 
physikalischer  terminus:  'scheinbare  grösze,  magnitudo 
apparens  .  .  .  eines  gegenständes  ist  die  scheinbare  ent- 
fernung  seiner  äuszersten  grenzen  voneinander'  Gehler 
4,  2,  1646;  die  scheinbare  grösze  der  sonne  1452;  mit  der 
Sinnesvariante  von  grosz  I  B  l  a  f : 

(sie  fanden)  der  brocken  grosz  und  kleine 
in  ebner  grösz  zwölf  körbe  voll 

Ringwald  evang.  m5*; 

zur  linken  ist  noch  ein  saal  mittlerer  grösze  Fr.  Schle- 
gel 6,  10; 

das  ding  (eine  kutsche)  hat  ohnehin  die  grösze, 

dasz  man  drin  wohnen  kann 

Müllner  dram.  werke  7, 108; 

auch  in  anwendung  auf  flächen,  doch  erst  seit  dem  nhd. 
(vgl.  grosz  I  B  i  b) :  modus  agri  ein  gewisse  grosse  oder 
mäsz  und  zal  desz  fälds  Frisius  dict.  ei^;  (der  see  ist) 
nach  seiner  grosse  vil  vischreycher  dann  der  ober  Stumpf 
Schwytzerchron.  405"';  ihre  (der  insel)  grösze  betrug  ohn- 
gefehr  fünfzehn  Stadien  Heilmann  pelop.  krieg  iSi;  die 
läge,  die  grösze,  die  grenzen  jedes  reichs  Lessing  7,  28 
M.;  ahnlich:  zu  irer  grosse  war  sie  (die  stadt  Paris)  ge- 
nugsamlich  fest  und  wol  erbauwet  buch  d.  liebe  9«;  es 
sey  aber  umb  eine  festung  der  grosse  .  .  nach  bewandt 
wie  es  wolle  Kirchhof  m,ilit.  discipl.  16;  si  {netze)  haben 
dann  die  recht  grosz  und  weit  österr.  weist.  10,  5;  vgl. 
groszes  garn  unter  grosz  I  B  l  b  « ;  die  verschiedene 
grösze  der  Öffnung  in  dem  fensterladen  Göthe  II  2, 
61  W.;  so  entspringt  des  gemessen  Viereckes  .  .  .  ein- 
feltige,  aber  des  dreieckes  zweifeltige  grösze  Reymers 
landrechnen  (1583)  E  2*;  die  grösze  des  optischen  winkeis 
Gehler  4,  2,  1442. 

ß)  in  anwendung  auf  die  längenausdehnung  mit  fühl- 
barer Zurückhaltung  {vgl.  grosz  I  B  1  c) :  spies,  des  grosse 
vergleicht  sich  einem  weberbaum  Wigkram  3,  231  lit. 
ver.;  mit  einer  anzahl  hölzerner  stäbe  und  stangen  .  . 
von  allen  gröszen  G.  Keller  S,  76;  nur  für  körperliche 
länge  seit  dem  nhd.  ganz  gewöhnlich:  welcher  ist  unter 
euch,  .  .  der  da  künde  eine  eile  lang  seiner  grosse  zu- 
setzen ?  Luc.  12 ,  25 ;  ob  es  {das  meszgewand)  auch  für 
unsern  pfarrherrn  were,  der  eben  in  euwrer  grösze  und 
dicke  ist  Kirchhof  wendunm.  2,  228  lit.  ver.;  sie,  die 
landleute,  waren  fett,  und  von  wenigstens  mittlerer 
grösze  J.  V.  Müller  l,  33;  doch  auch  bei  der  anwendung 
auf  menschen  nicht  selten  zugleich  im  sinne  von  'leibes- 
umfang,  stärke';  daher:  die  grosse  oder  mächtige  des 
lybs  magnitudo  Maaler  193*;  die  leibs  masz,  die  grosse 
und  lenge  des  leibs  statura  Calepin  xi  ling.  1379*; 
rettige,  die  offt  eines  .  .  kindes  grosse  erreichen  Stieler 
zeitungs  lust  140;  so  empfand  man  auch  im  mhd.  ze 
mannes  groeze  komen  Lexer  l,  1095";  dasselbe  gilt  für 
fälle  wie:  so  überschritt  .  .  bei  darstellung  des  abend- 
mahls  Leonard  die  menschliche  grösze  um  eine  völlige 
hälfte  Göthe  49,  231  W.;  {ein  marmorbild)  in  natürlicher 
grösze  H.  P.  Sturz  sehr,  i,  8;  köpf  und  brüst  der  .  .  . 
bronze  in  der  grösze  des  Originals  H.  Meyer  gesch.  d. 
bild.  künste,  abbildg.  i^;  vgl.  schon:  ein  steinern  bild- 
nuss  .  .  in  lebens  grosse  Grimmelshausen  Simpl.  504 
Kögel;  vgl.  th.  6,  444. 

y)  eine  eigene  geschickte  hat  die  Wendung  (von)  der 
ersten  grösze;  ursprüngliche  anwendung: 


das  immergrüne  laub  bedeckt  der  lampen  schein, 
und  jede  wolt'  ein  stern  der  ersten  grösze  sein 

Chr.  Warnecke  ■poet.  versuch  374; 

aber  frühzeitig  und  häufig  bildlich: 

(herzogin)  die  .  .  die  halbe  weit 

gewisz  als  einen  stern  von  erster  grösze  hält 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  2,  40; 

das  ist  die  bahn,  auf  der  ihr  eine  leuchte  der  kirche, 
ein  stern  erster  grösze  .  .  werden  könnt  Lenz  i,  63  Tieck; 
vgl.  .ein  licht  der  ersten  grösze  {Kepler)  Gökingk  3,  275; 
dann  übertragen:  schriftsteiler  von  der  ersten  grösze 
Fr.  Schlegel  2, 178 ;  wo  es  (d.  gespenst) . .  als  Schauspieler 
erster  grösze  auftritt  B.  v.  Arnim  d.  buch  gehört  d.  könig 
1,  214;  aber  auch:  in  ganz  Europa  anerkannte  tropfe  von 
der  ersten  grösze  K.  Fr.  Gramer  Neseggab  i,  154;  ein 
Staatsverbrecher  der  ersten  grösze  Archenholz  Eng- 
land u.  Italien  1,  l,  18;  vgl.  dies  bei  einem  künstler 
ihrer  grösze  gleich  seltne  .  .  talent  Meissner  Alcibia- 
des  1,  widm.  2;  schlieszlich  auch  m.it  sächlichem  subjects- 
begriff:  wir  halten  sie  (landschaften)  für  die  meister- 
werke  erster  grösze  Stifter  14,  178  Sauer;  beides  sollen 
ströme  erster  gröszen  seyn  Ritter  erdk.  l,  506. 

b)  daneben  seit  alters  auch  prägnant  'von  beträcht- 
lichem umfang,  ausmasz':  grossy  vel  ungemessenheit  im- 
mensitas  Diefenbach  287^;  tm  übrigen  in  den  anwen- 
dungsformen  mit  a  a,  ß  parallel  laufend:  kunt  des  auch 
nit  ledig  usz  dem  halsz  werden,  von  grosse  des  bissen* 
brots  Eulensp.  11  ndr.;  gleichwie  die  geschmeidigkeit 
eines  edelgesteins  der  grosse  eines  maursteins  weit  vor- 
gezogen wird  ZiNKGREF  apophth.  (1628)  vorr.*6'^;  ob  sie 
(die  decorationen)  gleich  wegen  der  grosse  des  theaters 
.  .  sehr  guten  effect  thun  müssen  Göthe  III  2,  123  W.; 
wanns  an  der  grosse  gelegen  wäre,  so  erlielTe  ein  kuhe 
einen  hasen  Lehmann  florileg.  polit.  3,  480,  ein  bis  heute 
viel  variiertes  Sprichwort,  s.  Fischer  schwäb.  3,  856/.,- 
vgl.  auch:  kleine  leuth  haben  auch  ein  hertz  .  .  ,  es 
ligt  nit  allweg  an  der  grösz  seh.  xo.  klugr.  (l548)  9Z^,  hier 
im  sinne  der  längenausdehnung;  die  etwas  gekrümmte 
haltung  des  körpers  that  seiner  grösze  abbruch  Gaudy 
4,  67;  mundartlich:  bist  doch  du  a  grösze!  'wie  grosz 
bist  du/'  Reiser  sagen  d.  Allgäus  2,  534;  vgl.  Fischer 
schwäb.  8,  857;  auch  von  flächen:  wie  der  edel  Teurdank 
durch  die  gross  eines  segeis  ein  gros  not  leid  Teuer- 
dank 76; 

wer  schätzt  der  stolzen  thore  zier? 

wer  kann  der  dächer  pracht,  der  flügel  grösze  nennen? 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  40; 

häuflger  noch  in  Verbindung  mit  steigernden  adjectiven: 
(der  hagel)  was  als  michler  grösz,  das  sölicher  vor  nie 
nit  was  derschinen  erste  dtsche  bibel  3,  248  lit.  ver.;  einen 
granatapfel  ungemeyner  grosse  S.  v.  Birken  ostländ. 
lorbeerh.  B^;  backenbart  von  ungewöhnlicher  grösze  0. 
LuDVi'iG  ges.  sehr.  2,  310;  in  den  wald  .  . ,  der  sich  mit 
unsäglicher  grosse  durch  der  Trierischen  landtschaft  .  . 
zeucht  Ringmann  Cäsar  (1588)  47'';  ein  .  .  .  schlanker 
pfeiler  von  kolossaler  grösze  H.  Grimm  Michelangelo  l,  19; 
poetisch  auch  im  plural: 

er  (der  mensch)  miszt  das  weite  meer  unendlich   groszer 

gröszen 
Haller  ged.  46  Hirzcl; 
im  sinne  'weiten';  ähnlich: 

eh'r  stürzt  die  sonne  aus  des  himmels  gröszen! 

KÖRNER  2,  12  Hempel. 

3)  die  beim  adj.,  wenigstens  im  älteren  nhd.  sehr  ge- 
wöhnliche anwendung  auf  zahl  und  menge  {vgl.  I  B  2) 
zeigt  sich  beim  subst.  weniger  entwickelt:  sollen  die  pro- 
fusen die  wägen  nach  gelegenheit  und  grosse  der  regi- 
ment  .  .  theilen  Fronsperger  kriegsb.  i,  66'';  so  heute 
grösze  des  heeres,  der  familie  u.  a.;  god  süd  nicht  an 
de  groite  der  ghaue  Schiller- Lübben  2,  155'';  reich- 
thumb  ist  nicht  zuschetzen  aus  der  grosse,  sondern  aus 
dem  brauch  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg.  dd  l*;  die 
grösze  meiner  schuld  {gott  gegenüber)  Gottsched  ged. 
(l75l)  1,  196;  bei  der  schwäche  ihrer  kadres  und  grösze 
der  ersatzeinstellung  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkw.  7,  15; 
erforschung  .  .  der  grösze  seines  {des  münzstücks)  nenn- 


525 


GRÖSZE  A  4.  5 


GRÖSZE  A  6.  B 


526 


Werts  Luschin  v.  Ebengreuth  münzk.  2;  heute  üblicher 
höhe,  vgl.  grosz  I  B  2  b. 

4)  in  bunter  mannigfaltigkeit  auch  als  masz  von  in- 
concretem:  soll  man  sie  von  eim  gemeinen  nutz  besol- 
den, nach  grosse  ir  arbeit  Eb.  v.  Günzburg  l,  123  ndr.,- 
nach  der  gross  und  schwer  seiner  (gottes)  verliehenen 
gnaden  Ayrer  hist.  proc.  iuris  )(  S*»; 

du  hattest  gleictisam  ihn  (den  hof)  ins  kleine  nur  gebaut, 
doch  wies  er  schon  genug  die  grösze  deiner  (j)ewtes)gabQn 

Besser  1,  20  König; 

dasz  die  kaiserliche  macht  nicht  wieder  zu  überwiegen- 
der grösze  erwachsen  konnte  Ranke  werke''  l,  27;  des 
Unfalls  grösze  Ramler  fabellese  i,  179;  die  .  .  .  fähig- 
keiten  .  .  der  tiere  nehmen  an  stärke  .  .  zu  im  umge- 
kehrten Verhältnisse  der  grösze  .  .  ihres  würkungskreises 
Herder  5,  24  S.;  von  der  grösze  der  kampfspiele  W. 
V.  Humboldt  Pindar  43  lit.  denkm.;  'weite':  nicht  durch 
die  klänge  (accorde)  an  und  für  sich,  noch  durch  ihre 
grösze,  gestalt  und  figur  Mattheson  vollkommn.  capell- 
meister  17;  vgl.  die  grösze  und  weite  der  Intervallen  kl. 
generalbassch.  86;  'länge':  eine  rede,  die  ich  .  .  wegen  ihrer 
grösze  aber  besonders  werde  drucken  lassen  Schwabe 
belustig.  1,  216;  ungewöhnlich  ist  die  beim  adj.  nicht  sel- 
tene anwendung  auf  Zeitbestimmungen  {vgl.  I  B  3):  eine 
solche  richtige  oder  alwegen  gleiche  grosse  des  jahrs 
Thurneysser  alchymia  14;  vgl.  granditas,  proprie  acta- 
tis  magnitudo  grosse,  alte  Galepin  xi  ling.  625*;  un- 
deutsch und  wohl  nur  Übersetzung  von  'Quantität':  nicht 
zwar  das  wir  auf  art  der  Griechen  und  Latiner  eine 
gewisse  grosse  der  sylben  können  in  acht  nemen  Opitz 
poet.  40  ndr. 

5)  der  bedeutung  D  des  adj.  entsprechend  wird  grösze 
aus  dem  quantitätsbegriff  vielfach  eine  bezeichnung  der 
intensität,  also  'tiefe,  kraft,  stärke,  ein  hoher  grad  von 
etwas';  doch  wesentlich  nur  neben  bestimmten  gruppen  ab- 
stracter  begriffe;  besonders  in  anwendung  auf  eigenschaf- 
ten,  affecte,  innere  zustände  des  menschen  {vgl.  grosz  I 
Dia):  wüste  ihr  auch  die  grosse  meiner  affection  .  . 
gut  vorzubilden  theatr.  amoris  109;  die  grösze  meiner 
liebe  Gottsched  dtsche  schaub.  l,  268;  die  grosse  dess 
Verlangens  Spee  güld.  tugendb.  272;  Engeldruda  .  .  würt 
öch  nit  unbillich  zu  den  tugentrychen  frowen  gezelet 
umb  die  grössy  ieres  gemütes  stärke  des  mutes  Stain- 
HÖWEL  de  dar.  mul.  307  lit.  ver.;  von  der  grösze  der 
weibertücke  C.  Schulze  bibl.  sprichw.  118;  die  grösze 
des  leidens  Bodmer  saml.  crit.  poet.  Schriften  1,  113; 

wir  sehn  die  macht  der  vatertriebe, 
doch  ihre  ganze  grösze  nicht 

Gottsched  ged.  1, 114; 

das  der  mensch  nit  gon  mag  vor  ir  {der  krankheit)  grösze 
Gersdorf  wundarzn.  (I517)  47";  sie  haben  meinem  hunger 
.  .  eine  schmeichelhafte  grösze  zugeschrieben  Nestroy 
2,  12;  Homer  hat  eine  grösze  des  genies,  die  .  .  Ramler 
einl.  in  d.  schön,  vxissensch.  2, 197;  auf  anderer  linie:  als 
swarlichen  wiget  die  grözi  und  die  mengi  siner  grozen 
missetat  Seuse  dtsche  sehr.  258,  18  Bihlm.;  soltu  .  .  be- 
schawen  die  grösz  und  mänig  deiner  sünd  Keisersberg 
granatapfel  (1510)  65°;  von  grösze  der  unthat  Klopstock 
öden  2,  94  M.P.;  wann  sie  die  grösze  ihrer  laster  fühlen 
Schiller  l,  14  G.;  wieder  auf  einer  anderen:  do  mir 
ausz  grösze  der  far  die  statt  verschlossen  gewest  Hütten 
1,  448  Böcking;  bei  der  grösze  des  Wagestücks  Schiller 
8,  154  G.;  verzweifelung  kommet  aus  erwegung  der  grösze 
des  vorstehenden  Unglücks  Chr.  Wolff  gedanken  von 
d.  menschen  thun  276;  die  grösze  meines  Verlustes  Brem- 
ser 298;  um  den  im  vorigen  dargestellten  nuzen  in  sei- 
ner ganzen  grösze  hervorzubringen  W.  v.  Humboldt 
über  d.  Studium  d.  alierth.  33  lit.  denkm.;  auch  hier  greift, 
vjie  beim,  adj.,  die  Verwendungsmöglichkeit  im  älteren  nhd. 
weiter  als  heute:  die  grosse  der  fruchtberkeyt  wirt  ver- 
lieren die  grosse  des  mangels  erste  dtsche  bibel  8,  184 
lit.  ver.;  urtheilen  sie  auss  grosse  der  feuchtigkeit  auch 
die  vile  des  wassers  Sebiz  f eidbau  14;  von  der  gross 
{stärke)  der  selbigen  gedächtnüss  .  .  ist  nit  wol  zu  er- 
zölen Schwartzenberg  Cicero  52;  geradezu  'gewalt,  hef- 
tigkeit':  do  dl  grösze  der  seuche  alle  creffte  der  ertztey 


ubertratt  Sedunglegende  (1504)  a  5*;  so  sich  der  hertzog 
und  die  sinen  nicht  geweren  möchtind  von  grössi  des 
Überfalls  Tsghudi  chron.  helvet.  2,  9;  der  verzug  der 
strafe  {gottes)  wird  mit  deroselben  grosse  und  schärfe 
ersäzzet  Butschky  Pathmos  75;  die  strenge,  reuche  und 
grosse  der  kelte  frigoris  vis  Frisius  1389*;  die  grenze 
zwischen  der  intensiven  und  der  rein  quantitativen  bedeu- 
tung verschwimmt  nicht  selten: 

die  grösze  meiner  schuld  ist  über  mich  gestiegen 

Fleming  dtsche  ged.  1,  6  lit.  ver.; 

unter  dieser  herrschaft  wachs  das  sittliche  verderben 
zu  einer  Ungeheuern  grösze  Jung-Stilling  3,  468;  an- 
ders, an  B  9  d  streifend: 

und  alle  deine  (gottes)  wunder 

sind  sich  an  grösze  gleich      Brentano  5, 178. 

6)  eine  besondere  bedeutung  hat  die  vdssenschaftliche 
spräche  abstracter  disciplinen  entstehen  lassen:  der  be- 
stimmte begriff  von  einer  grösze  ist  der  begriff  der  er- 
zeugung  der  Vorstellung  eines  gegenständes  durch  die 
Zusammensetzung  des  gleichartigen  Kant  (1838^.)  8,  467 
Hart.;  die  mathesis  pura  ist  .  .  gleichsam  deren  {der  ver- 
nunftlehre) gebrauch  bei  den  gröszen  oder  bei  zahl,  maasz 
und  gewicht  Leibniz  dtsche  sehr.  1,389;  so,  abstract- 
concret,  als  fachausdruck  der  mathematik  viel  gebraucht, 
und  zwar  als  Verdeutschung  von  quantitas:  quantitas, 
eine  grösze,  heiszet  in  der  mathematik  alles,  was  sich 
vermehren  und  vermindern  lasset  Wolff  math.  lex.  (1716) 
1143;  schon  im  16.  jh.:  die  zaln  oder  grösen  werden  propor- 
tionales genennt,  welcher  proportion  in  ein  oder  durchausz 
über  ein  ist  Sim.  Jacob  rechn.  (1565)  lil*;  vier  quantiteten 
oder  grosse  seyn  .  .  in  gleicher  proportion  Sim.  Marius 
Euklid  (1610)  106;  weiteres  bei  Schirmer  zs.  f.  d.  w., 
beih.  14,  29/.;  wie  man  aus  der  summe  und  der  differenz 
zweyer  gröszen  die  gröszen  selbst  findet  F.  Th.  v.  Schu- 
bert verm.  sehr.  '2,lQ\  in  einem  rechnungsansatze,  wo 
auf  beiden  selten  die  gleichen  gröszen  gestrichen  werden 
D.  Fr.  Strausz  ges.  sehr.  8, 168;  das  aubst.  wird  in  neuerer 
zeit  auch  in  nicht  wissenschaftlicher  spräche  gern  gebraucht, 
giebt  dabei  seine  ursprüngliche  mathematische  determination 
mehr  oder  minder  auf  und  sinkt  nicht  selten  schon  zu  einem, 
farblosen  begriff  wie  'object,  ding'  herunter:  mir  . .  kommt 
sie  {die  dtsche  spräche)  noch  immer  zu  arm  vor  .  ,  nicht 
um  deszwillen,  weil  sie  eine  menge  von  gröszen  und 
eigenschaften  .  .  nicht  namentlich  angeben  kann  Moser 
5,  82;  wenn  man  an  die  stelle  des  tausches  der  natur- 
producte  eine  grösze  setzte,  die  denselben  dienst  darbot 
Gutzkow  w.  lo,  13;  eine  Umschreibung  der  aus  der  alten 
rhetorik  .  .  bekannten  gröszen  in  die  kunstsprache  des 
Systems  Justi  Winckelmann  1,  78;  auf  die  haarscharfe 
bezeichnung  dieser  untergeordneten  gröszen  {hügel,  höhe, 
berg)  kommt  so  viel  nicht  an  Ritter  erdk.  l,  74;  mit 
einer  ähnlichen  auflockerung  der  bedeutung  sind  auch 
einige,  der  wissenschaftlichen  terminologie  entsprungene 
attributive  Verbindungen  von  der  allgemeinen  spräche  über- 
nommen worden:  ermeszliche,  unermeszliche,  veränder- 
liche, unveränderliche,  unendliche,  kleine  (gröszen)  Wolff 
mathem.  lex.  (i734)  586;  zur  bestimmung  einer  oder  meh- 
rerer unbekannter  gröszen  Czuber  wahrscheitilichkeits- 
rechn.  l,  246;  heute  öfter  wortspielend  im  sinne  von  B  8, 
s.  d.;  die  bestimmung  des  Verhältnisses  zweier  gleich- 
artigen gröszen  Karmarsch-Heeren  ^e,  45;  wissen  sie, 
was  incommensurable  gröszen  sind?  A.  v.  Arnim  2,  100: 
die  lehre  von  entgegengesetzten  gröszen  Gottsched  d. 
n.  a.  d.  anm.  gelehrsamk.  8,845;  vergnügen  und  miszver- 
gnügen  mit  positiven  und  negativen  gröszen  .  .  zu  ver- 
gleichen Abbt  verm.  w.  3,  18;  so  kann  sie  {die  ethik)  .  . 
das  sich  überall  gleiche  von  dem,  was  sich  als  eine  ver- 
änderliche grösze  verhält,  absondern  Schleiermacher 
I  3,  4:  dasz  alle  unsere  empfindungen  flieszende  gröszen 
sind  Herder  16,  300  S.;  vgl.  Fouqu6  motivirt  gar  nicht, 
er  stellt  seine  beiden  wie  mathematische  gröszen  hin 
Hebbel  w.  12,  165. 

B.  entsprechend  der  sonderbedeutung  I  F  des  adj.  zur 
bezeichnung  innerer  maszverhältnisse ;  bei  persönlichem 
regena  besser  entfaltet  als  bei  sächlichem. 


527 


ÜROSZE  B  1—3 


GROSZE  B  4-6 


528 


l)  bezogen  auf  rang  und  stand,  geltung  und  macht 
{vgl.  grosz  I  F  1  a — c);  seit  dem  älteren  nhd.:  amplitudo 
grosse,  herrligkeit,  groszmechtigkeit  Calepinus  xi  ling. 
82";  der  halben  ich  dich  deiner  küniglichen  grosse  .  . 
ermane  Hütten  l,  373  Böcking;  ähnlich:  die  so  bisher 
mit  der  hohe  und  grosse  deynes  (des  papstes)  namen 
.  .  zubedrewen  sich  bemühet  haben  Luther  7,  3  W.; 
die  höhe  und  grosse  dynes  (Karls  V.)  obgemelten  titeis 
H.  V.  Cronberg  sehr,  l  ndr.,-  aber  erst  seit  dem  18.  jh. 
in  breiter  ausdehnung: 

0  hätte  dich  des  Stammes  grösze 
nicht  schon  den  sternen  gleich  gestellt 

Stoppe  Pamasz  15; 

und  weil  er  der  kriegsgöttin  sich  vertraut, 
hat  er  sich  diese  grösz'  erbaut 

SCHILLEE  12,  32  G.; 

um  sich  den  weg  zur  grösze  nicht  zu  versperren  (von 
einem  erzbischof)  Dahlmann  gesch.  der  frz.  revol.  114; 
bis  es  (das  glück)  mich  auf  den  gipfel  der  republica- 
nischen  grösze  erhoben  haben  würde  Wieland  Aga- 
thon  1,  337;  im  gegensatz  zu  innerer  grösze  (s.  u.  4): 
nichts  ist  äuszere  grösze!  Collin  Begulus  13;  hierher 
auch,  aber  leicht  ironisch:  durch  beyhülfe  seines  stockes 
aber  wird  seine  (des  bettelrichters)  grösze  erst  erkennt- 
lich Mayr  Päckchen  Satiren  66;  in  mancherlei  formel- 
haften Verbindungen: 

ein  schmählich  denkmal  der  gefallnen  grösze 

Schiller  12,  293  G.; 

dieses  bild  verlöschender  grösze  (der  totkranke  sultan) 
PÜCKLER  briefw.  und  tageb.  2,  391;  lebendige  beispiele 
von  der  Unbeständigkeit  aller  irdischen  grösze  G.  For- 
ster 2,  76;  als  ein  zur  ruhe  gesetzter  dynastensprosz 
.  .  kannte  er  die  Vergänglichkeit  aller  grösze  G.  Keller 
6,  102;  zum  folg.  hinüberweisend:  (Leo  IV.)  hatte  eine 
ahndung  der  künftigen  grösze  des  edlen  knaben  Hal- 
ler Alfred  9;  die  .  .  fürsten  hatten  die  aufkommende 
grösze  dieses  jungen  monarchen  immer  mit  misztrauen 
betrachtet  Ranke  werke^  i,  iis. 

2)  bezogen  auf  begabung,  können  und  Leistung  (vgl. 
grosz  I  F  1  d) :  Faust  war  ganz  durchdrungen  von  der 
grösze  des  doktors  Fr.  M.  Klinger  3,  122;  in  solchen 
kleinigkeiten  zeigt  sich  Shakespears  grösze  Göthe  22, 
165  W.;  Friedrichs  militärische  grösze  Nitzsgh  dtsche 
Studien  43;  Griechenland  kannte  für  jede  grösze  einen 
eignen  dank  W.  v.  Humboldt  Pindar  41  lit.  denkm.: 
gemüthskräfte  .  . ,  vermöge  welcher  Heinrich  Kleist  zu 
einem  dichter  von  ganz  eigenthümlicher  grösze  berufen 
war  FouQUE  gefühle,  bilder  l,  132;  an  i  grenzend:  würde 
dieser  so  sehr  verehrungswürdige  mann  (Leibniz),  dessen 
bescheidenheit  nur  seiner  grösze  glich,  die  dictatur  an- 
nehmen wollen?  K1.OPSTOGK  gelehrtenrep.  29;  etwas  an- 
ders in  fällen  wie:  die  grösze  des  philologen  besteht 
darin,  dasz  er  .  .  Hebbel  tageb.  4,  327. 

3)  für  sich  steht,  tveil  verschieden  gefärbt,  die  amcen- 
düng  auf  gott;  gewöhnlich  auf  der  linie  2,  auch  an  1 
und  5  streifend:  aber  dann  wirt  er  sich  sehen  lassen 
nach  seyner  grosse  und  maiestat  Luther  10,  l,  1,  44  W.; 
das  kleinste  davon  (von  den  werken)  zeigt  mir  die  grösze 
des  Schöpfers  Gottschedin  briefe  1,  69;  wenn  er  von 
gottes  grösze  und  alimacht  redet  Laube  2,  15;  grösze 
ist  dem  schöpfer  zur  last  gefallen,  und  er  hat  geister 
zu  vertrauten  gemacht  Schiller  s,  82  G.; 

fluch  über  meine  grösze, 
die  dich  zerschmettert!  sagt  Zeus  zu  Semele 

1,  339; 
vgl.  auch:  (mein  geist)  vergehet  von  deines  adels  und 
■willens  grosse  Joh.  Arno  Thom.  a  Kempisdß;  in  älterer 
spräche  kann  auch  die  räumliche  bedeutung  A  2  b  die 
Vorstellung  stark  bestimmen: 

din  groeze  kleinet  unde  ringet  sich, 

swenne  ich  dich  höhen  got  unt  nideren  menschen  sage 

minnes.  2,140»  v.  d.  Hagen; 
der  herr  ist  gros  .  .  und  seine  grosse  ist  unaussprech- 
lich ps.  145 ,  3  (vulg. :  magnitudinis  eius  non  est  finis)  ,- 
denn  ob  wol  .  .  seine  grosse  nirgends  ein-,  sein  wesen 


nirgends  auszuschlüssen  ist  Lohenstein  Armin.  1,  8^; 
noch  crasser:  (gott)  ist  ungemessen,  kan  mit  keiner  zahl 
in  seiner  weite  und  grosse  auszgesprochen  werden  Jag. 
Böhme  sehr.  2,  8. 

4)  bezogen  auf  geistige  und  gemüthliche  Qualitäten  (vgl. 
grosz  I  F  1  e) ;  erst  im  späteren  18.  jh.  recht  entfaltet,  u. 
zwar  in  sehr  verschieden  abgeschatteter  bedeutung:  die 
kindliche  grösze  der  brüder  Grimm  E.  Schmidt  in:  W. 
Sgherer  kl.  sehr.  1,  ix;  alles  strebt  in  ihm  zur  stillen 
grösz'  empor  Schubart  leben  u.  gesinn.  2,  81;  formel- 
hafte attribute: 

die  ird'sche  hoheit  sucht  des  tages  pracht, 
der  innern  grösze  frommt  des  dunkeis  hülle 

Droste-Hülshoff  2, 194  Seh.; 

männer  und  vorfalle,  die  ohne  innere  grösze  und  äuszere 
folgenwichtigkeit  in  einem  todten  andenken  erhalten 
sind  Niebuhr  röm.  gesch.  l,  8; 

ächter  grösze 
jauchzet  ihr,  Völker! 

EscHENHURG  beispielsamml.  4,  321 ; 

ein  mensch  ohne  .  .  wahre  grösze  Thibaut  üb.  d.  not- 
wendigk.  450;  neben  solchem  allgemeineren  gebrauch  gern 
auch  specieller  unter  hervorhebung  dieser  oder  jener  inne- 
ren kräfte  des  menschen  (vgl.  grosz  I  F  l  e  « — y):  um 
diese  dinge  in  aufsieht  .  .  zu  nehmen,  brauchts  grösze 
des  herzens  Lavatek  handbibl.  (i793)  l,i96;  aber  alle  ihre 
verbrechen  sind  mit  einer  gewissen  grösze  der  seele 
verbunden  Lessing  10,  131  M.,-  too  im  älteren  nhd.  ähn- 
liches aufzutauchen  scheint,  vielleicht  eher  im  sinne  der 
intensiven  bedeutung  A  5 :  wäre  guter  geben  grosse  des 
gemüts,  reichtumb  aber  ungestümmigkeyt  Seb.  Franck 
sprichw.  2,  187^;  edelmut,  grösze  des  geistes,  gute  des 
herzens  waren  die  grundzüge  seines  Charakters  S.  v. 
Laroche  frl.  v.  Sternheim  1,  2;  besonders  von  sittlicher 
grösze:  die  moralische  grösze  bestand  bey  den  .  .  Grie- 
chen in  einer  eben  so  unveränderlichen  liebe  .  .  als 
unwandelbarem  hasse  Lessing  9,  30  M.,-  die  grösze  und 
festigkeit,  womit  sie  es  (ihr  unglück)  trug  Brentano 
5, 192 ;  Jennaros  heroische  aufopferung  .  .  —  es  liegt  eine 
grösze  darin,  von  der  unsere  moralischen  schauspiel- 
dichter .  .  keine  idee  haben  E.  Th.  A.  Hofpmann  6,  87 
Gris.;  zum  folg.  hinüberleitend:  aber  mit  spartanischer 
grösze  sagte  das  genie  Fr.  M.  Klinger  10,  289; 

ist  ein  empfindend  herz  der  Ursprung  unsrer  pein: 
es  musz  der  Ursprung  auch  von  unsrer  grösze  seyn 

Cronegk  sehr.  2,  5. 

5)  in  anderen  fällen  mit  objectiverer  sinnesrichtung  u. 
zuweilen  stärkerem  nachklingen  von  raumvorstellungen 
'die  innere  hoheit,  erhabenheit,  würde'  (vgl.  grosz  I  F  1  f) : 
so  steht  nun  das  ganze  menschengeschlecht  in  seiner 
grösze,  herrlichkeit  und  erhabenheit,  in  seiner  niedrig- 
keit,  thorheit  und  erbärmlichkeit  .  .  .  auf  diesem  .  .  . 
schauplatze  Fr.  M.  Klinger  3,  x;  der  lehrt  mich  die 
grösze  und  die  bestimmung  unsrer  seele!  Sal.  Gess- 
NER  sclir.  1,  136; 

ich  glaube  meinem  gott  und  schau  in 
himmelsentzückungen  meine  grösze 

Hölderlin  1,  49  Litzm. ; 

die  Stimmung,  in  welche  der  dichter  sich  und  die  Zu- 
hörer versetzen  muszte,  war  daher  aus  empfindungen 
der  grösze  und  der  freude  vermischt  W.  v.  Humboldt 
Pindar ii  lit.  denkm.;  welche  überirdische  grösze  strahlte 
aus  jedem  blick  der  herrlichen  frau  E.  Th.  A.  Hoff- 
mann 2,  15  Gris.;  sein  stand  zeuget  von  der  ihn  er- 
füllenden grösze  (vom  Apoll  von  Belvedere)  Lavater 
physiogn.  fragm.  1,  132;  ähnlich  auch:  ein  Friedrich  hat 
.  .  mehr  poetische  grösze  als  ein  Richelieu  Schubart 
bei  D.  Fr.  Strausz  ges.  sehr.  8,  22. 

6)  eine  andere,  seltenere  form  mehr  objectiven  gebrauchs 
kommt  der  bedeutung  'auszeichnung,  rühm,  ehre'  nahe: 
sie  wird  die  band  segnen,  die  sie  schlägt,  und  in  ihr 
Unglück  eine  neue  art  von  grösze  und  triumpf  setzen 
Meisl  theatral.  quodlibet  l,  I66; 

suchst  du  das  unermeszliche  hier?  du  hast  dich  geirret, 
meine  grösze  ist  die,  gröszer  zu  machen  dich  selbst 
spricht  die  Peterskirche  Schiller  11,  257  Q. ; 


529 


GROSZE  B  7-9 


GRÖSZE  B  9 


530 


schon  das  mhd.  kennt  einen  vergleichbaren  gebrauch: 

frunt  Lazare,  komme  nu  her  fore, 
dasz  man  die  groisze  spore, 
die  got  an  dich  geleget  hot! 

Älsfelder  passionssp.  2282; 
so  wohl  auch,  und  nicht  zu  4: 

Basilius  der  gute, 

bewart  an  demute 

und  mit  vil  lügenden  riche, 

ist  ir  (der  gewaltigen  säule)  wol  geliche 

an  der  groze  die  er  hat  pass.  126,  33  K. 

7)  einen  eigenen  weg  hat  eine  präpositionale  wendung 
genommen:  so  zeigt  der  krieg  gegen  die  Sachsen  .  .  . 
Sigfrid  in  seiner  grösze  und  unentbehrlichkeit  Visgher 
ästhetik  3,  l,  26;  häufiger  reflexiv: 

doch  zeige  dich  in  deiner  ganzen  grösze 
uns  heut,  erhabne  kaisrinn,  nicht 

Mastalier  ged.  31 ; 

neuerdings  lieber  im  sinne  der  bedeutung  2:  in  dieser 
entdeckung  zeigte  sich  der  forscher  oder  auch:  das 
genie,  das  können  des  forschers  in  seiner  ganzen  grösze 
u.dgl.;  schlieszlich,  und  zwar  heute  sehr  gewöhnlich,  iro- 
nisch :  der  oheim  Grünebaum  fand  in  dieser  zeit  natür- 
lich zum  öftern  gelegenheit,  sich  in  seiner  ganzen  grösze 
zu  zeigen  W.  Raabe  hungerpastor  l,  263. 

8)  in  den  bedeutungen  1  und  2  gern  persönlich  ge- 
braucht: 

und  nun  sind  throne  nichts,  nichts  mehr  der  erde  gröszen 
Klopstock  Oden  1,99  M.-P.: 

Napoleon  sasz  als  dritte  grösze  in  Dresden  E.  M.  Arndt 
w.  1,186;  die  ersten  gröszen  der  Universität  JüSTiWünc&eZ- 
mann  l,  58;  einige  bekannte  parlamentarische  gröszen 
W.  V.  PoLENZ  Qrabenhäger  2,  99;  eine  neue  grösze. 
Zola.  Emile  Zola  Fontane  I  4,  65;  persönliches  mitleid 
mit  einer  gefallenen  grösze  {Georg  V.  von  Hannover) 
BiSMARGK  polit.  reden  4,  114;  im  Wortspiel  mit  A6:  denn 
bis  jetzt  ist  er  wahrlich  eine  höchst  irrationelle  kleine 
grösze  Spielhagen  i,  53;  die  organisatorisch  schöpfe- 
rischen geister  unter  ihnen  sind  unbekannte  gröszen 
BiSMARGK  ged.  und  erinn.  2,  173  volksausg.;  der  gleiche 
gebrauch  mit  sächlichem  subject  ist  ganz  selten  und  an- 
scheinend erst  aus  dem  vorigen  abgeleitet:  unter  die  an- 
erkannten gröszen  der  englischen  dichtung  ist  das  para- 
dise  lost  erst  eingetreten,  seit  .  .  Treitschke  hist.  u. 
polit.  aufs.  1,  49. 

9)  dieselbe  vom  räumlichen  befreite  anwendung  vrie 
bislang  bei  persönlichem  regens  auch  bei  dinglichem  sub- 
ject; doch  correspondiert  hier  der  gebrauch  des  subst.  mit 
dem  des  adj.  nicht  in  derselben  ausdehnung  vne  dort, 

a)  nur  gering  entwickelt  ist  der  gebrauch  im  sinne 
'bedeutung.  gewicht'  (vgl.  dagegen  grosz  I  F  2  b):  ward 
er  fast  erschrocken  und  verwundert  sich  von  grosse 
der  sach  M.  v.  Kemnat  chron.  Friedrichs  I.  il;  da  zeigt 
er,  das  der  Ursachen  vil  sint,  ouch  glich  in  der  grössin 
Terenz  (1499)  33^;  vermöge  der  grösze  und  Wichtigkeit 
der  gegenstände  Schopenhauer  i,  lio  Gris.; 

fühlt  er  die  ganze  grösze  seiner  that? 

Mich,  Beer  83; 

an  d  streifend:  kniete  er  {Carl  V.)  nieder,  um  seine  ge- 
danken  zu  gott  und  zu  der  grösze  seines  berufes  zu 
erheben  Ranke  werke"^  2,  224;  so  schwebten  sie  höher 
und  höher  {bei  einer  ballonfahrt)  .  .  .  zwei  herzen  .  .  . 
pochten  der  grösze  des  augenblicks  entgegen  Stifter 
1,  19  Sauer;  gelegentlich  auch  concretisiert:  je  mehr  er 
den  kleinigkeiten  die  gestalt  einer  grösze  giebet  Dosen 
verm.  werke  vorr.  Z^. 

b)  auch  wo  grösze  in  hinsieht  auf  gehalt,  tiefe,  Cha- 
rakter gemeint  ist  {vgl.  grosz  I  F  2  a) ,  mit  vorliebe  in 
Verwendungen,  die  sich  an  den  gebrauch  neben  persön- 
lichem subject  anlehnen:  weil  der  deutsche  geist  .  .  die 
arbeit  in  ihrer  lautersten  sittlichen  grösze  .  .  .  erfaszt 
RiEHL  dtsche  arbeit  12;  wie  alles,  was  der  Germane  aus 
sich  heraus  bildete,  eine  einseitige  grösze  und  strenge 
zeigt  G.  Freytag  17,  78;  geister,  die  das  abscheuliche 
laster  reizet  um  der  grösze  willen,  die  ihm  anhänget 

IV.  1.  6. 


Schiller  2,  5  G.;  an  sich  hat  kein  ereignis  grösze 
Nietzsche  l,  497;  häufig  nur  in  einer  ganz  bestimmten 
gruppe  von  Verbindungen:  da  nun  diese  Vergangenheit 
dem  Innern  sinne  in  einer  grösze  erscheint,  die  .  .  . 
Göthe  46,  88  W.;  sinn  .  .  .  für  die  grösze  und  eigen- 
thümlichkeit  anderer  zelten  Savigny  beruf  uns.  zeit  4 ; 
alle  tragen  in  ihrem  thun  und  leiden  die  rauhe  grösze 
ihrer  zeit  0.  Ludwig  5,  215;  diese  schlechte  zeit  .  .  in 
der  die  vorweit  vergeht,  an  der  ihre  grösze  verloren  ist 
B.  V.  Arnim  Günderode  1,  6. 

c)  weiter  von  Staaten  und  Völkern  im  sinne  politischer 
und  cultureller  grösze  {auch  dies  z.  t.  verrinnend  mit 
dem  gebrauch  neben  persönlichem  subject):  die  Verbindung 
Ferdinands  .  .  mit  Isabella,  welcher  Spanien  seine  Ver- 
einigung und  seine  politische  grösze  verdankt  Döllinger 
akad.  vortrage  1,  17;  indesz  waren  .  .  .  keime  zu  regie- 
rungen  gepflanzt,  deren  künftige  grösze  .  .  man  damals 
noch  nicht  übersah  Herder  23,  163  S.;  der  augenblick 
der  grösze  für  Brandenburg  schien  ihm  gekommen  zu 
sein  Ranke  w.2  i,  247;  wo  in  älterer  spräche  ähnliches  er- 
scheint, ist  es  noch  quantitativ  zu  verstehen:  do  aber 
Rom  von  jar  zu  jar  wuchs  und  also  zä  nam  an  der 
grosse  und  an  der  macht  Carbach  Livius  8*»;  münster! 
ehrwürdiges  denkmal  deutscher  grösze  Sghubart  leben 
ti.  gesinn.  2,  101;  {auf  der  spitze  des  hügels)  fühlt  man 
sich  aus  griechischer  und  römischer  grösze  in  die  öde 
barbarei  des  mittelalters  versetzt  W.  v.  Humboldt 
theater  in  Sagunt  107  lit.  denkm.;  mir  beugte  die  grösze 
der  alten  .  .  .  das  haupt  Hölderlin  2,  77  Litzm.;  im 
gegensatz  dazu:  moderne  grösze  titel  eines  aufsatzes  von 
Huber  in  Schillers  Thalia  l,  2,  6;  schon  das  ist  ein 
zeichen  von  der  grösze  eines  Volkes,  wenn  es  in  seiner 
mitte  einen  gröszen  geschichtschreiber  findet  Börne  6, 
62;  vergleichen  wir  aber  unseren  entwicklungsgang  mit 
dem  ihrigen  {der  Chinesen),  so  werden  wir  uns  bewuszt, 
.  .  worauf  unsere  grösze  beruht  Pesghel  völkerk.  399; 
auch  innerlicher: 

solche  bürger  hoch  zu  achten, 
das  musz  unsre  grösze  mehren 

Brentano  3,  428; 


dein  eignes  sey,  Teutonia 


dasz   grösze   in   der  stille 
Schubart  ged.  2  (1787),  2. 

d)  in  bunter  mannigfaltigkeit  aber,  wo  grösze  auf 
innere  weite,  hoheit.  erhabenheit  zielt  {vgl.  A  5) ;  verschie- 
dentlich nuanciert  und  oft  mit  dem,  hereinspieleyi  einer 
unbestimmten  raumvorstellung  {vgl.  grosz  I  F  2  d) : 

gedanke,  werth  der  seel'  und  der  ewigkeit!  .  .  . 
dich  denkt  mein  geist  in  deiner  grösze 

Klopstock  öden  1,  74  M.-P.; 

dasz  sie  {die  Griechen)  jedes,  was  sie  nahmen,  zu  etwas 
anderem  machten,  und  dasz  es  nun  erst  Würdigkeit, 
grösze  und  Schönheit  erhielt  W.  v.  Humboldt  briefe  an 
Welcker  102;  die  grösze  ist  der  anfang  der  Schönheit 
Fr.  Sciii,KGZt.  pros.  jugendschr.  1,  37  Miliar;  wie  schwer 
es  ist,  .  .  in  sich  selbst  .  .  die  grösze  der  aussiebten 
und  eine  gewisse  philosophische  hoheit  der  begriffe  bey- 
zubehalten  Zimmermann  v.  d.  nationalstolze  xi;  ähnlich 
auch  in  concreterem  Zusammenhang :  öffnet  sich  der  thal- 
hinlergrund,  und  in  ihm  erhält  die  landschaft  einen 
rahmen  von  seltener  Schönheit  und  grösze  Barth  Kalk- 
alpen 108;  so  gern  in  anwendung  auf  Schöpfungen  der 
kunst:  überhaupt  scheinet  es,  dasz  der  begriff  der  grösze 
alsdenn  entstehe,  wenn  wir  unsre  Vorstellungskraft  oder 
unser  gefühl  gleichsam  erweitern  müssen,  um  einen 
.  .  gegenständ  auf  einmal  zu  fassen  Sulzer  theorie  d. 
schön,  künste  2,  436;  das  .  .  .  kennzeichen  der  griechi- 
schen meisterstücke  ist  endlich  eine  edle  einfalt  und 
eine  stille  grösze,  so  wohl  in  der  Stellung  als  im  aus- 
druck  Winckelmann  (18O8/'.)  1,  si;  in  einer  solchen 
nachbildung  bleibt  doch  immer  die  idee,  die  einfalt 
und  grösze  der  form  .  .  .  übrig  Göthe  47,  25  W.;  eine 
erhabenheit  .  .  hinter  der  unsre  dichtkunst  ebenso  weit 
zurückbleiben  musz,  als  unsre  bildende  hinter  der  be- 
stimmtheit  und  der  reinen  grösze  ihrer  formen  W.  v. 
Humboldt  theater  in  Sagunt  105  lit.  denkm. 

34 


531 


GRÖSZE  C 


GROSZECHTIG  —  GROSZEN 


532 


e)  endlich  als  objective  hestimmung  des  regierenden 
substantivums ,  'vorzug,  stärke':  mein  Genuas  gröszten 
mann,  .  .  der  vollendet  sprang  aus  dem  meiszel  der 
unerschöpflichen  künstlerin,  alle  gröszen  seines  ge- 
schlechts  im  lieblichsten  schmelze  verband  Schiller 
3,  11  O.;  Callots  maler-  oder  vielmehr  dichtermanier 
herrscht  weder  mit  ihren  fehlem  noch  .  .  .  mit  ihren 
gröszen  im  buche  E.  Th.  A.  Hoffmann  i,  i  Gris. 

C.  compositionen:  nur  gelegenheitsbildtingen  sind 
adjectiv-composita  wie  gröszelos:  der  gröszelose,  kraft- 
volle .  .  .  und  geister-gestalten-zwinger  sehr.  d.  Oöthege- 
sellsch.  16,  235;  gröszevoll  Heinsius  2,  541*.  häufig 
dagegen  sind  substantivische  Verbindungen,  vor  allem  im 
sinn  A  2,  3,  6  und  in  der  spräche  wissenschaftlicher  disci- 
plinen,  zumal  der  philosophie  und  der  mathematik;  im 
n.jh.  noch  vereinzelt,  zuerst  bei  Kant  in  ausgedehnter  an- 
Wendung:  gröszenangabe  A.V.Humboldt  fcosm.  8,136; 
-begriff:  wobei  sie  {die  malhematik)  von  der  beschaffen- 
heit  des  gegenständes,  der  nach  einem  solchen  gröszen- 
begriff  gedacht  werden  soll,  .  .  abstrahirt  Kant  3,  471 
ak.  ausgäbe;  die  sinnendinge  ahmen  nicht  blosz  grö- 
szenbegriffe  nach  Herbart  1,  84;  -berechnung  Fr. 
Schlegel  12,  94;  -bestimmtheit:  beide  formen  nun, 
die  regelmäszigkeit  und  die  Symmetrie  .  .  fallen  .  .  in 
die  gröszebestimmtheit  Hegel  10,  l,  174;  -hestimmung: 
maas  ist  gröszenbestimmung  Herder  21,  i08  S.;  Kant 

3,  516  ak.  ausg.;  alle  gröszebestimmung  .  .  beruht  allein 
auf  dem  gegensatz  der  Unendlichkeit  und  der  einheit 
Schelling  I  7,  171;  -erzeugung  Kant  8,  150  ak.  ausg.; 
-forscher  von  Campe  und  anderen  empfohlen  für 
mathematiker ;  -forschung  mathematik  Campe;  -klasse 
b.  gestirnen  A.  v.  Humboldt  kosm.  3, 98;  -kund  e  geometrie 
(vgl.  gröszenmesser)  wird  vorausgesetzt  durch:  -kundiger 
geometer:  dem  fünfzehnjährigen  dichter,  redner,  Philo- 
sophen, algebraisten,  gröszenkündigen  Sonnenfels  2, 
133;  vgl.  groszkündigung;  -lehre  s.  an  aiphabet,  stelle; 
-masz:  {der  regenbrachvogel)  erscheint  nach  dem  ver- 
schiedenen alter  .  .  veränderlich  in  den  gröszenmaszen 
Naumann  naturgeseh.  d.  vögel  8,507;  anders:  {die  revo- 
lution)  erscheint  nur  grosz,  weil  sie  so  viele  .  .  neue 
kaiser  und  könige  gemacht  hat,  die  aber  in  diesem 
gröszenmasze  kleinen  zeittröpfchen  gleich  sind  E.  M. 
Arndt  geist  d.  zeit  i,  86;  -maszstab  Fr.  Th.  Vischer 
ästh.  2,  153;  -me  SS  er  5.  an  aiphabet,  stelle;  -Ordnung 
eZersferne  A. V.Humboldt Äosm.  8, 99;  -Schätzung  Kant 
5,  249  ak.  ausg.;  {töne)  deren  stärke  und  schwäche  .  .  . 
der  gröszenschätzung,  wenn  auch  nicht  messung  unter- 
worfen ist  Herbart  7,  3;  -stab:  gr.  aller  erscbeinungen 
Herder  4,  86  S.  im,  sinne  gröszenmaszstab;  -stufe 
Conrad  handwb.  d.  staatswissensch.  ^4,  528;  -Überein- 
stimmung: dabey  musz  die  gleichheit  und  grösze- 
übereinstimmung  des  zweigleins  .  .  .  am  meisten  thun 
HoHBERG  georg.  cur.  l,  406;  -unterschied  Hegel  3, 
400;  -Veränderung  Herbart  5,  212;  -vergleichung: 
giebt  es  ein  solches  gut,  welches  nicht  blosz  in  gröszen- 
vergleichung  alle  andern  guter  übertrifft  Fr.  H.  Jacobi 

4,  1,  XXVI ;  -Verhältnis  schwankend  nach  dem  sinn  von 
Verhältnis:  in  dieser  {der  mathematik)  sind  es  formein, 
welche  die  gleichheit  zweier  gröszenverhältnisse  aus- 
sagen Kant  3,  160  ak.  ausg.;  die  gröszenverhältnisse  des 
gehirnschädels  Peschel  völkerk.  49;  weil  die  Verhält- 
nisse der  gröszen  im  bilde  den  wirklichen  gröszenver- 
hältnissen  an  den  Objekten  .  .  um  so  näher  kommen 
H.  Brunn  kl.  sehr.  2,  145;  -Vorstellung  Kant  5,  253 
ak.  ausg.;  Herbart  6,  I8l;  -Wissenschaft  mathematik 
Kant  w.  {i867jf.)  i,  28;  -zeichen  Krünitz  241,  iio;  sie 
beschäftigen  sich  mit  den  tabellarischen  formen  .  .  und 
bewegungen  der  zahlen  oder  gröszenzeichen  Novalis 
3,  384;  -zunähme  Kant  5,  371  ak.  ausg.  auch  die  be- 
deutung  B  i,  2  zeigt  einige  triebkraft:  -bewusztsein: 
da  diese  menschenklasse  überdies  ein  ansehnliches 
gröszenbewusztsein  mit  sich  herum  spazieren  führt  C. 
Spitteler  lachende  wahrh.  ZU;  -gier:  fluchen  müssen 
wir  .  .  dem  hange  zu  prunk  und  gröszengier  Rosegger 
n  11,  272;  -sucht  sucht  nach  äuszerer  grösze:  steigende 
gröszesucht  citat  bei   Campe;    -wahn  s.  an  aiphabet. 


stelle,  anderes  vereinzelt;  nach  B  5:  in  seinen  gedichten 
freilich  findet  sich  keine  zeile,  die  von  diesem  glücks- 
und  gröszegefühl  spricht  H.  Eu lenberg  Schattenbilder 
201;  nach  B  8:  als  Lessing  darin  nicht  aufgenommen, 
sondern  nur  mit  ein  paar  notizen  gestreift  wurde,  die 
zur  hinausweisung  aus  dem  eigentlichen  gröszenbe- 
reich    genügten   Dühring   Überschätzung   Lessings  31. 

GROSZECHTIG,  adj.:  gvosixchii^  qrandiusculus,  maius- 
culus,  subgrandis  Henisch  1753;  da  die  jungen  schwan- 
lin  eben  etwas  groszechtig  seind  D.  Federmann  Nieder- 
lands beschr.  (1580)  210;  häufiger  ist  groszlächtig,  siehe 
groszlich. 

GRÖSZEL,  m.  (?),  name  des  Wachtelkönigs  rallus  crex 
Behlen  forst-  u.jagdk.  6,  183;  crex  pratensis  Naumann 
naturgeseh.  d.  vögel  9,  498;  die  schnerfen,  grössel  oder 
heckschnarr  Frommann  7,  92  {bair.  quelle  von  1768);  vgl. 
Heppe  wohlred.  Jäger  153''. 

GROSZEL-,  GROSSELBEERE,/.,  die  Stachelbeere,  ribes 
grossularia:  grosselbeer,  klosterbeer  grossulus,  grossu- 
laria,  uva  crispa,  uva  spina  Henisch  1757;  groszel-  oder 
griffelbeere  Stieler  119;  gröszelbeer  Aler  dict.  l,  988*; 
uva  crispa  grossei-  oder  krausselbeer  Bock  abbild.  (1553) 
287;  vgl.  kräuterb.  (l55l)  368 '';  Weinreben,  johansträublein, 
grosselbeeren,  pflaumen  J.  Ph.  Abelin  histor.  antipod. 
(1631)  190;  aber  auch:  johannsträublein,  johannsbeerlein 
...  ist  ein  geschlecht  .  .  .  das  wir  krauselbeern  oder 
grosselbeern  nennen  Wirsung  arzneib.  (1588)  reg.,  denn 
Johannisbeere  hatte  in  älterer  spräche  umfassendere  be- 
deutung;  bei  Holl  177''  auch  groselbeere,  bei  Nemnich 
wb.  d.  naturgeseh.  211  grosalbeere,  bei  Graszmann  95 
groselbeere;  die  echte  form  ist  grosselbeere  nach  grossu- 
laria. auch  einfach  grossei  Stachelbeere  ünger-Khull 
809»;  verdächtig  %vosse,\n  vaccinium  vitis  idaea  Pritzel- 
Jessen  424'';  grosselbeerstaude  Bock  kräuterb.  (1539)  8, 
15;  grosselhecken  3,  16. 

GROSZELTERN,  plur.,  die  eitern  der  eitern,  seit  dem 

16.  ,jh.  bezeugt:  wie  dieses  Thedel  unvorferden  groseitern 
geheissen  haben  Thym  Thedel  v.  Wallmoden  i  ndr.;  wann 
die  grosseltern  hieran  ihrem  söhne  und  enckeln  die 
warheit  erzehlet  haben  Prätorius  winterflucht  169; 
gern  mit  eitern  verkoppelt,  zumal  in  bestimmten  icen- 
düngen:  in  dem  wahren  .  .  glauben,  so  wir  von  unszern 
eitern  und  groszeltern  empfangen  acta  publ.  2,  326  Palm; 
und  würde  ihren  eitern  und  groszeltern  niemand  etwas 
böses  nachsagen  können  Chr.  Thomasius  ernsth.  gedank. 
2,  309;  weils  die  eitern  und  groszeltern  auch  gethan 
haben  J.  M.  Miller  predigten  f.  landvolk  2,  191;  hier 
klingt  die  weitere  bedeutung  'vorfahren'  mit,  die  im  16.  u. 

17.  jh.  sehr  lebendig  ist  und  lexicalisch  noch  im  älteren 

18.  jh.  im  Vordergrunde  steht:  voreitern  sive  groszeltern 
avi,  autores  generis,  majores,  antecessores  Stieler  36; 
avi,  antenati,  maggiori  Kramer  teutsch-ital.  l,  569"; 
majores,  avi  Steinbach  i,  337; 

wie  der  maulesl  treibt  viel  parlaren, 
das  sein  grosseltern  pferde  waren 

Rollenhagen  froschm.  (1595)  v  ö*»; 

Adam  und  Eva  unsere  grosz-eltern  Moscherosch  ges. 
2,  141;  dasz  alle  völcker  einerley  grosz-eltern  haben 
Lohenstein  Armin.  2,  1026'';  älterer  spräche  sehr  ge- 
läufig ist  die  paarung:  wie  denn  unsere  lieben  vorfaren 
und  groszeltern  .  .  .  solcher  erbarkeit  in  kleidung  sich 
beflissen  haben  Musculus  hosent.  15  ndr.;  was  er  seinen 
ruhmwürdigen  vorfahren  und  groszeltern  am  allermeisten 
schuldig  sey  Chr.  Weise polit.  redner  687.  dazu  grosz- 
el terl  ich,  adj.:  dasz  diese  beyde  grafen  .  .  .  ihm 
von  ihrer  groszelterlichen  seite  her  verwand  wären 
BuGHOLTZ  Herkuliscus  1300;  mit  der  aussieht  auf  das 
groszelterliche  erbe  A.  v.  Droste  br.  134. 

GROSZEN,  vb.  intr.,  grosz  tcerden,  u.  zwar  besonders  in 
der  älteren  bedeutung  von  grosz  {s.  d.  1  A  2),  also  dick  wer- 
den, anschwellen:  gvozzent grossescunt  Graff i,3ST,  grozet 
tumescit  {alvtis)  ib.;  deshalb  mit  Vorliebe  von  schwangeren: 

von  ir  baider  lieb  das  geschach, 
das  man  die  frawen  grossen  sach 
an  irm  wunnigclichen  lib 

Friedr.  v.  Schwaben  2812  j 


533 


GROSZEN 


GROSZENKE  -  GROSZENTHEILS   534 


da  von  ir  zartes  peuchlin  gund  zu  grossen 

U.  FÜETRER  Merlin  51  Panzer; 

ältere  belege  hei  Graff  und  Lexer  l,  1095;  so  noch  heute 
im  Schweiz.;  mit  derselben  Vorstellung  des  anschwellens 
{vgl.  grosz  I  B  \.&d'): 

höher  muot,  mfn  herze  grözet 
und  ist  warden  vreuden  junc 

Ulr.  V.  Lichtenstein  442, 1; 

anders:  wan  der  gemein  man  understott  zu  wütten,  so 
grost  er  im  herzen  e.  oberrhein.  revolut.  180  Haupt; 

wenn  man  die  buren  anfacht  bitten, 
so  groszet  in  der  liopf  und  grind 

N.  Manuel  277  Bächtold: 

variiert:  wann  man  eim  bauren  flehet,  so  groszt  im 
der  bauch  Scheit  Grob.  80  ndr.,  vor  Übermut;  vgl.  grol- 
zen  3  sp.  U2  und  grotzeln  unter  grotzen,  vb.;  ähnlich: 
aber  ye  mer  er  flehet,  ye  mer  inen  der  köpf  grosset 
und  der  müt  stoltzet  Stumpf  kaiser  Heinrichs  IV.  .  .  . 
historia  (1556)  72'^;  als  aber  dem  papst  der  köpf  groszet 
und  sich  nit  wollt  begütigen  lassen  ScAwy<2erc7ir.  85''; 
und  das  si  {die  rebe)  nit  schwarklich  an  facht  grossen 
mit  den  winkernern  Österreicher  Columella  l,  184; 
das  jässen,  gieren  oder  blasen  wird  auch  giessen  oder 
grossen  genennet  Besold  thes.  pract.  2,  St8°' ;  aber  auch 
mit  dem  jüngeren  sinne  von  grosz : 

der  beiden  her  dO  grozte 
von  emeräln  und  amazsüren 

WoLFR.  V.  Eschenbach  Will.  34,  5; 

weiteres  bei  Lexer  a.  a.  o.;  und  grozet  min  minne  und 
gruonet  beichtbuch  a.  d.  ii.  jh.  91  Oberlin;  der  schatten 
grosset,  es  facht  an  nacht  werden  Frisius  dict.  168'; 
'grosz  werden,  {heran)u'achsen'  allgemein  im  Schweiz.  Staub- 
TOBLER  2,  806. 

GROSZEN,  vb.,  vom  mhd.  bis  ins  ältere  nhd.  reichlich 
bezeugt,  im  il.jh.  ztirückgehend ;  später  nur  noch  leoci- 
calisch  (Aler  dict.  i,  986»;  Campe,  Heinsius). 

l)  grosz  machen;  in  der  verschiedenartigkeit  der  an- 
Wendung  dem  adj.  grosz  parallel  laufend: 

sam  der  berillus  grozzet  die  schrift 

j.  r«.  1400,1; 

weitere  mhd.  belege  bei  Lexer  l,  1095;  ingrossare  Diefen- 
BACH  298" ;  man  solle  die  seel  mit  weissheit  .  .  mosten 
und  grossen  Hedio  chron.  germ.  d  2*;  die  ir  land  und 
ecker  gröszent  Keisersderg  dreieckecht  spiegel  Gc4*; 

denselbigen  gott  nicht  erlöst, 

sonder  ihm  mannigfeltig  gröst 

sein  angst  H.  Sachs  15,  243  Ä'.-G.; 

zu  viel  mild  eignen  schaden  gröst 

Kirchhof  wendunvi.  2, 13  lit.  ver.; 

die  würde  gröszt  die  schuld  und  schärft  des  richters  schwerdt 
Lohenstein  Ibrahim  (1701)  35; 
mit  persönlichem  subject: 

der  ist  sins  libs  ser  klein, 
sinr  sinn  doch  hoch  gegröszt 

mhd.  minnered.  1 10,  411  Matthäis 

'erhöhen':  dadurch  wirst  du  gegrösset  und  fürkumpst, 
das  solich  lügen  in  dinem  hoff  nit  geübt  werden  buch 
d.  beisp.  170  lit.  ver.;  beger  ...  nit  wie  du  grosz  und 
mechtig  seiest  in  diser  weit,  so  wirstu  bey  got  gegröset 
in  ewikait  Albr.  v.  Eyb  spiegel  d.  sitten  B  si*;  vgl.  sy 
haben  wollen  .  .  ir  namen  gröszen  Keisersberg  trostsp. 
gg  5° ;  das  führt  schon  zu  2  hinüber;  reflexiv  'grosz  werden, 
sich  ausdehnen':  wenn  si  {die  lunge)  den  luft  in  sich 
zeucht,  so  grcezt  si  sich  Konr.  v.  Megenberg  buch  d. 
natur  29,  27; 

well  gott,  das  du  euch  grössest  dich 

(vom  römischen  reich) 

Brant  narrensch.  d9,  111  Z.; 

uf  das  von  inen  {Adam  und  Eva)  das  menschlich  ge- 
schlecht sich  gröszen  .  .  solt  Fierrabras  (1583)  B  3». 

2)  ma^jii^care  Diefenbach  843'';  glorificare  z&i*' \  das 

es  {das  göttliche  licht)  den  wirdigen  sun  gottes  und  sine 

^ordenunge  erhebet  und  grosset  in  unserme  gemüte  Seuse 

'dtsche  sehr.  489  Bihlm.;  und   gröszten   gott  der  Israhel 

erste  dtsche  bibel  l,  60  var.  für  älteres  michelichten,  wie 


denn  die  bibelübersetzung  des  15.  jhs.  öfter  diese  ersetzung 
zeigt;  vgl,  auch  Fischer  schwäb.  3,  857;  dadurch  sein  got- 
lieber  nam  .  .  geheiligt,  gegröst,  geeret,  gelobt  .  .  werde 
Berth.  V.  Chiemsee  teutsche  theol.  155;  die  sy  lessen, 
die  wollen  gegrösst  sein  und  geeretTAULER*erm.  (1508)54*; 
in  dem  allem  {der  catilinarischen  Verschwörung)  Ciceronis 
weysshait  gespürt  und  gegrösset  worden  ist  Sghwarzen- 
BERG  Cicero  6». 

GROSZENKE,  m.,  groszknecht,  eine  anscheinend  be- 
sonders obersächs.  bezeichnung  Zinck  öc.  lex.  641 ;  allgem, 
haush.  lex.  (1749)  1,  628;  vgl.  J.  Grimm  rechtsalterth.  l,  438; 
siehe  auch  enke  th.  8,  483.  —  groszenkel,  m.,  urenkel 
Krünitz  20,  133;  ich  habe  .  .  .  einen  bauern  gekannt, 
einen  rechten  Karl  den  zehnten,  ihm  ähnlich,  als  war' 
es  sein  groszenkel  gewesen  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an 
8.  l.  Deutschen  i,  219;  moviert  groszenkelin  Pesghel 
völkerk.  241. 

GRÖSZENLEHRE,  /..  mathematik  Campe,  ein  auch 
im  19.  jh.  durchaus  übliches  wort:  zuförderst  liebte  diese 
schule  {die  Newton -Leibniz- Wölfische)  die  mathematik 
durch  das  .  .  wort  gröszenlehre  zu  bezeichnen  Ad.  Mül- 
ler verm.  sehr.  2,  341;  eine  nicht  geringe  stärke  in  der 
Weltweisheit  und  gröszenlehre  Lessing  5,  161  M.;  was 
die  mathematiker  in  ihrer  reinen  gröszenlehre  thun 
Kant  8,  544  ak.  ausg.;  specieller:  deswegen  ist  nur  die 
arithmetik,  nicht  die  geometrie,  allgemeine  gröszenlehre 
Schopenhauer  l,  96  Gris.;  und  in  diesem  sinne  deutlich 
auch:  schon  in  den  unteren  abtheilungen  haben  wir  erd- 
beschreibung,  .  .  mesz-  und  gröszenlehre  .  .  gehabt  Ros- 
egger  sehr.  IlO,  31;  in  die  wahre  gröszenlehre  werden 
wir  erst  mit  dem  tode  eingeweiht  Alex.  Jung  geheimn. 
d.  lebensk.  2,  342;  dazu  gröszenlehrer  mathematiker 
Campe;  Kinderling  reinigk.  188;  anscheinend  nur  selten 
gebraucht,  so  bei  Kant  werke  3  (1838),  76  Hartenst.  — 
gröszenmesser,  m.,  ein  nur  vereinzelt  nachzuweisen- 
des, aber  vielleicht  doch  einmal  gangbares  wort  für  geo- 
meter  {oder  allgemeiner  mathematiker*): 

wann  ein  pröszmesser  finden 
nur  könt  ein  ander  weit,  drinn  er  sein  füsz  künt  gründen 
{si  le  geometre  trouve  vn  autre  univers) 

T.  Hübner  d.  a7idere  wache  (1622)  359; 
auf  gott  übertragen: 

des  gröszenmessers  tiefestes  erstaunen, 
der  Sonnenkreise  zeichnet 

La  VATER  poes.  (1781)  1,  27; 

anders:  gleichwol  werden  . .  seine  {des  zitterfisches)  stärk- 
sten schlage  nicht  vom  elektrischen  gröszenmesser  an- 
gezeichnet Jean  Paul  44,  19  Hemp.  dazu  gröszen- 
messung,/.,  mathematik  Zschokke  80,374.  —  gröszen- 
messungslehre,/.,  =  frz.  arithmologie  Beil  1,262. 

GROSZENTHEILS,  samt  dem  Superlativ  seit  dem  späteren 
n.jh.  in  adverbialer  Verwendung:  mehrenteihls,  meisten- 
teihls,  grossenteihls  Sghottel  haubtspr.  449;  magnam 
partem,  ex  majore  parte  Stieler  2269;  diese  philosophen 
sah  er  groszentheils  für  ausschweifend  und  unnütz  an 
Dusch  verm.  w.  239;  wir  übertreiben  wohl  nichts,  wenn 
wir  groszentheils  seiner  {Batteux)  schule  die  landplage 
von  .  .  kritikastern  zuschreiben  Gerstenberg  recens. 
338  lit.  denkm.;  sie  haben  groszentheils  das  versprechen 
ihres  Phantasus  erfüllt  Tieck  sehr.  4,  70;  auf  einem  der 
bagagewagen  .  .  . ,  auf  dem  ich  groszenteils  dem  zuge 
folgte  br.  von  u.  an  Herwegh  185;  sie  sind  groszentheils 
bereits  angekommen  Laube  2,  53;  die  Verwendungsmög- 
lichkeit des  adv.  griff  also  früher  hie  und  da  iceiter  als 
heute;  das  wird  noch  fühlbarer  bei  superlativem  gebrauch: 
gröstenteils  maocimam  partem,  .  ,  pUrumque,  plurimum 
Stieler  2269; 

und  ist  alsdann  der  sieg  schon  gröstentheils  gewonnen 

Hoffmannswaldaus  u.  and.  Deutschen 
auserl.  ged.  7, 169; 

Stokar  hat  mir  deinen  Zinzendorf  grösztentheils  vorge- 
lesen J.  V.  Müller  6,  68;  der  mandelbaum  hat  gröszten- 
theils verblüht  Göthe  32,  292  W.;  ob  sie  gleich  gröszten- 
theils nur  die  schöne  seite  der  ehe  kennen  gelernt  hätten 
Caroline  i,78  Waitz;  sie  wurden  grösztentheils  gut  auf- 
genommen ScHUBART  leb.  u.  gesinn.  1,  99;  rein  temporal: 

34» 


535   GRÖSZENWAHN  —  GROSZFELDHERR 


GROSZFRAU  —  GROSZFÜRSTLICH      536 


grösztentheils  beschäftigte  er  sich  bis  um  den  mittag 
mit  den  nützlichsten  lesungen  Lavater  verm.  sehr.  1,12; 
er  .  .  hielt  sich  grösztentheils  zu  Wien  .  .  auf  S.  Brun- 
ner erz.  «.  sehr.  1,  847;  vgl.  theil  l  e  «,  th.  11,  851;  grosz 
I  B  2  c,  sp.  468. 

GRÖSZENWAHN,  m..  junges  ivort;  eigentlich  eine  gei- 
stige erkrankung,  die  auf  einer  Überschätzung  der  Stellung 
und  leistung,  der  inneren  und  äuszeren  mittel  der  eigenen 
persönlichkeit  beruht:  als  an  gröszenwahn  leidend  kam 
er  von  der  Universität  nach  Heilbronn  Theob.  Kerner 
Kerners  haus  65;  eine  seele,  in  welcher  bereits  der  gröszen- 
wahn das  kräftige  gefüge  zerfressen  hat  G.  Freytag 
14,  221;  auch  freier:  vvreil  auch  den  bauern  der  gröszen- 
wahn erfaszt  hat  Rosegger  I  l,  lO;  der  mensch  ist  am 
meisten  versucht,  seinen  gröszenwahn  dem  kindlichen 
glauben  gegenüber  zu  zeigen  Hansjakob  bauernilut  54. 

—  gröszenwahnsinn,  m.:  ein  durch  gröszen Wahn- 
sinn verblendeter  lyrann  Samosch  provenz.  tage  112.  — 
gröszenwahnsinnig,  adj.  J.  Scherr  gröszenwahn  20. 

GROSZERN,  vb.,  gröszer  machen,  von  gröszen  im  ganzen 
deutlich  geschieden;  erst  seit  dem  späteren  i&.  jh.  zu  be- 
legen: sy  weyterend  oder  grösserend  ire  schanzen  Fri- 
sius  1067*;  die  wunden  grösseren  ampliare  plagam  89*; 

(könige)  das  reich  haben  gar  wol  regiert, 
erweitert,  grössert  und  geziert 

H.  Sachs  2,341  K.; 

so  wil  ich  noch  ein  rechte  fierung  .  .  siben  mal  grössern 
Dürer  unterweis,  d.  mess.  f  4";  mehret  und  grössert 
yhren  jamer  Luther  7,  592  W.;  mein  leid  zu  grössern 
Stieler  geharnschte  Venus  86  ndr.;  mit  ivorten  gröszer 
machen,  übertreiben:  uss  viererley  hat  er  grössert  die 
sach  Terenz  deutsch  (1499)  16";  das  du  fremde  sund  klai- 
nern  solt,  nit  grossem  Eb.  v.  Günzburg  i,  197  ndr.; 
refl.  gröszer  werden,  zunehmen:  ein  klein  bächlin  .  .  von 
dem  blut  der  erstochenen  sich  also  gemehret  und  grössert 
hat,  das  H.  Gholtz  leb.  bild.  (i557)  p  2*»;  nachdem  das 
dorf  Schaffhusen  sich  angefangen  heftig  meren  und 
grösseren  quelle  v.  1606  bei  Staub -Tobler  2,  807;  der 
schatten  grössert  sich  Harsdörfer /rattena.  gesprächsp. 
4,  63; 

die  schön  hier  keinen  zusatz  leidt, 
doch  grössert  alle  tag  sich  in  Vollkommenheit 

W.  H.  V.  HoHBERG  unvergn.  Proserpina  (1661)  2*; 

mit  dem,  n.jh.  literarisch  erlöschend,  verdrängt  von  er- 
ttnd  vergröszern;  schon  Stieler  scheint  das  wort  nicht 
mehr  recht  geläufig  gewesen  zu  sein,  s.  stammb.  708 ;  später 
nur  ganz  vereinzelt:  sollten  wir  betteln,  .  .  um  die  mit- 
gift  zu  gröszern  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.  l,  229;  lexi- 
calisch  freilich  noch  bei  Campe,  Heinsius;  mundartl.  bis 
heute:  gröasarn  Bacher  263.  —  gröszerfeile,  /.,  'eine 
feile,  die  eingeschnittenen  zahne  der  kämme  damit  auszu- 
gröszern'  Jacobsson  techn.  wb.  2,  156"^;  vgl.  Lueger  5, 
400.  —  gröszerglas,  n.,  macroscopium  Comenius  orb. 
pict.  1, 163;  wenn  man  sie  (flitter)  durch  ein  grösserglas 
ansiehet  M.  Wiedemann  hist.  poet.  gefang.  (1690)  2,  75; 
durch  das  accurateste  fern-  und  gröszerglas  Gottsched 
beitr.  z.  ctit.  hist.  i,  650.  —  gröszerlich,  ergröszerlich 
et  vergröszerlich  adj.  et  adv.,  majus,  grandius,  aplen- 
didius,  amplius  Stieler  708.  —  gröszerung,  /.,  idem 
qucd  gröszung,  amplificatio,  exaggeratio  u.  ä.  Stieler 
708;  {Versuchungen  des  teufeis)  sint  me  ein  merung  dins 
verdienens  und  ein  grösserung  dyns  Ions  in  dem  hymel 
Keisersberg  bilg.  (1512)  34*;  zu  ermerung  und  grösse- 
rung erlangter  glorien  J.  Diettemberger  toider  d.  un- 
ehristl.  buch  M.  Luthers  v.  d.  miszbr.  d.  messe  (1526)  e  S*". 

—  gröszerungsglas,  n.,  E.  Francisci  weh.  d.  ewigk. 
(1686)  976;  Triller  poet.  betracht.  4,  636. 

GROSZFÄLTIG,  adj.:  umb  die  er  sich  mocht  geben  so  in 
groszveltige  sorg,  angst  und  not  Hartlieb  Ovid  i^;  sin 
keis.  majestat  kumpt  in  unglouben  und  grosveltiger  aller- 
grusamelacher  Sachen  e.  oberrhein.  revolut.  125  Haupt.  — 
groszfeldherr,  m.,  supremus  belli  dux  Aler  i,  986»; 
=  gener al  Apinus  nov.  gloss.  257;  für  generaliasimus  bei 
Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehr s.  9,  44;  auch  im  älteren 
19.  jh.  noch  durchaus  gebräuchlich:  dasz  das  .  .  erzmar- 
Bchallamt  als  ein  prärogativ  auf  dem  groszfeldherrn  oder 


herzogen  des  .  .  .  volks  der  Sachsen  .  .  .  gehaftet  habe 
allg.  dtsche  bibl.  58,  26;  und  der  major  wird  groszfeldherr 
Immermann  6,  120;  speciell  als  bezeichnung  eines  polni- 
schen kronbeamten  Schiller  in:  sehr.  d.  Qöthegesellsch, 
9,  247;  neffe  des  groszfeldherrn  von  Litthauen  A.W.  Reh- 
berg pol.hist.  kl.  sehr.  91;  *.  auch  Krünitz  199,  876;  vgl. 
den  compos.  typus  grosz  III  4  k.  —  grosz  fr  au,/.,  groaz- 
mutter,  wie  mnl.  grote  vrouwe  Verwijs-Verdam  2,  218I 
{vgl.  auch  groszherr  8);  im  IG.  jh.  nicht  selten:  sie  bliben 
under  der  fürmundung  Brunhulden  ihrer  groszfrauwen 
N.  Falgkner  franz.  chron.  (1572)  1,  73;  wie  ine  seine 
groszfraw  vertröstet  hat  Fischart  discours  d  i^ ;  noch 
heute  mundartl.  gruszfraa  hebamme  Müller-Frau reuth 

1,  444'^  {vgl.  groszmutter  5) ;  auf  anderer  linie:  groszfrau 
filia  imperatoris  romani  natu  maxima  Steinbach  l,  491 
{vgl.  grosz  I  F  i  c  j').  —  groszf uhrmann,  m.,  fuhrherr, 
Spediteur;  Österreich,  wort,  jahrb.  d.  Grillparzergesellsch. 
5,  148;  W.  Chezt  erinn.  2,  63. 

GROSZFÜRST,  m.  l)  im  sinne  des  compos.  typua  III 4  k 
eigentlich  der  oberfürst,  der  über  eine  reihe  kleinerer  fürsten 
gebietet,  dann  aber  auch  einJach  elativ  für  gröszer  fürst: 
ich  wil  ihn  ethnarcham  heissen,  das  ist,  ein  oberregenten 
oder  groszf ürsten  Schickfus  schles.  chron.  45;  durch 
Carolum  Martellum,  franckreychischen  grossfürsten  oder 
pfaltzvogt  Stumpf  Schicytzerchr.  408*';  geben  die  heidni- 
schen Gibeoniter  dem  groszfürsten  Josuae  die  .  .  demü- 
tigsten wort  V.  Herberger  herzpost.  (1613)  1,  135;  da 
stund  er  . .  als  ein  grossfürst  über  gantz  Aegypten  Dann- 
hauer catech.  milch  3,  22;  bildlich:  beder  grossfürsten 
der  artzney,  Hippocrates  und  Galeni  Guarinoniüs  greuel 
d.  verw.  582;  Scaliger,  der  groszfürst  der  philologen  seiner 
zeit  Wieland  Horazens  br.  1,69;  von  gott:  o  einiger  grosz- 
fürst, herr  gott  Fischer-Tümpel  2,  138;  umb  des  rech- 
ten Michaelis  und  grossfürsten  und  boten  gottes  Jesu 
Christi  willen  J.  Gigas  postilla  (i595)  8,  120*;  vom  teufel: 
der  hellische  grossfürst  J.  Ayrer  histor.  proc.  iuris  4; 
dasz  er  {der  teufel)  nicht  groszfürst  in  dieser  weit  ist, 
sondern  zornfürst  J.  Böhme  4,  13. 

2)  speciell  als  deutsche  wiedergäbe  des  ursprünglichen 
titela  der  herrscher  Ruszlands,  dem  russ.  velikij  knjaz 
entsprechend,  aber  anscheinend  nicht  erst  nachgebildet: 
gebrauchen  sich  die  fürsten  keins  andern  tittels  dann 
groszfürsten  zu  Volodimeria  oder  Moscauw  H.  Panta- 
LEON  mosk.  chron.  (i576)  23^;  über  .  .  .  den  Moscowiter, 
von  dem  sein  volck  singt:  das  weisz  gott  und  unser  grosz- 
fürst Fischart  bienenk.  47'>;  seit  dem  17.  jh.  ganz  gewöhn- 
lich: Johannes  Basilides,  der  groszfürst  in  der  Moscau 
V.  Herberger  Jesus  Sirach  196'';  der  Reussen  grosz- 
fürst Rachel  satyr.  ged.  105  ndr.;  so  darf  er  {der  Mosko- 
witer) keck  ein  schaisz  laut  lassn,  und  wan  der  grosz- 
first  dabey  war  J.  J.  Schwabe  tintenfäazl  6;  in  jüngerer 
zeit  dann  auch,  ivie  im  russ.,  von  gewissen  mitgliedern 
der  kaiserlichen  familie:  groszfürst  Michael  Göthe  IV 
35,  49  W.;  Serge  .  .  ist  ein  russischer  vorname,  den  .  . 
viele  russische  groszfürsten  führen  Fontane  I  5,  181; 
auch  in  anderen  östlichen  ländern  bestand  der  titel:  der 
groszfürste  Syrmundo  aus  Littawen  Hennenberger 
preusz.  landtaf.  (1595)  28;  Litthauens  groszfürst  Grabbe 

2,  284  Bl.;  groszfürst  in  Einfand  im  titel  Gustav  Adolfs 
Böckler  kriegsschule  414;  der  kaiser  von  Österreich  führte 
den  titel  eines  groszfürsten  von  Siebenbürgen.  —  grosz- 
fürstenthum,  n.:  du  bist  mir  bey  meinem  königreich 
oder  grossfürstenthumb  viel  lieber  als  alle  teufel  in  der 
hellen  sagt  der  teufel  zu  Belial  J.  Ayrer  hist.  proc.  iuris 
310;  dass  Jagello  .  .  zum  obersten  regiment  und  gross- 
fürstenthumb gutwilliglich  zugelassen  worden  Schütz 
hist.  rer.pruss.  2,  q  s'';  angelegenheiten  des  groszfürsten- 
thums  Siebenbürgen  Nicolai  reise  d.  Deutschi.  8,  846. 
—  groszfürstin,  /.,  im,  sinne  von  groszfürst  l:  wel- 
cher .  .  der  unvergleichlichen  groszfürstin  Valisken  söhn 
ist  Bucholtz  Ifer/cwH^/fMS  42;  von  groszfürst  2:  der  ge- 
burtstag  von  der  groszfürstin  aller  Reuszen  Gottschedin 
br.  3, 11 ;  die  gegen  wart  ihro  hoheit,  der  groszfürstin  Göthe 
IV  21,  329.  —  groszfürstlich,  adj.:  unser  grossfürst- 
lichs  hellisch  insigel  J.  Ayrer  hist.  proc.  iuris  486; 
Vladislao  hat  er  das  cracawische  gebiet  und  die  Schlesi 


537  GROSZFÜRSTSCHAFT  -  GROSZGENEIGT 


GROSZGENIE  -  GROSZGEWICHT   538 


sampt  der  groszfürstlichen  hoheit  . .  zugetheilet  Sghick- 
Fus  schles.  chron.  52;  er  (hat)  sich  für  den  rechten  De- 
metrium  .  .  aussgegeben  und  sich  in  die  grossfürstliche 
digniiät  eingetrungen  Dannhauer  catech.  milch  5,  1368; 
meine  Unterredung  mit  dem  groszfürstlichen  paar  sehr.  d. 
Göihegesellsch.  16,239.  —  groszf ürstschaft,/.;  (boten) 
die  Witoldo  selten  den  geschmuck  und  brief  bringen 
seiner  groszfurstschaft  S.  Grünau  preusz.  chron.  2,  59. 

GROSZGÄBIG,  adj.,  magnißcus  Diefenbach  343°; 
nov.  gl.  24:3^;  dazu:  deszgleichen  hat  er  auch  .  .  .  die 
schätz  Narsetis  ..  zu  groszgabigkeit  und  miltigkeit 
gepraucht  G.  Alt  buch  d.  cron.  (1493)  147*.  —  grosz- 
gärtner,  m.,  im  osten  Deutschlands  stellenweise  für 
einen  kleinbauern  mit  bestimmtem  landbesitz,  s.  Frisch- 
bier 1,  218*'  und  gärtner  2  c;  vgl.  auch  Adelung.  — 
groszgeachtet,  part.  adj.,  im  älteren  nhd.  geradezu 
als  Standesbezeichnung,  'vornehm':  magnates  die  groszge- 
achteten,  fürnemmen  Calepin  xi  ling.  854^;  dasz  sy 
(Maria)  schlecht  geboren,  nit  ein  groszgeachte  meid  was 
ZwiNGLi  dtsche  sehr.  1,  89;  damit  iederman,  so  wol  von 
geringen  als  grossgeachten  leuten,  frei  ....  vor  sein 
keiserliche  maiestät  trotten  (möge)  Kirchhof  icendunm. 
2,  276  lit.  ver.;  warum  stehen  nur  hoch  ,  wol-,  vor-  und 
grossgeachte  da  Grimmelshausen  Simpl.  77  ndr.  — 
groszgefühl,  n.,  im  späteren  18.  tmd  früheren  19.  jh. 
nicht  selten;  'gefühl  innerer  gr'ösze':  weil  sich  sein  grosz- 
gefühl, seine  blicke  und  triebe  und  kräfte  nicht  in  ge- 
meinformen gieszen  .  .  .  lassen  Lavater  phys.  fragm. 
1,54;  ihre  (der  eitelkeit)  höhere  Veredlung,  der  ernste 
stolz,  das  groszgefühl,  das  erhabene  bewusztsein  der 
geisteskräfte  F.  M.  Klinger  ll,  96;  die  wir  aus  stolz 
und  groszgefühl  aufrührisch  gegen  ihn  wurden  lO,  278; 
etwas  anders:  du  bist  dazu  geboren,  das  innige  grosz- 
gefühl, das  Homer  seinen  göttern  und  beiden  giebt,  grosz 
und  innig  nachzufühlen  C.  L.  Fernow  leben  Carstens 
(1806)   188; 

an  groszgefühl  wird  jede  seele  reicher, 

wenn  ihr  die  liebe  nicht  gebricht 

SciiUBART  ged.  2, 15; 

Stärkung  flnde  ich  allein  in  den  groszgefühlen  und  un- 
verwelkbaren  herrlichkeiten  meines  bewusztseins  Heine 
7,  5i4i\  —  groszgeist,  m.;  dir  und  deinen  mitmiliionen 
ein  Vaterland  zu  schalTen,  wo  groszgeist  und  freiheits- 
sinn  römische  fruchte  tragen  Bouterwek  graf  Donamar 
1,  167;  mangel  an  groszgeist  Pestalozzi  lo,  228; 

weinen  wir  nur  den  groszgeist  in  ihm? 

Schubart  ged.  2,  293; 

auch  vom  träger  des  groszen  geistes:  so  sprach  der  grosz- 
geist (d.  geist Friedrichs  d.  Or.)  ders.,  ges.  sehr.  8, 93  Scheible; 
Luther  bleibt  ein  ewiger  ehrenname  unter  .  .  den  grosz- 
geistern  seines  Volkes  Fr.  L.  Jahn  l,  226;  vgl.  2,  253.  — 
groszgeistig,  adj.,  von  geistiger  gr'ösze,  höhe,  weite:  wie 
überhaupt  das  ganze  reich  (Portugal)  an  groszgeistigen 
menschen  mangel  leidet  Chr.  Fr.  D.  Schubart  vater- 
landschron.  421 ;  in  lebendiger  ki-aft  kämpfte  Dante  schon 
gegen  der  priester  Verfinsterung :  groszgeistig,  aber  doch 
nur  als  Ghibelline  Tieck  sehr.  18, 194;  eine  so  sanfte  seele, 
wie  Werthes,  kann  unmöglich  den  groszgeistigen  ton  des 
Ariosto  nachsingen  Heinse  9,  212  Schüdd.;  Viktor  badete 
sich  mit  wonne  in  dieser  groszgeistigen  luft  Fr.  Lien- 
HARD  Oberlin  170.  —  groszgeistigkeit,  /.;  fand  sie 
doch  gefallen  an  dem  freien  leben  dieser  meist  russi- 
schen geschlechtsgenossinnen,  in  dem  sie  nur  grosz- 
geistigkeit sah  0.  V.  Leixner  soz.  br.  293.  —  grosz- 
geistlich,  adj.,  voll  groszen  geistes:  die  groszgeistlichen 
und  weisen  können  nicht  anders  denn  inen  selb  wol- 
gefallen  Luther  bei  Dietz  2,  173»;  vor  den  hochsinni- 
gen und  groszgeistlichen,  die  sich  altzeit  understeen, 
dieselben  rechtfertigen  zu  meistern  l,  164  W.  —  grosz- 
geneigt,  part.  adj.:  hoch-,  grosz-,  wolgeneigt  perbene- 
volus  u.  ä.  Stieler  1345;  Glicht  selten  in  der  höflichkeits- 
phraseologie  des  li.jhs.:  meinem  groszgeneigten  gönner 
und  wolthäter  Rist  d.  friedej.  Teutschland  (:)  4>;  mei- 
nem groszgeneigten  herrn  alle  gewünschte  .  .  .  wolfart 
Rachel  satyr.  ged.  3  7idr.,-  hochedler,  gestrenger,  vester, 
insonders  groszgeneigter  herr  richter!  Gottsched  dtsche 


schaub.  5,313.  —  groszgenie,  n.:  Chopin  trat  nicht 
mit  einer  orchesterarmee  auf,  wie  groszgenies  thun  R. 
Schumann  1,  279; 

die  schmieret  geil  gewürzten  bühnenschunds 
nennt  groszgenies  der  schwärm  der  Liliputer 

W.  Jordan  in  talar  u.  hämisch  48. 

—  groszgesandter,  m.,  legatus principalis,  supremus, 
vulgo  amhasciator  Stieler  2010 ;  Bucholtz  Herkuliskus 
1439;  vgl,  groszbotschafter;  dazu:  eine  moskowitische 
groszgesandtschaft  Varnhagen  v.  Ense  biograph: 
denkm.  4,  350. 

GROSZGESINNT,  part.  adj.  im  sinne  der  bedeutung 
grosz  I  F  1  e,  zumal  e  «;  zumeist  in  poetischer  spräche 
(im  unterschiede  von  groszsinnig,  s.  d.): 

dein  groszgesinnter  geist  rieht  sich  nach  keiner  zahl, 
er  schencket  ohne  maas 
Hoffmannswaldaus  u.  and.  Deutschen  auscrl.  ged.  6,  222; 

so  groszgesinnt  sein  hertz 

V.  König  ged.  46; 

die  bedeutung  zeigt  je  später  je  mehr  feinere  unterschiede: 

wie  kühn  der  groszgesinnten  Spaniolen 
paniere  in  den  feind  eindrangen 

Tieck  sehr.  1,380; 

zwar  der  dichter  freut  sich  eines  groszgesinnten  königs  gunst 

Platen  2,  331  Redlich: 
an  groszherzig  grenzend: 


doch  es  schickt  den  söhn  zurück  ihm 
groszgesinnt  die  republik 


1,  15; 


dasz  die  deutschen  theologen  (nicht)  .  .  .  groszgesinnt 
genug  waren,  um  die  minder  wesentlichen  Widersprüche 
aneinander  zu  dulden  Ranke  38,  24;  sehr  häufig  hi  den 
Homerübersetzungen  von  Bürger  ,  Fr.  L.  v.  Stolberq 
und  Voss  als  wiedergäbe  von  fJsyfiS-v^uoc,  fJsyccX^Tcoa 
u.  anderen  adjectiven,  z.  b.:  die  groszgesinnten  Achaiet 
Bürger  1,  187  B.;  das  haupt  der  groszgesinnten  Abanter 
GRAFEN  Stolberg  11,  70;  zu  den  groszgesinnten  Kauko- 
nen  Voss  Od.  ¥l  Bernays.  —  groszgewachsen,  jsar*. 
adj.,  hat  in  einer  bestimmten  Verwendung  rein  adjectivi- 
sehen  Charakter  angenommen,  'langgeivachsen,  grosz':  kauf" 
ten  von  allerhand  barbarn  groszgewachsene  knechte  Lo- 
henstein Ar7nin.  1,  383»;  groszgewachsene  und  kleinfe 
Personen  Dusch  verm.  krit.  u.  sat.  sehr.  158;  welch  ein 
groszgewachsener  mann  es  war  Storm  5,  28  und  so  in 
neuerer  erzählungsUteratur  sehr  häufig;  in  anderen  fällen 
unrd  das  wort  noch  mehr  participial  empfunden:  'heran- 
gewachsen': scenen,  bei  denen  die  Zimperlichkeit  .  .  des 
groszgewachsenen  kindes  die  hauptanterhaltung  aus- 
macht Grillparzer  17,  165;  vgl.  9,  2,  154;  die  Meiszne- 
rin  (die  meisznische  mundart)  soll  das  groszgewachsene 
kind  (die  hd.  Schriftsprache)  in  der  zucht  halten  Fr. 
L.  Jahn  l,  27;  'ausgewachsen':  Dian  —  dessen  innerer 
mensch  ein  ganzer  war,  dem  kein  glied  ausgerissen  ist, 
keines  aufgeblasen  und  alle  groszgewachsen  Jean  Paul 
15/18,107;  die  groszgewachsene,  allgemein  verbreitete  .  . 
literatur  des  Journalismus  läszt  sich  vom  .  .  puristen 
nicht  gängeln  Kürnberger  lit.  herzenssachen  26.  — 
groszgewaltig,  adj.,  sehr  gewaltig :  o  du  groszgwaltiger 
künig,  allerhöchster  .  .  gott  Zürich,  bibel  (l53l)  3.  Makk.  q; 
von  vil  andern  römischen  fürsten  und  groszgewaltigen 
herrn  J.  Wild ^o*<tW  (1554)1,88'^;  der  groszge waltige  könig 
Ptolomeus  Lehmann  ^oriie</.  pol.  3,  311;  bort  man  noch 
von  kainem  anzug  des  Turcken  groszgewaltigen  armata 
Chph.  Scheurl  briefb.  2, 189;  Colin  ist  eine  groszgewaltige 
und  namhaffte  stadt  G.  Braun  besehr.  u.  coniraf.  (1572.) 
1,  39";  wohl  als  parallelbildung  zu  dem  sehr  viel  ent- 
wickelteren groszmächtig  im  sinne  des  compos.  typus  grosz 
in  1  c  zu  verstehen.  —  groszgewerbe,  n.,  schwankend 
nach  der  bedeutung  von  gewerbe:  das  kind  des  land- 
mannes  .  .  half  taglöhnend  den  groszgewerben  der  haupt- 
stadt  Zschokke  9,  105;  da  grosze  kaufherren  oder  sonst 
bedeutende  groszgewerbe  nicht  vorhanden  waren  (in 
Freising)  Riehl  naturgesch.  d.  volkes  4,  265;  die  .  .  als 
groszgewerbe  betriebene  spiritusfabrikation  Muspratt 
Chemie  1,  Sil ;  man  ahnte  .  .  die  Verwandtschaft  des  . .. 
groszgewerbes  mit  dem  liberalismus  Treitschke  hist.  u. 
pol.  aufs.  2,  262;  vgl.  grosz  HI  4  e.  —  groszgewicht,  »^ 


539    GROSZGLÄUBIG  —  -GRUNDBESITZER 


GROSZGRUNDBESITZUNG  -  -HANDEL  540 


bruttogeviicht  Heinsius  2,  541''.  —  groszgläubig,  adj., 
namentlich  im  17.  jh.  recht  häufig;  offenbar  contrastbil- 
bildung  zu  dem  kleingläubig,  okiyoniatof  der  bibel;  zum 
compos.  typus  III  1  d,  wie  vornehmlich  die  nicht  seltenen 
umlautlosen  formen  lehren:  das  ihr  eitel  groszgleubige 
und  himmelsehnende  hertzen  bekommen  L.  Pollio  v. 
ew.  leben  (1583)  2";  also  ausz  einem  ungleubigen  Thomas 
ein  groszgläubiger  bekenner  worden  M.  Eccard  v.  glau- 
ben (1610)  A  5*;  sei  nicht  kleingläubig,  sondern  grosz- 
gläubig V.  Herberger  Jierzpost.  (1613)  l,  189;  der  grosz- 
glaubige  ertzvatter  J.  Schmidt  göttl.  friedenscond.  (I64l) 
148;  Abraham  der  groszglaubige  Gottsched  nöth.  vorrath 
1,  248;  im  Id.  jh.  gelegentlich  als  neuschöpfung :  um  ihn 
als  einen  weniger  kleingläubigen  als  groszgläubigen  ganz 
voll  zu  packen  mit  lauter  halbwahren  .  .  .  berichten 
Jean  Paul  27/29,  251;  Bruno  .  .  der  heimatlose,  .  .  aber 
doch  stets  ungebrochen,  groszgläubig  H.  Conradi  to.  2, 
162.  —  groszgnenne,  m.,  groszvater:  das  das  unmün- 
dige kind  habe  einen  groszgnannen,  siner  muter  vater 
urk.  buch  d.  Stadt  Freiberg  i.  S.  2,  825  {ca.  1475) ; 

das  {kind)  hiesz  mich  mutter,  dich  grosze  muhm, 
mein  vattern  groszgenenn 

H.  GoTTiNGUS  niemandt 
bei  DoRNAvius  amphitheatr.  (1619)1,764''; 

vgl.  knan  th.  5,  1837.  —  groszgott,  m.,  eigentl.  'ober- 
gott',  im  sinne  des  compos.  typus  grosz  III  4k:  dem  ver- 
meinten groszgott  Jupiter  Otho  ev.  krankentr.  1387;  der 
heyden  groszgott  Juppiter  Moscherosch  ges.  2,  819; 
später  weniger  prägnant:  wir  eingeweihte  in  die  er- 
kenntnisstufen der  ägyptischen  groszgötter  Böttiger 
kl.  sehr.  3,  255;  der  papst  heiszt  der  römische  groszgott 
J.  Samson  pred.  v.  pabstisch.  fronl.  tag  (1648)  a  2  •> ;  vgl. 
weiln  sie  beide  .  .  den  grosz-gern-gott  zu  Rom  nit  er- 
kennen ders.,  Synopsis  (1649)  10;  moviert:  ihre  {der 
Griechen)  nährende  groszgöttin,  die  idäische  berg- 
mutter  Voss  antisymb.  1,  202.  —  groszgraf,  m.,  ge- 
legentlich für  den  reichsständischen  deutschen  grafen: 
der  keiser  und  ander  fürsten  schribend  den  grossgraven, 
als  Wirtenberg,  wolgeborn  Biederer  sp.  d.  wahr.  rhet. 
02'';  doch  sind  etliche  gefürstet  oder  groszgraf en,  die 
sich  nicht  von  gottes  gnaden  schreiben  J.  H.  Meichszner 
handbüchl.  (1667)  5*;  gewöhnlich  für  den  ungarischen 
comes  magnus,  icas  gleichbedeutend  mit  palatinus:  dem 
groszgraven  von  Ungern  städtechr.  3,  348 ;  grauf  Niclaus, 
groszgrauf  zu  Ungern  Righental  Const.  com.  193;  gab 
im  des  groszgraven  tochter  zu  der  ee  H.  Ha-VG  d.  Hungern 
chron.  (1534)  80*;  der  ertzbischoff  und  der  palatinus  oder 
grossgraf  daselbst  {in  Preszburg)  ihren  sitz  haben 
V.  Birken  verm.  Donausir.  49.  —  groszgroszeltern, 
pL,  urgroszeliern  Chomels  öcon.  lex.  4,  1365;  grosz-  und 
groszgroszeltern  väterlicher  und  mütterlicher  seite  allg. 
dtsche  bibl.,  anh.  zu  25 — 37,  1682;  auch  allgemeiner  im 
sinne  'vorfahren':  sie  werden  die  sitten  ihrer  groszgrosz- 
ältern  noch  unversehrt  an  ihr  finden  Gellert  sehr. 
(1775)  8,  149.  —  groszgroszmutter,  /.,  proavia  He- 
NiscH  1764;  Chomels  öcon.  lex.  4,  1865;  eine  von  ihrer 
grosz-grosz  frau  mutter  hergebrachte  sage  Gottsched 
Vernunft,  tadler.  2,  866;  vgl.  groszmutter  2.  —  grosz- 
groszvater,  m.,  urgroszvater  Chomels  öcon.  lex.  4,  1365; 
Seume  w.  (1839)  1,  4;  freier  'urahn':  eine  familienrüstung, 
die  Vulkan  selbst  dem  groszgroszvater  gemacht  hatte 
Lessing  9,  369  M. 

GROSZGRUNDBESITZ,  m.:  ob  .  .  der  groszgrundbe- 
sitz  oder  das  kleineigentum  überwog  Mommsen  röm. 
gesch.  5,  574;  immer  gröszer  wurde  die  ausbreitung  des 
groszgrundbesitzes  Schwappach  handb.  d.  forst-  u.  jagd- 
geach.  i,  88;  persönlich  gefaszt:  er  .  .  wurde  .  .  von  dem 
adeligen  groszgr  und  besitz  Tirols  in  den  landtag  gewählt 
Steub  drei  sommer  in  Tirol  2,  283;  der  ansiedier  warf 
einen  rechtschafTenen  hasz  auf  den  groszgrundbesitz 
Cl.  Viebig  schlaf,  heer  (1904)  358;  nicht  notwendig  Über- 
setzung von  latifundium  {zs.  f.  d.  w.  4,  129),  vgl.  grosz  III 
4  a.  —  groszgr undbesitzer,  m.;  des  freiherrn  von 
Hohenthal,  eines  groszgrundbesitzers  in  Torgau  Bern- 
hardt ^rescÄ.  d.  waldeigent.  2,  86;  auf  den  ausgedehnten 
besitzungen  der  klöster  und  anderer  groszgrundbesitzer 
Schwappach  handb.  d.  forst-  u.jagdgesch.  1,  25;  bildlich: 


hält  man  Wagner  ...  für  einen  groszgrundbesitzer  im 
reich  des  klangs  Nietzsche  8,  28.  —  groszgrund- 
besitzung,  /.,  Conrad  hdicb.  d.  staatswiss.  ^2,  453.  — 
groszgrundeigen,  n.,  =:  groszgrundbesitz  Lamprecht 
dtsche  gesch.  2,  87;  Conrad  handwb.  d.  staatswiss.  ^2,  339. 

—  groszgrundeigentümer,  to.,  3,  206.  —  grosz- 
grundherrschaft,  /.,  2,  458.  —  groszgunst,  f.: 
dasz  die  herren,  frauen  .  .  ihnen  allerseits  mit  dero 
groszgunsten  und  wolgewogenheit  beygethan  jederzeit 
verbleiben  wollen  Harsdörfer  teutsch.  secret.  1,  731 ;  be- 
fehle mich  inzwischen  zu  seinen  groszgunsten  Butschky 
hd.  kanz.  546;  auch  persönlich  als  anredeformel:  {es  ist) 
nachhin  ein  bösewicht  von  eurer  richterl.  groszgunsten 
bedienten  .  .  herausgekommen  Gottsched  dtsche  schaub. 
5,  342;  selten;  wohl  erst  dem  folg.  adject.  nachgebildet. 

GROSZGÜNSTIG,  adj.  und  adv.,  eine  Schöpfung  des 
höflichkeitsstils  {vgl.  grosz  III 1  c),  die  im  16.  jh  in  schwang 
kommt,  mit  Vorliebe  in  anreden,  Widmungen  und  dgl. 
und  im  allgemeinen  angewendet  auf  nichtfürstliche  per- 
sonen,  also  magistrate  von  städten,  behörden  aller  art, 
patrone,  gönner,  social  gleichgestellte:  bey  seines  gleichen 
sagt  man :  hochgeehrter  herr,  werthester  gönner,  grosz- 
günstiger  herr  und  freund  Chr.  Weis'e  polit.  redner  199; 
vgl.  Krünitz  20,  133;  meinen  gnedigen  groszgünstigen 
herren  {den  comthuren  der  ballei  Franken  des  Deutschen 
Ordens)  H.  Sachs  18,  3  K.-G.;  wolglerter,  groszgünstiger 
herr  und  freund  Vogelgesang-Cochläus  gespräch  2  ndr., 
dies  eine  im  16.  jh.  sehr  beliebte  koppelung;  ihre  magni- 
ficens  benebst  meine  groszgünstigen  herren  assessores 
verzeihen  mir  Schoch  stud.  leben  (1657)  l  2*;  im  18.  jA. 
veraltend,  S.Adelung,  Campe;  freilich  immer  noch  häufig, 
aber  meist  mit  besonderem  ton,  archaisierend,  scherzend, 
parodisch,  ironisch:  hochedler,  gestrenger,  vester,  in- 
sonders  groszgünstiger  herr  richter!  Gottsched  dtsche 
schaub.  5,  324;  euer  groszgünstige  sittsamkeit  I  als  anrede 
Petrasch  lustsp.  1,  174;  nothgedrungene  epistel  des  be- 
rühmten Schneiders  Johannes  Schere  an  seinen  grosz- 
günstigen mäcen  Bürger  81  *  B.;  entsprechend:  desselben 
groszgünstige  gewogenheit  Butschky  Ad. /can^.  176;  diese 
{frauen)  sind  mit  .  .  groszgünstiger  erlaubnis  der  Göt- 
tinger damen  .  .  nicht  schön  Laukhard  leb.  u.  sehicks. 
1,  263;  ähnliches  gilt  für  den  gebrauch  des  adv.,  das  erst 
m,it  dem  17.  jh.  einzusetzen  scheint:  wie  auch  grossgünstig 
ihnen  mich  .  ,  befohlen  seyn  lassen  wollen  Guarino- 
Nius  greuel  der  Verwüstung  8;  euer  excellenz  wolten 
grossgünstig  belieben  Grimmelshausen  4,  553  Keller; 
in  den  briefstellern  des  Menantes  noch  empfohlen:  mich 
auf  das  bevorstehende  hochzeitfest  groszgünstig  zu  in- 
vitiren  allern.  art  275;  vgl.  neue  br.  491  u.  ö.;  aber  bald 
darauf  veraltend  und  nur  noch  mit  besonderer  note:  un- 
gefähr so  wie  die  kunstrichter  groszgünstig  zu  befehlen 
geruhten  J.  T.  Hermes  Soph.  reise  3,  311;  amtsstil:  hoch- 
dieselben  geruhen  diesen  unseeligen  streit  groszgünstig 
fordersamst  zu  beenden  Göthe  38,  271  W.;  im  11.  jh. 
stehend  in  anreden  des  autors  an  den  leser :  groszgünstiger 
leser  Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  1,  a  4^;  an  den 
grossgünstigen  leser  Chemnitz  schwed.  krieg  l,  vorr.  l; 
noch  bei  Tieck  sehr.  9,  4;  auch  dies  geht  im  18.  jh.  zu- 
rück: der  geneigte  leser  wird  mir  groszgünstig  erlauben 
Rabener  (1777)  4,  82;  das  groszgünstige  publicum  Schil- 
ler 6,  840  G.;  anwendungen  auszerhalb  der  höfiichkeits- 
Phraseologie  sind  selten  und  secundär: 

groszgünstig  glück  das  will  ihn  wohl 

ZiNKGREF  auserl.  ged.  12  ndr.  ,■ 

—  groszhand,  /..-  darnoch  zu  sagen  von  den  armen, 
so  die  groszhandt  genant  werden  Gersdorf  feldb.  der 
tvundarzn.  (1530)  8*. 

GROSZHANDEL,  m.,  mercatura  magnaria,  solidaria 
Stieler  754;  negotio,  traffico  in  grosso  Kramer  teutsch- 
ital.  1,  621*,  und  noch  bei  Campe  lediglich  als  der  handel 
en  gros  bestimmt ;  späterhin  verändert  sich  die  bedeutung 
vielfach  im  sinne  des  compos.  typus  grosz  III  4  a;  vgl. 
schon:  groszhandel  'der  handel  oder  die  handlung  ins 
grosze  oder  im  groszen'  Krünitz  20,  134;  ein  solcher  satz 
drückt  den  groszhandel  der  Städte  nicht  Moser  l,  277; 
der   hof   gab    also    verschiedenen  personen    besondere 


541   GROSZHÄNDLER  —  GROSZHANS 


GROSZHAUS,  GROSZHEIT 


542 


freiheiten  zum  groszhandel  Nicolai  reise  d,  Beutschi, 
i,  449 ;  im  groszhandel,  der  von  China  bis  zum  Tajo  reichte, 
herrschte  ausschlieszlich  römisches  gepräge  G.  Freytag 
17,  283;  bildlich:  da  doch  der  romanendichter  immer 
nur  groszhandel  mit  unwahrscheinlichkeiten  treiben 
sollte  A.  W.  Schlegel  im  Athen.  2,  320.  dazu  mancherlei 
bicomposita  wie  groszhandelsmasz  v.  Alten  2,854; 
-platz  D.  Fr.  Strausz  lO,  258;  -preis  V.  A.  Huber 
reiaebr.  2,  249;  -verkehr  Conrad  handwb.  d.  staatswiss. 
23,  821. 

GROSZHÄNDLER,  m.,  um  1700  aufkommend  als  ein- 
deutschung  des  um  1600  aufgenommenen  fremdivortes 
grossierer  (nach  frz.  marchand  grossier),  das  noch  im 
ganzen  18.  jh.  durchaus  lebendig  blieb  (S.  v.  Laroche  br. 
an  Lina  [l78S]  178;  Fr.  H.  Jacobi  w.  6,  888)  und  um  1800 
durch  grossist  abgelöst  tourde,  vgl.  Schulz  fremdwb.  l, 
256 ;  zunächst  der  händler  engros  (wie  denn  die  dem  frz. 
nachgeschaffene  formel  ins  grosze  handeln  [*.  grosz  H  2  d] 
deutlich  die  bildxmg  des  subst.  unterstützt  hat):  grosz- 
händler,  grossirer  mercanie,  trafficante  in  grosso  Kra- 
mer teutsch.ital.  1,  569*;  dagegen  bei  Stieler  155  ein 
groszer  händeler  magnarius  negotiator ;  groszhändler,  der 
ins  grosz  handlet  Aler  1,  986";  Nicolai  sondert  die 
niederläger,  die  groszhändler,  die  kleinhändler  reise  d. 
Deutschi.  4,  447 ;  es  giebt  tandler,  die  schauen  ein  grosz- 
händler über  die  achsel  an  Nestroy  1,  8; 

messen  doch  der  Stadt  groszhändler 
groschenweis  nicht  buntes  band 

RÜCKERT  7, 14; 

in  diesem  sinn  auch  grossohändler  Sanders  synon.  487; 
dann  auch,  unter  Veränderung  der  bedeutung  des  ersten 
Clements  im  sinne  des  compos.  typus  grosz  III  4  e,  soviel 
wie  das  heutige  groszkaufmann  (s.  d.):  sogar  die  grosz- 
händler sind  jener  eximirten  führerklasse  beizuzählen 
Schopenhauer  5,  255  Oris.;  Marcus  König  galt  für  den 
reichsten  groszhändler  der  stadt  G.  Freytag  11,  33;  (der) 
einflusz  der  römischen  banquiers  und  groszhändler 
MOMMSEN  röm.  gesch.  2,  23;  mit  präpos.:  mit  den  piraten- 
capitänen  als  den  bedeutendsten  groszhändlern  in  diesem 
artikel  (sklaven)  2,  65;  (der  Deutsche)  ist,  wie  Robertson 
sich  ausdrückt,  groszhändler  in  der  gelehrsamkeit  Kant 
10  (1839),  358  Hartenstein.  —  groszhandlung,  /.,  'eiiie 
handlung,  die  ins  grosze  gehet,  d.  i.  die  nur  im  ganzen 
verkauft'  Jacobsson  technol.  tvb.  2,  157'';  schauen  wir 
auf  n  handelsstand,  wie  viel  giebt's  da  groszhandlungen 
Nestroy  1,  169;  der  tuchmacher  .  .  errichtete  ein  tuch- 
und  seidenwaarengeschäft;  dasselbe  gedieh  zu  einer 
groszhandlung  Rosegger  In, 250.  —  groszhandlungs- 
gesellschaft,/.,  Nicolai  reise  durch  Deutschi.  4,  449 ; 
-gesellschafter  Fr.  Schlegel  dtsch.  mus.  i,  469.  — 
groszhandlungshaus,  n.,  Nestroy  1,2;  Gutzkow 
Zauberer  v.  Rom  7,  144;  vgl.  groszhaus. 

GROSZHANS,  m.,  ursprünglich  wie  groszer  hans  (s. 
grosz  I  F  1  c  /9)  von  vornehmen,  hochgestellten,  je  später 
je  ausgesprochener  mit  scheltendem  nebensinn:  jenen 
spanischen  grandes  oder  grosshansen  Guarinonius 
greuel  d.  verwüst.  807;  was  groszhansz  ubels  thut,  das 
musz  klein  hensichen  entgelten  Petri  der  Teutschen 
weish.  2,  Yye*^;  es  sey  eine  schände  . .,  dasz  ilire  männer 
alles  gehen  lassen,  wie  es  der  groszhans  im  schlosz 
gern  sehe  Pestalozzi  sehr.  8,  228;  die  groszhansen  der 
groszen  mächte  haben  gewaltige  furcht  Fr.  L.  Jahn  br. 
98  Meyer;  grosz-  und  kleinhans  formelhaft  im  sinne  'hoch 
und  niedrig':  dass  es  (das  buch)  .  .  .  kaufen  darf,  wer 
lust  .  .  darzu  hat,  es  sey  gleich  gelehrt  oder  ungelehrt, 
reich  oder  arm,  gross-  oder  kleinhans  Grimmelshau- 
sen  i,  502  Keller;  drum  soll  sie  sich  erklären,  wen 
sie  haben  will,  groszhanns  oder  kleinhanns!  wenn's 
nur  ein  braver  kerl  ist  J.  C.  Kaffka  sechs  freier  (1787) 
50;  wenigstens  diese  formel  scheint  aus  der  spräche  der 
landsknechte  zu  stammen,  wo  sie  verschiedene  rangstufen 
bezeichnet;  zahlreiche  belege  unter  kleinhans  th.  5,  lllO; 
diese  (emigranten)  .  .  spielten  den  groszhans  'den  groszen 
herrn'  Laukhard  leb.  u.  schicks.  8,  56;  als  der  böhmische 
Junker  .  .  nach  art  aller  emporkömmlinge  den  grosz- 
hans spielte  Fr.  L.  Jahn  1,  4ö2 ;  dann  auch   'der  sich 


grosz  macht;  der  grosz  mit  dem  maul  ist;  der  sich  groszer 
streich  austhut'  Aler  l,  987*;  besonders  alemannisch: 
ist  dann  ein  bursch  da,  so  begeret  zä  spielen,  so  will 
groszhans  auch  nit  der  letst  vsein  Wickram  3,  294  lit. 
ver.;  dasz  ich  auf  solchem  (schlosz)  mehrere  .  .  ergötz- 
lichkeit geniesse,  als  mancher  groszhans  mit  allen 
pralereyen  Zend.  a  Zendoriis  wintern.  22;  ein  Glarner, 
ein  verlogener  groszhans,  der  uns  mit  unaufhörlichem 
herzählen  seiner  heldenstreichen  quälte  U.  Bräker  2, 
138;  fängst  du  nun  an?  du  groszhans!  Göthe  12,  100 
W.;  vgl.  Fischer  schicäb.  8,  857;  prahler,  tcindbeutel 
Woeste  86*;  diminuiert:  ein  kleins  groszhänslin  Fi- 
sch art  geschichtklitt.  bl  ndr.;  dazu:  wie  seine  eitelkeit 
und  groszhansigkeit  sich  auch  in  seiner  spräche 
nicht  verleugnen  wollte  0.  Ludwig  2,  496;  auch  verbale 
ableitungen:  auf  begehrisch  und  groszhansendJ.  Gott- 
HELF  6,  343;  'gr  osz h ans  er eü'  —  rief  der  invalid  von 
jenem  tisch  herüber  J.  Grosse  ausgew.  10.  3,  199;  wollt 
ihr  uns  den  durchzug  versperren  aus  lauter  neid  .  .  . 
und  dummer  groszhanserei?  H.  Nydegger  Hans  d.  Chüjer 
(1894)  12.  —  groszhaus,  n.:  soll  .  .  meniglich  wissen, 
dasz  .  .  .  nicht  einerlei  form  und  weisz  registrierens, 
sonder  nach  dem  der  dynasta  .  .  .  oder  nach  dem  der 
prelat  und  sein  groszhausz  oder  stifft  J.  v.  Rammingen 
registratur  (l57l)  c  1  •» ;  anders  =  groszhandlungshaus :  trieb 
er  .  .  das  gewerbe  eines  weinkommissärs  für  ein  jüdi- 
sches groszhaus  in  Stuttgart  Hansjakob  schneeballen  239. 

GROSZHEIT,  /.,  ist  die  abstractbildung  zum  adj.,  die 
sich  tcesentlich  auf  nd.  boden  entioickelt  hat:  groetheit 
ScHiLLER-LüBBEN  2,156'';  grottc,  grötte,  grootheit  brem. 
wb.  2,  550;  grootheit  Schütze  holst.  2,  75;  auch  im  mnl. 
und  nnl.  herrschend;  daher  fehlt  das  wort  in  den  groszen 
hd.  tcörterbüchern  (auszer  Stieler)  bis  auf  Campe  (s. 
dazu  unten  3);  in  den  kleinen  spätmhd.  und  frühnhd. 
gloss.  bei  Diefenbach  ist  es  nicht  selten,  aber  gewöhnlich 
in  solchen,  die  deutlich  nd.  beeinfluszt  sind,  soweit  nicht 
überhaupt  die  nd.  form  grotheit  auftritt  (s.  u.  l) ;  auch 
die  literarischen  belege  fallen  bis  ins  18.  jh.  weit  über- 
wiegend in  das  nd.  Norddeutschland  oder  in  das  früher 
nd.  gebiet  des  m,ittleren  Mitteldeutschlands ;  wenn  auch 
die  obd.  mystik  das  wort  besitzt,  könnte  es,  vne  andere 
abstracta  auf  -heit,  selbständig  gebildet  sein. 

1)  im  eigentlichen  sinn  als  masz-  und  mengenbegriff, 
zunächst  von  concretem,  dann  auch  von  abstractem :  grosz-, 
groetheit  magnitudo  Diefenbach  343";  ingentia  298''; 
immensitas  287*';  quantitas  ill^;  nov.  gl.  Z\^Q^;  auch  die 
grundbedeutung  (s.  grosz  I  A  2)  klingt  an:  grossitas  gloss. 
270*;  entsprechend  grosz  IB  i:  die  grözheit  der  vische 
ungewöhnliche  grosze  myst.  1,  72,  7  Ff;  (gazellen)  sijnt 
deyr  van  gesteltenyss  ind  groyssheyt  wie  eyn  geysse 
Harff  pilgerf.  154;  doctor  Martinus  redete  von  der 
groszheit  der  sonnen  Luther  tischr.  (1568)  16'';  eyn  grot- 
heyt  ens  personen  statura  Diefenbach  551*;  groszheit 
statura,  corporis  forma  et  granditas  Stieler  708;  die 
groszheit  und  grandität  des  leibes  Prätorius  anthropod. 
plut.  2,  209;  entsprechend  grosz  I  B  2:  der  gut  will  ist 
mer  zu  loben,  dann  die  groszhait  der  gab  A.  v.  Eyb  sp. 
d.  Sitten  (l5ll)  c  3*;  dasz  man  in  dem  brautschatz  selbst 
nicht  die  groszheit  .  .  ansehen  .  .  solle  J.  v.  Münster 
iract.  de  polyteknia  (1595)  248 ;  als  inconcretes  masz  wie 
I  B  4;  de  grotheit  des  geystes,  so  yn  ohm  was  Waldis 
Verl.  soJm  3  ndr.;  scheiden  se  de  körte  tydt  desses  leven- 
des,  alse  de  tho  der  grotheyt  des  geschefftes  (der  alche- 
misterei)  nicht  genoch  sy  jg.  glosse  z.  Reinke  de  vos  163 
Br.;  oder  häufiger  nach  art  des  intensiven  grosz  I  D: 
mit  einem  hüglichen  wegenne  der  unmessigen  grözheit 
miner  besserunge  Seuse  dtsche  sehr.  258  B.;  die  gross- 
hait  der  unbegreifenlichen  wirdikait  gotes  Tauler  serm. 
(1508)  77"=;  die  grözheit  der  libe,  di  si  baten  in  deme 
herzen  zu  gote  myst.  i,  157  Pf;  ich  bekenne  ouch  miner 
buoze  kleinheit  gegen  miner  sünden  grözheit  l,  284;  die 
groszheit  des  lasters  und  grewels  Sleidanus  reden  72 
lit.  ver.;  krancke  lüde  mögen  wenich  of  nicht  eten  na 
groetheit  der  kraneheit  J.  Veghe  Görresjahrb.  6,  396; 
die  groszheit  seiner  quahl  Weckherlin  2,  67  lit.  ver.; 
im  17.  jh.  anscheinend  erloschen. 


543 


GROSZHEIT 


GEOSZHEIT 


544 


2)  uneigentlich,  zum  ausdruck  innerer  maszverhältnisse, 
im  sinne  von  grosz  I  F ;  nur  selten  entsprechend  F  2  b 
als  'öedeutung,  gewichtiglceit' :  wo  die  eheleute  die  hoheit 
and  grosheit  des  ehestandes  nicht  bedencken  E.  Sar- 
CERIUS  buch  V.  hl.  ehest.  (1553)  126'^;  häufiger  mit  persön- 
lichem regens,  zumal  von  gott  (vgl.  grosz  I  F  1  d  y) ,  wo 
indessen  die  sinnliche  grundbedeutung  zuweilen  noch  stark 
mitspricht  (vgl.  grösze  B  3):  si  irschräckin  alle  in  der 
grözheit  gotis  Beheim  evang.  buch,  Luc.  9,  44;  so  siht 
die  s61e  gotes  grözheit  an  und  ir  kleinheit  myst.  2, 
687  Pf.; 

(Salotnos  braut  sieht)  ihre  kleinheit  auch  widerumb, 
gottes  groszheit  und  eigenthumb 

D.  Sudermann  hohe  geistr.  lehren  (1622)29»; 

auch  mit  dem  folg.  sich  berührend:  dyne  groisheit  is  er- 
haven  oever  alle  dye  hemele  (magnificentia  tua  ps.  8,  2) 
übers,  von  psalmen  .  .  a.  d.  14.  jh.  7  Janota;  entsprechend 
grosz  F  1  c:  edel-  vel  groszheit  eximietas  Diefenbagh 
216";  herlicheit  vel  groeszheit  maiestas  344*;  magnifi- 
centia 843'';  grandezze  ist  so  viel  als  grossheit,  hohes 
ansehen  und  herrlichkeit  Stieleh  zeitgs.lust  (1695)  ö^O; 
die  groszheit  bestehet  nicht  in  viel  zu  geben  .  .  .  die 
niedrigkeit  (vielmehr)  bringet  einen  menschen  zu  den 
höchsten  stufen  der  erhebung  Oleariv s persian.  baumg. 
49;  vgl.  64;  diese  bedeutung  scheint  die  einzige,  die  zumal 
in  der  abart  'groszthun,  überhebung'  lebendig  ins  18.  jh. 
herübergreift:  dasz  er  lieber  .  .  auf  seinen  vorderfüszen 
gegangen  wäre,  als  dasz  er  mit  den  hinterfüszen  auf 
das  stechende  hüneraug  seiner  grözheit  hätte  treten 
sollen  (vorher:  dasz  diesem  herrn  .  .  der  respect  samt 
der  spanischen  grandezza  in  die  füsze  gefahren)  Lin- 
den born  Diogenes  l,  460;  menschen,  die  sich  für  grosz- 
heit kaum  mehr  kannten  Zinzendorf  neQi  tavxov  (i746) 
221;  vgl.  teutsche  ged.  319. 

3)  um  die  mitte  des  18.  jhs.  erlebte  das  subst.  eine 
loiedergeburt,  und  zwar  durch  Winckelmann,  einen 
Niederdeutschen  also,  der  das  wort  in  den  dienst  seiner 
neuen  kunstbetrachtung  stellte  und  es  fast  nur  im  Zu- 
sammenhang mit  ihr  verwendete,  es  wurde  begierig  auf- 
genommen, zumal  von  Göthe,  griff  bald  über  seinen  ur- 
sprünglichen anwendungsbereich  hinaus,  blieb  aber  natür- 
lich beschränkt  auf  die  bezeichnung  des  inneren  maszes, 
um  das  ältere  subst.  grösze  in  gewissen  bedeutungen  ganz 
in  den  hintergrund  zu  drängen,  man  empfand  das  wort 
als  eine  Schöpfung  Winckelmanns,  vergl.  Herder  4, 
303  S.;  Adelung  miszfiel  es,  mag.  f.  die  dtsche  spr.  2, 
2,  76;  Heynatz,  der  es  als  'niedersächsich'  erkennt,  des- 
gleichen, antibarb.  2,  78;  Kinderling  stellt  es  als  'ent- 
behrliches neues  wort'  hin,  reinigk.  56;  in  der  2.  hälfte 
des  19.  ^Ä.  tritt  das  subst.  toieder  zurück ;  vgl,  Weigand 
synon.  2,  95. 

a)  bei  Winckelmann  mit  leichtem  achwanken  des  Sin- 
nes, insofern  er  bald  mehr  das  äuszere  bestimmter  stil- 
formen, bald  mehr  den  gefühlsmäszigen  gehalt,  die  see- 
lische Wirkung  des  kunstwerkes  im  äuge  hat.  groszheit 
geht  auf  das  groszlinige,  feste  des  stils  (im  gegensatz 
zum  weichen,  anmuthigen),  öfter  mit  dem  beisinn  des 
strengen,  auch  des  monumentalen,  und  verbindet  damit 
die  bedeutung  'innere  hoheit,  erhabenheit,  gewaW:  durch 
das  gerade  und  völlige  wird  die  groszheit  gebildet  und 
durch  sanft  gesenkete  formen  das  zärtliche  w.  4,  246; 
es  bildete  sich  also  in  ihren  flguren  die  groszheit, 
welche  aber  in  vergleichung  gegen  die  wellenförmigen 
umrisse  der  nachfolger  .  .  eine  gewisse  härte  kann  ge- 
zeiget haben  5,  209;  in  Ägypten  ging  dieselbe  (kunst) 
auf  die  groszheit  3,  277;  äugen  der  königin  der  göttinnen 
mit  groszheit  gewölbet  6,  223;  der  stil  derselben  (Phi- 
dias,  Polyclet,  Scopas  u.  s.  w.)  kann  der  grösze  genennet 
werden,  weil  auszer  der  Schönheit  die  vornehmste  ab- 
sieht dieser  künstler  scheinet  die  groszheit  gewesen  zu 
seyn  5,  286;  mit  demselben  doppelsinn  auch  bei  Winckel- 
manns Jüngern:  wenn  eure  (der  Griechen)  äugen  weiche 
umrisse,  rundliche  formen  und  eine  malerische  gratie 
suchen  .  .  so  trachten  wir  (Ägypter)  auch  in  der  ge- 
staltung  der  colossalischen  groszheit  nicht  unwürdig  zu 
werden,   die  ihr   zur  Weichheit  verwöhnet    für  steife 


härte  scheltet  Herder  2,  183  S.;  das  lebendige,  die 
groszheit  des  styls  (am  phigalischen  fries)  Göthe  IV  29, 
106  W.;  für  götterbilder  wurde  allmählich  die  groszheit 
in  gestalt  und  Charakter  erworben  H.  Meyer  gesch.  d. 
bild.  künste  1,  266;  der  (Lipsius),  so  wir  vor  uns  haben, 
ist  voll  grösze,  ohne  groszheit  der  hauptform  Lavater 
phys.  fragm.  4,  882;  die  strenge  groszheit  des  Giotto 
Fr.  Schlegel  6,  62;  formen,  welche  durch  ihre  grosz- 
heit grösze  des  gehalts  aussprechen  Fr.  Th.  Vischer 
ästh.  2,  390;  dagegen:  ein  junger  künstler  hat  .  .  grund, 
am  fuszgestell  einer  antike  zu  sitzen  und  ihre  grosz- 
heit zu  haschen  Schubart  leb.  u.  gesinn.;  der  durch 
die  posaune  von  oben  aufgeschreckte  weltmensch,  ein 
bild  von  der  ersten  und  seltsamsten  groszheit  Göthe 
IV  21,  80  W.;  das  gröszte  werck  der  Innern  groszheit 
nach  (ist)  die  rotonde  IV  8,  45;  die  trümmer  der  alt- 
persischen hauptstadt  .  .  tragen  den  eindruck  majestä- 
tischer groszheit  J.  v,  Müller  l,  97;  noch  anders,  per- 
sönlicher gefühlt:  seine  Sachen  (haben)  eine  innerliche 
moralische  grazie,  eine  schöne  freyheit  und  groszheit 
Göthe  III  i,  802  W.,-  die  scenerie  (des  bildes)  .  .  hatte 
etwas  von  Claude  Lorrains  heiterer  kraft  und  grosz- 
heit Spielhagen  2,  439;  dasselbe  schillern  der  bedeutung 
auch  bei  der  anwendung  auf  andere  künste:  mit  der  .  . 
würdigen  groszheit  der  alten  tragödie  Fr.  Schlegel 
im  Athen.  1,  2,  175;  Dantes  widerwärtige,  oft  abscheu- 
liche groszheit  Göthe  36,  194  W.;  viele  werke  Shake- 
spears,  die,  wenn  auch  in  der  Umarbeitung  entstellt, 
das  gepräge  der  groszheit  behalten  hatten  Tieck  sehr. 
1,  XIII ;  die  messen  haben  groszheit,  andacht  und  her- 
zensfülle  Schübart  ästh.  d.  tonkunst  183. 

b)  weiterhin  auf  menschen  bezogen;  auch  dies  schon 
bei  Winckelmann,  wenngleich  selten:  leute  von  Wahr- 
heit, redlichkeit  und  groszheit  zusammengesetzt  w.  10, 
181;  die  bedeutung  schwankt  stark:  vom  ganzen  stil  des 
lebens  und  der  persönlichkeit;  groszheit  des  Napoleon- 
schen  Charakters  Göthe  35,  271  W.;  wer  blosz  in  unse- 
rer feinheit  gelebt  hat,  kann  die  groszheit  jener  men- 
schen nicht  begreifen  E.  M.  Arndt  ans.  und  auss.  245; 
wir  bewundern  die  römische  groszheit  und  gewalt  scJir. 
f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  l,  444;  keinen,  der  nur  jemals 
von  der  kraft  und  groszheit  deutschen  wesens  künde 
gegeben  Treitschke  dtsche  gesch.  im  19.  jh.  i,  271;  an- 
ders, mehr  äuszerlich  auf  haltung  und  gebaren  zielend: 
sie  (die  einwohner  von  Palermo)  affectiren  nicht  jene 
ungelenke  groszheit,  welche  der  römische  und  neapoli- 
tanische adel  annimmt  Göthe  46,  172  W.;  noch  eine 
andere  Spielart  des  sinnes  definiert  WiEt.AND:  groszheit 
verhält  sich  zu  grösze,  wie  hoheit  zu  höhe,  nur  dasz 
es  in  dieser  bedeutung  im  hochdeutschen  noch  nicht 
üblich  ist.  der  dichter  versteht  unter  groszheit  das, 
was  .  .  eine  grösze,  über  gewöhnliche  menschen  weit 
empor  ragende  person  ankündigt  .  .  .  majestät  ist  nur 
ein  höherer  grad  von  groszheit  w.  23  (1796),  325;  vgl. 

stehst  du  nun  in  deiner  groszheit,  deiner  schöne  vor  uns  da 
(von  Helena)  Göthe  15, 194  W.; 

von  seelischer  Spannweite,  höhe  und  weite  des  schauens 
und  empfindens;  ein  lieblingsausdruck  Göthes  (vergl. 
grosz  I  F  1  f) :  hätte  mich  nur  da,s  Schicksal  in  irgend 
einer  groszen  gegend  heiszen  wohnen,  ich  wollte  .  .  . 
nahrung  der  groszheit  aus  ihr  saugen  io.  19,  225  W.; 
zwei  schreiben  des  Königsbergers  (Hamann)  .  . ,  die  von 
der  wundersamen  groszheit  und  Innigkeit  ihres  Verfas- 
sers zeugnisz  ablegen  28,  107;  ähnlich:  mögen  sie  mir 
über  ihr  fach  .  .  mit  ihrer  gewöhnlichen  groszheit  und 
freymüthigkeit  ein  bedeutendes  wort  sagen  IV  16,  301; 
vgl.  I  85,  31;  II  8,  214;  gern  mit  ethischem  klang  (vgl. 
grosz  I  F  1  e  a,ß):  unwürdige  seele,  die  seine  (gottes)  gute 
lobte,  und  nicht  muth,  nicht  groszheit,  nicht  adel  ge- 
nug hätte,  eben  die  gutheit  an  ihrem  theil  zu  bewei- 
sen Herder  31,  90  S.;  vgl.  31,  87; 

ihr  wart  beiden  und  trugt  im  gemüt  die  unsterbliche  grosz- 
heit 
Platen  1,  310; 

(eine  dichtgattung ,  die)  im  gegensatze  gegen  die  er- 
schlaffte moralische  kraft  in  den  Zeitgenossen  die  mo- 


I 


545 


GROSZHEIT,  GROSZHERR 


GROSZHERR  -  GROSZHERZIG 


546 


ralische  groszheit  der  Vergangenheit  aufdeckt  Gervinus 
gesch.  d.  dtsch.  dichtung  5,  457;  noch  anders:  ich  kenne 
die  männliche  groszheit,  wie  gern  sie  in  einem  philo- 
sophischen gewande  glänzt  {gegensatz:  weibliche  Schwach- 
heit) J.  Moser  5,  43;  gelegentlich  concreter  im  sinne  sitt- 
licher Vorzüge:  über  die  Charakterstärke,  den  helden- 
mut,  mit  dem  er  alte  ansprüche  nicht  aufgab,  .  .  samt 
andern  groszheiten  Grillparzer  u,  162. 

c)  je  später,  je  gröszer  ivird  die  zahl  der  anwendungs- 
möglichkeiten  auch  bei  dinglichem  regens;  zumeist  im 
sijine  innerer  tveite  und  erhabenheit,  oft  mit  stärkerem 
anklingen  räumlich-quantitativer  vorstelltmgen  {vgl.  grosz 
IF2d):  gestaltlose  groszheit  der  natur  Göthe  III  2, 
168  W.;  vgl.  I  31,  151;  die  groszheit  der  horizontale,  hell- 
dunkel  (in  Norivegen)  Fr.  Th.  Visgher  auch  einer  ^2, 
U4;  durchgeistigte  form  wundervoller  linien  und  ge- 
stalten, entzückender  täler  .  .,  in  groszheit  ruhender 
felsenberge  Gregorovius  wanderj.  4,  367; 

sah  ich  nicht  immer  groszheit  ohnegleichen 
im  aufstieg  alter  parke  vor  den  weichen 
erwartungsvollen  abenden 

R.  M.  Rilke  buch  d.  bilder  145; 

doch  auch  mannigfach  sonst:  die  groszheit  der  religion 
schränkt  sich  nicht  auf  irgend  eine  meinung  ein,  son- 
dern dehnt  sich  über  den  ganzen  menschen  aus  Jean 
Paul  (1827)  86,  61  Reimer;  die  groszheit  der  lehre  Hera- 
klits  Fr.  Creuzer  in:  Preisendanz  d.  liebe  d.  Günde- 
rode  274;  weil  es  zu  der  groszheit  deiner  ansieht  der  weit 
und  des  lebens  gehört  43;  es  {der  tod  Heinrichs  IV.)  war 
das  Schicksal  Caesars,  aber  ohne  die  groszheit  der  for- 
men, welche  die  geschichte  des  alterthums  selbst  noch 
in  den  verbrechen  zeigt  Ranke  9,  108;  die  ceremonien 
haben  einen  ganz  eigenen  Charakter  von  groszheit  und 
würde  S.  Hensel  fam.  Mendelssohn  2,  155. 

.  d)  schlieszlich  erscheint  das  subst.  auch  ivieder,  frei- 
lich recht  selten,  als  abstractbildung  zu  dem,  rein  quan- 
titativen grosz :  groszheit  'die  eigenschaft  des  groszseins, 
den  begriff  der  grösze  als  einverleibt  zu  bezeichnen'  Campe 
2,  462 •>:  wenn  ich  sage,  dieser  mensch  ist  grosz,  so  war 
das  grosze  schon  vorher  etwas,  und  ich  will  nur,  dasz 
der,  welcher  mich  hört,  dem  menschen  grösze,  besser 
groszheit,  beilegen  soll  citat  ebda;  ist  doch  der  Cha- 
rakter der  grösze  auch  bei  sinnlichen  gegenständen,  so 
oft  ganz  verschieden  vom  Charakter  der  groszheit  grafen 
Stolberg  6,  5;  nur  bei  den  alten  Völkern  ist  grösze, 
bei  den  neuern  blosz  groszheit.  die  grösze  ist  von  innen 
hinausstrebend,  die  groszheit  von  auszen  hereinraffend 
Fr.  L.  Jahn  dtsch.  volksth.  103;  mit  etwas  verändertem 
sinn  {vgl.  grosz  I  E  i) :  damit  unser  groszes  volk  .  .  die 
stelle  unter  den  Völkern  Europas  einnehme,  die  seiner 
groszheit  und  vortrefflichkeit  zukomme  E.  M.  Arndt 
sehr,  für  u,  an  s.  l.  Deutschen  3,  105. 

GROSZHERR,  m.  l)  =  groszer  herr,  in  unterschied- 
licher Verwendung:  disz  Sprichwort  gehört  auf  .  .  wenig 
ftirsten  und  groszherren  noch  seh.  w.  klugr.  (1548)  132'»; 
als  .  .  könig  Stephanus  Batoreus  .  .  mit  todt  abgangen, 
entsönderten  sich  die  wöhlende  groszherren  Fr.  A.  v. 
Brandis  des  tirol.  adlers  ehrenkr.  212;  nun  liesz  sich 
unser  ritter  in  Malta  bei  dem  groszmeister  (er  nannte 
ihn  groszherrn)  melden  Hippel  kreuz-  u.  querz.  l,  247; 

er  (ein  diener)  widerstand  der  that  und  zog  sein  Schwert 

auf  seinen  groszherrn  (den  herzog  von  Cornwall) 

to  Ms  great  master  Lear  IV  2  Voss  Shak.  3,  264; 

ich  bin  der  groszherr  Mephistopheles 

Hebel  (1853)  2,  99; 

wo  er  (Luther)  dem  geistlichen  groszherrn  entsagte 
Fr.  L.  Jahn  dtsch.  volksth.  S62. 

2)  speciell  titel  des  türkischen  Sultans  (vgl.  den  com- 
pos.  typus  grosz  III  4  k) : 

blss  dass  der  grossherr  selbst  nach  Candien  aufbricht 

LoiiENSTEiN  Ibrahim  (1701)  21; 

ihre  kost  haben  sie  (die  janitscharen)  von  dem  grosz- 
herrn Abr.  a  St.  Clara  etw.  f.  alle  2,  301;  Strangforts 
Unterhaltung  mit  den  ministem  des  groszherrn  Göthe 
III  9,  7  W.;  den  .  .  groszherrn  sultan  Mahmud  Moltke 
IV.  1.  6. 


sehr,  und  denkw.  1,  23;  auch  gelegentlich  von  anderen 
morgenländischen  herrschern:  einst  geboten  arabische 
groszherren   auf  dem   throne   zu  Bagdad   Fr.  L.  Jahn 

1,  167;  vgl.  selbst:  (leute)  die  .  .  in  nichts  die  nähe  des 
groszherrn  (d.  i.  häuptlings)  ahnen  lieszen  v.  Götzen 
durch  Afrika  178. 

3)  grosherr,  groszvatter  avus  Henisch  1753;  grosz- 
herrlein,  herrlin  avolo,  nonno  Kramer  teutsch-ital.  i, 
671";  schon  früh:  daz  wil  ich  dir  gehalten,  so  du  wurst 
also  alt  also  myn  grosz  herre  altd.  üb.  buch  192,  12 
Pfeiffer;  mnl.  allgeviein  als  groothere  Verwijs-Verdam 

2,  2189 ;  freier  'ahnherr':  aber  ich  glaube,  fast  alle  meine 
grosz-  und  urgroszherrn  waren  viel  zu  trockene  leute 
Brentano  Godwi  i,  298;  vgl.  herrlein  i  und  groszfrau. 

—  groszherrisch,  adj.,  das  gebaren  eines  groszen 
herren  zeigend:  herrisch,  stattlich,  groszherrisch,  gravi- 
tätisch für  nl.  stemmig  Kramer  hochniederd.  1,  368*; 
daher  sind  die  solarisohen  thiere  .  .  königlich  und  grosz- 
herrisch im  ansehen  A.  v.  Frangkenberg  gemma  mag. 
(1684)  70;  gewöhnlich  tadelnd:  groszherrisch  seyn  wollen 
Star'  alla  grande  Kramer  teutsch-ital.  1,  569*';  ist  das 
nicht  eine  groszherrische  art  gewesen  (von  einer  men- 
surcomödie)  Ch.  Sorel  leben  d.  Francion  (1662)  488;  einer 
von  diesen  zwar  ganz  kleinen,  aber  recht  groszherrischen 
päbstgen  J.  Chr.  Krüger  d.  geistlichen  a.  d.  lande  (1743) 
80;  das  klingt  zu  groszherrisch  vor  einen  Zimmermann 
ZiNZENDORF  Lue.  4,  22  anm.;  indess  sie  der  grosz- 
herrische Versprecher,  der  Wonnemonat,  als  ein  schelm 
betröge  Voss  krit.bl.2,9^.  —  groszherrlich,  adj.  l) ge- 
steigertes herrlich  (vgl.  den  compos.  typus  grosz  III  l  a) : 
groszherrlich  Schottel  465;  disz  ist  der  groszherrliche 
tag,  den  der  herr  gesetzt  hat  Er.  Frangisci  d.  letzte 
rechensch.  (i68l)  383;  eine  groszherrliche  galerie,  mit 
vielen  porphyrseulen  prangend  luftkr.  (l680)  103;  die  un- 
garische herren  .  .  .  sich  mit  königlichem  pracht  auf- 
führten und  groszherrlich  lebten  d.  höll.  Proteus  (1695) 
717;  dasz  die  demente  zusammen  klungen  .  .  in  einem 

—  einem  groszherrlichen  schall  Schiller  l,  62  G.;  was 
selbst  der  alte  feudalzustand  ...  für  groszherrliches, 
kühnes  und  kräfteerweckendes  gehabt  Herder  5,  455  S. 
2)  als  ableitung  zu  groszherr:  appartenente  a  un  grande 
ö  ä  un  signor  grande  Kramer  teutschital.  l,  569";  be- 
sonders im  sinne  von  groszherr  2 :  sofort  erging  ein  grosz- 
herrlicher  firman  in  die  provinzen  Gervinus  gesch.  d. 
19.  jh.  6,  232;  als  groszherrlich  türkischer  connetable 
Bismarck  ged.  und  erinn.  2,  298  volksausg.  —  grosz- 
herrlichkeit,  /.,  sovranitä,  dominio  sopr'  eminente 
Kramer  teutsch-ital.  l,  672'';  der  papst  .  .  trachtete  .  . 
mehr  durch  . .  fügend  . .  denn  durch  vermorschte  Waffen 
ehemaliger  groszherrlichkeit  die  würde  eines  Oberhauptes 
der  .  .  kirche  zu  retten  Zschokke  35,  309.  —  grosz- 
herrschaft,  /. ;  il  grandato  di  Spagna  die  groszherr- 
schaft  in  Spanien  Kramer  ital.-teutsch.  (i693)  519«.  — 
groszherrscher,  m.: 

hingegen  wie  vergnügt  musz  ein  groszherrscher  sein, 
der  sieg-  und  liebesfrucht  zusammen  erndtet  ein 

Lohenstein  Cleopatra^; 

auf  den  russischen  zaren  angewendet  Rosegger  Alpen- 
sommer (1908)  150;  bildlich:  der  trotzige  felsrein:  der 
groszherrscher  Grimming  Schriften  II  12,  67;  moviert: 
groszherrscherin  der  neun  englischen  herrscha- 
ren Guarinonius  greuel  der  Verwüstung,  dedication 
a  2». 

GROSZHERZIG,  adj.,  erst  nhd.,  parallelbildung  zu 
dem  enttcickelteren  groszmüthig. 

l)  in  älterer  spräche  fast  nur  im  sinne  starkherzig, 
standhaft,  tapfer,  also  wie  groszmüthig  i,  aber  seltener: 
getrost  in  krankheyt,  groshertzig  und  standhaft  in  wider- 
wärtigkeyt  Fi  schart  3,  237  IT.,-  (eine  stärke,  die)  allein 
für  die  gerechtigkeit  ires  vatterlands  bisz  in  die  letzten 
seuftzen  groszhertzig  ist  bewiesen  Fronsperger  Jcriegs- 
buch  1,  174»; 

Triambe,  sei  gegrüst,  o  Herrscher  aller  feinde, 
groszhertzig,  starck  von  kratft 

Opitz  teutsche  poem.  216  ndr.; 

35 


547 


GROSZHERZIG 


GROSZHERZIGKEIT,  GROSZHERZOG     548 


Gennäos,  welcher  stets  groszhertzig  war  in  nöthen 
W.  H.  V.  HOHBERG  d.  habsburg.  Ottobert  (1664)  Ff  2»; 

die  tapfere  mutter  Amatriciana,  welche,  als  sie  sähe, 
dasz  ihr  söhn  .  .  kleinmüthig  wurde,  groszhertzig  her- 
aus brach  Neumark  fortyepfl.  musik.-poet.  lustw.  2,  28; 
so  wohl  auch  noch:  als  eine  groszhertzige  löwin  sich 
eher  an  einem  faden  als  einer  ketten  leiten  last  Bes- 
ser sehr,  2,  862;  oder  zum  folg.? 

2)  nur  in  unsicheren  spuren  erscheint  die  Bedeutung 
'stolz',  die  sich  neben  groszmüthig  3  stellen  tvürde:  das 
sichs  nit  allein  annehm  der  arm  unmündig  Schreiber 
zu  Leiptzk,  sondern  vielmehr  die  groszhertzigen  fen- 
richen,  die  nit  dürfen  an  tag  sich  geben  Luther  6, 
286  W.;  denn  weise  und  gelehrte  leute  sind  geneigt, 
grosse  dinge  zuthun,  und  daher  sind  sie  groszhertzig, 
und  solche  leute  empören  sich  gar  leicht  v,  Stosgh 
polit.  Staatsgarten  (1676)  132;  groszhertzig  und  ruhmrätig 
ScHOTTEL  haubtspr.  466^;  die  belege  weisen  wie  bei  grosz- 
müthig nach  Norddeutschland;  vergl.  groothartig  hoch- 
müthig  Schütze  holst.  2,  75. 

3)  die  heute  herrschende  bedeutung  kommt  erst  im  spä- 
teren 18.  jh.  auf  (Wieland,  Herder,  Schiller,  bei 
GÖTHE  anscheinend  fehlend),  um  sich  erst  im  19.  jh.  voll 
zu  entfalten;  Adelung  noch  notiert  nur,  als  selten,  die 
bedeutung  l,  unter  hinweis  auf  nd.  groothartig. 

a)  auch  auf  dieser  linie  war  groszherzig  zunächst  an- 
scheinend einfach  synonym  der  allgemeineren  bedeutung 
von  groszmüthig  2,  also  'von  edler,  hoher,  erhabener  ge- 
sinnung'  (wie  denn  eben  das  absterben  dieser  bedeutung 
bei  groszmüthig  im  19.  jh.  offenbar  in  dem  eintreten  von 
groszherzig  begründet  liegt):  groszherzige  Britannia Schil- 
ler 4-,  110  (?.,■  tapfere,  gerade,  redliche,  biderbe,  grosz- 
herzige, einfältige,  von  der  scheere  kultur  unverschniz- 
zelte  menschen  Schubart  leb.  u.  gesinn.  l,  231 ; 

morgen  gehört  sie 
euch  Jungfrauen  nicht  mehr,  nein  uns  groszherzigen  weibern 

Voss  Luise  (1810)  236; 

der  groszherzige,  nie  eng-,  immer  weitbrüstige  Jüngling 
Jean  Paul  l5/i8,  354;  es  scheint  mir,  als  ob  das  all- 
gemeine Unglück  die  menschen  erzöge,  ich  finde  .  .  . 
ihre  ansieht  von  der  weit  groszherziger  H.  v.  Kleist 
5,  331  E.  Schm.;  'hochgemuth':  aus  dem  vollen  humpen 
selbst  tranken  wir  groszherzigen  das  kühle  .  .  .  nasz 
TiECK  sehr.  4,  29;  blasser,  als  formelhaftes  epitheton: 
des  groszherzigen  Anchises  söhn  Bürger  161^  B.;  das 
Volk  des  groszherzigen  Erechtheus  H.  Meyer  gesch.  d. 
bild.  künste  2,  166;  die  sittliche  anschauung,  .  .  die  in 
dem  groszherzigen  Oidipus  .  .  stark  war  R.  Wagner 
4,  69;  wenn  manche  dieser  älteren  gebrauchsweisen  heute 
schon  fremd  klingen,  so  deshalb,  weil  die  bedeutung  all- 
mählich einen  prägnanteren  Charakter  gewonnen  hat,  dem 
von  'hochherzig'  nahekommend:  Polen,  das  groszherzige 
und  freigesinnte,  müsse  wiederhergestellt  werden  E.  M. 
Arndt  geist  d.  zeit  (1813)  3,  40;  der  Hohenstaufen  grosz- 
herzger  heldenstamm  Waiblinger  ged.  a.  Italien  2,  113 
Qris.;  ehrt  es  in  diesem  {kaiser  Wilhelm)  den  groszher- 
zigen bauherrn  H.  Prütz  preusz.  gesch.  4,  882;  arglos, 
groszherzig,  ohne  jeden  hintergedanken  betrieb  er  diese 
plane  Treitschke  dtsche  gesch.  im  19.  jh.  l,  261;  möge 
die  groszherzige  absieht  des  herrn  prinzregenten  nicht 
auf  Schwierigkeiten  stoszen  jahrb.  d.  Grillparzergesell- 
schüft  1,238;  gern  gerade  in  solcher  beziehung  auf  für- 
sten,  vgl.  dazu  groszmüthig  2  a;  gelegentlich  auch  an 
'weitherzig'  erinnernd:  (Shakespeare)  soll  .  .  nicht  min- 
der groszherzig  gefühlt  haben  als  der  grosze  graf  Platen 
Heine  3,  341  E. 

b)  eine  specialisierung  der  bedeutung  a  rückt  das  mo- 
ment  der  Selbstlosigkeit,  eines  irgendwie  gearteten  Verzichtes 
auf  egoistische  interessen  in  den  Vordergrund;  auch  hier 
knüpft  das  adj.  deutlich  an  groszmüthig  2  b  an,  hat  sich 
aber  allmählich  verselbständigt,  so  dasz  heute  groszmüthig 
meAr  die  einzelne  regung,  groszherzig  mehr  einen  dauern- 
den zustand  der  seele  bezeichnet;  gern  neben  verben  des 
Sinnes  vergeben,  verzeihen,  schonen  u.  ä.:  wenn  du  grosz- 
herzig genug  bist,  gegen  ihn  mehr  als  gerecht  zu  sein 
Wieland  (1853/'.)  23, 178; 


seid  edel,  und  groszherzig  schenkt  einajider 
die  unabtragbar  ungeheure  schuld 

Schiller  14,  31  G.; 

es  ist  .  .  eines  groszherzigen  volkes  würdig,  das  böse 
mit  gutem  zu  vergelten  E.  M.  Arndt  geist  d.  zeit  (1813) 
3,  227;  auch  wenn  er  seiner  groszherzig  geschont  hat 
Scherer  kl.  sehr.  2, 13;  auf  anderer  linie:  eine  der  rühm- 
lichsten bestrebungen  groszherziger  Privatleute  . .  war  die 
Wiedereroberung  Afrikas  für  die  Wissenschaft  Zschokke 
2,  311 ;  wer  sein  leben  nicht  groszherzig  auf  das  spiel  zu 
setzen  weisz  Raupach  dram.  %v.  kom.  gatt.  i,  174;  im  be- 
wusztsein  eines  groszherzig  gebrachten  opfers  Mörike 
8,  63;  freiwillige  und  groszherzige  Unterordnung  wird 
selten  angetroffen  G.  Schwetschke  ausgew.  sehr.  2,  23; 
wieder  anders,  an  groszmüthig  2  c  erinnernd:  so  war  er 
doch  so  gemeinnützig  und  groszherzig,  dasz  das  geld  für 
ihn  nur  wert  hatte,  wenn  etwas  damit  ausgerichtet  ,  . 
wurde  G.  Keller  i,  22. 

GROSZHERZIGKEIT,  /..  magnitudo  animi  Stieler 
832;  aber  erst  seit  dem  späteren  18.  jh.  wirklich  lebendig; 
gelegentlich  noch  mit  einem  nachhall  der  bedeutung  von 
groszherzig  l :  dann  möchte  uns  schier  aller  muth  ver- 
lassen, ein  einziges  gutes  wort  .  .  ist  aber  auch  wieder 
im  stände,  alle  schaffende  .  .  kraft  in  uns  zurückzu- 
liefern  .  .  ,  sodasz  wir  dann  mit  groszherzigkeit  wieder 
an  unsre  arbeit  gehen  mögen  Tieck  Sternb.  (i798)  l,  105; 
heftigkeit  ist  nicht  immer  ein  zeichen  des  muthes  und 
der  groszherzigkeit  sehr,  il ,  5 ;  dasz  wir  ( Wiener)  eine 
starke  ader  von  spartanischer  groszherzigkeit  in  unserem 
geblüte  haben  Schreyvogel  2,  i,  229;  gewöhnlich  aber 
im  sinne  und  mit  den  unterschieden  von  groszherzig  2: 
als  solcher  erscheint  er  (Achill)  sofort  in  seinen  reden, 
unbefangen,  wie  es  die  groszherzigkeit  ist,  und  gerade 
Herder  17,  164  S.;  alles  an  ihm  athmet  jugendliche 
groszherzigkeit,  wohlwollen,  wärme  des  gefühls  Schil- 
ler 4,  280  (?.;  Voltaire  bat  .  .  .  Friedrich  um  beistand, 
und  dieser  gab  auch  hier  einen  beweis  seiner  grosz- 
herzigkeit D.  Fr.  Strausz  ll,2i8;  sein  idealismus  hatte 
an  eine  gewisse  groszherzigkeit  Ludmillens  geglaubt 
Laube  14,  195;  um  seiner  (eines  feindes)  etwaigen  klein- 
lichkeit  stets  mit  groszherzigkeit  zu  begegnen  Al.  Jung 
geheimn.  d.  lebensk.  l,  47. 

GROSZHERZOG,  m.  l)  nicht  vor  dem  jähre  1569  nach- 
zuweisen, in  icelchem  Cosimo  I.  de  Medici  von  Plus  V, 
den  titel  gran  duca  erhielt;  daher  vom  16.  bis  18.  jh.  vor- 
tviegend  von  den  groszherzögen  von  Toscana,  einfach  als 
elativer  titel,  nicht  mehr  in  dem  eigentlichen  sinne  des  com- 
pos.-typus  grosz  III  4  k;  da  er  (Pius  V.)  .  .  den  hertzogen 
von  Florentz  nie  präuchlicher  weisz  hat  auf  moscovitisch 
zum  groszhertzogen  gemacht  Fischart  bienenk.  144''; 
er  denkt  wohl  an  den  russischen  titel  groszfürst  (s.  d.); 
sonst  ist  sie  (die  stadt  Lucca)  allenthalben  von  dem  grosz- 
hertzogen umbgeben  J.  Boterus  allg.  weltbeschr.  1,49 ;  dess 
grosshertzogen  von  Florentz  schiff  Stumpf  Schwytzer- 
chr.  il^;  groszherzog  magnus  duxHetruriae  Apinus  gloss. 
nov.  257;  als  Napoleon  1806  Murat  das  groszherzogthum 
Berg  verlieh,  nahmen  auch  eine  anzahl  deutscher  fürsten 
den  titel  an:  das  blatt  von  der  band  unsers  verehrtesten 
groszherzogs  Göthe  IV  22,  ?47  W.;  erfuhr  ich,  dasz  der 
groszherzog  .  .  in  Mannheim  sey  Jüng-Stilling  i,  615; 
nach  Krünitz  20,  138  auch  ehemalige  bezeichnung  der  be- 
herr scher  Ruszlands,  Westpreuszens,  Litauens  u.  s.  f.,  wo 
der  eigentliche  sinn  der  composition  (oberster  herzog  über 
theilherzögen)  besser  zur  geltung  käme;  doch  literarisch 
nur  vereinzelt  nachweisbar  (gewöhnlich  vielmehr  grosz- 
fürst) :  als  aber  .  .  der  groszhertzog  (der  herr  Moskaus) 
auch  den  frieden  mit  den  Türeken  nicht  brechen  wolte 
Lohenstein  Ibrahim  (i70l)  J  6";  vgl.  (Karl  Gustav  von 
Schweden  trug  dem  kurfürsten  von  Brandenburg  an)  ihn 
zum  groszherzog  .  .  .  der  eroberten  Woiwodschaften  zu 
machen  Ranke  26,  252;  in  älterer  spräche  auch  weniger 
prägnant  'das  überhaupt,  der  oberste  führer':  darbei  (bei 
dem  landtag  Karls  d.  gr.)  ist  gegenwertig  gewesen  der 
newe  groszhertzog  aus  Sachsen,  fürst  Wedekind  der  elter 
Cyr.  Spangenberg  mansfeld.  chron.  (1572)  81'';  Josua  der 
grosshertzog  dess  israelitischen  volcks  Dannhauer catecA. 


549 


GROSZHERZOG  -  GRÖSZIG 


milch  i,  447;  selbständig  gebildet  oder  in  anlehnung  an 
den  titel  der  Herrscher  von  Florenz?  deutlich  diesen  paro- 
dierend: disz  wollen  wir  dem  groszhertzogen,  nein,  gröst- 
hertzogsten  zu  Rom  vorbehalten  haben  Fischart  ge- 
schichtkl.  892  ndr. ;  anders  348 ;  man  helt  offt  mit  einem 
ein  fest,  als  wolt  man  ihn  zum  groszhertzogen  machen 
Lehmann  floril.  polit.  l,  175; 

als  sie  aus  den  armen 
ihres  gemahls  der  groszherzog  Hades  risz 

E.  M.  Arndt  w.  6, 115. 

2)  grosze  dhreule.  uhu  KrOnitz  20, 138;  strix  bubo  Nau- 
mann naturgesch.  d.  vögel  1,  440.  —  groszherzogin,  /. 
Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  6,  59;  Elis.  Charl. 
V.  Orleans  br.  2,  145  lit.  ver.  —  groszherzoglich, 
adj.:  Chiappino  Vitelli,  als  welcher  damals  in  grosz- 
herzoglichen  diensten  begriffen  war  M.  Krämer  leben 
u.  tapf.  thaten  (1681)  122;  das  groszherzogliche  museum 
GöTHE  49,13  W.;  einen  groszherzoglich-hessischen  haupt- 
mann  Uoi^tei  vierzig  jähre  i,  19.  —  groszherzogthum, 
n.:  aus  dem  groszherzogthum  Toscana  Castelli  ital.- 
teutsch  (1741)  vorr.  2";  mit  dem  groszherzogthum  Lit- 
thauen Hippel  lebensl.  2,  427;  in  ...  dem  groszherzog- 
thum Posen  Moltke  sehr.  u.  denkw.  1,  22. 

GROSZHIRN,  n.,  'die  den  ganzen  obern  und  vordem  teil 
des  Schädels  einnehmende  hauptmasse  des  gehirns'  Brock- 
haus '*8,  428*',  im  gegensatz  zum  kleinhlrn;  das  mensch- 
liche groszhirn,  welches  allein  als  sitz  .  .  des  denkver- 
mögens  betrachtet  werden  darf  Peschel  völkerk.  65; 
schon  ijn  16.  Jh.:  derhalben  es  auch  harter  ist  dann  das 
vorder  gross  hirn  Ryff  anat.  N  S**;  dazu  groszhirn- 
klappe  SÖMMERRiNO  4,208;  -rinde  v.  Alten  4,106; 
-spalte  SöMMERRiNG  4,106;  -Windung  4,  243  m.  «. — 
groszhirt,  m.,  der  ältere  hirt  gegenüber  dem  jüngeren, 
dem  kleinhirten  (s.  d.),  also  im  sinne  von  grosz  I  B  l  c  3/: 
dem  groszhirten  solle  ein  mayer  15  laib  und  diesem  und 
dem  kleinhirten  .  .  einen  gewonlichen  zelten  geben  citat 
bei  BiRLiNGER  232;  da  sagte  der  groszhirt  zu  seinem 
Jüngern  gehilfen  Steub  drei  sommer  in  Tirol  l,  338;  der 
bauer  von  der  hohen  weid  war  eigentlich  ein  groszhirt 
Rosegger  I  12,  144;  uneigentlich:  sie  (die  Donau)  viel 
derer  lieder  mitbringet,  die  ehedessen  einer  von  den 
bekanten  grosshirten  ihres  Strandes  gesungen  hat  A.  U. 
V.  Braunschweig  Oct.  1,  vorr.  5».  —  groszhofmei- 
ster,  m.,  eigentlich  der  oberste  der  hofmeister  («.  grosz 
III  4  k),  vgl.  den  beleg  von  1520  unter  grosz  I  F  1  a  schlusz; 
diser  Pipinus  so  darnach  maiordom  oder  groszhofmeister 
genent  Seb.  Franck  chron.  .  .  von  d.  Francken  ankunft 
89*;  bei  diesem,  autor  die  regelmäszige  Übersetzung  von 
majordomus  {und  so  auch  noch  in  neuerer  zeit,  s.  Campe)  ; 
auch  sonst  in  den  älteren  belegen  als  ein  amt  von  groszem 
getcicht:  Erckenwalt  war  sein  oberster  rat  oder  des  grosz- 
hoffmeister  J.  Schenck  chron.  (1522)  103;  Ferdinand  her- 
tzog  zu  Alba  .  .  ,  römischer  kei.  mai.  groshoffmeister, 
Stadthalter  und  oberster  hauptman  H.  Merckel  bericht 
v.  d.  belog.  Magdeburgs  (1587)  F  2";  hat  er  seinen  Gri- 
moaldum  zum  groszhoffmeister  in  Franckreich  gelassen 
J.  Beütz  päbstl.  chron.  (l60i)  148;  'in  dem  deutschen  reiche 
wird  der  churfürst  von  der  Pfalz  wegen  seines  alten  amtes 
zuweilen  des  reiches  groszhofmeister  genannt'  Krönitz 
20,  139;  in  jüngerer  zeit  loiegt  die  bedeutung  des  modernen 
Oberhofmeister  vor:  gran-ciambellano  Kramer  teutsch- 
ital.  1,669";  supre^nus  aulae praefectus  Aler  1,1128*;  zwey- 
brückischer  raht  und  grosshofmeister  Stumpf  Schwytzer- 
chron.  432  *;  {der  markgraf)  habens  aber  an  i.  kön.  may, 
durch  den  grosshofmeister  von  Solms  gelangen  lassen 
acta  publ.  6,  12  Palm;  er  {Geliert)  bildete  und  empfahl 
alle  hauslehrer,  er  war  der  groszhofmeister  der  ganzen 
nation  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  4,  89;  moviert: 
groszhofmeisterin  S.  v.  Birken  ostländ.  lorbeerh.  7; 
dann  kommt  die  groszhofmeisterin  und  lehrt  die  gesetze 
der  Sitte  und  bewegung  Scheffel  1,  lli. 

GRÖSZIG,  adj..  nur  vereinzelt  nachzuweisen:  winkel- 
lein, die  runden  grözzig  {tcohl  compos.)  sein  K.  v.  Me- 

genberg  dtsche  sphära  7,  7,  als  Übersetzung  von  spera- 
lis;  %voazichi  grandiusculus  Er.  Alberus  dict.  kkj  1^; 

heute  mundartlich  groussech   sehr  groaz   lux.  ma.  156''; 


GRÖSZIGLICH  -  GROSZKELL(N)ER     550 

mit  anderem  suffix  nd.  grootsk  prächtig,  stolz  brem.  wb. 
2,  549;  auch  das  zugehörige  adv.  grösziglich  bleibt  sel- 
ten: grosseclich  betrübet  zs.f.  d.  w.  1,  612  {anf.  a.jh.); 

ich  was  frohe  grossenclich 

pilgerf.  d.  träum,  mönchs  6167; 

die  verschuldent  sich  grossiglich  d.  ew.  iceish.  betbüchl. 
(1518)  184";  ebenso  das  vb.  gröszigen  grosz  machen:  die 
sterck  des  herren  werd  gegrössigt  erste  dtsche  bibel  4,  64 
var.;   die   sehende  der  gnaden  und  gaben  .  .  grossigete 
in  ir  di  hoe  des  gesehlechtes  Hedwigleg.  (l50i)  b  l*;  nur 
lexicalisch  gröszigkeit:  groszekeide  ma^rni^Mdo  Diefen- 
BACH  343«;  groyszikeit  quantitas  477 *>;  vgl.  nov.  gl.  SlO*»; 
grossicheyt  der  personen   staiura   551*;    nd.  groticheit, 
grotkeit  ingentia  298  ^ ;  erst  in  neuerer  zeit  öfter  spielend 
als  contrastbildung  zu  kleinigkeit:  hier  ist  eine  gröszig- 
keit {von  einem  trinkgeld)  Bäuerle  kom.  theater  3,  57; 
man  musz   grosz  in  kleinigkeiten  seyn  —  wenn  man 
klein  in  groszigkeiten  werden  will   Meisl  theatr.  quod- 
libet  6, 108.  —  gröszing,  m.,  junger  sprosz,  a.  gröszling. 
GROSZJÄHRIG,  adj.,  Übersetzung  von  maiorennis,  wie 
minderjährig  von  minorennis:   die   belehnung   geschehe 
gleich  durch  einen  minder  odder  grosj erigen  lehenrecht 
(1533)  B  1»;  als  bald  er  nu  groszjärig  wirt  genennet  wer- 
den J.  de  Serres  franz.  hist.  (1574)  140»;    der  vater  des 
kindes  war  .  .  kaum  groszjährig  L.  v.  Franc^ois  Recken- 
burg, l,  1;  auch  freier,  von  geistiger  mündigkeit:  K.  bin 
ich  doch  herrin  über  meine  handlungen,  seit  das  gericht 
mich  groszjährig  sprach.    E.  ein  mädchen  ist  niemals 
groszjährig!    Bauernfeld  3,  152;   bildlich:   seit  diesem 
heiligen  siege  sind  wir  ein  groszjährig  volk  Fr.  L.  Jahn 
2,  463;  Campe  zieht  unter  dem  beifall  von  Heyn  atz  anti- 
b'arb.  2,  78  volljährig  vor.  —  groszjährigkeit,  /..-  die 
groszjährigkeit  des  jüngsten  sohns  Moser  1,  404;  beim 
antritt  der  groszjährigkeit  Schleiermacher  1 5, 31;  diese 
Schrift  enthält  ihre  groszjährigkeits-erkiärung  Baüern- 
feld  5,  242.    —    groszkanzler,  m.,  'der  oberste  und 
vornehmste  kanzler  eines  reiches,  der  allen  andern  kanz- 
lern  vorgesetzt  ist'  Krünitz  20,  139   {vgl.  grosz  III  4  k): 
dem  gros-  und  untercantzler  des  reiches  Pohlen  M.  Fried- 
wald abweich,  d.  lande  Preuszen  (1578)  J  z^;   dem  heid- 
nischen groszcantzler  Theophilo  V.  Herberger  herzpost. 
(1613)  2,  128;   dem   groszcantzler  in   Engelland  Thomae 
Moro  Abr.  a  St.  Clara  etio.  f.  alle  1,  41 ;   groszcantzlar 
von  Franckreich  Apinus  gloss.  nov.  256;  der  groszkanzler 
Bcstuchef  {von  Ruszland)  Ranke  29,  143;  und  bey  den 
Karolingern  {sind  benannt)  auch  die  grosz-  und  erbkanzler 
nebst  den  notarien  und  unterkanzlern  allg.  dtsche  bibl. 
66,838,  wo  die  eigentliche  bedeutung  noch  empfunden  scheint ; 
Friedrich  d.  gr.  errichtete  1746  die  stelle  eines  groszkanzlers, 
der  an  der  spitze  der  Justiz  stand:  von  dem  staatsminister 
und   groszkanzler  von   Carmer   Bürger  br.  3,  95  Str.; 
nach  Steins  rücktritt  wurde  er  groszkanzler  im  Justiz- 
ministerium Bernhardt  gesch.  d.  waldeigent.  3,  32;  ähn- 
lich bei  H.  V.  Kleist  im  Kohlhaas:  der  groszkanzler  des 
tribunals,  graf  Wrede  iv.  3,  I88  F.  Schm.  —  groszkauf- 
mann,  m.,  junges  wort,  setzt  das  {nicht  mehr  vorneJim 
genug  klingende)    groszhändler  fort   {s.  d.):    die    obere 
mittelklasse   umschlosz  .  .  .  beamte,   die  untere  grosz- 
kaufleute  Ratzel  völkerk.  3,  593 ;  einer  Vereinigung  von 
groszkaufleuten  und  groszindustriellen   Doren  Florent. 
tcolltuchind.  27;  ein  früher  vorklang:  das  der  gross  kauf- 
man  ain  person  auf  künftigen  reichstag  schicken  sollte 
Christ,  v.  Württemberg  br.  2,  494  Ernst  {a.  d.j.  1554), 
kaum    schon    compos.,    vgl.   groszer    kaufmann  482.   — 
groszkaufmännisch,  adj.:  was  war  natürlicher,  als 
dasz  die  Nürnberger  kaufmannschaft  ihr  äuge  nach  dem 
fernen  winkel  .  .  richtete  und  echt  groszkaufmännisch 
die   Sache  .  .  .  angriff  W.  Alexis  Isegrim  3,  821;    alle 
groszkaufmännischen  demente  der  stadt  Doren  Florent. 
wolltuchind.  20.  — gro8zkell(n)er,  m.,  eigentlich  ober- 
kellermeister,  cellarius  Frisius  dict.  puer.  (1556)  l,  116»; 
gewöhnlich  in  dem  weiteren  sinn  von  keller  2  {th.  5,  515) 
der  oberste  amtsverwalter  eines  klosters  oder  stiftea :  1351 
urkundet  ein  her  Cristan  von  Kutzceleuben  grosekelner 
urk.-buch  d.  kloat.  Pforte  2,  8;   andere  z.  t.  ältere  nach- 
weise fürs  U.jh.  bei  Fischer  schwäb.  8,867;   wan  ein 

36* 


551 


GROSZKIND  -  GROSZKOPF 


GROSZKÖPFIG  —  GROSZLAND 


552 


probst  .  .  dem  armen  man  .  .  das  sin  abgenimpt,  und 
wan  er  stirpt,  .  .  kumt  der  groskeller  von  Gluniak  und 
nimptz  gar  e.  oberrhein.  revolut.  118  Haupt;  on  verwil- 
ligung  unsers  gross  oder  herrenkellers  quelle  v.  1558  bei 
Fischer  a.  a.  o.;  sagte  der  prior  zu  dem  groskeller 
Grimmelshausen  3,  434  Keller;  dazu:  Ulrich,  welchen 
der  abt  von  der  groszkellerey  entlassen  J.  v.  Müller 
23,293,  —  groszkind,  n.,  enkelkind:  ich  glaube,  dasz 
ihr  kinder  von  euren  groszkindern  habt  Gottschedin 
samtnl.  v.  schausp.  {im ff.)  5,  55 ;  ehe  haben  die  grosz- 
eltern  auf  den  geist  der  groszkinder  einflusz  Hippel 
lebensl.  l,  426;  mein  groszkind,  eine  tochter  Tieck  no- 
vellenkr.  3,  253;  freier  'nachkommen',  wie  enkel  schlusz, 
th.  3,  486:  die  groszkinder  Brahmas  G.  Forster  9,  308; 
starke,  grosze  .  .  .  leute,  wie  wir  uns  etwa  die  grosz- 
kinder jener  barbaren  denken  mögen  J.  G.  Kohl  Alpen- 
reisen 2,  164;  vielfach  mundarü.,  vgl.  Frischbier  l,  256*; 
Fischer  Saml.  45;  Hentrich  Eichsfeld  53;  Fischer 
Schwab.  3,  857;  Staub-Tobler  3,  345.  —  groszknecht, 
m.,  der  älteste  und  erste  knecht  auf  einein  hofe  {vgl.  grosz 
I  B  1  f  schlusz) :  einem  groszknechte  {gebührt  als  jahres- 
lohn)  ...  6  tal.  12  gr.  Rätel  Curäi  chron.  481;  einem 
groszknecht,  der  das  ackerwerck  versiebet,  das  ander 
gesinde  regiret  Sghickfus  schles.  chron.  3,  373;  dasz  die 
von  adel  auf  ihren  vorwergen  hoffmeister  haben,  die 
nicht  viel  besser  seyn  als  ein  groszknecht  Chr.  Weise 
erznarren  106  ndr.;  jungen,  halb-  und  groszknechte 
MOSER  4,  23;  er  war  .  .  groszknecht,  das  heiszt  aufseher 
und  anführer  bei  der  arbeit  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an 
s.  l.  Deutschen  3,  494;  eine  {ost)md.  und  nd.  bezeiehmmg, 
vgl.  GusiNDE  vergessene  dtsche  Sprachinsel  168*;  Frisch- 
bier 1,  256*;  Dähnert  163*;  Bauer-Collitz  41»;  vgl. 
groszenke;  altknecht. 

GROSZKÖNIG,  m..  oberkönig  {vgl.  grosz  III  4  k):  die 
Macedonier  sagten  mir,  als  ihrem  groszkönig,  disz  alles 
wieder  Gabr.  Rollenhagen  indian.  reisen  19;  neuer- 
dings nach  dem  griech.  o  fxiyas  ßaailevs  von  den  alten 
persischen  königen:  das  reich  des  Cyrus  und  der  grosz- 
könige  Persiens  Ritter  erdk.  8,  I9i;  die  gemahlinnen 
der  persischen  groszkönige  Böttiger  kl.  sehr.  3,  105; 
dann  auch  von  anderen,  besonders  orientalischen  herr- 
schern:  von  dem  syrischen  groszkönig  Mommsen  röm. 
gesch.  2,  60;  inschriften  der  assyrischen  groszkönige 
Sachau  reise  in  Syrien  44;  diese  Versteinerung  der  volks- 
masse  .  .  misfiel  dem  groszkönige  {Harald  Schönhaar) 
Dahlmann  gesch.  v.  Dänem.  2,  85.  —  groszköniglich, 
adj.:  2  tagreisen  von  der  groszköniglichen  stadt  Peking 
J.  Neuhof  gesandtschaft  (1666)  9*;  als  ammiral  über 
die  groszkönigliche  flotte  E.  Frangisci  trauersaal  (l669) 
2,  178,  —  groszkönigthum,  n.,  Mommsen  röm.  gesch. 
5,  345. 

GROSZKOPF,  m.  l)  ein  groszer  köpf,  testa  grossa 
Kramer  teutschital.  l,  833'';  der  riese,  der  .  .  den  grosz- 
kopf  des  Zwergs  als  eignen  köpf  .  .  .  trug  Jean  Paul 
81,  34;  meist  von  einem,  wesen  mit  grossem,  köpf:  capito 
Frisius  190*;  xE(fttlwdr}s  Frischlin  (1586)  72*;  von 
einem  krebs:  und  soll  dieser  groszkopf  sowol  auf  dem 
lande  .  .  als  im  wasser  hausiren  Er.  Francisgi  lust. 
schaub.  (1698)2,1108;  gewöhnlich  irgendwie  gefärbt:  turpe 
Caput  Frisius  1339*;  'scherzhaft  oder  verächtlich'  Campe; 

umb  die  groszkopf  ist  khay  schadt  (t'.o?i  ziuei  hindern) 

volksschausp.  in  Baiern  u.  Österr.  370  Hartmann; 

hette  dieszer  löbliche  fürst  die  schwehre  kranckheit  desz 
geitzes  wie  etliche  groszkopfe  gehabt  G.  Widmann  chron. 
175  Kolb  {hier  'leute  hoher  Stellung'?  vgl.  groszköpfig  2) ; 
von  aufgeblasenen,  prahlhänsen:  wer  ist  dieszer  grosz- 
kopf, der  mit  so  doctoralischen  schritten  herein  gehet 
discourse  d.  mahlern  3,  105;  und  so  ein  groszkopf  sagt 
einst  zu  mir:  'Andres,  wenn  du  geld  mangelst,  so  komm 
zu  mir'  J.  Gotthelf  3,  98.  2)  appellativ:  am  gewöhn- 
lichsten für  mugil  cephalus,  eine  art  meeräsche:  mugil 
DiEFENBACH  869°;  Calepin  XI  ling.  916*;  nomencl.  lat.  germ. 
{Hamb.  1684)  155;  Brehm  thierl.  8,  161  P.L.;  der  grosz- 
kopf aber  {ist)  der  geschwindeste  fisch  Abr.  a  St.  Clara 
etw.f.  alle  2,  228;  nach  Campe  auch  für  cyprinus  dobula, 
den  alant  oder  dabei;  vgl.  mugil  ein  groszkopf,  ein  alet. 


ein  hardern  Corvinus  fons  155  aus  Gesner;  für  pha- 
laena  bombyx  dispar,  den  rosenspinner  Behlen  3, 506;  vgl. 
Staub-Tobler  3,412.  —  groszköpfig,  -icht,  adj.  l)  ca- 
pito groskopfeter  Verantius  dict.  (1595)  B4'';  die  Neuser 
meistens  .  .  wolgefärbte,  grosz  und  hartköpfete,  gesondte 
.  .  kerle  Guarinonius  greuel  d.  verwüst.  423;  den  neu- 
gebohrnen  groszkopfenden  buhen  Abr.  a  St,  Clara 
Judas  1,  17;  von  einer  ziemlich  groszköpflgen  rasse 
Ratzel  völkerk.  2,  546;  grossköpfige  schlang  Heyden 
Plinius  134;  disteln  von  der  groszköpflgen  sorte  Körte 
sprichw.  563;  auch  appellativ:  die  groszköpfige  fledermaus 
harpyia  Oken  7,  991 ;  groszköpfige  eule  strix  aluco,  grosz- 
köpfiger  pieper  anthus  macronyx  Behlen  3,  506.  2)  häufig 
in  übertragenem  sinn,  ähnlich  dem  jüngeren  dickköpfig: 
der  grosskopfet  esel  {Spangenberg)  Nas  antipap.  eins  ti. 
hundert  5,  205'';  einen  gross  und  grobkopfeten  menschen 
Guarinonius  greuel  d.  vertcüst.  299;  ir  grosskopfete  Un- 
wissenheit 1054;  ungereimte  dinge  in  seiner  groszköp- 
fichten  einbildung  zu  begehen  J.  Riemer  polit.  maulaffe 
55;  narr,  groszkopfeter  Abr.  a  St.  Clara  etw.f.  alle  2, 
223;  auf  anderer  Unit:  'ein  man,  der  eine  hohe  Stellung 
einnimmt,  z.  b.  des  is  a  groszkopfeter'  Hügel  71;  was 
in  der  g'moan  d'  groszkopfeten  sein  Anzengruber  8, 
128;  vielleicht  zu  erklären  aus  dem  folgenden  beleg:  die 
bürger,  ja  wohl  die  groszköpflgen,  die  paruquenteufel 
Fischer  schwäb.  3,  858  {quelle  v.  1720);  auch  mit  dem 
beisinn  des  aufgeblasenen:  der  {junge)  wird  einmal  deii 
groszköpflgen  herren  in  Deutschland  manchen  spuk 
machen  J.  v.  Kalchberg  ges.  sehr.  2,  61;  sein  leich- 
tes gepäck  berechtigte  .  .  .  nicht  den  anscheinlichen 
Vagabunden  zu  einer  solchen  groszköpflgen  barschaft 
J.  Nordmann  meine  sonntage  243.  —  groszköt(n)er, 
m.,  ein  gröszerer  kölner  im  gegensatz  zum  kleinköter 
{s.  d.):  die  trennung  der  grosz-  und  kleinköthner  ist  {im 
fürstenthum  Hildesheim)  nicht  allgemein  durchzuführen 
C.  Stüve  wesen  und  verfass.  der  landgemeinden  14;  der 
groszkötner  Hornhart  Sohnrey  im  grünen  klee  133; 
groszköter  Schrader  dtsch.-frz.  l,  377.  —  groszkotzig, 
adj.,  anmaszend,  hoffärtig  Müller-Fraureuth  l,  445*; 
auch  in  brandenburg,  umgangsspr.  verbreitet:  groszkozig 
sind  sie  geworden,  verstehen  sie  M.  Kretzeu  irrlichter 
1,  245;  auch  groszkutig  Bruns  volksivörter  der  provinz 
Sachsen  26*;  dazu  das  subst.  gvoszkootz  protz,  grosztuer 
ib.;  ein  groszkohtz  aus  Pankow  ein  prahler  Trachsel 
20;  etymol.  unsicher. 

GROSZKREUZ,  n.  l)  'bei  verschiedenen  ritterorden 
eine  benennung  der  ersten  und  vornehmsten  Ordensritter, 
welche  unmittelbar  auf  den  groszmeister  folgen'  Krünitz 
20,  140;  nach  v.  Alten  4,  471  zunächst  bei  den  Johan- 
nitern; in  dieser  Verwendung  auch  masc: 

und  vor  den  edlen  meister  tritt 

der  groszkreuz  mit  bescheidnem  schritt 

Schiller  11,  273  G.  {kämpf  m.  d.  drachen), 

später  geändert  in  jüngling;  behielten  sie  mir  .  .  .  das 
glück  vor,  .  .  .  mich  zum  groszcreutz  ihres  .  .  .  ordens 
wahlfähig  zu  machen  H.  L.  Wagner  confisk.  erz.  6; 
wenngleich  er  kein  freund  .  .  .  von  der  kleidung  der 
ritter  groszkreuze  .  .  war  Hippel  kreuz-  u.  querzüge  2,  8; 
herr  kammerherr  v.  Torsaker,  groszkreuz  vom  Sera- 
phinen orden  Jean  Paul  5,  91 ;  erst  secundär  von  der 
höchsten  Masse  eines  Ordenszeichens :  seine  brüst,  wo 
nächstdem  das  groszkreuz  des  civilverdienstordens  para- 
diren  werde  W.  Hauff  8,  27;  das  groszkreuz  mit  der 
kette  des  hausordens  der  Hohenzollern  Pückler  briefw. 
u.  tageb.  4,  129.  2)  name  eines  käfers,  carabus  crux  major 
Nemnich  211.  —  groszkreuzherr  allg.  dtsche  bibl.  93, 
601;  -ritter  Jagemann  (1799)546.  —  groszkündigung, 
/. :  könig  Alexander  hatte  angefangen,  di  groskündigung 
{geometriam)  zu  erlernen  Butschky  hd.  kanz.  667;  gehen 
wir  zu  der  groskündigung  und  der  thonkündigung  {geo- 
metria,  musica)  rosenihal  789;  groszkündigung  man  nennet 
mutter  der  handwercksleut  {unter  der  Überschrift:  geo- 
metria)  Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  642;  vgl.  gröszenkunde. 
—  groszland,  n.:  wie  einst  in  solchen  kleingebieten 
der  romanische  baustil  noch  gepflegt  wurde,  nachdem 
er  in  den  offenen  grosziändern  längst  dem  gothischen 


a 


553 


GROSZLÄNDER  —  GRÖSZLICH 


GROSZLICH 


554 


gewichen  G.  Keller  6,  28;  eine  öfter  sich  tviederholende 
eeitenbildung  zu  groszstadt:  muszt  bedenken,  wir  sind 
keine  groszstädter  und  groszländer  Grabbe  4,  \Zi.Bl.; 
Seefeld  ist  die  erste  Station  im  kaiserlichen,  und  ich 
kann  nicht  verhehlen,  dasz  es  mir  daselbst  etwas  grosz- 
ländisch  zu  muthe  wurde  E.  Förster  reis,  in  Italien 
\,  *;  das  groszländische  benehmen  in  sogenannten  ehren- 
sachen  G.  Keller  gr.Heinr.  2, 222  Ermat.  —  groszleibig, 
adj.,  dick-,  starkleibig  {vgl.  grosz  I  A  2  a) :  corpulentua 
Diefenbach  152*';  aber  auch  procerus  461  *>;  nov.  gl.  304''; 
corputo,  corpacciuto  Kramer  teutsch.-ital.  i,  569" ;  {Nitnrod) 
der  ein  starker  groszleibiger  Jäger  .  .  .  genennet  ward 
Steinhöwel  sp.  menschl.  lebens  (1479)  80*>;  (die  Bosnier) 
die  groszleibige  leut  sein  Rätel  Curäi  chron.  172;  grosz- 
leibig ist  der  baur  Schottel  ethica  (i669)  450;  groszleibige 
hechte  Oken  6,265.  —  groszleibigkeit,  /.;  all  ihr 
wesen  .  .  war  wildförmig  anzusehen,  massen  man  sol- 
ches auch  an  ihren  groszen  lippen,  niedrigen  nasen  .  . 
und  groszleibigkeit  abnehmen  kunte  F.  M.  Pinto  wu7i- 
derl.  reisen  (l67l)  125;  wenn  eine  solche  groszleibigkeit 
sich  durch  alle  stände  verbreitete  P.  T.  Hanson  reise 

(1813)   189. 

GRÖSZLICH,  adj.  und  adv. 
A.  als  adjectivum. 

1)  mhd.  sehr  gewöhnlich  im  sinne  von  grosz,  in  der 
Verwendung  aber  wesentlich  beschränkter  als  das  grund- 
wort;  nicht  zu  belegen  in  dem  hauptgebrauch  von  grosz, 
der  anwendung  avf  ein  coneretes  ausgedehntes  (s.  I  A  2, 
B  l) ;  wohl  aber  als  mengenbezeichnung  (B  2) : 

diu  menige  was  grözlich 

MiUt.  gen.  115,30; 

grözlichen  hört  Konr.  v.  Würzbürg  troj.  I94i;  groezlich 
opher  RuD.  v.  Ems  Bari.  289,  6;  iceit  überwiegend  indessen 
im  sinne  des  intensiven  grosz  D:  groezlichiu  not  H.  v. 
Melk  priesterl.  291;  groezlichiu  meine  863;  groezliche 
riuwe  Heinr.  v.  Morungen  min7ie8.fr.  183, 13;  groezlich 
wunder  Wolfr.  v.  Eschenbacii  Parz.  251,  26;  im  Nib. 
sehr  häufig  und  nur  so,  s.  Bartsch  gloss.  129;  gelegent- 
lich sogar  schon  in  der  abgezogensten  bedeutung  von 
grosz  F  1 : 

diu  götinne  Venus 
ob  allen  feinen  groezlich 

KoNE.  V.  Würzburg  troj.  21867; 

der  name  weer  mir  ze  groezlich 
(die  Stellung  als  herzog  von  Kent) 

RuD.  V.  Ems  g.  Gerh.  6208; 

nhd.  nur  noch  in  älterer  zeit  und  auch  da  selten:  us 
grösslicher  merklicher  not  und  armuot  quelle  von  1529 
bei  Staub-Tobler  2,  807;  darzue  soll  er  in  der  herr- 
schaft  gröszlichen  puesz  sein  österr.  weisth.  6,  265. 

2)  erst  nJid.  in  verkleitierndem  sinn  'etwas,  ziemlich 
grosz',  aber  nur  im  alem.  einigermaszen  entwickelt,  und 
zwar  ist  hier  diese  bedeutung  {zum,  unterschiede  von  l)  an 
die  suffixform  -lecht  gebunden;  es  liegt  also  eine  beson- 
dere bildung  {mhd.  groezeleht)  vor,  die  erst  späterhin 
mit  gröszlich  durcheinander  geriet:  groszlächt  grandi- 
culus  Frisius  609**;  maivsculus  idi*^;  subgrandis  tibi^ ; 
grossiecht  grandelet  Widerhold  151*^;  wie  groszlechtig 
quantulus  Diefenbach  477''  aus  Dasypodius;  von  einer 
schwangeren  {vgl.  grosz  I A  2  b) :  sie  ist  yetzt  eben  grösse- 
lecht  Terenz  deutsch  (1499)  31*  (grandicula  Andr.  814); 
für  dieselbe  stelle:  sy  ist  da  dannen  zogen  vast  grosz- 
lächtig  Frisius  1067*';  die  füss  am  äffen  sind  ,  .  wie 
grossiechte  bände  Herold  Forer  Oesners  thierb.  l;  die 
.  .  meerhund  gebären  die  jungen  auf  trocknem  lande 
und  besaugen  es  also  bisz  sie  was  groszlecht  werden 
D.  Federmann  Niederl.  beschr.  25;  noch  in  heutiger  ma. 
groszlächt,  -lächtig  im  sinne  'ziemlich  grosz"  Staub- 
Tobler  2,  806;  Schottel  notiert  grosz,  gröszlich  als 
beispiel  für  die  verkleinernde  kraft  des  stiffix  -lieh  haubt- 
spr.  245;  gröslich,  -licht  stcbgrandis,  gröslich  werden 
grandescere,  der  einen  gröslichen  köpf  hat  capito  und 
anderes  derart  bei  Stieler  708;  doch  scheint  das  icort 
auszerhalb  des  alem.  kaum,  gebräuchlich  getcesen  und 
mehr  durch  lexikalische  tradition  weitergeschleppt  uorden 
tu  sein;  daher  noch  bei  Adelung,  Campe. 


3)  nd.  scheint  eine  an  groae  I  F  l  g  erinnernde  bedeu- 
tung: 'wenigstens  gebraucht  man  im  gemeinen  leben  das 
wort  gröszlich,  auch  tcohl  gröszlichkeit  von  einem,  der 
sich  einen  gewissen  schein  der  grösze  giebt'  Kinderling 
reinigk.  56;  grötlik  vornehmthuend,  stolz  Woeste  86*; 
doch  vgl.  auch  B  3. 

B.  als  adverbium.  hauptgebrauch  des  Wortes,  das  für 
gewisse  gebrauchsweisen  des  adj.  grosz,  vor  allem  für  die 
bedeutung  D,  das  adv.  abzugeben  hat. 

1)  wie  das  adj.  erscheint  auch  das  adv.  im  sinne  einer 
mengenbezeichnung : 

dö  teter  herlichen 

und  gab  grözlichen  (reichlich) 

dem  alden  Straszb.  Alex.  7250; 

dar  zuo  der  künec  den  gesten       gäbe  grcezltchen  bot 

Nib.  854,  4; 
mhd.  häufig;  vgl. 

ich  will  dir  Ionen  gröslich 

fastnachtsp.  1,  443  K.; 

dieselbe  quantitative  bedeutung  noch  nhd.  in  einigen  festen 
Verbindungen:  hat  man  wol  mögen  diese  gütter  gröss- 
lich meren  Eb.  v.  GOnzburg  l,  176  ndr.;  es  {unser  leid) 
wil  sich  erst  gröszlich  hauffen  buch  d.  liebe  254«;  das 
inwendig  warnemen  gots  das  nympt  .  .  grosslichen  in 
ym  zu  Tauler  serm.  (1508)  15*';  {Verbrecher  flohen  zu 
Romulus),  dardurch  nam  Rom  gröszlich  zu  Kirchhof 
wendunm.  1,  20  lit.  ver.;  auch  sonst  wird  sie  gelegentlich 
fühlbar:  disze  beraitschaft  hat  gröszlich  an  ir  gehabt 
die  rain  liebhaberin  Maria  Magdalena  Keisersberg 
granatapfel  (1510)  G  4'»;  wie  wol  er  etwas  gutes  hat  ge- 
tan, so  übertrifft  doch  das  übel  .  .  das  gut  grösslich 
und  unzalich  Stretl.  ehr.  69  B. 

2)  die  eigentliche  domäne  des  adv.  ist  der  ausdruck 
der  intensität  {a.o.Al):  magnopere  Diefenbach  343°; 
vehementer  608";  gröszlich:  vast,  häfftig,  fleyssigklich 
Maaler  193";  das  adv.  steht  hier  in  concurrenz  mit  ad- 
verbialem, grosz  {s.  d.  I  B  3),  das  es  an  häufigkeit  über- 
trifft; in  mhd.  zeit  allgemein  obd.,  zeigt  sich  das  adv, 
im  nhd.  wesentlich  auf  alem.  boden  enticickelt,  nord- 
deutsch selten;  im  17.  jh.  erlöschend,  nur  aleman.  lang- 
lebiger. 

a)  mit  Vorliebe  neben  verben  des  affects  {vgl.  grosz  I 
Dia):  wert  ir  grösslichen  von  keyser  Carle  geliebt 
Aymon  (1535)  g  6*^;  sunder  oueh  die  {sc.  fröwen)  gröszlich 
tett  vinden  und  hassen  N.  v.  Wyle  translat.  36  lit.  ver.; 
wirst  du  dich  gröslich  getröstet  empfinden  Butschky 
kanzl.  890;  darumb  sie  so  gröszlich  bekümmert  ward 
buch  d.  liebe  3l2<i;  als  er  sich  gröszlich  forchtH.  Gholtz 
leb.  bild.  (i557)e6'*;  sunst  wirt  der  herr  gar  gröslich 
über  in  ertzürnet  Keisersberg  schiff  d.  pen.  (1512)  103''; 
häufigste  wendung: 

das  es  mich  gröszlich  wunder  nam 

wie  er  .  .  Murner  d.  mühte  51  Albrecht; 

die  fraw  gröslich  verwundert  das 

H.  Sach  22,  300  K.-Q. ; 

mag  man  sich  über  solche  erschrekliche  Veränderung 
.  .  gröszlich  verwundern  Rist  d.  friedewünsch.  Teutschl. 
151;  iceiter  in  einer  reihe  mehr  oder  minder  stereotyper 
Verbindungen,  fast  durchweg  in  parallele  zu  adjectivi- 
schem  gebrauch  {s.  grosz  I  D  i  a,  b):  der  herzöge  von 
Burgunn  .  .  .  lopte  grosslich  den  allmechtigen  gott 
Stretl.  ehr.  9  B.;  so  schon  mhd..  Rother  1354;  der  sy 
{Maria)  gröszlich  eeren  welle  Zwingli  dtsche  sehr,  l, 
95;  auch  schon  mhd.,  spec.  eccl.  93  Kelle;  das  man  ym 
{gott)  billich  dancken  sol  .  .  .  so  vil  und  so  gröszlich, 
als  oh  .  .  d.  ew.  iceisheit  betbüchl.  (1518)  184*';  darum  ich 
dir  auch  .  .  gröszlich  zu  danken  habe  Schottel  frie- 
denssieg  21  ndr.,  sehr  gewöhnliche  formel,  die  ebenfalls 
schon  mhd.  ist:  vil  groezliche  danken  Nib.  371,  l  B.;  sy 
haben  den  herrn  gröszlich  gebeten  Keisersberg  spinn. 
7;  dieselbe  verbindg.  Rother  2874;  wir  mann  in  mancher- 
ley  begire  schwerlich  sünden,  wo  ir  .  .  frawen  in  einer 
allein  gröszlichen  Arigo  decam.  105  lit.  ver.;  wer  der  ist, 
der  ainen  todslag  tut  .  .  oder  sunst  so  gröslicht  frevelt 
I   d.  rote  buch  d.  Stadt  Ulm  55; 


555 


GRÖSZLICH,  iGRÖSZ(L)ING 


2GR0SZLING  -  GROSZMACHT 


556 


wann  herren  grösslich  fehlen, 
ists  dienern  zuzuzehlen 

LoGAu  sinnged.  267  Kt.  ver., 

bei  Ramler  und  Lessing  ersetzt  durch  gröblich; 

davon  is  mir  gröszlich  missegieng 

pilgerf.  d.  träum,  möncfis  7015; 

von  einem  weib,  der  grösslich  in  der  geburt  misslungen 
Ryff  Spiegel  .  ,  d.  gesundh.  37^; 


ich  will  mich  bas  umbsehen, 
das  tftt  mir  gröslich  not 


Hätzlerin  81; 


ist  grösslich  von  nöten,  sonderliche  .  .  achtung  zu  haben 
Ryff  confecib.  291'», 

b)  darüber  hinaus  in  buntester  mannig faltigkeit:  ge- 
swullen  im  die  hende  groslichen  Seuse  dtsche  sehr.  47, 
6  B. ;  {ein  Vorwurf)  desz  er  sich  gröszlich  verantwort  buch 
d.  liebe  311 '';  will  ich  ein  exempel,  gröszlich  zu  unser 
materi  dienend,  .  .  .  erzehlen  Fipchart  bienenk.  156*; 
der  soll  wissen,  das  er  gröslich  wider  unser  huld  und 
gnad  gethan  hat  österr.  weisth.  6,  62;  behielt  den  alten 
hertzog  Ludwigen  gefangen,  das  was  gröszlichen  wider 
die  herren  von  Bairen  städtechr.  22,  86;  bezeichnend  ist, 
dasz  das  adv.  vielfach  auch  auftritt,  wo  heute  die  inten- 
sivierung  durch  ein  ausdrucksvolleres  adv.  bezeichnet 
icerden  müszte  'heftig,  kräftig,  eifrig,  nachdrücklich'  u.  ä. 
(es  entspricht  dem  weiteren  geltungsbezirk  auch  des  inten- 
siven adj.  grosz  in  älterer  spräche,  das  ständig  zu  ver- 
gleichen ist,  «.  d.  I  D  1  b,  d): 

und  begonde  grözltchen  pflegen 

nutzer  dinge,  die  er  treib  pass.  427,  44  K.; 

der  {menschen)  siht  man  mangen  groezleich  vallen  Konr. 
V.  Megenberg  buch  d.  naiur  219,  33;  das  der  ewig  gott 
den  menschen  gröslich  schlach,  der  .  .  .  d.  ew.  toeisheit 
betbüchl.  159";  wer  aber  .  .  als  gröslich  und  kreftigklich 
gebunden  .  .  wäre  mit  sünder  unordentlicher  lieb  64'*; 
wo  obgemelte  .  .  leerer  nit  so  grösslich  widerstünden  Eb. 
V.  GÜNZBüRG  2,  4  ndr.;  darnach  dann  sein  zwen  vorfarn 
gröszlich  rangen  Seb.  Franck  chron.  zeytb.  (i53l)  306*; 
das  reich  gröszlich  bekriegen  städtechr.  l,  272:  die  Si- 
cambros  .  .,  die  gröszlich  belegert  waren  3,  269;  weil 
er  sie  zu  irem  abfal  gröszlich  verursacht  hett  Seb.  ! 
Franck  chron.  Qerm.  113'';  eigen:  alsz  es  got  gröszlichen  j 
wolt  städtechron.  9,  1041,  eigentlich  'geflissentlich';  vgl.  so  ' 
er  {gott)  doch  eynen  kalten  drunck  wassers  .  .  nit  un-  j 
belont  lossen  wil,  sunder  in  gröszlich  behalten  in  ewi- 
gem leben  Keisersberg  bilgersch.  31'»;  mit  Übergang 
der  bedeutung  von  'stark'  in  'laut'  {vgl.  grosz  I  D  l  f) : 
{die  zornige  frau)  spricht  zu  der  köchin  gröszlich :  war- 
umb  hast  du  die  stub  also  heisz  gemacht?  trostspiegel 
{in  irr.  schaf  o.  o.  u.j.  Schürer)  aa  4*;  auch  compara- 
tivisch:  wan  ein  man  groszlicher  beswaert  wurde  an 
siner  housfrowen  dan  an  sinem  chinde  Fischer  schwäb. 
3,  858;  wie  hett  gott  seyne  gute  grosslicher  mocht  er- 
tzeygen,  denn  das  er  .  .  .  Luther  10,  i,  l,  68  W. 

c)  tieben  adjectiven  nur  mhd.  häufiger:  grcezlich  gehaz 
Nib.  2143,  4  var.  JB.;  grcezlichen  holt  Qudr.  63,  4;  grozlich 
wunt  Heinr.  V.  Freiberg  Trist.  2934;  er  müz  grozlich 
abtrunne  sin  Schwabensp.  nach  Fischer  schwäb.  8,  858; 
neben  adv.: 

der  künsc  pflac  slner  geste      vil  grcezllche  wol 

Nib.  254,  1  B. ; 

das  glück  wil  euch  ie  gröszlich  wol 

H.  Sachs  16,  111  K.-G. 

3)  selten:  gröszlich  vel  herlich  magniflce  Diefenbach 
848'';  herrlich,  prachtlich,  gröszlich  amplifice  Frisius 
89'';  ample  Calepin  xi  Wn^.  82*; 

{ein  ritter  der)  doch  nicht  gerne  abe  lät, 

ern  welle  grözlichen  leben 

und  stete  in  dem  vollen  sweben 

Mar.  leg.  95, 17  Pfeiffer. 

1GR0SZ(L)ING,  m.,  junger  sprosz,  junges  bäumchen, 
besonders  von  nadelhölzern :  es  solle  kainer  an  dem 
Penzenpichl  groszing  noch  anders  holz  abschlagen  .  . 
sonder  die  groszing  .  .  .  stehen  lassen  österr.  weisth.  i, 
146;  {gefällte  starke  bäume)  thun  .  .  an  den  jungen  grösz- 
ling   und    aafschöszlingen    grossen   schaden  Hohberq 


georg.  cur.  2,  569;  sie  hieben  alles  standen  werk  .  .  wie 
alle  gröszlinge  (junges  nadelholz)  heraus  J.  Blau  Böh- 
merwälder  hausind.  1,  864;  vgl.  Schmeller  1,  1013;  auch 
grötzling  1018;  Unger-Khüll  309*;  Lexer  kärntn.  125; 
Seitenformen  zu  igresz(l)ing,  *.  d. 

2GRÖSZLING,  m.,  gobio  fluviatilis  Egger  gloss.  801»; 
vgl.  3greszling  l;  bei  Schottel  auch  für  cyprinus  pho- 
xinus:  pfel,  m.,  pfui,  bammel,  bamle  . .  phoxinus,  ovella, 
alias  dicitur  grosling,  brechling  haubtspr.  1875;  weder 
grundlen,  weder  gröszling,  weder  hechten  Abr.  a  St. 
Clara  Judas  2  (i699),  374. 

GROSZLINIG,  adj.,  junge  bildung:  neben  den  kleinen 
bewegungen  ängstlicher  hast  die  groszlinige  ruhige  ge- 
stalt  0.  Ludwig  2,  176;  gern  auch  uneigentlicher:  eine 
groszlinigere  Wirklichkeit  6,  282;  so  begann  er  denn  die 
.  .  .  rhapsodie  des  Liszt  so  schwermutsvoll  und  grosz- 
linig  R.  H.  Bartsch  bitters.  liebesgesch.  314;  —  grosz- 
machen  als  festes  compositum  s.  grosz  I  G  l.  —  grosz- 
macher,  m.:  ein  meerer,  groszmacher,  der  ein  ding 
grosz  und  grempig  machet  amplificator  Frisius  89''; 
stille  den  grausamen  afterreder,  den  anclager  und  grosz- 
macher unszer  sunde,  den  böszen  geyst  Luther  7,  287 
W.;  auf  anderer  linie:  massen  der  krieg  ein  kleinmacher 
der  Städte  .  .,  der  friede  aber  .  .  ein  groszmacher  dero- 
selben  von  Pindaro  genandt  wird  F.  Wunderlich  dis- 
curs  vom  ackerbau  (1644)  t  3*;  groszmacher  magnifi- 
cus,  patro7ius  Stieler  1193;  'der  sich  gern  grosz  macht' 
Campe  und  so,  im  si7ine  'prahler',  noch  heute  mundart- 
lich, Fischer  schwäb.  3,858.  —  groszmacherei,  /., 
gloriatio:  wann  es  nur  ohne  pharisaeische  groszmacherei 
.  .  .  geschieht  E.  Francisci  letzte  rechensch.  (l68l)  1166. 

GROSZMACHT,  /.,  summum  imperium  Stieler  1204; 
im  17.  jh.  häufiger;  den  Römern  zu  zeigen,  dass  er  gegen 
ihrer  grossmacht  übel  gesonnen  wäre  A.  U.  v.  Braun- 
schweig Oct.  3,  49;  wann  und  wie  nach  es  {das  land) 
zu  solcher  groszmacht  gelanget  J.  G.  Laihitz  palmivakl 

(1686)  804*; 

dasz  dein  (gottes)  ausgereckter  arm  aller  feinde  groszmacht 

dämpfe 
Zinzendorf  d.  letzten  stunden  (1723)  vorr.  b  4* ; 

das  wort  musz  später  ungebräuchlich  geworden  sein:  die 
groszmachtskunst  klingt  .  .  .  nicht  gut,  zugeschweigen, 
dasz  groszmacht  noch  nicht  üblich  ist  Gottsched 
dtsche  sprachk.  177;  Kern  tadelt  es  als  neologismus  bei 
Schubart  zs.  f.  d.  w.  ii,  112;  bei  Adelung  fehlt  es,  bei 
Campe  wird  es  als  neues  wort  bezeichnet;  trotzdem  icird 
es  sich  bei  seinem  wiederauftreten  im  späteren  18.  jh. 
nicht  um  eine  völlige  neuschöpfung  handeln: 


deines  geistes  stille  groszmacht  ztigelt 
die  begier  Bürger 


)"  BoUz; 


das  gefühl  seiner  würde  und  sittlichen  groszmacht  wird 
sich  heben  eitat  bei  Campe;  ein  krieg,  der  .  .  uns  .  . 
die  groszmacht  unserer  geistig-sittlichen,  unserer  idealen 
cultur  vergessen  läszt  Riehl  dtsche  arbeit  QZ\  in  der  con- 
creten  anwendung  auf  bestimmte  grosze  Staaten  anschei- 
nend erst  gegen  die  mitte  des  19.  jhs..  u.  zicar  zunächst  von 
den  groszen  mächten  innerhalb  des  Deutschen  bundes:  die 
deutschen  groszmächte  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  3, 
434;  wohin  dieser  dualismus  zweier  groszmächte,  dieses 
zerren  dynastischer  sonderinteressen  um  deutsches  land 
.  .  schlieszlich  münden  muszte  Häusser  dtsche  gesch. 
i;  213;  von  der  groszmacht  des  bundes  {Österreich)  Heb- 
bel I  10,  289;  wer  will  noch  ableugnen,  dasz  Bayern 
die  einzige  wahre  groszmacht  Deutschlands  sei?  Holtei 
erz,  sehr.  88,  34;  später  von  den  groszen  mächten  Euro- 
pas, noch  später  von  den  weitmächten:  bei  der  neuen 
gestaltung  der  groszmächte  selbst  Gervinus  gesch.  d. 
id.  jhs.  1,  201;  die  conferenz  der  groszmächte  in  London 
Laube  i,  868 ;  {man)  hat  den  papst  also  sogar  als  grosz- 
macht behandeln  wollen  Lagarde  dtsche  sehr.  117;  dann 
auch:  unter  ihm  wird  der  Ordensstaat  .  .  eine  grosz- 
macht Treitschke  hist.  u.  polit.  aufs.  2,  29;  der  eigent- 
liche gründer  der  parthischen  groszmacht  Mommsen 
röm,.  gesch.  2,  60;  von  dieser  politischen  bedeutung  als 
ausgangspunkt  enttcickelt  sich  in  jüngerer  zeit  eine  freiere 


557 


GROSZMACHTIG 


GROSZMÄCHTIG 


558 


Verwendung:  hatte  er  früher  nicht  ungern  die  unpar- 
teiische Zeitung  als  die  dritte  deutsche  groszmacht 
schelten  gehört  Mosen  7,  179;  war  die  Augsburger  All- 
gemeine Zeitung  die  literarisch  politische  groszmacht  in 
Deutschland  Laube  i,  H8;  indem  er  auf  die  erste  lite- 
rarische groszmacht  jener  zeit,  auf  Voltaire  .  .  losgeht 
J.  Bayer  liter.  akizzenb.  32;  der  herr  baron  wissen  doch, 
wer  die  erste  groszmacht  ist  in  der  weit  {nämlich  die 
frau)  W.  V.  POLENZ  Orabenhäger  1,  203.  dazti  compo- 
sita  une  groszmachtskitzel,  ein  von  Schulze-De- 
LiTZSCH  1863  geprägtes,  gegen  Preuszen  gerichtetes  schlag- 
M;or4 Ladendorf  hist.  schlagwörterb. i\2;  groszmachts- 
politik  BiSMARCK  ged.  u.  erinn.  2,20  volksausg.;  grosz- 
machtstellung  Bernhardt  gesch.  d.  waldeigentums 
3,  36  u.  a. 

GROSZMÄCHTIG,  ein  adj.  von  eigenthümlicher  sinnes- 
entwicklung,  die  darauf  beruht,  dasz  zwei  aus  verschie- 
denen wurzeln  entspringende  bildungen  und  bedeutungen 
in  ihm  zusammengewachsen  sind;  groszmächtig  ist  einer- 
seits gesteigertes  mächtig  {vgl.  d.  rompos.-typus  grosz  III  l  c), 
anderseits  gesteigertes  grosz  {vgl.  grosz  III  l  f),  und  ztcar  hat 
diese  bedeutung  im  ganzen  das  Übergewicht;  ihr  aus- 
gangspunkt  icird  eine  asyndetisclie  zusammenrückung  der 
beiden  adj.  sein,  die  in  älterer  spräche  theilweise  synonym 
sind  {vgl.  mächtig  2 — 5) ;  die  Verbindung  beider  adj.  auch 
ohne  composition  ist  im  älteren  nhd.  nicht  ungewöhnlich 
{vgl.  grosz  I  D  2;  Fla). 

l)  gesteigertes  mächtig,  potens,  als  ausgangspunkt  der 
bedeutung: 

a)  ist  der  teufel  grosmechtig,  so  ist  er  doch  nicht 
allmechtig  Luther  3,  533"  {Jena  1588);  der  groszmächtig 
Pfenning  Steinhöwel  Äsop  849  Österley; 

die  (christl.  gemeinde)  doch  wird  also  hart  durchecht 

von  den  grosz-mechtig  feinden  sehr 

mit  Verfolgung  H.  Sachs  18,  79  K.-O.; 

der  du  durch  deine  engelein 

als  groszmächtige  diener  dein 

regierest  Fischer-Tümpel  8, 138; 

seit  altera  in  fester  anwendung  auf  gott:  der  grosz- 
mechtig  und  unsterblich  got  altd.  passionssp.  203  Wacker- 
nell;  vgl.  der  groszmächtig  arm  des  richters  aller  weit 
Tobias  Hübner  beruf  (1619)  85;  beim  groszmächtigen 
gott!  Schiller  3,  43  G. .•  fest  auch  in  der  Verbindung: 
dem  teufel,  dem  grosmechtigen  abgott,  zu  verdries  Lu- 
ther 18,  S63  W.;  der  groszmächtig  Luciper  Ringwald 
evang.  l  8'';  vergleichbar :  groszmächtige  Fortuna  Schot- 
TEL.  friedenssieg  19  ndr.;  ich  bin  der  groszmächtige  Mer- 
kurius  BRÜDER  Grimm  kinder-  u.  hausm.  2,  70;  auch 
erweitert: 

ein  köng,  an  landt  und  leut  groszmechtig 

H.  Sachs  8,465  K.; 

gott,  der  einem  iglichen  zu  helfen  grosmächtig  ist 
Butschky  hd.  kam.  729;  frühzeitig  in  der  weise  gefärbt, 
dasz  neben  dem,  begriff  der  macht  der  von  rang  u.  Stel- 
lung sich  vorschiebt,  so  dasz  sich  die  bedeutung  der  von 
grosz  I  F  a — c  nähert;  daher  mit  magnas  glossiert  Die- 
fenbach  843'»; 

Peter,  du  solt  wissen,  dass  er  (der  papst)  ist 
der  aller  grossmechtigeste  Christ 

N.  Manuel  88  Bächiold; 

auch  die  groszmechtigen  und  weisen  ...  in  iren  alten 
tagen  gedienet  haben  Albr.  v.  Eyb  sp.  d.  sittin  R5''; 
groszmächtige  .  .  gönner  und  freund  Fischart  geschicht- 
klitt.  3  ndr. ;  wie  solches  nicht  allein  der  groszmächtige 
Gregorio  Leti  in  seinem  Coglione  .  .  dargethan  Chr. 
Warnecke  poet.  vers.  419;  ich  will  mit  diesem  groSz- 
mächtigen  Pescara  nichts  zu  schaffen  haben  C.  F. 
Meyer  vers.  des  Pescara  37;  auf  dieser  linie  entivickelt 
sich  die  bedeutung  magnificus  gemma  gemm.  p  1*,  die 
auch  neben  unpersönlichem  regens  erscheint:  da  du  .  . 
von  dem  groszmechtigen  brieve  sagest,  damit  dich  der 
bapst  begäbet  habe  {de  illo  magnifico  Adriani  pontifids 
brevi)  Hütten  3,  188  B.;  ähnlichen  klanges,  nicht  rein 
quantitativ,  wohl  auch  in  fällen  toie:  so  hat  er  nicht 
allain  zu  Mayland  sunder  auch  in  andern  stetten  grosz- 
mechtige  scheinperliche  gepew  aufgerichtet  G.  Alt  buch 


d.  cron.  (l49S)  248'';  {sie  hatten  den  tempel)  mit  vil  gold, 
Silber  und  .  .  .  gestein  vast  groszmächtig  gezieret  H. 
Gholtz  leb.  bild.  (1557)  e  4''. 

b)  mit  begreiflicher  Vorliebe  von  fürsten,  zunächst  in 
der  eigentlichen  bedeutung  'sehr  mächtig':  groszmächtig, 
gwaltig,  mächtig:  der  vil  herrschaften  oder  land  und 
leut  under  im  hat,  imperiosus  Maaler  193";  der  gros- 
mechtig Türck,  ob  er  wol  mechtig  ist  und  viel  insel 
und  lands  .  .  möcht  erobern  Seb.  Franck  chron.  und 
beschr.  der  Turckey  C  l*»;  vgl.  noch  spät:  von  welcher 
Wichtigkeit  dieser  groszmächtigste  aller  herrscher  im 
animalischen  reiche  ist  {sc.  der  magen)  Hufeland  ma- 
krob.  1,209;  aber  frühzeitig  zur  formel  erstarrend,  wo 
denn  die  bedeutung  potens  mehr  oder  minder  mit  der 
von  magnus  versetzt  loird:  den  groszmächtigen  fursten 
und  hern,  mein  gnedigisten  hern,  konig  Wladislawn 
privatbr.  d.  ma.  1,  223  Steinhausen  {quelle  von  1480) ; 

ihr  beide  führt 

unserer  Stadt  groszmächtigen  könig 

GÖTHE  41,  2,  45  W.s 

die  weiland  durchlauchtigste,  groszmächtige  frau,  Luise 
.  .  königin  von  Preuszen  Schleiermacher  II  4,  26;  zu- 
mal auch  in  der  anrede:  irluchter  furste  und  grosmech- 
tiger,  besunder  lieber  herre  privatbr.  d.  ma.  l,  41  Stein- 
hausen {quelle  von  1439);  grosmächtiger  her  mein  sagt 
der  kanzler  zu  Pilatus,  passionssp.  aus  Tirol  399  Wacker- 
nell;  groszmächtiger  monarchl  Zinzendorf  teutscheged, 
276;  groszmächtiger  czar  Hebbel  w.  6,  124;  als  cogno- 
men:  Karolus  der  fünft,  genant  der  groszmechtig  Kne- 
bel chron.  v.  Kaisheim  899  lit.  ver.;  Sulejman  der  gross- 
mächtige J.  V.  Müller  3,  68;  gern  auch  im  Superlativ: 
wider  obgenanten  groszmächtigesten  kaiser  Antiochum 
Aventin  4,  463;  zumal  in  anreden,  anschriften,  tcid- 
mungen;  stereotyp  im  titel  des  deutschen  kaisers:  aller- 
durchleuchtigister,  groszmechtigister  kunig  urk.  z.  gesch. 
Maximilians  19  lit.  ver.:  unüberwintlichster,  durchleuch- 
tigster, groszmechtigster  und  cristenlicher  keyser  H.  v. 
Cron  BERG  i  ndr.;  doch  je  später,  je  weniger  auf  ihn  be- 
schränkt: dem  durchleuchtigsten  und  groszmächtigsten 
landfürsten  Seb.  Münster  cosmogr.,  vorr.  i;  groszmäch- 
tigster,  allergnädigster  könig  und  herr  {an  Friedrich  Wil- 
helm III.)  H.  V.  Kleist  5,  42i  E.  Schm.;  auch:  an  den 
groszmechtigsten  und  durchlüchtigsten  adel  tütscher 
nation  Murner  an  d.  adel  i  ndr. 

2)  gesteigertes  grosz :  ingens  sehr  groszmächtig  Dentz- 
ler  1,  358»;  grandissimo,  di  prodigiosa  grandezza  Jagb- 
mann  546. 

a)  bezeichnend  ist,  dasz  groszmächtig  das  adj.  grosz 
im  ganzen  nur  da  steigernd  vertreten  kann,  wo  es  quan- 
titätsbegriff  bleibt;  so  in  allen  gebrauchsweisen,  die  grosz 
als  tnasz  von  concretem  aufweist:  groszmechtig  corpu- 
lenius  Diefenbach  152"=;  {die  Teutschen)  groszmächtig 
leut  an  leib,  wer  und  harnasch  Aventin  4,  318;  eine 
groszmächtige  breite  Schottländerin  Brentano  6,  239 
die  aussgewachsenen  grossmächtigen  elephanten  Gua- 
RINONIUS  greuel  d.  verw.  595; 

got  geb  dir  glück  groszmechtig  knitkörb  voll  I 

Jastnachtgp.  2,  884  K. ; 

Goliath  .  .  hat  einen  groszmächtigen  kürisz  Herberqer 
Sirach  720»;  groszmächtige  eichen  Fouque  altsächs.  bil- 
ders. 1,  141;  adver Lial:  einen  groszmächtig  weiten  ofen 
E.  Francisci  wol  d.  ewigk.  (1717)  336;  von  fiächenhafter 
ausdehnung:  groszmechtige  wüstin  Seb.  Münster  cos- 
mogr. 1485;  bis  wir  an  dem  groszmächtigen  meer  halt 
gemacht  haben  Auerbach  lO,  229;  also  das  es  {das 
Mittelmeer)  auf  beyden  seyten  grossmechtige  land  und 
reych  ruret  Luther  lo,  i,  i,  545;  {ist)  das  gantze  grosz- 
mächtige fürstenthumb  dem  reich  heimgefallen  Kirch- 
hof wendunm.  2,  272  lit.  ver.;  in  solchen  Verbindungen 
mit  1  a  verrinnend;  sehr  gangbar  in  fällen  wie:  zu  solch 
grosmechtigen  reichtümen  H.  Sachs  sämtl.  fab.  2,  126 
neudr.;  ein  wunder  groszmächtig  und  unsäglich  guet 
Wilw.  v.  Schaumbnrg  32  lit.  ver.;  auch  mit  inconcretem 
subjectsbegriff:  grossmächtig  aufruer  Aventin  4,  565; 
diser  grossmachtig  krieg  {mit)  den  Venedigern  G.  Kirch- 


559 


GROSZMACHTIG 


GROSZMÄCHTIGE  —  GROSZMÄCHTIGKEIT  560 


MAIR  denkw.  4S9  Karaj.;  zumal  im  spinne  des  intetiaiveii 
grosz:  die  grossmechtig  hitz  Paracelsus  op.  (1616)  2, 
118  A;  ist  ein  groszmächtiges  weiter  gekommen  Auer- 
bach 1,  203;  darumb  sol  die  oberkait  groszmächtigen 
fleisz  ankören,  dasz  .  .  Keisersberg  pred.  (i508)  64''; 
sogar : 

sein  groszmächtiges  hertz  ihm  doch  noch  nicht  entfält 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  2i.ges.  63.  str.; 

ich  sage  euch  groszmächtigen  dank  Duez  le  vray  gui- 
don  197;  weszwegen  .  .  ich  mich  .  .  .  groszmechtig  be- 
danke arch.  f.  kulturgesch.  7,  190;  grossmechtige  arcana 
Paracelsus  op.  (leie)  2,  484;  wenn  ich  so  weiter  denke 
.  . ,  kommt  mir  als  groszmächtig  geheimnis  vor ,  wie 
alles  .  .  so  sein  mag  (in  der  natur)  Fr.  Th.  Vischer 
auch  einer  ^l,  146;  in  ihrem  tone  spricht  sich  .  .  alles 
aus:  Überraschung,  bestürzung  und  ein  groszmächtiger 
.  .  Unglaube  Ebner-Eschenbach  4,  176;  der  eigentliche 
heimatboden  dieser  bedeutung  ist  das  obd. ;  hierher  weisen 
alle  jüngeren  belege  aus  mundartlicher  oder  mundartlich 
gefärbter  spräche:  nach  zehn  jähren  is  der  knab  a 
groszmächtiger  lackel  Nestroy  2,  104;  a  groszmächtiga 
see  Stelzhamer  l,  64;  es  ist  noch  eine  groszmächtige 
frage,  ob  der  alte  Odoardo  sie  ihnen  gibt  Hafner 
ges.  sehr.  2,6;  ein  groszmächtiger  unterschied  quelle  v. 
1800  bei  Staub-Tobler  4,  68;  ä  grausam  elend  oder  ä 
grauszmächtige  freud  Anzengruber  5,  90;  sie  sahen 
mich,  dann  einander  groszmächtig  an  {durchaus  im 
sinne  von  grosz  [d.  h.  erstaunt]  ansehen)  Castelli  mewi. 
1,  180:  vgl.  Schmeller  i,  1013;  Hügel  I7i;  e  grosz- 
mächtigi  statt  ebenso  wie  e  mächtig- groszi  statt  Seiler 
Basler  ma.  148;  Schweiz,  auch  hochschwanger,  also  mit 
der  specifischen  bedeutung  von  grosz  I  A  2  b,  Staub-Tob- 
ler*, 68;  vgl.  iceiter  Martin-Lienhart  1,649'';  Fischer 
Schwab.  3,  858;  e  gruszmächtger  häufen  gäld  u.  a.  Mül- 
ler-Fraureuth  1,  445';  auch  im  schlesischen  ganz  ge- 
läufig. 

b)  in  anderen,  abgezogeneren  Verwendungen  von  grosz 
tritt  groszmächtig  nur  sehr  selten  auf:  dasz  sie  grosz- 
mächtige, starke  sauffer  seyen  Äg.  Albertinus  Lud- 
fers  königr.  (1617)  229;  zu  grosz  I  F  1  d:  eine  zeit  .  ., 
wo  man  sich  diesen  groszmächiigen  menschen  {des 
heldenzeitalters)  so  ungleich  fühlt  Wieland  14  (1796),  858 
Göschen;  vgl. 

und  froh  dürft'  ich  ins  edle  antlitz  schaun 
den  herrn  aus  der  groszmächtgen  heldenzeit 

FouQUK  held  d.  nordens  1,  A3*; 

zu  grosz  I  F  1  d  /9 ;  herr  v.  G.  war  .  .  ein  groszmäch- 
tiger wirth  {hervorragender  landwirth)  Hippel  lebens- 
läufe  2,  80. 

3)  erst  im  19.  jh.  entfaltet  sich  breiter  eine  bedeutung, 
die  sich  zunächst  auf  der  linie  1  entwickelt  hat;  der  bei- 
sinn des  hochtrabenden,  anspruchsvollen,  prunkenden  gibt 
dem  wort  die  besondere  färbung:  im  jähre  1814  .  .  war 
ich  .  .  so  glücklich,  unter  der  pädagogischen  leitung 
eines  groszmächtigen  polizeidirectors  und  zensors  zu 
stehen  Börne  3,  l;  der  meister  Dietrich  Häuszier  .  . 
als  groszer,  groszmächtiger  herr!  W.  Raabe  schüdde- 
rump  2,  153;  der  wald  .  .  gehörte  dem  groszmächtigen 
Eichhofbauer  Auerbach  18,  ll;  das  kündigt  sich  früh 
an:  mit  disen  .  .  spottworten  verachten  sye  mich,  dise 
grossmächtige  meister,  uffgeblosen  und  sicher  durch 
keiserlichen  gewalt  Eb.  v.  Günzburg  2,  102  ndr.;  vgl. 
gedacht  (er)  nit  anders  bei  sich  .  .,  dann  das  er  sein 
groszmechtig  wort  {vorher:  hoffertiglich  wort)  mit  .  .  . 
der  that  möcht  vernichten  Carbach  Livius  335"';  die- 
selbe Sinnesfärbung  aber  auch,  wo  von  der  bedeutung  2 
auszugehen  ist:  an  der  ecke  des  windschiefen  marktes 
.  .  steht  mit  groszmächtigen,  gigantischen  buchstaben: 
piazza  di  San  Marco  Heine  3,  254  E.;  gott  wollte,  dasz 
ein  solcher  papst  nur  durch  sich  sei  was  er  ist,  und 
nicht  durch  ein  groszmächtiges  bauwerk  erst  .  .  etwas 
zu  werden  scheine  H.  Grimm  Michelangelo  2,  303;  trotz 
ihrer  dicken  goldenen  erbskette  und  der  groszmächtigen 
brillantuhr  Gutzkow  ritter  v.  geiste  1,814;  adverbial: 
man  sieht  keine  kunstsonne  groszmächtig  strahlen  und 


alles  überstrahlen  Costenoble  tageb.  2,  11.  —  grosz- 
mächtige, /.,  riesengrösze :  die  Germanier  nachschla- 
hend  .  .  den  Galliern  mit  überflüssiger  dapferkeit  und 
groszmechtige  des  leibs  Seb.  Franck  teutscher  nation 
chronic  {Frankf.  1539)  372 "•.  —  groszmächtigen,  vb., 
groszmachen,  verherrlichen,  erhöhen:  so  Cristus  wirt 
groszmechtiget  in  meim  leibe  erste  dtsche  bibel  2,  175,  17 ; 
vgl.  5,  16,  19;  5,  117,  85;  stets  als  Variante  zu  michelichen 
und  Übersetzung  von  magnificare;  vgl.  Fischer  schwäb. 
3,  858;  auch  im  16.  jh.  nicht  selten:  lasz  uns  groszmech- 
tigen  nicht  unsern  .  .,  sonder  deinen  heiligen  namen 
Bynwalth  Vaterunser  13  Freytag;  ire  sele  erschalte 
und  groszmechtigete  di  gebenedeiunge  und  das  lob  gottes 
Hedwigleg.  (1504)  E3'';  dise  worte  wurden  ins  Ordens 
teile  gegroszmechtiget  wie  gottes  wort  Grünau  preusz. 
chron.  2,  170;  anders:  darumb  seind  sie  groszmechtigt 
und  gereicht  H.  Sachs  22,  58  K.-Q.  {inerassati  sunt  et 
impinguati  Jer.  5,  28);  dazu  groszmächtigung:  hat 
Rebecca  .  .  von  wegen  der  groszmechtigunge  die  f eichen 
der  czigklein  den  henden  ires  .  .  .  sons  umb  wunden 
deutsch  marial  (1516)  M  4». 

GROSZMÄCHTIGKEIT,  /.,  ein  im  älteren  nhd.  sehr 
ausgebreitetes  wort,  das  schon  im  17.  jh.  zurückgeht,  um 
im  18.  nur  noch  selten  aufzutreten ;  zunächst,  entsprechend 
groszmächtig  1  a,  magna  potentia  Wiederhold  152»; 
also  wirdt  dem  fürsten  zugelegt  grossmächtikeit ,  um 
das  er  uss  sinem  gewalt  und  macht  bossheit  .  .  straffen 
.  .  sol  Biederer  sp.  d.  wahr.  rhet.  n  3'';  darumb  ist 
er  .  .  ,  mit  seiner  eigen  stärcke  und  groszmächtigkeit 
hintertrieben  Xylander  P^m^.  306'';  aber  frühzeitig  auch: 
amplitudo  grosse,  herrligkeit,  groszmechtigkeit  Calepin 
XI  ling.  B2^;  magnificentia,  altitudo  Stieler  1206;  daz 
der  rychist  künig  Salomon  ab  diser  frowen  groszmäch- 
tikait  verwondern  neme  Steinhöwel  de  dar.  mul.  155 
lit.  ver.;  hab  ich  mir  in  diesem  .  .  buch  fürgenommen 
zu  schreiben  von  groszmächtigkeit  und  pracht,  gewalt, 
reichthumb  und  landes  regierung  H.  Megiser  chorogr. 
Tart.  (1611)  133;  das  aber  der  schätz  .  .  .  würd  behüt, 
ist  gemacht  .  .  ein  haus  in  groszmechtigkeit  und  glori 
Birgitte  (i502)  4,  cap.  58  {in  magnificentia  et  gloria);  auch 
für  magnitudo  schlechthin:  dise  rede  ist  darfür  gehalten 
worden,  als  wer  sie  der  römischen  groszmächtigkeit 
nicht  unbequem  Rihel  Liv.  591;  weil  er  {der  junge 
Alexander)  besorgte,  es  würde  nichts  .  .  für  seine  grosz- 
mächtigkeit übrig  bleiben  Hippel  kreuz-  u.  querz.  l,  292; 
beide  bedeutungen  kreuzen  sich  mehr  oder  weniger  in  der 
sehr  häufigen  aniuendung  auf  gott:  gott  .  .  hat  uns  ge- 
zaigt  sein  maiestat  und  groszmächtigkeit  erste  dtsche 
bib.  4,  154  var.;  gottes  glory  und  groszmechtigkait  K^i- 
SV.KSBKKG  schiff  d.  pen.  VI ;  dann  durch  deine  creaturen 
deiner  groszmächtigkeit  sehe  ich  deine  gewalt  Para- 
celsus chir.  (I6I8)  782  B;  desgleichen  in  der  titelhaften 
anwendung  auf  fürsten,  wo  das  wort  das  jüngere  m&je- 
stät  vertritt;  mit  maiestas  schon  bei  Frisius  795 ^^  glos- 
siert; im  15.  und  16.  jh.  ungemein  häufig,  namentlich  in 
der  anrede:  zu  sunderlicher  .  .  .  erbietung  senden  wir 
euwir  grosmeehtigkeit  fünf  falken  privatbr.  d.  ma.  l,  41 
Steinh.;  ewer  kaiserlich  groszmechtigkait  Zukunft  städte- 
chron.  11,  483; 

(ein  Christ)  den  wir  deinr  grossmechtigkeit  schencken 
{vom  Sultan)  H.  Sachs  12,  472  K. ; 

0  nein,  "doctor,  es  möchte  einer  ewer  groszmechtigkeit 
noch  für  einen  hüben  ansehen  Hertzog  schiltw.  k  7*; 
was  steht  zu  befehl,  euer  groszmächtigkeit?  Raimund 
1,  110;  gelegentlich  auch  für  magnitudo  animi:  dasz  die 
groszmechtigkeit  seines  gemüts  die  grosse  seines  leibs 
übertroffen  Falckner  franz.  chron.  (1572)  1,  116;  die 
aller  tapfersten  und  redlichsten  beiden,  von  besonderem 
raht  und  groszmächtigkeit  ires  gemüths  Pistander 
schwärm  (1592)  D  l''.  —  groszmächtiglich,  adv., 
ample  Frisius  88*';  =  festiglich  Serranus  synon.  s.  v.; 
nicht  häufig:  das  und  anders  durch  ine  groszmechtig- 
clich  geübet  {von  kriegsthaten  ist  die  rede)  von  den 
poeten  .  .  in  schritten  gebracht  .  .  ist  G.  Alt  buch  d. 
cron.  (1493)  248'';  ich  lobe  dich  (^ott)  groszmechtigklich 
hertzmaner  16»; 


561  GROSZMÄCHTLICH  -  GROSZMANNSSUCHT 


GROSZMAUL  -  GROSZMEISTER        562 


auch  wiszt  ihr  wohl  vom  potentaten, 
wie  der  groszmächtiglich  regiert 

M.  Claudius  ylsmws  6, 119. 

—  groszmächtlich,  adj.  zu  groszniacht:  die  frei- 
heitskriege  gaben  Preuszen  gewissermaszen  die  grosz- 
mächtliche  bluttaufe  F.  Wehl  zeit  u.  menschen  l,  35; 
die  freundsehaft  eines  groszmächtlichen  cabinets  Bis- 
MARCK  ged.  u.  erinn.  2,  246  volksausg.  u.  ö. 

GROSZMACHÜNG,  /.,  verhalsubst.  zu  grosz  machen 
(*.  grosz  I G  l) :  preconium  brisung,  lobung,  groszmachung, 
lob  vocab.  pred.  (i486)  u  ö*";  ist  in  mir  nichts  anders  dan 
groszmachung,  heyligung,  lob  .  .  gotliches  namens  Lu- 
ther 9,  138  W.;  zu  groszmachung  seines  heil,  namens 
Fischart  bienenk.  2ö8^;  aber  auch  weniger  speciell:  am- 
plißcatio  ein  meerung,  groszmachung,  erweyterung  Fri- 
sius  89*';  groszmachung  magnificentia,  ampliatio,  am- 
plificatio,  laxatio,  dicitur  etiam  weitmachung  Stieler 
1195;  das  du  mit  zierung  und  groszmachung  des  hausz 
nicht  über  das  vermügen  deines  güts  .  .  bawest  J.  v. 
ScHWARZENBERG  ofßciu  (i535)  SS*»;  {dusz  der  könig  von 
Ninive  menschen  und  vieh  fasten  läszt)  ist  gleich  als 
ein  grossmachung  .  .  .  warer  busse  Nigrinus  von  Zau- 
berern 114;  dasz  der  neue  regent  mehr  auf  seine  grosz- 
machung und  absolute  herrschafft  .  .  als  auf  die  ge- 
meine landesersprieszlichkeit  bedacht  war  E.  G.  Hap- 
PEL  hist.  mod.  Europae  (1692)  11*;  solches  wird  uns  be- 
wegen, alle  menschliche  grandez  und  groszmachung  .  . 
in  äusserste  Verachtung  zu  setzen  E.  Frangisci  ueh  d. 
etoigk.  (1686)  832,  in  solchen  fällen  des  verbalen  Charak- 
ters entkleidet,  ganz  im,  sinne  'grösze';  noch  deutlicher: 
die  groszmachung,  grösze  des  gemüths  .  .  läszt  sich  .  . 
spüren  in  Verachtung  des  schmertzens  Aler  1,  986"; 
anders  tcieder:  dasz  auch  der  himmel  sich  mit  grosz- 
machung des  Johannis  schon  .  .  beschäfftiget,  ehe  er 
noch  empfangen  Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs. 
2,  843.  —  groszmagd,/.,  tvas  grösze  magd,  s.  grosz 
I  B  1  f  schlusz:  der  grösze -magd  seinen  serviteur  .  .  . 
vorzutragen  Gottsched  Vernunft,  tadl.,  anh.  21;  auch 
schles.  mit  gelängtem,  ersten  bestandtheil :  irscht  kimmt 
de  gruszemagd  G.  Hauptmann  Böse  Bernd  (i904)  68 
u.  ö.,  aber  durchaus  als  compos.  behandelt;  die  grosz- 
magd des  Furchenbauern  Auerbach  15,  188;  durfte  zur 
grosz-  und  kleinmagd  schleichen  Gaudy  4,  112;  entspre- 
chend: Wieten  Penn,  das  groszmädchen  auf  der  ühl 
Frenssen  Jörn  Uhl  (1902)  2.  —  groszmama,  /.;  bey 
der  groszmama  Weichmann  poesie  der  Nieders.  2,  142; 
damit  sie  noch  das  vergnügen  haben  möchte,  grosz- 
mama genennet  zu  werden  Leipz.  avanturieur  l,  281; 
mit  scherzendem  klang: 

es  will  doch  groszmama  natur 
manchmal  einen  närrischen  einfall  haben 

GöTHE  2,  234  W.; 
denn  ich  trotze  dem  teufe! 
und  seiner  frau  groszmama 

Shakespeare  2,  286; 

im  Westen  auch  mundartlich,  lux.  ma.  156 '*. 

GROSZMANN,  m.,  für  die  ältere  spräche  nur  im,  alem. 
nachzuweisen:  manchem,  der  bei  wärendem  frideri  gross- 
mann  syn  und  nicht  den  nammen  haben  wollen,  dass 
er  ihm  förchte  quelle  v.  1642  bei  Staub-Tobler  i,  258; 
auch  bei  Stumpf  Schwytzerchr.  54*  schon  notiert  als  bei- 
spiel  für  compositionen  mit  mann;  im  sinne  socialer 
Überlegenheit:  wenn  es  {das  mädchen)  einmal  partu  einen 
groszmann  will  Auerbach  lO,  15;  der  geizhals  soll  nicht 
die  freude  haben,  den  groszmann  des  berges  .  .  .  um 
ein  paar  dutzend  gülden  ärmer  werden  zu  sehen  Ros- 
egger  I  12,  154;  grattman  vornehmer,  herr,  edelmann 
Schmidt-Petersen  53^;  im  sinne  grosz  I  F  l  d  anscÄez- 
nend  mehr  gelegenheitsbildung :  alles  .  .  .  mit  gemein- 
plätzen  und  citaten  aus  grosz-  und  kleinmännern  .  .  . 
durchwirkt  allg.  dtsche  bibl.  97,  342.  —  groszmän- 
n  i  s  c  h ,  adj. :  der  fürst  (Metternich),  in  groszmännischer 
heuchelei,  erklärte,  dasz  dieses  gesuch  seine  besten  ab- 
siebten durchkreuze  Grillparzer  20,  193;  wie  es  (das 
Wohlgefallen  gottes)  zu  den  gespreizten  groszmännischen 
Verrenkungen  der  welthistorischen  kothurntragödie  lachte 
GuTZKOvi^  12,  147.  —  groszmannssucht,  /. .-  laszt  ihn 
IV.  1.  6. 


hinfahren!  es  ist  grosz-mann-sucht.  er  will  sein  leben 
an  eitle  bewunderung  setzen  Schiller  2,  203  G.  (räuber 
V  2),  eine  deutliche  neubildung;  erst  gegen  die  mitte  des 
IS.jhs.  häufiger,  offenbar  als  entlehnung  aus  jener  räuber- 
stelle: er  krankt  .  .  an  der  traurigen  groszmannssueht, 
welche  die  hauptrolle  in  unsern  politischen  kämpfen 
spielt  Gutzkow  ritter  v.  geist  i,  217;  die  ruhmlüsterne 
groszmannssucht  der  kleinen  geister  K.  Rosenkranz 
a.  m.  tagebuch  (i854)  263;  die  kleingeisterei  .  .  ist  ebenso 
krankheit,  wie  .  .  die  starkgeisterei  und  groszmannsucht 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  5,  150;  die  groszmanns- 
sucht Hannovers  H.  Prutz  preusz.  gesch.  4,  74;  dazu: 
ein  hetzen  und  peitschen  der  mähre,  die  den  grosz- 
mannsüchtigen  zum  gipfel  hinantragen  soll  gespräche 
m.  e.  grobian  (I866)  31. 

GROSZMAUL,  n.,  selten  im,  eigentlichen  sinne:  laffe 
.  .  alias  ein  hangmaul,  groszmaul  Stieler  106O;  häu- 
figer von  dem  besitzer  eines  solchen  maules:  bucculentus, 
labeo  Maaler  193";  chilo  Stieler  1255;  gewöhnlich  in 
scheltendem  sinne,  mit  verschiedener  färbung,  'ein  vor- 
lauter, anmaszender,  rechthaberischer  mensch,  pr ahler, 
Schreier':  von  groszmäulern  mannigfalt  Eyering  pro- 
verb.  2,  562; 

das  dich  den  alles  unglück  schendt, 

du  groszmaul  und  unnützes  thier 

G.  Seidel  Tychermaea  (IGIB)  8  2"; 

um  das  groszmaul,  den  theologischen  Goliath,  zu  gottes 
erdboden  zu  bringen  Hippel  lebensl.  4,  I6I ;  erklärte  ihn 
für  einen  anmaszenden  prahler,  ein  eitles  groszmaul 
HoLTEl  erz.  sehr.  36,  116;  auch  mundartlich  tceit  ver- 
breitet, z.  b.  Fischer  schu-äb.  3,  859;  Hünig  69'';  Frisch- 
bier 1,  256*;  verschiedentlich  appellativ:  zu  den  ächten 
schlangen  gehören  eigentlich  nur  die  sogenannten  grosz- 
mäuler  Oken  6,  514;  für  eine  art  seemuschel  Chom^ls 
öc.  lex.  4,  1367,  buccinum  persicum  Nemnich  211;  vgl. 
Campe;  für  die  nachtschwalbe,  caprimulgus  europaeus 
Frischbier  1,  256*. 

GROSZMÄULIG,  adj.,  bucco,  labrosus  Stieler  1866; 

weyl  er  ist  auch  so  ungeschaffen, 
grossmäulet,  bucklet,  darzu  hincket 

H.  Sachs  17,  43  K.-O. ; 

da  war  sie  scheel,  groszmäulig  und  platschnasig  gewor- 
den Grimm  dtsche  sagen  2,  102;  diese  breiten,  groszmäu- 
ligen  lippen  Grabbe  l,  ZS^Bl.;  der  groszmäulichte  hecht 
CoLER  hausbuch;  solche  groszmäulichte,  langzerrichte 
.  .  bestien  wollen  was  zu  fressen  .  .  haben  A.  Menge- 
ring quartiermeister  (l639)  45;  auch  appellativ:  grosz- 
mäulige  (seiden)vrÜTm.eT,  die  schon  abgehäutet  haben  3a- 
COBSSON  techn.  wb.  2, 157^ ;  dreierlei  arten  groszmäuliger 
schlinger  boa  constrictor  Ritter  erdk.  4,  lllO;  häufiger 
in  übertragenem  sinne  von  einem,  der  das  maul  weit  auf- 
reiszt,  mit  den  Sinnesschwankungen  des  subst.:  erhöhen 
sie  den  ertzketzer  Luther,  wie  der  .  .  grossmäulet  Ma- 
thesius  gethon  Nas  antipap.  eins  u.  hund.  5,  240*;  der 
groszmäulichen  frau  Fama  Gryphius  lustsp.  11  lit.ver.,- 
ich  will  den  groszmäuligen  Berlinern  . .  nichts  schenken 
HoLTEi  erz.  sehr.  22,219;  einen  kühnen  anfang  zum  grosz- 
mauligten  prahler  machen  Hebbel  w.  l,  63;  was  Prutz  u.  a. 
so  groszmäulig  versprachen,  ohne  es  erreichen  zu  können 
Auerbach  ausgew.  br.  (1912)  119;  nicht  nur  von personen: 
schlägt  meine  groszmäulige  stubenuhr  zwölfmal  Zelter 
an  Göthe,  briefw.  2,  105;  in  der  Post,  dem  .  .  groszmäu- 
ligsten  dieser  blätter  Fontane  familienbr.  2,  I9l;  eine 
groszmäulige  ideenassociation  Tieck  sehr.  17,  211.  — 
groszmaulerei,  /.;  dasz  auch  nicht  ein  .  .  wort  von 
aller  .  .  groszmaulerei  wahr  ist  beitr.  zu  Bahrdts  lebens- 
beschr.  (1791)  222.  —  groszmäuligkeit,  /.;  eine  per- 
son  .  . ,  deren  groszmäuligkeit  und  anmaszliches  vor- 
drängen auszer  zweifei  ist  Chrysander  Händel  2,  168; 
bisweilen  wandelt  ihn  die  vulgäre  groszmäuligkeit  an 
Rosegger  n  11, 148.  —  groszmeier,  m.,  major  domus: 
Pipinus  der  groszmeyer  Stumpf  Schwytzerchr.  315'';  grosz- 
knecht:  gleichwie  in  unsern  ländern  die  groszmaier  ihre 
sensen  wetzen  F.  v.Troilo  oriental.  reisebeschr.  (1646)  146. 
GROSZMEISTER,  m.  1)  am  gewöhnlichsten  als  titel 
des  Oberhauptes  geistlicher  ritterorden  {vgl.  meister  10  b); 

36 


563 


GROSZMEISTER 


GROSZMEISTER  —  GROSZMUTH 


564 


in  den  frühesten  nachweisen  vom  Johanniterorden:  ier  (der 
Johanniter)  oeverster  heischt  der  groiszmeister  Harff 
pilgerf.  70;  dem  groszmeister  ritterliches  Johanniterordens 
zu  Rhodis  Kirchhof  wendunm.  3,  460  lit.  ver.;  der  titel 
lautete  vordem:  grosser  maister  st.  Johans  ordens  Righen- 
TAL  Const.  conc.  42 ;  es  ist  etwan  den  Teutschen  ordens- 
herrn  .  .  zustendig  gewesen,  die  dann  einen  sonderbaren 
groszmeister  darinnen  gehabt  J.  Boterus  allg.  tveltbeschr. 
(1596)  1,  142;  der  groszmaister  desz  ordens  s.  Georgii  in 
Schwaben  Frz.  A.  v.  Brandis  d.  tirol.  adlers  ehrenkr.  162; 
{d.  zehnte)  welcher  dem  könige  als  groszmeister  des  Christ- 
ordens gehört  G.  Forster  i,  39;  vgl.  Jesus  hat  auch 
einen  creutzorden  gestifftet,  in  welchem  er  selbst  das 
haupt  und  groszmeister  ist  Sperling  Nicodemus  (1718) 
1, 1123;  dann  auch  bei  anderen  ordenartigen  gesellschaften, 
zumal  den  freimaurern  (wo  aber  eine  andere  bedeutung 
von  meister  mit  anklingt,  s.  d.  7):  der  groszmeister  der 
gesellschaft  der  eingeweihten  Jung-Stilling  4,  392;  das 
constitutionsbuch  (der  freimaurer),  das  .  .  die  geschichte 
.  .  des  ordens  .  .  bis  zum  groszmeister  Nimrod  .  .  hinauf- 
führt Herder  24, 128  S.;  diese  illuminirten  Pariser  logen 
(deren  groszmeister  der  herzog  von  Orleans  war)  K.  L. 
V.  Haller  restaur.  d.  staatswiss.  l,  I6l;  in  neuerer  zeit 
auch  freier:  groszmeister  Kuan  (vom  überhaupt  der  tibe- 
tanischen geistlichkeif)  Ritter  erdk.  4,  287;  zwölf  grosz- 
.  meister  stehen  an  der  spitze  der  zwölf  rangklassen  der 
Erih  (auf  den  Qesellschaftsinseln)  Ratzel  Völkerkunde 
2,  196. 

2)  seltener  sind  einige  ähnliche  anwendungen,  die  eben- 
falls auf  meister  10  beruhen  und  den  obersten  leiter  oder 
auf  scher  eines  kreises  oder  geschäftes  bezeichnen ;  im  älteren 
nhd.  für  das  lat.  maiordomus :  Pippino,  dem  groszmei- 
ster oder  maiordom  in  Austrasien  J.  Schenck  schone  cro- 
nica  (1522)  110;  sein  groszmeister  oder  pfaltzgraf  Pipinus 
See.  Franck  Germ,  chron.  (1539)  835";  Carolus  Martellus 
.  .  damals  ein  groszmeister  oder  pfaltzvogt  des  königs 
■von  Franckreich  Stumpf  Schwytzerchr.ißh^;  von  neuerer 
(jeschichtschreibung  aufgenommen:  (dasz  die  auflösung  des 
fränkischen  Staates)  durch  die  tüchtigkeit  der  groszmeister 
des  palastes  verhindert  wurde  Raumer  gesch.  d.  Hohenst. 
1,  11;  ähnlich:  den  wein  reicht  man  dem  könige  in  ver- 
siegelten flaschen,  welche  der  groszmeister  vor  ihm  öffnet 
Olearius  königr.  Persien  11;  fester  titel  des  befehlshabers 
der  artillerie:  das  erste  amt  unter  den  geschützbedienten 
ist  des  groszmeisters  Zesen  kriegsarb.  3,  93;  wenn  der 
groszmeister  der  artillerie  in  eine  festung  kommt  Fle- 
ming d.  vollk.  teutsche  soldat  426;  supremus  rei  vestiariae 
pr'aefectus  der  groszmeister  der  garderobe  Apinus  gloss. 
nov.  240;  ähnlich  gelegentlich  in  jüngerer  spräche:  abends 
hast  du  die  äffen,  ich  habe  schon  lang  aufgehört,  ihr 
groszmeister  zu  seyn  Göthe  IV  6,  120  IT.;  zu  solcher 
lüge  musz  der  groszmeister  der  Neuen  Preuszischen  Zei- 
tung sich  bequemen  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  6,  35. 

3)  erst  in  neuerer  zeit  entfaltet  sich  eine  anivendung 
im  sinne  von  meister  6:  jemand  der  es  in  irgend  einer 
kunst  oder  einem  fache  zur  höchsten  meisterschaft  gebracht 
hat:  den  vom  ganzen  alterthum  als  groszmeister  der  maier 
angesehenen  Apelles  H.Meyer  gesch.  d.  bild.  künste  1, 178; 
dem  groszmeister  der  deutschen  literatur  (Göthe)  Hebbel 
I  11,  377;  auch  titelhaft  vor  eigennamen:  dem  groszmeister 
Cherubini  gewidmet  R.  Schumann  3, 158;  der  groszmeister 
Klopstock  Wein  HOLD  Boie  246;  gern  icird  das  fach  im 
gen.  oder  mit  präpos.  beigefügt,  zumal  bei  freierem  ge- 
brauch: er  gönnet  euch,  ihr  grosz-  und  kleinmeister  der 
Schreibart,  die  ehre  Herder  l,  403  S.;  von  Kuh  sah  ich 
noch  keine  zeile;  er  ist  der  groszmeister  des  worthaltens 
Hebbel  br.  4,  373;  als  Batus  und  Tirsis,  groszmeister  in 
der  liebe,  ihr  zuhöreten  M.  Schneider  Amintas  (1632)  19; 
des  hierofanten  Stark,  des  weltkündigen  groszmeisters 
für  papistischer  mysterien  fortpflanzung  Voss  antisymb. 
1,  344. 

4)  selten  sind  anwendungen,  die  an  den  handwerklichen 
meister  (s.  d.  6)  anknüpfen:  auf  befehl  des  groszmeisters 
in  der  groszen  weit-  und  schÖpfungsschmiede  Fr.  M. 
Klinger  w.  12,  30;  anders,  im  sinne  des  compos.  typus 
grosz  HI  4  e;  ohne  zweifei  werden  .  .  die  Schneider  den 


gewinn  des  groszmeisters  oder  des  kleiderhändlers  .  .  in 
die  eigene  kasse  leiten  können  V.  A.  Huber  Concordia  59. 

5)  nur  älternhd.  gelegentlich  als  gesteigertes  meister  8, 
groszer  gelehrter:  bi  des  ziten  lebete  der  grosmeister 
meister  Albreht  städtechron.  8, 149;  herr  Niclaus  der  gross- 
maister  und  ertzbischoff  zu  Mailand  Richental  Const. 
conc.  80;  darumb  haben  unsere  catholische  groszmeister 
in  der  schrifft  recht  Fischart  bienenk.  166'';  vgl.  grosz- 
meister magus  Diefenbach  3^^3<'.  —  groszmeisterin, 
/.;  die  itzige  römische  kayserin  ist  groszmeisterin  dieses 
ordens  Sperling  Nicodemus  (l'iis)  l,  1123;  stifterin  und 
groszmeisterin  der  herrlichen  frauenzimmerrepublik  Wie- 
land (1853^.)  34,  29.  —  groszmeisterschaft,  /.,  des 
Deutschen  ordens  J.  Boterus  allg.  weltbeschr.  (1596)  2, 17  ** ; 
allg.  dtsche  bibl.  87,513.  —  groszmeistertum,  n.,  des 
kreuzträgerordens  allg.  dtsche  bibl.  83, 175;  die  kröne  (Spa- 
niens), mit  der  die  groszmeisterthümer  der  geistlichen 
Orden  verbunden  waren  Ranke  87,27.  —  groszmensch, 
TO.;  den  schleich- grosso -handel  der  zeitungs-  und  ge- 
schichtsschreiber  mit  groszmenschen  Jean  Paul  36,  26; 
vgl.  55/58,  224  m.  ö.  —  groszmenschlich,  adj.,  kosmo- 
politisch: welcher  später  .  .  .  den  Verfechter  der  soge- 
nannten groszmenschlichen  und  freisinnigen  ideen  des 
Jahrhunderts  gespielt  hat  E.M.Arndt  w.  l,  102;  vgl.  sehr, 
für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  328.  —  groszmögend,  part. 
adj.,  viel  vermögend:  dasz  auch  die  groszmögende  Rö- 
mer dahin  zu  appelliren  .  .  keine  schew  getragen  Dann- 
hauer catech.  milch  5,  1342;  gern  im  hinblick  auf  den 
besitz,  wie  vermögend: 

viel  groszmögende  städt 
auf  ungewisse  wett 
setzen  das  ihre  hin 

Opel-Gohn  dreiszigj.  krieg  399; 

die  grossmögende  kaufleute  und  arme  fischer  Mosche- 
ROSCH  ges.  l,  93 ;  wir  dürfen  alle  froh  sein,  wenn  unser 
gotteshaus  einen  groszmögenden  gönner  gefunden  hat 
Rosegger  HI  1,225;  als  titel:  durchlauchte,  hochgeborne, 
groszmögende,  gestrenge,  namhafte  herren  acta  publ. 
2,  310  Palm;  edle  groszmögende  herren  in  den  Nieder- 
landen titel  der  Staaten  der  provinz  Holland  Krünitz 
20,  141;  vgl.  schon  Apinus  gloss.  nov.  170;  s.  auch  hoch- 
mögend, iÄ.  4,  2, 1626.  —  groszmögenheit,/.,  als  titel: 
(personen  werden  bestraft),  weil  sie  zu  Amsterdam  wider 
ihre  groszmögenheit  placata  einige  dinge  drucken  lassen 
Prätorius  Zodiakus  merk.  (1667)  90.  —  groszmogul, 
m,.,  Übersetzung  von  frz.  grand-mogol,  bezeichnung  des 
fürsten  aus  dem  mongolischen  eroberervolk  der  Mughal, 
die  im  16.  jh.  in  Indien  ein  groszes  reich  gründeten;  vgl. 
E.  Littmann  morgenländ.  Wörter  im  Deutschen  ^lOi f. ;  seit 
dem  18.  jh.  nicht  selten  anzutreffen,  besonders  als  Sinn- 
bild fabelhafter  fürsienmacht  und  -pracht:  er  (Louis  Phi- 
lipp), vor  dessen  augenzwinkern  alle  Trajane,  Titusse 
.  .  dieser  erde,  den  groszmogul  mit  eingerechnet,  zittern 
müszten  Heine  6,  141  E.;  blumen,  wie  sie  wohl  sonst  nur 
noch  in  den  gärten  des  groszmogols  .  .  wachsen  mochten 
Gaudy  13,28;  uneigentlich:  (die  hohen  beamten  sind)  des 
allergnädigsten  groszmogols  allergnädigste  groszmogolen 
Lindenborn  Diogenes  i,  490;  gaunerkönigl  groszmogol 
aller  schelmen  unter  der  sonne I  Schiller  2,  lOl  G.; 
sein  (Murats)  groszmogul  von  schwager  in  Paris  (Na- 
poleon) M.  Krummacher  unser  groszvater  112;  (ein  irrer) 
hält  sich  für  den  groszmogul  im  reiche  des  geistes  Herb. 
Eulenberg  dogenglück  (1899)  133;  auch  in  die  maa.  ge- 
drungen: groszmogel  anspruchsvoller  mensch  Alb  recht 
ieipz.  126*;groassmouk'l  einer  der  recht  dick  thutRucKERT 
65;  dazu  groszmoglig  adj.  Albrecht  a.  a.  o.  —  grosz- 
m  u  h  m  e ,  /. ;  die  grosmuhm  matertera  magna,  aviae  soror 
Schottel  haubtspr.  259;  so  viel  als  der  grosze-mutter 
Schwester  AMARANTHEs/rawen^.  lex.  694;  eine  alte  grosz- 
muhme  Heine  7,  467  E.;  früher  uncomponiert:  und  ist 
Elisabeth  ihre  mume  und  des  herrn  grosse  mume  Lu- 
ther nach  DiETZ  2,  173*';  nd.  grootmöm  groszmutter 
Schütze  holst.  2,  75. 

GROSZMUTH,  gewöhnlich  f.,  nur  in  älterer  spräche, 
bis  zur  mitte  des  18.  jhs.,  etwas  öfter  als  m.:  mehrfach 
bei  Frz.  A.  v.  Brandis  (s.  u.  i),  auch  bei  Logau  (s.  u.  i); 


565 


GROSZMUTH 


GROSZMUTH 


566 


{Judith  war)  von  sonderbahren  grosz-  und  heldenmuth 
Amaranthes  frauenz.  lex.  948;  gegen  den  weiblichen 
grosz-  und  edelmuth  Lindenborn  Diogenes  l,  667;  später 
ganz  vereinzelt:  unsern  groszmuth  zu  halbieren  Holtei 
vierzig  jähre  3,  285.  das  wort  erscheint  erst  im  nhd.  {doch 
vgl.  ahd.  mihhilmuoti  Graff  2,  627);  es  ist  jünger  und 
weniger  entwickelt  als  das  adj.  groszmüthig. 

1)  das  ältere  nhd.  kennt  nur  die  bedeutung  'starkmiith, 
tapferkeit';  aber  im  16.  jh.  noch  selten:  ein  ungehalten 
stimm  bedeut  grosz  leber,  groszmuth  und  grimm  Fisghart 
groszm.  (1607)  D  2*;  {die  meisten  menschen  halten)  die  listi- 
gen für  weis,  ...  die  frechen  für  grosmütig  . . .  {aber  die 
weisen  wissen)  das  weder  bei  benanten  allen  die  wäre 
wolfart .  .  noch  grosmut  .  .  bestände  3,  i  Hauffen;  dann 
bis  ins  is.  jh.  häufig:  an  .  .  .  dap ferkelt  und  grossmut 
keiner  dem  Tyridates  gleiche  A.  U.  v.  Braunsghweig 
Oct.  1,  12,  und  in  dieser  paarung  öfter;  eine  melodie, 
welche  die  beiden  des  alterthums  auf  den  höchsten  grad 
der  groszmuth  erhub,  wann  sie  eine  schlacht  antraten 
BoDMER  samml.  crit.  poet.  sehr.  1,  33;  gewöhnlich  aber 
als  passive  tugend,  starkherzigkeit,  standhaßigkeit,  auch: 
stoische  ruhe,  gelassenheit:  animi  firmitudo  Frisch  teutach- 
lat.  wb.  (1741)  1,  877'»; 

groszmut  gilt  und  hochmut  nicht, 
jener  steht  und  dieser  bricht 

LoGAu  sinnged.  265  lit.  ver.  ; 

{trotz  dem  todesfall)  haben  sie  ihren  groszmuth  nicht 
sincken  lassen  Frz.  A.  v.  Brandis  d.  tirol.  adlers  ehrenkr. 
191 ;  wie  sollte  denn  dero  sonst  unbewegliche  groszmuth 
durch  eine  Widerwärtigkeit  können  verdunkelt  werden, 
die  .  .  Menantes  allern.  art  höf.  u.  gal.  zu  schreiben  394; 
sie  sterben  mit  freuden  und  mit  einer  groszmuth,  die 
kein  beispiel  vor  sich  hat  Lavater  au^s.  in  d.  eidgk. 
1,  94;  beispiele  ihrer  {der  negerinnen)  das  leben  verach- 
tenden mütterlichen  groszmuth  Herder  18,  328  S. 

2)  allgemeiner:  edle,  grosze,  hochherzige  gesinnung ; 
magnanimitas ,  generositas  Stieler  1299;  aber  erst  im 
18.  jh.  breit  entfaltet:  nach  diesem  lohne  zu  jagen,  das 
ist  eben  die  groszmuth,  die  die  rechte  mutter  .  .  guter 
handlungen  ist  J.  E.  Schlegel  8,  356; 

die  stille 
zärtliche  thräne  der  kämpfenden  groszmuth,  der  leidenden 
tugend        Cronegk  sehr.  2,  49; 

in  mancherlei  feineren  abschattungen:  auszerdem  waren 
die  griechischen  künstler  überzeuget,  dasz  .  .  die  grosz- 
muth insgemein  mit  einer  edlen  einfalt  gesellet  zu  sein 

pfleget   WiNCKELMANN   4,  204; 

da  die  zwo  edlen  schönen 
voll  von  gesezter  und  stiller  grosmut  .  . 
unter  die  blumen  ruhig  sich  sezeten 

Klopstock  od.  1,  18  M.-P.; 

Fabricius  galt  den  Römern  als  ein  muster  unbestech- 
licher groszmuth  Herder  27,  21  S.; 

verlasz  die  keusche  groszmuth  deines  Scipio 

Ramler  lyr.  ged.  49 ; 

Miltons  groszmuth,  womit  er  auf  die  wahre  hoheit  seiner 
materie  gesehen  hat  Bodmer  abh.  v.  d.  icunderbaren  4; 
von  der  dem  fürsten  anstehenden  gesinnung  {doch  nicht  so 
häufig  und  formelhaft  wie  das  adj.  groszmüthig,  s.  d.  2  a): 

das  Stammhaus  der  berühmten  grafen  .  .  . 
war,  ist  und  bleibt  an  groszmuth  grosz 

Stoppe  Parnasz  19; 

wie  huldreich  ist  die  groszmuth  ihrer  jugend! 
(von  einer  sächsischen  princessin) 

Gottsched  neueste  ged.  (1750)  68. 

diese  bedeutung  reicht  kaum  über  das  18.  jh.  hinaus;  sie 
ist  zurückgedrängt  worden  durch  zwei  engere,  die  sich  als 
specialisierungen  von  ihr  verstehen  lassen: 

a)  'groszmuth  ist  edelmuth  mit  selbstbesiegung'  Fr. 
Delbrück  sinnverwandte  Wörter  (1796)  l,  155;  vgl.  wahre 
groszmuth  .  .  ,  eine  tugend,  die  wählt,  sich  selbst  be- 
stimmt und  leidensehaften  überwindet  Herder  16,  586  8.; 
mit  Vorliebe  in  einem  ganz  bestimmten  begrifflichen  Zu- 
sammenhang; ganz  treffend  definiert  Chr.  Thomasius: 
groszmuth  ...  ist  ein  hasz  gegenwärtiger  räche  arznei 


wider  d.  unvern.  liebe  (i696)  139;  ich  .  .  .  wolte  meine 
groszmuth  sehen  lassen  .  .  ,  liesz  ihm  auch  seine  ab- 
bitte .  .  nicht  kniend,  sondern  stehend  verrichten  Schna- 
bel Felsenb.  41  lit.  denkm.; 

du  weiszt,  mit  welcher  groszmuth  er  verzieh 

GRAFEN  Stolberg  5, 146; 

dasz  der  kaiser  {Napoleon)  in  romantischem  vertrauen 
auf  britische  groszmut  .  .  zu  den  Engländern  ging  Heine 
3,  111  E.;  er  mochte  nichts  mehr  von  der  groszmuth  des 
stolzen  grafen,  er  wollte  jetzt  nur  sein  recht  Eichen- 
dorf 3,  316; 

freundlichkeit  und  groszmut  gelten 
nicht  im  göttlichen  gericht 

Schenkendorf  ged.  (1837)  207; 

doch  auch  mannigfach  anders,  aber  immer  im  sinne  eines 
zurückstell-ens  selbstischer  interessen :  Starkader  hatte  ihr 
in  philosophischer  groszmuth  .  .  versichert,  dasz  er  nur 
sich,  nicht  aber  sie  durch  Versprechung  gebunden  glaube 
A.  V.  Arnim  2,  19;  dasz  die  Cölestine  den  Friedrich  nicht 
mehr  aus  liebe  nahm,  sondern  aus  purer  groszmuth 
Holtet  erz.  sehr.  17,  75;  schuldig  waren  wir  dem  könig 
Georg  nichts;  wir  haben  ein  beispiel  der  groszmuth  im 
Interesse  des  friedens  gegeben  Bismarck  polit.  reden  4, 
136;  darüber  hinaus  im  18.  jh.  i7i  mancherlei  gebrauchs- 
weisen,  die  uns  mehr  oder  minder  fremd  geworden  sind: 

und  zeigt,  dasz  eigennutz,  nicht  groszmuth  in  ihm  brannte 

Lich^wer  äsop.  fabeln  88; 

dies  eine  sehr  gewöhnliche  antithese;  wir  bewundern  .  . 
die,  welche  sie  {reichihümer)  haben  können,  und  aus 
einer  edlen  groszmuth  von  sich  stoszen  Mendelssohn 
^e*.  sehr.  1,  314; 

(der  fuchs,  der)  so  gar  bald  verriet,  die  traube  geh  ihm  nah, 
die  seine  groszmuth  itzt  für  noch  nicht  reif  erklärte 

J.  A.  Schlegel  verm.  ged.  1,  154; 

{Cäsar)  legte  also  aus  verstellter  groszmuth  die  kröne 
wieder  ab  Gottschedin  br.  1,  813;  alten,  gesetzten  .  .  . 
männern  würde  ein  wenig  mehr  groszmuht  .  .  .  besser 
anstehen,  als  ein  ewiges  klagen,  dasz  man  sie  aus- 
lachet Liscow  samml.  sat.  u.  ernsth.  sehr.,  vorr.  41;  da- 
mit er  sich  früh  zu  der  groszmuth  erhebe,  satyren  und 
critiken  ohngerührt  zu  ertragen  und  mitleidig  zu  ver- 
achten H.  P.  Sturz  sehr.  2,  53;  hierher  auch:  ob  diese 
ruhmredigkeit  {in  liebesangelegenheiten)  mit  eurer  so  ge- 
rühmten groszmuth  übereinstimme,  als  die  ihr  die  eigne 
tugend  des  männlichen  geschlechtes  zu  nennen  pfleget 
Gottsched  d.  vernünft.  tadler.  l,  81;  vgl.  wie  die  sitt- 
liche anläge  in  der  natur  der  weiber  sich  durch  liebe, 
so  äuszert  die  sittliche  anläge  in  der  natur  des  mannes 
sich  durch  groszmuth  Fichte  3,  813. 

b)  reich  entwickelt  ist  auch  eine  an  den  begriff  'frei- 
gehigkeit'  grenzende  bedeutung :  wenn  er  von  ihrer  grosz- 
muth seinen  notdürftigen  unterhalt  erhielt  Raben  er 
sämtl.  sehr.  4,  137;  am  ende  will  ich  lieber  ein  narr 
meiner  groszmuth  seyn,  als  mich  von  .  .  .  habsucht 
zwicken  lassen  F.  M.  Klinger  l,  107;  Heinrich  .  .  wollte 
nun  auch  all  das  essen  bezahlen,  .  .  Jeanette  aber  litt 
diese  groszmuth  nicht  Gutzkow  ritter  v.  geiste  4,  364 
freier:  die  eigenschaft  des  dramatischen  dichters  .  .  . 
sich  selbst  mit  freygebiger  groszmuth  an  andere  per 
sonen  zu  verlieren  A.  W.  Schlegel  im  Athen.  1,  2,  86 
ihre  äugen  glänzten  ihn  so  freundlich  an,  als  fliesze 
ihre  seele  über  in  groszmuth,  einen  unschätzbaren  schätz 
geben  zu  können  B.  v.  Arnim  Cl.  Brentanos  frühlingskr. 
54;  gern  in  anivendung  auf  fürstliche  personen  und  so 
verrinnend  mit  dem  unter  2  schlusz  behandelten  gebrauch: 

auch  geschenke  reich  und  prächtig  .  . 
zeugten  glänzend  von  der  nuld 
und  der  groszmuth  des  monarchen 

Heine  1,  375  E.; 

mancher  junge  künstler  .  .  .  verdankt  es  des  prinzen 
groszmuth,  wenn  sein  genie  keine  fessel  mehr  drückt 
PÜCKLER  briefio.  u.  tageb.  2,  56. 

c)  concretisiert:  act,  äuszerung  groszmüthiger  gesin- 
nung: so  will  ichs  als  eine  groszmut  von  ihnen  an- 
sehn, wenn  sie  mir  die  Ursachen  dieses   meines  .  .  un- 

36* 


567 


GROSZMUTH,  GROSZMÜTHIG 


GROSZMÜTHIG 


568 


glucks  entdecken  Klopstogk  an  frl.  Schmidt,  br.  33 
Lappenb.;  jeder  glücksfall  sollte  uns  demüthigen,  denn 
es  ist  eine  groszmuth,  die  uns  ohne  verdienst  zugewandt 
wird  Hippel  über  d.  ehe  189. 

3)  nur  in  spuren  ist  die  beim  adj.  voll  entfaltete  Be- 
deutung 'stolz'  nachzuweisen: 

doch  führt  die  demuht  hie  den  gröszten  titul  pracht, 
die  bey  den  Christen  recht  die  wäre  groszmuht  macht 

MoRHOF  unterr.  v.  d.  ätsch,  spr.  2,  309 ; 

KiNDERLiNG  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  39  kennt  groszmuth 
für  'hochmuth';  v.  Klein  l,  165  belegt  es  für  Ravensberg. 

GROSZMÜTHIG,  adj.,  erst  im  li.  jh.  vereinzelt  nach- 
zuweisen (s.  u.  i);  doch  hat  schon  das  ahd.  mihilmuotig 
Graff  2,  694;  das  adj.  steht  weithin  in  einein  contrast- 
Verhältnis  zu  kleinmüthig  (s.  th.  5,  2796). 

l)  das  mhd.  scheint  eine  dem  adj.  höhgemuot  ähnliche 
bedeutung  zu  kennen:  ir  (Maria)  sele  was  grosmüetig 
(als  der  engel  zu  ihr  kam)  zs.  f.  d.  a.  8,  257,  sie  klingt 
auch  später  noch  gelegentlich  an  (s.  u.);  aber  die  im  äl- 
teren nhd.  weit  überwiegende  bedeutung  ist  'starkmüthig, 
tapfer'  (vgl.  kleinmüthig  2) :  grotmodich ,  kune  vel  ge- 
herczit  magnanimus  Diefenbach  343^;  gehertzt,  mutig, 
groszmütig,  dürstig,  unverzagt  audax  Alberus  (i540) 
Qq  2^;  bis  ins  18.  jh.  lexicalisch  feststehend:  heroisch, 
groszmüthig,  heldenmüthig  Wachtler  197;  gewöhnlich 
von  Personen :  ich  bin  ein  spise  der  grossen  lüt,  die  kuone 
und  grosmuotig  sint  (sagt  gott  zu  Augustinus)  Birlin- 
GERs  Alemannia  3,  117;  trunckenheit  .  .  macht  den  grosz- 
mütigen  förchtsam  Ambach  v.  zusaufen  ß  4^;  sind  hitzi- 
ges geblüts,  grosz-  und  kühnmuthig  wie  ein  löwe  Rays- 
broeck  v.  d.  wahren  beschaulichk.  73 ;  als  er  and  die  zwey 
andern  fürsten  .  .  dem  feinde  groszmüthig  in  die  seite 
fielen  Lohenstein  Armin,  l,  423*';  auch  von  thieren: 
nicht  leichtlich  ein  grossmütiger  adler  eine  forchtsame 
taube  auszhecket  Dannhauer  catech.  milch  l,  343; 

wie  ein  groszmüthig  pferd,  wenn  es  den  streich  empfindt, 
durch  sand  und  schrancken  rennt 

Gryphius  trauersp.  43  Palm; 

mit  besonderer  färbung:  in  diser  gab  wirt  der  mensch 
so  grossmütig,  das  er  gern  aller  menschen  werk  vol- 
brächt  Tauler  serm.  (1508)  Gg**;  (die  sanguinische  seele) 
ist  bald  erhebend  und  groszmütig,  bald  auch  wieder 
fallend  J.  Böhme  4,  224;  nicht  minder  häufig  als  passive 
tagend,  im  sinne  von  constans: 

solchem  Unfall  zu  widerstan 
durch  die  groszmütigen  gedult 

H.  Sachs  7,344  K.,- 

groszmütig  in  trübsal  Fisghart  3,  248  Hauffen;  der- 
gleichen .  .  klagens  .  .  nit  bald  von  ainem  solchen,  sünst 
standthafften  und  grossmütigen  mann  gehört  .  .  worden 
Schwarzenberg  Cicero  149; 

ja  werft  den  himmel  ein!   ich  wil  groszmüthig  stehn 

Gryphius  trauersp.  700  Palm; 

ähnlich,  aber  doch  auch  an  die  bedeutung  höhgemuot  ge- 
mahnend: ist  aber  ein  Spieler  .  .  so  groszmütig,  dasz  er 
durch  kein  Unglück  oder  Verlust  zur  melancholey  .  .  . 
gebracht  werden  mag  Grimmelshaüsen  l,  286  Keller; 
doch  ich  wolte  es  (das  a  l'hombre- spiel)  keinem  nicht 
rathen,  der  bey  dem  verlust  nicht  so  groszmüthig  . .  wäre 
Menantes  allern.  art  höf.  u.  gal.  zu  schreiben  59,  wo  der 
Zusammenhang  dieselbe  bedeutung  ericeist  wie  bei  Grim- 
melshaüsen; im  18.  jh.  erlöschend: 

wie  groszmütig  die  mit  dem  anfall  der  leidenschaft  rungen, 
brach  doch  ein  bach  von  thränen  die  schwachverwahrete 

schleusse 
BODMER  Noah  (1752)  216; 

etwas  blasser,  wo  als  epifheton  ornans  von  einzelnen  oder 
Völkern  gebraucht:  histori  von  einem  grossmütigen  bei- 
den auss  Griechenland  buch  d.  liebe  179;  groszmüthiger 
feldherr  Arminius  Lohenstein  Armin,  (titel);  dieses  land 
ist  von  den  groszmüthigen  Römern  selbst  Germanien  ge- 
nennet Chr.  Weise  ^oK^.  rednerl23;  auch  freier,  mit  säch- 
lichem regens:  ewer  waffen  sollen  sein  redlich,  .  .  ewere 
feüst  und  füsz  fest  und  groszmüttig  See.  Franck  chron, 
Qterm.  35*;  rieffen  seine  kriegsknechte  mit  groszmütiger 


stimm:  hier  schwerdt  des  herrn  und  Gideon  Schupp 
sehr.  182;  wegen  groszmüthigen  thaten  ist  er  dem  Julio 
Caesari  gleich  kommen  Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  332; 
die  groszmüthigen  reden  Davids,  mit  denen  er  den  .  . 
Goliath  herausforderte  Göthe  21,  23  W. 

2)  allgemeiner,  von  hoher,  charaktervoller,  vornehmer, 
edler  gesinnung  (gegensatz  kleinmüthig  l  a);  schön  defi- 
niert Schottel:  bestehet  also  die  groszmütigkeit  in 
einem  tapferen,  hohen,  beständigen,  groszhertzigen  ge- 
mühte, dabey  ein  .  .  fester  vorsatz  nur  was  hohes,  wür- 
diges, grosses  und  tugendhaftes  zu  unternehmen  .  .  mit 
geringen  gemeinen  altages  sachen  bemühet  sich  ein 
groszmütiger  nicht  ethica  (lG69)  449;  ein  groszmütiger 
mensch  der  veracht  alle  .  .  kleine  ding  ...  er  rieht  syn 
gemüt  zu  höheren  dingen  uf  Keisehsberg  hilgersch.  öS*». 
und  ganz  ähnlich  noch:  zu  groszmüthig,  um  sich  in  das 
■wichtigthuende  nichts  der  andern  einzulassen  Eichen- 
DORF  2,  83;  grosmütige  leute  lassen  sich  nicht  in  der 
schlechten  menschen  zahl  rechnen  Friedr.  Wilhelm 
sprichiv.  reg.  u  1*;  der  keiser  war  so  groszmütig,  wolt 
der  untrewen  verräterische  Übergebung  nit  H.  Gholtz 
leb.  bild.  (1557)  x  3^;  ein  groszmütiger  hasset  betrug,  ver- 
rätherey  und  arglistigkeit  Lehmann  fioril.  pol.  l,  417; 
in  allen  (dichtarten)  aber  .  .  voller  sinnreichen  gedanken 
und  einfalle  und  groszmüthigen  und  schönen  meynungen 
zu  seyn  Wernike  poet.  vers.  50  Bodmer;  im  älteren  nhd. 
noch  zurücktretend  gegenüber  l,  erst  im  18.  jh.  häufig  und 
in  mannigfach  icechselndem  gebrauch:  er  war  von  einer 
ansehnlichen  gestalt  und  hatte  etwas  groszmüthiges  und 
glückliches  in  seiner  bildung  J.  M.  v.  Loen  d.  redl.  marni 
(1740)  19;  (der  könig)  dessen  sonst  so  groszmüthiges  hertz 
durch  den  reitz  seiner  schönen  abgötterinnen  zu  schänd- 
lichen götzen  übergieng  Bodmer  samml.  crit.  poet.  sehr. 
1,  27 ;  hielten  die  alten  eine  langsame  bewegung  des  kör- 
pers  für  eine  eigenschaft  groszmüthiger  seelen  Winckel- 
mann  4,  139;  ein  recht  edelmüthiges,  groszmüthiges,  tu- 
gendhaftes Schauspiel  schreiben  F.  M.  Klinger  theater 
2,111;  im  19.  jh.  allmählich  absterbend:  zu  groszmütig, 
um  sich  der  fremdherrschaft  anzuschlieszen  Heine  4, 
280  E.;  wenn  der  groszmüthige,  wackere,  arbeitsame 
Hans  die  zarte  .  .  Grefe  .  .  nicht  heirathen  konnte,  so 
wuszten  sich  die  groszmüthigen  zuschauer  vor  mitgefühl 
nicht  zu  lassen  Tieck  sehr.  9,  55;  das  geschwätz  .  .  ver- 
hindert ihre  (des  volkes  und  des  fürsten)  ursprüngliche 
regungen,  die  gegenseitig  immer  groszmüthig  sind  B. 
V.  Arnim  d.  buch  gehört  d.  könig  1,  120;  die  stark  schil- 
lernde bedeutung  zeigt  bestimmtere  specialisierung  vorzüg- 
lich nach  drei  richtungen: 

a)  seit  alters  gern  von  fürsten,  einfach  im  sinne 
magnanimus  (obgleich  nicht  immer  sicher  von  fortis  zu 
scheiden),  geicissermaszen  eine  pfiichttugend  des  Standes 
bezeichnend:  alda  er  sich  grossmütig  und  herrlich  gegen 
seinen  underthonen  gehalten  Xylander  Polybius  123; 
ihr  könig  wäre  einer  von  den  grossmüthigsten,  dessen 
hoher  sinn  auch  die  herrschaft  über  die  gantze  weit 
zu  erhalten  weder  .  .  .  gelt  noch  volck  sparen  würde 
Grimmelshaüsen  4,  584  Keller;  gern  auch  in  halb  for- 
melhaftem, attributivem  gebrauch:  Franciscus  der  erste 
.  . ,  ein  grossmütiger  und  tugentreicher  fürst  Kirchhof 
wendunm.  2, 251  lit.  ver. ;  des  groszmüthigen  beiden,  könig 
Heinrichs  des  vierten  in  Frankreich  nachgelassene  wittib 
Schupp  freund  in  d.  not  20  ndr.;  so  ivohl  auch  zu  ver- 
stehen in  dem,  geh-auch  als  cognomen:  Johann  Friedrich 
der  groszmüthige  von  Sachsen,  Philipp  der  groszmüthige 
von  Hessen;  doch  ist  hier  auch  eine  deutung  von  1  aus 
möglich;  das  adj.  behält  seinen  platz  in  anreden  an  fürst- 
liche Personen  bis  ins  19.  jh.  (in  jüngerer  zeit  freilich  mit 
einer  färbung  des  sinnes  nach  c):  gegen  eine  so  erhabene 
und  groszmüthige  prinzessinn  Scheibe  crit.  musicus 
vorw.  a  4,  in  der  widmungsanrede ;  gott  erhalte  dieselben 
bey  derjenigen  groszmütigen,  billigen  und  liebreichen 
gemütsbeschaffenheit,  die  .  .  Brockes  ird.  vergn.  2,  zu- 
schr.  6;  dem  kronprinzen  von  Bayern,  dem  groszmüthigen 
unterstützer  dieses  Versuches  Schmeller  mundarten 
Bayerns  HI  (widmung);  auch  sonst  als  höflichkeitswen- 
düng:    ich  weisz,   dasz   ew.  gnaden  .  .  sich  groszmütig 


569 


GROSZMÜTHIG 


GROSZMÜTHIGKEIT 


570 


erkundigt,  ob  dieser  .  .  frau  irgend  eine  hülfe  nötig  sey 
GÖTHE  IV  30,  36  W.;  in  letzter  verblassung:  belieben 
groszmütigst.  hier  herein  Grillparzer  13,  88  'gnädigst, 
freundlichst';  vgl.  letztere  (kritik)  könnten  sie  mir  grosz- 
müthigerweise  wohl  gleich  .  .  zusenden  Hebbel  br.  i,  343. 

b)  'durch  selbstübencindung  {sittlich)  grosz  in  gesiv- 
nung  und  handlung  gegen  andre'  Weigand  synon.  1, 
572 ;  erst  im  18.  jh.  in  breiter  entfaltung,  aber  schon  früher 
sich  ankündigend:  es  sey  eine  that  ausz  groszmütigem 
mannhafftem  hertzen  entsprungen,  seinen  todsfeind  nicht 
beleidigen,  wann  er  ungewarnter  Sachen  .  .  zu  einem  .  . 
kompt  ZiNKGREF  apophthegm.  127;  mit  verliebe  in  einigen 
fügungen  von  ganz  bestimmter  sinnesrichtung :  wer  seinem 
feinde  nicht  schadet,  da  er  gelegenheit  dazu  hat,  son- 
dern vielmehr  wohl  thut,  der  wird  groszmüthig  genennet 
Chr.  Wolff  gedanken  von  der  menschen  thun  u.  lassen 
593;  groszmüthige  Vergebung  kann  oft  eine  von  den  här- 
testen strafen  seyn  Lessing  17,  53  M.;  selbst  gegen  über- 
wundene handelte  er  so  groszmüthig,  als  es  die  zeit  zu- 
liesz  Herder  12,  232  S.;  im  gefühl  groszmüthiger  Scho- 
nung Göthe  15,  304  W.;  wie  aber  die  menschen  häufig 
lieber  groszmüthig  als  rechtlich  sind  Hegel  8,  330;  doch 
auch  mannigfach  anders,  aber  immer  m,it  dem  sinn  eines 
hintansetzens  selbstischer  regunqen:  aber  er  schlüge  grosz 
müthig  diese  geschencke  aus  Chr.  Thomasius  leben  So 
cratis  (1603)  65;  durch  seine  freywillige  groszmüthige  auf- 
Opferung  für  die  sünden  der  menschen  Miller  pred.  f. 
landvolk  2,301;  da  die  groszmütige  hingäbe  der  Phi 
laenen  in  den  tod  alle  flecken  sühnte  J.  Grimm  kl.  sehr 
2,  73;  er  bekämpft  ihn  mit  den  waffen,  die  jener  ihm 
.  .  .  groszmüthig  überläszt  Varnhagen  v.  Ense  tageb. 
1,  i56i;  dasz  du  alles  wissest,  was  du  einst  so  grosz- 
müthig nicht  gefragt  hast  Stifter  3,  174  Sauer;  den 
menschen  in  stiller  bescheidenheit,  groszmüthiger  ent- 
sagung  Fr.  M.  Klinger  3,  275;  anders,  aber  vergleichbar : 

wie  selig  aber  flieszt  das  leben 

des  freyen  enkels  Teut, 

dem  es  groszmüthig  gnügt,  was  gute  götter  geben 

Kretschmann  1,  69. 

c)  jünger,  erst  seit  dem  18.  jh.  nachweisbar  ist  die  spe- 
cialisierung  der  bedeutung  im  sinne  von  freigebigkeit,  zu- 
mal von  seilen  höhergestellter  {vgl.  a) :  die  namen  solcher 
groszrnüthigen  .  . ,  welche  ihren  heuerleuten  das  kom 
.  .  zu  dem  preise  geben,  wozu  es  in  guten  jähren  steht 
Moser  2,  S2;  indem  er  von  der  groszrnüthigen  und  frei- 
gebigen art  des  königs  .  .  sprach  Göthe  44,  5  W.;  der 
könig  drückt  seine  Zufriedenheit  auf  das  groszmüthigste 
aus  49;  sie  wollte  die  heilsamen  aurikeln  um  ihre  dienste 
groszmühtig  belohnen  Drollinger  grecZ.  334;  den  dank, 
den  wir  der  groszrnüthigen  geberin  hier  bringen  Hegel 
16,  160;  baron  Wezlar  .  .  erwies  sich  auch  bei  dieser  ge- 
legenheit als  ein  groszmüthiger  gönner  0.  Jahn  Mozart 
4,  184;  durch  das  groszmüthige  geschenk  Spielhagen 
1,123;  bedenken  se  mer  mit  a  grauszmüthiges  presentche 
Gaudy  18,  152. 

3)  literarisch  tritt  am  wenigsten  hervor  die  bedeutung 
'stolz',  die  schon  frühnhd.  glossare  aufweisen:  ubermütich 
vel  groszmüttig  magnanimus  Diefenbach  343'^;  hoch- 
fertig o.  groszmutig  superciliosus  566";  synonym  mit 
houerdich,  homoyt  u.  ä.  ib.  29«'  s.  v.  ambitio;  welcher 
{Friedrich  I.)  als  ein  groszmütiger,  adelicher  .  .  .  herr 
solche  onbillichkeit  nit  hat  können  dulden  {seine  kröne 
vom  papst  zu  lehen  zu  nehmen)  Sleidanus  reden  23  lit. 
ver.;  dann  weil  wir  Schreiber  eben  so  hoffärtige  geister, 
was  sage  ich:  hoffärtige?  ich  will  sagen:  gleich  so  grosmü- 
tige  sinne  haben  .  .  als  etwann  die  Schneider  Grimmels- 
hausen  3, 11  Keller;  einem  betler  .  .  ist  .  .  offt  besser  zu 
muhte,  als  nicht  manchem  ungerechten  regenten  über 
seiner  herrlichsten  tafel;  wie  grosmüttig  er  sich  .  .  . 
stellet Butsghky  Pathm.  957 ;  nun  hatte  sich  Caraffa  schon 
längst  zu  einer  groszrnüthigen  Verachtung  dieses  kerls 
resolviret  Kuhnau  music.  quacks.  175  lit.  denkm.;  erscheint 
die  specifische  bedeutung  hier  nur  als  eine  Spielart  der 
allgemeineren  magnanimus,  so  zeigt  sie  sich  in  anderen 
fällen  tadelnden  gebrauches  mehr  verselbständigt:  Wesel, 
ein  schöne,  feste  .  .  und  mit  starcken  ringmauren  der- 


massen  umbgebene  statt  .  . ,  dasz  sie  ihre  einwohner 
groszmötig  und  vermessen  darauff  gemacht  G.  Braun 
beschreib,  u.  contraf.  4,  19=^;  wieder  die  Zerstörung  der 
groszmüthigen  stadt  Babel  Prätorius  anthropod. pluton. 

1,  2,  349;  mundartlich  bis  in  die  neuere  zeit  lebendig  geblie- 
ben: groszmüthig  thun  hoff  artig  sich  tragen,  oberschles. 
monathschr.  2  (1789),  176;  groszprahlerisch,  hochmütig  Ab- 
brecht Leipz.  126^;  hochmütig  Hertel  Thür.  110;  Rein- 
wald Henneb.  1,  54;  v.  Klein  1,  165  {aus  Hannover); 
Danneil  71*;  Schütze  Ifo^si.  2,75;  Stürenburg  77"; 
also  in  md.  und  nd.  maa.,  wie  auch  die  älteren  belege 
in  dies  gebiet  weisen. 

GROSZMÜTHIGKEIT,  /.,  wie  das  adj.  im  späteren  mhd. 
erst  vereinzelt,  s.  tt.  1  und  Lexer  3,  nachtr.  220;  im  äl- 
teren nhd.  sehr  häufig. 

1)  entsprechend  groszmüthig  1:  magnanimitas  grosz- 
mütigkeit,  ein  dapfFer  hertz  Frisius  794*;  magnanimite, 
grand  cceur  et  courage  Wiederhold  152*;  bravoure, 
tapferkeit,  groszmüthigkeit  Sperander  76'';  schon  mhd.: 

er  stercte  ouch  mit  innekeit 
di  brudre  zu  grozmutekeit 
mit  wortin,  di  got  sprach  vorwar 
{als  Vorbereitung  zum  kämpf) 

Nie.  V.  Jeroschin  2053; 

auss  welchem  einer  mag  die  grossmütigkeit  und  ver- 
messenheit in  ihrem  fürnemmen  erachten  Xylander 
Polybius  14;  in  belegerung  wird  gedult  erfordert,  in 
veldschlachten  aber  künheit  und  groszmütigkeit  Matth. 
Quad  macht,  reichthum  (1602)  15;  seine  unvergleichliche 
keck-  und  grossmütigkeit  S.  v.  Birken  ostländ.  lorbeerh. 
186;  groszmüthigkeit  schafft  rühm,  furcht  ist  aber  der 
hasen  schütz  Lohen  stein  Sophonisbe  (1708)  11 ;  ebenso 
gern  auch  von  der  starkherzigkeit  als  passiver  tugend: 
die  gedultige  groszmütigkeit  des  Amadis  Amadis  l,  138 
lit.  ver.;  dasz  wir  mit  gedultiger  und  freudiger  grosz- 
müthigkeit alles  das,  was  uns  .  .  zustossen  möchte,  er- 
tragen möchten  Buysbroeck  v.  d.  wahren  beschaulichkeit 
131;  ich  .  .  sähe  .  .  dass  seine  grossmüthigkeit  keines 
trostes  bedorfte  Grimmelshausen  Simpl.  61  ndr. ;  der 
.  .  chur-printz,  welchen  dieser  schlag  am  .  .  heutigsten 
getroffen,  wird  uns  mit  seiner  groszmüthigkeit  vorleuchten 
Canitz  ged.  194;  sprichwörtlich  ist  des  löwen  groszmüthig- 
keit, d.  h.  muth: 

{lernt)  vom  löwen  groszmüttigkeit 

Th.  Hock  blumenf.  76  ndr. ; 

ein  pferd  soll  haben  von  einem  löwen  die  brüst,  die 
groszmüthigkeit  und  den  rucken   Hohberg  georg.  cur. 

2,  131;  diese  bedeutung  ist  im  18.  Ja.  im  untergehen;  Hey- 
natz verwirft  groszmüthigkeit  im  sinne  'tapferkeit'  anti- 
barb.  2,  78. 

2)  allgemeiner,  entsprechend  groszmüthig  2 :  excellentia 
animi  fürtreffenheit,  überträfFung,  groszmütigkeit  Fri- 
sius 494*;  altitudo  animi  18^;  elatio  animi  Steinbach 
2,  92 ;  magnanimitä,  generositä,  grandezza  d'animo  Kra- 
mer teutsch-ital.  1,  569 «;  vgl.  die  definition  Schottels 
unter  groszmüthig  2;  zürn  andern  mal  so  dienet  dem 
adel  groszmütikeit,  darausz  kommet,  das  si  nicht  zäng- 
gisch  seind  Stein höwel  sp.  menschl.  lebens  (1479)  25*; 
diese  des  Piatonis  reden  haben  des  Dionisii  gemüt 
also  bewegt  und  ime  die  gutwilligkeit  und  groszmütig- 
keit eines  solchen  mannes  dermassen  gefallen,  dasz 
.  .  P.  Colman  cordissiano  (l57i)  259'';  reichete  sie  dem 
Ludwig  ein  goldstücke  .  .,  welches  anzunehmen  er  sich 
aus  groszmüthigkeit  weigerte  seltsame  liebeshändel  (l69l) 
136;  {eine  person)  welche  sich  aus  heiliger  groszmüthig- 
keit an  statt  eines  weltlichen  fürsten  an  einen  himm- 
lischen bräutigam  vermählen  wil  Chr.  Weise  polit. 
redner  i29;  auch  die  an  «i/tci.  hohgemuot  erinnernde  be- 
deutungsspielart  tritt  wie  beim  adj.  gelegentlich  auf:  {die 
Niederländer  wissen  prunkvolle  feste  zu  feiern),  dann 
sie  seind  von  natur  zum  pracht  und  groszmütigkeit  ge- 
neigt D.  Federman  Niederlands  beschr.  (1580)  48;  als 
herrschertugend  {vgl.  neben  dem  adj.  auch  groszmuth  2) : 
groszmüttigkeit  steht  gewaltigen  herren  wol  an  G.  Mayr 
sprichw.  Aö'';  alleine  ew.  fürstl.  durchl.  weltbekandte 
groszmütigkeit  hat  mich  meines  zweifeis  erledigt  Lohen- 


571   GROSZMÜTHIGLICH  -  GROSZMUTTER 


GROSZMUTTER 


572 


STEIN  lobschr.  auf  herz.  Georg  Wilhelm,  vorr.  5;  diese 
bedeutung  ist,  mit  den  modulierungen  des  adj.,  auch  im. 

18.  jh.  noch  lebendig:  aber  er  (Voltaire)  verrät  dadurch, 
wie  weit  er  an  groszmütigkeit  hinter  Miltori  zurück 
bleibt  BoDMER  abh.  v.  d.  wunderb.  28;  meinungen,  die 
nichts  wunderbares  in  sich  haben,  dieses  mag  in  der 
groszmüthigkeit  oder  in  der  zueigenung  der  meinung  . . 
bestehen,  scheinen  platt  Breitinger  cW^.  dichtk.  l,  133; 
lust  zu  natursachen  ist  ein  merkmal  der  groszmüthig- 
keit Herder  17,  208  S.;  im  sinne  der  specialisierung  2  b 
ungewöhnlicher:  die  groszmüthigkeit  ist  ein  .  .  vorsatz, 
seinem  feinde  nicht  zu  schaden,  sondern  vielmehr  gutes 
zu  thun  Chr.  Wolff  ged.  v.  d.  menschen  thun  u.  lassen 
593.  —  groszmüthiglich,  adv.,  in  den  verschiedenen 
bedeutungen  des  adj.,  aber  nicht  häufig:  Reyher  thes. 
(1686)  g  e*»;  das  grosmütiglich  und  aufrecht  sich  des 
wolfärigen  glucks  wissen  zu  geprauchen,  recht  männisch 
.  .  ist  FisGHART  3,  296  Hauffen;  dasz  sie  .  .  sich  grosz- 
müthiglich entschlosz,  ihm  endlich  zu  verzeihen  Wie- 
land 17  (1796),  224;  als  ob  sie  groszmüthiglich  seinet- 
wegen diese  pönitenz  übernommen  hätten  Hippel  kreuz- 
u.  quer  Züge  1,290. —  groszmüthigkeits  wasser,  n., 
eine  art  ameisenspiritus  zur  Stärkung  der  courage  Wieg- 
leb zauberlex.  382i;  vgl.  groszmüthigkeit  1. 

GROSZMÜTHSVOLL,  adj..  gehobeneres  wort  für  grosz- 
müthig;    im   18.  jh.    ungemein   häufig,    auch   im   älteren 

19.  jh.  noch  gebraucht;  fast  ausschlieszlich  in  poetischer 
Sprache,  für  Gottsched  und  seinen  kreis  fast  ein  mode- 
wort,  auch  bei  den  anakreontikern  häufig ;  gerade  deshalb 
später  mehr  bei  dichtem  zweiten  ranges,  aber  auch  von 
Schiller  noch  öfter  gebraucht,  von  Götiie  gemieden; 
in  allen  bedeutungsfärbungen  von  groszmüthig: 

ist  disz  die  tapfere,  die  groszmuthsvolle  brüst 

V.  König  ged.  (1745)  119; 

und  wenn  er  {der  tod)  tausende  von  seiner  seile  reiszt, 
weisz  er  ihn  groszmuthsvoll  und  standhaft  zu  verachten 
V.  Gentzkow  ged.  (1771)  114; 

es  zeigt  .  .  .  dein  grosz-  und  sanftmuthsvoller  blick, 
dasz,  wie  dein  cörper  der  natur,  dein  geist  des  himmels 

meisterstück 
Brockes  ird.  vergn.  i,  626; 

der  höhn 
ist  seiner  groszmutsvollen  seele  fremd 

H.  V.  Kleist  2,  95  E.  Schmidt  i 

du  nur,  du  groszmuthsvoUer  zepterführer 
beglückter  Dänen  Friederich 

Kretschmann  s.  w.  1,  267; 

du  liebst  die  feindinn  so,  o  groszmuthvoller  söhn ! 

Gottsched  dtsche  schaub.  5,  417; 

könnt  er  vergessen,  dasz  sein  prangend  loos 
der  liebe  groszmuthsvolle  Schöpfung  war? 

Schiller  12,413  G.; 

unter  umdeutung  einer  älteren  anwendung  von  grosz- 
müthig (*.  d.  l) : 

da  seht!  er  {der  löwe)  liegt  in  seiner  höhle 

so  groszmuthsvoll!  Gleim  1, 186. 

GROSZMUTTER,  /.,  ebenso  tvie  groszvater  erst  spät- 
mhd.  für  älteres  ane;  Vorbild  war  frz.  grandpöre,  -mere 
(tcie  auch  für  nl.  grootvader,  -moeder  und  engl,  grand- 
father,  -mother);  die  neuen  benennungen  dürften  zuerst 
in  der  nördlichen  Rheingegend  aufgekommen  sein,  aber 
schwerlich  schon  im  12.  jh..  wie  Kluge  etym.  ''183''  will; 
zu  belegen  erst  aus  dem  späten  14.  jh. :  avus  grosz  vatter, 
grosz  müter  Jag.  Twingers  gloss.  v.  1399  bei  Mone  anz. 
z.  künde  d.  dtsch.  vorz.  6,  337.  den  obd.  u.  hess.  maa.  noch 
heute  grösztentheils  nicht  geläufig,  in  den  meisten  nd.  und 
md.  maa.  dagegen  das  reguläre  dialektwort,  vgl.  Kluge 
a.  a.  0.,  wo  auch  über  die  Synonymik  gehandelt  wird; 
indessen  läszt  auch  in  manchen  nd.  m,aa.  die  form  das 
wort  als  jüngeren  eindringling  erkennen:  grösmoter 
Bauer-Gollitz  41'*;  grossmauder  Mi  29.  der  adjecti- 
vische  Charakter  der  composition  bleibt  im  nd.  lange 
lebendig:  grote  moder  ava  Diefenbach  59*;  eyn  drit 
grote  müder  tritava  598'^;  grote(n)  moder  moder  attava 
58'';  auch  heute  noch  stellenweise:  dem  dfivel  sin  grdte- 
möer  Woeste  86*  (sonst  gewöhnlich  bestemöer);  vor 
allem  herrscht  im  thür,  aächs.,  tco  früher  das  nd,  weiter 


nach  Süden  griff,  bis  heute  die  e-form:  vor  der  grosse- 
mutter  Augusta  Barth  weibersp.  o  3*;  meine  liebe  grosse- 
mutter  Chr.  Weise  d.  grün,  jugend  überfi.  ged.  182  ndr.; 
die  frommen  grosse-mütter  Henrici  ernst-,  scherzh.  u. 
sat.  ged.  2,  77;  grosze  mutter  mit  ton  auf  der  ersten 
silbe  RtJDiGER  Zuwachs  2,  80;  vgl.  Jeght  Mansfeld.  44''; 
Möller-Fraureuth  445''. 

1)  avia,    mamma,    magna    m,ater    anfraw,    altmutter, 
eltermutter,    groszmutter  Alberus  bb  l*;   als   die   ob 
genanten  .  .  kinde  .  .  ein   groszmüter  hettent,   genant 
Agnes  zs.  f.  d.  gesch.  d.   Oberrh.  12,  160  (quelle  v.  1474) 
sein  groszmutter  Helena  Seb.  Frangk  chron.  Germ.  40* 
in  mancherlei  stehenden  Wendungen  und  redensarten:  die 
Sitten   gehn  von   der   groszmutter  nebst  dem  hauszge 
räthe  unverändert  herunter  br.  d.  neueste  litt.  betr.  14 
233;  mobilien,  .  .  .  die  von  groszmutter  auf  mutter  .  . 
vererbt   wurden   Hippel   kreuz-    u.   querzüge   l,  19;   so 
würden  sie  eben  so  plump  als  unsre  groszmutter  seyn 
n.  samml.  v.  schatisp.  (1764^.)  2,  Cronegk  50;  alte  dinge 
.  .  .,    die   zu  der  groszvater  und  groszmutter  zeiten  im 
schwänge  gingen  Sghleiermagher  I  5,  573; 

was  für  diener  und  vieh  gehört, 
ihr  grossmutter  hat  sie  gelert 

Rollenhagen  froschm.  o  2^; 

(lieder)  die  dich  deine  groszmutter  noch  gelehrt  maler 
Müller  l,  231;  auch  sprichwörtlich:  des  hat  mi  scho 
mei  grossmotter  gelehrt,  wenn  jemand  über  eine  bekannte 
Sache  belehren  will  Rugkert  65;  vgl.  schon:  sol  ich  das 
gewisse  lassen  und  auf  das  ungewisse  gaffen,  das  hat 
mich  meine  groszmutter  nicht  gelehret  Herberger  herz- 
post.  (1612)  2,  91; 

du  lieber  köpf,  bist  du  nicht  rund 
wie  meiner  grossemutter  hund 
Chr.  Weise  d.  grün,  jugend  überfi.  ged.  120  ndr. ; 

von  schön  dank  starb  groszmutters  katze  Düringsfeld 
sprichw.  1,  148'';  weiteres  bei  Wander  2,  151. 

2)  im  höflichkeitsstil  des  17.  und  18.  jhs.  ist  recht  ver- 
breitet eine  erweiterung.  die  den  ehemals  unfesten  Cha- 
rakter der  composition  eriveist:  sein  herr  vatter  solte 
sich  selber  informiren,  ob  er  mitt  seiner  grosz  fraw 
mutter  lebt,  wie  er  solle  Elis.  Charl.  v.  Orleans  br. 
2,  448  lit.  ver.;  sogar:  dasz  churprintz  undt  churprintzes 
ma  tante,  ihre  fraw  grosz  fraw  mutter,  aufwarten  3,  172 ; 
Lepida,  der  Octavien  grossfraumutter  A.  U.  v.  Braun- 
sghweig  Oct.  2,  87;  der  groszfraumutter  lieb  Stoppe 
Parn.  390;  klagen  .  .  .,  die  eine  grosz-fraw-mutter  führt 
(über  den  tod  des  enkels)  Sghmolcke  trost-  u.  geistr. 
sehr.  1,  718;  das  heutige  frau  groszmutter  scheint  dem- 
gegenüber in  älterer  spräche  selten:  welches  mir  meine 
fr.  grosz-mutter  .  .  .  mitgebracht  hatte  Chr.  Reuter 
Schelm.  10  ndr.;  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  859  und  zs.f. 
d.  w.  10,  204/.;  s.  auch  groszherrvater  unter  groszvater  2. 

3)  einen  besonderen  platz  beansprucht  des  teuf  eis  grosz- 
mutter (vgl.  3.  Grimm  myth.  *2,  841  Jf.);  ältester  beleg: 
Lillis,  des  teufeis  grosmutter,  springet  auch  an  den 
reyen  Schernberg  sp.  von  Fr.  Jutten  6  Sehr.;  doch 
ist  die  Vorstellung  icesentlich  älter,  vgl.  die  special- 
untersuchung  von  Götze  zs.  f.  d.  w.  7,  28^.,  deren  er- 
gebnisse  dahin  zu  ergänzen  sind,  dasz  auch  vom  16.  bis 
ins  ältere  18.  jh.  neben  des  teufeis  mutter  die  grosz- 
mutter sich  durchaus  behauptet  hat: 

des  teufeis  sein  groszmutter  alt 
sampt  ihren  töchtern  ungestalt 

Fischärt  1,  252  Hauffen; 

lauft  nicht  zum  teufel  und  seiner  groszmutter  wie  Aha- 
sia  und  Saul  Herberger  herzpost.  (1613)  2,  499;  der 
teufel  werde  solche  rabulas,  die  in  seiner  groszmutter 
werckstatt  arbeiten  und  sich  von  anderer  leute  zanck 
ernehren,  .  .  Schupp  sehr.  305;  alle  dinge,  .  .  die  sich 
vom  teufel  und  seiner  groszmutter  herschreiben  J.  G. 
Schmidt  rockenphil.  2,  84;  namentlich  aber  seit  dem 
späteren  18.  jh.  in  buntestem  gebrauch;  bald  verbunden 
mit  dem  teufel:  professors,  die  sich  dem  teufel  und 
seiner  groszmutter  ergeben  über  ein  wort  mit  oder  ohne  h 
WiNCKELMANN  10,  401;  es  ist  rein  unmöglich,  dasz  man 


573 


GROSZMUTTER 


GROSZMÜTTERLICH  -  GROSZONKEL    574 


auf  305  Seiten  .  .  .  den  gott  und  die  revolutionen  und 
den  teufel  und  seine  groszmutter  in  der  geschichte  ab- 
handeln kann  Immermann  l,  46;  der  general,  nach 
welchem  ich  den  teufel  und  seine  groszmutter  frage 
Jean  Paul  31,  48,  und  ähnlich,  als  ausruf,  schon  bei 
Chr.  Fel.  Weisze,  s.  teufel  II  3,  th.  il,  267;  bald  für 
sich:  ich  mögte  glauben,  die  lüge  sey  die  groszmutter 
des  teufeis  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Deutschen 

2,  161;  jener  ewig  verrutschenden  erfindung  von  des 
teufeis  groszmutter  H.  Seidel  Leber.  Hühnchen  118; 
aventuriers  .  .,  die  für  zehntausend  thaler  des  teufeis 
groszmutter  heurathen  würden  A.  v.  D roste  br.  an  L. 
Schücking  164;  dasz  er  lieber  dem  teufel  seine  grosz- 
mutter entführen  {wolle)  als  noch  einmal  .  .  .  Raabe 
hungerp.  2,  240;  eine  häszliche  zänkische  alte  wird  .  . 
teufeis  groszmutter  gescholten  J.  Grimm  myth.  *l,  20l; 
dem  deibel  sei  groszmudda  is  dei  fraache  Niebergall 
dram.  w.  158;  vielfältig  auch  im,  Sprichwort,  s.  Götze 
a.  a.  0.;  variiert:  Georg  schwur  darauf  dess  henckers 
grossmutter  ein  bein  ab,  dasz  er  .  .  Grimmelshausen 

3,  865  Keller;  gelegentlich  anspielungen  auf  die  geläufige 
formel:  die  alte  wettermecherynn  fraw  Vernunft,  dei 
alleosis  grosmutter  Luther  26,  321  W.  u.  anm.;  {fromme) 
die  dem  papst  und  seiner  groszmutter  glauben  wollen 
A.  Rüge  briefio.  u.  tageb.  2,  323. 

4)  ein  freierer,  beim  masc.  {s.  groszvater  3)  stärker  ent- 
wickelter gebrauch  beruht  auf  der  bedeutung  'ahnherrin': 
Evam,  unser  aller  grossmutter  theatr.  diab.  (1569)  3*; 
vgl.  {er  liesz  sich  bereden)  dasz  er,  schertzweis  zu  reden, 
das  masz  seiner  länge  in  dem  schos  seiner  grosmutter 
nähme  d.  h.  er  streckte  sich  ins  gras  v.  Birken  forts. 
d.  Pegnitzschäf.  6;  auch  uneigentlich  'Ursprung,  quell': 
dasz  der  buchstab  . .  aller  secten  groszmutter  seie  Opel- 
CoHN  dreiszigjähr.  krieg  395; 

die  gross-mutter  vieler  nöhten 
ist  melancholey  genannt 

Harsdörfer  frauenz.  gesprächnp.  2,  206; 

die  groszmutter  aller  künste  {der  hunger)  Treuer  dtsch. 
Dädalus  1,  877;  die  knechtschaft  ist  .  .  die  groszmutter 
aller  lüge  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Beutsehen 
1,  356;  'urbild,  ausbund':  sie  war  ein  groszmutter  aller 
böser  weiber  gewesen  ältere  quelle  bei  Fischer  schtcäb. 
3,  859;  auch  unpersönlich:  aller  practick  groszmutter  von 
Fisghart;  was  in  aller  edelgestein  groszmuter  gemma 
gemmarum  stehet  geschichtklitt.  57  ndr. ;  Italien  ist  die 
rechte  groszmutter  der  Simulation  Er.  Frangisci 
lust.  schaub.  (1698)  2,  520;  üblicher  ist  in  diesem,  sinne 
seit  alters  mutter,  *.  d.  10,  th.  6,  2809/. 

5)  'alte  frau'  {vgl.  groszvater  4):  ich  sähe  .  .  einer 
veralten  grossmutter  zu  Grimmelshausen  3,  347  Keller; 
du  hast  dich  trefflich  gehalten,  alte  groszmutter!  Chph. 
V.  Schmid  1,  27;  und  so  weithin  in  heutiger  Umgangs- 
sprache und  w.o.,  s.  z.  b.  Frisghbier  l,  256*;  de  öle 
gr.  em  himmel  schöddert  er  bedd  op  {wenn  es  schneit) 
ib.;  auch  bildlich:  Deutsche  .  .  die  .  .  sich  durch  die 
alte  groszmutter  in  Augsburg  {die  Allgem.  Zeitung)  .  .  . 
ihre  politische  speise  vorkäuen  lassen  Hebbel  I  lo,  3i; 
vgl.  die  groszmutter  regel  geht  ihm  {dem  franz.  volke) 
immer  zur  seite  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Deut- 
schen 2,  353;  atis  dieser  bedeutung  ßieszt  die  specielle 
'hebamme':  so  im  ihür.  ohersächs.  MüllerFraureuth 
1,  445'',  im  preusz.  Frisghbier  a.  a.  o.,  im  schles.  und 
wohl  auch  sonst  noch:  die  alte  Thiemschke  .  .,  so  vor 
eine  groszmutter  im  kapsei  wäre  und  auch  mein  töch- 
terlein  gegriffen  hat  Meinhold  bernsteinhexe  82;  im 
thür.  obersächs.  ist  groszemutter  die  sehvnegermutter 
gegenüber  der  kleemutter,  der  Schwiegertochter  Müller- 
Fraureuth a.  a.  0. 

6)  aufs  obersächs.  beschränkt  scheint  eine  eigenthümliche 
anwendung  im  sinne  einer  mengenbezeiehnung :  in  der 
küche  standen  deppchen  und  deppchens  grossemutter 
umher  d.  h.  topfe  über  topfe  Albrecht  Leipz.  126'',  der 
aw/  franz.  tout  le  monde  et  son  pöre  verweist;  nicht 
genug,  dasz  er  triller  und  trillerehens  groszmutter  an- 
brachte, wo  es  nur  irgend  anging  Agnese  Scherest 
a.  d.  leben  208.  —  diminuierung  ist  erst  in  jüngerer  zeit 


häufiger:  groszmütterlein  Spangenberg-Fröreisen  gr. 
dr.  2,  139  lit.  ver.;  groszmütterchen  Hippel  lebensläufe 
2,  249.  —  groszmütterlich,  adj.:  er  verachtet  aber 
die  groszmüterlichen  wort  H.  Boner  Herodian  (1532)  47''; 
alles  dasjenige  was  sie  grosvetterlichs  und  grosmütter- 
lichs  angefeiles  .  .  in  ewern  vetterlichen  gütern  .  .  ge- 
habt Chr.  Zobel  sächs.  weiehbild  u.  lehenr.  (1537)  120*; 
in  welchem  grade  .  .  .  fürst  A.  von  groszmütterlicher 
seite  mit  dem  regierenden  hause  verwandt  sei  Auer- 
bach 3,  141;  ob  sie  andern  alten  trauen  in  ihren  an- 
sprüchen  auf  die  groszmütterlichen  würden  und  freuden 
nachstünde  Hebbel  I  8,  153;  anders  'altfrauenhaft'  {vgl. 
groszmutter  5) :  sie  redete  viel  zu  groszmütterlich  für 
ein  solches  wesen  eitat  bei  Campe;  mit  anderem  suffix: 
dein  klappermaul  .  .  .  würstu  mit  dem  nicht  waschen 
mögen,  deine  groszmüterische  mittler  .  .  .  seien  nicht 
deine  götter,  sondern  nur  mittler  S.  Huber  vnder  O. 
Seherers  .  .  .  bettlermantel  (1592)  77.  —  groszmütter- 
lichkeit,  /.:  dasz  sie,  nicht  zufrieden  mit  ihrer  .  .  . 
frühzeitigen  mütterlichkeit  sich  bereits  mit  ihrer  künf- 
tigen groszmütterlichkeit  zu  thun  machte  J.  v.  Dö- 
ringsfeld aus  Dulmatien  1,  136;  anders:  eine  Sara- 
bande voll  anstand  und  groszmütterlichkeit  {füll  of 
State  and  ancientry)  Voss  Shak.  i,  379.  —  groszmutter- 
moral,  /.;  da  thut  die  schlichte  groszmuttersmoral 
bessere  dienste  als  alle  redekunst  schöngeistiger  Philo- 
sophen Rosegger  II  8,  390;  aber  auch  mit  dem  sinne  des 
engherzigen:  entschlüsse  zu  fassen,  braucht  es  heute  nicht 
solcher  groszmuttermoral  H.  v.  Stein  helden  u.  weit  81. 

GROSZNASE,  /.,  eine  grosze  nase:  appellant  etiam 
gurkennase  Stieler  1333;  häufiger  für  den  träger  einer 
solchen:  nasutus  Frisius  857*;  naso  JuNius  (1567)  473''; 
man  .  .  .  sagt  saubernäszlin ,  grosznäszlin,  grosznasz 
Fischart  groszm.  (i607)  c  8'' ;  mein  herr  grosznase  hatte 
mir  nur  vier  pillen  .  .  .  mitgegeben  Tieck  sehr.  3,  430. 
—  grosznäsig,  adj.,  nasosus  Diefenbagh  375";  na- 
sutus Stieler  1333;  hett  sie  das  angesicht  .  .  mit  einem 
grosznäsigfen  schembart  verdeckt  Kirchhof  wendunm. 
1,  149  lit.  ver.;  einem  .  .  grosznasichten  Galiläer  Wie- 
land Lucian  6,  398:  auch  im,  sinne  von  hochnäsig:  er 
empfing  uns  mit  einer  gar  grosznäsigten  miene,  als 
wenn  er  gar  eine  hohe  Standesperson  wäre  J.  Riemer 
maidaffe  286.  —  groszneffe,  m.,  söhn  des  neffen  oder 
der  nichte,  in  beziehung  auf  groszoheim  oder  grosztante 
Campe;  {der  student)  war  ein  groszneffe  der  Lotte  Wer- 
thers Schopenhauer  br.  190  Gris.  —  groszneujahr, 
n.,  das  fest  der  hl.  drei  könige  Rüdiger  zuwuchs  2,  80; 
die  zeit  zwischen  Weihnachten  und  groszneujahr  0. 
Schade  im  weim.  jahrb.  2,  123.  —  grosznichte,  /., 
tochter  des  neffen  oder  der  nichte,  in  beziehung  auf  grosz- 
oheim oder  grosztante  Campe;  die  bildhauerin  Elisabeth 
Ney,  grosznichte  des  marschalls  Schopenhauer  br. 
384  Gris.;  —  groszoheim,  m.,  avuneulus  magnus, 
aviae  frater  Schottel  haubtspr.  259;  nach  dem  urtheile 
meines  groszoheims  J.  A.  Cramer  nord.  aufs.  2,  325; 
Octavius,  welchen  Cäsar,  sein  groszoheim,  zum  erben 
eingesetzt  hatte  J.  v.  Müller  l,  320;  verkürzt:  grosz- 
ohm  Kramer  teutschital.  2,  163'';  Heinrichs  des  achten, 
meines  groszohms  Schiller  12,432  G.  —  groszohr, 
n.,  ein  groszes  ohr:  wenn  wir  ...  sie  {die  menschliche 
gestalt)  mit  hörnchen  und  groszohren  begaben  Göthe 
49,  1,  818  W.:  häufiger:  der  grosse  obren  hat  oder  ein  gut 
gehör,  auritus  Maaler  193";  appellativ:  eine  art  fieder- 
mause,  vespertilio  auritus  Campe;  vgl.  Brehm  thierl.  l, 
352  P.-L.;  eine  fuchsart,  megalotis  Oken  7,  1543;  eine  art 
wilder  katzen,  viverra  aurita  Nemnigh  wb.  d.  naturgesch. 
211.  —  groszohrig,  adj.,  auritus  Dasypodius  (i537) 
Aaa3*;  das  groszohrige  indische  .  .  schwein  Sghwerz 
prakt.  aekerb.  715;  der  groszohrige  fuchs  Oken  7,  1542; 
vgl.  oben  groszohr;  groszohrige  iaxichQni&  podiceps  auri- 
tus Behlen  3,  506;  in  seinen  bequemen,  groszohrigen 
rollsessel  Stifter  4,  l,  43  Sauer;  auch  uneigentlieh :  grot- 
orig  dickthuerisch  Schumann  Lübeck  84.  —  grosz- 
onkel,  m.,  was  groszoheim:  ein  kleines  sechsjähriges 
mädchen,  von  welchem  ich  groszonkel  bin  Gleih 
briefw.  l,  307. 


575    GROSZPAPA  —  GROSZPRAHLIG 

GROSZPAPA,  m.,   seit  dem  is.jh.,  gern  in  scherzen- 
dem ton: 

dasz  man  der  stimme  macht  in  logen ,  bänck-  und  chören 
mög  als  des  grosz-papa  und  als  des  vetters  hören 

Günther  ged.  406 ; 

da  sie  schon  von  einem  halben  grospapa  für  sich  im 
leibe  des  jungen  weibchens  reden  Heinse  10,266  Schüdd.; 
sonst  sieht  er  (der  doge)  eben  aus  wie  der  groszpapa 
vom  ganzen  geschlechte  Göthe  III  l,  277  W.;  wie  grosz- 
vater  3:  der  ehrgeiz,  dein  {des  todes)  groszpapa  Schil- 
ler I,  201  O.; 

der  teufel,  groszpapa  der  lügen 

E.  M.  Arndt  w.  5,319; 

im  Westen  auch  mundartlich:  groszpapp  lux.  ma.  156.  — 
groszperückig,  adj. ,  im  18.  jh.  öfter  in  einem  speci- 
fisehen  gebrauch:  ein  groszperuckigter,  durch  referiren 
reich  gewordener  . .  referent  Friedr.  v.  d.  Trenck  lebens- 
geseh.  I,  254; 

viel  groszperuckigte  sind  mir  allhier  bekannt; 
sie  haben  viel  im  maul,  doch  wenig  in  der  band 

Gottsched  dtsche  schaub.  6,  420, 

also  ähnlich  wie  groszköpfig  2  schlusz.  —  groszpräch- 
tig,  adj.,  gesteigertes  prächtig  (vgl.  grosz  III  1  c);  im 
älteren  nhd.  häufig;  entweder  wie  prächtig  1,  superbus. 
fastosus,  in  abschätzigem  sinn:  wider  die  grosprechtige 
rhümer  des  evangelions  G.  Wicel  von  der  christl.  kirche 
(1534)  3  3*;  aynen  rümgeyttigen,  groszprächtigen  krigs- 
man  Schwarzenberg  Cicero  782»;  dje  groszprechtig  ty- 
rannisch herrn  Eyering  proverb.  l,  859;  groszprächtige 
tittel  thünd  nichts  zö  der  sachen  G.  Mayr  sprichw. 
A  7";  oder  ivie  prächtig  2,  magnifi^us,  ohne  tadel: 

weyl  er  ist  so  achtbar  und  herrlich, 
fürnem,  grossbrechtig  unde  ehrlich 

\l.  Sachs  14, 163  K.-G.; 

eyne  stymme,  die  zu  yhm  geschach  von  der  grosprech- 
tigen  herligkeyt  Luther  I4,  26  T^.;  von  der  groszpräch- 
tigen hochzeit  Sghweinichen  denJcw.  405  Ö.;  vereinzelt 
mit  anderem  suffix:  sovil  und  so  groszprechthche  gaben 
Erasmus  Sileni  Alcibiadis  (1525)  e2^  —  groszprah- 
lend,  pari,  adj.,  seit  dem  ii.jh.  nicht  selten,  während 
rein  verbales  grosz  prahlen  nur  gelegentlich  auftritt  {s. 
grosz  I  G  3) :  wolte  gott,  es  nehmen  solches  zu  hertzen 
die  grössprahlenden  und  stoltzen  in  ihren  palatiis  Dann- 
hauer catech.  milch  6,674:;  unsere  'alte  heldensprache', 
wie  die  ehrlichen  pedanten  des  17.  jahrhs.  sie  grosz- 
prahlend  nennen  Gervinüs  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  3,  196; 
auch  mit  unpersönl.  regens:  die  hoch-  und  groszpralende 
päppeln  Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  207;  setzen  ihre  Zu- 
versicht auf  groszprahlende  arcana  und  panacäen  allg. 
haushält,  lex.  2,  126*;  aus  dieser  seiner  beiszigten  und 
groszpralenden  Schreibart,  Avoniit  er  andre  .  .  leute  an- 
greift Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  6,  522.  — 
groszprahler,  m.:  homo  gloriosus,  ventosissimus  Api- 
Nus  gloss.  nov.  257;  Schottel  haubtspr.  466;  dasz  Ful- 
vius  ein  groszpraler  gewesen  Bucholtz  Herkules  und 
Valiska  (i676)  1,  89;  sie  handhaben  mit  ihren  späszen, 
wie  groszprahler  mit  ihren  degenklingen  Eschenburg 
Shak.  5,  120;  ihr  groszprahler  der  philosophie  B.  v.  Ar- 
nim d.  buch  gehört  d.  könig  1,  63.  —  groszprahlerei, 
/.;  welche  .  .  ihn  der  völlerey,  säuischheit  .  .  und  grosz- 
pralerey  beschuldiget  betten  Bucholtz  Herkuliskus  87; 
Haidvogel  ist  kein  lump  aus  liederlichkeit,  sondern  aus 
groszpralerei  Hebbel  I  il,  897;  wie  kann  er  .  .  aus  den 
groszprahlereyen  eines  einzelnen  Windbeutels  einen  gül- 
tigen beweis  .  .  herleiten?  allg.  dtsche  bibl.  107,  258.  — 
groszprahlerisch,  adj.:  den  groszprahlerischen  Ver- 
leumder meiner  ehre  Zschokke  26,  232;  man  erschöpfte 
sich  in  groszprahlerischen  reden  Bernhardt  gesch.  d. 
waldeigent.  3,  5 ;  diese  vermaledeiten  breiten  schultern, 
diese  lügenhafte  groszpralerische  leibesgestalt  Hebbel 
I  8,  147;  in  der  groszen,  stattlichen  vordiele,  in  der  .  . 
jeder  ton  sich  groszprahlerisch  dehnte  Frenssen  Jörn 
17M  (1902)  321 ;  schon  bei  Adelung,  Campe;  vorbild  war 
groszsprecherisch.  —  groszprahlig,  adj.:  hättet  ihr 
groszprahlichten  flegel  nicht  eurer  kunst  gewisser  sein 


GROSZPRATSCHER  —  GROSZSCHÄTZIG  576 

sollen  Joh.  Rieüer polit.  leiermann  (1683)  34.  —  grosz- 
pratscher,  m,.,  groszfhuer,  pr ahler:  diese  ritter  .  .  . 
die  groszpratscher,  sie  haben  uns  städter  schimpflich 
im  stich  gelassen  Gaudy  3,  120;  jrooszpraatscher  Bren- 
DICKE  ISO*';  auch  in  m,d.  mundarten;  zu  praschen  </t.  7, 
2070.  —  groszpratschig,  adj.:  dieser  groszpratschige 
tütendreher  W.  Alexis  Shak.  u.  s.  freunde  2,  66;  Jäger 
(groszpraschig  hingepflanzt  .  .  .)  G.  Hauptmann  weber 
(1892)  31.  —  groszpriester,  m.,  oberpriester  (vgl.  grosz 
III  4  k);  im  älteren  nhd.  nicht  selten:  Zacharias  der  grosz- 
priester (im  tempel  zu  Jerusalem)  Keisersberg  postill 
(1522)  4,  2»;  sie  verwunderten  sich  .  .  .  ober  des  grosz- 
priesters  frembder  entzückung  Opitz  Barclays  Argenis 
(1631)  2,  259  (an  anderer  stelle  hohepriester  genannt); 
dieser  heidnische  groszpriester  Valvasor  ehre  d.  her- 
zogth.  Crain  2,  380;  der  kutuchtu-lama,  einer  der  grosz- 
priester der  Mongolen  Ritter  erdk.  2,  260;  entsprechend: 
das  groszpriesterthum  von  Tibet  Schelling  II  2, 
568. 

GROSZRATH,  m.,  magnum  consilium:  im  groszrat  des 
kaisers  Alexander  E.  M.  Arndt  w.  l,  183;  häufiger  per- 
sönlich, m,itglied  eines  groszen  rathes:  Versammlung  der 
grosz-rähten  von  Spanien  Kramer  teutsch-ital.  2,  423"; 
(am  fuszgestell  steht)  IIEHSAI,  was  auf  alle  sieben 
groszräthe  zu  beziehen  ist  Welcher  alte  denkm.  5,  351 ; 
in  der  Schweiz  feste  bezeichnung  der  mitglieder  des  gro- 
szen rathes,  der  höchsten  gesetzgebenden  kantonalen  be- 
hörde:  wer  nicht  groszrat  sei  oder  irgend  ein  bein  von 
einem  groszrat  Gotthelf  l,  xiv;  die  eitern  der  jungen 
groszräte  G.  Keller  8,  144;  moviert  gvoszx&ih.in,  fr  au 
eines  groszraths  8,  195.  —  groszräumig,  adj.:  dieser 
groszräumige  palast  C.  Töpfer  ges.  dram.  werke  2,  227; 
junge,  aber  heute  recht  beliebte  bildung,  zumal  in  etwas 
entwickelterer  bedeutung:  so  entwickelte  sich  zunächst 
in  der  baukunst  unter  einflusz  der  antike  ein  gefühl 
für  groszräumige  wie  für  feine  Verhältnisse  Fr.  Boden- 
stedt  erinn.  2,  202;  ihre  (der  renaissance)  einfach  grosz- 
räumige anläge  C.  Neumann  Jak.  Burckhardt  briefw. 
mit  H.  V.  Geymüller  20.  —  groszred(n)erei,  /.;  ob 
von  Klopstock  oder  Bürger  jene  bombastische  grosz- 
rednerei  herrührt,  .  .  jenes  geprahl  von  den  adlerpfaden, 
die  der  dichter  fliegen  will  Gervinüs  gesch.  d.  dtsch. 
dicht.  5,  131;  vgl.  3,  329;  3,  489;  (demokratie  ist  nichts  als) 
krakehlsucht,  .  .  thatenlose  groszrederei  K.  Braun  bil- 
der  2,  374;  vgl.  grosz  reden  unter  grosz  IG  3.  —  grosz- 
red(n)erisch,  adj.:  heroische  klaggedichte  .  .  im  aus- 
druck  groszrednerisch,  wie  alle  keltische  .  .  rede  schon 
den  Römern  erschien  Gervinüs  gesch.  d.  dtsch.  dickt. 
1,  249;  die  reichen,  groszrederischen  bauern  von  der 
Massing  Rosegger  I  3,  324.  —  groszrichter,  m.,  ober- 
richter  (vgl.  grosz  III  4  k) :  der  umstand ,  dasz  wir  zu 
einer  zeit  einen  groszrichter  für  Sicilien  und  einen 
zweiten  für  Apulien  und  Kalabrien  finden  Raumer  ge- 
schichte  d.  Hohenst.  3,  508;  in  diesem  sinne:  Heinrich  von 
Morra,  der  groszrichter  Raupach  dram.  w.  ernster  gat- 
tung  9,  166;  dasz  der  landvogt  kaum  mehr,  als  nur  .  . 
groszrichter  in  kriminal-  und  Zivilsachen  war  Zschokke 
1,  299;  er  habe  .  .  der  gerechte  groszrichter  der  könige 
europäischer  Christenheit  werden  wollen  Immermann 
18,  209;  richter  eines  bestimmten  gerichtes  in  Soest  Krü- 
NiTZ  120,  142.  —  der  groszrollende,  part.  subst.,  eine 
schon  ältere  bezeichnung  einer  bestimmten  melodie  des 
finkenschlages ,  vergl.  Hohberg  georg.  cur.  aucta  369»^; 
Naumann  naturgesch.  d.  vögel  5,  27;  finkenvariazionen, 
wovon  wol  der  ritscher,  der  grosz-,  der  kleinrollende 
.  .  die  beliebtesten  sein  mögen  Jean  Paul  32,  21,  — 
groszrühmerei,  /.;  ehre  nähret  die  hoffart,  die  grosz- 
rühmerei  Er.  Francisci  weh  d.  ewigk.  (1686)  643;  selte- 
nere bildung,  vgl.  grosz  rühmen  unter  grosz  l  G  3. 

GROSZSCHÄTZIG,  adj.,  hochgeschätzt,  werthvoll:  alles 
das  einen  menschen  mag  zeitlich  zieren  .  .  .  und  vor  den 
leuten  .  .  grosschätzig  machen  Luther  i,  699  W.;  der 
vatter  .  .  hat  .  .  alles  was  er  wichtig  und  groszschetzig 
gehabt,  .  .  .  zusamen  gerafft  H.  Müller  türk.  hist. 
(1568)  45*;  für  allen  andern  groszschetzigen  geschencken 
E.  Menius  ehr.  Gar.  (1564)  3,  75»;  ein  stettlin  Marnak  ge- 


577    GROSZSCHÄTZUNG  —  GROSZSINNIG 


GROSZSINNIGKEIT  -  -SPRECHENHEIT  578 


nannt,  nit  sehr  groszschetzig,  doch  hats  ein  vest  schlosz 
Jean  de  Serres  französische  historien  (1574)  104*;  dann 
auch:  dergleichen  ding  von  groszschätzigem  werth  H. 
Müller  türkische  hist.  4";  mit  eigenartiger  comparie- 
rung:  {die  perle  des  lichtes  goites)  ist  schöner  als  der 
sonnenglantz  und  grösserschätzig  als  die  gantze  weit 
Jag.  Böhme  3,  377.  —  groszschätzung,  /.;  die  hoö- 
nung  in  sich  begreift  .  .  groszschätzung  der  himmlischen 
Spee  güld.  tugendb.  '■i.%1 ;  aus  einer  unvernünftigen  grosz- 
schätzung seiner  selbst  Lindenborn  Diogenes  l,  192; 
unsre  herzogin  mutter  ...  ist  also  auch  dem  hm.  bru- 
der  .  .  mit  aller  huld  und  groszschätzung  wohl  beige- 
than  Wieland  br.  a.  u.  v.  Merck  2, 231,  vgl.  grosz  schätzen 
unter  grosz  I  G  4.  —  groszschnauzig,  adj.,  eigent- 
lich chilo.  bucco,  bucculentus  Stieler  1907;  gewöhnlich 
in  dem  übertragenen  sinne  von  groszmäulig:  dasz  der 
groszschnauzige  landrichter  eins  aufs  maul  kriegt  Auer- 
B.\CH  1,  119;  nachher  kommen  die  groszschnauzigen 
Preuszen  und  reden  hinterm  bierglas  von  ihren  helden- 
thaten  Frenssen  Jöi-n  Uhl  (1902)  256;  mundartlich  weit 
verbreitet,  s.  z.b.  MüllerFraureutii  1,445''.  —  grosz- 
schreier,m. :  Ver  groszsehreier/ür  schreier  oder  lauter 
schreier  ist  sonst  nicht  gebräuchlich,  es  soll  etivas  feiner 
sein  als  groszmaul'  Heynatz  antibarb.  2,  78  mi<  citat; 
aber  nicht  gar  selten:  ich  rede  von  den  groszschreiern, 
die  sich  als  allein  weise  und  denker  ankündigen  beitr. 
...  zu  Bahrdts  lebensheschreib.  (l79l)  78.  —  grosz- 
schwager,  m.,  =  groszschwäher  {s.  d.):  2Jrosocer  grosz- 
schwager  nomencl.  lat.  germ.  (lC34)  466;  groszschwäger 
AhER  dict.  1,  9S6^;  moviert:  groszsch  wägerinn  pro«o- 
crus  ib.  —  groszschwäher,  m.:  meiner  frawen  grosz- 
vatter,  groszschwäher  maior  socer  Frisius  794»;  pro- 
socer  Zehner  nomencl.  2d7;  Dentzler  2,  141»;  so  denn 
auch  ewer  grosschweer,  wie  ir  ine  nennet,  ewers  weibs 
grosvater  von  der  mutter  seliger  todeshalben  abgangen 
Chr.  Zobel  sächs.  iceichbild  u.  lehenr.  (1537)  121'';  in 
jüngerer  spräche  dafür  groszschwiegervater  pro- 
socer  Steinbach  2,  885;  Chr.  Garve  an  Chr.  F.  Weisze 
br.  (1802)1,286.  —  groszsch wieger, /.:  magnam  so- 
crum  vir  uxoris  suae  aviam  appellat,  seines  weybs 
groszmüter,  groszschwiger  Frisius  794";  prosocrus  no- 
mencl. lat.  germ.  (i634)  466;  Dentzler  2,  141«^;  (es  ist 
verboten,  zu  heirathen)  sonsfrawen  .  .  grosschwieger  E. 
Sarcerius  buch  V.  heil,  ehestande  (1553)  88'';  iii  jünge- 
rer spräche  dafür  groszschwiegermutter  prosocrus 
Steinbach  2,  94.  —  groszselig,  adj.:  das  groszsee- 
lichte  wesen,  (.leyaloiliv/ici,  ist  .  .  .  ein  schmuck  der 
tugenden  Heinse  bei  Brecht  Heinse  u.  d.  aesth.  immor. 
142;  seltene  bildung;  doch  vgl.  schon:  grosselig  ampliter, 
ample,  magnifice.  elate,  splendide  Henisgh  1754. 

GROSZSINN,  m.,  erheblich  seltener  als  das  zugehörige 
adj.,  aber  mit  ähnlichen  Schwankungen  des  sinnes:  hohe, 
erhabene  denkungsart:  zum  ausdruck  des  kirchenstyls 
gehört  wärme  für  die  religion,  groszsinn  und  das  zar- 
teste herzgefühl  Schubart  ästhet.  d.  tonk.  375;  das  genie 
mit  groszsinn  sucht  seinem  Jahrhundert  vorzueilen 
GöTHE  42,  2,  243  W.;  eine  ganze  nation  einem  Beethoven 
gegenüber,  der  ihr  groszsinn  .  .  lehrt  R.  Schumann  1, 
221;  etwas  anders,  an  grosz-,  hochherzigkeit  streifend: 
geben  sie  das  beispiel  eines  fürstlichen  groszsinns  Jean 
Paul  33,  I8;  (in  Norddeutschland)  fand  sich  lange  kein 
.  .  .  fürst,  der  Josephs  beispiel  (in  der  frage  der  jtiden- 
emancipation)    nachzuahmen    groszsinn    genug    gehabt 

hätte   ZSCHOKKE   4,  88. 

GROSZSINNIG,  adj.,  im  17.  jh.  noch  vereinzelt  und  in 
anderer  bedeutung  als  heute:  liess  Lacifer  fordern  .  .  . 
den  groszsinnigen  und  kühnen  Ipos  .  .  .,  den  schröck- 
lichen  löwenköpfichten  engel  Ayrer  histor.  proc.  iur. 
(I6OO)  768,  offenbar  'muthig',  vne  groszmüthig  1 ;  unklar 
ist  die  bedeutung  bei  Sghottel:  groszsinnig  ist  der 
dunkler  ethica  (1669)  451 ;  atich  haubtspr.  466  notiert;  nicht 
mit  unrecht  bezeichnet  Campe  das  wort,  das  bei  Ade- 
lung fehlt,  als  neu;  denn  es  zeigt  sich  erst  im  19.  jh. 
in  breiterer  entfaliung;  die  bedeutung  zeigt  mancherlei 
feinere  abschattungen;  zunächst  mehr  'von  edler,  erhabe- 
ner', später  mehr  'von  grosz-freier,  iveitherziger.  hochher- 
IV.  1.  6. 


ziger  denkungsart':  die  rede,  welche  der  könig  an  den 
reichstag  hielt,  ist  stark,  groszsinnig  Sghubart  vater- 
landschron.  (i789)  132;  der  groszsinnige  Winckelmann 
Jean  Paul  49/51,  3C5;  die  stille  harmonie  der  alten 
groszsinnigen  gemälde  Tieck  sehr.  4,  109;  ein  groszsin- 
niges  streben  bemächtigt  sich  immer  mehr  der  Ratio- 
nen ZscHOKKE  4,  135;  wie  schade  .  .,  dasz  dieser  grosz- 
sinnige fürst  (Karl  August)  auf  der  stufe  französischer 
.  .  bildung  .  .  stehen  geblieben  ist  Götiie  gespr.  6,  194; 
schade,  dasz  es  hier  an  einer  groszsinnigen  politik  ge- 
brach Olsner  pol.  denkw.  93;  die  wenigen  züge  von 
groszsinniger  Selbstverleugnung  F.  Lewald  gefühltes  u. 
gedachtes  SOi;  vgl.  groszgesinnt.  —  groszsinnigkeit, 
/. :  genie,  laune,  groszsinnigkeit,  uralte  deutsche  herz- 
lichkeit  . .  heben  disz  büchlein  so  hoch  Schubart  br.  2, 
290  Str. ;  alle  eidgenossen  ehrten  dieselbe  (regierung)  ihrer 
groszsinnigkeit  .  .  .  willen  Zschokke  9,  42;  genie  und 
blödsinn,  .  .  .  groszsinnigkeit  und  erbärmlichkeit  seien 
.  .  fest  an  irgend  eine  irdische  form  geknüpft  Görres 
2,  161.  —  groszsohn,  m.,  enkel:  hier  ist  mein  kind, 
mein  groszsohn  Lenz  1,81  Tieck;  ein  groszsohn  ihrer 
Schwester  Pfeffel  poet.  vers.  5,  154;  Hippel  lebensl.  2, 
245;  Iffland  theatr.  w.  9,  79;  anscheinend  mehr  nord- 
deutsch; vgl.  grosztochter. 

GROSZSPRÄCHIG,  adj.,  groszsprecherisch:  übermütig, 
grawsam,    groszsprächig,     hochtrabendt    Ph.   Nicolai 
teutsche  sehr.  (1617)  1,  195*;   grandiloquus  groszsprächig 
thes.  lat.  germ.  (1687)  398;    derselbe    vocal    mag    gemeint 
sein  in  alten  glossierungen:  gros  sprechig  grandiloquus 
Diefenbach   gloss.  268";    groisz    sprechig   magniloquus 
313";  vgl.  WiLMANNS  2,  460;   doch  ist  nach  grosz  III  i  e 
auch   eine   bildung  mit   der   ablautstufe   des  präs.  m,ög- 
lich:  so  solt  iderman  ewern  grossprechigen  rhum  hören 
G.  Wicelius   von  der  christl.  kirchen  (1534)  Q  3'';    dasz 
dieser   Perdickas  .  .  .  ein   sehr  wehrhafter,   aber   auch 
groszsprechiger   ritter  währe   Bugholtz  Herk.  (1666)  1, 
396;   grossprechig   auch  bei  Henisch  1754  u.  Sghottel 
322;    vereinzelt   mit   anderem  suffix:   groz   sprechlig  ma- 
gniloquus Diefenbach  343";    groszsprächisch  Kramer 
teutschital.  2,  880";    dem   mhd.    gespraeche   entsprechen: 
groszgesprech  Diefenbach  343";   groiszspreche  grandi- 
loquus 26^".  —  groszsp rechen,  n.,  subst.  inf.  zu  der 
bei  rein  verbalem  gebrauch  zunächst  uncomponierten  for- 
met grosz  sprechen  (vgl.  grosz  I  G  3):  groszsprechen  ist 
kein   kunst   Petri  der  Teutschen  weish.  2,  GgS'';    aber 
gerade  im  älteren  nhd.  auch  gern  in  einer  ausgesproche 
ner  substantivischen  Verwendung :  dasz  die  Böhmen  der 
Wahlen  groszsprächen  und  gleisznerei  nicht  scheweten 
Schickfus  schles.  chron.  1, 113;  wolt  ihr  dan  der  Griechen 
und  Römer  mährlein  und  groszsprechen  mehr  glauben 
als   der  Teutschen  warheit  Moscherosch  ges.  2,  128; 
das  gezüchtete  groszsprechen   als  Überschrift  E.  Fran- 
cisci  höll.  Proteus  (1693)  479;    er  liesz  wohl  das  grosz- 
sprechen sein,  aber  seine  arbeiten  wurden  nicht  besser 
Rosegger  I  5,  106.  —  groszsprechend,  ^arf.,  bis  ins 
19.  jh.   häufig    in    rein    adjectivischem   gebrauch:    grosz 
sprechende  magniloquus  Diefenbach  343";    er  ist  ein 
geitziger  fürst  gewesen,  .  .  ehrgeitzig,  rhumrhettig,  gros- 
sprechend  E.  Menius  chron.  Carionis  (1564)  3,  89»;  viel 
ehrsüchtige,  groszsprechende,  hochtrabende  .  .  sennores 
Moscherosch  ges.  1,43;  ein  groszsprechender  Franzos 
rühmte  sich  einst  .  .  seiner  heldenthaten  v.  Loen  1,  59 ; 
ein  gemeiner   groszsprechender  mensch   Brentano  7, 
465;  fühlbarer  ivird  in  der  ganz  gewöhnliclien  vericendung 
neben  unpersönlichen  Substantiven,   dasz  das  part.  nicht 
mehr  im  eigentlichen  ivortsinne,  sondern  freier  als  'prah- 
lerisch,  hochtrabend'    verstanden   icird:    liesze    Chaumi- 
grem  seiner  groszsprechenden  hochmuth  den  zügel  völlig 
schiessen  Ziegler  asiat.  Banisem;    der  breitliche  .  . 
rücken  der  sonst  nichts  weniger  als  groszsprechenden, 
unternehmenden  nase  LAVATER^Ä«/sio<7n./»a^m.  i,  230; 
ich  sehe  jetzt  die  fluche  von  tausenden  ...  in  dieser 
groszsprechenden  Verwesung  wimmeln  Schiller  3,  576 
(?.,-  haben  sich  dieser  groszsprechenden,  völlig  hohlen 
ansieht  leicht  enthalten  Savigny  beruf  uns.  zeit  18.  — 
groszsprechenheit,  /..-    dasz   hierinn   kein  fleisch- 

37 


579  GROSZSPRECHER,  GROSZSPREGHEREI 


GROSZSPRECHERISCH  -  GROSZSTAAT  580 


lieber  rühm  noch  groszsprechenheit  statt  findet  ayia- 
baptist.  et  enthusiast.  pantheon  (1702)  5,  198. 

GROSZSPRECHER,  m.,  seit  dem  i5.  jh.  nachzuweisen : 
grandiloquus  Diefenbach  268";  gloriosus  Henisgh  1754; 
vanidicus  Calepin  vii  ling.  (l73l)  2,  501";  auch  nd.: 
grotspreker  magniloquus  Diefenbach  348«;  leug  nur 
weidlich,  gleichwol  nicht  zu  grob,  .  .  .  wird  man  dich 
groszsprecher  und  schreyer  kennen,  ists  ausz  mit  dir 
Kirchhof  wendunm.  2,  166  lit.  ver.;  einen  Thrasonem 
oder  Schnarcher  und  groszsprecher,  der  berümbt  sich 
seines  adels  Äg.  Albertinus  hirnschleifer  496;  wer  ehr- 
lichkeit  und  Verdienste  selbst  von  sich  rühmen  will, 
.  .  für  einen  groszsprecher  wird  man  ihn  halten  Rabe- 
NER  IV.  1,  172;  der  Ostreicher  scheint  im  auslande  leicht 
ein  tölpel,  der  Preusze  ein  groszsprecher  Grillparzer 
20,  30  Sauer;  besonders,  tvenn  es  sich  um  leistungen  han- 
delt, die  erst  noch  vollführt  icerde7i  sollen:  einer  der 
mehr  zusaget,  als  er  thun  kan,  ist  ein  groszsprecher 
BuTSCHKY  Pathmos  877;  da  hatten  alle  groszsprecher 
ihre  courage  daheim  vergessen,  und  muste  .  .  Curtzi- 
pold  sein  schwerd  ergreifen  Chr.  Weise  d.  drei  klüg- 
sten leide  (1675)  41; 

dem  groszsprecher. 
öfters  nahmst  du  das  maul  schon  so  voll  und  konntest 

nicht  wirken 
Schiller  11. 126  ö.  ; 

verschiedentlich  variiert:  wer  grosze  {pathetische,  über- 
treibende) ivorte  macht:  ein  groszsprecher  oder  schalcks- 
narr  lobte  .  .  .  keyser  Sigmunden  uberausz  sehr  und 
schier  zuviel,  under  anderm,  wie  der  keyser  mehr 
einem  gott  denn  einem  menschen  gleichte  Kirchhof 
wendunm.  l,  48  lit.  ver.;  heute  werden  sie  das  hohe 
glück  haben,  mit  der  helleuchtenden  fackel  des  adel- 
Standes,  mit  dem  glanzvollsten  gestirne  Italiens  .  .  zu 
speisen.  Roberto,  (das  ist  doch  der  ewige  groszsprecher!) 
samml.  v.  schausp.  (\76iff.)  7,  d.  verliebte  Zänker  76;  ähn- 
lichen klanges:  complimenteur,  ein  prächtiger  höflicher 
reder,  groszsprecher,  ein  aufschneider  und  lügner  Mo- 
SGHEROSCH  ges.  2,  152;  wer  sich  mit  groszen  ivorten  iii 
den  Vordergrund  drängt:  (jjenius  säculi  ist)  jede  den- 
kungsart,  die  blosz  dem  Zeitalter,  das  ist,  gewissen 
furchtbaren  oder  gefälligen  groszsprechern  und  ton- 
gebern  zu  lieb  .  .  sutenirt  wird  Lavater  ausgexo.  sehr. 
1,  280;  ich  merkte,  dasz  in  einer  deutschen  revolution 
die  rolle  eines  groszsprechers  .  .  nicht  für  mich  paszte 
Heine  7,  81  E.;  schlieszlich  kann  der  begriff  des  Sprechens 
zurücktreten,  so  dasz  sich  die  bedeutung  dem  sinne  'an- 
maszender,  dünkelhafter  meiisch'  nähert;  so  im  18.  jh. 
häufiger  von  kritikern,  gelehrten  u.  s.  w.:  dergleichen 
groszsprecher  glauben,  ich  messe  die  Wissenschaft  nach 
ihren  jähren  Winckelmann  bei  Justi  2,  l,  133;  welches 
ist  die  gattung  .  .  der  dichtung,  .  .  worüber  einer  von 
diesen  groszsprechern  nur  eine  einzige  neue  .  .  .  an- 
merkung  gemacht  hätte  Lessing  lO,  434  M.;  etwas  an- 
ders: dieses  betragen  unterscheidet  den  wahren  weisen 
von  dem  schulgerechten  pedanten  und  dem  philosophi- 
schen  groszsprecher  J.  A.  Fessler  Marc  Aurel  l,  226. 

GROSZSPRECHEREI,  /. ,  seit  dem  17.  jh. .  zufrühest 
bei  Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  3,  )( )(  i*;  'prah- 
lerisches, groszthuerisches,  übertreibendes  reden':  der  arme 
Zöllner  im  tempel  zu  Jerusalem  der  macht  nicht  viel 
groszsprecherey  Schupp  sehr.  890;  die  römische  grosz- 
sprecherey  setzet  nicht  selten  ein  ganzes  volk  für  einen 
theil  Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  6,  787;  hier 
könnte  ich  ohne  groszsprecherei  viel  für  dich  thun 
Hebbel  br.  4,  240;  es  giebt  eine  innere  groszsprecherei, 
die  den  menschen  verhindert,  die  läge,  in  der  er 
sich  befindet,  zu  begreifen  Ranke  *.  werke  4,  265;  co7i- 
creter  vom  inhalt  solcher  rede:  gedächte  ich  ihm  irgend 
mit  ungereimbten  paradoxis  und  groszsprechereien  .  . 
das  maul  zu  machen  Ph.  W.  v.  Hornick  Österreich 
über  alles  (1684)  3;  um  einer  einzigen  wohltönenden 
groszsprecherei  willen  darf  man  des  mannes  ganzes 
treiben  .  .  nicht  verkennen  Dahlmann  gesch.  v.  Däne- 
mark 1,  11;  auch  vom  prahlen  ohne  ivorte:  den  rothen 
mann,   der   aus  einer  spanischen  groszsprecherei  den 


degen  quer  vor  dem  leibe  trug  Göthe  43,  108  W.;  schliesz- 
lich auch,  vom  eigentlichen  toortsinn  sich  mehr  und  mehr 
entfernend,  ganz  abstract  'anmaszung,  überhebung,  dun- 
kel' {vgl.  groszsprecher  schlusz):  die  schöne  kunst  .  ., 
weise  zu  sein  ohne  pomp,  ohne  groszsprecherei,  ohne 
gehässigkeit,  ohne  bitterkeit  J.  A.  Fessler  Marc  Aurel 
1,  226;  du  verachtest  jetzt  die  menschen  mit  einer  ge- 
wissen groszsprecherei,  die  dich  sehr  schlecht  kleidet 
TiECK  sehr.  7,  323;  alle  aufgaben  auflösen  .  .  zu  wollen, 
würde  eine  unverschämte  groszsprecherei  und  ein  so 
ausschweifender  eigendünkel  sein,  dasz  .  .  Kant  3,  330 
ak.  aitsg.;  (du,  materie)  bist  mit  sammt  deiner  grosz- 
sprecherei in  nichts  versunken  Schopenhauer  2,  27 
Oris. 

GROSZSPRECHERISCH,  ad;].,  seit  dem  17.  Jh.;  'prah- 
lerisch, ruhmredig':  bei  vielen  groszsprächerischen  Sol- 
daten Rist  n.  teutscher  Farn.  604;  groszsprecherisch  er- 
zähle ich  dann  mit  den  .  .  übertriebensten  ausdrücken, 
was  ich  alles  genossen  .  .  hätte  Moser  to.  2,  232;  so 
groszsprecherisch  auch  dieses  indianische  mährchen 
klingen  mag  Böttiger  kl.  sehr.  2,  143;  besonders,  tvenn 
es  sich  um  noch  zu  vollbringende  leistungen  handelt:  ob 
auch  wohl  des  .  .  .  baumeisters  Dinostratus  erbieten 
.  .  für  eine  groszsprecherische  Unmöglichkeit  gehalten 
würde  Lohenstein  Armin,  l,  611*^;  von  dort  her  sollte 
der  schafhirte  kommen,  wollte  er  seine  groszspreche- 
rischen  worte  einlösen  H.  v.  Barth  Kalkalpen  539;  vgl. 
in  seinem  gewohnten  groszsprecherischen  tone  verkün- 
dete er  .  . ,  der  grosze  schlag  .  .  sei  genugsam  gesichert 
Treitschke  dtsche  gesch.  im  19.  jh.  3,337;  eticas  anders 
'wichtig  thuend':  {der  pedant)  beschäftigt  sich  mit  .  .  . 
nichtswürdigen  dingen;  doch  wenn  er  davon  zu  reden 
kommt,  so  redet  er  in  einem  so  groszsprecherischen 
thone,  als  ob  es  dinge  wären,  daran  des  römischen 
reiches  .  .  Wohlfahrt  hienge  Gottsched  die  vemünft. 
tadler.  2,  3G2;  wieder  anders,  'geschwollen,  bombastisch': 
dieser  ihr  groszsprecherischer  ausdruck  machet,  dasz 
man  sie  nicht  für  poeten,  sondern  für  äffen  der  dichter 
hält  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  8,  871;  auch  im  übrigen 
mit  ähnlichen  bedeutung sschwankun gen ,  wie  sie  grosz- 
sprecher zeigt;  besonders  in  einem  sinne,  der  den  begriff 
des  Sprechens  vernachlässigt  oder  schwinden  läszt  zu 
gunsien  einer  rein  abstructen  bedeutung,  also  'groszthue- 
risch,  anspruchsvoll,  anmaszend,  überheblich,  dünkelhaft': 
die  überaus  .  .  groszsprecherischen  Athenienser  glaubten 
Zimmermann  nationalstolz  28;  dieses  ist,  was  die  Dresd- 
ner groszsprecherischen  kenner  .  .  .  nicht  wissen  Les- 
SINO  18,  61  M.;  daher  auch  sehr  gern  mit  unpersön- 
lichem regens:  knaben,  welche  auf  weissen  Schilden 
die  groszsprecherischen  nahmen  des  persischen  königs 
trugen  Lohenstein  Arminius  l,  Wii^;  weil  sie  nach 
eigenem  gutdünken  ihre  groszsprecherischen  träume 
aussinnen  kann  J.  E.  Schlegel  3,  35i;  ungeachtet  sei- 
ner groszsprecherischen  gelehrsamkeit  Fr.  v.  Gentz 
sehr.  5,  268;  ganz  in  dem  groszsprecherischen  pompe, 
den  ich  wünschte!  A.  G.  Meissner  Alcibiudes  l,  149.  — 
groszsprecherlich,  adj.  Zesen  Hei.  3  (1656),  reimanz. 
Jv.  —  gr  oszsprech  ung,/.,  gloriatio  Stieler2101  ;  ihm 
wurde  vor  diese  groszsprechung  (prahlerei  mit  derbekannt- 
schaft  eines  prinzen)  .  .  ein  solcher  .  .  fürstlicher  grusz 
überschrieben  Neumark  neuspross.  teutsch.  palmb.  78; 
eure  politische  weitläuftige  groszsprechungen  und  ertz- 
betrügliche  fündlein  la  doppia  impiccata  (1668)  237.  — 
groszspurig,  ad,j.,  aufgeblasen  Brendicke  Berliner 
wortsch.  130;  in  seines  groszspurigen  dienstmannes  ge- 
walt  J.  WoLFF  raubgraf  (i886)  118;  {ein  brief)  der  aber 
mit  seinem  groszspurigen  Schriftdeutsch  seltsam  gegen 
die  Sprechweise  des  Schreibers  absticht  0.  v.  Leixner 
aoz.  br.  49;  wie  breitspurig  {a.  d.)  zum  subst.  die  spur. 
—  groszspurigkeit,  /.:  ringe  an  den  fingern,  von 
denen  er  {ein  verurtheilter)  einen  mit  einer  gewissen 
groszspurigkeit  verschenkte  Ric.  Huch  risorg.  (1908)  190. 

GROSZSTAAT,  m.,  an  alter  u.  entwicklung  mit  grosz- 
macht  {in  der  concreten  politischen  bedeutung)  vergleich- 
bar {s.  d.):  schwer  verträglich  mit  der  .  .  autoritäl  eines 
groszstaates   {Preuszen  ist  gemeint)  W.  Alexis  ruhe  l. 


581   GROSZSTAATLICH  -  GROSZSTÜHL 


GROSZSÜGHTIG  —  GROSZTHÄTER   582 


251;  die  groszstaaten  Preuszen  und  Oesten-eich  Laube 
16,  97;  die  .  .  hauptstädte  der  europäischen  groszstaaten 
Fr.  L.  Jahn  dtsch.  volksth.  107;  die  europäischen  grosz- 
staaten D.  F.  Strausz  6,  177;  die  neuen  gebietsver- 
hältnisse  mehrerer  der  {europäischen)  groszstaaten  Ger- 
viNUS  gesch.  des  19.  jhs.  1,  201;  {der  parthische  staut) 
gleich  dem  Perserreich  und  den  älteren  asiatischen 
groszstaaten  eine  reine  continentalmonarchie  JMommsen 
röm.  gesch.  2,  62.  —  groszstaatlich,  adj.:  Preuszens 
groszstaatliche  aufgäbe  A.  Rüge  ic.  i,  340. 

GROSZSTADT,  /.,  zuerst  hei  Campe  als  neugebildetes 
wort  notiert:  wird  den  kinderherzen  eine  groszstadt  da- 
durch nachtheiüg,  dasz  sie  die  vornehme  menschen- 
neutralität  annehmen  müssen  Jean  Paul  sämtl.  w.  23 
(1842),  39  Reimer ;  in  den  groszstädten  der  neuern  Völker 
Fr.  L.  Jahn  dtsch.  volksth.  104;  der  emporblick,  novelle 
aus  dem  volksieben  der  groszstädte  Gutzkow  tv.  2,  I4t ; 
ihm  {de7n  orte  Pitschen)  gegenüber  achtete  sich  Kreuz- 
burg als  groszstadt  G.  Freytag  l,  46;  Frieda  war  ein 
kind  der  groszstadt  H.  Seidel  Leber.  Hühnchen  150;  das 
fieber  der  groszstadt  hielt  sie  gepackt  H.  v.  Kahlen- 
BERG  Eua  Sehring  87;  in  älterer  spräche  nur  vereinzelt 
als  gelegenheitsbildung :  dasselb  ist  ir  niniveisch  grosz- 
statt,  ir  liebgebannte  hofstatt  Fischart  geschichtklitt. 
llOndr.;  megalopolis  .  .,  welches  auf  teutsch  so  viel 
als  groszstatt  H.  Lewenklaw  neue  chronik  türk.  nation 
(l590)  198.  dazu  zahlreiche  compositionen  wie  grosz- 
stadtkind;  -leben  Rosegger  III  7,  289;  -luft  L. 
¥ui^D\  neue ged.  (1900)  224;  -schmutz  C.  Jentsch  wandl. 
1,  332. 

GROSZSTADTER,  m.,  älter  und  auch  im  beginnenden 
19.  jh.  noch  stärker  entwickelt  als  groszstadt;  die  frühe- 
ren belege  zeigen  das  tcort  in  stereotyper  Verbindung  mit 
kieinstädter:  die  groszstädter  haben  .  .  .  diese  unart, 
dasz  sie  sich  viel  spannen  besser  düncken  als  die  kiein- 
städter V.  Herberger  himl.  Jerusalem  (1609)  109;  wenn 
der  kieinstädter  in  der  groszen  stadt  alles  bewundert, 
so  kann  er  sich  damit  trösten,  dasz  der  groszstädter 
in  der  kleinen  stadt  alles  verachtet  Leisewitz  tageb. 
1,  25;  der  groszstädter  faszt  tausend  kunstanspielungen, 
die  dem  kieinstädter  entgehen  Jean  Paul  49/51,  215  und 
bei  diesem  autor  häufiger ;  ausgemärgelten  groszstädtern 
Fr.  L.  Jahn  w.  1,  101 ;  wegen  der  lügen  dieses  einge- 
bildeten groszstädters  Ritter  erdk.  8,  603.  —  grosz- 
städte r  ei,  /.;  es  ist  dort  {in  Paris  und  Berlin),  über 
alle  hefen  der  groszstädterei  hinaus,  etwas  feineres, 
geistigeres  im  leben  Zsgiiokke  40,  229;  es  giebt  eine 
groszstädterei,  die  das  Vaterland  selbst  für  einen  .  .  . 
engherzigen  gedanken  .  .  .  hält  Fr.  L.  Jahn  deutsches 
volksth.  218;  ein  komisches  gemisch  von  kräh  winkelet 
und  groszstädterei  S.  Hensel /amiWc  Mendelssohn  l,  196; 
vgl.  kleinstädterei. 

GROSZSTÄDTISCH,  adj.,  ist  dem  früher  und  reicher 
entwickelten  kleinstädtisch  {s.  d.)  nachgebildet:  klein- 
städtische advokaten  und  groszstädtische  hofdamen 
Gerstenberg  schlesw.  litbr.  87  lit.  denkm.;  an  sich  nur 
'was  in,  aus  einer  groszen  stadt  isf:  meine  groszstädti- 
sehen  freunde  Hippel  lebensl.  2,  182;  sie  .  .  stand  ,  . 
an  der  spitze  einer  groszstädtischen  .  .  wohlthätigkeits- 
gesellschaft  Pestalozzi  3,  259;  die  langen  straszen  er- 
innerten an  das  groszstädtische  Hoffmann  v.  Fallers- 
leben  7,  126;  fern  von  dem  groszstädtischen  gefriebe 
Fontane  I  5,  185;  aber  frühzeitig  mit  specifischer  bedeu- 
tung  wie  kleinstädtisch,  gegenüber  der  dürftigkeit,  enge, 
dem  engsinn  das  comfortable,  vornehme,  das  weite,  freie 
in  jedem  sinne  betonend:  es  {das  absteigequartier)  ist 
greulich  lärmend  und  ganz  groszstädtisch,  was  das  haus 
anbetrifft  Iffland  br.  l,  1I6;  dasz  Frankfurt  zu  grosz- 
städtisch ist  für  kleinstädtisches  gesch wätz  Fr.  Creu- 
zer  in:  Preisendanz  die  liebe  d.  Günderode  297;  der 
sehr  groszstädtisch  gekleidet  war  A.  v.  Arnim  3,  287;  ein 
solcher  groszstädtischer  weitmann  Gervinus  geschichte 
der  deutschen  dichtung  3,  511;  die  schulen,  die  gesell- 
schaftlichen Vereinigungen  .  .  .  haben  einen  groszstäd- 
tischen zuschnitt  Gutzkow  iverke  11,  52.  —  grosz- 
stuhl,  m.,  fauteuil  Schaffer  dtschfranz.  wb.  l,  772; 


wenn  sie  sich  in  ihrem  groszstuhle  mich  .  .  vorstellen 
Zollikofer  an  Oarve,  briefw.  130;  (er)  nickte  hierauf 
in  seinem  groszstuhl  Göthe  26,  57  W.  —  groszsüch- 
tig,  adj.:  wie  die  herrsch-  und  groszsüchtigen  ihre 
thorheit  verfluchen  E.  Francisci  weh  der  ewigk.  (1686) 
835;  die  mutter  des  mannes,  eine  beschränkte,  grosz- 
süchtige  frau  H.  Stehr  Heiligenhof  1,  281;  vgl.  grösze- 
sucht  sp.  631.  —  grosztante,/.,  scMcester  des  grosz- 
vaters  oder  der  groszmutter  Moser  iverke  l,  215;  Bode 
Tristram  Schandi  8,  9;  auch  mit  besonderer  note:  ists 
wohl  eine  würdigere  ocularinspection,  ob  Virgils  muse 
auch  —  eine  reine  keusche  Jungfer  sey?  würdige  be- 
mühung,  aber  für  fromme  grosztanten  Herder  3,  273  S. 
—  gröszten theils  s.  groszentheils.  —  groszteufel, 
w. ;  der  groszteufel  Lucifer  Lindenborn  Diogenes  2, 
693;  und  geht  .  .  als  ein  ächter  Römer  .  .  dem  grosz- 
teufel zu  leibe  Gaudy  20,  125;  mit  dem  groszteufel,  wie 
sie  in  ihrem  hasse  den  grafen  nannten,  anzubinden 
Rosegger  I  11,  24. 

GROSZTHAT,  /.,  junges  wort,  denn  gros  tot  magnifi- 
centia  Diefenbach  343"  ist  kaum  schon  compositum; 
im  n,  jh.  erst  ganz  selten  zu  belegen: 

der  im  krieg  hat  groszthaten  than 

Ayrer  dr.  1,  269  lit.  ver.; 

seiner  groszthaten  sind  so  viel  J.  G.  Lairitz  palmwald 
(I686)  883*;  lexicalisch  zuerst  bei  Stieler:  grosztaht 
mirificum,  magnificum,  luculentum  stammb.  2.S53;  von 
Gottsched  bekämpft:  die  groszthaten  aber,  die  einige 
aufbringen  wollen,  sind  bey  weitem  mit  keiner  grosz- 
muth  .  .  zu  vergleichen  dische  sprachk.  141;  von  Kern 
als  neuschöpfung  Schub.\rts  getadelt,  s.  zs.  f.  d.  w. 
11,  112;  bei  Adelung  noch  fehlend;  thatsächlich  in  der 
2.  hälfte  des  18.  jhs.  noch  selten;  nur  Wieland  gebraucht 
das  tvort  häufig  und  sein  Vorgang  in  der  hauptsache 
wird  ihm  den  weg  neu  gebahnt  haben:  dasz  er  {Alexander) 
zu  allen  seinen  übrigen  groszthaten  diese  hinzusetzen 
wollte  Lucian  6,  lll;  vgl.  4,  90;  das  verdächtige  .  .,  das 
der  erzählung  unsrer  eignen  groszthaten  anzukleben 
pflegt  W.  (1853  jf.)  23,  16;  vgl.  32,  161;  W.  (1794)  10,  276  U.  Ö./ 
wenn  man  handlungen  der  art  als  groszthaten  des 
menschlichen  geschlechts  epopöirte  Herder  24,  292  S.; 
fing  nun  der  fuchs  ...  an,  die  groszthaten  aller  ver- 
storbenen und  lebenden  löwen  zu  erzählen  Fr.  M, 
Klinger  w.  7,  74;  von  Heynatz  antibarb.  2,  78  bereits 
als  häufig  bezeichnet;  vom  späteren  Göthe  viel  gebraucht 
mit  fühlbarer  freude  an  dem  charaktervollen,  noch  un- 
abgegriffenen wort:  Hercules,  rasend;  schlecht  belohnte 
groszthaten  49,  72  W. ;  Lenz,  mit  groszthaten  groszthuisch 
sich  isolirend  IV  26,  336;  vgl.  I  26,  112;  27,  195;  35,  56;  36, 
132;  49,  2,  76  u.  ö.;  im  19.  jh.  dann  in  breiter  entfaltung; 
gern  von  kriegerischen  und  politischen  leistungen:  wäh- 
rend das  epos  des  Camoens  die  groszthaten  der  Portu- 
giesen verherrlicht  A.  v.  Humboldt  kosmos  2, 61 ;  mit  den 
groszthaten  der  Griechenflotte  Gervinus  geschichte  d. 
19.  jhs.  6,  11;  von  den  groszthaten  preuszischer  wallen 
Nitzsch  dtsche  stud.  lll:  die  groszthaten  der  vorfahren 
G.  Freytag  17,  78;  doch  azich  mannigfach  anders,  na- 
mentlich in  neuerer  zeit,  wo  das  subst.  fast  zu  einem 
modewort  geworden  ist:  es  giebt  einen  adel  tugendhafter 
groszthaten  Fichte  6,  191;  zagen  ist  das  verderben  aller 
groszthaten  B.  v.  Arnim  frühlingskr.  288;  so  sind  .  .  . 
alle  geistigen  groszthaten  im  gegensatz  zur  kirche  in 
die  weit  getreten  W.  Scherer  kl.  sehr.  I,  672;  wegen 
eurer  schon  im  Jünglingsalter  verrichteten  demokrati- 
schen groszthaten  C.  F.  Meyer  Jürg  Jenatsch  113;  da- 
mit wurde  eine  .  .  agrarpolitische  maszregel  zu  einer 
sozialpolitischen  groszthat  H.  Prutz  preusz.  gesch.  3, 
439;  gern  auch  ironisch:  wir  können  ob  der  groszthaten 
des  bundestags  nur  .  .  .  Oesterreich  und  Preuszen  .  .  . 
anklagen  Heine  5,  14  E.;  nur  die  edelsten  des  Volkes 
schämten  im  stillen  sich  der  neuesten  groszthat  der 
nation  Mommsen  röm. gesch.  2,87;  eigen:  was  das  {tauben 
zu  haben)  für  eine  groszthat  in  einem  kinderleben  ist,  das 
vermag  nur  der  zu  begreifen  Hansjakob  aus  meiner 
jugendz.  24.  —  groszthäter,  m.,  ganz  selten  bezeugtes 
wort,  aber  doch  deutlich  keine  reine  gelegenheitsbildung: 

37» 


583 


GROSZTHÄTIG 


GROSZTHÄTIGKEIT  —  GROSZTHUEREI  584 


als  da  seind  die  hoffertigen  haiigen,  die  grosztheter, 
teufeis  martrer  (von  den  leutcn,  die  da  got  mit  iren 
hüpschen  wercken  wollen  den  himel  abpoldern)  Luther 
7,  239  W.,  also  im  eigentlichen  sinne;  vgl.  groszthäter 
operatore  di  prodezze  Kramer  teutschital.  2,  1079»;  an- 
ders: (der  ägyptische  könig  verwendet  einen  theil  seiner 
einkünfte  zur)  miltigkeyt  gegen  den  strengen  groszthät- 
tern  Seb.  Franck  weltb.  (15S4)  10%  ivo  Statthalter  oder 
dgl.  gemeint  sein  müssen;  vgl,  grostäter  vir  magnificus 
Stieler  2353. 

GROSZTHÄTIG,  adj.,  seit  dem  15.  jh.  nachzuiceisen ; 
vermuthlich  dem  lat.  magnificus  nachgebildet  (vgl.  Die- 
FENBACH  343"  *.  V.  magnificus),  jedenfalls  in  seinen  be- 
deutungen  deutlich  von  diesem  tvorte  beeinfluszt. 

1)  eigentlich  'grosze  thaten  verrichtend'  und  so  noch  bei 
ScHOTTEL  gedeutet:  grostählig  in  iis,  quae  magna  sunt, 
efficiendis  occupatus  hatibtsjn:  530;  docfi  tritt  diese  bedeu- 
tung  nur  selten  rein  zu  tage:  das  nie  kein  grosthettiger 
oder  wunderman  gewest  sey  sine  afflatu  Luther  51, 
222  W.;  die  Sünde  ist  ein  grossmechtiger  und  grossthä- 
tiger  gott  theatr.  diabol.  (1569)  176 '^-  gewöhnlich  inner- 
licher, mit  dem  blick  nicht  auf  die  that,  sondern  auf  die 
fähigkeit  zu  thaten,  'kraftvoll,  thatkräftig,  energisch':  darff 
mit  einem  wort  alle  mechtigen  kranck,  alle  grosztettigen 
krafftlosz  .  .  machen  Luther  7,  574  W.;  vgl.  lo,  i,  l,  62ü; 
was  disz  vor  ein  groszthetiger  keyser  gewesen,  wie  schnell 
er  solchen  groszen  tumult  . .  wider  . .  gestillet  hat  G.  Lau- 
terbeck v.  keyser  Fridrichen  (1562)  IG'';  war  darneben  fast 
groszthätig,  kün  oder  frech  und  grimmig  J.  B.  Porta 
physiogn.  (l60l)  215;  die  groszthätige  und  gottsfürchtige 
witfraw  Judith  Meyfart  himml.  Jertis.  (1630)  l,  108;  die 
alten  Winden,  .  .  der  jetzigen  Khärndter  löbliche,  grosz- 
thetige  illyrische  vorfahren,  namen  die  land  under  dem 
gebürge  H.  Megiser  ann,  Carinth.  (1612)  340;  dies  die 
hauptbedeutung ,  die  im  n.jh.  erlischt,  wenngleich  noch 
bei  Kramer  notiert:  groszthätig  .  .  bravo  neue  sue  at- 
tioni  teutsch-ital.  2,  lOTQ»;  vereinzelter  gebrauch  bei  Göthe 
bedeutet  eine  erneuerung :  der  aberglaube  ist  ein  erbtheil 
energischer,  groszthätiger,  fortschreitender  naturen  II  3, 
164  W.;  daneben,  nach  dem  muster  von  magnificus,  auch 
in  anderem  sinne,  vor  allem  in  der  markantesten  bedeu- 
tung  des  lat.  adj.:  m,agnificus  groszthätig,  herrlich,  präch- 
tig Galepin  XI  ling,  855'';  groszthätig,  prächtig,  herrlich 
magnificus,  summo  splendore praeditus,  liberalis  Henisch 
1754;  man  nennet  ihn  auch  magnifieum,  das  ist  grosz- 
thätig, herrlich  und  ansehenlich  H.  Abermann  histor. 
beschr,  (1619)  3,  90;  dise  begleiteten  vil  hochgeborner  und 
groszthätiger  hertzogen  Wurstisen  Pauli  Aemilii  .  ,  , 
histor,  (1572)  1, 160;  auch  innerlicher:  es  ist  dise  ader  in 
allen  weisen  groszthetigen  beiden  gesteckt  J.  Brenz  jire- 
diger  Solomo  (1528)  2'ä^;  als  anredeformel:  ich  schicke 
euch,  grosthetiger  rector  und  wirdigste  veter,  .  .  .  ein 
copey  der  bullen  Eck  hei  Luther  (1575  Jena)  i,  sis''; 
an  den  grosstähtigen  und  hochedlen  herren  Zesen  heli- 
kon.  rosentahl  53 ;  das  ehrwürdige  anschauen  der  grosz- 
thätigen  und  glorwürdigsten  anwesenden  gebeut  mir 
Chr.  Weise  polit.  redneri3l;  öfter  parallel  mit  adjectiven 
des  Sinnes  'freigebig':  Fridericus  II  sey  ein  .  .  krefftig, 
milt  und  groszthettig  mann  gewesen  Seb.  Franck  chron. 
Germ.  182»;  er  war  auch  ein  .  .  freygebiger,  grossthä- 
tiger  und  vollfüllender  herr  Dann  hau  er  catech.  milch 
5,  1093;  weil  sie  (die  ehr-  und  geldgeizigen)  .  .  öffentlich 
groszthätig  und  freygebig  seyn  Neukirch  anweis.  z. 
teutsch.  briefen  92;  vgl.  und  zieret  den  tempel  grosz- 
tattigclich  unt  miltigclich  G.  Alt  buch  d.  cron.  (1493)  90". 

2)  mit  unpersönlichem  regens  'rühmlich,  glänzend':  die 
sich  denen  alten  weit  erkanten  und  grosztätigen  namen 
der  teutschen  Franken  .  .  underzogen  habend  J.  v.  Watt 
1,  89;  von  thaten:  ich  hab  auch  hiebei  eingezogen  ,  .  . 
grosztattiger  werck  und  fürtreffenlicher  person  G.  Alt 
buch  d.  cron.  (1493)  9*»;  er  hatt  von  kürtze  wegen  der 
zeit  nichts  groszthätigs  geübt  Seb.  Franck  chron.  zeytb. 
(1631)  148»;  das  ich  nimmer  etwas  so  groszthätigs  sagen 
wurd,  das  dein  tugent  dasselb  nit  übertreffe  Boltx 
Terenz  90''  (numquam  ita  magnifice  quicquam  dicam, 
adelphi  257);  ähnlich,  einfach  als  auszeichnendes  heiwort. 


ivohl  auch:  denn  ist  die  fasten  schön  und  groszthätig, 
wann  das  gemiet  von  lästern  fastet  J.  hocHV-n  gnaden- 
reichs  privileg.  (i52o)  Gl»;  anders:  die  prächtigkeit,  als 
eine  groszthätige  fügend  hoher,  mächtiger,  wolbegüterter 
leute  Schottel  ethica  550. 

GROSZTHÄTIGKEIT,  /..  im  älteren  nhd.,  namentlich 
im  16.  jh.  recht  häufig;  selten  im  sinne  von  groszthätig  l 
anfang:  gebt  die  krafft  gotte  ubir  Israel,  seyn  grosz- 
tettickeyt  und  krafft  ist  yn  den  wolcken  Luther  8, 
34  W.;  geivöhnlich  im  sinne  von  magnificentia,  womit  das 
leort  meist  glossiert  ivird:  magnificentia  groszthätigkeit, 
pracht  Galepin  xi  ling.  855'';  m^galoprepeia  groszthätig- 
keit, herrligkeit  878'';  magnificentia,  splendor  Henisch 
1755;  seiner  herrlichen  grosztätigkeit  hat  er  auch  solche 
namhaffte  stück  erzeiget  Heyden  Plinius  39  (illa  fuit 
.  .  inconiparabilis  invicti  animi  sublimitas  hist.  nat.  7,  25 
§  94) ;  also  sei  er  ihnen  auch  in  tugenten,  groszthätig- 
keit und  allen  fürtrefflichen  und  hohen  thaten  weit  vor- 
gangen J.  B.  Porta  physiogn.  (iGOl)  220;  dem  Theophilo 
selb  als  einem  gottesfreund  hat  sie  auch  .  .  ihre  herrlig- 
keit und  groszthätigkeit  erzeiget  H.  Fabricius  aiisz.  be- 
währter histor.  (1599)  100;  an  groszthätig  l  schlusz  ge- 
mahnend: alle  ding  .  .  hat  er  mir  itzt  geben  noch  grosz- 
thetikeit  seiner  mildikeit  buch  geistl.  gnaden  (1.503)  134»; 
ey  so  tödte  sie  (die  verkehrte  seele),  wie  wollen  ich  weisz, 
dasz  dein  grosz-  und  gutthätigkeit  nicht  in  den  todt  .  . 
desz  Sünders  gegründet  seye  Abele  v.  LiILIENBERG  künstl. 
unordn.  3,  293;  als  anredetiiel:  es  möcht  sich  nicht  allein 
ewre  groszthätigkeit,  sondern  auch  die  andern  .  .  her- 
ren .  .  .  verwundern  H.  Megiser  ann.  Carinthiae  (1612) 
402 ;  auch  im  gebrauch  von  groszthätig  2 :  er  hat  .  .  in 
emssigkeit,  manichföi-migkeit  und  grosztätigkeit  wunder- 
perlicher  ding  all  ander  fürtroffen  G.  Alt  buch  d.  cron. 
(1493)  93»;  ein  Cartheusercloster  an  grosztätigkeit  des  ge- 
pews  fast  weit  und  schön  101»;  vereinzelt  erneuert,  aber 
mit  anderem  sinn:  Friedrich  und  Napoleon  .  .  .  durch- 
schnitten mit  ihrer  groszthätigkeit  zu  viele  Interessen 
ZscHOKKE  3,  167.  —  groszthcil,  m.:  dies  .  .  .  gefühl 
mag  den  grosztheil  seiner  handlungsweisen  erklären 
Zsghokke  1,  53,  U7xd  so  heute  in  süddeutscher  Schrift- 
sprache sehr  üblich;  anders:  auf  dem  sechsten  grosztheil 
der  erde  J.  J.  Dittrich  bemerk,  a.  e.  reise  (1816)  7. 

GROSZTHUEND,  part.  präs.  zu  grosz  thun  (ivorüber 
unter  grosz  I  G  2  gehandelt  ist),  aber  häufig,  ähnlich  wie 
groszsprechend  (s.  d.)  rein  adjectivischem  gebrauch  sich 
nähernd,  'prahlerisch,  überheblich,  protzenhaft' :  ein  mensch, 
der  mehr  von  sich  glaubet  und  saget,  als  wahr  ist.  man 
heiszt  ihn  alsdann  einen  unverschämten,  einen  grosz- 
thuenden  praler  Gottsched  heob.  257;  eine  groszthuende 
Verschwenderin  Gotter  3  (1802),  156;  der  groszthuende 
Köstein  (ist)  ein  schadenfroher  narr  Tieck  sehr.  20,  287; 
daher  gern  auch  neben  unpersönlichem  regens:  brausende 
und  groszthuende  leidenschaften  Göthe  21,  75  W.;  einen 
so  abzufertigen  ist  die  wahre  manier  groszthuender 
Unwissenheit  Hegel  19,  l,  146;  anders,  nach  lat.  ma- 
gnificus, vereinzelt  im  älteren  nhd.:  ain  fürst  sol  .  .  . 
groszthuender,  gerechter,  gütiger  .  .  sein  dann  die  andern 
A.  V.  Eye  sp.  d.  sitten  p  8»;  auch  für  die  folgenden  no- 
mina  sind  die  zu  grosz  sprechen  gehörenden  parallelbil- 
dungen  zu  beachten.  —  groszthuer,  m.,  ostentator,  glo- 
riosus  Stieler  2352;  thraso,  jactator  Steinbach  2,  785; 
dasz  er  ein  praler  und  groszthuer  wäre  M.  Kautszgh 
polit.  u.  lust.  tabaksbruder  (1684)  209;  wenn  hernach  diese 
praler  und  groszthuer  banquerot  geworden  Ghr.  Thoma- 
sius  ernsth.  ged  u.  erinn.  3,132;  das  ist  er:  ein  Spieler, 
bonvivant,  egoist,  groszthuer  Iffland  theatr.  w.  8,  122; 
welcher  von  diesen  glücksjägern  und  groszthuern  verträgt 
das  armwerden?  Rosegger  II  U,  92.  —  groszthuerei, 
/.;  die  fröliche  geselligkeit,  .  .  die  redseligkeit,  die  grosz- 
thuerey  dieses  Volkes  (der  Niederländer)  Schiller  6,  87 
G.;  die  bündigkeit  eurer  schluszkette  in  zweifei  zu 
ziehen,  ist  eitle  groszthuerei  Kant  5,  480  ak.  ausg.;  Uli 
.  .  gehörte  unter  die  .  .  bursche,  welche  aus  groszthuerei 
die  leidige  sitte  des  kiltganges  treiben  J.  Gotthelf  2,  8; 
weil  ich  vor  ihm  auch  meine  schwächen  fast  mit  einer 
gewissen  groszthuerei  zeige  P,  Cornelius  lit.  w.  i,  755. 


585  GROSZTHUERISCH  -  GROSZVATER 

—  groszthuerisch,  adj.:  wie  aber?  der  sittsame, 
nicht  habsüchtige  noch  unedle,  noch  groszthuerische, 
noch  feige,  könnte  der  wol  unverträglich  sein  Schleier- 
macher Piaion  6,  319;  nicht  dasz  Georg  .  .  durch  ein 
groszthuerisches  wesen  den  fehlenden  rang  hätte  er- 
setzen .  .  wollen  Spielhagen  3,  4il;  zugleich  .  .  stellte 
ich  .  .  groszthuerisch  in  aussieht,  den  dingen  .  .  ins  ge- 
siebt sehen  zu  wollen  G.  Keller  7,  193;  bei  Adelung 
nebst  dem  folg.  als  wort  niederer  spräche  bezeichnet;  vgl. 
auch  Heynatz  antibarb.  2,79.  —  groszthuig,  ältestes 
wort  dieses  kreises;  zunächst  im  sinne  und  als  nachbil- 
düng  von  lat.  magnificus:  der  natürlich  lew,  magnificus 
non  solum  Überaus,  ein  reichlich  groszthugig  thier  Kei- 
sersberg  brös.  1,  49'^;  es  sind  die  leicben  {sc.  wenn 
eyn  hochgeborner  hausvatter  stirbt)  nach  haltung  der 
Gallier  groszthuig  und  kostlich  Ringmann  Cäsar  (1538) 
58'';  aber  seit  dem  il.jh.  im  sinne  gloriosus:  der  grosz- 
thuichte  Sanherib  muste  mit  schänden  wieder  von  Je- 
rusalem abziehen  Herberger  Sirach  339 '';  wir  .  .  weis- 
heitsliebhaber  sind  .  .  .  doch  nur  eine  art  groszthuiger 
poltrons  Wieland  (1803/".)  23,  48;  rechte  verlebte,  grosz- 
thuige  knaben  R.  Schumann  l,  68;  noch  immer  so 
viel  groszthuige  fügend  und  moralische  herrlichkeit 
in  euren  lumpen?  Tieck  Schriften  3,  182;  bei  Stein- 
BAGH  2,  785  «i  der  form  groszthunig  magnificus;  unge- 
wöhnlich mit  Suffix  -lieh:  Urkunden  aus  ihrem  grosz- 
thulicher  weise  gerühmten  archive  Rh  öden  Schlüssel 
zu  Herrnhut  {Mbh)  6.  —  groszthuisch,  adj.,  im  iS.  jh. 
nicht  selten:  und  dankt  endlich  so  groszthuisch,  als 
wenn  er  wunder  was  wäre,  dem  lieben  gott  K.  F.  \V. 
Hertzberg  Eulensp.  l,  173 ;  er  {Archenholz)  hat  die  Sachen 
gesehen,  aber  zu  der  groszthuischen,  verachtenden  ma- 
nier  besitzt  er  viel  zu  wenig  kenntnisse  Göthe  IV  8, 
76  W.  an  Herder;  aber  in  der  fassung  der  ital.  reise: 
eine  groszthuige  verachtende  manier  I  30,  229;  grosz- 
thuische  Versprechungen  Wieland  47,  3i6  Gruber.  — 
groszthun,  n.,  subst.  infin.  zu  der  uneomponierten  for- 
met grosz  thun  {s.  grosz  I  G  2),  aber  ähnlich  wie  grosz- 
sprechen  (*.  d.)  kräftig  und  selbständig  entivickelt,  auch 
früher  nachweisbar  als  die  verbale  icendtmg,  'das  prahlen, 
prunken,  protzen  in  that,  gebärde,  wort': 

wer  bey  freyen  blosz  auf  zierden,  prangen,  stoltz  und  grosz- 
thun denckt 
Looau  sinnged.  601 ; 

narren  .  .  ,  welche  über  hoffarth  und  groszthun  sonst 
nichts  gelernet  hätten  J.  Riemer  polit.  maulaffe  85;  er 
{Vasari)  hatte  keine  schöpferische  phantasie  von  ge- 
stalten, und  alles  ist  nur  ein  leeres  groszthuen,  ohne 
dasz  etwas  dahinter  steckt  Heinse  7,  129  Schüdd.;  er 
ist  mit  seinem  groszthun  im  stand  und  ladet  den  wagen 
noch  einmal  so  hoch  Auerbach  12,  130;  merke  ich  erst, 
dasz  ich  ins  groszthun  und  aufschneiden  gekommen 
bin  Göthe  IV  20,  234  W.;  seinem  groszthim  ä  la  Mtinch- 
hausen  konnte  der  herr  Schulmeister  nicht  widerstehn 
Bäuerle  kom.  fheater  1,8;  mit präpos.:  das  trotzen  und 
groszthun  auf  eine  gewisse  erwerbsfähigkeit  .  .  des  men- 
schen Ad.  Müller  verm.  sehr.  1,127;  ein  groszthun  mit 
grundsätzen  Hegel  i,  343. 

GROSZTOCHTER,  /.,  enkelin:  sie  war,  von  mütter- 
licher Seite,  eine  grosztochter  königs  Carls  II.  J.  A.  Ebert 
Youngs  nachtged.  1,  207;  Leisew^itz  briefe  an  seine 
braut  35;  Sohnrey  im  grünen  klee  115;  entgege^i  Ade- 
lungs angäbe  ein  nordd.  wort;  vergl.  groszsohn.  — 
gröszung,  /.,  extensio,  quantitas,  capacitas,  magnifi- 
centia  Stieler  708;  nur  selten  nachzuweisen:  lugen  sie, 
ob  {7iach  entfernung  einer  beere  aus  der  tveintraube)  .  . 
die  umstenden  bere  kein  gröszunge  nit  haben  genomen 
Petr.  de  Cresc.  {s.  l.  e.a.)  54»;  die  gröszung  der  freuden  Kei- 
SERSBERG  bilg.  104;  nd.  grotinge  quantitas  Diefenbach 
477''.  —  groszurenkel,  m.,  'des  urenkels  oder  der  Ur- 
enkelin kinder'  Krünitz  20,  142;  Protesilaus  {war)  ein 
groszurenkel  dieses  gottes  Wieland  Lueian  2,  277. 

GROSZVATER,  m.,  seit  dem  späten  U.jh.  zu  belegen: 
avus  grosz  vatter  glossar  von  1399  bei  Mone  anz.  z.  künde 
d.  dtsch.  vorzeit  6,  837;  grozvater  Frankfurts  reichscorresp. 
1,  57S  {a.  d.  j.  1401);   entstanden  aus  einer  adjectivischen 


GROSZVATER 


586 


Verbindung,  die  im  älteren  hd.  nur  noch  vereinzelt  zu  tage 
tritt  (der  erste  grosze  vader  preavus  Diefenbach  451'' 
aus  Mainzer  gloss.  v.  1414),  im  älteren  nd.  allgemein  als 
solche  behandelt  wird:  eyn  grote  vader  abavus  nov.  gloss. 
1»;  grotevader  avus  gloss.  63°;  mynes  vader  grote  vader 
proavus  460'';  de  erste  grote  vader  priavus  459";  eyn 
drit  grotevader  tritavus  598*;  dat  slot  synes  groten  va- 
ders  Korner  nach  Schiller-Lübben  2,  156'',  woselbst 
weitere  belege;  auch  in  Lutherscäcii  drucken  noch:  unter 
dem  keiser  Theodosius  dem  Jüngern,  des  grosse  vater 
war  Theodosius  der  erste  50,  581  W.;  das  Joseph  und  Maria 
nifftel  sind  des  groszen  vaters  Matthes  %o.  {Jena  1580) 
8,  126». 

1)  {lehen)  welichs  min  vatter  oder  grossvatter  oder 
andere  desselben  voreitern  .  .  überkomen  habend  Rie- 
DERER  sp.  d.  ivahr.  rhet.  y  3'';  meines  grossvatters  brü- 
der  Eb.  v.  Günzburg  2,  75  ndr.;  so  gedachte  ich  an 
meines  grossvaters  vater  engl.  com.  u.  trag.  (1624)  c  8^; 
des  kaysers  Caroli  V.  grossvater  von  der  mutter  w^egen 
Prätorius  winterflucht  360;  groszvater  väterlicher,  müt- 
terlicher Seite  Frisch  nouv.  dict.  273;  geläufigere  Wen- 
dungen: {die  geschickte)  bette  er  von  einem  alten  mönch 
.  .  ,  welchem  es  sein  grossvater  erzehlet  gehabt  Kirch- 
hof u'endunm.  2,  330  lit.  ver.;  von  einem  geringen  aus- 
länder, der  vielleicht  nicht  seinen  groszvater  zu  nennen 
weisz  Lohenstein  Armhi.  l,  lO**;  so  kommt  es,  dasz 
sie  alle  möglichen  sagen  .  .  erzählen  können,  ohne  zu 
wissen,  wie  es  zugegangen  ist,  dasz  der  groszvater  die 
groszmutter  nahm  G.  Keller  l,  12;  genaueres  darüber 
Mnfer  groszvatertanz;  diese  einzelne  erfahrungen  giengen 
durch  tradition  vom  groszvater  zum  urenkel  über  Schil- 
ler 1,  155  G.;  alterthumsforschung,  die  unsere  enkel  so 
gut  als  uns  und  unsre  groszvater  interessieren  wird 
Göthe  IV  2i,  78  W.;  {die  jugend)  will  nicht  das  einerlei 
wiederkäuen,  das  ihre  groszvater  bereits  gekaut  haben 
Lagarde  deutsche  Schriften  488;  gern  mit  vater  ver- 
bunden : 

{ich  darf  nicht)  mein  gering  wonung  verfluchen, 
die  mir  groszvatr  und  vater  liesz 

Rollenhagen  froschmeus.  o  3*; 

die  geschichte  .  .  .  hat  sich  in  unserm  weltalter  zuge- 
tragen, unsre  väter  und  groszvater  sind  dabey  gegen- 
wärtig gewesen  Boom  er  abhandl.  v.  d.  wunderb.  160; 

er  {der  teufel)  machte  finden  es  {das  geivehr)  durch  einen 

Zauberer 
zu  der  groszvater  zeit  und  noch  ein  gut  theil  ehr 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  11.  (jes.  22.  str.; 

so  stand  das  gebäude  noch  da,  wie  es  zu  groszvaters 
Zeiten  gewesen  ist  Stifter  5,  l,  347  Sauer;  diese  Wen- 
dung in  jüngerer  spräche  auch  mit  dem  beiklang  des 
altfränkischen,  überholten:  nur  der  gebildete  mag  mit 
einem  schulgedicht  aus  groszvaters  zeit  vom  'süszen, 
angenehmen  fleisze'  sprechen  Riehl  dtsche  arbeit  210; 
mit  ähnlichem  beigeschmack :  ich  kleide  mich  noch  nach 
der  mode  meiner  groszvater  Löwen  sehr.  4,  288;  häufig 
in  sprichtcörtern,  vgl.  Wander  2,  152. 

2)  der  urspru7ig  der  Zusammensetzung  macht  es  be- 
greiflich, wenn  das  wort  in  einer  bestimmten  Verbindung 
als  trennbares  compositum  auftritt:  e.  1.  denken  daran, 
was  ihrem  groszherrvater  .  .  .  begegnet  landgr.  Wil- 
helm V.  Hessen  (I58l)  nach  D.  Fr.  Strausz  Frischlin 
215;  so  im  17.  und  18.  jh.  recht  häufig,  gewöhnlich  in  an- 
Wendung  auf  fürstliche  personen :  graff  Otto  hatt  .  .  zum 
groszhervattern  den  theuren  heldt  graff  Johan  Cyr. 
Spangenberg  Schaumb.  chron.  (l614)  259;  umb  auf  dero 
grosz  herr  vatters  thron  zu  sitzen  Elis.  Charl.  v.  Or- 
leans br.  2,  223  lit.  ver.;  vgl.  zs.  f.  d.  w.  10,  204;  der 
groszherrvater  selbst  Besser  i ,  828  König;  ins  grosz- 
herrn-vaters  grufft  Schmolcke  trost-  u.  geistr.  sehr,  i, 
690;  sogar: 

wie  seufzet  nicht  bey  dieser  leiche 

des  grosz-herrn  pflege-vaters  hertz!  1,719; 

vgl.  noch  Adelung;  gegenstück  ist  groszfraumutter ,  s. 
groszmutter  2. 

3)  auch  freier,  'vorfahr,  ahnherr'  {vgl.  vater  4) :  Sen, 
der  künig  in  Assiria,  ein  groszvatter  Abrahams  Judas 


587 


GROSZVATER 


GROSZVÄTERCHEN  -  GROSZVATERZEIT  588 


Nazarei  vom  alten  und  neuen  gott  5  neudr.;  öfter  hei 
Luther,  s.  Dietz  2,  174*';  Ascenes,  aller  Teutschen 
groszvatter  Cyr.  Spangenberg  musica  lU;  (^Adam) grosz- 
vater  aller  seelen  Treuer  dtsch.  Dädalus  l,  4i;  so 
ahmen  sie  auch  die  groszen  scribenten  des  alterthums 
nicht  besser  nach,  als  äffen  unsre  groszväter,  da  sie 
mit  ihren  wämstern  bekleidet  werden  Bodmer  samml. 
crit.  poet.  sehr.  1,  67;  auch  uneigentlich:  die  zimmerleut, 
des  herrn  Christi  groszvättern  Mathesius  Sarepta  9"; 
was  aber  die  lutherische  gegen  ihrem  groszvatter  {sc. 
Luther)  thun  Jon.  Kraus  alte  u.  neue  irrgeister  (I7lt) 
21;  besonders  in  einer  bestimmten  art  von  genitivver- 
bindungen,  'u7-bild'  (vgl.  vater  5) :  Nimrod  .  .  aller  ty- 
rannen  grossvatter  genennnt  werden  kan  Harsdörfer 
teutscher  secret.  2,  155;  diesen  groszväter  aller  dichter 
{Homer)  Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  4,  503; 
Marinelli,  diesen  groszväter  aller  theatralischen  hof- 
schurken  Börne  2,  lO;  auch  mit  sächlichem  leitbegriff: 
der  uralt  groszvatter  der  artzney  Hippocrates  Guari- 
NONius  greuel  d.  verwüst.  649;  im  Homero  aller  guten 
schritten  groszväter  Scuickfus  schles.  chron.  9;  eine 
.  ,  glatze  ziemt  dem  groszväter  der  tragödie  {Äschylus) 
wohl  Welcker  alte  denkm.  2,  342;  zuweilen  einfach  eine 
Verstärkung  des  hauptbegriffes :  dieser  unser  sausewind 
aber,  aller  haasen  groszvatter  Rist  d.  friedejauchz. 
Teutschland  92«,  'erzhase';  ein  solcher  ist  eben  Godenius, 
aller  abergläubischen  grossvatter  Prätorius  glücks- 
topf 15. 

4)  zuweilen  als  bezeichnung  des  alters  schlechthin,  ohne 
gedanken  an  ein  descendenzverhältnis :  o  groszväter!  als 
anrede  an  einen  alten  mann  Olearius  J7er».  baumgarten 
95»;  vgl.  schon:  bey  den  grosvetern  ist  die  Weisheit, 
und  der  verstand  bey  den  alten  Hiob  12,  12  {hebr.  'bei 
ergrauten");  heute  in  der  Umgangssprache  ganz  geläufig ; 
im  schüle7-Jargon  für  einen  sitzengebliebenen  Eilenber- 
GER  pennülerspr.  56. 

5)  in  älterer  Studentensprache  bedeutet  groszväter  in 
einigen  bestimmten  Wendungen  den  groszvatertanz  {s.  d.): 
der  einfältige  schöps  hielte  davor,  es  wäre  bei  den 
bauren  wie  auf  der  Universität  der  gebrauch,  dasz  man 
bei  hochzeiten  auf  den  groszväter  gehe  und  eins  mit 
tanze  polit.  hofmädchen  (1686)  199;  die  porsche  auf  den 
sogenannten  groszväter  gehen,  welches  die  lust  im 
tanzen  nach  aufgehobener  mahlzeit  genennet  wird  Me- 
Lissus  Salinde  (i744)  116;  der  gebrauch  .  .  .,  dasz  die 
purschen  des  abends  frey  auf  die  hochzeiten  gehen 
und  sich  lustig  machen  durften,  welches  sie  den  grosz- 
väter besuchen  nannten  Geländer  stud.  (1714)  i,  990; 
vgl.  Leipz.  spectateur  (1723)  138;  die  loendung  ist  schliesz- 
lieh  nicht  mehr  verstanden  worden:  ich  ging  bei  dem 
hause  vorbei,  wo  eine  schneiderhochzeit  war,  und  re- 
solvirte  mich,  einen  groszväter  abzugeben,  und  hatte 
nicht  lange  zugesehen,  so  zog  mich  die  braut  zum 
tanze  auf  Sylvanus  muttersöhnchen  163;  vgl.  auch 
Kluge  Studentensprache  93;  J.  Meier  hall.  Studenten- 
sprache 55. 

6)  ebenfalls  in  älterer  Studentensprache  für  den  nacht- 
topf: so  nimmt  er  den  groszväter  und  begiesset  mich 
mit  einer  schon  stinkenden  lauge  Gelander  stud.  i, 
63;  er  wurde  auch  als  speikübel  beim  hospiz  gebraucht: 
manchmal  setzen  die  hospites  den  groszväter  mitten 
unter  den  andern  hausrath  auf  den  tisch  hospitium 
(1747)  74;  vgl.  Kluge  stud.  spr.  93. 

7)  gelegentlich  für  groszvaterstuhl  {s.  d.):  mit  hülfe 
der  übrigen  hebt  ihn  Faber  in  den  groszväter  Lauk- 
HARD  Schiida  2,  128;  der  stammhafte  groszväter  kam; 
herr  Bleimann  nahm  vergnügt  davon  besitz  Langbein 

81,  121. 

8)  grotväders  bieder  der  epheu  {wegen  seiner  zählebig- 
keit) Schambach  69 '^;  vgl.  Wagners  archiv  i,  249;  'pap- 
pus  oder  der  groszväter  ist  theils  ein  weisz  wollichtes  haar 
auf  den  gewachsen,  ivelches  sich  abblasen  lasset,  theils 
auch  das  wollichte  wesen  auf  den  Stengeln,  .  .  darinne 
der  saamen  ist'  Chcmels  öcon,  lex.  7,  394;  Oken  nennt 
einen  vogel,  gymnocephalus  capucintis,  groszväter  allg. 


naturgesch.  7,  83.  —  diminuiert  groszväterchen  Gutz- 
kow ritter  v.  geist  3,  454;  W.  Raabe  schüdderump  163. 
—  groszvaterbank,/.,  vom  ofen  auslaufende  seiten- 
bank  Hentrich  Eichsfeld  65;  zwischen  der  ofenbank 
des  alten  Lerchs,  die  im  hause  ihm  zu  ehren  die  grosz- 
vatersbank  heiszet  Jean  Paul  19,  31.  —  groszväter- 
lieh,  adj.,  was  dem  groszväter  eignet,  von  ihm  kommt, 
zu  ihm  gehört:  helt  er,  dieweil  sein  kind  noch  unmün- 
dig, den  gebrauch  seins  grosveterlichen  anfalles  .  .  . 
billich  Chr.  Zobel  sächs.  weichb.  u.  lehenr.  (1537)  liö"; 
sein  groszväterliches  reich  Zach.  Müntzer  Livius  (i584) 
B  2**;  die  alten,  braunen  groszväterlichen  hausgeräte 
Allmers  marschenbuch  ^162;  mein  andencken  in  dem 
herzen  des  groszväterlichen  fürsten  nicht  ersterben  zu 
lassen  Göthe  IV  22,  194  W.,  heute  eher:  des  fürstlichen 
groszvaters;  in  dem  groszväterlichen  Pempelfort  E.  M. 
Arndt  lo.  l,  203,  d.  h.  wo  der  groszväter  iveilte;  auch  in 
dem  sinne  von  groszväter  3:  dass  sie  ihren  grossväter- 
lichen und  uhralten  irrthumb  und  abgöttischen  aber- 
glauben  fahren  Hessen  Schütz  hist.  rer.  pruss.  4,  Ff  4»; 
dasz  beyde  {Sagunter  und  Carthager)  sich  lieber  einge- 
äschert wissen,  als  .  .  .  den  alten  sitz,  die  heilige  be- 
hältnüsz  ihrer  groszväterlichen  aschen  verlassen  wollen 
Lohenstein  Armin,  l,  1062^;  ähnlich,  im  sinne  'alter- 
thümlich':  einige  zimmer,  die  .  .  .  ganz  groszväterlich 
aussahen  A.  Schreiber  poet.  w.  3,  46;  zu  groszväter  4 
gehörig:  das  groszväterlich-behagliche  des  ganzen  kör- 
pers  {bei  den  Münchnerti)  Hebbel  I  9,  413;  vereinzelt 
mit  anderem  suffix:  avitus  groszvatterisch  nomencl.  lat. 
germ.  {Hamb.  1634)  460.  —  groszvatermeinung,  /., 
Tnit  dem  prägnanten  sinn  des  überholten,  lächerlichen: 
er  wird  dir  sagen,  —  um  deine  etwaigen  groszvater- 
meinungen  zu  bekämpfen  —  ...  dasz  die  sogenannten 
tugenthaften  die  freudeärmsten  creaturen  sind  Nachers- 
berg  gifikocher  (1798)  122;  vgl.  Campe.  —  groszvater- 
recht,  n.:  warum  .  .  der  auszug  oder  dasz  grosz vater- 
recht hier  der  leibzuchtscontrakt  genennet  werde  allg. 
dtsche  bibl.  1,  2,  253;  vgl.  Th.  Haym  jur.  lex.  274.  —  gr  osz  - 
Vaterschaft,  /.;  don  Pasquale,  der  sich  an  den  ge- 
danken von  Vaterschaft  und  groszvaterschaft  ergötzt 
Göthe  42,  i,  69  W.  —  groszvatersessel,  m.  Göthe 
35,  236  W.;  P.  CORNELIUS  liter.  w.  8,  242;  seltene  Variante 
zum  folg.  —  groszvaterstuhl,  m.,  ein  bequemer  stuhl 
mit  rücken-  und  armlehnen  Chr.  Reuter  Schelm.  123 
ndr.;  um  in  Schlafrock,  pantoffeln  und  groszvaterstuhl 
zu  plumpen  Gaudy  3,  79;  gern  in  bildlich-parodischem 
gebrauch:  können  so  wenig  fehlen  als  der  papst,  wenn 
er  auf  seinem  heiligen  groszvaterstuhl  träumet  C.  Gib- 
ber  der  sorgl.  ehemann  (1750)  29;  diese  {die  philosophen) 
bekommen  .  .  eben  solche  kunstmäszige  Verzückungen 
auf  ihren  groszvaterstühlen,  als  die  delphische  prieste- 
rinn  .  .  .  auf  dem  dreyfusze  Raben  er  w.  2,  167;  einem 
menschen,  dem  man  den  groszvaterstuhl  eines  amtes 
giebt  und  die  Schlafmütze  einer  würde  aufsetzt  Spiel- 
hagen 1,  12;  doch  nicht  notwendig  mit  solchem  fami- 
liären beigeschmack :  Senta,  in  einem  groszvaterstuhle 
.  .  ist  im  träumerischen  anschauen  .  .  .  versunken  R. 
Wagner  l,  267;  aicch  mundartlich  hd.  und  nd.  weitver- 
breitet. —  groszvatertanz,  m.,  'ein  alter  reigen,  der 
gegen  ende  der  hochzeitsfestlichkeit  .  .  .  getanzt  wurde' 
Böhme  gesch.  d.  tanzes  l,  184;  so  genannt  nach  dem  an- 
fang  des  zugehörigen  liedes :  und  als  der  groszväter  die 
groszmutter  nahm;  &ei  Amaranthes /rauenz.  ica;.  1961 
unter  die  englischen  tanze,  so  mit  vielen  personen  ge- 
tanzet werden,  gerechnet;  beide  humpeln  den  alten 
groszvatertanz  Heine  6,493^.;  je  gröszer  die  anzahl 
der  paare  ist,  die  den  groszvatertanz  zum  traualtar 
tanzen  Gaudy  12,  18;  der  tanz  ist  im  Erzgebirge  noch 
üblich,  vgl.  Friedländer  in  der  festschrift  f.  Herrn. 
Kretzschmar  (1918)  29.  —  groszvaterweisheit,  /., 
verächtlich  G.  Frenssen  hilligenlei  234.  —  groszvater- 
winkel,  m.:  in  dem  groszvaterwinkel ,  wie  in  der 
Schweiz  der  platz  hinter  dem  ofen  benannt  wird  Gaudy 
23,  80.  —  groszvaterzeit,  /. :  {eine plattf arm)  welche 
von  groszvaterzeiten  her  noch  den  namen  Bellevue 
führte  Fr.  v.  Bülow  Velh.  u.  Klas.  monatshefte  (1902) 
1,  20». 


589  GROSZVERMÖGENHEIT-GROSZWICHTIG         GEOSZWICHTIGKEIT-GROSZWÜRDIGKEIT  590 


GROSZVERMÖGENHEIT,  /.:  es  werde  Velleda  ihrer 
bekannten  grossvermögenheit  nach  es  auch  dahin 
bringen  A.  U.  v.  Braunschweig  Oct.  6,  391 ;  vgl.  grosz- 
mögenheit.  —  groszvetter,  m.,  patruus  magnus,  avi 
patemi  vel  materni  frater  Schottel  haubtspr.  259; 
stadtr.  V.  Eisenach  127.  —  groszvieh,  n. ;  pecus  gros 
vih  DiEFENBAGH  ilO*»;  Vgl.  nov.  gl.  284*;  armentiim  grosz 
vihe  Er.  Alberus  dict.  Vu  i**;  grosz-viehe  Bas.  Faber 
thes.  82*;  ein  herd  grosz  vieh,  alsz  ochsen  und  rosz 
Calepin  XI  ling.  121'';  so  ein  oder  mehr  grosz  oder 
klein  vich,  dergleichen  fremdes  oder  heimische  rosz  in 
schaden  befanden  wurde  österr.  weisth.  3,  193,  6;  so  bis 
heute:  ein  stück  sogenanntes  groszvieh  (worunter  man 
sich  .  .  .  kleine  graspferde,  kleine  ochsen  und  kühe 
denken  musz)  Thär  grundsätze  l,  276;  auch  mundartlich: 
dein  gflüglät,  dein  graoszvieh  Stelzhamer  1,218  i2ose<7^er; 
HuPEi>  83;  ivann  das  ivort  zum  festen  compos.  verwuchs, 
ist  unsicher ;  jedenfalls  erscheint  noch  im  16.  Jh.:  mit  irem 
grossen  vich  herauf  zu  waiden  österr.  weisth.  5,  400,  38. 

—  groszvogel,  m.,  'eine  allgemeine  benennung  der 
gröszeren  eszbaren  vögeV  Adelung;  vorzüglich  schlesisch: 
dasz  ich  auch  nicht  mehr  groszvogel,  fohren  und  lachse 
essen  ..  mochteScHWEiNiCHENcfenAio.  75  Ö.;  gänsebraten 
und  groszvogel  verzehren  Flederwisch  schles.  zipfel- 
pelz 68;  ein  flug  sogenannter  'groszvogel'  (schlesische 
benennung  für  drosseln  verschiedener  gattung)  Holtei 
erz.  sehr.  38,47;  vgl.  Behlen  3,507;  übertragen:  weder 
ein  mäuschen,  noch  ein  'groszvogel',  wie  man  zuweilen 
die  .  .  ratten  nennt  Ad.  Langer  erinn.  a.  d.  l.  e.  darf- 
schult.  51;  im  sinne  von  groszes  thier  (s.  grosz  I  F  l  c  /:*): 
wenigstens  bleibens  da,  bis  der  groszvogel  kommt  (ein 
türkischer  mamamuki)  Meisl  theatr.  quodl.  2,  208,  wohl 
im  spiel  mit  groszmogul.  —  groszvogt,  m,., praefecttis 
superior,  advocatus  sublimior  Stieler  528;  'zu  Sehe- 
ningen  .  .  ist  der  groszvogt  richier  über  die  salzwerke 
und  hat  den  kleinvogt  unter,  den  salzgrafen  aber  über 
sich'  Krünitz  20,  143;  seit  dem  16.  jh.:  der  grosvogt  zu 
Wolfenbüttel,  der  amptmann  zur  Stauffenburg  {als  hohe 
beamte  des  herzogs  von  Braunschxceig)  supplic.  an  kais. 
maj.  der  mortbrenner  halben  (I54i)  ei**;  Stechau  mein 
groszvogt  sagt  Heinrich  v.  Braunschxceig  sat.  u.  pasqu. 
1,  73  Schade;  der  groszvogt  Bullan  Elis.  Charl.  v.  Or- 
leans br.  3,  4G  lit.  ver.;  auch  hätte  er  .  .  .  den  titel 
groszvoigt  bekommen  können  A.  Rikm  Tobias  Rosemond 
(1796)  1,  112.  —  groszweibel,  m.,  in  der  Schweiz,  früher 
auch  in  anderen  alem.  gebieten  gerichtsbeamjer  verschiede- 
nen ratiges;  appariior  curiae  supremus  Dentzler  2, 141*; 
ähnlich  bei  Haltaus  756,  woselbst  genauere  angaben; 
da  hat  man  lüt  darzü  geordnet,  die  daruf  lugen  sollen, 
grosweibel  und  die  andern  gemeinen  weibel  alle  Schil- 
ling Berner  chron.  49;  und  send  der  sytz  .  .  .  drey 
nebenainander,  uff  dem  ainen  stul  sitzt  der  groszweybel 
.  .,  uff  dem  andern  .  .  der  gerichtschreyber  .  .  zwischen 
denen  zwayen  .  .  der  schulthaysz  Seb.  Fischer  chron. 
v.  ulm.  Sachen  69;  mit  dem  h.  groszweibel  (Präsidenten) 
der  erbschaftskammer  Jean  Paul  11  —  14,  47;  als  grosz- 
weibel oder  Präsident  des  Stadtgerichts  zu  Bern  allg. 
dtsche  bibl..  anh.  zu  53 — 86,  1086;  bildlich:  der  satanas  ist 
eben  jetzt  groszwaibel  an  allen  höfen  Görres  br.  2,  625; 

—  grosz  weltlich,  adj.,  icas  zur  groszen  icelt  gehört 
oder  paszt,  aus  ihr  stammt;  im  19.  jh.  nicht  selten:  grosz- 
weltliche  bildung  Varnhagen  v,  Ense  denkw.  6,  229; 
dasz  Heyden  .  .  den  von  der  weit  abgelegenen  aufent- 
haltsort  in  Breslau  mit  dem  groszweltlichern  Berlin  ver- 
tausche Th.  Mundt  einl.  zu  Fr.  v.  Heydens ged.  xxvii ;  in 
ihren  geselligen  häusern  fand  man  immer  zusprach 
und  verständnisz,  bei  Kapp  umfassender  und  groszwelt- 
lieber  Jac.  Moleschott  H.  Hettnera  morgenr.  71 ;  ich 
sende  ihnen  also  diesmal  eine  halbpolitische,  grosz- 
weltliche  Zwiesprache  Pöckler  briefw.  u.  tageb.  4,  149; 
mit  anderem  suffix:  diese  grosz  wellischen  ereignisse 
musz  man  im  äuge  behalten  Göthe  35, 151  W.  —  grosz- 
wichtig,  adj.,  sehr  gewichtig  {im  sinn^  des  composi- 
tionstypua  grosz  III 1  c);  namentlich  im  15.  j/i.  sehr  häufig: 
ein  trefflich,  groswichtig,  sonderlich  exempel  Luther 
nach  DiETZ  2,  174";  groswichtige  forcht  obligender  ge- 
fahre  M.  Beuther  v.  Carlstat  prax.  rer.  crim.  (i565) 


101";  groswichtige  tahten  Schottel  haubtspr.  498;  mit 
groszer  Vorliebe  neben  zwei  bestimmten  Substantiven:  der- 
wegen  wir  nicht  .  .  .  krieg  one  groswichtige  Ursachen 
regen  .  .  sollen  E.  Menius  chron.  Carionis  (ibeo)  1,86'»;  u. 
noch  häufiger:  sein  mt.  wel  in  ainer  soliche  grosz  wich- 
tige sach  glerter  leut  rat  pflegen  städtechron.  23,  291; 
darzü  gebürt  ihm  nüchterkeit,  dasz  er  den  groszwich- 
tigen  Sachen  obligen  möge  Fronsperger  kriegsordn. 
(i564)  2*;  vgl.  noch:  eine  wichtige,  hochwichtige,  grosz- 
wichtige  sache  cofia  importante  Kramer  teutsch-ital.  2, 
1234'».  —  groszwichtigkeit,  /.;  dann  das  wölte  die 
groszwichtigkcit  der  sachen  also  erfordern  Aghatius 
416".  —  groszwild,  n.,  hochivild  Behlen  3,  507;  rüden, 
die  ,  ,  groszwild  stellten  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodena 
454;  gegenden,  in  denen  groszwild  lebt  Brehm  thierl. 
1,  453  P.L.  —  groszwirtschaft,  /.,  tcirtschaft  im 
groszen  {vgl.  grosz  III  4  e) :  die  vortheile  der  groszwirth- 
Schaft  über  die  kleinwirthschaft  nachzuweisen  V.  A. 
Huber  Concordia  (1849)  3;  dasz  .  .  die  gesammte  grosz- 
wirthschaft  des  alterthums  auf  dem  Sklavenbetriebe 
ruht  Mommsen  röm.  gesch.  2,  77;  den  .  .  anachronismus 
.  .  dieser  rückwendung  von  dem  .  .  Staate  der  neuzeit 
zu  der  groszwirtschaft  der  eroberung  {bei  Napoleon) 
reden  und  aufsätze  62;  concret,  groszer  landwirtschaft- 
licher betrieb:  an  solchen  straszen  wurden  einzelne 
grosz  wirtschaften  angelegt  Wimmer  gesch.  des  dtschen 
bodens  81.  —  grosz  wortig,  adj.,  wer  oder  icas  sich 
in  pomphaften,  hochtrabenden  loorten  ergeht:  der  Jugend 
macht  das  groszwortige  mehr  den  eindruck  des  heroi- 
schen als  die  schlichte  grösze  des  Homer  Gervinus 
Shakesp.  1,  64;  in  jener  grosz  wortigen,  rhetorisch  pomp- 
haften art  geschrieben  119;  eine  Schöpfung  und  ein 
lieblingsausdruck  dieses  autors,  der  weiter  gewirkt  hat: 
mit  groszwortiger  schwäche  Mommsen  röm.  gesch.  3,  lll; 
worin  es  {das  comite)  .  .  sie  grosz  wort  ig  versicherte, 
dasz  das  ganze  christliche  Europa  auf  das  Züricher 
Volk  blicke  Th.  Ziegler  D.  Fr.  Strausz  l,  314;  vgl.  schon 
grotwordich  magniloquus  Diefenbach  343°.  —  grosz- 
würde,  /.,  nicht  selten  für  groszwürdenträger :  der 
Ordensversammlung  .  .  .,  in  welcher  auszer  dem  grosz- 
meister  und  den  groszwürden  die  landschaftsmeister 
saszen  Raumer  gesch.  d.  Hohenst.  l,  493;  haupt-doctoren, 
d.  i.  die  groszwürden  der  gelehrten  buddhistischen 
geistlichkeit  Ritter  erdk.  4,  217;  Metternich  und  alle 
die  groszwürden  der  reaction  Varnhagen  v.  Ense  tage- 
bücher  2,  367.  —  groszwürdenträger,  m.,  erst  im 
19.  jh.  {zum  compos.  typus  grosz  III  4  k):  die  andern  grosz- 
würdenträger des  reichs  Ritter  erdk.  4,  250;  die  enge 
Verbindung  Hugos  mit  dem  leitenden  groszwürdenträger 
der  kirche  Ranke  8,  19;  axich  mannigfach  übertragen: 
Schelling  und  Cornelius  in  allen  ehren,  und  ich  er- 
kenne sie  gewisz  als  groszwürdenträger  Varnhagen  v. 
Ense  tageb.  l,  241:  zu  den  von  ihm  {Gervinus)  aus  eige- 
ner machtvoUkommenheit  creirten  groszwürdenträgern 
Apollos  Hebbel  I  12,  81 ;  er  kommt  mir  wie  ein  grosz- 
würdenträger des  Schicksals  vor  H.  Hanke  witwen  l, 
272.  —  grosz  würdig,  adj.,  gesteigertes  würdig  im  sinne 
des  compositionstypus  grosz  III  l  c;  namentlich  im  16.  jh. 
recht  häufig:  die  grosswirdigen  frei  und  banierherren 
M.  V.  Kemnat  chron.  Friedrichs  I.  16;  disem  scheyn- 
baren,  grosswyrdigen  man  Catoni  Schwarzenbero 
Cicero  66^;  wie  das  {sc.  gebet)  so  ein  groszwürdig  ding 
.  .  dem  menschen  manuale  curat.  (1516)  61*;  wie  hoch- 
würdig {s.  d.)  gern  in  geistlicher  titulatur:  beruret  sie 
mit  dem  wirdigen  heilitum  des  groszwirdigen  heiligen 
sant  Bernhardins  städtechron.  10,  192; 

gar  fursichti?  maister  die  schul  sant 
groszwirdig  gen  Gonstenz  dar 

histor.  volksl.  1,232  Lü.; 

die  eerlichen  schrift,  uns  von  hochgenanter  grosz  wür- 
diger botschaft  Überantwort  sat.  u.  pasqu.  3,  85  Schade; 
dasz  sie  für  ihro  groszwürdige  expectanz  und  dero  titel 
alle  einsieht  haben  Linden born  Biogenes  l,  719.  — 
groszwürdigen,  vb.,  magnificare:  {die  enget)  groswir- 
digeten  gott  Bocksiuk's  erweisung  d.  fr.  willens  (1524) 
Bl*.  —  groszwürdigkeit,/.,  magnificentia  vocabul. 
predic.  (i486)  p  lO*»;    das  beyder  regiment  fürhaben  .  .  . 


L 


591 


GROSZZAHL  —  GROTESK 


GROTESK 


592 


sehr  gleich  gewesen  seine! ,  nicht  allein  in  den  an- 
schlegen,  sonder  auch  in  der  grosswürtigkait  Xylander 
Pohjbius  49.  —  groszzahl,/..  heute  in  obd.  Schrift- 
sprache recht  gebräuchlich  für  mehrzahl:  früher  waren 
die  .  .  riesen  der  Schöpfung  der  groszzahl  des  Volkes 
etwas  völlig  fremdes  Busz  d.  ersten  25  jähre  d.  Schioeiz. 
alpencl.  3;  die  groszzahl  der  menschen  hält  ihn  doch 
für  das  genie  R.  H.  Bartsch  zwölf  a.  d.  Steierm.  229; 
vgl.  grosztheil.  —  groszzehnte,  m.,  getreidezehend  im 
gegensatz  zum  küchendienst  Unger-Khull  309**:  zu 
Donbach  ist  der  groszzehenden  ganze  eins  apts  .  .  .. 
und  der  klein  zehenden  das  zweiteil  weisthümer  6,  9; 
grosz-  und  kleinzehend  ist  vorhin  meidung  beschehen 
bad.  weisthümer  i,  1,  80.  —  groszzügig,  adj.,  tcas 
einen  zug  ins  grosze,  groszen  stil  hat;  junge  bildung: 
diese  groszzügige,  farbige  Verherrlichung  von  freiheit 
und  Vaterland  Betsy  Meyer  59;  dasz  die  Verhandlungen 
{des  Senats)  einen  sehr  groszzügigen  eindruck  machten 
K.  V.  ScHLÖZER  mexikan.  br.  8;  einer  lebensinbrunst, 
die  durch  die  nähe  des  todes  etwas  groszzügiges  und 
erhabenes  bekommen  hatte  A.  F.  Krause  sonnensucher 
378;  namentlich  von  Unternehmungen  aller  art:  zu  solch 
groszzügiger  Operation  reichte  Japans  kriegerische  macht 
nicht  mehr  aus  v.  Alten  9,  772 ;  (e*)  begann  eine  grosz- 
zügige bearbeitung  der  öffentlichen  meinung  3,  94;  in 
den  letzten  Jahrzehnten  geradezu  ein  modetoort.  —  grosz- 
zügigkeit,  /. .•  er  hat  sie  (fragen)  mit  einer  eindring- 
lichkeit  gestellt  und  mit  einer  groszzügigkeit  beant- 
wortet Raoül  Richter  essays  106. 

GROT,  auch  groot,  grote,  groten,  m. ,  'eine  silberne 
Scheidemünze  von  dreiergrösze  in  Niedersachsen  und  den 
Niederlanden,  welche  i  pf.  co7iv.  .  .  beträgt'  Schmieder 
213;  7neist  werden  72  auf  einen  reichsthaler  gerechnet 
Marperger  kaufmannsmag.  228;  genaueres  bei  Frisch 
1,  375*=;  Krünitz  20,  143;  vgl.  Kalke  118*»;  die  bouteille 
{kostete)  2  reichstaler  36  grote  J.  F.  Castelli  mem.  2, 
187;  geprägt  wurde  der  gröt  nur  in  Bremen  und  Olden- 
burg; die  bezeichnung  stammt  aus  dem  nl.,  woher  auch 
das  engl,  groat  übernommen  ist  (Edw^.  Schröder);  zti 
gründe  liegt  offenbar  frz.  gros,  vgl.  groschen  I  l.  dazu 
grotstück  Marperger  kaufmannsmag.  228. 

GROTEN,  'eben  das  was  adlersteine'  Voigt  mineral. 
abhandl.  (1789)  2,  276,  also  anscheinend  eine  pluralform; 
groten  'ein  trivialname  der  eisenniere'  Blumhof  eisen- 
hüttenk.  2,  491 ;  herleitung  ? 

GROTESK,  adj.  l)  eigentlich:  in  der  art  der  gro- 
tesketimalerei  oder  -bildnerei;  s.  «.  groteske:  aus  ital. 
grottesco  über  frz.  grotesque;  grotesque  wird  diejenige 
arbeit  der  bildhauer  und  mahler  genennet,  darinnen 
sie  allerhand  ungeschickte  .  .  .  bildungen  von  thieren, 
vögeln,  halben  menschen,  waffen,  laubwerk  u.  dgl.  künst- 
lich durcheinander  geflochten  vorstellen  allg.  haush.  lex. 
1,623;  grotteske  mahlerey  Jagemann  547;  täfelwerck, 
welches  mit  allerhand  grotesquen  zügen  .  .  überstrichen 
J.  B.  V.  Rohr  ceremonieliviss.  d.  privatpers.  (l728)  524;  mit 
einer  grotesken  Vignette  gezieret  lit.  br.  9, 36 ;  es  ist  nicht  un- 
wahrscheinlich,  dass  das  groteske  schon  in  den  alten 
Zeiten  in  Ägypten  aufgekommen  sei  Sülzer  theorie  d.  seh. 
künste  2,  448 ;  zunächst  also  ein  rein  technischer  ausdruck 
für  eine  bestimmte,  antiker  Ornamentik  entlehnte  form 
künstlerischen  bildens;  aber  noch  innerhalb  dieser  Sphäre 
bald  mit  einer  färbung ,  die  das  wunderliche,  verzerrte 
unterstreicht:  wir  haben  groteske  figuren  der  menschen 
und  thiere,  groteske  Verzierungen  .  .  .  unnatürlich,  selt- 
sam, wunderlich  kann  man  dafür  sagen  K.  Ph.  Moritz 
wb.  d.  dtsch.  spr.  i,  232;  mit  diesen  französischen  waa- 
ren  kam  auch  bei  uns  ein  anderer  geschmack  in  den 
zierrathen  .  .  bunt  und  grotesk  .  .  zum  Vorschein  Nico- 
lai reise  l,  256;  findest  du  das  landhaus  auf  altertüm- 
liche groteske  weise  mit  bunten  gemalten  Zieraten  ver- 
schmückt E.  Th.  A.  Hoffmann  3,  260  Gris.;  {der  thurm) 
mit  seinen  steingebilden,  grotesken  köpfen  von  thieren 
und  menschenfratzen  Kerner  bilderb.  237;  die  mytho- 
logie  bietet  manche  andre  grotteske  gegenstände  dar, 
die  sich  damit  {m,it  der  chimära)  vereinigen  lieszen 
Welgker  alte  denken,  l,  173. 


2)  als  das  wort  aus  diesem  kreise  heraustritt,  zunächst 
doch  noch  von  sinnlich  anschaulichem,  im  sinne  wunder- 
lich geformt,  verworren,  verzerrt: 

unbehauener  marmor  erhob  groteske  gestalten 

BoDMEK  Noah  (1752)  388; 

groteske,  malerische  felsen  Oken  allg.  naturgesch.  i, 
583;  die  grotesken  und  weitberufenen  klippen  A.  v. 
Humboldt  ans.  der  natur  l,  59;  in  ähnlichen  Verbin- 
dungen sehr  beliebt;  vom  berge  sah  ich  nichts  als  zwei- 
felhafte groteske  umrisse  Laube  8,  227;  {eines  kirch- 
thurms)  grotesk  geformte  schneehaube  Fontane  I  2,  Gl; 
gern  auch  auf  das  seltsame,  verzerrte  menschlicher  er- 
scheinungen  angewendet:  so  darf  er  nur  die  aller  gro- 
tesquesten  figuren  von  narren  auf  das  papier  werfen 
Lessing  5,  145  M.;  es  ist  ein  grotesker  anblick,  diesen 
pigmäen  zu  sehen  J.  A.  Gramer  nord.  aufs,  i,  372;  die 
gesiebter  grotesker  höllengeister  J.  G.  Jagobi  1,  96;  der 
köpf  der  königin  am  postament  ist  eine  .  .  karrikatur, 
da  einige  ähnlichkeit  mit  den  groteskesten  zügen  ge- 
paart ist  Iffland  br.  l,  170  Qeiger;  dieser  verneigte  sich 
unter  einem  grotesken  mienenspiel  Fontane  I  5,  254; 
den  springenden  tanz  der  bauern  .  .  in  seinen  grotesken 
fuszstellungen  Böhme  gesch.  d.  tanzes  i,  89;  das  .  .  perso- 
nal tanzte  dazu  .  .  allerlei  groteske  Sprünge  B.  v.  Ar- 
nim Cl.  Brentanos  frühlingskr.  188;  den  grotesken  runde - 
tanz  Fr.  H.  Jacobi  l,  9;  auch  terminologisch:  die  gro- 
teske gattung  {des  tanzes),  die  ihre  züge  aus  dem  .  .  . 
niedrig- komischen  Schauspiel  entlehnt  Ayrenhoff  5, 
312;  vgl.  grotesktanz;  das  durchsichtige  groteske  kleid 
verhüllte  sie  nicht  H.  P.  Sturz  sehr.  2,  371;  bildlich: 
einige  haben  sie  {Wolfs  sätze)  gar  mit  grotesquen  klei- 
dungen  verhüllet  Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs. 
7,  645;  obdachsuchende  in  groteskem  aufzug  0.  Ludw^ig 
2,  585;  schon  weitiger  concret:  {ein  fehler  der  Niederlän- 
der) ist,  dasz  sie  lieber  die  besondere,  seltsame  und 
groteske,  als  die  allgemeine  und  reitzende  natur  sich 
zum  vorbilde  wählen  Lessing  lo,  180  JSI.;  das  bunte, 
groteske,  mit  allerlei  fratzhaften  figuren  staffirte  bild 
meines  vergangenen  theaterlebens  E.  Th.  A.  Hoffmann 
4,  11  Gris.;  was  kann  unser  leben  anders  sein,  als  ein 
leeres  groteskes  traumbild?  Tiegk  sehr.  7,  228. 

3)  ins  unsinnliche  übertragen;  früh  in  Verbindungen 
wie:  übertrifft  alles,  was  eine  groteske  einbildungskraft 
jemals  .  .  .  erdacht  hat  Zimmermann  nat.  stolz  259; 
larven  aus  dem  launigen  reiche  der  grotesken  und  bi- 
zarren Phantasie  Fr.  M.  Klinger  3,  80;  seine  unge- 
heuren und  grotesquen  Vorstellungen  K.  Ph.  Moritz 
Ant.  Reiser  (i790)  429;  es  fehlte  {in  den  latein.  passen)  .  . 
nicht  an  grotesken  einfallen  Mommsen  röm.  gesch.  2, 
442;  und  mannigfach  so7ist:  {man)  sah  alle  gebrauche, 
alle  gewohnheiten,  .  .  so  grotesk  und  bizarr  sie  auch 
seyn  mochten  Fr.  M.  Klinger  lo,  99;  ich  habe  ihm 
den  grotesken  tittel  vorgeschlagen:  'der  eremit'  Schu- 
bart br.  1,  60  Str.;  darum  war  sein  Widerwille  gegen 
den  geheuchelten  .  .  ernst  unserer  tage  oft  so  grotesk 
und  bizarr  Tieck  sehr.  4,  20;  eiiie  altgeläufige  Verbin- 
dung: unter  einem  .  .  mischmasch  .  .  andächtiger  Wort- 
spiele, grotesker  Charaktere  und  schwülstiger  declama- 
tionen  Wieland  Agath.  2,  41 ;  die  bizarren  und  gro- 
tesken Charaktere  {Shakespeares)  Grabbe  4,  147;  oft  mit 
dem  beisinn  des  läcJierlichen,  komischen:  so  entsteht  als 
neue  form  des  komischen  das  phantastisch  komische 
oder  grotteske  Fr.  Th.  Vischer  äsih.  2,  462;  jene  natur- 
kraft,  .  .  .  die  das  tragische  und  komische,  ernst  und 
scherz,  erhabenes  und  groteskes  in  einem  ganzen  faszt 
Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  5,  31;  die  rolle  schil- 
lert in  allen  färben  .  . ,  vom  grotesken  bis  in  das  furcht- 
bare G.  Freytag  14,53;  in  grotesken  knittelversen  JuSTi 
Wtnckelmann  i,  240;  das  ganze  groteske  mährchen  seiner 
heilung  vom  aussatze  Döllinger  ak.  vortr.  l,  76;  so- 
gar: so  brachte  er  .  .  fünf  groteske  minuten  .  .  damit 
zu,  dasz  er  .  .  den  vernünftigsten  hofdamen  .  .  die  haut 
abschund  in  gedanken  Jean  Paul  l,  236;  aber  auch: 
es  liegt  etwas  erhabenes  in  dem  gräszlich  grotesken 
seiner  Schilderung  Ranke  8,  134;  der  regierung  Hein- 
richs VHL  giebt  es  eine  widerwärtige  groteske  färbung, 


593 


GROTESKE 


GROTESKENARBEIT  —  GROTTE 


594 


wie  .  .  2 14,  161;  das  groteske  beruht  oft  auf  der  mischung 
oder  dem  gegensatz  heterogener  elemente:  eine  höchst 
groteske  mischung  vom  antiken  und  modernen  Knigge 
roman  2,  15 ;  wenn  ich  singe,  ist  es  wie  ein  armer  Wald- 
vogel, der  aus  reminiscenzen  sich  ein  groteskes  ge- 
mengsei zusammenbraut  Pückler  briefic.  u.  taget.  6,  12; 
ein  grotesker  contrast  mit  diesem  schmutz  der  gewinn- 
sucht  seiner  leute  Ranke  2i5,  io7;  oder  im  karrikierten, 
übertreibenden:  gewissermaszen  erscheint  in  Winckel- 
manns  katholicismus  nur  seine  alte  unwahre  Stellung 
zur  kirche  carikirt  bis  zum  grotesken  Justi  Winckel- 
mann  1,  324;  hinter  allerlei  scheingründen,  in  deren 
übermütiger  und  etwas  grotesker  ausmalung  er  sich 
geflel  Fontane  l4, 62;  in  den  letzteren  (gesungen)  nimmt 
die  angeborne  neigung  {der  Melanesier)  zu  Übertrei- 
bungen oft  einen  grotesken  Charakter  an  Ratzel  Völker- 
kunde 2,  227. 

4)  adverbial  in  Verbindung  mit  adjectiven;  vor  allem 
grotesk-komisch :  (grotesk  wurde)  nachher  zu  einem  all- 
gemeinen kunstwort,  das  auch  zu  einer  besonderen 
Unterscheidung  des  komischen  dienen  muszte,  das  man 
nun  da,  wo  es  ins  possirliche  und  phantastische  fällt, 
das  grotesk- komische  nennt  K.  Ph.  Moritz  r-eisen  in 
Italien  (1793)  3,  232;  die  bildung  scheint  eine  Schöpfung 
Mosers  ;  sie  wurde  alsbald  allgemeingut  durch  seine 
gegen  Gottsched  gerichtete  Streitschrift  Harlekin  oder  ver- 
theidigung  des  grotesk-komischen  (l76l);  ich  kenne  keine 
muse  so  grotesk-komisch  Thümmel  reise  2,  87;  nur  das 
grotesk  komische  miszlingt  ihm  immer  Schubart  ästh. 
d.  tonk.  114;  sie  .  .  .  gestatteten  ihr  um  ihrer  grotesk- 
komischen erscheinung  .  .  überallhin  zutritt  Fontane 
I  2,  252 :  vgl.  das  nennen  sie  laune  heut  zu  tag,  so  ko- 
misch grotesk  zeug  maler  Müller  l,  328;  anderes  nur 
als  gelegenheitsbildung :  ich  will  hier  mein  buch  nicht 
mit  kupferstichen  der  carcer  von  allen  Universitäten 
schmücken,  es  sollte  sonst  wol  ein  grotesque- schöner 
anblick  seyn  J.  D.  Michaelis  raisonnement  (1776)  4,  338; 
(häuser)  die  nicht  so  wunderbar  grotesk  fromm  decorirt 
sind  J.  Schopenhauer  jugendleben  2,  42;  ein  sommer- 
palais  in  diesem  groteskpretiösen  und  galant  geschnitz- 
ten style  Bog.  Goltz  jugendl.  3,  50. 

GROTESKE,  /.  l)  in  der  maierei  und  bildnerei  'Ver- 
zierungen von  seltsamen  einfallen,  welche  aus  laubwerk, 
blumen,  fruchten,  figuren,  thieren  etc.  zusammengesetzt 
sind'  FiJszLi  künstlerlex.  (1763)  xi";  aus  ital.  grottesca 
über  das  frz.  grotesque ;  bei  Wolff  mathem.  lex.  (1734) 
589  noch  als  fremdwort  grotesques;  die  bezeichnung  leitet 
sich  ab  von  den  die  grotte  genannten  unterirdischen 
{heilen  antiker  kaiserpaläste  und  thermen  zu  Rom,  in 
denen  man  solche  Verzierungen  als  wand-  und  decken- 
decoration  fand;  vgl.  dazu  auch  Göthe  im.  Benvenuto 
Cellini  43,  85  W. ;  seit  dem  frühen  18.  jh.  nachzuweisen : 
grotesque  promiscua  forinarum  inter  se  non  convenien- 
tium  pictura  Apinus  gloss.  nov.  258;  der  aufrisz  der 
einen  seite  enthält  in  lauter  grotesquen  das  leben  des 
.  .  beiden  Aeneae  P.  Decker  fürstl.  bäum.  (l7il)  l  b^; 
oder  es  werden  um  die  bilderrahmen  grotesquen  ge- 
mahlet L.  Chr.  Sturm  vollst,  anweis.  (1718)  29;  thiere, 
Chimären,  grotesken  und  andere  thorheiten  Göthe  49, 

224  W. 

2)  bei  übertragenem  gebrauch  gern  in  anwendung  auf 
andere  künste;  zuweilen  der  ursprünglichen  bedeutung 
noch  nahestehend,  geivöhnlich  aber  in  dem  entwickelteren 
sinne  des  adj.  (s.  d.  2.  3):  hat  ihm  (Salomo)  der  zufall 
all  zu  viel  ehre  erwiesen,  seine  poetischen  grotesken 
bis  auf  unsere  zeiten  zu  erhalten  Thümmel  reise  4, 
286 ;  mit  den  reizenden  grotesken  des  göttlichen  meister 
Ariosto  Fr.  Schlegel  5,  136;  solche  grotesken  und  be- 
kenntnisse  (wie  in  Jean  Fauls  romanen)  6,  215;  auch 
terminologisch:  der  grüne  kakadu.  groteske  in  einem 
akt  Schnitzler  (1899);  die  erste  oder  unterste  classe 
(der  theatralischen  tanze)  wird  groteske  genennt  Sulzer 
theorie  d.  seh.  künste  4,  506;  auch  sonst  verschiedenartig 
von  grotesken  bildern  und  gebilden:  sollte  man  nicht 
glauben,  sie  (diese  phraseologie)  wäre  aus  tragischen 
harlekinaden ,   politischen  grotesken  .  .  .  zusammenge- 

IV.  1.  6. 


hangen?  Gerstenberg  recens.  119  lit.  denkm.;  eine  der 
tollsten  politischen  grotesken  Mommsen  röm.  gesch.  3, 
293;  da  wir  .  .  uns  in  gefahr  sehen,  ihre  grotesken  (in 
der  kleidung)  für  den  geschmack  einer  ganzen  nation 
anzunehmen  J.  E.  Schlegel  5,  ll ;  schlieszlich  ganz  ab- 
stract:  er  (Shakespeare)  hat  alles  .  .  .  sogar  den  geist 
der  groteske  Gersten berg  schlesw.  litbr.  125  lit.  denkm. 
8)  in  der  druckersprache  von  einer  besonderen  schrift- 
type, der  Steinschrift  Klenz  49*'.  —  dazu  compositionen 
wie:  groteskenarbeit  Schwan  nouv.  dict.  1,  795*; 
-artig:  und  schienen  in  die  masse  nicht  graviret,  son- 
dern .  .  .  groteskenartig  ganz  erhaben  darauf  zu  stehn 
G.  Reg  IS  Babelais  (1832)  l,  922;  -buch:  ist  aber  ein 
feine  legenda  von  diesem  fabelhansen  und  ist  über 
desz  Christophen  Jamnitzers  von  Nürnberg  neu  grot- 
teszken  buch,  welcher  allein  nur  die  blaszbälg  fliegend 
gemahlet  B.  Sartorius  der  Schneider  .  .  xoiderlegung  25; 
-maler  Schönaich  ästhetik  9l;  Beil  techn.  wb.  1,262; 
-maierei  ib.;  in  bezug  auf  bühnen gestalten  lit.  br.  12, 
849;  -werk  Schwan  nouv.  dict.  i,  795*.  —  grotes- 
kisch, =  grotesk  3: 

freund,  im  groteskischen  gemische 
kannst  du  an  jedem  kleinen  tische 
des  bunten  saales  rotten  sehn 

Löwen  sehr.  3,  190. 

—  groteskkünstler:  Nietzsche  als  kritiker  war  zu- 
letzt durchaus  karikaturist  und  groteskkünstler  Th.  Mann 
betracht.  e.  unpol.  841;  -manier:  es  liegt  also  gerade 
in  der  groteskmanier  etwas  befreiendes  R.  Hamerling 
13,  272;  -stil:  nüchternheit  verträgt  sich  sehr  wohl  . 
mit  einem  kritischen  groteskstil  Th.  Mann  betracht.  e. 
impol.  342;  -Sprung:  worüber  der  alte  .  .  einen  freu 
digen  .  .  grotesksprung  machte  I.  v.  Pöck  humor.  luatw. 
102;  -tanz,  terminologisch  von  mehr  oder  minder  excen 
irischen  tanzen,  Vischer  ästhet.  3,  1153;  die  mazurka 
(gehört)  .  .  auch  in  Deutschland  zu  den  beliebten  und 
gefälligen  grotesktänzen  Böhme  gesch.  des  tanzes  223; 
aber  auch  freier:  sechs  feuerfarben  angezogene  geister, 
die  einen  grotesktanz  aufführen  Raimund  l,  201;  -tän- 
zer  Vieth  encycl.  der  leibesüb.  2,  450;  angegriffen  von 
den  unglaublichen  exhibitionen  eines  grotesktänzers 
Göthe  III  13,  316  W. 

GROTT,  m.  und  n.,  nd.  wort,  das  verrottete,  verfaulte, 
verwitterte,  in  Verwesung  übergegangene  bezeichnend:  es 
reiszt  wie  grott  Frischbier  l,  256'';  grot,  m.,  das  zer- 
riebene, zerfallene,  gemüll,  schutt,  kehricht,  abfall,  aus- 
wurf  Schambach  69'';  es  befindet  sich,  dasz  eine  par- 
tey  (ziegelMeine)  daurhaftig,  eine  andere  partey  in  grot 
und  staub  sich  verändert  ältere  quelle  bei  Frischbier; 
hierher  vielleicht  auch:  'grot  ne7int  man,  wenn  an  den 
buchstaben  .  .  abgeschliffenes  metall  sitzen  bleibt'  Täubel 
buchdruckerk.  8,  69;  Frischbier  hat  grott  auch  als  adj., 
verrottet,  m.orsch,  spröde,  verlegen  u.  ä.,  dafür  grottig 
E.  Lemke  volkstüml.  in  Oslpr.  l,  167;  grottige  stein  ver- 
ivitterter  stein  Mi  29*;  grottstein  Frischbier;  er  denkt 
an  *gerott  zu  nd.  rotten  verinodern,  verwesen,  s.  th.  8, 
1320. 

GRÖTTCHEN,  n.,  demin.  zu  grotte: 

heimlicli  dunkelt  ein  gröttchen 

Matthison  ged.  (1802)  115; 

mir  dienet  zur  kapelle 
ein  gröttchen,  duftigfrisch 

Salis  ged.  (1793)  61; 

in  seinem  gröttchen  ist's  gar  fein 

Göthe  13. 1, 106  W. 

GROTTE,  /.,  um  1600  entlehnt  aus  ital.  grotta;  doch 
erscheint  die  fremde  form  noch  im  ganzen  17.  jh.  nicht 
selten:  die  grotta  oder  hole  unter  dem  schlossberge 
R.  Lubenau  beschr.  d.  reisen  59  Sahm;  eine  kleine  grotta, 
unter  welcher  zween  drachen  ligen  Er.  Francisci  luft- 
kreis (1680)  89;  ein  grotta  von  tufft-steinen  oUapatr.  90 
ndr.;  weiteres  bei  Schulz  fremdwb.  257. 

l)  das  wort  erscheint  zufrühest  in  einer  bedeutung,  die 
fast  synonym  mit  höhle  ist:  crypta,  caverna,  antrum, 
specus,    latibulum,   lustrum   Stieler  691;    grotte   notat 

38 


595 


GROTTE 


GROTTELN  -  GROTTENARTIG 


596 


enim  cryptam  et  specum  concameratum  subterraneum 
1043;  bei  der  alten  stadt  Malta  ist  ein  höln  oder  grotte 
mit  zwein  gemachen  unter  der  erden  H.  Megiser  Malta 
(1610)  24;  und  so  bis  ins  19.  jh.:  das  geräusche,  das  man 
in  einigen  grotten  hört  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  87 — 52, 
496;  die  alten  .  .  holten  das  eisenerz  .  .  aus  unterirdi- 
schen grotten  K.  0.  Müller  Etrusker  1,  241;  die  in 
Wäldern  oder  grotten  irrenden   seelen   Ratzel  völkerk. 

2,  335;  freilich  je  später,  je  mehr  poetisclier  spräche  zu- 
gewiesen: 

furchtbar  billt  aus  dampfender  grotte  .  . 
Garm  der  höllenhund! 

Gerstenberg  ged.  e.  skalden  367  Ut.  denkni.; 

lebt  wohl  ihr  grotten  und  ihr  kühlen  brunnen! 

Schiller  13, 187  O.; 

für  dich  stieg  ich  in  grotten, 
die  kein  tagesstrahl  durchschlich 

MALER  MÜLLER  1,  202; 

{im  meer)  wo  tief  in  den  krystallnen  grotten 

noch  ganze  lebensgattungen,  versteckt, 

der  forsch ungen  . .  spotten  Rückert  3, 132 ; 

was  die  grotte  von  der  höhle  sondert,  ist  die  Vorstellung 
des  gewölbten,  einigermaszen  regelmäszigen  baues.  der  ge- 
machähnlich abgeschlossen  und  gewöhnlich  von  geringer 
tiefe  ist:  sie  {die  höhlen)  bestehen  entweder  aus  bloszen 
gangen  .  .  .  oder  aus  einer  oder  mehreren  hinter  und 
unter  einander  liegenden  grotten  (in höhlen)  citat  bei 
Fr.  L.  Jahn  bereich.  d.  hd.  sprachsch.  48;  die  .  .  .  be- 
rühmte Baumannshöhle  am  Harze  .  .  aus  6  einzelnen 
grotten  bestehend  Gehler  ^A«/sic.  wb.  5,  1,  400;  in  einem 
dorfe,  wo  in   einer  grotte  eine  sinagoge  war   Stifter 

3,  22  Sauer;  freilich  auch:  weite  grotte,  welche  sich  im 
hintergrunde  . .  wie  unabsehbar  dahin  zieht  R.  Wagner 
2,4;  die  tiefste  höhle,  die  man  kennt,  die  grotte  von 
Antiparos,  ist  über  dreyhundert  faden  tief  F.  Th.  v. 
Schubert  2,  185;  die  blaue  grotte  auf  Capri;  die  Adels- 
berger  grotte;  charakteristisch  ist  die  Verbindung  von 
grotte  und  wasser:  (Susanna)  in  einer  wasserreichen 
grotta  .  .  sich  anfieng  zu  baden  Abrah.  a  St.  Clara 
etw.  f.  alle  2,  318 ;  sie  in  eine  grotte  nächst  dem  brunn 
.  .  sich  begeben  muste  A.  U.  v.  Braunschweig  Oct. 
1,  316;  in  die  grotte  des  Posilippo  Göthe  31,  17  W.;  eine 
.  .  starke  quelle,  die  in  einer  natürlichen  grotte  springt 
Jung-Stilling  4,  417; 

wie  dem,  der  aus  des  Wasserfalles  toben 
in  eine  stille  grotte  niedersteigt 

Raupach  dram.  werke  kam.  gattg.  1,268; 

die  quelle  tritt  in  einer  höhle  oder  grotte  .  .  .  zuerst 
aus  dem  geheimnis  der  unterweit  hervor  Moltke  sehr. 
u,  denkw.  l,  126. 

2)  die  antike  Vorstellung,  die  die  grotten  zum  wohnsitz 
von  göttern  und  allerlei  mythischen  wesen  machte,  vjird 
seit  der  renaissance  poetisch  erneuert: 

f laich  wie  aus  einer  grott'  auf  einen  Schauplatz  steigt 
)iana  D.  v.  d.  Werder  ras.  Roland  1.  ges.  52.  str.; 

eine  grotte  (ijn  hain  des  Apollo),  welche  ein  uralter 
glaube  .  .  von  den  nymphen  bewohnt  glaubte  Wieland 
Agathon  l,  267;  alle  faunen  und  satyrn  .  .  verschlieszen 
sich  tief  in  ihre  grotten  maler  Müller  l,  130;  wasser- 
wesen  stehen  im  Vordergrund:  die  najaden  schertzen  in 
ihrer  crystallenen  grotte  Ramler  einl.  in  die  schönen 
ivisaensch.  i,  149;  der  Albunea  rieselnde  grotten  lyr.  ged. 
221;  die  darstellung  einer  Wassernymphe,  welche  mit 
dem  üblichen  kruge  ...  in  der  gewohnten  grotte  am 
wasser  sasz  Seidel  vorstadtgesch.  105;  vgl. 

ihr,  die  ihr  wähnt,  auf  nie  betretner  spur 

bis  in  die  grotte  der  natur 

kühn  wie  Prometheus,  einzudringen 

Gotter  l  (1787),  281 ; 

alsdann  die  bangen  träume  fliehen 
und  schwarzgeflügelt,  wie  die  nacht, 
mit  ihr  zugleich  in  ihre  grotte  ziehen 

Uz  poet.  w.  82  Ut.  denkm.; 


ähnlich: 


wo  sie  {die  zeiten)  mit  ihren  jähren,  ihren  tagen 
noch  in  der  zukunft  grotte  lagen 

Kretschmann  1,  258; 


dann  überhaupt  gern  als  aufenthaltsort  von  m,enschen 
und  thieren  gedacht,  mag  es  sich  um  natürliche  oder 
künstliche  höhlungen  handeln:  in  den  exkavationen,  den 
grotten,  den  pagoden  der  Inder  Hegel  9,  164;  in  einem 
der  entfernteren  {hügel)  sind  grotten  und  weitläuftige 
gemacher  ...  in  felsen  gehauen  Ritter  erdk.  l,  192; 
weil  sie  (die  Eskimos)  sich  frühzeitig  übten,  grotten  in 
den  schnee  oder  .  .  hütten  aus  schneeblöcken  aufzu- 
thürmen  Peschel  völkerk.  188;  wenn  .  .  dieses  (thier) 
sich  eine  unterirdische  grotte  in  dem  abgelegensten 
winckel  eines  waldes  bauet  disc.  d.  mahlern  l,  8;  'gruft': 

ein  Schauder,  wie  er  uns  in  grotten  oft  ergreift, 
wo  stolze  könige  .  . . 
gleich  uns  im  staube  ruhn 

Zachariä  ziuei  polem.  ged.  3  Ut.  denkm. ; 

vergleichbar  iceiterhin :  unten  (am  berge)  grotte  mit  ver- 
bau, darin  ein  götterbild  archäol.  ztg.  v.  Gerhard  l,  149; 
Bridi  hatte  in  dem  .  .  tempel  der  harmonie  Mozart  .  . 
aufgenommen  und  ihm  in  einer  melancholischen  grotte 
ein  denkmal  .  .  .  geweiht  0.  Jahn  Mozart  4,  742;  bau- 
hütte  Lueger  2,  58;  kleiner  räum,  bett  Müller-Frau- 
reuth   1,  446*. 

3)  prägnant  bezeichnet  grotte  eine  künstlich  angelegte 
höhle,  die  mit  allerlei  Wasserkünsten  versehen,  mit  tuff- 
steinen,  muscheln,  Versteinerungen  etc.  verziert  ist;  sie 
spielte  in  der  gartenbaukunst  des  17.  und  18.  jhs.  eine 
grosze  rolle:  grotten  sind  dunckle  holen  in  lustgarten, 
welche  mit  fontainen,  cascaden  etc.  ausgezieret  Spa- 
NUTius  265;  bei  Stieler  1043  als  kunst-  sive  garten- 
grotte  crypta  topiaria,  waszergrotte  crypta  hydraulis  et 
salientihus  fontibus  instructa  von  der  einfachen  grotte 
gesondert;  vor  hinüber  hats  ein  grotta,  darin  wird  Or- 
pheus sampt  einer  .  .  anzahl  thier  .  .  gesehen  Furten- 
bach itin.  Italiae  (1627)  104;  ich  geschweige  der  wasser- 
speyenden  grotten  Prätorius  anthropod.  pluton.  i,  314; 
gleichet  das  angesicht  einer  grotta,  in  dero  mitte  an 
statt  der  Wasserkunst  die  triefende  nasen  Abr.  a  St. 
Clara  Judas  l,  695; 

die  gräberhöhlen  sind  nicht  angenehme  grotten 
Hoffmannswaldaus  m.  and.  Deutschen  auserl.  ged.  i,  235; 

dasz  .  .  man  die  Spieltische  in  die  kühle  grotte  habe 
hinüber  tragen  lassen  Petrasch  lustsp.  2,  556;  chine- 
sisch gothische  grotten  Göthe  17,  38  W.;  im  Grafenorter 
garten  befindet  sich  eine  alte  längst  verfallene  grotte 
Holtei  vierzig  jähre  2,  869;  zur  sache  s.  Wolff  mathem. 
lex.  (1734)  590;  KrOnitz  20,  146;  diese  Verwendung  steht 
im  17.  jh.  im  Vordergrund;  trotzdem  ist  (entgegen  Schulz 
fremdwb.  257  u.  a.)  fraglich,  ob  sie  die  einfallspforte  für 
das  fremde  wort  bedeutet  hat. 

4)  auch  bildlich,  und  zwar  schon  früh:  Morpheus  die 
grotte  meiner  äugen  quittiret  v.  Birken  forts.  d.  Peg- 
nitzschäf.  89;  die  erklingende  grotte  nennt  Klopstock 
den  gehörgang,  od.  2,  56  M.P.;  sieh,  wie  .  .  die  hasel- 
staude  zu  grünen  grotten  sich  wölbt  Gesner  nach 
Adelung; 

er  tritt  ermüdet  in  die  grotte  (wölbung) 

des  dattelhains  Pfeffel  poet.  vers.  3,  72; 

(Mozart)  hatte  sogar  den  gedanken  gefaszt,  eine  eigene 
geheime  gesellschaft  'die  grotte'  zu  stiften  0.  Jahn 
Mozart  3,  403. 

GROTTELN,  vb.,  von  fahriger,  zweckloser  arbeit:  so 
du  solchs  von  dir  selbst  nit  machen  kanst  .  . ,  grotteist 
in  den  büchern  umb  Paracelsus  chir.  (1618)  534  A; 
meisslen  und  nit  wissen  warumb,  kühlen  ohn  hitz  und 
dergleichen  grotteln  170  B;  alem.  dialectwort;  vgl.  Fi- 
scher Schwab.  3,  860;  Staub-Tobler  2,  706;  s.  auch 
grüdeln. 

GROTTENARBEIT,  /.,  eine  art  mosaikarbeit,  zunächst 
zum.  ausschmücken  des  inneren  einer  grotte:  ouvrage  de 
rocailles  Marperger  kaufm.magazin  879;  grottenarbeit 
'heisset  man  in  der  baukunst  alle  diejenige,  welche  aus 
mancherleymuscheln,crystallen,marcasiten,eisenschlacketi, 
steinen  und  andern  versteinerten  Sachen  zusammen  ge- 
setzet werden'  Wolff  mathem.  lex.  (1734)  i,  593;  s.  auch 
Krünitz  20,  146;  vgl.  grottenwerk;  -artig:  (die  bäume) 


597  GROTTENAUFSEHER  -  GROTTENWERK 

bilden  hier  einen  halbkreis,  den  innern  räum  grotten- 
artig überwölbend  Egkermann  in  Göthes  gespr.  5,  54; 
anders,  in  der  art  der  grottenarbeit:  die  decke  ist  grotten- 
artig .  .  geziert  Hirsghfeld  theorie  d.  gartenk.  6,  846; 
die  groteske  bedeutet  eine  Zusammenstellung  von  grot- 
tenartigen .  .  .  Schmuckstücken  zu  einem  .  .  .  wunder- 
lichen ganzen  Schönermark-StOber  486;  -aufseher 
grottier  Voigt  handwb.  f.  d.  geschäftsführ.  l,  359;  -bau: 
natürliche  höhlen  gaben  .  .  die  erste  veranlassung  zum 
grottenbau  {der  tempel)  Ritter  erdk.  5,  490;  vgl.  1,  728; 
anders,  zu  grotte  3:  der  grottenbau  ist  .  .  in  den  bän- 
den von  leuten,  die  . .  sich  alsgrottenbauer  empfehlen 
MoTTHES  baulex.  2,  531;  -forschung  höhlenforschung 
Brehm  tierl.  1,790  f.- L.;  -grab:  die  christlichen  grot- 
tengräber  Mommsen  red.  und  aufs.  302;  vgl.  Motthes 
baulex.  1,  53;  -kirche,  in  einer  grotte  angelegte  kirche 
Ritter  erdk.  15,  1139;  R.  Waldmüller  wanderstud.  2, 
43;  vgl.  grottentempel ;  -künstler  'der  die  kunst  ver- 
steht, grotten  anzulegen  und  auszuschmücken'  Campe; 
-macher  ib.;  -maierei  groteskenmalerei  Voigt  hand- 
wb. f.  d.  geschäftsführ.  1,  859;  -posse:  die  {baumeister) 
werden  wissen,  wie  sie  ihre  wercke  rechtschaffen  .  .  . 
auszieren  sollen  und  sich  an  diejenigen,  so  solche 
grotten-possen  machen,  .  .  nicht  kehren  Gruber  math. 
friedens-  u.  kriegssch.  249;  -quell: 

der  grottenquell,  der  mit  geplätscher 
tag  und  nacht  das  echo  wach  erhält 

BÜRGER  98»  B.i 

sasz  ein  Perser,  überdeckt  mit  wunden, 
sinnig  da  an  einem  grottenquell 

Falk  sat.  2, 190; 

auch  bei  H.  v.  Kleist  4,  26  B.  Schm.,-  -saal,  dessen 
loände  mit  grottenarbeit  verziert  sind  Jacobsson  2,  158 •*; 
-  s  ä  u  1  e ,  eine  mit  muscheln,  drusen,  korallen  und  andern 
steinen  ausgelegte  säule  Krünitz  20,  146;  Jacobsson  2, 
158'';  -stein,  ei7i  zum  bau  von  grotten  besonders  geeig- 
neter fester,  zelliger  stein,  wie  die  rauchwacke  des  zech- 
Steins  und  mancher  süszwasserkalk  Meyer  convers.  lex. 
68,  433;  Motthes  baulex.  2,  531;  -taube,  columba  livia 
Naumann  naturgesch.  der  vögel  6,  186;  -tempel:  aus 
den  grottentempeln  Oberägyptens  Creuzer  symb.  und 
myth.  2,  181;  auf  den  felsen  .  .  indischer  grottentempel 
Heine  8,  n&  E.;  vgl.  groltenkirche;  -teufel:  die  Sach- 
sen haben  dem  irmenseul  oder  jedermans  seul,  dem 
grottenteufel  .  .  göttliche  ehr  erzeigt  Dann  hau  er  catech. 
milch  4,  119;  -tuff:  in  dessen  {des  bassins)  mitte  auf 
grottentuff  ein  kleiner  Amor  stand  R.  H.  Bartsch  Han- 
nerl  28;  -Verzierung:  die  groteske  ist  grottenmalerey, 
grottenverzierung  Voigt  handwb.  f.  rf?  geschäftsführ.  l, 
359;  Campe;  -werk,  künstliche  felsanlage  in  allen  aus- 
maszen,  in  älterer  gartenbaukunst  viel  verwendet;  schon 
im  17.  jh.  reichlich  bezeugt:  Schottel  haubtspr.  417; 
Besold  thes.  pract.  1,  991»;  gruften-  oder  grottenwerck 
opera  grottesca  Kramer  teutsch-ital.  l,  571";  wurden  sie 
.  .  .  eines  künstlich-erhobenen  grottenwercks  ansichtig 
H.  A.  Stockfleth  Macarie  (1669)  145;  es  sind  auch  da 
und  dorten  grottenwerk  oder  Wasserkünste  J.  Chr.  Beer 
Asia  (1681)  1,  213; 

ihr  {Calypsos)  kühles  grottenwerck  sprang  ohne  klang  und 

lieder 
Neukirch  begebenh.  d.  i)rinzen  v.  Ithaka  1,  2; 

vgl.  ged.  195; 

schöne  läge  mit  der  aussieht  in  die  nahen  hohen  ge- 
bürge,  die  wie  ein  königliches  grottenwerk  davor  liegen 
Heinse  7,  34  Schüdd.;  auch  geradezu  =  grotte  3:  crypto- 
porticus  Stieler  2556; 

wem  ich  den  kaffee  dann  gar  in  dem  herrlichen  grotten- 
werk reichte 
GÖTHE  50,  211  W.  ; 

felsenbau  von  Ebsambal  .  .  .,  dessen  architektonische 
wunder  mit  seinen  geheimnisvollen  grottenwerken  be- 
ginnen Ritter  erdk.  l,  621 ;  dann  auch  im  sinne  von 
grottenarbeit:  die  wände  derselben  {höhle)  werden  mit 
moosz,  muscheln,  steinen,  corallen  u.  dgl.,  welches  man 
grottenwerk  nennet,  in  kütt  ausgesetzt  allg.  haush.  lex. 
1,  628;   rocaille,   grottenwerk,    'ausstattung  eines  raumxs 


GROTTENWESEN  —  2GR0TZEN 


598 


in  form  von  felsentrümmerji  mit  muscheln,  Schnecken, 
moos  u.  dgl.'  Müller-Motthes  l,  493 *•;  'jedes  kunstwerk, 
welches  nach  art  der  grotten  verziert  ist'  Jacobsson  2, 
158*^;  -wesen,  =  grottenwerk  Wieland  in:  br.  an  u. 
V.  Merck  2,  150  Wagner;  -wohnung:  die  .  .  .  in  den 
Sandstein  eingehauenen  grottenwohnungen  zu  Petra  G. 
H.  Schubert  selbstbiogr.  l,  257;  Welcker  alte  denkm. 
1,369.  —  grotticht,  adj.,  cavernosus,  tenebricus  Stieler 
1043. 

GROTZEL,  /.,  im  sinne  eines  Scheltwortes:  das  haben 
sie  solchen  frechen  grotzeln  zu  danken  {gemeint  sind 
weiber,  die  aus  fürwitz  früh  aus  der  kindbett  heraus- 
gelaufen) Creidius  nupt.  2,377;  etwa  zu  grotzen,  grot- 
zeln vb.  ?  s.  u. 

1GR0TZ(EN),  gewöhnlich  m.,  auch  fem.  (Loritza  55), 
ein  vieldeutiges  obd.  dialectwort.  l)  als  ablautende  bil- 
dung  zu  grasz,  gretz  {s.  d.  und  kris  3,  th.  5,  2330)  gehö- 
rig: die  wipjelsprosse  von  nadelholz  Staub -Tobler  2, 
837;  Fischer  schwäb.  3,  860;  Schmeller  i,  1018;  deca- 
cumino  den  dolder  oder  grotzen  an  böumen  abhauwen 
Frisius  dict.  865»;  man  des  dolden  oder  grotz  am  bäum 
nichts  gemessen  kan,  sondern  allein  zu  einer  hoffart 
da  stehet  Paracelsüs  Chirurg.  (1618)  309  C;  wann  sie 
{gartenbäume)  abgestümmelt  werden  bisz  in  den  grot- 
zen, wem  ist  derselbig  bäum  nutz?  ibid.;  überhaupt: 
junge  tanne,  auch  verkrüppelte,  abgestorbene,  dürre,  weiter- 
tanne:  dass  wir  gebannen  habend  grotzen  und  studen, 
die  da  stand  zwüschen  den  güetern  Staub-Tobler 
{quelle  des  früheren  iS.jhs.);  weil  ich  zwei  grotzen  ge- 
schlagenhabe Zahn  Albin  Inder gand  bh;  weiter:  haben 
die  bauern  ein  ungeheure  tannen  angetroffen  und  be- 
funden, dass  der  grotz  oder  under  teil  70  werkschuh 
gehalten  Staub-Tobler  {quelle  v.  1666);  vgl.  grözen,  m., 
dicker  stumpf  eines  abgehauenen  baumes  Fr.  Kramer 
Bist/ritz.  40;  dann  auch  groszer  ast.  astwerk,  holzabfälle 
vom  stamm,  reisig:  auszer  es  weren  vil  ungewäxige, 
grobe,  am  poden  auszeinander  wachsende  grötschen 
verbanden  österr.  weisth.  4,  135;  die  grotzin  under  den 
bäumen  Staub-Tobler  {quelle  v.  1410);  grotzen,  grüt? 
grüjie  baumzweige;  Waldgegend  von  nadelholz  BucK  flurnb. 
91;  vgl.  Schmeller  l,  1018 ;  vom  obersten  {oder  innersten) 
triebe  anderer  pflanzen:  ob  der  herderling  auch  grotzen 
und  stiel  gehabt  Uektzog  schiltw.  e  2»;  mit  dem  grot- 
zen des  chornes  adipe  frumenti  mitt.  d.  ver.  f.  d.  gesch. 
Böhmens  39,  170  {Hohenßirter  psalter);  andere  schnitten 
das  körn  ab,  ehe  zeit,  klopften  die  aber  und  legten  die 
abgeschlagene  grotzen  ...  in  die  sonne  J.  Mechtel 
Limb,  chron.  182;  'das  innere  einer  blume'  v.  Klein  l, 
165  {österr.);  römisch  chamillen,  die  aber  gar  rundt  und 
mit  den  schneeweissen  blümlein  den  innern  geelen  grot- 
zen bedecken  Tabernämontanus  kräuterb.  (1588)  74»^; 
das  herzchen  im  salat,  kohl  u.  dgl.  Schmeller,  Fischer 
a.  a.  0.  2)  weiter  im  sinne  von  griebs,  gröbs :  grutz  arulla 
Diefenbach  52«;  nov.  gl.  86"^;  {man  nimmt)  8  oder  10 
kütten,  schneidet  sie  zu  4  spalten,  .  .  .  lässt  aber  den 
grotzen  mit  den  kernen  dabey  Hohberg  georg.  cur.  l, 
221;  grotzen  kerngehäuse  des  obstes  Crecelius  438;  vgl. 
gröz,  /..  kernhaus  Haltrich  id.  i3;  die  lautliche  ähn- 
lichkeit  mit  grübs,  gröbs  könnte  die  attraction  dieser  be- 
deutung  veranlaszt  habeji  {oder  kreuzt  ein  anderes  wort 
herein?);  hess.  auch  für  verschrumpftes  obst.  überhaupt 
alles  verkrüppelte,  kleine  Crecelius;  grutse,/.,  schlechtes 
obst  Bauer-Collitz  41'»;  auch  obd.  grotsch  unreifes  obst 
Lexer  kämt.  125;  vgl.  auch  krotze  th.  5,  2424.  3)  hier- 
her vielleicht  auch  noch  eisgrotzen  eisschollen  auf  dem 
wege.  Unebenheiten  Reiser  Allgäu  2,  705;  vgl.  grotzen 
klümpchen.  häuflein  Unger-Khull  308*». 

2  GROTZEN,  m..  ein  kürschnertvort:  'dunkle,  mehr  oder 
weniger  scharf  abgegrenzte  linie  in  der  mitte  eines  feiles, 
die  vom  köpf  bis  zum  schwänz  reicht'  Meyer  conv.  lex. 
'J8,  433;  'der  rücken  eines  pelzes,  sonderlich  der  wollpelze' 
Jacobsson  2,  158^;  herkunft  unklar,  denn  kaum  zum 
vorigen ;  hängt  es  etwa  zusammen  mit  dem  im  ostd.  nach- 
zuweisenden, aber  auch  undurchsichtigen  adj.  grötschen? 
Niclos  Czolcz  eyn  körschener  tenetur  7  grotczynne  kör- 
schyn  handelsrechn.  d.  dtsch.  ord.  191  Sattler,  andernorts 

38* 


599 


GROTZEN,  vh.  -  GRÜBCHEN 


GRUBE  1 1.  2 


600 


grotschyn;  auch  sol  fortan  keine  frau  ,  .  .  eine  grot- 
schene  kursche  teurer  denn  um  zwölf  gülden  kaufen 
Script,  rer.  silea.  S,  201. 

GROTZEN,  vb.,  ructare  Schmeller  l,  1019;  Crece- 
Lius  438:  grutsen  aufstoazen  Bauer-Collitz  M"»;  ainer 
grotzt  Osw.  V.  Wolkenstein  109,  75  var.;  vom  knur- 
renden magen:  dem  singer  grotzt  der  bauch  seh.  w. 
klugr.  (1552)  320^;  vgl.  unten  Seb.  Frangk;  die  nase 
rotzt,  der  mage  grotzt  Nigrinus  Widerlegung  d.  ersten 
centurie  F.  Joh.  Nasen  Ff  3*;  vom  krächzen  des  rdben: 
die  rappen  die  immerzu  grotzen  Seb.  Frangk  sprichiv. 
2,  70'';  das  wort  schlieszt  sich  in  der  anwendung  deut- 
lich an  das  entwickeltere  grolzen  {s.  sp.  441)  an,  mit  dem, 
es  auch  formal  zusammenhängen  wird  trotz  gelegentlichen 
\i-formen,  für  die  unter  krötzen  th,  5,  2424  eine  wohl 
falsche  anknüpfung  versucht  wird;  auch  gröpsen,  grop- 
pezen  ructare  (sp.  446)  steht  nahe;  mit  anderem  suffix 
grotzeln:  we;in  man  den  baurn  bitt,  so  grotzelt  ihm 
der  bauch  Seb.  Frangk  sprichw.  l,  76*,  sinn  wohl: 
'wird  er  übermüthig';  vgl.  wiewol  die  fursten  von  Bai- 
ren streng  .  .  hielten  ob  irem  volck,  so  grozelt  danocht 
den  bauren  .  .  der  bauch  hart  Knebel  chron.  v.  Kais- 
heim 432 ;  im  selben  Zusammenhang  sonst  grolzen  {s.  d.  3) ; 
auch  groszen  {sp.  583);  dem  singer  grotzelt  der  bauch, 
so  man  in  zu  singen  bit  Seb.  Frangk  sprichw.  l,  50''; 
dazu  das  subst.  grötzel,  m.,  ructus:  lies  er  ein  grötzel 
über  den  andern  gehen  B.  Hertzog  schiltw.  H  6'';  da- 
für auch  grötzer  h  7*;  vgl.  Schmeller  l,  1019. 

GRÖTZLEIN,  n.,  demin.zu  igrotz(en) :  (meerettich)  musz 
über  drey  finger  tief  nicht  in  die  erden  gesteckt  und 
das  obere  grötzlein  davon  ausgehend  gelassen  werden 
Hohberg  georg.  cur.  1,487;  (man  soll  den  zweig,  den 
man  zum  röhrlen  brauchen  will,  sacht  reiben)  damit 
sich  die  schelfen  von  dem  holtz  und  die  daran  kle- 
bende äuglein  mit  samt  dem  grötzlein  gemach  abledigen 
1,  406;  grötzle,  das  oberist  in  eim  reyfen  äre,  ist  min- 
der denn  das  körnle,  frit  Maaler  193**;  frit,  des  oberste 
und  kleinste  körnlein  oder  grötzlein  in  der  aber,  wann 
sie  jetzunder  zeitig  ist  Golius  (1585)  405;  urruncum,  das 
underste  grötzlein  in  der  äher  bei  dem  halm  ib.;  nimm 
einen  happelsallat,  schneide  die  grötzel  heraus  B.  HiCK- 
MANN  wiener,  kochb.  283;  'grietzel  oder  grötschel  heist  an 
einigen  baumfrüchten  .  .  das  oben  auf  sitzende  u.  noch 
von  der  blüthe  zurück  gebliebene  harte  wesen'  Chomels 
öcon.  lex.  4,  1350;  zu  grotze  3:  grötzel  häufe,  gesellschaft  : 
ins  grötzel  gehen  sich  zusammengesellen  Loritza  55; 
grötzelfrucht,  erbsen,  linsen,  wicken,  überhaupt  die 
kleinen  zehentfrüchte  v.  Sghmid  schwäb.  244;  vgl.  Fischer 
Schwab.  3,  860;  grötzelreis,  abfallreis  von  gefällten  bäu- 
men ibid.  —  grötzling,  m.,  was  grotz(en)  Fischer 
schwäb.  3,  860;  Schmeller  l,  1018;  sprosse,  pfropfreis 
Loritza  55;  vgl.  greszling  sp.  I97. 

GRÜBCHEN,  n.,  demin.  zu  grübe. 

l)  zumeist  specifisch  'Vertiefung  in  der  auszenßäche  des 
menschlichen  körpers'  (vgl.  grübe  II  G  l),  u.  zwar  hat  grüb- 
chen  diese  prägnante  bedeutung  sehr  viel  entschiedener 
angenommen  als  das  synonyme  und  literarisch  ältere 
grüblein :  ist  (die  mensallinie)  zu  kurtz,  .  .  ungleich  mit 
circkeln,  grübchen,  wartzen  oder  flecken  behaftet  Prä- 
TORius  coli.  cur.  (1713)  23;  gar  zu  viele  und  gar  zu  sinn- 
lich gemachte  grübchen  an  bildwerken  Wingkelmann 
1,  19;  (hände)  an  denen  .  .  die  grübchen  die  feinste,  ja 
seelenvollste  bewegung  ausdrücken  A.  W.  Schlegel  9, 
36;  das  grübchen  über  dem  brustbeine  Gottsched  d. 
n.  a.  d.  anm.  gelehra.  i,  250;  ein  .  .  lächeln  schwebte  um 
die  grübchen  ihres  mundes  F.  M.  Klinger  4,  104;  am 
gewöhnlichsten  grübchen  in  den  wangen,  als  ein  bestand- 
theil  weiblicher  Schönheit  namentlich  im  18.  jh.  bis  zum 
überdrusz  wiederholt:  es  hat  .  .  .  wenn  es  lachen  will, 
auch  grübgen  in  den  backen  Henri ci  ernst-  scherzh.  u. 
sat.  ged.  l,  492; 

in  ihren  wangen  lachten  kleine  grübchen 
Arent-Conradi-Henckel  mod.  dichterehar.  292; 

den  .  .  portraitartigen  zug  des  grübchens  in  dem  platten 
kinn  Justi   Winckelmann  1,  274;  blattemarbe: 


was  zömest  du  doch  anf  die  pocken? 
verachte  nur  die  grübgen  nicht 
Hoffmannswaldaus  u.  and.  Deutschen  auserl.  ged. 

6,  287. 

2)  diminuierung  anderer  bedeutungen  von  grübe  tritt 
daneben  sehr  zurück;  nach  II  A  l:  (der  dachs)  sticht  mit 
seiner  .  .  nase  ...  in  die  erde  kleine  grübgen  Döbel 
jägerpractica  i ,  37 ;  dies  hervorzaubern  des  nebeis  aus 
Seen  und  bächen  oder  aus  grübchen  und  topfen  Laist- 
NER  nebeis.  348; 

jeden  käfer  nimmt  sein  grübchen  auf 

A.  V.  Droste-Hülshoff  1, 120; 

nach  HCl:  eine  kugel,  die  auf  einem  .  .  .  küssen  liegt 
und  ein  grübchen  darin  drückt  Kant  3,  176  ak.  ausg.; 
mit  der  muschel  wurde  das  grübchen  des  feuerstocks 
ausgehöhlt  v.  d.  Steinen  naturvölker  Zentralbrasiliens 
208;  öfter  in  der  spräche  der  naturbeschreibung  u.  tech- 
nik:  dasz  sie  (kronenblätter)  .  .  grübchen  oder  glandeln 
an  sich  tragen  Göthe  II  6,52  W.;  in  den  unzähligen 
grübchen,  die  reihenweise  auf  den  flügeldecken  (des 
käfers)  eingegraben  sind  Lichtenberg  briefe  2,  309; 
bemerkte  er  in  dem  scharfen  rande  jedes  kiefers  eine 
furche  mit  lO  grübchen  Sömmerring  bau  d.  menschl. 
körpers  6,  863;  hinterlassen  sie  kleine  löcher  oder  grüb- 
chen im  papiere  Muspratt  chemie  6,  1583;  stähle,  welche 
an  ihrer  .  .  endfläche  ein  halbkugeliges  grübchen  be- 
sitzen Karmarsch-Heeren  ^i,  137. 

GRUBE,  /.,  fovea. 

I.  form. 

1)  gemeingerm.  wort,  zu  graban  gehörig:  got.  groba, 
anord.  gröf,  mengl.  gröfe,  ahd.  gruoba,  cropa  u.  ä.  Graff 
4,  307/.;  anzumerken  ist,  dasz  das  wort  im  mnd.  nur 
vereinzelt  nachzuweisen  ist  (s.  Schiller-Lübben  2,  157'') 
und  auch  in  den  heutigen  nd,  maa.  weithin  fehlt  oder 
als  jüngere  entlehnung  erscheint;  ahd.  herrscht  noch  die 
starke  flexion;  erst  seit  dem  11.  jh.  schwache  formen: 
dat.  sg.  gruopun  Graff  (aus  Prud.  gl.);  acc.  pl.  groibun 
Diefenbagh  nov.  gl.  226^  (l2.  jh.).  seit  dem  mhd.  mit 
steigender  häufigkeit  schwach,  bis  im  16.  und  noch  im 
17.  jh.  diese  flexionsweise  wenigstens  im  süden  das  Über- 
gewicht hat;  im,  18.  jh.  literarisch  schnell  überwunden 
(von  norden  her);  nur  in  der  ersten  hälfte  noch  häufiger, 
auch  lexicalisch  anerkannt,  Aler  dict.  l,  988;  ausz  der 
gruben  Elis.  Charlotte  v.  0.  br.  s,  158  lit.  ver.;  auf 
der  graben  Chr.  Thomasius  gedanken  u,  erinnerungen 
3,  2;  in  die  gruben  (acc.  sg.)  Fleming  der  vollkommene 
teutsche  soldat  297;  in  ein  gruben  Tschudi  chron.  hel- 
vet.  1,  209;  oberdeutsche  mundarten  halten  die  schwache 
flexion  fest  Schmeller  i,  984;  Hügel  71;  Fischer 
schwäb.  3,  861. 

2)  einen  hinweis  verlangen  merkwürdige,  anscheinend 
umgelautete  formen:  Schmeller  l,  984  notiert  als  plu- 
ralform griabm,  gria'ma;  das  erhellt  eine  dunkle  stelle 
bei  LoRi :  ob  auch  hinfür  etlich  unser  burger  ,  .  neue 
fange  und  grieben  fachen  und  treiben  wurden  .  .  wan 
dan  solche  grieben  zu  berg-grueben  getrieben  und  ge- 
bracht werden,  so  sollen  dieselben,  die  die  grueben 
also  zu  berg  grueben  getrieben  .  .  haben,  dieselben  grue- 
ben zwey  jähr  .  .  haben  und  behalten  baier.  bergrecht 
46 **  (quelle  v.  1455),  wo  grieben  Versuchsschürfungen  zu 
bedeuten  scheint;  vgl.  unten  II  B  5.  hierher  möglicher- 
weise auch  die  grieb,  ein  stadtpalast  in  Regensburg,  mit 
den  straszennamen  vor  und  hinter  der  grieb:  in  einer 
Regensburger  Urkunde  von  1183  erscheint  ein  Udalric  in 
der  grub  cod.  dipl.  episc.  Ratisb.  l,  263.  für  das  bad. 
Rappenau  bietet  Meisinger  78  den  sing,  kriiwe,  für 
Handschuhsheim  Lenz  29''  kriip;  danach  dürften  die 
zahlreichen  Schreibungen  grüben,  grueben  u.  ä.  im,  älte- 
ren schwäb.  (Fischer  3,  86i)  nicht  belanglos  sein;  auch 
nicht  die  (an  sich  nicht  durchschlagenden)  mhd.  reime 
alem.  herkunft  die  selben  grüebe  (plur.):  er  hüebe  g. 
frau  202i;  in  ir  grueben:  üeben,  betrüeben,  erhüeben 
Konr.  V.  Würzburg  klage  d.  kunst  str.  28  Joseph;  uf 
mines  dotes  grueben  (dat.  sg.):  üeben  Herm.  v.  Sach- 
senheim (s.  u.  II  B  4). 


601 


GRUBE  II  A  1.  2 


GRUBE  II  A  s 


602 


IL  bedeutung. 

A.  zunächst  und  hauptsächlich  eine  Vertiefung  im  erd- 
boden. 

1)  der  etymologie  entsprechend  gewöhnlich  von  einer 
künstlich  hergestellten  Vertiefung,  und  zwar  denkt  man, 
zum  unterschiede  von  graben,  zumeist  an  eine  einiger- 
maszen  runde  oder  gleichseitige  höhlung:  bisz  so  lange, 
das  czwene  .  .  .  secke  mit  koln  gluwende  worden  in 
eyner  gruben  Stolle  thür.  ehr.  205;  wie  sie  .  .  gruben 
hacketen  und  die  erde  auszwurfen  grillenvertr.  (1670) 
164;  das  .  .  machet  eine  gruben  in  die  erden  mit  sei- 
nem flnger,  aus  dem  selben  gräblein  entsprung  ein  .  . 
brunn  Prätorius  saturn.  376; 

(ich  gebiete  dir)  eine  grübe  zu  graben,   von  einer  eil'   ins 

gevierte 
Voss  Od.  189  Bemays; 

wäre  es  möglich,  dasz  eine  grübe  durch  und  durch  das 
erdreich  gehauen  würde  J.  Grimm  kl.  sehr,  i,  342;  sie 
{bodenuntersuchung)  geschieht  durch  ausheben  von  gru- 
ben V.  Alten  3,  404;  da  kraczet  der  lev  ein  grüben 
mit  seinen  füssen  summerteil  der  heil,  leben  6"*;  grub 
dy  ain  saw  wulet  Diefenbach  nov.  gl.  885*»  *.  v.  volu- 
tare;  machet  er  {der  hirsch),  wann  er  rüben  geniesset, 
gruben  in  die  erde  Göchhausen  notab.  venat.  80;  in 
älterer  spräche  indessen  nicht  selten  auch  synonym  mit 
graben:  ain  grub  o.  graben  fossa  Diefenbach  244"; 
statgrab  vel  grübe  fossatum,  ib.;  ebenso:  nachdem  er 
7  monat  darauf  gekriegt  und  nun  10  000  männer  in  der 
gruben  verloren  hatte  quellen  z.  gesch.  der  stadt  Kron- 
stadt 4,  11;  alle  czit  sullin  vride  habin  .  .  kirchin  unde 
kirchowe  unde  iczlich  dorf  unde  stat  binnen  siner  gru- 
bin unde  siner  mure  adir  czune  Neumarkter  rechtsb. 
173;  V071  kleineren  graben,  rainen  u.  ä.  oft  in  alten  grenz- 
beschreibungen,  vgl.  Fischer  schwäb.  S,8Bi;  sulcus  Ser- 
RANUS  synon.  s.  v.  grub;  und  macht  um  den  altar  her 
eine  gruben  l.  kön.  18,  32;  der  keyser  Julius,  da  er  .  . 
spectackel  halten  wolt,  lyesz  er  grüben  umb  den 
platz  .  .  aufwerfen  Eppendorf  Plinius  45;  ein  runde 
gruben  u'mb  die  böum  FrisiüS  926'';  im  frühling  .  .  . 
grabe  sie  um  die  linde  eine  grübe,  bis  zur  wurtzel 
Ettner  u,  Eiteritz  med.  maulaffe  170;  dioryges  ein 
grub  mit  der  band  gemacht  sxmt  fossae  manu  factae 
in  Aegypto,  ad  Nili  aquas  in  agros  derivandas  Calepin 
XI  ling.  428*;  tiefe  gewölbte  gruben  in  den  statten,  da- 
durch alle  unsauberkeit  ausz  den  heimlichen  gemachem 
.  .  auszgeführt  wirdt  cloacae  Henisch  1760;  grove  ein 
tiefer  graben  zur  befriedigung  einer  marschfenne  Schütze 
holst.  2,  64;  krumme  grübe  strasze  in  Königsberg  Frisch- 
bier 1,  256''. 

2)  gern  aber  auch,  zumal  in  älterer  spräche,  von  na- 
türlichen Vertiefungen  in  der  erdfläche,  von  den  umfäng- 
lichsten bis  zu  den  kleinsten,  mit  verschieden  gerichtetem, 
sinn : 

a)  abgrund,  Schlund:  praecipitium  gemm.a  gemm.  (1608) 
t  6"*;  barathrum  .  .  ein  grosz  tief  oder  grundtlosz  grub 
Er.  Alberus  dict.  a  2'';  barathrum  ein  grausame  tieffe 
grub  oder  loch  Calepin  xi  ling.  154'»;  mannes  muot 
kähes  kesturtez  in  dia  gruoba  (jnersa  praecipiti  pro- 
funda) Notker  1,  13. 

diu  gruobe,  dar  in  viel  der  man, 
da  soltu  die  weit  merken  an 
{vorher:  in  ein  abgründe  tief) 

RuD.  V.  Ems  Bari.  119,  9; 

es  thet  sich  das  erdtrich  im  mitten  auf  dem  marckt 
auf  und  gewann  eyn  tiefe  grüben  Carbach  Livius  65"; 

ein  tiefe  grub  war  im  abgrund, 
dieselbig  risz  auf  ihren  Schlund 

Spreng  An.  112»; 

aber  auch  von  flacheren  Vertiefungen :  schlucht,  thalsenke, 
kessel,  mulde,  'ein  jeder  ort,  der  etwas  tiefer  ist  als  die 
andern  dabei'  Frisch  (l74l)  l,  877":  sie  gien  durch  teler 
und  gruben  und  in  die  höler  A.  v.  Eye  dtsche  sehr. 
1,  82;  er  .  .  fülte  (mit  fluten)  alle  täler  und  grüben,  die 
vor  im  wären  Tauler  serm.  (1508)  G5";  so  erzeiget  sich 
der  platz  innerthalb  mit  grüben,   büchlen  und  verfall- 


nen  mauern  Stumpf  Schwytzerchr.  418»;  die  hütte  war 
in  eine  grübe  der  er«le  gesenkt  Haller  Alfred  234: 

an  den  gruben  vorbei,  wo  ein  ewiger  schnee  sich  gelagert 

KÖRNER  2, 18  H. ; 

unter  mir  lag  der  schnee  in  den  gruben  Moltke  sehr, 
u.  denkw.  4,  11;  auf  dieser  linie  wird  das  wort  zum  Orts- 
namen: 

dasz  man  gar  frölich  ziechen  sach 

die  von  sant  Gallen  schnelle 

in  die  grub  mit  richem  schall 

hist.  volksl.  2,  276  LH. ;  vgl.  274,  46; 

sehr  häufig  als  flurname  Fischer  schwäb.  3,  862;  vgl. 
Staub-Tobler  2,  692;  auch  von  erdlöchern  kleineren  aus- 
maszes:  wie  oft  springen  sie  über  einen  schatten  .  .  . 
vermeynende,  sie  haben  ein  bach,  klotz  oder  grüben 
vor  ihnen  Ambach  v.  zusaufen  c  i'^; 

kein  stein  noch  grub  soll  deinen  fusz 
verhindern  Weckherlin  1,  364  JF'.; 

der  gottlosen  weg  .  .  .  hat  viel  gruben  und  anstösse 
Petri  d.  Teutschen  weish.  1,  a  8'';  er  tritt  in  die  grübe 
sagt  das  volk  vom  hinkenden  Körte  sprichw.  179. 

b)  höhle:  spelunca  hulin,  grub  Diefenbach  nov.  gl. 
845»;  hübe  {l.  hule)  o.  grfibe  332''  s.  v.  scrobs;  eyn  grosz 
hole  vel  gruob  gloss.  607°  s.  v.  vastrum;  grübe  der  tra- 
chen  und  wurme  antrum  39»;  antrum  Frisiüs  102'»; 
ein  hole,  grub  unter  dem  erdtrich  caverna  Hulsius 
(1618)  2,  82'»;  schon  mhd.: 

der  minne  gruobe,  der  minne  hol, 
dar  inne  in  vor  was  s6  wol 

Heinr.  v.  Freiberg  Trist.  3325; 

ir  habt  es  (mein  haus)  gemacht  ein  grob  der  diebe 
erste  dtsche  bibel,  Matth.  21,  13,  Luther:  mördergrube; 
die  5  kunig  warn  geflohen  und  betten  sich  verborgen 
in  die  grübe  der  stat  Maceda  ib.  Jos.  10,  16,  Luther: 
höhle;  nach  mitternacht,  da  der  wynd  Aquilo  entsteet 
und  von  ym  ein  grub  oder  höly  ein  nammen  hat 
Eppendorf  Plinius  5;  den  ring  .  . ,  den  er  in  der  nacht 
aus  der  unterirdischen  grübe  gebracht  hatte  Tieck  sehr. 
8,  72;  die  .  .  beschaffenheit  .  .  einer  grübe  oder  eines 
gewölbes,  welches  sie  {die  fledermaus)  benutzen  will 
Brehm  thierl.  l,  321  P.  L.;  bildlich: 

und  aus  des  elends  gruben 

da  schallt  es :  fluch  euch  buben  I 

br.  von  u.  an  Herwegh  279; 

ach,  herz  des  menschen,  grübe,  die  viel  verbirgt 

Herder  27, 147  S. 

c)  hölle;  schon  ahd.  hellagruoba  Graff  4,  308; 

das  ist  der  da  unden  ist  in  der  grüben, 
da  wonet  Sathanas  mit  sinen  buben 

pilgerf.  d.  träum,  mönchs  8975; 

das  sy  lebendig  hinunder  in  die  grüben  farend  Züricher 
bibel  (1581)  4.  Mos.  16  E  {v.  33),  Luther:  hölle;  lass  sie 
faren,  eyn  blind  dem  andern  nach,  yn  die  ewigen  gru- 
ben Luther  lo,  i,  i,  388  W.;  er  .  .  trachtet,  wie  er  uns 
ubers  seil  werfe  und  in  die  hellisehe  grübe  stürtze 
Dedekind  Christi,  ritter  b  4»,  im  spiel  mit  der  bedeur 
tung  B  8:  denn  diese  höllische  grübe  soll  himmlische 
geister  nicht  ...  in  banden  behalten  Bodmer  samml. 
crit.  poet.  sehr.  1,  41;  vgl.  noch:  daher  er  sie  ...  un- 
barmherzig zurück  in  die  grübe  stürzte  {die  hölle  der 
Volksbühne)  Göthe  21,  114  W.;  auf  einer  ähnlichen  Vor- 
stellung scheint  zu  beruhen:  beruft  der  gnedige  gott  .  . 
Abraham  usz  der  abgötter  grub  von  Ur  Jon.  Kessler 
sabbata  20;  wohl  auch:  sie  uuurden  beheftet  mit  uaerlt 
kiridon  unde  bediu  sturzton  sie  in  foveam  mortis  (in 
gruoba  todis)  Notker  2,62  (j?*.  19,  9);  dieselbe  Verbin- 
dung in  anderem,  sinne  unter  B  4. 

3)  gewisse  Wendungen  sind  zu  übertragenem  u.  sprich- 
wörtlichem gebrauch  gediehen,  besonders  in  die  grübe 
fallen:  enti  ibu  daz  {sc.  schaf)  in  gropa  fallit  Mons. 
fragm.  4,  24  Hench  {in  foveam  Matth.  12,  ll);  sehr  gern 
bildlich  im  sinne:  in  noth,  gefahr.  Verlegenheit  qerathen: 
gleich  als  wo  du  in  ain  gruben  feist,  got  reckt  dir  sein 
band  dich  herauszeziehen  Berth.  v.  Chiemsee  teutsche 
theol.  306;  ich  unseliger  bin  gefallen  in  die  grub  Terem 


603 


GRUBE  II  B  1 


GRUBE  II  B  2 


604 


(1499)  119"  (in  eum  incidi  infelix  locum  Pharm.  175); 
wer  die  strasz  der  warheit  nicht  .  .  weisz,  der  stürzt 
sich  in  die  grub  der  thorheit  Lehmann  ßorileg.  pol.  2, 
901;  Sickingen,  du  wirst  mit  mir  in  die  grübe  fallen  I 
ich  hoffte,  du  solltest  mir  heraushelfen  Göthe  8,  108 
W.;  grade  in  die  grübe  gefallen,  die  man  vermeiden 
wolte  Lichtenberg  br.  2,  175;  das  er  (gott)  dich  also 
wil  verblenden,  das  du  mit  offnen  äugen  yn  die  gruben 
fallest  Eb.  V.  Günzburg  3,  134  ndr.;  wer  mit  offenen 
äugen  in  die  grübe  rennt,  soll  die  beine  brechen  Hol- 
TEi  erz.  sehr.  87,  146;  umgekehrt:  wer  dem  ochsen  ausz 
der  gruben  mit  bänden  hilft,  dessen  hülf  ist  gewisz 
Lehmann  florüeg.  polit.  i,  410;  dadurch  war  ich  im 
stände,  sie  in  \erwirrung  zu  setzen  und  unsere  Zier- 
lich aus  der  grübe  heraus  zu  ziehen  Petrasgh  luatsp. 
2,  512;  sie  (die  kirche)  hat  alten  füchs  art  .  .  sie  weisz 
über  alle  zäun  und  hage,  über  alle  gruben  und  graben 
.  .  gar  fein  zu  springen  Fischart  bienenk.  50»;  üben 
sie  sich,  die  gruben,  die  der  zufall  ihrer  eitelkeit  in 
den  weg  legt,  zu  überspringen  Pückler  briefw.  und 
taget,  l,  165;  hierher  weiter  ein  vielcitiertes  und  -abge- 
loandeltes  biblisches  gleichniswort:  blinter  oba  blintemo 
leitidon  forgibit,  beidae  in  gruobe  uallent  Tat.  84,  7 
(Matth.  15,  14)  und  ähnlich  bis  zu  Luther;  vielfältig 
variiert:  dem  geschieht  als  dem  gesehenden,  der  mit 
ainem  blinden  über  feld  wandelt,  und  vielen  beyd  in 
ain  tieff  grub  buch  d.  beisp.  3  lit.  ver.;  dieses  kind  ist 
ein  blinder  Wegweiser  und  stürtzet  seine  nachfolger  in 
die  gruben  Harsdörfer  teutsch.  secret.  1,  Cccl»;  wo 
.  .  .  der  blinde  den  lahmen  in  die  grübe  führt  Fr. 
Schlegel  5,  218. 

B.  sehr  häufig  erscheint  das  subst.  in  speciellerer  Ver- 
wendung; die  Vielfältigkeit  des  gebrauchs  wird  am  deut- 
lichsten, wenn  man  nach  dem  zweck  der  grübe  fragt. 

l)  grübe  als  thierunterschlupf:  grübe  der  wilden 
thieren  cavernae,  cubilia  ferarum  Henisch  1768;  die 
fuhse  habin  grubin  Beheim  ev.  buch,  Matth.  8,  20;  gegen 
welchem  theil  die  maulwörf,  igel  und  murmelthier  ihre 
gruben  zustopfen  ^ebiz  f eidbau  b;  die  unzähligen  gruben 
und  höhlen  der  erdmäuse  Ritter  erdk.  2,  548; 

(dieser  krieg)  der  auch  die  wilden  thiere  sanftmuth  lehrt, 
dasz  sie  sich  scheu  in  ihre  gruben  bergen 

Schiller  13,  310  G. ; 

thierzwinger:  föne  louuuon  gruobo  Nctker  nach 
Graff  4,  307;  grübe  der  leuwen  spelunca  leonum  Die- 
fenbach  546»;  also  musten  die  löwen  den  Daniel  in 
der  gruben  unverletzt  lassen  Cyr.  Spangenberg  in 
tlieatr.  diab.  (1569)  287*;  kerker: 


do  warf  man  mich  sare 
in  dise  vinster  grübe 


in  disen  charchsere 

Milgt.  gen.  81 ,  14; 


und  hie  bin  ich  unschuldig  gelegt  in  die  grübe  erste 
dtsch.  bibel  3,  180;  das  sie  versamlet  werden  in  ein  bünd- 
lin  zur  gruben  und  verschlossen  werden  im  kercker 
Jes.  24,  22;  vgl.  Jer.  3,  16; 

und  werft  in  in  der  gfengknuss  gruben 

H.  Sachs  11,  21  K. , 

und  wer  zuerst  in  gruben  liegt, 
kan  bald  den  thron  ersteigen 

Günther  ged.  31 ; 

der  könig  .  .  .  befahl  den  kutscher  in  eine  grübe  zu 
werfen,  die  voll  ottern  und  schlangen -gezücht  war 
BRÜDER  Grimm  kinder-  u.  hausm.  2,  257;  bildlich:  ausz 
des  todes  kercker  oder  gruben  Mathesius  Sar.  73»; 
krypta:  eyn  grübe  under  der  kirchen  Diefenbach  597 "^ 
a.  V.  tripta  (l.  cripta);  crypta  Calepin  XI  ling.  353*»;  vgl. 
grübe,  ein  gemach  und  gewelbe  unter  der  erden  crypta 
Degimator  thes,  (1615)  s.  v.,-  auch  syn  yn  allen  kirchen 
oder  muschkeen  tieffe  locher  oder  grüben  Breidenbach 
reisen  (i486)  136»;  vorrathsgrube:  gruben  im  erdtrich, 
dareyn  man  das  körn  gehaltet  Henisch  1758;  für  die 
keller  betten  sie  grüben  mit  mist  bedeckt  Seb.  Franck 
chron.  Germ.  5»; 

(wenn  der  feind  noÄ<)'flüchte  jeder  in  die  gruben 
kartoffeln,  kraut,  gelb,  weisze  ruben 

A.  V.  Arnim  14,  68; 


grübe  in  der  nähe  des  hauses  zur  aufbewahrung  von 
feldfrüchten  über  den  winter  Staub-Tobler  2,  692;  kar- 
toffelgrube  Weinhold  schles.  SO^;  abfallgrube:  das 
.  .  ewere  brennen  ferr  seien  von  den  gruben,  putzen 
und  lachen,  da  man  den  mist  pflegt  zusammlen  Sebiz 
f eidbau  14;  hat  ein  reichstat  .  .  aus  des  hundtschlagers 
grüben  einen  gottsacker  gemacht  Nas  antipap.  eins  u. 
hundert  i,  40''; 

(das  fleisch)  stinckt,  als  ob  es  schelmig  wer 
oder  kam  ab  der  grüben  her 

MoNTANus  schwankb.  438  lit.  ver. ; 

es  war,  als  fegte  man  den  mist 
aus  sechsunddreiszig  gruben 

Heine  2,  490  E. ; 

düngergrube  Weinhold  schles.  30^;  abort:  grub  o.  pri- 
vet  Diefenbach  474°  s.  v.  puteal;  latrina  Wächter 
618;  ist  aber,  daz  ein  man  sinken  wil  eine  grübe,  di 
da  heizet  heimelichkeit  urk.  buch  d.  st.  Freiberg  i.  S. 
3,21;  die  grübe  leeren  Fischer  scJiwäb.  3,  861;  bildlich: 
mensch  .  .  du  bist  ein  gruben  Abr.  a  St.  Clara  etiv. 
für  alle  2,  262;  obscena,  sordida,  humilia  etc.  alles  in 
einer  grübe  I  (bei  Klotz)  Herder  3,  305  S.;  (ein  witz) 
recht  aus  der  stinkenden  grübe  der  tiefsten  depravation 
gestiegen  E.  Th.  A.  Hoffmann  14,  170  Gr.;  wasser- 
grube:  a^quorreos  lacus  wazzerlichon  groibun  Diefen- 
bach nov.  gl.  226'';  lacus  gloss.  316»;  sentina  stinckende 
grübe  mit  wasser  527'';  ein  cistern  oder  grüben  dareyn 
das  rägenwasser  sich  samlet  compluvius  lacus  Frisius 
271»;  und  warfen  ihn  in  die  grübe;  aber  dieselbige 
grübe  war  leer  und  kein  wasser  drinnen  l.  Mos.  37,  24; 
bildlich:  trink  wasser  aus  deiner  grübe  lasz  dir  an  dei- 
ner frau  genügen  spr.  Sal.  5,  15;  das  man  .  .  die  predig 
schöpfe  auss  dem  brunnen  der  bibel  .  .,  nit  auss  den 
grüben,  cistern  und  lachen  newer  predigbüeher  Eb.  v. 
Günzburg  i,  5i  tidr.; 

(der  Vorwitz)  ruft  die  irrenden  herbei, 
die  oft  aus  trägheit,  oft  aus  Unverstand 
aus  seiner  grübe  schöpfen 

GRAFEN  Stolberg  3, 14; 

von  Wasserleitungen:  die  gruben  unter  der  erden,  dar- 
durch  man  das  wasser  füert  specus,  cuniculi  Henisch 
1757 ;  geweihte  brunnenstuben  oder  eingeschloszne  grüben 
in  den  brünnenleitungen,  ausz  welchen  die  teuchel  das 
wasser  fassend  Frisius  196'»;  fischgrube:  wewer  vel 
grub  Diefenbach  io8»  s.  v.  cavea;  vischwyer  vel  gruob 
piscina  438»; 

es  ist'kein  fisch  in  unser  gruben 
(vorher:  sprich,  dasz  sie  den  fisch  in  der  gheim 

in  der  fischgrub  auf  morgen  bhalt!) 

H.  Sachs  21,  257  iT.-C?.,- 

da  man  nun  die  gruben  aufzoch, 
kein  grossen  fisch  er  darinn  sach 

A.  D.  Widmann  Peter  Leu  v.  600  Schade; 

spielgrube  für  kinder  Staub-Tobler  2,  693; 

spielst  du  mit  schussern,  das  kügelchen  rollt, 

dreht  sich  zur  grübe  Göthe  4,46  W.; 

aschengrube: 

morgens  sasz  sie  ganz  berusset 
in  der  heiszen  aschen  gruben 

Brentano  3,  394; 

vgl.  grub  und  ort  under  dem  herd  cavea  Henisch  1757. 
2)  grübe  hl  der  spräche  der  verschiedensten  gewerbe  u. 
gewerke:  schanzgrube:  auf  dem  walle,  da  tiefe  gruben 
zu  Verwahrung  der  artollerey  gemachet  Micrälius 
Pommerland  4,  167;  baugrube:  grub,  darinn  der  baw 
angelegt  wirdt  fundam^ntum  Henisch  1757;  vgl.  man 
sihet  noch  heut  .  .die  gruben  desselbigen  hauses  (das 
ausgebrannt  ivar)  buch  d.  liebe  273»;  gieszgrube: 

was  in  des  dammes  tiefer  grübe 
die  band  mit  feuers  hilfe  baut 

Schiller  11,  306  ö.  ; 

da  brachten  sie  .  .  .  ihr  werk  in  die  grübe  Göthe  44, 
61  W.;  bildlich:  müssen  wir  die  form  bereit  halten,  in 
die  das  siedende  metall  sich  ergieszen  kann,  damit  die 
blanke  .  .  .  Germania  aus  der  grübe  steigt  Uhland 
Frankf.  pari,  reden  4,  2879;   setz  grübe  für  pflanzen: 


I 


605 


GRÜBE  II  B  3 


GRÜBE  II  B  4 


606 


grub,  grabe  darein  man  etwas  pflantzet  Henisch  1767; 
im  Weinberg  die  gruben,  in  die  die  grubreben  (».  d.)  ge- 
setzt werden:  waz  mistes  man  in  die  grüban  bedarf 
Fischer  schwäb.  3,  861  {quelle  v.  I36i);  ein  alter  reb- 
stock dessen  schosz  man  mit  gruben  eynleget  propago 
Calepin  XI  ling.  iiTi**;  auch  soll  er  jährlich  eine  ge- 
wisse anzahl  {weinstöcke)  zu  gruben  und  bogen  legen 
zu  lassen  verbunden  seyn  Hohberg  georg.  cur.  1,  19; 
v^-Z.  gruben  v6. ,•  das  grubeneinlegen  und  sencken  {beim 
baumpflanzen)  2,  413;  um  sie  {die  eichen)  in  eine  neue 
grübe  zu  setzen  Brentano  2,  66;  grübe  zum  kohlen- 
brennen: er  hab  es  {kohlen)  uff  der  grub  oder  uff  dem 
marckt  kauft  Fischer  schwäb.  3,  861  {Ulm  1605):  den 
kolern,  wann  sie  holz  zu  den  grueben  schleifen  ib.; 
wobei  das  holz  .  .  in  .  .  meilern  oder  in  gruben  ver- 
kohlt .  .  wird  RossMÄSSLER  d.  wald  614;  kalkgrube: 
lacus  der  trog  oder  die  grübe,  darinnen  der  kalck  ge- 
löschet wird  Reyher  (1668)  2,  3942;  der  kalch  muss 
wenigstens  1/4  jähr  in  der  grübe  bleiben  allg.  dtsche 
bibl.,  anh.  zw  37— 52,  432;  g er b gr u be  Karmaksch-Hee- 
REN  35,  331;  ein  gerber  musz  1000  gülden  in  der  band, 
1000  im  buch  und  loöo  in  der  grübe  haben  Fischer 
schwäb.  3,  861;  färbgrube:  der  knecht  hatte  die  bälfte 
seines  garns  .  .  in  einer  grübe  mit  eichenlaub  gefärbt 
MOSER  1,  soi;  waschgrube:  das  treten  der  wasche  in 
der  grübe  bei  Homer  Bücher  arbeit  u.  rhy thmus  *S68; 
und  mannigfach  sonst:  gruben  zum  einsumpfen  d.  tJions 
MusPRATT  Chemie  8,  388;  gruben  der  rast-  oder  brett- 
Schneider  Hoyer-Kreuter  1,  314  u.  a. 

3)  grübe  als  fall-  u.  fanggrube  zeigt  eine  reichere 
entwicklung:  wenn  die  Jäger  ainen  pern  vähen  wellent, 
so  grabent  si  ain  gruob  Konr.  v.  Megenberg  buch  d. 
natur  163;  ir  ardt  zu  fahen  ist,  dass  man  solche  {auer- 
ochsen)  in  tieffe  gruben  stürtzt  Herold-Forer  Oesners 
thierb.  128;  als  wann  ihm  zwölf  fuchse  ...  in  die  grübe 
gefallen  Zend.  a  Zendoriis  winternächte  665;  am  ver- 
breitetsten  waren  die  Wolfsgruben  (attcA  Ortsname),  s.  d.; 
'eine  ort  Vogelfang,  da  man  die  kleine  vögel  in  gruben 
fängt'  Krünitz  20,  152;  als  kriegsmittel :  unde  machten 
grosse  gruben  an  den  enden,  da  sie  wissten  die  Sende 
herquamen  Wigand  Gerstenberg  chron.  28;  seinen 
feinden  kan  man  mit  .  .  verdeckten  gruben  .  .  incom- 
modiren  Fleming  der  vollk.  teutsche  soldat  271.  zwei 
linien  bildlichen  gebrauches  sind  hervorzuheben: 

a)  sy  werdent  euch  zu  einer  grübe  und  zu  eim  strick 
erste  dtsche  bibel  4,  332  {Jos.  23, 13);  das  ir  .  .  vor  truncken- 
heit,  als  einer  hellischen  grüben,  erschrecken  .  .  werdet 
Ambach  v.  zusaufen  d  4*;  sie  {die  weit)  ist  .  .  foller 
bosheit,  steine  und  gruben  Butschky  Pathmos  ii;  da- 
bei kann  sich  der  gegenständliche  sinn  des  subst.  stark 
verflüchtigen;  gelegentlich  wird  es  fast  wie  ein  abstrac- 
tum  gebraucht:  grub,  hinderlist,  beruckung  .  .  .  dolus, 
fraus,  fallacia,  insidiae,  technae  Henisch  1758;  dasz  einer 
etwas  studiert,  das  ist  dazu  .  .  .  nutz,  dasz  man  der 
füchsz  ränck  und  gruben  erlernt  Lehmann  florileg.  pol. 
1,  494;  vgl.  si  haben  mir  on  ursach  gestellet  di  grüben 
yrer  netze  Schede  psalmen  131  ndr.;  eine  reihe  von  bibel- 
stellen haben  diesen  bildlichen  gebrauch  befördert,  vor 
allem  Jes.  Sir.  27,  29:  wer  eine  grübe  gräbt,  der  fällt 
selber  darein ;  ganz  ähnlich  spr.  Sal.  26,  27 ;  pred.  10,  8 ; 
auf  sie  geht  das  vielverwerthete  Sprichwort  zurück:  wer 
einem  anderen  eine  gruben  gräbt,  fält  gemeiniglich  selbst 
darein  Aler  l,  988*,  das  schon  der  mhd.  zeit  geläufig 
war: 

vil  dikke  er  selbe  drinne  lit 

der  dem  andern  grebt  die  gruoben 

minnes.  frühl.  22,  32; 

vgl.  Rother  4527 ;  dann  ich  bin,  der  die  gruben  getolben 
hat,  und  zu  dem  ersten  hineingefallen  Wickram  2,  I6I 
Bolte;  auch  eine  reflexive  fassung  ist  alt: 

Gäwein  im  selp  die  gruobe  gruop: 
Gasozein  er  wider  Of  huop 
Heinr.  V.  D.  TCRLiNfcr07ie  12003;  vgl.  16827; 

da  grabend  ir  unsinnigen  .  .  euch  selb  ain  grub  und 
fallen  darein  reform,  flugschr.  l,  112  Giemen;  auf  grund 
dieser  sprichioörter  entwickelte  sich  die  des  citatcharakters 


allmählich  ganz  entkleidete  formel  einem  eine  grübe 
graben  im  sinne  'insidias  alicui  struere'  Stieler  689; 
der  .  .  .  grosse  häufe  .  .  dencket  und  trachtet,  wie  man 
Christo  eine  grübe  grabe MATHESius/a«fenprcrf.  (1670)28''; 

Atropos:  sehen  sie  da  den  herzbuben. 

Lachesis:  aber  die  trefdame  grabt  eine  gruben 

Meisl  theatr.  quodl.  1,  48; 
auch  mit  anderen  verben: 

auch  haben  on  ursach  die  buben 
meiner  seel  zugericht  ein  gruben 

H.  Sachs  18,160  K.-O.; 

wie  er  {der  teufet)  solchen  abergläubischen  fuhrleuten 
.  .  eine  grübe  bereite  J.  G.  Schmidt  rockenphil.  1,  341 ; 
die  tiefsinnigen  gedanken  unserer  philosophie  .  .,  denen 
Leo  heimliche  gruben  legt  Gutzkow  w.  10,  148. 

b)  einige  andere  bibelstellen  streifen  wenigstens  an 
diese  Sonderbedeutung:  aber,  gott,  du  wirst  sie  hinunter 
stoszen  in  die  tiefe  grübe  ps.  65,  24; 

lasz  sie  treffen  ihr  böse  sach 
und  stürz  sie  in  die  grub  hinein 

Pape  bettel-  u.  garteteufel  Q  7  * ; 

im  hertzen  aber  dencket  er, 

dasz  er  dich  feil  int  gruben  schwer 

H.  Sachs  19,  50  K.-Q. 

als  Paraphrase  von  Sir.  12,  16;  aber  sein  unordentliches 
leben  stürzte  ihn  in  die  grübe  Haller  TJsong  93;  auf 
dieser  linie  gelegentlich  der  abstracten  bedeutung  'ver- 
derben, Untergang'  nahekommend:  yhr  {der  gottlosen) 
grübe  und  verderben  ist  fürhanden  Luther  19,  690  W.; 
öfter  vermengt  mit  den  bibelstellen  unter  a:  wurden  .  . 
also  in  die  grübe  selbst  gestürtzet,  die  sie  andern  bet- 
ten zugerichtet  Schütz  hist.  rer.  pruss.  m  4";  stürtze 
sie  selbst  in  die  gruben,  die  sie  uns  gegraben  haben 
aus  einem  gebet  Fleming  d.  vollk.  teutsche  soldat  297; 
dieselbe  Spielart  des  sinnes  auch  in  anderen  fügungen: 
o,  ich  thorl  .  .  so  lang  mich  von  solchem  umgang  ent- 
fernt gehalten  haben,  und  im  letzten  jähr  wie  ein  un- 
sinniger in  die  grübe  laufen!  Miller  br.  dreier  akad. 
freunde  430; 

das  {wangengrübchen)  ist  die  grübe,  worein  mich  trieb 
wahnsinniges  verlangen  Hbine  1, 50  E. 

4)  grabe  zur  beatattung  von  toten: 

si  folten  manige  grüben 
mit  f runden  unde  mit  mägen 

Straszb.  Alex.  4753; 

alle  greber  und  grüben  mit  den  todten  cörpern  erfüllet 
warn  Hedio  chron.  german.  c  4»;  damit  .  .  er  .  .  {die 
leichen)  in  die  gemain  grüben  warf  Lindener  rast- 
büchl.  19  lit.  ver.;  der  sarg  {Mozarts)  wurde  in  einer 
allgemeinen  grübe  beigesetzt  0.  Jahn  Mozart  4,  688; 
dann  auch  im  specifischen  sinne  des  einzelgrabes ;  schon 
mhd. : 

{ich)  bin  worden  nu  so  alt 

daz  ich  nicht  zu  beytene  han 

me  wan  der  gruben  Hiob  6854  Karsten; 

uf  mines  dotes  grüeben 
Herm.  V.  Sachsenheim  in:  meister  Altswert  136,15; 

erst  nhd.  in  breiter  entfältung,  aber  bei  literarischem  ge- 
brauch im,  ganzen  ein  wort  gehobener  spräche:  {du  wirst) 
nicht  zugeben,  das  dein  heilige  sehe  die  gruben  pa.  16, 
10  var.;  ähnlich  ps.  49,  10; 

mein  geist  vergeht,  mein  herze  bricht 
gleich  denen  in  der  grübe 

Neukirch  ged.  103; 

fünf  jähre  sind  es  schon,  dasz  deine  werten  glider 

in  ihrer  grübe  ruhn  Drollingkr  ged.  112; 

ich  fliehe  und  fliehe,  bis  sich  mir  eine  frühe  grübe 
öffnet  Hauff  3,  102; 

die  erste  starb  bei  dem  morgengeläut, 
man  grub  ihre  grübe  zu  thaueszeit 

Mittler  dtsche  volksl.  192 : 

seit  den  tagen,  wo  dieser  zweig  alemannischen  volkes 
sich  hier  festgesetzt  und  die  erste  grübe  gegraben 
G.  Keller  1,  182;  auf  der  anderen  seite  aber  auch  mit 
einem  vulgären  klang:  meinetwegen!  besser  sie  als  wir 


607 


GRÜBE  II  B  4 


GRUBE  II  B  4 


608 


in  die  grübe  maler  Möller  8,  209;  futter  für  pulver; 
sie  füllen  eine  grübe  so  gut  wie  bessere  Shakesp.  6,  142 ! 
tco  das  wort  in  niederen  sprachschichten  erscheint,  ist  es 
wesentlich  an  bestimmte  formein  gebunden:  es  müszt' 
mit  ganz  verkehrten  dingen  zugeiien,  wenn  er  mir  nicht 
in  die  grübe  nachsehen  könnte  Anzengruber  3,  88; 
i  füll  sei  gruab'n  ned  aus  sterbe  nicht  an  seiner  statt 
HÜGEL  71; 

wer  bethat  und  wainat  und  wurf  ma 

aft  dö  drei  knöllerl  in  d'  grue? 

Stelzhamer  ausgew.  dicht.  1,29; 

vgl.  Fischer  schwäb.  3,  862;  Staub-Tobler  2,  692;  über- 
haupt bewegt  sich  das  leben  dieser  bedeutung  gröszten- 
theils  in  der  bahn  fester  Wendungen,  von  denen  einige 
der  meistgebrauchten  und  entwicklungsfähigsten  auf  die 
Luthersche  bibel  z  urückgehen :  auf  ihre  rechnung  kommt 
zum  guten  theil  die  breitere  entfaltung  der  bedeutung 
'grab'  im  nhd. 

a)  würdet  ihr  meine  grauen  haare  mit  herzeleid  in 
die  grübe  bringen  l.  Mos.  42,  88;  vgl.  44,  29.  81;  l.  kön. 
2,  6;  diese  zeitung  wird  mein  graues  haar  in  die  grübe 
bringen  schausp.  engl,  comöd.  85  Greiz.;  denk,  einsamer! 
wenn  du  kinder  hättest,  die  deine  grauen  haare  in  die 
grübe  brächten?  Hippel  lebensl.  4,  651 ;  soll  denn  Friede- 
rich seine  grauen  haare  nicht  können  mit  frieden  in 
die  grübe  bringen?  Gleim  briefw.  l,  462;  aber  auch  ohne 
so  greifbare  beziehung  auf  die  bibelstellen: 

ich  wurt  sie  mit  leydigen  dingen 
so  alter  in  die  gruben  bringen 

H.  Sachs  1, 145ir.,- 

den  jähen  Umsturz  .  .,  der  mich  in  meine  frühe  grübe 
bringt  S.  v.  Laroche  frl.  v.  Sternheim  2,  218;  von  den 
zahlreichen  sonstigen  transitiven  Wendungen  sind  manche 
deutlich  nur  abwandlungen  der  biblischen  formal: 

und  wie  dein  kühner  degen 
eo  manchen  Saracen  könnt  in  die  grübe  legen 

Neukirch  ged.  186; 

wollt  ihr  mit  gram  mich  in  die  grübe  senken? 

A.  V.  Arnim  20,  259 ; 

wenn  nicht  der  schnelle  tod  das  abgekränckte  pfand 
noch  vor  der  sechsten  nacht  der  gruben  zugesandt 

Gryphius  ged.  576  lit.  ver.  ; 

wie  die  jungen  .  .  ärzte  .  ,  ein  paar  hundert  krancke 
in  die  grübe  schicken  Mattheson  kl.  gener albaszsch.  66; 
mit  schände  stöszt  sie  mich  in  die  grübe  Iffland 
theatr.  w.  l,  49; 

als  bis  ihn  ein  frühes  sterben 
in  die  dunkle  grübe  reiszt 

Triller  poet.  betracht.  3, 108  ; 

das  gifftig  aug  der  trauen  .  .  .  wirft  das  kamel  in  die 
grueb  proplem.  Arestotilis  (1492)  19^*;  intransitiv:  ich 
werde  mit  leide  hinunter  fahren  in  die  grübe 
1.  Mos.  87,  35 ;  vgl.  ps.  148,  7 ;  spr.  Sal.  1,  12 ;  Jes.  88,  18 
u.  ö.;  wolltest  mich  .  .  aus  herzleid  über  dich  in  die 
grübe  fahren  sehen?  Fr.  M.  Klinger  l,  435;  und  ist 
darüber  verzweifelnd  in  die  grübe  gefahren  Göthe  IV 
27,  221  W.;  nicht  selten  auch  mit  zu: 

wi  zü'r  grüben  farende  leich 

Schede  psalm.  100  ndr. ; 

ob  er  {Napoleon)  zur  grübe  fährt,  wohin  er  so  viele 
vor  sich  her  gesendet  Görres  2,  467;  von  den  zahlreichen 
anderen  intransitiven  u.  reflexiven  Verbindungen  desselben 
Sinnes  sind  manche  vneder  deutlich  nur  abwandlungen 
der  biblischen  Wendungen:  eh  soll  meine  Schwester  ledig 
in  die  grübe  gehen  Meisl  theatr.  quodl.  l,  104;  als  dasz 
ich  .  .  mein  graues  haar  mit  schände  bedeckt  in  die 
grübe  legen  sollte  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l. 
Deutschen  3,  192; 

mein  graues  haupt  wird 
eher  nicht  in  die  grübe  sich  neigen,  als  . . 

Klopstock  Mess.  (1780)  477 ; 

anderen  sinnes  (vgl.  b):  als  Rom  zur  grübe  neigte  Laube 
5,  107;  damit  ich  nicht  mit  ihm  in  die  grübe  sinke 
Sturz  sehr.  2,  7;  dasz  ich  hinabsteigen  werde  in  die 
kalte  .  .  grübe  Holtei  erz.  Schriften  li,  299;  auch  um- 
gekehrt: 


sollt'  Helena  auch  selbst  aus  asch'  und  grübe  steigen 

Weichmann  poesie  d.  Nieder s.  i,  183; 

sprichwörtlich:  wer  aus  der  grübe  komt,  der  weisz  vom 
tod  zu  sagen  Kram  er  teutsch-ital.  l,  570«. 

b)  auf  der  grübe  gehen  dem  tode  nahe  sein;  im  älte- 
ren nhd.  ungemein  häufig,  auch  im  18.  jh.  noch  durch- 
aus gebräuchlich: 

wiewol  du  täglich  gast  uff  der  grub 

N.  Manuel  263  B.; 

je  neher  er  auf  der  gruben  get  Luther  32,  227  W.; 
weil  sie  {die  weit)  zu  irem  ende  nahet  und  bereit  auf 
der  gruben  gehet  84,  2,  476;  im  nahmen  des  auf  der 
grübe  gehenden  Augustus  Lohenstein  Armin.  2,  1839*; 
variiert: 

wie  vast  wir  laufen  uff  der  grub, 

schenck  yn      Murner  narrenbeschw.  234  ndr. ; 

die  uf's  dots  gruben  gan  Schede  psalm.  81  ndr.:  ihr 
sehet,  dass  der  eine  fuss  schon  auf  der  grübe  gehet 
Moscherosch  ges.  l,  215;  die  alten  auf  der  grübe  wal- 
lenden allg.  haush.  lex.  2,  706'";  mein  nachbar  geht  .  . 
auf  der  grübe  herum  Nieritz  nacÄ  Müller-Fraureuth 
1,  446^;  jüngere  spräche  verändert  die  präpositionale  fü- 
gung:  das  hohe  alter,  das  nun  beginnt  auf  die  gruben 
zu  gehen  Corvinus/ow*  28;  der  auf  die  grübe  losgeht 
Holtei  erz.  sehr.  22,  275;  wir  .  .  laufen  gegen  unsere 
gruben  zu  Jag.  Böhme  4,64;  gehen  wir  entgegen  der 
grübe  MALER  Müller  l,  93;  andere  Wendungen  der- 
selben bedeutung: 

wann  man  sieht  die  schellen  tragen 
den,  der  nach  der  grübe  sticht 

S.  Brant  narrenseh.  8  Z. ; 

ein  zahnlos  weib,  das  an  der  grübe  wankt 

Eschenburg  beispieUamml.  2,  236; 

schon  nach  der  grübe  riechen  Kram  er  teutsch-ital.  i,  570 ". 

c)  etwas  mit  in  die  grübe  nehmen  seit  dem  17.  jh.  in 
schwang:  eines  getrewen  .  .  fürsten  namen  und  nach- 
ruhm  mit  sich  in  die  grübe  zunehmen  Chemnitz  schwed. 
krieg  1,  60:  der  das  .  .  geheimnis  seines  todes  mit  in 
seine  grübe  nimmt  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.  l,  192; 
hat  einer  zank  .  .  .,  so  nehme  ers  ja  nicht  mit  sich 
unter  die  gruben  Otho  ev.  krankentrost  686 ;  doch  schon 
früher  ähnliche  Wendungen: 

bring  in  {den  willen)  ze  dlner  gruobe  hin 

Winsbeke  6,  4; 

aber  die  eer  wil  ich  ,  .  .  unversert  mit  mir  in  mein 
gruben  bringen  Hütten  2,  137  Böcking ;  dem  sey  nicht 
mehr  zu  helfen  und  muss  solche  {sc.  sucht)  mit  sich 
in  die  gruben  tragen  Guarinonius  gretiel  27;  alt  ist 
auch : 

sus  muoz  leide  an  endes  zil 

in  volgen  in  ir  grüeben 

minnes.  8,  836^  v.  d.  H.; 

wenn  deine  .  .  leiden  mir  in  die  grübe  folgten  Gersten- 
berg Ugolino  243;  das  gerucht  ...  so  einem  yeden 
menschen  bis  in  sein  grüben  nachvolgt  Theuerdank  184 
Haltaus. 

d)  nicht  von  verben  bestimmte  präpositionale  Wendun- 
gen: bis  in  die  grübe,  bis  zur  grübe  bis  in  den  tod; 
namentlich  im  älteren  nhd.  sehr  ausgebreitet :  der  sicher 
ain  frummer  .  .  man  was  bisz  in  sein  grueb  städtechr. 
6,  202;  du  wirst  noch  vil  daran  zu  lernen  haben,  ich 
auch  bisz  in  meine  gruben  Luther  32,  93  W.;  dasz  er 
bisz  in  seinen  tod  und  gruben  ein  reines  .  .  leben  .  . 
führen  .  .  .  wolte  Schütz  hist.  rer,  pruss.  l,  c  6";  itn 
18.  jh.  literarisch  zurückgehend: 

dir  bis  zur  grübe  treu 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  287; 

mundartlich  noch  heute,  s.  Fischer  schioäb.  3,  862;  (noch) 
in  der  grübe  noch  nach  dem  tode:  dasz  nicht  grobe 
hübeler  .  .  mich  damit  in  meiner  gruben  ausschwätzen 
Schw^einighen  denkw.  7  Ö.;  das  musz  ich  ihm  noch 
in  seiner  grübe  nachrühmen  Gottsched  dtsche  schaub. 
8,  287; 

beschimpfte  den  vater 
jenseit  der  grübe  Göthe  50, 61  W. 


609 


GRUBE  II  B  5,  C  1 


GRUBE  II  C  2  -  2GRÜBEL 


610 


5)  grübe  zur  gewinnung  von  Tnineralien,  sei  es  an  der 
erdoberfläche  oder  unter  der  erde:  fodina  Diefenbach 
241*';  goltaderen  vei  gruben  mine  362»;  ein  Schacht,  gru- 
ben, zeche  fodina  Faber  thes.  328'' ;  grübe  'dadurch  wird 
das  herg  gebäude  verstanden,  wo  man  anfähret'  Minero- 
PHILUS  (1730)  312;  'ein  berggebäude,  es  sey  schacht  oder 
Stollen,  insbesondere  aber  ein  schacht'  Jacobsson  2, 158''; 

das  perckwerck  creutzweisz  durchrefiret, 
bescnawet  die  stollen,  schech  und  gruben 

H.  Sachs  3,  480  K. ; 

weil  er  {gott)  weisz,  das  arme  bergkleut  in  gruben  und 
hütten  viel  bösz  wetter  .  .  in  sich  ziehen  Mathesius 
Sar.  3";  ich  habe  .  .  als  praktischer  bergmann  .  .  einen 
groszen  theil  des  tages  in  den  gruben  zugebracht  A.  v. 
Humboldt  kosm.  3,  71;  in  weiterem  sinne  auch  von  dem 
industriellen  gesamtkörper  des  bergwerks  Veith  bergtvb. 
249;  von  einem  sehr  energischen  betrieb  der  gruben 
MoMMSEN  röm.  gesch.  1,  748;  hypotheken  .  .  an  gruben 
und  brüchen  hypoth.-bankgesetz  (l899)  §  12,  3;  nach  dem 
zu  tage  geförderten  unterscheidet  man  ertz-,  bley-,  gold-, 
silbergruben  Galepin  xi  ling.  818'';  1305^;  saltz  ,  Schwe- 
fel-, stein-,  Sandgruben  Henisch  1759;  kohlen-,  thon-, 
lehmgruben  u.  a. :  all  unsere  bürgere  .  . ,  die  eisenberg- 
werck  haben,  es  sey  an  berg-grieben,  alten  grueben  und 
fangen  Lori  baier.  bergrecht  46  (quelle  v.  1455);  es  ligt 
das  ertz  noch  halb  yn  der  gruben  Luther  post.  (l528) 
112»;  von  den  goltertzen,  die  ausz  der  gruben  von  den 
gengen  gewunnen  .  .  werden  Ercker  beschr.  aller  mi- 
neral.  ertzt  45'';  es  hat  gruben  alda  von  goldt,  silber 
und  allerley  metall  volksb.  von  dr.  Faust  67  ndr. ;  an- 
statt die  kohlen  in  der  nähe  der  gruben  zu  verkohken 
Liebig  ehem.  br.  126;  daneben  seit  alters  für  oberirdische 
anlagen :  es  soll  auch  kein  steinprecher  dem  andern  kein 
fels  oder  gruben  .  .  am  perg  nit  verkaufen  E.  Tucher 
baumeisterb.  81  lit.  ver.;  gerade  für  Steinbruch  in  älterer 
Sprache  gangbar,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  861;  der  mar- 
mor  sey  keinem  aus  den  gruben  von  Carrara  kommen- 
den ähnlich  H.  Meyer  gesch.  d.  bild.  künste  8,  294;  des 
Schiefers,  den  er  aus  eigener  grübe  gewinnt  0.  Ludwig 
1,  144;  stehende  Wendungen:  perchknappen,  die  in  die 
gruob  varnt  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  natur  109; 
beym  einfahren  in  die  grübe  Göthe  IV  8,  4  W.,-  das  be- 
fahren der  zwei  vorzüglichsten  Klausthaler  gruben  Heine 
8,  28  E.;  die  bergleute,  die  auf  dem  Harze  die  dort  ge- 
fundenen gruben  eröffneten  Eichhorn  Staats-  u.  rechts- 
gesch.  2,  340;  vermögen  sie  das  lezte  nicht  mehr,  wie 
etwa  eine  abgebaute  grübe  oder  ein  ganz  ausgesogner 
acker  Schleiermacher  III  2,  457;  dazu  vielerlei  rein 
technische  ausdrücke  wie  eine  grübe  abhütten,  abköhlen 
eingehen  lassen,  belegen  arbeiter  anfahren  lassen,  eben 
machen  räuberisch  bauen,  zu  sumpf  treiben  ähnlichen 
Sinnes  u.  a.  Minerophilus  (i730)  312;  in  bildlichem  ge- 
brauch nicht  eben  häufig:  herr  Weiss  hat  den  stoff  zu 
seinem  Thyest  aus  dieser  grübe  geholt  Lessing  9, 350 ilf.,- 
dieses  sind  die  gruben,  wo  ich  geld  zu  graben  hoffe 
A.  v.  Haller  Fabius  u.  Cato  141. 

C.  grübe  übertragen  auf  Vertiefungen  in  anderen  Stoffen 
und  fläclien  als  der  erdoberfläche. 

1)  seit  alters  sehr  gewöhnlich  von  Vertiefungen  am 
jnenschlichen  und  thierischen  körper: 

sin  {des  rosses)  ougen  tief,  die  gruoben  wlt 

WoLFR.  V.  Eschenbach  Parz.  256,  23; 

die  äugen  (des  papstes)  unbeweglich  und  tief  in  ihren 
gruben  Ranke  340/41,  49;  die  slangen  habent  neur  gruob 
an  der  6rn  stat  Konr.  v.  Megenberg  buch  der  natur 
285; 

von  einer  gruoben  daz  geschach, 

die  sie  (die  nase)  in  die  stirne  zöch 

Heinr.  V.  TüRLiN  kröne  19661;  vgl.  19639; 

aus  denen  gruben  ihrer  gedörrten  wangen  Ziegler  Ba- 
nise  227;  im  sibenzehenden  jar  pflegen  den  pferden  .  . 
die  schlaf  einzufallen  und  gruben  zubekommen  Sebiz 
feldb.  151; 

man  sieht  under  dem  arm  die  gruoben 

MEISTER  Altswert  50; 
IV.  1.  6. 


in  die  grub  der  schulteren  Gersdorf  ivundarzn.  (1517) 
7'';  toll  seid  ihr  alle  bis  an  die  grübe  im  nacken  Herb. 
Eulenberg  dogenglück  (1899)  148;  ech  schlo'n  der  eng 
an't  grübe  ins  genick  Follmann  lothr.  218'';  grübe  auf 
der  brüst  cavita,  fossetta  Jagemann  547;  grübe  an  der 
kehle  ib.;  durch  eyn  grub  eynes  holen  zans  Fischart 
geschichtklitt.  378  ndr.;  wo  die  knochen  durch  gruben 
rauh  und  uneben  sind  Sömmerring  2,  10;  mannigfach 
in  der  kunstsprache  der  anatomie,  z.  b.  die  flache  grübe 
am  augenhöhlenstücke  des  schädels  fovea  glandulae  la- 
crimalis, weiteres  bei  Campe  2,  466»;  narbe,  'eine  harte 
figur'  Rüdiger  Zuwachs  2,  80  {vgl.  blattergrube) :  dasz 
sie  {die  urschlechten  im  angesicht)  keine  gruben  noch 
masen  geben  Gäbelkover  arzneib.  2,  144;  ich  kriegte 
gruben  im  gesiebt  Grimmelshausen  Simpl.  310  ndr.; 
wenn  er  die  eklen  gruben  im  angesicht  seiner  Brob- 
dingrags  sah  Schubart  leb.  u.  gesinn.  l,  199, 

2)  im  übrigen  öfter  in  technischer  spräche:  grübe  'sind 
flachrandige  Vertiefungen  in  guszstücken'  v.  Alten  4,  475 ; 
gruben,  gallen,  chambres,  äuszern  sich  zuweilen  in  dem 
laufe  der  stücke  und  mörser  v.  Eggers  i,  iits;  den 
gruben  in  den  stücken,  so  man  mit  einem  Wachslicht 
.  .  inwendig  erforschen  kan  Gruber  mathem.  friedens- 
u.  kriegslust  427;  an  blüfhen  bezeichnet  grübe  eine  ort 
honigbehälter,  nectarium  Rohling  Deutschlands  flora  1, 
41;  {die  Matter  der  fieberrinde),  welche  in  ihren  drüsigen 
gruben  eine  herbe  flüssigkeit  absondern  Oken  3,  2,  864; 
sie  {die  'nusz'  der  armbrust)  hatte  ferner  eine  Vertiefung 
(grübe)  für  die  abzugsstange  G.  Köhler  kriegsw.  8,  l, 
115;  grübe  =  sponning,  eine  kerbe  zu  beiden  seilen  des 
kieles.  in  die  die  unteren  kanten  der  au^zenplanken  ge- 
fügt werden  Bobrik  320^;  652'';  bei  pulvermühlen  die 
löcher  im  grubenbaum  Mothes  2,  581;  bei  den  Schuh- 
machern die  Vertiefung  im  hölzernen  absatz  für  die  ferse 
Sanders  l,  632*  u.  a.;  darüber  hinaus  nur  in  beschränk 
tem  ausmasz:  ainer  . .  der  da  auszwürfft  das  wasser  ausz 
dem  schiff  .  .  allso  versammelt  in  der  grüben  Keisers- 
BEB.G  schiff  d.  pen.  20^;  darnach  machet  soviel  gruben 
{in  die  mit  butter  beschmierte  Schüssel),  als  eyer  sollen 
drauf  gestellet  werden  Amaranthes  frauenz.  lex.  509; 
ein  stückgen  kupfer  .  . ,  welches  vom  roste  halb  ver- 
zehret ist  und  deshalb  einige  gruben  .  .  zeiget  Gott- 
sched Vernunft,  tadler.  1,  340;  man  sah  am  morgen  eine 
kleine  grübe  {im  bett)  Grimm  dtsche  sagen  l,  59. 

GRUBEINEN,  vb.,  nach  der  grübe  riechen,  dem  tode 
nahe  sein  Kramer  teutsch-ital.  1,  571»;  vgl.  Wilmanns 

2,  103;  im  selben  sinne  auch  grubentzen  und  grübeln  ib. 
IGRÜBEL,  m.,  Werkzeug  zum  graben:  sarcolum  spade, 

grübet  Diefenbach  327»,  rutrum  grübbel  505«  aus  nd. 
glossaren;  grübel  rutrum,  instrumentum  rusticum,  quo 
quid  eruitur  .  .  Saxones  ein  grübbel  vocant  Faber  thes. 
704'';  grübel  hacke,  picke  Staub-Tobler  2,  691;  griob-l 
Schneller  1,  984;  böhm.  die  gribbel  centralbl.  f.  d.  ges. 
landeskult.,  hg.  v.  d.  ökon.  gesellsch.  in  Böhmen  (1852)  22 ; 

{ich)  ergrief  in  der  hast  einen  grübel  (:  übel) 
und  schlug  ihn  damit  umb  die  lendn 

A.  Pape  Jonas  rhythm.  (1605)  l  S"»; 

hyper Schriftdeutsch:  wo  er  es  {das  erdgewächs)  aber  nit 
suechet  mit  dem  pflueg,  so  mag  der  das  .  .  nemen  .  . 
mit  dem  grüeblein  österr.  weist.  11 ,  208  (a.  d.  j.  1577) ; 
bildlich : 

und  frurit  mich  vil  übil 

an  miner  hende  grübil 

Hugo  v.  Langenstein  Marl.  73,  22; 

auch  als  persönliches  nomen  agentis:  der  helle  grubil 
teufel  4,  50;  10,  13;    gribel  totengräber  Fischer  schwäb. 

3,  863;  gewöhnlich  totengrübel,  s.  d.;  geizhals:  das  alt 
grübelin  hat  grüblet,  bis  im  4000  krönen  worden  sind 
sagt  einer  von  dem  pensioner  Jak.  Qrebel  in  Zürich  Staub- 
Tobler  2,  691  {quelle  v.  1526);  zum  verbalstamm  graben 
von  einer  ablautstufe  grub-;  vgl.  ohr-,  zahngrübel.  — 
grübeleisen,  n.:  gribelysen,  grübeleysen  scalprum 
Diefenbach  nov.gl.zm^;  gloss.  616'' ;  sculprum  0210. 

2 GRÜBEL,  /.  und  m.,  ganz  vereinzelt  im  sinne  von 
grübelei:  so  man  doch  etliche  frevenlich  manszbild  fint, 
so  sich  selbs  auch  gelert  achten  in  diser  und  anderer 

39 


611 


GRÜBELEI  -  GRUBELFANG 


GRÜBELGEIST  - 1  GRÜBELN 


612 


dorechten  grüblen  verhaftet  Gebweiler  beschirm,  d.  lohs 
Marie  1^;  die  Candraysche  composition  flndet  beyfall. 
kein  grübel,  kein  prunk  Zelter  an  Göthe,  briefw.  5,  13 
Miemer. 

GRÜBELEI,  /.,  seit  dem  Vl.jh.,  ein  älteres  grübelung 
(».  d.)  ablösend. 

1)  die  thätigkeit  des  grübelns;  in  den  ältesten  belegen 
noch  in  dem  sinne  von  grübeln  3  a,  das  suchen,  die  nach- 
forschung:  keine  grübeley  in  lateinischer  spräche  ist  in 
dem  nötig,  dessen  klaren  gebrauch  man  im  Virgilio  .  . 
flndet  ScHOTTEL  haubtspr.  9;  und  stehet  es  ja  so  klar 
alhie,  dasz  man  deszhalben  nicht  nöthig  hat  die  ge- 
ringste grübeley  zu  machen  Morhof  unterr.  v.  d.  dtsch. 
apr.  1,  279;  gewöhnlich  aber  in  der  rein  abstracten  bedeu- 
tung  des  verbums,  die  speculation,  und  zwar  noch  im 
18.  jh.  öfter  ohne  abschätzigen  beisinn:  um  die  . .  criticker, 
die  überall  witz,  grübeley  und  Ordnung  verlangen,  be- 
kümmere ich  mich  wenig  Lichtenberg  nachl.  21  ; 

(empflndung),  du  lehrst,  nicht  witzes  grübeley, 
dasz  lieb  und  freundschaft  ewig  sey 

R.  Z.  Becker  mildenh.  Uederb.  71 : 

wer  wird  den  grübeleyen  des  stolzes  gehör  geben,  wenn 
die  traurigkeit . .  sich  unsrer  seele  bemächtiget?  Sonnen- 
fels 1,  169;  worüber  ich  wohl  weiland  meine  grübe- 
leien  gemacht  habe  Fr.  Arndt  bei  E.  M.  Arndt  sehr, 
f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  l,  30;  ivie  das  vb.,  meist  mit 
einer  specifischen  färbung;  entweder  den  begriff  des  tif- 
teligen,  spitzfindigen  hervorkehrend  (vgl.  grübeln  3  a);  so 
gern  im  18.  jh.:  vor  künsteley  und  grübeley  bewahre 
gott  sie  Lavater  verm.  sehr.  2,72;  verschwendet  man 
die  zeit  mit  subtilen  anatomischen  grübeleien  Jung- 
Stilling  1,  300;  ich  will  in  dem  Standpunkte  des  na- 
türlichen denkens  mich  halten  .  .  und  aller  jener  grü- 
beleien und  klügeleien  mich  entschlagen  Fichte  2,  252; 
grübelei  ist  jede  frage,  wie  die  gottheit  wirke  Herbart 
4,  334 ;  oder  den  begriff  des  trüben,  frucht-  und  thatlosen 
(vgl.  grübeln  3  b) :  denn  er  war  empflndsam  bis  zur 
grübeley  A.  G.  Meissner  skizzen  l,  2; 

gedank'  ist  blitz,  doch  grübelei 
bricht  jeden  ganzen  muth  inzwei 

E.  M.  Arndt  5,  338; 

es  ist  nicht  zeit  zu  grübeleien,  ich  musz  jetzt  als  mann 
handeln  Nestroy  ii,  l9i;  wollte  ich  daher  die  finstern 
grübeleien  .  .  unterdrücken  Steffens  was  ich  erlebte  3, 
124;  ungewöhnlich  mit  genetivobject :  wer  mehr  (hat)  ihn 
vor  grübeleien  des  unerforschlichen  bewahrt?  Lavater 
atisgew.  sehr.  1,  59. 

2)  concreter,  das  resultat  des  grübelns: 

miszverstandnen  grübelein 
ein  tiefgelehrtes  ansehn  leihn 

Götter  1,  397; 

dasz  diese  lehre  .  .  unter  die  grübeleien  der  kirchen- 
lehrer  gehöre  Bahrdt  gesch.  s.  leb.  2,201;  wenn  man 
die  vielen  zahlen  und  contrapunctischen  grübeleyen 
sieht  Schubart  ästh.  d.  tonk.  84;  der  beisinn  des  klein- 
lichen, nichtigen,  verkehrten,  der  fast  immer  den  unter- 
ton abgiebt,  kann  auch  die  herrschaft  gewinnen;  Kant 
definiert:  eine  erkenntnisz  ohne  wichtige  folgen  heiszt 
eine  grübelei  w.  l,  375  Hartenst.;  dasz  heroische  geister 
sich  nicht  allemal  an  die  juristischen  grübeleyen  binden 
Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  3,  10;  eine  unge- 
heure menge  verdrüszlicher  grübeleyen  und  eitler  hirn- 
gespinste  .  .  ,  werden  den  fruchtbarsten  begriffen  .  .  platz 
machen  8,  509 ;  ohne  zu  gestehen,  dasz  ausnahmen  von 
solcher  Wichtigkeit  seine  regel  zur  grübeley  machen 
Gerstenberg  recens.  836  lit.  denkm.,  also  geradezu  'hirn- 
gespinnt';  gern  in  Wendungen  me:  und  dasz  es  keine 
grübelei  sei  (tcas  Herder  an  der  epigrammtheorie  Lessings 
ändert),  zeigt  die  anwendung  Herder  15,  342  S.;  was 
von  der  Unterschrift  der  alten  künstler  inoiei  angemerkt 
wird  .  . ,  ist  leere  grübeley  allg.  dtsche  bibl.  90,  201. 

GRÜBELFANG,  m..  seite7ibildung  zu  grillenfang :  vieler- 
lei versuche  hat  zwar  der  grübelfang  angestellt  Fr.  L. 
Jahn  2,  1007;  auch  persönlich:  der  alte  hingegen  erwies 
sich   auch  jetzt  nicht  als  grübelfang  L.  v.  FRANgois 


ges.  tc.  4,  321.  —  grübelgeist,  m.:  indem  .  .  man  wirk- 
lich grübelgeist  besizen  muste,  um  sie  (die  schätze)  da 
zu  suchen  v.  Nachersberg  gifikocher  (i798)  2.34;  ein  ge- 
wisser grübel  geist,  der  sich  nichts  weisz  machen  läszt, 
ruht  .  .  auf  ihm  Lichtenberg  br.  2,  320;  nach  langem 
tappen  des  sich  selbst  überlassenen  grübelgeistes  Becker 
weltgesch.  5,  339;  mit  anderer  note: 

gestalt,  von  grübelgeist  entfernt, 
gestalt  so  fest  wie  erz  und  stein 

Rückert  7, 151. 

—  grübelhaft,  adj.,  zum  griXbeln  geneigt:  ein  grübel- 
hafter  mensch  Campe;  mir  scheint,  dass  er  viel  mehr 
spitzfindig  und  grübelhaft  ist  als  ich  samml.  v.  schaus2}. 
(ilBiff.)  7,  d.  Verl.  Zänker  4;  grübelhafte  atheisterei  Rei- 
MARUS  nach  Heinsius  2,  545'^; 

mit  grübelhaftem  übel  nie  befass  er  sich 

Göthe  41,  2,  289  W. 

—  grübelieren,  vb.: 

wer  nun  zwierblieren  und  schimpfieren, 

fälschlich  truffieren  und  grübelieren 

und  mit  zweien  Schwertern  schneiden  kan 

renner  (1549)  119 

(velschlich  truffieren  und  parlieren 

Hugo  v.  Trimberg  21834); 

der  hier  zu  erwartende  sinn  'täuschen,  betrügen'  kehrt 
bei  grübelung  wieder,  s.  d.;  anders  nd.  gräbeleren  grü- 
beln, nachsinnen  Frischbier  1,256.  —  grübelig,  -icht 
s.  grüblig.  —  grübelkopf,  m.  =  grübler:  es  findet  sich 
auch  zuweilen  ein  melancholischer  gribelkopf,  der  be- 
trauret,  was  ein  .  .  frölicher  mensch  in  gelächter  ziehet 
Harsdörfer  Heraclitus  (i66l)  b  12^;  aber  erst  im  18.  jh. 
häufiger:  die  atheistischen  grübeiköpfe  samml.  allerh. 
auserl.  moral.  u.  satyr.  meistersiücke  (i739)  3,  57;  für  un- 
praktische grübeiköpfe  wie  ich  Th.  Abbt  3,  242;  wo  ein 
feuriger  grübelkopf  .  .  den  urgrund  unter  dem  Tartaros 
ausgründet  J.H.Voss  antisymb.  1,259.  —  grübelkrank, 
adj.  =  grillenkrank  (s.  d.),  hypochondrisch  Campe.  — 
grübelkrankheit,  /.,  hypochondrie :  ein  paar  becher 
wein  halfen  mir  aus  mancher  grübelkrankheit  citat  bei 
Campe;  davon  zu  scheiden  ist:  einsmahls  in  Annaberg 
eine  gewisse  krankheit  wütete,  welche  man  die  grübel- 
krankheit nennete,  welche  eben  von  denen  würmern 
entstand  Chomels  öcon.  lex.  8,  257;  also  =  kriebelkrank- 
heit,  s.  d.  —  gr Übelletten,  m.:  solche  stocknarren  . .  , 
welche  die  reine  himmlische  lehre  .  .  also  verketzern, 
vertrehen  und  mit  ihren  närrischen  witz-  oder  griebel- 
letten  verkleistern  wollen  Joh.  Riemer  d.  trunk.  träumer 
(1684)  176. 

1  GRÜBELN,  vb. 

l)  man  stellt  grübeln  geioöhnlich  neben  graben;  vgl. 
engl,  grub;  thatsächlich  lassen  gerade  die  älteren  belege 
das  wort  als  eine  iterativ-  und  deminutivbildung  zu  diesem 
verbalstamm  erscheinen  (vgl.  Wilmanns  2,  98). 

a)  grupilot  fodit;  crupilont  rimantur  Graff  4,  308 ; 

die  gerne  lernen 
und  nach  der  künste  kernen 
grübeln  wollen  in  der  jugent 
{wie  nach  einem  nuszkern) 

Hugo  v.  Trimberg  renn.  17425; 

vgl.  21907 ;  wo  er  (der  satan)  etwa  ein  kleines  loch  findet, 
so  grüblet  er  und  boret  so  lang  daran,  bisz  das  er  mit 
dem  ganzen  leib  .  .  .  hinein  schleuft  C.  Huberinus 
mancherlei  form  zu  pred.  (1557)  73*;  obrimo  .  .  a  rimando, 
quod  proprium,  est  avium  in  aquis,  grübeln  Reyher 
thes.  (1668)  2,  4875;  mit  dem  messer  in  die  erden  grüblen 
fodere  scrobiculos  cultro  Stieler  689;  wie  er  mit  den 
fingern  in  deren  (der  steinernen  wand)  spalt  grübelte 
Grimmelshausen  Simpl.  567  ndr.;  (der  hirsch  in  der 
brunst)  grübelt  mit  dem  gehürn  im  erdreich  Heyden 
Plin.  172;  verlegen  grübelte  er  mit  der  gabel  auf  dem 
teller  J.  Gotthelf  2,  342;  seit  alters  häufig  in  Wen- 
dungen wie 

daz  er  (der  kleine  flnger)  in  daz  ore  grubilot 

Milst.  gen.  6,  3; 
dafür  auch: 


613 


1 GRÜBELN 


1 GRÜBELN 


614 


meister,  die  diu  6ren  grübeln 

Hugo  v.  Trimberg  renn.  22473; 

kinder  grüblen  oft  in  der  nase,  wenn  sie  würmer  haben 
WiRSUNG  arzneib.  193;  es  ist  ein  alt  Sprichwort,  wer  zu 
vil  in  der  nasen  grüblet,  der  macht  sie  schweissen  Geb- 
weiler lob  Marie  24^;  im  spiel  mit  der  bedeutung  3: 
nun  haben  die  Philosophen  über  diese  materie  seit  je- 
her schon  in  ihren  nasen  gegrübelt,  auswendig  daran 
gegrübelt  Lichtenberg i"erm.*cÄ»-.  (I80i)3,ii7;  so  darfstu 
in  den  zenen  nit  grüblen  Eulensp.  67  ndr.;  so  musz  man 
sie  {die  wunde)  tiefer  .  .  schneiden  und  mit  den  fingern 
drin  grüblen  Mich.  Herr  sittl.  zuchtb.  (1536)  224»;  warzu 
nutzt  aber  solches  grübeln  und  graben  in  der  wunden? 
WüRTZ  ivundarzn.  (1612)  30;  vgl.:  deszgleichen  {soll  man) 
ime  {dem  huf)  nit  zu  dief  hinein  griblen  Hörwart 
V.  HoHENBURG  kunst  d.  reiterei  (l58l)  67*';  auch  mit 
accus,  object:  {der  Jenecht)  grübelt  mit  eim  meszer  zwi- 
schen den  kacheln  .  .  ein  kleines  löchlein  Kirchhof 
tvendunm.  2,  219  lit.  ver.;  wann  ein  geschwulst  einfällt, 
die  sich  grüblen  {herausgraben)  lasset  Paracelsus  chir. 
(1618)  12  b;  doch  dann  gewöhnlich  adverbial  erweitert,  im 
sinne  grabend  hervor-,  wegschaffen  u.  ä.:  etlich  graben 
mit  karsten  im  sandt  und  griblen  ihn  {den  bernstein) 
herfür  G.  Braun  beschreib,  u.  contraf.  (1576)  46*; 

so  darfst  eigentlich 
dassell)  {rindfleisch)  nit  ausz  den  zänen  gribeln  (;  übel) 

FtscHART  2,  211  Hauffen; 

der  kern  {der  steinnusz)  mehrentheils  musz  heraus  ge- 
grübelt werden  Hohberg  georg.  cur.  3,  848«^;  stach  und 
hackte  und  grübelte  den  schuft  zu  beiden  selten  weg 
H.  Federer  berge  u.  menschen  456;  kartoffeln  grübeln 
Fischer  schwäb.  8,  864;  Martin-Lienhart  1,628*;  ähn- 
liches meint  wohl  die  angäbe  grübeln  'bohrend  ausgraben' 
Hertel   Thür.  110. 

b)  eine  tcesentlich  nur  aus  leocicalischer  tradition  nach- 
zuiceisende  bedeutung  zeigt  entvdcklung  zu  uneigentlichem 
gebrauch  wie  'sticheln':  grüblen  fodicare,  stimulare,  pun- 
gere  Calepin  xi  ling.  (i598)  574 •>;  fodico  .  .  grübeln,  sti- 
cheln CoRViNUS  fons  359;  aculeata  haec  sunt,  animam 
fodicant  .  .  disz  sein  spitzige  wort,  sie  grübeln  und  gehen 
einem  durchs  hertz  Faber  thes.  11»;  das  grübelt  einem 
ins  hertz  hinein  Aler  988*';  von  da  aus  mrd  verständ- 
lich: fodico  grüblen,  stupfen,  bekümmert  machen  Fri- 
sius  578»;  doch  scheint  hier  2  b  im  spiele;  anders:  die, 
so  ich  lieb  gehalten,  .  .  die  stochern  und  grübeln  heim- 
lich auf  mich  Mathesius  Sir.  128». 

2)  auf  der  anderen  seile  zeigt  sich  oft  eine  unverkenn- 
bare hinneigung  der  bedeutung  zum  vb.  krabbeln  und 
seinen  stammverwandten  {s.  th.  5,  1911) ;  und  wenn  u-ie  in 
der  Schriftsprache  auch  mundartlich  neben  formen  mit 
langer  Stammsilbe  solche  mit  kürze  erscheinen,  erhellt 
schon  daraus,  dasz  eben  ein  anderer  wortstatnm  herein- 
kreuzt {s.  u.  4). 

a)  loie  krabbeln  4  krabbelnd  oder  tastend,  suchend  grei- 
fen, wühlen: 

(swer)  üf  der  erden  als  ein  wibel 
tac  und  naht  nach  guote  grübelt 

Hugo  v.  Trimberg  renn.  21907; 

der  arm  Lentz  .  .  steig  ins  wasser,  sucht  sein  sichel, 
bückt  sich  und  grüblet  also  lang  im  mär.  in  solchem 
grüblen  und  suchen  .  .  Frey  gartengesellsch.  31  lit.  ver.; 

und  wenn  die  puben  sie  benaschen 
und  grubein  nach  der  untern  laschen 

fastnachtfp.  1,  375  K.; 

des  todes  zeichen  sind  dise:  wenn  der  mensch  .  .  an 
den  leilachen  grübelt  oder  faltzet  Heyden  Plin.  68;  auch 
in  modernen  maa.:  grübeln  mtkZ  grübeln  'krabbelnd  grei- 
fen, leicht  kratzen,  kitzelnde  griffe  machen'  Fischer 
schwäb.  3,  864;  griebla  'grabbeln,  mit  den  nageln  sanft 
kratzen  und  irgendwo  etwas  herauszuziehen  suchen'  Sar- 
tori US  Würzburg  49;  vgl.  groüpelen  wühlend  suchen, 
herumsuchen  Bauer-Collitz  41*';  auf  manche  der  stellen 
unter  1  a  fällt  von  hier  aus  ein  schärferes  licht. 

b)  wie  krabbeln  3  jucken,  kitzeln,  kribbeln,  prickeln, 
ttnd  zwar  gewöhnlich  unpersönlich  gewendet: 


ih  sihe  wol,  daz  iu  grubile 
in  dem  houbet 


Reinh.  1884, 


nach  einer  sehr  wahrscheinlichen  conjectur  J.  Grimms, 
sendschr.  an  K.  Lachmann  51;  wolversuchte  cavallier, 
die  ihnen  nicht  lassen  unter  der  nasen  grübeln  Schupp 
sehr.  301 ;  wird  mir  doch  ums  herz  so  warm,  dass  mir 
ordentlich  in  der  nase  grübbelt  Fel.  Weisze  lustsp. 
3,  394,  vor  rührung;  ebenso:  es  grübelte  mir  in  der  nase 
Thümmel  reise  6,  171;  vgl.  kribbeln  2  a;  es  grübelt  mir 
in  den  bänden  senti  un  .  .  formicolio  neue  mani  Jage- 
mann 548;  kaum  berührte  er  den  (zttter-)fisch  .  . ,  so 
grübelte  es  ihm  Oken  6.  40;  schmerzen  .  . ,  welche  .  . 
mit  einem  grübeln  endigen  6,  107;  in  hd.,  namentlich 
obd.  maa.  weit  verbreitet:  's  griebelt  m'r  im  maga  ich 
habe  ein  kitzelndes,  prickelndes,  übles  gefühl  im  magen 
Sartorius  Würzburg  iS;  ähnlich  Staub-Tobler  2,  691; 
Martin-Lienhart  l,  628»;  auch  uneigentlich:  es  hat 
mr  so  we  geton,  dass  es  mr  am  herz  gegrüwelt  hat  ib.; 
es  grübletmer  (ums  herz)  ich  habe  scrupel  Staub-Tob- 
ler; es  kränkt,  reut  mich  Martin-Lienhart;  's  grüblet 
ihm  er  würde  es  gern  ungeschehen  machen  Fischer 
schwäb.  3,  864;  dem  grübelte  die  sache,  je  mehr  er  daran 
dachte  W.  0.  v.  Hörn  bei  Sanders;  es  hat  ihn  belei- 
digt, ärgert  ihn  Fischer  a.  a.  o.  {ganz  wie  krabbeln  3  e, 
kribbeln  2d);  auch  persönlich:  eine  fliege  . .  kroch  hinein 
in  das  gehirn  und  fieng  ihn  an  schrecklich  zu  martern, 
zu  kratzen  und  zu  grübeln  Helvicus  jüd.  hist,  (1617) 
2,  134; 

der  ehrgeitz  grübelt  mir  durchaus  nicht  im  gehime 

H.  W.  V.  Log  au  poet.  zeüvertr.  79; 

anders,  tcie  krabbeln  l  a :  es  grübelt  mir  schon  eins  {ein 
hochzeitscarmen)  im  köpf  herum  Miller  briefw.  dreier 
ac.  freunde  2,  119;  wie  krabbeln  2,  kribbeln  l:  der  weier 
grübelt  und  wiebelt  von  fisch  scatet  piscibus  Aler  l, 
988'';  ein  weiterer  beleg  unter  kribbeln  la;  tcie  kribbeln 
1  c :  rühre  das  gewürze  in  den  zucker  und  lasz  es  nur 
mit  aufgrüblen  MüllerFraureuth  l,  446». 

3)  der  hauptgebrauch  zeigt  die  concrete  grundbedeutung 
des  toortes  ins  geistige  übertragen;  so  schon  ahd.  (Otfrid 
5,  25,  64);  bis  in  die  neueste  zeit  immer  wieder  als  bild 
des  grabens,  sich  einbohrens  empfunden:  du  gedenckst 
im  nach,  du  griblest  und  grebst  ymmerme  der  hinnach 
Keisersberg  spinn.  (1510)  0  6*^;  ein  angefochtener  mensch 
gründet  und  grübelt  so  tief,  das  er  sich  kaum  wider  er- 
holen kan  Petri  d.  TeutscTien  iceiszh.  i,  b  7»;  manchen 
abend  hab  ich  gegrübelt  wie  ein  bohrwurm  Scheffel 
1,  173;  wenn  bis  heute  tief  das  gangbarste  epitheton  ist, 
hängt  auch  das  mit  der  grundbedeutung  des  einbohrens 
zusammen:  ich  hab  mein  theologiam  nit  auf  einmal 
gelernt,  sonder  hab  ymmer  tiefer  und  tiefer  grubein 
müssen  Luther  tischr.  l,  146  W.;  doch  drängt  sich  auch 
hier  gelegentlich  ein  bedeutungszusammenhang  m,it  der 
sippe  krabbeln  im  sinne  des  tastenden  oder  wühlenden 
herumgreifens  auf:  {der  teufet)  gibt  einem  seltzame 
fragen  ein,  das  man  grübele  und  wüle  Luther  16, 
113  W.;  sind  ihr  dann  experimentatores  und  grüblend 
hien  und  her  umb  euch,  wie  ein  koch  in  eim  schlüs- 
selkorb Paracelsus  chir.  (1618)  289  A;  dis  buch  ist 
allen  gotlosen,  die  on  geist  .  .  darinn  grüblen,  wülen 
und  umbfaren,  mit  7  sigeln  verschlossen  Seb.  Franck 
chron.  zeytb,  (i53l)  346^;  vgl.  auch  die  präpositionalen 
fügungen  unter  c. 

a)  der  übertragene  gebrauch  führt  zunächst  zu  der  be- 
deutung 'suchen,  nachforschen':  grübelen,  nachforschen, 
erkundigen  rimari,  curiose  observare,  investigare  Henisch 
1758;  rimari,  pervestigare,  scrutari  Stieler  689;  daher 
denn  die  Verbindung  grübeln  und  suchen  dem  16.  jh.  sehr 
geläufig  ist:  feret  er  über  die  feinen  herrn  des  rats  zu 
Nurmberg  .  . ,  grobbelt ,  sucht  und  foddert  die  hand- 
schrift  durch  sie  Luther  30,  2,  31  W.;  vgl.  28,  808;  die 
drucke  haben  grübein;  wen  ir  so  scharpf  auszforschen 
und  grueblen  wellt,  so  möchtet  ihr  wol  in  eignen  ewern 
gschrifften  vil  puncta  finden,  durch  welche  .  .  Vogel- 
GESANG-Cochläus  heiml.  gespräch  19  ndr.;  allmählich 
und  fast  unmerklich  enttcickelt  sich  daraus  der  sinn  des 
auf  rein  gedankliche  thätigkeit  beschränkten  suchens:  das 

39* 


615 


1 GRÜBELN 


1 GRÜBELN 


616 


all  ihr  ler  .  .  .  nichts  änderst  was  dann  grüblen  und 
söchen,  wie  die  kinder  nit  sollend  getouft  werden  Joh. 
Kessler  sabb.  142;  sie  suchen,  grobein  und  tichten,  das 
sie  ja  etwas  böses  von  uns  sagen  Luther  nach  Dietz; 
grublen  hernach,  begeren  doch  das  glück,  so  gott  be- 
schert, zu  wissen  Thurneysseb.  magna  alch.,  vorr.  Ol"; 
und  so  man  weit  grüblen  wil,  so  seind  noch  mehr 
künst,  die  ihren  anfang  noch  schwerlicher  bewehren 
würden  Paracelsus  op.  (leie)  2,  397; 

ich  weiss,  dass  knechten  wohl  zu  grübeln  nicht  gebühret 
Lohenstein  Ibrahim  (1701)  106; 

was  ihr  geist  grübelnd  entdeckt,  nutzen  wir 

Klopstock  od.  1,  i72M.-P.; 

nicht  selten,  gerade  in  älterer  spräche,  mit  dem  beisinn 
des  spitzfindigen: 

und  da  wird  helfen  kein  glossieren, 
kein  gribeln  und  kein  spintisieren 

Fischart  2,  382  Kurz ; 

die  best  und  sicherst  .  .  abgefassete  dinge  könten  von 
denen,  so  zugrüblen  und  auszufluchten  lust  betten,  in 
disputat  gezogen  werden  Chemnitz  schwed.  krieg  2,  68; 
falsche  spitzflndigkeiten  der  grübelnden  oder  schwätzen- 
den vernünftele!  Herder  22,315.,-  'argumentieren':  gleich- 
sam sie  sprechen  wolten  (wann  man  je  also  grübeln 
will),  der  Luther  wirt  machen  das  .  .  Nas  antipap.  eins 
u.  hundert  \,&i^;  zuweilen  geradezu  von  kleinlichem  schul- 
meistern und  kritisieren:  etliche  .  .  wunderseltzame  ortho- 
graphisten  .  .,  welche  dieses  herrliche  .  .  sprachengebäude 
durch  ihr  unzeitiges  critisieren  und  gantz  abgeschmacktes 
grübeln  zu  unterbrechen  . .  sich  bemühen  Neu  mark  neu- 
spross.  teutscher  palmb.  87;  dasz  . .  nicht  .  .  .  gutdüncke- 
lische  gesellen  und  spötter  etwas  zu  grübeln  bekämen, 
dieweil  solches  von  mir  als  einem  unerfahrnen  scri- 
benten  einfältig  beschrieben  .  .  worden  Aitinoer  jagd- 
u.  u-eidb.  vorr.  )(  l**. 

b)  mit  dem  18.  jh.  schiebt  sich  eine  (schon  früh  vor- 
bereitete) bedeutung  immer  mehr  in  den  Vordergrund,  die 
mit  der  Vorstellung  intensiven  nachdenkens  den  beisinn 
des  unablässigen,  des  trüben,  schwermüthigen,  grilligen, 
selbst  krankhaften,  des  frucht-  und  thatlosen,  lebensfeind- 
lichen verbindet:  ie  mer  und  lenger  ich  grübel,  ie  weniger 
ich  disz  gut  find  und  begreif  Seb.  Franck  chron.  zeytb. 
(1531)  2»;  der  andere  grübelt  sein  leben  lang  über  diese 
schwierige  sache  ^eimei^  Leber.  Hühnchen  \2&\  Ferdinand 
(.  .  in  düstres  grübeln  versunken)   Schiller  3,  487  G^.,- 

weg  mit  dem  grübeln,  sorgen,  grämen 

um  eitel  schatten  E.  M.  Arndt  5,  271 ; 

er  grübelt,  da  nichts  zu  grübelen  ist  nodum  in  scirpo 
quaerit  Aler  l,  988 '*;  damit  die  menschen  mit  ver- 
gebenen grübeln  zu  Verlust  der  edlen  zeit  nicht  auf- 
gehalten würden  Leibniz  dtsche  sehr,  l,  376;  seit  alters 
gern  in  anwendung  auf  die  metaphysischen  räthsel:  man 
einfeltige  frumkeit  on  vil  grüblens  möcht  den  gleubigen 
fürhalten  Hedio  chron.  germ.  116'';  dasz  er  sie  {die  re- 
ligion)  lieber  ungeprüft  behalten,  als  mit  thörichtem 
'  grübeln  ohne  ende  sein  leben  verbittern  mag  G.  For- 
ster 6,  23;  statt  zu  grübeln,  arbeite  Herder  23,  9  S.,- 
im  gegensatz  zum  erfühlen  und  glauben:  wir  sehen  und 
fühlen  kaum  mehr,  sondern  denken  und  grübeln  nur 
Herder  5,  I83  S.;  die  grübelnden,  klügelnden  .  .  Jahr- 
hunderte waren  für  das  volk  des  glaubens,  der  fantasie 
.  .  nicht  gemacht  E.  M.  Arndt  geist  d.  zeit  3,  9;  auch  als 
formlosere  art  geistiger  thätigkeit  dem  logischen  denken 
gegenübergestellt:  der  Scharfsinn  sondert  ab,  der  tiefsinn 
grübelt  Fr.  Delbrück  sinnverw.  ivörter  56;  ein  zurück- 
gehen aus  dem  scharfen  licht  logischen  denkens  in 
das  reizende  dämmer  volksthümlichen  grübelns  G.  Frey- 
tag 15,  3 ;  auch  reflexiv  mit  prüdicativem  adj.  sich  matt, 
krank,  wahnsinnig  grübeln:  bleich  .  .  .  grübelt  man 
sich  dabei  {bei  der  Verdeutschung  des  Homer)  Bürger 
1,  158»  B. 

c)  präpositionale  Verbindungen  seit  alters  sehr  geläufig ; 
in  ihrem  wandel  malt  sich  das  verblassen  des  ausdrucks 
vom,  sinnkräftigen  bilde  zur  toten  metapher;  am  häufig- 
sten ist  bis  ins  16.  jh.  i  n ;  auch  hier  noch  spät  beispiele. 


in  denen  die  Vorstellung  des  krabbelnden,  wühlenden  herum- 
suchens  den  sinn  zu  bestimmen  scheint: 

sie  grübeln  so  lang  in  geschäften  und  Sachen, 
bisz  sie  wie  die  mause  ein  loch  drein  machen 

Lehmann  florileg.  pol.  1, 150; 

die  (städte  Straszburg  und  Basel)  schampten  sich  übel, 
das  in  iren  handlungen  von  den  ungeschickten  pauren 
also  solt  grüblet  und  gesucht  werden  zimm.  chron.  l,  366, 
offenbar  ebenso  gemeint  wie:  dann  wir  wollen  selber 
harnaschmeister  sein  .  .  und  niemands  darinn  gribeln 
lassen  nach  alter  frenckischer  weiss  privatbr.  d.  ma. 
1,  50  Steinh.;  auch  bei  dem  abgezogeneren  gebrauch  als 
'forschen'  ivird  sie  gelegentlich  fühlbar: 

grubilo  in  girihtt       in  des  giscrlbes  slihtf 

Otfr.  3,  7,  76; 

es  ist  nit  allwegen  bös  .  . ,  so  ein  mensch  grybelt  in 
den  natürlichen  künsten  Keisersberg  seelenpar.  (1503) 
49*;  das  heillose  .  .  grübeln  und  forschen  in  so  hohen 
unbegreiflichen  Sachen  Luther  I6,  142  W.;  seit  dem 
18.  jh.  nur  noch  selten,  es  sei  denn  dasz  der  concrete  sinn 
des  verbums  vdeder  auflebt: 

,dasz  ich  nicht  darinnen  grüble, 
was  des  glaubens  ist  allein 

Schmolcke  trost-  u.  geisir.  sehr.  1,  66; 

die  in  der  Vernunft  grübelnden  leute  (haben)  mehr  als 
andre  nöthig  sich  aufzumuntern  Gottschedin  br.  l,  20i; 
dasz  wir  gern  in  menschenherzen  grübeln  und  diesen 
.  .  Proteus  bis  in  seine  tiefsten  abgründe  erforschen  .  . 
möchten  Pückler  briefw.  u.  tageb.  1,  283;  dann  griibelte 
er  etwas  in  seinen  gedanken  herum  und  sagte  schliesz- 
lich  G.  Keller  5,  169;  auch  nach  versteht  sich  aus  der 
concreten  bedeutung: 

da  von  du,  herre,  niht  engrübel 
ze  verre  nach  der  sache 
diu  mich  gesihtic  mache 

KoNR.  V.  Würzburg  Parton.  7352; 

bedäuehte  einem  rate  ettwass  fremde,  daz  sie  so  genaw 
darnach  grübelten  (forschten,  sich  erkundigten)  städte- 
chron.  3,  371;  in  dem  ihr  (Luiherischen)  nach  dem  grundt- 
losen  grund  grübelt  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  6,  lll''; 

was  sind  wir  hier  bemühet 
zu  grübeln  nach  der  schuld,  die  man  vor  äugen  siebet 

Gryphiüs  trauersp.  55  lit.  ver. ; 

seit  dem  18.  jh.  stark  zurückgehend  und  mit  der  sinn- 
färbung  von  b:  so  grüble  ich  nicht  gerne  nach  dem, 
was  anders  sein  könnte,  als  es  ist  Zimmermann  ein- 
samk.  4,  9;  die  .  .  gebirgs-hindus  .  .  grübeln  .  .  nach  ab- 
strusem wissen  Ritter  erdk.  4,  120;  neben  der  älteren 
bedeutung  'forschen'  gelegentlich  auch  noch  andere  prä- 
positionen  oder  adverbia:  suchest  du  und  grübelst  sonst 
etwas  anders  draus  Luther  16,  70  W.;  es  habe  mir  der 
marpgraf  auch  geschrieben  und  um  dieselbige  Sachen 
gegrübelt  ders.,  corp.  ref.  i,  769  Bretschn.;  so  will  ich 
auch  an  ihm  grübeln,  so  viel  ich  kann,  dasz  ich  er- 
fahren  möge,  was  zu  Hall  die  handlung  gewest   Pon- 

TANUS   ib.    3,  623; 

was  hilft  mirs,  dasz  ich  war  geflissen 
zu  grübeln  durch  so  manche  kunst 

Rist  Parn.  543; 

Über,  das  erst  mit  dem  vertust  der  sinnlichen  anschauung 
möglich  wird,  beginnt  erst  im  späteren  11.  jh.  aufzutreten: 

der  (sc.  gmein  man)  wird  sonst  hart  darüber  grübeln 

J.  Ayrer  dr.  3, 1771  lit.  ver.; 

und  zivar  in  den  älteren  belegen  durchweg  mit  dem  dativ : 
wenn  unterthanen  über  empfangenen  befehlen  grübeln 
Lohenstein  Armin.  2,  597'';  vgl.  1299'';  der  dat.  erscheint 
auch  in  neuerer  spräche  noch  gelegentlich,  färbt  aber  den 
sinii  gegenüber  dem,  normalen  acc.  und  betont  das  brü- 
tende verweilen  der  gedanken  bei  dem  object:  über  dem 
sein  dieses  gottes  vor  der  weit  .  .  grübein  Sghleier- 
macher  reden  ü.  d.  rel.  60;  sein  onkel  grübelte  über  der 
quadratur  des  cirkels  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht, 
5,  245;  weit  im  Vordergründe  steht  seitdem  ältereti  iS.jh. 
der  acc:  wer  über  die  befehle  der  obrigkeit  grübelt 
Liscow  sat.  u.  ernsih.  sehr.  iöT,   nicht  zu  grübeln  hast 


617 


2 GRÜBELN  —  GRÜBELNADEL 


GRÜBELNUSZ  -  GRÜBELUNG 


618 


da  über  dein  Vaterland  Herder  17,  316  S.;  selten  ist  an: 
man  vergesse  darum  das  vergangene,  grüble  nicht  an 
der  Zukunft  Zimmermann  einsamk.  i,  69; 

tändelnd  grübelt  nur  am  liebeln 

GöTHE  15,  216  W. ; 

ganz  ungetvöhnlich:  eine  ganz  natürliche  antithetik,  auf 
die  keiner  zu  grübeln  und  künstliche  schlingen  zu  legen 
braucht  Kant  3,  282  ak.  ausg. 

d)  ein  besonderes  icort  verlangt  das  pari,  präs.,  das  in 
jüngerer  spräche  rein  adjectivisch  zur  bezeichnung  eines 
Wesenszuges  verwendet  wird,  also  im  sinne  von  grüblerisch : 
der  grübelnde  theil  der  Christen  wird  ihm  immer  viel 
dank  schuldig  bleiben  Göthe  37,260  W.;  zog  ich  mich 
bis  fast  in  mein  zwölftes  jähr  still  und  grübelnd  zurück 
Steffens  was  ich  erlebte  l,  36;  den  grübelnden,  kopf- 
hängerischen Deutschen  Laube  2,  6;  auch  gern  mit  un- 
persönlichem regens:  die  grübelnde  musik  Herder  12, 
296  S.;  die  grübelnde  andacht  der  mysterien  Ed.  Ger- 
hard akad.  abh.  2,  851;  die  mit  schlagwortähnlicher  hau- 
figkeit  auftretende  formel  grübelnde  Vernunft  ist  eine 
Schöpfung  der  zeit  des  sinkenden  rationalismus : 

die  grübelnde  Vernunft  dringt  sich  in  alles  ein 

Lessing  1,  248  M. ; 

das  licht,  das  nun  aus  meinem  herzen  strömt  und  die 
grübelnde  Vernunft  erleuchtet  F.  M.  Klinker  tc.  5,59; 
Schiller  12,  420  G.;  nur  es  giebt  einen  grübelnden  ver- 
stand, den  man  meistens  die  spitzfündige  Vernunft  nennt 
Herder  15,  i5i  S. 

i)  bei  so  offensichtlichen  bedeutungakreuzungen  ist  deut- 
lich, dasz  mit  der  üblichen  etymologie,  die  das  vi.  ledig- 
lich an  die  wz.  grab  'graben'  ayiknüpft,  nicht  auszu- 
kommen ist;  vielmehr  scheint  mit  einem  vb.  grubilön  sol- 
chen Ursprungs  ein  anderes  vb.  verronnen  zu  sein,  das 
als  schicundstufige  ablautsform  zu  krabbeln  {auch  grab- 
beln, grabein,  s.  th.  5,  191l)  gehört  und  das  auf  nd.  boden 
erhalten  ist:  grubbeln  greifen,  mit  der  hand  irgendwo 
herumioühlen  brem.  icb.  2,  552;  tastend  umhergreifen  und 
fühlen  Doornkaat-Koolman  1,698'';  grubbeln  =  grab- 
beln Dähnert  163*;  grubli  hühner  oder  enten  nach  eiern 
befühlen  Schmidt- Petersen  6i^;  nl.  grobbelen;  engl. 
grubble;  vgl.  ergruppen  erhaschen  Vilmar  139;  adj.  grub- 
belig  K.  Sallmann  n.  beitr.  74;  Hildebrands  beiläufig 
hingeworfene  vermuthung,  dasz  das  vb.  grübeln  als  ganzes 
aus  einer  solchen  ablautform,  zu  krabbeln  herzuleiten  sei 
(s.  krabbeln  I  f),  scheint  weniger  plausibel  als  die  an- 
nähme der  Wortmischung,  die  nicht  nur  die  bedeutungs- 
entwicklung  in  manchem  erhellt  {vgl,  besonders  3  a),  son- 
dern  auch  gewisse  erscheiniingen  und  doppelformen  in 
den  modernen  maa.  {ettva  die  unterschiede  des  stamm- 
vocals  im  sehwäb.,  Fischer  3,  86i/.)«'  auch  einzelne  for- 
male Seltsamkeiten  älterer  Überlieferung  werden  so  durch- 
sichtiger: drucke  und  handschriften  Lutherscher  texte 
zeigen  neben  grubein  auch  grobein,  grobbeln,  gröbein, 
gröbbeln,  deutlich  mit  der  kürze  der  obigen  nd.  formen, 
sogar  grebeln  {s.  sp.  l),  =  gröbein  oder  unmittelbar  zu 
graben?  die  auffällig  zahlreichen  i- formen  im  älteren 
hd.  können  sich  statt  durch  entrundung  auch  durch  herein- 
spielen der  ablautform,  gribeln  erklären;  vereinzelt  mit  p  : 
{die  ketzer)  grüpeln  im  sacrament  des  waren  leibs  .  . 
Cristi  Berth.  v.  Chiemsee  teutsche  theol.  94. 

2 GRÜBELN,  grubein,  vb.,  ableitung  von  grabe:  kleine 
gruben  zum  setzen  junger  püänzchen  bohren  Unger-Khull 
sog'»;  ein  gegrübeltes  kinn  haben  Kramer  nieder-hoch- 
teutsch  dict.  (1719)  1,  146»;  für  ein  verbreitetes  kinderspiel: 
kügelchen,  nüsse,  bohnen  in  grübchen  werfen  Staub- 
ToBLER  2,  697;  Lexer  kämt.  120  und  sonst;  grüberln 
LoRiTZA  55;  grüblen  mit  nüssen  Frischlin  nomencl. 
(1586)  278'';  wenn  er  geld  hatte,  so  verspielte  er  es  mit 
grüblen,  münzein  und  hundert  und  eins  J.  v.  Breiten- 
fels Saift  (1756)  1,  138. 

GRÜBELNADEL,  /.,  grabstichel;  im  Wortspiel  mit  grü- 
beln perscrutari; 

die  also  die  vemunft  miszbrauchen, 
die  sind  es,  so  hiereiner  taugen; 


wann  sie  mit  ihren  griebel-nadeln 
oft  gar  zu  grosse  dinge  tadeln 

J.  Riemer  d.  trunk.  träumer  298. 

GRÜBELNUSZ,  /.,  eine  kleinfrüchtige  art  der  walnusz, 
auch  steinnusz  genannt  Adelung,  Campe;  die  mit  den 
harten  schalen  (Jieiszen)  gribelnusz  Bock  kräuterb.  3,  59"; 
die  kleinen  {werden  genannt)  grübelnüsz,  darumb  dasz 
sie,  wenn  sie  geöffnet  werden,  sich  nicht  leichtlich  von 
der  schalen  ablösen  Wirsüng  arzneib.  reg.  s.  v.  nusz; 
also  von  'grübeln  l;  aber  früh  bildlich  mit  wnspielting 
auf  die  bedeutung  von  >  grübeln  3 : 

daz  (gottes  wort)  sül  wir  eren  und  wol  bebalten 
•    und  läzen  die  grübelnüzze  walten 
den  sanfte  mit  grübelnüzzen  st 

Hugo  v.  Trimberg  renner  13443; 

ist  warlich  tief  bedeutet  und  sehr  tief  in  die  grübelnus 
gestochen  S.  Huber  erkl.  d.  gr.  abentheurs  (1590)  143;  das 
hat  der  Scherer  alles  wol  gewüszt  und  hette  der  grü- 
belnus nicht  bedürft  mit  einem  jüdischen  bischoff  wider 
O.  Scherers  bettlermantel  (1592)  115;  die  lehre  von  der 
gnadenwahl  hielt  sie  für  eine  grübelnusse,  welche  auf- 
zubeissen  sie  keinen  zahn  dran  wagen  wollte  Staub- 
ToBLER  4,  828  (l8.  .;7t.) ;  auch  persönlich:  so  solte  er  .  . 
gedenken,  dasz  er  ein  curiöser  Teutscher  wäre,  welche 
sonst  gerne  alle  sachen  aus  den  grund  heraus  wissen 
wollen,  das  weisz  ich  vorhin  wol  .  .  .  dasz  ihr  solche 
griebelnüsse  ins  gemein  seyd  J.  Riemer  d.  trunk.  träu- 
mer 1S3.  dazu  grübelnuszbaum  Bock  kräuterb.  s,  59'^. 
—  gr  übel  sinn,  m.:  ich  hatte  .  .  den  schwergemuten 
grübelsinn  Auerbach  5,  44;  die  menschen  mit  ihrem 
leid  und  glück  wandelten  sich  in  seinem  grübelsinn  zu 
knapp  umrissenen  begriffen  H.  Hart  haus  d.  Titanen 
266.  —  grübelsinnig,  adj.:  wenn  ganz  zuletzt  ein  ehr- 
licher poet  wie  Homer  durch  grübelsinnige  entmängler 
um  seinen  groszen  namen  kommen  sollte  Zelter  an 
Göthe,  briefw.  3,  308.  —  grübelspieszlein,  n.:  fieng  er 
an  .  .  seine  zän  mit  eim  gespitzten  gribelspiszlein  vom 
mastichbaum  zusteuren  Fischart  geschichtklitt.  276  ndr. 

GRÜBELSUCHT,  /.,  hang  zum  grübeln:  innerliche 
grübeisucht  machet  ungesprächige,  sauermäulige  al- 
fentzer  Schottel  ethica  (1669)  65;  Dio,  Spartian,  Suidas 
.  .  erzählen  alle  von  seiner  grübel-  und  forschsucht  Gre- 
GOROvius  Hadrian  7;  da  hatte  sich  einstweilen  seine 
grübeisucht  bekehrt  F.  W.  Gubitz  erlebn.  2,  52;  auch 
als  medicinischer  terminus  Eulenburg  realenc.  6,  7; 
anders:  schweisz- blätterlein,  und  sonst  auch  grübei- 
sucht genannt,  .  .  sind  einige  kleine  breite,  feuchte  und 
juckende  beuigen  Chomels  öcon  lex.  8,  1062;  hier  also 
grübel-  =  kriebel-;  vgl.  grübeisucht  *wrfamina  Nemnich 
lex.  nosol.  15''.  —  grübelsüchtig,  adj.:  sie  haben  euch 
grübelsüchtig  gemacht  mit  ihrem  geschwätz  H.  Eulen-. 
BERG  Anna  Walewska  104. 

GRÜBELUNG,  /.,  proprie  fodicatio,  deinde  scrutatio 
Stieler  689;  speculation  Spanutius  446;  da  die  wort 
so  hell  und  klar  gesetzt,  dasz  sie  keiner  spitzfindigen 
grübelung  und  klügelung  bedörfen  Nigrinus  anticalv. 
(1.595)  319;  sonderlich  sol  sich  ein  fürst  hüten  vor  gar 
zu  grosser  grüblung  in  der  religion  B.  S.  v.  Stosch  polit. 
staatsg.  (1676)  38;  es  sind  aber  nur  misdeutungen  und 
gantz  irrige  grübelungen,  dasz  man  wegen  eines  oder 
zweier  buchstaben  ...  die  hauptsprachen  .  .  .  verwirre 
Schottel  haubtspr.  142;  wan  sie  mit  unnötigen  glau- 
bensfragen  und  grübelungen  .  .  auch  andere  .  .  können 
irrig  machen  Mosch erosch  insomn.  cura  86  ndr.;  so 
dasz  er  .  .  durch  sceptische  grübelungen  .  .  dahin  ge- 
bracht wurde,  an  ihren  {der  religion)  grundpfeilern  zu 
zweifeln  Schiller  l,  109  Gr.;  in  dieser  Verwendung  ist 
das  ivort  Vorläufer  des  jüngeren  grübelei;  daneben  im 
spätmhd.  gelegentlich  in  bedeutungen,  die  auf  Zusammen- 
hang mit  der  sippe  krabbeln  weisen  {^genaueres  unter 
^grübeln  2) :  die  inwoner  .  .  grüplung  under  den  kreuczern 
habent  .  .  und  verwidern  der  ettlich  zu  nemen  copeybuch 
d.  st.  Wien  185  Zeibig;  hierher  wohl  auch  die  bedeutung 
'betrug,  täuschung':  nachdem  aber  durch  vil  personen 
j  sollich  gesetze  {ein  kleidergebot)  mit  und  durch  maniger- 
I    lay  grüplung  überfaren  Ni'mib.  pol.  ordn.  99  Baader.  — 


619 


GRÜBELWERK  —  GRUBENERZ 


GRUBENFACKEL  —  GRUBENKLEID   620 


grub el werk,  n.:  mit  dieser  antwort  .  .  kann  ich  alle 
grübel-wercke  .  .  übern  häufen  werfen  E.  Francisci  d. 
letzte  rechensch.  (I68I)  809.  —  grübelzwang,  m.:  die- 
ser grübelzwang  (wör)  ihm   also  gleichsam   angeboren 

0.  Klinke  E.  Th.  A.  Hoffmann  m. 

GRÜBEN,  vb.,  eine  grübe  machen: 

im  selben  gruobet  dicke  ein  man 
und  waent  eim  andern  gruobet  hän 

Boner  6,  33; 

dass  er  {der  fisch)  in  das  sand  grübet,  sich  darinn  ver- 
birgt Herold-Forer  Gesners  thierb.  8,  22;  und  ebenso 
noch  in  neuerer  obd.  ma.,  Lexer  kämt.  120;  'für  graben' 
LoRlTZA  55;  'eine  uniceidmünnische  art  zu  jagen  in 
Bayern,  cervos  fossis  decipere  aliasque  feras  hoc  modo 
capere'  Frisch  (i74l)  1,  377";  speciell  von  einer  arbeit  im 
Weingarten:  deprimere  plantam  vel  vitem  in  terram 
pflantzen,  eynlegen,  grüben,  eyngröben  Frisius  dict. 
394'*;  propagatio  Vitium  das  grüben  1392*;  den  Wein- 
garten sullen  .  .  wir  alczeit  halten  in  gutem  .  .  paw 
mit  mist,  mit  stechen,  mit  gruben,  mit  hawn  Jirk.  u. 
reg.  d.  kartause  Aggsbach  25i  («.  d.  j.  1430) ;  das  gruben 
aber  heisset  so  viel,  dasz  man  an  einem  guten  .  .  stock 
eine  reben  nimmt,  .  .  beugt  sie  unter  sich  in  eine  nächst 
dabey  zubereitete  grutien  Hohberg  georg.  cur.  l,  359; 
auch  grubt  man  die  reben  und  bäum  Sebiz  feldb.  52; 
(der'  Weingarten)  sol  weder  geschnaitet  noch  gegröbet 
werden  J.  Grünbeck  spieg.  d.  nafürl.  sehungen  (1508) 
b  2*;  in  den  modernen  obd.  maa.  allgemein,  s.  besonders 
StAUB-ToBLER   2,  696. 

GRUBEN-  als  erstes  compositionsglied  erscheint  in  zahl- 
reichen Zusammensetzungen,  zu  denen  die  spräche  des 
lerghaues  den  hauptantheil  stellt;  compositionen  dieser 
Sphäre,  für  die  auf  Minerophilus  bergtcerkslex.  (1730), 
auf  das  bergmänn.  wb.  (i778),  auf  Sgheuchenstuel  id. 
d.  öslerr.  berg-  u.  hüttenspr.  (1856)  und  vor  allem  auf 
Veith  bergtvb.  (1870)  verwiesen  sei,  sind  im  folg.  nur  in 
auswahl  belegt,  grubenamtleute  Freiberg,  bergr.  bei 
Ermisch  sächs.  bergr.  im  ma.  63:  -antheil,  kux 
Sgheuchenstuel  io9;  -arbeit:  gruben-  oder  stollen- 
arbeit Lori  baier.  bergr.  177  (a.  d.  j.  1515);  Schönberg 
berginf.  l,  189;  -arbeiter  akten  u.  briefe  z.  kirchetxgesch. 
Georgs  v.  Sachsen  3,123  {a.  d.j.  1525);  Mathesius  Sar.l^; 
-artig:  wegen  einer  grubenartigen  Vertiefung  {am  schadet) 
Brehm  thierl.  3,  312  P.L.;  -bau,  die  summe  der  arbeiten 
in  der  grübe,  im  gegensatz  zum  hüttenbau  Krünitz  20, 
153;  'fast  gleichbedeutend  mit  bergbau'  Motthes  baulex. 
2,  532;  er  war  ja  blosz  gekommen  .  .  wegen  des  neuen 
grubenbaues,  die  Sachen  einzurichten  Gottsched  dtsche 
schaub.  6.  86;  Verordnung  .  .  den  grubenbau  zu  sistiren 
GÖTHE  IV  18,  69  W.;  auch  concret:  'jede  durch  den  berg- 
•baubetrieb  entstandene  .  .  .  unterirdische  gebirqsöffnung' 
Sgheuchenstuel  109;  eine  . .  beschreibung  des  gruben- 
baues wird  .  .  durch  einen  risz  erläutert  allg.  dtsche 
bibl.  2,  2,  167;  in  alten  grubenbauen  Oken  allg.  nattir- 
gesch.  1,  247;  der  eine  der  dortigen  grubenbauten  als 
director  geleitet  hatte  Peschel  völkerk.  460;  im  bilde: 
die  ganze  Wölbung  war  nur  die  gröfzere  eisgrube  des 
todes,  ein  grubenbau  der  Vergangenheit  Jean  Paul 
24/26,180;  vgl.  15/18,109;  -bauholz  Zsghokke  11,43; 
-baukunst  allg.  dtsche  bibl.  68,200;  -bäum,  'ein  Strauch, 
dessen  blätter  zum  schwarzfärben  dienen',  fouie  (=  rhus 
cotinus)  Sghrader  dtsch-frz.  wb.  l,  578;  anders,  ein  ge- 
räih   in  stanipfmiihlen   Campe;   -besitzer  0.  Ludwig 

1,  242;  -betrieb  Sgheuchenstuel  iio;  im  nördlichen 
theile  des  reviers  findet  .  .  kein  gruben-,  sondern  nur 
hüttenbetrieb  statt  Ritter  erdkunde  2,  851;  biber, 
castor  fiber  Nemnigh  212;  vgl.  Oken  allg.  naturgesch. 
7,  750;  yiicht  gesellig,  sondern  einsam  in  gruben  lebend; 
-brand  Oken  1,  740;  Rosegger  II  12,  95;  -compass 
Mathesius  Sar.  40**;  -ende,  obd.  eine  rebe,  welche  zur 
fortpfianzung  in  die  Senkgrube  gesenkt  wird,  auch  senker 
genannt  Jacobsson  2,160"':  allg.  haush.  lex.  s,fßQ\  -erde: 
4  tausent  personen,  welche  grubenerde  fürten  beim  an- 
legen der  Stadtbefestigung  S.  Grünau  preusz.  chron.  2, 
483;  -erz,  erz,  das  in  der  grübe  gewonnen  wird  im  gegen- 
satz zu  solchem,   das  am  tage  gefunden  wird  Krünitz 


20,  158;  auch  in  specifischerer  bedeutung  G.  R.  Lichten- 
STEIN  entd.  geheimn.  (1778)  192;  vermtternder  oder  ver- 
witterter eisenstein  Unger-Khull  309'';  -fackel  Immer- 
mann 15,77;  -fahrer:  die  literaturgeschichten  fremder 
Völker  haben  uns  wenigstens  eben  so  viel  gelehrte 
Schürfer  und  grubenfahrer  entgegenzustellen  FouQui: 
gejühle,  bilder  1,  183;  -fahrt  Veith  251 ;  wohl  sah  er 
schon  manchen  todten  kameraden  an  sich  vorübertra- 
gen zur  letzten  grubenfahrt  Rosegger  II 11,  285;  -falle, 
für  wild  Fleming  votlk.  teutach.  jäger  238;  -feld,  der 
umfang  der  bergwerksver leihung  Sgheuchenstuel  110; 
-fisch,  in  einer  fischgrube  gehaltener  fisch:  die  grub- 
und  w eybeiüsch  fischbüchl.  148;  -flechte,  lungenflechte, 
sticta  Prahn  pflanzenn.  58;  der  thallus  ist  oberseits  grubig ; 
-förmig:  grubenförmige  Vertiefungen  Sömmerring  8, 
2,  21;  -gang:  alle  alten  grubengänge  waren  von  oben- 
her  zugeschüttet  Ritter  erdk.  1,  675; 

er  liebt  den  Harz,  die  dunkeln  sagen, 
die  eure  grubengänge  tragen 

Gutzkow  sUzzenb.  (1839)  244; 

-gängig,  wer  auf  der  grübe  geht  {s.  grübe  II  B  4  b): 
grubengengiger  alter  mann  Schottel  haubtspr.  850; 
•gas,  in  bergwerks-  oder  anderen  gruben  sich  bildendes 
gas  V.  Alten  2,  231 ;  Muspratt  chemie  2,  968;  gewöhn- 
lich prägnant:  grubengas  oder  sumpfluft  (wasserstoff- 
protocarbonid)  Sprengel  chemie  f.  lundu:  1,  286;  Oken 
1,  743;  -gebäude,  die  beim  bergbau  in  die  erde  getrie- 
benen Öffnungen,  schachte,  stöhlen  etc.  Wolff  math.  lex. 
(1734)  593;  dasz  ihme  die  nothdurft  grubholz  .  .  zu  den 
grubengebäuen  .  .  umsonst  ausgezeigt  und  gefolgt  (werde) 
LORi  baier.  bergr.  416  {a.  d.  j.  1636);  die  wasser  aber, 
so  .  .  .  nicht  mit  gruben-gebäuden  erschroten  werden 
Sghönberg  berginf.  1,  24;  im  bilde:  meine  leuchte  soll 
in  keiner  pestiuft  irgend  eines  dumpfen  grubengebäudes 
auslöschen  F.  v.  Baader  tugeb.  128;  auch  für  bergwerk 
überhaupt  Veith  252;  -geist:  der  höllische  grubengeist 
vom  teufet,  pfiichtsvorhaltung  {Schneeberg  1714)  5;  einige 
legionen  unsrer  dorfteufel  und  grubengeister  Gutzkow 
br.  a.  Paris  440;  -gerberei,  im  unterschiede  von  der 
brühengerberei  Muspratt  chemie  8,  1277;  -gericht: 
nach  dem  ort,  wo  sie  gehalten  wurden,  gibt  es  feld- 
gerichte  .  .  berggerichte,  grubengerichte  J.  Grimm  rechts- 
alt. 2,  459,  so  genannt  nach  einer  Vertiefung  in  der  feld- 
fiur  2,  A21;  -gewand  Zachariä  j^oe«.  sehr.  2,226;  -ge- 
werk:  so  sollen  sie  von  den  haupt-  oder  gruben-ge- 
wercken  vermahnet  werden,  dasz  sie  die  selben  unbe- 
leglen  stellen  .  .  belegen  S.  Span  spec.  iur.  metall.  (i698) 
199;  vgl.  gewerk  2;  -halde:  grubenhalle  ist  der  unnütze 
berg,  den  man  aus  einer  grübe  oder  stoUn  fördert  Be- 
sold  thes.pract.  2,  713";  Veith  252;  -heim er,  dicti  sunt 
Hussitae  in  Bohemia,  quod  in  locis  occultis,  cellis,  cavernis 
et  scrobibus  cultum  divinum  tractarent  Stieler  820;  den 
Fraticellis,  Hussitis,  Waldensibus,  Picardis,  die  man 
daher  {dasz  sie  in  gruben  wohnten)  grübenheimer  heiszt 
Seb.  Franck  chron.  zeytb.  (i53l)  365«;  vgl.  132'';  853''; 
die  abgesunderten  eintzelen  bömischen  heymlichen  gru- 
benheymer,  die  man  gemeyne  grubenheymer  heyst  Lu- 
ther 19,  526  W.;  s.  auch  D.  Cranz  alte  u.  neue  brüder- 
hist.  (1771)  27;  vgl.  grübleinsmann;  -herr,  =  gruben- 
besitzer  Lori  baier.  bergr.  110  (a.  d.j.  1477);  Ritter  erdk. 
8,  34;  0.  Ludwig  1,  244;  -holz,  zur  grubenzimmerung 
bestimmtes  holz  Veith  252;  vgl.  den  beleg  aus  Lori  unter 
grubengebäude,  -hüter,  führt  die  aufsieht  über  die 
gruben  nach  dem  bergabgang  der  arbeiter  Lori  baier. 
bergr.  220  {a.  d.j.  1632);  -jäger,  mythisches  tcesen:  wäh- 
rend schon  einige  gruben  jäger  an  seinen  beinen  zogen 
und  ihn  mit  sich  in  die  schwarzen  kohlenbergwerke 
hinunter  reiszen  wollten  Fouque  zauberr.  l,  67;  -junge, 
jugendlicher  arbeiter  im  bergwerk  Junghans  gräublein 
ertz  (I68O)  c  8»;  -kalk,  in  gruben  gebrannter  kalk  Kar- 
marsch-Heeren 3  2,  279;  -kies,  aus  gruben  gewonnener 
kies  Lueger  6,  529;  -kind,  als  bezeichnung  eines  kinder- 
Spiels:  stiessen  der  bock,  des  handballens,  des  uber- 
kreysz  schenckens,  der  grubenkinder  F iscH art  geschicht- 
klitt.  21i:  ndr. ;  -kittel:  grubenküttel  Junghans  gräub- 
lein ertz  (IG80)  c  3»;  Immermann  20,  55;  -kleid  Hard. 
Hake  bergchron.  23;  Treuer  dtsch.  Däd,  1, 178;  bildlich; 


621  GRUBENKLEIN(ES)- GRUBEN  SUCHER 


GRUBENTRACHT  -  GRÜBLEIN 


622 


wenn  früher  unsere  spräche  nur  ein  unscheinbares  gra- 
benkleid  war,  worin  wir  glänz  und  gold  aus  tiefen  holten 
Jean  Paul  37,  21;  -klein(es),  die  bei  der  getcinnung 
von  mineralien  abfallenden  kleinen  stücke  Veith  253;  als 
fem.  die  gruebenclain  Lori  baier.  bergr.  219  {a.d.  j.ibZ\); 
atramentstein  Nemnich  212;  -kohle,  'holen,  die  aus  ab- 
gangen,  Spänen,  reisern  und  zacken  in  gruben  gebrennet 
werden'  Jacobsson  2,  160";  Döbel  jägerpract.  3,  40; 
-kohl er:  gruben-  oder  liecht-köhler  im  gegensatz  zu  den 
meiler-köhlern  forstordn.  von  1664  bei  Schwappach  1, 
367;  -köpf,  eine  bandtcurmart,  bothriocephalidae  Brehm 
thierl.  10, 184  P.-L. ;  -kraut,  kohlkraut,  nach  dem  'sieden' 
in  gruben  gestampft  ünger-Khull  310*;  Rosegger  I 
1,308;  -kreide  Mommsen  röm.  gesch.  3,  2ie;  -kücker, 
einer  der  schon  (in)  seine  grübe  {im  sinne  II  B  4)  sieht: 

(der  alte)  den  du  ein  grubenkücker  heist 

sat.  u.  pasqu.  1,  127  Schade; 

vgl.  grubensucher;  -lampe  Muspratt  chemie  6,  207; 
unzählige  kleine  wichte,  jedes  eine  grubenlampe  auf 
dem  köpf  Eichendorp  3,  450;  Rosegger  nixn.  volk 
(1906)  325;  -leben,  'veralteter  ausdruck  für  bergwerks- 
Verleihung'  Scheuchenstuel  112;  Veith  253;  Lori 
baier.  bergr.  209  (a.  d.j.i53\);  -leiter  Immermann  20,55; 
bildlich:  aus  der  band  dieses  alten  freundes  hatte  sie 
so  oft  .  .  eine  grubenleiter,  um  darauf  aus  dem  abgrund 
zu  steigen,  genommen  Jean  Paul  15/18,  35i;  -leute: 
die  zwerge  und  grubenleute  Eichendorf  3,  450;  vgl. 
grubenmann;  -licht,  ist  eine  lampe,  und  brauchens 
die  bergleute,  wenn  sie  einfahren  Junghans  gräublein 
ertz  (168O)  c  3*;  Mathesius  Sar.  32'';  G.  Keller  2,  190; 
seit  alters  gern  in  bildlichem,  gebrauch:  sehr  wenig,  so 
.  .  mit  dem  rechten  grubenliecht  ihres  Verstandes  in  die 
tiefen  schachte  fahren  weiten  Harsdörfer  frauenz. 
gesprächsp.  3,  257;  die  grubenlichter  einer  trüben  Schwär- 
merei Brinckmann  filosof.  ans.  110;  es  gibt  eine  tiefe 
in  der  seele,  wohin  kein  grubenlicht  kommt  Auerbach 

4,  80;  oft  bei  Jean  Paul  3,  89;  15/18, 109;  27/29,  25;  39, 14; 
42/43,40;  -lorchel, /teZveWa  Zacwnosa  Ho LL  136 '»;  luft, 
im  bergwerk,  gegensatz  tageluft  Campe  s.  v.  tageluft;  die 
feuchte  grubenluft  erschlafft  seinen  körper  Ackermann 
krankh.  d.  künstler  u.  handw.  (1783)  2,  37;  bildlich  Jean 
Paul  55/58,  lOO;  -mann,  bergmann  Gutzkow  w.  7,58; 
-masz,  eilte  maszeinheit  für  zutheiluntj  des  grubenfeldes 
Veith  251;  Lori  baier.  bergr.  239  {a.  d.j.  1532);  -meister, 
eigenthümer  eines  bergwerks  LoRi  6  {a.  d.  j.lSOS);  Fou- 
QUE  alts.  bilders.  4,  350;  in  älterer  spräche  auch  grub- 
meister  österr.  weisth.  1 ,  198  (14.  jh.) ;  bergwerksordn.  von 
1463  bei  Schwappach  1,  142;  -otter,  familie  der  gift- 
schlangen,  crotalidae  Brehm  thierl.  7,  391 ;  sie  haben  eine 
tiefe  grübe  zwischen  äugen  und  nasenlöchern ;  -pocken, 
variolae  umbilicatae  Nemnich  lex.  nosolog.ib^;  -qualle 
calymma  Oken  5,  213;  -salz,  sal  fossilis  Junius  (1567) 
105»;  Zehner  nomencl.  151;  weder  gruben-  noch  seesalz 
Mommsen  röm.  gesch.  3,  216;  -sand,  als  gegensatz  zum 
fluszsand  Helfft  tob.  d.  landbauk.  161;  arena  fossitia 
Orsäus  nomencl.  149;  -Schacht  Veith  397; 

den  glücksstand  überal  durch  reisen  zu  erwegen, 
war  ihm  kein  grubenschacht  zu  tief 

Heraus  ged.  u.  inschr.  142; 

G.  Regis  Bojardos  verl.  Roland  (l840)  110;  -Schicht- 
meister, grubenbeamter  S.  Span  spec.jur.  metall.  (1698) 
856;  Steiger,  aufsichtführender  beamter  im  bergwerk 
Veith  460;  urk.buch  d.  st.  Freiberg  i.  S.  2,  259  (15.  jA.); 

5.  Span  56;  -stein,  mineral:  quarze  nennt  er  {der 
naturalist)  alle  feste,  mehr  oder  weniger  durchsichtige 
grubensteine,  welche  mit  stahl  feuer  schlagen  Lessing 
15,  206 ilf.;  -stock,  geräth  in  stampfwerken  Karmarsch- 
Heeren  37,  83;  toört.  u.  sach.  l,  12;  J.  B.  v.  Rohr  Ober- 
harz (1739)  521;   -Stollen  Karmarsch -Heeren  3 1,  387; 

(ein  riese)  der  fest  am  wege  dort,  im  grubenstollen 
von  einem  iinstern  grabgewölbe  stand 

G.  Regis  Bojardos  verl.  Roland  68; 

-Sucher,  der  der  grübe  nahe  ist: 

ins  halseisn  mit  der  alten  glatzn,  ,  .  . 
der  gnippend  grubensucher  derl 

sat.  u.  pasqu.  1, 126  Schade; 


vgl.  grubenkücker;  -tracht  E.  Th.  A.  Hoffmann  6,  179 
Gris.;  werk:  fingerzeige  zum  glücklichen  einschlagen 
von  neuen  schachten  und  grubenwerken  Ritter  erdk. 
2,  576;  sie  haben  es  nur  mit  hochöfen,  schmelzhütten, 
.  .  grubenwerken,  spinnfabriken  .  .  zu  thun  Holtei  erz. 
sehr.  24,  76;  der  .  .  von  den  Warsteiner  grubenwerken  .  . 
gebaute  .  .  schulofen  Lueger  5,  129;  -wetter,  plural, 
grubengase  Zappe  mineral.  handlex.  1,  417;  Luther  stand 
noch  in  den  witterhaften  grubenwettern  Jean  Paul 
24/26,  217;  vgl.  1,  251;  45/47,  139;  -Witterung  Görres  l, 
iv;  -Wohnung  Schrader  reallex.  309;  -wurm,  bothrio- 
cephalus  Oken  5,  548;  vgl.  grubenkopf;  -Zimmer- 
mann Freiberg,  bergr.  bei  Ermisch  sächs.  bergr.  im  ma. 
63;  -Zimmerung,  Versteifung  der  unterirdischen  Öff- 
nungen durch  holzwände  Scheuchenstuel  114;  bildlich: 
ich  blickte  .  .  in  die  volle,  geschwätzige  grubenzimme- 
rung  von  stube  Jean  Paul  42/43, 120;  baugefangene  beim 
Wasserbau  und  der  grubenzimmerung  der  kritischen  Phi- 
losophie 11/14,  230;  vgl.  1,  251;  6,  120  u.  ö. 

GRÜBENZEN,  vb.,  nach  der  grübe  riechen,  dem  tode 
nahe  sein  Kramer  feutsch-ital.  1,571»;   vgl.  grubeinen. 

GRUBER,  m.,  fossatore,  fossore,  fodire  {nelle  vigne) 
Kramer  teutschitul.  l,  571»;  österr.  weisth.  7,  224  (a.  d. 
j.  1630);  in  obd.  familiennamen  häufig:  der  an,  in  der 
nähe  einer  grübe  wohnt;  gaunersprachl.  für  spaten  AvE- 
Lallemand  2,  128;  vgl.  gruben;  dazu  compositionen  wie 
gruberlohn  Kramer  teutschital.  1,  571»;  -pfennig 
Unger-Khull  309'';  -tagwerk:  lezlichen  verbleibt 
iedem  unterthanen  .  .  jährlichen  fünf  gruber tagwerch  zu 
robathen  österr.  weisth.  11,  121  (a.  d.j.  1702). 

GRUBIG,  adj.:  grübicht  lacunosus,  cavatus,  caverno- 
sus St  ein  BACH  1,  630;  mit  erueitertem  sufßx:  grübächtig 
Fnisius  752»;  grubichtig  Calepin  xi  ling.  216»;  788»; 
ein  .  .  beulette  oder  grübele  stirn  Dürer  4  bücher  q  3»; 
grübet  geschwulst  Paracelsus  op.  (16I6)  1, 136  C ;  dunckel- 
blaue  grübichte  blasen  {auf  den  füszen)  Brest,  sammig. 
V.  natur-  u.  medic.  gesch.  (1717)  l,  181; 

hier  dieser  stein  ist  grübicht  um  und  an 

Gryphius  ged.  440  lit.  ver.; 

die  kreiszrunde  figur  .  .  hat  .  .  keine  krümme,  nichts 
herfür  ragend,  nichts  grübicht  Comenius  jan.  iv  ling. 
(1644)  242;  gern  von  Vertiefungen  des  erdbodens:  die  sollen 
vor  der  stadt  .  .  besehen,  ob  es  sey  eben  oder  uneben, 
grübig,  bergig  Fronsperger  kriegsb.  1,  132»;  ein  un- 
ebenes grubigtes  land  Gottsched  d.  n.  a.  d.  anm.  ge- 
lehrs.  9,  827;  ich  fuhr  .  .  über  einen  grubigen  theil  der 
stadt  K.  E.  V.  Bär  red.  u.  versch.  aufs.  1,  257;  ein  greu- 
lich schleitziger  .  .  lötiger  und  grflbiger  weg  Megiser 
ann.  Car.  (I6I2)  1620;  ebenso  K.  Sallmann  neue  beitr.  75; 
spedeller,  im  sinne  von  grübe  TIC 2:  sonst  zerspringen  die 
grubigten  stücke  nicht  selten  Gruber /rierfens-  u.  kriegs- 
lust  427;  pockennarbig  Lexer  kämt.  120;  vgl.  pocken- 
grübig;  in  netterer  zeit  namentlich,  mehr  oder  minder 
technisch,  in  der  spräche  der  anatomie,  Zoologie  und  be- 
sonders der  botanik:  {die  drüsen)  haben  an  ihrer  inne- 
ren Oberfläche  ein  höckeriges,  grubiges  ansehen  Söm- 
MERRiNG  5,  84;  einen  .  .  .  grubigen  köpf  {von  fischen) 
Oken  6,  240;  durch  den  grubig  eingedrückten  rücken 
Brehm  thierl.  9,  325  P.-L.;  von  einem  grubigen  honig- 
behälter  {bei  der  zaunblume)  Rohling  Deutschlands  flora 
2,  557;  der  grubige  pfifferling  Oken  3,  37;  same  grubig 
runzelig  Schlechtendal  flora  von  Deutschi.  20,  201; 
fruchte  .  .  auf  der  Oberfläche  quer  grubig-aderig  23,  189. 

GRÜBLEIN,  n.,  demin  zu  grübe;  ahd.  grubelin  valli- 
cula  Graff  4,  308. 

1)  m,it  Vorliebe  in  der  anwendung  auf  kleine  Vertie- 
fungen am  menschlichen  körper  {vgl.  grübe  HCl):  der 
frauen  leiber  sind  .  .  mit  falten  .  .  .  und  mit  grüblein 
sonderlich  auf  den  bänden,  kniehen  und  beiden  ein- 
bogen G.  V.  Sandrart  acad.  (1675)  1,68;  in  welchem 
{sc.  Schulterblatt)  grüblein  oder  pfanne  so  grosz,  dasz 
Happel  relat.  cur.  (1685)  2,  101»;  grüblein  undter  der 
nasen  Henisch  1758;  streich  es  . .  in  das  grüblin  an  dem 
schlaf  Gäbelkover  arzneib.  1,97;  grublin  in  den  wangen 
lacunula   Diefenbach   316»;    ire    wenglein    schon    mit 


623 


GRÜBLEINSMANN 


GRÜBLER 


624 


kleynen  grüblein  bekleydet  Wickram  2,  51  lit.  ver.;  und 
so  schon  mhd.:  grüeblin  in  den  wengle  erzähl,  a.  altd. 
hss.  178,  82  Keller;  vgl.  minnes.  2,  23*  v.  d.  Hagen;  häu- 
figer erscheint  mhd.  das  grüblein  im  kinn,  so  lieders.  8, 
102  Laszb.;  BRUDER  Philipp  Marienl.  864;  ein  rundes 
kien  mit  einem  grübleiu   Haksdörfer  teutscher  secret. 

2,  144; 

dasz  die  grüblein  dort  ich  besing' 

Voss  ged.  3, 187; 

prägnant:  herz-  oder  magengrube:  wenn  man  .  .  si  (6m-- 
nen)  legt  auf  des  magen  munt,  daz  ist  auf  daz  grüebel 
KoNR-  V.  Megenbero  buch  d.  natur  340;  er  .  .  machete 
es  {das  Meid)  in  der  h6hi,  daz  es  im  unz  an  daz  grübli 
hey  uf  gie  Seuse  dtsche  sehr.  89  B.;  sonderliche  kranck- 
heiten  .  .,  als  .  .  trucken  im  grüblin  Paracelsus  op. 
(1616)1,  55  A;  blatternarbe:  die  masen,  mal  oder  grüblin 
von  kindßblatern  Sebiz  feldbau  92. 

2)  im  übrigen  mehr  in  gelegentlicher  Verwendung,  am 
häufigsten  noch  für  ein  kleines  loch  im  erdboden  (vgl. 
grübe  A  l) :  daz  {kind)  schöpfet  ,  .  .  aus  dem  mer  mit 
einem  deinen  löffelin  in  ein  cleynes  grüblin  summer- 
teil  d.  heil,  leben  168«^;  macht  das  mägdlein  ein  grüb- 
lein und  thät  ihr  wasser  darein  G.  R.  Widmann  Faust 
450  lit.  ver.; 

gehts  wol,  so  will  mans  besser  haben, 
grabts  grüblin,  bisz  es  würd  ain  graben 

Fischart  3,  44  Hauffen, 

sprichwörtlich?  die  buben,  die  in  ein  grüblein  geschwo- 
ren haben,  sollen  fänglich  angenommen  werden  Ulmer 
quelle  von  1508  bei  Fischer  schwäb.  8,  862,  wo  eine  deu- 
tuvg  versucht  loird;  lacusculus  grüblein  umb  die  bäume 
zu  wässeren  Dentzler  1,876*;  setzyrube:  soltu  in  eyn 
jedes  grüblin  frei  .  .  .  körnlin  .  .  .  setzen  lassen  Sebiz 
feldb.  314;  stecken  sie  {die  brombeer  Stauden)  in  grüblein, 
so  einer  zwerchhand  tief  Er.  Francisci  tust,  schaub. 
(1698)  2,  346;  fanggrubc:  das  grübelein,  darin  das  garne 
gelegt  und  verdeckt  wird  Aitinger  jagd-  u.  weidbüchl. 
264;  spielgrube  für  kinder: 

{Mnder)  die  grüebelln  grabent  an  der  sträzen 

Hugo  v.  Trimbero  renner  11427. 

spilt  er  .  .  .  des  grübleins  Fischart  geschiehtklitt.  283 
ndr.;  ich  hab  etwan  im  grüblen  gespilt  Henisch  1758; 
grüblein  machen  zum  schussern,  zum  grüblein  spielen 
Kramer  teutschitul.  1,507";  in  ein  grüblein  schocken 
2,  636^;  ins  grüblein  schucken,  grüblein  schupfen  u.  ä. 
Fischer  schwäb.  3,  862;  vgl.  grübelball  spielen  Wein- 
hold schles.  31*;  wie  versteht  sich:  in  kan  nymant  us 
dem  huse  bringen  und  macht  grubelin  umb  sich  als 
die  kinder  an  der  sonnen  Frankfurts  reichscorr.  l,  76 
Jansen  («.  d.j.  1400)?  grüble  an  stenglen,  ausz  wölchem 
die  näbendzweyle  schlieffend  alae  in  herbis  Maaler 
194»;  grüblin,  darinn  die  kern  desz  obs  ligen  seminum 
cellulae  Henisch  1758;  höler  die  kern  {rler  quitten)  auz 
in  und  leg  lauter  honig  in  diu  grüebel  Konr.  v.  Me- 
GENBERG  buch  der  natur  320,  5;  die  Thüringer  hauwend 
in  dem  haupt  des  herds  runde  grüblin  {zum  waschen) 
Bech  Agricola  269;  nur  fand  man  ein  kleines  grüblein 
{im  bett),  als  ob  eine  katze  da  gelegen  Grimm  dtsche 
sagen  l,  55. 

8)  eigenartig  ist:  dasz  die  cristen  iren  alten  .  .  glau- 
ben und  lobliche  cristenlich  preüch  in  ain  zweifei 
setzen,  erst  ein  grüblin  und  misztrauen  darin  suchen 
und  auf  ain  .  .  disputacion  stellen  städtechron.  23,  882 
{Augsb),  wo  sich  der  gedanke  an  grübeln  im  sinne  von 
religiösem  dissens  aufdrängt;  vgl.  grübleinsmann;  ebenso 
isoliert  ist  die  angäbe  von  J.  H.  Meichszner  handb.  d. 
orthogr.  (1567)  21  ^,  der  grüblin  als  synonymon  von  fünd- 
lin  notiert;  das  erinnert  an  grübelung  in  der  bedeutung 
dolu,s,  fallacia,  s.  d. 

GRÜBLEINSMANN,  -LEUTE,  nur  in  Augsburger  quel- 
len: habent  die  ratgeben  ainem  kneht,  ist  genant  der 
grüblinsman,  disiu  stat  ain  jar  verboten  zs.  d.  hist.  ver. 
f.  Schwaben  4,  202  {a.  d.  j.  1364),  wohl  auch  hier  schon 
als  bezeichnung  eines  sectierers  bestimmter  richtung  wie 
in  den  späteren  belegen:    alz   vor   ettwievil   Zeiten   ain 


gesellschaft  ainer  büberey  und  keczerey  sich  in  unser 
statt  erhaben  hett,  die  ain  crütz  an  in  trügen  und  die 
man  nampt  grüblins  lewt  städtechron.  4,  97  {Augsb.); 
vgl.  228.  315;  kaum,  wie  die  grubenheimer  (s.  d.)  nach 
dem  hausen  in  gruben  (Fischer  schwäb.  8,  864)  oder 
nach  rituellen  handlungen  {ib.  862);  eher  zu  grübleins; 
vgl.  grübler  2  c. 

GRÜBLER,  m.  l)  in  den  maa.  noch  bedeutungen,  die 
an  den  unübertragenen  gebrauch  des  vb.  {s.  grübeln  1.  2) 
anzuknüpfen  sind:  fürgrübler  Schüreisen,  ohrengrübler 
Ohrwurm  Marti n-Lien hart  l,  268;  grübler  kleine  harte 
nusz  ib.;  Staub-Tobler  2,  692;  vgl.  grübelnusz;  auch 
grübler  knicker  ib.  gehört  wohl  hierher  {vgl.  der  nach 
guote  grübelt  unter  grübeln  2  a). 

2)  literarisch  nur  in  dem  von  grübeln  3  ausgehenden 
übertragenen  gebrauch:  scrutator,  curiosus,  inventor,  in- 
vestigator  Stieler  689;  doch  bleibt  das  bewusztsein  der 
concreten  bedeutung  bis  in  die  jüngste  zeit  lebendig:  dass 
jene  'mathematischen  grübler'  .  .  .  nicht  die  absieht 
hegen,  den  ström  der  erfahrung  abzugraben  Bringk- 
MANN  filosof.  ans.  20;  er  ist  halt  ein  grübler,  es  giebt 
aber  verschiedene  grübler,  es  giebt  auch  mistgrübler 
G.  Keller  5,  143;  der  alte  oheim  .  .  ist  sein  lebtag  ein 
grübler  und  wühler  gewesen  Rosegger  I  4,  53;  seit  dem 
IIa.  Jh.,  aber  erst  im  18.  häufig. 

a)  ohne  kritischen  beisinn:  ich  bin  von  haus  aus 
nicht  melancholisch,  sondern  nur  grübeler  Bode  Mon- 
taigne 1,  132;  dem  feinen  grübler  unter  den  philosophen, 
dem  .  .  Piaton  grafen  Stolberg  3,  249;  der  grübler 
und  räth  sei  freund,  dem  die  Vaterschaft  dieses  buches  zu 
theil  ward  Nietzsche  l,  i;  im  iS.jh.  nicht  selten  dem 
sinne  von  denker,  philosoph  sich  nähernd:  die  lehrsäle 
aller  scholastischen  und  mystischen  grübler  Herder 
19,  302  S.; 

der  grübler  Narados,  von  vorurtbeilen  frey, 
behauptete  . .  Gleim  1, 166; 

rang  ist  nifht,  was  die  grübler  versichern,  erßndung 
der  verkünstelten  geselschaft  H.  P.  Sturz  l,  200;  die 
tiefsinnigen  grübler  weisen  uns  nach,  dasz  .  .  Laube 
2,  249. 

b)  häufiger  aber  mit  einem  beiklanq  der  abwehr,  des 
tadeis,  in  allen  Schattierungen  des  verbums  {s.  d.  3  b): 

o  ihre  majestät  sind  zu  sehr  grübler. 
wer  möchte  doch  die  sache  so  genau 
wohl  nehmen  Tieck  sehr.  1,  414; 

als  selbstquälerischer  grübler  Holtei  erz.  sehr.  2,  140; 
dieses  .  .  schreibt  Polybius  nicht  etwa  als  ein  finstrer 
grübler,  in  dem  winkel  seiner  studirstube  Gottsched 
d.  n.  a.  d.  anm.  gelehrs.  3,  4i5;  da  man  .  .  diejenigen 
griebler  und  alberne  leute  in  ged  lebten  schalte,  die  sich 
fürchten  ein  frauenzimmer  anzurühren  G.  E.  Scheibel 
d.  anerk.  Sünden  d.  poeten  (l738)  146;  auf  anderer  linie: 
vortrage,  darinn  die  ewige  Wahrheit  .  .  frey  .  .  von  den 
träumereien  der  grübler  auftrat  Pfeffel  pros.  vers.  3,  5; 
der  Jurist  Huschke,  ein  phantastischergrüblerTREiTSCHKE 
dtsche  gesch.  im  id.  jh.  3,  401;  wieder  anders:  der  grübler 
wird  sich  nicht  schnell  oder  gar  nicht  zum  handeln 
entschlieszen  0.  Ludwig  5,  65;  ich  bin  weder  ein  müs- 
siggänger  noch  ein  leerer  grübler,  der  ohne  ende  feilt 
Jahrb.  d.  Orillparzergesellsch.  2,  28;  besonders  von  spitz- 
findiger, kleinlicher,  hohler  geistiger  thätigkeit:  dar  umb 
sie  nur  den  grüblern  und  klüglin  zu  gefallen  gestelt 
PuscHMANN  meisterges.  25  ndr.;  so  werden  sich  müs- 
sige klügler  und  tändelichte  grübler  darüber  {über  die 
spräche)  machen  Gottsched  d.  neueste  a.  d.  anm.  ge- 
lehrs. 7,  464;  dasz  sie  in  den  Wissenschaften  grübler 
und  grillenfänger  .  .  seyn  werden  Kant  beob.  über  d. 
gefühl  d.  schön,  u.  erhab.  (l766)  42;  von  mäkelnder  kriti- 
kasterei:  ekle  grübler  .  .  . ,  welche  selbst  in  der  Ilias 
nuszschalen  zeigen  wollen  Gottsched  beiti:  z.  crit.  hist. 
1,  663;  daher  öfter  die  koppelung:  mit  welcher  liberalität 
er  die  dichter  gegen  grübler  und  krittler  in  schütz 
nimmt  Göthe  IV  i2,  106  VF.;  Schubart  ästh.  d.  tonk. 
98;  in  diesem  sinne  auch  mit  abhängigem  gen. :  wie  jener 
fromme   pfarrherr    an   den   grübler    seiner    geistlichen 


625 


GRÜBLEREI  -  GRÜBLIG 


GRÜBLISCH  -  GRUCHZEN 


626 


kurtzweil  .  .  .  geschrieben  Harsdörfer  frauenz.  ge- 
sprächsp.  2,  25;  alle  heutigen  grübler  der  offenbahrung 
Johannis  Gottsched  das  neueste  a.  d.  anm.  gelehrs. 
6,  150.    . 

c)  hierher  wohl  auch,  im  sinne  vorioitzigen  forschens: 
und  wolten  die  bemischen  griebler  ires  prauehs  ent- 
setzen städtechron.  23,  177,  ivo  sectierer  gemeint  sind.  — 
grüblerei,/.;  daraus  (aus  der  lesung  der  Micher)  wer- 
den .  .  .  grüblereien,  ideen,  meinungen,  Vorstellungen 
ZiNZENDORF  neueste  theol.  bedenken  (1741)  58;  grüble- 
reyenl  person  und  geld  gehören  zusammen  theater  d. 
Deutschen  u,  167;  die  ursach  seiner  kopfsgrüblerey  ist 
nachfolgende  Lilienberg  künstl.  unordn.  2,  276.  — 
grüblerin,  /.  J.  A.  Gramer  nord.  aufseher  l,  384;  sie 
war  eine  weiche  träumerin,  eine  heiszblütige  grüblerin 
Frenssen  Jörn  Uhl  (1902)  807. 

GRÜBLERISCH,  adj.:  scrupulös,  grüblerisch,  gewis- 
senhaft, zweifelhaft  Spanutius  435;  aber  erst  im  spä- 
teren 18.  jh.  häufiger,  und  zwar  zunächst  mit  dem  accent 
spitzfindiger  denkarbeit:  diejenige,  welchen  sonst  alles 
subtile  und  grüblerische  in  theoretischen  fragen  .  .  . 
verdrieszlich  ist  Kant  5,  158  akad.  ausg.;  ich  würde 
zwar  hoffen,  diese  grüblerische  argutation  .  .  .  durch 
eine  genaue  bestimmung  des  begriffs  der  existenz  zu 
nichte  zu  machen  3,  400;  wo  Plato  gegen  die  Sophisten 
streitet,  ...  da  ist  er  spitzQndig  und  grüblerisch  Fr. 
Schlegel  i,  99;  kritisch:  in  der  liebe  haben  der  Deut- 
sche und  der  Engländer  einen  ziemlich  guten  magen, 
.  .  der  Italiener  ist  in  diesem  puncte  grüblerisch  Kant 
7  (1839),  432  Hart;  eben  so  grüblerisch  wie  bey  den 
antiken  kunstwerken,  geht  man  auch  bey  der  alten 
geschichte  .  .  zu  werke  Ayrenhoff  6,  251 ;  später  mit 
Vorliebe  vom  hang  zu  bohrendem  nachdenken  als  einer 
Charakteranlage :  der  nordische  mensch  ist  .  .  wankend, 
unklar,  dämmernd,  grüblerisch,  gestaltlos  E.  M.  Arndt 
sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  413;  der  beredte,  grüb- 
lerische Hamlet  0.  Ludwig  5,  133;  mein  grüblerisch 
frommer  groszvater  D.  Fr.  Strausz  6,  22;  meine  .  .  . 
rücksichtslose  und  nahrungslose,  grüblerische  Philo- 
sophie Schopenhauer  l,  26  Gris.;  so  neigt  es  [das  Ora- 
torium) sich  doch  auffallend  ins  grüblerische  und  düstre 
R.  Schumann  5,  ll;  etwas  anders;  aber  da  kam  wieder 
der  gedanke  der  zukunft,  und  sie  wurden  wieder  grüb- 
lerisch Frenssen  Jörn  Uhl  (i902)  soo.  — "  grübler- 
tum,  n.:  Lömpff,  der  schon  jahrelang  in  ungesundem 
grüblertum  lebte  H.  Hesse  nachbam  (1909)  218. 

GRÜBLICH,  adj.  zu  grübe,  lacunosus,  rimosus  Stie- 
ler 690;  schon  mhd.:  ir  vinger  grüebleht  lieders.  8,  102 
Laszb.;  sin  kinne  .  .  grüblecht  schweizer  Wernher 
Marienl.  5948;  das  sie  {die  steine)  nicht  grüblecht  oder 
schlims  und  krumbs  seien  Rivius  Vitruv  (i575)  469; 
geschwollen  schenckel,  grüblicht  umb  den  schaden 
Paracelsus  chir.  (1618)  284  C;  des  teufeis  weg  ist  grüb- 
licht und  bergicht  S.  Svevus  geisil.  walf.  (1573)  £4»; 
wo  das  land  enge,  grüblich,  sandicht  .  .  ist  fi^chbüchl. 
96;  dasz  die  jenige  theile  desz  monds  höckerig  und 
grüblich  seind  Er.  Francisci  eröffn.  lusthaus  (i676)  442; 
später  durch  grubig  verdrängt,  s.  d.;  doch  mundartlich 
bis  heute:  grublig  lückenartig,  lückenhaft  Unger-Khüll 
310";  blatternarbig:  hust  grimliche  bocken  Müller- 
Frau  reuth  1,  446*. 

GRÜBLIG,  adj.  l)  zu  grübeln  3:  grublechtig  scrupu- 
lose  Galepin  xi  ling.  1814"^;  ie  me  sie  beichten  und 
sagen,  ie  grübelechter  und  ungerfigiger  sie  werden  Kei- 
sersberg  V.  d.  bäum  d.  sei.  (1518)  s"*;  dafür  aber  öfter 
grüdlig,  s.d.;  grübelicht  curiosus  Stieler  690;  litera- 
risch neben  dem  übermächtigen  grüblerisch  nur  ganz 
selten:  wenn  sie  glauben,  dasz  ich  gar  zu  grüblicht  bin 
Grandison  (1754)2,  131;  dir  fehlt  der  frische,  freie  mut, 
du  bist  ein  grübliger  mensch  W.  Speck  ztvei  seelen  2i80; 
unpersönlich:  grübelig  blieb  es  Victor  immer,  warum 
ihm  denn  das  thier  dieses  eine  mal  nachgekommen  sei 
Stifter  8,  304  Sauer;  mir  in  den  maa.  tritt  die  concrete 
grundbedeutung  noch  zu  tage:  gTÜbUg  von  nüssen,  deren 
kern  man  durch  grübeln  herausbringt  Staub -Tobler 
2,  692. 

IV.  1.  6. 


2)  nach  grübeln  2  {zur  sippe  krabbeln) :  die  ander  füss 
(der  tintenfische  u.  ä.)  sind  grüblecht  eingebogen,  deren 
sie  sich  zum  raub  gebrauchen  Heyden  Plin  363  {cetera 
eirri  quibus  venantur  hist.  nat.  9,  28),  hierher?  im  sinne 
von  kribblig  l :  der  salpeter,  welcher  fein,  rein,  weisz, 
grüblich,  lang  zapfen  oder  streimen  nach  dem  .  .  . 
schmeltzen  bekompt  Fronsperger  kriegsb,  l,  155*,  oder 
zu  grüblich?  dann  giessete  man  den  julep  auf  einmal 
daran,  so  würde  die  salsen  gar  grüblecht  Hohberg 
georg.  cur.  1,  231;  es  ist  mer  grüblig  ich  fühle  brechreiz 
StaubTobler  2,  692;  vgl.  Martin-Lienhart  l,  268''.  — 
grüblisch,  adj.:  sind  sie  .  .  nicht  schwerer,  ernster, 
grübJischer  .  .  als  irgend  andre  Deutsche?  E.  M.  Arndt 
sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  76;  ungewöhnlich. 

GRÜBLING,  m.  l)  name  verschiedener  pflanzen;  be- 
sonders für  die  trüffel,  tuber  cibarium:  grieblinge  Ama- 
ranthes  2045;  grübling  oder  trieffen  StaubTobler  2, 
692  {quelle  von  1734);  grübling  Holl  136 •>;  erdgriebling 
Dietrich  5,  648;  nach  ausweis  der  elsäss.  form  kriwlin 
Martin-Lienhart  l,  268''  zum  vb.  grübeln,  weil  der  pilz 
ausgegraben  wird;  dann  für  die  kartoffel:  die  Burgunder 
pflegen  die  äst  zu  biegen,  mit  erdfrich  decken,  und 
also  mehr  grübling  zu  bekommen  Tabernämontanus 
kräuterb.  (1625)  189'';  tartuffeln  oder  griebling  .  .  sola- 
nv/m  tuberosum  esculentum  Hohberg  georg.  cur.  3,  387"; 
hierher  wohl  die  wurtzel  grübling,  die  einem  mitgliede 
der  fruchtbring,  gesellschaft  zugeiheilt  ist  Neumark  neu- 
spr.  teutscher  palmb.  881 ;  die  bezeichnung  ist  gleicher  ab- 
leitung  wie  das  vorige,  vielleicht  einfach  von  der  trüffel 
übertragen;  vgl.  Fischer  schicäb.  3,  866;  Schneller  l, 
139,  wo  auch  griebeln,  grübeln /ür  kartoffel  angegeben; 
weiter  für  den  gichtschtvamm,  phallus  impudicus  KrO- 
nitz  20,  162;  der  hut  dieses  pilzes  ist  stark  grubig,  also 
dies  zu  grübe;  dazu  auch  grübling  als  name  einer  gru- 
bigen apfelsorte  KrCnitz  a.  a.  o.;  so  schon  bei  Bauhin 
hist.  fontis  balneique  Bollensis  (1598)  4,  66/.;  Nemnich 
212;  'bei  Flauer  ei7i2}flanzengeschlecht,  bei  welchem  männ- 
liche und  weibliche  blumen  auf  einer  pflanze  wachsen 
{omphalea  L.y  Campe;  gröbling  'ein  aus  vielen  eszbaren 
atockschwämmen  .  .  zusammenhangendes  gewächs  der  nusz- 
und  weidenbäume'  {österr.)  PoPOWlTSCH  165  ist  wohl 
anderen  Stammes  {zu  grob  'dick'?);  fraglich  ist,  welche 
pflanze  Klopstock  meint: 

grübling  eilte  voran,  und  mit  erzitterndem  blatte 
folgte  Weichling  von  fern  {bei  der  beatattung  der  toten  rose) 

od.  2, 111  M.-F. 

2)  nur  vereinzelt  persönlich  gefaazt.  zu  grübeln  3 :  wer 
jetzt  einfeltig  schreibt  .  .,  mus  der  klügling  und  grüb- 
ling .  .  esel,  Midas,  Silenus  sein  J.  Pomarius  gr.post. 
(1.590)  1,  loe**;  vgl.  vorr.  2,  4'.  —  grüblingsbaum  kar- 
toffel Pritzel-Jessen  882;  Fischer  schwäb.  3,  865;  grüb- 
lingbaum  Tabernämontanus  kräuterbuch  (1625)  189*; 
grieblingsbaum  quelle  v.  1748  bei  StaubTobler  2,  692; 
grübelnbaum  Schneller  i,  189.  —  grüblingsthor, 
zu  grübling  2: 

die  morgenländer  hie  seyn  keine  grüblings-thoren, 
sie  haben  nicht  die  zeit  mit  aberwiz  verlohren 

RoMPLER  V.  Löwenhalt  erst,  gebüsch  28. 

—  grübner,  m.,  propago,  alter  weinstock,  der  wider 
eingesetzt  wird  Orsäus  nomencl.  195.  —  grubpfennig, 
m.,  was  gruberpfennig  («,  d.)  ünger-Khull  309''.  — 
grubrebe,  ./.;  grfibräben  oder  eyngelegt  und  eynge- 
grübet  gerten  der  weynräben  mergus  Frisius  817''; 
Staub-Tobler  6,44;  vgl.  grubenende.  —  grubrecht, 
n.,  abgäbe  für  das  zum  kohlenbrennen  gegebene  holz, 
alt.  spr.  Unger-Khull  310*  mit  nachweisen.  —  grub- 
stock, m..  rebensetzling  österr.  toeisth.  8,  1119  {a.  d. 
j.  1571). 

GRÜBS,  m.,  kernhaus  des  obstes,  s.  griebs  sp.  254; 
diminuiert  grübslein  Fr.  Kind  ged.  2,  97. 

GRÜBULANT,  m.;  deswegen  solte  ich  .  .  ihre  actio- 
nes  nicht  aus  dem  grund  erforschen,  weil  ich  hier- 
durch auch  ein  gribuland,  ausspintizant ,  explotant  .  . 
sein  würde  Jan  Rebhu  weltkucker  (1678)  2,  115. 

GRUCHZEN  s.  grochzen. 

40 


627 


GRUCKEN  —  GRUDEN 


GRUFT 


628 


GRÜCKEN,  vb.,  vom  gurren  der  taube :  setzen  im  ein 
tuben  uff  die  ein  aciisel,  die  grucket  im  ins  or  Judas 
Nazarei  4,1  ndr.;  lautnachahmende  bildung;  vgl.  grocken, 
krocken  und  rucksen. 

GRUDE,  /.,  nd.  uort;  'die  glühende  asche'  Adelung; 
grude  vel  kole  favilla  Diefenbach  227"  {vocab.  v,  14?5); 
nov,  gl.  169^:  grud  van  stro  9i^  s.  v.  citurfrenus;  de  .  . 
knechte  hadden  vele  bernde  flas  und  stro  angestoken, 
dat  de  grude  up  den  pulverwagen  gestofen  was  Schil- 
ler-Lübben  2,  157 '';  verhochdeutscht:  graud  und  asch 
Rollenhagen  froschm.  (1595)  Z  2^;  graude  Rüdiger 
Zuwachs  2,  79;  die  bedeutung  'strohasche'  ist  bis  in  die 
neuere  zeit  als  specißsch  zu  erkennen;  in  jüngerer  spräche 
dann  auch  von  gewissen  kohlerückständen :  die  grude  ist 
der  theil,  welcher  von  der  zu  theer,  paraffin  usw.  ver- 
arbeiteten braunkohle  zurückbleibt  Schönermark-Stü- 
BER  486;  =  grudekoks  Muspratt  chemie  6,  I93i;  über- 
tragen: 'ein  tief  in  den  feuerherd  gehendes  loch  für  die 
glühende  asche'  Woeste  86°;  zum  kochen  und  warm- 
halten von  speisen  benutzt  Danneil  7i°;  'röhre  in  der 
küche'  Hertel  Thür.  110;  von  da  atis  schlieszlich  für 
einen  komplicierten  kochherd  mit  koksfeuerung ,  wie  sie 
namentlich  im  westlichen  Norddeuti,chland  neuerdings  sehr 
im,  gebrauch  sind;  die  herkunft  des  nur  in  geicissen 
nd.  gegenden  nachweisbaren  wortes  ist  unklar;  dazu: 
grudefeuerung  Lueger  5,  129;  -herd  kochherd  mit 
grudefeuerung  4,  793;  -koks  sind  die  rückstände  der  .  . 
abgeschweelten  braunkohle  4,  492;  -haus:  grudenhaus 
'ein  haus  in  einem  dorfe,  worin  die  asche  aufbehalten 
wird'  Adelung;  Krönitz  20,  160;  -ofen  ofen  mit  grude- 
Jeuerung  Motthes  baulex.  2,  536 

GRÜDELN,  vb.  l)  stochernd  wühlen,  scharren:  die 
erst  eigentschaft  des  eschengrüdels  ist,  das  er  in  der 
eschen  grüdelt  Keisersberg  eschengr.  a,  s^ ;  wiewol  sy 
{die  ente)  sich  hinunder  tunckt  und  in  dem  kot  grodlet 
seelenpar.  97*";  vgl.  post.  3,  45'';  auch  trans.:  wenn  der 
mensch  die  gabel  .  ,  vil  grüdlet  in  dem  füer  bilgersch. 
15°;  in  bildlichem  gebrauch :  vil  sorglicher  stück  . .,  darinn 
lasset  man  grüdlen  reform,  flugschr.  4,  HO  Giemen;  es 
wollt  niemand  den  küng  grüdlen  {sich  einmischen)  Ion 
J,  V.  Watt  dtsche  hist.  sehr.  2,  78;  ein  wesentlich  alem., 
noch  heute  in  südd.  maa.  lebendiges  wort:  grüdlen  graben, 
wühlen  StaubTobler  2,  706,  woselbst  genaueres  zur  Ver- 
wandtschaft; vgl.  auch  828;  ähnlich  bei  Martin-Lien- 
hart  1,269^;  Follmann  lothr.  2i8'^;  Unoer-Khüll  310»; 
dazu  das  subst.  *grüdel  'ein  stochernder',  das  jedoch  nur 
in  der  Verbindung  aschengrüdel  nachweisbar  ist  {vgl. 
aschengritfel  th.  l,  582;  eschengrüdel  ih.3,  it4l);  offenbar 
ist  das  subst.  aus  dem  vb.  abgeleitet,  nicht  umgekehrt; 
adj.  grüdelich,  in  übertragenem  gebrauch:  sollichen 
grüdligen  mönschen,  die  in  der  beichte  überängstlich  u. 
■gewissenhaft  sind  Keisersberg,  der  auch  das  zugehö- 
rige subst.  hat:  scrupul  und  grüdelikeit,  s.  th.  5,2341, 
wo  Hildebrand  diese  stellen  fälschlich  mit  kritflich  zu- 
sam,menbringt ;  wie  hier,  auch  in  heutiger  ma.  dem  sinne 
von  grübeln  nahekommend:  mr  seil  nit  grudle  üwer  das, 
was  in  dr  biwel  stet  MartinLienhart  l,  269'». 

2)  wühlen,  rollen  im  leib:  welche  febres  habent,  houbt- 
we,  krymmen,  grodeln  im  buch  H.  Braunschvv^eig  Hb. 
pest.  10*;  wimmeln:  in  Wirklichkeit  grodlet  Mailand  von 
leuten  wegen  der  ausstellung  J.  Bürckhardt  br.  an  e. 
architekten  175.  beides  auch  elsäss.,  Martin -Lienhart 
1,  269'»;  vgl.  Staub-Tobler  2,  706;  grudeln  prickeln, 
schauern,  brodeln,  wimmeln  u.  ä.  Lexer  kämt.  125;  da- 
von grudel,  m.:  dan  ihme  anfangt  der  grudel  und  der 
haysze  den  ruggen  uff  gehen  Seb.  Bürster  beschreib, 
d.  schwed.  kriegs  192. 

GRUDEN,  vb.,  ableitung  von  grude;  in  der  termino- 
logie  älterer  salzwerke:  einen  knecht  .  .,  der  .  .  .  das 
stroh  mit  bänden  unter  die  pfanne  werfen  und  bey  den 
grossen  feuer  solches  von  einander  stören  müssen,  wel- 
ches sie  gegrudet  .  .  geheissen  Hondorff  salzwerk  zu 
Halle  (1670)  77;  dazu  gruder,  das  sind  knaben,  die  stro 
unter  stecken,  wenn  man  mit  stro  seudt  Mathesius 
Sar.  127'';  auch  bei  Hondorff  a.  a.  o.  unter  beruf ung 
auf  die  thalordnung  von  1482;  grudung  Campe. 


GRUFT,  /. 

I.  Ursprung  und  form. 

1)  offenbar  sind  in  gruft  zwei  worte  zusammengeronnen, 
eine  abstractbildung  zum  verbalstamm  grab-  'graben'  u. 
griech.  lat.  crypta.  daran  ist  festzuhalten,  obgleich  die 
anderen  germ.  sprachen  ein  abstractum  Tnit  diesem  vocal 
nicht  kennen,  das  germ.  wort,  noch  völlig  unbeeinfluszt 
von  crypta,  scheint  vorzuliegen  in:  a  summitate  vallis, 
ubi  se  Saxones  et  Thuringii  disiungunt,  que  Teutonice 
dicitur  Girophti  mon.  Germ.  dipl.  2,  nr.  191  {urk.  v.  979) ; 
gleich  nachher:  usque  ad  fossam  suprascriptam  Girophti; 
eine  abschrift  der  Urkunde  in  einem  Hersfelder  copial- 
buch  {mitte  12.  jh.)  schreibt  Girufde,  gröfde  G.  Schmidt 
urk.  buch  d.  höchst.  Halberstadt  l,  29;  vgl.  uf  die  gruft 
als  flurname  Schmidt  elsäfs.  208''  {Lipsheim  1268).  im 
übrigen  lassen  die  ahd.  belege,  die  sich  erst  seit  dem 
iO.  jh.  häufen,  im  schwanken  des  anlauts  bereits  die  for- 
mule  Vermischung  erkennen;  gewöhnlich  als  glosse  zu 
crypta  {zumal  in  der  Frudentiusstelle  pass.  Hippol.  154, 
auf  katakomben  bezüglich)  gruft,  giruft,  chruft,  am,  häu- 
figsten cruft  und  ztvar  auch  fränk.  und  in  nd.  glossen, 
s.  Graff  IV  309;  vgl.  auch  unten  H  A  2  b. 

2)  die  mhd.  Überlieferung  zeigt  die  kform  schon  sel- 
tener als  die  mit  g-  {s.  Lexer  l,  UOO),  aber  sie  ist  nicht 
etwa  an  obd.  mundart  gebunden  (in  den  himel  Ozer 
cruft  erlös.  1020  Bartsch;  lijgen  .  .  .  under  dem  eyme 
altair  in  der  krufft  Arnold  v.  Harff  pilgerf.  25);  sie 
läszt  sich  bis  zur  tuende  des  17.  und  18.  jhs.  nachweisen 
und  beschränkt  sich  keineswegs  auf  die  bedeutung  crypta: 
der  erden  crufft  schausp.  engl,  com.,  s.  u.  II  A  2  d;  heit 
früh  wol  voller  freuden  .  .  .  und  morgen  in  der  kruft 
Rompler  V.  LÖWEN  halt  erstes  gebüsch  143;  ein  echo 
in  den  krüfTten  Schottel,  s.u.  H  A  2  a;  crufft  dicitur  a 
crypta  Besold  thes.  pract.  1,  183'';  auch  nd.  kroft,  croffte 
vel  korfft,  krocht  Diefenbach  158"  s.  v.  crypta;  vgl.  mnl. 
croft(e),  crocht(e) ;  nl.  croft,  crocht  höhle;  weitere  belege 
unter  kruft  th.  5,  2430. 

3)  im  älteren  obd.,  zumal  in  Augsburger  quellen,  er- 
scheint eine  nasalierte  form:  ain  grunft,  in  der  lag  ain 
ris  M.  Füetrer  bayer.  chron.  153;  warde  im  ausz  der 
grunfft  (in  Delphi)  dise  antwort  gegeben  Marc.  Tatius 
troj.  krieg  69*;  in  die  klufft,  hole  oder  grunffte  hinab 
steigen  Steph.  Vigilius  de  rebus  memor.  (l54l)  68*; 
vgl.  städtechron.  4,  295,  19;  £96,  6;  22,  82,  12;  23,  345,  11  u. 
öfter  in  den  Augsburger  Chroniken;  3,  155,  7  {Nürnberg). 

i)  schwache  ßeocion  vereinzelt  schon  ahd.:  thuruch  cruf- 
tun  Graff  4,  S09;  aber  erst  im  nhd.  häufiger:  in  die  un- 
flätigen böhemischen  krufften  J.  Dietenberger  christL 
vermanung  D  2";  an  der  stat  der  greber  oder  grünfften 
offenb.  d.  hl.  Birgitte  (i502)  4,  cap.  107;  namentlich  im 
11.  jh.  nicht  selten:  {sie  sollen  den  grenzstein)  wider  sezen 
an  den  orth  ...  da  er  zuvorn  gestanten  in  die  alte 
grüften  österr.  weisth.  1,  49;  adeliche  und  andere  be- 
gräbnussen  und  grufften  eröffnete  Chemnitz  schwed. 
krieg  1 ,  454 ;  in  den  sandicht  oder  surricht  gruften 
Prätori  US  wünschelruthen  (1667)  224;  in  holen  und 
gruften  auf  dem  felde  W.  Schultz  ostind.  reise  (i676) 
6'';  gruften  dat.pl.  Comenius  sprachenth.  (1657)  «r.  189; 
in  unser  grufften  dat.  sg.  Abr.  a  St.  Clara  merks  Wien 
46;  Kramer  teutsch-ital.  l,  571 ''  schreibt  noch  die  grüf- 
ten; aber  Steinbach  l,  630  empfiehlt  den  plur.  grüfte; 
indessen  noch  bei  Nicolai:  die  gruften  im  münster  zu 
Basel,  8.  u.  H  B  l ;  iveitere  belege  unter  kruft. 

n.  bedeutung. 

A.  bedeuiungen,  die  von  dem  deutschen  verbalabstrac- 
tum  aus  zu  verstehen  sind: 

l)  eine  künstlich  hergestellte  Vertiefung,  ganz  wie  grübe 
n  A  1,  icenngleich  sehr  viel  seltener:  der  ain  marchstain 
mit  willen  verrucket,  dasz  man  demselbigen  soll  nem- 
ben  und  solle  ihne  mit  dem  haubt  in  die  geruft  setzen 
österr.  weisth.  8,  107  {ib.jh.);  vgl.  8,  43;  7,  49;  des  brun- 
nen  grufft,  daraus  ir  gegraben  seid  Jes.  51,  i;  miniren 
ist  unter  der  erde  graben  und  in  die  gruft  puIver  legen 
Stieler  zeitungs  lust  u.  nutz  467;  da  man  eine  gruft 
machete  zur  grundlage   einer  auffahrt  zu  dem  palaste 


I 


629 


GRUFT 


GRUFT 


630 


imperiale  Winckelmann  6,256;  doch  in  jüngerer  spräche 
jnehr  poetisch: 

sie  hat  aus  eines  gerbers  grüften  .  . 
das  Schurzfell  an  den  tag  gebracht 

J.  J.  Schwabe  belust.  1,44; 

irrgänglich-klug  minirt  er  (der  feuerwerker)  seine  grüfte 

GöTHE  3,  17  W.; 

die  Jünglinge  hatten  das  thal  gewählt, 
gegraben  die  gruft  {jagdgmbe) 

Klopstock  w.  9  (1806),  204; 

und  da  er  die  gruft  erwühlet, 

hat  die  erde  ihn  umfangen       Brentano  3,  6; 

aber  mundartlich  noch  vielfach:  %vnii  gegrabenes,  furche 
Hertel  Thür.  110; 

hoch  in  de  luft! 
den  pal  in  de  gruft ! 

lied  der  Bremer  zimmerleute  bei  Bücher 
arb.  u.  rhythm.  <201; 

'7nan  .  .  .  sagt  von  ausgefahrnen  wegen,  dasz  sie  voller 
gruft en  (grüfte,  lieber  gruftig)  sind'  Hupel  83;  gruft  in 
den  Werder  dämmen  eine  auf  der  landseite  ausgestochene 
stelle  Frischbier  l,  257*;  vgl.  grüftel,  n.,  grübchen  im 
baden  für  ein  kugel-kinderspiel  Unger-Khull  810*. 

2)  häufiger  von  natürlichen  Vertiefungen  in  der  erd- 
fläche, wie  grübe  II  A  3,  und  zwar  mit  ganz  ähnlicher 
specificierung  des  sinnes: 

a)  tiefes  loch,  Schlund,  ahgrund  {vgl.  grübe  II  A  3  a) : 
bodenlose,  sehr  tiefe  gruft  barathrum.  abyssus,  vorago 
Stieler  689;  mhd.  ganz  gewöhnlich: 

(daz  er  weere)  von  dem  aller  hosten  luft 

unz  in  die  nideristen  gruft 

gewaltic  swes  er  wolle  klage  500 ; 

auch  bildlich:  {der  glockenklang  bricht)  durch  der  wölken 
grüfte  Loh.  372;  der  sorgen  gruft  3713;  dies  denkmal  liebt 
bildlicheti  gebrauch  von  gruft,  s.  u.  d;  gott  heiszt  volle 
gruft  der  gnaden  unde  aller  güete  minnes.  3,  67»  v.  d.  H.; 
oder  aller  tiufe  ein  tiefe  gruft  3,  102»;  auch  dem  nhd. 
noch  geläufig:  wie  Q.  Curtius  {sich  stürzte)  in  die  stin- 
ckende  grufft  zu  Rom  Harsdörfer  teutscher  secret.  2, 
70;  ein  hirsch  .  .  .  kam  zu  einen  brunnen  .  .,  es  war 
aber  das  wasser  in  einer  tiefen  grufft  Ad.  Olearius 
Lokmans  ged.  u.  fab.  (1654)  183; 

wie  es  dampft  und  braust  und  sprühet 
aus  der  unbekannten  gruft!  (m  Karlsbad) 

GöTHE  4,  232  W. ; 

halb  eingebrochene  schneebrücken  überspannen  die 
grüfte  H.  V.  Barth  Kalkalpen  137;  erst  in  jüngerer  spräche 
zuweilen  stärker  oder  schwächer  durch  die  bedeutung  B 
gefärbt : 

wie  unter  dir  der  trügerische  firn 
einbricht  und  du  hinabsinkst,  ein  lebendig 
begrabner,  in  die  schauerliche  gruft 

Schiller  14,  339  G.; 

ähnlich:  der  hauch  der  grüfte  14,  117;  etwas  anders: 
Schlucht,  kluft:  dat  erste  leger  is  gewesen  thor  aversten 
moelen,  up  dem  berge  unde  in  den  grüfften  script.  rer. 
Livonic.  2,  114; 

darein  gieng  undter  sich  ein  klufft 
ab,  durch  diese  stickfinstre  grufft 
fürt  er  mich  in  ein  dunckles  thal 

H.  Sachs  3,  594  K. ; 

in  dieser  bedeutung  festes  requisit  lyrischer  spräche  seit 
dem  17.  Jh.: 

dass  grüft'  und  klüft'  und  büsch'  erfreuet  wiederklingen 

Zesen  rosenthal  71; 

ein  echo  in  den  krüfften 

Schottel  bei  Fischer-Tümpel  6,  50^ ; 

so  dringt  ein  Sonnenstrahl  durch  wald  und  thal  und  grüfte 

Lenz  ged.  244  Weinh. ; 

{ihr  monaden)  schreibt  dem  stein  in  allen  seinen  grüften 
die  festen  formen  vor  Göthe  3,  77  W.; 

vgl.  grüft  schluchtartige  uferstelle  Schumann  Lübeck  23. 

b)  höhle  {vgl.  grübe  II  A  2  b) :  ir  tatut  iz  {mein  haus) 
thiobo  cruft  Tat.  117,  3  {speluncam  latronum);  uuas  thar 


cruft,  inti  stein  uuas  gisezzit  ubar  sia  135,  23  {erat  au- 
tem  spelunca); 


der  wirt  in  fuorte  in  eine  gruft, 
dar  selten  kom  des  windes  luft 


Farz.  459,  5  ; 


do  er  ein  gruft  oder  hole  ersähe  Arigo  decam.  638  lit. 
ver.;  vgl.  248;  und  kamen  .  .  in  eine  grufft  oder  loch, 
darinnen  der  heilige  Johannes  .  .  .  seine  wohnung  ge- 
habt M.  V.  Seydlitz  wallfahrt  (1580)  G  S*»; 

biszweilen  laszt  er  ihnen  {den  winden)  lufft, 

herfür  zutringen  aus  der  grufft  Spreng  An.  3  * ; 

gienge  ich  ...  in  eine  grufft,  von  welcher  ausgegeben 
worden,  dasz  sie  4  meil  weges  in  die  erde  gehen  .  .  . 
sollte  Zend.  a  Zendoriis  winternächte  S79 ;  angenehme 
gruft!  {Velledas  za  berhöhle)  maler  Müller  2,  169;  'bis- 
weilen  soviel  wie  grölte'  Chomels  öcon.  lex.  4,  1376;  ^ober- 
deutsch gartengruft  =^  grotte'  Krünitz  20, 161;  Stieler 
689  setzt  grübe  und  gruft  gleich  im  sinne  scrobs,  caverna. 
fodina,  antrum,  specus,  spelunca,  betont  aber:  sed  gruft 
in  specie  hypogaeum  dicitur ;  das  dürfte  auf  der  ein- 
Wirkung  der  bedeutung  B  beruhen;  do  fürt  man  uns  ein 
Steg  ab  in  finstere  krufft  under  die  velsen  F.  Fabri 
eig.  beschreib.  (1557)  40»;  einige  anachoreten  haben  in 
Palästina  in  kleinen  grüften  unter  der  erde  gewohnt 
Zimmermann  einsamk.  i,  237;  dünste  .  .,  die  aus  .  .  . 
unterirdischen  grüften  aufgestiegen  seien  Herm.  Sghmid 
alte  u.  neue  gesch.  188;  bildlich: 

es  (do«  trojan.  pferd)  schultert  durch  und  durch,  und  weit 

umher 
antworten  dumpf  die  vollgestopften  grüfte 

Schiller  6,  349  ff.; 

den  ausgang  weis'  ich  aus  des  elends  grüften 

Arent-Conraui-Henckell  213. 

c)  einige  speciellere  veruendungen :  gruft  als  vnldlager 
{vgl.  grübe  II  B  l) ; 

{der  adler)  sach  vor  dieser  holen  grüeft 
die  fuechslein  liegen  vor  der  sünnen 

H.  Sachs  fab.  u.  sckw.  2, 100  ndr.; 

begeben  sie  {die  thiere)  sich  wieder  zu  ihren  wildlägern 
(grüften)  und  verborgenen  schluffwinckeln  Comenius 
sprachenth.  (1657)  nr.  189;  die  walltische  sprangen  .  .  . 
aus  ihren  grüften  hervor  Breitinger  crit.  dichtk.  1,435; 
in  des  drachen  gruft  Brentano  2,  116;  wo  der  freie 
Untersuchungsgeist  erst  anfängt,  seine  fackel  in  die 
gruft  des  Ungeheuers,  autorität,  zu  tragen  G.  Forster 
5,  211;  auf  dieser  linie  mag  sich  die  glosse  gruft  cuna 
Diefenbach  162''  erklären;  zwinger: 

nider  wurden  sie  en  lan 
unden  in  der  lewen  gruft 

Daniel  8085  Hübner; 

gruft  als  minerallager  {vgl.  grübe  II  B  5) :  dasz  man  .  . 
in  den  unterirdischen  grüften  an  denen  metallen  die 
sieben  irr-sternen  .  .  findet  Lohenstein  rosen  117;  dasz 
durch  die  aus  den  grüften  {goldgruben)  aufsteigende  .  . 
Spiritus  .  .  .  die  menschen  umbkommen  Olearius  in 
V.  Mandelslo  morgenländ.  reiseheschr.  97  anm.;  grufft 
als  Schwefelgrube  persian.  reisebeschr.  257;  dies  aber  je 
später  je  mehr  poetischem  gebrauch  vorbehalten: 

die  ihr  aus  dunkeln  grüften 
den  eiteln  mammon  grabt 

Brockes  ird.  vergn.  2, 142; 

den  ton,  der  in  die  nacht 
der  silberreichen  gruft  gefallen 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  64; 

dir  im  iunern 
lieget  edelgestein  und  gold;  da  grabe 
in  den  grüften  Herder  27,  29  S. 

d)  feste  fügungen:  gruft  der  hölle  {vgl.  grübe  II 
A  2  c):  der  himele  kor,  der  helle  gruft  Konr.  v.  WOrz- 
BURG  gold.  schm.  696;  in  der  helle  grüften  j.  Tit.  6008,  4; 
dasz  eine  hölle  sey,  das  ist  eine  grufft  der  Verzweif- 
lung des  guten  Jag.  Böhme  2,  25;  die  höllsche  grufft 
Gryphius   trauersp.  181  lit.  ver.; 

schnell  wanken  jene  schwarze  grüfte, 
als  Christus  sich  der  hölle  zeigt 

Göthe  37,  7  W.; 
vgl.  15,  247;  von  hier  aus  erklärt  sich: 

40* 


631 


GRUFT 


GRUFT 


632 


du  mörderischer  schelm,  in  Plutos  gruft  erzogen 

Fleming  1,  20  lit.  ver.; 

(Neptun)  wirfet  in  die  lufft 
das  schwache  fichten  haus,  bald  wieder  in  die  grufft, 
wo  Radamanthus  wohnt        Rachel  sat.  ged.  22  ndr. ; 

graft  des  meeres:  in  des  meeres  grufft  Osw.  von 
Wolkenstein  iis,  eo  Schatz; 

kein  fisch  so  tief  in  meres  grufft 

H.  Sachs  7,  53  K.  ,- 

ich  hab  offt  auch  dem  unglücksmeer 

in  seiner  gruft  gesessen 

JoH.  Heermann  bei  Fischer-Tümpel  1,  337^; 

der  heut  hat  in  des  meeres  gruft 

gelegt  den  weltbezwinger  Rückert  1, 169. 

graft  der  erde  als  poetische  formel  fast  im  sinne  'das 
innere  der  erde':  durch  erdes  gruff  Hugo  v.  Montfort 
12,  14; 

{ich  schuf)  das  gewürm  in  der  erden  grufft 

H.  Sachs  1,  20  K.; 

sammt  dem  g'würm  in  der  erden  gruft 

volksachausp.  in  Bayern  iO  Ilartmann  s 

doch  kann,  zumal  in  gewissen  antithesen,  auch  die  be- 
deutung  B  hereinklingen:  das  dein  sele  .  .  dort  in  hime- 
lischer  wonunge,  dein  leib  .  .  alhie  in  der  erden  gruft 
wesen  solten  ackerm.  a.  Böhmen  30;  vom  tiimmel  auf 
der  erden  grufft  Lohenstein  geistl.  ged.  G; 

doch  wil  ich  trachten  nach,  damit  dich  raög  empfangen 
der  erden  crufft  schausp.  engl.  com.  90,  23  Greiz. ; 

vgl. 

aus  diesem  tiefen  Schlund,  aus  dieser  schwarzen  gruft 
hab  ich  so  oft  und  oft,  o  herr,  zu  dir  geruft 

Fleming  1, 10  lit.  ver.; 

von  bildlichen  Wendungen  ist  fürs  mhd.  formelhaft  die 
graft  des  herzen: 

daz  ez  muoz  dem  keiser  .  .  dringen 

durch  ören  in  des  herzen  gruft  Loh.  3958; 

vgl.  1523.  1797.  3030;  mhd.  wb.  l,  563 ''; 

war  ich  die  luft, 
berauscht  war  ich  in  rosenduft 
und  strömt  in  ihres  herzens  gruft 

Brentano  2,  505. 

3)  nur  in  poetischer  spräche  erscheint  ein  gebrauch, 
der  sich  bei  grübe  voll  entmckelt  zeigt  {s.  d.  II  G  l) :  Ver- 
tiefung am  menschlichen  körper: 

durch  slner  süren  wunden  gruft 

Parz.  491,  8; 

wie  ich  mich  zu  dir  soll  wenden 
und  mit  meinen  glaubens-händen 
mich  erhalten  an  der  gruft  {deiner  seitenwunde) 
Chph.  Arnold  hei  Fischer-Tümpel  5, 105 •>; 

sieh,  dieser  äugen  dunkle  gruft, 
dein  Gretchen  kalt  und  todt 

Herder  25,  562  S. 

4)  mundartlich  taucht  das  reine  abstractum  auf:  gruft, 
graft  begräbnis  Kleemann  nordthür.  id.  7";  doch  dürfte 
dieser  gebrauch  jung  entwickelt  sein;  literarisch  jeden- 
falls nicht  sicher  nachweisbar;  vielleicht  gehört  hierher: 

die  schöne,  der  der  Kolcher  thron 

nach  ihres  vaters  gruft  als  eigen  zugehöret 

Gottsched  neueste  ged.  94. 
vgl.  ged.  (1751)  1,  15. 

B.  die  andere  hälfte  der  Verwendungen  liegt  auf  der 
bedeutungslinie,  die  von  crypta  ausgeht. 

l)  im  eigentlichen  siniie  die  kellerartige  anläge  in  kir- 
chen,  auch  anderen  geistlichen  gebäuden,  gewöhnlich  unter 
dem  altar,  die  zur  beisetzung  von  toten  dient,  in  den 
ahd.  glossen  vielfach  für  crypta  Graff  4,  309;  crypta 
grufft  unter  der  kirchen  Golius  16; 

(der  papst  ging)  von  oben  eine  gr§den  abe 
in  die  gruft  zuo  dem  grabe 
Lampr.  V.  Regensburg  Franz.  4992 ; 

sent  Primus  ind  sijnt  Maximinanus  .  .  lijgen  .  .  under 
dem  eyme  altair  in  der  krufft  A.  v.  Harff  pilgerf.  25; 
Ulrich  .  .  .  Hess  im  da  ain  grab  und  grunfft  machen 
städtechron.  4,  296;  dasz  ich  nicht  kan  mit  meinem  lieb- 
sten ordensgenossen  ruhen  .  .  in  unser  grufften  Abr.  a 


St.  Clara  mercks  Wien  46;  die  gruften  im  münster  zu 
Basel  Nicolai  reise  12,  67; 


er  ist  heraufgestiegen 
zu  Aachen  aus  der  gruft 


Geibel  1,  2; 


in  ländlichen  katholischen  kirchen  eine  künstliche  höhle,  , 
in  der  Christus  im  grab  ausgestellt  ist:  unser  herrgott 
in  der  gruft  Aurbacher  nach  Fischer  schwäb.  3,  866; 
mit  ähnlicher  bedeutung  schon  früh:  (man  baute)  in  sant 
Peters  ere  ein  pfarrkirchen  und  darumb  etlich  grüft 
(var.  grunfft,  gerunfft)  in  eren  etlicher  balligen  städte- 
chron. 3,  72. 

2)  allmählich  löst  sich  die  Vorstellung  auf,  die  die 
gruft  zunächst  als  einen  theil  der  kirche  dachte,  und  der 
begriff  der  unterirdischen  begräbnisstätte ,  doch  immer 
noch  einer  gemauerten,  raumartigen,  schiebt  sich  in  den 
Vordergrund;  vgl.  schon: 


do  man  die  gruft  engröb 


Eneit  227,  3 ; 


fühlbarer  erst  im  nhd.r  wie  noch  fürsten  und  herrn  ir 
eygen  grütfte  und  gewelb  haben  Mathesius  l,  30  Lösche; 

ihr  beiden  Brandenburgs,  wofern  ihr  aus  der  grufft, 
da  ihr  verschlossen  seyd,  auf  uns  zurücke  schauet 

Besser  sehr.  1,  86  König ; 

so  habe  ich  denn  .  .  .  neben  der  fürstlichen  gruft  ein 
anständiges  gehäus  projectirt  Göthe  IV  42,  20  W.;  zu 
dem  steinernen  hause  in  der  stadt  gehörte  die  gruft 
draussen  auf  dem  kirchhof  Storm  l,  198;  wie  er  selbst 
in  einer  grufft  {ägyptischer  mumien)  gewesen  Chr.  Weise 
polit.  redner  570;  die  grüfte  der  Scipionen  orafen  Stol- 
berg 7,  175;  eine  todtähnliche  erstarrung  .  .,  von  der 
sich  Jesus  nach  der  abnähme  vom  kreuz  in  der  kühlen 
gruft  .  .  .  wieder  erholt  habe  D,  Fr.  Strausz  3,  377; 
mausoleum: 

stehn  alle  pfeiler  noch?  wo  ist  die  schöne  grufft, 
so  Artemisia  erhöhet  in  die  lufft? 

Opitz  op.  geist-  u.  weltl.  ged.  (1G90)  3,  283 ; 

Metellas  gruft  in  der  Campagna  Tiedge  2,  198;  gern  in 
Verbindungen  icie:  (sultane),  die  ihre  thaten  mit  ihrem 
namen  .  .  zugleich  in  der  gruft  ihrer  väter  begruben 
Fr.  M.  Klinger  lo,  3;  in  meiner  väter  gruft  Mörike 
3,  104;  wenn  er  stieg'  aus  deiner  ahnen  gruft  Müllner 
dram.  w.  2,  67;  öfter  auch  in  der  stabreimenden  koppe- 
lung:  ausz  iren  grebern  und  grufften  Mathesius  4,  17 
Lösche; 

Deutschland  (ist)  hoch  verbunden 
der  band,  so  seinen  rühm  aus  grufft  und  gräbem  hebt 
Lohenstein  Arm.  l,  ehrengetichte  e  3". 

3)  schlieszlich  schlechthin  =  grab,  doch  wesentlich  be- 
schränkt auf  poetische  oder  doch  gehobene  spräche;  schon 
im  11.  Jh.: 

es  mtlssen  rosenbäum'  ausz  eurer  grufft  fürschiessen 

Opitz  teutsche  poem.  67  ndr. ; 

nimmt  er  gleich  mich  und  mein  gebein 
und  scharrt  uns  in  die  grufft  hinein 

P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  447»; 
auch  öffnet  sich  der  gräber  grufft  3,  305; 

die  grufft  der  tiefen  gräber  Sim.  Dach  212  lit.  ver.;  doch 
erst  im  18.  jh.  in  breitem  gebrauch : 

(könnt  ich  lesen) 

was  der,  auf  dessen  gruft  ich  geh, 

in  seinem  sinn  gewesen  Canitz  ged.  44 ; 

freundini  wankt  im  abendwinde 
bald  auch  gras  auf  meiner  gruft 

v.  Salis  ged.  33; 
willst  du  mit  thronen  aus  der  gruft  ihn  waschen? 

Göthe  9,240  W.; 

vielleicht  hat  die  lautliche  nähe  von  grübe  diese  entwick- 
lung  begünstigt;  jedenfalls  tritt  gruft  7iicht  selten  in 
stehenden  Verbindungen  in  concurrenz  zu  grübe  {vgl.  dort 
IIA4a  — d):  dem  ämsigen  konnte  man  es  nicht  ver- 
gessen, dass  er  .  .  seine  frau  .  .  in  die  gruft  gebracht 
hatte  Hippel  kreuz-  u.  querzüge  l,  105; 

die  du  mit  ungemeinem  schmerz 
zu  frtth  in  ihre  gruft  siehst  senken 

Gottsched  ged.  (1751)  1,166; 


633 


GRUFT 


GRUFTÄHNLIGH  -  GRÜGELHAHN   634 


•wenn  sie  einst  in  die  gruft  hinabfahren  J.  J.  Engel 
achr.  3,  26;  wenn  ich  auch  als  greis  in  die  gruft  führe 
H.  V.  Kleist  5,  35  E.  Schm.;  entzückt  von  vergnügen 
steige  ich  freudig  in  meine  gruft  samml.  von  schausp. 
(lieiff.)  1,  86;  du  wirst,  .  deinen  heiligen  nicht  in  die 
gruft  sinken  lassen  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  53  -86,  60; 

er  steiget  im  triumph  aus  seiner  gruft  hervor 

Dusch  verm.  w.  110; 

nehm  ich  mein  greises  haar  mit  schände  in  die  gruft 

Gottsched  dtsche  schaub.  4,  253; 

hätte  der  vater  .  .  .  sein  geständnisz  mit  in  die  gruft 
genommen!  Immermann  5,  104;  körperlich  bis  in  die 
gruft  gebeugt  Caroline  2,  112  Wuitz; 

und  vernehme  noch  am  rande 
später  gruft  der  enkel  chor 
BÖHME  volkst.  lieder  d.  Deutschen  im  18.  u.  19.  jh.  16; 

selbige  (liebe)  soll  bisz  in  die  grufft  unverletzt  dauren 
HuNOLD  d.  europ.  höfe  liebes  u.  heldengesch.  198;  ergebe 
ich  mich  euch,  unvergleichliche  Ismene,  bis  in  die 
grufft  zu  eigen  Menantes  allern.  art  höf.  u.  galant  zu 
schreiben  420 ; 

ich  werde  meinen  fehl  bis  in  die  gruft  bereuen 

Ayrenhoff  77; 

dass  ich  meine  altern  noch  in  ihrer  gruft  beschimpfe 
Rabener  5,  7. 

4)  in  anwendung  auf  profane  anlagen,  von  katakomben 
und  baulichen  Schöpfungen  ähnlicher  art:  grufft  catha- 
bumba  Diefenbach  nov.  gloss.  79";  die  grüften,  da  die 
märtyrer-cörper  ligen  le  catacombe  Kramer  teutsch-ital. 

1 ,  571  "^ ;  die  unterirdischen  grüfte  zu  Rom  catacombe 
Jagemann  548;  etliche  staffeln  über  gemeltem  Ciceronis 
bad  findt  man  eine  krufft  oder  gemach  under  der  erden 
G.  Braun  beschr.  u.  contraf.  (i58i)  3,  56*; 

das  Rom,  das  annoch  prangt  mit  kunstgewölbten  grufften 
Treuer  dtscher  Dädalus  1,  80; 

das  befahren  der  unterirdischen  orte  und  grüfte  {bei 
den  ausgrabungen  in  Pompeji)  Winckelmann  bei  Justi 

2,  1,  376;  er  war  in  gefahr,  .  .  aus  dieser  gruft  sein  grab 
zu  machen  .  .  dieses  gewölbe  war  mit  dem  bewohnten 
theil  des  hauses  auszer  aller  Verbindung  Fr.  M.  Klinger 
8,  199;  allerlei  merkwürdigkeiten  der  natur  .  .  .  hatten 
sie  in  den  grotten  und  grüften  desselben  (schlosses)  aus 
aller  weit  vereinigt  Ranke  w.  8,  54;  und  ähnlich,  von 
kellerartigen  anlagen,  schon  früh: 

sl  hübin  üf  daz  houbit 

und  trügin  iz  hin  üz  der  gruft 

{einem  burgkeller)        Nie.  v.  Jeroschin  6450; 

ein  gewaltigs  gpew  und  tiefe  gruft 
ebenfalls  von  einem  keller 

ScHMELZL  lobspruch  auf  Wien  ,- 

häufig  in  anwendung  auf  kerkerräume,  doch  auch  das 
gewöhnlich  als  ausdruck  gehobener  spräche: 

ich  lig  samb  gfencklich  in  einr  grufft 

H.  Sachs  17,  30  K.-G. ; 

{am  thor)  der  Zwietracht,  die  in  dunkler  gruft 
knirrscht  und  gefesselt  liegt 

Löwen  sehr.  2,  128; 

gefangen!  erl  sein  athem  ist  die  freiheit, 

er  kann 'nicht  leben  in  dem  hauch  der  grtkfte 

Schiller  14,  880  6. ; 

vgl.  12,  487;  15,  1,  56;  in  der  öden  gruft  dieses  kerkers 
Schubart  leb.  u.  gesinn.  2,  lOO. 

6)  mannigfach  in  bildlichem  gebrauch,  doch  ei'st  in 
jüngerer  zeit;  gewöhnlich  an  die  gebrauchsweisen  2 — 3 
anknüpfend:  an  der  gruft  der  freuden,  die  uns  starben 
Stägemann  kriegsges.  60;  sie  {die  brüst)  war  kalt,  .  .  . 
wie  sichs  für  eine  gruft  begrabener  schmerzen  gebührt 
HoLTEi  erz.  sehr.  2,  249; 

hervor  aus  euren  grüften, 

ihr  alten  larven  verborgner  schwarzer  thaten, 

wo  ihr  gefangen  lebt!  Göthe  11,  45  W.; 

(gesang)  der  dir  erinnerungen,  süsze,  bange, 
herauf  aus  ihrer  stillen  gruft  beschwört 

Lenau  1,  27  Castle; 


dasz  der  klare  .  .  geist  dieses  deutschen  stammes,  die 
dünste  aus  den  grüften  abschüttelnd,  wieder  zu  sich 
selbst  .  .  zurückkehren  werde  W.  Alexis  Ao»en  xviil; 

die  bilder  winkten,  wie  verbleichte  schatten, 
nur  selten  aus  der  vorzeit  gruft 

Fr.  Kind  ged.  2, 157; 

dann  legte  er  sich  zitternd  mit  dieser  fremden  gestalt 
in  die  gruft  des  schlafes  hinein  Jean  Paul  7/10,  206; 
in  die  gruft  der  nacht  eingesunken  lag  er  {der  schla- 
fende)  einsam  und  starr  ausgew.  to.  (1847)  7,  53  Reimer; 
an  A  1  grenzend: 

{ich  wünsche)  die  blumen  annoch  vor  der  zeit 
aus  ihrer  kalten  grufft  zu  ziehen 

Henrici  emst-scherzh.  u.  %at.  ged.  1,  6; 

der  weinstock,  welcher  bisanher 

in  einer  stinkenden  und  schnöden  gruft  gelegen 

Triller  poet.  betracht.  1,  215; 
still  in  die  gruft 
moBz  es  {das  kom)  sich  senken 

RÜCKERT  1,  195; 

vor  ihrem  blick,  wie  vor  der  sonne  walten  . . 
zerschmilzt,  so  längst  sich  eisig  starr  gehalten, 
der  selbstsinn  tief  in  winterlichen  grüften 

Göthe  3,  24  W. 

GRUFTÄHNLICH,  adj.:  der  anblick  des  gruftähnlichen 
tempels  Ritter  erdk.  1,  632;  vor  einem  gruftähnlichen 
höhlenthore  R.  Wagner  6,  152.  —  gruft deckel,  m. 
E.  Ertl  opfer  der  zeit.  —  grufterde,/.;  der  letzte 
dumpfe  wurf  der  grufterde  aufs  eingesenkte  sarg  Herder 
25,  305  iS.  —  gruftgewand,  n.,  totenhemd  25,  289.  — 
gruftge wölbe,  n.:  'gvniigeviölbe  für  grabgewölbe,  be- 
sonders wenn  es  sich  unter  einer  kirche  befindet'  Helfft 
tcb.  d.  landbauk.  161 ; 

es  ist  der  blutge  schatten  könig  Damleys, 
der  zürnend  aus  dem  gruftgewölbe  steigt 

Schiller  12,  412  G.; 

vgl.  1,  342;  ein  schauerliches,  mit  säulen  befestigtes 
gruftgewölbe  des  doms  Eichendorf  11,  205.  —  gruft- 
hauch, m.  G.  Hauptmann  Anna  (l92i)  59.  —  gruft- 
haus, n.;  toten-  und  grufthäusle  quelle  von  1587  bei 
Fischer  schwäb.  3,  866.  —  grufthügel,  m.:  die  ka- 
peile, die  den  grufthügel  krönte  Ebner -Eschenbach 
gemeindekind  9230.  —  gruftig,  adj.:  grübelicht  et  grüftig 
lacunosus,  rimosus  Stieler  690;  cavernoso,  grotloso  ein 
gruftiger  felsen  Kramer  teutsch-ital.  l,  571";  anders,  zu 
gruft  11  B  2:  die  damaligen  gespenster  .  .  .  haben  ihr 
ßterbekleid  getragen,  das  war  so  gruftig  Nestroy  4,  234. 
—  gruftkapelle,  /.,  über  einer  gruft  errichtete  kapelle 
Stifter  i4,  322  Sauer;  Fontane  I  4,  120.  —  gruft- 
kirche, /.,  crypta  Motthes  fiawiea;.  3, 184;  S.Andreas, 
die  familien-  und  gruftkirche  der  Colonna  Gregorovius 
wanderj.  in  Ital.  2  (1904),  97.  —  gruftkleid,  n.,  toten- 
hemd Herder  29,  346  S.  —  gruftlampe,  /.  Platen 
i,  26i  Hempel.  —  gruftleiche, /.:  pergament siebe  .. 
an  den  teint  erinnernd  von  aristokratischen  gruftleichen 
Bog.  Goltz  jugendleben  3,  92.  —  gruftplatte,  /.  = 
gruftdeckel  Rosegger  I  14,  312.  —  gruftstein,  m.: 
wo  noch  heute  halb  verwischte  gruftsteine  in  den  kir- 
chen  die  gebeine  seiner  väter  decken  Moltke  sehr.  u. 
denkw.  1,224.  —  gruftstille,/.  H.  Marggraff  bal- 
ladenchron.  (1862)  51.  —  gruftversenkung,  /.;  sie 
setzten  des  alten  sarg  auf  eine  gruftversenkung  Fon- 
tane ges.  rom.  u.  nov.  (l89o)  7,  119.  —  gruftwerk,  n.; 
gruft-werck,  grüften-  oder  grottenwerck  opera  grottesca 
Kramer  teutsch-itul.  l,  571";  vgl.  grottenwerk. 

GRÜGEL-,  GRIEGELHAHN,  m.,  der  birkhahn,  tetrao- 
tetrix  Nemnich  209;  hauptsächlich  schweizerisch  nachzu- 
weisen; ivieweit  das  grygallus  älterer  quellen  den  birk- 
hahn oder  grygallus  m.aior,  den  aicerhahn  meint,  ist  nicht 
immer  entscheidbar:  grügel-  vel  spilhan  Gesner  nach 
Diefenbach  270*;  griegelhahn  Kirsch  corn.  2,  159*; 
Stieler  749,  überall  mit  grygallus  glossiert;  erythrotaon 
auwerhan,  pürckhun,  bergkhan,  grugelhan  Megiser  pol. 
1,  483'';  die  kleinen  {auerhähne)  werden  gruggelhanen 
genennet  Hohbero  georg.  cur.  2,  673;  grügelhun  von  dem 
urhuhnweibchen  Oken  7,598;  grügel  auerhenne  Schmel- 
LER  1,  992;  zu  grügeln  heiser  reden;  vgl.  krigeln  th.  5,  2303. 


635 


GRÜH(E)  —  GRUMMEN 


GRUMMEN 


636 


GRÜH(E),  m.  und  f.,  eine  art  sehr  Meiner  fische:  aphya, 
ßuviatilis  minima  Marperger  küch-  u.  kellerdict.  433 '^; 
disz  ist  der  allerkleineste  fisch,  den  die  Märker  gruhe 
nennen,  sonsten  nennen  sie  ihn  hundert  tausendt  fisch 
CoLER  hausb.  (1645)  655;  m,it  dem  sängel  (ja.  d.)  identi- 
ßciert  im  allg.  haush.  lex.  l,  624;  dazu  grüh(e)netz 
CoLER  a.  a.  0.;  Marperger  434*;  Krünitz  20,  163. 

GRÜME, /.  =  krume  th.  5,  2438;  indes  sind  die  %-f ar- 
men auch  schriftsprachlich  häufiger,  als  dort  erkennbar 
(vgl.  krume  l  d) ;  dabei  mag  z.  th.  das  benachbarte  grumpe 
(s.  d.)  von  einflusz  sein,  wie  denn  gelegentlich  deutliche 
vermengung  vorliegt: 

und  han  gesagt  von  groszen  grumen, 
do  ich  mein  lebtag  nie  hin  bin  kumen 

fastnachtsp.  1,  239  K., 

vgl.  grumpe  2;  grumen  in  brodt  vocab.  rei  numm.  (1552) 
H  7»;  ähnlich  Tabernämontanus  netv  kräuterb.  (1664) 
591;  dasz  sie  (schwierungen)  seien  einer  gleichen  dicken 
ohne  einige  grumen  noch  gestocktes  wesen  Mauriceau 
476;  die  grum  von  brod  Kramer  teutschital.  l,  571«; 
ebenso  grümlein  und  andere  abieitungen;  ein  grüm- 
chen  brod  Miller  Siegte.  2,  819;  grümmlein  Hebel 
(1853)  3,  106;  grummen  vel  ribeln  sipare  (i.  c.  pullis 
panem  frangere)  Diefenbach  537*=;  grüm licht  Chomels 
öcon.  lex.  4,  1376;  eine  . .  leicht  grum  ig  werdende  masse 
Sömmerring  5,  841;  von  einer  grümelichen  masse 
Oken  4,  363;  vgl.  3,  3,  1947:  knollen  .  .  .  mit  einer  .  .  . 
grümmelichen  masse  angefüllt  Rohling  Deutschlands 
flora  3,  50. 

GRUMMELN,  vb.,  ableitung  von  grummen  {s.  d.);  haupt- 
sächlich in  den  fränkischen  maa.  am,  Rhein  und  vieler- 
orts in  Niederdeutschland  verbreitet. 

1)  bei  persönlichem,  subject:  murren,  schelten,  unzu- 
frieden brummen  (entsprechend  grummen  l):  sein  altes 
grummeln  gegen  den  Sozialismus  K.  Marx  an  Fr.  Engels, 
briefw.  2,  833 ;  dasz  die  Bonapartisten  schon  stark  grum- 
beln  über  Garibaldis  'rühm'  ib.,-  das  verdrieszliche  grom- 
meln  der  molesta  senectus  P.  Lindau  mi;  Nord  u.  Süd 
heft  301  (1902),  6 ; 

'kinderl'  grommelt  Atta  Troll 

Heine  2,  367  E.  ; 

murren  lux.  ma.  155";  Schmitz -Et/eZ  225;  Wegeler  Cob- 
lenz.  20;  in  den  bart  brummein  Pfister  nachtr.  85;  gro- 
meln  mürrisch  sein  Unger-Khull  808''. 

2)  bei  unpersönlichem  subject  mit  verblassung  des  affect- 
gehaltes:  ein  brummendes,  dumpfes  geräusch  laut  werden 
lassen  (entsprechend  grummen  2) :  schössen  weidlich  hin- 
ein, das  es  in  der  lufft  gesungen  und  gegrummelt  hat 
H.  BÜNTING  lüneburg.  ehr.  (1585)  70*';  ein  tiefes  grobes 
brausen  und  gräuliches  grümmeln  (von  musikinstru- 
menten)  J.  Mattheson  d.  n.  götting.  ephorus  (1727)  58; 
besonders  vom  donner  eines  entfernten  gewitters: 

der  himmel  grummelt  schon 

C.  Abel  Boileau  486; 

nachdem  .  .  der  donner  eine  zeit  lang  in  der  ferne  ge- 
grummelt KoTZEBUE  dr.  Bahrdt  82;  hinter  den  bergen 
grummelt  das  gewitter  H.  LÖNS  a.  d.  wildbahn  163;  auch 
bildlich :  wenn  ihr  donner  einmal  anhebet,  so  grümmelts 
wol  zwölf  tage  hernach  schaupl.  d.  bös.  iceib.  (1752)  13; 
Lichtenberg  br.  2,  38;  heute  in  nordd.  maa.  weit  ver- 
breitet, vgl.  Stürenburg  77»;  Schambagh  eg*»;  Hertel 
Thür.  110;  Bernd  Posen  78  u.  sonst;  auch  vom  knurren 
des  magens:  et  grummelt  my  im  büke  Strodtmann  77; 
vgl.  Frisghbier  i,  255;  dazu  grummel  ferner  donner 
Strodtmann  77;  Danneil  71°^;  während  des  grummels 
von  den  canonen  Lichtenberg  br.  i,  91;  dazu  grum- 
melköpfe  die  bauchigen  wölken,  die  den  schiveren  ge- 
witterwolken  voraufgehen  Strackerjan  abergl.  u.  sagen 
2,108;  -schauer  Lüpkes  seemannsspr.  24;  Kern-Wilms 
137;  -stein  versteinerter  echinii  Strackerjan  2,  109; 
-türm  gevritterwolke  Strodtmann  77, 

GRUMMEN,  swv.,  ablautbildung  zu  grimmen  stv.  mit 
der  stammstufe,  die  in  ags.  grymettan  brüllen,  grunzen, 
ivüthen,    nortv.   grymta   grunzen    auftritt;   besonders   im 


westd..  vom  alem.  bis  ins  ndfränk.,  und  sonst  in  nd.  maa. 
entfaltet;  mnl.  grommen,  grummen,  auch  nnl.;  erst  seit 
dem  spätmhd.  nachweisbar;  die  bedeutung  zeigt  parallelen 
zu  grimmen. 

1)  grummen  furire  Diefenbach  253*';  fremere  246<^; 
'schelten,  m.urren': 

der  gebure  beleib  da  grommende 
an  syme  stabe  und  grynende 

pilgerf.  d.  träum,  mönchs  5610 

und  oft  in  diesem  text,  s.  glossar;  und  sy  (die  jünger) 
grumtent  wider  sy  erste  dtsche  bibel  i,  176;  kein  feind 
sich  gegen  sie  (die  Römer)  grummens  oder  entbörung 
durfte  mercken  lassen  Kirchhof  wendunm.  l,  439  lit.  ver.; 

darto  de  lynenwevere 

grummeden  lick  paghentzevere  (roszkäfer) 

städtechron.  1\,  103; 

mag  ihr  die  misera  plebs  ketten  anhenken  und  grum- 
men wie  die  bumsen  J.  Grosse  ausgew.  w.  3,  259;  in 
besonderer  Sphäre  'knurren,  zanken':  neidig  mönschen, 
hessig,  gond  grummen  mit  iren  nechsten  Keisersberg 
hellisch  low  &  &^;  da  sehen  sie,  es  solte  ein  milch  dar- 
von  ersauren,  prummen  und  grummen  Fischart  3,  258 
Hauffen;  wie  sie  den  mann  durch  unaufhörliches  grei- 
nen und  grummen  .  .  nur  beunruhigen  Mosgherosch 
ges.  2,  801;  und  so  noch  heute  mundartlich:  grummen 
knurren,  brummen  Pfister  nachtr.  85;  grummbär  brumm- 
bär  Honig  69^;  gromen  mürrisch  sein,  gromlich  brum- 
mig Unger-Khull  808''. 

2)  die  bedeutung  des  affects,  bei  grimmen  die  bestim- 
mende, kann  aber  auch  verblassen,  so  dasz  das  vb.  sich 
einer  reinen  schallbezeichnung  nähert:  dumpfe  töne  laut 
werden  lassen;  onomatopoetische  momenfe  sind  an  dieser 
entwicklung  betheiligt:  grunnitus  das  grummen  o.  ruchlen 
der  Schwein  Diefenbach  270'';  (das  murmellhier)  grümt 
und  grant  und  murmlet  allwegen  in  im  selber  Keisers- 
berg bilgersch.  (1512)  144'';  der  gute  gesell  .  .  aus  dem 
stro  herfür  kroch,  hub  an  zu  grummen  Hertzog  schiltw. 
E  8*;  cagnolare  murmeln  oder  grummen  zwischen  den 
zänen  Hulsius  (1618)  2,  168'';  etliche  ausländer  halten 
die  Teutschen  .  .  ,  was  ihre  spräche  betritt,  für  grobe 
brumende  leute,  die  mit  röstigen  werten  daher  grum- 
men Schottel  haubtspr.  einl.  b  8'';  in  den  bart  brum- 
men V.  Klein  l,  166;  zumal  vom  donner:  als  ob  der 
donner  grummt  Kirchhof  wendunmuth;  so  auch  in 
heutigen  maa.,  vgl.  Berghaus  622*;  es  grommt  in  der 
luft  von  einem  fernen  gewitter  Bock  pruss.  16;  ähnlich: 
(kartaunen)  welche  man  .  .  in  ihren  häufen  hat  abgehen, 
donnern  und  grummen  lassen  H.  Bünting  braunschw. 
ehr.  (l58i)  140*;  vom  knurrenden  inagen: 

der  bauch  grumpt  dir  vor  angst 

Naogeorgs  kaufmann  (1541)  e; 

wenn  man  einen  bauren  bittet,  so  grompt  im  der  bauch 
Steinhöwel  de  cl.  mul.  816  lit.  ver.;  vgl.  zu  dem,  Sprich- 
wort grolzen  8;  im,  spiel  mit  l: 

es  wirt  lehr  umb  dein  magen  stehn, 
er  hebt  schon  an  mit  dir  zu  grummen 

Scheit  Qrob.  i7  ndr.;  vgl.  25; 

s)  tcie  bei  grimmen  gebrauchsweisen  auftreten,  die  nur 
auf  grund  einer  vermengu7ig  mit  krimmen  stv.  verständ- 
lich sind  (s.  2  grimmen  köpf,  sp.  355),  so  bei  grummen 
gelegentlich  bedeutungen,  die  auf  eine  Vermischung  mit 
krummen  (ablautform,  zu  krimmen,  th.  5,  2456)  weisen: 
Stimulare  pfetzen  vel  grymmen,  grummen  Diefenbach 
652«;  torsiones  stomachi  das  grummen  im  magen  Faber 
thes.  875";  unde  em  walget  unde  grummet  in  deme 
lyve  Schiller-Lübben  2,  157";  'wurmen': 

es  tuet  zwar  auch  noch  in  mir  grummen, 

dass  Goliath  erschlagen  worden 

sagt  ein  Philisterfürst  Staub-Tobler  2,  785; 

hierher  gemsz  auch  das  Schweiz,  grummen  (schweine) 
schneiden  ib.;  auf  dieser  linie  erklärt  sich  wohl  auch  die 
bedeutung  sich  bekümmern,  sich  grämen:  verdrusz,  traw- 
ren,  schröcken,  kummer  und  grummen  verwunden  das 
hertz  wie  pfeil  J.  Meighel  kreuzschul  (i630)  104; 


637 


GRUMMET 


GRUMMETBODEN  —  GRUMPE 


638 


wann  ich  lang  klag 

gleich  alle  tag 

und  grumm  mich  sehr 

ScHMELLER  1,  997  (quellc  V.  1G46); 

im  heutigen  bair.  auch  in  ableitungen  reich  entwickelt, 
a.  ScHMELLER,  Und  zwar  im  icechsel  mit  sich  grimmen, 
s.  2 grimmen  l  a;  ganz  icie  hei  -grimmen  (*.  d.  2  b)  hat 
sich  aus  dem  subst.  inf.  im,  bair.  ein  swm.  der  grumen 
enttvickelt  (Schmeller,  üngerKhull  310''),  das  schon 
früh  nachweisbar  ist: 

nun  das  tut  mir  den  grummen, 

das  man  sy  nymmer  {l.  mynner)  haissen  sol 

Hätzlebin  240; 

ximgekehrt  erscheint  auf  grund  dieser  wortvermischung 
auch  echtes  grummen  mit  k-anlaut,  belege  unter  krum- 
men 3,  th.  5,  2457. 

GRUMMET,  n.,  foenum  secundum. 

1)  Ursprung  und  form,  grummet  ist  entstanden 
aus  gruonmät;  seit  dem  13.  jh.  nachzuweisen,  aber  offen- 
bar wesentlich  älter;  un  assimilierte  formen  vereinzelt  noch 
spät,  vielleicht  nicht  nur  auf  grund  etymologisierender 
reconstruciion :  grünmath  Hohberg  georg.  cur.  i,  28; 
grunmatt  Sebiz  feldb.  460;  denn  mundartlich  noch  hexde 
graunmäd,  auch  gräune  mäd  Woeste  84*';  normaler 
weise  assimiliert,  mit  unum geläutetem  langen  oder  ge- 
kürzten stammsilbenvocal:  gruemat  österr.  weisth.  8,  428 
(quelle  v.  1258),  und  so  häufig  in  älteren  österr.  nach- 
weisen; gruamat  succidium  Diefenbach  nov.  gl.  354*; 
grummot  gloss.  405°  *.  v.  pagulum;  grumat  Frommann 
2,  804  (vocab.  V.  1432);  spuren  umgelauieter  formen  sind 
rar  und  unsicher,  s.  Lexk.r  l,  1098/.;  in  geicissen  nd. 
und  md.,  zumal  fränk.  gebieten  als  grommet,  eine  form, 
die  zumindest  fürs  nd.  auf  einem  undiphthongierten  grön- 
beruht,  vyl.  Schambach  69'';  Sartorius  Würzhurg  51; 
Fischer  schwäb.  3,  867;  auch  in  älterer  spräche  häufig: 
grommut  surgum  Diefenbach  nov.  gl.  356*';  gromat 
Thom.  V.  Absberg  183;  Harsdörfer  poet.  tr.  2, 145;  ältere 
hessische  belege  bei  Vilmar  139;  grohmat,  grommat  Kra- 
mer hochnd.  dict.  2,  101";  grommt  Gottsched  beitr.  z. 
crit.  hist.  2,  338;  auch  a.- formen,  die  fürs  bair.  die  heu- 
tige ma.  bestätigt,  sind  nicht  ganz  selten:  gramadt  österr. 
weisth.  5,  66,  14;  grammet  10,  142,  29;  vgl.  6,  313,  23.  80; 
10, 163, 18;  gramat  Lindener  katzip.  186  lit.  ver.;  Uhland 
hoch-  u.  nd.  volksl.  729;  die  vollere  endsilbe  -mat  ist  im 
17.  jh.  schriftsprachlich  noch  ziemlich  gebräuchlich,  taucht 
auch  lexicalisch  noch  auf:  grumath  Hulsius  (1618)  143"; 
grumat,  gromet  Kramer  teutschHal.  1,572*;  doch  bei 
Stieler  1208:  gromat,  Äoofie  grummet;  andererseits  sind 
die  formen  mit  abgeschwächtem  endsilbenvocal  schon  im 
16.  jh.  ganz  gewöhnlich,-  vereinzelt  gromment  d.  meisterl. 
gedinge  des  abta  von  Chemn.  (1522)  115  Giemen;  gromich 
V.  Klein  l,  165  (Koblenz);  grummelt,  olt  Frischbier 
1,  257*;  die  stärkste  Verstümmelung  der  zweiten  silbe  zeü/en 
rheinische  und  nd.  formen:  grümm  Aler  dict.  1,  988''; 
grumm  lux.  ma.  157*;  gram  (als  niedersächsisch  bezeichnet) 
Prätohius  philos.  colus  122;  gramme  Strodtmann  75; 
gram  brem,  ivb.  2,  534;  gramm  Danneil  69*;  Stüren- 
BURG  74*;  gram  (neben  grämt)  Doornkaat-Koolman 
1,  673*;  kreuzt  hier  ein  anderes  wort  hereiii?  vgl.  dat  hau 
up  der  grammen  Schiller-Lübben  2,  139*. 

2)  geschlecht,  das  alte  und  zumal  in  der  concreten 
bedeutung  'das  gemähte'  beim  simplex  vorherrschende  neutr. 
steht  für  grummet  im  ganzen  fest;  die  ausweichungen 
m,ehren  sich  erst  in  jüngerer  zeit  auf  nordd.  boden,  ohne 
von  bedeutungsunterschieden  abhängig  zu  sein ;  als  masc. : 
rechten  grumait  weisth.  2,  177  (a.  d.  Hundsrück  1442); 
den  .  .  grummet  Gaudy  20,  140;  Schlechtendal  flora 
V.  Deutschi.  30,  199;  nachweise  aus  Alexis  und  Goltz 
bei  Sanders;  vgl.  Follmann  lothr.  219*;  lux.  ma.  157"; 
Frischbier  i,  257*;  fem.:  auf  wohlriechender  grummt 
Löwen  sehr.  3,71;  Immermann  3,  lOO  Hemp. 

3)  bedeutung.  gewöhnlich  (in  anlehnung  an  mahd 
'das  gemähte')  das  heu  des  zweiten  Schnittes;  es  wird 
grün  genannt  wohl  einfach  im  sinne  der  farbbezeich- 
nung ,  weil  es,  nicht  ausgereift,  eine  sattere  färbe  auf- 
weist: 


im  stadel  grumet,  hew  und  stro 

H.  Sachs  11,  365  K.-O., 

aber  4,  273, 14  grumat;  man  gibt  auch  ihnen  das  grummet 
nach  weyhnachten  erst  viehbüchl.  28;  geschobertes  grum- 
met J.  H.Voss  ged.  2,  219;  die  mit  grummet  bepol-terte 
thür  Jean  Paul  8,60  Hemp.;  seltener,  aber  auch  noch 
ganz  gebräuchlich,  für  das  gras  des  ziceiten  Schnittes,  so 
lange  es  noch  auf  dem  halm,  steht:  da  das  grumet  auf- 
gieng  Amos  7,1;  das  grämet  abmähen  Schaidenraisser 
Od.  79*;  für  das  grummet  ist  .  .  .  der  regen  sehr  will- 
kommen GöTHE  IV  22,  126  W.;  Vgl.  IV  23,  409;  nur  ver- 
einzelt nachweisbar  als  'ort,  wo  grummet  wächst'  österr. 
weisth.  1,  37,  l;  vgl.  mahd  l. 

4)  bildliche  Verwendung:  wird  die  fraw  (bei  den 
kindschencken)  wider  ein  jungfraw  oder  grometh  S. 
Franck  weUb.  (1567)  129»;  vgl.  die  kindschenck  .  . ,  da 
man  die  kindbeUerin  .  .  wider  zu  jungfrawen  und  gro- 
mat sauffet  Fischart  geschichtklitt.  74  ndr.  (im  sinne: 
gras,  das  wieder  abzumähen  ist);  sie  haben  grummt 
gemacht,  ehe  sie  heu  machten  eher  kindtaufe  als  hoch- 
zeit  Müller-Fraureuth  l,  446*;  da  geht's  grumt  vor'm 
heu  weg  die  jüngere  Schwester  heirathet  vor  der  älteren 
ib.;  im  selben  sinne:  dasz  .  .  das  grummet  über  das  heu 
wachsen  wollte  Auerbach  nach  Fischer  schwäb.  3,  867. 
dazu  grummetboden  im  sinne  von  heuboden  Zinck 
öcon.  lex.  999;  -butter  KrOnitz  20,  249;  -ernte  Zehner 
nomencl.  334;  seit  voriger  krummtärnte  Chr.  F.  Weisze 
kom.  op.  3,  5;  -futter  Leopold  handwb.  d.  öcon.  2bb^; 
-fütterung  Zinck  öcon.  lex.  999;  -gras  3476;  -heu 
Campe;  -mach er  arbeiter  in  der  grummeternte  G.  Edel- 
mann hochzeitpred.  (1580)  Y  4*;  -mahd  österr.  weisth.  5, 
760,  34;  kurz  nach  der  grummetmahd  Kinkel  erzähl.  93; 
dafür:  die  grommetmähe  allg.  dtsche  bibl.  81,  697;  -sack: 
Gruomatsack  als  bauernname  fastnachtsp.  l,  367,  17; 
-schober  Jean  Paul  i,  51  Hemp.;  -weib  20/23,  268; 
ÜngerKhull  sio**  (quelle  v.  1755);  -wiese:  pratum  dic- 
tum grumatwise  monum.  boica  86,  l,  589  (quelle  v.  1326); 
österr.  weisth.  3,  355,  2;  -zeit  L.  A.  Frankl  erinn.  9  Hock, 
dazu  tceiter  das  vb.  grummeten:  dasz  ein  jeder  seine 
wiszfleck  .  .  zu  seinem  nutz  .  .  fenngen  und  gromaten 
mag  LoRi  Lechrain  829;  vgl.  Schmeller  l,  1001 ;  Staub- 
TOBLER   2,  735. 

GRUMMSAME,  /.,  mürrisches  wesen  (s.  grummen  l): 
wann  wir  dann  zu  letzt  alt  werden  .  . ,  so  ficht  uns 
geitz  an,  grummsam,  grieszgrammen  C.  Huberinus 
mancherl.  form  zu  pred.  (1557)  182*. 

GRÜMPE,  GRUMP(EN),  m..frustum,  mica;  herleitung 
ist  schwierig;  Hildebrand,  der  th.  S',  2467/.  das  wort 
wesentlich  aufgrund  moderner  mundartlicher  formen  be- 
handelt, sucht  anknüpfungen  in  der  richtung  auf  krume ; 
demgegenüber  ist  zu  bemerken,  dasz  die  sehr  reichliche 
ältere  Überlieferung  fast  geschlossen  anlautendes  g-  bietet; 
die  modernen  '^■formen  sind  vielleicht  erst  das  resultat 
jüngerer  toortvermixchungen ;  überdies  weisen  auch  die  maa. 
%■  formen  auf:  grömpele  krümchen  Reinwald  henneb.  54; 
grümpel,  grompel  krümchen  Weinhold  schles.  31*;  vgl. 
auch  das  preuiz.  grompel  Frischbier  l,  257*. 

1)  ein  grumpen  unverdautes  essen  frustum  esculen- 
tum,  ein  grumpen  brot  mica  panis  Steinbagh  l,  648; 
klump  .  .  alia  dialecto  etiam  dicitur  grumpe,  clivulus 
terrae  Stieler  988;  vgl.  grumpe  cumulus  a  talpa  exci- 
tatus  Wächter  619;  gewöhnlich  im.  plural  'klumpen, 
stücke':  wo  ist  jemals  eine  stad  .  .  zerstöret,  davon  man 
nicht  übrig  funden  hette  schlacken,  grumpen  und  stücke 
Luther  50,  326  W.;  vgl.  olle  grumpen  alte  Überbleibsel 
Dähnert  163*';  zumal  stücke  von  eszbarem,  also  'brocken': 

und  möchtst  nit  schlinden  solche  grumpen, 

so  trinck  darzwischen  Scheit  Grob.  8T  ndr.  i 

viel  der  grumpen  schnitten  sie  (beim  schweineschlachten) 

Fischer  schwäb.  4,  793; 

etliche  grumpen  von  steinharten  zwiback  G.  Landcron 
merkw.  reisen  (l724)  274;  bildlich: 

wölln  wir  stets  fressen  solche  grumpen, 

das  er  (der  pfaff)  uns  auf  dem  maul  mag  trumpen 

B.  Waldis  Esopus  2,  274  Kure^ 


639 


GRÜMPEL  —  GRUMSEN 


GRUMSIG  -  GRÜN  I  A  i 


640 


ebenso  in  dem  recht  gebräuchlichen  deminut.:  grümpchen, 
grümplein  mica  Steinbach  i,  6i8;  ist  niemand  daheim, 
der  ihm  (Lazarus)  ein  grümpelein  gebe  Otho  ev.  kran- 
kentr.  625;  schlacken,  darinne  kein  .  .  grümplein,  fünck- 
lein  oder  pünctlein  goldes  M.  Chr.  Irenaeus  sp.  d.  hellen 
(1588)  207«^;  dasz  ihn  die  bürger  .  ,  zu  kleinen  grümplein 
zurhawen  W.  Bötner  epit.  histor.  (1596)  170*. 

2)  dann  auch,  wie  stücke,  in  einem  übertragenen  sinne  ; 
das  ist  die  eigentliche  schriftsprachliche  bedeutung  des 
Wortes  im  älteren  nhd.:  es  sieben  auch  wol  ander  grum- 
pen  darin  (in  der  bibel)  von  den  falschen  predygern,  die 
das  gelt  des  menschen  suchen  ref.  fiugschr.  l,  3*  Giemen; 
und  was  dergleichen  grumpen  mehr  sind  Wifzenbürger  8, 
vorr.;  gern  grobe  grumpen:  da  höret  ich  unter  andern 
guten  groben  grumpen  über  tische  Luther  88,  212  W.; 
es  sind  noch  sonst  gute  grobe  grumpen  verbanden,  die  .  . 
Jag.  Eisenberg  d.  heil,  brotkorb  (1584)  54;  die  grund- 
bedeutung  bleibt  unvergessen: 

sag  dann  schmeiszkeiln  und  grobe  grumpen 
und  wirfs  herausz  mit  gantzen  klumpen 

Wend.  Hellbach  Orob.  (1572)  67»; 

dasz  sie  das  maul  zu  weit  aufgethan  und  sehr  grobe 
grumpen  herausz  gegröltzet  quäcker  quackelei  (1663)  lOt; 
hier  schon,  wie  in  der  namentlich  im  le.jh.  vielgebrauchten 
redensart  grosze  grumpen  fürgeben  'den  mund  voll  neh- 
men': mit  falschen  und  subtilen  werten,  dadurch  man 
grosz  grumpen  für  gibt  H.  Emser  annot.  (1528)  p  8'»;  an 
etlichen  ribalden  und  kriegsbefehlhabern,  die  .  .  grosse 
grumpen  fürgaben  Schütz  hist.  rer.  pruss.  10,  k  s*"; 
variiert:  der  mensch  würde  viel  andere  ding  reden  und 
viel  groszer  grumpen  schneiden,  dem  .  .  Fischart  brot- 
korb (1594)  7*";  will  er  grosse  grumpen  reissen,  die  Zu- 
hörer irr  zu  machen  Nigrinüs  papist.  inquis.  (1589)  1  3»; 
so  entwickelt  sich  die  bedeutunq :  grosze  worte,  auf  Schnei- 
dereien, lügen:  lauter  trasonische  lügen  und  grumpen 
J.  GiGAS  post.  (1595)  1,8";  viel  prahlens  und  rühmens 
gemacht  und  solche  grumpen  erzehlet,  als  ob  . .  J.  Neu- 
hof gesantsch.  (1666)  121*';  etliche  (quacksalber)  lügen  so 
grosse  grumpen  daher  mediz.  maulaffe  (1719)  229;  phan 
tastereien:  seltzame  grillen  und  grumpen  von  dem  him- 
mel  ausspintisieret  Fischer  schioäb.  4,  793  (17.  7'Ä.);  mit 
einem  von  grille  hergenommenen  vb.:  dasz  . .  ein  jedweder 
elender  hümpler  .  .  seine  närrische  grumpen  öffentlich 
lasset  auszfliegen  Rist  n.  teutsch.  Farn,  b  7'';  zumal 
sehr  wenige  ...  im  stände  sind,  die  neue  Wolffische 
grumpen  einzusehen  J.  G.  Dippel  abfertigung  (1733)  42. 
dazu  grumpenspeier:  die  Galvinische  und  wider- 
teuferische  grumpenspeier  S.  Ap^tomedes  christl.  auslegg. 
(1609)   I,  168. 

GRÜMPEL,  m.,  mischbildung  aus  grempel,  m.  und 
gerümpel,  n.:  hatte  doch  der  groszvater  ein  pferd  er- 
laubt, um  ihren  {der  einziehenden  mutt.er)  grümpel  zu 
führen  Gotthelf  1,  6;  vgl.  gerümpel  7'',  th.  4,  1,  2,  3773; 
entsprechend  grümpelgemach  Gotth elf  18, 338 ;  -häu- 
fen 18,  318;  -markt  Dannhauer  catech.  milch  4,  490  {vgl. 
grempelmarkt  *p.  107);  -werk  scruta  Dentzler  2,  141  *>; 
grumpelwerck  Aler  dict.  1,  988 '';  vgl.  grempel-  und  ge- 
rümpel werk;  grümpler,  ml;  scrutarius,  grümpler,  der 
alt  hauszgeschirr  verkauft  Apherdianus  tyrocin.  (i58l) 
166;  verdorbener  kaufmann,  guter  grümpler  Körte 
sprichw.  242;  vgl.  grempler  und  gerümpler. 

GRUMPEN,  vb.,  tolle  Sprünge  machen:  sol  man  .  .  . 
dem  esel  das  futer  höher  schütten,  auf  das  er  nit 
grumpe,  nit  auf  das  eisz  laufe  und  einbreche  C.  Hu- 
berinus  mancherl.  form  zu  pred.  (1557)  109'';  wenn  der 
alte  esel  zu  stark  gefüttert,  beginnet  er  zu  grumpen 
C.  Julius  Susanna  u.  Daniel  (1610)  11;  wenn  das  schiff 
grumpet  vorne  auf  und  binden  nider  F.  Fabri  eigentl. 
beschreibg  (1557)  206*;  offenbar  aus  gumpen  entstanden 
durch  einwirkung  eines  mit  gr-  anlautenden  wortes,  aber 
welches? 

GRUMSEN,  vb.,  Weiterbildung  zu  grummen,  tcie  grim- 
sen  sp.  368  zu  grimmen;  oberdeutsches  wort;  die  bedeu- 
tungen  sind  die  des  grundtvortes :  brummen,  murren, 
schelten: 


die  grumbsten  sehr,  das  thet  mich  tawren 
von  verurtheilten  in  der  unterweit 

H.  Sachs  3,  598  K.; 

also  grumpsten  sy  mit  worten  wider  Ulyssem  Schaiden- 
raisser  Od.  Ol*";  du  must  deiner  schwiger,  die  wider 
zu  einem  kind  will  werden,  grummsen  gedulden  Steph. 
ViGiLius  de  reb.  memor.  (l5il)  53»;  weiber,  die  für  und 
für  grumsen  und  wundern  C.  Huberinus  mancherl.  form^ 
zu  pred.  (1557)  80*;  weil  sie  .  .  stets  grumbsen  und  grei- 
nen GuARiNONiüS  greuel  d.  veno.  162;  öfter  mit  dem 
vergleich  grumbsen  als  ein  sau  Bebel  fac.  (1589)  145''; 
deine  gesellen  .  .  grumbsen  wie  andere  schwein  Schai- 
DENRAissER  Od.  43*;  fleng  allein  an  zu  grumbsen  wie 
ein  schwein,  das  nicht  recht  gestochen  worden  Opitz 
Sidneys  Arcadia  (1638)  190;  die  ihr  bellet  und  grumset 
wie  die  hunde  Staub  Tobler  2,  740  {quelle  v.  1702);  heute 
zumal  in  alem.  maa.  voll  lebendig. 

GRUMSIG,  adj.,  mürrisch,  brummig:  er  sey  so  grum- 
sig  wie  ein  mausz  in  der  kindbett  Fischart  geschieht- 
klitt.  847  ndr.;  die  alten  seind  .  .  .  grummsig  Petrarca 
hülf,  trost  u.  rath  (1559)  97*;  ist  dir  dein  grumsige  weisz 
vergangen?  Schweickh.  graf  zu  Helfenstein  Basil. 
7nagn.  (i59i)  651;  grantig  und  grumbsig  Guarinoniüs 
greuel  d.  verw.  240;   mit  anderem  suffix: 

gleich  also  sind  auch  all  dein  klagding, 
darinn  du  grumbselt  thust  her  zocken 

H.  Sachs  4,  46  K.; 

grumsig  miszvergnügt,  mürrisch,  weinerlich  Staub-Tob- 
LER  2,  741, 

GRÜN,  adj.,  viridis,  recens. 

form. 

1)  das  adj.  erscheint  nur  west-  tmd  nordgerm.:  ahd. 
gruoni,  asächs.  gröni;  mnl.  groene,  afries.  aengl.  gr§ne, 
anord.  grann;  ableitung  zur  verbalivurzel  grö-,  genaueres 
s.  unter  grünen  form;  beachtung  verdienen  umlautlose 
formen,  die  im  alem.  der  alteren  nhd.  zeit  auch  schrift- 
sprachlich bezeugt  sind  und  spurioeise  noch  in  heutiger 
ma.  auftreten,  s.  Staub-Tobler  2,  751;  sie  erklären  sich 
schwerlich,  wie  dort  vermuthet,  durch  anlehnung  an  um- 
lautlose verbalformen  gruoen,  gruonen  (s.  grünen  form), 
sondern  eher  aus  der  echten  form  des  adj.  germ.  *gr5niz 
heraus,  die  in  umlautloser  Substantivierung  auf  obd. 
boden  mundartlich  heute  noch  lebt:  's  gruen  jtmge  triebe 
Staub-Tobler  2,749;  gruen  masc.  das  frische  grün  des 
frühjahrs  MartinLienhart  1,  276*;  das  gruen  junger 
schöszling  Schmeller  1, 1001  m,it  älteren  nachweisen;  vgl. 
auch  grummet  aus  gruonmät. 

2)  nicht  selten  ist  unechtes,  d.  h.  durch  miszverständ- 
nis  oder  entstellung  anderer  wörter  entstandenes  grün. 
über  grün  =  grien  s.  sp.  262 ;  namentlich  bei  ßurnamen 
konnten  Verwechslungen  dieser  beiden  wörter  eintreten, 
s.  Fischer  schwäb.  8,  870;  grün  neben  lachen  entspringt 
aus  m.iszverstandenem  grienlachen,  s.  sp.  264;  grün  lachen 
heiszt  am  Rhein  so  viel  wie  widerwillig  lachen  C.  Can- 
DiDUS  verm.  ged.  (1869)  191;  dass  ich  von  gewissen  freun- 
den als  ein  solcher  {eindringling)  mit  grünem  lachen 
empfangen  werde  Gervinus  in:  brieftv.  zw.  J.  u.  W. 
Grimm,  Dahlmann  u.  Gervinus  2,  322 ;  grobgrün  ist  ein- 
deutschung  von  gros-grain,  s.  sp.  4i2;  dazu  mancherlei 
aus  den  maa.:  alem.  grün  im  sinne  rauh,  fin.fter,  mür 
risch  Bühler  Davos  i,  42;  Staub-Tobler  2,  751  beruht 
auf  dem  stamm  grunn-,  ib.  749;  grün  meerrettig  K.  G. 
Anton   Oberlaus,  ist  ^v&n;vgl.  ^grien  sp.26i. 

bedeutung. 

L  loie  aus  der  etymologie  zu  folgern  und  aus  dem 
Sprachgebrauch  zu  erschlieszen,  ist  das  adj.  zunächst  im 
sinne  'sprossend'  auf  jungen  pflanzenwuchs  angewendet 
worden ;  doch  verband  sich  damit  offenbar  sehr  früh  der 
beisinn  grüner  färbe;  jedenfalls  beherrscht  die  beziehung 
auf  pfanzliches,  sei  es  unter  dem  gesichtspunkt  der 
färbe  oder  unter  dem  des  sprossenden,  frischen  die  ältere 
spräche  bis  ins  nhd.  hinein  vollkommen. 

A.  allgemeinste  Verwendung :  grün  als  die  färbe  in  saft 
stehender  pflanzen. 

l)  in  älterer  spräche  mit  fühlbarer  Vorliebe  von  dem 
{jungen)  grün,  das  den  erdboden  bekleidet:  ahd.  gruonia 


641 


GRÜN  I  A  2 


GRÜN  I  A  3.  4 


642 


gramina.  virecta  Graff  4,  299;  ufan  gruonemo  grase 
Tat.  80,  5;  al  kurz  grüene  gras  Parz.  75,  18;  über  eine 
wiesen  mit  grünem  grasz  buch  d.  liebe  116'';  auf  dem 
grünen  hewe  cod.  Tepl.  l,  53  {super  viridefoenum  Marc. 
6,  89);  fallen  in  den  grünen  klee  Laurin  ibl  Schade;  auf 
den  grünen  rasen  D.  v.  d.  Werder  ras.  Roland  l.  ges. 
2*.  Str.;  ein  grüeniu  roggensät  Hugo  v.  Langenstein 
Martina  21 ,  20 ;  vgl.  es  kommen  auch  schon  .  .  grüne 
spitzen  aus  dem  sand  heraus  W.  Grimm  in:  briefw. 
zw.  J.  u.  W.  Grimm,  Dahlmann  und  Oervinus  2,  56; 
weiter  'mit  pflanzengrün  bekleidet,  begrünt':  kruonera 
epani  virente  planitie  Graff  4,  299 ;  gröni  wang  Hei.  3135 
u.  ö..  nur  in  dieser  oder  ähnlicher  Verbindung;  grüeniu 
beide  minnes.  i,  68 '»  v.  d.  H.;  in  allen  grüenen  ouwen 
Walther  v.  d.  Vogelweide  27,  19;  auf  einer  grünen 
auen  ps.  23,  2;  auf  ein  wisen  grün  Sigenot  26  Schade; 
in  dem  grünen  anger  Arigo  decam.  50  lit.  ver.;  auf  eine 
grüne  matten  W.  Spangenberg  ausgew.  dicht.  13;  her 
Grüener  Plan  minnes.  l,  46''  v.  d.  H.;  eyn  groen  playn 
pascua  DiEFENBAGH  415'';  grün  platz,  gron  plan  vel 
brink  viretum  621";  die  grünen  felder  Tieck  sehr.  1,  31; 
altgebräuchlich  ist  auch  then  gruanan  boum  Otfrid 
4,  26,  49; 


diu  linde  diu  ist  grüene 


Ortn.  84,  1 ; 


in  eynem  grünen  strauch  H.  Sachs  2,  89  K.;  grüne 
büsche  Kästner  verm.  sehr,  i,  123;  ebenso:  der  grüene 
walt  Walther  v.  d.  Vogelweide  122,  31 ;  in  grönem 
hag  Hätzlerin  4; 


sie  ging  wohl  in  das  grüne  holz 


Arnim  13,  70; 


andere  Verbindungen  werden  erst  in  späterer  zeit  geläu- 
fig: ein  grünen  czweige  Arigo  decam.  14  lit.  ver.;  mit 
schön  grünen  mayen  H.  Sachs  i,  58  K.;  mit  grünen 
tannenreiszen  Rompler   v.  Löwen  halt  erst.  geb.  78; 

geschmückt  mit  grünen  reisem 

BÜRGER  13»  B.; 

mit  deinem  grönen  krentzlin  Scheit  Grob.  v.  33  ndr.; 
wann  der  vorrath  durch  einen  auszgesteckten  grünen 
strausz  feil  gebothen  wurde  J.  Riemer  polit.  col.  (1680) 
44;  (bäume)  mit  ihrem  grünen  laub  Rückert  3,  G;  ebenso 
für  die  bedeutung  'begrünt':  des  Skamander  grünes  ufer 
Bürger  1,  ib9B.;  am  grünen  gestade  Schiller  11,396 
G. ;  ein  lustig  grünes  thal  Opitz  teutsche  poem.  53  ndr.  ,• 
grüner  berg  Gottsched  ged.  (l75l)  l,  197;  die  grünen 
höhen  Ebner-Eschenbagh  4,  9;  auf  Italiens  grünen 
boden  Mommsen  röm.  gesch.  i,  212;  die  grüne  erde  Ar- 
nim 1,  145;  durch  die  grünen  götterweiten  Denis  lieder 
Sineds  64;  sorglos  in  die  grüne  weite  fahren  Gutzkow 
zaub.  1,  226:  vgl.  schon: 

diu  weit  ist  üzen  schoene,  wlz,  grüene  unde  röt 

Walther  v.  d.  Vogblweide  124,37; 

appellativ:  grüner  zwinger  als  'lustplatz'  Sebiz  feld- 
bau  2;  grüner  hof  garten  hinter  d.  hause  v.  Klein  l, 
166;  grüne  furche  grenz-  oder  Wasserfurche  Sanders; 
grüner  deich  im  gegensatz  zum  steindeich  u.  a.  Benzler 
2,  169;  ähnlich  grüne  sode  l,  181;  grüner  grund  «leer- 
grund,  der  mit  Seegräsern  bewachsen  ist  Bobrik  320"; 
vielfältig  in  flurnamen:  grüner  berg,  buhl,  fels,  graben 
u.  8.  10.,  in  wirtschaftsnamen:  grüner  bäum,  hof,  saal 
u.  a.  Fischer  schwäb.  3,  870;  comparierung  erscheint  bei 
diesem,  gebrauch  erst  in  jüngerer  zeit  und  meist  in  poe- 
tischer spräche:  {die  tciese)  sah  .  .  .  noch  schöner  und 
noch  grüner  aus,  als  .  .  Stifter  2,  190; 

grüner  prangen  die  auen 

ScHNECKENBURGER  dtschc  Ucder  75; 

den  grünsten  epheu  haben  wir  gepflückt 

Stürm  l,  102; 

aus  Italiens  grünsten  myrtenhecken 

Dahn  ged.  (1908)  242. 

2)  grün  werden,  sein  mit  jungem  pßanzenwuchs  sich 
bekleiden,  bekleidet  sein:  begynnen  groen  zu  werden  vi- 
rere  Diefenbach  621«;  es  fängt  an,  .  .  auf  wiesen  .  . 
grün  zu  werden  Göthe  IV  8,  50  W. ,-  hierher  soll  sie  nun 
nicht  eher  kommen,  bis  es  ganz  grün  und  warm  ist 
Caroline  i,  253  W.;  es  ist  noch  nid  starch  gruen  von  den 
IV.  1.  6. 


wiesen  im  frühjahr  Staub-Tobler  2,  749;  vgl.  auch  was 
grün  und  fruchtbar  was,  dasz  fraszen  sie  {heuschrecken) 
alle  hinweg  Binhardus  thür.  ehr.  (1613)  268;  entspre- 
chend: wann  .  .  .  der  hohen  frühlingssonne  strahl  .  .  . 
alles  grün  und  blühend  macht  Becker  mildh.  lieder- 
buch  51; 

das  wider  grün  macht  die  zerstampften  auen 

Gbillparzer  6,  71. 

3)  jüngere  spräche  hat  eine  reihe  typischer  Verbindungen 
bildhafter  art  entwickelt: 

das  erdreich  decket  seinen  staub 
mit  einem  grünen  kleide 

P.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,398*; 

indem  die  erde  ein  grünes  kleid  anlegte  Neukirch 
anfangsgr.  830;  vgl.  ihre  leiden  barg  das  grüne  grab- 
tuch  MoLTKE  sehr,  u.  denkw.  l,  42;  vom  grün  der  bäuTne: 
des  Waldes  grünen  saal  Göthe  2,  35  W.;  der  apfelbaum 
deckt  uns  mit  seinem  grünen  gewölbe  S.  Geszner  w. 
2,  54;  in  unser  grünes  eichenzelt  Schenkendorf  ged.  9; 

kommt  es  nicht  wie  träumen 
aus  den  grünen  räumen 
zu  uns  wallend  nieder  .  .  .  ? 

Tieck  sehr.  4, 194; 

auf  anderer  linie: 

(jener  wald,  wo) 

sich  grüne  nacht  mit  gttldnem  tage  gattet 

Haller  ged.  120  Hirz. ; 

die  grüne  nacht  belaubter  bäume  81,  von  Schönaich 
bekrittelt,  ästhet.  39  Köster,  von  Breitinger  vertheid. 
112/.  in  schütz  genomm^en,  seitdem  bei  den  Schweizern, 
ihren  freunden  und  darüber  hinaus  stehende  Wendung, 
8.  E.  V.  Kleist  l,  36  Sauer;  Gramer  Neseggab  3,  292; 
Miller  ged.  (1783)  14:  noch  bei  Hebbel  8,  253  W.;  weiteres 
bei  Köster  a.  a.  o.  414;  auch  variiert:  grüne  dunkelheit 
Bodmer  vier  krit.  ged.  68;  grüne  finsternisz  E.  v.  Kleist 

1,  47  Sauer;  grüne  dämmerung  Eichendorf  2,  4ii;  mit 
grünem  schatten  Haller  ged.  6  Hirz.,  auch  dies  eine 
Wendung,  die  vielfach  aufgenommen  wurde,  s.  S.  Gesz- 
ner sehr.  1,  109;  Hölty  ged.  181;  J.  A.  Schlegel  verm. 
ged.  1,  73,  und  die  bis  ins  19.  jh.  weiter  vererbt  worden 
ist,  s.  0.  Ludwig  2,  40;  Freiligrath  gea.  dicht.  6,  87; 

spatzier  in  grüner  einsamkeit 

J.  Chr.  Günther  ged.  308; 

ebenso  Tieck  sehr.  5,  129;  diese  seit  seiner  kindheit  ent- 
behrte grüne  abgeschiedenheit  (des  waldes)  Eichendorf 

2,  82;  alle  grüne  lust  der  natur  E.  Th.  A.  Hoffmann 
6,  178  Gris.;  ein  so  grüner  friede  Gutzkow  w.  3,  151; 
sie  verloren  sich  freilich  nicht  weiter  in  die  grüne  frei- 
heit  als  .  .  Raabe  hungerp.  l,  81 ;  poetische  spräche  wagt 
gelegentlich  noch  kühneres: 

so  wird  dein  (des  gartens)  grund  mit  grünem  luft 

.  .  .  durch  ihre  band  ergetzet  Zinkgref  37  ndr.; 

begrabt  mich  unter  breiter  eich 
im  grünen  vogelsang 

Uhland  ged.  1,  279  krit.  ausg. 

4)  neben  temporalen  begriffen;  sprichwörtlich:  grüne 
weinachten  bringen  gern  schneeweisze  ostern  Petri  d. 
Teutschen  weish.  2,  Gg  S**;  wiewohl  man  zuweilen  auch 
grüne  weynachten  gehalten  v.  Fleming  vollk.  teutscher 
Jäger  397 ;  grüne  ostern,  weisze  pfingsten  Hippel  lebensl. 
4,  93;  vgl.  es  ist  im  monat  mai,  acht  tage  nach  dem 
grünen  püngstfeste  Gutzkow  w.  2,  166;  feste  Verbindung 
ist  schon  in  älterer  spräche  der  grüne  mai: 

am  reyen  in  dem  grünen  meyen 

Fischart  1,  363  Haufen; 

ebenso  Scheit  Grob.  v.  3867  ndr.;  Bürger  I,  815 -B.;  vgl. 

{alles)  fräet  sich  des  mayen  zeit, 

so  er  in  gröner  varb  leit         Hätzlerin  167'»; 

ein  grüner  mertz  bringt  selten  etwas  gutes  bauemregel, 
allg.  haush.  lex.  1,  b  3»;  (die  heuschrecken  haben)  ausz 
dem  grienen  sommer  ein  abscheulichen  winter  gemacht 
Fr.  A.  V.  Brandis  d.  tirol.  adlers  ehrenkr.  128;  in  neue- 
rer zeit  mehr  poetisch:  manches  grünen  lenzes  zweig 
E.M.Arndt  6,  157  E.-M.;  doch  nicht  ausschlieszlich  so: 
während  der  vier  monat  grünen  zeit,   wo  regen  fallen 


643 


GRÜN  I  A  5,  B  1 


GRÜN  I  B  2 


644 


Ritter  erdk.  l,  237;  auf  anderer  linie  liegt  grüner  don- 
nerstag  u.  ä.,  s.  w.  II  A  l  b. 

5)  in  gewissen  attributiven  Verbindungen  ist  das  adj. 
terminologisch  geworden,  besonders  grünes  kraut  (s.  auch 
grünkraut);  zunächst  einfach  (im  sinne  von  l)  grünes 
blattgewächs :  grün  kraut  olus,  herba  virens  Stieler  709; 
die  erde  keim  grüns  kraut  und  mache  samen  erste 
dtsche  bibel  3,  45;  aber  frühzeitig  bestimmter,  eszbares 
kraut,  gemüse:  ain  grün  krauth  und  dürr  bratwürst 
darauf  weisth.  von  U7i  bei  Fischer  schwäb.  3,  868; 

welch  kind  gewehnet  sich  hernach  zum  grünen  kraut, 
das  nichts  als  Nekkerwein  und  wildgebratens  schaut 

Rachel  sat.  ged.  il  ndr.  ; 

den  bock  zum  grünen  kraute  (stellen)  J.  B-IEUEr  polit. 
maulaffe  58;  auch  ganz  speciell:  fir  wyss  und  grien  kraut 
ist  zalt  .  .  Fischer  schwäb.  8,  868;  welches  gemüse?  Spi- 
nat? so  gewöhnlich:  schneidet  vom  grünen  kraut  oder 
Spinat  die  stiel  hinweg  Hohberg  georg.  cur.  8,  kochb. 
78'';  auch  heute  noch  in  dieser  bedeutung,  s.  kraut  2a/S,- 
anders:  grüne  krüt  von  spinet  privatbr.  d.  mittelalters 
1,  78  Steinh.,  d.  h.  die  frischen  blätter  des  Spinats ;  in 
heutiger  mundart  auch  für  andere  gemüse  und  gemüse- 
mischungen,  s.  Fischer  schwäb.  3,  868;  grain  krüd  sup- 
penkraut  Woeste  84^;  grüner  salat  bezeichnet  blattsalat 
im  gegensatz  zu  kartoffelsalat  u.  a.;  anders,  für  valeria- 
nella  olitoria,  rapunze  bei  Pritzel-Jessen  427"';  brat- 
würste  mit  grünem  kohl  Langbein  31,  139;  üblicher  als 
compos:  grünkohl,  s.  d.;  auch  grüne  wäre  bedeutet  'ge- 
müse'; erbaggi  Jagemann  (i799)  548;  vgl.  Rüdiger  Zu- 
wachs 2,  80;  von  diesem  ort  das  meiste  kraut  und  grüne 
wahr  nach  Venedig  geführet  wird  A.  Müller  denkw. 
reisen  (1678)  41'' ;  gröne  war  grüne  Suppenkräuter  Schütze 
holst.  2,  72 ;  die  Händlerin  mit  grüner  wäre  heiszt  grüne 
frau  Albrecht  Leipz.  126'';  vgl. 

und  nichts  als  brod  und  grüne  kost  zur  nahrung 

Grillparzer  8,  44; 

hierher  weiter  grüne  krapfen,  nudlen  gebäcke  mit  gemüse- 
füllung  Fischer  schwäb.  3,  868;  der  grüne  markt  forum 
olitorum  Frisch  378'';  in  weiterem  sinne  victualienmarkt 
Sartorius  Würzburg.  50;  ähnlich  gebildet:  die  gruen 
arbait  die  frühjahrsarbeit  im  weinberg,  urk.  u.  regest,  z. 
gesch.  Göttweichs  8,  278. 

B.  an  sich  der  grundbedeutung  näher,  aber  heute  gegen- 
über A  zurückgedrängt  ist  eine  gruppe  von  Verwendungen 
des  adj.,  die  den  begriff  des  treibenden,  frischen,  auch 
des  jungen,  neuen  neben  oder  vor  der  farbvorstellung  be- 
tonen: nimpt  man  im  mayen  die  jungen  und  grünen 
sprosz  See.  Münster  cosm.  402;  im  bilde:  der  letzte 
grüne  trieb  .  .  am  absterbenden  stamm  der  kunst  Justi 
Winckelmann  2,  197; 

ach  bäumchen  du  stehst  grüne, 
gott  geb  dir  lang  zu  stehn 

Mittler  dtsche  volksl.  559; 

das  klingt  auch  mit  bei  Göthe  : 

und  grün  des  lebens  goldner  bäum 

14,  95  {Faust  2039)  W.; 
vgl. 

und  hier  mir  sproszt  des  lebens  grünster  bäum 

RüCKERT  ged.  (1841)  255. 
ähnlich  schon  mJid.: 

unser  bluome  der  muoz  vallen, 
s8  er  allergrüenest  waenet  sin 

Hartmann  v.  Aue  a.  Heinr.  111 ; 

daher  Verbindungen  wie:  nimm  weinrauten,  wasser- 
pfeffer  .  .  alles  frisch  und  grün  Walther  pferde-  und 
viehz.  131;  sie  (die  natur)  ...  in  ihrer  grünen  frische 
Gutzkow  w.  8,  415;  etwas  anders,  'frischbleibend':  eyn 
(sc.  ivessche)  is  grone  winter  und  sommer  Diefenbach 
nov.  gl.  144''  s.  V.  edera;  das  kraut  ist  langlecht,  bleibt 
sommer  und  winter  grün  Gäbelkover  arzneib.  248.  auf 
dieser  grundlage  entwickeln  sich  zwei  prägnantere  an- 
wendungsweisen : 

l)  grün  als  gegensatz  zu  getrocknet,  verdorrt,  verwelkt: 
ist  si  (die  nessel)  grüene  sam  6,  s5  geniset  er  wol;  ist 
ave  si  erdorret,  .  .  s6  stirbet  er  zwei  dtsche  arzneib.  28, 


23  Pfeiffer;  grüene  rosen  im  gegensatz  zu  dürren  Konr. 
V.  Megenberg  buch  der  natur  345,  20;  kan  man  das 
kraut  nit  grün  haben,  so  nimb  es  treuge  viehbüchl.  48; 
grün  grasz  wird  auch  hew  Lehmann  fioril.  pol.  2,  796; 
zwei  bi  dorme  fuotter  und  ein  bi  grünem  fuotter  weisth. 
6,  101;  vgl.  grünfutter;  groine  wark  im  selben  sinne 
Schambach  69»;  entsprechend:  einem  pferd  grün  füttern 
Kramer  teutsch-ital.  2,  198";  grünes  gemüse  frisches 
Fischer  schwäb.  3,  868,  in  heutiger  Umgangssprache  wohl 
allgemein;  schusseln  fleisch  .  .  von  keinem  halme  grü- 
nem gemüse  begleitet  Bahrdt  gesch.  s.  lebens  i,  85; 
grön  ärbaisz  teca  Diefenbach  nov.  gl.  359»;  Hohberg 
georg.  cur.  8,  kochb.  80»;  ein  wenig  grien  er  bonen  pri- 
vatbr. d.  ma.  1,  193  Steinh.;  grüne  höhnen,  erbsen  Fi- 
scher schwäb.  3,  868;  psilienkraut  .  .,  dieweil  es  noch 
grün  ist  Fischart  flöhh.  62  ndr.;  in  ein  grüni  fygen 
TscHUDi  chron.  helv.  l,  282;  grüne  und  dürre  birnen- 
schnitze  Jer.  Gotthelf  7,  193;  vgl.  das  die  gedörrten 
kreuter  .  .  gleich  wie  ein  fleisch  zu  achten  sind,  dann 
ihnen  ist  abgangen  der  grüne  geist,  das  ist  das  leben 
Paracelsus  op.  (l590)  6,  27;  dies  grün  gestattet,  im  gegen- 
satz zu  2,  eine  gleichsetzung  mit  reif:  wie  under  einer 
zeitigen  grünen  weinbeer  und  einer  dürren  ein  under- 
scheydt  Seb.  Franck  sprüchw.  2,  55'';  weiter  vom  bäum 
und  seinen  theilen  (aber  anders  als  unter  A  l) :  us  grü- 
nen gerten  starke  widen  klenken  Steinhöwel  Äsop  20i 
lit.  ver.;  seins  grine  knippel  oder  trockne?  G.  Haupt- 
mann biberpelz  (l89s)  15;  (er)  machte  im  bauernkrieg 
den  bauern  geschütze  aus  grünen  waldbäumen  G.  Kel- 
ler 2,  182;  grüner  zäun  sepes  viva  Stieler  709;  zwei 
formein  zeigen  sich  besonders  entwickelt:  grünes  holz: 
wan  einer  gron  holz  niderhockte  österr.  weisth.  10,  137; 
der  eiche  grünes  holz  Körner  l,  183  H.;  in  mancherlei 
Sprichwörtern:  grüns  und  dürres  holtz  brennen  nit  gleich 
in  eim  fewr  Seb.  Franck  sprichio.  (i5il)  2,  105»;  vgl, 
Lehmann  florileg.  polit.  l,  ll;  l,  I64;  s.  auch  holz  1  a; 
vor  allem,  hat  eine  bibelstelle,  Luc.  23,  81,  sich  fruchtbar 
gezeigt:  wann  ob  sy  ditz  thünd  an  dem  grünen  holtz  (in 
viridi  ligno),  was  geschieht  an  dem  dürren  erste  dtsche 
bibel  1,  322  (statt  dessen  then  gruanan  boum  Otfrid  4, 
26,49;  vgl.  2W.  201,  5);  vgl.  Wander  2,756/.,-  mancher- 
lei bildliche  Verwendung  knüpft  daran  an:  das  grüne 
holz,  die  frommen,  die  stillen,  sollen  hier  zu  lande  das 
dürre  seyn  Hippel  lebensl.  4,  287; 

ach  männer,  männer  seid  nicht  stolz, 

als  wärt  nur  ihr  das  grüne  holz     Lenz  ged.  152; 

tceiter  grüner  zweig: 

edles  fürstenfreulein  .  . 

grünes  zweiglein  von  dem  hause  Sachsen 

Neumark /orijrep^.  mus.  poet.  lustw.  1,227; 

(kirchenlieder)  zwei  Jahrhunderte  lang  der  einzige  grüne 
zweig  an  dem  verdorrten  bäum  der  deutschen  dichtung 
Justi  Winckelmann  1,  236;  zumal  in  der  redensart  auf 
einen  grünen  zweig  kommen  gedeihen,  glück,  erfolg  haben; 
im  16.  jh.  einsetzend,  dann  mit  zunehmender  Häufigkeit: 
wer  in  schulden  ist,  die  mögen  nimmer  begrünen  oder 
uf  grienen  zweig  kumen  Geiler  v.  Keisersberg  nar- 
rensch.  (l520)  67  * ;  haben  sie  (die  Juden)  .  .  bisz  auf  disen 
tag  auf  keinen  grünen  zweige  nimer  komen  können 
Gretter  erkl.  d.  ep.  Pauli  an  die  Römer  (1566)  718;  Mo- 
scherosch  cura  Ih  ndr.;  alle  des  Eli  nachkommen 
konten  auf  keinen  grünen  zweig  gerathen  Schupp  sehr. 
(1663)  299;  variiert: 

aber  ich,  armer  Eulenspiegel, 
kom  nimmer  auf  ein  grünen  hügel 

Fischart  2,  232  Hauffen, 

hier  natürlich  im  sinne  A  i;  entsprechend:  das  sie  (die 
gottlosen)  das  ihre  auf  keinen  grünen  zweig  bringen 
können  Pape  bettel-  u.  garteteufel  g  8»;  ungewöhnlich 
statt  dessen:  dasz  ihr  nicht  auf  grüner  stände  seid  C. 
Spindler  bei  Sanders  l,  633». 

2)  grün  als  gegensatz  zu  ausgereift:  eine  grüne  un- 
zeytige  frucht  Frisius  22»  *.  v.  acerbus;  grünes  obst 
poma  viridia  et  immatura  Steinbach  l,  648;  und  so 
heute,  wohl  allgemein,  in  nd.  und  md.  maa.  (freilich: 
'grünes  obst  macht  sogar  eine  Zweideutigkeit,  indem  man 


645 


GRÜN  II  A  1 


GRÜN  II  A  1 


646 


oft  nicht  weisz,  ob  es  dem  gebackenen  oder  dem  reifen 
entgegengesetzt  sein  soll'  Heynatz  antibarb.  2,  79); 

daz  (kam)  verwuosten  si  dö  sä 
und  sluogenz  dicke  grüene  abe 

RuD.  V.  Ems  weltchr.  18170; 

wann  auch  die  gerste  grün  ist  viehbüchl.  (1667)  107; 
sprichwörtlich:  hee  eth  syn  körnecken  grone  seh.  w. 
klugr.  (1548)  26*';  nim  grüne  unzeitige  wachholderbeer 
Gäbelkover  arzneib.  l,  3;  ein  Calabrier,  der  den  .  .  . 
gast  mit  grünen  birnen  speist  J.  E.  Schlegel  4,  81 ; 

(ßpfel),  die  grün  gebrochen  auf  dem  strohe  reifen 

Brentano  6, 116; 

nim  baumöl,  das  grün  und  unzeitig  sei  Ryff  confectb. 
280^;  von  hier  aus  versteht  sich  wohl  die  im  thür.  ober- 
Sachs,  gangbare  redensart:  er  bricht  es  gar  zu  grün  ab 
er  tritt  keck,  unverschäm,t  a«/ Albrecht  Leipz.  126*'; 

ey  lieber  pfaff,  und  bistu  kün 
und  darfst  es  abbrechen  also  grün 

Hayneccius  H.  Pfriem  65  ndr. ; 

der  herr  Willibald  bricht  es  grün  ab,  gnädige  mama, 
und  setzt  mich  zur  rede  Gottsched  dtsche  schaub.  4, 
125;  vgl.  des  ist  mir  zu  grün  zu  herb,  zu  derb  Fischer 
Schwab.  3,  870. 

II.  die  grundbedeutung  hat  eine  doppelte  specialisierung 
erfahren: 

A.  auf  der  einen  seile  loird  das  adj.  in  der  bedeutung 
des  frischen,  jungen,  neuen  aus  dem  bereich  pflanzlicher 
objecte  in  andere  dingliche  bezirke  übertragen,  was  natür- 
lich zur  folge  hat,  dasz  der  beisinn  grüner  färbe  schwin- 
det; diese  gebrauchsweise  findet  sich  vorzüglich  neben  be- 
stimmten begriffsgruppen ;  fürs  ahd.  bezeugt  durch  grüne 
crudum  Graff  4,  292. 

l)  frisch  im  sinne  triebkräftig,  lebensvoll,  blühend,  also 
mit  positiver  bedeutungsrichtung ;  hauptsächlich  von  men- 
schen; gerade  hier  liegt  der  gedanke  an  eine  einfache,  von 
der  pflanze  hergenommene  metapher  nahe;  gleichwohl  wird 
die  wurzelhafte  bedeutung  im  spiele  sein. 

a)  Carolus  ein  junger,  grüner  fürst  voller  krieg  Seb. 
Frangk  chron.  Qerm.  (1538)  251";  besonders  in  der  poet. 
spräche  des  17.  jh.s  reich  entfaltet: 

ein  grüner  mann,  ein  rothes  weih,  die  färben  wol  zusammen 

LOGAU  574  lü.  ver.; 

ist  er  von  jähren  jung  und  grüne  von  gestalt 

Fleming  dtsche  ged.  1,  88  lit.  ver.; 

mit  besonderer  note:  dis  sind  scharfe  rede  dem  alten 
Adam,  sonderlich  der  noch  grün  und  frisch  Luther 
18,  483  W. ;  vgl.  es  gehört  .  .  arbait  darzu,  wann  du  bist 
noch  grien,  dein  natur  ist  noch  ungedörret  Keisers- 
BERG  has  im  pf.  c  e**;  noch  im  IS.  jJi.  in  nachklängen: 
wie  warst  du  so  schön,  so  kindlich,  so  grün  Gl.  Bren- 
tano an  Sophie  Mereau  i,  207; 

denn  faul  von  euch  {geschlechtem)  sind  selbst  die  grünsten 

RÜCKERT  1, 10; 

vgl.  du  bist  ein  kerl  wie  buchs,  im  sommer  und  winter 
grün  Fischer  schwäb.  3,  868;  entsprechend:  wann  Rhom, 
so  etwan  blüend  und  grün  gewest,  ist  nun  verdörret 
See.  Franck  chron.  Germ.  324«';  zu  der  zeit,  als  Rom 
am  grünsten  war  Rompler  erstes  geb.  55;  grün  sein, 
werden  nicht  selten  auch  in  etioas  prägnanterem  sinne: 
kräftig,    leistungsfähig  sein,   zu  kräften   kommen  u.  ä.; 

ir  stt  starc  und  küene, 

doch  enwirde  ich  nimmer  grüene 

Herb.  v.  Fritzlar  8234 ; 

wie  ich  meine  bände!  anstellen  wolte,  damit  ich  wieder 
recht  grün  würde  Grimmelshausen  4,  518  lit.  ver.  (hier 
o»  I  B  1  schlusz  erinnernd) ;  wann  man  nun  sollte  grün 
und  wacker  sein,  so  ist  man  effoetus  und  verlegen 
Fischer  schwäb.  3,  869  (is.jh.);  dasz  wir  der  groszen 
Sache  würdig  grün  bleiben  und  frisch  Schleiermacher 
II  4,  47;  alem.  geradezu  'zeugungsfähig'  Staub-Tobler 
2,  751;  anders:  wurdind  nit  mit  dem  wort  alle  verzwyf- 
leten  widrum  grün  (zuversichtlich)  gemacht?  ebda  aus 
ZwiNGLi;  vgl.: 


mein  hertz  das  wirt  grüene  (ich  fasse  frischen  mut) 

Heinr.  V.  Neustadt  Ap.  3031 ; 
mit  speciellerem  regen»: 

die  (sc.  blumen)  dienen  euren  grünen  sinnen 

P.  Fleming  dtsche  ged.  1,  366  lit.  ver.; 

die  hüte  .  .  mit  grünem  eichenlaub  und  die  herzen  mit 
grünen  gedanken  umkränzt  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u. 
an  s.  l.  Deutschen  2,  205;  namentlich  in  einer  bestimmten 
formel  öfter:  trost  und  grüner  muth  Lenau  317  Barthel; 
Brentano  5,  350;  sei  grünes  muthesl  Rückert  6,  386; 
etwas  anders:  sie  hatte  einen  grünen  witz  Shakespeare 
9  (1833),  119  (she  had  a  green  wit,  love's  labour's  lost  I  2, 
Vosz  übersetzt  sie  hatt  einen  grünen  verstand  2,427); 
unter  umständen  geradezu  =  inng:  ihr  Jüngling  grün 
von  Jahren  Spee  tugendb.  418;  von  den  grünen  kindern 
Prätoriüs  anthrop.  plut.  i,  48;  ein  grünes  haupt  tra- 
gen noch  jung  sein  Staub-Tobler  2,  751  (quelle  v.  169l); 

wer  macht  die  liebesschmertzen 

an  seinen  grünen  hertzen? 

J.  Chr.  Göring  Uebes-meyen-blüml.  (1654)  102; 

dann  in  formein  loie:  in  grünen  jünglingsjaren  Romp- 
ler erstes  geb.  95;  grüner  jähre  lentz  Hoffmannsw^al- 
DAUs  u.  and.  Deutschen  auserl.  ged.  4,  177;  namentlich: 
in  dinr  grünen  jugent  Jon.  Aal  trag.  Johannes  (1549) 
B  3;  schon  mhd.: 

(er  was)  an  der  jugende  grüene 

Marienleg.  20, 15  Pf. ; 

in  meines  grünsten  alters  band  D.  Federmann  sechs 
triumph  (1578)  246,  auch  dies  bis  ins  IS.  jh.  sehr  geläufig ; 
nur  die  folgenden  Verbindungen  sind  auch  poetischer 
Sprache  des  19.  jh.  noch  bekannt:  gelehrten  grüner  jähre 
Günther  ged.  117;  vgl.  Chamisso  6,  162;  in  der  träu- 
merischen klause  seines  ersten  grünen  lebens  d.  h.  in 
der  Stube,  die  er  als  Jüngling  bewohnte  Jean  Paul  s.  w. 
22  (1827),  227  Reimer;  in  seinen  grünen  und  lustigen 
tagen  Immermann  1,  69  H. 

b)  eine  besondere  note  gewinnt  diese  bedeutung  'frisch' 
in  geistlicher  spräche:  'erneuert,  sündelos':  viridis  ein 
grünender,  der  da  on  sunde  ist,  grün  Eyermann  vocab. 
pred.  (1483)  X  6»;  uns  vermaledeiten,  verdampten  men- 
schen grün  und  selig  gemacht  hat  Joh.  Keszler  sabb. 
24;  vgl. 

sin  {des  krisoparus)  gedutnis  ist  gevallen 

uf  sie,  die  gote  grüne  sint, 

der  werlde  tummer  dan  ein  kint 

Heinr.  v.  Hesler  apoc.  21983; 

hier  wäre  auch  der  grüne  donnerstag  anzureihen,  wenn 
die  gewöhnliche  erklärung  das  rechte  trifft,  s.  0.  donners- 
tag 1,  th.  2,  1252/.;  doch  vgl.  Hauck  realenc.  21,  421;  zu 
den  alten  nachweisen  stellt  sich  noch  an  dem  heiligen 
grünen  dunrestdage  Tauler  pred.  118,  24;  vgl.  292,  5; 
belege  seit  dem,  14.  jh.  bei  Grotefend  1,  77  *• ;  zu  der  sitte, 
am  gründonnerstage  grüne  kräuter  zu  essen,  vgl.  noch 
Prätoriüs  philos.  colus  221 ;  Chr.  Weise  erznarren  126 
ndr.;  grüner  sonntag  palmsonntag ,  grüne  woche  woche 
vor  Ostern  Grotefend  l,  77*>;  am  grünen  mittwoch 
FiSGHART  groszm.  22  ndr. 

c)  von  der  bedeuttmg  'frisch'  aus  begreift  sich  die 
Wendung  sich  grün  machen  sich  zuviel  zutrauen:  er 
macht  sich  grün  damit;  's  glück  macht  ihn  recht  grün 
'übermüthig'  Fischer  schwäb.  3,  869;  sik  grön  maken 
sich  mausig  machen,  sich  hervorthun  wollen  brem,  wb. 
2,  548;  Schütze  holst.  2,  74;  Dähnert  162»; 

wan  er  sie  zu  sich  zihn 
und  reden  will,  spricht  sie:  ei  macht  euch  nicht  so  grün 
Zesen  verm.  Hei.  I,z4*; 

ich  weisz  nit,  was  es  heist,  er  macht  sich  trefflich  grüne 
Chr.  Weise  d.  gr.  jug.  überfl.  ged.  147  ndr. ; 

im  Sprichwort  (das  wohl  ausgangspunkt  der  wendung 
ist):  macht  euch  doch  frey  grün,  dasz  euch  die  ziegen 
abfressen  complementierbüchl.  (I6i9)  e  lO*»;  mache  dich 
nicht  zu  grüne,  oder  die  ziegen  fressen  dich  Präto 
Rius  Katzenveit  G  6*;  bei  Göthe,  der  das  Sprichwort 
offenbar  entlehnte  und  falsch  verstand,  auch  in  umge- 
kehrtem sinne: 

41» 


647 


GRÜN  II  A  2 


GRÜN  II  A  s 


648 


ich  machte  mich  zu  gering, 

will  mich  aber  nicht  weiter  schmiegen; 

denn  wer  sich  grün  macht, 

den  fressen  die  ziegen  16, 114  W. 

d)  die  iedeutung  'frisch,  lebendig'  seit  alters  dann 
auch  neben  anderem  als  persönlichen  leitwort:  in  der 
hohe  des  bergis  da  sint  alle  dinc  nuwe  und  grüne ;  da 
si  valiin  in  zitheit,  da  blichin  si  und  aldint  meister 
Eckart  in  parad.  an.  intell.  115,  l  Strauch;  guotiu  werc 
diu  da  grüen  wären  vor  dem  zarten  got  dtsche  pred.  d. 
13.  jh.  2,  102  Griesh. ;  und  ist  ir  (der  verstorbenen)  ewig 
leben  .  .  grüner  und  pluender  dann  unsers  Carlstadt 
serm.  v.  stand  d.  christglaub,  seelen  c  3*;  wie  wol  ett- 
wen  des  römischen  volcks  creft  .  .  erdorrt,  so  sint  sy 
doch  yetz  widerumb  .  .  grün  worden  Riederer  Spiegel 
(1493)  j  1";  und  ihm  (dem  meister)  die  grüne  kraft  wün- 
schen, dasz  er  .  .  .  uns  .  .  .  gebe,  was  er  bereitet  hat 
NiTZSCH  in  br.  v.  u.  a.  Lobeck  l,  213  Ludwich; 

wo  bleibt  die  grüne  treu,  wo  der  verliebte  schwur 
HoFFMANNSWALDAus  u.  ü.  Deutschen  auserl.  ged.  1,58; 

neues  wol  blieb  immer  grünl 

LoGAu  248  lit.  ver. ; 

das  ihrige  (andenken)  lebt  bey  uns  immer  frisch  und 
grün  GöTHE  IV  4i,  52  W.;  E.  M.  Arndt  liebt  diesen  ge- 
brauch des  adj.:  da  der  eindruck,  so  dicht  hinter  den 
jähren  1814  und  1815,  um  so  grüner  seyn  muszte  sehr, 
für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  175;  vgl.  2,  205;  und  er  ver- 
wendet ihn  bisweilen  sehr  kühn: 

der  nicht  der  väter  graue  ehren 

begrüszt  mit  grünen  wonnezähren, 

der  nicht  mit  vollem  grünen  zorn 

ruft:  werke  5,  229  R.-M.; 

vgl.   1,  168;   5,  131. 

2)  frisch  im  sinne  unreif,  unfertig,  mit  negativer  be- 
deutungsrichtung ;  wo  das  wort  at<f  menschen  angewendet 
wird,  gelegentlich  deutlich  als  bild  (von  I  B  2  her)  emp- 
funden: seynd  die  menschen  alsdann  nicht  zeitig  in 
der  hitz  der  göttlichen  lieb,  sondern  noch  grün  in  Sün- 
den Äg.  Albertinus  hirnschl.  519:  doch  ist  zumal  für 
b  auch  eine  unmittelbare  herleitimg  aus  der  wurzelhaften 
bedeutung  zu  erwägen, 

a)  unreif  im,  sinne  jugendlicher  unerfahrenheit  und 
unfertigkeit ;  seit  dein  il.  jh.  in  schwang,  bald  stärker, 
bald  gelinder  scheltend  oder  spottend:  einen  grünen,  un- 
weisen, ungerechten  narren  Heupold  dict.  (1620)  826; 
ein  noch  grüner  schulknapp  Vosz  antisymb.  2,  288;  er 
ist  jung  und,  wie  es  mir  bei  der  Unterhaltung  .  .  vor- 
kommen wollte,  grün  Hebbel  br.  l,  54  W.;  weiszt  du  wohl, 
Heinrich,  dasz  du  allbereits  ein  menschenleben  auf  dei- 
ner grünen  seele  hast?  G.  Keller  2,  66;  spielt  auch  der 
titel  des  romans,  doppelsinnig,  mit  dieser  bedeutung? 
der  bearbeitung  der  ganz  grünen  auscultatoren  über- 
lassen BiSMARCK  ged.  u.  erinn.  l,  25  volksausg.;  in  ge- 
mssen  Verbindungen  in  ma.  und  Umgangssprache  als 
sehr  starke  schelte:  eine  bände  von  grünen  lümmeln 
G.  Hauptmann  weber  13;  so  e  griner  junge  Müller- 
Fraureuth  1,  446*;  grön  bengel  Danneil  70^  u.  a.; 
andererseits  in  Wendungen  wie  coblenz.  dat  mädche  es 
mer  noch  zo  grön  rhein.  antiquar.  III  14,  718  einfach 
'zu  jung';  erweitert:  du  bist  noch  zu  jung  und  grün 
umb  den  schnabel  Ayrer  hist.  proc.  iur.  492,  ein  bild, 
hergenommen  von  der  grünlichen  haut,  die  junge  vögel 
an  der  schnabehcurzel  haben;  der  noch  etwas  grüne 
schnabel  Günther  ged.  166; 

eh  ihm  das  milchhaar  noch  das  grüne  maul  bezogen 

498; 

s.  auch  grünschnabel ;  mit  pjräpositionaler  ergänzung ; 

ein  edelmann,  an  Weisheit  ziemlich  grün 

Wieland  22  (1796),  264; 

so  ein  alter,  dicker  mann, 
und  noch  so  grün  und  dünn  in  der  moral 

Eichendorf  4,  301; 

wonach  thorheit  und  grüner  verstand  hinschielen  Shake- 
speare 8  (1832),  208  (folly  and  green  ininds);  der  fähn- 
rich  .  .  versuchte,  sie  mit  seiner  grünen  Weisheit  über 


Pferdezucht  zu  unterhalten  W.  v.  Polenz  Orabenh.  l, 
72 ;  sie  grüne  Weisheit  sie !  anrede  an  ein  junges  mäd- 
chen  RoB.  Prutz  engelchen  3,  144;  vgl.  wo  diese  ge- 
danken  .  .  in  ihrer  ganzen  ersten  frische,  aber  auch  in 
ihrer  ganzen  grünen  unreife  verbreitet  wurden  ders., 
d.  mus.  2, 144;  hier  dein  grünes  buch  mit  den  gedichten 
ScHUBART  bei  D.  Fr.  Strausz  w.  9,  54;  anscheinend 
nur  im  älteren  nhd.  auch  von  thieren  im  sinne  'unab- 
gerichtet'  (vgl.  b):  sin  pfert,  das  etwann  noch  grüne  unt 
nit  ganz  abgerichtet  ist  (i5.jh.)  bei  K.  Th.  Eheberg 
verf.  gesch.  v.  Straszb.  I  506 ;  vgl.  so  darf  ers  (der  hof- 
narr  die  herzogin)  wol  eine  grüne  merch  haiszen  Fischer 
Schwab.  3,  870;  solche  . . .  noch  sehr  grüne,  junge  papa- 
geyen  und  agelastern  der  politic  Bütschky  Path- 
mos  500. 

b)  im  sinne  'ungetrocknet,  ungedörrt',  überhaupt  'roh' 
im  sinne  des  unbehandelten,  unzugerichteten  in  anwen- 
dung  atof  gewisse  gruppen  von  concretis:  grüenez  fleisch 
JEracl.  8389;  von  allerley  gerauchtem,  gedörrtem  .  .  . 
und  grünem  fleisch  Fischart  geschichtklitt.  76  ndr.;  ge- 
digens  und  grüns  fleisch  Fronsperger  kriegsb.  i,  126*; 
auch  heute  noch,  s.  Hansjakob  schneeb.  (1892)  127; 
Fischer  schwäb.  3,869;  grüne  bratwurst  ungeräucherte 
ebda;  die  würst  .  .,  diwyl  sy  noch  grien  sind  Staub- 
Tobler  2,  750  (quelle  v.  1581);  gröne  schinken  brem.  wb. 

2,  548;  grüne  fische  Marienb.  treszlerb.  432;  ein  grün  lachs 
privaibr.  d.  ma.  1,  143  Steinh.;  Luther  notiert  in  seiner 
hausrechnung  fisch  grün  neben  fisch  dürr  zs.  für  hist. 
theol.  1846,  416;  nach  grünen  beringen  Seb.  Frangk 
sprichw.  2,  81*;  gröne  aale  u.  ä.  Dähnert  1623';  ent- 
sprechend grüne  fischer  in  Nürnberg  diejenigen,  die  nur 
m,it  frischen  fischen  handeln  durften  Jagobsson  5,  754*; 
grüne  klösze  von  rohen  kartoffeln  Müller-Frau reuth 
1,  446,  wo  noch  weiteres  derart;  in  anderen  fällen  frisch 
im  sinne  unausgereift:  grün  ist  teig,  der  noch  nicht  ge- 
nug gegoren  hat  Staub -Tobler  2,  751  (gegensatz  rif); 
grünes  hier  das  noch  nicht  vergoren  hat  Sghmeller-Fr.  1, 
1002;  Karmarsch-Heeren  ^l,  604;  grüner  wein  im  gegen- 
satz zum  firnwein  Jagobsson  4,  622*;  anders:  di  sure 
milch  ist  kelder,  die  grün  ist  trucken  Brest,  arzneib.  18; 
grüna  milch  buttermilch  Schmeller  cimbr.  126'';  die 
erste  milch  nach  dem  kalben  Fischer  schwäb.  3,  869; 
auszerhalb  dieses  bezirks  der  nahrungsmittel  nur  noch 
wenig  anwendungsmöglichkeiten:  'grüne  roszhaut  bei  den 
gerbern,  die  erst  abgeschunden  ist'  Frisch  378'';  vgl. 
Jagobsson  2,  167'>;  grüne  haare  welche  von  frisch  ab- 
gezogenen feilen  abgenommen  sind  ebda;  grün  vom  Pelz- 
werk =  roh  Preghtl  11,  11 ;  dasz  kainer  dorft  hie  das 
garen  gren  kaufen  städtechron.  (Augsburg  1500)  23,  435; 
icie  diese  gruppe  zeigen  auch  einige  andere  terminologische 
Verwendungen  die  bedeutung  frisch  im  sinne  des  untrocke- 
nen, feuchten:  nasser  oder  grüner  sand  (für  formen  in 
der  eisengieszerei)  Preghtl  22,  616;  nasse  oder  grüne 
(kartoffel) stärke  16,  I9i;  vgl.  grüeni  flechte  nasse,  im, 
gegensatz  zur  trocknen  Staub-Tobler  2,  750;  der  einen 
dürren  oder  grüenen  flieszenden  grind  hat  ebda  (quelle 
V.  1548);  hierher  auch  ein  einzelfall  me:  16.  sept.  er- 
schlägt ein  grünes  (d.  h.  frisches,  noch  nicht  ausgetrock- 
netes und  festgewordenes)  ge  wölbe  den  doctor  Samuel 
Brandt  quellen  zur  gesch.  d.  siadt  Kronstadt  i  (1903),  142. 

c)  neben  ahstractis  öfter  frisch  im  sinne  (zu)  jung, 
(zu)  neu:  der  schmerz  sei  ihnen  noch  zu  grün  Fischer 

3,  869  (quelle  v.  1531);  unsre  bekanntschaft  ist  noch  grün 
Schiller  3,  74  (?.,•  wir  haben  ja  darüber  recht  grüne 
erfahrungen  an  einigen  neueren  .  .  .  werken  Thibaut 
notwendigk.  e.  allg.  bürg,  rechts  416;  ähnlich:  wyr  haben 
auch  genug  geschonet  .  . ,  da  disz  ding  noch  zu  grüne 
und  new  war  Luther  15,  449  W.;  vgl.  es  ist  noch  grüne 
mit  uns  und  geht  langsam  von  statten  (in  dem  neuen, 
sittigen  leben)  11,  452  W. ;  nur  in  älterer  spräche  auch 
in  Verbindungen  wie:  ein  grüenes  (verfrühtes,  unreifes) 
üblgefasstes  fürnemen  Sghmeller-Fr.  l,  1002  (16.  jh.); 
aber  si  griffens  zu  grüen  an,  die  sach  fält  in,  geriet  in 
ir  anschlag  nit  Aventin  bayer.  ehr.  l,  446  Lexer. 

3)  nur  in  spuren  läszt  sich  eine  abgezogenere  bedeu- 
tung 'günstig'  nachweisen: 


649 


GRÜN  II  B  1 


GRÜN  II  B  1 


650 


was  hat  dein  tyrannei  gewunnen? 
nicht  grünes,  wie  ich  hab  vernummen 

Opel-Cohn  dreiszigj.  kr.  52; 

vgl.  nüd  vil  grüens  machen  keinen  gewinn  Staub-Tob- 
LER  2,  750;  hab  ich  allerhand  erfahren,  was  mir  nicht 
grün  aussieht  Scheffel  w.  l,  188;  vgl.  anord.  grSnn 
'gut,  nützlich',  aber  schwerlich,  'weil  die  grüne  färbe  der 
natur  eine  angenehme  wirhung  auf  das  äuge  ausübt' 
(Falk-Torp  norw.-dän.  et.  wb.  357)  eher  aus  der  wurzel- 
haften bedeutung  frisch,  wachsend,  blühend  {s.  o.  l)  ent- 
wickelt {vgl.  Wörter  wie  ersprieszlich,  gedeihlich);  dazu 
zwei  heute  erstarrte  formein: 

a)  einem  nicht  grün  sein  jem.  nicht  wohlwollen,  durch- 
aus negativ  gewendet;  von  haus  aus  md.  und  nd.  {heute 
gerade  in  nd.  maa.  allgemein);  erst  in  jüngerer  zeit  an- 
scheinend infolge  literarischer  Übertragung  auch  bei  Ober- 
deutschen: er  ist  mir  nicht  grüne  invisus  ei  sum  Stie- 
ler 709;  Stiefväter,  die  ihren  kindern  nicht  zu  grüne 
sind  (parum  aequi)  Luther  tischr.  i,  460  W.;  wen  ich 
neide,  dem  bin  ich  nicht  grüne  J.  Rhodius  in:  theatr. 
diab.  2,  72^;  vgl.  Grimmelshausen  Simplic.  235  ndr.; 
RiNCKHART  Christi,  ritter  40  ndr.;  Lohenstein  Arm.  l, 
1008";  sie  ist  mir  nicht  wieder  grün  geworden  Gutz- 
kow ritter  8,  86;  dem  du  nicht  grün  gesinnt  bist  Pöck- 
LER  briefw.  u.  tageb.  1,  89;  ganz  ungewöhnlich  ohne  ne- 
gation: 

du  schlieszt  aus  meiner  mine, 
ich  wäre  dir  recht  grüne 

Henrici  ernst-  scherzh.  u.  gat.  ged.  2,  268; 

ebenso  ungewöhnlich  mit  sächlichem  object:  da  die  muhme 
dem  zubereiten  .  .  solcher  Sachen  nicht  grün  war  G. 
Keller  l,  306;  hierher  wohl  auch:  ich  stand  zuletzt 
nicht  ganz  grün  beim  alten  herrn  H.  König  d.  clubisten 
8,  14. 

b)  die  grüne  Seite  die  herzseite;  meint  es  ursprünglich 
die  günstige,  holde  oder  die  frische,  lebendige?  zunächst 
nur  in  der  wendung  sich  an  jem.  grüne  seite  setzen 
u.  ä.  {vgl.  franz.  s'asseoir  du  cöte  du  coeur  de  q.): 

sitz  an  die  grüne  syten  min 

H.  R.  Manuel  weinsp.  v.  470  ndr. ; 

mehrfach  bei  Fischart,  s.  seite  II  2,  th.  lO,  i,  381 ;  vgl. 
Chr.  Fr.  Henrici  (1726)  bei  Müller-Fraureuth  i, 
446**;  Hazards  lebensgesch,  241;  mädele  ruck,  ruck,  ruck 
an  meine  grüne  seite  volksl.;  in  jüngerer  spräche  auch 
freier:  ihres  mannes,  der  jetzt  mehr  vergnügen  in  ge- 
schäften  als  an  ihrer  grünen  seite  findet  Just.  Moser 
4, 51 ;  wo  er  . .  ihn  von  seiner  grünen  seite  so  weit  als  mög- 
lich wegwünschte  Raabe  hungerp.  l,  202;  auch  die  maa. 
haben  die  formel  und  zwar  vorzüglich  norddeutsche;  sie 
denken  an  die  linke  seite  {z.  b.  Schütze  holst.  2,  73); 
indessen:  setzen  sie  sich  an  meine  grüne  seite  .  .  (eine 
preuszische  redensart,  die  zur  rechten  bedeutet)  Hippel 
lebensl.  4,  371 ;  ähnlich  Gottsched  d.  schaub.  4,  484;  auch 
bei  Schmeller-Fr.  i,  looi;  Fischer  schwäb.  s,  869  als 
rechte  seite,  aber  anscheinend  im  obd.  nicht  volkssprachlich. 

B.  auf  der  anderen  seite  trat  eine  specialisierung  der 
bedeutung  nach  der  richtung  hin  ein,  dasz  innerhalb  der 
Vorstellung  junger,  sprossender  pflanzentheile  der  färb- 
begriff  sich  isolierte  und  verselbständigte;  dieser  Vorgang 
ist  bereits  im  ahd.  vollzogen,  s.  u.  l;  immerhin  erscheinen 
noch  spät  aus  gründen  der  deutlichkeit  Zusätze  geboten 
wie:  as  der  {pfeffer)  ouch  ryff  is,  so  is  hee  groyen  van 
farwen  v.  Harff  pilgerf,  146;  viridis  grün  von  färben 
Decimator  thes.;  vgl.  grünfarb. 

l)  grün  als  farbbezeichnung  schlechthin,  darauf,  dasz 
pflanzliches  grün  den  ausgangspunkt  bildet,  deuten  noch 
die  im  mhd.,  zumal  in  der  heldenepik,  ungemein  zahl- 
reichen vergleichungen  grüene  als  ein  gras,  kl6,  seltener 
louch;  bei  Konrad  v.  Würzbürg  auch  noch  andere 
pflanzen,  vgl.  zs.  f.  d.  w.  6,  206;  nhd.  sehr  stark  zurück- 
gehend: darumb  sind  sie  grüner  dan  kleeh  Jac.  Böhme 
beschr.  d.  3  principien  (i682)  142.  nach  dem  Ursprung 
der  farbbezeichnung  mag  man  annehmen,  dasz  das  adj. 
zunächst  ein  helleres  grün  bezeichnet  hat,  aber  das  ist 
aus  dem  gebrauch  nicht  mehr  feststellbar;  ahd.  glossiert 
mit  viridis,  glaucus,  cyaneus  Graff  4,  299,   iacinthinus 


{a.  u.  a) ,  was  z.  th.  auch  an  dunklere  f  arbtöne  denken 
läazt;  und  seit  dem  frühen  nhd.  ganz  greifbar  für  die 
ganze  scala  vom  gelbgrün  bis  zum  schwarzgrün:  ein 
scharpf,  gryen  katzengesycht  Eppendorf  Flin.  6  {glauca 
oculorum  acie);  sein  {des  schönen)  äugen  schüllen  ain 
mittelvarb  haben  zwischen  swarz  und  grüen  Konr.  v. 
Megenberg  buch  d.  nat.  50;  die  grün  {geivitterwolke)  mit 
schwartz  ist  die  bösest  Reynmann  wetterbüchl.  6;  an- 
gemerkt sei,  dasz  grün  als  bezeichnung  des  wassers  erst 
im,  il.jh.  aufzukommen  scheint:  aus  der  grünen  Oosten- 
see  Neumark  fortgepfl.  mus.  poet.  lustw.  l ,  431  {gleich 
nachher:  in  das  blaue  meer);  mit  dem  grünen  meer- 
wasser  Schottel  friedenss.  43  ndr.;  seit  dem  18.  jh. 
dann  ein  stehendes  epitheton:  des  meers  dunkle,  grüne 
tiefe  Novalis  im,  Athen.  3,  195;  das  grüne,  crystallene 
feld  Schiller  14,  50  (?.,-  erst  jüngere  spräche  kennt  eine 
freiere  Verwendung  im  sinne  grünlich  schimmernd  o.  ä. : 
drei  in  grünem  gold  erglänzende  schlänglein  E.  Th.  A. 
Hoffmann  i,  180  Oris.; 

ein  grünes  feuer,  brennt  er  {der  buchengang)  grünen  schein 

TiECK  gchr.  2,  117; 

{der  abendstern)  mit  seinem  grünen,  mir  so  lieben  flimmer 
Rückert  ges.  ged.  (1840)  1, 140. 

im,  einzelnen  sind  folgende  gebrauchsweisen  hervorzu- 
heben: 

a)  vielfältig  als  grüngefärbt  von  allerlei  Stoffen:  gruone 
huta  pelles  iacinctinas  u.  ä.  Graff  4,  299;  weiszen  und 
grenen  samat  städtechron.  23,  273;  ein  grün  lündisch 
tuch  H.  Sachs  21,  50  K.-G.;  zimmer  mit .  .  grünen,  seid- 
nen  tapeten  E.M.Arndt  w.  l,  61  B.M.;  danach  dann:  in 
der  grünen  stube  Göthe  IVl,  2E8  W.;  namentlich  im  spä- 
teren mittelalter  häufig  von  gewandstücken  als  mode-,  fest- 
odervornehme  färbe:  ain  grenns  gwannth  J.  A.  v.Brandis 
landeahauptl.  v.  Tirol  48  {a.  d.  j.  1313) ;  all  in  gren  kleidt 
Gl.  Sender  in  städtechr.  23, 258;  in  grenen  rocken  401, 10; 
Seuse  dtsche  sehr.  148,  21  B.;  in  einem  seyden,  grünen 
wammes  Arigo  decam.  214  lit.  ver.;  so  doch  dem  kint 
dise  rüt  eben  so  not  thüt  als  brot  und  ein  grüner  rock 
seh.  w.  klugr.  173*;  er  sy  arm  oder  reich,  knecht  oder 
fry  ...  er  trag  gryen  oder  grau  klaidt  d.  h.  vornehmes 
oder  geringes  Eb.  v.  GOnzburg  2,  175  ndr.;  hier  ist  mög- 
licherweise die  redensart  vom  grünen  esel  als  etwas  sehr 
seltenem  anzuknüpfen,  die  ja  auch  auf  dem  gegensatz 
von  grün  und  grau  beruht,  s.  Staub-Tobler  1,  514;  vor 
kurzem  bin  ich  .  .  in  Hannover  gewesen  und  habe  da- 
selbst den  grünen  esel  gespielt  Büroer  br.  2,  63;  frei- 
lich auch  grüne  kuh  Eyering  proverb.  i,  284;  in  einigen 
Sprichwörtern  im  spiel  mit  der  bedeutung  I  A  1 :  darumb 
ist  die  best  schwiger,  die  ein  grün  rock  anhat  Seb. 
Franck  sprichw.  1,  36";  vgl.  Lehmann  flor.  pol.  (1662) 
2,  541;  die  färbe  dient  zur  kennzeichnung  des  trägers:  als 
ein  fuhrman  grün  gekleidet  A.  U.  v.  Braun  schweig  Oct. 
1,  191;  vorzüglich:  grien  geklaidt  in  gestalt  aines  jagers 
Bürster  bei  Fischer  schiväb.  wb.  3,  868;  unde  quam 
.  .  in  groen  kledern  mit  syme  jagehorne  WiG.  Gersten- 
berg chron.  137;  einen  grünen  jagdüberzieher  G.  Haupt- 
mann biberpelz  24;  vom  gasttcirth:  mit  einem  grünen 
kappel  in  der  gaststuben  herum  gehen  Meisl  theatr. 
quodl.  4,  103;  eine  grüne  judenmütze  Herder  l,  25  S.; 
vom  kleidungsstück  auf  seinen  träger  übertragen :  grüner 
Jäger  WiLH.  Müller  ged.  (1868)  l,  15;  grüne  leute  mit 
federbüschen  Tieck  sehr,  i,  240;  plötzlich  wimmelte 
alles  .  .  von  grünen  reitern  Laube  8,  27;  grün  als  wahl- 
farbe  {vgl.  unten  2):  dasselbe  abzeichen  trugen  seine 
diener  auf  grünem  ärmel;  denn  grün  war  seine  färbe 
Ranke  s.  w.  3,  888;  den  bey  einem  auflaufe  der  blauen 
und  grünen  die  ihm  entgegene  parthey  zu  ermorden 
gedachte  Haller  Alfred  99. 

b)  auf  Personen  angewendet,  von  ungesunder  gesichts- 
fa-rbe:  welches  menschen  varb  grüen  ist  oder  swarz, 
der  ist  poeser  site  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  nat. 
43,  15;  {der  kranke)  ist  liht  grüene  ander  den  äugen 
zwei  dtsche  arzneib.  50,  11  Pf.; 

sie  wart  grün  und  bleich 
und  seig  zu  der  erden  nider 

Heinr.  V.  Neustadt  gott.  zuk.  3396; 


651 


GRÜN  II B  1 


GRÜN  II  B  1 


652 


hohler  von  äugen  und  grüner  als  eine  dirne,  der  Hymen 
das  warten  zu  lange  gemacht  Wieland  Am.  6,  il;  ein 
grünes  gesicht  Aurbacher  nach  Fischer  achwäb.  8,  870; 
der  sieht  immer  grün  aus  ebda;  als  folge  verschiedener 
affecte:  Rosalie  wird  grün  vor  ärger  Bauernfeld  i,  116; 
auch:  (er)  wurde  darüber  vor  ärger  grün  und  gelb 
Heinse  4,  174  Schüdd.;  ich  habe  sie  .  .  grün  und  gelb 
geärgert  Mörike  8,  184  Göschen;  vor  neid:  Elisi  wurde 
noch  einmal  so  grün,  als  sie  die  .  .  .  herrlichkeit  sah 
GOTTHELF  ges.  sehr.  2,  249;  vgl. 

beisz  dir  nur  die  grünen  lippen 
blutig  nicht,  du  hast  nur  galle 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnl.  ^^129; 

gelegentlich  sogar:  von  einem  fulminanten  grünen  brief 
Jakobis  über  diese  recension  {des  Woldemar)  Schiller 
an  Göthe  briefw.  2,  268;  ewer  (der  Juristen)  angesicht 
ist  gelb  und  grün,  schwartz,  blaich  und  blaw  durch- 
einander Äg.  AlbertinüS  zeitk.  S8'*';  vgl.  grün  und  gelb 
unter  g. 

c)  vielfach  mehr  oder  minder  terminologisch  in  der 
spräche  naturbeschreibender  disciplinen,  in  ivissenschaft- 
licher  ebenso  wie  in  volksmäsziger  redeweise;  geogra- 
phisch: grünes  vorgebürge  cabo  verde  in  Westafrika 
Noel  Chomel  4,  1881;  J.  v.  Müller  l,  107;  grüne  bank 
le  banc  ä  vert  Noel  Chomel  4,  1380  und  anderes  derart; 
nicht  eigentlich  terminologisch:  das  grüne  Erin  Irland 
Gutzkow  w.  9,  84;  av^h  schlechthin  die  grüne  insel 
genannt;  ähnlich:  der  grüne  Rhein  Hoffmann  v.  Fal- 
lersleben  ged.  Ö882;  Geibel  ges.  w.  (1906)  1,3.  zoo- 
logisch: grüne  schlänge;  grüne  Springer  eine  art  raupen 
Noel  Chomel  4,  1380;  grüner  frosch  l,  1381;  lacerta  ein 
grüner  heydochs  Calepin  XI  ling.  786"';  melolontha 
ein  gruen  wefer,  grien  roszkefer  Diefenbach  855";  mit 
den  cantharides  und  grünen  käferlein  Paracelsus  op. 
(1616)  2,  BiSH.;  vgl.  Frisius  182''  s.  V.  cantharis;  grüner 
rüsselkäfer  curculio  viridis  Behlen  3,  614,  woselbst  vieles 
andere  derart;  grüne  fliegen  Anzengruber  ges.  w.  8,  42; 
groner  speht  merops  Graff  4,  299;  Diefenbach  nov.  gl. 
189^  s.  V.  gaulus;  ich  bin  genant  der  groene  specht  ge- 
Schützinschrift  von  1572  bei  H.  Ziegler  26;  vgl.  grün- 
specht;  grüner  girlitz,  kernbeiszer  u.  a.  Behlen  3,  514; 
botanisch:  grüne  reiszken  pilzsorte;  grüne  freude  'eine 
art  von  kräutern'  Noel  Chomel  4, 1380;  grüner  faulbaum 
1881;  grünes  ebenholz  =  Guajakholz  Jacobsson  5,757»; 
grün  holz  pinus  sylvestris  et  montana  oder  genista 
tinctoria  Nemnich  212;  der  grüne  Borsdorfer  apfel 
F.  G.  Dietrich  7,  7ll;  mineralogisch:  creta  viridis 
grün  ärdtrich  Frisius  1387^;  dafür  grüne  erde  Stie- 
ler 709,  grüne  kreide  Noel  Chomel  4,  1380;  grüne  asche 
Jacobsson  2,  lee^;  grüner  galmey,  vitriol  2,  167^;  vgl. 
vitriolum  ...  ist  als  grüne  steyn,  Diefenbach  624*; 
grüner  eisenstein,  glimmer,  granit,  kalkstein  u.  a.  Jacobs- 
son 5,  754^;  grüner  marmor  malaquitte  Noel  Chomel 
4,  1850;  Mommsen  röm.  gesch.  5,  268;  vgl.  schon  ahd. 
gruone  gimma  so  smaragdus  ist  Notker  l,  196  P.;  al- 
lero  steino  gruonesto  Graff  4,  299;  hierher  weiter  ein 
alchymistischer  ausdruck  loie  grüner  löwe  portraits  {Lpz. 
1779)  34;  vgl.  leu  schlusz,  th.  6,  826;  vgl.  auch  grüne  ver- 
rostung {an  kupfergefäszen)  Sebiz  feldb.  434;  grün  an- 
gelaufen {von  einem  messingbecken)  Pansner  schimpf- 
icb.  XXXIII ;  'da  viele  grüne  mineralien,  namentlich  farb- 
mittel,  giftig  sind,  gilt  grün  gelegentlich  als  färbe  des 
giftes  schlechthin'  Sanders;  gift  ist  grüner  als  das  grüne 
gras  Herder  25,  179  8.;  vgl. 

sein  leib  ward  (vom  gift)  grün  als  ain  gräzz 

gr.  Alex.  6125  Guth; 

optisch:  grüner  strahl  Noel  Chomel  4,  1381;  schöne 
grüne  ...  spectra  Göthe  IIi,25  W.;  medizinisch: 
grüne  galle  {im  unterschiede  von  der  schwarzen)  Noel 
Chomel  4,  648;  vgl.  Sömmerring  7,  528;  die  grien  gel- 
sucht Diefenbach  641'  *.  v.  yctericia;  vor  den  grünen 
siechtagen  Tabernämontanus  kräuterb.  (1664)  19;  335; 
der  grüne  staar  glaucoma  Blancard  arzneiwb.  2,  82''. 

d)  ebenso  terminologisch  vielfach  in  der  spräche  der 
gewerke  und  gewerbe:  grünes  glas  die  geringste  sorte 
Jacobsson  2,  168*;   entsprechend  grüne   hütte   wo   nur 


solches  hergestellt  wird  2,  167'';  grüne  färbe  {als  farb- 
stoff),  verschiedene  arten  bei  Jacobsson  5,  752 ''_^.,-  liesz 
den  soller  .  .  grien  malen  {Augsburg  1868)  städtechr.  5, 133 ; 
grüne  beize  Jacobsson  6,762'';  grüne  dinte  Stieler  2264; 
grüne  glasur  {bei  den  töpfern)  Jacobsson  5,  754*;  grüne 
Vergoldung  Preghtl  19,  537;  grünes  feuer  in  der  feuer- 
werkerkunat  Noel  Chomel  8,  1588;  das  grüne  licht  das 
seitenlicht  an  steuerbord,  vgl.  Kluge  seemannsspr.  531  f.; 
in  der  spräche  der  apotheke:  mit  dem  grünen  wunt- 
pflaster  Braunschweig  chir.  (1497)  79»;  ein  gut  grün 
dürrpflaster  recept  bei  M.  Böhme  roszarznei  (1618)  64; 
grüne  butter  eine  kräutersalbe  Stieler  1678;  grüne  salbe 
unguento  fatto  de  herbe  medicinali  Kram  er  teutschital. 
2,  418'';  mit  den  selblin,  welches  die  wundärtzte  das 
grün  nennen  Wirsung  arzneib.  104";  vgl.  koz  grüne 
waldsalbe!  ein  fluch  Fischer  «cÄioäö.  8,868;  schon  Ulr. 
V.  Lichtenstein  kennt  eine  salbe  noch  grüener  denn 
der  kl§  frauend.  103,  6;  grünes  wachs  als  medicament 
Pierer  conv.  lex.  '^6,  1337;  aber  auch  als  altbeliebter  siegel- 
stoff:  ein  grüne  wais  meister  Eckart  in:  parad.  an. 
intell.  78,  6;  abgelöst  durch  grünes  Siegellack  Jacobsson 
5,  757»;  Vorzeit  man  siegelt  grün  Petri  der  Teutschen 
weish.  2,  )(  )(  7»;  in  der  spräche  der  küche:  grüne 
eier  mit  petersilie  hergestelltes  eiergericht  Noel  Chomel  3, 
1261;  eine  grüne  sosze  weisth.  4,  136  {\ft.jh.);  vgl.  allg. 
haush.  lex.  8,  69;  grüner  käse  nomencl.  lat.  germ.  (1634) 
369;  Stieler  709;  er  frist  das  grüne  brot  schimliges 
Rachel  aat.  ged.  45  ndr.  {vgl.  mucida  caerulei  panis  .  . 
frusta  Juv.  14,  128);  grüne  seife  Kramer  teutschital. 
2,  758'';  Heine  2,  870  E.;  grüner  magenaquavit  Noel 
Chomel  4,  1881;  vgl.  sein  gläschen  grüns  Gotthelf  nach 
Staub-Tobler  2,  760;  grüner  schnupftoback  Jacobsson 
5,  756». 

e)  auch  auszerhalb  dieser  anwendungskreise  mannig- 
fach in  specifischem  gebrauch:  bei  den  meister  sin  gern 
grün  ton  gemerkb.  d.  U.  Sachs  10  ndr.;  vgl.  Gleim  briefw. 
1,  13;  die  grüne  fahne  {des  propheten)  Lohenstein  Ibr. 
Sultan  22;  eine  grüne  censur  die  schlechteste  L.  E.Kossak 
Berl.  kunstausat.  i.j.  1846,  6;  der  grüne  wagen  für  den 
gefangenentransport  in  Berlin,  auch  grüne  Minna  ge- 
nannt Ostwald  rinnsteinspr.  63 ;  grüner  Heinrich  schub- 
wagen {Wien)  ebd.;  das  grüne  gewölbe  in  Dresden;  ver- 
schiedene bedeutung  hat  der  grüne  tisch,  an  sich  nur 
der  mit  grünem  tuch  behangene  tisch  Göthe  28,  124  W.; 
aber  gewöhnlich  mit  besonderem  sinn;  Spieltisch:  bald 
war  der  grüne  tisch  und  die  karten  in  thätigkeit  Arnim 
15,  50;  Gutzkow  zaub.  4,  62;  gerichts-,  Verhandlungstisch: 
du  warst  der  schlaueste  teufel,  der  je  vor  einem  grü- 
nen tische  stand  G.  Freytag  2,  199;  Alexis  Boland2, 
153;  bei  der  ministerkonferenz  .  .  kam  nichts  raus,  wie 
an   den  grünen  tischen  nie  was  raus  kommt  Isegrim 

1,  115;  vgl.  grüner  teppich  gericht  iudicium  aulicum 
Angliae  Apinus  glosa.  nov.  258;  heute  ist  der  grüne  tisch 
Symbol  des  wirklichkeitsfremden  denkens  und  arbcitens, 
namentlich  von  behörden:  neigung,  .  .  vom  grünen  tisch 
aus  zu  reglementieren  Bismarck  ged.  u.  erinn.  2,  235 
volksausg.;  bedürfnis  des  Soldaten,  vom  grünen  tische 
weg  zu  kommen  Meinecke  Bogen  l,  269;  Schweiz,  be- 
zeichnet grüner  sessel  die  amtsstelle  Staub-Tobler  2, 
750;  auch  die  grüne  brille,  an  sich  ganz  unverfänglich 
(GÖTHE  II  1,  25  W.),  hat  einen  beisinn  gewonnen:  die 
grüne  brille  der  pedanterei  aufsetzen  Gutzkow  to.  11, 
230.  in  der  deutschen  Spielkarte:  grün  folia  chartae 
lusoriae  frondibus  notata  Stieler  709;  das  lob  {laub) 
an  dem  griennen  wol  zusehen  ist  Fischer  schwäb.  3, 
868;  grün  ist  gewehlt  Otho  Melander  jocoseria  (l6li) 

2,  nr.  241;  den  grünen  scharwentzel  Chr.  Weise  erz- 
narren 169  ndr.;  vgl.  Gryphius  lyr.  ged.  443  Palm;  in 
redensarten  der  Volkssprache:   ei   du  grine  neine!  u.  a. 

MÖLLER-FrAUREÜTH    1,  446''. 

f)  grün  in  stereotyper  Verbindung  m,it  anderen  färben ; 
namentlich  gesellen  sich  benachbarte  färben;  grün  und 
gelb:  Salzfleisch,  das  vor  alter  grün  und  gelb  geworden 
Melgh.  Meyr  erzähl,  a.  d.  Ries  l,  75;  grün,  gehl  und 
jämmerlich  von  färben,  die  nicht  zusammenpassen  Bernd 
Posen  69;  ähnlich  Albreght  Leipz.  126'';  gern  von  den 
spuren  von  achlägen: 


653 


GRÜN  II  B  2 


GRÜN  III  {Substantivierungen  A  l) 


654 


bist  du  der  selb, 
der  mir  min  man  macht  grün  und  gelb? 

H.  R.  Manuel  weinsp.  v.  2607  ndr. , 

der  .  .  .  herr  schlug  mich  grüner  und  gelber  als  ... 
Körner  *,  46  H.;  so  auch  mundartlich,  z.  b.  Müller- 
Fraureuth  1,  «6»;  schwülen,  .  .  die  tags  darauf  grün 
und  gelb  aussahen  Fischer  schioäb.  3,  870;  ich  voll 
blauer,  grüner  und  gelber  flecke  wurde  Leipz.  avantu- 
rieur  I,  35;  bloszes  grün  ungewöhnlich:  wenn  du  ihm 
.  .  einen  grünen  rücken  machen  könntest  H.  Nydegger 
hans  d.  Chüjer  (1899)  SO;  mir  wird  (ist)  grün  und  gelb 
vor  den  äugen  mir  wird  schwül,  mir  vergehen  die  sinne, 
gelegentlich  auch  als  ausdruck  des  ärger s  {wo  der  ge- 
brauch B  1  b  hereinkreuzt) :  ich  weisz  nit  wie  es  kumpt, 
mir  ist  grün  und  gel  vor  den  äugen  Keisersberg  emeis 
(1517)  56**;  diesem  ward  {vor  zorn)  .  .  .  grün  und  gelb 
vor  den  äugen,  weil  ihn  die  eifersucht  ohn  das  zuvor 
eingenommen  Grimmelshausen  Simpl.  170  ndr.;  ein 
unerhörter  Sprachgebrauch,  bei  dem  mir  grün  und  gelb 
vor  den  äugen  wird  Schleiermagher  I  5,  334;  vielfäl- 
tig in  den  maa.;  vgl.  Bernd  Posen  69;  Dähnert  161*; 
ungeicöhnlich  ist  bloszes  grün  engl.  kom.  u.  trag.  (1624) 
Hb  5*;  E.  Th.  A.  Hoffmann  2,  133  Gris.;  vgl.  wie  rot 
sein  im  die  äugen  worden!  yetz  ist  es  grün,  was  er 
sihet  Albr.  v.  Eyb  dtsche  sehr.  2,  99  {ut  viridis  exori- 
tur  colos  ex  temporibus  atque  fronte  menaechmi  828); 
auch  es  geht  mir  grün  und  gelb  vor  äugen  Sghellhorn 
sprichw.  62 ;  vgl.  lux.  ma.  153 '' ;  doch  geht  ihm  grün  und 
gelb  vor  seinen  äugen  um  W.  H.  v.  Hohberg  d.  habs- 
purg.  Ottobert  (1664)  e  2^;  noch  anders  bei  Fischer 
Schwab.  2,  263;  eigen:  das  alle  die,  die  der  unküscheit 
anhangend,  bleich,  eilend,  grien  und  geel  umb  den 
Schnabel  seind,  wie  die  jungen  gensz  im  meygen  Kei- 
sersberg post.  i,  so"»;  vgl.  gelb  th.  4,  l,  2,  2882;  grün 
und  blau:  schon  mhd.  wird  grüene  und  weitin  gern 
verbunden  Wackernagel  kl.  sehr,  l,  167;  jener  bawer, 
den  man  uberredt,  grün  were  blaw  Lehmann  floril.  pol. 
(1662)  1,  347  {vgl.  Ulensp.  hist.  68);  gleich  wie  der  schatten 
an  der  wandt,  ist  weder  blaw  noch  grün  Paracelsus 
op.  (1616)  2,  403  H.;  in  flammen  blau  und  grün  Müllner 
dram.  w.  2, 13;  DrosteHülshoff  2, 18;  auch  dies  gern  in 
festen  formein:  grün  und  blau  schlagen,  ärgern  Fischer 
Schwab.  3,  870;  Martin -Lienhart  i,  276*;  Gockel  .  .  , 
wurde  vor  zorn  .  .  ganz  grün  und  blau  und  roth  Bren- 
tano 5,  24;  es  war  mir  vom  vielen  lugen  ganz  grün 
und  blau  vor  den  äugen  Staub-Tobler  2,  750  aus  Jonas 
Breitenstein;  vgl.  Göthe  16,25  W.;  vgl.  blau  i  <ä.2, 8i; 
im  alem.  ist  üblich:  es  war  dem  doctor  grün  und  schwarz 
vor  den  äugen  Pestalozzi  Lienh.  und  Oertr.  2,  170; 
Zimmermann  einsamk.  i,  269;  vgl.  Follmann  216''. 

2)  grün  in  der  farbensym,bolik :  grün,  die  färbe  des 
frühlings,  ist  Sinnbild  für  frohsinn  und  freude;  vgl. 
schon  bei  Wolfr.  v.  Eschenbagh: 

da  von  min  grüeniu  vreude  ist  val 

Parz.  330,  20; 

die  grün  (varwe)  erträgt  uns  frölich  leben 

Heinr.  V.  WiTTBNWEiLER  ring  2  Ut.  ver. ; 

grön  macht  die  weit  fräden  vol 

HÄTZLERIN  2,  20,  68 ; 


grön  ist  ain  lust  dem  herzen 


103; 


L 


in  diesem  gedieht  erscheint  grün  als  lieblingsfarbe  einer 
dame;  vgl.  Abr.  a  st.  Clara  mercks  Wien  63,  wo  es  als 
die  angenehmste  färb  auftritt;  es  ist  verständlich,  wenn 
diese  Symbolik  sich  immer  wieder  erneuert:  auf  dem  grü- 
nen lande  der  glückseligkeit  Chr.  Weise  j)oZ.  redner  493; 

grüne  freude  . .  . 

wachset  wie  die  maulbeerblätter 

H.  Fleming  vollk.  teutsch.  jäger  (1719)  8 ; 

tintenfässl  ,  .  gefüllt  .  .  mit  grüener  {tinte)  voller  freud 
Schv^'abe  volleingesch.  tintenfässl,  titelbl.;  die  grüne 
fahne  Olbia  Spitteler  olymp.  frühl.  (1914)  2,  5;  ebenso 
verständlich,  wenn  grün  dem,  mittelalter  den  anfang  der 
liebe  bezeichnet: 

grön  ist  der  mynn  ain  anfangk 

HÄTZLERIN  2,19,  9; 


vgl.  2,  20,  97;  weim.  jahrb.  2,  105,  13/.  wird  breiter  davon 
gehandelt;  vgl.  auch  Suchensinn  in:  meisterl.  d.  Kolm. 
hs.  668  Bartsch;  es  bezeichnet  weiter  auch  ein  anfangen- 
wollen: 

grüns  ist  ain  anfang; 

wen  lieb  von  lieb  nie  bezwang 

von  mine  (l.  minne)  noch  von  frowen, 

der  lat  sich  in  grünem  schowen  u.  s.  w. 

lieders.  1, 153  Laszberg; 

vgl.  Wackernagel  kl.  sehr,  i,  203.  206; 

grüne  färb  freihait, 

damit  ich  junger  pin  peclait  m.  «.  w. 

fastnachtsp.  1,  774  K. 

grün  ledig,  unverheirathet  Staub-Tobler  2,  751  {doch 
vielleicht  auch  von  II  A  i  a  zu  verstehen);  hat  es  sym- 
bolische bedeutung,  wenn  der  keld  der  Ulingerballade 
einen  grünen  schild  trägt?  hoch  u.  nd.  volksl.  142  Uhland: 
auch  der  junge  Alebrant  des  jg.  Hildebrandsliedes  führt 
einen  solchen;  frau  Minne  erscheint  gelegentlich  grün- 
gewandet: 

frou  Liebe  treit  ein  grüen  kleit 

MEISTER  Altswert  29,  34; 

vgl.  45,  1 ;  eine  andere  bedeutung  hat  grüne  färbe  und 
gewandung  in  alter  geistlicher  Symbolik,  vgl.  Wacker- 
nagel 1,  185/./  dagegen  liegt  die  Symbolik  von  grün  als 
wappenfarbe  auf  der  hauptlinie,  vgl.  F.  W.  Schumacher 
wapenkunst  (1694)  61 ;  grün  als  färbe  der  hoffnung  läszt 
sich  erst  seit  dem  nhd.  nachweisen  {nur  als  liturgische 
färbe  schon  früher  in  diesem  sinne,  vgl.  Wackernagel 
1,  181):  Opitz  teutsche poem.  111  ndr.;  die  grüne  hoffnung 
ScHOTTEL /Werfen**,  il  ndr.;  das  hertz  ist  grün  und  in 
frischer  hoffnung  Moscherosgh  ges.  I,  77;  das  grüne 
banner  der  hoffnung  Stifter  l,  203;  für  das  mittel- 
alter ist  gelb  und  grün  auch  farbensinnbild  des  neides, 
s.  Wackernagel  l,  166/.;  daher  man  sich  auch  den 
teufel  grün  dachte,  sei  es  von  körper  oder  von  gewande: 
dasz  sich  der  teufel  gern  in  grünen  kleidern  sehen 
lasse  Grimmelshausen  l,  362  Keller;  hie  bringen  wir 
die  mutter  zum  grünen  teufel  rufen  Soldaten,  als  sie 
eine  frau  ins  wasser  werfen  Zinckgref-Weidner  8, 
528;  schwarz  und  grün  hat  der  teufel  gesehen  Fischer 
Schwab.  3,  868;  vgl.  grüner  jäger  umgehender  geist  Bir- 
LiNGER  volksth.  1,  16;  über  grün  als  färbe  des  giftes  s.  o. 

III.  Substantivierungen. 

A.  das  neutrum  zeigt  sich  erst  seit  dem  16.  jh.  ent- 
faltet, wenn  auch  ältere  spuren  nicht  fehlen:  grün  gra- 
mina  ahd.  gl.  1,  371,  68  (12.  ^ä.)  vgl.  gruoniu  gramina  1, 
373,  1 ;  virecta  308,  62 ;  317,  41 ;  swaz  grünes  Milst.  exod. 
{s.  u.) ;  mndl.  ist  im  13.  jh.  dat  groene,  groen  bereits  ge- 
bräuchlich Verwijs-Verdam  2,  2154,  mnd.  nicht  vor  dem 
15.  jh.  bezeugt,  vgl.  nd.  jahrb.  28, 136 ;  älterer  Vertreter  des 
Substantiv,  adj.  ist  hd.  das  subst.  ahd.  gruoni,  mhd.  grüene 
*.  die  grüne  /.  die  verschiedenen  flexionsarten  zeigen 
unterschiede  nach  bedeutung  und  gebrauch. 

l)  substantivische  flexion  {beacJite  flexionslose 
formen  wie  wegnehmen  des  gr.  Göthe  II  5,  2,  131  W. 
gemäsz  dem  älteren  gebrauch,  farbbezeichnungen  u.  dgl. 
als  indeclinabel  zu  behandeln,  vgl.  Adelung  lehrgeb. 
1,  660;  daher  noch  in  moderner  spräche  der  dat.  fast  stets 
flexionslos  dem  grün,  doch  s.  u.). 

a)  als  reine  farbbezeichnung. 

viror,  viriditas,  das  grün  Alberus  Qq  2'';  Maaler 
194*; 

gleich  wie  ein  welscher  han  von  rot 
und  jer  äff  starb  von  grün  zu  todt 

Fischart  Eulensp.  2691  H.; 

das  grön  vom  regenbogen  praktik  23  neudr.;  .  .  .  geben 
verschiedene  Schattierungen  von  gr.  Jacobson  techn.  wb. 
5,  749'»;  dasz  . . .  das  prismatische  blau  und  gelb  . . .  ein 
gr  machen  Göthe  II  2,  225  W.;  wo  seine  schatten  nicht 
nachgedunkelt  haben  ...  ist  sein  gr.  von  groszer  wahr- 
heil  A.  W.  Schlegel  s.  w.  9,  23;  das  gras  hat  in  Eng- 
land ein  so  schönes  gr.,  wie  man  es  nirgends  findet 
Archenholz  Engl.  u.  Ital.  (1785)  i,  l,  94;  jung  {vgl. 
II  B  l)  in  Verwendungen  ivie:  der  meeresfluten  gr.  Shake- 
speare (1797)  1, 248;  das  tiefdunkle  gr.  des  wassers  v.  Gaudy 


655 


GRÜN  III  (Substantivierungen  A  i) 


GRÜN  III  (Substantivierungen  A  l) 


656 


s.  w.  6,  Ib;  ...  in  seinem  (des  sees)  feuchten  gr.  Stif- 
ter s.  w.  (i90l)  1,  155;  das  schwache  trübe  gr.  des  süd- 
lichen himmels  4,  l,  126;  in  der  sehr  üblichen  anwen- 
düng  auf  vegetatives  grün  mit  2)  verrinnend:  wie  die 
grüne  saat  .  .  .  die  zarten  spitzen  aus  dem  sohnee 
empor  hebt,  und  das  weisz  mit  sanftem  gr.  vermischet 
S.  Geszner  sehr,  l,  29; 

von  unten  glänzet  uns,  an  blumenvollen  wegen, 
der  Pomeranzen  gold  aus  frischem  grün  entgegen 

Uz  221  lit.  dkm. 

auf  grüne  Meidung  bezüglich  (vgl.  II B  1  a)  «.  u.  2  a :  wann 
mancher  mit  gr.  ist  peklait  fastn.  2,  775  Keller;  die 
gute  jungfraw,  so  in  gr.  gekleidet  Hertzog  schiltw. 
Aö;  zwölf  knaben,  alle  in  gr.  Wieland  (1794)  4,13; 
Gabrielle  .  .  .  ganz  in  gr.  gekleidet  Ranke  s.  w.  9,  29; 
171  volksläufigen  ivendungen  mehrfach,  vgl.  brem.  wb.  (1767) 
2,547;  Weinhold  schles.  31*;  Wander  sprichw.  2,  155; 
in  formelhafter  Verbindung  mit  dem  adj.  schon  früh: 
die  teppich  ...  gr.  geweben,  die  wand  gr.  (ad.j.)  in  gr. 
(subst.)  K.  Scheit  lobr.  v.  w.  d.  meyen  38  Strauch;  die 
Ludmer  folgte  ...  in  das  zimmer  gr.  in  gr.  Gutzkow 
ritt.  v.  geiste  3,  20;  als  umgangssprachliche  redensart, 
vielleicht  vom  kartenspiel  (s.  unter  A  1  b  ^)  hergeleitet: 
das  is  dasselbe  (dieselbe  kullör),  nur  in  gr.!  Müller- 
Fraureuth  1,  446*";  am  neujahrstag  ist  dieselbe  cou- 
leur  in  gr.  F.  Mendelssohn  in  S.  Hensel  fam.  Mend. 
8,  91;  Rother  schles.  sprichw.  388  *•;  vielfach  auch  von 
farbstoffen:  Braunschweiger,  Bremer,  Chinesisch,  Schwein- 
furter,  Veroneser,  Wiener  gr.  u.  a.  ähnlich  schon  im  alt. 
nhd.  spens  grone  viride  hispanum  Diefenbach  nov. 
gl.  883",  genaueres  unter  grünspan;  Schweitzergrün  Al- 
be rüs  IS**;  nach  der  grundsubstanz:  blattgrün  (Chloro- 
phyll), chromgrün,  kupfergrün,  mangangrün,  saftgrün 
U.S.W.,  steingrün  s.  unter  grünstein;  gelegentlich  auch 
pluralisch:  als  besäszen  diese  grüne  (diese  arten  grün) 
nicht  jene  gesundheitsschädlichen  eigenschaften  Zerr 
handb.  d.  farbenfabr.^  466. 

b)  hauptgebrauch  im  sin7ie  der  bedeutu?ig  des  adj.  I  A 
V071  grün  als  Vegetation. 

«)  mehr  collectiv;  erst  mit  dem  18.  ja.  voll  einsetzend 
und  hier  offenbar  metaphorischen  Charakters  der  farb- 
eindruck  für  das  object  gesetzt;  älternhd.  nur  in  einer 
präpositionalen  Verwendung  für  den  begrünten  erdboden, 
allgemeiner  'die  freie  natur':  alle  heydnische  gewonheit 
als  .  .  .  spacieren  ins  gr.  S.  Frangk  zeitb.  (1585)  3,  295; 
da  will  jedermann  ins  gr.  gehen  K.  Sgheidt  lobr.  v.  w. 
d.  meyen  38  Strauch;  ich  will  ein  weil  nausz  in  das  gr. 
und  zuhörn  dem  voglgesang  Ayrer  3,  1707  Keller; 

kom,  Myrta  .  . .,  dich  zu  mir  auf  das  grün  zusötzen 

Weckherlin  ged.  1,  483  J''.; 

er  {Amor)  warf  seinen  köclier  hin 
sambt  dem  bogen  in  das  grün 

Königsb.  dichterkr.  123  neudr. 

doch  bleibt  oft  die  flexivische  einreihung  unsicher;  vgl. 
die  dative:  im  grünen  (sp.  658),  entsprechend  dem  acc. 
jüngerer  spräche:  ins  grüne;  daher  mundartlich:  ins 
grüen  fahren,  gesellschaftsspiel  mit  karten  Martin-Lien- 
hart  1,  276*;  int  grön  gähn  (*.  aber  unten  2  b),  zum 
ersten  sommerfest  der  Schulkinder  ins  freie  ziehen;  ab- 
geleitet: een  grön  holen  ein  solches  fest  abhalten;  weesen- 
grön  das  fest  der  Waisenkinder  Richey  idiot.  hamb.  82, 
vgl.  Sghmeller-Fr.  i,  1002;  bei  mutter  gr.  schlafen  im 
freien  Trachsel  (1873)  26;  ich  hab  bei  der  mutter  gr. 
bankarbeit  gemacht  Frischeier  preusz.  sprüchw.^  lOO; 
dän  hän  se  uff  mutter  grin  gesetzt  aus  dem  hause  gejagt 
Rother  schles.  sprichw.  156»;  ein  ausdruck  der  gauner- 
spräche  Günther  43;  vergleichbar  ist  die  Verwendung  in 
flur-  und  Ortsnamen,  grüen  'Waldungen  im  Rheingebiet, 
welche  . . .  zur  grasnutzung  versteigert  werden':  s  Balzener 
grüen  u.s.w.  Martin-Lienhart  i,  276%  vgl.BvcKfiur- 
namenb.  92;  so  schon  früh  in  siedlungsnamen  nachweis- 
bar: et  quatuor  lehen  ...  et  nemus  dictum  Hegehol cz 
inter  Ernphoriczgrun  (Irfersgrün)  et  Bertolsgrun  (Pech- 
telsgrün)  situatum  (v.  1266)  urkundenb.  d.  v'ögte  v.  Weida, 
Gera  u.  Plauen  (1885)  t,  71 ;  oft  nicht  sicher  von  grien  ab- 
zugrenzen (vgl.  sp.  640)  dieflurnamen  bei  Fischer  schwäb. 


3,  870;  in  jüngerer  liter.  spräche  klingt  die  unbildliche 
Verwendung  im  sinne  'bodenvegetation'  gelegentlich  nach: 
wer  die  ersteigung  über  gr.  gering  zu  schätzen  gewöhnt 
ist . . .  H.  V.  Barth  nördl.  Kalkalpen  144.  jedenfalls  sind 
fälle  wie  die  folgenden  anders  empfunden: 

dort,  wo  durch  das  beblühmte  grün 
zween  kleine  buche  murmelnd  flieszen 

Brockes  1,  30; 

unter  demselben  blau,  über  dem  nehmlichen  grün 
wandeln  die  nahen  und  wandeln  vereint  die  fernen  ge- 
schlechter 
Schiller  11,  91  {spazierg.  199)  O. ; 

.  .  .  und  ein  fest  erblüh  uns  auf  dem  grüne 

RüCKERT  (1869)  12,  225. 

erst  die  poetische  spräche  des  18.  jh.s  gibt  dem  worte  brei- 
teste anwendung  für  pflanzlichen  wuchs  aller  art  (daher 
gewöhnlich  nicht  die  Vorstellung  des  vegetativen  als  viel- 
mehr die  der  färbe  im  Vordergrund  steht);  mit  Vorliebe 
in  genitivischen  Verbindungen: 

der  wiesen  frisches  grün  stand  mehrenteils  befloszen 

Brockes  4,  39; 
das  mädchen  sitzet 
an  ufers  grün  Schiller  11,  290  ö.  ; 

der  hügel  grün,  das  grünere  der  matten 

GÖTHE  16,  277  W. ; 

das  gr. ...  dieser  gefielde  v.Thümmel  reise  8,30;  weder  im 
blau  des  himmels  noch  auf  dem  gr.  der  erde  Jean  Paul 
11,  120  jß;  ganz  formelhaft  wurde:  des  waldes  gr.  Over- 
BECK  ged.  (1794)  35,  vgl.  Chamisso  w.  (1836)  3,  130  Koch; 
das  üppigste  gr.  reicher  Waldungen  Ritter  erdk.  1,583; 
der  zweige  gr.  Schiller  ii,  288  G^.,- 

ach  sie  entschwand  im  grün  der  gartenlaube 

v.  Salis  ged.  (1793)  31; 
ein  matter  wolf  .  .  .  betrat  .  .  . 
das  feld,  und  sah  in  dem  bethauten  grün 
ein  feistes  füllen  weiden        Ramler /aöeH.  2,502; 

vielfach  mit  einem,  adj.  verbunden,  das  die  qualität  des 
farbtons  oder  den  gefühlseindruck  des  beschauers  charak- 
terisiert: nach  dem  schwarzen  gr.  der  welschen  bäume 
Jean  Paul  w.  15/i8,  570  H.;  das  dunkle  gr.  des  sommers 
Freytag  verl.  handschr.  (1864)  1,63; 

der  eichenbüsche  sonnenhelles  grün 

Hölderlin  1, 174  Litern.; 

rote  blumen . . .  winkten  aus  dem  smaragdenen  gr.  0.  Lud- 
wig ges.  sehr.  (1891)  2,  430;  buntes  gr.  Rückert  «o.  1,  479; 

{blumen)  weisz  und  blau  und  stilles  grün 

Rückert  w.  1,  77; 

der  kontrast  zwischen  lebendigem  gr.  und  starrem  gestein 
ist  es  H.  V.  Barth  nördl.  Kalkalpen  29;  ständen  diese 
ufer  auch  in  gr.  Fontane  im  'daheim'  (1887)  13,  787 >>; 

kein  quell,  kein  grün,  von  leben  keine  spur! 

Chamisso  2,  102  Koch; 

überhaupt  ist  die  Umgebung  sehr  öde,  dürr,   zeigt  nur 

wenig  gr.  Ritter  erdk.  2,  664. 

ß)  die  Vorstellung  des  vegetativen  grüns  kann  sich  nach 

verschiedenen    richtungen    verengern    und   concretisieren; 

'laub,  blattwerk,  Strauchwerk': 

wer  gab  das  grün  den  zweigen? 

Spee  trutzn.  89  B. ; 

wenn  martinswind,  wenn  wehest  du 
und  wehest  grün  und  blätter  ab? 

Herder  25,  203  anm.  S. ; 

{beete)  umwunden  mit  dunkelm  grüne  27,  41 ; 

mannichfaltige  blumen  und  verschiedenes  gr.  Heinse 
3,  250  Seh.;  mit  den  .  .  .  mit  gr.  überzogenen  ruinen 
Gleim  briefw.  2,  259  Körte; 

wo  nehmet  ihr  in  dieser  Wüstenei 

das  bischen  grün  zu  euem  kränzen  her? 

Raupach  dram.  w.  ernster  gattung  5, 150; 

so  als  fachausdruck  des  gärtners:  in   gärtnereien  wird 

der  bäum  überall  .  .  .  gezüchtet  ...  als  gr.  für  blumen- 

sträusze  Schleghtendal  ^ro  v.  Deutschl.^  10,  195;  für 

den  kränz  selbst: 

winde  mir  ländliches  grün 

J.  H.  Vosz  «.  ged.  (1825)  3,  29; 


657  GRÜN  III  (Substantivierungen  A  2) 


GRÜN  III  (Substantivierungen  A  2)  658 


(er)  trägt  sie  (,die  goldene  kröne)  leicht,  als  wie  von  grün 

umlaubt 
GÖTHE  13,  178  W. 

hierher:  grün  =  laub  im  kartenspiel,  s.  th.  6,  289  und  grün 
adj.  sp.  652;  gr.  ist  windiger  art  theatr.  diabol.  (i57ö)  488^; 
so  weisz  das  kleinste  kind,  obs  eichein  oder  gr.,  hertz 
oder  schellen  sind  Treuer  deutsch.  Däd.  (1675)  l,  377; 
das  sieht  ja  aus  wie  lauter  herz  und  schellen,  da  ist 
ja  gar  kein  gr.  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  86. 

weiter  von  den  jungen  trieben  des  frühjahres;  das 
gruen  umlautlos,  allg.  in  obd.  maa.  s.  grün,  form  l, 
sp.  6i0;  im  eis.  masc.:  im  früejohr,  wenn  der  gruen 
kummt  Martin-Lienh.  l,  276%  vgl.  Sghmeller  l,  lOOl; 
Weinhold  schles.  3i*;  Gretchen  küszte  das  erste  gr. 
und  betaute  es  mit  ihren  thränen  Hippel  lebensl.  8,1,6; 

die  felder  decken  sich  mit  neuem  grün 

Schiller  13,  258  G. ; 

das  junge  grün  empfängt  die  blühnden  glieder 

Droste-Hülshoff  Walther  (1879)  202; 

\^yl.  schon  groen  herba.  olus,  gramen  Kilian  etym.  162; 
gr.,  grünes  kraut,  blühend,  herba,  olus,  gramen  virens 
Henisch  1761;  groin  n.  'grünes  futter'  Schambach  69*; 
sonst  in  dieser  bedeutung  grünes,  das  grüne  (s.  u.  659); 
jung  grön  'frische  gartenkräuter'  Dähnert  162";  sprich- 
wörtlich: das  schönste  gr.  wird  auch  heu  Sailer  weish. 
a.  d.  gösse  62. 

c)  ungewöhnlicher  ist  die  Substantivierung  bei  der  be- 
deutung II  A  1  'lebensvoll,  blühend': 

ich  verwelke  schon 

in  bester  Jugend  grün     Herder  24,  414  S.; 

im  grün  der  Jugend  flammte  hoch  der  muth 

F.  Schlegel  Athen.  3, 1; 

vnit  der  farbvorstellung  zusammenlaufend : 

ach  möchte  doch  .  .  .  der  hofnung  geistig  grün 

die  frohe  seele  zieren  Brockes  5,  31; 

wie  die  rosengluth  und  das  frische  gr.  seiner  gesund- 
heit  unter  den  gelben  maroden . . .  glänzt  Jean  Paul  22, 
37  R.;  m,undartlich  besser  bewahrt:  ein  kranker  hats  gr. 
wieder  erreicht  Fischer  schwäb.  3,  869;  ins  grüen  gseh 
'noch  ettoas  trost  und  hoffnung  haben'  Staub -Tobler 
2,  749;  zu  grün  kommen:  er  is  . .  .  wieda  zgroan  kemma 
RoSEGGER  tannenh.  u.  ficht.  143. 

d)  einzelnes:  im  16.  jh.  als  name  verschiedener  krank- 
heilen,  z.  th.  umdeutung  von  grien  *.  dort  sp.  264;  dar- 
umb  müsz  der  bischof  dick  .  .  .  purgieren,  dann  es  ist 
für  das  gr.  gut  sat.  u.  pasqu.  3, 190  Schade;  das  gr.  der 
kinder  ist,  wann  sie  bin  st  gesogen  haben,  so  gewinnen 
sie  grosze  krimmen  und  reiszen  im  leib,  un  gehet  grüne 
materi  im  stulgang  hinweg  Tabernämontanus  kräuterb. 
427 ;  für  giftstoffe  s.  adj.  II  b  l  c  und  grüne  /. ,-  virosus 
vol  griensz,  gifts  Diefenbagh  622'»;  rotw.  grün  =  silber- 
werck  (i687)  Kluge  rotw.  167  (vgl.  169). 

2)  schwache  flexion  nach  dem  artikel:  das  grüne; 
da  bis  in  das  18.  jh.  hinein  auch  das  grün  schwach  flectiert 
werden  kann  (vgl.  Adelung  lehrgeb.  l,  660),  bleibt  in 
älteren  belegen  die  Zugehörigkeit  der  obliquen  formen 
doppeldeutig. 

a)  das  grüne  als  die  grüne  färbe  schlechthin  bis  in 
das  18.  jh.  Tnöglich: 

dat  grone  dat  is  en  herdent  lank; 
alle  dat  lichte  grone  untspringet .  .  . 

nd.  Jahrb.  28,  136; 

das  lob  (laub  der  Spielkarte)  an  dem  griennen  wol  zu- 
sehen ist  (ig.  jh.)  nach  Fischer  schwäb.  3,  868;  die  vier 
färben  ...  die  vier  j  ahreszeiten  bedeuten  als  das  grüne 
den  früling  Harsdörfer  frauenz.  gespräclisp.  4,  850; 

wie  sich  der  sonnen  gold  in  ihnen  {den  blättern) 
mit  dem  so  zarten  grünen .  .  .  {verbindet) 

Brockes  2,  301 

(der  nominat.  bei  Brockes  durchaus  das  grün !) ;  wodurch 
jede  art  dieses  grünen  von  den  andern  abzusondern 
MOSER  *.  w.  1,  415;  so  noch  bei  Göthe:  das  grüne  der 
Weinflaschen  entsteht  II  l,  218  W.,  vgl.  II  1, 187  u.  2,  226; 
in  gegenwärtiger  spräche  nur  noch  in  bestimmten  verb- 
IV.  1.  6. 


Verbindungen  üblich:  die  sache  . . .  schiene  ihm  ins  grüne 
zu  fallen  Just.  Moser  *.  w.  4,  62; 

die  Schmeicheläuglein  spielen  ins  grüne 

Heine  w.  2,  36  E. ; 

ein  goldener  säum  verliert  sich  .  .  .  ins  grüne  S.  Gesz- 
NER  sehr.  (1765)  3,  146;  so  auch:  die  färbe  hat  einen 
stich  ins  grüne;  gelegentliche  concretisierungen:  das  grüne 
am  kupfer  verde  di  rame  Kramer  teutsch-ital.  1,672'»; 
nimm  drey  gute  bände  voll  das  grüne  von  den  wel- 
schen nüssen  J.  Walther  pferde-  u.  viehz.  (1658)  150. 

b)  in  der  anwendung  auf  vegetatives  grün  ist  nur  die 
präpositionale  fügung  ins  grüne,  im  grünen  seit  dem 
älteren  nhd.  breit  entfaltet;  zuweilen  in  begrenzterem  sinne 
'grasboden':  (Siegfried)  legte  sich  ein  wenig  . . .  ins  grüne 
volksb.  V.  geh,  Siegfr.  85  ndr.;  dasz  sie  einander  nicht 
ins  grüne  legeten  theatr.  amor.  l,  182; 

setzt  er  sich  neben  ihr  ins  grüne 

Pfeffel  poet.  vers.  2, 166; 

so  auch:  er  hat  sein  Schäfchen  aufs  grüne  gebracht 
Körte  sprichw.  377;  vgl.  das  grüne  grüne  weide  Fischer 
schwäb.  3,  868;  und  ihre  zwey  pferdgen  im  grünen  her- 
umb  weiden  lieszen  Weise  drei  kl,  leute  134;  befahl  da- 
selbst im  grünen  das  mittagsmahl  anzurichten  Schütze 
hist.  rer.  pruss.  1,  E  4»;  es  paaret  sich  alles  im  grünen 
(in  den  bäumen)  und  auf  der  erde  maler  Müller  1, 
210  Heuer;  das  niedrige  still  im  grünen  gelegene  baus- 
chen Gutzkow  ges.  w.  l,  178;  mit  Vorliebe  ganz  allgemein 
'in  die  grüne,  freie  natur':  item  dat,  wenn  de  kinder 
yntt  groene  gan  (vgl.  sp.  655)  Hambg.  schulbest.  v.  1569, 
zeitschr,  f.  hambg.  gesch.  11,  269 ; 

fort  ins  grühne  grühne  güng 

Zesen  Rosemund  17  ndr,; 


und 


die  kinder  ...  in  das  grüne  führen  Schupp  sehr. 
918;  ich  ging  vor  die  stadt  ins  grüne  Stifter  l,  127; 
da  will  jedermann  ...  im  grünen  spatzieren,  im  grünen 
essen  und  oft  im  grünen  schlafen  K.  Scheidt  lobr.  v. 
w.  d.  meyen  88  Strauch,  vgl.  I  b  «; 

es  ist  zeit  hienausz  zue  schawen, 

und  sich  ...  in  dem  grünen  zue  ergehn 

Opitz  poeterei  26  ndr. ; 

ein  gang  im  grünen  Hölty  ged.  106  Halm; 

mit  dem  wünsch  alle  .  .  .  nach  überstandnem  winter 
im  grünen  zu  sehen  Göthe  IV  29,  3;  sie  (die  bäuerin) 
untersteht  sich  sogar,  im  grünen  zu  gebären  Treitschkk 
hist.  u.  pol.  auf  Sätze  l,  477;  seltener  mit  anderen  Präpo- 
sitionen: under  dem  grienen  in  der  kiele  zu  spacieren 
ScHiCKHARDT  154  Heyd;  (ein  lachen)  das  rings  aus  dem 
grünen  tönte  G.  Keller  ges.  w.  6,  67; 

wenn  er  nun  durchs  grüne  drauszen  reist 

RüCKERT  w.  3, 125 ; 

auf  die  frische  luft,  auf  das  grüne  ...  ist  sie  ganz  er- 
picht samml.  v.  schausp.  (Wien  1764)  l,  3;  daneben  auch 
in  anwendungsformen,  für  die  heute  das  grün  (s.  l  b) 
geläufig  ist,  aber  je  später  je  ungewöhnlicher:  kieme  .  .  . 
ist  das  grüne,  so  aus  dem  körnlein  wechset  Gueintz 
dtsche  rechtschr.  89;  öfter  bei  Göthe: 


unter  des  grünen 
blühender  kraft 


1,81  W.; 


nur  das  grüne  fehlt  hier  dem  frühling  IV  9,  204;  auch 
nd.  ganz  gewöhnlich,  für  das  mnld.  vgl.  Verwijs-Ver- 
DAM  2,  2154;  dat  gröne  der  wischen  Chyträus  (1586)  50; 
t  gröne  brekt  üt  Doornkaat-Koolman  l,  695»;  daher: 
int  gröne  gaan  ins  feld  gehen  Dähnert  162*;  termino- 
logisch: Jungfer  int  gröne,  name  des  Schwarzkümmel 
(nigella  damascena)  Mensing  2,  494,  sonst  dierndel  im 
grünen  Fischer  schwäb.  3,  869  u.  s.  w.,  vgl,  Pritzel- 
Jessen  247,  s.  grete  3  a  (sp.  20i);  das  grüne  am  schiff 
(sonst  auch  hart)  'die  grünen  .  .  .  gewächse,  die  sich  .  .  , 
an  den  boden  des  schiffes  festsetzen'  Bobrik  seewb.  820»; 
älternhd.  auch  im  sinne  des  gebrauchs  3,  doch  anschei- 
nend nur  in  einer  bestimmten  Verwendung :  in  das  grüen 
stellen  die  pferde  mit  grüner  gerste  purgieren;  weyl  sie 
(die  pferde)    so   lang   das    grüen   (apocopiertf)   geessen; 

42 


659     GRÜN  III  isubatantivierungen  A  8,  B)  —  IV  1 

wann  mans  hernach  ausz  dem  grüenen  nimpt  Seuter 

hippiatr.  (1588)  92;  vgl.  die  grüne  geben  («.  u.). 

3)  artikelloser  gebrauch  der  pronominal  flectierten  form: 

grünes;  seit  alters  von  vegetativem  grün: 

{die  heuschrecken  fraszen)  swaz  grünes  indir  was, 

ez  wsere  holz  oder  gras  Milst.  exod.  149,  1  Diemer; 

noch  kein  grünes  keimet  erste  dtsche  bibel  4,  227 ;  nichts 
griens  mag  wachsen  do  Fel.  Faber  pilgerb.  22  Birl.,- 
ein  rund  lustheusle . . .  mit  grienem  überwachsen  Schick- 
HARDT  164  Heyd; 

die  mit  blumen  auf  dich  streiten 
und  mit  grünem  ganz  bespreiten 

F.  Fleming  1,  347  L.;  vgl.  511; 

man  sieht  nichts  grünes,  keinen  bäum 

GÖTHE  14,  89  W. ; 

nun  wurde  die  forelle  aufgetragen,  mit  grünem  bekränzt 
G.  Keller  gea.  w.  6, 16;  die  formel  dürres  und  grünes 
(s.  sp.  644)  im  sinne  'alles':  die  schrift  versagt  inen  durrs 
und  grünes  S.  Frangk  bei  Fischer  schwäb.  2,507;  dürres 
und  grüenes  versagen  aqua  et  igni  interdicere  Henisch 
1762;  hauptgebrauch:  vegetabilien  als  nahrungsmittel:  auch 
grünes  .  .  .  verzehren  sie  {die  krähenraben)  Naumann 
nat.  d.  Vögel  2, 60 ;  entweder  gemüse,  grünzeug  für  die  küche, 
Suppengrün,  gewürzkräuter  u.  dgl.  oder  grünfutter  fürs 
vieh:  item  den  hauszdiern  wer  in  auf  .  .  .  frisch  grienesz 
{frisches  gemüse)  oder  düers  .  .  .  leicht  (I6.  jh.)  österr. 
weisth.  6,  266,  34;  an  den  festtagen  hat  sie  nichts  anders 
zu  machen,  als  .  .  .  ein  grünes  und  eine  mehlspeis 
samml.  v.  schausp.  (1764-69)  6,64;  will  er  wieder  grünes 
vom  markt  einholen?  Wacken roder  herzenserg.  (1797) 
254;  einrichtungen  ,  .  .  um  .  .  .  etwas  grünes  wie  gemüse 
zu  ziehen  Ritter  erdkde  5,  593;  mundartlich  hd.  und 
nd.  sehr  verbreitet:  obd.  neben  ein  grünes  sogar  das  grüns 
für  Suppengrün,  gemüse  Sghmeller-Fr.  l,  1002;  Staub- 
ToBLER  2,  749;  für  kräuter,  gemüse  und  futter  ebda, 
Fischer  schwäb.  3,  869;  Martin-Lienh.  i,  276;  Mensing 
2,  494;  rheinisch:  grünes  gelüsten  nach  grünfutter  lust 
haben,  dann  übertragen:  'keinen  verstand  haben'  {wie  das 
vieh)  lux.  ma.  153 '»;  vgl.  schon:  es  gelüstet  ihm  etwas 
grünes  gli  viene  voglia  di  qualche  cosa  verde,  cive  una  voglia 
strana,  curiosa,  impertinente  Kramer  teutsch-ital.  1,572'*; 
anders:  gröns  belöste  auf  eine  sache  nicht  eingehen  Honig 
69*;  übertr.  bedeutungen:  gröngs  'etwas  unzeitiges,  albernes' 
MÜLLER -Weitz  Aach.  ma.  75;  grüens  'vorteil,  gewinn' 
Staub-Tobler  2,  750;  selten  von  anderen  als  pflanzlichen 
objecten : 

davon  er  nu  grünes  trait  (d.  h.  grünes  gewand  trägt) 

lieders.  1,153  Laszberg; 

sein  gläschen' grüns  {likör)  Gotthelf  bei  Staub-Tobler 
2,  750. 

B.  das  masc.  der  grüne,  ein  grüner  vielfach  in  volks- 
mäsziger  spräche  von  grün  uniformierten  Soldaten,  Poli- 
zisten, auf  Sehern  u.  a.,  vgl.  grünrock,  grünspecht;  die 
grüne  zu  pferd  (i792)  Schmeller-Fr.  l,  1002;  Staub- 
Tobler  2,750;  Fischer  schwäb.  8,868;  Müller-Frau- 
reuth  1,  446^;  zs.  f.  dtsche  wortf.  3,  94;  neuerlich  die 
Schutzpolizisten  {in  Berlin  und  anderorts);  'der  teufeV 
{als  Jäger)  Schmeller-Fr.  1,  1002  {s.  sp.  654),  vgl.  grün- 
mantel;  der  grüne  gesellsehaftsname  im  palmenorden 
Neu  MARK  neuspr.  teutsch.  palmb.  (I668)  238;  nach  grün 
II  A  2  a,  der  grüne  =  'rekrut'  Imme  sold.  spr.  14;  seltener 
von  grünen  thieren:  'grünspecht'  Staub-Tobler  2,  750; 
'grüne  eidechse'  Lexer  kämt.  125 ;  für  einen  wein  Pritzel- 
Jessen  448. 

IV.  grün-  ist  als  compositionsbestandtheil  in  zahlreichen, 
zumeist  jüngerer  spräche  angehörenden  bildungen  vertreten, 
die  theils  gelegentliche  {poetische),  theils  fachsprachlich- 
terminologische  oder  alltagssprachliche  Zusammensetzungen 
darstellen;  die  folg.  Übersicht  der  compositionatypen  no- 
tiert nur  die  weniger  entwickelten  Wörter,  ausgebreitetere 
8,  an  aiphabet,  stelle. 

1)  adjectiva. 

a)  grün-  vor  einem  zweiten  adj.  der  farbbezeichnung, 
entweder  angebend,  daaz  die  hauptfarbe  ins  grüne  spielt, 
seltener,  dasz  die  betr.  sache  beide  färben  nebeneinander 


GRÜN  IV  {compositionstypen  l) 


660 


aufweist,  läazt  sich  nicht  vor  dem  16.  jh.  nachweisen,  s. 
grünblaulicht,  -gelb,  -schwarz,  -weisz  an  alph.  stelle;  im 
ganzen  jünger  sind:  grüngrau:  eine  kleinere  art  {von 
äffen)  gr.  mit  rothem  gesiebt  Ritter  erdk.  8,  768;  ent- 
sprechend: die  ...  rispe  ...  ist  grüngraulicht  v.  Schlech- 
tendal  flora  v.  Btschl.^  7,  197 ;  du  und  dein  grüngräu- 
licher mantel  Eighendorf  s.  w.  2,  496;  -purpurn:  unter 
ihrem  {der  wellen)  grünpurpurnen  gewölbe  Göthe  49, 
108  W.;  anders  zu  fassen  als  verkürztes  'grün  %oie  ein 
Saphir':  -Saphiren:  bald  gleichet  es  dem  grünsaphieren 
faden  Harsdörfer /rawen«.  gesprächap.  6,841;  -silbern: 
grünsilberner  haare  bebüschung  {von  weidenbäumen) 
Vosz  a.  ged.  2,  198;  ala  gelegenheitsbildung  statt  'sma- 
ragdgrün' -smaragden:  es  trägt  die  grünsmaragdne 
spange  bluten  Platen  1.  anh.  nr.  42  R.;  auch  tricom- 
posita  -grau weisz:  die  blütenköpfe  sind  ...  gr. 
V.  Schlechtendal  flora  v.  Dtschl.  29,  808;  -glänzend- 
schwarz Naumann  naturg.  d.  vögel  11,  756;  -asch- 
farbig allg.  haush.  lex.  (1749)  1,  118;  technisch:  -stich- 
blau:  man  unterscheidet  ...  ein  gr.  ...  und  ein 
rothstichblau  Muspratt  chemie  8,  807. 

b)  grün-  mit  einem  adj.  zusammengerückt,  der  bedeutung 
des  zweiten  adj.  den  f arbbegriff  beifügend,  schon  im 
il.jh.  nicht  selten:  -blank  Sghottel  88;  -blasz  {von 
einer  person)  Viebig  schlaf,  heer  1,  163;  -bunt:  dieser 
grünbunte  teppich  Fouque  jahreaz.  1, 6;  in  älterer  spräche 
gern  suffixal  erweitert:  mit  einer  neuen  grünbuntlichen 
dekke  S.  v.  Birken  forts.  d.  pegn.  (i645)  4;  -dick:  die 
gründicke  {dichte)  laube  Hippel  lebensl.  2,  265;  -dunkel: 
auf  den  gründunkeln  gipfeln  Jean  Paul  w.  48,  148  H.; 
-düster:  in  diesen  gründüsteren  hallen  J.  Mosen  s.  w. 
8,  871;  -flüssig  {s.  auch  unter  c):  das  grünflüssige  gold 
{des  Weines)  gespr.  m.  e.  grobian  (1687)  131;  -gläntzicht: 
mit  seinen  schönen  grünglänzichten  . . .  blättern  v.  Hoh- 
BERG  georg.  cur.  (1682)  1,  523;  -hell:  über  den  grünhellen 
Spiegel  der  Donau  Fouque  zauberr.  s,  182;  -länglicht: 
ein  grünlänglichtes  blatt  Bräker  s.  sehr.  (1789/.)  2,  137; 
-luftig:  in  diesem  grünluftigen  schatten  B.  Weber 
cartons  ib;  -saftig:  ein  grünsaftiger  wiesengrund  Kürn- 
B  ERG  ER  nov.  2,  192;  -spitzig  {von  einer  blattform) 
Schlechtendal  flora  v.  Btschl.^  29,  222. 

c)  grün-  mit  Substantiven  zusammengesetzt,  die  durch 
-ig,  -icht  adjectiviert  sind;  grün-  gibt  hier  die  farbqualität 
dea  adject.  subst.  an;  bereits  im  16.  jh.  bezeugt,  aber  meist 
jüngere  bildungen:  grünaderig  Rohling  Btschl. flora 
1,  355;  -ästig:  mit  grünästigen  bäumen  H.  Lew^enklaw 
chron.  türck.  nation  (1590)  465,  schon  im  n.jh.  häuflger: 

die  güldene  sonne  beleuchtet  die  weit, 
begläntzet  der  bäumen  grünästiges  zeit 

Harsdörfer  Diana  (1661)  2, 121; 

•  beerig  Metzger  pflanzenk.  642;  -beinig  {vom  Wasser- 
huhn) Oken  allg.  naturgesch.  7, 70;  -blättrig:  von  einem 
grünblättrichten  baumzweige  G.  Treuer  dtsch.  Dädal. 
(1675)  1,  140;  die  grünblättrige  pflanze  Muspratt  chemie 
4,1521;  -blumig  Rohling  Dtschl.  flora  5,  225;  -blutig 
Schlechtendal  flora  v.  Btschl.  2,  134  taf.  158  II;  -bu- 
schig: grünbuschige  inseln  G.  Etzel  John  Keats  ged. 
72;  -dämmerig: 

,  .  .  brannte  das  lämplein 

hinter  dem  taftenen  schirm  gründämmerig 

Vosz  ged.  2,  14; 

-dornig:  {sie)  brach  einen  grün-  und  weichdornigen 
zweig  Jean  Paul  ll/l4,  351  S.  anders  -duftig:  so  ... 
gr.  ...  er  dergleichen  stellen  auch  coloriert  Göthe  24, 
368  W.;  -flüssig  (*.  auch  a):  ein  spath-  und  grünflüs- 
siger .  .  .  gang  (1727)  Wttbg.  jahrb.  1910  «.856;  -füszig: 
grünfüsziger  strandläufer  Naumann  naturgesch.  d.  vögel 
8,  59;  -glasig:  die  grünglasige,  dicke  bouteille  Fontane 
II  5,  100;  -gliedrig:  grüngliedrige  heupferdlein  Ro- 
SEGGER  achr.  (1895/.)  11,  210;  -hosig:  frosch,  grünhosiger 
gesell  Brunner  erzähl,  u.  achr.  1,  267  nach:  grünhosende 
frösch  A.  A  ST.  Clara  mercka  Wien  41;  vgl.  grünhöslete 
frösch  J.  V.  Neiner  tändlmarckt  (1784)  136;  -kielig: 
alle  Spelzen  sind  . . .  gr.  Schlechtendal /Jorav.  Btachl. 
6,  113;  -kieszig:  dieses  metallertz  wird  in  schieferigen 
fl'ötzwercken,  das  grünkieszig  ist,  gewürcket  Valentinüs 


661 


GRÜN  IV  (compoaitionstypen  2) 


GRÜN  IV  (cotnpositionatypen  2) 


662 


chim.  sehr.  (1677)  2,  191;  -köpfig:  grünköpfige  eichen- 
raupe Brehm  thierl.  9,  410;  -laubig:  gr.  gesprosz  Vosz 
odyss.  16,  49  B.;  -nachtig:  nun  dunkelt  es  gr.  von 
dichten  .  .  .  tannen  Federer  berge  u.  menschen  (l91l) 
282,  vgl.  *p.  642;  -ra sieht:  auf  den  grünrasichten  reinen 
anhöhen  Gleim  briefw.  l,  445;  -rindig  Ratzeburg 
Waldverderbnis  2,  315;  technisch:  -rostig  (s.  grünspanig) 
Beil  techn.  wb.  l,  265;  -schalig:  alle  grünschaligen 
samen  Schwerz  pract.  ack.  467;  die  grünschaalichte 
(Schildkröte)  allg.  deutsche  bibl.  94,  161;  -Schild  er  ig: 
von  . . .  grünschilderigen  federn  v.  Göchhausen  notab. 
venat.  (I74l)  85;  -schilfig:  vom  grünschilfigen  sumpfe 
Vosz  s.  ged.  (1802)  2,  242 ;  grünschilficht  3, 120 ;  -  s  c  h  i  m  m  ■ 
licht:  ein  fast  schwarz  und  grünschimmlichtes  stück 
(alterthum)  Gottsched  neuest,  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  i, 
408;  -schlammig:  sein  grünschlammiges  bett  (vom  see) 
fürst Pückler-Muskau  südöstl. bilders. 3, S98;  -schlei- 
mig: ...  zwischen  dem  grünschleimigen  entengries 
V'PBiG  d.  schlaf,  heer  1,14;  -stämmig:  die  grünstämmige 
blumenwaldung  Jean  Paul  7,  177  E.;  -strahlicht 
Stieler  2187;  -streifig  Campe  2,  477  u.  -striemig 
Sghottel  84;  vgl.  so  werden  sie  (die  citronen)  gelb 
und  grünstreimet  Schnurr  wunderbuch  (i657)  152; 
-talig:  das  grüntalige  Erin  schottert  von  meer  zu  meer 
J.W.Petersen  Ossian  (1782)  323;  -waldig:  am  grün, 
waldigen  säume  H.  Köhler  geg.  d.  ström  (i88l)  99- 
-wogig:  den  grünwogigen  stillen  ström  Kinkel  erz.  27l| 

d)  grün-  in  Verbindung  mit  einer  durch  en  adjecti- 
vierten  Stoffbezeichnung;  seit  dem  17.  jh.  gebräuchlich: 
grünatlassen:  in  grünatlassener  weste  Jean  Paul 
w.  20/23,  61  H.;  -damasten:  in  einem  gründamastnen 
Schlafrock  Göthe  27,  86  TF.,-  -gläsern:  der  grüngläser- 
nen weinbecher  Zsghokke  s.  ausg.  sehr.  27,  63;  -leinen: 
ein  grünleinenes  tuch  fürst  Pückler-Muskau  tutti 
/r.  2, 104;  -marmorn:  auf  einen  grünmarmornen  grenz- 
stein  Jean  Paul  w.  £9,  33  H.;  -papiern  v.  Gaudy  s. 
w.  18,  67;  -plü sehen:  in  ...  grünplüschenen  hosen 
Jean  Paul  42/43,  49  H.;  -sammeten:  desz  waasen 
grünsammeten  töppich  A.  a  st.  Clara  Judas  1,  19; 
-satinen:  in  grünsatinem  kleid  Harsdörfer /rawen^. 
gesprächsp.  7,  xxvii'';  -tafften:  mit  einer  grüntaff- 
tenen  schürze  Jean  Paul  8,  204  H.;  -tapeten:  den 
grüntapetnen  pavillon  Platen  2,  141  i?.,-  -tuchen:  in 
seiner  grüntuchenen  jagdjacke  J.  Mosen  a.  w.  7,  66. 

e)  selten  ist  die  Zusammensetzung  von  grün-  in  der 
bedeutung  I  B  2  oder  II  A  1  mit  sinnverwandten  adjectiven, 
als  Intensivierung  empfunden:  grünfrisch:  so  grün- 
frischpoetisch  sah  der  bursche  aus  Laube  ges.  sehr.  8, 
199;  -kräftig:  gleichwol  das  alter  ihm  als  gott  grün- 
kräftig war  M.  Schirmer  Virgil  (1668)  279;  mehr  zu  b 
neigend  -lebendig:  in  den  grünlebendigen  hainen  Tiegk 
sehr.  (1828)  4,  215;  -vergnügt:  die  bäume  glänzten  so 
gr.  Heine  5,  122  E.,-  im  sinne  IB2(?):  -wachs  'scharf 
von  geschmack'  ünger-Khull  Sil''. 

2)  participia  präteriti. 

a)  composition  mit  einem  zumeist  schon  als  adj.  emp- 
fundenen partic.  prät.,  bei  der  grün  im  sinne  von  I  A  des 
adj.  die  pflanzlich  grüne  qualität  des  im  verbum  steckenden 
subst.  charakterisiert  oder  substantivisch  wie  Alb  an- 
stelle einer  präpositionalen  Verbindung  'mit,  vo7i  grün' 
(selten  statt  eines  gen.)  das  handlungsmittel  ausdrückt; 
seit  dem,  17.  jh.,  besonders  in  poetischen  bildungen  reicher 
entwickelt,  vgl.  grünbelaubt  an  alph.  stelle;  grünbe- 
blumt,  -geblümt:  die  grünbeblumte  bahn  Hars- 
Dörfer  frauenz.  gesprächsp.  6  C  c  3";  die  natur  sasz 
auf  einem  grüngeblumten  stule  Lohenstein  Arminius 
(1689)  1,  1403'';  -bebuscht:  vom  grünbebuschten  ranft 
V.  Wessenberg  *.  dicht.  2,  134;  -bedeckt:  auf  den 
grünbedeckten  seeboden  Ritter  erdk.  13,  256;  -be- 
hangen: 

auf  grünbehangnen  burgaltanen 

GKAF  Strachwitz  ged.  160; 

-bekränzt:  heran  den  grünbekränzten  hohlweg  Fou- 
QUE  reiseerinn.  1,  25;  -bekräutert:  grünbekräuterte 
thäler  Vosz  nach  Campe  2,468*';    -beraubt: 

diese  buche  grünberaubt     Rückert  w.  2,  606; 


•beschilft: 

den  grünbeschilften  Asopos 

BÜRGER  «.  w.  217  B.; 

-bewachsen:  zu  einem  grünbewachsenen  hügel  Ni- 
colai Sebald.  Nothanker  3, 105,  vgl.  Ludwig  teutsch-engl. 
lex.  SIT,  -beziert,  -geziert:  der  grünbezierten  gärten 
Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  7,  xxvii''; 

in  den  grüngezierten  auen 

Knittel  poet.  sinnenfr.  9  absond.  buch; 

-  b  e  z  w  e  i  g  t :  grünbezweigte  lust-  und  spatziergänge 
Francisgi  luftkr.  (168O)  85;  -geschmückt:  die  erde 
gr.  Denis  lieder  Sineds  84,6;    -gewölbt: 


unter  grüngewölbter  nacht 


-umbuscht: 


Vosz  8.  ged.  6,  217; 


im  klaren,  grünumbuschten  quell 

Hoffmann  v.  Fallersl.  ges.  sehr.  7,  219; 

-umgeben:  die  grünumgebnen  hütten  Göthe  14,  55  W.; 
•umhegt:  im  grünumhegten  haus  Droste-Hülshoff 
w.  (1879)  1,  858;    -umschränkt: 

um  den  grünumschränkten  plan 

Göthe  15,  1,  4  W. ; 
•umwachsen: 

du  kleine,  grünumwachsene  quelle 

Claudius  s.  w.  1/2, 154; 

-umwölbt:  ein  grünumwölbtes  Wetterdach  Hoffmann 
V.  Fallersleben  ges.  sehr.  2,  85;  -verschattet:  ein 
grünverschattetes  pfarrhaus  Eichendorf  *.  w.  2,  694; 
-verwachsen:  in  einer  .  .  .  grün  verwachsenen  laube 
ebd.  8,  72; 

b)  stark  enticicktlt  sind  Zusammensetzungen  adjecti- 
vischen  Charakters,  in  denen  grün  die  färbe  des  im  ver- 
bum liegenden  subst.  bezeichnet  oder  selbst  substantivisch 
als  'grünes  farbmittel,  grüner  stoff'  (vgl.  A  1  a)  gefaszt 
wird;  grünangestrichen  Hirsghfeld  theorie  d.  gar- 
tenk.  (ili^ff.)  5,235;  -ausgeschlagen:  mit  ...  grün- 
ausgeschlagenen braunen  Jacken  Steub  drei  sommer  in 
Tirol  1,  400;  -bebändert:  grünbebänderte  hüte  Ro- 
segger  sehr.  II  12,  107;    -behaart: 

frühlingikäme  grünbehaart 

Platen  w.  1  anh.  99  R. ; 

-behangen:  auf  dem  grünbehangenen  tische  Gutz- 
kow zaub.  V.  Rom  9,  199;  -bekleidet,  -gekleidet: 
ein  .  .  .  grünbekleidter  Jüngling  Harsdörfer  frauenz. 
gesprächsp.  7, 53;  grüngekleideten  närrinnen  Lohenstein 
Arminius  1,  470";  -bezogen:  grünbezogene  billards 
Gutzkow  rttter  v.  geiste^  4,  257;  -eingebunden:  ein 
. . .  grüneingebundenes  notenbuch  Fontane  v.  d.  stürm 
2,  207;  -geäugt:  dem  grüngeaugten  Scheusal  Shake- 
speare (1855)  9,  199;  -gefärbt:  im  grüngefärbten  kleide 
Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  1,68;  -gefleckt  allg. 
dtsche  bibl.  iio,  283;  -gemalt:  grüngemalte  dächer  Rit- 
ter erdk.  3,  228;  -gepolstert  Rosegger  sehr.  II  19,  71; 
-gerostet:  die...  grüngerosteten  glocken  Gutzkow 
ritter  v.  geiste  1,  13;  -geschuppt:  die  grüngeschuppte 
haut  V.  Maltitz  streif züge  60;  -gesprenkelt  B.  We- 
ber cartons  29;  -gestreift:  mit  grauen  .  .  .  grühn- 
gestreiften  bluszen  0.  Dapper  America  (1673)  213*;  -ge- 
strichen Gutzkow  ritter  v.  geiste  l,  280;  -gewirkt: 
in  einem  grün-  und  gold-gewirckten  kleide  Lohenstein 
Arminius  2,  1599 ";  -glasiert:  grünglasierte  kachelöfen 
v.  Lang  merkw.  reise  3,  75;  -lackiert  Mörike  w.  1, 
179  Göschen;  -marmoriert  (von  käse)  Th.  Mann  Bud- 
denbr.  (1910)  1,  249;  -poliert  Fontane  I  5,  284;  -punk- 
tiert Krünitz  173,  448;  -überzogen  Brunner  er^.  t«. 
sehr.  1,  99;  -verhangen:  in  einem  grünverhangenen 
eckzimmer  Gutzkow  zaub.  v.  Rom  9,  115;  -vermalt 
V.  Strombeck  darstell,  a.  m.  leben  l,  13. 

c)  zusammenrückung  des  adjectivs  grün-  (vgl.  adj.  1  b) 
mit  einem  adj.  partic.,  wobei  grün  die  farbqualität  des 
subst,  bestimmungswortes  angibt:  grünerstarrt:  aus 
einem  grünerstarrten  meer  von  eis  C.  F.  Meyer  ged. 
(1900)  94;  -geschlitzt:  aus  grüngeschlitztem  sammet 
Rückert  w.  (i867)  5,  85;    -gesenkt:  zu  der  alpe  grün- 

42* 


663 


GRÜN  IV  {compoaitionatypen  8.  4) 


GRÜN  IV  {compoaitionatypen  4) 


664 


gesenkten  wiesen  Göthe  16,  i,  6  W.;  -gewachsen:  in 
grüngewachsnen  gangen  Triller  poet.  betracht.  2,  219; 
-verschlungen:  wildnisz  grünverschlungener  ranken 
Eichendorf  a.  w.  8,  146. 

8)  participia  präsentia. 

meist  bestimmt  grün-  den  verhalbegriff  nach  der  chro- 
matischen Seite  hin:  grünansteigend:  {in)  sanften, 
grünansteigenden  weiden  Stifter  s.  w.  4,  i,  176;  -blin- 
kend: die  grünblinkenden  lichter  des  sees  8,  845; 
-blitzend:  die  grünblitzenden  äugen  Eichendorf  a. 
w.  2,  238;  -blühend:  terminologisch  Dietrich  flora  7, 
706;  -dämmernd:  ein  zimmerchen  —  vom  weinlaube 
gr.  Jean  Paul  w.  is/is,  278  Hempel;  -flutend:  grün- 
flutende wogen  V.  Scheffel  ges.  w.  (i907)  8,  8;  -fun- 
kelnd: wie  grünfunkelnde  stacheln  (von  aw^en)  E.  Th. 
A.  Hoffmann  s.  w.  6,  206  Gr.;  -glänzend:  die  brüst 
...  gr.  schwarz  Naumann  nat.  d,  vögel  7,  612;  bildlich: 
in  der  grünglänzenden  saftzeit  Jean  Paul  w.  ii/i4,  55 
Hempel;  -leuchtend:  mit  .  .  .  grünleuchtendem  zier- 
rath  Fouque  zauberr.  8, 15;  -prangend:  grünprangende 
auen  F.  Kind  ged.  4,  180;  -schattend  Fouque  alts. 
bilders.  2,  634;  -schillernd:  einen  grünschillernden 
schillerspat  allg.  dtsche  bibl.  104,455;  -spiegelnd:  das 
grünspiegelnde  tor  {des  sees)  Mörike  w.  8,  121  Göschen,- 
-spielend:  grün-  und  weiszspielende  blümlein  Hars- 
DÖRFER  frauenz.  gesprächsp.  4,  447;  {delphine)  mit  .  .  . 
grün-  und  goldspielenden  seilen  Göthe  31,  85  W.,  vgl. 
ins  grüne  spielen  sp.  658. 

4)  substantiva. 

a)  grün-  bestimmt  den  hauptbegriff  dahin,  daaz  er  sieh 
auf  pflanzliches  grün  bezieht;  meist  entspricht  grün  dem, 
aubst.  in  der  bedeutung  Alb;  als  adjectivisch  empfun- 
denes compositionselement  tritt  die  form  grüne  gelegent- 
lich auf:  grüne-sode  technischer  ausdruck  der  deich- 
bauer  BenzlEr  deichb.  1,181;  grünesuppe  Albrecht 
Leipz.  m,a.  126^;  auch  als  subst.:  bey  einer  lust-  oder 
grünefahrt  {d.  h.  'ins  grüne')  Scriver  aeelensch.  2,  109. 

grünanlagen:  junger  ausdruck  für  gärtnerische  an- 
lagen; -arbeit: '/eWarJeif'UNGER-KHULL8lO^;  -bauer: 
'gemüsebauer'  Kern-Wilms  Ostfriesl.  4,  vgl.  grönte- 
bür  Doornkaat-Koolman  l,  695'>;  -blütigkeit:  'ver- 
laubung'  {chloranthie)  Schneider  handwb.  d.  bot.  285; 
-bruch:  dann  haben  wir  ...  die  eckspitzen,  die  grün- 
brüche  und  anderes  Stifter  s.  w.  4,  i,  I7i;  -düng: 
düng  aus  lupinen  u.  a.  Schwerz  prakt.  ackerb.  32 ;  -dün- 
gung  Schneider  handwb.  d.  bot.  285;  abgeleitet:  -dün- 
gungspflanze  Metzger  pflanzenk.  123,  -düngungs- 
verfahren u.a.w.;  -erwecker  {poetisch  für  den  mai) 
Heinse  w.  3,  441  Seh.;  -fiedler  in:  das  gemeine  scheer- 
geiger-  und  grünfiedler-wort  Mattheson  kl.  generalbasz- 
schule  95;  -flächen:  junger  terminus  der  Städtebauer 
Lueger  lex.  d. ges.  techn.^  8,  727;  -gewölk  {poet.):  das... 
grüngewölk  der  ersten  belaubung  Stehr  drei  nachte^  S2; 
-glänz:  wiesen  im  frischen  gr.  Zschokke  *.  ausgew. 
sehr.  40,  217;  -gürtel  moderner  städtebaulicher  begriff, 
der  ring  von  gärtnerischen  anlagen  um  einen  stadttheil; 
-hecke:  hecke  aus  lebenden  sträuchern  grünhäg,  torn- 
häg  Henisch  1762 ;  -h  0  f  {grasgarten) :  viridarium  groenen 
hof,  groenhof  Kilian  ett/m.  162;  -hüter:  'feldhüter' 
Unger-Khull  811*  *.  österr.  weisth.  7,622;  -schwarte: 
grasdecke  der  deiche,  in  allg.  bedeutung  auch  'grasanger' 
Benzler  £?etc7t&.i,  181  ;v5r^gronswarden(v.  1384)  Schiller- 
Lübben  2,  152'';  -speise:  'gekochtes  gemüse'  Unger- 
Khull  Sil'»;  -stück:  der  mangel  einer  weiten  aussieht 
.  .  .  wird  .  .  .  durch  die  angenehmen  nahen  grünstücke 
ersetzt  Lichtenberg  verm.  sehr.  8,  899;  -zäun:  leben- 
diger zäun  8.  -hecke;  -zweig:  grunz wey  oder  ast  frons 
Maaler  194»  (Frisius  103":  grfinszweig). 

b)  grün-  erläutert  das  angeschlossene  subst.  in  den  be- 
deutungen  von  1  B  'unreif,  roh,  frisch';  meist  landwirt- 
schaftlicher terminologie  entstam.mend;  grünbier:  jung- 
bier,  das  bier  vor  der  nachgärung  Brockhaus'*  8,  445"; 
-ilachs:  roher,  ungerösteter  flachs  Gisevius  landw.  lex. 
2,  247**;  -fleisch:  friscJies  rindfleisch  A.  Wrede  rhein. 
volksk.  143  {vgl.  ap.  648),  gryenfleisch  schon  Mainz,  hof.  22 
Michelsen;     -getreide:  in  unreifem  zustande  gemähtes 


getreide  Gisevius  landw.  lex.  1,  459";  -hafer:  unreifer 
hafer  Schwerz  prakt.  ackerb.  476;  -hering:  grüner, 
frischer  hering  {a.  sp.  648)  Mi  meckl.  28;  -kern:  auch 
grünkorn,  'graupen  von  unreifem  dinkeV  Gisevius  landw. 
lex.  1,459;  -lein:  über  siebzig  {zentner)  grünlein  KOrn- 
berger  nov.  1,149;  -mais:  unreifer  mais  Schwerz 
prakt.  ackerb.  473;  -raps  Gisevius  landw.  lex.  1,  460''; 
-reife  'milchreif e.  reifezustand  des  getreides  vor  der  gelb- 
reife' 1,  460'';  -roggen  Schwerz  prakt.  ackerb.  476; 
-rübsen  Gisevius  1,  460'';  -senf  ebd.;  -vieizen  ebd.; 
-wicke  Schwerz  prakt.  ackerb.  294. 

c)  reich  entwickelt  sind  zusam,mensetzungen  in  appel- 
lativen  bestimmungen,  durch  die  meist  aus  einer  gruppe 
von  dingen  eine  durch  grüne  färbe  charakterisierte  abart 
ausgesondert  wird;  besonders  gern  terminologisch  in  fach- 
sprachlichen ausdrücken  der  naturwissenschaften  und 
volksthümlichen bezeichnungen ;  gr ünaf f  e ^ritwe  meerkatze 
cereopitecus  sabaeua  Brehm  thierl.^  i,iS8;  -alge  chloro- 
phyaea  Meter  iex.' l,  843;  -apfel  Diefenbach  nou.  ^Z. 
244*»;  -birne  art  mostbirne  Unger-Khull  310'';  art 
winterbergamotte  Nemnich  wb.  d.  nat.  212;  -blume  Diet- 
rich flora  3,  61;  -böcklein  'art  des  afterbockkäfers' 
leptura  virens  Schrader  dtsch-franz.  wb.  1,  579;  -dorn: 
durch  gründornen  eingehegt  Brehm  thierl.^  5,  568;  -edel 
weinsorte  {eis.)  Metzger  |?/?anzenÄ;.  914;  -eder,  m,.,  sma- 
ragdeidechse  lacerta  viridis  {rheinische  bezeichnung)  Brehm 
thierl.^  7,  141;  -eiche  quercus  robur  Holl  wb.  dt.  pfl. 
136'' ;  -  e  i  d  e  c  h  s  e :  gruneidex  lacerta  viridis  voc.  rei  numm. 
(1552)  C  7*;  -erle  alnus  viridis  Sghlechtendal  ^ora 
10,  122;  -ewig  'epheu,  Wintergrün'  {hess.)  Vilmar  idtoi. 
139,  vgl.  Pritzel-Jessen  282  pirola,  ebd.  139  vinca  minor; 
•ewig  wohl  =  eppich  s.  th.  3,  680  u.  Pritzel-Jessen  177; 
-feste  chlorocrepia  Prahn  pflanzennam.  19;  -frosch 
ranocchia  verde  gialla  Kramer  teutsch-ital.  1,426  c;  der 
ehrliche  grünfrosch  Allmers  marschenb.  1/2, 112;  -gang- 
fisch:  grüngangfisch  albulae  nobiles  {auch  gangfisch) 
Faber  thes.  (1587)  lOia**  {aus  grundgangfisch  entstellt?); 
-hänfling:  grünfink{s.d.)  Schrader  dfecÄ.-/r.wJ.  1,581; 
-hühner:  blutfasanen  Brehm  <Äferi.*  7,  84;  -karpfen 
hornhecht  s.  grünknochen  Meyer  lex."^  5,  749;  -krähe 
coracias  garrula  Naumann  nat.  d.  vögel  2, 158,  als  grüne- 
krähe allg.  haush.  lex.  (1749)  1,  624;  -lilie  chlorophytum 
Prahn  pflanzennam.  19;  -otter  grüne  krötenotter  6,  478; 
-papagei  androglossa  Brehm  thierl.^  5,  284;  -reiher: 
butorides  virescens  ebd.^  6,  151;  -rinde  'das parenchym' 
unter  der  äuszeren  baumrinde  Ratzeburg  waldverd.  2, 
225;  -schaub  Metzger  pflanzenk.  869;  -schlänge 
philodryaa  viridissimus B reh m  thierl.^ 7, 333 ;  -Schnecke 
eine  pflanze,  cerinthe  minor  Pritzel-Jessen  88;  -Sper- 
ling eine  ausländische  sperlingsart  {in  Bahama)  Hein- 
sius  2,  559'';  -Spinner  eine  seidenraupenrasse  Brogk- 
hau s  1*  8, 468 " ;  - V  0 g e  1  =  grünflnk  Brehm  thierl.*  9, 425 ; 
-Wickler  der  eichenicickler  tortrix  viridana,  ein  Schmet- 
terling eida  9,455;  -zirpe  tettigonia  viridis,  zikadenart 
ebda  2,  162. 

d)  in  gleicher  Verwendung  auch  in  ausdrücken  der 
technischen  und  m.ineralogischen  fachsprache  und  anderen 
Tneist  appellativen  bezeichnungen  {selten  entspricht  grün- 
dem  subst.  in  der  bedeutung  A  1  a  wie  in  grünblind- 
heitBROCKHAUsi*s,  445«^;  -empfindung  Karmarsch- 
Heeren  techn.  wb.  5,  518). 

grünbad  grüne  färbelösung  Prechtl  techn.  enc.  11, 
52;  -bleierz  grüner  pyromorphit,  grünbleyerz  Pansner 
franz.-dtsch.  miner.  wb.  724;  -brand  ultramaringrün 
Lueger  lex.  d.  ges.  techn.  7,  765;  -buch  ausdruck  der 
diplomatensprache ,  actenveröffentlichung  in  grünem  ein- 
band Meyer  lex."^  1, 1092;  -büttel:  und  täglich  den  stadt- 
vogt  .  .  .  und  grünbüttel  förchtet  Spörer  in  Scheible 
kloster  1, 104 ;  -  e  i  s  e  n  e  r  d  e  mineral,  hypochlorit  Werner 
oryktogen.  (1792)261;  -eisenerz  mineral,  kraurit  Beh- 
len  forst-  u.  jagdk.  3,514;  -eisenstein  dass.  Zappe 
m,iner.  handlex.  1,  422;  -erde  mineralfarbe  {Veroneser 
grün),  seladonit  Pansner  franz.-dtsch.  miner.  wb.  14; 
-glas  'gemeines  gr.,  flaschenglas'  Muspratt  chemie  3, 
1373;  -glimmer  Mran^/h'mmer  Krünitz  200,  321;  -haar: 
{poet.)  wo  die  nixe  ihr  grünhaar  .  .  .   Heine  s.  w.  2, 


665 


GRÜN  IV  (eompositionstf/pen  6) 


GRÜNACHER  —  GRÜNBLAU 


666 


225  E.;  -hut:  den  kurzkrämpigen  grünhut  einer  Tirolerin 
ZsGHOKKE  *.  ausgew.  sehr.  40,  218;  -j  äger/ü»-  den  frosch 
Ml  mecklenb.  2%^ ;  -kalk  i)  ^rasÄaZA  Mu SP ratt  cÄemie 5, 
485;  2)  glaukonithaltige  kalke  Meyer  lex J  5,  "HS ;  -käse, 
kräuterkäse  Sallmann  neue  leitr,  66;  -könig  {der  grüne 
könig  im  kartenspiel) :  die  .  .  .  constellation  des  grün- 
königs  wurde  .  .  .  gekreuzt  v.  Franqois  Eeckenburg.  l, 
151  vgl.  grünkönigkarten  ünger-Khull  Sil»  und  grün- 
ober,  grünunter  Müller-Fraureuth  l,  447;  ebenso  auch: 
gründame, -bube, -zehn, -daus  etc.;  -öl  ein paraffinöl  Mus- 
pratt  Chemie  6, 1987,  vgl.  Unger-Khull  8ll*>;  -pflaster 
WiRSUNG  artzneybuch  (1588)  regist.,  vgl.  sp.  652;  -salz  ver- 
unreinigtes Steinsalz  Zöllner  briefe  üb.  Schles.  l,  290; 
-säure  Beil  techn.  lex.  l,  265;  -schiefer  mineral  ebd.; 
-schlämm  grüner  küstenschlamm  Schmidt  wb.  d.  geol. 
109;  -sirup  terminus  der  Zuckerfabrikation  \,\}^0'e.k  lex. 
d.  ges.  techn.  1,  216;  -tuch:  grfintuch  castaneus,  auch 
grönlaken  Diefenbach  105*;  -wachs  ein  pflaster  Blan- 
gard  arzneiwiss.  wb.  2,  95*. 

e)  als  besondere  gruppe  haben  die  possessiven  composita 
zu  gelten,  bei  denen  ein  als  grünfarbig  hervorstechender 
theil  dem  ganzen  seinen  namen  gibt;  besonders  entwickelt 
in  nattinvissenschaftlichen ,  meist  terminologisch  gewor- 
denen bezeichnungen  und  als  bezeichnung  für  personen 
in  volksthümlicher  redeweise;  z.  th.  mit  ableitungssilben 
-1er,  -ling,  -lein,  -chen  versehen: 

grünader  kohlweiszling papilio  napi  Krünitz  237,  57; 
-äuge  halmfliege  chlorops  Brehm  thierl.^  9,  515 ;  -äugen- 
f liege  2,  344;  -band  Schmetterling,  papilio  sarpedon 
Schrader  dtsch-franz.  wb.  1,579;  -bärtling  ein  vogel, 
megalaema  marshallorum  Brehm  thierl.*  8,  378;  -bauch 
goldwespenart  chrysis  viridula  Schrader  dtsch-fram.  wb. 
1,579;  -bein,  -beinchen  ^cukkti^b.  dtsch-franz.  wb.  i, 
579;  -beinlein  Naumann  nat.  d.  vögel  8,59,  vgl.  Suo- 
lahti  dtsche  vogelnam.  287,  s.  grünschenkel ;  -buckel: 
grünbukel  allg.  dtsche  bibl.  53,  548;  -büschler  gener al 
{österr.)  HoRN  soldatenspr.  58;  -fusz  fulica  chloropus 
Nemnich  wb.  d.  nat.  212;  vgl.  -füszel  schon  1603  bei 
Sghwenckfeldt  ther.  Sil.  282;  -hösler:  es  waren  diser 
grünhöszler  (frösche)  eine  solche  anzahl  Abr.  a  st.  Clara 
Judas  2,  319;  -hut:  er  .  .  .  schauete  den  grünhut  an 
(mensch  mit  grünem  hüte)  Jean  Paul  w.  26,  100  H.;  ter- 
minologisch im  Voigtlande  für  die  Salzburger  achweine- 
schneider  Klingner  samml.  z.  dorfrechte  (i749jf.)  8,  802, 
griinhütl  für  icaldgeister  Lehmann  sudetendt.  volksk.  lU, 
vgl.  Staub-Tobler  2,  1793;  -kehlchen  l)  grünkehlige 
baumklette  certhia  gutturalis  Schrader  dtsch.-franz.  wb. 
1,  581;  2)  fliegenfänger  muscicapa  viridis  ebd.;  -kittel: 
in  eins  solcher  boote  sah  ich  meinen  grünkittel  springen 
ZsGHOKKE  s.  ausgew.  sehr.  16, 127;  -knochen  hornhecht, 
betone  belone  Brehm  thierl.^  8,  soo;  -köpf:  i)  eine  drossel, 
turdus  philippensis  Schrader  dtsch-franz.  wb.  l,  581; 
2)  eine  art  merlen,  merula  viridis  ebda:  -kragen  {für 
enten) :  so  holte  ich  mir  vier  feiste  grünkragen  herunter 
Löns  a.  d.  wildbahn  182;  -mantel:  der  grünmantel  . .  . 
ist  der  Unternehmer  des  theaters  Heinse  6,  102  Seh.; 
ein  waldgeist  Birlinger  volksth.  a.  Schwab,  i,  15;  vgl. 
Fischer  3,882;  -plattschnabel  todus  viridis  Brehm 
thierl.*^  8, 132 ;  -  r  ü  s  s  e  1  rüsselkäfer,  curculio  viridis  Schra- 
der dtsch-franz.  wb.  i,  582;  -schenke!  wasserläufer, 
totanus  littoreus  {glottis)  Brehm  thierl.'^  &,  21 ;  -schild 
schildkäfer,  cassida  viridis  Schrader  dtsch-franz.  wb. 
1,582;  -Schnabel  nur  übertr.,  junger  unerfahrener 
mensch,  s.  gelbschnabel  {vgl.  sp.  647);  -schürz  grün  be- 
schürzter marqueur  J.MosEN  s.w.  8,461;  -schürze:  der 
dienstbaren  grünschürzen  antwortendes  echo  klaget,  u. 
br.  unber.pers.  (1817)  74;  -schwänz  =  gmn^nk  fringitla 
chloris  Naumann  nat.  d.  vögel  5,  62;  -schwänz  ist  hier 
volksetymol.  umgedeutetes  'schwuntz'  {slav.),  vgl.  Suolahti 
dtsche  vogetnamen  137. 

5)  verbum. 

die  zahl  der  compositionen  ist  hier  spärlich  und  der 
Wechsel  zwischen  verbundener  und  unverbundener  Schrei- 
bung nicht  ohne  witlkür;  nur  bei  aubst.  inf.  ist  die  zu- 
sammenrückung  regetmäszig;  grün-  tritt  in  seinen  ver- 
schiedenen bedeutungen  auf:  -beten  mdartl.,  zu  oatem 


betend  Über  die  f eider  gehen  Ünger-Khull  310^;  -fär- 
ben: grünfärben  der  baumwolle  Krünitz  20,  215;  {ein 
keim)  blickt  bescheiden  nach  dem  grünfärbenden  lichte 
Göthe  11,81  W.;  -fassen  technischer  ausdruck  im  brau- 
gewerbe:  man  nennt  das  abziehen  mit  mehr  hefe  das 
'grünfassen'  Lueger  lex.  d.  gea.  techn.  2,  404;  -gehen 
dass.  wie  grünbeten  Unger-Khull  Sil*;  -machen: 
diejenigen  {lichter)  .  .  .  nenne  ich  .  ,  .  grünmachend 
Göthe  II  2,  209  W.;  kupfersalze  .  .  .  zum  grünmachen 
von  conserven  Muspratt  chemie  4,  1950;  dazu  grün- 
machung:  zu  grünmachung  des  orts  Aitinger  ya^d- 
u.  tveidb.  (I68l)  283;  -werden  l)  grünliche  färbe  an- 
nehmen: um  das  .  .  .  schwarz  vor  dem  grünwerden  zu 
bewahren  Muspratt  chemie  3,  452;  2)  vom  grünen  der 
Vegetation:  so  etwas  von  grün  werden  hab  ich  . . .  noch 
nicht  gesehen  Storm  w.  (1899)  2,  247. 

GRÜNACHER,  m.,  name  verschiedener  grünfarbiger 
äpfel  im  Schweiz.,  seit  dem  16.  jh.  belegbar;  in  -ächer 
steckt  vielleicht  ein  altes  subst.,  etwa  als  e-stufe  zur  würzet 
*ög-  'wachsen'  {vgl.  ackeran  [th.  l,  173],  got.  akran;  dazu 
Walde-Pokorny  vergl.  wb.  i,  173  u.  Staub-Tobler  i,  65), 
mit  der  bedeutung  'eazbare  frucht';  in  der  composition 
theilweise  mit  gekürztem  wurzelvokal  e  (i)  {a.  beitr.  11,  82) 
oder  ä;  vgl.  gleichzeitiges  rotacher  Staub-Tobler  1,375 
u.  ahnt.  bildunge?i;  die  von  Frisch  l,  879*  versuchte  her- 
leitung aus  dem  Ortsnamen  Grün  ach  ist  für  so  frühe 
zeit  weniger  wahrscheinlich;  malum,  orbiculatum . . .  graen- 
acher  Frisius  795**;  melappia  vel  poma  Appiana  ...  ein 
gattung  der  öpflen,  die  man  gruenacher  nennt  809^; 
grunicher  (i68o)  Staub-Tobler  i,  869;  gruenikeräpfel 
(1668)  2,  754;  grünacher  apf eisorte;  dann  'grüner,  un- 
reifer apfeV  überhaupt;  übertr.  'grünlich  aussehender, 
ungesunder  mensch'  ebda;  vgl.  grünmacher,  grünapfel, 
grün  chen,  grünling. 

GRÜNBART,  m.  l)  junger,  unreifer  mensch  m,it  den 
ersten  barthaaren  {vgl.  grün  II  A  2  a) :  investis,  veaticeps 
Stieler  768,  vgl.  milchbart;  2)  terminologisch:  sie  {die 
grünen  austern)  .  .  .  heiszen  grünbärte  Oken  allg.  nat. 
5,  379.  —  -bäum,  m.,  name  des  ligustera  liguatrum  vul- 
gare Nemnich  wb.  d.  nat.  212,  Pritzel-Jessen  214;  *. 
grünfaulbaum,  grünselbaum.  —  -beere,  /.,  name  l)  der 
Stachelbeere  ribes  grossutaria:  grfinbeer  . . .  it(-em)  stichel- 
beer Kramer  fewtscA-iiaZ.  1,572'»;  grünebeere  Pritzel- 
Jessen  884;  2)  der  beere  des  kreuzdorna,  rhamnus  cathar- 
tica  829. 

GRÜNBELAüBT,  adj..  bereits  im  XI.  jh.  in  poet.  aprache 
voll  entfaltet  {s.  comptyp.  2  a) :  indessen  . . .  ich  mich  anter 
das  grünbelaubte  baumgezelt  hingeleget  Harsdörfer 
frauenz.  gesprächsp.  6,  605*;  im  dufte  der  grünbelaubten 
äste  Hoffmann  v.  Fallersleben  ges.  sehr.  2,  216; 

diese  tanne  grünbelaubt 

RÜCKERT  w.  2,  606; 

in  weiterem  sinne:  mit  bäumen  oder  sträuchern  bestan- 
den: grünbelaubte  hügel  Triller  poet.  betr.  4,  441,  auf 
einem  .  .  .  grünbelaubten  felsen  Steub  drei  somnier  in 
Tirol  1,  28;  auch:  mit  taubwerk  behangen  oder  geschmückt: 
grünbelaubte  plancken  Brockes  2, 374;  sein  grünbelaub- 
ter thron  S.  v.  Birken  forts.  d.  pegn.  (1645)  71 ;  grünbe- 
laubte thore  und  ehrenpforten  Holtei  erz.  sehr.  26,  22. 
—  -blau,  adj.  l)  ins  grüne  spielendes  blau,  seit  dem 
18,  jh.  neben  älterem  grünblaulicht  {s.  u.) :  neben  einer 
grünblauen  eisfläche  Jean  Paul  w.  44,  40  S.;  substan- 
tivisch: wovon  kupfergrün  und  gr.  am  öftersten  vorkömmt 
Naumann  nat.  d.  vögel  5,  448;  häufiger  von  der  färbe  des 
Wassers:  das  herrliche  funkeln  der  grünblauen  flamme 
des  Rheinwassers  G.  Keller  ges.  w.  2, 134;  typische  ver- 
bale Verbindungen:  in  gr.  schillerndem  seidenrock  Schef- 
fel Juniper.  38;  mit  schwarzem,  gr.  schimmernden  ge- 
üeder  v.d.  Steinen  naturvölk.  Zentralbrasil.  4c8;  2)  theits 
grüne,  theils  blaue  färbe  habend,  statt  der  Verbindung  beider 
begriffe  durch  'und',  'mit',  z.  b.:  ein  gr.  gestreiftes,  ge- 
würfeltes tuch,  eine  grünblaue  uniform;  hierher  an- 
scheinend: 

mit  grünblauer  seiden 

ein  kränzlein  hängt  dran 

A.  V.  Aknim  w.  13,  379; 


667  GRÜNBRAUN  —  GRUND  {form  i) 


GRUND  ijorm  2.  3) 


668 


älter  ist  grünbläalich:  der  türckis  wechst  in  der 
Türckei,  ist  grünblawlecht  J.  Witichiüs  bericht  v.  d.  w. 
bezoard.  stein.  (1589)  *6 ; 

(der  Rhein,  personifleiert)  mit  seiner  grünblawlechten  schar 

{den  wellen) 
Weckherlin  ged.  1, 103  F.; 

die  flügel  haben  .  .  .  grünblaulichte  federn  allg.  haush.- 
lex.  2,  303^;  in  jüngerer  spräche  mehr  bei  schwächerem 
ton  des  blau:  der  grünblauliche  . . .  sporn  Schlechten- 
DAL  flora  V.  Dtschld.^  13, 122;  (das  schwarz)  nicht  ohne 
einen  .  .  .  grünbläulichen  glänz  Naumann  nat.  d.  vögel 

6, 129. braun,  adj.,  ins  grüne  fallendes  braun:  keine 

80  grünbraune  äugen  V.  Weber  holzschn.  (l793)  148;  sub- 
stantivisch: die  grundfarbe  geht  .  .  .  aus  dem  braun- 
grünen  sehr  ins  grünbraune  Naumann  nat.  d.  vögel  10, 531; 
älter  ist  grünbräunlich:  am  schwarzgetüpflet  grün- 
bräunlichtem  Stengel  Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp. 
7,303»;  mit  grünbraunlichten  blumen  v. Hohberg  ^eor^. 
cur.  1,  615;  als  grün  m,it  bräunlicher  tönung:  (die)  ober- 
schwanzdecken  grünbräunlich  Brehm  thierl.^  4,  345. 

GRÜNCHEN,  n.,  apfelname:  grönichen  prosomela 
Val.  Cordus  hist.  de  plant.  (I56l)  182*,  anscheinend  bes. 
hessisch,  vgl.  ders.  hist.  stirp.  181  *•  grflnche . .  in  Hassia . . ; 
aber  auch  nd.  grönke  und  grönke-appel,  ein  gewiszer  gras- 
grüner apfel  brem.  wb.  (1767)  2,  548. 

GRÜND,  m.,  dialektisch  auch  f.  gemeingerm.  wort; 
fraglich  ist  das  geschlecht  von  got.  *grnndus  in  grundu- 
waddjus,  vgl.  afgrundi{)a;  sonst  meist  masc:  ahd.  grünt, 
crunt;  mhd.  grünt;  as.  grund;  mnd.  grünt  m^ist  f., 
selten  m.;  mnl.  gront  meist  m.,  selten  f.;  ndl.  grond; 
afries.  grund,  grond;  ofries.  grund;  wfries.  groun,  grüwn; 
ags.  grund;  engl,  ground;  anord.  grunnr  m.,  grund  f.; 
dän.  grund  comm.  gen.;  schwed.  grund;  als  dem  german. 
entlehnt  gelten  lit.  gruntas  m.,  preusz.  gruntan  acc.  m., 
grünte  /.,  lett.  grunts  m.,  grünte  /..  poln.  russ.  slov.  nlaus. 
grünt  m. 

form  und  herkunft. 

l)  für  das  Verständnis  der  Vorgeschichte  des  wertes  ist 
die  zwiegeschlechtigkeit  von  höchster  bedeutung.  sie 
ist  in  gewissen  nd.  maa.  zumal  des  nordens  bis  heute 
lebendig:  slaa  den  pahl  in'e  gr.;  de  köh  möten  dat  gras 
sach  ut  de  gr.  ut  halen;  ji  sünd  hier  op  frömde  gr. ; 
dagegen  up'n  gr.  wahnt  uns  herrgott  beim  essen,  wenn 
das  beste  auf  dem  bpden  der  Suppenschüssel  liegt;  ik  mutt 
de  saak  op'n  gr.  kamen  Mensing  2,  500/.;  doch  ist  die 
trennung  zwischen  'erde'  fem.  und  'tiefe'  masc.  im  schlesw.- 
holst,  nicht  rein;  vgl.  auch  he  bohrt  hum  in  d'  gr.  er 
vernichtet  ihn  Lüpkes  seemannsspr.  34;  ähnliches  gilt  für 
Reuter:  as  wenn  ich  de  ollsch  ...  in  de  grawe  gr. 
rinne  pedden  müggt  2,  48;  aber  auch:  as  wenn  einer  en 
beker  bet  up  de  grund  utdrunken  hett  2,  431;  bezeich- 
nenderweise in  der  jüngsten  bedeutung  regelmäszig  masc. : 
hadd  woll  keiner  so'n  gr.  un  ursak,  sick  mit  sinen  herr- 
gott tau  bereden  2,  24;  dat  hodd  sinen  gr.  dorin  dat 
2,  150;  en  gr.  utfünnig  maken  weswegen  2,449;  se  müszt 
en  gr.  von  jedes  ding  weiten  2,  265;  auch  in  einigen 
westfäl.  maa.  erscheint  das  fem.,  und  zwar  abgesehen  von  der 
bedeutung  'talgrund'  (s.  t«.)  gerade  wieder  für  'erde,  fusz- 
boden'  Woeste  86  ndr.  im  mnd.  ist  das  wort  durchweg 
fem.  Sghiller-Lübben  2,158;  6,145*,  selbst  in  der  jüng- 
sten bedeutung:  desse  lögene  erdichtet  Reinke  uth  der 
grundt  dat  jg.  glosse  z.  Reinke  de  vos  70,  9;  ebenso  all- 
gemein nicht  selten  auch  in  älteren  md.  (besonders  preuszi- 
sehen)  Schriftwerken: 

und  liezen  in  vertrinken 

und  in  die  grünt  sinken  väterb.  37206; 

die  (gestrandeten)  brudre  von  der  grünt 
sich  intbrachin  in  der  stunt 

Nie.  v.  Jeroschin  preuss.  chron.  24220. 

noch  heute  erscheint  das  fem.  in  einer  ähnlich  breiten  geo- 
graphischen ausdehnung,  vom  westfäl.  bis  an  die  untere 
Saale,  aber  auch  im  brandenburg.  (s,  zs.  Brandenburgia 
20,  240  jf.),  im  preusz.,  im  holstein.,  doch  nur  in  einer  ganz 
bestimmten  bedeutung,  als  'vdesengrund.  talgrund',  zumal 
in  flurnamen;  genaue  nachweise  bei  A.  HObner  grund 
als  femininum,  zs.  f.  vergl.  spraehf.  51,  tlff.,   dazu  noch 


in'e  gr.  gehöft  bei  Sarau;  die  ganze  siede  gr.  (Fehmarn 
1709)  Mensing  2,  50l.  diese  Verhältnisse  lösen  sich  ver- 
mutlich in  der  weise  auf.  dasz  das  fem.  für  die  bedeu- 
tung ursprünglich  ist,  in  der  es  sich  mundartlich  am 
besten  gehalten  hat.  das  ist  die  bedeutung  'erdgrund, 
wiesen  grund' .  dies  anscheinend  nur  eine  specialisierung 
von  jenem,,  das  wird  bestätigt  durch  das  anord..  das 
neben  dem  masc.  grunnr  'meeresgrund'  ein  vollentwickeltes 
fem.  grund  besitzt  im  sinne  'erdboden,  feld',  und  zwar 
besonders  auch  'der  grüne  grund,  das  tal  durch  das  die 
flüsse  ßieszen'.  das  nord.  und  das  deutsche  fem.  ver- 
einigen sich  demnach  in  einem  germ.  fem.,  dessen  eigen- 
thümliche  bedeutung  anscheinend  die  des  erdbodens  war. 
in  allen  germ.  sprachen  (vielleicht  mit  ausnähme  des  got.) 
hat  das  masc.  früher  oder  später  das  fem.  aufgesogen, 
allein  das  nd.  hat  in  der  periode  des  mnd.  das  fem.  ver- 
allgemeinert; ob  etwa  auch  im  altsächs.  schon,  ist  unent- 
scheidbar,  denn  an  gr.  Hei.  2633,  an  hellia  gr.  2601,  ähn- 
lich 2638;  5429  sind  dem  geschlecht  nach  indifferent. 

2)  von  den  nordischen  formen  fällt  auch  insofern  licht 
auf  die  Vorgeschichte  des  wertes,  als  sie  erweisen,  dasz 
im  germ.  mit  der  trennung  von  geschlecht  und  bedeutung 
auch  eine  formale  sonderung  verbunden  war.  das  neben- 
einander von  anord.  grunnr  (nn  <:^  n|))  masc.  und  grund 
fem.  weist  auf  germ.  grunj)u-  masc.  und  grundu-  fem., 
wenn  man  das  wort  nach  dem  Zeugnis  von  got.  *grundus 
zu  den  u- stammen  stellt,  in  den  germ.  einzelsprachen 
(auszer  dem  anord.)  hat  demnach  eine  Vereinheitlichung 
nicht  nur  des  geschlechts,  sondern  auch  des  wortstammes 
stattgefunden,  worüber  genaueres  bei  HtBn^K  a.a.O.  die 
germ.  Stammpaarung  weist  auf  idg.  ghfntu-  masc,  ghrn- 
tü-  fem.;  und  dies  endbetonte  fem.  der  n-declin.  wird 
wenigstens  formal  von  got.  *grundus  repräsentiert,  bei 
diesem  ansatz  wird  die  altbeliebte  Zusammenstellung  von 
gr.  mit  ags.  grindan  'mahlen'  nach  analogie  von  got.  malma, 
nd.  mulda  zu  malan  (so  gr.  2,  35  und  neuerdings  Grien- 
BERGER  Wiener  sitz.-ber.  142,  8,  99)  unmöglich;  denn  grin- 
dan führt  nach  lat.  frendo,  lit.  gröndu  'reiben',  grändu 
'schrapen,  kratzen'  aif  idg.  ghrendh-  zurück,  aber  auch 
die  bedeutungsentwicklung  bei  malma,  mulda,  'das  zer- 
mahlene'  zu  'sand,  staub',  läszt  sich  nicht  vergleichen, 
l)  weil  eine  mit  malma,  mulda  vergleichbare  bedeutung 
'erde'  sich  erst  spät  auf  dialektisch  beschränktem  gebiet 
entwickelte  (s.  m.  II  A  2  c)  und  auch  als  'erde'  gr.  gerade 
die  fette,  schwere,  zusammenhaftende  erde  bezeichnet,  — 
wie  auch  sonst  die  Vorstellung  des  massigen,  räumlichen 
sich  als  bestimmend  zeigt;  2)  weil  der  begriff  des  unteren, 
der  tiefe  so  stark  an  dem  wort  haftet,  und  zwar  bis  in 
junge  gebrauchsweisen  hinauf,  dasz  er  von  seinen  Ur- 
sprüngen kaum  getrennt  werden  darf  (das  empfindet  auch 
Franck  etgm.  woordenb.  322  mit  seinem  ansatz  'unterste 
fläche'),  da  die  germ.  formen  auch  auf  ghrmtu-  zurück- 
gehen können,  vielleicht  nach  der  alten  FiCKSchen  ansieht 
(wb.^  3,  lll)  zusammenzustellen  mit  lit.  gramzdüs  'tief- 
gehend' (vom  schiff),  lit.  grimstü,  grimsti  'im  wasser  ver- 
sinken', gramzde  'gründling'  (fisch),  die  auf  grund  der 
anord.  form-  und  bedeutungstrennung  wiederholt  ausge- 
sprochene ansieht,  dasz  sich  in  gr.  zwei  verschiedene  idg. 
Wörter  vermengt  haben  (Falk-Torp  252'',  Meringer 
Wiener  sitz.-ber.  144,  6,  70),  stützt  sich  auf  das  argument, 
dasz  die  bedeutungen  'meergrund'  und  'erde'  schwer  mit- 
einander zu  vereinigen  seien,  aber  nicht  nur  lat.  fundus, 
auch  das  deutsche  boden  zeigt  ein  zusammengehen  ähn- 
lich sich  sondernder  bedeutungen.  die  sprachlichen  Schick- 
sale von  gr.  und  von  boden  haben  sich,  bei  fühlbaren 
bedeutungsunterschieden ,  öfter  gekreuzt  und  beeinfluszt 
(s.  «.  II  A  1  a). 

3)  sonder  formen,  schriftsprachlich  ist  im  ganzen 
die  form  grund  sehr  fest,  o- formen  finden  sich,  ent- 
sprechend dem  Stande  der  heutigen  maa..  gelegentlich  auf 
Schwab.,  etwas  öfter  auf  mf rank,  boden:  in  sinem  eignen 
grond  dtsche  volksb.  256,  33  Bachmann;  der  fünf  synne 
gront  MuSKATBLÜT  86,  43  Grootc;  vgl.  90,  8  (Trierer  hs.); 
brochen  Ardenberg  abe  inne  den  gront  Limb.  ehr.  98, 18 
Wyss;  gront,  ze  gronde  gemma  gemm.  (Cöln  1507)  nach 
Diefenbach  gloss.  252*;  353".  ebenfalls  m^oderner  ma. 
entsprechend  zeigen  westmd.  texte  gelegentlich  gutturali- 


669 


GRUND  I A  1 


GRUND  I  A  2.  s.  4 


670 


sierung  des  auslautenden  dentals:  dasz  sein  fürnemen . . . 
keynen  grung  auf  im  trüg  Carbach  Liviua  47'.  epi- 
thetisches e  im  nom.  sg.,  seltener  im  acc.  sg.  verstreut  bis 
ins  17.  Jh.,  natürlich  vorioiegend  obd.,  und  zwar  nur  selten 
in  der  prosa:  ein  sehr  starcker  beweis  und  gründe  Ni- 
GRlNüS  von  Zauberern  (1592)  79;  öfter  in  poetischer  spräche: 
{die  spur  führte  mich)  in  eynen  überliefen  gründe  (:  ich 
funde)  H.  Sachs  3,  824  Keller;  bezeichnenderweise  gerade 
bei  poeten  der  beginnenden  renaissance: 

da  sein  wir  aber  Christen  nur  mit  munde, 
das  hertz  ist  weit  hindan  zu  aller  stunde, 
lähr  ist  der  gründe         Hock  blumenf.  26,  13  ndr. ; 

es  ist  zwar  weit  der  gründe  (:  sie  funde) 

ZiNKGREF  ged.  17  ndr. 

in  älteren  schwäb.  texten  erscheint  gelegentlich,  in  der 
Sprache  begründet,  ein  umlautloser  plural: 

so  vil  der  falschen  grund  (:  er  kund) 

H.  V.  Sachsenheim  spiegel  177,  80; 

die  neuen  grundt  zu  der  kirchen  zimm.  chron.^  2,  639,  36 ; 
du  findest  noch  vil  gar  alter  meür  und  grünt  und  thürn 
Sigmund  Meisterlin  in  städtechron.  3,  61,  14.  auszer- 
schwäb.  im  obd.  nur  selten:  mosige  gründe  Sebiz  feld- 
bau  (1579)  149.  anders,  als  rein  graphische  erscheinung 
versteht  sich  das  fehlen  des  umlautzeichens  in  md.  texten; 
häufig  z.  b.  bei  Luther:  grebt  die  gründe  l,  148;  drey 
starcke  grund  6,  290. 

bedeutung. 

die  bedeutungsgeschichte  des  wortes  läszt  sich  schwer 
aufbauen,  weil  ihre  wesentlichsten  etappen  in  vorgeschicht- 
liche zeit  fallen,  die  auch  auszerdeutsch  altbezeugten  Ver- 
wendungen im,  sinne  von  'tiefe'  {s.  u.  I)  und  im  sinne 
ron  'erde'  (II)  stellen  offenbar  die  beiden  cardinalen  bedeu- 
tungsstränge  dar.  aber  auch  die  bedeutung  'tal-,  wiesen- 
grund'  (III),  anscheinend  auf  der  grundlage  von  II  ent- 
wickelt, liegt  schon  im  anord.  vor;  und  die  für  die  jüngere 
entivicklung  wichtigste  bedeutung  'fundament'  (IV),  von  I 
nicht  zu  lösen,  musz  schon  das  got.  gekannt  haben,  das 
subst.  boden  ist  dauernd  zu  vergleichen,  das  bei  fühl- 
baren bedeutungsunterschieden  die  Schicksale  von  gr.  des 
öfteren  gekreuzt  und  beeinßuszt  hat  (».  «.  II  A  l  a).  nach 
Jag.  Grimm  liegt  der  unterschied  darin,  'dasz  gr.  mehr 
nach  innen  geht,  boden  die  Oberfläche  bezeichnet'  (th.  2,  21l). 
das  trifft  mehrfach  zu;  doch  erschöpft  diese  Unterschei- 
dung einer  mehr  räumlichen  und  mehr  flächenhaften  Vor- 
stellung die  Sache  nicht. 

I.  grund  bezeichnet  die  feste  untere  begrenzung  eines 
dinges. 

A.  grund  von  gewässern;  seit  ältester  zeit  belegbar: 
profundum  (sc.  mare)  crunt  ahd.  gl.  i,  232, 18 ;  latid  thea 
Odra  (fisch)  eft  an  gr.  faran  Hei.  2633. 

l)  am  häuflgsten  vom  meer  (in  Übereinstimmung  mit 
dem  anord.  gebrauch): 

du  weist  daz  mer  unz  üf  den  grünt 
lobgesang  auf  die  hl.  Jungfrau  56, 11  zfda.  4,  634; 

der  tiefe  grundt  der  see  mit  wässern  übergössen 

Opitz  ieutsche  poem.  173  ndr. ; 


wie  wellen  auf  dem  meer, 
desz  grund  erbebte 


GÖTHE  37,  31  W. 


dann  von  gewässern  jeder  art:  auf  dieses  flusses  gr. 
Dietr.  V.  D.Werder  ras.  Roland  ges.  l  str.  25;  kraut . . , 
das  auf  dem  gründe  (des  grabens)  wucherte  Storm  l,  93; 
der  (brunnen)  was  so  wislichen  ergraben,  daz  die  sunne 
rehte  an  den  grünt  schein  Lucidar.  18,  11  Seidlauf, 
specialisierend  kann  der  begriff  der  Qualität  des  grundes 
hinzutreten:  gr.,  darunter  verstehet  man  die  beschaffen- 
heit  des  fluszbodens  oder  Strombettes  und  die  erdarten, 
woraus  es  bestehet  Benzler  l,  179;  Röding  wb.  d.  marine 
671—73  scheidet  'festen,  harten,  weichen,  losen,  faulen, 
scharfen,  grünen,  schülpartigen  gr.'  (vgl.  composita  toie 
sand-,  stick-,  schlick-,  muddergr.  u.  a.);  die  karpfen  sind 
gerne  in  leimichten,  sandichten,  schlamichten  und  lät- 
tichten  gründen  fischbüchl.  83 ;  der  grosse  parsch  leichet 
.  .  .  unten  auf  dem  harten  gründe  9;  prägnant:  grond 
(van  een  water)  . . .  'schlämm  auf  dessen  gründe'  M.  Kra- 
mer nider-hoch-teutsch  dict.  (1719)  108 •>;  ähnlich  auch  obd.: 


(das  schiff)  mer  dan  halbes  in  den  griesse  und  grünt 
sancke  Arigo  decam.  123,  6  Keller,  anders  specialisiert 
meint  gr.  stellen  geringer  tiefe:  'untiefe'  v.  Alten  4,477; 
diese  tage  .  .  .  sind  die  flachen  gründe  .  .  .  uns  an  unser 
fahrt  .  .  .  verhinderlich  gewesen  A.  Olearius  persian. 
reisebeschr.  185;  (die  meerbusen)  sind  voll  klippen  und 
seichter  gründe  Niebuhr  röm.  gesch.  8,  701;  obd.  auch 
ohne  bezeichnende  adjectiva:  gr.,  ein  fort,  vadum.  aquae 
minus  profundus  locus  Henisch  1765;  'in  engerer  be- 
deutung werden  im  o.  d.,  besonders  am,  Bodensee.  seichte 
stellen  gründe  genannt'  Heinsius  2,  549. 

2)  seit  alters  kann  grund  auch  den  dem  boden  nächsten 
theil  des  gewässers  bezeichnen,  also  'tiefe';  das  ist  der 
unterschied  von  meeresgr.  und  meeresboden;  daher  bei 
Diefenbach  gloss.  672"  talassus  =  mens  teufe,  grünt; 

der  wäg  vuort  in  (Alexander  in  dem  glasgefäsz)  in  demo 
grünte         Annolied  227  R.; 

die  mutter  (Thetis)  in  desz  meeres  grund 
sasz  bey  dem  vatter  zu  der  stund 

Spreng  Ilias  (1610)  8*; 

(die  geister  des  waldstroms)  streckten  schneeweisze  arme 
empor  .  ,  . ,  ihn  hinabzuziehen  in  den  kühlen  gr.  E.  Th. 
A.  Hoffmann  6,  39  Gr.;  vgl.  zu  halben  gründe  fischen, 
'ei7ie  art  der  angelflscherey,  wo  die  angeln  zwischen  der 
Oberfläche  und  zvrischen  dem  gründe  gestellet  werden'  Krü- 
NITZ  20,  250;  so  zumal  auch  bildlich:  wie  hurtig  sie  (die 
Ursachen  der  ceremonien)  ausz  dem  allertiefsten  gr.  der 
heil.  Schrift  gefischt  seien  Fischart  bienenk.  (1588)  172 *>; 
der  gr.  des  glückes  ist  so  voller  trübsand  Lohenstein 
Armin.  (1689)  1,  396*»; 

denn  nur  der  grosze  gegenständ  vermag 
den  tiefen  grund  der  menschheit  aufzuregen 

Schiller  12,  7  G. 

8)  plural:  also  geschiht  oft  under  den  wazzern,  diu 
vest  gründ  habent,  und  so  ir  gründ  erhebt  werdent,  s6 
vleuzt  daz  wazzer  auz  K.  v.  Megenberg  buch  d.  natur 
113,  18  Pf;  später  mehr  md.  und  nd..  soweit  nicht  eine 
Specialbedeutung  wie  oben  unter  l  vorliegt;  namentlich 
poetisch : 

es  sind  die  worte  mit  den  winden 
geflohen  zu  des  meeres  gründen 

C.  Stieler  gehamschte  Venus  89  ndr.; 

ihr,  die  ihr  in  den  gründen  seid, 
hört  meinen  seufzen  zu,  ihr  fische 

Zesen  verm.  Helikon  2,  62; 

wie  in  der  meere  gründen 
des  himmels  bild  sich  dunkel  malt 

E.  V.  Kleist  1, 53  Sauer; 

der  sargfisch,  der  in  den  untersten  gründen  dieses  Was- 
sers hausen  soll  Storm  2,  105;  de  stillen  water  hebben 
depe  gründe  Husemann  spruchsamml.  nr.  94,4  W.;  stille 
wateren  hebben  de  döpste  gründen  Doornkaat-Kool- 
man  1,  702,  und  so  überall  auf  nd.  boden;  dagegen  stille 
Wasser  haben  tiefen  grundt  Seb.  Franck  sprüchw.  (1645) 
1,  73*,  doch  auch  tiefe  gründ  schöne  weise  klugr.  (1548) 
102'';  anders:  es  ist  kein  wasser  so  tief,  es  hat  gr.  160*. 

4)  in  fester  Verbindung  mit  verben: 

a)  transitive  Wendungen:  und  als  sie  den  gr.  spüreten, 
würfen  sie  ire  ancker  ausz  buch  d.  liebe  (1587)  10»;  gleych 
wie  hie  Jona  aus  dem  schiff  geworfen  wird  .  .  .  yns 
meer,  da  er  keinen  gr.  fulet  Luther  19,217  W.;  es  kann 
hier  nicht  tief  sein  und  wir  müssen  immer  peilen  und 
gr.  suchen  Fontane  I  6,  352;  da  capt.  Tuckey,  bei  900 
fusz  .  .  . ,  mit  dem  senkblei  keinen  gr.  finden  konnte 
Ritter  erdk.  1,  272;  der  schiffmann  wolte  wohl  gerne 
anckern,  allein  er  hatte  keinen  gr.  Chr.  Reuter  Schel- 
muffsky  36  ndr.;  man  musz  sich  nicht  tiefer  herein 
lassen,  als  man  gr.  hat  Kirchhofer  Schweiz,  sprüchw, 
(1824)179;  der  grund  verlieren  Martin-Lienhart  1,278; 
rein  nautisch-technisch:  den  gr.  peilen  'messen'  Kramer 
niderhoch-teutsch  dict.  (i719)  108'';  den  gr.  brechen  die 
anker  lichten  Röding  wb.  d.  marine  674;  in  übertragenem 
gebrauch  namentlich  gr.  finden: 

ich  habe  nun  den  grund  gefunden, 
der  meinen  ancker  ewig  hält 

Joh.  Andr.  Rothe  in  gr.  Zinzendorfs  samml, 
geistl.  u.  liebl.  lieder  (1725)  878»; 


671 


GRUND  I  A  4 


GRUND  I  A  4 


672 


wer  sol  dan  richter  sein?  die  ursach,  nicht  der  wän. 
wol  dem  der  solchen  grund  vergnüglich  ftinden  kann 

Bellin  hochd.  rechtschreibung  (1657)  ){  2^; 

im  Wortspiel:  wenn  man  selbst  gr.  gefunden  hat  und 
gr.  sucht,  so  ist  es  höchst  erfreulich,  mit  einem  auf 
eignem  gr.  und  boden  gegründeten  manne  hin  und  wider 
zu  sprechen  Göthe  IV  33,  323  W.;  hier  kreuzt  schon  die 
bedeutung  'fester  boden'  (s.  m.  II  A  2  b)  herein;  noch  deut- 
licher: so  war  der  boden  beschaffen,  auf  dem  Savona- 
rola  festen  gr.  gefunden  zu  haben  glaubte  H.  Grimm 
Michelangelo  (1890)  l,  205. 

b)  unter  den  präpositionalen  fügungen  zunächst  eine 
fülle  nautischer  Wendungen,  namentlich  mit  auf  und  an: 

damit  so  faren  sie  auf  grundt 

S.  Brant  narrensch.  51,  302 

die  nordischen  schiffe  geriehten  auf  den  seichten  gr, 
Haller  Alfred  37;  wenn  das  schiff  .  .  .  auf  den  gr.  fest 
gerät  handelsgesetzbuch  §  853  ist  unursprünglich  und  tau 
tologisch;  das  schiff  wurde  genöthiget,  auf  den  gr.  zu 
laufen,  oder  sich  auf  den  gr.  zu  setzen  KrOnitz  20,  251; 
wenn  das  schiff  auf  gr.  kommt  Gödel  deutsche  see- 
mannsspr.  181 ;  das  schiff  stöszt  sich  oft .  an  den  gr. 
Stieler  TIO'»;  auf  (an)  den  gr.  stoszen  stranden  M.  Kra- 
mer teutsch-ital.  (1700)  ö7S»;  auf  den  gr.  stoszen  mit  dem 
schiff  Frisch  879"';  sich  an  gr.  setzen  subsido,  pessum 
eo  Garthius  718'»;  an  den  gr.  rathen  'auf  den  ^r.  fest- 
zusitzen kommen'  Bobrik  321;  ein  schiff  vom  gründe 
abbringen  ib.;  danach  miszgebildet:  ein  schiff  von  dem 
gründe  abhelfen  Röding  lob.  d.  marine  674;  das  schif 
ward  bald  hier,  bald  dort  gegen  den  gr.  geschmissen 
Zesen  Assenat  (1690)  652;  öfter  bildlich:  so  wird  es  doch 
noch  auf  gutem  gr.  gewündschter  glückseeligkeit  zu 
anckern  kommen  Schoch  com.  v.  stud.  leben  (1657)  H  1«"; 
den,  der  auf  den  gr.  deiner  tugend  geanckert  Lohen- 
stein Armin.  (1689/.)  1,  79*». 

c)  am  entwickeltsten  ist  zu  gründe. 

«)  unter  den  transitiven  fügungen  sind  stehend  zu  gr. 
ziehen  und  senken: 

deine  wellen  heben  sich 

hoch  empor  und  haben  mich  . .  . 

fast  zu  grund  hinab  gezogen 

P.  Gerhard  hei  Fischer-Tümpel  3,  878  * ; 

schon  mhd.  übertragen: 

der  {Sirenen)  dönes  vanc 

ze  gründe  zöch  der  Sünden  kiel 

K.  V.  Würzburg  leich  1, 138; 

dasz  . . .  das  irdische  gut  nicht  die  seel  beschwere  und 
zu  grundt  ziehe  W.  Sghaller  theol.  herold  (1604)  288; 
gedachte  wüllen  werden  das  schiff  bedecken,  zu  gr. 
sencken  Krafft  reisen  29  Hasler; 

eh  als  sein  schwaches  schiff  sich  auf  dem  mer  verirt, . . . 
gescheitert  oder  sonst  zu  grund  versäncket  wird 

Rompler  V.  LÖWENHALT  erstcs  gebüsch  210; 

anderes  ist  seltener:  die  (schiffe)  wurden  beide  mit  leuten 
und  allem  zu  gr.  gesegelt  Wilw.  v.  Schaumburg  100; 
bohrten  die  jagd  zu  gründe  Schnabel  insel  Felsenburg 
61,  9  U.;  dieser  Schiffer  .  .  .  segelt  mit  vollem  winde 
wider  die  höltzin  brücke  .  .  .  und  leuft  die  brücke  zu 
gründe  Rätel  Curäi  chron.  47;  die  Wendungen  sind  seit 
dem  18.  jh.  in  starkem  rückgang  zu  gunsten  von  in  den 
gr.  (a.  u.  d);  doch  vgl.  noch: 

(.der  Schlund)  ziehet  die  frau  mit  den  kindern  zu  grund 

Göthe  2,37  W.; 
da  zog  die  nymphe  ihn  zum  grund 

Brentano  2, 150; 

stolzes  schiff  mit  seidnen  schwingen, 
führst  mein  boot  zu  gründe  schier 

Eichendorf  1,  BIO; 

dass  deren  führer  .  .  .  zwei  galeonen  zu  gründe  bohren 
musste  Chamisso  2,  i4. 

ß)  unter  den  intransitiven  Wendungen  dominiert  zu 
gründe  gehen,  mhd.  noch  selten,  erst  im  16.  jh.  reich 
entwickelt;  ursprüngliche  bedeutung  'im  wasser  unter- 
sinken': 


der  mocht  nye  zugrunt  gan, 
uncz  in  der  engel  gevie 
und  in  in  die  barken  lie 

st.  Stephans  leben  3966  McClean; 

ein  groszer  wint  treib  das  schiff  . . .  auf  ein  pflock  oder 
pfal,  das  es  .  .  .  mit  allem  so  darinn  zu  gr.  gienge 
Kirchhof  wendunmuth  2,  225  Ö.;  dass  die  schwalben  zu 
gründe  giengen  oder  sich  zu  des  meeres  boden  begaben 
und  alda  einschliefen  Prätorius  winterflucht  d.  sommer- 
Vögel  65 ;  die  erde  sey  schwerer  als  das  wasser,  und  den- 
noch schwimme  ...  sie  in  den  allerhellesten  wasser, 
und  gehe  nicht  anders  als  sehr  langsam  zu  gründe  Leib- 
NITZ  deutsche  sehr.  2,  339;  weil  ich  aber  das  schwimmen 
. . .  gelernt  hatte,  so  ging  ich  nicht  zu  gr,  Ph.  Hafner 
gea.  lustspiele  (1812)  l,  15.  dasz  von  der  bedeutung  'ivasser- 
tiefe'  auszugehen  ist,  bestätigt  die  alte  formel  zu  gr.  und 
scheitern  gehen:  schon  bei  Er.  Alberus  62'»  pessum  eo 
ich  gehe  zu  gr.,  gehe  zu  scheittern;  es  musz  eher 
alles  zu  gr.  und  scheitern  gehen  Dentzler  141'';  noch 
heute  im  Schwab.,  vgl.  Fischer  3,  871.  indessen  ist  der 
ursprüngliche  sinn  der  Wendung  früh  zurückgetreten 
zu  gunsten  der  bedeutung  des  Verderbens,  untergehens. 
die  im  16.  jh.  ursprünglich  an  die  wendung  zu  boden 
(d.  h.  auf  den  erdboden)  gehen  geknüpft  ist  (vgl.  boden  5, 
th.  2,  212);  zu  gr.  gehen  hat  im  18.  jh.  das  erbe  dieser 
formal  angetreten,  nachdem  es  lange  in  coneurrenz  mit 
ihr  gelegen;  daher  auch  die  doppehcendung  zu  gr.  und 
boden  gehn,  worüber  unter  II  G  2  genaueres,  die  ablösung 
vollzieht  sich  auf  breiterer  front,  ähnlich  auch  bei  zu 
gr.  richten ,  stürzen  u.  ä.  (s.  II  B  i) ,  zu  welchen  Wen- 
dungen zu  gr.  gehen  seit  dem  16.  jh.  das  intransitive 
gegenstück  bildet,  das  lat.  pessum  ire  mochte  wie  bei 
untergehn  —  interire  den  bedeutung swandel  fördern ;  vgl. 
Singer  za.f  d.  wortf.  4,  129.  der  übertragene  gebrauch 
gilt  für  folgende  hauptkategorien : 

von  menschen;  physisch,  =  sterben,  doch  meist  mit  dem 
nebensinn  des  kläglichen:  dann  sie  vermeynet,  dasz  er 
in  dem  meer  zu  gr.  gegangen  Amadis  i,  92  lit.  ver.;  dar- 
umb,  dass  seine  söne  mit  dem  voick  erschlagen  wor- 
den, und  er  sie  hülflos  zu  gr.  bette  lassen  gehen 
buch  d.  liebe  (l587)  841";  von  thieren  'eingehen':  ein  schön 
gutschenpferd  .  .  .,  welches  zu  gr.  gangen,  weil  man 
die  feigwartzen  .  ,  .  verabsäumet  Hohberg  georg.  cur. 
3,  165»;  in  älterer  spräche  öfter  parallel  mit  sterben: 

er  hat  leider  zu  mir  gesagt, 
dasz  ich  nur  sey  ein  alter  hund, 
musz  sterben  und  baldt  gehn  zu  grund 

Sandrub  hist.  u.  poet.  kurzweil  107,  34  ndr. ; 

geistig:  wie  mancher  jüngling  von  den  herrlichsten  an- 
lagen .  .  .  für  seine  ganze  lebenszeit  zu  gründe  gieng 
Schubart  leben  i,  50 ;  vgl.: 

weil  aber  kein  trost  war  dabey, 
ging  seel  und  leib  zu  gründe 

P.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,  303 ; 

toirtschaftlich:  aber  sind  sie  keine  wirthinn,  so  muss 
ihr  mann  zu  gründe  gehen  Rabener  s.  sehr.  6,  79;  und 
sollten  auch  gleich  zehn  andre  familien  darüber  zu  gr. 
gehen  B.  Mayr  päckchen  satiren  (i769)  110;  vgl.  te  grond 
gaan  'arm  werden'  Lüpkes  seemannsspr.  41,  68. 

von  realen  dingen;  im,  le.jll.jh.  besonders  häufig  von 
bauten  (also  deutlich  berührt  von  der  Vorstellung  grund 
=  erdboden),  entsprechend  zu  gründe  richten  u.  ä.  =  solo 
aequare,  urspr.  von  gebäuden  (s.  II  B  1  b) :  prophetirt  er, 
dass  die  helfenbeinen  heuser  zu  grundt  werden  gehen 
Heyden  Plinius  lOl;  in  solchem  fürhaben  gehet  ein 
sturmwindt  seinem  hausz  zu,  als  wollte  es  alles  zu 
gründe  gehen  volksbuch  v.  dr.  Faust  26  Braune;  all- 
gemeiner: 

was  ist  er  (der  kämet),  in  dem  trüben  glänze? 

ein  erdball,  der  zu  gründe  geht 

Gottsched  gedickte  (1751)  118; 

in  älterer  spräche  häufig  in  einer  heute  erstorbenen  Ver- 
wendung 'ruiniert  werden':  hat  er  noch  den  verdrusz, 
dasz  ihm  dabei  ein  rock  und  Überrock  zu  gründe  ge- 
gangen Göthe  IV  190  W.;  (das  geschirr  vrird  verkauft) 
nach  Carlsbad,  wo  bey  so  vielen  gasten  eine  menge 
geschirr  nöthig  ist  und  vieles  zu  gr.  geht  152;  das  dach 


I 


673 


GRUND  I  A  4 


GRUND  I  B 


674 


war  schadhaft  geworden  .  .  .  und  die  maierei  allmälig 
zu  gründe  gegangen  H.  Grimm  Michelangelo  (l890)  l,  75. 
von  abatracten:  seit  alters  gern  angewendet  auf  poli- 
tische, kirchliche,  wirtschaftliehe  Institutionen:  wie  moch- 
ten die  mönich  irgent  zu  grundt  gen  Jag.  Strausz  beicht- 
büchl.  (1528)  B  3^;  würde  der  römische  stui  zu  grundt 
gehen  Zinkgref -Weidner  teutsch.  nation  weish.  3,  38; 
Spanien,  was  daran  (an  den  folgen  des  friedens)  zu 
gründe  gegangen  Bismarck  ged.  u.  erinn.  l,  190  volks- 
ausg.;  daran  geht  jede  dynastie  zugrunde  Fontane 
I  2,  157; 

durch  eigennutzes  Schlund 

gehen  viel  handwerck  zu  grund 

Petri  d.  Teutschen  weigh.  2,  51''; 

wenn  unsere  heimische  industrie  nicht  völlig  zugrunde 
gehen  soll  G.  Hauptmann  weber  (1892)  84;  doch  auch 
mannigfach  sonst:  mit  dem  mflsst  zülest  cristenlicher 
glaub  gantz  und  gar  zu  gr.  geen  Berth.  v.  Chiemsee 
t.  theolog.  106; 

ehe  das  die  warheit  ging  zu  grund 

Fisch  ART  131  (v.  316)  Kurz: 

aber  erst  seit  dem  18.  jh.  in  der  heutigen  reichen  ent- 
faltung:  wenn  seine  redlichkeit  nicht  dabey  zu  gründe 
geht  J.  E.  Schlegel  3,  459;  unsere  ehre  ist  zu  gründe 
gegangen  M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  l,  328;  wie 
so  manche  edle  kraft  bei  uns  zu  gründe  geht,  weil  sie 
nicht  genützt  wird  Hölderlin  2,  73  L.,-  mit  dem  gottes- 
dienst  .  .  .  ging  ...  die  tradition  und  das  herkommen 
zu  gründe  Herder  19,  184  S.; 

vor  der  allgewalt  des  willens  geht  zu  gründe  jedes  recht 

Platkn  1, 17  R.; 

gelegentlich  Verstärkungen:  zu  gründe  untergehen  perire 
funditus  Basil.  Faber  thes.  (1573)  280;  es  ging  ouch 
darnach  alles  sin  gut  zegrund  und  verderbung  Tsghudi 
chron.  helvet.  1,  39;  seltene  Varianten:  o  wie  vil  jungen 
kumen  also  zu  gr.  Wickram  2,  171  B.; 

. .  .  die  schiffe,  risch  I  zu  grund 
eilen  in  der  höllen  Schlund 

Schupp  sehr.  (1663)  titelblfi. 

sinken,  ebenfalls  bis  ins  18.  jh.  sehr  häufig: 

Streitwagen,  reuter  und  die  ross 

verdarben  alle  und  ertrunken, 

gleich  wie  die  stein  zu  gründe  suncken 

H.  Sachs  15, 147,  6  K.-G. ; 

da  .  .  .  braut  und  breutigam  in  der  sindflut  zu  gründe 
sanck  Jon.  Mathesius  Sarepta  (l57l)  10»;  so  kan  sol- 
ches (gold)  ...  im  wasser  nicht  so  leichtlich  schwimmen, 
sondern  musz  viel  ehe  zu  grundt  sincken  L.  Ercker 
mineral.  ertzt  (l580)  60*; 

da  zuckt  das  schiff  und  sinckt  zu  grund 

MöRiKE  1, 154  Göschen; 

bildlich  'untergehen':  ja  die  gantze  weit  (müszte)  zu  gr. 
sincken  Fischart  geschichtklitt.  94  ndr.,- 

ich  kam  in  jammer  und  in  noth 
und  sanck  fast  gar  zu  gründe 

P.Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,380*; 

toie  zu  gr.  gehen  kreuzt  sich  auch  diese  Beendung  mit  zu 
gründe  'auf  den  (erd)boden';  und  ein  fall  wie  ein  solcher 
mann  steht  und  fällt  nicht  als  ein  einzelner  mensch; 
die  Umgebung,  die  er  sich  geschaffen  hat,  trägt  und 
hält  ihn  . . .  oder  lässt  ihn  ...  zu  gründe  sinken  Göthe 
40,  7  W.  ist  zu  verstehen  nach  einem  älteren: 

alszdan  vergessend  mehr  zu  trincken 
sah  man  die  vier,  wie  fromme  schaf, 
zu  grund  und  auf  die  bäncke  sincken, 
beschlieszend  ihre  freud  mit  schlaf 

Weckheklin  gedickte  1,  506  F. 

fallen:  seine  {Pharaos)  auszerweleten  heubtieute  ver- 
suncken  im  schilfmeer  .  .  . ,  sie  fielen  zu  gr.  wie  die 
steine  2.  Mos.  25,  5;  dasz  wir  versincken  oder  zu  gr. 
fallen  werden  Luther  br.  3,  551  de  Wette;  sie  versenck- 
ten  es  mit  einem  stein  .  .  . ,  domit  es  bald  zu  dem 
grundt  fiel  See.  Münster  cosmogr.  (1550)  160;  nur  bis 
ins  n.  jh.  häufiger;  in  der  reget  bedeutet  zu  gründe  neben 
fallen  'auf  den  (erd)boden',  *.  u.  II  B  2.  fahren:  (die 
IV.  1.  6. 


mannen  Pharaos)  descenderunt  in  profundum  quasi  la- 
pis.  tiefiu  uuazer  bedahten  siu.  si  fuoren  ce  grünte 
also  stein  Notker  3,  361,  9  (2.  Mos.  25,  5);  übertragen: 
so  ich  sihe,  das  zucht,  ehr,  landt,  gut,  leib  und  seel  bey 
ynen  zu  grundt  faret  Eberlin  v.  Gönzburg  8,  I5i  ndr. 
sitzen:  bisz  man  .  .  .  entlich  wie  ein  schwer  bley  zu 
grundt    sitzet    und   ersaufet    Fronsperger   kriegsbueh 

3,  150». 

d)  in  den  grund.  bei  transitiven  verben  hat  in  in 
modemer  spräche  zu  verdrängt,  mit  dem  es  in  älterer 
zeit  hand  in  hand  geht:  indem  wir  alhier  unser  ancker 
in  gr.  bringen  weiten  A.  Olearius  Orient,  reise  62;  die 
morn  die  gallee  beraubten  und  in  den  grünt  des  meres 
senckten  Arigo  decam.  321,  26  K.; 

wie  sie  (die  see)  so  manches  schiff  versenkket  in  den  grund 
J.  Rachel  satyr.  gedickte  52  ndr.; 

läuft  sie  (Nemesis)  auf  wogen  einher,  stttrzet  die  schiff  in 

den  grund 

GRAFEN   StOLBKRG  4,  12; 

mit  meeresschiffen  wild  gerungen, 
sie  krachend  in  den  grund  gebracht 

Kbrner  lyr.  ged.  (1854)  385; 

'ein  schiff  in  den  gr.  bohren,  d.  h.  es  mit  geschütz  so 
beschieszen,  dasz  es  zu  gründe  geht  oder  untersinkt' 
W.  Hoffmann  tob.  der  d.  spräche  2,  708»;  der  .  .  .  corsar 
bohrete  das  . . .  schiff ...  in  gr.  Happel  akad.  roman  (i690) 
1019;  anders  aufgefaszt: 

kein  schifTer  bohret  selbst  sein  strandend  schif  in  grund 

Lohenstein  Cleopatra  (1680)  (v.  193); 

alle  meine  heroischen  Vorsätze  hat  die  kleine  hexe  in 
den  gr.  gefahren  Fr.  Arndt  bei  E.M.Arndt  sehr.  (i845j!f.) 
1,  29;  wo  die  Jugend  .  .  .  häufig  die  bedächtige  breite 
treckschuite  der  philister  in  gr.  segelt  Brentano  gea. 
sehr.  5,  408;  ebenfalls  anders  verstanden:  am  ende  doch 
sich  unversehens  in  den  gr.  segeln   Fr.  H.  Jacobi  w. 

1,  20;  bei  intransitiven  verben  dagegen  bevorzugt  die  mo- 
derne spräche  zu;  in  älterer  zeit  ist  in  vorwiegend  rui. 
und  md.: 

itzt  sinkt  dein  schief  in  grundt 

Gryphius  sonn-  u.  feiertagssonette  19  ndr. : 

dat  schip  ghink  in  de  grünt  Lüb.  chron.  2, 102  Orautoff 
(die  übliche  nd.  ausdrucksweise);  übertragen:  darumb  wirt 
es  Teutschland  gelten,  das  sorg  ich,  es  mus  ynn  gr. 
ghen  Luther  17,  1,  389,  23. 

B.  grund  der  hölle.  das  ältere  scheint  abgründe,  das 
im  Heliand  neben  grund,  bei  Otfr.,  im  Tatian  allein  er- 
scheint und  sich  bis  ins  nhd.  gehalten  hat:  so  müste 
Jona  hie  ynn  abgrund  der  hellen  faren  Luther  19,240; 
doch  ist  gr.  auch  obd.  alt:  tartarum  hellagrunt  ahd.  gloaa. 

2,  329;  nur  sehr  selten  im  absoluten  casus:  dirre  tac  .  . . 
der  lütirit  alliz  daz  dir  ist,  himil  und  erde,  und  den 
grünt  der  helle  speculum  eccleaiae  68  Kelle;  in  den  weit- 
aus meisten  fällen  abhängig  von  präpositionen,  und  zwar 
zumeist  nach  verben  der  bewegung: 

thuo  thiu  seola  quam 
Judases  an  grund       grimmaro  helliun 

Heliand  5429;  ähnlich  2601; 
sie  vielen  in  der  helle  grünt 

Jansen  Enikel  325  Str.;  vgl.  754;  22699; 

und  wurt  er  (der  edle  mansch)  gezogen  in  den  tiefen 
grünt  der  hellen  Tauler  predigten  33,  1  Vetter;  du  solst 
yn  grundt  der  hei  .  .  .  faren  Luther  34,  1,  851;  plural 
seltener: 

in  der  helle  gründen 

muoz  ich  an  ende  quelnde  sin 

K.  V.  Würzburg  lied.  32,  269; 

geister  in  der  hölle  gründen 

Gerok  auf  eins,  gangen  »78; 
Varianten : 

latid  thea  fargriponon       an  grund  faren 
hellie  fures  -         Hei.  2638; 

bisz  das  sie...ym  gr.  des  hellischen  feuris  ligen  Luther 
8,  679  W.;  in  des  abysses  gründe  Heinrich  v.  Hesler 
apok.  6895;  bis  auf  den  gr.  des  Tartarus  verfolgt  Winckel- 
mann  1,  159;  ähnlich  empfunden:  syn  (des  vaters)  flök  . . . 
wärpet  kinder  in  des  todes  gr.  C.  Schulze  bibl.  aprichw.  98. 

43 


675 


GRUND  I  C  1.  2 


GRUND  I  C  s  —  D  1.  2 


676 


gelegentlich  steht  gr.  prägnant  für  höllengr.  {wie  häufig 
im  ags.  Bosworth-Toller  491);  die  älteren  belege  wohl 
nicht  zufällig  von  Niederdeutschen: 

und  zoch  sie  mit  im  zn  stunt 
in  den  grundelosen  grünt 

Heinrich  v.  Hesler  apok.  19306; 

de  dar  sytten  an  desser  duster  grünt 

schausp.  d.  mittelalt.  2,43  Mone; 

die  in  dem  schwefelvollen  grund 

mit  nie  gedämpften  schmerzen  brennen 

Triller  poet.  betrachi.  1,  112; 
gehaltvoller: 

als  der  grosze  geist  des  grnndes 

wollte  überm  lichte  wohnen         Brentano  3, 102. 

C.  grund  von  hohlräumen. 

1)  dem  vorigen  am  nächsten  steht  die  anwendung  auf 
klüfte,  felskessel  u.  dgl.:  ist  ein  tiefe  zerspaltung  im 
felsz  on  allen  grundt  'ohne  boden'  geistlich  strasz  (l52l) 
Kl*;  ohne  durch  Steilwände  aufgehalten  zu  sein,  ge- 
langte ich  ...  bis  in  den  gr.  der  enge  {des  Voinperloches) 
H.  V.  Barth  nördl.  Kalkalpen  469;  gewöhnlicher  von  be- 
hältern  aller  art:  was  aber  unten  am  gründe  {der  retorte) 
bleibet,  ist  ein  grober  rotter  schwefel  Thurneyszer 
m.  alchymia  (1583)  25;  mich  dünkt,  am  gründe  {der  Wein- 
flasche) bemerke  ich  etwas  trübes  Cronegk  sehr.  (i77i) 
1,  101 ; 

so  saufs  gar  ausz  bisz  auf  den  grundt 

Scheit  Orobianus  1809  ndr.; 

dies  die  seit  je  übliche  ausdrucksiceise ;  selten  mit  anderer 
präpos. : 

nun  hab  ich  bis  zum  grund  getrunken 

den  becher,  den  die  hoffnung  bot 

E.  Scherenberg  gedickte''  39; 

Wolfgangerl  tauchte  die  feder  ...  bis  auf  den  gr.  des 
dintenfasses  ein  briefstelle  bei  Jahn  Mozart  i,  81 ;  rfia- 
lektiach:  wenn  men  uf  -em  gr.  ist,  so  ist  sparen  z'  spät 
Staub-Tobler  2,  770;  he  gript  dar  henin,  as  wen  dar 
kien  gr.  to  krigen  is  brem.  tob.  2,  553.  der  unterschied 
gegenüber  dem  ähnlich  gebrauchten  boden  {th.  2,  210)  liegt 
darin,  dasz  gr.,  mit  räumlicher  Vorstellung,  auch  den 
unteren,  dem  boden  nächsten  theil  des  hohlraumes  be- 
zeichnen kann;  dann  als  präpos.  nicht  mehr  an,  son- 
dern in: 

im  grund  der  ume, 
■von  tausend  namen  überdeckt,  liegt  tief 
der  meine  Göthe  4,  332  W.  ; 

im  gründe  des  säckels  12,  152  W.;  als  sie  starb,  fand 
ich  den  ganzen  gr.  ihres  kastens  mit  zugebundenen 
strumpfen  zugestopft  G.  Freytag  4,  264;  öfter  von  ge- 
bäuden:  aus  dem  gründe  {des  turm£s)  steigt  ein  alter 
Schiller  2, 166  G.;  ein  fürchterlicher  ort,  der  lebendige 
genug  verschlungen  hat,  denn  sie  fallen  in  den  gr.  des 
castells  hinunter  Göthe  43,  362  W.  daher  zuweilen  für 
'gefängnis':  sie  verdiendt,  dasz  man  sie  alle  vier  in  die 
grundt  stecke  Frischbier  l,  257  (a.  1618);  grond  Staats- 
gefängnis  luxemb.  wb.  (l906)  156;  vielleicht  ist  auch  an 
gr.  'fundamenf  zu  denken. 

2)  vielfach  in  anwendung  auf  theile  des  menschlichen 
oder  thierischen  körpers: 

das  buch  wirt,  so  du  iz  vrisses, 
honicsuze  in  dinem  munde, 
bitter  in  des  buches  gründe 

Heinrich  v.  Hesler  apok.  15388  Helm; 

seit  dem  nhd.  meist  als  ivissenschaftlicher  terminus:  fun- 
dus,  der  gr.  ist  der  weitere  und  runde  theil  verschie- 
dener behälter  oder  holen,  die  sich  in  einen  länglichen 
und  engen  hals  endigen,  z.  b.  der  gr.  der  harnblase,  der 
gebärmutter  Blancard  arzneiw.  wb.  2,  62*;  diszes  säck- 
lin  hat  zwey  muntlöcher  . . .  eins  got  gegen  dem  mittel 
der  leber  .  .  .  daz  ander  zfi  dem  gr.  des  magens  Gers- 
dorf feldtbüch  d.  wundtartzney  (1517)  x  2^*;  vgl.  magen- 
gr.  'fundus  ventriculi,  die  blindsackförmige  ausbuchtung 
der  linken  magenseite'  Höfler  207";  {die  gallenblase)  wird 
eingetheilt  in  den  hals  {cervix),  den  körper  {corpus)  und 
den  gr.  {fundus)  Sömmerring  bau  d.  m^nschl.  körpers 
5,  148;  der  gr.  oder  die  basis  des  schädels  zeigt  4  .  .  . 
knochen  Oken  allg.  naturgeschichte  i,28;  gr.,  basis,  die 


unterste  fläche  oder  der  unterste  teil  des  bauchs,  der 
spitze  entgegengesetzt  {bei  der  gewundenen  Schnecke, 
cochlaea  spiralis)  Illiger  280;  gr.,  basis,  die  seite  der 
muschel  {testa  biualuis),  wo  ein  lederartiges  band  die 
beiden  klappen  .  .  .  miteinander  verbindet  292;  hierher 
wohl  auch:  die  erst  artzney  und  die  erste  reinigung 
machet  dir  ein  frischen  grundt  und  wunden,  die  gar 
leichtlich  .  . .  heilen  Paracelsus  chirurg.  bücher  (1618) 
114*  H.  ebenfalls  auf  der  Vorstellung  des  hohlraumes  be- 
ruht die  anwendung  auf  die  äugen: 

ihr  schwartzen  äugen  ihr,  in  euren  dunkeln  gründen 
kan  ich  itzt  glück  und  todt,  itzt  höll  und  himmel  ßnden 

Hoffmannswaldau  u.  a.  gedickte  2,  94  Neukirck ; 

in  ihren  äugen,  im  tiefsten  gründe,  rührte  sich  ihre 
seele  Storm  w.  l,  112. 

3)  als  feste  formal :  inn  hundstagen  schwümmt  es  {das 
Salpeter)  neun  tag  entbor,  denn  setzt  es  sich  wider  zu 
gr.  Forer  Geszners  thierb.  (1563)  25;  hefen,  mit  dem  ein- 
fachen kurtzen  e,  ist  was  sich  im  geträncke  zu  gründe 
setzet  GuEiNTZ  deutsche  rechtschr.  (1666)  79;  genauer: 
also  setzt  sich  das  metall  an  einem  könig  zu  gr.  des 
tigels  Paracelsus  opera  (t6l6)  l,  904  b  H.,-  heute  meist 
prägnant:  sich  setzen;  von  hier  aus  übertragen,  wird  gr. 
'dasjenige  was  sich  in  einer  flüssigkeit  auf  den  gr.  oder 
zu  boden  setzt,  z.  b.  der  gekochte  kaffee,  der  sich  im  topfe 
zu  boden  setzt'  Heinsius  2,  550;  vgl.  Campe  2,  469;  ähn- 
lich schon  im  17.  ja.; 

gottes  kelch  ist  bitter  trinken,  sonderlich  der  letzte  grund 

LoGAU  sinnged.  335  E. ; 

eine  vergleichbare  concretisierung  zeigt  gr.  'ballast'  HuL- 
sius  (1618)  143";  Jagemann  (1799)  648. 

D.  in  einigen  fällen  übertragenen  gebrauchs  liegt  ganz 
allgemein  die  Vorstellung  der  unteren  begrenzung  zu 
gründe,  ohne  dasz  in  jedem,  falle  ein  bestimmter  sinn- 
licher ausgangspunkt  bewuszt  oder  erkennbar  wäre. 

1)  seit  alters  in  negativer  form  auf  abstracta  ange- 
wendet; z.  th.  noch  mit  bildlicher  Vorstellung:  iudicia  tua 
abyssus  m,ulta.  dine  urteilda  michel  abcrunde,  daz  chit 
ane  grünt,  uuanda  sie  nemag  nieman  ergrunden  noh 
erfaren  Notker  2,  125,  3  {ps.  35,  7); 

ir  schoene  was  s6  bodenlös, 

daz  man  niht  grundes  drinne  sach 

KoNR.  V.  WtJRZBURG  Troj.  19721,  vgl.  226; 

z.  th.  ohne  deutlichen  sinnlichen  ausgangspunkt: 

Reinkens  losheit  hadde  nene  grünt  {nhd. :  'war  bodenlos') 

Reinke  de  vos  2128; 

weibes  lyst  band  kein  gründ 

Keller  erzähl.  309, 12. 

2)  einige  verbale  fügungen:  auf  den  gr.  kommen 
bis  zum  untersten,  zu  den  anfangen  einer  sache  vordringen 
und  dadurch  zu  ihrem  Verständnis  gelangen,  im  I6./17.  jh. 
häufig  absolut  'die  Wahrheit  ermitteln': 

kumpt  man  aber  uf  den  grundt 
und  würt  der  Sachen  oflich  ynnen 

Murner  schelmenzunß  33,  32  ndr.; 

nichts  so  tief  verborgen,  man  kompt  zuletzt  auf  den  gr. 
Lehmann  florileg.  polit.  (1662)  8,  240 ;  offenbar  wurde  die 
Wendung  in  älterer  spräche  mit  gr.  'wahrer  Sachverhalt' 
{s.  u.  IV  B  4)  zusammengebracht;  daher,  wie  in  jener  be- 
deutung,  oft  mit  wahr  und  recht:  der  goldschmidt  hört 
wol  weitläufig  darvon  {von  der  untreue  seiner  frau)  sagen,  ^ 
kundt  doch  nye  auf  den  rechten  grundt  kommen  Lin-  ^I 
dener  rastbüchlein  8  L.;  dialectica  ,  .  .  lernt,  wen  einer  V 
ein  ding  nit  kan  oder  wais,  wie  ers  suechen  .  .  sol  . .  , 
damit  er  auf  den  warn  rechten  gr.  kum  und  die  wär- 
hait  erforsch  Aventin  s.  w.  4, .426,  12  L.;  daher  auch 
mit  hinter :  ich  wil  gleichwol  der  Sachen  noch  ein  wenig 
nachdencken,  .  ,  .  solte  ich  auch  alsdann  hinter  den 
grundt  kommen  H.J.v. Braunschweig  schausp.  271  H.; 
noch  bei  Frisch  379*  auf  keinen  gewissen  gr.  kommen 
können  certum  invenire  non  posse;  auch  der  gen.  des 
attributs  ist  alt:  also  wenig  mag  auch  der  mensch  auf 
den  gr.  philosophiae  adeptae  kommen  Paracelsus  opera 
(1616)  2,  399  H.;  daneben  in:  die  begierde  .  .  .,  in  diesen 


677 


GRUND  I  E  1 


GRUND  I  E  1 


678 


Sachen  auf  einen  beständigen  gr.  za  kommen  Leibnitz 
deutsche  sehr,  l ,  266.  der  gen.  wird  wie  bei  zu  gründe 
liegen,  legen  {s.  «.  IV  A  3  c,  d)  seit  der  2.  hälfte  des  18.  jh.s 
durch  den  dat.  ersetzt;  das  object  bilden  meist  allgemeine 
begriffe  wie  problem,  ding,  Sache : 

(tempelherr :)  ein  problema.    {patriarch:)  dem  ich  tiefer 
doch  auf  den  grund  zu  kommen  suchen  musz 

Lkssing  3, 119  {Nathan  i,  2)  M. ; 

ich  möchte  wenigstens  einigen  dingen  auf  den  gr.  kom- 
men GÖTHE  IV  8,  248  W.;  eine  instruction  Ferdinands, 
in  welcher  er  herzog  Georg  auffordert,  der  sache  auf 
den  gr.  zu  kommen,  wo  sie  ihren  anfang  und  Ursprung 
habe  Ranke  *.  w.  3,  32;  auch  nd.-.  ik  möt  de  säk  upn 
gr.  kämen,  sä  de  stgrnkiker,  do  ful  he  in  den  söd  Lüpke 
seemannsspr.  9  (mecklenb.),  —  auf  den  gr.  gehen;  an- 
scheinend jünger  als  das  vorige;  ebenso  consiruiert:  die 
menschen  glauben  oft  in  den  artheilen  . . .  verschieden 
zu  seyn,  wo,  wenn  man  auf  den  gr.  geht,  die  sache  ein 
bloszer  wortstreit  ist  Gerstenberg  recens.  164  F.;  wen 
man  wat  ördenliks  leren  un  wSten  wil,  den  mut  man 
de  sake  up  den  gr.  gän  Doornkaat-Koolman  l,  702; 
etwas  anders:  Frida,  de  in  allen  dingen  up  den  gr.  gung 
Fr.  Reuter  2,  252  S.  —  auf  den  gr.  sehen  'durch- 
schauen', anknüpfend  an  den  boden  des  gewässers;  erst 
mit  dem  18.  jh.  häufiger,  daher  meist  mit  dem  dat.  (s.  o.) ; 
hat  vor  den  vorigen  die  gröszere  mannigfaltigkeit  des  ob 
jects  voraus:  mit  der  oper  ...  mag  ich  mich  nicht  ab- 
geben, besonders  weil  ich  diesen  musikalischen  dingen 
nicht  auf  den  gr.  sehe  Göthe  IV  19,  378  W.;  unser 
gröszestes  übel  besteht  darin,  dasz  niemand  unserm 
Staate  auf  den  gr.  sieht  Dahlmann  frz.  revolution  6; 
wenn  sie  ihren  bestrebungen  auf  den  gr.  sehen  D.  Fr. 
Strausz  ges.  sehr.  8,  xxii ;  älter:  wenn  man  klar  in  dieser 
ganzen  eache  und  auf  den  gr.  sehen  will  M.  I.  Schmidt 
gesch.  d.  Deutschen  l,  336.  —  anderes  seltener: 

man  läszt  sich  nicht  den  klang,  den  leeren  ton  bethören, 
man  forschet  auf  den  grund 

Scheibe  erit.  musicus  (1745)  603; 

der  herzog  von  Gotha  fragt  bestimmt  und  auf  den  gr. 
Gleim  briefw.  2,  364; 

dürft  ich  euch  wohl  ein  andermal  beschweren, 
von  eurer  Weisheit  auf  den  grund  zu  hören? 

GöTHB  14,  95  {Faust  2042)  W.; 

Herder  wird  dir  geschrieben  haben ;  er  ist  diesen  sachen 
auf  dem  gründe  Göthe  IV  6,  281  W. 

E.  grund  des  herzens,  der  seele  u.  ä.  war  bisher  der 
begriff  der  unteren  begrenzung  als  bedeutungsinhalt  oder 
■Ursprung  der  Wendungen  ohne  weiteres  erkennbar,  so  tritt 
er  hier  fast  völlig  zurück  zu  gunsten  der  Vorstellung  des 
unteren,  tief  gelegenen  bezirkes  {vgl.  die  Unterscheidung 
unter  G  l).  als  solcher  bezeichnet  gr.  des  herzens  sitz 
und  quelle  der  geheimsten  und  tiefsten  empfindungen,  auch 
gedanken. 

l)  herzens  grund  ist  am  ältesten,  wenn  auch  nicht  ganz 
so  weit  zurück  zu  verfolgen  voie  die  bisherigen  gebrauchst 
formen: 

so  nimit  er  uon  des  herzzen  gründe       daz  soften  mit  dem 

munde 
Müstäter  genesig  17, 14  Diemer. 

bis  ans  ende  des  18.  jh.s  die  weitaus  häufigste  Zusammen- 
stellung, dann  z.  th.  verdrängt  durch  gr.  der  seele.  plural 
selten,  nur  poetisch: 

das  reuet  mich  von  herczen  gründen 

st.  Stephans  leben  1118  Mc.  Clean; 

und  wie  ein  freundlich  sternlein  blinkt  ihm  tief 
ins  herz  und  wieder  aus  des  herzens  gründen 
ein  klares  blaues  aug 

A.  V.  Droste-Hülshoff  2, 347  Schücking. 

a)  vergleichsweise  selten  ohne  präpos. ;  doch  zeigt  dieser 
gebrauch  die  formel  ausdrucksvoller;  sie  betont  bald  das 
verborgene,  dunkle  der  empfindungen:  nu  kennet  er  ja 
unsers  hertzen  gr.  (var.  das  heymliche  ym  hertzen) 
pa.  44,  22;  vgl. 

wan  eht  got  dem  ist  kunt 
aller  hertzen  sinne  grünt 

H.  v.  Langenstein  Marl.  202, 105; 


und  (gott)  erlaucht  deines  hertzen  grund 
mit  seim  tröstlich  heylsamen  wort 

H.  Sachs  1, 173  K.; 

bald  die  Wahrheit  und  echtheit:  was  nit  von  hertzen 
grundt  kummet,  ist  schein  und  nit  wesen  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  2,  155  ndr.;  daher  oft  in  parallele  oder  im 
gegensatz  zum  wort  des  mundes:  dan  wer  anhebt  tzu 
bitten  'vater  unszer  . . .'  und  thut  das  mit  hertzes  grundt 
Luther  2,  83  W.; 

begehrt  dein  mundt 

ohn  hertzens  grundt, 

dasz  man  sich  zu  dir  wende    S.Dach  154Ö. ; 

wenn  nun  des  menschen  mund  des  herzens  grund  entdecket, 
und  aus  der  red  erhellt,  was  im  gemühte  stecket 

J.  Grob  dichter.  Versuchung  (1678)  56; 

voller  mund  sagt  des  hertzen  gr.  Seb.  Franck  sprüchw. 
(1541)  2,  21*;  trunkner  mund  verräth  des  herzens  gr. 
V.  Düringsfeld  sprichw.  1,270;   bald  ernst  und  tiefe: 

sein  Sünde,  so  er  hett  gethon  .  .  ., 
die  im  peinigt  seins  hertzen  grund 

H.  Sachs  18, 112  K.-G.; 
zuweilen  in  bewusztem  bilde: 

Irekel  diu  viel  im  zehant 
tiefe  in  sines  herzen  grünt 

K.  v.  Würzburg  Partonopier  16549; 

du  (goti)  müst  hüt  in  den  gr.  mines  herzen  gesmelzet 
werden  H.  Seuse  deutsche  sehr.  16,  8  Bihlmeyer. 

b)  mit  Vorliebe  nach  präpositionen,  und  zwar  am  häu- 
figsten nach  von  und  aus.  nach  verben  des  affects  wiegt 
von  weit  vor: 

der  von  sines  herzen  gründe 
bischof  Ruodolfen  was  gram 

Ottokar  steir.  reimehr.  35917; 

freuet  euch  von  gr.  eueres  hertzen  V.  Schumann  nachtb. 
106  Bolte;  dasz  sie  in  von  gr.  ires  hertzen  liebet  Amadis 
1,  43  K.;  dass  .  .  .  ich  .  .  .  von  gr.  meines  hertzens  er- 
schrocken Guarinonius  grewel  d.  Verwüstung  (l610)  270; 
so  hätte  sie  mich  von  gr.  meines  hertzens  tauren  müssen 
Grimmelshausen  Simpl.  2,273  Keller;  auch  plastischer : 
lesset  sie  jetzt  von  grundt  ihres  hertzens  manchen  tie- 
fen seuftzer  faren  Mathesius  leichenreden  85;  aus  ist 
ungleich  seltener:  die  thu  ich  aus  gr.  des  herzens  lieben 
A.  V.  Arnim  21,  120  Gr.;  regelmäszig  aber  aus  herzen  gr. : 

und  (er)  was  bekumbert  usz  hertzen  grund 

Friedr.  v.  Schwaben  1271  J.; 

{Venus)  erbarmet  sich  ausz  hertzen  gnmd 

Spreng  Äneis  11»; 

ir  schrecket  mich  ausz  hertzen  grund 

H.  Sachs  6,147  K.; 
sie  thut  all  stund 
ausz  hertzen  grund 
mein  gmüt  alles  erfreuen 

Forster  fr.  teutsche  liedlein  29  ndr. ; 

für  bitten,  danken,  preisen  u.  ä.  gilt  dieselbe  theilung: 
also  das  er  von  gründe  sines  herzen  got  sol  bitten 
Tauler  pred.  209,  29  Vetter; 

von  grund  des  herzens  preis  ich  euch 

MöRiKE  1, 128  Göschen ; 

ich  dancke  dir  gantz  inniglich  ausz  grundt  meines 
hertzens  buch  d.  liebe  (1587)  391»;  das  wir  betten  ausz 
hertzen  grundt  Nigrinus  von  Zauberern  (1592)  59;  neben 
sprechen,  sagen  heracht  dagegen  aus  vor:  und  sprach  us 
dem  gründe  sines  herzen  zu  mir  Tauler  pred.  187,  23 
Vetter; 

ihr  habet  alzuviel  mir  itzt  schon  angethan, 

ihr  äugen,  dasz  ichs  euch  aus  grund  des  hertzens  sage 

Hoffmannswaldau  u.  a.  gedichte  2, 16  Neukirch; 

er  sagt  dir  aus  dem  gründe  seines  herzens  prost  zum 
heutigen  tage!  Raabe  hungerpastor  l,  162;  bei  diesen 
verben  in  moderner  spräche  nicht  mehr  recht  üblich,  wie 
überhaupt  der  geltungsbereich  der  formel  früher  ausge- 
dehnter war: 

so  si  üz  herzen  gründe  ir  friunde  ein  lieblich  lachen  tuot 
W.  V.  D.  Vogelweidb  27,  36; 

on  allen  zweyfell  werden  ir  gesuntheit  erlangen,  so  ir 
euch  geloben  von  gr.  euers  hertzen  Warbeck  Magelone 

43* 


679 


GRUND  I  E  8 


GRUND  I  E  s.  4 


680 


966  B. ;  SO  sehencke  ich  es  euch  hiemit  von  gr.  meines 
hertzens  Moscherosch  gesichte  (1650)  248;  auszer  bei 
Verben  mir  beim  adv.  gern  häufiger:  das  habe  ich  von 
gründe  myns  herzen  begirlich  und  gern  gehört  privatbr. 
d.  mittelalt.  I,  54  SteinJiausen;  ich  will  sie  {die  gelder) 
ihnen  von  gr.  des  herzens  gern  noch  fünfzehn  jähr  . . . 
lassen  Lessing  2,  146,  21  M.;  von  gründe  des  herzens 
gern  Wack^in roder  herzensergieszungen  (1797)  49;  vgl.: 
alle  .  .  .  Verrichtungen  .  .  .  von  grundherzensgerne  über 
sich  genommen  Fischer  schwüb.  3,  872.  —  im  gründe 
des  herzens  ist  in  älterer  spräche  ohne  specißsche  färhung: 

diu  wlsheit  in  des  herzen  gründe 
smecket  rehte  als  in  dem  munde 
dem  guom  ein  guotiu  spise  tuot 

Lampr.  V.  Regensburg  iochter  Syon  2796 ; 

die  bösen  in  irs  hertzen  grund 
stets  wider  mich  gedenken 

Mich.  Sachse  bei  Fischer-Tümpel  1,15; 

später  eingeschränkt  auf  das  geheime,  das  man  nicht  zeigt 
oder  sagt:  wer  im  gründe  seines  herzens  ein  schalk  ist, 
der  zeigt  es  nie  mehr,  als  in  hektischen  krankheiten 
La  VATER  handbibl.  (l793)  2,  ill;  dazu  hatte  die  Anne- 
marie das  mädchen  ...  im  gründe  ihres  herzens  doch 
noch  zu  lieb  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2, 198;  ich  weisz  doch, 
dasz  sie  meinen  schritt  im  gründe  ihres  herzens  billigen 
Bauernfeld  ges.  sehr.  4,  5.  —  bis  auf  den  gr.  des 
herzens,  bildhafter  empfunden: 

(sünden)  die  niht  geriuwent  zailer  stunt 
hin  abe  unz  üf  des  herzen  grünt 

W.  V.  D.  Vogelweide  6,  12; 

si  wurden  paide  da  enzunt 

mit  liebe  untz  in  ir  hertzen  grünt 

H.  V.  Neustadt  Apollontus  3534  S. ; 
ähnlich : 

diu  mir  daz  herze  hat  verwunt 
vaste  unz  üf  der  minne  grünt 

Tannhäuser  3, 126  S. ; 

vgl.:  {die  Situationen)  beklemmen  das  hertz,  sie  be- 
unruhigen die  seele  bis  auf  einen  gewissen  grad:  aber 
sie  kommen  nicht  auf  den  gr.  Ramler  einl.  in  d.  schön, 
vnssensch.  2,  46. 

c)  verschiedenartig  verstärkt: 

ich  bin  in  strenger  Heb  verwund 
gar  tief  in  meines  hertzen  grund 
gen  Rosmunda  H.  Sachs  17,  6  K.-G. ; 

vgl.  die  schweren  seufczen,  die  aus  grünt  und  tief  ires 
herczen  kamen  Arigo  decam.  191,  37  K.;  nach  analogie 
der  formet  von  ganzem  herzen :  also  bit  got  von  gantzem 
grünt  dins  hertzens  Keisersberg  bilgerschaft  (i5l2)  BS*; 

es  ist  von  gantzen  hertzens  grund 
mein  bitt  an  euch  zu  diser  stund 

Spreng  Ilias  (1610)  8lb; 

im  älteren  nhd.  recht  gebräuchlich;  vgl.  ausz  bitterem 
und  von  gantzem  gr.  seines  hertzen  Fortunatus  59  ndr. ; 
solches  wünsche  eurer  königl.  mayt.  ich  aus  innerstem 
gründe  meines  hertzen  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  l  (1648) 
Widmung  6; 

wenn  der  treugesinnte  mund 
oft  des  herzens  innern  grund 
liesz  entdeckt  und  offen  schauen 

Gottsched  gedickte  (1751)  208; 

und  tief  bewegten  gesänge 
des  herzens  innigsten  grund 

GÖTHE  1,49  W.; 

seltener:  von  gr.  meines  innersten  hertzens  ollapatrida 
111,  37  Wiener  ndr. 

8)  grund  der  seele  erscheint  zuerst  in  der  mystik  des 
14,  jh.s  {s.  u.  6) ;  doch  bleiben  die  belege  bis  ins  18.  jh. 
ziemlich  selten: 

so  mag  in  unser  sele  grund 
Cristus  nit  wol  werden  kunt 

Christus  u.  die  minn.  seele  2103; 

ich  ...  bit  dich  lieber  herre,  das  du  dich  schliesest  in 
den   grünt   myner    sele    der  ewigen  vdszheit   betbüchlin 

(1518)  130^; 

ich  bin  auch  ihnen  wieder 
von  grund  der  seelen  hold 

Königsherger  dichterkr.  50  ndr.; 


das  es  mir  von  grundt  meiner  seelen  leydt  ist  El.  Charl. 
V.  Orleans  i,2Jlf.;  das  andere  wort  heist  tni9^vfxelv, 
etwas  von  hertzen  und  von  gr.  der  seele  wünschen  und 
begehren  icohlgeplagte  priester  (1695)  9.  in  schwang  kommt 
der  ausdruck  erst  mit  dem  stürm,  und  drang,  mit  der 
iciederentdeckung  der  seele.  piural  auch  hier  beschränkt 
auf  poetischen  gebrauch: 

doch  schau  hinab,  in  deiner  seele  gründen, 
was  du  hier  suchest,  wirst  du  dorten  finden 

Bettine  Günderode  1,  347. 

in  manchen  Verbindungen  tritt  der  gr.  der  seele  für  den 
gr.  des  herzens  ein,  ohne  darum  die  ältere  wendung  ganz 
zu  verdrängen:  und  soll  ich,  weil  Leszing  wiederum 
alles  aus  dem  gründe  der  seele  holt,  soll  ich  ihn  für 
einen  spekulativen  witzling  halten?  Herder  3,  ii  S.; 
am  häufigsten  auch  hier  präpositional  von,  aus,  im 
gründe  der  seele:  ich  wünsche  von  gr.  meiner  seelen 
Lessing  17,  146  M.;  sie  dauert  mich  von  gr.  der  seelen, 
das  gute  kind  H.  L.Wagner  theaterstücke  (1779)  97;  der 
patron  war  mir  so  recht  im  gründe  meiner  seele  ver- 
haszt  Gaudy  s.  tv.  2, 107;  von  gr.  der  seele  gern  Campe 
2,  469;  im  innern  gründe  meiner  seele  Göthe  45,  231  W., 
auch  modern  dialektisch:  üt  de  gr.  fan  min  sSl  DOORN- 
KAAT-KooLMAN  1 ,  702.  dagegen  ist  die  seit  dem  aus- 
gehenden 18.  jh.  reich  verbreitete  wendung  auf  den  gr.  der 
seele  sehen  in  älterer  spräche  ohne  parallelen;  gr.  des 
herzens  in  dieser  Verbindung  bleibt  vereinzelt:  ha!  bar- 
barische Marwood,  diese  rede  liesz  mich  bis  auf  den 
gr.  ihres  herzens  sehen  Lessing  2,  290,  23  M.;  schon  bei 
Wieland:  er  richtete  sich  auf,  und  sähe  sie  eine  weile 
an,  als  ob  er  bis  in  den  gr.  ihrer  seele  schauen  wollte 
Agathon  (1766/.)  l,  254;  er  glaubte  bis  auf  den  gr.  ihrer 
seele  zu  sehen  Göthe  23,  40  W.;  öfter  wird  das  äuge 
als  durchgangspunkt  des  forschenden  blicks  hinzugefügt: 
diesen  fürchterlichen  blick  ...  so  kalt,  so  durchbohrend, 
so  wild,  als  wollt  er  durch  mein  äuge  hindurch  auf 
den  gr.  meiner  seele  schauen  Tieck  sehr.  2,  Sil;  das 
bild  der  seele  als  eines  gewässers  schwebt  mehr  oder  weniger 
deutlich  vor:  wie  auf  dem  gr.  eines  sees  die  fische  muth- 
willig  durcheinander  spielen,  so  könnt  ich  deine  ge- 
danken  spielen  sehen  auf  dem  klaren  gr.  deiner  seele 
Bettine  frühlingskranz  (1844)  19;  du  würdest  wähnen, 
in  dieser  klarheit  müsse  man  bis  auf  den  gr.  der  seele 
blicken  können  Stifter  w.  1 ,  82  bibl.  dtsch.  schriftst. 
a.  Böhmen. 

3)  anderes  seltener:  welcher  {arzt)  nun  grüntlich  hel- 
fen will,  der  mus  im  gr.  des  gemüts  anfangen  Fischart 
podagr.  trostbüchlein  18,  20  H.; 

o  wie  preis  ich  die  Sängerin  drum,  die,  unter  der  muse 
schütz,  mir  den  lieblichen  grund  ihres  gemütes  enthüllt 

MöRiKE  1, 100  Göschen, 
jung  und  nur  poetisch: 

was  ihr  vernahmt, 
bewahrts  in  eures  busens  tiefem  gründe 

Schiller  14,  47  ß.; 

und  in  meines  busens  gründen 
schien  ich  mir  mich  selbst  zu  finden 

Grillparzer  4,  84  S. 

4)  im  mhd.  kann  auch  grund  allein  den  herzensgrund 
bezeichnen,  wie  es  scheint,  nur  nach  präpositionen ;  nament- 
lich nach  von: 

enbiute  dir  von  gründe 
mit  herzen  und  mit  munde 
minen  küneclicben  gruoz 

KoNR.  V.  Würzburg  Silvester  2575; 

daz  si  von  gründe  wolte  senen 
zallen  zlten  sich  üf  jenen 

Engelhard  1229;  vgl.  6418; 

daz  ir  lerent  von  gründe  got  minnen  Tauler  pred. 
59,7  Vetter;  vgl.  138,  28;  er  ...  neig  ir  von  gründe  Seuse 
dtsche  sehr.  29,  24  Bihlm.;  seltener  nach  anderen  prä- 
positionen : 

sin  leit  gienc  ir  ze  gründe 
und  sin  vil  strengez  ungemach 

Engelhard  6190; 
nhd.  vereinzelt  ähnliches: 

ich  sprach:  'bist  du  dann  Jesus  nicht?' 
und  seufzet  aus  dem  gründe 

Spee  trutznacht.  4,  72  B. ; 


681 


GRUND  I  E  5.  6 


GRUND  I  F  1.  2 


682 


ebenso  verstärkt  wie  gr.  des  herzens:  und  begerent  von 
ganzem  gründe,  das  si  in  alleine  minnen  Tauler  pred. 
138,  82  Vetter; 

neur  was  du  wilt, 

mein  schöne  Gret, 

ausz  ganczen  gründen, 

daz  tun  ich  snell 

Osw.  V.  Wolkenstein  77,  33  Seh. 

5)  mit  dem  vorigen  steht  offenbar  eine  Verwendung  in 
Zusammenhang,  die  unter  lockerung  der  bildlichen  Vor- 
stellung zu  einer  bedeutung  ähnlich  wie  'gesinnung,  sinn' 
führt;  dann  sind  kennzeichnende  adjectiva  nötig,  vor- 
wiegend  alem.: 

und  hett  gen  ir  {der  amy)  ain  falschen  grund 

H.  V.  Sachsenheim  möhrin  1753; 

dasz  auch  hier  an  herzenagrund  gedacht  wurde,  lehren 
fälle  tvie: 

drutz  das  kein  meister  schrib 

und  nümer  schriben  kund 

so  vil  der  falschen  grund, 

als  in  irm  hertzen  was 

H.  V.  Sachsenheim  Spiegel  177,  30; 

du  weist,  das  ouch  erdichtet  hand 

wider  mich  dises  alles  sand 

US  falschem  hertzen,  argem  grund 

echiveiz.  schausp.  des  16.  jh.s  2,  61  B.; 

das  gegenstück  ist  alem.  aus  rechtem  gr.  'ernstlich,  mit 
Überzeugung': 

wer  zÄ  im  kumpt  und  dienst  begärt 
usz  rächtem  grund,  wird  von  im  gwärt 

ib.  3,  162; 

doch  kann  auch  die  bedeutung  IV  C  5  a  hereinkreuzen: 
dieweil  er  an  disem  löuwen  (einem  kunstwerk)  nichts, 
das  et  ausz  rechtem  gr.  tadlen  hette  können,  finden 
mocht  Wetzel  reise  d.  söhne  Qiaffers  88  Fischer; 

wer  hofifen  kan  ausz  gutem  grund, 
der  find  sein  trost  zu  aller  stund 

Petri  d.  Teutschen  Weisheit  1  g  4^; 

dasz  feinds  mund  redet  nimmer  ausz  guten  gr.  Leh- 
mann ßorileg.  polit.  (1662)  3,  97  (vgl.  IV  B  4l);  auch  ohne 
adj.:  ob  man  etwas  uf  mich  seit,  ...  so  bedenkend, 
US  was  gr.  und  herzen  es  kumme  Zwingli  dtsche  sehr. 
1,  86; 

hab  acht  auf  aigen  leib  und  eer 

und  wy  dein  grund  in  gott  sich  ker 

J.  V.  ScH WARZENBERG  Cicero  (1685)  3»; 

der  bösen  grund  wend  got  zur  stund 

Fisch  ART  2,  291  Kurz; 

ir  wurd  irs  gmals  gemüt  und  grund 
entdeckt 

Thym  Thedel  v.  Wallmoden  980  Zimmerm. ; 

er  was  seins  worts  gedächtig, 
sein  mund,  sein  grund  eindrächtig 

Zinkgref-Weidner  teutsch.  nat.  weish.  3,  25; 

bestymbt  fals  lerer  dichten  und  piegen  wol  iren  gr.  auf 
heilige  schrift,  aber  dieselb  pflegen  sy  unrecht  zeversteen 
B.  V.  Chiemsee  teutsche  theol.  114  B.;  auch  das  nd.  kennt 
gewisse  Wendungen,  die  ähnlich  verstanden  scheinen  (vgl. 
nl.  quaden  grond  mala  mens,  malus  animus  Kilian 
168):  weret  sake  . .  .,  dat  unser  welk  sodanen  hat  tohope 
hadden  van  herten,  dat  wy  dar  neue  gude  grünt  (gute 
gesinnung,  freundschaft)  an  maken  konden  pomm.  ge- 
schichtsdenkm.  2,  75  Pyl;  ik  kan  kinen  gr.  to  dem  minsken 
krigen  'ich  kann  kein  vertrauten  noch  freundschaft  zu  dem 
menschen  fassen'  brem.  wb.  2,  558. 

6)  eine  besondere  rolle  spielt  grund  in  der  spräche  der 
mystih,  die  das  tiefe,  vieldeutige  wort  sehr  liebt  und  oft 
mit  seinen  verschiedenen  bedeutungsrichtungen  spielt  (nach 
Herm.Kunisgh  das  wort  'grund'  in  der  spräche  der  deut- 
schen mystik  des  14.  und  15.  jh.s  [dissert.  Münster  1929] 
1,  15,  98  u.  ö.  ist  gr.  specißsch  für  Tauler);  schillernd 
zwischen  'herzensgrund ,  innerstes  geistiges  wesen'  und 
schlichtem  'sinn':  wenne  das  ewig  wort  wirt  gesprochen 
in  den  grünt  der  seien,  und  der  grünt  als  vil  bereit- 
schaft  und  enphenglichkeit  hat,  das  ...  Taüler  pred. 
334,  14  Vetter;  dieser  tempel  ist  der  überminnekliche  in- 
wendige grünt  der  seien  266,  8;  die  dritten  empfiengent 
in  ...  in  das  verborgen  abgrunde,  in  daz  heimeliche 
rieh,   in  den  wunnenclichen  grünt  92,  95;  daz  sich  min 


herze  und  mine  sele  rehte  al  zu  male  gegen  dir  uf  tfin 
welle,  und  mäs  dir  offenboren  und  sagen  allen  minen 
heimmelichen  grünt  Rulman  Merswin  buch  v.  d.  zwei 
mannen  2  L.;  er  .  .  .  danket  ire  herzeklich  usz  einem 
demütigen  gründe  Seuse  dtsche  sehr.  14,  24  Bihlm.;  et- 
lichü  . . .  die  hohen  sinne  der  heiligen  schrift  .  . .  ver- 
kerlich  hain  genomen  nah  ir  selbs  eigem  und  wilden 
gründe  4,  13;  ähnlich  auch  von  gott:  süllen  wir  iemer 
komen  in  den  grünt  gotz  und  in  das  innigoste  gotz,  so 
müssen  wir  zu  dem  aller  minsten  zem  ersten  komen 
in  unsern  eigenen  grünt  und  in  unser  innigostes  Tau- 
ler pred.  149,  34  Vetter. 

F.  der  begriff  des  tiefen,  unteren  bezirkes  (s.  o.  C  1,  E 
anfang)  kann  so  entgegenständlicht  werden,  dasz  grund  der 
bedeutung  des  abstractums  'tiefe'  nahekommt. 

1)  schon  mhd.  in  präpositionalen  fügungen  recht  ent- 
wickelt (manche  von  ihnen  lassen  auch  an  II  A  1  b  denken; 
doch  zeigt  sich  die  bedeutung  'erdboden'  mhd.  sonst  nicht 
entfaltet) : 

dar  zouh  an  der  stunde 

di  vedere  (auf  der  wags(Jiale)  ze  gründe 

Straszb.  Alex.  7148  Kinzel; 

er  Seite  im  daz  msere 
von  obene  hin  ze  gründe 

GoTTFE.  V.  Straszburg  Trist.  8239; 

din  igottes)  wunder  sich  so  wirret 
in  höhe  und  an  dem  gründe 

Joh.  V.  Würzburg  Wilh.  v.  Österr.  13691; 

ir  schön  gepär  tuet  mir  ungemach 
von  hoch  der  schaitel  überab  den  grünt 

Osw.  V.  Wolkenstein  1,  20  Seh.; 

vgl.  daher  auch  (in  dem  mau^riverk)  ein  unheilbarer 
risz  vom  scheitel  bis  zum  gr.  klafft  Scheffel  3,  235, 
wo  bed.  IV  hereinspielt. 

2)  von  concretis  ist  gewöhnlich  erde  beigeordnet: 

do  sprach  der  in  dem  throne  saz 
und  der  erden  grünt  maz 

H.  V.  Neustadt  gott.  zuk.  1218  Singer; 

(er)  wollte  alle  gründ  am  himmel  und  erden  erforschen 
Volksbuch  von  dr.  Faust  13  Braune;  in  den  stillen  tiefen 
des  meers,  wohin  kein  senkblei  reicht,  in  den  verbor- 
genen gründen  der  erde,  wohin  kein  bergmann  steigt 
Gerok  psalmen  3,  397;  wenn  die  dunkelheit  schon  aus 
den  gründen  der  erde  stieg  Stifter  w.  2,  318;  in  der 
regel  plural;  singularischer  gebrauch  der  formel  liegt  auf 
einer  andern  bedeutungslinie,  s.  m.  II  A  l  a.  vielfältig  auch 
bei  abstractis  schon  in  alter  spräche: 

wie  wol  der  wisheit  grünt 
hede  beslozzen  din  (Jesu)  mfint 

H.  V.  Neustadt  gott.  zuk.  2147  S.  ; 

min  sin  was  al  der  werlt  ze  tief,  .  .  . 
nu  vindestu  die  hcehe  und  ouch  die  gründe  (des  Sinnes) 
Wartburgkr.  33,  6 ; 

daz  (liden)  get  hie  uz  dem  gründe  siner  (gottes)  un- 
sprechenlichen  minnen  Tauler  pred.  17,  26  Vetter; 

der  (munt)  mich  tieflichen  wunt 
gar  in  des  todes  grünt 

Osw.  V.  Wolkenstein  19,  20  Seh. ; 
sogar: 

das  im  die  lieb  durch  das  marck 
trang  zä  des  endes  grünt 

Friedr.  v.  Schwaben  1015  J.; 

in  jüngerer  spräche  gern  neben  begriffen  wie: 

das  (sc.  rad)  die  folgen  böser  that 
aus  der  zukunft  finstern  gründen 
ist  bestimmet  aufzuwinden 

Müller  dram.  w.  (1828)  1,  56; 

und  was  noch  ruhte  in  der  zeiten  grund 

Fr.  Kind  gedichtet  2, 151; 

in  den  tiefen  gründen  der  ewigkeit  L.  Hofacker  pred.^^ 
894;  die  Sehnsucht  der  creatur  nach  der  reinheit  ihres 
Schöpfers,  der  sie  sich  im  gründe  ihres  daseins  ver- 
wandt .  .  .  fühlt  Ranke  s.  w.  l,  198.  oft  verstärkt  durch 
tief:  darnoch  so  sieht  der  (vergottete)  geist  herwieder 
verre  in  den  allertiefesten  grünt  der  allernidersten 
übunge  die  er  ie  geübete  Tauler  pred.  88,  5  V.;  da  er 
die  tzwey  weyber  urteyllt .  .  . ,  erfand,  wilch  die  rechte 


683 


GRUND  I  F  3 


GRUND  I  G  1.  2 


684 


matter  war  ausz  dem  aller  tiefisten  gr.  der  natur  Lu- 
ther 10,  1,  560  W.;  vgl. 

swer  des  niht  gloubet  dan,  des  val 

hat  endelösen  grünt  Fkauenlob  404,  6 ; 

o  gr.  ohne  boddem !  'gewöhnlicher  ausruf  bei  Überraschun- 
gen oder  sich  entgegenstellenden  Schwierigkeiten'  Frisch- 
eier preusz.  sprichw.  100. 

3)  zu  gründe  'bis  in  die  tiefe'  hat  eine  besondere  ent- 
Wicklung  genommen,  die  indes  mit  dem  17.  jh.  erlischt, 
nur  mhd.  neben  verben  des  affects  zur  gradbezeichnung, 
'gründlich,  sehr': 


nu  ligent  der  risen  ehtwe  tot. 
des  vröuwe  ich  mich  ze  gründe 


Virginal  747,  3; 


und  leid  ir  müterliches  herz  ze  gründe  alles,  daz  ich 
an  dem  libe  leid  Seuse  dtsche  sehr.  260,  7  Bihlm.,  hier 
spielt  wohl  die  bedeutung  E  herein,  sehr  verbreitet  in 
Tnystischen  Schriften;  namentlich  sich  ze  gründe  läzen 
m,it  dat.  'sich  völlig  hingeben';  gelegentlich  noch  gegen- 
ständlicher empfunden:  aldo  lie  sü  {die  verzückte  frau) 
sich  zu  gründe  in  ein  ewikeit  Tauler  pred.  41,  6  V.; 
so  beginnet  der  creatürlich  geist  .  .  .  sich  der  ewigen 
götlichen  kraft  ze  gr.  lassen  Seuse  182,  27  Bihlm.;  dis 
loszen  mag  meinen,  das  kein  mensche  in  der  zit  derzuo 
kummen  mag,  das  in  das  ewige  vetterliche  wort  zuo 
gründe  rüeren  wil,  er  habe  sich  denne  e  dem  vetter- 
lichen ewigen  worte  alzuomale  zuo  gründe  geloszen  in 
rehter,  demtietiger,  uf  gebend  er,  zuo  gründe  sterbender  ge- 
loszenheit  Nie.  v.  Basel  274;  so  wenig  mag  auch  das 
göttliche  sprechen  in  dem  zugrundegelassenen  . .  .  leben 
stille  stehen  Jag.  Böhme  4,  181;  gern  bei  verben  des  er- 
kennens:  ab  di  6wige  geburt  des  gwigen  wortis  in  der 
s§le   keine   krSatüre   zu  gründe  verstßn  muge  mystiker 

1,  44,  16  Ff.;  und  kanst  du  du  zwei  wort  eben  wegen 
und  ze  gründe  prüfen  uf  ir  jüngstes  ort  Seuse  dtsche 
sehr.  334,  25  Bihlm.;  ähnlich:  er  ist  unsprechlich ,  er 
wardt  nie  tzu  gr.  gar  auszgesprochen  theol.  deutsch  32  M. ; 
dies  ist  allgemeiner: 

up  wisheit  achten  se  nicht  to  gründe 

Reinke  de  vos  6013. 

am  längsten  gehalten  hat  sich  zu  gründe  als  'völlig,  gänz- 
lich' bei  verben,  die  ein  wie  immer  geartetes  'beseitigen, 
vernichten'  bezeichnen:  du  müst  zu  gr.  dir  selbs  absterben 
G.  V.  Keisersberg  bilgersch.  (1512)  c  S'^;  daz  sie  sein 
zu  grünt  vergessen  het  Arigo  decam.  203,  8  Keller ; 

dein  gbot  sie  gar  zu  grund  verachtn 

Dedekind  Christi,  ritter  (1550)  d  5^; 

eyn  wif,  de  er  synne  to  gründe  verloren  hadde  Sghiller- 
Lübben  2,  158  aus  Oldenburg,  gebetb.;  ich  werde  mein 
hant  ausstrecken  und  sie  zu  gründe  reformiren  Reinh. 
Lorich  wie  junge  fürsten  . .  utiderwisen  mögen  werden 
101 ;  es  wird,  will  gott,  nun  mit  des  babsts  reych  schyr 
zu  gr.  gar  aus  seyn  Luther  18,  256  W.;  als  wann  er 
das  Unkraut  zu  grundt  auszwurtzeln  wolte  Nigrinus 
von  Zauberern  (1592)  482;  das  geistlich  recht  von  dem 
ersten  buchstaben  bisz  an  den  letzten  wurd  zugrund 
auszgetilget  Luther  6,  459  W.;  fälle  wie  die  letzten  zeigen 
grenzberührung  mit  zu  gründe  richten  (=  solo  ae^uare), 
verstören  u.  ä.  (s.  u.  II  B  l);  die  beiden  gebrauchsweisen 
haben  sich  wechselweise  beeinfluszt;  eine  andere  kreuzung 
(mit  von  gr.,  s.  IV  A  4)  in  beispielen  wie:  Magis  ...  alle 
zu  grundt  heylet  und  gesundt  machet  Aymont  (1535)  p  3»; 
streue  es  auf  das  faule  fleisch  und  in  die  wunden,  es 
heilet  zu  gründe  ausz  Walther  pferde-  u.  viehz.  (1658) 
134;  hierher  weiter:  so  Sprech  iederman,  der  groll  wer 
ab  und  wir  wern  zä  gr.  gericht  {ausgesöhnt)  städtechron. 

2,  530,  21  {Nürnberg  c.  1450); 

alles  was  hasz,  zom  erregt, 
ist  zu  gründe  beigelegt 

E.  Che.  Homburg  bei  Fischer-Tümpel  4,  300»; 

namentlich  nd.  und  md.  öfter  in  pleonastischen  Verbin- 
dungen: gansselich  zo  gronde  totten  merch  {bis  aufs 
mark)  Diefenbagh  gloss.  353°;  das  nicht  das  königreich 
Beheimb  und  die  .  .  .  annahende  länder  darüber  genz- 
lichen  zue  gründe  erschöpft . . .  werden  acta  publ.  l,  246 ; 


dat  we  uns  gansliken  unde  to  gründe  ghesonet  hebbet 
braunschw.-lüneburg.  urk.-buch  3  nr.  123  S.;  dat  ik  umme 
alle  zake,  claghe,  ansprake  .  . .  myd  den  ersamen  heren 
borgemesteren  .  .  .  my  vruntliken  unde  lefliken  to  gantzer 
ghuden  gr.  gescheden  .  .  .  hebbe  zs.  des  hist.  Vereins  f. 
Niedersachsen  1859,  *.  153  {urk.  von  1433) ;  und  han  ir  ieg- 
lichen  luterlichen  und  zu  gründe  verzigen  Diefenbagh- 
WÜLGKER  637  («.  1374).  merkwürdig  ist  zum  gründe, 
öfter  im  19.  jh.;  anscheinend  aus  zu  gründe  entwickelt, 
vielleicht  differenziert  gegenüber  zu  gründe  'ijis  verderben': 

bis  die  zigeuner  müd  zum  gründe, 
heimlich  sich  winken  —  und  spielen  leise 

Lenau  243  Barthel; 

leid  und  wonne 
nun  hab  ich  sie  zum  grund  erprobt 

Geibel  w.  (1888)  1,  2; 

früher  ganz  vereinzelt:  es  werden  in  diesem  spiel  aygent- 
lich  und  zum  grundt  repräsentiert  alle  die  späsz  und 
contemplationes  des  kriegszwesens  Äg.  Albertinus  zeit- 
kürtzer  (1608)  72. 

G.  der  begriff  der  unteren  begrenzung,  der  tiefe,  in  die 
horizontale  ebene  übertragen,  ergibt  die  bedeutung  der  hin- 
teren begrenzung,  des  räumlich  entfernten;  dieser  gebrauch 
wird  häufig  erst  mit  der  2.  hälfte  des  18.  jh.s. 

1)  hintergrund,  hinterer  theil;  seit  dem  stürm  und  drang 
häufig  von  der  bühne  {aber  nur  bis  in  den  anfang  des 
19.  jh.s  gehalten) :  ein  kleines  armselig  meublirtes  zim- 
mer;  vier  hölzerne  stuhle,  ein  alter  schrank  und  im 
gr.  ein  bett  H.  L.Wagner  wohlthät.  unbekannte  5;  sie 
gehen  nach  dem  gründe  des  theaters  Göthe  li,  289  W.; 
was  eben  der  zuhörer  nicht  hört,  das  hört  er  nicht, 
des  rückenwendens,  nach  dem  gründe  Sprechens  ist  kein 
ende  Göthe  III  2,  290  W.;  Sigurd  öffnet  eine  thür  im 
gründe  Fouque  held  d.  nordens  (1810)  l,  165;  auch  auszer- 
halb  der  bühne  von  geschlossenen  räumlichkeiten:  dem 
eingang  an  der  schmalen  seite  gegenüber,  im  gründe 
des  saals,  stand  die  tafel  des  priors  Göthe  49,  206  W.; 
vgl.  der  gr.  eines  wagens  'der  hintere  bedeckte  theil  des- 
selben' {der  hintergrund,  hintersitz)  Heinsius  2,  549;  so- 
wohl dies  wie  gr.  als  bühnengrund  Übersetzungen  von 
frz.  fond.    seltener  als  hintergrund  im  freien  räum, : 

und  im  letzten  scheine  glühet 
in  der  strasze  fernstem  gründe 
schon  das  capitol 

Waiblinger  ged.  aus  Italien  1,  23  Grisebach; 

im  scheinbaren  räum:  ich  wollte  im  gemälde  nicht  gern 
im  gr.  stehen  und  mich  verlieren  Winckelmann  bei 
JusTi  22,  53;  plötzlich  sah  sie  im  gründe  des  spiegeis, 
zwei  kleine  nebelgestalten  Storm  w.  2,  271. 

2)  zu  besonderem  sinn  entwickelt  sich  diese  bedeutung 
in  der  maierei:  gr.,  grundfeld,  frz.  fond,  ...  bedeutet 
feld  oder  hintergrund.  auf  dem  gründe  stellet  man  alle 
gegenstände  vor,  woraus  ein  gemälde  bestehet  Jagobs- 
SON  technol.  wb.  164*;  auch  hier  handelt  es  sich  vielleicht 
um  einfache  Übersetzung  aus  dem  frz.,  vgl.  denjenigen 
gr.  eines  gemähldes,  worauf  vermittelst  einer  vielfachen, 
aber  unmerklichen  degradation  der  tinten  {teintes),  eine 
sehr  weitläuftige  gegend  mit  vielen  höher  und  niedriger 
liegenden  platzen  abgebildet  ist,  nennt  man  einen  um- 
schweifenden gr.,  fr.  fond  vague;  so  wie  einen  luftigen 
gr.,  fr.  fond  aerien,  Jbey  gemählden,  welche  z.  e.  eine 
unermeszliche  meerstrecke  vorstellen,  wo  der  abstand 
nicht,  wie  bey  Sachen  auf  dem  lande,  durch  hinter- 
einander folgende  gegenstände  bezeichnet  werden  kann 
Krünitz  20,  253;  auch  versteht  sie  {Angelika  Kaufmann) 
wenig  luftperspektiv,  kein  bei  werk,  keine  landschaft, 
und  überhaupt  keine  gründe  Sturz  sehr.  (l779j[f.)  1,  34; 
halbfiguren  und  kniestücke  mit  landschaftlichen  grün- 
den begleitet  Göthe  nach  W.  Hofpmann  wb.  d.  dtsch, 
spr.  2,  708'»; 

Gioconda,  du,  aus  wundervollem  grund 
herleuchtend  mit  dem  glänz  durchseelter  glieder 

H.  V.  HoFMANNSTHAL  kl.  dramcn  (1907)  1,  61. 

die  räumliche  tiefe  innerhalb  des  bildes  kann  zerlegt  ge- 
dacht werden:  bey  den  malern  und  kupferstechern  ist 
gr.  die  scheinbare  abtheilung  eines  gemäldes  nach  sei- 


685 


GRUND  I  G  3  —  II  A  1 


GRUND  II  A  1 


686 


ner  tiefe,  sonderlich  einer  landschaft  Jacobsson  lei*; 
die  abstufung  der  fast  parallelen  gründe  mit  wenigen 
figuren  .  .  .  erregt  bewunderung  Göthe  *7,  349  W.,-  ein 
blatt,  welches  durch  einfache  tinten  und  wohlgesonderte 
gründe  sich  auszeichnet  Göthe  nach  W.  Hoffmann 
a.  a.  0.;  im  sing,  dann  durch  attribute  geschieden:  den 
ersten  gr.  (Vordergrund)  in  dem  kupferblate  Harsdörfer 
frauem.  gesprächsp.  *,  51;  im  mittlem  gründe  diesseit 
des  flnsses  ragen  cypressen  Göthe  nach  W.  Hoffmann 
a.  a.  0. 

3)  nicht  ganz  rein  erscheint  der  begriff  der  horizontalen 
tiefe  in  waldes  gr. ;  hier  ist  die  Vorstellung  des  bergenden, 
verbergenden  hinzugetreten : 

hetst  mir  gefolgt  und  werest  weyt 
geflohen  in  des  waldes  grünt 

H.  Sachs  9,  215  K. ; 
{ein  fräulein,)  welches  tief 
in  eines  waldes  gründe 
manch  hundert  jähre  schlief 

Uhland  gedickte  (1898)  I,  317. 
häufiger  im  plural: 

in  des  waldes  tiefste  gründe 

flüchtete  die  seherin  Schiller  11,369  6.; 


ähnlich: 


in  jenen  äuszersten  stunden 
nachts  in  des  Olbergs  gründe 
schwitzt  ich  .  . . 
blutige  ströme 


Brentano  1, 147. 
II.  'erdboden',  neben  'meeresboden'  u.  ä.  der  andere  grosze 
bedeutungsstrang  des  subst.,  für  den  ursprünglich  das 
feminine  geschlecht  anzusetzen  ist  (s.  o.  form  l);  die  be- 
deutung  ist,  verschieden  variiert,  ags.,  anord.  und  ahd. 
bezeugt;  indessen  bis  ins  spätmhd.  merkwürdig  selten; 
doch  heute  ebenso  in  hd.  wie  in  nd.  maa.  die  art  des 
bedeutungszusammenhangs  mit  I  ist  unerkennbar,  wenn 
von  I  abgespalten,  vielleicht  zu  verstehen  als  das  unterste, 
die  feste  grundlage  von  allem,  was  sich  dem  äuge  dar- 
bietet. 

A.  'erdboden'  im  eigentlichen,  materiellen  sinn;  so  schon 
bei  Otfrid  erdgrunt  iv  27,  20. 

l)  ganz  allgemein,  ohne  qualitative  oder  räumliche  be- 
schränkung;  nur  sing.,  plur.  ganz  vereinzelt:  es  (das 
rosz)  grebt  die  gründe  corr.  in  scharret  den  boden  Lu- 
ther 1,  148  Jena. 

a)  der  unterschied  gegenüber  boden  liegt  icieder  darin, 
dasz  boden  mehr  die  Vorstellung  der  fläche,  gr.  mehr  die 
Vorstellung  des  räumlichen,  der  compacten  masse  anklingen 
läszt  (s.  0.  I  C  1) ;  man  sagt  den  boden  küssen,  aber  den 
gr.  beiszen  (vgl.  ins  gras  beiszen): 

das  machen  offenbar  vil  frembd  und  welsche  krieger,  . . . 

die  {sterbend)  für  dein  gold  gebissen  deinen  grund 

Weckherlin  2,  283  F. ; 
vgl.:  von  diesem  platze  stehe  ich  nicht  wieder  auf! 
ächzte  der  räuber  in  den  gr.  beiszend  Raabe  Horacker 
(1876)  89 ;  auf  das  die  furch  nit  oben  hin  alleyn  den  gr. 
schürpfe  Mich.  Herr  f eidbau  (i55i)  27^; 

wo  sich  der  grund  in  moderhügeln  hebt 

Seume  ged.  (1804)  5; 
und  als  sie  kamen  näherwärts, 
begann  der  grund  zu  zittern        Lenau  49  Barthel; 

als  formet  der  rechtssprache :  sy  sullen  auch  die  selben 
holczer  mit  grünt  und  wurtzen  in  nucz  und  gewer  inne 
haben  urk.-buch  d.  stiftes  Klosterneuburg  1  nr.  480  Z.; 
vgl.  nr.  399;   deshalb  gern  mit  den  präpos.  in  und  aus: 

sie  (die  glieder)  werden  wider  all  erstan, 
und  wirt  ir  keins  im  grund  vergan 
Murner  badenfahrt  kap.  21,  8  Martin;  vgl.  kap.  35,  82; 
dasz  man  mich  auch  begrab  in  grund 

Spangenberg  griech.  dram.  1,  193  Dähnhardt; 

von  dessentwegen  die  macht  der  winden  solche  bäum 
.  .  .  ausz  dem  gr.  reiszet  Ph.  Bech  Agricolas  bergwerck 
(1621)  29;  auch  bildlich: 

das  wir  sy  rütend  gantz  usz  dem  grundt 
wo!  mögend 

Schweiz,  scha-usp.  des  IG.  jh.s  3,  34  Bächtold; 

selbst  nach  unter  ist  diese  Vorstellung  noch  zu  spüren: 


vor  allem  seltsam  wars,  als  unterm  grund 
auftauchend,  schritte  rechts  sich  gaben  kund 

Droste-Hülshoff  2,97  Seh.; 

in  älterer  spräche  gern  in  zusammenhängen  tcie: 

wen  du  ligst  fulen  underm  grundt 
Murner  narrenbeschw.  168,  21  ndr.;  vgl.  132,  61; 

das  er  im  entlich  fürnam  zfi  sterben  und  solche  heym- 
liche  liebe  mit  im  under  den  grundt  zu  tragen  Wigk- 
RAM  w;.  1,4  B.;  von  kabalen:  es  musste  also  lange 
unter  gr.  gearbeitet  werden  Wieland  w.  (1794/".)  24,355; 
neben  erde: 

der  heldt  hub  in  auf  von  dem  grund 
der  erden  und  truckt  in  zu  todt 

H.  Sachs  8,  606  K.; 

doch  kann  hier  die  bedeutung  IV  mitklingen: 

fins  ward  der  grund  des  aerdbodens  entdeckt 
(fundamenta  orbia  terrarum  ps.  17,  16) 

Schede  pt.  60, 16  ndr. ; 

wie?  hofft  der  keinen  sieg,  vor  dem  die  weit  erzittert? 
auf  dessen  wort  der  grund  der  erden  sich  erschüttert? 

Gryphius  trauersp.  182  P.; 

vom  stampfen  ungeduldger  pferde 
ertönt  der  grund  der  untern  erde 

J.  A.  Schlegel  verm.  ged.  (il87f.)  1,  189; 

vgl.  erlangten  sie  gar  halt  den  kaiserlichen  grünt  des 
ertrichs  an  dem  walt  Sigm.  Meisterlin  in  städtechron. 
8,  45. 

b)  freilich   kann    die   Vorstellung  des   räumlichen   zw 
gunsten  des  fiächenhaften  verblassen : 

der  gotlosz  mit  gekrümbtem  mund  .  .  . 
sich  spreiszend,  trittet  auf  den  grund, 
gantz  trutzig,  unwürsch,  aufgeblasen 

Weckherlin  2, 19  F. ; 

sie  (die  rosse)  riechen 
den  streit  von  fem,  und  stampfen  den  grund 

Dusch  verm.  w.  (1754)  vorr.  4»; 

und  deckte  den  grund  ein  starker  für  sie 

Denis  lieder  Sineds  (1772)  113, 1; 

das  kann  so  weit  gehen,  dasz  der  begriff  der  erde  als 
Substanz  gleichgültig  wird  und  die  Vorstellung  der  unteren 
fläche  als  solcher  dominiert: 

gichtrisch  zuckt  der  bleiche  mund, 
und  dein  aug  sucht  scheu  den  grund 

Grillparzer  4,  71  S. ; 

am  grund  streicht  die  schwalben, 

als  hätt  sie  kein  luft  Brentano  2,  26; 

so  vielfach  mundartlich:  halt  ow  mar  lag  an  de  gr. ;  op 
flake  gr.  auf  flacher  erde;  op  de  gr.  kneje;  enen  an  de 
gr.  plecken  zur  erde  werfen,  cleverländisch .  doch  sonst 
nicht  rheinisch  (Josef  Möller);  he  kreeg  keen  been  an  e 
gr.  richtete  nichts  aus  Mensinq  2,  500;  geradezu  =  diele 
Schmidt-Petersen  54*>;  eberiso  cleverländ.;  vom,  haus 
des  herrn: 

0  heiiger  grund  I  von  jenem  blut  ge tränket, 
das  sich  aus  gott  ins  menschenherz  gesenket 

Brentano  1,  231 ; 

der  gerade  boden  aber  (im  gegensatz  zur  verticalfläche), 
der  gr.,  worauf  alles  stehet,  (heiszt)  die  grundfläche  Sül- 
zer theorie  d.  schönen  künste  3,  672;  etwas  anders:  am 
himmelfahrtstage  wird  ein  crucifix  vom  gründe  der 
kirche  ...  in  die  höhe  gezogen  Gutzkow  zauberer  v. 
Rom  2,  15;  vgl.  der  falt  hwet  op  e  gronn  (=  nl.  op  den 
vloer)  Winkler  friesch  wb.  702;  t  fald  up  de  gr.  (erd- 
boden, diele  etc.)  Doornkaat-Koolman  i,  702; 

dasz  er  fiel  nider  uf  den  grünt 

Wickram  7,126  B.; 
weh  I  da  entfiel  mir 
vom  mittelfinger 
mein  bräutgamring  zu  gründe 

Herder  25, 145  S. ; 

entwickelter  in  einer  mehr  oder  minder  bildlichen  Ver- 
wendung im  sinne  'untergehen'  (deutlich  beeinfluszt  von  B  2) : 

so  der  müeterlich  gedanc 
mich  ze  reden  iht  betwanc, 
so  viel  daz  wort  ze  gründe 
unt  zukt  es  von  dem  munde 
der  bitterliche  smerze 
hin  wider  an  daz  herze 

schausp.  d.  mittelalters  1 ,  226  Mone; 


687 


GRUND  II  A  2 


GRUND  II  A  2 


688 


evn  yedes  ding,  wann  es  ufkunt 
zum  höchsten,  feit  es  selbst  zu  grünt 

S.  Brant  narrenschiff  39,  6  Z. ; 

zu  herzen  fierende  die  blödigkeit  mentschlicher  nathar 
und  wie  gähling  dieselbe  zugrant  falle  quelle  bei  v.  Bran- 
Dis  landeshauptleute  32. 

2)  der  grund  tat  seiner  qualität  nach  näher  bestimmt. 

a)  nach  seiner  geologischen  oder  physikalischen  beschaf- 
fenheit,  vorab  unter  dem  gesichtspunkt  des  Vegetations- 
trägers. 

a)  im  eigentlichen  sinn: 

ich  solt  ain  gartner  darein  16n, 

der  es  (.das  gärtlein)  mit  edeln  kreütern  schön 

ziert,  das  war  der  grund  wol  wert 

HÄTZLERIN  liederb.  244; 

eben  als  ein  akkerman,  der  auch  zuvor  die  gestaltnus 
des  grundes  untersucht,  eh  er  denselben  anfähet  zu 
pflügen  Zesen  gekrönte  majestät  (l66l)  16;  wenn  man 
eine  pflanze  aus  der  muttererde  auf  einen  fremden 
wilden  gr.  versetzt  Babo  schausp.  (1793)  48.  adjectiva  der 
qualität  sehr  zahlreich:  man  sich  erspaciert  in  hartem 
dürrem  gr.  Ryff  Spiegel  d.  gesundh.  (1544)  25^;  do  sie 
sich  auf  irem  magern  gr.  nit  mochten  erneren  Seb. 
Münster  cosmogr.  (1550)  Gl;  so  wollen  etzliche  fruchte 
, .  .  einen  mittelmeszigen  gr.  haben  Hennenberger  er- 
clerung  d.  preüas.  landtaffel  (1595)  1 ;  der  pflaumen  käme 
pflegt  man  ...  in  feyste  und  wolgetüngte  gründe  zu 
setzen  Sebiz  feldbau  (1579)  815;  ein  weites,  sanfthüg- 
lichtes  Stadtgebiet  vom  triebsamsten  gr.  J.  H.  Vosz  anti- 
Symbolik  2,  179; 

wüsten  grund  macht  er  (gott)  zur  see 

Eschen  BURG  beispieUamml.  4, 115; 

nimm  hin  und  pflanz  dies  reis  in  frischen  grund 

Heine  1,  60£.; 

was  {von  weizenkörnern)  in  guten  gr.  gefallen  Brentano 
ges.  sehr.  4, 154;  etwas  anders:  die  stolzen  nachkommen 
Sems  lieszen  sich  in  dem  fetten  gründe  Asiens  nieder 
J.  J.  Schwabe  belustig,  i,  208;  gr.  wird  .  .  .  vor  das  erd- 
reich  .  .  .  genommen,  und  alsdenn  in  feuchten  und 
trockenen,  steinigten,  kalten,  hitzigen,  magern,  sandigten, 
kreidigten,  dohnigten,  leimigten,  schwartzen,  grauen, 
rothen  etc.  unterschieden  allg.  öconom.  lex.  (I73l)  872; 
die  moderne  spräche  zieht  boden  vor,  vgl.  schwerer, 
leichter  .  .  .  gr.,  gew.  boden  K.  W.  L.  Heyse  handwb.  l, 
627;  dialektisch  gehalten: 

grund,  not  z  trucka,  not  z  nasz, 
das  braucht  —  blüemel  und  gras 

Stelzhamer  ausgew.  dicht.  1,181  Roseggen 

wo  birken  .  .  .  wachsest  und  ein  rotes  haar,  ist  kein 
guter  gr.  Fischer  schu-äb.  s,  871 ;  de  grund  is  nog  to 
nat  un  kold  Doornkaat-Koolman  l,  702;  nd.  ist  nament- 
lich die  graue  gr.  in  redensarten  sehr  verbreitet:  ik  schaam 
mi  in  de  grabe  gr.  'bis  in  den  tiefsten  gr.'  Mensing  2, 
600  *»;  vgl.  form  l).  bemerkenswerth  ist,  dasz  der  gr.  oft 
den  Charakter  des  wiesigen,  weichen  oder  gar  moorigen  be- 
zeichnet (vgl.  III  A  5) :  (das  Stachelschwein)  wonet  gern 
...  an  den  büchlen,  die  ein  weichen  gr.  haben,  dareyn 
es  sich  vergraben  mag  Herold-Forer  Geszners  thierb. 
(1563)  35;  dieweil  aber  mosige  gründe  inen  den  hörn  am 
huft  erweychen  Sebiz /eWöau  (l579)  149;  sumpfichter  gr. 
Hulsius-Ravellus  147"; 

hier  schläft  auch  ruhig  und  gesund 
das  mädchen  auf  dem  feuchten  grund 

Shakespeare  {1197  ff.)  1,  213; 
namentlich  vom  rasengrund: 

auf  einem  grund  und  wasen  .  .  . 

mit  Wölfen  werden  grasen 

die  rindet  Spee  trutznacht.  (1649)  201; 

den  streck  ich  todt  auf  dieses  rasens  grund 

Schiller  14,  82  G. 

treff  ich  dich  mit  einem  schwert  aber  später  auf  grü- 
nem gründe  G.  Freytag  ges.  w.  9,  49;  im  älteren  österr. 
anscheinend  auch  für  'moorgrund' : 

da  mit  wir  tzugen  aus  dem  land 
gründ  und  greben,  prüch  und  sant, 
und  eylten  tzu  der  Mymmel 

Suchenwirt  4,  440  Pr. 


vgl.  composita  wie  wiesengr.,  moosgr.,  moorgr.,  von  wiesen- 
boden  usw.  wieder  charakteristisch  dadurch  unterschieden, 
dasz  boden  mehr  auf  die  fläche,  gr.  mehr  auf  den  tiefen 
räum  geht,  vgl.  th.  2,  sp.  2li,  4). 

ß)    vielfältig    bildlich;    mhd.   namentlich    bernder    gr. 
'fruchtbarer  boden': 

swä  meister  Emest  wirt  vertriben  .  .  ., 
da  vindent  mlne  sprüche       vil  selten  stillen  rüm  noch  bern- 

den  grünt 
ReINMAR  V.  ZWETER  156,  3  R. ; 

gern  persönlich  gewendet  (auf  eine  dame): 

(sist)  mtner  vröude  ein  wemder  (Z.  bernder)  grünt 

ib.  28, 11  u.  anm.; 

des  danke  ich  diner  werdekeit,  du  bemder  grünt 

Frauenlob  425, 10  E.  ,- 


du  bemder  grünt  (Maria) 


ib.  6, 12; 


ähnlich:  rhetorica,  bluender  grünt  der  liebkosunge  Acker- 
mann a.  Böhmen  61  Bernt- Burdach;  war  der  lebendig 
bron  quellen  in  eurm  dürren  grünt  Tauler  sermones 
(1508)  51  vb  (spielt  mit  gr.  'herz'); 

glatter  worte  falsches  eis 

wird  ein  schlechter  grund  der  triebe 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  206; 

dieses  ist  ein  guter  gr.,  aus  welchem  sicherlich  das 
schöne  .  .  .  blühend  erwachsen  kann  Göthe  48,  17  W.; 
der  allgemeine  jubel  hätte  in  meinem  gemüte  . . .  einen 
um  so  empfänglicheren  gr.  gefunden,  wenn  . .  .  G.  Kel- 
ler ges.  w.  1,  134;  namentlich  gr.  fassen  ist  seit  dem 
18.  jh.  häufiger: 

damit  .  .  .  Christus  auch  in  euch  .  .  . 
so  grund  als  wurtzel  fasse 

Günther  gedichte  (1735)  51; 

dasz  die  Unternehmung  ...  in  stadt  und  provinz  gr. 
faszte  Göthe  IV  4i,  62  W.;  die  französischen  einrieb - 
tungen  fassen  in  Westpfalen  keinen  gr.  Görres  ges.  br. 
2,  57. 

b)  gr.  unter  dem  gesichtspunkt  der  festigkeit;  zuweilen 
geradezu  prägnant  fiXr  festen  gr. :  ihr  wissen  stehet  aufm 
sand  und  nicht  im  gr.  hEHMxny  florileg.  polit.  (l662)  l, 
207.  entweder  allgemein  als  träger  des  menschen  und 
aller  dinge:  es  ist  . . .,  ein  dam  hierüber  (über  den  mo- 
rast)  geschlagen;  wegen  seiner  krümme,  weil  man  die 
erhobneste  platze  und  besten  gr.  darzu  aussuchen  müs- 
sen, einer  gantzen  meilewegs  lang  Chemnitz  schwed. 
krieg  1.  th.  (1648)  59,  2;  besonders  bildlich:  wo  bleibt  aber 
mein  gewissen,  das  gerne  auf  gutem  gründe  und  sicher 
stehen  wolt  Luther  26,  483  W.; 

auf  wie  nicht  festem  grund  all  unser  hoffen  steh 

Gryphius  226  P. ; 

Leszing  soll . . .  das  aufgedeckt  haben,  dasz  seine  (Winckel- 
manns)  känntnisz  der  alten  ein  schwankender  gr.  sey 
Herder  3,  8  S.;  tretet  darum  nicht  zu  sicher  auf  diesen 
lockern  gr.  Klinger  w.  4,  81 ;  heurathe  nicht  ohne  recht 
festen  gr.  unter  den  füszen  Droste-Hölshoff  briefe  an 
L.  Schücking  192.  oder  als  baugrund:  guter  gr.  ist  der- 
jenige, bis  zu  welchem  man  das  erdreich  abräumt,  und 
den  man  geeignet  hält,  die  last  des  gebäudes  darauf  zu 
setzen  Helfft  wb.  d.  landbaukunst  161;  gern  bildlich:  das 
antichristisch  regiment  von  dem  teufel  auf  den  faulen 
gr.  der  lugen  gebauet  H.  v.  Cronberg  Schriften  14  neudr. ; 

wer  deinen  werten  glaubt,  der  baut  auf  losen  grund 

J.  Rachel  satyr.  ged.  99  neudr. ; 

loser  gr.  nie  lang  stund  Petri  d.  Teutschen  weish.  2, 
Mm  8";  um  wenigstens  entweder  ein  sichres  fundament 
...  zu  legen,  oder  die  stellen  zu  zeigen,  wo  der  zu  un- 
sichre gr.  kein  haltbares  .  .  .  erlaubt  W.  v.  Humboldt 
sechs  aufs,  über  d.  klass.  altertum  56  Leitzm.  oder  als 
fester  boden  im  gegensatz  zum  wasser;  nur  selten  wie  in 
der  ags.  formet  grund  and  sund  =  earth  and  sea  (Bos- 
worth-Toller  491)  ohne  bezeichnendes  beiwort: 

was  suechst  uf  dusem  wilden  wag? 

es  hat  doch  ferre  zö  gronde  (bis  ans  land) 

Muskatblüt  90,  8  Or. ; 

meist  epitheta:  als  ein  sprunck  über  eynen  flachen  ström. 


689 


GRUND  II  A  3 


GRUND  II  A  3 


690 


da  man  auf  beyden  seytten  eyn  gewissen  gr,  und  ufer 
sihet  Luther  19,  217  W.;  vgl. 

der  hochbetrübte  held  an  dieses  ufers  gründe 
tiefsinnig  so  verblieb 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  ges.  1  str.  40; 

die  boszheit  herrscht  auf  diesem  runde, 
in  wassern,  wie  auf  trocknem  gründe 

LiCHTWER  äsop.  fabeln  (1748)  95; 

so  scheint  dem  endlich  gelandeten  Schiffer 
auch  der  sicherste  grund  des  festesten  bodeng  zu  schwanken 

GöTHE  50,  267  W. 

c)  als  Stoffbezeichnung  für  'erde',  wesentlich  beschränkt 
auf  das  alem.;  Übergangsfälle:  weiden  ist  ain  trost  dem 
land  vor  dem  wasser,  das  es  dest  mynder  den  gr.  mit 
im  nem  Hätzlerin  liederb.  171;  stille  wasser  fressen 
auch  gr.  Kirghhofer  schtceiz.  sprüchw.  (1824)  167.  be- 
sonders gute,  schwere  erde,  humus:  die  von  Mülhein 
clagten,  inen  die  von  Nüwenburg  mit  iren  herten  ze 
weiden,  deszgleichen  mit  sand  und  grünt  graben  über- 
griff teten  stadtrecht  von  Neuenburg  a.  Rh.  78  M.;  das 
ander  mal  suchten  wir  den  feisten  gr.  an  schattigen 
orten,  und  ausz  holen  bäumen  zusammen  Grimmels- 
HAUSEN  Simplic.  31  Kögel;  besonders  in  den  modernen 
maa.:  gr.  trägen  'ktUturerde  .  .  .  als  düngemittel  in  die 
reben,  wiesen  tragen'  Staub-Tobler  2,  772  (mit  vielen 
loeiteren  belegen);  ebenso  cleverländisch:  gr.  op  de  wies 
fahren;  gr.  :=  'acker-  und  gartenerde'  Ch.  Schmidt  Strasz- 
burger  ma.  45;  ähnlich  F.  Schön  ma.  d.  Saarbrücker 
landes  71^;  als  guter  gr.  der  erde  gegenübergestellt:  ist 
der  platz  (für  einen  garten)  ein  morast,  so  füllet  man 
ihn  mit  steinen  und  grober  erden  aus  und  schüttet  guten 
gr.  darüber  Staub-Tobler  2,  772  (a.  1772);  vgl.  Martin- 
LiENHART  1,  278;  WÖSTE-NÖRR.  tcesff.  86;  (doch  als 
wilder  gr.  auch  tiefere  erdschicht  im  gegensatz  zur  acker- 
krume  Martin -Lienhart  1,278);  gesteigert  zu  lehm, 
schlick:  agger  coctus,  vom  brennten  gr.  oder  zieglen  Fri- 
sius  333»;  so  gend  die  kerb  uf  und  feit  der  gr.  ins  schiff 
(bei  baggermaschinen)  Sghigkhardt  reis  in  Italiam  42  H. 
auch  für  'erde'  schlechthin:  nim  . . .  tubenmist  und  mach 
den  rein  daz  kein  holtz  oder  stro  oder  gr.  oder  federen 
dorinn  ligen  Gersdorp  wundarzney  (i517)  34''; 

do  von  {von  dem  acker)  got  nam  den  selben  grundt, 
als  er  Adam  zu  schaffen  bgundt 

MuRNER  narrenbeschw.  14,  23  neudr.; 
vgl. 

denn  der  mann  aus  irdschem  gründe 

war  vom  erdgeist  nur  geformet    Brentano  3, 106; 

ich  (fing)  an,  ihn  (den  toten)  mit  mehr  seuftzen  als 
schaufeln  voller  gr.  zuzuscharren  Grimmelshausen 
Simplic.  35  Kögel;  gr.  füehren  erde  herbeischaffen  Martin- 
Lienhart  1,  278.  parallel  mit  erde:  nimm  heublumen, 
und  misch  desz  erdrichs  oder  desz  grunds  darunter  Sebiz 
f eidbau  (1580)  329;  auf  deinem  bauch  solt  du  gehen,  gr. 
und  erden  sol  dein  speis  sein  dein  gantzes  leben  Wick- 
ram 8,  161  B. 

3)  der  grund  wird  quajititativ,  in  räumlicher  ausdehnung 
vorgestellt;  seit  dem  ahd.  belegbar:  grünt  u.  boidim  fun- 
dus,  praedium  Graff  3,  330;  vgl.  predicia  grundt,  bodem, 
gelend,  feit  Diefenbach  gloss.  453^; 

und  het  ich  aller  weite  grünt 

Osw.  V.  Wolkenstkin  97, 10  Seh. ; 

die  ochsenhaut,  welcher  riemen  so  viel  grundes  um- 
fangen, als  die  mauren  von  Carthago  Harsdörfer 
frauenz.  gesprächsp.  5,  148; 

imd  baue  kohl  auf  einer  spanne  grund 

Grillparzer  5,  9  S.; 
diese  quantitative  Vorstellung  entwickelt  einige  besondere 
gebrauchsweisen : 

a,)  zu  dem  begriff  der  ausdehnung  tritt  der  begriff  des 
besitzes;  grünt  u.  eigen  fuyidua  Graff  3,  330.  eigenthums- 
bezirk:  wer  darüber  betreten  wirdt,  ainicher  zäun,  ge- 
meir  oder  hag  hinaus  gesetzt  und  der  gr.  erweitert  wird 
österr.  weisth.  2,  131,  7;  wann  ainer  zimert,  soll  er  die 
tropfen  auf  sein  gr.  richten  ib.  i,  84,  i;  hastu  ainen 
gangsteyg  über  deines  nagsten  gr.  gehabt  nur  zehen  jar 
Berth.  V.  Chiemsee  teutsche  theol.  119  R.;  bauen  auf 
eines  anderen  gr.  Dentzler  (1716)  l4i;  pleonastische 
IV.  1.  6. 


formel:  uf  des  reichs  gr.  und  eigen  Haltaus  756.  con- 
creter  'grundbesitz,  grundstück':  weiter  gr.  latifundium 
Emmelius  nomenclator  (1587)  277 ;  grundt  in  einer  vorstatt 
praedium  suburbanum  Frischlin  nomencl.  (i586)  247''; 
der  herzog  . . .  besitzt . . .  einen  gr.,  auf  den  8000  häuser 
gebaut  sind  Archenholz  England  u.  Italien  1,  1;  wenn 
er  sein  haus  oder  seinen  gr.  ...  verkauft  Kant  5,  98 
Bartenst.;  stattliche  bauerngüter  mit  100  und  200  Jochen 
gr.  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  (1905)  29;  specieller 
fassen  composita  wiej  agdgr. ,  weidegr.  diese  bedeutung.  rechts- 
Sprichwort:  alle  gebeu  folgen  dem  gründe  holländ.  Sachsen- 
spiegel (1493)  sp.  69, 55.  plural  namentlich  in  älterer  spräche 
nicht  selten:  wer  mit  ainem  geladen  ärmst  in  frefel  auf  der 
herschaft  grünt  get  österr.  weisth.  6, 19, 14;  reichtumb  seind 
nit  zu  achten  nach  den  gründen,  vile  oder  schwere,  son- 
dern nach  dem  sin  und  gmüt  des  besitzers  Seb.  Franck 
sprüchw.  (1541)  1,  119»;  Nathanael  . .  .  fragte  ...  bei  ihr 
an,  was  sie  zu  einer  Selbstverwaltung  seiner  gründe 
sagen  würde  EbnerEschenbach  ges.  sehr.  2,  19;  neben 
andern  substant:  unengolten  andern  leuten  an  irn  ge- 
rechtikaiten,  grünten  und  besuchen  Lori  baier.  berg- 
recht  S2  (a.  d.j.  1446);  alle  die,  so  verkaufen  . . .,  wellen 
ire  grund,  wiszmat,  äcker,  albm  österr.  weisth.  10,  101, 
36 ;  das  alle  weld,  ecker,  Weinberge,  see,  guter  und  gründe 
und  alle  ding  iderman  gemein  sein  sollen  Urbanus 
Rhegius  tcie  man  fürsichtiglich  . . .  reden  soll  35  Uckeley; 
güldene  tramen  .  .  .,  die  da  gründen  und  eckern  am 
gelde  gleich  hoch  geachtet  werden  J.  Barth  weibersp. 
(1565)  e*»;  das  der  bischof  solchen  .  .  .  gotsdienst  auf 
seinen  gründen  und  orthen  hielt  Fischer  schwäb.  3,  871 
(a.  1588). 

b)  das  Pluraletantum  liegende  gründe  bezeichnet  den 
grundbesitz  im  gegensatz  zur  fahrbaren  habe  und  ist  vom 
md.  ausgegangen:  wem  ligende  gründe  und  fuhrgüter 
verheuret  .  .  .  werden,  der  ist  ein  heuermann  Come- 
Nius  janua  (l638)  cap.  386;  in  älterer  spräche  gern 
parallel  mit  guter :  wyssentlich  sey,  das  ich  ...  gethon 
habe  Girhard  Lange  lOO  &  und  20  &  geringes  geldes  nf 
alle  siene  guttere  unde  legende  gründe  handelsrechn.  des 
d.  Ordens  310,  32  S.;  nutzunge  ligender  gründe  und  guter 
Luther  11,  24  W.;  geschicklichkeit  . . .  trägt  ihre  Zinsen 
weit  richtiger  ab,  als  alle  capitale  und  liegende  gründe 
Vernunft,  tadlerinnen  2, 196;  bei  Adelung  4,  62  ist  liegende 
gründe  an  einem  orte  habend  definition  für  'seszhaft'. 
in  moderner  spräche  meist  als  singularbegriff  'grundbesitz' 
empfunden,  etwa:  das  gut,  das  auszer  dem  schlösse  in 
liegenden  gründen,  besonders  wäldern  bestand  Stifter 
w.  5,  1,  349;  belege  für  plurale  bedeutung  'grundstücke' 
selten:  also  verkauft  nur  einige  liegende  gründe,  lieber 
rentmeister  Immermann  1,  63  B.;  übertragen:  wenn 
Schiller  auf  die  kantiscbe  philosophie  stürzte,  was  lag 
hinter  ihm?  auf  welche  liegenden  gründe  konnte  er  sich 
zurückziehen?  Gutzkow  ges.  w.  12,  15. 

c)  aus  dem  begriff  des  besitzes  flieszt  der  begriff  poli- 
tischer begrenzung:  -der  weit  gr.  des  reichs  also  ent- 
pfrembt  und  zerrissen  ist  Sigm.  Meisterlin  in  städte- 
chron.  3,  51 ;  nehmt  war,  wie  öde  liegt  der  Teutschen 
ädler  grund  Sigm.  v.  Birken  fortsetz.  d.  Pegnitzschäf.  38; 
es  ist  sofort  zu  merken,  wenn  man  auf  den  gr.  eines 
biszthums  oder  nur  einer  abtei  kommt  Nicolai  beschr. 
einer  reise  l,  42;  (der  deutsche  orden)  versuchte  .  . .  sich 
auf  litauischem  gründe  festzusetzen  G.  Freytag  18,  219; 
namentlich  poetisch: 

seit  ich  steh  auf  Norwegs  gründe 

Müllner  dram.  w.  (1828)  3,  71; 

frei,  auf  deutschem  gründe,  walten 
lasst  uns,  nach  dem  brauch  der  alten 

H.  V.  Kleist  4,  33  E.  Seh. 

d)  dazu  mannigfache  fälle  ähnlichen  gebrauche,  deren 
gemeinsames  die  irgendvne  geartete  Vorstellung  räumlicher 
begrenzung  ist: 

mein  handl  ist  schier  iedermann  kund, 
musz  auf  ein  unverschalckten  grund 
mich  richtn  an  die  einfelting  bauren 

H.Sachs  21,  49  £".-(?.; 

wir  wandern  ferner  auf  bekanntem  grund 

GöTHE  3,132  W.; 

4A 


691 


GRUND  II  B  1 


GRUND  II  B  1 


692 


und  frei,  auf  mütterlichem  grund,  behaupte 

der  Brandenburger  sich        H.  v.  Kleist  3,  120  E.  Seh. ; 

wir  stehen,  wisz  es,  auf  verbotnem  grund 

Grillparzer  7,  32  S.  ; 

technisch:  bergfreier  gr.  'jenes  gebiet  ober  oder  unter 
der  erde,  über  welches  eine  atcsschlieszliche  bergbauberech- 
tigung  noch  nicht  ertheilt  wurde'  Scheuchen stuel  österr. 
berg-  u.  hüttenspr.  115;  auch  bildlich:  die  Schriften  der 
denker,  die  nicht  auf  kirchlichem  gründe  bauten  Dahl- 
MANN  franz.  revol.  11;  hierher  endlich  auch  fälle  wie: 
aber  wir,  aller  ihrer  brander,  so  auf  uns  hinabkamen, 
ungeachtet  behielten  unsern  gr.  M.  Kramer  leben  u. 
tapfere  thaten  (l68l)  966;  viermal  hat  Ostreich  .  .  .  das 
spiel  gegen  uns  durchgeführt,  dasz  es  den  ganzen  gr., 
auf  dem  wir  standen,  von  uns  forderte  und  wir  ...  die 
hälfte  oder  so  etwas  abtraten  Bismarck  ged.  u.  erinn. 
1,  188  volksausg. 

B.  präpositionale  Wendungen. 

l)  zu  gründe  als  prädicative  beatimmung  neben  trana. 
Verben. 

a)  neben  stoszen,  stürzen,  schlagen,  verderben  u.  ä. 
ursprünglich  ganz  eigentlich  'zu  boden' ;  vgl.  den  voll- 
kommen parallelen  gebrauch  von  zu  boden  th.  2 ,  213  B : 

eyn  jedes  nam  steyn,  wo  es  fandt, 
und  warf  die  hindersich  zu  grundt 

WiCKRAM  7,  31  B. ; 

{knecht  Heintz)  peylet  wie  ein  hund 
und  stiesz  sein  pauren  umb  zu  grund 

H.  Sachs  9,  366  K. ; 

unmerklich  entwickelt  sich  daraus  der  allgemeinere  sinn 
des  Verderbens: 

daher  von  dieser  angst  und  vil  zu  schweren  plagen 
bin  ich  so  tief  und  lang  kraftlosz  zu  grund  geschlagen 

Wbckherlin  2, 142  F. ; 

(dasz)  mich  dein  rawe  faust  nu  mehr 
erhaben,  mit  mehr  macht  und  spot  zu  grund  geschmissen 

ebd.  ; 
oder  Untergangs: 

den  Widersacher  dämpf  und  tritt  den  feund  zu  grund 

RoMPLER  V.  Löw'ENHAlt  crstes  gebüsch  16; 

mocht  kein  .  .  .  Wildschwein  so  grosz  sein  .  ,  .,  sie 
broohtens  mit  irer  .  , .  geschickligkeit  zö  gr.  Wickram 
2,  82  B.;  zu  gründe  steht  seit  alters  in  concurrenz  mit 
dem  völlig  gleich  gebrauchten  in  den  grund  (s.  u.  8);  wo 
das  eine,  wo  das  andere  ursprünglicher  ist,  läszt  sich  nur 
vereinzelt  feststellen,  eine  reihe  von  verben  erscheint  fast 
nur  in  zusammenhängen,  tvo  es  sich  um  die  Vernichtung 
von  Städten  und  gebäuden  handelt,  deshalb  mag  die  Vor- 
stellung des  (gerade  auch  präpositional  reich  entfalteten) 
grund  IV  'fundament'  hereinkreuzen:  das  slosz  wart  zu- 
brochin  unde  zu  gründe  vorstoret  J.  Rothe  dür.  chron. 
687;  und  vorbranten  sy  zu  gründe,  dy  guten  dorfere 
K.  Stolle  thür.  chron.  15;  den  gewönne  er  mit  stürmen 
an  die  schloss  Wolkenstein  und  Rottenbuhel  und  schleift 
die  zu  gründe  M.  v.  Kemnat  chron.  Friedrichs  I.  3SH.; 
mit  welchen  (kanonen)  er  .  .  .  den  mehrern  theil  der 
Stadt  zu  gründe  schoss  Ziegler  asiat.  Banise  (1689)  389; 
der  tempel  zu  grund  verwüstet  ist  Liscovv^  sehr.  (1789) 
31;  anscheinend  erst  secundär  neben  ab  brechen,  weil  in 
den  gr.  brechen  die  übliche  formal  ist  (».  u.  3  a) :  unde 
brochen  daz  (Burgsolms)  zu  gründe  abe  Umb.  chron.  76, 
19  Wyss;  zu  gr.  ahbiechen  funditus  vel  radicitus  diruere ; 
solo  aequare  .  .  .;  in  planum  redigere  Calvisius  (1666) 
849 ;  e*  stellt  sich  in  diesem  bezirk  also  auch  der  gedanke 
an  zu  gründe  'bis  in  die  tiefe,  gründlich,  gänzlich'  ein 
(«.  0.  I  F  3) ;  dasz  diese  formel  indes  hier  nicht  den  aus- 
gangspunkt  bildet,  zeigt  in  den  gr.  («.  «.  3).  bei  andern 
verben  wiegt  übertragener  gebrauch  vor: 

gar  kein  ubels  wirdt  dir  begegen, 
das  es  dich  kund  zu  gründe  legen 

H.Sachs  6,270^.,- 

Venus  ...  die  aller  besten  und  fürtrefflichsten  menschen 
zu  grundt  stürtzt  Guarinonius  grewel  d.  Verwüstung 
(1610)  1109;  variiert: 

der  unser  dignitet  jetzund 
umbstürtzt  und  gar  nmbkert  zu  grund 

A.  LoBWASSBR  ealumnia  B  2; 


jener  fuchsschwantz,  welcher  täglich  vil  tausend  men- 
schen zu  gr.  feilet  Guarinonius  grewel  d.  verw.  1199; 

der  dir  {vaterland)  sonst  nach  deinem  leben  stund, 
dein  kirche  und  freiheit  wollt  reiszen  gar  zu  grund 

Opel-Cohn  dreiszigjähr.  krieg  283; 

dasz  aber  dieser  weeg  also  gantz  zu  gründe  gestoszen 

wird  Jag.  Böhme  6,  119; 

si  {die  frau)  wel  mich  zu  grünt  vurderben 

Umb.  chron.  37,  34  Wyss; 

da  wird  denn  sein  gewalt  weggenommen  werden,  das 
er  zu  gr.  vertilget  und  umbbracht  werde  Luther  30,  2, 
165  W.;  all  diese  Wendungen,  bei  denen  der  sinnliche  aus- 
gangspunkt  deutlich  ist,  häufig  bis  ins  17.  jh.;  später 
seltener:  aber  es  kann  ja  über  nacht  ein  hagel  fallen 
und  alles  zu  gr.  schlagen  Schiller  2,  115  G.;  die  ge- 
meine ewige  Ordnung  zu  gr.  stürzen  2,  84.  nachdem  die 
formel  ihren  sinnlichen  geholt  eingebüazt  hatte,  treten  über 
die  typischen  verba  hinaus  auch  andere  auf: 

und  deine  schwere  band  zerquetschet  mich  zu  grund 

Weckherlin  ged.  2, 124  F. ; 

{die  feinde)  das  städle  voUent  zue  gr.  .  .  .  contribuiret 
haben  acta  publ.  2,  29  F.;  namentlich  seit  dem  18.  jh. 
fälle  wie:  ein  pferd  zu  gr.  reiten  Kramer  deutsch-ital. 
(1700)  573*;  danach:  kommen  sie  (poesie  und  edelmut)  an 
hof  .  .  .,  so  müssen  sie  sich  .  .  .  wandlen,  oder  sie 
werden  mit  ihren  besitzern  zu  gründe  geritten  Klinger 
theater  2,  189;  einen  Franzosen  zu  gründe  filiren  werke 
1,  112;  reiter  und  fuszgänger  suchten  sich  .  .  .  auf  die 
wiesen  zu  retten;  aber  auch  diese  waren  zu  gründe  ge- 
regnet GÖTHE  33,  132  W. 

b)  zu  gründe  richten  ursprünglich  =  solo  aequare; 
aber  schon  Calepin  setzt  es  gleich  pessundo  XI  ling. 
1082*;  im  älteren  nhd.  nicht  besonders  häufig  (so  wenig 
ivie  zu  boden  richten,  *.  th.  2,  213/.  B  e),  getoinnt  es  erst 
mit  dem  18.  jh.  in  der  bedeutung  'verderben'  weite  Ver- 
breitung, nachdem  die  urspr.  synonymen  Wendungen  zu 
gr.  reiszen,  fällen  etc.  (s.  o.  a)  erloschen  loaren.  die  farb- 
losigkeit  des  verbums  richten  errang  den  sieg  über  die 
parallelen  Wendungen,  bei  dinglichem  object  gelten  wieder 
die  ältesten  belege  der  Vernichtung  von  Städten: 

Troya  vor  Joue  bleibet  nicht, 
musz  werden  gar  zu  grund  gericht 

Spreng  Ilias  (1610)  U^; 

dadurch  sie  .  .  .  viel  griechische  schiff  zu  gr.  richtete 
theatrum  amoris  343;  wie  das  bild  .  .  .  durch  die  her- 
stellung  selbst  völlig  zu  gründe  gerichtet  worden  Göthe 
IV  28,  336  W.;  erst  im  vorigen  jähre  hab  ich  des  geizigen 
Odoardo  Weingärten  durch  einen  hagel  gänzlich  zu  gründe 
gerichtet  Hafner  ges.  lustsp.  (1812)  2,  32;  Syriens  flotte 
(war)  vertragsmäszig  zu  gründe  gerichtet  Mommsen  röm. 
gesch.  2,  63 ;  bei  der  entfaltung  des  alten  materials,  wel- 
ches er  oft  zu  gr.  richtet  Jag.  Grimm  Beinh.  fuchs  xvii; 
unten  da  fangen  se  gar  schonn  an  und  richten  an  sache  zu- 
grunde (Dreiszigera  ivohnungseinrichtung)  G.Hauptmann 
weher  (1892)  89;  in  dieser  Verwendung,  als  'ruinieren'  von 
dingen,  in  jüngerer  spräche  zurückgehend;  umgekehrt  zu- 
nehmend in  anwendung  auf  personen;  am  frühesten  in 
der  entschiedensten  bedeutung:  die  kecksten  wurden  un- 
verlangt von  der  deutschen  reuterey  zu  gründe  gerichtet 
Lohenstein  Arminius  (1689/.)  i,  49»;  die  in  der  mo- 
dernen spräche  herschenden  schwächeren  bedeutungen  ver- 
breiten sich  erst  seit  dem  18.  jh.;  physisch:  unsere  körper 
sind  durch  fatiguen  zu  gründe  gerichtet  Stephanie  Zwstei?. 
(1771)  118,  83;  seelisch:  je  glücklicher  du  bist,  um  so 
weniger  kostet  es,  dich  zu  gründe  zu  richten  Hölder- 
lin ges.  dicht.  2,  88,  9  Litzm.;  moralisch:  ha!  da  ist  er, 
der  mir  sie  beide  verdirbt  —  meine  söhne,  mir  sie  beide 
zu  gründe  richtet  Lessing  lO,  87  M.;  wirtschaftlich:  auf 
den  täglichen  verbrauch  eine  abgäbe  legen,  .  .  .  richte 
den  landmann  zu  gründe  Gersten  berg  hamb.  nat.  ztg.. 
lit.-denkm.  128,  66;    auch  reflexiv: 

damit  ein  herzogthum  sich  nicht  zu  gründe  richte, 
vermählet  sich  sein  herr  mit  eines  pachters  nichte 

Gottsched  d.  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  1, 613; 

hat  er  diese  Jugend  verstreichen  lassen  und  sich  durch 
vielwissen    und    recensieren  ...   zu   gründe   gerichtet 


693 


GRUND  II B  2. 3 


GRUND  II  B  4 


694 


Fichte  2,  391.  die  formel  bildet  heute  das  tranaitivum 
zu  dem  auf  anderer  grundlage  erwachsenen  zu  gründe 
gehen,  s.  o.  I  A  4  c  /3.  —  im  späteren  18.  jh.  und  früheren 
19.  jh.  erscheint  nicht  selten  ein  «m6«<.  zugrunderichtung : 
verderben  I  zugrunderichtung  des  menschengeschlechtes ! 
La  VATER  verm.  sehr.  2,  279;  das  ich  die  zugrunderich- 
tung des  abendblatts  ganz  allein  ihrem  einfluss  . . .  zu- 
schreibe H.V.Kleist  5,  4I3  Schm.;  die  zugrunderichtung 
des  adels,  wenn  es  krämer  .  .  .  sind  Fichte  4,  416. 

2)  zu  gründe  als  prädicative  bestimmung  neben  intrans. 
Verben;  zu  sondern  von  zu  gründe  sinken,  gehen  u.  ä. 
(a.  o.l  A  4  c  ß)  und  weit  weniger  entwickelt  als  jenes: 

Saul  aber  stürtzt  für  diesem  schein 

in  einem  nu  zu  gründe      Ringwald  evang.  G8''; 

(der  hirt)  sanck  mit  dem  haupt  gantz  blaich  und  sprachlosz 

zu  dem  grund 
Weckherlin  ged.  1,  461  F. ; 

wo  herrscbaft  seins  gewalts  miszbraucht, 
wie  plötzlich  sie  zu  gründe  haucht 

H.  Sachs  2,  20  ä'.  ; 

voll  entwickelt  nur  zu  gründe  liegen  'am  Ifoden  liegen', 
dann  'darnieder  liegen,  verdorben  sein': 

jetz  sinckt  es  (das  gebäude)  schwehr  darnieder, 
ligt  gäntzlich  schier  zugrund 

RoMPLER  V.  Löwenhalt  erstes  gebiisch  99 

weil  doch  on  danck  und  lohn 

dein  lichten  liegt  zu  grund        H.  Sachs  9, 546  K. 

wie  zu  grund  ligt  all  ihr  rühm 

Weckherlin  gedickte  1,  155  F. 

musz  aber  ich  zu  gründe  liegen, 

so  liegt  der  segen  gottes  auch  (sagt  die  gerechtigkeit) 

Neumark  fortgepfl.  lustw.  1, 188; 

nachdem,  neben  die  eigentliche  bedeutung  von  zu  gründe 
die  übertragene  getreten  war.  in  mannigfachen  anderen  Ver- 
bindungen: wie  er  (der  christliche  glaube)  .  . .  schier  gar 
zu  grund  zergangen  Berth.  v.  Chiemsee  teutsche  theol. 
106  R.;  feindselig  ding,  dadurch  mancher  frumer  man 
betrogen  zu  grund  verderben  mus  Luther  28,  605  W.; 
da  die  gottlosen  zu  grund  verloren  sind  bibel  7,  391  Bind- 
seil; oder  zu  I  F  3? 

ich  bin  die  esch  und  wttrd  zu  grundt, 
so  do  kompt  min  letste  stundt 

Murner  baden/ahrt  4,  41  M. ; 

er  ist  zu  grund  egli  e  .  .  .  nel  fondo  della  sua  fortuna 
Jagemann  (1803)  2,  628*";    auch  elliptisch: 

der  eine  von  euch  beiden  muss  zu  gründe 

Grabbb  w.  2,  289  Bl. 
8)  in  den  grund  icird  ebenso  und  meist  neben  denselben 
Verben  gebraucht  wie  zu  gründe ;  die  formel  gilt  hier  wie 
dort  von  haus  aus  der  richtungsbezeichnung ;  nur  so  ver- 
steht sich  zumal  die  Wendung  in  den  gr.  legen  'zerstören' : 
auf  das  versincken  der  stadt  Lysimachia  wäre  alsofort 
der  stamm  .  . .  dessen,  der  sie  in  gr.  gelegt  hätte,  unter- 
gegangen Lohenstein  Arminius  (1689/.)  l,  186*;  vgl. 
auch  die  vereinzelte  Variante  an  den  gr. : 

die  burc  er  an  den  grünt  brach 

Reinhart  fuchs  1264; 

doch  tritt  neben  die  locale  frühzeitig  eine  intensitätsvor- 
stellung;  deshalb  auch  verstärkt  bis  in  den  gr.  oder  in 
gr.  hinein  'bis  in  den  boden  hinein,  gründlich,  gänzlich, 
darum  bevorzugt  Frisch  379*,  den  ausgangspunkt  der 
formel  verkennend,  im  gr. :  eine  stadt  im  gr.  zerstören 
afundamentis  proruere  urbem,  desgleichen  das  land  im 
gr.  verwüsten  flamma  ferroque  depopulari  agros;  doch 
ist  im  gr.  eine  jüngere  seltene  umbiegung. 

a)  transitiv;  noch  entschiedener  als  bei  zu  gr.  tritt  in 
der  älteren  spräche  die  Zerstörung  von  Städten  und  ge- 
bäuden  hervor: 

man  brante  ouch  in  der  selben  stunt 
daz  hachelwerc  in  den  gnmt 

livländ.  chron.  11080  Pf. ; 

ausz  Babotsch  flog  er  schnell  und  bhend, 
hats  selbs  anzündt,  in  grund  verbrent 

W.  Schmeltzl  zug  in  d.  Hungert.  B  1»; 

s8  sold  er  die  mür 

in  den  grünt  heizen  brechen 

Ottokar  v.  Steierm.  steir.  reimchr.  30186; 

unz  in  den  grund  er  si  (die  veste)  stört  28766; 


mit  abe-,  zu-brechen  oft  in  der  limburg.  chron.  38,  16; 
50,  10;  88,  19;  91,  7  u.  ö,  Wyss;  da  wurd  ihre  gantze 
stadt  ruinirt  und  in  gr.  verderbet  Schupp  sehr.  (1663) 
196 ;  an.  1601  .  .  .  ward  sie  ...  durch  der  verzweifelten 
Türeken  eingelegtes  pulver  fast  in  gr.  verwüstet  Birken 
verm.  donaustrand  (1684)  69 ;  wie  man  auch  die  . . .  neue 
kirche  ...  in  gr.  geschleift  und  der  erden  vergliechen 
acta  publ.  l,  90  F.;  brannten  die  festung  aus  und  zu- 
rissen  sie  in  gr.  v.  Fleming  d.  vollk.  teutsche  soldat  278; 
nahe  lag  die  Übertragung  auf  Vernichtung  durch  krieg: 
darnach  bekriegten  sie  den  von  Regensperg  in  gr.  Stumpf 
Schweizerchron.  (1606)  487»; 

krieg  krieg  verzehrt,  fried  fried  ernährt, 
weh  dem,  der  alles  in  grund  verheert 

Opel-Cohn  dreiszigj.  krieg  435; 

warumb  die  Lacedaemonier  die  Argivier  . . .  nit  gar  ver- 
trieben und  in  gr.  gantz  auszgetilget  Lehmann  florileg. 
polit.  (1662)  3,  217,  reine  intensitätsbezeichnung  seit  dem 
18.  jh.  in  starkem  rückgang.  viel  seltener,  aber  schon  früh 
in  allgemeinerem  sinne: 

wand  du  (hoffart)  brengest  in  den  grünt 
manche  sele,  die  gesunt 
were  vor  gotis  ougen 

md.  bearbeitung  des  Daniel  4819  Hübner; 

darnach  syns  vatters  strafen  kundt, 
den  bringt  er  warlich  in  den  grundt 

Murner  schelmens.  41, 18  neudr. ; 

wenn  einer  sich  durch  schwelgerey  nicht  selbst  in  gr. 
richten  dörfte  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  2,  296"; 
namentlich  bei  verderben  (vgl.  in  boden  verderben  th.  2, 
214):  in  dem  fieng  es  an  zu  regnen,  verwiescht  und 
verderbt  im  die  hendtschüch  gantz  in  gr.  hinein  Bebet 
facet.  (1585)  B  8'';  zu  unseren  in  gr;  verderbten  Zeiten 
Butschky  Pa<Ämo*  (1677)  69;  dasz  man  es  nicht  künst- 
licher hätte  anlegen  können  . . .,  mich  aus  dem  gründe 
und  in  den  gr.  zu  verderben  Holtei  vierzig  jähre  l,  9. 

b)  intransitiv;  seltener,  aber  unter  denselben  bedin- 
gungen  wie  bei  trans.  gebrauch: 

da  fiel  das  haus  und  bad  in  grund 

Rollenhagen  froschmeuseler  (1596)  D  4»; 

unser  flecke  in  grundt  verbrandte  Nigrinus  von  Zau- 
berern (1592)  71;  und  verfeit  das  schloss  in  grundt  M.  v. 
Kemnat  chron.  Friedrichs  I.  38  H.;  abt  Jacob  v.  Br.  und 
probst  Anthis  v.  L.,  die  dann  ursach  worden,  das  das 
closter  in  gr.  verdarb  52;  welchs  so  es  geschieht,  so  ver- 
durb  ich  in  gr.  hinein  (funditus)  Boltz  Terenz  (1639)  8*»; 

was  soll  das  leben  mir  zur  stund, 
die  ich  verlohm  bin  bisz  in  grund 

Spangenberg  griech.  dr.  1,  lliBähnhardt. 

4)  auf  den  grund  erst  seitdem  16.  jh.  belegbar;  urspr. 
wohl  'auf  den  boden',  vgl.  aequare  solo  auf  den  gr.  zer- 
schleifen  Garthius  23'';  vgl.  schleifen  . . .  auch  so  viel 
als  bis  auf  den  gr.  niederreiszen  Gueintz  dtsche  recht- 
schreib. (1666)  126.  auszugehen  ist  wiederum,  von  der  Ver- 
nichtung von  Städten  und  gebäuden:  in  dem  zoch  der 
von  Chordis  .  .  .  für  Neubert,  schoss  die  stat  auf  den 
grünt  hinweg  Wilw.  v.  Schaumburg  89  K.;  nach  . . .  ernst- 
lichem stürmen  ward  die  vesti  .  .  .  erobert,  und  ouch 
uf  den  gr.  verbrennt  Tschudi  chron.  helvet.  1,  38; 

darnach  das  schloss  ward  angesteckt, 
verbrandt,  zerschleyft  bis  auf  den  grundt 

Schmeltzl  zug  in  d.  Hungert.  A4»; 

dann  allgemeiner:  ich  wil  .  .  .  Franckreich  gantz  und  gar 
auf  den  grundt  zerstören  buch  d.  liebe  (1587)  9";  als  die 
Frantzosen  .  .  .  alles  bis  auf  den  gr.  verwüsteten  Chr. 
Weise  polit.  redner  (1677)  873 ;  nur  dass  sie  (die  heu^chrecke) 
alles  bis  auf  den  gr.  verheeret  M.  I.  Schmidt  gesch.  d. 
Deutschen  l,  54.  neben  verben  anderer  bedeutungsrichtung 
verschiebt  sich  die  vorstellujig :  er  . . .  nahm  sich  seiner 
bis  auf  den  gr.  an  Herder  17,  57  S.;  ein  gefährlicher 
philosophischer  charlatan  .  .  .,  der  sich  selbst  bis  auf 
den  gr.  zu  kennen  glaubt  Tieck  sehr.  7,  175:  'völlig, 
gründlich'  meint  hier  'bis  zum  letzten'  und  läszt  eher  an 
grund  I  denken. 

44« 


695 


GRUND  II  C  1 


GRUND  II  C  1 


696 


C.  grund  und  boden  seit  dem  16.  jh.  belegbar.  vermut- 
lich älter;  die  ältesten  belege  bis  ins  le.jh.  obd.  {namentlich 
alem.)  und  rheinfr.;  ivie  eng  zusammengehörig  beide  worte 
empfunden  wurden,  lehren  die  lexika:  fundum,  einn  gr. 
odder  bodem  Er.  Alberus  62,'^;  fundum  .  .  .  gront  off 
boedem  van  eyn  vasz  Diefenbagh  gloss.  252^;  anders 
soll  ihnen  .  .  .  auf  dem  teutschen  grundt  oder  boden 
nur  ein  halber  monatsoldt  . . .  gereicht  werden  Frons- 
perger kriegsbuch  1,  32r,  wo  oder  ein  und  vertritt;  merk- 
würdig und  vereinzelt:  die  grefin  . . .  mit  ir  selbes  rates 
pflage  und  von  grünt  ze  poden  ir  sache  bedencken  warde 
Arigo  decam.  229,  38  Keller,  die  zusammenziehung  grund- 
boden  seit  alters  vornehmlich  im  alem.:  eim  sein  hausz 
auf  den  grundboden  schleitzen  J.  Maaler  194  rb;  häufig 
in  den  modernen  maa.,  z.  b.  e  pföl  in  de  grundboden 
schlahe  Staub-Tobler  2, 771»;  auch  in  md.  maa.:  grunde- 
buden  Müller-Fraureuth  446'*;  nicht  beschränkt  auf 
die  bedeutung  'erdboden' :  fundus  . . .  ain  boden  o.  grund- 
boden {imu  pars  vasis)  Diefenbagh  gloss.  252**.  das 
erste  subst.  kann  unflectiert  bleiben :  des  zu  A.  gehörigen 
grund  und  bodens  Fischer  schwäb.  s,  871  au*  Wieland. 

l)  urspr.  ein  ausdruck  der  rechts-  und  Urkundensprache; 
so  die  ältesten  belege:  den  wingarten  ze  R.  gr.  und  b. 
mit  aller  witi  Fischer  schwäb.  3,  871  (a.  1429);  die  eygen 
wysen  vor  dem  yrhertürlin  an  der  Pegnitz  gelegen,  grünt 
und  podem,  mit  aller  czügehörung,  nützzen  und  rechten 
atädtechron.  l,  394  anm.  {Nürnberg  1434);  nach  Staub- 
Tobler  2,  771  steht  es  im  alem.  besonders  in  kaufs-  und 
Übergabsbriefen  zur  Umschreibung  des  gesamten  grund- 
eigenthums,  in  lat.  Urkunden  entsprechend:  terra  et  fundus. 
so  wird  eine  waldung  abgetreten:  unser  frowen  hölzli, 
holz  und  feld,  gr.  und  b.  (a.  1558);  mit  anderm  sinn,  aber 
ebenfalls  in  der  rechtssprache :  sy  habent  geschworen,  die 
püntnussen,  wyl  grünt  und  b,  stat,  zuo  halten  ib.;  des- 
gleichen als  beteuerungsformel:  'sie  wollen  das  gotieswort 
halten,  auch  leib  und  gut  dazu  setzen',  es  mües  6  gr. 
und  b.  kosten  ib.  {a.  1529).  die  formel  breitete  sich  früh- 
zeitig auf  fast  alle  Spielarten  und  gebrauchsformen  der 
bedeutung  'erdboden'  aus. 

a)  mit  rücksicht  auf  die  Qualität  des  bodens.  wie 
II  A  2  a  {geologische  oder  physikalische  beschaffenheit) :  da 
leichtsinniges  wandeln  auf  feuchtem  gr.  und  b.  mir  ein 
übel  am  fusze  zugezogen  hat  Göthe  IV  28,  98  W.;  das 
Vaterland  der  verschiedenen  dipusarten  hängt  . . ,  vom 
gr.  und  b.  ab  Nehring  tundren  u.  steppen  76;  sie  wuszte 
.  .  .,  auf  welch  vulkanischem  gr.  und  b.  der  tempel 
dieses  friedens  errichtet  war  Holtei  erz.  sehr.  2,  232. 
tcie  II  A  2  b  {fester  Untergrund);  m^ist  übertragen: 

der  her  daer  ist  mein  grund  und  bode  vest 

Schede  psalmen  53,  5  neudr. ; 

ohne  diesen  gr.  und  b.  der  Wirklichkeit  würden  selbst 
Homer  und  Ariost  als  geringe  poeten  erscheinen  müssen 
Platen  w.  8,  4  B.;  die  volle  formel  hat  öfter  einen  em- 
phatischen beiklang:  dasz  ihm  nichts  daran  lag,  die  Sy- 
steme der  andern  zu  stürzen,  da  er  gr.  und  b.  für  das 
seine  gefunden  hatte  Fr.  M.  Klinger  ii,  168;  während 
sie  für  ihre  ideen  sich  einen  gr.  und  b.  schaffen  muszten 
HoFFM.  V.  Fallersleben  ges.  sehr.  7,  287;  der  Chemiker 
{behauptet)  nur  den  festen  gr.  und  b.  seiner  Wissenschaft, 
wenn  er  .  .  .  J.  Liebig  ehem.  briefe  59;  als  baugrund: 
alle  künste  .  .  .  kommen  mir  vor  wie  städte,  deren  gr. 
und  b.,  worauf  sie  erbaut  sind,  man  nicht  mehr  ent- 
ziffern kann  Göthe  IV  20,  87  W.;  auch  das  Sprichwort 
hat  die  Variante:  stille  wässerlein  fressest  (nehmest)  gr. 
und  b.  Fischer  schwäb.  3,  871. 

b)  mit  rücksicht  auf  die  Quantität,  die  räumliche  aus- 
dehnung  {die  häufigste  gebrauchsweise,  zumal  in  neuerer 
spräche):  habe  ich  .  .  .  den  gr.  und  b.  .  .  .  nach  dem 
verjüngten  maaszstab  auf  den  riss  gebracht  v.  Fleming 
vollk.  teutscher  Jäger  46.  nach  II  A  3  a  {begriff  des  eigen- 
thum.8) : 

derhalben  sag  ich  euer  gnoden, 

ich  sitz  hie  auf  meim  grundt  und  boden 

Fischart  Eulenspiegel  134  H. ; 

es  freut  mich  sehr,  dasz  sie  meinem  gr.  und  b.  die 
ehre  geben  wollen  Pückler  briefw.  6,  33  Ass.;  wenn 


man  denselben  {bauernstand)  als  pächterstand  wieder 
an  den  gr.  und  b.  gefesselt  hätte  Jhering  geist.  d.  röm. 
rechts  2,  i,  248;  concreter  'grundbesitz' :  das  ist  das  ein- 
kommen,  die  gülten,  zins,  renten,  gr.  und  b.,  die  ein 
haus  unterhalten  SEBiz/eZdia«  (1579)  3;  versaufen  hausz, 
hof  und  Stadt,  gr.  und  b.  Äg.  Albehtinus  Lucifers 
königr.  191,  27  L.;  pluralisch:  die  besüzungen  Burgetti 
Orsenici  . . .  mit  allen  dern  schloszgehörigen  und  allen 
derselben  grünt  und  böden,  besüzungen,  Zinsen  v.  Bran- 
Dis  landeshauptleute  v.  Tirol  40;  welche  häuser,  gründ 
und  b.,  gold,  silber  etc.  besitzen  Schupp  sehr.  (i663)  697; 
vereinzelt  und  jung  neben  liegend:  der  aneinander  hän- 
gende liegende  gr.  und  b.  fordert  eine  scheide  Jag.  Grimm 
kl.  sehr.  2,  30;  mit  besonderem,  gefühlsgehalt :  eine  ursprüng- 
liche spräche,  die  ihre  Wörter  .  .  .  von  ihrem  eigenen 
gr.    und    b.    hernehmen    kann    Gottsched   d.   7ieueste 

a.  d.  anmuth.  gelehrs.  8,  797;  unsere  dogmatische  theo- 
logie  wird  aber  nicht  eher  auf  eigenem  gr.  und  b.  ebenso 
sicher  stehen  Schleiermacher  I  3,  107.  nach  II  A  3  c 
{politische  begrenzung) :  so  bald  die  arm6e  über  die  Weser 
solcher  maszen  kommen,  und  den  westpfälischen  gr. 
und  b.  erreichet  Chemnitz  schwed.  krieg  2,  49;  eine 
fremde  nation  in  den  waffen  auf  dem  gr.  und  b.  des 
reichs  beysammen  wohnen  zu  lassen  M.  I.  Schmidt 
gesch.  d.  Deutschen  1,  137;  ähnlich:  bis  ich  erst  wieder 
auf  protestantischem  gr.  und  b.  war  Bahrdt  gesch.  s. 
lebens  4,  17. 

c)  aufs  alem.  beschränkt  ist  gr.  und  b.  halb  adverbial 
nach  länder-  und  städtenamen  als  landschrei  {ivieder  em- 
phatische Verstärkung  des  einfachen  Wortes):  die  {beiden 
ringer)  wurfent  einander  zu  beiden  teilen  glych  nider, 
doch  der  Zuger  den  von  Wädischwyl  erstmals,  da  der 
jünger  brueder  ze  schrygen  anfienge:  hie  Zug,  gr.  und 

b.  Staub-Tobler  2,  771»;  es  ist  nichteine  aufforderung 
zum  Wurf  an  gr.  und  b.,  wie  dort  vermutet  icird,  sondern 
eine  Verstärkung  im  sinne  von  Zuger  gr.  und  b.;   vgl. 

frisch  uf,  mir  wendt  ihn  fröllch  strelen : 
hie  ist  gut  Schwytz  grund  und  boden! 
ir  eygnossen,  nun  londs  uns  wogen 

Schweiz,  schausp.  des  16.  jh.  2, 152  B. ; 

hett  sich  inn  der  statt  mit  ainen  trunkh  uberrist,  am 
haimziehen  Wirtemperg  gr.  und  b.  geschrihen  Fischer 
schwäb.  3,  871. 

d)  nach  präpositionen. 

a)  entsprechend  II  B  l  2 :  zu  gr.  und  b. ;  in  den  alten 
belegen  tritt  die  gegenständliche  bedeutung  ^zu  boden'  klar 
hervor:  zu  gr.  und  b.  stoszen  Staub-Tobler  2,  771  {a. 
1571);  alles  hauet  zu  gr.  und  b.,  und  habt  gar  kein  er- 
barmen engl,  comedien  (1624)  H  7»; 

was  die  alten  erbauet  han, 

will  man  zu  grund  und  boden  schlan 

Opel-Cohn  dreiszigj.  krieg  440; 

jünger  sind  fälle  wie:  ein  kranker  mufti  spricht  hun- 
dert verliebte  prinzen  zu  gr.  und  b.  Klinger  theater 
3, 113;  intransitiv:  schlug  er  so  mannlich  unter  die  un- 
gläubigen, dass  sie  gleich  als  fliegen  oder  mucken  zu 
gründe  und  b.  fielen  buch  d.  liebe  (1587)  25"^; 

du  kommst,  o  liebes  kind,  ein  gast  in  diese  weit, 

da  gleich  das  gasthaus  jetzt  zu  grund  und  boden  fällt 

durch,  in,  und  mit  sich  selbst 

LoGAU  sinnged.  12  E.; 

über  zu  gr.  und  b.  gehn  s.  u.  2.  seit  dem  18.  jh.  nur 
noch  selten: 

mit  diesem  Schwerte 
schlag  ich  dich  zu  grund  und  boden 

Fr.  W.  Weber  dreizehnlinden  (1907)  92. 

ß)  entsprechend  II  B  3 :  in  grund  und  boden  (hinein) 
dagegen  kommt  erst  mit  dem  19.  jh.  recht  in  schwang, 
wenn  es  auch  in  älterer  spräche  nicht  fehlt: 

wir  zuntend  das  schloss  inwendig  an, 
dass  es  in  grund  und  boden  verbrann 

bibl.  alt.  schrißw.  d.  Schweiz  I  4,  48; 

es  löst  das  einfache  in  den  gr.  ab;  namentlich  dialektisch: 
das  weiter  schlägt  alles  in  gr.  und  b.  (nein)  Müller- 
Fraureuth  446'»;  a  schielt  een  ei  gr.  und  b.  nei 
G.  Hauptmann   Boae  Bernd  (i904)  25;  gern  ebenso  wie 


697 


GRUND  II  C  2.  3 


GRUND  HC*  — IIIAi 


698 


in  den  gr.  neben  verderben:  sich  in  gr.  und  b.  innen 
verderben,  verheien  'seine  gesundheit  gründlich  ruinieren' 
Staub-Tobler  2,771;  auch  schriftsprachlich  oft  mit  dem 
anflug  des  volksmäszigen :  mich  dauert  nur  das  kind, 
. .  .  das  wird  in  gr.  und  b.  verdorben  Hafner  ges.  lust- 
spiele  2 ,  224 ;  unsere  guter  viraren  ...  in  gr.  und  b.  ge- 
wirthschaftet  Spielhagen  l,  218;  ich  musz  .  .  .  unter- 
ducken, will  ich  nicht  in  gr.  und  b.  getreten  werden 
Holte  I  erz.  sehr.  36,  216;  ich  bin  ein  guter  fuszgänger, 
Brant  geht  mich  aber  doch  in  gr.  und  b.  Grillparzer 
20,  64  S.;  intransitiv:  hier  ist  alles  ...  in  gr.  und  b. 
hinein  verdorben  A.  Rüge  briefio.  u.  tageb.  2,  19. 

2)  leicht  ergab  sich  die  Übertragung  der  Wendung  von 
'erdboden'  auf  'baden  eines  gewässers':  der  see  . . .  habe 
gar  keinen  gr.  und  b.  Aurbacher  volksbüchl.  261;  man 
findet  keinen  gr.  und  b.,  gar  kein  ende,  wenn  man  alle 
übel  des  krieges  herreehnen  wollte  Tiegk  sehr.  5,  420; 
präpositional  : 

hat  nit  vor  jähren  Pallas  grim 

der  Griechen  schiff  (wie  ich  vemim) 

zu  boden  und  in  grund  versenckt? 

Spreng  Äneis  3"; 

und  80  noch  spät:  wir  hätten  zu  gr.  und  b.  gehen  müssen, 
ohne  dasz  uns  . . .  von  dem  andern  schilTe  die  geringste 
hülfe  hätte  geleistet  werden  können  J.  G.  Forster 
sümtl.  sehr.  1,  92;  aber  frühzeitig  in  dem  allgemeineren 
sinn  des  Verderbens  {vgl.  I  A  4  c  /S) :  das  der  teufel  die 
Oberhand  bekomen  und  alles  zu  gr.  und  b.  gehen  müsse 
Luther  16,  155  W.;  und  müss  oft  manche  ehe  zu  gr. 
und  b.  gehen,  dass  das  weyb  dem  mann  nit  will  folgen 
V.  Schumann  nachtb.  200 B.;  der  unfride  ...  verderbe  nur 
sein  land  und  unterthanen,  die  gehen  gantz  zu  schei- 
tern, zu  grund  und  zu  boden  Beinicke  fuchs  (i650)  344; 

sie  würden  mein,  als  der  zu  grund 
und  boden  gangen,  lachen 

P.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,414*'; 

sehr  häufiger  gebrauch;  ganz  selten  in  anderer  Verwen- 
dung: das  ewangelium  sieht  die  hertzen  an,  geet  zu 
grundt  und  boden  Luther  10,  3,  404  W. 

3)  da  gr.  u.  b.  früh  zur  reinen  formel  wurde,  konnte 
es  auch  auf  solche  bedeutungszweige  von  gr.  übertragen 
werden,  die  dem  sinne  'erdboden'  fern  stehen:  so  häufig 
in  gebrauchsformen,  die  auf  die  bedeutung  'fundament' 
zurückzuführen  sind,  gelegentlich  in  formein,  die  dort 
wurzeln:  weil  .  .  .  gedachte  haut  .  .  .  gleich  unter  den 
haaren  als  ir  grundt  und  boden  gelegt  ist  Wirsung 
arzneibuch  (1588)  68  b; 

der  tugend  wohlgelegten  grund 

und  boden  Königsberger  dichterkr.  120  ndr. ; 

häufiger  für  'grundlage,  basis':  der  gr.  und  b.  einer 
spräche,  so  zu  reden,  sind  die  worte  Leibnitz  dtsche 
sehr.  1,  460;  diese  methode  erforderte  fleisz  und  häus- 
lichkeit,  und  das  ist  der  gr.  und  b.  einer  glücklichen 
ehe  Hippel  lebensläufe  3,  114;  es  giebt  vielleicht  keine 
erfindung,  die  nicht  die  allegorie  .  . .  zum  gr.  und  b.  ihres 
Wesens  hätte  Tiegk  sehr.  4, 129.  umso  häufiger,  je  weiter 
sich  die  von  'fundament'  abgeleitete  bedeutung  von  ihrem 
ausgangspunkt  entfernt  und  je  leichter  sie  eine  umdeutung 
auf  'boden'  hin  gestattet;  parallel  mit  anfang :  wolan  so 
hab  dir  hiemit  die  ersten  euangelischen  centonouell  ge- 
geschenckt,  als  ain  anfang,  gr.  und  b.  von  dem  Luther 
selbst  Joh.  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  (1567  jf.)  l,  3»; 
hauptsache,  grundbedingung :  wo  eine  rechtschaffene  be- 
stendige kirchenordnung  soll  gestellet  und  aufgerichtet 
werden,  muss  das  fürnemste,  ja  der  grundt  und  bodem 
sein,  das  die  lehre  rein  . .  .  sey  kirchenordn.  f.  Braun- 
schweig (1569)  15;  der  gr.  und  b.  des  schönen  ...  in  der 
mahlerkunst  ist  ...  die  Wahrheit  oder  Wahrscheinlich- 
keit Breitingfr  crit.  dichtk.  1,62;  hauptinhalt,  kern: 
das  bauernleben  bildet  doch  eigentlich  den  gr.  und  b. 
des  buches;  aus  andern  ständen  wandeln  nur  einige 
gestalten  flüchtig  über  diesen  boden  Jer.  Gotthelf  ges. 
sehr.  1,  x;  das  innerste:  gr.  und  b.  eins  yeden  dings 
fundum,  vel  fundus  Frisius  dictionariolum  102'»;  gr. 
und  b.  wissen  wollen,  a  eoelo  ad  terram  percontari 
Dentzler  141  *>.    nach  präpositionen :  ist  es  nichts  desto 


weniger  alles  in  grundt  und  b.  erlogen  C.  Andrea  gründl. 
relation  (I6O2)  vorr.  **3»;  vgl.  IV  B  5  a  y;  dass  die  ge- 
gebene weit  . . .  durchaus  nicht  dasey  . . .  und  im  gründe 
und  b.  nichts  sey  Fichte  w.  4,  378;  er  ist  im  gründe, 
in  gr.  und  b.  nichts  nutz  Kramer  teutsch-ital.  l,  573'^; 
ebenso  Hügel  Wiener  dial.  71'»;  er  taugt  in  gr.  und  b, 
nichts,  er  ist  in  gr.  und  b.  verdorben  Spiesz  henneberg^ 
85 ;  der  gebrauch  verrinnt  mit  1  d  ;3 ;  man  muss  die  wun- 
den von  gr.  und  b.  auf  heilen  und  mit  nichten  von 
auszen  hinein  Staub-Tobler  2,  771  (a.  1634). 

4)  vereinzelt  sogar  den  causalen  gr.  streifend:  auch 
das  recht  des  Schwertes,  ohne  dessen  besitz  die  kröne 
nur  ein  schatten  sein  würde,  erschien  als  ein  guter  gr. 
und  b.  für  einen  könig,  um  dafür  zu  fechten  Ranke 
s.  w.  16,  199. 

III.  grund  kann  jeden  theil  der  erdoberfläche  bezeichnen, 
der  tiefer  liegt  als  seine  Umgebung ;  dieser  gebrauch  läszt 
sich  verstehen  als  addition  von  I  und  II :  mit  dem  begriff 
des  unteren,  tiefen  verband  sich  der  der  erdfläche,  dem, 
entspricht  es,  wenn  die  bedeutung  ' erdvertief ung'  die 
jüngste  scheint. 

A.  in  der  bedeutung  'thal,  Senkung'  seit  dem,  rnhd.  in 
mannigfachen  abstufungen  und  Variationen. 
1)  mhd.  zumeist  eine  m.äszig  tiefe  thalsenkung: 

sus  reit  der  werde  degen  halt 
stn  rehte  sträze  üz  einem  walt 
mit  slme  gezog  durch  einen  grünt 

WoLFR.  V.  Eschene.  Parz.  839, 17; 

si  zogten  durch  einen  grünt 
und  enbalp  balde  wider  üf 
Ottokar  v.  Steikrm.  steir.  reimchron.  11041 ;  vgl.  11060; 

da  zwischen  (zw.  d.  bergen)  was  ein  kleiner  grünt 

livländ.  chron.  9992  Pf.; 

nach  dem  aber  der  in  einem  gründe  verborgene  fürst  C. 
. . .  das  zeichen  bekam  .  .  . ,  rennte  er  spornstreichs  zu 
Lohenstein  Armin.  (1689/.)  2,  1082*; 

soll  ich  verirrter  hier  in  den  verschlungnen  gründen 
die  geister  Shakespeares  gar  verkörpert  finden? 

Göthe  2,  143  W. ; 

durch  zufügung  gewisser  adjectiva  kann  der  begriff  der 
thalsenkung  zu  der  bedeutung  'schmalthal,  hohlweg,  Schlucht' 
specialisiert  werden: 

sucht  immer  weiter  hin  und  wider 
in  diesem  walde  auf  und  nider, 
bisz  er  kam  in  ein  tiefen  grund 

H.  Sachs  21, 168  K.-Q. ; 

da  brachen  die  Polen  im  hinderhalt  aus  dem  holen  gr. 
auf  Hennenberger  preuss.  landt.  (1595)  30; 

Rom  selber  ward  der  barbam  raub, 
sein  rest  ist  kaum  in  hohlen  gründen 
mit  Schutt  und  graus  verscharrt  zu  finden 

Gottsched  ged.  (1751)  118; 

das  kloster  war  in  einen  engen  gr.  gebaut  Kerner 
bilderb.  148;  Schluchten,  klüfte,  kaminspalten  .  .  .  ver- 
einigen sich  zu  einem  finstern,  eingeklemmten  gründe 
H.V.Barth  kalkalpen  879;  in  älterer  spräche,  wie  m,und- 
artlich  noch  heute,  völlig  gleich  'thal':  vallis  taal  vel  grünt 
Diefenbach  gloss.  606*;  bei  Luther  vielfach  im,  sinne 
von  vallis:  auch  gruben  Isaacs  knechte  im  gründe  (var. 
tal)  1.  Mos.  26,  19  {in  torrente);  der  herr  sey  ein  gott 
der  berge  und  nicht  ein  gott  der  gründe  1.  kön.  20,  28 
{deus  vallium) ;  du  lessest  brünnen  quellen  in  den  grün- 
den ps.  104 ,  10  {in  convallibus) ;  vgl.  in  den  abseits  ge- 
legenen reizenden  thälern  (oder  'gründen',  wie  man  in 
Sachsen  sagt)  fanden  sich  mühlen  am  muntern  bach 
W.  Chezy  erinn.  1,  218;  auch  in  der  bedeutung  des  tiefen 
gebirgsthales,  die  am,  schärfsten  das  alem.  entwickelt  hat: 
wir  führen  das  wasser  ausz  den  tiefsten  grundten  auf 
die  höchste  berge  J,  Betulejus  discurs  v.  d.  höchsten 
gut  (1615)  292; 

wann  sich  der  erde  schoosz  mit  neuem  schmucke  zieret, . . . 
so  bald  flieht  auch  das  volk  aus  den  verhassten  gründen 

Haller  ged.  28  Mirzel; 

besonders  im,  sing. :  am  28.  ougsten  hat  es  bis  in  gr.  ge- 
schnyt  Staub-Tobler  2,  772  (a.  1592); 


699 


GRUND  III  A  2.  3 


GRUND  III  A  4.  5 


700 


es  ist  vom  berg  so  weit  in  grund, 
so  weit  der  berg  vom  gründe  stund 

Petri  d.  Teutschen  weish.  2,  Bb7»; 

ebenso  modern:  wir  blibeö  mit  den  chüene  im  gr.  bis 
mitte  maje;  was  macht-men  im  gr.?  fragt  der  älpler 
den  besucher;  vgl.  grund volk  im  gegensatz  zum  bergvolk 
Staub-Tobler  a.  a.  o.;  so  auch  (mit  localfärbungt): 

wirds  Winter,  siedelt  alles  sich  an  im  sichern  gründe 

Zach.  Werner  2i.febr.  (1815)  30. 

2)  wo  berg,  höhe  u.  ä.  den  ausgesprochenen  oder  unaus- 
gesprochenen gegensatz  bilden,  vielfach  auch  in  einem  all- 
gemeineren sinne  'tiefliegendes  gelände,  niederung':  das 
ir  zu  dem  gebirge  der  Amoriter  konipt  und  zu  allen 
iren  nacbbarn  im  gefilde,  auf  bergen  und  in  gründen 
5.  Mos.  I,  7  imontana  et  humiliora  locä);  die  Amalekiter 
und  Cananiter,  die  im  gründe  wonen  i.  Mos.  14,  25  (m 
convallibus) ;  was  im  gebirge,  gründen  und  unter  der 
erden  sein  narung  suchet  Mathesius  Sarepta  (l57l) 
vorr.  1^;  und  wuchsen  die  wasser  trefflich  sehre,  dar- 
über die,  so  in  gründen  wonhaftig,  nicht  in  geringe  ge- 
fahr  gekommen  M.  Dreszer  sächs.  chronicon  (1596)  460; 
wo  es  auf  der  revier  dickungen  .  . .  gründe  und  höhen 
hat  Heppe  lehrprinz  134;  mit  dese  stripen  un  strippen 
an  de  berg  und  in  de  grünn  Fr,  Reuter  2,  77  S.; 
namentlich  in  poetischer  spräche: 

thier  und  kräuter  und  getreyde 
in  den  gründen,  in  der  höh 

P.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,348"; 

wem  sind  die  samen  all  umher 

in  gründ  und  höhn,  in  teich  und  meer 

aus  milder  band  geronnen 

J.  H.  Vosz  ged.  (1802)  5, 18 ; 

aus  den  gründen,  zu  den  bügeln 

tritt  die  nebelwoge  wachsend  Brentano  3,  6; 

also  gewöhnlich  plural;  etwas  anders,  aber  auch  hierher- 
gehörig, ist  folgender  singularische  gebrauch:  auch  diese 
(stadt)  liegt  ganz  im  gründe,  an  einer  krümmung  des 
Mains,  von  kahlen  höhen  eingeschlossen  H.  v.  Kleist 
briefe  an  a.  braut  64;    • 

nachts  durch  die  stille  runde 
rauschte  des  Rheines  lauf, 
ein  schifflein  zog  im  gründe 

Eichendorf  l,  698; 
vrieder  anders: 

auf  dem  gebirge  rauscht  der  schall, 
der  tiefe  grund  vernimmt  den  ball 

Stoppe  Pamasz  (1735)  4; 

die  felsen  scheinen  sich  zu  regen,  .  . . 
und  langsam  steigend  aus  der  höh 
die  schatten  auf  den  grund  sich  legen 

Droste-Hülshoff  2,  35  Seh. 

3)  grund  und  thal.  sind  beide  begriffe  coordiniert,  so 
bezeichnet  gr.  die  flachere  Senkung,  oft  das  tiefgelegene 
gefilde  schlechthin:  es  haben  doch  die  künig  und  keyser 
vil  stett,  thaler,  gründ  . . .  dem  reich  vorbehalten  S.  Mün- 
ster cosmogr.  (i55o)  867 ;  da  aber  die  blosze  gründt  und 
thäler  machten,  dasz  mann  sie  von  fern  gesehen  mocht 
Carbach  Livius  (l55l)  385';  er  manchmahl  vor  solchen 
gebirgen  sich  zurück  drehet,  . . .  die  gewöhnlichen  tähler 
und  gründe  suchet  Aitiüger  jagd-  u.  weidbüchl.  (l68l)  118; 

ist  es  doch  in  thal  und  gründe 
gar  gespenstisch  anzuschauen 

Göthe  15,  1, 111  (Faust  7042)  W.; 

bald  änderte  sich  die  scene,  als  sich  das  thal  ...  in 
einen  weiten  gr.  verwandelte  RoON  denkwürdigkeiten 
1,  472.  ist  der  gr.  ein  theil  des  thals,  so  bezeichnet  er  ent- 
weder die  thalsohle  oder  auch  das  gefilde,  das  sie  bedeckt: 
die  ritten  fürsich  ungehindert  und  kamen  in  den  grundt 
des  thals  Aymont  (1535)  n  i^; 

und  du,  du  süszes  liljentahl, 

wie  gern  wolt  ich  in  deinen  gründen 

Adonis  gleich  mein  ende  finden 

Stieler  gehamschte  Venus  68,  6  ndr.; 

ach  aus  dieses  thales  gründen, 

die  der  kalte  nebel  drükt     Schiller  11, 334  O. ; 

da  ging  ich  jagen  durch  die  wilden  gründe 
des  Schächenthals  auf  menschenleerer  spur 

14,  341  G. ; 


durch  . .  .  öde  thäler  und  Spaltungen  sind  sie  (die  berg- 
gipfel)  von  einander  getrennt,  ohne  bäum  und  strauch, 
ohne  bäche  und  gründe  Ritter  erdkunde  i,  99. 

4)  modernes  schriftsprachliches  empfinden  unterscheidet 
thal  und  gr.  wohl  so,  dasz  mit  dem  thal  die  Vorstellung 
des  wasserdurchströmten  verbunden  ist,  mit  dem  gr.  nicht; 
für  ältere  und  mundartliche  spräche  ist  das  anders: 

nü  wart  überkapht, 
daz  in  des  grundes  tan 
ein  grözez  wazzer  ran 
Ottokar  v.  Steierm.  steir.  reimchron.  11050; 

lest  prunnen  quellen  hin  und  wider, 
die  in  den  gründen  sich  ausgiesen 

H.  Sachs  18,402  K.-O.; 

westwärts  von  hier,  den  nahen  grund  hinunter, 
bringt  euch  die  reih  von  weiden  längs  dem  bach, 
lasst  ihr  sie  rechter  band,  zum  orte  hin 

Shakespeare  (1797  #.)  4,  278; 

die  bäuerin  wäscht  die  leinewand 
am  bach  im  schattigen  grund 

Chamisso  w.  (1830)  3, 150; 


in  einem  kühlen  gründe 
da  geht  ein  mühlenrad 


Eichendorf  1,  653; 


gr.  'ein  fluszthal  mit  wieswachs'  Sghmeller-Fr.  l,  1004; 
seit  alters  auch  für  das  ufergebiet  gröszerer  flüsse,  und 
zwar  gerade  in  dem  gebiet  von  Baiern  und  Schwaben 
nördlich  der  Donau,  in  dem  gr.,  mit  flusznamen  ver- 
bunden, feste  geographische  bezeichnung  geworden  ist: 
(der  markgraf)  zoch  an  die  Swabach  gen  Eschenau 
wertz  und  verprent  denselben  grünt  an  der  Swabach 
städtechron.  (Nürnberg  1449)  2,  149,  8;  und  zugen  in  den 
grünt  bei  Leutershausen  (gemeint  ist  der  AUmühlgrund) 
ib.  214,  14;  und  kamen  am  eritag  früe  in  den  grünt 
enhalb  des  Gnadenbergs  (in  den  gr.  der  vorderen  Schwarz- 
ach) ib.  224,  6;  im  gründe  der  Steinlach,  welche  rechts 
blieb  Göthe  III  2,  134  W. 

5)  die  durchwässerte  thalsenke  ist  die  statte  reicher 
Vegetation,  so  wird  gr.  'wiesensenkung'  und  allgemeiner 
'mit  gras,  blumen,  bäumen  bestandene  Senkung',  der  be- 
griff des  vegetationsreichen  kann  den  des  gesenkten  ganz 
zurückdrängen,    mhd.  recht  selten: 

tal,  berc  und  Itte, 
eben  unde  gründe 

Seifr.  Helbling  4,  437  S. ; 

auch  nhd.  sind  die  belege  bis  ins  18.  jh.  spärlich;  viel- 
fach dem  begriff  der  wiese  nahe  oder  gleichkommend:  und 
wolte  einem  knecht . . .  hausz  und  hof,  acker  und  gründe 
und  andere  erbgüter  . . .  geben  Luther  28,  567  W.;  da- 
von . .  .  die  jungen  kälber  und  lämmer  in  den  gründen 
der  kleereichen  . . .  wiesen  lechtzen  Schauspiele  d.  engl, 
comödianten  196,  22  Creizenach;  in  den  gründen  und  weid- 
plätzen  J.  Prätorius  Katzenveit  (1665)  e  3^;  kornfelder, 
umzäunte  gründe,  kleine  dörfer  .  .  ,  verschönerten  die 
bergige  landschaft  J.  G.  Forster  sämtl.  sehr,  i,  33;  der 
wiesengrund  gehörte  zum  theil  der  kämmerei,  zum  theil 
einzelnen  bürgern  . . .  um  diesen  gr.  bestand  ein  uralter 
streit  Freytag  ges.  w.  l,  47;  dialektisch:  'gr.  steht  öfters, 
besonders  unterrheinisch,  überhaupt  für  wiesenthaV  Keh  r- 
ein  Volkssprache  in  Nassau  1,  76;  soweit  halden  und 
gründe  in  den  see  hinein  gehen  Fischer  schwäb.  3,  872 
(Tettnang).  die  Schäferdichtung  namentlich  des  18.  jh.s 
hat  diesem,  gr.  breitesten  eingang  in  die  literatursprache 
verschafft;  sie  spielt  auf  ihm  und  hat  ihn  aufs  bunteste 
ausgestaltet: 

wo  ausz  Hymettens  bunten  grund 
am  morgen  die  bemühte  biene 
äzzt  ab,  ist  deiner  Jugend  grüne 

Stieler  gehamschte  Venus  130  ndr.; 

es  lachen  die  gründe  voll  blumen 

E.  V.  Kleist  1,  231  Sauer; 

komm,  Doris,  komm  zu  jenen  buchen, 
lasz  uns  den  stillen  grund  besuchen 

Haller  gedichte  80  Hirzel; 

endlich  kam  sie  zu  den  gründen, 

da  wo  unter  jungen  linden 

Emiren  am  wasser  lag  Göthe  37, 15  W.; 

gleich  einer  Schäferin,  die  nach  bebüschten  gründen 

zu  ihrem  Thyrsis  eilt  Uz  252  Sautr; 


701 


GRUND  III  A  6.  7 


GRUND  III  A  8.  B  —  IV  A 


702 


und  weil  sich  jeder  stamm  von  diesen  wieder  mehret, 
zuletzt  den  ebnen  grund  in  einen  wald  verkehret 

V.KÖNIG  ged.  (1745)  70; 

in  diesem  wald,  in  diesen  gründen 
herrscht  nichts,  als  freyheit,  lust  und  ruh 

Hagedorn  poet.  w.  (1769)  3,  25. 

6)  grund  kann  sich,  je  mehr  der  begriff  des  gesenkten 
zurücktritt,  der  bedeutung  des  offenen,  unbegrenzten  ge- 
fildes  nähern;  jung,   erst  seit  dem  18.  jh.;   stets  plural: 

der  herbst  ... 

stand  und  sah  noch  eins  um  sich,  aus  gränzenlosen  gründen 

nur  eine  band  voll  ären  um  seine  stim  zu  winden 

Dusch  verm.  w.  (1754)  14; 

in  diesen  lieblichen  gründen  {von  Florenz)  sind  künste 
und  Wissenschaften  der  neuern  zeit  zuerst  wieder  auf- 
gegangen GÖTHE  48,  126  W.; 

kastanienhügel 
führten  nun  mir  den  blick  in  der  Canipagna 
bunte  schimmernde  gründe  weit  zur  ferne 

Waiblinger  ged.  aus  Italien  1,  51  Or.; 


durch  des  himmels  gründe  wallen 


wolkenschafe 


Brentano  3,  84; 


so  öfter  von  den  gefilden  der  seligen  und  unterirdischen: 

in  den  gründen 
der  selgen  kann  man  ihn,  hier  nur  den  leichnam  finden 
Ayrenhoff  w.  (1814)  2,65; 

doch  hier  in  nnsern  traurgen  gründen, 

in  unsrer  unterweit,  wird  man  sie  schwerlich  finden 

Cronegk  sehr.  (1766)  2,  82; 

ähnlich:  sie  sollen  aus  dem  buche  der  dichter  ausge- 
kratzet  und  in  die  kalten  gründe  der  reimer  verbannet 
werden  Schönaigh  ästhetik  in  einer  nusz  6  K.; 

jedoch  wer  engel  sucht  in  dieses  lebens  gründen, 

der  findet  nie,  was  ihm  genügt  Tiedge  3, 179. 

7)  grund  als  geographischer  name.  als  geographische 
bezeichnung  für  fluszthäler,  schmalthäler,  thalsenkungen 
überhaupt  erstreckt  sich  gr.  über  das  ganze  deutsche 
Sprachgebiet  bis  ins  nd.:  von  Hoppenplacke  die  Nien- 
dahlsgrund  uf  auf  dem  stoppelwege,  . .  .  vom  steinbrink 
die  Netteldahlsgrund  uf  .  . .  Grimm  weisth.  3,303  (Hül- 
seder  Tnark) ;  die  nähere  bestimmung  gibt  bei  fluszthälern 
in  der  regel  der  ßuszname;  die  ausdehnung  der  bezeich- 
nung ist  nicht  unbegrenzt;  so  werden  im  salzburgischen 
nur  die  an  den  hauptthälern  liegenden  seitenthäler  gründe 
genannt,  z.  b.  der  Zillergr.,  Zemgr.  .  .  .  Schmeller-Fr. 
1,  1004;  auch  in  dem  bair.  und  Schwab,  gebiet  nördl.  der 
Donau  beschränkt  auf  neben-  und  Zuflüsse;  namentlich 
im  Rezatkreis  der  Rezat-,  Aisch-,  Biber-,  Altmühl-,  Wör- 
nitz-,  Zenngr.  (Schmeller-Fr.  i,  ioo4);  doch  auch  westl. 
davon  Tauber-,  Kochergr.;  'rfer  Plauische  Gr.  bei  Dresden, 
d.  h.  ein  schmales  tiefes  und  von  felsicänden  gebildetes  thal 
der  Weiseritz'  W. Hoffmann  wb.d.dt.spr.  2, 707  (dieser  Orts- 
name konnte  Jean  Paul  sogar  als  begriffsbezeichnung  die- 
nen: in  einem  solchen  strich  landes  . . .  mit  landhäusern, 
irrgärten,  tharanden,  plauischen  gründen  vorher,  berg- 
schlössern  nach  W.  Hoffmann  a.  a.  o.);  in  anderer  com- 
position  {gern  für  engere  thäler) :  eine  waldschlucht  . . . 
die  Pulvergr.  bei  Elbing  Schemionek  elbingsche  ma,  15; 
in  der  Riesengr.  {bei  Niederelsungen)  Vilmar  139;  plötz- 
lich fiel  ihr  ein,  dasz  der  gr.,  in  den  sie  nun  einbiegen 
müsse,  der  Blutgr.  heisze  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  104; 
endlich  kann  auch  bloszes  gr.  geographische  bezeichnung 
werden:  'im  besonderen  heiszt  dar  jrund  das  thal  der 
bösen  sieben  von  Wimmelsburg  aufwärts'  Jecht  Mans- 
felder  ma.  44^;  im  gr.  'bezeichnung  für  ein  kurzes,  tief 
eingeschnittenes  irockenthaV  württemb.  Vierteljahr shefte  f. 
landesgesch.  9,  US;  im  Schweiz,  sind  Grund,  Gründen  dorf 
namen  (Staüb-Tobler  2,772);  das  darf chen  Wipperode  am 
Meiszner  heiszt  nach  Vilmar  139  im  volksmunde  nur  der 
gr. ;  Ortsname  Grund  im  Harz.  —  gr.  als  flurname  ist  von 
alem.  bis  ins  obersächs.  reich  zu  belegen;  zuweilen  ohne 
attributive  bestimmung,  z.  b.  im,  an  dem,  unterm  gr. 
Fischer  schwäb.  wb.  3,  872,  häufiger  mit  einem  bezeich- 
nenden beiwort,  z.  b.  im  dürren,  heiligen,  hinteren,  langen, 
mittleren,  näheren,  roten,  stürzenden,  süszen,  vorderen 
gr.  ib. ;  auch  im  plur. :  in ,  zwischen  beiden  gründen ; 
schöne,  untere  gründe  ib.;  zahlreiche  belege  Staub-Tob- 


LER  2,  772/.;  Vgl.  ferner  Meisinger  Rappenauer  ma.  79; 
Müller-Fraureuth  446'';  Bohnenberger /e««^o6e /. 
Sievers  (1896)  359  ff.  —  gr.  als  uferstrecke  {am  Bodensee): 
solche  flachere  uferstrecken  führen  vielfach  ohne  rück- 
sicht  auf  die  feineren  unterschiede  des  hangs,  der  wysse, 
ja  selbst  flacherer  halden  den  allgemeinen  namen  'grund', 
z.  b.  Gaiszauer,  Rohrspitzen,  Fuszacher  . . .  gr.  Bodensee- 
forschungen (1893)  85/.  —  gr.  als  name  eines  Stadtbezirks: 
undergrund  (l545:  niderer  gr.)  heiszt  nach  Staub-Tobler 
2,  772  eine  vorstadt  von  Luzem  an  der  Reusz;  ich  wohne 
am  dritten  gr.  sagt  der  Wiener,  'die  entern  gründ'  lied 
von  L.  Krenn,  in  einem  Hede  Karl  Schmitters: 

ich  kenn  an  hausherm  da  vom  grund, 
der  kein  kind  leidt  und  kein  hund 

ScHRANKA  Wiener  dtalektlex.  64; 

Unterstadt  Grund  in  Lua;emburg  wb.  der  luxemb.  ma. 
(1906)  156. 

8)  grund  und  grat.  diese  geicisz  alte  allitterierende 
formet  ist  zumal  in  der  Urkundensprache  schwäb.  und 
alem.  sehr  verbreitet;  sie  bedeutet  'niederung  und  höhe' 
{in  lat.  Urkunden  entspricht:  in  piano  et  in  monte)  und 
bezeichnet  den  gesamten  grundbesitz  im,  thal  und  auf  den 
bergen:  mit  weg,  steg,  mit  wun  und  waid,  mit  wasser 
und  wasserlayty,  mit  grünt  und  grat  und  mit  allen 
rechten  Mone  zs.  f.  d.  gesch.  d.  Oberrheins  20,  160;  vgl. 
11,  83;  {ich  habe  verkauft)  zehen  juchart  eigenre  reben, 
.  . .  und  gemeinlichen  grünt  und  grat  13,  449;  es  sy  an 
aignen  luten,  an  voyt  luten,  ...  an  wasen,  an  zwy,  an 
gr.,  an  grat,  an  stegen,  an  wegen  monum.  Zollerana 
1,  269;  und  schwuren  ...  'so  lange  gr.  und  grat  stehen' 
Scheffel  8,  87  {Graubünden  1424);  zahlreiche  belege 
Staub-Tobler  2,773;  halb  adverbial:  er  verprant  Gossow 
grünt  und  grat  Schmeller-Fr.  l,  1004;  darnach  über 
dri  tag  do  verbran  Bischofzell  gr.  und  gerat  J.  von  Watt 

8,  210. 

B.  grund  'abgrund'  hängt  deutlich  mit  dem  vorigen  zu- 
sammen, ist  nur  insofern  unterschieden,  als  vorxciegend 
der  begriff  der  tiefe  die  Vorstellung  bestimmt;  erst  spät 
und  vorunegend  in  poetischer  spräche:  abgrund  . .  .  das 
bodenlose  loch  .  .  .  ein  ungegrundter  rächen  des  ausz- 
gewaschnen  grundes,  ein  gr.,  den  keiner  je  gemeszen 
Treuer  deutscher  Dädalus  9,  16; 

über  nie  erforschte  gründe  .  . . 

leitet  uns  der  steg  Körner  2, 10  Hempel; 

hier  stürzen  gründe,  felsabschüsse 

Heine  2,  86  E. ; 

ich  folgte  dir  an  schwarzen  gründen  hin 

MÖRIKE  1,165  Göschen; 

dort  schlieszt  jach  das  hohe  gebirge  und  fällt  in  ent- 
setzliche gründe  Laube  9,  123;  wo  ein  jäher  gr.  war, 
da  ist  itzt  nur  eine  schwache  Senkung  Alexis  Roland 
v.  Berlin  (l840)  2,  135. 

IV.  die  zukunftsvollste  bedeutung,  die  erst  in  jüngerer 
spräche  aufs  reichste  entwickelt  wurde,  ist  'basis,  funda- 
ment'.  nach  got.  grunduwaddjus  'grundmauer'  Luc.  6, 
48.  49;  Eph.  2,  20  u.  ö.  musz  sie  sehr  alt  sein;  aus  1  etwa 
in  der  weise  abzuleiten,  dasz  der  begriff  des  unteren,  festen 
auf  körperliche  massen  angewendet  xoird. 

A.  grund  'fundament,  basis'  ist  ahd.  nicht  nachgewiesen, 
mit  dem  13.  jh.  werden  die  belege  häufiger;  in  den  wbb. 
oft  gleich  fundamentum:  gr.  fundamen,  fundamentum, 
sfabilitas  Er.  Alberus  62'';  firmum  fundamentum  ein 
fester  gr.  Garthius  288'';  sine  fundamento  das  kein  gr. 
hat  ib.;  seltener  gleich  basis:  gr.  darauf  etwas  stehet 
und  rüget,  der  fusz,  basis  Decimator  thes.  (1615);  vgl. 
Calepinus  sept.  ling.  (l73l)  1,  116^;  fast  ausschlieszlich 
von  gebäuden;  erst  seit  dem  nhd.  auch  anders:  auch 
macht  er  10  erene  grünt,  4  daumelen  lange  itzlicher  gr. 
erste  dtsche  bibel  5,  268  {decem  bases  aeneas  8.  kön.  7,  27) ; 
und  wirdt  {die  basis)  verstanden  vor  den  grundt  oder 
fundament  der  figur  S.  Curtius  practica  d.  landmessens 
(1610)  9;  darunter  {unter  das  zeit)  setzen  sie  einen  er- 
hobenen gr.  oder  heerd,  darauf  sie  das  feuer  Homam 
zubereiten  Chr.  Arnold  offne  thür  (1663)  73;  etwas  hau- 


703 


GRUND  IV  A  1 


GRUND  IV  A  2 


704 


figer  nur:  ferr  von  dem  gr.  des  berges  Xylander  Po- 
lyiiua  (i574)  «3;  an  den  enden  und  gründen  der  berg  68; 

nun  nimmt  der  berge  grund  des  Bachua  leibtracht  an 

Gottsched  neueste  ged.  (1750)  75 ; 
solang  die  berge  stehn  auf  ihrem  gründe 

Schiller  14,  364  O. ; 

die  hauptbedeutung  'fundament'  ist  im  19.  jh.  fast  erloschen; 
umso  ausgebreiteter  ist  bildlicher  und  übertragener  ge- 
brauch, der  zumal  seit  dem  16.  jh.  den  eigentlichen  voll- 
kommen überwuchert, 

l)  'fundament'  im  eigentlichen  sinn:  der  unterste  theil 
eines  gebäudes,  so  in  die  erde  eingesencket  wird  Jablon- 

SKI   260»; 

in  die  tufe  des  grundes 

gewan  er  {der  stein)  ein  vastes  lager 

Heinr.  V.  Hesler  apok.  21582; 

ja  du  findest  noch  vil  gar  alter  meür  und  grünt  und  thürn 
städtechron.  3,51,14  (Nürnberg);  herr  Gotfridt  Wernher 
hat  die  neuen  grundt  zu  der  kirchen  umbs  halb  erwei- 
teret, wie  noch  augenscheinlich  zimmer.  chron.  2,589,38; 
und  steckten  .  . .  viel  büchsenpulver  unter  die  gründe, 
zündeten  es  an  H.  Rätel  beschreib,  d.  krieges  (1590)  a  2^; 
pfäle,  so  man  zum  gr.  in  die  erde  oder  wasser  sohlegt 
Orsäus  nomencl.  method.  150;  der  gr.  zum  neuen  glas- 
haus  ist  nun  aus  der  erde  Göthe  IV  83,  lll  W.;  leute .., 
die  ...  an  den  gr.  {des  thurmes)  nicht  mehr  steine  und 
arbeit  verwenden,  als  man  allenfalls  einer  hütte  unter- 
schlüge 22,  334  W.;  (die  maurer)  schicken  . . .  mir  etwas 
das  ich  in  ihrem  nahmen  in  gr.  legen  kann  IV  3, 143  W.; 
eine  junge  frau  wird  eingemauert  .  .  .,  welches  um  so 
roher  erscheint,  als  wir  im  orient  nur  geweihte  bilder 
...  in  den  gr.  der  bürgen  eingelegt  finden  I  41,  2, 141  W. ; 
einen  gr.  stoszen:  im  morastigen  erdboden  zur  befesti- 
gung  des  grundes  pfähle  einrammeln  Krünitz  20,  254; 
ein  hausz  .  . . ,  das  .  .  .  den  grundt  oder  die  wend  nit 
hatt  Paragelsus  opera  (1616)  2,  350  H.;  ■ 

es  wanket  grund  und  dach  und  pfeiler  und  gewölbe 

Gottsched  gedickte  (1751)  295; 

bildlich:  allein  die  lehre  ist  ja  mehr  dem  gr.,  die  kirchen- 
gebräuche  mehr  dem  dach  zu  vergleichen  Leibnitz 
deutsche  sehr.  2, 258.  verbunden  mit  synonymen  oder  sinn- 
verwandten Substantiven  ebenfalls  gegenständlicher  bedeu- 
tung;  gr.  und  fundament  häufig,  in  der  regel  übertragen: 
dan  das  ist  ein  gr.  und  fundament  aller  ding  do  mit 
die  cosmographei  .  .  .  umb  ghat  S.  Münster  cosmogr. 
(1550)  vorr.  7;  büchlin  .  . . ,  darinnen  er  aufs  kürtzst  und 
anmütiglich  alle  fundament  und  besten  gr.  desz  h.  röm. 
glaubens  erholet  Fischart  binenkorb  (i588)  a  2*^;  wan 
ich  meiner  .  .  .  meinung  nicht  einen  gewissen,  festen 
und  sicheren  gr.  und  fundament  habe  Chemnitz  schwed. 
krieg  1  (1648),  vorr.  2;  andere  Verbindungen  seltener:  zu- 
vorderst die  Stadt  Magdeburg,  als  einen  basim  und  gr. 
der  gantzen  expedition  ...  gnugsamb  zuversichern  105,  l; 
der  dritt  himel  haizt  ze  latein  firmamentum,  daz  ist 
der  vest  himel,  dar  umb  daz  er  ain  vest  und  ain  grünt 
ist  aller  gesteckten  stern  (wortspiel  mit  gruntveste) 
K. V.  Megenberg  b.  d.  natiir  55, 22  Pf.,-  wie  kan  ich  meinn 
gr.  und  bau  auf  ein  ding  setzen,  das  ich  nit  weysz  ob 
Ichs  morgen  hab   See.  Franck  sprüchw.  (l64i)  i,  131»; 

auf  euch,  allein  auf  euch  musz  ich  mein  hoffnung  steifen, 
ihr,  meine  liebsten  söhn!  ihr  seid  ihr  grund  und  stein 

Fleming  1, 108  L.; 

mit  solchen  irrthümern,  die  den  gr.  und  eckstein,  Chri- 
stum, nicht  gantz  ümreiszen  Butschky  Pathmos  (1677) 
207;  die  stütze  und  der  gr.  aller  speisen  ist  das  brod 
Höh  BERG  georg.  cur.  aucta  3,  113*; 

ich  hab  in  ihrem  musensitze  .  . . 

der  Wissenschaften  grund  und  stütze, 

.  . .  erreicht       Gottsched  gedickte  (1751)  1,  102 ; 

Irenäus  sagt  in  dieser  stelle  schlechterdings  nicht,  dasz 
die  Schrift  der  gr.  und  der  pfeiler  unseres  glaubens  ge- 
worden Lessing  13,  S74  M.;  jed  fundam^nta  pacis  ich 
habe  den  gr.  und  weg  gebawet  zum  vertracht  Bas, 
Faber  thes.  (l587)  346»;  häufiger  ist  die  reimformel  gr. 
und  fund  (=  lat,  fundua) :  die  zahl  ist  der  gr.  und  fund 


aller  Ordnung    Harsdörfer  poet.   trichter  3  (l653),  495; 
s.  u.  2  b. 

2)  die  bedeutung  'fundament'  verblaszt  zu  der  allge- 
meineren '(feste)  grundlage'. 

a)  je  nach  dem  Zusammenhang  mannigfaltig  nuanciert; 
bei  dingen  und  zuständen:  das  ist  yhr  (der  kaufleute) 
heubtsprach  und  gr.  aller  fynantzen,  da  sie  sagen  'ich 
mag  meyne  wahr  so  theuer  geben  alls  ich  kan'  Luther 
15,  294  W.;  wan  uns  die  natur  zwar  mittel  zu  reden  ver- 
liehen, aber  keine  gewisse  spräche  eingepflantzet,  son- 
dern sie  alle  durch  gewonheit  und  Übung  erlernet  wer- 
den, so  seind  sie  derowegen  beyde  aller  dinge  gr.  Güeintz 
dtsche  rechtschr.  (i66G)  1;  ein  rest  der  bellomoschen  ge- 
sellschaft  . . .  gab  den  gr.  (für  die  theatertruppe)  Göthe 
33,  249  W.;  für  die  150  rh.  können  sie  bey  uns  quartier 
und  tisch  bestreiten  und  diese  summe  wäre  also  als 
der  gr.  der  hauszhaltung  anzusehen  IV  9,  98  W. ;  ebenso 
bei  reinen  abstractis;  namentlich  im  älteren  nhd.  gern  in 
zusammenhängen  wie:  nun  müstu  vor  allen  dingen  in 
dem  gr.  warer  demütigkeit  wol  gefestnet  sein  Keisers- 
berg  granatapfel  (1510)  Hl";  sol  dein  anfang  der  büsz 
hailsam  sein  .  .  .,  so  betracht,  das  er  geschech  ausz 
aim  guten  gr.,  das  ist  ausz  götlicher  lieb  a  G'';  (die 
werke)  müssen  ein  gr.  der  Zuversicht  haben  Zv^tingli 
dtsche  sehr,  i,  280;  den  grünt  der  wären  gotsforcht  haben 
wir  lengst  verlorn  Aventin  5,  45,  21  L.; 

als  wenn  bey  unsrer  freundschaft  gründen 

sich  eine  trennung  könte  finden 

Stieler  geharnschte  Venus  22, 1  ndr.; 
die  Zeitungen  sind  der  gr.  ...  aller  klugheit  Stieler 
zeitungslust  (1697)  18;  dieses  Wohlgefallen  an  der  allge- 
meinen höchsten  Verordnung  ...  ist  der  rechte  gr.  der 
wahren  religion  Leibnitz  dtsche  sehr.  2,52;  geselligkeit 
ist  der  gr.  der  humanität  Herder  17,  ll  S.;  ganz  jung 
ist  die  folgende,  heute  sehr  entfaltete  Verwendung:  auf 
dem  gründe  des  parlamentarischen  lebens  . .  .  bildeten 
sich  neue  anschauungen  Ranke  s.  w.  31,  83;  auf  dem 
gründe  dieser  Substanzenlehre  .  .  .  eine  haltbare  Vor- 
stellung des  Verhältnisses  von  geist  und  körper  auszu- 
bilden Dilthey  einl.  in  d.  geisteswissenschaften  1,  9;  das 
moderne  confessionelle  Selbstgefühl  auf  dem  gründe  ge- 
schichtlicher tradition  Bismargk  ged.  u.  erinn.  i,  146 
volksausg. 

b)  in  verschiedenem  sinne  auf  menschen  angewendet: 
es  ist  doch  ein  zeichen  von  einem  guten  grundt  ('fond'), 
dasz  ihr  euch  so  baldt  wider  erhollen  könt  Elis.  Charl. 
V.  Orleans  l,  201  M.;  anders  (an  B  3  c  streifend):  da 
(bei  jeder  künstlerzunft)  forscheten,  ergründeten  und  er- 
sinnten  sie  eines  jeden  kunstfertigkeit,  fund  (=  fundus) 
und  gr.  Fisghart  Garg.  296  ndr.  (vgl.  oben  1  schlusz); 
er  (Rumohr)  hat  mir  doch  Wohlgefallen  und  ich  glaube, 
dasz  er  einen  schönen  gr.  hat  W.  Grimm  bei  Steig 
A.  V.  Arnim  u.  J.  u.  W.  Grimm  522;  wieder  anders:  er 
war  reich  und  roh,  aber  er  hatte  einen  gr.  von  gut- 
müthigkeit  Göthe  23,  96  W.;  'so  ist  er  immer',  sagte 
er  dann;  'der  gr.  ist  gut'  (ivenn  sein  gebahren  auch  ungut 
scheint)  Storm  8,  57 ;  hier  ist  der  gr.  das  unterste,  worüber 
etwas  anderes  liegt,  an  geviisse  technische  Verwendungen 
(vgl.  etwa  V  2)  gemahnend;  dor  is  keen  gude  gr.  in  em 
'er  taugt  nichts'  Mensing  2,  501». 

c)  im  älteren  nhd.  entwickeln  sich  einige  formelhafte 
Verwendungen;  noch  halbconcret:  deren  (der  entschuldi- 
gung)  copie  .  .  .  hieneben  wir  zu  bestendigem  grundt 
(als  'beleg')  dises  anzaigens  übergeben  städtechron.  (Augs- 
burg 1555)  32,  298;  die  reformation  schafft  den  gr.  des 
glaubens :  unszer  glaub  soll  eynen  gr.  haben,  der  gottis 
wort  sey,  und  nit  sand  und  mosz  Luther  lo,  i,  589  TT.  ,■ 
die  vil  sein  hern  und  vätter  sind  seins  glaubens  grund 
Seb.  Franck  sprüchw.  (l54l)  2,  4^;  früh  zur  toten  formel 
geworden : 

ist  so  kurtz  deines  glaubens  grund 

H.  Sachs  1,  79  K.; 

später  in  causaler  richtung  weiterentwickelt:  dasz  . . .  die 
männliche,  der  gründe  ihres  glaubens  sich  bewuszte 
religion  dabei  hätte  gedeihen  können  Ranke  s.  w.  l,  164. 


1 


705 


GRUND  IV  A  3 


GRUND  IV  A  3 


706 


aus  demselben  hoden  erwuchs  der  gr.  der  schritt,  der 
namentlich  in  den  religiösen  Schriften  des  16.  jh.s  mit 
der  häufigkeit  eines  Schlagworts  erscheint;  'grundlage,  be- 
gründung':  auch  so  hab  ich  ausz  gr.  heyliger  geschrift, 
■wider  gedieht  ettlicher  bäpst  gefochten  Hütten  op.  l, 
375  Böcking;  aber  die  schwermer  hat  Lutherus  ausz  ge- 
waltigem gründe  der  schritt  wiederlegt  kirchenordn.  f. 
Braunschweig  (i569)  41 ;  man  soll  eyn  reynen  glauben 
haben,  der  nichts  on  gr.  der  schritt  gleubt  Luther 
10,1,446  W.;  vgl.  auch:  denn  schrift  und  guten  gr.  wollen 
wir  haben,  nicht  seinen  eigen  rotz  und  geifer  26,  323  W.; 
geradezu  für  'lehre':  in  -iij  •  hundert  iaren  ist  kein  lerer 
für  hochgelobter  gehalten  worden,  dann  welcher  am 
meisten  wider  evangelischen  gr.  gefochten  hat  under 
gut  gliszendem  schein  Eberl.  v.  Günzburg  t,  170  ndr.; 
wiewol  an  vilen  orten  on  den  nammen  des  evangelion 
nit  vil  evangelischer  gründ  und  lere  ist  3, 144;  das  er  . . . 
die  zwen  gen  Costentz  santi,  wann  doch  da  jetzo  der 
gr.  und  die  1er  aller  cristenhait  war  Richental  chron. 
d.  Constanzer  conzils  76.  formelhaft  ist  auch  gr.  und 
kraft:  gottes  verheyszunge,  wilche  ist  das  heubtstück, 
gr.  und  kraft  aller  gebete  Luther  17,  l,  249  W.;  möchte 
man  dem  text  {der  frz.  kunstannalen)  mehr  gr.  (geholt) 
und  kraft  wünschen,  so  erhalten  wir  dennoch  durch 
ihn  manche  historische  notiz  Göthe  IV  16, 131  W.;  stark 
gewandelt: 

sein  heiiger  mund 

hat  kraft  und  grund, 

all  feind  zu  überwinden 
Georg  Weiszel  bei  Fischer-Tümpel  3,  9; 

nach  anderer  richtung  hin  entsinnlicht:  der  weit  werck 
ist  alles  . . .  feurwerck,  gottes  werck  hat  gr.  und  bestand 
Petri  d.  teutschen  nat.  xceish.  2,  p  4'';  verlogen  zeug..., 
das  weder  gr.  noch  stich  hält  J.  G.  Schmidt  gestrieg. 
rockenphilos.  !,(&)  i;  dies  herüberspielend  nach  4  a;  vgl. 
unten  d. 

3)  in  den  weitaus  meisten  fällen  steht  grund  'funda- 
ment'  in  festen  verbalverbindungen. 

a)  (den)  gr.  graben,  werfen  den  für  das  fundament 
nöthigen  räum  im  erdreich  ausgraben:  die  ältesten  belege 
bis  ins  17.  jh.  nur  alem.,  z.  b. :  {die  maurermeister  sollen) 
den  gr.  legen  an  enden,  allwo  die  baulüt  gr.  graben 
Staub -Tobler  2,  772  (a.  165l);  später  iveiter  verbreitet: 
wenn  Huschke  seinen  gr.  gräbt  {beim  hausbau),  so  stöszt 
er  auf  die  röhrenfahrt  Göthe  IV  13,80  W.;  junge  Variante : 
eine  zweite  statue,  die  .  .  .  entdeckt  wurde,  als  man  den 
gr.  zu  einem  hause  ausgrub  Herm.  Grimm  Michelangelo 
1,  80;  dasz  nicht  etwa  von  gr.  'erde'  auszugehen  ist,  beweist 
der  nicht  seltene  plural:  als  nun  der  platz  geraumpt  und 
...  abcirckelt  ward,  fieng  man  an  gewaltig  die  gründ 
zu  graben  Seb.  Franck  chron.  Germ.  (1538)  313'';  später 
freilich  auch  als  'erde'  verstanden: 

da  gräbt  man  in  den  grund, 
es  steigt  der  neue  bau 

V.  KÖNIG  gedickte  (1745)  24; 
dagegen  wieder: 

und  als  man  nun  grub  zu  dem  grundt, 
den  tempel  drauf  zu  bauen 

H.  Sachs  15 ,  469  K.-Q. ; 

anders  {vgl.  unten  b) :  namb  der  teufel  die  aller  ärgisten 
aus  der  kirchen,  .  .  .  denen  auch  bewist  der  kirchen 
heymligkait,  damit  er  ihr  dester  basz  kundte  zum  gr. 
graben  Joh.  Nas  antipap.  eins  u.  hundert  2,  Q  6";  über- 
tragen: 

den  grund  zum  glück  der  nachweit  werfen, 
läszt  auch  zu  nacht  ihn  (d.  kaiser)  niemals  ruhn 

Haller  gedickte  14  Hirzel; 

bis  Rom  in  trümmern  lag  und  die  gründe  eines  neuen 
lebens  geworfen  waren  E.  M.  Arndt  sehr.  {iSiSff.)  2,  34. 

b)  den  (einen)  gr.  legen,  absolut:  fundamentum  pono . . . 
ich  leg  ein  gr.  Er.  Alberus  %2'^;  fundator  der  den  gr. 
legt  Garthius  288»';  den  ersten  grundt  der  statt  gelegt 
Z.  MÜNTZER  Livius  (1562)  B  1";  wer  ein  hausz  bauet, 
{musz)  einen  gr.  legen  Hippel  über  die  ehe  (1774)  i; 
übertragen:  denn  sanct  Paul  hatte  von  gott  befelh  zu 
leren  und  gr.  zu  legen  Luther  26,  574  W.;  so  bald  hat 
eine  sehnsüchtige  Zuneigung  ihren  ersten  gr.  geleget  Chr. 

IV.  1.  6. 


Weise  polit.  redner  (1677)  38;  daher  ist  es  in  der  natur 
der  seele  gegründet,  dasz  . .  .  die  historische  kenntnis 
den  gr.  legen  musz  Lessing  8,  25  M.;  und  er  {der  Rom- 
wanderer) spürt  nun  gar  zu  bald,  dasz  er  wieder  zurück 
lernen  musz,  dasz  er  seinen  gr.  tiefer  graben,  stärker 
und  breiter  legen  musz  Göthe  IV  8,  301  W.;  ich  schrieb 
ziemlich  geläufig  französisch :  ich  hatte  bei  meinem 
alten  einen  guten  gr.  gelegt  I  22,  286;  scherzend  vom 
essen:  hast  du  den  ersten  gr.  etwas  weniger  gelegt  Töl- 
pel baurenmoral  (1752)  12;  sie  scheinen  einen  guten  gr. 
legen  zu  wollen  Göthe  31,  44  T^.,-  dialektisch:  no  ena 
guata  gr.  lega,  dasz  ma  au  trinka  ka  zs.  f.  hochd.  maa. 
1906,  34  {Ulm);  gr.  legen  tüchtig  essen  Müller  Frau- 
reuth  446*'. 

mit  gen.:  auf  dem  hügel,  wo  einst  der  ewigen  stadt 
gr.  gelegt  werden  sollte  Niebuhr  röm.  gesch.  l,  124; 
meist  übertragen,  und  zwar  auf  reale  dinge:  als  gott 
selbst  den  Job  .  .  .  fragte:  wo  wärest  du,  da  ich  der 
erden  gr.  legte?  Grimmelshausen  Vogelnest  2,  386, 12  K.; 
ehe  der  weit  gr.  geleget  war  a7ite  conditum  mundum 
Frisch  379»; 

du  igott)  hast  des  berges  grund  gelegt 

Karschin  auserl.  ged.  (1764)  28; 

aber  auch  früh  ganz  ungegenständlich:  nu  die  histori, 
wiewol  sie  gr.  legt  eines  heiligen  lebens  .  .  .  Luther 
24,  806,  11  W.;  sondern  haben  auch  bey  frommen  und 
gelarten  gemütheren  hie  in  der  weit  einen  . . .  gr.  wahres 
ruhmes  . ..  fest  gelegt  und  gepflanzet  ScHOTTEL/Herfe»!*- 
sieg  7  ndr.;  das  rehte  fundament  (den  gr.)  aller  geschick- 
ligkeit  und  schriftgelährtigkeit  hat  der  geleget,  welcher 
. .  .  CoMENius  janua  (1638)  cap.  4;  er  legt  durch  ankauf 
gröszerer  landbesitzungen  den  gr.  des  fürstlichen  daseins 
Göthe  44,  346  W.;  im  19.  jh.  nur  noch  spärlich. 

mit  zu;  die  jüngere  ausdrucksweise;  im,  17.  jh.  noch 
selten:  wann  die  liebhaber  anfangen  gegen  einander  be 
trübt  zu  sein,  so  ist  der  gr.  zur  liebe  schon  gelegt 
Riemer  polit.  Stockfisch  257;  mit  der  2.  hälfte  des  18.  jh.s 
stark  zunehmend,  verdrängt  die  präpos.  allmählich  den 
gen.:  verdienstreich  ist  die  band,  die  zu  einem  gebäude 
den  gr.  legt,  in  welchem  .  .  .  Herder  23,  53  S.;  meist 
übertragen,  tmd  zwar  in  weitestem  umfang:  der  ...  so- 
zusagen, den  gr.  zur  holländischen  republic  gelegt  hatte 
Schnabel  insel  Felsenburg  239,  83  Ullrich;  unter  den  ein- 
siedlern,  die  um  diese  zeit  anfingen  .  .  .,  den  gr.  zum 
mönchsieben  zu  legen  Jung  Stilling  3,  57  Gr.;  da  Alex- 
ander noch  selbst  den  gr.  zu  dem  lamischen  kriege 
legte  W.  V.  Humboldt  sechs  aufsätze  über  d.  klass.  alter- 
tum  171  L.;  dadurch,  dasz  er  .  .  .  die  grosze  spanische 
erbschaft  herbeiführte,  zu  der  ungrisch-böhmischen  de- 
finitiv den  gr.  legte  Ranke  s.  lo.  l,  287;  namentlich  üblich 
in  zusammenhängen  wie:  der  zusammenflusz  aller  dieser 
glücklichen  fügungen  .  .  .  {hat)  den  gr.  zu  dem  glück 
meines  ganzen  lebens  gelegt  Schiller  l,  139  G.;  weil 
auch  dieser  {bediente)  den  gr.  zu  einem  gewissen  zuge 
meines  Charakters  gelegt  hat  Bahrdt  geschichte  s.  lebens 
1,  50;  sie  legte  mit  andauernder  sorge  den  gr.  zu  einem 
lebendigen  gottvertrauen  in  mich  G.  Keller  w.  l,  48; 
dem  heil.  Bonifacius,  als  einem  mann,  . . .  der  .  . .  den 
gr.  zum  schreiben  bey  ihnen  geleget  M.  I.  Schmidt  gesch. 
d.  Deutschen  1,  394;  Tizian  hatte  erst  den  gr.  zur  land- 
schaftsmahlerey  gelegt  A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  2, 
87;  und  legte  den  gr.  zu  den  weitläufigen  kenntnissen 
der  literatur,  die  man  überall  bei  ihm  antrifft  Göthe 
46,  92  W. 

sonst  ist  noch  aus  üblich:  nu  wyr  gr.  aus  der  schrift 
gelegt . . .  haben,  daneben  d.  Carlstads  gr.  verlegt  Luther 
18,  182,  14  W.;  dasz  ich  den  geschmack  von  einem  wohl- 
geschriebenen teutschen  buche  bestärcket,  dazu  ich  schon 
vorhin  aus  Ernst s  historischem  bilderhause  den  gr.  ge- 
leget hatte  Vernunft,  tadlerinnen  2,  515;  weil  ich  nicht 
wellte,  dasz  einer  aus  meinem  blute  den  gr.  zur  künf- 
tigen knechtschaft  legen  sollte  Klinger  w.  2, 350.  anderes 
seltener:  im  vierden  jar  ...  ward  der  gr.  geleget  am 
hause  des  herrn  {fundata  est  domus  domini)  1.  kön.  6, 
37;  einen  guten  gr.  im  studiren  legen  Frisch  379*;  der- 
jenige  .  .  ..welcher  in  den  üblichen  .  .  .   carminibus 

45 


707 


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GRUND  IV  A  3 


708 


nicht  vorher  guten  gr.  geleget  .  .  .  hat  Neukirch  an- 
fangsgr.  111 ;  die  grosze  aufgäbe  .  .  .,  in  allen  kleinen 
kreisen  des  staatlichen  lebens  festen  gr.  zu  legen  für 
den  neubau  unserer  zeit  G.  Freytag  w.  15,  40;  ein  alter 
gr.  von  religion  war  in  sie  gelegt  worden  Gutzkow  zaub. 
V.  Born  i,  28. 

c)  zum  (zu)  gründe  legen  gewinnt  erst  mit  dem  18.  jh. 
boden;  ältere  belege  vereinzelt:  wie  der  Zwingel  .  . .  solch 
lose  geschwetz  seinem  yrthum  zu  gründe  legt  Luther 
26, 859  W. ;  wer  die  leut  betriegen  wil,  der  legt  zum  grundt 
eine  krumme  lügen  Lehmann  ßorileg.  polit.  l,  106;  der 
Übergang  von  zum  gründe  zu  dem  modernen  zu  gründe  voll- 
zieht sich  in  den  dreisziger  bis  vierziger  jähren  des  id.jh.s; 
Schleiermacher  und  Schopenhauer  schreiben  zum 
gründe,  Ranke  zu  gründe,  freilich  tritt  zu  gründe  schon 
früher  gelegentlich  auf;  doch  scheint  regel  zu  sein,  dasz  die 
Wendung  dann  dllein  steht,  nicht  erweitert  durch  attribut. 
gen.  oder  objectsdat.  aus  diesem  nebeneinander  beider  mög- 
lichkeiten  musz  es  sich  erklären,  wenn  die  wbb.  schon  auf- 
fällig früh  nur  zu  gründe  bringen:  bei  Campe  2,  469  und 
Heinsiüs  2,  549  nur  zu  gründe  legen,  ebenso  bei  K.W.  L. 
Heyse  1,  627.  sehr  auffällig  ist,  wenn  demgegenüber 
W.  Hoffmann  wb.  d.  deutschen  spräche  (1859  jf.)  2,  709* 
nur  etwas  zum  gründe  legen  vermerkt,  stets  übertragen 
gebraucht,  und  zwar  übertragen  auf  geistiges  gebiet;  über- 
wiegend handelt  es  sich  um  begriffe,  sätze,  Schriften,  geistige 
producte  im  weitesten  sinne,  die  zum,  ausgangspunkt  wieder- 
um, geistiger  thätigkeit  und  production  gemacht  werden. 

a)  construction  der  formet  mit  attributivem  gen. :  dasz 
der  .  .  .  Verfasser  zum  gründe  seiner  vernunftlehre  die 
Schriften  dreyer  berühmter  männer  .  .  .  legen  wollen 
Vernunft,  tadlerinnen  1,  174;  ich  legte  mir  es  (das  lied) 
zum  gründe  dieses  spiels  Brentano  ^e*.  sehr.  7,  219; 
bei  dem  schon  mehr  adverbial  empfundenen  zu  gründe 
ist  abhängiger  gen.  nicht  mehr  üblich,  mit  dat.  des  ob- 
jects  {vne  zu  gegenüber  dem  gen.  bei  grund  legen  die 
jüngere  ausdrucksweise):  seiner  letzten  heftigsten  rede 
gegen  die  pharisäer  . . .  legt  er  diesen  satz  zum  gründe 
Herder  19,  186  8.;  diesen  Schematismus  der  begriffe  . . . 
kann  man  . . .  der  ganzen  syllogistik  zum  gründe  legen 
Schopenhauer  i,  84  Gr.;  der  dem  frieden  mit  Syrien 
...  zu  gründe  gelegte  satz  Mommsen  röwi.  gesch.  2,  56. 
absolut  (mit  ellipse  des  objectsdaiivs) :  der  mathematiker 
.  .  .  legt  das  zeugnisz  der  sinne  zum  gründe  allgem. 
deutsche  bibliothek  (1765)  l,  144;  natürlich  wäre  es  zwar, 
die  ...  erklärung  zum  gründe  zulegen  Sghleiermacher 
I  3,  2;  man  legte  fortwährend  lehrbücher  des  elften  und 
zwölften  Jahrhunderts  zu  grund  Ranke  s.  w.  I,  161.  mit 
in  und  bei:  die  Griechen  wenigstens  haben  nie  andere 
als  ihre  eigene  sitten,  nicht  blos  in  der  komödie,  sondern 
auch  in  der  tragödie  zum  gründe  gelegt  Lessing  lo, 
193  M.;  bei  ausarbeitung  des  abschnitts  von  der  groszen 
parade  sind  die  bisher  bestehenden  Vorschriften  und 
Observanzen  zum  gründe  gelegt  Wilhelm  I.  militär. 
Schriften  1,  6  (a.  1821);  eine  tabelle  .  .  .,  welche  jeder 
bei  seiner  arbeit  zu  gründe  legte  Göthe  II  8,  12  W.; 
vereinzelte  Varianten:  o  der  verdampfen  geschicklichkeit, 
welche  nicht  für  einen  grünt  gelegt  hat  die  ewige  seelig- 
keit  Moscherosch  insomn.  cura  86  ndr.;  ir  habt  dem 
israelitischen  volk  die  ehre  erzeigt  und  seine  geschichte 
im  gründe   dieser  darstellung   gelegt   Göthe  24,  247  W. 

ß)  das  19.  jh.  schuf  ein  subst.  Zugrundelegung,  das  in 
der  gelehrten-  und  amtssprache  lebhaft  gewuchert  hat: 
wenn  bei  diplomatischen  Unterhandlungen  es  vorkäme, 
dasz  der  eine  theil  die  Zugrundelegung  seiner  proposition 
.  .  .  gefordert  hätte  Hegel  16,  849;  dasz  Sullas  Umlage 
.  .  .  maszgebend  war,  zeigt  . . .  die  Zugrundelegung  der 
Sullanischen  repartition  bei  späteren  ausschreibungen 
Mommsen  röm.  gesch.  2, 346;  namentlich  mit präpositionen : 
Kant  hat  .  .  .  unter  zugrundlegung  des  Schemas  der 
kategorien  vier  antinomien  herausgebracht  Hegel  6, 104; 
die  gesetze,  welche  wir  bei  Zugrundelegung  des  fixstern- 
himmels  als  bezugssystem  erhalten  Boltzmann  popul. 
sehr.  279. 

d)  zu  (zum)  gründe  liegen  ist  das  intransitivum  zu 
zu  gr.  legen  und  entspricht  ihm  in  vielen  punkten,    die 


Wendung  seheint  noch  etwas  jünger  zu  sein  als  die  vorige; 
sie  entfaltet  sich  erst  in  der  2.  hälfte  des  18.  jh.s.  die 
grenze  zwischen  zu  und  zum  bilden  udeder  etwa  die  vier- 
ziger jähre  des  19.  jh.s;  daher  kennen  z.  b.  Jag.  Grimm 
und  D.  Fr.  Strausz  beide  formen,  wo  zu  gründe /rwÄer 
erscheint,  fehlt  fast  durchweg  der  attributive  gen.  oder 
das  dativobject.  so  regelt  sich  z.  b.  der  Sprachgebrauch  des 
jungen  Schiller  (s.  Pfleiderer  in  Paul  u.  Braunes 
beitr.  28,  365).  dasz  die  ursprüngliche  bedeutung  der 
formel  noch  durchaus  Jsbendig  ist,  lehrt  etwa  Göthe  : 
dasz  reine  erfahrungen  zum  fundament  der  ganzen  natur- 
wissenschaft  liegen  sollten  II  51,  8  W.;  vgl.  auch  die  ver- 
einzelte Variante:  unsere  zeitung  nimmt  sich  wohl  gut 
genug  aus;  wenn  nur  erst  die  schweren  quadersteine 
im  grund  liegen,  wird  sich  das  übrige  schon  leichter  in 
die  höhe  bauen  IV  17,  78  W.;  trotzdem  erscheint  sie  nur 
in  übertragenem,  gebrauch,  und  zwar  ist  ihr  geltungs- 
bereich  als  einer  intraiisitiven  wendung  weiter  als  bei  der 
vorigen,  attributiver  gen.  selten:  ein  sehr  einfaches  . .  . 
gesetz  vermuthen,  das  auch  zum  gründe  anderer  phä- 
nomene  zu  liegen  scheint  Göthe  II  5,  l,  7  W.  die  jüngere 
ausdrucksiceise  mit  dat.  des  objects  aufs  reichste  entwickelt; 
der  subjectsbegriff  zeigt  mit  Vorliebe  begriffe,  gedanken, 
empfindungen,  auch  kräfte,  motive,  interessen:  maximen 
.  .  .,  welche  der  erziehung  zum  gründe  liegen  sollten 
Göthe  24,  227  W.;  selbst  dem  gemeinen  verstände  liegt 
also  die  idee  zu  gründe  Solger  vorles.  über  ästhetik  56, 
i  14;  dem  uralten  brauch  des  sühnopfers  liegt  gewisz  ein 
:  frommes  gefühl  zu  gründe  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6,  17; 
i  das  bewusztwerden  der  Ursachen  und  kräfte,  die  so 
vielen  und  reichen  erfolgen  zu  gründe  liegen  Liebig 
ehem.  briefe  vorr.  III;  da  sie  wuszte,  dasz  diesen  so  hei- 
teren .  .  .  Wechselgeschichten  eine  heitere  absieht  zu 
gründe  lag  G.  Keller  w.  2,  70;  Vorbilder,  Urformen  nach 
jeglicher  richtung:  den  hymnen  .  .  .  lagen  jene  alte 
ebräische  psalmen  zum  gründe  Herder  18,  13  S.;  es 
mag  ihm  (dem  bronzenen  Bachus)  ein  uraltes  Vorbild 
der  besten  zeit  zum  gründe  liegen  Göthe  IV  35,  286  T^'^,- 
das  geschichtliche,  das  dieser  dramatischen  handlung 
zum  gründe  liegt  Börne  sehr.  (1829  jf.)  l,  112 ;  welche 
wortgestalt  aber  allen  diesen  (formerC)  zum  grund  liege, 
scheint  noch  verborgen  Jag.  Grimm  kl.  sehr,  s,  120;  so 
liegen  diesen  Unterredungen  nicht  wörtlich  abgefaszte 
hefte  zu  gründe  Stiftfr  w.  14,  5  S.  absolut  (wieder  ellip- 
tisch zu  verstehen):  eine  böhmische  volksmelodie,  eine 
art  notturno,  soll  zum  gründe  liegen  Göthe  IV  29,  20  W.; 
es  lag  mindestens  ein  richtiges  gefühl  zum  gründe  Fou- 
que  gefühle  1,  60;  eine  schöne  sittliche  natur  liegt  wie 
ein  capital  zu  gründe,  von  dem  die  interessen  ...  in 
den  gedichten  ausgespendet  sind  Göthe  40,  243  W.;  die 
moderne  spräche  liebt  den  früher  sehr  ausgebreiteten  ab- 
soluten gebrauch  nicht  m,ehr.  von  präpositionen  steht  in 
vorwiegend  bei  dichtwerken:  die  geschichte  vom  Juden 
Melchisedech,  welche  in  meinem  Schauspiele  zum  gründe 
liegen  wird  Lessing  18,  287  Jf.,-  dasz  oft  in  einem  narren- 
spiel ein  sehr  weiser  gedanke  zu  gründe  liegt  Klinger 
w.  6,  57;  doch  auch  sonst:  wenn  man  auch  die  spätere 
.  .  .  allegorie  absondern  musz,  so  liegen  doch  gewisse 
urbegriffe  davon  unleugbar  auch  in  den  ältesten  vor- 
stellungsarten  zu  gründe  W.  v.  Humboldt  sechs  aufsätze 
über  d.  klass.  alterth.  132  L.;  bei  erscheint  neben  den  ver- 
schiedensten subjectsbegriff'en ;  die  Vorliebe  für  das  adv. 
dabei  ist  zu  beachten:  man  wird  uns  bei  diesem  unter- 
fangen .  .  .  Vergebung  wiederfahren  lassen,  weil  dabei 
keine  bosheit  .  . .  zum  gründe  gelegen  Heilmann  gesch. 
d.  pelop.  krieges  39;  es  liegt  unstreitig  etwas  wahres  bey 
dieser  methode  zum  gründe  Hufeland  kunst  d.  leben 
zu  verlängern  (1797)  289;  wenn  einer  oder  der  andere 
thut,  als  ob  er  einen  angriff  von  uns  besorgte,  so  liegen 
dabei  ganz  andere  absiebten  als  abwehr  zu  gründe 
Moltke  ges.  sehr.  7,  16. 

e)  einen  gr.  setzen,  übertragen: 

du  seczt  und  riirst  ain  tiefen  grund 

H.  V.  Sachsenheim  möhrin  2102; 

(ironisch:   'du  gehst   mit  deijten   ausführungen   sehr  in 
die  tiefe';   vermengt  mit  gr.  rühren  den  gr.  aufrühren); 


709 


GRUND  IV  A  3 


GRUND  IV  A  4 


710 


die  aposteln,  die  dazu  erwelet  vraren,  das  sie  solchs 
reine  solten  leren  and  der  lere  einen  gr.  setzen  Luther 
17,  1,  lOi,  13  W.;  diser  {spruch),  da  du  dein  gr.  und  trost 
auf  setzest  7,  660,  lO; 

maas  halten  in  dem  leyden  .  .  . 
das  hat,  das  helt  den  stich,  das  setzet  festen  grund 

Reinicke  fucfis  (1650)  421 ; 

sol  man  den  gr.  recht  und  fest  in  teutscher  spräche 
setzen,  musz  man  das  grundbrüchige  auszfesten  Schot- 
TEL  t.  Sprachkunst  (i64i)  165;  ich  wäre  schon  zu  alt 
. . .,  umb  von  gemühte  zu  endern,  mein  grundt  war  schon 
gesetzt  El.  Charl.  v.  Orleans  i,  13  M.;  vgl.  seinen  gr. 
legen  oben  b. 

f)  ettvas  zum  gründe  setzen,  übertragen: 

die  stund  kurtzrund  zum  grund 
wird  gesetzt  dieser  Sachen 
W.  Spangenberg  griech.  dramen  1, 123  Dähnhardt; 

welche  die  geometrie,  deren  sie  nicht  fähig  sind,  zum 
gründe  setzen  v.  Fleming  vollk.  teutsche  soldat  (1726)  79; 
weil  Oesterreich  am  ende  Teutschlands,  und  also  die 
wienerische  mundart  nicht  wohl  zum  gründe  gesetzt 
werden  kann  Leibnitz  deutsche  sehr,  i,  483;  man  hat 
an  einem  solchen  wechselplatz  ein  gewisses  (kapital) 
zum   gr.  gesetzt   allg.  dtsche  bibl.,   anh.  zu  53—86,  2324. 

g)  etwas  auf  einen  gr.  setzen,  auf  einem  (einen)  gründe 
(gr.)  bauen,  befestigen,  gründen :  du  (Fortuna)  hast  deine 
stetsbleibende  wohnung  auf  vierekten  gr.  gesetzet  Schot- 
tel  friedenssieg  23  ndr.;  übertragen: 

sagstu  der  weit  ade?  sol  Christus  gantz  allein 

der  grundt  sein,  drauf  du  will  die  keusche  liebe  setzen? 

Gryphius  sonn-  und  /eiertagssonette  37,  79  ndr.; 

die  grosze  moschee  zu  Jerusalem  auf  den  gr.  des  salo- 
monischen tempels  gebaut  Göthe  IV  8,  259  W.;  über- 
tragen: das  (die  deinut)  ist  der  grünt,  do  alles  das  ge- 
zimmer  des  menschen  leben  .  .  .  uf  gebuwen  müssent 
werden  Tauler  322,  6  F.;  diese  tägliche,  allen  himmels- 
körpern  gemeinschaftliche  bewegung,  ...  ist  der  gr.,  auf 
dem  die  ganze  Sternkunde  gebauet  ist  F.Th.  v.  Schudert 
verm.  sehr.  1,  8;  dasz  ich  auch  den  unverdienten  beyfall 
einiger  gelehrten  nicht  suche  auf  einem  so  schwachen 
gründe  zu  befestigen  Heraus  ged.  (i72l)  13;  die  maurer 
folgen  hierauf,  die  auf  den  streng  untersuchten  gr.  das 
gegenwärtige  und  zukünftige  wohl  befestigen  Göthe  25, 
221  W.;  die  Voraussetzung  ist  der  gr.,  worauf  ich  alles 
folgende  gründe  Schiller  4,  43  G.;  vgl. 

gott  grundt  sich  ohne  grund  und  meszt  sich  ohne  masz 

A.  SiLESius  Cherub,  ivandersmann  18  ndr. 

h)  auf  einem  gründe  (be)ruhen:  ein  jedes  standfestes 
geben  beruhet  auf  seinen  unbeweglichen,  wolbepfälten 
gründen  Sghottel  t.  sprachkunst  (l64l)  74;  übertragen: 
auf  was  gründen  .  .  .  die  ausübung  der  ädlen  spräche 
beruhe  Neümark  fortgepflanzter  lustwald  (l657)  zuschr.  10 ; 
allein  da  diese  einwendungen  auf  keinem  rechtsbestän- 
digen gründe  beruhten  Wieland  te.  (1794)  20,  28;  wie 
schön  musz  ein  talent  seyn,  das  auf  einem  solchen 
gründe  ruht  Göthe  IV  23,  185  W.;  der  gleichmuth,  mit 
dem  ich  empfange  und  gebe,  ruht  auf  dem  gründe  deiner 
liebe  IV  6,  115  W. 

i)  zum  gründe  dienen:  derjenige,  der  grosze  quader- 
steine  in  graben  neben  einander  wälzt,  dasz  sie  einmal 
künftig  einem  gebäude  zum  gründe  dienen  können  Ni- 
colai Nothanker  i,  125;  übertragen:  der  basz,  ob  er  gleich 
zum  gründe  dienet,  ist  nur  der  Oberstimme  halben  und 
ihr  zum  besten  gesetzet  Mattheson  kl.  generalbaszschule 
(1735)  50 ;  Richardi  de  S.  Germano  zeugnisz  soll  uns  .  .  . 
zum  sichern  gründe  dienen  S.  Fr.  Hahn  einl.  z.  d.  teut- 
sehen  kaiserhist.  4,  133;  bisweilen  bis  zur  bedeutung  'aus- 
gangs-, anknüpfungspunkt'  verblaszt:  der  mensch  .  .  . 
musz  in  dieser  vergleichung  zum  gründe  und  allgemei- 
nen beziehungspunkte  dienen  Kant  8,  366  H.;  ...  deucht 
es  mich,  dasz  die  sogenannten  nationaltänze  dem  Philo- 
sophen zu  einem  guten  gründe  dienen  ^können  Ayren- 
hoff  w.  5,  271. 

k)  zum  gründe  haben,  übertragen:  obgleich  die  Sprünge 
. . .  aus  dreyerley  verschiedenen  intervallen  . . .  bestehen : 


so  haben  doch  selbige  alle  einerley  basznoten  zum 
gründe  Quantz  anweisung  d.  flöte  zu  spielen  125;  dasz 
unter  zwantzig  solchen  . . .  begebenheiten  kaum  zwey 
die  Wahrheit  zum  gründe  haben  J.  G.  Schmidt  geatrieg. 
rockenphilos.  1,  12;  (bestimmte  gesetze  des  sehens)  haben 
zum  gründe  (zur  Voraussetzung),  dasz  .  .  .  eine  gerade 
linie  zwischen  dem  sehenden  organ  und  dem  gesehenen 
gegenständ  müsse  zu  ziehen  sein  Göthe  II  i,  77  W.; 
häufig  bei  dichtungen  und  Schriftwerken:  diejenigen  hand- 
lungen,  die  eine  wahre  geschichte  zum  gründe  haben 
Dusch  krit.  u.  satyr.  Schriften  134;  dasz  mein  brief- 
wechsel  nicht  blos  die  Schauspiele  zum  gründe  habe 
Lessing  17,  12  ilf.;  oft  nähert  sich  gr.  der  bedeutung 
'Ursache':  ihr  erster  wiederstand  schien  etwas  mehr,  als 
eine  blosze  bescheidenheit  zum  gründe  zu  haben  Ver- 
nunft, tadlerinnen  l,  3;  soviel  ich  muthmasze,  hat  ihre 
melancholie  physische  Ursachen  zum  gründe  H.  L.  Wag- 
ner theateratücke  (l779)  59. 

1)  überaus  häufig  sind,  namentlich  in  übertragenem 
gebrauch,  Wendungen,  die  ein  zerstören  oder  gefährden  des 
grundes  bedeuten:  nos  iecimus  fundamentum,  ipsi  (die 
sectierer)  heben  uns  den  gr.  auf  Luther  34,  2,  100  W.,- 
den  gr.  aufheben  Garthius  289*;  dasz  sein  lippen,  so 
lehren  und  gottes  urtheil  uns  vorlegen,  schlecht  und 
rund  untergraben  voll  list  all  unser  hoffnung  gr.  Treuer 
deutscher  JDädalus  1,465;  er  hätte  fürchten  müssen,  den 
geistigen  gr.  zu  untergraben,  auf  welchem  seine  eigne 
würde  beruhte  Ranke  *.  w.  2,  4;  der  teufel  ...  er- 
schütterte den  gr.  des  gebäudes  Klinger  w.  s,  204;  er 
hat  das  gebäude  der  grosze  im  gr.  erschüttert,  das  ich 
. .  .  aufführen  wollte  231 ;  die  felsen wohnung  Giafars  er- 
bebte in  ihrem  tiefen  gründe  bey  dem  fürchterlichen 
schall  6,  20; 

Babel  wankt  und  sinkt  und  fällt, 
dasz  grund  und  catacomben  beben 

Gottsched  ged.  (1751)  1,293; 

ich  .  .  .  baute  tausend  luftschlösser  und  spürte  nicht, 
dasz  ich  den  gr.  des  kleinen  gebäudes  zerstört  hatte 
Göthe  21,  29  W.;  allzutief  (ist)  das  geistige  reich  in 
seinem  gr.  bewegt  Görres  ges.  sehr.  2,  93. 

4)  grund  in  präpositionalen  Wendungen;  für  einige  der 
folgenden  formein  ist  es  wahrscheinlich,  dasz  sie  nicht 
auf  eine  bestim-mte  Specialbedeutung  von  gr.  als  einheit- 
lichen ausgangspunkt  zurückzuführen  sind,  sondern  von 
jeher  an  verschiedene  bedeutung szweige  geknüpft  waren, 
aber  die  beziehung  auf  fundament'  ist  am  deutlichsten 
und  am  meisten  ausgebreitet. 

a)  von  gründe,  mhd.  selten,  nhd.  fast  ausschlieszlich 
von  gebäuden,  also  'vom  fundamente  ab': 

daz  die  vest  zebrochen 
zehand  solden  werden 
von  gründe  üz  der  erden 

Ottokar  v.  Steierm.  steir.  reimchr.  44140 ; 

dasz  in  der  vorstatt  ir  von  grund 
ein  neu  collegium  erbauten 

Fischart  nachtrab  14,  436  Kurz ; 

als  der  sie  erweiteret,  von  gr.  erbauwen,  und  zu  einer 
königklichen  statt  gemachet  hat  Stumpf  Schweizer chron. 
(1606)  7*;  sie  werfen  die  mauern  vom  gründe  um  sub- 
ruunt  muros  ab  imo  Stein bach  (l734)  l,  649;  selten  mit 
anderer  bildlicher  Vorstellung: 

erfrisch  den  luft  mit  bestem  schall 
erschöpf  die  kunst  von  gründe 

Spee  trutznacht.  (1649)  19. 

dagegen  mhd.  öfter  rein  adverbial  'gründlich'  : 

und  sagen  uns  Tat  ir  triuwen 
an  welher  rede  wir  sin  betrogen; 
volrecken  uns  die  einen  wol  von  gründe, 
die  alten  ode  die  niuwen 

Walther  v.  d.  Vogelweide  13, 1; 

sinen  marterlichen  t6t 

entsliuz  ouch  nü  von  gründe  mir 

Konrad  v.  Würzburg  Silvester  4333. 

b)  von  gr.  auf;  frühzeitig  vermengt  mit  von  gr.  aus: 

mines  herzen  tiefiu  wunde 

diu  muoz  iemer  offen  sten,  si  enheiles  üf  und  üz  von  gründe 
Walther  v.  d.  Vogelweide  74, 17; 

45* 


711 


GRUND  IV  A  4 


GRUND  IV  A  i 


712 


bei  DiEFENBACH  gloss.  482"  beides  für  radicitus;  doch 
zeigt  der  gebrauch  merkliche  Verschiedenheit,  noch  nhd. 
vielfach  in  eigentlicher  bedeutung;  vom  gr.  oder  pfülment 
auf  a  fundamento  Frisius  (1556)  1*;  aber  gewöhnlich  in 
positivem  sinn:  aufbauen,  errichten  u.  ä.;  schon  Diefen- 
BACH  gloss.  252*  belegt  neben  funditus  alzomale  von 
gründe  uff  vor  allem  fundatus  von  grünt  off  funderet 
M.  ä.  reichlich;  {das  schlosz)  sähe  .  .  .,  als  wers  von  gr. 
auf  mitten  in  das  waszer  gebauwen  Kirchhof  wend- 
unmuth  2,  94  Ö.,-  bis  an  das  Schindeldach  des  hohen 
thurmes  war  sie  von  gr.  auf  aus  granitquadern  aufge- 
baut Storm  w.  8,  206;  selten  in  negativem  gebrauch: 

Barog  vil  balde  kerte  hin 

gein  Achor  und  zerstörte  die 

von  gründe  uf  gar    Rud.  v.  Ems  weltchr.  18095. 

ebenso  wie  von  gr.  mhd.  schon  rein  adverbial  'gründlich, 
ganz  und  gar': 

er  was  von  gründe  üf  geborin 
./  z8  deme  aller  trüwisten  man 

Bother  5087  Rückert; 

swes  wir  uns  haben  gevlizzen 
und  gesen  haben  Urkunde, 
daz  wizze  wir  of  von  gründe 
Heinr.  v.  Hesler  apok.  SilS  Helm;  vgl.  4540; 
anders: 

doch  ward  mans  bengeln  mit  dem  stro, 
daz  die  frauen  schrien  do 
von  grundauf  gar  ze  vollen 

Heinr.  v.  Wittenweiler  ring  8",  12. 

von  gr.  auf,  gantz  und  gar,  mit  stam  und  wurtzel  fun- 
ditus, ixßccTO(xiv,  stirpitus  Decimator  thes.  (1615);  ich 
bin  dhein  glychsner,  sunder  von  gr.  uf  luter,  rein  Zwingli 
dtsche  sehr.  1,  809;  soll  man  mit  der  laugen  das  haar 
von  gr.  auf  netzen  Gäbelkovkr  arzneib.  (1595)  2,  102; 
einen  Irrtum  von  gr.  auf  widerlegen  Stieler  710,  wo 
von  gr.  aus  angemessener  wäre,  ».  u.  c ;  gelegentlieh  auf 
I  A  bezogen: 

{die  winde)  durchwühlten  die  meere  von  grund  auf 

Ramler  einl.  in  d.  schön,  wies.  1, 156. 

c)  von  gr.  aus  erst  seit  dem  15.  jh,  öfter  belegbar,  reich 
entfaltet  erst  seit  dem  18.  Jh.;  gelegentlich  gekürzt  {vgl. 
gr.  dessen  C  5  c  «):  das  der  . . .  pfeiler  von  oben,  unter  der 
orgel,  ab  grund  aus  umgefallen  Butschky  kanzelley  851. 

«)  am  geläufigsten  in  der  bedeutung  'vom,  fundam^iit 
ab'  oder  davon  abgeleiteten,  aber  ursprünglich  nur  in  ne- 
gativem sinn,  namentlich  bei  verbrennen:  zu  zelten  {tvird 
die  Stadt)  ...  in  gr.  zerstöret,  verwüstet  und  von  gr. 
aus  umbgekehret  Comenius  janua  (l638)  cap.  719;  die 
.  .  .  neuerbauete  kirche  .  .  .  von  grundausz  einwerfen 
und  mit  der  erde  vergleichen  lassen  actapubl.  i,  67  F.; 

und  {das  haus)  wäre  leicht  von  grund  aus  abgebrannt 

Lessing  3,  4if.  ,• 

um  das  haus  seiner  seele  von  gr.  aus  zu  erschüttern 
Wackenroder  herzenserg.  (l797)  89;  erst  secundär  und 
in  jüngerer  spräche  neben  erbauen,  errichten  u.  ä.,  zu 
denen  urspr.  von  gr.  auf  gehört: 

so  führet  man  ihn  schon  in  einen  ehrentempel 
den  selbst  die  tugend  hat  von  grund  aus  aufgeführt 

H.  v.  HoFFMANNSWALDAu  u.  o.  ged.  7, 168  Neukirch; 

der  alte  meister  hatte  . .  .  sein  haus  nach  dem  neuesten 
geschmacke  von  gr.  aus  aufgebaut  und  möblirt  Göthe 
21,  16  W.;  den  anstosz  zu  der  vermengung  konnte  dissi- 
milationsabsicht  neben  verben  wie  aufbauen,  aufführen 
u.  a.  geben;  der  gegenständliche  sinn  von  gr.  gelegentlich 
noch  dunkel  bewuszt:  wenn  man  recht  von  gr.  und  haus 
aus  zu  werke  ginge  Göthe  IV  16,  268  W.;  nicht  minder 
alt,  aber  seltener  ist  gr.  in  anderem  sinn:  und  durch- 
gruoben  denwyngarten  von  gr.  usz  Steinhöwel  Esopus 
259  Ö. ;  da  werden  sich  von  gr.  und  wurtzeln  aus  ab- 
gefaulte ...  bäume  ...  finden  Hohberg  georg.  cur.  aucta 
8,  43*;  {die  Spielkarten)  gleich  den  pilulen  die  beutel  von 
gr.  ausz  .  .  ,  vielmals  zu  fegen  und  zu  reinigen  pflegen 
Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  1, 10; 

der  dichter  pflegt,  um  nicht  zu  langeweilen, 
sein  innerstes  von  grund  aus  umzuwühlen 

Göthe  2, 17  W. 


ß)  von  gr.  aus  berührt  sich  in  seiner  Verwendung  mit 
aus  dem  gr.  (s.  m.  B  5  b,  bes.  ß) ;  ebenfalls  bei  verben.  die 
ein  irgendtvie  geartetes  beseitigen  ausdrücken  {dazu  stimmt 
die  bedeutung  unter  «):  basilgen  samen  .  .  .  heilet  sie 
von  gr.  ausz  Bock  kreuiterbuch  (i593j7"-)  18;  alte  schaden 
inwendig  zu  heylen  vom  gr.  heraus  Hohberg  georg.  cur. 
aucta  8,  235'»;  dasz  das  concilium  von  Pisa  das  übel 
nicht  von  gr.  aus  gehoben  M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Deut- 
schen 4,  80;  die  griechische  Verfassung  .  .  .  ward  jetzt 
von  gr.  aus  beseitigt  Mommsen  röm.  gesch.  2,  845;  dieses 
vorgeben  von  erraisonnirten  . .  .  kenntnissen  von  grund- 
aus  zu  widerlegen  Fichte  2,  332;  dennoch  hätte  Lulu 
einmal  seine  gunst  .  .  .  vom  gründe  aus  verscherzt 
Stifter  w.  5,  l,  855  S.;  bei  verben  wie  erkennen,  erfahren 
u.  ä.  ist  aus  dem  gr.  durchaus  das  ältere,  von  gr.  aus 
erst  seit  der  2.  hälfte  des  IS.jh.s  häufig;  es  scheint  also 
von  gr.  aus  functionen  des  in  moderner  spräche  stark 
zurückgegangenen  aus  dem  gr.  übernommen  zu  haben: 
ein  werk,  wie  der  Meszias,  musz  von  gr.  aus  untersucht 
werden  Gerstenberg  recensionen  226,  8  Fischer;  ich 
fahre  .  .  .  fort  .  .  .  von  gr.  aus  zu  studieren  Göthe  IV 
8,  66  W.;  bis  er  die  Ursache  ihres  zwists  von  gr.  aus 
erfahren  E.  Th.  A.  Hoffmann  12,  104  Or.;  für  von  gr. 
aus  verderben,  das  erst  mit  der  2.  hälfte  des  18.  jh.s  recht 
in  aufnähme  kommt,  scheint  ähnliches  zu  gelten:  wenn 
man  sich  an  so  genanntem  wohlriechenden  wasser  die 
nase  von  gr.  aus  bis  auf  die  wurzel  verdorben  hat  Hip- 
pel lebensläufe  l,  379. 

y)  sehr  jung  {erst  seit  Göthe)  ist  von  gr.  aus  neben 
ausdrücken  des  affects:  nächstens  hoffe  ich  es  noch 
einigemal  zu  hören  und  mich  daran  recht  von  gr.  aus 
zu  ergötzen  Göthe  IV  21,  204  W.  {bei  G.  sehr  beliebt,  vgl. 
I  1,  103;  25,  263  M.  ö.);  kann  er  die  eigenthümlichkeit 
eines  'wüsten  wetters'  von  gr.  aus  genieszen  Melch. 
Meyr  erzähl,  a.  d.  Ries  1,  71;  bücherweisheiten,  die  mir 
von  gr.  aus  zuwider  sind  Fontane  I  4,  12;  desgleichen 
bei  qualitätsbezeichnungen:  Salzmann,  der  von  gr.  aus 
nichts  taugt,  {ist)  abzuschaffen  Göthe  IV  16,  312  W.; 
{sie)  erwarteten  nichts  mehr  von  einzelnen  ausbesse- 
rungen,  wo  das  ganze  so  von  gr.  aus  faul  war  Häuszer 
dtsche  gesch.  i,  96;  vom  Niederrhein  gebürtig,  ein  freu- 
diger rittersmann  von  gr.  aus  Treitsghke  aufsätze^  2, 
28;  Hölderlin  ...  ist  romantiker  von  gr.  aus  Fontane 
I  2,  39;  jung  auch  bei  ausdrücken  der  Verschiedenheit: 
vielmehr  sind  beide  arten  der  philosophie  sich  von  gr. 
aus  heterogen  Schopenhauer  1,  26  Gr.;  die  Araber  . . . 
von  einem  positiven  stolzen,  dem  christenthume  von 
gr.  aus  entgegengesetzten  glauben  .  .  .  durchdrungen 
Ranke  s.  w.  87,  10. 

d)  öfter  mit  zu  gründe  vermengt  zu  zu  gr.  aus :  zu 
Wiederaufrichtung  der  durch  das  fremdausländische  wort- 
vermeng fast  zu  gr.  aus  verderbten  teutschen  beiden-  und 
muttersprache  Neumark  t.  palmbaum  (I668)  194; 

jetzt  wird  ein  mann  zu  grund  ausz  rein  gemacht, 
wo  der  soldat  quartier  hat  eine  nacht 

TscHERNiNG  d.  gcdicMe  früling  (1642)  125; 

vgl.  nd.  dat  id  vruntscopp  blef  twischen  em  .  .  .  to 
gründe  unde  to  ende  uth  Schiller-Lübben  2,  158''  aus 
Herm.  Korner. 

e)  auf  (den)  gr.  mit  gen.  erst  seit  dem  ende  des  18.  jh.s; 
anzuknüpfen  an  die  bedeutung  'grundlage' :  in  jenem 
augenblick,  in  welchem  eine  Vereinbarung  . .  .  auf  den 
gr.  der  alten  zustände  möglich  erschien  Ranke  s.  to. 
4,  8;  in  der  regel  leitet  es  die  Voraussetzung  ein,  aus  der 
eine  berechtigung  flieszt:  madam  verlangte  auf  den  gr. 
dieses  Vorzuges  ein  vollstimmiges  ja  zur  heirath  Hippel 
kreuz-  u.  querzüge  l,  87;  {pudel  und  m.öpse)  durften  nur 
, .  .  auf  den  gr.  der  nach  beratung  des  ausschusses  er- 
teilten erlaubskarte  mitgebracht  werden  E.  Th.  A.  Hoff- 
mann 6,  13  Gr.;  mit  der  2.  hälfte  des  19.  jh.s  erlischt  der 
artikel;  schon  6ei  Schopenhauer:  der  richterstuhl  der 
processe  auf  gr.  desselben  {des  Völkerrechts)  ist  die  öffent- 
liche meinung  w.  2,  700  Gr.;  Ranke  andererseits  hält 
den  artikel,  noch  in  der  engl,  geschichte  (1859—68) :  er  be- 
absichtigte auf  den  gr.  derselben  {bestallung)  ein  paar 
regimenter  zu  werben  s.  w.  4,  87. 


713 


GRUND  IV  B  I 


GRUND  IV  B  2.  8 


714 


B.  grund  'fundament,  baais'  entwickelt  sich  unter  völli- 
gem verblassen  der  ursprünglichen  bedeutung  nach  ver- 
schiedenen richtungen  hin;  zunächst  'die  ersten  bestand- 
theile  eines  dingea,  der  anfang',  gesteigert  'die  hauptsäch- 
lichen bestandtheile,  das  wesentliche';  daher  gelegentlich 
in  parallele  mit  anfang :  dergestalt  ist  der  glaub  unsers 
hayls  anfang  und  gr.  Berth.  v.  Chiemsee  teuische 
theol.  10  R. 

l)  je  nach  dem  siibjectsbegriff  ergehen  sich  für  die  ersten 
oder  wesentlichen  bestandtheile  verschiedene  bedeutungen: 
grundatoff,  grundbestandtheil : 

dann  welcher  darf  es  wagen, 
ein  urthail  von  dem  grund  uns  artig  her  zu  sagen, 
aus  dem  des  Schöpfers  hand  die  wählt  zuwegen  bracht? 
RoMPLER  V.  Löwenhalt  erste«  gebüsch  (1647)  27; 

der  evangelist  (hat)  .  .  .  den  historischen  gr.  des  damal 
üblichen  catechismi  Theophilo  . . .  zugeschrieben  Dann- 
hauer catechiamusmilch  1,  4";  was  wird  uns  denn  als 
gr.,  als  urstoff  von  den  vier  letzten  büchern  Mosis  übrig 
bleiben  Göthe  7,  156  W.;  so  ist  die  cacao  der  gr.  der 
chocolate  Krünitz  20,  254. 

grundgestalt:  wann  die  gelehrten  diese  wort  (joch 
oder  last  Matth.  16,  24)  ausz  dem  gründe  herholen  (d.  A. 
genau  aua  der  grundsprache  übersetzen),  wird  dadurch  ge- 
legenheit  gegeben  zu  gar  tröstlichen  gedancken  J.  Sau- 
bert currus  Simeonia  (1627)  546;  maszen  das  selig- 
machende wort  gottes  aus  den  hebräischen  gründen  in 
unsere  spräche  vernemlichst  .  .  .  übersetzet  .  .  .  worden 
Neumark  teutsche  palmbaum  (i668)  63. 

grundlehren,  anfangagründe :  sie  hat  ihr  selbst  die 
gründe  des  christenthums  gleichsam  spielend  beigebracht 
Vernunft,  tadlerinnen  1,  190;  es  ist  aber  um  desto  nöthi- 
ger,  die  ersten  gründe  der  deutschen  prosodie  hier  vor- 
zutragen Gottsched  dtsche  sprachk.  450;  ich  kam  an 
einen  ort,  wo  ich  etliche  jähre  lang  die  gründe  der 
spräche  lernte  Schwabe  belustig.  2,  647;  dergleichen  weit- 
verbreitet; sing,  ungewöhnlich: 

o  wie  lieblich  ward  mir  femer  aller  freyen  kUnste  grund 
durch  die  väterlichen  lippen  schon  in  früher  Jugend  kund 
Gottsched  gedickte  (1751)  1,  413. 

in  den  folgenden  fällen  tritt  die  bedeutung  des  wesent- 
lichen atärker  hervor: 

grundregeln,  grundgeaetze:  wie  unsere  teutsche  baubt- 
sprache  nach  ihren  gründen  und  eigenschaften  in  eine 
gewisse  form  der  kunst  zu  setzen  Schottel  haubtspr.  ii ; 
wann  alles  und  jedes  was  zu  unserer  teutschen  spräche 
gehören  wird,  allhie  nach  seinen  gründen  und  richtigen 
hauptregulen  befindlich  ist  t.  sprachkunst  (l64i)  12 ;  wie 
wir  undanckbaren  Teutschen  doch  eines  unsere  eigene 
spräche  möchten  gründlich  ausz  ihren  gründen  erheben 
{systematisch-grammatisch  darstellen)  ib.  10;  vielfach  von 
künsten  und  gewerken: 

ein  mercker  sei        besinne  wol 

den  rechten  grünt,        schlos  unde  punt 

mit  cluger  maisterschöfte 

Muskatblüt  lieder  99,  17  Gr.; 

bisz  ich  .  . .  bey  dem  sinnreichen  herren  Hans  Sachsen 
.  . .  bessern  bericht  des  grundes  dieser  kunst  erlangete 
PusCHMANN  gründl,  bericht  3  ndr.;  damit  man  durch 
ein  völliges  systema  die  theile  und  gründe  der  musik 
desto  leichter  in  eine  gehörige  gewiszheit  setzen  könne 
Scheibe  crit.  musicus  (1745)  11; 

folgt  mir :  ich  singe  fein,  recht  nach  der  tonkunst  gründen 
Hagedorn  poet.  w.  (1769)  2,  242; 
ob  er  nicht  zu  animieren,  eine  beschreibung  der  gründe 
der  handwerke  und  deren  terminorum  vorzunehmen 
Leibnitz  dtsche  sehr.  2,  459;  zuweilen  fast  im  sinne  von 
'theorie':  man  hat  byszher  . .  .  vil  geschickter  jungen  zu 
der  kunst  der  mallerey  gethon,  die  man  an  allen  grundt 
und  alleyn  ausz  eynem  täglichen  brauch  gelert  hat 
Dürer  underweysung  d.  messung  (1525)  a  l*». 

grundlagen,  grundbegriffe,  grundwahrheiten  (von  wiaaen- 
Schäften);  gelegentlich  noch  als  bild  empfunden:  Euclides 
hat  den  grundt  der  geometria  zusamen  gesetzt  Dürer 


underweyaung  d.  meaaung  (1525)  a  2»;  habe  ich  . . .  nicht 
geruhet,  bis  ich  zu  den  letzten,  ursprünglichen  gründen 
kommen,  so...  in  der  mathesi  und  physica  befunden 
Leibnitz  dtsche  achr.  1,266;  eine  Wissenschaft...,  in 
welcher  die  allgemeinen  gründe  aller  menschlichen  er- 
kenntnisz  gelehrt  werden  Lessing  8,  23  M.;  (eine  aka- 
demie.)  welche  nicht  klare  und  ausgemachte  gründe  der 
Wissenschaften  lehren  .  .  .  soll  Kästner  verm.  sehr. 
(1755/.)  1,  8. 

grundwort;  anscheinend  von  Schottel  aufgebracht: 
der  gr.  (oder  hauptglied)  desz  verdoppelten  Wortes  ist 
allezeit  dasselbige  wort,  auf  welches  deutung  vornem- 
lich  .  .  .  unser  sinn  und  gedancken  sich  lencken,  und 
welches  ...  allezeit  die  hinterstelle  desz  wertes  einnimmt 
t.  sprachkunst  (l64l)  108  (in  eigenthätlichkeit  2.  b.  that 
ib.  103),  lat.  subjectum  ib.  24;  daher  subjectum  gr.,  grund- 
wort Zeillers  epistol.  Schatzkammer  (1683)  266. 

2)  'anfang'  nicht  als  erster  bestandtheil  innerhalb  des 
dingea,  sondern  als  ausgangspunkt,  Ursprung  auszerhalb 
des  dinges;  namentlich  obd.;  meJir  oder  weniger  sinnlich: 
unde  der  aftero  teil  iro  rukkes.  dar  die  penne  radicem 
hubent  federa  crunt  eigin  Notker  2,  256,  13  (ps.  67, 14); 
diu  versuochende  kraft  der  s61  (gustus)  und  daz  gerüerd 
habent  im  grünt  in  dem  herzen;  aber  die  andern  drei 
sinn  sitzent  in  dem  baupt  Konr.  v.  Megenberg  buch  d. 
natur  13,  6  Pf;  wer  ist  dann?  der  nit  seche  den  Ursprung 
des  adels  haben  ainen  unadelichen  gründe,  etlich  hat 
rych  gemachet  wücher  N.  v.  Wyle  translat.  67,  25  K.; 
ich  wils  ein  wenig  vom  gr.  här  nemmen.  repetam  paulo 
altius  J.  Maaler  I94rb; 

auch  bzeugt  solchs,  das  aus  malens  grund 
die  erst  egyptisch  schrift  entstund 

Fischart  btbl.  historien  270,  7  Kurz ; 

daher  öfter  parallel  mit  Ursprung:  (die  von  der  leber  aus- 
gehende ader  heiszt)  gruntäder,  dar  umb,  daz  diu  leber 
ain  grünt  ist  und  ain  ursprinch  des  pluotes  Konr. 
V.  Megenberg  buch  d.  natur  87,5  Pf;  vom  rächten  gr. 
und  Ursprung  här  nemmen.  a  capite  arcessere  J.  Maaler 
I94rb;  (das  göttliche  licht)  hat  weder  gr.  noch  anfang 
Jac.  Böhme  4,  6;  der  schall  seines  worts  ward  gr.  und 
würze!  jeder  menschlichen  seele  Herder  26,341  S.;  von 
hier  aua  ist  gr.  als  bezeichnung  gottes  in  der  mystik  zu 
verstehen:  aber  da  in  dem  einvaltigen  uberweslichen 
gründe  ist  der  gereht  mensch  nüt  der  lipliche  mensch, 
wan  es  ist  kein  liplichkeit  in  der  gotheit  H.  Seuse 
dtsche  sehr.  167,  24  Bihlm.;  die  entwicklung  der  bedeutung 
beleuchtet  z.  b.  die  stelle:  wir  sint  uz  dem  selben  gründe 
heruzgeflossen,  und  mit  allem  dem  daz  wir  sint,  so  ge- 
hörent  wir  rechte  in  das  selbe  ende  und  wider  in  den 
selben  grünt  Tauler  pred.  81,  13  Vetter. 

3)  der  begriff  des  anfangs  tritt  hinter  dem  des  wesent- 
lichen völlig  zurück;  gänzliche  abstraction,  infolge  dessen 
fast  ausschlieszlich  sing.;  oft  stellt  sich  das  bedürfnia 
ein,  die  besondere  bedeutungsschattierung  durch  ein  ayn- 
onymon  zu  kennzeichnen, 

a)  hauptaache:  darumb  wil  ich  greifen  zum  grundt 
und  darbringen,  daz  die  mesz  das  war  opfer  ist  Berth. 
V.  Chiemsee  teutsche  theol.  457  R.;  peto  vel  premo  iugu- 
lum,  ich  dring  oder  treib  hart  auf  den  gr.,  oder  haupt- 
handel  Er,  Alberus  29»»;  der  gr.  und  hauptartickel 
daran  die  sach  gelegen  ist.  columen  actionis  J.  Maaler 
I94rb;  auch  'hauptinhalt' :  die  den  grünt  der  gantzen 
comedien  haben  wollen  Terenz  deutsch  (1499)  10*;  argu- 
mentum, das  ist  der  grundt  des  nachfolgenden  buchleins 
Reuchlin  erste  olynth.  rede  6  ndr.;  das  und  vil  anders 
mer  schreibt  kaiser  Ludwig  ...  ich  hab  auf  das  kurzist 
nur  den  grünt  gesetzt,  daraus  der  ganz  handel  wol  ver- 
standen mag  werden  Aventin  bayer.  chron.  5,  466,  15, 
wo  die  urspr.  bedeutung  von  gr.  setzen  noch  lebendig  ist; 
vgl.  ib.  496,  5.  inbegriff:  dan  der  grundt  aller  geschrift 
ist  'liebe  goth  und  dynen  nehsten'  Luther  9, 155, 17  W.; 

du  wirst  bald  bekennen  — 
dasz  in  mir  allein  ist  aller  Schönheit  grund 

Weckherlin  ged.  731  F.; 

denn  eigentlich  ist  doch  der  gr.  und  das  a  und  0  aller 


715 


GRUND  IV  B  4 


GRUND  IV  B  4 


716 


kunst  hier  (in  Italien)  noch  aufbewahrt  Göthe  IV  8, 
250  W. 

b)  innerstes  wesen,  kern:  suhstantia  wesenkait,  grünt 
DiEFENBACH  gloss.  561";  dieweil  aber  diese  unsere  fürstin 
in  schwebenden  . . .  miszbräuchen  gleichwol  den  grundt 
unsers  .  .  .  glaubens  fest  behalten  Rätel  Curäi  chron. 
(1607)  75;  so  hat  die  Verschiedenheit  nur  das  zufällige 
und  niemals  den  gr.  der  sache  betroffen  Ramler  einleit. 
in  die  schön,  wiss.  l,  83;  der  pöbel  .  .  .  würde  sich  durch 
eine  schöne  seite  (des  lasiers)  bestechen  lassen,  auch 
den  häszlichen  gr.  zu  schäzen  Schiller  2,  6,  ii  ß. 
(räuber,  vorr.) ;  aus  deutlichkeits gründen  oft  in  pleonasti- 
scher  Verbindung:  das  ist  der  gr.  und  gantzes  wessen 
der  ehe,  das  sich  eyns  dem  andern  gibt  Luther  2, 
168  W.;  die  .  . .  wider  den  gr.  und  die  natur  der  spräche 
selbst  laufende  falsche  schreibahrt  Zesen  verm.  Helicon 
(1656)  1,  96;  {die  Australier  sind  sich)  über  den  gr.  und 
kern  ihrer  religiösen  Vorstellungen  sehr  im  unklaren 
B.\TZKL  Völkerkunde  2,86;  gern  präpositional :  alles  grosze 
Unheil  ist  seinem  innersten  gründe  nach  eine  ernsthafte 
fratze  Fr.  Schlegel  im  Athenäum  i^,  106. 

c)  bei  gegenständen  des  wissens  U7id  könnena  das  tdssen 
um  das  wesentliche  eines  gegenständes,  gründliche  kennt- 
nis;  den  rechten  gr.  wissen  wollen  volerne  saper'  il  pro- 
prio, il  fondamento  M.  Kramer  teutsch-ital.  2,  274*; 

daz  tummer  man  ze  lange  sait 

hie  von  (v.  d.  dreieinigkeit),  der  niht  des  grundes  wais 

JoH.  V.  WüRZBUEG  WUh.  V.  Österreich  10446; 

deszgleichen  auch  ander  sprachschriften  mit  rechtem 
schreiberischen  gr.  zu  gestalten  Fischart  Oarg.  277  ndr.; 
häufig  von  der  medizin: 

dann  wölcher  artzt  kan  guten  grund, 
der  macht  sich  billig  selbst  gesund 

ScHWARTZENBERG  tcutsch  Cicero  (1535)  133 '; 
personifiziert: 

yzt  kompt  der  artzeney  ein  grund 

H.  Sachs  9,  29, 16  Keller; 

ähnlich:  die  rächten  grund  und  griff  eines  redners  Fri- 
sius  82'>;  gern  neben  haben:  als  wie  es  zugehe  mit  dem 
donner,  mit  dem  regenbogen  .  .  . ,  davon  niemand  einen 
gr.  haben  mag  J.  Agricola  750  teutsche  Sprichwörter 
(1534)   ZI»; 

der  seinen  spiesz  wol  brauchen  kundt, 
hett  auch  desz  kriegens  satten  grund 

Spreng  Utas  (1610)  211b; 

und  laszt  sich  doch  sin  werck  ansehen,  als  ob  er  der 
alten  geschichten  wenig  gr.  gehept  Tsghudi  chron,  helvet. 
1,  158;  ich  habe  der  Sachen  keinen  gr.,  de  causa  mihi 
non  liquet  Kirsch  cornu  copiae  160 *•;  vgl.  ik  heff  den 
rechten  gr.  dor  ni  von  'die  sache  ist  mir  nicht  klar' 
Mensing  2,  601*;  vielfach  parallel  mit  synonymis:  die 
heyden  von  der  heyligen  geschrift  keinen  grundt,  auch 
vom  waren  gott  kein  bericht  gehabt  Lorigh  wie  junge 
fürsten  . . .  undericisen  mögen  werden  11; 

(der  'suchende',)  welches  kunst  und  grund  allein 
manches  teutsches  hertz  ergetzet       Rist  Pamasz  464; 

ohne  gr.  und  eigendliches  wissen  von  dieses  herrlichen 
Ordens  rechter  beschaffenheit  Neumark  teutsche  palm- 
baum  (1668)  36;  mein  sinn  ...  ist  dieser  von  Wahr- 
heiten, Wahrscheinlichkeiten,  gr.  und  guten  erkännt- 
nissen  das  nöthige  .  .  .  einfältig  anzunehmen  Zinzen- 
DORF  bedenken  u.  besond.  Sendschreiben  (1734)  53;  gelegent- 
lich noch  abstracter  'gründlichkeit':  welche  ihre  krieg, 
leben  und  wesen  mit  fleisz  und  grundt  beschrieben 
Reuter  v.  Speir  kriegsordn.  a  2*;  noch  etwas  anders  'ge- 
halt.  gewicht':  es  redet  der  von  Frundsberg  mit  einem 
solchen  grundt  und  ernst,  dasz  er  einen  stein  solt  be- 
wegt haben  Adam  Reiszner  105*. 

4)  aus  dem  begriff  'das  wesentliche  eines  dinges'  ent- 
wickelt sich  der  andere  'die  wahre,  wirkliche  beschaffen- 
heit eines  dinges',  auch  ganz  abstract  'das  richtige,  wahre, 
die  Wahrheit',  gegentheil  ungrund  mendacium,  falsum 
Stieler  710''.    auf  alem.  boden  besonders  entfaltet. 

a)  öfter  durch  adjentiva  wie  wahr,  recht  genauer  be- 
stimmt: (dialectica)  g§t  kurz  dem  warn  gr.  nach,  lernt 


denselbigen  suechen  Aventin  4,  426,  7  L.,-  ich  in  inen 
(den  Zeugnissen)  allein  finden  mag  ainen  wänlichen 
schatten  gantz  alles  wären  grunds  mangelnde  N.  v.  Wyle 
translat.  173,  24  K. ;  vgl.  (in  anlehnung  an  I  A  4  a) 

damit  noch  mehr  .  .  . 
den  falschen  weg  verlassen 
und  wahre  gründe  fassen 

Heinichen  generalbasz  bl.  6"; 

den  liesz  der  voyt  fangen,  im  fürsatz  an  im  zuerkun- 
digen etwas  grunds  der  bäurischen  anschlegen  . . .  halben 
Stumpf  Schweizerchron.  (16O6)  343'';  gedieht  und  träum 
eines  wachenden,  ohne  gewiszheit  und  gr.  Lehmann 
fiorileg.  polit.  (1662)  2,  624;  meist  neben  bestimmten  verb- 
gruppen: 

wirt  mir  der  äventiure  grünt 

von  dir  dumehteclichen  mit  gesange  kunt 

Lohengrin  1074;  vgl.  2277; 

merkt  hie  den  rechten  grünt 
der  fremden  abenteur 

H.  V.  Sachsenheim  spiegel  171,  38; 

vgl.  sleigertüchl.  216,  87;  auch  nd.: 

latet  ene  nu  in  desser  stunt 

uns  wytlyk  doen  de  rechten  grünt 

Reinke  de  vos  2118; 
danach  Göthe: 

lasst  uns  je  eher  je  lieber  den  grund  der  geschichte  ver- 
nehmen       50,  67  W. ; 

ich  wil  (ich  singen  den  rechten  grund, 
wie  die  eidgnoschaft  ist  entsprungen 

bibl.  alt.  schrißw.  d.  Schweiz  I  4,  3; 

feindes  mund  redt  nie  kein  gr.  Friedr.  Wilhelm 
sprichw.  reg.  (l577)  D  a,  nr.  9; 

mich  dünkt,  in  seinen  reden  ist  viel  grund 

Shakespeare  2, 90; 

über  gr  haben  ».  m.  C  6  a;  leg  dich  nit  uf  zwyfelhaftige 
ding,  bis  du  den  gr.  erfindest  buch  d.  beisp.  6  lit.  ver.; 
darnach  siehst  du  an  den  gr.  der  brüderschaften ,  der 
nüt  anders  ist  weder  ein  geltkleb  Zwingli  dische  sehr. 

1,  321;  der  verdacht,  weil  er  mehr  auf  den  euserlichen 
schein  als  auf  den  gr.  siebet  Lohenstein  Armin.  (1689/.) 

2,  133  •";  auch  in  heutigen  alem.  maa.:  i  woasz  da  gwiesa 
gr.,  dasz  ...  Fischer  schxcäb.  3,872;  mina  herz  hat  gr. 
und  mins  mul  hat  oich  gr.  'was  ich  fühle  und  rede,  ist 
wahr'  Staub-Tobler  2,  770;  vgl.  es  ist  grund-so  'wahr- 
lich so'  ebda, 

b)  gr.  der  Wahrheit  namentlich  im  16./ n.jh.  sehr  häufig, 
zumal  im  alem.;  im  19.  jh.  aussterbend,  die  bedeutung 
'grundlage'  scheint  den  ausgangspunkt  der  formel  zu  bil- 
den; vgl.  wer  sich  vliszet  an  den  grünt  der  worheyt 
qui  fundamento  veritatis  innititur  geometr.  Culm.  14*» 
Mendthal;  mit  gr.  der  Wahrheit  'der  Wahrheit  gemäsz' 
ist  das  eigentliche  geltungsgebiet  der  formel:  so  soll  sich, 
ob  gott  will,  mit  gr.  der  warhait  befinden,  dasz  .  .  . 
städtechron.  (Augsburg  c.  1565)  32, 291 ;  meist  verba  dicendi : 
welches  wir  mit  gr.  der  Wahrheit  reden  Thurneyszer 
magna  alchymia  (1583)  134;  kan  ich  selbige  (bibliothek) 
mit  gr.  der  Wahrheit  rühmen,  dasz  sie  fürtrefflich  ist 
Menantes  allern.  art  höf.  zu  schreiben  (1718)  353;  es  hat 
jemand  mit  groszem  gr.  der  Wahrheit  behauptet,  dasz  . . . 
G.C.Lichtenberg  verm.  sehr.  (18OO/.)  1,159;  selten  nach: 
das  kain  underthon  seiner  obrigkait  künn  behebliche 
zeügknusz  geben  nach  grundt  der  warhait  Jon.  Nas 
antipap.  eins  und  hundert  2,  152*.  andere  formen  des 
gebrauchs  sind  seltener:  wir  wöllent  üch  des  (hierüber) 
grunds  der  warheit  berichten  Staub-Tobler  2,  770  (a. 
1521; ,  jj^j,£  jgjj^  jgjjj  ffeunj^  ujjt  (jii-  jetzund, 

wie  vor,  reden  der  warheit  grund? 

Spangenberg  griech.  dramen  2, 131  Dähnhardt; 

als  hüt  etlich  on  allen  gr.  der  warheit  reden  gdörend 
Zwingli  dtsche  sehr.  1,264;  gelegentlich  hat  die  formel 
einen  stärkeren  Sinngehalt:  der  alleine  ist,  so  solche 
Worte  redet ,  der  wahre  mund  und  gr.  (inbegriff)  der 
Wahrheit  selbst  Schw^einichen  denkw.  3  Ö.; 

forsch  alles  (in  diesem  buche)  fleiszig  ausz,  du  wirst  mit 

mir  bekennen 
hier  sei  der  Wahrheit  grund,  nicht  ein  gemeiner  tand 

Rist  Pamasz  131. 


717 


GRUND  IV  B  5 


GRUND  IV  B  5 


718 


c)  dasz  die  formet  mit  gr.  'wahrheit'  zusammengebracht 
wurde,  lehren  fälle  wie:  wirt  ...  ins  Turgow  gerechnet, 
die  doch  im  gr.  der  warheit  beide  im  Zürychgöw  ligen 
Stumpf  Schweizer  ehr  on.  (1606)  345*  (genau  =  im  gründe 
'in  Wahrheit',  s.  u.  5  a  d') ; 

und  was  ir  wissen  seit 

in  rechtem  gründ  und  der  warheit 

H.  Sachs  fabeln  u.  schwanke  i,  68  G.-D.; 

'ich  beicht  dir  all  meine  sünde'.  sie  sprach:  'verschweyge 
nichts,  sage  mir  den  rechten  grundt  und  warheyt!' 
V.  Schumann  nachtbüchlein  36  B.;  diese  coordinierende 
Umformung  im  IG.  jh,  ziemlich  häufig;  später  gelegentlich 
umgedeutet  (nach  C):  und  sodann  (werde  ich)  .  .  .  den 
gr.  und  Wahrheit  meiner  verflossenen  thränen  .  .  .  er- 
zehlen  mediz.  maulaffe  (1719)  14. 

5)  die  bedeutungsschattierungen  von  'an/ang'  bis  'kern, 
wesen,  wahrheit'  auch  in  präpositionalen  Wendungen. 

a)  im  grund;  abgesehen  von  einem  specialfall  (s.  u.  d) 
reichen  die  belege  nicht  über  das  17.  jh.  hinaus;  später 
nur  ganz  vereinzelt: 

80  willst  du  mich  denn  ganz  im  grund  vergiften 

Schiller  6, 197  G. 

«)  im  älteren  nhd.  sehr  häufig  bei  verben  der  geistigen 
thütigkeit  'gründlich,  genau'  (entsprechend  3  c):  diese  zwi- 
trechtigkeit  (zwischen  Weifen  und  Ghibellinen)  haben  in 
dem  grünt  ersucht  alle  hochgelert  man  Sigm.  Meister- 
LiN  in  städtechron.  3,  102,  15;  doch  bringen  sie  (diese 
Worte)  so  viel  mit,  wo  man  sie  im  gründe  ansihet  Lu- 
ther 8,  427  Jena; 

wann  ir  die  sach  im  grundt  erwegen 

Wickram  w.  I,  S97  B.; 

die  ir  im  grund  nicht  wisset, 
wie  gott  nach  seinem  wolgefall 
sein  hoch  genaJ  auszmisset 

Ring  WALT  handbüchlin  a  iC»; 

du  hast  verstanden  kurtz  und  rund 
der  Griechen  meinung  in  dem  grund 

Spreng  mos  (1610)  9i>>; 

gott  und  sich  im  gründe  kennen, 
ist  die  höchste  witz  zu  nennen 

LOGAU  Sinngedichte  243,79  E.; 

sölich  aber  falsch,  kein  im  gründe  gelert  frum  leut  thfin 
würden  Lorich  wie  junge  fürsten  mögen  underwisen 
werden  95;  der  teutschen  spräche  im  gr.  erfahrne  Leib- 
NITZ  dtsche  sehr.  1,  466. 

ß)  'im  kerne'  bei  qualitätsbezeichnungen :  der  bäum  im 
grundt  und  wurtzel  müss  entwicht  sein,  weil  er  so  lose, 
böse  frücht  bringt  Jon.  Nas  antipap.  eins  und  hundert 
(1667  j?'.)  2,  184'';  namentlich  beim,  menschlichen  Charakter: 
dieser  spitzknecht,  eyssenbeiszer  oder  lotterbuben  ge- 
brauch, art  und  sitten  ist  im  gr.  nichts  wehrt  Frons- 
perger kriegsbiich  1,  111*;  (einer  ist  durch  und  durch 
schlecht),  der  ander  ist  im  gr.  fromb,  gerecht  Lehmann 
fiorileg.  polit.  (1662)  1,  246;  wer  gegen  sein  gesind  e  gut  ist, 
ist  meistens  im  gründe  gut  Lichtenberg  verm.  sehr. 
(isiiff.)  4,  68 ;  wo  weisz  ein  sterblicher,  wie  böse  er  im 
gründe  ist,  wie  schlecht  er  handeln  würde  Lessing  2,359 
M.;  nur  in  dieser  vericendung  hat  sich  die  formet  bis  in  die 
moderne  spräche  gehalteji,  weil  sie  sich  hier  eng  berührte 
mit  im  gründe  'in  wahrheit'  (s.  u.  d):  im  gründe  sind 
es  gute  leute,  man  musz  sie  auf  diese  weise  austoben 
lassen  Schnitzler  gr.  kakadu  (1899)  132. 

■y)  'in  den  anfangen,  im  kern'  wird  zu  'gänzlich,  völlig'; 
gern  bei  verben  negativer  bedeutungsrichtung :  durch  sein 
wunderbarlich  ausdärrung  nimpt  es  die  gantz  kranck- 
heiten  ...  im  grundt  und  Ursprung  Paracelsus  chirurg. 
bücher  (1618)  119";  dardurch  mag  dem  schmertzen  im 
gr.  abgeholfen  werden  Gäbelkover  arzneib.  (i595)  l,  8; 
besonders  häufig  bei  Vernichtung  von  städten,  wo  die  for- 
met ihre  grundbedeutung  wieder  hervorkehrt  und  in  con- 
currenz  mit  in  den  gr.  tritt  (s.  o.  II  B  3  a) :  sonder  er 
wolle  die  statt  im  gründe  umbkehren  buch  d.  liebe  (1587) 
218'*;  an.  1376.  ist  Schwäbischen  Haal  im  gr.  auszbrunnen 
Stumpf  Schweizer chron.  105*; 


bisz  die  glfibdbrüchig  statt  mit  grauaz 
gar  wurd  im  grund  getilget  ausz 

Spreng  IliaB  (1610)  35'>; 
öfter  in  zusammenhängen  wie: 

ir  hört  wol,  wie  das  gmein  volck  klagt: 
und  ich  sag,  es  sey  im  grund  war 

Ayrer  dramen  1, 138,  30; 

es  ist  lauter  tenscherey 
und  im  grund  erlogen 

P.  Gerhard  bei  Fischer-TOmpbl  3,  384*; 

anderes  gelegentlicher: 

wen  du  im  schendst  syn  gantz  geschlecht, 
in  und  all  syn  frtindt  im  grundt 

Murner  narrenbeschw.  47,  iS  ndr.; 

sonder  beruf  die  knecht  zu  stund 
halt  ihnen  für  die  noth  in  grund 

Spreng  Iliag  (1610)  27 1>; 

ich  sprach,  mein  round 
will  gott  im  grund 
all  ubelthat  erzehlen 

L.  Vollbrächt  bei  Fischer-Tümpel  5, 181  *>. 

cT)  'in  Wahrheit,  in  Wirklichkeit'  (entsprechend  4);  heute 
der  herschende  gebrauch;  gegensatz  ist  der  äuszere  schein: 
daz  were  wäre  demütekeit  sunder  alle  glose,  und  nüt 
in  den  werten  oder  in  dem  schine,  sunder  in  der  wor- 
heit  und  in  dem  gründe  Tauler  pred.  75,  31  Vetter; 

doch  war  es  (das  klagen  um  Patroclue)  nur  ein  schein  darneben, 

im  grund  bewainten  sie  vilmehr 

ihr  eigne  not  und  trübsal  schwer  Spreng  Aneis  273'>; 

sie  ging  . . .  ihrem  söhne  entgegen,  scheinbar  eine  träge 
kuh  anzutreiben,  im  gründe  aber,  ihm  einige  rasche 
. . .  Worte  zuzuraunen  Droste-Hülshoff2,  271  Schücking; 
auch  ohne  so  ausdrückliche  gegenüberstellung  bleibt  der 
äuszere  schein  der  gegensatz:  dise  reformation,  die  ob- 
gleych  Jesus  an  allen  bletern  oben  an  gemalt,  ist  sie 
doch  ym  gr.  .  .  .  änderst  nichtzit  dann  des  teufeis  ge- 
sphenst  Luther  und  Emser  streitschr.  l,  17  Enders;  ist 
doch  im  grundt  kein  fleisch,  sondern  mehr  ein  zusammen 
gehackter  lucker  schwamm  Wirsung  arzneib.  (1588)538'=; 

die  Jungfer,  die  hier  liegt,  war  Jungfer  nicht  im  gründe 

LoGAU  Sinngedichte  392  E. ; 

daher  m.it  Vorliebe,  wo  es  sich  um  gleichsetzung  dem 
scheine  nach  verschiedener  dinge  handelt:  im  grünt  ists 
ein  ding,  die  näm  werden  nur  .  . .  verändert  Aventin 
4,  104,  24  L.;  ob  gleich  im  gründe  mit  dem  einen  so  viel 
gesagt  ist,  als  mit  dem  andern  J.  E.  Schlegel  w.  a,  899; 
die  gelehrsamkeit  war  im  gründe  wenig  von  der  des 
früheren  Zeitraums  unterschieden  M.  I.  Schmidt  gesch. 
d.  Deutschen  3,  118;  wie  ähnlich  im  letzten  gründe  motiv 
und  bau  dieser  beiden  dramen  Schillers  ist  G.  Freytag 
w.  14, 13 ;  plastischer  (mit  rückgreifen  aufB  1  'grundform') : 
wie  die  maierei  Mengs  und  Dietrichs  schon  im  rohesten 
gründe  auf  dem  rothbemahlten  Schilde  Hermanns  glänzte 
Herder  5,  142  S.  wo  ein  gegensatz  gegen  den  äuszeren 
schein  nicht  mehr  deutlich  ist,  bekräftigt  im  gr.  doch  das 
nicht  unmittelbar  einleuchtende  und  augenfällige;  daher 
gleichbedeutend  mit  'genau  betrachtet,  genau  genommen': 

und  wem  schmeichelts  doch 
im  gründe  nicht,  sich  gar  so  werth  und  theuer, 
von  wems  auch  sey,  gehalten  fühlen 

Lessing  3, 164  (Nathan  5,  6)  M. ; 

im  gründe  schien  Mariane  zur  lehrerinn  so  wichtiger 
Wissenschaften  nicht  eben  geschickt  zu  seyn  Nicolai 
Seb.  Nothanker  1, 176 ;  gesteigert:  wir  möchten  .  . .  auf  die 
falschen,  krankhaften  und  im  tiefsten  gründe  heuchle- 
rischen maximen  derb  und  unerbittlich  losgehen  Göthe 
IV  28,  109  W.;  seit  dem  \S.  jh.  verbtaszt  auch  das:  wir 
wären  doch  im  gründe  recht  übel  angeführt,  wenn 
der  geist  ausbliebe  I  22,  190;  wir  waren  im  gr.  alle 
froh,  diese  einöde  zu  verlassen  Ulr.  Bräker  sämtl. 
sehr.  1,  54;  wie  gar  nichts  er  im  gründe  an  mir  habe 
MÖRiKE  3,  55  Göschen,  im  gründe  genommen  erst  seit 
dem  19.  Jh.:  und  daraus  konnte  ich  mit  recht  schlieszen, 
wie  er  im  gründe  genommen  damit  einverstanden  sei, 
dasz  .  .  .  E.  Th.  A.  Hoffmann  l,  249  Or.;  bei  ihrer  im 
gründe  genommen  ganz  auf  Wirtschaftlichkeit  ...  ge- 
stellten  natur   Fontane  I  5,  I9.     Campe  erklärt  wb.  2, 


719 


GRUND  IV  B  5 


GRUND  IV  C  1 


720 


469  in  gründe  für  die  bessere  form,  wohl  im  gedanken  an 
von  gründe;  doch  ist  das  nur  vereinzelt  überliefert:  ain 
vorschwester  {im  kloster),  war  aber  in  grund  ein  glatter, 
junger  gesell  gewest  zimmer.  chron.  3,  436,  10. 

b)  aus  dem  gründe  steht  vielfach  in  parallele  oder  con- 
currenz  mit  im  gründe;  das  ursprüngliche  'vom  funda- 
ment  ab'  erscheint  in  älterer  spräche  noch:  an  der  münster- 
kilchen  .  .  .,  die  abt  Embrich  nach  der  brunst  von 
nüwem  usz  dem  grund  anüeng  buwen  Äg.Tsghudi  chron. 
helvet.  1,  12;  die  mauern  wurden  aus  dem  äuszersten 
gründe  wohl  aufgeführt  Weise  drei  ärgsten  erznarren 
6  ndr.;  in  der  regel  aber  übertragen  'von  den  anfangen 
ab,  gründlich'. 

«)  icie  im  gründe  vorwiegend  bei  verben  geistiger  thätig- 
keit  im  weitesten  sinne;  zuweilen  noch  mit  sinnlicher  an- 
schauung:  deren  viel  und  mancherley  hierinnen  gantz 
ernstlich  .  .  .  ausz  dem  rechten  grund  her  geführet,  be- 
schrieben .  .  .  werden  theatr.  diabol.  (1589)  vorr.  3  •> ;  die 
Wendung  ist  alt:  he  vragede  ersten  üt  de  grünt  den  kater 
van  den  musen  Reinke  de  vos  gl.  l,  12;  aber  bis  ins 
17.  jh.  nur  spärlich  belegt: 

der  wird  üch  brichten  usz  sim  mund 
des  anfangs  trom,  end  usz  dem  grund 

Schweiz,  schausp.  des  iß.jh.  3,ß3Bächtold; 

und  ausz  dem  grund  bewisen  sie, 
dasz  kein  weiser  solt  freyen  nie 

Fisch  ART  anweisung  z.  Ismeniue  377,  9  H.; 

die  belege  häufen  sich  erst  mit  dem  17.,  iS.jh.;  aus  dem 
gründe  löst  das  ältere  im  gründe  ab,  das  im  18.  jh.  ganz 
selten  ist:  es  (das  mädchen)  weisz  sein  Christentum  aus 
dem  gründe  und  in  dem  gründe  Lenz  ges.  sehr.  1,  10 
Tieck;  z.  th.  dieselben  verba  wie  bei  im  gründe : 

das  sol  mein  Ephraim  gar  bald 
erfaliren  und  mich  dergestalt 
recht  aus  dem  grund  erkennen 

P.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,381^; 

es  ist  die  weiszheit,  die  kein  mann 
recht  aus  dem  gründe  wissen  kann 

P.  Gerhard  ib.  426»; 

viele,  die  von  der  kirchenhistorie  aus  dem  gründe  ge- 
schrieben, haben  dennoch  den  Altheimischen  synodum 
übergangen  Hahn  histor.  (l72ljf.)  2,  21  not.  a;  auch  von 
den  allerschwerestenhypothesibus  künstlich  und  aus  dem 
gründe  disputirn  Rätel  Curäi  chron.  262 ;  einen  eigenen 
curirer  .  .  .,  mit  welchem  ich  zuvor  von  dieser  Sachen 
auszm  gründe  mündliche  Unterredung  halten  .  .  .  könte 
acta  publ.  2,  311  P.  die  der  modernen  spräche  geläufigste 
Verwendung  neben  verstehen  erst  im  18.  jh.  recht  entfaltet : 
du  es  einmahl  recht  aus  dem  grund  verstündest  Spee 
güld.  tugendb.  vorr.**  3^;  ja  das  hauswesen  verstehet 
mein  weib  aus  dem  gründe  ollapatrida  140, 11  Wiener  ndr. ; 
jung  auch  bei  untersuchen,  studieren,  lernen  u.a.:  des 
Verfassers  vorhaben,  die  natur  der  poetischen  mahlerey 
aus  dem  grund  ...  zu  untersuchen  Breitinger  crit. 
dichtkunst  (i740)  1,  4;  sein  zweck  war,  die  medicin  auf 
einer  Universität  aus  dem  gründe  zu  studieren  Jung- 
Stilling  sehr,  l,  254. 

ß)  bei  einer  reihe  negativer  verba,  die  ein  beseitigen 
ausdrücken  {hier  trifft  sich  die  formet  mit  von  gr.  aus, 
s.  0.  A  i  G  ß):  so  aber  der  prästen  widerum  kompt,  so 
soll  mans  mit  .  .  .  eynem  scharfen  schärlin  fein  subtil 
ausz  dem  grund  abschneiden  Sebiz /eWöau  (1579)  154;  in 
welcher  (Stellung)  man  so  lange  fest  zu  stehen  vermöchte, 
bis  die  eingerissene  Schwierigkeit  ausm  gründe  wider- 
umb  gehoben  würde  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  2,  104; 
die  nachdrückliche  art  .  .  . ,  mit  welcher  er  sie  (die 
zweifei)  nicht  blosz  zu  verkleistern,  sondern  aus  dem 
gründe  zu  heben  sucht  Lessing  7,  12,  21  M.;  gelegentlich 
auch  mit  der  bedeutungsschattierung  von  4  a  J":  eine  solche 
cur,  dadurch  die  kranckheit  nicht  ausz  dem  grund  ge- 
hoben, sonder  nur  zum  schein  geheilet  wird  Blancard 
med.  wb.  430;  je  länger  je  mehr  zur  bloszen  quantitäts- 
bezeichnung  verblassend:  und  die  mehrsten  ...  haben  sich 
ohnehin  dabei  das  othemholen  aus  dem  gründe  abge- 
wöhnt FoüQUE  altsächs.  bildersaal  2, 194;  namentlich  zwei 
gruppen  von  verben:  verderben,  vertilgen: 


nun  ist  es  zeit,  jetzt  ist  die  stund, 

sie  {die  lutherischen)  zu  vertilgen  aus  dem  grund 

Opel-Cohn  dreiszigjähr.  krieg  105; 

wir  haben  es  an  nichts  fehlen  lassen  .  .  .,  das  drama 
aus  dem  gründe  zu  verderben  Lessing  lO,  30  M.;  später 
meist  beschränkt  auf  menschen :  nachdem  sie  (Lydia)  aus 
dem  gründe  verdorben  war  Göthe  23,  .52  W.;  heilen: 
der  saft  ...  heylet  den  aussatz  ...  ausz  dem  grund  Sebiz 
f eidbau  (l579)  2i6;  im  älteren  nhd.  sehr  häufig;  eine  arznei 
.  .  .,  die  aus  dem  gründe  curiert  Göthe  23,  303  W.;  bei 
Göthe  auch  in  anderen  Verbindungen  positiven  Charakters: 
doch  kann  ich  völlig  zufrieden  seyn,  meine  entzwecke 
aus  dem  gründe  erreicht  zu  haben  IV  8,  332 ;  wie  glück- 
lich fühlt  man  sich,  wenn  man  einmal  mit  gr.  etwas 
aus  dem  gründe  loben  kann  IV  20,  297  W. 

C.  grund  ist  das,  woraus  die  existenz  eines  dinges  folgt 
(daher  sagt  man  grund  und  folge,  aber  Ursache  und  Wir- 
kung), die  logik  fordert:  ein  jeder  satz  musz  einen  gr. 
haben  und  ein  jedes  ding  musz  einen  gr.  haben  Kant 
3,  327  H.  und  spricht  demgemäsz  von  dem  satze  vom 
gründe,  welcher  allem  erkennen  zu  gründe  liegt  Dilthey 
einl.  in  d.  geisteswissenschaften  1,  55.  Schopenhauer 
hat  in  der  abhandhing  über  die  vierfache  wurzel  des 
Satzes  vom  zureichenden  gründe  (tv.  l,  11  Qr.)  statt  der 
üblichen  zweitheilung  in  erkenntnis-  und  realgrund  (s.  o. 
Kant)  vier  erscheinungsarten  des  Satzes  aufgestellt;  an 
seine  einiheilung  lehnt  sich  die  folgende  darstellung  an, 
unter  verzieht  auf  die  nur  für  die  apriorischen  formen 
der  anschauung  gültige  ratio  essendi.  die  neue  bedeutung 
hat  sieh  entwickelt  aus  gr.  'fundament',  aber  nicht  ein- 
heitlich; vielmehr  konnten  verschiedene  aus  'fundament' 
abgeleitete  bedeutungsrichtungen  in  die  ledeutungen  causa, 
ratio  ausmünden,  im  späten  mhd.  erst  ansätze  dieser 
entivicklung,  die  namentlich  in  der  spräche  der  mystik 
nachzuweisen  sind  (vgl.  die  oben  I  E  6  citierte  Untersuchung 
von  Herm.  KuNiSGH  s.Ziff.);  erst  seit  dem  le.  jh.  die 
abklärung  zu  völliger  abstraction,  erst  seit  dem  18.  jh. 
die  weite  ausbreitung,  die  die  begriffe  in  der  modernen 
Sprache  zeigen;  von  den  dialekten  nicht  gleichmäszig  auf- 
genommen: im  elsäss.  z.  b.  ist  gr.  'Ursache'  selten  Martin- 
LlENHART   1,  278. 

l)  grund  des  seins  und  Werdens  (realgrund;  vgl.  ratio 
fisndi).  die  causalität  bedingt  den  Zusammenhang  zwischen 
realem  gr.  und  realer  folge:  dasz  eine  so  grosze  frucht- 
barkeit  (an  folgen)  in  dem  wesen  eines  so  einfachen 
grundes  (loie  das  dasein  einer  atmosphäre)  liege  Kant  6, 
55  H.;  verloren  ist  nichts  .  .  .  nur  das  äuge  vermag 
nicht  des  grundes  unendliche  folgenkette  zu  übersehen 
Bettine  Oilnderode  l,  7.  am  frühesten  für  das  letzte 
glied  der  causalität,  gott,  als  den  gr.  alles  vorhandenen: 

du  bist  der  elementen  grünt 

H.  V.  Neustadt  gott.  zuk.  7424  Singer; 

da  man  verwunt  des  himels  grünt  {Christus) 
spöttleichen  schaut    Osw.  v.  Wolkenstein  120, 55  Seh. ; 

bis  ins  iS.  jh.  sehr  gebräuchlich: 

0  gott!   du  bist  allein  des  alles  grund 

Haller  ged.  153  Hirzel; 

von  hier  aus  ist  gr.  zum,  philosophischen  terminus  für 
das  letzte  princip  geworden :  befehlt  ihm  . .  .  nicht  etwa 
nur  das  urwesen,  den  gr.  alles  daseyns,  aller  kräfte 
und  Ordnung,  .  .  .  sondern  seinen  eignen  verstand  zu 
schaffen  Herder  22,  5  S.;  dasz  ein  luftkreis  existirt, 
kann  gott  als  einem  moralischen  gründe  beigemessen 
werden  Kant  6,  65  H.;  die  weit  wird  ihrem  gründe  ent- 
gegengesetzt, der  gr.  ist  die  eigenschaft  der  weit  und 
die  weit  die  eigenschaft  des  grundes.  gott  heiszt  gr. 
und  weit  zusammen  Novalis  3,  273  Minor;  vgl.  du  sollst 
mir  den  gr.  der  dinge,  die  geheimen  springfedern  der 
erscheinungen  der  physischen  und  moralischen  weit  er- 
öffnen Klinger  w.  3,  54;  man  wird  in  ein  düsteres  grü- 
beln hineingelockt  über  vorsieht,  Schicksal  und  letzten 
gr.  aller  dinge  Stifter  iv.  3,  7;  die  letzten  gründe  der 
dinge  Hebbel  li,  6  W. ;  vgl.  eine  spekulative  Untersuchung 
über  die  letzten  gründe  des  rechts  Jhering  geist  d.  röm. 
rechts  2,  1,  58.  erheblich  jünger  ist  die  allgemeinere  form 
des  gebrauchs:  der  gr.  der  harmonie  entdeckte  sich  im 


721 


GRUND  IV  C  2.  3 


GRUND  IV  C  4.  5 


722 


bau  der  körper  selbst,  in  den  jeden  erklongenen  ton 
begleitenden  mittönen  Herder  22,  66  S.;  sieht  man  . . . 
die  ausübung  der  meisten  tagenden  nicht  nur  als  pflichten, 
sondern  auch  als  den  gr.  unseres  Wohlergehens  an  S.  v. 
Laroche  /rl.  v.  Sternheim  1,  42;  jene  einfachheit  der 
substans  wird  nicht  vorausgesetzt,  als  sey  sie  der  wirk- 
liche gr.  der  Seeleneigenschaften  Kant  2,  518  H.;  über- 
haupt nimmt  der  Verfasser  auch  die  furcht  und  den 
bürgerlichen  contract  als  den  ersten  gr.  der  Staaten  an 
K.  L.  V.  Haller  restaur.  d.  staatswiss.  l,  63;  das  dogma 
...  ist  herausgerissen  aus  seinem  zusammenhange  mit 
der  tatsächlichen  weit,  in  der  es  den  gr.  ...  seiner 
existenz  .  .  .  fand  Jhering  geist  d.  röm.  rechts  l,  48; 
dieser  mann  war  von  einer  sehr  zornigen  natur;  statt 
aber  den  gr.  davon  in  sich  zu  suchen  Aurbacuer  volks- 
büchl.  76. 

2)  grund  des  handelns  (motivation;  vgl.  ratio  agendi); 
hier  handelt  es  sich  um  eine  durch  den  geist  des  men- 
schen hindurchgehende  causalität;  also  ein  specialfall  des 
vorigen,  als  'beweggrund'  am  frühesten  nach  aus;  darin 
zeigt  sich  der  Ursprung  der  abstracten  bedeutung,  die  Vor- 
stellung 'von  einer  grundlage,  einem  ausgangspunkte  aus' 
(».  u.  5  c  ^) ;  ohne  die  präp.  aus  erst  seit  dem  18.  jh.  voll 
entfaltet:  aber  wenn  man  ...  einen  namen  verschweigt, 
80  musz  ein  gr.  vorhanden  seyn  J.  J.  Schwabe  belust. 
1,  167; 

wann  du  der  thaten  grund  uns  würdigest  za  lehren, 
dann  werden  alle  dich,  o  vater,  recht  verehren 

Haller  ged.  142  Hirzel; 

ich  hasse  dich,  Sabin;  doch  weis  ich  nicht  weswegen: 
genug,  ich  hasse  dich,   am  grund  ist  nichts  gelegen 

Lessing  l,  12  Jf.; 

enthülle  den  gr.  deiner  Verfolgung,  den  neid  Herder  27, 
325  S.;  vorher  selten  ganz  abstract:  dir  {Fortuna)  ist 
gnugsam  kund  der  gr.  meiner  . . .  bemühungen  und  rath- 
schläge;  den  zweck  meiner  welterstreckenden  hoffnung 
weist  du  gar  wol  Schottel  friedenssieg  175,  21  ndr.; 
ältere  anwendung  beruht  gewöhnlich  noch  auf  der  sinn- 
lichen Vorstellung  (gr.  =^  grundlage):  geitigkait  ist  ain 
gr.  der  weibischen  sünden  Albr.  v.  Eye  spieg.  d.  sitten 
(1511)  Bö»;  der  wacher  ist  ain  starcker  gr.  des  uner 
settlichen  geitzes  der  pfaffen  Jac.  Strausz  haupst.  wider 
den  Wucher  (l523)  2*. 

s)  grund  des  wahren  {logischer  gr. ;  vgl.  ratio  cogno- 
scendi).  gr.  regelt,  beschränkt  auf  die  Masse  der  abstracten 
Vorstellungen,  den  Zusammenhang  des  denkens;  die  ent- 
Wicklung  dieser  bedeutung  vollzieht  sich  wesentlich  im 
i6.  Jh.:  ich  befind  drey  starcke  gr.,  ausz  wilchenn  mich 
angreyfet  das  .  .  .  buchle  des  romanisten  von  Leyptzick. 
der  erst  und  aller  sterckist,  das  er  mich  schiltit  eynen 
ketzer  .  .  .  der  ander  gr.  ...  ist  naturlich  vornunft  .  .  . 
der  dritte  gr.  ist  ausz  der  schrift  genommen  Luther 
6,  290;  302  W.  gemeint  ist  also  'argumente,  mit  welchen', 
aber  die  Vorstellung  von  gr.  als  'grundlage,  ausgangs- 
punkt'  ist  noch  so  deutlich,  dasz  sie  die  präpos.  aus 
rechtfertigt;  ich  frag  nach  dem  gr.  yhrer  meynung  ausz 
der  heyligen  schrift,  so  faren  die  lieben  larven  eynher. 
und  an  statt  des  grunds  zeygen  sie  an,  was  sie  hallten 
9,  717;  vgl.  zur  bedeutung sentwicklung  ferner  gr.  des 
glaubens,  gr.  der  schrift,  oben  A  2  c.  zunächst  'erkenntnis- 
grund',  der  die  Voraussetzung  jedes  urthe.ils  bildet:  auch 
die  schwermer  yn  so  viel  falschen  lügen  und  grund- 
losen gründen  drüber  ergriffen  sind  Luther  26,  147  W.; 

'du  hast  Unsterblichkeit  im  sinn; 
kannst  du  uns  deine  gründe  nennen?' 

GÖTHE  3,  278  TT.; 

männer  richten  nach  gründen,  des  weibes  urtheil  ist  seine 
liebe  Schiller  11, 187  G. 

der  erkenntnisgrund  wird  zum  'beweisgrund' .  wo  es  sich 
um,  die  logische  entwicklung  eines  urtheils,  namentlich 
andern  gegenüber,  handelt:  argumenti  ragioni  grundt  ein 
ding  damit  zu  bewehren  und  wahr  zumachen  Hulsius 
(1618)  2*;  argumentum  gr.,  zeygung  Orsäus  nomencl. 
method.  (1623)  12;  wenn  wir  der  Wahrheit  ehnlichen  grün- 
den weichen  .  .  .,  das  ist  Überredung  Comenius  janua 
(1638)  cap.  358;  ich  habe  wider  die  gründe,  die  man  zu 

IV.  1.  6. 


dem  ende  anführet,  nichts  einzuwenden  Liscow  satyr. 
u.  ernsth.  sehr.  (1739)  vorr.  51;  wird  es  ihm  niemals  an 
gründen  und  autoritäten  fehlen  sie  {die  meinung)  geltend 
zu  machen  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wiss.  2,  76;  welches 
ein  verdriesziicheres  geschäft  sey:  die  lichter  putzen  oder 
weiber  durch  gründe  zu  belehren  Börne  sehr.  (I829j7".) 
6,  6;  wenn  gründe  so  gemein  wären  wie  brombeeren 
Shakespeare  1,261;  danach:  bei  dir  wachsen  wirklich... 
die  gründe  gemein  wie  die  brombeeren  Immermann  2, 
116 -B.,-  gegensatz  ist  'gewaW :  hier  {im  kämpf  der  sprachen) 
wird  nicht  mit  gewalt  gestritten  sondern  mit  gründen 
A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  i,  6;  wo  men  keini  gründ 
hed,  brucht  men  d'  füst  Staub  Tobler  2,774;  oder'thaten': 
dir  beweisen  gründe  nichts,  man  musz  mit  thaten  kom- 
men Ebn  ER-Eschen  BACH  ges.  sehr.  4,  23;  mit  gründe 
chann  me  nid  stock  spalten  'man  soll  nicht  räsonnieren, 
sondern  hand  anlegen'  Staub-Tobler  2,  774;  oder  'wort- 
geplänkeV: 

auf  beyden  selten  sind  die  waffen  mancherley : 
bald  gründe,  bald  nur  witz  und  leichte  spötterey 

Uz  267  Sauer; 

verstärkt:  verknüpft  die  beweiszthumbs  gründe  und  folge- 
rungen  scharfsinnig  in  schluszformen  COMENius./anua 
(1638)  cap.  750;  der  gr.  des  beweises  beweisgrund  Kant 
8,  60  H. 

4)  die  bedeutungen  l  und  8  können  dadurch  variiert 
werden,  dasz  gr.  und  folge  nicht  rein  objectiv,  sondern 
als  ein  berechtigendes  und  berechtigtes  in  beziehung  gesetzt 
werden;  meist  in  festen  formein  wie  gr.  haben,  finden, 
es  ist  gr.,  gr.  liegt  vor  u.  ä.;  erst  seit  dem  18.  jh.  häufig: 
ich  wil  nichts  damit  sagen,  als  dasz  ich  noch  zu  wenig 
gr.  habe,  die  allgemeinheit  meines  urtheils  . .  .  um  ihret 
willen  einzuschränken  Lessino  2,  b^M.;  das  volk  ,  .  . 
fand  nunmehr  an  seiner  sieghaften  klugheit  .  .  .  neue 
gründe,  ihn  zu  verehren  Haller  Z7«on/7  (i77i)  16;  er  mag 
gründe  haben,  es  kann  eigensinn  sein  Klinger  w.  l, 
205;  auch  wenn  sie  ihn  nicht  kennten,  so  ist  aller  gr. 
zu  glauben  Stifter  w.  i,  129;  welchem  gründe  zufolge 
hr.  H.  imer  statt  des  konsonanten  j  den  vocal  i  schreibt 
A.  W.  Schlegel  ll,  5;  mit  Vorliebe  negativ:  darab  were 
zu  mercken,  dasz  sein  fürnemen  ausz  mfitwillen  und 
boszheyt  geschehe,  und  keynen  grung  auf  im  trüg  Car- 
bach  Livius  (l65i)  47  r;  wer  wird  .  .  .  solchen  grillen 
nachhängen,  die  doch  eigentlich  gar  keinen  gr.  haben 
E.  Th.  A.  Hoffmann  12,  17  Gr.;  zur  entschuldigung  war 
kein  gr.  A.  v.  Arnim  9,  S9  Örtmm;  dasz  mit  den  armen 
und  elenden  leulen  irgend  etwas  nicht  richtig  sein  . . . 
müsse  und  jedenfalls  kein  gr.  vorliege,  sie  zu  bemit- 
leiden R.  Huch  triumphgasse  (1902)  6. 

5)  grund  ist  in  seiner  zusammenrückung  mit  gewissen 
Verben,  adjectiven  und  sinnverwandten  Substantiven,  sowie 
in  seinen  vielfältigen  gebrauchsformen  nicht  immer  an 
eine  der  angeführten  Specialbedeutungen  gebunden;  deshalb 
müssen  diese  fälle,  die  gutentheils  auch  für  das  Verständnis 
der  bedeutung sentrcicklung  wichtig  sind,  gesondert  behan- 
delt werden. 

a)  gr.  haben  m,it  sächlichem  subject;  auch  im  älteren 
nhd.  schon  verbreitet;  aber  der  ausgangspunkt  'grundlage' 
ist  oft  noch  deutlich  spürbar  gegenüber  dem  abstracten 
modernen  gebrauch;  vgl.  dasz  diese  antwort  keinen  fusz 
noch  gr.  habe  J.  Radius  gründl.  ableinung  (1592)  38; 
bedeutung  'richtig  sein,  wahr  sein'  {vgl.  B  4),  dann  auch 
'berechtigt  sein'  {s.  o.  4): 

du  fürstin  sprach:  'das  haut  nit  grünt 
ich  vörcht,  die  urteil  sy  verlorn' 

H.  V.  Sachsenheim  mörin  1920; 

das  aber  etliche  bucher  von  dem  Habacuc  melden,  er 
habe  .  .  .,  hat  widder  gr.  noch  schein  {ist  weder  wahr 
noch  wahrscheinlich)  Luther  19,  354  W., 

mein  Juncker,  komt  zu  diser  zeit 

der  abt,  hat  die  kundschaft  ein  grund? 

H.  Sachs  21,  5  JST.-ff.; 

zu  Qninsay  hat  es  bimen,  die  wägen  auf  zehn  pfund; 
es  wird  davon  geschrieben,  hats  aber  auch  wol  grund? 

Logau  sinnged.  655  E. ; 

46 


723 


GRUND  IV  C  5 


GRUND  IV  C  6 


724 


ew.  excellenz  sage  gehorsamsten  dank  für  die  mitthei- 
lung  gr.  habender  neuigkeiten  Göthe  IV  19,  176  W.; 
manche  hängen  gerne  die  silbe  en  an  Wörter,  die  auf 
lieh  endigen,  an:  ...  welches  aber  gar  keinen  gr.  hat 
GuEiNTZ  d.  rechtschr.  (1666)  24;  wenn  eine  Vermutung 
...  gr.  hat  und  harz  dem  pech  gleichsteht  Jac.  Grimm 
kl.  sehr.  3, 136;  wat  wie  schwatzet,  hiät  gründe,  drümme 
kannt  de  ganze  weit  wietten  Bauer- Collitz  189»; 
ähnlich:  es  hat  einigen  gr.  est  aliquid;  es  hat  keinen 
gr.,  was  er  sagt  nihil  est  quod  dicit  Stein bach  1,  649. 
gr.  vor  sich  haben  'recht,  die  Wahrheit  auf  seiner  seite 
haben'  Krünitz  20,  255;  alle  neuern  Versicherungen  des 
goldreichthums  von  .  . .  Habesch  haben  keinen  in  den 
quellen  bestätigten  gr.  für  sich  Ritter  erdk.  i,  249.  dazu 
die  adjectiva  gut  und  schlecht:  das  warhaftig  die  bebst- 
lich  gesetz  .  .  .  kein  guten  gr.  haben  H.  v.  Gronberg 
sehr.  5ndr.;  ob  diese  muthmaszung  aber  einen  guten 
gr.  habe,  .  .  .  wird  .  .  .  gezweifelt  Prätorius  Blockes- 
berges Verrichtung  (1668)  92; 

dein  red,  o  liebe  hätz, 
hat  schlechten  grund,  ist  nur  geschwätz 

W.  Spangenberg  ganskönig  1,  252  M. 

seinen  guten  gr.  haben  erst  mit  dem  19.  jh.  häufiger: 
das  hatte  aber  auch  seinen  guten  grund  0.  Ludwig 
ges.  sehr.  2,  81;  öfter  plural:  dasz  ich  ...  keine  langen 
briefe  von  dir  erhalten  will,  das  hat  seine  guten  gründe 
Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  4,  128;  seltener  persönlich: 
nun  sie  muszten  wohl  ihre  guten  gründe  gehabt  haben 
Gaudy  s.  w.  2,  83.  gr.  haben  in;  ursprünglich  'grund- 
lage' :  ich  brief schribender  art  (die  zö  gutem  teil  ...  in 
der  rhetoric  reglen  grundt  hat)  zepflegen  mich  üb  Bie- 
derer rhetoric  (l493)  a  3»;  frühzeitig  spielt  'beueisgrund' 
hinein:  aber  das  Juden  fasten  .  .  .  hat  kein  gr.  in  der 
geschryft  Es.  v.  Günzburg  l,  22  ndr.;  wen  man  aber 
fragt,  wo  sie  des  ynn  der  schrift  gr.  haben,  blaszen  sie 
sich  auf  Luther  7,  899  W.;  mit  reflex.  erst  seit  dem 
18.  Jh.,  den  thatsächlichen  gr.  bezeichnend:  im  vierten  buch 
ist  die  heutige  Staatsverfassung  von  Engelland  mit  we- 
nigen änderungen  beschrieben,  die  doch  auch  ihren  gr. 
in  der  geschichte  haben  Haller  Alfred  (1773)  vorr.  4. 
b)  adjectiva  neben  gr. ;  stark,  schwach  u.  ä.  sind  die 
ältesten;  in  ihnen  wirkt  der  reale  ausgangspunkt,  die  be- 
deutung  'fundament'  nach;  sie  ist  noch  spät  bewuszt: 

Maffei  meynung  triumphirt 

und  steht  auf  scheinbar  festen  gründen 

Triller  poet.  betracht.  1,  376; 

wie  woll  diss  nicht  mein  sterckister  gr.  ist,  wie  Heyntz 
{Heinr.  VIII.  v.  Engl.)  lügener  leugt  Luther  10,2, 258  TF.; 
das  seye  bei  ihm  ein  stärkerer  gr.  Mozart  bei  0.  Jahn 
3,  18;  wann  man  wüszte,  wie  ein  blöden  gr.  haben  der 
Orden  regel  Eb.v.  Günzburg  1,33  ndr.;  mit  unmächtigen 
.  .  .  gründen  Neumark  t.  pälmbaum  (i668)  53; 

ha,  ihr  entschuldigt! 
mit  schwachen  gründen,  oder  mit  thörichten 

Klopstock  öden  2, 16  M.-P. ; 

aus  derselben  grundvorstellung  heraus:  er  . . .  verstärkte 
meine  gründe  durch  den  Zusammenhang,  den  er  ihnen 
gab  Göthe  23,  58  W.;  aus  verstärkten  gründen  bitt  ich 
dich  darum  Caroline  i,  24  W.;  im  19.  jh.  gehen  diese 
adj.  zurück,  tief,  seicht  erklärt  sich  durch  secundärea 
hereinspielen  der  bedeutung  'boden  eines  gewässers' ;  erst 
seit  dem  18.  jh.:  mit  scharfem  schlusz  und  tiefgesuchten 
gründen  Drollinger  gedichte  (1743)  50;  doch  musz  es 
, .  .  einen  tieferen  gr.  gehabt  haben  Arndt  s.  w.  1,65  R.; 
seichte  gründe  für  eine  sache  anführen  Campe  2,469; 
vgl.  wie  tief  der  gr.  auch  liegen  mag  Mörike  werke  3,  65 
Oöschen.  wo  sonst  adjectiva  eine  sinnlich-bildliche  auf- 
fassung  von  gr.  andeuten,  hat  sie  mit  den  ursprüng- 
lichen bedeutungen  des  wortes  nichts  zu  thun :  mit  wich- 
tigen gründen  euch  zum  kriege  zu  bereden  Lohenstein 
Arminius  (1689/.)  i,  19»; 

man  glaubet,  was  man  wünscht,  das  herz  legt  ein  gewicht 
den  leichtem  gründen  bei  Haller  ged.  biüirzel; 

mit  überwiegenden  gründen  Göthe  II  6,  37  W.;  daher 
auch:  ich  wäge  keine  gründe  Lichtenberg  aphorism. 
2,  6  L.;   so  will  ich   kommen,  und  ihren   gründen  das 


gewicht  geben  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.  (l83i)  i,  28; 
aus  sehr  naheliegenden  gründen  Moltke  sehr.  7,  25; 

wie  sinnreich  bist  du  doch,  in  weitgesuchten  gründen 
den  vorwand  einer  that,  nach  der  du  strebst,  zu  finden 

Gottsched  d.  Schaubühne  4,  32. 

die  weitaus  meisten  adjectiva  fassen  gr.  rein  abstract; 
ein  theil  von  ihnen  beurtheilt  die  gründe  von  innen  heraus 
nach  wesen  und  Wirkung  {meist  logischer  gr.) ;  alt  ist  satt 
(namentlich  im  16.,  17.  jh.  häufig):  dasz  forthin  one  satten 
gr.  .  .  .  nit  mehr  so  leichtlich  glauben  geben  weiten 
Amadis  l,  62  Keller;  auch  falsch:  das  man  aus  solchem 
nichtigen,  falschen  gründe  sol  leucken  die  helle  wort 
Christi  Luther  26,  281  W.;  die  buntheit  der  modernen 
Sprache  wesentlich  erst  seit  dem,  18.  jh.:  ein  glaubhafter 
grund  Lohenstein  Arminius  (1689/.)  l,  123*";  sehr  trif- 
tige gründe  Arghenholz  England  u.  Italien  1,  l;  über- 
zeugende gründe  discourse  d.  mahlern  2,  67;  ohne  den 
gültigsten  gr.  E.M.Arndt  .s.  w.  1,13  R.;  sie  hören  dispu- 
tieren mit  gleich  scheinbaren  gründen  Görres  ges.  br. 
8,  163;  der  zureichende  gr.  ihn  bös  zu  machen  v.  Loen 
ges.  kl.  sehr,  i,  31;  dagegen  giebt  es  auch  keinen  nöthi- 
genden  gr.  .  .  .  zu  verwerfen  W.  v.  Humboldt  4,  5  ak. 
ausg.;  später  zwingender  gr. ;  gut  ziemlich  beschränkt  auf 
gr.  haben  (».  o.  5  a)  und  gewisse  präpositionale  tcendungen 
{s.  u.  c);  ähnlich  schlecht;  fondamenti  aerei  eitle  und 
nichtige  gründe  Castelli  ital.-teutsch  (1741)  l,  19*;  mit 
ungereimten  gründen  Neukirch  ged.  (i744)  173;  mit  hand- 
greiflichen gründen  v.  Einem  Mosheims  kirchengesch.  2 
(1770),  203;  unerschöpflich  sind  die  adjectiva,  die  die  gründe 
nach  äuszern  gesichtspunkten  sondern,  nach  der  Zugehörig- 
keit zu  geicissen  gebieten,  z.  b.  dasz  sie  {die  gelehrten) 
historische  gründe  dazu  haben  könnten  Lessing  9,  44  M.; 
das  meist  unmoralische  leben  der  künstler  hat  doch 
auch  einen  philosophischen  gr.  Schubart  leben  l,  156; 
politische  gründe  Scherer  liter.-gesch.  32;  oder  nach 
ihrem  Zusammenhang  mit  geistigen  qualitäten,  m,omenien 
des  sittlichen,  des  affects  u.  ä.,  z.  b.  noch  ein  edlerer  gr. 
als  das  blosze  bedürfnisz  Savigny  beruf  uns.  zeit  1; 
ich  hatte  dir  geschrieben  aus  ernsten  gründen  Bettine 
frühlingskranz  309.  einfach  nach  aus  scheint  ganz  jungen 
Ursprungs:  zu  einer  auseinandersetzung  . . .  konnte  . . . 
aus  dem  einfachen  gründe  kein  anlasz  gegeben  sein, 
weil  .  .  .  Bennigsen  nationallib.  partei  (l892)  20;  ohne 
diese  besondere  färbung  ist  es  älter:  ein  langes  geschwätz 
. . .  das  auf  meine  einfachen  gründe  paszte  wie  die  faust 
aufs  äuge  L.  Schücking  in  Droste-HOlshoff  br.  184; 
vgl.  den  beleg  aus  Kant  oben  l.  inner,  äuszer  erst  seit 
dem  19.  jh.  häufig:  aber  da,  wo  das  urtheil  aus  Innern 
gründen  hervorgehen  soll  Göthe  46,  80  W.  {Winckelm.) ; 
die  entwicklung  . . .  der  wesentlichen  eigenschaften  und 
inneren  gründe,  aus  welchen  ihr  {der  poesie)  Charakter 
und  ihr  ton  entsprang  Fr.  Schlegel  w.'^  4,  8;  in  neuester 
spräche  sehr  häufig  als  präpositionale  formet:  und  dies 
thun  wir  jetzt  bei  jeder  arbeit,  während  man  es  früher 
aus  äuszeren  gründen  nicht  überall  that  W.  H.  Riehl 
deutsche  arbeit  20. 

c)  gr.  nach  präpositionen. 

«)  früh  erscheint  aus  gr.  mit  gen.,  bis  ins  16.  jh.  nicht 
selten;  ursprünglich  'von  einem  ding  als  grundlage  aus- 
gehend':  zum  ersten  wil  der  redner  die  sach  usz  gr. 
geschribner  rechten  anwengen  Rieder  spiegel  d.  rhetorik 
(1493)  a  7'';  usz  gr.  diser  worten  Christi  und  Pauli  wil 
ich  mich  hie  entschuldiget  han  ZwiNGLi/rei/teii  d.  speisen 
31  ndr.;  eines  handeis  mit  geschwetz,  und  nicht  aus  gr. 
der  Sachen  obliegen  Friedr.  Wilhelm  sprichw.  reg.  (1577) 
n  «,  nr.  579;  die  formet  nähert  sich  früh  präpositionalem 
gebrauch  im  sinne  von  'wegen'  {vgl.  die  lat.  präposition 
causa) :  uszcr  disem  gründe  diser  begerunge  {l.  berürunge.O 
so  wurt  er  erlichen  gesunt  Tauler  pred.  38,  14  Vetter; 
anscheinend  auch  mit  Unterdrückung  des  aus:  und  bitt 
euwer  liebe  . .  .,  mir  grünt  dieser  euwer  liebe  krancheit 
...  zu  verstheen  wollen  lassen  privathr.  d.  mittelalt.  i, 
222  Steinhausen;  noch  im  heutigen  schtveiz.  (us)  gr.  dessen 
'deshalb,  in  dieser  absieht'  Staub-Tobler  2,  774;  Gampes 
aus  dem  gründe  der  erbschaft,  der  schulden  wb.  2,  469 
klingt  papieren,  läszt  sich  jedenfalls  Literarisch  nicht  be- 


725 


GRUND  IV  C  5 


GRUND  IV  G  5 


726 


legen;  doch  vgl.  junge  Wendungen  tvie  aus  gründen  der 
billigkeit  u.  ä.  {s.  u.  d  (f ),  wo  aus  gr.  wiederum  halb  prä- 
positionäl  gebraucht  ist. 

ß)  daneben  erscheint  schon  im  16.  jh.  häufig  ein  ab- 
atracter  zu  verstehendes  aus  dem  gründe,  sowohl  real- 
grund  wie  beweggrund  bezeichnend  (aus  bewegenden  grün- 
den Campe  2,  469):  so  mögen  wir  kein  inrede  haben 
das  wir  tausent  mal  mere  verschult  der  .  .  .  strafe  dan 
Lucifer  . . . ,  und  usz  dem  gr. :  wir  haben  erstlich  . . . 
H.  V.  Gronberg  sehr.  27  ndr.;  das  du  sehest,  ausz  was 
grundt  die  fürtreillichsten  alten  christlichen  lerer  .  .  . 
so  ernstlich  gerufet  Ambagh  vom  zusatifen  (i544)  a  2"* 
(aus  was  gr.  noch  im  modernen  schwäb.  Fischer  3,  872); 
anfangs  lehnt  ich  den  antrag  aus  dem  gr.  ab,  weil .  . . 
ÜLR.  Bräker  1,226;  treten  adjectiva  hinzu,  so  weisen 
frühe  belege  noch  einen  weniger  abstracten  Charakter  auf: 
dasz  man  aus  gewissen  gründen  beweisen  kan,  der 
himmel  sey  rund  theatr.  diabol.  (1569)  103";  ich  reiche  dir 
keinen  anlass  reich  zu  werden  ausz  losen  gründen  Prä- 
TORius  glückstopf  {\&&9)  vorr.  i;  habe  ich  auch  der  Scy- 
then  .  . .  apophthegmata  hinten  bey  diesem  werck  an- 
gehenckt  ausz  gnugsamen  Ursachen  und  gründen  Zink- 
GREF  apophthegm.  (1628)  65; 

man  besorgt  aus  gutem  grund 
einen  aufruhr 

Pfeffel  poet.  versuche  (1812^.)  2, 186; 

.  .  .  hat  diesem  gestirn  aus  nicht  Übeln  gründen  den 
nahmen  Uranus  gegeben  Lichtenberg  br.  2,  65  L.;  kann 
man  aus  bessern  gründen  eine  rathsversammlung  halten 
Tieck  sehr.  1,  73;  aus  dem  einfachen  gr.,  aus  inneren, 
äuszeren  gründen  s.  o.  b  achlusz;  aus  gründen  auch  präg- 
nant für  aus  gutem  gr. : 

der  kenner  stritt  mit  ihm  aus  gründen 

Gellert  s.  sehr.  1,  135; 

weil  ihn  seine  mitbürger  aus  gründen  nicht  mochten 
Gutzkow  zauberer  v.  Rom  i,  24«;  vgl.  unten  y  schlusz. 
y)  mit  gr.,  in  älterer  spräche  manchmal  noch  kräftiger 
als  heute:  'mit  beioeiskraft,  Überzeugung'  {logischer  grund); 
vgl.  argumentis  refellere  mit  gutem  gründe  verlegen 
Bas.  Faber  thes.  (i587)  78*>;  deshalb  vornehmlich  neben 
verbis  dicendi  und  sentiendi;  gewöhnlich  'mit  recht'  (s. 
oben  4): 

inmaszen  disz  gantz  klar  und  rund 
bewiesen  wird  hierinn  mit  grund 

FisciiART  die  gelehrten  die  verkehrten  43  Kurz; 

daher  man  denn  auch  keinen  man 
mit  grundt  glückselig  nennen  kan 

RiNGWALT  Christi.  Warnung  k3*; 

dieweil  einiger  undeutlichkeit  ich  mit  gründe  nicht  be- 
schuldigt werden  mag  Rabener  w.  i,  185;  und  wäre  es 
nicht  wahr,  (möchte  ich)  mit  gründe  widersprechen 
können  Göthe  IV  4,  331  W.;  denn  wie  kann  einer  mit 
gründe  glauben,  dasz  die  Offenbarung  von  gott  komme, 
wenn  er  nicht  vorher  .  .  .  Reimarus  wahrh.  d.  natürl. 
relig.,  vorber.  3;  durfte  man  nicht  mit  gr.  hoffen,  dasz... 
Ranke  s.  w.  i,  246;  ein  jedwedes  alter  hat  ...  etwas  in 
dem  geschmacke  verändert,  entweder  mit  gr.  oder  auch 
ohne  gr.  Dusch  verm.  w.  (l75i)  vorr.  1,  7"^;  sehr  häufig 
erweitert  mit  gut:  sage  demnach  mit  gutem  gründe, 
dasz  . . .  BuGHOLTZ  Herkuliskus  (1665)  6;  da  dieselben 
anderswo  mit  besserm  gründe  bemerken,  dasz...  Dusch 
krit.  u.  satyr.  sehr.  (1758)  a  4;  mit  gutem  gründe  kann 
man  an  der  Wahrheit  dieses  gerüchtes  zweifeln  Ranke 
s.  w.  80, 10;  ungewöhnlich:  da  nun  die  meisten  Verfechter 
.  .  .  aus  einem  so  unsichern  ort  stritten,  den  andre  .  .  . 
mit  so  vielem  gründe  bekämpften  Herder  5,  21  S.;  bis 
es  {das  bild)  einst  mit  gutem  fug  und  gründe  . . .  wieder 
aufgenommen  werden  könne  Fichte  2,  453;  vgl. 

{die  Welschen)  so  uns  biszhero  sich  beflissen  aufzuropfen- 
mit  falschem  grundt  und  fug 

ZiNKGKEF  apophthegm.  (1628)  **•  4»; 

gelegentlich  auch  prägnant  {vgl.  ß  achlusz):  er  wider- 
spricht mit  gründen  G.  Stephanie  lustsp.  48,  29. 

J")  ohne  gr.  gegenstück  zu  mit  gr. ;  in  älterer  spräche 
'ohne  grundlage,  beuieisgrund':  es  wirdt  vom  glauben  zu 
disputiern  bey  ihn  {den  Türken)  nit  gestat,  sonder  müsz 
alles   on   grundt   geglaubt   sein   Seb.  Franck  chron.  d. 


Türkey  (löSO)  H  4 '' ;  aber  gewöhnlich  und  früh  'unberech- 
tigtenceiae'  {s.  o.  y):  wiewol  ...  sonder  gr.  ...  also  davon 
geredt  würt  Eppendorf  Flinius  (1543)  11,  230; 

ausz  dem  ervolgt  das  widerspil 
das  man  on  grund  yetz  vil  betracht 

Forster /r.  teutsche  liedlein  17  ndr.; 

das  wunderbare,  welches  einige  kunstrichter  ohne  gr.  für 
ein  erfordernisz  der  fabel  angenommen  haben  Eschen- 
burg entwurf  {l78S)  57;  seltener  im  sinne  der  mx>tivati(m: 

meynst  du,  man  hab  uns  ohne  grund 
heute  die  doppelte  löhnung  gegeben? 

Schiller  12, 16  {Wallst.s  lager  2)  ö. ; 

neben  Substantiven:  titul  ohne  gr.  Rachel  satyr.  ged. 
80  ndr.;  es  wäre  eine  Voraussetzung  ohne  gr.,  dasz... 
Kretschmann  w.  1,  14.  —  nicht  ohne  gr.  'nicht  mit 
unrecht'  ebenso  gebraucht  wie  mit  gr. :  nicht  ohne  gr. 
glaubte  sie  sich  die  Ursache  seiner  trauer  A.  v.  Arnim 
w.  1, 146  Qrimm; 

man  sagt,  nicht  sonder  gutten  grundt, 
das  gottes  mühten  langsam  . .  .  mahlen 

BuTSCHKY  Fathmos  (1677)  75; 

häufig  als  prädicatsbegriff:  was  von  Vorzug  des  boni 
privativi  gesagt  wird,  ist  nicht  ohne  gr,  Leibnitz  dtache 
sehr.  2,  46;  und  so  wenig  freundlich  ihre  betrachtungen 
waren,  so  waren  sie  doch  nicht  ganz  ohne  gr.  Fon- 
tane I  5,  4. 

d)  arten  der  abhängigkeit  nach  grand. 

n)  abhäng,  gen.,  von,  zu,  für,  gegen,  der  gen.  und  das 
ihn  vertretende  von  drückt  rein  objectiv  causalen  Zusam- 
menhang aua  {vgl.  oben  l): 

seht,  heiszt  es,  meiner  zähren  grund, 
seht,  dieses  grabes  dunkle  schwelle  . . . 

Gottsched  gedickte  (1751)  124; 

das  was  du  .  . .  als  den  gr.  meiner  krankheit  erkanntest 
Göthe  IV  38,  279  W.; 

sieh  hier  den  ganzen  grund  von  meinen  zeilen  an 

H.  v.  HoFF.MANNSWALDAU  u.  ü.  gcdichtc  7,  227  Neukirch; 

wir  haben  leider  noch  zu  viele  gründe 
von  deiner  {des  teufeis)  existenz 

Blumauer  ged.  220; 

zu  steht,  wenn  der  antheil  des  subjects  betont  wird  {vgl. 
oben  2),  zumal  wenn  gr.  gleichzeitig  den  nebensinn  des 
berechtigenden  hat  {vgl.  oben  4);  in  der  regel  bei  hand- 
lungen  und  affecten :  Lucians  .  . .  Timon  hatte  gründe 
zum  menschenhasz  Zimmermann  einsamkeit  l,  100;  ja, 
wenn  man  immer  den  gr.  zu  allen  schönen  handlungen 
wüszte  Kotzebu E  dram.  spiele  2,  344;  der  gr.  zu  dieser 
mummerei  Deinhardstein  ges.  dram.  w.  6,  158;  dazu 
{zu  maszregeln  gegen  das  herrenhaus)  sehe  die  regierung 
keinen  verfassungsmäszigen  gr.  Bismarck  polit.  reden 
2,  26  Kohl;  daher  kann  in  analogen  fällen  der  gen.  mit 
zu  wechseln,  je  nachdem,  das  thatsächliche  oder  das  be- 
wegende des  grundes  mehr  hervorgehoben  wird: 

{der  gärtner)  findet  graus  und  wüsteney, 
den  grund  gerechten  schmertzens 

Lichtwer  äsop.  fabeln  (1748)  43; 

hier  wird  der  trostberaubten  brüst 

diesz,  was  sie  sonst  am  kräftigsten  erfreut 

ein  grund  zu  gröszrer  traurigkeit 

Pietsch  gebundene  sehr.  257  Bock. 

für  ist  nicht  an  eine  der  Specialbedeutungen  gebunden: 
der  geist  sol  sich  selbs  also  verkleren,  was  er  für  gr. 
für  seine  lügen  habe  Luther  26,  436  W.;  für  die  Zurecht- 
weisungen des  Schicksals  einen  gr.  in  meinen  fehlem 
zu  suchen  G.  Keller  ges.  w.  2,  22;  ich  kann  für  diese 
seltsame  erscheinung  keinen  andern  gr.  finden,  als  . .  . 
Moltke  sehr.  7, 17.  anders  für,  gegen  pro,  contra;  hier 
liegt  stets  eine  entscheidung  des  urtheils  vor,  also  zu  3 
zu  stellen:  meine  gründe  gegen  den  deutschen  Ossian 
Herder  5,  160  S.;  {richter:)  das  dokument  ist  nicht 
übel  . .  .  doch  die  gegenpartey  hat  längst  eins  von  glei- 
chem gewicht  eingegeben.  {Faust:)  so  müssen  wir  die 
gründe  für  uns  schwerer  machen  Klinger  w.  3,  95;  das 
ist  ein  neuer  gr.  wider  den  Selbstmord  J.  J.  Engel  sehr. 
1,  33;  elliptisch:  für  mich  .  ,  .  ist  es  .  .  .  schwierig,  die 
gründe  für  und  gegen  richtig  gegeneinander  abzuwägen 
Moltke  sehr.  7,  28. 

46* 


727 


GRUND  IV  C  6 


GRUND  V  A  1.  2 


728 


ß)  zu   mit  infin.   entspricht  zu   mit   auhst.;   ebenfalls 

zu  2  und  i  zu  stellen;  erat  mit  dem  18.  jh.  häufig;  meist 

neben  haben: 

der  sommer  hat  nicht  grund  zu  prahlen 

Günther  gedickte  (1735)  214; 

seit  Egrösund 
euch  abgefallen,  hatt  er  grund  auf  grund 
mir  abzurathen     Müllner  dram.  w.  (1828)  3, 177; 

gern  auch  neben  sein:  einigen  von  ihnen  mag  es  wohl 
gr.  genug  uns  zu  tadeln  seyn  B.  Mayr  päckchen  satiren 
(1769)  4;  grundes  genug,  ihm  zu  folgen  v.  Einem  Mos- 
heims  kirchengesch.  8  (l77l),  11;  seltener  anders: 

ersinn  ihm  gründe  zu  zögern       Bürger  w.  244  B. 

y)  als  regens  von  nebensätzen  hat  gr.  schioankende  be- 
deutung;  meist  folgt  warum: 

so  thu  uns  doch  die  gründe  kund, 
warum  die  wünsche  fehl  geschlagen 

Gottsched  gedickte  (1751)  54; 

diese  bestimmung  für  das  volk  ist  der  eine  von  den 
gründen,  warum  ich  statt  einer  neuen  aufläge  .  .  .  ein 
neues  buch  gebe  D.Fr.Strausz  ges.  sehr.  8,  xxi ;  gründe, 
warum  man  diese  bilder  dem  dreizehnten  Jahrhundert 
zuschreiben  darf  Göthe  49, 15  W.;  vor  dem  18.  jh.  selten: 
dann  ich  hab  darauf  gedrungen,  das  sie  solten  gr.  zei- 
gen, warumb  diese  wort  falsch  weren  Luther  26,  317  T^.; 
seltenere  Varianten  weshalb,  wonach: 

der  grund,  weshalb  ich  kommen  her 

Mittler  dtscke  volksbl.  218; 

indem  er  die  gründe  ausführte,  weshalb  die  Augsburger 
einrichtungen  rückgängig  geworden  Ranke  s.  w.  l,  109; 
noch  einen  politischen  grund  will  ich  anführen,  wonach 
Bürger  wohlgethan  hat  Bürger  w.  l,  178  Bohtz. 

6)  gr.  m,it  abhängigem  classifizierenden  gen.  (vgl.  die 
adjectiva  unter  6  b): 

dies  urtheil  zwar,  daucht  ihn,  bestund 
nach  augenschein,  nicht  rechtens  grund 

GiLHUSius  gramm.  (1579)  91; 

aus  dem  gründe  rechtens,  d.  h.  aus  einem  rechtsgrunde 
Campe  2,  469 ;  häufiger  unrd  der  gebrauch  erst  seit  dem 
18.  Jh.;  namentlich:  aus  gründen  der  Vernunft  Lessing 
7,  9  M.  (seit  dem  rationalismus  im  schwänge);  wenn  sie 
(die  religion)  .  . .  mit  den  gründen  der  Offenbarung  und 
der  Vernunft,  die  befehle  der  regierung  unterstützt  Th. 
Abbt  verm.  w.  2, 10;  mit  gründen  der  Vernunft  und  re- 
ligion Mörike  w.  3,  55  Göschen;  auch  als  hendiadgoin: 
so  oft  wir  frauenzimmer  unsere  aufführung  mit  Vernunft 
und  gründen  vertheidigen  Lessing  2,  37  M.  vgl.  ver- 
nunftsgrund;  die  mächte  des  luftkreises  schienen  .  .  . 
auf  gründe  der  billigkeit  zu  hören  H.  v.  Barth  Kalk- 
alpen 68. 

e)  gr.  in  typischer  Verbindung  mit  Substantiven, 
«)  gr.  und  Ursache  ist  namentlich  im  IG.  jh.  sehr  häufig ; 
die  Philosophie  sondert:  wenn  ein  ding  A  etwas  in  sich 
enthält,  daraus  man  verstehen  kan,  warumb  B  ist  ...: 
so  nennt  man  dasjenige,  was  in  A  anzutreffen  ist,  den 
grund  von  B;  A  selbst  heiszet  die  Ursache  Chr.  Wolfp 
Vernunft,  gedanken  v.  gott  (i720)  12;  ähnl.  Mos.  Mendels- 
sohn ges.  sehr.  2,  249;  sonst  wird  gelegentlich  der  gr. 
als  innerer,  rechtmäsziger  der  Ursache  als  äuszerem  an- 
lasz  gegenübergestellt:  wo  ist  der  gr.  ihn  zu  verdammen? 
(Elisabeth:)  die  bosheit  sucht  keine  gründe,  nur  Ursachen 
Göthe  8,  148  W.;  aber  meist  und  schon  früh  liegt  tauto- 
logische  Verbindung  vor:  wo  ist  nu  der  gr.  und  ursaeh, 
das  Christus  darumb  habe  das  hynzu  gesetzet  Luther 
18,  146  W.;  ein  weiser  maTi  redet,  des  er  grundt  und  ur- 
saeh hat,  aber  ein  narr  redet,  was  im  einfellet,  on  grundt 
und  ursaeh  schöne  w.  klugr.  (i548)  46*;  ausz  was  Ur- 
sachen und  gr.  wir  dich  . . .  wirdig  . .  .  achten  Stumpf 
Schweizer  ehr  on.  (1606)  330  ••;    seltener  in   Wendungen  wie: 

kein  ander  ursaeh  ist  noch  grund, 
drumb  ich  hab  aufgethan  den  mund 

Hütten  opera  1,  452  B. 

.  fug  und  gr. ;  ursprünglich  deutlich  unterschieden :  recht 
und  Ursache :  ihr  (geistlichen  herren)  habent  ye  keyne  füg 
noch  gr.  uns  zu  verweiszen,  das  ir  fromer,  gotsförchtiger 


und  gelerter  seind  Sleidanus  reden  105  B.;  doch  ist 
früh  eine  Vermischung  eingetreten;  bald  herscht  der  begriff 
der  berechtigung  (s.  o.  i)  vor,  bald  der  der  veranlassung: 

(der)  all  sein  ding  hoch  mit  Worten  plümbt, 
das  doch  hat  weder  fug  noch  grund 

H.  Sachs  9, 150  K. ; 

ein  junger  künstler  hat  ebensoviel  fug  und  gr.,  am  fusz- 
gestell  einer  antike  zu  sizzen  . .  .,  als  die  natur  selbst 
zu  belauschen  Schubart  leben  l,  201;  wenn  z.  b.  das 
Sprichwort  'freye  um  die  witwe,  weil  sie  noch  trauert' 
. . .  ohne  allen  gr.  und  fug  scheint  Körte  sprichiv.  (1837) 
XXXV ;  s.  auch  oben  y;  seltene  Variante:  mit  glimpf  und 
gutem  gr.  Mathesius  Sarepta  (l57l)  vorr,  3". 

gr.  und  zweck  bleiben  unterschieden  zum  ausdruck  der 
Ursache  und  des  beabsichtigten  erfolges:  vielleicht  gelingt 
es  uns  .  .  .,  ihre  (der  modernen  poesie)  geschichte  voll- 
ständig zu  erklären  und  nicht  nur  den  gr.,  sondern  auch 
den  zweck  ihres  Charakters  befriedigend  zu  deduziren 
Fr.  Schlegel  pros.  jugendschr.  l,  95  Minor;  der  eigent- 
liche grund  und  zweck  dieses  krieges  Mommsen  röm. 
gesch.  5,  21. 

beweis  und  gr.,  wie  die  folgenden  fälle  zu  3  gehörig; 
tautologisch:  so  ist  es  ein  sehr  starcker  beweisz  und 
gründe,  dasz  die  giftmischerin  mit  ihren  Zauberkünsten 
etwas  auszrichten  können  Nigrinus  von  Zauberern  (1592) 
79;  ebenso:  aber  es  liget  im  wege  ein  ander  argument 
und  grundt  ebda  103; 

der  menschen  kleinster  theil  fragt  nach  beweis  und  gründen 
J.  J.  Schwabe  tintcnfässl  26. 

gr,  und  meinung:  drumb  mus  ich  zwo  erbeyt  thun, 
die  erste,  das  ich  d.  Carlstads  gr.  und  meynung  kler- 
licher  darlege  Luther  18,  152  W.;  als  er  (Faust)  den 
geist  von  disen  dingen  hatte  gehört,  speculiert  «r  darauf 
mancherley  opiniones  und  gründe  volksb.  vom  dr.  Faust 
30  ndr.  Br.;  anders,  an  I  £  5  gemahnend:  es  hat  nicht 
aller  menschen  rath  gleich  guten  gr.  und  treue  meinung 
Petri  d.  Teutschen  weish.  2,  z  8'';  sondernd:  ebenso 
wird  man  aufmerksam  die  meinungen  und  gründe  an- 
derer prüfen  Göthe  47,  42  W. 

gr.  und  urkund  u.  ä.:  wolte  sich  aber  iemand  einiger 
gerechtigkeit  . . .  anmaszen,  so  soll  derselbig  zuvor  mit 
gr.  und  urkund  ...  solches  dartuen  Fischer  schiväb.  5, 
872  (a.  1615);  es  wirt  wol  mehr  dings  an  grundt  und  be- 
werung  gesagt  Luther  l,  245  W. 

V.  grund  als  technischer  ausdruck  in  künsten  und 
gewerken. 

A.  meist  bedeutet  es  die  'grundlage'  oder  'grundfläche', 
die  träger  von  eticas  anderem  ist;  also  zurückzuführen 
auf  'fundament,  basis\ 

1)  bei  den  architekten  ist  gr.,  abgesehen  von  den  in  die 
allgemeine  spräche  eingegangenen  bedeutungen  'fundament' 
(s.  0.  IV)  und  'baugrund'  (a.  o.  II  A  2  b) ;  die  grundfläche 
des  bauwerks,  in  natura  oder  in  der  Zeichnung:  also  ist 
die  pastey  unden  im  gr.  gar  mit  disen  linien  beschlossen 
Dürer  etliche  xmderricht  (1527)  a  i**;  anfencklich  werdt 
gerissen  in  eynem  nidergetruckten  (ebenen?)  gr.  mit 
zweyen  linien  .  .  .  die  form  des  ecks  der  stadtmauren 
ebda;  nun  sol  man  den  hindern  gr.  (grundfläche)  in  der 
stat  auch  so  tief  in  den  gr.  rechnen  (in  den  grundrisz 
einrechnen,  eintragen)  als  fornen  ebda;  das  alles  werd  ge- 
tragen in  den  gr.  (in  die  grundfläche  eingetragen)  a  2"; 
dann  auch  '  quer  schnitt' :  wie  nun  die  schlechten  und 
krummen  mauren  gleych  nach  dem  undern  gr.  im  ver- 
jungen recht  in  den  oberen  gr.  eingeteylt  sollen  werden 
AA  1^;  also  ist  der  ober  plan  oder  gr.  umbzogen  ebda; 
hier  meint  gr.  schlechthin  die  Zeichnungsfläche,  =  ebene ; 
ebenso 

2)  bei  den  Zeichnern  und  kartographen ;  häufige  redens- 
art:  etwas  in  gr.  legen,  setzen  o.  ä.  'einen  geometrischen 
risz  davon  verfertigen':  hab  ich  .  .  .  angefangen,  die 
statt  ...  A.  in  gr.  von  holtz  zu  setzen,  erstlichen  von 
ainem  egk  oder  winckel,  auch  weiten  der  gassen  .  .  . 
abgeschritten,  dieselbigen  schritt  aufgemerckt . . .,  darausz 
ein  gr.  gestelt  za.  d.  hist.  ver.  f.  Schwaben  24,  13  (Augs- 
burg 1563);   alem.  und  schwäb.  reich  bezeugt;  auch  bei  md. 


729 


GRUND  V  A  3 


GRUND  V  A  4-8 


730 


lexikographen :  eine  gegend  in  den  gr.  legen  miaurare 
geometricamente  Jagemann  (l799)  548;  vgl.  Campe  2,  469, 
aber  wohl  aus  lexikalischer  tradition;  am  frühesten  bei 
Städten :  (nachdem  er  gewöhnliche  ansichten  der  stadt  her- 
gestellt hatte,  hätte  er  sich)  fürgenommen,  üwere  statt 
hoch  und  in  gr.  zu  leggen,  dasz  man  die  hüser,  ouch 
allenthalben  in  die  gassen,  gesechen  möchte  Staub- 
ToBLER  2,  774  {Zürich  1546);  wie  ich  dan  ouch  bey  etlich 
groszen  stetten  erfaren  hab,  daz  nit  ein  jeder  maier  ein 
stat  in  gr.  legen  kan  Seb.  Münster  coamogr.  (1550)  vorr.8; 
doch  frühzeitig  auch  anders:  haben  wir  .  .  .  den  gantzen 
Neckherstrom  . . .  mit  fleisz  in  gr.  gelegt  und  wie  weit 
ein  ort  von  dem  andern  ordenlich  gemessen  und  be- 
schriben  H.  Schickhardt  375  Heyd. 
8)  in  der  maierei. 

a)  gr.,  bey  den  mahlern,  die  erste  schlechte  ölfarb, 
womit  das  mahlerschild,  oder  die  leinewand  überstrichen, 
und  eben  gemacht  wird  Frisch  379*'; 

so  band  si  {die  maler)  den  grund  nit  wol  berait, 
darumb  ist  es  verlorn  arbait  teuf  eis  netz  H008; 

ein  .  .  .  mahler  .  .  .  {hat)  dieselben  mit  einer  dem  gr. 
gantz  gleichen  wasserfarb  überstrichen  Harsdörfer 
frauenz.  gesprächsp.  2,  79;  die  malerey  auf  nassen  grün- 
den musz  bey  den  alten  weniger  gemein  als  auf  trocknen 
gründen  gewesen  seyn  Winckelmann  5,  179  E.;  als  Ur- 
sache warum  Tintorets  gemäblde  meistens  so  dunkel 
geworden  sind,  wird  angegeben,  dasz  er  ohne  gr.,  auch 
auf  rothen  gr.,  meist  a  la  prima  und  ohne  svelatur  ge- 
mahlt Göthe  47,  218  W.;  auf  dunkle  gründe  mahlte  man 
auch  eine  Zeitlang  II  l,  353;  bildlich:  ob  sie  {die  gaukler) 
yhr  gleyszen  der  warheit,  yhr  gauckelen  dem  ernst,  yhr 
färbe  dem  gr.  räumen  lassen  Luther  7,  311  W.  allge- 
meiner die  unterste  farbschicht  schlechthin,  auch  wenn  sie 
nicht  durch  die  übermalung  ganz  gedeckt  wird:  {der 
fächer)  wird  fleischfarb  der  gr.,  mit  lebendigen  blumen 
Göthe  IV  l,  ißö  W.;  zwei  grosze  tafeln  mit  dem  zartesten 
grauen  gründe  . . .,  worauf  wir  sie  {die  skizzen)  ausführen 
werden  Stifter  w.  i,  97;  spräche  aus  dem  koran  mit 
erhabenen  oder  vergoldeten  buchstaben  auf  tiefblauem 
gründe  Moltke  sehr,  l,  205;  beim  wappen  'die  haupt- 
färbe,  mit  welcher  das  Wappenschild  oder  das  feld  im 
Wappen  überzogen  ist  und  auf  welchem  sich  die  wappen- 
zeichen  befinden'  Heinsius  2,  549;  diese  Wasgensteiner 
. . .  führen  6  silberne  bände  auf  rothem  gründe  in  ihrem 
wappen  W.  Scherer  kl.  sehr,  l,  548;  auch  wenn  die  färbe 
der  grundßäche  natürlich,  nicht  erst  durch  einen  färben- 
auftrug  hergestellt  ist:  graue  veraltete  . . .  blätter  reizten 
mich  am  meisten  {darauf  zu  zeichnen),  eben  als  wenn 
meine  Unfähigkeit  sich  vor  dem  prüfstein  eines  weiszen 
grundes  gefürchtet  hätte  Göthe  27,  18  W.   vgl. 

es  machte  auf  schwarzem  grande 

das  Silber  {der  Stickereien)  den  schönsten  effekt 

Heine  2, 123  E. ; 

bildlich:  die  nicht  selten  rohe,  aber  immer  drastische 
auftragung  römischer  localtöne  auf  den  griechischen  gr. 
Mommsen  röm.  gesch.  2,  433. 

b)  übertragener  gebrauch,  in  gegenständlichem  sinne: 
gr.  'ist  ein  malerischer  ausdruck,  diejenigen  gegenstände 
anzudeuten,  die  hinter  andern  besonders  merkwürdigen 
gegenständen  stehen,  so  kann  man  sagen,  dasz  ein  teppich, 
eine  rasenbank,  ja  eine  figur,  einer  andern  figur  zum 
gründe  gereichet'  Gottsched  handlex.  801;  die  malerische 
herkunft  des  ausdrucks  erhellt  daraus,  dasz  der  farben- 
unter schied  in  der  reget  ausdrücklich  hervorgehoben  vnrd: 

dann,  wie  die  sonne  selbst  mit  doppelt  hellem  licht 
oft  durch  den  dunklen  grund  pechschwarzer  wölken  bricht 
V.  KOENIG  gedickte  (1745)  166; 

der  ungeheuren  Sonnenuhr  . .  .,  deren  Ziffern  ellenlange 
platten  von  bronze  auf  einem  weiszen  marmornen  gründe 
waren  Archenholz  England  u.  Italien  2,  190; 

als  das  bild  vortiberglitt 

an  der  mauer  grauen  gründen 

Droste-Hülshoff  2,  328  Schücking ; 

auch  wo  entsprechende  adjective  fehlen,  ist  ein  färben- 
oder  wenigstens  helligkeitsuntersckied  vorauszusetzen: 


steht  er  {der  cameol)  gar  auf  onyx  gründe, 

küsz  ihn  mit  geweihtem  munde  Göthe  6  7  IT.  • 

die  figur  des  sohnes  . . .  auf  dem  gr.  des  zurückgewor- 
fenen mantels  sich  abgrenzend  Justi  Winckelmann  2^, 
189.  abstracter:  bilder  und  erlebnisse  in  der  Jugend 
gehen,  je  mehr  wir  uns  von  ihnen  entfernen,  in  um 
so  hellerem  lichte  in  uns  auf  dem  schwarzen  gründe 
des  alters  auf  Kerner  bilderbuch  vorr.  vi;  öfter  von  der 
m.alkunst  auf  die  dichtkunst  übertragen:  hier  ist  das 
abenteuerliche  verschlungner  menschlicher  Schicksale 
der  gr.,  auf  dem  die  handlung  vorgeht  Göthe  40,  83  W.; 
der  epische  gr.  der  Volksdichtung  gleicht  dem  durch  die  . 
ganze  natur  . . .  verbreiteten  grün  kinder-  u.  hausmärchen 
2,  vorr.  vi;  vereinzelt  auch  auf  die  musik:  und  dieses 
fortgehende  summen  {der  zweige)  dient  als  zarter  gr., 
auf  dem  sich  die  andere  morgenmusik  geltetfd  macht 
Stifter  w.  i,  102. 

4)  bei  vergoldern,  lackierem,  anstreichern,  tapezierem; 
bey  den  vergoldern  und  lackirern  ist  der  gr.  entweder 
ein  leim-  oder  ein  kreide  oder  ein  farbengr.,  d.  i.  ein 
auftrag  unter  den  gold-  oder  silberblättern  oder  dem  lack- 
firnisz  Jacobsson  I6I»;  u^^  Prechtl  19,572;  die  gegen- 
stände, welche  mit  färben  angestricben  werden  sollen, 
erhalten  vorläufig  einen  so  genannten  gr.,  d.  h.  einen 
schwachen  anstrich,  der  die  feinen  poren  des  holzes 
ausfüllt,  und  die  Oberfläche  zum  auftragen  der  färbe 
vorbereitet  Preghtl  1,  a93;  gr.  beim  häuseranstrich 
Meisinger  Bappenauer  ma.  79;  bei  den  tapezierem  be- 
deutet gr.  die  Zeitungen,  die  als  grundlage  für  die  tapeten 
angeklebt  werden:  gr.  ankloppen  mit  der  bürste  Schu- 
mann Lübeck  (1907)  49. 

5)  in  der  zeuqfärbekunst  und  beim  kattundruek:  diese 
gemischten  färben  entstehen  . .  .,  indem  in  zwei  färbe- 
operationen  eine  färbe  auf  die  andere  gesetzt  wird,  in 
welchem  falle  die  er.etere  färbe  der  gr.  genannt  wird 
Prechtl  5,  385;  hat  man  ...  zeugen  einen  blauen  gr. 
gegeben,  so  werden  sie  durch  genista  grün  Schlechten- 
DAT.  flora  von  Deutschland^  23,  77;  'ebenso  bedeutet  im 
kattundruck  gr.  die  färbe  des  zeuges,  in  welche  die  blumen 
eingedruckt  sind'  W.  Hoffmann  wb.  2,  708''. 

6)  bei  gewebtem,  und  besticktem  zeuge:  bey  einem  ge- 
webten zeuge  nennt  man  die  sichtbare  Oberfläche  und 
deren  verschiedenes  ansehen  gr.,  und  unterscheidet  vor- 
züglich den  leinwandsgr.  von  dem  kiepergr.  dieses  ist 
bey  geblümten  zeugen  am  sichtbarsten,  wo  die  blumen 
und  figuren  in  dem  gründe  liegen  und  sich  zum  theil 
darüber  erheben,  diese  letzte  bedeutung  hat  gr.  auch 
in  der  stickerey.  doch  heiszt  hier  auch  die  anläge  oder 
grundlage  von  zwirn  bey  erhaben  gestickten  blumen 
gr.,  worauf  hernach  die  seidenen  und  reichen  fäden  be- 
vestiget  werden  Jacobsson  I6I*;  'bei  spitzen  und  blonden 
bedeutet  gr.  die  einförmige  zeugfläche,  in  welche  die  blumen 
etc.  eingeklöppelt  oder  eingewebt  sind'  W.  Hoffmann  wb. 
2,  709*;  die  erste  der  von  Jacobsson  für  stickgr.  angeführ- 
ten bedeutungen  ist  die  gewöhnliche,  z.  b.  wenn  . .  .  der  gr. 
weisz,  die  bildungen  aber  blau  gewürcket  würden  Lohen- 
stein Arminius  (1689/.)  189  *>;  während  Johanna  an  den 
blumen  arbeitete,  begnügte  sie  sich  den  gr.  auszufüllen 
Stifter  w.  1,221;  eine  prächtige  stola,  gr.  und  fransen 
waren  von  goldfaden  Scheffel  w.  l,  225;  auch  für  den 
zu  bestickenden  stoff  als  solchen:  dasz  es  ihr  sehr  leid 
thue,  keinen  aufgezogenen  gr.  zu  haben  Göthe  24,  78  T^. 
{auf  den  Stickrahmen  gezogen);  schon  bei  M.  Kramer  gr. 
eines   stick wercks  fondo  del  ricamo   teutsch-ital.  l,  573''. 

7)  vergleichbar  ist  bei  zu  waschendem,  zeuge  die  redens- 
art:  m«  kan  kenen  grünt  wider  drin  breijen  'von  sehr 
schmutziger  wasche'  BauerCollitz  41:  die  ursprüngliche 
reinheit  liegt  unter  dem  schmutz  wie  unter  einer  färbe,- 
mundartl.  weit  verbreitet,  zumal  in  westd.  maa.,  vgl. 
Woeste  westfäl.  86;  Schütze  holst,  id.  2,  76;  F.  Schön 
Saarbrück.  72*;  auch  ndl.:  geen  grond  weer  int  linnen 
of  katoen  kunnen  krijgen  Molema  136. 

8)  bei  den  tuchscherern  'die  rechte  seite  eines  tuches 
zum  unterschiede  von  der  haar-  oder  linken  seite'  Hbin- 
sius  2,  549;  vgl.  Jacobsson  I6I*. 


731 


GRUND  V  A  9-13.  B  i.  2: 


GRUND  (compositionstt/pen  1  a) 


732 


9)  bei  den  schwertfegern:  gr.  hauen  .  . .  'wenn  an  manchen 
stellen  auf  einem  degenqefäsze  figuren  von  goldblättern 
eingeschlagen  werden  sollen,  dann  schlägt  oder  hauet  der 
schwertfeger  mit  einem,  Meinen  meiszel  in  den  umrissen 
der  figuren  kreuzhiebe  ein,  damit  das  gold  bey  dem,  ein- 
schlagen auf  diesen  grundhieben  hafte'  Jacobsson  164*. 

10)  bei  den  hupf  er  siechern  in  verschiedener  bedeutung; 
in  der  radierkunst:  gr.  einer  kupferplatte  zum  ätzen  ist 
ein  auftrag,  der  das  ätzwasser  gehörig  in  den  einschnitten 
(der  radiernadel)  einschränkt  Jacobsson  161»;  in  der 
schabkunst:  das  Werkzeug,  womit  die  (vor  dem  auftragen 

.der  Zeichnung  erforderliche)  rauhigkeit  des  kupfers  (der 
gr.,  das  körn,  die  granirung)  hervorgebracht  wird,  ist 
die  wiege  oder  das  granireisen,  gründungseisen  Prechtl 
9,  33. 

11)  bei' den  druckern:  gr.,  grundfeste,  fundament.  'in 
der  druckerey  die  metallene  platte,  worauf  die  formen- 
weise abgesetzte,  und  in  eiserne  rahmen  zusammen  ge- 
schraubte Schriften  gestellet  werden,  damit  sie  darauf  bey 
dem  abdrucke  ruhen'  Jablonski  260*;  auch  aus  holz: 
gr.  der  buchdrucker  ist  ein  brett,  worauf  die  gesetzten 
Schriften  gestellet  werden  Jacobsson  lei*. 

12)  bei  den  maurern:  gr.  'toird  am  häufigsten  für  die 
fläche  eines  gebäudes  gebraucht,  im  gegensatz  der  auf 
derselben  angebrachten  erhöhungen  für  gesimse  u.  s.  w,' 
Helfft  wb.  der  landbaukunst  I6I. 

13)  in  der  musik:  theile  meine  seile  in  fünf  theile, 
lasse  zween  auf  der  einen,  und  drey  auf  der  andern 
Seite  des  . . .  stegleins,  so  gibt  die  gröszeste  länge  den 
gr. ,  die  kürtzere  aber  den  oberton  des  fünflauts  an 
Mattheson  vollk.  capellmeister  (1739)  46;  sonst  würde 
der  gr.  die  Oberstimme  überschreiten  Mozart  violin- 
schule  2;  vgl.  so  haben  doch  selbige  alle  (quinte,  Sep- 
time, Oktave)  einerley  basznoten  zum  gründe  Quantz 
anweis.  d.  flöte  zu  spielen  (1789)  125. 

B.  in  einigen  fällen  ist  der  technische  ausdruck  an  die 
bedeutung  'boden  eines  hohlrauma'  anzuknüpfen. 

1)  bei  den  dachdeckern  die  knierinne,  die  durch  ver- 
schiedene im  winkel  aneinanderstoszende  dachflächen  ge- 
bildet wird;  ausschlieszlich  im  Schweiz.,  und  ztvar  früh: 
von  den  gründen  und  umbgängen  (einfassungen)  uf  der 
lütkilchen  mit  kupfer  ze  beschlagen  Staub-Tobler  2, 
773  (a.l559);  (die  besitzer  zweier  aneinanderstoszenderhäuser 
sollen)  jeder  sein  tach  in  ehren  halten  und  mit  namen 
das  vorder  haus  den  tachgr.  gegen  dem  hof,  das  hinder 
haus  aber  den  uszeren  gr.  gegen  der  münz  machen  ebda 
(a.  1690) ;  mit  anlehnung  an  die  formel  'grund  und  grat' 
'niederung  und  höhe':  die  kirche  soll  in  gründen  und 
grötcn  mit  schindeln  gedeckt  werden  ebda  (a.  1805). 

2)  bei  den  küfern :  'am  fasz  heiszt  die  der  'spunddauge' 
gegenüber  liegende  daube,  auf  welcher  das  fasz  aufliegt, 
der  gr.'  Fischer  schwäb.  8,  872. 

compositionstypen. 

als  compositionsglied  erweist  sich  grund-  in  seinen  ver- 
schiedenen bedeutungen  als  überaus  fruchtbar;  doch  tritt 
die  junge  abstracte  Verwendung  IV  D  gegenüber  den  con- 
creten  und  daraus  unm,ittelbar  abgeleiteten  übertragenen 
bedeutungen  (vgl.  IV  B)  völlig  zurück;  in  der  älteren 
spräche  noch  auf  einige  hauptbildungen  beschränkt,  ent- 
wickeln sich  die  gVMiidi-composita  breiter  seit  dem  älteren 
nhd.  und  dehnen  ihren  bereich  vor  allem,  in  fachsprach- 
lichen und  terminologischen  bezeichnungen  stetig  aus;  die 
zeitlichen  entwicklungsstufen,  die  bildungsarten  und  ihren 
umfang  veranschaulicht  die  folgende  Übersicht. 

1)  adjectiv. 

a)  bereits  im,  mhd.  beginnt  die  composition  von  grund- 
mit  adjectiven,  die  als  qualitative  bezeichnungen,  werth- 
oder  Vergleichsbestimmungen  neben  persönliche  oder  säch- 
liche objecte  treten  oder  rein  adverbial  gebraucht  werden; 
grund-  entspricht  hier  ursprünglich  wohl  der  bedeutung 
von  grund  auf  (IV  A  4)  oder  aus  dem  gründe  (IV  B  5  b), 
beides  mit  der  Vorstellung  grund  des  herzens  vermischt, 
wenn  es  sich  vne  bei  grundböse  (a.  alph.  st.)  um  kenn- 
zeichnung  persönlicher   eigenschaften  handelt,  wird  aber 


schon  früh  zum  bloszen  intensivierungsmittel  {nie  erz-, 
vgl.  th.  3, 1076,  ur-);  doch  hat  das  16.,  11.  jh.  daneben  noch 
bildungen,  die  an  grund  IVB5b  unmittelbar  anzuachlieszen 
sind:  grundausführlich:  darinn  er  selbige  beläge- 
rung  gr.  beschreibt  Valvassor  ehre  d.  hertzogth.  Crain 
(1689)  4,  2,  75;  -erfahren:  als  einem  grunderfahren 
kenner  Rachel  satyr.  ged.  4  ndr.;  übertragen:  bei  der 
...  in  allen  Wissenschaften  grunderfahrenen  poesie  Neü- 
i/iARK  fortgepfl.  musik.  poet.  lustic,  zuschr.G;  -erlogen: 
im  grunderlogenen  plaudern  Harsdörfer  i>iana  3, 106; 
-gläubig: 

die  werden  denn  grundglaubig  gar 

H.  Sachs  15,  393  K.-O. 

-kundig:  einen  grundkundigen  kunstgesellen  S.  v.  Bir 
KEN  ostländ.  lorbeerhain  228:  •  künstig:  wie  wir  es  gr. 
zu  teutschen  vermögen  HARSDÖRFER/rawenz.  gesprüchsp 
3,  343 ;  -  k  u  n  s  t  m  ä  s  z  i  g :  die  wohl  ausgeübte  und  grund 
kunstmäszige  poesie  Neumark  fortgepfl.  musik.  poet. 
lustw.,  zuschr.  1;  andere  compositionen  des  16.,  17.  jh.s  ge 
hören  zu  grund  IV  B  4  und  ergänzen  den  begriff  des 
adj.  m,it  der  Vorstellung  des  wahren,  sicheren,  auch  voll- 
ständigen: grundbeständig  {wo  die  concrete  bedeutung 
grund  IV  A  hineinspielt) :  nach  warer  grundbeständiger 
rechnung  der  astronomie  Andreas  Rosa  practica  (l57l) 
A4'';  -beweislich  vgl.  alph.  stelle;  -verdächtig:  so 
mag  auch  der  traducianer  ihre  miszhälligkeit  .  .  .  nicht 
gleich  .  .  .  gr.  machen  Francisci  alleredelste  veränderg. 
(1671)  335;  -völlig:  dasz  darausz  der  wahre  .  .  .  kern 
der  rechten  meisznischen  spräche  gr.  zuersehen  Hager 
teutscJie  orthogr.  (1639)  einl.;  -vollkommen:  mit  grund- 
vollkommener gerechtigkeit  .  .  .  geschmückt  Gedicke 
postilla  (1609)  1,  119»;  heute  ist  grund-  vor  adjectiven  meist 
zum  Steigerungsmittel  verblaszt:  grundabsichtslos: 
mein  nichtschreiben  war  so  gr.  Dorothea  Schlegel 
br.  1,  47  Reich;  -absurd:  so  wird  man  {es)  .  .  .  doch 
nicht  so  gr. ...  finden  Schopenhauer  2,  444  Gr.;  -ähn- 
lich {vgl.  grund  IV  B  5  a  /9):  die  ...  männer  {erwiesen) 
sich  so  gr.  G.  Keller  ges.  w.  8,  342;  -albern:  unsere 
grundalbere  und  einfältige  leute  Bahnsen  antichr.  (I66O) 
75;  -anders:  die  Stellung  der  behörden  würde  eine 
grundandere  werden  v.  Gersdorf  repertor.  (l84l)  45; 
adv. :  wie  grundanders  sind  ...  die  g  in  angel  und  an- 
geben Jag. Grimm  kl.  sehr.  7,482.  -arbeitsam  v.  Hör- 
nick  Österreich  über  alles  (1684)  89;  -arg:  dieser  grund- 
arge mensch  Francisci  traursaal  2,  425;  diese  grund- 
argen könige  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  25-36,  997;  -ärger- 
lich: der  rückzug  machte  mich  so  gr.  Fr. G.Schilling 
mondazeinw.  171;  -arm:  grundarmer  mann  Treuer 
dtsch.  Dädalus  l,  117;  du  armes,  du  grundarmes  Rom 
Fouque  altsächs.  bildersaal  1,  100;  -aufrichtig  Anzen- 
gruber  (/e*.  to.  2, 268;  -barbarisch  Göthe  IV  38, 211  W.; 
-barmherzig: 

herr  {gott),  preisen  soll  man  dich  grundbarmherzigen 

Fleming  dtsche  ged.  1, 15  L.; 

-beschränkt  W.H.Riehl  dtsche  arbeit  293;  -bieder: 
das  keiser  Sigmont  ein  gruntbiderber  herzman  und  fürste 
was  E.  Windecke  denkwürd.  440;  -bitter:  der  grund- 
bittern  hellen  strick,  angst  und  schrecken  Gedicke  po- 
stilla (1609)  1,  136»;  -christliche:  gr.  und  evangelische 
{artikel)  Ranke  s.w.  1,284;  -deutsch:  die  grunddeutsche 
{art)  unseres  Reimarus  D.  Fr.  Strausz  ges.  w.  5,  324; 
echte  grunddeutsche  .  .  .  Wörter  Jac.  Grimm  ges.  sehr. 
1,891;  -edel  Göthe  42,  2,  490  TF^,-  -einfältig  Droste- 
Hülshoff  M7.  (1879)  2,310;  -elend  Zschokke  «.  oms^cio. 
sehr.  22, 104;  was  er  {der  gerichtsschreiber)  gr.  schmiert 
nachr.  an  d.  landvolk  (1769)  8;  -erbärmlich  Droste- 
Hülshoff  br.  176  Cardanus;  -ernstlich:  das  ...  grund- 
ernstliche bestreben  Göthe  42,  2, 198  TT.,-  -faul:  erzfaul, 
gr.  oscitantissimus  Stieler  444;  -feind  A.  Weinheimer 
geistl.  wacht  (1642)  186;  -fränkisch:  die  gegend  ist  gr. 
Jac.  Grimm  dtsche  my thol.*  i,  iSi;  -frei:  weil  gott  aber 
aus  grundfreier gnadengüte  beliebetK.  R.v.  Greiffenberg 
zwölf  andächt,  betr.  (1678)  318 ;  -freundlich:  mit  grund- 
freundlichem blick  VisCHER  auch  einer  1,121;  -fröhlich 
Gervinus  leben  2;  -gediegen  Meinecke  Boyen  2,83; 
-geizig  avaricieua;  Schwan  nouv.  dict.  1,798»;  -gemüt- 


733 


GRUND  {compositionstypen  l  b) 


GRUND  {cotnpoaitionstypen  2—5  a) 


734 


lieh  ViSGHER  altea  u.  neues  1, 187;  -gerade:  für  einen 
grundgraden  .  .  .  karakter  halten  E.  M.  Arndt  sehr,  für 
u.  an  s.  l.  Dtschen  3,  157;  -geschickt:  kein  ehrlicher 
und  grandgeschickter  mann  Kramer  teutschital.  2,785"; 
-gewisz:  der  grundgewissen  reinen  Vernunfterkenntnis 
K. Chr. Fr. Krause  vorles.  üb.  d. grundwahrh.  28i;  -gna- 
denreich: ein  gantz  gutte,  grundgnadenreiche  rewe 
Luther  7,  367  TF.;  ■  gö Uli ch  {substantivisch):  dasz  wir 
nicht  zu  fassen  vermöchten  ...  das  grundgöttliche  F.H. 
Jacobi  tu.  2,89;  -gottlos:  solchem  grundgottlosem  leben 
TAURER/ct^en6.(i593)  a  i^;  -gründlich:  dieser... grund- 
gründliche mann  Göthe  IV4i, 260TF.;  -heidnisch:  die 
motive . . . sind  gr.  42, 2, 472  TF. ;  -innig:  grundinnigen  trost 
Immermann  11,  206  B.;  -irrig:  solche  leuthe  sind  ... 
gr.  und  confus  gr.  Zinzendorf  christl.  bed.  (i735)  37; 
-keusch:  zeichen  eines  grundkeuschen  hertzens  Span- 
genberg  apolog.  schluszachr.  2,  527;  -klar:  das  einzige 
grundklare  licht  Göthe  II  il,  157  W.;  anders  =  'bis  auf 
den  grund'  (I  A) :  zwey  grundklare  wasserströmlein  Opitz 
Arcadia  (1638)  6.  buch,  4;  -komisch  Bayer  lit.  skiztenb. 
(1905)  310;  -kräftig:  nr-  und  grundkräftige  naturen 
ScHELLiNG  I  3,  429;  langweilig  J.Joachim  6r.  i,  406; 
-leichtfertig:  er  last  sich  wiederumb  gr.  an  J.Scheff- 
LER  eccles.  1,650';  -lieblich,  adv.:  wie  gruntlieplich 
ich  (Maria)  in  mit  meinen  armen  .  . .  umbvieng  Seuse 
275,13  Bihlm.;  -liederlich:  ein  ...  grundliederlicher 
knabe  Chph.  v.  Sghmid  ges.  sehr.  11,  55/.,-  eine  grund- 
lüderliche  waare  v.  Ayrenhoff  «.tc.  3,175;  -mächtig: 
dies  grundmächtige  urgefühl  Vischer  auch  einer*  2,  271; 
-närrisch  Caroline  br.  i,373  Waitz;  -neu:  einen 
grundtnewen  fundt  erfinden  Paracelsus  op.  (1616)  2, 
654  G.;  die  drei  grundneuen  elemente  K.Marx  briefw. 
(1913)  4,  6,  vgl.  Schambach  70";  -nobel:  dieser  grund- 
noblen natur  G.  Hauptmann  Gabriel  Schillings  fl.  170; 
-original:  der  grundoriginale  Bach  (Joh.  Seb.)  Göthe 
IV  42, 149  TT.;  -pathetisch:  das  grund  pathetische  wesen 
der  musik  Th.  Mann  betr.  e.  unpolit.  414;  -prosaisch: 
die  Berliner  posse  .  .  .  {blieb)  gr.  Treitschke  dtsche 
geach.  5,  3a2;  -rechtschaffen  Baumgarten-Crusius 
reise  a.  d.  post  112;  -redlich  v.  Besser  sehr,  l,  118 
König;  -schwach  R.Wagner  ^e«.  scAr.  m.  dfcA*.  8, 171; 
-schädlich:  wie  gar  gr.  sei . ..  J.Cats  sinnr.  w.  (1710)  l, 
2,45;  -schief:  wer  .  .  .  grundschlecht,  gr.  ...  gehan- 
delt .  .  .  hat  Lavater  verm.  sehr.  2,  66;  grundschiefe 
richtungen  der  Untersuchung  Fr.  Schlegel  s.  w.  5,  40; 
schlecht  an  alph.  stelle ;  -schmutzig  J.  Sgherr  no- 
vellenb.  6,15  Hesse;  -sonderbar:  waren  sie  {die  erleb- 
7iisse)  dennoch  gr.  von  natur  Th.  Mann  tod  in  Venedig 
(1913)  50;  -süsz:  du  .  .  .  grundsüszes  weih  Lenau  bei 
Castle  Lenaus  liebesrom.  492;  -taub:  eines  grundtauben 
trefliche  beurtheilung  über  die  singkunst  Schottel 
haubtspr.XQi;  -treu  schwäb.,  v^L  Fischer  3,88o;  -tüch- 
tig G.Keller  nachgel.  sehr.  \QQ;    -ungerecht: 

samb  sey  gotts  wort  grundungerecht 

H.  Sachs  18,  59i^.-e.; 
-unwahr:  ein  . .  .  künstliches  . . .  grundunwahres  hokus 
pokus  Göthe  II  4,  448  W.;  -verhaszt:  den  ihm  grund- 
verhaszten  könig  Bayer  liter.  Studien  (1908)  85;  -ver- 
logen, vgl.  Fischer  schwäb.  3,  880;  -vernünftig: 
einen  . . .  grundvernünftigen  verstand  Goltz  e.  jugend- 
leben 2,  840;  -verrückt  hwb.  d.  staatswiss.'^  3,  76;  -ver- 
ständig Zschokke  s.ausg.schr.  14,16;  -wacker  Göthe 
IV  17,180  W.;  -weise:  grundweisester  Fabricius  Richey 
bei  Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  6,  286;  -weit  dia- 
lektisch: det  jeht  int  grundweite  =  zu  weit  Brendicke 
berlin.  192*^;  -wenig,  z.  b.  auf  etwas  grund  wenig  ge- 
wicht legen;  -wirklich:  gr.  darin  zu  finden  Heine 
6,58  E.;  -würdig:  gute  und  grundwürdige  poesien 
Göthe  41,  2,  325  W. 

b)  wenig  häufig  ist  die  composition  mit  grund  IV  D, 
hier  tritt  gelegentlich  die  pluralische  form  gründe-  ein, 
besonders  dann,  wenn  der  singular  dem  typus  a  beitritt; 
gründefest:  die  weiber  ...  sind  gr.,  es  dringt  keiner 
durch  Börne  ges.  sehr.  8,247;  gründereich:  der  ... 
direkter  war  so  wort-  und  gr.  Costenoble  tageb.  l,  160; 
grundvoll:  gleichviel  ob  sie  gr.  oder  töricht  sind 
Kerr  ges.  sehr.  3,  266;    grundwidrig  Campe   2,  476*. 


2)  participia  präteriti. 

a)  wenig  häufig  sind  compositionen,  bei  denen  der  ver- 
bale handlungsbegriff  auf  das  vorgerückte  grund-  in  einer 
der  concreten  bedeutungen  bezogen  ist;  grund  an  ge- 
sessen: die  grundangesessene  bürgerschaft  {bildete)  die 
Versammlung  der  gemeinde  Nitzsch  dtsche  stud.  224; 
-gesessen:  die  schweizer  hirten  waren  freie,  grund- 
gesessene mannen  Alexis  Isegrim  2,  825;  mehr  allgcTnein 
im  sinne  II  A  1  sind  zu  fassen;   grandentsprossen: 

unentwegt  auf  freier  hufe 
grundentsprossen,  grundverwachsen  .  .  . 
sasz  der  edle  stamm  der  Sachsen 

Fr.  W.  Weber  dreizehnlind.  (1907)  21; 

-verwachsen  ebda;  mit  der  bedeuiung  I  A  spielt: 
grundempört:  auf  dieser  Zeiten  grundempörten  wellen 
G.  Keller  ges.  w.  9, 122;  tcohl  bewuszt  doppelsinnig  auch: 
-erbost: 

wenn  schon  die  stoltze  see 
den  grunderbosten  schäum  bisz  an  die  sterne  schmeiszet 
V.  Ziegler  asiat.  Banise  (1689)  753. 

b)  den  adjectivischen  Verbindungen  1  a  entsprecJien  zu- 
sammenrückungen wie:  grunderneut:  bis  ich  das 
grunderneute  leben  schauen  .  .  .  kann  M.  Meyr  relig. 
d.  geist.  124;  -geliebt:  ihr  meine  grundgeliebte  freun- 
dinnen  Bucholtz  Herkules  (1666)  l,  909,  mit  grund  IE  2 
spielend,  deutlicher  noch  in:  -seelengeliebt  Herkulis- 
kus  1830;  -verändert:  er  hatte  eine  grundveränderte 
ansieht  von  der  zeit  gewonnen  Fichte  s.  w.  7,  xii; 
•verböst: 

wer  sagt  mir,  ob  wir  selbst  so  grund verböste  zeiten 
verbösem?  Logau  sinnged.  83; 

-verdreht:  stellenweise  reizend,  aber  meist  grund- 
verdreht {von  Auerbachs  'auf  der  höhe')  J.  v.  Bismarck 
br.  185;  -verfälscht:  eine  grundverfälschte  dekla- 
mation  G.Keller  nachgel.  sehr.  55;  -verkehrt  an 
alph.  stelle. 

8)  participia  präsentis. 

a)  grund-  ist  in  seiner  sinnlichen  bedeutung  von  IV  A 
als  das  object  de^  verbalbegriffes  mit  einem  partic.  ver- 
bunden: grundbauend:  Homer  wurde  gr.  für  all  meine 
ästhetische  Schulung  F.  Dahn  dtsche  dichtg.  11,25**; 
-erschütternd:  die  erde  erbebte  im  grunderschüttern- 
den stosz  Bentzel-Sternau  nach  Campe  2,471;  -stür- 
zend nur  im  übertr.  sinne,  s.  alph.  stelle. 

b)  in  einer  seltenen  form  der  zusammenrückung  steht 
die  composition  mit  grund-  anstelle  einer  präpositionalen 
fügung  in  den  grund  (III  B  bzw.  I  A)  hinein,  von  grund 
(11  A  4  c)  aus;  grundflieszend:  also  stiegen  wir  ... 
über  gehe  fälsen  ab  und  grundtflieszende  springe  Fabri 
eig.  beschreibung  {Xhbl)  139'';  -fressend:  wie  ein  stilles 
grundfressendes  wasser  Pestalozzi  s.  sehr.  7,  32;  -ver- 
derbend: unterdes  würde  durch  den  grundverderben- 
den krieg  alles  hingerichtet  v.  Chemnitz  schtced.  krieg 
2,  374. 

c)  entsprechend  der  steigernden  Verwendung  von  grund- 
beim.  adj.  l  a  ergibt  sich  der  kaum  belegte,  aber  sprosz- 
fähige  typus:  grundabweichend:  wie  gr.  ist  Maria 
von  den  mahlern  .  .  .  genommen  Jag.  Grimm  kl.  sehr. 
1,  75;  mehr  nach  grund  IV  b  5  a  (f;  -treibend:  was  in 
der  Weltgeschichte  grundtreibendes  motiv  .  .  .  seyn  soll 
Hall.  lit.  zeit.  (1846)  nr.  265,  963. 

4)  adverbia. 

gelegentliche  und  ztimeist  junge  poetische  bildungen 
sind  Zusammensetzungen  von  grund-  mit  einem  adverb 
der  richtung,  theilweise  aus  einer  geläufigen  präpositio- 
nalen Verbindung  verkürzt;  grundab  s.  alph.  stelle; 
-auf  vgl.  IVA  4  b:  um  den  wohllaut  einer  .  .  .  geige 
gr.  zu  fühlen  Herder  4,  106  S.;  -aus  s.  alph.  stelle; 
-hinab: 

zerschlugst  du  seine  feinde  grundhinab 

Herder  w.  12,  315  S.; 
-wärts  s.  alph.  stelle. 

6)  substantiva. 

a)  grund-  rückt  in  seiner  bedeutung  I  A  seit  alters  {vgl. 
ahd.   grunisoufi   naufragium  Graff  6,  172;   grandrahr. 


735 


GRUND  (compoaitionstypen  5  a) 


-sand,  -welle  an  alph.  stelle)  vor  aubatantive;  erat  im  nhd. 
wird  die  zahl  dieser  compositionen  gröszer,  die  sich  be- 
sonders in  technischen  ausdrücken  des  Seewesens,  dea 
fischereigewerbes  und  der  wasserbaukunst  ausbreiten;  das 
folgende  ist  nur  eine  kurz  orientierende  Übersicht;  für 
alle  sachlichen  erläuterungen  sind  die  genannten  special- 
Wörterbücher  beizuziehen;  grundablasz  Lueger  4,  796; 
-ausgusz  {poetisch): 

tiffer  als  di  tifsten  flüsse! 

als  des  meeres  grundausgüsse  I 

Kuhlmann  kühlpsalter  (1684)  t,98; 

-axt:  item  4  ancker  und  2  gruntexe  gr.  ämterbuch  295 
Ziesemer,  vgl.  grundaxe  717,  gr.  752;  -be  wohner:  diesen 
unschuldigen  grundbewohnern  (den  fischen)  Göthe  48, 
165  W.;  -block:  durch  ungewöhnliche  grundblöcke  und 
arken  dem  wasser  den  gewöhnlichen  lauf  benehmen 
Jülchische  policeyordn.  nach  Frisch  l,  879";  -dämm 
'eine  art  von  wehr  oder  bär'  Jacobsson  2,162*;  -dünung 
Hoyer  Kreuter  techn.  wb.  l,  S16;  -ebbe  Benzler 
lex.  d.  deichb.  1,  180;  -fänger  (an  brücken)  Fischer 
Schwab.  8,  876;  -f  asz:  embotum,  ein  schope,  ein  grunt- 
vad  (1417)  Diefenbagh  nov.  gl.  148»,  vgl.  schope  embo- 
tum, funda  die  Schöpfkelle  Schiller- Lübben  4,  117; 
-fresser,  sprichwörtlich:  stillwässer  grundfresser  v.  Dü- 
ringsfeld  sprichw.  2,  897;  -fumm  mundartl.  'angel- 
schnur  .  .  .  mit  zwei  angeln'  Wegeler  Coblenz.  ma.  20; 
-ganger  (von  torpedos)  v.  Alten  4,  478;  -garn  Popo- 
wiTSCH  vers.  (i78o)  130,  vgl.  Unger-Khull  810**;  -ge- 
rinne (in  fischteichen)  Benzler  lex.  d.  deichb.  1,  286; 
-geschirr  Kluge  «ee»i.  837;  -gestein:  (die  Plein,)  die 
in  hohen  wellen  über  ihr  gr.  dahin  fluthete  Rosegger 
sehr.  II  1,21;  -geweile:  das  gr.  des  Bodensees  v. Schef- 
fel ges.  w.  1,  247,  vgl.  Fischer  schwäb.  8,  877;  -haken 
s.  alph.  stelle;  -harke:  grandhark,  /.  'fischerausdruck' 
Mensing  2,  501;  -kennung  (eines  lootsen)  Bobrik  naut. 
M)6.2  821»;  -köder  Krünitz  20,283;  -kugel:  die  wasser- 
kugeln, welche  die  feuerwercker  ins  gemein  grundkugeln 
nennen  J.  S.  Buchner  theor.  et  prax.  artill.  (1682-85) 
2,29;  -leine:  reichere  beute  ...  als  gr.  und  angel 
bringen  ...  heftige  stürme  Brehm  thierl.^  8,  22i;  -letten 
(vgl.  th.  6,  791):  wäget  der  Ostwind,  so  ist  es  dester  un- 
sauberer, dann  der  grundlätten  (im  wasser)  darmit  aufgadt 
Forer  Oeazners  thierb.  25V;  den  lettichten  gr.  v.  Hoh- 
berg  georg.  cur.  2,  479;  -loch:  und  so  im  ein  gr.  brech, 
SO  hat  er  (der  müller)  macht,  dasselbig  zu  zu  machen 
(1424)  weisth.  6,  318,  vgl.  Fischer  schwäb.  8,  878,  der  es 
als  loch  im  gründe  des  m,ühlkanals  deutet;  -log  Lueger 
6,  179;  -lot  s.  alph.  stelle;  -mine  nichtschwimmende 
aeemine  v.  Alten  4,  478;  -netz:  sobald  sie  (die  meer- 
äschen)  sich  in  einem  grundnetze  eingeschlossen  sehen 
Brehm  thierl.  8,  162,  vgl.  Frischbier  i,  257;  -probe: 
(die)  wasser-  und  grundproben  des  todten  meeres  Ritter 
erdk.  15,  779;  -prober,  m.,  hwb.  f.  techn.  ausdr.  in  d. 
kais.  marine  (i879)  56»;  -reuse  'sirpiculua'  Stieler 
1693;  -ring  techn.  ausdruck  des  brunnenbaus  Mothes 
baulex.  1,  587;  -rinne  =  drücker,  terminus  des  waaaer- 
baua  Benzler  lex.  d.  deichb.  1, 180;  -röte  :  wo  die  blosze 
durchscheinende  grundröte  sonst  einen  roten  glantz  dem 
wasser  gewöhnlich  verleihet  Francisci  weh  d.  ewigkeit 
(1686)258;  -sack  ein  fischnetz  mit  sack  Frischbier  1, 
257*";  -säge  Benzler  lex.  d.  deichb.  2,  212;  -schaufei, 
zum  reinigen  eines  brunnenbodena :  so  het  er  selber  ein 
kurcze  gruntschauffel  Tucher  baumeisterb.  807  lit.  ver.; 
-Schleppnetz:  die  fischerei  mit . , .  grundschleppnetzen 
hwb.  d.  staatswiss.  8,  1065;  -schleuse  Lueger  8,  720; 
-schraube  (an  der  ankerkette)  v.  Alten  2, 372 ;  -schütze 
vgl.  th.  9,  2127/.  ; 

als  wir  zu  nachtzeit  über  die  grundschützen 

der  mühle  kletterten  Fouque  dram.  dicht.  194; 

-See  Bobrik  821»;  'hoher  aeegang  über  flachem,  gründe' 
V.Alten  4,479;  -sichel  Jacobsson  2, 165^,  vgl.  Lueger 
4,  278;  -simme  vgl.  th.  10,  1058/.,-  Mensing  2,  50i; 
-stosz:  auch  bekamen  wir  mehrere  heftige  grundstösze 
Nettelbeck  iefiensiescAr.  (l82i)  1,48;  -takelage:  grund- 
takelasche,  tauwerk  zum  ankergeräth  .  .  .  Jacobsson  5, 
752»,   vgl.  Bobrik  321»;    -takelung  Hoyer-Kreuter 


GRUND  (compoaitionatt/pen  5  b.  c.  d)  736 

techn.  wb.  1,316;  -talje  Beil  1,265;  -tau  Bobrik  nauf. 
wb.  321»;  -wasen  Jacobsson  5,752;  -wehr  vgl.  grund 
schwelle  an  alph.  atelle  Lueger  3,  722. 

b)  grund-  im  sinne  der  unteren  begrenzung  eines  raumes, 
eines  körpers,  besonders  in  der  geometrie  als  basis  einer 
figur.  dann  überhaupt  auf  die  räumlich  unteren  theile 
eines  dinges  bezüglich,  vgl.  I  G  «.  D,  tritt  in  Substantiv- 
Verbindungen  seit  dem  älteren  nhd.  hervor,  vgl.  grund- 
fläche,  -linie  an  alph.  stelle:  grundbreite:  latitudo 
horizontalis  Schottel  472;  feuersflammen  .  .  .,  deren 
mittelpunkt  in  dem  aug  und  ihre  gr.  (basis)  auf  dem  ge- 
sehenen dinge  haftet  Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp. 
4,  382 ;  -ebene:  ob  die  Seitenflächen . . .  senkrecht  zur  gr. 
stehen  Karmarsch-Heeren  6,  95;  auch  technischer  aus- 
druck in  der  geometrie  für  jede  der  beiden  projections- 
ebenen,  vgl.  Mothes  baulex.  2,  640;  -flur:  auf  der  gr. 
...  ist  ein  groszer  saal  Moore  abr.  d.  gesellsch.  leb,  (1779) 
313;  -geschosz: 

der  thurm,  in  dessen  tiefstes  grundgeschosz  .  .  . 

V.  DüRiNG  Chaucer  1,  225; 

-gesimse:  die  Überbleibsel  eines  . . .  giebelgesimses . . ., 
dessen  gr.  rings  um  die  rotunde  fortläuft  v.  d.  Hagen 
br.  in  d.  heimat  4, 194;  -kante:  quadratoctaeder  mit  oft 
abgestumpften  grundkanten  Sprengel  ehem.  f.  landw. 
1,623;  -kegel:  eine  fehlerhafte  berechnung  der  gr.  (6et 
baumstämmen)PRESZLERn.holzwirthsch.taf.  171;  -kreis: 
der  Übergang  in  den  gr.  der  kuppel  Karmarsch-Heeren 
8,  787;  auch  bildlich:  er  (Aristoteles)  umzieht  einen  un- 
geheuren gr.  für  sein  gebäude  Göthe  II  3,  142  W.; 
-moräne  eines  gletschers,  gegenüber  der  randmoräne 
Nehring  tundr.  u.  stepp.  224;  -schnitt  'der  durch- 
Schnittspunkt  (einer)  . . .  geraden  linie  mit  der  grundebene' 
(terminus  der  geometrie)  Mothes  baulex.  2,  542;  -seite 
(eines  dreiecks)  Töpfer  lehrb.  d.  orgelb.  495;  -staffel: 
als  den  lesten  oder  undristen  gr.  Berth.  v.  Chiemsee 
teutsch.  theol.  427  Beithm.;  -stufe,  bildl.:  die  erste  gr. 
der  ehr  und  wolfahrt  ist  die  gute  auferziehung  Val- 
VASSOR  ehre  d.  hztm.  Crain  (i689)  3,  281;  -umrisz: 
den  ganzen  gr.  des  schädels  Lavater  physiogn.  fragm. 
4,  153;  -vierung:  so  beschlieszen  die  2  puncten  E.  H. 
an  den  zwo  grundtlinien  A.  B.  G.  D.  eine  grosze  grundt- 
vierung  Lauten  sack  circk.  undericeis.  (i563)  12». 

c)  specieller  die  unter  der  erdoberfläche  liegende  tiefe 
(vgl.  grund  I  F  2)  des  bodens  drückt  grund-  bei  einer  an- 
zahl  composita  aus,  besonders  bei  begriffen  bergmännischer 
spräche;  als  alter  zeuge  dieses  typus  das  ahd.  crunt- 
laccha:  Egyptii  gruoben  unde  suohton  cruntlaccha  waz- 
zero  acaturiginea  aquarum  Notker  ps.  77,  44;  grund- 
flut: 

ein  sprudelnder  quell,  desz  kühlige  grundfluth 
künstlich  emporgetrieben  Baggesen  poet.w.  1,21; 

-gewässer,  bildlich:  der  sinn  für  Wissenschaft  war  gr. 
Laube  gea.  sehr.  1,  56;  -kändel,  -kandel,  -käntel 
(vgl.  th.  5,  161  känel  8) :  grundkändel  allg.  dtsclie  bibl.  82, 
319  und  -kandel  anh.  zu  53-86,  559 ;  grundkäntel,  'rinne, 
das  wasser  ...  in  das  kunstgezeug  des  bergwerks  zu  lassen' 
Jacobsson  2,  164»;  -kluft:  sie  (die  natur)  ist  bemühet 
ihren  reichsten  schmuck  so  wol  auf  dem  erdenkreise 
auszulegen  als  in  derselben  grundkluften  zu  verbergen 
Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  4,  34i;  -luft:  abfalle 
.  .  .,  durch  welche  gr.  und  grundwasser  .  .  .  verändert 
werden  Dammer  htvb.  d.  gesundh.  324;  -schacht  (bild- 
lich) :  eigene  (wörter)  . . .  aus  der  gr.  ihrer  (der  bergleute) 
reichen  muttersprache  erfunden  Zesen  helikon.  hechel 
(1668)  71;  -statte:  welches  (die  Verschiedenheit  zweier 
biere)  nichts  anders  als  der  unterschied  des  bodens 
und  der  gr.  verursacht  S.  v.  Butschky  rosenthal  (l679) 
202;  -Stollen:  gr.,  '(der)  stollen,  welcher  .  .  .  den  tief- 
sten ansatzpunkt  hat'  Veith  bergwb.  465;  -strecke: 
gr.  'die  tiefste  streichende  strecke'  473;  anders  erklärt: 
gr.,  . . .  eine  hauptstrecke  Gätzschmann  samml.  bergm. 
ausdr.  48;   -wasser  s.  alph.  stelle. 

d)  im  sinne  der  unteren  begrenzung  oder  tiefe  in  aku- 
stischer hinsieht,  doch  mit  starkem  mitklingen  der  be- 
deutung  von  grund  IV  A,  tritt  grund-  mehrfach  in  der 
musikalischen  fachsprache  seit  dem,  17.  jh.  auf;   grund- 


737 


GRUND  (compositionstypen  5  e.  f) 


GRUND  {compoaitionstypen  6  f) 


738 


accord,  -bass,  -stimme  a.  alph.  stelle,  grundbeglei- 
tung:  ein  generalbasz,  der  .  .  .  zur  gr.  dienen  könne 
J.  Mattheson  kl.  gener albaszsch.  42;  -harmonie  a. 
alph.  atelle;  -Intervall:  man  denke  sich  .  .  .  von  dem 
drey klänge  das  gr.  weg  .  .  .  allg.  dtsche  bibl.  108,  468; 
-klang:  beweis,  dasz  ein  erniedrigter  gr.  die  tonart 
hart  .  .  .  macht  J.  Mattheson  vollk.  capellm.  14  vorr.; 
-note:  was  der  generalbasz  sey?  nichts  andres  als  be- 
zifferte grundnoten  J.  Mattheson  kl.  generalbaszsch.  40, 
vgl.  J.  G.  Walther  music.  lex.  (1732)  268*;  -pfeife:  die 
octavenpfeife  ist  nur  halb  so  lang  als  die  gr.  G.Töpfer 
lehrb.  d.  orgelbauk.  130;  -saite  :  die  dritte  laute  . . .  hat 
aber  keine  basz-  oder  grundsaite  Harsdörfer  frauenz. 
geaprächsp.  8,  83;  -Schwingung:  der  tiefste  derselben 
(töne)  heiszt  die  gr.  der  röhre,  die  folgenden  die  ober- 
schwingungen  Meyer  lex.^  20,  515''. 

e)  i»i  den  bedeutungen  II  A  1  und  2  ist  grund-  als 
compoaitionsglied  der  älteren  aprache,  vorab  dem  frühen 
nhd..  ziemlich  geläufig,  zieht  sich  aber  aeit  dem  i8.  jh. 
fast  ganz  in  fachaprachliche  termini  zurück  und  ist  auch 
mundartlich  ivenig  reich  entwickelt:  grundarbeit:  grond- 
ärbecht  'erdarbeit'  lux.  ma.  (1906)  156"';  -beben:  aber 
als  das  gr.  wieder  heftiger  wird  . . .  Francisci  ind.chin. 
lustgart.  (1668)  1,  139;  -bogen:  die  gr.  oder  erdbogen 
...waren  schon  im  12.  jahrh.  bekannt  Müller-Mothes 
baulex.  i,  494 *>;  die  gr.  eines  saales  Laube  ges.  sehr. 
4,197;  -bohrer,  auch  erdbohr  er,  Instrument  der  maurer 
zur  Untersuchung  des  baugrundes  Jacobsson  2,  161 ''; 
•  buckel  'erdhügel'  Martin -Lienhart  2,80'';  -erz: 
gr.  nennt  man  bey  Hausen  im  Badischen  den  eisen- 
sand  oder  sandigen  magneteisenstein  Blumhof  eisen- 
hütt.  2,496;  -erzeugnis:  besteht  diese  .  .  .  erzielung 
aus  den  grunderzeugnissen  des  landes  allg.  dtsche  bibl. 
anh.  zu  53-86,  «.1311;  -führe:  avectio  reliquiarum  ex 
ruderibus  cf.  schutt-  und  grundfuhren  Haym  jur.  lex. 
(1788)  274;  -furche:  das  er  zu  Buetweiler  bey  der 
strasze  zu  beiden  Seiten  in  der  grundtfurchen  sthon 
soll  weiath.  4,  50;  -grab  Martin -Lienhart  l,  561''; 
-gräber,  in  Danzig:  'leute,  die  zu  grabarbeiten  gebraucht 
werden'  v.  Klein  dtsch.  prov.  wb.  l,  166;  -hanns  {rot- 
toälsch)  eggenzinke  v.Grolman  wb.  d.  apitzb.  27^;  -hardt 
(rotwälsch)  =  feldt  (vgl.  grünhart)  Gengenbach  868  O.; 
-häufe:  dann  wan  ein  feindt  .  .  .  ein  solchen  grundt- 
häufen  im  graben  und  Speckle  architect.  v.  vestungen 
(1589)  75*';  keiner  dachte  daran,  dasz  das  geld  unter 
dem  grundhaufen  liegt  J.  P.  Hebel  w.  8,  213  B.,  vgl. 
Martin-Lienhart  1,808»;  -hunger  'hunger  des  grün- 
des  nach  nahrung  oder  dünger'  TEN  Doornkaat-Koolm. 
1,  702'';  -lawine:  weil  sie  {die  lawinen)  ...  den  grund 
selbst  (daher  sie  auch  grundlauwinen  heiszen)  einwickeln 
Noel  Chomel  5,  1411,  vgl.  Lexer  kärntn.  173;  die  meisten 
grundlauinen  haben  ihre  regelmäszigen  passagen  Ber- 
lepsch  d.  Alpen  203;  -mergel  {auch  stahlmergel)  Ja- 
cobsson 5,750'';  -mutter:  vrelches  {feste  erdr eich)  die 
bauleute  gemeiniglich  die  gr.  nennen  Zesen  kriegsarb. 
(1672)  3,  64;  -nässe:  das  übermasz  von  gr.  Karmarsch- 
Heeren  5,  281;  -pfiesel,  'ofen  unter  den  pfieszlen  in 
der  erde'  (1614)  v.  LoRl  samml.  d.  baier.  bergr.  392; 
-schmack,  auch  düngerschmack,  geschmack  des  weines 
nach  dem  bodendünger  Bechhold  hwb.  d.  nat.  609''; 
-schölle:  grundscholl,  ein  erdklotz  gleba  Henisch 
1769;  welcher  . . .  sein  herz  mit  grundschollen  ausstopft 
A.  Stolz  hexenangst  6;  -schütte:  .  .  .  haben  sie  im 
brauch  .  .  .  am  ende  des  ackers  etliche  grundschütten 
...  auf  zuwerfen  Sebiz /eWö.  486;  -stab  {stab,  der  in 
die  erde  gesteckt  wird?):  gleich  wie  die  verständige  gart- 
ner  den  . . .  spröszling  ire  . . .  grundstäb,  pfäl  . .  .  suchen 
und  beistellen  Fischart  ehzuchtbüchl.  285  H.;  -Ver- 
besserung: Urbarmachung  und  gr.  Wieland  33,161  H. 

f)  grund-  in  der  bedeutung  II  A  3,  besonders  3  a,  ent- 
faltet sich  als  compositionselement  seit  der  deutschen  ur- 
kundung  im  18.  jh.  stark  in  der  aprache  dea  rechtaverkehra 
und  treibt  noch  in  moderner  rechtaterminologie  atetig 
neue  sprosse;  vgl.  grundbuch,  -beer,  -recht  an  alph.  stelle; 
selten  ist  die  Verbindung  mit  plural.  gründe  {vgl.  II A  3  b). 
gründegeniesz:  grindgenüesz  jenigens,  so  sein  grund 
zu  pawen  nit  vermag  {n.jh.)  österr.  weiath.  l,  118;  grund- 

IV.  1.  6. 


abgäbe:  die  hauptabgaben  .  .  .  sind  die  ...  rustikal-, 
haus-  und  grundabgaben  Nicolai  reise  d.  Dtschld.  8, 
beilage  122;  -acte:  zusammenfassen  derselben  (grund- 
stückseingaben  u.  s.  w.)  zu  besonderen  grundakten  hwb. 

d.  ataatswias.-  4,,  I29i;  -actie  Wimmer  gesch.  d.  dtsch. 
bod.  41;  -amtmann  (1596)  öaterr.  weiath.  lo,  72;  -an- 
stalt:  die  gebäude  und  andre  grundanstalten  an  dem 
gute  zu  unterhalten  J.  Iselin  träume  e.  mensch.  1,  162; 
-antheil  Schwerz  ac/cerd.  909;  -aristokratie:  es  ist 
bezeichnend,  dasz  ...  die  grund-  und  geldaristokratie 
übermächtig  .  . .  war  Mommsen  röm.  geach.  2,  227;  -auf- 
läge: zehende,  pachte  und  Zinsen  sind  .  .  .  grundauf- 
lagen allg.  dtache  bibl.  100,  240;  -aus läge:  die  grund- 
auslagen,  durch  welche  das  erdreich  .  .  .  bepflanzet  wer- 
den kann  20,456;  -bannherr:  die  weisen  einen  abt 
vor  einen  grundtbanhern  weiath.  2,  65;  -befreiung:  1850 
war  die  gr.  im  ganzen  lande  .  .  .  durchgeführt  Bern- 
hardt geach.  d.  waldeig.  3,  48;  -beschädigung  {termi- 
nua  im  entwäaaerungareeJit)  hwb.  d.  ataatswias.  3,  658; 
-beschreibung:  ob  ich  zwar  in  denen  ...  urbarien  und 
grundbeschreibungen  nit  finden  khan  (1699)  Schwappach 
hdb.  d.  forat-  u.  jagdgesch.  1,  826  anm.  23;  -besch  werde: 

über  die  groszen  grundbeschwerden  mancher  guter 

wird  auch  geklagt  Nicolai  reise  d.  Dtschld.  lO,  beil.  77; 
-besteuerung  LoTZ  hdb.d.ataatatcirtach.s,229;  -brau- 
cher: und  bestehet  .  ..  des  grundbrauchers  recht  dar- 
innen, dasz  er  des  grundherrns  platz  .  . .  brauchen  kan 
Noel  Chomel  4,  1390;  -bürde:  dann  die  dienstbarkeit 
gepürt  dem  gründe  als  ein  grundtbürde  und  nitt  der 
persone  d.  at.  Worma  reform.  (1513)  79'';  -cataster 
Eichhorn  dtache  Staats- u.  rechtsgeach.^  l,  474;  -credit 
hieb.  d.  staatswiss.^  5,  487;  davon  eine  anzahl  tricomposita. 
z.  b.:  -creditanstalt  6,  861;  -creditbank  4,  1254; 
-dieb:  umgehen  müssen  besonders  die  grunddiebe,  die 
.  .  .  sich  fremden  grund  angeeignet  haben  A.  Baumgar- 
ten a.  d.  volksmüsz.  überlief.  9,131;  -dienst:  jerlichen 
da  von  raichen  und  geben  sullen  sechsthalb  phunt  phe- 
ning  zu  rehten  gruntdinst  (1366)  urkdb.  d.  at.  Kloaterneu- 
burg  7ir.  430  Z.;   -dienstbarkeit  Thibaut  üb.  d.  notw. 

e.  allg.  bürgerl.  rechta  (1814)  456;  grundgerechtigkeiten 
(grunddienstbarkeiten)  sind  dingliche  rechte  hwb.  d. 
ataatawisa.  4,  865;  -ent lastung:  die  adeligen  grosz- 
grundbesitzer  widerstrebten  der  gr.  Bernhardt  gesch. 
d.  tcaldeig.  3,  47;  -erbe:  gr.  proprietarius  heres  Stein- 
bach dtsch.  icb.  1,  347;  hwb.  d.  staatswiss.  4,  1222;  -erb- 
recht 4,1222;  -erbstelle  4,  1228;  -ertrag:  die  ...  ein- 
nähme . . .  habe  . . .  nie  mehr  als  den  lO.  theil  des  grund- 
ertrags  von  Spanien  betragen  J.  G.  Forster  s.  sehr.  5; 
381;  -frau:  so  wurde  ich  von  der  grundfrauen  allda 
zum  abendessen  eingeladen  Francisci  v.  Irenei  leb.  u. 
that.  (1747)  56;  bey  vorkommender  verehligung  seitens 
des  grundherrns  oder  grundfrauen  Krünitz  200,381; 
-frevel  in  grundfrevelbetrag  Stifter  s.  w.  2,  189; 
-frucht:  die  bäum,  so  auf  dem  heüratgrundt  .  .  .,  wer- 
den in  die  grundtfrücht  gerechent  M.  Pegius  de  jure  et 
privil.  dot.  (1559)  28*';  -gebiet:  Verteidigung  des  grund- 
gebiets  Fr.  L.  Jahn  w.  l,  58,  vgl.  2,  579  E.;  {der  pre- 
diger)  der  sich  .  .  .  auf  seinem  grundgebiete  nicht  sehen 
liesz  H.  Schmidt  mitth.  a.  d.  tageb.  10;  -gebrechen: 
grundgebrek  . . .  mangel  an  grund  und  boden  ten  Doorn- 
kaat-Koolm. 1,702'';  -gefalle  Gutzkow  ritt.  v.  geiste 
8,  280,  vgl.  hwb.  d.  staatswiss.  2,854;  -geig er  mundartl., 
auch  bodengeiger  Fischer  schwäb.  3,877,  vgl.  grüngeiger; 
-grenze:  das  disz  die  alte,  wäre,  rechte  grundgrenitz 
ist  zwischen  der  stadt  Trautenau  bürgerwalde  Hüttel 
Trautenauer  chron.  206  Schlesinger;  -gulte:  davon  nun 
erstlich  dem  herrn  die  grundgult  und  pfechte  .  .  .  solte 
abgezogen  werden  J.  Mechtel  Limburg,  chron.  190; 
schuldige  stuft-  und  gruntgilten  (i7.  jh.)  öaterr.  weiath. 
2,  16;  -heuer:  grundhaur  groundrent  Ludwig  teutach- 
engl.  818;  grundhüre  brem.-niedera.  wb.  2,  653;  grundhur 
'grund  u.  bodenzina'  Krünitz  241,479;  -hoheit:  die  aus- 
dehnung  der  eigenen  grund-  und  territorialhoheit  hwb. 
d.  ataatawiss.^  1,  179;  -hörigkeit:  keine  .  .  .  Unfreiheit 
{der)  .  . .  besiegten  . . .,  nur  eine  gr.  Bernhardt  geach.  d. 
waldeig.  l,S2;  -Inhaber:  mit  dem  vor- und  nachmaligen 
Schuldenstande  der  gr.   Maüvillon  phyaiokr.  br.  (1780) 

47 


739 


GRUND  {compoaitionstypen  5  g) 


GRUND  {compoaitionstypen  5  h.  i) 


740 


216;  -lasten,  nur  pluralisch  Bachem  staatslex.  11^,  23i; 
-lehen:  grundlehn  Stieler  1I26;  -lehensherr:  item 
weisen  sie  einen  abt  einen  rechten  grundtlehenherrn 
(i486)  tceisth.  2,  73;  -leistung:  eine  .  .  .  gr.  in  der  Pöll- 
auer  gegend  Unger-Khull  625'';  -macht:  gr.,  geld- 
macht, Waffenmacht,  geistesmacht . . .  Jos.  Görres  ges. 
sehr.  6,  i65;  -mark:  grundmarchen,  markstein  {österr.) 
V.  Klein  dtsches  prov.wb.  1,167;  -nachbar:  von  dem 
nächsten  grundnachbarn  des  herrn  etatsrath  Storm  w. 
6,  197;  -pacht  Chr.  Arnold  wahrh.  beschr.  (1692)  87; 
-pfand:  und  ob  inen  an  vorbestimpten  gr  undpfanden 
{aus  grundbesitz  bestehenden  pfändern)  abgieng  Biederer 
spieg.  d.  w.  rhet.  x  i^;  -pfennig  Staub-Tobler  5, 1123; 
-polizei:  unter  seiner  gründlich  gehandhabten  gr.  Hol- 
te i  erz.  sehr.  35,  144;  -rain:  wann  si  ainen  in  Pflusen- 
thall  und  an  gruntrain  hinaus,  so  weit  die  auen  get, 
betreten  {etwa  1673)  österr.  weisth.  2,  270;  -register: 
{sie)  haben . . .  agrorum  formas,  das  ist  grundtregister  oder 
grundtbücher  E.  Werlichius  augspurg.  chron.  (1595)  23; 
-rente:  bey  landhäusern,  die  von  groszen  städten  ent- 
fernt liegen,  ist  die  gr.  so  gut  wie  nichts  Garve  A.  Smiths 
nationalreichth.  (i794)  4,  275;  -rieht er  (i592)  weisth.  2,  308 
anm.;  -schöffe  '?,28breg.;  -schosz  {auch  fundschosz) 
z.  b.  'in  mark  Brandenburg' ,  schosz  von  grundstücken 
Krünitz  20,  286;  -Sicherheit  Rumpf  gemeinnütz.  wb. 
(l8il)  146,  v^Z.  Campe  2,474'';  -Siegel:  seind  sie  auch 
schuldig  .  .  .,  grundsigil  {offenbar  eine  taxe)  zu  nemen 
{i.e./n.jh.)  österr.  weisth.  6,  533,  vgl.  aber:  mit  gemainer 
statt  .  .  .  ewiggelt-  und  grundinsiglen  besiglet  (i573)  d. 
stadtrecht  v.  München  263  Auer;  -sitz  villa,  emphyteu- 
sis  Stieler  2037;  grundsitz  podere,  villa,  possessione 
Kramer  teutsch-ital.  2,824*;  -strecke:  dieses  begreift 
die  fruchtbarsten  grundstrecken  der  gemeinde  v.  Droste- 
Hülshoff  w.  (1879)  2,344;  -streifen:  erwarb  ich  einen 
gr.  von  nahezu  einem  joch  Rosegger  sehr.  III  5,  I2i; 
•taxe  v.  Haller  rest.  d.  staatswiss.  1,  206;  -Unkosten 
kosten  der  Urbarmachung  von  ländereien  Iselin  träume 
e.  mensehenfr.  {1716)  2,295;  -verband:  die  bäuerlichen 
privatwaldungen  . . .  standen  meist  im  gr.  Sghwappach 
hdb.  d.  ferst-  u.  jagdgesch.  1,  313;  -Verleihung:  der 
Überrest  {des  landes)  besteht  aus  grundverleihungen 
Ritter  erdk.i,si6;  -verschreibung:  der  vorsichtige 
kaufmann  {war)  durch  sichere  grundverschreibungen  voll- 
kommen gedeckt  Holtei  erz.  sehr.  6,  46;  -Verschul- 
dung hiob.  d.  staatswiss.^  4,  1177;  -vogt:  erkennen  die 
scheffen  .  .  .  einen  erw.  abt  vor  einen  rechten,  natur- 
lichen grundvoigt  weisth.  2,  300;  -vorschusz:  diese  Un- 
kosten nennet  man  grundauslagen  oder  grundvorschüsse 
Iselin  träume  e.  menschenfr.  I,  lOO,  vgl.  -Unkosten; 
-Wächter:  lag  die  straszenpolizei  in  der  band  des 
grundwächters  E.  Süsz  erinn.  31 ;  nur  die  grundwach- 
ter  tragens  {die  stocke)  noch  Nestroy  ges.  w.  2,  234; 
-zäun  'zäun  für  den  bauerngrund'  UngerKhull  Sil*; 
nach  demselben  gruntzaun  herab  bisz  an  die  straszen 
(1698)  österr.  weisth.  e,2i8;  -zehnte:  gTundzehnt,  natural- 
abgäbe  von  grundstücken  Krünitz  20,  288. 

g)  wenig  ausgebreitet  zeigt  sich  grund-  in  der  bedeu- 
tung  III  A  als  compositionstheil:  grund alp:  gr.  =  'in 
Verhältnis  zu  den  umgebenden  bergen  tief  gelegene  alp' 
Martiny  wb.  d.  milchwirtseh.  48;  -bauer:  datt  sik 
de  grundbure  ken  riedgul  hält  Bauer-Collitz  226*; 
gehört  dazu:  und  wirft  sie  {die  gerate)  . . .  auf  den  wagen, 
darauf  ein  ander  grundbawer  .  . .  steht  J.  Critiphilus 
m,artyr.  hordei  12,  oder  liegt  gruppe  f  vor?  -hase:  die- 
jenigen {hasen),  welche  sich  in  den  gründen  und  thä- 
lern  aufhalten,  {heiszen)  grundhasen  Krünitz  22,  101 ; 
nach  Campe  2,  472*  'zum  unterschiede  vom  berghasen'; 
-mensch  Stelzhammer  aicsg.  dicht.  2,318  Rosegger; 
-mühle:  die  schöne  gr.  an  der  Sitter  v.  Gaudy  s.  w. 
17,153;  -rise  'striehblösze,  natürliche  bergrinne'  Unger- 
Khull 311*;  -Volk:  über  30  jähre  habe  er  als  pfarrer.., 
unter  dem  grundvolke  ...  zugebracht  bei  Staub-Tobler 
2,  772 ;  -weide  'die  das  ganze  jähr  als  weiden  benutzten 
flächen'  {wahrscheinlich  zu  grund  III  A  5  gehörig)  K.Bruns 
volksw.  d.  prov.  Sachsen  27'';  hierher  wohl  auch  -Wein- 
garten: grundweingart,  'zu  unterst  . . .  gelegener  Wein- 
berg' FiscuER  achioäb.  3,880;   -wiese  Holtei  erz.  sehr. 


23,  241;  -wiesenmahd:  neben  der  obgemelten  peisze- 
rischen  gruntwüsenmat  (i688)  österr.  weisth.  10,  218. 

h)  in  der  bedeutung  IV  A,  zum  fundament  eines  bau- 
Werkes  gehörig  oder  itr,  weiterem  si7i7ie  als  angäbe,  dasz 
ein  körper  anderen  zur  grundlage  dient,  kennt  bereits  die 
ältere  spräche  grund-  als  compos%tionselem.ent  vgl.  grund- 
feste ;  häufiger  tritt  dieser  typus  aber  doch  erst  mit  dem 
l5./lB.jh.  hervor,  vgl.  grundpfahl,  -pfeiler,  -schwelle,  -werk 
{an  alph.  stelle)  und  erstreckt  sich  dann  besonders  auf 
technische  ausdrücke  des  baugeicerbes ;  grundblock:  die 
grosze  marmormasse  des  grundblocks  Welgker  alte 
denkm.  1,365;    -gebäu  bildlich: 

der  kaum  das  grundgebäu  des  glucks  zu  stände  bringt 

Schwabe  belust.  7,195; 

und  solch  ein  trugbild  soll  dir  grundgebäu 

von  deiner  pflicht  . .  .  seyn?      Herder  29, 133  S.; 

-gebäude  subatructiones  Reyher  thes.  (1686)  g  6vb; 
bildlich:  exempel  .  .  .  die  doch  würklich  das  ganze  gr. 
der  Wahrheit  ...  zu  erschüttern  scheinen  Herder  7, 
256  S.;  -gurt  'die  zwey  gurte  über  dem  sattelbaum, 
loorüber  der  grundsitz  .  .  .  zu  liegen  komt'  Jacobsson  2, 
163'»;  -gemäuer:  hier,  wo  das  gr.  eines  römischen 
castells  noch  übrig  Göthe  28,  79  W.,  vgl.  Mothes  bau- 
lex.  2,  541;  -gestell:  das  mauerwerk  im  gründe  eines 
hochofena  Blumhof  eisenhütt.  496;  -ge wölbe  im  eigent- 
lichen sinne:  in  dessen  {des  turmes)  moderichten  grund- 
gewölben  Holtei  erz.  achr.  35,187;  bildlich:  das  gr.  {d.  h. 
das  testament),  welches  künftig  Spendheims  ungebun- 
denen überflusz  tragen  sollte  25, 164;  -joch:  untere  pfahl- 
reihe eines  brückenjochs  Mothes  baulex.  2,  541;  zwölf 
mann  bilden  die  grundjöcher  und  auf  deren  rücken  vier 
mann  die  pfeiler  Hartmann  volksschausp.  128;  -leiste: 
het  auf  beyden  selten  grundleisten,  auf  welchen  der 
tiel  war  M.  Chusius  annal.  Suev.  3,  296;  -mörtel:  grob- 
oder  gr.,  bdton  Muspratt  2,464;  -pflaster,  a7-t  mör- 
tel, beton  Beil  1,  265;  -pfosten,  bildlieh:  als  ob  die 
europäischen  Staaten  . . .  auf  unwandelbaren  gr.  vorlägen 
Laube  ges.  sehr.  8,75;  -rest:  von  den  mauern  . . .  sind 
nur  die  grundreste  ...  übrig  Ritter  erdk.  19,  352;   -rost: 

.  .  .  das  gestein,  das  gebälk,  die  mühsam  die  Griechen  zum 

grundrost 

hatten  gefügt,  mit  der  wogen  gewalt  aus  dem  boden  heraus- 
warf 
Jordan  Ilias  251; 

•  Säule  base,  piedestallo  Kramer  teutschital.  1,574*; 
-schiebt:  die  Verbreitung,  welche  man  der  gr.  gegen 
die  darauf  stehende  mauer  giebt  Mothes  baulex.  2,  542; 
-sitz  *.  grundgurt;  -sohle  im  bergbau,  Zimmerhölzer ^ 
die  den  thürschwellen  zur  unterläge  dienen  Jacobsson 
2,165'';  grundsohlen  kan  man  nicht  anbringen,  hat  (maw) 
unter  sich  kein  festes  gestein  Schönberg  berginform. 
(1693)  2,  46,  vgl.  Veith  bergtob.  256;  -vorsprung  'der 
vorsprung  .  .  .  der  grundschicht  gegen  die  darauf  stehende 
mauer'  Mothes  baulex.  2,  542;  -wachs  ^tvachs,  was 
zur  grundlegung  der  immenzellen  .  .  .  dient'  Overbeck 
gloss.  mel.  37;  der  bedeutung  von  grund  II  A  entsprechend' 
läszt  sich  ansehlieszen  grundwein  'weinspende  ...  bei 
grundlegung  eines  hauses'  Unger-Khull  311*. 

i)  grund-  in  den  eoncreten  bedeutungen  von  V  A  3-6 
u.  10  bezeichnet  in  zahlreichen  fachsprachlichen  ausdrücken 
der  vialerei,  kupf er  stecherei,  weberei,  Stickerei  u.  s.  w.  die 
als  tmtergrund  des  gebildes  dienende  Schicht  der  färbe, 
der  striehelung,  des  gewebes  oder  die  hierzu  gebrauchten 
Werkzeuge:  grün  danstrich  (v^^  V  A  1  a)  Mothes  iaw- 
lex.  2,  541;  -auf trag  {bei  goldleisten)  403;  auch  als  subst. 
inf  -auftragen  Karmarsch-Heeren  4, 141;  -behand- 
lung  8,  764;  -bindung:  auf  der  klöppelmaschine  wer- 
den . . .  nur  torchonspitzen  erzeugt,  also  einfache  grund- 
bindungen  8,  372;  -fach  in  der  sammticeberei:  in  den 
sogenannten  grundfachen  wird  die  pole  mit  eingewebt 
Preghtl  techn.  enc.  20,  522;  -faden  s.  alph.  stelle; 
-feld:  gr.  des  gemähldes  {vgl.  grund  I  G  2  a)  Krünitz 
20,  252;  gr.,  engl,  dead  colour  of  a  pieture  Hoyer-Kreu- 
TER  1,  316;  -firnisz  'bei  verguldern  couche'  Schrauer 
dtsch-frz.  wb.  1,580;  -füllung:  ...  zur  gr.  der  breiten 
mittelbordüre  Dillmont  enc.  d.  tceibl.  handarb.  119;  -gla- 


741  GRUND  {composiiionstypen  5  k.  1.  rn) 


GRUND  (compoaitionstypen  5  n.  o) 


742 


sur  Karmarsch -Heeren  9,  444;  -kette,  auch  steif- 
kette Jacobsson  2,164»;  webereitechnischer  ausdruck;  der 
kettenfaden,  aus  dem  der  grund  (vgl.  V  A  4)  gewebt  wird; 
-kettenfaden  ä.  grundkette  Campe  2,472'';  Karmarsch- 
Heeren  10,  486;  -leder:  ziermotive  aus  verschieden- 
farbigem .  .  .  leder  auf  dem  gr.  (aufgeklebt)  Lueger  6, 
118;  -lein wand:  es  (das  leben)  ist  wie  die  grundlein- 
wat  eines  mahlers  Chr.  v.  Ryssel  v.  d.  seelenfried. 
(1685)  173;  -litze  eines  drahtseiles  Karmarsgh-Heeren 
2,  664;  -masche:  grundmaschen,  auf  welchen  die  ar- 
beit dann  ausgeführt  wird  Dillmont  enc.  d.  weibl.  hand- 
arb. 232;  -maschine  maschine  des  kupferstechers  zum 
'gründen'  (vgl.  sp.  795)  von  kt tpf erplatten ,  s.  grundwerk 
Jacobsson  5,  752»;  -muster  z.  b.  bei  spitzen  Kar- 
marsch-Heeren 8,  364;  -nadel  bei  klöppelkissen  370; 
-netz  bei  spitzen  367;  -putz  bei  stuckarbeiten  653; 
-Schaft  am  seidenwirkerstuhl,  ' Schäfte,  worin  die  grund- 
fäden  .  .  .  eingereihet  .  .  .  werden'  Jacobsson  2,  165''; 
-spitze:  aus  weiszer  .  .  .  seide  hergestellte  .  .  .  grund- 
spitzen Lueger  2,  493;  -tuch:  bei  den  husaren  ist 
das  gr.  von  der  färbe  der  attila  v.  Alten  hdbuch  f.  heer 
u.  flotte  1,63;  -Verdunkelung  (eines  gemäldes),  frz. 
rembrunissement  Beil  265;  -werk  Jacobsson  5,  752, 
*.  grundmaschine;  -zäckchen:  die  (ar<)  ist  unerhoben, 
in  faden  fein  genehet  mit  grundzäckgen  Mahperger 
beschr.  d.  hanfs  (1710)  146. 

k)  grund-  gibt  in  einer  besonderen  bedeutungsgruppe 
bei  technischen  terminis  an,  dasz  es  sich  um  ein  als 
grundlage  weiterer  Verarbeitung  dienendes  product  handelt; 
neben  grund  IV  A  2  spielen  hier  die  abgeleiteten  bedeu- 
tungen  IV  B  1  m.  2  eine  rolle:  grund  filz:  man  . . .  fllzt 
sie  (die  fache)  mit  dem  gr.  zusammen  Karmarsch- 
Heeren  4,  439;  -hefe,  vgl.  grundsauer;  -körper:  G. 
empfiehlt  folgende  composition  harzölfirnisz  als  gr.  Mu- 
SPRATT  4,  133;  -lauge:  gruben  ...,  in  welchen  die 
zum  versieden  bestimmte  roh-  oder  gr.  aufgesammelt 
wird  Prechtl  techn.  enc.  1,202:  -material:  dasz  er 
(der  preiszuuachs)  den  ursprünglichen  werth  des  grund- 
materials  ...  übersteigt  Sonnenfels  ges.  sehr.  10,207; 
-metall:  geringe  mengen  anderer  metalle  . . .  kommen 
.  .  .  bei  nicht  ganz  reinen  grundmetallen  in  die  legierung 
MusPRATT  4,  2004;  die  Verschiedenheit  .  .  .  kann  nur 
durch  Umbildung  aus  dem  allgemeinen  grundmetalle 
gedacht  werden  K.  E.  v.  Bär  red.  u.  versch.  aufs.  1,62; 
-sauer  ' Sauerteig  .  .  .  zur  Zubereitung  des  künftig  nö- 
thigen  Sauerteiges'  Schrader  dtsch-frz.  wb.  i,  681; 
-schmiere  Muspratt  4,  ISO. 

1)  in  fachausdrücken  der  botanik  (seltener  der  Zoologie) 
bezeichnet  grund-  mehrfach  die  tief  gelegenen  theile  einer 
pflanze  oder  eines  pflanzenstückes  (bzw.  des  thierkörpers), 
vgl.  grund  I  F;  doch  kommen  gelegentlich  auch  andere  be- 
deutungen  in  betracht:  grundachse:  l)  'der  bleibende 
theil  der  achse  solcher  pflanzen,  bei  denen  die  .  .  .  Ver- 
zweigungen .  .  .  verloren  gehen'  (grund  IV  A);  2)  =  'tour- 
zelstock,  erdstamm'  (grund  II  A  2)  Bechhold  hdiob.  d. 
nat.  u.  med.'^  608'';  kräuter,  deren  ...  blätter  unmittel- 
bar aus  der  gr.  kommen  Allmers  marschenb.  1/2 ,  93 ; 
-blatt  s.  alph.  stelle;  -blute  Schlechtendal  j^ora  v. 
Btschld.  e.ioe;  -horste  Campe  2,  470";  -bucht:  blätter 
...  mit  engerer  oder  weiterer  gr.  Schlechtendal  flora 
V.  Btschld.  11,101;  -fleck:  die  grundflecken  der  kron- 
blätter  13,38;  -läppe:  die  beiden  grundlappen  (der  blät- 
ter) kurz  und  spitz  16,  4;  -stamm  'die  unterläge  (wild- 
ling),  auf  die  das  edelreis ...  kommt'  (grund  IV  A  )  Bech- 
hold hdwb.  d.  nat.  u.med.^  609'';  -winkel:  (der  Schmetter- 
ling ist)  auch  am  gr.  roth  ('basique  rubris')  allg.  dtsche 
bibl.  anh.  zu  bd.  37-52,  463;  hinterwinkel ,  gr. ,  anguli 
postici.  anguli  baseos  (am  halsschilde  der  insecten)  Illiger 
tier-  u.  pflanz.  232. 

m)  grund-  vertritt  in  appellativen  bezeichnungen  natur- 
wissenschaftlicher und  volksthümlicher  herkunft  verschie- 
dene, nicht  stets  völlig  durchsichtige  bedeutungen,  z.  th. 
älteren  datums,  vgl.  grundfeste,  grundheil,  grundrebe 
an  alph.  stelle;  in  pflanzennamen  entspricht  zumeist  grund 
II  A  2  (vgl.  die  Varianten  mit  erd-)  oder  es  liegt  entstelltes 
grind  vor;  bei  flschnamen  ist  besonders  mit  grund  I  A  zu 


rechnen;  für  die  namen  der  übrigen  thiere  kommt  neben 
grund  II  A  2  auch  III  A  3-6  in  betracht:  grundbeil 
(sonst  grundheil,  s.  alph.  stelle)  Schlechtendal  ^ra 
v.  Btschld.  17,  113;  -echse:  so  könnte  man  sie  (die 
Schlangeneidechsen)  auch  grundechsen  nennen  Oken  6, 583; 
-eichel:  terrestris  glans  ...  ackereychel,  grundeychel, 
erdnusz  Alberus  (i640)  ff  3»;  gr. ,  auch  erdeichel 
(Schlesien)  =  lathyrus  tuberosus  Pritzel-Jessen  204''; 
vgl.  bei  KrOnitz  20,  279,  *.  grundbirne  1;  -eichhörn- 
chen  sciurus  striatua  Oken  7,  772;  -epheu,  dasselbe 
wie  'erdepheu,  grundrebe'  Krönitz  20,  350,  schon  bei  Lud- 
wig dict.  engl.-germ.  296;  -ferkel,  dasselbe  wie  grund- 
ratte  Oken  7,  786;  -fink  geospiza  Brehm  tti'eri.*  9,  435 ; 
-fisch  ('erdfisch')  ophiocephalus  striatus  Bechhold  hwb. 
d.nat.- 609;  -hai,  handelsname  für  den  dornhai  Meyer 
icx.' 5,736;  -he cht  Noel  Chomel  4,  1389;  -käfer  homo- 
phron  Oken  allg.  nat.  5,  1718;  -karpfen  Campe  2,  472; 
-kraut  senecio  vulgaris  Holl  wb.  d.  pflanz.  137",  ent- 
stellt aus  grindkraut,  vgl.  th.  i,  l,  G,  sp.  SVS;  -kresse 
cyprinua  gobio  Nemnich  wb.  d.  nat.  213;  -kuckuk 
geococcya  californiaiius  Brehm  thierl.^  5,  118;  -magen 
(=  mohn)  papaver  Khoeas  Holl  wb.  d. pflanz.  137 '',  daneben 
altes  grindmagen,  vgl.  th.  4,  l,  6,  sp.Sll;  -mann  (gundel- 
rebe)  glechoma  hederacea,  'erdepheu'  Pritzel-Jessen 
166»  aus  Francus  de  Franchenau  lex.  vegetab.  (i672); 
-nessel:  grundnettel  in  Mecklenburg  1)  ranunculus 
aquatilis,  2)  potamogeton  (laichkraut)  Pritzel-Jessen 
324»  bzw.  303»,  vgl.  Nemnich  wb.  d.  nat.  213;  -nusz: 
.  .  .  beladen  mit  cassave  und  grundnüssen  Ritter  erdk. 
1,  284;  -papagei  (erdsittich) :  sumpf-  oder  gr.  pezoporua 
terrestris  Brehm  thierl.*  8,  112;  -ratte  aulacodus  swin- 
derianus  Oken  7,  784;  -ruch  colymbus  minor  L.  Nau- 
mann Vögel  9,  785,  vgl.  Staub-Tobler  6, 194  u.  Fischer 
schicäb.  8,879;  -sangel  cyprinus  gobio  Nemnich  wb.  d. 
nat.  213;  die  grundsängel  sollen  an  keinem  ort  .  . .  ge- 
fangen werden  v.  Hohberg  georg.  cur.  (1682)  2,  468; 
-Schnecke:  ...  von  den  gemainen  grund-  oder  haus- 
schnecken  Fischart  b,  157  if^. ;  - b  c  h  w  a I b e  (Uferschwalbe) 
grondschmuelef  lux.  ma.  156»;  -strauch  epigaea  re- 
pens  Nemnich  wb.  d.  nat.  213,  auch  grundkriechender 
vgl.  Holl  wb.  d.  pflanz.  137  •>;  -taube  columba  passerina 
Oken  7,  294;  -weide  in  Schleswig  -  Holstein  für  'erd- 
weide, ackerweide',  salix  repens  Pritzel-Jessen  356», 
auch  für  andere  arten  der  weide  in  gebrauch  ebd.  367», 
vgl.  Nemnich  wb.  d.  nat.  214;  -würz  eryngium  cam- 
pestre,  gruntwurz  Toxites  onomast.  dua  (1574)  202,  vgl. 
Pritzel-Jessen  145». 

n)  in  medidnischer  terminologie  entspricht  grund-  theils 
der  bedeutung  IV  A  2  a  'grundlage',  wobei  die  Vorstellung 
des  räumlich  unteren  (vgl.  I  C  2)  den  begriff  'basis'  mehr 
oder  m,inder  zurückdrängt,  theils  dem.  abgezogeneren  sinne 
von  IV  B  1  'grundbestandtheiV;  erweist  sich  hier  aber  als 
wenig  triebkräftig:  grundbein:  das  siebende  (bein  des 
Schädels)  bestehet  aus  dem  keilförmigen  und  grundbeine, 
weil  es  .  .  .  als  eine  seule  alle  .  .  .  beine  .  .  .  traget 
V.  Fleming  teutsche  sold.  (l726)  341  §  4;  gr.  os  basilare 
Nemnich  wb.  d.  nat.  213;  -faser:  fibrae  ultimae  .  .  . 
sind  die  allereinfachste,  feinste,  unzertheilbarste  grund- 
fasern des  thierischen  körpers  Blancard  arzneiwb.  2, 
18»;  -muskel  Sömmerring  bau  d.  menschl.  körpers 
4,49  anm.  i;  -knorpel,  knorpel  des  kehlkopfes,  meist 
'ringknorpeV  Bechhold  hwb.  d.  nat.^  609»;  -pulsader: 
zapfenpulsader  oder  gr.,  basilaris  Sömmerring  bau  d. 
menschl.  körpers  3,2,107;  -Windung:  die  innere  gr. 
(des  groszhirnes)  gyrus  basilaris  internus  4,  173  anm.; 
-Zungenmuskel:  basioglossum,  die  gr.  sind  ein  mus- 
kelpaar .  .  .  Blancard  arzneiwb.  l,  286». 

0)  seit  dem,  älteren  nhd.  (vgl.  grundspruch  an  alph.  stelle) 
zahlreich  entwickelt  zeigt  sich  die  composition  m,it  gründ- 
en seiner  unconcreten.  übertragenen  Verwendung  als  grund- 
lage allgemein  (vgl.  IV  A  1  m.  2),  auf  der  sich  etwas  andres 
aufbaut  (res  fundamentalis) ;  mehrfach  kreuzen  hier  auch 
bereits  die  bedeutungen  IV  B  1  m.  3  hinein,  sodasz  die 
Zugehörigkeit  zu  einem  bestimmten  typus  nicht  überall 
klar  entscheidbar  ist:  grundangabe:  alle  früheren  be- 
rechnungen  .  .  .,  die  auf  diesen  falschen  grundangaben 
beruhten  .  .  .  Ritter  erdk.  l,  839;   -ansieht:  von  die- 

47» 


743 


GRUND  (compositionstypen  5  o) 


GRUND  {compositionstypen  5  p) 


744 


8er  gr.  aus  fiel  Klopstock  anf  die  christlichen  empfin- 
dungen  Gervinus  gesch.  d.  dtachen  dicht,  i,  269;  -ar- 
tikel:  es  ist  ihr  (der  aposteV)  gr.  der  alles  entwickelnden 
Zukunft  Herder  s.  w.  7,  461  S.;  -auffassung:  nur 
müssen  .  . .  die  nächsten  anstösze ,  welche  die  hier  be- 
folgte idealistische  gr.  finden  könnte,  beseitigt  werden 
Schopenhauer  3,  43  Gr.,-  -bedürfnis:  eben  so  noth- 
wendig  ist  es,  dasz  der  mensch  die  .  .  .  nothwendigen 
grundbedürfnisse  seines  herzens  kennen  lernt  papiere 
e.  verstarb.  (1787)  352;  -behauptung:  diese  gr.  ist  die 
.  .  .  allgemein  bekannte  F.  H.  Jacobi  t<>.  3,  888;  -be- 
kenntnis:  entsprechend  ihrem  {der  physiokraten) 
nationalökonomischen  gr.  hwb.  d.  ataatsunss.^  6,  1121 ; 
-betrachtung:  ich  verweile  mich  hier  .  .  .  bei  diesen 
subtilen  grundbetrachtungen  Moses  Mendelssohn  ges. 
sehr.  2,  152;  -bevölkerung:  der  hauptstamm  und  die 
gr.  des  russischen  Südens  ist  die  malorossianische  nation 
Krünitz  198,  552;  -Choral:  darum  sind  die  psalmen 
...  als  der  gr.  aller  kirchlichen  gesänge  gebraucht 
Fr.  Schlegel  a.  iv.  i,  119;  -dogma:  das  gr.,  dem  alle 
übrigen  nur  dienten,  war  das  von  Christus  D.  Fr.  Strausz 
ges.  w.  7,  548;  -erklärung:  die  kleinste  Unrichtigkeit  in 
der  gr.  kann  ...  zu  den  wichtigsten  fehltritten  verlei- 
ten Moses  Mendelssohn  ^e*.  sehr,  i,  287;  -exemplar: 
das  gr.  {meiner  werke)  nochmals  im  ganzen  revidirt  Göthe 
III  11,  79  W.;  -fabel:  die  regel  bleibt,  dasz  die  gr.  des 
romans  nicht  tragisch  sein  darf  0.  Ludwig  ges.  sehr. 
6,129;  -futter  Meyer  iex.' 6, 735;  -geschenk:  der  ver- 
schiedenen gaben,  grundgeschenke  der  familie,  vielfache 
beitrage  von  freunden  Göthe  82,  127  W.;  -hoffnung: 
diese  hoffnung,  welche  freilich  die  gr.  aller  übrigen  ist 
M.  K.  H.  SiNTENis  Qeron  u.  Palämon  80 ;  -hunger:  {ein 
lyrismus)  durchtränkt  mit  dem  gr.  eines  ganzen  Zeit- 
alters Bernoulli  Fr.  Overbeck  u.  Fr.  Nietzsche  2,  16; 
-irrung:  eine  gr.  seines  lebens  Gervinus  gesch.  d. 
19.  jh.8  4,  489 ;  - 1  e  i  d  e  n  s  c  h  a  f  t :  sie  {die  eitelkeit)  ist  die 
seele,  der  Impuls,  der  witz  und  die  gr.  des  mensch- 
lichen geschlechts  B.  Goltz  hint.  d.  feigenblätt.  l,  126; 
-mangel:  mit  .  .  .  einzelnen  glättungen  liesz  sich  der 
gr.  nicht  heben  Herder  12,  391  S.,-  -m einung:  schon 
damals  hatte  sich  bei  mir  eine  gr.  festgesetzt  Göthe 
28,  100  W.;  -melodie:  die  hauptnoten,  worinne  die  gr. 
liegt  Quantz  anweis.  d.  flöte  zu  spielen  (1789)  112;  auch 

bildlich:  die  eigenthümliche  gr die  jedem  in  tiefster 

seele  mitgegeben  ist  Eichendorf  s.  w.  2,69;  -Ordnung: 
die  gr.  der  natur  .  . . ,  die  ich  noch  auf  keinem  misz- 
klang  betrat  Schiller  4,251G.;  -schätz:  wir...  emp- 
fehlen, .  .  .  diese  werke  als  den  gr.  aller  kunst  ...  zu 
studiren  Göth  e  48, 20  W.  ,-  -  s  c  h  u  1  e  s.  alph.  stelle ;  -sinn: 
wird  denn  die  vergleichung  . . .  vom  gr.  bis  zur  einzelsten 
äuszerung  mehr  angenehm  und  belehrend  Göthe  IV  41, 
246  TF.;  -Statut:  es  wird  ...  in  den  grundstatuten  . . . 
vorbehalten  v.  Haller  restaur.  d.  staatswiss.  6,  119; 
-summe:  es  war  eine  hohe  gr.  für  die  anstalt  hinter- 
legt worden  Rosegger  sehr.  12,  871;  -täuschung:  die 
gr.  im  wissenschaftlichen  empirismus  ist  immer  diese 
Hegel  tc.  6,  80;  -tendenz:  nachdem  .  ,  .  das  christen- 
thum  die  gr.  des  lebens  als  eine  moralische  nachgewiesen 
hatte  Schopenhauer  5,  210  Gr.;  -Überzeugung:  was 
ist  alle  moral,  geschichte,  pbilosopbie  ohne  die  gr. :  nil 
humani  a  me  alienum  J.K.Lavater  ausgew.  sehr,  l,  246; 
-Übung:  die  ersten  und  wesentlichen  vor-,  grund-  und 
hauptübungen  Fr.  L.  Jahn  w.  2,  7  K;  -Unterricht: 
der  . . .  Unterricht  theilet  sich  . . .  in  . . .  gr.  . . .  elementar- 
unterricht  und  .  .  ;  wissenschaftlichen  allg.  dtsche  bibl. 
39,  569;  -unterschied:  nur  müszte  man  den  gr.  des 
drama  und  der  epopöe  recht  ins  äuge  fassen  Göthe 
31,  198  W.;  -Untersuchung:  die  interessante  gr.  über 
das  höchste  gut  und  die  tugend  Tennemann  grundr. 
d.  gesch.  d.  phil.  (1827)  117;  -Urkunde:  die  Schleswig- 
Holsteiner  .  .  .  beriefen  sich  auf  ihre  alte  gr.  und  auf 
ihre  frühere  rechtlich  nimmer  aufgehobene  Verfassung 
E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Dtschen  4,  276;  -Ver- 
fassung 8.  alph.  stelle;  -vergleich:  dasz  er  {der  könig) 
den  gr.  zwischen  könig  und  volk  aufhebt  J.  Moore  i, 
805;  -Versorgung:  war  die  Sache  auch  nicht  ganz  so 
brilliant,  wie  sie  es  hier  glaubten  . . . ,  so  war  es  . . .  für 


sie  eine  herrliche  kleine  gr.  Schopenhauer  br.  150; 
-vorurtheil:  hierauf  werden  mittel  angegeben,  die 
grund vorurtheile  auszuwurzeln  allg.  dtsche  bibl.  lo,  86; 
-wahn:  wahn  der  transsubstantiation :  gr.  Novalis  sehr. 
3,  71;  -Weisheit:  aus  einer  heidnischen  gr.  {philo- 
Sophie)  entlehnt  Fr.  Chr.  Öttinger  theol.  hauptwahrh. 
44;  -Widerspruch,  in  diesem  grund  Widerspruche  des 
Werkes  Hegel lo.  2,804;  -wissen:  wahrhaft  beruhigende 
entscheidung  mnsz  immer  auf  ein  gr.  zurückgehen 
Schleiermacher  IIl4,  2,  379;  -Witterung:  meteorolo- 
gische Übersicht  vom  jähre  1771  als  eine  gr.  für  das  ... 
jähr  .  .  .  1790  allg.  dtsche  bibl.  102,  143. 

p)  als  ein  im  älteren  nhd.  zuerst  auftauchender,  später 
breit  verwendeter  und  zukunftsreicher  typus  stellt  sich  die 
composition  mit  grund  IV  B  l  dar;  hier  steht  die  Vor- 
stellung der  zeitlichen  oder  substantiellen  priorität  {res 
primitiva,  originalis,  radicalis),  die  ausgangshaltung,  der 
grundstoff  betont  im  Vordergründe;  gelegentlich  noch  durch 
adjectiva  wie  'ursprünglich'  verdeutlicht  und  öfter  in  con- 
currenz  mit  ur- ;  als  vorbereitende  stufe  dieses  typus  lassen 
sich  einige  m,hd.  compoaita  auffassen,  in  denen  der  be- 
griff 'Ursprung'  {vgl.  IV  B  2)  noch  halb  concret  zu  nehmen 
ist:  grund  ad  er  {die  ader)  haizet  .  .  .  basilica,  daz  ist 
gesprochen  diu  gruntader,  dar  umb  daz  diu  leber  ain 
grünt  ist  und  ain  ursprinch  des  pluotes  Konrad  v. 
Megenberg  b.  d.  nat.  37,5;    grundseele: 


vogel,  tier  swaz  lobentic  si 

daz  muoz  zwo  sele  hän, 

die  gruntsel,  da  wahst  ez  van, 


die  ander  sele 


Teichner  90  Karajan. 


dem  reihen  sich  ein  paar  plastische  Verbindungen  des 
älteren  nhd.  an  {s.  grundfeuchte  =  humidum  radicale  an 
alph.  stelle):  grundgemenge:  also  ist  auch  jedes  körn 
oder  gesäme  ein  chaos  oder  gr.,  in  welchem  die  gesäme 
der  gantzen  weit  kurtz  begriffen  enthalten  sind  Knorr 
v.  Rosenroth  pseudodox.  (1680)  133;  -hitze:  weil  die 
unkeuschen  ihre  grundhitz  und  feuchte  . . .  verschleiszen 
GuARiNONius  grewel  d.  verwüst.  (I610)  1104;  vgl.  grund- 
feuchte; -wärme:  daraus  {dem  urlicht)  folgends  die 
weltliche  lichtskugeln  gemacht  werden  solten,  und  für 
eine  natürliche  grundwärme  .  .  .  allen  körpern  leben 
und  bewegung  gegeben  Francisci  d.  eröffn.  lusthaus 
(1676)  328. 

cc)  in  allgemeiner  Verwendung :  grundanfang:  dieser 
gr.  aller  dinge  wird  licht  genannt  allg.  dtsche  bibl.  21, 
230;  -anmaszung:  aus  dieser  ursprünglichen  gr.  fol- 
gen .  .  .  alle  abgeleiteten  Fr.  Schlegel  pros.  jugend- 
schr.  2,  207;  -annähme:  gehen  wir  .  .  .  von  den  ein- 
fachsten grundannahmen  über  die  gleiche  Wahrschein- 
lichkeit aus  L.  BoLTZMANN  pop.  sehr.  362;  -anstosz: 
.  .  .  dasz  die  geschichte  von  den  sieben  nachkommen 
Sauls  .  .  .  den  gr.  bilde,  welchen  Reimarus  aus  David 
genommen  D.  Fr.  Strausz  ges.  w.  5,  8I6;  -antrieb: 
die  rechte  geschichte  müszte  ...  im  kerne  der  begeben- 
heiten  .  .  . ,  in  deren  grundantrieben  und  den  ersten 
formen,  unter  welchen  sie  ins  leben  übergingen,  gesucht 
werden  v.  Meyern  hinterl.  kl.  sehr.  2,  48;  -auf  st  ei- 
lung: gr.  ...  nennt  man  .  .  .  die  reglementmäszige 
form  einer  geschlossenen  truppe  v.  Alten  hdb.  f.  heer 
u.  flotte  i,  i:"!!;  -be merkung:  so  ...  zeigt  {das)  aber 
die  Wahrheit  meiner  gr.  Hebbel  tageb.  3,  192  W.;  -be- 
zug:  verschiedenartige  bezüge  .  .  .,  die  in  den  groszen 
gr.  von  gott  zur  gesammtwelt  eingetragen,  die  unter- 
geordnete gliederung . . .  begründen  Görres  myatik  1, 12; 
•  bildung:  so  ...  entsteht  die  gr.  des  reichs  Fichte 
a.  w.  4,  453;  -brei:  wie  alles  aus  dem  gr.  oder  urschleim 
hervorgegangen  ist  Fr.  Schlegel  a.  w.  13,  21;  -ein- 
theilung:  dies...  {aind)  nachkommende  eintheilungen, 
jene  erste  aber  .  .  .  bleibt  die  ursprüngliche  und  gr. 
Fichte  *.  w.  4,  453;  -entwurf:  hohes  alter  und  eine 
unmerkliche  auflösung  liegen  im  gr.  unsers  lebens  J.  J. 
Engel  ÄcAr.  2, 153;  -ereignis:  urwissenschaftlich  weisz 
der  geschichtdenker  dem  gegebenen  ereignis  ein  nicht 
gegebenes  gr.  herauszudenken  J.  H.  Vosz  antisymb.  853 ; 
-existenz:  ...  leiten  wir  auch  die  umrisze  und  dar- 
stellung  derselben  {der  wesen)  charakteristischer  aus 
ihrer  gr.  her  Ph.  0.  Runge  hinterl.  sehr,  l,  12;    -feuer: 


745 


GRUND  {compoaitionstypen  5  p) 


GRUND  {compositionstypen  6  p) 


746 


er  setzt  das  gr.  der  bildung  der  erde  voraus  Göthe 
II  9,  396  TT.;  -gesang:  dergleichen  echte  bedeutende 
grundgesänge  {in  'des  knaben  wunderhorn')  Göthe  40, 
367  W.;  -ge Wohnung:  grundgewöhnungen  sind  der 
ström,  in  dem  sie  fortziehen  —  aus  ihnen  erzeugt  sieh 
.  .  .  gleichsam  ein  stehendes  lebenskapital  v.  Metern 
hinter l.  kl.  sehr.  2,  147;  -ge schlecht:  die  vertheilung 
derselben  (der  zeugungskraft)  an  zwei  grundgeschlech- 
ter  Fichte  s.  w.  4,  477;  -gleichheit:  Oersted  (be- 
hauptet) .  .  .  ,  dasz  diese  allgemeingültigkeit  der  .  .  . 
naturgesetze  auch  eine  gr.  des  erkenntnisvermögens 
im  ganzen  Weltall  voraussetze  Büchner  kraft  u.  st.  49; 
-gleichnis:  weils  auch  wider  das  gr.  ist,  das  die 
erste  idee  suppeditirt  Spangenberg  apolog.  schl.-schr. 
(1752)  2,  605;  -gleichung:  der  Übergang  von  der  gr. 
...  zu  jenen  linearen  gleichungen  Hegel  lo.  3,  842; 
■  keim:  dieses  .  .  .  wörtchen  ist  der  gr.  jener  groszen 
revolution  W.  L.  Wekherlin  hyperbor.  br.  1,53,  vgl. 
Herder  4,134  S.;  -kern:  das  fast  bestimmte  und 
positive  .  . . ,  welches  zugleich  der  gr.  des  persönlichen 
ist  Fr.  Schlegel  s.  iv.  12,  67;  -krankheit:  so  ent- 
springt aus  zwei  ursprünglichen  grundkrankheiten  die 
ganze  mannichfaltigkeit  der  krankheitsformen  Schel- 
ling  I  3,  237,  v^^  Krünitz  220,  5;  -kunst:  man  könnte 
der  von  uns  statuirten  aufeinanderfolge  der  drei  grund- 
künste  folgende  andere  entgegensetzen  Schelling  I  5, 
628;  -leben:  wir  können  z.  b.  uns  als  .  .  .  das  leben- 
dige in  jenem  gr.  denken  und  ergreifen  Fichte  a.  w. 
2 ,  344 ;  -  m  a  t  e  r  i  e :  wo  sich  dergleichen  crystallen  be- 
finden, hat  sich  die  ganze  gr.  umgewandelt  allg.  dtsche 
bibl.  92,  329;  -mischung:  seine  erscheinung  setze  schon 
.  . .  trennung  in  der  gr.  voraus  allg.  dtsche  bibl.  9,  2,  18; 
-natur:  seine  (des  Napoleonismus)  demokratische  und 
revolutionaire  gr.  Th.  Mundt  Faris  u.  Louis  Napol.^  175; 
-phänomen,  -phänom:  wir  möchten  jene ...  haupt- 
erscheinung  ein  grund-  und  urphänomen  nennen  Göthe 
II  1,  72  W.;  die  grundphänome  der  entoptischen  färben 
IV  28,  123;  -religion:  dasz  Mani,  Buddhas,  Zoroaster, 
Christus  . . .  dieselben  seyen,  nur  verschiedene  . . .  formen 
der  einen  gr.  Ritter  erdk.  7,218;  -seuche:  gleich  als 
ob  es  eine  gr.  des  ganzen  germanischen  stammes  wäre 
Fichte  s.  w.  7,  836;  -sitte:  das  alter,  die  Zähigkeit, 
die  gr.  ist  uns  gemeinschaftlich  gewesen  Laube  ges.  sehr. 
4, 108;  -stand  :  zwei  grundstände  nemlich  ...  lehrer  und 
durch  lehrer  gebildete  Fichte  s.w.  4,453;  -Stellung, 
in  militärischer  fachsprache:  die  gr.  eines  infanterie- 
bataillons  Wilhelm  I.  mil.  sehr.  2,  238;  als  ausdruck 
des  turnwesens:  sprung  .  .  .  aus  schlusz-  (grund-)  und 
Schrittstellung  Euler  hdb.  d.  ges.  turnues.  l,  336;  übertr.: 
mit  der  rechten  gr.  des  herzens  zu  gott  W.  Lohe  evang.- 
post.  2,  102»;  -Substanz:  der  v.  nimmt  die  vitriole- 
säure  als  die  einzige  von  natur  wesentliche  gr.  an  allg. 
dtsche  bibl.  anh.  1-12, 800 ;  neben  personalem  begriff  selten 
-teuf  el:  der  gr.  heiszt  ungenügsamkeit  Auerbach  sehr. 
18,  166;  -unsinn:  es  gibt  keinen  bedauernswerthen  un- 
sinn,  der  nicht  aus  obigem  gr.  herausgekommen  wäre 
Brunner  erz.  u.  sehr.  2, 161;  -Verneinung:  dann  wird 
diese  Verneinung  aufgehoben  und  es  bleibt  nur  die  eine 
gr.  zurück  Görres  myst.  1,7;  -versuch:  mit  diesen 
täf eichen  läszt  sich  der  erste  einfachste  gr.  ...  glück- 
lich darstellen  Göthe  IV  86,40  W^;  -Verwandtschaft: 
so  ist  eine  gr.  zwischen  der  lateinischen  und  griechi- 
schen spräche  anerkannt  Niebuhr  röm.  gesch.  l,  39; 
-vokal:  je  voller  die  einfachen  grundvokale  aus  ihr 
(der  spräche)  hervortönen  Fr.  Schlegel  s.  w.  15,  144; 
-volk:  sie  lehrt  uns  ...,  dasz  für  jeden  einzelnen 
(stamm)  die  abzweigung  von  dem  entsprechenden  gr.  .  . . 
stattgefunden  hat  v.o.  Steinen  naturvölk. Zentr.  Brasil. 
201;  -Wahrnehmung:  überzeugt,  dasz  ...  spätere  ent- 
deckungen  ...  die  grundwahrnehmungen  doch  zuletzt 
bestätigen  müssen  Ranke  s.  w.  l,  x;  -zustand:  sein 
(des  frommen)  gr.  ist  gemeinschaft  mit  gott  Schleier- 
macher I  12,  14  beil.;  das  gedieht  .  .  .  macht  den  leser 
.  .  .  mit  den  magyai;ischen  grund-  und  Urzuständen  ver- 
traut Hebbel  br.  5,  198  W.;  -zierde:  dasz  gemelter 
spräche  eigene  angebohrene  gr.  nicht  allein  erhalten  . .  . 
werde  Zesen  heliko^i.  rosenth.  33. 


ß)  besonders  verbreitet  und  entwicklungsfähig  ist  dieser 
typus  in  ausdrücken  der  philoaophie,  psychologie  und  ver- 
wandter Wissenschaften;  oft  mit  der  bedeutungsnuance, 
dasz  es  sich  um,  eine  letzte  bestimmende  einheit  handelt, 
auf  die  eine  erscheinung  zurückgeführt  wird;  doch  gehört 
nur  ein  theil  der  verzeichneten  begriffe  zur  eigentlichen 
fachierminologie.  bereits  im.  17.  jh.  beginnt  die  compo- 
sitionsart:  grunddenklichkeit:  es  ist  das  wesen  aber 
.  .  .  nicht  eine  schlechte,  sondern  eine  wissenschaft- 
liche grunddencklichkeit  (denklichkeit  ist  =  conceptus) 
E.Weigel  grund  all.  tug.  (1687)  4;  -qualität:  es  sind 
.  .  .  von  denen  ursprünglichen  qualitäten  die  4  eigen- 
thumliche  die  allerersten,  und  gleichsam  die  grundquali- 
täten  und  gestaltsamkeiten  moral.  weiszh.  (1674)  85;  aber 
voller  enttvickelt  erst  seit  dem  18.  jh. : 

grundabsicht:  einzig  aus  dieser  lezten  gr. ,  die 
Vollkommenheit  des  nebenmenschen  zu  befördern  Schil- 
ler 1,  75  G.;  -affect:  liebe  ist  freilich  der  gr.,  der 
diese  erschütterungen  .  .  .  hervorbringt  J.  J.  Engel  sehr. 
8,831;  -ähnlichkeit:  hier  läszt  sich  die  gr.  mit  den 
äugen  verfolgen  Göthe  II  6,  S69  W.;  -ahnung:  wenn 
wir  diesen  gedanken  ebenso  als  grund  wissen  anzu- 
erkennen vermögen,  als  es  uns  hier  als  gr.  vorschwebt 
Krause  vorles.  üb.  d.  grundwahrh.  d.  tciss.  106;  -ana- 
logie:  die  Vernunft  .  .  .  setzet  die  gr.  zwischen  ihnen 
(Ursache  und  udrkung)  fest  Teten  s  phil.  vers.  1,92  ndr.; 
-aneignung:  alles  und  jedes  (ist)  nur  durch  diese 
centrale  gr.  wirklich  dem  subjecte  innerlich  Vischer 
ästh.  3,  788;  -auflösung  (solutio  radicalis),  'vermöge 
welcher  ein  . . .  körper  .  .  .in  seine  grundtheile  zerlegt  icird' 
Blancard  arzneiwb.  8,  96'';  -äuszerung:  drei  grund- 
äuszerungen  der  erkenntniszkraft  Tetens  phil.  vers.  l, 
698  ndr.;  -begehren  Schelling  I  lo,  442;  -begierde: 
gr. ,  'begierde,  welche  zum,  wesen  des  menschen  gehört, 
appitence'  Schrader  dtsch-frz.  wb.  l,  579,  vgl.  Herbart 
w.  9,  342;  -bestrebang:  seine  (des  willens)  gr.,  die 
Selbsterhaltung  Schopenhauer  2,  349  Gr.;  -bewuszt- 
8 ein:  ferner  liegt  in  dieser  unmittelbaren  erkenntnis 
das  grundbewusztseyn  alles  glaubens  J.  F.  Fries  neue 
kritik.  d.  vemunft  1,200;  -beziehung:  weil  nämlich 
die  schlechthinige  abhängigkeit  die  gr.  ist  Schleier- 
macher Is,  21;  -definition  Moses  Mendelssohn  ges. 
sehr.  2,66;  -eigenthümlichkeit:  die  gr.  unsres  den- 
kens  WoLTMANN  memoir.  l,  222;  -einsieht:  innerhalb 
der  vorausgesetzten  gr.  Fichte  *.  w.  8,  371;  -factum: 
wir  haben  .  . .  das  ganze  bewusztsein  . .  .  zurückzuführen 
auf  zwei  grundfacta  2,609;  -fähigkeit:  verstand  und 
Vernunft  . . .  sind  keine  verschiedene  grundfähigkeiten 
briefe  die  neueste  lit.  betr.  (1765)  21,  155;  gr.  .  .  .  faculte 
primitive  Schrader  dtsch-frz.  wb.  1,680;  -function: 
(der  räum)  ist  .  .  .  eine  function,  ja  eine  .  .  .  gr.  meines 
intellekts  Schopenhauer  5,52  Gr.;  -gebilde:  die  er- 
streckungen der  theile  in  dem  gr.  des  körpers  Vischer 
ästh.  3,415;  -gegensatz:  (der)  gr.  zwischen  bildung 
zur  Vernunft  und  bildung  zur  persönlichkeit  Schelling 
w.  7,  525;  -gepräge:  das  gr.  der  gattungen  Vischer 
ästh.  2,23;  -gesellschaft:  in  welcher  vierstufigen  gr. 
der  mensch  sein  natürliches  leben  .  .  .  pflegen  .  .  .  kan 
E.Weigel  m,orahoeish.  (i674)  13;  -gesinnung:  seine  gr. 
und  die  quelle  seines  handelns  Schopenhauer  5,  209 
Gr.;  -gewiszheit:  diese  .  .  .  erfahrung  .  .  .  zeigt  uns 
nun  vier  grundgewiszheiten  Windelband  flfe«c/t.  d.  neuer, 
philos.^  1,  82;  -handlung:  drei  grundhandlungen  des 
erkennens  Schelling  I  6,516;  -ich:  dies  (das praktische 
ich)  ist  auch  das  eigentliche  gr.  Novalis  sehr,  s,  164  M.; 
-Ingredienz:  auf  welche  weise  diese  beiden  grund- 
ingredientien  unseres  menschengeschlechts  zuerst  ge- 
mischt wurden  Fichte  s.  w.  7,172;  -inhalt:  der  gr.  ist 
die  eine,  einfache,  absolute  Substanz  Hegel  w.  li,  289; 
-instinct:  (die)  den  gr.  verratende  geneigtheit  G.  Sim- 
mel  soziolog.  262;  -kategorie  Hegel  M!.7,1.18;  -kör- 
perchen: leere  Zwischenräume  und  gr.  (atome)  von 
bestimmten  gehalten  Kant  w.  (1838)  8,  527  Hartenst.; 
■merkmal:  die  unterscheidenden  grundmerkmale  seiner 
gesinnung  Fichte  s.  id.  4,  xxiii;  -natur:  seine  eigent- 
liche gr.  Immermann  m».  18,  165  jB. ;  -philosophie:  Baco 
wünschte  in  einer  ur-  oder  gr.  aus  allen  Wissenschaften 


747 


GRUND  (compositionstypen  5  q) 


GRUND  {compositionstypen  5  r) 


748 


allgemeine  grundsätze  gesammlet  Herder  21,  145  S.; 
"Physiognomie:  dürfte  nicht  bey  allen  menschen  eine 
gr.  seyn?  J.  K.  Lavater  physiogn.  fragm.  2,  84;  -pro- 
cess:  die  einzelnen  dynamischen  processe  (sind)  nur  ver- 
schiedene zerfällungen  des  einen  grundprocesses  Schel- 
LiNG  Is,  281;  -qualität:  in  irgend  einer  urfactischen 
.  .  .  qualitätsbestimmung  (die  grundqualitäten  der  natur 
und  des  empfindenden  ich)  Fichte  s.w.i,\iu;  schon 
bei  Weigel,  (leii),  s.  köpf  des  abschn.;  -sein:  das  grund- 
seyn  des  lebens  Fichte  s.  w.  2,  683;  subst.  pari,  präs.: 
nur  das  grundseyende  ist  das  wahrhaft  reale  4,  xix; 
-System:  in  dem  mannigfaltigen...  grundsysteme  alles 
bewusztseins  2,849;  -thätigkeit:  er  prüfet  seines  geg- 
ners  (Böldicke)  neue  kunstwörter  ...  die  grundtriebe, 
die  grundthätigkeiten  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamk. 
6, 107  Gottsched;  ob  denken  und  wollen  aus  einer  oder 
mehreren  grundthätigkeiten  flieszen  Moses  Mendels- 
sohn ges.  sehr.  2, 194,  vgl.  Schopenhauer  w.  3,  533  Gr.; 
-Unterscheidung:  neben  dieser  gr.  tritt  bei  Wolff  eine 
zweite  in  kraft  Windelband  gesch.  d.  neuer,  philos.^  i, 
523 ;  -  u  r  t  h  e  i  He  jugement  fonde  sur  l'experience  Sc  h wan 
nouv.  dict.  1,799°';  -Verhältnis:  durch  völlige  auf- 
lösung  alles  unsers  denkens  in  seine  . .  .  grundverhält- 
nisse  Solger  nachgel.  sehr.  2,  51;  -Verpflichtung: 
diese  grundverhältnisse  . . .  werden  als  quellen  der  fünf 
grundverpflichtungen  angegeben  Hegel  9,  119;  -Ver- 
ständnis: wer  mit  dem  einfältigen  gr.  ...  dergleichen 
vernimmt  Ottinger  theol.hauptwahrh.il;  -wahrnehm- 
nis:  anerkenntnisz  der  grundwahrnehmnisse  des  selbst- 
bewusztseins  K.  Chr.  Fr.  Krause  über  d.  grundwahrh. 
d.  wiss.  323;  -Wahrscheinlichkeit:  in  .  .  .  Wissen- 
schaften, wo  man  nach  deutlich  erkannten  grundwahr- 
scheinlichkeiten  ...  urtheilen  kann  Scheibe  crit.  music. 
(1745)  487;  -weise:  zwei  grundweisen  des  bildens  d.i. 
zwei  grundbegriffe  der  bilder:  .  ..  natur  und  Sittlichkeit 
Fichte  s.  w.  i,  iS7;  -wille:  es  könnte  aus  dem  an- 
geborenen grundwillen  sich  nicht  herausbewegen  und 
ihn  überschreiten  Fichte  *.  w.  4,  486;  -wollen:  es  ist 
reales  selbstsetzen,  es  ist  ein  ur-  und  gr.  Sghelling 
I  7,  885;  -wollung:  die  erforschung  des  grundrhythmus, 
der  grundwollungen ,  der  grundgesinnungen  eines  Cha- 
rakters Raoul  Richter  essays  187;  -zustand:  beim 
nachdenken  übers  beharrende  im  menschen  .  .  .  habe 
ich  bis  jetzt  nur  vier  grundzustände  gefunden  Göthe 
IV  15,  203  W. 

q)  in  der  bedeutung  von  grund  =  letzte  einheit  (vgl.  p  ß) 
hat  sich  ein  besonderer  typus  bei  begriffen  der  berechnung, 
des  maszes,  der  norm  u.  ähnl.  herausgebildet:  grund- 
betrag;  davon  -betragseinheit:  der  barwert  der  gr. 
für  die  rentenbezüge  Gzuber  wahrscheinlichkeitsrechn. 
2,  365;  -calender:  nach  dem  Isten  hauptstück  .  .  . 
findet  man  ...  einen  gr.  allg.  dtsche  bibl.  66,  337;  -curve: 
ist  y  =  f  (x)  die  gleichung  der  gr.,  so  erhält  man  die 
gleichung  der  evolvente  ...  Lueger  4,  9;  -einheit  s. 
alph.  stelle;  -epoche:  fünf  grundepochen  des  erden- 
lebens  Fichte  s.  w.1,\1]  -gebühr,  moderner  ausdruck 
z.  b.  im  postwesen;  -figur  s.  alph.  stelle;  -geschwin- 
digkeit:  als  gr.  kann  man  etwa  10  km  in  der  stunde 
. . .  rechnen  v.  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flotte  3,  31 ;  -glei- 
chung: die  allgemeinen  grundgleichungen  für  die  Wir- 
kungen einer  (kraft)  Lueger  lex.  d.  ges.  techn.  6,  783; 
-karte,  übertr.:  die  grundcharte  der  empfindungs- und 
tonarten  Herder  22,  69  S.;  technisch:  die  herstellung 
historischer  grundkarten  für  ganz  Deutschland  (im  masz- 
Stabe  1:100  000)  v.  Thudichum  hist.-statist.  grundkart. 
(1892)  7;  -liste:  sie  (die  färbe)  erleichtert  ...  die  auf- 
stell ung  der  grundlisten  ...  bei  den  dienstpferden  v.  Al- 
ten hdb.  f.  heer  u.  flotte  3,  487;  -lohn:  gr.  nennt  die 
r.  V.  0.  (reichsversicherungsordnung)  den  satzungsgemäszen 
lohnbetrag,  der  bei  der  bemessung  des  kranken-  und 
Sterbegeldes  ...  als  grundlage  dient  Man  es  versich.-lex. 
B2S  erg. -bd.;  -masz  s.  alph.  stelle;  -menge:  die  tafel 
hat  zur  darstellung  zu  bringen,  wie  eine  gr.  von  dienst- 
tauglichen sich  .  .  .  vermindert  Gzuber  wahrscheinlich- 
keitsrechn. 2,  214;  -preis:  (der  kaufmann)  macht  sich 
verbindlich  .  .  .  jeden  gewöhnlichen  artikel  .  .  .  um  den 
oben   bestimmten  gr.  anzunehmen   Fichte  s.  w.  3,  405, 


vgl.  hwb.  d.  staatswiss.^  5,  357;  -stärke:  die  .  . .  ermitte- 
lung  der  gr.  ist  die  wichtigste  arbeit  dabei  (bei  der 
cubierung  von  bäumen)  Pressler  neue  holzwirthsch. 
taf.  183;  -t  ab  eile:  hierauf  erweitert  er  die  gegebene 
gr.  für  eine  wittwenkasse  allg.  dtsche  bibl.  anh.  zu  53-86, 
2000;  -tag:  bei  ermanglung  eines  grund-  und  normal- 
tages  Göthe  IV  21,  340  W.;  -ums atz:  gr.,  energieumsatz 
...eines  nüchternen  menschen  bei  vollkommener  muskel- 
ruhe Guttmann  med.  terminol.-- i3i ;  -Verrichtung: 
und  zwar  sind  die  4  so  genandten  species  der  compu- 
tation  und  berechnung  .  .  .  die  vier  grundverrichtungen 
des  haus-  und  stadtwesens  E.  Weigel  moralioeiszh. 
(1674)  40;  -Wahrscheinlichkeit:  die  (beobachtungs- 
reihen)  sich  von  den  marbeschen  eigentlich  nur  dadurch 
unterscheiden,  dasz  die  gr.  ^  ist  gegenüber  ^f  Gzuber 
wahrscheinlichkeitsrechn.  1,  146. 

r)  breit  entfaltet  ist  in  jüngerer  spräche  seit  dem  il.jh. 
eine  compositionsgruppe,  in  der  grund-  im  sinne  IV  B  3 
den  begriff  des  wesentlichen,  der  haiiptsache  beisteuert, 
gelegentlich  durch  die  paarung  haupt-  und  grund-  ver- 
stärkt, selten  unmittelbar  zusammengerückt  wie  in  grund- 
hauptwesen:  archaeus,  der  formal-  und  innerliche 
schaffer  bei  der  würckung,  die  ein  werck  ausübt :  prin- 
cipium  hilarchicum  (=  hylarch.),  das  grundhauptwesen 
E.  Weigel  tug.  üb.  rech.-kunst  (1687)  52,  vgl.  grund- 
wesen  an  alph.  stelle;  ganz  beiseile  fällt  freilich  in 
diesen  bildungen  die  Vorstellung  des  grundlegenden  selten ; 
grundanklage:  hier  liegt  die  gr.,  die  gegen  mich  statt 
hat  Pestalozzi  s.  sehr.  9,  266;  -arbeit:  eine  Samm- 
lung der  in  der  chymie  .  . .  brauchbaren  grundarbeiten 
allg.  dtsche  bibl.  26,  514;  seine  (Görres)  eigentliche  gr. 
besteht  in  einer  geschichte  der  sagen  aller  Völker  Bren- 
tano ges,  sehr.  9,114;  -arznei:  grund-,  haubt-  oder 
algemeine  arzeney  panchrestum,  panacea  Stieler  51; 
-basis:  die  andre  gr.  .  .  .  beruhte  auf  dem  persischen 
adel  Fr. Schlegel  13,  218;  -beschlusz:  nicht  weniger 
hat  die  urtheilskraft  ...  bei  allen  grundbeschlüssen  und 
hauptentscheidungen  den  ausschlag  zu  geben  Schopen- 
hauer 2, 104  Gr.;  -bestreben:  wo  sie  (die  begeisterung) 
...  mit  einem  gr.  der  zeit  zusammentraf  D.  Fr.  Strausz 
ges.  w.  1,  62;  -blindheit:  ihre  (der  unerleuchteten  men- 
schen) gr.  bestehet  darin,  dasz  sie  nicht  erblicken  die 
freiheit  als  die  wurzel  alles  wahrhaften  seyns  Fichte 
s.w.  4,416;  -eindruck:  die  landschaftliche  Stimmung 
als  grund-  und  haupteindruck  eines  kunstwerks  VischEr 
ästh.  3 ,  685 ;  -erbe:  voller  erbe ,  gr.  herede  universale 
(capitale)  Kramer  teutsch-ital.  l,  300'';  -erfordernis: 
ich  finde  da  beide  grunderfordernisse  wahrer  poesie 
Schubart  br.  in  Strausz  w.  9,  2,  SiO;  -ergebnis:  die 
auferstehung,  das  grundergebnisz  der  christlichen  reli- 
gion  Göthe  42,  1,  137  W.;  -falte:  die  bedeutungsvolle 
gr.  (beim  Isisgewand),  welche  .  .  .  eine  bestimmte  an- 
deutung  des  . .  .  ewig  festen  .  .  .  gibt  Böttiger  kl.  sehr, 
s,  367;  -feder:  trachte  du  vor  allem  die  gr.,  die  dem 
ganzen  werke  bewegung  und  Umlauf  ertheilt,  zu  ent- 
decken J.  A.Feszler  Marc- Aurel  1,69;  -gegenständ: 
diesz  ist  der  gr.  und  darum  auch  das  leitende  princip  der 
entwicklung  Hegel  w.  9,  53;  -geschäft:  hilfsgeschäfte, 
die  für  sich  allein  nicht  die  grundlage  .  .  .  der  grund- 
geschäfte  ermöglichen  hwb.  d.  staatswiss.^  4, 995 ;  -  h  e  b  e  1  : 
diesen  erz-  und  gr.  des  Innern  menschenreichs  (die  Selbst- 
liebe) berühre  ich  jetzt  nicht  Bentzel-Sternau  bei 
Campe  2,472;  auch  bei  Vischer  ästh.  3,  679;  -Inhalt: 
ich  gehe  nun  an  das  andre  geschäft,  ihnen  den  gr. 
aller  folgenden  reden  . . .  vorzulegen  Fichte  s.  w.  7,  270; 
-kennzeichen:  erfindung  ...  ist  das  gr.  literarischen 
talents  Laube  ges.  sehr.  1,124;  -leiden:  die  gr.  waren 
die  bereits  früher  ausführlich  hervorgehobenen  Momm- 
sen  röm.  gesch.  8,502;  -leitfaden:  so  kann  sie  (eine 
solche  Übersicht)  recht  füglich  an  diese  (die  bisherige  Ute- 
ratur  des  faches),  als  den  gr.  sich  halten  Fichte  s.  w. 
8,  199;  -makel;  darnach  zu  urtheilen  finde  ich  den  gr. 
in  der  ersten  Verleugnung  L.  Feuerbach  ausgew.  br. 
2,  134  Bohn;  -mittel:  blick  mit  mir  noch  einmal  auf 
das  Wesen  dieses  grundmittels  der  menschenveredlung 
Pestalozzi  s.  sehr.  6,2%2;  -nerv:  eine  Wirtschaftspoli- 
tik . . .,  welche  das  geld  als  die  basis  und  den  gr.  alles 


749 


GRUND  {compositionstypen  5  s) 


GRUND  (compositionatt/pen  5  t.  u)  750 


nationalen  erwerbs  . . .  betrachtete  Schwappach  hdb.  d 
forst-  u.  jagdgesch.  1,  266;  -norm:  aas  welchen  .  .  .  for 
men  und  grundnormen  meine  Schönheit  ...  zusammen 
gesetzt  wäre  B.  Goltz  e.  jugendleb.  2,  24o;  -nutzen 
ich  habe  davon  nebst  dem  gr.  auch  diesen  vortheil  er 
halten  J.D.Geyer  müsz.  reisestd.  (1735)  10, 11;  -pflicht 
ein  Weltbürger,  der  sichs  für  eine  gr.  hält,  menschen 
liebe  zu  haben  neuest,  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  5,  785  Gott 
ached;  -prägung:  der  dichter  zeigt  uns  .  .  .  die  gr.  der 
preuszischen  kriegs-  und  staalstugenden  J.  Bayer  stud. 
251;  -reim:  es  {das  gedieht)  hat  den  einen  durch  das 
ganze  gehenden  gr.  Rückert  «?.  11,  220;  -schade:  hier 
erscheint  auch,  wie  wenig  er  den  niederländischen  grund- 
schaden erkannt  hatte   E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s. 

1.  Dtschen  4,167;  -schule  s.  alph.  stelle;  -schwäche: 
die  grundstärke  eines  menschen  sowie  seine  gr.  ist  . . . 
leicht  sichtbar  J.  K.  Lavater  physiogti.  fragm.  4,  358; 
-Seite:  diese  {Zuversicht)  ist  im  jüdischen  volke  eine  gr. 
Hegel  12,  57;  -stärke  *.  o.  grundschwäche;  -symbol: 
dieses  alte  haupt-  und  gr.  der  Christenheit  {das  cruzifix) 
D.  Fr.  Strausz  sehr.  6,60;  -streben:  es  ist  uns  gr., 
den  Innern  Zusammenhang  aller  dinge  nachzuweisen 
F.  Fröbel  ^e*.  ^ä(Z.  «cAr.  1,  802;  -versuch:  warum  wir 
denn  nicht  direct  auf  diesen  eingebildeten  haupt-  und 
gr.  zugegangen  Göthe  II  2,  79  W.;  Vollkommenheit: 
dasz  das  .  .  .  sich  hinpflanzen  im  räume  . .  .  die  gr.  ist, 
wodurch  die  plastik  in  einer  nur  ihr  eigenen  herrlich- 
keit  .  .  .  thront  Vischer  ästh.  3,  515;  -Vorwurf:  dasz 
die  katholiken  schwache  prediger  hätten,  war  der  gr. 
Laube  ges.  sehr,  l,  32;  -Vorzug:  diese  innerliche  Wahr- 
heitsliebe ...  ist  der  gr.  der  deutschen  natur  F.  v.  Flo- 
ren gourt  zust.  in  Dtschld  237;  -waffe:  die  grund- 
waffen,  speer,  keule,  heil  und  bogen  Ratzel  völkerkde 

2,  240;  -weg:  diese  drei  lehrgänge  sollten  die  anschau- 
lichen grundwege  in  den  drei  hauptgegenständen  des 
Unterrichts  sein  W.  Harnisch  mein  lebensmorg.  208. 

s)  dem  älteren  nhd.  bis  in  das  17.  jh.  iat  eine  compo- 
sitionsweise  geläufig,  in  der  grund-  i7i  seiner  bedeutung 
IV  B  4  a  de7i  begriff  des  toahren,  gewissen,  sicheren  bei- 
bringt, ohne  zum  bloszen  intensivierungsinittel  verblaszt 
zu  sein  wie  bei  der  folg .  gruppe ;  grundbericht:  gleich- 
wie ich  dieses  aus  gantz  gewissem  gr.  eines  gelehrten 
manns  . . .  erfahren  J.  W.  Valvassor  ehre  d.  hztm.  Crain 
(1689)  3,  2.  250;  -demut:  viel  haben  der  demuht  schein 
gehabt,  aber  die  rechte  hertzliche  grunddemuht  ist  dünn 
gesäet  {vgl.  auch  grund  IV  B  5  a  &)  Dann  hau  er  catech.- 
milch  2,  84;  ähnlich  im  sinne  'eigentlich':  -deutung: 
nein,  dann  das  letzte  wort  die  gr.  führet,  das  Vorwort  be- 
merket den  unterschied  HARSDÖRFER/raMenr.^e«jpra'cÄ*p. 
4,  38;  -forschung:  hiervon  schreibt  Kristian  Bekman 
in  seinen  grundforschungen  der  lateinischen  spräche 
Zesen  Assenat  (1679)  348;  vgl.  Sghottel  haubtspr.  473; 
-gleichheit:  ist  ohnzweiflich  eine  richtigkeit  und  gr. 
in  teutscher  spräche,  was  die  orthographiam  betrift  in 
vielen  verbanden  Schottel  348;  -kundigkeit  Stie- 
ler kurze  lehr  sehr.  26;  -lehen,  ein  vererbbares  lehen: 
zu  deme  machen  jetzunder  die  eigenthumb-  und  lehen- 
herren  ausz  rechten  grundtlehen  leib-  und  schupflehen 
A.  Keller  von  erbfalls  recht  (1618)  347;  •  lernung:  gr. 
notio  fundamentalis ,  cognitio  radicalis  Stieler  1129; 
-liebe:  junge  rotzfratzen,  so  kein  verstandt,  noch  rechte 
grundlieb  zusammen  haben  können- GuARiNONius^rewei 
d.  verwüst.  (1610)  1129;  -rede:  gr.  {sermo)  certus,  indubi- 
tatus,  fundatua  Stieler  1540;  -schlusz:  damit  ich  auf 
die  von  euch  angezogene  vernünftige  grundschlüsse  ant- 
worten ...  möge  Opitz  Arcadia  (1638)  887;  -sinnung: 
der  Vorbetrachtung,  gr.  oder  der  philosophie  unbericht 
Fischart  ehzuchtb.  296  H.,  vgl.  sinnung  th.  10,  1  sp.  1202; 
-verstand: 

und  wer  den  grundverstand  zu  forschen  ist  gewillt, 
der  solt  hierob  umsonst  mit  Argus  äugen  wachen 

Haesdörfer  frauenz.  gesprächsp.  4,  455; 

-ziel:  dan  ich  lasze  mich  bedünken,  dasz  gemelte  er- 
klährung  von  dem  wahren  und  rechten  grundziele  {des 
göttlichen  ausspruches)  zimlich  weit  abweichet  Zesen 
Assenat  (l679)  34. 


t)  icie  beim  adj.  1  e  erseheint  grund-  im  sinne  IV  B  5 
als  Verstärkung  bereits  in  mhd.  spräche  vor  Substantiven, 
die  persönliche  eigenschaften  oder  handlungsweisen  cha- 
rakterisier e7i. 

ß)  personalia:  grundabenteurer :  es  haben  aber 
die  prediger  als  grundebenteurer  samt  dem  mutwilligen 
pofel  die  sach  so  gar  verbittert  (1523)  akt.  u.  briefe  z. 
kirehenpol.  Georgs  v.  Sachs.  2,  81;  -affin:  und  hild  si 
wur  ein  dorin  und  wur  eine  grunteffin  die  heil,  reget 
87,  12  Priebsch;  -bösewicht  a.  an  alph.  stelle;  -despot 
Baggesen  poet.  w.  4,  38;  -dieb:  gr.,  grundig  dieb  für, 
solers  Henisch  1768;  -esel  H.  Pöhnl  dtsche  Volksbühne 
1,226;  -es el ei  K.Marx  6rie/u».  3, 104;  -feind  von  Ltici- 
/er  Mechthild  V.Magdeburg  150  GallMorel;  -freund: 
noch  prägnant: 

gruntfriunde,  pfuntfriunde  sint  leider  tot, 
muntfriunt  mit  friunde  noch  izzet  bröt 

Hugo  v.  Trimbkrg  renner  17219  £.; 

dasz  du  ...  mich  ...  keineswegs  ...  für  einen  treuen  holt- 
oder  gr.  hältst  achaupl.  d.  böa.  weib.  (1752)  4;  -kenner: 
als  ein  alter  gr.  jenes  unbekannten  landes  Zimmermann 
üb.  d.  einaamkeit  3,  19;  -ketzer  Grünau  preuaz.  chron. 
3,  200;  -ketzer ei:  da  verblendeten  etliche  lehrer  der 
mahometischen  gr.  diese  einfältigen  Völker  0.  Dapper 
Africa  (l67l)  SS**;  -lügner:  erz-,  land-,  haubtlügner, 
grund  ,  weltlügner  compoaitua  et  factua  totua  ex  fraude 
et  mendacio  Stieler  1149;  ertzlügner,  hauptlügner,  gr. 
arcibugiardo  .  .  .  Kramer  teutach-ital.  1,  974";  -narr, 
%x.  plane  fatuua,  bardua  Stieler  1330;  -narrheit:  was 
ist  dann  disz  für  ein  grundtnarrheit  aller  narrheiten 
GuARiNONius  greuel  d.  verwüat.  1081;  -ochse:  W.  Do- 
Row  erlebtes  4,  147;  -papist  Cyr.  Spangenberg  wid. 
d.  böa.  aieb.  {1662)  pl»;  -schalk  a.  alph.  atelle;  -schelm 
a.  alph.  atelle;  -törin:  die  anderen  vrowen  betten  si  wur 
eine  gruntdorin  d.  heil,  regel  60,  28  Priebsch. 

ß)  abstracta:  grundabneigung:  (er)  hütete  sich  aber 
wohl  so  viel  gr.  gegen  das  germanische  zu  verrathen 
Gutzkow  ges.  w.  9,387;  -absurdität  Schopenhauer 
w.  1,  63  Gr.;  -betrug  Königab.  dichterkr,  162  ndr.;  -be- 
trügerei  J.  Ph.  Fresenius  bewährt,  nachr.  (i746)  i,  882; 
•  ernst  Fischer  schwäb.  3,876;  -feindschaft:  seiner 
neigungen  wurzel  ist  ewige  gr.  gegen  alles  gute  M.  Clau- 
dius s.  M7.  7,  29;  -hasz:  als  dort  David  sprach:  ich  hab 
eynen  gantzen  gr.  gehaben  Keisersberg  bilgersch.liT^^; 
Bon AVENTU ra nachtw.  140 lit. denkm. ;  -hoffartLuTHER 
10,1,2,201  W.;  -leichtfertigkeit  (1676)  J.  Scheffler 
eccleaiolog.  (1735)  1,654'';  -list:  tenebrae,  calliditaa  veter a- 
toria  Stieler  1168;  -nichtswürdigkeit:  die  gr.  des 
Stückes  .  .  .  trat  wie  ein  gespenst  hervor  Göthe  IV  23, 
2AiW.;  -Schiefheit:  diese  gr.  unseres  beiden  {Nicolais) 
Fichte  s.  w.  8,  54;  -schmerz:  und  noch  disen  grunt- 
schmertzen  get  dar  noch  ein  groszer  grundzorn  Keisers- 
berg bilgersch.  I37va;  -sünde:  seine  .  .  .von  der  gr. 
und  der  seuche  der  zerstörligkeit  befreiete  werck  Knorr 
V.  Rosen  ROTH  pseudodox.  156;  -unrecht:  gr.  tuhn 
Schottel  haubtspr.  472^»;  -Wahrhaftigkeit:  dasz... 
wir  uns  von  der  gr.  jener  rhetorischen  beschreibungen 
überzeugen  dürfen  Göthe  49,  77  W.;  -zorn  a.  o.  grund- 
schmerz. 

u)  ein  bereita  dem  älteren  nhd.  bekannter  compositiona- 
iypua  verwendet  grund-  im  ainne  der  präpoaitionalen 
Wendungen  IV  B  5  a  «  und  5  b:  'gründlich,  vollständig': 
grundabänderung:  ich  konnte  mir  .  .  .  nicht  ver- 
hehlen, dasz  diese  gr.  unsers  . .  .  fühlens,  denkens  und 
handelns  .  . .  Pestalozzi  a.  sehr.  12,  168;  -kritik:  ein 
kritisches  drama  zu  neuer  grundcritik  vom  geist  des 
Cebes  {Untertitel  eines  btichea)  allg.  dtache  bibl.  anh.  zu 
53-86,  2045;  -misz Verständnis :  dies  sind,  wie  man 
sieht,  grundmiszverständnisse  {Fichtes)  Fichte  s.  tc.  6, 
xxv;  -reform:  die  .  .  .  königinn  liesz  .  .  .  eine  grund- 
reforme  .  .  .  vornehmen  allg.  dtsche  bibl.  35,  485;  -re- 
volution:  die  ersten  revolutionen  waren  einfach,  aber 
gewaltsam  .  .  .  grundrevolutionen  Novalis  sehr.  3,  3I0 
Minor;  -ruhe:  diese  propprtion  zeigt  gr.,  grundstärke 
J.  K.  Lavater  physiogn.  fragm.  4, 172;  -stärke  ebda; 
-Umänderung:    eine   solche    gr.    hat   die   katholische 


751     GRUND  {comp.typen  6  v.  6)  —  GRUNDACCORD 

kirche  . . .  nicht  erfahren  Fr.  v.  Florencourt  zust.  in 
Dtschld  i2;  -Veränderung:  grundveränderungen  brin- 
gen unvermeidliche  gefahr  samml.  all.  auserl.  moral. 
(1739)  8,  105;  meist  von  staatlichen  gebilden:  staatliche 
grundveränderungen  gleichen  chirurgischen  Operationen 
Grillparzer  14,  109  S.;  vom  menschen:  dasz  mit  ihm 
{dem  menschen)  selbst  eine  gr.  vorgienge  Schopenhauer 
2,678  Qr.;  -Verbesserung:  die  anstrengüngen  derer, 
welche  sich  freunde  des  Vaterlandes  nannten  und  den 
grundverbesserungen  im  zustande  desselben  nachstreb- 
ten Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  38,  243;  vgl.  Campe  2, 
475  »>. 

v)  ganz  selten  findet  sich  composition  mit  grund  IV, 
in  der  regel  bei  erst  secundär  aus  adjectiven  oder  verben 
abgeleiteten  Substantiven,  vgl.  grundhältigkeit,  grundlosig- 
keit  an  alph.  stelle:  grundfasse:  Wirksamkeit,  gr.  von 
etwas  andern,  gr.  begreiflichkeit,  dasz  oder  warum  es 
ist  allg.  dtsche  bibl.  58,  127;  -forderer:  diese  redliehen 
leute  . . .  werden  ...  in  8  classen  eingetheilt ...  in  frei- 
müthige  zeugen,  gr.  und  getroste  widersprecher  noth- 
dürft.  nachkl.  (1748)  29;  -geber:  dasz  die  weltweisen 
des  18 den  seculi  ...  vor  ketzer  oder  Schwärmer  pasziren 
werden,  als  die  vom  organo  Aristotelico  bei  denen  heu- 
tigen zureichenden  grundgebern  Zinzendorf  des  ordin. 
41;  -habe:  das  ist  die  gr.  der  Skepsis  an  diesem  ge- 
biete Schleiermagher  III  4,  2,251;  -krämer:  bringt 
man  nun  diesen  grundkrämern  (den  religionisten')  gründe 
vor,  so  setzen  sie  solchen  andere  gründe  entgegen  J.  J. 
Schwabe  belust.  8,  405. 

6)  verba. 

die  Verbalcomposition  mit  grund-  beschränkt  sich  auf 
ein  paar  isolierte  fälle  in  verschiedenen  zeitstufen;  de- 
nominativ  gebildet  ahd.  gruntsellon  s.  alph.  stelle;  zu- 
sammenrückungen: mhd.  grundfesten,  -festigen  s.  alph. 
stelle;  grundforschen:  scrupulosus  gruntforsgenter 
sumerlat.  17,  53  Hoffm.  v.  Fall,; 

mein  geist  grundforschet  ^mmerdar 
Ulenberg  p«.  Davids  (1582)  bei  Kehrein  kirckenl.  8, 260; 

dazu  wenige  neuere  zusammenrückungen  technischer  her- 
kunft:  grundangeln  s.  alph.  stelle;  -bringen:  tech- 
nischer ausdruck  der  markscheidekunst ,  'die  unter  der 
erde  befindlichen  gän'ge  .  .  .  durch  gerade  li7iien  angeben' 
Chr.  Wolff  math.  lex.  (1747)  618;  -färben:  gr.  far'il 
letto  a  colori  Kramer  teutsch-ital.  l,  673",  vgl.  Noel 
Chom^ls  öcon.  u.  phys.  lex.  3,  1320;  -hauen  'kunstwort 
der  schwertfeger'  Blumhof  eisenh.  2,  496,  vgl.  grundhieb; 
-reiszen  {vgl.  grundrissen  an  alph.  stelle):  hast  du 
hier  .  .  .  einen  kurtzen  bericht  desz  newen  geometri- 
schen grundtreiszenden  instruments,  planimetra  genent 
*B.  HuLSiüS  erster  tractat  (1604)  8;  -suchen  contari 
Maaler  194*;  -widerlegen,  umbstoszen  firmamento 
resistere  Henisch  1767. 

GRUND  AB,  adv.,  in  den  grund  (I A)  hinab,  poetische 
gelegenheitsbildung : 

damit  es  (das  schiff)  wind  und  see  nicht  auf  die  klippen  führen 
und  werfen  es  giundab 

TSCHERNINQ  dtsch.  getickt.  friU.  (1642)  88; 


grundab  taucht  ich  zu  dir 


Vosz   Theokrüos  (1808)  109; 


—  -abgäbe,/.,  auf  grund  und  boden  lastende  abgäbe  allg. 
dtsche  bibl.  100,  240;  drei. thaler  musz  ich  hinschmeiszen  uf 
haussteuer,  een'n  thaler  uf  gr.  G.  Hauptmann  weber  (1892) 
36.  —  -ablösung,/.;  dazumal  ist  die  gr.  aufgekommen, 
dasz  sich  jeder  von  seiner  unterständigkeit  hat  loskaufen 
können  und  ganz  und  gar  herr  wird  über  grund  und  boden 
RosEGQER  II  1, 170;  anders:  gr,  expropriation  Hoyeb- 
Kkbuter  techn.  wb,  1,  316.  —  -accord,  m.:  die  ganze 
harmonie  besteht  nur  aus  zween  grundaccorden,  die  der 
Ursprung  aller  andern  accorde  sind  . . .  diese  sind  a)  der 
consonierende  dreyklang  ß)  der  dissonierende  wesent- 
liche septimenaccord  Kxenbeegek  d.  wahren  grundsätze 
(1773)  5;  endlich  legt  sich  der  stürm,  wenn  alles  wieder 
in  den  gr.  aufgelöst  ist  Schubabt  ästh.  d.  tonkunst  257; 
übertr.  das  erste  . . .  auseinanderstreben  der  materie  war 
das  erste  anschlagen  des  grundackords  der  weit  Schopen- 


GRUNDADEL  —  GRUNDANLAGE  i.  2  752 

HAUBB  5, 116  Or.;  gr.  der  färbe  F.  Schlegel  s.  w.  (1846) 
6,  54;  seh,  n  und  i  sind  nur  der  gr.  dieser  spräche 
8,  38;  der  gr.  seines  ganzen  genius  Göthe  41,  2,  384  W.; 
diesz  waren  die  grundaccorde  meines  geistes  Bettine 
Oöthes  briefw.  m.  e.  binde  (1835)  2,  311.  — -  -adel,  m.: 
die  bauem  wie  der  gr.  (sind)  wesentlich  auf  eipen  ein- 
zigen beruf  angewiesen  W.  H.  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes 
2,  205 ;  der  gr.  verpfändet  mehr  und  mehr  seine  guter  den 
reichgewordenen  advokaten  und  kaufleuten  der  städte 
KüBNBEBGEB  novdl.  (1862)  3, 160.  —  -ader,  /.,  im  sinne 
von  grund  IV  B  2,  die  den  ausgangsort  des  blutes  bildende 
ader;  möglicherweise  ein  fester  medizinischer  terminus  im 
späteren  mittdalter:  {die  ader)  haizet  .  .  .  basilica,  daz  ist 
gesprochen  diu  gruntader,  dar  umb,  daz  diu  leber  ain 
grünt  ist  und  ain  ursprinch  des  pluotes  K.  v.  Meoenbbeg 
bvxih  d.  natur  37,  5;  danach  ähnlich  bei  Dry ander  d.  ganz, 
arzenei  gem.  twÄ.  (1542)  6^;  anders,  als  neubildung  aufzu- 
fassen {vgl.  compos.-typ.  5  q):  doch  sind  . . .  beide  nationen 
in  diesen  grundadem  der  dlchtung  sich  ähnlich  Hebdeb 
e,  526  S. angel,  wie  angel  zunächst  m.,  so  auch  mund- 
artlich bei  Lexeb  kämt.  6,  dann  f.;  mit  blei  oder  dergl,  be- 
schwerte angd  zum  fang  der  fische  unterer  wasser schichten; 
Sache  und  benennung  wohl  älter  als  der  folgende  früheste 
bdeg:  köder  zu  grundangeln,  daran  federkiel  seind  {um 
1570)  haushaltg.  i.  Vorwerken  179  Ermisch;  dergleichen  sind 
allerley  garn  und  netze,  als  . .  .  nachtangeln  .  . .  grund- 
angeln ZiNOK  allg.  öcon.  lex.  (1744)  773;  bildlich:  an  einer 
meiner  grundangeln  hängt  etwas,  nur  weisz  ich  noch 
nicht,  ob  ichs  heraufbringen  werde  D.  Fb.  Stbausz  o««- 
gew.  br.  330.  —  -angeln,  v.,  s.  Lexeb  kämt,  7;  gr.  ge- 
schieht in  der  weise,  dasz  der  . . .  köder  .  . .  über  den 
boden  eines  gewässers  bewegt  wird  H.  v.  Norman  dtsch. 
sporüex.  100. 

GRUNDANLAGE,  /.,  ursprüngliche,  das  wesen  eines 
Charakters  oder  eines  dinges  bestimmende  anläge  {vgl.  com- 
pos.-typ. 5  q  a  «.  ß). 

1)  mit  persönlichem  begriff  verbunden;  zunächst  von  einer 
sedisch-geistigen  Haltung,  rein  psychologisch  genommen: 
eine  mischung  von  wesen  und  mangel,  welche  die  völlige 
gr.  des  künftigen  geistes  enthält  Moses  Mendelssohn 
ges.  sehr.  (1843),  2, 113;  eine  andere  . . .  art  der  begeiste- 
rung  ...  ist  nicht  so  allgemein  auf  die  grundanlagen  der 
menschlichen  natur  überhaupt  gegründet  F.  Schlegel 
(1846)  12,  40;  sie  {die  eroberungssucht)  scheint  mit  diesen 
leidenschaften  auf  einer  und  derselben  gr.  des  gemüths 
zu  beruhen  Ranke  «.  w.  35/36,  55; 

ihr  seht  die  reinen  tiefen  quellen 
sehet  der  dichtenden  grundanlagen! 

Klopstook  Oden  1, 161  M.-P. 

allgemeiner  als  Vorbedingung,  Voraussetzung  des  handdns: 
diese  zarte  empfindlichkeit  für  das  schöne  ...  ist  die  gr. 
zu  aUem,  was  der  mensch  groszes  und  bewunderns- 
würdiges thun  kann  Wieland  I  3,  31  ak.  ausg.;  dann 
übertragen  auf  das  als  personale  einheit  gedachte  volk:  et- 
was liegt ...  in  der  gr.  dieses  volkes  E.  M.  Abndt  1, 153 
R.-M.; 

denn  wohl  auch  Völker  sind  von  eignen  grundanlagen 

RÜCKEET  w.  (1867)  8,  474. 

2)  mit  sächlichem  object:  {ein  despotismus,)  der  manchen 
europäischen  regierungsformen  die  gr.  gegeben  Hebdeb 
18,  412  S.;  besonders  für  den  grundrisz  eines  kunstwerks: 
die  wahre  kunst  zu  detailliren  flieszt  immer  aus  der  Voll- 
kommenheit der  gr.  Hamann  sehr.  3,  109  E.-W,;  {fehler) 
die  in  der  gr.  des  Stücks  schon  notwendig  wurzeln  Schil- 
LEB  br.  1, 42  J. ;  doch  liegt ...  alles  schon  in  der  gr.  des  stoffs 
und  der  behandlung  Göthe  IV  16,  337  W.;  in  der  gr.  des 
ganzen  {des  bildwerks  auf  dem  Schilde  Achills)  tritt  uns 
ein  bestimmtes  princip  entgegen  Beunn  kl.  sehr.  2,  23; 
ähnlich:  diese  . . .  schweizerhäuser  sind  in  ihrer  gr.  rein 
nach  rücksichten  der  .  .  .  zweckmäszigkeit  . .  .  gebaut 
W.  H.  Riehl  naturgesch.  d.  volk.  3, 179;  stark  verblaszt 
{wortformen,)  die  ein  forscher  der  gr.  sogleich  für  ächte 
. . .  erkennt  Vosz  krit.  blätt.  l,  302, 


753  GRUNDANSCHAUUNG  -  GRUNDARTIG 


GRUNDARTIKEL  -  GRUNDBASS 


754 


GRUNDANSCHAUUNG,/.,  unmittelbar  vor  beginn  des 
19.  jh.8  auftauchend,  im  banne  der  philosophischen  ver- 
wendungsweise des  Simplex,  l)  zunächst  von  dem  in  den 
wahren  kern  der  sache  führenden  psychischen  akt  des  ''an- 
schauens',  bewusztwerdens :  ihr  könnt  es  euch  nicht  fest 
genug  einprägen,  dasz  alles  nur  darauf  ankommt  ihre  (der 
religion)  gr.  zu  finden  Schleieemacher  red.  üb.  d.  rdig. 
(1879)  273;  so  öfters  mit  sächlichem  objectsgenitiv :  eine  den 
menschen  göttlich  überwältigende  gr.  ...  des  geistes 
ScHELLiNG  I  7,  133;  tiefsinnig  nennen  wir  den  edlen  geist, 
dem  nur  die  gr.  des  lebens  genügen  kann  FouQui:  gefühie, 
bild.  (1819)  1,  81.  2)  dann  (habituell  genommen)  die  grund- 
legende, bestimmende  ansieht,  zu  der  ein  subject  gelangt  ist, 
aus  der  heraus  es  denkt  und  handelt  {vgl.  compos.-typ.  5  q  a 
u.  ß):  ist  wohl  jeder  mensch  im  besitze  der  gr.,  die  wir 
oben  beschrieben  haben?  Fichte  s.  w.  (1845)  2,  390;  die  gr. 
des  Thaies  ist  die,  dasz  die  weit  ein  lebendiges  ganze  sey 
Hegel  w.  (1832)  13,  58/.;  von  der  Würdigung  der  einzelnen 
. . .  arbeiten  Spittlers  hat  uns  die  entwicklung  seiner  poli- 
tischen grundanschauungen  . .  .  abgeführt  D.  Fr.  Strausz 
ges.  w.  2,  101;  ähnlich  die  ganze  gr.  des  vierten  evange- 
liums  ges.  sehr.  3,  113;  en^er  gefaszt  von  einer  bestimmten 
wissenschaftlichen  erkenntnis:  sobald  wir  die  gr.  haben, 
sind  wir  im  mittelpunkt  Vosz  antisymb.  312;  mit  präpo- 
sitional  verknüpftem,  seltener  genitivischem  object:  in  ihrer 
(der  Juden)  gr.  vom  reinen  und  unreinen  Heine  6,  185  E.; 
die  gr.  vom  wesen  der  natür  R.  Wagner  ges.  sehr.  u.  dicht. 
4,  39;  zwei  .  .  .  kleinode  des  volkcharakters:  sittliche  gr, 
der  dinge  und  gläubiges  vertrauen  gegen  menschen  Gutz- 
kow ges.  w.  11, 159.  3)  abseitige  Verwendung  im  sinne  ^voll- 
ständige, gründliche  anschauung^  (vgl.  compos.-typ.  5v); 
solche  bilder  wie  diese  beiden  sind  eine  wahre  gr.  für  den 
alten  styl  der  deutschen  schule  in  den  niederländischen 
. . .  gegenden  F.  Schlegel  6, 145.   —   -anschlag,  m. 

1)  berechnung  des  werthes  von  grundstücken  (au^h  güteran- 
schlag  Jacobsson  techn.  wb.  l,  56) :  die  kauf  anschlage  sind 
...  in  grund-  und  nutzungsanschläge  zu  unterscheiden 
Krünitz  2,  218,    vgl.  bereits  allg.  dtsche  bibl.  12,  2.  373. 

2)  gr.  (bei  einem  baue)  evaluation,  estimation  du  fondement 
ScHAFFER  dtsch-frz.  wb.  1,  775,  vgl.  Heinsius  2,  550«'.  — 
-ansieht,  /.,  erst  gegen  beginn  des  19.  jh.s  gebildet;  die 
grundlegende,  auch  hauptsächliche  auffassung,  meinung 
einer  person  (vgl.  comp. -typ.  5  q  a  m.  j8):  wenn  wir  auf  un- 
sere gr.  ziurückgehen  Schleiermacher  1 12, 617;  die 
menschliche  seele  in  ihren  grundgefühlen  und  grundan- 
sichten  Pestalozzi  s.  sehr.  (1819)  6,267;  sein  späteres 
handbuch  der  botanik  beruht  auf  denselben  grundansich- 
ten  GöTHE  11  6, 255Tf .;  auf  die  sache  übertr.:  so  ist  z.  b.  die 
newtonsche  optik  ...  in  ihrer  gr. . . .  als  falsch  erkennbar 
ScHELLiNG  I  5, 230;  (diesc  strenge  moral)  wird  durch  die  gr. 
in  dem  narrenschifE  verwischt  Gervinus  gesch.  d.  dtech. 
dicht.*  2,  354;  mit  angäbe  eines  abhängigen  objects:  meine 
ernste  gr.  göttlicher  und  menschlicher  dinge  fürst  Püok- 
LER  briefw.  u.  tageb.  2,  371;  eine  neue  gr.  von  den  dingen 
Schlosser  wdtgesch.  (18iiff.)  2,237;  im  ganzen  herrschte 
doch  ein  und  dieselbe  gr.  über  form  Brunn  kl.  sehr.  1, 113. 
—  -art,/.,  seit  dem  17.  jh.  belegt,  aber  hier  offensichtlich  ge- 
legenheitsbildung ;  erst  mit  dem  ende  des  18.  jh.s  häufiger  ge- 
braucht; eine  wesentliche  art  (m^dus),  meist  in  der  speziel- 
leren richtung  der  composita  von  5  r  (s.  typen)  'eine  letzte 
einheit  begreifend' :  diese  dreierlei  reim-  und  gnmdahrten 
nuhn  seind  . . .  die  steigende  oder  mänliche  . . .  Zesen 
helicon  (1649)  m  5*;  etwas  anders:  dieselben  (wörter)  sind 
alle  nach  ihrer  grund-  und  stammart  ordentlich  gesondert 
Harsdörfer  pod.  trichter  2,  116;  er  bedient  sich  . . .  aller 
drei  grundarten  der  poesie  Göthe  41,  1,  223  W.;  gehörig 
in  arten  und  klassen  geordnet .  .  .  z.  b.  den  ganzen  äusze- 
ren  sinn  in  seine  fünf  grundarten  Fichte  s.  w.  2,  536; 
gr.,  das  wesentliche  der  anlagen  v.  Meyeen  hinterl.  kl. 
sehr.  2,  53.  —  -artig,  adj.,  nur  bei  Sohottel  und  wohl 
von  ihm  gebildet;  zunächst  grammatischer  terminus:  den 
grund  (vgl.  grund  IV  B  1  =  'grundwort'),  das  'haubtglied' 
eines  compositums  bildend:  die  so  deutungsreiche  grund- 
artige teutsche  Wörter  Schottel  3;  dann  mehr  im  sinne 
ursprunghaft  (primitivus):  sintemal  auch  die  natur  selbst 

IV.  1.  6. 


näher  dem  anfange  zu  kommen  nicht  vermügen  wird,  als 
durch  solche  grundartige  einsilbigkeit  (der  Wörter)  61 ;  die 
erzehlung  . . .  der  grundartigen  Verfassung  der  alten  teut- 
schen  spräche  horrend,  bell,  gramm.  3.  —  -artikel,  m., 
columen  actionis  der  grund  und  hauptartickel,  daran  die 
gantz  sach  gelegen  ist  Frisius  253*;  vorwiegend  von  reli- 
giöser lehre  gebraucht:  die  falschen  lehrer  (fochten)  vor  das 
tantzen  .  . .  heftiger  als  vor  einen  grundartickel  der  lehre 
Arnold  kirchen-  u.  ketzerhist.  2,  169;  jene  gr.  aller  reli- 
gionen  M.  Mendelssohn  ges.  sehr.  3,  287;  nüt  den  darauf 
folgenden  grundartikeln  der  Constitution  Rehberg  un- 
ters, üb.  d.  franz.  revol.  1,  129;  subjections vertrage  sind 
.  .  .,  wo  .  .  .  nationen  . . .  sich  .  . .  gr.  ausbedingen  v.  Hat- 
LER  restaur.  d.  staatswiss.  2,  535.  —  -aus,  adv.,  seit 
dem  17.  jh.,  wenig  häufig  und  vorvdegend  poetisch;  ge- 
kürztes von  gr.  aus  (vgl.  grund  IVA4c);  noch  concret 
gefaszt  in  der  Verwendung  ca;  gr.  reiszen  Schottel  769; 

so  gar  hat  euren  (der  auen)  stand 

der  freche  mordgott  Mars  grundausz  hemm  gewand 

LOQAU  sinnged.  65  E.; 


und  hohe  stadt  In  trümmer  senkte, 


grundaus  verheerte 


Hebdeb  26,  235  S., 


gr.  aufzuräumen  7,  260,  vgl.  6,  337;  schon  früh  in  allgemei- 
nerem sinne,  auch  als  verstärkendes  adv.  'völlig,  ganz  und 
gar\- 

was  der  beld  sang,  den  gott  grundausz  geliebt 

Opitz  opera  (1690)  2,  26; 

bald  sieht  er  . . .  eine  sonne  Amphitritens  grenzen  gr. 
durchglänzen  E.  v.  Kleist  l,  61  Sauer;  das  buch  (ist) 
weder  gr.,  noch  selbst  dieser  Zusammensetzung  nach  von 
Richard  Johnson  erfunden  Jac.  Grimm  kl.  sehr.  4,  44; 
'durchaus^'  (der)  paralleUsmus  . . .,  der  in  der  ursprache 
gr.  lieget  Herder  6,  213  8.;  vereinzelt  wie  'aus  der  tiefe': 

wenn  er  sein  'befen'  so  recht  grnndaus  der  lunge  geholt 

MÖRiKB  w.  1,  228  Göschen; 

gelegentlich  mit  copulativ-a :  donner,  der  ihr  haus  grundsaua 
erschüttert  allg.  dtsche  bibl.  24,  408. 

GRUNDBALKEN,  m.  1)  zu  grund  lA  gehörig:  der 
balken  'vor  dem  gerinne"  im  mühlwasser  (s.  grundbaum  1, 
fachbaum)  Krünitz  20,  256;  so  bereits  1315:  in  profundo 
fiuminis  molendini  .  . .  ponere  trabem,  quae  lingua  teutonica 
dicitur  grundbalke  bei  Frisch  1,  379".  2)  als  grundlage 
(vgl.  grund  IV  A  1)  dienender  balken  (vgl.  grundschwelle), 
in  mannigfacher  technischer  Verwendung  des  zimmereihand- 
Werks  seit  dem  17.  jh.  zu  belegen;  zu  allen  bedeutungen  vgl. 
Krünitz  20,  256;  als  architrav:  die  Beulen  der  tohre,  die 
gr.,  die  zierwerke  (im  franz.  original:  'les  colonnes  des 
portes,  architraves,  frises")  .  . ,  (werden)  mit  füszen  ge- 
mässen  Zesen  kriegsarbeit  (1672)  3,  81;  unlere  lagerbalken: 
der  bodem  (des  thrones)  ruhet  auf  vier  sparren  oder  bal- 
cken  .  . .  die  sparren  oder  grundbalcken  .  .  .  seind  gantz 
mit  emaillirtem  golde  . . .  überkleidt  Francisoi  letzte 
rechenschaft  (1681)  782;  gr.  'eines  fuszbodens'  franz.  gite 
Beil  techn.  wb.  263;  'eines  krahns'  franz.  empatement 
ScHRADER  dtsch-frz.  wb.  1,  579;  eines  hauses:  bei  legung 
des  grundbalkens  mythol.  3,  491;  im  dachstuhl  'der  gc.,  in 
dem  die  sparren  stellen'  Krünitz  8,  522;  av/:,h  der  kiel- 
balken  (s.  grundbaum  2)  des  schiff  es:  der  unterste  gr.  des 
Schiffes,  der  nach  der  ganzen  länge  des  schiffes  geht  Gott- 
sched dtsche  Sprachkunst  82.  —  -bar,  adj.:  dasz  der  tinter- 
than  . . .  angelobe  . . .,  eine  . . .  Steuer  jährlich  abzurichten, 
und  solches  stück  (land)  unter  die  andern  grundbaren 
guter  zu  vererben  v.  Hohberg  georg.  cur.  (1682)  2,  577.  — 
-barkeit,/.,  im  sinne  'grundhörigkeit' :  (er)  verwandelte 
für  seine . . .  unterthanen  die  lästige  gr.  und  die  überbleibsei 
des  leibeigenthums  in  gefreites  erbrecht  Zschokke  s.  atis- 
gew.  sehr.  36, 176.  —  -bass,  m.,  vereinzelt  als  Variante  zu 
contrabass,  bassgeige:  die  instrumente,  welche  . . .  aus  zwo 
geigen,  einer  bratsche  und  dem  grundbasse  bestehen 
Scheibe  d.  crit.  muMcus  (1745)  631;  die  musiktechnische 
hauptverwendung  entwickelt  sich  nach  der  mitte  des  18.  jh.s 
im  anschlusz  an  Rameaus  begriff  'basse  fondamentale' , 
übertragen  als  fundamentalbass  oder  gr.,  eigentlich  die  folge 
der  wahren  (ideellen)  grundtöne  der  harmonie  eines  ton- 

4& 


755 


GRUNDBAU  i.  2 


GRUNDBAU  3  —  GRUNDBAUM 


756 


Werkes:  damit  die  richtigkeit  unsers  gnindbasses  dieser 
fuge  desto  eher  in  die  äugen  leuchte,  ist  ihr  .  .  ,  ein  aus  der 
harmonie  gezogener  und  ausgesetzter  generalbass  unter- 
gefüget  KiENBEKGBE  d.  wahren  grundsätze  (1773)  54; 
der  gr.  der  wesentlichen  septimenaccorde  schreitet  mit 
der  quart  in  die  höhe  Heikse  w.  6,  31  Seh.;  Berlioz  har- 
monisiert sie  ...  mit  liegendem  gr.  R.  Schtjmakn  ges. 
sehr.  (1854)  1,  136;  anders:  gr.  die  drei  haupttöne  einer 
jeden  tonart  Bebnsdorf  neues  univ.  lex.  d.  tonhunst  2, 
260 ;  für  die  theorie,  die  lehre  vom  gr. :  dr.  Lantiers  System 
des  grundbasses  Zelter  an  Göthe  5,  452  Biemer;  der  gr. 
meines  onkels  hat  das  alles  sehr  vereinfacht  {aus  ''Ra- 
meaus  neße')  Göthe  45,  53  W.;  öfters  mit  ^bassstimme' 
gleichgesetzt:  ein  allegro  assai,  mit  Waldhörnern,  durch  .  . . 
den  gr.  mitspielende  fagotte  verstärkt  (1767)  Lessing  9, 
298  M.;  ursprünglich  (ward)  der  gr.  vom  contrabass  an- 
gegeben Jahn  Mozart  3,  451;  ilbertr.  indem  bei  .  . .  ihren 
.  .  .  Untersuchungen  meine  philosophie  als  gr.  durchzu- 
hören ist  Schopenhauer  br.  229  Or.;  von  tiefen  basstönen 
allgemein:  des  fagotts  schnarrenden  gr.  E.  Th.  A.  Hoff- 
mann 1,  11  Gr.;  als  begleitung  im  gr.  das  behagliche 
lachen  von  vater  .  .  .  Wies  Storm  w.  (1899)  3,  140. 

GRUNDBAU,  m.,  das  wort  ist  zwar  seit  dem  15.  jh. 
bezeugt,  entwickelt  sich  aber  erst  im  18.  jh.  in  seiner  haupt- 
sächlichen und  ausgebreiteten  bedeutung  yundament';  alle 
älteren  Verwendungen  zeigen  mehr  zeitlich  oder  örtlich  be- 
schränkte geliung. 

1)  bis  in  das  15.  jh.  zurück  reicht  gr.,  aber  arischeinend 
auf  rheinfränk.  rechtsdenkmäler  des  15.  16.  jh.s  beschränkt, 
mit  der  bedeutung  ^fuvdamentierter  bau;  festes,  durch 
einen  in  die  erde  gelegten  unterbau  von  stein  oder  an- 
derem massiven  material  gekennzeichnetes  haus',  wohl  im 
gegensatz  zu  lediglich  im  balkengerüst  aufgestellten  gebäu- 
den:  sullen  denn  genanten  hoefE  in  buwe  beszerunge  unde 
busze  halten  . . .,  sundern  alle  gruntbuwe,  szo  der  an  hu- 
aungen  adder  ander  buwen  .  .  .  noit  sin  wurde,  wiel  unde 
saU  der  genante  unser  herre  meister  . . .  machen  {v.  1490) 
Lennep  codex  probationum  (1768)  53;  wann  aber  grund- 
bäuw  vorhanden  und  nicht  durch  seine  varleszigkeit  ver- 
fallen wehren,  soll  mein  orden  das  holtz  darzue  geben 
(v.  1561)  ebda  107;  es  soll  auch  unser  amptmann  .  . .  die 
. . .  bewe  ohn  unser  zuthun  mit  dem  flickwergk  in  guttem 
baw  und  besserung  erhaltenn,  .  .  .  aber  grundtbew  auch 
schwellen  und  newe  tach  zu  machen  uf  unsern  costen 
bescheen  {v.  1596)  ebda  414;  vgl.  ebda  30;  32  und  wohl  in 
gleicher  bedeutung  erthus  ebda  396;  unser  bawmeister  {soU) 
solichen  sorglichen  buwe  lassen  abprechen,  und  so  es  ein 
gruntbuwe  were,  der  grundt  do  mit  auch  verfallen  seyn 
an  gemeynen  unser  statt  nutz  der  stat  Worms  reform. 
(1513)  87^;  hierher  gehört  anscheinend  auch  noch:  im  fall  ein 
müller  einen  gr.  auf  seiner  mühlen  führen  würde,  soll  der 
ober  und  unter  ihm  gesessene  nachbar  vier  wochen  mit 
dem  mahlen  innhalten  v.  Hohbeeq  georg.  curios.  (1682) 
2,  98. 

2)  grundbau  als  fundamentbau, 

a)  der  als  träger  des  gebäudes  in  der  erde  liegende  bau- 
theil,  tritt  in  der  ersten  hälfte  des  18.  jh.s  neben  die  gleich- 
bedeutenden alteingesessenen  Wörter  grund  (IV  A  1),  grund- 
feste, fundament  und  verbreitet  sich  rasch;  noch  Frisch 
2,  reg.  44",  vgl.  1,  379°  kennt  es  nicht,  bei  Schottel  525 
nicht  bedeutung smäszig  bestimmbar,  aber  eher  zu  gr.  3 
{s.u.);  gr.  ...  ist  der  fusz,  worauf  ein  gantzes  gebäude 
ruhen  musz  Zinck  (1744)  999;  gr.,  fundament  ist  der- 
jenige oft  aus  der  tiefe  bis  etwas  über  den  erdboden 
aufgeführte  haupttheil  eines  gebäudes  Chr.  Wolff  math. 
lex.  (1747)  1,  616;  gr.  . . .  sowohl  der  in  der  erde  aus- 
gegrabene räum,  der  so  genarmte  grundgraben  1.  fu7i- 
datio,  fr.  fondation  ...  als  auch  das  fundament  des  ge- 
bäudes selbst  1.  fundamentum,  fr.  fondement  Krünitz 
20,  256;  vgl.  LuEGER  4,  797;  selten  pluralisch:  lehm  .  . . 
erfordert . .  .  keine  kostbaren  grundbaue  mid  röste  Hoyer 
kriegsbauk.  2,  80;  gelegentlich  in  etwas  weiterem  sinne  für 
den  über  dem  baden  sich  erhebenden  unterbau  eines  gebäu- 
des: der  gr.  ist  aus  hellgrauem  granit  Stetjb  drei  sommer 


in  Tirol  2,  268;  ein  mächtiger  gr.  {eines  Schlosses),  der 
aus  dem  see  aufsteigt  wander.  i.  bayr.  geb.  60;  in  literari- 
scher spräche  entfaltet  vor  allem,  in  bildlicher  und  übertra- 
gener Verwendung: 

also  sprach  und  legte  den  grundbau  Phöbus  ApoUon 

Che.  Stolbeeg  16, 18; 

sie  {die  Wissenschaft),  die  den  grundbau  des  geschafnen  gern 

ergrübe 
Klopstock  Oden  1,  229  M.-P.; 

die  Verwirrung  .  .  .,  die  so  schon  an  dem  gr.  und  dem 
fachwerke  unseres  Staates  rüttelt  Gutzkow  ritter  v.  geiste 
5,  124;  eine  darlegung,  die  der  gr.  seines  ganzen  Systems 
ist  Brunn  kl.  sehr,  l,  116;  nicht  minder  häufig  übertragener 
gebrauch  im  sinne  'gr2indlage,  Vorbedingung^:  tugend, 
welche  zu  dem  gr.  unserer  ewigen  glückseligkeit  erfordert 
wird  S.  V.  Laroche /rZ.  v.  Sternheim  (1771)  l,  186;  regel- 
mäszigkeit  ist  nicht  Schönheit  —  aber  gr.  der  Schönheit 
Lavater  physiogn.  fragm.  4,  182. 

b)  gr.  als  die  arbeit,  die  technik  des  fundierens  von  bau- 
werken:  gr.,  der  bau  d.  i.  die  Verfertigung  des  grundes  zu 
einem  gebäude  Krünitz  20,  256;  gr.  nennt  man  alle  ar- 
beiten, welche  ein  bau  bis  zur  anläge  der  plinthe  nöthig 
macht  Helfft  wb.  d.  landbauk.  101 ;  gr.  . . .  die  Wissen- 
schaft, die  sich  mit  theorie,  konstruktion  und  ausführung 
der  fundamente  befaszt  Lueqer  3,  721;  so  auch  bildlich: 
wer  aus  dem  kämpfe  der  gegenwart  um  den  gr.  des  deut- 
schen Staates  noch  nicht  die  einsieht  gewonnen  hat 
Treitschke  hist.  u.  polit.  aufsätze  1,  3. 

3)  ein  bereits  älterer  gebrauch  von  gr.  entspricht  der  be- 
deutung von  bau  =  structura,  constructio  {vgl.  th.  1,  1162 
bau  4)  mit  der  sondernden  Vorstellung,  dasz  nur  die  das 
wesentliche,  charakteristische  zur  anschauung  bringende 
grundstructur  {vgl.  grund  IV  B  1  und  3)  gemeint  wird,  vgl. 
gr.  als  anatomischen  begriff:  structur,  textur,  an  deren  stelle 
'bestandwesen,  grundtbau,  aufrichtung  und  gebäu'  Hyrtl 
kunstworte  d.  anatomie  12;  dann  verleiht  ihnen  {den 
frauen)  das  sehnige,  dürre  ihres  grundbaues  etwas  ecki- 
ges, männliches  Ratzel  völkerk.  3,  161;  vom  bauwerk 
selbst  nur  gelegentlich:  die  mosquee  ...  ist  klein,  ihren  gr. 
aber  betreffend  kan  ich  . .  .  sagen,  dasz  sie  mir  besser 
als  st.  Sophien  gefallen  P.  della  Valle  reisebeschreibg. 
(1674)  1,  81  [=  la  sua  mechita  e  piu  picciola,  ma  mi  piace 
assai;  di  modello,  se  dicessi  piu  di  santa  Sofia  (1672)  156] ; 
lebendiger  ist  seit  dem  17.  jh.  übertragener  gebrauch,  gern 
für  die  structur  eines  Staates,  einer  Verfassung:  alles  also, 
als  reichsstand  betrachtet,  war  noch  amt,  anstatt  und 
von  wegen  des  kaisers,  nach  dem  gr,  und  wesen  des  karo- 
lingischen  reichs  Herder  5,  694  8.;  die  Staaten  des  alter- 
tums,  wie  trefflich  auch  ihr  gr.  sein  mochte  E.  M.  Arndt 
1,  243  It.-M.;  dem  aristokratischen  gr.  der  Verfassung 
MoMMSEN  röm.  gesch.  l,  585;  früh  auf  die  spräche  be- 
zogen: das  aber  die  poeterey  die  Zierlichkeit  und  den  gr. 
einer  spräche  unterstüze  und  sie  in  hohen  flor  bringe 
Knittel  poet.  sinnenfr.  (1677)  vorr.  7;  der  gr.  der  rede  in 
allen  sprachen  ist  typus  eines  zusammenhangenden  acts 
des  wirkenden  Verstandes  Herder  21,  127  S.;  mehr  im 
sinne  ^ursprünglicher  bau'  {vgl.  compos.-typ.  5q):  sie 
{müssen)  den  gr.  ihrer  spräche  und  gewisse  ursitten  der- 
selben um  so  heiliger  halten  Woltmann  memoiren  1,  219. 

GRUNDBAUM,  m.  l)  seit  dem  14.  jh.  als  technischer 
ausdruck  des  wassermühlenbaus  bezeugt,  anscheinend  eine 
nur  md.  übliche,  den  heutigen  maa.  unbekannte  bezeichnung 
für  den  gleichzeitig  im  schwäb.  nacligewiesenen  fachbaum 
{vgl.  th.  3, 1221  u.  Fischer  schwäb.  2,  907),  die  wehrschwelle 
vor  dem  mühlengerinne  oder  an  anderen  Stauwehren:  der 
fachbaum  heiszt  ...  in  Sachsen  gr.  Popowitsch  versuch 
(1780)  400,  vgl.  Krünitz  20,  256;  die  äuszeren  theile  einer 
imterschlächtigen  mühle  sind:  der  gr.  ...  E.  M.  Schil- 
ling mühlenrecht  (1829)  67;  diese  bedeutung  kommt  wohl 
bereits  dem  altbezeu^ten  gr.  zu:  dürfen  aber  die  vrauhen 
eines  gruntbaumis  ader  eins  melbaumis  ...  zu  ere  molen, 
dar  umme  sullent  se  beden  {v.  jähre  1326)  hess.  Urkunden- 
buch  2,  369  Wyss;  zu  einre  mulen  einen  wendelbom  und 
zwene  grundbome  weisth.  l,  825,  vgl,  rechtsalterth.*  2,  27 ; 


757    GRUNDBEDEUTUNG  —  GRUNDBEGRIFF 


GRUNDBEGRIFFTHUM  —  -BESCHAFFENHEIT   758 


hierher  wohl  auch:  Bokenheimer  zalestein  sin  komen  un-    | 
den  zu  den  grondtbaumen  in  den  borne  (a.  1447)  Diefen-    | 
Bäch-Wülckeb  637^  {Frankfurter  arch.),  dort  weitere  be-    j 
lege;  heute  ist  fachbaum  herschender  terminus.    2)  jünger 
ist  die  Verwendung  von  gr.  für  einen  als  grundlage  (funda- 
ment)  dienenden  balken,  im  16.  jh.  beginnend;  für  den  kiel- 
balken   eines   schiff  es:   dQvo/o^,  fundamentum,    der   gr. 
Fbischlin  nomenclator  {158Q)  270^;  grundtbaum  im  schifE, 
fondement  Hxjlsius  u.  Ravellus  147  a; 

(der  Jcaufmann)  hat  nu  nicht  so  vil  geitz  als  grausz, 

weil  schlf,  mast,  rüder,  grundbaum  höben 
Weckhep.lin  ged.  2,  264  F. 

so  noch  Beil  1,  263;  anders,  als  balken  eines  hausfunda- 
ments:  grundbäume,  liegende  schwellroste  Otte  archäol. 
wb.  (1877)  94;  bergmännisch:  gr.  .  .  .,  stück  der  schacht- 
zimmerung  .  .  .  auf  der  sohle  der  letzteren  {der  strecke) 
ScHEUCHENSTUEL  österr.  berg-  u.  hüttenspr.  115;  am  Web- 
stuhl des  Seidenwirkers  {vgl.  compos.-typ.  5  k)  gr.  'siehe 
grundbalken  und  fachbaum,  hinter-  oder  kettenbaum^  Ja-  ! 
COBSSON  2, 161''.  —  -bedeutung,/.;  er  {der  Verfasser) ...  j 
unterscheidet  die  grundbedeutungen  von  denen,  die  ein  j 
wort  hernach  bekommen  Gottsched  neueste  a.  d.  an-  \ 
muth.  gelehrsamk.  7,  296;  so  bleibt  die  hauptverwendung 
'ursprüngliche  bedeutung  eines  wortes\-  dies  wort  {gehört) 
zu  den  vielen  andern  .  . .,  die  aus  ihrer  neutralen  gr.  in 
eine  halb  active  übergehen  briefe  d.  br.  Orimm  54  Müller; 
so  kommt  ihm  .  . .  der  name  philosoph,  nach  seiner  ersten 
gr.,  vorzüglich  zu  Mos.  Mendelssohn  ges.  sehr.  4,  2,  319; 
seltener  ist  die  anwendung  'wesentliche  (grund  IV  B  3)  oder 
eigentliche  bedeutung^  in  der  begriff sarudyse:  wie  kann  man 
über  den  styl  der  einzelnen  künste  etwas  klares  sagen, 
wenn  man  sich  nicht  vorher  .  .  .  rechenschaft  über  seine 
gr.  abgelegt  hat  Vischeb  ästh.  3,  2;  {seine)  Untersuchung 
.  .  .  über  die  gr.  des  traumes  altes  u.  neues  1,  191. be- 
ding, m.:  der  gr.  alles  sittlichen  v.  Meyebn  hinterl.  kl. 

sehr.  2,  53. bedingend,  adj.:  das  klima  von  dem  als 

gr.  für  die  kunst . . .  die  rede  sein  kann  R.  Waonee  ges. 
sehr.  u.  dicht.  3,  221.  —  -bedingnis,  n.:  vergesset  meiner 
gefühle  und  meiner  worte  für  die  armuth  und  die  gnmd- 
bedingnisse  nicht,  wenn  die  armenhülfe  wirklich  und  reeU 
segensvoll  auf  ihre  quellen  einwirken  musz  Pestalozzi  s. 
sehr.  9,  297 ;  gr.  deiner . . .  charakterelasticität  B.  Goltz  ein 
jugendleb.  3,71.  —  -bedingung, /.  1)  die  für  die  existenz 
eines  dinges,  einer  erscheinung  natur-  oder  denknothwendige 
Voraussetzung:  die  erste  gr.  aller  entoptischen  färben 
Göthe  II  5, 1,  262  W.;  diese  materien  . . .  müssen  . . .  als 
die  grundbedingungen  des  chemischen  processes  erschei- 
nen ScHELLiNG  I  5,  64;  das  gleichgewicht  der  kräfte  ist 
die  gr.  alles  daseins  Büchnek  kraft  u.  st.  48 ;  das  sittliche 
gefühl  als  . .  .  die  erste  gr.  .  . .  für  alle  jene  andern  hohem 
gefühle  Fb.  Schlegel  15,  125.  2)  etwas  anders,  meist  plu- 
ralisch, auch  im  sinne  'tragende,  hauptsächliche  bedingun- 
gen'  {vgl.  compos.-typ.  5s):  eine  auer kennung  ...  der 
grimdbedingungen  des  Staatslebens  Ranke  s.  w.  9,  17; 
die  gefundene  idee  nach  den  grundbedingungen  des  dra- 
mas  ...  beurtheilen  G.  Ebeytao  ges.  w.  14,12;  drei 
punkte  werden  ...  als  grundbedingungen  der  Unterwer- 
fung vereinbart  H.  Gbimm  Michelangelo  2,  112.  —  -beere 
siehe  grundbirne. 

GRUNDBEGRIFF,  m.  1)  ein  gr ,  der  von  keinem 

andern  weiter  abgeleitet  werden  kann  Kant  w.  (1867)  4, 
418  H. ;  es  sind  ebendieselben  grundbegrifie,  mithin  haben 
sie  auch  einerlei  f olgerungen  l,  95  {v.  j.  1747) ;  ausdehnung 
und  bewegung  . .  .,  in  diese  grundbegriffe  läszt  sich  . . . 
alles  auflösen  Mos.  Mendelssohn  ges.  sehr.  2, 159;  wie  in 
der  metaphysik  räum,  zeit  und  kraft  drei  grundbegriffe 
sind  Hebdeb  3,  137  S.;  grundbegrif  concept  fondamental 
ScHBADEE  dtsch-franz.  wb.  1,  579;  die  philosophie  scheidet 
zwei  Verwendungen  des  wortes;  es  entspricht  einmal  der 
'kategorie'  und  bezeichnet  demgemäsz  die  apriorischen  denk- 
formen {belege  s.  o.):  logische,  ontologische,  ethische, ästhe- 
tische grundbegriffe,  vgl.  Eisleb  wb.  d.  phil.  begr.  1,  609 
u.  793.  2)  weiter  besitzen  die  einzeldisciplinen  der  Wissen- 
schaft gewisse  grundbegriffe,  auf  die  sich  ihre  erkenntnisse 


zurückführen  lassen;  auch  dieser  gebrauch  reicht  in  das 
18,  jh.  zurück:  die  grundbegriffe  der  physik  und  chemie 
Göthe  20,  45  W.;  die  grundbegriffe  der  allgemeinen  ge- 
werbwissenschaft  allg.  dtsche  bibl.  anh.  zu  37-52,  912; 
änderungen  der  Verfassung  .  .  .  lieszen  selbst  grundbe- 
griffe des  öffentUchen  rechts  .  .  .  unberührt  Savigny  beruf 
uns.  zeit  (1814)  39;  kunstgeschichtliche  grundbegriffe 
{buchtitd)  H.  WöLFFLiN;  in  allgemeinerem  sinne  für  die  be- 
grifflichen demente,  in  die  begriffskomplexe  zerlegt  werden 
können:  im  ersten  theil  sollen  die  grundbegriffe  des  .  .  . 
guten  und  schönen  festgesetzt  werden  allg.  dtsche  bibl. 
anh.  zu  25-36,  2060;  die  grundbegriffe  der  ehre  und  treue 
werden  in  dem  liede  eingeschärft  Schebeb  lit.gesch.  127; 
die  Schönheit  läszt  sich  auf  gewisse  grundbegriffe  zurück- 
führen, aber  nicht  bestimmt  erklären  Winckelmann 
8.  w.  (1825/^.)  7, 102;  ähnlich:  die  Pelasger  haben  die 
grundbegriffe  der  religion  in  natürlicher  . .  .  frische  erhal- 
ten Humboldt  br.  an  Wdcker  73 ;  ungeachtet  der  angege- 
benen grundbegriffe  des  chinesischen  Staats  Schlossee 
wdtgesch.  (1844^.)  1,  17;  es  ist  unglaublich,  was  mich  diese 
acht  Wochen  auf  haupt-  und  grundbegriffe  des  lebens  .  .  . 
geführt  haben  Göthe  III 1,  315  W.  3)  als  besondere  be- 
deutungsgruppe  tritt  eine  Verwendung  auf,  bei  der  es  sich 
nicht  um  eine  mehrzahl  oder  ein  System  fundamentaler 
begriffe  handelt,  sondern  wo  ein  gr.  als  einzdner  als  der 
tragende,  den  wesentlichen  inhalt  oder  sinn  des  ganzen  re- 
präsentierende begriff  gefaszt  wird: 

den  einzelheiten  muszt  du  nie  soviel  erlauben, 
den  sichern  grundbegriff  des  ganzen  dir  zu  rauben 

BÜCKEET  w.  8,  206; 

der  gr.  der  zeit  ist  das  nacheinander  Hebbaet  4, 154 ;  ist 
die  demuth  in  gott  für  ihn  der  gr.  alles  christenthums 
Nitzsch  dtsche  Studien  {1879)  8;  nothwendig  machten  sie 
(die  apostd)  diese  {erwartung)  zum  gr.  ihrer  Verfassung 
Hebdeb  20,  122  S.;  soll  ich  nun  den  gr.  der  neuern  tra- 
gödie  in  der  kürze  aussprechen  Hebbel  10,  324  W. ;  dasz 
. . .  der  volkstribun  dem  consul  gleichgestellt  ist,  entfernt 
sich  allerdings  von  dem  gr.  dieses  Instituts  Mommsen  röm. 
Staatsrecht  1,  35;  der  gr.  der  römischen  provincia  röm. 
gesch.  2,  49  anm.;  une  'grundgestalf  concrd  gedacht:  das 
grabmahl  .  .  .  enthält  den  gr.  der  mexikanischen  tempel- 
pyramiden  Niebuhe  röm.  gesch.  1,  87;  ähnlich  will  der 
buchtitd:  gr.  preuszischer  Staats-  und  rechtsgeschichte 
(1829)  K.  F.  F.  SiETZE  auf  gefaszt  werden,  vgl.  vorr.  v; 
anders,  mehr  im  sinne  des  die  grundlegenden  lehren  dar- 
stellenden abrisses:  gr.  des  neuen  testaments,  in  predigten 
{buchtitd)  Fb.  Che.  Öttingeb.  4)  gdegentlich  in  einer  der 
bedeutung  1  nahestehenden  Verwendung,  für  den  einem  sub- 
ject  ursprünglich  innewohnenden,  einer  sache  ursprünglich 
anhaftenden  begriff:  weil  sie  {die  menschen)  in  den  grund- 
begriffen  so  zerittete  sinnen  durch  die  contagion  des 
thieres  haben  Fe.  Che.  Öttingee  schriftgem.  grund 
(1734)  5;  jenem  {dem  gesicht)  giebt  er  {der  tastsinn) 
sogar  seine  festesten  grundbegriffe  Hebdeb  22,  40  S.; 
trennung  des  geistlichen  und  weltlichen,  die  einen  der 
ersten  grundbegriffe  all  seines  denkens  ausmacht  Ranke 
s.  w.  2, 149;  ähnl.  auch:  sein  {des  wortes  nemesis)  gr.  ist . . . 
vifxeiv,  das  vertheilen  nach  gerechtigkeit  Heeder  15,  396 
anm.  S.;  der  gr.  des  worts  ist  stärke,  macht  .  . .  Schel- 
ling  II  1,168.  —  -begriff thum,  n.:  dieses  gr.  oder  diese 
kategorientafel  K.  Fb.  Che.  Keause  grundwahrh.  190.  — 
-berührung,/.;  man  spricht  von  gr.  eines  schiff  es,  wenn 
es  beim  auffahren  auf  eine  untiefe  sofort  wieder  frei- 
kommt v.  Alten  4,  477;  anders  das  alte  grundruhr(5.  dort). 
—  -beschaffenheit,/.,  gr.  entspricht  dem  älteren  begriff 
grundquaUtät  {vgl.  compos.-typ.  5  q):  so  würden  wir  . . . 
begreifen,  wie  durch  abänderung  jener  gnmdbeschaffen- 
heiten  . . .  diese  nebenbeschaff enheiten  entstehen  Mos. 
Mendelssohn  ges.  sehr.  3,  396;  ihr  {werdd)  euch  genötigt 
sehen,  viel  synthetische  grundbeschaffenheiten  zu  ver- 
werfen (grundkräfte)  Kant  3,  311  ak.  ausg.;  in  ansehung 
der  gr.  der  sinnlichen  erkenntnis  3,  65;  mit  den  gebrau- 
chen . .  .  der  germanischen  Völker  stimmte  das  Christen- 
tum in  dieser . . .  gr.  überaus  gut  zusammen  Fe.  Schlegel 
14,  94;  der  ertrag  {hängt)  überhaupt  mehr  vom  dünger- 

48* 


759  GRUNDBESITZ  -  GRUNDBESITZUNG 

Stande  als  von  der  gr.  des  bodens  ab  Thaer  grundzüge  d. 
rat.  landw.  l,  40. 

GRUNDBESITZ,  m.,  jüngere  bildung,  die  noch  Hein- 
sitTS  fehlt,  der  aber  grundbesitzer  kennt;  anscheinend  im 
anschlusz  daran  retrograd  gebildet  und  rasch  eingebürgert. 
1)  abstract,  das  besitzen  von  grund  und  boden: 

heut  abend  wieg  ich  mich  im  grundbesitz 

GÖTHE  15,  67  W., 

vgl.  25, 179  TF.;  ausgeschlossen  von  gr.  und  gewerbe.  ver- 
schanzte sich  der  Jude  im  handel  Riehl  d.  dtsche  arbeit  64; 
nur  er  {der  edelmann)  hat  das  ausschheszliche  recht  des 
grundbesitzes  v.  Moltkb  ges.  sehr.  1,  llO.  2)  concret,  das 
in  grund  und  boden  bestehende  besitzthum,  zunächst  das 
ländliche,  also  wie  das  ältere  nur  im  17.  jh.  bezeugte  grund- 
sitz (s.  compos.-typ.  5  g)  gebraucht:  sich  des  .  . .  froh  ge- 
nossenen grundbesitzes  zu  entäuszern  Göthb  36,  337  W.; 
wenn  Dietwin  GerHnt  heirathet,  so  haben  sie  einen 
schönen  gr.,  der  . .  .  bei  unserem  geschlechte  bleibt 
Stifter  3,  2  (lö02),  300;  dann  wird  unterschieden:  städti- 
scher gr.,  ländlicher  gr.  Elster  wb.  d.  volkswirtsch.^  1, 
1198;  flural  unüblich:  Bavelse  und  Lyngby  sind  grund- 
besitze,  welche  durch  mehrere  generationen  vererbten 
V.  Moltkb  ges.  sehr,  l,  1.  3)  gr.  als  sociologischer  begriff, 
die  Masse,  die  gesamtheit  der  grundbesitzer:  schon  einmal 
hatte  die  letztere  mit  dem  groszen  gr.  ...  gegen  den 
bauemstand  . . .  krieg  geführt  Mommsen  röm.  gesch.  2,  75 ; 
der  gröszere  gr.  hat  auch  hier  dem  kleineren  mit  einem 
guten  beispiel  voranzugehen  Raabs  schüdderump  (1870)  2, 
131;  wegen  bildung  .  . .  des  herrenhauses  steht  den  ver- 
bänden des  alten  und  befestigten  grundbesitzes  .  . .  ein 
präsentationsrecht  zu  v.  Ritter  hwb.  d.  preusz.  verwalt.^ 
1,827.  —  -besitzadel,  m.:  einen  kriegstüchtigen  gr. 
weist  die  mazedonische  monarchie  auf  v.  Alten  l,  99.  — 
-besitzend,  adjectiv.  partic:  der  erbliche  grundbesit- 
zende landadel  Fr.  Sohlegel  13,  219;  die  im  Thurgau 
grundbesitzenden  prälaten  Ranke  s.  w.S,  40;  substanti- 
visch: volle  rechtsfähigkeit  scheint  . . .  nur  dem  grund- 
besitzenden eigen  gewesen  zu  sein  Bernhardt  gesch.  d, 
waldeigentums  1, 15.  —  -besitzer,  m.,  zuerst  bei  Ade- 
lung (1775)  2,  825  der  besitzer  von  grund  und  boden,  meist 
speziell  der  besitzer  eines  landgutes:  diesz  ist  der  räum, 
den  der  gr.  jeder  gemeinde  schuldig  ist  Göthe  24, 122  PF.; 
man  (der  Stadler)  sehnte  sich  aufs  land.  die  Sicherheit 
des  grundbesitzers  gab  jedermann  vertrauen  36,  336; 

a  grundbesitzer  reicht  ihr  die  hand 
und  nimmts  mit  Idnaus  auf  sein  land 

Nesteoy  {f<?s.  tc.  6, 166 ; 

diese  tracht  bezeichnet  .  .  .  nicht  .  . .  den  Jäger,  sondern 
den  gr.  Hebbel  br.  5,  318  W.  so  als  fester  begriff:  der 
grosze  gr.,  der  {oft  adeliche)  gutsbesitzer  im  gegensatz  zum 
kleineren  bäuerlichen  eigenthümer:  die  herren  oder  groszen 
gr.  aus  alten  geschlechtern  Fr.  L.  Jahn  l,  287  E.;  nur 
durch  persönliches  .  .  .  eingreifen  der  groszen  gr.  kann 
der  gegensatz  zu  pächtern  und  arbeitern  gemildert  wer- 
den hwb.  d.  staatswiss.^  1, 12;  wahlverband  der  gröszeren 
gr.  v.  Bitter  hwb.  d.  yreusz.  verwalt.^  l,  828;  gegensatz: 
haben  sie  nicht  .  .  .  kleinere  gr.,  die  unter  . .  .  lasten 
seufzen  Alexis  ruhe  ist  d.  e.  bürgerpfl.  (1852)  2,  94;  anders 
verengert:  da  haben  viele  . .  .  gr.  nebst  ihrem  eigentlichen 
haus  und  hof  auch  noch  ein  kleines  gütchen  Rosegger 
sehr.  (1895/.)  4,  147;  häufig  (erscheinen)  steinmetzmeister 
als  städtische  gr.  Mothes  baulez.  1,  304 ;  so  modern  vom 
städtischen  grundeigenthümer:  haus-  imd  gnmdbesitzer.  — 
-besitzerin,/.  Adelung  (1775)  2,  825  Dahlmann  gesch. 
V.  Dännemark  2,  252,  —  -besitzerklasse  hwb.  d.  staats- 
wiss.^  6,  291.  —  -stand  v.  Alten  l,  117;  bei  unserm  adel 
und  gröszem  grundbesitzerstande  v.  Hartmann  lebens- 
erinn.  2,  98.  —  -besitzthum,  n.,  der  gesamte  bestand  an 
grundbesitz  eines  Staates  oder  landes:  (eine)  abschäzung  des 
grundbesizthums  Eichhorn  dtsche  Staats-  u.  rechtsgesch.^ 
3,  242;  die  hausordnung  dieser  fürsten  . . .  übte  . . .  den 
verwirrendsten  einflusz  auf  . . .  aUes  grundbesitzthum  des 
malabarischen  landes  aus  Ritter  erdk.  5,  752.  —  -be- 
sitzung,/.,  das  einzelne  grundeigenthum :  auf  alle  an  sich 


GRUNDBESITZWECHSEL  -  -BEWEGUNG    760 

gezogenen  grundbesitzungen  verzieht  zu  thizn  Wieland 
(1795)  8,  460;  vermögen  von  häusern  und  grundbesitzun- 
gen Gutzkow  ritter  v.  geiste  2,  58;  seltener  im  singular: 
der  bauer  (/wÄrt) . . .  denselben  rings  um  die  gr.  Rosegger 
sehr.  4,161.  —  -besitzwechsel,  m.  K. Braun  kleinstaat.^ 
5,  222;  hwb.  d.  staatswiss.^  4,  132.  —  -bestand,  m.  1)  im 
17.  jh.  erscheint  mit  gr.  als  zusammenziehung  der  formel 
mit  grund  und  bestand  (vgl.  th.  1,  1652,  bestand  7) :  dasz 
sich  unser  schiffwarter  mit  grundtbestandt  uf  dasz  her- 
kommen berufen  (Frankf.  arch.,  v.  j.  1614)  Diefenbach- 
Wülcker  637  »•.  2)  ganz  jung  als  '^ursprünglicher  bestand, 
anfänglich  vorhandenes':  den  gr.  der  sage  bildet  eine 
gruppe  von  fünf  personen  ühland  sehr.  5,  330;  der  gr. 
der  beiden  . .  .  parteien  (ist)  wesentlich  derselbe  geblieben 
Nitzsch  dtsche  Studien  153;  anders  ^wesentlicher  bestand^ : 
glaubenssätze,  die  .  . .  fast  zum  menschlichen  arf-  und 
gr.  wurden  Nietzsche  w.  5, 149.  —  -bestandtheil,  m. 
(vgl.  compos.-typ.  5  r),  im  späten  18.  jh.  aufkommende  Ver- 
deutschung von  'dement';  zuerst  chemisch:  da  der  schwefel 
sich  immer  crystallisirte  . . .,  so  sey  der  schwefel  kein 
gr.  ailg.  dtsche  bibl.  anh.  zu  25-36,  3101;  geologisch-mine- 
ralogisch: grünstein,  .  .  .  eine  felssteinart  .  .  .,  deren 
grundbestandtheUe  die  homblende  mit  eingestreutem 
gUmmer  ist  Krünitz  20,  218;  vielfach  auf  andere  gegen- 
stände und  erscheinungen  angewandt:  durch  völlige  auf- 
lösung  alles  unsers  denkens  in  seine  grundbestandtheUe 
Solger  nachgel.  sehr.  2,51;  gleichmäszige  ausbüdung 
der  menschlichen  natur  im  verhältnisz  ihrer  grundbe- 
standtheUe zueinander  JusTi  Winckelmann  2,  2.  143; 
(der)  Staat,  der  in  seiner  tiefe,  der  mischung  seiner 
grundbestandtheUe  immer  derselbe  geblieben  war  Ranke 
s.  w.2,S;  anders:  der  wesentliche,  hauptsächliche  bestand- 
theil, dem  gegenüber  die  anderen  als  weniger  charakteristisch 
oder  wirksam  zurücktreten  (vgl.  compos.-typ.  5  s):  diese  .  .  . 
extracte  . . .  sind  als  grundbestandtheUe  derjenigen  par- 
fümerien  sehr  beliebt  Muspratt  chemie  (1898)  6,  2075; 
wenn  man  das  verbum  seyn  als  gr.  der  Zeitwörter  ansieht 
W.  v.  Humboldt  ges.  sehr.  4,  275 ;  geblieben  ...  ist  der 
gr.  aller  rehgion,  das  gefühl  der  unbedingten  abhängigkeit 
D.  Fr.  Strausz  sehr.  6, 93 ;  neben  seinem  deutschen  gr.  hat 
Wien  noch  ein  europäisches  element  Ranke  s.  w.  37,  v.  — 
-bestimmung,/.,  die  das  wesen  eines  dinges  (vgl.  grund 
IV  B  3)  determinierende  bestimmung  (th.  l,  1679  bestim- 
mung 1):  wovon  doch  die  ganze  gr.  der  form  des  profils 
. . .  abhängt  J.  K.  Lavater  physiogn.  fragm.  3,  223;  so 
musz  die  bUdung  selbst,  wie  in  ihrer  gr.,  so  auch  in  ihren 
abweichimgen  . . .  determiniert  werden  Göthe  II  8,  75; 
so  gelten  die  aggregatzustände  als  die  eigentlichen  grund- 
bestrmmungen  der  dinge  Windelband  gesch.  d.  neuer, 
philos.^  1,  63;  mehr  nach  grund  IV  B  1  hin:  die  einfache 
gr.  oder  gemeinschaftliche  formbestimmung  der  Samm- 
lung solcher  formen  ist  die  Identität  Hegel  w.  3,  19;  die 
hauptsächliche,  wahre  bestimmung  (bestimmung  2):  ge- 
wisse grund-  und  erste  bestimmimgen  unseres  lebens 
Fichte  s.  w.  2,  344;  die  grundlegende  bestimmung,  eine 
festsetzung,  die  zugleich  eine  forderung  darstellt  (vgl.  be- 
stimmen 2  th.  1, 1679) :  im  spinozismus  ist  .  .  .  gr.,  dasz 
der  mensch  gott  alleia  zu  seinem  ziel  haben  musz  Hegel 
w.  11,  56.  —  -bett,  m.  1)  an  grund  IVA  anzuknüpfen: 
in  welches  gr.  wurde  der  grundbau  gesenket  allg.  dtsche 
bibl.  50,265;  hierher  wohl  auch  der  früheste  beleg:  man 
macht  einen  graben,  .  . .  zum  grundbette  hinein  legt 
man  . . .  geschnittenes  rockenes  stroh  v.  Hohbebq  georg. 
cur.  2,  823.  2)  terminologisch  im  Wasserbau  (grund  I  A); 
gr.  ...  die  sohle  eiaes  wasserlaufes  Mothes  baulex.  2, 
540;  so  bald  sein  (des  flusses)  gr.  erhöht  wird  allg.  dtsche 
bibl.  anh.  zu  37-52,  498;  weiter:  grundbette,  landveste, 
. , .  uferdecke . . .  eine  art  von  uferbevestigung  Jacobsson 
2,  161 ''.  —  -bewegung,  /.  1)  (vgl.  compos.-typ.  5  r): 
hiernach  werden  also  zwei  grundbewegungen  des  erd- 
körpers  angenommen  Göthe  II 12,  lOl  W. ;  die  alten  in- 
tonationen  und  musikalischen  grundbewegungen  immer- 
fort auf  neue  lieder  angewendet  IV  31, 46.  2)  entsprechend 
compos.-typ.  5  s:  der  . . .  fusz  .  .  .,  der  jezt  die  vierzeitige 
gr.  (des  verses)  nicht  aufhebt  Vosz  zeitm.  d.  dtsch.  spr. 


761   GRUNDBEWEIS  -  GRUNDBIRNE  i 


GRUNDBIRNE  2.  3  -  GRUNDBIRNENACKER  762 


(1802)  186;  dasz  . . ,  die  abweichenden  Bewegungen  alle 
wieder  sich  umbiegen  nach  der  einen  gr.  Vischeb  ästh. 
1, 266.  3)  im  sinne  von  letzter,  eigentlicher  ardrieb,  trieb- 
Jeder'  (vgl.  bewegung  4)  th.  1,  1776):  ein  theater  aller 
groszen  und  kleinen  handlungen  und  ihrer  tiefen  grund- 
bewegungen  sind  diese  märchen  Bettine  d.  buch  gehört 
rf.  Jfc.  (1843)  1,148.  —  -beweis,  m.,  um  die  wende  des 
17. 18.  jh.s  in  gebravx,h:  ich  wuszte  . . .  damals  nicht,  dasz 
der  wiszkünstler  grundbeweise  (mathematicae  demon- 
strationes)  eben  dasjenige  sei,  was  ich  wünschte  Leib- 
NITZ  dtsche  sehr.  (1838^.)  1,  379;  blasser,  in  der  Verwen- 
dung der  comp.-typ.  5  v:  grondbewys,  gr.  i.  e.  gründlicher 
beweis  Keameb  nd.-hd.  dict.  108" ; 

seind  sie  vernünftig,  klug, 

80  ist  dein  grundbeweisz  für  sie  beweisz  genug 

Neukiech  priru.  r.  Ithaca  2, 164; 

zudem  das  . . .  verlangen  des  künftigen  lebens  . . .  durch 
klaren  gr.  solcher  erfrexüichsten  imfehlbarkeit,  merck- 
lich  vergröszert  . . .  wird  Feancisci  wol  d.  ewigk.  (1717) 
143.  —  -beweislich,  adj.:  hernach  führet  er  gr.  aus 
Feancisci  luftkreis  (1680)  41. 

GRUNDBILD,  ».,  bild  nach  welchem  andere  angefertigt 
werden,  modell:  nun  wird  die  gypsform  wieder  abgenom- 
men imd  das  neue  wächserne  grimd-  und  musterbild  . . . 
überarbeitet  Göthe  44,  2,  329  W.;  gleichwie  der  mensch- 
liche künstler  bei  allen  seinen  werken  stets  hinschaut  auf 
ein  ewiges  gr.,  welches  ihm  vorschwebt  Mabtensen 
christl.  dogmatik^  379;  so  überhaupt  die  ursprüngliche  bild- 
form gegenüber  der  daraus  entwickelten:  die  dürftigkeit 
jener  ersten  grundbilder  und  Schlüssel  der  (chinesischen) 
Schrift  Fe.  Schlegel  13,  88 ;  ähnlich  in  geistiger  sphäre  das 
'urbild\'  die  .  . .  Verknüpfung  der  grundbilder  des  affekts 
ailg.  dtsche  bibl.  2,  222;  jene  mit  ihrer  persönlichkeit  ver- 
wachsenen grandhüdeT  (im  gedächtnis)  Fichte  s.  w.  8, 109; 
mehr  unter  betonung  des  eigentlichen,  wahren,  den  kern  auf- 
machenden: in  demjenigen  was  endlich  sein  grundbild, 
sein  Charakter  heiszt  E.  M.  Abndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l. 
Dtschen  4,  72.  —  -bildung,  /.,  seit  der  ersten  hälfle  des 
18.  jh.s  aufkommend.  1)  die  ursprüngliche,  noch  unent- 
wickelte gestalt  (vgl.  bildung  2)  th.  2,  22) :  in  jedem  zustande 
lag  die  gr.  der  werdenden  gestalt  Mos.  Mendelssohn  ges. 
sehr.  1,  133;  die  saamenthierchen  (enthalten)  die  gr.  des 
menschen  Nicolai  literaturbr.  1,  179;  so  . . .  entsteht  die 
gr.  des  reichs  Fichte  s.  w.  4,  453;  anders,  die  gr.  als  ^an- 
läge' im  gegensatz  zum  nicht  entsprechend  entwickelten: 
kinder  waren  eben  so  erbärmlich  anzusehen,  männer  ein 
wenig  besser,  die  gr.  war  übrigens  durchaus  regelmäszig 
und  gut  Göthe  30,  54  W.;  weil  sie  . . .  unwissend  noch  so 
viel  metaphysisch  verstellte  gnmdbüdungen  in  sich  liegen 
lassen  Fb.  Che.  Öttingeb  theol.  hauptwahrh.  (1734)  5. 
2)  die  erste,  grundlegende  thätigkeit  des  bildens  (vgl.  bil- 
dung 4) :  gott  hat  also  diese  gr.  beiderlei  geschlechts  . . . 
wollen  ...  zu  einem  heihgen  wunder  bestätigen  Geyee 
müsz.  reisestunden  (1735)  9, 11 ;  die  . . .  gr.  der  dinge  bleibt 
immer  das  vmverlehnbare  Vorrecht  des  unerschafEenen 
Lavateb  aussichten  i.  d.  ewigk.  4,  232. 

GRUNDBIRNE,  /.,  ältere  und  mundartlich  bewahrte 
form  grundbir(-e) :  1)  als  botanische  bezeichnung  zuerst  im 
16.  jh.  bezeugt,  wo  gr.  als  einer  unter  verschiedenen  namen 
der  erdnusz  angegeben  wird:  man  nennet  diese  wurtzel 
sewbrott,  erdnusz,  grundeychel,  grundbiren,  erdmandeln, 
erdfeigen,  schwartz  rüben  oder  retich  Bock  kreutterb. 
(1539)  2,15'';  genus  raphanvs  sylvestris  vel  agrestis,  nux 
terrae,  ficus  terrae  . . .  chamaebaJanu^,  . . .  panis  porcinus, 
.  . .  ackereychel,  grundeychel,  erdnusz,  sewbrot,  erdman- 
del,  erdfeigenn,  wildbieren,  grundbieren,  schwartz  rettich, 
schwartz  rüb  Albeeus  ff  3  a;  in  diesen  angaben  kreuzen 
sich  namen  verschiedener  pflanzen,  zu  welcher  gehört  gr.? 
mittelalterlich  bezeichnet  'erdnusz^  die  erdscheibe  (alpenveil- 
chen)  =  cyclamen  europaeum,  die  im  mittelalter  auch  ''erd- 
apfeV  (ertaffel),  swainkrautt,  sweinprot,  mit  lat.  namen 
u.  a.  cyclama,  cassamus,  malum  terrae,  panis  porcinus 
heiszt,  vgl.  Fischee  mittelalt.  pflanzenkde  266;  die  gleich- 
stellung  von  ^malum  terre'  oder  'cyclamius'  mit  seiner  *erd- 


nusz^  lehnt  Bock  15*  ausdrücklich  ab  und  behauptet:  das 
erdnus  nichts  änderst  ist  dan  raphanus  agrestis,  in  Theo- 
phrasto  i/kq  und  in  Dioscoride  . . .  änio^  geheyszen'  ebda; 
raphanus  agrestis  ist  jedoch  einer  der  lat.  namen  des  mer- 
rettich  =  cochlearia  armoracia,  vgl.  Fischee  a.  a.  o.  266, 
Peitzel- Jessen  244;  mittelalterlich  ebenfalls  meretich, 
merrich ;  Bocks  iinios,  ackereychel,  grundeychel,  Alberus 
chamaebalanus  gehen  offensichtlich  auf  die  ^erdeicheV  = 
lathyrus  tuberosus,  mittelalterl.  christianswurz,  cristiane 
(vgl.  Fischee  a.  a.  0.  273),  die  auch  sonst  im  16.  jh.  als 
erdnusz  bezeichnet  wird;  dasz  gr.  mit  dieser  pflanze  iden- 
tisch ist,  wird  um  so  wahrscheinlicher  als  lathyrus  tuberosus 
in  der  schwäb.  alb  den  paralldnamen  erdbime  aufweist, 
vgl.  Geadmann  pflxinzenleb.  d.  alb  2,  209  und  Hegi  fl^rra 
V.  mittel-europa  4,  3, 1591  anm.  1. 

2)  der  name  gr.  wird,  anscheinend  nicht  vor  der  ersten 
hölfte  des  18.  jh.s,  von  lathyrus  tuberosus  auf  die  neu  an- 
gebaute kartoffd  =  Solanum  tuberosum  (vgl,  th.  5,  244/.) 
übertragen;  zunächst  wohl  in  dem  bereiche  des  alem.  und 
rheinfränk.  (ostfränk.),  in  dem  grund  als  Stoffbezeichnung 
für  '■erde^  lebendig  ist  (vgl.  grund  II  A  2  c);  dem  erdspricht 
im  groben  die  dialektgeographische  vertheilung,  die  B.  Mab- 
tin  Teuthonista  2,  64  (mit  kartenpause)  annähernd  festlegt; 
darnach  gilt  gr.  (z.  th.  neben  erdbime,  erdapfel)  in  einem 
kerngebiete  westl.  des  Rheins  von  Basel  bis  in  die  gegend  von 
Aachen,  weiter  das  land  um  den  Spessart  und  Taunus,  das 
südwestl.  Württemberg  (vgl.  Fischee  schwäb.  2,  771  u.  3, 
874)  und  die  Schweiz  (vgl.  Staub-Toblee  4,  1501)  einbe- 
greifend; mehr  sporadisch  findet  sich  gr.  in  Bayern  (um 
Regensburg -Straubing  und  Wasserburg),  häufiger  am  mitt- 
leren Main,  in  Kärrdhen  (vgl.  Lexee  kärntn.  126),  der 
Steiermark  (vgl.  Ungee-BLhull  SlO**),  Niederösterreich  (vgl. 
Castelli  153)  und  den  deutschen  maa.  Siebenbürgens;  für 
den  Osten  vgl.  Beend  dtsch.  spr.  in  Posen  83 ;  Feischbiee 
1,  257'' ;  als  lehnwort  drang  gr.  in  wallonische  maa.  (krom- 
pire  u.  ä.),  ebenso  in  das  litauische,  ungarische,  rumänische 
und  in  slavische  sprachen,  vgl.  Niedeemann  Wörter  u. 
Sachen  8,  60^.;  neben  erdbime  ist  bodenbime  im  südl. 
schwäb.  als  parallelbildung  zu  vergleichen;  gr.,  zufrühest 
aus  schwäb.  und  ostfränk.  Schriften  belegbar,  bleibt  im  allg. 
auf  mundartliche  und  volksthümelnde  literatur  beschränkt; 
grundbim  . . .  Solanum  tuberosum  Nemnich  wb.  d.  nat. 
213;  brod  aus  grundbim  J.  Geopp  wirtzburg.  chron. 
(1748-50)  2,  485;  die  tartuffeln,  grundbim,  tartoffeln  Che. 
Reichaet  garten-  u.  ackerbau  (1758)  1,  373;  grandbieren 
sind  erst  seit  einem  halben  seculo  in  hiesigen  landen  be- 
kannt . . .  worden  J.  C.  Schillee  betr.  über  landw.  dinge 
(1767)  45;  ase  bei  der  Yorkin  grundbimen  in  der  monture 
(d.  h.  in  der  schale)  Ph.  H.  Pateick  tageb.  2,  210 ;  während 
die  grundbim  ...  in  der  planne  prasselten  Hebel  w. 
(1853)  2,  62;  auf  den  grundbimen  lag  die  schönste  brat- 
wurst  d)da; 

\dr  vollen  Jetzt  nach  Landau  zu, 

dasz  wir  für  brockel  und  grundblrn  in  ruh 

y.  DiTruETH  volksl.  d.  bayer.  heeres  107; 

von  seinen  . . .  nunmehr  geemteten  grundbimen  (kar- 
toflfeln)  einen  sack  voll  Gutzkow  ges.  w.  4,  412;  miszver- 
standen  aus  mundartlicher  ausspräche  ist  grundbeere  (vgl. 
grumbeere  Aenold  pfingstmordag^  3):  wie  die  erfrorenen 
erdapfel  oder  grundbeeren  ...  zu  behandeln  (zitat  aus 
e.  anweisung  z.  verb.  d.  landw.,  Straszbg.  1789)  allg.  dtsche 
bibl.  102,  161. 

3)  bezeichnet  gr.  die  kartoffelähnliche,  schon  im  17.  jh. 
nach  Deutschland  gebrachte  'erdbime'  =  hdiardhus  tube- 
rosus, vgl.  Nemnich  wb.  d.  nat.  213,  die  auch  'erdapfel, 
roszgrundbirne'  heiszt,  vgl.  Hegi  flora  v.  mitteleuropa  6,  1, 
514;  Peitzbl- Jessen  178;  grundbim  ...  in  der  Lausitz 
und  Meiszen  . . .  die  knolUgen  eszbaien  wurzeln  des  heU- 
anthus  tuberosus  Keünitz  20,  278;  so  auch  in  Zürich  nach 
Dueheim  Schweiz,  pflanzenidiot.  (1856)  38;  und  in  der 
Steiermark:  grundbir  . . .  knollen  von  helianthus  (vieh- 
futter)  Ungee-Khttll  310''. 

zahlreiche  volkssprachliche  Zusammensetzungen  mit  gr. 
vgl.  Fischee  schwäb.  3,  874  und  lux.  ma.  (1906)  155;  hier 
nur  literarisch  belegte;  grundbirnenacker: 


763  GRUNDBIRNENBÄUERLE  -  GRUNDBODEN  i 


GRUNDBODEN  2.  3 


764 


soll  der  sprosse  der  titanen 
einen  grundbirnacker  tragen? 

VisoHEB  auch  einer  (1879)  1, 107. 

-bäuerle:  lumpenbagage  ist  die  ganze  weit  . . .  mein  gr. 
Attekbach  sehr.  11,  200;  -ernst:  was  ich  sag,  ist  ... 
mir  gr.  11,  218;  -land : 

in  Lothiing  ist  kein  bleibens  mehr, 
hinaus  aus  diesem  grundbirnland 

V.  DiTFUKTH  volksl.  d.  bayer.  heeres  106. 

-mahl:  zwei  drittel  grundbimmehl  und  ein  drittel  korn- 
mehl  J.Gropp  wirtzburg.  chron.  (1748-50)  2, 485;  -pastete: 
du  machst  ja  ein  gesicht  wie  eine  verhunzte  gr.  Lauk- 
HABD  leben  u.  schicks.  1,115;  -suppe  v.  Ditfttrth /röwA. 
volksl.  2,  274. 

GRUNDBLATT,  n.  1)  botanisch,  das  erstgewachsene 
blait  einer  pflanze:  (die  indianische  feige)  treibt  immer  ein 
dickes  blat  aus  dem  andern  .  .  .  das  grundblat  wird  end- 
lich, wann  es  alt  wird,  holtzig  v.  Hohberq  georg,  curios. 
1,  614;  für  die  keimblätter:  sodann  erscheinen  (am  körn) 
die  ersten  grujid-  oder  hertzblättgen,  zwischen  diesen 
aber  erfolgt  das  rechte  laub  der  pflantze  mit  Stengel  und 
beständigen  blättern  allg,  haushaltlex.  (1749)  2,  548'';  in 
anderem  sinne  terminologisch:  gr.,  folium  basilare,  'zum 
unterschiede  von  eigentlichen  wurzelblättern:  ein  solches, 
welches  am  wurzelstocke,  dem  knollen  und  der  zwiebd  steht' 
Rohling  Dtschlds  flora  ( 1823)  1, 41.  2)  das  zu  unterst  liegende 
papierblatt:  gr.  . .  .  feuille  de  fand  Hellwig  wb.  d.  fach- 
ausdrücke 40  ** ;  die  katastrophe  überraschte  uns  selbst  wie 
kleine  kinder,  welche  langsam  das  gr.  ihres  kartenhauses 
weggezogen  haben  Laube  ges.  sehr.  8,  302,  —  -blei,  n., 
das  Senkblei,  lot  zum  messen  der  wassertiefe:  umb  den 
abend  würfen  wir  das  gr.  C.  Low  meer-  oder  seehavenb, 
(1598)  78;  bildlich:  die  (tiefe)  keinen  bodem  hat,  und  für 
welche  der  tod  selbst  kein  gr,  weisz  Feancisci  weh  d. 
ewigk.  (1686)  683;  vgl.  Keünitz  20, 278;  Beil  1, 263; 
Kluge  seemannsspr.  337. 

GRUNDBODEN,  m.,  alem.  auch  grundsboden,  vgl. 
Staub-Tobleb  2,771;  Martin -LiENH a rt  2,15*;  Fischer 
Schwab.  3,  875  belegt  es  seit  dem  17,  jh.  und  gibt  es  als  die 
im  Schwab,  geläufigere  form  an;  gr.  tritt  mit  dem  16.  jh. 
auf  und  scheidet  sich  der  bildun^  nach  in  zwei  wurzeln: 
als  zusammenrückung  der  formelhaften  paarung  grund  und 
boden  und  als  regelrechtes,  einen  theiWegriff  bestimmendes 
compositum. 

1)  zusammengerücktes  grund  und  boden  (vgl.  grund 
II C)  im  wesentlichen  auf  das  alem.  beschränkt,  doch  ge- 
legentlich aveh  im  rheinfränk. 

a)  gr.  in  (räumlicher)  beziehung  auf  die  bodenfläche 
(grund  II  C  1  b) :  also  hab  ich  .  . .  das  vorberürt  gut  mit 
grundtpodem  und  nützlichen  fruchten  . . .  aufbieten 
lassen  d.  neu  laienspiegel  (1518)  99 r;  es  soU  ouch  der  kast- 
vogt  nit  gwalt  haben,  einiche  guter  . . .  weder  gr.  noch 
eigenschafift  der  lüten  . . .  ze  verliehen  TscHUDi  chron. 
hdvet.  1, 10;  innungszwang  und  gewerbsfreiheit,  festhalten 
und  zersplittern  des  grundbodens  Göthe  42,  2, 157  W. 

b)  alem.  in  volksmäsziger  redeweise  ausgebreiteter  in 
präpositionaler  Verbindung,  wo  die  zusammenziehung  im 
sinne  der  zwillingsformel  einen  steigernden  affectbetonten 
Charakter  annimmt:  in  gr.  (hinein)  vgl.  grund  II  C  1  d 
neben  verben  des  zerstören^  und  schlagens;  zunächst  concrei, 
mit  der  Vorstellung  des  unter  der  bodenoberfldche  liegenden 
erdgrundes  verknüpft:  dass  ettlich  stett  in  gr.  yngf allen 
sind  Vadian  bei  Staub-Tobleb  2,  771;  wend  ir  echt  nit 
werden  usgrüt  ja  in  gr.  gar  kert  umb,  so  bessernd  üch 
R.  ScHMiD  (1579)  ebda  772;  so  ist  aber  selbe  (ernte)  ...  in 
grundsboden  undertrückt  und  verritten  Bürsteb  schwed. 
krieg  164  Weech;  der  kukuk  ist  zerschlagen,  in  grunds- 
boden geschlagen  Schiller  2, 142  ö.;  vgl.  e  pföl  in  de  gr. 
schlähe  ^  einen  pfähl  mit  wucht,  tief  in  die  erde  schlagen' 
Staub-Tobleb  2,  771;  so  in  verwünschungsformdn:  men 
sett-en  (imgspitzt)  in  gr.  ine  schlohn  ebda;  weim  sie  das 
Wetter  in  den  gr.  schlüge,  die  Regine  E.  Zahn  helden  d. 
alltags  (1907)  217;  du  muszt  ihn  auch  in  grundsboden  'nein 
verfluchen  Auerbach  dorfgesch.  (1884)  1, 11 ;  entsprechend 


auch:  sich  in  gr.  inne  schämmen  'for  schäm  in  die  erde 
versinken  mögen'  Staub-Tobler  2,  771;  vgl.  Martin- 
LiENHART  2, 15*;  daneben  schon  früh  mit  verderben  und 
anderen  unsinnlich  gebrauchten  verbis  in  abgezogenerem 
sinne  'völlig  zu  gründe  richten,  ruinieren'  (vgl.  grund  II  B 
3  a),  was  zur  entmcUung  von  rein  adverbial  gebrauchtem 
in  gr.  (hinein)  =  'gründlich,  vollständig'  führt:  der  unser 
statt  gern  inn  grundtboden  verderbti  Ehinger  (1530)  nach 
Fischer  schwäb.  3,  875;  perditum  perdere  einen  verdorb- 
nen  noch  mer  verderben ...  in  grund  boden  verderben 
Fbisius  975'»:  mdagenes  certe  periit  er  hat  nichts  mer,  er 
ist  in  grund  boden  eynhin  verdorben  977»;  also  haben  sie 
.  , .  das  gantz  menschliche  geschlecht  ...  so  gar  befleckt, 
verderbt  imd  in  den  gr.  verwüstet  J.  Füglin  de  praesti- 
giis  daemonum  (1586)  7*;  in  grund  boden  hinein  ver- 
ketzert (verdorben)  Gotthelf  nach  Straub-Tobleb  2, 
771;  in  gr.  inne  'durchaus,  gründlich'  Mabtin-Lienhabt 
2, 15*,  vgl.  Seileb  Basler  ma.  148;  Staub-Tobleb  2,  771, 
dort  auch  neben  lügen;  seit  alters  in  verstärkter  negation 
in  gr.  nicht  (vgl.  boden  6,  th.  2,  214)  gebräuchlich: 

und  viel  geschreys  und  wenig  woll, 
das  in  grundboden  gar  nichts  soll 

Fischart  nacIUrab  23  (c.  770)  Kurz; 

in  gr.  nüd  'durchaus  nichi,(s)'  Staub-Tobleb  2,  771. 

c)  dem  vorbilde  von  in  gr.  (hinein)  zerstören  u.  s.  w. 
scheint  die  sinnverwandte  Wendung  auf  den  gr,  schleiszen, 
schleifen  ihr  entstehen  zu  verdanken,  der  keine,  entsprechende 
paarung  auf  den  grund  und  boden  gegenübersteht,  bei  der 
auch  der  begriff  der  fläche  (solum)  entscheidend  vorwiegt 
(vgl.  grund  IIB  4):  aequare  solo  urbes,  domos  nider- 
brächen, auf  den  grundboden  schleitzen  Fbisius  50*; 
269'';  Maaleb  194'';  das  urtheil , , ,,  das  , . .  alle  ihre  guter 

dem  könig  verfallen,  ihr  hausz  auf  den  gr.  geschleift 

wurde  Henricpetri  general  histor.  (1577)  230;  doch  liegt 
hier  die  zweite  compositionsart  (s.  u.  4)  gr.  =  'erdboden' 
sehr  nahe;  vereinzdt  bleibt  die  halb  bildlich-gegenständlich 
(grund  II  A  2  a),  halb  abstract  (grund  IV  B  5  b)  gefaszte 
Verbindung:  aus  dem  gr.  (heraus)  =  'gründlich' :  dises 
Wasser  nimmt  aus  dem  gr.  heraus  alle  würzen  des  parlys 
oder  Schlags  Landenbeck  arzneischatz  (I6O8)  bei  Staub- 
Tobler  2,  772. 

2)  für  den  boden  eines  gewässers  im  15.  16.  jh.  bdegbar; 
wohl  auch  nichts  als  zusammenrückung  der  beiden  bedeu- 
tungsgleich verwendden  Wörter  (vgl.  grund  lA): 

sucht  man  im  meer  also  das  gold, 
dasz  man  es  am  grundboden  holt, 
gleich  wie  in  etlich  goldreich  Aussen, 
da  sie  den  goldsand  schwemmen  müssen? 

FiscHAKT  verzeichnusz  360  Kurz; 

der  gr.  davon  (des  baches)  und  die  beyden  abhängenden 
Seiten  . . .  waren  von  steinen  verfertiget  L,  Bachen- 
schwanz Dante,  halle  (1767)  100;  in  profundam  altitudinem 
maris  se  immittere  sich  an  grund  boden  oder  in  alle  tiefe 
desz  meers  werfen  Frisius  78*»;  dann  auch  vom  boden  eines 
hohlraumes:  fundus  ain  boden  o.  grund  boden  (ima  pars 
vasis)  Dieeenbach  252  '> ;  es  würd  ein  grosz  . . .  abnemmen 
in  den  seckelen  sein,  vom  riemen  bisz  in  gr,  Fischabt 
praktik  4  ndr. 

3)  in  zunefacher  Verwendung  ersdzt  gr.  als  echtes  com- 
positum (vgl.  erdboden)  einfaches  grund  II  A  2;  einmal  im 
sinne:  oberste  erdschicht,  dann  besonders  der  für  die  ernäh- 
rung  der  pflanzen  bestimmte  kulturboden  (2a):  wir  (kamen) 
in  ein  andere  arth,  in  der  der  grundtbodem  weisz  leim 
war  Fabri  eigentl.  beschreibg  (1557)  130 1»;  dasz  er  (der  öco- 
nom)  einen  zu  verschiedenen  feldfrüchten  geschickten 
acker  erlange,  den  gr.  imtersuche  allg.  haush.-lex.  (1749) 
1,29'';  so  mundartlich:  grondbuedem  'humusschicht'  lu- 
xemb.  ma.  156*;  im  gleichen  sinne  auf  die  lebenspendende 
untere  luftschicht  übertragen:  aus  welcher  (luft)  sich  aber 
noch  andere  gröbere  theilchen  geläutert  und  über  das 
gewässer  wie  ein  cremor  .  , ,  niedergelassen,  folglich  den 
menschen,  thieren  imd  gewachsen  ihren  benötbigten  gr, 
gegeben  hätte  Breslauer  sammig.  v.  natur-  u.  med.  gesch. 
(1718)  3,  684;  weiterhin  als  der  feste  baiujrund  (2  b):  wann 
aber  der  gr.  viel  abhängig,  so  sollen  die  fuszmauren  dar- 


765 


GRÜNDBOSE  i-s 


GRUNDBÖSEWICHT  -  GRUNDBUCH  i  766 


nach  abgesetzt  (v.  1656)  Fisoheb  schwäb.  3,  875;  so  noch 
heute  fachsprachlich:  gr.  'der  erdboden,  auf  dem  man  bauen 
toilV ;  MoTHES  baulex.  2,  538;  ähnlich  gefaszt:  in  einem 
opferhügel  . . .  entdeckte  KJopfleiach  . . .  gruben,  die  in 
den  gr.  des  hügels  eingegraben  warben  Hoops  waldb.  u. 
kuUurpfl.  304. 

GRUNDBÖSE,  adj.,  durch  intensivierendes  gnind- 
{vgl.  compos.-typ.  1  a)  gesteigertes  böse,  vgl,  erz-  sive 
grundbös  Stieleb  208;  sehr  bös,  ertzbös,  grundbös  pes- 
simo,  mulissimo  Keameb  teutsch-ital.  1,  137^;  vereinzelt 
schon  mhd.:  gruntboeser  wart  {worte)  vil  Seifrid  Helbling 
7,  811;  seit  dem  kraftausdrucksfrohen  16.  jh.  recht  geläufig, 
vor  allem  in  den  bedeutungen  von  böse  4  und  8,  seltener  6 
{vgl.  th.  2,  250^.) ;  vgl.  grundbös  ab  origine  malus  Wachtee 
gloss.  germ.  620. 

1)  im  sinne  von  böse  4  'wild,  bösartig^  der  anläge  nach, 
früh  aber  wenig  häufig:  welhes  äugen  an  der  roeten  dem 
feur  geleichent,  daz  ist  ain  gruntpoesez  mensch  und  gar 
widerprüechig  oder  ungevölgig  K.  v.  Megenbeeq  buch  d. 
natur  44, 5;  grymig,  gruntpos  malignus  Diefenbach  344'» 
(v.  anfang  d.  15.  jh.s);  substantiviert  mit  der  bedcutung 
'böser  geist,  teufel': 

dasz  er  in  auch  durch  sein  gilt 
vor  dem  hessigen  feind  behüt 
das  ist.  dasz  er  in  wöll  erlösen 
von  dem  unial  aller  grundbösen 

H.  Sachs  18, 115  E.-  6. 

vergleichbar:  von  verdamten  aber  kan  man  nicht  ubels 
genug  reden  . . .,  dieweil  sie  ja  gr.  Moschebosch  gesichte 
(1650)  334. 

2)  zumeist  mehr  wie  böse  8  a  =  improbus,  moralisch 
bewerthet  als  gegensaiz  zum  guten,  bei  personen  oder  hand- 
lungen:  und  war  ein  grundböse  mensch  von  bömen,  von 
morden,  von  roben  S.  Gbünau  preusz.  chron.  1,  226;  diese 
lasterhaften  . . .  waren  dennoch  keine  gr.  menschen  La- 
VATEB  physiogn.  fragm.  3,  95;  das  sich  so  gr.  buben  als 
from  stellen  C.  Spangenbeeo  wider  d.  böse  sieben  (1562) 
c  1*;  eyn  gruntbosser  schalk  Wigand  Gbbstenbebg  chron. 
67  Diemar;  früh  wird  zur  stellenden  formel  das  gr.  weib, 
das  weniger  das  moralisch  minderwerthige  als  das  zänkische, 
böswillige  ausdrückt: 

der  selb  het  ain  gruntposez  weib 
die  deglich  peinigt  seinen  leib 

H.  Sachs  fab.  w.  schw.  2, 121  ndr.; 

vgl.  14, 130.  264  K.-  Q.;  sein  grundböses  weib  (nöthigte)  ihn 
zu  dieser . . .  wirthschaft  allg.  dtsche  bibl.  104, 156;  gern  auf 
das  wirkende  organ  übertragen:  cor  humanum  ist  nicht  zu 
erforschen,  wie  grundbose  es  ist  Lutheb  34,  2,  554  W.; 
jenes  ausschweifungen  {müssen)  kein  grundböses  herz  ver- 
rathen  Lessing  10,  109  M.;  sein  . . .  geständnisz,  dasz 
sein  naturell  gr.  .  .  .  sey  Liscow  samml.  (1739)  176;  öfter 
auch  bei  collectivbegriffen  wie  weit,  zeit:  die  warheit  .  . . 
{wird)  von  der  grundbösen  weit  so  gar  erschrecklich  an- 
gefeindet 'RjST  friedejauchz,  teutschl.  (1653)  7;  bei  dieser 
grundbösen  zeit  {kann)  .  .  .  das  erinnern  xmd  vermahnen 
nicht  schaden  W.  Orrw  miszbr.  d.  kleider  (1663)  4;  in  diesen 
letzten  grundbösen  zeiten,  da  das  christenthum  eine  fabel 
.  .  .  geworden  Sceivee  seelensch.  (1737)  l,  79'»;  vgl.  ir  {der 
wdt)  unart  und  grundtböse  stück  H.  Sachs  9, 331  E.,  der 
auch  schon  die  gr.  weit  hat  3,  296;  auch  entsprechend  böse 
8  c  als  'schlimm,  schlecht,  übeV :  so  gar  gr.  und  greulich 
musz  alles  gestanden  haben  G.  Aenold  kirch.  u.  ketzer- 
hist.  (1699)  2,  182;  die  elende  und  gr.  sache  der  gottlosen 
Gottsched  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehr samk.  7,  486 ;  böse, 
gr.  botschaft  Raupach  dram.  w.  ernst,  galt.  6,  81. 

3)  beschränkter  sind  andere  bedeutungen  verwendet;  wie 
böse  2:  'bösartig,  schlimm',  geradezu  'unheilbar^ :  dasz  sie 
...  in  secten  gerathen,  die  st.  Peter  verderbliche  secten 
nennet  .  . .,  die  so  gr.  sind,  dasz  sie  nimermehr  mügen 
zurecht  gebracht  und  geheilet  werden  zeitgenössische 
Übersetzung  eines  lat.  Schreibens  Luthers  in  der  Wittenb. 
ausg.  V.  1557,  bei  de  Wette  br.,  sendschr.  u.  bed.  2,227;  {—ad 
eas  sectas,  quas  Petrus  perditionis  vocat,  relabamini,  quae 
sunt  insanabiles  Lutheb  lO,  2, 173  W.);  wie  böse  6  'min- 
derwerthig,  schlecht  im  zustande^  öfter  im  18.  jh.  neben 


strasze,  weg:  gr.  straszen  {v.  j.  1708)  Fischeb  schwäb.  3, 
875;  der  weg  . . .  war  . . .  gegen  Pistoja  zu  gr.  J.  Chph. 
Nemeitz  nachlese  (1726)  342,  vgl.  Jagemann  (1799)  549.  — 
-bösewicht,  m.  {vgl.  comp.-typ.  5  t  a):  daz  hat  der 
grundböswicht  wol  verschuldet  Seuse  dtsche  sehr.  77 
Bihlm.;  er  war  doch  ein  gr.,  verrether  und  schalck  im 
hertzen  Lutheb  51,  226  W.;  dieser  grundbösewigt  Fean- 
cisci  traursaal  3,  914;  der  ist  ein  gr,,  der  der  zweyten 
bessern  Überzeugimg  seine  erste  nicht  aufopfert  Lavatee 
physiogn.  fragm.  4  vorr.;  schwäb.  aux,h  grundsbösewichter 
(1519)  FisCHEB  3,  875;  mit  doppelter  Steigerung  gnind- 
hauptboswicht  Schottel  399.  —  -bosheit,  /., 

zu  meiden  die  ehrgeytzigkeit, 
die  wurtzel  aller  grundboszheit 

H.  Sachs  8,  646  K.; 

wenn  wir  die  grundboszheit  dieses  ortes  . . .  betrachteten 
polit.  maulaffe  (1679)  183.  —  -brav,  adj.  {vgl.  compos.- 
typ.  1  a),  seit  dem  ausgehenden  18.  jh.  oft  verwendet,  vgl. 
Schwan  nouv.  dict.  l,  797'';  ein  gnmdbraver  mann  Iff- 
LAND  theair.  w.  2,  116;  eine  wackere  imd  grundbrave  natur 
GöBBES  ges.  br.  3,  625 ;  diese  grundbrave  dienergesinnung 
FÜBST  PÜCKLEB  briefw.  6,  41;  reich  mir  mal  deine  grund- 
treue, grundbrave  tatze  her  G.  Hauptmann  Rose  Bernd 
(1904)  11.  —  -brett,  n.,  technischer  auadruck  für  ein  als 
grundlage  dienendes  brett.  l)  allgemein:  so  mach  man  sie 
{die  spindein)  auch  holl  machen  . .  .  und  durch  verrückung 
der  grundbretter  in  das  werck  ziehen  Düeee  underwey- 
sung  d.  messung  (1525)  3  2*»;  das  grundbret  {am  pflüge), 
an  dessen  spitze  das  schaar  angeschlagen  Zesen  helikon. 
hechel  (1668)  77;  vier  auf  gemeinschaftlichem  grundbrette 
montirte  steinsäulen  {thermosäulen)  Kabmabsch-Heeben 
9, 225.  2)  terminologisch  für  ein  1470  erfundenes  richtmittel 
für  geschütze,  vgl.  v.  Alten  4, 477;  grundbret,  stück- 
winckelmasz,  cadran  Fäsch  (1726)  120  *>. 

GRUNDBRIEF,  m.,  Urkunde  über  rechte  an  grund  und 
boden:  dy  hem  Slick  werden  .  .  .  ire  freiheiten  iind  grund- 
brive  auch  auflegen  {v.  j.  1503)  chron.  d.  stadt  Elbogen  131 
Schlesinger;  und  verspuret  myr  myn  zucknis  briv  imd 
gruntbriv  urk.  z.  gesch.  Maximilians  I.  490  lit.  ver.;  gr.  'in 
einigen  besonders  oberdeutschen  gegenden'  . .  .  'der  lehens- 
brief,  erbzinsbrief,  zinsbrief  Kbünitz  20,  278.  —  -bruch, 
m.  1)  uxisserbauiechnisch  'durchbrach  des  vxissers  durch  den 
grund  eines  dammes  oder  deiches'  Kbünitz  20,  279;  wasser- 
dichte holtzung,  womit  man  . . .  grundbrüche  fasset  allg. 
haush.  lex.  1,  338  •> ;  man  unterscheidet . . .  deichbruch  .  .  . 
gr. . . .  und  Strombruch  Luegee  3,  248;  2)  poetisch,  ganz 
allgemein  'brach  des  fundaments\' 

verhof  ich,  sollen  dapfer  noch 

widrumb  des  reichs  grundbruch  ergäntzen 

Weckheeun  ged.  2,  261  F. 

so  auch  adjectiviert  in:  -brüchig  Schottel  nach  Campe 
2,  470''.  —  -brühe,  /.  1)  das  sich  am  schiffsboden  sam- 
melnde Wasser,  häufig  belegt  in  wörterb.  des  16.  17.  jh.s: 
nautea  die  stinckend  grundbrüye  der  schiffen  Fbisius 
859*,  vgl.MAAi.ER  194'';  Henisch  1768;  bisweilen  wird  es 
{das  schiff)  lech  .  . .  und  durch  die  klaffende  ritze  .  . . 
laufet  die  gr.  und  losey  hinein  Comenius  /arazta  (1644)  140; 
später  anscheinend  nur  durch  lexikalische  tradition  weiter- 
geschleppt und  ungebräuchlich,  vgl.  Feisch  1,  379;  Hein- 
sius  2,  551*;  nach  Kluge  seemannsspr.  337  kein  seemän- 
nischer ausdruck.  —  -bube,  m.,  intensivbildung  des  16.  17. 
jh.s  {vgl.  compos.-typ.  5  t  «):  du  gr.  was  sagestu?  St.  Ric- 
crus  Terenz  (1586)  459;  nachdem  dieser  gr.  also  den 
printzen  verwirret  und  betrogen  Valvassoe  hertz.  Crain 
(1689)  2,  204;  vgl.  ScHOTTEL  473;  Kbamee  teutsch-itol.  1, 
573  <=;  noch  Heynatz  antibarb.  2,  79  kennt  und  verwirft  es 
als  obd.  idiotismus. 

GRUNDBUCH,  n.  l)  ein  von  behördlichen  stellen  {amts- 
gerichten  u.  a.)  geführtes  öffentliches  buch,  in  dem  alle  grund- 
stücke  sowie  die  an  einem  grundstücke  bestehenden  rechte 
eingetragen  werden;  anderseits  auch  das  für  ein  bestimmtes 
grundstück  angelegte  buch,  beide  arten  des  grundbuches  sind 
ihrem  rechtlichen  Charakter  nach  bereits  im  späten  mittel- 
alter  zu  unterscheiden;  die  erstgenannte  bedeviung  erscheint 


767  GRUNDBUCH  2-4  -  GRUNDBÜGHERLICH 


GRUNDBUCHRICHTER  —  GRUNDEHRLICH  768 


als  die  jüngere;  das  um  1400  im  österr.  auftauchende  wort 
bezeichnet  zunächst  wohl  nichts  anderes  als  das  salbuch 
(vgl.  th.  S,  1694)  oder  urbax,  urbarbuch  {vgl.  Lexeb  2,  2001), 
ein  vom  grundherrn  geführtes  besitzstand-  und  zinsbuch  ohne 
rechtliche  beweiskraft,  vgl.  R.  Sohbödeb  dtsche  rechtsgesch.* 
851  anm.  21  a;  als  es  umb  denselben  Weingarten  zu 
einer  gedechtnüsz  in  dem  gruntpuch  geschriben  stet  (v.  j. 
1409)  urk.  d.  benedikt.  zu  d.  Schotten  609  H.;  das  rechte 
grundbuech  aller  nutz  xmd  zinsen,  so  ich  Hannsz  Auer  zu 
Wolkherstorff  hab  (v.  j.  1468)  österr.  weisth.  ll,  18;  (wr 
haben)  gruntpucher  ze  machen  verordnet . . .,  darinne  wir 
unser  leut  und  guter  mit  unsern  und  iren  gerechtigkaiten 
. .  .  beschreiben  lassen  (v.  j.  1494)  6,  226;  dis  urbar  und 
grundtpuch  hat  machen  lassen  ...  {v.  j.  1494)  9,  176; 
vgl.  7,  94.  528;  dieselben  haben  sie  agrorum  formas, 
das  ist  grundregister  oder  grundbücher  genennet  Wer- 
LiCHius  Augspurg.  chron.  (1595)  23;  das  gr.  ...  musz 
eine  vollständige  beschreibung  des  gutes  in  allen  seinen 
theilen  enthalten  Sohweez  ackerbau  967;  anderseits  ent- 
spricht das  gr.  den  seit  dem  12.  jh.  aufkommenden  stadt- 
büchern  {''sehr eins-,  schaffen-,  erbe-,  gemächt-,  grund- . . . 
bücher'  R.  Schköder  dtsche  rechtsgesch.^  767),  in  die  ein 
öffentlicher  beamtet  grundstilcks-  (av^h  andere  rechts-)ge- 
schäfte  verzeichnete;  daher  auch  gerichtbuch,  vgl.  stadt- 
recht v.  München  15,  32  Auer;  khiniglicher  maj.  ambt- 
maim  und  Verweser  des  grundtpuechs  zu  sant  Polten 
(v.  j.  1498)  Raym.  Dfellius  excerpt.  general.  {172ö)  llO;  bei 
dem  pergrichter  oder  Verwalter  des  grundbuechs  (v.  j. 
1675)  weisth.  3,  705;  gnügliche  Information  ausz  der  ämb- 
ter  urbarien,  grundbuchem,  zinsregistern  acta  publ.  8, 101 
Palm;  welcher  vergleich  und  revers  ...  in  das  schöppen- 
oder  gr.  des  guths  . . .  genommen  {v.  j.  1715)  cod.  dipl. 
Siles.  4, 117  M.;  die  grundbücher  sind  . . .  darum  aufgerich- 
tet, damit  . . .  die  unbehauste  guter  . . .  daselbst  richtig 
eingezeichnet  (werden)  v.  Hohberq  georg.  cur.  1,  42;  für 
die  neuere  rechtssprache  ist  demnach  gr.  in  seiner  haupt- 
sächlicheren bedeutung  ''ein  gerichtliches  Verzeichnis  der 
. . .  grundstücke"  Voigt  hwb.  f.  d.  geschäftsführ.  1,  360; 
grund-  und  hypothekenbuch  aüg.  dtsche  bibl.  12,  2,  373. 

2)  gr.  als  ^das  erste,  die  gruvdlagen  des  unssens  enthal- 
tende buch,  das  dementarbuch'  (s.  compos.-typ.  5  o),  vgl.  in 
diesem  sinne  grundbüchel :  sie  (die  abc-bücher)  bezeichnen 
sich  auf  dem  titel  als:  abcbüchlein,  .  . .  fibel,  figuren- 
büchlein,  'grundtbiechel'  . . .  tabula  elementaria  H.  Fech- 
NER  abc-bücher  d.  15.,  16.  u.  17.  jh.s  3  anm.;  die  orientali- 
schen metaphem,  . .  .  die  wir  in  der  frühsten  Jugend,  als 
ersten  Unterricht,  in  den  grundbüchern  der  religion  lasen 
Klinqer  w.  12,  56;  mehre  abc-werke  in  honigkuchen  ge- 
prägt, gleichsam  die  . . .  grundbücher  seiner  schulwissen- 
schaften HoLTEi  erz.  sehr.  13, 112;  er  erstaunte  zu  hören, 
dasz  man  so  ganz  ohne  lehrgabe  . . .  und  bei  so  unmög- 
lich elenden  grundbüchern  so  eifrig  sein  könne  Hermes 
meine  gesch.  1,  132. 

3)  ein  ^grundlegendes,  den  wesentlichen  inhalt  einer  lehre 
oder  anschauung  repräsentierendes  buch'  (vgl.  compos.- 
typ.  5  r) :  das  beste  fundbuch,  kunstbuch  imd  gr.  in  der 
gantzen  weit  ist  das  erste  buch  Mosis  V.  Herbebqer 
traurbinden  (1611)  l,  110;  dasz  also  seine  (Luthers)  Über- 
setzung der  bibel . . .  ein  gr.  kan  genennet  werden  Gott- 
sched beytr.  z.  crit.  historie  4,  84;  das  Siegel  an  den  glau- 
bens-  und  grundbüchern  Zlnzendorf  bedencken  u.  bes. 
sendschr.  (1734)  27;  für  die  religion  der  humanität  .  . . 
(bildet)  Lessings  Nathan  das  heUige  gr.  D.  Er.  Straxtsz 
sehr.  6,  205;  auch  mit  dem  sinne  des  ^hauptsächlichen'  ver- 
einigt: das  haupt-  und  gr.  der  römischen  Staatstheologie 
MoMMSEN  röm.  gesch.*  3,  478;  (Rousseavs)  Emil  war  sein 
(Klingers)  haupt-  \md  gr.  Göthe  28,  254  W. 

4)  als  militärtechnischer  ausdruck  für  die  listen  der  'im 
verbände  der  bewaffneten  macht  stehenden  personen  und 
pferde'  (vgl.  Stammrolle) :  er  (der  sog.  'stand')  wird  in  grund- 
büchern evident  gehalten  v.  Alten  4,  477.  —  -buch- 
besitzung,  /.;  grosze  wirthschaften,  grundbuchbesit- 
zungen  und  landgerichte  v.  Hohberg  georg.  cur.  l,  99.  — 
-bücherlich,  adj.,  zu  grundbuch  1  gebildet,  in  österr. 
literaturwerken  nicht  selten:  gr.  allg.  dtsche  bibl.  86,  88; 


diese  gerichtsperson  hat  . . .  grundbücherüche  Studien 
gemacht  Rosegger  sehr.  15,  415,  vgl.  Anzbngrüber  4, 
258.  —  -buchrichter,  m.,  zu  grundbuch  1:  hätte  der 
gr.  irrtümlich  eine  hypothek  gelöscht  hwb.  d.  staats- 
wiss.^  4,  1279.  —  -buchsgefälle:  freygeld,  winckel- 
steuer  . . .  gr.  ...  wird  nach  billiger  nutzung  geschätzt 
v.  Hohberq  georg.  cur.  l,  56.  —  -buchshändler,  m. 
Krünitz  20,  279,  vgl.  Unger-Khull  310b.  _  .buch- 
handlung,  /.  v.  Hohberg  georg.  cur.  1,  a  4  vorr.  — 
-buchsrichtigkeit,  /.;  der  . . .  wegen  solchen  Wein- 
garten noch  keine  gruntbuchsrichtigkeit  gepflogen  hat 
(v.  j.  1717)  österr.  weisth.  ll,  81.  —  -buchstabe,  m.:  die 
erste  (lection)  handelt  von  den  grundbuchstaben  dtaches 
lesd)üchlein  (16S9)  titel;  gemeini  sind  die  buchstaben  i  clsz, 
aus  deren  formen  die  andern  abgeleitet  werden;  dasz  sie  nur 
desselben  (des  namens  Assenat)  fürnehmsten  grundbuch- 
staben s  behielten  und  Isse,  darnach  Isis  daraus  machten 
Zesen  Assen/it  (1679)  574;  bildlich:  es  ist  die  natürliche 
spräche  der  seele  .  .  .  die  grundbuchstaben  und  das  aipha- 
bet alle  dessen,  was  Stellung,  handlung,  Charakter  ist 
Herder  8,  68  ;S.  —  -buchung,  /.  hwb.  d.  staatswiss.^ 
2, 1114.  —  -bühnung,  /.,  zu  grund  IV  A:  schwellrost, 
auch  gr.  genannt  Mothes  baulex.  2,  539. 

GRUNDCHARAKTER,  m.  (vgl.  compos.-typ.  5  p/?): 
den  gröszten  mahlern  und  kupferstechern  (fehlt)  oft  alle 
theorie  . . .  von  dem  gr.  und  den  Zufälligkeiten  eines  ge- 
siebtes La  VATER  physiogn.  fragm.  1,  131;  Plato  .  . .  setzte 
gute  zu  ihrem  (der  gottheit)  gr.  Herder  19,  276  3.;  über 
die  nation  (der  Italiener)  selbst  .  . .,  über  den  grund- 
karackter  und  die  hauptexistenz  von  dieser  Göthb  III  1, 
296  W.;  mittel . . .,  durch  welche  das  leben  erst  jenen  leid- 
vollen gr. . . .  bekommen  hat  Nietzsche  4,  54 ;  wenn  eben 
diese  über  die  darstellung  verbreitete  ruhe  der  grund- 
karakter  des  epischen  gedichts  wäre  A.  W.  Schlegel  im 
Athenäum  1,  45;  seltener  pluralisch:  thatsachen  . . .,  die 
zu  den  unbezweifelten  grundcharakteren  der  menschheit 
gehören  Heebart  w.  6,  206. 

GRÜNDCHEN,  n.,  diminuiivum  zu  grund;  gelegent- 
liche spielerische  bildung;  entsprechend  grund  in  A : 

...  im  traulichsten  gründeben 

Mit  itzt  micli  gefangen  ein  niedliches  kindeben 

BÜCKEET  w.  (1867)  1,522; 

so  auch  mundartlich:  lux.  ma.  l&Q^ ;  wie  grund  IV  C  2: 
niemand  theUt  z.  b.  Homer  ...  in  17  oder  29  bücher, 
sondern  —  das  war  das  gr.  —  in  24  nach  zahl  der  buch- 
staben Jean  Paul  49/51,  279  H. 

GRUNDDIENST,  m.,  dem  grundherrn  von  seinen, 
hintersassen  zu  entrichtende  abgäbe,  vgl.  grundrecht,  grund- 
zins;  erst  seit  dem  14.  jh.  bezeugt,  besonders  österr.:  das  sy 
uns  .  . .  geben  sullen  (von  dem  toalde)  sechsthalb  phunt 
pheninge  zu  rehtem  gruntdinst  und  purchrecht  (v.  j. 
1366)  urk.  d.  Stiftes  Klosterneidmrg  419  Zeibig;  davon  (von 
dem  Weingarten)  man  järlich  dient  zue  gr.  an  sanct  Mi- 
chelstag . . .  drei  pfenning  (v.  j.  1415)  urk.  u.  reg.  d.  kar- 
tause  Aggsbach  220  Fuchs;  grundtdienst  oder  zünss, 
dennen  so  darzue  von  grundtherrn  verordnet  worden 
(v.  j.  1574)  bergtaidingsb.  d.  Tnarktes  PöUenberg,  in:  arch. 
f.  künde  österr.  gesch.-queü.  17,  83;  das  dorf  Hagland  ge- 
hört mit  dem  gr.  dem  prior  zu  Füerstenfeld  zue  (v.  j.  1651) 
österr.  weisth.  10,  150;  was  nun  ...  die  gr.  an  sich  selbst, 
es  sey  um  trayd,  wein,  oder  anders,  anlanget  v.  Hohberg 
georg.  cur.  l,  44;  im  ausgehenden  18.  jh.  nur  noch  lexika- 
lisch und  irrthümlich  als  'frohndienst'  aufgefaszt,  vgl. 
Schbadeb  dtsch- franz.  wb.  l,  580;  Campe  2,  470.  — 
gründe,  /.  s.  grundel. 

GRUNDEHRLICH,  adj.,  'von  grund  aus,  durch  und 
durch  ehrlich'  (vgl.  compos.-typ.  l  a);  im  18.  jh.  aufkom- 
mend und  bald  stark  verbreitet:  es  ist  ein  grundehrlicher 
braver  mann  Gottsched  dtsche  Schaubühne  (1741^.)  3, 
361;  (er)  vermeynte  wirklich  an  derselbigen  ein  grundehr- 
liches mädgen  zu  haben  Leipziger  avanturieur  ( 1756)  2, 131 ; 
seine  grundehrliche  natur  H.  Prutz  pr.  gesch.  3,  351;  der 
brief  ...  ist  rührend  durch  den  grundehrlichen  ton  Vosz 
br.  2,  239;  das  proselytenmachen  sey  ein  grundehrliches 


769    GRUNDEHRLICHKEIT  -  GRUNDEINHEIT 


GRUNDEIS 


770 


handwerk  NicoiiAi  reise  d.  DtsdUd  8, 183  anh.;  verblas^: 
abwechselnd  nach  jedem  instrumentj  welches  ich  spiele; 
aber  immer  ein  recht  grundehrliches  thema  H.  Beck  d. 
schachmasch.  (1798)  63.  —  -ehrlichkeit, /.:  woraus  wir  i 
.  . .  seine  eigene  gesunde  natur  und  gr.  ...  bemerkten  i 
MÖKIKB  br.  u.  ged.  an  M.  v.  Speeth  (1906)  25.  —  -eichel,  j 
/,,  name  der  erdnusz,  laihyrua  tuberostis  Hoix  wb.  dt.  pß. 
137*,  nach  Pbitzel  -  Jessen  204  so  in  Schlesien;  schon 
bei  H.  Bock  kreutterbuch  (1539)  2, 15»  und  Albeeus  | 
FF  3^,  vgl.  die  belege  bei  grundbime  l.  —  -eigen,  n.,  das  : 
aUod:  quod  ego  Johannes  Maylio  vendidi  et  presentibus 
pro  libero  allodio  in  vulgo  dicto  vor  en  grunteghen  re- 
signavi  domino  ...  (v.  j.  1349)  urk.  d.  Id.  Ciarenberg  (1908) 
63  Merx;  in  neuerer  spräche  überhaupt  'grundeigenthum'  : 
aufßaugung  des  bäuerlichen  grundeigens  durch  den  kirch- 
lichen . .  .  groszgrundbesitz  hwb.  d.  staatswiss.'  l,  192.  — 
-eigen,  adj.  l)  allodial:  vier  . . .  gnmdtaigne  banwelde 
weisth.  2,  111;  vgl.  freyaigen,  grundaigen,  ludaigen  oder 
ailodial  ScHMELLEB-rE.  1,  48;  gr.,  frey,  pflichtfrey,  zoU- 
frey  Henisch  1768;  grund-  s.  gütereigen  proprium  quoad 
fundum,  grundeigene  wiesen  pascua  propria  Stiblee  25. 
2)  gdegentlich  auch  ^völlig  zum  (geistigen)  eigenthum  ge- 
hörig; durchaus,  besonders  eigenthümlicW :  alles  übrige 
aber  . . .  die  chromatischen  perlen  . .  .  gehören  ihm  gr. 
R.  SoHXTMANN  ges.  sehr.  2, 159;  diesz  vertiefte  herz  war 
das  grundeigene  geheimnisz  des  mannes  Jesu  Visohee 
auch  einer  2, 396.  3)  im  sinne  *ganz  genau'  adverbial  {vgl. 
eigen  th.  3,  96/.): 

allein  ich  weisz  grundeigen, 

dasz  Thyrsus  . . . 

LOHENSTEiif  Cleopatra  (1680)  80; 

ich  möchte  es  gr.  wissen  sciam  certissime  Stetnbaoh  wb. 
(1734)  1,  321;  80  noch  mundartlich:  daa  kenne  ich  grund- 
eegen  Albeecht  Leipz.  ma.  126.  —  -eigenschaft,  /. 
{bildung  im  sinne  der  compos.-typ.  5  p  /3):  einheit,  vollkom- 
mene ewigkeit  .  . .  sind  unserm  begriffe  nach  die  grund- 
eigenschaften  gottes  Basedow  natilrl.  weish.  (1768)  44; 
diese  mir  angeborenen  grundeigenschaften  Fichte  s.  w. 
2, 179;  der  menschenfreundliche  Charakter,  der  . . .  die 
gr.  dieses  edeln  . . .  geschlechts  ist  Eschenbtteo  beiapiel- 
samml.  8, 2, 160;  auch  modern  als  psychologischer  terminus 
GiBSE  psychol.  wb.  60 ;  ebenso  bei  dinglichem  object :  so  wie 
die  schwere  als  gr.  allen  körpem  gleich  zukommt  Schel- 
UNQ  I  2,  530. 

GRUNDEIGENTHUM,  n.  l)  eigenthum  an  grund  und 
boden,  im  frühen  18.  jh.  aufkommender  rechtsbegriff:  gr. 
dominium  directum  Haym  jur.  lex.  (1738)  274;  sowohl  das 
eigenthum  an  der  gesamten,  einem  Staate  oder  volke  gehören- 
den bodenfläche  als  auch  an  dem  im  einzelbesitz  befindlichen 
grundstück:  eine  juridische  hypothese  . . .,  dasz  das  gr. 
•dem  Staate  . . .  gehöre  Ranke  s.  w.  43/44,  25;  diese  feld- 
stücke  . . .  wurden  nur  . . .  auf  bestimmte  zeit  verliehen, 
während  das  gr.  der  gesamtheit  blieb  Schwappach  hdb. 
d.forst-  u.  jagdgesch.  l,  15;  mehr  concret  gefaszt  wie  grund- 
stück: er  (wurde)  des  fernen  grundeigenthums  entledigt 
Immeemann  7,  66  B.;  die  . . .  speculationen  mit  dem  gr. 
.  . .  müssen  nachlassen  dtsches  mv^eum  1,  72  F.  Schlegel; 
selten  wie  grundbesitz  3  der  stand  der  grundeigenthümer: 
das  gr.  zahlte  seine  Steuer  zu  Rom  als  theil  des  Ver- 
mögens NlEBtTHE  röm.  gesch.  1,  259;  jüngere  ableitung 
ist:  -eigenthümer,  m.:  (der)  theil  des  preises  ..., 
welcher  zur  landrente  des  grundeigenthümers  flieszt 
Gaeve  A.  Smiths  nationalreicht.  (1794)  l,  90;  die  pos- 
sessores  sind  die  gr.  oder  grundsteuerpflichtigen  v.  Sa- 
viGNY  gesch.  d.  röm.  rechts  4,  468 ;  der  stand  der  freyen 
nicht  adlichen  gr.  NiEBtXHE  röm.  gesch.  1,  236;  die  Ver- 
mehrung der  kleinen  gr.  v.  Bismaeok  polit.  reden  1, 167 
Kohl.  —  -eigenthümerin,  /.;  die  kirche  ...  wurde 
bald  die  reichste  gr.  v.  Döllingbe  akad.  vortr.  l,  196. 
—  -eigner,  m.:  die  groszen  besitztümer  der  gr.  (haben) 
keineswegs  die  bestimmung  .  .  .  hwb.  d.  staatswiss.^ 
6,283.  —  -einheit,  /.,  eine  letzte,  nicht  weiter  analy- 
sierbare einheit,  auf  die  sich  die  erscheinungen  zurück- 
führen lassen,  aus  der  sie  entstehen  (vgl.  compos.-typ.  5  q) : 
in  der  in  dieser  weit  angefangenen  einheit  des  selbst- 

IV.  1.  6. 


bewusztseins  der  Individuen  . . .  ruht  . . .  die  einheit  des 
lebens.  dies  ist  die  gr.  Fichte  s.  w.2,  677;  die  drei  grund- 
einheiten  Schelling  I  4,  457;  jener  gedanke,  dasz  die 
'vermögen',  die  Kant  analysierte,  auf  ihre  gr.  zurück- 
geführt werden  müßzten  Windelband  gesch.  d.  neuer, 
philos.*  2, 190;  die  lebendige  gr.,  aus  der  die  nation  her- 
vorgetreten war  MuNDT  gesch.  d.  dtsch.  stände  476;  neuer- 
lich besonders  die  einem  maszsystem  zu  gründe  gelegte  ein- 
heit: die  gr.  bildet  bei  uns  die  rheinländische  ruthe 
V.  Moltke  ges.  sehr.  4,  282;  ein  zehntel  der  gr.  wurde 
angedeutet  durch  die  vorsilbe  dezi-  Lttegbe  3,  283;  so 
auch  militärisch  (vgl.  grundf ormation) :  die  gruppe  ist  in 
der  . . .  marine  die  gr.  für  die  schiffsrolle  v.  Alten  4, 480. 
GRUNDEIS,  n.  1)  gr.  oder  bodeneis  . . . ,  welches  sich 
auf  dem  boden  von  gewässem  . . .  ansetzt  Ltjegee  4,  798 ; 
bereits  im  mhd.,  aber  spärlich  belegt: 

($ein  herz  ward)  wider  der  untugende  Isalt 
reht  alsam  ein  gruntys 

JOH.  V.  WÜRZBURG   Wilh.  V.  östeTT.  631  R. 

erst  mit  dem  16.  jh.  reicher  bezeugt  (s.  u.):  so  bald  sich  das 
Wasser  von  dem  abgehenden  schnehe  ergossen,  ist  es  auf 
dem  grundeise  dahin  geschossen  C.  Spangenbeeg  mans- 
fdd.  cÄro».  (1572)  494» ;  zu  derselben  zeit,  waim  es  grundeisz 
gefroren  ist  Sebiz /eZd^a«  (1579)  512;  dahin  die  von  Augs- 
burg . .  .  wegen  desz  grundeises  nicht  hinüber  kommen 
mochten  Schwelin  würtemb.  kl.  chron.  (1660)  43; 

auf  Seen  und  strömen  das  gmndeis  borst 

BÜRQKR  «.  w.  36»  B. 

so  bildlich  im  sinne  des  auftauenden,  morschen  eises:  also 
schien  die  römische  bothmäszigkeit  in  Gallien  auf  trüb- 
sandt  und  zerbrechlichem  grundeisse  zu  stehen  Lohen- 
stein  Arminius  (1689)  1, 1030*;  auf  was  vor  gr.  wil  nun 
wol  Hiempsal  baun?  Sophonisbe  (1680)  5;  besonders  in 
fester  verbaler  Verbindung  das  gr.  geht,  das  wasser  treibt 
das  bei  tauwetter  losgebrochene  gr.;  bereits  im  16.  jh.:  das 
grundteysz  gadt  flumina  trudunt  glaciem  Maalbe  194*; 
MaximiUan  (kam)  ...  zu  winterszeyt  auf  ein  gefroren 
wasser,  darauf  grundeisz  gieng    Feanck  chron.  Oerm. 
(1538)  266'»;  die  Eib  (toar)  gar  flutig,  darzu  das  grundeisz 
gieng   mit  gewalt  Kiechof   wendunm.   2, 342  Ö.;  (der) 
Strom,  der  zehn  tage  mit  starckem  grundeise  gegangen 
war  Lohenstein  Arminius  (1689)  2, 1306*;  namentlich 
. . .  wenn  das  . . .  gr.  stark  geht  Naumann  naiurgesch.  d. 
Vögel  12,  325;  im  alem.  in  der  bedeutung  ''es  ist  bitter  kalt': 
ich  war  einmal,  als  das  gr.  ging  . . .,  barfusz  gelaufen 
Jee.  Gotthelf  ges.  sehr.  1,341;  vgl.  Statjb-Toblee  1, 
535;  Maetin-Lienhaet  1,  76;   Meisingee  Rappenauer 
ma.  79;    vgl.  westf.    du   dais    ock  as   wann  et  grundis 
früere   'du   kleidest  dich  zu   warm'  Wöste-Nöee.  86»; 
in  bildlicher  Verwendung  ^es  geht  los,  es  beginnt  etwas': 
hie  gehet  grundteisz,  hie  rühret  könig  David  allen  wüst 
und  gräwel  M.  Ecoaed  d.  64.  psalm  (1608)  162;  da  gehet 
das   grundeisz,   Johannes   bricht   gar   losz   xind   sagets 
sonnenklar  V.  Heebeeqbe  hertzpostilla  (1613)  l,  87;  jünger 
sind  bildhafte  redensarten,  die  von  dem  mit  gr.  gehenden 
flusse  die  vorsteUung  des  chaotischen,  mit  fremdkörpem 
kämpfenden,  in  schunerigkeiten  befindlichen  aufnehmen: 
sie  (werden)  es  diesem  briefe  . . .  ansehen  können,  wie  sehr 
mein  köpf  mit  gr.  geht,  doch  ich  will  ihre  heutige  ruhe 
nicht  stören  mit  meinen  grillen  Hamann  sehr.  5,  40  J?.; 
anscheinend  auch  sonst  üblich,  vgl.  zs.  f.  dtsche  wortforsch. 
3, 98  u.  Hennig  preusz.  wb.  90 ;  dann  merkte  ich,  wie  es  bei 
ihm  mit  gr.  ging  Seidel  Leberecht  Hühnchen  (1899)  57; 
anders:  nun  gerieth  der  arme  teufel  von  Schulmeister  erst 
recht  ins  gr.  Müllee  v.  Itzehoe  Sieg  fr.  v.  Lindenbg.  l, 
124;  auf  den  bezirk  der  derb  volksthümlichen,  meist  mund- 
artlichen rede  beschränkt,  zweifellos  älter  als  die  beigebrach- 
ten nachweise  und  sowohl  in  obd.  wie  md.,  weniger  in  nd. 
mundarten  verbreitet:  ihm  geht  der  hintere,  der  arsch,  das 
loch,  die  buchse  (hose)  mit  gr.  'er  bekommt,  (vor  an^st) 
durchfall,  er  hat  angst,  ist  in  groszer  Verlegenheit';  zuf ruhest 
bei  J,  J.Speeng  (c.  1760)  nach  Staub-Toblee  l,  535;  vgl. 
FiscHBE  Schwab.  3,  875;  Schmidt  westerw.  69;  Saetobtüs 
Würzb.  ma.  156;   Albeecht  Leipz.  ma.  126»;  Baueb- 

49 


771 


GRUNDEISEN  -  GRUNDEL 


GRUNDEL 


772 


CoLLiTZ  41^;  HöNiG  Kölner  ma.  eo*»;  Fb.  Rbüteb  «. 
C.  F.  Müller  iZewterZea;.  49^;  ähnlich:  t  grondeis  ass  mer 
ansgangen  Hch  bin  heftig  erschüttert  worden^  lux.  ma.  156  »■; 
die  erklärung  des  alten  justizrats  M,  wird  dem  Stieber 
schon  den  hintern  mit  gr.  gehen  machen  Fr.  Engels 
an  K.  Marx,  briefw.  1,  362;  diesem  Zusammenhang  ent- 
springt wohl  auch  in  der  niederen  Umgangssprache  Berlins 
der  ausdruch  mit  jrundeis  'mit  nachdruck^  H.  Meyer  d. 
richtige  Berliner'  90 ä';  seltener  sind  andere  verbalverbin- 
düngen:  wann  die  wasser  grundeisz  setzen  und  daszelbige 
ganghaftig  wirdet  haushält,  in  vorw.  197  E.;  wenn  der 
see  zufrieren  will,  treibt  er  mit  gr.  Ritter  erdk.  S,  102; 
bildlich:  die  sache  rückt . . .  jetzt  vom  fleck,  das  alte  nor- 
dische gr.  ist  endlich  in  bewegung  Görres  ges.  br.  1, 131. 
2)  das  alte,  zuunterst  auf  der  erde  liegende  eis:  in  den  ver- 
stecktesten . . .  hof winkeln  schmolz  das  alte  graue  gr.  weg 
H.  Hesse  diesseits  (1907)  218,  vgl.  Staub-Tobler  1,  535. 
—  -eisen,  vb.,  nur  unpers.  es  grundeiset  Auerbach  nocA 
Fischer  schwäb.  3,  875  'der  flusz  bringt  grundeis\  vgl. 
Staitb-Tobler  1,  535;  Martin-Liesthart  1,  76;  Hertel 
thür.  110.  —  -eisen,  n.  1)  eiserner  haken  zum  auffinden 
von  gegenständen:  grontiser  .  .  .  of  soicker,  lupillus;  gront- 
iseren  of  soeker  in  den  putte  arpax,  arapax,  canicula, 
lupus  V.  D.  ScHUEREN  teuthon.  134 1^  Verdam  {v.  1477);  gr., 
grundhacke  graffio  da  pescar  afondo  Kramer  teutsch-ital. 
1,573 " ;  übertragen  auf  'die  sonde  des  Wundarztes'  Jacobsson 
2, 162;  die  wunde  .  . .,  deren  tiefe  mit  einem  grundeysen 
oder  wundeysen  erkant  wird  Comeniüs  ianua  (1644)  90. 
2)  'lot,  Senkblei':  gnmdteysen,  ßoXi^  bolis  Frischlin 
nomencl.  (1586)  2723-  {bei  Henisch  1768:  gr.,  schlinge, 
Schleuder /ztrwto  ist  offenbar  nur  eine  unpassende  bedeutung 
von  ßoUs  eingesetzt;  derselbe  fehler  von  Hulsius  147* 
dann  übernommen);  noch  in  neuerer  spräche  üblich?  vgl. 
Mothes  bauiex.  2, 641;  wir  versuchten  oft  mit  unserm  gr., 
ob  wir  möchten  grund  finden  Meqiseb  newe  nortioelt 
(1613)  197;  ähnlich:  gr.  'zum  verankern  von  Heineren  bojen' 
v.  Alten  4,  477.  3)  Werkzeug  der  formschneider  zum  grun- 
dieren Noel  Ghomd  1388;  Karmarsch  -  Heeren  4, 167; 
=  'ciseliereisen'  Mothes  bauiex.  2,  541. 

GRUNDEL,/.,  später  {besonders  im  Tid.)  auch  m.,  s.  u. 
form  3;  elsäss.  auch  n.,  vgl.  Mabtin-Lienhart  278  *>;  ahd. 
gruntüa,  grundila,  mhd.  grundel  'kleiner,  auf  dem  gründe 
des  Wassers  lebender  fisch',  vgl.  gründlein,  gründling;  plu- 
ral  zunächst  stark  grundel(e),  so  besonders  bair.  im  16. 17. 
jh.  nicht  selten,  vgl.  noch  Holtei  erz.  sehr.  7,  6  (s.  u.ba); 
seit  dem  15.  jh.  häufiger  schwach  grundel(e)n,  vgl.  Richen- 
tal  Const.  conzil  40  lit.  ver.;  Fischer  schwäb.  3,  876;  nid. 
als  m.  mit  B-plural  vgl.  niederl.  wb.  5,  980. 

form. 

1)  gr.  ist  entweder  unmittelbar  mit  -l-suffix  von  grund 
abgeleitet  {uAe  die  pflanzennamen  ringila,  swertala  von 
ring,  swert),  doch  läszt  sich  diese  herleitung  nicht  völlig 
sichern,  oder  diminutiver  spröszling  eines  gleichbedeutenden 
älteren  grunta;  neben  gr.  steht  nämlich  eine  suffixlose  bil- 
dung,  wenn  auch  erst  spät  und  spärlich  bezeugt,  besonders 
ndl.:  grünte  . . .  fundulus  y.  d.  Schueren  teuthon.  136* 
Verdam;  gemma  voc.  {Deventer  1500)  bei  Diefenbach  nov. 
gl.  185'';  grondte  gobius  Kilian  (1623);  auch  als  gront, 
grünt,  davon  abgeleitete  diminutiva  grund  je,  grundeken 
z.  b.  gnintken  gargvlus  Diefenbach  nov.  gl.  189*,  vgl. 
Vebwus -Verdam  2,2166;  seltener  obd.:  fisch,  hecht  oder 
gnmden  {v.  j.  1665)  nach  Fischer  schwäb.  3,  875;  grunnet 
'wohl  gr.'  AuTENRiETH  pfäiz.  58;  vgl.  gnmdi  {n.)  als 
diminutivbildung  Mabtin-Lienhart  278'»;  aber  aus  diesen 
Zeugnissen  altes  grunta  'gründling'  zu  erschlieszen  und  für 
gr.  TMch  art  der  doppdformigen  namengruppe  drosca— 
droscela,  täha— tähele,  nazza — nezzila  u.  s.  w.  die  ablei- 
tung  anzusetzen,  erscheint  nicht  ganz  unbedenklich;  dunkel 
bleibt  bedeutungsgleiches  ahd.  cruntlacha  saxatilis  ahd.  gl. 
3,  455,  35;  grunlaiche  vel  grunzüle  vel  stainpize  3,  675,  64, 
ist  aber  doch  wohl  compositum. 

2)  neben  herschendem  gr.  je  später  desto  häufiger  grun- 
del, das  auch  md.  kaum  organischen  umlaut  hat,  sondern 
analogischen  im  anschlusz  an  diminutive  bildungen  und 


gründling,  vgl.  gründeli,  grundeli  Staüb-Tobleb  2,  776; 
das  gründele  Maaleb  194*;  gründl,  grundel  (lagrindl  v.  j. 
1505)  Schöpf  tirol.  218;  grundel  unsicheren  geschlechts 
neben  gründlin  B.  Fabeb  thes.  (1587)  1024*,  ebenso  grundel 
GoLixJS  onomast.  (1582)  301;  grundel  (rbündel),  mdartl. 
aber  gr.  Askenasy  173;  häufiger  bei  masculinem  gr.  s.  u. 

3)  der  wohl  von  gründling  ausgehende  übertritt  ins  masc. 
trifft  vorwiegend  nd.  gebiet  und  ist  für  die  umgelautete  form 
als  schriftsprachliche  norm  anzusehen;  ob  bereits  der  Über- 
gang von  mlat.  fundula  in  fundulus  dem  geschlechtswechsel 
von  gr.  parallel  geht,  ist  fraglich  {s.  u.  bedeutung);  grondel, 
gr.  m.  niederl.  wb.  5,  980 ;  grundel  et  gründling,  der  Stie- 
LEB  711;  Adelung  (1715)  2,  826  u.  s.  w.;  vgl.  Fbischbieb 
1,  253;  grundel,  gr.,  m.  Mensing  2, 501  u.  503;  als  m.  viel- 
leicht schon:  eiQ(!)  gr.  .  . .  ist  eine  Jungfrau  B.  Fabeb 
a.  a.  o.;  im  18.  jh.  liegt  jedenfalls  wie  heute  das  m.  nord- 
deutschem Sprachgefühl  näher:  nicht  einmal  die  benen- 
nungen  sind  durchaus  richtig,  wer  wird  zum  beyspiel 
sagen:  die  grundel, .  . .  der  schneck?  allg.  dtsche  bibl.  anh. 
zu  53-86,  2246. 

bedeutung. 

für  den  frühesten  beleg  ahd.  crundula  Ekkehart  cod. 
bened.  nach  Staub-Tobler  2,  276  {fehlt  ahd.  gl.  2,  159/.!) 
ist  die  lat.  entsprechung  nicht  bekannt;  die  ahd.  {bzw.  mhd.) 
gl.  geben:  saxatilis  3,  456,  32;  3,  46,  35;  turonilla  3,  83, 
65^.;  3,  46,  7;  gradius  3,  83,  57;  3,  47,  3;  fundula  zschr.  f. 
dtsche  wortf.  5,  20;  ahd.  gl.  3,  46,  41;  vereinzelt  murena  3, 
46,  2. 

1)  nur  bei  turonilla,  gradius,  fundula  {später  fundulus, 
beides  gr.  nxichgebildet!),  sämtlich  durch  'vel'  paraUelisiert, 
tritt  kein  zweiter  heimischer  fischname  neben  gr. ;  sie  meinen 
offenbar  alle  drei  den  gleichen  fisch,  obd.  später  auch  'bart- 
grundel',  ösÜ.  md.  u.  7id.  'schmerle'  =  cobitis  barbatula  {ne- 
machilus  barb.)  {vgl.  th.  9,  1035):  gnmdele  item  aliis  nomi- 
nibus  vocatur  smerUn  . . .  Forer  Oeszners  fischb.  126;  vgl. 
Diefenbach  turonilla  602";  tironilla  585*»;  curoniüa  164*; 
cornilla  152*;  fundulus  252^;  suates  558«;  für  diesen  fisch 
gilt  gr.  im  ganzen  obd.  bis  in  rhfrk.  gebiet,  für  andere  fisch- 
arten {s.  u.)  dagegen  keineswegs  einhellig;  vgl.  Schmelleb- 
Fb.  1,1007;  Schöpf  tirol.  218;  Unger-Khull  3101»; 
Castelu  österr.  153;  Zaupseb  33;  Staub-Tobler  2,  776; 
Fischer  schwäb.  3, 875;  Mabtin-Lienhabt  l,  278'';  Foll- 
MANN  lothr.  219*;  lux.  ma.  156*;  Askenasy  Frankf.  ma. 
173;  Kehbein  nass.  1,  176. 

2)  bereits  ahd.  auf  saxatilis  steinpiz,  den  'steinbeiszer', 
auch  'dorngrundeV  =  cobitis  taenia  übertragen  {s.  o.)  vgl. 
fischbüchl.  66;  so  noch  mundartlich  nach  Alemannia  7, 191. 

3)  anscheinend  erst  später  für  gobio  fiuviatilis  {mit. 
gobio,  gracius,  ahd.  chresso)  die  'kresse',  besonders  früh 
nd.  belegt:  gr.  gubea  gemma  gemm.  {Cöln  1507)  Diefen- 
bach 270";  gabius  vd  cobius  ein  kresz  ...  in  der  Marck 
heyst  maus  grundein,  imd  was  wir  gründehn  nennen, 
heiszen  sie  schmerlin  AlbebüS  q3a; 

was  man  für  gründein  helt  am  Bhein, 

das  müssen  da  {in  Cüstrin)  die  Schmerlen  sein, 

was  man  eim  dar  für  gründein  stelt, 

am  Rhein  man  sölchs  für  crassen  helt 

AiBEKUS  Jab.  84  Braune; 

die  Schmerlen  werden  an  etlichen  örtem  gründein  genant, 
aber  bei  uns  {in  der  mark  Brandenburg)  sind  die  gründein 
eüie  sonderliche  species  Coleb  hausb.  {leoiff.)  5,  268; 
Kilian  (1623)  163*;  auch  im  neueren  nd.  noch  bezeugt,  vgl. 
gr.  WösTE-NöRB.  86" ;  Mensing  2, 503;  Fbischbieb  l,  253; 
öfter  heute  obd.  üblich,  vgl.  schon  Dentzleb  clav.  ling.  lat. 
(1677)  141:  gr.,  kress  gobius  f luv.;  Unger-Khull  SlO"; 
Staub-Tobleb  2,  776;  Maetin-Lienhabt  1,  278''. 

4)  vereinzelt  auf  andere  fiscJie  übertragen,  wie  ahd.  auf 
murena  {s.  o.)  'lamprete'  {petromyzon  marinus);  für  gobius 
'groppe'  {collus  gobio)  Dentzleb  clav.  ling.  lat.  {lü77)  141; 
für  den  'schlammbeiszker'  {cobitis  fossilis)  Schmellee-Fb. 
1, 1007;  Ungeb-Khull  310^;  für  die  'barbe'  {cyprinua  bar- 
bus)  FOLLMANN  lothr.  219*. 

5)  in  den  literarischen  bdegen,  je  nach  der  heimat  des 
aulors,  meist  zu  l  oder  3  gehörend: 


773  GRUNDELBACH  —  GRUNDELFÄNGER 


GRUNDELFISCH  -  GRÜNDEN 


774 


a,\  der  klainen  grundel  vil, 

kopen,  pfrillen  ane  zil 

,     H.  V.  Neustadt  Apoll,  v.  Tyrl.  18053  S.; 

dy  klain  grundein  und  pfrillen 
wir  auch  verschliken  siUen 
MiCHKL  Beheim  b.  V.  d.  Wienern*  281,  29  K.; 

dasz  man  ihn  essen  könte  wie  die  gebackene  grundein 
Grimmelshausen  traumgesch.  73;  es  {birgt)  unzählige 
grundel,  Schmerlen,  kleine  quabben  Holtei  erz.  sehr.  7,  6; 
oft  als  besonders  wohlschmeckender  edler  fisch  genannt:  daz 
fleisch  der  grundlen  behelt  den  preisz  in  allen  dingen, 
denn  es  ist  lieblich  zu  essen  Heyden  Plinius  (1565)  390; 
die  grundein  sind  die  aller  gesundesten,  lieblichsten  und 
schmackhaftigsten  fische,  die  man  haben  kann  fi^chbüch- 
lein  (n.jh.)  66; 

von  ersten  ein  suppen  von  mandelreiBZ, 
darnach  ein  essen  grundel 
Ued  a.  d.  ende  d.  15.  jh.s  b.  Wolf  zschr.  f.  d.  mythol.  1,  467; 

im  kloster  dürfen  sy  nit  flaisch  essen  als  ich,  aber  hecht, 
grundlen,  salmen  . . .  und  die  besten  visch  reform.-flug- 
schr.  2,  71  Giemen;  {aU  leckerbissen  der  tafd  des  kaisers 
vom  mondenlande)  mit  .  • .  lerchen,  rebhündel,  kleinen 
pasteten,  gnmdeln,  lachsen  ollupatrida  73  Wiener  ndr.; 
deshalb  gehlen  die  grundein  zu  den  naturalabgaben: 

hecht,  karplen,  nerfen  und  barben, 

di  mir  zu  zahlen  hat  der  arm, 

grundl,  vorein  und  esch  J.  Ayeer  5,  3186  K.; 

da  sie  s.  hochfürstl.  gnaden  die  grundel  geben  mieszen 
(17.  jh.)  österr.  weisth.  6,  209. 

b)  vielfach  unter  dem  gesichtspunkt  der  Meinheit  und 
kraftlosigkeit ;  so  gern  in  übertragenem  und  sprichwört- 
lichem gebrauch:  er  (vAihm)  der  stör  . .  .  etlich  legion  auf 
einen  schnitt  .  .  .,  wie  der  baur  die  .  . .  grundein,  da  er 
sie  für  welsch  kraut  asz  Fischaet  Qarg.  61  ndr.;  vom 
gröszten  bis  zum  kleinsten,  vom  , . .  wallfische  in  den 
meeren  bis  zur  gr.  im  bache  maleb  Müller  w.  1,  43; 

als  wie  der  aar  das  hun,  der  hecht  die  grundel  frlszt 

Opitz  opera  (1690)  2,  24; 

wenn  es  so  fortgeht,  so  wird  der  päbstliche  hecht  die 
lutherischen  grundein  bald  verschlungen  haben  Schit- 
BART  leben  u.  gesinn.  2,  18;  sprichwörtlich:  wer  grundein 
fängt,  fängt  auch  fische  Binder  sprichw.  80,  vgl.  aus  dem 
ende  d.  15.  jh.8:  hl  vanct  ooc  vische,  die  een  grünt  vanct 
horae  belg.  9,  26  nr.  407  Hoffmann  v.  Fall.;  vgl.  Wandeb 

2,  169;  he  will  gr.  fangen  ^unternimmt  eine  unbedeutende 
sache^  Mensing  2,  503;  in  ähnlichem  sinne: 

seht  ihr  in  Leipzig  die  flschlein,  die  sich  in  Sulzers  cisteme 
regen,  so  fangt  euch  zur  lust  einige  grundein  heraus. 

Schiller  11, 109  ö.; 

anders,  als  ein  kleines,  unausgewachsenes  lebewesen  auf- 
gefaszt  im  schwäb.:  gr.  ^naseweise  person,  backfisch^  Fischer 

3,  876;  das  ist  keine  gr.  mehr,  das  kann  sich  sehen  lassen, 
es  ist  ein  lebfrisches  mädle  Auerbach  sehr.  (1892)  ll,  7; 
ähnlich  für  einen  'jungen,  kleinen  Soldaten'  Kehreik  nass. 
1, 176. 

c)  die  gr.  versinnbildlicht  in  der  Symbolik  der  fische  die 
Jungfrau :  ein  gr.  ist  ein  jungfrauw  neuw  jagd-  u.  weydwerck- 
buch  (1582)  2, 73'' ;  fundulus  cognominatur  virgo,  ein  grundel 
(Schmerle)  ist  eine  jungfraw.  caput  enim  eiv^  came  de- 
tracta  virginis  caput  representare  vulgo  volunt  Bas.  Faber 
thes.  (1587)  1024  3';  vgl.  fischbüchlein  176;  so  offenbar  meto- 
nymisch: {hurenwirt:)  der  schelm  hat  vil  guter  gr.  verderbt, 
die  weil  er  vicarius  gewesen  ist.  sind  aber  das  geistlich 
Sachen?  Schade  sat.  u.  pasqu.  3, 178;  —  gr.  auch  in  Zu- 
sammensetzungen: grundelbach,  m.;  nicht  weniger  sind 
ihnen  die  waldwasser,  forelen-  grundel-  und  krebsen- 
bäche  anbefohlen  v.  Hohberg  georg.  cur.  2,  692;  grun- 
delbach (v.  j.  1620)  in  Fischer  schwäb.  3,  878;  als  flurname 
BuOK  flurnamenb.  92; 

■wie  oft  an  forst-  und  grundelbach 
unter  der  birke  wehndem  dach 

Fkeiligrath  ges.  dicht.  (1870)  3, 140. 

—  -fänger,  m.,  beruf sbezeichnung :  teichmeister . . .,  vor- 
rathsfischer  . . .,  gr.  Hessen-Cassd.  Staats- . . .  cal.  v.  1781 


8.  71;  es  wurden  keine  neuen  fisch-,  krebs-  und  gründel- 
fänger,  briefträger  .  .  .  und  dergleichen  titel . . .  angesetzt 
Moser  s.w.  2,205.  —  -fisch,  m.:  gefangene  gr.  (v.j. 
1694)  DiEFENBACH-WtJLCKER  6373'.  —  -hamen,  m.: 
fisch-  undt  grundeUhamen  (v.  j.  1694)  ebda.  —  -netz, 
n.  Ungeb-Khull  310''.  —  -reuse,  /.;  ein  grundelreusz 
sirpiculus  Bentzius  thes.  lat.  (1596)  l,  196;  das  legen  der 
engen  grundelreussen  {soll)  . .  .  verbotten  seyn  Oeorgens, 
landgr.  zu  Hessen  em.  fi^chordn.  (1642);  vgl.  Krünitz  20, 

224. wasser,  n.:  an  fohren  und  gründelwassem  man- 

gelts  in  Schlesien  nicht  Schickeus  chron.  v.  Schles.  (1625) 

4.  buch  18. 

GRUNDEL,  m.  l)  fi^chname  s.  grundel.  2)  ein  theil 
des  Pfluges,  besonders  der  '^pflugbaum',  vgl.  grindel  2  sp.  373 ; 
dann  auch,  offensichtlich  in  volksetymologischer  anlehnung 
an  grund  II,  der  die  erde  aufschlitzende  'pfiugnagd\  das 
'pflugeisen,  pflugmesser'' :  gr.  .  . .  pflugnagel  Harsdörper 
pod.  trichter  (1647)  2,  146;  das  keilen  geschiehet  ...  an 
dem  pflugeisen,  welches  man  auch  gr.  nennet  Nod 
Chomd  7,  708;  so  anscheinend  schon  früher:  mit  lichtem 
weg-  oder  pflugisen  (=  'vomeribv^^)  und  gründein  (='den- 
talibus*)  das  ertrich  zu  üben  H.  Österreicher  Colu- 
mdla  1,  66  lit.  ver.,  vgl.  dentale  (pfluggrundel)  illud  lignum, 
in  quo  vomer  inducitur  voc.  rerum  v.  W.  Brack  (1491)  348; 
nicht  mit  Krünitz  20, 218  von  gnmd  II  herzuleiten,  sondern 
zu  grindel  gehörig.  3)  als  'riegeV,  vgl.  grindel  3  o.  o.  o. 
4)  grundel,  au^h  krönel  'handwerkzeug  der  sieinmdzen^ 
Karmarsch-Heeren^  6, 132;  vgl.  gröndel  lux.  ma.  156*; 
entstelltes  krönel  vgl.  kröneleisen  th.  5,  2379.  —  grun- 
delbaum,  m.,  s.  grindelbaum.  l)  =  wdlbaum:  der  grosze 
hammer,  auf  dessen  gr.  leute  sitzen  Rosegger  sehr.  III 
1,  393.  2)  als  pflanzenname:  tumulla  ein  gr.  Gersdorf 
umndarzney  (1617)  96''',  ein  sonst  unbekannter  bäum. 

GRUNDELEMENT,  n.  {vgl.  comp.-typ.  5  p  «):  deren 
{der  weit)  gr.  die  materie  Schopenhauer  1,  61  Or.;  wenn 
wir  alle  grundelemente  unsers  körpers  für  Substanzen  von 
dieser  natur  halten  wollten  M.  Mendelssohn  ges.  sehr. 
2,158;  ein  fünftes  stück  {=  schau^pid) . . .,  das  nach 
Jakob  Böhmischen  principien  auf  das  grund-  und  urele- 
ment  hingedeutet  hätte  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht. 

5,  606;  du  mögest  demjenigen,  was  du  den  französischen 
schäum  nennst  und  den  du  dir  von  dem  deutschen  gr. 
{der  musik  Bachs)  abzusondern  getraust,  einige  . . .  worte 
gönnen  Göthe  IV  42, 160  W.;  die  beiden  grundelemente 
der  deutschen  lyrik  Herder  12,  180  8. 

GRÜNDELN,  vb.,  mundartlich,  bes.  obd.  unüautslos 
grundein.  1)  von  grund  I  abgdeitd:  man  nennt  dies  {nah- 
rungsuche der  enten  unter  der  Wasserfläche)  auch  wol  gr. 
Naumann  vögd  l,  63;  ebenso  grundein  Staub-Tobler  2, 
777;  vgl.  aber  älteres  grüdeln  in  gleicher  Verwendung  sp.  627; 
niederhess.  grundein  'im  flachen  wasser  schwimmbewe- 
gungen  machen\  2)  zu  gnmd  II;  grundein  'die  hände 
in  erde  stecken^  Martin-Lienhart  1, 278'';  Staub-Tobler 
2,777;  intransitiv  'nach  erde  riechen^  Martin-Lienhart 
o.  a.  o.;  Staub-Tobler  a.  a.  o.  3)  zu  grund  IV  C  gebil- 
dd:  diese  auszlegung  ist  nicht  durch  menschliches  grün- 
delen  und  fündelen  aufkommen  Fischart  Oarg.  191  ndr. 
ein  anderes  gründebi  s.  unter  grindein.  4)  zu  grundel; 
grundein  =  'grundein  fangen^  österr.  weisth.  7,  395.  — 
grundelrocke,  pflanzenname  s.  gundelrebe  glechoma 
hederacea;  gr.  serpentaria  Schiller-Lübben  2, 158*. 

GRUNDEMPFINDUNG,/,  {wie  comp.-typ.  &]? ß):  es 
giebt  in  der  natur  keine  einzelne  reine  empfindimg;  mit 
einer  jeden  entstehen  tausend  und  andere  zugleich,  deren 
geringste  die  gr.  gänzlich  verändert  Lessinq  9,  29  M.;  so 
wie  ein  kunstwerk  von  der  ersten  gr.  entwickelt  . . .,  so 
hat  sich  das  . . .  menschengeachlecht  entwickelt  Ph.  O. 
Runge  hinterl.  sehr,  l,  15;  mehr  nach  compos.-typ.  5  o  hin: 
eins  tröstet  mich :  meine  gr.,  dasz  wir  nicht  oft  genug  an 
uns  erinnert  werden  können  Immermann  7,  118  B. 

GRÜNDEN,  vb. 

herkunft  und  form. 

als  yableitung  von  grund  gebildd,  bereits  bei  Notker 
(a.  u.)  mehrfach  bezeugt;  doch  fehlen  sonstige  ahd.  oder 

4a* 


775 


GRÜNDEN  I  A  1 


GRÜNDEN  I  A  8 


776 


aa.  belege;  aiich  ags.  ist  gryndan  (x)gl.  gegryndan,  agryn- 
dan)  unhäufig  und  bedeutungsmäszig  schwankend:  gryn- 
dend  descendens  Mubeay  4,  426  S';  unsicheres  grynded 
profundum  vel  in  profundis  esse  GEErN-WüixJKER  279  *>, 
vgl.  gegryndan  fundare  Bosworth-Tollbe  397,  und 
offenbar  nichi  anders  als  das  spätere  mittelengl.  to  ground 
selbständige  ahleitung,  ohne  dasz  ein  älteres  togm.  *grund- 
jan  vorauszusetzen  wäre;  alt.  dän.  gründe  =  anord.  grunda 
'denken^,  bei  Weigand"  1,776  hierher  gestellt,  gehört  viel- 
mehr wie  das  su^st.  grundr  zu  anord.  gruna  'bicä  etwas 
denken"  vgl.  FaIiK-Toep  1, 853,  und  hat  erst  seeundär  von 
mnd.  gründen  die  bedeutung  'ergründen',  von  nhd.  gründen 
die  bedeutung  'fundare^  entlehnt;  erst  das  spätere  mhd. 
entwickelt  aus  grund  I  und  IV  das  vb.  gr.  zu  weiterer  gel- 
tung;  neben  die  regelrecht  umgelautete  form  tritt  gelegent- 
lich undautloses  gründen  (vgl.  Staub-Toblee  2,  777;  Mae- 
TiN-LiBNKHAET  1,278;  FiscHBE  samländ.  141),  theils  als 
im  umlaut  gehinderte  form,  theils  als  jüngere  ableitung  vom 
grundwort  in  specifischen  bedeutungen;  selten  in  liter. 
spräche,  vor  allem  bei  intrans.  Verwendung:  die  feierliche 
Sprache,  auf  groszheit  des  innern  gründend  J.  G.  Rad- 
LOFF  treffl,  d.  süddtsch.  mao.  (1811)  189;  Freiligeath  grc«. 
dicht.*  1,  220  [s.  u,  lAl  &),  oder  im  reimzwang: 

denn  von  den  werken  gilt  vor  gott,  dem  heim, 
die  meinung  nur,  auf  die  sie  sind  gegründet  ( :  gerundet) 
Brentano  ges.schr.  1,  131; 

vorab  auf  md.  und  elsäss.  baden  steht  im  späteren  mhd. 
neben  gr.  gleichbedeutendes  gegründen,  vgl.  myst.  1,200 Pf.; 
2,  620;  Tattlee  pred.  269  V.;  paradis.  anim.  27  Str. 

bedeutung. 

I.  bis  in  das  späte  mhd.  ist  gründen  lediglich  als  ab- 
leitung von  grund  I  gebräuchlich;  als  ausgangsbedeutung 
hat  man  bereits  für  das  ahd.  'den  grund  (I A  1  u.  2)  des 
Wassers  erreichen  bzw.  zu  erreichen  suchen"  zu  erschlieszen, 
wenn  sich  auch  diese  rein  sinnliche  bedeutung  erst  im  jün- 
geren mhd.  bezeugt  findet;  Notkebs  übertragene  Verwendung 
von  gr.  als  Umschreibung  von  rimure  l,  24,  discutere  1, 
729,  perstringere  Geafp  4,  332  (s.  u.  1 A  2  &  u.  c)  läszt  sich, 
wie  die  späteren  Übertragungen  gleichen  sinnes,  nur  von 
einem  solchen  ahd.  unbezeugten  grünten  av^  deuten;  vgl. 
NoTKEE  ergrunden,  durhgrunden  bei  Gbaff  4,  332;  im 
älteren  nhd.  noch  reicher  entfaltet,  beschränkt  sich  diese  Ver- 
wendung in  neuerer  spräche  auf  einen  engeren  bezirk  for- 
melhafter nautischer  ausdrücke. 

A.  im  eigentlichen  sinne  'den  grund  eines  gewässers 
erreichen,  den  grund  finden  {vgl.  grund  I A  4  a)'. 

1)  zunächst  von  personen  bzw.  dingen,  die  sich  im  wasser 
befinden. 

a)  seit  dem  mhd.  in  der  bedeutung  'den  grund  mit  den 
füszen  erreichen,  im  wasser  festen  boden  gewinnen,  um 
stehen  oder  waten  zu  können\-  so  nicht  selten  in  trans. 
gebrauch: 

ez  törst  aber  nymmant  niht 

bin  über  die  unden, 

\ran  cz  (dat  wasser)  nymmant  gründen 

moht;  dar  von  schied  er  dann 

der  gr.  Alexander  3940   Outh; 

dann  das  wasser  war  zu  hoch,  das  man  drüber  schwimmen 
muste,  und  kundte  es  nicht  gr.  HeseHd  47,  5;  waren 
dieselben  lachen  so  seicht  worden,  das  sie  zu  waten  und 
zu  gr.  waren  Caebaoh  lAvius  (1551)  lös"»;  in  ziemlichen 
fischwassem,  die  ein  mann  gr.  kan  fischbüchlein  63;  ge- 
wässer,  die  man  waten  und  gr.  kan  Hohbeeo  georg.  cur. 

2,  641  a; 

er  wuszte,  wo  er  solt  den  harten  boden  finden, 
er  wuszte,  wo  der  flusz  am  besten  war  zu  gründen 

DiETR.  V.  D.  Wbkdbr  TOS.  JRoland  30.  ges.  65,  2; 

vielfach  aber  mit  ellipse  des  objects,  intrans.  Verwendung 
sich  nähernd: 

er  gedähte:  ob  ich  niht  gründe, 

so  enweiz  ich  wie  ich  über  sei  Biteroll  3542; 

hie  inne  so  mac  man  waten  unde  man  mac  hie  inne  gr. 
myst.  2,  832  Pf.;  wan  der  flusz  als  tif  ist,  das  di  reuttere 
ader  fuszknecht  nicht  mögen  gründen  Fl.  Vegetius  Bena- 
tus  vier  bücher  d.  rittersch.  (1511)  h  4*;  mit  seinem  rosse. 


welches  tiefe  halben  nicht  gr.  konte  M.  Betttheb  toarh. 
bericht  (1588)  98; 

ich  sinclce  schon,  der  sclilamm  wil  mich  verachlingen; 
er  ist  so  tief,  dasz  ich  nicht  gründen  Ican 

Opitz  psalmen  129; 

er  .  • .  sei  mit  ihm  hinabgesprungen,  um  dem  kleinen 
Chirurgen,  der  dort  nicht  gr.  könnte,  den  rechtshandel 
. . .  einzutränken  A.  Rüge  s.  w.  7, 19;  fest  gründete  der 
hnf  (im  meer)  Feeiijqeath  ges.  dicht.^  (1877)  i,  220;  sprich- 
wörtlich: geh  nicht  tiefer,  als  du  gr.  kannst  Lüpkes  see- 
mansspr.  66;  der  gebrauch  ist  mundartlich  hie  und  da  be- 
vxihrt,  vgl.  grönnen  'in  tieferem  wasser^  den  boden  mit  den 
füszen  erreichen'  lux.  ma.  156'';  grimghe  grund  finden 
Fischee  sarrü.  141;  in  älteren  Wörterbüchern  gr.  geradezu 
durch  waten  umschrieben:  gr.,  waten  vadum  transire 
Henisoh  1766;  gr.,  durchwaden  vadare  Hitlsius  dict. 
(1618)  143"',  eine  wohl  unberechtigte  Verallgemeinerung  der 
höchstens  dialektisch  gebrauchten  begriffserweiterung  nach 
Kjuan  163  ^ :  gronden  flandr.  waden  vadum  transire;  doch 
vgl.  vadum,  ein  fort,  das  man  gr.  kan  Riccrüs  Terentii 
comoed.  (1586)  452. 

b)  ähnlich  in  nautischen  ausdrücken  von  sächlichen  ob- 
jeden:  'grund  fassen'  vom  anker:  weiln  es  aber  in  wind, 
lieszen  wir  unsem  ancker  auf  45  faden  gr.  Behe  diarium 
(1668)  130;  gern  bildlich: 

wohnt  gott  in  meiner  brüst,  so  Ican  mein  ancker  gründen 
J.  G.  Neukirch  anfangsgrände  34; 

dasz  diese  Verwendung  aber  wesentlich  älter  ist,  erweist  ein 
entsprechender  bildlicher  gebrauch  bei  Joh.  v.  Neumaekt  : 
wanne  in  dir  und  in  nimant  anders  gegründet  hat  meines 
hertzen  hoffenungo  leb.  d.  hl.  Hieron.  99Bened.  ( =  'in  nuUo 
viventium  ut  in  te  meae  spei  firmavi  anchoram'  patr.  lat. 
22,  278  Migne);  ähnlich  aufzufassen:  wie  got  in  dem  inde- 
wendigen  gründe  der  seien  gegründet  het  und  verborgen 
und  bedecket  lit  Taulee  pred.  25  V,;  dann  auch  im  sinne 
des  berührens  ohne  die  Vorstellung  des  fest  Stehens  oder 
haftens  {vgl.  grund  I A  4  b) :  mit  dem  rüder  gr.  applicare 
remos  vadis  =  landen  Feisius  1342'»;  'das  schiff  gründet, 
wenn  es  den  boden  berührC  Kltjgb  seemannsspr.  337;  der 
sack  {des  netzes)  gründet  600  maschen  tief  bei  Stattb- 
ToBliEB  2,  777; 

wo  die  wracke  liegen,  wo  das  blei  nicht  gründet 

Frbiligrath  get.  dicht.  5,  61. 

2)  deuMich  aus  1  entwickelt  ist  eine  specieU  nautische  Ver- 
wendung 'den  grund,  die  wassertiefe  von  oben  her  mit  einem 
instrument  untersuchen  bzw.  feststellen',  entweder  um  mit 
dem  schiff  nicht  aufzulaufen  oder  überhaupt  tiefenmessun- 
gen  vorzunehmen;  vermutlich  älter  als  das  breitere  auftreten 
im  älteren  nhd.  erkennen  läszt;  gronden,  gronderen  con- 
tari,  explorare  profunditatem,  scrutari  fundum  Kilian 
163'»;  vgl.  gründen  fundum  attingere,  tentare  vadum,  ex- 
plorare profunditatem  Henisch  1766;  das  wasser  mit 
einem  Stachel  gr.  oder  grund  suchen  contari  Frisiits  323*» ; 
dat  is  tmeeste  dat  men  sal  gronden  minnen  loep  1, 1720 
Leendertz;  wie  kluge  schiffer,  die,  ehe  sie  zufahren,  erst- 
lich wohl  gr.  Menantes  neu^  br.  (1723)  284;  die  weil  auch 
das  wasser  in  der  mitte  tief  und  mit  denen  bäumen  nicht 
zu  gr.  W.  DnJOH  ungar.  chron.  (1606)  255;  sintemal  man 
mit  einem  seyl  von  zehen  klafter  nicht  gr.  konte  Ens 
ostind.  lustgart  (1618)  1,  201;  man  {kann)  es  {das  caspische 
meer)  auf  60  oder  70  faden  nicht  gr,  A.  Oleaetos  persian. 
reisebeschr.  213; 

{du,  gott)  gründst  dess  tiefen  meeres  gnmd 

Paui.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,  311; 

gr.  tiefenuntersuchung  'längs  den  deichen'  Bekzleb  deich- 
bau  1, 179;  einige  haben  .  . .  vorgehabt,  das  wasser  zu  gr. 
und  ein  seil  eingelassen  be.  Geimm  dtsche  sagen  1,  86; 
sprichwörtlich;  kein  wasser  ist  so  tief,  es  stehet  zu  gr. 
Lehmann  fioril.  polit.  (1662)  3, 177;  besonders  im  17.  jh. 
in  bildhafter  rede  beliebt: 

die  begierd  und  böse  lust  ist  ein  brunnquell  kaum  zu  gründen 
Neumark  fortgepfl.  musik.-poet.  lustw.  8,  62; 

er  (der  geist)  gründet  ohne  blei  die  tiefen  tiefer  Süsse 

Lohenstein  hyacinthen  25; 


777 


GRÜNDEN  I  A  2.  3 


GRÜNDEN  I  A  3 


778 


sein  loth  ist  der  verstand,  damit  er  weisz  zu  gründen 
HOFMANNSWAliDATJ  geütl.  odeti  u.  verm.  ged.  (1700)  29 ; 

anders:  es  ist  nichts  darinn  {im  ehestand)  zu  finden,  zu 
gr.  als  trübes  wasser  Abr.  a  s.  Claba  Judas  l,  20;  mehr   j 
an  grund  I A  2  schlieszt  sich  eine  nur  gdegenüiche  verwen-   • 
düng  im  ainne  'auf  den  grund  gehen': 

•wann  man  zu  tief  gründen  will, 
80  macht  man  trüb  das  wasser  still 

Fischakt  EtUenspiegel  1278  F.; 

ähnlich  obscön  Garg.  384  ndr.  vgl.  th.  4,  l,  ö63;  entsprechend  ' 

bildlich:  denn  je  tiefer  man  gründet,  desto  mehr  überein-  1 

Stimmung . . .  wird  man  allenthalben  finden  Jung  Stuxeng  | 

w.  3, 642 Gr.;  vereinzelt  ah  verbale  wendung  von  grund  IE:  [ 

und  gründend  süsziglicb  mit  aug  und  mund  sein  bertz         \ 
Wbckheeiin  ged.  2,  359  F.; 

dann  vor  allem  in  einer  bereits  alten  Verwendung,  wo  der 
bildcharakter  überall  deutlich  spürbar  bleibt  'ergründen,  er- 
messen, erschöpfen',  mit  Vorliebe  in  negativer  formulierung 
wie  'unergründlich,  unermesdich  sein"  gebraucht,  vgl,  in-  i 
exhaustv^  das  nicht  zu  gr.,  zu  erschepfen  ...  ist  B.  Fabeb  j 
thes.  (1687)  376'';  besonders  von  gott  und  seinen  eigen- 
achaflen  vgl.  Vebwus-Veedam  2,  2167;  1 

ich  gelob,  din  lob  kein  menschlich  sinn  nicht  gründe 

H.  V.  MONTPOKT  30,  32  B.;    ; 

und  wi  dasselb  {das  ausschöpfen  des  meeret)  ist  nnverpracht,    [ 

vil  minder  gründ  wir  gottes  macht  ! 

J.  V.  SCHWARTZENBEKQ  teulsch  Ctcefo  128»;    j 

lasz  sehen,  dasz  bey  dir  die  gute  nicht  zu  gründen 

Netjmark  fortgepfl.  musik.-poet.  lustw.  2,  5 ; 

tgl.  Opitz  bei  Adelung  (1775)  2,  826;  doch  auch  in  all- 
gemeineren beziehungen:  der  mordige  schade,  der  dannan 
abekumet,  der  ist  mit  ze  gründende  Tauleb  pred.  297  F.; 

neyn  herte  kan  to  vullen  gründen 
de  vroude,  de  dar  is  to  allen  stunden 

harteb.  189/.  6»  bei  Schillbr-LÜbben  2,168»; 

o  reiche  Wissenschaft  I  wer  kan  die  Weisheit  gründen 
durch  die  man  gott  recht  kent? 

Gryphius  sonn-  u.  feiertagsson.  43  W.; 

was  hilfet  aller  schätz, 
so  nicht  zu  gründen? 

ollapatrida  174  Wiener  ndr.; 

vergleichbar  ist  ganz  selten  auftretendes  concretes  gr.  im 
sinne  'bis  auf  den  grund  erschöpfen,  ausleeren' :  das  er  die 
{die  lection)  nicht  im  schulsack  verligen  liesz.  da  reci- 
tiert  ers  auswendig:  gosz,  gründet  und  gab  Fischabt 
Garg.  274  ndr.; 

schlucken  on  stucken  und  scblinden  on  gründen 

fiöhhatz  71  ndr.; 

vgl.  den  kelck  .  . .  gronden  {austrinken)  ndl.  wb.  5,  986 ; 
vgl.  auch  gründen  'bis  auf  den  grund  räumen'  Staub - 
Tobleb  2,  777;  mit  verblassen  der  von  grund  'wassertiefe' 
hergeleiteten  ausgangsbedeuiung  auch  allgemein  'die  tiefe 
untersuchen':  instrument,  die  wunden  zu  gr.  stromento  da 
chirurgico  per  tastare  le  piaghe  Hulsius  dict.  (1618)  2, 
407*»;  ähnlich  schon  älter  =  'untersuchen' :  {Jesus)  biet  hem 
( Thomas)  dat  hi  se  {die  wunden)  soude  gronden  ende  mit 
vingeren  tasten  lucidar.  2061  bei  Vebwus-Veedam  2, 2167; 
anders  specialisiert  'tief  eindringen' : 

.  .  .  der  Stachel,  der  am  tiefsten  gründet, 
ist  liebe,  die  nicht  gegenliebe  findet 

Grillparzer  «.  w.  11, 133  S.; 

gelegentlich  mit  anlehnung  an  grund  11  'erdboden':  die 
tiefen  der  erde  durchsuchen  {vgl.  gründein) :  wüste  jemand 
ein  vergrabenen  schätz  in  seinem  haus,  er  würde  tag 
und  nacht  graben  und  gr.  Dannhaueb  catechism.  milch 
(1657)  8,  53;  eivxis  anders:  die  im  bergwerck  graben  wer- 
den meh  stein  finden  dann  gelt  gr.  {'ausgraben')  Fischabt 
praktik  25  ndr.;  vgl. 

. . .  wir  (teuiel)  haben  noch  dabinden 

das    hauptgehürn,  {die   papstkrone)  darnach    wir   gründen 

{'suchen,  trachten)  Jesuiterhütl.  300  H. 

8)  concretes  gr.  ist  bereits  bei  Notkeb  zu  übertragenem 
gebrauch  für  die  function  des  denkenden  geistes  eniun  ekelt 
und  zwar  anscheinend  schon  in  doppelter  richtung  wie  im 


späteren  mhd.  und  im  älteren  nhd.  bis  in  das  17/18.  jh. 
hinein,  wo  es  dann  endgültig  von  ergründen  verdrängt 
unrd;  Kbameb  teutsch-ital.  verzeichne  gr.  nicht  mehr  in 
den  folg.  Verwendungen. 

a)  einem  ding  {einer  frage,  einem  problem)  auf  den  grund 
kommen  {vgl.  grund  I  D  2),  e«  erkennen,  verstehen:  tes  ist 
alles  Mercurius  underchleine,  uuanda  sermo  gründet  taz 
al  {vgl.  im  lat.  text  kurz  vorher:  hie  . . .  potest  noscere) 
Notkeb  l,  765  P.,  vgl.  ähnliches  ergrunden  bei  Notkeb 
Gbaff  4,  332;  dann  in  der  spräche  der  deutschen  mystik 
wieder  auflebend:  ich  lais  in  einem  buchelin,  der  ez  gronde 
konde,  daz  got  die  werlint  izunt  machit  alse  an  deme 
ersten  tage  paradis.  anim.  int.  15  Str.;  were  iht  in  gote, 
daz  creatüre  gr.  möhte,  s6  neme  öwekeit  ende  m,yst.  2, 648 
Pf.;  nicht  selten  in  bezug  auf  die  bibd:  und  an  dem  ende 
der  geschrift,  als  man  sie  gr.  wil,  so  spottet  si  wiser  liute 
2,  331 ;  überhaupt  ist  die  religiöse  Sphäre  das  hauptfeld  für 
diese  bedeutung;  sehr  gern  negaiiv  verwendet: 

{die  heilige  schrill)  die  alle  kunst  für  driffte 
und  nymant  gründen  mag 

Hans  Folz  meisterlieder  218  M.; 

ich  glob,  es  {die  plagen)  kom  von  Sünden, 
wir  tuond  es  als  nit  gründen  . . . 

H.  V.  MONTPOET  6, 140  B.; 

{doch  auch  positiv:  daz  tuet  sich  sicher  gr.  32,  71  u.  38, 128) 
fides  autem  tarn  fortis,  qui  videt  etwas,  das  nymant 
gründen  khan  Lutheb  17,  i,  323  W.;  darumb  sind  die 
wort  so  tief  das  sie  nicht  zu  gr.  sind  24,  394;  stück  des 
glaubens  . . .,  die  nit  zu  rütlen  oder  gnmden  seind  Karst- 
hans  in  Hütten  4,  637  B.; 

kein  fantasey  soll  haben  statt 
zu  gründen  gottes  heimllcbkeit 

Jon.  V.  SCHWARZBNBBRG  trostspr.  33  ndr. 

im  16.  jh.  auszerordentlich  beliebt;  ähnlich  noch  im  17. : 
gottes  werke  sind  von  menschen  nicht  zu  gr.  J.  Rist  par- 
nasz  180;  der  eitele  vemunftgeist  kan  disz  nicht  gr.  noch 
ergreifen  A.  v.  Feanokenbebg  nosce  te  ipsum  (1676)  26; 
auszerhalb  dieser  sphäre  gewöhnlich  positiv:  hy  bi  moghe 
ghi  merken  unde  gründen  spieghd  d.  leyen  10  *>  nach 
ScBOLLEB-LÜBBEN  2, 158*;  Wollend  wir  vorhin  eigen- 
schalt der  sach  gr.  und  ufmerken  Riedebeb  rhetorie 
(1493)  a  6»; 

der  ursacb  weisz  nyeman  gentzilch, 
je  mer  man  die  zu  gründen  gärt 
je  mynder  man  dar  von  erfärt 

Brant  narrensch.  58  Z.; 

inn  solcher  seiner  {Petrarcas)  poesia  {ist)  so  ein  herrlicher 
schätz  von  tugenten  verborgen,  dasz  der,  welcher  es  liset 
und  gr.  will,  je  lenger  je  mehr  tief  verstendiger  . . . 
materien  darinnen  findet  D.  Fedebmann  sechs  triumph 
(1578)  vorr.  3*;  siehe!  abermahl  gründest  du  geheimnuase 
J.  Pbätobius  glückstopf  {166Q)  25;  später  nur  noch  in  ge- 
legentlicher poetischer  Verwendung: 

Bind  gleich  männer  schwer  zu  gründen 

G.  Stephanie  s.  xingsp.  326. 

fälle  wie  die  folgenden  stehen  schon  auf  der  grenze  zu  b: 

denn  du  gerechter  gott  aliein 
kanst  hertz  und  niern  im  menschen  gründen 
Ulenbeeg  ps.  Davids  (1582)  b.  Kehrein  kirchenlied.  3, 122; 

so  lauf  nun  vor  mir  hin  und  gründe  recht  die  herzen 
HOFFMAKNSWALDAU  in:  Zweite  schles.  schule  1, 1001  dnl. 

ähnlich  ist  wohl  auch  zu  verstehen: 

gründe  meine  wort, 
jungkhfrewlin  zart, 
dieweil  ich  dich  mues  meiden 
Volks-  u.  gesellschaftsl.  d.  15. /16.  jh.s  65  Kopp. 

b)  verwandt  und  doch  fühlbar  unterschieden  ist  eine  an- 
wendung,  bei  der  die  bedeutung  'den  grund  zu  erreichen  stechen, 
die  tiefe  erforschen,  messend  untersuchen'  ins  geistige  ge- 
wendet ist:  'nachgrübeln,  nachsinnen',  und  zwar  nicht  selten 
im  hinblick  auf  ein  nicht  erreichbares  resvltat,  vgl.  durch- 
gründen, ausgründen;  in  diesem  sinne  bereits  bei  Notkeb: 
to  ih  tir  half  crunden  tia  tougeni  dero  natura  cum  rimarer 
tecum  secreta  natura  1,  24;  vgl.  uueliu  anderiu  uuas  noh 


779 


GRÜNDEN  I  A  3 


GRÜNDEN  IB.  II  A 


780 


quon  tages  unde  nahtes  crunden  himel  unde  mere  unde 
hella  qu<;  aviem  noctibus  universis  celum  freta  tartarumque 
discutere  1,  729,  wo  die  concreie  bedeutung  noch  deutlicher 
durchschimmert;  vgl.  (ein  wise  dierna)  turhcrundende  touge- 
niu  ding  1,  715;  ich  lian  gesprochen  von  einer  kraft  in 
der  sele  . .  .,  si  ennimt  in  {goU)  ouch  niht  als  er  wärheit 
ist:  si  gründet  unde  suochet  vort  unde  nimt  got  in  siner 
einunge  myst.  2,  266  Pf.;  soo  sy  meer  begheren  ende  ghe- 
lusten,  soeken  ende  gronden  Ruysbroek  3,  184  bei  Veb- 
wus-Vbedam  2,  2168;  vgl.  in  nuwen  vraghene  . . .  ende 
in  nuwen  grondene  nova  perveatigatione  inquirit  2,  2167; 

man  wirt  disen  handel  grinden 
und  suchen  nach  und  weit 
reimchron.  über  herz.  Ulrich  (1534)  157  bei  FlSCHBR  schtoäb. 

3,876; 
solchs  wird  ein  jeder  war  befinden, 
wer  nur  nachtrachten  wil  und  gründen 

Fischakt  st.  Dominici  . .  .  leben  v.  676  Kurz; 

von  hier  aus  zu  verstehen  als  'nachforschend  ersinnend 
d.  Faustus  gedachte  ihme  hin  und  wider  nach,  wie  aller 
gottlosen  hertzen  nichts  guts  gr.  können  volksb.  v.  dr. 
Faust  26  Br,;  noch  Henisch  verzeichnet:  gr.,  auszgründen, 
durchgründen  perscrutari,  perquirere,  pervestigare  1765; 
ganz  selten  in  neuerer  spräche: 

dein  äuge  wird  ihn  (<2en  beweis)  ohne  gründen 
in  der  beyden  scelen  ausblick  finden 

Blümaübe  ged.  (1782)  173; 

Geigers  werke  wirken  .  .  .  anregend,  weiter  zu  dichten 
und  zu  gr.  Stitteii  s.  w,  14, 154;  gern  mit  adverbialen  be- 
stimmungen  verbunden;  noch  auf  der  linie  der  ursprüng- 
lich bildhaften  Vorstellung  liegt  tief: 

deshalb  gepeut  er  im  ein  zeyt 
nachzulossen,  er  gründ  zu  tlff 

Hans  Folz  meisterlieder  45  M.; 

gelegentlich  lehnt  sich  aber  dieses  gr.  'attf  den  grund  zu 
kommen  suchen*  fühlbar  an  grund  II  'erdboden'  an  und 
erhält  den  beisinn  Hief  eindringen'  (vgl.  gr.  =  graben 
sp.  777):  die  andern  alten  lerer  gr.  nit  so  tief  hinein  uf 
den  kernen  und  bleiben  auswendig  an  den  rinden  Kei- 
SEESBERG  seelcnparod.  \0^^•,  ein  angefochtener  mensch 
gründet  und  grübelt  so  tief,  das  er  sich  kaum  wider  er- 
holen kan  Petri  d.  Dtschen  weiszh.  1,  B  7r;  völlig  verblaszt 
ist  der  bildliche  Ursprung  bei  der  Verbindung  mit  hoch: 

es  ist  nit  gut, 

wer  zu  hoch  grind  (a.  d.  14.  jh.) 

Wackbknagel  kirchenl.  2,  272  •>; 

dieweil  ir  (Musen)  selbst  seit  so  gesinnt, 
dasz  ir  nicht  zu  hoch  tracht  und  gründt 

Fischart  Eulenspiegel  9,  224  H.; 

imd  ob  ich  zwar  hoch  und  tief  gründe  \md  es  (mein 
schreiben)  ganz  helle  werde  darstellen  Jac.  Böhme  sehr. 
4,  5;  ähnlich  bei  weit: 

in  summa,  was  darf  man  gründen  wyt? 
beschouw  man  die  gegenwirtig  zyt  . . . 

H.  R.  Manuel  d.  weinspiel  v,  4147  ndr.; 

so  weit  mustu  gr.  und  erfahren,  das  du  wissest,  das  du 
in  der  hand  ein  sulphur  habest  Paracelsus  op.  (1616) 
1,  26  H.,  vgl.  2,  16;  auch  mit  präpositionen;  am  häufigsten 
steht  nach,  vgl.  nachgründen  th.  7,  66,  wozu  auch  nahen 
gr.  bei  Frisius  518 1»,  Maaler  302'»'  gehört; 

furbas  du  weyter  gründe 
nach  dem  selpad  (seelenbad) 

Hans  Folz  meisterlieder  47  M.; 

vgrZ.  Verwijs -Veedam  2,2167; 

(ein  mann)  sich  dasz  nit  verführen  lasz, 
sonder  gründ  nach  der  warheit  basz 

J.  Ayeee  2, 1301  K.; 

seltener  auf :  z  vil  gr.  uf  gott  bringt  irrung  vil  J.  Ruff 
Etter  Heini  711  K.;  ähnlich: 

all  weit  letz  und  dar  uf  gründt, 
all  jar  zu  wissen  künftig  ding 

P.  Genqenbach  163  ö.; 

c)  nur  in  älterer  spräche  schwach  bezeugt,  aber  deutlich 
als  sonderentwicMung  zu  erkennen,  ist  eine  bedevlung,  die 
a  näher  verwandt,  von  'einer  suche  auf  den  grund  gehen, 
ergründen'  sich  herleitend,  den  sinn  'ein  ergründetes  dar- 


legen, etwas  bis  auf  den  grund  erforschtes  kundgeben^  dann 
geradezu  'gründlich  erörtern^  annimmt;  in  mhd.  zeit  fast 
ganz  auf  md.  denkmäler  beschränkt:  daz  ih  tir  eteuuaz 
crunde  des  kotelichen  dinges  ut  pauca  de  divina  pro- 
funditate  perstringam  Notker  bei  Grapf  4,  332; 

ich  wil  dir  die  rehten  wftrheit  gründen 

Lohengrin  1086; 

ich  man  dichs,  herre,  sit  daz  Ezechi^les  tür 
dir  goffent  wart;  niht  vürbaz  ich  dirz  gründe. 

Wartburghr.  139, 10; 

sal  ich  (Ecclesia)  uwer  (der  Juden)  bosheit  basz  gründen, 
so  wel  ich  uwer  aide  ee  vorblinden 

Alsfelder  passiomsp.  4641  Or. 

B.  gr.  als  intransitivum  'grund  haben*,  vor  allem  in  dem 
zweifellos  recht  alten  Sprichwort:  stüle  wasser  gr.  tief 
Lehmann  floril.  polit.  (1662)  3,  320;  so  bereits  mhd.: 

daz  (die  ketzerei)  ist  ein  sünde,  diu  so  tiefe  gründet, 
daz  8i  mit  Sünden  nieman  übersündet 

Reinmae  V.  Zweier  88,  7; 

in  jüngerer  spräche  gelegentlich  neu  geschaffen:  die  deut- 
sche politische  langsamkeit  gründet  indesz  im  frieden  tief 
und  läszt  (wie  der  Seineflusz)  fruchtbarkeit  nach  Jean 
Paul  35,  28  H.;  dasz  in  diesem  gebiete  sich  immer  tiefere 
tiefen  austiefen  und  unter  dem  abgrunde  der  abgrund 
gründet  Immermann  2,  148  B. 

n.  die  im  nhd.  breiter  entfalteten  bedeutungen  von  gr. 
I  ruhen  auf  einer  kaum  vor  dem  jüngeren  mhd.  vollzogenen 
ableitung  des  verbs  aus  grund  IV  'basis,  fundamenturn' 
(vgl.  sp.  702^.);  zunächst  wie  lat.  fundare  'etw.  mit  einem 
fundament  versehen';  den  begriff sinhalten  von  fundare  ent- 
sprechen im  ahd.  andere  verba  z.  b.  bei  Notker:  grunt- 
sellon  (Graff  4,  331);  statton  2,  538  Pf;  kefundamenton 
2,  368;  gefestonon  2,  434;  im  Tatian:  gifestinon  43,  1  S.; 
am  nächsten  liegt  Notkers  ergruntin  fundati  Graff  4, 
332,  ist  aber  wohl  auch  nur  eine  bildung  ad  hoc;  für  das 
mhd.  s.  grundvesten,  grund vestigen ;  noch  im  15.  jh.  ist 
gr.  ungeläufig  vgl.  Diefenbaoh  252*,  verbreitet  sich  aber 
stark  im  16.  jh.,  zumal  Luther  es  sichtlich  liebt;  vereinzelt 
bereits  in  der  mystik  gebildet,  vgl.  myatiker  2,  501  Pf.  (s.  u. 
B  2  b);  disiu  einikeit  (gottes)  ist  äne  grünt,  mer:  si  gründet 
sich  selben  2,  625;  vielleicht  dem  übersetzten  fundare  nach- 
gebildet bei  JoH.  V.  Neumaekt  buch  d.  liebkosung  39  u. 
165  Kl. 

A.  in  breitester  Verwendung,  in  der  regel  transitiv:  'ein 
ding  mit  einem  fundament,  einer  festen  basis  versehen, 
worauf  es  ruhen  kann';  dann  'das  fundament  legen;  die 
grundlage  schaffen'  (vgl.  grund  IV  A  3  b);  gr.  in  fester  Ver- 
bindung mit  den  präpositionen  auf  und  in  s.  unten  B  und  C. 
1)  concret,  im  eigentlichen  sinne  auf  körperliche  massen 
angewendet;  ähnliches  bereits  in  der  mystik  (s.  oben),  ver- 
gleichbar im  15.  jh.  gr.  'festen  grund  legen,  festen  boden  im 
wasser  herstdlen' :  wenn  dann  ist,  das  der  stat  paumeister 
Kornperckstein  bedarf  quaders  grösz  zu  grünten  in  das 
wasser  oder  sunst  zu  pawen  E.  Tücher  baumeisterb.  84  L.; 
das  der  Löffler  dann  die  klein  stein  ...  an  die  selben  ent 
für  und  die  einriett  (die  stellen,  an  denen  man  in  das 
wasser  einreitet)  damit  erheb  und  gründt  251;  vgl.  fundo, 
firmo,  solido,  stabilio  ich  gründ  Alberus  q  2''. 

a)  seit  dem  16.  jh.,  aber  selten  im  eigevilich  bautech- 
nischen sinne  wie  in  neuerer  spräche:  gr.  oder  funda- 
mentieren,  das  fundament  eines  gebäudes  anfertigen 
Helfft  wb.  d.  landbauk.  162;  vom  tage  an,  da  des  herrn 
haus  gegründet  ward  bis  ers  volendet,  das  des  herrn  haus 
gantz  bereit  ward  2.  chron.  8,  16;  vgl.  Sacharja  4,  9;  der 
thurn  desz  münsters  ist  gründt  und  angfangen  worden 
anno  1305  Seb.  Franck  chron.  Oerm.  (1538)  281»';  in  beiden 
fällen  kreuzt  deutlich  bereits  die  Vorstellung  'durch  legung 
der  fundamente  den  bau  beginnen"  hinein;  so  meist  auch 
späterhin,  vielfach  bildlich: 

seit  dasz  wir  .  . . 

unsrer  freundschaft  bau  gegründet 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  204; 


vgl. 


(heiige  Ordnung,)  die  der  städte  bau  gegründet 

Schiller  11,  316  £?.; 


781 


GRÜNDEN  II  A  i 


GRÜNDEN  II  A  2 


782 


altes  fundament  ehrt  man,  darf  aber  das  recht  nicht  auf- 
geben, irgendwo  vdeder  einmal  von  vom  zu  gr.  Göthb  II 
11,  124  W.;  hiernach  findet  er  sich  wieder  hier  in  ge- 
wohnter thätigkeit,  gründet,  baut,  vollendet  IV  87, 
264;  was  an  dem  astronomischen  bau  schon  geleistet, 
was  gegründet,  was  ausgeführt  II  3,  249,  vgl.  I  20,  Ö6; 
stahl  musz  das  Werkzeug  seyn,  mit  dem  ich  gr.  und  bauen 
kann  malbb  Müller  w.  3,  58. 

b)  in  anderer  weise  erweitert  gr.  seinen  vorstdlunga- 
inhalt,  wenn  es  auszer  dem  legen  der  fundamente  auch  das 
errichten  des  gebäudes  einhegreiß,  nicht  selten  in  poetischer 
spräche  geradezu  bauen  vertritt:  das  man  sage  zu  Jerusa- 
lem: sey  gebawet,  und  zum  tempel:  sey  gegründet 
Jesaia  44,  28; 

viel  haben  ihre  lust  an  köstlichen  pallästen 

gantz  königlich  gemacht,  vil  gründen  starcke  festen 

Opitz  teutsche  poem.  231  ruir,; 

das  haus  der  freiheit  hat  uns  gott  gegründet 

SOHiLLEK  14,  290  a.; 

besonders  tritt  öfter  der  begriff  des  featigens,  gefestigt  seine 
hinzu  {vgl.  gr.  in  II  C) : 

viel  häuszlein  auf  dasz  best   .  .  . 
Bie  da  dann  gründen  fest 

Speb  trutztiacht.  (1649)  133; 

zu  meiner  hohen,  mit  erz  gegründeten  wohnimg 

J.  H.  Vosz  Od.  233  B.; 
vergleichbar: 

hast  du  ein  gegründet  haua 

fleh  die  götter  alle, 

dasz  es,  bis  man  dich  trägt  hinaus, 

nicht  zu  Schutt  zerfalle  Göthe  16,  371  W. 

c)  auch  neben  anderen  concretis  verblaszt  die  Vorstellung 
des  fundamentierens  zugunsten  der  des  herstellens  und 
Setzens,  doch  bleibt  der  gedanke  an  das  auf  feste  fundamente 
legen  mehr  oder  minder  erhalten;  so  vor  allem  in  der  formet 
die  erde  gr. :  dennoch  hestu  di  erd  niht  noch  di  berg 
gegründet  {adhuc  terram  non  f teeras  nee  morUes  funda- 
veras)  JoH.  v.  Neumarkt  buch  der  liebhosung  39  KL;  wo 
warestu,  da  ich  die  erden  gründet?  Hiob  38,  4;  da  die 
fundamente  der  erden  gelegt  wurden  oder,  dasz  ichs  deut- 
licher sage,  da  das  ertreich  gegründet  ward  theair.  diabol. 
(1569)  14*';  steme  hat  er  bereitet  ...,  das  ungemässne 
meer  und  den  weitumpfalten  erdboden  gegründet  Habs- 
DÖKFER  secretar.  (1656^.)  2, 164; 

denn  er  {Jehova)  ist«,  der  ihn  (den  vieUhrei»)  über  meere 

gegründet, 
ihn  über  fluthen  bevestiget  hat  Heedee  12,  215  S.; 

ähnlich:  so  können  wir  . . .  nit  wissen,  was  gestalt  und 
weisz  die  helle  {hölle)  erschafEen  ist,  noch  wie  sie  von  gott 
gegründet  und  erbauwet  seye  volksb.  v.  dr.  Faust  28 
Braune;  in  diesem  sinne  von  allem  was  gebaut  wird:  gr., 
eine  mauer  Uablir  un  mur  Hoyer-Kreuteb  1,  318; 

feste  mauern  will  sie  {Minerva)  gründen, 
jedem  schütz  und  schirm  zu  seyn 

SCHiiiiER  11,  296  G.; 

bildlich:  wo  du  die  Scheidewand  zwischen  tugend  und 
laster  gründetest  Tieck  sehr.  8,  10; 

du  eile  dich,  das  bald  dein  heer  die  dämme, 
die  einst  Domitius  gründete,  betritt 

rouQTTÄ  altsächs.  bildersaal  1,  130; 

dasz  ich  dies  denkmal  gründend 
für  Teutschland  viel  gethan 

Hoffmann  v.  Falleesieben  ges.  sehr.  4,  239 ; 

d)  etwas  anders  'als  fundament  setzen,  als  basis  auf- 
stellen^ : 

die  warheyt  an  den  pabst  zu  binden 
und  ihn  als  eyn  ecksteyn  zu  gründen 

Fischart  jesuüerhütl.  v.  918  H.; 

wohi  im  anschlusz  an  Matth.  16, 18;  vgl.  ich  lege  . . .  einen 
grundstein,  einen  bewerten  stein,  einen  köstlichen  eck- 
stein,  der  wohl  gegründet  ist  Jesaia  28,  16;  ähnlich:  wir 
gr.  diesen  stein  für  ewig,  zur  Sicherung  des  längsten 
genusses  der  gegenwärtigen  . . .  besitzer  dieses  hauses 
Göthe  20, 100  W.; 

einen  stein  sie  richten  und  gründen, 
daran  sich  wieder  zu  finden 

UhIiAND  ged.  1,  400  krit.  ausg.; 


auf  gleicher  linie  liegt  übertragen  gebrauchtes  ein  funda- 
ment gr. :  so  will  ich  . . .  zuvor  die  helle  und  ir  substantz 
ansehen  und  wie  sie  von  gottes  zom  erschaffen  ist  . . ., 
ob  wir  auch  etliche  fundamenta  gr.  kündten  volksb.  v. 
dr.  Faust  39  Br.;  vgl.  ein  schön  und  recht  gegründ  fun- 
dament, recht  nach  dem  gesange  und  den  noten  zu  lernen 
Ageicola  musica  instr.  deudsch  11 E.; 

die  Schrift  allein  das  fundament 
der  Seligkeit  hat  fest  gegrUndt 

J.  Oesäus  nomend.  meth.  (1623)  273; 

ähnlich  auch:  die  pyramide  meines  daseyns,  deren  basis 
mir  angegeben  und  gegründet  ist  Göthe  IV  4,  299  W,; 
anders: 

so  grünt  der  nesselstrauch,  der  gründet  seinen  fusz 
und  last  den  scharfen  brand  durch  keine  macht  vertreiben 
Che.  Weise  d.  grün.  jug.  überfl.  ged.  2  ndr.; 

ich  wil  meinen  matten  fusz  bey  den  Tyrigeten  gründen 
Neumakk  neuspr.  tetUsche  palmb.  348. 

e)  wenig  häufig,  aber  durchaus  möglich  ist  ein  gebrauch, 
bei  dem  der  grund  als  subject  gedacht  wird,  gr.  für  'den 
grund,  die  grundlage  bilden'  eintritt,  z.  b.  ein  betonblock 
gründet  das  hochhaus;  so,  meist  poetisch,  auch  in  älterer 
spräche  vereinzelt  zu  belegen: 

die  magnetische  kraft  wird  merklich  gespübret 
von  dem  mlttelpunkt,  der  den  erdenkreys  gründet 

Neumark  neuspr.  teutsche  palmb.  73; 

ich  . . .  legte  ihn  (den  brief)  ...  als  den  ersten  weg,  der 
ein  ganzes  paquet  gr.  soll  W.  v.  BxjRasDORF  br.  14  O.; 
bildlich:  dieser  wahn,  er  sey  falsch  oder  nicht,  gründet 
unsre  glükkseligkeit  Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp. 
6, 119; 

f )  reflexive  Verwendung,  die  bei  präpositionaler  fügung 
geläufig  ist  {s.  u.  II  B  1  b),  bleibt  bei  absolutem  gebrauch 
selten: 

hie  wird  mein  sitz  sich  gründen, 

hie  bleib  Ich  fort  und  fort  S.  Dach  130  ö.; 

die  hoflnung,  die  so  tief  sich  gründet, 
baut  auf  den  grund,  den  nichts  umreist 

Gryphius  ged.  498  Palm; 

ähnlich  bereits  im  16.  jh. :  das  er  sich  gründet  und  mich 
stortzet,  so  ich  doch  auf  der  schläft  stehe  imd  bleybe 
Luther  10,  2,  250  W.;  vgl.  auch: 

der  grund,  da  ich  mich  gründe 
Ist  Christus  und  sein  blut 

P.  Gerhard  bei  Fischer-Tümpel  3,  387  »>; 

2)  früh  entwickelt,  in  älterer  und  neuerer  spräche  den 
concreten  gebrauch  an  häufigkeit  der  anwendung  weit  über- 
treffend, sind  die  übertragenen  bedeutungen;  sie  bilden  sich 
aus  den  concreten  unter  besonderer  betonung  zweier  haupt- 
gesichtspunkte;  einmal  unrd  das  'schaffen  einer  grundlage', 
ohne  die  eine  erscheinung  nicht  vorhanden,  gesichert  oder 
berechtigt  ist,  zum  bestimmenden  bedeutungsinhalt  oder 
zweitens  das  'ins  werk  setzen,  einrichten,  anfangen'  über- 
haupt {s.  u.  3). 

a)  vielfach  ganz  allgemein  'eine  grundlage  geben'  neben, 
inconcretis;  der  sinnliche  ausgangspunkt  bleibt  häufle  in 
adverbialen  zzisätzen  oder  parallelen  verben  sichtbar:  leute, 
die  den  glauben  solten  legen  und  gründen  Luther  14, 
25  W.;  liebhaberei  führt  zu  solchen  Unternehmungen, 
kenntnisz  gründet  imd  befestigt  sie  Göthe  47,  366  W.; 
eine  solche  Sammlung  {von  kunstwerken)  .  . .  gründet  das 
gespräch,  indem  sie  es  belebt  49, 1, 250  W.;  ähnlich:  er  ist 
eine  von  den  gründenden  naturen  IV  19,  2;  oft  in  passi- 
visch'perfectischer  wendung  'durch  die  grundlage  sicher,  ge- 
sichert sein' :  aber  es  (das  buch)  ist  dermaszen  gegründet, 
dasz  sie  es  wol  müssen  ungefressen  lassen  Niqrinus 
papist.  inquis.  513;  die  alten  lerer  haben  vü  loblicher, 
gegründter  büechem  hinder  inen  verlassen  (v.  j.  1525)  nach 
Staub-Tobler  2,  778;  selten  mit  persönl.  subject  und  gen. 
der  Sachbeziehung:  er  ist  diser  sach  gantz  nicht  gegründet 
ntdlam  justam  causam  habet  Hejosoh  1765; 

nein,  herr,  ein  solcher  bist  du  nicht, 
desz  ist  mein  hertz  gegründet 

P.  Gerhard  bei  FiscHSR-TüMPHt  3,  392  »>; 


783 


GRÜNDEN  II  A  2 


GRÜNDEN  II  A  2 


784 


oß  zum  adj.  erstarrt: 

wie  ist  sie  {die  welCi  seit  meiner  priestersclrnft 
erst  wünschenswert,  gegründet,  dauerliaft 

GÖTHB  15,  85  W.; 

bei  einem  gegründeten  reichthum  24,  91;  so  seit  alters 
in  bezug  auf  geistiges  können  'gut  fundamentieri' :  ohne 
solche  gegrünte  rechenkunst  L.  Erckeb  miner.  ertzt  (1580) 
2»;  ein  gegründet  wissen  Gottsched  ged.  (1751)  1,  488; 
zusammenhängendes  wissen,  gegründete  gelehrsamkeit 
GöTHB  IV  31,  236  W.;  gern  mit  adverbien  verbunden:  tief: 
o  Belial,  wie  tief  gegründet  ist  dein  erf ahrenheit  Aybeb 
hist.  proc.  juris  5;  wie  tief  bey  den  römischen  Juristen 
diese  gemeinschaft  des  wissenschaftlichen  besitzes  ge- 
gründet ist,  zeigt  sich  auch  darin  v.  Savigny  v.  beruf  uns. 
zeit.  29;  namentlich  aber  fest: 

dein  gir  soll  vestlich  sein  gegründt, 
genäg  zetbün  ümb  alle  sOnd 

J.  V.  SCHWABZBNBKEa  d.  Uutsch  Cicero  (1535)  114; 

. . .  dasz  es  (dein  wort)  von  dir,  mit  dir, 
in  alle  ewlgkeit  zu  weliren,  vöst  gegründet 

Wkckhkelin  ged.  1,  386  F.; 

dmm  ist  auch  mein  glaub  als  mauerfest  gegründet 

Nbumark  poet.  u.  mus.  lustw.  34; 

an  dem  rand  der  berge,  wo  sonst  deine  herrschaft  fest 
gegründet  war  G.  Fbeytag  ges.  w.  9,  37;  ein  jähr  hatte 
hingereicht,  sein  vielgefährdetes  königthum  unerschütter- 
lich fest  zu  gr.  Dboysen  gesch.  Alex.  d.  gr.  89;  atich  com- 
parativisch:  durch  welches  Vorspiel . . .,  hoffnung  und  zu- 
trauen fester  gegründet  werden  Göthb  33,  19  W.;  vgl. 

(zeicJien,)  die  seine  zweifei  nur  noch  stärker  gründen 

TiECK  sehr.  (1828)  2,  208; 
sicher: 

ein  gaist,  der  sich  da  flndt  . .. 

ist  sicherlich  gegründet  (kann  »ich  sicher  darauf  verlassen) 

dasz  . . .        BOMPLEB  V.  LÖWKNHAI.T  erst.  geb.  (1647)  145 

mein  friede  ichlen  so  sicher  mir  gegründet 

Schiller  15, 1,  28  G 

früh,  bereits  mit  einfacher  qualitäisbezeichnung  wohl,  gut 

sprach:  unser  glaub  ist  wol  gegründt 

J.  V.  SOHWAEZKNBEES  trostspr.  25  ndr., 

dammb  euch  . . .  not  ist,  davon  a3m  wol  gegrünten  ver^ 
stand  zehaben  Ebebltn  v.  Günzbueo  s.  sehr.  2, 175  ndr. 

durch  diae  zusag  wol  gegründt      Spkbnq  Ilias  175» 

sag,  die  kunst  sey  nicht  wol  gegründet 

Weckhbklin  ged.  1,  274  F. 

die  rechte  wol  solidierte  und  gegründete  fromm-  und 
gottseligkeit  Dannhaueb  catech.  milch  1,  )(  4»;  ganz  ver- 
blaszt  'wohl  beschaffen': 

ein  pensei  so  subtil,  ein  kihl  so  wol  gegründet 

Weckebeiin  2,  279  F.; 

in  neuerer  spräche  meist  zusammengerückt,  vgl.  schon 
Henisoh  wolgegrindte  sach  . . .  solidationes  1765;  (er) 
leistet  als  ein  armer  Privatmann  das,  was  einem  wohl- 
gegründeten Verleger  . . .  ehre  machen  würde  Göthb  46, 
59  W.;  indem  ich  . . .  unser  unternehmen  gut  gegründet 
glaubte,  hoffte  ich  ...  IV  14, 124, 

ß)  in  einer  besonders  in  geistlicher  spräche  entwickelten 
bedeutungsnuance  ist  weniger  der  begriff  'eins  (neue)  grund- 
lage  geben,  etw.  fest  machen'  bestimmend  als  der  des  'festi- 
gens,  fester  machens';  wohl  ausgehend  von  einer  für  gr.  in 
früh  bezeugten  Verwendung  (s.  u.  Gib);  vielfach  in  syn- 
onymischer Verbindung,  so  zuerst  bei  Lutheb:  der  gott  aber 
aller  gnade  . . .  wird  euch  . . .  volbereiten,  kreftigen, 
gründen  1.  Petri  5,  lO;  ...  exempel,  damit  sie  auch 
stercken  und  gründen  yhr  menschenlehre  Lutheb  10, 1, 1, 
578  W.;  der  gute  mann  {ein  geistlicher) . . .  wollte  . .  .  mich 
stärken,  trösten,  befestigen,  gr,  Schubabt  leben  u.  gesinn. 
2,  287;  ähnlich: 

was  einen  dichter  zeugt,  ernähret,  stärket,  gründet 

Gottsched  «er*,  e.  crü.  dichtk.  (1751)  47; 

sie  werden  sich  . . .  freuen,  wenn  sie  diese  ...  so  theure 
Seelen  . . .  aufgemundert,  gegründet  imd  bestärcket  haben 


ZiNZENDOBP  bedencken  u.  bes.  sendschr.  (1784)  68;  aber 
auch  absolvi: 

gründe  die  gedanken 

und  lasz  meinen  schwachen  geist 

hin  und  her  nicht  wanken 

Nettmark  lortgepfl.  mut.-poet.  lustw.  92; 

die  hoffnung  spricht:  Jesus  gründet  mich;  der  glaube 
wanket  nicht  H.Mülleb  erquickst.  (1666)  376;  ihr  werdet 
. . .  sehen,  .  .  .  wie  viel  unschuldige  junge  seelen  er  gr. 
werde  Hippel  lebensläufe  3,  l,  404;  bei  sächlichem  object 
lebendiger  geblieben  als  bei  persönlichem:  das  misztrauen 
. . .  eines  herrschers,  der  seine  schwankende,  junge  regie- 
rung  noch  erst  gr.  muszte  Kxinqee  w.  5,  379;  er  {der 
Wahrheitsgeist)  gründet  aufs  neue  die  bände  des  volks 
mit  dem  fürsten  Bettine  d.  buch  gehört  d.  kön.  l,  282. 

b)  scJion  im  16.  jh.  entfaltet  sich  eine  bedeutung  von  gr., 
die  specifisch  den  bezirk  geistiger  thätigkeit  betreffend  viel- 
fältig nuanciert  von  grund  IV  A  ausgeht  und  früh  von  dem 
abstracten  grund  IV  C  =  ratio,  causa  her  mehr  oder  weniger 
beeinflusse  wird;  bis  in  das  18.  jh.  noch  üblich  wird  es  in 
neuerer  spräche  mehr  und  mehr  von  begründen  verdrängt 
und  hält  sich  heute  nur  noch  in  gewissen  mehr  formelhaften 
Wendungen  {s.  u.  y);  bedeutungsmäszig  entspricht  es  be- 
gründen sowohl  im  sinne  'die  grundlage  einer  thatsache, 
meinung,  lehre,  behauptung,  gefühlsregung  u.  s.  w.  geben 
oder  darlegen'  als  auch  'mit  gründen  versehen,  durch  gründe 
stützen,  beweisen',  vgl.  begründen  argumentis  et  raiionibus 
confirmare  Stieleb  712;  Adelung  (1774)  l,  720  u.  2,  827; 
beide  bedeutungsnuancen  im  einzelnen  falle  zu  unterschei- 
den, widerspräche  ihrer  auch  dem  modernen  empfinden  spür- 
baren verschunsterung. 

a)  etw.  gr.,  activisch  im  wesentlichen  auf  das  16.  jh.  be- 
schränkt, vor  allem  bei  Lutheb  beliebt:  aufs  erst  müssen 
wyr  das  weltlich  recht  und  schwerd  wol  gr.,  das  nicht 
yemand  dran  zweyfel,  es  sey  von  gottis  willen  11,  247  W.; 
oft  mit  sinnähnlichen  verben  verbunden:  wo  sie  {die  pa- 
pisten)  das  wörtlin  'heilige'  finden,  wolten  sie  gerne  der 
heyligen  ehre  und  fürbitt  gr.,  gleych  wie  sie  das  fegefewr 
bestettigen  15, 196  W.;  {der  110.  psalm,)  der  den  artickel 
von  der  person  Christi . . .  gründet  und  bestetigt  41, 80  W.; 
nu  greifet  er  den  artikel  für  sich  selbs  an  zu  gr.  und  zu 
beweisen  36,  523  W.;  allegorien  und  gleichnisse  beweisen 
und  gr.  keinen  articul  desz  glaubens  Schupp  (1663)  sehr. 
827,  vgl.  das  . . .  der  frei  will  durch  die  gnad  nit  auf  ge- 
haben, sunder  gstelt  und  gründet  wirt  Hbdio  christl.  leer 
(1532)  vorr.  3'»;  vielfach  mit  präpositionaler  bestimmung; 
mit:  die  baurschaft  {hat)  . . .  zweLf  artickel  . . .  mit  et- 
lichen Sprüchen  der  schrift  furgenomen  zu  gründen 
Lutheb  18,  291  W.;  vgl.  lo,  3,  409;  geistliche  glüb  seinn 
weder  mit  schrift  noch  mit  bewärlichen  exempeln  ge- 
gründt Bebth.  V.  Chiemsee  673  B.;  sehen  durch:  weil 
sie  {die  apostd)  selbs  das  newe  testament  so  mechtiglich 
gr.  und  beweren  durchs  alte  testament  Lutheb  7,  303 
Bindseil-Niemeyer ;  öfter  aus:  das  wyr  . . .  das  new  testa- 
ment ausz  dem  alten  gründen  lernen  12,  275  W.;  vgl.  19, 
278;  das  wir  . . .  aus  dem  ansehen  hailiger  geschrift  .  .  . 
unsere  sachen  gr.  Fischaet  podagr.  trostbüchl.  56;  von 
warer  erkanntnusz  des  wetters  . . .  gezogen  und  gegründt 
ausz  den  regeln  der  hochberümbten  astrologen  Reyn- 
MANN  wetterbüchl.  titd  Hdlm.  {v.  j.  1510);  etuns  anders:  so 
musz  sie  {die  arzneikunde)  ausz  gottes  imd  auf  gottes  war- 
heit  gegründt  stehn  Pabacelsus  op.  l,  227  H.;  ähnlich: 
Propheten  . .  .  die  dis  wort  Mose  einfüren  und  daher  gr. 
Lutheb  24,  60  W.;  später  in  activischer  form  unüblich,  nur 
vereinzelt  poetisch  statt  begründen: 

was  gründet  deinen  wahn  von  einem  andern  lebenT 

Pfeffel  poet.  vers.  6, 11. 

ß)  besser  gehalten  hat  sich  die  passivisch-perfectische  ver- 
weridung  {vgl.  grund  haben,  grund  IV  C  4  ii.  5) :  ...  was 
Schwencldeldt  für  gegründet  hält  Pbätobius  winierflucht 
(1678)  323;  weim  dies  gegründet  ist . . .,  so . . .  J.Fb.  Löwen 
sehr.  4,  a  4»;  graf  Wetter  vom  Strahl!  ist  dies  gegründet? 
H.  V.  Kleist  2, 188  Schm.;  das  subject  ist  nicht  selten  ein 
satz :  es  ist  allerdings  gegründet, . . .  was  O  vidius . . .  von  mir 


785 


GRÜNDEN  II  A  2 


GRÜNDEN  II  A  3 


786 


(ApoUo)  geschrieben  Lindenboen  Diogenes  2, 116;  was  du 
am  ersten  theil  aussezest,  ist  gewisz  sehr  gegründet  aiis 
SoHLEiEKMAOHEiw  leben  4,  312;  auch  ist  es  ohne  zweifei 
gegründet,  . .  •  dasz  die  päbstliche  gewalt  milder  war 
Ranke  s.  w.  39,  anh.  4;  vielfältig  auf  svbstantiva,  meist  des 
urtheilens  bezogen:  welche  Ursachen  erwogen  und  . . .  zum 
theü  gegründet  befunden  worden  Hajrsdörfe»  frauenz. 
gesprächsp.  1,  B  7  ^ ;  wenn  die  regel  gegründet  wäre,  dasz . . . 
V.  Flemino  voUk.  t.  Soldat  187 ;  wenn  der  satz  mancher 
Schriftsteller . . .  gegründet  ist  Meiszneb  Alcibiades  1, 13; 
die  vermuthung,  dasz  . . .,  erschien  als  ziemlich  gegründet 
H.  V.  Babth  kalkalpen  214;  wenn  diese  erawendung  ge- 
gründet wäre  Lavateb  physiogn.  fragm.  1, 150;  eure  be- 
denklichkeiten sind  sehr  gegründet  Schillee  3,  96  O.; 
meine  furcht  war  gegründet  Göthe  17,  237  W.;  oft  nega- 
tivisch =  'unbegründet' :  unser  tadel  war ...  in  verschied- 
nen  stücken  nicht  gegründet  J.  A.  Ceameb  nord.  aufs. 
(1758)  1,  247;  sind  sie  (die  klagen)  nicht  gegründet,  welche 
Verantwortung  ladet  man  sich  nicht  auf  Mösee  s.  tv.2,Z7; 
in  älterer  spräche  öfter  mit  persönlichem  subject  in  einer 
bedeuiung,  die  ihren  ausgang  woM  von  der  forme!  gegründet 
sein  in  etw.  (s.  u.  C  2d)  'geistig  fundamentiert,  unierrichtet 
sein'  genommen  hat;  meist  tritt  daher  ein  abhängiger  satz- 
theil  an  die  stelle  der  präpositionalen  bestimmung:  ich  bin 
noch  nicht  gar  wol  gegründet  und  gefasset,  teutsche 
bistorien  zu  schreiben  V.  Schümann  nachtbücM.  73  B.; 
weil  nicht  alle  pastores  . . .  gleich  geschicket  und  ge- 
gründet sein,  das  sie  ...  das  bapstthumb  niederlegen 
mögen  kirchenordn.  f.  Braunschwg.  (1569)  22;  er  sei  ... 
kleinen  gesprächs  und  nicht  sonderlich  gegründet  (16.  jh.) 
bei  Fischer  schwäb.  3,  876, 

y)  bereits  im  15.  jh.  setzt  eine  adjectivischem  gebrauch  sich 
nähernde  Verwendung  ein;  neuere  spräche  empfindet  dieses 
gegründet  als  rein  adjectivisch  {vgl.  die  gegensatzbildung 
ungegründet)  und  deswegen  auch  als  comparationsfähig: 
'gegründet,  gegründeter  sind  gut;  aber  wer  kann  die  ge- 
gründetere hoffnung  ausstehen?'  Adeltjnq  lehrgeb.  2,  27; 
die  gegründetste  hoffnung  2,  28;  dasz  ich  diese  ihre 
meinung  allerdings  für  die  . . .  gegründetere  . . .  halte 
Lessinq  16,  536  M.;  der  gegründeste  ( ! )  stolz  würde  die 
armeen  . . .  ermuntern  Nicolai  liier aiurbr.  9,  28;  t»  der 
reformationszeit  vielfach  gegründete  Schrift  {vgl.  grund  der 
Schrift  sp.  705):  durch  gegründte  heylige  schrift  hab  ich 
meyn  eygen  gewissen  kaum  können  rechtfertigen  Luther 
8,  482  W.;  die  . . .  mit  gegrüntter  warhaftiger  geschrift 
sich  für  die  apostolisch  . . .  leer  gesetzt  haben  C.  Hedio 
chron.  germ.  (1530)  d  6^;  dieselben  all  haben  kain  gewisse 
veraynigung  noch  gegründte  schrift  noch  glaublich  kund- 
Bchaft  irer  ketzerey  BerthoLd  v.  Chiemsee  15  B.;  aU 
auch  gegründete  Ursache  {vgl.  grund  und  Ursache  sp.  727) : 
ausz  redlichen  gegrunten  Ursachen  {v.  j.  1498)  lehnsurTe. 
u.  besitzurk.  Schlesiens  1, 52;  so  hat  die  kirch  gnügliche  \md 
gegründte  ursach,  solch  . . .  ding  ...  zu  gebieten  Luther 
30, 3, 190  W.;  {ein)  Verleumder,  der  unschuldige  leute  ohne 
alle  gegründete  Ursache  boshaftig  schmähet  Gottsched 
neueste  a.  d.  anmuth.  gdehrsamk.  1,  371 ;  er  hatte  gegrün- 
dete Ursache,  die  ehrUchkeit  seiner  wirthin  ...  in  zweifei 
zu  ziehen  Raabe  hungerpastor  (1864)  3,  29;  und  so  viel- 
fältig mit  anderen  beziehungs Wörtern:  ein  gegrünte  ver- 
manung  Güttel  v.  evang.  warh.  (1523)  AI*»;  einen  guten 
kurtzen  imd  gegründten  bericht  oder  bescheid  geben 
Widmann  Fausts  leben  58  K.;  mit  dergleichen  gegrün- 
deten Sachen  Grimmelshausen  2,  389  K.;  nach  meinen 
obigen  gegründeten  Voraussetzungen  Jung  Stillinq  w. 
3, 140  Or.;  von  ihren  gütigen  imd  gegründeten  anmer- 
kungen  haben  wir  . . .  gebrauch  gemacht  Göthe  IV  10, 
349  W.;  man  hat  gegründete  aussieht,  demnächst  im  amt 
vorzurücken  Raabe  Horacker  (1876)  68;  nicht  selten  tritt 
das  berechtigende,  berechtigte  stärker  in  den  Vordergrund: 
was  hat  der  bauer  . . .  für  einen  hauptanlasz,  den  besitz 
des  edelmannes  für  weniger  gegründet  anzusehen  als  den 
seinigen?  Göthe  23, 146  W.;  die  Ursachen  eines  gegrün- 
deten Vergnügens  J.  E.  Schlegel  w.{l76iff.)  3,  351;  weil 
der  mensch  einen  gegründeten  stolz  übersiehet  Lessing 
1,  229  M.;  dieser  doge  . . .  gab  nicht  wenig  anlasz  zu 

IV.  1,  6. 


gegründeten  klagen  Ranke  s.  w.  42,  41 ;  weil  ein  unglück- 
liches mädchen  gegründete  ansprüche  an  ihn  mache 
TiECK  sehr.  17, 175 ;  anders  'mit  guien  gründen' :  da  redete 
der  hr.  Statthalter  die  arbeiter  ganz  beweglich  und  ge- 
gründt  an  bei  Staub-Toblbr  2,  778  {v.  j.  1772). 

3)  von  concretem  gr.  'das  fundament  legen'  leitet  sich  eine 
bedeuiung  her,  die  zunächst  besagt  'den  bau  beginnen,  ins 
werk  setzen',  dann  allgemeiner  'eine  institution  ins  leben 
rufen,  eine  einrichtung  stiften,  schaffen'  {vgl.  den  grund 
legen  sp.  705^.);  möglicherweise  ist  eine  fast  parallele  ent- 
toicMung  von  lat.  fundare,  vgl.  du  Gange  3,  628,  nicht 
ohne  einflusz  auf  diese  bedeutungsenivncMung  von  gr.  ge- 
blieben, vgl.  grinden,  fundieren,  stiften  condere,  fondare 
Henisch  1765 ;  mit  dem  15. 16.  jh.  einsetzend,  gevnnnt  dieser 
bedeuiungszweig  besonders  in  neuerer  spräche  stark  an  kraft 
und  ausdehnung. 

a)  im  eigentlichen  sinne  von  concreten  oder  concret  emp- 
fundenen dingen:  also  ist  diese  stat  gegründt  und  an- 
gefangen . . .  unter  den  flügeln  des  adlers  SiGM.  Meisteb- 
UN  in  ehr.  d.  dtsch.  st.  3,  45;  an  dieser  stelle  gründete  er 
(Karl  d.  gr.)  Aachen  Geimm  dtsche  sagen  2,  77;  etwas 
anders: 

gott  gründet  bafen  oft,  wo  nahe  syrten  sind 

LOHBNSTKiN  Ibrahim  atdt.  37; 

desgleichen  in  Egypten  nicht  gewesen  ist,  sint  der  zeit 
sie  gegründet  ist  bis  her  2.  Mose  9, 18; 

die  gröaten  reiche  bats  gegründet 

SCHII.I.BB  18,  893  Q.; 
nnd  anfs  neu  zu  Aachen  gründet 
er  das  beiige  deutsche  reich  Geisel  tc.  1,  93; 

ähnlich:  er  . . .  wollte  sich  ein  land  gr.  und  das  auf  seinem 
pf erd  umreiten  Brentano  ges.  sehr.  4,  61 ; 

sich  eine  schuldlos  leine  weit  zu  gründen 

:  SCHIIiLBR   13,  193  ö.,* 

!   ich  will  gr.  eine  grosze  Schöpfung,  eine  neue  weit  Batjebn- 

:   FELD  ge«.  sehr.  3,  258;  besonders  von  einrichtungen  und 

'   Unternehmungen  verschiedenster  art:  wir  können  die  ein- 

j   richtung  in  wenigen  tagen  gr.  Göthe  IV  18,  59  W.;  {die) 

nothwendigkeit,  zusammenhängende  Institutionen  zu  gr. 

Ranke  s.  w.  l,  126;  so  schon  früher:  das  das  klosterleben 

. . .  gar  eigentlich  ist  fundiert,  gegrünt  und  angezögt 

durch  unsem  herren  Jhesum  Christum  Hiebon.  Geb- 

WYLEB  beschirm,  d.  lobs  Marie  (1523)  29»;  sie  (die  manche) 

gründeten  überall  klöster  G.  Feeytag  ges.  w.  17,  356 ; 

im  felde  schrecklich  eeyn  und  hohe  schulen  gründen 
sind  dinge,  die  wohl  nie  auf  einen  tag  geschehn 

B.  Neueibch  ged.  213 ; 

es  wurden  eigene  anstalten  gegründet,  deren  aufgäbe  es 
war,  ihre  schüler  zu  gründlich  geschulten  musikem  aus- 
zubilden 0.  Jahn  Mozart  1, 175;  alle  weit  will  Journale  gr. 
br.  V.  und  an  Heewegh  (1896)  286;  der  süsze  träum,  ein 
nationaltheater  hier  in  Hambtxrg  zu  gr.  Lessing  10, 
218  M.;  wie  Jacob  Grimm  . . .  eine  neue  Wissenschaft 
gründete  Scheeeb  Td.  sehr.  1,  3 ;  auch  von  formen  mensch- 
licher gemeinschaft:  hätten  sie  {die  apostel)  . . .  eine  solche 
gemeine  gegründet  Schleiebmacheb  s.  w.  II  4, 102;  ähn- 
lich bereits  Lutheb:  da  sie  . . .  die  Christenheit  gepflantzt 
und  gegründet  hatten  36,  482  W.;  wir  sollten  . . .  den 
alt-  und  neukirchlichen  vereinen  gegenüber  einen  un- 
kirchlichen . . .  gr.  D.  Fe.  Stbatjsz  sehr.  6,  4;  auf  welche 
weise  unser  bund  geschlossen  und  gegründet  sei  Göthe 
26, 189  W.;  der  norddeutsche  bund  ist  gegründet  worden 
Raabe  JJorocfcer  (1876)  7;  formelhaft  feste  Verbindung  ist 
eine  famihe  gr.:  gründete  er  auch  selbst  keine  familie, 
so  fand  er  doch  ein  . . .  familienleben  im  F.schen  hause 
jährb.  d.  QriüparzergeseUsch.  5,  249,  neuerlich  auch  in 
schlichtem  sinne  'heiraten';  namentlich  aber  in  neuerer 
spräche  in  bezug  auf  gewerbliche,  geschäftliche  oder  in- 
dustrielle unternehmen  und  betriebe:  sie  {woüe)  ihm  ...  da 
ein  tüchtiges  geschäft  gr.  helfen  Kellee  ges.  w.  5,  69; 
der  chef  eines  von  ihm  gegründeten  handlungshauses 
Stoem  w.  (1899)  1,  41;  in  diesem  sinne  eine  fabrik,  eine 
actiengesellschaft,  eine  firma  gr.;  zeitweilig  in  den  70er 
Jahren  des   19.  jh.s  mit   dem   nebensinn  des   unsoliden, 

50 


787 


GRÜNDEN  II  A  3.  B 


GRÜNDEN  II  B  1 


788 


schwindelhaften,  betrügerischen  Unternehmens  (s.  grün- 
der) :  herr  Seh.  'gründete'  die  glasfabrik  Albertinenhütte 

0.  Glagatj  d.  börsen-  u.  grilndungsschwindel  (1876)  1,  44. 
b)  vielfach  in  übertragenem  sinne  auf  zustände  und  Er- 
scheinungen mehr  unsinnlicher  art  angewendet;  vorzüglich 
poetisch  oder  sonst  in  gehobener  spräche. 

a)  der  begriff  des  'hervorbringens,  anfangens,  heginnens" 
bleibt  rieben  dem  des  ^Schaffens,  machens'  erhalten  {auch  hier 
hilft  sich  neuere  spräche  oft  durch  begründen);  so  philo- 
sophisch: die  gründende  . . .  Vorsehung  Kant  6,  428  H. 
(^Providentia  conditrix'  im  gegensatz  zur  ''waltenden^  als 
der  erhaltenden); 

was  er  mit  reifem  raht  tliut  gründen, 
verriclitet  er  schnell  und  mit  fleisz 

Weckhkkxin  1,  219  F.,  vgl.  2,  359; 

besser  ists,  den  adel  gründen, 
als  ihn  bey  den  eitern  finden 

Knittei  poet.  sinnenfr.  (1677)  45; 

versuche,  eine  lehre  zu  gr.  und  auszubilden  Göthe  II 
6, 9  W.;  erlaubt  sie . . .,  dasz  das  bild  in  die  ausstellung 
darf,  und  dann  ist  ihr  ruf  gegründet  Stifteb  s.  w.  l,  78; 
die  Politik,  die  den  rühm  der  armee  gründete  Bismaeck 
ged.  u.  erinn.  2,  180  völksausg.; 

kannst  du  mir  einen  neuen  glauben  gründen, 
der  eines  kindes  blutgen  mord  vertheidigt? 

Schiller  5,  2,  446  Ö.; 

ihre  .  .  .  pflicht  ist  es  .  .  .,  die  gesinnungstüchtigkeit  der 
Schüler  zu  gr.  Roon  denkw.  1,  26;  gern  in  zusammen- 
hängen wie  Schicksal,  glück: 

ein  bescheidnes  los  zu  gründen 

Gkillparzee  ».  w*  4,  21  S.; 

an  ihrer  seite,  die  sein  erstes  glück 

gegründet  . . .  Schillee  12,  395  ö.; 

du  gehst  mein  unglück  gründen 

Aykenhoff  w.  170; 

{wir  gellen)  der  neuen  {weit)  heil  zu  gr.  Rückert  w.  10,  385; 
vereinzelt  reflexivisch:  wie  die  künste  .  .  .  sich  . .  .  ge- 
gründet und  ausgebildet  Göthe  48,  59  F". 

ß)  nicht  selten  verblaszt  die  Vorstellung  des  ^anfangens,  be- 
gründens'  derart,  dasz  sich  die  bedeutung  dem  allgemeineren 
sinn  von  'schaffen,  machen,  thun'  nähert;  ährdich  schon: 

die  müncb  so  viel  weg  {zur  Seligkeit)  gründen 

Fischart,  s.  Dominici  leb.,  ü.  1129^.; 

'festsetzen' :  der  anfang  der  Schöpfung  .  .  .  hat  diese  weit 
als  ein  modeil  in  sich  geschlossen  und  das  ziel  gegründet 
J.  Böhme  sehr.  (1620)  5, 124;  öfter  wie  'schaffen' : 

zuletzt  Epeus,  der  das  rosz  (das  trojan.  pferd)  gegründet 

Schiller  6,  359  O.; 

ein  lippenpaar,  dem  mans  ansieht,  dasz  es  nicht  zum 
plaudern  allein  gegründet  worden  ist  Roseggeb  nixnutz. 
Volk  (1907)  215;  wird  durch  den  krieg  ein  recht  gegründet, 
das  man  nicht  hatte  Hebdeb  w.  23,  25  S.;  vertrage  gr. 
zwangsrecht  dtsch.  m,useum  1,  42  Schlegel;  die  von  den 
Römern  in  Libyen  gegründete  Ordnung  der  dinge  Momm- 
sen  röm.  gesch.  2,  22;  nun  . .  .  kann  keine  Staatsverfas- 
sung gelingen,  welche  die  vemunf  t  . . .  von  vornher  ( =  a 
priori)  gründet  W.  V.  Humboldt  ges.  sehr.  1,  78; 
das  uns  allein  zu  freien  wesen  gründet 

S.  Meeeau  ged.  1,  48; 

fast  wie  'machen' :  gr.  wir  nicht  darüber  hinaus  ansprüche 
auf  den  titel  einer  Volksvertretung  Bismabck  pol.  reden 

1,  302  Kohl. 

B.  seit  alters  verbindet  sich  gr.  mit  der  präp.  auf,  wenn 
es  sich  um  angäbe  der  tragenden  Schicht,  der  unterläge 
nach  art  und  Qualität  handelt;  rein  bedeutungsmäszig  ergibt 
sich  ein  unterschied  gegenüber  gr.  II  A  insofern,  •  als  nicht 
das  bauen  oder  schaffen  einer  grundlage,  sondern  das  setzen 
{bzw.  ruhen)  eines  dinges  auf  ein  gegebenes,  vorhandenes 
fundament  den  vorstellungsinhalt  bestimmt  {vgl.  grund  IV 
A  3  g),  vgl.  dazu  die  Synonymenverbindungen  unter  b ;  daher 
steht  die  präp.  in  der  regel  mit  acc.;  wo  statt  dessen  der 
dat.  eindringt,  erklärt  er  sich  daraus,  dasz  statt  des  begriff s 


d,er  unterläge  der  einer  bloszen  ortsvorsteUung  vorliegt;  so 
nicht  selten,  vgl.  sie  {Zion)  ist  fest  gegründet  auf  den  hei- 
ligen bergen  psalm  87,  1;  vgl.  Amos  9,  6;  das  . .  .  gottes- 
haus,  das  auf  einem  hohen  punkte  gegründet,  weit  hin- 
ausschauen soll  Alexis  Roland  v.  Berl.  (1840)  l,  70;  es 
handelt  sich  hierbei  also  um  ein  anderes  gr.,  nämlich  II  Alb; 
eiwa^  anderer  art  ist  der  dativ  unter  1  c  und  2  b. 

1)  eine  sacke  auf  etw.  gr.,  meist  transitiv  gebraucht:  'auf 
eine  grundlage  stellen'. 

a)  in  gegenständlicher  Verwendung:  du  herr,  der  di 
werlt  auf  niht  gegründet  hast  qui  fundasti  mundum  super 
nichilum  JoH.  v.  Neijmaekt  buch  d.  liebkosung  165  KL; 
gr.  auf  beton  Hoyeb-Keeuteb  technol.  wb.  l,  318;  man 
ebnete  nur  den  umkreis,  worauf  die  säulen  gegründet 
werden  sollten  Göthe  31, 152  W.;  meist  bildlich:  auf  so 
einen  unf  ästen  triebsand  gründeten  unsere  teutsche  alt- 
vordem  das  ruhmgebäude  ihrer  dapfren  thaten  S.  v.  Bir- 
ken ostl.  lorbeerhayn  3^;  mit  dlipse  des  objects: 

der  gründet  nur  auf  sand, 
der  nicht  auf  liebe  baut 

Opitz  opera  (1690)  1,6; 

ein  stat  {hol)  niemahls  sein  glück  auf  so  beständigen  fusz 
gegründet  Che.  Weise  polit.  redner,  vorr.;  diese  halbstu- 
denten  hätten  ihren  Universitätsstaat  gerne  auf  diese 
dicke  seide  gegründet  polit.  maulaffe  (1679)  54;  eine  basis, 
auf  welche  man  eine  weitre  Überlegung  gründet  Göthk 
IV  19,  142  W.; 


hier  diese  mauern  haben  deine  väter 
auf  Sicherheit  gegründet 


I  10,  166. 


b)  so  häufig  in  geistiges  gebiet  übertragen  'eine  ansieht, 
eine  Überzeugung  auf  eine  thatsache  aufbauen  und  dadurch 
ihre  gewiszheit  oder  evidenz  erhalten' :  auf  dise  und  andere 
sprüch  der  biblia  gründe  dein  glauben  Ebeblin  v.  Günz- 
BXJEG  2,nondr.;  anders: 

den  glayben  hat  der  teüfel  gründt 
auf  eepruch,  unkeüsch,  stummet  sündt 

SCHWARZENBERG  teutsch  Cicero  (1535)  133»; 

ut  absolutionem  tuam  gründest  auf  die  promissionem 
Luthee  34,  1,  325;  wi  .  .  .  dann  .  .  .  alle  propheten  ,  . . 
das  gantz  gesatz  auf  .  .  ,  des  nächsten  lieb  .  .  .  gr.  Schwae- 
ZENBEEG  teutsch  Cicero  (1535)  65; 

doch  musz  man  auf  die  gute  werck 
—  die  seeligkeit  nicht  gründen 

MoscHEROSCH  insomn.  cur.  par.  121  ndr.; 

aber  keineswegs  auf  die  religiöse  Sphäre  beschränkt:  damit 
er  seine  meinung  gr.  möchte  auf  die  zeit,  die  Suetonius 
. . .  angibt  Hebäus  ged.  u.  inschr.  (1721)  97;  (sie)  grün- 
deten ihre  sätze  auf  falsche  einbildungen  Scheibe  crit. 
mus.  (1745)  13;  theorien . . .  auf  die  natur .  . .  gr.  Wieland 
18, 103  D.;  kermtnisse . . .  auf  unmittelbare  erf abrangen . . . 
gr.  J.  K.  Lavatee  physiogn.  fragm.  1,  334 ;  {eine)  ansieht, 
die  ich  auf  das  urtheil  höherer  militairs  gründe  Bismaeck 
in  Preuszen  im  bundestag  1, 134  v.  P. ;  die  mathematik  grün- 
det ihre  gewiszheit  auf  das  allgemeine  axioma  Moses  Men- 
delssohn ges.  sehr.  2,  7 ;  von  hier  aus  versteht  sich  gelegent- 
licher halb  elliptischer  gebrauch:  auf  diesen  schlusz  grün- 
dete er  ferner,  dasz  .  .  .  die  göttliche  Vorsorge  .  .  .  ein 
bloszer  träum  wäre  Lohenstein  Armin.  1, 454^;  au^h  die 
hoffnung  gr.  statt  gewöhnlicherem  setzen :  Pylades  gründet 
seine  hofnung  auf  die  nachricht  . . .  Schillee  6,  257  G.; 
vermischt  mit  gr.  I  A  b : 

ach  mögt  auch  ich  so  früh  auf  gott  allein 
der  grünen  hoffnung  ancker  gründen 

Bröckes  ird.  vergn.  (1721)  1,  4; 

ähnlich  mit  gr.  II  B  3  vermengt: 

.  . .  auf  den  ich  je  und  eh 
mein  hoffnung  gründen  lies 

A.  Geyphius  sonn-  u.  feiertagsson.  26  ndr.; 

doch  auch  in  anderen  zusammenhängen: 

well  er  (der  bruder  Studio)  sein  ganzes  wol  auf  Unverstand 

gegründet 
See.  Brant  narrensch.  9  Z.; 

SO  fragten  wir  es  so  umbständig  ausz,  dasz  wir  aUe  unsere 
antwort  auf  seinen  eigenen  mundt  gründeten  Simplic. 


789 


GRÜNDEN  II  B  1 


GRÜNDEN  II  B  2 


790 


Jan  Perus  (1672)  39;  von  literarischer  abhängigkeit :  seine 
Susarma  gründete  er  auf  Frischlin  Schereb  lUeratur- 
gesch.  312;  gelegentlich  mit  persönlichem  object:  sie  stand 
...  im  zweifei:  ob  sie  ihre  herrschaft  auf  .  .  .  den  Rhascu- 
poris  gr.  . . .  solte  Lohenstein  Armin.  2,  95^; 

doch  endlich  gründet  er  (der  sultan)  auf  ihn  (den  groszvezier) 

den  schweren  krieg 
J.  V.  PiETSCH  geb.  sehr.  8 ; 

die  präpositionale  Verbindung  ersetzt  durch  darauf,  worauf: 
so  ist  auch  nichts  darauf  zu  gr.,  dasz  Eeoker  miner.  ertzt 
(1580)  18*  im  sinne  'es  ist  nichts  darauf  zu  geben" ;  die  im 
16.  jh.  vor  allem  beliebte  zwillingsformel  setzen  und  gr. 
läszt  den  bedeutung  schar  acter  dieses  gr.  klar  erkennen:  es 
(das  evangelium)  wil  uns  reyszen  von  unszer  vermessen- 
heyt  und  setzen  und  gründen  alleyn  auf  gottis  barm- 
hertzikeyt  Lutheb  12,  556  W.;  so  könnend  wir  nit  daruf 
gr.  oder  setzen  L.  Lävateb  ruich  Stattb-Tobleb  2,  777; 
muszt  all  dein  wolfahrt  . .  .  auf  das  blose  glück  setzen 
und  gr.  MoscHEBOSCH  geeichte  (1650)  513;  vereinzelt  neben 
intrans.  fuszen: 

er  fuszt  und  gründet  seine  lehr 

auf  sinne,  die  jedoch  so  trüglich  seyn 

BROCKES  ird.  vergn.  (1728)  3,  13. 

c)  bedeutungsmäszig  zu  sondern  ist  passivischer  gebrauch 
im  perfect:  gegründet  sein  auf  etw.  =  'auf  eine  grundlage 
gesetzt  sein^  und  deshalb  'fest  stehen,  sicher  ruhen',  vgl. 
NoTKEB  ps.  77,  69  uffin  steine  kegruntsellot  supra  petram 
fundata;  denn  es  {das  haus)  war  auf  einen  felsen  gegründet 
Matth.  7,  25;  der  einig,  recht  glaub  und  baw  uf  einen 
felsen  grünnt,  besteht  in  allen  nöten  S.  Feanck  sprichw. 
(1641)  2,  4'';  die  .  . .  uf  den  herren  Jesum  Christum  er- 
buwen  und  gegründt  sind  Zwingli  dtsche  sehr.  1,  197; 
insbesondere  aber  in  übertragener  Verwendung  'auf  etw. 
beruhen;  sich  herleiten,  hervorgehen  aus"  (vgl.  gegründt  sin 
uf  referri  Diefenbach  489'')  in  bezug  auf  einen  autorita- 
tiven satz,  ein  recht,  eine  quelle  u.  s.  w. :  dise  zwitrechtig- 
keit  haben  in  dem  grünt  ersucht  alle  hochgelert  man, 
und  ist  gegründt  auf  das,  dasz  in  dem  ewangelio  Petrus 
spricht .  . .  SiGM.  Meisterlin  chron.  d.  d.  st.  3, 102;  dasz 
sie  ein  ochssen  und  esel  zur  krippen  .  .  .  gestellt,  ist  das- 
selbige  auf  den  klaren  text  Esaie  fundiert  und  gegründet 
Fischabt  bienenkorb  (1588)  158*;  es  ist  dieses  auf  die  all- 
gemeine regel  des  natürlichen  rechts  gegründet  v.  Fle- 
ming vollk.  t.  Soldat  376;  die  auf  das  princip  der  köpf  zahl 
gegründeten  tributcomitien  v.  Jheeing  geist  d.  röm.  rechts 
2,  1,  98;  die  erste  auf  astronomische  beobachtungen  ge- 
gründete karte  dieser  erdgegend  Rittee  erdk.  1,  993;  ich 
statuire  .  .  .,  dasz  die  meisten  inventa  desselben  (des  con- 
trapuncts)  alleyn  auf  das  gesiebte  . .  .  gegründet  seyn 
Heujichen  generaibasz  8;  gesetze  des  Wohlklanges,  auf 
die  menschliche  natur  und  das  wesen  der  töne  gegründet 
A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  1, 18 ;  weniger  üblich  in 
anderen  zusammenhängen:  das  es  die  feindt  darfür  an- 
sehen solten,  der  streit  wer  aller  auf  seine  gesellen  ge- 
gründet Xylandee  Polyb.  (1574)  443; 

wie  sclilug  sein  hoffend  herz,  auf  diesen  trost  gegründet 

ZachaeiI  poet.schr.  (1763^.)  2,87; 

'wirtschaftlich  basiert':  die  Stadt  ist  .  .  .  auf  garten-, 
frucht-  und  Weinbau  gegründet  Göthe  34, 1,  271  W.;  'der 
Substanz  nach  auf  etw.  beruhend,  entstanden  sein  aus  etw.' : 
(die  menschen,)  die  in  den  leimen  heusem  wonen  und 
welche  auf  erden  gegründet  sind,  werden  von  den  Wür- 
mern gefressen  werden  Hiob  4, 19;  allgemeiner:  (es)  ist . . . 
erfreulich  mit  einem  auf  eignen  grund  und  boden  gegrün- 
deten mann  ...  zu  sprechen  Göthe  IV  33,  323;  wenn  das 
'perfectivische'  moment,  das  ergebnis  der  handlung,  vor  dem 
'durativen',  dem  zustand  des  Stehens  und  ruhens  zurück- 
tritt, stellt  sich  nicht  selten  der  dativ  ein,  namentlich  bei 
nord-  und  mitteldeutschen  autoren:  seine  beine  sind  wie 
marmelseulen  gegründet  auf  gülden  füszen  hohd.  6,  15; 
dise  gelübt  würt  gar  eigentlich  gegrünt  uf  dem  stücklin 
.  . .  nem  oder  trag  sein  crütz  Hieb.  Gebwyleb  besch.  d. 
lobs  Marie  (1523)  29 1» ;  dieser  auf  erheblichen  imd  . . .  drin- 
genden  bewegnussen   gegründeten  meinimg   Chemkxtz 


schwed.  kr.  2,  235 ;  dasz  die  liebe  des  Vaterlandes  . . .  auf 
der  wahren  klugheit  selbst  gegründet  sei  Leibnitz  ermahn, 
2  Gr.;  öfter  bei  Kant:  ein  auf  einem  ästhetischen  gegrün- 
detes logisches  urtheil  5,  220  Hartenst.,  vgl.  1,  344;  wie 
das  ganze  auf  absichtlichen  Übertreibungen  .  .  .  gegründet 
ist  E.  M.  Aendt  nothgedr.  bericht  (1847)  94;  sie  (die  heraus- 
geber)  sind  auf  dem  alterthum  und  auf  ihrer  ältesten 
literatur  gegründet  Göthe  41,  2,  351  W. 

2)  bis  ins  späte  mhd.  zurück  reicht  reflexiver  gebrauch 
sich  gr.  auf,  in  der  reget  mit  acc.,  kommt  aber  allgemeiner 
erst  seit  dem  16.  jh.,  zumal  in  übertragener  verweridung,  in 
schwang. 

a)  bei  persönlichem  subject  wird  das  dynamische  mo- 
ment der  bedeutung,  das  'sich  auf  eine  grundlage  stellen, 
stützen'  noch  mehr  oder  minder  deutlich  empfwnden,  auch 
dann  wenn  der  accent  sich  auf  die  Vorstellung  des  erreichten 
zustandes  verlagert;  der  dativ  ist  daher  natürlichem  Sprach- 
gefühl nicht  gemäsz  und  bedeutet  eine  ganz  vereinzelte  logi- 
sierte  construction:  man  (sinnt)  im  geschmacksurtheile  das 
Wohlgefallen  jedermann  (an),  ohne  sich  doch  auf  einem 
begriffe  zu  gr.  Kant  5,  218  Hartenst.;  regel  ist  der  acc: 
also  müssen  wir  uns  gr.  auf  die  verhaiszung  Christi  und 
kechlich  darauf  bauwen  Luther  7, 257  W.;  gründestu  dich 
dann  mehr  auf  deine  vemunft  und  geschickligkeit  dann 
auf  die  demuth  und  unterthenigkeit  Christi  J.  Aend 
Thom.  a  Kempis  vjochf.  Christi  (1621)  70; 

wer  sich  hie  auf  gut  wil  gründen, 

hat  auf  schwaches  elsz  gebaut    S.  Dach  729  ö.; 

ich  wollte  mich  desfalls  lieber  auf  ein  ander  exempel  gr. 
Lessino  9,  7  M.,  vgl.  lO,  293;  aber  vielfach  dominiert  die 
Vorstellung  'auf  einer  grundlage  stehen,  fuszerC  noch  aus- 
geprägter; so  besonders  bei  grundlagen  einer  Überzeugung, 
meinung,  des  handelns  u.  ä. :  sich  auf  einsi  meinung  gr. 
opinione  alicujus  stare  Maalee  194*;  und  . . .  bekennen, 
das  wir  gottes  wort  haben  und  uns  drauf  gr.  Lxttheb  28, 
25  W.;  wo  seyn  . . .  die  motiven  . . .,  darauf  du  dich 
gründest?  theatrum  amoris  (1626)  1,  31;  er  (hat)  . . .  die 
erfahrungen,  worauf  wir  uns  gr.,  auch  gemacht  Göthe  IV 
5,  27  W.;  Palos,  welcher  das  theater  gleichfalls  griechi 
sehen  Ursprunges  hält,  . . .  gründet  sich  . .  .  auf  eine  in 
Schrift  W.  v.  Humboldt  theater  in  Sagunt  107  lit.-dkm. 

denn  gründen  alle  sich  nicht  auf  geschichte? 

Lbssing  3,  92  M. 

ähnlich  von  literarischen  gewährsmännem  oder  quellen 
herr  Johan  Magnus  Gotlender  . . .  gründt  sich  auf  Saxo 
nem  grammaticum   Seb.  Münsteb  cosmogr.  (1550)  952 
sich  gr.  und  fuszen  bleibt  wenig  häufig:  darauf  er  (der 
papst)  sich  gr.  und  fuszen  möcht  Lutheb  1,  50*  Jena 
er  gründet  sich  und  fuszet  auf  die  praescription  oder  ver 
järung  Henisch  1766;  vor  allem  in  älterer  spräche  in  etwas 
verengertem  sinne  auch  'sich  vertrauend  auf  jmd.  verlassen', 
vgl.  entsprechende  Synonymenverbindungen:  darauf  man 
sich  doch  gr.  oder  vertrawen  möge  Arnadis  228  K.;  dasz 
man  sich  deszfalls  sicher  auf  ihn  verlassen  und  gr.  kan 
v.  Göchhausen  notab.  venat.  (1741)  316; 

nein  auf  dich  (gott) 
gründ  ich  roich 
J.  Sieber  bei  Fischer-Tümpel  4, 165  •>; 

dann  darf  mein  muth  auf  dich  (gott)  sich  gründen 

COLLIN  lied.  österr.  wehrm.  (1809)  1,12; 

ähiüich  gefühlsbetont:  ich  gründe  mich  demnach  blosz  auf 
ihre  gütigkeit  Menantes  art  höf.  u.  gal.  z.  schreiben 
(1718)  70; 

du  gründest  dich  vielleicht  auf  das  versprochne  band  (der 
ehe)?  Gottsched  dtsche  schaub.  1..  196; 

im  gleichen  sinn  auch  intrans.  s.  u.  3. 

b)  bei  sächlichem  subject  tritt  naturgemäsz  eine  mehr 
statische  auffassung  in  den  Vordergrund,  sich  gr.  auf  = 
'auf  etw.  gegründet  sein  (s.  o.  1  c),  auf  einer  grundlage 
ruhen';  zwar  ist  auch  hier  der  acc.  bis  in  die  heutige  spräche 
die  reget,  doch  wird  der  gelegentliche  dativ  nicht  als  so  hart 
empfunden  wie  bei  a:  er  (der  glaube)  fuszet  und  gründet 
sich  nicht  auf  mir  selbs  noch  meinem  thun  Lutheb  36, 

50« 


791 


GRÜNDEN  II  B  8 


GRÜNDEN  II  C  1 


792 


870  W.;  auf  ihr  (der  hausfrömmigheit)  gründet  sich  die 
Sicherheit  des  einzelnen,  worauf  . . .  auch  die  festigkeit 
.  .  .  des  ganzen  beruhen  mag  Göthe  24,  378  W.;  häufiger 
bei  Kant:  weil  es  {das  böse)  sich  auf  den  schranken  der 
natur  der  menschen  . . .  gründe  6,  81  Hartenst.,  vgl.  6,  223; 
sonst  mit  acc.,  seltener  in  concrelem  sinne:  also  hänt  diu 
dinc,  diu  in  der  ztt  geschaffen  sint,  irn  gnint,  da  si  sich 
üf  gründent  mysliker  2,  501  Pf.; 

Byrsa  der  boden  hicsz  fürwar, 
darauf  die  stadt  sich  gründet  gar 

Spkeng  Äneis  lO*; 

bildlich:  die  wahre  vemtmft,  so  auf  den  unwankelbaren 
f  usz  der  natürlichen  erfindnisz  sich  . . .  gründet  ScHOT- 
TBL  friedenssieg  67  ndr.; 

der  tempel  gründe  sich  auf  heldentod 

KÖENEK  w.  1, 123  E.; 

doch  meist  übertragen  gebraucht  ^beruhen  auf:  solche  letzte 
wort  David  gr.  sich  . . .  auf  gottes  eigen  wort  Lutheb  53, 

466  W.; 

darauf  sich  gründt  prophetisch  1er 

J.  V.  SOHWARZKNBBEQ  tfogtspr.  25  ndr.; 

sintemal  dieselben  bidlen  sich  auf  das  vorgemelt  urteil 
. . .  gr.  Schütz  hist.  rer.  prusa.  (1592)  5.  buch  b  1*;  damit 
aber  jedermann  sehe,  worauf  sich  diese  experimenta  gr. 
Thomasitjs  ged.  u.  erinn.  (1720/.)  1,  77;  die  empfindung 
. . .  musz  . . .  sich  auf  eine  wahre  tugend  gr.  Ramlbb 
eird.  in  d.  schön,  wiss.  3,18;  Wissenschaften,  die  sich  un- 
mittelbar auf  erfahrung  und  beobachtung  gr.  J.  J.  Engbl 
sehr.  1, 130; 

{du  kind,)  auf  dessen  zarten  leib  Europens  heyl  sich  gründt 
Bkockes  bei  Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  1, 12; 

{menschen,)  auf  die  unser  lebenswohl,  unsere  lebensfreuden 
sich  gründeten  und  stützten  G<5thb  IV  31,  215  W.;  die 
thatsache,  auf  welche  der  anspruch  des  klägers  sich 
gründete  v.  Jhebing  geist  d.  röm.  rechis  3,  l,  58;  von 
qudlenmäsziger,  literarischer  abhängigkeit:  dasz  seine  er- 
zählung  sich  . . .  auf  eine  art  von  tagebuch  gründe 
WiELAND  Agathen  (1766)  1,  27;  auf  diese  sage  gründet 
sich  das  gedieht  Göthe  21,  293  W. 

3)  voruiiegend  dem  älteren  nhd.  ist  intransitiver  gebrauch 
von  gr.  auf  geläufig,  doch  verwendet  ihn  auch  neuere  spräche 
hie  und  da;  selten  sinnlich: 

(es)  lehrt  der  staar  die  andern  staare  . . ., 
gründend  auf  der  Wetterfahne 

Bebntano  ges.  sehr.  3,  22; 

dem  entspricht  die  anwendungsweise  mit  dem  dat.  bei  säch- 
lichem subject: 


(schätze,)  die  auf  ewgem  gründen 
und  in  der  zeit  verschwinden 


ebda  2,  526; 


das  . . .  lob  der  armuth  gründet . . .  auf  zwei  historischen 
motiven  W.  H.  Riehl  d.  dtsche  arbeit  121;  so  auch  in 
älterer  spräche: 

es  würt  sich  selbs  zu  letst  erfinden, 

das  es  (die  Verleumdung)  nlt  mag  uf  warheit  gründen 

Murner  dtsche  sehr.  9, 111; 

die  feierliche  spräche  auf  groszheit  des  Innern  gründend 
J.G.Radlop  treffl.  189;  bei  persönlichem  subject  überwiegt 
schon  in  älterer  zeit  der  acc,  vgl.  dazu  fuszen  6  b  «.  7  {th.  4, 
1, 1, 1021) ;  gelegentlich  mit  elliptischer  Verwendung  sich  be- 
rührend, im  sinne  'auf  etwas  gewicht  legen,  etwas  geben" : 
daruf  die  bischof  mer  halten  und  gr.  dann  uf  götlich 
geschrift  Schade  sat.  u.  pasq.  3, 180;  wie  'sich  stützen': 
ihr  werdet  wol  mercken  in  unserm  schreiben  auf  was  wir 
gr.  mit  diesem  capitel  Pabacelstis  op.  l,  352  H.;  so  viel- 
fach auch  wie  reflexives  gr.  {s.  o.  2)  'sich  verlassen,  ver- 
trauen auf  etw.\  vgl.  sinnverwandtes  bauen  3  e  {th.  1, 1173) : 
waraui  wilt  du  gr.  oder  dich  verlassen  giw)  confugies  ?  ubi 
nitere?  Feisitjs  870 b;  vgl.  unsere  parthey  gründet  auf 
billigkeit  1243*";  der  abt  . . .  hat  . . .  uf  die  unbewärten 
reden  gegründet  Tschudi  chron.  helv.  l,  49;  hie  mit  hatt 
Ulixes  wider  die  behilf  {das  argumervt),  daruf  Aiax  aller 
höchst  gegründt  hatt,  ins  richters  gemüt  neigung  ge- 
macht F.  RiBDEEEB  rhetoric  (1493)  b  2'',  vgl.  c  3*;  darauf 
der  richter  gr.,  urteilen  und  strafen  kann  Lutheb  30, 


173  W.;  wohl  hierher  auch:  gründen,  fuszen,  beweisz 
■oßtaen  fundare,  sußundare  Henisch  1765; 

sie  gründend  daruf  allermeist  . . . 

und  (=  das€)  sye  alles  gerecht,  was  sie  machen 

N.  Manuel  v.  pahst  v.  1278  B. : 

so  hab  ich  doch  keinen  brif  ader  andern  schein  gesehen, 
darauf  ich  festiglich  gründen  mocht,  das  dem  also 
V.  D.  Planitz  berichte  38  W.;  modern  gelegentlich  statt  ge- 
bräuchlicherem bauen  auf:  vielleicht  gründete  der  legat 
hier  auf  die  hofinung,  . . .  auch  in  den  religiösen  angele- 
genheiten  . . .  eine  günstige  entscheidung  . . .  hervorzu- 
rufen Ranke  s.  w.  2,  96;  die  formet  gr.  und  fuszen  vor 
allem  bei  Ltjtheb:  also  dasz  man  auf  die  werck  nicht  kan 
gewis  fuszen  und  gr.  20,  424  W.,  vgl.  10,  3,  395  und  th.  4, 
1,  1, 1021 ;  vereinzelt  bauen  und  gr. :  sy  bauwind  und 
gründind  auf  das  recht  und  bülich  aequa  nituniur  Feisius 
870»>. 

C.  gründen  in,  nichi  vor  dem  späteren  mhd.  nachzu- 
weisen, nimmt  gegenüber  A  und  B  bedeutungsmäszig  da- 
durch eine  Sonderstellung  ein,  dasz  nicht  die  tragende  schieht 
sondern  die  das  ding  umschlieszende  feste  masae  und  zwar 
zunächst  die  des  erdbodens  angelpunkt  der  sinnlichen  Vor- 
stellung ist;  daher  trans.  gr,  in  zunächst:  'etw.  im  boden 
festmachen;  in  die  erde  setzen,  sodasz  es  halt  gewinnt;  etw. 
festigen^;  dasz  aber  dies  gr.  nicht  von  grund  II  sondern 
vne  A  u.  B  von  grund  IV  ausgeht,  etwa  im  sinne  'im  boden 
eine  baais  geben  bzw.  haben"  wie  lat.  'fundare  in\  lehren  für 
die  früheste  zeit  die  ebenfalls  fundare  umschreibenden  syno- 
nymen gruntvesten,  fundieren:  die  demötekeit  {ist)  nut 
gepflantzet  in  den  menschen  •  . .  die  minne  ist  gegrunt- 
vestent  in  den  menschen  Tatjleb  323,  3  V.;  gewurzelt 
und  gefundiert  ...  in  der  minne  367,  9  V.  im  anschlusz 
an  Eph.  3, 17:  in  caritate  radicati  etfundati,  wo  Lutheb: 
durch  die  liebe  eingewurtzelt  und  gegründet  die  bedeU' 
tung  nach  II  A  2  hin  verschiebt;  dagegen:  dan  es  alles  auf 
den  felsen  Cristum  gehauen  wasz  und  in  der  lieb  ge- 
gründt Knebel  chron.  v.  Kaisheim  25  lit.  ver. 

1)  in  concreter  oder  deutlich  bildhaft  empfundener  Ver- 
wendung bezeichnenderweise  fast  stets  von  pflanzen,  sowohl 
trans.  wie  intraTis.:  daz  söUche  liebe  ...  in  ruhem,  un- 
geschlachtem ertrich  wie  das  holtz  oloes  sine  wurtzen 
tiefer  gründet  imd  vestnet  Niclas  v.  Wyle  translat. 
820  Z.;  vgl. 

im  tiefen  boden 

bin  ich  (blümchen)  gegründet     Göthk  3,  49  W.; 

um  die  menschheit  in  ersten  neigungen  ...  zu  wurzeln 
und  zu  gr.  Hebbeb  5,  479  8.;  das  . . .  familienleben,  in 
welchem  . . .  seine  sittliche  existenz  mit . . .  starken  wur- 
zeln gegründet  war  O.  Jahn  Mozart  2,  3;  reflexiv  gewen- 
det: die  pflanzen  und  blumen  müssen  sich  erst  fest  im 
boden  gr.  Tieck  sehr.  18, 192;  vgl. 

und  dennoch  wird  es  würze!  gründen 
in  deutschen  gauen  überall 

Uhland  ged.  1,  81  irit.  ausg.; 

überhaupt  öfter  intrans.:  so  diese  infection  der  pestis  in 
sie  wurtzelte  oder  gründete  Paeacelsus  op.  1, 362  JB.; 

wie  tiefer  deine  wurzeln  gründen 

Deoste-Hüishoff  w.  (1870)  1,  377  Seh.; 

dasz  sie  {die  mystik)  zwar  mit  ihrer  irdischen  seite  in  ihr 
{der  erde)  gründet,  zugleich  aber  in  einem  höheren  gebiet 
sich  bewurzelt  findet  Göbbes  mystik  1,  167;  von  hier  aus 
verständlich  'im  boden  liegen  {vne  die  wurzeln),  verborgen 
sein'  in  fällen  wie: 

in  deines  (der  christblume)  busens  goldner  fülle  gründet 
ein  wohlgeruch,  der  sich  nur  kaum  verkündet 

Möeiee  w.  1,  136; 

weniger  häufig  bleibt  concreter  gebrauch  in  anderen  sach- 
beziehungen:  wie  . . .  der  edelgestein  in  dem  ringe  ge- 
gründet {ist)  Beinicke  fuchs  (1650)  322;  die  sach  {ist)  im 
sand  gegründet  und  mit  windwirbeln  unterstützet  Haes- 
DÖBEEE  frauenz.  gesprächsp.  1  (1641),  n  1*;  doch  ist  eirie 
Verwendung  wie:  der  bau  ist  im  lehmboden  gegründet 
modernem  Sprachgefühl  nicht  mehr  gemäaz. 


793 


GRÜNDEN  II  C  2 


GRÜNDEN  II  C  3.  III  i 


794 


2)  artsgebreiteter  ist  übertragener  gebrauch;  vor  allem, 
passivisch-perfectivisch  gewendetes  gegründet  sein  in. 

a)  weniger  häufig  tritt  rein  transitives  gr.  in  hervor;  im 
sinne  'hineinlegen,  einpflanzen':  dies  gefühl  in  ihr  zu  gr. 
und  zu  befestigen  Fb.  v.  Gentz  sehr,  l,  206  Schi.;  häufiger 
schon  toie  'stützen,  festigen' :  daz  die  Sarratzenen  understan 
zu  gründen  oder  vestigen  die  selben  zwey  homer  Macho- 
meti  . . .  ja  geschriften  beder  testament  Bbeidbnbach 
d.  heyl.  reiszen  (1486)  79^;  ähnlich  elliptisch:  in  den  Worten 
Jacobi  gründend  die  päpstler  {erg.  'ihre  lehre'),  dasz  die 
Ölung  ein  sacrament  sye  Zwinoli  dtsche  sehr.  1,  241 ;  wenn 
man  nu  lang,  viel  und  wol  gegründt  hat  diesen  heupt- 
punct  ...  im  hertzen  und  sinne  der  zuhörer  Ebeblin 
V.  GÜNZBUBG  s.  sehr.  S,  210  ndr.;  dahero  dero  herr  vater 
...  sie  ...  im  Christentum  vester  zu  gr.  . . .  bemühet  war 
in  F.  Chbysändbb  Händel  1,  7 ;  mittelnationen,  die  sich 
nicht  in  sich  selbst  zu  gr.  . . .  geeignet  sind  Göthe  41,  2, 
148  W.;  vergleichbar:  wenn  . . .  der  selbe  körper  die  ge- 
Bohwindigkeit  also  in  seiner  innem  kraft  gründet  {im  sinne 
*bevMhrC)  KLä.nt  l,  140  Hartenst. 

b)  reich  entfaltet  dagegen  gegründet  sein  in  etw.  'wie 
durch  eine  umschlieszende  masse  gefestigt  stehen,  eine  sichere 
basis  haben  in  etw.'  (concret  s.  o.  a  schlusz),  'gefestiljt,  ge- 
sichert sein',  z.  b.  bezüglich  der  erbfolge: 

nun  steht  das  reich  gesichert  wie  gerundet, 
nun  fühlt  er  froh  im  söhne  sich  gegründet 

GÖTHK  16,  328  W.; 

allgemeiner:  wer  in  sich  selbst  tüchtig  gegründet  einen 
edlen  zweck  im  äuge  hat  10, 162; 

{ein  weserC)  kühn,  lebensfroh  und  In  sich  selbst  gegründet 
A.  W.  SCHLKGEL  «.  w.   1,  52  B.; 

der  zustand  dieses  saeculi  sei  in  den  vorhergehenden  so 
gegründet  gewesen  bihl.  alt.  Schriften  d.  Schweiz  II  3,  34; 
die  freyheit  xmsrer  republik  ist  in  ihrer  einrichtimg  . , . 
tief  gegründet  Klopstock  gelehrtenrepubl.  30;  gegründet 
Isog  er  {der  reinere  gottesdienst)  ...  in  dem  sanften  muth 
meines  herzens  Caboline  br.  1,  73  W.;  die  handlung  {thut) 
keinen  schritt,  der  nicht  auf  das  genaueste  in  der  ge- 
schichte  gegründet  wäre  Gebstenbebo  hamb.  n.  zeitg. 
281  lit.-dkm.;  ähnlich  auch  früher: 

dein  wort  war  als  in  gott  gegründt 

H.  Sachs  l,  328  E.; 
dann  in  ardehnung  an  Coloss.  1,  23  öfter  im  glauben  ge- 
gründet :  kein  Christ,  der  niir  in  seinem  glauben  gegründet 
ist  Opitz  opera  (1690)  1,  265;  geistliche,  so  ...  im  glauben 
gegründet  waren,  saazen . . .  bey  einander  A.  Oleabiüs  per- 
sian.  baumg.  79  in  verm.  reisebeschr.  (1696);  ähnlich:  da- 
neben pitt  Paulus  uns  dermaszen  darein  (in  das  leiden 
des  herm)  ze  schicken  und  gegründt  zesein,  damit  . . . 
Bebth.  V.  Chiemsee  30  R.;  im  älteren  nhd.  lebt  in  der 
Schrift  {der  hl.  schrift)  gegründet  sein,  doch  sondert  sich 
die  bedeutung  nach  sächlichem  und  persönlichem  subject 
{s.u.d);  wo  es  sich  um  eine  thatsache,  eine  lehre  u.a. 
handelt,  schreitet  die  bedeutung  'basiert  sein,  die  grundlagen 
in  der  schrift  haben'  nicht  selten  zu  einer  an  grund  IV  0 
angenäherten  'die  begründung,  die  berechtigung  {in  aus- 
sagen der  schrift)  haben'  {vgl.  grund  der  schrift  sp.  705) 

*''**^'  wer  es  gescheen  nlchte 

auch  nit  gegrünt  in  aller  schrift 

Hans  Foiz  meisterl.  79  M.; 

{^n  mandat,)  des  wol  in  der  hailige  schrift  gegründt  sei 
Clemens  Sendee  in  chron.  d.  dtsch.  st.  23,  324;  es  ist  nit 
gegründet  in  der  schrift . . .,  das  die  pusz  hab  drey  stuck 
Ltjtheb  6,  624  W.;  in  der  schrift  und  vättem  ausz  ein- 
helliger ansag  gegründt  und  war  S.  Fbanck  paradoxa 
(1558)  38 a^;  in  anderen  zusammenhängen:  sagt  mir  ayns, 
warinn  doch  ewer  gehorsam  gegründt  ist  H.  Sachs  22, 
44  K.-O.;  nititur  in  conjectura  divinatio  sy  ist  gegründt, 
stat  im  Fbisitts  870'';  so  vielfach  von  meinuny,  gesinnung 
u.  ähnl.  begriffen:  damit  die  sehe,  worin  unser  fümemen 
gegründt  sye  der  ee  halb  Zwingli  dtsche  sehr,  l,  39;  so 
könte  er  doch  . .  .  nicht  anders  sagen  als  allein,  dasz  die 
erste  meynung  in  denen  rechten  besser  gegründet  sey 
HoHBEEo  georg.  cur.  auct.  (1715)  3,  ll»»;  wir  finden  in  der 


erfahrung  gegründet,  dasz  . . .  Che.  WoiiiT  ged.  v.  d. 
menschen  thun  (1720)  1;  die  verschiedenen  denkweisen 
{sind)  in  der  Verschiedenheit  der  menschen  gegründet 

GÖTHB  IV   22,  21. 

c)  daran  schlieszt  sich  eine  im  wesentlichen  dem  bereiche 
philosophischer  ausdrucksweise  zugehörige  Verwendung  an: 
'sein  daseyn,  seine  vnrMichkeit  von  einem  andern  dinge 
haben'  Adelung  (1776)  2,  827,  'die  existenz  herleiten,  aus 
etw.  entstehen',  z.  b.  aUe  geschöpfe  sind  in  gott  gegründet 
Adelttng  a.  a.  o.;  als  Vorstufen  solchen  gSrauches  lassen 
sich  bereits  ältere  belege  ansehen  wie:  ohn  arithmeticam, 
musicam  und  geometriam,  welche  in  der  zahl  gegründet 
{sind)  A.  Riese  rechenbuch  (1581)  2*;  dann  der  geruch  ist 
gegründet  in  der  trückne,  wie  Aristoteles  bezeuget  Foebe 
Oeszners  thierb.  (1563)  30;  wenn  ein  ding  A  etwas  in  sich 
enthält,  daraus  man  verstehen  kan,  warumb  B  ist  .  . ., 
so  nennt  man  dasjenige,  was  in  A  anzutreffen  ist,  den 
grund  von  B ;  A  selbst  heiszet  die  Ursache  und  von  B  saget 
man,  es  sey  in  A  gegründet  Che.  Wolff  vernünft.  ged. 
(1720)  12;  aUe  wesen  anderer  dinge  {sind)  in  diesem  einigen 
wesen  (=  gott)  gegründet  Kant  2, 135  Hartenst.;  wissen 
ist  . . .  dasjenige  denken,  welches  nicht  in  der  mehrheit 
und  differenz  der  denkenden  subjecte,  sondern  in  ihrer 
Identität  gegründet  ist  Schleiebmaoheb  III  4,  2,  48. 

d)  bei  persönlichem  subject  in  bezug  auf  etwas  lernbares 
nimmt  das  'gefestigt  sein'  früh  einen  spezifischeren  sinn 
'wohl  unterrichtet  sein,  gut fundamentierte  kenntnisse  haben' 
an:  das  recht  (ts<)  besetzt  mit  doctoren,  gegründt  in  welt- 
lichen und  geistlichen  rechten  Math.  v.  Kbmnat  chron. 
Friedr.  I.  47 ;  denn  wer  im  text  wol  gegründet  und  geübet 
ist,  der  wird  ein  guter  . . .  theologus  Luthee  tischr.  (1571) 
22*;  im  text  wol  belesen  und  gegründet  16»;  du  treibst 
allweg  vil  geechwetz  —  und  bist  doch  nicht  gegründet 
in  der  geschrift  Wickbam  w.  8,  28  B.; 

[eine  jede  kunH)  am  anfang  ailerschwerist  ist, 
eb  (bevor)  du  darinn  recht  gegründet  bist 
G.  Binder  Acolastut  v.  710  in  Schweiz,  schauxp.  1,  210  B.; 

ein  in  der  lateinischen  spräche  und  in  den  alterthümem 
wohl  gegründeter  mann  Schttbaet  leb.  u.  gesinn.  l,  31 ; 
in  der  rechtswissenschaft,  in  der  er  schon  gut  gegründet 
. . .  war  Göthe  IV  28,  295  W.,  vgl.  I  7,  218;  negativ  ge- 
wendet: so  sind  sie  doch  darinn  . .  .  gar  schlecht  gegründet 
Leibnitz  dtsche  sehr.  25,  262;  ich  bin  in  diesem  Studium 
ein  Schüler  imd  nicht  gegründet  Göthe  II  6, 112  W.; 
ähnlich:  die  kinder  {sollen)  im  h.  vaterunser  gegründet 
werden  landschulordnung  v.  1719  bei  Statjb-Tobleb  2, 778. 

3)  abzusondern  ist  gr.  in  mit  acc.,  eine  im  älteren  nhd. 
gdegenüich  auftretende  formet,  die  wohl  durch  vermengung 
mit  gr.  auf  (*.  11  B  1  b)  entstanden  ist:  da  widder  sag  ich 
dieszen  artickell  und  kann  yhn  ynn  die  schrift  gründen 
Luthee  7,  401  W.;  er  {der  Lichtenberger)  gründet  seine 
Weissagung  yn  des  hymels  lauf  und  naturliche  kunst  der 
gestime  23,  8  W.;  wann  er  , . .  all  sein  lere  gründet  in  das 
heilig  ewangeli  Ebeelin  v.  Günzbueg  «.  sehr.  1,  62  ndr. 

in.  gründen  stellt  sich  in  der  fachsprache  einiger  künste 
und  handwerke  als  verbale  ableitung  von  grund  in  specifisch 
technischen  bedeutungen  dar:  'den  grund  herstellen,  bear- 
beiten'. 

1)  in  der  maierei  'den  ersten  anstrich  auftragen  {vgl. 
grund  V  A  3),  um  die  fläche  zu  ebnen  =  grundieren':  mit 
dieser  mängfarbe  oder  einschichtige  übergehen  sie  {die 
maier)  die  aufgespannte  leinwat  oder  tafel  ein  oder  zwei- 
mal, bis  sie  glatt  überzogen  ist,  und  das  nennet  man  gr. 
v.  Sandeaet  teutsche  academie  (1675^.)  1,  66;  wenn  das 
holtz  neun  bisz  zehen  mal  mit  weisz  gegründet  und  nur 
mit  leimfarben  darauf  gemahlet  wird  Stuem  vollst,  an- 
weis. (1718)  28;  über  die  hölzern  tafeln  . . .  eine  leinewand 
zu  leimen  und  diese  mit  gips  zu  gr.  Lessing  12, 169  M.; 

der  mahler  gründet 
sein  aufgespanntes  tuch  mit  vieler  Sorgfalt 

GÖTHK  13, 1, 155  W.; 
übertragen: 

(die  milchstrasze,  die)  mit  sternenlicht  gegründet 
sich  einem  gürtel  gleich  um  unsem  bimmel  windet 
BODKSB  zit.  bei  Schwabs  belvst.  (1741^.)  2,  575; 


795   GRÜNDEN  III  2-4.  IV  —  GRÜNDER  i 


GRUNDER  2  —  GRUNDERDE 


796 


die  sonne  pflegt  mit  ihren  strahlen 

als  pinseln  nicht  auf  einmal  alle  beeren 

zu  gründen  und  dann  anzumalen 

Tkillek  poet.betr.  (1750)  1,  9; 

in  der  gleichen  bedeutung  bei  anstreichern,  vgl.  grund  V 
A  4;  gründet  he£E  ik  dat  brett,  sagt  mein  mabler  Schütze 
holstein.  id.  2,  76;  ähnlich  bei  den  buchbindern:  die 
franzbände  gr.  'den  Untergrund  für  die  Vergoldung  herstellen* 
Kbünitz  20,  219. 

2)  bei  den  kupferstechern  {vgl.  grund  V  A  10):  'die 
kupferstecher  gr.  eine  kupferplaUe  zur  schwarzen  kunst, 
wenn  sie  dieselbe  mit  dem  so  genannten  gründungseisen 
aufackern'  Kkünitz  20, 220;  es  ist ...  bekannt,  dasz  diese 
platten  {kupferplatten)  vermittelst  besonderer  stählernen 
•walzen  . . .  gegründet  werden  briefe  d.  neuest,  liter.  betr.  14 
(1762)  339. 

3)  bei  den  tischlern  'fugen  und  Vertiefungen  mit  dem 
grundhobel  {s.  dort)  ausarbeiten',  vgl.  dazu  Kbünitz  20, 
221;  ebenso  bei  den  kammachern:  'das  zwischen  den... 
zahnen  stehen  gebliebene  . . .  wegschneiden'  Campe  2,  471; 
s.  ausgründen  th.  1,  878. 

4)  den  rein  technischen  Verwendungen  schlieszt  eich  ein 
gelegentlicher  gebrauch  an,  der  an  grund  I  F  anknüpfend 
gr.  als  'eingraben,  vertiefen  mit  dem  meiszel'  zu  verstehenist: 

in  diesen  Zeilen  ist  dein  ganzer  rühm  zu  finden; 

die  künstler  dürfen  ihn  nicht  erst  in  marmel  gründen 

B.  Nexikiech  ged.  (1744)  181; 

IV.  nur  vereinzelt  findet  sich  gründen  als  ableitwng  von 
grund  II ;  vorwiegend  alem.  im  sinne  'erdreich  auf  wiesen, 
in  die  reben  tragen'  {vgl.  grund  II  A  2  a) :  mit  grund  die 
halb  juchart  von  oben  ab  zu  gr.  {v.  j.  1719)  bei  Staub- 
ToBLEE  2,  777;  vgl.  Martin-Lienhabt  1,  278^;  ScHÖN 
saarbrück.  72*;  schriftsprachlich  ungebräuchlich  und  indi- 
viduelle Sonderbildung  nach  grund  II  A  2  b  bleibt:  sich  gr. 
'fester  grund  {im  gegensatz  zum  moorboden)  werden': 

da  mählig  gründet  der  boden  sieb 

DKOSTE-HÜliSHOFF  ges.  sehr.  (1878)  1, 116  Seh. 

GRÜNDER,  m.  i)  vereinzelt  im  17.  jh.  auftauchend,  doch 
kaum  vor  dem  ende  des  18.  jh.s  vdrklich  geläufig  {vgl.  grün- 
den II  A  3):  gr.  auctor,  conditor,  fundator,  sanctor,  posi- 
tor  . . .  Stiele»  711;  lexikographisch  dann  erst  vneder  bei 
Campe  2,  471;  ältere  wbb.  geben  lat.  conditor  anders  wieder 
z.b.  ursächer,  Stifter,  erfinder  Frisitjs  285 '»,  erbauer 
Frisch  l,  70,  vgl.  stiiteT  fondatore  Hulsius  240»;  ein  an- 
derer träum  ist,  welcher  von  dem  bösen  f  eind  als  einem 
grünter  und  erfindter  alles  übel  herkombt  Abb.  a  s.  Clara 
Judas  {1686 ff.)  1,  4;  er  war  der  Stifter  und  gr.  eines  ge- 
ordneten . . .  fuszvolkes  Haufe  w.  l,  28. 

a)  wie  'erbauer,  schöpfer'  vielfach  in  typischen  Verbin- 
dungen: gr,  einer  stadt:  Alexander  wurde  der  gr.  der  heu- 
tigen Stadt  Smyrna  Brunn  kl.  sehr.  3, 196;  ungewöhnlicher 
eines  volkes:  wie  es  so  unsägliche  mühsal  gekostet,  des  rö- 
mischen Volkes  gr.  zu  werden  Sohefeel  ges.  w.  1, 186;  häu- 
fig dagegen  gr.  eines  Staates,  reiches  oder  anderer  sozialer  ge- 
meinschaftsformen:  die  ersten  gr.  des  Staates  K.  L.  v.  Hat- 
LEB  restaur.  d.  staatswiss.  1, 28;  er  war  der  gr.  dieser  neuen 
republik  Herder  23, 77  8.;  einer  der  ersten  inscribirten  in 
Marburg  ist  der  gr.  der  schottischen  kirche  Ranke  s.  w. 
2,  343;  in  manchen  Verbindungen  synonym  mit  ' Stifter' :  in 
den  ersten  gründem  .  . .  des  christenthums  Schelling 
I  5,  304;  der  berühmte  gr,  des  franciscanerordens  Gbe- 
GOBOVius  wander j.  in  Ital.  2  (1904),  40;  man  {machte)  ... 
ausnahmen  mit  gründem  oder  groszen  wohlthätem  eines 
Stifts  Raumeb  Hohenst.  6,  31;  besonders  bei  Unterneh- 
mungen des  handeis,  der  industrie  u.  ä.:  jeder  gr.  und 
lenker  groszer  Unternehmungen  arbeitet  so  ruhelos  Riehl 
dtsch.  arbeit  (1861)  208;  die  aktionäre,  welche  den  gesell- 
schaftsvertrag  festgestellt  haben  .  . . ,  gelten  als  die  gr. 
der  geseUschaft  handdsgesetzb.  §*il87;  nach  1870  in  den 
sog.  'gründer jähren'  als  bezeichnung  für  einen  unreellen, 
schwindelhaften  und  betrügerischen  Unternehmer  vgl.  La- 
DENDOEF  hist.  schlogwb.  112;  ebenso  gut  heute  die  be- 
zeichnung 'gr.'  bereits  als  eine  beleidigung  0.  Glagau 
börsen-  u.  gründungsschwindel^  (1876)  117;  jeder,  der  sich 


noch  fühlt,  wird  Unternehmer  und  gr.,  rührt  die  Werbe- 
trommel und  macht  fortune  Kübnbebgeb  siegelr.  (1874) 
295;  vgl.  die  'gründerlieder'  von  Hoffmann  v.  Fallebsl.: 

ich  bin  nicht  mehr  ein  armer  Sünder, 

ich  ward  ein  gründer  ges.  w.  5, 198  G. 

b)  vielfach  auch  wie  'begründer' ;  oft,  wenn  nicht  eine  be- 
wuszte  gründung,  sondern  eine  Urheberschaft  in  entunck- 
lungsgeschichtlichem  sinne  vorliegt:  Bach  . . .  {wurde)  der 
weit  als  gr.  einer  strengen . . .  schule  bekannt  R.  Schümann 
ges.  sehr.  1,  16;  gr.  der  ersten  niederländischen  schule 
Gebvinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  2,  282;  gr.  der  neueren 
maierei  H.  Gbimm  Michelangelo  l,  16;  sein  {Opitzens)  be- 
rühmter name  ...  als  orakel  imd  gr.  des  Völkerrechts 
dtsches  museum  (1812/.)  2,  152  F.  Schlegel;  {ein)  aussprach 
des  tiefsinnigen  gründers  einer  allgemeinen  theorie  des 
erdmagnetismus,  Friedrich  Gausz  Humboldt  kosmos  1, 
186;  Kratinos  {sei)  der  gr.  der  alten  komödie  Welckbk 
alte  denkm.  5,  58;  öfter  politisch:  nicht  die  decemvim  . . . 
würden  die  enkel  der  gr.  der  freyheit  schrecken  Niebuhe 
röm.  gesch.  2,  127;  (er)  verehrte  in  . . .  Edward  den  gr. 
englischer  freiheit  Tbeitschke  hist.  u.  polit.  aufs.  1,  7; 

sey  Stölzl  dein  war  Fchrbellins  sieger, 

deiner  herrlichkelt  gründer        Schubaet,  s.ged.  2,295; 

ähnlich:  er  werde  nie  vergessen,  dasz  er  der  gr.  seines 
glückes  sei  Bettine Oünderode  (1840)  2, 51:  sprichwörtlich: 
jeder  mensch  ist  der  gr.  seines  eigenen  glückes  Dübings- 
feld  sprichw.  1,  437;  mehr  als  'veranlasser'  gefaszt: 

sie  (unsere  feinde),  die  gründer  unsres  strebens, 
die  entwlckler  unsrer  kraft 

Hoffmann  v.  Fallersl.  ges.  w.  4, 17  G. 

2)  ganz  vereinzelt  von  gründen  I  abgeleitet  —  'taucher' : 
alsdann  lassen  die  gr.  (so  sich  under  das  wasser  lassen) 
zwei  starcke  seiler  umb  das  versenckt  schiff  gehn  Ficklee 
v.  Weyl  historien  (1567)  317. 

GRÜNDERÄRA,  /.,  die  zeit  des  z.  th.  in  U7igesunde  for- 
men übergehenden  wirtschaftlichen  aufschwungs  in  Deutsch- 
land nach  dem  kriege  von  1870/71:  die  gr.  zeitigte  eine 
grosze  zahl  von  arbeiterausständen  hwb.  d.  staatsw.  2, 
922.  —  -bände,  /.  .•  eine  räuberbande  im  walde  {ist  mir) 
viel  lieber  .  . .  als  eine  gr.  in  der  stadt  Hansjakob  a.  m. 

jugendz.  95. bank,/.,  Schiemee  wb.  d.  kaufm.  (1911) 

77.  —  -gesellschaft,/.;  die  gr.  hatte  einen  directions- 
rath  erwählt  Laube  ges.  sehr.  16,  212.  —  -gewinn,  m.: 
alle  {preise)  excl.  gr.  Kaemabsoh-Heeeen  6,  620.  — 
-  j  ahr,  Tl.,  nur  pluralisch  üblich  {vgl.  gründerära) :  die  erste 
krisis  in  der  eisenindustrie  nach  den  gründerjahxen  trug 
zur  Verstärkung  jener  bewegung  bei  Bennigsen  d.  natio- 
nallib.  partei  117.  —  -lied,  n.,  meist  im  plural,  die  von 
HoFFMÄNN  V.  Fallebsleben  1872  verfoszten  satirischen 
gedickte  'gründers  nachtlied'  u.  andere,  vgl.  s.  w.  5, 197^.  — 
-Schwindel,  m.:  der  gr.  begiimt  abwärts  zu  gehen  {br.  v. 
26.  12.  1871)  G.Feeytag  bri^w.  250  T.  —  -thum,  n.,  all- 
gemein: dieses  gr.  {Bambergers,  der  eine  deutsche  republik 
gründen  wollte)  wird  der  heutigen  .  .  .  Jugend  unverständ- 
lich sein  MoMMSEN  red.  u.  aufs.  468;  oft  specifi^sch  für  das 
gr.  der  70er  jähre:  so  begann  nun  die  . .  .  jagd  der  Speku- 
lation, des  gründerthums  Vischeb  alt.  u.  neues  3,  156.  — 
-Unwesen,  n.:  dasselbe  gut  von  dem  gr.  Döllingee 
akad.  vortr.  1,  239.  —  -Wirtschaft,  /.,  hwb.  d.  staats- 
wiss.^ 3,  483.  —  -zeit,  /.,  {s.  o.  gründerära):  'ja,  früher, 
in  der  vorgenannten  gr.',  sagte  er,  'da  wars  besser' 
Seidel  Leb.  Hühnchen  (1890)  17;  vgl.  hwb.  d.  staatswiss.^ 
3, 1091. 

GRUNDERDE,  /.  l)  {vgl.  comp.-typ.  5  p  «)  gr.  terre 
primitive  Beil  techn.  wb.  264;  der  Verfasser  traut  es  . .  • 
der  natur  zu,  dasz  sie  das,  was  wir  grunderden  nennen, 
umzuändern  im  stände  seye  allg.  dtsche  bibl.  64,  7;  da 
die  gr.  des  goldes  aus  phlogiston  und  einer  gewissen  säure 
bestehe  Jean  Paul  27/29,  143  H.;  nicht  allein  die  grund- 
erden sind  in  ihrem  natürlichen  zustande  weisz  Göthe  II 
1,  237  W.  2)  anders  'tiefere  bodenschicht' :  die  Unterschei- 
dung des  ackerbodens  in  die  ackerkrume  und  .  . .  die  gr. 
RoszMÄszLEB  d.  wald  26;  als  'erde  des  meeresbodens'  ver- 


797  GRUNDERFAHRUNG  —  GRUNDFADEN 


GRUNDFAHRER  —  GRUNDFARBE  i  798 


einzdt :  heisze  aber  darum  das  rote  meer,  weil  die  gr.  rot 
Fbancisci  weh  d.  ewigk.  (1686)  254.  —  -erfahrung,  /. 
{vgl.  comp.-typ.  5  p/?):  es  ist  kein  so  complicirtes  phä- 
nomen,  das  sich  nicht  leicht  und  bequem  auf  diese  ersten 
grunderfahrungen  zurückführen  lasse  Göthe  II  5, 2, 
68  W.;  sie  {die  Vernunft)  musz  .  .  .  siegen,  wenn  sie  .  .  . 
aus  dieser  einzigen  gr.  alle  ihre  waffen  schmiedet  Moses 
Mendelssohn  ges.  sehr.  2,,  44;  es  {fehlt)  ihm  an  der  ionem 
gr.  ScHLEiBRMAOHEa  I  3,  87 ;  mehr  wie  ^allgemeiner  erfah- 
rungssatz'  gefaszt :  es  ist  eine  gr. :  wo  rechtes,  da  ist  auch 
dessen  heuchelei .  .  .  möglich  W.  Fr.  Meyekn  hinterl.  kl. 
sehr.  2,  205. 

GRÜNDERIN,  /.,  tvie  gründet  1  a:  die  natnr  ist  eine 
gr,  aller  dinge  rerum  creatrix  natura  Stieler  711; 

(erhabene  Vernunft,)  weise  gründerin 
des  weltgebäudes,  führerin  der  sterne 

Schiller  13,  272  C; 

die  gr.  und  leiterin  des  'dramatischen  kränzchens'  Spiel- 
hagen s.  w.  2,  178 ;  entsprechend  gründer  1  b :  mit  der 
Neuber,  der  gr.  seines  ( Gottscheds)  ruhmes  Gervinus 
gesch.  d.  dtsch.  dichtg.  (1853)  4,  67. 

GRUNDERKENNTNIS,  /.  {vgl.  comp.-typ.  5  p,«):  da- 
her er  durch  den  weg  der  erfahrung  imd  eingieszung  (in- 
fusion)  eine  tiefe  und  grund-  (original)  erkäntnisz  der 
gantzen  geheimen  theologie  erlanget  habe  G.  Arnold 
verthäd.  d.  myst.  theol.  (1703)  165;  eine  .  .  .  blinde  Unwissen- 
heit, also,  dasz  sie  die  grunderkäntnisz  der  Wahrheit  von 
Christi  person  .  .  .  noch  nicht  erlanget  hatten  Starke 
Synopsis  2  (1735),  87;  ein  jeder  stand  {habe)  die  grund- 
erkenntnisse  von  den  pflichten  eines  andern  Standes 
Basedow  method.  unterr.  (1764)  mn;  {eine)  lehre  vom 
empirischen  Ursprung  der  gr.  des  kausalverhältnisses 
Schopenhauer  w.  2,  49  Or.;  die  mysterienlehre  der  tra- 
gödie  . . :  die  gr.  von  der  einheit  alles  vorhandenen 
Nietzsche  w.  l,  74.  —  grundermann  s.  gundermann. 

GRUNDERSCHEINUNG,  /.  {vgl.  comp.-typ.  5  p  /S): 
ein  urphänomen  {ist)  nicht  einem  grundsatz  gleichzu- 
achten  .  .  .  sondern  anzusehen  als  eine  gr.,  innerhalb 
deren  das  mannichfaltige  anzuschauen  ist  Göthe  IV  42, 
167  W.,  vgl.  1 42, 2, 69  u.  II 2, 48;  (die)  einzelnen  Operationen 
{der  natur) . . .,  welche  doch  alle  nur  modifikationen  einer 
gr.  sind  Schelling  I  4,  49 ;  in  diesen  ihren  ersten  grund- 
erscheinungen  nun  bietet  uns  die  natur  gleichsam  selbst 

das  schöne  Sinnbild  Fr.  Schlegel  15, 164. erwerb, 

m.,  ankauf  von  grund  und  boden:  die  tendenz  der  .  .  . 
Städte  ging  .  .  .  überall  auf  gr.  und  namentlich  auf  er- 
werbung  von  Waldungen  Bernhardt  waldeig.  l,  107.  — 
-erwerbung,  /.,  dasselbe:  nicht  zu  verwundem,  dasz 
grunderwerbungen  .  .  .  nur  in  geringem  masz  vorkommen 
Schwappach  forst-  u.  jagdgesch.  i,  315. 

GRUNDFADEN,  m.  {vgl.  comp.-typ.  5  k):  zuforderst 
zeucht  sie  {die  spinne)  aus  ihrem  leibe  .  .  .  einen  . , . 
klebrigten  faden  hervor,  breitet  denselben  aus  zum  gr. 
ihres  bauwercks  Erancisci  wol  d.  eudgk.  (1717)  102; 
besonders  in  der  technik  des  zwirnens,  webens  und  ähn- 
licher arbeiten;  'der  innere  faden  eines  garnes\-  wollengam, 
welches  .  .  .  mit  goldlahn  ...  in  abstehenden  Windungen, 
welche  den  gr.  durchsehen  lassen,  übersponnen  ist  Kar- 
marsch-Heeren^  2,  35 ;  die  fäden  der  ^kette'' :  die  grimd- 
fäden  . .  .  bilden  die  rechte  gewebseite  10,  484;  vielfach 
in  bildlicher  Verwendung,  namentlich  bei  Herder:  er  {hut) 
sein  gewebe  über  fremde  gnmdfäden  zusammengeschla- 
gen 15, 121  S.;  vgl.  1,  385;  13,  266  u.  ö.;  bey  einem  urtheil 
über  diesen  {Hogarth  musz  man)  wohl  a\if  seiner  hut 
seyn  .  .  .,  die  grundfäden  von  dem  feineren  einschlage 
des  auslegers  zu  unterscheiden  A.  W.  Schlegel  im  Athe- 
näum 2,  310;  {der  räum,)  welcher  den  ersten  gr.  zum 
gewebe  desselben  {des  intellekts) . . .  liefert  Schopenhauer 
5,  52  Qr.;  entsinnlichter:  {ein)  geist,  der  . . .  von  diesem 
{dem  zustand  des  existierenden)  die  grundfäden  erfassen 
und  zur  anschauung  bringen  soll  Hebbel  tageb.  1,  98  W.; 
die  gnmdfäden  dieses  styles  {sind)  . .  .  aus  der  . .  . 
Sprache  des  gesellschaftlichen  lebens  genommen  Fr. 
Schlegel  8, 102 ;  wo  die  Schicksale  eines  . . .  menschen 


wenigstens  die  grundfäden  seiner  erzählung  ausmachen 
J.  G.  Forster  s.  sehr.  5,  295;  ohne  klare  bildvorstellung 
nicht  selten  sing^ilarisch ,  ähnlich  vne  der  (rothe)  faden 
{vgl.  th.  3, 1231/.)  im  sinne  ^grundzv^\'  der  .  .  .  verworrene 
durch  das  ganze  {des  inhalts  der  letzten  vier  bücher  Mosis) 
laufende  gr.  {mucht)  unlustig  und  verdrieszlich  Göthe  7, 
158  W.;  so  ziehet  doch  das  symbolische  wie  ein  gr.  durch 
die  ganze  Spruchweisheit  des  alterthums  Fr.  Creuzer 
Symbol,  u.  mythol.  1,92.  —  -fahr er,  m.:  dieterich- 
schlosser,  gr.,  Schatzgräber  aber  in  eim  beschlossenen 
laden  Fischart  pracktick  (1574)  f  s*";  vgl.  Oarg.  39  ndr.  — 
-fall,  m.,  im  älteren  nhd.  gelegentlich  ''das  auf  den  grund 
fallen^ ;  zu  grund  I  A :  von  dem  grundfahl  aber  im  wasser 
und  über  sich  schwimmimg  ist  zuvor  gesagt  H.  Frölich 
offenbar,  d.  naiur  (1591)  77;  zu  gnmd  I  F:  derer  {der  steine) 
gar  langsamer  gr.  und  gekrach  ihm  gnugsam  zu  ver- 
stehen gaben  Valvassor  hertzogth.  Crain  (1689);  an 
grund  II  B  angeschlossen  in  bildlichem  gebrauch  als  ''ver- 
fall, Untergang':  der  bischof  wolt  sich  nit  wisen  lassen, 
wiewol  er  sins  stifts  täglichen  gr.  und  schaden  sach 
TsoHUDi  chron.  helvet.  1, 163.  —  -fällig,  adj.:  die  lieb- 
reiche tugend  . . .  der  grundfälligen  zeit  entgegen  setzen 
Harsdörfer  frauenz.  gesprächsp.  1,  a  aa  4»;  wodurch 
das  schöne  gebäu  gerüttelt  und  grundfellig  gemacht 
werden  wil  Schottel  137. 

GRUNDFALSCH,  adj.  {vgl.  comp.-typ.  1  a),  seit  dem 
17.  jh.  geläufig;  'völlig  verkehrt,  unrichtig'  {s.  falsch  6,  th.  3, 
1292):  (fts)  ist  sich  nit  zu  verwundem,  dasz  weil  sie 
falsche  ding  annemmen  .  .  .  endlich  widerumb  gantz 
grundfalsche  ding  herauszbringen  D.  Mögling  m,echan. 
kunstkammer  (1629)  63;  dasz  aber  diese  beide  brüder  in 
der  Schlacht  . . .  geblieben,  ist  gr.  H.  A.  v.  Ziegler  hist. 
schaupl.  u.  labyrinth  (1701)  1353';  {die)  gönnerin,  die  solche 
grundfalsche  zeitung  den  herren  zeitungsverfassern  über- 
schicket hat  Vernunft,  tadlerinnen  (1725)  1,  192;  es  ist  .  .  . 
fatal  in  solchen  grundfalschen  maximen  den  theil  des 
puklikums  ...  zu  bestärken  Göthe  IV  17,  176  W.;  ein 
satz,  der  gr.  ist  Fontane  I  5,  75;  mehr  nach  falsch  1  hin 
'gänzlich  unwahr' :  daraus  erhellet  wie  gr.  das  vorgeben 
ist,  als  wenn  . . .  Göthe  IV  19,  270;  die  Versicherung  war 
buchstäblich  wahr,  der  sache  nach  gr.  Treitschke  dtsche 
gesch.  4,  696;  auch  wie  falsch  3  'verstellt,  tückisch' :  ihre 
Zungenfertigkeit  {wurde)  zu  einem  grundfalschen  und 
verlogenen  schmeichel-  und  verläumdungswesen  G.  Kel- 
ler 4,  90;  {der)  tigerkopf  .  .  .  hat  bei  schöner  bildimg 
grundfalsche  .  .  .  katzenzüge  Vischer  auch  einer  1,  238; 
mundartlich  verwendet  vgl.  Hügel  Wien.  dial.  71;  luxerrib. 
ma.  1568'. 

GRUNDFARBE,/.,  vor  dem  17.  jh.  nicht  bezeugt;  1)  von 
grund  V  A  leiten  sich  mehrere  bedeuiungen  her;  die  un- 
terste farbschicht  {vgl.  grund  V  A  3  a),  der  erste  anstrich : 
gr.  zu  einem  gemählde  auftragen  Ludwig  teutsch-engl. 
(1716)  818;  grundfarb  legen  haphen,  primum,  colorem  in- 
ducere  Aler  dict.  (1727)  1,  990*;  gr.  ...  'zum  grundiren 
gebrauchte  färbe'  Müller-Mothes  archäol.  wb.  1,  494^; 
die  rothen  figuren  {sind)  nicht  gemalt,  sondern  auf  der 
rothen  gr.  der  masse  .  .  .  mit  dem  pinsel  ausgespart 
FÜRST  PüCKLER  briefw.  2,  41;  nachdem  der  stecken  {der 
fahnen)  mit  der  weiszen  gr.  bestrichen,  .  .  .  wurde  er  mit 
einer  Spirallinie  von  der  andern  färbe  umwunden  G.  Kel- 
ler 3,  77;  anders  'die  färbe  des  grundes'  {vgl.  grund  V  A  6), 
von  dem  sich  das  gebild  abhebt:  bei  dieser  .  .  .  randzeioh- 
nung  {der  teppiche)  ist  das  wechseln  der  grundfarben  sehr 
anzuempfehlen  Dillmont  encycl.  d.  wbl.  hdarb.  228; 
wieder  anders,  von  grund  V  A  5  her  zu  verstehen :  der  Schlaf- 
rock, dessen  gr.  vormals  grün  aussah,  hatte  .  .  .  die  ge- 
stalt  einer  landkarte  allg.  dtsche  bibl.  105,  128;  gern  nach 
grund  V  A  3  b  als  die  hauptsächliche  färbe  eines  gegen- 
ständes, der  auszerdem  noch  andere  kleinere  farbflecken 
oder  tönungen  aufweist:  dieser  . .  .  marmel  .  .  .  hat  gleich- 
sam ZMi  gr.  eine  goldgläntzende  röhte  Zesen  Assenat 
(1672)  209;  ihre  {der  säulen)  gr.  war  hochroht  .  .  .  mit 
kleinen  weiszen  fleckem  gespränckelt  O.  Dapper  Africa 
(1671)  291*;  dieser  geier  variiert ...  tu  der  gr.  ganz  auszer- 
ordentlich  Naumann  vögd  1, 164;  die  kelche  (der  f eisen- 


799    GRUNDFARBE  2  -  GRUNDFELS 


GRUNDFERTIG  —  GRUNDFEST 


800 


Johannisbeere)  sind  ...  in  der  gr.  lichtgrün  Schleohtbk- 
DAL  flora  V.  Dtschl.*  22,  277;  so  öfter  in  bildlicher  Verwen- 
dung: {gesellige)  freuden,  die  . . .  gleichsam  die  gr.  des 
lebens  machen  Sohilleb  br.  2, 10  t/.;  wenn  ihr  das  schil- 
lernde licht . . .  zur  gr.  seines  characters  macht  Thümmel 
reise  9,  242;  weil  die  ganze  gr.  des  thierepos  ironisch  ist 
GEBViNtrs  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  1, 145;  falschheit  bleibt 
doch  immer  die  grundfarb  {der  männer)  Nesteoy  ges.  w. 
2,  63. 

2)  dem  comf.-typua  5  p  entspricht  gr.  im  sinne  'primäre 
färbe,  cardirüüfarbe' :  unter  denen  hauptfarben  ist  die 
weisze  die  vornehmste  einfache  gr.,  welche  mit  allen 
andern  vermischet  werden  . . .  kann  aüg.  haush.  lex. 
(1749^.)  3, 708;  gr.,  'eine  färbe, . . .  aus  welcher  andere  fär- 
ben bereitet  werden,  eine  hauptfarbe!  Kbünitz  20,280;  To- 
bias Mayer  hatte  eben  so  recht,  drei  grundf  arben . . .  anzu- 
nehmen, als  sie  durch  mischungen  bis  zu  819 ...  zu  verviel- 
fältigen Hebdee  24,  436  8.;  man  nehme  im  allgemeinen 
gelb,  blau  Tind  roth  als  reine,  als  gnmdfarben ...  an  Göthe 
II 1, 223  W.;  wir  kennen  nur  zwei  gnmdfarben,  gelb  und 
blau  5,  1,  154;  der  newtonische  siebeufarbige  schmutz, 
.  . .  die  siebenfache  gesellschaft  der  grundf  arben  4,  250; 
allgemeiner  gefaszt  als  'hauptsächliche  färben' :  in  unsern 
tagen  sieht  man  bei  solchen  gelegenheiten  nur  zwei  grund- 
farben,  schwarz  und  weisz  Hatjfp  w.  1,  46;  zum  comp.- 
typ.  6  k  stellt  sich  gr.  in  farbenchemischer  hinsieht:  pig- 
menthaltiger Stoff,  aus  dem  ein  farbstoff  hergestellt  wird : 
gerbsäure  imd  alle  gerbsäurehaltigen  Substanzen  werden 
. . .  verwendet  als  gr.  für  schwarz  Muspbatt  3,  62.  — 
-färben,  vb.,  die  unterste  farbschicht  aufstreichen:  gt.far' 
il  letto  a  cölori  Kbamee  teutsch-ital.  1,  673 c.  —  -farbig, 
adj.,  'erdfarbig' :  ein  rufolck  {fisch)  . . .  braunlecht  oder 
grundtfärbig  ist  HBYDENPZtm2i5(  1665)  344.  — färbung, 
/.  {vgl.  grundfarbe  1):  {die)  grösze  .  . .,  gr.  . . ,  sind  durch- 
schnittlich . . .  dieselben  {bei  grau-  und  hausgans)  Nau- 
mann Vögel  11,  230;  glänzende  glasuren  {geben)  zu  viel 
reflexe  .  . .  und  {lassen)  die  gr.  nicht  mehr  erkennen 
Muspbatt  8,  838;  bereits  früher  in  mystischer  spräche  des 
17.  jh.s  soviel  wie  'urfärbung" :  die  blinde,  finstere  frechheit 
der  ersten  materie  imd  derselben  abkehr  von  dem  licht 
{ist)  vermittelst  derselben  ersten  gr.  des  lichts,  welche 
widerwärtige  dinge  vergleichen  kan,  gebändigt  . . .  wor- 
den Knorb  V.  RosENBOTH  pscudodozia  (1680)  167. 

GRUNDFEHLER,  m.  {vgl.  comp.-typ.  5  p  /S  bzw.  r),  bei 
personen,  als  eigenschaft  gedacht :  {man  suxM)  . . .  den  gr. 
allein  in  der  Ungeschicklichkeit  des  componisten  Scheibe 
crit.  musicvs  (1745)  1014;  er  hat  seine  fehler,  aber  nur 
einen  gr.  D.  Fb.  Stbausz  ges.  sehr.  3,xxix;  {dieser)  gr. 
nachlässiger  Schauspieler  {schlechte  ausspräche)  sehr.  d. 
Oöthegesellsch.  6,  79;  die  generalbeichte  . . .  giebt  einen 
.  .  .  blick  auf  die  gr.  und  laster  einer  person  Roseggeb 
ni  10,  225;  verstärkt:  dasz  ein  solches  .  .  .  wollen  .  .  .  ein 
rechter  grund-  und  erbfehler  ...  ist,  . . .  das  weisz  jeder 
erzieher  E.  Schlegel  12, 121 ;  dann  fehler  des  handelns: 
auszerdem  begeht  er  noch  einen  haupt-  und  gr.  Göthe  II 
4, 169  W.;  wo  wir  nicht  irren,  so  liegt  der  gr.  . . .  in  der 
Vermischung  und  Verwechslung  dieser  beiden  gesichts- 
punkte  Moses  Mendelssohn  ges.  sehr.  4,  2,  533;  mit  un- 
persönlichem beziehungswort :  einen  gr.  hat  das  Singspiel 
Göthe  35,  9  W.;  es  rächte  sich  . . .  der  gr.  der  politic  des 
alterthums  Mommsen  röm.  gesch.  2,  95;  alle  bemühungen 
. . .  um  diese  gr.  {der  wärmeverluste  bei  dampfmaschinen) 
zu  heben  blieben  fruchtlos  Kabmabsch-Heeebn  2,  656. 
—  -fehlerhaft,  adj.:  ein  so  grundfehlerhaftes  gebäude 
Gebvinus  gesch.  d.  19.  jh.s  1,  289;  das  gnmdf ehlerhafte 
ihrer  {der  concertveranstalter)  Unternehmungen  R.Wagnee 
ges.  sehr.  u.  dicht.  8, 143. 

GRUNDFELS,  m.  1)  fds,  der  als  fundament  eines 
bauwerks  dient :  aber  tzuvernemen  den  starcken  grundt- 
velszen,  darauf  wir  bawen  mögen  H.  v.  Cbonbebg  sehr. 
44  ndr.; 

zerschlugst  den  gipfel  vom  hause  des  bösewichts; 
entblösztest  dessen  veste  bis  zum  grundfelsen  hinab 

Hbrder  12,  73  S.; 

sie  {die  bürg)  {nahm)  damals  den  ganzen  grundfelsen  im 


flofiz  ein  mit  starken  mauern  imd  türmen  G.  Kelleb  6, 
98;  so  auch  die  tragende,  unterste  gesteinsschicht  im  gebirgs- 
massiv,  das  Urgestein:  B.  ist  der  meinung,  dasz  die  ver- 
schiedenen schichten  . . .  einen  allgemeinen  gr.  zur  base 
haben  Kant  1,  435  H.;  imd  wenn  es  {dein  herz)  mit  dem 
grundfelsen  dieses  gebirges  umwachsen  wäre  EIlingbe  w. 
7,  140;  ähnlich:  sie  {die  korallen)  .  . .  sprossen  . . .  hervor, 
so  lang  man  nicht  die  . . .  grundfelsen  wegschafft  Oken 
allg.  naturg.  5, 141 ;  bildlich :  man  wird  sie  . . .  mit  banden 
der  wohlthätigkeit  an  den  gr.  des  Staates  anzuschmieden 
suchen  Sonnenfels  ges.  sehr.  3,  308.  2)  vereinzelt  für  'fds 
auf  dem  meeresgrunde' ,  bildlich :  andere  werden  durch  ire 
.  . .  laster  gleichsam  als  von  eyner  mörflute  ab  richtiger 
fart  inn  die  grundfelsen  und  klippen  der  spilsucht  . . . 
verworfen  Fischart  2,  287  H.  — fertig,  adj.,  bei  Schot- 
tel  so  viel  wie  'habituell,  angeboren':  die  weltsweisheit 
in  gemein  ist  in  imserem  gemüthe  ein  grundfertiges  ver- 
mögen ethica  (1669)  6;  modern  wie  comp.-typ.  1  a  'völlig 
fertig' :  das  junge  paar  {ist)  illusionslos,  kalt,  gr.,  hart, 
sicher  A.  Kebb  ges.  sehr.  2,  36.  —  -f  ertigkeit,  /.,  bei 
Schottel  etwa  wie  'habitus,  grundfähigkeit'  gebraucht :  die 
Weltweisheit  ...  ist  ...  eine  solche  gr.  (habitus),  wo- 
durch wir  alle  dem,  was  in  der  weit  ist  .  .  .,  nachsinnen 
{können)  ethica  (1669)  6;  anders  'grundlegende,  hauptsäch- 
lichste f ertigkeit' :  was  den  bürgerlichen  erwerbsstand  in 
den  grundfertigkeiten  . . .  stärken  . . .  könnte  Pestalozzi 
s.  sehr.  12, 180. 

GRUNDFEST,  od;.,  mhd.  gruntvest,  mnd.  gruntvast, 
vgl.  dän.  grundfast ;  nicht  vor  dem  13.  jh.  nachweisbar,  vgl. 
auch  grundf  estig  Jon.  v.  Neumarkt  Hieronym.  57  B.,  aber 
erst  mit  dem  16.  jh.  wirklich  lebendig.  1)  zunächst  deutlich 
als  'fest  hinsiehilich  des  fundaments'  oder  'fest  im  gründe' 
(grund  II  A  2  b)  gebildet  {vgl.  erdfest  th.  3,  768;  bodenfest 
th.  2,  215);  daher  concret:  disze  mauer  ist  szo  stark  und 
grundtfest,  das  sie  weder  Luter  noch  Lucifer  umbstoszen 
wird  Emseb  b.  Luther  u.  E.,  streitsehr.  v.  1521  1,  38  E.; 
mit  grundfester  maurenmacht  Neumabk  fortgepfl.  mus. 
poet.  lustw.  2,  13; 

.  .  .  des  hoben  dachs 

grundfesten  pleiler  . .  . 

DRoysEN  Äachylu»  w.  (1841)  74; 

dieses  herrliche  imd  grundfeste  Sprachengebäude  Neu- 
mabk neuspr.  t.  palmb.  87;  bei  Campe  2,  471:  ein  grund- 
festes haus;  gnmdfeste  banden  Hoffmann  v.  Fallebs- 
LEBEN  ges.  sehr.  7,  139;  vgl.  noch:  {er)  ist  ...  auf  dem 
breiten,  ebenen  und  grundfesten  boden  des  wirthshauses 
nicht  mehr  so  sicher  gestanden  Roseggeb  sehr.  10,  167; 
die  sinnliche  ausgangsvorstellung  ist  bei  anwendung  auf 
dingliches  meist  deutlich  fühlbar: 

wie  weit  der  grentzsteln  dieser  weit  ist  grundfest  elngeleget 
Treuer  dtsch.  Dädalus  1,  66; 

imsere  erde,  darinn  die  grundfeste  länder  . . .  sich  gleich- 
sam wältzen  imd  wägen  E.  Francisoi  eröffn.  lusth.  (1676) 
558;  dasz  die  länder  am  Rhein  .  . .  auf  ihrer  alten  erd- 
schoUe  noch  so  grund-  imd  bodenfest  stehen  als  der 
Brocken  MusÄus  volksmärch.  1,  72;  ein  land  aber  soll  gr. 
und  bodenfest  liegen  Fb.  L.  Jahn  w.  2,  427  E.;  ähnlich 
noch,  in  halbem  bilde:  solche  einlautende  würtzelen  oder 
grundfeste  Stammwörter,  welche  ausz  ihren  eigenen  uhr- 
alten lettem  zusammen  gefügt  seyn  Schottel  t.  sprachk. 
(1641)  72;  entsprechend  öfter  im  16.  17.  jh.  prädicativ  in 
typischer  verbalverbindung  bei  oft  inconcreten  beziehungs- 
wörtern:  dasz  sie  {die  dinge)  nicht  grund vest  und  bestendig 
sein  D.  Fbdebmann  sechs  thriumph  (1578)  438;  gewisz 
ist  . .  .,  dasz  fast  alle  .  .  .  angeführte  gründe  nicht  recht 
gr.  stehen  E.  Fbancisoi  lust.  sehaub.  (1697)  3,  1095;  ahn- 
lieh bildhaft:  die  fremdherrschaft  ruht  nirgends  gr.  in 
Deutschland  Fe.  L.  Jahn  w.  1,  486  E.;  av^h  in  trans. 
Verbindung:  hatt  auch  ein  mann  seines  weibs  gelübd 
gewist  und  nit  da  wider  gesagt  und  alszo  grundvest  mit 
seinem  stilschweigen  gemacht  hat  Carlstadt  v.  gelübd. 
unterr.  (1521)  s2^; 

das  gewissen  fein  gewisz 
und  recht  grundfest  machen 
PauIi  Gerhard   bei  Fisohbr-Tümpbl  3,  385^. 


801        GRUNDFEST  2-4 -GRUNDFESTE 


GRUNDFESTE  i 


802 


2)  die  concrete  grundbedeutung  wirkt  nach  in  der  (nicht 
häufigen)  anwendung  auf  personen:  dennoch  aber  war  er 
göttlich  klug,  starck,  gr.  G.  Arnold  verthäd.  d.  myst. 
theol.  198;  ein  kraftvoller,  grundfester,  kemhafter  .  . . 
mann  ist  er  Zimmermann  üb.  d.  einsamk.  3,  104;  an  statt- 
lichen .  .  .  fürstenhäusem  besitze  man  grundfeste  eifrige 
defensoren  Ranke  s.  w.  38,  269. 

3)  aber  auch  abgezogener,  in  anwendung  auf  abatrada; 
vereinzelt  schon  mhd.: 

mit  also  gnintvester  tugent 

Konrad  v.  Würzburq  gold.  schmiede  1220; 

die  rad  (wollte)  nenen  gruntvasten  loven  ('vertrauen')  to 
dem  erczebisscuppe  setten  Brem.  gesch.-quell.  137  bei 
ScHiLLER-LüBBEN  2,  159;  namentlich  aber  im  17.  jh.  häu- 
fig: wahre  grundfeste  weiszheit  Zinkgref  apophthegm. 
(1628)  305;  die  grundfeste  warheit  (vgl.  grund  IV  B  4  b) 
des  wunderwerck  Fr.  Caccia  d.  hl,  Antonius  .  .  .  mirakd 
(1692)  öl;  mit  so  starcken,  grundvesten  argumenten 
T.  Wagner  evang.  censur  (1640)  456;  grundfeste  lehrsätze 
Harsdörfer  poet.  trichter  (1647)  2,  114;  grundfeste  lehre 
J.  Kraus  d.  hinck.  löacher  (1717)  9;  der  gnmdfeste  glaub 
(vgl.  grund  IV  A  2  c)  Abr.  a  s.  Clara  auf,  auf  ihr  ehr. 
13  W.  ndr.;  ein  grundfester  trost  V.  Herberg  er  himml. 
Jerusalem  (1609)  40;  derowegen  hast  du  grundfeste  Ur- 
sachen genug  .  .  .  BuTSCHKY  kanzelley  (1666)  3,  189;  der 
die  gewiszheit  dieser  letzten  deutung  nicht  für  gr.  an- 
sehen wollte  Valvassor  ehre  d.  hztm.  Crain  (1689)  2,  8; 
(Händel)  gewann  ...  so  unglaublich  schnell  jene  grund- 
feste Sicherheit  und  reife  erfahrung  in  seiner  kunst  Chby- 
s ANDER  Händel  1,  43. 

4)  gelegentlich  mit  anderen  bedeulungen  von  grund  ver- 
einigt; gr.  =  'auf  dem  meeresgrund  befestigt,  ruhend":  hilf 
got,  wer  hat  das  schiff  ...  zu  aim  grundfesten  felsen 
verwandelt  Schaidenreiszer  Odyssea  (1537)  56»;  Campe 
verzeichnet  2,  471  einen  juristischen  begriff  grundfestes 
eigenthum  (immobilien),  'unbewegliches,  in  gegensatz  des 
beweglichen^,  der  im  dtschen  sonst  nicht  zu  belegen  (s.  erd- 
fest th.  3,  768),  aber  auch  nl.  (de  Vries-te  Winkel  5, 
1029)  und  dän.  (dän.  wb.  7,  173)  vorhanden  ist. 

GRUNDFESTE,  /.  im  16.  u.  frühen  17.  jh.  öfter,  woM 
von  grund  beeinfluszt,  als  m. :  tzu  lob  und  breis  dem  glau- 
ben als  dem  gnmtfest  P.  Amnicola  z.  errettg.  d.  schwach, 
ordenspers.  (1524)  d  3''';  dis  ist  der  rechtschaffene  grunt- 
feste  christliches  trosts  J.  Barth  weiberspiegel  (\bQb)  p  2*; 
das  wort  gottes  ist  .  .  .  ein  gewisser  grundfest  Jon.  Ma- 
THESius  Syrach  (1586)  158''';  es  (ist)  auch  der  wahre  grund 
und  apostolische  gnmdfest  J.  Böhme  6,  176;  eine  uhrsach 
zum  gnmdfest  legen  Schottel  haubtspr.  421;  selten  als 
n. :  die  ihren  reichthum  auf  nichts  anders  als  auf  fressen, 
saufen  und  lügen  und  also  auf  das  sandige  gr.  legten 
Matth.  Abele  Unordnung  (1669)  2,  119,  offenbar  nach 
f undament ;  gr.  ist  ahd.  und  mhd.  bezeugt,  aber  nicht  mnl. 
mnd.  nachgewiesen,  vgl.  Verwijs-Verdam  2,  2178;  seit 
dem  16.  jh.  auch  nl.  nd.;  als  lehnwort  im  schwed.  grund- 
fäste  schwed.  wb.  10,  1014,  vgl.  dän.  wb.  7,  175  und  Falk- 
TORP  353. 

herkunft  und  form. 

ahd.  grantfeati  fundamentum  Graff  3,  718;  mhd.  grünt- 
veste;  erst  spätahd.  gebildet,  vgl.  Notkeb  cant.  Habac.  3, 
13  M.  cant.  deuteron.  32,22,  während  er  sonst  wie  das  ältere 
ahd.  eingedeutschtes  phundement,  fundiment  beibehält,  vgl. 
ps.  81,  5;  86, 1;  136,  7  u.  fundamenta  Tatian  67,  13;  s.  auch 
nidanentigi  =  fundamenta  ahd.  gl.  1,  467,  ZI;  daneben  mhd. 
gruntfestin  Graff  3,  719  und  grünt vestene  Beheims 
evang. -buch  Luc.  6,  48;  14,  29;  die  alte  pluralform  mehr- 
fach bis  in  das  nhd.  erhalten :  diese  heubter  und  grundfeste 
sind  die  könige  Luther  19,  432  W.,  vgl.  ps.  82,  5;  die 
gruntvest  der  schwipogen  Aventin  s.  w.  4,  1,  701;  Wid- 
mann Fausts  leben  444  K.;  B.  Schmolck  sehr.  2,  259; 
sonst  auch  im  16.  jh.  grundfesten. 

bedeutung  und  gebrauch. 

so  deutlich  gr.  in  den  ältesten  belegen  lat.  fundamentum 
entspricht,  die  anknüpfung  an  eine  bestimmte  bedeutung  von 
IV.  1.  6. 


grund  ist  nicht  ohne  weiteres  gegeben,  zumal  grund  IV 
im  ahd.  nicht  bezeugt  ist;  doch  wird  man  wie  bei  got. 
grunduwaddjus  die  (natürliche  oder  künstliche)  befestigung 
als  unterster  fester  theil  bzw.  träger  einer  körperlichen  masse 
als  ausgangsbedeutung  anzusehen  haben,  also  gr.  zu  grund  I 
bzw.  IV  (nicht  grund  III  wie  de  Vries-te  Winkel  5, 
1030)  stellen;  doch  wird  nachträglich  die  beziehung  auf 
grund  III  'erdboden'  hergestellt  (s.  u.  2) ;  mhd.  geläufig  für 
'fundament'  (s.  u.),  seit  dem  älteren  nhd.  mehr  und  mehr 
auf  literarische  spräche  beschränkt,  in  jüngerer  zeit  nur  in 
gehobener  rede  und  in  formelhaften  Verbindungen  (s.  u. 
l  gß)  gebraucht,  aber  noch  fachsprachlich  bewahrt  (s.  u.  Id), 
vgl.  Adelung  (1775)  2,  828  u.  de  Vries-te  Winkel  a.a.O.; 
von  der  mundart  kaum  angenommen,  vgl.  nur  Bacher 
Lusern  264;  irrig  ist  Frankes  (grundz.  d.  schriftspr. 
Luthers  2,  55)  ansatz,  gr.  sei  zur  zeit  Luthers  ausschliesz- 
lieh  md.  bzw.  md.-nd.  und  erst  durch  Luther  in  die  nhd. 
Schriftsprache  gekommen,  vgl.  dazu  grundvestin  ordn.  d. 
schul  halben  (Stuttg.  1501)  bei  Reyscher  wttbg.  gesetze  11, 
2,  2;  Keisersberg  granatapfd  (1510)  e  2»;  G.  Alt  buch 
d.  chron.  (1493)  23^;  Habtlieb  d.  buch  Ovidii  v.  d.  liebe 
(1482)  69». 

1)  g;randieste  fundamentum  Diefenbach  252*;  nov.  gl. 
49»;  185'';  Frisius  593";  noch  nhd.  als  'fundament,  basis' 
eines  dinges,  namentlich 

a)  eines  bauwerkes,  die  als  träger  des  gebäudes  dienenden 
theile,  stei7ie,  erdbefestigungen,  pfahlwerk  oder  mauern: 

(der  Jaspis)  ...  11t  zaller  unterist 

an  der  geruntfeste 

unte  habet  üf  daz  gerüste 

himml.  Jerusalem  134  Waag;  vgl.  55; 

vgl.  bildliches :  sie  ne  sculin  zimberon  ufen  die  XQ^  crunt- 
feste  diutisca  3,  119  Qraff; 

dar  umbe  daz  da  würde  erhaben 
ein  tiefe  gruntveste  w!t, 
dar  üffe  er  wolte  bl  der  zit 
ein  münster  büwen  schöne 

KONR.  V.  WÜRZBURQ  Silvester  1982  Gr.; 

der  sin  hüs  büwit  üf  die  erden  sunder  gruntveste  Beheims 
evang.-buch  Luc.  6,  49;  anno  1356  jar  hüb  man  an  die 
grundvest  zu  dem  newen  chor  zu  unser  frawen  zu  dem 
tümb  SiGM.  Meisterlin  in  chron.  d.  dtsch.  st.  4,  308; 
palatio  eine  gr.,  an  sumpfigten  orten  von  lauter  pfälen 
gemacht,  do  man  wol  gantze  gebäu  drauf  aufführen  kan 
CoRViNüs/oTw  laiin.  (1646)  618;  die  grundveste  soll  sonst 
doppelt  so  dick  seyn  als  die  mauren  Hohberg  georg.  cur. 
1,24;  im  19.  jh.  meist  pluralisch,  in  concrder  bedeutung 
weniger  häufig  und  als  alterthümdnd  anzusprechen:  ein 
schlechtes  gebäude,  das  ...  ohne  sichere  grundfesten 
aufgeführt  wird  Chph.  v.  Schmid  ges.  sehr.  11,  38;  als 
die  Werkmeister  .  .  .  die  trümmer  und  grundfesten  (des 
Schlosses)  untersuchten  Grimm  dtsche  sagen  l,  16;  er  be- 
gann .  . .  die  grundfesten  eines  hauses  aufwerfen  zu 
lassen  Stifter  s.  w.  2,  252  S.,  vgl.  117;  auf  den  bau  aber, 
auf  die  Solidität  der  grundvesten  kommt  es  an  Hebbel 
w.  11,  285  FT.;  in  älterer  spräche  gern  der  sing,  collectiv 
verwendd  für  die  'fundamente  einer  stadf : 

diu  stat  wart  zefüeret  gar  . .  . 
daz  belelp  I^üme  gruntveste 

obd.  Servatius  1804  in  zs.  f.  dt.  alt.  5,  131; 

daselb  setzet  sie  die  grundtfest  diser  stat  G.  Alt  buch  d. 
cron.  (1493)  23»;  die  mauren  die  vallend  mit  der  gnmtfest 
der  statt  erste  dtsche  bib.  4,  266;  als  (steinerner)  unterbau 
im  gegensatz  zum  oberen  holzbau: 

ist  diu  gruntveste  guot, 
so  Ist  daz  oberwerc  wol  behuot, 
daz  ez  niht  mac  gevallen 
Stricker  Karl  1651;  vgl.  Thomasin  w.  gast  12024/.; 

auch  daz  ober  zimmer  allweg  schöner  ist  dann  die  grunt- 
vest Hartlieb  d.  buch  Ovidii  v.  d.  liebe  (1482)  69»;  in  ähn- 
lichem sinne  bildlich: 

(gott,)  send  mir  üz  dlner  gotheit  sark 
die  gruntvest  und  daz  zimmer 

Kolmarer  meistert.  195,  4; 

51 


803 


GRUNDFESTE  i 


GRUNDFESTE  i 


804 


(meister,)  die  daz  üzer  gezimber  griffen  au; 
des  innern  zimbers  er  selbe  phlac, 
Kristus,  diu  gruntveste  da  under  lac 

Albertus  «.  Ulrichs  leben  371  Sehnt.; 

dasz  wie  bei  grundbau  (vgl.  sp.  755)  nicht  lediglich  der  in 
der  erde  liegende  theil  des  mauerwerks  als  gr.  aufgefaszt 
wird,  ist  selten  deutlich:  die  grundvest  des  gemeuers  war 
dreiszig  schuech  tief,  achzig  hoch  Aventin  s.  w.  i,  84 
(vgl.  grundmauer);  so  ist  die  Vorstellung  auch  in  folg. 
stellen:  des  werden  alle  grundfeste  des  landes  umbf allen 
ausleg.  zu  ps.  82,  5  B.-N.  3,  205;  vgl.  Hesekid  30,  4; 

reisz  alle  grundfest  um,  auf  die  der  mörder  baut 

A.  Geyphius  trauersp.  542  Palm; 

als  Hiefenraum  für  die  fundamente'  grondveste  fundamen- 
tum:  fossa  ubi  fit  substructio  Kilian  (1605)  lesa^;  vgl.  dazu 
die  alte  formel  die  gr.  graben  (u.  1  ga). 

b)  vielfach  in  festen  Verbindungen,  meist  biblischer  spräche 
entstammend,  auf  weit,  erde,  berge,  himmel,  höUe  ange- 
wendet :  auf  das  . .  .  geoffenwart  werden  di  gruntfesten 
der  werld  [fundamenta  orbis  terrarum)  Joh.  v.  Neumaekt 
soliloqu.  11  Kl.;  schon  früher: 


dirre  werlde  gruntveste 

ob  dem  abgrunde  was  sein  reste 


anegenge  2,  28 ; 


wo  warstu,  do  ich  saczt  die  gruntfesten  der  erden? 

Hans  Folz  meisterl.  100,  372  M.  nach  Hiob  38,  4; 

weil  auch  die  grundfeste  der  erdn 
durch  solches  krachn  bewogen  werdn 

W.  Alardtjs  bei  Fischer-Tümpel  2, 161; 

die  grundvest  der  erde  sind  Jehovas  (1.  Sam.  2,  8  Luther 
der  weit  ende)  Herder  12,  109  S.;  die  gr.  aber  des  erd- 
reichs  wird  sich  müssen  erschüttert  .  . .  haben  Schottel 
friedenssieg  41  ndr.;  die  gruntveste  des  erdballs  Fr.  L. 
Jahk  w.  2,  259  E. ;  {gott,  du)  urheber  der  grundfesten  des 
landes  G.  Keller  5, 300 ;  gr.  der  berge  nach  deuter.  32,  22 : 
iz  .  .  .  brennet  die  gruntfesti  dero  bergo  Notker  2,  629; 
und  {das  f euer)  verbrent  die  gröntfest  der  berg  erste  dtsche 
bib.  4,  238;  vgl.  5.  Mose  32,  22  u.  psalm  18,  8  nach  Luther; 
die  grundveste  der  berge  regeten  sich  und  bebeten  Wid- 
mann Fausts  leben  444  K.; 

des  schröckllchen  gebürgs  grundfest  und  eingewald 

Wkckherlin  ged.  2,  41  F.; 

quellen,  die  der  gr.  dieses  berges  entströmen  Pfeffel 
pros.  vers.  1,119;  nach  2.  Sam.  22,8  gr.  des  himmels: 
was  ist  die  erde?  gr.  des  himmels  J.  H.  Vosz  krit.  blätter 
2, 134;  ein  dumpfes  gebrülle  .  .  .,  wovon  die  grundveste 
der  höUe  zittert  Junq-Stilling  s.  sehr.  2,40;  vgl.  ut  der 
helle  gruntvesten  Brun  v.  Schonebeck  Theophilus  27 
in  nd.  jahrb.  30,  128;  vereinzelt  als  ^fester  grund"  gegenüber 
dem  wasser,  mit  grund  I  sich  berührend:  der  gestalt  wird 
.  .  .  das  meer  alle  seine  grundveste  entblöszen  Meyfart 
himml.  Jerusal.  (1630)  2,  35. 

c)  weniger  häufig  als  'basis,  feste  grundlage'  anderer 
körperhafter  dinge:  basis  grundvesti,  swelle,  bodem  DiE- 
fenbach  69C;  solum  grundveste  eines  jeden  dings  Feisius 
1222^;  pf eiler  mit  iren  erin  gruntfesten  (columnae  decem 
cum  basibus  suis  aeneae)  erste  dtsche  bib.  exod.  38,12;  die 
AuAjsburger  drucke  nach  1475  ändern  gruntfesten  in  füssen 
ebda  3,  352;  die  noch  jetzt  auf  ihren  alten  grundfesten 
stehende  säule  H.  Meyer  gesch.  d.  bild.  3,  229 ;  noch 
Kinderling  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  160  verdeutscht  basis 
in  gr.;  hierher  die  Verbindung  gr.  haben  'festen  boden, 
Standort  haben':  reht  als  ob  ez  {das  schiff)  da  gruntvest 
hab  und  da  gewurzelt  sei  Konrad  v.  Megenberg  buch 
d.  nat.  251  Pf.;  won  du  wurtze  aller  guter  wercke  hat  in 
dem  hertzen  ain  gruntvesti  d.  sog.  Oeorgener  prediger  2öl 
B.;  ins  geistige  gewendet  'grundlage,  berechtigung\- 

hat  daz  gruntvesten,  so  bin  ich  golt 
und  golde  und  silber  ist  nieman  holt 

Hugo  v.  Trimberg  Renner  13369  E.; 

ähnlich  gr.  geben,  'grundlage,  gewiszheiC  verschaffen:  wel- 
ches doch  gleichwol,  die  warheit  zu  bekennen,  noch  gar 
keine  gr.  gibt:  zumal,  weil  hingegen  andere  behaupten 
wolten,  er  wäre  an  einer  magenkrankheit  gestorben 
E.  Francisci  schau-  u.  ehrenpl.  (1684)  17. 


d)  gr.  als  'feste  unterläge''  ist  in  älterer  handwerker- 
spräche  mehrfach  terminologisch  geworden;  hierher  stellt 
sich  gruntvest  von  holtz  geschlagen  loramentum  Diefen- 
BACH  336'';  gesmeid,  pintung,  grundfest  loramentum  nov. 
gl.  2393';  gruntveste,  hauptseul  columen  {textoris)  gl.  134'^, 
vgl.  th.  8,  65;  in  der  wassermüllerei :  'auszer  dasz  es  {das 
wort)  noch  bey  den  Wassermühlen  vorkommt,  wo  die  mahl- 
pfähle ihre  grundfesten  haben"  Adelung  (1775)  2,  828;  bei 
den  buchdruckern :  gr.  heist  .  .  .  die  metallene  platte, 
worauf  die  formenweise  abgesetzten . . .  Schriften  gestellet 
werden  Noel  Chomel  4,  1387;  in  medizinischer  spräche 
bis  ins  17.  jh.,  wenn  auch  kaum  eigentlich  fachsprachlich : 
reht  als  die  kruspeln  in  anderen  glidern  ain  gruntvest  sint 
Konrad  v.  Megenberg  b.  d.  natur  137,  4,  vgl.  130,  25; 
auch  ist  der  ruck  ein  grundfest  aller  pein,  dy  darin  ge- 
pflanczt  sein  Aristotelis  problem.  (1492)  12*,  wo  aber  gr.  2 
hereinkreuzt;  gruntvest  als  'Schädelbasis'  Hyrtl  kunstw. 
d.  anatom.  181,  vgl.  het  (wiggebeen  is)  een  deel  .  .  .  van 
der  herssenen  grontvest  {v.  1660)  bei  de  Vkies-te  Winkel 
5,  1001;  vergleichbar:  die  knochen  {sind)  die  grundfesten 
der  bildung  {des  schädels)  Göthe  37,  347  W.;  gelegentlich 
auch  uneigentlicher:  die  grundfest  des  weins  {ist)  die 
hefen  Lehman  fiorileg.  polit.  {1662)  3,  375;  vgl.  wesenkait, 
grünt,  gruntfeste  substantia  Diefenbäch  561  c. 

e)  ausgebreiteter  als  eigentlicher  gebrauch  ist  namentlich 
in  neuerer  spräche  eine  abgeblasztere  Verwendung  im  sinne 
von  'grundlage,  stütze";  aber  stärker  als  bei  grund  IV  A  2 
bleibt  bei  gr.  der  bildcharakter  spürbar;  vgl.  gruntfestin 
firmamentum  Diefenbäch  236''. 

a)  vielfach  auf  dinge,  zustände  und  einrichtungen  be- 
zogen: 

es  (abenteuer)  Ist  auch  noch  das  peste 
und  desz  puches  grundfeste 

Heinr.  v.  Neustadt  Apollonius  2302  S.; 

wie  auch  das  alte  testament  die  grundfest  ist  des  newen 
testaments  Mathesius  ausg.  w.  3,  292;  das  gantze  hoch- 
löbliche haus  in  Osterreich,  welches  gott  .  .  .  zur  stütze 
und  gr.  der  baufälligen  römischen  monarchi  verordnet 
H.  Rätel  chron.  d.  hztm.  Schlesien  (1607)  266;  die  grund- 
festen des  kriegs,  sagte  er  {Karl  V.),  weren  gelt,  proviant, 
Soldaten  Zinkgref  apophthegm.  (1628)  101;  der  mittel- 
stand,  .  .  .  diese  eigentliche  ...  gr.  aller  freyen  Verfas- 
sungen Pestalozzi  s.schr.  6,  109;  die  territoriale  ab- 
grenzung  ist  eine  der  beiden  grundvesten  der  Raifieisen- 
schen  Organisationen  hwb.  d.  staatswiss.^  3,  120;  auch  in 
abstracteren  bezirken:  reht  ...  ist  eine  sture  und  eine 
gruntfeste  aUer  guten  dinge  keyserrecht  {hs.  v.  1372)  1 
Endemann;  der  haUig  cristenlich  gelaub  ist  die  grund- 
vest, dar  auf  du  besteen  mflst  Keisersbero  granatapfel 
(1510)  E  2^;  gehorsam  der  unterthanen  ...  ist  eines  lands 
und  Stands  grundfest  Lehman  fiorileg.  polit.  (1662)  l, 
273;  eine  lautere,  vernünftige  religion  (sey)  die  grund- 
veste der  thronen  und  Staaten  Herder  1,  22  S.;  Ordnung 
und  recht  (sey)  die  gr.  der  gesellschaft  Wieland  I  2,  362 
akad.  ausg. 

ß)  häufig  von  ethischen  und  geistigen  werthen  oder  man- 
geln, die  einander  bedingen;  'grundlage,  Voraussetzung^ : 

davon  schetz  ich  einn  steten  muot 
ein  gruntfest  wol  der  ere 

H.  V.  MONTFORT  18,  222; 

die  demutikgait  sol  unser  gruntvest  sein  Tauler  ser- 
mones  (1508)  95''; 

ein  grundtfest  rechter  tugent  ist 
demütigkeit  on  argen  list 

Petrarcas  zwei  trostbücher  (1559)  7''; 

'grundlage  des  wissens,  der  lehre'  u.  ä. :  gramatica,  grunt- 
feste aller  guten  rede,  enhilfet  do  nicht  ackermann 
a.  Böhmen  61  B. ;  die  kunstmeszige  anweisung,  welche 
nicht  ohn  arbeit  und  erkundigung  anderer  sprachen  die 
rechten  gr.  einzurichten  bemühet  ist  Schottel  haubtspr. 
10;  aller  weisheit  gr.  {ist)  ein  gutter,  natürlicher  verstand 
Butschky  Pathmos  78;  Cartesius  setzte  mit  recht  als 
die  grundveste  alles  nachdenkens  den  schlusz  voraus 
Moses  Mendelssohn  ges.  sehr.  2,  276;  so  ruht  der  styl 


805 


GRDNDFESTE  i 


GRUNDFESTE  i 


806 


auf  den  tiefsten  gnindfesten  der  erkenntnisz,  auf  dem 
wesen  der  dinge  Göthe  47,  80  W.;  gewiszheit  bleibe  die 
ewige  grundveste  des  menschlichen  geistes  Herder  5, 
457  S.;  ähnlich:  glaubet  man  in  der  that,  dasz  die  poesie 
mit  der  Zauberkunst  eine  gleiche  gr.  habe?  Bodmeb 
samml.  crit.-poet.  sehr.  2,  113. 

y)  vorwiegend  älterer  spräche  ist  Übertragung  auf  per- 
sonen  eigen;  besonders,  aber  nicht  ausschlieszlich  in  reli- 
giöser spräche,  hier  wohl  ausgehend  von  Eph.  2,  20;  danck 
sag  ich  dir  herr  Jhesu  Criste,  du  firmament  und  gr.  der 
engel  der  hertzmaner  (1495)  öS^^;  ihr  {der  fheologie)  Funda- 
ment und  grundfest  ist  Christus  Luther  tischr.  1,  72  W.; 

er  {Christus)  ist  die  grundfest  und  der  felsz 
ein  könig  worden  unsers  heils 

Kirchhof  wendunm.  3,  423  0.; 

der  du  (gott)  unfehlbar  bist,  die  grundvest  und  verstand 
Opitz  opera  (1645/.)  3,237; 

im  anschlusz  an  Matth.  16,  18:  Peter  war  der  erst  päpst 
und  ain  gruntvest  des  hailigen  roemischen  stuols  K.  v. 
Meoenberg  b.  d.  natur  217,  4;  er  (Jesus)  und  seine  nach- 
komen  die  bischof  zu  Rom,  ein  grundvest  der  kirchen 
Schade  aat.  u.  pasqu.  2,  15;  danach:  ' 

zem  Icelser  sprach  er  also: 
gruntveste  der  kristenheit . .  . 
Steicker  Karl  1849;  vgl.  Ekinmar  v.  Zweier  136,  3  R.; 

mehr  im  sinne  ^bewahrer,  Urheber^  beim  bezug  auf  persön- 
liche eigenschaften : 

(Maria)  du  gruntvest  stseter  triuwen 

Eeinmar  V.  Zweier  21,  6  R.; 

her  (Luppolt)  mochte  uns  immer  rouwen, 
her  ist  gruntveste  allir  trouwin 

ßOTHER  4?06  Rädert; 

(Maria)  du  gruntfest  aller  guten  handelung 

Hans  Folz  meisterl.  30,  40  M.; 
fast  im  sinne  WepräsentanV : 

(Salonio,)  den  got  . . .  hat  irchorn 
ze  gruntveste  allir  wisheit 

Rudolf  v.  Ems  wdtchr.  28999. 

f)  ältere  spräche  geht  in  der  auflösung  des  Wortes  zum 
abstracten  noch  weiter,  vor  allem  im  15.  lü.jh.;  die  ein- 
zelnen  entwicklungszweige  sind  deutlich  abhängig  von  denen 
des  synonymen  grund  IV. 

a)  gr.  wie  'grundsatz,  grundprincip'  verwendet:  was  die 
heylige  facultet  zu  Parys  thut,  das  ist  so  vill  als  eyn 
artickel  und  grundfest  des  glaubens  Luther  8,  543  W.; 
{ich)  hon  ...  im  yngang  mynes  urtails  ain  gemaine  regel, 
grundtfestin,  verfertigimg,  beschaid  .  .  .  gemacht  Joh. 
Reuchun  verstentnusz  (1512)  a2*>;  sein  nicht  in  ainer 
ygklichen  kunst  gemayne  regel  und  gründtfäst  Schwar- 
ZENBERG  teutsch  Cicero  (1535)  48;  die  prima  principia,  das 
ist  die  grundtfesten  christlich  glaubens  Judas  Nazarei 
V.  alt.  u.  neuen  gott  9  ndr.;  dann  vergeblich  disputiert  man 
wider  diejenigen,  welche  die  principia  oder  gnmdveste 
leugnen  J.  F.  Castillioneus  grundtveste  d.  wahren  lehr 
Christi,  relig.  (1597)  13». 

ß)  als  'beweisstück,  argumenta :  bewisunge,  gruntvestene, 
Urkunde  argumentum  K.  v.  Heinrichau  vocab.  385»  Ou- 
sinde;  vgl.  Diefenbach  47 C;  dann  es  {die  Zeugenaussage) 
gar  ein  herrlichs  guts  und  starcks  argument  und  grund- 
fest ist  Ayrer  hist.  proc.  juris  (1600)  373;  hab  ich  als  ain 
gr.  und  urkund  unsrers  .  .  .  christlichen  glabens  .  .  .  vor- 
an setzen  wellen  J.  Keszler  sabbata  1,  9  Oötzinger  (1866); 
das  künigkliche  wort  billich  hand-  und  grundfest  sin 
söltend  100;  anders,  etwa  ^documenV :  die  ersten  fünf 
püecher  in  der  bibel  .  .  .,  ein  grundvest  aller  göttlichen 
haimlikait  Aventin  s.  w.  4,  155;  ähnlich  als  'grund- 
legende Urkunde''  bereits  vereinzelt  mhd.: 

sin  (Christus)  aygen  plüt  schraib  den  brief 
unser  gruntfeste 

Wernher  Maria  A  4579  (s.  237)  Wesle; 

unser  gruntfeste  und  privilegia  zu  vernichten  (».  j.  1496) 
acten  der  ständetage  Preuszens  5,  420. 

y)  an  den  gebrauch  von  gr,  le ß  anknüpfend,  aber  doch 
fühlbar  unterschieden,  entwickelt  sich  die  verwendutig  ''Ur- 
sprung, Ursache,  wurzeV,  auch  'anfang\  öfter  in  zwillings- 
formeln;  nach  1.  Thim.  6,  10: 


wan  unmaezzige  erge 

ist  gruntveste  aller  ubele 

vom  rechte  v.  320  in  WAAG  kl.  dt.  ged.*  80; 

swer  gltekeit  und  erge  hat, 
delst  gruntvest  aller  misset&t 
Freidank  91,2  Gr.;  vgl.  Rud.  v.  Ems  Barlaam  267,  5  P/.; 

diz  ist  noch  ein  wurzele  und  ein  gruntfestene  alles  kriges 
mystiker  1,  44  Pfeiffer;  die  wurczel  und  grundfest  aller 
einigkeit,  .  .  .  die  gleichheit  acta  publica  2,  53  Palm;  seine 
Schriften  .  .  .  schmeckend  nach  etlichen  angezognen  tö- 
rechtigen  und  ungesaltznen  Ursachen  und  grundvesten, 
die  von  der  warheit  gäntzlich  frembd  seind  M.  Pegius 
geburtsstundenbux^h  (1570)  Vv2»;  artzney,  ...  die  der 
kranckheyt  gr.  hinweg  neme  S.  Franck  «>cZi6.(1534)  11»; 
wie  nun  kunig  Heinrichs  Sachen  ain  anfang  und  ein 
grundtfeste,  also  ist  auch  das  ende  hernach  gefolgt 
zimmerische  chron.^  4,  195  B.;  ain  anfang  imd  gleichsam 
ain  gr.  der  Weisheit  G.  Fbölich  8tobäi  acharpfsinn.  spr^ 

(1551)    131. 

g)  gr.  tritt  in  einer  reihe  typischer  und  formelhafter  ver- 
bal Verbindungen  auf. 

a)  auf  den  beginn  des  bauens  mit  der  herstellung  der  gr. 
beziehen  sich:  die  gr.  graben  {vgl.  den  grund  graben  IV 
A  3  a  sp.  705),  im  ganzen  wenig  häufig:  'den  erdraum  der 
gr.  ausheben^  {vgl.  oben  a  schlusz);  bereits  mhd.  vgl.  Jans 
Enikel  weltchron.  2i508  Str.,  vgl.  24511;  und  man  ge- 
funden hat  {einen  schädel),  da  man  die  grundvest  grueb 
{des  capitols)  Aventin  s.  w.  4,  279 ;  {es)  hiesz  .  .  . ,  dasz 
schon  gebaut  werde,  .  .  .  und  dasz  man  bereits  die  grund- 
festen  grabe  Stifter  2,  252  S.;  viel  häufiger,  aber  mehr 
bildlich  als  im  eigentlichen  sinne  verwendet  und  in  neuerer 
Sprache  zurückgehend:  die  gr.  legen,  setzen,  bauen: 

wizzet  daz  er  tiefe  legen  sol 
der  diumüete  gruntveste 

Thomasin  V.  Zircl.  welsche  gast  12024; 

du  hast  nü  der  kristenheit 
eine  gruntveste  geleit 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  175,  4  Pf.; 

nach  Luc.  6, 48  der  . . .  sine  {des  hauses)  gruntvestene  gelegit 
hat  üf  einen  stein  Beheims  evang.-buch  131;  es  ist  nicht 
ein  vestes  gepeude,  do  der  wille  gruntvest  gelegt  hat  bei 
A.  Zycha  böhm.  bergrecht  d.  m.-a.  2,71;  nhd.  überwiegend 
pluralisch :  dargegen  sollen  die  stände  ...  zu  einer  grund- 
festen  dess  gantzen  friedenswerck  gelegt  {werden)  Hars- 
DÖRFER  secret.  2,  308;  neue  gebäude  auf  den  von  ihnen 
{Wolf  und  Leibnitz)  gelegten  grundfesten  {aufrichten) 
Schwabe  belust.  8,  64;  {die  äsen)  suchten  .  .  .  den  fernsten 
norden  .  .  .  auf,  um  dort  .  .  .  die  grundvesten  ihrer  macht 
zu  legen  dtsches  mu^eum  4,  823  Fr.  Schlegel;  als  Variante  zu. 
guten  grund  legen  {vgl.  sp.  706)  Hüchtig  essen" :  dann  ist 
gut  grundfest  legen  und  auf  ein  sechspf ündigen  schuncken 
viermäszig  getnmcken  Fischart  praktik  (1623)  66;  sel- 
tener und  in  neuerer  spräche  ungebräuchlich  setzen:  und 
setzt  die  gruntfesten  {des  hauses)  auf  einen  stein  erste 
dtsche  bib.  l,  227;  s.  Domitianus  {hat) .  .  .  die  ersten  grund- 
vesten der  kirchen  zu  M.  gesetzt  H.  Megiser  annal. 
Carinthiae  (1612)  10;  biss  widersprochen  ist  den  neidern 
und  gruntfest  gesetzt  und  haidenschaft  zurucken  ge- 
schoben SiGM.  Meisterlin  in  chron.  d.  dtsch.  städte  3,  56; 
Sigismundus  {wollte)  die  grundtveste  seines  throns  allain 
auf  die  mildigkeit  setzen  v.  Brandis  ehrenkr.  (1678)  169; 
vereinzelt  bauen:  alle  die  ir  grundfest  nit  eynigk  und 
alleyn  uff  den  starken  velsen  Christum  bawhen  H.  v. 
Cronberq  sehr.  76  ndr. 

ß)  auf  das  zerstören  oder  gefährden  bzw.  gefährdet  sein 
der  gr.  zielen  Verbindungen  wie  die  gr.  aus  {der  erde)  brechen, 
graben,  untergraben  u.  ä.,  die  keine  gröszere  ausbreitung 
gewonnen  haben: 

die  gruntveste  er  in  slt  üz  der  erde  brach 

kaiserchron.  7269  Sehr.; 
(er  gebot)  .  .  .  graben 
die  gruntveste  üz  der  erde 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  339,  13  Ft.; 

Euhemerus  .  ,  .,  welcher  die  gr.  der  pöbelhaften  religion 
untergrub  Gottsched  neuest.  7,  931;  er  suchte  . . .  die 

Öl» 


807   GRUNDFESTE  2.  3  -  GRÜNDFESTEN 


GRUNDFESTEN  1-4  -  GRUNDFESTIGEN  808 


grundfesten  der  ehrfurcht  zu  untergraben  Schiller  4, 
123  (?.;  nhd.  spräche  bis  in  die  gegenwart  geläufig  und  heute 
nahezu  die  einzige  formelhaft  feste  anwendung  von  gr.  über- 
haupt ist  die  Verbindung  mit  intr.  verben  wie  beben,  er- 
beben, schwanken,  wanken,  insbesondere  aber  mit  trans. 
erschüttern;  intr.  verba:  das  sich  bewegeten  die  gr. 
des  gefengnis  apostdgesch.  16,  26;  das  die  grundfesten  des 
landes  darüber  erbidmen  JoH.  Mathesius  Sarepta  (1571) 
98^;  Constantinopel  und  Rom  erbebten  in  ihren  grund- 
festen E.  M.  Arndt  ansieht.  (1814)  154;  die  gr.  des  hauses 
zitterte  Klinqbr  w.  3,  14; 


wenn  es  (das  Mnigreich)  hoft  stehn  am  besten, 
so  macht  er  schwancken  Ir  grundvesten 

Hans  Sachs  20,  417  K. 


0.; 


ihre  {der  warte)  grundvesten  schwankten  Fouque  zauber- 
ring 2,  187;  dreymahl  wankte  ihre  {der  erde)  gr.  Falk 
Satiren  2,  264;  in  den  tagen  der  noth,  da  Österreich  in 
seinen  grundfesten  schwankte  jahrb.  d.  Orillparzerges.  2, 
330;  trans.  vor  allem  {seit  dem  17.  jh.)  erschüttern:  {die 
teufel)  erschüttern  die  fundamenta  und  gr.  an  den  ge- 
hauen Pkätorius  anthropod.  pluton.  (1666)  1,  92;  die  gr. 
. . .  des  erdreichs  wird  sich  müssen  erschüttert  haben 
ScHOTTEL  friedenssieg  41  ndr.; 

wenn  bald  der  komet  .  .  . 

mit  der  erde  das  zweytemal  ringt  und  die  grundfest  erschüttert 
BODMKR  Noah  (1752)  317; 

welche  {bücher) .  .  .  die  grundveste  desselben  {des  christen- 
thums)  erschüttern  Nicolai  literaturbr.  2,  236;  der  bürger- 
krieg  .  .  .,  welcher  Frankreich  unter  vier  .  .  .  regierungen 
in  seinen  grundvesten  erschütterte  Schiller  8,  3  O.;  wir 
hatten  das  gefüge  des  feindlichen  Widerstandes  bis  in 
seine  grundfesten  erschüttert  Hindenbxjrg  o.  m.  leben 

(1920)   334. 

2)  nur  vereinzelt  und  nicht  immer  völlig  deutlich  hat  ältere 
spräche  gr.  an  grund  II  A  2  b  angeknüpft  und  als  'fester 
erdboden'  verstanden;  so  noch  Henisch  1765:  grund,  die 
grundtfeste,  das  veste  erdrich  von  natur,  darauf  der 
bau  gesetzt  wird  solidum,  soliditas,  wo  unter  gr.  eine 
tiefere  feste  bodenschicht  verstanden  zu  sein  scheint,  vgl. 
ein  fundament  bisz  auf  die  gr.  graben  1767;  ähnlich 
schon  mhd.: 

(der  ochse)  speldet  .  .  .  den  vuz  .  .  ., 

so  daz  her  durch  daz  weiche 

den  vasten  grünt  gereiche, 

da  zu  daz  her  vaste  dan  ste. 

Bam  tut  der  lerer  in  der  e; 

der  vert  zu  der  gruntveste  . . . 

Heinr.  V.  Heslee  apokalypse  8457  H.; 


etwas  anders  als  der  'feste  erdboden'  im  gegensatz  zum 
wasser: 

er  sprach  'nu  werde  sundir 

wazzir  von  der  erde 

daz  si  truchen  werde. 

diu  gruntveste  sl  geschaffet 

die  stetten  sin  gemachet, 

dei  wazzir  da  enzwischen  rinnen 

Milst.  genesis  2,  31  Diemer. 

3)  gr.  als  name  einer  pflanze;  für  'wiesenpippau'  = 
crepis  biennis  L.  Hegi  ill.  flora  v.  mitteleuropa  6,  2,  1162; 
nach  Pritzel- Jessen  für  den  'dachpippau'  =  crepis  tec- 
torum  L.  in  Thüringen  üblich  118;  andere  wenden  gr.  auf 
alle  arten  der  gattung  crepis  an  v.  Perger  stud.  üb.  d. 
dtsch.  namen  d.  pfl.  1,  234;  der  natne  ist  nicht  über  das 
18.  jh.  hinaus  zurüchzuverfolgen,  vgl.  C.  F.  Reusz  dict. 
botan.  (1781)  und  wohl  kaum  völksthümlich,  vgl.  Fischer 
Schwab.  3,  876;  ADELUNG  (1775)  2,  828  erklärt:  '2.  th.  am 
Strand  wachsend  und  ihn  bindend  und  festmachend",  was 
aber  nur  für  crepis  tectorum  gilt,  vgl.  Hegi  a.  a.  0.  1167. 

GRUNDFESTEN,  vb.,  vgl.  grundfestigen,  grundfest- 
nen;  gr.  seit  dem  12.  jh.  nachzuweisen,  mhd.  auszer  in 
religiöser  spräche  wenig  häufig;  im  älteren  nhd.  besonders 
noch  alem.  bezeugt;  später  nur  noch  ganz  vereinzelt  atif- 
tretend,  während  nl.  grondvesten  {vgl.  de  Vries-te 
Winkel  5,  1032/.)  noch  im  19.  jh.  lebt,  ebenso  dän.  grund- 
faeste  vgl.  dän.  wb.  7, 175/.,  schwed.  grundfästa  vgl.  schwed. 
wb.  10,  1014;  wohl  erst  im  anschlusz  an  das  subst.  grund- 
feste gebildet. 


1)  'grundfest  machen,  die  grundfeste  herstellen,  grün- 
den, festigen',  im  frühnhd.  von  gründen  {vgl.  sp.  774^,) 
verdrängt;  gr.  fundare  gemma  gemm.  {Straszbg.  1508)  c  2^; 
unde  zimberte  also  der  einhurne  heilichtuom  sin  an  der 
erde,  die  er  gruntveste  an  die  werlte  dtsche  interlinearvers. 
d.  psalmen  373  Oraff  {Windberg,  psalm.  \2.  jh.);  o  herre 
du  hast  gegruntvest  die  erde  an  dem  angeng  erste  dtsche 
bibel  2,  242;  {gott,)  der  den  hymel  hatt  auszgebreyt  und 
das  erdtrich  gegrundtfestet  M.  Wurm  v.  Geidertheim 
Balaams  eselin  (1523)  f  3^;  der  herr  hat  mich  erschaffen 
. . .  ehe  dan  die  berg  gegründvestet  Caspar  Hedio  chron. 
germ.  (1530)  A  2'';  die  stett  in  teutschem  land  seind  .  . . 
an  die  berg  gegruntfest  See.  Münster  cosmogr.  (1550)  383; 
in  dem  virden  jare  wart  gegruntvestet  das  hous  imsera 
herren  Wenzelbibel  3.  kön.  6,  37  bei  Jelinek  mhd.  wb.  335; 
der  gut  wünsch  des  vatters  baut  und  grundvestet  die 
heuser  der  kinder  benedictio  patris  firmat  domos  filiorum 
{eccles.  3, 11)  Züricher  bibel  (1530)  632''. 

2)  wie  gründen  auf  {vgl.  sp.  787^.)  'auf  ein  fundament 
setzen' :  du  der  hast  gegruntvestet  die  erde  uf  staticheitegwi 
fundasti  terram  super  stabilitatem  interlinearvers.  d.  psalm. 
477  Oraff  {Windberg.  ps.  103,  6);  ich  wil  dich  gruntvesten 
auf  Saphir  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  not.  458,  30; 
wann  ewer  wonung  gegruntvestet  wirt  auf  den  .  .  .  stein 
Ihesus  Cristus  Joh.  v.  Neumarkt  Hieronymus  120  Kl.,  vgl. 
buch  d.  liebkos.  48  Kl.;  wie  möcht  . .  .  dann  Christus  sein 
kirchen  auff  solche  bebst  gegrundtfestet  haben  ratschlag 
christenl.  pfarrherrn  {Nürnbg.  1525)  9^ ;  übertragen  wie  grün- 
den II  B  1  b  {vgl.  sp.  788) :  aUiu  dinc  üf  dich  gegrunt- 
vestet sint  myst.  1,  366  Pfeiffer;  darauff  so  grundfesten 
nun  die  frawen,  den  solich  gab  geben  wird  Chr.  Zobel 
Weichbild  u.  lehenreckt  (1537)  73b;  ein  solcher  {friede)  nit 
erhalten  mag  werden,  er  seie  dann  auff  recht  und  billig- 
keit  gegrundfestet  Th.  Graminäus  relation  (1580)  K  4»; 
. .  dasselbe  {kapitel)  ist  auf  ganz  unanfechtbare . .  Zeugnisse 
gegrundfestet  Jon.  Soherr  d.  gekreuzigte  (1874)  vorr.  6. 

3)  verwendet  wie  gründen  in  {vgl.  sp.  793)  nach  Ephes. 
8,  17:  in  got  gewurtzelt  und  gruntfestet  werden  in  der 
minnen  unsers  heren  Heinrich  v.  Nördlingen  in :  Marg. 
Ebner  u.  H.  v.  N.  229  Str.;  {eine  minne)  die  do  nit  ist 
gegruntvestet  in  das  volkumen  leben  Jesu  Cristi  meister 
Ingolt  predigt  v.  1435  bei  Schmidt  elsäss.  wb.  157'';  vgl. 
erste  dtsche  bibel  11,  164;  weltlich  menschen,  dye  do  die 
wurtzlen  ires  hertzen  .  . .  ingesenckt  und  geschlagen  und 
gegruntfestet  .  .  .  haben  alleyn  in  die  Üppigkeiten  . .  . 
diser  weit  G.  v.  Kbisersberg  bilgerschaft  (1512)  171''; 
intrans.:  die  andere  {mystik)  aber  .  .  .  wird  wie  die  gott- 
heit  selbst,  in  der  sie  grundfestet,  reine  und  heitere  ein- 
heit  ist,   so  auch  nur  eine  sein  Görres  mystik  1,  16. 

4)  entsinnlicht  wie  gründen  II  A  2  a  ^S  {vgl.  sp.  783) 
'festigen,  stärken';  so  schon  früh:  gruntfeste  glouben  un- 
serre  o  got  diutisca  3,  479  Oraff; 

lüter  vor  allem  meine 
was  ze  gote  sin  gedanc, 
gegruntvestet  äne  wanc 
Lampreoht  V.  Eeoensbukg  Fraticisc.  3671  Weinh.; 

und  mit  götlicher  geschrifft  auszbreitet  und  getreulich 
grundfestet  M.  Wurm  v.  Geidertheim  Balaams  eselin 
(1523)  gl'';  im  festen,  waren  glauben  gegrundfestet  v.  d. 
losen  fuchsen  (1546)  J  2^;  das  inwendige  leben  wird  hier- 
inn gegrundfestet,  gestärcket  Chr.  Hoburg  theolog.  myst. 
(1730)  605;  seltener  auszerhalb  des  bezirks  geistlicher  spräche: 
drivaltiger  wys  ist  besliessung  der  red  zemercken  .  .  ., 
nach  der  narration,  item  nach  der  sterckisten  gegrundt- 
vesten  red  F.  Riederer  rhetoric  { I493)  f  2'' ; 

ein  Ordnung  dem  reich  zu  dem  besten 
das  keyserthumb  mit  zu  grundvesten 

Hans  Sachs  16, 195  K.-  G. 

GRUNDFESTIGEN,  vb.,  parallelbildung  zu  grund- 
festen, grundfestnen  mit  gleicher  bedeutung  'grundfest 
machen'  u.  s.  w.,  vgl.  das  adj.  grundvestig  Joh.  v.  Neu- 
MABKT  Hieron.  132  Kl.;  nl.  grondvestigen  de  Vries-te 
Winkel  5,  1033 ;  das  du  also  in  deins  Uebs . .  .  minnen 
gewurtzelt  und  gegrundfestiget  werdist  Heinrich 
V.  Nördlingen  in:  Marg.  Ebner  u.  H.  v.  N.  213  Str.;  öfter 


809    GRUNDFESTIGKEIT  —  GRUNDFESTUNG 


GRUNDFEUCHTE -GRUNDFLÄCHE      810 


im  mnd.  bezeugt:  de  hillige  korke,  dede  gruntvestiget  is 
dorch  unsen  leven  heren  lüb.  geJbeib.  bei  Schilleb-Lübben 
2,  159;  du  (gott),  der  .  , .  gegruntfestigt  hast  di  erd  in 
deiner  macht  JoH.  v.  Neumabkt  buch  d.  liebkos.  186  KL; 
vgl.  Ulb.  V.  Hütten  opera  2, 127  B.;  mit  f roden  des 
gantzen  ertrichs  würt  gegruntfestiget  der  berg  Syon 
Geileb  V.  Keisebsbeeo  Maria  himelf.  (1512)  6=^;  den 
mon  und  die  stemen,  die  du  (gott)  hast  gegrundfestiget 
deutach-röm.  brevier  (1518)  3*';  meinstu  dann,  dasz  nie- 
mant  sein  leben  grundvestige  dann  der  ein  eeweip  hab? 
{arbitraris  tu  itaque  vitam  constituere  neminem  nisi  uxorem 
qui  ducat)  Ulh.  v.  Hütten  opera  4,  121  B.;  'rechtlich 
stützend  daz  die  küre  der  stymme  ufE  das  fürstenthüm 
.  .  .  also  gegrüntvestiget  sint,  daz  ir  eynes  ane  daz  ander 
nicht  gesin  mag  {urk.  v.  j.  1356)  bei  Zeümeb  gold.  bulle 
2,  90;  und  wülen  hir  af  gruntvestighen  laten  unde  be- 
stedighen  . . .  ene  ewige  vicarie  urk.  v.  j.  1422  bei  Schillee- 
LÜBBEN  6,  145.  —  -festigkeit,  /.,  vereinzelt  gebildet, 
iibertr.  'festigkeit  hinsichtlich  der  grundlagen' :  der  ewige 
frieden  hat  die  mas  und  grundfestigkeit  M.  C.  Schütz 
hist.  rer.  pruss.  (1592)  buch  10,  e  4*>;  Wahrheit  und  gr. 
(sollen)  immer  der  hauptzielpunkt  aller  .  .  .  beobach- 
tungen  (eines  physiognomisten)  seyn  J.  K.  Lavateb 
physiogn.  fragm.  4,  165.  —  -festigung,  /.,  als  thätig- 
keitabezeichnung  'das  grundfest  machen,  die  festigung': 
du  bist  ein  gruntvestigung  meins  gotUchen  fluszes 
(spricht  gott  zu  der  sede,  die  ihn  in  ihren  grund  aufnimmt) 
Heineich  v.  Nöedlinqen  in:  Marg.  Ebner  u.  H.  v.  N.  256 
Str.;  zu  gr.  und  bestetigung  neues  glaubens  und  Verkün- 
digung G.  Alt  buch  d.  chroniken  (1493)  102a';  ein  grundt- 
festigung  meiner  Verantwortung  M.  Zell  christl.  Ver- 
antwortung (1523)  0  3»;  anders  (gemäsz  grundfeste  1  f  ß, 
sp.  805):  argumentum  .  .  .  bewysunge,  gruntvestegunge 
(hs.  gruntvesteugunge),  orkimde  Kaadner  vocab.  (14.  ^"A.) 
in  Prager  dtsche  stud.  8,  447  *>;  concret  als  sachbegriff  'fun- 
damenf  vereinzelt:  als  aber  .  .  .  Tarquinius  .  . .  ein  tem- 
pel  .  .  .  erbauen  wolt,  fandt  er  im  fundament  oder  grund- 
vestigung  ein  todtenkopff  G.  Rivrus  Vitruv  (1575)  133.  — 
-festlich,  adj.:  dis  vorberürt  grundvestlich  red  ist  nit 
allweg  not  mit  im  fünfE  teilen  zebruchen  Fb.  Riedeeeb 
rhetoric  (1493)  e  4^  (vgl.  die  Überschrift  des  capitels:  von 
gegründten  slossreden  de  argumentis). 

GRUNDFESTNEN,  vb.,  von  gleicher  bedeutung  wie 
grundfesten,  grundfestigen  (5.  0.);  ein  alid.  *gruntfe3tin6n 
noch  nicht  nachgewiesen;  mhd.  gruntvestenen :  unde  zim- 
berte  also  einhomen  heilichus  sinez  in  der  erden,  di  er 
gruntvestente  in  di  werlt  (quam  fundavit  in  secula)  dtsche 
interlinear vers.  d.  ps.  373  Oraß  (Trier,  ps.,  13.  jh.);  wände 
iz  (das  haus)  was  gegruntfestenit  üfe  den  stein  Hohen- 
furter  benedict.-regel  in:  zs.f.  dt.  altert.  16,  226  (nach  Luc. 
6,  48);  der  vigent  (kommt)  lügende  über  den  kleinen 
kranken  menschen  der  nüt  wol  gegruntvestent  ist 
Taxjlee  pred.  324,  5  F.,  vgl.  323,  3;  392,  6;  die  kirche,  di 
üf  den  stein  von  des  herren  stimme  gegruntvestent  ist 
Beheims  evamjel.  (3.  vorr.)  5;  er  (gott)  selb  gruntvestent  in 
(sc.  ring  der  erd)  über  die  wasser  erste  dtsche  bibel  7,  273; 
damit  si  ir  übertrettung  .  .  .  möchtend  grundfestenen  und 
beschirmen  Basler  chroniken  7,  271;  dieselben  grund- 
gevestnet  reden  Fr.  Riedebee  rhetoric  (1493)  e  4^  (s.  o. 
grundfestlich);  du  hast  die  erd  auf  das  bestendige  grundt- 
festnet  Ad.  Reiszner  JerwaaZem  1,  7^;  menner  .  . .,  welche 
alsbald  die  dicken  (deiche)  oder  dämmen  grundvestnen 
D.  Fedeeman  Niderlands  beschreib.  (1580)  250;  später  ganz 
selten:  ihre  (der  gattin)  gedanken  (werden  durch  die  musik) 
zarter  und  bestimmter,  was  denn  des  gatten  zärtlichere 
anhänglichkeit  grundfestnet  bis  zum  grab  J.  G.  Sulzee 
zitiert  im  wb.  d.  dtsch.  spräche  (Prag  1821)  \0Q^. fe- 
st ung,  /.,  vgl.  grundfeste,  grundfestigung;  gruntfestung 
fundamentum  Diefenbach  252*;  gruntfestunge  loramen- 
tum  336*';  vgl.  nl.  granWestyng  fundamentum,  fundacio 
v.  D.  Schtjeren  Teuthon.  112  Clignett;  der  heilligen  strey- 
tenden  kirchen  gnindf estungen,  darauff  das  gantz  zimmer 
diss  gepeus  . . .  steuert,  sind  die  heiligen  apostel  ( =  mili- 
tantis  ecclesie  fundamenta)  G.  Alt  buch  d.  chroniken  (1493) 
101*';  uff  daz  sie  (die  ärzte)  ...  die  selbig  (die  astrologie) 


wissent,  die  wurtzlen  und  gr.  irer  meisterschafft  Lob. 
Feies  Spiegel  d.  artzny  (1518)  14^. 

GRUNDFEUCHTE,/.,  vgl.  grundfeuchtigkeit;  als  'hu- 
mido  radicalis':  sintemal  wie  Aristoteles  meldet,  in  der 
gr.  mehrers  als  in  der  trückne  das  leben  (besteht)  Guaei- 
NONius  greud  d.  verwüst.  (1610)  594;  wird  doch  das  blut 
.  .  .  bei  zuwachsendem  alter  und  versiegender  gr.  .  .  . 
von  der  überhand  nehmenden  naturwärme  allgemähMch 
abgezehrt  und  verringert  Valvassoe  ehre  d.  hztm.  Crain 
(1689)  1,  463;  im  sinne  'feuchtigkeit  des  Untergrundes,  der 
unteren  bodenschicht' :  wie  dies  (das  austrocknen)  besonders 
bei  Sandsteinen  mit  gr.  geschehen  musz  Mothes  baulex. 
1,  312.  —  -feuchtigkeit,/.  1)  seit  dem  älteren  nhd.  im 
sinne  'feuchtigkeit,  die  einer  andern  zu  gründe  liegV  (vgl. 
compos.typ.  5  p,  sp- 744),  'humido  radicalis' :  dieweil  die 
grundfeuchtigkeit  der  thränen  und  harms  (harnes)  einer 
und  gleicher  natur  sind  problemata  Aristotelis  (1589)  23; 
dann  auch  mehr  terminologisch  für  humido  radicalis  als 
(veralteter)  begriff  der  älteren  medizin,  'die  feuchtigkeit  als 
demerdarqualitäi,  der  in  allem  organischen  als  Vorbedin- 
gung des  leben-8  vorhandene  safC  (vgl.  grundhitze  compos.- 
typ. 5  p,  sp.  744):  weU  xmser  leben  in  der  innem  feuchtig- 
keit seinen  sitz  hat,  die  man  roralem,  radicalem,  den  daw 
(tau)  oder  gr.  nennet  Guaeinonius  greud  d.  verwüst. 
(1610)  904;  in  den  gesämen  der  dinge  ist  sehr  viel  wurtzel- 
und  gr.,  darinnen  ein  gewiszes  fünklein  vom  himmlischen 
feuer  .  . .  enthalten  ist  Knoeb  v.  Roseneoth  pseudodox. 
(1680)  153;  dasz  er  (der  Spiritus  volatilis)  nach  und  nach 
bei  der  heftigen  transpiration  . .  .  nebst  der  gr.  und 
wärme  mit  fortgehet  Th.  Philaleta  theos.  wundersaal 
( 1709)  74 ;  gr.  'bei  den  chymisten  der  saft  aller  dinge,  mercurä 
ScHEADEB  dt.-franz.  1,  580;  moderner  gefaszt  und  veren- 
gert: gr.  'lebenssaft  in  einem  thierischen  kör  per,  Vhumide 
radicaV  ebda;  'humidum  primogenium,  die  gr.;  mit  diesem 
namen  könte  vielleicht  jene  feuchtigkeit  bdegt  werden, 
welche  in  den  häuten  des  weiblichen  eies  den  thierkeim 
umgibt,  densdben  närt'  Blancaed  arzneiwb.  (1788)  2,  146*. 
2)  wie  'bodenfeuchtigkeif  (vgl.  grund  II  A  2) :  gegen  die  gr. 
sucht  man  den  ofen  (ziegdeiofen)  durch  isolirung  zu 
schützen  Muspeatt  chemie  8,  718.  —  -fieber,  n.:  jene 
fieber,  so  man  ephemeras  oder  eines  tags  und  die  andern, 
so  man  hecticas  oder  gr.  nennet  Guaeinonius  greud  d. 
vervMst.  870.  —  -figur,  /.  (vgl.  comp.-typ.  5q):  die  gr. 
aller  zierrathen  dieser  baukunst  ist  die  rose  Fe.  Schlegel 
8.  w.  1,  234;  die  steinmetzzeichen  bestehen  aus  Unien, 
welche  durch  zusammenstellen  einfacher  grundfiguren 
gebildet  werden  Kaemabsch-Heeben  8,  471;  welche  be- 
deutsame grundfiguren  beschreibt  dieser  tanz  Gleim 
8.  sehr.  1,  232;  hier  .  .  .  hat  R.  in  der  naiven  .  .  .  form  die 
Wurzel  und  gr.  aller  religion  verkannt  D.  Fe.  Steausz 
ges.  w.  5,  281;  von  personen  wie  'urbild' :  Kaliban  (ist) 
die  gr.  für  Füszlys  Imagination  Foestee  s.  sehr.  3,  504.  — 
-fisch,  m.  1)  als  collectivbezeichnung :  die  meerfische  sind 
entweder  grundfische,  welche  in  der  tiefe  der  see  wohnen 
allg.  haush.-lex.  (1749)  1,  477*;  schollen  oder  andere  grund- 
fische Beehm  thierl.  8,  12;  auch  für  süszwasserfische  'wie 
z.b.  rfer  gründling'  Campe  2,471^.  2)  wohl  als  Variante  für 
gnmdel,  gründling: 

da  man  eiczcn  sol  zu  tisch 
und  eszt  gut  gnintvisch 

Erlauer  spiele  5,  204  K.; 

terminologisch:  gr.  ophiocephalus  striatus  Beehm  thierl.  8, 
179.  —  -f  ischerei,/.;  'fischen  mit  legschnüren  und  grund- 
garnen'  Ungeb-Khfll  310^.- 

GRUNDFLÄCHE,  /.  1)  'bodenfläche\  zu  grund  II  A 
(vgl.  comp.-typ.  5  f)  gebildd:  wie  man  einen  augenschein 
oder  abrisz  einer  landtschaft,  statt . . .,  garten  oder  jeder 
gr.  absehen  oder  nach  verjüngten  mastab  .  .  .  reiszen 
soll  L.  HuLSius  erst,  tract.  (1609)  4;  will  man  etwas  ab- 
messen und  in  grund  legen,  so  musz  man  die  linien  einer 
gr.  durch  die  meszschnur  determiniren  v.  Fleming  vollk. 
t.  sold.  (1726)  44*;  dann  (ward)  die  ganze  gr.  in  vermesznen 
loosen  dem  volk  zum  eigenthum  vertheilt  Niebuhb  röm. 
gesch.  2,  65 ;  auch  an  der  Elbe  .  . .  kultivierte  Dobrilugk 
ansehnliche  grundflächen  Wimmee  gesch.  d.  dtsch.  bod. 


811  GRUNDFLÄCHENINHALT-  GRUNDFORELLE 

113;  ähnlich  im  bilde:  (er)  ging  .  .  .  von  etwas  bekanntem 
und  verbürgtem  aus,  erhob  sich  aber  von  dieser  gr.  zu 
den  kühnsten  Schwüngen  Immebmann  1,  93  H.:  auf  die 
scheinbare  (horizontale)  ebene  des  gemcHdes  angewendet:  die 
gr.  in  den  gemählden  des  Polygnotus  war  nicht  horizontal, 
sondern  nach  hinten  zu  so  ...  in  die  höhe  gezogen,  dasz 
die  figuren  .  .  .  über  einander  zu  stehen  schienen  Lessog 
9,  114  L.-M.,  vgl.  10,  259;  anders  in  der  reliefkunst  als 
'fläche  des  grundes'  (grund  V  A  vgl.  comp.-typ.  5  i):  haute- 
relief,  erhaben  über  die  gr.  gearbeitete  figuren  Kar- 
maesoh-Hebren  4,  265.  2)  seit  dem  frühen  18.  jh.  mathe- 
matischer terminus  für  die  untere  fläche  eines  körpers,  die 
basis,  mit  der  er  aufliegt  {vgl.  comp.-typ.  5  b);  so  bereits 
Chr.  Wolff:  basis  corporis  gravis,  die  gr.  eines  schweren 
cörpers  math.  lex.  (1716)  248;  fället  sie  {die  perpendicular- 
linie  aus  dem  schwerpuncte  eines  körpers)  aber  auszerhalb 
der  gr.,  so  musz  er  auf  die  seite  fallen,  wo  sie  über  die  gr. 
ausschweifet  ebda;  körper,  die  walzenförmige  grund- 
flächen  haben  allg.  dtsche  bibl.  3,  2,  43;  aus  zwei  mit  ihrer 
gr.  an  einander  gelegten  kegeln  zusammengesetzt  Ratze- 
burg forstinsekten  1,  8;  die  gr.  (basis)  oder  die  untere 
fläche  {der  lungen)  ist  ausgehöhlt  Sömmerring  bau  d. 
menschl.  körp.  5,  252;  vielfach  für  die  fläche,  auf  der  ein 
körper  ruht,  besonders  bei  bauwerken  'die  bebaute  fläche': 
ein  .  .  .  unterbau  auf  einer  gr.  von  36  fusz  breite  zu  einer 
tiefe  von  24  H.  Grimm  Michelangelo  1,  232;  die  ...  ge- 
samtfläche  der  fenster  musz  .  .  .  ein  zwölftel  der  gr.  be- 
tragen hwb.  d.  staatswiss.  2,  522;  von  hohlräumen:  diese 
räume  .  .  .  von  unregelmäsziger  gr.  Grimm  Michelangelo 
1,  314;  etwas  anders  gefaszt:  dem  auf  der  gr.  des  gefäszes 
.  .  .  sichtlichen  .  .  .  köpf  der  kora  tritt  ein  flügelknabe 
entgegen  E.  Gerhard  ak.  abh.  2,  501.  —  -flächenin- 
halt,  m.:  wie  viel  gr.  das  am  berge  gelegene  holzland 
habe  Zschokke  s.  ausg.  sehr.  12,  85. 

GRUNDFOHRE,  grundföhre,  /.  («.  auch  grund- 
forelle),  vgl.  daneben  die  form  grundförne  {s.u.);  grund- 
föhre, grundföme  salmo  lacustris  Brehm  thierl.  8,  333; 
grund-  oder  lachsfore  trutta  salmonata  Stieleb  587;  vgl. 
bei  Frisius  194'»':  man  {nennt)  in  ItaUa  ein  fisch  im  Gart- 
see  karpion,  ist  ein  grundfören  art;  im  Bodensee  {sind) 
zweyerley  fohren,  nehmlich  grundfohren  und  schwäb- 
f obren  fischbüchl.  145 ;  die  grösten  {forellen)  nennen  sie  {die 
flacher)  grundfohren  Hohberg  georg.  cur.  2,  517;  «6er  den 
sing,  grundfören  (die)  Maaleb  194^^  vgl.  <ä.  3, 1870 ;  grund- 
förne in  älteren  belegen  meist  als  grundförine  (i^g'Z.  aber 
fören,  vörne  Lexer  3,  468  und  förhennen  pl.  th.  3,  1896 
aus  Wickram),  bes.  schweizerisch  bezeugt,  vgl.  Staxjb- 
Tobler  1,  935;  trutta  magna  vel  lacustris  trutta  salmonata 
ein  grundf örinen  Foreb  Oeszners  thierb.  189'' ;  der  grund- 
förinen  sollend  etliche  in  grund  und  boden  desz  wassers 
wonen  .  . .  andere  sollend  zu  oberst  in  den  wassern  wonen 
ebda;  hinc  illae  grundföhrenen,  hae  vero  schweb-  vel 
springföhrenen  vocantur  J.  J.  Wagneb  hist.  nat.  helv. 
(1680)  210;  gr.,  'die  see-  oder  lachsforelle'  C.  Th.  Siebold 
süszwasserfi^che  406;  in  anderer  form:  daher  sie  dann  auch 
den  namen  hat  und  ein  grundfährin  genent  wird  Gbeg. 
Mangold  fischbüchl.  (159l  Magdeb.)  a.1^;  grundf ärhinen 
A  6^";  grundf orinen  carpio  Benaci,  trutta  magna  Aleb 
did.  (1727)  1,  99lb.  —  -forderung,/.  (i;gr;.  comp.-<«/p.  5  p): 
wenn  sie  {die  Schülerinnen)  .  .  .  etwas  mehr  von  den 
grundforderungen  der  kunst  einsehen  lernen  Göthe  IV 
12,  231  W.;  vgl.  II  6,  351;  die  gr.  an  alle  poesie  ist  ... 
Universalität  Schelling  w.  I  5,  444 ;  mehr  wie  comp.-typ. 
5  r:  Weises  gr.  {ging)  dahin  .  .  .,  dasz  die  poetische  con- 
struction  der  prosaischen  des  gemeinen  leben  gleich 
sein  sollte  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  lit.*  3,  466. 

GRUNDFORELLE,  /.  (s.  auch  grundföhre,  grund- 
föme): gr.,  salmo  lacustris  Bbehm  thierl.  8,  333;  ist  inen 
kein  schleck  vorgangen,  haben  auch  grundtforlen  darbei 
haben  müessen.  ich  glaub,  der  guet  Theus  Kempf  hab 
all  seine  tag  von  keiner  grundtforell  nie  gessen  zimmer. 
chron.^  2,  546  B.;  vgl.  carpio,  eine  grundf orellen  art  im 
Gardensee  B.  Faber  thes.  (1587)  142*>;  grundforellen,  dürr 
gekauft  {v.  j.  1596)  bei  Fischer  schwäb.  3,  877;  grund- 
forellen, 'im  gegensatz  der  schwebfordlen'  Nemnich  wb.  d. 


GRUNDFORM  —  GRUNDFROMM 


812 


nat.  213;  vgl.  Tschudi  thierl.  d.  Alpenwelt  (1853)  158.  — 
-förine  s.  grundföhre. 

GRUNDFORM,  /.,  eine  form,  aus  der  sich  andere  ab- 
leiten oder  auf  die  sie  sich  zurückführen  lassen  {vgl. 
comp.-typ.  5  p),  vgl.  lu^orm;  1)  von  körperhaften  dingen, 
wie  'grundgestalV :  übereinstimmende  gestalt  der  basalte 
.  .  .  auf  eine  gr.  zu  reduciren  Göthe  IV  32,  15  W.;  kannen 
griechischer  gr.  {mit  ungriechischer  decoration)  Fitrt- 
wängler  beschr.  d.  vasen  184;  die  gr.  der  fensteröfEnung 
ist  die  eines  hohen  rechteckes  Karmarsch-Heeben  3, 
403;  allgemeiner:  Zufälligkeiten  der  bUdung  für  gr.  zu 
halten  Göthe  28, 277  W.;  militärisch:  grundformen 
heiszen  die  formen  der  taktischen  einheiten,  aus  denen 
sich  alle  anderen  entwickeln  v.  Alten  4,  478;  {ich)  halte 
...  es  auch  für  zweckmäszig,  wenn  die  kompagnie- 
kolonne  in  der  gr.  sich  stets  in  halben  zügen  .  .  .  formiert 
Wilhelm  i.  milit.  sehr.  1,  327;  zu  form  7  {th.  3,  1899),  die 
ursprüngliche  gestalt,  form  eines  Wortes:  der  gröberen  .  .  . 
fälle  nicht  zu  gedenken,  dasz  die  verglichenen  Wörter 
nicht  in  ihrer  gr.  aufgenommen  .  .  .  werden  W.  v.  Hum- 
boldt ges.  sehr.  6,8;  wie  nahe  ty.tucQo^  und  ty.acxog 
der  gr.  liegen  J.  Gbimm  kl.  sehr.  3,  137;  im  ahd.  bona  für 
bauna  aus  gr.  bhabhnä  .  . .  scheint  u  aus  bh  hervor- 
gegangen Scherer  kl.  sehr.  1, 178;  bei  Campe  2,  471'' 
grundformen  für  die  Stammformen  der  verben,  'die  vor- 
züglichsten weisen  der  Umwandlung  der  aussagewörter  . .  . 
{inf.,  imper.,  partic.f;  von  einer  spräche  als  ganzes:  über 
Verwandschaft  des  griechischen  und  des  deutschen  in  an- 
läge und  gr.  Vosz  krit.  bl.  l,  451.  2)  in  mannigfachem 
bezug  auf  formen  geistigen  ausdrucks:  der  alte  hymnus  ist 
die  gr.  der  lyrischen  dichtung  Fr.  Schlegel  s.  w.  5,  242 ; 
hier  ist  der  erste  und  erhabenste  parallelismus  {das  schöp- 
fungswort:  sei  licht!  und  es  ward  licht)  die  gr.  der  vor- 
stellungsart  künftiger  zeiten  geworden  Herder  11, 258  S.; 
die  mischformen  {die  Schattierungen  des  Christentums)  sind 
nur  aus  der  reinen  gr.  zu  verstehen  D.  Fr.  Strausz  sehr. 
6,  8;  {Descartes)  stellte  . . .  von  diesen  sechs  grundformen 
aus  eine  naturgeschichte  der  affecte  . .  .  auf  Windelband 
gesch.  d.  neuer,  philos.  l,  190;  wie  'kategorie':  dasz  die 
natur  überall,  also  auch  in  ihrer  gr.,  dem  räume,  kon- 
sequent seyn  musz  Schopenhauer  w.  l,  121  Or.  3)  zu 
grund  V  gebildet  {vgl.  comp.-typ.  5i):  gr.,  mit  einer  sol- 
chen form  wird  der  grund  des  kattuns  .  . .  entweder  ganz 
bedruckt  oder  man  giebt  ihm  hiemit  auch  nur  streifen 
Jacobsson  techn.  wb.  2,  163*;  vgl.  Beil  techn.  wb.  1,  264. 
—  -f  ormel,/.  {vgl.  comp.-typ.  5  p):  am  wünschenswerthe- 
sten  wäre  .  . .,  dasz  man  . . .  die  einfachste  erscheinung 
als  gr.  behandelte  und  die  mannichfaltigern  von  daher 
ableitete  und  entwickelte  Göthe  II 1,  305  W.;  . . .  der  von 
einer  andern  gr.  für  das  eigentliche  wesen  des  christen- 
thums  ausgeht  Schleiermacher  s.w.  I3,  123;  die  gr. 
unseres  ganzen  Systems  Schelling  w.  I  4,  138;  es  fehlt 
München  an  einer  gr.,  auf  die  man  die  meisten  .  .  .  städte 
.  .  .  zurückzuführen  vermag  Hebbel  w.  9,  403  W.;  die 
Wissenschaft  {lernt)  . . .  diesen  {Zusammenhang  der  erschei- 
nungen)  .  .  .  durch  exakte  einfache  grundformein  auszu- 
drücken hwb.  d.  staatswiss.  6,  1007.  —  -förne,  s.  grund- 
föhre. —  -frage,  /.,  'grundlegende  frage,  cardiruzlfrage" 
{vgl.  comp.-typ.  5)):  wir  wollen  nicht  einmal  die  leidige  gr. 
hinzuthun:  wann  sind  denn  eigentlich  die  gesetze  ge- 
geben? Hebder  5,  426 /S.;  der  speculative  Charakter  des 
kantischen  Systems  wird  durch  dessen  gr.  bestimmt: 
woher  kommen  die  formen  der  erfahrung?  Herbart  w. 
1,  258  H. ;  wir  müssen  aber  hier  erst  eine  gr.  erörtern 
W.  V.Humboldt  ges.  sehr.  5,462;  m^hr  wie  comp.-typ. 
5  r :  der  kämpf  um  die  groszen  grundfragen  der  Verfas- 
sung Gebvinus  gesch.  d.  19.  jh.  l,  83;  über  einige  grund- 
fragen der  sozialpoütik  G.  Schmoller  buchtilel  (1898). 

GRUNDFROMM,  adj.,  bildung  wie  comp.-typ.  1  a: 
'von  grund  aus,  sehr  fromm',  in  den  verschiedenen  bedeu- 
tungen  von  fromm  {vgl.  th.  4,  1,  1,  240^.):  und  dürstet 
noch  der  grundtfrommen  leute  blut  und  leben  Luther 
12,  701  W.,  vgl.  10,  3,  293;  denn  se  {meine  frau)  es  ein  gr. 
mensche  Kirchhof  wendunm.  2, 242  Ö. ;  im  17.  jh.  besonders 
häufig:  o  du  grundfrommer  gott  A.  Weinheimer  geistl. 


813   GRUNDFUSZ  -  GRUNDGEDANKE 


GRUNDGEDANKE  -  GRUNDGEHALT  814 


wacÄf  (1642)  224;  des  grundfrommen  .  .  .  Musai .  .  .  lebens- 
erzehlung  Grimmelshausen  4,  853  Keller;  deine  grund- 
fromme mutter  und  keusche  frl.  Schwester  Bucholtz 
Herkuliskus  378;  Noah,  ein  so  gottgeliebter  und  grund- 
frommer mann  Valvassor  ehre  d.  hztm.  Crain  (1689)  2, 
27.  —  -f  usz,  m.,  hauptsächlich  im  17.  jh.  als  verdetd- 
schung  von  basis  gebraucht:  f eisen  und  klippen  .  .  .  aus 
deren  wurtzeln  oder  grundfüszen  .  .  .  E.  Fbancisci  ind.- 
chines.  lustg.  (1668)  l,  72;  ein  auf  vier  gantz  niedrige  räder 
gesetzter  viereckigter  gr.  Lohenstein  Arminius  l,  1354^'; 
'gr.  oder  grundfläche  siehe  basis'  Noel-  Chomel  4,1388; 
im  bilde:  , 

gerechtigkeit  und  recht  musz  als  ein  grundfusz  stützen 
den  thron  . . .  Opitz  p«.  (1637)  252. 

—  -gebäude,  n.,  vgl.  grundbau:  gr.  substructio  Reyer 
thes.  (1668)   3,  1686. 

GRUNDGEBIRGE,  n.,  als  geologischer  terminus  seit 
dem  18.  jh.  geläufig;  gleichbedeutend  mit  urgebirge  {vgl. 
comp.-typ.  5  p):  die  ältesten  gesteinsbildungen  wie  granit, 
Syenit,  porphyr  u.s.w.:  gr.,  les  montagnes  primitives 
Schwan  1,  798  a;  ein  theil  des  granits  scheint  das  gr. 
auszumachen  A.  G.  Werner  gebirgsarten  (1787)  8;  wohl- 
verstanden, dasz  ich  hier  nicht  von  herangeschwemmten 
bergen,  sondern  vom  ersten  grund-  und  urgebirge  der  erde 
rede  Herder  13,  35Ä.;  jene  sogenannten  grund-  und 
Übergangsgebirge  kommen  jetzt  wieder  aufs  neue  zur 
spräche  Göthe  IV  23,  120  W.;  dann  auch  weiter  gefaszt: 
'gr.,  die  zumeist  mehr  oder  weniger  gefalteten  ältesten  gesteine 
einer  gegend'  C.  W.  Schmidt  wb.  d.  geol.  (1928)  109»; 
ebenso:  an  andern  orten  ist  es  dem  verf.  .  .  .  nicht  mög- 
lich gewesen,  das  grundgebirg  zu  bestimmen  allg.  dtsche 
bibl.  51,  61;  entsprechend  der  tieflage  des  Stromes  {der 
Donau)  ist  auch  das  gr.  in  groszer  Verbreitung  entblöszt 
V.  Baer  red.  u.  versch.  aufs.  2,  133;  neuerlich  'gr.,  die  alle 
früheren  gesteinsbildungen  einbeziehende  gebirgsfaltung  im 
karbon"  nach  G.  Braun  bei  0.  Kende  geogr.  wb.^  (1928) 
78**;  bergmännisch  im  sinne  von  ganggebirge  {s.  th.  4,  1,  1, 
sp.  1248)  Adelung  2,  828  und  auch  später  mehrfach  lexi- 
kalisch z.  b.  Jacobsson  techn.  wb.  2,  163^,  aber  in  eigent- 
licher fachsprache  nicht  nachzuweisen.  —  -gebot,  n.  {vgl. 
comp.-typ.  5  o): 

das  recht,  das  die  natur  und  gott 

uns  gräbt  in  das  gewissen 

war  mir  das  rechte  grundgebott 

A.  GEYPHIüS  gcd.  369  P.; 

(weil  du)  aus  bildnertrotz  zu  höhnen  schienst 
der  Schönheit  grundgebote  .  .  . 

W.  Jordan  in  talar  u.  hämisch  (1899)  186. 

—  -gebrechen,  n.  {vgl.  comp.-typ.  5  p):  dasz  das  gemüt 
daran  {an  der  in  ein  leeres  formenwerk  ausgearteten  poesie) 
endlich  gar  keinen  anteil  nimmt,  was  .  .  .  überhaupt  das 
eigentliche  gr.  ist  Grillparzer  br.  u.  tageb.  59 ;  inzwischen 
war  der  könig  .  .  .  auf  das  gr.  seines  werkes  aufmerksam 
geworden  Treitschke  dtsche  gesch.  im  19.  jh.  3,  402;  dasz 
er  {Fichte)  es  als  das  gr.  .  .  .  des  Zeitalters  . .  .  bezeichnete 
Fichte  s.  w.  3,xxvi. 

GRUNDGEDANKE,  m.,  im  18.  jh.  aufkommend.  1)  ein 
erster,  ursprünglicher  gedanke,  aus  dem  sich  andere  ge- 
dankenreihen, havdlungen  oder  werke  enturickeln  {vgl.comp.- 
typ.  5p):  alle  anstalten  {bestehen)  ...  nirgends  seliger, 
lieblicher  und  ruhiger  ins  ganze  nach  meinem  herzen  und 
tiefstem  gr-n  als  in  dem  Herrnhuth  Zinzendobf  nE()i 
tciviov  (1746)  122;  aber  das  wort  scheinbar  verräth  gleich 
seinen  ersten  grundgedancken  nothdürftiger  nachklang 
(1748)  3;  philosophisch:  die  formen  der  seele  sind  überall 
eins :  und  die  ersten  gr-n,  die  nach  solcher  form  gemacht 
werden,  auch  einerlei  gestalt  Herder  8,  113  <S.;  angebo- 
rene gr-n  des  menschlichen  geistes  Schopenhauer  w.  i, 
15  Gr.;  das  bestreben,  von  einem  allenthaltenden  gr-n  aus 
nur  durch  begriffliche  Operationen  alles  übrige  wissen 
zu  erzeugen  W.  Windelband  gesch.  d.  neuer,  philos.^  l, 
210;  ruich  comp.-typ.  5  p  /9  hin:  er  {verstand,)  die  eigentliche 
meinung,  den  einfachen  aber  tief  philosophischen  gr-n  wohl 
herauszulösen  W.  Raabe  Abu  T  elf  an  (1870)  177;  der  aus- 
gangsgedanke,    uridee    einer   religion,    einer   lehre,    eines 


Systems:  dieser  ist  .  .  .  der  gr.  aller  .  . .  mythologie:  ein 
stolzes  bewusztsein  der  . .  .  eigenen  kraft  K.  O.  Müller 
die  Dorier  1,  454;  die  hoffnung  auf  diesen  .  . .  Messias  war 
und  blieb  der  gr.  des  jüdischen  glaubens  Schlosser 
weltgesch.  (1844^.)  4,  240;  spätere  Zeiten  sind  .  .  .  von  dem 
gr-n  {der  kirche)  abgewichen  Stifter  s.  w.  14,  271;  ich  bil- 
lige den  gr-n  dieser  lehre  {des  communismus)  Gutzkow 
Säkularbild.  (1846)  1,  211;  Solger  bildet  den  gr-n  bereits 
zu  einem  gegliederten  Systeme  aus  Fb.  Th.  Vischeb 
ästhetik  1,  129;  dann  vielfach  der  einem  literarischen  werk,  ■ 
einem  kunstwerk  überhaupt  zugrunde  liegende  gedanke: 
das  Nibelxmgenlied  {wird)  . . .  durch  den  tragischen  gr-n 
. . .  wirklich  zu  einem  wunder  der  poesie  Solger  vorles. 
üb.  ästh.  291 ;  der  gr.  deiner  monographie  Hebbel  tageb. 
4,  357;  wenn  der  gr.  unwahr  ist,  was  will  der  grose  künst- 
1er  dabey  und  was  will  er  daraus  machen?  Göthe  III 1, 
197  W.;  so  scheint  sich  eine  gewisse  entfaltung  eines 
grundgedankens  {in  dem  relief)  zu  zeigen  Brunn  kl.  sehr. 

2,  13;  ähnlich:  die  vergleichende  anatomie  beschäftigt 
sich  .  . .  mit  der  nachweisung  des  baulichen  grund- 
gedankens in  jeder  . . .  gattung  Büchner  kraft  u.  st.  105 ; 
als  leitender  gedanke  des  handelns:  fassen  wir  wenigstens 
den  gr-n  auf,  aus  welchem  das  verfahren  Albas  hervorging 
Ranke  s.  w.  38,  38;  Hardenberg  . . .  sprach  bereits  die 
idee  aus,  welche  nachher  . . .  den  gr-n  seiner  deutschen 
Politik  gebildet  hat  Treitschke  dtsche  gesch.  1,  215;  dem 
grundgedanken  der  englischen  politik  widersprach  es 
nicht  Ranke  s.  w.  14, 108. 

2)  gedanke,  der  den  kern,  den  wesentlichen  irihalt  eines  ge- 
dankencomplexes  repräsentiert,  hauptgedanke  {vgl.  comp.- 
typ.  5  r),  vielfach  pluralisch:  das  sind  die  grundgedanken 
der  sage  in  unserm  gedichte  Lachmann  z.  d.  Nibel.  3 ;  {eine) 
kritik  der  Volkswirtschaft,  für  welche  die  grundgedanken 
längst  bei  mir  feststehen  Fb.  A.  Lange  materialismus  xni; 
ein  neues  buch  . . .,  worin  von  dem  alten  auszer  den  gnmd- 
gedanken  nichts  anzutreffen  ist  D.  Fr.  Strausz  ges.  sehr. 

3,  XXI;  nur  in  wenigen  gnmdgedanken  leben  diese  mili- 
tärischen männer  {die  Hugenotten)  Ranke  s.  w.  9, 34 ;  skizze 
. . . ,  die  grundgedanken  zu  einem  vortrage  Voigt  hwb. 
f.  d.  geschäflaführg.  2,  436.  —  -gef  ühl,  n.,  seit  der  ersten 
hälfte  des  18.  jhs.,  zuf ruhest  im  pietistischen  kreise: 

ein  beugsames  empfinden 
ein  grundgefühl  der  Sünden 
gesangb.  d.  brädergetn.,  anJiang  (1741)  nr.  1756  v.  2; 

das  gefühl,  primo-primam  sensationem,  das  gr.  bei  einer 
Sache,  kan  kein  mensch  evitieren  A.  G.  Spangenbebg 
apolog.  schluszschr.  2,  605;  später  allgemein  üblich;  'erstes 
gefühl,  urgefühV  {vgl.  comp.-typ.  6  p):  die  grundgefühle 
meiner  thierischen  natur  sind  alle  wider  die  Unterwer- 
fung Pestalozzi  s.  sehr.  7,  26;  stellt  man  .  .  .  die  von 
Bacon  geforderte  induction  auf  dem  gebiete  der  mora- 
lischen erscheinungen  an,  so  stöszt  man  auf  das  gr.  der 
Sympathie  W.  Windelband  gesch.  d.  neuer,  philos.^  l, 
348;  der  Sänger  ist  nur  'der  mund  der  sage'  . .  .  und  der 
einfachsten  grundgefühle  des  voUcsgemüths  Vischeb 
ästh.  3,  1,  99;  meist  kreuzt  der  begriff  des  grundlegenden, 
wesentlichen  {comp.-typ.  5  o)  hinein:  das  höhere  selbst- 
bewusztsein  unter  der  form  der  seeligkeit  ...  ist  das 
eigentliche  gr.  des  Christen  Schleiebmacheb  s.  w.  1 12, 
516;  weil  es  euch  an  dem  gr.  der  unendlichen  und  leben- 
digen natur  fehlt  reden  üb.  d.  relig.  50  P.;  ein  werk  .  .  ., 
was  so  recht  das  gr.  solcher  ideen  bei  verschiedenen  Völ- 
ker aufsuchte  Heeder  w.  5,  70*8'.;  wie?  literatur,  kunst 
und  poesie  könnten  ohne  Vaterland  da  sein?  ohne  dieses 
gr.,  welches  diesen  blüthen  erst  klima  und  wärme  ver- 
leihen musz  TiECK  sehr.  14,  340;  ähnlich  objectsbezogen : 
eine  .  .  .  poesie  .  . .,  die  in  ihrem  gr.  eine  allgemein  .  .  . 
deutsche  ist  Fr.  Schlegel  s.  w.  8,  89 ;  selbst  in  unseren 
Volksliedern  findet  sich  dieses  tragische  gr.  Solger  Erwin 
2,  155;  bei  reichster  mannigfaltigkeit  weisz  grade  er 
( Bach)  das  gr.  der  {mixolydischen)  tonart  .  . .  zur  geltung 
zu  bringen  Chrysander  Händel  1,  25.  —  -gehalt,  m. 
{vgl.  comp.-typ.  5  p)  ursprünglicher  gehalt:  jeder  ander- 
weitige Inhalt  dieser  Vorstellung  aber  {musz)  erst  aus  dem 
angegebenen  gr.   entwikkelt   werden   Schleiermacheb 


815     GRUNDGEHEIMNIS  -  GRUNDGELEHRT 

s.  w.  I  3,  21 ;  der  eigentliche,  den  kern  ausTnachende,  wesent- 
liche geholt  (vgl.  comp.-typ.  5r):  die  sonstigen  ingredien- 
zien  . . .,  mit  denen  der  grosze  gr.  von  Hamann  aus- 
staifirt  . . .  wird  Hegel  w.  17,  89;  so  ist  kein  zweifei, 
dasz  der  musikalisclie  gr.  mit  den  mechanischen  Schwie- 
rigkeiten oft  in  keinem  Verhältnisse  steht  R.  Schumann 
ges.  sehr.  4,  123 ;  wie  der  fonds  oder  gr.  jeder  Wissenschaft 
nicht  in  beweisen  . . .  besteht  Schopenhauer  w.  2,  89  Qr. 
grundgehalt  als  neutr.  in  moderner  spräche  das  rechnungs- 
mäszige  nominalgehalt  eines  beamten  im  gegensatz  zum 
brvMoeinkommen  {vgl.  grundlohn  comp.-typ.  5  q).  —  -ge- 
heimnis,  n.,  letztes,  tiefstes  geheimnis{vgl.  comp.-typ.  5  p  ^) : 
wie  die  lehre  vom  abfall  das  gr.  der  alten  mosaischen 
Offenbarung  bildet  Fr.  Schlegel  s.  w.  2,  175;  die  letzten 
grundgeheimnisse  trägt  der  mensch  in  seinem  innern 
Schopenhauer  w.  2,  207  Or.;  dasz  ihm  mehr  am  suchen 
der  Wahrheit  als  an  ihr  selbst  gelegen  sei  .  .  .  womit  das 
gr.  der  Wissenschaft . . .  aufgedeckt  Avorden  ist  Nietzsche 
w.  1,  105.  —  -geist,  m.  wahrer,  eigentlicher  geist  (vgl. 
comp.-typ.  5  p):  der  Zeitgeist  der  menschheit  ist  . .  .  kein 
gr.  der  kunst  —  er  kann  es  nicht  werden  Pestalozzi  s. 
sehr.  8,  275;  chemisch  {vgl.  comp.-typ.  5  n);  ätherische  oder 
wesentliche  öle  . .  .  besizen  den  eigentlichen  Spiritus  rec- 
tor  oder  gr.  und  werden  den  fetten  und  brenzlichen  ölen 
entgegengesezt  Blancakd  arzneiw.  wb.  (1788)  1,  43''.  — 
-geld,  ».  \)  als  zins  für  gepachteten  grund  und  boden  zu 
entrichtendes  geld  {vgl.  grundgülte  sp.  738):  da  dy  vor- 
genantin  herin  haynt  an  der  erstin  (mülen)  czu  Erregart 
alle  jar  vierunzuencik  Schillinge  gruntgeldis  {v.  j.  1342) 
hess.  urkdbuch  2,  507  Wyss;  wer  kan  ausdencken  .  . .  wie 
viel  an  monatgeld  .  .  .,  gr.,  pflugschatzung  .  .  .  den  leuten 
abgepresset  wird  Breckling  regina  pecun.  (1663)  11; 
grund-,  gewehr-,  schreib-  und  fertigxmgsgelder  .  .  .  sind 
ins  gemein  auf  lOO  fl.  zu  moderiren  Hohberg  georg.  cur. 
1,  31;  der  hammer  muszte  auch  alljährlich  an  den  herrn 
von  Hucharde  einen  kanon  zahlen  oder  gr.,  wie  man  auch 
sagt  L.  Schücking  die  Rheider  bürg  l,  66.  2)  jünger  in 
anderer  composition,  aber  anscheinend  nur  als  papierene 
bildung:  capital  (gr.,  hauptgeld)  Kinderlinq  reinigk.  d. 
dtschen  spr.  237  vgl.  Campe  2,  471,  der  mit  gr.  'capital, 
hauptgeld,  stammgeld,  grundvermögen'  gleichsetzt;  wohl 
nichts  als  Verdeutschung  von  frz.  fond  vgl.  Kinderling 
a.  a.  0.  269. 

GRUNDGELEHRT,  adj.,  mit  dem  17.  jh.  auftretend 
und  literarisch  rasch  verbreitet,  vereinzelt  von  der  mundart 
aufgenommen  grondgele'ert  lux.  ma.  156^;  'von  grund  aus, 
überaus  gelehrt^  {vgl.  comp.-typ.  1  a):  diser  hohcherfahrne 
und  grundgelährte  fräund  Zesen  adriat.  Rosem.  33  ndr.; 
meinen  ersten  hochgeehrten  herrn  Schwiegervater,  den 
grundgelehrten  Helvecium  Schupp  sehr.  (1663)  687;  den- 
jenigen blinden  magister  . .  .,  der  .  . .  professor  gewesen 
und  nicht  allein  einen  gar  scharfsinnigen  grundgelehrten 
phüosophum  gegeben,  sondern  auch  Instrumenten  ge- 
macht E.  Francisci  lust.  schaub.  (1698)  2,  678;  durch 
grundgelehrter  kenner  urtheil  Leibnitz  dtsche  sehr.  1, 
475;  Arete,  des  weltweisen  Aristippi  . .  ,  grundgelehrte 
tochter  Amaranthes  frauenz.  lex.  (1715)  93;  der  be- 
kannte, von  herzen  fromme  und  grundgelehrte  .  .  .  theo- 
loge  Jung-Stilling  w.  S,  443;  feste  Verbindung  ist  der 
grundgelehrte  mann:  der  ...  ist  ein  solcher  grund- 
gelehrter mann,  dasz  man  seines  gleichen  wenig  findet 
ScHOCH  com.  V.  stud.  (1657)  k  i^;  ein  grundgelehrter  mann 
kan  nicht  geschickter  reden  Stränitzky  ollapatrida  150 
Wien,  ndr.;  andere  hielten  mich  für  einen  grundgelehrten 
mann  Göthe  28,  205  W.;  {doctor  Fleischer)  ist  krund- 
gelehrt.  ein  krundgelehrter  mann  G.  Hauptmann  biber- 
pelz  (1893)  51;  mit  leicht  ironischem  accent: 

doch  wenn  ichs  nehme,  grundgelehrter  mann 

mit  gunst:  musz  ich  es  (das  buch)  dann  auch  lesen? 

Lessing  s.  sehr.  1,  34  L.-M. 

so  schlägt  gr.  nicht  selten  aus  positiver  in  mehr  oder  minder 
negative,  spöttische  bewertung  um: 

das  grundgelehrte  vieh  (der  saufende  Student) 
sitzt  unter  rauch  und  dampf  wie  engel  in  der  hölle 

J.  Chr.  Günther  ged.  (1735)  487; 


GRUNDGERECHT— GRUNDGERÜST      816 

er  denkt  und  lebt  gemein, 
und  ist,  mit  einem  wort,  ein  grundgelehrtes  schwein 

Triller  poet.  betracht.  (1750)  3,426; 

wie  'verschroben,  superklug\'  närrische  gedanken  von  der 
Vernunft  oder  gespräche  zweener  grundgelehrter  theolo- 
gaster   über   die   Schädlichkeit   der   Vernunft  Schwabe 

belust.  1,  40; 

viele  kannengieszer,  freund, 
die  grundgelehrt  und  handelsmäszig  sprechen 

J.  FR.  LÖWEN  sehr.  (1765)  3,197; 

alles  was  nicht  ewig  dauert,  ist  zergänglich,  sagt  ein 
gewisser  grundgelehrter  autor  Hafner  lustsp.  i,  72 ;  dann 
auch  mit  dem  beisinn  'lebensfremd,  einseitig  gebildet^-  wie 
der  grundgelehrte,  der  sich  nie  im  kreise  der  feinen  weit 
bewegte,  in  ihr  mit  seiner  unbehüKlichen  geisteskraft 
leicht  blosz  steht  Gvtstavtus  turnbuch  {1817) xxv;  solche 
grundgelehrte  leute  {sind)  ...  in  den  dingen  des  alltäg- 
lichen lebens  dagegen  oft  höchst  unwissend,  ungeschickt 
und  verkehrt  Körte  sprichw.  144;  gern  auf  das  organ  oder 
gebiet  der  gelehrsamkeit  angewandt:  das  grundgelehrte 
haupt  B.  Neukirch  anfangsgr.  (1724)  162;  dein  grund- 
gelehrter geist  Gottsched  ged.  (1751)  l,  481;  dein  grund- 
gelehrtes wissen  Hoffmannswaldau  u.  a.  auserles.  ged. 
5,  96;  oder  auf  das  geistige  product  selbst,  auch  wieder 
theilweise  ironisierend:  eine  grundgelehrte  disputation 
Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  4, 180;  grundgelehrte 
Weisheitsschlüsse  Gottsched  neueste  a.  d.  anmuth.  ge- 
lehrs.  6,  459;  eure  schwerfälligen,  grundgelehrten,  super- 
feinen deduktionen  H.  v.  Kleist  4,  184  Schm.;  die  grund- 
gelehrten bände  Triller  poet.  betr.  4,  51;  ein  grundgelehr- 
tes neun  bände  starkes  werk  Thümmel  reise  7,. 26;  in  den 
grundgelehrten  werken  der  französischen  akademie  Les- 
sing s.  sehr.  10,  269  L.-M.;  eine  grundgelehrte  abhand- 
lung  Campe  2,  471'';  ein  paar  grundgelehrte  citate  zieren 
den  ganzen  menschen  Heine  w.  3, 168  E.; 

schrieb  er  ein  dickes,  grundgelahrtes  buch 

L.  Fulda  neue  ged.  (1900)  225. 

—  -gerecht,  adj.  {vgl.  comp.-typ.  1  a,):  die  {weisen) 
können  gantz  nicht  leiden  die  wort,  werck  und  leben  des 
grundgerechten  menschen  Luther  1, 179  W.; 

der  grundgerechte  gott  hat  alles  wol  erweget 

G.  TeküER  deutsch.  Dädal.  (1675)  1,  743. 

—  -gerechtigkeit,  /.,  juristischer  begriff  älterer  spräche, 
in  neuerer  veraltend  'gerechtsame,  privileg,  das  an  einem 
grund  und  boden  haftet^ :  grundsgerechtigkeit  directum  do- 
minium, respicit  correlative  emphyteutam  et  utile  dominium 
Henisch  1769.  1)  das  rechtsverhältnis  zwischen  grundhold 
und  grundherr  in  form  von  ludeigen,  lehen,  leibrecht  u.s.  w. 
vgl.  Schmeller-Fr.  2,  31/.;  das  mandat  vom  3.  mai  1779, 
wodiu-ch  die  Umwandlung  aller  arten  von  grundgerechtig- 
keiten  in  erbrecht  ermöglicht  wurde  hwb.  d.  staatswiss.^  2, 
353 ;  überhaupt  der  rechtliche  anspruch  auf  einen  grund  und 
boden  wie  das  grundherrliche  zinsrecht  u.  ä.:  si  {die  'über- 
zinsherrn^)  maszen  sich  alle  grundgerechtigkait  und  briefs- 
fertigung  als  rechte  grundherrn  an  {nach  1590)  österr. 
weisth.  10,  52;  grundsgerechtigkeit  ebda;  hier  unsere  stadt 
fischte  sich  .  .  .  die  gr.  von  Tempelheide  und  eine  menge 
anderer  grundrechte  Gutzkow  ritt.  v.  geiste  3,  46;  enger 
im  sinne  'grunddienstbarkeit,  Servitut^  als  nutznieszungs- 
recht:  grundgerechtigkeiten  an  öffentlichen  wegen  Ritter 
hdwb.  d.  preusz.  verwaltg.  1,  828.  2)  die  gerichtsbarkeit  des 
grundherrn  {s.  gerechtigkeit  13  th.  4,  1,  2,  sp.  3613)  über 
einen  bestimmten  bereich  in  geringeren  vergehen  vgl.  nieder- 
gericht,  erbgericht;  gr.  jus  territoriale,  giurisdittione  Kra- 
mer teutsch-ital.  l,  573 <=;  gr.  'die  gerichtbarkeit,  welche  dem 
grund  und  boden  anklebet'  Krünitz  20,  281.  —  -gerüst, 
n.,  das  als  fundament  und  träger  dienende  gerüst:  in  der 
umkleidung  der  weichen  theile  {des  dargestellten  mensch- 
lichen körpers)  .  .  .  soll  das  grundgerüste  ohne  härte  als 
fester  träger  sichtbar  sein  Vischer  ästh.  3,  415;  dasz  sie 
{die  zeit)  .  .  .  das  unterste  gr.  der  Schaubühne  dieser  ob- 
jektiven weit  ausmache  Schopenhauer  w.  5,  50  Qr.; 

so  wird,  musz  gleich  dein  bau  auf  dieser  weit  verschwinden, 
dein  fleisz  die  ewigkeit  zum  grundgerüste  finden. 

H.W.  V.  LOGAU  poet.  zeitvertr.  (1725)  65; 


817    GRUNDGESCHEIT -GRUNDGESETZ  i 


GRUNDGESETZ  2.  3  -  GRUNDGESETZLICH    818 


das  gr.  des  vorhandenen  wissenschaftlichen  Stoffes 
Fichte  «.  w.  8, 108;  das  . . .  {musikalische)  thema  . .  . 
schien  ihm  (Beethoven)  als  gr.  ...  dienen  zu  sollen 
R.  Wagner  ges.  sehr.  u.  dicht.  9,  99.  —  -gescheit,  adj., 
vgl.  comp.-typ.  1  a:  das  soll  zwar  ein  grundgescheutes  weib 
sein,  voll  wiz  und  denkkraft  Elise  Bürgee  in:  br.  von 
O.  A.  Bürger  an  M.  Ehrmann  (1802)  63;  was  das  für  ein 
herrhcher  grundgescheuter  kater  ist  E.  Th,  A.  Hoffmann 
s.  w.  10,  129  ör.;  ein  grundgescheiter  kerl  Müllner  dram. 
w.  (1828)  7,  188;  der  grundgescheidte,  vielseitig  gebildete 
offizier  Treitschke  dtsche  gesch.  5,  26;  der  hausherr  mit 
.  .  .  seinem  breiten,  grundgescheidten  gesiebte  Kübn- 
bebger  novellen  3,201.  —  -geschichte, /.,  vgl.  comp.- 
typ.  5  o :  wie  die  gr.  von  des  Jephtha  tochter  lautet  KLnorr 
v.  Rosenroth  pseudodoxia  (I68O)  820;  wie  comp.-typ.  5  p: 
das  unmittelbare  und  ursprüngliche,  was  als  gr.  des 
lebens  der  Völker  in  der  fabel  und  dem  mythus  liegt 
Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Dtschen  4,  305 ;  auf  diese  gr.  .  .  . 
der  Griechen  haben  die  tieferen  forschungen  .  .  .  wieder- 
holt . . .  hingewiesen  Fe.  Schlegel  a.  w.  13,  223. 

GRUNDGESETZ,  n.,  ein  gesetz,  das  die  grundlage  für 
eine  erscheinung  darstellt  {vgl.  comp.-typ.  5  o)  oder  auf  das 
man  sie  zurückführt  {vgl.  comp.-typ.  5  p). 

1)  zufrühest  im  17.  jh.  als  Verdeutschung  von  leges  funda- 
mentales wird  grundgesetze  von  der  rechtssprache  auf- 
genommen als  'gesetze,  die  das  staatsrechtliche  fundament 
bilden,  den  rechtscharakter  eines  reiches,  eines  Staates,  einer 
Verfassung  u.  s.  w.  bestimmen  und  grundlage  für  andere 
gesetze  und  rechtsverordnungen  sind'' :  w£is  dann  in  diesen 
articuln  enthalten,  gehet  die  römische  kayserliche  maje- 
stät  und  stände  des  reiches  unter  sich,  ja  die  grundgesetze 
und  den  reichszustand  oder  Staat  an  {^adeoque  leges 
fundamentales  et  statum  ipsum  imperii  concernif  im 
lat.  paraUeltext)  actenstück  v.  j.  1645  in  J.  G.  V.  Meiern 
acta  pacis  westphalicae  (1734)  1,  625; 

indem  er  (der  könig)  sich  nunmehr  zam  sterben  fertig  macht 
vor  recht  und  grundgesetz 

A.GRYPmus  {Carolua  Stuardus)  trauersp.  392  P.; 

sonst  haben  die  Türeken  ein  grundgesetze,  dasz  keiner 
sultanin  von  einem  bassa  gezeugte  kinder  einigen  hohen 
reichsampts  fähig  sind  Lohenstein  Ibr.sultan  (1680)  l, 
anm.  zu  abhandl.  I,  v,  516;  die  obrigkeit  die  geschehene 
capitulationes,  grxmdgesätz,  eyd  und  bündnüsse  nicht 
halten  wolten  Dannhauer  catech.-milch  (1657)  3,  128; 
alle  comraentarü  .  .  .  über  das  {westfälische)  friedens- 
instrument  {sind)  unhinlänglich,  den  wahren  .  .  .  verstand 
dieses  haupt-grundgesetzes  zu  ergründen  J.  G.  v.  Meiern 
acta  pacis  westph.  (1734)  l,  29;  (er)  verwandelte  die  haral- 
dinische  gesetze  in  ein  gr.,  eine  handfeste,  welche  jeder 
könig  fortan  vor  der  huldigung  anzuerkennen  hatte 
Dahlmann  gre^cÄ.  v.  Dann,  l,  194;  allgemeines  bürgerliches 
gesetzbuch  heiszt  das  .  .  .  zivibechtliche  gr.  v.  Alten  l, 
267;  jede  abänderung  der  bestimmungen  des  grund- 
gesetzes  .  .  .  bedarf  .  .  .  der  genehmigung  des  bundesrats 
banicgesetz  v.  14.  märz  1875  §  47;  vielfach  in  fester  genitiv- 
Verbindung;  zuerst  mit  reich  {vgl.  reichsgrundgesetz) :  wann 
auch  etwas  an  den  Satzungen  und  grundgesetzen  des 
reiches  zu  ändern  ...  ist  {'si  circa  ipsas  constitutiones  et 
leges  imperii  mutandum  .  .  .  fuerif  im  lat.  paraUeltext) 
actenstück  v.  j.  1645  bei  J.  G.  v.  Meiern  acta  pacis  westph. 
(1734)  1,  625;  als  dehr  wider  die  grundgesäzze  das  reichs 
gehandelt  Zesen  Ibrahim  (1045)  l,  16;  was  vor  ein  wich- 
tiges grundgesätz  des  deutschen  reiches  der  .  .  .  west- 
phälische  friede  sey  J.  G.  v.  Meiern  acta  pacis  westph. 
(1734)  1,  1;  weil  .  .  .  nach  den  grundgesetzen  des  reiches 
kein  anderer  als  ein  gelehrter  zu  der  stelle  eines  befehls- 
habers  kommt  J.  G.  Zimmermann  v.  d.  nationalstolze 
(1758)  288;  nach  den  grundgesetzen  des  reiches  sei  der- 
selbe {der  könig)  niemand  unterworfen  auszer  gott  allein 
Ranke  s.  w.  9,  16;  gr.  eines  Staates:  als  hab  er  .  .  .  des 
Staates  grundgeseze  beleidigt  Meiszner  Alcibiades  (1781) 
4,  174; 

grundgesetze  lösen  sich  auf  der  festesten  Staaten 

GöTHE  50,  265  W.; 
IV.  I.  ß. 


das  Interesse  der  groszen  gesellschaft  will  es  augenschein- 
lich, dasz  man  die  grundgeseze  eines  Staats  nicht  un- 
gestraft verlezen  lasse  Schiller  4,  98  G.;  er  suchte  die 
Verfassungen  und  grundgesetze  aller  Staaten  zu  erfor- 
schen SCHI.OSSEE  weltgesch.  (1844^.)  2,  421;  also  geben 
sie  ein  solches  grundgesez  oligarchischer  verfassimg 
Schleiermacher  Piatons  w.  6,  415. 

2)  im  sinne  ^letzte,  den  erscheinungen  zugrunde  liegende 
gesetze,  naturgesetze^  {vgl.  comp.-typ.  5  p)  bereits  im  17.  jh.: 

in  diesen  ■wunderraum  und  unumscluänckten  kraysz 
ward  erd  und  mond  gesetzt,  stem,  sonne  und  planeten 
nach  regeln  . . . 
unwandelbar,  nach  der  bewegung  grundgesetze 

Hoffmannswaidau-Neukirch  7, 102 ; 

die  mögligkeit  geringer  ertzt  in  gold  zu  verwandeln,  wäre 
denen  grundgesetzen  der  naturkündiger  auch  gemäsz 
Lohenstein  Arminius  (1689)  l,  177»; 

so  lehrt  doch  die  natur  nach  ihren  grundgesetzen 

J.  Che.  GÜKTHER  ged.  (1735)  765; 

(ihr  prietter  der  natur,)  verfolgt  hier  femerwelt  die  halbver- 

ratbne  spur 
der  ewig  wahren  grundgesetze 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  33; 

{wir  werden)  dies  grosze  treibhaus  der  natur  in  tausend 
Veränderung  (!)  nach  einer ley  grundgesetzen  wirken 
sehen  Herder  s.  w.  13,  31  S.;  die  bläue  des  himmels 
offenbart  uns  das  gr.  der  chromatik  Göthe  II 11,  131  W.; 
diesz  gr.  der  Vegetation  führt  Göthe  auf  überzeugende 
und  lehrreiche  art  aus  K.  Sprengel  gesch.  d.  botanik 
(1818)  2,  303;  ob  es  gleich  .  .  .  eine  betrübte  entschüeszung 
ist,  bei  einer  zusammengesetzten  und  noch  weit  von  den 
einfachen  grundgesetzen  entfernten  beschaffenheit  die 
bemühung  der  Untersuchung  («6er  'die  eindrückung  der 
den  planeten  beiwohnenden  Schwungkräfte^)  aufzugeben 
Kant  s.  w.  l,  320  Hartenst.;  so  sehen  wir  auch  hier  das 
bekannte  gr.  aller  mechanik  bestätigt,  dasz  man  an  zeit 
gewinnt,  was  man  an  kraft  nachlässt  Moltke  ges.  sehr. 
2,  261. 

3)  vielfältig  in  allgemeinerer  Verwendung  mit  verschie- 
dener betonung  des  fundamentalen  {s.  o.  l)  oder  ursprüng- 
lichen {s.  0.  2) : 

dasz  er  sieh  unterwirft  der  liebe  grundgesätzen 

Lohenstein  blumen  (1680)  rosen  109; 

{ich)  getraue  mir  noch  nicht  die  grundgesetze  d'un  bei 
esprit  ...  in  einer  gewissen  kunstform  fürzustellen  Tho- 
MASius  kl.  dtsche  sehr.  12l;  die  grundgesetze  der  gesunden 
Vernunft  und  reinen  philosophie  J.  B.  Mencke  charla- 
tanerie  (1716)  59;  drei  .  .  .  grundgesetze  des  denkens 
Schopenhauer  w.  l,  86  Gr.;  der  Übergang  von  schmerz 
zu  absehen  ist  das  grundgesez  der  seele  Schiller  1, 152  G.; 
diese  Spiraltendenz  als  gr.  des  lebens  Göthe  II  7,  40  W.; 
das  gr.  dieses  handelns  ...  ist  ein  immanentes  formales 
gesetz  des  ich  Fichte  s.  w.  2,  139;  lasse  keine  zarte  emp- 
findligkeit  . .  .  die  grundgesätze  der  gemeinen  wolfarth 
erweichen  Lohenstein  Arminius  2, 1330'J';  bücher  . . ., 
worinn  die  grundgesetze  der  moral  .  .  .  enthalten  sind 
Ramler  einl.  in  d.  schön,  wiss.  l,  136;  lerne  frühzeitig 
die  grundgesetze  der  harmonie  Schumann  ges.  sehr.  4, 
294;  stille  grösze  und  edle  einfalt  . .  .  sey  das  gr.  der 
griechischen  kunst  gewesen  A.  W.  Schlegel  im:  Athe- 
näum 1, 2, 85;  einige  grundgesetze  des  dramatischen 
Schaffens  G.  Feeytaq  ges.  w.  14,  3 ;  die  einrichtung  dieser 
soKeggis  . . .  verdient  auf  grundgesetze  zurückgeführt  zu 
werden  Schübart  ästh.  d.  tonkunst  336;  dem  gramma- 
tischen gr.  bleiben  nur  drei  personen  bekannt  J.  Grimm 
kl.  sehr.  3,  237;  R.  woUte  mit  seiner  Werttheorie  das  gr, 
der  Preisbildung  hefem  hwb.  d.  staatswiss.^  6,  429.  — 
-gesetzlich,  adj.,  zu  grundgesetz  1:  der  Verfasser  {ver- 
wirft) den  Charakter  grundgesetzKcher  Sanktionen  allg. 
dtsche  bibl.  115,  27;  grundgesetzliche  rechtssicherheit 
Treitschke  dtsche  gesch.  5,  410 ;  jede  verf  assimgsmäszige, 
grundgesetzliche  bestimmung  Bismarck  polit.  reden 
4,  94 ;  nach  grundgesetz  3 :  die  theilung  der  kunst  als  eine 
dreigliedrige  {erweitert)  .  . .  sich  zu  einer  fünfgliedrigen 

52 


819       GRUNDGESTALT  —  GRUNDGEWALT 


GRUNDGEWALTIG -GRUNDGRÄBER    820 


.  .  .,  ohne  dasz  darum  die  dreitheilung  ihre  grundgesetz- 
liche geltung  verlöre  Vischeb  ästh.  3,  2, 178. 

GRUNDGESTALT,  /.  {vgl.  comp.-typ.  5  p),  in  con- 
creter  hinsieht  'eine  ursprünglich  vorhanden  gewesene  ge- 
staW :  nicht  aber  nur  die  gr.  {der  eichhörnchen)  verändert 
sich  bis  zum  unkenntlichen  Göthe  II  8,  250  W.;  der  keim 
des  menschen  ist  gleichsam  eine  gr.^  die  durch  mehrere 
.  . .  umstände  in  eine  abweichende  sekundäre  form  über- 
geht Novalis  sehr.  3,  303  M.,  vgl.  2,  279;  meist  aber  im 
sinne  einer  gestalt,  die  von  individuellen  merkmalen  be- 
freit, als  typisch  für  eine  gattung  gedacht  wird:  die  gestalt 
der  Spechte  kann  als  die  gr,  der  klettervögel  betrachtet 
werden  Brehm  thierl.  4,  187;  bei  dieser  darstellung  der 
gr.  der  pflanze  Vischeb  ästh.  2,  83;  die  sechsseitige  pyra- 
mide  {ist)  die  gr.  der  krystalle  {des  eises)  Kabmabsch- 
Heeeen  2,  742;  ich  habe  .  .  .  aus  den  so  oft  wiederkeh- 
renden melodischen  formen  folgende  drei  grundgestalten 
(typen)  aufgestellt  Böhme  gesch.  d.  tanzes  246;  er  {Werner) 
betrachtete  die  combinationen  {bei  crystallformen  der  mi- 
neralien)  und  selbst  einige  einfache  gestalten  als  modifi- 
cationen  anderer,  die  er  grundgestalten  nannte  Oken 
allg.  naturgesch.  1,  88;  philosophisch:  der  atomistiker  setzt 
in  die  natiu*  gewisse  grundgestalten  Schellikg  w.  I  3, 
301 ;  begriff  und  saz  sind  die  beiden  grundgestalten,  unter 
denen  alles  besondere  wissen  in  ims  vorkommt  Schleieb- 
MAOHEB  w.  III  5,  17;  aus  der  anschauung  abstrahirte 
allgemeinvorstellungen  sind  die  grundgestalten  des  han- 
delns  der  vemunft  W.  Dilthey  einl.  in  d.  geisteswiss.  1, 
131.  —  -gestaltung,/.:  von  diesen  dreierlei  .  .  .  natur- 
formen .  .  .  hangen  als  gr.  alle  übrigen  Verhältnisse  des 
.  .  .  climas  ...  ab  Ritteb  erdk.  5,  695;  das  grabdenkmal 
.  .  .  sollte  .  .  .  bei  veränderter  gr.  sich  mit  einer  der  vier 
selten  an  die  kirchenwand  anlehnen  H.  Gbimm  Michel- 
angelo 1,  455.  —  -gesteil,  71.  {vgl.  comp.-typ.  5  h):  in 
welchem  {tempel)  ihr  {der  Venu^)  bildnus  .  .  .  auf  einem 
grundgestelle  ...  zu  sehen  {war)  Sandbabt  iconölog. 
deorum  (1680)  185»;  das  gr.  und  die  piramide  waren  mit 
den  mannigfaltigsten  marmorfarben  decorirt  Rebmann 
d.  neue  schildwache  (1798)  164;  setzt  nicht  statuen  auf 
häuserhohe  grundgestelle  Schopenhaubb  w.  5,  684  Gr.; 
technisch ;  gr., .  . .  'das  mauerwerk  im  gründe  eines  hochofens 
unter  dem  bodenstein  des  gestelles'  Bltjmhof  eisenhüttenkde 
2,  496;  bildlich:  der  unterthanen  glückseligkeit  hat  kein 
anderes  grundgestelle  als  die  fürsichtigkeit  .  .  .  derer,  die 
sie  regieren  Stubenbebg  Samson  (1657)  206; 

wer  in  der  lieb  auf  unbestand 
das  grundgestell  der  treue  leget 

Baeth.  Feind  dtsche  ged.  (1708)  237; 

Staat  ist  das  gr.  des  volkes  Jahn  l,  163^.  —  -getreu, 
adj.  {vgl.  comp.-typ.  1  a) : 

also  ausz  grundtgetrewem  mut 
hat  AttaUus  den  rath  geben 

H.  Sachs  8,  610  K.; 

unser  grundgetrewe  gott  A.  Weinheimeb  geistl.  wacht 
(1642)  162;  seiner  {gotte3)  grundgetreuen  liebe  und  barm- 
herzigkeit  Butschky  rosenthäl  (1679)  158;  zuvor  aber 
hielten  die  grundgetreuen  Siamer  ....  um  erlaubnis  an 
ZiEQLEB  asiat.  Banise  (1689)  653.  —  -gewalt,  /.  1)  als 
staatsrechtlicher  begriff;  in  den  Jahrzehnten  um  1800  öfter 
im  sinne  'ursprünglichste,  natürliche  gewalt  im  Staate, 
auf  der  alles  recht  beruhV,  vgl.  gr.  des  volkes  im  Staate 
{souverainete)  Rüdigeb  bei  Campe  2,  472»,  vgl.  grund- 
recht;  S.  {verwechselt)  die  gr.  der  gesellschaft  mit  der 
höchsten  allg.  dtsche  bibl.  71,  74;  jene  {staatsgeselze)  .  .  . 
können  nur  durch  die  gr.  der  nation  errichtet  werden 
ebda,  anhang  zu  53-86,  1714;  anders  'die  hauptgewalten' , 
nämlich  die  gesetzgebende,  ausübende  und  richterliche  ge- 
walt: wenn  .  .  .  die  rechtlichkeit  der  Verfassung  in  die 
trennung  der  drei  grundgewalten  des  Staats  .  .  .  gesetzt 
wird  ScHEiiLiNG  w.  I  3,  586;  2)  anders  mit  intensivierendem 
grund-  {vgl.  urkraft): 

■wenn  das  gewölbe  widerschallt, 

fühlt  man  erst  recht  des  bassea  grundgewalt 

GÖTHE  14,  99  {Fautt  V.  2086)  W.; 


danach : 

der  heute  noch  jung  und  alt 
entzückt  mit  des  basses  grundgewalt 

Hoffmann  V.  Falleesleben  ges.schr.  6,114; 

ihre  {der  orgel)  geisterhaft  dröhnende  elementare  tiefe, 
ihre  sturmähnliche  gr.  Vischeb  ästh.  3,  4,  1047.  —  -ge- 
waltig, adj.,  wie  comp.-typ.  la:  der  berühmten  gnmd- 
gewaltigen  schluszfuge  {geht)  unmittelbar  ein  menuetto 
graziöse  voraus  Riehl  Eisele  314;  anders  'über  grund  und 
boden  herrschend' :  niemand  wagte  den  geld-  und  grund- 
gewaltigen auch  nur  durch  einen  buchstaben  daran  zu 
erinnern  Anzengbubeb  ges.  w.  4, 127.  —  -gewebe,  n., 
webereitechnisch  {vgl.  comp.-typ.  5  i) :  stoffe  .  . .,  bei  wel- 
chen in  einem  glatten  gr.  die  figuren  .  . .  vertheilt  sind, 
derart,  dasz  .  .  .  Kabmabsch-Heeben  10,  476 ;  die  dessins 
lassen  sich  herstellen  durch  . .  .  einschaltung  besonderer 
einschlagfäden  in  das  für  sich  bestehende  gr,  Luegeb 
7,879;  vielfach  bildlich:  sie  {jugendeindrücke  u.s.w.) 
weben  das  gr.  {von  Huttens  Charakter),  in  welches  spätere 
Schicksale  .  . .  nur  den  einschlag  geben  Hebdeb  w.  16, 
275  S.;  sinnliche  Vorstellungen  .  . .  sind  das  gr.  aller 
sprachen  21, 125;  in  der  mythologie  {gibt  es)  eine  innere 
structur  ,  .  .,  ein  gr.,  dessen  ähnlichkeit  . . .  auf  einen 
verwandten  Ursprung  hindeutet  Fb.  Schlegel  s.  w.  8, 
321;  gelingt  ihm  {dem  dichter)  das  mit  dem  gr.  des  Stücks, 
der  handlung  und  den  hauptünien  der  Charaktere 
G.  Fbeytag  ges.  w.  14,  49;  gr.  als  physiologischer  fach- 
ausdruck:  gehen  wir  mm,  um  eine  höhere  anschauung  der 
bedeutimg  dieser  beiden  nervösen  gr.  zu  gewinnen  . . . 
Sömmebeing  bau  d.  menschl.  körpers  4, 14;  gr.,  gewebe 
des  pflanzenkörpers,  welches  den  räum  zwischen  den 
gefäszbündeln  ausfüllt  und  von  der  oberhaut  um- 
schlossen wird  Bvssi:  forstlexicon^  1,  407»;  das  schwam- 
mige gr.  {des  papyrv^)  besteht  aus  verzweigten  . . .  paren- 
clijonzellen  Mxtspbatt  6, 1432. gewicht,  n.: 

denn  so  bald  das  grundgewichte 
aus  gesezten  gränzen  schreitet, 
wird  der  bäum  zum  fall  geleitet 

Knittel  poet.  ginnenfr.  (1677)  44; 

modern  im  sinne  des  comp.-typus  5  q.  —  -glaube,  m., 
vgl.  grund  des  glaubens  {sp.  704)  und  comp.-typ.  5  s:  ohn 
rechten  grundglauben  lasst  sichs  nicht  from  seyn  Dann- 
HAUEE  catech.  milch  (1657)  1,  9.  —  -glied,  n.  {vgl.  comp.- 
typ.  5  p) :  denn  es  wachsen  die  sänüichen  theile  oder 
solche  glieder,  welche  von  den  sämlichen  grundgliedern 
der  eitern  formiret  werden  .  .  .,  nicht  wieder  Knobb 
V.  RosENBOTH  pseudodoxia  (1680)  595;  läppen-  oder  bla- 
senbildungen,  welche  .  , .  gewissermaszen  als  die  all- 
gemeinen grundglieder  des  planes  des  himbaues  ange- 
sehen werden  können  Sömmebbing  bau  d.  menschl.  körp. 
4,  124;  anders,  wie  comp.-typ.  5l:  bei  unserem  ,  ,  .  flusz- 
krebs  liegen  dieselben  {gehörorgane)  in  den  grundgliedern 
der  .  • .  fühler  Bbehm  thierl.  10,  11. 

GRUNDGRABEN,  m.  {vgl.  comp.-typ.  5  h):  gr,  . ,  „ 
'die  aushöhlung,  welche  man  im  boden  herstellt,  um  hinein 
zu  gründen'  Mothes  baulex.  2,  541  vgl.  fundamentgraben; 
vermutlich  älter  als  der  folgende  beleg  aus  dem  18.  jh.:  gr., 
suffossio  fundamenti  struendi  causa  Haym  jur.lex.  (1738) 
274 ;  wo  die  natur  den  grund  auf  einen  felsen  selbst  gelegt, 
hat  man  keinen  gr.  von  nöthen  Zincke  öcon.  lex.  (1744) 
999;  vgl.  Kjiünitz  20,  256.  —  -graben,  n.,  zusammen- 
rückung des  substantivierten  infinitivs  {vgl.  comp.-typ.  6): 
früh  vollendetes  abstecken  .  .  .  am  hölzchen.  anfang  des 
grundgrabens  Göthe  III  3,  77  W.;  bei  dem  gr.  so  vieler 
häuser  {kamen)  gar  manche  Sorten  Sprudelsteine  zum 
Vorschein  II  9,  35.  —  -gräber,  m.,  im  sinne  'erdarbeiter', 
aber  meist  speci fisch  {entsprechend  grundgi-aben)  für  grund 
IVA  {vgl.  comp.-typ.  5h):  von  denen  geschworenen 
werckleuten  der  mäurer,  Steinmetzen  und  zimmerleute, 
auch  .  .  .  grundgräbern  und  feuermauerkehrern  Breslauer 
bauordnung  (1668)  33;  des  röhrmeisters,  kunstmeisters, 
der  steinbrücker,  gr.,  holtzhauer  und  tagelöhner  lohn 
ebda  42;  man  {soll)  nicht  tief  hinein  graben,  es  sei  dan, 
dasz  man  die  erde  an  beiden  selten  mit  starken  bretern 
. .  .  verwahre,  damit  sie  nicht  .  . .  auf  die  gr.  falle  Zesen 


821 


GRUNDGRABUNG  -  GRUNDGUT 


GRUNDGÜTE  -  GRUNDHAAR 


822 


kriegsarbeit  (1672)  3,  64;  vgl.  grundgräberlohn  Krünitz 
20,  274:  der  lohn  für  den  grund  auszugraben,  der  grund- 
gräberlohn, kann  .  .  . ;  etwas  anders  {vgl.  comp.-typ.  5  e) 
mundartlich  Klein  dtsch.  frov.  wb.  i,  166.  —  -grabung, 
/.  (s.o.  grundgraben  n.):  gr.  VocH  baulez.  (1781)  132''; 
MoTHES  baulex.  2,  359;  pfeilergründung  wird  .  .  .  an- 
gewendet, wenn  man  an  gr.  ...  ersparen  will  Ltteger 
6,  737.  —  -grübe,  /.,  zu  comp.-typ.  5  c;  vereinzelt  früh : 
wie  sie  schechte,  stollen  und  tiefe  gruntgruben  in  die 
erden  durchgraben  ackermann  öms  Böhmen  80  Bernt- 
Burd.;  in  neuerer  spräche  yundam^ntgrube'  (vgl.  comp.- 
typ.  5  h)  5.  grundgraben:  bei  .  . .  einigen  .  .  .  bodenarten 
macht  es  sich  oft  nöthig,  die  wände  der  gr.  durch  aus- 
schalung  vor  dem  einrutschen  zu  bewahren  Mothes  bau- 
lez. 2,  638. 

GRUNDGUT,  adj.  (vgl.  comp.-typ.  1  a),  intensiviertes 
gut  vgl.  ertzgut,  hauptgut,  gr.  otlimo,  arcibuono,  strabuono 
Kbamer  teulsch-ital.  1,  578^;  seit  dem,  16.  jh.  zu  belegen,  aber 
auszer  bei  Luther  und  Hans  Sachs  wenig  häufig;  voller 
erst  mit  dem  ausgehenden  18.  jh.  entwickelt;  auch  mund- 
artlich, vgl.  grondgutt  herzensgut  lux.  mo.  (1906)  156*;  denn 
damit  gabt  die  schrifft  unter  und  macht  man  nymmer 
mehr  grundgute  theologen  Luther  7,  650  W.; 

viel  basz  regierten  noch  wir  frawen, 
die  sind  grundgut,  getrewer  hertzen 

Hans  Sachs  4, 19  K.; 

Spener  ist  durchaus  ein  grundguter  mensch  G.  Förster 
briefw.  mit  Sömmerring  50;  es  ist  ein  grundguter  mensch 
Göthe  IV  9,  688  W. ;  ein  grundguter  und  anmuthiger 
mann  IV  37,  164;  ein  feiner,  beredter  doch  aber  grund- 
guter knabe  Fr.  H.  Jacobi  to.  l,  30;  n  grundgutcr  kerl  is 
er  G.  Hadttmänn  einsame  menschen  (1891)  28;  besonders 
im  17.  jh.  wie  grundgütig  (s.  u.)  von  gott:  wie  könte  der 
grundgute  gott  es  über  sein  väterlich  hertz  bringen 
J.  Ellinger  hexencoppd  (1629)  49;  wolle  er  der  grund- 
gute gott  gnad  .  .  .  geben  Dannhatjer  catechismusmilch 
2,  122;  Christus  .  . .  der  immertreue  .  .  .  grundgute  .  . . 
sohaaf weitende  hirt  Treuer  dtsch.  Dädalus  1,  335;  alt 
auch  neben  abstractbegriffen  bei  kennzeichnung  persönlicher 
eigenscltaften:  ist  der  glaube  recht  und  gr.  Luther  17,  l, 
436  W.;  die  rechten  grundguten  gerechtigkeit  18,  622;  ynn 
eyner  . .  .  grundgutten  heylickeyt  12,  262;  ein  grundt- 
guter  will,  wan  er  vorhyndert  wirt,  spricht  also  2,  103; 
da  er  einen  grundguten  und  ernstlichen  willen  hat  W. 
v.  Humboldt  br.  an  Welcher  3 ;  wenn  man  daher  gehet 
ynn  eynem  rechtschaffen  und  grundtguten  wesen  Luther 
12,  551 TF.;  dieses  bestreben  zerbrach  ...  an  ihrem. (Clelia^) 
grundguten  wesen  Immermann  4,  130  B.;  in  dem  grund- 
guten wesen  des  grafen  Czernin  Laube  ges.  sehr.  11,  153; 
ein  .  .  .  junge  .  .  .  mit  sanftem,  grundgutem  blick  Vischer 
altes  und  neues  2,  237;  bei  anderen  objecten  vorwiegend  in 
älterer  spräche:  vonn  der  recht  grundgutten  kirchen 
Luther  7,  309  W.;  die  stuck  gottlichs  grvmdgutten 
diensts  10,  1,  1,  676; 

{ich  halte)  all  aelne  werck  grechfc  und  grundgut 

Hans  Sachs  19,  338  K.-  O.; 

wann  ich  bring  euch  grundgute  mer  7,  81  K.; 

adverbial:  warheytt  bedeutt,  das  es  allis  gr.  . . .  ist  Lu- 
ther 10, 1, 1,  246  W. ; 

ich  mein  dlrs  gantz  gruntgut  und  treulich 

Hans  Sachs  13,  509  X.-G.; 

kein  mann  .  .  .  soll  es  mir  je  verwehren  dir  gr.  zu  sein 
Fr.  Creuzer  in:  die  liebe  der  Oünderode  (1912)  245  Frei- 
sendanz;  substantiviert:  das  grundgute  ihrer  lehre  Göthe 
IV  15,  147.  —  -gut,  n.,  ^grundeigenthum,  besitzthum  an 
grund  und  boden'  (vgl.  comp.-typ.  5f):  grondgutt  liegende 
guter  lux.  ma.  (1906)  156*;  meist  pluralisch,  seit  dem  16.  jh. 
zu  belegen:  wäre  aber  sach,  das  ain  grünt-  oder  lehensherr- 
schaft  seine  grünt-  oder  lehengüeter  nit  thailen  lassen 
wolte  österr.  weisth.  5,  664  (a.  d.  2.  hälfte  d.  16.  jh.s);  ver- 
kauffung  der  grünt-  und  zinsgüeter  671;  Veränderung  der 
grundgüeter  (v.  j.  1644)  3,  63;  an  ihren  daselbst  besit- 
zenden auen  und  gruntgüeteren  (v.  j.  1716)  3,  117;  nur 


braucht  der  candidat  .  .  .  300  pf,  einkünfte  aus  grund- 
gütem  zu  haben  allg.  dtsche  bibl.  110,  217;  die  franzö- 
sischen könige,  welche  ihn  mit  ehren  imd  grundgütern 
reichlich  belohnten  Gothe  49,  300  W.;  anders,  iiach  comp.- 
typ.  5  p  hin:  jedes  gut  gab  Otmar  gerne  her;  nur  das 
grund-  und  stammgut  des  klosters  nicht  Riehl  gesch.  a. 
alt.  zeit  1,  56 ;  in  der  bedeutung  ^grundlegender,  wesent- 
lichster werth' :  die  gerechtigkeit  im  evangelio  offenbahret 
ist  das  erste  gr.  Ph.  Nicolai  teutsche  sehr.  (1617)  1,  2, 
861*.  —  -gute,  /.;  (vgl.  comp.-typ.  5  p):  ihr  bekümmert 
euch  nicht .  .  ,  um  die  gr.  des  baumes,  der  vielleicht  .  . . 
tausendfältige  fruchte  bringen  kann  Lavater  physiogn. 
fragm.  4,  34.  —  -gutherzig,  adj.  (vgl.  comp.-typ.  1  a) 
Schottel  473. 

GRUNDGÜTIG,  adj.,  gesteigertes  gütig,  vgl.  comp.-typ. 
1  a;  im  16.  jh.  erst  vereinzelt:  gib  uns  .  .  .  ein  rechten 
bestendigen  glauben  .  . .,  ein  grundtgütige  liebe  zu  dir 
und  allen  menschen  Luther  6,  13  W.;  der  grundgütige 
gott  und  vatter  im  himmel  Widmann  Fausts  leben  6  K.; 
im  17.  jh.  stark  ausgebreitet  und  wie  auch  in  neuerer 
spräche  zumeist  auf  gott  bezogen:  der  grundgütige  gott 
wolle  fürters  .  . .  den  hohen  potentaten  heilsame  .  .  . 
consilia  inspirieren  (actenstück  v.  j.  1645)  J.  G.  v.  Meiern 
acta  jxicis  westphal.  (1734)  1,  740;  dasz  der  grundgütige 
gott  seine  heilsame  artzney  .  .  .  auch  (in)  geringe  .  . . 
dinge  verborgen  Grimmelshausen  3,  488  Keller;  es  hat 
.  . .  der  grundgütige  gott  in  uns  .  .  .  eine  gewisse  .  .  • 
kraft  . .  .  geleget  Leibnitz  dtsche  sehr.  2,  38;  dasz  der 
grundgütige  gott  jemanden  die  besondere  gnade  ver- 
leiht Göthe  34,  26  W.;  nachdem  der  grundgütige  gott 
mir  meine  gesundheit  wieder  verliehen  Immermann  2, 
110  j5.;  Varianten  dazu:  der  grundgütige  vatter  im  himmel 
J.  Rist  friedejauchz.  Teuischl.  (1653)  131; 

{gott)  Ist  dein  grundgütig  herz  nicht  weiter  zu  erbitten? 
A.  GRyPHiUS  trauersp.  156  P.; 

auf  dasz  der  preis  seines  gerechten  und  grundgütigen 
Wesens  . . .  erschalle  W.  Lohe  evangelienpostille  (1848)  l, 
126*;  der  grundgütigsten  erbarmung  des  allerhöchsten 
Schottel  friedenssieg  67  7idr.;  vor  allem  auch  in  apo- 
strophischer  wendung:  ach  grundgütiger  vater  (gott)\ 
Zesen  Asserml  (1672)  4; 

grandgütger  gott!    gib,  dasz  wir  uns  bestreben 
Beandenburg  bei  Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  5,  228; 

o  du  grundgütiger  weltenmeister!  Auerbach  sehr.  8,  38; 
von  hier  aus  formelhaft  zur  emphatischen  interjection  ent- 
wickelt grundgütiger  gott,  grundgütiger  himmel  u.  ä.  als 
ausruf  des  erstaunens,  des  entsetzeiis;  auf  diese  Verwendung 
beschränkt  sich  gr.  in  der  Umgangssprache,  so  auch  mund- 
artlich: du  guingidiger  god  Hebtel  Thür.  lll;  Albrecht 
Leipz.ma.  126'';  o  grundgütiger  heiland,  es  wäre  mir  ja 
alles,  alles  recht  Raabe  z.  wild,  mann  104;  grundgütiger 
himmel,  Anton,  was  hast  du  begangen?  Holtei  erz.  sehr. 
10,  118;  o  du  grundgütiger  himmel,  wie  teufelsmäszig 
schön!  Ebneb-Eschenbach  ges.  sehr.  4,43;  man  kann 
einen  von  uns  doch  nicht  ins  gefängnis  sperren,  grund- 
gütiger himmel!  Th.  Mann  Buddenbr.  (1910)  2,211;  sel- 
tener von  Personen  sonst:  könig  Sardanapalus  sey  doch  ein 
grundgütiger  herr  Schupp  scÄr.  (1663)  297;  die  grnndgütige 
frau  V.  W.  Hippel  lebensl.  1,  508;  (er)  bewülkommte  mich 
mit  dem  handschlag  eines  grundgütigen  Rückert  w.  11, 
502;  die  groszen  .  .  .,  grundgütigen  äugen  J.  Rank  erinn. 
171;  der  arme  spielmann,  der  in  seiner  gnmdgütigen  ein- 
falt  nichts  davon  ahnt  jahrb.  d.  Orillparzergesdlsch.  4,  66. 

GRUNDHAAR,  n.  1)  das  Unterhaar,  flaumhaar  im 
thierpelz:  bei  der  mehrzahl  der  pelze  ...  ist  das  weiche, 
feine  gr.  deutlich  von  dem  .  .  .  gröberen  oberhaar  zu 
unterscheiden  Karmarsch- Heeren  3, 580;  da  viele 
weiszfüchse  . .  .  auf  dem  rücken  das  .  .  .  gr.  behalten,  so 
unterscheiden  sie  sich  im  sommer  .  .  .  nur  wenig  von  den 
blaufüchsen  Brehm  thierl.  2,  191;  gr,  ...  'bey  den  hut- 
machern  die  feinen  weichen  haare,  welche  die  thiere  .  .  .  im 
unnter  haben'  Krünitz  20, 282.  2)  '6ey  den  gärbern  werden 
die  in  der  haut  verborgenen  wurzeln  der  haare  grundhaare 

52* 


823 


GRUNDHAFT-  GRUNDHEIL 


GRUNDHEIL 


824 


genannt^  ebda;  die  geschnitzten  häute  werden  .  .  .  ge- 
wässert, zur  entfernung  der  grundhaare  . . .  mit  dem 
putzeisen  geputzt  Lxjeger  6,  06.  —  -haf  t,  adj.,  grund 
habend  {vgl.  spalte  722),  begründet:  diss  ist  also  erkennt 
worden  aus  erheblichen,  grundhaften  Ursachen  {von  1667) 
bei  Staub-Tobler  2,  778;  gr.  'ganz  gewisz,  sicher'  Fi- 
scher Schwab.  3,  877;  meine  ausgesandten  kundschafter 
.  . .  kamen  mir  zurück  mit  grundhafter  .  .  .  künde 
RÜOKERT  10.  11,  376;  von  personen  'zuverlässig,  gründ- 
lich' Staub-Tobler  a.  a.  o.  —  -haftung,  /.;  er  {des 
heiligen  geisles  trieb)  breitet  die  wurzel  in  die  erden 
aus,  giebt  innerliche  gr.  {zu  grund  II A  2)  v.  Greif- 
fenberq  andächt,  betracht.  (1678)  1048.  —  -haken,  m., 
zu  comp.-typ.  5  a,  'haken,  mit  dem  man  etwas  aus  dem 
wasser  holt'  vgl.  Krünitz  21,  210,  dann  au^h  'haken, 
der  das  schiff  hält,  anker';  3  kane,  1  grunthoke,  1  ax  {v.  j. 
1447)  gr.  ümterbuch  313  Ziesemer;  grundhack,  bornhack 
oder  schifEhack  harpago,  lupus  contus  Henisch  1769; 
grundeisen,  grundhacke  grafßo  da  pescar'  a  fondo  Krä- 
mer teutsch-ital.  1,  573;  grundhaaken= pumphaken  {haken 
an  einer  stange,  mit  dem  der  eimer  aus  dem  stiefel  einer 
pumpe  gezogen  wird)  Bobrik  naui.  wb.'  321*;  marinetech- 
nisch nach  Beil  264,  vgl.  hwb.  f.  techn.  ausdrücke  in  d. 

kaiserl.  marine  56*. halt,  m.,  gelegentliche  bildwng;  als 

purismus  verurtheilt:  eben  so  wenig  würde  mich  jemand 
verstehen,  wenn  ich  in  der  logica  das  .  . .  subjectum  den 
gr.  . . .  heiszen  wolte  B.  Netjkirch  anw.  z.  teutsch.  briefen 
(1709)  669;  anders  im  sinne  'stützen,  grundlagen' :  jede  all- 
gemeine Vorsorge  {soll)  am  vorzüglichsten  auf  innere  er- 
haltung  des  glaubens,  auf  seine  Würdigkeit,  auf  sitten, 
welche  seine  wesentlichen  grundhalte  vermehren,  gerich- 
tet sein  v.  Meyern  hinterl.  kl.  sehr.  2,  202.  —  -hältig, 
adj.,  was  grund  (IV  C  4)  hat,  'begründet,  berechtigt':  so 
läszt  sich  doch  auch  nichts  klügeres  und  grundhältigeres 
vorbringen  Grillparzer  br.  80;  dazu  -hältigkeit,  f.: 
um  sich  selbst  von  der  gr.  des  gerüchtes  zu  überzeugen 
ders.,  s.  w.  12, 175  S.  —  -harmonie,  /.,  musikalisch  {vgl. 
grundaccord) :  alle  .  .  .  tonarten  {finden)  .  .  .  ihren  grund 
in  einer  .  . .  gr.  allg.  dtsche  bibl.  7,  15;  seit  man  sich  be- 
flissen hat,  alle  akkorde  auf  gewisse  grundharmonien  zu- 
rück zu  führen  Rode  d.  Vitruvius  baukunst  (1796)  1,  217 
anm.;  die  nöthigsten  Intervallen  der  gr.,  besonders  die 
dissonanzen  mit  ihrer  auflösung  in  der  gebrochenen  har- 
monie {werden)  darinnen  berühret  Ph.  E.  Bach  art  d. 
clavier  zu  sp.  {17 59  ff.)  2,  174;  das  stük  wird  nach  art  der 
chaconne  so  gemacht,  dasz  über  dieselben  grundharmo- 
nien die  melodie  vielfältig  verändert  wird  Stjlzer  theorie  d. 
schön,  künste  3,  652;  die  phantasie  .  .  .  besteht  aus  einer 
menge  kleiner  abtheilungen,  die  sich  um  einige  grund- 
harmonien bewegen  R.  Schumann  ges.  sehr.  2, 194;  über- 
tragen: doch  eben  diese  dissonanz  verherrlichte  niu-  noch 
mehr  die  tiefe  gr.  E.  Th.  A.  Hoffmann  s.  w.  12,  75  Or.; 
anders,  die  'ursprüngliche  harmonie' :  die  seele  {musz)  die 
gmndkräfte  aller  elemente  ...  in  sich  enthalten  .  .  ., 
sonst  möchte  es  wohl  keine  ...  gr.  z^^dschen  leib  und 
seele  geben  Lavater  physiogn.  fragm.  4,  349.  —  -harz, 
n.,  aus  dem  gründe  des  meer es  stammendes  harz,  bernstein: 
weil  so  wol  das  gummi  der  bäume  als  das  gedachte  grund- 
hartz  dazu  materi  verleihen  könne  E.  Francisci  ind.- 
sines.ZMsifif.  (1668)  1,  1841'.  —  -h.&&i\\c]x,  adj.  {vgl.  comp.- 
typ.  1  a):  (er)  fragte,  wie  sie  denn  mit  solch  einem  gnmd- 
häszlichen,  kleinen  kerl  so  schön  thun  könne  E.  Th.  A. 
Hoffmann  s.  w.  6,  203  Gr.;  mit  welcher  freundlichkeit 
ein  erträgliches  mädchen  einem  grundhäszlichen  ent- 
gegenkommt Schopenhauer  w.  4,  515  Gr.;  auf  dem  hüb- 
schen platze,  wo  der  grundhäszliche  kursaal  steht  Holtei 
erz.  sehr.  39,  118;  die  eifersucht  ist  doch  ein  gr.,  aber  auch 
ein  gefährlich  ding  Gotthelf  ges.  sehr.  1,  320. 

GRUND  HEIL,  n.,  auch  als  m.  gebraucht:  englischer  gr. 
Hohbero  georg.  cur.  3,  1,  4261^ ;  der  gr.  allg.  dtsche  bibl.  52, 
169;  gr.,  m. ...  unächtergr.  Schlechtendal ^orau.iXscÄZii. 
27,  214;  als  pflanzenname  seit  etwa  1500  bezeugt,  in 
mittelalterlichen  herbar ien  noch  fehlend;  trotz  grindheil 
Carrichter  {nach  Pritzel- Jessen  433)  und  Toxites  {vgl. 
sp.  374),  grüntheil  Bock  kräuterb.  (1561)  80*  ist  hier  nicht 


entstellung  von  {erst  jüngerem)  grindheil  anzunehmen,  son' 
dem  der  umgekehrte  weg;  keine  der  zuf ruhest  gr.  heiszenden 
pflanzen  ist  als  specificum  gegen  grind  angesehen  worden 
und  parallelnamen  wie  ehrenpreis,  trost  aller  weit,  heil 
aller  weit,  machtheil,  frz.  toute  saine,  engl,  allsaint's-wort, 
eure  all  lassen  den  volhsthümlichen  namen  im  sinne  des 
comp.-typus  5  u  als  'von  grund  aus,  gründlich  heilendes 
kraut'  {vgl.  gachheil)  verstehen,  vgl.  auch  Hegi /?ora  v.  Mit- 
teleuropa 5,  3,  1869;  spätere  vermengung  mit  den  grind- 
n^imen  ist  leicht  gegeben;  vom  'ehrenpreis'  {s.  u.  l)  ausgehend 
hat  sich  gr.  auf  zahlreiche  wundkräuter  übertragen;  wie- 
weit wirklicher  Volksgebrauch  oder  gelehrter  irrthum  hinter 
den  vereinzelt  bleibenden  angaben  {s.  u.  4)  steht,  ist  im  ein- 
zelnen nicht  zu  entscheiden. 

1)  gr.für  'ehrenpreis' ,  veronica  officinalis:  darumb,  so 
heist  es,  {das  kraut  erenbris)  von  etlichen  tütschen  über- 
artzen  grüntheil  gnant  ist,  darumb  das  es  vast  heilen  ist 
die  frischen  wunden  . .  .  H.  Braunschweig  kunst  zu  di- 
stiliren  (1500)  43^^;  erenbreisz,  würdt  sonst  auch  grundt- 
heyl  genent  L.  Fuchs  kräuterb.  (1543)  59;  die  alten  weiber 
nennen  es  {das  ehrenbreisz)  Serpentin  . .  .,  etlich  grundt- 
heU  Bock  kräuterb.  (1587)  76*',  ehrenpreisz,  heyl  aller 
weit,  heyl  aller  schaden,  gr.  wegen  seiner  groszen  kraft 
die  es  hat  in  allerley  schaden  und  wunden  zu  heilen 
Pancovius  herbarium  (1673)  411;  vgl.  Schlechtendäi> 
flora  V.  Dtschld.^  17,  113;  gr.  als  vieharzneipflanze  Unger- 
Khull  311*;  wohl  hierzu:  du  hast  an  dem  herm  Jesu 
einen  heiland,  das  rechte  gr.  . .  .  wider  den  schaden  des 
paradieszgartens  V.  Herberger  Äer<zj>05ii7Za  (1613)  2, 113; 
gottes  wort  ist  die  reiche  seelenapothek,  darinnen  wir  das 
kräutlein  gr,  und  widertod  antreffen  J.  J.  Otho  evang. 
kranckentrost  (1671)  283. 

2)  gr.  früh  auf  das  'gauchheiV,  anagallis  arvensis  über- 
tragen: 'anagallis  .  .  .,  Germani  vero  grundtheyl  et  jochheil 
alias  gochheyl  {vocant)'  Val.  Cordus  annotationes  (1561) 
49^;  anagallis,  gaucheil,  hünerdarm,  gr.  B.  Faber  the- 
saurus  (1587)  511*;  grundheyl,  roter  meyer,  roter  gaucheyl 
gallu^  rubra  Henisch  1769;  anagallis,  gauchheil  . .  .,  gr. 
Pancovius  herbarium  (1673)  34;  anagallis,  gauchheil,  gr. 
Leopold  deliciae  florae  Ulmensis  (1728)  12;  rotes  gr.  Hegi 
flora  v.  Mitteleuropa  5,  3,  1869. 

3)  gr.  für  'mannsblut,  Johanniskraut',  hypericum  andro- 
saemum  s.  Hegi  a.  a.  o.  5,  i,  511;  vgl.  Schkuhb  bot.  handb. 
3,  2 :  sicilianisch  gr. ;  siciliana,  wächst  in  Siciha  und  En- 
gelland in  den  wäldem  und  wird  bey  uns  in  die  gärten 
gepflanzt;  bleibt  stets  grün,  wird  auch  sicilianischer  gr. 
genennet  Hohbebg  georg.  cur.  (1682)  l,  690;  sicihanisches 
gr.  Krünitz  20,  282;  englischer  gr.  Hohberg  a.  a.  o.  3, 
1,  426;  nach  Pritzel- Jessen  187  heiszi  die  pflanze  in 
Schlesien  gr. 

4)  erst  in  jüngerer  zeit  ist  gr.  für  eine  anzahl  anderer 
pflanzen,  meist  vielgebrauchte  heilkräuter  bezeugt;  für  das 
'fluszkreuzkraut',  senecio  fluviatilis  {s.  sarracenicus) 
Schkuhb  bot.  handb.  3,  lOl;  vgl.  schon  Noel  Chomel  öcon. 
lex.  4,  1389  u.  1241;  senecio  ,.  .  .  edelwundkraut,  gr.,  heil- 
kraut V.  Pebger  Studien  1,  219;  nach  Pritzel- Jessen 
374  in  Schlesien;  vgl.  Martbns  flora  v.  Württemberg  293; 
s.  auch  grindkraut  {sp.  376);  für  den  'berghaarstrang' , 
peucedanum  oreoselinum  Hegi  flx>ra  v.  Mitteleuropa  5,  2, 
1386;  so  bei  Krünitz  20,  282,  nach  Pritzel-Jessen  269 
in  Schlesien,  vgl.  Martens  flora  v.  Württembg.  293;  für 
den  'günsel',  ajuga  nach  Hegi  o.  a.  o.  5,  4,  2537  im  Ober- 
harz, ebenso  dort  für  den  'gemeinen  Wasserdost',  eupatorium 
cannabinum  ebda  6,  1,  401 ;  in  Westfalen  grundhel  n.,  für 
die  'Schafgarbe',  achillea  millefolium  Woeste-Nörr.  86*', 
vgl.  G.  Abends  volkstüml.  namen  d.  arzneimitteP^  lOö^J; 
für  den  'waldgilbweiderich',  lysimachia  nemorum  Nem- 
nich  wb.  d.  naturgesch.  213,  gelb  gr.  Schkuhb  bot.  handb. 
1, 116,  nach  Pritzel-Jessen  227  so  in  Schlesien;  für 
'epheu',  hedera  nach  G.  Abends  a.  a.  o.;  für  'pastinak', 
pastinaca  opopanax  Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  213; 
unächter  gr.  für  'hohlrippe' ,  kenolophium  Fischeri 
Schlechtendal  flora  v.  Dtschld.  27,  214,  wohl  weil  zu- 
nächst fälschlich  für  eine  pflanze  der  gattung  'haarstrang' , 
peucedanum  {s.  o.)  angesehen  vgl.  Hegi  a.  a.  o.  5,  2,  1328. 


825 


GRUNDHERR  i 


GRUNDHERR  2 


826 


GRUNDHERR,  m.,  der  herr  über  grund  und  boden, 
landbesitzer;  gr.,  dominus  fundi,  dominus  proprietatis 
Henisch  1769;  gr.,  dominus  directus  vel  etiam  dominus 
territorii  Sohottel  473;  seit  dem  14.  jh.  zu  belegen. 

1)  gr.  ist  anders  als  gnindbesitzer,  grundeigenthümer 
u.  8.  w.  seit  alters  juristischer  begriff  von  bestimmter  gel- 
tung;  zunächst  in  weiterem  sinne  der  {durch  belehnung  oder 
häuf)  über  grund  und  boden  verfügungsberechtigte  herr,  der 
das  land  gegen  abgaben  und  zins  an  bäuerliche  hinter- 
sassen  oder  pächter  zur  bevrirtschaftung  gibt;  über  die  recht- 
liche entwicklung  der  grundherrschaft  vgl.  R.  Schrödeb 
rechtsgesch.  461^.;  zu  dem  ersten  ist  eyn  apt  und  eyn 
convent  des  egenannten  cloisters  eyn  rechter  gr.  zu  walt, 
waszer  und  weyde  zu  rechter  eygenschafft  (v.  j.  1421) 
weisth.  1,  521;  ist  das  der  gruntherr  desselbigen  guets 
oder  Weingarten  nit  kaufen  will  in  monatsfrist  (16.  jh.) 
österr.  weisth.  5,  15 ;  desselben  hauss  der  erwirdig  geistlich 
herr  abbt  Thoman  .  .  .  rechtter  gruntherr  ist  (».  j.  1417) 
urk.  d.  Benedict.-abtei  zu  d.  Schotten  555  Hausrath;  die 
gesworen  des  hoifs  {haben)  bekannt  den  .  .  .  abt  .  . . 
vxir  einen  gruinthern  des  hoifs  zo  Cl.  .  .  .  ind  allen  sinen 
hoefsguedern  aldae  gelegen  {Köln,  v.  j.  1504)  publ.  d.  ge- 
sdlsch.f.  rhein.gesch.  20,  355;  für  einen  hofifs-  und  grundt- 
hern  weisth.  2,  477;  welcher  gr.  siglmäszig  ist,  der  mag 
umb  sein  aigen  grundt  und  poden  .  .  .  woll  fertigen 
bair.  lanndtordn.  26*';  unterschieden  vom  'burgherrn' :  ob 
dem  grimtherm  sein  recht  wiurd  versessen,  daz  denn  der 
purkherr  sein  recht  biet  verloren,  das  wer  paidenthalben 
ungevelligleichen  Wiener  weichbildrecht  in:  sitzungsber. 
d.  Wien,  akad.,  phil.-hist.  36,  102;  auch  der  rechtsver- 
treter  der  grundherrn  führt  die  bezeichnung  gr.:  ich  (rfer 
amtmann),  der  ich  an  meines  herren  stat  des  aptes  .  .  • 
Stifter  und  storer  und  auch  gruntherre  pin  {v.  j.  1350) 
urk.  d.  Bened.-abtei  zu  d.  Schotten  265  Hausrath;  ähnlich: 
wenn  das  gut  .  .  .  dem  pharrer  als  ainen  gruntherren  ver- 
vallen ist  öster.  weisth.  6,  317. 

a)  als  empfanget  der  zinsen:  so  mag  ein  jeder  zinsher 
oder  grunther  umb  sein  jarzins  pfenten  zu  sperren 
österr.  weisth.  2,  6;  wir  {haben)  auch  von  derselben  gult 
.  .  .  gedint  den  geistlichen  herren  dacz  den  Schotten  .  .  ., 
die  auch  derselben  gult  recht  gruntherren  sint  {v.  j.  1344) 
urk.  d.  Bened.-abtei  zu  d.  Schotten  247  Hausrath;  der  gr. 
.  . .  trieb  ihn  {den  schenkvnrt),  als  er  die  zinsen  nicht  zah- 
len konnte,  aus  dem  schenkhause  Grässe  jägerbrevier  180. 

b)  als  herr  der  auf  seinem  gründe  angesiedelten  hinter- 
sassen :  als  den  grundtherrn  von  irn  paursleuten,  die  auf 
den  gutem  leibrecht  haben,  vil  .  .  .  beschwärung  be- 
gegnen landpot  in  Ober-  u.  Niederbaiern  {1516)  43*;  solhen 
anschlag  solt  eyn  yeder  gr.  .  . .  von  seinen  leudten  und 
imdersassen  abnemen  J.Unbest  chron.  austriac.  681;  die 
gesatz,  welche  den  grundtherrn  und  bauleiten,  disen 
ihren  gewalt  und  jenen  ihr  Schuldigkeit  auszzaigen 
V.  Brandts  ehrenkräntzel  (1678)  157;  das  verhältnisz,  wo 
alle  bewohnet  einer  ganzen  gegend  einem  grundherrn 
unterthänig  . . .  sind  Fr.  Schlegel  s.  w.  11,  43;  den 
rohen,  soeben  erst  der  erbuntertänigkeit  entwachsenen 
bauern,  die  ihren  grundherren  noch  voll  groUes  gegen- 
über standen  Tbeitschke  dtsche  gesch.  1,  284;  ein  patri- 
archalisches Verhältnis  zwischen  grundherrn  und  acker- 
bauern  {kann)  sich  dabei  nicht  entwickeln  hwb.  d.  Staats- 
wiss.^  1,  12;  in  formelhafter  Verbindung:  grund-  und  lehen- 
herr:  der  .  .  .  herr  apt  .  .  .  is  daselbs  . . .  ein  gronther, 
lehnherr  imdt  vogt  weisth.  2,  295;  zusammengezogen  in 
grundlehenherr:  der  soll  sein  zwo  theil  desz  grundtlehen- 
herm  und  die  dritte  theil  des  vogts  2,  75;  öfter  erb-  und 
grundherr:  dasz  ein  jeder  seinem  erb-  und  grundherrn 
vor  fremden  zu  dienen  angehalten  werde  acta  publ.  5, 
178;  die  zünfte  . . .  behaupteten  {im  jähre  1686)  .  .  .,  dasz 
sie  die  erb-  und  grundherren  der  stadt  {Köln)  wären  allg. 
dtsche  bibl.,  anh.  zu  37-52,  619;  wir  .  . .,  grund-  und  erb- 
herr  der  rosenthalischen  guter  Hippel  kreuz-  u.  quer- 
züge  1,  413. 

c)  vielfach  ist  der  gr.  inhaber  der  territorialen  {meist  nie- 
deren) gerichtsbarkeit  {patrimonialgericht):  alss  hohen  ge- 
richts-  und  grundtherrn  {v.  j.  1418)  weisth.  1,  794;  für 


einen  grundherrn  und  obersten  gerichtsherren  (»•  /.  1576) 
3,  769;  als  grund-  und  gerichtsherr  befehle  ich  Holtei 
erz.  sehr.  35,  196;  die  Jurisdiction  tind  burgfreyheit  hat 
ein  jeder  gr.  eines  landmannguts  in  Österreich  Hohbebg 
georg.  cur.  l,  32;  die  freye  unumschränkte  gewalt  eines 
grundherrens  v.  Fleming  vollk.  t.  jäger  50;  anders  dagegen: 
{der  vogt  hat)  umb  all  Sachen  über  die  holden  zue  ge- 
pieten  und  der  gruntherr  nit;  der  gruntherr  soll  allain 
seins  diensts  gewarten  und  nit  mer  {v.  j.  1527)  österr. 
weisth.  7,  86;  vgl.  weisth.  1,  521  v.  j.  1421. 

d)  anders  als  bei  grundbesitzer,  -eigenthümer  verbindet 
sich  daher  mit  gr.  die  Vorstellung  des  vornehmen  {adligen) 
reichbegüterten  landbesitzers :  da  ir  {die  geistlichen  herren) 
euch  yetzund  grundtherren  und  rechte  besitzer  rhüment 
Sleidanus  reden  103  Böhmer;  aus  erbberechtigten  ad- 
lichen  grimdherren  Tbeitschke  dtsche  gesch.  2,  353;  das 
tagesleben  des  grundherrn  ist  ein  Wechsel  von  müszig- 
gang  und  wilder  aufregung  G.  Freytag  ges.  w.   17,  3; 

...  da  der  stolze  grundherr 

satt  ward  des  festlands       Geibel  tc.  5,211; 

stehende  Verbindung  ist  groszer  gr. :  {der  schlaf)  flieht  den 
groszen  grundherrn  Mommsen  reden  u.  aufs.  171;  die 
Verdrängung  des  freien  bauernstandes  durch  eine  geringe 
zahl  groszer  grundherren  Jherino  geist  d.  röm.  rechts  2, 
156;  die  groszen  grundherren  und  Viehzüchter  drauszen 
im  'campo'  .  .  .  ähneln  dem  europäischen  feudaladel 
auf  den  bürgen  E.  v.  Hesse-Wabtegq  zw.  Ariden  u. 
Amazonas'  340;  terminologisch  in  Baden:  auch  der  ehe- 
malige reichsadel  (in  Baden  'grundherren')  behielt  (»'.  j. 
1806)  .  .  .  das  recht  der  autonomie  Schbödeb  rechtsgesch. 
984  anm.  6 ;  so  ist  auch  der  Landesherr,  der  fürst  gr.,  vgl. 
weisth.  3,  769  v.  j.  1576  {s.oben);  ir  wissent,  das  keyser 
Carle  euer  rechter  herr  ist  und  wer  seinen  grundtherren 
widerstreyt,  der  thut  wider  got  imd  billigkeyt  hertzog 
Aymont  (1535)  a  6*;  dasz  der  fürst  und  gr.  kommen  werde 
Stifteb  4,  1,  278  S.;  aber  anders:  die  macht  desjenigen 
fürsten  würde  .  .  .  am  festesten  gegründet  seyn,  der  in 
seinem  gebiet  alleiniger  gr.  wäre  v.  Hallbb  resta2ir.  d. 
staatsunss.  3,  28. 

e)  neuere  juristische  terminologie  spaltet  den  älteren  und 
weiteren  begriff  gr.  je  nach  seiner  wirtschaftlichen  oder 
seiner  rechtlichen  Stellung  in  gutsherr  und  gr.:  der  guts- 
herr  ...  ist  im  eminenten  sinne  landwirt;  die  abhängigen 
bauern  .  .  .  arbeiten  ...  im  dienste  und  unter  der  leitung 
des  gutsherrn.  der  gr.  erhält  von  den  bauern  über- 
wiegend rente  (zins,  pacht)  Conbad  staatsunss.  hwb.*, 
ergänzungsbd.  (1929)  449*;  anders  unterschieden:  der  aus- 
druck  gr.  betrifft  'das  {m^hr  dem  privatrecht  angehörende) 
rechtsverhältnis  des  eigentümers  des  grund  und  bodens 
zu  den  auf  ihm  angesiedelten  nutzungsberechtigten',  guts- 
herr dagegen  bezieht  sich  auf  'das  obrigkeitliche  Verhältnis 
des  gerichtsherrn  {gutsherrn)  zu  seinen  hintersassen'  Bitter 
hwb.  d.  preusz.  verwaltg.  (1906)  l,  747l>;  der  anschlusz  an 
eine  benachbarte  schule  erfolgt  .  .  .  durch  einen  zwischen 
der  gemeinde  und  dem  schulpatron  einerseits  und  dem 
grundherrn  als  Vertreter  der  auf  seinem  grund  und  boden 
befindlichen  bewohner  andererseits  abgeschlossenen  ver- 
trag Schulordnung  f.  Preuszen  v.  11.  dez.  1845  §  57. 

2)  nicht  selten  später  auch  in  schlichtem  sinn  wie  'grund- 
eigenthümer\  aber  nur  von  ländlichem  besitz:  der  tam- 
hirz  hat  ein  köstlich  gehüm  für  gifft  .  .  .  {das  läszt  er)  auf 
der  statt  zur  dankbarkejrt  ligen,  das  es  der  herr  des 
grunds  und  bodens  finden  und  nutzen  mag;  wird  er  aber  . 
vom  grundherren  verfolgt  . . .,  verbirgt  er  sein  gehirn 
Fischart  3,  243,  13  Hauffen; 

das  haus  hält  immer  noch  so  hin, 

nur  schade,  dasz  ich  nicht  der  grundherr  davon  bin 

Stoppe  Parnass  (1735)  134; 

da  sich  die  dorfgemeinde  einhellig  verstanden  .  .  .,  so  ist 
selber  {d.  h.  selbiger  punct)  auch  in  hinsieht  des  schlosz- 
innhabers  zu  B.  und  der  betreffenden  gruntherm  ganz 
unprae judicier  lieh  gemeint  österr.  weisth.  3,  229  {v.  j. 
1801);  so  ist  es  auf  dem  lande  das  Vorrecht  des  grund- 
herrn, dasz  er  sage :  hier  soll  meine  wohnung  stehen  xind 
nirgends  anders  Göthe  20,  96  W.; 


827    GRUNDHERR  3-6 -GRUNDHERRSCHAFT 


GRUNDHERRSCHAFT  -  GRUNDHERZIG    828 


(die  vollen  zweige  der  Obstbäume,)  die  mit  müh  der  grundherr 
stützt        M.  Geeif  ged.^  111; 

die  . . .  pflanzennährstoffe  sind  ein  schätz,  den  die  natur 
...  in  den  schoosz  der  erde  zum  besten  des  grundherrn 
niedergelegt  hat  v.  Schwerz  ackerbau  194;  vgl.  grondhär 
'grundeigentümer'  lux.  ma.  156*. 

3)  als  bergmännischer  terminus:  gr.  Hst  derjenige,  welcher 
leiden  musz,  dasz  der  bergmann  auf  seinem  felde  muthen, 
schürffen  und  den  gang  entblösen  darff.  es  ist  aber  ein 
unterscheid  urUer  dem  grundherren  zu  machen,  nehmlich 
unter  dem,  der  das  bergregäle  selber  hat  und  unter  dem, 
auf  dessen  erbguthe  oder  feldern  der  gang  entblöset  wird" 
MiNEROPHiLUS  bergwercks  lex.  (1730)  315;  gr.  'heist  bey 
den  bergwercken  derjenige,  bey  dessen  gute  jederzeit  der  erb- 
hux  bleibet^  Nod  Chomel  4,  1389;  so  wohl  bereits  in  äl- 
teren belegen  zu  fassen:  grundtherr  proprietarius  Ph. 
Bech  V.  bergbau  (1557)  s  2*;  es  sol  hinfürder  ein  jeder  gr., 
vom  adel,  bürger  oder  bauer  alsbald  eine  neue  fund- 
grube  oder  massen  bestetiget,  seinen  erbtheil  im  beste- 
tigen zu  fordern  schuldig  sein  chursächs.  bergordnung  v. 
4.  XI.  1573  (1673)  or^  72;  zu  Verrichtung  derer  ertzhöU- 
fuhren  sind  . . .  die  grundherren  .  .  •  gemeynet  Schön- 
berg berginform.  (1693)  1,  53;  vgl.  Hoyer-Kbeuteb  techn. 
wb.   1,  316. 

4)  auf  gott  übertragen:  so  wir  bekennen,  alles  das  wir 
haben,  das  haben  wir  von  im  {gott),  darumb  sollen  wir 
es  im  wider  zuschreiben  als  dem  rechten  grundherrn 
Luther  7,  253  W.;  als  einen  machtschutz  und  grund- 
herren, welcher  alle  ding  traget  und  erhaltet  Dannhauer 
catech.  milch  5,  783; 

und  als  sie  dem  grundherrn  vom  erdengebäu  . . . 
. . .  ein  frommes  loblied  gesungen  .  .  . 

Fr.  Kind  ged.  3,  243; 

{gott)  o  groszer  grundherr  aller  weit 

A.  V.  Arnim  w.  13,  254. 

5)  vereinzelt:  Stifter,  grundt-  oder  bauherr /ondafore,  edi- 

ficatore  Hulsius  dict.  (1618)  2, 158^. herrlich,  adj.,  im 

18.  jh.  von  grundherr  abgeleitet,  ^dem  grundherrn  (s.  o.  1) 
gehörig  oder  ihn  betreffend':  die  absieht  .  .  .  ist,  .  .  .  die 
landesherrlichen  {revenuen)  von  den  grundherrlichen  ab- 
zusondern allg.  dtsche bibl.,  anh.  zu  25-36, 2246;  eine  landes- 
herrliche Verwaltung  .  . .,  welche  die  bauern  von  der  last 
der  grundherrlichen  hörigkeit  befreite  Sybel  begründg. 
d.  dtsch.  reiches  1, 16;  (er)  war  commissar  der  regiilicrung 
bäuerlicher  und  grundherrlicher  Verhältnisse  geworden 
Gutzkow  zaub.  v.  Rom  l,  118;  die  befreiung  des  bodens 
von  den  grundherrlichen  lasten  Treitschke  hist.  u.  polit. 
aufs.  2,  296;  in  grundherrlichen  gemeinden  gab  es  nur 
grundherrliche  mühlen  Schröder  rechtsgesch.  460  anm.  20 ; 
dem  .  .  .  grundherrlichen  adel  {steht)  .  .  .  die  entsendung 
von  Vertretern  in  die  gesetzgebenden  körperschaften  zu 
v.  Alten  l,  109;  aus  der  engen  sphäre  grundherrlichen 
imd  patrizischen  daseins  Meinecke  weltbürgert,  u.  natio- 
nalstaat  216;  seine  grundherrliche  theorie  Schröder 
rechtsgesch.  480  anm.  36;  statt  des  alten  kraftvollen  . .  . 
hausväterlichen  oder  grundherrlichen  Sprachgebrauchs 
v.  Haller  restaur.  d.  staatswiss.  i,  214;  im  terminolo- 
gischen gegen^atz  zu  gutsherrlich  {vgl.  grundherr  1  e) :  die 
Umwandlung  des  grundherrlichen  in  ein  gutsherrliches 
Verhältnis  Conrad  hwb.  d.  staatswiss.*,  erg.-bd.  (1929) 
442».  —  -herrlichkeit, /.  {vgl.  grundherrschaft  1) :  gr., 
'immittlerenlat.fundalitas' AD^i.v:sa{1775)2, 829;  alleauto- 
rität  entspringt  , .  .  aus  dem  besitz,  wie  ...  im  einzelnen 
famUienbande  der  gr.  Görres  ges.  sehr.  4,  257;  {leute),  die 
mir  wegen  dem  Verhältnisse  der  gr.  unterthan  sind 
Stifter  a.  w.  3,  216;  die  behauptung,  . . .,  dasz  gr.  und 
tyrannei  identische  begriffe  seien  Bismarck  pol.  reden 
1, 148;  ein  gutsbesitzer  . . .  besasz  vielleicht  in  einer 
ganzen  anzahl  von  dörfern  die  gr.  über  nur  eine  oder 
einige  wenige  zins-  und  sonst  pflichtige  hufen  Conrad 
hwb.  d.  staatswiss.^  1,  42. 

GRUNDHERRSCHAFT,  /.;  gr.,  dominium  directum 
vel  proprietatis  Schottel  380;  gr.,  patronanza,  signoria 
territoriale  Kramer  teutsch-ital.  1, 573  c ;  das  wort  ist  mit  dem 
16.  jh.  zu  belegen  {s.  u.  2). 


1)  jun^  {s.  o.  und  Adelung  [1775]  2,  829)  ist  die  ab- 
stracte  Verwendung  {vgl.  herrschaft  2  th.  4,  2,  1152)  im 
sinne  'die  institution  des  herrschaftsrechles  über  grund  und 
boden",  wobei  die  verschiedenartige  wirtschaftliche  und 
rechtliche  Stellung  des  grundherrn  {s.  o.  sp.  826)  in  be- 
tracht  zu  ziehen  ist;  über  die  entwicklung  und  die  arten  der 
gr.  vgl.  G.  AuBiN  'gr.  und  gutsherrschaft'  in:  relig.  in  gesch. 
u.  gegenw.  2  (1928),  1503^.;  aus  dem  rein  persönlichen 
mundium  entwickelte  sich  .  .  .  eine  die  person  ergreifende 
gr.  Schwappach  hb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  l,  12;  schon 
herzog  Ludwig  hatte  in  den  bezirken  seiner  gr.  land- 
richter  gesetzt  Zschokke  s.  ausg.  sehr.  30,  357;  die  gr. 
über  alle  bestandtheile  des  reiches  gebührt  niemand  als 
der  nation  J.  v.  Müller  s.  w.  9, 113;  in  volkswirtschaft- 
licher hinsieht  unterscheidet  man  rentengr.  und  betriebsgr. 
{s.  o.  grundherr  sp.  825)  Aubin  a.  a.  o.  1505,  letztere  be- 
rührt sich  mit  dem  begriff  der  gutsherrschaft:  an  die  stelle 
der  mit  spärlichem  eigenbetrieb  verbundenen  grund- 
herrschaften trat  die  gutsherrschaft  Schröder  rechts- 
gesch. 881;  altdeutschland  war  das  gebiet  der  gr.,  das 
koloniale  das  der  gutsherrschaft  Conrad  hwb.  d.  staats- 
wiss., erg.-bd.  (1929)  449*. 

2)  6t«  in  das  frühe  16.  jh.,  vermutlich  noch  ins  15.,  reicht 
gr.  zurück  in  der  concreten  bedeutung  {vgl.  herrschaft  4), 
in  der  regel  collectiv  'die  die  herrschaft  über  grund  und 
boden  besitzenden  und  ausübenden  personen  oder  körper- 
schaften'; ältere  spräche  verwendet  dafür  neben  grundherr 
das  simplex  herrschaft  vgl.  österr.  weisth.  5,  16  v.  j.  1381; 
so  soll  .  .  .  unserm  gotshausz  als  gruntherschafft  unser 
straff  gegen  demselben  Verbrecher  hiemit  auch  unbe- 
nommen sein  {v.  j.  1529)  v.  Lori  sammig.  d.  baier.  berg- 
rechts  189;  mit  vorwissen  und  willen  bemelter  gruntherr- 
Bchaft  zu  st.  Görgen  {v.  j.  1534)  österr.  weisth.  2,  163;  erst- 
lich hat  kein  obrigkeit  noch  landgericht  aus/er  der 
gruntherrschaft  mit  fueg  in  dise  dörfer  zu  greifen  {v.  j. 
1597)  10,  168;  damit  aber  unter  den  landgerichten  und 
grundherrschaften  keine  irrung  sich  ereignen  möchte 
HoHBERG  georg.  cur.  l,  34;  jeder  hauswirth  {soll)  .  .  . 
einem  .  . .  gestrengen  rath  der  königlichen  haupt-  und 
residenzstadt  Breslau  als  gr.  dieses  orthes  .  .  .  allen  unter- 
thänigen  gehorsam  leisten  cod.  dipl.  Siles.  4,  125;  das 
recht  des  bierbrauens  übte  in  der  regel  die  gr.  Räumer 
gesch.  d.  Hohenst.  5,  373 ;  auch  eine  strasze  wurde  von  der 
gr.  über  die  beide  gebaut  Stifter  s.  w.  l,  187;  fällt  dem 
bauer  ein  stück  vieh,  so  musz  die  gr.  es  ersetzen  Moltke 
ges.  sehr.  2,  152;  in  zwillingsformeln:  one  bewilligung  der 
grünt-  oder  lehensherrschaft  (16.  jh.)  österr.  weisth.  5,  664; 
der  innere  theil  des  thales,  dessen  grund-  und  gerichts- 
herrschaft  einst  das  stift  Sonnenburg  gewesen  Steub 
drei  sommer  in  Tirol  2,  379;  gehorsam  war  früher  der 
unterthan  seiner  grund-  und  gutsherrschaft  schuldig  ge- 
wesen Meinecke  gener.  v.  Boyen  2,  259;  personell  gewen- 
det: die  gr.  ist  der  herr  von  Zorn  Nicolai  reise  d.  DtscfM. 
3,  18;  wenn  das  die  frau  Cölestine  wüszte  .  .  .;  und 
meints  noch  so  gut  zu  dir,  die  gnädige  gr.  Holtei  erz. 
sehr.  17,  152;  i  bewahre,  .  .  .  unsere  gr.  ist  das  gnädige 
fräulein  Sybilla  da  drauszen  Eichendorf  s.  w.  3,  446/. 

3)  weniger  häufig  im  territorialen  sinne  'der  bereich, 
bezirk  einer  gr.'  {vgl.  herrschaft  3):  auf  diese  weise  zerfiel 
jede  gröszere  gr.  in  eine  anzahl  hufenmäszig,  nicht  räum- 
lich geschlossener  meiereibezirke  Conrad  hwb.  d.  staats- 
wiss.'^, erg.-bd.  (1929)  438i>;  {es)  wurde  .  .  .  hanf  und  flachs 
versponnen,  ...  in  den  klöstern  wie  auf  den  .  .  .  grund- 
herrschaften Düren  Florentiner  wolltuchindustr.  13;  hier, 
sagte  er, .  .  .  hört  meine  gr.  auf  Holtei  erz.  sehr.  2,  242.  — 
-herrschaftlich,  adj.,  zum  vorigen  gebildet:  in  den 
grundherrschaftlichen  marken  ernannte  sie  {die  forst- 
beamten)  . . .  der  grundherr  allein  Schwappach  forst-  u. 
jagdgesch.  1,251;  Umgestaltung  des  grundherrschaft- 
lichen groszbesitzes  hwb.  d.  staatswiss.^  4,  830;  {v.  Haller,) 
der  ...  so  beharrlich  an  der  erdschoUe  des  grundherr- 
schaftlichen kleinstaates  haftete  Meinecke  weltb.  u.  nat.- 
st.  221.  —  -herzig,  adj.,  zu  grund  I  E  1  {vgl.  sp.  677^.) 
aus  formein  wie  von  herzens  grund,  aus  grund  des  herzens 
gebildet;  'aufrichtig':   und  bey  den  füszen  ihres  herren 


829   GRUNDHERZLICH  -  GRUNDHOLZ 


GRUNDHÖRIG  -  GRUNDIDEE 


830 


gemahls  mit  flehentlicher  stimm  umb  gütliche  nachlasz 
gebetten,  bekemit  grundhertzig,  dasz  sie  sich  .  .  .  ver- 
sündiget Abraham  a  s.  Claea  jxKk  pick  (1687)  21;  noch 
mundartlich:  grundhertig  'der  seines  herzens  grund  sagt' 
WoESTE-NöBR.  86^ ;  anders  gr.  als  gesteigertes  herzig  {vgl. 
th.  4,  2,  1249),  s.  comp.-typ.  1  a:  wir  wollen  .  . .  hören,  was 
gutes  der  fromme  und  grundbertzige  gott  denen  zusag 
und  versprech  Dannhauer  catechisvmsmilch  l,  336.  — 
-herzlich,  adj.,  älternhd.  wie  das  vorige  gebildet;  'auf- 
richtig, wahr\-  mit  gesteigertem  herzlich  verrinnend: 

wol  dem,  der  hat  ein  treuen  freund 
in  grundliertzlicher  treu  verzeunt 

Hans  Sachs  19, 104  K.-  Q.; 

dasz  er  dasselb  nach  der  hand  ernstlich  widerruffen  und 
mit  grundhertzlichem  bereuen  beklagt  hab  Fischart 
binenkorb  (1588)  169'>';  meiner  unermessigen  gunst,  so  ich 
E.  L.  grundhertzlich  trage,  genug  thim  Amadis  6  (1572) 
501,  nhd.  vereinzelt  adverbial:  als  wir  .  . .  den  ersten  ein- 
druck  empfangen  hatten,  .  .  .  war  einem  erst  so  gr.  wohl 
H.  Allmers  röm.  schlendertage  12. 

GRUNDHOBEL,  m.  'gr.,  wird  bey  den  tischern  {tisch- 
lern) gebraucht,  wenn  in  der  mitte  des  holtzes  etwas  tief  ge- 
stoszen  oder  gegründet  wird'  Nod  Chomel  4,  1389  {vgl.  grün- 
den sp.  795) ;  dischlerzeug  von  langen  höhlen,  fausthoblen 
.  . .  grund-  und  nuethöbel  (v.  j.  1629)  nach  Fischer 
Schwab.  3,877,  vgl.  J.  HÜBNER  cur.  lex.  (1714)  716;  zum 
ebnen  des  grundes  ausgesparter  Vertiefungen  .  .  •  dient 
der  gr.  Lueqeb  lex.  5,  173;  grondhuwel  lux.  ma.  156*. 

GRUNDHOLDE,  m.,  'höriger,  der  durch  bdehnung  mit 
grund  und  boden  dem  grundherrn  abgabenpflichtig  isV ;  in 
älterer  zeit  als  holde,  im  15.  jh.  als  gr.  bezeichnet  {vgl.  th.  4, 
2, 1736  u.  Schmeller-Fr.  1,  1090):  item,  das  wir  grunt- 
holden  und  vogtholden  haben  recht  holz  zu  gewinnen 
(2.  hälfte  d.  15,  jh.)  österr.  weisth.  7,  21;  auch  so  ein  jeder 
zehent  oder  ein  gruntholt  der  herrschaft  Khranichberg 
zuegehört,  der  selbig  soll  .  .  .  (16.  jh.)  6,  149;  welicher  war 
ein  grundhold  und  wolt  sich  verrer  anvogten  {v.  j.  1499) 
7,  236;  (sie)  sein  dem,  auf  des  gründten  sie  wohnen  .  •  . 
mit  aller  obrigkeit,  wie  ander  seine  grundtholden  unter- 
worfen {v.  j.  1559)  bei  Haltaus  gloss.  germ.  757;  die 
meisten  {bauern)  aber  hatten  ihre  guter  als  erblehen  .  .  . 
von  einem  grundherrn,  dem  sie  als  grundholden  eine 
'gült'  in  geld  oder  naturalien  ...  zu  leisten  hatten 
Schröder  rechtsgesch.  886;  {man)  unterschied  . .  .  den 
güterfall  des  grundholden  und  den  leibfall  des  leib- 
eigenen ebda;  die  besitzer  der  guter  können  grundholden, 
aber  keine  unterthanen  haben  K.  v.  Eckartshausen 
d.  prinz  (1789)  165;  wenn  früher  ein  erbherr  .  .  .  das  ge- 
meindewesen  seiner  grxmdholden  überwachte  Schückino 
eisenbahnf.  d.  Westf.  79;  zwischen  den  edelherren  und 
ihren  unterthanen  imd  grundholden  stehen  .  .  .  ihre  be- 
amten  in  der  mitte  Görres  ges.  sehr.  6,  71;  (sie)  nannten 
sie  spottweise  ihre  unterthanen  und  grundholden  Auer- 
bach dorfgesch.  1,  43;  der  meier,  zumeist  ein  grundholder 
wie  die  andern  baüern,  erhob  .  .  .  die  zinse  Conrad  hwb. 
d.  staatswiss.*,  erg.-bd.  (1929)  438*5;  anscheinend  im  18.  jh. 
auch  der  Umgangssprache  noch  geläufig  vgl.  grundhold 
'grundunterthan'  Zaupser  bair.  u.  oberpfälz.  idiot.  (1789) 
33;  über  die  rechtliche  stdlung  der  gr.-n  vgl.  grundhörig. 

GRUNDHOLZ,  n.  l)  zu  grund  I  A  {vgl.  comp.-typ. 
5  a)  in  verschiedener  bedeutung;  als  'holz  auf  dem  gründe 
eines  Wasserwerkes'  {Wassermühle,  walkerei  etc.)  vgl.  gnmd- 
balken,  grundbaum:  meister  Proffioin  van  dem  kump- 
huys  umb  blocker  ind  die  zu  sniden  ind  zu  legen  ze  dage- 
loin  ind  gruntholzer  macht  56  m.  7  s.  {v.  j.  1385)  Laurent 
Aach,  stadtrechn.  337;  gr.,  ligna  submersa  Steinbach 
(1734)  1,  779;  anders:  gr.,  'ein  stück  eichenholz,  wdches  in 
einem  wasserkasten  bey  brunnenkünsten  eingesdzt  . .  . 
unrd'  Jacobsson  2,  164^*;  Mothes  baulex.  2,  541.  2)  zu 
grund  II  A  1  'am  boden  liegendes  trockenes  abfallholz' :  und 
seie  niemand  erlaubet,  .  .  .  heimlich  holz  zu  schlagen  .  . . 
und  unter  dem  vorwanth  aufgesuchten  grundholz  frisches 
abzustocken  (c.  1760)  österr.  weisth.  8,  297.  3)  mehrfach 
in  technischer  Verwendung  mit  grund  IVA  {vgl.  comp.- 


typ.  5  h)  zusammengesdzt;  'fundamentholz  eines  hauses' 
{vgl.  grundbalken) :  27-28  pedes  longi  pro  123  want- 
rueden,  pro  3  lignis  vulgo  gruntholzer  {als  baumate- 
rial;  v.  j.  1550)  quell,  z.  gesch.  d.  Stadt  Kronstadt  3,  582; 
also  möchte  man  .  .  .  sagen,  dasz  das  allgemeine  men- 
schenhausz  ...  zu  boden  gehen  werde,  da  man  auch  die 
allerunentbehrlichst-principialste  grundhöltzer  .  . .  weg- 
risse jesuiter  rathsstube  (1684)  43;  Christus  {hai)  den  . . . 
gemeinen  namen  aller  menschen  auf  einen  stein  ge- 
schrieben, nemlich  auf  dem  fundament  oder  grundholtz 
seines  werthen  todes  Ruysbroeck  stiftshütte  S^;  noch 
modern  gr. ,    groundtimber   Hoyer-KLreüter  techn.   wb. 

1,  317;  bergmännisch  grundschwelle  (s.  dort) .  . .,  auch  gr. 
•  . .  ein  bei  der  . . .  Streckenzimmerung  bei  nicht  fester 
.  .  .  sohle  quer  über  letztere  gelegtes  holz  Veith  bergwb. 
256;  eine  weinpresse  bestehet  aus  dem  grundlager,  grund- 
höltzem,  worauf  der  presztrog  lieget  allg.  haushalüex. 
(1749)  2,  582*';  kielschwein,  ein  inwendig  längs  dem  kiel 
{eines  schiff  es)  liegendes  holz,  worauf  der  mast  steht  und 
das  die  grundhölzer  bedeckt  Voigt  hwb.  f.  d.  geschäfts- 
führg.  2,  79;  im  bilde:  der  glaube  als  die  tiefe  und  das 
grundholtz  des  creutzes  Scheeäüs  sprachenschule  (1619) 
174.  4)  gr.  name  des  favlbaumes,  rhamnus  frangula  Nem- 
NiCH  «76.  d.  nat. -gesch.  213;  gr.  ist  hier  entstellung  aus 
grindholz  (s.  sp.  374  u.  comp.-typ.  5  m),  vgl.  krätzholz 
Pritzel- Jessen  330. 

GRUNDHÖRIG,  adj.,  mit  dem  vom  grundherrn  ver- 
liehenen  boden  rechtlich  verbunden  (s.  u.):  niederholz  .  .  . 
afterschlag  .  .  .  {verblieben)  den  grundhörigen  bauern 
Bernhardt  gesch.  d.  waldeig.  1,  97;  gr.  kann  der  städ- 
tische plebejer  .  .  .  überhaupt  nicht  gewesen  sein  Con- 
rad hwb.  d.  staatswiss.^  1,  149;  die  Inhaber  der  grund- 
hörigen bauernhöfe  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens;  sub- 
stantiviert {vgl.  grundholde):  er  ist  für  seine  person 
unabhängig,  nicht  nur  von  allen  seinen  dienern  und  grund- 
hörigen, sondern  auch  von  benachbarten  gleich  freyen 
v.  Haller  rest.  d.  staatswiss.  2,  54 ;  die  gnmd-  und  schutz- 
hörigen, in  den  quellen  des  früheren  mittelalters  ge- 
wöhnlich als  'zinsleute'  {censuales)  zusammengefaszt,  zer- 
fielen ...  in  verschiedene  gruppen  höheren  und  niederen 
Standes  Schröder  rechtsgesch.  492;  die  grundhörigen 
waren  durchweg  gutsherrliche  hintersassen  und  zwar 
derart  mit  ihrem  gut  verbunden  {glebae  adscripti),  daaz 
es  weder  ihnen  vom  herm  ohne  bestimmten  gesetzlichen 
grund  entzogen  noch  auch  von  ihnen  ohne  genehmigung 
des  herm  geräumt  werden  durfte  ebda  493.  —  -hörig- 
keit,  /.;  gr.,  mangel  aller  freizügigkeit,  Verpflichtung 
zu  abgaben  und  leistungen  an  den  grundherrn  Bern- 
hardt gesch.  d.  waldeigent.  l,  32. 

GRÜNDICHT,  adj.,  ableitung  von  grund  {vgl.  gründig); 
zu  grund  II  A  2  a  a  wohl  im  sinne  'wiesig,  moorig'  {s. 
sp.  687):  solches  geschieht  aber  nach  dem  eyn  jeder  boden 
zähe  und  leimecht  oder  aber  kiesecht,  sandecht,  kreidecht, 
gründecht,  steynecht  oder  gut  ist  Sebiz  f eidbau  (1580) 
479;  nur  in  den  gar  nassen,  kalten,  gründichten  und 
saurichten  ackern  .  .  .  will  es  {das  kom)  nicht  sonder- 
lich wachsen  schles.  wirtschaßsbuch  (1712)  139;  die  gegend 
ist  sehr  sumpfigt  und  grundigt  Breslauer  sammig.  (1717) 

2,  63 ;  anders  zu  grund  II  A  2  c  'ruich  erde  schmeckend' 
{vgl.  grundig):  wenn  man  sie  {die  feldrettiche)  sonsten 
auf  das  feldt  seen  wolte  wie  die  andern,  werden  sie  gr. 
oder  madenfressig  M.  Grosser  ardeitg.  zti  d.  landwirtsch. 
(1590)  F  5"';  zu  grund  lAl  {'untiefe')  als  'seicht',  mit 
suffixaler  erweiterung:  grundächtig,  das  grund  hat  vadosus 
Henisch  1766;  als  lautdublette  statt  grindicht  {vgl.  sp.  374) 
'mit  grind  behaftet':  geistliche  priester  aber  sollen  nicht 
lahm  sein  . . .  nicht  gr.  oder  schäbicht  Chr.  G.  Rose 
homilet.  studierstube  (1723)  203. 

GRUNDIDEE,  /.,  'idee,  aus  der  eine  anschauung,  ein 
werk  hervorgeht  oder  auf  die  dwas  zurückzuführen  ist'  {vgl. 
comp.-typ.  bTpau.  ß);  seit  dem  frühen  18.  jh.  gebräuchlich: 

will  es  sich  noch  nicht  reimen 
mit  denen  höhen 

der  angebohmen  grundideen  (der  christl.  religion) 
gesangbuch  d.  brüdergem.,  anh.  (1741)  nr.  1782  v.  8; 


831 


GRUNDIEREN 


GRUNDIER  ANSTRICH  -  GRÜNDIG       832 


man  .  . .  löset  die  begriffe  derselben  {der  Ursachen),  wo 
möglich,  in  ihre  ersten  grundideen  auf  Moses  Mendels- 
sohn ge3.  sehr.  2,  15;  somit  (wäre)  die  gr.,  woraus  alles 
hervorgeht,  in  ihnen  lebendig  geworden  Göthe  48,  ISlW., 
vgl.  40,  229;  die  tribunicischen  bewegungen  sind  .  .  .  ein 
versuch  .  .  .,  die  Verfassung  auf  ihre  grundideen  zurück- 
zuführen NiEBiTHR  röm.  gesch.  2,  350 ;  {Hegel)  hat  .  . .  der 
meinimg  Vorschub  geleistet,  als  lieszen  sich  alle  lehren 
eines  philosophischen  Systems  jedesmal  als  die  logischen 
konsequenzen  aus  der  gr.  ableiten,  die  . . .  Windelband 
gesch.  d.  neuer,  phil.'^  2,  345;  mehr  mit  dem  begriff  der 
grundlag e  verbunden:  Moses,  der  , .  .  seiner  landesreligion 
all  ihre  grundideen  ausrotten  wollte  Herder  6,  473  S.; 
jene  dualistische  richtung  der  Zendavesta-religion  ist  dem 
christenthum  in  der  gr.  ...  verwandt  Fe.  A.  Lange 
matericU.  80;  dies  sind  die  grundideen  aller  christlichen 
poesie  Schlbiermacher  s.  w.  1  6,  107;  öfter  von  der  die 
keimzelle  bildenden,  tragenden  idee  eines  kunstwerks:  der 
eine  .  .  .  nannte  die  gr.  {des  dramas)  grauenhaft  Holtei 
erz.  sehr.  37,  2;  die  liebe  zwischen  Max  und  Thekla  .  . . 
erhält  bedeutung  für  die  gr.  der  tragödie  Hebbel  w.  9, 
397 IF.;  eine  viel  verschlungene  mannichfaltigkeit,  die  nach- 
her .  .  .  herrschende  gr.  der  altchristlichen  kirchenbau- 
kunst  wurde  Fr.  Schlegel  s.  w.  6,  205 ;  die  so  klar  her- 
vortretende gr.  des  tempels  archäol.  zeitg.  1,  106  Gerhard; 
ebenso  technisch:  die  gr.  ihrer  {der  federlampe)  einrichtung 
Karmarsoh-Heeren  *  5,  251;  die  grundlegenden  ideen 
einer  meinung,  einer  lehre  {vgl.  comp.-typ.  5  o):  man  richte 
alles  nach  diesen  grundideen  {ehrfurcht  vor  gott  u.  s.  w.) 
ein  Wieland  I  2,  295  ak. ;  auf  die  zweyte  gr.  {Stärkung  der 
Organe)  . .  .  hat  man  ein  sehr  beliebtes  System  gebaut 
HuFBLAND  kunst  d.  menschl.  leb.  z.  verl.  287;  keine  von 
meinen  alten  grundideen  {der  kunst)  {wird)  verrückt  und 
verändert  Göthe  III  i,  229  W.;  Wilhelm  Schlegel  ist  . . . 
in  ästhetischen  haupt-  und  grundideen  mit  uns  einig 
IV  11,  66  W.;  {mein)  thema,  dessen  gr.  . . .  erörtert  wer- 
den soll  Heine  s.  w.  6,  78  E.;  persönlich  gewendet:  diese 
gr.  wird  mich  bey  allen  meinen  arbeiten  leiten  dtsches 
museum  1,  53  Fr.  Schlegel. 

GRUNDIEREN,  vb.,  'den  grund  herstellen',  besonders 
'den  ersten  anstrich  {aus  kreide,  leim  etc.),  die  untere  farb- 
schicht  auftragen" ;  gr.,  von  grund  V  A  tw  formaler  anleh- 
nung  an  ältere  maltechnische  begriffe  wie  schattieren, 
lackieren,  schraffieren  u.  ä.  abgeleitet;  in  der  2.  hälfte  des 
18.  jhs.  aufkommend  verdrängt  gr.  allmählich  das  in  seiner 
technischen  Verwendung  III 1  m.  2  veraltende  gründen  {vgl. 
sp.  794/.);  lexikalisch  zufrühest  bei  Heinsius  2,553*';  in 
abwesenheit .  .  .  des  hofmalers  setzte  sich  dessen  äffe  vor 
ein  auf  der  staffeley  stehendes  schon  grundirtes  tuch 
Kretschmann  s.  w.  6, 104;  die  lein  wand  . . .,  welche  man 
nur  schwach  mit  kreide,  manchmal  auch  nur  leicht  mit 
leim  grundirte  Göthe  47,  218  W.;  die  arbeit  {eine  bild- 
säule)  ist  aus  lindenholz,  grau  grundirt  und  noch  nicht 
gemalt  Stifter  s.  w.  14,  323;  der  alte  legte  eine  der 
grundierten  Stangen  in  die  schieszscharte  .  . .  und  .  .  . 
begann,  . .  .  von  oben  an  die  himmelblaue  spirale  zu 
ziehen  G.  Keller  ges.  w.  3,  77 ;  farbig  grundirtes  papier 
{wird)  mit  einem  desain  von  firniss  bedruckt  KLarmarsch- 
Heeren*  2,  56;  man  verwendet  ihn  {den  bol)  zum  grun- 
dieren bey  der  holzvergoldung  Oken  naturgesch.  1,  214; 
auch  in  die  mundart  aufgenommen  vgl.  Martin-Lienhart 
1,  278*";  Staxjb-Toblbr  2,  778;  HÖNIG  69^;  wie  gründen 
III  2  beim  kupf erstich:  das  grundiren  der  platten  . .  .  und 
zuletzt  das  ätzen  gab  mannichfaltige  beschäftigung  Göthe 
27,  180  W.;  von  den  gf  mahlten  {porträts)  kostet  ein  stük 
18  bazen,  von  den  grundirten  eins  12  bazen  Schubart  br. 
2, 117  Str.;  in  übertragenem  gebrauch  theils  noch  sinnlich: 
ein  lichtstrahl  ists,  der  den  räum  und  was  in  ihm  platz 
nimmt,  unterscheidet,  trennet,  zeichnet,  er  grundirt  die 
weit,  auf  diesem  gründe  erscheinen  der  seele  fortan  alle 
ihn  bewohnende  gestalten  Herder  w.  21,  49;  wo  die 
Wasserfläche  in  ihrer  tiefdunkel  grundirten  klarheit  nicht 
hervorleuchtete  W.  H.  Riehl  Eisele  65 ;  um  aber  den  weg 
nach  Nürnberg  recht  für  die  erwähnte  mainacht  ...  zu 
grundiren,  muszt  ich  nadelforste  aushauen  zum  platze 


für  laubholz  Jean  Paul  42,  92  H.;  theils  inconcreter:  der 
ernst  musz  den  scherz  grundiren  7/10,  495  H.;  ich  habe 
.  .  .  auszusprechen  gesucht,  wie  das  leben  mein  gemüth 
grundirt  hat  Brentano  ges.  sehr.  8,  139 ;  vereinzelt  im 
16.  jh.  wie  'fundieren,  basieren,  beruhen^:  so  dasz  je  eine 
{Instruction)  auf  die  andere  grondieren  würde  {v.  j.  1530) 
nach  Staub-Tobler  2,  778.  —  grundieranstrich,  m.: 
jeder  auf  trag  heiszt  auch  anstrich,  der  erste  aber  grun- 
diranstrich  Schönermabk  -  Stüber  hochbaulex.  43.  ~ 
grundierfarbe, /.;  um  die  grundirfarbe  auf  zink  fest 
haftend  zu  machen  Mothes  baulex.  1,  124.  —  grundier- 
firnisz,  TO.  Hellwig  wb.d.fachau^dr.il^.  —  grundier- 
maschine,  /.  {vgl.  grundmaschine  sp.  741):  gr.  . . .,  die 
in  der  buntpapierfabrikation  . .  .  zum  grundiren  des  ge- 
musterten buntpapieres  verwendete  maschine  Lueoer 
4,  798;  vgl.  Prechtl  8,  139.  —  grundiermesser,  n.: 
gr.,  ein  Werkzeug  .  .  • ,  womit  auf  die  neue  lein  wand 
{bei  der  wachstuchfabrikation)  . .  .  der  kleister  beym  grün- 
den aufgestrichen  wird  Jacobsson  2,  164'''.  —  grundier- 
salz, n.:  die  präparirsalz  oder  grundirsalz  genannte  Ver- 
bindung enthält  .  .  .  Muspratt  3,  33.  —  grundier- 
tisch, m.;  indem  man  .  .  .  damit  {mit  der  bürste)  die  ta- 
pete  auf  dem  grundirtische  überzieht  6,  1844.  —  grun- 
dierung, /.,  die  technik  des  grundierens,  der  herstellung 
des  grundes  (VA):  über  leinwand,  grundirung,  ersten  far- 
benauftrag  Göthe  47,  220  W.; 


(er)  gab  keinen  deut  auf  schule,  auf  etyl, 
auf  haltung,  reflexe,  auf  grundirung 

V.  Gaudy  s.  w. 


9,8; 


man  .  .  .  braucht  ihn  {mastix)  .  .  .  zur  gr.  der  kupfer- 
platten Oken  naturgesch.  3,  3,  1757;  die  grundirung  mit 
pottaschelösung  verhindert . . .  Muspratt  chemie  3, 1317; 
auch  der  stoff  selbst:  grundirung  ....  derjenige  stoff  (färbe, 
kitt  oder  dergl.),  welcher  auf  eine  zu  bemalende  tafel, 
leinwand  .  .  .  gestrichen  wird,  um  dieselbe  zu  aufnähme 
der  färben  geschickt  zu  machen  Müller-Mothes  1,  494*> 
vgl.  Otte*  94;  ein  weiszer  bogen  papier  war  als  grun- 
dirung ...  darüber  genagelt  Jean  Paul  ll/l4,  l09/f.,• 
li6erira^era.•  dadiu-ch  gewann  er  die  kontrastwirkung  .  .  . 
und  zugleich  die  abhebende  gr.  und  folie  für  die  darauf 
folgende  erkennungsscene  J.  Bayer  Studien  22;  daher  ist 
den  dichtem  die  materielle  weit,  d.  h.  das  reich  des  Zu- 
falls nur  eingeräumt  als  grundirung  Jean  Paul  6,  7  H.; 
das  musikalische  element  ist  beim  recitativ  gewisser- 
maszen  eine  bescheidene  gnindining  0.  Jahn  Mozart  l,  247. 
GRÜNDIG,  grundig,  adj.,  mhd.  vereinzelt  {vgl.  auch 
ungründig  th.  11,  3,  1033)  von  grund  gebildet;  häufiger  im 
16./17.  jh.  bezeugt,  aber  neben  der  concurrenz  von  gründlich 
ohne  breitere  entwicklung  auch  im  nhd.;  vgl.  dagegen  voll 
ausgebildetes  nl.  grondig  vi.  wb.  5,  996^.,  dän.  grundig 
dän.  wb.  7,  176^.,  norw.  grundig;  mundartlich  in  speci- 
fischen  bedeutungen  abgeleitet  {s.  u.  3). 

1 )  zu  grund  I  A  1  'unergründlich  tief,  vgl.  grondigh  pro- 
fundus, intimus  Kilian  163*';  so  vermutlich  auch  grundik 
(15.  Jh.),  grundich  {v.  j.  1420,  nd.)  fundosua  bei  Diefen- 
BACH  252b; 

so  grundec  und  so  vollen  tief 

was  von  gotelicher  gift 

sin  wise  herze  in  der  schrift 

Passional  438,  81  K.; 

anders:  gr.  etiam  est  vadosus  Stieler  711;  mit  grund 
II  A  2  a  a  zusammenlaufend  erhält  gr.  im  nd.  die  bedeu- 
tung 'nach  dem  grund  {des  gewässers)  schmeckend,  schlam- 
mig, trübe"  vom  wasser:  grondig,  gründig  i.  e.  pfützig, 
lachigt,  pfülicht  Kramer  niderh.  dict.  108  c;  grundig 
brem.-nieders.  wb.  2,  553;  Benzler  deichbau  1,  179;  gr. 
'grundwasser  enthaltend'"  J.  Müller  rhein.  vjb.  2,  1467. 
2)  wie  gründlich  B  2  a  in  übertragener  bedeutung  'in  die  tiefe 
gehend,  genau''  in  hinsieht  auf  geistige  thätigkeit;  aber  ander- 
seits hier  nicht  mehr  deutlich  von  grund  IV  A  2,  also 
'guten  grund  habend,  auf  sicherer  grundlage  ruhend,  zu- 
verlässig' zu  trennen;  vgl.  gr.  et  gründlich  fundatus,  fir- 
matus,  solidatus  Stieler  71l;  sage  ich,  das  dises  spruch- 
dichters  rüm  die  nutzbarkeit  seiner  sprüch  und  derselben 
auszlegung  nichts  anders  dan  ein  rüm  wider  alle  erber- 


833 


GRÜNDIG  -  GRUNDIRRTHUM 


GRUNDKAPITAL -GRUNDKRAFT       834 


keiten  .  .  .  ist,  so  gar  nichts  oder  ie  wenig  erbers,  tapffers, 
grundiges,  noch  das  zu  lesen  würdig  sein  möcht  {ent- 
halten die  Sprichwörter)  L.  v.  Passavänt  Verantwortung 
{um  1528/29)  Bl^;  {ich)  verhoff,  kurtzlich  merern  und 
grundigern  beschaidt  zu  bekumen  Chr.  Scheubl  brief- 
buch 2,  202;  das  ir  uns  .  .  .  grundiges  einkomen  {^genaue 
kundschaft')  vormeldet  (16.  jh.)  Egerer  chron.  bei  Jeltnek 
mhd.  wb.  335;  doniit  auf  söliche  förmliche  gründig  be- 
schreybung  statlich  und  sicherlich  geurteilt  .  .  .  werden 
möge  {v.  j.  1507)  Bamb.  halsgerichtsordn.  §  216  in:  die 
Carolina  2,  92  Kohler  u.  Scheel;  auch  die  ertzelung  dieser 
geschichten  weitter  oder  merer  nit,  dann  was  sich  der 
herusz  der  statt  Wienn  verloffen,  ich  gesehen  und  eigent- 
lichs  gründigs  wissen  hab  Hans  Lutz  gründige  und  war- 
haflige  bericht  der  geschichten  und  kriegshandlung  (1530) 
B  l'';  nach  grundiger  und  warhafter  erfarung  befind  ich 
itzt  AvENTiN  s.  w.  1,  47  L. ;  und  wollen  das  leben  .  .  . 
Tullii  .  .  .  wy  uns  auf  zeytige  gründige  erfarung  gefeit, 
beschreyben  Schwarzenbero  teutsch  Cicero  (1535)  1^; 
so  .  .  .  sich  solliche  bade  diebstal  auf  gründige  erfarung 
der  warheyt  .  .  .  erfunden  {haben)  Bamberg,  halsgerichts- 
ordn. §  187,  a.  a.  o.  2,  82;  so  werde  uns  alsdann  das  gantze 
oder  der  haubtbegriff  einer  sache  gründig  wissend  seyn 
Harsdöefer  frauenz.  gesprächsp.  5,  10;  were  aber  der 
patient  des  Zauberers  personen  gewisz  und  könte  grün- 
dige beweiszthüme  über  denselbigen  führen  J.  D.  Ernst 
hist.  bilderhausz  (1691)  59;  das  ist  gründige  und  bündige 
anweysung,  wie  man  .  .  .  Schwabe  tintcnfäszl  (1745)  titel- 
bl.;  benebenst  gründigen  und  bündigen  beweisz  102; 
m^ern  gelegentlich  neugeschaffen:  dafür  war  die  Inbrunst 
tiefer,  gründiger,  nachhaltiger  J.  Lauff  Pittje  (1903)  163; 
für  das  nd.  vgl.  grondig,  grondelyk,  grundlich  Krämer 
niderhocM.  dict.  108^.  3)  zu  grund  II A  2  'erdig^  {im  gegen- 
satz  zu  steinig):  wir  . . .  kamen  aber  in  einen  weiszen  grün- 
digen torrent  Fabri  eigentl.  beschr.  (1557)  130"';  ähnlich 
noch  im  Schweiz,  gr.,  auch  grundig  ^viel  und  tief  gute  erde 
habend,  tiefgründig,  von  culturland'  Staub-Toblf.b  2,  778, 
ebenso  J.  Müller  rhein.  wb.  2,  1467;  anders  'nach  erde 
schmeckend'  vgl.  gründicht  (sp.  830):  ich  habe  mich  red- 
lich durchgetrunken  . .  .  durch  den  schweren  borstigen 
Montenegriner  und  den  grundigen  und  grunzigen  Alba- 
neser  K.  Braun  reiseeindrücke  2,  48;  holsteinisch:  gr.  und 
kooltgründig  'etwas  bodenkalt,  fusz-,  grundkalt'  Schütze 
2,  76;  in  Zusammensetzungen:  kaltgrundig  Stürm  ges. 
sehr.  2,  100;  warmgründig  L.  Schübart  in:  br,  von  und 
an  Bürger  4,  217;  viergründig  tetraedron  Schottel  353''; 
tiefgründig  u.  s.  w.  4)  =  grindig  {s.  sp.  374) :  grundig 
scabidus  (15.  jh.)  Diefenbaoh  252i>;  {des  papste^)  grun- 
dige, schebige,  .  .  .  frantzösische  .  .  .  teufelsfüsz  Nachen- 
moser progr«..  <Äeo?.  (1595)  83*.  —  gründigkeit,/.  1)  gr. 
des  bodens,  'die  stärke,  dicke  der  für  die  pßanzenwurzdn 
zugänglichen  bodenschichV  Busse  forstlex.^  l,  407  vgl. 
Behlen /ors^  u.  jagdkde  3,  514.  2)  =  giindigkeit :  kretz, 
rand,  gründigkeit  Scabies  Henisch  1741;  gr.,  achores 
J.  MuRMELius  nomencl.  (1666)  39.  —  -gründiglich  s. 
gründlich,  sp.  851.  —  gründing  s.  gründling. 

GRUNDIRRTHUM,  m.  'fundamentaler  irrthum'  {vgl. 
comp.-typ.  -pß  bzw.  r):  alle  .  .  .  sind  .  .  .  verführische 
grundirrthumb  in  glauben  und  religionssachen  Dann- 
hauer  catechismusmilch  (1657)  1,  223;  dasz  die  lehrer  .  .  . 
in  abscheuliche  grundirrthümer  gerathen  gewesen?  G. 
Arnold  kirch.-  u.  ketz.-hist.  (1699)  1^;  ich  {hoffe)  ihnen 
damit  den  gr.  der  .  . .  schrift  ...  zu  entdecken  Schsvabe 
belust.  {\1Alff.)  2,  436;  damit  wird  gezielet  auf  den  ersten 
gr.  der  brüder  Thierbach  diar.  herrnhuth.  (1753)  2,  585; 
er  {der  pelagianische  lehrbegriff)  enthält  wahre  grundirr- 
thümer v.  Einem  Mosheims  kirchenge^ch.  3  (1771),  162; 
was  der  .  . .  Verfasser  grundirrthümer  der  Herrenhuter 
heiszt  Lessinq  4,  298  L.-M.;  es  ward  durch  diesen  einen 
gr.  .  .  .  der  ganze  Standpunkt  durchaus  verrückt  Fb. 
Schlegel  s.  w.  8,  59;  dieser  alte  und  ausnahmslose  gr. 
{die  annähme  einer  seele)  Schopenhauer  2,  230  Gr.;  der 
gr.  aller  philosophie  ist  die  Voraussetzung,  die  absolute 
identität  sey  wirklich  aus  sich  herausgetreten  Schelling 
10.  I  4,  120;  der  gr.  der  Untersuchungen  .  .  .  {liegt)  darin, 
IV.  1.  6. 


.  .  .,  dasz  .  .  .  A.  MÜLLEB  verm.  sehr,  l,  95;  diese  Weltver- 
besserer {waren)  in  einem  grundirrthume  befangen  R. 
Wagner  ges.  sehr.  8,  7.  —  -kapital,  n.,  kapital,  das  die 
finanzielle  basis  eines  wirtschaftlichen  Unternehmens  bil- 
det {vgl.  comp.-typ.  5o):  es  wird  uns  bekannt,  wo  das 
grundcapital  des  Staates  liegt  und  was  es  für  interessen 
{zinsen)  bringt  Göthe  28,  238  W.;  die  zinsen  für  das 
grundcapital  .  .  .  sind  auf  die  ertrage  zu  schlagen  Stöck- 
hardt  ehem.  feldpred.  1,  157;  {bei  der)  Weidewirtschaft 
{ist)  .  .  .  das  zu  ihrer  führung  erforderliche  anläge-  und 
betriebskapital  .  .  .  relativ  niedrig  im  Verhältnis  zu  dem 
gr.  hwb.  d.  Staats wiss.''  1,  39;  terminologisch  insbesondere 
das  bei  der  gründung  einer  bank,  einer  actiengesellschaft 
u.  s.  w.  eingezahlte  kapital  (vgl.  Stammkapital);  so  schon 
im  18.  Jh.:  zu  dem  ende  .  .  .  hat  eine  reiche  gesellschaft 
ein  gr.  von  2400000  livr.  {für  gewürzplantagen)  zusammen 
geschossen  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  53-86,  2207;  das  gr. 
der  reichsbank  besteht  aus  120  millionen  mark  hwb.  d. 
staatswiss.^  2,  199;  das  kapital  der  aktiengesellschaft  be- 
steht zunächst  aus  dem  gr.,  dessen  höhe  vom  gesell- 
schaftsvertrag  festgesetzt  ist  Elster  wb.  d.  volkswirtsch.^ 
1  (1931)  63.  —  -kenntnis,  /.,  elementarkenntnisz,  um 
die  wende  des  18. /19.  jh.s  beliebt,  vgl.  Campe  2,  472;  auch 
die  leseübungen  enthalten  die  grundkenntnisse  der  ge- 
meinnützigsten Sachen  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  zu  37-52,  231; 
{es)  fehlt  ...  an  den  ersten  grundkenntnissen  der  mytho- 
logie  ebda  108,  459;  wie  der  maier  und  bildhauer,  so  be- 
darf auch  der  baukünstler  gewisser  grundkenntnisse 
Schelling  w.  I  7,  557;  etwas  anders:  Goethe,  der  unter 
allen  bekannten  dichtem  die  meisten  grundkenntnisse  in 
sich  verknüpft  Jean  Paul  iv.  l,  8  H. 

GRUNDKLOTZ,  n.,  im  16.  u.  17.  jh.  für  'senkblei,  loV 
{vgl.  comp.-typ.  5  a):  ein  gr.,  ein  gewicht  an  einr  schnür 
gebunden,  darmit  man  die  tiefe  des  meers  miszt,  ein 
senckel  bolis  Frisius  158^;  das  gr.  catapyrates  Reyher 
thes.  (1668)  915;  zuletzt  bei  Steinbach  (1734)  l,  876  auf- 
geführt; wir  warfen  das  gr.  ausz  xmd  funden  auf  47  klaf- 
tern tief  grund  A.  Cassiodorus  regn.  Congo  (1597)  2,  22; 
das  leimechtig  erdtrich,  welches  er  ( Columbus)  mit  seinem 
gr.  hervorbracht  S.  Münster  cosmogr.  (1628)  1693;  sie 
rissen  geschwind  ihre  segel  herunter  und  verhinderten 
also  kaum  damit,  dasz  ihre  schiffe  nicht  in  bleisenckel 
und  grundklötze  verwandelt  würden  {d.  h.  untersänken) 
E.  Francisci  luftkreis  (1680)  1152. 

GRUNDKRAFT,  /.,  seit  dem  18.  jh.  geläufig;  kraß, 
die  den  erscheinungen  {physikalischen,  chemischen,  psy- 
chischen u.  s.  w.)  zu  gründe  liegt,  urkraft,  elementar  kraft, 
princip  {vgl.  comp.-typ.  5  p):  sonst  müszte  man  .  .  .  sagen, 
es  gäbe  thätigkeiten  ohnegrundkräfte  und  Wirkungen  ohne 
Ursachen  Gottsched  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrs.  9,  456; 
die  idee  einer  gr.  .  .  .  ist  wenigstens  das  problem  einer 
systematischen  Vorstellung  einer  mannigfaltigkeit  von 
kräften  Kant  3,  439  Hartenst.;  naturwissenschaftlich:  alle 
elektrischen  erscheinungen  hängen  .  .  .  von  denselben 
zwei  grundkräften  ab,  welche  dem  chemischen  procesz 
zum  gründe  liegen  .  .  .  der  zündkraft  und  brennkraft 
Gehler  phys.  wb.  3,  369;  als  nun  Newton  und  seine  Zeit- 
genossen den  fall  der  körper  und  die  bewegung  der  pla- 
neten  auf  eine  gr.  reducirten  v.  Bär  red.  u.  versch.  aufs. 
2,  64;  neben  der  gr.  der  materie,  der  anziehung  aus  der 
ferne  A.  v.  Humbold  kosmos  1,  56;  unaufhörlich  vererben 
diese  grundkräfte  {der  natur)  ihre  Wirksamkeit  auf  neue 
keime  G.  Förster  s.  sehr.  4,317;  meist  aber  allgemeiner 
natur philosophisch-ontologisch:  ob  eine  Substanz  nur  eine 
gr.  oder  mehrere  haben  könne  M.  Mendelssohn  ges. 
sehr.  2,  194;  dasz  ihr  {der  materie)  gewisse  kräfte  und 
zwar  grundkräfte  oder  urkräf te  zum  gründe  liegen,  durch 
welche  sie  selbst  erst  existenz  erhält  Gehler  phys.  wb. 
2,  711;  warum  sollten  nicht  zwei  entgegengesetzte  grund- 
kräfte in  ihrer  vereinigmig  die  materie  ergeben  Herbabt 
w.  3,  129 ;  die  naturwissenschaf t  .  .  .  nach  den  drey  Uran- 
fängen und  grundkräften  der  natur  A.  M.  Booz  (1787) 
tilel;  daher  auch  die  lehre  von  den  drei  weiten  .  .  .  oder 
drei  grundkräften  Fr.  Schlegel  s.  w.  8,  325;  'letzte  prin- 
cipien' :  das  christenthum  verwirft  jene  persische  vor- 

53 


835 


GRUNDLADE -GRUNDLAGE  i 


GRUNDLAGE  2 


836 


Stellungsart  . .  .  nur,  insofern  . . .  zwei  von  einander  un- 
abhängige grundkräfte  angenommen  werden  1,  225; 

ich  sage  dir,  was  doch  noch  zu  bewundern  bleibt: 
die  ewge  grundkraft  selbst,  die  dieses  radwerk  treibt 

RÜOKKRT  w.  8,  382; 

vielfach  psychologisch:  der  physiognomist  . . .  beobachtet 
die  anlagen,  den  Charakter,  die  grundkräfte  MusÄus 
physiogn.  reisen  1,  198;  ob  Sinnlichkeit  und  verstand  in 
einer  gr.  zusammenfallen  ailg.  dtsche  bibl.  89,  12;  kräfte 
und  fähigkeiten  der  seele,  die  eigentlich  in  einer  gr.  ge- 
gründet sind  EscHENBUKO  etüvxurf  13;  phantasie  als  4.  gr. 
des  geistigen  wesens  Göthb  III  6,  1  W.;  die  Vereinigung 
dieser  drei  grundkräfte  {bildende  kraß,  bewegungskraft. 
denkkrafi)  zu  einer  kraft  Fichte  s.  w.  2,  180;  die  gr. 
seines  wesens  lag  in  einem  siegreichen  bestreben,  ziu: 
Wirksamkeit  und  that  auszuströmen  G.  Forster  s.  sehr. 
5,  169;  sie  hatte  die  einfalt,  diese  gr.  aller  tugend  ver- 
spielt EiOHBNDORF  s.  w.  2,  217;  dabey  aber  waren  die 
grundkräfte  aller  kunst  allgemein  und  lebendig  in  ihnen 
angeregt  Pestalozzi  s.  sehr.  3,  90;  weniger  häufig  in  an- 
derer anwendung:  die  philosophie  ...  in  ihre  lebendigen 
grundkräfte  zu  scheiden,  . .  .  halte  ich  für  Schellings 
eigentliche  bestimmung  Fe.  Schlegel  im  Athenäum  l, 
2,  83 ;  wie  wird  die  gr.  des  ganzen  christlichen  staats- 
systems  localisirt?  A.Müller  verm.schr.  i,  309;  arbeit, 
welche  die  gr.  aller  kulturentwicklung  (ist)  Ratzel  völ- 
kerkde  3,  3;  diese  grundkräfte  (des  wirtschaftlichen  fort- 
schrittes)  sind  in  ihrer  leistungsfähigkeit  .  .  .  enorm  ge- 
steigert worden  hwb.  d.  staatswiss.^  7,  1 49 ;/rliÄ  wie  comp.- 
typ.  5  r:  welche  (pflanzen)  die  natur  gar  reich  von  geistern 
gemacht,  als  deren  grund-  und  haubtkräften  in  den  geist- 
lichen dingen  bestehet  Knorr  v.  Rosenroth  pseudo- 
doxia  (1680)  152.  —  -lade,  /.;  grundladen  sind  beschla- 
gene .  .  .  höltzer,  welche  unter  die  tragstempffel  geleget 
werden,  da  sie  keinen  gewissen  grund  haben  G.  Junq- 
HANS  gräubl.  ertz  (1680)  c  3*^;  vgl.  grundsohle;  so  noch  bei 
Beil  264  als  bergbautechnischer  ausdruck;  mundartlich  als 
grundlede  tw  älteren  nd.:  grundlede  Hst  an  bollwercken 
der  im  gründe  liegende  balcken,  in  welchem  die  pfäle  mit 
ihren  zapfen  zu  stehen  kommen^  Richey  idiot.  hamburg. 
(1743)  149;  ebenso  Schütze  holst.  3, 18. 

GRUNDLAGE,  /.,  die  (unterste)  schicht  auf  der  ein 
ding  ruht,  unterläge,  basis,  fundament;  gr.  löst,  im  späten 
16.  jh.  und  17.  jh.  vereinzelt  einsetzend  und  erst  in  der 
zweiten  hälfte  des  18.  jhs.  voll  entwickelt,  das  simplex  grund 
in  den  bedeviungen  IV  A  2  (vgl.  sp.  704)  und  IV  B  (vgl. 
sp.  713)  weithin  ab;  ausgangspunct  der  bildung  wohl  die 
formein  den  grund  legen  (sp.  705),  zum  gründe  legen 
(sp.  707)  und  comp.-type.n  5  h  und  o;  lexikalisch  nicht  vor 
der  mitte  des  18.  jh.s  als  lebendiges  wort  verzeichnet:  gr. 
(term.  d'archit.)  empdtement  nouv.  dict.  (1762)  359^,  beson- 
ders Adelung  (1774)  2,  829;  noch  bei  Frisch  teutsch- 
lai.  (1741)  aus  Stettler  zitiert  (s.  u.)  als  ungebräuchlich 
gekennzeichnet,  vgl.  dagegen  gr.  bei  Gottsched  beobacht. 
(1758)  122;  nl.  grondlaag  im  17.  jh.  selten,  erst  im  19.  jh. 
ausgebreitet;  parallel  gebildet  (unter  einfl,usz  von  gr.?) 
schwed.  grundlag  vgl.  schwed.  wb.  10,  1047,  dän.  grundlov 
dän.  wb.  7, 182,  vgl.  Falk-Torp  etym.  wb.  353, 

1)  concret,  auf  körperliche  masse  bezogen,  eigentlich  und 
bildlich  für  die  basis,  die  tragende,  untere  schicht  eines 
bauwerks:  gr.,  'rfer  unterste  theil  einer  baute"  Helfft  wb. 
d.  landbauk.  162;  im  bilde:  dasz  das  einige  fundament  und 
die  einige  grundlag  der  kirchen  gottes  alleinig  bestände 
auff  der  lehre  der  propheten  und  aposteln  Fischart 
binenkorb  (1588)  2^;  von  dem  dritten  .  .  .  tempel  steht 
nur  noch  die  gr.  der  cella  v.  Gatjdy  s.  w.  5,  139;  nur  ein 
kleiner  theil  der  gr.  blieb  stehen  zum  angedenken  seiner 
mühle  BR.  Grimm  dtsche  sagen^  1,  136;  hier  fanden  wir 
.  .  .  viereckige  abtheilungen  aus  nebeneinander  gelegten 
. .  .  steinen,  die  .  .  .  grundlagen  von  häusem  waren 
Forster  s.  sehr.  2,  14;  dieser  säulenstuhl  hat  keine  erste 
gr.  ce  piedestal  n^a  pas  assez  d^a-ssiette  Schrader  dtsch.- 
franz.  l,  580;  gr.  eines  walles  Krünitz  20,  283;  Beil  264; 
wobei  die  trümmer  einer  alten  btu-g  ...  zur  gr.  (für  eine 


schanze)  dienten  Raumer  gesch.  d.  Hohenst.  1,  144;  sollte 
aber  die  last  (des  gebäudes)  sehr  grosz  und  zu  befürchten 
seyn,  dasz  sie  die  gr.  (d.  h.  die  feste  läge  grandigen  bodens) 
entzwey  brechen  könne  Krünitz  20,  264;  (sie)  haben  .  .  . 
für  ein  kartoflfeKeldchen  .  .  .  aus  mächtigen  felsblöcken 
eine  gigantische  gr.  aufgeführt  Steub  drei  sommer  in 
Tirol  2,  425;  eine  mächtige  .  .  .  reine  sandmasse,  welche 
überall  die  gr.  der  ganzen  marsch  bildet  Allmers  mxir- 
schenb.  68;  (die)  natiu-,  die  .  .  .  unter  dem  boden  und 
weiterhin  in  die  felsigen  grundlagen  ihr  crystallisirendes 
bildwesen  treibt  GtÖthb  IV  34,  73  W.;  fachsprachlich  im 
Wasserbau:  werckstücke  aus  gutem  Sandstein  .  .  .  sind 
,  .  .  nöthig  zu  steinern  schläussen  zum  wenigsten  zur 
ersten  gr.  an  die  ecken  L.  Chr.  Sturm  fangschläu^zen  .  .  . 
bauen  (1715)  d  2*>;  gr.,  einbettung,  ist  die  gründung  in 
tiefen  wassern  aus  toschigten  tannen  .  .  .  oder  auch  aus 
faschinen,  um  darauf  hernach  einen  Wasserbau  .  .  .  dar- 
auf aufzuführen  Voch  baulex.  (1781)  133=>';  grundlagen /ür 
grundsohlen  ist '  in  der  correct  bergmännischen  spräche 
kaum  jemals  üblich  gewesen,  sondern  offensichtlich  verun- 
staltet aus  grundladen  (vgl.  sp.  835):  grundlagen  sind 
breite,  beschlagne  höltzer,  welche  unter  die  tragstempel 
gelegt  werden  G.  Lichtenstein  entd.  geheimnisse  (1778) 
74;  gr.  ''für  das  pflaster''  (straszenbau),  empierrement  Beil 
264;  wenig  ausgebreitet  im  sinne  grundfläche;  anläge  oder 
gr.,  base  ist  der  fusz  oder  die  untere  breite  eines  jeden 
dinges  .  .  .  oder  die  obere  fläche  eines  platzes,  welche  zu 
einem  jeden  gebäude  abgestecket  .  .  .  wird  FÄscii  kriegs- 
lex.  (1736)  28*^;  diese  gr.  (des  Ätna)  .  .  .  hat  .  .  .  sechzig 
stunden  im  umkreise  Hirschfeld  theorie  d.  gartenkunst 
(moff.)  4,  122. 

2)  am  breitesten  entwickelt  in  übertragener  bedeutung,  in 
mannigfachen  beziehungen  auf  dinge  und  zustände  ange- 
vjendet,  parallel  entsprechendem  gebrauch  von  basis;  dasz 
die  concrete  Vorstellung  mehr  oder  weniger  spürbar  bleibt, 
erweisen  die  typischen  Verbindungen  mit  adjectiven  und 
verben.  a)  das,  worauf  eine  sache  existentiell  beruht,  reale 
Vorbedingung,  geistige  Voraussetzung,  bestimmende  kraft; 
vereinzelt  bereits  im  älteren  nhd.:  dan  dise  zwey,  hoff- 
nung  der  rhümlichen  ehr  und  forcht  der  schandlichen 
strafE  sind  die  grundleg  (plural  oder  grimdlege?),  notzeug 
und  gleichsam  urspringliche  dement  .  .  .  aller  thugend 
Fischart  w.  3,  309  Hauffen;  dann  alle  sachen  deren 
grundlag  auff  der  billigkeit  bestehen,  kommen  zu  glück- 
lichem fortgang  M.  Stettler  annales  (1627)  l,  2973';  weil 
.  .  .  kein  groszes  nachsinnen  vonnöthen  gewesen,  wel- 
ches sonst  in  andern  schrifften  die  gr.  zu  seyn  pfleget 
Zendorius  a  Zendoriis  teutsche  winternächte  (1682)  511; 
erst  seit  der  mitte  des  18.  jhs.  stark  ausgebreitet:  an  seinen 
(Christi)  zwei  tiaohäg  hänget  das  ganze  gesetz  und  die 
propheten  und  die  werden  die  ewigen  grundlagen  aller 
meiner  moral  bleiben  Zinzendorf  neQi  laviov  (1746) 
103;  der  söhn  gottes  .  .  .  errichtete  .  .  .  das  Christentum 
und  in  demselben  die  streitende  kirche  als  gr.  zu  seinem 
künftigen  herrlichen  reich  Jung-Stilling  w.  3,  157;  das 
erkennen  (unterhöhlt)  durch  seinen  Widerspruch  die  grund- 
lagen des  glaubens  H.  Lotze  mikrokosmus  1,  ix ;  die 
strenge  .  .  .  Justiz,  welche  eine  der  wichtigsten  grund- 
lagen dieser  republik  macht  Schiller  4,  114  O.;  die  gr. 
dieser  Verfassung  (loar)  die  errichtung  einzelner  römi- 
scher colonien  Eichhorn  Staats-  u.  rechtsgesch.  1,  67; 
Streitschriften  .  .  .,  womit  er  ...  die  drei  grundlagen 
jedes  menschenwürdigen  öffentlichen  lebens,  die  religiöse, 
die  häusliche  und  die  politische  freiheit  vertheidigte 
Treitschke  hist.  u.  pol.  aufs,  l,  9;  materiell  z.  b.  diese 
einnahmen  bilden  die  gr.  für  seine  wirtschaftliche  existenz ; 
Wolf  gang  (habe)  noch  immer  nicht  gelernt .  .  .,  was  die  gr. 
eines  geordneten  haushaltes  sei  0.  Jahn  Mozart  3,  150; 
öfter  für  das,  was  die  basis  eines  slreites,  von  Verhand- 
lungen, vertragen  u.  s.  w.  bildet:  ich  sähe  vorher,  dasz 
.  .  .  dieses  kleine  schriftgen  die  gr.  eines  theologischen 
federkriegs  von  vielen  jähren  werden  würde  Zinzendorf 
TisQi  lavTov  (1746)  119;  anordnungen,  welche  der  päpst- 
liche stuhl  im  jähre  1335  getroffen  .  .  .,  wm-den  im  jähre 
1448  abermals  die  gr.  der  deutschen  concordate  Ranke 


837 


GRUNDLAGE  s 


GRUNDLAGE  8-4 


838 


3.  tv.  1,  33;  weil  wir  glaubten,  dasz  wenn  die  regierungs- 
vorlage  angenommen  wurde,  den  berathungen  der  pro- 
vinziallandtage  eine  gr.  gegeben  war  Bismaeck  pol.  reden 
1,  9;  die  thatsachen,  auf  die  mssenschaftliche  Untersuchun- 
gen, forachungen,  berechnungen,  theorien  u.  s.  w.  sich  auf- 
bauen: dieser  (erste  theil  des  werks)  enthält  nur  die  gr. 
Herder  w.  13,  9  S.;  es  (sind)  nur  längst  bekannte  denk- 
mahle der  alten  kunst,  die  mir  freygestanden,  zur  gr. 
meiner  Untersuchung  zu  machen  Lesseno  11,  4  L.-M.; 
sie  erinnern  sich  wol  noch  der  gr.  zu  der  ganzen  theorie, 
dieses  calculs  briefe  die  neueste  lit.  betr.  17(1764)  95;  Lockes 
.  .  .  versuch  vom  menschlichen  verstände,  der  .  .  .  beinah 
gr.  der  philosophie  worden  ist  Herder  w.  23,  131  8.;  gr. 
der  anzustellenden  berechnungen  Göthe  25,  283  W.;  for- 
meln  für  die  objektive  gr.  dieses  Unterschieds  der  that- 
sachen des  geistigen  lebens  von  denen  des  naturlaufs 
Dilthey  einl.  in  d.  geisteswiss.  l,  8;  die  astronomischen 
Observationen  {müssen)  als  gr.  der  karte  angenommen 
werden  Ritter  erdkde  1,  377;  die  fundamentalen  demente 
von  bildung,  wissen,  Charakter:  er  (Sokrates)  würde  .  .  . 
die  tanzkunst  zur  .  .  .  gr.  zur  orziehung  .  .  .  gemacht 
haben  Wieland  Lucian  v.  Samosata  4,  395;  man  .  .  . 
brachte  meiner  seele  die  lehre  von  den  gespenstern,  hexen 
und  dem  leidigen  satan  .  .  .  bey.  nach  dieser  gr.  muszte 
ich  einige  Sprüche  aus  dem  catechismus  Luthers  lernen 
Heinse  in:  Gleims  briefwechsel  1,  5  Körte;  seine  (Lach- 
manns) Vorlesungen  .  .  .  wurden  für  mich  grundlagen 
meines  bescheidenen  wissens  G.  Freytao  ges.  w.  l,  89; 
anders:  als  gr.  des  Unterrichts  im  griechischen  diente 
auch  hier  das  neue  testament  Steffens  was  ich  erlebte 
(1840)  1,  89;  die  gr.  ihres  Charakters  war  eine  schöne  an- 
hänglichkeit  an  väterliche  sitte  Fr.  Schlegel  s.  w.  4,  14; 
dieser  muth  musz  die  gr.  ihrer  seele  .  .  .  sejTi  Lavater 
verm.  sehr.  2,  151 ;  schon  dies  beweist  auch,  dasz  im  kur- 
fürsten  eine  edle  gr.  war  Betttne  die  Oilnderode  2,  49; 
ich  . .  .  bemühte  mich,  die  gr.  seines  bestialischen  wesens 
aufzufinden  G.  Keller  ges.  w.  3,  133. 

b)  auch  mit  stärkerer  betonung  des  anfangens,  eiü Stehens 
(vgl.  grund  IV  B  2)  ^Voraussetzung,  Vorbedingung^:  dies 
(die  höhlen)  ward  die  gr.  einer  festeren  bauart  Herder 
w.  22,  131  S.;  das  porträt  ist  die  gr.  .  .  .  des  historischen 
gemähldes  A.W.  Schlegel  im  Athenäum  l,  12, 85;  ich  habe 
von  dem  entstehen,  von  der  gr.  der  dichtkunst  dieses 
Philosophen  meine  eigene  gedanken  Lessino  10,  214 
L.-M.;  es  (das  göttliche  ebenbild)  liegt,  eben  weil  es  die  gr. 
.  .  .  des  .  .  .  daseins  bildet,  schon  in  der  natur  Fr.  Schle- 
gel s.  w.  13,  195;  ähnlich  bei  erscheinungen  der  historie,  der 
cultur,  des  geistigen  lebend  vielfach  verwendet:  eine  all- 
gemeine Weltgeschichte  würde  die  gr.  von  allen  geschich- 
ten  der  völcker  enthalten  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wis- 
sensch.  (1758)  4,  273;  da  sie  (die  geschichte  der  Franken)  von 
nun  an  die  grundlaage  der  deutschen  ausmacht  M.  I. 
Schmidt  gesch.  d.  Dtschen  (1778)  1,  197;  es  (das  histo- 
rische leben)  hat  dort  seine  geistige  gr.  gewonnen  Ranke 
s.  w.^  14,  3;  die  grundlagen  des  neunzehnten  Jahrhun- 
derts HotrsTON  Stewart  Chamberlain  buchlitel;  allge- 
meiner 'das,  woraus  eine  sache  hervorgeht,  svhstraf :  leiden- 
schaft  (sei)  die  gr.  des  tanzes  Gerstenberg  recens.  324; 
den  chor,  die  gr.  des  griechischen  dramas,  setzte  man  ab 
Platen  3,  230  E. ;  so  musz  man  .  .  .  das  griechische  für 
die  gr.  des  lateins  annehmen  K.  O.  Müller  d.  Etrusker 
1,  20;  quelle,  literarische  vorläge,  stoffliches  vorbild:  ein 
werk  .  . .,  das  künftig  zur  gr.  eines  .  .  .  werkes  dienen 
könne  Nicolai  literaturbr.  5,  53;  ich  hätte  die  gr.  dieses 
Stücks  niemals  gewählt  G.  Stephanie  s.  lustsp.  (1771)  2li; 
der  stof  der  romane  ist  zuweilen,  seiner  gr.  nach,  histo- 
risch Eschenbitrg  entwurf  266;  selbst  ein  academiker 
.  .  .  könnte  diese  schrift  zur  gr.  eines  Vortrags  recht  gut 
brauchen  Göthe  IV  19,  134  W.;  eine  frühere  gr.  des  ge- 
dichts  ist  also  unbezweifelt  W.  Grimm  heldensage  68;  die 
gr.  von  dem  hahn  und  dem  ringe  hörte  ich  .  .  .  von  einem 
.  . .  chocolademacher  . . .  erzählen  Brentano  ges.  sehr. 
5,  5;  (er)  glaubt,  die  gr.  der  fabel  sey  schon  zu  Karls  des 
groszen  zeiten  vorhanden  gewesen  A.  W.  Schlegel  Athe- 
tiüum  2,  309;  ähnlich:  Klopstock  ist  auch  bei  ihm  (Bag- 


gesen)  die  gr.  seiner  dichtung  Gervinüs  gesch.  d.  dtsch. 
dichtg.*  5,  584;  fast  wie  'beweggrund':  er  besorgte,  irgend 
ein  begangener  fehler  möchte  die  gr.  dieser  betrüb- 
nisz  seyn  Laroche  frl.  v.  Sternheim  l,  6;  wäre  dein 
eigenes  böses  gewissen  die  gr.  deines  zoms  gewesen? 
Iffland  theatr.  w.  4,  314;  anders,  in  den  begriff  'berech- 
tigung''  hinüberspieletid  und  ganz  abstract  geworden  in  der 
neuerdings  beliebten  formet :  diese  behauptungen,  gerüchte 
u.  s.  w.  entbehren  jeder  gr. 

3)  in  typischer  Verbindung  mit  adjectiven  tritt  der  bild- 
liche Charakter  häufig  durch  die  betonung  des  festen,  sicheren 
heraus;  fest,  sicher  u.a.:  es  fehlte  .  .  .  ihrer  herrschaft 
...  an  einer  festen  gr.  Mommsen  röm.  gesch.  2,  62;  stolz 
ist  eine  feste  gr.  Fr.  M.  Klinger  w.  ll,  292;  ein  gefühl 
der  ruhe  .  .  .,  dem  aber  eine  sichre  und  grosze  gr.  zur 
stütze  dient  W.  v.  Humboldt  Pindar  45  lit.-denkm. ;  un- 
erschütterliche grundlagen  des  äuszeren  daseins  Ranke 
s.  w.^  14,  4;  zu  besonderer  Verwendung  entwickelt  sich 
breite  gr.;  im  schlichten  sinn:  es  (das  Wörterbuch)  soll  zu- 
meist nach  dem  plan  der  Crusca  behandelt  werden  imd 
aus  einer  breiten  gr.  hervorgehen  J.  Grimm  an  Gervinüs 
(5.  Jan.  1838)  briefw.  2,  9  Ippel;  seit  einer  erklärung  könig 
Friedrich  Wilhelms  I V.  vom  22.  märz  1848  in  superlati- 
vischer fassung  als  politisches  Schlagwort  im  schwaiig,  vgl. 
zs.  f.dtsche  wortforsch.  3,  167^.;  Ladendorf  hist.  schlag - 
Wörterbuch  Zbff.,  Büchmann  gefi.  worte^^  555:  nachdem 
ich  eine  konstitutionelle  Verfassung  auf  den  breitesten 
grundlagen  verheiszen  habe  allg.  preusz.  zeitg,  v.  22.  ni. 
1848  abendausg.,  extrabl.;  die  Varianten  freisinnigen  und 
freisinnigsten  gnindlagen  und  spätere  erweiterungen  wie 
breiteste  demokratische  grundlagen  volksblatt  v.  27.  v. 
1848  erhellen  die  bedeutung  der  formet:  'alle  schichten  des 
Volkes  einbegreifend" ;  vor  der  band  stellte  er  (der  könig) 
'sich  auf  die  breiteste  gr.'  Rüge  briefw.  2,  36  Nerrl.;  viel- 
fach parodiert:  die  katzenmusiken  sind  auf  den  breitesten 
grundlagen  eröffnet  Kladderadatsch  v.  28.  v.  1848;  vgl. 
Freiligrath  ges.  dicht.  3,  169;  da  er  seinen  rücken  recht 
betrachtete,  freute  er  sich  dieser  breitesten  gr.  und  lud 
ihm  auch  noch  sein  eigenes  ränzel  mit  auf  (a.  d.  j.  1849!) 
Eichendorf  s.  w.  3,  451 ;  auch  später  rein  formelhaft  ge- 
bräuchlich: (eine.)  Organisation  der  schulen  auf  breitester 
gr.  Mörike  w.  3,  115;  ich  möchte  . .  .  meine  errungen- 
schaften  auf  breitester  gr.  anbahnen  Holtei  erz.  sehr. 
20,  59;  nicht  selten  erste  gr.:  seine  (des  nestes)  erste  gr. 
sind  .  .  .  dürre  baumblätter  Naumann  naturgesch.  d.  vögel 
2,  1,  410;  die  naturwissenschaft  (wäre)  in  ihren  ersten 
grundlagen  aufgehoben  D.  Fr.  Stbausz  (leb.  Jesu)  ges. 
sehr.  3,  48;  die  zergliederungsktmst,  die  erste  .  .  .  gr.  der 
artistischen  vorkeimtnisse  G.  Forster  s.  sehr.  3,  451. 

4)  bei  formelhafter  Verbindung  mit  verben  ist  die  eigent- 
liche bedeutung  theils  deutlich;  z.b.  eine  gr.  legen;  auf  einer 
gr.  bauen,  errichten;  eine  gr.  untergraben,  erschüttern 
u.  s.  w. :  hier  hatte  er  die  gr.  gelegt  zu  dem  münz-  und 
antiquitätencabinet  JusTi  Winckelmann  1,  335;  den  be- 
weis ihres  talentes,  .  .  .  ihrer  guten  von  der  mutter  ge- 
legten gr.  Gutzkow  ritter  v.  geiste  7,  143;  die  rechtfer- 
tigung  meines  neuen  kehrreimes,  die  ich  auf  die  oben 
bemerkten  fünf  grundlagen  bauete  Bürger  tr.  1,  358  B.; 
auf  unsichrer  gr.  hinfällige  sätze  aufbauen  Welcker  alte 
denkm.  1,  4;  die  einzigen  grundlagen,  auf  welchen  ein 
wahrhaft  republikanischer  bund  errichtet  werden  kann 
br.  von  u.  an  Herwegh  245;  dazu  kam,  dasz  .  .  .  die  münz- 
herren  .  .  .  ihn  (den  münzbetrieb) .  .  .  auf  andere  wirtschaft- 
liche grundlagen  stellten  Luschin  v.  Ebengreuth  münz- 
gesch.  87 ;  kaiserthum  und  papstthum  hatten  .  .  .  einander 
die  grundlagen  ihrer  macht  untergraben  G.  Freytag 
ges.  w.  18,  2;  ohne  die  grundlagen  des  gesammten  daseins 
zu  erschüttern  Ranke  s.  w.  2,  3;  theils  ist  die  bildvor- 
Stellung  verblaszt:  die  gr.  bilden,  auf  einer  gr.  beruhen,  zur 
gr.  dienen  u.  s.  w.:  diesz  thema  .  .  .,  das  die  gr.  für  die 
ausführung  bildet,  ist  das  abstrakte  Hegel  w.  I  1,  125; 
die  beweise  (müssen)  auf  thatsächlichen  grundlagen  be- 
ruhen Brunn  kl.  sehr.  1,  37;  künftig  .  .  .  müssen  die 
pflichten,  die  vortheile,  die  Unbequemlichkeiten  desselben 
zur  gr.  des  werks  dienen  Lessing  10, 148  L.-M. 

53* 


839   GRUNDLAGE  5.  6  -  GRUNDLASTER 


GRUNDLAUT—  GRUNDLEGEND 


840 


6)  stehende  präpositionalverbindung  ist  auf  gr.,  mit  ver- 
baler, adjectivischer  oder  genitivischer  ergänzung;  vgl.  die 
gleiche  Verwendung  von  basis:  der  reichtstag  war  sehr  der 
meinung  auf  dieser  gr.  zu  unterhandeln  Ranke  s.  w.  l, 
128;  nicht  urkundlich,  aber  doch  scheinbar  auf  chroni- 
kaler  gr.  Böhme  gesch.  d.  tanzes  60;  die  constitutionelle 
monarchie  auf  demokratischer  gr.  Hebbel  w.  10, 130  W. ; 
auf  der  gr.  des  Matthäus  zusammengestellt  Scherer 
Hter. -gesch.  46;  die  Verklärung  geschieht  auf  der  gr.  des 
tagebuchs  handelsgesetzbuch  §  524  abs.  5 ;  namentlich  rechts- 
sprachlich vielfach  articellos  wie  auf  grund  {vgl.  sp.  712) 
verwendet:  auf  gr.  des  abkommens  vom  28.  jan.  Moltke 
ges.  sehr.  3,  403 ;  auf  gr.  der  in  ihrer  letzten  Session  be- 
schlossenen gesetze  Bismarck  polit.  reden  i,  4;  (ein)  pro- 
zess  .  .  .  auf  gr.  einer  rechnung  für  gewaschene  Vorhem- 
den des  entwichenen  G.  Keller  w.  4,  231. 

6)  in  fachsprachlichen  Sonderverwendungen;  häufig  auf 
concreta  angewandt,  ohne  unmittelbaren  anschlusz  an  die 
bedeutung  1;  in  physik  und  Chemie  ' grund sto ff \-  gr.,  für 
die  einfachen  theile,  woraus  ein  körper  bestehet  Clements, 
principes  Schrader  dtsch.-frz.  wb.  (1781)  1,  580;  gr.,  base, 
radical  Beil  264;  gr.,  salzfähige  base  saliflable;  gr.,  säure- 
fähige base  acidifiable;  gr.,  wägbare  base  ponderable 
Gehler  physik.  wb.  4,  2,  1649/.;  die  gr.  der  feuer-  und 
lebensluft  nennen  die  Chemiker  den  Sauerstoff  Hufei.and 
kunst  d.  menschl.  leb.  z.  verl.  (1797)  65;  gr.  derselben  {der 
ammoniakalischen  parfüme)  ist  .  .  .  das  feste  kohlensaure 
ammonium  Muspratt  chemie  6,  2091;  was  man  ...  al- 
kalische grundlagen  .  .  .  genannt  hat  Göthe  II  3,  206  W.; 
ähnlich  physiologisch:  ihre  {der  knochen)  thierischc  gr. 
ist  der  sogenannte  knochenknorpel  Sömm  erring  bau  d. 
menschl.  körpers  2,  9;  technisch:  die  gr.  der  fabrikation 
feuerfester  erzeugnisse  bilden  die  feuerfesten  thone 
Muspratt  chemie  8,  847;  die  eigentlich  formgebende  gr. 
(in  der  knopffabrication)  bildet  eine  platte  Karmarsch- 
Heeren  5,  7;  in  der  musik:  gr.  eines  akkords  'heiszt  in 
der  generalbasslehre  diejenige  gruppierung  der  töne  des- 
selben, welche  den  grundtoyi  als  basston  aufweist^  H.  Rie- 
MANN  musiklex.^  413;  vereinzelt  an  grund  V  A  3  und  läge 
5  d  sich  anlehnend:  diese  Vorstellung  (bildet)  die  gr.,  auf 
die  alles  andere  aufgetragen  ist  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6,  48. 

GRUNDLAGER,  n.  'unterläge,  die  den  grund  bildet^ 
(vgl.  comp. -typ.  5  h);  von  gebäuden:  da  zuvor  der  glantz 
deiner  stat  Italien  erleuchtete,  jetzunder  kaum  die  hin- 
terbliebene  stücklein  von  dem  gr.  zu  spüren  J.  M. 
Mbyfart  teutsche  rhetor.  (1653)  330;  auch  sonst:  eine 
weinpresse  bestehet  aus  dem  gr.,  grundhöltzern,  worauf 
der  presztrog  lieget  allg.  haushaltlex.  (inoff.)  2,  5S2;vgl. 
gr.,  Situs,  Situation  Schottel  472;  dazu  die  in  der  bau- 
gewerkssprache  länger  lebendige  composition  -holz:  eine 
.  .  .  Verbindung  aus  vierkantig  gehauenen  grundlager- 
liölzern  Benzler  deichbau  (1792)  l,  19;  gr.,  'die  schu)ellen 
eines  pfahlrostes,  .  .  .  welche  .  .  .  dem  fundament  unmittel- 
bar zum  auflager  dienen'  Helfet  wb.  d.  landbaukunst  162; 
grundlagerhölzer  im  fundament  eines  gebäudes  .  .  . 
Mothes  baulex.  4,  97;  so  bereits  VocH  baulex.  (1781)  133'"'. 

GRUNDLAST,  /.  l)  gr.,  ballast  Htjlsitts  teutsch-ital. 
(1618)  143».  2)  in  neuerer  rechtssprache  'auf  einem  grund- 
stück  lastendes  dingliches  rechf  (vgl.  comp.-typ.  5  f),  meist 
pluralisch-collectiv ;  einmal  die  alten,  im  19.  jh.  durch  ab- 
lösung  beseitigten  beschränkungen  des  grundeigenthums 
wie  gutsherrschaftlichc  lasten,  abgaben,  dienstleistungen 
u.  s.  w.:  die  wirthschaftliche  kraft  dieses  .  .  .  kemhaften 
Volkes  wurde  gelähmt  durch  mannigfache  grundlasten 
Treitschke  dtsche  gesch.  3,551;  erst  durch  das  gesetz 
vom  4.  juni  1848  (wurden)  .  .  .  alle  grundlasten  für  ablös- 
bar erklärt  Bernhardt  ge^ch.  d.  waldeigent.  3,  46;  weiter 
im  modernen  recht  bestimmte  privatrechtliche  belastungen 
wie  reallast,  grunddienstbar keit,  hypothek  und  öffentlich- 
rechtliche wie  rentenbankbelastung  u.  ä.  vgl.  H.  Sacher 
staatslex.  2  (1927),  934^.;  seltener  im  singular  verwetidet: 
die  erklärung  eines  teils  der  gemeindegemarkung  zum 
heimstättengebiet  .  .  .  legt  den  betreffenden  grund- 
stücken  fraglos  eine  derartige  gr.  auf  ebda  938.  —  -laster, 
n.  (vgl.  comp.-typ.  5  Tp,T):  dannoch  bleiben  solche  ver- 


stockte hertzen  sonder  bekehrung  in  solchen  grundlastem 
bisz  an  ihr  ende  unbewegt  stecken  J.  R.  Glauber  anf. 
d.  metallen  (1666)  106;  dieweil  nun  aber  die  atheisterei 
.  .  .  das  gr.  aller  würcküchen  Sünden  ausmacht  Eyck 
d.  narr,  atheist  (1722)  55;  hochmuth,  herrschsucht,  hab- 
sucht,  die  drei  gr.  der  menschlichen  natur  Görres  ges. 
sehr.  5,  415;  die  heuchelei  der  selbstbethörung  ...  ist  das 

gr.  der  gegenwart  Büchner  krafi  u.  stoff  27. laut,  m., 

''primitiver,  ursprünglicher  laut,  urlauV :  doch  ist  mehren- 
teils  der  erste  gr.,  den  ihm  die  zeugemutter  aller  dinge 
eingepflantzet,  geblieben  Zesen  rosenmänd  (1651)  9;  die 
grundlaute  der  spräche  Wieland  s.  w.  (1853)  33,  307;  die 
menschliche  lautsprache  besteht  aus  einer  .  .  .  anzahl  von 
grundlaut«n  K.  Chr.  Fr.  Krause  grundwahrh.  d.  wis- 
sensch.   213; 

was  auch  das  zarte  brausen  sei, 

ein  heiiger  grundlaut  ist  dabei 

K.  Mayee  ged.  98; 

vor  allem  gelten  die  vocale  als  grundlaute:  indem  beide 
(sprachen)  die  grundlaute  a,  i,  u  unverderbt  aussprechen 
J.  Grimm  kl.  sehr,  l,  64;  so  auch  gelegentlich  terminologisch 
als  Verdeutschung  von  ''vocaV  im  gegensatz  zum  ^bestim- 
mungslauf  (=  consonant)  neben  Selbstlaut,  hauptlaut  bei 
Campe  2,  473;  anders  gewendet  Haut,  der  den  grundbestand- 
theil  darstelW :  das  dwr  oder  dour  der  celtischen  sprachen 
mag  ursprünglich  .  .  .  dasselbe  wort  nicht  nur  mit  dem 
vaskischen  ura,  sondern  auch  mit  dem  gr.  von  v()'ix}Q  seyn 
W.  v.  Humbold  ges.  sehr.  9,  143.  —  -lauter,  m.,  'vocal- 
zeichen'CAMVE  2,473.  —  -lautlich,a(iy.;diegrundlautüche 
anordnung  der  deutschen  urlinge  nach  dem  . .  .  adelung- 
schen  wörterbuche  K.  Chr.  Fr.  Krause  briefw.  2,  225;  — 
-leer,  adj.:  gr.,  sine  fundamento  Stieler  1107;  'leer  bis 
auf  den  grund':  auch  der  gemeine  geltkasten  grundlär 
war  R.  LoRicmus  instruct.  u.  bericht  (1618)  293;  gestei- 
gertes leer,  'völlig  leer\-  es  (war)  ein  .  .  ,  fehler  .  .  .,  eine 
so  ansehnliche  person  .  .  .  auf  bloszen  grundleeren  schat- 
ten argwöhnischer  einbildung  mit  einem  kerckerloch  zu 
schimpffen  E.  Francisci  traursaal  (1672)  3,  405;  in  einen 
Wirbel  falscher  freuden  .  .  .  und  grundleerer  hoffnungen 
Fr.  v.  Gentz  sehr,  l,  85. 

GRUNDLEGEN,  vb.  l)  gelegentlich  als  verbale  zu- 
sammenrückung von  den  grund  legen  (s.  sp.  705/.), 
poetisch: 

(wo)  warst  du,  als  icli 

grundlegete  die  erde? 

Herder  w.  12,  322  S. 

häufiger  als  substantivierter  inf.:  bey  dem  gr.  (eines  ge- 
bäudes) musz  eine  grosze  behutsamkeit  angewandt  wer- 
den, damit  das  fundament  die  liinlängliche  stärcke  er- 
halte Krünitz  20,  257;  das  gr.,  foundation  Mothes  bau- 
lex. 2,  366.  2)  verkürzte  zusammenrückung  von  in  grund 
legen  (s.  sp.  728/.);  als  subst.  inf.:  gr.,  'ein  feM  .  .  .  aus- 
messen .  .  .  und  .  .  .  in  einer  figur  vorstellen'  Chr.  Wolf 
math.  lex.  (1747)  619;  wie  das  gr.  durch  blosze  stäbe  und 
meszkette  .  .  .  vorzunehmen  620;  will  mau  sich  beym  gr. 
einer  landschaft  mit  einem  risse  begnügen  allg.  dtsche 
bibl.  2,  63;  auch  im  sinne  von  'abstecken' :  gr.,  'wenn  nach 
einer  auf  dem  papier  gezeichneten  figur  ein  ihr  ähnlicher 
räum  auf  dem  felde  nachgemachet  wird'  Chr.  Wolf  math. 
lex.  620.  —  -legend,  adj.  partic,  erst  seit  der  zweiten 
hälfte  des  19.  jhs.  im  schwang  (vgl.  den  grund  legen 
sp.  705/.  und  zum  gründe  legen  sp.  707),  'die  grundlage 
herstellend' :  die  grundlegende  tätigkeit  eines  Baco  und 
Descartes  Fr.  A.  Lange  materialismus  101 ;  man  . . .  ging  im 
vertrauen  auf  den  .  .  .  beistand  der  Volksgenossen  .  .  . 
ans  grundlegende  werk  v.  Bbnnigsen  d.  nationallib.  par- 
tei  26;  die  .  .  .  grundlegende  arbeit  der  Sammlung  des  .  .  . 
materials  Mommsen  red.  u.  aufs.  47 ;  ( Grimms  geschichte 
des  reimes  ist)  ein  beitrag  zur  metrik  von  ganz  ungewöhn- 
licher Stoffülle,  durchaus  gr.,  wenn  auch  .  .  .  der  correctur 
oft  bedürftig  Scheber  kl.  sehr,  l,  40;  des  grundlegenden 
meisterwerkes  unserer  ästhetischen  kritik,  des  lessing- 
schen  Laokoon  Justi  Winckelmann  1,  450;  die  aufgaben 
einer  solchen  grundlegenden  Wissenschaft  kann  die  Psy- 
chologie nur  lösen  Dilthey  einl.  in  d.  geistesw.  l,  40;  das 


84 1    GRUNDLEGER  -  GRUNDLEGUNG 


GRUNDLEGUNG  -  GRUNDLEHRE 


842 


grundlegende  princip  war  dies  Bayer  Studien  380 ;  schliesz- 
lieh  mit  ^fundamental'  gleichgesetzt:  welch  grundlegende 
bedeutung  der  ackerbau  im  leben  der  Germanen  hatte 
Hoops  waldb.  495;  modern  häufig  in  Verwendungen  wneein 
grundlegender  irrthum,  eine  grundlegende  Umgestaltung 
M.  ä.  —  -leger,  m.,  vom  16.  bis  ins  frühe  19.  jh.  für 
'stiftet,  gründer,  urheber\-  es  seint  bey  den  apoöteln 
und  grundtlegern  der  kirchen  zwey  schwerdt  gefunden 
P.  Amnicola  schnoptüchlin  (1532)  l  3^;  Pausanias  der 
erst  grundtleger  und  stiffter  Zoleckhofeb  beschreibg. 
(1564)  17;  dasz  sie  {die  stadl)  Bacchum  .  .  .  zum  grundt- 
leger und  anfänger  gehabt  G.  Braun  beschreibg.  u.  con- 
traf.  (1581)  3,  b^;  ein  schlos,  welchs  eben  so  wol  seines 
alters  als  seines  ersten  anfängers  und  gruntlegers  wegen 
berumbt  M.  Quad  teutscher  nation  herl.  (1609)  249;  die- 
weil  derselben  {der  gaunersjn-ache)  gr.  und  erfinder  die 
ärgste  vätter  und  Stifter  alles  Unheils  .  .  .  gewesen  simplic. 
Jan  Perus  (1672)  49;  des  menschen  erste  meister,  gr.,  die 
schöne  harmony  Treuer  ätsch.  Dädalus  1,  441;  gr.  der 
berühmten  und  weit  ausgebreiteten  guelfischen  familie 
J.  G.  Lairitz  palmwaM  (1686)  3*;  dem  Opitio,  ihrem 
gruntleger  der  reinen  teutschen  dichterkunst  F.  Licht- 
stern schles.  fürstenkr.  (1685)  767;  die  neue  Versammlung 
wird  .  .  .  unter  dem  schütze  des  durchlauchtesten  grund- 
legers  .  .  .  allen  schaden  ersetzen  neuer  büchersaal  {17*5  ff.) 
8,  525;  die  gr.  der  .  .  .  aktivität  allg.  dtsche  bibl.  60,  221; 
wer  hier  .  .  .  {die)  segel  schwellen  sieht,  der  erinnere  sich 
des  grundlegers  Hirschfeld  gartenkunst  4,  231;  seiner 
{ist)  als  gr.  der  helvetischen  gesellschaft  .  .  .  gedacht 
worden  Lenz  an  Boie,  briefe  2,  77;  der  Ursprung  der 
spräche  ist  nicht  von  dem  unsterblichen  gr.  Fichte,  son- 
dern von  dem  offenbarer,  der  .  .  .  Fb.  Schlegel  briefe 
262  Walzel;  von  dem  allen  war  .  .  .  Sieges  allein  der  gr. 
Dahlmann  franz.  revolution  256. 

GRUNDLEGUNG,/.,  seit  dem  16.  jh.  belegbar. 

1)  gr.  ist  in  der  eigentlichen  bedeutung  'herstellung 
des  fundam.erUs'  wenig  häufig:  welche  thorheit  ihm  nicht 
ehe  auszureden  war  als  bisü  der  baumeister  das  gantze 
serische  reich  zur  gr.  {für  den  bau  des  turmes)  forderte 
LoHENSTEiN  Armin.  (1689)  1,  575'^;  gr.,  ^das  anfertigen  des 
fundaments"  Helfft  landbaukunst  162;  schon  im  älteren 
nhd.  meist  erweitert  zur  bedeutung  'erbauung,  errichtung, 
ardage' ,  vgl.  gründung;  fundation,  die  erbauung,  gr.  eines 
gebäudes,  die  Stiftung  Spanutius  (1720)  258;  die  gr.  des 
haus  gottis  {corr.  in  der  baw)  2.  chron.  24,  27  Luther  bibel 

1,  316  W.  {=  instauratio  domus  dei);  gr.  und  einweihimg 
der  neuen  evangelischen  kirchen  zur  heil,  dreyfaltigkeit 
BuTSCHKY  kanzdley  (1659)  806;  dasz  man  ihn  .  .  .  mit 
der  gr.  des  tempels  Salomonis  verbinde  Gottsched 
neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamk.  8,  745;  die  gr.  oder  ein- 
weihung  eines  wichtigen  gebäudes  ...  ist  ehrwürdig 
Nicolai  reise  d.  DtscMd.  5,  72,  wo  gr.  sich  grundstein- 
legung  nähert;  synonym  mit  anlegung:  wir  {wollen)  weiter 
auch  von  der  zargfassung  und  ersten  gr.  der  statt  .  .  . 
etwas  weiters  handien  Fronsperger  kriegsbuch  (1573)  2, 
Z3^  {vgl.  in  erster  anlegung  einer  statt  ebda  33^  u.  30^); 
formelhaft  ist  gr.  der  weit:  nachdem  vor  der  gr.  der  weit 
deine  natur  fromm  und  rechtfertig  geschaffen  ist  pers. 
baumg.  (1696)  94  Olearius;  die  ihm  {Christum)  der  vater 
vor  der  gr.  der  weit  geschenket  hat  La  vater  verm.  sehr. 

2,  83 ;  {seit)  gr.  der  weit  J.  Scherr  d.  gekreuzigte^  173. 

2)  in  bildlichem  gebrauch  dagegen  besser  erhalten:  {dasz 
man)  ein  gebäude  errichten  werde,  ohne  der  gr.  des- 
selben durch  sorgfältige  Untersuchungen  vorher  ver- 
sichert zu  sein  Kant  ges.  sehr.  3,  31  H.;  noch  immer  ar- 
beiten wir  .  .  .  still  und  bescheiden  an  der  gr.  des  Unter- 
haus Fr.  L.  Jahn  2,  973  E.;  in  dieser  stimde  ihrer  Zu- 
sammenkunft und  zugleich  der  gr.  zu  daurenden  denk- 
malen  Klopstock  gelehrtenrepubl.  (1774)  431;  soll  das  ... 
werk  der  gr.  . . .  nicht  sofort  untergraben  werden  R.  Wag- 
ner ges.  sehr.  8,  158;  noch  halb  concret:  {er)  hatte  .  .  .  das 
auszerordentliche  glück  bey  ihrer  {der  büchersammlung) 
gr.  BoDE  Tristram  Schandi  (1774)  3,  169;  die  gr.  zu  einem 
neuen  Staatensystem  Mommsen  röm.  gesch.  1,  358;  gr.  des 
schmalkaldischen  bundes  Ranke  a.  w.  3,  219;  in  neuerer 


spräche  meist  im  sinne  der  'herstellung  praktischer,  oder 
mehr  noch,  theoretischer  grundlagen' ;  es  ist  .  . .  der  anfang 
und  vollständige  gr.  der  teutschen  letteren,  der  Stamm- 
wörter .  .  .  aus  sonderlicher  kunst  und  erfahrenheit  nicht 
ohn  göttliche  mithülfe  entstanden  Schottel  58;  es  ist 
die  gr.  der  historischen  Wissenschaft,  dasz  die  archive 
.  .  .  geordnet  werden  Mommsen  red.  u.  aufs.  37;  gr.  einer 
.  .  .  rechtshistorie  allg.  dtsche  bibl.  4,  2,  86;  gr.  zur  meta- 
physik  der  sitten  {v.  j.  1785)  Kant  buchtitel;  Zopfens  gr. 
der  Universalhistorie  {v.  j.  1786,  buchtitel)  allg.  dtsche  bibl., 
anh.  53-86,  1062;  philosophie  und  historie  verdanken 
beide  den  Engländern  ihre  grundlegungen  Gutzkow 
ges.  w.  12,  9«;  vor  der  gr.  zu  einer  Wissenschaft  erwartet 
man,  dasz  sie  die  dahin  gehörigen  Untersuchungen  in 
gang  setzte  Herbart  w.  5,  263 ;  so  bereitet  die  geschicht- 
liche darstelhmg  die  erkenntnisztheoretische  gr.  vor 
DiLTHEY  geistesvnssensch.  1, xni;  ähnlich:  sie  {die  eitern) 
trugen  das  ihrige  zu  der  gr.  der  haupttugenden  in  jungen 
gemütheni  redlich  bey  Schwabe  belust.  3,  152;  ist  das, 
was  wir  anstreben  .  .  .  eine  gr.  zu  wirklichem,  dauerndem 
gedeihen?  Rosegger  sehr.  II  11,  88. 

3)  im  17.  und  18.  jh.  auch  wie  'fundament,  unterbau^  vgl. 
gr.,  fundamentum,  fundamen  Stieler  liiO;  gr.,  ,  . .  the 
groundwork  Ludwig  teutsch-engl.  (1716)  818;  unter  der 
erden  nun  sind  des  hauses  gr.,  die  keller,  die  mö- 
rungen  .  .  .  Hohbebg  georg.  cur.  1,  25;  die  erlen  dienen 
am  besten  an  .  .  .  nassen  orten  zu  pfählen  unter  die  gr. 
der  gebäude  J.  S.  Gbubeb  mathem.  kriegs-  u.  friedens- 
scAm/c  (1697)  103;  bis  endlich  seine  gr.  in  der  erden  mittel- 
punct  und  seine  thurmspitze  in  die  wölken  gedrungen 
Gottsched  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamk.  2,  263. 

4)  gr.  als  Substantivbildung  zu  in  grund  legen  (s.  sp.72Sf.); 
gr.  'diejenige  Verrichtung,  da  man  eine  Situation,  Stadt 
.  .  .  abmisset  2ind  ...  in  einen  .  .  .  grundrisz  bringet' 
Fäsch  kriegslex.  (1735)  120**;  die  gr.  oder  topographia,  die 
verzeichnusz  des  orts  ...  ist  dieselbige  in  jedem  baw 
D.  Speckle  archüectura  (1589)  l**;  sie  {die  chinesische 
kartenaufnahme)  fing  mit  .  .  .  der  gr.  des  landes  der 
groszen  chinesischen  mauer  an  Ritter  erdkde  3,  466; 
dann  die  'grundriszzeichnung'  selbst:  {deswegen)  soltu  die 
volgend  ichnographia  oder  gr.  eins  solchen  baws  mit 
fleisz  beschawen  H.  Rrvius  Vitruv  (1575)  563;  wie  das 
.  .  .  ausz  .  .  .  der  gr.  der  statt  {Zürich),  in  groszer  form 
anno  1566  ...  in  offnen  truck  .  .  .  gefertiget,  äugen  schevn- 
lich  .  .  .  mag  gesehen  werden  Stumpf  Schweizerchron. 
(1606)  481*;  vgl.  ichnx)graphia  grundrisz,  gr.  Reyheb  thes. 
(1668)  3429;  KbÜNITZ  20,  284. 

GRUNDLEHRE,  /.,  seit  dem  17.  jh.  bezeugt.  1)  lehre, 
auf  der  andere  lehren,  salze  u.  s.  w.  beruhen  {vgl.  comp.- 
typ.  5o);  gr.  ars  methodica,  fundamentalis  doctrina  Stie- 
ler 1127;  ist  nun  der  catechismus  ein  solche  fundamen- 
tal- und  grundlehr  Dannhaubr  catechismusmilch  {1657) 
1,  21;  hätten  Anaxagoras,  Socrates  .  .  .  nachricht  gehabt 
von  dieser  gr.  {der  Schöpfung  der  festen  erde  durch  gott) 
Knobr  V.  Rosenroth  pseudodoxia  (1680)  458;  wer  meh- 
reren Unterricht  von  dieser  jüdischen  gr.  zu  haben 
wünscht,  lese  nach  Majemonides  M.  Mendelssohn  ges. 
sehr.  3,  66;  war  nicht  deismus  .  .  .  die  gr.  der  religion 
des  alten  bundes?  Herder  xv.  10,  312  S.;  seine  {Krischnas) 
unveränderliche  gr.  ist,  dasz  .  .  .  W.  v.  Humboldt  ges. 
sehr.  5,  161;  die  musikaUsche  gr.  ...  trägt  vor  l)  .  .  . 
Scheibe  crit.musicus  (1745)  731;  {ein)  versuch  einer  gr. 
sämmtlicher  kameralien Wissenschaften  allg.  dtsche  bibl., 
anh.  25-36,  1296.  2)  häufiger  pluralisch  die  fundamen- 
talen, wesentlichen  lehrsätze' :  die  gemeinesten  grundlehren 
der  klugheit  Thomasiüs  ernsth.  gedancken  (1720)  2,  172; 
ich  schreibe  diese  bücher  von  den  grundlehren  der  welt- 
weiszheit  Chr.  Wolf  ged.  v.  d.  menschen  thun  (1720)  10 
vorr.;  {die)  an  einanderhangenden  grundlehren  der  religion 
Vernunft,  tadler.  (1725)  1,  42;  in  den  tieferen  grundlehren 
der  dogmatik  Ranke  s.  w.  4,  155;  Leibnitz  soll  Sonem 
aus  Aristotelis  grundlehren  widerlegen?  Lessing  ll,  467 
L.-M.;  {Pythagoras  habe)  die  grundlehren  seiner  Wis- 
senschaft von  der  Pythia  .  .  .  empfangen  K.  0.  Müller 
d.  Dotier  2,  394;  diesen  grundlehren  der  dramatischen 


843 


GRUNDLEHRE  —  GRUNDLEIN 


GRÜNDLICH  A  1-2 


844 


poesie  zu  folge  Gottsched  dtache  Schaubühne  5,  15  vorr.; 
die  grundlehren  der  arfcillerie  v.  Fleming  tetUach.  soldat 
(1726)  80;  die  grundlehren  der  polizejrwissenschaft  allg. 
dtsche  bibl.,  anh.  37-52,  912;  grundlehren  des  galvanismus 
MusPBATT  Chemie  3,  760;  nicht  selten  dem  comp.-typ.  5r 
sich  nähernd:  zu  entstellung  und  herabwürdigung  mancher 
haupt-  und  grundlehren  der  heiligen  schrift  cabinetsordre 
V.  1.  oct.  1792  Friedr.  Wilh.  II.  v.  Preuszen  gegen  Kaytt, 
vgl.  allg.  dtsche  biogr.  15,  92;  als  Verdeutschung  bestimmter 
begriffe  philosophischer  spräche  auch  mit  prägnanterem 
bedeutungsgehalt;  ^princip' :  davon  Cartesius  im  4.  theil 
seiner  philosophischen  grundlehren  eine  sehr  begreifliche 
Ursache  giebet  Knore  v.  Roseneoth  pseudodoxia  (1680) 
172  als  Übersetzung  des  titeis  'principia  philosophiae' ;  als 
ob  er  den  grundlehren  des  Des  Cartes  alzu  genau  folge 
Bbockes  3,  1  vorr.;  etwas  anders:  nach  den  oben  vor- 
getragenen transcendentalen  grundlehren  ist  diese  Ur- 
sache klar  Kant  s.  sehr.  3,  471 H.;  maxime,  vemunft-  und 
Staatsgrund  .  .  .,  gr.  Sperandbr  (1727)  371^';  maxime, 
.  .  .  hauptgrundsatz  .  .  .,  gr.  Kinderling  reinigk.  298; 
ähnlich  für  ^axiorrC :  gr.  ...  an  axiom  Lttdwig  teutsch-engl. 
(1716)  818;  wo  man  grillen  für  Wahrheit  und  hypothesen 
für  grundlehren  verkauft  Göthe  37,  171  W.;  öfter  mit  dem 
beisinn  des  elementaren:  wo  diese  erste  grundlehren  .  .  . 
obenhin  getrieben  werden,  da  .  .  .  Mattheson  kl.  general- 
basssch.  (1735)  73;  dem  dilettanten  der  musik  wird  .  .  . 
keine  verlezung  der  ersten  grundlehren  nachgesehen 
J.  H.  Vosz  zeitm.  d.  dtsch.  spr.  (I802)  4;  ein  jeder  schüler 
(soll)  durch  einige  grundlehren  der  Perspektive  sich  den 
unterschied  klarmachen  H.  Brunn  kl.  sehr.  3,  252. 

3)  gelegentlich  mehr  wie  comp.4yp.  5  p  ''ursprüngliche 
lehre'' :  diese  philosophie  {enthalte)  in  ihren  ersten  grund- 
lehren .  •  .  eine  metaphysik  Fr.  Sohlegel  s.  w.  13,  164; 
es  ist  dies  nur  eine  andere  Verfälschung  der  gr.  des 
Christentums  Fichte  s.  w.  4,  545;  tiefere  geister  haben 
sie  {die  kirche)  immer  auf  die  grundlehren  zurückweisen 
zu  müssen  geglaubt  Ranke  5.  w.  1,  192. 

4)  gr.  'eine  Wissenschaft,  welche  die  gründe  aller  mensch- 
lichen erkenntnisz  enthält  {metaphysikY  Campe  2,  473^1, 
vgl.  grund  IV  C  1  und  grundwissenschaft;  vereinzelt  durch 
den  plural  gründe  verdeutlicht:  die  gründelehre  als  eine 
physic  des  menschlichen  Verstandes  Tetens  phil.  vers. 
1,  68,  wo  jedoch  grund  IV  C  3  in  frage  kommt;  sonst  liegt 
hier  grund  IV  C  1  vor,  also  gr.  'lehre  vom  gründe  des  seins 
und  Werdens' ;  anscheinend  schon  vor  Chr.  Wolf  auftretend: 
eine  gewisze  gr.,  nach  welcher  man  ursach  geben  kan 
von  allem,  was  in  dieser  weit  vorkommt  Knorr  v.  Ro- 
senroth pseudodoxia  (1680)  201;  angeblich  von  Chr.  Wolf 
als  Übersetzung  von  ontologie  eingeführt:  in  der  weltweisz- 
heit  hat  der  freyherr  von  Wolf  .  .  .  das  nichtsbedeutende 
wort  .  . ,  ontologie  .  .  .  sehr  wohl  durch  gr.  übersetzet 
Gottsched  beobacht.  (1758)  123;  die  metaphysic  mit  allen 
ihren  theilen,  davon  die  ontologie  oder  gr.  voran  stehet 
vorr.  zu  Chr.  Günthers  ged.  (1735)  a  5*;  ob  uns  nun  gleich 
die  gr.  und  die  theologie  zu  wissen  geben  Bodmer  v.  d. 
wunderb.  (1740)  32,  wo  wie  im  folgenden  gr.  in  weiterem 
sinne  für  'metaphysik^  allgemein  gesetzt  sein  kann:  als 
Albertus  Magnus  .  .  .  die  gottesgelahrtheit  verbessert 
hatte,  drang  auch  die  weltweisheit  und  insonderheit  die 
aristotelische  gr.  in  das  innerste  der  gottesgelahrtheit 
ein  Gottsched  beytr.  z.  crit.  hist.  3,  536;  vgl.  gr.  .  .  .  meta- 
physique  Schrad er  d!<scÄ.-/rz.(  1781)  580 c.  —  -lehrsatz, 
m.:  das  erste  hauptstück  des  ersten  buches  .  .  .  giebet 
.  .  .  die  grundlehrsätze  des  lehrsatzmäszigen  festungs- 
baues  Zesen  kriegsarb.  (1672)  l,  vorr.  7*. 

GRÜNDLEIN,  n.  1)  auch  gründelein,  grundlein  dimi- 
nutivbildung  zu  grundel  {vgl.  sp.  771);  grondelin /ztndMZtM 
Diefenbaoh  252^;  gründelein  cobitis  barbatula,  fuvdulvs 
Frischlin  nomencl.  63»; 

grflndlein,  sengiciu  gar  frisz 
dlse  vlschelein  selnd  gar  klein 
M.  LiNDNBE  bei  MONTANTJS  gchwankb.  642  B.; 

wegen  das  er  die  grundtlein  aufgefangen  in  den  bachen 
cod.  dipl.  Siles.  4,  277  {v.  jähre  1575);  allein  gr.  und 
junge  hecht  Pabacelsus  opera  1,  688  Huser.    2)  dimin. 


von  grund  III  A  'kleine  thalsenke" :  alsz  ^vir  ein  gr.  hinab 
kommen,  sahen  wir  einen  groszen  häufen  in  der  Schlacht- 
ordnung an  einem  gehen  berg  Götz  v.  Berlichinoen 
lebensbeschr .  57  B.;  ihre  tochter  .  .  .  hat  ...  in  der 
heyden,  an  einem  gr.  ...  alleine  gestanden  Peäto- 
Riüs  anthropod.  pluton.  (1666)  3,  69;  zu  den  st«llstetten 
ist  am  besten  zu  erwehlen  in  offenem  felde  ein  kleines 
gr.  zwischen  den  bergen  Aitinoer  jagdbücM.  (1681)  119; 
anders  'kleine  erdvertief ung,  rinne' :  die  grübe  {für  die  ein- 
zupflanzenden bäume)  fein  weit  und  oben  ein  grundlein 
umb  den  bester  gemacht,  so  kann  er  feuchtigkeit  und 
regen  haben  haushaüung  in  Vorwerken  240  Ermisch. 

GRÜNDLICH,  gründlich,  adv.  und  adj. ;  ahd.  gruntlicho, 
mhd.  gruntlich  (-e,  -en),  grüntlich  (-e,  -en),  mnd.  grunt- 
liken,  mnl,  grondelike  adv.,  grondelijc  adj.,  nl.  gronde- 
lijk(-en);  älter-dän.  grundelig(-en)  und  schwed.  grundlig 
nicht  vor  dem  16.  jh.  belegt  und  wohl  von  mnd.  grantlik(-en) 
abhängig. 

herkunft  und  form.  ahd.  nur  einmal  bezeugt  {nicht 
an  zwei  stellen  wie  Gräfe  4,  331)  als  Übersetzung  von  lat. 
funditus  chruntliho  ahd.  gloss.  l,  280;  mhd.  erst  im  beginn 
des  14.  jhs.  nachweisbar,  zunächst  nur  in  mystischen 
Schriften,  aber  in  bedeutung  D  wohl  doch  älter  {s.  u.);  im 
mhd.  mit  und  ohne  umlaut  möglich,  auch  im  frühnhd.  viel- 
fach umlautlos,  soweit  nicht  orthographische  umlautlosig- 
keit  vorliegt;  in  der  ma.  theilweise  ohne  umlaut  bewahrt 
vgl.  grundlich  Stattb-Tobler  2,  779;  grundlich  Martin- 
Lienhart  1,  278;  grundelik,  grundelk  neben  gründelk 
D0RNKAAT-K00LMAN  1,  702;  grundlik  Berghaus  1,  623a; 
mit  umlaut,  theihoeise  erst  wieder  der  Schriftsprache  ent- 
nommen, gr.  Fischer  schwäb.  3,  878;  krintlic  Meisinger 
Rappen,  ma.  79^;  gröndlech  lux.ma.  156**;  gr.  Jos. 
Müller  rhein.  wb.  2,  1467;  eigentliches  dialektwort  ist  gr. 
aber  nicM. 

bedeutung  und  gebrauch,  als  adv.  zunächst  als  Ver- 
treter von  präpositionalen  Verbindungen  wie  von  gründe, 
von  grund  auf,  aus  dem  gründe,  im  grund,  zu  gründe,  bis 
auf  den  grund  u.  a.  gebildet,  noch  mhd.  seltener  adjec- 
iivisch;  auch  im  nhd.,  wo  gr.  stark  an  ausbreitung  gewinnt, 
mit  überwiegend  adverbialer  Verwendung;  entsprechend  gibt 
das  adj.  gr.,  noch  modernem  Sprachgefühl  nach,  in  der  reget 
die  qualität  der  im  zugehörigen  subst.  ausgedrückten  oder 
wirkend  gedachten  handlung  an  {s.  u.);  doch  geht  ältere 
spräche,  theils  in  neu  aufkommenden  secundären  anleh- 
nungen  an  das  grundwort,  in  adjectivischer  Verwendung 
weiter  {s.  u.  sp.  852^.)  als  die  heutige. 

A.  gr.  zuerst  in  der  deutschen  mystik  breiter  entwickelt; 
neben  der  auch  hier  gelegentlich  auftretenden  älteren  bedeu- 
tung D  {s.  u.)  im  wesentlichen  als  ableitung  von  grund  I  E 
zu  fassen,  die  bis  in  das  ältere  nhd.  hinein  nachwirkt,  da- 
her specifisch  mystischem  sinne  anscheinend  umlauÜoa 
bevorzugt. 

1)  'im  gründe  des  herzens,  der  seele;  im  innern,  inner- 
lich", vgl.  ingruntlich  bei  Seuse  sehr.  126  Bihlm.  u.  ö.; 
der  sich  echt  gruntlichen  zu  ime  {gott)  innerlichen  kerte 
Tauler  pred.  210  Vetter;  das  ir  lerent  gotte  innerlichen 
und  luterlichen  bichten  .  .  .  und  lerent  ime  üch  grunt- 
lichen schuldig  geben  274;  got  versteet  hertzen  sprach 
und  Seelen  meinung,  eyn  gruntlich,  innerlich  und  wesen- 
lich ansprechen  Seuse  sehr.  520  Bihlm.;  dat  nemant 
van  buten  merken  en  kan  dan  alleene,  de  synes  selves 
andacht  grundelike  merket  Jon.  Veghe  Oörresjahrb.  6, 
364;  ein  innerlich  suftzen,  .  .  .  usse  eime  gruntlichen 
bekentnisse  siner  gebresten  Tauleb  pred.  311  V.;  {ein 
Christ,)  der  .  .  .  Christum  gr.  im  hertzen  habe  Luther 
36,  420  W. 

2)  'bis  in  den  grund  des  herzens,  der  seele  hinein;  bis 
in  die  tiefe  reichend,  ins  innerste  gehend'  {vgl.  zu  gründe); 
vgl.  medulUter  gruntlich  gemma  gemmarum  (1508)  pS''; 
wie  mügen  -wir  des  so  gruntlichen  uns  schämen  Tauler 
pred.  215  V.;  sin  {Christi)  heilige  menschheit  die  enwart 
im  nie  so  gruntlichen  lieb  251;  das  es  ir  als  gruntlich  ze 
hertzen  gieng,  das  sy  für  die  stund  nie  wolt  geschlafen 
Elsb.  Staoel  Schwestern  zu    Tösz  26  V.;  da  wirt  diu 


845 


GRÜNDLICH  A  s-B  t 


GRÜNDLICH  B  1 


846 


ungruntliche  tiefe  gegründet  mit  dem  grüntlichen  ver- 
stentnisse  gotes  dtsche  myst.  2,  670  Pfeiffer;  sullent  dine 
ögen  selig  werden,  so  müst  du  grüntlichen  leren  sehen 
in  disen  grünt  Tauleb.  pred.  347;  daz  ist  so  tief  und  so 
grüntlichen  gevestent  in  di  nature  {des  menscfien)  48; 
vergleichbar: 

geyd  yn  uwir  hercze  grtintlich 

KiRCHBEEQ  mecklenburg.  chron.  733,  40; 

deutlich  wird  die  abkunft  dieses  gruntlich  von  ze  gründe 
besonders  in  der  Verbindung  (sich)  gruntliche  läzen  als 
Variante  des  mystischen  (sich)  ze  gründe  läzen:  und  ent- 
vallent  eime  einvaltigen  gruntlich  uf  got  sich  Jossen 
Taüler  fred.  87  V.;  ime  were  lichter  zehen  wercke  daim 
eyn  gruntlich  lassen  Seuse  sehr,  all  Bihlm.;  wie  grünt- 
lichen man  sich  ze  gründe  lassen  müs  Tauler  pred. 
356  F.;  compariert  Hiefer\'  (Christum,)  des  laszen  mer  und 
gruntlicher  was  dan  alles  das  laszen  zu  samen  were,  das 
alle  menschen  in  der  zyt  sich  ye  gelieszen  Seuse  sehr. 
517  Bihlm. 

3)  'awa  dem  gründe  des  herzens,  der  seele  kommend^  vgl. 
ingruntlich  Seuse  sehr,  ll  Bihlm.;  lüg  mit  welen  grünt- 
lichen sufzen  und  bitterlichen  trehen  sii  sprechent  287; 
von  hertzen  weinen  und  grundtlich  Feisius  56öl>;  nie- 
mand bittet  aber  grundtlich,  der  noch  nicht  grundtlich 
erschrocken  und  verlassen  ist  Luther  18,  481  W.;  {das 
Vaterunser,)  so  es  mit  ernst  bedacht  wirt  und  grundlich 
gebet,  erschrecklich  ist  2,  95;  o  wye  grundlich  gan  ich 
dem  bapst  solch  schyrmleut  8,  293;  adjectivisch  nicht 
selten,  namentlich  in  religiöser  spräche,  vjobei  vielfach  schon 
der  begriff  des  'wahren^  hineinspielt  {s.  u.  C  5) :  ein  hertz- 
licher gründlicher  rechter  dank  Luther  31,  1,  406  W.; 
wir  enbietend  dir  unsem  grüntlichen  zom  Baseler  chron. 
bei  Staub-Tobler  2,  779;  also  süUent  wir  auch  tun, 
.  .  .  das  wir  habent  gruntliche  diemut  nachschr.  der  Nürn- 
berger hs.  zu  Elsb.  Stagel  Schwestern  zu  Tösz  121  V.; 
do  musz  von  nodt  wäre,  gruntliche  demutigkeit  .  . .  seyn 
eyn  deutsch  theologia  31  Uhi;  also  wirckt  dis  gebet  eine 
grundliche  demutigkeit  Luther  2,  loo  W.;  es  würcket 
solch  übel  .  .  .  eine  gründliche  demuth  wohlgeplagte 
priester  (1695)  178;  ausz  hertzlicher  grundlicher  gunst  zu 
Christo  Luther  7,  361  W.;  das  sind  rechte  zeichen  grund- 
licher rewe  fiu*  die  sunde  18,  494 ;  hefftige  und  seer  grundt- 
liche  wort  eines  warhafftigen,  rewigen  hertzen  18,  517. 

B.  spätmhd.  einsetzend  und  nhd.  reich  entfaltet  ist  gr. 
»n  Verbindung  mit  begriffen,  die  eine  irgendwie  geartete 
geistige  thätigkeit  oder  haltung  zum  oTisdruck  bringen,  wobei 
gr.  die  gualitätsvorstellung  ^bis  auf  den  grund,  bis  ins 
letzte,  tiefgehend,  nicht  oberflächlich^  beisteuert;  ausgangs- 
punct  der  bedeutung  ist  neben  übertragenem  (bis)  auf  den 
grund  {vgl.  sp.  676)  wohl  besonders  zu  gründe  {sp.  683), 
doch  scheint  auch  das  verbum  gründen  I  A  3  {vgl.  sp.  777^.) 
von  einfltisz;  später  kreuzen  vielfach  entsprechende  abstra- 
hierungen anderen  Ursprungs,  z.  b.  gr.  =  im  gründe 
{sp.  717),  aus  dem  gründe  {sp.  719),  von  grund  auf,  von 
grund  aus  {sp.  710/.)  herein,  so  dasz  für  modernes  Sprach- 
gefühl in  gr.  mehrere  und  genetisch  verschiedene  Vorstel- 
lungen vereinigt  sind. 

1)  adverbialer  gebrauch  namentlich  in  älterer  spräche 
entunckdt  neben  verben,  die  einen  denk-  oder  erkenntnis- 
Vorgang  bezeichnen;  entsprechend,  doch  weniger  häufig, 
adjectivisch  bei  den  parallelen  ahstractbildungen  verbaler 
herhunft  und  bedeutung. 

a)  in  richtung  auf  ein  noch  zu  erkennendes  nicht  bekann- 
tes ist  gr.  'bis  auf  den  grund,  bis  ins  letzte,  eingehend,  genau', 
wobei  aber  für  das  ältere  nhd.  abstracter  gefasztes  im  gründe 
{vgl.  sp.  717),  in  dem  grund,  für  das  neuere  auch  aus  dem 
gründe  utid  von  grund  aus  parallel  gehen:  es  sol  auch  der 
richter  mit  vleisz  bestellen  zu  aufsehen,  aus  weihen  heu- 
sem  die  fragner  solh  war  tragen  und  sich  gruntlich  er- 
kunden {v.  j.  1519)  österr.  weisth.  9,  525; 

der  (ivirt)  wart  bald  In  die  stuben  gabn 
die  ding  gründlichen  zu  erkunden 

H.  Sachs  17,  362  K.-  O.; 

sie   ...   forschen  nach  der  losung  .  .  .   fein  grundtlich 
Kirchhof  milit.  discipl.  (1602)  145;  wie  wol  dise  red,  so 


man  sie  gruntlich  wil  ersuchen,  war  ist  H.  Gebweileb 
beschirmung  (1523)  28^;  demnach  ...  ist  an  üch  min  bitt, 
dis  wenig  Versandung  gruntlich  zu  besehen  und,  ob  misz- 
förmigs  darinn  sich  anzöigt,  das  miner  kleinheit  b3^ü- 
legen  Riederer  rhetoric  (1493)  173";  so  in  neuerer  spräche 
geläufig  in  Verbindungen  wie  gr.  prüfen,  gr.  untersuchen 
{vgl.  th.  11,  3, 12,  1852):  der  gegenständ  ...  ist  im  andern 
hause  .  .  .  auf  das  gründlichste  geprüft  worden  Moltkh 
ges.  sehr.  u.  denkw.  7,  28;  nachdem  er  gr.  und  schon  etwas 
strenger  eine  arbeit  durchgesehen  {hatte)  G.  Keller  ges, 
w.  2,  23 ;  z.  6.  der  arzt  untersuchte  den  patienten  gr. ; 
der  lampendokter  unterzog  Benedixen  aner  rächt  gründ- 
lichen Untersuchung  J.  Lowao  ges.  sehr.  7,  128 ;  diese 
Vorgänge  in  der  Stadt  wären  einer  gründlichen  Unter- 
suchung werth  Ranke  w.  16,  95  anm.  2;  eim  ding  grimdt- 
licher  nachsiimen  altiu^  cogitare  aliquid  Frisius  78^;  vgl. 
grundtlicher  unnd  bedachtlicher  arcanius  113*>;  die  hund 
können  einer  Sachen  fein  grundtlich  nachdenken  Hbyden 
Plinius  (1565)  201;  so  er  alle  Sachen  grundtlich  erwege, 
wolle  in  beduncken  L.  Lavater  historia  (1564)  ll";  diese 
stück,  so  sie  dem  hauszkönig  gr.  zu  erwigen  fürkommen 
Fischart  geschichtklitterung  93  ndr.;  dasz  ihr  euch  alle 
darüber  mit  fleisziger  und  grundtlicher  erwegung  .  . .  be- 
dencken  sollen  Amadis  325  lü.  ver.;  {die)  einsieht  .  .  ., 
die  gr.  denken  lehrt  Gottsched  neunte  ged.  (1750)  114; 
von  einem  geiste,  der  gr.  denkt  und  uneigennützig  han- 
delt Ramlek  einleitung  4, 17;  in  moderner  spräche  sich 
eine  sache  gr.  überlegen  schon  so  gut  wie  farblos  gewor- 
denes gr.  'gehörig'  («.  u.  E);  Überlegung?  —  ich  habe 
nur  eine  gemacht,  aber  sie  ist  die  gründlichste  von  allen 
Schiller  3,  566  G.;  ähnlich  negativ  gewendet: 

he  lovede  {glaubte)  nicht  gruntlik  den  worden  stoit 

Reinke  de  vos  24  Pr.; 

wyr  gehen  do  hyn  und  gleubens  nicht  grundtlich,  das 
Maria  son  meyn  sey  Luther  32,  268  W. 

b)  entsprechend,  doch  für  heutiges  Sprachgefühl  mit  be- 
sonderem hervortreten  der  componenten  aus  dem  gründe 
{vgl.  sp.  719)  und  von  grund  aus  {vgl.  sp.  712)  in  Verbin- 
dungen wie  gr.  erfahren,  erkennen,  kennen,  wissen, 
wofür  in  neuerer  spräche  genau  üblich  ist;  zumeist  älterer 
spräche  bis  in  das  18.  jh.  eigen:  (icÄ)  mocht  ...  es  nicht 
alles  gruntlich  erfaren  in  den  landen  .  .  .,  do  ich  gewesen 
bin  Schiltberoer  reisebuch  1  lit.  ver.;  bis  das  e.  k.  f.  g. 
{euer  kurfürstliche  gnaden)  selbs  anher  komen  und  die 
Sachen  grundlich  erfaren  Luther  brief  a.  d.  j.  1537  nach 
Dietz  wb.  2,  179;  der  planeten  laiif  («ei)  noch  nicht  er- 
forscht xuxd  gr.  erfahren  Schill  ehrenkranz  (1644)  86;  sie 
möchte  auch  gerne  gr.  vernehmen,  wohin  die  werfung 
der  küsse  eigentlich  zielte  Lohenstein  Arminius  2,  190; 
gr.  wissen  'genau,  sicher,  zuverlässig' :  ein  ding  grundtlich 
und  warhaftigklich  wüssen  Frisius  268'*;  vgl.  er  weysz 
es  gr.  Stieler  711;  nun  west  er  {Seuse)  ir  meinung  nit 
grüntlichen  vorr.  der  Nürnberger  hs.  zu  Elsbet  Stagel 
schw.  zu  Tösz  4;  wer  das  selbig  eigentlich  inhält,  ist  mir 
nit  gr.  ze  wüssen  Zwingli  dtsche  sehr,  l,  126; 

habt  ir  kein  gründlich  wissen  nicht, 

wer  ewer  mutter  hat  ertödt      H.  Sachs  2. 119  K.; 

das  aber  gedachte  wamung  nitt  on  gruntlich  wissen  der 
Sachen  geschehen,  hat  sich  bald  darnach  bewisen  Hütten 
opera  1,  408  B.;  hab  ich  derhalben  gewollt  seine  historien 
gründlichen  wissen  und  erfahren  SsBizf eidbau  (1579)  222; 
man  weis  gr.,  dasz  diese  völcker  unterschiedene  sprachen 
gebraucht  J.  Schickpus  schles.  chron.  (1625)  12;  solte  sie 
.  .  .  die  beschaffenheit  dieses  handeis  .  • .  gr.  gewust  haben 
Grimmelshausen  4,  571  Keller;  mundartlich  alem.  er- 
halten: das  weisz  ich  (für)  gr.  Staub-Tobler  2,  779,  vgl. 
auch: 

hiervon  habt  ihr  gehört,  doch  wissen  es  wenige  gründlich 

MÖRIEB  te.  1,  249; 

vergleichbar:  gr.  bin  ich  noch  nicht  tuiterrichtet  Göthe 
III 1,  317  W.;  gr.  erkennen  ist  veraltet:  ich  erkenn  gr.  und 
eygentlich  E.  Älberus  ii  l";  do  in  es  sich  selbs  ler  er- 
kennen grüntlichen  Keisersberq  bilgersch.  c  3»; 

darmitt  d  sach  gruntlich  werd  erkhennt 

Schweiz,  schausp.  3, 151  BäcMold; 


847 


GRÜNDLICH  B  2 


GRÜNDLICH  B  2 


848 


wer  .  . .  schuldig  sey,  ist  noch  nit  gnmdlich  erkant 
Hütten  ofera  b,  377  B.;  das  wahre,  insofern  es  von  den 
menschen  gr.  erkennet  werden  mag  Breitinger  crit. 
dichtkunst  (1740)  1,  5;  on  solches  des  titeis  gründlich  er- 
kentnis  Luther  7,  342  W.;  sie  (haben)  gesucht  ...  die 
lehr  von  der  wahren  busz  .  .  .,  so  aus  gründlicher  erkant- 
nusz  des  gesetzes  herfür  leuchtet  Dannhaueb  catech.- 
milch  1,  )(  3b;  die  gründliche  erkäntnis  der  heilsamen 
kunst  Chr.  Wolf  v.  d.  menschen  thun  (1720)  143;  eine 
recht  genaue  und  gründliche  erkenntnis  von  der  seele 
Sohleiermacher  Piatons  w.  a,  30;  gr.  kennen,  kennen 
lernen  noch  gebräuchlich: 

(basz  ersuch)  ein  man,  das  du  in  gründlich  kennest 

eh  du  auf  erd  ihn  selig  nennest  H.  Sachs  2,  283  K.; 

selbst  das,  was  in  ihm  denkt,  womit  er  alles  fassen 
und  gründlicli  kennen  will,  ist  ihm  so  wenig  kund 

Brockes  ird.  vergn.  4,  324; 

nun,  Lykas,  ich  gestehs,  du  kennst  die  liebe  gründlich 

Gottsched  dtsche  Schaubühne  5,  455; 

ihr  kennt  die  wirthschaft  gr.  Arnim  w.  20,  145  Chr.;  {ein) 
mann  .  .  .,  der  alle  unsere  .  .  .  gebrechen  auf  das  gründ- 
lichste kaimte  Arndt  s.  w.  1,  212  J?.;  {wenn)  man  seine 
geschichte  ...  gr.  will  kennen  lernen  Adelung  magazin 
2,  1,  124;  plastischer  empfunden: 

als  es  dir,  der  Weisheit  kern 
gründlich  einzusehen  gelungen 

Gottsched  ged.  (1751)  1,232; 

nur  derjenige,  der  die  gegenstände  gr.  durchsieht,  (kann) 
rathen  und  helfen  Göthb  IV  27,  206  W. 

c)  gr.  verstehen :  und  darumb  gezimpt  einem  yeglichen, 
was  er  lesz,  das  er  begird  hab,  das  grundtlich  zu  verston 
buch  d.  beispide  3  lit.  ver.;  ein  puch  der  messung,  on 
welche  dise  mein  leer  nit  grüntlich  verstanden  mag  wer- 
den A.  DÜRER  menschl.  proportion  a  2^; 

damit  ich  mög  gründlich  verstan, 
was  euch  hat  mögn  zu  banden  gan 

Teuerdank  249; 

und  {wir)  wollen  aber  den  kindern  gottes  klar  und  gr 
verstanden  seyn  J.  Böhme  sehr.  (1620)  2,  vorr.;  damit  der 
recht  und  gründthch  verstandt  gemehret  werde  RuoF 
hebammenbuck  54;  wunderbar  liehen  grillen  .  .  .,  darausz 
wenig  gründtlicher  teutscher  verstand  zu  nemen  W. 
Spangenberg  ausgew.  dicht.  5 ;  all  und  bis  in  gegenwärtige 
spräche,  erhalten  in  der  bedeutung  'eine  fertigkeit  gr.  ver- 
stehen =  aus  dem  gründe  verstehen'  {vgl.  sp.  71P),  wo 
die  jüngere  präpositionale  Verbindung  die  Vorstellung  'bis 
ins  letzte,  vollständig^  durch  'vom  fundament,  von  den  an- 
fätigen  ab^  ersetzt  zeigt: 

besunder  all  seitenspil  sunst 
hat  er  grüntlich  verstanden 

M.  Behaim  chron.  Friedr.  I.,  str.  98; 

in  dessen  landen  was  neen  so  vroet, 
de  desse  schryft  gruntUk  vorstoet 

Reinke  de  vog  171  Prien; 

Anna  Maria  v.  Schurmaim  .  .  .  auch  sonst  viele  künste 
und  Wissenschaften  vollkommen  hat  und  gr.  verstehet 
Grimmelshausen  Simplic.  lebensw.  (1713)  3,  50;  was  sie 
aber  einmal  heraus  gebracht  haben,  das  verstehen  sie  auch 
recht  gr.  Mayr  päckchen  satiren  (1769)  104;  jeder,  welcher 
sichere  band  und  sicheren  fusz  auf  der  bühne  haben  will, 
musz  beides  {fechten  und  tanzen)  gr.  verstehn  Grabbb 
V).  4,  2%zBl.;  entsprechend  in  sinnverwandten  Wendungen: 

...  es  ist  gantz  leicht  zu  verstan, 
wer  das  vorige  gründlich  kan 

M.  Agricola  musica  instr.  168  Eüner; 

die  weil  er  der  Sachen  noch  nicht  gr.  kundig  Beinicke 
fuchs  (1650)  55;  darumb,  das  er  der  wasserstreit  und  irer 
art  noch  nit  ganz  gr.  bericht,  fragt  er  die  schiffleut  Wil- 
wolt  von  Schaumburg  100  lit.  ver.;  die  vor  alten  zeiten 
.  .  .  solche  kvmst  gr.  erfahren  und  begriffen  haben  Volks- 
buch v.  dr.  Faulst  43  Br. 

2)  breit  entwickelt  vor  allem  in  Verbindungen,  die  ein  auf 
geistige  dinge  zielendes  handeln  umschreiben;  auch  im  zu- 
geordneten Substantiv  ruht  zumeist  eine  actionsvorstellung. 

a)  '615  auf  den  grund,  bis  ins  letzte  gehend'  sowohl  in- 
tensivgerichtet, 'genau,  eingehend',  wie  extensiver  bedeutung. 


'ausführlich,  vollständig';  namentlich  im  älteren  nhd.  ent- 
faltet. 

a)  adverbial: 

euch  allen  grundlich  zu  zaigen  an, 
wie  vast  ich  euch  geliebtt  bann 

pasgionsp.  aus  Tirol  24  anm.  WackemeU; 

das  Christus  uns  grundlich  anzeyget  und  spricht  Luther 
18,  427  W. ;  Ursachen,  die  ainer  grundlichen  anzaigen  und 
.  .  .  bereden  sol  altbair.  landständ.  freibricfe  139  anm. 
Lerchenfeld;  als  die  nativität  Christi  ist  von  den  pro- 
pheten  verkündiget  worden  .  .  .  und  .  .  .  grundlich  alles 
angezeiget  worden  Paracelsus  opera  2,  391  Huser;  {wir) 
kunnen  unde  mögen  dat  ock  so  gruntliken  nicht  klagen 
chron.  d.  dtsch.  städte  16,  400; 

. .  .  wenn  ich  die  warheit 
grundtlich  dem  affenkünig  sag 

Hans  Sachs  9, 173  K.-O.; 

das  ist  gr.  von  der  Sachen  geredt  Luther  53,  472  W.; 
Tind  gr.  von  der  sache  zu  reden  A.  Buchner  ardeit.  z. 
poeterei  (1665)  159;  die  uns  .  .  .  ersuchet,  ihnen  die  gantze 
beschaffenheit  unserer  .  .  .  deutschgesinnten  genossen- 
gr.  zu  eröfnen  Zesen  helikon.  rosentahl  15;  bisz  .  .  .  die- 
selbigen  {ansichten)  gründlicher  möchten  vorgezeiget  wer- 
den medicin.  mavlaffe  (1719)  45;  das  .  .  .  mit  .  .  .  Worten 
gr.  ...  auszuführen,  {vnll)  fast  auszer  aller  möghkeit 
fallen  Butschky  Pathmos  294 ;  damit  sie  .  .  .  die  täglichen 
relationen  an  serenissimum  gr.  imd  umständig  abfassen 
...  können  v.  Fleming  teutsch.  soldat  172;  die  einem  an- 
fangenden componisten  unumgängliche  nöthige  Wissen- 
schaft (wird)  .  .  .  gr.  beschrieben  Heinichen  generalbass 
)(  3;  ir  des  grüntlich  von  uns  undenichtet  seit  chron.  d. 
dtsch.  Städte  2,  514;  ich  .  .  .  wil  dich  gr.  unterrichten  Spee 
güld.  tugendbuch  (1649)  *loi>;  ichs  grüntlich  von  im 
bericht  worden  bin  Wickram  1,  12  B.; 

und  (wollt)  geben  mir  grundtlich  bescheidt 

F.  Dbdekind  papista  conv.  B  5»; 

in  netterer  spräche  von  schwächerem  geholt  und  schon  in- 
tensivierendem  gr.  (5.  sp.  858)  nahe:  und  unterhielt  sich 
mit  einem  arrondissementscomissär  gr.  über  das  Pariser 
grisettenwesen  Immermann  1,  17  B.; 

weil  ihr  mich  meines  lebens  habt  gesichert, 
80  will  ich  euch  die  Wahrheit  gründlich  sagen 

Schiller  14,  365  O.; 

mehr  nach  b  bzw.  E  hin  neigend:  irgend  eine  materie 
.  .  .  gr.  erörtern  Göthe  23,  227  W.;  um  den  fall  gr.  durch- 
zusprechen Ranke  w.  14, 123. 

ß)  entsprechend  adjectivisch  gefaszt:  die  burger  •  .  . 
wolten  kein  grüntlich  underrichtung  hören  Mathias 
v.  Kemnat  chron.  Friedr.  I.  26;  wir  {wollen)  .  .  .  gerne 
gruntüchere  underrichtung  nemen,  wie  die  glebde  {ab- 
machungen)  vorfast  und  beslossen  sint  {v.  j.  1477)  Stein- 
hausen privatbr.  d.  mittelalters  1,  187 ;  damit  aber  e.  kön. 
matt,  umbso  viel  desto  grundlicher  nachrichtung  .  .  . 
haben  mögen  acta  publica  3,  22  Palm;  dasz  dir  auch 
sonsten  ...  zu  einer  gründlichen  satten  nachrichtung 
dienen  kan  Fr.  Spee  güld.  tugendbuch  (1649)  506;  gründt- 
licher bescheid  und  bericht  commentarium  paulo  pleniu-s 
Frisius  259  a;  von  disem  allem  wirdet  die  künftig  post 
mer  gruntlichen  beschayd  bringen  Chr.  Scheurl  brief- 
buch  2,  188; 

gebt  mir  jetzt  gründtUchen  bescheyd 

Spreng  Äneis  9''; 

grundtlichen  berichtt  Kbafft  reisen  29^;  gab  er  ihm  des 
ein  recht  grundtlich  bericht  Bebeis  facetien  deutsch  (1558) 
D  5^;  Voigt  ain  gründlich  und  ausführlicher  bericht,  Avie 
es  umb  Schlädming  .  .  .  von  alter  her  ain  gstald  gehabt 
{um  1590)  österr.  weisth.  10,45;  die  steiger  sollen  ... 
gruntlichen  bericht  thuen  v.  Lori  baier.  bergrecht  259; 
wiewol  aber  der  könig  aller  sachen  gründlichen  bericht 
gehabt  Kirchhof  wendunmuth  2,  19  lit.  ver.;  keiner 
{wuszte)  einen  gründlichen  bericht  hierüber  zu  geben 
grillenver tr eiber  {1G70)  60;  weitleufftigen  und  gründlichen 
bericht  bekommen    H.  Rätel  chron.  d.  hztm.  Schlesien 


849 


GRÜNDLICH  B  2 


GRUNDLICH  B  8 


850 


270;  vielfach  in  buchtiteln  des  16.  utuI  17. /18.  Jahrhunderts, 
wobei  die  iniensive  bedeutungsrichtung  vortviegt  und  gr. 
bereits  b  naherückt:  gründtlicher  bericht  des  deudschen 
meistergesangs  (1571)  Adam  Puschmann  (bv^^htitel);  ein 
schön  nutzlich  tractetlein,  darinnen  .  .  .  gründlicher  be- 
richt von  den  heiligen  gottes  engein  (1609)  Hieron.  Örtel 
(btichtitel);  der  einen  griindlichen  bericht  von  ankunft 
und  uhrsprung  des  .  .  .  bernsteins  an  den  tag  gegeben 
J.  MiCRÄLiüS  altes  Pommernland  (1640)  buch  1,  17; 
kurtzer  und  gründlicher  bericht  de  vera  ratione  Schupp 
«cAr.  (1663)  )(  2^;  gründliche  nachricht  von  dem  teutschen 
münzwesen  (1739)  A.  v.  Praun  {buchtitel);  etwas  anders: 
Junkers  brief  steller  mag  gr.  genug  in  seiner  an  Weisung 
seyn,  wenn  die  exempel  besser  wären  Gottschedin  br. 
1,  21  Runkel;  des  feldbaus  ganze  historie  aufs  gi-ünd- 
lichste  und  in  weltüberblickendem  gesichtspunkte 
J.  V.  Müller  s.  w.  6,  438;  neue  Sammlung  gründlicher 
kanzelandachten  (buchtitel)  allg.  dtsche  bibl.  2,  2,  237;  zu  b 
bzw.  E  2  neigen  fälle  neuerer  redeweise  wie:  in  der  liebe- 
vollen und  gründlichen  erörterimg  über  ihren  durst 
Gutzkow  zaub.  von  Rom  l,  16;  er  .  .  .  weisz  dadurch  jeder 
gründlichen  Unterredung  zu  entschlüpfen  Schiller  14, 
196  G.;  nach  gründlicher  berathung  mit  frau  B.  Bis- 
MARCK  br.  a.  s.  braut  11;  von  meinem  gebrechen  wird  . . . 
rath  Vogel  gründliche  nachricht  geben  Göthe  IV  41, 95  W. 
y)  weniger  häufig  zur  bedeulung  'offenbar,  deutlicV  ver- 
selbständigt, vgl.  offenberlich,  gruntlich  enu^iate  Diefen- 
BACH  203*; 

nach  den  beweisen  wirt  grintlich  (,  da«z  . . .) 

Skb.  Brant  tuirrenschiff  108  Z.  {interpolation); 

wie  das  . . .  augenscheynlich  und  grundtlich  mag  gesehen 
werden  Stumpf  Schweizerchron.  481 ' ;  darausz  . . .  augen- 
schein-  und  gruntlichen  alle  Unordnung  .  .  .  entspringen 
thuet  (v.  j.  1625)  öslerr.  weislh.  3,  77. 

b)  dann  überhaupt  allgemein  einer  thätigkeit  in  der  weise 
obliegen,  dasz  die  art  des  handelns  cds  ^eindringend,  nicht 
leichtfertig,  gediegen,  sorgfältig'  charakterisiert  wird: 

wie  wol  das  recht  sol  wesen  frei 

an  argen  list,  grüntlich  verklärt  (erklert  Ju.  C) 

Oswald  v.  Wolkesstein  118,  353  Sehatz; 

ein  jegliche  ketzerey  macht,  das  ein  besonder  articul  desz 
glaubens  gründlicher  erklert  wird  Petri  d.  Teutsch.  uyeiszh. 
Ji%^;(es  soll  durch)  folgendt  exempel  grundtlich  erleutert 
werden  A.  Riese  rechenbuch  (1581)  58»;  von  diesem  allen 
soll  .  .  .  auf  das  kürtzeste  und  gründlichste  .  .  .  gehandelt 
werden  Hohberg  georg.  cur.  1,  8;  neue  künstliche  figuren 
biblischer  historien,  grüntlich  von  Tobia  Stimmer  ge- 
rissen Fischart  figuren  273  Kurz;  einem  jeglichen  artzet, 
der  da  will  ausz  der  kunst  ein  regimen  und  diaet  setzen 
grundtlich  und  rechtschaffen  Paracelsus  opera  l,  307£?.; 
als  das  nicht,  .  .  .  davon  er  (Cicero)  nit  grüntlich  reden 
kündt,  gewesst  ist  Schwarzenberg  d.  teutsch  Cicero  4*; 

du  redst  so  gruntlich  und  wol  darvon 
dasz  wirs  sehen  und  greifen  müessen 

N.  Manuel  Barbali  1410  Bäckt.; 

dein  oft  geübter  mund,  der  rein  und  gründlich  spricht 
J.  Chr.  Günther  ged.  420; 

ich  habe  die  weit  gesehn,  ich  kann  gr.  und  umfassend 
sprechen  Tieck  sehr.  3,  191;  deutlicher  geredet  luid  grob 
und  gr.  Nietzsche  jenseits  v.  gut  u.  böse  18,  wo  gr.  als 
stark  affecthaltig  in  E  übergeht;  man  konnte  nicht  gründ- 
licher .  .  .  urtheilen  Schübart  leben  u.  gesinn.  l,  178;  die 
übrigen  einwendungen  .  .  .  sind  zwar  zum  theil  nicht 
ohne  grund,  doch  keineswegs  gr.  vorgetragen  und  durch- 
geführt Göthe  II  4,  62  W.;  du  willst  die  lieder  gr.  sam- 
meln und  retten,  was  zu  retten  ist  G.  Keller  ges.  w.  6, 
50;  wir  wollen  gr.  vorgehen,  .  .  .  das  heiszt,  wir  wollen 
auch  die  vorrede  lesen  Fontane  ges.  w.  I  6,  220;  der 
haushaltsausschusz  .  .  .  hat  sich  sehr  gr.  mit  der  an- 
gelegenheit  befaszt.  dabei  stellte  sich  heraus,  dasz  die 
vorläge  nicht  nur  sehr  oberflächlich  ausgearbeitet  war, 
sondern  .  .  .  dtsche  allg.  zeitg.  v.  16.  in.  1932;  geradezu 
Wegeigerecht,  richtig'' : 

recht  gründlich  schreiben  deutsch  geziemet  deutschen  zungen 
Chr.  GUEINTZ  dtsche  rechtschreibg.  (1666)  Kl"; 

IV.  1.  6. 


jedes  weniger  grändliche  und  sorgfältige  verfahren  läszt 
immer  die  gefahr  übrig  W.  v.  Humboldt  ges.  sehr.  6,  9; 
eine  frage,  (die)  .  .  .  während  eines  menschenalters  der 
gründhchsten  behandlung  durch  hadernde  regierungen 
und  Volksvertretungen  .  .  .  unterliegt  Sybel  begründung 
d.  dtsch.  reiches  3,  3;  'eindringend':  da  denn  durchaus  eine 
sorgfältige  und  fleiszige  behandlung  an  die  stelle  einer 
gründhcheu  tritt  Göthe  II  3,  199  W.;  aus  dem  schoosze 
des  glücküchen  mittelstandes  .  .  .,  der  zu  jeder  gründ- 
lichen arbeit  des  lebens  stärkt  W.  Scherkr  kl.  sehr.  1,  4; 
die  altdeutsche  mahlerei  ist  nicht  nur  im  mechanischen 
der  ausf  ührung  genauer  und  gründlicher  als  es  die  italieni- 
sche meistens  ist  Fr.  Schlegel  s.  w.  6,  170. 

c)  gr.  lernen,  studieren  u.  ä.;  gr.  trägt  hier  neben  der 
bedeutung  'vom  fundament  ab,  bei  den  anfangsgründen  be- 
ginnend' besonders  den  gegensatz  zu  oberflächlich  in  sich, 
also  'tief  eindringend,  umfassend,  intensiv' :  sunder  usz  yn- 
brünstigem  willen  zu  der  lemung  fügt  sie  sich  zu  den 
höchsten  meistern,  gnintlich  die  kunst  der  rechten  retho- 
rica  •  .  .  ze  lernen  Steinhöwel  de  claris  mulieribus  162 
lit.  ver.;  er  lernt  die  kunst  gr.  Steinbach  l,  650;  sie  lernte 
nur  nothdürftig  lesen  und  schreiben,  aber  desto  gründ- 
licher lernte  sie  die  pantomimen  des  äuszerlichen  gottes- 
dienstes  Pfeffel  pros.  versuche  2,  6;  er  hat  sehr  viel, 
aber  nichts  gr.  gelernt  Nestroy  ges.  w.  2,  99;  die  gründ- 
liche erlernung  des  lateinischen  Miller  Siegtoart  1,  161; 
eine  gründliche  erlernung  und  zweckmäszige  ausübung 
der  künste  Eschenburg  entwurf  9 ;  welche  die  lateinische 
recht  nicht  gr.  studirt,  dasz  der  kein  rechtmessiger  richter 
.  .  .  seyn  könne  Lehman  florileg.  polit.  (1662)  591;  weil 
sie  alles  gr.  studieren  Schiller  l,  20  Q.;  deszwegen  musz 
er  die  menschliche  figur  .  .  .  ernst  und  gr.  studiren  Göthe 
47,  253  W.;  selbst  philosophie  hatte  er  nicht  gr.  und 
systematisch  studiret  Bahrdt  gesch.  s.  lebens  2,  21;  der 
eifer,  durch  gründliche  Studien  zur  meisterschaft  ...  zu 
gelangen  Göthe  49,  38  W.;  Beethoven  {hat)  .  .  .  auf  Mo- 
zarts klavierconcerte  .  .  .  ein  sehr  gründliches  Studium 
gewandt  Jahn  Mozart  4,  57;  talent  und  feuer  findet  man 
in  allen  seinen  sachen,  weniger  gründliches  Studium  und 
gefühl  L.  Richter  lebenserinn.  (1909)  527;  er  hatte  . . . 
die  musik  gr.  getrieben  O.  Jahn  Mozart  l,  10;  ich  würde 
mir  ein  fach  wählen,  um  es  sehr  gr.  zu  fassen  Caroline 
1,  64  Waitz;  dasz  sie  ...  sich  ...  gr.  ...  unterweisen 
lassen  wolte  Schnabel  insel  Fdsenburg  35  U.;  er  unter- 
richtete mich  sehr  gut  und  gr.  U.  Bräker  a.  sehr.  1,  46; 

zum  gründlichen  der  wahrhelt  Unterricht 

A.  Lob  WASSER  calumnia  B  V**; 

so  ist  für  treuen  und  gründlichen  Unterricht  gesorgt 
Göthe  25,  5  W.;  so  handelte  es  sich  fürs  erste  noch  um 
eine  gründliche  Vorschule  Mörike  w.  3,  20;  es  fehlte  .  .  . 
die  gründliche  Schulung  imd  Vorbereitung  Meineckb 
V.  Boyen  1, 45;  ein  gr.  gebildeter  contrapunktücer  0.  Jahn 
Mozart  l,  429;  hierher:  ich  versichere  sie,  ich  weisz  nichts 
gr.  G.  Freytag  ges.  w.  7,  12. 

3)  entsprechend  in  mannigfacher  nuayicierung  adjedi- 
visch  bei  begriffen,  die  den  bereich  oder  das  product  einer 
als  gr.  gekennzeichneten  thätigkeit  bezeichnen,  vorab  im  jün- 
geren nhd. ;  für  ältere  belege  ist  mit  einschlag  von  C  2  b 
zu  rechnen: 

keyser,  wilt  du  hie  von  mir  sehen 
recht  gründlich  kunst  der  alchamey, 
der  ich  denn  bin  ein  meyster  frey 

H.  Sachs  16,  424  K.-  G.; 

berckwerck  .  .  .,  die  durch  .  .  .  embsigen  fleisz  aus  gründt- 
licher lehre  .  .  .  langwierig  erhalten  möchten  werden 
Ercker  mineral.  ertzt  (1580)  vorr.  3*;  eine  ächte  philo- 
sophie meyn  ich  und  eine  gründliche  mathesin  Göthe 
IV  1,  244  W.;  in  büchem  von  strenger  moral  und  gründ- 
licher Philosophie  Bode  Tristram  Schandi  3,  152 ;  diesem 
unheilsamen  verein  gegen  gründliche  Wissenschaft  Vosz 
antisymb.  2,  4;  je  reeller  und  gründlicher  eine  Wissen- 
schaft ist  Herder  13,  \0  9.;  seine  gründliche  politLk  im 
Fabius  gefällt  mir  Gleim  brief w.  l,  187;  in  der  gründ- 
lichen bildung  seiner  beamten  .  .  .  besitzt  Preuszen  eine 
macht  Freytag  ges.  w.  15,  42;  dieser  hochverdiente  mann 


851 


GRÜNDLICH  B  4-5 


GRÜNDLICH  G  i 


852 


(hat)  auch  den  rühm  einer  gründlichen  gelehrsamkeit  dar- 
von  getragen  Chb.  Weise  polit.  redner  (1677)  556;  doch 
an  gründUcher  gelehrsamkeit  mangle  es  ihm  wie  allen 
belletristen  Göthb  19,  ö2  W.;  ich  wiU  einige  gedanken 
herwerfen,  die,  wenn  sie  nicht  gr.  genug  sind,  doch 
gründlichere  veranlassen  können  Lessing  10,  82  L.-M.; 
den  eben  so  umfassenden  als  gründlichen,  warmen  und 
sachgemäszen  Vortrag  Stifter  «.  w.  14,  64; 

mit  seiner  gründlichen  kritilc 

J.  G.  Jacobi  ».  w.  1,  7; 

in  Sachen  des  .  .  .  feineren  gründlichen  urtheils  über  litte- 
rarische gegenstände  Herder  15,  486  S.;  bis  wir  zuletzt 
vor  einer  noch  gründlicheren  frage  ganz  und  gar  stehen 
bUeben  Nietzsche  jenseits  v.  gut  u.  böse  7;  vor  allem  ver- 
breitet zur  Charakterisierung  wissenschaftlicher  arbeit,  lite- 
ratur  u.  ä.;  gegensatz  ist  auch  hier  meist  oberflächlich, 
doch  klingt  die  Vorstellung  des  soliden  nicht  selten  mit:  es 
(ist)  ihm  ernst,  eine  gründliche  Untersuchung  zu  liefern 
Göthb  IV  33, 235  W.;  eine  gründliche  ausarbeitung 
Dahlmann  franz.  revol.  57;  nun  erging  er  sich  in  einer 
.  .  .  fast  ethnographisch-gründlichen  abhandlung  über 
frauenschönheit  Heyse  ges.  w.  II  4  (1924),  289;  sein  werk 
gehört  unter  die  gründlichsten  dieses  jahrhundertes  Gra- 
mer nord.  aufseher  1,  70;  ein  gutes  gründliches  buch 
ScHTJBART  briefe  1,  11  Strausz;  mehr  pejorativ:  hierauf 
folgt  der  herr  prorektor  mit  einem  Staatsrecht,  aber  das 
wird  zum  erbarmen  gr.  sein  br.  Grimm  briefw.  9;  manche 
(haben)  manches  .  .  .  weit  vollkommener  gesagt,  das  in 
Spinoza  bereits  gründlicher  stand  Herder  16,  417 /S.; 
ich  denke,  dasz  alles,  was  ihr  da  sagt,  auffallender  als 
gr.  ist  GÖTHE  45,  10  W.;  was  der  engelländische  Zu- 
schauer .  .  .  davon  gesagt,  ist  noch  das  kläreste  und 
gründlichste,  das  mir  über  diese  materie  zu  gesicht  ge- 
kommen BoDMER  crit.  poet.  sehr.  1,  92;  gründlicheres, 
rechtschaffeneres,  klareres  ...  ist  wohl  nicht  gedruckt 
FÜRST  PÜCKLER  briefw.  3,  100;  fast  zur  reinen  qvMitiUs- 
bezeichnung  entfärbt  Hrefflich': 

erforscht  sein  gründliches  latein! 

Stoppe  Parnats  (1735)  374; 

ich  .  .  .  freue  mich  indessen,  dasz  unsere  blätter  sich  so 

tüchtig  und  gr.  ausnehmen  Göthe  IV  17,  46  W. 

4)  gr.  weiter  auf  das  wirkende  oder  wirkend  gedachte 

organ  der  geistigen  thätigkeit  angeweridet,  '^eindringend' : 

von  allem  was  Euklldes  schreibet  .  . . 
belcomst  du  gründlichen  verstand 

KOMPLEK  V.  LÖWBNHALT  CTsteB  gebüsch  69; 

eine  dauerhafte  gesundheit,  einen  gründlichen  verstand 
BoDE  Tristram  Schandi  1,  12;  der  künstler  bedarf  eines 
tiefen,  gründlichen,  ausdauernden  sinnes  Göthe  47, 
102  W.;  an  der  grenze  zu  e  liege'iid:  der  Verfasser  musz 
ein  .  .  .  gründhcher  geist  seyn  Lessing  5,  181  L.-M. 

6)  atich  in  anwendung  auf  das  handelnde  subject  im 
ganzen  jüngeren  datums,  doch  vgl.  ähnlich  persönlich  ge- 
wendetes gnmdiglich: 

darinn  (im  schacTispiel)  er  also  grundiglich 
und  scharpff  mit  suptiln  sinnen  rieh 
auch  vil  listen  gewesen  ist 

M.  Beheim  chron.  Friedr.  /.,  str.  55; 

prädicativ:  seine  unwiderstehliche  neigung  gr.  zu  seyn 
Göthb  IV  ll,  17  W.;  es  ist  nicht  jedermanns  sache  gr. 
zu  sein  Fontane  ges.  w.  I4,  311;  obgleich  Englände- 
rinnen immer  gr.  sind  Gutzkow  zaub.  v.  Rom  3,  352;  vgl. 
Fischer  schioäb.  3,  878;  Hief  eindringend'  in  philosophi- 
scher hinsieht  mit  besonderem  geholt:  wer  viele  deutlich- 
keit  in  Schlüssen  hat,  den  nennet  man  gr.  Chr.  Wolf 
ged.  v.  gott  470;  meist  attributiv:  die  erklärung  dieser 
kunsttriebe  (ist)  .  .  .  noch  zuletzt  einem  gründlichen 
Philosophen  Deutschlands  miszglücket  Herder  5,  22  S.; 
der  gründliche  Aristoteles  Lessing  10,  84  L.-M.;  der  sub- 
tile Phiüdor,  der  gründliche  Mayot  Göthe  45,  3  W.; 
Faust  .  . ,  war  mehr  Scharlatan  als  gründlicher  gelehrter 
Köhler  leben  u.  thaten  .  .  .  dr.  Joh.  Fausts  (1791)  46;  an 
gründlichen  und  gelehrten  richtern  konnte  es  in  diesen 
spielen  nicht  fehlen  Winckelmann  s.  w.  l,  13;  der  alte, 
geschmackvolle   und   gründliche   kunstrichter  (Bodmer) 


Herder  15,  491  »S.;  blasser  'tüchtig^  einem  guten  und 
gründlichen  deutschen  fechtmeister  Göthe  21,  143  W.; 
man  (kann)  ohne  eine  gewisse  künstlereinsicht  unmöglich 
ein  gründlicher  antiquar  seyn  Gerstbnberg  recensionen 
170  lit.-denkm.;  nachf olger  oder  gründliche  schüler  Schle- 
gel s.  w.  5,  193;  ein  wahrer  und  gründlicher  componist 
Scheibe  crit.  musicu^  32;  seine  beyden  capellmeister 
Fuchs  und  Caldara  waren  die  gründlichsten  tonsetzer 
der  weit  Schübart  ästh.  d.  tonkunst  75;  wie  ^gelehrt, 
kenntnisreich^ : 

drey  männer  von  gesetztem  geist, 

die  man  mit  Wahrheit  gründlich  heiszt, 

besteigen  der  katheder  stufen 

Gottsched  ged.  (1751)  1, 158; 

neulich  abends  im  spanischen  hof,  es  waren  lauter  gründ- 
liche leute  da,  .  .  .  spricht  (Raymund)  statt  von  panen 
und  Satyrn  mir  nichts  dir  nichts  .  •  .  immer  von  Wald- 
teufeln MÖRIKB  maier  N ölten  2,  231;  dann  ist  der  herr 
ein  gründlicher  botanikus  A.  v.  Droste-Hülshoff  w.  2, 
334;  gr.  zu  sein,  gilt  als  eine  deutsche  nationaleigenschafi 
(vgl.  gründlichkeit  sp.  861):  solch  ein  possenspiel  konnte 
der  gründliche  deutsche,  der  redliche,  ohne  Unwillen  an- 
I  sehen?  J.  H.  Vosz  antisymb.  l,  65;  nicht  immer  positiv 
bewerthel : 

zankt  nicht  um  eure  hohen  gaben 

ihr  gründlichen,  o  bleibt  in  ruh 

Geliert  w.  1, 138; 

du  bist  der  gründlichste,  was  mich  mitunter  recht  un- 
geduldig macht  Fontane  ges.  w.  I  5,  306;  an  'schwer- 
fällig^ grenzend:  die  poeten  (dichten)  .  .  .  den  derben, 
gründlichen  menschen  .  .  .  allerlei  übertriebene  empfinde- 
leien  (an)  Hebbel  tagd>.  2,  325;  vgl.  sein  blödes,  schwer- 
fällig gründliches  wesen  Scheffel  ges.  w.  2,  156;  direct 
auf  die  menschliche  eigenschaft  statt  auf  die  person  selbst 
bezogen:  ihre  fröhlichen  entzückungen  stechen  mit  den 
gründlichen  eigenschaften  ihrer  Schwester  vortrefflich 
ab  Lessing  2,  59  L.-M.;  er  hatte  die  klugheit  anfänglich 
seine  gründlichere  eigenschaften  zu  verbergen  Wieland 
Agathon  2,  171;  (Zelter)  mit  seiner  tüchtig  gründlichen 
Individualität  Göthe  IV  41,  lOO  W.;  der  ruhigen  und 
gründlichen  anläge  unsers  nationalcharacters  Lenz  sehr. 
2,  320  Tieck;  wo  das  personale  Substantiv  noch  fühlbar  ver- 
baler ableitung  ist,  wird  von  der  enfs]>rechenden  verbalen 
Wendung  aus  die  bedeutung  von  gr.  beeinfluszt;  so  beson- 
ders ein  gründlicher  kenner :  kann  zuweilen  nicht  so  genau 
untersucht  werden,  wenn  nicht  gründliche  kenner  da 
sind  Nicolai  reise  l,  156;  ein  gründlicher  kenner  in  sachen 
Berliner  .  .  .  weiszbieres  Fontane  ges.  w.  I  1,  317;  ähn- 
lich: den  gründlichsten  Zweifler  hat  er  bei  Johannes  zu 
befriedigen  D.  Fb.  Stbatjsz  ges.  sehr.  3,  373. 

C.  im  frühen  nhd.  entwickelt  und  in  jüngerer  spräche 
stark  zurückgehend  zeigt  gr.  eine  gruppe  von  bedeutungen, 
die  sich  mehr  oder  weniger  deutlich  an  grund  IV  'funda- 
ment,  basis'  anlehnen  und  den  begriff  des  sicheren,  festen, 
auch  des  wahren,  begründeten  vertreten. 

1)  noch  halb  sinnlich  gefaszt  'sichert  diser  artikel  ist 
ein  stütz,  darauf  der  nächst  darvor  grundlich  gebuwen 
ist  ZwiNGLi  dtsche  sehr,  l,  195;  christenlicher  glaub  ist  in 
dem  blüt  Christi  zum  ersten  grundlichen  gefestet  ebda 
1,  341;  man  werde  ...  so  grosze  wichtige  sach  rüt  grunt- 
lich  setzen  mögen  auf  dises  spiel  J.  Vogelgesang  gespräch 
11  ndr.;  alsso  finden  wyr  ynn  gantzem  geystlichen  wessen 
nichts  grundlich,  gewiss  und  bestendig,  es  wanckt  und 
feret  noch  alHs  Luther  10,  l,  1,  705  W.;  ein  jedes  stand- 
festes geben  beruhet  auf  seinen  unbeweglichen  wolbepfäl- 
ten  gründen,  also  einer  jegUchen  spräche  kimstgebeu  be- 
stehet gr.  in  ihren  uhrsprünglichen  natürlichen  stamm- 
wörteren  Schottel  teutsche  Sprachkunst  (1641)  74;  von 
Göthe  adjectivisch  in  verwandtem  sinne  'auf  festem  gründe 
ruhend,  gut  gegründet,  gesichert,  dauerhaft^  neu  auf  grund 
IV  bezogen:  mit  dem  behagen  eines  gründlichen  Wohl- 
standes 29,  158  W.,  vgl.  23,  247;  anders  'solide':  die  . . . 
dauer  des  monuments  mag  sich  wohl  aus  einer  so  gründ- 
lichen anläge  herschreiben  33,  10  (von  einem  obelisk  aus 
Steinquadern). 


853 


GRÜNDLICH  C  2 


GRÜNDLICH  C  3 


854 


2)  entfaltet  nur  in  mehr  abstracten  bezirken;  gemeinsam 
ist  den  Verwendungen  dieser  art,  dasz  gr.  vorwiegend  die 
Vorstellung  ^eine  yrundlage  besitzend,  gut  fundiert,  gegrün- 
det, begründet'  enthalt;  neben  grund  IV  A  und  B  spielt 
auch  IV  C  des  öfteren  hinein;  vgl.  die  gegensatzbildung 
unbewiesen  und  ungründlich  Schottel  teutsche  sprach- 
kunst  4. 

a)  in  älteren  formelhaften  Wendungen  gründliche  schrift, 
gründliche  Ursache  steht  gr.  theils  in  concurrenz  zu  gegrün- 
detj  theils  liegt  eine  wenduTig  in  adjecfivische  Verbindung 
anstelle  einer  substantivischen  (grund  der  schrift,  grund 
und  Ursache)  vor;  gründliche  schrift  {vgl.  gegründete 
schrift  sp.  785):  derhalben  ich  .  .  .  mir  furgenummen  zu 
weyterer  Unterricht  und  endtdeckung  der  falschen  ge- 
ferbeten  kirchen  die  artickel  allesampt  mit  grundlicher 
schrifft  beweysen  Luther  7,  311  W.;  bis  ich  ...  mit 
grundlicher  schrifft  widderlegt  werde  7,  90;  nyeman  mag 
ey  darzü  bringen,  auch  angefochten  durch  scheinlich 
geschrifft,  dieweil  sy  nitt  gantz  klar  und  gruntlich  ge- 
schrifft  vor  in  haben  Ebeblin  v.  Günzbttbq  2,  149  ndr.; 
ähnlich  parallel  zu  gegründet  (vgl.  sp.  785),  doch  weniger 
häufig  auch  gründliche  Ursache:  item  die  zeugen  sollenn 
sagen  von  irem  selbs  eigen  waren  wissenn  mit  irs  Wissens 
gruntlicher  ursach  Carolina  39  Kohler  -  Scheel ;  christen- 
lichs  glaubs  stuckh  und  artickel  seinn  .  .  .  aus  grund- 
lichen Ursachen  .  .  .  fast  glaublich  Berth.  v.  Chiemsee 
teutsche  theol.  46  R.;  wer  aber  aus  bloszer  einbildung  und 
nicht  aus  bewegung  gründlicher  Ursachen  eine  wichtige 
Sache  vernimmt,  der  ist  ein  narr  Pbätorius  glückstopf 
119;  was  etzliche  ohn  gründliche  lursache  .  .  .  dawider 
aufgebracht  .  .  .  haben  Schottel  friedens  sieg  12  ndr.; 
wer  .  .  .  nicht  aber  erscheinet  oder  mit  gründhcher  ursach 
sich  entschuldigen  lasset  (um  1755)  österr.  weisth.  11,  86; 
nur  vereinzelt  in  späterer  zeit:  da  ich  nun  meine  gründ- 
lichen Ursachen  gesagt  hatte  Göthe  44,  205  W.;  sehr 
gründliche  Ursache  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.  (1831)  l, 
19;  jünger  ist  gründlicher  beweis: 

kein  gründlicher  beweis 

Chb.  Günther  nachlese  (1742)  148; 

{man  sah)  einen  gründlichen  beweis,  dasz  ein  lebendiger 
Philosoph  einer  Jungfer  nöthiger  sey  als  ein  todter 
Schwabe  belustigungen  l,  192;  o  gründlicher  beweis 
Cronegk  sehr.  2,  131,  vgl.  Campe  2,  473;  gründliche  be- 
weiszthümer  pruove,  ragioni  sode  Krämer  teutsch-ital. 
1,  574*;  dergleichen  beweismittel  .  .  .  sind  nicht  gr.  und 
halten  den  stich  nicht  Leibnitz  dtsche  sehr.  2,  250;  mit 
anderen  beziehungswörtern  in  weniger  typischer  verbin- 
düng:  axioma  .  .  .  ein  vollkümlicher,  gründthcher  oder 
gewisser  spruch  Alberus  dict.  30*;  meiner  feinde  schelt- 
worten  mit  gründlicher  antwort  zu  begegnen  .  .  .,  auf 
das  ich  nicht  allzeit  die  ungegründete  nachreden  hören 
müse  Fischart  w.  3,  66  Hauffen; 

kan  sonsten  jemand  noch  von  dies-  und  andern  dingen 
mit  grundlichem  bezeug  auf  mich  an  jetzo  bringen 

Reinicke  fuchs  (1650)  288; 

ohne  jemandes  gründlichen  wiederspruch  Chr.  Starke 
Synopsis,  neues  test.  3  (1737)  1529;  er  wolle  sein  gründ- 
liches bedencken  cum  rationibus  dubitandi  et  decidendi 
durch  Überbringern  dieses  wohl  verwahret  zurück  senden 
Thomasixjs  ernsth.  gedancken  (1720/.)  2,  110;  dieser  erste 
gedanke  war  sehr  gr.  und  würde  ihm  vieles  ungemach 
erspart  haben,  wenn  er  seiner  eingebung  gefolget  hätte 
Wieland  Agathon  (1766/.)  2, 172;  ich  weiche  einem  gründ- 
lichen argument  sehr  gerne  Lichtenberg  nxichlasz  90; 
die  anmerkungen,  die  er  gemacht  hat  {sind)  nicht  gr. 
Vernunft,  tadlerinnen  l,  274;  diejenigen,  die  nur  gründ- 
lichen, unwidersprechlichen  Zeugnissen  trauen  Grafen 
Stolberg  ges.  w.  I3,xxxi;  der  letzte  grund  ist  so  ver- 
dammt gr.,  dasz  sich  nichts  von  bedeutung  dagegen  ein- 
wenden lässt  TiECK  sehr.  5,  16;  etwas  anders:  laszt  mich 
aus  eurem  munde  gründliche  worte  hören  und  nicht  eitel 
fabeln  und  geschwätze  Göthe  43,  305  W.;  es  {ist)  mir 
wichtig,  ein  gründliches  wort  darüber  zu  vernehmen 
Chamisso  5, 186. 


b)  namentlich  bei  begriffen  wie  kenntnis,  wissen,  Wissen- 
schaft u.  ä.  birgt  gr.  überwiegend  den  bedeutungsinhalt 
''fundiert,  auf  sicherem  fundament  ruhend,  solide',  gegen- 
über B  3  also  ein  mehr  statisches  moment  {vgl.  gegründet 
sp.  783):  {wovon)  man  gewisse  und  gründtliche  kund- 
schaft  hat  Reutter  v.  Speir  kriegsordnung  (1594)  59; 
er  .  .  .  besitzt  gewisz  eine  ganz  gründliche,  obwol  nicht 
methodische  kenntnisz  der  naturgeschichte  Förster  «. 
sehr.  7,  89;  die  ausgebreiteten  und  gründlichen  kännt- 
nisse  {Leasings)  Herder  15,  490  jS.;  mit  anderer  nuance: 
der  mensch  wird  ein  sophist  und  überwitzig,  wo  seine 
gründlichen  kenntnisse  nicht  mehr  hinreichen  Lichten- 
berg sehr,  l,  161;  ich  .  .  .  besasz  zumal  keine  unze  klug- 
heit  oder  gründliches  wissen  U.  Bräker  s.schr.  1,240; 
die  hohen  gedanken,  das  gründliche  wissen  der  alten 
meister  Justi  Winckelmann  2,  1,  32;  da  aber  jemand  ohne 
sattsame  gründliche  Wissenschaft  und  erfahrung  der 
Sachen  einer  vorschnellen  censur  sich  unterwinden  wolte 
Che.mnitz  schwed.  krieg  l,  vorr.  4 ;  fühlbarer  nach  B  3 
orientiert:  gute  und  wo  möglich  gründliche  Wissenschaft 
.  .  .  von  der  fortification  v.  Fleming  teutsch.  soldat  416; 
ich  lasse  aber  hierüber  das  urtheil  denen,  welche  hier- 
innen gründliche  Wissenschaft  haben  Abraham  a  s.  Clara 
eluKLs  f.  alle  2,  168;  blasser:  Tieck  .  .  .,  der  aber  selbst 
zur  zeit  der  herausgegebenen  minnelieder  noch  keine 
gründliche  historische  Wissenschaft  davon  gehabt  hat 
BR.  Grimm  br.  an  Benecke  4;  vergleichbar  sind  fälle  wie: 
man  wird  die  verdienst«  und  gebrechen  unsrer  deutschen 
scribenten  nach  gründlichen  regeln  beurteilen  Gottsched 
beyir.  z.  er  lt.  hist.  1,  vorr.  4;  zu  wenig  gründliche  Vorstel- 
lungen von  der  beschaffenheit  des  nordens  Schlosser 
weltgesch.  {ISiiff.)  3,  513;  er  wuszte,  dasz  die  schönsten 
bilder,  wenn  wir  nichts  aus  ihnen  lernen,  etwas  un- 
schmackhaftes bey  sich  führen,  .  .  .  dasz  gründlichere 
dinge  ihnen  eine  gewisse  stärcke,  ein  gewisses  saltz  er- 
theilen  müssen  Ramler  einleitung  l,  138;  une  'wichtig, 
wesentlich' :  die  leute  sehen  mehr  auf  einige  kleine  neben- 
umstände als  auf  gründliche  dinge  Gottsched  dtsche 
Schaubühne  l,  446. 

c)  nur  in  älterer  spräche  wie  'sicher,  bestimmt' :  und  sich 
ein  gruntlich  antwort  zu  beschliszen  {ist)  iczliche  gemeine 
in  ire  Stadt  gezogen  Joh.  v.  Fbeiberg  Königsberger  chron. 
132 ;  die  baten  zwar  fleiszig,  .  .  .  konnten  aber  kein  gründ- 
liche antwort  von  mir  bekommen  H.  v.  Schweinichen 
denkw.  57  österl.;  mit  genügsamer,  eygentlicher  und 
gründtlicher  erklärung  W.  H.  Ryff  anatomi  AI*;  von 
den  samentlichen  lehnsfürsten  und  ständen  obgedachter 
drey  creisse  eine  eigentliche  und  gründliche  resolution 
. .  .  erhalten  Chemnitz  schwed.  krieg  2,  184. 

3)  gr.  im  sinne  'die  grundlage  bildend,  die  basis  gebend, 
das  fundament  darstellend',  im  ganzen  wenig  ausgehreitet, 
aber  in  verschiedenen  zeitstufen  des  nhd.,  wohl  unter  ein- 
fiusz  von  ftindamental,  erkennbar;  vgl.  die  wiedergäbe  von 
lat.  substantia  durch  gruntlich  ding  Diefenbach  561 '^ 
und  entsprechend  substantiabiliter  gruntlich  ebda;  weiter 
gruntlich  originalis  400°,  gruntUcher  anfang  principium 
460*;  ist  niemand  gezwungen,  sich  dieser  meiner  lehr  zu 
brauchen,  ich  weisz  aber  wol,  wer  sich  der  unterstehen, 
wirdet  nit  allein  einen  gründlichen  anfang  daraus  fassen, 
sondern  . . .  A.  Dürers  schriftl.  michlasz  182  Lange  u. 
Fuhse;  de  principüs  geometriae,  gründtlicher  anfang 
und  Vorbereitung  der  geometria  L.  Hulsifs  erster  tractat 
(1604)  12;  kintlich  lere,  grob  gruntlich  underwisung  rudi- 
mentum  Diefenbach  502  <=;  was  sag  ich  allain  von  erlehr- 
nus  der  sprachen  und  der  anfang  gründlicher  lehr 
Fischart  podagr.  trostb.  in  w.  3,  90  Hauffen;  sintemahl  wir 
von  den  indischen  und  chaldeischen  weisen  diese  gründ- 
liche lehre  angenommen  Lohbnstein  Arminius  l,  169*; 
vgl.  gründliche  lehre  dottrina  soda,  fondata,  fondamentale 
Kramer  teutsch-ital.  l,  574*';  wie  ein  solcher  risz  zu  ver- 
fertigen sey,  wird  insgemein  von  denenjenigen  abgehan- 
delt, welche  von  der  baukunst  gründliche  regeln  gegeben 
Chr.  Wolf  math.lex.  (1747)  621;  ähnlich:  gründliche 
schulwissenschaften  Göthe  IV  l,  182  W.;  die  erlernung 
gründlicher  Wissenschaften  . .  .  verabsäumen  Kant  ges. 

54« 


855 


GRÜNDLICH  C  4 


GRÜNDLICH  C  5-6 


856 


sehr.  Z,  19  akad.;  gründliche  Schriften,  wie  man  sie  trac- 
tiret  Chb.  Wolf  ncUürl.  dinge  (1724)  register,  bl.  lis"; 
anders  verstanden  und  gegen  bündig  abgegrenzt:  in  rück- 
sicht  auf  die  unleugbarkeit  der  grundsätze  heiszt  ein 
System  gr.  Ebeehard  Synonymik  3,  325;  tide  ''exacf :  die 
sogenannten  gründlichen  oder  philosophischen  Wissen- 
schaften Gekstenberg  recensionen  151  lit.  dkm.;  ''theo- 
retisch'':  dogmatica  medicina  oder  rationalis,  gründliche 
oder  theoretische  arzneiwissenschaft  Bläncard  arznei- 
wb.  (1788)  1,  741^;  die  Wissenschaften,  sie  mögen  blos 
schön  oder  zugleich  gr.  seyn  Hippel  lebensläufe  l,  491; 
'dogmatisch' :  Origines  habe  .  .  .  keineswegs  die  fromm 
scheinende  mystische  theologie  auf  kosten  der  gründ- 
lichen empfohlen  Zimmermann  einsamkeit  2,  387. 
4)  eine  existenzgrundlage  habend. 

a)  so  im  historischen  sinne  'quellenmäszig  beglaubigt, 
wahrhaft  geschehen':  die  weil  diese  tapfferen  that  und  wun- 
derlichen historien . . .  gründtlich  und  eigentlich  geschehen 
. . .  sind  Thym  Thedel  v.  Wallm.  3  iidr.;  ein  history,  ein  ge- 
schieht, ein  ordenliche  erzellung  und  erklärung  waarhaf- 
ter,  grundtlicher  und  geschächner  dingen  Frisiüs  630*'; 

(der  mag)  .  . .  dieser  wahren  gründlichen  gcscliicht 
allda  eynnemen  bessern  bericht 

N.  Frischlin  dtscke  dicht.  60  lit.  ver.; 

von  historien,  das  ist  grundtlicher  erzelung  warer  .  . . 
Sachen  Xylander  Polybius  (1574)  vorr.  3^;  der  wisse, 
dasz  diese  (speciale  facta)  eben  .  .  .  die  nothwendigsten 
stücke  einer  gründlichen  historie  ausmachen  G.  Arnold 
kirchen-  u.  ketzerhist.  (1699)  vorr.,  nr.  38;  für  gewisz  und 
gründtlich  hielten  (sie,)  dasz  diese  ausz  Spanien  und  nicht 
ausz  der  insel  Haiti  kämen  Höniger  weltspiegel  (1579)  45; 
disz  ist  ein  gründtliche  conterfactur  desz  hausen  (fisch) 
Herold  u.  Forer  Qeszners  thierbuch  3, 186;  entsprechend 
subst.  gründliches  s.  u.  sp.  859. 

b)  adverbial  '^ glaubwürdig' :  gründtlich  und  warhaftigk- 
lich  von  eim  handel  reden  dicere  probabiliter  Frisiüs 
1061'';  gr.  sagen  probabiliter  dicere  Dentzlee  clavis  (1716) 
141^;  also  kan  niemand  ettwas  von  dem  andern  gründt- 
lich sagen  denn  sein  landssman  Agricola  sprichw.  e  3*; 

von  dem  ich  das  hab  gründtlich  gehört, 
das  durch  syn  kouff  Troy  wardt  zerstört 

Murner  schelmenzunft  57  ndr.; 

'mit  Sicherheit':  ab  dem  aber  allem  alszo,  weis  e.  cfl.  g. 
ich  bestendiglich  ader  gruntlich  nicht  zu  schreiben  Hans 
V.  D.  Planitz  berichte  437;  ausgebreitet  ist  die  formet  gr. 
beweisen,  bestätigen  u.  ä.  (vgl.  auch  mit  grund  sp.  725): 

wie  man  worhafft  und  gruntlich  müg  besteten 

Hans  Folz  31,  8  Mayer; 

da  wirt  grundlich  bewerett,  das  er  (Christus)  gott  sey 
Luther  10,  l,  l,  162  W.;  so  einer  in  der  hauptsach  die  misse- 
tat  gruntlich  mit  einem  eynzigen  guten  tügenlichen 
zeugen  .  .  .  beweiset  bambergensis  19  Kohler-Scheel;  ich 
hab  grundlich  beweyszet,  das  die  ablasbepste  teuscher 
geweszen  sind  Luther  10,  2,  241  W.;  so  sollen  sie  die 
Sache  gr.  und  mit  guten  bewehrten  zeugen  beweisen 
Reinicke  fuchs  (1650)  369;  wan  sy  es  gründtlich  khinden 
erweysen  und  beybringen,  soll  innen  wilfartt  werden 
Keafft  reisen  258  lit.  ver.;  dasz  sie  (die  stadt  Zürich)  uralt, 
wirt  gruntlich  erwisen  Stumpf  Schweizerchron.  481*; 
welches  .  .  .  dennoch  der  Wahrheit  gemäsz  und  so  gr. 
erwiesen  werden  kan  Morhof  Unterricht  1,  4;  welches 
aber  nicht  gr.  zu  erweisen  Köhler  schles.  kernchron.  (1710) 
1, 34;  gehaltvoller:  da  nun  aber  der  oben  angeführte  grund- 
satz  . . .  noch  nicht  so  gr.  erwiesen  ist,  dasz  man  darauf 
bauen  könnte  Beeitingee  zuverläss.  nachricht  (1741)  25. 

c)  'mit  gutem  gründe,  mit  recht'  (vgl.  mit  grund  sp.  725): 
daher  der  selige  herr  Lutherus  aus  dieser  bitte  (des  Vater- 
unsers) .  .  .  gründlichen  geschlossen  .  .  .,  dasz  sein  wille 
von  uns  geschehe  J.  B.  Caepzov  leichpredigten  (1698)  119; 
wir  Christen  aber  können  mit  Paulo  gründlicher  sagen, 
sterben  sey  unser  gewinn  ders.,  auserles.  trost-  u.  leichenpr. 
603 ;  wie  hr.  T.  in  seiner  gelehrten  muthmaszung  .  .  . 
grundlich  anmerkt  Uleich  sammig.  jüd.  gesch.  (1768)  133; 
was  beweis-  und  gründlich  forgebracht  würd  Bbllin 
rechtschr.  (1657)  b  5^. 


5)  mit  betonung  des  inneren  Wahrheitsgehaltes  {vgl. 
grund  IV  B  4),  'wahr,  wirklich,  gewisz' :  das  (ist)  die  recht 
aigentUch  grundlich  ursach  gewessen  chron.  d.  dtsch. 
Städte  23,  105;  ich  khan  ihr  kein  gruntUchs  ('rechtes') 
trauen  aus  ir  bringen  Steinhausen  privatbr.  d.  mittd- 
alters  l,  180;  die  rechte  gründliche  beschaffenheit  schwe- 
benden Streits  Harsdörfer  frauenzimmer  gesprächsp.  1, 
m  8*;  die  eigentliche  und  gründliche  deutung  (der  ko- 
meten)  aber  ist  dem  allmächtigen  gotte  allein  .  .  .  be- 
wuszt  Prätoriüs  anthropod.  plutonic.   l,  278; 

sein  (des  sonnerdiehts)  gründlich  wesen  hat  noch  kein  ver- 
stand erreicht 
G.  Kamper  in  Lohknsteins  Ubenslauf  C  2''; 

unsere  .  .  .  muttersprache  in  ihrem  gründlichen  wesen 
und  rechten  verstände  .  .  .  auszuüben  Adelung  magazin 
f.  d.  dtsche  spräche  2,  l,  15;  namentlich  im  gegensatz  zum 
offen  zu  tage  liegenden  oder  scheinbaren  befund  (vgl.  grund 
sp.  718),  'eigentlich' :  nun  wollen  wir  ,  .  .  den  grundlichen 
vorstand  diser  bitt  suchen  Luther  2,  108  W.;  ehe  sie 
von  ihm  gründlichen  verstand  seines  rufens  eingenom- 
men, war  .  . .  der  (dieb)  . .  .  darvon  kommen  Kirchhof 
wendunmuth  2,  228  Österl.;  doch  war  sein  grüntliche  und 
entliche  mainung,  das  er  mer  unlusts  .  .  .  wider  Maximi- 
num  machen  wolt  Avbntin  s.  w.  4,1,930  L.;  anders 
nicht  ausz  grüntlichem  gemüt  (wirklicher,  angeborener 
gesinnung),  sonder  ausz  angenommener  grausamigkeyt 
R.  LoRiCHius  instruction  168;  im  formelhaften  gründ- 
licher ernst  verblaszt  die  Vorstellung  des  wahren,  uArk- 
lichen  allmählich:  darumb  mag  der  (reuige)  aus  grund- 
lichem ernst  disse  wort  nicht  sprechen,  der  noch  ettwas 
rads  odder  tads  ynn  sich  findet  Luther  18,  499  W.;  als 
wann  mirs  ein  lauterer  gründlicher  ernst  gewesen  wäre 
Geimmelshausen  Courasche  71  Schölte;  ähnlich  die 
gründliche  Wahrheit  (vgl.  grund  der  Wahrheit  sp.  716), 
der  gegensatz  zum  falschen  ist  z.  th.  noch  deutlich: 

das  er  (der  lügner)  hernach  auch  auf  ein  zeyt 

sagt  ein  gründliche  warheyt, 

des  man  im  auch  gelaubet  nicht      H.  Sachs  4, 97  K.; 

die  rechte  gründliche  warheit  kan  ich  euch  nicht  sagen 
b^ich  d.  liebe  (1587)  20*;  wen  ich  die  gründtliche  warheit 
(sagen  soll),  so  ist  mir  alles  verleydt  El.  Charlotte 
V.  Orleans  3,  407  H.;  sidmalen  ir  mich  mins  lebens  ver- 
sichert habend,  so  will  ich  üch  die  grundlich  warheit 
sagen  Tschüdi  chron.  hdvet.  1,  238;  vielfach  aber  rein  ver- 
stärkend 'die  reine,  volle,  lautere  Wahrheit':  szo  ist  un- 
widdersprechlich  die  gruntlich  warheit,  das  ...  H. 
v.  Cronberg  sehr.  9  ndr.;  welcher  aber  durch  die  geo- 
metria  sein  ding  beweyst  und  die  gründlichen  warheyt 
anzeygt,  dem  sol  alle  weit  glauben  A.  Dürer  menschl. 
Proportion  t2^;  ein  groszes  verlangen  .  . .,  die  gründ- 
liche warheit  zu  erfahren  Zendorius  a  Zend.  winter- 
nächte (1682)  187;  es  ist  die  gründliche  Wahrheit  egli  i  la 
pura  veritä  Kramer  teutsch.-ital.  l,  574* ;  vereinzelt  noch 
mundartlich:  dis  ist  e  grundlichi  wo^rheit  Martin-Lien- 
HART  1,  278l>;  in  neuerer  spräche  füllt  sich  gr.  gelegentlich 
wieder  mit  dem  g ehalt  'wahr,  wirklich':  der  gründliche 
bettler  soll  eine  art  von  könig  sein  Göthe  7,  145  W.;  ich 
habe  .  .  .  gar  keinen  vertrauten  und  gründlichen  freund 
mehr  auf  erden  Brentano  ges.schr.  8,345;  denn  was 
einmal  eine  gründliche  krummstabresidenz  war  Scheffel 
ges.  w.  3,  172. 

6)  adverbiell  als  Vertreter  von  im  gründe  (vgl.  sp.  718) 
wie  'in  Wahrheit,  in  ivirklichkeit' :  hier  umb  so  macht 
du  verstau,  wie  es  sich  gruntlich  haltende  ist  Seuse  dtsche 
sehr.  346  Bihlm.,  aber  adjectivisch  gewendet  enkeinen 
gruntlichen  underscheit  (non  .  .  .  realiter  aliud)  ebda  331; 
die  liben  veter  geneygt  seyn  gewest  .  .  .  umbe  der  ketzer 
willen  die  schrift  von  der  gottheyt  Christi  aus  zcu  legen 
wo  sichs  hat  leyden  wollen,  obs  wol  der  text  grundlich 
nit  hatt  Luther  9,  200  W.;  dasz  man  sy  (die  stadt)  nit 
so  für  grosz  vermeint,  als  sy  aber  gruntlich  ist  (v.  1576) 
nach  Staub-Toblee  2,  779; 

und  keim  (sei)  der  wegen  hie  ausfündlich 
was  gott  und  gottesdienst  sei  gründlich 

Fischaet  w.  3, 190  Hauffen; 


857 


GRÜNDLICH  D  1-2 


GRUNDLICH  D  2  — E  i 


858 


Newis  .  .  .,  zu  latein  von  etlichen  Equestris,  doch  un- 
gewüsz,  grundtlich  aber  Neridunum  genennet  Stumpf 
Schweizerchron.  595^;  auch  persönlich  gewendet  {vgl.  im 
grund  sp.  717)  'im  kern'' :  sie  sein  warhaftig,  grundlich 
Christen  odder  nit  Luther  6,  297  W.;  das  Abimalech  und 
seyn  volck  nicht  gruntüch  from  gewesen  seyn  9,  385. 

D,  die  bereits  ahd.  einmal  bezeugte  und  offensichtlich 
zufrühest  entwickelte  bedeutun^  von  gr.  entspricht  lat.  fun- 
ditus  =  ahd.  chruntliho  ahd.  gloss.  l,  280  {zu  Josua  6,  5 : 
muri  funditus  corruent  civitatis) ;  gr.  vertritt  hier  zunächst 
in  Verbindung  mit  ausdrücken  des  zerstörens  u.  ä.  eine  an- 
zahl  präpositionaler  Wendungen  gleichen  Charakters  zu 
gründe  {vgl.  sp.  083  u.  692),  in  den  grund  {vgl.  sp.  693),  auf 
den  grund  bzw.  bis  auf  den  grund  {vgl.  sp.  694),  von  grund 
auf  {vgl.  sp.  710),  aus  dem  gründe  {vgl.  719),  die  mehr  oder 
minder  entsinnlicht  in  der  bedeutung  'völlig,  vollständig, 
gänzlich^  zusammenlaufen;  vgl.  funditus  von  gründe  uff, 
von  gründe,  gruntlich,  genczelich  Diefknbach  252''; 
radicitus  von  gründe,  von  grund  usz,  czu  gründe,  van 
grund  up,  gruntlichen  {vocab.  ex  quo  v.  1429)  482^^;  stir- 
pitus  gruntlichen  mit  den  wurtzelen  554^;  stirpeus  von 
der  wurtzel  uf  vel  gruntlich  553  C;  grundtlicht,  vom  grund 
auf,  also  das  kein  wurtzel  nit  bleybt  radicitus,  absciase 
Maax,eb  194''. 

1)  neben  verben  des  vernichtens,  Verderbens  und  beseiti- 
gens  vgl.  gruntlich  uszruten,  verderben  revellere  Diefen- 
BACH  497^;  so  bereits  1322  urkundlich  im  mnl.:  dat  wyse 
{die  ländereien)  grondelicker  hadden  gearcht  {verdorben) 
Verwijs-Vekdam  2,  2166;  und  müs  so  gruntlich  ver- 
derben imd  verwerden  an  iine  selber,  e  denne  es  in  den 
magen  kumme  Tauler  pred.  121  Vetter;  dat  de  mersch- 
land  . . .  ghensliken  unde  gruntliken  vordorven  sin  Calen- 
hcrger  urk.-buch  nr.  851  Hodenberg  {v.  j.  1456);  den  gemei- 
nen nutz  hast  du  in  der  wurtz  gesweint,  du  hast  die  statt 
grundtlich  verderpt  Riederer  spiegel  d.  w.  rhetoric  h  6^ ; 
das  sie  . . .  eynander  grundtlich  verderben  Sleidanüs  reden 
74  Böhmer;  dat  toRyghe  de  stad  deme  orden  afwant  unde 
gruntliken  dalebrack  chron.  d.  dtsch.  städte  31,  1,  250;  die 
etat  gruntlich  zerstörn  Geiler  v.  Keisersbero  au^z- 
gang  der  kinder  Israhel  3;  er  hett  .  .  .  die  statt  Chimm 
.  .  .  gruntlich  umbkeret  Carbach  Livius  235^;  dasz  sie 
dis  mordhausz  gr.  umbfäUen  Lohenstein  Ibrahim  Bassa 
57;  ie  mer  er  sich  in  der  worheit  und  gruntlicher  von 
gründe  vernihtet  Tauleb  in  Helandeb  Tauler  als  pre- 
diger  {diss.  Lund  1923)  351;  grundtlich  auszroten  effun- 
dare  Alberus  dict.  2'';  er  sol  zu  dem  ersten  abehowen 
und  uszruten  die  süben  höbtsünde  gruntlichen  und 
weckerlichen  Tauler  pred.  97  V. ;  das  der  mensch  gr. 
auszreuten  und  überwinden  musz  Jon.  Arnd  nachfolge 
Christi  (1631)  142;  in  directer  Vermischung  mit  zu  gründe: 
die  heiligen  drey  küng  .  .  .  komen  .  .  .  oiich  wider  heim 
und  zu  gruntlich  auszzerten  ausz  den  heyden  ir  unweysz- 
heyt  d.  heiligen  leben,  wintertheil  (1471)  153^;  in  neuerer 
spräche  verblaszt:  um  die  ketzerei  gr.  auszurotten  Ranke 
s.  w.  2,  246;  ihr  staub  ist  nicht  bald  so  gr.  umgestürzt 
worden  Görres  ges.  br.  3,  12;  dadurch  die  nächtliche  ruhe 
der  ganzen  nachbarschaft  gr.  zu  vernichten  H,  Seidel 
vorstadtgesch.  173;  es  {hat)  die  alte  .  .  .  absonderung  Alt- 
bayerns vom  übrigen  Deutschland  gr.  beseitigt  Döllin- 
GER  akad.  vortrage  1,  53;  der  innere  Zusammenhang  des 
groszen  volkes  war  bereits  gr.  gestört  G.  Freytag  ges.  w. 
17,  116;  um  der  tuskischen  piraterio  gr.  zu  steuern 
MoMMSEN  röm.  gesch.  l,  295; 

Schnitterdurst  ist  alte  sage; 

eilt  nun,  gründlich  ihn  zu  stillen 

Fe.  W.  Weber  Dreizehtdinden  83. 

2)  dann  überhaupt  bei  der  Vorstellung  des  veränderns, 
positiv  oder  rmjaiiv;  auch  das  früh  vorgebildet:  in  disem 
vernütende  sint  si  ir  selbes  also  gruntlichen  entforment 
Tauleb  pred.  229  F.; 

der  unrecht  gwalt  nymbt  gruntlich  ab 

Seb.  Brant  narrenschiff  57  Z.; 

alle  imvermeidlichen  fehler  sollen  .  .  .  gr.  verbessert  wer- 
den BoDMER  crit.  poet.  sehr.  2,  9;  ich  bekehrte  sie  so  gr. 
Brentano  ges.  sehr.  5,  322 ;  die  lust  am  arbeiten  .  .  .  hatte 


man  ihr  inzwischen  gr.  abgewöhnt  Sudermann  d.  hohe 
lied  (1922)  624;  es  sollte  gr.  anders  werden  Stobm  s.  w. 
5,  278;  er  hatte  sich  zu  dieser  gelegenheit  einmal  gr.  von 
dem  rusz  gereinigt  W.  v.  Polenz  Orabenhäger  1,  296;  so 
sich  gr.  waschen,  etwas  gr.  reparieren  u.  s.  w.;  alt  ist 
gr.  helfen:  welcher  nun  gruntlich  helffen  will,  der  mus . . . 
FiscHAET  podagr.  trostb.  in  w.  3,  18  Hauffen;  dasz  mir  .  .  . 
noch  gr.  zu  helfen  sey,  stellte  sich  mir  lebhafter  als  noch 
nie  vor  U.  Bräker  s.  sehr.  1,202;  gründlicher  noch 
würden  die  reichsstände  helfen  Dahlmann /ranz,  revol,  6; 
etwas  anders  gr.  widerlegen: 

ich  könte  Tycheus  rath  nun  gr.  widerlegen 

A.  Gryphiijs  trauerspiele  299  Palm; 

{ein  irrthum,)  welcher  aber  gar  gr.  in  der  formula  con- 
cordiae  widerleget  wird  Sperling  Nicodemus  quxierena 
(1718)  1,  1397;  eine  folge  von  gründen,  die  du  mühe  genug 
haben  wirst,  gr.  zu  widerlegen  Göthe  43,  305  W. 

3)  entsprechend  adjectivisch  gefaszt,  'völlig' :  unser  end- 
lich gr.  .  .  .  verderben  Luthee  53,  522  W.;  also  bringet 
es  einen  hauszmeyer  auch  zu  gründlichem  verderben, 
wann  .  .  .  Sebiz  f eidbau  (1579)  3;  'durchgreifend'' :  eine 
gründliche  reformation  hätte  also  dabey  anfangen  müssen 
Wieland  in:  bibl.  alt.  schriftw.  d.  Schweiz  II  3,  47;  die 
entwürfe  einer  gründlichen  Umgestaltung  Tbeitschke 
dtsche  gesch.  3,  173;  eine  gründliche  Verfassungsrevision 
Mommsen  röm.  gesch.  1,  584;  arg  genug,  um  gründliche 
reparaturen  nöthig  zu  machen  Holtei  erz.  sehr,  l,  45; 
zu  einer  gründlichen  reinigung  vom  staub  Raabe 
Horacker    78. 

E.  fast  alle  besonderen  verwendungsweisen  von  gr.  mün- 
den mehr  oder  minder  in  neutralere  Vorstellung  'vollständig, 
gänzlich,  gehörig''  ein,  so  namentlich  in  jüngerer  spräche 
deutlich;  gr.  D  hat  bereits  im  14.  jh.  diesen  stand  erreicht. 

1)  adverbial;  formelhaft  in  urkundlichen  paarungen: 
{wir)  bekennin  an  disseme  bribe,  daz  wir  grüntliche  unde 
eindreichliche  .  .  .  gesünit  unde  gerichtit  sin  hessisches 
urkundenbuch  2,  619  Wyss  {v.  j.  1356);  so  verzyhen  wir 
vor  uns  und  unser  erben  grüntliche,  gentzlich,  erbliche 
und  ewigkliche,  nummer  me  .  .  .  Münzenb.  urk.  v.  j.  1458, 
nMch  Creceliüs  oberhess.  1,  441;  und  richte  .  .  .  die  von 
Molhussen  gruntlichen  unde  gantz  mit  lantgi'aven  Frede- 
richen Joh.  Rothe  dür.  chron.  565  Liliencron;  so  schon: 
so  kummet  der  sieche  .  .  .  gentzlichen  und  gruntlichen  in 
disen  tich  Tauleb  pred.  38  F.;  sy  sind  der  weit  gruntlich 
abgestorben,  als  auch  die  weit  gantz  in  in  tod  ist  Geiler 
v.  Keisersbero  granatapfel  (1510)  F5b;  du  darfst  dich 
gr.  und  gänzlich  auf  gottes  Vorsorge  verlassen  Scriveb 
seelensch.  2,  134;  darmit  man  sich  .  .  .  grundtlich  ver- 
tragen müg  Knebel  chron.  v.  Kaisheim  323  lit.  ver.;  die 
prediger  {sollen)  .  .  .  nichts  mehr  thun,  dan  das  sie  uns 
gruntlich  warnen  Lutheb  9,  650  W.; 

dir  allelne  wil  Ich  leben, 

dir  mich  gründlich  untergeben 

Angelus  Silesxüs  heil,  seelenlust  43  ndr.; 

die  Ursprünge  und  quellen  lassen  sich  vielleicht  .  .  .  gr. 
stopfen  Leibnitz  dtsche  sehr.  7,  153;  das  unbegrenzte 
vertrauen  .  .  .  auf  das  gründlichste  bewährt  haben 
Göthe  IV  29,  39  W.;  so  gewannen  ihm  die  meteorsteine 
.  .  .  liebe  und  neigung  gr.  ab  IV  42,  150; 

die  ungewaschnen  germanischen  bände 

sie  schlugen  so  gründlich,  das  nahm  kein  ende 

Heine  w.  2,  200  E.; 

modern  namentlich  als  steigerndes  adv.  bei  verben  mit  affect- 
charakter:  was  einem  .  .  .  den  geschmack  an  solchem 
albernen  Studententreiben  gr.  verleiden  könnte  Spiel- 
haöen  1,  119; 

uns  alle  gründlich  zu  beschämen 

A.  V.  Droste-Hülshoff  u:  2,  75; 

das  viele  öffentliche  geschreibe  .  .  .,  das  sie  so  gr.  hassen 
A.  V.  Abnim  12,  35  Ch-.;  dasz  er  das  wenige  {an  glück-  und 
segensumnschen)  gr.  verachtete  Raabe  hungerpastor  1, 193 ; 


dasz  liebesfreude  gründlich  ihn  entzücke 

Brentano  ges.  sehr. 


2,  446; 


in  der  alltagsrede  ebetiso  wie  in  literarischer  spräche  ein 
stetig  verwendetes  Steigerungsmittel:  es  einem  gr.  geigen 


859 


GRÜNDLICH  E«.  8  — Fl 


GRÜNDLICH  F  2-4  -  GRÜNDLICHKEIT   860 


H.  Leszmann  d.  dtsche  volksmund  (1922)  254;  einem  gr. 
die  Wahrheit,  die  meinung  sagen  vgl.  Jos.  Müller  rhein. 
wb.  2,  1467;  sich  gr.  verrechnen,  täuschen;  das  schön- 
wetter  . . .  gr.  ausgenützt  zu  haben  Bakth  KcUkcUpen  71; 
etwas  gr.  auskosten;  hätte  sie  sich  gar  einmal  gr.  aus- 
schlafen dürfen  Sud  ermann  d.  hohe  lied  41;  es  wäre  mir 
eine  direkte  genugthuung  hier  mal  recht  gr.  zwischen  zu 
fahren  G.  Hauptmann  biberpelz  88;  enen  gr.  verhaue 
Jos.  Müller  rhein.  wb.  2,  1467. 

2)  aiich  als  adj.  in  entsprechender  weise  verwendet,  doch 
wesentlich  jünger  und  nur  höherer  spräche  eigen,  av^h 
minder  häufig;  vor  allem  poetisch:  welches  kunststücke 
wegen  der  darinnen  befindlichen  gründlichen  Schönheit 
der  kayser  so  hoch  schätzte  des  herrn  von  Königs  gedickte 
(1745)  549  anm.;  keine  gründlichere  hochachtung  Bodmer 
v.  d.  wunderbaren  (1740)  6;  weil  wie  auch  diesem  manne 
.  .  .  gründlichen  dank  abzutragen  wünschten  Göthe  7, 
213  W.;  der  mann  redet  mit  gründlicher  begeisterung 
Vosz  an  Qöthe  in  Qöthejahrbuch  5,  69;  mit  ihrer  gründ- 
lichen abneigung  gegen  den  Seekrieg  Mommsen  röm. 
gesch.  1,  524;  gründlicher  hasz  atmet  aus  diesem  schreiben 
H.  Grimm  Michelang.  l,  187;  sie  {erwachte)  mit  einer  gründ- 
lichen ernüchterung  JusTi  Winckelmann  2,  1,  198;  die 
dirne  . .  .  hatte  dem  weibe  .  .  .  gründliche  Wahrheiten  zu- 
geworfen Stürm  6,  176;  die  höchste  gründlichste  freude 
zu  genieszen  Göthe  IV  41,  192  W.;  er  ist  der  gründ- 
lichste schuft  von  der  weit  I  5, 123. 

3)  als  steigerndes  adv.  neben  einem  adj.  im  ganzen  jung; 
doch  vgl.  schon:  die  ander  senfiEtmutickeit  ist  grundlich 
gut  Luther  6,  266  W.; 

jetzt  hast  du  den  begrifi  der  grQndlicb  hohen  sachcn 

J.  Che.  Günthee  ged.  2,  758; 

dem  erleuchteten,  gr.  gelehrten  .  .  .  prälaten  Bengel 
Jung-Stilling  w.  3,  31;  wenn  er  etwas  gr.  fruchtbares 
...  zu  uns  bringt  Göthe  IV  21,  45  W.;  bescheiden  . . . 
und  gr.  brav  Görres  ges.  sehr.  2,  8;  in  dieser  gr.  pro- 
saischen zeit  Mommsen  röm.  gesch,  2,  lo ;  ich  war  gr.  still 
und  traurig  G.  Keller  w.  l,  149. 

F.  Substantivierung,  das  neutr.  gründliches  bereits 
im  16.  jh.  vielfach  substantivisch  verwendet,  zunächst  in 
abhängigkeit  von  etwas,  nichts,  später  auch  articellos  ver- 
selbständigt; bedeutungsmäszig  steht  gr.  C  im  Vordergründe; 
jünger  ist  das  gründliche. 

1)  (etwas,  nichts)  gründliches  'etwas,  was  einfundament 
hat,  was  gegründet  ist\  daher  'gewisses,  sicheres^  {vgl. 
gründlich  sp.  855):  nieman  hie  ist,  der  etwas  warhaftigs 
oder  gründlichs  darzü  reden  will  Zwingli  dtsche  sehr,  l, 
137;  er  könde  jetzt  nichts  gründlichs  von  eim  ding  reden 
See.  Franck  sprichw.  (1541)  2,  115*1;  erfarung  kan  von 
disen  heimlichen  und  verborgnen  dingen  nichts  gründ- 
lichs reden  J.  Mathesius  Sarepta  (1571)  33*;  ihr  werdet 
wider  die  weiber  nicht  gründlichers  finden  können 
Moschbrosch  gesichte  2,  301; 

dasz  Witz,  gedächtnis  und  verstand 
80  viel  sie  gründliches  erkannt 
,  Gottsched  ged.  (1751)  1, 278; 

vne  gr.  0  4:  von  wem  und  was  zitten  es  erbuwen  sye, 
hab  ich  nüntzitt  grüntlichs  weder  durch  lüt  oder  ge- 
schrifft  mögen  erfaren  G.  Öheim  Eeichenauer  chron.  39 
Barack;  von  herrn  Conraden  von  Schenna  wirdet  zwar 
.  . .  nichts  grundtliches  erfonnden  Brandis  landeshaupt- 
leute  54;  nach  gr.  C  2  b  hin:  davon  noch  gelehrte  leute 
irer  meinung  nicht  eins  und  nichts  gründlichs  davon 
wissen  und  schlissen  können  D.  Schaller  theol.  herolt 
(1595)  L  S^;  als  nun  anwesende  stände  .  .  .  sich  hierauf 
nichts  gründliches  zu  erklären  wüsten  Chemnitz  schwed. 
krieg  2,  10;  anders  'begründetes':  er  sagt  viel  richtiges  und 
gründliches  über  die  ursach  der  sünden  allg.  dtsche  bibl., 
anh.  53-86,  129;  so  kan  ich  unmöglich  etwas  gründliches 
gegen  ihn  hervorbringen  Lichtenberg  aphorismen  200 
lit.-dkm.;  es  läszt  sich  nicht  absehen,  was  man  gegen 
eine  ehe  ä  quatre  gründliches  einwenden  könnte  Friedr. 
Schlegel  im  Athenäum  1, 2,  ll;  sieh,  das  war  ein  schlusz. 


der  mehr  gründliches  enthält  als  die  ganze  bibel  Lessing 
2,  76  L.-M.;  mit  einschlag  von  gr.  B  2  b:  nach  allem  guten 
und  gründlichen,  was  Shakespear  vom  regelnjoch  der 
Griechen  und  Franzosen  losspricht  Herder  5, 233  S.;  ihm 
(Winckebnann)  war  es  auch  so  deutsch  ernst  um  das 
gründliche  und  sichre  der  alterthümer  Göthe  IV  8,  89  W. 

2)  gelegentlicher  tritt  die  Substantivierung  zu  gr.  B  2  b 
auf,  'tiefgründiges,  eindringendes' : 

...  ist  Locke  dir  vielleicht, 
weil  er  sein  werk  belebt,  zum  gründlichen  zu  seicht? 

GiSEKE  poet.  w.  (1707)  65; 

unter  einer  nation,  die  mehr  auf  das  gründliche  als  auf 
den  styl  sieht  Archenholz  Engl.  u.  Jtal.  l,  l,  198;  die 
gröszte  kunst  würde  seyn,  das  gründliche  und  das  pathe- 
tische . .  .  mit  einander  zu  verbinden  Lessinq  8,  30 
L.-M.;  ähnlich:  auf  dem  lande,  ohne  hülfsbücher,  et- 
was irgend  gründliches  darüber  aufzusetzen  fühle  er  sich 
.  .  .  nicht  im  stände  A.  v.  Droste-Hülshoff  br.  an 
L.  Schücking   135  Seh. 

3)  ausgebreiteter  im  anschlusz  an  gr.  B  l  c  bzw.  2  c  mit 
leichterem  gehalt  'tüchtiges,  ordentliches': 

wenn  ich  von  allem  nun  nichts  gründliches  versteh 
und  mich  in  jeder  art  der  poesie  vergeh, 
bin  ich  denn  ein  poet? 

Gottsched  ctü.  dichtkurut  (n^X)  19; 

mit  seiner  Wissenschaft  läuft  es  auf  lauter  spielwerk 
hinaus;  nichts  gründliches  Wieland  s.  w.  (1794//.)  19, 
179;  besonders  formelhaft  etwas  gründliches  lernen  Kra- 
mer teutsch-ital.  1,  574*5;  weder  auf  der  schule  noch  auf 
der  Universität  hatte  er  etwas  gründliches  . .  .  gelernt 
D.  F.  Strausz  Schubarts  leben  l,  30;  ähnlich:  da  ich 
wuszte,  dasz  mein  oheim  . . .  alles  unemsthafte  und 
poetische  verachtete,  so  muszte  ich  doch  an  irgend  etwas 
gründliches  die  band  legen  Tieck  sehr.  9,  6. 

4)  zu  gr.  E  'durchgreifendes,  nachdrückliches\'  nun 
muszte  etwas  gründliches  geschehen  G.  Keller  ges.  w. 
4,  18;  (er)  versprach  sich  das  gründlichste  von  seinem 
vortrage  beim  könige  selbst  Laube  ges.  sehr.  10,  224. 

GRÜNDLICHKEIT,  /.,  seit  dem  anfang  des  18.  jhs. 
im  schwang;  als  vereinzelte  gdegenheitsbildung  in  der  deut- 
schen mystik  zu  gründlich  A  2 :  di  gruntlicheit  des  mugen- 
liches  geistes  chomet  und  runt  ze  den  orn  der  man  bei 
JosTES  meister  Eckhart  u.  s.  jünger  17;  in  der  hauptsache 
von  gr.  B  gebildet,  daneben  auch  gr.  C. 

1)  entsprechend  gründlich  B  l  m.  2  [vgl.  sp.  845//.)  in  seirten 
verschiedenen  verwendungsweisen,  die  'eigenschaft  eindrin- 
gend, tiefgründig,  bis  ins  letzte  gehend,  sorgfältig  zu  sein 
oder  zu  handeln'  vgl.  gr.  profonditä  della  dottrina,  pene- 
trazzione  d'ingegno  Jagemann  dtsch.-ital.  (1799)  2,  550; 
daher  öfter  tiefe  gr.  u.  ä.  Verbindungen: 

. . .  tiefer  gründlichkeit 
gab  frohe  laune  das  geleit 

J.  G.  Jacobi  t.  «.  5,  80; 

diese  allzu  tiefe  gr.  FouQui;  reiseerinn.  2,  193;  eine  an- 
genehme Oberfläche,  aber  keine  tiefe  und  gr.  Cramer 
nord.  aufseher  1,  40;  er  (kann)  vor  lauter  gr.  auch  nicht 
einmal  an  die  Oberfläche  der  dinge  gelangen  Tieck  sehr. 
4,  52. 

a)  auf  die  handelnde  person  oder  das  wirkende  organ 
bezogen  {vgl.  gründlich  B  4  m.  5)  als  charakterliche  eigen- 
schaft: das  der  mensch  zur  scharfsinnigkeit,  fertigkeit  im 
Schlüssen  und  gr.  .  .  .  verbunden  ist  Chr.  Wolf  v.  d. 
menschen  thun  (1720)  199; 

so  arm  ist  disz  ihr  volck  an  gründlichkeit  und  wissen 
J.  Che.  Günthee  ged.  (1735)  383; 

mein  mann  .  . .  findet  mehr  tugend,  gelehrsamkeit,  gr. 
und  billigkeit  gegen  die  Deutschen  bey  ihm  ( Voltaire)  als 
er  gedacht  hat  Gottschedin  br.  2,  89;  gr.,  Scharfsinn 
.  .  .  bezeichnen  den  charakter  des  menschen,  in  sofern 
er  denkt  Sulzer  theorie  d.  schön,  künste  4,  414;  es  ist 
eine  sehr  gemeine  anmerkung,  dasz  selten  wiz  und  gr. 
beysammen  stehen  Lichtenberg  nachlasz  7;  sie  hätten 
mir  so  viel  ruhe  und  gr.  gar  nicht  zugetraut  A.  W. 
Schlegel  s.  w.  9,  37;  gelehrsamkeit  und  weltklugheit,  gr. 


861 


GRÜNDLICHKEIT 


GRÜNDLING  i 


862 


und  gefällige  äuszerungcn,  alles  findet  sich  beisammen 
GöTHE  41,  1,  75  W.;  die  wohlgerathenen  proben  von  der 
stärke  ihi-es  geistes  und  der  gr.  ihres  Verstandes  Rabeneb 
s.  w.  1,  182;  fleisz,  einsieht,  gr.  sind  seines  geistes  gaben 
A.  G.  Kästner  verm.  sehr.  2,  273;  gr.  gilt  nicht  selten  mit 
negativer  bewerthung  im  sinne  'pedanterie,  Schwerfälligkeit'  : 
jene  bleierne  gr.  gelehrter  antiquare  Herder  23,  55  S.; 
eure  {der  mannet)  gr.  ist  beleidigend  Fontane  ges.  w. 
I  1,  55. 

b)  in  mannigfacher  weise  (vgl.  gründlich  B  2)  von  der 
art  des  handelns:  {er)  untersucht  mit  einer  ziemlich  philo- 
sophischen gr.,  was  man  unter  einer  zeitung  verstehe 
Lessing  7,  16  L.-M.;  zu  Leipzig,  wo  gelehrsamkeit  und  gr. 
im  Studiren  ton  war  Göthe  46,  89  W.;  eine  gewisse  gr.  in 
der  behandlung  der  einzelnen  thatsachen  {erheischt)  nicht 
unbedingt  farbenlosigkeit  in  der  darstellung  A.  v.  Hum- 
bold kosmos  1,  XX ;  inwiefern  die  aufstellung  allgemeiner 
ansichten  mit  der  gr.  der  forschung  .  .  .  vereinbar  ist 
Ranke  s.  w.  25,  xi ;  Zeugnisse  .  .  .  von  der  gr.  ihrer  me- 
thode  JusTi  Winckelmann  1,  235;  alle  theile  des  Systems 
mit  der  Vollständigkeit,  gr.  und  ausführlichkeit  durch- 
zuarbeiten Schopenhauer  l,  21  Or. ;  auf  die  bitte  meines 
Vaters,  der  für  alles,  was  er  mich  unternehmen  sah,  eine 
gewisse  gr.  forderte  Storm  w.  4,  37;  alles  hängt  von  der 
gr.  unserer  schritte  ab  Meisl  theatr.  quodlibet  4,  134; 
farbloser,  fast  wie  gr.  E,  präpositional  mit  gr. :  Napoleons 
marschälle  hatten  die  auaplünderung  mit  solcher  gr.  be- 
sorgt T^mTSCHKE  dtsche  gesch.  l,  293;  in  der  eigentlichen 
Opposition  .  .  .  hatten  die  stürme  der  revolution  mit 
erschreckender  gr.  aufgeräumt  Mommsen  röm.  gesch.  3, 
15;  es  {ist)  unserer  kraft  nicht  gegeben  .  .  .,  auf  einmal 
das  ganze  mit  gr.  zu  erfassen  Ritter  erdkde  2,  173. 

c)  gr.  als  qualität  des  bereiches  oder  productes  einer  ent- 
sprechenden thätigkeit  {vgl.  gründlich  B  3):  gründlich  sind 
alle  Wissenschaften,  insofern  gr.  {'exactheiV)  mit  der  ein- 
schränkung  des  menschlichen  geistes  bestehen  kann 
Gerstenbebg  recensionen  151  lit.-dkm.;  das  buch  ist  nur 
für  leute,  die  strenge  gr.  suchen  Lichtenbebo  aphorismen 
6,  101  lit.-dkm.; 

er  Ist  nicht  obenhin  in  allem  unterwiesen, 

was  zu  der  gründlichkeit  der  Wissenschaft  gehört 

J.  Chr.  Günthke  ged.  615; 

als  ob  die  gr.  der  Wissenschaften  ,  .  .  von  einer  menge 
unerfahrener  leute  abhinge  Scheibe  crit.  musicus  (1745) 
vorw.; 

doch  waa  vielleicht  an  licht  und  gründlichkeit 
der  lehre  fehlt,  ersetzt  des  lehrers  feuer 

Wieland  «.  w.  (1796)  6,  25; 

(er)  schätzte  die  genauigkeit  und  gr.  der  deutschen  Unter- 
suchungen Seume  Spaziergang  2,  356;  die  gr.  der  abhand- 
lungen  Gottsched  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamkeit 
3,  253;  die  ausnehmende  gr.  seiner  gedanken  Zimmer- 
mann V.  d.  nationalstolze  93;  seine  kirchenstücke  haben 
viel  gr.  Schubart  ästh.  der  tonkunst  201. 

d)  mit  dem  ausgehenden  18.  ß.  bildet  sich,  da  gr.  als 
natiotialeigenschaft  der  Deutschen  gilt,  das  Schlagwort  deut- 
sche gr. ;  vgl.  wir  fangen  an  in  Deutschland  auf  den  Vor- 
zug der  gr.  ...  stolz  zu  werden  Göthe  38,  357  W.;  die 
alte  richtung  des  deutschen  sinnes  nach  gr.  des  denkens 
und  forschens  H.  v.  Kleist  4,  179  Schmidt;  wie  oft  schon 
der  Verfasser  deutsche  gr.  mit  französischer  Schönheit 
...  zu  vereinigen  gewuszt  hat  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  13-24, 
1282;  die  .  .  .  deutsche  gr.  mit  welschem  gesange  treflich 
zu  verbinden  wuszten  Schubart  leben  u.  gesinn.  l,  55; 
mit  deutscher  gr.  zeigt  er  {der  Brocken)  uns  ...  die  vielen 
hundert  städte  Heine  w.  3,  54£'.;  um  die  so  viel  ge- 
priesene deutsche  gr.  ist  es  oft  ein  wunderliches  ding 
E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  l,  447;  wo  die 
deutsche  gr.  mit  schwerfälliger  arbeit  immer  das  ziel  ver- 
fehlte Thibaut  nothwendigkeit  eines  allg.  bürgerl.  rechts  415. 

2)  weniger  häufig  als  ableitung  von  gr.  C  2;  so  nament- 
lich im  18.  und  frühen  19.  jh.,  später  veraltend;  'das  ge- 
gründet sein,  begründet  sein',  dann  auch  'berechtigung,  trif- 
tigkeit';  im  bilde:  die  gr.  ihrer  motive  giebt  ihr  eine  stütze. 


die  nichts  wankend  machen  kan  Rahleb  einl.  in  d.  schön, 
unssensch.  3,  16; 

. . .  jemehr  empfand  die  brüst 
an  ihrer  (der  lehren  Leibnüzena)  gründlichkeit  und  Über- 
zeugung lust    Gottsched  ged.  (1751)  1,  451 ; 

euer  urteil  von  dem,  worüber  das  ohr  entscheidet,  hat 
für  mich  eine  ganz  besondere  gr.  Klopstock  grammal. 
gespr.  (1794)  30;  diese  letztere  anmerkung  (scheint)  am 
wenigsten  gr.  zu  haben  Bodmer  v.  d.  umnderbaren  (1740) 
vorr.  5;  die  .  .  .  angeführte  stelle  (kann)  die  gr.  der  critick 
.  .  .  genugsam  erweisen  Bbeitinger  crit.  dichtkunst  (1740) 
1,  312;  ich  sah  seine  äuszerung  für  übertrieben  an  und 
muszte  mich  .  .  .  nur  allzusehr  von  ihrer  gr.  überzeugen 
Kerner  bilderlmch  271;  es  läszt  sich  demnach  über  die 
gr.  oder  grundlosigkeit  unsers  wissen  s  vor  der  unter- 
suchimg  vorher  nichts  sagen  Fichte  s.  w.  l,  44;  die  gr. 
der  meinigen  (theorie)  kann  ich  ihnen  durch  sehr  neue, 
unleugbare  exempel  erweisen  Aybenhofe  w.  5,  254;  die- 
jenigen gründe  einer  ganzen  zunft  .  .  .,  durch  welche  die- 
selbe die  gr.  ihres  Verfahrens  darzuthun  gesucht  haben 
Winckelmann  s.  w.  1,  103;  etwas  anders  (vgl.  gründlich 
C  6)  im  gegensatz  zum  schein:  dasz  ich  da,  wo  gr.  fehlt, 
oft  mit  dem  schein  .  . ,  mich  begnüge  Meiszner  Alci- 
hiades  (1781)  3,  313;  dieses  hat  denn  desto  melir  schein 
für  sich,  je  mehr  ansehen  der  gr.  und  Wahrheit  es  hat 
Adelung  magazin  2,  2,  96;  mit  gr.  im  sinne  'mit  guter 
begründung':  so  bald  mit  gr,  gezeigt  wird,  dasz  Gramer 
nord.  aufseher  1,  69;  wird  man  mit  gr.  darlegen  können, 
inwiefern  wir  des  gedachten  freyen  raumes  noch  be- 
dürfen? Göthe  IV  26,  330  W. 

GRÜNDLING,  m.  1)  im  älteren  nhd.  vielfach  und  mund- 
artlich vereinzelt  grundhng  (s.  u.);  name  eines  kleinen  auf 
dem  gründe  des  wassers  lebenden  fisches  vgl.  altes  grundel 
(sp.  771^.),  nl,  grondeling  (v.  j.  1539)  Verwijs -Vebdam 
2,  2166,  grundelynck  v.  d.  Schueren  teuth.  112b  CL;  engl. 
groundling,  dän.  grundling  in  entsprechender  bildung;  seit 
dem  frühen  15.  jh.  auftretend,  zufrühest  nd.:  grundelingk 
fundulus,  turonilla  Diefenbach  tu>v.  gloss.  185t>  u.  374^ 
(lat.-nd.  glossar  v.  j.  1417);  vgl.  grandelmg  fundulv^,  turo- 
nilla Diefenbach  gloss.  252^  u.  602  c  aus  nd.  und  md. 
vocabidarien;  grundling  gubea  ebda  270  C;  me  grundel  3 
bezeichnet  gr.  anscheinend  im  nd.  zunächst  nur  die  'kresse' 
(gobio  fluviatilis),  vgl.  grondelinck  goviu^  fluviatilis  vulgo 
fundulus  KiLiAN  (1605)  1631  u.  die  belege  unten;  weiter  als 
name  der  'schm^rle'  (cobitis  barbatula)  vgl.  Schmeller-Fr. 
1,  1004,  Unger-Khull  311»  s.  grundel  1;  über  die  dialekt- 
geographische Verteilung  des  namens  vgl.  grundel;  gr.  ist 
jedoch  in  den  maa.  weitaus  wigebräuchlicher  als  grundel; 
vgl.  grundlii].  Gerbet  Vogtland  359;  gr.  kaulbarsch  Mi 
mecklenb.  29^;  jrindling  ein  kleiner  spreefisch  Brendicke 
Berl.  wortsch.  ISO^^;  von  zweifelhaftem  wert  für  die  mund- 
artl.  Verbreitung  von  gr.  die  angaben  bei  Schmeller-Fb. 
1,  1004  und  Unger-Khull  311»;  im  allg.  ist  in  neuerer 
spräche  gr.  das  Umgangs-  und  schriftsprachlich  herschende 
wort,  grundel  das  mehr  dialektisch  gefärbte. 

so  nym  eynen  grundeling  unde  do  dar  honich  umme 
(arzneibu£h  d.  15.  jh.)  Schiller-Lübben  2,  158;  gr.,  fun- 
dulus, werden  diese  fischlein  auch  kressen  genannt  Al- 
BINUS  meiszn.  chron.  (1580)  634; 

(er  musz)  im  schweisz  und  grund  des  schleims  thun  fischen, 

do  wird  er  die  grünnling  erwischen 

Eyerinq  proverb.  2, 108; 
an  grösze  fallen  sie  den  grässen  bei  und  grundlingen 
Erasmüs  Francisci  ind.-sines.  lustgarten  (1668)  1,  31; 
auch  bei  Schottel  95  grundhng;  hingegen  heiszt  im  rüder- 
teutschen  grundling  ein  kleiner  fisch  mit  schuppen,  der 
anderswo  kresse,  kreszling  heiszt  Frisch  teutsch-lat.  l, 
379;  es  werden  hie  gefunden  .  .  .  goldfische,  graupen, 
gründlmge  Micrälius  alt.  Pommerland  (1640)  6,  384; 
fischerreisen  (reusen),  in  welchen  kleine  gründHnge  .  . . 
hingen  Zesen  adriat.  Rosenmund  118  ndr.; 

gründlinge  trift  er  {der  reihet)  an       Gleim  s.schr.  1, 156; 

springt  oft  plözlich  ein  schwärm  von  grundlingen  hinter  der 

wölke 


fliehendem  schatten  empor 


J.  H.  Vosz  8.  ged.  3,  126; 


863       GRÜNDLING  2.  s  -  GRUNDLINIE  1 


GRUNDLINIE  2-4 


864 


hättest  du  den  gr.  nie  gefressen  . . .,  sprach  der  fischer 
zum  heeht  Hebbel  tageb.  3,  230;  (er)  liesz  gebratene 
gründhnge  darin  {in  der  milch)  schwimmen  G.  Keller 
ges.  w.  i,  274 ;  als  symbol  einer  gering werthigen  sacke  sprich- 
wörtlich: wer  einen  grundling  fangt,  der  fangt  auch  einen 
fisch  Henisch  1116;  die  ganze  weit  war  ihm  keinen  gr. 
wert  Scheffel  ges.  w.  1,  173;  behalt  deine  gründlinge  für 
dich,  fiel  sein  freund  mit  verächtlicher  miene  ein  W. 
Alexis  Shakesp.  u.  s.  freunde  1,  15;  neutral:  endlich 
kommt  man  in  die  höhe,  sagte  der  gr.,  da  hing  er  an  der 
angel  W.  Lüpkes  seemannsspr.  123;  viele  gründlinge 
machen  den  salm  wohlfeiler  Wander  2,  159. 

2)  nuch  Shakespeares  groundlings  den  im  ground,  dem 
parterre  befindlichen  Zuschauern  (Hamlet  3.  act,  2.  sc):  gr. 
^unwissender,  in  künstlerischen  dingen  nicht  urtheilsfähi^er 
mensch'  im  Wortspiel  mit  dem  fischnamen:  o,  es  ärgert 
mich  in  der  seele,  wenn  solch  ein  handfester  haarbuschiger 
geselle  eine  leidenschaft  in  fetzen,  in  rechte  lumpen  zer- 
reiszt,  um  den  gründlingen  im  parterr  in  die  ohren  zu 
donnern,  die  meistens  von  nichts  wissen  als  verwormen 
stummen  pantomimen  und  lärm  Shakespeare  übers,  v. 
A.  W.  Schlegel  3,  241;  das  ist  es^  was  den  'gründlingen' 
im  parterre  und  den  'zaunkönigen'  der  gallerien  am 
Shakespeare  grosz  .  .  .  scheint  Grabbe  w.  4  147  Bl.;  das 
sind  verstösze,  die  der  gr.  im  parterre  unseres  herrgotts 
nie  übersieht  W.  Rathenau  impress.  65 ;  die  'gründlinge' 
der  leseweit  F.  Wehl  zeit  u.  menschen  l,  229; 

ist  wahr,  was  dieser  gr.  von  dir  sagt? 

Widmann  dram.  w.  1,  279; 

3)  gr.  'in  dem  forstwesen,  die  krummen  und  knorrichten 
scheite  holz,  welche  nicht  in  die  klaftern  eingeschlagen  wer- 
den; vielleicht,  weil  man  sie  in  die  grundlage  zu  bringen 
p^egrf'KRÜNiTZ  20, 221  ;c/a2Mgründlingsangel  Blumhof 
eisenh.  2,  492;  gründlingsnetz:  grundlingsnetze  ist  zim- 
lich grosz  Henisch  1766;gründlingsreuse:  zugnetze. . . 
gründlingsreuszen  Zincke  öcon.  lex.  (1744)  773;  gründ- 
lingssack  ebda. 

GRUNDLINIE,  /.  1)  seit  dem  16.  jh.  als  Übersetzung 
des  geometrischen  begriffes  basis,  'die  horizordal  laufende 
linie  einer  geometrischen  figur'  {vgl.  comp.-typ.  5  b):  basis, 
ein  grundlini,  ist  die  lini,  auf  welcher  die  fürgenomen 
figur  stehet  W.  Schmid  geomelria  (1539)  5 ;  {ein  dreieck)  auf 
dessen  basin  oder  gr.  durch  die  beiden  besagten  stern- 
lein gleichsam  ein  perpendickel  herabgezogen  werden 
kunte  E.  Weig EL /or/«.  d.  himmelsspiegels  (1665)  77;  es 
wirdt  ein  gerade  grundlini  winckelrecht  durch  die  axlini 
und  durch  alle  parabolas  gezogen  Kepler  opera  omnia 
5,  585;  die  gr.  eines  gleichschenklichten  dreiecks  Hegel 
w.  3,  366;  'bey  krummen  linien  heiszet  die  gr.  die  gerade 
linie,  welche  von  dem  einen  ende  der  krummen  linie  bis 
zu  dem  andern  ende  gezogen  wird'  Wolf  math.  lex.  (1747) 
621;  so  z.  b.  die  gerade  linie  zwischen  anfangs-  und  end- 
puncl  der  geschoszbahn  bei  der  artillerie;  für  ^ sehne  eines 
halbkreises'  verwendet:  am  fusze  der  bühne  zog  sich  ein 
halber  zirckel  umher,  wovon  die  bühne  den  durchschnitt 
oder  die  gr.  ausmachte  Ramler  einl.  in  d.  schön,  loiss. 
(1758)  2,  250;  allgemeiner,  als  horizontale  linie  überhaupt: 
so  der  balck  der  wagen  der  grundlini  oder  dem  hori- 
zonten  gleich  gericht  ist,  nennen  wirs  einen  gleichen 
wagrechten  stand  theatr.  machinarum  (1607)  l,  a  S^;  gr., 
'in  der  perspective  die  linie,  tvo  die  geometrische  fläche  und 
die  tafel  einander  durchschneiden'  Fäsch  kriegslex.  (1734) 
378^;  bergmännisch  als  terminus  der  markscheiderei:  gr. 
ist  die  zwischen  der  donlegen  und  seigerlinie  als  eine 
basis  des  trianguls  stehet  Jünghans  gräubleinertz  (1680) 
c  3^ ;  vgl.  Jacobsson  techn.  wb.  5,  750'' ;  auch  sonst  in 
technischer  spräche  mit  besonderem  bedeutungsinhalt :  die 
unterste  linie  der  profilzeichnung  eines  dammes  u.  ä. :  so 
musz  er  {der  solenbehälter)  mit  einem  dämme  eingefaszt 
werden,  dessen  gr.  doppelt  so  hoch  ist  als  die  höhe  allg. 
dtsche  bibl.,  anh.  37-52,  1286;  anläge  (eines  deiches),  die 
grundlinie  des  deichperfils  Benzler  deicÄöaM  l,  17;  daran 
reisze  die  grundtlini  desz  grabens  20  schritt  in  rechtem 
winckel  L.  Hulsius  erst,  tractat  (1604)  112;  botanisch:  die 


basis  bildet  die  fast  ganz  gestreckte  .  .  .  gr.  des  blatt- 
dreiecks  Roszmäszler  der  wald  450;  aus  der  fast  herz- 
förmigen gr.  {der  blätter)  sich  langlanzettlich  zuspitzend 
Rohling  Dtschlds  fl^ora  1,  306;  architectonisch:  die  gr.  des 
giebels  Rode  Vitruvius  de  architect.  62. 

2)  auch  allgemeiner  gefaszt:  'horizontale  basislinie',  auf 
der  etwas  ruht  oder  zu  ruhen  scheint;  besonders  als  aus- 
druck  in  bildender  kunst  üblich,  z.  b.  gr.  eines  ornaments: 
an  der  schulter  {der  vase)  dreimal  auf  der  gr.  aufstehende 
concentrische  halbkreise  Furtwängler  vasenbeschr.  5; 
an  der  gr.  der  kröne  ragten  getreideähren  hervor  Fr. 
Schlegel  dtsches  museum  4,  377;  anders:  in  der  untern 
hälfte  des  raumes  werden  sich  die  horizontalen  grund- 
linien  und  die  senkrechten  der  pfeiler  wirksam  erweisen 
müssen  Brunn  kl.  sehr.  3,  288;  die  gr.  der  composition 
pflegt  parallel  mit  der  gr.  des  rahmens  zu  laufen,  in  den 
das  gemälde  gefaszt  ist  Grimm  Michelangelo  2,  172. 

3)  bereits  im  älteren  nhd.  aufkommend  für  die  basislinie; 
bautechnisch  'die  abgemessene  linie,  die  der  berechnunxj  aller 
stücke  eines  grundrisses  dient' :  dieses  figürlein  zeigt  dir 
an  mit  a  E  F  den  angulum  oder  winckel  des  gesichts, 
die  lini  von  A  zu  B  ist  die  grundlini  oder  lini  des  bodens, 
so  man  auch  die  lini  des  horizont  und  der  theilung  nennen 
mag  Rivius  Vitruvius  (1575)  353;  in  welcher  figur  {grund- 
risz  eines  theaters)  die  betreffung  der  scharpSen  winckel 
mit  ABC...  verzeichnet  sind,  so  wir  die  grundlini  oder 
steinmetzengrund  nach  der  welschen  manier  nennen 
mögen  ebda  353;  nimm  sie  auf  den  maaszstab,  auff  wel- 
chen die  grundlini  der  vestung  ist  gerissen,  zihe  nach 
der  gegeben  weite  der  grundlini  eine  parallel  in  die 
vestung  A.  Freitag  architect.  milit.  (1631)  55;  ähnlich  in 
der  kartographie  'die  in  verkleinertem  maszstabe  zu  papier 
gebrachte  'Verbindungslinie  der  beobachtungspuncte' ,  die 
als  grundlage  der  berechnungen  dient  vgl.  Fäsch  kriegslex. 
1006/.;  von  der  ichnographie  und  den  auf  risz  aller  grund- 
linien  v.  Fleming  vollk.  teutsch.  soldat  (1726)  392  überschr.; 
die  ersten  statistischen  grundlinien  von  der  westUchen 
küste  dieses  welttheils  G.  Forster  s.schr.  4,  7;  anders: 
gr.,  base,  wird  von  einigen  in  der  fortifikation  die 
äuszerste  seite  eines  polygons  oder  die  linie,  welche  von 
einem  boUwerckspunkte  zum  andern  gezogen  ist,  ge- 
nennet J.  V.  Eggers  kriegsingen.-lex.  (1757)  l,  1117;  mili- 
tärisch die  'frontlinie  der  truppenaufstdlung' :  wenn  eine 
truppe  sich  entwickelt,  ohne  nach  vom  räum  zu  ge- 
winnen, so  nennt  man  das  die  entwicklung  'auf  der  gr.' 
V.  Alten  4,  478 ;  das  vordringen  der  verbündeten  von 
der  Schweiz  und  dem  Rhein,  sobald  man  einmal  diese 
umfassende  gr.  gewählt  hatte  .  .  .  (bietet)  nichts  unge- 
wöhnliches (dar)  V.  Clausewitz  hinterl.  w.  7,  412. 

4)  grundlinien  als  'hauptsächliche,  das  wesentliche  dar- 
stellende linien'  (vgl.  comp.-typ.  5  r):  welches  (bild)  Jo- 
hannes .  .  .  zwar  mit  bloszen  grundlienien,  aber  doch  mit 
wunderbahrer  kunst  abgerissen  G.  Arnold  lehen  d.  gläu- 
bigen (1701)  63;  nur  die  regelmäszigen  grundlinien  ihres 
gesichts  waren  geblieben  P.  Heyse  ges.  w.  (1914^.)  I  3, 
624;  ihre  (der  hofkirche)  grundlinien  haben  selbst  den 
ungeschmack  der  .  .  .  omamentik  überwältigt  Justi 
Winckelmann  l,  264 ;  er  .  .  .  lehrte  sie,  mit  einigen  geraden 
strichen  die  grundlinien  und  hauptverhältnisse  (eines 
pferdekopfes)  anzugeben  G.  Keller  ges.  w.  6,  209;  viel- 
fach in  übertragener  Verwendung  'die  hauptzüge  eines 
clmrakters,  eines  planes,  eines  Systems,  einer  abhandlung' 
u.  s.  tv.:  hier  habt  ihr  die  gr.  ihres  karakters  Nachers- 
berg  giftkocher  (1798)  164;  einige  grundlinien  für  seinen 
(Handels)  charakter  (waren)  schon  hier  gezogen  Chry- 
SANDER  Händel  l,  9;  dieses  waren  ungefehr  die  grund- 
linien ihres  entwurfs  Wieland  Agathon  (1766/67)  2,  121; 
die  grundlinien  der  gewaltvertheilung  D.  Fr.  Strausz 
ges.  w.  2,  108;  die  gr.  der  napoleonischen  politik  Bis- 
MARCK  ged.  u.  erinn.  2,  61;  die  grundlinien  dieser  kunst 
zu  entwerfen  wäre  zugleich  nützlich  und  unterhaltend 
W.  V.Humboldt  ges.  sehr.  1,383;  aus  wenigen  grund- 
linien eines  völüg  neuen  Systems  Fichte  5.  w.  1,  249; 
nachdem  ich  .  .  .  das  innere  wesen  der  aesthetischen  er- 
kenntniszart in  seinen  allgemeinsten  grundlinien  dar- 


865 


GRUNDLOS  A  i 


GRUNDLOS  A  1 


866 


gestellt  habe  Schopenhatter  l,  264  Gr.;  es  kann  nieman- 
den schwer  fallen,  wenn  er  diese  gnindlinien  .  .  .  gefasset 
hat,  solches  .  .  .  {werk)  ganz  zu  lesen  Ckamek  nord.  auf- 
seher  3,  283 ;  die  grundlinien  der  epochemachenden  werke 
späterer  jähre  JusTi  Winckelmann  2,  1,  87;  grundlinien 
der  Psychologie  (titel)  allg.  dtsche  bibl.  104,  220;  grund- 
linien zur  geschichte  des  Verfalls  der  römischen  staats- 
religion  (buchtitel)  L,  Kbahner  (1837). 

mit  besonderer  betonung  des  zeitlichen  bzw.  genetischen 
Verhältnisses  erste  grundlinien:  sind  die  ersten  grund- 
linien und  äuszersten  umrisse  nur  richtig  angelegt,  so 
kann  jeder  kunstkenner  .  .  .  zur  weiteren  ausführung  bei- 
tragen Fr.  Schlegel  pros.  jugendschr.  l,  79 ;  wie  sie  (die 
schluszart)  denn  auch  sichtbarlich  zu  allen  beweisen  der 
natürlichen  theologie  die  ersten  grundlinien  zieht  Kant 
ges.  sehr.  3,  404  akad. ;  eine  pbilosophie  des  romans,  deren 
erste  grundlinien  Piatos  politische  kunstlehre  enthält 
Fb.  Schlegel  im  Athenäum  1,2,69;  die  ersten  grund- 
linien der  schweren  polnischen  spräche  .  .  .  lernen 
G.  Förster  s.  sehr.  7,  279;  er  (W.  Grimm)  hat  die  grund- 
linien gezogen  für  eine  geschichte  der  altdeutschen  dich- 
tung  W.  Scherer  H.  sehr,  l,  56;  (die)  stadt,  die  die  grund- 
linien meiner  bildung  zog  Schubart  br.  2,  245  Strausz. 

GRUNDLOS,  adj.,  ahd.  nicht  belegt,  aber  durch  subst. 
cruntlaosi,  cruntlossi  profundum  ahd.  gll.  1, 232  (vgl. 
grundlose  /.)  für  das  ahd.  gesichert,  mhd.  gruntlös,  grunde- 
lös  vgl.  skandin.  grundlos;  ctgs.  grundleas  Grein  sprach- 
eck.  279 ;  literarisch  seit  dem  12.  jh.  bezeugt. 

A.  zu  grund  I  gebildet,  ^ohne  grund,  unergründlich,  ab- 
grundtief. 

1)  im  eigentlichen  sinne  von  gevMssern,  abgrund  u.  s,  w., 
deren  grund  nicht  ermessen  werden  kann  oder  als  un- 
ermeszlich  erscheint. 

a)  zunächst  vom  meer  und  andern  gewässern  'unermesz- 
lich  tief,  nicht  zu  gründen";  das  grundlose  meer  ist  seit 
alters  mehr  poetische  formet  als  objective  maszangabe,  daher 
tneist  gehobener  spräche  zugehörig: 

nü  ist  daz  merc  ein  sulze  unde  darzuo  gruntlös 
. . .  daz  meie  h&t  niendert  grünt 

Münchener  Oswald  v.  3035  Baesecke; 

8i  (gottes  barmherzigkeit)  reichet  von  den  stemcn  abe 
unz  üf  die  gmndelösen  habe 

Pseudo-  Ootfried.  Marienpreis  str.  65  Wolff; 

üf  einem  grundelösen  sß 

Konrad  v.  WOrzbübg  Trofanerkr.  22141. 

du  bist  gesin  min  verle 

in  disem  grundlosen  wag     der  Salden  hört  4425  Adrian; 

so  werden  wir  von  den  wüttenden  wällen  desz  grund- 
losen meres  verschlunden  Steinhöwel  de  dar.  mul.  181 
lit.  ver.;  die  so  ...  in  dich  verliebt  waren,  dasz  sie  ... 
in  das  grundlose  meer  gesprungen  sind  Wieland  Lucian 
1,  78;  weil  in  diesen  hohem  breiten  das  meer  überall  gr. 
war  G.  Forster  s.  sehr,  i,  116; 

(hinunter)  in  grundlose  wogen 

fühlt  er  sich  gezogen       Grillpaezee  «.  to.  10,  159  5. 

er  (der  kaufmann)  .  .  .  fuhr  über  das  grundlose  wasser 
G.  Fbeytao  ges.  w.  18,  157;  wie  den  stillen  Wasserspiegel 
eines  unheimlich  grundlosen  sees  Gutzkow  ges.  w.  9,  352; 
mehr  unter  dem  gesichtspunct  der  quantität:  als  der  minste 
trophe  Wassers  gegen  einem  grundlosen  mere  Tauler 
pred.   229  Vetter; 

(er)  ist  gleich  eim  tröpflflein  wasser  klar 
gegen  dem  grosz  grundlosen  meer  (gerechnet) 

HANS  Sachs  19,  73  E.-  O.; 

gleichwie  du  das  grosze  grundlose  meer  nicht  kanst 
schitten  in  ein  kleines  grübl  Abraham  a  s.  Clara  Judas 
d.  ertzsch.  1,  265. 

b)  vielfach  im  bilde,  besonders  in  religiöser  spräche  (vgl. 
unten  2  b,  c) : 

(von  gott:)  wie  ist  so  gründelose  gar 
das  mere  diner  almechtikeit 

BONER  edelst.,  vorr.  6  Ben.; 

aller  tugent  bist  aln  grundlos  mer 

KONE.  v.  Helmsdoef  Spiegel  4339  Lindqvist; 

IV.  1.  6. 


got  vater,  grundeloses  hab 


md.  Hiob  94  Karsten; 


das  grund-  und  grenzenlose  meer  der  ewgen  Hebe  . . . 

Beockes  8,  8; 

(das)  schiflein  seins  gelaubens,  das  alleweg  in  dem  grunt- 
losen  sorgsamen  mer  diser  werlt  swimmet  JoH.  V.  Nbu- 
MABKT  Hieron.  306  Kl.;  aber  auch  sonst: 

ein  hur  ist  ein  grundloses  mehr, 
die  dir  verschlickt  leib,  gut  unt  ehr 

Hans  Sachs  3,  50  K.; 

so  gränzlos  wie  das  meer  ist  meine  neigung, 

80  grundlos  meine  liebe  Göthb  w.  9,  198  W.; 

grundloser  ocean  der  geister 
drehe  mich  ewig  in  deinem  Wirbel 

J.  N.  GÖTZ  verm.  ged.  2j  44 ; 

in  ähnlicher  Verwendung:  gruntloser  brun  abissaiis  fons 
Diefenbach  3^; 

(die  fungfrau  Maria)  die  ich  fürwar 

wol  nenn  der  genaden  prunne! 

er  ist  gruntiosl    liederbuch  d.  Hätzlerin  s.  103; 

o  du  voller  mane,  o  du  grundeloser  brunne  Mechthild 
v.  Magdeburg  8  Mord;  daz  ist  als  ein  gruntloser  brunne 
alles  göttlichen  guotes  meister  Eckhart  480  Pfeiffer; 
der  grundlose  brunnen  Platen  w.  1,  679; 

wip,  grundeloser  ursprink  aller  guete 

Rkoenbooen,  minws.  3,  452*  r.  d.  Hagen. 

c)  auch  bei  kleineren  gewässern,  flüssen  und  teichen  gilt 
gr.  im  sinne  ^überaus  tief,  nicht  zu  durchtvaten' ,  entbehrt 
aber  des  gefühlsbdonten  Charakters: 

lug  auf!  der  wasserflüsz  gelegenheit, 

ob  sie  seindt  grundtlosz,  schmal  oder  breit 

Frontinus  r.  d.  guten  räthen  (1532)  51»; 

erholen  kont  er  sich,  weil  es  (das  wasser  des  flusses)  war  grun- 

delosz 
nicht  wieder,  wer  auch  schier  ersoffen  mit  dem  rosz 

D.  V.  D.  Weedke  ras.  Roland,  ges.  30,  str.  65; 

ein  schlosz  . . .,  vor  welchem  ein  schneller  und  grund- 
loser flusz  herschieszet  J.  Kerner  briefw.  (1897)  l,  186; 
Wassergräben  und  grundlose  pfitzen  D.  Federman  gründl. 
beschr.  (1570)  40^;  der  seinen  knecht  ...  in  den  grundlosen 
tümpel  gestürzt  hat  Immermann  2, 144  Hempd;  er  ist 
in  einem  sumpffigen  grundlosen  wasser  verdorben 
J.  Zonach  erquickst.  (1613)  l,  294;  ein  grundloser  wasser- 
pfuhl  MüSÄus  volksm.  (1839)  4,  113;  vgl.  gr.  'oAne  erreich- 
baren boden,  von  tiefen  stdlen  im  flusz,  im  sumpf  Staub- 
TOBLER  3,  1429;  mit  affedgehalt:  böse  faule  grundlosze 
pfutzen  Luther  8,  6  W.;  ja  es  ist  (in  Rom)  ein  grundt- 
loser  pfui,  der  des  menschen  verstand  weit  übertrifft 
Fischabt  binenk.  (1588)  248i>; 

durch  wflst,  kat,  irrig,  grundlos  glunken  (gössen) 

N.  Manuel  Barbali  v.  583  B.; 

in  mir  findest  du  einen  grundlosen  pfuhl  von  wohllust 
Bürger  w.  307  Bohtz. 

d)  früh  in  fester  Verbindung  die  grundlose  hölle  «.  ö.; 

diu  helle  ist  grundelos,  des  wlrt  sie  nimmer  vol 

minnesinger  3,  90"  r.  d.  Hagen; 

der  tiuvel  ir  geselle 
in  der  grundeldsen  helle 

Steickeh  Karl  9012; 

vgl.  Heine,  v.  Hesler  apokaJ.  4238,  10617  Hdm;  in 
grundtloser  helle  Berth.  v.  Chiemsee  theöl.  568  R.; 

wan  siu  vielin  tot  nider 

unde  lobten  (l.  lebten)  doch  sider 

mit  dem  iebinden  tode 

in  dem  grundelösen  hellesode 

HxJGO  V.  Langenstein  Martina  229,  46; 

er  (der  hast)  viel  die  gruntlösen  gruop 
her  ab  in  die  helle  nider 

Seifeio  Helblinq  2,  202  Seem.; 

er  velt  den  fiwigen  val 
in  daz  grundeiöse  tal 
Lampeecht  v.  Regbnsbueö  Franc.  239  Weinh.; 

der  sich  über  ander  lüte  setzen  wil,  der  sol  mir  enpfallen 
in  daz  grundeiöse  tal  Mechthild  v.  Magdeb.  95 ;  aus 

65 


867 


GRUNDLOS  A 1 


GRÜNDLOS  A  2 


868 


den  grundelosen  kolken  {der  hölle)  Schottel  959;  der 
grundlose  schwefelgrund  Triller  poet.  betr.  1,  110  j 

kannst  du  entsetzlicher  quälen  finstre  grundlose  hölle? 

Lenz  ged.  6  Weinh. 

e)  entsprechend  überhaupt  für  den  ausdruch  unendlicher 
tiefe  eines  abgrundes,  des  raumes  vgl.  abyssus  . .  .  eine 
grundlose  tiefe  B.  Fabeb  thes.  (1587)  4*;  grundloser  ab- 
grund  barathrum,  vorago  Stieleb  1178; 

der  endelosen  hoehe  ein  dach,  du  herre  almehtik,  bist 
der  grundelosen  tiefe  ein  bodem,  dur  alle  sinne  ein  sehender 
list        minnesinger  2,  359»  v.  d.  Hagen; 

man  siht  auch  oft  des  nahtes  als  ob  ain  gruntlös  tiefen  ge 
in  den  himel  Konbad  v.  Megenberg  buch  d.  natur  78, 
31  Pf.;  in  der  gruntlosen  tiefe  götlicher  natüre  meisteb 
Eckhäbt  579  Pfeiffer;  grundlose  tiefe  una  profondezza 
Krämbb  teutsch-ital.  1,  573;  der  donner  .  .  ,  höret  jetzt 
auf  durch  die  weite  und  grundlose  tiefe  zu  brüllen  Bod- 
MEB  abh.  V.  d.  wunderbaren  342 ;  mich  dünkte,  ich  muszte 
sie  in  eine  grundlose  tiefe  fallen  lassen  G.  Kellee  ges.  w. 
X,  395; 

auf  aus  euren  grundlosen  tiefen,  o  tage,  steigt  . . . 

Feeiligkath  ges.  dicht,  4,  76 ; 

die  grundlosen  tiefen  der  ewigkeit  Wieland  Agathon  2, 
62;  erinnerst  du  dich  jenes  augenblicks  .  .  .,  da  du  in 
diesen  grundlosen  abgrund  springen  wolltest?  Kling eb 
w.  8,  380;  so  ist  jenes  gleich  einem  grundlosen  abgrunde 
der  veränderlichen  lüsten  Lindenborn  Diogenes  (1742) 
1,  545;  grundloser  abgrund,  grundloser  grund  namentlich 
in  religiöser  spräche,  besonders  der  deutschen  mystik,  viel 
verwendet  und  variiert,  vgl.  H.  Kunisch  das  wort  'grund' 
in  der  spräche  der  deutschen  mystik  (diss.,  Münster  1929) 
8.  69/.,  87/.,  100,  und  meist  auf  gott  oder  die  seele  bezogen: 
o  grundelose  tief  apgrunt,  in  diner  tiefe  bistü  hoch,  in 
diner  höcheit  nider  Meister  Eckhart  516  Pfeiffer;  owe 
grundloses  abgrund,  kum  mir  ze  staten  Seuse  127  Bihlm.; 
von  deme  grundelosen  abpetgrunde  götlicher  wolluste- 
keit  Nikolaus  v.  Landau  diZuchhold;  {der  geist)  vlieze 
mit  alle  dem,  daz  er  ist,  in  das  gruntlose  abgrunde  sines 
urspringes  meister  Eckhart  393  Pfeiffer;  ich  beger  von 
mins  herzen  grundlosem  abgrunde  Seuse  90  Bihlm.;  dan 
wird  si  {die  seele)  gezuket  in  einen  gruntlosen  grünt 
Eckhart  bei  Jostes  62,  vgl.  34;  in  dem  gruntlosen  gründe 
der  innersten  innikeit  der  gotheit  ders.  bei  Pfeiffer 
582;  wie  'grenzenlos,  endlos',  occasionell  erweitert:  wie  in 
.  .  .  dem  grundlosen  räum  .  .  .  alle  dimensionen  ...  als 
eine  liegen  Schelling  w.  I  2,  177. 

f)  gr.  von  hohlräumen  {vgl.  grund  I  C),  'bodenlos',  im 
ganzen  weniger  ausgebreitet,  vgl.  voraginosus  wirblächtig, 
voll  tieffer  und  grundloser  löcheren,  bodenlosz  Fbisius 
1407^;  vorago  ein  tieffer  Schlund,  ein  grundtloses  oder 
bodenloses  tieffes  loch  Calepinus  XI  ling.  1568''';  einen 
.  .  .  stein  .  .  .,  unter  welchem  das  mitternächtige  meer 
. .  .  durch  vier  einflüsse  in  einen  ungeheuren  schlauch 
und  grundlosen  loch  verschlungen  wird  Peätobius 
Blockesberges  verr.  (1668)  226;  umb  wegen  daz  ein  groszer 
grundloser  slunde  ist  in  dem  selben  canal  Bbeydenbach 
reise  146^ ; 

ich  sank  hinab  zu  grundlos  düsterm  Schlünde 

Fe.  Kind  ged.  2, 17; 
klafft  hinunter  ein  gähnender  spalt 
grundlos,  als  giengs  in  den  höllenraum 

Schiller  11,  221  O.; 
vgl.  mundartlich  an  grunneläs  16k  {loch)  Schambach  70^'; 
unhäufig  auch  mit  dem  beisinn  'nicht  auszufüllen,  alles 
verschlingend':  welliches  so  grundloses  und  früssiges  ding 
hette  so  vil  güeter  so  bald  können  verschlingen  quae 
charybdis  tam  vorax,  tot  res  tam  cito  absorbere  potuisset 
Henisch  1769;  geiz  ist  ein  gr.  gefäsz  Düringsfeld 
sprichw.  1,  289^;  selige  Danaiden,  die  den  grundlosen 
kelch  der  göttlichen  gnade  nun  und  nimmer  mit  ihren 
freudenthränen  zu  füllen  vermögen  Fouque  gefühle,  bil- 
der  1,  74;  recht  und  gerechtigkeit,  das  sind  ein  paar  grund- 
lose schlauche,  in  die  man  eine  weit  stecken  kann 
Raup  ach  dram.  w.  ernst,  galt.  6, 14;  eisern  ist  deine  Ver- 
dauung, gr.  dein  gedärme  Schiller  l,  20l  0. 


2)  namentlich  in  älterer  spräche  ist  übertragener  ge- 
brauch reich  entfaltet. 

a)  so  im  sinne  'unendlich  tief,  unsagbar  grosz'  als  stark 
affecthaltiges  epitheton  bei  ausdrücken  des  seelenzustandes 
und  seiner  äuszerung,  besonders  mhd. 

a)  zunächst  bei  ausdrücken  des  Schmerzes;  noch  bild- 
mäszig: 

ich  wirde  in  grundelose  klage 
an  ende  nü  versenket 

KONKAD  V.  WÜEZBUEG  Trojanerkf.  29302; 

{dasz  du  mich  . . .)  ...  in  grundlosen  schmertzen 
ohne  trost  versinken  läszt 

A.  Gryphius  ged.  93  Palm; 
aber: 

die  grundelosen  herzenöt, 

diu  uns  beswseret  aise  der  tot 

GOTFRID  V.  Straszburq   Tristan  9367  Marold; 

daz  gruntlose  herzeleit 

KONEAD  V.  WÜEZBURQ  gold.  Schmiede  962  Or.; 

sin  tot  al  dhen  einen  gaph 
grundelosiz  herzeser 

braunschw.  reimchron.  6301  WeiUtnd; 

sin  trüren  grundelös  Konb.  v.  Würzburg  Trojanerkr. 
7905 ;  also  der  arme  mensche  ...  in  grundeloser  bandikeit 
{angst)  ist  Tauleb  jyred.  43  Vetter; 

das  kan  usz  hertzen  reuten 
mir  gruntlosen  jamer  schlag 

liederb.  der  Hätzlerin,  s,  208; 

de  klagte  grundclösiu  leit 

dem  künege  sin  kapelän     Reinhart  fuchs  1612  Or.; 

grundelosen  pin  Konr.  v.  Wübzbubg  Partonopier  15638; 
dann  auch  halb  terminologisch  für  die  höllenstrafe:  in  diser 
grundeloser  helscher  pine  Tauler  pred.  45  Vetter; 

daz  ie  nicht  kumit  in  di  grundelosen  pine, 
di  wir  armen  müssen  ewiciichen  lide 

spiel  V.  d.  zehn  jungfr.,  fassg  B  v.  557/.  Beckers; 

mit  der  Vorstellung  'endlos'  {s.  u.)  verrinnend:  die  hel- 
lische pein  ist  grundlosz  Petrin.  Teutsch.  weish.  1,  b  6»; 
ähnlich:  owe,  herr,  des  vegfüres,  der  grundlosen  marter! 
Seuse  287  Bihlm.;  in  neuerer  spräche  erstirbt  diese  Ver- 
wendung. 

ß)  entsprechend,  doch  minder  häufig  bei  gemütszuständen 
freudiger  natur  u.  ähnl. : 

sin  wunne  diu  wart  grundelös 
KoNRAD  V.  WÜEZBURa  rrojowerfcf.  22930;  vgl.  7670; 

min  trut,  du  solt  von  mir  enphan 
grundlosen  froiden  kus 

der  Salden  hört  911  Adrian; 

{gott,)  dez  wesen  grimdlose  lust  und  frod  in  im  selben  ist 
Seuse  171  Bihlm.;  in  grundloser  minnekhcher  süzzekeit 
13,  31;  sulche  grosze  grundelose  und  ewige  freude  Jon. 
V.  Neumabkt  Hieronymus  237  B.-Kl.;  der  herr  ist  mit 
dir:  sei  gegrüszet  du  grundlose  freud  H.  Fabricius  auszz. 
bewerter  hist.  551;  in  diesem  sinne: 

da  lag  diu  minnigltche 

diu  grundelös  vröudenriche  {im  fenster) 

gesamtaberU.  3,  242  v.  d.  Hagen; 

in  grundelose  trutschaft  Konrad  v.  Würzburg  Tro- 
janerkr. 20752;  noch  modern  gelegentlich  ähnlich:  die  grund- 
lose liebe  zu  meiner  mutter  H.  Steffens  was  ich  erlebte 
(1840)   1,  136. 

y)  besonders  in  der  mystik  reich  variiert:  mit  der  violen 
der  grundelosen  diemütekeit  Mechthild  v.  Magdeburg 
244;  und  sprach  von  ir  grundeloser  demütkeit  Tauler 
pred.  239,  vgl.  Seuse  29  Bihlm.;  sunder  eyn  gruntlose 
demutigkeyt  eyn  deutsch  theol.  32  Uhl;  tieffe  unermesz- 
liche  und  grundtlose  demuet  Erzherzog  Ferdinand  ii. 
V.  TiEOL  spec.  vitae  hum.  29  ndr.;  ein  grundloses  loben 
Seuse  33  B.;  do  ist  über  alle  masze  ein  grundelös  süftzen 
Tauler  pred.  43  F.;  und  danckte  und  lobte  gott  mit 
einer  grundlosen  herzklichen  begirde  Seuse  90  B.;  mit 
grundeloser  gelossenheit  Tauleb  pred.  115  V.;  ein  grun- 
delös vernüten  44. 

b)  mit  pejorativem  Charakter  'abgrundtief,  unermeszlich 
grosz,  unsäglich',  wo  neuere  spräche  bodenlos  bevorzugt. 


869 


GRÜNDLOS  A  2 


GRUNDLOS  A  2 


870 


vgl.  als  doppelformel  grundlos  und  bodenlos :  aber  es  ist  alles 
gr.  und  bodelos  mit  eyttel  geytz  und  unrecht  Lutheb 
15,  312  W.;  begeht  nicht  die  grund-  und  bodenlose 
Schwärmerei  FouQui;  gefiihle,  bildet  1,  22 ;  vorstzifen  dieser 
Verwendung  schon  mhd.: 

daz  ich  mit  grundelösem  schaden 
muoz  ßwecllche  sJn  geladen 

KONEAD  V.  WüRZBUKa  Partonopier  12089; 

der  endecrist .  .  .  underwindet  sich  der  weltlicBen  vürsten 
.  .  .  mit  grundelosen  falschen  listen  Mechthild  v.  Mäg- 
deburg 124;  sie  .  .  .  ferben  sich  in  ihren  grundlosen  Sün- 
den Lutheb  33,  378  W.;  dardurch  sein  grundloser  greuel 
entdecket  wirt  Sleidanus  reden  58  lit.  ver.; 

ein  zenckisch,  grundloser  unfried 

Hans  Sachs  3,  369  K.; 

so  sind  wir  in  grundlosem  .  . .  Verderbnisse  Nicolai  Seb. 
Nothanker  2,  5;  wir  müssen  unser  grundloses  verderben 
erkennen  lernen  Jung-Stilling  w.  3,  94;  die  grundlose 
bosheit  J.  J.  Engel  sehr.  1,  141;  die  berauschte  weit 
taumelt  ...  in  grundloses  elend  hinab  Wieland  w.  2, 
354  akad.;  die  grundlose  häszlichkeit  .  .  .  seiner  vermein- 
ten braut  BR.  Geimm  kinder  u.  hausmärchen  2,  257;  ähn- 
lich: in  ihrer  grundlosen  nichtigkeit  Jahn  2,  122  E.;  als 
steigerndes  adv.:  wie  gar  tieff  seine  (des  menschen)  natur 
gefallen  und  gr.  verderbet  ist  Lutheb  50,  224  W.;  es  ist 
gr.  thöricht,  warum  er  hier  sein  mag  Stifteb  1,  27iS.; 

(alles  ist)  nicht  so  grundlos  schlimm,  nicht  so  verrucht 

Skume  ged.  (1804)  29; 

fälle  wie  der  folgende  leiten  zu  der  formd  es  ist  gr.  über: 
es  ist  dis  stücke  so  verzweivelt,  gr.,  böse,  das  es  in 
diesem  leben  keine  zunge  ausreden  .  .  .  kan  Lutheb 
wider  Hans  Worst  20  ndr.;  da  wvird  es  erst  recht  gr. 
werden  ders.  30,  2,  298  W. ;  es  ist  alles  ubirauss  vortzweyf - 
feit  und  grundloss  da  worden  7,  5;  von  Verschwendung- 
do  nu  die  ahtzig  also  innen  wurden,  wie  man  mit  der 
burger  gut  umbgieng,  und  daz  es  grundlous  waz,  do  .  .  . 
urkundenb.  d.  stadt  Rottweil  1,  179  (v.  j.  1379);  proterviam 
fecit  es  ist  grundtlosz,  es  ist  bodenlosz  mit  im  Tappius 
adag.  cent.  Septem  (1545)  152*>,  vgl.  Sprichwörter  (1548)  54»; 
auch  persönlich  gewendet:  es  ist  mit  solchen  grundlosen 
leuten  dahin  kommen,  dasz  sie  weder  nach  gott  weder 
nach  menschen  fragen  Butschky  gedenckmahl  (1633)  154; 
es  ist  ein  grundloser  schelm  Chb.  Reuteb  Schlampampe 
krankh.  115  ndr.;  vgl.  ein  grundloser  schelm  un  turbo  cupo 
Krameb  teutsch-ital.  1,  574''';  gr.  ^unergründlich,  unzuver- 
lässig, schlecht  V.  menschen^  Fbischbiee  preusz.  wb.  l, 
257^. 

c)  die  Vorstellung  des  räumlich  unendlichen  überträgt 
sich  früh  auf  dinge,  die  in  geistiger  hinsieht  als  'unendlich, 
nicht  ergründbar,  unerschöpflich^  erscheinen;  so  nament- 
lich in  geistlicher  spräche. 

a)  in  anwendung  auf  die  eigenschaften  gottes,  Christi  oder 
Marias  bis  in  nhd.  zeit  geläufig: 

äne  mäz  und  ungezalt 
ist  d!n  gruntlöser  rät, 
der  hie  noch  dort  kein  ende  hat 

erlösung  1141  Bartsch; 

dun  wellest  ouch  die  herschaft 
dlner  grundelosen  magencrait 
wenden  an  die  hellen 

Walther  v.  Rheinau  Marietd.  135,  3  Keller; 

o  grundlose  weyszhait 

Heine,  v.  Neustadt  Apoll.  16781  Singer; 

weil  es  ein  abgründliche  und  grundlose  Weisheit  gottes  ist 
Luther  sehr.  8  (1568)  342»  Jenaer  ausg.; 

{gott)  wenn  dein  gnad  unczergenkleich  ist 
und  dein  gruntlose  mynn 

Seifrit  Alexander  3   Oereke; 

in  der  gruntlosen  minne  des  selben  willen '  meisteb 
Eokhabt  592  Pfeiffer; 

sein  gruntlosz  lib  unsz  zu  erken 

Hans  Folz  meistert.  27,  74  M.; 


wo  die  grosze,  grundlose  liebe  und  wohltat  Christi  ge- 
kannt .  .  .  wird  Luther  22,  252  W.;  ausz  grundtloser  liebe 
beschlossen  Mathesius  ausgew.  w.  4,  303; 

der  grundlosen  g&eti  sin 

der  Salden  fiort  3567  Adrian; 
. . .  deine  gut 
wie  unauszsprechlich  1  wie  grundloszl 

Weckhermn  ged.  2,  116  Fischer; 

davon  vindet  man  grundelose  gnade  in  gotte  Mechthild 
v.  Magdeburg  146; 

doch  gottes  gnad  ist  grundlos  wie  sein  lieben 

A.  V.  Deoste-Hülshofe  w.  3,  5; 
am  häufigsten  grundlose  barmherzigkeit: 

.  . .  uns  ze  helfe  kan 
din  grundlosiu  barmikeit 

JOH.  V.  WÜEZBXJRG  WUh.  V.  Öst.  10437  Regel; 

dein  gruntlos  parmung  uns  wol  gan 

liederbuch  der  Hätzlerin  259; 

umb  deiner  grundlosen  barmherzigkeit  willen  Gbimmels- 
hausen  2,  476  Keller;  die  grundlose  barmherzigkeit  un- 
seres lieben  herm  .  .  .  Christi  v.  Fleming  vollk.  t.  soldat 
(1726)  142b. 

ß)  häufig  als  'unerschöpflich,  endlos,   unendlich'' ;  noch 
halb  im  bilde: 

iil  got,  den  grundlosen  hört 

der  Salden  hört  3433  Adrian; 

ich  west  nicht  seiner  gotleichen  Weisheit  grundlosen 
schecz  Joh.  v.  Neumaekt  Uieronymus  258  Kl.;  gott, 
der  darynnen  {im  sacrament)  so  überschwenglichen  und 
grundlosen  reychthumb  seyner  gnaden  über  uns  schüttet 
Luther  12,  48  W.;  der  grundlose  schätz  seiner  Verdienste 
übertrifft  alle  missethat  Schupp  sehr.  (1663)  459;  sunder 
fon  der  unbegriflichkeit  sines  grundelosin  lichtis  parad. 
animaeint.  33  Str.;  Bm.{gottes)  grundelosin  unbegrifelicheit 
Pfeiffer  myst.  2,  660;  wie  wit  die  (gedanken)  sin  unde 
wie  grundelös,  daz  ist  wunder  .  .  .,  wie  hoch  und  wie 
grundelös  die  sin  daz  weiz  nieman  meisteb  Eckhäet 
80  Pfeiffer; 

herr  wie  sint  deln'e  werck  so  gros, 
dein  gedancken  dieS  und  gruntlos 

Hans  Sachs  18,  362  K.-  G.; 

demnach  wir  unsere  schrifFtsgeliderte  .  .  .  mit  so  unzah- 
ligen andern  tieffen  grundlosen  und  spitzfindigen  fragen 
bekümmert .  .  .  wissen  Fischabt  binenk.  10»;  mit  sölichen 
gruntlosen  betrachtungen  wirt  er  vertiefft  in  der  mynne 
Haetlieb  d.  buch  Ovidii  v.  d.  liebe  (1482)  4»;  gruntlose 
rede  multifaria  Diefenbach  370«; 

der  hat  grundelose  kunst, 
die  niekeln  wiser  man 
zu  ende  gesprechen  kann 

H.  V.  Hesler  apokal.  22510  Helm; 

und  sey  bey  yhm  eitel  grundlose  kunst  verborgen  Lutheb 
26,  375  W.;  ironisch:  wolt  ich  gerne  von  seyner  grund- 
loser weyszheit  Unterricht  empfahen  6,  138;  o  die  tiefe 
grundlose  Weisheit  Nicolai  literaturbr.  5,  176;  auch  lexi- 
kalisch entsprechend,  vgl.  grundelös,  endelos,  ungeendit 
infinitum  Konr.  v.  Heinbichau  vocab.  387  Gusinde; 
grundlosz  infinitus  Diefenbach  297». 

y)  mystische  spräche  erweitert  die  anwendung  von  gr. 
auf  alles,  was  nicht  grund  besitzt,  ums  nicht  ermessen  wer- 
den kann,  was  mit  dem  verstände  nicht  erfaszt  wird,  so 
gott,  die  seeie  u.  s.  w. :  ich  rure  ane  underlas  dise  grunde- 
losen gotheit  Mechthild  v.  Magdebubg  194;  da  was 
unde  ist  sin  gotheit  s6  gruntlos,  daz  er  si  niht  wol  er- 
kennen mohte  an  im  selben  Pfeiffee  myst.  1,  398 ;  später 
erstarrt:  der  süss,  ewig,  grundtloss  .  .  .  gott  manuale 
curat.  (1516)  59^;  und  antwerte  sie  gote  in  sine  grunde- 
losen natüre  meisteb  Eckhabt  185  Pfeiffer;  do  got  sein 
eigen  natur  anschaut,  die  gruntloz  ist,  die  enmak  von 
nicht  begriffen  werden  dann  von  eim  gruntlosen  ver- 
stantnuzz  ders.  bei  Jostes  69;  in  der  gruntlosen  sub- 
stancie  der  gotheit  ders.  bei  Pfeiffee  591 ;  ze  begrifende 
daz  wäre  grundelose  guot  ebda  2,  21;  mer  wenne  der 

55* 


871 


GRUNDLOS  B.  C 


GRUNDLOS  D  1.  2 


872 


endelose  got  die  grundelose  sele  bringet  in  die  hohin 
Mechthild  V.  Mägdebxjeg  5,  vgl.  37;  ze  smeckene  die 
gruntlosen  istikeit  iuwer  sele  meisteb  Eckhabt  688 
Pfeißer;  anders:  har  nach  wart  min  herze  grundelös,  min 
sele  mionelös,  min  geist  formelös  ebda  507. 

6)  dann  geradezu  ''unbegreiflich,  unerkennbar''  vgl.  un- 
pegreifflich,   unbekentlich,   gruntlosz   incomprehensibilia 

DiEFENBACH  gl.   292^; 

Wim  sagen  waz  sei  die  drt  genende, 
nu  ist  ez  so  tieff  unt  so  fremde 
unt  80  gar  grundelos  .  . ., 
daz  ich  ez  mit  meinem  sinne 
nimmer  mac  verenden 

anegenge  4,  61  bei  Hahn  ged.  d,  12.  u.  13.  j7«; 

diu  einekeit  der  driveltikeit  ist  grundelos  meiste» 
EoKHABT  525  Pfeiffer; 

die  grundlosson  tögenliait 
ainer  ainen  gothait 

SCHWEIZER  Wernher  Marxenleb.  14817  Päpke; 

ir  Tvist  des  grundtlosen  gerichts  gottes  der  heyligen 
leben,  summertheil  (1472)  209*';  nach  Rom.  11,  33:  {gott,) 
wie  grundloz  sint  dein  urteil  und  wie  unbegriffenlich  sint 
dein  wege  Eckhaet  bei  Jostes  16  (quam  incomprehensi- 
bilia  sunt  judicia);  wie  .  • .  sol  . . .  ich  mich  .  .  .  unter 
deine  grundlose  urtheil  unterwerffen  JoH.  Arnd  Th.  a 
Kemp.  nachf.  Chr.  (1631)  85;  die  niezunge  der  iteniuwen 
unde  der  gruntlosen  wunder  diner  ewigen  honicsüezen 
gotheit  Pfeiffer  myst.  1,  373;  was  das  leben  der  heiligen 
sei  im  himel,  ist  gmndtlos  spricÄw.  (1548)  541»;  vergleich- 
bar: das  ist  grundelos,  daz  got  den  sunder  ansihet  für 
einen  bekerten  menschen  Mechthild  v.  Magdebiteg  195. 

B.  gr.  ^ ohne  festen,  tragenden  grund',  vgl.  grund  II  A  2  b 
{sp.  688);  erst  im  älteren  nhd.  aufkommend;  im  eigent- 
lichen sinne:  über  das  grundloss  moss  oder  riedt  Stumpf 
Schweizerchron.  446*';  dieses  städtlein  .  .  .  wird  . .  .  durch 
einen  continuirlichen  tieffen  und  fast  grundlosen  moras 
. . .  abgeschnitten  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  (1648)  l,  59; 
unter  dem  grundlosen  moraste  A.  v.  Arnim  s.  w.  1, 184; 
musz  in  grundlosem  schlam  bis  über  achsel  stehen  Lohen- 
stein geistl.  gedancken  (1680)  54;  vielleicht  traf  man  gleich 
neben  dem  urfelsen  ein  grundloses  sumpffleck  Göthe 
IV  20,  87  W.;  sol  nimand  .  .  .  über  eine  brücke,  deren 
joch  in  einem  grundlosen  triebsande  ruhet,  gehen 
BiTTSCHKY  Pathmos  (1677)  366;  der  verräther  geht  wie 
im  grundlosen  sande  Göthe  38,  492  W.;  vor  allem  in 
neuerer  spräche  grundloser  weg,  der  vom  regen  oder  anderer 
nässe  aufgeweicht  schlecht  zu  begehen  und  zu  befahren 
ist:  ein  f uhrmann,  der  in  einem  grundlosen  wege  mit 
seinem  schwerbeladenen  wagen  festgefahren  Lessinq  13, 
98  L.-M.; 

über  grundlose  wege, 

auf  öden  gefllden  GÖTHE  2,  63  W.; 

die  grundlosen  wege  in  dem  tiefen  und  morastigen  lande 
Ranke  w.  16,  312;  auf  gr.  gewordenen  straszen  Moltke 
ges.  sehr.  3, 116;  grundlose  geleise  Immermann  l,  50  B.; 
ihre  sonst  so  muthigen  rosse  wadeten  jetzt  langsam 
durch  die  grundlosen  äcker  Zachariä  poet.  sehr.  2,  185; 
entsprechend  mundartlich:  dat  löppt  dörch  grundlosen 
acker  Mensing  1,  39;  grundeis  'grundlos,  aufgeweicht  . .  . 
bes.  von  Waldwegen^  rhein.  wb.  2, 1466;  gruntlos  'bes.  v. 
morastigem  boden'  Damköhler  Nordharzer  wb.  66;  seltener 
gr.  'ohne  baugrund' :  grundlosz  'wird  von  einem  gebäude 
.  .  .  gesaget,  wenn  entweder  kein  grund  vorhanden  oder  der- 
selbe übel  gegründet  ist'  Voch  baulex.  133 a;  bildlich:  das 
der  faule  grund  diszes  plauders  gar  nyder  ligt  und  grund- 
losz erfunden  wird  mit  allem,  das  er  drauff  bauet  Luther 
6,  292  W. 

C.  gr.,  zu  grund  IV  gebildet,  ist  Wenfalls  erst  seit  dem 
frühnhd.  nachzuweisen;  'ohne  fundamerU,  basis" ;  selten  im 
eigentlichen  verstände:  {sie)  haben  . . .  mit  den  bickeln 
und  hacken  die  thüm  {türme)  gruntlosz  und  ledig  ge- 
schlagen Heinr.  Müller  türck.  hist.  (1563)  12p;  der  thurm 
zu  Babel  ist  grundlosz  worden  J.  Böhme  sehr.  6,  169; 
nMh  im  bilde:  das  ist  ein  grundloser  bau,  au£E  welchem 


bau  der  irrsal  stehet,  der  da  gelosiert  wirdt  mit  erdichten 
sophistereyen  Paracelsus  opera  l,  26  Huser;  das  grund- 
lose gebäude  einer  vision  Archenholz  England  u.  Ital. 

1,  1,  148;  es  hat  sich  aber  gar  übel  geschätzt,  wenn  das 
hausz  und  der  keller  unterwühlet  und  grundlosz  gemacht 
sind  J.  G.  Schmidt  gestr.  rockenphilos.  (1706)  2,  lOl; 

wann  lasset  ihr  das  tbörichte  gelüste, 

ein  grundlos  nichts  auf  eurem  sand  zu  bauen? 

BÜOKERT  w.  1.  8. 

D.  in  abstrakterer  Verwendung  häufig;  1)  zunächst  im 
sinn^  'ohne  festen  boden,  ohne  sichere  grundlage,  wobei  sich 
in  den  noch  halb  bildlich  empfundenen  Wendungen  grund 
II  A  2  b  und  grund  IV  fast  untrennbar  kreuzen;  meist  auf 
geistige  dinge  bezogen,  die  als  'nicht  gegründet'  erscheinen; 
so  bereits  älternhd.:  wer  vermeinet,  das  diese  antwort 
unchristlich  oder  grundlosz  sey  imd  unbestendig 
Luther  18,  455  W.;  zur  anzeigung,  das  alle  andere  tugen- 
den  gr.  sein,  wo  sie  nicht  aus  gottesfurcht  entsprieszen 
J.  Pomarius  gr.  postilla  (1590)  l,  I81'>';  einer  dorfschule 
.  .  .  Unterricht,  bestehend  in  lesen,  .  .  .  etwas  grundloser 
.  .  .  musikfertigkeit  .  .  ,  sehr.  d.  Göthegesellsch.  18,  90; 
ähnlich  früh  pejorativ  'ohne  reale  grundlage,  ohne  wahr- 
heitscharakter'  {s.  grund  IV  B  4),  vgl.  gr.,  ohn  allen  grund 
mendax,  ementitum  Henisch  1769;  auch  die  schwermer 
yn  so  viel  falschen  lügen  und  grundlosen  gründen  drüber 
ergriffen  sind  Luther  26,  417  W.;  das  aber  solche  luthe- 
rische .  •  .  lehr  grundtlos  und  falsch  sey  J.  Nas  antipap. 
eins  u.  hundert  3,  87^ ;  derwegen  ists  und  bleibts  ein  un- 
bündig gr.  fürwenden,  das  niu*  auf  lügen  gebauet  stehet 
C.  Ulenberg  antwort  (1592)  d  4*';  was  für  phantastische 
gedieht  und  grundloser  lugenzeug  darin  {ist)  Abraham 
a  s.  Clara  auf,  auf  ihr  Christen  12  Wien,  ndr.;  in  neuerer 
spräche  mehr  neutral:  verschemacher  mit  ihren  .  .  .  von 
geist-  und  grundlosen  grillen  erfüUeten  blättern  Neu- 
mark/or<</ep^.  musik.-poet.  lustw.  2  zuschr.;  sie  peinigen 
ihr  herz  mit  leeren  grundlosen  phantasien  Schiller  5, 
16  0.;  mit  vagen  hoffnungen  und  grundlosen  träume- 
reien  Seidel  vorstadtgesch.  140;  ungeachtet  der  vermey- 
neten  vermuthungen;  weil  sie  nehmlich  zu  gr.  seynd 
Prätorius  winterf.ucht  a  2*  vortr.;  grundlose  muth- 
maszungen  . . .  wagen  Winckelmann  s.  w.  9,  293;  Sy- 
steme, die  auf  eine  grundlose  hypothese  erbauet  sind 
Forster  s.  sehr.  5,  65 ;  vgl.  grundlose  beweiszthümer  ra- 
gion  frivole,  aeree,  vane  Kramer  teutsch-ital.  1,  573  c;  ein 
grundloser  beweis  Adelung  vers.  2, 830;  dasz  sie  {die  astro- 
logie)  sich  mit  ihr  {der  zukunfl)  gr.  beschäftigte,  dasz  sie 
Wissenschaft  derselben  in  combinationen  suchte  (,  hat  die 
astrologie  lächerlich  gemacht)  Herder  16,  371  S.;  deine 
glatten  worte  waren  leer  und  gr.  H.  v.  Ch^zy  erzähl.  (1822) 

2,  43;  es  kann  nichts  seichters,  grundloseres  .  .  .  gedacht 
werden  Lavater  physiogn.  fragm.  1,  17;  seine  .  .  .  urtheile 
über  Uhland  {sind)  flach  und  gr.  Hebbel  br.  1, 284  W.;  auch 
hier  gelegentlich  in  der  formel  grund-  und  bodenlos :  mit 
nudis  crudis,  sowohl  in  facto  als  jure  grund-  und  boden- 
losen affertis  Mayr  päckch.  sat.  40;  damit  man  begreife, 
wie  etwas  ganz  grund-  und  bodenloses  durch  ein  ganzes 
Jahrhundert  sich  in  solchem  ansehen  erhalten  kann 
Göthe  II  5, 2,  318  W.;  die  schwächen  unsers  . . .  unsichern 
und  . . .  grund-  und  bodenlosen  reichthums  Pestalozzi 
s.  sehr.  9,  69. 

2)  am  jüngsten  und  in  neuerer  spräche  seit  dem  18.  jh. 
alle  übrigen  bedeutungen  und  Verwendungen  zurückdrän- 
gend ist  gr.  als  'ohne  grund  (IV  B  bzw.  C),  ohne  begrün- 
dung,  ohne  berechtigung'  aufs  breiteste  entwickelt:  die  mir 
den  allerdings  nicht  grundlosen  einwurf  machen  möchten 
Meiszner  Alcibiades  2,  70;  der  Vorwurf  ...  ist  nicht  gr. 
Treitschke  hist.  u.  polit.  aufs.  1,  51;  die  kinder  für  ein 
eigenthum  der  eitern  zu  halten  ...  ist  eine  grundlose 
meinung  Fichte  s.  w.  s,  364;  {das  gesetz)  zwang  den  .  .  . 
erben  bei  grundloser  Weigerung  zur  antretung  der  erb- 
schaft  Jhering  geist  d.  röm.  rechts  3,  1,  261 ;  die  behaup- 
tung  {ist)  gr.  und  unerweislich  GtÖthe  II  2,  144  W.;  wie 
oft  verwies  ich  ihnen  ihre  grundlose  eifersucht  Dein- 
HARDSTEiN  gcs.  dram.  w.  2,  172;  wenn  .  . .  der  vöUig 
grundlose  eigensinn  eines  menschen  ein  gutes  unterneh- 


873 


GRUNDLOSIGKEIT 


GRUNDLOTH-GRUNDMÄSZIG  i        874 


men  hindert  W.  v.  Humboldt  ges.schr.  1,189;  Sophie 
ward  ihrer  grundlosen  furcht  . .  .  bald  entledigt  Bode 
gesch.  d.  Thom.  Jones  4,  275;  diese  grundlose  heiterkeit 
.  . .  machte  fast  einen  unheimlichen  eindruck  G.  Kelleb 
ges.  w.  6,  119;  nichts  empört  mehr  als  grundloses  klagen 
Bahbdt  geach.  a.  lebena  2, 133;  er  (laaae)  sich  durch  grund- 
loses gerede  bethören  Ranke  w.  14,  330;  mit  grundlosem 
verdacht  Rückert  w.  10, 197;  Frankreich  hatte  längst 
auf  das  Elsasz  grundlose  ansprüche  gemacht  Hebbel 
w.  9, 168  W.;  anders,  'keiner  begründung  bedürfend':  (er)  er- 
zäMte  mir  die  geschichte  seiner  eigenen  bekehrung  zum 
grund-  und  beweislosen  glauben  Hamebling  s.  w.  13,  66 ; 
aua  der  philosophischen  bedeutung  von  grund  zu  verstehen: 
die  ganze  object-,  grund-  und  begrifflose  sogenannte 
transcendentale  kritik  der  ästhetischen  urtheüskralt 
Herder  22, 196  8. ;  weil  eben  nur  die  erscheinung  des 
willens  dem  satze  vom  gründe  unterworfen  ist,  nicht  aber 
er  selbst,  der  insofern  gr.  zu  nennen  Schopenhauer  w. 
1, 159  Gr.;  es  (das  ursprüngliche  produzieren)  ist  auch 
nicht  durch  gründe  bestimmt,  sondern  absolut  frei  und 
gr.  Windelband  gesch.  d.  neueren  phil.^  2,  2\9.  —  -lose, 
/.,  alle  Substantivbildung  zu  grundlos  A,  vgl.  ahd.  cruntlaosi, 
oruntlossi  profundum  ahd.  gll.  1,  232 ;  abgrunt,  grundelos, 
gruntlasz,  tiefe  abisaus  Diefenbach  gl.  Z^;  grundlose 
oder  bodenlose  vorago  Fbisius  1407  *;  also  ein  mensch, 
der  verlürt  sich  in  der  grundlosze  oder  bodenlosze  der 
gotheit  Geiler  v.  Keisebbebg  poatille  (1517)  116*;  ver- 
einzelt noch  mundartlich  bewahrt:  grundlos!  /.  'abgrund' 
Staub-Toblee  3,  1429;  grundläse,  grunneläse/.  'ein  loch 
von  unergründlicher  tiefe'  Schambach  70»;  als  neutr. 
grundeis,  'grundlose  tiefe'  rhein.  wb.  2,  1466. 

GRUNDLOSIGKEIT,  /.  l)  zu  grundlos  A,  meiat  in 
entainnlichter  bedeutung  {vgl.  gnmdlos  A  2)  'tiefe,  uner- 
gründlichkeiV :  grundelosekeit,  endelosekeit  infinitas 
KoNB.  v.  Heinbichau  vocab.  387*  Ousinde;  abyasua  trini- 
tatis  vel  inferni  bodenloszigkeit  vel  gruntloszigkeit  vocab. 
predic.  {liSQ)  A  3»;  gruntluszikeit  immensitas  Diefenbach 
287i>  vgl.  297»;  da  enkan  si  (die  aede)  in  (gott)  niemer 
begrifen  in  dem  mer  siner  gruntlösekeit  meisteb  Eck- 
HABDT  228  Pfeiffer;  us  dem  abgründe  der  grundeloskeit 
gotz  Tauleb  pred.  368  V.;  usz  der  grundlosigkeyt  der  got- 
lichen  gute  und  barmhertzigkeit  Bbeidenbach  rei«e(i486) 
102»;  sein  hoffart  wardt  verstoszen  in  die  helle,  in  die 
teufte  der  grundloszickeit  P.  Amnicola  errett.  d.  achw. 
ordenspers.  (1524)  g  l*;  im  eigentlichen  sinne:  so  man  aber 
deren  {der  enten)  schon  etliche  schiszet,  seyn  sie  doch 
wegen  der  unmäszlichen  tiefe  und  gr.  nicht  zu  bekommen 
Pbätoriüs  anthrop.  plut.  (1666)  1,  96. 

2)  zu  grundlos  B:  der  mürbe,  morastige  .  .  .  ort,  den 
die  Deutschen  wegen  der  st«ts  währenden  nässe  und  gr. 
einen  brock  zu  nennen  pflegten  Amabanthes  frauen- 
zimmerlex.  2062;  vgl.  gr.  ...  impraticabilitä  delle  strade 
Jagemann  (1799)  2,  550. 

3)  in  neuerer  spräche,  vorab  seit  dem  19.  jh.,  herscht  gr. 
in  den  bedeutungen  von  grundlos  D  vor,  vgl.  gr.  frivolezza 
delle  ragioni  Jaoemann  (1799)  2,  550;  entsprechend  grund- 
los D  1  'mangel  an  realer  grundlage' :  die  entdeckte  gr. 
einer  bis  zu  einem  so  hohen  grade  von  Wahrheit  getrie- 
benen täuschung  Schilleb  4, 256  anm.  0.;  noch  deutlicher 
läszt  sich  die  gr.  dieser  gerühmten  hypothese  aus  dem 
landbuche  der  mark  Brandenburg  darthun  Eichhobn 
Staats-  u.  rechtsgesch.  2,  366;  die  ungeheuren  Wirkungen 
dieses  glaubens  mit  seiner  völligen  gr.  zusammengehalten 
D.  Fb.  Steausz  sehr.  6,  47;  ähnlich:  die  gr.  dieses  einfalls 
vom  doppelten  Salbungsgeschäfte  Lessing  13,  42  L.-M.; 
vorwiegerid  aber  völlig  abstract  wie  grundlos  D  2  'mangel 
an  begründung,  berechtigung,  triftigkeif :  doch  zeigt  eine 
leichte  Überlegung  die  gr.  dieser  folgerung  Lotze  mikro- 
kosmos  1,  55;  (er)  suchte  sie  von  der  gr.  ihrer  meinung 
zu  überzeugen  Hebbel  w.  9,  176  W.;  während  jeder  im 
fall  der  eifersucht  .  . .  nicht  die  gr.  seiner  leidenschaft 
einsieht  0.  Ludwig  ges.  sehr.  5,  226 ;  sie  sah  die  gr.  ihres 
bangens  ein  Roseggee sehr.  II 11, 308;  (er) überzeugte  ... 
sich  . . .  von  der  gr.  seines  argwohns  Mommsen  röm.  gesch. 
6, 110;  Clausewitz  . . .  hatte  recht,  über  die  unphiloso- 


phische gr.  der  bestimmung  zu  klagen  Meineckb 
V.  Boyen  2,  133;  philosophisch  specialisiert:  die  gr.  des 
willens  hat  man  auch  wirklich  da  erkannt,  wo . . .  Schopen- 
hauer w.  1, 166  Or.;  —  -loth,  n.,  loth,  aenkblei,  vgl.  grund- 
blei,  grundklotz;  id.  grondloot,  dieploot  bolis,  linea  Ki- 
LIAN  163»;  grundloht  bolide,  piombino  ELeameb  teutsch- 
ital.  1,  673  c;  vgl.  noch  Beil  264;  denn  die  Schiffer  und 
Steuerleute  durch  ihre  Instrumenten  .  .  .  den  kompass  und 
grundlot  gar  eigentlich  wissen  . .  .  J.  Diktz  lebenabeschr. 
137  C(msentius.  —  -lüge,/,  {vgl.  comp.-typ.  5  p):  die  erste 
grundtlug  dises  deines  gantzen  baus  ist  dise,  das  alle 
ketzer  .  .  ,  des  bapst  gelidmaszen  sein  J.  Nas  antipap. 
eins  u.  hundert  4,  &^ ;  und  ir  gnode  und  aplos  nicht  anders 
sint,  wann  grüntlügen  und  eigen  grosz  Vergiftung  der 
seien  (15.  jh.)  E.  Windecke  in:  denkw.  z.  gesch.  d.  Zeit- 
alters kaiser  Sigismunds  301  Altmann;  seine  hypothese 
.  .  .  von  erfindung  der  spräche  ist  in  meinen  äugen  eine 
gr.,  die  .  •  .  alle  seine  übrigen  Untersuchungen  veceitelt 
Hamann  sehr.  7,  281  B.-W. 

GRUNDMANGEL,  m.  {vgl.  comp.-typ.  6  ^p  ß  bzw.  r): 
einige  grundmängel  in  den  unteren  klassen  {von  schulen) 
allg.  dtsche  bibl.  88,  202;  der  erste  und  ewige  gr.  des 
kammergerichts  {war):  zu  einem  groszen  zwecke  werden 
unzulängliche  mittel  angewendet  Göthb  28,  125  W.;  in 
jedem  dualistischen  System  .  .  .  gibt  sich  sein  gr.  . . .  zu 
erkennen  Hegel  w.  6,  120;  mit  persönlichem  beziehungs- 
wort:  er  {ist)  ein  wohlgewachsener,  hübscher  knabe  . .  ., 
seine  eigentliche  grundmängel  habe  {ich)  nicht  entdecken 
können  Göthe  III  8,  282  W.;  darin  sehen  wir  .  . .  einen 
gr.  seines  Charakters  D.  Fb.  Steausz  Schubarts  leben  l,  7. 
—  -mann,  m.,  name  des  'erdepheu'  {glechoma  hederacea) 
Feancus  flor.  Franc.  (1695)  65  vgl.  gundermann,  grundrebe ; 
ebenso  schon  Reyhee  thes.  (1668)  1016,  1496.  —  -masse, 
/.,  masse,  die  den  wesentlichen  bestandtheil  eines  körpers 
darstellt,  grundsubstanz  {vgl.  comp.-typ.  5  p  bzw.  r):  die  gr. 
aller  pflanzen  . . .  besteht  aus  .  .  .  bläschen  Oken  naiur- 
gesch.  4,  150;  das  gezahnte  band  . .  .,  dessen  gr.  von  der 
faserigen  Substanz  der  harten  haut  gebildet  . .  .  wird 
SöMMEEBiNG  6ou  d.  mcnschl.  körpers  4, 157 ;  die  gr.  unserer 
bodenarten  besteht  aus  zerkrümelten  gesteinarten 
Stöckhaedt  ehem.  feldpred.  1,  33;  fester  technischer  ter- 
minus  besonders  in  der  geologie  und  mineralogie:  'gr.,  die 
.  .  .  einheitlich  erscheinende  . . .  masse  eines  eruptivgesteins' 
C.W.Schmidt  wb.  d.  geologie  109»;  jenes  vorgebürge 
besteht  .  .  .  aus  porphyr  mit  homsteinartiger  gr.  allg. 
dtsche  bibl.,  anh.  53-86,  674 ;  er  {graustein)  ist  ein  .  .  .  por- 
phyr, mit  dessen  thonigen  grundmassen  noch  andere 
gemengtheile  .  . .  verwachsen  sind  Zappe  mineral.  hand- 
lex.  1,412;  anders  {vgl.  comp.-typ.  5  k):  die  farblose  gr. 
der  emaiUe  bildet  ein  .  .  .  alkalibleioxydsilicat  Muspbatt 
2,  1747;  entsprechend  comp.-typ.  5  h:  gr.,  'gesamtmasse  der 
gründung,  also  etwaiger  rost  nebst  grundgemäuer'  Mothes 
baulex.  2,  541. 

GRUNDMASZ,  n.  {vgl.  comp.-typ.  5q):  die  Schätzung 
der  grösze  des  grundmaszes  Kant  5,  251  akad.;  die  an- 
nähme eines  sehr  groszen  räumlichen  grundmaszes  {führt) 
zu  resultaten  .  .  .,  die  in  kleineren  zahlen  ausgedrückt 
werden  können  A.  v.  Humboldt  koamos  3, 406 ;  das  geld  als 
künstliches  gr.  alles  werthes  Fichte  s.  w.  3,  419;  anders 
'bodenmasz' :  ein  .  .  .  Spielplatz,  der  ungefähr  soviel  grund- 
maasze  enthielt,  als  korporal  Trim  wünschte  J.  J.  Che. 
Bode  Tristram  Schandi  2,  45. 

GRUNDMÄSZIG,  adj.,  adv.,  im  17.  jh.  aufkommend, 
noch  im  18.  gelegentlich  verwendet,  dann  fast  erloachen; 
gr.  rationibus  munitus,  secunduTn  leges  alicuius  acientiae 
Frisch  i,  380»;  gr.,  grundrichtig  adj.,  sdon  les  regles, 
regulier,  dans  Vordre,  conforme  aux  regles  ou  aux  principes, 
fondamenlal;  adv.  reguUhemevi,  conforinement  aux  prin- 
cipes Schbadee  dt.-franz.  (1781)  1,  581;  anscheinend  von 
grammatikern  wie  Schottel  gebildet,  bleibt  gr.  im  ganzen 
ein  papierenes  wort,  vgl.  kunstmäszig. 

1)  den  regeln,  der  lehre  erdsprechend;  regdgemäsz,  geaetz- 
mäazig  {vgl.  grund  IV  B  1  und  3  c) :  dieser  haubtendung 
hat  sich  herr  Lutherus  nach  dero  grundmeszigen  band- 


875   GRUNDMÄSZIG  2.  3  -  GRUNDMAUER 


GRUNDMAXIME  —  GRÜNDNISZ 


876 


btetung  .  .  .  schicklich  bedienet  Schottel  95;  die  hoch- 
teutsche  . .  .  haubt-  und  heldensprache  in  . . .  kunstrich- 
tige Verfassung  und  grundmäszige  wortschreibung  .  .  . 
bringen  Habsdöefeb  poet.  trichter  1,  110;  das  hoch- 
teutsche  reia  zu  reden  und  gr.  zu  schreiben  Stiele» 
lehrschr.  1 ;  'die  grundgesetze  erfassend' :  die  grundmeszige 
kündigkeit  einiger  spräche  (ist)  nicht  zu  erlangen  .  . ., 
es  sey  denn  solche  spräche  in  eine  form  der  kunst  gesetzet 
SoHOTTEL  t.  Sprachkunst  (1641)  vorr.;  Hehrmäszig,  syste- 
matisch'': wie  gr.  sie  (die  sprachen)  eingerichtet  und  zur 
Übung  gebracht  (werden)  Neumabck  palmbaum  2;  was 
grundmäsziges  .  .  .  von  solcher  .  .  .  rechtschreibung  zu 
melden  Butschky  hochdtsche  kam.  1;  (die  deutsche) 
rächdschreibung  .  . .  nach  der  waren  ausspräche  grund- 
mäszig  eingerichded  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  25-36,  3262;  das 
Wintergespräch, .  .  .  vom  grund-  und  kunstmäszigen  com- 
poniren  handelnd  Waltheb  music.  lex.  (1732)  16;  hält 
solchen  grundmäszigen  discours  für  .  .  .  schuhlfüchserei 
Chb.  Gryphifs  helik.  reichstag  85;  du  hast  nicht  plan- 
und  gr.  gelehrt  Zinzendoef  21  discurse  (1748)  363. 

2)  im  sinne  'wohl  gegründet,  wahrheitsgemäsz,  begründet 
(vgl.  grund  IV  B  4  und  gründlich  C),  vgl.  gr.  fondamen- 
tale,  ben  fondato  Kbamer  teutsch-ital.  1,  574»;  man  habe 
grundmäszige  und  unbetriegliche  nachricht  davon  ein- 
gezogen E.  Feancisci  weh  d.  ewigkeit  (1686)  351;  grund- 
mäsziger  bericht  von  dem  hergang  .  .  .  einer  in  der  stadt 
Augsburg  . .  .  entstandenen  Unordnung  J.  J.  Müller 
titel;  welche  gründe  mir  .  .  .  nicht  so  gar  gr.  fürkommen 
E.  Francisci  lust.  Schaubühne  (1702)  332;  alle  (bestehen) 
auf  ihren  sehr  guten  imd  grundmeszigen  rationibus,  die 
da  nicht  alle  falliren  oder  trügen  können  A.  Hauptmann 
bergkbedencken  (1658)  90;  sein  scharfes  urtheü  (ist)  hoch 
und  gr.  Q.  Kuhlmann  Lehrstoff  (1672)  355;  durch  solche 
vernunfts-  und  grundmäszige  Ursachen  Butschky  hochdt. 
kanz.  5;  (er)  erinnere  .  . .  sich  unserer  gepflogenen  mond- 
und  sonnendiscurses,  darinn  wir  solche  grundmäszige 
Ursachen  gegeben  E.  Francisci  eröffn.  lusthaus  (1676)  944 
(vgl.  gründliche  Ursache  sp.  853);  ' begründeter maszen' :  der 
klägere  beschAverdeführung  (rühre)  nicht  daher  .  .  .,  dasz 
sie  etwa  in  einem  oder  andern  modo  gr.  auf  ein  höheres 
dann  sonsten  angesetzet  worden  wären  v.  Fribdenbeeg 
abhdlg.  v.  d.  in  Schles.  übl.  rechten  (1738)  1,  322. 

3)  wie  'gründlich,  gehörig'  als  steigerndes  adv.  bzw.  adj. 
nach  art  der  zahlreichen  mundartlichen  intensivadverbien 
auf  -mäszig;  wohl  aus  Verbindungen  wie  von  grund  aus 
neu  geschaffen,  nicht  aus  gr.  1  m.  2  entwickelt;  aus  den  maa. 
selbst  nicht  zu  belegen,  öfter  bei  volksthümelnden  autoren: 
hast  sie  also  schon  so  gr.  kennen  gelernt?  Auerbach 
sehr.  17,  177;  die  nachtwanderungen  hat  er  seitdem  gr. 
aufgesteckt  Bindewald  oberhess.  Sagenbuch  41;  ob  ihr 
euch  nicht  gr.  freuen  könntet  Auerbach  sehr.  9,  242; 
aber  gr.  gfreut  mich,  .  .  .  dasz  ich  dich  da  gtroffen  hab 
Anzengruber  ges.  w.  2,  282;  bevor  die  jungen  burschen 
in  eine  grundmäszige  lustigkeit  gerathen  E.  Ziehen  gesch. 
u.  bilder  2,  29;  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  879.  —  -mäszig- 
keit,  /.,  von  grundmäszig  l  abgeleitet:  (was)  nach  gr.  der 
spräche  ein  miszbrauch  und  ungewohnheit  ist  Schottel  9; 
—  -materie,  /.  (vgl.  comp.-typ.  5  p): 

auszer  dem  festen  verein  der  grundmaterie  aber, 
was  könnt  irgend  noch  sein,  das  leere  zusammen  zu  halten? 
Knebel  Lucretius  (1821)  22; 

GRUNDMAUER,  /.,  die  das  fundament  eines  gebäudes 
oder  bauwerkes  bildende  mauer  (vgl.  comp.-typ.  5  h),  die 
in  der  erde  liegend  zumeist  über  die  Oberfläche  herausragt: 
die  grundmauem  oder  stocke  sollen  in  gehöriger  tiefe 
und  dicke  .  .  .  angeleget  und  aufgeführet  .  .  .  werden 
Breslauer  bauordnung  (1668)  3;  der  cörper  ist  mit  dem 
halben  leibe  unter  der  gr.  im  gewölbe  .  .  .  gelegen  Pbä- 
TORius  uMndschdruthen  (1667)  423;  mit  solchen  schichten 
(sand  und  lehm)  continuire,  bis  die  3  schuhigte  gr.  gantz 
ausgefüllet  ist  Zincke  öcon.  lex.  (1744)  203;  der  umfang  des 
tempels  .  . .,  der  auf  den  grundmauern  des  . .  .  ver- 
brannten .  .  •  wieder  aufgeführt  ward  Niebuhr  röm. 
gesch.  1,  307;  den  fusz  (desfränk,  bauernhau^es)  bildet  eine 


niedrige  gr.;  das  gebäude  selbst  ist  ganz  von  holz 
R.  Henning  d.  dtsche  haus  in  seiner  hist.  entivickl.  (1882) 
9;  und  wenn  ihm  die  vielen  hellen  fenster  des  obern 
Stockes  ein  freies  luftiges  ansehen  verliehen,  so  zeigten 
doch  die  ungeheuren  grundmauern  und  Strebepfeiler  .  .  ., 
dasz  es  auf  festem  gründe  wurzele  Hauff  s.  w.  l,  183; 
die  weiten,  flachen  schuttbecken,  aus  denen  ihre  (der 
gipfd)  grundmauern  emporstreben  v.  Barth  Kalkalpen 
309;  die  grundmauern  der  rebenäcker  Heyse  ges.  w.  5, 
301;  mit  gdegentlicher  ausweitung  des  begriff s  auch  'die 
stärkeren  auszenmauern  eines  hauses\  z.  b.  das  feuer  hat 
so  gewütet,  dasz  nur  noch  die  grundmauern  des  hauses 
stehen  geblieben  sind;  vidfach  bildlich:  der  wehrstand, 
diese  gr.  der  Selbstständigkeit  des  Vaterlandes  GuTS- 
muths  turnbuch  xvrn;  die  klassische  bildvmg  ist  die  gr. 
Auerbach  sehr.  7,  135.  —  -maxime,  /.  (vgl.  comp.-typ. 
5  o) :  dasz  dis  ihre  gr.  seie,  erhellet  nur  leider  allzu  klar  aus 
ihren  treulosen  proceduren  M.  Krämer  Idten  u.  tapfere 
thaten(1681)  745;  diese  grundmaxim  ihres  estats  werde  seine 
eintzige  gewissensnorm  .  .  .  bleiben  Jesuiter  rahtsstube 
(1684)  27;  d.  Luthers  erklärung  (ist)  eine  meiner  grund- 
maximen  Zinzendorf  tjsqI  tavxov  (1746)  115;  (die)  grund- 
maximen  des  jüdischen  Staatsrechts  Herder  5,  425  S.; 
so  fühlt  er  (Bacon)  sehr  bald,  wo  seine  grundmaximen 
(canones)  . . .  nicht  hinreichen  Göthe  II  3,  152  W.  — 
-meinung, /.  (vgl.  comp.-typ.  5pj8):  die  eigentliche  gr. 
und  innerste  Überzeugung  des  redners  ist,  dasz  .  .  . 
ScHELLiNG  w.  I  7,  111;  anders  (vgl.  comp.-typ.  5r):  der 
Parlamentarismus,  das  heiszt  die  öffentliche  erlaubnisz, 
zwischen  fünf  politischen  grundmeinungen  wählen  zu 
dürfen  Nietzsche  w.  5,  186;  cds  verdeutschungsversuch  von 
hypothese:  hypothese,  .  .  .  Baumgarten  übersetzt  es  gr. 
KiNDERLiNO  reinigk.  d.  dtsch.  spr.  182;  so  auch  Campe  2, 
473.  —  -meister,  m.,  'abtritträumer'  (vgl.  comp.-typ.  6  c): 
sollen  die  .  .  .  ambtleut  gefertigt  werden:  . . .  pappen- 
hamer  oder  gruntmaister  9  chron.  d.  dtsch.  städte  11,  818; 
'meister,  die  die  gründungsarbeiten  überwachen':  auch 
pfleget  man  zuvor  ...  im  beisein  der  gr.,  welche  hierzu 
verordnet,  das  erdreich  rund  herum  . .  .  auf  zu  graben 
Ph.  Zesen  beschreibung  der  stadt  Amsterdam  (1664)  81. 
—  -messer,  m.,  Verdeutschung  von  geometer  im  sinne 
'mathematiker' :  ob  solches  gleich  wahr  ist,  so  würden 
doch  die  gr.  daran  nicht  genung  haben,  es  werde  denn 
bewiesen  Knorr  v.  Rosenroth  pseudodoxia  (1680)  37; 
entsprechend  -messer ei,  /.,  'mathematik':  die  rechen- 
kunst  und  die  grundmesserey  Knorr  v.  Rosenroth 
pseudodoxia  36.  —  -motiv,  ».  (vgl.  comp.-typ.  5  p):  das 
gr.  aber  aller  tragischen  Situationen  ist  das  abscheiden 
Göthe  49,  321  W.;  noch  fehlt  aber  die  quelle  für  die 
eigentlich  exponirende  Situation,  das  gr.  Jahrbuch  d.  Grill- 
parzergesellsch.  8,  51;  seine  (Schopenhauers)  ganze  Unter- 
suchung .  .  .  betrachtet  das  glückseligkeitsstreben  als  das 
gr.  des  empirischen  willenslebens  Windelband  gesch.  d. 
neuer,  philos.*  2,  371.  —  -mutig,  adj.,  adv.:  'gr.,  so  nur 
im  oberdeutschen  üblich  ist,  vom  gründe  des  gemütes  oder 
des  herzens,  aufrichtig,  herzlich,  ein  grundmüthiges  bey- 
leid'  Adelung  vers.  2,  831;  grundmüetig  wünschen  Luz. 
stadtarch.  bei  Staub-Tobler  4,  587;  als  wort  der  acten- 
sprache  auch  in  acten  (vom  jähre  1784/85)  des  Weimarer 
Staatsarchivs  vorkommend;  —  grundner,  m.,  'gründer : 
der  erste  bauman  und  grundner  dieser . . .  graffschaf  t  Gua- 
BiNONius  greuel  d.  verwüst.  471.  —  -neigung,  /.  (vgl. 
comp.-typ.  5  p/3):  es  ist  kein  ding,  welches  man  sehr  für 
ihre  (der  mädchen)  gr.  und  nahrung  halten  könne  als  die 
von  wind  aufgeblasenen  einbildungen  Lindenbobn  Dio- 
genes (1742)  1,  73;  aus  einer  unmerkbaren  gr.  der  seele 
zum  gleichgewicht  Schiller  2,  358  Q.;  (der  christ,)  dessen 
gr.  auf  ein  edles  masz  .  . .  gestellt  war  L.  v.  Francois 
letzte  Beckenburg.  1,  196;  —  grundnisz,  /.  oder  n.?, 
'basis' :  die  prust  ist  ein  grundnusz  und  ein  stuel,  dar 
in  das  leben  ist  alls  des  herczen  und  der  lungen  problem. 
Aristotdis  (1492)  lo^.  —  grundnisz,/.  oder  n.?: 

könd  tot  got  sein  haimlich  gründnia 
dsen,  d  in  seiner  fürchte  sten 

P.  Schede  psalmen  90  ndr. 


877   GRUNDOBRIGKEIT  —  GRÜNDONNERSTAG 


GRÜNDONNERSTÄGIG-  GRUNDPFEILER    878 


GRUNDOBRIGKEIT,  /.  1)  die  mit  obrigkeitlichen 
rechten  {niedere  gerichtsbarkeit,  bede  u.  s.  w.)  über  den 
bereich  ihres  grund  und  bodens  ausgestattete  person  oder 
körperschaft;  vgl.  grundherrschaft  2,  die  begrifflich  nicht, 
praktisch  aber  öfters  mit  gr.  übereinkommt,  vgl.  gr.  'die 
niedere  obrigkeif  Kbünitz  20,285;  nicht  vor  dem  16.  jh. 
bezeugt,  vor  allem  österreichisch:  item  wer  auf  der  gemain 
grebt  oder  reuter  mit  der  grundobrigkait  willen  schlecht, 
der  soll  die  friden,  zeun  und  nach  lantgewonhait  Inhalten 
österr.  weisth.  6,  25;  (es)  sei  auch  einem  armen  underthanen 
ein  schandt,  mit  seiner  grundtobrigkeit  zu  rechten  ge- 
Schichtsbücher  d.  Wiedertäufer  (1633)  446;  der  Stadt  raht 
.  .  .  begehrte  diesen  commissarien  in  religionssachen  auf 
keine  weise,  wie  zwar  wohl  in  politischen,  als  ihrer  gr. 
abgeordneten  zu  gehorsamen  Valvassor  ehre  d.  hzthms. 
Crain  2,  454;  dasz  von  einer  jeden  herrschaft  oder  gr. 
veranstaltet  werde  sanctiones  und  privilegia  d.  landes 
Schlesien  (1699)  2,  563;  denenjenigen  herrschaften,  grund- 
obrigkeiten  oder  wildprethhändlern  .  .  .  wurde  publiciret 
V.  Fbiedenbebg  abhandig.  v.  d.  in  Schles.  übl.  rechten  2, 
18;  ergäbe  sich,  dasz  die  gr.  .  .  .  den  thäter  versteckete 
constit.  crimin.  Theresiana  (1769)  39;  wer  sich  anbauen 
will,  musz  sich  bey  der  gr.  melden  Nicolai  reise  3,  153; 
die  gr.  duldete  mich  Holtei  erz.  sehr.  20,  191 ;  kommt 
heute  nachts  des  königs  kämmerer,  herr  Charlot,  meine 
gnädige  gr.,  und  befiehlt  mir  den  brief  da  hierher  zu 
bestellen  Gbillpakzer  s.  w.  ll,  244  8.  2)  selten  abstract 
'die  obrigkeitliche  gewalt  über  grund  und  boden\  vgl.  grund- 
herrschaft 1:  {man  soll  bei  kauf  eines  gutes  erforschen,)  ob 
man  die  gr.  oder  bergöfEnung  selbst  darüber  {über  die 
Weinberge)  habe  oder  nicht  Hohbero  georg.  cur.  (1682)  1, 
10; obrigkeitlich,  adj.:  grimdobrigkeitliche  zehen- 
den Chb.  Hebttwig  bergbuch  (1710)  69*. 

GRÜNDONNERSTAG,  m.,  in  adject.  form  der  grüne 
donnerstag  bereits  im  hohen  mittelalter,  vgl.  th.  2, 1252/.  und 
grün  II  A  1  b  {sp.  646),  dazu  noch: 

(Christus)  an  den  grünen  dunrcsdag 
sin  Gleit  ouch  hinc  zu  dune  plag 
nach  dem  abentdisse 

Elisabeth  2921  vgl.  2940  Rieger; 

das  was  diu  groeste  fröude,  die  er  bewisede  üf  ertrich  üf 
deme  grüenen  dunrestage,  do  er  sinen  heiligen  vrönen 
lichamen  gap  sinen  jüngeren  pred.  u.  spr.  dtsch.  myst., 
zs.f.  d.  a.  8,  218  (bischof  Albreht,  Albertus  Magnus);  an 
deme  grünen  dünresten  tage  zs.  f.  gesch.  d.  Oberrheins 
9,  432  {urk.  V.  j.  1327);  seit  dem  ende  des  15.  jhs.  daneben 
in  fester  composition  gründonnerstag  {s.  u.),  wohl  syn- 
kopierte dativform  mit  anlehnung  an  subst.  grün,  die  in 
-neuerer  spräche  schriftsprachlich  vorherseht,  mdal.  nicht 
überall  aufgenommen  ist  vgl.  Fischeb  schwäb.  2,  263 ;  Jos. 
MÜLLEB  rhein.  wb.  1,  1402;  Cbecelius  oberhess.  441; 
Müllbb-Fbaubeuth  1,  447;  siebenbürg.-sächs.  wb.  2,  59; 
als  compositum  in  erstarrtem  dativ  {bzw.  acc.)  auch  grünen- 
donnerstag:  wenn  sie  nicht  .  .  .  am  grünendonnerstage 
ein  grün  kraut .  .  .  fressen  Che.  Weise  erznarren  126  ndr.; 
das  brodt  .  .  .  wird  theils  auf  den  grünendonnerstag  .  .  . 
gesegnet  Oleabiüs  pers.  reisebeschr.  (1696)  163;  folgt  eine 
grünendonnerstagespredigt  ällg.  dtsche  bibl.,  anh.  53-86, 
46;  d.  grünendonnerstag  1780  GtÖthe  IV  4,  196  W.  {brief - 
datum),  vgl.  gräunendonnerstag,  m.  Woeste-Nörb.  84^'; 
als  Zusammensetzung  gr.  Schmidt- Petebsen  531»;  Men- 
siNQ  schles w. -holst.  2,  495;  Flemes  Kaienberg  97;  Staub- 
ToBLEB  2,  751 ;  umgedeutet  grüntimmelstag  Ungeb- 
Khull   311». 

gr.  ist  allgemein  der  'donnerstag  der  karwoche",  nur  in 
Westfalen  zu  älterer  zeit  der  donnerstag  nach  ostem,  vgl. 
Gbotefend  zeitrechn.  1,  77**  aus  urk.  v.  1393  und  1542; 
für  die  sonst,  besonders  obd.  gebräuchlichen  namen  s.  th.  2, 
1252;  die  deutung  von  gr.  bleibt  umstritten,  doch  ist  der 
name  sichtlich  eher  volksthümlichen  als  kirchlichen  gepräges, 
vgl.  den  nehsten  donnerstags  vor  dem  heil,  ostertage,  den 
man  nennet  der  grüne  donnerstag  Wenck  hess.  urkunden- 
buch  {v.  j.  1372)  nach  Gbotefend  a.  a.  o.,  und  seine  her- 
leitung aus  der  verbreiteten  sitte,  am  gr.  grüne  kräuter  zu 
essen  {vgl.  Bächthold-Stäubli  hwb.  d.  dtsch.  aberglaubens 


3,  1187/.)  noch  immer  die  wahrscheinlichste;  auf  einen  alten 
brauch  dieser  art  deutet:  ad  album  panem  in  cena  domini 
cum  her  bis  ad  capitolium  Seibertz  quellen  d.  westf. 
gesch.  3,  286  {v.  j.  1380)  und  das  genieszen  von  groine  pan- 
koken  am  westf.  grünen  donnerstage  nach  ostern  bei  den 
Freckenhorster  nonnen  s.  Grotefend  a.  a.  o.,  vgl.  ^otjles- 
n&.Q'ES  froschnfieusder  k  2;  die  th.  2,  1253  {nach  Weigand 
syn.^  1198)  versuchte  und  gewöhnlich  angenommene  erklä- 
rung  des  grünen  donnerstages  als  Übersetzung  von  dies 
viridium  'tag  der  sündlosen,  der  büszer^  scheitert  wohl  dar- 
an, dasz  mlat.  ein  dies  viridium  nicht  nachzuweisen  ist, 
sondern  im  gegentheil  erst  eine  jüngere  latinisierung  von  gr. 
darstellt:  viridis  dies  Jovis  D.  Macer  hierolexicon  (1677) 
120;  gr.,  dies  viridium  DüEZ  Twmendatura  {1652)  9,  Stieler 
2247  und  J.  C.  Zeumer  de  die  viridium  {1700)  §  3 :  'notamus, 
festum  hoc  apttd  nos  ut  plurimum  diem  viridium  {germ.  der 
grüne  donnerstag)  vocarV ;  in  kirchlichem  gebrauch  stehende 
benennungen  sind  seit  alters:  cena  domini,  feria  bona 
quinta,  dies  absolutionis  u.  a.  vgl.  Hebzog  realencycl.  21, 
421 ;  auch  die  von  H.  Kellneb  heortologie^  61/  gegebene 
anknüpfung  an  die  vereinzelt  genannten  grünen  paramente 
bei  der  messe  am  gr.  macht  aachlich  und  Überlieferung s- 
mäszig  schtvierigkeiten. 

das  reich  und  vielfältig  entwickelte  brauchthum  am  gr., 
der  genusz  heilbrirugender  kräuter,  das  gründonnerstagsei 
{anilaszei),  der  gr.  als  termin  der  säens  und  pflanzen^ 
U.S.W.,  s.  Bächthold-Stäubli  a.a.O.,  läszt  wie  bei  ostern 
an  einen  nachhall  vorchristlicher  übung  denken;  ob  ihm, 
wie  Holtzmann  dtsche  mythol.  68  vermutet,  ein  Donarsfest 
im  mai  zugrunde  liegt,  bleibt  unerweislich;  vgl.  L.  v.  Schrö- 
der arische  religion  2,  636^. 

seit  dem  ausgang  des  15.  jhs.  als  festes  compositum  be- 
zeugt: auff  dysen  grundonerstag  hast  zweyerley  vor- 
gebung Steinhausen  privatbriefe  l,  275  {v.  j.  1487/);  den 
ablas  .  ,  .,  den  denn  die  romischen  pebst  an  dem  grun- 
donerstag geprauchen  gnedicklich  ausz  zu  geben  {'indul- 
gentias,  quas  in  urbe  Romani  pontifices  in  die  coenae 
domini  concedere  consueverunC  liat  die  lat.  quelle)  chron. 
d.  dtsch.  Städte  3,  285;  an  dem  grün  dunrstag  hat  der 
doctor  gepredigt  Keisebsbebg  sünden  d.  munds  (1518) 
66*;  es  sollen  auch  die  feyer  yn  der  carwochen,  grün- 
dornstag  und  carf reytag  • .  .  gehalten  werden  Lutheb  26, 
232  W.  (r.  j.  1528),  aber:  am  heyligen  grünen  domstage 
8,  706  {v.  j.  1522);  als  aber  der  gründomstag  kam  E.  Al- 
BEBUS  Eulenspiegel  (1542)  f  l'';  item  .  .  .  am  grondoners- 
tag  Knebel  chron.  v.  Kaisheim  155  Ut.  ver.;  wer  ihme  das 
vor  gr.  nicht  gibt,  so  stehets  darnach  auf  ritzschart 
rechtsaühertümer  *  1,  530;  ich  verliesz  am  gründonners- 
tage  .  .  .  Amsterdam  Hamann  sehr,  l,  197  B.;  heute,  gr. 
{unrd)  .  .  .  der  grosze  holzmarkt  gefeiert  Göthe  IV  29, 
92  W.;  wer  am  gr.  sechzig  ist  gewest  O.  Ludwig  ges. 
sehr.  2,  44;  es  war  am  gr.  Ranke  s.  w.  35,  147;  —  grün- 
donnerstägig,  adj.:  {er  erlitt)  in  Rom  jährlich  den  grün- 
donnerstägigen  bann  Jean  Paul  w.  45/47,  385  H. 

GRUNDPFAHL,  m.,  bei  sumpfigem  baiigrund  oder 
Wasserbauten  als  träger  des  fundaments  eingerammter  pfähl, 
s.  auch  pfahlrost  {vgl.  comp.-typ.  5  h);  älterer  technischer 
au^druck:  die  {gesellen)  haben  schirm  oder  pruckpfell  oder 
sunst  gruntpfell  geslagen  do  oder  dort  zu  dem  grünt 
TucHEB  baumeisterb.  63  Ut.  ver.;  Jacobsson  2,  165*; 
gr.  foundation-pile  264  Beil;  man  wuszte  nicht,  wie  man 
die  grundpfähle  sichern  sollte  Abchenholz  Engl.  u.  Ital. 
2,  53;  bildlich:  {eine)  freundschaft  .  .  .  ihmehr  si  erräget 
.  .  .  würd,  ihmehr  und  mehr  zunümmet  und  sich  in 
ihren  grundpfälen  befästiget  Ph.  Zesen  adriat.  Rosemund 
indr.  —  -pfählung,  /.;  die  grundbogen  . ..  waren  schon 
im  12.  jahrh.  bekannt  . .  .  ebenso  grundpfählung  oder 
pfahlrost  Mülleb-Mothes  1,  494^.  —  -pfahlwerk,  n.: 
ein  so  wichtiges  werk,  die  grundlage  des  neuesten  Systems 
.  .  .,  das  gr.  aus  palmen  des  Emodes  und  ureichen  des 
Hämus  J.  H.  Voss  antisymb.  1,  99. 

GRUNDPFEILER,  m.,  der  ein  bauwerk  {haus,  brücke) 
tragende  pfeiler  {vgl.  comp.-typ.  5  h),  meist  pluralisch;  gr. 
Beil  265;  grondpeiler  lux.  ma.  156*;  zuerst  verliefen  zehn 


879        GRUNDPFENNIG  -  GRUNDPLATZ 


GRUNDPRINCIP— GRUNDQUELL 


880 


jähre  bis  die  vierecltigen  gr.  eingerammt  waren  v.  Lilien- 
CBON  s.  w.  3,  9;  die  .  . .  f eisen  {vmrden)  .  . .  bequem  die 
gr.  einer  brücke  abgeben  Ritter  erdkde  6,  379;  jene  .  . . 
edelsteine  . .  .  sind  die  gr.  dieser  herrlichen  brücke 
GöTHE  18,  269  W.;  im  bilde:  dieser  gr.  vom  tempel  des 
litterarischen  ruhms  der  Franzosen  Ayeenhoff  w.  6, 184; 
(ea)  musz  . . .  ein  . . .  neues  {gebäude)  dafür  aufgeführet 
werden,  wovon  die  beiden  gr.  folgende  sein  müssen 
Moser  «.  w.  3,  325 ;  vielfach  auf  dinge  und  erscheinungen 
allgemeinerer  art  sowie  auf  abstracta  angewandt,  bleibt  der 
bildcharakter  im  zugeordneten  verb  erkennbar:  die  abstrak- 
ten begriffe  . . .  sind  .  . .  die  gr.,  auf  welche  die  mechanik 
aufgebaut  ist  Boltzmann  pop.  sehr.  272;  häusliches 
glück  .  .  .  musz  auf  silbernen  grundpfeilern  ruhen  Kotze- 
bue  s.  dr.  w.  11,  §9;  die  gr.  des  modernen  Staates  aufrecht- 
zuerhalten Laube  ges.  sehr,  l,  18;  die  gr.  des  Staates 
untergraben  Herder  1,  23  >Sf.;  stück  auf  stück  wird  von 
den  grundpfeilern  des  Staates  weggerissen  v.  Hinden- 
BURG  o.  m.  leben  (1920)  258;  diese  gr.  der  religion  nieder- 
zustürzen Schubabt  leb.  u.  gesinn.  2,  129;  die  gr.  der 
kirche  . . .  erschüttern  zu  lassen  Ranke  s.  w.  40/41,  58; 
an  allen  alten  grundpfeilern  des  voIks-  . .  .  lebens  wurde 
gerüttelt  Fb.  L.  Jahn  i,  213  E.;  früh  auch  mehr  entsinn- 
licht: das  sie  wol  etwan  . .  .  sterben  unnd  hiemit  die 
besten  gr.  der  kirchen  abkommen  Fischart  binenk.  (1588) 
95^;  er  {wurde) . .  .  dahin  gebracht,  ...  an  ihren  {der  re- 
ligion) grundpfeilern  zu  zweifeln  Schiller  br,  1,  19  J.; 
selbst  die  gr.  der  menschlichen  glückseligkeit  . .  .  seyen 
in  diesen  Staaten  verdächtig  oder  gar  verhaszt  Wieland 
Agathon  2, 180;  der  gedank  ist  wesentlich  und  mehr  als 
gr.  der  physiognomik  Lavater  physiogn.  fragm.  2,  181; 
{Newton  brachte)  sie  {die  experimenie)  als  gr.  seiner  theorie 
an  die  erste  stelle  des  werkes  Göthe  II  2,  46  W.  — 
-pfennig,  m.,  grundzins,  vgl.  Unger-Khull  310*>;  ain 
register  umb  die  grundtpfenning  in  der  stat  Meran  in 
papir  ZiNGERLE  inventare  65;  als  grundzins  bezahlter 
Pfennig:  item  Liebhardus  Metz  de  quartali  aree  servit 
IV  denarios,  item  I  gruntpfenning  {v.  j.  1316)  cod.  dipl. 
austr.-frising.  3,  325.  —  -platte,/.,  technisch,  die  platte, 
auf  der  eine  maschine  oder  dgl.  aufgebaut  wird;  gr.  'die 
platte,  worauf  die  regel  und  die  grade  eines  astrolabiums 
angebracht  sind'  Jacobsson  techn.  wb.  2,  IQS'^;  gr.  am 
mesztisch  Beil  265;  das  ganze  {die  dynamitzerkleinerungs- 
maschine)  ist  auf  einer  gr.  montiert  Muspbatt  ehem.  7, 
915 ;  stets  ist  ein  .  .  .  f usz  erforderlich,  welcher  . .  .  durch 
grundplatten  . . .  hergestellt  werden  musz  Karmarsch- 
Heeren  1,  400;  gr.  in  der  druckerpresse  Campe  2,  473^. 
GRIINDPLAN,  m.  l)  grundrisz,  horizontalprojedion 
eines  gebäudes,  vgl.  gr.  Müller  -  Mothes  1,  iOi^;  der 
gr.  {der  kirche)  bildet  ein  lateinisches  kreuz  mit  langen 
westlichen  schenkein  Lueger  6,  558 ;  {die  bauthätigkeit)  ist 
von  ihrem  material  im  grundplane,  in  der  ganzen  anord- 
nung  . .  .  abhängig  Vischer  ästhet.  3,  2,  208;  graben  und 
brücke  deuten  auf  den  gr.  einer  ehemaligen  tiefburg 
Riehl  naiurgesch.  d.  Volkes  4,  347;  anders:  {es)  zeigte  sich, 
dasz  . .  .  die  fundamente  verstärkt  werden  müszten  .  . ., 
Raphael  stellte  den  neuen  gr.  her  H.  Grimm  Michelangelo 
2,  329.  2)  ursprünglicher  plan;  plan  als  grundlage  der  nach 
ihm  sich  richtenden  handlungen  {vgl.  comp.-typ.  5  p):  die 
.  .  .  Wissenschaft  der  vergleichenden  anatomie  beruht  auf 
.  .  .  der  wissenschaftlichen  erkenntnis,  dasz  ein  gemein- 
samer .  .  •  gr.  für  alle  thierischen  formen  existirt  Büchner 
kraft  u.  st.  79;  der  herr  graf  {hält)  mit  deutlicher  und 
theoretischer  ausführung  dieses  seines  grundplans  in 
methodo  noch  so  ziemlich  an  sich  Zinzendorf  Siegfrieds 
bescheid.  beleuchtung  (1744)  72;  wie  man  das  werk  des 
herrn  nicht  nur  in  einem  sinne,  sondern  auch  nach  einerlei 
gr.  und  methode  zu  bedienen  hätte  A.  G.  Spangenberg 
leben  Zinzendorfs  (1775)  1935;  wie  der  dichter  seine 
figuren  nach  einem  geheimen  grundplane  ordnet  sehr.  d. 
Göthegesdlseh.  6, 84 ;  nach  dem  gr.  dieser  schritt  A.  v.  Hum- 
boldt kosmos  4,  211.  —  -platz,  m.:  gr.  eines  gebäues 
Ludwig  teutseh-engl.  (1716)  818;  sein  allda  aufgerichtetes 
haus  {hat  man)  nidergerissen,  den  gr.  verflucht,  mit  saltz 
besäet  E.  Francisci  hohe  traursaal  (1665)  1,  1064;  wie  nun 


der  kreisz  der  erden  als  der  gr.  und  gleichsam  der  boden 
der  weit  von  wasser  und  erdreich  zusammen  gesetzet  .  .  . 
ist  Weigel  erdspiegel  (1665)  l;  wohl  als  singulare  neubil- 
düng  zu  fassen:  bei  dem  heraufdringen  der  niedern 
{stände)  an  die  stelle  welker,  stolzer  und  unbrauchbarer 
hohen  .  .  .  {werden)  die  stärksten,  nothwendigsten  grund- 
plätze  der  menschheit  .  .  .  leerer  Herder  6,  676  8.  — 
-princip,  n.  {vgl.  comp.-typ.  5p/5):  weil  sie  {die  christ- 
liche person)  hinter  dem  grundprincipio  der  herztheologie 
steht  ZiNZENDORF  nEQi  t((VTov  (1746)  16;  das  gr.,  von  dem 
auch  ich  ausgegangen  {bin)  Görres  ges.  br.  2,  299;  es 
war  . .  ,  ein  angriff  auf  das  anerkannte  gr.  der  angli- 
canischen  kirche  Ranke  w.  16,  31;  der  begriff  eines  bösen 
grundprincips  neben  einem  guten  ist  offenbar  ein  begriff 
a  priori  Fichte  s.  w.  5, 78;  (es)  ist  nicht  die  rede  von  einheit 
durch  ableitung  aus  wenigen,  von  der  vemunf  t  gegebenen 
grundprincipien  A.  v.  Humboldt  kosmos  1,  31;  er  .  .  . 
hat  eine  reihe  ihrer  (d.  aufklärerischen  religionsphilosophie) 
grundprincipien  auf  den  typischen  ausdruck  gebracht 
Windelband  geseh.  d.  neuer,  phil.^  1,  285;  die  grund- 
principien der  mechanik  Boltzmann  pop.  sehr.  253.  — 
-problem,  n.  {vgl.  comp.-typ.  5p/?):  inzwischen  über- 
sieht auch  Locke  nicht  jenes  gr,  .  .  .,  den  unterschied  des 
idealen  und  realen  Schopenhauer  w.  4,  29  Chr.;  das  gr. 
liegt  sonach  in  der  feststellung  der  bestimmten  art  von 
unvergleichbarkeit  zwischen  den  beziehungen  geistiger 
thatsachen  und  den  gleichförmigkeiten  materieller  Vor- 
gänge DiLTHEY  geisteswiss,  1, 14 ;  das  gr.  des  romans  ist  die 
durchkreuzung  zweier  sittlicher  weiten  Schebee  kl.  sehr. 
2,  267;  umkehrung  der  drei  logischen  grundsätze  —  dar- 
aus entstehen  die  drei  logischen  antinomien  und  grund- 
probleme  Novalis  sehr.  3,  337  M,;  die  . . .  Widerlegung 
.  . .  habe  ich  später  geliefert  in  den  'grundproblemen  der 
ethik'  ScHOPENHAUEB  w.  1,  132  Oris.  —  -punct,  m., 
tiefster,  tragender  und  entscheidender  punct,  centralpunet, 
angelpunct:  dann  du  bist  das  centrum  oder  gnindpunct 
V.  Gbeifenbebg  andäeht.  betracht.  (1678)  1032; 

nur  obenbin  beschauet  ihr  die  dinge; 

was  eigendlicb  der  zweclc  und  grundpunl^t  ist, 

das  last  ihr  etehn  und  haltets  für  geringe 

Knittel  poet.  sinnen] r.  (1677)  36; 

Jacobi  {vermochte)  ...  in  die  grund-  und  angelpunkte  des 
spinozistischen  lehrgebäudes  tiefer  einzudringen  Moses 
Mendelssohn  l,  99;  grund-  und  einheitspunct  der  ge- 
schichte  .  .  .  bleibt  er  {Jesus)  doch  Fichte  s.  w.  4,  550; 
mehr  wie  comp.-typ.  5  o  bzw.  r:  ketzer,  die  in  den  grund- 
puncten  des  glaubens  fehlen  Undebeyck  d.  narr,  atheist 
(1722)  451;  nach  comp.-typ.  5  g:  beide  marken  {siedepunct, 
sehmeizpunct)  bilden  die  gnmdpunkte  für  die  auf  dem 
röhre  angebrachte  theilung  Muspbatt  ehem.  4, 137. 

GRUNDQUELL,  m.,  -quelle,  /.  l)  aus  der  boden- 
tiefe entspringender  quell  {vgl.  comp.-typ.  5  c):  nicht  so 
viel  die  ergieszung  des  von  den  bergen  herablaufenden 
gewässer  als  der  gegend  eigne  grundquellen  {verursachen) 
den  sumpf  Ayrenhoff  w.  6,  269;  sie  {die  forellen)  müssen 
.  .  .  schatten  haben  .  . .,  grundquellen  Oken  Tiaturgesch. 
6,  347;  nixe  im  grundquell  G.  Keller  ges.  w.  9,  87;  bild- 
lieh: die  unmügliche  begierd  {hat)  diese  reine  grund- 
qwelle  schändlich  betrübet  Harsdöbfer  frauenz.  ge- 
sprächsp.  6,  229. 

2)  übertragene  Verwendung  faszt  grund-  mehr  im  sinne 
des  comp.-typus  5  p  {köpf  und  a)  'urquelle,  erste  und  ur- 
sprünglichste quelle,  ursprung\  dabei  bleibt  gr.  mehr  oder 
minder  bildhaft;  so  im  16.  jh.  schon: 

(merk)  welchs  sei  die  grundquell  und  der  brunnen, 
daraus  ihr  irrthumb  all  sind  grunnen 

Thidarius  Bethabarennus  berg.  tnonstrum  (1591)  »2»; 

wan  man  den  genauen  urspning,  grundquel  und  wiu"tzel 
aller  wort  und  buchstaben  erforschet  Moschebosch  ge- 
sichte  {1650)  1,  597;  gott,.  der  an  sich  Selbsten  gut  und  die 
grundquell  alles  guten  ist,  {wäre)  die  ursach  alles  .  .  . 
ubels  Chb.  Arnold  offne  thür  (1663)  225;  Christus  . .  . 
der  grundquell  meines  trostes  Treuer  dtsch.  Dädalus  1, 
337;  wir  gehen  zurück  auf  die  grundquelle  unserer  religion 
Laube  ges.  sehr,  ll,  19;  die  lebenskraft  ist  .  .  .  der  grund- 


881 


GRUNDREBE  —  GRUNDRECHT 


GRUNDRECHTLICH  -  GRUNDREGEL  882 


quell,  aus  dem  alle  übrigen  kräfte  der  weit  flieszen 
Hufeland  kunst  47;  stärker  entsinrdicht:  die  Vollkommen- 
heit ...  ist  der  grundquell  aller  unserer  lust,  das  endziel 
aller  unserer  strebungen  Moses  Mendelssohn  ges.  sehr. 
1,  79;  des  Übels  grundquell  hingegen  blieb  unberührt 
ZscHOKKE  s.  ausg.  sehr.  37,  221;  es  sey  genug,  hier  den 
grundquell  dieser  ausländerei  unter  den  Deutscheu  an- 
gegeben zu  haben  Fichte  «.  w.  7,  337;  im  historiographi- 
sehen  bezuge:  wie  eitel  das  bemühen  ist,  hier  (aiLS  Adam 
von  Bremen)  viele  citate  zu  häufen  statt  allein  aus  der 
grimdquelle  {den  Fuldaer  annalen)  zu  schöpfen  Dahl- 
MANN  gesch.  v.  Dännemark  1,  19. 

GRUNDREBE,  /.  l)  entstellung  aus  altem  gundrebe 
vgl.  ahd.  gundereba  ahd.  gloss.  4,  458,  25,  daneben  gun- 
delrebe  (5.  dort) :  hedera  terrestris  {ist)  gundelreb  aber  vil 
besser  grundtreb,  dann  solches  gewächs  alle  zeit  auf  der 
erden  hin  und  widerfladert  Ryff  confectbuch  (1548)  a  8*, 
weiter  grundelrebe,  gundermann,  grundmann:  name  des 
'erdepheu'  —  glechoma  hederaceum  vgl.  Holl  wb.  d.  pfl. 
137'';  Pritzel- Jessen  166  nach  Hieron.  Bbaunschweio, 
L.  FüCHS,  C.  Geszneb,  also  ahm.  allgemein;  die  . . .  violen 
dragen  .  . .  bletter .  .  .  wie  die  grundreben  Bock  kreuterb. 
(1539)  1,  165;  vgl.  Fbisiüs  216a  chamcecissus  grundreben; 
Härder  herbar.  (1594)  35  camecisstis  nobilis  edel  grund- 
reb  {vero7iica  agrestis)  nach  Fischer  schwäb.  3,  879. 
2)  gr.  'tjn  weinbaue  reben  oder  sprossen,  welche  die  thau- 
oder  wasserwurzeln  treiben'  Krünitz  20,  285;  zu  grund 
'erde'  gehörig  vgl.  Nemnich  wb.  d.  ncUurgesch.  213:  gr.  .  .  . 
heiszen  die  rebschöszUnge,  welche  etwa  zwey  schuh  tief 
in  die  erde  versenkt  .  .  .  werden.  —  -rechnung,  /., 
''gründliche,  vollständige  abrechnung'  {vgl.  comp.4yp.  5u): 
darumb  das  der  ausschusz  noch  ain  gemaind  an  irer  rech- 
nung nit  gesettigt  sein,  sonder  von  inen  haben  wollten, 
sie  sollten  inen  ain  grundtrechnung  tind  lautern  verstand 
oder  beschlusz  irer  rechnung  machen  quell,  z.  gesch.  d. 
bauernkrieges  2,  192  lit.  ver.  —  -rechnungsart,  /.,  als 
Verdeutschung  von  species  in  der  arithmetik  durch  Campe 
wb.  2,  474  eingeführt:  die  allen  rechenoperationen  zu  gründe 
liegenden  vier  grundrechnungsarten  {addition,  subtraction, 
mrütiplication,  division) . 

GRUNDRECHT,  n.  1)  das  aufgrund  und  boden  bezüg- 
liche recht  {vgl.  comp.-typ.  5f). 

a)  zufrühest  ende  des  13.  jhs.,  in  österr.  rechtsquellen  in 
der  bedeutung  'leistung,  abgäbe  für  die  nutznieszung  von 
grund  und  boden,  grundzins'  {vgl.  recht  I  2  c) :  da  man 
imser  aller  jerlich  von  dient  neun  phunt  ze  rechten 
purchrechte  .  .  .  unt  vierzich  phenninge  .  .  .  ze  rechten 
gruntrecht  {v.  j.  1292)  Zeisig  urkundenb.  d.  Stiftes  Kloster- 
neuburg 1,  41;  daz  wir  dienen  schullen  von  unserm  haus 
.  .  .  sibentzich  Wiener  phenning  ze  rechtem  gruntrecht 
hintz  der  Schotten  chloster  ze  Wien  {v.  j.  1335)  Haus- 
wiRTH  urk.  d.  Benedict. -abtei  zu  d.  Schotten  206;  und  des 
der  erwirdige  herre  brobst  Rüdwein  ze  Newnburch  grunt- 
herre  ist,  dem  man  dient  alle  jar  ze  gruntrecht  achtzehen 
Wiener  phenninge  {v.  j.  1340)  Zeibio  urkundenb.  d.  Stiftes 
Klosterneuburg  l,  276;  omnes  piscatores  ...,  quilibet  ipso- 
rum  tenetur  servire  ecclesie  . .  .  decem  denarios  pro  eo 
jure,  quod  vulgariter  dicitur  gruntrecht  österr.  weisth.  7, 
969;  wann  alle  Stiftung  wirt  des  ersten  auflassen  mit  et- 
lichem gruntrecht  Wiener  weichbildrecht,  V/iener  aitzgs- 
berichte  36,  102 ;  item  ainem  pfleger  zu  Liechtenberg  sollen 
järlich  in  der  nachbschaw  die  gruntrecht,  darzue  den 
mülln  ir  gerechtigkait  gegeben  werden  {hs.  d.  17.  jh.) 
österr.  weisth.  1,  260. 

b)  rechte  und  gerechtsamen,  die  aus  der  grundherrlichen 
Verfügungsgewalt  entspringen  {vgl.  grundgerechtigkeit) : 
von  grundrechten  {Überschrift)  Hohbebg  georg.  curiosa 
1,  44;  es  giebt  allerdings  freischul tiseien  von  .  .  .  be- 
schränkteren grundrechten  Holtei  erz.  sehr.  4,  42 ;  unsere 
Stadt  fischte  sich  .  .  .  eine  menge  anderer  grundrechte, 
die  alle  einst  dem  Johanniterhof  .  .  .  gehört  hatten 
Gutzkow  ritter  v.  geiste  3,  46;  die  'grundherrliche  gewaW 
selbst,  'eigenthumsrechf :  gr.,  dominum,  directum  Stieler 
1550,  vgl.  Krünitz  20,  285;  {sie)  theilen  . . .  den  kriegs- 

IV.  1.  ß. 


leuten  . . .  länder  aus,  mit  vorbehält  des  gnmdrechts, 
doch  ohne  aufgesetzte  Satzungen  Arnold  wahrhaft,  be- 
schreib. (1672)  120;  dadurch,  dasz  sie  {die  compagnie)  sich 
das  gr.  und  eigenthum  der  länder  allein  vorbehält 
FoRSTBB  s.  sehr.  1,  82;  aber  auch  'das  recht,  auf  eines  an- 
dern grund  und  boden  .  . .  etuxis  zu  bauen  .  . .,  aux>h  das 
plcUzrecht  genannt'  Krünitz  o.  a.  o.,  vgl.  Stieler  1550; 
abseitigere  Verwendungen  vereinzelt:  'grundgericht' :  wann 
eine  fälligkeit  .  .  .  sich  ereignet,  kan  der  grundherr  das 
grundstuck  für  sich  selbst  nicht  einziehen  .  .  .,  sondern 
er  musz  ein  gr.  durch  unverdächtige  darzu  erbettne  un- 
parteyische  personen  besetzen  Hohberg  georg.  cur.  1,  44; 
wohl  une  'grundruhrrecht'  {s.  dort) :  wir  .  .  .  sein  baident- 
halben  über  ain  komen,  daz  wir  allew  gruntrecht  abge- 
nomen  haben,  wann  wir  versten  und  wol  enpfunden 
haben,  daz  sie  der  arbeit  auf  dem  wazzer  schedüch  ge- 
wesen sind,  und  wellen,  daz  furbaz  niemand  darumb 
an  gevodert  . . .  werd  Wittmann  monumenta  Wittelsbac. 
2,  524  {v.  j.  1375). 

2)  'fundamentales  recht,  ursprüngliches  recht'  {vgl.  comp.- 
typen  5  o  und  p) : 

(dein  liebster)  . .  .  welsz   dir,  wenn   er  dich   mit  lieb   und 

feuer  küszt, 
das  grundrecbt  der  natur  mit  nachdnick  zu  erklären 

Chr.  Güxthkr  ged.  698; 

seine  {Kellers)  derbheit  geht  .  .  .  nur  so  weit,  als  sie 
namens  des  ur-  und  gnmdrechts  der  poesie  gehen  darf 
ViscHER  altes  u.  neues  2,  206;  seit  der  mitte  des  19.  jhs. 
in  specifischerem  sinne  die  'politischen  und  sittlichen 
rechte  und  freiheiten,  die  aus  dem  natürlichen  recht  ent- 
springen', die  sog.  'allgemeinen  menschenrechte' ,  die  'ur- 
rechte der  menschen',  vgl.  Sacheb  staatslex.  2,  939^.,  z.  b. 
gleichheit  aller  vor  dem  gesetz,  freiheit  der  religionsübung 
u.  8.  w.:  Boie  kannte  den  sonderbaren  Schwärmer  für  die 
grundrechte  der  menschheit  zur  genüge  Weinhold  Boie 
130;  das  recht,  häuser  zu  bauen,  gehörte  zu  den  grund- 
rechten der  menschheit  Feeytag  ges.  w.  6,  25 ;  sie  stützte 
sich  .  .  .  auf  ein  protestantisches  dogma,  auf  das  gr.  des 
freien  f orschers  Riehl  dtsche  arbeit  307 ;  Fichtes  verlangen, 
dasz  der  staat  die  pflicht  habe,  jedem  bürger  das  sittliche 
gr.,  von  seiner  arbeit  leben  zu  können,  vollauf  zu  gewähr- 
leisten Windelband  gesch.  d.  neuer,  philos.*  2,  229;  die 
grundrechte  Jehovas,  die  zehn  geböte  Hebbel  tageb.  3, 
443  W.;  als  staatsrechtlicher  begriff  im  entwurf  der  reichs- 
Verfassung  vom  28.  ni.  1849,  abschn.  vi :  die  grundrechte 
des  deutschen  volks ;  wir  sind  bei  der  zweiten  (definitiven) 
beratung  der  grundrechte  br.  von  u.  an  Herwegh  236; 
die  gnmdrechte  der  Frankfurter  verfassimg  Lagarde 
dtsche  sehr.  83;  eine  Verfassung  ohne  die  sog.  1849er 
'gnmdrechte'  («et)  .  .  .  nimmermehr  annehmbar  Bennig- 
SEN  d.  nationalliber.  partei  38;  vgl.  artikel  48  der  Weimarer 
reichsverfassung  v.  11.  vm.  1919;  etwas  anders:  das  gegen- 
theil  von  dem,  was  wir  hier  feststellen  {könnte)  zu  einem 
grundrechte  der  Deutschen  erhoben  werden  Bismarck 
polit.  reden  1,  119;  das  gr.  der  monarchie,  die  imabsetz- 
barkeit  der  auf  eigenem  rechte  ruhenden  Staatsgewalt 

Treitscskth  dtsche  gesch.  4,  507. rechtlich,  adj.,  von 

grund  aus  rechtlich  {vgl.  comp.-typ.  1  a),  vgl.  Campe  2, 
474;  zum  glück  waren  (sie)  ...  an  sich  grundrechtliche, 
gute  menschen  Brachvogel  Benoni^  1,  217.  —  -rede, 
/. :  gr.,  {sermo)  certus,  indubitatus,  fundatus  Stieler  1540 ; 
grundreden  ragioni  fondamentali,  assiomi,  fondamenti, 
massime  Kramer  teutsch-ital.  2,  286'';  neubildungsversuch 
des  17.  jhs.  'gründe  enthaltende  rede,  argumenf :  alhier  war 
es,  da  seine  majestät .  .  .  mit  unerschrocknem  muhte  und 
ausbündigen  grundreden  widersprach  Zesen  gekrönte 
majestät  (1661)  93;  Hugo  Groot  bemühet  sich  in  seiner 
nachforschung  des  uhrsprungs  der  Ameriker  mit  vielen 
gnmdreden  zu  erörtern,  dasz  dieselben  ...  in  Norwegen 
uhrsprünglich  zu  hause  gehöhreten  O.  Dappeb  America 
(1673)  293..  _  -Tegel,  f.,  regel,  die  die  grundlage  einer  sache 
bildet,  aus  der  sich  andere  regeln  ableiten  lassen,  prinzip 
{vgl.  comp.-typ.  5  o,  p),  seit  dem  17.  jh.  auftretend:  gr.,  lex 
fundamentalis  Stieleb  1576;  gr.,  regola  fondamentale,  ge- 
nerale Kbameb  teutsch-ital.  1,  574;  es  heisze:  contra  ne- 

56 


883 


GRUNDREGEL  -  GRUNDREICH 


GRUNDRICHTIG  -  GRUNDRICHTIGKEIT    884 


gantem  principia:  man  solle  mit  dem  nichts  zu  thun 
haben,  der  die  grundregeln  nicht  annimmt  Knoee  v.  Ro- 
SENEOTH  pseudodoria  ( 1680)  36 ;  wie  die  meisten  lehren  vom 
ehestande  .  .  .  mit  der  gr.  derer  canonisten,  dasz  der  ehe- 
stand  ein  sacrament  sey,  zusammenhängen  Thomasitjs 
ernsth,  gedancken  (1720)  2,  198;  die  einsieht  der  gelehrten 
ist  nicht  allenthalben  einerley,  so  wenig  als  die  grund- 
regeln, darnach  sie  urtheilen,  allemal  überein  kommen 
Gottsched  vernünft.  tadler.  2,  vorr.  3 ;  in  imserer  vemunft 
(liegen)  .  .  .  grundregeln  und  maximen  ihres  gebrauche, 
welche  gänzlich  das  ansehen  objectiver  grundsätze  haben 
Kant  ges.  sehr.  3,  236  akad.;  dadurch  ward  brechung  das 
hauptaugenmerk  .  .  .  und  was  bei  einem  einzelnen  falle 
vorging,  die  gr.,  das  grundgesetz  fürs  allgemeine  Göthe 
II  4,  255  W. ;  die  physiognomische  bezeichnung  (muszte) 
. .  .  auf  gewisse  allgemeine  grundregeln  gebracht  werden 
Foestee  s.  sehr.  9,  363 ;  als  mehr  subjectiv  gefaszter  ^grund- 
satz  des  handelns' :  er  setzte  als  eine  gr.  voraus  .  .  .,  dasz 
man  niemand  zur  religion  zwingen  dürfe  G.  Aenold  kir- 
chen-  und  ketzerhistorie  (1699)  132'';  und  denn  müssen  wir 
es  weiterhin  zu  einer  gr.  machen,  keine  mächte  zu  bunds- 
.  genossen  anzunemen  Hbilmann  pelop.  krieg  777 ;  nach 
dieser  gr.  habe  ich  .  .  .  gewünschet,  im  stände  zu  seyn, 
mein  leben  einzurichten  Beookes  8,  627 ;  'fundamentaler 
glaubenssatz" :  indem  ist  dieses  eine  grundregul  der  heu- 
tigen weit,  dasz  ein  pf  und  gold  im  hejTathen  einen  centner 
tugend  überwiegen  musz  Zieglee  Banise  (1689)  341;  {sie) 
haben  diese  gr.,  dasz  die  zeit  oftmahls  mehr  ausrichte  als 
eine  gantze  armee  staat  d.  königr.  Persien  27  in:  Oleaeius 
reisebeschr.;  dieweil  von  natur  der  mensch  zum  aber- 
glauben  geneigter  ist  als  zu  rechten  vernünftigen  grund- 
reguln  J.  G.  Schmidt  rockenphilos.  2,  160;  'grundlegende 
und  elementare  Vorschrift' :  so  kann  man  auch  das  decorum 
durch  unbetrügliche  grundregeln  nicht  erlernen  Thoma- 
sius  wider  d.  unvernünftige  liebe  ( 1696)  238 ;  grundreguln, 
nach  welchen  die  kinder  sollen  christlich  auferzogen 
werden  (buchtitel)  Amaeanthes  frauenz.-lex.  1891;  die 
grundregeln  des  Verhaltens  .  .  .,  einen  patriotischen  könig 
zu  bilden  Gottsched  neueste  l,  lot;  vor  allem  die  funda- 
mentalen regeln  in  kilnsten,  fertig keiten  und  Wissenschaften: 
(ich)  wil .  .  .  hoffen,  es  werde  .  .  .  das  meiste  rein  und  müg- 
lichst  nach  vorgeschriebenen  grundregeln  der  wehrten  .  .  . 
tichtkunst  gesetzet  sein  Neumaek  fortgepfl.  musik.-poet. 
lustwald  (1657)  8/.;  {Opitz)  hat  .  .  .  die  grundregeln,  nach 
welchen  er  gearbeitet  hat,  lieber  im  wercke  selbst  an- 
wenden als  in  einem  kunstbuche  zusammenschreiben 
wollen  BoDMEE  crit.  poet.  sehr.  2,  83;  der  erste  theil  .  .  . 
soll . .  .  die  grundregeln  dieser  kunst  enthalten  Fe.  Schle- 
gel s.  w.  13,  166;  seine  (des  kleidermachens)  grundregeln 
sind  eben  dieselben  welche  der  baukunst  ihre  sind  dis- 
course  der  mahlern  2,  171;  wir  haben  ...  in  der  musikali- 
schen setzkunst  eigene  . . .  grundregeln  Scheibe  crit.  mus. 
66;  an  der  musikalischen  gr.,  dasz  der  bass  .  .  .  unter  den 
drei  obern  stimmen  bleiben  soll  Schopenhaüee  w.  2,  525 
Or.;  nach  denen  grundreguln  der  artzneykunst  Stea- 
NiTZKY  ollapatrida  264  Wien,  ndr.;  die  alten  grundregeln 
der  rechnung  des  wahrscheinlichen  Lichtenbeeg  verm. 
sehr.  9,  15;  die  grundregeln  der  grammatica  v.  Fleming 
teutsche  soldat  21 ;  die  hochteutsche  spräche  nach  ihren 
grundregeln  Nefkiech  t.  poesie  16,  vgl.  Schottel  142;  die 
grösten  gesetzgeber  der  botanik  haben  sich  willkührUche 
grundregeln  gemacht  A.  v.  Hallee  tagebuch  2, 106;  grund- 
regeln des  wahren  natürlichen  Staatsrechts  K.  L.  v.  Hal- 
lee rest.  d.  staatswiss.  1,  82.  —  -reich,  adj.  1)  wie  comp.- 
typ.  1  a  'sehr  reich' :  der  grundreiche  himmelsherr  lasse 
glükk  und  heil  auf  dich  treufein  Neumaek  fortgepfl.  mu- 
sik.-poet. lustwald  2,  174;  man  könne  die  leute  nicht  besser 
bereden,  man  sei  ein  grundreicher  kerl  Musandee  studente 
(1739)  44;  sein  vetter,  der  rathsherr,  ein  grundreicher  mann 
H.L.  Wagnee  kindermörderin  76  lit.denkm.;  vgl.  Loeitza 
55.  2)  wie  comp.-typ.  1  b  'reich  an  gründen,  gut  begründet' 
s.  gründereich  sp.  733 ;  vgl.  gr.,  fonce  Feisch  n/)uv.  dict. 
274 ;  das  sind  grundreiche  aspectus  und  astrologische  rich- 
tigkeiten  Peätoeius  phil.  colus{l&Q2)  114;  an  einen  grund- 
reichen disputanten  j.  Fe.  Löwen  sehr.  (1765)  l,  184. 


GRUNDRICHTIG,  adj.,  im  17.  und  18.  jh.  öfter  verwen- 
dete künstliche  bildung  gelehrten  Charakters;  gr.  Schottel 
473;  gr.,  gmndm&szig  fundamentale,  ben  fondato  Keamee 
teutsch.-ital.l,  b7^^;  gr.  fondamental  Feisch  nouv.dict. 
274;  vereinzelt  halb  concret  'gutes  fundament  habend':  ich 
baue  auf  keinen  triebsand,  sondern  auf  einen  festen  grund- 
richtigen trost  V.  Heebeegee  trau>rbinden  (1611)  1,  439; 
sonst  abstract  gebraucht: 

1)  in  seinem  gründe,  hinsichtlich  der  grundlagen,  der 
grundregeln  richtig,  ordnungsgemäsz,  vgl.  gr.  'nach  allen  ge- 
setzen  und  umständen  einer  Wissenschaft  secundum  leges  et 
fundamenta  alicuius  scientiae,  in  optima  forma'  Feisch 
teutsch-lat.  l,  380,  s.  auch  grundrichtigkeit;  einem  jeden 
Teutschen  .  .  .  eine  gewisse  und  grundrichtige  kündigkeit 
unserer  teutschen  spräche  beyzubringen  Schottel  s^jtocä- 
kunst  (1641)  175;  ihre  {der  hochdeutschen  muttersprache) 
grundrichtige  schreibahrt  närrisch  zu  ändern  Neumaek 
palmb.  53;  das  erste  {werk)  .  . .,  welches  von  diesen  tief- 
sinnigen Wissenschaften  in  einer  grundrichtigen,  und  so- 
viel sich  thun  iäszt,  reinen  deutschen  spräche  geschrieben 
worden  Gottsched  neueste  8,  Si7 ;  an  dem  rechten  ge- 
brauch eines  grundrichtigen  dictionarü  Keamee  ital.- 
teutsch  (1693)  vorher.;  die  nothwendigen  warheiten  und  die 
grundrichtigen  Schlüsse  in  der  philosophie  Leibnitz  phil. 
sehr.  6,  468  Gerhardt;  was  ist  die  baukunst?  eine  grund- 
richtige aufführung  der  natürlichen  steine  Haesdöefee 
geschichtspiegel  423 ; 

(cirkel  sind)  vielmehr  grundrichtig  abgemessen 

Teillee  poet.  betracht.  4,  202 ; 

so  gr.  und  unvergesziich  diese  regel  ist  Gottsched  neueste 
5,  213;  es  ist  einmahl  gr.,  dasz  zu  einem  einfachen  werte 
wohl  zwei  und  mehr  lange  s  .  . .  gesetzt  werden  Zesen 
verm.  helikon  l,  39. 

2)  auch  unkräftiger  wie  'gründlich' :  sie  hätten  ihre  kunst 
bey  den  Seleniten  oder  mondleuten  gr.  erlernet  Geimmels- 
HAUSEN  2,  1014  Keller; 

der  zelten  wechselrad  kann  uns  grundrichtig  lehren, 
dasz  stehen  und  vergehn  sey  allgemeiner  lauf 

H.  MÜHLPFOET  teutsche  ged.,  leichenged.  (1686)  40; 

dieser  mann,  der  schon  in  einem  schulamte  gesessen  und 
dannenhero  das  informiren  gr.  verstand  schles.  Robinson 
(1723)  1,  101;  aus  grundrichtiger  und  theils  selbst  eigener 
kriegserfahrung  v.  Fleming  soldat  77;  nach  angetrettener 
landsbeherrschung  .  .  .  lieszen  ihre  hochfürstliche  durchl. 
sich  die  grundrichtige  bestellung  des  regiments  angelegen 
sein  J.  G.  Laieitz  palm,wald  (1686)  355*;  anders,  im  sinne 
des  comp.-typ.  1  a:  gr.,  'sehr  richtig,  in  einem  hohen  grade 

richtig'  Adelung  2,  831. richtigkeit,  /.,  Schlagwort 

der  grammatiker  des  17.  jhs.,  namentlich  Schottels,  der 
damit  den  grammatischen  terminus  analogia  übersetzt,  vgl. 
gr.,  analogia  haupf spr.  i73;  gv.an.logie  fondamentale 
ScHEADEE  dtsch.-franz.  1,  581;  gr.  ist  die  'in  der  natur  be- 
gründete, in  den  grundbestandteilen  und  grundregeln  sich 
erweisende  Ordnung,  gesetzmäszigkeit'  der  spräche  im  gegen- 
satz  zur  regellosigkeit  {anomalia);  neben  der  gr.  steht  der 
'gebrauch' ,  vgl.  duo  occurrunt,  nimirum  receptus  hactenus 
usus  et  ipsa  analogica  linguae  natura  Schottel  an 
Ludiuig  von  Anhalt  in:  ertzschrein  298  Krause,  vgl.  Jbi.- 
linek  gesch.  d.  nhd.  grammatik  1,  135  ff.;  die  hochteutsche 
spräche  auch  in  ihrer  natürlichen  unstreitigen  gr.  zu  en- 
deren  Schottel  158;  die  unrichtigen  gewonheiten,  welche 
weder  ursach  noch  beyfall  in  wahrer  gr.  der  spräche  an- 
treffen 11;  {es  ist)  unvermeidlich  gewesen,  unterweilen 
neue  teutsche  Wörter  jedoch  nach  gr.  der  teutschen  com- 
position  zu  formiren  ders.  ethica  (1669)  a  6*;  der  teutschen 
spräche  gr.  und  Zierlichkeit  Che.  Pudoe  titel;  diese 
Ursachen,  eine  so  wohl  hergebrachte  gewohnheit  abzu- 
schaffen, wodm-ch  unsre  spräche  einen  so  merklichen  Vor- 
zug der  gr.  vor  andern  erhält,  sind  nicht  zulänglich  Gott- 
sched dtsche  spra^hkunst  (1748)  58;  etwas  anders  'die 
her  Stellung  der  gr.':  so  betrifft  dennoch  die  gr.  und  haupt- 
ausschmükkung,  derhalben  man  bemühet  ist,  nur  das 
hochteutsche  Neumaek  neuspr.t.  palmbaum  (1668)93; 
entsprechend  dann  auch:  {die)  gr.  der  detitschen  poesie  zu 


885     GRUNDRICHTUNG -GRUNDRISZ  1.2 


GRUNDRISZ  3.  4 


886 


finden  Ludwig  von  Anhalt  an  Schottet  in:  allg.  dtsche 
biogr.  32,  409.  —  -richtung,/.,  die  bestimmende,  wesent- 
liche, hauptsächliche  richtung  {vgl.  comp.-typ.  5  pyS  und  r): 
seine  {des  Götz  von  Berlichingen)  gr.  {ist)  antitheatralisch 
GÖTHK  IV  17,  172  W.;  die  geistige  gr.  unserer  tage  ist  aber 
eine  historische  W.  H.  Riehl  naturgesch.  d.  volkes  1,  12; 
die  eigentliche  gr.  angesehener  Wissenschaften  {wird)  gar 
nicht  mehr  eingehalten  Nietzsche  w.  l,  490;  die  auf- 
stellung  philosophischer  Systeme  nach  allen  grundrich- 
tungen  des  menschlichen  denkens  Schopenhauer  w.  5, 
426  Qr. 

GRUNDRISZ,  m.  ''zeichnerische  daratellung  einer  räum- 
grösze  auf  einer  zeichnungsebene',  im  älteren  nhd.  sowohl 
die  perspectivische  ansieht  wie  die  horizontale  paralldpro- 
jection,  der  wagerechte  durchschnitt  z.  b.  eines  gebäudes,  in 
neiierer  spräche  auf  letzteres  beschränkt;  um  1620  lexiko- 
graphisch auftretend:  der  grundrysz  ichnographia,  deli- 
neatio  areae  JoH.  Orsäus  nomenclat.  meth.  (1623)  153,  ver- 
mutlich etwas  älter  {s.  u.  5),  doch  vgl.  synonymes  grund- 
legung  4 ;  aus  verbalen  Wendungen  wie  den  gnind  {grund- 
fläche,  vgl.  sp.  728)  reiszen  L.  Hülsius  erster  tractat  (1604) 
24,  im  grund  reiszen  ebda  73,  grimdreiszen  ebda  3  {vgl. 
sp.  751)  entwickelt,  vgl.  grundreisz  unter  3;  der  gr.  wird  mit 
dem  cirkel  und  lineal  nach  dem  verjüngten  maszstab 
aufgetragen  Habsdörfer  frauenz.  gesprächspiele  8,  ^S7  ; 
kupferbilder,  da  die  grundrisse  dessen,  was  aiif  der  neben- 
stehenden blatseite  erklähret  wird,  sich  befinden  Zesen 
kriegsarbeit  vorw.;  wie  der  grundtrisz  und  auch  der  durch- 
schnitt aller  theil  der  vestung  gerissen  wirdt  A.  Freitag 
architect.  militaris  (1631)  55. 

1)  gr.,  'risz,  Zeichnung  der  grund  fläche  eines  gebäudes': 
von  welchen  {den  Griechen)  die  Römer  {in  der  baukunst) 
gelernet,  den  grundris,  aufrisz  und  das  aussehen  oder  den 
durchschnit  zu  beobachten  Bütschky  Pathmos  {1Q~7)  661; 
ein  mann  .  . .  musz  .  .  .  den  gr.  von  seinem  hause  auf 
den  mantelkragen  heften  Chr.  Weise  drey  klügsten  leute 
(1675)  250;  von  grundrissen  unterschiedlicher  gebäude  als 
Jäger-  und  andern  lusthäusern  v.  Göchhausen  notabilia 
venat.  (1741)  272;  {ich)  ersuche  .  .  .  gedachten  bau  zu 
aistiren  und  denen  Unternehmern  deutlichen  grund-  und 
aufrisz  anzubefehlen  Göthe  IV  29, 72  W.;  ebenso  die  durch- 
schnitte in  den  stockwerkhöhen:  die  ersten  drey  {abbil- 
dungen)  liefern  die  grundrisse  der  drey  Stockwerke  dieses 
prächtigen  palastes  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamk.  9, 
730  Gottsched;  wollten  sodann  ew.  wohlgeboren  mir  .  .  . 
einen  auf-  und  grundrisz  der  verschiedenen  etagen  .  .  . 
fertigen  lassen  Göthe  IV  28,  214  W.;  dann  die  'form  der 
anläge'  eines  bauwerkes,  die  'gestalt  der  grundfläcJie'  als 
solche:  der  gr.  hier  in  gestalt  eines  kreuzes  maler  Müller 
w.  3,  347;  ein  . .  .  sternförmiger  ...  gr.  des  ringofens 
MusPRATT  Chemie  8, 784 ;  ähnlich:  wir  betreten  den  groszen 
liof,  dessen  gr.  für  einen  fremden  nicht  sogleich  verständ- 
lich ist  Freytaq  ges.  w.  1,  90;  im  bilde:  die  allgemeine 
logik  ist  über  einem  grundrisse  erbauet,  der  ganz  genau 
mit  der  eintheilung  der  oberen  erkenntniszvermögen  zu- 
sammentrifft Kant  ges.  sehr.  3,  130  akad. 

2)  namentlich  in  älterer  spräche  'darstellung  der  grund- 
fläche  eines  gebäudecomplexes\  oder  einer  anderen  raum- 
grösze':  {ein)  kupferstück,  darein  mein  baumhof  im  gr. 
entworfen  Grimmelshausen  Simplicissimus  433  Kögel; 
zwölf  abgebildete  städte  .  .  .  wie  auch  der  gr.  des  capi- 
tolium  Lohenstein  Arminius2,  ^23^;  besonders  auch 
'lageplan,  situationsplan'  von  städten :  gleich  die  bey- 
gefügte  figur  des  grundrisses  {von  Astrachan)  andeutet 
Olearius  persian.reisebeschr.SdS;  der  gr.  von  Constan- 
tinopel  neueste  a.  d.  anmuth.  gelehrsamk.  \,  552  Gottsched; 
ein  reisender  thut  sehr  wohl,  vor  seiner  abreise  grund- 
risse der  Städte  zu  sammlen,  in  denen  er  sich  aufhalten 
will  Nicolai  reise  d.  Dtschld  l,  15;  'umrisz':  {Alexander) 
liesz  . . ,  seine  Macedonier  ihr  mehl  als  gr.  der  neuen 
Stadt  ausstreuen  Droysen  gcsch.  Alexanders  204;  im 
festungsbau  die  'linienführuvg  der  befestigungssysteme'  vgl. 
v.  Alten  4,  479 :  so  müssen  auch  die  kriegsbaumeister  et- 
liche grundrisse  ihrer  festungen  .  .  .  abzeichnen  Zesen 
kriegsarbeit  (1672)1,  5;  in  der  fortification  stellet  ein  gr. 


oder  der  plan  den  äuszeren  umfang  der  gantzen  festung 
. . .  vor  Chr.  Wolf  math.  lex.  621 ;  gr.,  'in  dem  bergbau  ist  es 
gleichfalls  eine  aufzeichnung  der  wagrechten  läge  einer  zeche' 
Jacobsson  2,  165*;  av/:h  in  neuerer  spräche  gelegentlich  in 
entsprechender  Verwendung:  den  gr.  eines  Irrgartens  Göthe 
45,  255  W.;  wenn  man  den  gr.  aller  unterirdisch  gegra- 
benen gänge  hätte  Winckelmann  s.  w.  2,  45;  specidler 
kartographisch:  gr.,  Hn  karten  alles,  was  sich  auszer  den 
natürlichen  bodenformen  . . .  an  bodenbedeckung  auf  der 
erdoberfläche  beflndeV  v.  Alten  4,  478 ;  geradezu  wie  Hand- 
karte' :  wenn  man  einen  gr.  oder  landcharten  nach  denen 
regeln  der  kunst  abtragen  lernet  v.  Fleming  teutsche  Sol- 
dat 45,  vgl.  von  einer  gewissen  gegend  ein  grundriszgen 
machen  44;  überhaupt  'schematische  Zeichnung':  an  k  ist 
ein  gr.  zu  Verfertigung  eines  Sonnenuhrzeigers  Döbel 
jägerpractica  3,  169. 

3)  als  gr.  eines  geplanten,  noch  nicht  ausgeführten  ge- 
bäudes dem  sinne  'entumrf,  plan'  sich  nähernd;  vgl.  sie 
eihet  vielmehr  nur  deren  {der  gebäude)  grundreisz  und 
entwurf,  dann  sie  ehe  entwirfet  als  bauet  J.  Tonjolam 
Aristippus  (1662)  111. 

die  bauerfahrenheit,  die  dich  für  andern  ziert, 
verspricht  uns  allbereit  die  herrlichsten  paläste, 
wozu  die  uiajestät  den  grundrisz  selbst  geführt 

Hoffmannswaldau-Neukirch  ged.  7  (1727)  188; 

ich  .  .  .  bekenne,  dasz  der  gr.  {d.  h.  der  auf  dem  papier 
unternommene  ausbau  e6da)  des  doms  zu  Cöln,  wie  er 
hier  vorliegt,  eins  der  interessantesten  dinge  ist  Göthe 
IV  21,  294  W.;  entwarf  der  genius  auf  der  erhabensten 
stelle  der  insel  den  gr.  zu  einem  groszen  baue  Klinger  w. 
3,  261.  bildlich:  denn  wo  .  .  .  die  tugend  den  vollkommenen 
gr.  legte  .  ,  .,  da  kunte  gewisz  kein  .  .  .  baufehler  begangen 
werden  Chr.  Weise  polit.redner  (1677)474;  wohl  aber 
konnte  sie  {die  proceszordnung)  für  den  künftigen  neubau 
den  gr.  vorzeichnen  Pbutz  preusz.  gesch.  3,  231;  ähnlich: 
{die)  strecke  .  .  .,  auf  der  die  leute  arbeiteten,  um  .  .  .  die 
grundrisse  einer  strasze  zu  ziehen  Stifter  s.  w.  3,  213; 
namentlich  in  mehr  uneigentlicher  Verwendung,  zu  4  hin- 
leitend, vgl.  gr.  . . .  conceptus  pictoris  Stieler  1597 :  dieses 
ist  der  gr.  seines  Vorhabens  der  unnd  gehet  nuhn  aus  einem 
andern  loche  (1676)  0  4^';  wir  können  nur  so  desseins, 
grundrisse  machen,  der  heilige  geist  weisz  schon  die  aus- 
führung  zu  thim  Zinzendorf  Londoner  pred.  (1756)  1, 137; 
der  junge  fürst  hatte  sich  .  .  .  einen  gr.  zu  seinem  künf- 
tigen leben  entworfen  A.  v.  Haller  Usong  34 ;  unter- 
dessen dasz  d.  Dorothee  mit  ihrer  Schwester  den  gr.  ihrer 
verliebten  händel  zu  machen  beschäftiget  seltzame  liebes- 
händel  (1691)  442.  wie  'urform':  gleichwol  kommet  mir 
diese  Sichemiterassemblee  vor  als  der  erste  gr.  der  Zu- 
sammenkünften, welche  darauf  gefolget  Lindenborn 
Diogenes  l,  370;  sie  {die  natur)  schlieszt  alle  anlagen  zu 
regelmäszigen  wercken  und  auch  die  grimdrisse  zu  allen 
den  zierrathen  in  sich  Ramler  einleitung  1,  16;  die  welt- 
seele  , .  .  macht  sie  zu  einem  zarten  maszstab  und  gr. 
der  dinge  Novalis  sehr.  2, 18  M. 

4)  in  der  am  breitesten  entunckelten  form  übertragener  Ver- 
wendung steht  gr.  als  ein  aus  den  hauptsächlichsten  und 
wesentlichsten  linien  bestehendes  gebilde  im  gegensatz  zu 
einem  weiter  ausgeführten  ganzen,  dessen  'auf  die  grund- 
Züge  vereinfachtes  Schema' ,  dessen  'inhaltliches  gerüst'  u. 
dgl.  als  gr.  gefaszt  wird,  vgl.  Campe  2,  474 ;  so  im  gr. :  bey 
dem  einen  sind  die  abbildungen  einer  groszen  anzahl  men- 
schen nur  im  grundrisse  entworfen,  der  andere  hat  seine 
gegenstände  nach  dem  leben  geschildert  Gottschedin  br. 
1,  192;  die  Staatsverfassung  .  .  .  soll  er  sich  wenigstens 
im  Prospekt,  im  gr.  ...  auf  einen  bogen  papier  voll- 
kommen abzeichnen  lassen  J.  Moser  s.  w.  2,  21;  die  meta- 
physik  des  schönen  hatte  die  grundbegriffe  zu  entwickeln, 
das  weitere  System  im  idealen  grundrisse  vorzubilden 
Vischer  äMhetik  2, 12.  a)  in  allgemeinerer  anwendung:  das 
geschäft  .  .  .,  den  nakten  gr.  {der  mythen)  mit  stoff  anzu- 
füllen und  mit  leben  zu  bekleiden  Fr.  Schlegel  s.  w.  3, 
73;  was  konnte  er  besser  als  den  biographischen  gr.,  den 
er  vorfand,  mit  anekdotchen  zu  ergänzen  Herder  w.  3, 
317  8.;  die  metaphysik  des  schönen  gibt  nur  den  idealen 

56* 


887 


GRUNDRISZ  6 


gr.  VisOHBB  äath.  1,  68;  er  musz  sich  jedoch  vor  jetzo  be- 
gnügen, nur  den  gr.  seiner  gedankenfolge  anzugeben 
Fichte  phil.  Journal  8,  l,  2;  {die  grundsätze  machen)  nur 
erst  den  gr.  für  eine  zu  entwerfende  gesetzgebung  aus 
Hegel  w.  16,  25;  der  gr.  dieses  combinirten  processes 
{zur  herstellung  photographischer  platten)  rührt  von  Eder 
her  MusPBATT  chemie  7,  191; 

doch  ehe  sonn  und  mond  noch  dreymahl  untergehen  .  . ., 
{mll  ich)  den  grundrlsz  deiner  arbeit  sehen 

B.AMLER  fabellese  3,  16; 

dieses  ist  der  gr.  zu  einer  tragischen  fabel  Gottsched 
crit.  dichtkunst  (1751)  164;  ich  zeichne  hier  den  gr.  des 
Menon  Engel  sehr.  9,  9;  {die  Beduinen)  stimmen  alsdenn 
die  thaten  des  propheten,  den  gr.  von  Mecca  und  Medina, 
in  liedern  an  Herder  w.  i,  86  S.;  er  ersucht  daher  jeder- 
mann .  .  .  aus  den  von  1724  bis  1734  von  ihm  edirten 
Schriften  . . .  den  gr.  seiner  lehre  nicht  zu  formiren 
Spangenberq  leben  Zinzendorfs  344 ;  der  gr.  dieser  rede 
war :  .  .  .  Soknenfels  ges.  sehr.  8,  328.  b)  specieller  von 
wissenschaftlichen  werken  seit  dem  18.  jh.  verbreitet,  wo  gr. 
im  gegensatz  zum  ausführlichen  Hehrgebäude'  eine  knappe, 
nur  die  wesentlichen  thatsachen,  lehrmeinungen  oder  das 
materiell  {bibliographie)  in  gedrängter  form  bietende  schrift 
darstellt,  vgl.  abrisz;  noch  {bzw.  wieder)  halb  bildlich  emp- 
funden bei  präpositionaler  Verknüpfung:  gr.  zu  einer  ver- 
nunftmäszigen  redekunst  Gottsched  (1728)  titd,  gegen- 
über dem  werke  ausführliche  redekunst  (1736);  {das  werk 
ist)  aus  den  akademischen  Vorlesungen  des  Verfassers  über 
seinen  gr.  zu  einer  umständlichen  historie  .  .  .  entstanden 
Nicolai  literaturbriefe  3,  117;  gr.  zur  geschichte  der  deut- 
schen dichtung  K.  Gödeke  titel;  die  deutsche  phüologie 
im  gr.  K.  v.  Bahder  titel;  'abrisz,  leitfaden\'  er  {wünscht) 
.  .  .  ein  dreifaches  werk  zu  haben  .  .  .,  nämlich  einen  gr. 
.  . .  kurz  und  etwa  tabellarisch  Forster  s.  sehr.  7,  353; 
wir  wollen  die  hauptzüge  der  preiszschrift  ...  in  einen 
kleinem  gr.  zu  bringen  suchen  allg.  dtsche  bibl.  1,  1,  138; 
in  einem  kleinen  gr.  für  Vorlesungen  .  .  .  zeiclinete  er  zu- 
erst die  umrisse  seiner  historischen  methode  Treitschke 
dtsche  gesch.  S,  451;  mit  attributivem  genitiv:  gr.  einer  deut- 
schen Sprachkunst  Gottsched  dtsche  sprachkunst  l ;  vor- 
rede zu  einem  gr.  der  seelenlehre  Forster  s.  sehr.  5,  383 ; 
gr.  der  religion  J.  B.  Basedow  (1764)  titel;  von  hier  aus  zu 
verstehen:  alles  was  die  Vernunft  dictiren  und  nach  dem 
gr.  der  eloquenz  vorbringen  wird,  soll  mit  groszer  ehr- 
erbietung  von  mir  angehöret  werden  Stranitzky  olla- 
patrida  239  Wien,  ndr.;  jünger  nahezu  terminologisch  {vgl. 
Arnold  bücherkunde'^  229),  für  umfänglichere  gesamtdar- 
stellungen,  handbücher  und  systematische  nachschlagewerke, 
die  das  ganze  gebiet  einer  wissenschaß  oder  disciplin  be- 
handeln :  gedachter  gr.  der  schönen  Wissenschaften  Schxj- 
BART  leben  u.  gesinnungen  2,  38 ;  schon  lange  war  ich  mit 
der  idee  umgegangen,  die  deutsche  Sprachwissenschaft 
und  literaturgeschichte  als  ein  ganzes  in  einem  grund- 
risse  darzustellen  Hoefmann  v.  Fallersleben  ges.  sehr. 
7,  217;  gr.  der  germanischen  phüologie  hsg.  v.  H.  Paul  titel. 
c)  vereinzelter  im  sinne  'innerer  auf  bau,  structur^ :  wenn  er 
erst  sothane  stücke  fertig  in  ihrer  äuszerlichen  form  und 
gestalt  kennet,  alsdann  auch  sehe,  wie  dieselbe  im  gr.  nach 
einer  völligen  harmonie  zusammenhangen  Mattheson 
generalbasschule  (1735)  50;  die  mängel  {der  oper),  welche 
im  gr.  ...  lagen,  konnten  dadurch  wohl  versteckt,  aber 
nicht  gehoben  werden  0.  Jahn  Mozart  1,  284. 

5)  in  älterer,  vorwiegend  poetischer  spräche  öfter  bedeu- 
tungsmäszig  an  grund  angelehrd;  wie  grund  V  A  3: 
(diese  tugend  war)  ein  blaugefärbter  dunst  . .  ., 
ein  schatten  sonder  leib,  ein  mahlwerck  ohne  kunat, 
dem  zur  Vollkommenheit  des  glaubens  grundrlsz  fehlet 

J.  Che.  Günther  ged.  2, 1089 ; 
(die  träume)  sind  falsche  bilder,  so  die  nacht 
auf  der  gedancken  grundrlsz  macht 

H.  A.  V.  Abschatz  teutschredend.  tr.  schäfer  1,  34; 
wie  grund  IV  A : 

■wird  einst  die  folgezeit,  wann  wir  vorlängst  gewesen, 
in  deinem  heldenbuch  mit  lusterstaunen  lesen, 
wovon  mein  blöder  kiel  . . . 

ein  schwaches  schattenwerk  zum  grundrisz  schon  gelegt 
Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  1,  60; 


GRUNDRISZBILDUNG- GRUNDRUHR  1.2  888 

ganz  isoliert:  den  falschen  miszbrauch  und  glauben  des 
abendmahls  in  der  abgötterischen  papistischen  mesz, 
welcher  der  nervus  und  gr.  des  gantzen  pabstums  {ist) 
P.  Creusingius  cronicon  85  Holtze  {um  1575).  —  geläufigere 
tricomposita:  -riszbildung:  was  die  gr.  der  moschee 
anbelangt,  so  lassen  sich  zwei  .  .  .  typen  unterscheiden 
Lueoer  1,  417;  -riszform:  die  .  . .  beste  gr.  des  back- 
raumes  ist  die  eiform  Karmabsch-Heeren  2,  51;  -risz- 
zeichnung:  villentrümmer  .  . .,  deren  mauern  .  . .  wie 
saubere  grundriszzeichnungen  sichtbar  sind  üvsTiWinckel- 
mann  2,  2,  379;  eine  gr.  ist  wegen  der  häufen  von  trüm- 
mem  . .  .  ausgeschlossen  E.  Sachau  reise  in  Syrien  76.  — 
-riszen,  vb.,  vereinzelte  gelegenheitsbildung  {vgl.  grand- 
reiszen  sp.7bl)  bei  Göthe:  wenn  ich  für  sie,  leider  nicht 
gebaut  und  gepflanzt,  nur  gegrundriszt  habe  IV  3,  145  W. 
—  -riszlich,  adj.,  technisch gd)räuchlich,  'kartographisch' : 
grundriszUche  zulage,  grubenbilder  bei  Veith  bergwb.  384 ; 
in  grundriszlicher  darstellung  Muspeatt  6,  485;  anders: 
eine  grundriszUche  philosophie  der  geschichte  hall,  lite- 
raturzeitung,  jahrg.  1846  nr.  265,  s.  961. 

GRUNDRUHR,  /.,  mhd.  gruntruore ;  vgl.  mnd.  grunt- 
röringe  unter  grundrührung. 

1)  die  'berührung  des  grundes  (grund  I  A  und  II  A  3  a), 
das  auf  den  grund  kommen,  strandung' ;  mhd.  nur  vereinzelt 
bezeugt,  häufiger  im  älteren  nhd.,  ist  das  abstractum  die  not- 
wendige Vorstufe  der  rechtlich-technischen  bedeutung  {s.  u.2) : 
ratione  naufragii  quod  vulgariter  dicitur  gruntrure  {v.  j. 
1370)  bei  Schöpflin  Alsatia  diplomatica  2,  92; 

wann  sie  sint  mitten  uf  dem  mer 
in  wynd  und  ungewitter  ser, 
und  ee  sie  werden  eyns  derfur, 
80  nymbt  die  galee  eyn  gruntriir 

Skb.  Brant  narrensch.  99,  198  Ä.,  vgl.  109,  20; 

die  fürsten  und  herren  . .  .,  die  da  berauben  die  erbem 
lüt  in  eim  Schiffbruch  oder  grundrur  Keisersbebo  narren- 
schiff 57^;  und  ist  das  wasser  so  grosz  in  der  stad  gewest, 
das  ein  geladen  schiff  am  kom-  und  fischmarck  ohn  alle 
gr.  hat  gehen  mögen  Chph.  Irenäus  Wasserspiegel  (1566) 
p  1^,  vgl.  Staub-Tobleb  6,  1247;  grundrur  in  jure  ex- 
ponitur  naufragium  alias  strandung  Stieleb  1644;  anders 
'die  stelle  an  der  ein  schiff  auflaufen  kann,  untiefe' :  auf 
dasz  sie  {die  schiffe)  dester  leichtlicher  die  grundtrür  und 
wellen,  die  hinweg  wichen,  empfahen  möchten  M.  Ring- 
mann Cesaris  historien  (1530)  2&^  {quo  facilius  vada  ac 
decessum  aestus  excipere  possent  Cäsar  bell.  gall.  rn,  13). 

2)  hauptbedeutung  von  gr.  ist  die  rechtliche,  im  mhd.  und 
bis  in  das  frühe  nhd.  hinein  lebendig,  späterhin  historische 
vocabel;  das  'recht  der  gruntruore,  strandrecht'  d.  h.  das 
recht  der  grundherren,  die  an  ihrem  ufer  gestrandeten  schiffe 
bzw.  die  auf  ihrem  grund  und  boden  zusammengebrochenen 
oder  umgestürzten  wagen  {s.  unter  grundrührung)  mitsamt 
der  ladung  in  besitz  zu  nehmen  oder  eine  abgäbe  für  frei- 
lassung  zu  erheben;  über  die  verschiedenartige  ausübung  des 
grundruhrrechtes  vgl.  Scheödeb  rechtsgesch.  210  u.  580/. 
und  preusz.  jahrb.  9  (1862),  537;  s.  grundrecht  sp.  882. 

a)  gr.  für  das  'grundruhrrecht' ,  als  rechtliche  institution: 
item  in  predicto  banno  in  jure  quod  dicuntur  gruntruore 
(13.  jh.)  weisth.  5,  716;  consuetudine,  que  gruntrur  dicitur 
{v.  j.  1316)  Augsburger  urkundenbuch  1, 197;  und  der  grund- 
rur soUent  sie  ledig  sin  genzliche,  wände  sie  unrecht  ist 
{v.  j.  1297)  bei  Schaab  rhein.  städtebund  2,  74;  also  swenn 
ein  schef  den  grünt  rüret,  daz  man  dann  von  jedem  füder 
weins  dem  herren,  des  diu  gruntrur  ist,  nicht  mer  geben 
sol  dann  zweU  haller  {v.  j.  1336)  urkdenbuch  d.  reichsstadt 
Frankfurt  2,  428;  grundtrür  zu  wasser  und  landt  soUent 
ab  sein  städtechron.  25,  222;  dorab  .  .  .  Henricus  ...  er- 
schrack  und  dem  herren  diser  grundtruhr  sein  ansprach 
mit  barem  gelt  bezalet  Wtjestisen  Pauli  Äemilii  .  .  . 
historien  (1572)  1,  177;  über  die  gr.  oder  das  strandrecht 
hat  die  stadt .  . .  befreyungen  erhalten  allg.  dtsche  bibl.  48, 
225 ;  sich  durchzuschlagen  durch  .  .  .  wogen  und  winde  . . ., 
durch  gr.  und  strandrecht  K.  Braun  Wisby fahrt  7;  vgl. 

StAFB-ToBLEE  6,  1247. 

b)  das  gestrandete  gut  bzw.  die  für  die  auslösung  des- 
selben erhobene  abgäbe:   nuUum  onus,  quod  vulgariter 


889      GRUNDRUHR  s — GRUNDRÜHRUNG 


GRUNDSACHE -GRUNDSATZ  i 


890 


grundtrure  nuncupatur  in  nostra  regione  recipi  permitte- 
mus  {v.  j.  1270)  hans.  urkunde-nJ)uch  1,  238  Höhlbaum;  in- 
ßuper  angarias  seu  exactiones  vxilgariter  dictas  grundrur 
{v.  j.  1340)  bei  HoNTHEiM  hist.  Trevir.  2, 145»;  der  (schiffer) 
sol  mit  eym  apte  von  Swarzach  überkomen  umb  die 
dryttenteyle  der  gruntruere  an  gnode  (14.  jh.)  weisth.  1, 
424;  sol  u.  gn.  h.  von  Fl.  grundrur  nemen,  nemlich  das 
zweitheil  von  dem  gut  und  das  drittheil  lassen  faren  {v.  j. 
1528)  5,  498 ;  so  sind  si  {die  schiff alevie)  verfallen  einem 
herrn  die  grundrueri  {erg.  'zu  geben')  6,  377;  vgl.  3,  348  u. 
4,  473;  die  sollen  keinen  schaden  leiden  an  irem  gut  und 
darumb  nit  verbunden  sein  zu  geben  von  grundrur  {v.  j. 
1579)  bei  Ehebero  verfassungsgesch.  d.  st.  Straszburg  1, 
617;  vgl.  weitere  belege  bei  Staub-Tobleb  6,  1247. 

3)  isolierte  Sonderbedeutungen  in  selbständigen  neubil- 
düngen;  gruntruere  als  'der  tiefste  grund,  die  stelle,  wo  man 
den  boden  berührt,  mystisch:  ich  merk  wol,  daz  ich  bin 
komen  uf  die  gruntrüri  der  nehsten  einveltikeit,  fiir  die 
nieman  inbaz  mag  kommen,  der  warheit  wil  füren  Seuse 
dtsche  sehr.  331  Bihlm.;  'was  den  grund  berührt,  bodensatz, 
grundsuppe':  in  sölichem  prästen  ist  der  harn  seer  dick 
am  boden  mit  viler  blyferbiger  Substanz  oder  grundruor 
RuBF  (1554)  nach  Staub-Tobler  6,  1248;  musz  man  den 
draht  in  der  gr.  desz  salpeterwassers,  wenn  es  gereinigt 
wird,  woll  sieden  lassen  J.  Th.  de  Bby  archeley  (1614) 
160;  nicht  sicher  deutbar,  etwa  'einsturz'?  {vgl.  grundfall 
«p.  798):  und  ob  die  mül  verprünn  von  unaem  aignem 
feuer  ...,  so  suUen  wir  den  fraun  die  bider  {uneder)  paun 
. . .,  war  aber,  das  ganz  grundruer  da  beschäch,  so  ist  ain 
tail  dem  andern  darumb  nichts  schuldig  {v.  j.  1437)  mo- 
num.  boica  18,  402.  —  -rühren,  vb.,  'auf  den  grund  ge- 
raten, stranden",  gelegentliche  zusammenrückung  von  den 
grund  rühren  im  anschlusz  an  grundruhr  1:  wenn  ein 
schiff  grundrürt,  so  nemen  die  herren  das  gut,  ist  rapina 
Kbisebsberg  arbor  humana  (1521)  30^.  —  -rührig,  adj., 
zu  grundruhr  2 :  zu  Werd  wurden  von  den  Kamerauem 
.  .  •  ganze  Schiffsladungen  an  wein  und  getraid  .  . .  unter 
dem  namen  grundrühriges  gut  weggenommen  K.  Th.  Ge- 
meiner Begensburg.  chronik  2,  171  {nach  dem  sog.  gelben 
stadtbuch  zum  jähre  1374),  vgl.  grundrürig  Schottel  458; 
zu  grundruhr  1  'untief,  seicht' :  und  als  das  meer  an  den 
orten  grundrürig  wäre  M.  Ringmann  Cesaris  historien 
(1530)95*;  anders  modern:  'bis  auf  den  tiefsten  grund 
gehend,  den  grund  berührend' :  ob  die  hauptketzer  .  .  .  auch 
. . .  hunger  gehabt  haben,  so  einen  grundrührigen  Auer- 
bach sehr.  11,  155.  —  -ruhrrecht,  n.,  juristischer  ter- 
minus,  im  nhd.  ersatz  für  altes  grundruhr  2  a :  daher  dasz 
man  auch  vor  diesem,  wann  sich  der  schiffer  verfahren 
oder  an  den  grund  gefahren,  hat  dürfen  das  schiff  an- 
tasten, wird  auch  gr.  . . .  des  halber  geheiszen  Schottel 
kurtzer  tradat  (1671)  394;  wie  dann  auch  kayser  Carolus  v. 
.  . .  das  Strand-  oder  gr.  gäntzlich  abgeschafft  Marpebger 
kaufmannmagazin  (1708)  8,  1308;  die  grausame  Übung  des 
grundruhrrechts  ward  aufgehoben  Zschokke  ausg.  sehr. 
31, 184. 

GRUNDRÜHRUNG,  /.,  dasselbe  wie  grundruhr;  ver- 
einzelt obd.  wie  grundruhr  2  b :  der  statt  von  Bern  leut  •  .  . 
mit  recht  nie  sind  überkommen,  somliche  grundtruhrungen 
zu  gebend  Berner  spruchbrief  bei  Staub-Tobler  6,  1247; 
in  der  nd.  entsprechung  gruntroringe  das  im  nd.  übliche 
wort  für  grundruhr  1  und  2  a,  vgl.  gruntroynge  {lies  grunt- 
rorynge)  naufragium  {voc.  sax.-lat.)  Diefenbach  376'' ; 
dampnum  .  . .,  quod  gruntroringhe  vulgariter  dicitur  {v.  j. 
1282)  hans.  urkundevbuch  1,  307  Höhlbaum;  si  aliquod  in- 
fortunium  acciderit  a  confractione  pontis  vel  aqua,  quod 
dicitur  grundroringe  sive  cum  curribus  vel  navibus  {v.  j. 
1362)  Script,  rerum  brunsuic.  2(1710)  515  Leibnitz;  vortmer 
allerleye  unrat  unde  gruntrorynge  in  usem  lande  de 
lecgh  wy  af  mit  en  {v.  j.  1357)  urkundenbuch  d.  st.  Lüne- 
burg 1,  328;  dat  se  .  .  .  nene  broke  den  en  moghen  an 
jeniger  gruntroringe  up  unser  Straten  {v.  j.  1367)  Oött.  urk. 
1,  235  Schm.;  cum  naufragio,  quod  schipbroke  dicitur  sive 
gruntroringhe  urk.  bei  Schiller-Lübben  2,  159,  wo  wei- 
tere zahlreiche  belege;  als  occasiondle  bildung  im  sinne 
'grundempfindung' :    man  kommt  .  .  .  endlich  auf  em- 


pfindungen,  die  für  sich  selbst  allein  gefallen  und  grund- 
empfindnisse  oder  grundrührungen  sind  Tetens  philos. 
versuche  1,  218. 

GRUNDSACHE,  /.,  die  die  grundlage  bildende,  die  we- 
sentliche Sache,  vgl.  gc.  fundamentalis  cau^a  Stieler  1656: 
es  gehet  dieselbige  mishelligkeit  so  weit  nicht,  das  die 
substantialia  oder  grundsachen  in  diesem  artickel  da- 
durch berürt .  .  .  werden  C.  Ulenberg  antwort  (1592)  107; 
dasz  beyde  theile  sehen,  wie  man  in  den  grundsachen 
einig  Leibnitz  dtsche  sehr.  2,  259;  vgl.  hauptsache  th.  4,  2, 
626.  —  -sachlich,  adj.:  ein  sinnbüd  sol  gr.  nur  auf  ein 
gewieses  gleichnisz  abzielen  Habsdörfer  frauenz.  ge- 
sprächsp.  4,  190.  —  -sam,  adj.,  'schwer  zu  ergründen,  in 
die  tiefe  gehend' :  die  sach  ist  nit  so  gr.  und  schwer  als  sy 
etlich  machend  (r.  7.  1470)  bei  Staub-Tobler  2,  779;  'was 
guten  grund  hat,  gegründet'  bei  Schmeller-Fr.  1,  1004. 

GRUNDSAND,  m.,  auf  dem  gründe  von  gewässern,  na- 
mentlich des  meer  es,  liegender  sand:  gruntsant  sabulum 
DiEFENBACH  506*,  sagulum  507c,  zabulum  634*,  sidulum 
533*;  als  grenzname  ortus  gruntsant  {v.  i.  1239)  bei  Kehr- 
EiN  sammig.  alt-  u.  mitleldtsch.  Wörter  56*;  gr.  Schottel 
404; 

(man  mu$z)  den  mastbaum  in  das  schiflF,  des  anckers  last 

darvon 
und  in  den  grandsand  thun  . . .      Opitz  opera  (1646)  1,  4; 

andre  melden,  der  gr.  und  boden  desz  meers  sei  selbst  rot 
E.  Feancisci  weh  d.  eurigkeit  {168&)  250;  wir  trieben  immer 
weiter  nordwärts  und  der  gr.  schlug  schon  auf  das  verdeck 
Smidt  seegemälde  {1828)  197 ;  der  ganze  flache  küstenstrand 
{ist)  . .  .  ein  werk  . .  .  der  oceanischen  heftigen  brandung 
des  grundsandes  und  zusammengebackner  thonmassen 
Ritter  erdkde  i,  909;  der  seebach  führt  braunes  eisen- 
wasser,  aber  so  klar,  dasz  im  Sonnenscheine  der  weisze  gr. 
glitzert  wie  . . .  goldkömer  Stifter  a.  w.  1,  213. 

GRUNDSATZ,  m.,  vor  dem  17.  jh.  nicht  zu  belegen,  doch 
vgl.  grundsäzlich  Fischabt  3,  306  H. 

1)  zufrühest  lexikalisch  bei  Schottel:  gr,  lex  vel  regula 
fundamentalis  teutsche  sprachkunst  (1641)  378;  gr.  prae- 
suppositum,  principia  artis  Stieleb  2041 ;  gr.  thesis  Dentz- 
leb  142*;  gr.,  woraus  man  andere  Wahrheiten  herleitet 
thesis,  principium  Frisch  teutsch-lat.  l,  380*;  erst  in  der 
2.  hälfte  des  17.  jhs.  erstarkend  und  vor  Chr.  Wolf  nicht 
von  schvlmäsziger  philosophie  terminologisch  aufgenommen 
{s.  u.  b) ;  noch  bei  Leibnitz  selten,  vgl.  grundsaz :  die  weit 
wird  von  einem  allwiszenden  und  allmächtigen  herrn 
regiret,  den  wir  gott  nennen,  folgsäze :  gottes  zweck  {ist) 
.  .  .  liebe  sein  selbsten  phil.  sehr.  7,  76  Gerhardt  {im  lat. 
paralldlext  'hypothesis  älibi  demonstrata'  ebda  74),  aber 
hauptsätze  6,  468  vgl.  467,  lehrsäze  7,  34,  grundbeweisz  6, 
467  {s.  auch  sp.  761),  ursäzen  s.  sehr.  u.  br.  II  1,  217  akad.; 
doch  erscheintgr.  so  wenig  wie  älteres  grundspruch(«.  sp.  902) 
als  unmittelbare  nachbildung  eines  bestimmten  lat.  begriff  es 
philosophischer  spräche  wie  'hypothesis'  oder  'positiofunda- 
menialis'  {vgl.  Sinqeb  zs.f.  dtsche  wortf.  4,  128''),  sondern 
als  selbständige  bildung  im  sinne  von  comp. -typ.  5  o,  p,  r. 

a)  die  grundlegenden  sätze,  die  einer  erörterung,  einer 
beweisführung  u.  s.  w.  zu  gründe  liegen,  vgl.  der  gr.,  grund- 
lehre, die  materie  davon  man  handelt  hypothesis  Wächt- 
LEB  handbuch  (1703)  155;  nur  weisz  ich  mich  zu  erinnern, 
dasz  der  gr.  oder  thema  der  rede  war  . .  .  Lindenboen 
Diogenes  2,  46;  auch  diese  {die  natürliche  Wissenschaft) 
gehet  aus  gewiszen  grundsätzen,  da  man  eher  nicht  ver- 
gnügt ist,  bisz  man  siehet,  wie  eines  vemvmftmäszig  aus 
dem  andern  folget  Knobb  v.  Rosenboth  pseudodoria 
(1680)  37;  wie  denn  oberzelte  rechenarten  samt  und  son- 
ders dahin  gehen,  aus  vorhandenen  dingen  als  grund- 
sätzen durch  gewisse  hauptanmerkungen  eine  nicht  vor- 
handene, doch  verlangte  sach  ...  zu  weg  zu  bringen  . 
E.  Weigbl  würkung  des  gemüths  (1684)  7;  einige  {dinge) 
.  . .  werden  aus  den  vorfäUigkeiten  und  grundsätzen 
{hypothesibus)  durch  eine  klar  beweisende  lehrart  so  aus- 
geführet  J.  Che.  Sturm  pÄ2/atÄ;(  1713)  3;  nach  unserm  an- 
genommenen grundsatze  herrscht  die  melancholie  in  dem 
temperamente  ...  in  desto  stärkeren  grade,  je  mehr  die 


891 


GRUNDSATZ  i 


GRUNDSATZ  i 


892 


Vernunft  den  geist  bemeistert  Gottschedin  br.  1,  201 E.; 
so  musz  ich  es  aus  oben  angeführten  gründen  als  gr.  an- 
nehmen, dasz  die  Schauspielkunst  mit  der  dramatischen 
poesie  zugleich  blüht  und  verfällt  A.  W.  Schlegel  in: 
Europa  2,  31 ;  ähnlich  'allgemeiner  erfahrungssatz' :  mich 
bedunckt  der  natürliche  gr. :  ex  quibus  constamus,  ab 
iisdem  nutrimus  soUe  hier  nicht  unbillich  platz  finden 
HoHBERG  georg.  cur.  2,  17. 

b)  specifischer  als  Übersetzung  von  axiom;  so  termino- 
logisch bei  Che.  Wolf  {vgl.  axioma  . . .  spruch  G.  Was- 
SEBLEITER  Band  logica  [1590]  111»;  axioma  allgemeine 
regidn  Reyher  thes.  639;  axioma  ein  lehrspruch  Weis- 
mann lex.  [1698]  411*):  gr.  axioma  menschl.  verstand  (1719) 
M  4,^ ;  vgl.  haupt-  ö  grundsatz  assioma,  aforismo,  massima 
Kramer  teutsch-ital.  2,  775^;  logisch-mathematisch:  ''sätze, 
die  nicht  bewiesen  zu  werden  brauchend  die  erwegungs- 
sätze,  welche  aus  einer  erklärung  ( =  definitio)  hergeleitet 
werden,  nenne  ich  grundsätze(=  axiomata),  die  ubungs- 
sätze,  welche  man  aus  einer  erklärung  schlieszet,  heische- 
sätze  { =  postulata)  Chr.  Wolf  menschl.  verst.  62 ;  der 
obersatz  {beim  logischen  schlusz)  gehöret  unter  diejenigen, 
die  man  ohne  allen  beweis  angiebet  . . .,  das  ist,  er  ist  ein 
gr.  ged.  v.  gott  (1720)  4;  weiter  gefaszt  bei  Kant:  grundsätze 
sind  entweder  intuitive  oder  discursive,  die  ersteren 
können  in  der  anschauung  dargestellet  werden  und  hei- 
szen  axiome  .  .  .,  die  letzteren  lassen  sich  nur  durch  be- 
griffe ausdrücken  und  können  akroame  .  .  .  genannt  wer- 
den s.  w.  8,  108  H.;  diese  regeln  .  .  .  sind  regeln  a  priori, 
und  sofern  keine  über  sie  sind,  von  denen  sie  abgeleitet 
werden,  grundsätze  4,  54;  alle  grundsätze  des  reinen  Ver- 
standes sind  demnach:  1.  axiomen  der  anschauung, 
2.  anticipationen  der  Wahrnehmung,  3.  analogien  der 
erfahrung,  4.  postulate  des  empirischen  denkens  über- 
haupt 3,  154;  ein  solcher  vor  der  Verbindung  {mit  andern 
Sätzen)  vorher  und  unabhängig  von  ihr  gewisser  satz  heiszt 
ein  gr.  Fichte  s.  w.  1,  41;  die  drey  grundsätze  in  der 
ontologie,  der  gr.  des  Widerspruches,  der  gr.  des  zurei- 
chenden grundes  und  der  gr.  des  nicht  zu  unterscheiden- 
den Gottsched  beobacht.  123;  umkehrung  der  drei  logi- 
schen grundsätze  —  daraus  entstehen  die  drei  logischen 
antinomien  Novalis  sehr.  3,  337  M. ;  ein  anf änger  {der 
mathematik)  musz  sich  zuerst  die  .  .  .  grundsätze  und  die 
vornehmsten  lehrsätze  bekandt  machen  v.  Fleming  Sol- 
dat Z\;  ebenso  machen  die  mathematischen  grundsätze 
keinen  theil  dieses  Systems  aus  Kant  s.  sehr.  3,  147  H.; 
dasz  zwischen  zwey  punkten  nur  eine  gerade  linie  möglich 
sey,  ist  ein  gr.;  ihn  zu  erweisen  ist  unmöglich  Lichten- 
berg verm.  sehr.  9,  132;  entsprechend  in  allgemeinerer 
Verwendung:  es  dienet  nicht  allein  die  einfachheit  dieses 
grundsatzes,  sondern  die  Übereinstimmung  desselben  mit 
dem  zustande  unserer  ersten  eitern  im  paradiese  mit  dazu, 
seine  unumstöszliche  Wahrheit  zu  bewähren  Brockes  8, 
626;  {Sokrates)  .  .  .  setzte  .  .  .  zum  fundament  seiner  re- 
futation  voraus  einen  allgemeinen  gr.,  der  von  niemand 
in  zweifei  gezogen  ward  discourse  der  mahlern  2,  95 ;  aus 
dem  philosophischen  gr.,  dasz  eine  anklage  .  .  .  gegen  sich 
selbst  wider  die  menschliche  natiir  sey  Archenholz  E^ig- 
land  u.  hol.  1,  17. 

c)  gr.  als  deutsche  entsprechung  von  principium  nicht  vor 
der  wende  des  17./18,  jhs.  lexikalisch,  im  gebrauch  vereinzelt 
früher  {s.  u.),  vgl.  noch:  principium  .  .  .  grundbehaubtung 
Stieler  zeitungslust{ie95)  625;  gr.,  grundspruch  .  .  .  prin- 
cipio  Kramer  teutsch-ital.  1,  574*;  philosophische  prin- 
cipia  oder  grundsätze  sendschr.an  herrn  v.  JS.  (1700)  11; 
disz  ist  ...  von  den  urständen  oder  grundsätzen  {prin- 
cipiis)  geredet  G.  Arnold  verthädigung  d.  myst.  theol. 
(1703)  5;  principium  auf  deutsch  grundsätze  Abbt  in: 
literaturbriefe  22,  98 ;  durch  adjective  wie  oberste,  erste, 

»höchste  gern  gesteigert:  von  dem  obersten  grundsätze  aller 
synthetischen  urtheile  {überschr.).  das  oberste  principium 
aller  synthetischen  urtheile  ist  also:  ein  jeder  gegenständ 
. .  .  Kant  s.  sehr.  3,  152  H.;  die  ersten  grundsätze  läugnen 
to  deny  the  very  principles  Ludwig  teutsch-engl.  (1716)  819; 
als  den  ersten  und  höchsten  gr.  ein  urteil  über  alle  spra- 
chen W.  v.  Humboldt  Latium  u.  Hellas  150  lit.-dkm. 


a)  der  fundamentale  satz ,  das  oberste  princip  aus  dem 
sich  ein  ding  ableiten  läszt,  erklärt;  Vorstufe  dazu  schon: 
es  ist  ein  ungereimtes  plumpes  ding  nur  auf  seinen  gr. 
des  rechtens  .  . .  ein  urtheil  fällen  Neümark  fortgepfl. 
lustw.  (1657)  zuschr.  11;  diese  so  lange  verholene  boszheit 
. .  .  mit  allen  ihren  boszhaftigen  .  .  .  grundsätzen  Zesen 
gekr.  majestät  (1661)75;  häufiger  erst  mit  dem  18.  jh.:  so 
ist  doch  der  folgende  gr.  (principium)  der  gesunden  Ver- 
nunft ganz  klar  J.  Chr.  Sturm  physik  (1713)  15;  wie  wird 
er  die  Jurisprudenz  .  .  .  fassen,  wenn  ihm  die  gemeinen 
und  absonderlichen  grundsätze  der  klugheit  unbekannt 
bleiben  Thomasius  ernsth.  ged.  {I720f.)  2,  172;  was  der 
mythologist  aber  dem  bloszen  zufall  zuschrieb,  glaubte 
ich  aus  einem  gr.  der  kunst  herleiten  zu  dürfen  Lessing 
10,  248  L.-M.;  für  die  dichtkunst  an  und  für  sich  hatte 
man  keinen  gr.  finden  können  Göthe  27,  78  W.;  versuch 
über  den  gr.  des  naturrechts  G.  Hufeland  (1785)  titd; 
diese  ungewiszheit  erschüttert  die  seele  und  ist  der  grosze 
gr.  aller  malerey  für  das  herz  Sturz  sehr.  1,  36;  dieses 
führet  darauf  hinaus,  dasz  man  in  der  natur  einen  ge- 
wissen allgemeinen  gr.  erkennen  musz,  darnach  sich  alle 
ihre  Wirkungen  richten  Gottsched  neueste  1,  320. 

ß)  die  fundamentalen  sätze,  regeln,  lehren,  principien 
einer  Wissenschaft,  eines  Systems,  einer  kunst,  einer  lehr- 
meinung;  vgl.  lehrsätze,  von  Chr.  Wolf  aber  unterschie- 
den: zuweilen  werden  lehrsätze  vor  grundsätze  ausge- 
geben, welches  man  aber  gar  bald  erkennen  kan  menschl. 
verstand  144 ;  vgl.  gr.  principia  artis  Stieler  2041 ;  dasz  man 
.  .  .  nur  anfangs  die  unwidersprechlichsten  fehler  und  die 
hingegen  unhintertreibliche  grundsätze  {der  rechtschrei- 
bung)  zu  berühren  gewillet  ist  Harsdörfer  t.  secretarius 
1,  560;  wir  wollen  aber  nun  auch  die  absonderlichen  und 
eigentlichen  grundsätze  dieser  so  hoch  gehaltenen  kunst 
{der  sterndeuterei)  beschreiben  Knobr  v.  Rosenroth 
pseudodoxia  I6i ;  auch  glaube  ich,  dasz  die  sterndeut- 
künstler  viel  andre  grundsätze,  die  himmel  recht  kennen 
zu  lernen,  in  jenem  leben  benöthigt  seyn  Chr.  v.  Ryssel 
v.  d.  Seelenfrieden  (1685)  258;  so  laszt  sichs  doch  aus  disem 
gr.  {des  Cartesius)  sagen,  wie  die  sonnenstralen  können 
erwärmen  J.  J.  Scheuchzer  physica  (1711)  1,  99;  ich 
{halte)  nach  des  Aristoteles  und  Horatius  grundsätzen  da- 
für, dasz  auch  nicht  einmahl  in  erfindungen  etwas  schön 
seyn  könne  als  was  der  Wahrheit  ähnlich  Heraus  ged.  u. 
lat.  inschr.  25;  die  grundsätze  des  groszen  Machiavellus 
Lindenborn  Diogenes  1,  56;  die  grundsätze  der  welt- 
weisheit  des  herrn  abts  Genest  Brockes  3,  vorr.  l{=  prin- 
cipes  de  philosphie);  die  grundsätze  und  bemerkungen  der 
allgemeinen  physik  Herder  13,  22  S.;  wenn  im  vorher- 
gehenden die  grundsätze  der  farbenharmonie  vorgetragen 
worden  Göthe  II  l,  331  W.;  Untersuchung  über  die  deut- 
lichkeit  der  grundsätze  der  natürlichen  theologie  und  der 
moral  Kant  titel;  die  grundsätze  der  poesie  Neukerch 
anfangsgründe  (1724)  18;  eine  ode  nach  den  schönsten 
grundsätzen  der  lyrik  Gerstenberg  recens.  281  lit.-dkm.; 
Unterricht  in  den  grvmdsätzen  der  redekunst  Fr.  Schle- 
gel 4,  132;  die  neuen  grundsätze  der  poetischen  technik 
Scherer  literaturgesch.  145;  die  grundsätze,  auf  welche 
das  ganze  harmonische  gebäude  {der  musik)  gebauet  wird 
Scheibe  crit.  musicus  33 ;  die  von  Ph.  Em.  Bach  nach  den 
grundsätzen  seines  vaters  ausgebildete  applicatur  {be- 
gründete) die  entwickelung  der  eigentlichen  klaviertechnik 
O.  Jahn  Mozart  4,  5 ;  den  grundsätzen  ihrer  schule  hing 
sie  lange  und  mit  strenge  an  R.  Schumann  ges.  sehr.  3, 
176. 

y)  dann  objective  und  subjective  ^glaubenssätze,  dogmen, 
grundsätze  einer  Überzeugung''  u.  ä.:  weil  sie  doch  mit 
nichts  zum  Vorschein  kommen  dürften  als  .  .  .  mit  diesen 
oder  jenen  selbst  erdachten  griuidsätzen  G.  Arnold 
kirchen-  u.  ketzerhist.  (1699)  vorr.  36;  dasz  einer  sünde  thun 
und  doch  ein  guter  Christ  sein  könne  und  was  dergleichen 
grundsätze  mehr  sind  gr.  Zinzendobf  Socrates  (1726)  47; 
nach  anleitung  der  grundsätze  seiner  religion  v.  Fleming 
t.  Soldat  (1726)176;  in  der  katholischen  kirche,  die  eine 
Unfehlbarkeit  des  pabstes  zum  ersten  gr.  ihres  glaubens 
annimmt  Lenz  vertheidigung  (1776)  3;  dasz  die  grundsätze 


893 


GRUNDSATZ  i 


GRUNDSATZ  2 


894 


einer  erleuchteten  religion  .  .  .  immer  weiter  ausgebreitet 
(werden)  Cbämer  nord.  aufseher  1,  45;  wo  Carl  sich  ketze- 
rischer grundsätze  verdächtig  machte  Schiller  8,  8  G.; 
geht  zu  unsern  freunden  und  macht  sie  mit  unsem  grund- 
sätzen  bekannt  Göthe  17,  270  W.;  wenn  die  schlacht  von 
Jena  .  .  .  meine  politischen  grundsätze  verändert  hat 
H.  V.  Kleist  w.  i,  83  Schm.;  die  furcht  vor  den  grund- 
sätzen  der  französischen  revolution  jahrb.  d.  Orillparzer- 
gesdlsch.  2,  XI;  er  .  .  .  wurde  .  .  .  wegen  Verbreitung  com- 
munistischer  grundsätze  zur  rechenschaf  t  gezogen  Ebner- 
EscHENBACH  ges.  sehr.  2,  52 ;  die  erhabenen  grundsätze 
von  gleichheit  aller  stände  Kotzebue  a.dram.  w.  2,  57; 
er  {hatte)  den  gr.,  dasz  die  blosze  Veränderung  der  ge- 
schäfte  eine  hinlängUche  erholung  von  der  arbeit  wäre 
Gramer  nord.  aufseher  1,  50;  das  ist  .  .  .  so  sein  pädago- 
gischer gr.,  man  müsse  die  kinder  ihre  Selbständigkeit 
fühlen  lassen  Castelli  s.  w.  10,  241;  'nach  gott  kommt 
gleich  der  papa',  das  .  .  .  war  der  gr.  des  ganzen  hauses 
0.  Jahn  Mozart  2,  3. 

&)  häufig  in  blasserer  Verwendung  die  'reget,  form,  die  art 
und  weise  des  Vorgehens  nach  einem  für  richtig  erkannten 
gesichtspunct,  princip' :  die  taille  gilt  für  unveränderlich 
• .  .,  die  grundsätze  ihrer  vertheilung  über  die  provinzen 
, .  .  sind  für  die  einzelnen  ein  völliges  geheimnisz  Dahl- 
MANN  franz.  revol.  44 ;  es  giebt  grundsätze  der  anordnung 
Gerstenberg  recens.  37  lit.-dkm.;  nach  diesen  grund- 
ßätzen  ...  ist  vorliegendes  handbuch  bearbeitet  J.  H.  Vosz 
antisymb.  1,  24;  ein  portrait  im  wesentlichen  ganz  nach 
denselben  grundsätzen  gearbeitet  Fr.  Schlegel  s.  w.  6, 
39;  die  grundsätze,  nach  denen  man  Homer  und  Shake- 
speare verdeutscht,  sind  .  .  .  auf  einen  arabischen  dichter 
kaum  anwendbar  Rückert  w.  11,  215;  kriege  nach  den 
grundsätzen  der  zweykämpfe  geführt  dtsches  mu^eum  1, 
32  Fr.  Schlegel;  bei  der  wähl  desselben  (parlaments)  wollte 
man  die  grundsätze  einer  gleichmäszigen  repräsentation 
festhalten  Ranke  w.  17,  108;  (die)  freizügigkeit  soll  durch 
eine  auf  dem  grundsätze  der  gewerbefreiheit  beruhende 
gewerbeordnung  weiter  entwickelt  .  .  .  werden  Bismarck 
polit.  reden  4,  3 ;  vielfach  mit  typischen  adjectiven  verbun- 
den: die  wirthschaftlichen  grundsätze  2,  57 ;  die  allge- 
meinen grundsäze  dieser  Schreibart  Bodmeb  crit.  poet. 
sehr.  1,  110;  ästhetische  kritik  nach  allgemeinen  grund- 
sätzen 0.  Jahn  Mozart  1,  243  anm.  4;  durch  richtige  wis- 
senschaftUche  grundsätze  geleitet  Liebig  ehem.  br.  3;  die 
technik  des  baues  auf  wissenschafthche  grundsätze  und 
regeln  . .  .  basieren  hivb.  d.  staatswiss.^  1,  3. 

d)  im  sinne  'satz,  princip,  regel,  die  die  normative  grund- 
lage  des  havdelns  darstellt". 

a)  objectiv  als  'regel,  princip  des  handelns,  das  als  sitt- 
liche Verpflichtung  aller  zu  gelten  beanspruchV ;  dieser  Ver- 
wendung sich  nähernd: 

was  Bchwermst  du,  königin,  und  öfifnest  thür  und  thor 
den  greueln  der  natur,  machst  Ihre  grundsätz  eitel 

Chk.  Warnecke  poet.  versuch  (1704)  110; 

wir  sagen  also,  dasz  die  moralischen  grundsätze,  daraus 
hier  geurtheUet  und  geschrieben  wird,  richtig  Gottsched 
neueste  9,  304 ;  die  f ürnehmsten  grundsätze  der  unter  uns 
üblichen  höflichkeit  sind  in  der  warhaften  klugheit  zu 
leben  sehr  wohl  gegründet  vernünft.tadlerinnen\,\\Z; 
von  Kant  als  praktische  grundsätze  bezeichnet,  zu  denen 
auch  die  maximen  (s.  u.)  rechnen:  praktische  grundsätze 
sind  Sätze,  welche  eine  allgemeine  bestimmung  des  willens 
enthalten,  die  mehrere  praktische  regeln  unter  sich  hat. 
sie  sind  subjectiv  oder  maximen,  wenn  die  bedingung  nur 
als  für  den  willen  des  subjects  gültig  von  ihm  angesehen 
wird;  objectiv  aber  oder  praktische  gesetze,  wenn  jene 
als  objectiv  d.  i.  für  den  willen  jedes  vernünftigen  wesens 
gültig  erkannt  wird  s.  sehr.  5,  19  H.  (vgl.  alle  praktischen 
principien  ebda);  dieser  vortreffliche  mann,  welcher  die 
edelsten  grundsäze  meinem  verstände  .  .  .  eingeprägt  hat 
Bahrdt  gesch.  s.  lebens  (1790)  1,  65;  grundsätze  sind  fürs 
leben,  was  im  kabinet  geschriebene  instrukzionen  für  den 
feldherm  Fr.  Schlegel  im:  Athenäum  1,  2,  22;  einen 
reichtum  von  lebensregeln  und  grundsätzen  0.  Ludwig 


ges.  sehr.  1,  160;  sie  (müssen)  ihre  mütter  gegen  alle 
grundsätze  der  Sittlichkeit  verachten  Ratzel  völkerkde 
2,  186. 

ß)  als  Vertreter  von  maxime,  princip  für  die  im  Charakter 
verankerte  'subjective  regel  als  richtschnur  des  wollens  und 
handelns'  vgl.  gr.  ...  massima  Kramer  teutsch-ital.  2, 
775'';  maxime  noch  bei  Ramler  als  lehrspruch,  lehrsatz, 
Sittenspruch  m.  s.  w.  verdeutscht,  vgl.  zs.  f.  dtsche  Wortfor- 
schung 8,  80;  s.  oben  beleg  aus  Kant  s.  sehr.  5,  19  H.;  er- 
strecken sich  diese  Werturteile  nicht  nur  über  das  einzel- 
wollen, sondern  über  ganze  gruppen,  so  nehmen  sie  damit 
das  gepräge  eines  allgemeinen  satzes  an,  der  seine  gültig- 
keit  nicht  blosz  das  eine  oder  andere  mal  behauptet, 
sondern  in  allen  derselben  gruppe  von  gefühls-  und  vor- 
stellungsweisen angehörenden  fällen  sich  geltend  macht, 
wir  nennen  solche  bestimmende,  allgemeine  urteüe  prak- 
tische gnmdsätze  oder  maximen  W.  Rein  hdb.  d.  pädag.^ 
1  (1903),  838^;  er  besasz  eine  tugend,  welche  nicht  die 
tugend  der  moralisten  zu  sein  pflegt;  er  lebte  nach  seinen 
grundsäzen  Wieland  Agathon  2,  44 ;  mein  gr.  ist :  handle 
recht,  scheue  niemand  Schiller  14,  205  O.;  die  ehre  eines 
weibes  (laufe)  .  .  .  nur  bei  schwäche  des  herzens  und  der 
grundsätze  gefahr  Göthe  24,  75  W.;  der  alte  herr  ging 
von  allen  seinen  grundsätzen  ihretwegen  ab,  die  sonst 
unerschütterlich  sind  Tieck  sehr.  24,  149;  könnt  ihr  eure 
grundsätze  weit  genug  verläugnen?  G.  Büchner  s.  w.  53 
Franzos;  die  kraft,  mit  der  ein  fester  Charakter  die  grund- 
sätze aufrecht  hält  Jhering  geist  d.  röm.  rechts  1,  310; 
(Hippel  habe)  mit  sich  selbst  und  seinen  grundsätzen  im 
ewigen  streite  gehandelt  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.* 
5,  176;  was  hilft  mir  alle  gelehrsamkeit,  wenn  sie  solche 
frivole  grundsätze  zu  tage  fördert  Raabe  hungerpastor  2, 
37;  eine  würdige  dekanstochter  .  .  .,  deren  schöne  tugen- 
den  und  grundsätze  dem  immer  noch  zu  etwas  lustigen 
.  .  .  herrn  landvogt  zugut  kommen  würden  G.  Keller 
ges.  w.  6,  242;  und  sie  trinken  kein  hier,  keinen  schnaps, 
keinen  wein?  ...  eiserne  grundsätze!  G.  Hauptmann 
Rose  Bernd  46 ;  was  die  .  .  .  menschen  ihre  grundsäze 
nennen,  sind  .  .  .  versteinerte  vorurtheile  Brinckmann 
philos.  ansichten  18.  typische  Verbindungen:  ein  mann  von 
grundsätzen:  man  sieht  ein,  dasz  dieses  ein  mann  von 
grundsätzen  war  F.  Bernhardi  bambocciaden  (1797)  1,  7; 
herr  von  G.  .  . .  ist  ein  mann  von  grundsätzen  Fontane 
ges.  w.  I  4,  379;  von  adjectiven  sind  fest,  gut  die  häufigsten: 
jünghnge  .  .  .,  wenn  sie  .  .  .  von  vesten  grundsätzen  sind 
Herder  w.  22,  9  8.;  sein  neffe  (wäre)  ein  mann  von  festen 
gnmdsätzen  Klinger  w.  8,  188 ;  wo  sind  die  guten  grund- 
sätze geblieben?  Eschenburg  beispielsamml.  7,  355; 
ihrem  kleinen  gemüth  waren  gewisse  gute  grundsätze  ein- 
geprägt Göthe  23,  94  W.;  verbale  Verbindungen  nach 
grundsätzen  handeln:  wir  müssen,  wenn  wir  menschen 
seyn  wollen,  nach  grundsätzen  handeln  Herder  lo.  16, 
23  8. ;  der  streng  nach  grundsätzen  handelnde  oheim 
Meinecke  Boyen  1,  38 ;  sich  etwas  zum  gr.  machen :  sie 
machen  es  sich  zum  gr.,  keinen  gr.  und  so  auch  keinen 
Charakter  zu  haben  Kant  s.  sehr.  5,  249  H.;  präpositional 
nach,  aus  grundsätzen,  jünger  namentlich  aus  gr. :  grau- 
sam von  natur  und  nach  grundsäzen  Schiller  4,  89  Q.; 
das  wahre  bild  der  taubheit  aus  grundsätzen  Lichten- 
berg hogarth.  kupferstiche  2,  284;  aus  grundsätzen  und 
neigung  gr.  Stolberg  ges.  w.  3,  95;  sie  verachteten  ge- 
lehrsamkeit . . .  aus  gr.  Gervinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.* 
5,  28;  gut  aus  gr.,  nicht  aus  schwäche  Bbunner  erz.  u. 
sehr.  1,  181. 

2)  concret  im  sinne  von  'basis,  fundament,  Untersatz^  im 
n.jlB.jh.  vereinzelt  gebraucht;  gern  bei  Zesen:  der  fuhs 
oder  grundsaz  (der  Marcuskirche)  ist  gleichsam  als  ein 
kreuz  adr.  Rosemund  159  ndr.;  die  gantze  seule,  vom  un- 
tersten grundsätz  an  bis  an  den  obersten  grundsätz  der 
aufgesetzten  .  .  .  spitze  ist  dreiszig  eilen  hoch  Assenat 
(1672)  210;  mit  dem  gr.  oder  basi  desz  kegeis  A.  Cabio 
hall-  und  thonkunst  (1684)  67;  (die  insd)  lieget  gleich  als 
eine  grabspitze,  welche  sich  mit  ihrem  grundsätze  durch 
die  mittelländische  see  bis  an  den  mund  der  strasze  Gibr- 
altar erstrecket  Männling  exoticus  cur.  (1717)  11 ;  maszen 


895       GRUNDSÄTZIG -GRUNDSATZLOS 


GRUNDSATZLOSIGKEIT  -  GRUNDSÄULE    896 


an  Antonii  heiligkeit  zween  die  allervomehmsten  beiden 
(Atigustin  und  Franciscus)  .  .  .  den  vesten  gr.  gelegt 
Caccia  hl.  Antonius  (1692)  18.  —  -sätzig,  od/.,  zw  gmnd- 
satz  1  c :  in  meiner  grundsätzigen  physic  J.  Che.  Sturm 
fhysic  (1713)  512;  zu  grundsatz  1  d:  edle  naturen,  die  .  .  . 
nach  einem  gesetz  des  gemüthes,  nicht  des  papieres  oder 
des  grundsätzigen  Verstandes  agiren  A.  Müllke  verm. 
sehr.  1,  106. 

GRUNDSÄTZLICH,  adj.,  adv.,  vom  l9.jh.ab  stark 
verbreitet  und  von  Campe  2,  474  als  neugebildet  bezeichnet, 
vgl.  principiell,  dem  es  entspricht;  als  gelegenheitsbildung 
(zu  grundsatz  2  ?)  etwa  im  sinne  'fundamental,  vollständig' : 
hiemit  will  ich  also  alles  dasjenig,  so  bisz  hieher  von 
thugendzierlichkeyt  und  zuchtgebürlichkeyt  der  kinder 
vorgetragen  worden,  frei  und  grundsäzlich  auszerhalb 
allem  zweifei  eingepracht  haben  Fischäet  3,  306  H. 

1)  'die  grundsätze  (Ib,  c)  betreffend,  principielV,  auch 
Hheoretisch\'  aber  gr.  war  doch  für  lange  zeit  der  geld- 
handel  gebrandmarkt  Riehl  dtsche  arbeit  63 ;  (sie)  schienen 
gr.  dem  kriege  selbst  den  krieg  zu  erklären  Teeitschkb 
dtsche  gesch,  1,  356;  ein  sehr  grundsätzliches  bewusztsein 
über  die  äuszere  würde  der  erscheinung  Vischer  altes  u. 
neues  1,  25 ;  die  Unmöglichkeit ...  ist  keine  grundsätzliche 
DU  Bois-Reymond  grenzend,  11;  einer  kirchlichen  Ord- 
nung .  .  .,  in  der  die  episcopale  form  sich  gr.  mit  dem  ka- 
tholicismus  vertrug  Ranke  w.  15,  268;  sein  plan  einer 
grundsätzlichen  modification  der  regierungspolitik  Bis- 
MAECK  ged.  u.  erinn.  2,  212;  zwischen  kriegs-  und  handels- 
schifEen  bestand  kein  grundsätzlicher  unterschied 
v.  Alten  4,  15 1;  ein  offenbar  grundsätzlicher  kontrast 
Thom.  Mann  tod  in  Venedig  (1913)  52;  modern  in  Verbin- 
dungen wie  grundsätzliche  erörterungen,  fragen,  diffe- 
renzen,  einigung  u.  s.  v).;  substantivisch:  dasz  seine  (Jean 
Pauls)  wissenschaftliche  theoretische  beschäftigung  auch 
im  ganzen,  im  grundsätzlichen  übel  auf  seine  praxis  über- 
^virkte  Gbrvinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.^  5,  232;  das  streben 
ins  allgemeine  und  grundsätzliche  Meinecke  v.  Boyen  l, 
65 ;  gegenwärtige  schrif t  bef aszt  sich  nur  mit  dem  grund- 
sätzlichen Heine  s.  w.  7,  289  E.;  etwas  grundsätzliches 
war  ...  in  seinem  {Mozarts)  wirken  .  .  .  wenig  ausge- 
sprochen R.  Waoner  ges.  sehr.  u.  dicht.  3,  248 ;  z.  6.  sich 
über  das  grundsätzliche  verständigen. 

2)  zu  grundsatz  1  c,  vgl.  aus  grundsatz,  'a-us  einem 
grundsatz  entspringend,  aus  einem  princip  heraus  handelnd, 
principielV:  gr.  auch  entfernt  sie  die  Steigerungen,  das 
'ganz'  und  'sehr'  Heedee  12,  400  S. ;  eine  von  Küstinen 
sorgen  ging  gr.  dahin,  dasz  .  .  .  briefe  e.  augenzeugen  3,  254 
nach  Heynatz  antibarb.  2,  80;  ...  der  baron  und  .  .  . 
Gottliebe  .  . ,  haben  gr.  vermieden,  sich  die  mitglieder 
vorstellen  zu  lassen  Holtei  erz.  sehr.  35,  48 ;  {Napoleon) 
nimmt  ...  zu  den  deutschen  angelegenheiten  keine  gr. 
feindliche  Stellung  ein  G.  Feeytao  ges.  w.  15,  212;  ich 
spreche  gr.  nicht  von  der  Zukunft  RooN  denkw.  2,  439; 
die  deutsche  und  englische  tugend,  welche  ...  an  den 
groszen  leidenschaften  gr.  vorübergeht  Scheeee  kl.  sehr. 
1,  47 ;  die  grundsätzlichen  Verächter  eines  solchen  schmuk- 
kes  MÖRXKB  w.  3,  71 ;  natürliche  schärfe,  .  . .  gemischt  mit 
grundsätzlicher  gerechtigkeitsliebe  Justi  Win^kelmann  2, 
1, 169;  der  grundsätzliche  zweifei  ist  der  ausgangspunkt 
seiner  {Descaries)  lehre  Windelband  gesch.  d.  neuer,  phil. 
1,  176;  formelhaft  ein  grundsätzlicher  gegner:  ich  bin  .  .  . 
ein  grundsätzlicher  gegner  von  Präventivkriegen  gewesen 
Bismarck  ged.  u.  erinn.  2,  258 ;  ein  grundsätzlicher  gegner 
der  liberalen  forderung  Bennigsen  nationalliber.  partei 
35.  —  -sätzlichkeit,  /.,  zu  grundsätzlich  2  'principien- 
treue'  die  kräftige  gr.  eines  Walther  oder  Freidank  Ger- 
viNUS  gesch.  d.  dtsch.  dicht."^  2,  155;  sollte  E.  .  .  .  die  feste 
gr.  {in  seinem  zögling)  auflösen  Aueebaoh  sehr.  6,  200;  ob 
.  . .  ein  anderer  mit  nothgedrungener  gr.  darauf  ausgeht 
durch  schlechtes  sein  glück  zu  machen  R.  Wagnee  ges. 
sehr.  5,  23 ;  vereinzelt  zu  grundsätzlich  1 :  die  gr.  desselben 
{des  fläehenfachwerks)  enthält  die  'anweisung  zur  forst- 
einrichtung'  Bernhardt  waldeigent.  2,  318. 

GRUNDSATZLOS,  adj.,  zu  grundsatz  1  d:  ein  sehr  be- 
fähigter, aber  grundsatzloser  mann  Gutzkow  ritter  v. 


geiste  3,  380 ;  in  jener  grundgatzlosen  zeit  v.  Alten  4,  60 ; 
seltener  zu  grundsatz  l  c :  auf  diesem  wege  ward  das  .  .  . 
criminalverfahren  ...  gr.  Mommsen  röm.  gesch.  1,  407.  — 
-satzlosigkeit,  /.,  zu  grundsatz  1  d:  statt  tiefe  des  ge- 
fühls  .  .  .  ward  .  .  .  Verspottung  höherer  tugend,  gr.  und 
all  jenes  schale  wesen  gemein  Zschokke  s.  ausg.  sehr.  34, 
151;  gegen  spitzbuben  gibt  es  kerker  und  galgen,  gegen 
die  gr.  aber  findet  sich  keine  schranke  und  kein  gesetz 
Grillparzer  s.  w.  14,  22  S.;  weniger  häufig  zu  grund- 
satz 1  c  'regellosigkeiV :  auch  bin  ich  mit  der  gr.,  mit  der 
die  groszen  buchstaben  gebraucht  sind,  nicht  einver- 
standen J.  Fr.  Böhmer  briefe  2,  470/. satzmäszig, 

adj.,  'principielV  (vjrZ.  grundsätzlich  1):  die  grundsatz- 
mäszige  Stellung  dieser  partei  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6,  259; 
diese  dinge  sind  mir  sehr  anstöszig,  sowohl  gr.  als  nach 
fleisch  und  blut  V.  A.  Huber  reisebriefe  (1855)  l,  46;  wie 
grundsätzlich  2 :  Zeitungen,  die  ...  gr.  auf  das  zensur- 
gericht  keine  rücksicht  nehmen  Fr.  G.  Weloker  br.  411 
Wild.  —  -Satzung,  /.,  die  grundlage  bildende  beatim- 
mung,  vgl.  grundgesetz;  nur  im  17.  jh.  bezeugt:  der  könig 
{hat)  im  sinne  gehabt  . .  .  die  grundsatzungen  der  reichs- 
stände  umzukehren  Zesen  gekrönte  majestät  (1661)  93;  die 
gemeine  wolfahrt  und  gr.  desz  reichs  E.  Francisci  aller - 
edelste  Unglück  (1670)  294;  nach  allen  politischen  grund- 
satzungen verfahren  W.  Gottlieb  tadler  (1677)  17;  anders 
im  sinne  'grundlegende  these':  zu  weiterer  nachforschung 
und  gäntzlicher  erörterung  dieser  noch  sehr  unbekandten 
und  unbeglaubeten  grundsatzungen  A.  v.  Francken- 
BTsna  oeulus sideretis {IQii)  E  1^.  —  -satzweise,  adv.,  wie 
grundsätzlich  2 :  er  geht  deshalb  aller  materiellen  Span- 
nung ...  gr.  aus  dem  wege  O.  Ludwig  ges.  sehr.  5,  HO. 
GRUNDSÄULE,/.,  gr.  'säule,  die  ein  gebäude  ganz  oder 
zum  (heil  trägV  Mothes  baulex.  2,  542,  vgl.  comp.-typ.  5  h; 
gr.  base,  piedestallo  Kramer  teutsch-ital.  1,  574'^;  seit  dem 
16.  jh.  zu  belegen,  hauptsächlich  in  bildlicher  Verwendung. 

1)  eigentlich  oder  mit  eoncreter  Vorstellung:  so  ergreift  er 
{Simson)  darauf  die  zwo  grundseulen,  reiszt  sie  umb  sampt 
dem  hausz  Dannhauer  catechismusmileh  2,  140;  die  zer- 
brochene grundseule  des  strauszischen  hauses  Neukirch 
anfangsgrilnde  (1724)  658;  eine  mauer  von  stale  .  .  .  um- 
schlieszt  diesen  abgrund,  .  .  .  auf  welchem  die  grund- 
säulen  der  erden  und  des  meeres  ruhen  Gottsched  neueste 
8,  113; 

ob  die  erd  auch  befestigt  stand  auf  ihren  grundsäulen 

BODMER  Noah  (1752)  361; 

der  granit,  die  gr.  des  vesten  landes  Herder  13,  41 8.; 
will  er  unter  grundsäulen  des  himmels  nicht  berge  ver- 
standen wissen  allg.  dtsche  bibl.  4,  2,  78 ;  die  methode,  die 
ich  erwählt  habe,  wird  sie  .  .  .  völlig  mit  den  grundsäulen 
des  körpers  bekannt  machen  Göthb  IV  5,  211  W.;  als  die 
eigentlichen  grundsäulen,  aus  denen  die  pflanzen  .  .  .  sich 
ihren  körper  bauen  Stöckhardt  ehem.  feldpred.  1,  20; 
vielfältig  im  bilde:  ach  ja !  ich  bin  eine  rechte  gr.  des  ganzen 
hauses  J.  E.  Schlegel  w.  2,  209;  er  ist  die  hochaufstre- 
bende kuppel,  jene  sind  die  festen  grundsäulen,  auf  denen 
sie  ruht  Fr.  Schlegel  s.  w.  8,  116;  die  felsenfesten  grund- 
säulen des  hauses  Habsburg  Fr.  L.  Jahn  1,  6  E.;  der 
Herakles,  der  jetzt  auf  Elba  sitzt  .  . .  {hat)  die  grund- 
säulen des  reichsgebäudes  eingerissen,  auf  dem  die  phi- 
lister  saszen  Görres  ges.  sehr.  2,  286 ;  als  eine  der  grund- 
säulen in  dem  bau  der  geseUschaftsordnung  Prutz  preusz. 
gesch.  4,  53;  mit  bildcharakter  auch  in  typischer  verbaiver- 
bindung  wie  die  grundsäulen  erschüttern  u.  ä.:  und  soll 
es  {das  gesetz)  auch  die  grundsäulen  der  republik  erschüt- 
tern Klopstook  gelehrtenrepublik  327;  Lessing  erschüttert 
.  .  .  die  gr.  des  französichen  heroenspiels  Gervinus  gesch. 
d.  dtseh.  dieht.^  4,  338;  vgl.  beiden  .  .  .,  so  die  grundsäulen 
meines  reiches  unzerschüttert  verthetigen  Schottel 
friedenssieg  68  ndr.;  es  ist  ein  groszer  unterscheid,  an  die 
ecken  sich  reiben  und  an  die  grundsäulen  stoszen  Leib- 
NiTZ  dtsche  sehr.  1, 227;  diese  unentbehrlichen  grimd- 
säulen  zu  rütteln  Solger  naehgel.  sehr.  2,  56. 

2)  früh  auf  institutionen  und  zustände  übertragen  '<m- 
gender  bestandtheil,  stütze,  Voraussetzung^  {sie)  danckten 


897  GRUNDSCHACHEN  -  GRUNDSCHICHT 


GRUNDSCHLAG  —  GRUNDSCHNUR   898 


ihm,  das  er  Franckreich  zu  einer  grundtsaul  aller  dingen 
gemachet  hett  C.  Wubstisek  Pauli  Aemilü  .  .  .  historien 
(1672)  1,  121;  ein  gemein  concüium  ...  zu  halten,  so  die 
fümembste  sterck  und  grundtseul  des  königreichs  ist 
NiQEiNüS  regentenkunst  (1580)  47  f^;  des  hl.  reichs  kur- 
fürsten,  so  doch  die  haupt-  und  grundsäulen  des  reichs 
seind  {v.  j.  1627)  bei  A.  Gindely  Waldstein  1,  280;  auf  dem 
rechten  gebrauch  einer  reinen  .  .  .  Justiz  als  der  andern 
bewährten  gr.  {beruht)  die  wohKarth  eines  jeden  landes 
Chr.  Thomasius  ernsth.  gedancken  2,  3;  die  kätzereyen 
(vmrden)  .  .  .  vor  einen  clericalischen  staatstreich  und  gr. 
der  ungeistlichen  souverainite  .  . .  gehalten  G.  Abnold 
kirchen-  u.  ketzerhist.  (1699)  8^^;  eigenthum  und  besitzstand 
ist  die  gr.  des  gesellschaftlichen  zustandes  und  der  kräfte, 
die  unser  geschlecht  entwickeln  und  bilden  Pestalozzi 

3.  sehr.  7,  210;  Wohlstand  und  Sicherheit  des  Vaterlandes 
sind  die  beiden  grundsäulen  Fk.  L.  Jahn  2,  354  E. ;  die 
Steinkohle  (ist)  .  . .  die  gr.  unseres  gewerbfleiszes  Rosz- 
MÄSZLEB  d.  wald  239;  (er)  rühmt  .  .  .  mich  ...  als  eine 
doppelte  gr.  von  kunst  und  ursprünglicher  menschheit 
Gleim  briefw.  2,  290  Körte,  blasser:  ist  also  die  Intention 
ein  richtschnur  und  grundsaul  unsers  thuns  und  lassens 
Andr.  Aqricola  gutes  aug  (1629)  36;  indem  nun  beyde 
grundseul  der  schreibrichtigkeit  nicht  zu  ergreifen,  musz 
man  sich  an  die  in  cantzleyen  beüebten  gewonheiten  halten 
Harsdörfer  teutsche  secretarius  1,  467 ;  doch  sind  dieses 
gerade  die  grundsäulen  der  ganzen  .  .  .  prophezeihung 
Lichtenberg  verm.  sehr.  5,  21.  —  -schachen,  m.  ^stück 
wald,  das  im  gründe  (grund  III  A)  steht':  so  wait  das  saü 
herab  schlegt  in  den  grundschahen,  so  weit  gewert  des 
Rayner  kaufguet  herab  (16.  jh.)  österr.  weisth.  6,  344.  — 
-Schalk,  m.,  gesteigertes  schalk  {vgl.  comp.  typ.  6  ta):  die 
bepste  zu  der  zeit  vom  anfang  Bonifacii  vni.,  des  grund- 
schalcks,  der  die  weit  zum  ersten  mit  dem  güldenjar  ge- 
nerret  . . .  hat  Luther  bibel  7,  385  Bindseil-N . ;  'wer  ist 
dann  der  grundschalck?'  sagt  Reichart  Wickram  w.  2, 
170;  der  grundschalck  hatte  sich  wieder  nach  Caluga  ge- 
flüchtet E.  Francisci  «mursoaZ  (1665)  1,  364;  vgl.  erz-  et 
grundschalk  Stieleb  1717.  —  -schelm,  m.,  gesteigertes 
schelm  {vgl.  comp.-typ.  5  ta):  wo  ist  der  schalck  oder  der 
gr.  Varus?  St.  Riccius  Terenz  (1586)  362;  aber  in  der 
Wahrheit  so  sind  es  keine  Christen,  sondern  sind  gemeinig- 
lich faule  stücke  diebs,  grundschelmen  und  verzweifelte 
böszwichte  St.  Prätoriüs  fiiictus  (1608)  135;  grundbube, 
gr.  'si7id  den  oberdeutschen  zu  überlassen'  Heynatz  anti- 
barb.  2,  79.  —  -schema,  n.,  das  Schema,  auf  das  eine 
entwickeltere  erscheinung  sich  letzten  endes  zurückführen 
läszt  {vgl.  comp.  typ.  5  pjS):  es  ist  ein  schema,  es  ist  ein 
gr.,  es  ist  nicht  das  erste  schema  der  heiligen  apostoli- 
schen anstalten  und  also  kans  auch  nicht  das  letzte  sein 
Zinzendorf  in:  zs.f.brüdergesch.3,235;  in  dem  alt- 
christlichen baustyl  ...  ist  jenes  gr.  von  dreieck  und 
quadrat,  kreuz  und  rotunde  .  .  .  nicht  blosz  in  der  inneren 
structur  verborgen  Fr.  Sohlegel  s.  w.  6,  208;  so  möchte 
wohl  das  ganze  gr.  der  declination  in  den  beiden  .  .  . 
sprachen  .  .  .  gemein  gewesen  sein  K.  0.  Müller  Etrusker 
1,  35;  das  simpelste  gr.  bleibt  offenbar,  es  möge  ...  er- 
scheinen wie  es  wolle  Herder  6,  486  S.;  gr.  einer  ver- 
gleichenden knochenlehre  Göthe  35,  45  W.;  —  -Schema- 
tismus, m.:  der  gr.  davon  liegt  in  der  erscheinung  des 
natürlichen  dreyklanges  Schlosser  bei  Göthe  IV  25,  307 
W.  —  -Schicht,/.,  tiefste,  unterste  schicht  {vgl.  comp.- 
typ.  5  c):  wie  ein  berg  .  . .,  dessen  grundschichten  tiefe 
verborgene  Wasseradern  unterwaschen  Görres  ges.  sehr. 

4,  353;  was  man  für  ursprünglich  volksthümliches  hält, 
.  .  .  ist  .  .  .  nur  ein  hinzugekommenes  und  in  den  tiefen 
grundschichten  und  spalten  länger  hängengebliebenes 
G.  Keller  nachgd.  sehr.  95 ; 

daer  da  kent  beschaiden 

ja  bis  zur  innersten  gröndschicht 

aller  weit  hseitzen  baimlikaiten? 

Schede  psalmen  171  ndr.; 

entsprechend  comp.-typ.  5  h  bautechnisch:  gr.  . . .,  'unterste 
Schicht  der  grundmauern'  Mothes  baulex.  2,  542;  steine 
und  Ziegel,  welche  von  den  grundschichten  der  nahe  ge- 
IV.  1.  6. 


legenen  häuser  genommen  wurden  J.  D.  Heilmann  pelo- 
ponn.  krieg  (1760)  573.  —  -schlag,  m.  1)  fundamenf,  aus 
rU.  grondslag  {s.  nl.  wb.  5,  1014)  entlehnt,  vgl.  grondslagh 
fundamentum  Kilian  (1605)  163*  und  dctnach  gr.,  funda- 
mentum,  basis,  supra  quod  quid  extruitur  Henisch  1769; 
nach  anweisung  des  grundschlages  der  kirche  wird  ge- 
uhrteilet,  dasz  sie  ohngefehr  100  schritt  lang  imd  30  breit 
gewesen  0.  Dapper  Ji/nco  (1671)  271*;  bildlich:  {gott  wolle) 
dasselbe  {volk)  durch  den  reichtuhm  seiner  gnade  und 
gühte  . . .  auf  den  gr.  der  Wahrheit . .  .  bringen  Zesen  ge- 
krönte majestät  (1661)360;  mundartlich  in  Ostfriesland: 
erst  gode  grundslagen  leggen  un  den  böen  ten  Doorn- 
KAAT-KooLMAN  1,  703*.  2)  t«.  neuerer  bautechnischer  ter- 
minologie:  grundschlag  'eine  in  natürlicher  grösze  gefertigte 
Zeichnung'  der  bautheile  vgl.  Helfet  landbaukunst  164; 
'der  grundschlag  ist  das  aufreiszen  des  grundrisses  eines 
bautheils  in  natürlicher  grösze'  Schönermark-Stüber  487. 
3)  zu  schlag  III  5  a  {vgl.  th.  9,  328)  wie  comp.-typ.  5  p:  das 
allen  {völker7i  Hinterindiens)  gemeinsame  scheint  in  der 
.  .  .  annähemng  an  den  physischen  gr.  der  Mongholen- 
gestaltung  Centralaseins  zu  liegen  Ritter  erdkde  4,  1140; 
der  französische  gr.  ist  viel  guthmätiger  Laube  ges.  sehr. 
4,  184.  —  -schlagen,  vb.,  vgl.  grandachl&g  l:  gr.,  schro- 
ben,  grundlegen  Henisch  1769.  —  -schlämm,  m.  {vgl. 
comp.-typ.  5  a):  das  .  .  .  reserveruder  büeb  im  zähen  gr. 
stecken  Sven  Hedin  Bagdad  (1918)  77;  wenn  man  eine 
kleine  portion  .  .  .  grundschlammes  in  einem  uhrglase 
ausbreitet  Brehm  thierl.  10,  151;  anders  'bodenschlamm' 
{vgl.  comp.-typ.  5  e): 

vieler  grundschlamm  von  den  hceresstraszen 
ward  zugleich  nach  Tiefenbach  gebracht 

PkItzel  feldherrnränke  (1815)  41. 

GRUNDSCHLECHT,  adj.,  gesteigertes  schlecht  16  u. 
17,  s.  th.  9,  536^.  {vgl.  comp.-typ.  1  a);  in  persönlichem  be- 
zuge:  ich  halte  den  geradezu  für  einen  grundschlechten, 
boshaften  und  leidenschaftlichen  mann,  der  .  .  .  Lavateb 
ausgew.  sehr.  1,  13;  es  ist  noch  ein  so  guter  kern  und 
stamm  in  der  nation,  dasz  von  den  eigentlich  grund- 
schlechten nichts  zu  befürchten  ist  Göthe  IV  38,  266  W.; 
mit  rücksicht  auf  ihren  sittenverdorbenen  und  grund- 
schlechten eheherm  Fontane  ges.  w.  I  4, 176;  du  bist 
heute  schlecht  gewesen,  gr.  Auerbach  sehr,  ll,  202;  jede 
nation  {hat)  etwas  grundschlechtes  in  sich  R.  Wagner 
ges.  sehr.  9,  60;  {Schauspieler,)  die  er  in  einem  Leipziger 
blatte  gr.  gemacht  hatte  A.  v.  Drostb-Hülshoff  br.  152; 
gr.  handeln  vgl.  Staub-Tobler  9,  65;  da  gings  ihm  gr. 
EiCHRODT  lyr.  kehraus  { 1869)  2,  9 ;  das  ist  schlecht,  ...  so 
einem  braven  maim  nicht  zu  schreiben,  gr.  L.  A.  Hoff- 
mann Werther fieber  (1783)  21;  weniger  häufig  sachbezogen: 
eine  gnmdschlechte  novelle  J.  Mosen  s.  w.  7,  222 ;  {die 
menschen)  mit  grundschlechten  Schriften  zu  mystificiren 
Grabbe  w.  4,  471  Bl.;  bei  uns  ist  das  ästhetische  urteil 
gr.  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  1,  67.  —  -Schleifung,/.; 
zu  gr.  der  zu  Clostergrab  . .  .  neuerbaueten  evangelischen 
kirchen  {v.j.  1618)  acta  publica  1,81.  —  -schlusz,  m., 
folgerung,  meiyiung,  argument,  auf  denen  andere  beruhen 
{vgl.  comp.-typ.  5  o),  im  17.  u.  18.  jh.  häufiger:  da  müssen 
ihre  {der  vernunß)  auszgesonnene  meinungen  oder  grund- 
schlüsse  wahr  sein  Scheuchzer  physica  (1711)  1,  4;  aUe 
bisherige  grundschlüsse  gedeien  nur  den  gerechten  zur 
gewünschten  auferstehimg  E.  Francisci  letzte  rechen- 
Schaft  (1681)  839; 

weil  Ich,  dasz  feuer  nicht  ein  erster  leib,  bewehrt  (dargethan), 
hat  ein  vermischtes  feur  die  grundschlüsz  aufgezehrt 

A.  Gkyphius  ged.  406  F.; 

sollt  ihr  disputiren  . . ., 

{ist)  noch  kein  schöner  grundschlusz  da; 

der  beweis  wird  euch  bald  kommen 

Tkillee  poet.  betracht.  (1750)  3, 123; 

mit  solchen  grundschlüssen  eigensinnig  versteinert,  blei- 
ben solche  Völker  ewige  feinde  der  aufklärung  Fr.  v.  d. 
Trenck  s.  ged.  u.  sehr.  (1786)  4,22.  —  -schnür,  /.,  auf 
den  grund  von  gewässern  versenkbare  angelschnur,  vgl.  Ja- 
COBSSON  5,  752*;    das  meint  wohl   auch  die  glossierung 

57 


899  GRUNDSCHREIBER— GRUNDSGHUSZ 

grundschnür   bolis  Diefbnbaoh  nov.  gl.  56  {voc.  rerum, 
15.  Jh.,  obd.)  vgl.  feder-  und  grundschnur  (regest  einer  urk. 
V. ).  1500)  bei  Staub-Tobler  9,  U02;  (for eilen)  werden  . . . 
i^t  der  angelfefler  und  grundschnüren  gefangen  Hoh- 
BERG  georg.  cur.  2,  517;  man  sucht  sie  (die  forellen)  daher 
mit    grundschnüren    und    schwebnetzen    zu    erreichen 
TscHUDi  thierleben  (1853)  163.   —   -schreiber,  m.,  im 
österr.  'schreiber,  der  das  grundbuch  führt  bzw.  andere  amts- 
geschäße  für  den  grundherrn  verrichtet  (vgl.  grundrichter 
sp.  739):  in  beysein  meiner  anrainenden  nachbarn,  ihrer 
pfleger,  grundtschreiber,  richter  (v.  j.  1494)  bei  Kalten- 
BÄCK  pan-  u.  bergtaidingbücher  352;  darauf  werden  die 
articl  durch  den  gruntschreiber  .  .  .  verlesen  (v.  j.  1588) 
österr.  weisth.  9,  367;  der  schreiber  gibt  es  gar  viel  ...  als 
da  sind  .  . .  gr.  Abraham  a  s.  Clara  etwas  f.  alle  l,  291; 
(ich)  gieng  den  andern  tag  zu  dem  gr.  und  liesz  mir  einen 
heurathebrief  machen  Sonnenfels  ges.  sehr.  (1784)  4,  311; 
so  hat  gemeiner  stadt  Wien  grundbuch  einen  .  .  .  gr.  und 
einen   amtschreiber   Adelung  2, 826.    —    -schrift,  /., 
Schrift,  die  einer  Übersetzung,  einer  abschrift  u.  s.  w.  zu- 
grunde liegt,  Urschrift,  original:  wir  wollen  ordnen  über 
obiges,  dasz  .  .  .  denen  abschritten  oder  abgedruckten 
exemplarien  .  .  .  gleich  dem  original  und  gr.  selbsten  voll- 
kommener glaube  beigeleget  werde  E.  G.  Happel  Wite- 
kind  (um  1685)  2,  350;  es  ist  ganz  falsch,  dasz  alle  Über- 
setzungen schlechter  gerathen  als  ihre  grundschriften 
Gottsched  Lucian  •**  3^^;  insbesondere  würden  die  Über- 
setzungen  von   nachdrücklichen   grundschriften   anlasz 
geben  Breitinger  crit.  dichtkunst  (1740)  2,  61;  ich  (hatte) 
mich  ohne  vergleichung  der  gr.  daran  zu  wagen  Lessing 
5,  369  L.-M.;  so  entstanden  verschiedene  neue  bearbei- 
tungen  der  hebräischen  gr.  D.  Fb.  Stratjsz  ges.  sehr.  3, 
103;  anders  'grundlegende  schrifV :  die  abfassung  buddhi- 
stischer  grundschriften   Ratzel   Völkerkunde  3,  340.    — 
-schuld,  /.,  'auf  einem  grundstück  ruhende  schuld'  ohne 
persönliches  Schuldverhältnis   wie  bei  der  hypothek  (vgl. 
comp.-typ.  5  f),  doch  zunächst  nicht  davon  unterschieden, 
vgl.  gr.  . . .  'hypothecarische  schuld'  Campe  2,  474,  der  gr. 
ais  neugebildet  kennzeichnet;  ein  grundstück  kann  in  der 
weise  belastet  werden,   das  an  denjenigen,   zu  dessen 
gunsten   die   belastung   erfolgt,    eine   bestimmte   geld- 
summe  aus  dem  grundstücke  zu  zahlen  ist  (gr.)  bürgerl. 
gesetzbuch  §  1191  abs.  1;  den  hypotheken  stehen  im  sinne 
dieses  gesetzes  die  grundschulden  gleich  hypoihekenbank- 
gesetz  v.  13.  juli  1899  §  40  abs.  l;  —  -schuldbrief,  m.: 
dies  trifft  zu  bei  .  .  .  einer  grundschuld  für  den  Inhaber 
des    grundschuldbriefes    hwb.  d.  staatswiss.^  4,  1287.     — 
-schule,  /.,  1)  Unterstufe  der  Volksschule,  die  in  den  ersten 
vier  Schuljahren  die  einheitsschule  als  unterbau  sämtlicher 
schulgattungen  darstellt  (vgl.  comp.-typ.  5  o);  als  schultech- 
nischer begriff  im  ausgang  des  19.  jhs.  aus  der  einheits- 
schulbewegung  erwachsen;  in  anlehnung  an  grundklasse, 
grundunterricht  für  elementarschule  mit  dem  besonderen 
sinn  des  gemeinschaftlichen  Unterhaus  für  alle  Schularten: 
das   von   der  allgemeinen  gr.   ausgestellte  reifezeugnis 
(sollte)  ohne  prüfung  zum  eintritt  in  die  höheren  unter- 
richtsstufen  genügen  J.  Tews  d.  gemeinsame  elementar- 
schule (1895)  194;  in  Österreich  umfaszt  die  allgemeine  gr. 
fünf  .  .  .  Schuljahre  W.  Rein  hdb.  d.  pädag.  7  (1899),  461»; 
auf  einer  für  alle  gemeinsamen  gr.  baut  sich  das  mittlere 
und  höhere  Schulwesen  auf  Weimarer  Verfassung  art.  146; 
sachliches  s.  bei  Nohl-Pallat  hdb.  d.  pädag.  4  (1928),  91^.; 
vgl.  auch  einheitsschule.  2)  wie  comp.-typ.  5r:  diese  .  .  . 
gedanken  würden  freilich  erst  im  gefolg  des  zusammen- 
hängenden Vortrags  einer  wahren  haupt-   und  grund- 
schule  der  ästhetik  in  ihrem  völligen  werth  erscheinen 

Göthe  42,  1, 176  W. schusz,  m.  1)  zu  comp.-typ.  5  a 

marinetechnisch:  grundschüsse  'heiszen  solche,  die  ein 
schiff  unterhalb  des  Wasserspiegels  treffen"  Bobrik  615»;  sie 
(die  Engländer)  haben  sehr  viel  grundschüsse  bekommen 
lebensnachrichten  über  B.  0.  Niebuhr  (1838)  1,  300.  2)  im 
sinne  der  comp.-typ.  5i  webereitechnisch:  die  grundfäden 
mit  dem  .  .  .  gr.  bilden  die  rechte  gewebseite  Karmarsch- 
Heeren^  10,  484;  man  kann  grund-  und  figurschusz 
gleichsam  als  übereinander  liegend  ansehen  491. 


GRUNDSCHWELLE  — GRUNDSPRACHE  i  900 

GRUNDSCHWELLE,  /. 

1)  zu  grund  I  A  1  (vgl.  grundbalken  1  und  comp.-typ.  5a) 
wasserbautechnisch  in  verschiedenen  bedeutungen;  'fach- 
baum\  während  der  fachbaum  (gr.)  ...  an  der  wasser- 
sohle angebracht  ist  hwb.  d.  staatswiss.^  5,  889;  gr.,  (stau- 
schwelle) 'ein  niedriges  Stauwehr'  Lueoer*  3,  722;  die 
herabgelassenen  schütze  ruhen  auf  einer  gr.  Karmarsch- 
Heeben  10,  260,  vgl.  gr.  Jacobsson  2, 165^;  'dasjenige 
stück  holz,  worinn  die  pfanne  eingelassen  wird,  in  welcher 
sich  der  zapfen  einer  schleusenthür  herumdrehet';  grund- 
schwellen sind  buhnenartige  bauwerke  Kabmarsch- 
Heeren  10,  264;  vgl.  Schweiz,  grundschwelli  Staub-Tob- 
ler 9, 1833. 

2)  alt  in  composition  mit  grimd  IV  A  1  (vgl.  comp.-typ. 
5  h)  ?;^Z.  grundsohle;  gr.,  'die  auf  der  plinthe  liegende 
schwelle  bei  einem  fachwerksgebäude'  Helfet  wb.  d.  land- 
baukunst  165;  gr.  des  hauses  Schottel  473;  der  mag  sein 
haus  wol  abbrechen  und  hinwegfieren  und  die  vier  grund- 
schwellen lassen  ligen  (15.  jh.)  weisth.  4,  512;  auch  vor- 
sehimg  beschehen,  dasz  die  haupt-  und  grundschwellen 
in  den  gehauen  zum  wenigsten  drei  schuh  hoch  ver- 
matiret  Speidel  notabilia  (1634)  106;  vornehmlich  ist  bey 
jeglichem  höltzernen  gebäude  wohl  acht  zu  haben  .  . ., 
dasz  die  grundschwellen  .  .  .  trocken  liegen  Zincke  öcon. 
lex.  (1744)  1000;  die  unmittelbar  auf  dem  fundamente  an- 
gebrachten hölzernen  unterzüge  heiszen  sohlen,  manch- 
mal auch  grimdschwellen  Fr.  L.  Jahn  1,  61 E. ;  im  brücken- 
bau:  auf  diesem  jochholm,  der  hier  den  namen  gr.  erhält, 
stehen  die  jochständer  Karmarsch-Heeren  2,  101;  im 
bergbau:  gr.,  'ein  . . .  quer  auf  die  sohle  einer  strecke  gelegtes 
holz,  auf  welches  andere  zimmerungshölzer  gestellt  werden' 
Gätzschmann  sammig.  bergm.  ausdr.  48;  eisenbahntech- 
nisch gr.,  frz.  bille,  engl,  ground  plate  Beil  265. seife, 

/.  (vgl.  comp.-typ.  5  k):  unter  palmkernseite  (versteht  man) 
die  aus  einem  gebleichten  palmkernöl  bereitete  gr.  Mus- 
pratt  6,  2095.  --  -seife,  m.  (vgl.  comp.-typ.  5  g)  zu  seife, 
m.,  'berggerinne'  (s.  th.  10,  1,  190):  nicht  weit  davon  .  .  . 
liegt  der  quirichte  grundseifen,  das  ist  ein  goldreich 
Wasser  Pbätorius  wündschdruthen  (1667)  223.  —  -seil, 
/.,  'grundbalken' ,  nur  Schweiz,  belegt  für  das  16.  u.  17.  jh., 
vgl.  Staub-Tobler  7,  713;  hierzu  verbale  ableitung  das  dhd. 
gruntsellön:  Christenheit  ist  uffin  steine  kegruntsellot 
sancta  ecclesia  supra  petram  fundata  Notkeb  ps.  77,  69, 
woraus  ein  ahd.  *gruntsella  zu  erschlieszen  ist.  — 
grundsig  s.  grunzig.  —  -silbe,  f.,  'Wurzelsilbe':  selbe 
(Wörter) .  .  .  können  gleichfals  nach  ihren  grundsylben  mit 
verstand  recht  geschrieben  werden  Harsdörfer /rawcnz. 
gesprächspiele  2,  23;  in  einem  jeden  einfachen  worte  ist 
nur  eine  grundsylbe  A.  G.  Mäzke  gramm.  abhandl.  (1776) 
9,  vgl.  dazu  Jellinek  gesch.  d.  nhd.  gramm.  2,  144/.;  alle 
die  begriffe  von  einem  lärmgotte  .  .  .  (liegen)  schon  in 
dem  griechischen  wurzelwort  ßnC(o  und  in  dessen  gr.  ßd 
Fb.  Creuzer  Symbolik  3,  139;  vgl.  gr.  Campe  2,  474;  an- 
ders, wie  'urlaut':  ja  wenn  er  ans  meer  tritt,  wenn 
Schiffer  des  ausländes  ankommen,  tönen  ihm  die  grund- 
sylben seiner  mundart  entgegen  Göthe  40,  278  W.  — 
-Spiegel,  m.:  sie  haben  einen  speculum  archetypum, 
einen  gr.,  in  welchen  sie  einem  zeigen  können  ein  jedes 
wort  in  einer  jeglichen  spräche  Chr.  Gilbertus  wächter- 
hörnlein  (1620)39;  anders  'erdspiegeV  (vgl.  th.  8,  228Q): 
wenn  ich  durch  einen  grundspiegel  in  die  erde  sehe  .  .  ., 
ist  da  etwas  übernatürliches?  allg.  dtsche  bibl.  76,  594. 

GRUNDSPRACHE,/.,  im  17.  jh.  geläufig  werdend,  mit 
dem  19.  jh.  gegenüber  ursprache  zurücktretend;  die  spräche, 
die  die  grundlage  bildet  (vgl.  comp.-typ.  5  o) :  gr.  lingua 
fundamentalis  et  primigenia  Stieler  2102;  grundsprach, 
haubtsprach,  ursprach  lingua  originale,  radicale  Kramer 
teutsch-ital.  2,  879  c, 

1)  im  gegensatz  zur  spräche  einer  Übersetzung  die  'ur- 
sprache, origirudsprache'  eines  literarischen  werkes:  so 
musz  man  doch  hinwiderumb  geständig  seyn,  dasz  selbe 
vielleicht  in  teutsch  noch  nicht  übersetzt  und  auch  in 
ihrer  grundsprach  . .  .  nicht  lang  im  ruf  und  wirden  ver- 
bUeben  Harsdörfeb /mMenz.-g'espräcÄsp.  i,  174;  ob  nun 


901 


GRUNDSPRACHE  2.  8 


GRUNDSPRUCH- GRUNDSTÄNDIG   902 


wol  dem  dolmetschen  obliget,  bey  der  gr.  meinung  genau 
zu  verbleiben  foet.  trichter  B,  37 ;  insonderheit  in  den  grie- 
chischen imd  lateinischen  menschennahmen,  das  man  sie 
nicht  immerdar  in  der  nennendung  stehen  lasse,  sondern 
nach  ihrer  gr.  in  ihre  verwandelunge  setze  Gueintz  recht- 
schreib. (1666)  12;  in  der  gr.  stehet  karubiaan  und  be- 
deutet solche  engel,  die  halb  aus  schnee  und  halb  aus 
feuer  geschaffen  seyn  persian.  baumgarten  in  Oleabius 
reisebeschr.,  vorr.  )(  2^;  dieses  alte  vortreffliche  gedieht 
{ist)  theils  in  seiner  plattdeutschen  oder  sächsischen  gr. 
sehr  oft  gedrucket  Gottsched  neueste  2,  395;  wenn  man 
über  dieses  dictum  einen  der  gr.  mächtigen  gelehrten 
fraget  H.  F.  v.  Göchhausen  notabilia  venat.  69;  diese 
rede  des  berühmten  Werenfels  ist  in  ihrer  gr.  ein  lesens- 
würdiges stück  Lessing  4, 175  L.-M.;  ich  habe  jüngst 
.  .  .  das  portugiesische  heldengedicht  in  der  gr.  bekommen 
Hamann  sehr.  3,  383  Roth;  formelhaft  etwas  in  der  gr. 
lesen:  da  sie  dieses  schöne  stück  in  seiner  gr.  lesen 
Gottschedin  br.  l,  231  R.;  (sie)  konnte  den  Plato  in  der 
gr.  lesen  Nicolai  literaturbr.  4,  247;  ich  weisz,  dasz  es 
ew.  excellenz  weit  lieber  in  der  gr.  lesen  J.  J.  Engel  sehr. 
9,  9;  eine  fürstin,  die  selbst  den  Homer  in  der  gr.  liest 
K.  Weinhold  Boie  174;  als  grundsprachen  in  specifischem 
sinne  galten  die  biblischen  Ursprachen,  das  hebräische  und 
griechische,  vgl.  grundsprach  lingua,  in  qua  s.  scriptura  ve- 
teris  et  novi  testamenti  scripta  Fkisch  teutsch-lat.  2,  305  c 
und  Ludwig  teutsch-engl.  819;  in  unsers  seligen  kirchen- 
vaters  Lutheri  deutschen  Übersetzung  der  bibel  .  .  .  aus 
den  grundsprachen,  darin  sie  ursprünglich  verfasset  D.  v. 
Stade  erläuter-  u.  erklärung  (17ll)  vorr.  l;  {eine  Jungfer,) 
die"  sich  mit  den  heiligen  scribenten  in  ihren  grund- 
sprachen besprechen  kan  Gottsched  vernünft.  tadl.  l,  40 ; 
wer  den  namen  eines  gründlichen  gottesgelehrten  mit 
recht  behaupten  will,  der  musz  nebst  einer  hinlänglichen 
erkenntnisz  der  grundsprachen  ...  Schwabe  belust.  1,  73; 
(er  ist)  nichts  mehr  als  ein  unwissender  miethling,  der  die 
grundsprachen  nicht  versteht  Thümmel  reise  in  d.  mitt. 
prov.  4,  27;  der  prediger  musz  die  grundsprachen  ver- 
stehen ScHLEiERMACHEE  s.  w.  I  5,  141 ;  berüchtigt  wegen 
seiner  unkenntnisz  der  grundsprachen  ist  der  . .  .  be- 
rühmte systematiker  . . .  Maresius  A.  Tholtjck  vorgesch. 
d.  rationalismus  l,  107 ;  enger  gefaszt  im  gegensatz  zu  Über- 
setzung 'das  werk  in  seiner  Ursprache,  urtext,  original' : 
zu  den  Übersetzungen  habe  ich  die  gr.,  woraus  eine  jede 
verteutscht  worden  . ,  .  mit  eindrucken  lassen  Besser 
sehr.  1,  vm;  wenn  wir  unsern  poeten  selbst  in  der  gr. 
einsehen  Bodmer  v.  d.  umnderbaren  (1740)  106. 

2)  spräche,  aus  der  eine  reihe  anderer  hervorgeht,  stamm- 
sprache,  muttersprache  gegenüber  den  tochtersprachen,  Ur- 
sprache: ausz  lateinischer  in  hispanische  ... ,  das  ist  ausz 
der  .  .  .  grundsprach  in  die  darausz  geleiteten  .  .  .  über- 
setzt und  gedolmetscht  worden  v.  d.  Sohle  don  Kichote 
(1648)  8;  einer  solchen  spräche,  die  von  den  hauptstam- 
und  grundsprachen  der  weit  die  einigste  ist  Zesen  helikon. 
rosenthal  (1669)  39;  es  ist  disz  wort  so  gemein  fast  in  allen 
sprachen  . . .,  dasz  ich  davor  halte  es  sey  eines  von  den 
Stammwörtern  der  ersten  gr.  Morhof  Unterricht  (1682)  1, 
98;  die  deutsche  spräche  ist  eine  der  allerältesten  und 
vollkommensten  grundsprachen  Besser  sehr.  1,  115;  klar, 
dasz  alle  Sabeller  eine  gr.  hatten  Niebuhr  röm.  gesch.  1, 
62;  eigenthümliche  worte  .  .  .  finden  sich  in  jedem  zweige 
einer  gr.  K.  O.  Müller  d.  Etrusker  1,  15;  alle  diese  {indo- 
europäischen) sprachen  {haben  sich)  .  .  .  aus  einer  gemein- 
schafthchen  gr.  ...  entwickelt  K.  E.  v.  Baer  red.  u. 
versch.  aufs.  3, 151 ;  ironisch  für  'mundarV :  eine  neue  mode- 
postzeitung  in  westphälischer  gr.  Lindenborn  Diogenes  2, 
register  4;  anders  'die  spräche  aus  der  etwas  entlehnt  ist': 
viele  Wörter,  die  aus  dem  griechischen  herstammen,  sind 
eine  geraume  zeit  mit  einem  c  geschrieben  worden,  ob  sie 
gleich  in  der  gr.  ein  k  haben  Gottsched  dtsche  sprach- 
kunst  51. 

3)  schwächer  wie  comp.-typ.  5  r  im  sinne  'hauptsäch- 
lichste, wichtigste  spräche' :  die  ungarische  spräche  ist  eine 
mischung  aus  fast  allen  grundsprachen  der  alten  weit 
MoLTKE  ges.  sehr.  1,114;  die  lateinische  spräche  stände 


endlich  als  die  vermittelnde  und  entscheidende  diplo- 
matische gr.  neben  beiden  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l. 
Deutschen  1,  400. 

GRÜNDSPRUCH,  m.,  gr.  axioma  alias  haupt-  und 
lehrspruch  canon,  regula,  pronunciatum  Stieleb  2104; 
haubtspruch,  gr.  massima,  assioma,  sentenza,  massima 
fondamenfale  ö  generale  Kramer  teutsch-ital.  2,  881*,  vgl. 
comp.-typ.  5  o;  'fundamentaler  spruch,  lehrsatz,  grundsatz': 
hiemit  .  . .  ligt  das  bapstum  yn  der  aschen,  dieweyl  der 
eynige  gr.  yhm  widerstrebt,  und  ist  das  bapstumbs  ge- 
peu  a\if  dissen  spruch  gegrimdt  Luther  7,  686  W.;  darauf 
lautet  der  mechtige  gr.  Pauli  Rom.  14  ( =  potentissimum 
illud  Pauli  dictum)  10,  1,  1,  686;  dann  wenn  sie  zwen  oder 
drei  gewisser  heller  deutlicher  grundsprüche  hetten, 
darauf  das  gewissen  fuszen  köndte  Nigrinus  alte  neue 
Zeitungen  (1587)  k  3*;  welches  man  ausz  Zwinglii  grundt- 
spruch,  so  ihm  zu  Marpurg  entfuhr,  mercket  anticalvinis- 
mus  (1595)  2;  nun  ist  aber  der  aUergewisseste  haupt-  und 
grundspruch  der  gesundspruch  der  gesunden  Vernunft: 
impossibile  est,  idem  simul  esse  et  non  esse  Bucholtz 
Herkuliskus  (1665)  552;  darbei  aber  nicht  beobachtet,  was 
in  den  oben  gelegten  grundsprüchen  festgestellt  worden 
J.  ELraus  d.  luthr.  theol.  irrgeister  (1715)  10;  dann  abge- 
kommen und  bei  Campe  2,  474''  in  anderem  sinne  erneuert: 
gr.,  .  .  .  'besonders  ein  spruch  der  bibel,  welcher  bei  einer 
predigt  zu  gründe  liegt,  der  text'.  —  -stamm,  w.,  'der 
erste,  ursprüngliche  stamm'  {vgl.  comp.-typ  5 -p);  so  eines 
Wortes  'umrzel' :  grundstam  radix  Bellin  hochdtsche  recht- 
schreib, b  9^ ;  wan  ich  die  erste  und  eigendliche  bedeu- 
tung  ihrer  buchstaben,  ja  ihre  erste  und  eigendhchste 
grundstämme,  daraus  alle  Wörter  der  gantzen  spräche 
flüszen,  zu  wissen  begehrete  Zesen  rosenmdnd  (1651)  a  5*»; 
des  baumes:  eine  . .  .  drieseltanne,  das  heiszt  eine,  die  sich 
aus  einem  gr.  auf  manneshöhe  in  drei  stamme  zweigt 
Rosegger  unldlinge  289;  nerven:  das  von  diesem  {nerven- 
knoten)  ausgehende  .  .  .  bündel  {schien)  in  diesen  gr.  des 
Zwerchfellknotens  überzugehen  Sömmerring  menschl. 
kör  per  4,  681  anm.  2;  eines  Volkes,  heeres  u.  ä.:  in  diesem 
Volk  .  .  .  scheint  der  .  .  .  gr.  der  Latiner  zu  liegen  Nie- 
buhr röm.  gesch.  1,120;  der  gr.  eines  stehenden  heerea 
Schlosser  weltgesch.  {I8iiff.)  10,  282;  zwei  getrennte  fa- 
milien,  die  jedoch  den  gemeinschaftlichen  gr.  keinen 
augenblick  verläugnen  können  Hebbel  w.  12,  175  W.; 
einige  himdert  deutsche  arbeiter  .  .  .  schlieszen  sich  jenem 
französischen  gr.  {communistischer  arbeiter)  an  Gutzkow 
ges.  w.  7,  402;  der  gr.  der  hellenischen  poesie,  das  epos 
{hatte) ...  zu  sehr  .  .  .  sich  verbreitet  dtsches  museum  2,  195 
Schlegel;  und  der  gr.  dieser  liebe,  was  ist  er?  Tieck  sehr. 
24,  210;  mehr  wie  comp.-typ.  5o:  der  gr.  über  den  gan- 
zen boden  des  landes  hin  blieb  die  romanisierte  bevölke- 
rung  Ranke  s.  w.  8,  13;  wie  comp.-typ.  5r:  die  mensch- 
heit  zerfällt  in  zwei  grundstämme:  die  eigenthümer  und 
die  nichteigenthümer  Fichte  s.  w.  4,  404.  —  -stand,  m., 
wie  comp.-typ.  5  o:  solte  es  im  fundamental-  und  grund- 
standt  des  menschlichen  lebens,  der  ehe  und  hauszhaltung 
mangeln  Dannhauer  catechismusmilch  S,  56;  die  produ- 
centen,  die  sich  hier  als  einen  einzigen  gr.  betrachtet 
haben,  theilen  sich  wieder  in  mehrere  unterstände  Fichte 
s.  w.  3,  406.  —  -ständig,  adj.;  grundstendig  bei  Schot- 
TEL  473  und  vereinzelt  im  17.  jh.  im  sinne  'ursprünglich' : 
wenn  man  die  erste  und  grundständigste  Ursachen  der 
regimenten  ansihet,  so  ist  solche  die  himmelschreiende 
Sünde  desz  landes  Habsdöbfer  geschichtspiegel  (1654)  556; 
der  deutsche  palmbaum  hat  .  .  .  die  angebohrne  helden- 
zunge  mit  ihren  liblöbUchen  fruchten  in  grundständiger 
richtigkeit  angeleget  Butschky  hd.  kanzelley  (1659)  173; 
wie  'bodenständig' :  eine  gesellschaft,  die  nicht  gr.  ist  und 
sein  will,  nicht  sammelt  und  nicht  baut  Rosegger  sehr. 
III  7,  73;  als  botanischer  terminus  {vgl.  comp.-typ.  5  1)  'an 
der  basis  stehend';  'gr.  nennt  man  .  .  .  an  mit  stark  ver- 
kürzten stengelgliedern  versehenem  sprosz  befindliche  .  . , 
und  meist  dem  erdboden  anliegende  blätter'  0.  Gebke  botan. 
wb.  (1919)  81''';  ein  zierliches,  binsenartiges  pflänzchen, . . . 
die  blätter  alle  gr.  Schlechtendal  ^oro  u.  Dtschld  2,  125; 
die  zierUchen  rispen  mit  ihren  grundständigen  grannen 

57» 


903 


GRUNDSTEIN  i 


GRUNDSTEIN  i 


904 


Ratzebübg  Standortgewächse  53;  gr.  auch  von  einer  am 
boden  des  frv/>htknoten  befindlichen  samenleiste  Gerke 
a.  a.  o.;  Samenknospe  fast  gr.  Sohleohtendal  flora  v. 
Dtschld  10, 166. 

GRUNDSTEIN,  m. 

1)  nicht  vor  dem  14.  jh.  zu  belegen;  vgl.  entsprechend  ge- 
bildetes ags.  grundstänas  cementum  Weiqht-Wülcker 
voc.  \,  191;  gruntstain  primarius  {globulus)  Diefenbach 
nx)V.  gl.  303*  {voc.  o.  d.  j.  1429);  der  grundsteyn  des  baws 
Primarius  lapis  Albebus  LI  S^-;  gr.  lapis  fundamentalis 
Stieleb  2139. 

a)  im  eigentlichen  sinne:  ^ einer  der  steine,  die  den  gnind 
des  gebäudes  bilden,  besonders  der  zuerst  gelegte,  meist  ein 
eckstein"  Mothes  baulex.  2,  503*,  vgl.  der  irst  grontsteyn 
un  eym  gebucz  (l.  gebuw.?)  primarius  (globulus)  Diefen- 
bach 459*;  {ich)  wil  nicht  nemen  von  dir  noch  gruntsteine 
noch  ecsteyne,  spricht  der  herr  Claus  Cbano  proph.  157 
Zies.  {non  tollent  de  te  lapidem  in  unguium  et  lapidem 
in  fundamenta  Jerem.  51,  26);  das  man  weder  eckstein 
noch  gr.  aus  dir  nemen  könne  Jerem.  51,  26;  vielfach  mit 
älterem  eckestein  (Beneckb-Mülleb-Zabnokb  2,  2,  614) 
bedeutungsgleich  verwendet,  vgl.  im  bilde:  sint  er  {Hierony- 
mus)  ein  gnintstein  der  heiligen  kirchen  gewesen  ist, 
dorein  si  gevestet  und  gepawet  ist  Jon,  v.  Nettmabkt 
Hieronymus  246  Kl.  { =  sancte  matris  ecclesie  lapidis  an- 
gularis, in  quo  admodum  firmata  consistit) ;  eyn  kostlichen 
ecksteyn  odder  grundsteyn  Lutheb  12,  305  W,;  dieser 
felsz  und  stein,  den  die  bauleut  . .  .  verworfen  und  gott 
zum  eck-,  schlosz-  oder  gr.  gemacht  MathesiüS  Sarepta 
(1571)  91*  (s.  oticÄ  formelhaft  verbunden  grund-  imd  eck- 
stein urUen  e); 

unser  haus  hat  ein  bösen  gibel, 
uns  Ist  gewichen  der  grundtstein, 
furcht  nur,  es  fall  ein  mal  gar  ein 

Hans  Sachs  14,  319  K.-  0.; 

die  Beulen,  stützen,  pfeilor  und  gr.,  darauf  das  reich  stehet 
Seb.  Fbanck  Qerm.  chron.  (1538)  104;  ehe  man  bawet, 
sihet  man  erst  nach  einem  guten  gr.  Petri  d.  Teutschen 
weiszheit  s  3*; 

den  thurm  durchfährt  ein  zittern 
vom  grundstein  bis  zum  l^nauf 

Uhland  gedichte  1,  231  Sch.-E.; 

und  die  starlcen  mauern  wanlien  und  der  grundstein  tief 
sich  senlct  Gaudy  «.  w.  3, 10; 

specifi^ch  der  bei  der  feier  der  grundsteinlegung  aufgestellte 
stein,  in  dessen  höhlung  documente  vermauert  werden:  denk- 
schriften,  welche  in  die  grundst«ine  groszer  öffentlicher 
gebäude  .  . .  eingelegt  werden  Kindeelinq  reinigkeit  371 ; 
deszwegen  machen  wir  diesen  gr.  zugleich  zum  denkstein. 
hier  in  diese  unterschiedlichen  gehauenen  Vertiefungen 
soll  verschiedenes  eingesenkt  werden  zum  zeugnisz  für 
eine  entfernte  nach  weit  Göthe  20,  99  W.;  der  in  dem 
grundsteine  zu  verschlieszenden  kapsei  übergaben  wir  .  .  . 
einen  . . .  vers  R.  Wagneb  ges.  sehr.  9,  325;  sein  gedieht 
imd  seine  auf  dem  gr.  gehaltene  rede  waren  vortreflich 
Schubabt  br.  l,  62  Strausz. 

b)  formelhaft  in  religiöser  spräche  für  Christus  {gott)  und 
die  apostel:  Christus  unser  einiges  heubt  und  gr.  Luther 
24,  510  W.;  denn  so  fest  und  steif  der  felsz,  gr.,  Christus 
selber  ist  Jon.  Mathesius  Sarepta  52*; 

o  mach  dein  volclc  beilig  und  rein, 
sei  sein  haupt  und  grundstein 

gesangbuch  d.  brüder  in,  Behemen  (1560)  100; 

. . .  o  selig,  wer  baldt  schaut 

drob  Abraham  sich  freut,  undt  auf  den  grundstein  baut 

A.  Gkyphius  sonn-  u.  feiertagssonette  29  ndr.; 

ehr  {Judas)  war  ein  grundtstein  der  gantzen  christenheitt 
wie  Petrus  Lutheb  33,  305  W.;  da  . . .  die  zwölf  apostel 
als  grundsteine  der  mauern  angesehen  werden  Jung- 

StILLING   W.  3,  224. 

c)  vielfältig  bildmäszig  oder  halb  entsinnlicht  für  das,  was 
die  stütze,  grundlage  eines  dinges  oder  zustandes  darstellt: 
er  {der  text  Joh.  6,  47)  ist  der  gr.  unser  rechtfertigung 
Lutheb  33,  I6l  W.;  das  fundament  und  der  gr.  dieses 


bundes  ist  der  gesegnete  saamen  Dannhaueb  catechis- 
musmilch  1,  91 ;  nachdem  mahl  aber  das  vornemste  funda- 
ment des  kriegsstats  .  .  .  auf  dem  ertzstift  und  der  Stadt 
Colin  .  .  .  beruhen  that  .  .  .,  suchte  der  h.  reichscantzler 
gelegenheit,  dem  gegentheil  solchen  ansehnlichen  gr.  zu 
entziehen  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  2, 190;  sie  hätte  . . . 
keinen  andern  gr.  ihrer  wohlfarth  als  die  Vergessenheit 
Lohenstein  Arminius  2,  55*; 

so  rüttelt  letzt  mein  kiel  den  grundstein  aller  sätzc, 
den  ich  gewisz  auch  nicht  vor  unumstöszlich  schätze 

JOH.  Chk.  Günther  ged.  (1735)  673; 

diesen  gr.  befestiget  der  Verfasser  mit  schönen  gleich- 
nussen  Gottsched  beytr.  z.  crit.  hist.  4,  277;  das  poetisch 
wahre,  welches  der  gr.  alles  ergetzens  ist  Breitinger 
crit.  dichtkunst  1,  67 ;  tugend  {ist)  allein  der  echte  gr.  einer 
daurenden  Verfassung  Hebdeb  23,  45  S.;  grundsteine  der 
moral  und  religion  Kant  3,  324  akad.;  ein  ganzes  volk 
{ist)  ohne  den  gr.  des  Wohlstandes  niemals  zu  der  selbst- 
befreiung  einer  höheren  cultur  aufgestiegen  W.  H.  RiehIj 
dtsche  arbeit  241. 

d)  unter  betonung  des  beginnens,  anfangens,  eintretens 
'das  erste  factum,  auf  das  andere  folgen  oder  von  dem  eine 
entwicklung  ausgeht',  oft  durch  adj.  wie  erste  verdeutlicht: 
seit  dem  ersten  gr.  des  krieges  und  brudermords,  so  Cain 
an  seinem  bruder  Abel  begangen  Kirchhof  wendunmuth 
2,  300  Ö.;  das  war  der  erste  gr.  des  Verderbens  Beckeb 
weltgesch.  9, 483 ;  eine  vollständig  neue  verf assting,  als  deren 
erster  gr.  die  schon  früher  durchgesetzte  neuerung  er- 
scheint MoMMSEN  röm.gesch.  2,  104;  absolvi: 

. . .  allein  die  schlimmsten  wercke 

der  weiber  geben  noch  ein  werckzeug  ihnen  ab, 

. . .  ihrer  männer  grab 

zum  grundstein  ihres  glucks  ...  zu  machen 

Lohenstein  Sophonisbe  (1680)  61; 

es  ist  .  .  .  vielleicht  der  gr.  zu  seinem  künftigen  glücke 
Chph.  v.  Schmid  ges.  sehr.  8, 114;  wenigstens  halt  ich 
dafür,  dasz  die  alten  Jungfern  die  grundsteine  zu  hospi- 
tälern  gewesen  sind  Hippel  ehe  85;  mit  euch  bekommt 
unsere  familie  gr.,  stamm  und  wurzel  bis  auf  gott  hin 
und  vater  Adam  Herder  7,  5  8.;  hier  läge  denn  der  gr. 
meines  tagebuchs  Göthe  III  l,  9  W.;  als  den  anfang  und 
gr.  eines  ehrenvollen  lebens  Raupach  dram.  w.  ernst, 
gatt.  5, 176;  der  erste  keim  oder  der  gr.  einer  verworrenen 
geschiohte  G.  Keller  ges.  w.  4,  89. 

e)  als  Zwillingsformel  grund-  und  eckstein:  die  Stein- 
metzen .  .  .,  welche  den  grund-  und  eckstein  vollkommen 
bearbeiten  Göthe  25,  221  W.;  fürsichtige  regimentsrähte 
seyn  die  seulen,  die  grund-  und  ecksteine,  worauf  die 
paläste  der  könige  am  unbeweglichsten  ruhen  Butschky 
Pathmos  800;  allhie  lieget  der  grund-  und  eckstein  Jac. 
Böhme  sehr.  2,  113;  dies  {experiment)  ist  nun  der  grund- 
und  eckstein  des  newtonischen  optischen  werks  Göthe 
II  2,  26  W.;  die  'deutsche  grammatik',  der  grund-  und 
eckstein  von  Jacob  Grimms  deutschen  Studien  Scheeeb 
kl.  sehr.  1,10;  zusammengerückt:  usz  dem  folgt  diszer 
grundteckstein,  das  kein  gröszer  .  .  .  werck  ist  Judas 
Nazabei  V.  alten  u.  neuen  gott  9  Kück;  den  bisherigen 
eck-  und  grundstein  seiner  bürgerlichen  existenz  Hebbel 
w.  12,  42  W. 

f )  in  festen  verbalen  Verbindungen. 

a)  am  weitesten  ausgebreitet  den  (einen)  gr.  legen,  wozu 
wieder  häufig  verdeutlichendes  erst  beitritt;  eigentlich:  anno 
domini  ist  das  kornhaus  .  .  .  angefangen  zu  bauen  imd 
der  erste  gr.  gelegt  chron.  d.  stadt  Eger  54  Oradl;  der  erste 
gr.  zu  der  stadtmauren  ward  geleget  Schütz  hist.  rer. 
pruss.  (1592)  80*;  wer  ein  haus  will  bauen,  musz  den 
ersten  gr.  auf  seinen  beutel  legen  P.  Winckler  2000  gute 
gedancken  (1685)  b  1*;  die  bauleut  legen  den  grundtsteyn 
dahyn,  da  er  gewisz  und  fest  stehet,  das  er  den  gantzen 
bau  tragen  kan  Luther  12,  305  W.;  er  hat  .  .  .  sogleich 
in  Eisenach  den  gr.  zu  einer  neuen  bürgerschule  gelegt 
Göthe  IV  37,  264  PF./  in  substantivischer  wendung:  zu 
legung  des  grundsteines  {hätte  man)  den  hohen  geburts- 
tag  sr.  königl.  majestät . . .  angesetzet  Gottsched  neueste 


905    GRUNDSTEIN  2.  s — GRUNDSTEINLEGUNG 


GRUNDSTELLE  -  GRÜNDSTIMME  1       906 


9,  727;  Charlottens  geburtstag  durch  legung  des  grund- 
steins  zu  feiern  Göthe  20,  89  W.;  vgl.  die  feyer  des  grund- 
steinlegens  III  8,  261  und  grundsteinlegung  unten;  bild- 
lich im  sinne  'die  grundlage  herstellen^  {vgl.  c) : 

der  himmel  musz  durch  seinen  segen, 

damit  das  tiaus  besteht,  den  grundstein  darzu  legen 

Stoppe  Parnass  274; 

Tneist  aber  steht  die  Vorstellung  'den  anfang  machen,  fce- 
ginnen',  auch  'vorbereiten^  im  Vordergründe  {vgl.  d) :  ein 
guter  edelmann,  welcher  den  ersten  gr.  seines  adels  legt 
Ebiedbich  Wilhelm  sprichw.-reg.  {i&77)  n2b;  zuspre- 
chung ohne  leutseligkeit  legt  den  ersten  gr.  zur  feind- 
schaft  BüTSCHKY  Pathmos  682 ;  auf  das  wirken  dieser 
männer  folgte  dann  .  . .  die  Wirksamkeit  des  Bonifaz 
und  Odilo,  gewisz  mit  ganz  anderem  erfolge  als  in  Thü- 
ringen, wo  jener  den  ersten  gr,  zu  legen  hatte  Gervinus 
gesch.  d.  dtsch.  dicht.^  1,  75;  dissem  hochnützlichen  wercke 
nun  einen  anfang  zu  machen  und  den  gr.  darzu  gleich- 
samb  zu  legen,  resolvirte  der  könig  .  . .  v.  Chemnitz 
schwed.  krieg  1,  435;  so  seyn  hier  zween  steife  gr.  zu  dieser 
. . .  reformation  zu  legen  Guärinonius  greuel  d.  veru)ilst. 
(1610)843;  entschlossen,  noch  diesen  tag  den  gr.  ihrer 
wohlfarth  und  meiner  vergnügimg  ...  zu  legen  H.  A. 
V.  Zieqleb  asiat.  Banise  (1689)  491;  gelegenheit,  den  gr. 
zu  der  vierten  monarchie  zu  legen  v.  Fleming  soldat, 
vorher,  ö; 

.  . .  dasz  du  mit  reichem  segen 

des  himmels,  der  dich  liebt,  den  grundstein  müssest  legen 

der  neuen  Sicherheit  . . .  Opitz  opera  (1690)  1,  22; 

in  der  Übergangszeit  des  17.  Jahrhunderts  wurden  ...  in 
Holland  . .  .  die  grundsteine  moderner  . .  .  denkweisen 
gelegt  D.  Te.  Stbatjsz  ges.  w.  11,  3;  es  gilt  den  gr.  zu 
einer  neuen  Ordnung  der  dinge  zu  legen  Immeemann  w. 
h.&B. 
ß)  weniger  häufig  einen  gr.  setzen,  zum  gr.  setzen: 

(ah)  man  zu  morgens  da  wolt  allein 
anfangen  zu  setzn  die  gnindtstein 

Hans  Sachs  15,  469  K.-  O.; 

so  kömmt  sie  (die  liebe)  in  ein  fremdes  land 
und  setzt  den  grundstein  auf  den  sand 

Che.  Weise  grün,  jugend  überfl.  ged.  96  ndr.; 

meine  absieht  war,  einen  gr.  zu  künftigem  gemeinschaft- 
lichen bau  manches  wissenschaftlichen  denckmals  zu 
setzen  Göthe  IV  9,  71  W.;  der  herr  {hat)  ...  zu  erstem 
grundstain  aufgesetzt  Petrum  Beeth.  v.  Chiemseb 
teutsche  theol.  629  R.;  darumb  will  ich  solchs  mit  einer 
. . .  lugen  anfahen  und  die  zum  grundtstein  setzen  Jon. 
Nas  antipap.  eins  u.  hundert  3,  Sl^ ;  Salomo  setzet  zum 
gr.  der  weiszheit  die  erkantnisz  solcher  eitelkeiten  Haes- 
DÖEFEE  frauenzimmergesprächsp.  3,  245. 

2)  basisstein;  unterster  theil  der  säule,  sockd:  gr.  'vnrd 
von  dem  Goldmann  das  unterste  und  graste  glied  in  dem 
fuszgesimse  genennet  .  . .,  die  werckleute  hingegen  nennen 
es  platte'  Che.  Wolf  math.  lex.  626;  gr.  sode  Beil  265;  die 
Säulen  sind  von  ihrem  grundsteine  an  mit  ihrem  ganzen 
gebälke  58  fusz  hoch  Nicolai  reise  d.  Dtschld.  12,  93;  gr. 
'der  untere  mühlstein'  Ltteger  4,  799;  gr.  {in  der  mühle) 
gite  Beil  265. 

3)  als  name  vongestein,  bergmännisch  {wie  comp. -typ.  5  o  ?, 
so  Adelung  vers.  2,  832) :  gr.  ist  ein  grobes  sandgestein, 
mit  .  . .  quartzen  . .  .  vermenget  Schönberg  berginform. 
(1693)  2,  46;  sein  {des  'ziengebürges')  vor-  und  nachgebürge 
ist  ein  sandiger  gr.  im  rechten  mittel  H.  K.  Ejechmaiee 
instit.  mefall.  (1687)  43;  vgl.  Kbünttz  20,  287;  anders:  gr,, 
eine  kalkartige  felsgelDirgsart  Mothes  baulex.  2,  542;  gr., 
in  Ostgothland  eine  art  von  kalkstein,  der  die  vorwaltende 
gebirgsart  daselbst  ausmachen  soll  Voigt  mineralog.  .  .  . 
abhandl.  {1789)  2,  277;  als  'urgestein'  aufgefaszt:  gr.  röche 
originaire   Beil  265;    weiter:   gr.,   eine   sorte   bemstein 

Bechhold  hwb.d.nat.u.med.^  609^; steinlegung, 

/.,  als  compositum  ziemlich  jung,  vgl.  legung  des  grund- 
steins  oben,  erst  im  19.  jh.  auftretend;  der  vielfach  unter 
feierlichen  Zeremonien  vollzogene  act  des  beginns  der  bau- 
arbeiten,  bei  dem  der  grundstein  in  die  richtige  läge  gebracht 


wird  und  vom  bauherrn,  baumeister  u.  s.  w.  drei  symbolische 
hammerschläge  erhält,  vgl.  Göthe  20,  96^.  W.:  da  die 
warmen  tage  heranrückten  . . .,  wurde  das  fest  der  gr. 
des  hauses  gefeiert  Stifteb  s.  w.  2,  282  8.;  zur  feier  der 
gr.  wurde  eine  kleine  rede  gehalten  Moltke  ges.  sehr.  6, 
76;  die  feierliche  gr.  der  neuen  Griechenstadt  Mommsen 
röm.  gesch.  5,  348;  der  donner  des  geschützes  {verbündete) 
die  gr.  zum  denkmal  Friedrichs  des  groszen  Gutzkow 
ges.  w.  9,  180;  im  bilde:  Beethoven  {war)  . . .  schon  zu 
hoch  im  ausbau  der  kuppeln  so  vieler  anderer  dorne  be- 
griffen als  das  er  zur  gr.  eines  neuen  fugengebäudes  zeit 
gefunden  R.  Schumann  ges.  sehr.  2, 101 ;  die  mitarbeit . . , 
an  der  gr.  zur  . .  .  einigung  des  gesammtdeutschen  Vater- 
landes v.  Bennigsen  nationalliberale  partei  20. 

GRUNDSTELLE,  /.,  in  verschiedenster  Verwendung ; 
wie  comp.-typ.  S  o:  gr.,  in  der  gottesgelahrtheit  eine 
schriftstelle,  welche  den  beweis  von  einem  lehrsatz  ent- 
hält Scheader  dtsch.-frz.  1,  581;  etuxis  anders:  so  köst- 
liche grundstellen  diese  Schriften  auch  enthalten  Göthe 
46,  35  W.;  terminologisch  bei  Schottel:  dann  weil  offen- 
barlich  in  diesen  wörteren  {nämlich  sündentilger.  höllen- 
stürmer)  der  grund  ist  tilger,  Stürmer  . . .,  darumb  musz 
es  auch  nohtwendiglich  die  gr.,  das  ist  den  letzten  theil 
desz  Wortes,  einnehmen  t.  8prachkunst{l&i\)  126;  zu  comp.- 
typ.  5  i :  flachmuster  . . .,  die  dann  gleich  den  hoch  liegen- 
den masem  blank  polirt  werden,  während  die  grund- 
stellen duff  bleiben  Schönermabk-Stübee  915 ;  wie  comp.- 
typ.  5  f  'grundstück' :  auszer  der  rente  von  der  gr.  Garvb 
A.  Smith  nationalreichth.  (1794)  4,  274. 

GRUNDSTEUER,  /.,  seit  der  2.  hälfle  des  18.  jhs.  als 
juristischer  begriff  auftretend,  fehlt  noch  Adelung,  vgl. 
Campe  2, 475 ;  ältere  bezeichnung  ist  contribution  u.  a.,  vgl. 
hwb.  d.  staatsiviss.^  4  (1927),  1242/.,  woselbst  geschichtliches 
über  die  gr. ;  gr.  ist  im  weiteren  sinne  jede  real-  (ertrag-, 
Objekt-)  Steuer,  deren  besteuerungsgrundlage  der  grund- 
besitz  bildet,  im  engeren  sinne  eine  solche,  die  zum  gegen- 
ständ nur  den  imbebauten  grundbesitz  (die  Hegen- 
Schäften)  hat,  im  gegensatz  zur  gebäudesteuer  v.  Bitter 
hwb.  d.  preusz.  verwaltg.  1,  748;  er  genieszt  10  bis  20  frey- 
jahre,  während  welcher  er  keine  gr.  zahlt  Nicolai  reise 
d.  Dtschld  {1783 f.)  3,  153;  er  {Colbert)  zeigte  bey  der 
provinz  Montauban  die  möglichkeit  einer  bessern  und 
beständigen  einrichtung  der  grundsteuren  A.  v.  Haller 
ta^eb.  (1787)  2,  7;  unter  den  direkten  steuren  .  . .  scheinen 
mir  die  grundsteuren  . . .  die  zweckmäszigsten  K.  L. 
v.  Haller  rest.  d.  staatswiss.  2,  336 ;  eine  hohe  gr.  in  ge- 
treide  oder  in  geld  Mommsen  röm.  gesch.  5,  574 ;  die  Über- 
weisung eines  theils  der  grund-  und  gebäudesteuer  Ben- 
nigsen nationallib.  partei  132;  die  durch  auf  legung  der 
grund-  und  häusersteuer  einmal  begangne  Ungerechtig- 
keit Bismarck  ged.u.erinn.2,2ZQ;  in  zahlreichen  tri- 
compositis,  z.  b.  grundsteuerbuch  hwb.  d.  staatswiss.^ 
4,  1269;  -Steuererhebung  Luegee  6,  65;  -Steuer- 
freiheit Mommsen  röm.  gesch.  2,  381;  -steuerpflich- 
tig hwb.  d.  staatswiss.  2,355;  die  possessores  sind  die 
grundeigenthümer  oder  grundsteuerpflichtigen  Savigny 
gesch.  d.  röm.  rechts  4,  468. 

GRUNDSTIFTEN,  vb.,  'stiften,  gründen',  aus  grund- 
stifter  vereinzelt  gebildet:  so  hat  sie  gleichergestalt  ge- 
grundstiftet  in  dieser  stadt  denselben  loblichen  frawen- 
orden  D.  Federman  Niderlands  beschr.  (1580)  150;  — 
-Stifter,  m.,  'erster  Stifter,  gründer' :  Cäsar  {sei)  dieser 
statt  gr.  gewesen  D.  Federman  Niderlands  beschr.  (1580) 
253;  {er  sei)  ein  vater  und  gr.  des  geschlächtes  .  . .  gewesen 
0.  Dapper  America  (1673)  337;  —  -Stiftung,  /.,  vgl. 
comp.-typ.  5  o:  auszer  einzelnen  stücken  kaufte  er  die 
berühmte  Sammlung  des  herzogs  von  Mantua,  nachdem 
er  vorher  eine  gr.  gelegt  hatte  von  dem,  was  er  von 
seinem  bruder  erbte  Göthe  w.  49,  276  W. 

GRUNDSTIMME,  /.  {vgl.  comp.-typ.  5  d). 

1)  'bassstimme,  unterstimme' :  grund-  oder  unterstimme 
(bassus)  allein  zu  singen  Harsdöbtee  frauenzimmerge- 
sprächsp.  2,  245 ;  sofern  aber  die  bloszen  melodeyen  sollen 
von  liebhabem  gehöret  werden,  musz  ein  gut  fundament 


907      GRUNDSTIMME  2-4  —  GRUNDSTOCK 


GRUNDSTOCKVERMÖGEN-GRUNDSTOFF  i.  2    908 


bey  der  gr.  seyn  Neümark  poet.  u.  mus.  lustw.  (1652)  vorr. 
12^;  weil  man  sie  (die  noten)  in  einem  zur  gr.  gesetzten 
generalbasse  selten  zu  finden  pfleget  Heinichen  general- 
bass  (1728)  331;  der  generalbass  .  . .  musz  unfehlbar  eine 
bass-,  unter-  oder  grundstimme  sejoi  Mattheson  kl.  ge- 
neralbassschule  {17 S5)  41;  wie  kann  eine  musik  gut  klingen, 
wo  die  hauptstimmen  von  den  grundstimmen  . ,  .  über- 
täubet und  unterdrücket  werden  Quantz  anw.  d.  flöte  zu 
spielen  (1789)  186;  er  bemühet  sich,  den  unterschied  zu 
zeigen,  den  er  unter  dem  wesentlichen  generalbasse  und 
einer  technischen  und  methodischen  gr.  giebt  Gottsched 
netteste  3,  464, 

2)  gr.  ''hasse  fondamentale,  in  JRameaus  System  die  folge 
der  ideellen  grundtöne  der  harmonien^  H.  Riemann  mu^ik- 
lex.^  414^'  (s.  grundbass  sp.  754). 

3)  gr.,  Hn  der  orgel  eine  stimme,  welche  auf  die  taste  c 
au^h  den  ton  c  oder  eine  seiner  oktaven  gibV  ebda;  hinsicht- 
lich der  tonhöhe,  welche  die  pfeifen  eines  registers  geben, 
unterscheidet  man  grundstimmen  (hauptstimmen)  und 
hilfsStimmen  ebda  801*. 

4)  grundstimmen  oder  radicalstimmen  eines  accords 
werden  diejenigen  genennet,  welche  unter  sich  selbst 
keine  8ve  (octave)  noch  unisonum  ausmachen  Heinichen 
generalbass {1728)  558  anm.  —  -stim.mung,f.,  vgl.  comp.- 
typ.  5  o,  p,  Stimmung,  die  die  eigentliche  basis  einer  ge- 
fühlslage  bildet:  wie  es  zwei  allgemeine  grundstimmungen 
des    gemüthes    giebt,    heiterkeit    .  .  .    und    betrübnisz 

SCHOPENHAtTER   W.  2,  536  ör.; 

aus  vier  grundstoflfen  Ist  gemischt  die  körperweit, 
die  als  grundstimmungen  dein  innres  auch  enthält 

EÜOKERT  w.  8,  406; 

einfache  menschen  werden  sich  ihrer  gr.  oft  kaum  be- 
wuszt  RosEGGER  5cAr.  II 2,  211;  die  gr.  seiner  seele 
Treitschke  hist.  u.  polit.  aufs.  1,  466;  ein  ernster,  fester 
mann  mit  tragischer  gr.  Scherer  litteraturgesch.  324 ;  die 
gr.  dieser  jungrömischen  schule  ...  ist  vorwiegend  die 
lyrische  gefühlspoesie  F.  Greoorovius  wanderjahre  in 
Italien'^  (1874)  2,  260;  objectsbezogen:  die  bunte  fülle  des 
einzelnen  darin  ist  durch  die  einheit  der  gr.  sehr  fest 
zusammengehalten  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6,  237 ;  allein 
durch  eine  solche  änderung  wäre  .  .  .  die  ganze  gr.  des 
lessingschen  Stückes  alterirt  worden  2,  79;  die  gr.  des 
ganzen  romans  {ist)  die  einer  schwärmenden  resignation 
G.  Freytag  ges.  w.  16, 165. 

GRUNDSTOCK,  m.,  im  16.  jh.  auftretend  als  compo- 
situm von  stock  2  {vgl.  th.  10,  3,  1  sp.  16),  ''stamm,  haupt- 
schosz  einer  pflanze'' :  der  gr.  oder  bäum,  der  zwy  {zweige) 
gibt  matrix  arbor  Frisius  805  und  die  von  ihm  abhängigen 
lexikographen,  so  noch  Dentzler  cfev.  (1716)  142^;  bei 
Adelung,  Campe,  Heinsius  fehlt  gr.  überhaupt;  ent- 
sprechend bildlich:  auf  sorgfältige  Vermeidung  aller  ärger- 
nisse  und  die  exstirpation  ihrer  eigentlichen  grund- 
wurtzeln  und  -Stocks  . .  .  gerichtet  gb.  Zinzendorf  Sieg- 
frieds bescheidene  beleucht.  (1744)  89;  aus  diesem  ersten 
gr.  wächst  .  .  .  die  fernere  Jüngerschaft  Jesu  .  .  .  zweig 
um  zweig  heraus  D.  Fr.  Stbattsz  ges.  w.  4,  125 ;  vergleich- 
bar: aus  den  späteren  denkmälern  der  einzelnen  indo- 
germanischen stamme  den  gemeinsamen  gr.  ...  er- 
schlieszen  Fb.  Kluge  etym.  wh.^  xn,  doch  sind  diese 
fälle  schwerlich  unmittelbare  erben  des  alten  gebrauchs,  denn 
das  gegen  ende  des  18.  jhs.  wieder  auftauchende  gr.  hat  als 
neubildung  {im  sinne  der  comp.-typ.  5  o  bzw.  p)  von  stock 
5  f  bzw.  g  {vgl.  th.  10,  3,  1  sp.  37)  zu  gelten,  vgl.  das  erste 
gold,  das  ich  zum  grund  des  künftigen  Stocks  auf  Zinsen 
legte  Klinger  w.  9,  147;  wie  ^grundkapitaV :  ich  fühle  ..., 
dasz  ich  von  dem  gr.  meines  Vermögens  nichts  zugesetzt 
habe  Göthe  IV  5,  72  W.;  man  . .  .  schlägt  die  Wahrheit 
nicht  nach  ihrem  ewigen  gr.,  sondern  nach  der  rente  an, 
die  sie  für  den  augenblick  abwirft  Gutzkow  ges.  w;.  7,  317; 
hauptbedeutung  jedoch  'der  erste,  die  grundlage  einer  sache 
bildende  bestand,  aus  dem  sich  ein  gröszeres  gebilde  ent- 
wickelt^ :  der  erlös  .  .  .  war  der  gr.  ihrer  .  .  .  wunderschätze 
L.  V.  Francois  l.  Reckenburgerin  l,  173;  Viehzucht  und 
ackerbau    .  .  .    sind    .  .  .    der   gr.    des    Staatsvermögens 


Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  35,  33;  (er)  ersuchte  ihn,  diesen 
fund  als  gr.  einer  Sammlung  anzusehen  Auerbach  sehr. 
6,  60 ;  die  vielen  unehelichen  kinder  {sind)  .  .  .  überall  ein 
zuverlässiger  gr.  für  ländliches  Proletariat  Scheffel  ges. 
w.  3,  134;  diese  gesänge  .  . .  wurden  also  der  gr.  dea 
dramas  Hebbel  tageb.  2,  130  W.;  auf  solche  weise  . . . 
entstand  der  gr.  seiner  {Handels)  schönen  .  .  .  sätze  für 
das  clavier  Chbysandee  Händel  1,  143;  feste  Verbindung 
ist  den  gr.  bilden:  diese  drei  .  .  .  Sammlungen  bildeten 
den  gr.  dieses  hellenistischen  schriftthums  Döllingeb 
akad.  vortrage  1,  168;  {gedichte,)  welche  den  gr.  seines  'ir- 
dischen Vergnügens  in  gott'  bilden  Schebeb  litteratur- 
gesch. 349;  wie  nahe  für  moderne  spräche  gr.  an  grundstein 
gerückt  ist,  zeigt  den  gr.  legen:  der  gr.  zu  der  heutigen 
argentinischen  marine  wurde  1874  .  .  .  gelegt  v.  Alten 
1,  458;  zu  stock  4  k  {vgl.  th.  10,  3,  1  sp.  33)  technisch:  der 
gr.,  auf  dem  die  centrifuge  gebaut  ist  Muspbatt  chemie 
6,  796;  als  'unterstes  Stockwerk''  eines  gebäudes:  die  kugel- 
festen gewölbe  im  gr.  W.  v.  Polenz  Qrabenhäger  1,  27.  — 
-stockvermögen,  n.:  das  grundvermögen  der  stadt- 
gemeinden, das  hier  {in  Hessen- Nassau)  gr.  genannt  wird 
Bitter  hwb.  d.  preusz.  verw.  l,  635;  und  alles  zusammen- 
schmilzt bis  auf  den  bauch,  der  als  christlich-germani- 
sches gr.  übrig  bleiben  musz  Fb.  Hecker  in:  br.  von  u. 
an  Herwegh  250. 
GRUNDSTOFF,  m. 

1)  die  einfachen  als  untheilbar  gedachten  Substanzen  eines 
körpers,  urstoff,  element,  vgl.  comp.-typ.  5  p;  bei  Adelung 
2, 836;  grundstoffe  oder  unzerlegte  stofEe  (chemisch) 
HoYEB  wb.  d.  artillerie  (1804)  2,  206;  Stoffe  .  . .,  die  man 
nicht  weiter  .  .  .  zerlegen  konnte,  haben  den  namen  che- 
mische elemente  oder  grundstoffe  erhalten  Stöckhabdt 
ehem.  feldpred.  1,  6;  der  .  .  .  chemiker  .  .  .  vermuthet,  .  . . 
dasz  sie  aus  den  und  den  grundstoffen  bestehen  möge 
Fb.  Schlegel  s.  w.  12,  64;  zwar  bestehen  die  organisirten 
gebilde  vorzugsweise  aus  den  .  .  .  sogenannten  organi- 
schen grundstoffen  Sömmebbing  menschl.  körper  8,  l,  74; 
die  materie  zersetzt  und  trennt  sich  in  ihre  grundstoffe 
Hufeland  kunst  56;  der  stein  der  weisen,  der  die  heute 
noch  unzerlegten  Stoffe  ineinander  umwandelte  und  aus 
einem  höheren  grundstoffe,  wenn  nicht  dem  urstoffe 
selber,  erzeugte  du  Bois-Reymond  grenzen  d.  naturerk. 
3, 10;  allgemeiner  die 'ersten  und  wesentlichen  bestandtheile"  : 
kalkerde,  .  .  .  beygemischtes  wasser  und  vorzüglich  mehr 
oder  weniger  brennstoff  können,  mit  der  zuckersäure 
verbunden,  die  grundstoffe  zu  den  mancherley  pflanz - 
säuren  darbieten  Westeumb  cAew.  (1788)  42;  so  besteht 
jede  spräche  aus  andern  . .  .  grundstoffen  W.  v.  Hum- 
boldt in  Fr.  Schlegel  dtsches  museum  2,  499. 

2)  der  als  ausgangsstoff  aller  materie  gefaszte  'urstoff,  ur- 
materie':  Diogenes  hielt  die  luft  für  den  gr.  aller  dinge 
Tennemann  grundrisz  d.  gesch.  d.  phil.*  59; 

diese  (natur)  nennen  wir  auch  in  unserer  lehre  den  grundstoff, 
allerzeugende  körper,  die  saamen  und  Stoffe  der  dinge 

K.  L.  Knebel  Lukrez  5; 

in  weiterem  sinne  der  ausgangsstoff  eines  productes  all- 
gemein {s.  au^h  comp.-typ.  5  k):  der  gr.  der  färben  schreibt 
sich  nirgends  anders  her  als  von  dem  Schwefel  Göthe 
II  3,  300  W.;  da  kupfer  der  gr.  dessen  ist,  was  wir  .  .  . 
bronze  nennen  H.  Meyer  in  Winckelmänn  w.  (1808^.) 
5,  426;  von  den  produkten,  die  eine  glasartige  erde  zum 
grundstoffe  haben  Muspbatt  7,  516; 

ich  sahs,  als  dieser  unförmliche  klumpen, 
als  der  grundstof  der  weit  auf  seinen  befehl  sich  in  häufen 
(sammelte)        Zachakiä  poet.  sehr.  6,  300; 

der  gr.  der  moralischen  weit  hält  gewisz  auch  durch- 
gehends  die  fähigkeiten  der  tugend  in  sich  S.  Laboche 
frl.  V.  Sternheim  2,  172;  das  germanische  volk  {hat)  ...  so 
vielen  ächten  tüchtigen  gr.  in  die  epoche  mit  eingebracht 
.  .  .,  welche  das  christenthum  in  der  geschichte  und  bil- 
dung  der  Völker  machte  E.  M.  Arndt  sehr.  2,  427;  aber 
wahrnehmen,  vergleichen  .  .  .  erfordern  eine  von  aus- 
dehnung  und  bewegung  ganz  verschiedene  bestandheit, 
einen  andern  gr.  M.Mendelssohn  ges.  sehr.  2,  160;  alle 


909   GRUNDSTOFF  3.  * — GRUNDSTÜCK  i 

unsre  einfachen  Vorstellungen  und  hiermit  der  ganze  gr. 
unseres  bewusztseins  sind  wirkliches  geschehen  in  un- 
serer seele  Hebbart  w.  l,  266  H. 

3)  Stoff,  der  grundlage  und  quelle  einer  dichtung,  einer 
abhandlung  u.  s.  w.  ist:  der  gr.  (bei  jeder  dichtung)  musz 
allemal  kenntlich  seyn  und,  wo  möglich,  existirt  haben 
Ramler  einleitg.  2,  117;  so  wählt  der  dichter  seinen  grund- 
stof  am  liebsten  aus  der  .  .  .  geschichte  Eschenbttbg 
entwurf  155;  immer  bleibt  diese  geschichte  der  gi.  der 
ebräisehen  gesetzgebung  und  dichtkunst  Hebdeb  w.  12, 
311  S.;  auf  diesen  mitgetheilten  gr.  eine  ordentliche  ge- 
schichte der  deutschen  Schaubühne  .  , .  bauen  Gott- 
sched nöthiger  vorrath  c  2P  vorr.;  der  gr.  unseres  ge- 
spräches  W.  Raabe  Schüdderump  1,  8. 

4)  entsprechend  cotnp.-typ.  5  i:  die  Verzierungen  auf  dem 
rothen  gr.  .  .  .  werden  mit  goldcordonet  gemacht  kirchen- 
schmuck 16  (1864),  30;  ein  seidenfaden  {wird)  ...  in  den 
gr.  eingeführt  Dillmont  encycl.  d.  weibl.  handarb.  38. 

GRUNDSTRICH,  m.  l)  im  17.  jh.  als  'basislinie'  einer 
geometrischen  figur,  vgl.  gr.,  bodenlini  basis  figurae  planae 
Kepler  opera  5,  611;  wann  die  grundstriche,  durch  welche 
der  schnitt  gegangen,  einander  gleich,  so  .  .  .  517;  sie 
wollen  aber  diese  figur  also  gestochen  wissen,  dasz  der 
leu  im  triangel  die  spitze,  die  widder  am  grundstriche 
(oder  dreieckboden)  die  rechte  und  der  schütz  die  lincke 
Seite  halte  E.  Fbäncisoi  eröffn.  lusthaus  (1676)  1419.  2)  als 
avsdruck  der  schreibkunst  erst  im  späten  18.  jh. :  gr.,  die 
ersten  striche  zu  einem  buchstaben,  jambage  Schrader 
dtsch.-frz.  (1781)  1,  581;  im  gegensatz  zu  den  feineren  schrä- 
gen haarstrichen  (aufstrichen)  sind  die  grundstriche  (ab- 
striche) die  dickeren  senkrechten  striche  eines  buchstabens; 

in  der  anleitung  .  .  .  werden  ...  die grundstriche  zur 

kurrentschrift .  .  .  beschrieben  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  37-52, 
248;  die  geraden  und  krummen  grundstriche  und  züge 
unserer  symbolischen  und  typischen  .  .  .  handschrift 
Hamann  sehr.  6,  41;  die  handschrift  is  wie  von  ner  dame, 
blosz  ein  biszchen  zu  dicke  grundstriche  Fontane  w.  I 
10,  454.  3)  die  ersten,  einfachsten  und  das  wesentliche  dar- 
stellenden striche  einer  Zeichnung  u.  ä. :  so  künstlich  aber 
auch  ihre  figuren  aussehen,  so  .  .  .  bestehen  sie  doch  alle 
aus  folgenden  wenigen  grundstrichen  Gottsched  neueste 
2,  333;  da  haben  sie  ein  paar  grundstriche  von  dem  ge- 
mälde,  das  der  mühe  nicht  werth  ist,  vollendet  zu  werden 
Chr.  A.  Fischer  Genf  (1796)  79;  die  fünf  sinne  reichen 
ihr  (der  einbildung)  nur  die  kartons,  nur  die  gnmd- 
striche  des  Vergnügens  oder  miszvergnügens  Jean  Paul 
w.  1,  383  H.;  (man)  wird  ...  sie  (die  ereignisse)  nicht 
so  äuszerlich  mit  groben  grundstrichen  aufzeichnen 
P.  Heyse  ges.  w.lZ,i3S;  nach  diesen  grundstrichen 
können  sie  meine  jetzige  Situation  . .  .  vollkommen  beur- 
theilen  Hebbel  br.  5,  33  W. ;  so  dasz  die  regeln  der  Sprach- 
lehre mit  den  grundstrichen  ihres  Charakters  parallel 
laufen  Herder  w.2,27S.;  une  'grundzug':  wo  der  gr. 
des  nationalcharakters  phlegma  ist  Campe  br.  aus  Paris 
179.  5)  der  unterste  anstrich  (vgl.  comp.-typ.  5  i):  das  bley- 
weisz  ist  also  der  unterstrich  oder  gr.  Krünitz  200,  69; 
gr.  MusPRATT  ehem.  6,  1820.  —  -Strömung,/.,  die  Strö- 
mung in  der  tiefe,  die  das  innerste  wesen  repräsentiert;  in 
der  hauptsache  uneigentlich  verwendet:  ein  von  den  geisti- 
gen mächten  der  zeit  genährter  Staatsmann,  dessen  blut 
an  den  tiefen  und  bleibenden  grundströmungen  haftete 
Meinecke  v.  Boyen  l,  222;  um  sie  (die  klöster)  als  grund- 
strömungen des  katholischen  lebens  anzufeinden  B.  We- 
ber cartons  433 ;  die  gr.  ist  das  gemüth  imd  gewissen,  die 
ganze  sittliche  Constitution  des  menschen  B.  Goltz  hinter 
d.feigenbl.  1,  37. 

GRUNDSTÜCK,  n. 

1)  mit  der  2,  hälfte  des  16.  jhs.für  älteres  gleichbedeutendes 
stück  (II  C  2,  s.  th.  10,  4  sp.  212)  im  sinne  des  comp.-typ.  5  f 
auftretend  und  das  simplex  schriftsprachlich  völlig  zurück- 
drängend; in  der  ma.  kaum  aufgenommen  vgl.  Fischer 
Schwab.  3,  879;  grundstücke  immobilia  Schottel  473;  gr. 
fondo,  podere,  campo,  vigna  ö  simil  bene  stabile  Kramer 
teutsch-ital.  2,  1019;  wie  bei  stück  II  C  2  verbindet  sich  mit 


GRUNDSTÜCK  2 


910 


gr.  gegenüber  grundeigenthum,  gnmdbesitz,  liegende 
gründe  u.  s.  w.  der  begriff  der  mehr  oder  minder  eng  be- 
grenzten bodenfläche,  die  auch  theil  eines  gröszeren  ganzen 
sein  kann;  vil  zertailung  irer  eitern  gründ  und  Wein- 
garten .  .  .,  also  das  oft  manichs  grundstuck  und  Wein- 
garten in  2,  3  und  4  stuck  zertailt  worden  österr.  weisth. 
10,  195  (v.  j.  1572);  dann  so  er  allein  in  bedencken  nemme, 
dasz  der  ander  brueder  nach  mit  ihme  oder  seinem  vatter 
gehaltener  theilung  .  . .  seine  gründtstück  besser  alsz  die 
eignen  . .  .  gemacht  hette  und  darumben  eine  neue  ab- 
theilimg  begeren  dürfte,  so  soll  er  solche  neue  abtheilung 
der  güeter  .  .  .  erlangen  A.  Wagner  decretum  (1599)  38»; 
der  Inhaber  des  verpfenten  grundstücks  stadtrecht  v.  Mün- 
chen 223  Auer  (v.  j.  1571). 

a)  ländliches  oder  städtische  stück  grund  und  boden  ohne 
baulichkeiten:  die  khaufbrief  umb  die  heuser  imd  grund- 
stuckh  im  burckhfridt  gelegen  ebda  244  (v.  j.  1572); 
schätzimg  der  bürgerlichen  häuszer,  städel  und  grund- 
stücker LoRi  baier.  bergrecht  423^  (v.  j.  1655);  ist  auch  ein 
jeder  richter  der  burgerschaft  zu  iren  gruntstikern  .  . . 
die  weg  zu  machen  schuldig  lassen  österr.  weisth.  10,  219 
(y. /.  1688);  imbewegliche  guter  als  haus,  hof,  gärten, 
grundstuck  und  felder  Matth.  Abele  v.  Lilienberq 
künstl.  unordn.  3,  216;  so  der  gesalbten  und  geweichten 
priesterschaft  . . .  gantze  wisen,  äcker  und  grundstuck 
abschneiden  Abraham  a  s.  Clara  Judas  4,  78;  (bei  kauf 
eines  gutes  ist  zu  beachten,)  ob  .  . .  nahend  angräntzende 
Wasser  ...  an  den  grundstücken  nicht  zu  Zeiten  .  .  . 
schaden  v.  Hohberg  georg.  cur.  1,  10;  ein  landesherr  ist 
.  .  .  berechtigt,  sich  derer  häuser  und  grundstücken  derer 
untherthanen  .  . .  anzumaszen  v.  Fleming  soldat  386 ;  der 
bauer  besitzt  seine  grundstücke  als  nutzbares  eigenthum 
allg.  dtsche  bibl.,  awA.  37-52,  921;  sein  gütchen  war  nach 
und  nach  durch  ankauf  neuer  grundstücke  eine  ansehn- 
liche besitzung  geworden  Wieland  s.  w.  (1853^.)  9,  206; 
auch  vergnügte  uns  .  .  .  der  anblick  einer  menge  von  an- 
gebauten grundstücken  Forster  s.  sehr,  l,  74;  ein  gutes 
teil  der  viel  zerhackten  und  durchfurchten  grundstücke 
G.  Keller  ges.  w.  l,  14;  die  grundstücke  umgeben  ge- 
schlossen den  hof  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  10 ;  vgl. 
grundstücke  'die  das  dorf  umgebenden  äcker,  unesen, 
weiden'  K.  Bruns  volkswörter  d.  prov.  Sachsen  27*. 

b)  von  meist  städtischem,  seltener  bäuerlichem,  grund- 
besitz  als  ganzem  einschlieszlich  der  gebäude  anscheinend 
jünger,  vgl.  Jacobsson  5,  752*,  Helfft  wb.  d.  landbau- 
kunst  165,  Heynatz  syn.  wb.  l,  89^  und  weniger  ausge- 
breitet: dessen  herr  vater  ...  in  der  nachbarschaft  ver- 
schiedene herrliche  grundstücke  .  . .  besasz  Leipziger 
avanturieur  (1756)  1,  265;  als  das  gr.  nach  seinem  abieben 
in  andere  bände  kam,  verfiel  das  gebäude  nach  und  nach 
GÖTHE  49,  341  W.;  wenn  er  ihm  seinen  willen  tun  und 
beide  grundstücke  (den  meierhof  und  das  haus  in  Dresden) 
übernehmen  wolle  H.  v.  Kleist  w.  3,  159  Schm.;  wo 
wohnt  hier  der  Schneidermeister?  .  .  .  just  am  andern 
ende  drüben,  das  vorletzte  gr.  Holtei  erz.  sehr.  4, 147; 
wir  haben  ein  recht  schönes  gr.  —  das  heiszt  nur  ge- 
miethet  G.  Hauptmann  eins,  menschen  29;  ähnlich  als 
ganzes  von  ländlichem  besitzthum: 

. . .  ein  treffliches  grundstück, 

schön,  voll  rebenhügel  und  ackerfluren 

BüRaEE  s.  w.  232  B.; 

das  ganze  gr.  (ist)  in  einem  gröszeren  besitz  aufgegangen 
und  auch  der  hof  längst  verschwunden  G.  Keller  ges.  w. 
6,  30;  ähnlich  schon:  welches  hammergut  und  gr.  im  . .  . 
Waldeck  liegt  Lori  baier.  bergrecht  479  (v.  j.  1670). 

2)  wie  comp.-typ.  5  h  'sockel,  Untersatz',  vgl.  gr.  posti- 
ment,  stereobata,  .  .  .  basis  Aler  dict.  (1727)  l,  990^',  Stein- 
bach 2,  755,  wohl  als  steinerne  grundblöcke  aufzufassen: 
da  denn  im  ausgraben  der  fundamenta  schöne  geschlos- 
sene gnmdbogen  und  gewölber  von  den  besten  grund- 
stücken, sehr  künsthch  ausgehauene  seulen  und  gesimser 
unter  der  erden  . .  .  gefunden  worden  F.  v.  Troilo  orten- 
tal.  reisebeschr.  (1676)  84;  auf  dem  im  jähr  1574  ausge- 
grabenem marmernem  grundstücke  G.  Arnold  kirchen- 
u.  ketzerhist.  (1699)  43»; 


911   GRUNDSTÜCK  3  -  GRUNDSTÜTZE 

die  pfeiler,  welche  dich  dereinsten  eollen  stützen,  .  . . 

bekommen  allzufrüh  und  allzu  viele  ritzen, 

ein  grund-  und  quaderstück  fällt  nach  dem  andern  ein 

Henrici  ged.  (1727^.)  1,  191; 

die  gmndstücke  der  treppenwangen  calces  scaporum 
Rode  Vitruvius,  anh.  12;  gr.  'auch  gnmdstein,  auf  dem 
eine  banlc  u.  dgl.  befestigt  isV  Müller-Fbaubeuth  1, 
447*;  grundstücke,  pierres,  die  1  bis  l^/j  eilen  lang  und 
eine  halbe  eile  im  geviert  haben  Fäsch  kriegslex.  {1735) 
846»;  gr.  ...  'heiszt  in  den  meisznischen  landen  die  ge- 
wöhnliche Sorte  bausteine  von  Sandsteine"  Mothes  baulex. 
2,  542,  wohl  weil  als  steine  für  den  grundbau  benutzt;  'unter- 
theiV:  {Klopstock  fügt)  seinem  fragmente  hier  noch  eins 
und  andres,  tiefer  von  dem  grundstücke  des  baues  her- 
genommen (hinzu)  Gebstenbebg  merkwilrdigkeiten  294 
lit.-dkm.;  nach  Campe  2,  475  heiszt  in  der  anatomie  ^ein 
theil  des  Steigbügels  im  ohre  das  gr.  {basisY;  diese  mutze 
besteht  aus  einem  gr.  von  musselin  Niebuhr  nachgel. 
sehr.  215;  uneigentlich:  wer  ...  die  zahl,  das  masz  und 
ge^vicht  als  wesentliche  grundstücke  .  . .,  auf  welchen  die 
Wahrheit,  gerechtigkeit  und  billigkeit  gebauet  werden 
müsse,  ansieht  neuer  büchersaal  (1745^.)  9,  499;  m^hr  wie 
comp.-typ.  5  o:  in  den  grundstücken  der  religion  gemein- 
schaft  und  einhälligkeit  {haben)  Valvassor  hzthm.  Crain 
(1689)  2,  376. 

3)  das  'erste,  ursprüngliche  stück,  dement'  {vgl.  comp.- 
typ.  5  p):  die  grundlehr  von  den  dementen  und  grund- 
stücken aller  endschaftlichen  dinge  E.  Weigel  toürkung 
d.gemüths  (1684)  35;  beziehungen  der  grundstücke  und 
Substanzen,  die  den  stofE  des  weltbaues  ausmachen  Kant 
1,  293  H.;  gr.  ....  'die  einfachen  theile  .  . .,  woraus  die 
körper  bestehen'  Adelung  2,  832;  als  Übersetzung  von  prin- 
cipium :  die  worte,  die  Renatus  des  Cartes  in  seinen  grund- 
stücken der  Philosophie  gebraucht  Knobb  v.  Roseneoth 
pseudodoxia  (1680)  473  (=  de  principiis  philosophiae);  die 
grundlehrsätze  des  .  .  .  festungsbaues  samt  den  anfangen 
und  grundstükken  des  feldmässens  Zesen  kriegsarbeit 
(1672)  1,  *7a  vorr.;  jenes  principalstück  als  das  gr.  gibt 
grundzahlen  E.  Weigel  a.  a.  o.  56.  —   -stürzend,  adj., 
aus  formelhaftem  zu  gründe  stürzen  {Irans.,  vgl.  sp.  691) 
entwickelt  und  seit  dem  16.  jh.  als  feste  zusammenrückung 
bezeugt;  in  der  regel  übertragen  verwendet,  Campes  grund- 
stürzende erdbeben  2,  475  sind  papieren;  alt  grundstür- 
zende irrthümer,  eigentlich  'irrlehren,  die  alles  bestehende 
wnstoszen' :  Mahomeds  grundstürtzende  irrthümer  fraszen 
um  sich  wie  der  krebs  Mabtin  Dietrich  nachricht  v.  d. 
rdigionszustande   (1539)  5;    dieselbe    kirche   hat   grund- 
stürzende irrthümer  Thomasiüs  ernsth.  gedancken  4,  245; 
dieser  gottlose  mann  {behauptet)  .  , .  schändliche  grund- 
stürzende  irrthümer   Nicolai   Seb.  Nothanker  l,  40;    in 
neuerer  spräche  mehr  als  affectvoller  ausdruck  für  'voll- 
ständig, gründlich'  gefaszt  {s.  auch  grundlegend) :  um  die 
dogmen  der  kirche  religiös  verwendbar  zu  machen,  musz 
man  das  jüdische  gift  in  ihnen  entfernen,  den  grund- 
stürzenden irrthum  vom  werthe  des  einmaligen  faktums 
Pafl  de  Lagarde  dtsche  sehr.  30l;  {der  trojanische  krieg) 
ist  dadurch  .  .  .  der  unerschöpfliche  quell  aller  der  grund- 
stürzenden   miszverständnisse    geworden    F.  Schlegel 
pros.  jugendschr.  1,  229  Minor;  in  Zusammenhang  mit  aus- 
drücken des  veränderns  aber  besser  bewahrt,  'umwälzend'  : 
nur  eine  .  .  .  grundstürzende  Umgestaltung  konnte  helfen 
Philippson   in:  allg.  weltgesch.  9  (1889)  647;   grundstür- 
zende reformen  galten   .  .  .   als  ausgeschlossen  hwb.  d. 
staatswiss.^  2,  204;  adverbial:  gr.  ...  hatte  . .  .  gewirkt, 
dasz  ...  4,  838;  substantiviert:  die  tückische  bosheitdes 
glucks  hätte  wirklich  nichts  so  grausames  . . .,  so  grund- 
stürzendes für  alle  seine  projekte  herausgrübeln  können 
BoDE   gesch.d.  Thom.  Jones  1,218.    —    -stürzung,  f.: 
grundstürzungen,  wenn  der  grund  unter  der  ...  in- 
wendigen dossirung  des  deiches  von  dem  überstürzenden 
Wasser  .  . .  ausgewühlet  worden  Benzler  deichbau  2,  269. 
—  -stütze,  /.,  'die  basis  bildende  stütze'  {vgl.  comp.-typ. 
5  h):  gr.,  fundamen  Steinbach  2,764;  da  immer  eine 
seule  auf  der  andern  stehet,  welche  mit  absätzen  oder 
grundstützen,  pieds  d'etaux,  von  einander  unterschieden 


GRUNDSUPPE  1.  2 


912 


Staat  d.  königr.  Persien  18  Olearius;  man  betrachte  gleich 
das  fundament  und  gr.  desselben  {körpers)  Volkamer 
nürnberg.  Hesperides  (1708)  55;  übertragen:  der  aberglaube 
{findet)  an  den  tückischen  gemüthern  seine  rechte  grund - 
stützen  J.  Chr.  ICbügeb  d.  geistlichen  a.  d.  lande  (1743) 
101;  die  zweckmäszige  Wechselwirkung  beider  {klassen) 
ist  die  wahre  gr.,  auf  welcher  die  Verbesserung  des  men- 
schengeschlechts  beruht  Fichte  s.  w.  4,  364;  die  höchsten 
eigenschaften  .  .  .  gottes  zu  entwickeln,  die  der  Vernunft 
und  religion  der  menschheit  zu  ewigen  grundstützen 
dienen  werden  Herder  w.  12,  77  8. 

GRUNDSUPPE,  /.,  mhd.  einmal  als  gruntsophe  be- 
legt, im  16.  jh.  stark  verbreitet,  namentlich  von  Luther  als 
kraftwort  viel  variiert  {s.  u.  3),  bis  ins  19.  jh.  literatur- 
sprachlich veraltet  es  späterhin;  mundartlich  z.  th.  gehalten 
vgl.  Schambach  70»';  Bauer-Collitz  41^,  Woeste-Nörr. 
86b;  ^gi  jyi^i  grontsop,  n.,  ags.  grundsopa,  m.  Bos- 
wobth-Tollee  suppl.  489*,  überall  in  der  bedeutung 
'bodensatz' ;  formelhafte  Verbindung  hefe  und  gr.  {s.  u.  3  e). 

1)  eigentlich:  'bodensatz,  der  auf  dem  gründe  einer  Flüssig- 
keit abgelagerte  niederschlag' ;  vgl.  grundsupp  fcex  fundi, 
crassamen,  sedimen  Henisch  1769;  so  der  {hefige)  'rest 
im  weinfasz,  neige' : 

(Servatius)  . . .  gemerte  die  lützeln  trophen. 

da  wuochsen  die  gruntsophen, 

ie  baz  und  baz  si  erspruzzen 

s.  Servatien  leben,  s.  254  Wilhelm; 
mit  besonderer  betonung  des  ungenieszbaren,  unbrauch- 
baren bei  Henisch  1769:  grundsuppen,  neigent,  ver- 
rochener  und  verdorbener  wein  vappa;  entsprechend  bei 
andern  flüssigkeiten  vom  bodensatz  oder  den  rückständen: 
van  der  seycken  {urin)  dat  gloem  of  grontsop  sedimen 
v.  D.  ScHUEREN  Tcuthon.  232"  Clignett;  setzt  sich  das  grob 
zu  boden,  alsdann  seyhe  das  oberst  gemach  herab,  daz 
ist  zu  brauchen,  so  das  dicke  nichts  soll  und  nur  ein 
gnmdsupp  ist  Wirsung  artzneybuch  (1568)  12*;  die  grund- 
suppen der  salben  magma  B.  Faber  thes.  (1587)  474^;  die 
gar  zu  schöne  gr.  {des  kaffees)  soll  sich  meine  frau  auf- 
heben Troschel  reise (1784)  162;  grundzoppe  'die  dickeren 
teile  der  suppe'  Schambach  70*;  in  der  nicht  ungegrün- 
deten meinung,  die  kraft  der  güUe  zu  erhöhen,  liesz  ich 
die  gr.  dabei  fleiszig  aufrühren  Schwebz  ackerbau  72; 
vom  schlämme  des  wassers:  under  welchem  {wasser)  eine 
dicke  gr.,  der  schlam  .  .  .  geblieben  ist  Comenius  ianua 
(1644)  6b;  im  moraste  und  gr.  der  seen  Prätorius  tointer- 
flucht  {1Q78)  A  4b  vorr.;  musz  man  sich  sothaner  morasti- 
gen wasser  bedienen,  so  ists  rathsam,  dasz  man  sie  .  . . 
sich  also  setzen  lasse  und  hernach  gemächlich  von  der 
gr.  und  gesetzten  schleim  abschöpfe  v.  Fleming  soldat 
326;  grundzoppe  'das  schlammige  wasser  auf  dem  gründe 
eines  brunnens'  Schambach  70*;  anders  'das  beim  be- 
wässern zurückgebliebene  wasser,  nachwasser' :  wan  ain 
gemainer  man  wässert,  so  gehert  das  nachwasser  oder 
die  grundsuphen  in  den  nächsten  wal  österr.  weisth.  5,  56 
{v.J.  1462);  OMCA  die  mehr  festen  rückstände  heiszen  gr.: 
die  gr.,  welche  im  tuche  liegen  bleibet,  wird  den  arbeitern 
. .  .  zur  speise  und  zum  trancke  gegeben  0.  Dapper 
America  (1673)  435b;  kannen  und  gläser  {sind)  mit  einer 
schwartzen  grundsuppen  beflecket  Hohbebg  georg.  cur. 
1,  51;  seigebeutel,  welche  nichts  als  die  gr.  oder  das  ab- 
genutzte gewürtz  behalten  Mattheson  capellmeister 
(1739)  28  vorr.;  vgl.  (er  wendet  den  sack  völlig  um,  es 
fallen  noch  einige  bücher  und  viel  häckerling  heraus)  da 
kommt  erst  die  gr.!  Göthe  17,  56  W. 

2)das  'wasser  im  untersten  Schiffsraum' {vgl.  grundbrühe) : 
die  stinckende  grundsuppen  im  schiffe  nautea,  aqua  sen- 
tinae  B.  Faber  thes.  (1587)  539b;  ^^  hattind  unsern  platz 
unden  im  schiff  —  und  der  bitter  bös  geschmak  von  der 
grundsuppen  hat  uns  im  haupt  übel  beleidiget  J.  Maaler 
Tiach  Staub-Tobler  7,  1237  {von  1593);  so  wenig  als  ein 
schiff  gesund  und  reinlich  seyn  könte,  wenn  beydes  nicht 
von  der  stinckenden  gr.  gesäubert  würde  Lohenstein  * 
Arminiu^  2,  965b;  auch  an  einer  garstigen  gr.  fehlte  es 
dem  hof schiffe  nicht  D.  Fe.  Sträusz  ges.  w.  7,  226;  dasz 


913 


GRUNDSUPPE  3 


GRÜNDSUPPE  3 


914 


im  erdkreis  das  wasser  .  .  .  wie  die  gr.  in  den  schifEsraum 
empordringe  J.  H.  Vosz  krit.  blälter  2,  136. 

3)  namentlich  im  älteren  nhd.  ist  aus  gr.  1  ein  reicher 
bildlicher  gebrauch  entfaltet,  der  bis  in  jüngere  spräche 
nachwirkt;  meist  nach  einer  seite  hin  specialisiert; 

a)  qualitativ  im  sinne  einer  unteren  minderwertigen 
Schicht:  darausz  abzunemen,  welch  ein  abscheuliche 
grundsupp  in  demselben  (herzen)  müsse  verborgen  ligen 
Dannhaueb  catechismusmilch  2,  404;  vmfriede  ist  die  gr. 
deines  hertzens  H.Müller  erquickst.  {IQ67)  5Q0;  (sie) 
machen  platz  der  aufgewühlten  gr.  des  menschlichen 
herzens,  der  thierischen  begehrlichkeit  Jer.  Gotthelf 
ges.  sehr.  3,  180;  blosz  um  den  anstand  unsers  geschmacks 
durch  die  gr.  unserer  eigenen  kritik  zu  betrüben  Hamann 
sehr.  2,  515  B.;  die  gr.  der  sogenannten  cultur  in  ihrer 
hassenswürdigsten  abscheulichkeit  Oöthes  gespräche  1, 
186  V.  B.;  die  gr.  rühren  heiszt  daher  ^das  schlimmste  thun, 
an  die  ärgste  stelle  kommen' :  der  teufel  will  die  gr.  rüren 
und  den  boden  gar  ausstoszen,  got  wolle  yhm  weren 
Luther  18,  358  W.;  wer  dise  grundsuppen  hat  gerürt  und 
in  den  binstock  gestochen  See.  Fbanck  chron.  zeylb. 
(1531)  297^;  vgl.  das  ist  eben  der  fleck,  wo  die  gr.  um- 
gerührt wird  (der  hauptschade  liegt)  Auerbach  ges.  sehr. 
(1863/.)  18,  74;  neutral  'die  innerste  gesinnung\-  da  kommt 
die  gr.  raus  Fischer  schwäb.  3,  880;  vielfach  wie  lat.fcex 
plebis  in  anwendung  auf  die  niederste,  schlechteste  klasse 
der  menschlichen  gesdlschaft  (vgl.  hefe  th.  4,  2,  765) :  die  gr. 
des  Volkes,  der  gemeine  pöbel  Butschky  Pathmos  (1677) 
458;  ihr  schäum  und  gr.  des  menschlichen  geschlechts! 
Stbanitzky  ollapatr.  103  Wien.ndr.;  dieser  edlere  theil(der 
nation)  musz  erleuchtet  seyn,  wenn  die  gr.  nicht  so  roh  . . . 
seyn  soll  Moses  Mendelssohn  ges.  sehr.  5,  351;  dem  mit 
der  gr.  von  menschen  überschwemmten  Rom  Herder  t^;. 
8,  886  S.;  sich  mit  der  gr.  des  pöbeis  einlassen  Müller 
V.Itzehoe  Siegfr.v.  Lindenberg  l,  207;  je  weiter  man 
aber  in  der  bildung  fortschreitet,  um  so  mehr  entfernt 
man  sich  auch  von  der  lieben  gr.  der  menschheit  Hebbel 
br.  4,  75  W.;  von  hier  aus  variiert:  die  gr.  der  litteratur, 
die  nachbeter  und  uneinsichtigen  Grillparzeb  s.  w.  Iß,  124 
Sauer;  nicht  nur  feuilletonisten  und  zeitungskorrespon- 
denten,  nein  auch  romanschreiber,  dichter,  kurz  die  ganze 
gr.  groszstädtischer  Verhältnisse  G.  Keller  br.  u.  tageb. 
2,  885  Bächtold;  unsre  sinne  sind  die  gr.  unsrer  Innern 
republik  Schiller  3, 104  O.;  selten  neutraler:  das  Schick- 
sal faszt  die  dinge  gröszer  und  weiter,  es  denkt  nicht  an 
imsre  kleinen  begehren,  sondern  wühlt  überall  die  gr.  des 
volksthums  auf  Varnhagen  v.  Ense  tageb.  5,  34. 

b)  im  Vordergrund  steht  die  mehr  quantitativ  bestimmte 
Vorstellung  'neige;  letzter,  schlechter  resV :  die  gr.  bleibet 
den  gottlosen  (glosse  zu  psalm  75,  9)  Luther  bei  Dtez  2, 

180»; 

der  gottlosz  haul  in  irem  satisz 
müssen  die  grundsup  saufen  ausz 

Bükkard  Waldis  psalter  (1553)  129»; 

vgl.  die  gr.  saufen  müssen  Kramer  teutsch-ital.  2,  lOil; 
diese  betrübte  neige  .  . .,  schimlichte  gr.  . .  .  vom  jüden- 
thum  Luther  53,  501  W.;  eine  form,  welche  ihren  geist 
überlebt  hat,  . . ,  (ist)  die  gr.  menschlicher  erkenntnisz 
Fb.  Schlegel  pros.  Jugendschriften  2,  73;  vereinzelt  auch 
neutral  'das,  was  zurückbleibt':  das  kaum  die  hefen  und 
grundsup  vom  volck  selig  werde  Luther  bei  Diez  2, 180^ ; 
dasz  sie  sich  für  dem  groszen  häufen  nichts  entsetzen 
dürffen,  es  weren  nurt  die  gr.  und  der  nachrest  von  denen, 
die  sie  .  .  .  one  alle  mühe  abgeschlagen  Schütz  hist. 
rer.  pruss.  (1592)  78^';  in  zeitlicher  hinsieht  mit  negativem 
accenl  gr.  der  weit  u.  ä. :  in  der  letzten  gr.  der  weit  Luther 
36,  482  W.;  bericht  von  der  gr.  der  weit,  wie  man  sich  in 
diese  letzte,  allerärgste,  greulichste  zeit  zu  schicken  Am- 
BROSius  Tauber  (1589)  titel;  epicureer  und  spötter,  derer 
diese  letzte  grundesup  der  weit  voll  ist  Daniel  Schaller 
iheol.herolt  (1604)  23;  als  wäre  nunmehr  in  der  letzten 
gr.  dieser  weit  erst  ein  stern  aufgegangen  Chr.  Weise 
polit.  näscher  (1679)  83;  so  leben  wir  doch  in  der  gr.  der 
letzten  weit  Harsdöefee  t.  secretarius  2,  91 ;  bis  es  sich 
...  in  der  gr.  der  tage  . . .  sein  naturrecht  erfände  Hebder 
IV.  1.  6. 


w.  6,  312  S.;  anders  mit  dem  beisinn  der  letzten,  höchsten 
Steigerung  (s.  u.  c),  vgl.  etwa  redensartlich  es  kommt  am 
dicksten:  dasz  diser  stern  darumb  eben  die  letzte  grund- 
suppen ausgüssen  und  die  weit  damit  eingehen  werde 
J.  Kepler. opera  8,  l,  317;  (Trinculo:)  ich  will  mich 
hier  einwickeln,  bis  die  gr.  des  gewitters  vorüber  ist 
Shakespeare  3,  65;  die  batterien  spieen  einander  die  gr. 
ins  gesiebt  Jer.  Gotthelf  bei  Staub-Tobler  7, 1237 ;  wenn 
er  (der  papst)  gleich  die  gr.  tmd  gantze  helle  seiner  un- 
gnad  .  . .  über  uns  ausschüttet  Luther  32,  339  W.;  die 
gr.  alles  Unrechts  (ist)  .  . .  über  den  erdboden  gleichsam 
auszgeschüttet  Scsotsel,  friedenssieg  71  ndr.;  die  gr.  der 
Sünde  war  noch  nicht  über  ihn  ausgeschüttet  Zinzen- 
DORF  Londoner  pred.  (1756)  1,  338. 

c)  von  der  Vorstellung  ausgehend,  dasz  gr.  sich  aus  der 
ablagerung  aller  dicken,  übeln  bestandtheile  bildet,  gilt  gr. 
als  das  product,  der  inbegriff  aller  schlechten  dinge:  der 
bapst  .  . .,  der  fast  alle  ketzerey  zu  sich  yn  ein  grund- 
suppen eamlet  Luther  7,  441  W.,  vgl.  10,  l,  l,  236;  das 
bapsthumb,  welches  eine  gr.  ist,  darinnen  alle  andere 
ketzereien  zusammen  gerunnen  und  in  eins  geflossen  Cyr. 
Spangenberg  wider  d.böse  sieben  (1562)  l3i>;  in  diese 
letzte  weit  (ist)  alle  sünde  ...  als  in  eine  gr.  zusammen 
geflossen  J.  Prätorius  catustrophe  mwÄ.  (1663)  82;  es  werde 
diese  unsere  muttersprach  ...  zu  einer  endlichen  grund- 
suppen, darein  aller  andern  sprachen  unart .  .  .  zusammen 
flieszet  Schill  ehrenkranz  (1644)  123;  die  gr.,  in  der  alle 
niedertracht  der  gegenwart  zusammenbrodelt  Auerbach 
sehr.  11,  200;  häufig  mit  dem  genitiv  des  zu  steigernden 
abstractums  verknüpft:  ein  gr.  . . .  aller  greuel  und  ketzerey 
Luther  23,  723  W.; 

bisz  endtlich  gar  die  gsellschaft  lebt 
in  grundsup  aller  boszheyt  schwebt 

Hans  Sachs  3,  447  K.; 

in  summa,  bey  in  ist  zu  finden 
ein  grundsup  aller  lastet  fast 

Fischakt  «.  Dominici  leben  4045  Kun; 

das  grosze  bubenstück  und  grundsupp  aller  schänden 
G.  Treuer  dtsch.  Dädalus  (1675)1,216;  bei  ...  dem 
Zeisigbauer  sei  aber  die  gr.  des  Übels  zusammengeflossen 
W.  Raabe  unsers  herrgotts  kandei *  S77;  absolut:  das  ist 
die  gnmdtsuppe  und  die  helle  selbs  Luther  30,  2,  288  W.; 
die  Sarracen,  die  erstlich  disen  greuel  und  grundsup  ein- 
namen  Seb.  Franck  wdtbuch  (1534)  98»; 

ein  grundsupp  und  recht  Sodoma 
und  erbpardel  flndstu  allda  (zu  Rom) 

Kirchhof  tcendunmuth  2, 114  österley; 

mit  persönlichem  subject:  (Luther  ist)  nach  der  bäpst  ur- 
theil  ein  ertzketzer  und  grundtsupp  aller  ketzerey  Seb. 
Franck  cÄron.  (1585)  3,  422;  die  grundtsuppe  des  Wu- 
chers, der  dieberey  und  rauberey  sein  unser  herren  und 
fürsten  fiugschr.,  kämpf  der  Schwärmer  gegen  Luther  25 
ndr.;  er  ist  neidig,  geitzig . . .,  ja  ein  rechte  grundsup  aller 
ubertrettung  und  laster  worden  J.  Gretter  erklerung 
(1566)  306;  die  gr.  des  Wuchers  .  .  .  sind  unsere  groszen 
Heine  s.  w.  5, 156  E. 

d)  in  abstrahierender  anlehnung  an  grund  IV  B  2  im 
sinne  'ursprungsstätte,  brutstätte',  vgl.  Ursprung  und  urhab 
alles  unraats,  grundsupp  seminarium  Frisius  1196^;  der 
recht  Ursprung  alles  lasters,  die  grundsupp  und  haupt- 
sächer  ders,  dict.  (1541)  139^ ;  Thomas  von  Aquin,  der  born 
und  gr.  aller  ketzerey,  yrthum  und  Vertilgung  des  evan- 
gelii  (wie  seyne  bucher  beweysen)  Luther  15, 184  W.; 
denn  ich  zuvor  aus  andern  büchern  hab,  was  ich  gewuszt 
hab,  und  den  heubtbrun  oder  gr.  nicht  also  gesehen  39, 13 
W.;  man  sehe  nur  zum  Ursprung  und  grundtsupp  der 
Frantzosen  Seb.  Franck  paradoxa  (1558)  191'';  müszig- 
gang,  eine  grundsupp  aller  Versuchungen  J.  WiRZ  spiegel 
(1560)  bei  Staub-Tobleb  7,  1237;  dasz  mich  die  menschen 
selbst  die  wurtzel  alles  Übels,  das  ist  ein  Ursprung,  cloac 
und  gr.  nennen  alles  desjenigen  Grimmelshausen  2,  845 
Keller;  die  almosen  (können)  eine  gr.,  eine  grundursach 
aller  lästeren  sein  A.  Klingler  summ,  bericht  (1693)  bei 
Staub-Tobler  a.  a.  o. 

Ö8 


915 


GRUNDSUPPIG  —  GRUNDTEXT 


GRUNDTEXT  —  GRUNDTIEFE 


916 


e)  typische  Verbindung  hefe  und  gr.:  die  hefen  und  gr, 
vom  volck  Luther  bei  Diez  2, 180»;  und  die  hefen  und 
gr.  wird  dir  gespart  A.  Pape  garteteufel  (1586)  d  8*»;  in  der 
hefen  und  grundsuppen  der  versammleten  aberglauben 
Grimmelshausen  4,  265  Kurz;  das  gemeine  volck  in 
einem  Staate,  welches  gleichsam  die  hefen  und  gr.  ist 
Chr.  V.  RyssELu.  d.  Seelenfrieden {1686)  321.  — suppig, 
adj.:  gr.  (radical)  benennen  die  rühmser  ihr  maszloses 

schelten  Fr.  L.  Jahn  2,  750  E. suppler,  m.,  mensch, 

der  der  grundsuppe  des  Volkes  {vgl.  grundsuppe  3  a)  ange- 
hört, gauner:  ein  erschräcklich  geschieht  von  dreyen 
Spielern,  denn  bey  solchen  grundsupplern  und  schand- 
fleckigen lastervögeln  . .  .  pflegen  würfel  und  karten  das 
gratias  zu  seyn  Kirchhof  wendunmuth  1,  271  Ö. 

GRUNDTATSACHE,  /.,  entscheidende  tatsache,  auf 
der  ein  Vorgang,  eine  ansieht  u,  a,  w.  beruht  {vgl.  comp.-typ. 
5  o) :  so  zog  sich  das  wahre  und  begründete,  das  ge- 
schichtlich bedeutende,  was  noch  eine  analogie  hat,  mit 
der  gr.  der  erlösung  immer  mehr  zurück  Schleiermacher 
s.  w.  1 12,  593;  eine  wie  die  andere  nimmt  die  Wahrheit 
ihrer  grundthatsachen  auf  treu  und  glauben  der  von  ihr 
heilig  gehaltenen  erzähler  an  D.  Fr.  Straxjsz  ges.  w.  2,  75; 
die  gr.  der  existenz  Otto  Flake  Rvland  (1922)  115.  — 
-teil,  m.,  als  ''ursprünglichster,  erster,  einfachster  bestand - 
teil,  elemenf  {s.  comp.-typ.  5  p)  vgl.  Campe  2,  475*,  gr. 
'principe  {ehem.)  Beil  265;  drei  chemische  grundteile  der 
körper  .  . .,  nemlich  salz,  schwefel  und  queksilber  Blan- 
CARD  arzneiwiss.  wb.  (1788)  1,  771;  die  mineralogischen 
körper,  insofern  sie  ähnliche  oder  verschiedene  grund- 
theile  enthalten  Göthe  II  8,  79  W.;  {eine)  kraft,  die  im 
Innern  des  körpers  seinen  ersten  grundtheilen  anzuhängen 
scheint  Schellinq  w.  I  2,  157;  die  verwickeltste  an- 
schauung  besteht  aus  einfachen  grundtheilen  Pestalozzi 
s.schr.  5,  109;  ein  fundamentalgesez  der  gemischten  na- 
turen,  das  in  seine  letzte  grundtheile  aufgelöst  ohn- 
gefähr  also  lautet  Schiller  1, 158  0.;  ^hauptsächlichster 
teiV  {vgl.  comp.-typ.  5  r):  {das  System)  in  seinen  grund- 
theilen . .  .  entwickeln  Thümmel  reise  7,  90;  wie  comp.- 
typ.  5  h,  1,  n,  als  'basistheil':  dauerhafte  grundtheUe  eines 
glücksbaues  Laroche  frl.  v.  Sternheim  2,  104 ;  am  grund- 
theile gegliedert  {vom  maikäfer)  allg.  dtsche  bibl.,  anÄ.53-86, 
753;  der  kelch  {fällt)  bis  auf  einen  sehr  kleinen  gr.  . . .  ab 
Schlechtendal  flora  21,  273;  gr.  von  dem  schädel  Söm- 
MERRiNG  menschl.  körper  2,  115.  —  -teilchen,  n.,  was 
grundteil  ^dement' :  die  gr.  .  .  .  der  beiden  elementarischen 
flüssigkeiten  Schelling  w.  I  2, 162 ;  krystalle,  deren  gr. 
gleich  sind  Göthe  II  7,  160  W.  —  -teilung,  /.,  älterer 
juristischer  terminus  'gründliche,  völlige  und  endgültige 
teilung^  {s.  comp.-typ.  5  u),  dasselbe  wie  totteilung;  gegen- 
satz  ist  mutschierung,  teilung  der  nutzung;  ein  aufrich- 
tige, redliche,  unstrafbare,  doch  gantze  grundtheilung 
{v.  j.  1459)  bei  Meichsner  decis.  divers,  caus.  in  camera 
imper.  (1606)  4,  278;  dann  diweil  kein  gr.  geschieht,  was 
dan  den  stief-  oder  rechten  kindern  bei  leben  vatter  oder 
mutter  von  erbschaft  zufeit,  kombt  in  gemeinen  häufen, 
wan  aber  die  grundthailung  geschehen,  so  erbt  volgends 
iedermann  sein  freuntschaft  und  hat  des  gemachts  und 
einsatzung  der  kinder  ein  ende  {stadtordnung  d.  grafen 
V.  Wertheim,  1509-1528)  in:  oberrhein.  stadtrechte  1 1,  46, 
dafür  auch  grundliche  thailung  ebda;  kinder  .  .  .  werden 
.  .  .  durch  eine  grundtheilung  dergestalt  von  den  eitern 
abgesondert,  dasz  sie  mit  den  kindern  folgender  ehe 
weiter  nicht  erben  Haym  jur.  lex.  415;  hierher  auch  mnl. 
grontdelinge  Verwijs-Verdam  2,  2176;  secundär  an 
grund  II  A  3  angelehnt? :  die  gütliche  länders-  und  grund- 
theiliuig  der  herren  grafen  zu  Hohenlohe  Chr.  Weise 
cur.  ged.  v.  d.  Zeitungen  (1703)  150;  echt  wie  comp.-typ.  5  f 
'bodenver teilung,  bodenaufteilung'' :  die  gr.  ist  in  erster 
linie  von  dem  gesammtstande  der  landeskultur  abhängig 
Berkhardt  gesch.  d.  waldeigent.  3,  x ;  grundteilungen  bis 
zu  0,11  ha,  man  möchte  sagen  bis  zu  tischgrösze,  kommen 
hier  vor  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  183. 

GRUNDTEXT,  m..  Hext,  auf  dem  ein  anderer  beruht; 
urtext,  originär  {vgl.  comp.-typ.  5  o),  vgl.  gr.  testo  originale 
Kramer  teutsch-ital.  l,  574^^;  seit  dem  17.  jh.  gängig,  neuer- 


lich von  urtext  zurückgedrängt;  hauptsächlich  der  ur- 
sprüngliche text  gegenüber  der  Übersetzung:  zu  dem  hat 
der  dolmetscher  hier  nicht  können  von  dem  gr.  ab- 
weichen Harsdörfer  frauenzimmergesprächsp.  5,  163; 
{man)  könte  . . .  sich  nicht  so  vorsehen,  dasz  nicht  ein  oder 
ander  merckmahl  aus  dem  grundtexte  übrig  bliebe  Chr. 
Weise  polit.  redner  (1677)  186;  ich  könnte  hinzufügen, 
dasz  einige  {Übersetzer)  von  dem  grundtexte  . . .  abge- 
führet  worden  Breitinger  crit.  dichtkunst  (1740)  2, 157; 
diese  worte  hat  der  gr.  nicht  Gottsched  versuch  e.  crit. 
dichtkunst  10  anm.  l;  wir  theilen  die  merkwürdige  steUe 
und  zwar  im  grundtexte  mit  Göthe  41, 2, 132  W.; 
{möchte)  jeder  virtuose  und  dilettant  ihn  {den  Homer)  in 
dem  göttlichen  grundtexte  selbst  ganz  verstehen  Bürger 
w.  175  B.;  namentlich  auch  specifisch  für  den  urtext  der 
heiligen  schrift:  in  dem  jud-  und  heydentzenden  papst- 
thumb  scheinet  nicht  . . .  das  liecht  der  warheit  rein, 
allein,  unverfälscht  nach  dem  gr.  nicht  an  und  für  sich 
selbst  frey,  sondern  . . .  erleuchtet  von  dem  papst  Dann- 
hauer catechismusmilch  6,  399; 

mich  drängts  den  grundtext  aufzuschlagen 

GÖTHB  14,  62  W.  (Faust  v.  1220); 

er  sprach  immer  mit  Salbung,  besonders  wenn  er  auf 
den  gr.  kam  Kotzebue  s.  dram.  w.  4,  253 ;  von  jeher 
{war)  in  äuszeren  und  innem  kämpfen  seine  .  . .  waffe 
der  gr.  gewesen  Ranke  s.  w.  3,  58;  anders  Hext,  der  einer 
melodie  zugrunde  liegf : 

hier  hast  du  das  liedgen;  gefällt  es  nun  dir, 
so  sing  es  dem  schätzgen  selbst  heute  noch  für; 
erklär  ihr  den  grundtext  .  . . 

Henrici  ernst-scherzh.  u.  sat.  ged.  (1727/7.)  4,  347; 

vergleichbar:  man  stimmt  sich  selbst  .  . .,  nach  gewissen 
angenommenen  akkorden  und  Verhältnissen,  ein  klavi- 
zembel  von  anmutigkeiten  zusammen,  die  aber  gar 
seichte  eindrücke  machen,  weil  die  ewigkeit  . . .  nicht 
wie  in  Davids  psalmen  gr.  dabei  ist  Schübart  leben  u. 
gesinn.  2,  216;  eiwas  anders:  {ich)  kümmere  mich  nicht 
um  die  noten  der  weit  zu  diesem  heiligen  gr.  Hebbel 
tageb.  1,  165  W.;  Hext,  der  einer  ausgäbe  zu  gründe  gelegt 
wird' :  wenn  daher  unter  den  zugänglichen  {handschriften) 
die  verhältnismäszig  beste  zum  gr.  genommen  . . .  würde 
Uhland  briefwechsel  3,  15  Hartmann;  gr.  ''Urschrift  .  .  . 
im  gegensatze  der  abschrift  oder  kopie"  Krünitz  202,  361. 

—  -thema,  n.  {vgl.  comp.-typ.  So):  gewisz  aber  bleibt 
ihr  {der  er  Zählung)  gr.  unveränderlich  dasselbe  Holtei 
erzähl,  sehr.  7,  142;  dasz  alle  philosophische  erkenntnis 
aus  der  Organisation  des  geistes  stammt,  ist  das  gr.  für 
die  ganze  bewegung  der  deutschen  philosophie  Windel- 
band gesch.  d.  neuer,  philos.^  2,  310;  musikalisch:  das  gr. 
{ist)  nicht  einmal  sein  eigen  und  unterscheidet  sich  nur 
rhythmisch  vom  ersten  thema  der  beethovenschen  a-so- 
nate  R.Schumann  ges.  sehr.  4,144;  diese  einheit  giebt 
sich  ...  in  einem  das  . .  .  kunstwerk  durchziehenden  ge- 
webe  von  grundthemen  R.  Wagner  ges.  sehr.  u.  dicht. 
10,  185.  —  -tief,  adj.,  gesteigertes  tief  mit  anklingen  von 
grund  I,  vgl.  abgrundtief :  ein  rechter  abf  all  von  got  und 
ein  grundtiefe  ketzerey  Seb.  Franck  chron.  zeytb.  (1531) 
417^;  in  grundtiefer  demut  H.  Gholtz  lebendige  bilder 
(1557)  X  2^;  und  holte  gnmdtiefe  seufzer  aus  dem  dun- 
keln unrath  ihres  herzens  herauf  U.  Bräker  s.  sehr.  2, 
145;  bei  dem  grundtiefen  gegensatze  der  meinungen 
Treitschke  dtsche  gesch.  3,627;  adverbial,  intensivierend: 

wollt  ihr  euch  nicht  erbarmen 
und  nehmen  meiner  an 
als  eines  grundtief  armen 

Reinicke  )uchs  (1650)  285. 

—  -tiefe,  /.  1)  durch  grund  I  gesteigertes  tiefe  Hiefste 
tiefe' :  er  versamlet  als  uf  ainen  schober  di  wasser  des 
meres;  er  leget  die  grundtife  in  verborgene  schetze 
Schede  psalmen  121  ndr.  (=  ponens  in  thesauris  abyssos 
ps.  33,  7) ;  in  der  gr.  des  meeres  Hebel  w.  2,  341  Behaghd; 
diesen  auserwählten  mag  es  überlassen  bleiben,  die 
grundtiefen  der  philosophie  auszuspüren  Hufeland 
kunst  (1797)  358.  2)  als  ersatz  für  genitivverbindung  Hiefe 
des  grundes':  {der  schacht  hat)  die  rechte  gr.  noch  bei 


917 


GRUNDTON  i 


GRUNDTON  2. 3  —  GRUNDTREU 


918 


weitem  nicht  erreichet  VAiiVASSOB,  ehre  d.  hzthm.  Crain 
1,  405;  ebenso  zu  grund  IV  A:  einem  hölzernen  hause  gibt 
man  den  dritten  theil  der  gr.  von  einem  gleich  hohen 
steinernen  hause  Keünitz  20,  260;  nach  1  hin  neigend: 
ein  haus,  in  dessen  grundtiefen  sich  grosze  goldschätze  be- 
finden sollen  BE.  Geimm  dtsche  sagen^  1, 150 ;  die . . .  achtung 
des  Volkes  vor  dem  gesetz  {würde)  in  ihren  grundtiefen 
zerstört  werden  F.  Lasalle  ausgew.  reden  u.  sehr.  3,  622 ; 
vgl.  bereits  wie  grundfeste  aufgefasztea  grundtyeffy  funda- 
mentum  Diefenbach  nov.  gloss.  185^. 

GRUNDTON,  m.,  im  18.  jh.  in  musikalischer  fach- 
sprache  gebildet  für  älteres  fundamentalton  J.  G.  Wal- 
THEE  mu,s.  lex.  (1732)  7*,  in  gleicher  Verwendung  auch 
grundnote  ebda  268 *,  vgl.  comp.-typ.  5  d. 

1)  musiktechnisch  im  eigentlichen  sinne. 

a)  zunächst  in  der  generalbasslehre  'der  klanglich  die 
grundlage  bildende,  in  der  regel  der  tiefste  ton  des  (terzen- 
weise aufgebauten)  accords' :  eine  accord  ist  eine  zusam- 
menstimmung etlicher  klänge  .  .  .,  die  theils  wol,  theils 
hart  und  wiederlich  lauten,  nach  dem  verhalt  gegen  dem 
gr.  Mattheson  kl.  generalbassschule  (1735)  157;  zugleich 
findet  herr  S.,  dasz  wenn  man  richtig  reden  will,  aUe 
dissonirende  accorde  auf  zween  grundtönen  ruhen  Gott- 
sched neueste  3,  464;  dasz  bey  energischer  erscheinung 
des  dreyklanges,  man  nehme  an  c  als  dem  grundtone, 
nach  unten  f  imd  as  mitbeben  Schlossee  an  Göthe 
IV  25,  304  W.;  der  ausdruck  dieser  dreyklänge  wird  etwas 
verändert,  wenn  man  die  töne  verwechselt  und  entweder 
die  terz  oder  die  quinte  zum  gr.  nimmt  Heinse  «.  w. 
6,  22  Seh.;  auch  wie  ^basston'  verwendet:  grund-  und  mittel- 
töne ...  in  einem  vielstimmigen  gesang  Wieland  23, 
188  Hempel;  stimmen,  die  unisono  im  tiefsten  gr.  ... 
buszpsalmen  miymeln  W.  Haüf  s.  w.  2,  87 ;  in  der  phy- 
sikalischen akustik  ^der  tiefste  und  meist  stärkste  ton  eines 
klanges''  im  gegensatz  zu  seinen  übrigen  teiltönen  {ober- 
tönen):  das  ohr  .  .  .  hört  nicht  nur  denjenigen  ton,  dessen 
tonhöhe  durch  die  dauer  der  Schwingungen  ,  .  .  bestimmt 
ist,  . .  .  sondern  es  hört  auszer  diesem  noch  eine  ganze 
reihe  höherer  töne,  welche  wir  die  harmonischen  ober- 
töne des  klanges  nennen,  im  gegensatz  zu  jenem  ersten 
tone,  dem  grundtone  Helmholtz  tonempfindungen^  37; 
z.  b.  die  feinsten  Schwingungen  der  obertöne,  die  dem  gr. 
erst  glänz  und  fülle  geben;  noch  anders  ''der  ton,  der  die 
klang  färbe  entscheidend  bestimmV :  jedem  (ist)  der  gr. 
seiner  stimme  so  gegeben,  dasz  er  ihn  nicht  ohne  affec- 
tation  ändern  wird  Fe.  Ceeuzee  br.  an  C.  v.  Oünderode 
(1912)  224  Preisendanz;  ähnlich:  lieblichkeit ...  ist  der  gr. 
dieses  herrlichen  Instruments  Schubäbt  ästh.  d.  tonkunst 
314. 

b)  weiter  'der  unterste  ton  einer  tonleiter  bzw.  einer  ton- 
arf,  die  tonica:  da  jeder  ton  zu  einem  grundtone  .  .  .  an- 
genommen werden  kann  .  .  .,  so  entstehen  12  tonarten 
allg.  dtsche  bibl.  94,  131;  die  grundtöne  dieser  harten  und 
weichen  tonarten  .  .  .  stehen  (in  der  tabelle)  immer  über- 
einander QiTANTZ  anweis.  d.  flöte  zu  spielen  (1789)  53; 
a  bedeutet  auch  die  tonart,  in  welcher  der  ton  a  der  gr. 
ist  SuLZEE  theorie  d.  schön,  künste  1,  1;  setzen  wir  einen 
bestimmten  ton  als  anfang  einer  octavenreihe  (als  gr.), 
so  ergiebt  sich  •  .  .  Vischee  ästh.  3,  4,  854 ;  anders  (vgl. 
comp.-typ.  5  q)  'ausgangs-,  normalton':  zusammenwir- 
kende instrumente  müssen  auf  denselben  gr.  gestimmt 
sein  Lxtegee  7,  155. 

c)  mehr  zum  comp.-typ.  5  r  neigt  gr.  in  der  bedeutungs- 
abart:  gr.  'oder  hauptton  .  .  .  (ist  der)  ton,  dessen  diato- 
nische tonleiter  einem  m,usikstück  zu  gründe  gelegt  und  in 
demselben  herrschend  isC  E.  Beensdoep  universallex.  d. 
tonkunst  2,  260;  das  instrumentalstück  dort  bringt  ein 
kurzes,  volksthümliches  hauptthema  von  vier  takten, 
das  im  gr.  beginnt  Böhme  gesch.  d.  tanzes  134;  Gluck 
(liesz)  in  seinem  berühmten  chor  der  unterirdischen  götter 
einmal  den  gr.  der  harmonie  durchschneidend  herrschen 
Heinse  s.  w.  5,  17  Seh. ;  von  hier  aus  begreift  sich  die  schon 
innerhalb  des  musikalischen  bereiches  erkennbare  Über- 
tragung auf  das,  was   zutiefst    Wesenheit  und   Charakter 


eines  mu^kwerkes  ausmacht:  die  gesetze,  nach  welchen 
ein  musikalisches  kunstwerk  gebildet  wird,  erfordern  es, 
dasz  . . .  der  gr.  der  gesammten  Situation  in  ein  motiv 
zusammengefaszt  werde  0.  Jahn  Mozart  1,  388;  diese 
c-mollsymphonie  (fesselt  uns)  als  eine  der  selteneren  kon- 
zeptionen  des  meisters,  in  welchen  schmerzlich  erregte 
leidcnschaft  als  .  . .  gr.  .  .  .  bis  zum  ausbruche  sieges- 
bewuszter  freude  sich  aufschwingt  R.  Waqneb  ges.  sehr, 
u.  dicht.  9,  99. 

2)  hauptsächlich  von  1  c  her  vielfältig  in  andere  bezirke 
übertragen:  noch  im  bilde:  durch  sein  leben  klingt  ein 
tief  tragischer  gr.,  geht  eine  disharmonische  Stimmung 
hindurch  Beenhaedt  gesch.  d.  waldeigent.  2,  321;  der 
hexameter  ist  zugleich  der  Inbegriff  und  der  gr.  aller 
harmonie  des  menschen  imd  der  Schöpfung  W.  v.  Hum- 
boldt Latium  u.  Hellas  125  lit.-dkm.;  abgezogener :  auf 
die  höhere  tragödie  der  Griechen  scheint  es  (das  gesetz 
des  wechseis)  nicht  anwendbar,  vielmehr  geht  bei  dieser 
ein  gewisser  gr.  durch  das  ganze  Göthe  gespräche  6,  53 
v.  Biedermann;  bedarf  es  eines  Zeugnisses  für  den  deut 
sehen  gr.  dieser  lateinischen  poesie,  so  ...  J.  Geimm  kl. 
sehr.  3,  32;  jene  selbstgenieszende  behaglichkeit  . .  . 
welche  als  gr.  der  .  .  .  wechselnden  empfindungen  die  all 
gemeine  Stimmung  der  meisten  dieser  gedichte  ist  Fe 
Schlegel  s.  w.  8, 134;  das  war  der  gr.  in  seiner  betrach 
tung  Fontane  ges.  w.  1 1,  544;  der  gr.  und  grundzug  des 
Hettnerschen  buches  (ist)  durchaus  positiv  Hebbel  w. 
12,  338  W.;  dieser  gr.  geht  durch  alle  die  äuszerungen 
preuszischer  Staatsmänner  . .  .  hindurch  L.  Häuszee 
dtsche  gesch.  1,  566;  pluralisch  weniger  häufig:  die  königs- 
liebe, einer  der  vorherrschenden  grundtöne  des  fran- 
zösischen nationalcharakters  Matthisson  erinnerungen 
1,  256; 

nur  in  den  ewigen  grundtönen  seines  wesens 

lebte  jeder  . . .  Hölderlin  ges.  dicht.  2,  82  L.; 

von  1  b  aus  seltener  übertragen:  man  findet  unvergleich- 
liche Worte,  grosze  gedancken  , .  .,  aber  alsdann  gehören 
sie  nicht  so  wol  zur  natur  als  zur  schönen  natur  und  haben 
den  poetischen  gr.  an  sich  Ramlee  eirdeitung  (1758)  1, 
191;  ich  (möchte)  von  ihnen  selbst  in  drei  Zeilen  .  .  .  den 
gr.  anklingen  hören,  in  dem  sie  ihr  neues  leben  zu  spielen 
begonnen  haben  Geevinus  briefw.  zw.  J.  u.  W.  Qrimm, 
Dahlmann  u.  Qervinus  2,  229;  da  sie  (die  Wiederkehr)  .  .  . 
aus  dem  gleichen  grundtone  geht  (ude  die  flucht)  G.  Kel- 
LBE  ges.  w.  4,  27. 

3)  der  den  grund  (V  A  3)  bildende  farbton  (vgl.  comp.-typ. 
5  i) :  der  tondruck  ...  ist  auch  f arbendruck  mit  einer  färbe 
...  als  gr.,  auf  welchen  dann  der  schwarzdruck  . . .  gegeben 
wird  Kaemaesch-Heeeen   5,  607;  der  gr.  des  rückens 

(der  dlritze)  erscheint ölgrün  Beehm  thierl.  8,  265; 

die  Veränderungen  im  reiche  der  Wissenschaften  (können 
sich)  nur  gleichsam  als  zarte  schattirungen  .  . .  von  dem 
nationalcolorit  und  dem  gr.  des  Jahrhunderts  imter- 
scheiden  G.  Foestee  s.  sehr.  6,  10.  —  -tonart,  /.,  auch 
haupttonart  im  gegensatz  zu  den  nebentonarten,  die  ton- 
arten c-dur  und  a-moll  als  grundlage  aller  übrigen  ton- 
arten: es  musz  .  . .  die  klangleiter  der  gr.  alle  terzen  und 
quinten  der  harmonischen  dreyklänge  der  haupttöne 
derer  mit  ihr  verwandten  tonarten  enthalten  Scheibe 
crit.musicus  (1745)  472;  weiter  gefaszt  'die  in  einem  ton- 
stück herschende  tonarf :  der  process,  welcher  den  ton- 
dichter  diese  oder  jene  gr.  zur  ausspräche  seiner  empfin- 
dungen wählen  läszt,  ist  unerklärbar  R.  Schumann  ges. 
sehr.  1,  181;  mittelst  Übergängen,  die  schnell  von  der  gr. 
weiter  abführen  Vischee  ästh.  3,  4,  875;  er  zeigt  uns 
allemal  erst  sozusagen  die  gr.,  aus  der  sein  held  geht 
0.  Ludwig  ges.  sehr.  5, 136. 

GRUNDTREU,  adj.,  gesteigertes  treu  (vgl.  comp.- 
typ.  la): 

das  strafet  er  mit  stetem  trieb 
yedoch  ausz  reclit  grundttreuer  lieb 

Hans  Sachs  9, 161  K.; 

dem  allwaltigen,  grundtreuen  gotte  . . .  dank  zu  sagen 
ScHOTTEL /nedewssiesr  59  wir.;  mancher  ehrlicher  ritters- 
mann  und  grundtreuer  minister  E.  Feancisci  traursaal 

58* 


919 


GRUNDTRIEB  —  GRUNDÜBEL 


GRÜNDUNG  1 


920 


(1672)  3,  482;  reich  mir  mal  deine  grundtreue  . .  .  tatze 
her  G.  Hauptmann  Mose  Bernd  (1904)  ll. 

GRUNDTRIEB,  m.,  als  psychologischer  terminus  seit 
der  ersten  hälfle  des  18. 7 As.  im  schwang;  Hrieb,  auf  den  sich 
andere  begierden  und  streburu^en  zurückführen  lassen"  {vgl. 
comp.-typ.  6  p/?),  die  'prima  Tiaturaiia'  wie  glückselig- 
keitstrieb,  Selbsterhaltungstrieb,  fortpflanzungstrieb  u.  s.  w., 
vgl.  Dessoib  gesch.  d.  neuer,  dtsch.  psychol.  (1902)  447; 
über  religiöser  gr.  vgl.  Hans  Günther  psychol.  d.  rdigiosi- 
tat  Jung-Stillings  {Berliner  diss.,  1925)  195/.;  zuerst  na- 
mentlich von  Chb.  Aug.  Crusius  neben  grundbegierde 
gebraucht:  der  erste  unter  den  menschlichen  grundtrieben 
ist  der  trieb  nach  unserer  eigenen  Vollkommenheit  an- 
weis, vernünftig  zu  leben  (1744)  133;  die  genauere  erklärung 
der  thierischen  grundtriebe  und  begierden  175;  folglich 
müssen  in  iedwedem  willen  ein  oder  etliche  grundtriebe 
seyn  nothw.  vernunftwahrh.  (1766)  919;  Unterscheidung  des 
geistigen  und  thierischen  grundtriebes  der  seele  allg. 
dtsche  bibl.  106,  27;  der  weltweise  .  .  .,  der  die  grundtriebe 
seiner  seelo  kennen  lernen  will  briefe  die  neueste  litt.  betr. 
19,  58;  da  der  glaube  zu  den  natürlichen  bedingungen 
unserer  erkenntniszkräfte  und  zu  den  grundtrieben  un- 
serer seele  gehört  Hamann  sehr,  i,  326  li.;  der  mensch 
. .  .  lebt  als  tyrann  und  sklave  nach  den  gleichen  grund- 
trieben seiner  thierischen  gefühle  Pestalozzi  s.  sehr.  7, 
31;  indessen  jagen  die  anerschaffenen  grundtriebe  .  .  .  die 
eingekerkerte  seele  Jüno-Stilling  s.schr.  6,461;  diese 
beyden  grundtriebe  unsrer  moralischen  und  fühlenden 
natur  A.  W.  Schlegel  im:  Athenäum  1, 161;  ohne  gnmd- 
sätze,  aber  mit  starken  grundtrieben,  ein  beweglicher 
geist  im  dienste  starker  grundtriebe  Nietzsche  w.  (1895) 
4,  164;  auch  auf  andere  bcreiche  übertragen:  Schilderung 
der  .  . .  politischen  zustände  in  allen  ihren  beziehungen 
zu  Preuszen,  Österreich,  Europa  mit  ihren  grundtrieben 
und  grundwirkungen  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l. 
Dtschen  3,  388;  der  gr.  des  republikanismus  ist  . .  .  hasz 
gegen  die  groszen  Lichtenberg  verm.  sehr.  2,  243;  den 
versuch  machen,  die  grundtriebe  der  ganzen  rechtsbil- 
dung  aufzufinden  Jhering  geist  d.  röm.  rechts  2,  1, 19. 
—  -triebt eder,  /.  {vgl.  comp.-typ.  5  p,  o)  'letzte,  eigent- 
liche triebfeder\-  die  grundtriebfedern  dieser  bewegung 
Fichte  s.  w.  2,  4O6;  jedes  volk  regiere  eine  gr.  fürst 
PÜCKLER  tutti  frutti  3,  42 ;  die  haupt-  und  grundtriebfeder 
im  menschen  ...  ist  der  egoismus  Schopenhauer  w. 
3,  577  Gr.  —  -tugend,/.,  'haupttugend,  cardinaltugend\ 
vgl.  gr.  virtü  cardinale,  principale  ö  fondamentale  Kramer 
teutsch-ital.  2,  1160t>;  stimmen  dise  eben  so  wenig  mit 
den  benannten  grundttugenden  zu  Guarinonius  greuel  d. 
verwüst.  (1610)  634;  die  gr.  der  temperantia  Garve  Cicero 
de  off.  (1783)  154;  thätigkeit  aber  allein  ist  das  eigentliche 
leben,  zugleich  die  gr.,  aus  der  alle  andern  entspringen 
FÜRST  PÜCKLER  briefw.  u.  tageb.  2,  328.  —  -typus,  m. 
{vgl.  comp.-typ.  h -p  ß):  eine  lösung,  die  dem  bedürfnisz 
nach  einem  idealen  zurückführen  der  formen  auf  gewisse 
grundtypen  entspricht  A.  v.  Humboldt  kosmos  1,  22; 
durch  die  .  .  .  analogie  aller  formen,  den  gr.,  der  in  allen 
erscheinungen  sich  wiederfindet  Schopenhauer  w.  1, 
203  Or.;  {die)  combination  des  .  .  .  vertikalen  prismas  und 
der  geraden  endfläche  .  .  .  kann  als  gr.  aller  rhombisch 
tafelartigen  crystalle  gelten  Oken  allg.  naturgesch.  1,  272; 
beide  {dichtungen  tragen)  das  gepräge  eines  älteren  ge- 
meinschaftlichen gr.  an  sich  Uhland  sehr.  4,  354;  diesem 
gr.  der  deutschen  lyrik  entspricht  Heines  poesie  durch- 
aus Hebbel  w.  10,  416  W.;  diese  Niedersachsen  sind  der 
gr.  des  Norddeutschen  Laube  ges.  sehr.  16,  91. 

GRUNDÜBEL,  n.,  übel,  das  letztlich  Ursache  anderer 
übel  ist  {vgl.  comp.-typ.  5  p):  gr.,  lehrer  die  zu  ihrem 
geschäft  nicht  taugen  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  25-36,  2071; 
das  eigentliche  gr.  hätte  müssen  auch  in  den  einfachsten 
naturzuständen  verderblich  werden  Göthe  IV  42, 172  W.; 
jenem  gr.  des  dogmatismus  Fichte  s.  w.  4,  229;  ein  geist- 
tötender rationalismus  {war)  das  herrschende  gr.  Fr. 
Schlegel  s.  w.  2, 168;  ein  gr.  unserer  zeit  J.  Grimm  kl. 
sehr.  1,  238;  {Dante  erkannte)  ...  als  das  gr.  der  zeit  .  .  . 
die  allgemeine  habgier  der  menschen  Döllinger  akad. 


vortr.  1,  96;  nordseebad  ist  für  mich  nichts  neues  und  ich 
weisz,  dasz  meine  gr.  dadurch  nicht  geheilt  werden  Dahl- 
mann  in:  briefw.  zw.J.  u.  W.  Orimm,  Dahlmann  u.  0er- 
vinus  2,  216;  bildmäszig  an  grund  I  A  angelehnt:  wie  die 
hiesigen  wasser  zur  abwendung  nicht  n\ir  des  oberfläch- 
lichen, sondern  auch  des  grundübels  möchten  gebraucht 
werden  Göthe  IV  37, 132  W. 

GRÜNDUNG,/.,  abstractbildung  zu  gründen II  und  III, 
nicht  vor  dem  ende  des  17.  jhs.  feste,  selbständige  bildung; 
occasionell  in  isolierten  bedeutungen  älter  {s.  u.  3). 

1)  in  der  hauptbedeutung  von  gründen  II  A  ausgehend 
überwiegend  als  thätigkeitsbezeichnung  'herstellung  desgrun- 
des,  des  fundaments,  der  grundlage\  vgl.  gr.  solidatio,  sub- 
structio,fundatio  Stieler  711;  gr.fundatio  Frisch  teutsch- 
lat.  1,  379b. 

a)  bautechnisch  'die  fundamentierungsarbeiten' :  die  gr. 
ist  die  herstellung  des  grundbaues  Schönermark-Stüber 
488;  unter  künstlicher  gr.  versteht  man  die  arbeiten, 
welche  erforderlich  werden,  wenn  man  mit  den  grund- 
mauem  nicht  bis  zu  dem  guten  baugrund  gelangen  kann 
Helfft  wb.  d.  landbaukunst  165;  das  wesentlichste  der 
arbeit  {an  der  appischen  slrasze)  ist  aber  die  gr.,  der 
unterbau  Niebuhr  röm.  gesch.  3,  357;  auch  objectiviert  für 
das  product  selbst,  'fundament' ,  vgl.  gr.  fundamentum, 
sustentaculum,  firmamentum  Stieler  711;  gr.  fondamento 
Kramer  teutsch-ital.  1,  574,  aber  nicht  eigentlich  technisch: 
den  stürm  .  . .,  der  die  gegend  zu  verwüsten  und  die 
häuser  aus  ihren  gründungen  zu  heben  drohte  TxECK  ges. 
nov.  {l8S5ff.)   6,  352; 

ein  theil  (der  bienen)  . . .  legt  .  . .  leim  aus  der  rinde 
unten  zuerst  im  gewirk  zu  gründungen  (=  fundamina) 
J.  H.  Vosz  Virgilii  georg.  (1789)  261 ; 

.  . .  und  als  ich  geboren, 
erzitterte  der  erde  bau  und  gründung     Sfuikespeare  6,  94; 

im  bilde:  ein  beweis  .  . .,  dasz  dieses  grosze  werk  der 
neuen  zeit  in  sich  fest  und  vollendet  dastand,  so  dasz 
das  gerüst  und  die  stützenden  träger  seiner  gr.  hinweg- 
gebrochen werden  konnten  Droysen  gesch.  Alexanders 
d.  gr.  517. 

b)  in  breitester  Verwendung  bei  concretis  entsprechend 
gründen  II A  3  {vgl.  sp.  786),  meist  die  handlung  aus- 
drückend: nach  der  gr.  der  neuen  stadt  Droysen  d.  Äschy- 
lus  w.  571;  die  gr.  und  benennung  solcher  ansiedlungen 
W.  v.  Humboldt  ges.  sehr.  4, 152 ;  die  gr.  Prags  {titel) 
Brentano  ges.  sehr.  6,21;  die  gr.  angemessener  hafen- 
etablissements  Bismarck  polit.  reden  3,  6;  nach  der  gr. 
der  neuen  Staaten  Eichhorn  dtsche  Staats-  u.  rechtsgesch. 
1,  99;  die  gr.  einer  mahlerakademie  dtsches  museum  l, 
250  Fr.  Schlegel;  man  fand  die  gr.  einer  solchen  schule  .  .  . 
ganz  besonders  am  platz  Göthe  25,  91  W.;  gr.  der  natio- 
nalliberalen partei  v.  Bennigsen  d.  nationallib.  partei  5 ; 
die  gr.  des  hausstandes  Jhering  geist  d.  röm.  rechts  1,  91 ; 
gr.  einer  familie  G.  Freytao  ges.  w.  17,  87;  vor  allem  als 
halb  texihnische  bezeichnung  gr.  eines  geschäftlichen,  gewerb- 
lichen, industriellen  unternehmen^:  die  mitglieder  des  Vor- 
standes und  des  aufsichtsrats  haben  den  hergang  der  gr. 
zu  prüfen  handelsgesetzbuch  §  192  abs.  1,  auch  mit  dem 
beigeschmuck  des  unsoliden  {vgl.  gründer  sp.  795/.),  z.  b. 
durch  gründungen  zu  vermögen  kommen;  ein  kleines 
gehässiges  expose,  betitelt:  'zur  Vorgeschichte  einer  mo- 
dernen gr.'  daheim  31  (1895),  288^;  weniger  häufig  als  'das 
durch  die  gr.  geschaffene  objecV,  z.  b.  verkrachte  grün- 
dungen. 

c)  ähnlich  bei  institutionen  verschiedenster  art  und  ab- 
stractis  als  Umschreibung  des  verbalbegriff  es;  'Stiftung'': 
geschichte  der  gr.  des  christenthums  Herder  19,  35  S.; 

ihnen  ward  wohlthätiger  gründungen  rühm 

PIATBN  1,  244  R.; 

diese  stelle  {eines  oberaufsehers)  ist  eine  gr.  des  sechzehn- 
ten Jahrhunderts  Justi  Winckelmann  2,  2,  23;  'begrün- 
dung^ :  gr.  und  ausf ührung  aller  Wissenschaften,  die  eine 
theoretische  erkenntnisz  a  priori  von  gegenständen  ent- 
halten ELant  3,  40  akad.;  die  gr.  der  volksfreyheit  Nie- 
buhr röm.  gesch.  2,  176;  das  verbrennen  des  leichnams 


921    GRÜNDUNG  2. 3  —  GRÜNDUNGSSTOCK 

trug  ...  zu  ihrer  {der  lehre  von  der  seelenwanderung)  gr. 
bei  Herder  16,  78  S.;  bei  gr.  der  ersten  liebe  G.  Keller 
ges.  w.  6,  20;  das  wünschen  und  wollen  wir  zu  gr.  eines 
wahrhaften  wissens  Göthe  IV  36,  72  W.;  die  beitrage  .  .  . 
zu  gr,  eines  bessern  geschmacks  Herder  w.  18,  105  S.; 
gr.  des  eigenen  ruhmes  J.H.  Vosz  antisymb.  1, 129;  die  gr. 
des  glüks  von  deinem  söhne  Schubart  briefe  2,  257  D.  Fr. 
Strausz;  zur  gr.  des  gehorsams  Ranke  «.  w.  1,  8. 

d)  weniger  fest  und  gängig  in  anderen  bedeutungen  von 
gründen;  zu  gründen  II  A  1  c: 

. . .  Bounenhell  wars  dir 

schon  vor  der  weiten  gründung 

J.  A.  Ckauer  8.  ged.  1,  43; 

die  gr.  der  erde  Brentano  ges.  sehr.  5,  391;  zu  gründen 
II  A  2  a  'festigung^ :  über  der  hauptsache,  der  festen  gr. 
der  republik  G.  Forster  s.  sehr.  8,  315;  einflusz  auf  das 
System  unsrer  denkart  und  also  auf  die  gr.  des  karakters 
Schiller  2,  339  0.;  nach  gründen  II  A  2  b:  dem  wahren 
wie  dem  falschen  zur  bestätigung  und  gr.  dienen  Göthe 
II  5,  1,  334  W.;  entsprechend  gründen  II  B:  gr.  des  Staats 
auf  den  ackerbau  Herder  5,  425  S.;  wie  gründen  II  C: 
keine  .  .  .  Verknüpfung  der  umstände,  keine  gr.  des 
einen  in  dem  andern  briefe  die  neueste  lit.  betr.  20,  51; 
passivisch:  solche  meinungen  in  ihrem  zusammenhange 
zu  begreifen  und  ihre  notwendige  gr.  in  anlagen  der 
menschlichen  natur  einzusehen  A.  W.  Sohlbqel  in: 
Europa  2,  66. 

2)  technisch  im  sinne  von  gründen  III 1  und  2,  in  neuerer 
spräche  von  grundierung  verdrängt:  gleich  nach  voll- 
endeter gr.  nimmt  man  .  .  .  bimsstein  Lichtenberq  briefe 
1, 138;  zur  gr.  der  leinwand,  worauf  gemalt  wird,  macht 
es  (das  wachs)  . .  .  den  grund  sehr  biegsam  Böttioer  kl. 
sehr.  2,  125;  objectiviert  '^ grundier ungsfarbe\  daher  heiszt 
bey  den  mahlern  die  gr.  .  ,  .  die  erste  färbe,  welche  man 
auf  die  leinwand  gleich  und  eben  aufträgt  Krünitz  20, 
219;  das  weiszo  .  .  .  machet  den  Überzug  der  leinwand 
der  jnumien  und  hier  ist  dasjenige,  was  unsere  maier  gr. 
nennen  Winckelmann  s.  w.  3,  254;  gr.  in  gründungseisen 
der  kupferstecher  Adelung  vers.  2,  827. 

3)  in  älterer  spräche  mehrfach  zu  gründen  I  A  3  {vgl. 
sp.  777^.)  gebildet:  hohe  und  tiefe  gr.  Jac.  Böhme  sehr. 
(1620)  5,  2  vorr.;  kluge  schlüsz  und  gr.  der  gemüther 
ROMPLER  VON  Löwbnhalt  erstes  gebüsch  (1647)  50;  dann, 
hat  er  die  unverhoffte  wirckung  desz  schwefeis  gesehen, 
warum  hat  er  fernere  gr.  nicht  eingestellet  frantzös.  8im- 
pliciasimus  (1683)  3,  39;  nicht  sicher  deutbar,  nach  Staub- 
ToBLER  2,  779  ''Vertiefung,  gründlichkeit\-  nisus  Sperrung, 
trang,  gwaltiger  truck,  gr.,  arbeit,  müy  und  arbeit  die 
einer  nimpt  etwas  ze  thün  Frisius  870''.  —  gründungs- 
arbeit,/.  {vgl.  gründung  la):  der  grundbau  besteht  in 
den  gründungsarbeiten  Schönermark-Stüber  486.  — 
gründungsdocument,  n.  {vgl.  gründung  Ib):  Roon 
hatte  das  gr.  zu  verlesen  Roon  denkw.  2,  403.  —  grün- 
dungsfest,  n.  {vgl.  gründung  1  b):  das  gr.  des  .  .  .  lese- 
vereins  fand  am  3.  märz  1877  .  .  .  statt  jahrb.  d.  Grill- 
parzergesdlsch.  6,  221.  —  gründungsfieber,  n.  {vgl. 
gründung  1  b):  das  allgemeine  gr.  {warf  sich)  mit  .  .  .  ver- 
liebe auf  die  eisenbahnen  hwb.  d.  staatswiss.^  3,  540.  — 
gründungsgeschäft,  n.  {vgl.  gründung  Ib):  die  ... 
arten  des  gründungsgeschäftes  {im  börsenwesen)  ebda  2, 
1043.  —  gründungsgeschichte,/.(vgrZ.  gründung  ib): 
Korinthos  gr.  ist  sehr  wunderbar  K.  O.  Müller  d.  Dorier 
1,  84.  —  gründungsjahr,  n.  {vgl.  gründung  1  b):  nach 
dem  gr.  dieser  stadt  Niebuhr  röm.  gesch.  1,  103 ;  in  der 
ersten  freude  der  gründungs jähre  Sybel  begründung  d. 
dtsch.  reiches  l,  73;  halbtechnisch:  das  erste  jähr  ist  das  gr. 
der  bank  hwb.  d.  staatswiss.^  4,  1254.  —  gründungs- 
kapital, n.  {vgl.  gründung  1  b)  5,  571.  —  gründungs- 
kosten,  pl.  t.  {vgl.  gründung  1  b)  Lueger  619.  —  grün- 
dungssage,  /.  {vgl.  gründung  1  b):  die  gr.  der  stadt 
MOMMSEN  röm.  gesch.  1.  50.  —  gründungsschwindel, 
m.  {vgl.  gründung  1  b):  der  übermüthige  milliardentanz, 
der  gr.  Roseqqer  sehr.  II  8,  397;  hwb.  d.  staatswiss.^  7, 
226.  —   gründungsstock,  m.  {vgl.  gründung  1  b),  ge- 


GRÜNDUNGSTAG  -  GRUNDVERDERBEN  922 

legenheitsbildung  an  grimdstock  angdehnt:  ihre  hoheit, 
die  eine  so  reiche  beysteuer  in  den  gr.  geworfen  haben 
Göthe  IV  32,  212  W.  —  gründungstag,  m.  {vgl.  grün- 
düng  1  b) :  der  gr.  der  Universalmonarchie  Fr.  L.  Jahn 
1,  165  E.  —  gründungstiefe,  /.  {vgl.  gründung  1  a) 
LuEOER  4,  794.  —  gründungsurkunde, /.  {vgl.  grün- 
dung 1  b)  Krünitz  198,  461 ;  nach  der  weihung  von  wasser 
und  salz  wurde  die  gr.  unterzeichnet  Stifter  3.  w.  14, 
284.  —  gründungsverfahren,  71.  {vgl.  gründung  1  a) 
LtTEOER  4,  794.  —  gr ündungsversammlung,  /.  {vgl. 
gründung  1  b)  hwb.  d.  staatswiss.^  2,  628.  —  gründungs - 
zeit,  /.  {vgl.  gründung  1  b):  das  zweite  Studienjahr  eines 
neuen  Instituts  . . .  gehört  jedoch  auch  mit  zur  gr. 
Hegel  w.  16,  148. 

GRUNDUNTERTAN,  m.,  was  grundholde:  grund- 
unterthanen  Casp.  Schmid  bei  Scherz  1,  574.  —  -unter- 
tänig, adj.:  so  würde  der  staat  gefahr  laufen,  alles 
eigenthum  des  bodens  in  den  bänden  der  regierung  zu 
sehen  und  alle  unterthanen  als  grundunterthänig  (glebae 
adscripti)  Kant  s.  w.  7,  142  H. 

GRUNDURSACHE,  /.,  im  16.  jh.  zunächst  wohl  nichts 
als  zusammenrückung  der  formd  grund  und  Ursache  {vgl. 
sp.  727):  aber  Rafenstainer  wer  die  gruntursach  des  Ver- 
derbens der  lant  Wilwolt  v.  Schaumburg  84  lit.  ver.; 
doch  ungefehr  ist  ohne  grundtursachen  nichts  geschehen 
G.  Kraus  siebenbürg,  chron.  1,165;  dann  in  comp.-typ. 
5  p  übergehend  'die  einem  Vorgang  zugrunde  liegende,  erste 
und  ursprüngliche  Ursache^  vgl.  grundursach  causa,  ragione 
fondamentale  Kramer  teutsch-ital.  1,  574;  die  recht  grund- 
lu-sach  der  leiblichen  trübsalen  Guarinonius  greud  d, 
verwüst.  (1610)  295;  die  einige  und  grundursach  solcher 
liebe  ist  die  liebe  gottes  Dannhaüer  catechismusmileh  2, 
27;  die  feuchtigkeit  als  die  gr.  alles  wachsthumes  Prä- 
torius  anthropod.  plut.  (1666)  1,  304;  die  würckenden 
grundursachen  einer  ledern  art,  es  sey  von  erdgewächsen 
oder  von  thieren,  sind  auch  geistlich  Knorr  v.  Rosen- 
roth pseudodoxia  (1680)  161;  eine  kranckheit  wird  nicht 
gewisser  curiret,  als  wenn  man  die  wahre  grundursachen 
hebet  Stranitzky  ollapatr.  265  W.  ndr.;  zärtliche  wirckung 
eines  so  reizenden  triebes  der  natur,  der,  so  sonderbar 
auch  seine  gr,  ist,  so  nöthig  und  nützlich  . . .  seyn  musz 
Scheibe  crit.mus.  (1745)  54;  nach  denen  ...  grund- 
ursachen der  färben  Noel  Chomels  öcon.  lex.  3,  1315;  es 
hat  Ursachen  und  grundursachen  Gerstenberg  schlesw. 
lileraturbr.  150  lit.-dkm.;  die  gr.  des  Verfalls  Jhering  geist 
d.  röm.  rechts  2,  1,  156;  adjectivisch  verdeutlicht:  der  Ur- 
sprung und  die  erste  gr.  von  rifen  und  schneelawinen 
{v.  j.  1816)  österr.  weisth.  3,  243;  erkenntnisz  der  ersten  gr. 
BoDMER  V.  d.  wunderbaren  (1740);  diese  hauptaxe  der 
ansch wellung  {ward)  ...  die  ursprüngliche  gr.  der  .  .  . 
gesamterhebung  Ritter  erdkde  2,  50;  im  sinne  'oberstes 
princip':  die  innersten  grundursachen  der  erschaffenen 
und  natürhchen  dinge  I'riller  poet.  betracht.  (1752)  4,  1; 
die  hypothese  von  zweien  einander  feindseligen  grund- 
ursachen der  dinge  Herder  18,  295  S.,  vgl.  zschr.  f. 
dtsche  wortforsch.  8,  881»;  das  streben  nach  den  letzten  und 
höchsten  grundursachen  A.  v.  Humboldt  kosmos  1,  151; 
flacher,  nach  comp.-typ.  5  r  hin,  'wesentliche,  hauptsächliche 
Ursache':  doch  dünke  ich  mir  die  grundursachen  .  .  . 
richtig  bemerkt  zu  haben  J.  H.  Vosz  krit.  blätter  1, 124; 
welche  waren  die  grundursachen  der  zahlreichen  ...  in 
Baiem  gestifteten  abteyen  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  53-80, 
855.  —  -Ursprung,  m.  Schottel  473. 

GRUNDVERDERB,  m.  {vgl.  grund  verderben  2  und 
comp.-typ.  h  o):  durch  den  gr.  unserer  kirche  Gutzkow 
zaub.  V.  Rom  9,  35.  —  -verderben,  n.  1)  im  16./17.  jh. 
durch  grund  im  sinne  des  comp.-typ.  5  u  gesteigert,  'völliges 
verderben':  eyn  war  gr.  und  giftsucht  des  jungen  bluts 
Fischart  3,  287  H.; 

. . .  ihr  sucht  mein  grundverderben 

GEYPmus  trauerspiele  157  Palm. 

2)  später  nach  comp.-typ.  5  o,  p  'verderben,  auf  dem  ein 
schade  beruht,  von  dem  ein  übd  ausgeht':  das  soll  eben  ihr 
verderben  imd  noch  darzu  ihr  gr.  sein,  hat  wol  je  ein 


923    GRUNDVERDERBLICH  -  -VERHÄLTNISZ 


GRUNDVERKEHRT— -VORAUSSETZUNG    924 


enthusiaste  ärger  auf  die  systematische  theologie  ge- 
schmählet?  J.  G.  Schütze  herrnhuthianismus  in  tumore 
(1748/7.)  2,131; 

verändre  meinen  sinn  und  zeige  meiner  seelen 

ihr  grund verderben  an  . . .      Gottsched  neueste  6,  846; 

ein  gr,  scheint  mir  das  zu  seyn,  der  mangel  an  publicität 
der  Wissenschaft  Hegel  w.  19,  1,  53.  —  -verderblich, 
adj.,  intensivbildung  {vgl.  comp. -typ.  la):  m  schädlichste 
zwitracht  und  grundtverderbliche  krieg  gestürtzt  Chr. 
Besold  motion  (1637)  45;  wein  .  .  .  bringet  ...  an  der 
Seelen,  leib  und  gemüth  einen  grundverderblichen  scha- 
den GoOKELiTJS  cur.  beschr.  (1697)  a  2^;  die  wahre  quelle 
alles  bey  denen  handwerkern  eingerissenen  grundverderb- 
lichen Unwesens  corpus  juris  opificiarii  26  Ortloff;  zu  aller- 
hand grundverderblichen  neuerungen  anlasz  geben  Spöt- 
tereien d.  teuf  eis  (1788)  206;  zu  einer  grund  verderblichen 
maszregel  Dahlmann  gesch.  v.  Dännemark  3,  123;  grund- 
verderbliche lüge  Schopenhauer  w.  4,  215  Qr.  —  -ver- 
derbt, adj.  partic.  {vgl.  comp.-typ.  1  a):  an  der  .  .  .  grund- 
verderbten lebensart  Vernunft,  tadlerinnen  1,  351;  das  herz 
kann  niemals  so  gr.  werden  Schiller  2,  362  0.;  er  über- 
legte, ob  es  {das  mädchen)  . . .  gr.  sei  Auerbach  sehr.  10, 
156;  in  diesen  grund  verderbten  Zeiten  Bodmer  samrrd. 
crit.  poet.  sehr.  1,  75.  —  -verdorben,  adj.  {vgl.  comp.- 
typ.  la): 

und  die  grundverdorbnen  freunde 

lieben  wir  doch  ungemein 

ZiNZKNDORF  d.  letzten  stunden  (1723)  25; 

das  grund  verdorbene  menschliche  geschlecht  Jüng- 
Stillinq  s.  sehr.  2,  125;  schaden  dieses  grundverdorbenen 
Europa  Gutzkow  ges.  w.  3, 181.  —  -Verdorbenheit, 
/.,  vom  vorigen  abgeleitet: 

diese  grundverdorbenheit 

zeigt  euch,  dasz  ihr  sUnder  seid 

ZiNZBNDORF  in  KNAPP  /ted«f «cAa<2  *  588 » j 

wir  haben  unsere  gr.  erkannt  Jung-Stillino  s.  sehr.  2, 
322;  die  gr.  der  Sphäre  R.Wagner  ges.  sehr.  u.  dicht. 

9,  128. 

GRUNDVERFASSUNG,  /.,  die  aus  den  grundgesetzen 
einer  gesellschaftsordnung  bestehende,  das  fundament  bil- 
dende Verfassung:  die  bürgerlichen  gesetze  müssen  auf 
das  wesen  der  republiken  und  die  gr.  des  Staates  gegrün- 
det seyn  Gottsched  neueste  7,  539;  es  ist  ihre  {der  Herrn- 
huther)  gr.  so,  dasz  nach  selbiger  einrichtung  kein  mensch 
ehrlich  sich  nehren  .  .  .  kan  Alexander  Volck  d.  ent- 
deckte geheimnis  (1750)  1,  563;  die  gr.  der  bürgerlichen 
gesellschaft  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  37-52,  400;  das  haupt 
einer  freyen  nation  in  einer  durch  gr.  und  gesetze  .  . . 
eingeschränkten  monarchie  Gramer  Neseggab  3,  24;  die 
gesetze  des  Vaterlandes  (werden)  durchgesehen  und  der 
gr.  des  reiches  .  .  .  angepaszt  E.  M.  Arndt  geist  d.  zeit 
(1813)  3,  361;  ihre  regierung  war  der  gr.  nach  .  .  .  mon- 
archisch Fr.  H.  Jacobi  w.  6,  342;  der  gr.  der  stadt  zu- 
wider Nicolai  Seb.  Nothanker  2,  65 ;  anders  ''die  den  äusze- 
runden  des  gemütslebens  zu  gründe  liegende  seelische  Ver- 
fassung^ :  ich  glaubte,  dasz,  was  ihm  so  schnell  und  heftig 
auf  einander  begegnete,  sein  junges  gemüth  in  etwas  aus 
seiner  gr.  gesetzt  habe  Heinse  s.  w.  4,  150  Seh.;  die 
Schlechtigkeit  der  innern  gr.  eines  solchen  vorsätzlichen 
mörders  Gutzkow  ges.  w.  8,  331;  männer  in  einer  kriege- 
rischen gr.  des  gemüths  Nietzsche  w.  4, 168.  —  -ver- 
hältnisz,  n.,  ^das  verhältnisz,  auf  das  die  erscheinungen 
letztlich  zurückzuführen  sind"  {vgl.  comp.-typ.  5pjS):  ein 
maasz  für  die  verschiedenen  gattungen  der  Schönheit  fest- 
zusetzen, das  heiszt  ihre  grundverhältnisse  auszumitteln 
Solger  Erwin  (1815)  l,  65;  die  im  ersten  buche  aufge- 
stellten einfachsten  grundverhältnisse  von  waare  und 
geldwerth  Fichte  s.  w.  3,  vorr.  42 ;  der  begriff  hat  es  .  .  . 
mit  den  einfachsten  grundverhältnissen  zu  tun  Vischer 
ästh.  1,  310;  es  ist  der  nämliche  fall,  nur  mit  etwas  ver- 
wickeiteren umständen,  die  grundverhältnisse  sind  sich 
gleich  G.  Büchner  s.  w.  75  Franzos;  tritt  man  aber  näher 
heran,  so  zeigt  sich  nicht  selten,  dasz  das  gr.,  auf  welchem 
alles  beruht,  leicht  und  zart  ist  Ranke  s.  w.  38,  345;  das 


herrschaftsverhältnis  ist  das  einheitüche  gr.,  aus  dem  sich 
einzelne  rechtsverhältnisse  . . .  entwickeln  können  hwb. 
d.  staatswiss.^  6,  917;  die  beziehung  zwischen  der  histo- 
rischen richtung  in  der  auffassung  der  abstrakt-theore- 
tischen und  der  praktischen  geht  als  ein  gemeinsames  gr. 
durch  die  geisteswissenschaften  W.  Dilthey  einl.  in  d. 
geisteswiss.  1,  33.  —  -verkehrt,  adj.  {vgl.  comp.-typ.  la), 
personell  {vgl.  verkehrt  th.  12, 1,  sp.  634/.): 

du  liebest,  herr,  gerechtlgkeit 
und  hassest  grundverkehrte  leut, 
die  sich  scheinheilig  stellen 
Georg  Werner  bei  Fischer- Tümpel  kirchetüied  3,  27; 

ihr  falsch-gelehrte, 
ihr  grundverkehrte, 
fort,  packet  euchl 

Weichmann  poesie  d.  Niedersachsen  2,  329; 

objectsbezogen:  diese  grund  verkehrte  bestimmung  des  zu- 
fälligen behält  auch  Kant  bei  Schopenhauer  w.  1,  593 
Or.;  es  ist  also  gr.  zu  sagen  Görres  mystik  (1836)  1,  6. 
GRUNDVERMÖGEN,  n.  l)  'grundfähigkeif  im  sinne 
von  comp.-typ.  5p^:  aus  diesem  gr.,  zu  lieben  und  zu 
verabscheuen,  müssen  sich  alle  .  .  .  leidenschaften  er- 
klären lassen  Moses  Mendelssohn  ges.  sehr,  l,  282;  nun 
ist  aber  alle  menschliche  einsieht  zu  ende,  sobald  wir 
zu  grundkräften  oder  gr.  gelangt  sind  Kant  s.  sehr.  5,  47 
akad.  2)  'oms  grundbesitz  bestehendes  vermögen\'  der  kein 
gr.  besitzet  und  kein  steuerbares  gewerbe  treibt  Börne 
ges.  sehr.  6,  25;  die  neuen  ansiedier  . . .  durften  .  .  .  mit 
dem  gr.  wie  eigenthümer  schalten  Raumer  gesch.  d. 
Hohenst.  5,  36.  3)  'der  grundstock  eines  Vermögens,  fonds', 
vgl.  grundkapital:  welche  {beitrage)  mit  zusammen  1610  fl. 
das  gr.  der  gesellschaft  darstellten  jahrb.  der  Grillparzer- 
gesellsch.  2,  324,  vgl.  Campe  475''.  —  -Vermögenssteuer, 
/.,  zu  grund  vermögen  2:  in  .  .  .  Schwaben  wurde  .  . .  neben 
einer  gr.  .  .  .  das  familienschutzgeld  .  . .  eingeführt  hwb. 
d.  staatswiss.'  3, 411.  —  -verschieden,  adj.,  intensi- 
viertes verschieden  {vgl.  comp.-typ.  1  a):  die  neuere  astro- 
nomie  hat  längst  die  grundverschiedene  natur  beider 
arten  von  weltkörpem  erkannt  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6, 
110;  andere  {buchstaben)  sind  gr.  und  lassen  sich  durch 
keine  entartung  daraus  ableiten  Fr.  Schlegel  s.  w.  1, 
187;  wie  leib  und  seele  zwei  grundverschiedene  Substanzen 
sind  Schopenhauer  br.  221  Chr.;  formelhaft:  grundver- 
schiedene dinge  Geibel  w.  4,  92.  —  -Verschiedenheit, 
/.,  als  ''völlige  verschiedenheiV  {vgl.  grundverschieden  u. 
comp.-typ.  5  u):  gr.  des  alten  und  neuen  testaments  Nova- 
lis sehr.  3,  193;  die  gr.  des  geistes  des  kynismus  von  dem 
der  askese  Schopenhauer  w.  2, 179  Or.;  aus  der  groszen 
innern  gr.  zweier  Schwestern  Stifter  s.  w.  4,  l,  79  8.; 
auch  ^wesentliche,  entscheidende  Verschiedenheit'  {vgl.  comp.- 
typ.  5  r):  diese  gr.  zwischen  dem  johanneischen  Jesus  und 
dem  synoptischen  D.  Fr.  Strausz  ges.  sehr.  3,113;  es 
{dürfte)  sich  aber  auch  aus  denjenigen  grundverschieden- 
heiten der  grammatik,  die  wir  .  .  .  entwickelt  haben,  er- 
klären lassen  Fr.  Schlegel  s.  w.  8,  380;  wie  comp.-typ. 
5  p :  diesz  sind  die  vier  elemente  .  .  .  und  sie  sind  die 
grundverschiedenheiten  nicht  nur  für  das  gefühl,  son- 
dern auch  für  die  übrigen  sinne  Heinse  s.  w.  4,  294  Seh. 

vertrag,  m.,  vertrag,  der  die  basis  eines  rechtsverhält- 

nisses  bildet  {vgl.  comp.-typ.  5  o),  namentlich  ein  die 
grundgesetze,  grundrechte  {s.  dort)  berührender:  dasz 
Staatsrechtshändel  zwischen  kaiser  und  reich  nur  durch 
einen  gr.  gehoben  werden  können  allg.  dtsche  bibl.,  anh. 
53-86,  1713;  die  kaiserlichen  decrete  .  .  .  nahm  der  hüter 
des  grundvertrages  .  .  .  gefaszt  entgegen  Treitschke 
hist.  u.  polit.  aufs.  3,  315;  die  bürgerliche  gesellschaft 
{könne)  nicht  auf  einem  einzigen,  unter  den  theilnehmem 
abgeschlossenen  oder  vorauszusetzenden  grundvertrage 
beruhen  Rehbebg  pol.-hist.  kl.  sehr.  (1829)  145.  — 
-Voraussetzung,  /.  {vgl.  comp.-typ.  ^  o):  das  ist  eben 
unsere  gr.,  dasz  das  christenthum  absolute  Wahrheit  ist 
Schleiermacher  s.  w.  1 12,  90  anm.;  hinter  den  mora- 
lischen begriffen  liegen  noth wendig,  als  erste  gr.,  ästhe- 
tische begriffe  verborgen  Herbart  w.  2,  79;  die  gedanken- 
mäszigkeit  der  äuszeren  weit  ist  die  gr.  der  Wissenschaft 


925    GRUND  VORSTELLUNG  -  GRUND  WALLUNG 

W.  DiLTHEY  eird.  in  d.  geisteswiss.  1,  412.  —  -Vorstel- 
lung, /.,  ursprüngliche  einfachste  Vorstellung,  von  der  ein 
vorstdlungscomplex  ausgeht  {vgl.   comp.-typ.  5  p):   wenn 

man die  priorität  gewisser  grundvorstellungen  .  .  . 

leugnen  will  allg.  dtsche  bibl.  86,  359;  weil  in  (der  kosmo- 
gonie  der  Färsen) einige  grundvorstellungen  hervor- 
treten, die  sehr  vielen  anderen  später  entwickelten  unter- 
liegen RiTTKB  erdkde  8,43;  in  einer  solchen  klasse  bilden 
sich  gewisse  grundvorstellungen,  in  die  sie  festgerannt 
sind  Hegel  w.  I  7,  326. 

GRUNDWAGE,  /.,  Instrument  zur  nivellierung  des 
grundes  {vgl.  grund  II A  2  b  «.  th.  13,  sp.  366),  'horizontal- 
wage, wasserwage'  Fäsch  kriegslex.  (1735)  3781»,  vgl.  409^; 

Helfet  wb.  d.  landbauk.  165;  Beil  265. wagen,  m., 

von  unsicherer  bedeutung,  vereinzelt  belegt:  mit  was  für 
gewaltigen  schrauben,  waltzen  und  grundwagen  er  unser 
kaltes,  faides  und  zur  barmhertzigkeit  verdrossenes  hertz 
wird  forttreiben  Val.  Herberg ee  hertzpostilla  (1613)  l, 
591,  vgl.  343. 

GRUNDWAHR,  adj.,  gesteigertes  wahr  {vgl.  comp.- 
typ.  1  a) :  wi  üb  mir  dero  brif lein  ist,  so  gr.  bleibet  auch 
dessen  Inhalt  Bütschky  hochd.  kanzelley  (1652)  321;  dieser 
satz  {ist),  obwol  für  sterbliche  menschen  grundfalsch, 
doch  für  deren  unsterbliche  werke  gr.  Jean  Paul  w.  37, 
67  H.;  es  war  mein  ernstestes  bestreben  das  eigentliche 
grundwahre  . . .  darzustellen  Göthe  an  Zelter  5,  393  Riemer. 
GRUNDWAHRHEIT.  /.  l)  im  älteren  nhd.  und  mund- 
artlich verstärktes  Wahrheit,  'völlige,  gewisse,  sichere,  wirk- 
liche wahrheif  {vgl.  grund  der  Wahrheit  sp.  716,  gründ- 
liche Wahrheit  sp.  856  u.  comp.-typ.  5  t,  u):  sed  debet  esse 
die  grundwarheyt  Luther  15,  545  W.;  uns  ist  bisz  noch 
die  grundtwarheit  verborgen  Fierrebras  (1533)  g  1*;  das 
ist  eine  gewisse  grundwarheit  als  Versicherung sformel 
Fischer  schwäb.  3,  880;  das  ist  eine  gr.  Th.  Bindewald 
oberhess.  Sagenbuch  49. 

2)  'fundamentale,  nicht  weiter  beweisbare  Wahrheit,  auf 
deren  evidenz  sich  andere  Wahrheiten,  sätze,  lehren  usw. 
aufbauen' :  so  folget  nun  daraus,  dasz  eine  Wahrheit  mit 
der  andern  verknüpft  ist  und  dasz,  solange  als  eine 
Wahrheit  durch  eine  andere  erwiesen  wird,  jene  der  haupt- 
grund  oder  quell  nicht  genennet  werden  möge,  sondern 
allerdings  eine  grundwarheit  unerweiszlich  sein  müste 
Chr.  Thomasius  einl.  zu  d.  vernunftlehre  (1691)  152;  diese 
Sätze  oder  conclusiones  nun  sind  entweder  dergestalt 
beschaffen,  dasz  deren  imstreitige  Wahrheit  alsbald  und 
ohne  einige  raisonirung  der  mensch  versichert  wird,  weil 
sie  mit  denen  grundwarheiten  ohnmittelbar  verknüpft 
sind  auszübung  d.  vernunftlehre  (1691)  23;  die  einfalt  der 
groszen  grundwahrheiten,  welche  die  ersten  tiefdenken- 
den weisen  entdeckten  Gottsched  neueste  5,  625;  die 
ersten  grundwahrheiten  der  weltweisheit  Schwabe  belust. 
4,  366;  die  allgemein  anerkannten  grundwahrheiten  der 
Vernunft  Wieland  s.  w.  (1794^.)  24,  42;  einwürfe  .  .  . 
wider  grundwahrheiten,  die  von  allen  schulen  einmüthig 
angenommen  werden  Lessing  7,  51  L.-M.;  dergleichen 
Sätze  von  ursprünglicher,  also  durch  keinen  beweis  ver- 
mittelter gewiszheit,  wie  sie  die  grundwahrheiten  aller 
Wissenschaft  ausmachen  Schopenhauer  w.  5,  29  Or.; 
dasz  der  Verfasser  die  grundwahrheiten  seiner  religion 
aus  dem  judenthume  mitbringt  Schleiebmacher  s.  w. 
I  5,  16;  die  ableitbarkeit  der  religiösen  grundwahrheiten 
aus  der  bloszen  vemunft  Windelband  gesch.  d.  neuer, 
philos.^  1,  284;  Widersprüche  mit  den  merkantilistischen 
grundwahrheiten  hwb.  d.  staatswiss.^  5,  757. 

GRUNDWALLEN,  vb.,  vereinzelt,  'vom  gründe  (grund 
I  A)  her  aufwallen'  {vgl.  wallen  I  th.  13,  1269) :  loschen, 
gruntwallen,  strotzen  estuare  {voc.  v.  j.  1482)  Dieeenbach 
211 8',  vgl.  grundwallung,  grundwelle  und  th.  10,  4,  sp.  83. 

Wallung,  /.,  'das  aufwallen  des  wassers  vom  gründe 

(grund  I A)  her',  nur  lexikalisch  bezeugt  und  vielleicht  ledig- 
lich glossierung  ad  hoc :  gruntwallung  esttis  vocab.  optimus 
(14.  jh.)  56**  Wackern.  {neben  ausdrücken  meereskundlicher 
art!);  gruntwallunge,  hicze  estus  {voc.  v.  anf.  d.  15.  jhs.) 
Diefenbach  nov.  gloss.  157^;  grundtwallung,  strotzung 


GRUNDWÄRTS  -  GRUNDWEHR 


926 


fervor  ders.  gloss.  23ic,  vgl.  th.  lO,  4,  sp.  89;  5.  auch  grund- 
welle.   wärts,  adv.,  mehrfach  als  gdegenheitsbildung ; 

zu  grund  I  F  2,  'in  die  unter  der  erde  liegende  tiefe  hinah' 
{vgl.  comp.-typ.  5  c):  kehr  in  morgen  an  dem  berge,  nach- 
dem grundwarts,  da  sind  braune  körner  sehr  ganghaft 
Thurneyszer  magna  alchymia  {I58i)  121;  zu  grund  III A, 
'talwärts' : 

dasz  die  nebelschwarzen  dufte  von  der  höhe  grundwarts 

fllehn 
K.  G.  Lindner  dtsche  ged.  u.  Übersetzungen  (1743)  9; 

zu  gnmd  lA,  'in  die  wassertiefe  hinunter': 

grundwarts  tauchte  sie  rasch,  wie  das  bleierne  senkel  der  angel 

W.  Jordan  Ilias  523. 

—  -wase,  /.,  auch  grundwasen  m.,  'für  den  Wasserbau 
verwendete  f aschine'  {vgl.  comp.-typ.  5  a):  grundwaase  ist 
ein  prismatischer  körper  von  erde  imd  steinen,  welcher 
mit  busch  bekleidet  worden  Benzler  deichbau  (1792)  l, 
280;  gr.  MoTHES  2,  542;  grundwasen  Jacobsson  5,  752; 
anlegung  eines  grundbettes  mit  und  ohne  gnmdwasen 
allg.  dtsche  bibl.,  anh.  53-86,  567;  s.  wase  th.  13,  2274.  — 

-  wasen,  m.,  durch  grund  II A  2  näher  bestimmtes  w.,  'erd- 
scholle,  in  der  die  pflanzenvmrzel  liegt'  {vgl.  wasen  II 1 
th.  13,  2277):  derjenige  aber,  so  den  kranebit  (=  Wachol- 
der) sambt  gruntwäsen  heraus  reiszt,  {hat)  iedesmohlen 
per  zween  gülden  abzubieszen  {v.  j.  1696)  österr.  weisth. 
2,  200. 

GRUNDWASSER,  n.,  'aus  der  tiefe  der  erde  herauf- 
drängendes Wasser'  {vgl.  comp.-typ.  5  c),  zufrühest  berg- 
männisch im  gegensatz  zum  tagewasser,  'die  unterhalb  des 
Stollens  zudringenden  wasser,  grubenwasser' :  wenn  .  .  .  die 
tag-  und  grundwasser  verschroten  und  abgefürt  werden 
Mathesius  Sarepta  (1571)  35^;  dasz  jeder  gang  seine  gr. 
habe,  so  von  imten  in  die  höhe  brechen  und  quellen 
A.Beyer  otia  metallica  (1748^.)  3,227;  allgemeiner  für 
jedes  unter  der  erdober  fläche  vorhandene  wasser,  vgl.  Zinckb 
öcon.lex.  (1744)  1002;  Luegeb  5,1;  die  gr.  ...  ausge- 
schöpfet  V.  Fleming  jäger{n\<d)  4;  um  von  der  gegend  der 
fora  . . .  das  gr.  mit  dem  von  den  bergen  herabkommen- 
den ihr  {der  cloaca)  zuzuführen  Niebuhr  röm.  gesch.  1, 
433;  man  sorge  dafür,  dasz  die  miststätte  undurchlässig 
sei,  damit  {kein)  .  .  .  gr.  {eindringe)  STÖCKHARDT/eZdpred. 

1,  115;  in  der  küche  stand  auf  dem  estrich  alle  morgen 
ein  ganzer  pfuhl,  das  gr.  drang  aus  dem  boden  Gl.  Viebtg 
d.  schlafende  heer  (1904);  man  {mutzte,)  .  .  .  um  gr.  zu  er- 
reichen, über  30  m  in  die  tiefe  graben  Brehm  thierleben 

2,  437;  die  mineralwasser  sind  gr.  allg.  dtsche  bibl.  9,  2,  16;' 
redensartlich:  's  gr.  chunnt  mer,  sagt  einer,  der  austreten 
musz'  Bächtold  spr.  d.  Schweizer  Soldaten  64;  im  bilde: 
ich  patsche  noch  im  gr.  herum  Zelter  an  Göthe  4,  46 
Riemer;  dieses  gr.  {ist)  unerläszlich  für  das  bestehen 
irgend  einer  geseUschaft  H.  Laube  ges.  sehr.  4,  184;  wenn 
so  recht  des  herzens  gr.  aus  den  äugen  quellen  J.  Gott- 
helf  ges.  sehr,  (1855^.)  13,  207;  deichbautechnisch  gr.  für 
drängwasser,  'weil  es  aus  dem  gründe  unter  und  neben  den 
deichen  hervordringt'  Jacobsson  2, 166;  ebenso  bei  Frisch 
teutsch-lat.  1,207^;  Mothes  2,543;  gelegentlich  für  die 
'untere  wasserschicht'  eines  gewässers  {vgl.  comp.-typ.  5  a): 
das  gr.  von  unten  hob  das  eis,  dann  erst  kam  das  auf- 
wasser  und  half  seine  zerborstenen  stücke  forttreiben 
E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Dtschen  3,  625;  bildlich: 
ein  mensch,  der  sicher  in  den  grundwassern  des  lebens 
wohnte  H.  Stehe  drei  nachte  (1928)  92.  —  -Wasser- 
spiegel, m.:  das  sinken  des  grundwasserspiegels  infolge 
der  regulierung  des  Rheins  Hoops  waldb.  u.  kulturpfl.  169. 

Wasserstand,  m.:  den  gr.  zu  kennen,  ist  erste  be- 

dingung  bei  jedem  baue  Schöneemark-Stübee  499.  — 
-wehr,  n.,  wasserbautechnisch  {vgl.  comp.-typ.  5  a):  gr., 
'unvollkommener  Überfall,  bei  welchem  .  .  .  der  Wasser- 
spiegel unterhalb  des  wehres  noch  höher  als  die  über- 
fallsschwelle  liegt'  Mothes  baulex.  2,  543;  die  grundwehre 
sollen  nur  0,9  m  über  die  sohle  hervorragen;  sie  unter- 
scheiden sich  diu'ch  ihre  geringere  höhe  von  den  über- 
fallwehren Schweez  prakt.  ackerbau  215.  —  -wehr,  /., 
'unterer  theil  der  brustwehranlage' :  damit  man  den  berg 


927   GRUND  WELLE  -  GRUND  WERK  i.  2 


GRUND  WERK  3.  *  -  GRUNDWESEN   928 


nicht  auf-  oder  absteigen  kan  . . .,  hat  man  von  der  statt 
und  underporten  zu  rings  umb  mit  grundwehren  ausz- 
gestoszen  D.  Specbxe  orcA.  v.  vestungen  (1589)  88*'. 

GRUND  WELLE,  /.  1)  'vom  gründe  des  meeres  herauf- 
drängende  welle'  von  besonderer  stärke  und  gefährlichkeü 
für  den  schiff  er  {vgl.  grundaee): 

die  starken  gruntwelle      quelten  si  vil  sßre 

Kudrun  85,  3M.;  vgl.  261,  4; 

die  schifwendo  krachten,       dö  begunden  wagen 

von  den  gruntwellen     ir  kiele  harte  sere     ebda  1137,- 3, 

wo  es  sich  nicht  um  die  'brandung\  sondern  um  wogenberge 
des  offenen  meeres  handelt  {vgl.  ebda  1138,  4);  die  under- 
wällen  von  der  tiefe  här  oder  unden  auf,  grundwällen 
infernus  fluctus  Frisius  CöO^;  es  sind  grund wällen  gangen, 
die  stillen  wasser  desz  meers  sind  auszgebrochen  von  den 
tieffisten  wasserfurten,  das  ist  von  grund  auf  von  wägen 
desz  groszen  ungewitters  imis  vadis  refusa  stagna  1343"*; 
{du)  entgest  den  ungestimmen  grvmdwellen  {dieses  Welt- 
meeres) J.  G.  ScHiNBEiN  encomia  b.  Mariae  (1595)  nach 
Alemannia  10,  183;  die  grund  wellen  schlugen  so  heftig  an 
das  schiff,  dasz  es  sich  wie  ein  röhr  bewegte  N.  E.  Klee- 
mann reisen  (1771)  4;  indem  er  {Petrus)  hurtig  fortlaufet, 
treibet  der  starke  wind  eine  grundwellen  gegen  ihn 
M.  Schott  kurtzweil  d.  ewigen  weiszheit  (1790)  150;  das  in 
seinen  tiefsten  tiefen  erschütterte  meer  tobt  .  .  .  noch 
lange  fort,  denn  nun  fangen  die  grundwellen  an  aus  der 
tiefe  nach  oben  zu  gehen  Zsohokke  s.  ausgew.  sehr.  14, 
107;  gr.  LUEGEB  5,  5. 

2)  daneben  steht  gr.  in  älterer  spräche  vereinzelt  bezeug 
im  sinne  'aufwallende  bewegung  des  meeres' ,  vielleicht  auch 
'flutströmung\'  grundwel  estus  {voc.  d.  15.  jhs.)  Diefen- 
BACH  nov.  gloss.  157*,  vgl.  grundwallung,  eine  stelle  des 
deutschen  Lucidarius:  so  daz  wazer  an  dem  gründe  vihtet 
in  die  löcher,  so  hebet  sich  die  welle  an  dem  grimde.  die 
welle  tribet  daz  mer  über  den  staden  19,  10  Heidlauf  u. 
den  am  Bodensee  gebrauchten  au^druck  grundgewelle,  n. 
Alemannia  1,  285  u.  4,  260,  Germania  35,  55;  Variante  zu 
diesem  gr.  ist  bedeutungsmäszig  nahestehendes  mhd.  grunt- 
walle,  bildlich: 


der  ougen  gruntwalle 

von  herzen  dö  den  fluz  truoc 


klage  1076  L., 


vgl.  das  simplex  walle  th.  13,  1208  neben  wall  1263;  zum 
sachlichen  s.   Germania  35,  55^. 

GRUNDWERK,  n.  1)  eine  stauvorrichtung  {vgl.  comf.- 
typ.  5  a);  mühlenbautechnisch:  'gr.  heiszt  bey  einer  Wasser- 
mühle dasjenige  gebäude,  worüber  das  wasser  in  denen 
gerinnen  wegläuft'  Zincke  öcon.  lex.  (1744)  1002;  so  bereits 
alt:  si  in  edificiis  et  grund  werke  dictus  Arnoldus  aliquid 
expenderit,  sibi  restituetur  {v.  j.  1280)  mecklenburg.  urk.- 
buch  2,  627;  in  huno  modum,  quod  profunditas  aque  a 
fundo  linificii,  quod  vulgo  gruntwerc  dicitur,  in  exitu 
aque  ante  asserem  {v.  j.  1296)  ebda  3,  637;  nullum  defec- 
tum  in  aliquo  paciencia,  scüicet  dammones,  gruntwerg, 
slusas,  molenbedde  {v.  j.  1298)  cod.  dipl.  lubec.  1,  1,  601; 
item  4  m  vor  mos  und  vor  Ion,  das  grundtwerg  czur  walk- 
mole  czu  buwen  {v.  j.  1402)  Marievburger  konventsbuch 
87  Zies.;  es  laufet  nemlich  das  wasser  durch  die  grund- 
werke .  .  .  aus  einem  see  oder  wasserhalter  durch  die 
rinnen  hinunter  auf  die  räder  L.  Chb.  Sturm  mühlenbau- 
kunst  (1718)  1;  auch  allgemeiner  wasserbautechnisch:  oc 
moghen  se  den  graven  suveren  unde  dat  gruntwerc 
beteren  van  deme  ackere  {v.  j.  1364)  mecklenburg.  urk.- 
buch  15,  416;  von  wassergusz  an  den  werchen,  archen  und 
gruntwerchen  bey  unserm  salzärzt  zu  Reichenhall  merk- 
licher schade  geschehen  ist  {v.  j.  1482)  Loei  baier.  berg- 
recht  119;  'gr.  . . .  hölzernes  wehr  in  flüssen'  Mothes  2,  543; 
anders  beim  deichbau:  oberfutterung  {ist)  ...  so  viel  als 
die  obere  bekleidung  eines  deiches  ...  an  dessen  gr. 
Benzler  deichbau  2,  15. 

2)  als  'fundament,  grundbau'  {vgl.  comp.-typ.  5  h)  seit 
dem  späten  mhd.,  im  ganzen  unhäufig: 

du  wart  vlrterbit  Wynneta 
noch  fynd  man  grundwerck  alda, 
slnt  dy  stad  ist  widder  gebuwet 
E.  V.  KiKOHBEEG  mecUenbuTg .  chron.  597  Westphalen; 


als  ...  das  feuer  an  das  grundtwerck  angeleget,  gieng 
es  mechtig  wol  an  und  verzehrte  ein  stück  mauers 
H.  Rätel  beschr.  d.  krieges  (1590)  I  2*>; 

. . .  das  erdrelch,  welches  er 

hat  unbewöglich  föst  als  ein  grundwerck  gelöget 

Weckheklin  ged.  2,  41  F.; 

den  bis  ans  grundwerk  klaffenden  ruinen 

Pkeiligkath  ges.  dicht.  5,  256; 

hütten,  die  auf  dem  alten  gr.  aus  den  abgebrochenen 
steinen  wieder  aufgeführt  worden  sind  fürst  Pückler 
weltgang  v.  Semilasso  (1835)  2,  220. 

3)  in  mehr  gelegentlichen  bildungen  verschiedenen  comp.- 
typen  zu^ehörend;  zu  comp.-typ.  5  o:  ja  wan  das  grund- 
werck nicht  getrieben,  .  .  .  laufet  dan  nicht  das  moral- 
werck  alles  zu  einer  bossenparade  . . .  aus  ?  Th.  Under- 
EYCK  narr,  atheist  (1722)  560;  in  ceremoniensachen  richtet 
sich  ein  christ  nach  dem,  bei  dem  er  grade  ist;  denn  sie 
beide  sind  in  dem  grundwercke  völlig  eins  Zinzendorf 
amerik.  reden  (1746)  l,  183;  in  vielen  stücken  sahen  wir 
bereits  weiter  als  dieser  .  .  .,  theils  durch  das  gr.  des 
meisters  selbst  D.  Fr.  Straüsz  ges.  w.  10,  225;  {Konfutse) 
hat  grundwerke,  besonders  geschichtliche,  kommentiert 
Hegel  w.  13,  139;  die  grundwerke  {des  socialismus) 
0.  Flake  Ruland  (1922)  112;  diesem  grundwerke  der 
neuen  kunst  {Michelangelos  jüngstes  gericht)  Göthb  IV  32, 
86  W.;  zu  comp.-typ.  5  p: 

wer  pflanzet  ihnen  wol  das  erste  grundwerck  ein 
aus  dem  ebrelschen,  dem  griechschcn  und  latein? 

F.  G.  Peklensee  lob  d.  geldsucht  (1709)  698. 

4)  technisch  zu  comp.-typ.  5i,  'grundiermaschine' :  er  ,  .  . 
erfand  eine  solche  maschine,  die  ein  gr.  genannt  wird 
Jacobsson  5,  752;  zu  comp.-typ.  h:  gr.  als  theil  einer  pa- 
pier Verarbeitungsmaschine  Lueger  6,  5. 

GRUNDWERT,  m.,  'bodenwert'  {vgl.  comp.-typ.  bi): 
der  gesteigerte  zinsfusz  {drohte)  in  einzelnen  gegenden  den 
gr.  herabzudrücken  hwb.  d.  staatswiss.^  1,  211;  capitalicn 
gingen  dem  verkehr  und  erwerb  verloren,  die  grund- 
werthe  sanken  Gutzkow  ges.  w.  9,  378;  anders  zu  comp.- 
typ.  5  p :  der  innerliche,  eigentliche  ur-  und  grundwerth 
(der  bibd)  geht  niu:  desto  lebhafter  und  reiner  hervor 
GÖTHE  7,  182  W.,  vgl.  24,  297. 

GRUNDWESEN,  n.  1)  'seiendes,  das  als  Ursprung, 
ausgangsstoff ,  dementarkraft  usw.  gilt'  {vgl.  comp.-typ. 
5  p);  vgl.  schon  gr.  materia  {voc.  d.  15.  jhs.)  Diefenbach 
nov.  gloss.  248,  aber  erst  im  17.  jh.  breiter  bezeugt;  als  Ver- 
deutschung von  'element' :  der  cörper  des  crystalls  .  .  .  hat 
sichtbarlich  in  sich  diejenigen  gr.,  darin  sich  die  gemischten 
cörper  auflösen  und  zerlegen  lassen  Knorr  v.  Rosenroth 
pseudodoxia  (1680)  450;  element,  urstoff,  gr.  Kinderlino 
reinigkeit  257;  von  den  .  . .  drei  gr.,  erde,  wasser  und  luft 
J.  H.  Vosz  krit.  blätter  l,  12;  der  .  .  .  zeolith  . .  .  wurde 
als  eine  zinkmine  ohne  luftartiges  gr.  erfunden  allg.  dtsche 
bibl.  74,  488;  natur philosophisch,  kosmologisch,  metaphy- 
sisch gr.  im  sinne  der  höchsten  principien  des  seins:  die 
berühmten  drei  gr.  des  Isaa«i  Hollandi,  des  Basilii  und 
Paracelsi  Knorr  v.  Rosenroth  pseudodoxia  (1680)  128; 
also  dasz  gott  gleich  im  anfang,  da  er  der  materie  eine 
gestalt  geben  wollen,  dieselbe  in  in  zwey  haupt-grund- 
wesen  abgetheilet ;  deren  eines  das  förmliche  und  gestalt- 
gebende, nemlich  der  himmel,  das  andere  das  materia- 
lische und  gestaltnehmende,  nemlich  die  erde  82;  die 
trennung  seiner  dreierlei  gr.,  der  materie,  der  ideen  und 
der  gottheit  von  der  gegenwärtigen  weltordnung  der  zeit 
nach  Feszler  Abälard  u.  Heloise  1,  91;  zwey  principia 
oder  gr.  .  . .,  ein  böses  und  ein  gutes  M.  Claudius  Asmus 
1/2,  142;  die  drei  gr.  der  sogenannten  zoroastrischen  Phi- 
losophie Herder  24,  518  *S.;  ich  nenne  diese  ideen  (rea- 
lisierte ideen  der  gottheit)  gr.  Jung-Stillino  s.  sehr.  6, 
608;  dann  das  'urwesen' ,  aus  dem  alles  hervorgeht;  so 
hylozoistisch  gefaszt  für  den  lebensgeist:  dieses  ...  ist  des 
Helmontii  archaeus,  des  Takenii  regent,  anderer  ihr  welt- 
geist;  etliche  nennen  es  ihr  drittes  mercuriaüsches  oder 
quecksüberhaftiges  gr.  Knorr  v.  Rosenroth  pseudo- 
doxia 250;  eines  jedweden  dinges  innerliches,  würcküches 


929    GRUNDWESEN -GRUNDWISSENSCHAFT 


GRUND  WISSENSCHAFTLICH — WORT    930 


und  erstes  gr.  und  urkraft  E.  Francisci  d.  höll.  Proteus 
(1695)  744;  archaeus,  der  formal-  und  innerliche  schaffer 
bei  der  würckung,  die  ein  werck  ausübt:  principium  hil- 
archicum  (=  hylarchicum),  das  grundhauptwesen  E. 
Weigbl  tugendüb.  rechenkunst  (1687)  52;  allgemeiner: 
wenn  man  .  .  .  erwägt  . . .,  dasz  die  wesen  aller  dinge  in 
einem  gewissen  gr.  ihren  gemeinschaftlichen  Ursprung 
haben  müssen  Kant  1,  314//.;  ein  durch  den  causalzu- 
sammenhang  in  allen  seinen  theilen  verbundenes  gr.,  die 
natur  selbst  Fr.  A.  Lange  materialism.  Iö9;  er  wird  in  ihm 
(gott)  das  urbild  und  gr.  aller  der  Schönheiten  wahr- 
nehmen, die  er  in  der  Schöpfung  zerstreut  findet  Cbamer 
nord.  aufsehet  1,  92;  dem  schaffenden  oder  zeugenden  gr. 
und  allvater  Wieland  Ldtcian  5,  307. 

2)  'ursprüngliches  wesen,  anfängliche  beschaffenheit  eines 
dinges"  (vgl.  comp.-tijp.  5  pa):  einer  solchen  spräche,  die 
. . .  die  einigste  ist,  welche  nach  aller  der  andern  unter- 
gange nur  allein  in  ihrem  gantzen  gr.  noch  rein  und  un- 
verfälscht geblieben  Zesen  helikon.  roserUahl  (1669)  39; 
einzelne  weltweise  nur  erhoben  sich  unter  ihnen  ...  zu 
einem  höheren  begrifE  von  dem  .  .  .  einfachen  gr.  der 
natur  Fb.  Schlegel  s.  w.  8,  69;  entwickelter  in  dem  sinne, 
dasz  in  dem  gr.,  auf  das  sich  ein  ding  oder  Vorgang  zurück- 
führen läszt,  das  eigentliche,  bestimmende,  wahre  wesen 
sich  repräsentiert  {vgl.  comp.-typ.  5  p  j?  mit  einschlug  von 
6  r) :  in  einem  einfachen  gr.  musz  hier  vieles  vorgestellet 
•  .  .  und  das  verschiedene  in  vergleichung  gebracht  wer- 
den Moses  Mendelssohn  ges.  sehr.  2,160;  unsere  Ver- 
nunft .  .  .  hat  ...  zu  ihrem  gr.  das  abstraktionsvennögen 
Schopenhauer  3,  i17  Or.;  einen  fehler,  den  es  {das 
Schauspiel)  .  .  .  ins  grab  mitnehmen  musz,  weil  er  in  sein 
gr.  verflochten  ist  Schiller  br.  l,  48  J.;  das  eigenthche  gr. 
des  dramatischen  O.  Ludwig  ges.  sehr.  5,  456;  ein  weiteres 
moment,  das  . . .  auf  das  gr.  der  baukunst  zurückführt 
ViscHER  ästh.  3,  2,  249;  die  bildung  des  papiers  .  . .,  wenn 
man  sie  in  ihrem  gr.  betrachtet  Kabmarsch-Heeren^  6, 
506;  persönlich  gewendet:  unser  ganzes  gr.  müszte  sich  .  .  . 
ändern  R.  Wagner  ges.  sehr,  u.  dicht.  9,  115;  etwas  anders 
gefärbt  der  'wahre  kern  des  wesens' :  ich  {mag)  denn  an 
der  ehrlichkeit  seines  grundwesens  nicht  zweifeln  Görres 
ges.  br.  3,  133;  das  gr.  Vischers  ...  ist  also  wirklich  nur 
.  .  .  romantische  anschauung  Gutzkow  ges.  w.  10,  319.  — 
-wesentlich,  adj.,  'das  grundwesen  (grundwesen  2)  be- 
treffend^:  unsere  gewohnte  dreifache  eintheilung  der 
dichtarten  nach  gewissen  allerdings  grundwesentlichen 
kategorien  des  gegenständes  oder  der  darstellung  Fr. 
Sohlegel  s.  w.  3,  208;  die  heterogensten  dinge  zu  ver- 
einigen, ihren  übrigen,  grundwesentlichen,  unermesz- 
lichen  abstand  dabei  übersehend  Schopenhauer  1, 
662  Gr.  —  -wind,  m.  'wind,  der  von  unten  her  weht':  an 
dem  vierundzwantzigisten  tag  so  chümbt  ein  neppel,  den 
treibt  der  grunttwint  über  sich  von  der  wirm,  die  daz 
erdreich  unden  herauf  hal  (14. /15.  jh.)  Alemannia  1,  286; 
als  besonders  heftiger  wind  gefastt:  grund  ö  orkanwind 
orcano  Krämer  teutsch-ital.  2,  1351"'. 

GRUNDWISSENSCHAFT,  /.,  Wissenschaft,  die  grund- 
läge  anderer  Wissenschaften  ist  {vgl.  comp.-typ.  5  o):  diese 
heyden{rechnen  und  geometrie)  sind  die  grund  Wissenschaften 
aller  der  übrigen  v.  Fleming  soldat  (1726)  31;  mechanic 
heiszt  die  nützliche  und  nöthige  gr.  der  wirtschaftskunst 
ZiNCKE  öcon.lex.  1838;  bey  allen  ...  lobsprüchen,  die 
man  dem  naturrecht  ertheilet,  indem  man  es  die  .  .  .  gr. 
aller  .  .  .  rechte  nennt  allg.  dtsche  bibl.  114,  2,  235;  Vor- 
lesungen, die  sich  auf  die  grund-  und  die  fach  Wissen- 
schaften erstrecken  hwb.  d.  staatswiss.^  5,  509;  eine  schule 
für  die  grund-  und  hilfswissenschaften  der  forstwissen- 
schaft  Schwapp  ACH  hb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  2,  544 
anm.  19;  mit  dem  beisinn  des  elementaren:  wer  von  ihnen 
ungeübt  . . .  kommt,  .  .  .  kann  durch  alle  coUegia  laufen, 
.  .  .  ohne  dasz  . . .  seine  seele  in  den  versäumten  grund- 
wissenschaften  .  .  .  gebildet  würde  Herder  w.  30,  71  8.; 
namentlich  in  philosophischer  spräche  verschieden  speciali- 
siert:  die  Vernunft  {wird)  immer  einer  allgemeinen  gr.  zu 
ihrem  eigentlichsten  kenntnissen  benöthigt  sein  Tetens 
phil.  versuche  1,  16  Übele;  Kants  transzendentale  logik 
IV.  1.  6. 


{setzt  sich)  in  eine  philosophische  gr.  um,  welche  das 
System  der  kategorien  als  dasjenige  der  absoluten  Wirk- 
lichkeit betrachtet  Windelband  neuer,  phil.'^  2,  Sil;  für 
die  Philosophie  als  ganze,  sofern  sie  allgemeinste  bestim- 
mungen  für  alle  einzelwissenschaften  bietet:  philosophie 
als  gr.  JoH.  Rehmke  titel;  innerhalb  der  philosophie  von 
Chr.  Wolf  als  Verdeutschung  für  ontologie  eingeführt: 
{man)  nennet . . .  den  theil  der  weltweisheit,  darinnen  die 
allgemeine  erkenntnisz  der  dinge  abgehandelt  wird,  die 
ontologie  oder  gr.  v.  d.  kräften  d.  menschl.  Verstandes  (1727) 
8 ;  einen  kurzen  begriff  der  ontologie  oder  gr.  Gottsched 
neueste  9,  298 ;  erweitert  auch  für  die  ganze  metaphysik  ge- 
braucht vgl.  Adelung  vers.  2,  833,  ähnlich:  zu  dieser  Voll- 
ständigkeit ist  sie  {die  metaphysik)  daher  als  gr.  verbun- 
den Kant  3,  15  akad.  —  -wissenschaftlich,  adj.: 
welche  {grundideen)  zuvor  in  der  wesensschauung  gr. 
nachgewiesen  worden  sind  K.  Chr.  Fb.  KLrause  grund- 
wahrh.  d.  vnssensch.  615;  grundwissenschaftliche  philo- 
sophie (1924)  J.  E.  Heyde  titel. 

GRUNDWOLLE,  /.,  'unterhaar,  grundhaar''  des  feiles: 
bei  den  jungen  fuchsen  ist  das  deckende  ober  haar  noch 
nicht  ausgewachsen  und  deshalb  wird  ihre  färbung  .  .  . 
durch  die  der  gr.  .  .  .  bestimmt  Brehm  thierleben  2,  191; 
anders,  wie  comp.-typ.  h^:  die  gr.  {baumwolle)  von  gos- 
sypium  arboreum  {ujird)  durch  säuren  .  . .  gefärbt  Mu- 
spratt  1, 1774. 

GRUNDWORT,  n.,  'wort,  das  die  grundlage  für  Zu- 
sammensetzungen, ableitungen  u.  s.  w.  bildet\  daher  auch 
'ursprüngliches  worV,  vgl.  gr.  dictio  primitiva  Henisch  1769 
{s.  comp.-typ.  5  o,  p). 

1)  im  späteren  16.  jh.  zur  wiedergäbe  des  grammatischen 
terminus  subjectum  aufkommend:  subiectum  ist  ein  gr., 
denn  es  leget  und  setzet  den  grundt,  als  davon  handeln 
und  zu  reden  vomimpt  W.  Bütner  dialectica  teutsch 
(1588)  83*>,  namentlich  durch  Schottel  eingebürgert,  der  es 
neben  grund,  hauptglied  auch  für  den  zweiten,  geschlecht- 
gebenden bestandtheil  eines  compositum^  verwendet:  das  bey- 
gefügte  aber  ist  das  übrige  worttheil  oder  das  vorderste 
glied  des  Wortes,  welches  also  und  darum  wird  vom  bey- 
gefüget,  dasz  durch  dessen  bey-  oder  vorstand  das  gr. 
gleichsam  anders  gefüget  und  zu  einer  andern  deutung 
gebracht  werde  t.  Sprachkunst  (1641)  110,  vgl.  Jellinek 
gesch.  d.  nhd.  gramm.  2,  170/.;  so  wohl  der  fohrsatz  .  .  . 
als  das  gr.  {hat)  seinen  eignen  natürlichen  toon  Zesbn 
Helikon  (1649)  l,  e  S**;  erstlich  setz  ich  das  gr.,  nach  wel- 
chem sich  der  articul  richtet,  wozu  gefügt  wird  ein  an- 
ständiges epitheton  und  substantivum  J.  Chb.  Männ- 
LING  europ.  Helikon  (1704)  57;  so  stehet  auch  in  der  Zu- 
sammensetzung das  bestimmungswort  allemahl  vor 
seinem  gr.  Adelung  umst.  lehrgeb.  2,  216. 

2)  daneben  gilt  gr.  wie  Stammwort,  wurzelwort  für  das 
'wurzelwort,  urworV  gegenüber  allen  ableitungen,  vgl.  gr. 
sive  Stammwort  radix,  primitivum  Stielee  2578;  wollet 
ihr  di  grund-  und  wurtzel Wörter,  di  vor-  und  nachf  ügungs- 
silben  idweder  spräche  nebenst  ihrem  wesen  erlernen, 
hir  findet  ihr  si  Q.  Kuhlmann  gesch.  herold  (1673)  e  4*; 
diese  unterschiedliche  mundahrten  sind  uhrsprünglich 
nach  ihren  stamm-  und  grundwörtem  alle  teutsch  Neu- 
MAEK  neuspr.  t.  palmb.  (1668)  110;  der  teutschen  sprach 
eigene  art  ist,  beynahe  alle  ihre  grund-  oder  Stamm- 
wörter .  .  .  nur  mit  einer  sylbe  darzugeben  Gbimmels- 
hausen  2, 1116  Kell.;  andere  ausländer  dürfen  schreiben, 
es  wehren  ohngefehr  zweyhundert  teutsche  grundwörter 
Schottel  24;  es  ist  das  teutsche  wort  man  in  den  meisten 
sprachen  gebräuchlich  und  ohnzweifel  eins  von  den  ersten 
grundwörtem  Morhof  unterr.  (1682)  1,  124;  eine  spräche 
von  . .  .  nicht  mehr  als  272  einsylbigen  grundworten  Fr. 
Schlegel  s.w.  13,81;  ich  halte  sie  für  uralte  grund- 
wörter, die  aber  in  der  ganz  flectirten  spräche  als  solche 
verschwinden  W.  v.  Humboldt  an  A.  W.  Schlegel  briefw. 
238;  die  ersten  grundwörter  aller  sprachen  der  weit  {sind) 
ursprünglich  schildernde  töne  gewesen  Sulzeb  theorie  d. 
schön,  künste  3,  16l;  das  gr,,  woraus  die  namen  der  fisch- 
weiber  .  .  .  abgeleitet  werden  müssen  Creuzer  mythol. 
2,  70. 

59 


931 


GRUND  WÜRZ  —  GRUNDZAPFEN 


GRUNDZEICHEN  -  GRUNDZUG 


932 


3)  weniger  häufige  Verwendungen;  als  'wort  der  grund- 
spräche^  gegenüber  dem  daraus  übersetzten:  welches  auch 
mit  der  bedeutung  des  grundwortes  wohl  übereinkommt 
Knorr  V.  Rosenroth  psevdodoxia  (1680)  808;  das  gr.  be- 
deutet . .  .  reiben,  zermalmen  allg.  dtsche  tibi.,  anh.  1-12, 
539;  um  den  sinn  des  geistes  nach  unserer  spräche  recht 
vorzustellen,  muste  er  freilich  bisweilen  von  den  grund- 
worten  etwas  abgehen  J.  Fr.  Bertram  nähere  beleucht. 
(1741)  13;  anders  'wort,  text  als  grundlage  einer  rede" :  be- 
gierig horchten  sie  auf  das  gr.,  welches  der  herr  der  schrift 
entnommen  Gotthelf  ges.  sehr.  13,  368;  für  ' Substantiv, 
hawptworV :  die  Stellung  dieser  haupt-  und  grundworte 
GÖTHE  32, 124  W. 

GRUNDWURZ,  /.,  pflanzenname.  l)  entstelltes  grind- 
wurz  {vgl.  sp.  378)  für  das  schellkraut,  chelidonium  maius: 
schelle-,  gruntwurcz  hyrundinia  Diefekbach  nov.  gl. 
204^.  2)  nicht  sicher  zu  deuten  als  name  des  mannstreu, 
eryngium  campestre  Pritzel- Jessen  145*  nach  Toxites; 
vgl.  HoLL  pflanzenn.  137"^.  3)  anscheinend  für  die  gelbe  See- 
rose, nuphar  luteum,  weil  sie  im  gründe  des  loassers  wur- 
zelt: nim  ein  puckling  und  dan  gr.,  die  in  den  teichen 
wachsen,  mit  den  breiten  blettern,  die  gelbe  blumen  ha- 
ben haushaltung  in  Vorwerken  225  Ermisch,  dafür  auch 
grundwurzel  214;  vgl.  H.  Fischer  mittelalterl.  pflanzenkde 
276:  gruntwurtz  neben  wasserwurtz,  sewurtz. 

GRUNDWURZEL,  /.,  seit  dem  16.  jh.  belegbar;  die 
'  Wurzel,  aus  der  sich  etwas  entwickelt,  die  den  Ursprung 
darstelW  (vgl.  comp.-typb-^);  sinnlich:  aus  diser  grund- 
wurtzel  schlieffen  järlichs  neue  wurtzeln  Bock  kräuter- 
buch  (1539)  2,  88;  im  bilde:  so  der  tugend  zuwider  leben, 
die  ausz  der  grundtwurzel  desz  rechtgeschaffenen  glau- 
bens  wachsen  J.  Nas  warnungsengel  (1588)  12;  die  drei 
grundwurzeln  des  keltischen  Stammes  Bernhardt  gesch. 
d.  waldeigent.  l,  6 ;  'letzte,  untheilbare  Substanz,  grundwesen' : 
es  ist  ...  aber  offenbar,  dasz  diese  grundwurtzel  nicht 
unter  die  art  der  sonderbaren  formen  gehöre  .  .  .,  da  doch 
dieses  wurtzelwesen  stehen  bleibet  und  nicht  umkommt 
Knorr  v.  Rosenroth  pseudodoxia  (1680),  bes.  abh.  l,  156; 
auf  das  ursächliche,  wirkende  ding  überhaupt  übertragen: 
er  ist  die  hauptquell  und  grundwurtzel  alles  gutes  Dann- 
HAVSB,  catechismu^milch  l,  344;  kranckheiten,  derer  grund- 
wurtzel und  principia  die  milch  in  dergleichen  gift  ver- 
wandeln J.  Schreyer  milchcur  (1694)  158;  {der  wille  ist) 
die  eigentliche  gr.  des  menschen  Fichte  s.  w.  7,  281 ;  die 
faulheit  bleibt  .  .  .  alles  Verderbens  gr.  E.  M.  Arndt  sehr, 
f.  u.  an  s.  l.  Dtschen  2,  496;  die  wurzelhaften  demente  in 
der  spräche:  die  morgenländischen  sprachen  {sind)  voll 
verba  als  grundwurzeln  der  spräche  Herder  5,  52  8.;  wir 
{besitzen)  an  den  grundwurzeln  volk,  deut,  leut  .  .  .  eine 
Wörterschar  Fr.  L.  Jahn  j^.  2,  511  A'.;  anders  im  sinne 
'zutiefst  liegende  basisstelle,  ansatzstelle''  {vgl.  comp.  typ.  5^): 
die  grundwurtzeln  der  .  .  .  insuln  E.  Francisci  ind.-chin. 
lustg.{166S)  1, 135;  von  der  gr.  des  fingers  bis  in  die  spitze 
E.  Th.  A.  Hoffmann  9,  202  Qr. 

GRUNDZAHL,  /.,  'zahl,  die  einer  berechnung  zugrunde 
liegt,  basiszahl,  wurzeV ;  im  16.  jh.  zufrühest  und  zunächst 
als  wiedergäbe  von  numerus  radicalis :  radicem  extrahirn, 
das  ist  eine  wurtzel  oder  gruntzal  zu  finden  E.  v.  Ellen- 
bogen rechenbuch  (1538)  a  %^;  wird  die  potenz  als  summe 
genommen,  so  ist  auch  die  gr,  derselben,  die  wurzel,  als 
summe  gefaszt  Hegel  w.  3,  335;  gr.,  'basis  .  .  .  diejenige 
zähl,  welche  angiebt,  wie  viel  einheilen  einer  niederen  art 
eine  höhere  bilden'  Mothes  2,  543 ;  gr.  eines  logarithmus 
base  Hoyer-Kreuter  techn.  wb.  l,  zn;für  numerus  car- 
dinalis  'cardinalzahl,  hauptzahV:  jenes  prinzipalstück  .  .  . 
gibt  grundzahlen,  heiszen  eins,  zwey,  drey  .  .  .  E.Weigel 
würckung  des  gemüts  (1684)56;  es  sind  aber  dieselben 
{zahlen)  zweyerley;  die  grundzahlen  (numeri  cardinales) 
und  die  Ordnungszahlen  (numeri  ordinales)  Gottsched 
dtsche  Sprachkunst  (1748)  219;  allgemeiner  'letzte  einheit  bil- 
dende zahl'  {vgl.  comp.-typ  5  q) :  so  ...  bleibt  die  Zeitzahl  von 
24  stunden  der  cyclus,  die  gr.,  nach  welcher  alle  räder 
berechnet  sind  Jung-Stilling  w.  3,  450.  —  -zapfen,  m., 
'zapfen  zum  wasserablassen  am  bodcn  des  teiches'  Mothes 
2,  543;  so  bereits  urkundlich  grunttappe  {v.  j.  1442)  urk.- 


buch  d.  Stadt  Hildeaheim  4,  420;  so  wird  der  gr.,  Ständer 
oder  wie  der  teich  zum  ablassen  eingerichtet  ist  . . .,  ge- 
zogen Döbel  jägerpractica  (1754)  4,  101;  der  ferne  gr.  im 
teich  murmelte  traulich  Fr.  Bouterwek  graf  Donamar 
2,  329.  —  -zeichen,  n.,  'hauptsächlichstes,  wesentlichstes 
zeichen'  {vgl.  comp.-typ.  5r):  dise  mögen  ebnermaszen  ausz 
dem  gr.  gekennt  werden  Guarinonius  greuel  (1610)  635; 
anders:  gr.  sigiium  infallibile  et  necessarium  alias  notzei- 
chen Stieler  2610;  namentlich  'einfachstes  zeichen,  das 
einer  Zeichenverbindung,  Zeichensprache  usw.  zugrunde 
liegt':  die  nothwendigkeit  einer  solchen  Zeichensprache, 
wo  das  gr.  die  erscheinung  selbst  ausdrückt  Göthe  II 
1,  305  W.;  alle  diese  zeichen  {lassen  sich)  wieder  in  eine 
kleinere  zahl  von  sogenannten  gr.  oder  schlüsseln  zer- 
legen Schlosser  weltgesch.  (1844)  l,  20;  die  gr.  {des  morse- 
alphabets)  sind  .  .  .  punkt  und  strich  Karmarsch- 
Heeren*  3,219.  —  -Zeichner,  m.,  gr.  ichnographe  Beil 
265.  —  -Zeichnung, /., /ttr  'zeichnung  des  grundrisses' : 
gr.  ichnographie  Beil  265;  von  jeder  stadt  {wird)  auch 
eine  gr.  . . .  erscheinen  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  53-86,  2169, 
vgrZ.  grundzeuchung;  'erste,  ursprüngliche  Zeichnung  als  be- 
stimmende grundlage  der  ausführung' :  ein  in  seiner  gr. 
fehlerhaftes  gemählde  briefe  d.  neueste  litter.  betr.  16,  79; 
'Zeichnung  des  Untergrundes' :  die  striche  der  gr.  unter  dem 
farbenspiel  der  oberfläche  Fouque  reiseerinn.  2,  192.  — 
-zeuchung,/.;  gr.,  entwerf ung  eines  gebendes  ichnogra- 
pAta  Henisch  1770.  —  -zeug,  m.  n.,  fischereigeräth  {vgl. 
comp.-typ  5  &):  es  soll  auch  verbotten  sein  gruntzeug, 
streüchgarn,  rackvüschen  österr.  weisth.  6,  328  {v.  j.  1617); 
Unoer-Khull  31 1^1;  für  fischgift  ebda;  anders  'was  auf 
dem  gründe  des  wassers  liegt' :  mit  erde,  steinen  und  ande- 
rem grundzeuge  .  .  .  unter  dem  wasser  schöpfen  O.  Dap- 
PER  Africa  (1671)432'';  'grundstoß,  grundmaterie'  {vgl. 
comp.-typ.  5  p):  jeder  gr.  der  natur  Lohenstein  Arminius 
(1689)  1,  966;  also  sind  die  einfachen  Wörter  der  deutschen 
spräche  der  erste  gr.  ihrer  zusammengesetzten  Schön- 
heiten Gottsched  crit.  hist.  l,  66. 

GRUNDZINS,  m.,  an  den  grundherrn,  grundbesitzer  für 
die  benutzung  eines  Stückes  grund  und  boden  zu  entrich- 
tende abgäbe;  dann  auch  wie  'pocht'  {vgl.  comp.-typ.  5  f), 
vgl.  gr.,  bodenzins,  hauszins  solarium  vectigal  Henisch 
1769;  gr.  nicht  vor  dem  15.  jh.  zu  belegen:  viell  erfs,  dat 
boyven  den  vayr  ind  gruntzijns  hondert  rijnsche  gülden 
wert  sij  {v.  j.  1437)  acten  z.  gesch.  d.  vcrfass.  u.  verwalt. 
d.  Stadt  Köln  l,  667;  item  hat  ein  camerer  alle  jare  fallen 
von  stuckehusz  ast  und  gruntzinse  4  Schilling  heller  {v.  j. 
1443/44)  urk.  in:  archiv  d.  hist.  Vereins  f.  d.  groszhzt. 
Hessen  15,  l,  172;  item  weisen  und  erkennen  die  scheffen 
über  die  grundtzinss  wie  folgt  {v.  j.  1537)  weisth.  2,  275; 
und  darumb  den  gruntzins  nit  ertragen  mecht  österr. 
weisth.  5,  670  (16.  jh.);  die  järlich  schuldigen  gruntzins 
{v.  j.  1644)  3,  62;  an  grundzinsen  erhebet  das  hospital  st. 
Bernhardin  127  thl.  17  sgr.  {v.  j.  1743)  cod.  dipl.  Silesiae 
4,  120;  von  dem  an,  das  ers  {das  hau^)  nutzen  kan,  wird 
der  pacht-  oder  grundzins  angerechnet  GR.  Zinzendorp 
büding.  Sammlung  (1728)  2,  10;  der  geldpreis  dieses  theiles 
ist  das,  was  man  den  gr.  oder  die  landrente  nennt  Garvb 
A.  Smith  nationalreichth.  (1794)  1, 89;  Simons  gr.  {ist)  alldort 
erniedrigt  worden  Stifter  s.  w.  2, 125  S. ;  zu  den  reallasten 
gehören  die  grundrenten,  grundzinsen,  zehnten,  fronden 
hwb.  d.  staatswiss.'^  1,  b;  bildlich:  weil  ihr  täglich  gottes 
grund  und  boden  betrettet,  so  seid  ihr  ihm  auch  täglich 
seine  gebührliche  erdzinse,  hausz-  und  grundzinse  abzu- 
legen schuldig  Val.  Herberger  trauerbinden  5,  382.  — 
-zinsgut,  71.:  zinseigene  guter  hieszen  oft  auch  stab- 
rechts-,  gatter-,  gilt-,  grundzinsgüter  Btjck  fiurnameyi- 
buch  95.  —  -zinsmann,  m.  Campe  2,  476.  —  -zins- 
leute,  pl.t.:  gr.,  die  auszer  lands  gezogen  sind  rechts- 
altert.^  1,  539.  —  -zinsrecht,  n.:  gr.  ist  auch  ein 
contract,  da  wir  unsern  grund  und  boden  gegen  einen 
zinsz  oder  nur  vor  ein  miethgeld  andern  überlassen  allg. 
haushaülex.  (1749)  1,  320". 

GRUNDZUG,  m.,  ende  des  18.  jhs.  gebildet  fehlt  es  noch 
in  Adelungs  versuch  (1774),  aber  im  wb.  2,  838  verzeichnet; 
bei  Schiller  l,  I7l  G.  für  1780  zu  belegen;  die  von  Ade- 


933 


GRUNDZÜG  — GRÜNE 


GRÜNE  1 


934 


LTJNG  und  Campe  2,  476  gegebene  bedeutung  'wesentlicher 
zug  eines  buchstabens,  einer  figur,  eines  gemäldes'  ist  kaum 
je  fachsprachlich  lebendig  gewesen,  doch  vgl.  skizze,  der 
erste  entwurf,  die  grundlinien,  grundzüge  zu  einem  ge- 
mälde  Voigt  hwb.  (1807)  2,  436;  gr.  (maierei)  trait  princi- 
pal  Beil  265 ;  hebraismen  giebt  er  mir  für  grundzüge  des 
Originalgemäldes  Gebstenberg  schlesw.  literaturbriefe 
308;  in  den  grundzügen  {des  gesichts)  bat  er  verschiedenes 
von  Lavater  Fb.  H.  Jacobi  w.  4,  3,  72;  im  19.  jh.  weit  aus- 
gebreitet und  gegenüber  grundlinie  als  inconcreter  empfun- 
den; 'erster,  ursprünglicher  und  wesentlicher,  die  ganze  er- 
scheinung  im  letzten  bestimmender  oder  charakterisierender 
zug^  (vgl.  comp.-typ.  bp):  die  grundzüge,  die  die  natur 
ihnen  anerschuf  .  .  .,  dauren  unangetastet  fort  Schiller 
1,  171  O.;  es  bleibt  .  . .  nur  .  .  .  dieser  gr.,  worauf  sich 
alles  .  .  .  beziehet  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  53-86,  1900;  das 
lyrische  ist  für  die  romantische  kunst  gleichsam  der  ele- 
mentarische gr.  Hegel  w.  lo,  2, 134;  das  notturno  . . ., 
auf  seine  grundzüge  zurückgeführt,  wird  auch  dann  noch 
aufs  gefälligste  wirken  R.  Schumann  ges.  sehr.  3, 106 ;  diese 
empfindung  liegt  als  gr.  in  ihrer  seele  H.  v.  Kleist  4,  68 
E.  Schmidt;  mit  betonung  des  anfänglichen  gegenüber  der 
ausführung:  das  werck  {den  'ödipus") . . .  von  seinen  ersten 
grundzügen  an  .  .  .  durchdenken  Meyer  an  Göthe  in: 
sehr.  d.  Göthegesellsch.  5,  179;  den  ersten  grundzügen 
nach  allg.  dtsche  bibl.,  anh.  25-37,  1777;  ein  Schema  meiner 
biographie,  das  wenigstens  in  seinen  grundzügen  ziem- 
lich vollständig  dasteht  Göthe  IV  30,  159  W.;  Winckel- 
mann  {gingen)  an  diesem  orte  die  grundzüge  seiner  kunst- 
geschichte  auf  Justi  Winckelmann  2,  l,  143;  das  in  seinen 
grundzügen  .  .  .  feststehende  projekt  RooN  denkw.  1,  375; 
den  allgemeinen  sprachtypus  wenigstens  in  den  grund- 
zügen ...  entwerfen  W.  v.  Humboldt  ^&s.  «cAr.  5,  374; 
Tuehr  wie  comp. -typ.  5  r  'hauptsächlichster,  hervorstechen- 
der z'ug\  so  namentlich  von  charakterzügen:  einen  gr.  der 
menschlichkeit  Lavater  aussichten  in  d.  ewigk.  4,  171 ; 
die  traurigkeit,  die  den  gr.  seines  wesens  bildet  H.Grimm 
Michelangelo  1,  274;  das  beobachten  des  nachbars,  dieser 
gr.  ächter  kleinstädterei  J.  Schopenhauer  reise  (1824) 
1,  148;  realistisch  ist  der  gr.  der  zeit  G.  Freytag  g^e^.  w. 
18,  111 ;  ähnlich:  in  der  alten  kunst  ist  das  regelmäszige  . . . 
der  herrschende  gr.  Solger  vorles.  über  ästh.  (1829)  166; 
allgemeiner  die  'hauptlinien,  in  denen  sich  das  wesen  einer 
erscheinung  repräsentiert^-  grundzüge  des  gegenwärtigen 
Zeitalters  Fichte  titel;  die  groszen  hauptmassen  und 
grundzüge  der  menschlichen  bildung  Fr.  Schlegel  s.  w. 
4,  29;  so  der  plan  in  seinen  groszen  grundzügen  H.  v. 
Barth  Kalkalpen  60;  karakteristische  grundzüge  der 
deutschen  und  französischen  Wortfolge  (1817)  J.  G. 
Breidenstein  titel;  grundzüge  der  Zoologie  (1868)  C. 
Claus  titel. 

GRUNDZWECK,  m.,  'wesentlichster,  letzter,  eigent- 
licher zweck':  zu  jenem  folgenden  . .  .  noch  unerlangtem 
nachzwekke  oder  endlichem  grundzwekke  Zesen  gecr. 
majestätl75;  wofern  der  gr.  nicht  recht  getroffen  Butschky 
hd.  kanz.  (1666)  2, 105;  ist  der  orden  mit  andern  zu  einem 
einzigen  gr.  verbunden?  Hippel  kreuz-  u.  querzilge  2,  214; 
anders  'ursprünglicher  zweck' :  fragen  wir  nun  nach  dem 
ur-  und  grundzweck  dieser  putzkämme  Böttiger  kl.  sehr. 
3,  106;  grundquelle  sowohl  als  der  gr.  alles  strebens  nach 
wissen  v.  Meyern  hinterl.  kl.  sehr.  1,9;  zwei  einander 
diametral  entgegengesetzte  grundzwecke  {des  lebens) 
Schopenhauer  2,  753  Cr. 

GRÜNE,  /.,  viriditas,  viror,  chloritas,  acerbitas,  virecta. 
ahd.  gruoni,  mM.  grüene,  mnd.  grone,  mnl.  groene  Ver- 
wijs-Verdam  2,  2152;  entsprechend  mit  dentaler  ableitung 
nl.  groente,  ostfries.  grönte  ten  Doobnkaat-Koolman 
1,  695^',  vgl.  gruende  Hesler  apokalypse  21629  H.;  adjec- 
tivabstractum  auf  -in  zum  adj.  grün,  daher  ist  als  ausgangs- 
bedeutung  inconcretes  'das  grünsein'  von  pflanzen  und  der 
färbe  an  sich  anzusehen,  vgl.  ahd.  röti,  bläwi;  doch  erweisen 
die  frühesten  Zeugnisse  bereits  concrete  Verwendung  für 
pflanzliches  grün  in  collectivem  sinne  und  den  begrünten 
erdboden;  bis  in  die  wende  des  18. /19.  jhs.  noch  gebräuch- 
lich, tritt  es  später  mehr  in  poetische  spräche  zurück  und 


erliegt  der  concurrenz  der  neutra  das  grün,  das  grüne 
{s.  sp.  654) ;  auch  mundartlich  nur  in  theilen  des  obd.  rdict- 
jnäszig  weiterlebend,  vgl.  Schmeller-Fr.  1, 1002 ;  Schöpf 
tirol.  217;  Unger-Khull  3101^;  Lexer  kämt.  125;  Staub- 

ToBLEB2,  755;    TSCHUMPERT    bündn.  QhZ;    ZiNGERLE    lu- 

sern.  33'^;  Fischer  schwäb.  3,  880;  die  ursprünglich  aus- 
gedehntere Verbreitung/  bezeugt  sich  vielfältig  in  orts-  und 
flurnamen,  vgl.  Schmelleb-Fb.  a.  a.  o.,  Fischer  schwäb. 
a.  a.  0.,  Müller-Fraureuth  l,  446^,  E.  Schwarz  Orts- 
namen d.  Sudetenländer  113,  BucK  obd.  flurnamenb.^  91, 
Förstemann-Jellinohaus  altd.  namenb.,  ortsn.  1,  Uli; 
doch  ist  dabei  die  concurrenz  von  grien  zu  beachten,  s. 
^grien  l  b. 

1)  als  bezeichnung  der  farbvorstellung  bei  in  saß  stehendem 
pflMnzenwuchs  im  sinne  'das  grünsein' ,  der  'zustand  des 
begrünt  seins,  des  grünseins'  entsprechend  grün  I :  viror 
grunung,  die  grüne  voc.  pred.  (1480);  viriditas  grunhait, 
die  grüne  ebda,  vgl.  Diefenbach  &22^,  nov.  gl.  382^. 

a)  so  in  bezug  auf  das  erste  junge  grün  des  frühjahrs, 
wobei  die  Vorstellung  'das  grünen,  sprossen,  in  saft  treten, 
grün  werden',  also  das  beginnen  der  Vegetation,  den  bedeu- 
tungsgehalt  vorwiegend  bestimmt  {s.  grün  I  A  1) : 

des  meien  kunft  mit  grüene  Lohengrin  3810  R.; 

auff,  jung  und  altl  ir  macht  euch  küen 
und  gailt  euch  gen  des  maien  grüen, 
der  sich  erglenzt  lustlich  zu  plüen 

Oswald  von  Wolkenstein  11, 18  Schatz; 

mertzen  griene,  pfaffen  kiene,  armer  weiber  schöne  hält 
nit  usz  Keisebsberg  in  Jon.  Adelphüs  margarita  facet. 
s.  theil  5,  sp.  2579; 

die  schöne  grüen  bringt  der  aprill 

Innsbrucker  holender  v.  1667  hei  Schöpf  tirol.  17; 

lust  und  freude  ist  vergänglich  als  wie  der  meyen  gr. 
und  schöne  Chr.  Scriver  Oottholds  zufäll.  and.  (1671) 
3.  hundert,  28;  die  gr.  zu  weynachten  .  .  .  bedeutet  uber- 
flusz  an  körn  J.  Prätorius  saturnalia  (1663)  394;  ähnlich: 
ein  jedes  wasser  hatt  sein  eygen  blüe  so  wol  als  ein 

kraut ,  dann  mit  hülf  der  sonnen  . . .  erregen  die  steme 

eine  heimliche  gr.  auf  dem  wasser  Paracelsus  op.  1, 
344  H.;  temporal  gewendet,  die  'zeit  des  grün  werdens' :  {der 
schuMnz)  wechst  ym  {dem  pfau)  auch  wider,  das  er  mit 
der  blüst  oder  gr.  der  bäume  voll  ist  H.  v.  Eppendorf 
Plinius  (1543)  147;  so  mundartlich  gehalten:  grün  /.  'zeit, 
da  die  reben  grün  werden'  Unger-Khull  310*^;  grueni 
'zeit,  da  die  wiesen  grünen'  Staub-Tobleb  2,  755 ;  jez 
chund  den  di  grüeni  wider  'der  frühling  kommt'  Tschum- 
PEBT  bündn.  653. 

b)  allgemeiner  die  grüne  färbe  der  pflanzen  überhaupt  mit 
hauptgewicht  auf  der  farbvorstellung :  der  ist  virgini  unde 
semptembrio  gegeben,  wanda  diu  gruoni  in  demo  manode 
beginnet  kan  in  roti  Notkee  l,  752,  vgl.  wanda  danne  ist 
loub  unde  gras  in  alegruoni  750; 

sumer,  sumer,  sumerzit, 

waz  uns  din  kunft  vröude  git, 

als  diu  heide  in  grüene  lit 

V.  D.  Hagen  minnesinger  1,  327; 

wa  ist  der  anger  grüene  unt  manger  bounie  dach? 

2,27; 
elliu  grüene  in  dühte  val, 
sin  röt  harnasch  in  dühte  blanc 

WOLFKAM  Parz.  179,  20; 

die  blümin,  die  zem  erste  in  dem  sumir  wahsint,  die  hant 
me  saffes  und  gruni  in  sich  gesogin  von  der  crafte  des 
sumirs  sog.  Georgener  prediger  163  Bieder;  weilen  es  (das 
ehrenkränzd)  sein  blute  und  gr.  beständig  und  rechtfärbig 
erhalten  v.  Brandis  immergrün,  ehrenkränzd  (1678)  tvid- 
mung;  das  feld  weidete  mit  seiner  angenehmen  gr.  die 
äugen  Morhof  Unterricht  (1682)  2, 164;  die  wolriechenden 
kräuter  und  gewächs  .  .  .  mit  ihrer  annehmlichen  gr.  und 
edlen  geruch  v.  Hohbeeg  georg.  cur.  l,  531;  ein  wald  .  .  ., 
so  wegen  seiner  .  .  .  schönen  gr.  fast  alle  äugen  an  sich 
ziehet  Abeaham  a  s.  Claea  etwas  für  alle  2,  308;  das  gras 
(erschien)  von  einer  unendlich  schönen  gr.  Göthe  II 1, 
28  W.; 

59* 


935  GRÜNE  2 

frühling  will  das  blau  befreien, 
aus  der  grüne,  aus  dem  schein 
ruft  es  lockend:  ewig  dein 

EICHKNDORF  8.  W.  1,  1,  66  S./ 

im  bilde:  oben  hätte  dieser  einer  zwar  wie  die  epheu- 
blätter  eine  lebhafte  gr.  tapferer  entschlüszungen,  unten 
aber  die  blässe  tödtender  feindschaft  Lohenstein  Armi- 
nius  (1689/.)  2,  753a,  vgl.  778^'. 

c)  der  bedeutung  des  adj.  grün  I  B  entsprechend  kann  gr. 
den  'zustand  des  im  soft  Stehens,  der  frische"  vor  oder  neben 
der  farbvorstellung  bezeichnen. 

a)  im  gegensatz  zum  zustand  des  verdorrens,  verwelkens 
(grünl  B  1):  {die  insel)  hatt  den  aller  gesündesten  luft, 
der  .  .  .  zierd  und  gr.  behält  Herold  Diodorus  (1554)  250; 
Avie  ein  bäum,  den  die  erden  verderbet,  nimpt  ihm  seine 
gr,,  sein  arth,  sein  kraft  Paracelsus  op.  l,  79  H. ;  alles 
steht  jetzt  noch  in  seiner  gr.  und  reife  Hölderlin  ges. 
dicht.  2, 130  L.;  der  erste  gab  den  geschöpfen  milch  {nah- 
rungssaft),  der  zweite  gr.,  der  dritte  wärme  Herder  w.  24, 
521  S.;  bildlich: 

wenn  sie  (die  hoffnungen)  stehn  in  voller  grüne, 
welken  sie  und  fallen  ab 

Hoffmann  v.  FallersIiKBbn  mein  leben  5,  257; 

wie  blätter  gilben,  blumen  welken  . . .,  wird  auch  unserm 
leib  seine  frische  und  gr.  benommen  Jac.  Grimm  kl.  sehr. 
1,  197;  gr.  des  hohes:  daz  feur  wirckt  in  daz  holtz  und 
benymt  im  die  feuchtigkayt  und  die  gr.  Taulbr  sermones 
(1508)84». 

ß)  der  zustand  des  grünseins  vor  der  reifezeit,  'unreifheiV 
{s.  grün  I  B  2):  sangen  über  jar  zu  behalten  als  körn  oder 
weitz,  so  nym  sy  in  der  gr.  ab,  so  sy  seng  seind  kuchen- 
maisterey  (1497);  körn  oder  weitzen  . .  .  nimb  sie  in  der  gr. 
Schnurr  wunxlerbuch  (1657)  50;  die  gr.,  rouwe,  härbe  der 
unzeytigen  fruchten  oder  die  ee  zeyt  abgeläsen  sind  acer- 
bitas  Frisius  22*>,  vgl.  grüeni  'herber  geschmack  einer  un- 
reifen fruchV  Staub-Tobler  2,  755;  bildlich:  es  ist  ganz 
lächerlich  neben  solch  unreifer  gr.  die  Welkheit  des  über- 
reifen zu  sehen  Varnhagen  v.  Ense  an  Caroline  68 
Leitzmann;  anders,  wie  grün  II  A  2  b  als  'zustand  des  un- 
fertigseins,  allzu  frischseins' :  das  leder  {wird)  zu  bald,  ee 
wan  es  genug  gerwt  ist,  aus  der  werckstatt  genommen 
zu  verkaufen,  das  man  in  der  gruene  nit  erkennen  kan 
{v.  j.  1507)  urkundenbuch  d.  Stadt  Heilbronn  3,  155. 

2)  seit  alters  concretisiert  gilt  gr.  für  den  pflanzenwu^hs 
in  seinen  verschiedenen  er  scheinung  sformen;  allgemein 
'pflanzliches  grün'  ohne  nähere  bestimmung,  vgl.  gruoni  viror 
ahd.  gl.  1,  603  {viror  omnis  interiit  Jes.  15,  6);  daz  si  nit 
schadten  dem  hew  der  erd  noch  einer  ieglichen  grüne 
noch  eim  ieglichen  bäum  erste  dtsche  bibel  2,  491  lit.  ver.; 
die  Schönheit  der  gr.  und  blüthe,  die  lieblich-  und 
schmackhaftigkeit  der  fruchte  Chr.  v.  Ryssel  v.  d.  See- 
lenfrieden (1685)  59;  der  tag  erzeigte  sich  vollkommen 
günstig,  die  rings  umgebende  gr.  voll  und  reich  Göthe 
36,  242  W.;  so  an  gr,  reich  A.  V.  Droste-Hülshoff  lyr. 
ged.  (1879)  94. 

a)  alt  in  engerer  Verwendung  unbildlich,  'die  den  erd- 
boden  bedeckende  Vegetation,  gras  und  krautwerF,  vgl. 
gruoni  gramina  ahd.  gl.  1,  371  {deuter.  32,  2),  620;  das  feld 
war  an  underschiedlichen  enden  mit  rosenstöcken  be- 
setzet und  das  übrige  mit  einer  anmüthigen  gr.  gezieret 
Opitz  Arcadia  (1638)  192;  die  fruchtbarsten  felder,  mit 
groszer  lustbarkeit  der  gr.  Schupp  sehr.  690;  geben  hat .  .  . 
gott  die  erden,  der  erden  die  weide,  der  weide  die  felder, 
den  f eidern  die  gr.,  der  gr.  die  blumen  Abraham  a  s. 
Clara  abrah.  bescheidessen  (1717)  2;  die  schaafe  treibet  in 
diesem  monat  an  keine  sumpfichte  örter  oder  nasse  wie- 
sen, weil  sie  .  .  .  von  der  ersten  grüne  im  blute  ersticken 
allg.  haush.-lex.  (1749)  l,  b2'*;  ähnlich  als  technische  for- 
mal die  gr.  geben  {vgl.  in  das  grün  stellen):  gr.  geben 
'heiszt  die  pferde  .  .  .  mit  grünem  gras,  kräuter  . .  .  pur- 
giren"  Zincke  öc.  ?ea;.  (1744)  994;  vgl.  gräne /.  'alpenheu' 
Lexer  kämt.  120;  die  grain  'pflanzentrieb,  knospe''  Unger- 
Khull  302 ;  in  junger  poetischer  spräche  secundär  vom 
f arbbegriff  aus  vergegenständlicht: 


GRÜNE  3 


936 


hätt  ich,  holde  Wilhelmine, 
wie  du  lagst  in  dunkler  grüne, 
dir  doch  einen  kusz  geraubt 

J.  H.  Vosz  s.ged.h,  143; 

ZU  einer  zeit,  wo  sie  {die  gebirge)  grösztenteils  mit  schnee 
bedeckt  sind  und  noch  mit  der  gr.  alles  reizes  entbehren 
Grillparzer  br.  35. 

b)  minder  häufig  und  z.  th.  als  jüngere  bildung  meta- 
phorischen Charakters  steht  gr.  für  die  grünen  theile  von 
bäumen  und  sträu/^hern,  'blattwerk,  laubwerk^ :  da  syn  die 
bäum  gar  lang  und  schön,  die  durch  wynter  und  summer 
yre  gr.  nit  verlassen  Breidenbach  heyl.  reiszen  (1486)  66b; 
sampt  dem  alten  bäum  .  . .  auch  sein  fröliche  gr.  sampt 
ihme  verwelcken  und  verschwinden  thut  Guarinonius 
greuel  d.  verwüst.  313;  die  gr,  des  gestrüttichts  Opitz  Ar- 
genis  1,  190;  wi  di  gr.  des  zarten  krauts  abfallen  Schede 
ps.  140  ndr.;  auf  was  für  eine  betrübte  art  der  winter 
denen  bäumen  ihre  gr,  wegnimmt  v,  Breszler  merk- 
vMrd.  d.  natur  (1708)  60;  des  baums  gr.  und  schatten 
Klopstock  gelehrtenrep.  ll; 

der  bäum  hat  seine  gr., 

die  blätter,  schon  gewonnen        TiBOK  sehr.  1,  6 ; 

'belaubter  zweigt :  den  fischen  soll  hinfüro  khain  purdl 
{reisigbündel)  noch  grüene  gelegt  werden  Chiemseer  fisch- 
ordn.  v.  1507  bei  Schmeller-Fr.  1,  1003;  deutlich  auf 
der  grenze  zu  Xh  als  metapher  sind  fälle  wie  diese  zu 
fassen:  die  cypressen  . .  .  hätten  zwar  eine  fettere  gr. 
Lohenstein  Arminius  2,  427  ä';  aus  der  vergoldeten  gr. 
der  Wälder  Schiller  l,  215  O.; 

des  haines  düstre  grüne  KöKNBK  w.  2,  43 ; 

die  aurikel,  mit  staubiger  gr.  gerändet  J.  H.  Vosz 
s.  ged.  2,  5. 

3)  alt  auch  gr.  als  'der  mit  Vegetation  bestandene  ort,  der 
grüne  platz",  vgl.  grueni  virecta  ahd.  gl.  1,  493,  245. 

a)  mhd.  breit  entvnckelt  in  der  bedeutung  'der  begrünte 
erdboden,  grüner  anger,  grasplan"  : 

ich  saz  üf  einer  grüene 

unt  dähte  an  maneger  hande  dinc 

Heineich  v.  Meiszbn  263  Ettm.; 
ich  r&te  dir,  ritter  küene 
erbeize  nider  üf  die  grüene        Laurin  441  Jan.; 

in  epischer  dichiung  namentlich  als  kämpf  platz: 

er  stürzte  in  üf  die  grüene       vor  im  üf  daz  gras 

Alpharts  tod  247,  2 

fehten  uf  der  grüne      und  uf  dem  witen  plan 

Wolfdietrich  1042,  2  Hollztn. 

alsust  der  werde  junge      vil  tot  zu  der  grüne 

jg.  Tüurel  1319,  2 
wsernd  ir  an  der  grün, 
da  disiu  schar  sol  vehten 

JOH.  V.  WÜKZBURG  Wilh.  V.  Österreich  8058 ; 

(der  Schwan) . . .  macht  noch  vil  da  rotes  velds  üz  grüene 

Lohengrin  6746  R.; 

in  die  gr.  niedersetzen  Abraham  a  s.  Clara  gemisch  413; 
auch  der  nutzbare  grünplatz,  'wiese,  weide\  im  bilde:  da 
wil  unse  herre  spisen  sine  schaf  in  der  grüne  alUr  crea- 
turen  paradisus  animae  int.  115  Str.;  siben  schon  ohssen 
giengen  von  dem  wazzer  und  waren  so  gar  vaist  von 
der  grünen,  die  sie  fünden  in  dem  wazzer  cgm.  341  in: 
Münch.  museum  3,  110;  sampt  allen  holzern,  grünen  und 
werden  {v.  j.  1477)  stadtrecht  v.  Neuenburg  7SMerk;  vergleich- 
bar: zu  wasser  und  weide  . . .,  buesche  und  hecken,  gruene 
und  duerre  {v.  j.  1542)  weisth.  2,  261;  entsprechend  mund- 
artlich: grueni  'grün  bewachsene  stelle,  grüner  Weideplatz'' 
Staub-Tobler  2,  755;  grüeni  'grüne  stelle  in  wiesen  und 
weiden^  Tschumpert  bündn.  653;  die  grüene  'grasplan" 
Schöpf  tirol.  217;  vgl.  gr.  grünes  feld  Kramer  hochnider- 
teutsch  101*»;  waidmännisch  auf  der  gr.  schieszen  d.  h.  auf 
der  feldsaat  im  frühjahr  Kehrein  wb.  d.  weidmannsspr . 
148;  hierher  stellt  sich  gr.  als  die  'begrünte  flur'  im  gegensatz 
zum  wald  in  orts-  und  fiurnamen,  vgl.  novalia  in  gruone 
juxta  montem  Thilchelberc  {v.  j.  1234)  bei  Schwarz  Orts- 
namen d.  Sudetenl.  113;  in  neuerer  poetischer  spräche  ist 
wieder  mit  metaphorischer  herkunft  zu  rechnen: 

erblickt  ich  nebenaus  auf  der  grüne 

aufgeschlagen  eine  lehrbühne  Rückeet  w.  11,  518. 


937 


GRÜNE  4 


GRUNE5-GRÜNELN1 


938 


b)  weiter  'mit  bäumen,  gesträuch  bestandener  ort,  wald, 
gebüsch,  hag;  auch  'grüne  freie  natur'  : 

er  tet  alsam  daz  vogellln, 
daz  wider  in  die  grüene  senet 

KONKAD  V.  WüRZBURa  Partonopier  2743  B.; 

so  sie  sich  swlngen  In  die  grün 

zu  holcz,  zu  feld  und  auch  zu  weid 

Hans  Foiz  97,  9  M.; 

ob  er  in  einem  walde       ein  magt  so  klar  alelne  fürte, 
mit  disen  meren  sUzzen       in  einer  grün  sie  sazzen 

jg.  Tüurel  5015,  2; 

damit  begund  wir  fürbas  gan 
uflE  und  nider  In  der  grön 

liederbuch  d.  Hätzlerin  163; 

alle  bis  auf  das  nochtmale  in  der  lustigen  gr,  mit  spa- 
cziren  geen  die  zeit  vertriben  Arigo  decamerone  309  lit. 
ver.;  wie  Florimundus  mit  seinem  gespann  ...  in  ein  gr. 
ausspatzieren  gangen  Abraham  a  s.  Clara  gemisch  187; 
von  hier  aus  zu  verstehen:  grüene  bdustigung  im,  grünen 
Schmeller-Fr.  1,  1002;  formelhaft  fest  in  die  gr.  gehen 
ire,  concedere  in  viretum  Dentzler  clav.  (1716)  872^;  in 
die  grüene  gen  mit  einer  'meist  im  verdächtigen  sinne" 
Schmeller-Fr.  1, 1002,  vgl. 

ach  solt  ich  gän 

mit  minem  liebe  wol  gitAn 

an  eine  heimeüche  grüene  sän 

Hadlaub  79  Ettm.; 

die  äugen  in  der  grün  erwittern 

Hans  Sachs  1,  419  K.; 

wie  der  Adam  im  paradeisz  gesündiget .  . .  und  mit  einem 
wort  in  der  grüne  es  gar  zu  braun  gemacht  Abraham  a 
s.  Clara  Judas  ertzschelm  2,  423 ;  in  neuerer  spräche  poe- 
tisch mit  bildcharakter  von  1  b  aus  übertragen: 

tief  in  wundersamer  grüne 

steht  das  schlosz,  schon  halb  verfallen 

ElCHKNDORF  8.  w.  1,  679; 

wenn  du  mir  freundlich  reichtest  deine  hand 
und  wir  zusammen  durch  die  grüne  wallten 

A.  V.  Droste-Hülshoff  to.  1,  147  Seh.; 

wie  man  an  heiszen  tagen  .  .  .  sich  des  haines  liebliche 
kühlung  .  .  .  wünscht,  um  sich  tief  in  der  dunkeln  gr. 
zu  ergehen  Tieck  sehr.  16,  262. 

4)  die  grüne  färbe  an  sich,  von  anderen  als  pflanzlichen 
objecten,  entsprechend  grün  II  B :  under  dero  gimmon 
gruoni  Notkeb  i,  751; 

der  marmeline  esterlch 
der  ist  der  stoete  gelich 
an  der  grüene  und  an  der  veste 
GOTTFRiD  V.  Stkaszburo  Tristan  16975  Marold; 

des  gruenen  stelnes  grüene 

Hksleb  apokalypse  21413; 

so  daz  des  viures  brunst 

blaichet  niht  die  grün  {des  Schildes) 

JOH.  V.  WÜKZBUEQ  Wüh.  V.  Österreich  3667 ; 

und  wenn  man  in  (smaragd)  wescht  .  . . ,  so  erhoeht  sich 
sein  grüene  K.  v.  Meqenberg  buch  d.  natur  459;  smarag- 
dus  .  .  .  verwinnet  an  der  grone  alle  krut  dat  groine  is 
bei  Schiller-Lübben  2,  152^;  er  (mercuriusmetall)  lest 
sein  grüni  herauszen  ligendt,  sein  blewi  bey  ihr  und  all 
ander  färben,  die  er  in  ihm  hatt  Paracelsus  op.  l,  642  H.; 
in  der  grüne  des  cleides  buch  geistl.  gnaden  (1503)  1353-; 
der  grünspan  . . .,  welcher  wegen  seiner  sonderlichen  gr.  zu 
den  färben  begehret  wirdt  Comenius  ianua  (1644)  24;  wo- 
mit sich  zugleich  das  niedergeschlagene  kupfer  vereiniget 
und  seine  gr.  darstellt  Jacobsson  5,  754;  der  purpur  wie 
liebeslieder,  die  grün  wie  sanfte  flöten,  das  roth  wie  trom- 
petengeschmetter  Stifter  s.  w.  1,  97  S.;  als  färbe  des  Was- 
sers: gr.  des  sees  Göthe  III  2,  167  W.; 

du  sähst  doch  etwas,  sähst  wohl  in  der  grüne 
gestillter  meere  streichende  delphine 

1 15,  1,  71  {Faust  6243); 

mit  durchsichtiger  gr.  prangte  des  Rheines  klares  ge- 
wässer  Jül.  Mosen  s.  w.  8,  324;  für  grünen  farbstoff:  im 
bergbaue  wird  das  kupf ergrün  zuweilen,  gr.  genannt  Krü- 
NITZ  20,  228. 


5)  übertragene  Verwendung  geht,  entsprechend  grün  IIA  1, 
von  gr.  1  c  aus;  zuf ruhest  in  geistlicher  spräche,  parallel  mit 
lat.  viror  'der  zustand  des  menschen,  der  frisches  geistliches 
leben  in  sich  trägt,  nicht  religiös  verdorrt,  sondern  ernev^ert, 
sündlos  isV  {vgl.  Luc.  23,  31),  z.  b.  'mentis  perusiae  vulnera 
munda  viroris  gratia"  mit  der  fehlerhaften  Übersetzung  a.  d. 
12.  jh. :  des  mütes  verbrantes  wunden  reiniu  von  der  grüne 
gnade  {statt  'reinige  durch'')  bei  Kehrein  kirchen-  und 
relig.  lieder  17;  sus  kehiez  truhten:  föne  durri  bechero  ih 
sie  ze  gruoni  Notker  2,  259;  etwas  anders  im  Wortspiel 
mit  gr.  3  als  der  aue  des  paradieses:  in  der  hohe  des  bergis, 
da  sint  alle  dinc  nuwe  und  grüne;  da  si  valiin  in  zitheit, 
da  blichin  si  und  aldint.  da  wil  unse  herre  .  .  .  spisen 
sine  schaf  in  der  grüne  allir  creaturen,  die  da  sint  in  der 
grüne,  in  der  hohe,  alse  si  in  den  englin  sin.  die  grüne 
were  der  sele  luistlicher  dan  alliz  daz  in  dirro  werlinde 
ist  parad.  animae  int.  115  Str.;  wie  'frische,  lebenskraff : 
deiner  jugend  gr.  Stieler  geharnschte  Venus  130  R.;  das 
alter  benimmt  die  gr.  Aleb  dict.  (1727)  1,  989*;  unsere 
Jugend  war  kein  blendwerk,  wir  lieferten  ihr  gr.  und 
leben  K.  A.  Varnhagen  V.  Ensb  Rahel  3,  448;  schlichter 
'leben,  existenz" : 

{die  schuld)  verliert  zugleich  mit  ihr  hier  (im  fegefeuer)  ihre 

grüne 
K.  Streckfüsz  Dantes  götU.  kom.  2  (1825)  146; 

GRÜNELN,  grunehi,  vb. 

1)  nach  art  der  zahlreichen  mundartlichen  odorativa  ge- 
bildet zu  grün  I  B  2  'unreif^  und  grün  I  A  1  bzw.  I  B 
'sprossend' ;  das  umlauilose  gruneln  könnte  an  sich  auf 
umlautlose  nominalformen  bezogen  werden  (s.  grün  form  1, 
sp.  640) ;  doch  kreuzt  sich  in  dem  vb.  anscheinend  mit  dieser 
nominalen  ableitung  eine  auf  das  doppelformige  grünen, 
grünen  zurückgehende  verbale  derivation,  der  man  für  die 
bedeutung  2  primären  charakter  zusprechen  möchte;  vgl. 
bedeutungsgleiche  bildungen  wie  grunnenzen,  ^grunzen. 

a)  grünein  'unreif  schmecken  oder  riechen",  vgl.  Schmel- 
ler-Fr. 1002;  Lexer  kämt.  125;  Unger-Khull  311»; 
Schöpf  tirol.  217;  von  zu  früh  geerntetem  merretich  Höfeb 
1,329;  Staub-Tobler  2,756;  gründen  Fischer  5CÄ träft.  3, 
880;  dann  überhaupt  ' under wärtig  riechen  oder  schmecken^, 
vgl.  grähneln  der  herbe  geschmack,  den  zu  lange  in  der  erde 
oder  t?i  kellern  gelegenes  grünzeug  bekommt  Hügel  69^' ;  von 
fifCisch,  morcheln,  wildhoden  Höfer  1,  329;  grunele"  übel 
riechen,  stinken  Fischer  schwäb.  3,  880;  md.  nicht  belegt, 
vgl.  aber  grüne  /.  'kellerartiger  geruch  der  kartoffeln" ,  das 
aus  dem  vb.  rückgebildet  scheint  Müller-Fraureuth 
1,  447;  selten  literarisch  bezeugt:  wann  die  würm  {seiden- 
uMrmer)  stincken  . .  .,  ist  allein  des  warters  nachlässigkeit 
daran  schuldig,  auch  wann  man  das  überbüebene  von  den 
blättern,  so  sie  nicht  fressen  mögen  und  etwas  grünlet, 
zu  lang  liegen  läszt  Hohberg  georg.  cur.  2,  417. 

b)  'nach  frischem  grün  riechen\  grüenelen  Schmeller- 
Fr.  1,  1002;  auf  einen  wetterregen  grüenelt  es  gar  schön 
ebda;  grunele"  Fischer  schwäb.  3,  880;  auch  das  von 
Göthe  im  alter  gern  gebrauchte  gruneln  ist  zweifellos  aus 
mundartlicher  Sphäre  gehoben,  enthält  aber  neben  der  bloszen 
geruchsvorstellung  das  dement  des  lebendig  wer  dens  der 
Vegetation:  dasz  der  sonnenstaub,  den  ein  gewitterregen 
aus  der  atmosphäre  niederschlägt,  sogleich  lebt  und  be- 
lebt, wie  der  grunelnde  geruch  erquicklich  andeutet 
IV  27,  61  W.; 

heile  mich,  gewitterregen, 

lasz  mich,  dasz  es  grunelt,  riechen 

16,26;  vgl.  27;  290; 
hier  weht  gar  eine  weiche  luft, 
es  grunelt  so,  und  mir  behagt  der  duft 

1 15,  1,  166  {Faust  8266); 
von  anderen  übernommen: 

eh  die  weit  das  labsal  schmeckt, 
und  wir,  dasz  es  grunelt,  riechen 

ÄÜCKEET  w.  2,  455; 

der  hof  des  klosters  ...  ist  ebenfalls  von  weihrauch- 
artigen und  von  grunelnden  duften  erfüllt  G.  Haupt- 
mann griech.  frühling  (1908)111;  haben  wir  nicht  mitte 
mai?  es  grunelt  mir,  es  verduftet  mich  wie  rosenhauch 
Bettine  dies  buch  geharrt  d.  könig  2,  427. 


939 


GRÜNELN  2  —  GRÜNEN 


GRÜNEN  A 1 


940 


2)  als  deminutivbildung  'grün  zu  werden  anfangen'  auf 
den  optischen  eindruck  beginnender  Vegetation  zielend:  der 
junge  .  .  .,  grünelnde,  .  .  .  graszkäumende,  vogelreiche 
lentz  Treuer  dtsch.  Dädalus  (1675)  l,  592;  wie  es  überall 
zu  grünein  anfangt  R.  Schümann  br.  i,  293  E.;  schaut  die 
hügel;  das  blaue  grünelt  schon  Jül.  Mosen  s.  w.  2,  103; 
auch  ivie  1  b  umlautlos: 

im  märz 

da  gruneln  die  dornen  am  zäun 

B.  Dehmkl  ges.  w.*  1, 161; 

sie  sagen  ja  doch,  dasz  es  drauszen  um  den  Hanoversee 
schon  grunelt  G.Hauptmann  Atlantis  (1913)345;  das 
macht  zitig  z  gruenele  Friedli  Bärndütsch  5,  2,  519;  an- 
ders Hns  grüne  hinüberspielen^  von  der  färbe  an  sich:  meta- 
thorax  grün  und  hinterleib  an  der  basis  grünelnd  Ratze- 
burg ichneumonen  1,  165;  grüenilan  ins  grüne  übergehen 
Lexeb  kämt.  125. 

GRÜNEN,  vb.,  virescere,  virere,  florere. 

herkunft  und  form. 

1)  gr.,  mhd.  gruonen,  grüenen,  ahd.  nur  als  intr.  verb 
gruonen  III.  schw.  kl.  belegt,  vgl.  Graff  4,  300,  ist  auszer- 
halb  des  ahd.  in  den  germ.  schwestersprachen  nicht  zu  be- 
zeugen; ableitung  inchoativen  Charakters  vom  adjectiv  gruoni 
{vgl.  sp.  640)  zur  verbalwurzel  *grö-,  die  innerhalb  des  germ. 
in  verschiedener  ablautstufe  als  grundlage  einer  reichent- 
wickelten Wortsippe  erscheint  und  in  ahd.  gruoen  virescere 
Graff  4,  298,  mhd.  grüejen,  mnd.  gröien,  afries.  gröia,  mnl. 
groeyen,  anord.  gröa,  schwed.  gro,  ags.  gröwan,  engl,  grow, 
sämtlich  'wachsen'  {s.  au^h  greien  sp.  5)  vorliegt;  dazu 
stellen  sich  deverbative  substantiva  une  ahd.  gruoti  /.  viror 
Graff  a.  a.  o.;  mhd.  gruot/.  'frischer  wuchs' ;  mnd.  grode 
'begrüntes  land';  anord.  grödi  'wachsthum',  schwed.  gröda; 
mnl.  groede  'wuchs,  wachsthum'  (s.  auch  greede  sp.  4)  und 
das  adj.  gruoni  <  *gröniz  mit  seinen  ableitungen;  dasz  von 
einer  idg.  wz.  *ghr5-  auszugehen  ist,  wird  durch  die  ent- 
sprechende e-stufe  in  ags.  grsede  m.  'gras'  Bosworth- 
TOLLER  486^  wahrscheinlich  gemacht,  woraus  sich  mit  dem 
folgenden  die  basis  ghre  :  ghrö  :  ghra  ergäbe;  innergerma- 
nische verwandte  aus  gleicher  wz.  mit  s-ableitung  got.,  ahd., 
mhd.,  nhd.,  anord.  gras  n.  'gras,  kraut' ;  ags.  grses,  gsers  n.; 
mhd.  gruose/.  'pflanzensaft,  junger  trieb',  mnd.  grose  dass., 
mnl.  groese  'junges  grün' ;  auszergermanisch  sind  gesicherte 
beziehungen  spärlich,  zweifelsfrei  erscheint  nur  lat.  grämen 
au^  *ghras-men  ■und  gerade  von  der  bedeutung  aus  glaub- 
haft der  Zusammenhang  mit  der  wz.  gher  'hervorstechen' ; 
vgl.  zum  ganzen  Walde- P.  vergl.  wb.  1,  606  u.  645/.,  wo 
weitere  versuche  nichtgerm.  anknüpfungen  verzeichnet  sind. 

2)  gruonen,  gruonen  (grüenen)  beschränkt  sich  in  ahd. 
und  mhd.  spräche  deutlich  auf  obd.  und  md.  gebiet  und  ist 
anscheinend  mindestens  dort  alteingesessen,  wo  es  heute  in 
der  ma.  umlautlose  form  bewahrt;  ein  as.  grönian  Gallee 
120  existiert  nicht(die  glosse  ist  obd.), mnd. gronen Schiller- 
LÜBBEN  2,  152  ist  versprengter  eindringling  und  mnl.  groe- 
nen  gleichfalls  vereinzelt,  vgl.  Veravijs-Verdam  2,  2154;  erst 
in  neuerer  spräche  gewinnt  gr.  aiif  nd.  gebiet  an  boden  und 
steht  auch  nl.  voll  entfaltet  neben  groeien,  vgl.  nl.  wb.  5, 
840^.;  aux:,h  ahd.  drängt  neugebildetes  ahd.  gruonen  altes 
gruoen  zurück,  vgl.  croent  virent  ahd.  gl.  1,  266 ;  groio  vireo 
4,  210;  etewaz  peginnet  cruen  Notker  1,  751;  gruet  und 
wahset  1,  178  und  weitere  belege  bei  Graff  4,  298;  mhd. 
grüejen,  ergrüejen  selten,  vgl.  mhd.  wb.  l,  580^  und  une  die 
folgenden  fälle  dialektisch  bestimmt :  (die)  wurtsel,  da  die 
roed  ist  usz  ghegruet  br.  Hans  marienl.  605  (clevisch);  ir 
werdet  wider  gruende  Hesler  apok.  18284 ;  gruwen  vigere 
DiEFENBACH  nov.  gl.  38l'5  (voc.  von  1476,  rheinisch);  ältester 
zeuge  für  gruonen  ist  die  glosse  cruaneton  vernabant  ahd. 
gl.  2,  13,  jüngere  belege  s.  Graff  4,  300;  mhd.  tritt  neben 
gruonen  ein  Irans,  grüenen,  refl.  sich  grüenen;  die  meist 
gebotene  auffassung  (Heyne  wb.  l,  1269),  dasz  von  Irans. 
grüenen  aus  das  intransitivum  nach  dem  13.  jh.  den  um- 
laut  übernommen  habe,  erregt  bedenken,  weil  das  Irans,  verb 
unhäufig  war  und  das  intr.  in  den  obd.  maa.  noch  heute 
weithin  ohne  umlaut  gilt;  wo  sich  der  umlaut  zeigt,  wird 
er  une  in  der  Schriftsprache  vom  adj.  grün  her  zu  erklären 


sein;  umlautlose  formen,  z.  th.  neben  umgelauteten,  bewahren 
das  bair.,  r^rZ.  Schmeller-Fr.  1,  lOOO/.;  Lexes,  kämt.  125; 
Schöpf  tirol.  217;  Unger-Khull  302^;  das  alem.,  vgl. 
Staub-Tobleb  2,  754  {wo  neben  länge  gronen  auch  grö- 
nen);  Friedli  JSörn^i.  3,217;  Bühler  i)ai'08  53;  Fischer 
Schwab.  3,  881/.;  Fulda  idiot.  14l  grünen /ür  schwäb.;  we- 
niger md.,  vgl.  grnne  Crecelius  441;  wo  beide  formen 
nebeneinander  stehen,  ist  die  umlautsform  in  der  regel  der 
Schriftsprache  entnommen,  was  meist  auch  an  der  bedeutung 
erkennbar  wird,  vgl.  Tschumpert  bündn.  653;  Martin- 
LiENHART  1,277  u.  2,;  Bacher  luscm.  2&i;  ebenso  steht 
grünen  neben  dem  alten  grüejen  in  rhein.  und  nd.  maa.,  vgl. 
Jos.  MÜLLER  rhein.  2,  1456  U.  1444;  MensiNG  2,  497  U.  485; 

Dähnert  162  u.  161;  Berghaus  l,  620  u.  615;  so  auch 
fries.grene,  greie  Jensen  nordfries.  169  «.168;  entspre- 
chend zu  werthen  ist  umlautlosigkeit  in  druckwerken,  na- 
mentlich des  älteren  nhd.:  das  gantze  land  grünet  und 
stehet  lüstig  Luther  bei  Dietz  2,  180^*;  grünen,  grün 
werden  verdoyer  Hulsius-Ravellus  lex.  it.-gall.-germ. 
(1616)  147*';  die  meer  wie  sie  wüten  .  .  .,  die  bäume  wie 
sie  grünen  Meyfart  himml.  Jerusalem  (1630)  2,  222;  grü- 
nen gleichet  dem  wort  grünen,  doch  scheinet  grünen  der 
anfang  zu  der  grunung  Harsdörfer  poet.  trichter  3  (1653) 
247;  das  grunete  und  trieb,  dasz  es  eine  helle  pracht  war 
Jer.  Gotthelf  ges.  sehr.  19,  68. 

bedeutung  und  gebrauch. 

als  wurzdhafte  bedeutung  von  germ.  *grö.  ist,  im  Zu- 
sammenhang mit  der  würzet  *gher-  und  der  bis  ins  nhd. 
hinein  sichtbaren  grundbedeutung  von  gTün,'hervorsprieszen, 
herauswachsen'  in  bezug  auf  die  Vegetation  zu  erschlieszen, 
eine  art  gegenstück  zu  der  in  ihren  verbalen  und  nominalen 
ableitungen  mannigfach  ähnlichen  verbalwurzel  *blö-  in 
blühen ;  hier  der  höhepunct,  dort  der  beginn  des  pflanzlichen 
wachsthums;  ahd.  gruoen  hat,  wie  in  den  übrigen  west-  und 
nordgerm.  dialekten,  bereits  die  tveitere  bedeutung  'wachsen, 
gedeihen',  die  auch  in  den  rhein.  und  nd.  maa.  fest- 
gehalten ist;  im  mnl.  erscheint  neben  ihr  die  ursprüng- 
licher scheinende  'sprossen';  das  adj.  *gr6niz  erweist  eben- 
falls 'sprossend,  frisch'  als  seine  grundbedeutung  (vgl. 
sp.  640),  nicht  'grasfarbig'  wie  Falk-Tobp  357  will;  ent- 
sprechend bedeutet  sein  derivat  gruonen  'grün  werden'  vom 
jungen,  sprossenden  pflanzenwuchs,  übernimmt  aber  in 
späterer  spräche  daneben  auch  die  bedeutung en  'wachsen, 
gedeihen',  'grün  sein'  und  durativ  'grün  bleiben';  in  den 
maa.  tvie  in  neuerer  Umgangssprache  erliegt  gr.  vielfach  den 
Verbalverbindungen  grün  werden,  grün  sein,  grün  gehen 
u.  ä.;  das  factitiv  mhd.  grüenen  'grün  machen'  bleibt  im 
ganzen  selten  und  tritt  mundartlich  seine  bedeutung  auch 
an  das  umlautlose  intransitivum  ab,  vgl.  Martin-Lien- 
hart  1,  277;  ZiNGERLB  lusem.  33"^. 

A.  in  der  alten  und  bis  in  die  heutige  spräche  bewahrten 
hauptbedeutung  bezieht  sich  der  im  verbum  ausgedrückte 
Vorgang  auf  die  Vegetation. 

1)  im  inchoativen  sinne  'grün  werden,  sich  mit  pflanz- 
lichem grün  bedecken',  wobei  die  grundbedeutung  von  grün 
neben  dem  optischen  dement  lebendig  bleibt. 

a)  'ausschlagen,  das  erste  junge  grün  bekommen,  sich  be- 
grünen', namentlich  von  der  erwachenden  Vegetation  des 
frühjahrs. 

a)  von  bäumen,  dem  wald  'sich  bdauben' : 

in  dem  abereilen 
so  die  bluomen  springen, 
8Ö  louben  die  linden 
und  gruonen  die  buochen 

Heinr.  V.  Veldeke  in:  minnes.  frilhl.  62,  28; 

ah!  nu  kumet  uns  diu  zit 
der  kleinen  vogelllne  sanc. 
ez  gruonet  wol  diu  linde  breit, 
zergangen  ist  der  winter  lanc 

DiETMAK  V.  Eist  in:  minnes.  früM.  33, 17; 

so  si  («e.  diu  beide)  den  walt  siht  gruonen 

Walther  v.  d.  Vogelweide  42,  22 ; 

welcher  zwar  unter  allen  bäumen  im  jähre  der  letzte  zu 
gr.  beginnet  S.  v.  Birken  forts.  d.  Pegnitzschäferey  (1645) 
)(  3^;   schon  fangen  die  büsche  an  zu  gr.  Moltke  ges. 


941 


GRÜNEN  A  1 


GRÜNEN  A  2.  3 


942 


sehr.  u.  denkw.  i,  255 ;  in  der  ersten  half te  des  aprils,  wenn 
eben  die  weiden  zu  gr.  anfangen  Naumann  naturgesch. 
d.  Vögel  2,  1,  467. 

ß)  ''sich  mit  grün  bedecken,  grün  hervorbringen^  von  der 
erde,  dem  acker  u.  ä. :  das  erdrych  ist  gheiszen  grünen 
ZwiNGLi  dtsche  sehr.  \,  63;  der  acker  fieng  an  ...  zu  gr. 
grillenvertreiber  (1670)  46; 

die  erde  regt  sich,  grünt  und  lebt 

NOVALIS  sehr.  1,  81  M.; 

Amalias  liebe  machte  den  brennenden  sand  unter  ihm 
gr.  Schiller  2, 150  O.;  neu  Uesz  den  schutt  sie  {diefrei- 
heit)  gr.  Feeiligrath  ges.  dicht.  5,  16;  vergleichbar: 

das  wasser  will,  das  unfruchtbare,  grünen 

GÖTHE  3,  78  W.; 

übertragen  auf  die  thätigkeit  des  frühlings  als  bringer  des 
pßanzenwuchses :  der  frühling  grünte  zeitig  Göthe  4,  5  W.; 
drauszen  grünte  der  frühling  G.  Freytag  verlor,  hand- 
sehr.''  1,  353;  woher  gras  und  bäume  und  ein  ganzer  grü- 
nender früling  noch  ohne  einen  stral  der  sonne?  Herder 
6,  30  S. 

y)  unpersönlich  es  grünt  'es  wird  grün"  bereits  in  älterer 
spräche: 

wan  ez  gruonet  in  dem  walde 

V.  D.  Hagen  minnesinger  1,  356»; 

da  war  es  recht  ym  lentz,  das  es  daher  grünet  Luther 
24, 155  W.;  ye  mehr  der  früling  sein  wärme  herfür  laszt 
und  auszspeut,  ye  mehr  grünt  es  allenthalb  See.  Franck 
«prtcA«;.  (1541)  1, 137b; 

dann  grünt  es  über  ein  weilchen 

Geisel  w.  1,  52; 

sobald  es  gr.  wird,  sagen  wir  es  ihnen  Gervinus  t»; 
fyriefw.  zw.  J.  u.  W.  Orimm,  Dahlmann  u.  Oervinus  2,  237 ; 
vgl.  as  grounät  widär  Bühler  Davos  1,  53 ;  hierzu  gehören 
auch  folgende  fälle: 

Bwanne  der  wlnter  abe  ginc 
und  der  sumer  ane  ginc 
und  iz  begunde  grünen 

Straszburger  Alexander  5249; 

hir  fengt  es  ahn,  starck  zu  gr.  überall  Elisabeth  Char- 
lotte V.  Orleans  3, 639  lit.  ver.; 

jetzunder  geht  das  frühjahr  an, 
und  alles  fängt  zu  grünen  an 

Mittler  dtsche  Volkslieder  657; 

b)  specidler  'treiben,  sprieszen,  angehen,  ausschlagen^ , 
t«7^  gruonen  puHulare  Diefenbach  472*;  grünen  germi- 
nare  261*;  gr.,  ausschlagen  germinare,  frondere  Wieder- 
hold dict.  (1669)  1521';  ^gi^  gruenen  umrzel  fassen,  keimen, 
sprossen  Schmeller-Fr.  l,  1000; 

drü  holcz  dar  an  begunden 
grünen  und  gabent  este 

SCHWEIZER  Wernher  Mot.  8027  P.; 

dar  nach  gab  sie  sich  in  eins  hulczes  art, 
dar  umb  die  rüde  gegrunet  hat 

Alsfelder  passionsspiel  4723   Grein; 

der  stecken  künde  grünen  J.  Agricola  sprichw.  (1534) 
y  7'';  die  grünende  rut  Mosis  Fischart  binenkorb  (1588) 
55b;  und  daz  noch  wunderlicher  ist,  fieng  der  mastbaum 
an  zu  gr.  Gabe.  Rollenhagen  indian.  reisen  (1603)  145; 

darnach  wol  auf  den  dritten  tag 
der  stecken  hub  an  zu  grünen 

J.  PeäTORIüs  Blockesberges  verricht.  (16Q8)  23; 

die  Schäfte  (der  Speere)  begannen  zu  gr.  dtsches  museum 
2,  247  Fr.  Schlegel;  sprichivörtlich: 

wenn  gott  es  will, 
grünt  auch  ein  besenstiel 

Binder  sprichwörterschatz  21; 

ein  bäum,  der  vom  wetter  geschlagen,  schlägt  doch  wider 
ausz  und  grünet  Lehman  florileg.  polit.  (1662)  2,  797;  dasz 
der  abgehauene  bäum  wohl  noch  einmal  gr.  könne 
O.  Peschel  völkerkde  309 ;  dann  auch  'keimen'  vom  Samen- 
korn: si  (die  ameisen)  peizent  daz  körn  enzwai,  daz  si 
eintragent,  daz  es  icht  anderweid  keimel  und  grüen 
K.v.  Megenberg  fcttcA  d.  natur  302;  der  samen  grünet  erste 


dtsche  bibel  1,  134  (lesart  für  keimet);  der  samen  grünet 
und  wechset  bibel  v.  1483,  487*;  die  lest  samen,  die  auch 
zu  der  selben  zeit  ligen  in  der  bermutter  der  erden,  die 
werden  gr.  und  mit  hilf  der  sonnen  blüen  und  wachsen 
Petrus  de  Crescentiis  teutsch  (Speyer  o.  j.)  2S^  ('pullulant' 
im  lat.  original);  überhaupt  'sprieszen,  hervorwachsen\ 
gaben  des  hailigen  gaistes,  die  die  pluomen  Christum 
machten  grüenend  in  der  zarten  schalen  unser  frawen 
K.  V.  Megenberg  buch  d.  natur  84; 

wann  rechte  zeit  macht  grünen  ein  iglichs  Icraut 

fastnachtspiele  744  Keller; 

es  lasse  die  erd  härfür  grünen  grasz  und  kraut  Züricher 
bibel  (1531)  1**;  das  erste  leben  ist  die  wirckung  der  seelen, 
nach  welcher  .  .  .  die  vegetabilien  ihren  saft  an  sich  ziehen 
und  gr.  Prätoriüs  anthropod.  pluionicus  (1666)  1,  411;  der 
regen  .  . .  macht  gras  und  gartenkräuter  gr.  Göthe  IV  8, 
78  W.;  bildlich: 

ein  spröszling  grünt  aus  seinen  wurzeln  (des  Stammes  Isai) 
allg.  dtsche  MW.,  anh.  53-86,  2580; 

swelch  guott&t  e  verdorben  was, 
diu  gruonet  herwider  als  ein  gras 

Freidank  38,  2  Gr. 

2)  die  Vorstellung  vom  beginn  des  wachsthums  erweitert 
sich  zu  der  des  Wachsens  überhaupt,  wobei  nur  theilweise 
noch  das  moment  der  quantitativen  zunähme  bestimmend 
ist,  öfter  dagegen  der  begriff  des  gedeihens  hervortritt;  auch 
diese  Verwendung  ist  alt:  du  bist  wole  slozhafter  garto, 
suester  min  gemahela,  . . .  also  in  demo  garten  allerslahto 
krut  gruonent  Williram  67,  4  Seem. ;  sie  (die  haare)  gruo- 
nent  ouch  alliz  ana  quasi  palma  88,  13;  bildlich: 

(da)  grünet  wol  der  edele  stam 

Passional  402,  51  K.; 

dar  US  so  wfichs  ir  herczcn  drut 
und  gronet  in  dem  gard 

Ph.  Wackernagel  kirchenlied  2,  279»; 

kann  auch  ein  simmes  grünen  on  feucht  erden?  Luther 
bibel  1,  403  W.  (Hiob  8,  11);  was  auf  der  erden  und  in 
theleren  und  auf  den  alben  webert  oder  grünet,  ist  des 
erdenkreysz  in  superficie  ehr  und  schmuck  Mathesius 
leichenpred.  (1561)  y  3*>;  der  zauberte  .  .  .  ein  lilien  in  den 
hafen,  die  grünete  daher  volksb.  v.  dr.  Faust  97  Br.; 

das  küszkraut  da  wie  blumen 
an  allen  ecken  grünt 

schattsp.  engl,  komöd.  250  Creizenach; 

womit  haben  wirs  verdienet, 
dasz  uns  alles  so  grünet? 
unser  acker,  recht  zu  sagen, 
solte  thorn  und  tisteln  tragen 

Gabe.  VoigtlInder  öden  u.lieder  (1642)  96; 

fruchte,  die  im  schatten  und  dunkeln  platzen  gr.,  haben 
weder  preisz  noch  geschmakk  P.  Winckler  2000  gute  ge- 
dancken  (1685)  c  3;  vertraut  mit  allem,  was  im  walde  .  . . 
grünt  Herm.  Schmid  alte  u.  neue  gesch.  a.  Bayern  (1861) 
41;  sieh,  wie  auf  einmal  rosen  auf  dem  mist  gr.  malee 
MüLLEE  w.  2,  114;  sieht  dieser  bäum  da  nicht  dem  ähn- 
lich, der  in  S.  vor  unserm  hause  grünt?  Tieck  sehr.  11,  351; 
daher  auch  gr.  und  wachsen  als  zwillingsformel:  von  der 
zeit  an  grünet  und  wächsset  laub  und  gras  wider  herfür 
Sebiz  f eidbau  (1579)  53;  ein  guter  name  kan  . . .  wie  ein 
wächsiger  guter  bäum  gr.  und  wachsen  Aitingee  jagd- 
büchlein  (1681)  )(  3^;  sogar:  von  den  orten,  da  das  gold 
grünet  und  wachset  Jos.  de  Acosta  America  (1605)  99. 

3)  schon  mhd.  spräche  eigen  ist  die  Verwendung,  die  gr. 
als  einfache  zustandsbezeichnung  faszt,  'im  grün  der  Vege- 
tation stehen,  grün  sein',  vgl.  gruonen  o.  grien  syn  virere 
Diefenbach  621 C;  gruonen  frondere  gemmu  gemmarum 
(1508)12*;  gr.,  frondeo,  cpvX'AocptQü}  Dbcimatob.  thesaurus 
(1606)  539^. 

a)  mit  vorwiegen  des  farbeindruckes : 

anger  gruonet  unt  diu  liebte  beide, 
des  stet  wunneklich  ir  ougenweide 

V.  D.  Hagen  minnesinger  1,  357»; 

mit  schccner  gruene  gruenet  tal,  uz  roete  rot  da  glestet 

2,  69»; 


943 


GRÜNEN  A  3 


GRÜNEN  A  4.  6.  B  1 


944 


das  lant  in  gröner  varwe  lit 
grünende  alse  der  gräne  chle 

RuDOiF  V.  Ems  weltchron.  1444 ; 

auch  laub  und  gras 
das  grünet  schon 

Förster  /r.  teutsche  liedlein  42  ndr.; 

{wir)  sechen  gr,  die  preyten  wisen  Abigo  decamerone  10 
lit.  ver.; 

auch  grünen  beyde,  weld  und  wiesen 

Hans  Sachs  1,  24  K.; 
die  au  und  auch  der  anger 
recbtschaflen  grünen  fein 

RiNOWALD  Christi.  Warnung  M  ö*; 

das  grasze  grünt  in  vollem  pracht 

Opitz  t.  poemata  51  ndr.; 

voll  balme  grünt  das  land 

J.  H.  Vosz  8.  ged.  5,  2; 

thäler  grünen,  hügel  schwellen 

GÖTHE  15,  1,  4  W.  (Faust  4654) ; 

und  die  erde  grünte  grüner      TracK  tchr.  1,  275 ; 

weil  schön  die  wälder  gr.  Stoem  w.  2,  272;  poetisch  ganz 
frei  verwendet: 

es  müssen  lilien  um  ihre  schlafe  grünen 

H.  A.  V.  ZiKGLKR  asiat.  Banise  (1689)  837; 

(e«)  grünt  ihm  der  lorbeer,  den  der  sieg  ihm  gab 

Brentano  ges.  sehr.  2,  488. 

b)  entsprechend  wird  das  partic,  namentlich  in  poetischer 
spräche,  attributiv  verwendet,  wobei  im  mehr  oder  minder 
bewuszten  gegensatz  zum  adj.  grün  die  reine  farbvorstellung 
hinter  die  des  pflanzlich  im  grün  Stehens  zurückgedrängt 
wird;  vgl.  ein  grünend  ort  viretum  Frisius  1387'^;  dicke 
sat  und  grünende  wisen,  mögen  der  seel  zu  staten  komen 
Albbecht  von  Eyb  Spiegel  d.  sitten(lSll)  h  6^;  auf  beiden 
Seiten  lagen  grünende  felder  und  wiesen  Nicolai  reise  1, 
46;  die  Stadt  N.  .  .  .,  von  grünenden  gärten  umgeben 
Meyb  erzähl,  a.  d.  Ried  \,  54;  ihr  grünenden  bäume  .  . ., 
euch  rufe  ich  zu  .  .  .  zeugen  an  Chr.  Weise  pol.  redner 
(1677)  12; 

wenn  man  im  untern  gange  steht 

und  in  der  grünenden  allee  spazieren  geht 

B.  H.  Brockbs  8,  23; 

und  das  schönste  gemlsch  von  blühenden  feldern 
goldenen  saaten  und  grünenden  Wäldern 

Schiller  1,  219  O.;  vgl.  11,  76; 

eh  ich  noch  daran  dachte,  war  ich  tief  in  die  grünenden 
schatten  hinein  Fouque  Jahreszeiten  1,  39;  diese  . .  . 
sangen  aus  grünenden  zweigen  lieder  der  f  reiheit  gr.  Stol- 
BERO  ges.  w.  3,  98;  {sie)  nahm  . . .  der  langen  grünenden 
blätter  einige  Möbike  w.  1,  266;  mit  seinem  körper  den 
grünenden  rasen  decken  W.  Hauff  m>.  l,  32. 

c)  der  grundbedeutung  von  grün  nahe  gilt  gr.  im  gegen- 
satz zu  welken,  verdorren  auch  in  älterer  spräche  im  sinne 
frisch  bleiben,  im  saft  bleiben'  (vgl.  grün  I  B  1),  wobei  der 
f arbbegriff  vielfach  stark  verblaszt: 

das  laub,  das  on  den  eschten  stund, 

das  fieng  da  an  zu  pleicben, 

und  das  es  darnach  nimmer  grundt 

Sigenot  str.  79  Schade; 

der  (ulmbaum)  hat  die  art,  .  .  .  daz  er  gar  gern  grüenet, 
wan  ist,  daz  er  dürr  worden  ist,  der  in  dann  fäuht  mit 
wazzer,  er  wirt  wider  grüen  K.  v.  Megenberg  buch  d. 
natur  353;  ein  blüm  des  feldes,  die  heut  in  glück  grünt 
und  obschwebet,  morgen  verdorret,  abgestorben  ist  Seb. 
Franck  sprichw.  (1541)  2,  104^; 

und  folgte  dazumahl  dem  bäume  von  Japan, 

der  von  dem  regen  stirbt  und  in  der  sonne  grünet 

Hoffmannswaldau-Nettkirch  1, 126; 

kaum  einen  tag  hat  diese  kürbisstaude  gegrünet  Abra- 
ham A  s.  Clara  etwas  für  alle  2,  41 ;  bei  einem  oberhalb 
verdorrten,  unten  grünenden  bäum  Herder  22,  78  S.; 
nebeneinander  stehen,  vereint  gr.  oder  welken,  alles  das 
gehört  zum  walde  Brentano  Godwi  2,  27;  oft  mit  einem 
temporalen  adv.  verdeutlicht:  wie  die  bletter  nicht  immer- 
dar grünen,  sondern  .  .  .  verwelcken  und  abfallen  theatr. 
diabol.  (1569)  511^;  gleichwie  wir  sehen,  dasz  die  bäume, 
so  immer  gr.,  von  ihrem  saft  es  haben  J.  Prätorius 


winterflucht  (1678)  275;  links  strebte  die  immer  grünende 
eiche  zur  breite  wie  zur  höhe  Göthe  49,  312  W.;  etwas 
anders  von  der  tanne,  die  ihr  grün  das  ganze  jähr  bewahrt: 

o  tanne,  du  bist  ein  edler  zweig, 

du  grünest  winter  und  die  liebe  Sommerzeit; 

wenn  alle  beume  dürre  sein, 

so  grünst  du,  edles  tannenbeumelein 

Uhland  volksl.  1, 1,  385  (um  1550); 

die  . .  .  allzeit  grünende  tannen  Neumark /orij/ep^.  mus.- 
poet.  lustw.  1,  5 ;  nur  vereinzelt  wie  grün  I  B  2  im  sinne 
'noch  nicht  reif,  unreif  sein':  was  zeittig  umbher  war, 
Ilesz  er  abschneiden  und  zu  häuf  füren,  was  aber  noch 
grünet  .  .  .,  liesz  er  alles  zertretten  und  verderben  Car- 

BACH  Livius  (1551)  266*. 

4)  den  gesichtspunct  des  vortrefflichen  Wachsens  und  ge- 
deihens  hebt  mit  gefühlsbetonter  stärke  die  formel  gr.  und 
blühen  heraus:  jhe  mehr  der  kreutter  seind,  jhe  mehr  sie 
gr.  und  blüen,  jhe  mehr  wassers  zu  verhoffen  ist  Michael 
Herr  feldbau  (1551)  296;  so  grünet  und  blüet  alles  aus 
der  erden  Barth  weiberspiegel  (1565)  ki^; 

die  beume,  die  blühen  und  grünen  mit  macht 

Zksen  verm.  Helikon  2,118; 

izt  gr.  und  blühen  wir  als  die  blumen  und  müssen  doch 
endlich  widerum  verdorren  Butschky  kanzdley  (1666)  4, 
64;  man  findet  bäum,  die  auszwendig  gr.  und  blühen, 
inwendig  ist  das  marck  gantz  faul  und  verdorret  Lehman 
florileg.  polit.  i,  68;  um  sie  grünte  und  blühte  es  H.  Stef- 
fens was  ich  erlebte  (1840)  1,  358; 


grünt  und  blühet 
schön  der  mal 


GÖTHE  1,  80  W. 


5)  das  partic.  präs.  vertritt  substantiviert  in  älterer  spräche 
gelegentlich  die  collectivbezeichnung  'das  grün,  gewachst 

das  er  holz,  körn  unde  gras 
und  swas  da  grfinendis  was 
zerslug  .  . . 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  10275  Ehrism.; 

welches,  so  es  geschieh,  ist  allen  grünenden  vil  nutz 
H.  ÖSTEBBEICHEE  Cölumella  264  lit.  ver.;  eim  yeglichen 
grünenden  erste  dtsche  bibel  2,  491  {Variante  zu  einer  ieg- 
lichen  grüne);  ich  hab  alles  grünende  geben  euch  ziu" 
speyse  1.  Mos.  l,  32;  vgl.  grünende  viretum  {voc.  v.  1420) 
DiEFENBACH  nov.  gl.  383». 

B.  wie  beim  adj.  grün  ist  namentlich  in  älterer  spracJte 
eine  reiche  Übertragung  auf  andere  als  pflanzliche  objecte 
enttvickelt;  dasz  aber  neben  der  bildhaften  anwendung  auf 
Personen,  dinge,  zustände  und  abstracta  auch  alte  directe 
verbale  ableitung  von  grün  II  A  möglich  ist,  ergibt  sich  in 
vereinzelten  fällen,  wo  die  wurzelhafte  bedeutung  'frisch 
sein*  näher  liegt:  dasz  man  seinen  körper  noch  grünend 
und  onverzert  domalen  fonden  hab  J.  v.  Watt  dtsche 
hist.  sehr.  1,  153  G.;  und  grünet  sein  fleisch,  die  weil  er 
daran  {tot  am  galgen)  hieng  der  heiligen  leben  winterteil 
(1471)  27"';  vgl.  d  rüde  grüne«  flieszen,  von  den  nassen 
flechten  Staub-Tobler  2,  754. 

1)  von  gr.  A 1  her  leitet  sich  die  Verwendung,  diedas  Schwer- 
gewicht auf  den  beginn  eines  zustandes  legt;  im  bilde:  wo 
dignitas  peginnet  dar  virescere  gruonen  Notker  2,  389; 

des  lop  gruonet  unde  valwet  so  der  kl6 

Walther  v.  d.  Vogblweide  35, 14; 

sie  {die  ehre)  gruont  niht  wider  als  der  cl6, 
als  meien  zlt  an  argez  we 

meisterlieder  570  Bartsch; 

alsdenn  wird  der  glaub  ausschlagen,  der  fried  grünen 
Z.  Theobald  H u^zitenkrieg {IQOd)  384;  aber  meist  ohne  un- 
mittelbare metaphorische  beziehung,  vorab  im  älteren  nhd. 
häufl-g,  'sprossen,  erwachsen,  aufblühen"": 

mein  hart  und  auch  mein  hör  begund 
mir  gleich  zu  grünen  an  der  stundt 

Wickram  w.  8, 196  B.; 

Cassandra  .  .  .  wol  abnemen  kund,  das  die  früntschaft 
irer  tochter  schon  anhüb  gegen  der  Lucia  zu  grünen  2, 
219;  dieweil  .  .  .  fieng  sein  ungluck  an  zu  gronen  Knebel 
chron.  v.  Kaisheim  265  lit.  ver.;  im  glück  grünt  übermuth 


945 


GRÜNEN  B  2.  3 


GRÜNEN  B  3 


946 


W.  H.  V.  HoHBERG  habspurg.  Ottobert  (1664)  e  3^;  rechten 
studiis,  so  zu  unserer  zeit  wider  gegrünet  und  an  tag 
kommen  Hütten  opera  2,  213  B,  {zeitgenöss.  Übersetzung); 
diser  zeyt  grünet  der  tödtlich  krieg  zwüschen  der  statt 
Zürych  und  den  eydgenossen  Stumpf Schweizerchron.  109'' ; 

die  furcht  läszt  keine  hoffnung  grünen 

A.  U.  V.  Braunschweig  Octavia  (1677)  1,  854; 

am  grünen  donnerstage,  an  welchem  unserer  seelen  heyl 
.  .  .  hat  angefangen  zu  gr,  B.  Schupp  sehr.  (1663)  64; 

ich  fordre  keinen  rühm,  der  aus  dem  unrecht  grünet 

J.  E.  Schlegel  w.  1,  241; 

aus  diesem  haupte,  wo  der  apfel  lag, 
wird  euch  die  neue  beszre  freiheit  grünen 

Schiller  14,  383  6.; 
plastisch: 

im  thale  grünet  hoffnungsglück 

GÖTHE  14,  49  (Faust  905)  W. 

2)  einen  vom  vorigen  fühlbar  unterschiedenen  bedeutungs- 
charakter  gewinnt  gr.,  wenn  der  begriff  des  zunehmens, 
Wachsens,  der  Steigerung  überhaupt  im  Vordergrund  steht 
und  die  metaphorik  an  A  2  anknüpft;  so  in  der  Verbindung 
gr.  und  wachsen  u.  ä.  : 

Seneca  sprichet,  daz  der  git 
gr&net,  wahset  alle  zit 

der  BCBlden  hört  4854  Adrian; 

daz  lebin  unses  herren  daz  grunete  und  wuchs  in  der  lüte 
herze  Pfeiffer  myst.  l,  4;  ye  mer  in  im  (dem  menschen) 
wachst  und  grünet  die  göttlichen  ding  d.  ewigen  wiszheit 
betbüchlin  (1518)  66*^;  also  sind  wir  alle  yn  Adam  .  .  . 
beraubet  unsers  Ursprungs,  das  ist  gottes,  von  %vilches 
einflieszen  wir  sollten  grünen  und  wachsen  Luther 
18,  509  W.;  und  dieses  himmelliecht  wird  nicht  abnemen, 
sondern  immer  ins  helle  klare  gr.,  das  ist  wachsen  und 
zunemen  V.  Herberger  himrrd.  Jerusalem  (1609)  130;  da- 
mit ins  künftige  ...  die  freyen  Studien  wachsen  und 
gr.  mögen  Happel  akad.  romon  (1690)  227;  alle  freye  künst 
erwachsen,  grünen  und  zu  voUstande  gelangen  Hars- 
DÖRFER  frauenzimmergesprächsp.  1,  10;  der  geistlich  wird 
dann  gr.  und  wirdt  zunemen  wie  der  mond  Paracelsus 
opera  2,  608  H.;  wie  aber  die  Jesuwider  ...  gr.  und  zu- 
nehmen J.  Prätorius   Turcicida  ¥  3^ ; 

dardurch  sein  lob  grün,  blü  und  wachs 
je  lenger  mehr,  das  wünscht  Hans  Sachs 

Hans  Sachs  21,  303  K.-G.; 

ebenso  auch  gr.  allein  im  älteren  nhd.  und  mundartlich  im 
sinne  ^aufblühen,  voran  kommen,  sich  erholen'  von  men- 
schen und  dingen,  vgl.  gleichbedeutendes  begrünen  th.  l, 
1313; 

der  gmein  nutz  fleng  zu  grünen  an, 

das  sich  frewd  iedermann  darab 

Hans  Sachs  8,  477  E.; 

durch  den  gemainen  ruf  würt  das  werk  wider  grünen 
Steinhöwel  de  dar.  mul.  194  lit.  ver.;  wir  vermeinten  uns 
durch  ihn  zu  bessern,  zu  gr.  und  aufzukommen  Petreius 
historien  (1620)  365;  ihr  sehet,  das  die  falschen  propheten 
.  . .  nicht  gr.,  nicht  fürkommen  Paracelsus  opera  (1589) 
2,  83;  ähnlich  'körperlich  (und  geistig)  wachsen  und  ge- 
deihen, erstarken,  bes.  von  kindern,  rekonvalescenten  .  .  .; 
das  kind  grünet,  der  kranke  grünet  wieder^  Fischer 
Schwab.  3,  881 ;  vgl.  es  gruenet  -mu  es  fängt  an,  ihm  gut  zu 
ergehen  Staub-Tobler  2,  754 ;  ».  auch  Martin-Lienhart 
1,  277;  Fischer  schwäb.  3,  881. 

3)  nahe  angrenzend,  jedoch  mit  stärkerer  betonung  des 
zuständlichen,  Hn  kraft  und  frische  stehen,  gedeihen,  flo- 
rieren' entsprechend  A  3,  vgl.  gr.,  in  seinem  wäsen  oder 
kraft  seyn  vigere  Calepinus  xi  ling.  (1598)  1542;  so  in 
den  mannigfaltigsten  beziehungen. 

a)  von  menschen  und  dingen,  'im  zustand  des  Wohlbefin- 
dens sein': 

oder  du  gronest  nimmer  ufl  erd 
und  gewinst  laster  und  schaden 

Friedrich  v.  Schwaben  4344  Jellinek; 


dar  umb  so  mag  er  (der  mensch)  grünen  nyt 

Seb.  Brant  narrenschiff  38  anm.  Z., 


IV.  1.  6. 


es  wird  niemand  verschonet, 
wer  noch  ein  wenig  grünet, 
musz  auch  erfahren  groszes  laid 
Steiff  geschichü.  lieder  u.  Sprüche  Württ.  538  (p.  j.  1632); 

etwas  anders: 

ihr  brüder!  aufl  verjagt  den  ernst, 
weil  wir  noch  grünen 

Bamler  lyr.ged.  (1772)  211; 

in  älterer  spräche  wie  lat.  florere  im  sinne  Hn  der  blute 
des  lebens  stehen,  leben':  er  lebt  und  grünet  zur  zeit 
Tiberii  Nie.  Heiden  Valerius  Max.  (1565)  einl.  2;  des 
propheten  Anani  sun  hat  zu  der  zeit  Baese  oder  Basse 
gegrünt  Seb.  Franck  chron.  zeytb.  (1531)  58*';  Demas  .  .  . 
grünete  und  lebete  zur  zeit  desz  groszen  Alexandri  Leh- 
man florileg.  polit.  4,  94;  dieses  königliche  geschlechte 
(würde)  nicht  so  viel  hundert  jähre  gegrünet  haben 
LoHENSTETN  Ibrahim  sultan,  lobschr.  o  1*;  allgemein  'ge- 
deihen, blühen,  florieren"  von  zuständen  und  einrichtungen, 
socialen  gebilden  u.  s.  w.: 

daher  kan  grnonen  der  gmain  nutz, 
dann  wa  man  gottes  wort  lieb  hatt, 
so  gruonet  eine  soliche  statt 
FiziON  chron.  v.  Reutlingen  232  nach  Fischer  schwäb.  3,  881 ; 

das  es  (das  vaterland)  . . .  noch  heuntigs  tags  griene  und 
wolstehe  v.  Brandis  ehrenkräntzel  (1678)  131; 

und  lange  wird  der  frauen  reich  nicht  grünen 

Brentano  ges.  sehr.  6, 129; 

unsere  alten  deutschen  stamme  gr.  seit  einem  halben 
Jahrtausend  Fr.  L.  Jahn  l,  285  E.; 

lasz  sein  haus  noch  ferner  grünen 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  327; 

die  ainigkait  gepflantzet  und  .  .  .  alweg  gronend  erhalten 
wirt  städtechron.  23,  380;  da  dan  die  gaistlichait  und 
Ordenszucht  für  ander  ort  gronet  Knebel  chron.  v.  Kais- 
heim 81  lit.  ver.;  zu  dessen  zeit  die  lateinische  sprach 
und  alle  Wissenschaften  am  vortreflichsten  gegrünt  und 
in  herrlichster  ziehrde  geblüht  Rompler  v.  Löwenhalt 
erst,  gebüsch  17  vorr.; 

hoch  grünte  kunst  und  Wissenschaft 

Fr.  Kind  ged.  5,  7; 

schöner  grünte  sie  (die  cvltur)  nirgends  G.  Forstee  s. 
sehr.  4,  186. 

b)  'in  voller,  strotzender  kraft  (der  Jugend,  gesundheit 
u.  8.  w.)  stehen" ;  ähnlich  auch  im  bezug  auf  das  alter  'in 
rüstigkeit  und  frische  sich  befinden";  vgl.  grünende  sterck 
vigor  Diefenbach  619»:  nu  grün  ich,  nu  bin  ich  siech,  nu 
leb  ich,  nu  stirb  ich  czuhant  J.  v.  Neumarkt  soliloguien 
21  Kl.;  vorhin,  da  er  annoch  in  bester  kraft  gegrünt, 
hat  er  sie  nicht  gemocht  Caspar  Abel  Boileau  (1729)  335; 
vgl.  grüenen  gesund  sein  Martin-Lienhart  l,  277;  wie 
sie  (die  menschen)  . . .  jetzt  gr.  und  frisch  sind  Herder 
17, 140  S.;  der  jung  grünend  mensch  Seb.  Franck  Germ. 
cliron.  (1538)  137»; 

wollte  gott,  ich  grünte  noch  jezt  in  der  fülle  der  Jugend! 
J.  H.  Vosz  Odüssee  267  Bernays; 

damahls  grünet  mein  jugent  werth 

J.  Spreng  Ilias  (1610)  i.ges.,  45»; 

der  grünenden  Jugend  überflüssige  gedanken  Chr.  Weise 
titel; 

geniest  die  jugend,  weil  sie  grüent 

Königsberger  dichterkreis  103  ndr.; 

sein  fleisch  grüne  wider  wie  in  der  jugent  Hiob  33,  25; 

wem  die  locken  noch  jugendlich  grünen 

Schiller  14,  49  Q.; 

daz  alter  . . .  benimpt  . . .  doch  di  grünenden  kräft 
J.  V.  Schwarzenberg  t.  Cicero  (1535)  67; 

deine  knlee  noch  folgten,  noch  grünte  die  stärke  der  jugend 
GR.  Stolberg  ges.  w.  11, 129; 

eyn  frolich  hercze  macht  eyn  gruende  aldir  Sprichwörter 
der  Freidankpredigten  50  Klapper;  das  grünad  alter  mit 
sterck  des  libs  H.  Österreicher  Columella  1,  9  lit.  ver.; 
in  grünendem  alter  Kirchhof  wendunmuth  l,  379  lit.  ver.; 

weil  . . .  noch  mein  alter  grünt 

Simon  Dach  in:  Königsb.  dichterkr.  19  ndr.; 

60 


947 


GRÜNEN  B  3 


GRÜNEN  B  4.  5.  C 


948 


es  ist  .  .  .  in  der  Ordnung,  dasz  .  .  .  zuletzt  das  grünende 
alter  als  rückhalt  sich  aufstellt  (als  landalurm)  Fr.  L. 
Jahn  2,  474  E. 

c)  'tw  vollem  f,or  stehen,  prangen,  reich  sein  an  etw.\  in 
hinsieht  auf  gesinnung,  Stimmung,  eigenschaften,  tuten- 
den u.  8.  w.;  bildlich: 

mir  stolzfc  der  muet  von  rechter  gier 
und  gruenet  als  ain  päm 

Oswald  v.  Woikenstein  269  Schatz; 

dln  herze  in  Beeiden  gruone 

Konrad  v.  Wükzburq  Trojanerkrieg  5707 ; 

wan  ir  hertze  grönet 

zu  hoher  vreouden  gl&eten 

Johann  v.  Würzburq  Wüh.  v.  Österreich  9148; 

doch  grünat  er  (der  ritter)  vil  mer  in  der  tugent  seiner 
keuschait  Hartlieb  dial.  miracul.  54  Drescher;  du  grünest 
an  allen  tugenden  d.  heiligen  leben  winterteil  (1471)  58^; 
weil  sie  (die  Römer)  an  tugenden  grünten  U.  Budrym 
kriegsregiment  (1594)  8;  seltener  bei  negativer  wendung: 

seit  das  in  eitel  falscheit  grünt  ir  mut 

Hans  Tolz  meistert.  140  M.; 

blasser,  'tra  einem  lebendig,  vorhanden  sein*;  aber  noch  im 
halben  bilde: 

fröd  gronet  mir  nimmer  mer 

von  Fridrichs  schaiden  in  dürrem  hertzen  ser 

Friedrich  v.  Schwaben  3631  Jellinek; 

das  in  innen  zu  dem  päbstlichen  stül  gantz  kain  gehorsam 
gronet  G.  Oetolff  päpstlich  bull  (1509)  A4'*;  wo  aber 
solch  unnutz  thorlich  fragen  noch  in  dir  gronent  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  s.  sehr.  2,  147  ndr. 

d)  entsprechend  auch  von  abstractis  Hn  der  fülle,  auf  der 
höhe  ihrer  qualität  stehen';  im  bilde: 

(tilgenden)  die  nimmer  vor  im  {gott)  verlischen 
und  immer  grünen  und  vrischen  . . . 
sam  ein  naz  ligende  owe 

Hbinr.  V.  Heslee  apoJcal.  8218  Helm; 


ir  wipllch  6re  gruonet 


Lohengrin  6219  Rückert; 


höchliches  ehren,  aufwarten  und  dienen, 

.  . .  warlich!  die  machen  die  liebe  stets  grühnen 

Venusgärtlein  16  ndr.; 
doch  grttnt  die  frische  lieb 

A.  Grtphius  lyr.  ged.  194  Palm; 

allein  je  mehr  dein  preis  in  aller  äugen  grünt 

B.  Neukirch  ged.  (1744)  189; 

in  der  brüst  zufriedne  demut  grünte 

ESCHENBURO  bcxspielsammlg .  1,  292; 

hoffnung  grünt  in  schöne  mild 

A.  V.  Arnim  22,  21  Gr., 

wo  grün  als  färbe  der  hoffnung  hereinkreuzt  (vgl.  sp.  654) : 
ihre  freundschaft  grünt  wieder,  seit  sie  vom  könige  be- 
rufen sind  Dahlmank  an  Oervinus  in:  briefw.  1,  442;  in 
einem  lande  .  .  .,  darinn  der  friede  grünet  Grimmels- 
hausen  3,  390  Kell.;  von  hier  aus  gilt  das  part.  geradezu  als 
steigerndes  adj.: 

von  welchen  gelehrten  man  rühmlich  hört  sagen, 
dasz  sie  itzo  stehen  in  grünender  ehr 

Neumark  fortgepfl.  mus.-poet.  lustw.  1,  259; 

die  grünende  hofnung,  dasz  wir  freud  und  wonne  ge- 
nüszlich  empfinden  werden  Butschky  M.  kanzelley  (1666) 
3,  129;  feste  formet  ist  das  glück  grünet  (vgl.  blüht): 

wann  das  glück  uns  fügt  und  grünet 

Paul  Gerhard  bei  Fischkr-Tümpkl  3,  419»; 

ihr  glücke    grünet  in   frembder   luft   Ziegler   Banise 

(1689)   504; 

seht,  wie  das  glück  den  dummen  grünet 

Ramlee  fabellese  3, 12. 

e)  eine»  besonderen  reichthum  entfaltet  gr.  in  geistlicher 
spräche,  wofür  in  biblischer  metaphorik  zahlreiche  ansatz- 
puncte  gegeben  sind;  'in  religiöser  lebendigkeit  stehen,  nicht 
geistlich  verdorrt  sein'',  vgl.  etwa  Luc.  23,  31,  psalm  1,  3 
u.  ä.,  vgl.  gotzmann,  gode  gegebin,  grünender  Nazarenus 
Diefenbach  377^;  daz  wir  mit  demüdekeide  hie  suUen 
grünen  uf  ertriche  Nie.  V.Landau  ser  mone  120  ZwcMoZrf; 


alle  creature  grünen  in  gode  parad.  animae  114  Str.;  zu 
bedeuten  ihr  grünend  hertz  zu  gott  Seb.  Franck  chron. 
(1685)   3,  520; 

mein  hertze  sol  dir  grünen 

in  stetem  lob  und  preis 
Paul  Gerhard  bei  Fischer- Tümpel  3,  824«; 


also,  sag  ich,  wird  auch  grünen, 
wer  in  gottes  wort  sich  übt 


3,  362*; 


anders  'ewig  leben\  wohl  im  anschlusz  an  psalm  92, 13/.; 

herr,  es  genügt  mir  nicht,  dasz  ich  dir  englisch  diene 
und  in  Vollkommenheit  der  götter  für  dir  grüne 

Anqelus  Silesius  Cherub,  wandersm.  14  ndr.; 

keiner  grünet,  der  nicht  Christo  dienet  Abraham  a 
s.  Clara  etwas  f.  alle  2,  298; 

so  werd  ich  dort  in  ewlgkeit 
bey  dir  im  paradise  grünen 

Drollinoer  ged.  49; 

noch  anders,  vgl.  grün  II  A  1  b :  ein  grünender,  der  da 
one  sund  ist  viridis  Diefenbach  622''. 

4)  von  gr.  A  3  c  ausgehend  entwickelt  sich  übertragenes 
gr.  mit  durativem  Charakter  'grün,  unverwelklich,  frisch 
bleiben';  so  als  typische  formel  entwickelt  von  der  fortdauer 
des  andenkens,  vgl.  Campe  2,  477 ;  auch  hier  scheint  eine 
biblische  würzet  in  Sirach  46,  14  mitzuwirken:  die  richter 
.  .  .  werden  auch  gepreiset;  ir  gebeine  grünen  noch  imer, 
da  sie  ligen,  und  ir  name  wird  gepreiset  in  iren  hindern, 
auf  welche  er  geerbet  ist;  auch  im  tode  werden  seine 
gebeine  gr.  pflichtsvorhaltung  ( 1714) ;  ihr  (der  toten)  gedächt- 
nis  sei  gesegnet,  und  ihr  gebein  grüne  an  seinem  ort 
Scheffel  ges.  w.  2,  24 ;  meist  aber  liegt  directe  Übertragung 
von  der  Vegetation  her  näher:  hierzu  kömpt  die  hoffnung 
vieler  künftigen  zeiten,  in  welchen  sie  (die  poeten)  fort 
für  fort  gr.  Opitz  poeterei  56  ndr.; 

ihr  nachruhm  wird  mit  meinem  grünen 

Stieler  geharmchte  Venus  84  ndr.; 

das  grabmaal  eines  beiden  .  .  .,  dessen  andenken  bey  uns 
im  segen  gr.  wird  Gottsched  neuest,  l,  347; 

sein  angedenken  grünt 

J.  N.  GÖTZ  verm.  ged.  3,  69; 

vgl.  im  grünendsten  andenken  Herder  1, 14  S.; 

soll  seines  nahmens  rühm  auf  späte  nachweit  grünen? 

J.  D.  Uz  s.  poet.  V).  103  Sauer; 

ähnlich  atich  im  sinne  'fortdauern  in  frische' : 

ol  dasz  sie  ewig  grünen  bliebe 
die  schöne  zeit  der  jungen  liebe 

Schiller  11,  307  G.; 

in  unmittelbarer  anlehnung  an  gr,  A  3  c :  ich  werde  gr. 
und  ihr  werdet  dürr  feygenbäm  werden  Paracelsus 
opera  1,  201  H.;  die  Deutschen  sind  gewohnt  in  glück  und 
Unglück  färbe  zu  halten,  wie  das  frauenhaar  bey  dürrer 
hitze  zu  gr.  Lohenstein  Arminius  2,  779''. 

5)  seit  alters  beliebt  und  in  fast  allen  Schattierungen  der 
einzelverben  verwendbar  das  paar  gr.  und  blühen;  meist 
als  affectvoller  ausdruck  für  'im  zustande  schönsten  ge- 
deihens  stehen':  und  in  der  kraft  ist  got  ganz  blüende 
unde  grüenende  Pfeiffer  myst.  2,  397 ;  daf on  grunit  und 
bluwit  und  lebit  alliz,  daz  in  dirre  werlinde  ist  paradisus 
animae  17  Strauch;  vgl.  Tauler  pred.  98  F.;  so  gruneth 
und  blueth  die  Christenheit  Luther  2,l\iW.;  die  weil 
das  gemeynd  regiment  und  wesen  der  Römer  blüet  und 
grünet  Carbach  Livius  256^;  da  gr.  und  blühen  die 
hertzen  in  gute  und  liebe  Schupp  sehr,  153;  philisterei .  .  ., 
wie  sie  nur  in  irgend  einem  klubb  gr.  und  blühen  mag 
E.  Th.  A.  Hoffmann  s.  w.  6,  li  Gr.;  redensartlich  iro- 
nischer wünsch:  du  säst  grönen  und  blöen  as'n  Stock- 
fisch in  Norwegen  W.  Lüpkes  seemannsspr.  20;  du  schasst 
grönen  un  blöhen  as  en  torfsood,  is  ok'n  wünsch,  seggt 
se  in  Holsteen  Mensing  2,  497. 

C.  im  ganzen  selten  und  zumeist  poetische  sonderbildung 
des  f arbbegriff  es,  'grüne  färbe  haben' ;  nicht  ganz  sicher 
bereits  so:  die  bihtere  lühtent  in  grünender  Schönheit 
(angeblich  im  bezuge  auf  die  grünen  paramente  am  fest 
der  bekenner)  Seuse  dtsche  sehr.  244  Bihlm.; 


949 


GRÜNEN  CD-  GRUNENZEN 


GRUNFAHREN  —  GRÜNGELB 


950 


den  grünenden  smaragd  und  brennenden  rubin 

Opitz  opera  3,  psalmen  405 ; 

können  esel  grünen? 

Hagedokn  poa.  MC.  (1757)  2,  253; 

wie  diese  wangen  grünen  I 
wie  blau  der  weite  mund! 

Wieland  «.  vi.  (1853)  15,  100; 

zween  {flilgd)  mit  perlen  im  grünenden  felde  Geesten- 
BEBO  recensionen  14  lit.-dkm.;  die  grünende  färbe  also 
von  der  verschiedensten  art  Göthe  II  5,  2,  159  W.; 

vor  fäulnis  grünt  er  {der  see) 

J.  H.  Vosz  e.  ged.  (1825)  3,  218; 

(die  Wasser)  sie  spielen  in  grünendem  feuer 

MÖKIKB  w.  1,  74; 
elvms  anders,  'tra  grüner  färbe  leuchtend 

ihr  hämisch,  unter  dem  der  hofnung  färbe  grünet 

JOH.  E.  SCHLEQEL   w.  4,  29; 

nur  der  smaragd  allein  verdient, 
dasz  er  an  deinem  herzen  grünt 

GÖTHE  15, 1,  212  {Faust  9308)  W.; 

technisch  sich  gr.  'grüne  färbe  bekommen^'  wobei  sich  das 
öl  zuerst  grünt,  später  eine  bräunlichschwarze  färbe  an- 
nimmt Karmabsoh-Heeren  iechn.  wb.^  (1854)  2,  776. 

D.  transitiver  gebrauch  erscheint  als  vereinzelte  neu- 
bildung  zu  verschiedenen  bedeutungen  des  adj.;  vgl.  stark 

0.  lebendig  machen,  gruonen  vegetare  Diefenbach  608  *=; 
vegetiren,  erfrischen,  stärcken,  kräftig  machen,  gr.,  er- 
quicken F.  Gladow  ä  la  mode-sprach  (1727)  770»;  in  mhd. 
spräche  grüenen  'frisch,  neu  machen': 

doch  wolt  er  kriege  drije 
gerner  vii  versönen, 
e  das  er  einen  gr&nen 
wolt  von  sinen  schulden 
bruchstüek  bei  Pfeiffee  forsch,  u.  kritik.  1,  80 ; 

'wachsen  machen' :  minne  ich  aber  got,  der  stirbet  niemer 
und  belibet  bi  mir  .  .  .  und  grozet  min  minne  und  gruonet 
und  hizzet  min  minne  beichtbuch  91  Oberlin;  zu  grün 
I  B  1  wird  gehören  gruenen  ein  eingetrocknetes  hölzernes 
gefäsz  durch  einschütten  von  wasser  wasserdicht  machen 
Martin-Lienhart  1,  277'"',  d.  h.  das  holz  wieder  grün, 
feucht  machen:  welcher  {gerber)  sein  vasz  grimen  oder 
leder  waschen  will  (aus  einer  alten  Straszburger  polizei- 
Ordnung)  Frisch  teutsch-lat.  l,  380'',  vgl.  ufgruenen  im 
wasser  aufquellen,  von  bahnen,  erbsen  Martxn-Ltenhart 

1,  277»;  technisch  zu  grün  II  B  1  'grüne  färbe  geben':  die 
lösung  , . .  grünt  .  .  .  violensaft  Liebiq  handb.  d.  chemie 
(1843)  436;  deswegen  musz  die  gefärbte  wolle  auszer  der 
küpe  gut  gegrünet,  d.  i.  gut  ausgebreitet  werden  Jacobs- 
SON  2,  167'';  reflexiv  sich  gr.  im  sinne  'sich  errueuerrC  ab 
und  an  in  älterer  spräche: 

do  so  stritet  aller  meist 
mit  dem  übe  hie  der  geist. 
daz  sich  hie  stete  gruonet 
und  niemer  wird  vcrsunet 

Hugo  V.  Langenstein  Martina  271,  81  E.; 

gitekeit  die  grünet  sich 
an  allen  Inten  steteklich 

Boner  edelstein  89,  50  Benecke. 

GRÜNEN,  n.,  selten  auftauchende  bezeichnung  älterer 
Jägersprache  für  eins  der  zeichen  der  hirschfährte:  disz 
zeichen  {in  der  hirschfährte)  halten  der  kunst  erfahrne  für 
gewisz  hoch  und  gut,  und  nennen  etlich  Jäger  das  grünen 
und  etlich  das  burgstall  neu  jägerbuch  (1590)  28'';  es  were 
.  .  .  noch  viel  zu  sagen  von  den  Jägern,  vor-  und  nach- 
fährt, eylen,  schreken,  blenden  . . .,  wagen,  ragen,  grünen, 
fedemlin  Harsdörfer  frauenzimmergesprächsp.  3,  117; 
bedeutung?  herkunft? 

GRUNENZEN,  gruninzen,  vb.,  ableitung  durch  suffixales 
-enzen  aus  altem  8^lbst.  gruon  'dus  grün'  {vgl.  sp.  640,  in 
schles.  widergrün  erhalten),  mundarÜ.  im  schles.:  grunen- 
zen  grün  riechen  Weinhold  31^;  gruninzen  nach  grün 
duften,  nach  dem  regen  vom  gras  Jung  Andreas  schles. 
zeitwortbild.  84; 

grunenzen  tutts  Anill  sissem  duft 

HOLTEI  schles.  ged.  412  Reclam; 

vgl,  grünein,  ^grunzen. 


GRÜNFAHREN,  vb.,  unreif  riechen:  dann  er  {der 
hopfen)  reucht  noch  gar  grasig,  das  heist  der  hopf  grün- 
fahret haushaltung  in  Vorwerken  138  Ermisch;  nach 
Frisch  teutsch-lat.  l,  378  c  Tneist  fälschlich  als  grünf arten 
angesetzt.  —  -färb,  -färben,  adj.,  grüne  färbe  habend: 
der  stain  ist  grüenvar  sam  ain  lauch  K.  v.  Megenberg 
buch  d.  natur  464;  mit  bleichen  grünfarben  blettern  Hie- 
ron. Braunschweig  kunst  zu  distilieren  (1500)  16'';  ein 
grünf ar  trübli  19'';  die  ader  .  . .  wirdt  grünf arb  Ruff 
hebammenbuch  (1580)  137;  sein  .  .  .  grünf arbenes  röcklein 
Jag.  Böhme  sehr.  5,  67.  —  -färbe,/.;  grünfarb  color  verde 
HuLSius  t.-ital.  (1618)  143»;  gr.  technisch  Muspratt  3, 
1843.  —  -farbig,  adj.,  vgl.  groenvarwich  viricolor 
Diefenbach  622»;  grünf ärbig  prasinus  Dasypodius  340''; 
die  pletter  sein  .  .  .  grünf  ärbig  Sebiz  feldbau  (1579)  225; 
gr.  Butschky  hd.  kanz.  (1659)  41;  das  meer  gr.  und 
schleimig  Ritter  erdkde  5, 14.  —  -färbung, /.;  es  tritt 
. . .  eine  gr.  der  flamme  ein  Muspratt  4, 1716.  —  -faul- 
baum,  m.,  name  der  rainweide,  liguster  {ligustrum  vul- 
gare) Gleditsch  bei  Pritzel-Jessen  214,  neben  grüner 
faulbaum  ebda.  —  -faule,  /.,  holzfäule,  bei  der  sich  ein 
grünfarbiger  pilz  entwickelt,  vgl.  C.  K.  Schneider  hwb.  d. 
botanik  285;  die  traubenmotte  ...,  welche  die  gr.  hervor- 
bringt Oken  allg.  naturgesch.  3,  3,  1869. 

GRÜNFINK,  m.,  als  name  des  grünhänflings,  grün- 
lings  {s.  dort),  loxia  chloris,  chloris  cMoris,  chloris  hortensis 
seit  dem  16.  jh.  bezeugt:  grünfinck,  grunling  C.  Geszner 
hist.  avium  (1555)  247;  grunling,  grünfinck  Heyden  Pli- 
nius  (1565)  455  note;  gr.,  kuttvogel  chloris  GoLius  onom. 
(1585)  313;  groenvincke  vireo,  chloris  KiLlAN  162;  der 
grünfinck,  grunling  oder  kutvogel  J.  Prätorius  unnterfl. 
(1678)  7;  die  grünfincken,  die  man  insgemein  grunling  .  .  . 
nennet  Hohberg  georg.  cur.  2,  683;  auch  für  die  finkenart 
fringilla  serinu^  Nemnich  212;  für  die  goldammcr  {embe- 
riza  citrinella)  Naumann  naturgesch.  d.  vögd  4,  234;  für 
den  buchfink,  vgl.  Staub-Tobler  l,  867;  von  einem  men- 
schen mit  blasser  gesichtsfarbe  ebda.  —  -fisch,  m., 
entsprechend  grün  II  A  2  b,  'frischer  fisch'' :  mangel  an  grün- 
fischen und  Stockfischen  und  gesalczen  fischen  städtechron. 
2,  334;  ein  Stockfisch,  ein  erbesmus  und  ein  essen  hering 
oder  ein  essen  grunfisch  {v.  j.  1573)  küchenzettel  in:  zschr. 
f.  gesch.  d.  Oberrheins  10,  316;  gr.  als  bezeichnung  einer 
makrelenart  mit  grüner  färbwng  Oken  naturgesch.  6, 187.  — 
-fischer,  m.,  gr.  gegenüber  gesalzenfischer  flacher,  der 
frische  fische  verkauft  Nicolai  beschr.  l,  beilage  114;  an- 
ders, zu  grien:  weder  schef-,  zins-  noch  grienvischer  österr. 
weisth.  5,  8  u.  10.  —  -frau,  /.,  gemüsehändlerin:  die  gr. 
G.  Hauptmann  eins,  menschen  (1891)  63,  vgl.  gr.  Fbisch- 
BiER  1,  257,  grünesweib  Fischer  schwäb.  3,  881.  —  -fut- 
ter,  n.,  frisch  gemähte  futterkräuter :  ein  wagen  mit  gr. 
Spielhagen  s.  w.  ll,  174;  grün-  und  trockenfutter  Brehm 
thierl.  3,  54;  vne  weide:  die  pferde  ins  gr.  und  die  sau  in 
die  eichein  Düringsfeld  sprichw.  1, 80.  —  -futter- 
ernte, /.,  ScHWERZ  ackerbau  473.  —  -futtermast,  f.: 
weide-  und  grünfuttermast  d)da  790.  —  -fütterung,/., 
fütterung  mit  frischen  fviterpflanzen,  gegensatz  trocken- 
f ütterung :  auf  einem  zur  gr.  bestimmten  felde  Thaer  rat. 
landw.  4,  129;  klee  zur  gr.  oder  zum  heuen  Schwerz 
ackerbau  102. 

GRÜNGARTEN,  m.,  grashof,  krautgarten,  baumgarten : 
grüngart  viridarium  Diefenbach  nov.  gl.  383»;  gr.  Fri- 
sius  dictionariolum  103»;  vgl.  grüngärtchen  G.  Keller 
ges.  w.  5,  117. 

GRÜNGELB,  adj.  l)  gelb,  das  ins  grüne  fällt,  vgl.  grien- 
gel  citrinus  Henisch  1762:  das  mittelst  theil  inwendig 
ist  grüngeel  Tabernämontanus  (1588)  l,  130'J ;  mit ...  grün- 
gelber blüst  ToxiTES  hörn  d.  heils  B  b  5'' ;  grüngelbe 
blumen  Hohberg  georg.  cur.  l,  615;  grüngelbe  blüten- 
rispen  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  252;  ein  scharpf 
scheinend  gesycht,  gryengeel  wie  ein  katz  bey  der  nacht 
v.  Eppendorf  Plinius  (1543)  206;  vielfach  von  leichen- 
blasser ungesunder  gesichtsfarbe:  nur  erscheint  sie  {die 
natur)  als  eine  abgelegte  matrone,  rothe  schminke  auf 
ihren  grüngelben  wangen  Schiller  2,  349  G.;  ihr  gesicht 

60* 


951 


GRÜNGELBIG  -  GRÜNHART 


GRUNHAUS  —  GRÜNHOLZ 


952 


ist  gr.  J.  M.  MiiiLBR  briefw.  1,  188.  2)  grüne  und  gelbe 
färbe  habend:  in  grüngelber  tracht  Lohenstein  Armini'us 
1,  1378";  die  unionsflagge  neben  der  grüngelben  landes- 

fahne  Auerbach  sehr.  8,  35. gelbig,  adj.:  ihr  gewand 

wird  gr.  colorirt  oder  gefärbt  J.  v.  Sandbart  iconologia 
deorum  (1680)  d  3^.  —  -gelblich,  grüngelblicht,  adj.,  in 
älterer  spräche  was  grüngelb  1,  in  jüngerer  mehr  bei 
schwächerem  ton  von  gelb: 

(die  pflanze  ist)  gliedweisz,  grüngelblich,  schmahl 
wird  sonst  genant  roth  anagal 

ROLIENHAGEN  IroschmäuseUr  (1595)  Kl"; 

grüngelblichte  frösche  S.  v.  Birken  forts.  d.  Pegnitzschäf. 
(1645)  35;  die  schönen  äugen  schillerten  grüngelblicht 
wieder  Gotthelf  ges.  sehr.  7,  309;  eine  grüngelbliche 
flamme  Muspratt  l,  852;  vom  gesteht:  der  eine  von  ge- 
siebt grüngelblicht  Moscherosch  gesichte  (1650)  2,  799; 
häszlich  von  zahnen,  nicht  zu  klein  von  munde,  grün- 
gelblicht von  färbe  Müller  v.  Itzehoe  Sieg  fr.  v.  Linden- 
berg 1,  210.  —  -gewächs,  n.:  grungewechsz  viretum 
DiEFENBACH  621  <!;  der  erdpoden  {ist)  ettlichermasz  mit 
garten  und  grüngewachs  gezieret  G.  Alt  buch  d.  cron. 
(1493)  SOS';  gr.  virguUum  virens  Henisch  1763;  topfe  mit 
grüngewächsen  Rosegger  sehr.  III  6,  336.  —  -gewicht, 
n.,  gewicht  im  frischen  zustande:  das  gr.  in  der  saftzeit  ge- 
fällten holzes  Ratzeburo  waldverderbnis  1,  12;  grüne 
rindhäute  .  .  .  und  gesalzene  rindhäute,  bei  welchen  das 
gr.  angegeben  ist  Luegeb  6,  97.  —  -golden,  adj.,  grün 
und  golden  schimmernd:  das  magische  Christuskind  mit 
grüngoldnem  gefieder  Jean  Paul  w.  6, 127  H.;  besonders 
von  auf  oder  durch  grün  fallenden  Sonnenstrahlen:  der 
Sonnenschein  {fiel)  durch  den  kastanienbaum  .  .  .  gr.  auf 
die  Ziffern  Eichendorf  s.  w.  3, 18;  die  Sonnenstrahlen 
traten  ungehört  auf  das  gras  und  prägten  grüngoldne 
spuren  Stifter  s.  w.  l,  235.  —  -goldig,  adj.,  dasselbe: 
am  anfange  der  stirn  mit  einem  grüngoldigen  glänz 
Naumann  naturgesch.  d.  vögel  8,  547;  die  •  .  .  sonne  legte 
auf  den  . . .  berg  noch  ihr  grüngoldiges  licht  Rosegger 
sehr.  III  4,  119.  —  -gras,  n.,  poetische  zusammenrückung: 

und  wie  sie  (die  nachtigall)  sang,  sprosz  überall 
grüngras,  viole,  apfelblüt  Heink  w.  1,  207  E.; 

ein  mit  gr.  vollgepfropfter  korb  Rosegger  Wildlinge 
(1905)  398. 

GRÜNHAARICHT,  adj.  {vgl.  comp.-typ.  l  c):  ein  be- 
laubter .  .  .  grünhaarichter  ast  Treuer  dtsch.  Dädalus  1, 

131. haarig,  adj.:  grünhaarige  nixe  J.  H.  Vosz  Luise 

27;  grünhaariger  dummkopf  G.  Freytag  ges.  w.  5,  70. 

GRÜNHAG,  m.,  'lebende  hecke";  alem.,  namentlich 
Schweiz,  wort;  zugrunde  liegt  ein  gruonhag  ohne  umlaut, 
weswegen  das  alte  subst.  gruon  {vgl.  sp.  640)  als  erstes  com- 
positionsglied  vorliegen  könnte,  später  vielfach  an  grün 
adj.  angeglichen:  nieman  soll  keinen  gruonhag  han  in 
unsren  zeigen  {um  1390)  nach  Staub-Tobler  2,  1070;  gr, 
sepes  viva  Fbisius  1396*;  der  baumgarten  .  .  .  soll  .  .  . 
mit  nichts  anders  unterschieden  oder  zu  den  selten  be- 
schlossen werden  als  mit  selbs  gewachsenen  grünhagen 
Sebiz  /eM6att  (1580)  31;  seinen  platz  weder  durch  einen 
dürren  noch  grunhag  einzufangen  {v.  j.  1800)  nach  Staub- 
Tobler  a.  a.  0.;  vgl.  gruenhaag  oder  läbhaag  Friedli 
Bärndütsch  3,  264.  —  -händler,  m.,  gemüsehändler :  der 
gr.  .  .  .  mit  seinem  Schubkarren  M.  Reich  ausgew.  w.  196. 
—  -hart,  m.,  n.?,  wort  der  gauner spräche:  grunhart  ^eldt^ 
liber  vagatorum  (1510)  bei  Kluge  rotw.  1,  54  u.  79;  gr. 
'matte,  wiese,  besamet  feM"  Moscherosch  gesichte  237  Bo- 
bert.;  gr.  'wiese'  bei  Wencel  Scherffeb  (1652)  s.  Kluge 
rotw.  158;  grünhard  'besaamtes  feld'  GnotMAi^i  spitzbuben- 
spr.  27^;  gr.  'matte,  wiese,  besätes  feM"  Hörn  soldatenspr. 
117; 

wenn  sie  (die  gauner)  das  halb  bekommen  han 
an  dem  begerten  groszen  Ion, 
ziebn  sie  den  grünhart  auf  darvon 

KiKCHHOF  wendunmuth  2, 166  österley; 

vielleicht  hierher  grunert,  m.,  n.,  kraut,  gemüse  Fischer 
Schwab.  3,  881 ;  das  wort  liesze  sich  nothfalls  unmittelbar  aus 
altem  gruon  subst.  bzw.  grün  adj.  und  hart  boden,  un- 


bebautes land,  anger  {vgl.  th.  4,  2,  509)  deuten,  ist  aber  in 
seinem  zweiten  bestandtheil  doch  eher  zu  rottvelsch  häufig 
als  ableitung  verwendetem  -hart  zu  ziehen,  vgl.  Schmeller- 
Fr.  1, 1167,  Fischer  schwäb.  3,  882.  —  -haus,  n.,  ge- 
wächshaus,  engl,  greenhouse  nachgebildet:  unter  andern 
bemerkte  ich  im  grünhause  bycas  circinaUs  G.  Forster 
s.  sehr.  3,  238;  in  den  grünhäusern  brach  ich  die  beyden 
zweige  Göthe  IV  38,  137  W. 

GRÜNHEIT,  /.,  abstractbildung,  'das  grünsein',  ver- 
schiedentlich zu  grün  gebildet,  aber  im  ganzen  unhäufig  im 
Verhältnis  zu  grüne,  /.;  grunheit  viriditas  Diefenbach 
622^,  viredo  621 C;  gr.,  grüne  färb  viriditas  Reyher  thes. 
2,  2195;  daneben  steht  in  älterer  spräche  grüenekeit,  grüe- 
necheit  s.  unier  grünigkeit. 

1)  von  grün  I  A  'zustand  des  sprossens';  bildlich: 

(du  sollst)  . .  .  darna  to  gronen  beginnen; 
■wente  neyn  vrucht  vullen  komen  kan, 
ze  enheve  syk  myd  gronheyt  an 

farbenallegorie  in  nd.  jahrb.  8,  75 ; 

'grüne  färbe  des  pflanzlichen' :  wisen,  die  einem  mit  ihrer 
gr.  und  lüstigen  blumen  das  hertz  erfreuen  G.  Braun 
beschr.  u.  contrafactur  (1581)  3,  5*;  aller  creatur  wurtzel 
ist  grün,  wann  aus  der  gr.  kompt  die  schwartze  Pära- 
CELSUS  opera  2,  687  H.;  hier  {ist)  eine  Üppigkeit  und  gr, 
des  blumenwuchses  Hettner  griech.  reis.  263 ;  concret  ge- 
faszt  'das  grün,  laubwerk,  kraul' :  so  schadet  den  bäumen 
gar  vil  das  geschlechte  der  rupen,  die  alle  grunheit  und 
blute  abenagen  Petrus  de  Crescentiis  teutsch  {Speyer  o.  j.) 
66^;  metaphorisch: 

du,  auf  dessen  gartenbeeten 
wuchert  ewgen  lenzes  grünheit 

RÜCKERT  w.  11,  443. 

2)  zu  grün  I  B  'zustand  des  frischseins' ,  vgl.  friszheit, 
gruneheit  recentia  Diefenbach  486  C;  was  ihm  die  frisch- 
heit und  gr.  der  ingwerswurtzel  weiters  wolle  J,  Präto- 
Rius  vnnter flucht  {1678)  171;  auf  den  geistlichen  sinn  zielend 
{vgl.  grün  II  A  1  b,  grüne  5,  grünen  B  3  e):  selig,  keusch 
und  bluende  sein  deine  inwendigen  glidmos,  di  do  aus  in 
gelassen  habe  die  blume  der  ewigen  grunheit  Bonaverdura 
dtsch.  Marienleben  {1516)  u  8^";  sint  si  denne  ie  und  ie  an 
dem  borne  des  lebens  clebeth,  szo  verleust  si  nimmer  di 
grunheit  Hedwiglegende  (1504)  a  4*, 

3)  zu  grün  II  B  von  der  färbe  an  sich: 

(der  Smaragd  ist  grüner  als  alles)  irdisch  dinc  daz  gruen  is, 
wen  her  von  der  grunheit  brunet 

Heine,  v.  Hesler  apokal.  7933,  vgl.  7960; 

he  (der  smaragd)  is  so  grüne,  dat  he  andere  Sachen 
bit  siner  grünheide  mach  grünvare  machen 

Marienlieder,  zs.  /.  d.  a.  10, 117,  vgl.  126; 

gr.  und  gelbheit  Schellino  w.  I  6, 114,  —  -heu,  n., 
grünes  heu  gegenüber  braunheu,  sauerheu:  man  unter- 
scheidet unter  grün-  und  braunheu  Thaer  grundzüge  d. 
rat.  landw.  3,  260.  —  -höker,  m.,  gemüsegärtner  und 
-händler, dazu  grünhökersche  gemüsefrau  Richey  idiot. 
Hamburg.  81. 

GRÜNHOLZ,  n.,  vgl.  grünholtz  ligna  viridia  Henisch 
1763;  laubholz,  laubwald:  das  kainer  in  kainem  schwarz- 
noch  gruenholz  nicht  reuten  noch  schwenten  {soll)  österr. 
iveisth.  1,  277  (16.  jh.);  frisch  geschlagenes  holz:  von  ainer 
pur  grienholz  und  Zaunlatten  (17.  jh.)  4,  57,  vgl.  Unger- 
Khull  311*;  wie  grünes  holz  frisches,  saftiges  holz: 

zehnmal  ärger  jedoch  ists,  wenn  fäulnis  sich  zeiget  im  grün- 
holz       G.Hauptmann  Anna  (1921)  74; 

als  pflanzenname:  für  den  färberginster  {cytisus  tinctoria) 
in  Schlesien  Pritzel- Jessen  218,  vgl.  grünling;  Holl 
137^;  für  die  kiefernarten  pinus  montana  Pritzel- Jessen 
279  nach  Münchhausen  havsvater  (1770),  pinus  sylvestris 
Holl  137*,  welch  letztere  gränholz,  gränbaum,  gränen- 
fichte  heiszt  Pritzel-Jessen  280,  offenbar  dasselbe  wort; 
nach  Krünitz  20,  2\7  für  pinus  montana,  den  krummholz- 
bäum  'in  einigen  obd.  gegenden  wie  auch  in  Ungarn';  das 
kiefernholz,  auch  ...  gr.  ist  zu  bauholz  .  .  ,  vorzüglich 
geeignet  Mothes  3,  175;  weiter  gr.  holz  eines  in  Guinea 


953 


GRÜNICHT-GRÜNITZ  i 


GRÜNITZ  2  — GRÜNKRAUT  i 


954 


wachsenden  baumes  Karmabsch  -  Heeren ''  4,  166.  — 
-holzig,  adj.:  grünholziger  lorbeer  Dietrich  lex.d.  gärtn. 
5,  351. 

GRÜNICHT,  grünecht,  adj.,  grün,  vgl.  grünig:  mit 
grunechtem  moosz  Schottel  816;  grünicht  florescen?, 
virenSyfrondens,  progerminans  Stieler  710;  grüneht  grasig 
Schmidt  elsäss.  157^ :  der  grünehte  weg  {urk.  aus  Bindern- 
heim V.  j,  1344). 

GRÜNIG,  grunig,  adj.,  mundartliches  wort,  dessen  häu- 
figes schwanken  im  umlaut  die  entstehung  aus  den  partic. 
grünend,  grünend  erkennen  läszt,  vgl.  dazu  Staub-Tobler 
1,  719;  eigentlich,  ^grünervV,  wie  grünen  A:  gruenig  Statjb- 
TOBLER  2, 756;  grüenigi  matten  Martin-Lienhärt  1,276; 
gruoniger  walt,  gruoniga  wise,  aue  etc.  Lexeb  kämt.  125; 

es  gingen  zwei  verliebte  durch  einen  grunigen  wald 

MiTTLBE  Volkslieder  175,  vgl.i%7; 

da  flieszet  ein  klares  bächleln  hell 
herunter  im  grünigen  tbal 

T.  Eblach  Volkglieder  2,  127; 

auf  grüniger  aue  Hartmann  volksschausp.  117;  anders 
grunig  vom  erdgeruch  der  im  keller  liegenden  kartoffeln 
Mülleb-Fraureuth  1,  447*,  wo  grünen  keimen  {vgl. 
grünen  Alb)  zugrunde  liegen  mag;  zu  grünen  B  2:  grue- 
nig lebhaft,  munier,  rüstig  Staüb-Tobler  2,  756;  Fischer 
Schwab.  3,  882;  gruneg  angenehm,  lustig  Schmelleb-Fr.  1, 
1001;  SOHMELLER  cimbr.  126*>;  vereinzelt  grunig  übel  aus- 
sehend, mit  grün  gleichen  sinnes  vermischt  Fischer  a.  a.  o.; 
technisch  grünige  säure  Karmarsch-Heeren  4,  166. 

GRÜNIGKEIT,  /.,  zunächst  abstractbildung  'das  grün- 
sein",  vgl.  grunekeit  viror  Konr.  v.  Heinrichatj  vocab. 
387*  Ousinde;  grönecheyt  viredo  Diefenbach  nov.  gl. 
382'';  grünigkeyt  viror,  viriditas  Dasypodius  340*';  gr. 
verduta,verdezzaB.vijSivsteutsch-it.  {1618)  143*;  Campe  2, 
477*;  zu  grün  I  B  1:  {das  f euer)  benimmet  ime  {dem  holz) 
die  füchtekeit,  die  grunekeit  und  die  grobekeit  TaüXjER 
pred.  120  V.;  zu  grün  II  B: 

die  grunekeit  des  Steines 

Heinr.  V.  Hkslkr  apokal.  7967  H.; 

besonders  von  grün  I  A  her  concretisiert  toie  grüne  2 ;  nach 
apokal.  9,  4: 

und  suln  daz  how  nicht  irslan  . . . 

die  boume  noch  die  grunlkeit 

und  swaz  vrucht  in  der  werlde  treit 

Heine,  v.  Hesler  apokal.  13961; 

{die  Stadt  habe)  den  nahmen  von  der  gr.  .  .  .,  dann  die 
statt  auf  einem  weiten,  ebenen  und  grünen  plan  gelegen 
Matth.  Quad  enchiridia  cosmogr.  {iQOi)  116;  auf  nd.  bo- 
den,  namentlich  im  norden  in  älterer  mundart  ist  grönigkeit 
frische  gemüse,  suppenkräuter,  zugemüse  {legumes)  u.  ä. 
RiCHEY  idiot.  Hamburg.  12;  brem.-nds.  wb.  2,  548;  Schütze 
holstein.  2,  73;  achter  was  een  lütte  gaam  mit  allerhand 
gröiügkeiten  br.  Grimm  kinder-  u.  hausmärchen  l,  70; 
schon  um  Weihnachten  findet  man  in  Neapel  grünigkeiten 
und  frische  fruchte  Chr.  H.  Groszkitrd  Björnstahls  briefe 
(1777)  1,  366;  von  Göthe  aufgenommen: 

ich  trage  braten  . . .,  ich  grünigkeiten 

13,  1,  148  W.; 

für  pflunzen  überhaupt:  die  allerliebsten  wunderlichen 
grünigkeiten  IV  32,  80;  anders:  voll  gärten,  matten  und 
Wohnungen  der  menschen  .  .  .,  voll  enger  pfade  zwischen 
den  grünigkeiten  G.  Keller  in  Bächtold  G.  Kellers 
leben  2,  354. 

GRÜNING,  m.,  zu  grün  II A  2  a,  im  älteren  nd.,  'grüner, 
unerfahrener  junge\  vgl.  groeninck  rrMli  genus  viride  et 
juvenis  temerarius  Kilian  162,  wohl  daraus  mit  druck- 
fehler  grunick,  ein  frecher  jüngling  juvenis  temerarius 
Henisch  1761;  solcker  fabelhans,  averbörstiger  und  rodt- 
kagelsche  gröninck  van  Apenberge  Gryse  leienbibel  (1604) 
nach  Schiller-Lübben  2,  152^;  als  name  des  grünfi,nk 
Krünitz  20,  215;  s.  auch  grünling. 

GRUNINZEN  s.  grunenzen. 

GRÜNITZ,  m.  l)  name  des  vogels  'kreuzschnabel'  {loxia 
curvirostra),  mit  bemerkenswerth  variabler  form  seit  dem 


14.  jh.  bezeugt:  grinis  (14.  jh.,  echlea.)  nach  Weioand-Hiet 
1, 1153;  crinis  (15.  jh.)  Germania  6, 99;  krinis  Schwenkfeld 
iÄer. /SiZes.  (1603)  252;  grims  («cÄZe«.) Frommann  d^scÄcmoa. 
4, 170;  grenes  {mähr.)  5,  465;  krims  {nordböhm.)  zs.f.  dtsche 
phil.  21,  211;  krinitz  Eber-Peucer  vocab.  (1552)  f  4*;  kri- 
nitz  Schwenkfbld  o.  a.  o.;  grenitz  Hohberg  georg,  cur. 
3,  361;  grirütz  Döbel  neueröffn.  jägerpr.  (1746)  56;  kriniz 
PopowiTSCH  versuch  {17S0)  293  aus  Schlesien  u.  Schwaben; 
mit  anlehnung  an  grün:  grünitz  angen.  landlust  (1720)  336; 
Müller-Fraureuth  1,  442;  Hertel  Thür.  llO;  s.  auch 
grienitz  sp.  264,  krinitz  th.  5,  2317;  die  etymologie  ist  noch 
nicht  völlig  geklärt;  sicher  ist  nur,  dasz  wie  bei  anderen  vogel- 
namen  entlehnung  aus  dem  slav.  vorliegt,  nach  Weigand- 
Hirt  1,  1153  otw  oberlaus.-wend.  skjrenc,  zur  wz.  sker- 
'spalten'  Miklosich  299,  vMch  Suolahti  vögeln.  141  aus 
tschech.  kfivonos  'krummnase" ;  noch  näher  läge  alitschech. 
krzywnos  in  krzywnosecz  Gebauer  alttschech.  wb.  2,  148; 
beide  herleitungen  sind  lautlich  nicht  ohne  hemmnis  zu 
altbezeugtem  grinis,  crinis  zu  führen;  vielleicht  liegt  über- 
haupt  eine  andere,  nur  suffixale  erweiterung  von  slav.  krivü 
'krumm'  zugrunde  wie  sie  in  ostmd.  kriwittze  Elbinger 
vocab.  (auf.  d.  14.  jhs.)  in:  Berneker  d.  preusz.  spr.  244 
belegt  scheint,  also  etwa  kfiwrüca,  kfiwniec;  der  ersatz  des 
auslaut.  s  in  crinis  durch  z  ist  sonst  aus  analogie  zu  kiebitz, 
Stieglitz,  wonitz,  girlitz  allenfalls  zu  begreifen;  als  schrift- 
sprachliche form  gilt  grünitz :  wer  einen  creutzvogel  oder 
grünitz  im  haus  hat  J.  G.  Schmidt  gestr.  rockenphilos. 
(1706)  2,  362; 

draul  kamen  die  kleinen,  worunter  die  lerche, 
der  gimpel,  der  grünitz  und  sperling  mit  war 

LiCHTWER  äsop.  lab.  26. 

2)  als  pfixinzenname  für  die  ginsterarten  cytisus  scoparius 
Pritzel- Jessen  127,  Holl  135'';  cytisus  tinrtorius  Nem- 
NICH  212,  wohl  unter  einunrkung  des  vogelnamens  ent- 
stelltes ginster. 

GRÜNKÄFER,  m.  {vgl.  comp.-typ.  4  c),  imme  der  'spa- 
nischen fliege'  {cantharis  vesicatoria  L.):  grünkefer  scara- 
beus  viridis,  et  galleruca  M.  Mylius  nomencl.  (1590)  e  2*; 
spanisch  mucken,  grüenkefer,  goldkefer  cantharis  Megiser 
<AeÄ.  (1603)  1,  210'';  gr.,  goldkäfer  . . .  grünfliege  Henisch 
1763.  —  -kap,  n.  {vgl.  comp.-typ.  4  a):  des  grünkaps  insel- 
vulkanen  Baggesen  poei.  w.  2,  347.  —  -kern  s.  comp.- 
typ.  4  b  {sp.  664). 

GRÜNKOHL,  m.,  name  einer  kohlart  {brassica  oleracea 
acephala),  atich  braunkohl,  blaukohl,  winterkohl;  heute 
gilt  der  name  namentlich  in  Norddeutschland,  Mitteldeutsch- 
land, auch  in  Württemberg  und  Baden,  vgl.  P.  Kretsoh- 
mer  Wortgeographie  221,  ist  aber  bereits  im  16.  jh.  bezeugt: 
der  gemeyn  köl,  welchen  man  sonst  den  langen  und  grün- 
köl  nennet,  soll  allwegen  mitten  im  augstmonat  oder  im 
herbsmonat  gesäyet  werden,  wo  man  änderst  in  der 
fasten  oder  im  winter  pletter  davon  gedenckt  zu  haben 
Sebiz  f eidbau  (1579)  176;  gehört  hierher  das  rätselhafte 
grunchol  n.  pr.  bei  Graff  4,  299?;  für  das  17.  jh.  mangelt 
es  an  belegen,  für  spätere  zeit  vgl.  Chomels  öcon.  lex.  4, 1377; 
Fränzchen  .  .  .  half  der  brummenden  Liese  den  gr.  ver- 
lesen Gutzkow  ritt.  v.  geisle  7,  419. 

GRÜNKRAM,  m.,  gemüse,  in  compositionen  wie  grün- 
kramhandel  H.  Seidel  Leber.  Hühnchen  (1899)  42; 
grünkramhändler  Sudermann  d.  hohe  lied  (1922)  582; 
grünkramkeller  ebda  149;  grünkramladen  usw.  — 
-krapfen,  m.:  grünkrapffen  von  ayern,  käsz  und  kräu- 
tern  oder  spinet  herbosum  moretum  Henisch  1764. 

GRÜNKRAUT,  n.,  zusammenrückung  von  grün(es) 
kraut  {vgl.  sp.  643),  auch  als  grünskraut  Jac.  Ayrer  4, 
2628  lit.  ver.;  sowohl  collectivbezeichnung  für  verschiedene 
im  frühjahr  als  gemüse  gegessene  grünpflanzen  als  auch 
appellativ  für  einzelne  dieser  kräuter. 

1)  als  einzelname;  für  eine  farnart  {asplenium  adantium 
niger):  gruenkrut  Hieron.  Braunschweig  distil.  (1500) 
nach  H.  Fischer  miltelalterl.  pfianzenkde  261;  vne  grün- 
kohl/ttr  kohl,  ohne  Unterscheidung  der  abart  koel,  grunkrut 
caulis  Brack  voc.  rer.  (1491)  53^';  grienkrut  caulis  Diefen- 
bach 108 *>;  abgefallen  obst,  gr.,  rüben,  möhren,  heubt- 
kraut  haush.  in  Vorwerken  {um  1570)  22  Ermisch,  wo  bras- 


955 


GRÜNKRAUT  2  — GRÜNLICH 


GRÜNLICH  -  GRÜNLING 


956 


stca  oleracea  acephala  gemeint  sein  soll;  für  die  melde  {atri- 
plex  hortensis):  gr.,  muten,  mölten  atriplex  sativa  rubra 
Henisch  1763,  so  noch  in  Schlesien  vgl.  Pkitzel- Jessen 
51 ;  für  den  spinal  {spinacia  oleracea)  im  Elsasz  ebda  385, 
vgl.  Märtin-Lienhart  1,  b28;  für  den  wilden  Sauerampfer 
(rumex  acetosa)  Ruckert  unterfränk.  65 ;  für  die  schlangen- 
wurz  (polygonum  Bistorta)  in  der  Ober-  und  Niederlausitz 
Fechner  erkl.  volksth.  pfl.  8;  für  das  sumpfmoos  {sphag- 
num)  Fischer  schwäb.  3,  882 ;  für  basilikenkraut  {ocynum 
basilicum)  Holl  137*;  für  eine  rübenart  KiscH  Nösner 
Wörter  56. 

2)  im  collectiven  gebratich  'grünes  krauV  allgemein,  im 
besonderen  'eszbares  grüngemüse,  grünzeug,  suppenkrauf: 
in  diesem  jar  warn  so  viel  raupen  in  Schottland,  dasz  sie 
alles  gr.  und  frucht  abfraszen  Niorinus  papist.  inquis. 
(1589)  483;  grönkraut,  gehackt  krut  minutal  (u.  7.  1530) 
DiEFENBACH  362;  kan  ihr  jemand  nachsagen,  dasz  sie 
einen  frosch  hat  ins  gr.  gethan?  Chr.  Weise  grün,  jugend 
überfl.  gedancken  234  ndr.;  gr.  'allerley  frisch  zusammen- 
gelesene kräuter'  Amara^tses  frauenzimmerlex.  (1715)  699; 
die  doch  am  grünendonnerstage  haben  gr.  gegessen  J.  G. 
Schmidt  gestr.  rockenphilosophia  (1706)  2,  220;  gr.  'allerley 
kräuter  als  spinal,  melden,  gundermann'  Zincke  öc.  lex. 
(1744)  996;  FRISCHEIER  2,  526;  Spiesz  henneb.  86;  Anton 
oberlaus,  l,  12;  nicht  eindeutig:  synaw  ...  ist  auch  eyn 
schön  Schweitzer  gr.  Bock  kräuterb.  (1539)  1,  \b\^.  — 
-küste,  /.,  wohl  entstellt  aus  grienküste  pfefferküste:  die 
grünkisten  .  .  .  wegen  des  pfefEers,  so  grün  genennet  wird 
M.  Hemmebsam  westindian.  reisebeschr.  (1663)  18,  vgl. 
Frisch  t.-lat.  1,  378*',  der  anders  deutet. 

GRÜNLAND,  n.  'begrüntes  land,  grasland" ,  vgl.  ahd. 
gruonlendi  virecta  gl.  2,  621  als  neutrale  -i&-bildung  mit 
aftemgruon(i),  und  die  geographische  bezeichnung  Gruonlant 
mhd.  wb.  1,  582;  im  nd.  'vnesenland'  im  gegensatz  zum  hoch- 
moor,  vgl.  ELrtjnitz  20,  218;  gr.  grasland  Martiny  wb.  d. 
milchw.iS;  Lüeger  4,795;  er  pflegte  auf  das  gr.  ein  oder 
zwei  füllen  zu  treiben  H.  A.  Oppermann  hundert  jähre 
(1870)  2,  40;  (man)  bevorzugte  zunächst  das  gr.  an  den 
Aussen  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  154;  für  die  oase: 
{eine)  dreieinigkeit  von  Weltstadt,  grünland  und  sand- 
meer  fürst  Pückler  Moh.  Alis  reich  (1844)  2,  25.  — 
-länderei,/..'  betätigung  auf  allen  grünländereien  d.  h. 
wiesen  und  weiden  sowie  feldfutterflächen  Meyer'  5,  749. 
—  -landmoor,  -landsmoor,  n.;  das  wiesen- oder  grün- 
landmoor,  aus  elastischen  grasflächen  mit  wässerigem 
Untergründe  bestehend  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens 
151;  man  unterscheidet  {die  moore)  in  grünmoore,  grün- 
landsmoore  Thaer  grundz.  d.  rat.  landw.  3,  174. 

GRÜNLICH,  adj.,  subviridis.  der  unterschied  der  Suf- 
fixe -leht,  -loht  und  -lieh  scheint  sich  im  mhd.  noch  auf  die 
bedeutung  zu  erstrecken;  grüeneleht  ==  subviridis  'an- 
nähernd grün,  ins  grüne  spielend^  {vgl.  Grimm  gr.  2,  382): 
medus  ist  ain  stain  .  .  .  und  ist  ain  tail  grüenlot  K.  v. 
Megenberg  b.  d.  natur  452,  25;  dagegen  grüenlich  be- 
deutungsgleich mit  grüene  adj.,  verwendet  als  adj.  neben 
abstractis  oder  adverbial  {vgl.  Grimm  a.  a.  o.): 

sin  (des  Smaragds)  gruenliche  brune  ('tiefgrüne  färbe') 
lutter  daz  gesune        Heinr.  v.  Hesler  apokal.  7935  H.; 

(der  mai  hat)  die  weit  durchreut  grüenleichen 

OswAiB  V.  Wolkenstein  179  Schatz; 

im  nhd.  beides  vermengt,  vgl.  grünlächt  viride  Frisius 
1387'',  grünlächt,  zum  teil  grün  subviridis  12601*;  grün- 
licht subviridis  et  viride  Stieler  710;  eine  färbe,  welche 
grünlicht  sähe  un  color  che  sembrava  verde  Kramer 
teutsch-ital.  2,  738^;  mit  dem  19.  jh.  veraltet  grünlicht  gegen- 
über der  im  17.  jh.  aufkommenden  form  grünlich,  diese 
lexikalisch  bei  Steinbach  (1734)  l,  648;  grünlecht  nach 
dem  17.  jh.  mit  seinen  parallelformen  in  der  hauptsache  nur 
noch  mundartlich,  vgl.  grünlochet  Fischer  schwäb.  3,  882; 
gruenlacht  Stafb-Tobler  2,  756;  grüenlächt  Fbiedlx 
Bärndütsch  3,  234;  grüenlecht  Martin-Lienhart  1,  276^; 
grüenlat  Lexer  kämt.  125  usw.;  durch  -ig  erweitert: 
grünlechtig  Tabernämontanus  kräuterbuch  (1588)  662*'; 
grüenlochtig  Staub-Tobler  2,  756. 


1)  als  farbvorstdlung  in  verschiedenster  anwendung:  ir 
gall  ist  seer  scharpf,  grünlacht,  als  Galenus  züget  Herold - 
Forer  Qeszners  thierbuch{lb&Z)  2,  l^^;  die  edlen  und  natür- 
lichen erdglasz  oder  grünlichte  und  weisze  edelgesteine 
Mathesius  ausgew.  w.  4,  231  Lösche;  weil  kupfer  bey  der 
müntz  ist,  wirdt  das  scheidewasser  grünlecht  darvon 
L.  Ercker  mineralertzt  (1580)  71!!;  schwartz  und  halb 
grünlicht  volksb.  v.  dr.  Faust  72  Br.;  grünlecht,  gelb  und 
weisz  gesprengt  54;  von  färben  grünlecht,  auf  aschenfarb 
zu  schwartz  geneigt  J.  Witichius  bericht  (1589)  3;  des 
grünlechten  giftes  M.  Opitz  Argenis  (1644)  1,  213;  ihr 
klar-grünlechtes  aug  Weckherlin  ged.2,S56F.;  mit 
grünlichten  blumen  Lohenstein  Arminius  l,  1377*';  des 
grünlichten  stroms  Schiller  11,  77  0.;  dünne  grünlichte 
matten  Görres  br.  l,  207;  davon  der  leib  .  .  .  gr.  .  .  .  wirdt 
Guarinonius  greuel  (1610)  868;  auch  das  stehend  wasser 
{wird)  gr,  Harsdörfer /mMenz.-jespröcÄsp.  (1641)  7,  222; 

wan  er  den  grUhnspahn  künstlich  weis 
ins  mark  des  stokkes  einzusprühen, 
dasz  seine  rosen  grühnlich  blühen 

Zesen  helik.  rosentaM  (1669)  115; 

die  klare,  grünlich  dunkle  flut        Brockes  1,  96; 

das  hellblaue  wird  gr.  Göthe  II  2,  40  W.;  ein  dunkler,  gr. 
blauer  himmel  Stifter  s.  w.  14,  125  S.;  von  der  färbe  des 
auges  oft  als  merkmal  bösartigen  Charakters: 

sein  aug  war  stier  und  grünlich 

Grabbe  w.  1, 193  Bl.; 

die  niedrige  stirn,  unter  der  die  grünlichen  äugen  tückisch 
und  boshaft  funkelten  Hesekiel  Nürnb.  tand  2,  69;  von 
minderwerthigem  glase:  selbst  mit  einem  prisma  von  grün- 
lichem glase  Göthe  II  5,  l,  44  W.;  in  einfache  grünliche 
gläser  G.  Keller  ges.  w.  1,  305;  als  färbe  der  Verwesung, 
des  moders:  indem  das  kind  schon  todt  gewesen  und  gantz 
grünlicht  wie  verweset  ausgesehen  Chr.  Thomasius  ged. 
u.  erinn.  (1720)  1,  39;  der  Verwesung  grünlichem  moder 
Grillparzer  s.  w.  2,  56  8.;  als  tönung  des  himmels:  deinen 
gr.  klaren  himmel  Just.  Kerner  briefw.  1,  138;  dar  grün- 
liche firmament  v.  Erlach  volksl.  3,  593 ;  oder  einer  andern 
färbe:  grünlicht  wunderblau  Triller  poet.  betr.  l,  46; 
grünlichtes  gold  S.  Geszner  sehr.  1, 112;  dazu  feste  verbale 
fügungen:  gr.  anlaufen  oxydieren  H.  Meyer  gesch.  d.  bild. 
künste  (1824)  1,  280;  ins  grünliche  fallen:  fällt  die  asch- 
graue rückenfarbe  etwas  ins  grünliche  Naumann  natur- 
gesch.d.  Vögel  2,13;  dafür  in  älterer  spräche:  wann  das 
wasser  grünlicht  .  .  .  fällt  mediz.  maulaffe  (1719)  189. 

2)  selten  nach  grün  II  A  2  a :  allzu  grünlicht  in  allen 
seinen  gesinnungen  Tieck  sehr.  19, 165;  ähnlich:  gr.  keck, 
vorwitzig  Unger-Khull  311**. 

3)  spurweise  auch  im  sinne  der  bedeviung  grün  lA; 
grünlich,  wachselich  vegetabilis,  Vegetativum  gemma  gemm. 
(1510)  D  1^,  wo  aber  die  parallelen  bei  Diefenbach  öOS" 
auf  vorausliegendes  gruondlich  oder  gruonendlich  {partic.) 
weisen;  der  grünliche  .  .  .,  grünende  april  Treuer  dtsch. 
Dädalus  1,  103;  nach  grünein  2  {vgl.  sp.  939): 

so  wie  uns  oft  nach  warmen  regen 
ein  grünlichter  geruch  erquickt 

J.  Chr.  Günther  ged.,  naehl.  94 ; 

vgl.  mundartlich  gr.  keimend  Unger-Khull  311**.  —  seit 
dem  17.  jh.  in  composition  mit  andern  farbbezeichnungen: 
grünlichblau  Oken  allg.  naturgesch.  1,  186;  grünlich- 
braun A.  G.  Werner  oryktognosie  (1792)  85;  grünlich- 
fahl: mit  grünlichfalben  blättern  Harsdörfeb /rawenz.- 
gesprächsp.  5,  ){){){){){  2^;  grünlichgelb:  mit  grün- 
lichtgelben  blumen  Lohenstein  Arminius  1,  1377*'; 
grünlichgolden  Klopstook  öden  1,  IMM.-P.;  grün- 
lichschwarz: der  cypress  ist  grünlichschwartz  Hars- 
DÖRF-ER  frauenz.-gesprächsp.  8,  67.  —  grünlichkeit,/., 
was  grünigkeit:  wenn  er  mit  grünlichkeiten  in  meine 
küche  kam  Holtei  erz.  sehr.  1,  161. 

GRÜNLING,  m.,  in  zahllosen,  meist  volksthümlichen 
bezeichnungen  appellativ  für  ein  ding,  dessen  hervorste- 
chendste eigenschaft  in  grüner  färbung  besteht,  besonders 
thier-  und  pflanzennamen,  im  14.  jh.  zuerst  belegt  {s.  u.  2). 


957 


( 


GRÜNLING  —  GRÜNNÄSIG 


GRUNNEN  -  GRÜNSCHLICHT 


958 


1)  thiernamen.  luime  des  grünfinken  (cMoria  chloris), 
vgl.  gr.  oder  ein  gilbling,  grünfinck,  rapfinck,  gerold  chlo- 
ris, charadrius,  Icterus  Henisch  1761;  diser  vogel  (chloris), 
so  gr.,  grünfinck  .  .  .  genennt  wirt  P.  Heuszlin  Geszners 
vogdbuch  (1557)  67^»;  der  grünfinck,  gr.  oder  kutvogel 
J.  Pbätorius  winterflucht  (1678)  7;  schwuntz,  schwanschel, 
gr.  oder  welschen  hänfling  Döbel  jägerpractica  (1754)  1, 
62;  der  specht  (friszt)  des  grünlings  (eier)  Fischart 
Oargantua  308  ndr.;  kautz  und  gr.  Jon.  Nas  antipap. 
eins  u.  hund.  (1567)  4,  Q9^; 

der  grünling  frisch,  der  grünling  frisch 
satzt  sich  zu  oberst  an  den  tisch 

Uhland  volhsl.  1,  40; 

auch  für  andere  grünfarbige  vögel,  so  den  'kanarienzeisig^ 
{pyrrhula  serinus)  ein  groszer  gr.  regaliolu^  Frisitts  1133''^; 
die  'goldammer^  {emberiza  citrinella)  Krünitz  20,  215;  der 
konchinchinesische  gr.  Müspratt  7,  514;  für  eine 
Schlangenart  {sauritae)  schlangenbuch  (1613)  nach  zs.  f. 
dtsche  wortforsch.  5,  271,  vermutlich  die  ringelnatter  (luber 
natrix)  Staub-Tobler  2,  756; /ttr  einen  Schmetterling,  pa- 
pilio  rubi  Nemnich  212;  Oken  allg.  naturgesch.  5,  1381; 
weitere,  sonst  nicht  ausreichend  bezeugte  anwendungen  gibt 
ScHRADER  dtsch.-frz.  1,  581. 

2)  pflanzennamen.  für  eine  rebensorte  {clementea  loci- 
niata)  greanling  Höfer-Kronenfeld  volksn.  d.  nieder- 
österr.  pfl.  131,  entsprechend  urkundlich  gr.  (r.  j.  1321  u. 
1366)  bei  Chr.  Schmidt  elsäss.  157;  für  eine  apfelsorte: 
grünling  äpffel  J.  Bauhin  hist.  tiov.  (1598)  4, 88,  vgl. 
Grimm  gr.  3,  376,  gr.  paulinerapfel  Unger-Khull  311**; 
für  eine  birnenart:  gr.,  eine  grüne  saftige,  kegelförmige  bim 
Nemnich  212  nach  Cordus  botan.  (1534)  179*':  grünlinge 
id  est  prasina;  grünlinge  prasinum  Stieler  167,  vgl.  grün- 
lingbirn  pyra  prasina  Henisch  1761;  für  den  pilz  russula 
{agariciis)  virescens  Pritzel- Jessen  455,  so  schles.  Mat- 
TUSCHKA  enum.  (1779)  329;  Unger-Khüll  Sil**;  HÖFER- 
Kronenberg  volksn.  d.  niederösterr.  pfl.  13;  Popowitsch 
versuch  574;  für  den  ginster,  cytisus  scoparius  und  c. 
tindorius  Pritzel- Jessen  127,  128;  Nemnich  214,  212. 

3)  nach  grün  II  A  2:  pisces,  qui  ling  vel  lingfische  .  .  . 
dicuntur  et  recentes  gruneling  B.  Faber  thes.  (1587)  1016''; 
früh  wie  grünschnabel  {vgl.  zur  deviung  sp.  647/.)  von 
menschen  im  sinne  ^unerfahrener,  neuling'' :  keinen  neo- 
phytum,  das  ist  gr.  und  ungebruchten  zum  lerer  ordnen 
H.  BuLLiNGER  leeren  d.  widertäufern  (1531)  bei  Staub- 
Tobler  2,  756;  nehmen  sie  es  dem  gr.  nicht  übel  Tieck 
sehr.  17,  194;  besitzt  etwa  ihr  grünlinge  das  monopol  des 
versemachens  J.  Scherr  Schiller  1,  214;  er  war,  was  man 
zu  meinen  Studentenzeiten  scherzweise  einen  gr.  nannte, 
das  heiszt  ein  unreifer  v.  Maltitz  d.  alte  Student  (1828)  9; 
vgl.  Kluge  stvd.-spr.  93;  entsprechend  grün  II  B  1  b 
tnensch  von  ungesunder  gesichtsfarbe  Schmeller-Fr.  1, 
1002;  Staub-Tobler  2,  756;  nach  grün  II  B  1  a  für  den 
grüngekleidelen  jäger  usw.:  der  junge  gr.  (forstmann) 
W.  Raabe  meister  Autor^  4 ;  so  rotwelsch,  vgl.  zs.  f.  dtsche 
wortforsch.  10,  215. 

i)  einzelnes,  gr.  quarz  mit  kupfergrün  Voigt  mineral. 
ahhandl.  (1789)  2,  277;  rotw.  für  garten,  wiese,  zäun,  gras, 
kraut,  laub  Kluge  rotw.  228,  Ostwald  rinnsteinspr.  63.  — 
grünlinger,  m.,  aus  dem  vorigen  erweitert;  als  vogelname: 
disem  grünUng  ist  nit  ungleych  ein  anderer  vogel,  gr.  ge- 
nennt, doch  grüner  P.  Heuszlin  Oeszners  vogelbuch  (1557) 
67^;  name  des  apfels  gr.  mälum  vitreum,  viride  Stieler 
1378. 

GRÜNMACHER  s.  grünacher. 

GRÜNMALZ,  n.  (vgl.  comp.-typ.  4^):  sowohl  das  frische 
gr.  wie  auch  das  .  .  .  luftmalz  v.  Alten  2,  271.  —  -markt, 
m.,  gemüsemarkt :  grünmarckt  mercato,  piazza  di  herbe 
Kramer  teutsch-ital.  1,  572^;  Sallmann  neue  beitr.  32; 
LuEGER  6,  280.  —  -moor,  n.,  s.  unter  grünlandmoor, 
Thaer  grundz.  d.  rat.  landw.  3,  174.  —  -nase,/.,  unreifer 
mensch,  wie  grünschnabel:  den  ausdruck  gr.  H.Laube 
ges.  sehr.  8,  247.  —  -näsig,  adj.  Brendicke  Berliner 
wortsch.  130. 


GRUNNEN,  vb.,  auch  grünnen;  schallmalendes  wort 
tcie  ähnlich  grummen  {s.  d.);  ags.  grunian  ^knirschen, 
grunzen';  dazu  vielleicht  ahd.  sg.  grün,  m.,  plur.  grunni,/., 
'Jammer,  stöhnen*,  'elend'  Schatz  ahd.  gr.  §  370;  grund- 
wort  zu  dem  bedeutungsparallelen,  ausgebreiteteren  grunzen 
(s.  d.);  mit  vocalwechsd  grinnen  grunzen,  knirschen  {s.  d.), 
ahd.  granon  grunnire  Graff  4,  327 ;  grannen  weinen,  jam- 
Tnern  (s.  d.);  vgl.  auch  gro(n)nen  murren,  grunzen,  sowie 
lat.  grunnire,  grundire,  griech.  yQv  grunzlaut  der  schweine, 
yqvXog,  yQvffawi'  ferkel,  yovCoi,  yQvliCa  vom  grunzen  der 
Schweine,  vgl.  Walde- Pokorny  1,  658;  Wackernagel 
voc.  var.  animantium  29/.;  zs.  f.  d.  wortf.  12,  41.  vom 
Schwein  'grunzen':  (da)  kamen  sie  wie  die  grunnende 
sau  herzugetrollt  Fischart  Garg.  313  ndr.;  (die  schweine) 
des  morgens  fro,  went  dach  wert,  anheven  tho  grün- 
nen Gryse  leienbibel  (1604)  2,  s  1^;  also  grüszte  ihn 
das  Schwein  mit  grunnen  Schott  kurzweil  d.  eungeyi 
weish.  (1690)  17;  das  rüchlen,  winszen  oder  grunnen  der 
schweynen  Frisius  (1556)  1247"';  grunzen,  grunnen,  grom- 
men,  rüchlen  wie  ein  schwein  grunnire  Henisch  (1616) 
1764;  grunnen  fland.,  grunnire  Kilian  (1605)  164;  baulare 
(eig.  'bellen')  grunnen  (vom  hund?)  Diefenbach  gloss.  70*'; 
vom  knurren  des  bauches  (vgl.  grunsen):  es  werdend  auch 
seine  kranckheiten  grünnen  in  dem  magen  M.  Pegius 
geburtsstundenbuch  (1570)  S  t  6^.  uneigentlich:  die  letzte 
Ölung  ist  kein  sacrament,  viel  weniger  von  Christo  ein- 
gesetzt, wie  die  rangen  zu  Löven  (die  theol.  facultät  von 
Löwen)  grunnen  Luther  w.  65,  174  Erl.,  dieselbe  stelle  mit 
grinnen  th.  4,  1,  6,  379.  hierhin  wohl  auch  grünen  'sich 
gütlich  tun,  ausruhen'  (Henneberg)  v.  Klein  provinzial- 
wb.  1,  167,  lyl.  'grunzen  3  in  derselben  bedeutung.  mit 
dehnung  (vgl.  grönen  :  gronnen)  grünen  murren,  knurren, 
grunzen  Schöpf  tir.  218;  (der  bär)  wäre  aber  sehr  bes 
und  grunete  immerfort  ebda;  vgl.  auch:  nichts  denn 
murrn,  grünen  könn  die  katzen  Kirchhof  icendtmmuth 
4,  190  Österl. 

GRÜNPLATZ,  m.,  mit  pflanzlichem  grün  bestandener 
platz:  ein  grunplatz  viretum  locus  gemma  gemm.  (1518); 
gr.  verdezza  Hulsius  dict.  (1618)  143»;  hübsche  .  .  .  grün- 
plätze  Jean  Paul  w.  20/23,  236  H.;  modern  in  städtebau- 
licher fachsprache.  —  -rebe,  /.,  statt  grundrebe  hedera 
terrestris  Fischer  schwäb.  6,  2075.  —  -rock,  m.,  mensch 
im  grünen  rock,  meist  der  'jäger'  in  volksthümelnder, 
scherzhafter  bezeichnung:  was  für  grünröck  mögen  das  sein 
Schiller  12,  19  O.;  ein  jeder  schwarzrock  und  gr.  Göthe 
6,  222  W.; 

bald  war  der  gr.  nur  behebt  in  stadt  und  land 

Fe.  Kind  ged.  2, 192; 

Schmeller-Fr.  1,  1002;  Fischer  schwäb.  3,  883;  vgl.  gr. 
als  name  eines  frosches  bei   Rollenhagen  froschmeus. 

(1595)  E  8. röckig,  adj.:  den  grünröckigen  .  .  .  diener 

Holtei  erz.  sehr.  24,  86.  —  -rot,  adj.:  grünroht  Schottel 
83;  die  .  .  .  blütchen  sind  gr.  Schlechtendal  flora^  9,  73; 
lebhaft  grünrothe  tücher  Bismarck  br.  a.  s.  braut  349.  — 
-rötlich,  adj.:  aus  dieses  baumes  grünröthlichter  blute 
Lohenstein  Ärminius  2,  309*'. 

GRÜNSAND,  m.,  glaukonithaltiger  Sandstein  Kar- 
marsch-Heeren 4,  167.  —  -Sandstein,  ?».,  dasselbe, 
ebda  4,  92.  —  -schattig,  adj.:  den  grünschattigen  berg 
Jean  Paul  w.  15/18,  174  H.  —  grünschau,  n.,  entstelltes 
griechisch  hau  =  heu  (trigoneUa  foenum  graecum) :  heist 
in  den  officinis  foenum  graecum,  griechisch  häw;  unsere 
bauren  sagen  .  .  .  grünschaw  Bock  kräuterb.  (1630)  475, 
Zusatz  der  ausg.  v.  1630;  vgl.  Pritzel- Jessen  409.  — 
-Schicht,  /..•  man  unterscheidet  an  der  rinde  unserer 
bäume  .  . .  die  bastschicht,  die  gr.  Roszmäszler  d.  wald 
110.  —  grünschlicht,  od/.,  bergmännisch:  grxmsch\ic\\- 
tes  gestein  grobäugiges  und  taubes  gestein,  welches  bei  den 
Zwittern  bricht  Campe  2,  477'',  etwa  von  grüsch,  grünsch; 
kaum  hierzu  grünschielericht :  alle  kupfergäng,  die  viel 
Silber  geben,  .  .  .  brechen  mächtig  kiszig  und  rohtgläszig, 
grünschielericht  mit  gelben  blumen  Valentini  chim.  sehr. 
(1677)  2,  193,  es  ist  wohl  'grünschillernd',  vgl.  th.  9, 14. 


959 


GRÜNSCHLING  -  GRUNSEN 


GRÜNSIECHTAGEN  -  GRÜNSPAN  i   960 


GRÜNSCHLING,  m.,  als  name  der  goldammer  (embe- 
riza  citrindla),  von  unsicherer  Herkunft:  gründschling 
CoLEEüs  öcon.rur.  {IGOd)  bei  Suolahti  vögeln.  106;  gold- 
ammer, gr.,  emmerling  Reyheb  iAe«.  (1668)  1,3951;  gr. 
Döbel  neueröffn.  jägerpr.  (1746)  1,  62;  grinschling  Popo- 
wiTSCH  versuch  139;  gr.  Frischeier  l,  258;  grüuzling 
Adelung  vers.  1,  219. 

GRÜNSCHNABEL,  m.,  von  der  gelbgrünen  haut  junger 
Vögel  an  der  schnabelwurzel,  auf  einen  sehr  jugendlichen, 
unerfahrenen  menschen  übertragen,  vgl.  gelbschnabel;  s. 
auch  sp.  647;  verbreitetes  Scheltwort:  a  iess  a  rechter  gr. 
M.  Robinson  curieuse  sammig.  v.  tausend  .  .  .  sprichw. 
(1726)  nach  Wander  2,  160;  ich  bin  wohl  was  jünger  wie 
ihr,  darum  aber  auch  kein  gr.  mehr  Holtei  erz.  sehr.  6, 
117;  ein  gr.  wie  ich  G.  Keller  ges.  w.  1,  311;  vgl.  Hörn 
soldatenspr.  32;  Brendicke  Berliner  wortsch.  130;  Mi 
mecklenb.  29;  Frischbier  i,  258;  Ruckert  unterfränk.  65; 
Staub-Tobler  9,  1066;  Fischer  schwäb.  3,  883;  als  name 
des  regenpfeifers  (charadrius  hiaticulu)  Nbmnich  212.  — 
-schnabelig,  adj.:  dem  grünschnabeligen  vorreiter 
Holtei  erz.  sehr.  16,  91.  —  -schnäbler,  m.,  vogelname 
{oedicemus  crepitans)  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  7,  92; 
für  den  steinwälzer  {srepsilas  interpres)  vgl.  Suolahti 
vögeln.  273.  —  -schnäblig,  adj.:  grünschnäbeliger 
pardel  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  7,  92;  er  jrün- 
schnäblijertietkendreher!  Glaszbrenner  Berlin  2,  19.— 
-schwarz,  adj.,  schwärzliches  grün  oder  ins  grüne  spie- 
lendes schwarz:  epheubletter  grünschwartz  Lqnicer 
kreuterbuch  (1557)  90^;  in  der  grünschwarzen  welk  Fi- 
schart grroszm.  (1607)  A  4»;  das  gr.  der  tannen  Stifter 
s.  w.  14,  179  S.;  salze  von  grünschwarzer  färbe  Luegeb  1, 
337.  —  -schwärzlich,  adj.:  eins  grünswertzleten 
Bchwantzs  G.  Alt  buch  d.  cron.  (1493)  lOS^-;  grünschwärtz- 
lecht  als  die  melantzan  öpfel  J.  Witiohius  bericht  (1580) 
4;  eine  grünschwärzliche  färbe  Sohlechtendal  flora 
30,  200. 

GRÜNSE,  /.,  bodensatz  bei  der  butterbereitung  Staub- 
Tobler  2,  784;  als  grunse  Martiny  wb.  d.  milchw.  (1907) 
48,  ist  es  verstümmeltes  grundsuppe.ä" 

GRÜNSEIDEN,  adj.  {vgl.  comp.-typ.  1  d):  einen  .  .  . 
grünseidenen  gurt  Gottsched  neuest.  9, 112; 

mit  einem  grünseidnen  band 

Mittler  volksl.  573; 

die  grünseidnen  vorhänge  Stifter  s.  w.  2,  56  8. 

GRUNSEL,  m.,  grundsuppe,  bodensatz,  meist  pl.  grun- 
sele,  auch  die  klümpchen  beim  buttern,  rückstände  beim 
buttersieden  u.  ä.  Jos.  Müller  rhein.  2,  1469,  vgl.  jronsele 
pl.  RovENHAGEN  Aachener  ma.  48;  dazu  grunselig  adj. 
Jos.  Müller  a.  a.  o.;  in  deutlichem  Zusammenhang  mit 
grünse,  grunse. 

GRÜNSEL,  m.?,  name  des  liguster  (ligustrum  vulgare) 
Waldbrühl  pflanzenn.  38.  —  grünselbaum,  m.,  das- 
selbe Pritzel- Jessen  214  aus  Gleditsch;  ist  grünsei 
verstümmeltes  grünholz?  —  grunselbeere,  /.,  s.  grusel- 
beere. 

GRUNSEN,  vb.,  grünsen,  schallmalendes  wort,  mit 
grunzen  bedeutungsparallel,  bes.  in  ndd.  und  benachbarten 
mdd.  gebieten,  aber  ursprünglich  selbständige  bildung  von 
grunnen  nMch  dem  muster  der  -isön-,  -a,aön-gruppe,  wenn 
auch  gelegentliche  Vermischungen  denkbar  sind;  vgl.  grinsen, 
grinzen  von  grinnen  th.  4,  l,  6,  379.  verwandt  ist  mnl. 
grun(d)selen  'brummen,  brüllen'  Verwijs-Verdam  232*'. 
—  die  älteren  belege  weisen  gegenüber  grunnen  auf  ein 
schwächeres  geräusch:  da  die  meusz  fast  greinen  und 
grunsen,  zeygt  es  auch  ein  kälte  an  M.  Herr  feldb. 
{Slraszbg.  1551)  15^;  vom  knurren  des  bauches  {vgl.  grun- 
nen): wann  er  auch  nur  {auf)  seim  secretstul  gesessen, 
nicht  eins  hab  können  grunsen  oder  ein  f  ürtzlin  schleichen 
lassen  Fischart  binenkorb  (1588)  174^;  von  schwachem, 
entferntem  donner:  dat  grünst  bloots  'n  beeten  Mensing 
schlesw.-holst.  wb.  2,  503,  vgl.  auch  ^grunzen  in  ders.  bedeu- 
tung  bei  Notker  1,  743;  vom  grunzen  des  schweins:  grun- 
sen oder  grunzen  Kindleben  stud.-lex.  (1899)  87;  grunsen 
Dähnert  vorpomm.-rüg.  \&i^;  grunschen  lux.  ma.  157S'; 


grunschen  neben  grunzen  Müller  rhein.  2, 1468.  ähnlich 
vom  dachs:  {dasz)  mit  schwerfälligen  tritten  und  halb- 
unterdrücktem  grunsen  ein  unförmliches,  graues,  schwein- 
artiges tier  durchs  gebüsch  bricht,  es  ist  der  dachs  Fr. 
V.  TscHUDi  tierleben  d.  Alpenw.  (1853)  191;  sonst  'stöhnen, 
ächzen' :  de  bull  grünst  Mensing  o.  a.  o. ;  grunschen, 
grunzen  'von  tieren,  klagende  töne  von  sich  geben"  Müller 
rhein.  2,  1468,  auch  vom  menschen:  'grunsen  in  der  stille 
seinem  schmerz  nachhängen,  ohne  ihn  laut  werden  zu  lassen, 
höchstens  zuweilen  einen  stöhnenden  ton  hören  lassen" 
Danneil  altmärk.  spr.  71»;  sikk  grunsen,  heimlich  grämen 
Dähnert  vorpomm.-rügen.  164»;  grunsen  (ifeciZenftgr.)  «tcÄ 
grämen  Fulda  idiot.-samml.  141.  wie  grunzen  4  'm,urren\ 
'zürnen':  dasz  {der  elephant),  als  ihme  sein  speisz  zu  rech- 
ter zeit  nicht  sei  gereicht  worden,  über  seinen  meister 
oder  pfleger  gewaltig  hat  gemurret  und  gegrünset  Peter 
Uffenbach  {Frankf.  1609)  Atlas  minor  640;  sinnlicher: 
der  {elephant)  denn  dem  Schmit  durch  sein  grunsen  und 
schreien  den  begangenen  fehler  hat  verwiesen  ebda  640; 
grunsen  grollen,  sich  ärgern  Schumann  Lübeck  30;  grun- 
schen greinen,  dazu  grunschech  'mürrisch',  grunsch,  /., 
'greinendes  frauenzimmer'  lux.  ma.  157*,  vgl.  grunscheln 
'grunzen,  zanken'  Schmeller  cimhr.  126''  und  das  adj. 
grunsig  'grimmig,  wütend'  Lexer  1,  1086: 

des  wart  er  gar  ain  grunsig  man 

der  maget  cröne  s.  66  Zingerle; 

ein  saukopf ,  das  ist  faul,  wüst,  unflätig,  grunsig  Fischaet 
w.  3,  256  Hauffen. 

GRÜNSIECHTAGEN,  m.:  vertreibt  die  bleiche,  blöde 
todtenfarb  des  leibes,  von  etlichen  der  grünsiechtagen 
genannt  Tabernämontanus  kräuterb.  (1588)  4. 

GRUNSIG  8.  grensing.  —  grünsing,  m.,  name  des 
gänsfiiigerkrauts  {potentilla  anserina)  Pritzel- Jessen  304; 
HoLL  137*;  Frischbier  i,  258;  entstelltes  grensing  s.  dort. 
—  grünsingkraut,  ».,  vne  grensing  ic  für  die  Schafgarbe 
{achiUea  millefolium)  Pritzel- Jessen  6  nach  Cordus. 

GRÜNSOLE,  /.?,  name  der  gartenminze,  roszminze, 
wasserminze  {mentha  aquatica) :  gruensol  mentastrum  vocab. 
opt.  52''  Wackern.,  vgl.  C.  Geszner  cai.  plant.  (1542)  63»; 
müntzen,  gartmüntz,  grünsolen  Fbisius  815'>;  dasz  der 
name  alt  ist,  erweist  der  ortsname  Grunselbach  (11.  jh.) 
Förstemann  altd.  namenb.  2,  1,  1119;  liegt  beziehung  zu 
ahd.  gronisal  Graff  4,  300  vor?,  vgl.  Staub-Tobler  7, 768. 

GRÜNSPAN,  m.,  basisch  kohloisaures  bzw.  essigsaures 
kupferoxyd  von  intensiv  grüner  färbe,  aerugo;  in  älterer 
spräche  auch  als  rost,  rot,  meszingesrod,  missingesrost 
bezeichnet;  seit  dem  frühen  15.  jh,  wird  der  als  viride  His- 
panum  eingeführte  farbstoff  aus  künstlich  hergestelltem 
essigsaurem  kupferoxyd  in  spangrün,  spanesgrun  und  mit 
bewahrter  Wortstellung,  vielleicht  unter  einwirkung  von 
span  m.,  in  grünspan  übersetzt;  dasz  gr.  nicht  jünger  ist 
als  spangrün  {s.  th.  10,  1  sp.  1881/.;  Seiler  lehnw.  2,  78) 
ergibt  sich  aus  frühen  umdeutungen  wie  grunspat  {vocab. 
aus  den  ersten  jähren  d.  15.  jhs.)  Diefenbach  622^,  vgl. 
gruenspat  virispanitum  nov.  gl.  383*,  hierher  {nicht  zu  spat 
wie  th.  10,  1,  1971)  auch  gruenspatt  viridis  {l.  viride)  eris  in 
cgm.  660,  Sl''  bei  Graff  6,  326,  grünspat  Hohberg  georg. 
cur.  1,  257,  grüenspant  Martin-Lienhabt  2,  571,  wohl  mit 
anlehnung  an  spat  oder  spanieta,  spanitum;  grunspach 
Diefenbach  622^5,  grunspach  {v.  j.  1571)  bei  Fischer 
schwäb.  3,  883  wie  spache  neben  span;  grüenspan  spanieta 
{voc.  V.  j.  1429)  Diefenbach  nov.  gl.  344*;  grünspan  oder 
spangrun  spameta  voc.  Theut.  (1482)  n  2*;  mit  dem  17.  jh. 
gewinnt  subst.  gr.  gegenüber  spangrün  die  oberhand,  doch 
vgl.  noch:  gr.,  spangrün,  kupfergrün  Jacobsson  2,  168^*, 
während  spangrün  sich  als  adj.  besser  hält. 

1)  eigentlich,  natürliches  oder  künstliches  kupferoxyd: 
gr.  oder  spanschgrün  Eber-Peucer  vocab.  (1558)  n  2*; 
wie  man  auch  gr.  von  kupferplantzschen,  mit  kinder- 
harn  begossen,  abzuschaben  pfleget  J.  Mathesius  Sa- 
repta  (1571)  72*; 

victril  .  .  .  mit  grüenspahn 
in  schustertinten  wird  getlian 

RoiLKNHAGEN  froschmeus.  (1595)  N  5»; 


961 


GRÜNSPAN  2.  3  —  GRÜNSPECHT 


GRUNSPEISE  -  GRÜN  VOGEL 


962 


berggrün,  lasurfarb  oder  gr.  Ph.  Bech  Agricolas  berg- 
werckb.  (1621)  81; 

wan  er  den  grühnspan  künstlich  weis 

ins  mark  des  stokkes  (der  rose)  einzusprfiiien 

Ph.  Zeskn  helikon.  rosentahl  (1669)  115; 

(die)  maler  haben  .  .  .  berggrün,  schiefergrün,  saftgrün, 
gr.  H.ABST>ÖB.YES,  frauenz.-gesprächsp.  8,  173;  der  köpf  und 
die  brüst  (einer  Victoria),  welche  der  edle  gr.  zart  über- 
zieht GöTHE  IV  11,  74  W.;  als  zeichen  des  alters,  verdorben- 
seins:  der  schwere  messingklopf  er  ...  ist  fast  schwarz 
von  gr.  Stoem  w.  2,  278; 

und  der  unfruchtbare  mammon 
lauter  grünspan,  ganz  unkenntlich 

MÖRIKE  w.  1, 167; 

vgl.  do  hätts  grünspahn  gezoge  es  wäre  verdorben  Aske- 
NASY  22;  als  zusatz  zu  giftigen  mixturen,  grüner  salbe  u.  ä. : 
wie  sie  aus  meel,  eyerklar,  hirn,  blut  und  gr.  eine  mixtur 
zurichtet  Grimmelshausen  2,  347  Keller;  dann  rühre  ich 
darunter  reinen  und  zart  geriebenen  gr.  medic.  maulaffe 
(1719)  133;  unter  dem  gesichtspunct  der  giftigkeit  {vgl.  gift- 
grün) :  dasz  sie  nur  den  giftigen  grünspahn  davon  hinunter- 
schlucke Jeak  Paul  w.  il,  87  H. 

2)  bildhafte  anwendung;  von  der  färbe  aus:  der  bäume 
gr.  {das  laub)  Teeueb  dtsch.  Dädalus  1,  174;  urvd  ihrer 
giftigkeit:  aus  dem  gr.  des  hasses  Gutzkow  gea.  w.  6,  54; 

sein  äuge  blickt  grünspan 

Nietzsche  ged.  u.  spr.  (1901)  199. 

3)  als  pflanzenname  volksetymol.  deutung  entstellter 
ginsternamen  une  etwa  grimsche,  grinzsche,  grünsper 
Pbitzel  -  Jessen  127  für  cytisus  scofarius  Holl  137*, 
cytisus  tinctorius  Nemnich  213.  —  -spanbereitung,/., 
allg.  dtsche  bibl.  65,  185.  —  -spanblume,  /.,  Chomels 
öcon.    lex.    4,  1382;    grünspanblumen    {acetas    cupricus) 

LiEBiQ  handb.d.  Chemie  761. spanessig,  m.,  Jacobs- 

SON  5,  758'*.  —  -spanfarbe,  /..•  ein  sehr  lichtes  meer- 
grün oder  blasse  grünspahnfarbe  Naumann  naturgesch. 
d.  Vögel  2,  201.   —    -spanfarbig,  adj.,  ebda  2,  610.   — 

-spangeist,  m.,  allg.  dtsche  bibl.  53,  410. spangrün, 

adj.:  mit  grünspangrünem  . .  .  licht  Lichtenberg  br.  1, 
204.  —  -spanig,  ad}.:  von  kiesigen  grünspänigen 
dünsten  E.  Francisci  lust.  Schaubühne  (1098)  2,499;  an 
der  grünspanigen  mauer  .  .  .  ruhten  einige  gondeln 
Fe.  Werfel  Verdi  (1924)  ll.  —  -spankristall,  n., 
Jacobsson  5,  758*.  —  -spankuchen,  m.,  kuchenförmig 
gepreszter  grünspan  Chomels  öcon.  lex.  4,  1382.  —  -span- 

lösung,/.,  Kaemaesch-Heeeen  6,  114. spanöl,  n.; 

gr.,  wie  das  zu  machen  Wiesuno  artzneybuch  (1588)  reg. 
—  -salbe,  /..•  und  so  sie  wol  gereinigt  ist  mit  grün- 
sponsalb,  so  heil  sie  M.  Hebe  schachtafelen  d.  gesuntheit 
(1533)  L  6'''.  —  -Spanspiritus,  m.,  Hoyee-Keeütee  1, 
315.  —  -spanwasser,  n.,  onomatolog.  curiosa {17 Qi)  I2ii. 

GRÜNSPAT,  m.:  grünspath,  ein  kalkstein  mit  band' 
artigen  .  .  .  dunkelspargelgrünen  lagen  Zappe  mineral. 
handlex.  l,  425;  gr.  malakolith  Beockhaus^*  8,  445;  gr. 
für  grünspan  s.  dort. 

GRÜNSPECHT,  m.,  name  des  vogels  picus  viridis;  seit 
ahd.  zeit  bezeugt:  gruonspeht  merops,  nomen  avis  ahd.  gl. 
2,  372,  61,  vgl.  die  zahlreichen  glossenbelege  bei  Suolahti 
vögeln.  32,  daneben  grünispeht,  grunispet,  grunespech, 
vgl.  auch  Geögee  kompositionsfuge  120;  grünspehte,  grün- 
specht  sumerlaten  10,  55  u.  11,  59  Hoffmann  v.  Fallersl.; 
grünspecht  merops  {gloss.  um  1300)  zs.  f.  dtsche  tcortforsch. 
5,  20;  grünespecht,  gruenspecht  merops,  lafMs,  ferax 
Diefenbach  358  c,  316»,  230^;  man  vnrd  danach  für  mhd. 
zeit  ein  nebeneinander  von  gruonspeht  und  grüenespeht 
anzunehmen  haben,  wobei  die  dem  adj.  grün  am  nächsten 
stehende  form  sich  erhielt:  von  dem  gr.  P.  Heuszlin 
Oeszners  vogelbuch  (1557)  227^; 

grünspecht  die  lagel  an  thet  zepfen 

Hans  Sachs  4,  283  E.; 

jetzt  höret  er  auf  seinem  zug 

im  dicldcht  einen  grünspecht  krähen 

Pfeffel  poet.  vers.  8,  72; 
IV.  1.  6. 


ein  gewand  von  färbe  eines  grünspechts  Scheffel  ges.  w. 
1,  226;  scherzhafte  bezeichnung  eines  grün  uniformierten 
oder  bemützten  menschen:  gr.  feldgendarm  Mauszeb  sol- 
datenspr.  13;  jäger  Imme  soldatenspr.  26;  polizist  zs.  f. 
dtsche  wortforsch.  2,  51;  Seminarist  Eisenbeegeb  pen- 
nälerspr.  56;  wie  grünschnabel  für  einen  unerfahrenen 
jungen  menschen: 

erlahmst  du  grünspecht  eher  als  ich  graukopf? 

Immermann  2,  53  B.; 

mich  .  .  .  hat  ein  armseliger  gr.  öffentlich,  vor  den  äugen 
der  ganzen  europäischen  weit  angefallen  Ceamee  an 
Bürger  1.  170  Strodlm.;  anders,  für  ein  bleiches  kind 
FiscHEE  Schwab.  3,  883;  in  den  maa.  scheint  gr.  als  vogel- 
name  nur  noch  in  teilen  des  md.  bewahrt,  vgl.  Suolahti 
a.  a.  o.  33,  doch  s.  Sohmelleb-Fb.  l,  1003. 

GRÜNSPEISE,  /.,  gekochtes  gemüse  Ungee-Khüll 
311'';  von  grünspeisen  kennen  die  wäldler  viele  arten 
Jos.  ScHRAMEKi?öÄmentwW6aMer  (1915)  44.  —  grünsper, 
m.,  entstelltes  ginster  {cytisus  scoparius)  Peitzel-Jessen 
127. 

GRÜNSTEIN,  m.,  für  den  edelstein  prasius  grunstein 
Diefenbach  451*;  seit  Cronstedt  mineralogischer  ter- 
mimis  für  'die  an  hornblende,  av^it  und  olivin  und  deren 
grünen  .  .  .  Umrandung sprodukte  reichen  .  .  .  gesteine' 
LuEGEB  4,  796;  vgl.  Jacobsson  2,  169*'  u.  5,  754^;  nun 
aber  hatte  ich  kaum  .  .  .  den  diorit  als  gr.  anerkannt 
Göthe  IV  37,  58  W.;  gr.,  der  aus  hornblende,  feldspat 
und  quarz  besteht  Hegel  w.  7,  l,  447.  —  -steinfels, 
m.:  er  erhebt  sich  als  gr.  Ritteb  erdkde  2,  691.  —  -stein- 
gang, m..  Zappe  mineral.  handlex.  1,  454.  —  -stein- 
porphyr,  m.,  ebda  425;  auf  dem  berg  fand  sich  .  .  .  gr. 
allg.  dtsche  bibl.  109,  480.  —  -steinschiefer,  m.,  diabaa, 
feinkörniges  grünliches  eruptivgestein  0.  W.  Schmidt  wb. 
d.  geol.  (1928)  109;  Behlen  jagdkunde  3,  516. 

GRÜNTUM,  n.,  zu  Wachstum  parallel  gebildet,  vgl. 
grünen  und  wachsen  {sp.  945):  in  schönen  grün-  und 
wachsthumb  Geimmelshausen  l,  loi  Keller. 

GRÜNUNG,  grunung,/.,  abstractbildung  zu  grünen,  im 
ganzen  unhäufig  gegenüber  grüne;  das  grünen  der  Vege- 
tation, vgl.  grunung  vegetatio  Diefenbach  608*^; 

den  bäumen  gebe  ich  kleidonge 
gheen  dem  sommer  grünonge 

Pilgerfahrt  d.  träum,  manches  1429  Pr. 

und  ist  ein  garten  voller  wollust,  denn  allda  ist  stetige  gr. 
Widmann  Fav^ts  leben  189  K.;  wegen  der  gr.  und  be- 
liebte auszschlahung  der  bäume  Peätoeius  Blockesberges 
verr.  (1668)  470;  der  bäume  gr.  und  fruchtbarkeit  Döbel 
neueröffn.  jägerpractica  (1754)  3,  73;  vgl.  gruening  das 
grünen  Maetin-Lienhabt  l,  277*;  zu  grünen  B  3  e  {vgl. 
sp.  948) :  ein  alte  frau  hat  ire  jar  mit  löblichem  werck  zu 
ewiger  grünung  gesteckt  G.  Alt  6mcA  d.  cron.  (1493)  70*; 
mit  betonter  farbvorstellung,  vgl.  grunung  viriditas  Die- 
fenbach 622'';  gr.  viror,  viriditas  Stielee  710;  die  gr. 
der  wiesen  pratorum  viriditas  Steinbäch  1,  649;  die  Öl- 
bäume haben  ihren  augenblick  der  frischesten  gr.  A.  v. 
Waesbeeg  odyss.  landsch.  244;  wo  karges  grün  mehr  und 
mehr  übergeht  in  dunkle,  feiste  gr.  H.  Laube  ges.  sehr. 
5,  40;  concret  gefaszt:  allerhand  groninge  {viror  omnis) 
Schillee-Lübben  2,  152/.;  de  erde  make  samen  unde 
gruningh  ebda;  da  nichts  an  gr.  der  bäum  . .  .  mangelt 
G.  Beaun  beschreibung  (1572)  1,  14*;  vgl.  gruening  das 
keimende  grün  der  wiesen  Staub-Tobleb  2,  756;  local, 
grüner  ort:  über  gassen  und  grünungen  R.  H.  Baetsch 
frau  Utta  31;  {ich)  reiste  ...  zwar  in  der  lieblichsten  gr., 
aber  beständigem  regen  K,  v.  Steenbeeg  ausgeiv.  w. 
(1909)  201;  absolut  'grüne  färbung\'  die  erze  waren  ... 
kupfererze  .  .  .,  derbe  gr.  allg.  dtsche  bibl.  93,  319. 

GRÜNVERKÄLTFER,  m.:  grünverkauf  er,  kräutler, 
gärtner  olitor,  olerum  cultor  et  venditor  Henisch  1763, 
nach  groenverkooper  Kujlan  102? 

GRÜNVOGEL,  m.,  appdlativ  für  den  grünfink  {chloris 
chloris,  fringilla  chloris)  Naumann  naturgesch.  d.  vögel 
5,  62;  für  die  lerchenart  alauda  spinoletta  Nemnich  213.  — 

61 


963 


GRÜNVÖGLEIN  —  GRUNZELN 


iGRUNZEN  1 


964 


-vöglein,  n.,  als  name  des  baumpieper  {anthus  arboreus): 
grünvögelin,  ickerlin,  guckerlin  avicula,  quae  muscis  vic- 
titat  Hbnisoh  1764  ist  miszverstandenes  grienvogel,  das 
seinerseits  greinvogel  =  greinerlein  entspricht,  vgl.  Süo- 
LAHTi  vögeln.  95. 

GRÜNWAARE, /.,  gemüse,  namentlich  nd.  wort:  grün- 
wahr,  gartenkraut  olus  Henisch  1764,  vgl.  groenware  oliis 
KiLiAN  162;  alle  gattungen  von  grünwaaren  Stifter 
s.  w.  5, 1,  347.  —  -Warenhändler,  m.:  an  diese  schlie- 
szen  sich  die  grünwaarenhändler  Danziger  polizeiverordn. 
V.  28.  Juli  1858.  —  -händlerin,  /.;  die  .  .  .  leichnamen 
eines  schifiEerknechtes  und  einer  gr.  Th.  Mann  tod  in 
Venedig  (1913)  125.  —  -wasengang,  m.,  feldprocession 
an  den  ostertagen,  vgl.  Ungbr-Khxjll  Sll^^;  dann  folgt 
der  gr.  Roseggeb  sehr.  I  4,  231. 

GRÜNWEISZ,  adj.,  färbe  zwischen  grün  und  weisz: 
der  grünweisze  köU  hat  breyte  dicke  . . .  bletter  Tabeenä- 
MONTANUS  kräuterb.  (1591)  2, 109;  vgl.  groenwit  glaucus 
Kjlian  162;  die  .  .  .  sich  ins  grünweisze  verlaufende  röhre 
Schlechtendahl  flora  19,  97;  grün  und  weisz:  die  grün- 
weiszen  grenzpfähle  Teeitschke  dtsche  gesch.  3,  507.  — 
-weiszlich,  adj.:  ihre  grünweiszlichen  hülsen  sind  ofEen 
S.  v.  BiEKEN /or<s.  d.  Pegnitzschäf.  (1645)  64;  der  seiden- 
haarige kelch  ist  gr.  Schlechtendahl  flora  23,  lli.  — 
-werk,  n.,  krautwerk:  eine  .  .  .  hohe,  senkrechte  felsen- 
wand, mit  grün-  und  buschwerk  überwachsen  G.  Foestee 
8.  sehr.  1,  136. 

GRÜNWURZ,  /.,  als  name  von  sempervivum  tedorum: 
gruenwurz  Vitus  Auslassee  gloss.  z.  Macer  Floridus  bei 
FiscHEE  mittelalterl.  pflanzenkde  284,  wohl  nur  eine  con- 
tamination  der  sonst  altbezeugten  namen  ingrün,  singrün 
und  hauswurz,  vgl.  Peitzel- Jessen  372/.  —  -wurzel, 
/.,  als  name  des  erdrauchs  {fumaria  officinalis)  Peitzel- 
Jessen  156  nach  Nemnich  213  scheint  aus  grundwurzel 
umgedeutet,  vgl.  mhd.  ertwurz. 

GRUNZ,  m.,  postverbale  bildung  zu  ^grunzen;  zu  grun- 
zen 4  ^groll,  Unwille': 

nach  dem  bescheid  {nahm  abschied) 
fraw  unde  mald 
in  zorens  grüntz 

H.  Sachs  /a&.  u.  schwanke  5,  32  ndr.; 

vielleicht  hierher  als  schwacher  plural:  sihe  da,  so  geht  es 
den  trunoken  fechtem,  die  das  schwerd  bey  der  schney- 
den  und  den  spiesz  bey  der  spitzen  fassen  und  geben 
lecherhche  gruntzen  {Widerreden,  einwände)  für  Luthee 
w.  7,  634  W.;  zu  grunzen  3  der  ^grunzlauV :  die  drei  grunze 
auf  Preuszen  {als  zeichen  der  Verachtung)  nationalzeitung 
{Bln.  1847)  23,  611  s.  Sandees  ergänzungswb.  240. 

GRÜNZEL,  grunzel,  /.,  als  name  der  Stachelbeere  {ribes 
grossularia):  grüntzel  Peitzel- Jessen  334  aus  Feisius, 
uva  Spina,  uva  crespina  Keamee  t.-ital.  1,  572*5;  grunzel 
Nemnich  214,  zur  deutung  s.  u.  gruselbeere;  für  die 
Zuckerwurzel  {sium  sisarum)  Holl  wb.  deutsch,  pflanzen- 
namen  137*. 

GRUNZELN,  grünzeln,  vb.,  Weiterbildung  von  ^grunzen ; 
'grunnire':  {das  schwein  hat)  geschnarchelt  oder  gruntzelt 
Messbeschmid  esels  adel  (1617)  119;  wie  können  doch 
au£E  dem  wege  der  seeligkeit  seyn,  welche  mit  ihrem 
Zorn  das  wüten  der  tyger,  {mit)  ihren  unflätigen  worten 
das  gruntzeln  der  garstigen  säuen  weit  übertreffen 
Meyfaet  himml.  Jerusalem  (1630)  2,  302;  vom  menschen: 

eine  dicke  ist  darunter  {urtter  den  dirnen), 
die  vorzüglicli  quiekt  und  grünzelt; 
ob  dem  gioszen  lorbeerkopfputz 
nennt  man  sie  die  grüne  sau 

Heine  s.  w.  1,  352  Elster; 

mit  einem  gruntzelnden  Wonnegefühl  hob  er  ihn  auf 
Laufe  Pitt  je  Pittjewitt  (1903)  84,  vgl.  grunzen  3  sp.  965^.; 
'murren,  grollen",  s.  grunzen  4: 

meinstu,  dieweil  du  wieder  mich 
murrest  und  gruntzelst  zorniglich, 
das  du  dran  recht  thust  und  billich? 

Papb  Jonas  rhythmicus  (1605)  0  3"; 

{dasz  er)  für  alle  andern  fast  seer  gruntzelt  {widerstrebte) 
und  sich  unser  lere  feind  gar  herrlich  rhumete  Luthee 


bücher  u.  sehr.  (1561)  6,  31^;  anders:  {bei  teuerung  erzeigt 
sich  der  bauer  einem  bürger  nicht  ehrerbietig)  dann  dem 
rülpen  {rüpel)  thuts  trefflich  wohl,  dasz  ihm  der  ehrliche 
bürgersmann  so  herrlich  gruntzelt  {ums  maul  geht)  Veeo- 
andee  bauernstandes  lasterprob  (1684)  145,  vgl.  grinsein 
niedrig  schmeicheln. 

^GRUNZEN,  vb.,  grunnire,  murmurare.  intensivbil- 
düng  zu  grunnen  (s.  d.),  vgl.  auch  grunsen.  ahd.  grunzen, 
gigrunzen;  apätmhd.  grunzen;  ags.  grunnettan;  me.  grün- 
ten; engl,  grünt;  norw.-dän.  grynte,  alle  in  der  bedeutung 
grunnire.  im  ahd.  wie  grunsen  (s.  d.)  und  grummen, 
grummeln,  auch  grunzen  vom  dumpfen  laut  des  donners: 
{aether  und  aer  sind  geschwister)  ane  daz  er  {aether)  io 
in  guotemo  ist.  si  {aer)  grunzet  aber  diccho  föne  un- 
geuuitere  Notkee  sehr.  1,  743  Piper,  statt  grunzen  ge- 
legentlich gronzen,  wobei  aber  gron(n)en  teil  4,  1,  6,  443 
zu  beachten:  gronzen  Abe.  a  s.  Claea  Judas  3  (1692)  93; 
gronza  Saetoeius  Würzbg.  50,  vgl.  auch  kronzer,  m., 
^mürrischer  mensch'  aus  Geimmelshausen  s.  v.  krunzen 
teil  5  sp.  2471.  selten  ist  umlaut  des  u:  grunzen  Keisees- 
BEEG  Seelenparadies  (1510)  43  C;  H.  Sachs  l,  329  lit.  ver.; 
S.  Bränt  V.  d.  losen  fuchsen  (1546)  v  2=^;  Schöpfer  syji. 
(1550)  b  6^;  Oesäus  nomencl.  (1623)  51;  Schottel  haubt- 
spr.  60.  formen  mit  anlautendem  k  s.  bei  krunzen  teil  5 
sp.  2471,  vgl.  auszerdem  ahd.  crunnizodon  ahd.  gl.  2,  543,  4. 
das  wort  ist  dem  nd.  fremd  und  zeigt,  wenn  es  gelegentlich 
erscheint,  die  aus  dem  hochdeutschen  entlehnte  verschobene 
form,  vgl.  gruntzer  chron.  d.  dtsch.  städte  {Braunschweig 
1488)  16,  101;  zur  Verbreitung  in  den  maa.  s.  sp.  965;  966. 

1)  meist  bezeichnet  grunzen  die  rauhen,  stoszartigen, 
einem  gebell  ähnlicheyi  laute  des  Schweines;  ahd.  ist  das 
wort  in  dieser  bedeutung  als  verbum  nicht  belegt,  aber  zu 
erschlieszen  aus  dem  subst.  grunnizoton,  crunnizodon 
grunnitibus  {glosse  zu  Prud.  apotheosis  416)  ahd.  gl.  2,  537, 
30;  2,  543,  4.  gebucht  in  md.,  obd.  glossaren  seit  dem  15.  jh.: 
grunczen  grunnire  Diefenbaoh  gloss.  270^ ;  grunnire  por- 
corum  est  gruntzen  Bas.  Fabee  thes.  (1587)  368'';  grunnio, 
grundio  gruntzen  wie  die  säw  Corvinus  fons  lat.  (1660) 
653.  wie  grunnen  auch  als  glosse  zu  baulare  {eig.  'bellen') 
pellen  ader  grunczen  bei  Diefenbach  mlat.-böhm.  49.  in 
fester  Substantivierung:  das  gruntzen  der  schwein  grün- 
nitus  J.  Bentzius  thes.  lat.  (1596)  71;  Hulsius-Ravellus 
(1616)  147*';  Steinbach  dtsch.  wb.  (1734)  1,651:  ist  ein 
sau  .  . .  den  Wendelstein  raufkommen,  gegrunzet,  davon 
wir  ims  gefürchtet  Schweinichen  denkw.  16  Ost.;  hörete 
einen  gantzen  hauffen  seuwe  kirren  und  gruntzen  Lu- 
thee tischr.  {Frkf.  1576)  202^5  Aurifaber;  bald  schracken 
die  elephanten  für  den  trommetem  und  gruntzen  der 
Schweine  Gabe.  Rollenhagen  indian.  reisen  (1603)  24; 
{das  ansinnen)  so  widrig  klingt,  wie  das  gruntzen  der 
Säuen  im  judenhause  Ee.  Feanoisci  lu^t.  Schaubühne 
(1702)  1,  974;  die  Schweine  in  den  koben  fingen  erschreckt 
an  zu  grunzen  Gl.  Viebig  das  schlafende  heer  (1904)  1, 
190.  mit  stärkerem  affectgehalt:  ist  es,  das  inen  eine  {eichel) 
entgat,  so  grüntzent  sy  und  schnauwent  mit  dem  grans 
{rüssel)  herumb  Keiseesberg  seelenparadies  (1510)  43^; 
{ein  schwein,  das)  seine  äugen  rollt  und'  wuth  grunzt 
Pestalozzi  sämtl.  werke  (1927)  2,  29  krit.  aiisg.;  mit  4 
spielend:  wenn  man  gleich  ihren  {der  schweine)  gesellen 
die  kehle  absticht;  ob  sie  wol  ein  wenig  drüber  grunzen, 
so  ists  doch  bald  vergessen  Peätorius  unnterflucht  d. 
sommervögel  (1678)  357.  das  grunzen  ist  eines  der  zoolo- 
gischen m,erkmale  des  schweins:  die  schlänge  zischet,  das 
schwein  ^untzt,  die  spansau  rültzt  Haesdöefee /raMC»- 
zimmerges'prächsp.  3,  292; 

will  grunzen,  wiehern,  bellen,  brummen,  flammen 
wie  eher,  pferd,  hund,  bär  und  feur  zusammen 

Shakespeare  1,  223. 

im  partic.  als  stehendes  beiwort:  ein  gruntzend  schwein 
Peätorius  philos.  colus  (1662)  ii;  Triller  poet.  betrach- 
tungen  (1750)  2,  612;  Freytag  ges.  w.  12,  63;  die  saudirn 
mit  ihren  grunzenden  Zöglingen  Steub  drei  sommer  l, 
244 ;  grunzen  wie  die  schweine,  säue  u.  a. :  das  er  kerren 
und  gruntzen  kondt  wie  die  schwein  V.  Dietrich  christl. 


965 


iGRUNZEN  2.  3 


iGRUNZEN  i 


kirche  zu  Regensburg  (1555)  p  l'';  Mathesius  Sarepta 
(1571)  219^';  Peätobius  saturnalia  (1663)  137.  daher  auch 
ohne  specielle  nennung  verständlich:  in  den  fluszarmen, 
welche  durch  die  stadt  führen,  hat  das  vieh  seine  schwem- 
men, dort  brüllt  und  grunzt  es  und  verengt  den  weg  für 
menschen  und  karren  Freytag  ges.  w.  18,  123; 

und  tausendstimmig  brüllt  und  blökt  und  grunzt 
ein  zahllos  herdenvolk  auf  deinen  wiesen 

Geibel  w.  (1888)  4,  82; 

und  endlich  mit  des  Ulysses  seinen  geferden  dörfte  in 
der  gruntzenden  zunft  verfallen  Pkätorifs  der  aben- 
teuert, glückstopf  (1669)  16.  in  den  maa.  ist  die  bedeutung 
nicht  durchaus  verbreitet  oder  nicht  consequent  notiert: 
grunzen  Schmellee-Fe.  l,  1006;  grunzen  Ch.  Schmidt 
Straszb.  45^;  gronza  Saetoeius  Würzb.  50;  grunzen  neben 
grunschen  rhein.  wb.  2,  1468;  grunzen  Ceecelius  ober- 
hess.  441;  gruinze  Heetel  Thür.  110.  auf  norddeut- 
schem boden  nur  nordfries.  gryinte  Jensen  173,  sonst 
grunsen  (s.  d.). 

2)  seltener  von  anderen,  dem  grunzen  des  Schweines  ähn- 
lichen tierstimmen:  ein  gruntzender  bär  Ettnee  f.  Eite- 
eitz  muulaße  (1719)  752;  da  {die  wanderer)  näher  kamen, 
wurde  das  gekläfE  der  rüden  wilder,  die  grunzenden 
stimmen  einer  bärenf amilie  mischten  sich  darein  G.  Feey- 
tag  ges.  w.  8,  228;  {der  äffe)  streckte  sich  {im  zorn) 
auf  allen  vieren,  grunzte  und  machte  bedrohliche  be- 
wegungen  Brehm  tierl.  1,  142  P.-L.;  {des  gorillas)  bald 
rollendes,  bald  grunzendes  gebrüll  ebda  1,  66;  {du  vnrfst) 
über  den  grunzenden  tiger  das  joch  malee  Müllee  w. 
(1811)  1,  176;  die  einsiedler  {unter  den  grunzochsen)  ge- 
sellen sich  den  herden,  laufen,  kühe  suchend  und  dabei 
beständig  grunzend,  wie  sinnlos  umher  Beehm  tierl.  3, 
255  P.-L.;  der  fisch  läszt  im  wasser  ein  grunzen  hören 
Oken  allg.  naturgesch.  6,  93.  im  zoologischen  namen: 
cottus  grunniens  der  grunzende  brummer  {ein  fisch)  ebda 
6,  47,  5.  au^h  grunzochse,  grunzer.  auch  fabelhafte,  un- 
heimliche lebewesen  grunzen:  grunzender  lindwurm 
Fe.  Th.  Vischee  auch  einer  (1879)  l,  337; 

(der  Winter)  hat  mir  verhunzet 
des  gartens  zier 
und  knurrt  und  grunzet 
vor  meiner  thür 

Fr.  StolbeeG  ges.  w.  (1820)  2,  3; 

und  grunzend  entfliehen  die  dämonen  J.  V.  v.  Scheffel 
ges.  w.  (1907)  l,  133;  in  einem  träume  {spielt)  dieser 
krückenjunge  eine  hauptroUe,  indem  er  .  .  ,  grunzende 
töne  ausstöszt  Holtei  vierzig  jähre  (1843)  1,  51. 

3)  auf  den  menschen  übertragen  'rauhe  töne  von  sich 
geben':  dann  begannen  wir  ein  ceremonielles  gespräch, 
das  jener  {der  eingeborene)  des  öfteren  unterbrach,  um 
sein  erstaunen  über  unsere  weisze  hautfarbe  durch  grun- 
zende töne  auszudrücken  v.  Götzen  durch  Afrika  (1895) 
180;  die  halbnackten  Baschkiren,  verschiedene  sprachen 
grunzend  und  schnaufend  Roseggee  höllbart  (1903)  111; 
{aus  dem  küchenfenster)  kann  man  mitunter  einen  grun- 
zenden gesang  vernehmen  Stoem  ges.  sehr.  7  (1877)  194. 
mit  mannigfachem  psychischen  geholt:  nur  durch  ein 
grunzendes  gestöhn  giebt  {der  gymnasiast  in  den  ferien) 
seinem  behagen  ausdruck  Raabe  Horacker  (1876)  4;  musz 
ein  held  die  würde  seines  epischen  Charakters  dadurch 
behaupten,  dasz  er  wie  ein  karthäuser  nur  sein  memento 
mori!  ernsthaft  und  sauertöpfisch  grunze?  Herdee  s.  w. 
3,  221  8.;  {ein  herr)  der  dem  redner  mit  groszem  beifall, 
welchen  er  durch  kopfnicken,  grunzen  kund  gab,  zuhörte 
Spielhagen  s.  w.  2,  386;  bald  erklang  jenes  urkräftige 
grunzen,  wodurch  damals  (1849)  die  sittliche  entrüstung 
sich  zu  offenbaren  pflegte  Teeitschke  hist.  u.  polit.  auf- 
sätze  1,  493 ;  eigenartig  im  reime  schon  bei  H.  Sachs  ; 

(ich  sah  sehmelzwerke) 

mit  ertzbrechen,  schmeltzen  und  zrennen, 
mit  schayden,  probieren  und  müntzen; 
vor  wunder  gleich  mein  hertz  thet  grüntzen 
ob  diesem  groszem  arbeyten  und  zabeln 

3,  480  lü.  ver. 

gern  als  einschub  in  eine  unwillige,  cynische,  unbeherrschte 
anttvort:  'schwindel'  grunzte  John  Bull,  welchem  wenig 


oder  nichts  an  dem  graben  gelegen  ist  W.  Raabb 
Abu  Telfan  (1870)  1,  31;  'ich  weisz,  was  ihr  mir  sagen 
wollt',  grunzte  er  mir  entgegen  Ppeffel  pros.  versuche 

(1810)  3,  174; 

'ach  himmel!'  gruntzt  er  (der  von  glätibigern  heimgesiichte) 
'wirds  noch  sctüimmerl' 
Chr.  Günther  ged.  (1739)  167; 

Robert:  'ich  will  jetzt  blos  noch  nach  innen  musik 
machen  .  .  .'  Josef  (hat  sich  abgekehrt,  um  seine  heiter- 
keit  zu  verbergen,  grunzt  jetzt:)  'nach  innen?'  Hiesch- 
feld  die  mütter  (1896)  65.  an  dem  gebrauch  von  1  be- 
reichert: daher  grunzen  zoten  in  liebevollen  versen,  daher 
flieszt  die  hefe  der  natur  in  empfindsamen  silbenmaszen 
Jean  Paul  w.  40/41,  42  Hempel;  unter  allem  romantisme 
grunzt  und  giert  der  Instinkt  Rousseaus  nach  räche 
Nietzsche  w.  8, 118;  morgen  internationalistisch  geifern, 
übermorgen  kommunistisch  grunzen  J.  Scheee  Schiller 
(1873)  1,  X.  selbständigere  bedeutungen,  die  aber  den  ge- 
brauch von  1  oß  deutlich  durchspüren  lassen,  sind  in  diesem 
bereich:  grunzen  'behaglich  der  ruhe  genieszen,  une  ein 
Schwein,  das  vor  behagen  grunzt'  Ch.  Schmidt  Straszb.  45*' ; 
grunzen  'schlafen'  Eilenbeeger  pennälersprache  18; 
Müller  -  Fraureuth  obersächs.-erzgeb.  l,  447^;  hierher 
auch  'schnarchlaute  von  sich  geben' : 

wenn  ich  (die  junge  verliebte  frau)  in  kümmernusz  und  lauter 

liebesschmerz 
musz  meine  junge  zeit  mit  leerer  hand  verzehren, 
da  ein  Saturnus  (ihr  alter  ehemann)  stets  an  meiner  seite 
gruntz        JOH.  Riemer  polit.  Stockfisch  (1681)  116. 

4)  'murren,  grollen' ;  von  alters  im  ränge  einer  selbstän- 
digen bedeuiung: 

thie  guate  es  sar  biginnent  joh  iz  frambringent, 

joh  sint  fro  thrato  rehtero  dato; 

thie  andere  alle  fliu  fma  sero  grunzent  tharzua 

OXFRID  V25,  85; 

in  derselben  bedeutung  gigrunzen  mit  d.  gen.: 

odo  inan  wiht  sar  smerze,  thaz  er  es  thoh  gigrunze 

ebda  V  23,  252, 

vgl.  gmncenti  caperrans  {die  brauen  zusammenziehend) 
Graff  4,  329;  irasci  ergrimmen,  griszgrammen,  grüntzen 
Schöpfer  syn.  (1550)  b  ß'';  sonst  gebucht  zu  lat.  stomachari 
Diefenbach  nov.gl.  349^  (15.  jA.);  altercari,  expostulari, 
fremere  Stieler  stammb.  701;  itul.  mormorare  di  qualche 
cosa  Kramer  l  (1700)  5753';  frz.  grogner,  gronder,  mur- 
murer  Schrader  dtsch.-frz.  l,  582*; 

sl  grunzedin  und  grynen, 

war  umme  her  (gott)  were  heymelich  den  genen, 

de  da  waren  groize  sundere 

vier  geistl.  ged.  648  Heimel,  zs.  /.  dt.  altert.  17,  31; 

so  gott  diesz  thun  kan  und  .  .  .  dem  grüntzen  und  der 
gewalt  der  phariseer  durch  einen  einigen  Nicodemum 
wehren  Luther  w.  33,  485  W.;  {der  capitän)  hat  soviel 
ausgerichtet,  dasz  diakonus  auf  seinen  teil  10  rthr.  wieder 
bekommen  zum  viatico,  nicht  ohne  grunzen  der  Soldaten 
acta  publica  7,  249  Palm;  die  öbirsten  von  disen  worten 
erbittert,  gruntzten  noch  dartzu  in  irem  mut,  daz  er  im 
so  vil  gewalts  beym  volk  einneme  Michael  Risch  para- 
phr.  d.  evangdium  Joh.  (1524)  s  4^;  offt  stirbet  der  man, 
den  dass  weib  zu  tode  gegruntzet  Mathesius  Syrach 
(1586)  174».  gern  mit  sinnverwandten  ausdrücken;  sehr 
sinnkräftig  bei  Luther:  nu  ist  doctor  Luther  ein  wenig 
hoffertig  und  gibt  nit  vil  auf  der  romanisten  rimtzen  und 
grüntzen  w.  6,  289  W.;  schmollen  und  grüntzen  ebda  53, 
621 ;  fluchen,  grüntzen  und  schelten  Herberger  trauer- 
binden  (1617)  4,  217;  sie  grolleten  und  gruntzeten  Zbsen 
Assenat  (1679)  62; 

da  grunzt  ein  jeder,  zürnt  und  greint 

Pape  chrisiiani  hominis  sors  (1612)  E  4"; 

kein  greinen  und  kein  grunzen,  meine  söhn  und  töchter ! 
U.  Bräker  sehr,  l,  269; 

wenn  die  braut  zuweilen  In  der  nacht 
von  einem  schweren  träum  in  ihrem  schlaf  erwacht 
und  weckt  den  bräutgam  auf  und  will  es  ihm  erzehlen, 
so  soll  er  darum  nicht  viel  grüntzen  oder  schmählen 

Heneici  ernst-,  scherzh.  ged.  (1727)  2, 161 ; 

61» 


967 


'GRUNZEN  4  —  2GRUNZEN 


GRUNZER  —  2GRUNZIG 


968 


besonders  murren  und  grunzen:  kommet  aber  unglück, 
creutz,  trubsahl,  {dann)  gehet  das  murren  und  gruntzen 
an  Dännhawer  katechismusmilch  1,  260;  wo  lauter  mur- 
ren, gruntzen  und  argwon  ist,  da  wohnt  der  teufel  Petri 
d.  Teutschen  weish.  (1604)  2,  Mmm  7*;  Ambras,  liederb, 
32,  21  lit.  ver.;  Dan.  Schaller  herold  (1595)  f  4»;  mit 
jemandem,  wider,  auf  jemanden  grunzen: 

auch  kan  ich  {de»  teufeis  groszmutter)  mich  verdrehen  an 

diesem  tanze, 
darumb  solt  ihr  nicht  mit  mir  gruntzen, 
last  mich  auch  schütteln  die  alten  runtzeln 

D.  ScHEKNBERQ  spiel  V.  frau  Jutten  6  Schröder; 

gruntze  nicht  wieder  gott  J.  Gioas  furcht  d.  pestilenz 
(1546)  a  3ä';  (dasz  sie)  auf  einander  gruntzeten  Prätorius 
Blockesberg  (1668)  574;  auf  dem  wege  zu  einer  specialisie- 
rung  'undersprechen,  raisonnieren' :  ihr  tummen  kerle, 
müszt  ihr  noch  gruntzen?  Steinbach  deutsches  wb.  (1734) 

1,  651,  vgl.  entgegengrunzen  ebda;  etwas  begrunzen: 

magst  es  benuscheln,  beneifeln,  begruntzen 

W.  SCHKRFEK  ged.  (1652)  408; 

darnach  lassen  sie  den  gefaszten  zom  aus  dem  hertzen 
durch  sawrsehen,  morren,  gruntzen  und  andere  un- 
freundliche geberde  herfür  Sigism.  Suevtjs  Herodis  bankett 
(1569)  H  7^;  auf  1  anspielend:  wollt  ir  brüUen,  brummen, 
gruntzen  und  murren,  so  geht  hinaus  unter  die  kühe 
und  Schweine  Luther  tischr.  (1576)  187*  Aurifaber;  öfters 
übertragen  vom  knurren  des  hundes: 

gleich  wie  ein  groszer  kettenhund 
kan  nichts  dann  gruntzen  alle  stund 

B.  KEÜQBE  anf.  «.  ende  d.  weit  (1580)  0  3»; 

{der  hund)  bellet  den  frembdling  an,  den  zu  nahe  herbey 
nahenden  beiszet  er  auch  wol  heimlich  und  gruntzet  und 
murret  wider  in  Comenius  ian.  ly  ling.  (1643)  67. 

der  lebenskreis  des  Wortes  in  dieser  bedeutung  ist  die 
niedere  Umgangssprache;  vgl.:  einsmals  hörte  man,  die 
keine  schäfer  waren  (formula  loquendi  rusticis  usitata) 
über  das  Schmiergeld  {draufgeld,  das  die  bauern  dem  lohn 
der  schäfer  zusetzen)  gruntzen  Veroander  bauernstandes 
lasterprobe  (1684)  97;  es  verdankt  seine  im  16.  jh.  vorüber- 
gehend starke  Verbreitung  wohl  vor  allem  Luthers  einflusz, 
während  Luther  selbst  es  mit  anderen  nicht  hochsprach- 
lichen Worten  1540  aus  der  Übersetzung  apostelgesch.  12,  20 
tilgt,  vgl.  C.  Franke  schriflspr.  Luthers  2,  70'' :  er  gruntzet 
{>)y  de  d^vfiojuaxSiy)  aber  mit  den  von  Tyro  und  Sidon, 
später:  er  gedacht  wider  die  von  T.  und  S.  zu  kriegen. 
im  17.  jh.  seltener,  darf  die  bedeutung  im  18.  jh.  trotz  ge- 
legentlicher belege  (Henrici,  U.  Bräker  5.  o.)  und  buchun- 
gen  {s.  sp.  964)  allgemein  als  ausgestorben  gelten,  vgl. 
'grunzen  wird  nur  noch  von  den  schweinen  gesagV 
Frisch  l,  SSO**.  in  einem  teil  der  maa.  hat  sie  sich  da- 
gegen erhalten:  grunzen  ^murrend  klagen"  Staub-Tobler 

2,  786;  grunzen  Martin-Lienhärt  1,  279;  gronza  ^murren, 
grollen^  Sartorius  Würzbg.  50;  ''vom  murren  des  men- 
schen^ Crecelius  oberhess.  441;  grunzen,  grunschen  'sicA 
beschweren,  murren,  brummen'  rhein.  wb.  2,  1468. 

*  GRUNZEN,  grunzen,  vb.  1)  ableitung  mit  -z-  {oft  >  s) 
■suffiz  zum  subst.  grün  bzw.  subst.  adj.  grün  nach  dem 
.typus  der  verba  odorativa  {vgl.  A.  Feuerstein  die  nhd. 
verba  mit  der  bedeutung  riechen  und  schmecken  nach  etw., 
diss.,  Freiburg  i.  B.  1921,  s.  24/^.)  ^n/ich  grün  riechen  oder 
.schmecken',  oft  mit  dem  Charakter  des  üblen,  widrigen,  vgl. 
grünein  {sp.  938),  grunenzen  {sp.  949);  seit  dem  16.  jh.  be- 
legt und  in  den  maa.  lebendig:  disz  gewächsz  mit  stengel, 
kraut  und  blümen  stincken  und  gruntzen  Bock  kräuterb. 
(1539)  633';  gruenzen  von  wurzelspeisen  'nach  kraut  oder 
erde  riechen  oder  schmecken'  Schmeller-Fr.  1, 1003  aus 
dem  Spessart;  gruenzen  nach  grünenden  pflanzen  riechen 
Martin-Lienhart  1,  277 ä';  grengsen  nach  frischem  grün 
riechen  lux.  ma.  153^,  bezeichnet  den  geschmack  von  grünem 
kaffee,  ebenso  grunzen  rheinisch,  wb.  2,  1456;  doppelte 
erweiterungen  sind  grüenzelen,  grünschelen  nach  unge- 
kochtem kohl  schmecken  Staub-Tobler  2,  784,  grüenslen 
nach  frischem  grün  riechen  Martin-Lienhart  l,  2Ti^, 
gruanseln  von  gekochtem  Fischer  schwäb.  3,  883;  anders, 


als  intensivbildung  zu  grünen  aufzufassen:  es  grunzt  alles 
es  grünt  alles  Crecelius  oberhess.  441. 

2)  zu  grund  'erde'  gehört  grundsen  nach  dem  boden 
schmecken  rheinisch,  wb.  2,  1468;  grunzen  unangenehm 
nach  erde  schmecken  Crecelius  oberhess.  441;  doch  sind 
beide  grunzen  nicht  immer  scharf  zu  scheiden,  s.  Schmel- 
ler-Fr. a.  a.  o. 

GRUNZER,  m.  l)  der,  der  grunzt;  zu  grunzen  1  'etw 
mensch,  der  vne  ein  schwein  grunzt''  J.  D.  Ernst  denk- 
uMrdigk.  (1693)  107;  für  das  schwein  Martin-Lienhart 
elsäss.  1,  279;  Ostwald  rinnsteinspr.  63;  zu  grunzen  2 
appellativ:  grunzer  seifen  fisch  Oken  allgem.  naturgesch.  6, 
254,  vor  allem  in  der  bedeutung  grunzen  4  vom  menschen 
'der  unzufriedene,  zänker,  murrkopf  {vgl.  auch  kronzer 
teil  5  sp.  2471):  tetrici  senes  die  mürrischen  alten  gruntzer 
CoRViNUS /orw  lat.  (1646)  893;  altercator,  iurgiosus  Stieler 
stammb.  701;  Kramer  1  (1700)  575*,  in  der  ma.:  grunzer 
murrkopf  Crecelius  oberhess.  441;  gruntscher,  grüner 
Schöpf  tirol.  218;  gruntscher  {für  Kärnten)  Frommanns 
zs.  4, 158;  es  sey  nichts  mit  den  groszen  Schnarchern  und 
gruntzem,  es  sind  die  wort,  die  sie  treyben  und  sonst 
nichts  AoRicOLA  sprichw.  (1534)  d  4^^;  ein  solcher  gruntzer 
und  zombrater  oder  grinsebeutel,  {der)  allezeit  seinem 
bruder  zuwieder  war  Mathesius  Syrach  (1586)  29^^;  ein 
Stürmern  neidhammel  und  gruntzer  ist  selbst  bösz  Petri 
d.  Teutschen  weish.  (1604)  2,  Y7'';  den  so  alten  grunzer 
JoH.  Riemer  polit.  Stockfisch  (1681)  111.  vereinzelt  im 
nd.  text,  wohl  entlehnt: 

van  munte  {mümrecM)  wegen  wart  de  jacht  {ein  aufstand), 
to  benemen  dem  rade  {ratscollegium)  macht; 
It  was  neyn  munte  men  de  stat  {stadtgewaU), 
dar  der  gruntzer  jacht  do  natradt  {nachstrebte) 

(1488  Braunschiveig)  chron.  d.  dtsch.  Städte  16,  101, 

in  derselben  quelle  auch  gruntzerspeel  spid,  das  diese  un- 
zufriedenen gespielt,  aufgeführt  haben  166. 

2)  grunzender,  rauher  laut:  dar  stiesz  an  kurzen  grunzer 
aus  wie  ä  f rädiges  schweinla  Lowao  ges.  sehr.  5,  35;  er 
gab  einen  grunzer  von  sich,  den  sie  vorzog  nicht  zu  be- 
achten H.  V.  Kahlenberq  familie  Barchwitz  (1902)  66. 

GRÜNZEUG,  n.,  grünes  gemüse,  suppenkräuter  u.  ä., 
vgl.  Heynatz  antibarb.  2,  80,  der  es  als  schles.  verzeichnet; 
Unger-Khull  3lit>;  Anton  Oberlaus.  8,  16;  Mensino 
schlesw. -holst.  2,  496;  Sallmann  neue,  beitr.  32:  hier 
pflanzte  sie  das  nöthigste  gr.  und  etliche  gemüse  D.  Fr. 
Strausz  ges.  w.  l,  lOl ;  er  fängt  an,  das  gr.  aus  dem  korbe 
zu  werfen  Grillparzer  s.  w.^  8,  50  8.;  ein  stück  feld,  wo 
sie  gr.  pflanzen  und  bauen  Holtei  erz.schr.  1,  124;  als 
sie  nach  gr.  durch  den  garten  gingen  Anzenoruber 
ges.  w.  2,  187;  grüne  zweige,  verächtlich:  das  gr.  zu  einem 
kränze  G.  Freytaq  verl.  handschr.  (1864)  3,  62.  —  -zeug- 
handel,  m.,  E.  Th.  A.  Hoffmann  in  H.  v.  Müller 
Hoffm.  im  pers.  u.  briefl.  verkehr  1,  206.  —  -zeughänd- 

ler,  m.,  lit.  echo  v.  1.  juni  1914,  1174. zeugweib,  n.: 

die  grünzeugweiber  H.  Laube  ges.  sehr.  12,  2. 

1  GRUNZIG,  grunzicht,  adj.,  mürrisch:  {die  alten  levie) 
sint  gruntzeht  und  urteleht  Tauler  pred.  369,  30  Vetter; 
grunzicht  grunniens,  carpens,  fremebundus,  reprehens 
Stieler  stammb.  701;  gnintzig  murmurans  Steinbach 
dtsch.  wb.  (1734)  1,  651. 

2  GRUNZIG,  grünzig,  grunzicht,  adj.  l)  zu  ^grunzen, 
grunzen  'nach  grün  schmeckend,  riechend,  unreif:  wasz 
{von  den  speisen)  feiszt  ist,  grüntzecht,  schlymig  B.  Adel- 
PHUS  Mars.  Ficinus  von  d.  ges.  u.  lang,  leben  (1505)  140''; 
graintsich  unreif  Kisch  Nösner  w.  56;  anders:  grengzech 
grünlich  lux.  ma.  154*,  grünzig  grünlich  rheinisch,  wb. 
2,  1456. 

2)  zu  grund  erde,  doch  teilweise  mit  1  verrinnend,  'erdig 
im  geschmack':  grunzig  Weoeler  Coblenz.  20;  grundsig 
Pfister  nachtr.  86;  grunzig  vom  merreltig  Kehrein 
Nassau  1,  176;  Crecelius  oberhess.  441;  grundsig  vom 
wein  rheinisch,  wb.  2,  1467;  den  grundigen  und  grun- 
zigen Albaneser  {wein)  K.  Braun  reiseeindrücke  2,  48; 
vgl.  grunzelige  kartofEele  Askenasy  Frankf.  120. 


969 


GRUNZLER  -  GRUPPE 


GRUPPE  2.  3 


970 


GRUNZLER,  m.,  grünzier,  ableitung  von  grunzein; 
jemand,  der  murrt,  vgl.  auch  grunzen  4:  ein  alter  ver- 
drieszlicher  und  widerwärtiger  grünzeler  Ettner  tj.  Eite- 
RITZ   doctor  (1697)   167;   areopagita,   capitosus  gruntzler 

{VOC.    V.  1517)   DlEFENBACH  glosS.  48^. 

^GRÜNZLING,  m.,  name  der  goldammer  {emberiza 
citrinellä),  s.  auch  grünschling;  grüntzling  Zincke  öcon. 
lex.  (1744)  997;  grünzling  Trichter  riUerlex.  (1742)  966; 
Naumann  naturgeach.  d.  vögel  4,  234,  vgl.  Suolahti 
vogdn.  106. 

"GRÜNZLING,  m.,  '8chwein\  sckerzJiaße  bildung  zu 
^grunzen  1;  im  bilde:  unter  den  vornehmen  und  geist- 
reichen Säuen  von  Perigord,  welche  die  trüffeln  erfun- 
den und  sich  damit  mästen,  verleugnete  ich  nicht  die 
bescheidenen  grünzlinge,  die  daheim  im  Teutoburger 
wald  nur  mit  der  frucht  der  vaterländischen  eiche  sich 
atzen  H.  Heine  s.  w.  6,  390  Elster. 

GRUNZOCHSE,  m.,  bos  {poephagus)  grunniens,  bison 
poephagua  Brehm  tierl.  3,  253  P.-L.,  s.  atich  bei  grunzen  2: 
zu  den  wisentrindern  {gehört  auch)  der  grunzochs  J.  N. 
V.  ScHWERZ  prakt.  ackerbau  (1882)  600;  er  hatte  den 
Winter  im  gebirge  zugebracht,  um  yake,  tibetanische 
grunzochsen,  zu  schieszen  Sven  Hbdin  abenteuer  in 
Tibet^'^  158. 

GRUNZTON,  m.,  ton,  der  dem  grunzen  des  schweins 
ähnelt:  in  allen  tonarten,  dm-,  moU,  in  grunz-  und  fistel- 
tönen Gutzkow  ges.  w.  (1872)  l,  123; 

also  sprach  mit  bebend  weichem 

grunzton  Atta  Troll  Heine  w.  2,  414  Elster. 

GRUPP,  m.,  kleiner  fisch,  cottv^  gobio,  a.  gropp. 

GRUPPE,  /.,  vereinzelt  m.,  um  die  wende  des  17.  und 
18.  jh.  aus  dem  frz.  groupe,  m.,  in  der  bedeutung  l  ent- 
lehnt, an  die  fremde  herkunft  erinnert  bis  in  die  2.  hälfte 
des  18.  jh.  die  häufige  Schreibung  groupe  Marperqer 
kaufmannnmgazin  (1708)  561;  Val.  Trichter  ritterlex. 
(1742)  964;  J.  A.  Ebert  Youngs  nachtgedanken  (1760)  1, 188 
anm.;  grouppe  Gottschedin  br.  (I77l)  l,  244  Runkel; 
Wieland  I  2,  4,  449  akad.  ausg.;  portraits  (Lpz.  1779)  199. 
irn  gegensatz  zum  frz.  ist  das  geschlecht  in  angleichung  an 
die  feminine  gemischte  deklination  auf  -e  weiblich;  ein  ver- 
einzeltes masc:  in  einem  grupp  Bodmer  mahler  d.  aitten 
(1746)  1,  263.  das  neutr.  grupo  bei  Winckelmann  {s.  u.  1) 
ist  in  genus  uiuL  form  beeinfluszt  von  ital.  gruppo  in  der- 
selben bedeutung. 

1)  das  wort  stammt  aus  der  bildenden  kunst:  'groupe 
wird  in  der  maMerey  eine  Versammlung  viderhand  leiber 
nahe  an  einander  genennet,  als  eivxin  von  tieren  oder 
fruchten;  also  ist  der  Laokoon  eine  zusammengesetzte  groupe 
oder  groppo  von  drey  schönen  figuren'  Marperoer  kauf- 
nuinntnagazin  (1708)  561;  so,  oft  auaschlieszlich,  für  die 
bildenden  künste  bis  ins  19.  jh.  häufig  gebucht:  Val.  Trich- 
ter n«erZex.  (1742)  964;  Adelung  2(1775)835;  Sulzer 
theorie  d.  schön,  künste  (1792)  2,153;  Jacobsson  technol. 
wb.  2,  169b;  VoiGTEL  wb.  (1793)  2,  145;  Beil  technol.  wb. 
(1853)  1,  260^;  tod  des  Ägist  und  der  Clytämnestra;  die 
gruppe  der  todten  gut  angelegt  Göthe  47,  342  W.;  der 
nächtliche  brand,  die  löschenden,  der  Wasserstrahl  aus 
den  spritzen  {und)  die  gruppe  zu  pferde,  —  dies  sind 
lauter  bestandtheile  des  gemäldes,  die  keiner  erläuterung 
bedürfen  G.  Forster  s.  sehr.  6,  174;  die  anordnung  {des 
gemäldes)  ist  falsch  berechnet,  weder  gruppe  noch  figuren 
gewähren  einen  harmorüschen  totaleindruck  Matthison 
erinn.  (1810)  2,  254;  seine  bücher  und  geräthschaften 
legte  (er)  so,  dasz  ein  niederländischer  mahler  gute  grup- 
pen  zu  seinen  stillleben  hätte  herausnehmen  können 
GöTHB  21,  87  W.;  erweitert:  dasz  im  flieszenden  gemälde, 
im  epischen  gedieht,  die  gruppen  wechsehi  Fr.  Schlegel 
proa.  jugendschr.  1,  222  Minor;  ein  flüchtiges  gemälde  von 
einem  abend  in  London,  {das)  ich  mündlich  nicht  blosz 
ausmalen,  sondern  auch  noch  mit  einigen  gruppen  ver- 
mehren will,  die  man  nicht  gern  mit  so  dauerhafter  färbe 
als  dinte  malt  Lichtenberg  verm.  sehr.  7,  62.  geradezu 
für  die  besondere  gattung  des  nur  ein  motiv  darstdlenden 


bildes:  ich  wünschte,  dasz  wir  beide  so  glücklich  gewesen, 
von  ihnen  bemerkt  zu  werden;  welche  anmuthige  grouppe 
hätte  der  vortreffliche  griffel  einer  Wemerin  nicht  ent- 
werfen können  Gottschedin  br.  l,  244  Runkd;  alles 
drängte  sich  nun  in  seiner  einbUdungskraft  zusammen 
und  machte  zusammen  eine  dunkle  gruppe,  ein  schönes 
nachtstück  aus  K.  Ph.  Moritz  Anton  Reiser  330  lit. 
denkm.  besonders  in  der  plastik  ist  die  verdinglichung 
stark:  dieses  grupo  stellet  vielmehr  die  Phädra  und  den 
Hippolytus  vor  Winckelmann  s.  w.  (1825)  3,  14;  die  un- 
nachahmüche  gruppe  des  Laokoon  Schiller  3,  578  Oöd.; 
ein  weiter  kreis  beschäftigter  künstler,  aus  dessen  mitte 
sich  eine  colossale  gruppe  günstig  aufgestellt  erhob 
Göthe  25,  15  W.;  {Salicdti)  verfertigte  eine  artige  gruppe 
...  in  marmor  A.  v.  Arnlai  w.  8,  162  Orimm;  {er  lieferte) 
an  reliefs,  Statuetten  und  gruppen,  was  irgend  zum 
Zimmer-  und  gartenschmuck  diente  Mörlkb  w.  (1905) 
3,  20  Göschen. 

2)  in  der  aphäre  dea  tätlichen  lebena  von  mannigfachen, 
meiat  ausgedehnteren,  das  gesichtsfdd  kräftig  gliedernden 
gegenständen,  die  durch  ihre  räumliche  anordnung  inner- 
halb der  gesamtsicht  ihrer  Umgebung  als  zusammengehörig 
erscheinen;  öfters  noch  mit  einem  nachhall  der  bedeutung  1  : 
der  wald  stiesz  an  eine  reihe  von  felsen,  die  sich  in  man- 
cherley   gruppen   gegen   die   wölken   thürmten    Fr.  M. 
Klinger  w.  (1809)  10, 126;  die  wunderlichen  gruppen  der 
granitblöcke  H.  Heine  s.  w.  3,  51  Elster;  in  ungeheurer 
länge  stehen  die  gruppen  schlanker  Säulen  da  G.  Förster 
8.  sehr.  (1843)  3,27;  diese  kleine  gruppe  von  gebäuden 
Göthe  III  2,  164  W.;  die  zähnestarrenclen  gruppen  eines 
Watzmann-,   Hocheisspitzgebirges   H.  v.  Barth   nördl. 
Kalkalpen  68 ;  zuerst  fand  er  eine  gruppe  von  vier  inseln 
G.  Forster  s.  sehr.  (1843)  l,  16;  ein  physikalisches  atom 
würde  in  diesem  sinne  eine  gruppe  von  viel  kleineren  theil- 
chen  sein  J.  Liebig  ehem.  briefe  (1844)  58;  die  Vereinigung 
der  haare  zu  einzelnen  gruppen  O.  Pesohel  Völkerkunde 
(1874)  99;  vgl.  bildungen  vne  Inselgruppe,  berggruppe,  fel- 
sengruppe,  dächergruppe :  schöne  parkbäume  umgaben 
eine  dächergruppe  G.  Keller  gea.  w.  (1889)  3,  137.    gern 
von   der  formation   des   pflanzenvmchses:  {hohe)   bäume 
stehen  in  groszen  und  meist  verbundnen  gruppen  hinter- 
einander Göthe  IV  8,  258;  wir  wandelten  zwischen  einigen 
gruppen  von  bäumen  und  gebüschen  durch  Jung-Stil- 
LiNG  s.  sehr.  (1835)  2,  299;  eine  gruppe  von  buchen  und 
riesenhaften  ahornen  A.  Stifter  a.  w.  (1901)  l,  257;  üppige 
gruppen  hochstämmiger  und  niedriger  rosen  Storm  a.  w. 
(1899)  1, 251;  {ein  park)  mit  heiteren  gruppen  saftiger  laub- 
hölzer  Holtei  erz.  achr.  2,  68;   vgl.  zuaammenaetzungen 
wie  buchengruppe,  cypressengruppe,  ulmengruppe.    in 
specidlerer  bedeutung  in  der  mineralogie  und  chemie  von 
einer  form  der  cristallisation:  die  krystalle  {aind)  in  grup- 
pen zusammengehäuft   J.   R.  Zappe  mineral.  handlex. 
(1817)  1,  380;  {die  aenfaäure)  krystallisirt  in  glänzenden 
gruppen  C.  Sprengel  chemie  für  landwirte  (1831)  2,  118; 
auch  von  der  Zusammensetzung  chemischer  Verbindungen, 
z.  b.  die  gruppe  SO^;  wenn  eine  aromatische  gruppe  in 
der  ammoniumbase  vorhanden  ist  Muspratt  cÄemfc  (1888) 
1, 177,  vgl.:  jede  base  enthält  ein  metall  und  die  hydroxyl- 
gruppe  OH  Remsen-Seubert  stvdium  d.  chemie  (1920) 
88;  die  einwertige  nitrogruppe  NOj  ebda  109;  {der  er  salz 
des  wasserstoffatoms)  durch  andere  atome  oder  atom- 
gruppen  d)da  321.   in  anderer  bedeutung  vgl.  bei  6.   in  der 
elektrotechnik  von  mehreren  durch  Schaltung  verbundenen 
Stromkreisen:  gruppe,  engl,  sd  Blaschke  wb.  d.  elektro- 
technik 56*>,  vgl.  gruppenschaltung;  vereinzdt  von  den  der 
buchstabenzahl  eines  wortes  entsprechenden  chiffern:  wäh- 
rend der  tmterhaltung  wurde  mir  gemeldet,  dasz  ein 
Ziffertelegramm  von  ungefähr  200  gruppen  ...  in  der 
Übersetzung  begriffen  sei  Bismarok  gedanken  u.  erinn. 
2,  108  volksatisg. 

3)  besonders  lebendig  und  früh  bdegt  ist  die  anwendung 
auf  den  menschen. 

a)  vom  18.  bis  ins  19.  jh.  in  erster  linie  von  in  ruhe  ge- 
dachten oder  aus  der  bewegung  zur  ruhe  kommenden  per- 


971 


GRUPPE  3 


GRUPPE  4.  5 


972 


sonen;  meist  visuell  im  Zusammenhang  mit  der  bedeulung  1 
empfunden:  ich  setzte  mich  ins  gras  und  die  fünf  kleinen 
um  mich  her.  der  gute  prediger  sähe  diese  gruppe  Hippel 
lebensläufe  (1778)  3,  2,  402;  man  sieht  mädchen  in  wol- 
lüstigen gruppen  auf  dem  canapee  maler  Müller  w. 
(1811)  2,  89;  der  genius  schwebte  jetzt  fort  über  der 
gruppe,  die  der  hofmarschall  mit  den  kammer Junkern 
nebst  andern  hofschargen  bildete  E.  Th.  A.  Hoffmann 
s.  w.  10,  23  Orisebach;  über  dem  balgen  (Philinens  mit 
Serlo,  der  sie  küssen  vnll)  fielen  ihre  langen  haare  herunter 
und  wickelten  sich  um  die  gruppe  Göthe  22,  168  W.;  die 
ganze  Versammlung  hieng  {dem  redner)  in  starren,  schröck- 
lichen  gruppen  entgegen  Schiller  3,  67  Oöd.;  leicht  mit 
dem  nebensinn  des  schönen,  malerischen: 

und  wie  sie  bliclct,  entwirret 
sich  rings  der  knäul  in  wohlgefällige  gruppen 

BÜCKERT  poet.  w.  (1868)  1,  285; 

den  kämpfenden  ist  es  gewisz  nicht  darum  zu  thun,  ein 
malerisches  Schauspiel  darzustellen,  nur  der  zufall  führt 
sie  in  manchen  augenblicken  des  kampfes  zu  malerischen 
gruppen  zusammen  Fr.  Th.  Vischer  ästhetik  (1846)  2,  20; 
sie  verschlangen  die  arme  zu  lieblichen  gruppen  in  ein- 
ander 0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  407;  im  spiel  mit  1:  keine 
maler  hat  solche  gruppen  (wie  diese  bewirtung  der  gaste) 
dargestellt  Hippel  kreuz-  und  querzüge  (1793)  1,  362, 

in  speciellerem  sinne  ist  gruppe  das  'lebende  bild\  die 
plastische  dar  Stellung  eines  Vorganges  durch  menschen:  so 
fiel  mir  neulich  auf,  dasz  man  auf  unserm  theater,  wenn 
man  an  gruppen  denkt,  immer  nur  sentimentale  oder 
pathetische  hervorbringt,  da  doch  hundert  andere  denk- 
bar sind  Göthe  IV  12,  85  W.;  mehrere  gesellschaften 
schlössen  sich  daher  theils  an  einander,  theils  bildeten 
sie  einzeln  sinnreiche  gruppen  [für  die  maskenzüge)  ebda 
16,  187  W.; 

dies  (das  glückt,  familienleben)  müszte  hübsche  grup- 
fürwahr!  ein  froher,  seliger  leben  [pen  geben  1 

bewirthen  selbst  palläste  nicht 

E.  Baumbistbr  zimmermannsspr.'  15. 

die  verliebte,  zärtliche  gruppe  'das  liebespaar\-  wohin 
man  sah,  stand  die  verliebte  gruppe  zusammen  Wieland 
s.  w.  (1853)  12,  31;  die  zärtliche  gruppe  unter  dem  mango- 
baum  war  von  dort  oben  vollkommen  sichtbar  Gutzkow 
ges.  w.  (1872)  6,  247;  den  anblick  der  zärtlichen  gruppe 
Göthe  21,  70  W.;  im  deminutiv: 

(dirnchen)  kugelten  dann  sich  die  hügel 

schalkhaft  hinunter  in  sitzender  hlrten  und  hirtinnen  grüpp- 

chen, 
die  mit  lautem  ge juchz  auseinanderflogen  und  rings  sich 
durch  die  Auren  zerstreuend  gesellten  zu  anderen  grüppchen 
V.  SONNBNBERG  Dotwioa  1  (1806)  230; 
ähnlich: 

die  jugendliche  gruppe  kniet 

ihm  (dem  vater)  schnell  zu  f  üszen  (um  seinen  segen  zu  erbitten) 
ThÜmmel  «.  ro.  (1854)  8,  173. 

eigenartig  gebraucht,  um  eine  umarmung  auszudrücken: 
Murray  betrachtete  den  Sprecher,  die  gestalt,  die  züge 
des  antlitzes;  .  .  .  'ha,'  sagte  er,  'du  bists!  bist  —  mein 
söhn?'  —  die  totengräber  überraschten  eine  gruppe 
Gutzkow  ritter  v.  geiste  (1850)  8,  392; 

Zriny  (er  breitet  seine  arme  aus): 
'kommt  an  mein  herzl  gottl  gott!  wie  reich  ich  bin!' 
(gruppe) 

Th.  Körner  w.  3,  54  Hempel. 

b)  seit  dem  ende  des  18.  jh.  tritt  die  Vorstellung  des  ruhen- 
den, bildartigen  gegenüber  der  der  häufung,  der  Vielzahl 
zurück:  neben  dem  zelte  stand  oder  sasz  eine  gruppe 
damen  und  herren  Laube  ges.  sehr.  (1875)  2,  34;  {in  den 
kasernen)  ein  summendes  gewimmel  von  vielen  hundert 
jungen  leuten,  (welche)  jedoch  bald  von  einer  gruppe 
grimmiger  kriegsleute  zur  stille  gebracht  (waren)  G.  Kel- 
ler ges.  w.  (1889)  2,  90;  in  veränderlichen  gruppen  — 
bald  die  zwei  mädchen  allein,  bald  mit  einem  dritten  — 
betraten  wir  die  in  gras  umkleideten  blumen  Jean  Paul 
w.  1,  342  Hempel;  meine  fantasie  (war)  eine  gruppe  von 


tanzenden,  schwelgenden,  wiehernden  faunen  Schubart 
leben  u.  ges.  1,  185; 

ich  würde,  kämen  ganze  gruppen 
von  mädchen,  traun! 
nicht  aus  der  laube  gehn 

HÖLir  ged.  137  Halm; 

in  gruppen  und  grüppchen  leistet  man  widerstand  HiN- 
denburo  aus  m.  leben  (1920)  391;  prägnanter  ohne  attri- 
butive bestimmung  als  'häufe,  kleine  schar  von  menschen" : 
als  er  seine  frau  auf  eine  gruppe  aufmerksam  machte,  die 
den  hohen  weg  . . .  fortschritt  A.  v.  Arnim  werke  7,  296 
Grimm;  (sonntags)  sind  keine  gruppen  auf  den  straszen, 
kein  fuhrwerk  darf  des  weges  fahren  J.  V.  v.  Scheffel 
ges.  w.  (1907)  3,  97;  dann  füllen  sich  die  prächtigen  baum- 
gänge  der  villa  Borghese  mit  mannigfachen  gruppen  und 
trachten  L.  v.  Ranke  s.  w.  (1867)  40/41,  151;  gern  von 
mehreren  sich  imterhaltenden  menschen:  es  entstanden 
während  des  kaffeetrinkens  verschiedene  gruppen  im 
saale  Heinse  w.  5, 100  Schüddek.;  beim  palais  national 
und  in  der  rue  st.  Honore  waren  viele  gruppen.  ich  trat 
an  mehrere  heran,  sie  erörterten  die  Vorgänge  A.  Rüge 
briefw.  u.  tageb.  2,  105  Nerrlich;  (wenn  der  herzog)  zwischen 
das  plaudern  der  übrigen  gruppen  hinein  sich  besonders 
mit  ihr  unterhielt  Mörike  w.  (1905)  3,  72  Göschen;  mit 
specificierung  des  sinnes:  die  wunderliche  gruppe  (Wil- 
helm, Philine,  Mignon)  fand  sich  in  dieser  einsamkeit 
allein  Göthe  22,  40  W.;  im  dortigen  gasthause  eine  sehr 
muntere  gruppe  kaiserlicher  Jägeroffiziere  Holtei  vierzig 
jähre  1,  321;  in  anderem  bereiche:  einen  äuszerst  wohl- 
tuenden eindruck  gab  ihr  eines  abends  der  erstmalige 
anblick  eines  theaters,  wozu  eine  wandernde  gruppe  das 
publicum  einlud  Mörike  w.  (1905)  3,  60;  vgl.  Zusammen- 
setzungen wie  theatergruppe,  singgruppe,  spielgruppe, 
Wandergruppe,  Volkstanzgruppe,  die  für  zweckvereini- 
gungen  so  und  ähnlich  nicht  selten  auch  appellativ  ver- 
wandt werden. 

4)  gruppe  als  bezeichnung  bestimmter  Unterabteilungen 
in  der  Organisation  eines  Verbandes;  besonders  militärisch: 
gruppe  Unterabteilung  der  companie,  bestehend  aus  8  mann 
und  dem  gruppenführer  v.  Alten  handb.  4,  480  (frz. 
dafür  nicht  groupe,  sondern  escouade);  die  compagnie 
wird  vom  rechten  flügel  aus  in  gruppen  zu  4  rotten 
eingeteilt  exerzierreglement  f.  d.  infant.  (1906)  §  83;  die 
bezeichnung  'gruppe'  schlieszt  in  sich,  dasz  die  schützen 
möglichst  beisammen  sind  Wilhelm  i  militär.  sehr.  2, 
238;  die  gruppe  (wurde)  ausgesprochen  die  einheit  im 
gefechtsaufbau  der  Infanterie  Ludendorff  kriegserinn. 
(1919)306;  'die  gruppe Bosemüller'W.BEUMELBURG(1930); 
mit  gruppen  rechts  schwenkt,  marsch !  (commando) ;  danach 
bei  marschierenden  turnbünden,  militärähnlichen  organi' 
saiionen  z.  b.  eine  gruppe  SA;  'als  schiffsverband  in  der 
früheren  segelschiffstaktik  ein  verband  von  schiffen,  die  in 
loser  Ordnung  um  ein  führerschiff  geschart  fochten"  v.  Alten 
handb.  4,  480*^;  'in  der  österreichischen  marine  die  grund- 
einheit  für  die  schiff srolle\  daneben  'die  hauptunterab- 
teilung  des  mannschaftsquartiers,  z.  b.  heizergruppen,  un- 
teroffiziersgruppen'  ebda,  gröszere  einheilen  faszt  gruppe 
zusammen  in  heeresgruppe  Kronprinz;  heeresgruppe  Ost, 
die  unter  gemeinsamem  Oberbefehl  vereinigten  einzelnen 
armeecorps.  —  ähnlich  in  der  Organisation  von  parleien, 
jugendverbänden,  vgl.  Ortsgruppe,  landesgruppe. 

5)  als  ausdru^k  einer  inneren  beziehung  von  dingen  und 
menschen,  die  wegen  charakteristischer  merkmale  als  zu- 
sammengehörig erscheinen;  zuerst  mit  sächlichem  aussage- 
gegenstand  im  sinne  von  'gattung^,  'sorte^,  'kategorie' :  ihr 
ist  darum  zu  thun,  dasz  sie  die  arbeiten,  verschiedener 
art  und  natur  gemäsz,  in  gruppen  und  massen  bei- 
sammen finde  Göthe  42,  l,  79  W.;  nur  da,  wo  man  die 
erscheinungen  (des  kosmos)  gruppenweise  ordnet,  erkennt 
man  in  einzelnen  gleichartigen  gruppen  das  walten 
groszer  und  einfacher  naturgesetze  A.  v.  Humboldt 
kosmos  (1845)  1,  65;  seit  der  mitte  des  19.  jh.  an  ausbreitung 
mehr  und  mehr  gewinnend,  von  dingen  verschiedenster  art: 
wie  auf  der  andern  seite  die  gegenständlichen  Ursachen 
dieser  eindrücke  immer  mehr  in  gruppen  sich  sondern 


973 


GRUPPE  6.  7  (Zusammensetzungen) 


GRUPPE  7  {Zusammensetzungen) 


974 


D.  Fr.  Stbattsz  sehr.  6,  99;  als  dasz  irgend  eine  gruppe 
von  erscheinungen  {durch  die  atomtheorie)  eine  erhebliche 
erläuterung  gefunden  hätte  H.  Lotze  mikrokosm.  (1856) 
1,  34;  die  erkenntnis  dieser  mängel  rief  die  gruppe  der 
letzten  bearbeitungen  hervor  E.  Schmidt  in  O.  Ludwig 
ges.  sehr.  (1891)  4,  10;  der  humoristische  roman  jener  zeit 
war  bei  uns  weit  entfernt  eine  so  reinliche  gruppe  zu 
bilden  wie  in  England  Gebvinxjs  gesch.  d.  dtsch.  dichtung 
(1853)  5,  153;  eine  etymologisch  zweifelhafte  und  um- 
strittene gruppe  von  namen  Hoops  waldbäume  (1905)  150; 
eine  ähnliche  gruppe  bilden  die  composita  auf  -porcis 
MoMMSEN  röm.  gesch.  (1894)  5, 189;  eine  besondere  gruppe 
von  jetons  bilden  (die)  krönungsjetons  Luschin  v.  Eben- 
GBEUTH  münzk.  (1904)  26;  vgl.  Zusammensetzungen  wie 
ableitungsgruppen,  bildungsgruppen,  bedeutungsgrup- 
pen.  seit  der  2.  hälfte  des  19.  jh.  auch  von  manschen:  ich 
wuszte,  dasz  Wächter  zu  jener  gruppe  künstler  gehörte, 
{welche)  die  deutsche  kunst  in  lebensvollere  bahnen  ge- 
führt hatten  L.Richter  lebenserinn.  (1909)  302;  die 
engste  gruppe  der  allein  bewährten  freunde  Jusxi 
Winckelmann  1,  205;  (sie  verstand  sich)  auf  feine  leute, 
und  der  assessor  gehörte  dieser  gruppe  zu  Fontane  ges.  w. 
I  6,  130;  der  grosze  gutsbesitzer  tritt  geradezu  heraus  aus 
der  socialen  gruppe  der  bauem  W.  H.  Riehl  die  deutsche 
arbeit  85;  mit  bezug  auf  das  gemeinsame  der  interessen: 
alle  die  nuancen  von  möglichkeit,  Wahrscheinlichkeit 
oder  absieht,  für  den  fall  eines  krieges  dieses  oder  jenes 
bündnis  zu  schlieszen,  zu  dieser  oder  jener  gruppe  ge- 
hören zu  können  Bismarck  ged.  u.  erinn.  \,  181  volks- 
ausg.;  es  bildeten  sich  gruppen  aus  verwandten  und 
freunden,  welche  den  wirth  und  die  spielleute  aus  ge- 
meinsamer kasse  bezahlten  Böhme  gesch.  d.  tanzes  189; 
in  der  composition:  die  demokratischen,  pazifistischen, 
sozialistischen  und  kommunistischen  Studentengruppen 
der  tag  20.  xi.  1931;  appellutiv:  dort  war  es,  wo  sich  die 
'volkswirtschaftliche  gruppe'  zusammenfand  v.  Ben- 
ninqsen  die  nationalliberale  pariei  6;  heute  eine  politische 
Vereinigung  mit  festem  programm,  aber  ohne  parteimäszige 
Organisation:  an  verbände,  gruppen  und  parteien  möchte 
ich  aber  in  dieser  stunde  die  mahnung  richten,  daran 
zu  denken,  dasz  sie  nicht  Selbstzweck  sind  v.  Schlei- 
cher rede,  in  der  tägl.  rundschau  16.  xn.  1932. 

6)  in  diesem  sinne  insbesondere  in  der  nomenclatur 
mancher  Wissenschaften  als  terminus  der  Unterteilung; 
'gruppe,  tribus  {auch  zunft  oder  sippschaft)  zeigt  mehrere 
Pflanzenfamilien  an,  die  wieder  mit  einander  in  wesent- 
lichen merkriMlen  übereinkommen''  v.  Behlen  forst-  und 
jagdkunde  3,  513:  {die  vögel)  bilden  mit  {den  Säugetieren) 
die  gruppe  der  so  genannten  Warmblüter  J.  A.  Naumann 
naturgesch.  d.  vögel  (1822)  l,  23;  die  andere  gruppe  von 
familien  der  asträaceen  sind  die  sternkorallen  mit  festem, 
nicht  porösem  skelett  Bbehm  tierl.  10,  594  P.-L.;  bei 
der  vertheilung  des  menschengeschlechtes  in  gröszere 
gruppen  oder  racen  0.  Peschel  völkerk.  (1874)  337;  grup- 
pen 'tTi  der  analyt.  chemie  diejenigen  Zusammenstellungen 
von  stoßen,  die  auf  grund  der  gemeinsamen  fällbarkeit 
durch  bestimmte  reagenzien  (gruppenreagenzien)  erhalten 
werden'  Remy  ehem.  wb.  131*;  eine  gleiche  ähnlichkeit 
in  der  Zusammensetzung  {une)  bei  den  phosphor-  und 
arseniksauren  salzen  {die  zu  der  stickstoffgruppe  gehören) 
findet  man  in  den  anderen  gruppen  nicht  wieder  J.  LiE- 
Bio  handb.  d.  chemie  (1843)  76;  die  gruppe  des  chlors: 
chlor,  brom,  jod,  fluor  Remsen-Seubebt  Studium  d.  che- 
mie (1920)  169;  jede  dieser  familien  (des  'periodischen, 
natürlichen  [nach  atomgewichten  geordneten]  Systems'  der 
demente)  zerfällt  wieder  in  zwei  Unterabteilungen  oder 
gruppen  ebda  324. 

7)  Zusammensetzungen  sind  seit  dem  18.  jh.  belegt,  zu- 
nächst in  gelegenheitsbildungen  zu  1 :  zwei  gruppenkinder, 
die  Jahreszeit  vorstellend  {zusammen  mit  anderen  gemäl- 
den)  an  der  fa^ade  des  Carlischen  hauses  allgem.  dtsch. 
bibl.  6,  296;  ihre  drey  {auf  dem  bilde  dargestellten)  freun- 
dinnen,  die  ihrem  triumph  zuschauen  sollen,  werm  sie 
nicht  leere  •  gruppenmaschinen  sind,  haben  auch  ganz 
matte  züge  Heinse  s.  w.  7,  284  Schüddekopf,  vgl.  auch 


gruppenweise,  seit  der  mitte  des  19.  jh.  avszerordentlich 
zahlreich  im  ganzen  umfange  des  simplex.  die  bed.  1  zeigen 
bildungen  wie  gruppenaufnahme,  -bild,  -composition, 
-werk,  -Wirkung;  eine  mehrheit  gleichartiger  dinge  unrd 
ausgedrückt  in  gruppenbefestigung,  -bremse,  -dorf,  -ehe, 
-feuer,  -gebirge,  -ofen,  -Siedlung,  -tanz;  die  bedeutung  6 
erscheint  in  gruppenbezeichnung,  -name,  -paar,  -reagens, 
-stufe,  geschlossen  hebt  sich  der  militärische  bereich  her- 
aus:  gruppenangriff,  -colonne,  -formation,  -führet, 
-schieszen.  jun^  ist  gruppe-  in  sociologischen  begriffen, 
die  sich  auf  das  collectiv  im  gegensatz  zum  individuum 
beziehen,  s.  gruppenaction,  -existenz,  -handlung,  -Inter- 
esse, -wille,  -zweck;  sie  sind  vorbereitet  durch  die  bed. 
Interessengruppe',  s.  oben  sp.  973.  —  gruppenakkord 
eine  art  der  lohnzahlung,  bei  der  nicht  einzelne,  sondern 
gruppen  von  arbeitenden  einen  akkord  bilden,  s.  handwb. 
d.  staatswissensch.  (1898)  4,  925;  -action  corporativea 
handeln:  die  Unterstützung,  zu  der  die  gesamtheit  im 
eigenen  Interesse  verpflichtet  ist,  die  der  arme  aber  in 
den  weitaus  meisten  fällen  nicht  zu  fordern  berechtigt 
ist,  macht  ihn  zu  einem  object  der  gruppenaktion 
G.  SiMMKL  Soziologie  486;  -angriff  das  abwechselnde  vor- 
gehen von  Schützengruppen  v.  Alten  handb.  (1909)  4,  480; 
-aufnähme:  die  einzige  photographische  platte  {umrde) 
zu  einer  gruppenaufnahme  verwendet  v.  D.  Steinen 
naturvölker  Zentralbrasiliens  124;  -befestigung  be- 
festigte, in  gruppen  zusammenliegende  Vorwerke  einer 
festung  v.  Alten  handb.  (1909)  4,480;  -bezeichnung 
gemeinsamer  name  gleichartiger  dinge:  unter  der  gruppen- 
bezeichnung ultramarinverbindungen  Muspbatt  chemie 
(1905)  8,  1504;  -bild  bild,  das  eine  reihe  von  menschen  dar- 
stellt RosEOGER  sehr.  114,247;  -bildung  aufteilung  in 
gruppen;  als  terminus  der  composition  in  der  bildenden 
kunst:  die  verschlingung  der  körper  hat  auch  Lionardo 
von  der  gruppenbildung  gefordert  Schmaesow  beitr.  zu  e. 
ästhetik  {IB^Q)  3,  133;  zu  gruppe  5  die  herausbildung  von  in- 
teressen-, abhängigkeitsgemeinschaften:  der  gedanke  dieser 
gruppenbildung  {die  kleinen  fürsten  gröszeren  unterzuord- 
nen) würde  eine  gefahr  heraufbeschwören  v.  Treitschke 
hist.  u.  polit.  aufs.^  2,  151;  {man  kann)  uimiöglich  allein 
auf  die  politische  gruppenbildung  rechnen  handwb.  d. 
staatswissensch.  (1898)  6,  803;  zu  gruppe  2:  {die)  Unter- 
suchungsmethode durch  numerische  gruppenbildung  {in 
der  Statistik)  ebda  6,  1007;  -bremse  eine  bremsanlage,  die 
zugleich  auf  eine  gröszere  anzahl  von  wagen  wirkt  Lueger 
lex.  d.  ges.  technik  (1894)  5,  5;  -colonne  eine  marschord- 
nung:  {Übergang)  aus  der  halbzugkoloime  in  die  gruppen- 
kolonne  v.  Alten  handb.  1,  5* ;  gruppenkolonne !  com- 
mando  im  gegensatz  zu  marschkolonne !  exerzierreglement 
f.  d.  inf.  (1906)  §  91;  -composition,  zu  gruppe  als 
plastisches  kunstwerk  {s.  sp.  970):  dieses  werk  {Eirene  mit 
Plutos)  nimmt  in  der  geschichte  der  gruppencomposition 
eine  sehr  bestimmte  Stellung  ein  H.  Brunn  kl.  sehr.  2, 
381;  -dorf  ^unregelmäszig  angeordnete,  nicht  allzu  zahl- 
reiche gehöfte"  0.  Kende  geogr.  wb.  80;  -ehe  eine  {aUrStra- 
lische)  art  der  ehe,  bei  der  mehrere  frauen  und  männer  die 
eheliche  gemeinschaft  bilden  Giese  philosoph.  wb.  69*; 
-existenz,  im  gegensatz  zur  individualexistenz :  {diese 
form)  genügt  für  sich  allein  nicht,  diesen  bestand  oder  gar 
den  fortschritt  der  gesellschaft  zu  gewährleisten,  {aber 
sie  ist)  die  grundlage  jeder  gruppenexistenz  G.  Simmel 
Soziologie  567;  -feuer  mehrere  zu  einer  gruppe  vereinigte 
blinkfeuer  Lueger  lex.  d.  ges.  technik  (1894)  5,  5;  milit. 
vom  Schützenfeuer  der  einzelnen  Schützengruppen;  -for- 
mation, zu  gruppe  4,  auf  Stellung  in  gruppen:  {die  caval- 
lerieverbände)  attackieren  in  einer  gruppenformation 
V.  Alten  handb.  l,  607 ;  die  gruppenformation  wurde 
während  des  ersten  englisch-holländischen  krieges  durch 
die  kielliniengefechtsformation  ersetzt  ebda  4,  480;  -för- 
mig, adj.  u.  adv.,  in  gruppen  angeordnet;  zu  gruppe  2: 
{das  cubebin  ist)  aus  nadeln  gruppenförmig  vereinigt 
J.  Liebig  handb.  d.  chemie  (1843)  1117;  derlei  geschlossene 
follikel  liegen  gruppenförmig  um  einen  aderzweig  von 
beträchtlicher  stärke  Sömmerrinq  bau  d.  men^chl.  körpers 
(1839)  6,  999;  -führer;  zu  gruppe  4:  neuemannte  cor- 


975 


GRUPPE  7  {Zusammensetzungen) 


2GRUPPE  —  GRUPPIEREN  i 


976 


porale  werden  in  eine  rekrutenschnle  einberufen,  {wo  sie) 
als  gruppenführer  wirken  v.  Alten  handb.  2,  294;  die 
Stellung  der  Unteroffiziere  als  gruppenführer  gewann 
erheblich  an  bedeutung  Ludendobff  kriegserinn.  (1919) 
306;  filhrer  einer  militär.  gruppe  in  anderm  sinne  (s. 
sp.  972) :  'gruppenführer  heiszt  in  der  österreichisch-UTigari- 
sehen  marine  der  ranghöchste  kommandant  der  vereinigten 
torpedofahrzeuge^  v.  Alten  handb.  4,481;  im  Weltkrieg 
führ  er  einer  heeresgruppe ;  -gebirge  ^  enger  mit  ihrem 
gebirgsfiisz  verwachsene,  an  sich  aber  selbständige  einzel- 
erhebungen^  O.  Kende  geogr.  wb.  SC*:  gruppengebirge 
aber  schlieszen  sich  den  amerikanischen  kettengebirgen 
{kaum)  an  Ritter  erdk.  2,  34;  -handlung  die  handlung 
einer  gemeinschaft:  {nach)  den  tiefsten  elementen  {der 
gemeinschaß)  musz  der  charakter  einer  gruppenhandlung 
gravitieren  G.  Simmel  Soziologie  550;  -interesse  das 
Interesse  einer  gemeinschaft:  diese  ihre  gruppeninteressen 
nur  in  der  leidenschaft  {verfolgende)  menge  verfällt  dem 
sozialen  indifferentismus  handwb.  d.  staatswissensch. 
(1898)  h,  118;  -lampe  aus  mehreren  leuchtkörpern  be- 
stehende lampen  v.  Alten  handb.  2,  104^;  -name,  zu 
gruppe  6:  bronze  {ist)  der  gruppenname  einer  reihe  von 
kupf er- Zinnlegierungen  Kaemaesch-Heeren  (1877)  2,  60; 
-ofen,  zu  gruppe  2:  einzelöfen  {oder)  gruppenöfen  Mxrs- 
peatt  Chemie  (1905)  8,  536;  -reagens  reagens,  um  die 
chemischen  elemente  in  verwandtschaftsgruppen  zu  trennen 
{s.  sp.  970)  Lueger  lex.  d.  ges.  techn.  l,  298;  -reich,  adj., 
reich  an  gruppen;  zu  gruppe  1 :  sie  sind  {einem)  gruppen- 
reichen relief  zu  vergleichen  D.  Fe.  Steausz  ges.  w.  (1876) 
7,  182;  -Schaltung  serienschaUung,  m^ntage  en  series,  s. 
sp.  970  Blaschke  wb.  d.  elektrotechn.  50^;  -schieszen 
'die  abgäbe  einer  anzahl  aufeinanderfolgender  {granaten-) 
Schüsse  mit  gleicher  erhöhung,  um  die  flugbahn  zu  prüfen" 
V.  Alten  handb.  4,  480'';  -Schläger  'läute  werk  für  eisen- 
bahnsignale,  das  sich  nach  einer  bestimmten  zahl  von 
schlagen  selbsttätig  hemmt'  Luegee  lex.  d.  ges.  techn.  (1894) 
6,  6;  -siedelung  'dörfer  und  städte  im  gegensatz  zu  ein- 
zel-, bzw.  kleinsiedlungen'  O.  Kende  geogr.  wb.  80*; 
-stufe,  zu  gruppe  6:  {Linne,  der  das)  ganze  tierreich  auf 
gruppenstufen  verteilte  Brehm  tierl.  l,  2  P.-L.;  -tanz: 
nach  der  zahl  der  tanzenden  gibt  es  solotanz,  {und)  grup- 
pentanz,  von  einer  kleinen  anzahl  paaren  getanzt 
Böhme  gesch.  d.  tanzes  3;  -weise,  adv.  u.  adj.,  in  gruppen 
angeordnet,  zu  gruppen  geordnet: 

(»ie  selten)  viel  reiche  zelte  aufgeschlagen 

und  ritter,  mehr  als  zwanzig  an  der  zahl, 

die  gruppenweis  umher  im  palmenschatten  lagen 

Wieland  «.  w.  5,  32  Düntzer; 

gruppenweise  lagerte  sich  die  gesellschaft  unter  den  bäu- 
men und  büschen  Göthe  22,  36  W.;  die  anderen,  die  in- 
zwischen auch  gruppenweise  zurückgeschlendert  waren 
G.  Keller  ges.  w.  (1889)  4,  189;  gruppenweise  über  ein- 
ander gepflanzte  wälder  C.  C.  L.  Hieschfeld  theorie  d. 
gartenkunst  (1779)  2,  99;  bei  dieser  methode  werden  die 
registerzüge  gruppenweis  geordnet  G.  Töpfer  lehrb.  d. 
orgelbaukunst  794;  die  Stellung  {im  Seegefecht)  wird  in  der 
regel  gruppenweise  so  angelegt,  dasz  die  lücken  {durch 
die  geschütze)  zu  bestreichen  sind  v.  Alten  ha-ndb.  2,  29; 
der  auf  marsch  {beim  abholen  und  abbringen  der  fahne) 
kann  erfolgen  auf :  gruppenweise  —  rechts  eingeschwenkt ! 
spielleute  und  musik  schwenken  gruppenweise  rechts  ein 
exerzierreglement  für  die  Infanterie  (1906)  §  503;  das  mo- 
ment  der  Vielheit  stärker  herausstellend:  da  stehen  {die) 
Pyramiden  bald  einzelnd,  bald  gruppenweise  den  Nil 
entlang  Ritter  erdk.  l,  878;  die  versammelten  im  zelte 
standen  endlich  gruppenweise  {auf)  A.  Stifter  s.  w.  (1901) 
2,  350;  -werk,  zu  gruppe  1:  dasz  mür  ein  einziger  schöner 
köpf  {lieber  ist)  als  dies  heillose  allegorische  gruppenwerk 
K.  Gutzkow  ges.  w.  (1872)  ll,  lll;  -wille  vnlle  eines 
colledivs:  die  stimme  der  mehrheit  bedeutet,  {dasz)  der 
einheitliche  gruppenwille  sich  nach  dieser  seite  entschie- 
den hat  G.  Semmel  Soziologie  190;  -Wirkung,  zu  gruppe  1 : 
ohne  perspectivische  gruppenwirkungen  Fe.  Th.  Vischer 
ästhetik  3,  2,  291;  -zeichen  lautphysiologischer  begriff: 
ich   nenne    solche   buchstaben  {wie  x  und  z)   gruppen- 


zeichen  {nicht  consonanten)  E.  Beücke  grundzüge  d. 
Physiologie  u.  Systematik  d.  sprachlaute  (1876)  82;  -zweck 
gemeinschaftszweck  G.  Simmel  Soziologie  539. 

*  GRUPPE,  gruppe,  /.,  Wassergraben,  jaucherinne;  s. 
auch  "grippe  teil  4,  1,  6,  383:  'gruppe,  gruppe  ein  kleiner 
graben,  eine  rinne  im  lande"  Benzlee  deicÄ6au(1792)  1,181; 
'ein  oben  weiter,  unten  schmaler  graben"  Mothes  baulex.  2, 
543;  nd.  wort,  seit  dem  anfang  des  16.  jh.  in  nd.  glossaren, 
z.  b.  gruppe  canale  Diefenbach  gl.  94^»;  grope  lacus  ebda 
316*;  gruppe,  grippe /ovea,  cloaca  Kilian  (1605)  164;  in  den 
nordwestdeutschen  maa:  gripp,  gröpp,  grüpp  abzugsrinne 
im  acker,  rinne  im  stall  hinter  dem  vieh  Mensing  2,  503; 
gruppe  rinne  zur  entwässerung  brem.-nieders.  2,  653; 
gr6p(e)  'jaucherinne  im  stall"  Dooenkaat-Koolman  1, 
695'';  grup  mistrinne  hinter  den  viehständen  Jensen  nord- 
fries.  174;  mit  suffix  grüppel  Schütze  holst.  2,  76;  Dooen- 
kaat-Koolman o.  a.  0.  es  entsprechen  nl.  gruppel,  grip- 
pel,  greppel,  nl.  dial.  grup(pe),  woneben  grope,  groepe 
s.  Franok-vän  Wijk  213'';  vgl.  auch  mnd.  grope  Schil- 
LER-LÜBBEN  2,  153*.    nur  vereinzelt  schriftsprachlich: 

die  liebste  steht  im  stall  und  macht  die  gruppen  rein 

Rachel  satir.  ged.  104  Dretcher. 

—  dazu  gruppen,  grüppeln,  vb.,  eine  solche  rinne  aus- 
heben, anlegen  Mensing  2,  504;  Jensen  nordfries.  174; 
brem.-nieders.  2,553;  uszsnyden,  gruppen  cavare  {15.  jh. 
ndd.)  Diefenbach  gl.  109^. 

GRÜPPELBER,  m.,  auch  greppelber,  'groszes  fisch- 
netz  an  langer  gegabelter  stange  in  sackform"  Unger-Khull 
steir.  305''  aus  älterer  spräche:  es  soll  auch  verbotten  sein 
gruntzeug,  Streichgarn,  rackvüschen,  grüppelpem,  zug- 
gam  {fischordnung  von  1617)  steir.  u.  kärnt.  taidinge  328,  42. 
vgl.  fischbeere  teil  3,  1681. 

GRÜPPELN,  vb.;  wie  grübeln  2  a  {s.  d.)  hastig  grei- 
fen, vgl.  auch  mundartliches  gruppen  in  ders.  bedeutung 
rheinisch,  wb.  2,  1470;  grupsen  'hastig  greifen"  Hertel 
Thür.  111  und  weiterhin  die  gruppe  grippen,  gripsen, 
groppen,  grappen,  grapsen,  grapschen  und  ähnliche 
bildungen.  auch  obd.  gruppen  'an  etwas  herumtasten 
kleine  arbeiten  umständlich  verrichten"  Fischer  schwäb. 
3,  883:  mögen  ock  vischen  myt  band  to  gruppelnde  weis- 
tum  bei  Brinckmeier  gloss.  diplom.  1,  939;  uneigentlich: 
wann  nun  ain  armer  ungelerter  lay  {in)  der  bibel  mit 
ungewaschnen  bänden  grüppelt,  mert,  sudelt  nach  seinem 
aignen  beduncken,  schmeltzt  er  ime  ain  aigne  religion 
darausz  F.  Staphylus  christl.  gegenbericht  (1561)  m  l"; 
wie  grübeln  3  übertragen  im  sinne  von  'perscruiari', 
'Untersuchungen  anstellen":  das  man  erst  in  den  .  .  .  be- 
schlossenen vortragen  taidingen  und  grupplen  wolte 
mit  stillsteung  der  betzalungen  quelle  a.  d.  16.  jh.  bei 
Fischer  schwäb.  6,  2076.  zur  etymologie  s.  grübeln  4. 
dazu  grüppelung,  /.,  das  herauswühlen,  -sammeln:  die 
fünft  ursach  ist,  {dasz)  als  wol  die  gest,  als  die  inwoner 
des  lands  merkliche  grüplung  unter  den  kreuzern  habent, 
nachdem  als  die  an  wenigem  enden  geslagen  werden 
copeibu£.h  d.  gemeinen  stadt  Wien  185. 

GRUPPEN,  vb.,  gelegenheitsbildung  zu  ^ gruppe  für 
sonstiges  gruppieren:  jeder  dürfte  sich  beliebig  und  will- 
kürlich, unbekümmert  um  sonst  und  dereinst,  aufs  neu 
gruppen  und  ganzen  Fr.  L.  Jahn  w.  (1884)  2,  740;  ge- 
paart und  gegruppt  ebda  2,  749;  gruppen  'in  den  schönen 
künsten  in  gruppen  zusammenstellen'  Campe  2,  478*. 

GRUPPIEREN,  vb.,  zu  ^  gruppe,  vgl.  auch  frz.  grouper. 

1)  in  der  regel  transitiv:  etwas  in  gruppen  ordnen,  durch 
Zusammenstellung  oder  aufteilung  in  eine  sinnvolle  einheit 
bringen;  zuerst  im  bereich  der  bildenden  kunst:  {kann  der 
m/der)  seinem  werke  handlung  geben,  kann  er  mehrere 
personen  gruppiren  Herder  s.  w.  3,  90  Suphan;  du  grup- 
pirst  leidlich,  malst  mit  frischen  färben  Holtei  erz. 
sehr.  3,  68;  bildlich:  {er)  malte  die  natur  {durch)  einen 
reichthum  von  thatsachen,  welche  er  künstlerisch  zu 
gruppiren  wuszte  Ritter  erdk.  1,  49;  als  specielle  be- 
deutung öfters  gebucht  z.  b.  bei  Jacobsson  technol.  wb.  2, 
169'';  Voigtel  wb.  (1793)  2, 145''.    in  diesem  bereich  im 


977 


GRUPPIEREN  2 


GRUPPIEREN  2  — GRUPPIERUNG 


978 


18.  jh.  vereinzelt  auch  intransitiv;  gegen,  mit  etwas 
gruppieren  mit  etwas  eine  gruppe  bilden:  da  er  den  tod 
als  eine  figur  betrachtet,  gegen  die  eine  andere,  mit 
blumen  gekrönt,  nicht  wohl  gruppiren  möchte  Lessing 
8.  sehr.  9,  76  L.-M.;  Prometheus  und  die  Okeaniden, 
will  nicht  recht  gruppiren  Göthe  47,  341  W.;  alles  dieses 
weisz  (die  seele)  in  harmonie  zu  bringen,  gleichsam  in 
eine  einzige  gruppirende  masse  von  licht  und  schatten 
zu  verbinden  Moses  Mendelssohn  ges.  sehr.  3,  441.  über' 
tragen  auch  von  nichtdarstellender  kunst:  man  erkennt  hier 
(in  e.  oper)  das  grosze  talent  Mozarts  zu  gruppieren,  einen 
klaren,  symmetrischen  plan  aufzustellen  0.  Jahn  Mozart 
2,  469;  doch  wählt  er  sehr  gut  und  weisz  aus  verschie- 
denen compositionen  sich  eigene,  seinem  geiste  anpas- 
sende stücke  zu  gruppieren  Schxtbart  ästh.  d.  tonkunst 
162;  (der  dichter  musz)  die  nebencharaktere  diesem  gehörig 
unterzuordnen  und  so  damit  zu  gruppiren  wissen,  dasz 
der  totaleindruck  dadurch  erhöht  (wird)  Eschenbubo 
theorie  d.  schön.  Wissenschaften  (1783)  175;  indifferenter: 
wer  schwor  nicht,  als  Lenzens  hofmeister  erschien,  dasz 
ihn  der  Verfasser  des  Götz  von  Berlichingen  gnippirt? 
K.  Fk.  Gramer  Neseggab  2,  49.  allgemeiner  angewendet 
im  ganzen  sonstigen  umfang  von  gruppe;  dem  bezirk  von 
gruppe  1  mehr  oder  weniger  nahe  (vgl.  gruppe  als  'lebendes 
bild'  sp.  971):  der  zug  bestand  beinahe  aus  150  personen; 
diese  charakteristisch  zu  costümieren,  zu  gruppieren,  in 
reihe  und  glied  zu  bringen  (war)  keine  kleine  mühe 
Göthe  w.  IV  31,  43  W.;  häufig  im  partic.  perf.:  geputzte 
herren  und  damen,  sorgfältig  gruppiert  (bühnenanwei- 
aung)  G.  Büchner  nachgelassene  sehr.  (1850)  189;  bes. 
malerisch  gruppiert:  (die  landleute)  sitzen  auf  den  balken 
des  zerbrochenen  gerüstes  mahlerisch  gruppiert  Schiller 
14,  407  O.;  FouQufi  reiseerinn.  (1823)  2,  202;  Hauff  s.  w. 
(1890)  1,  214;  anmutig  gruppiert  H.  Seidel  Leberechi 
Hühnchen  (1899)  64;  weiter  bald  mit  schärferer  betonung 
des  geordneten,  gefügten,  bald  mehr  in  reiner  Ortsangabe: 
die  klippen  sind  mannigfaltig  gruppiert  Novalis  1,  lxix 
Minor;  ob  (die  bäume)  rechts,  ob  sie  links,  ob  sie  so  oder 
anders  gruppirt  stehen  fürst  Pückler  briefw.  u.  tageb. 
1,  284;  (die  streifen  im  Sandstein)  sind  aber  nicht  parallel, 
sondern  gruppiert  L.  v.  Buch  ges.  sehr.  (1867)  l,  58;  ge- 
wöhnlich sind  die  crystalle  gruppiert  und  zu  drusen  ver- 
bunden Oken  allgem.  naturgesch.  1,  137,  vgl.  gruppe 
sp.  970;  ein  bücherschrank,  um  ihn  gruppiert  bildmsse 
G.  Hauptmann  einsame  menschen  (1891)  1;  (rund  herum) 
sind  die  festungen  Frankreichs  gruppirt  Hebbel  tage- 
bücher  2,  306  Werner;  ich  hatte  die  jungen  mädchen  um 
den  alten  herzog  gruppirt  fürst  Pückler  briefw.  u.  tageb. 
1,  161.  zu  gruppe  4:  es  musz  (das)  gruppiren  im  offenen 
terrain  verworfen  und  nur  bei  durchschnittenem  als  ver- 
wendbar erklärt  werden  Wilhelm  I  militär.  sehr.  2,  238. 

zum  begriff  gehört  das  moment  des  organischen,  geglie- 
derten bei  gruppen  innerer  Zusammengehörigkeit  (s.  gruppe 
5):  nach  zwei  gedanken  läszt  sich  deren  hauptmasse 
gruppiren  W.  H.  Riehl  deutsche  arbeit  119;  pragmatische 
Übersichten,  (in)  denen  ich  personen  und  ereignisse  zu 
gruppiren  mich  bemühe  D.  Fr.  Strausz  Schubarts  leben 
1,  xvni;  (die  menschen)  in  mannigfaltig  verschlungenen 
geselligen  verhältm'ssen  vereinigt  und  gleichsam  gruppirt 
K.  L.  V.  Haller  restauration  d.  staatswissensch.  (1816) 
1,  343;  die  mehr  gruppierende  als  verkettende  form 
Beiner  gedankenverbindung  Justi  Winckelmann  l,  72;  zu 
gruppe  6 :  die  zahlreichen  arten  (der  möwen)  in  f amilien 
gruppiren  J.  A.  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  10,  461. 

2)  reflexiv:  sich  gruppieren  sich  in  gruppen,  zu  gruppen 
ordnen  oder  geordnet  sein;  local  im  bereich  von  gruppe  2 
U7i4  3:  die  berggipfel,  welche  sich  an  dem  horizont  grup- 
piren V.  Gaudy  s.  w.  (1844)  5,  102;  die  damen  gruppirten 
sich  hin  und  wieder  auf  den  ottomanen  in  malerischen 
und  ziemlich  unanständigen  Stellungen  Eichendorff 
s.  w.  (1864)  2,  167; 

er  studiert,  wie  mit  dem  mantel 
sie  sich  malerisch  draplern, 
wie  sie  auf  dem  Icarren  sitzen, 
wie  sie  stehn  und  sich  grupplern 

Hopfmann  v.  Falleksleben  ges.  sehr.  5,  45; 

IV.  I.  6. 


weniger  prägnant  im  sinne  von  'sich  versammeln',  doch 
immer  mit  dem  gedanken  an  das  sich  bietende  bunte  bild: 
copirende  und  studirende  maler  .  .  ,  gruppirten  sich  täg- 
lich unter  dem  gewölbe  der  gallerie  Justi  Winckelmann 

2,  1,  116;  man  drängte  nach  dem  salon  zurück,  wo  die 
damen  sich  schon  gruppiert  hatten  H.  v.  Kahlenberg 
familie  Barchwitz  (1902)  51;  man  gruppierte  sich  zu  ge- 
sprächen  H.  Laube  ges.  sehr,  l,  58;  häufig  sich  um  et- 
was gruppieren  von  dingen  oder  menschen,  die  um  einen 
gemeinsamen  mittdpunkt  herum  aufstdlung  haben  oder 
nehmen:  die  päppeln  lispelten  im  leisen  winde  und  grup- 
pirten sich  um  frische,  murmelnde  quellen  Fr.  M. 
Klinger  w.  (1809)  lO,  27;  (bauernhöfe,)  um  die  sich  das 
wohlgepflegte  ackerland,  die  grüne  wiesenflur  und  der 
dimkle  Waldgürtel  gruppierte  Wimmer  gesch.  d.  dtsch. 
bodens  (1905)  11;  die  hausangehörigen  (blieben)  beisammen 
imd  gruppierten  sich  um  den  kamin  Fontane  ges.  w.  I 
6,  255.  übertrafen:  die  einfachheit  und  Sparsamkeit,  die 
keuschheit  und  treue,  sie  gruppiren  sich  um  das  (römische) 
haus  und  die  familie  als  ihren  eigentlichen  mittelpunkt 
Jhebing  geist  d.  röm.  rechts  2,  1,  208;  in  den  vielgliedrigen 
körper  der  abendländischen,  um  den  mittelpunkt  Rom 
sich  gruppirenden  Christenheit  Döllinger  akadem.  vor- 
trage 1,  57;  mit  einem  anklingen  von  gruppe  5  uneigentlich: 
um  Parzival  (als  den  gegenspieler  von  Oawan)  gruppiren 
eich  ernste  männer  Schbrer  gesch.  d.  dtsch.  lit.  180;  um 
den  Vorauer  fund  .  .  .  gruppierte  sich  mehr  oder  weniger 
die  ganze  wissenschaftliche  thätigkeit  Diemers  ders.  kl. 
sehr.  1,  89.  sich  zu  etwas  gruppieren  sich  zu  gröszeren 
einheiten  zusammenfinden:  dasz  anfang  (und)  ende  (des 
epos)  nicht  mit  einander  streiten,  sondern  sich  zu  einem 
schönen  ganzen  harmonisch  gruppiren  Fr.  Schlegel 
pros.  jugendschr.  1,  228  Minor;  (der  pflanze)  einfachsten 
faser,  die  sich  zu  blatt  und  zweig  gruppirt  A.  Schopen- 
hauer s.  w.  1,  362  Orisebach;  sich  gruppieren  in  sich 
verteilen,  sich  gliedern:  nach  den  ersten  höflichkeitsbezei- 
gungen  gruppirte  sich  die  assemblee  wieder  in  verschie- 
dene kleine  zirkel  MusXus  volksm.  1,  60  Hempel.  fest 
heraus  tritt  azich  hier  die  bedeutung  gruppe  5:  sich  grup- 
pieren sich  aufgrund  wesentlicher  merkmale  als  zusammen- 
gehörig ausweisen:  (wenn)  allmählich  die  guten  Sachen 
hervortreten  und  mit  hülfe  der  von  Winckelmann  an- 
gezündeten historischen  lichter  nach  den  Zeiten  sich 
gruppiren  Justi  Winckelmann  1,  273;  so  gruppiren  sich 
unsere  gröszeren  Verleger  mehr  und  mehr  nach  (wissen- 
schaftlichen) richtungen  W.  H.  Riehl  dtsch.  arbeit  230; 
die  gedankenlosen  und  formfrohen  lyriker,  (die)  sich  an 
Schiller  anlehnen,  und  die  in  dessen  musenalmanach 
sich  anfangen  zusammen  zu  gruppiren  Gervinus  gesch. 
d.  dtsch.  dichtung  (1853)  5,  410. 

GRUPPIERUNG,  /.,  aufstellung,  Verteilung  in  grup- 
pen; seit  der  2.  hälfte  des  18.  jh.  belegt,  zuerst,  wie  die  ganze 
Wortfamilie,  im  bezirk  der  bildenden  kunst:  in  ansehung 
der  anordnung  und  gruppirung,  besonders  in  der  per- 
spectivischen  Zeichnung,  glaubt  man  durchgehends,  (dasz) 
unsere  künstler  die  alten  übertreffen  Sulzer  theorie  d. 
seh.  künste  (1774)  2,  737''';  die  untere  hälfte  des  blattes  zeigt 
in  ganz  gleicher  anordnung  und  gruppirung  schafe,  denen 
die  lämmer  weggenommen  werden  A.  Schopenhauer  s.  w. 
1,  403  Orisebach;  der  ausdruck  der  leidenschaft  und  die 
ganze  gruppierung  (des  Laokoon)  lassen  dem  forschenden 
äuge  nichts  mehr  zu  beobachten  übrig  Schiller  3,  578 
Oöd.;  bildlich:  nicht  im  colorit,  in  der  gröszem  oder 
kleinem  lebhaftigkeit  der  färben,  sondern  in  der  Zeich- 
nung, stelluing  und  gruppirung  der  gedanken  liegt  das 
eigenthümliche  einer  Schreibart  Börne  ges.  sehr.  (1829) 

3,  4.  als  fester  terminus  der  darstellenden  composition:  in 
dieser  beziehung  würden  die  zwei  hauptbestandtheile  der 
kunst  eines  gemäldes  die  Symmetrie  und  die  gruppirung 
seyn  Schelling  w.  1-5,  528;  und  schwadronirte  aller- 
hand von  heildunkel  und  kolorit,  (von)  gruppirimg  und 
motiven  und  Idealisierung  v.  Gaudy  s.  w.  (1844)  2,  126. 
das  tätigkeitsmoment  stärker  betonend:  eine  übertriebene 
anstrengung  der  musceln,  (ohne)  weitere  bedeutung  als 
die  der  gruppirung  (ist  ein)  mittel,  wodurch  die  nach- 

62 


979 


GRUPPIERUNG  -  GRUS 


GRUS  -  GRUSCH 


980 


ahmer  des  Michelangelo  die  äugen  zu  blenden  suchten 
D.  Fe.  Stbausz  ges.  w.  2,  270. 

wenig  später,  wie  auch  gruppe,  gruppieren  von  den  ver- 
schiedensten gegenständen  und  dingen,  die  sich  innerhalb 
ihrer  Umgebung  als  zusammengehörig  abheben,  meist  auf 
das  ergebnis  des  (sich)  gruppierens  gesehen,  seltener  als 
Vorgang;  gelegentlich  noch  m,it  der  Vorstellung  des  bild- 
mäszigen:  die  Alpen,  die  nach  ihrer  ganzen  länge  (in) 
einer  durchaus  neuen  und  pittoresken  gruppirung  wie 
aus  dem  spiegel  auftauchen  A.  v.  Droste-Hülshoff  an 
Levin  Schücking  58  Schilcking;  die  büschelförmige  grup- 
pirung der  haare  0.  Peschei,  Völkerkunde  (1874)  362;  die 
obere  gruppierung  (der  mannlöcher  im  kessel)  ist  vorteil- 
haft Mttspeätt  Chemie  (1898)  6,  1729;  die  freiere  behand- 
lung  und  gruppirung  der  blasinstrumente  O.  Jahn  Mo- 
zart X,  534;  die  unregelmäszige  Verbindung  mehrerer  cry- 
stallindividuen  nennt  man  gruppirung  Oken  allgem. 
naturgesch.  1,  66;  von  der  Constitution  der  chemischen  ele- 
mente  {vgl.  gruppe  sp.  970) :  der  kohlenstoff ,  welcher  («rw) 
in  der  holzfaser  oder  der  muskel  entgegentritt,  kann 
nach  der  Zerstörung  jener  körper  in  anderer  gruppirung 
eine  verschiedene  gestalt  annehmen  Büchner  kraft  u. 
Stoff  (1856)  13;  (abhängig)  von  der  gruppirung  der  sich 
umsetzenden  atome,  von  der  richtung,  in  welcher  sie  sich 
umsetzen  J.  Liebio  ehem.  br.  (1844)  160/61.  gelegentlich 
indifferenter,  mehr  als  au^druck  bloszer  häufung,  Zusam- 
menstellung: durch  belebung  von  naturschilderungen 
durch  landschaftsmalerei  und  durch  gruppirung  exoti- 
scher pflanzengestalten  in  treibhäusem  A.  v.  Humboldt 
kosmos  l,xni;  wie  fast  zu  erraten,  läszt  diese  gruppirung 
zweier  wurzeln  in  unzählbaren  fällen  einen  doppelsinn 
zu  0.  Peschel  völkerk.  (1874)  119.  —  vom  menschen  im 
sinnlichen  bereich  immer  mit  der  Vorstellung  des  bild- 
mäszigen:  (ein  ballet)  ist  die  darstellung  einer  begeben- 
heit  durch  mienen  und  geberden,  tanz  und  gruppirungen 
für  das  äuge  Heinse  s.  w.  5,  277  Schüddekopf;  unter 
passender  gruppierung  fällt  der  Vorhang  Nestroy  ges.  w. 
(1890)  2,206;  zu  gruppe  4:  sodasz  der  soldat  in  einem 
augenblick  ins  feld  zog,  wo  die  gliederung  und  grup- 
pirung eine  andere,  seine  officiere  zum  theil  neu  und 
unbekannt  waren  L.  Hättszeb  dtsch.  gesch.  2,  683. 

wenn  gruppe  5  zugrunde  liegt,  ist  vor  allem  der  Vorgang 
des  gruppierens  betont;  ^sonderung\  Hrennung\'  in  der 
Sammlung  und  gruppirung  solcher  climatischen,  sitten- 
geschichtlichen, politischen  daten  Justi  Winckelmann 
2,  2,  190;  die  nothwendigkeit  der  begrenzung  und  der 
gruppierung  um  einen  geistigen  mittelpunkt  Fr.  Th. 
ViscHER  ästhetik  2,  21;  endlich  ward  in  beiden  (ländem) 
ein  miütärstaat  der  kern  (einer)  realen  gruppirung  der 
Parteien  Treitschke  hist.  u.  polit.  aufsätze  2,  222;  zu 
gruppe  6:  keine  von  diesen  natürlichen  gruppirungen 
nach  färbe  und  Zeichnung  des  gefieders  hält  stich  J.  A. 
Naumann  naturgesch.  d.  vögel  10,  461;  erst  im  vorigen 
Jahrhundert  wurde  (die)  gruppierung  der  tierischen  for- 
men (gefördert)  Brehm  tierl.  1,  2  P.-L. 

GRÜPS,  m.,  kernhaus  des  obstes,  s.  griebs  u.  grübs 
sp.  254  u.  626:  fraszen  ihre  gestohlene  äpffel  (und)  warffen 
die  butzen  oder  grüps  denen  andächtigen  mägdlein  in 
die  (Ä;ircÄ)stühle  simplician.  Haspel-Hannsz  (1684)  75. 

GRUS,  m.,  Schutt,  kleines  steimjeröll,  grober  sand;  aus 
nd.  grus  (neben  grüs)  rhein.  wb.  2,  1415;  Woeste-Nöeren- 
BERG  westfäl.  86;  Mensing  schlesw. -holst.  2,  502;  DooRN- 
kaat-Koolman  ostfries.  1,  703^';  Bauer-Collitz  waldeck. 
41 ;  Frischbier  preusz.  l,  258.  entsprechend  mnd.  gros,  grüs, 
n.,  'was  in  kleine  stücke  zerbrochen  ist,  bes.  von  steinen^ 
Schiller-Lübben  2,  154;  6,  145,  m,nl.  gruus,  gruis  'grus, 
grober  sand,  kieselsand,  grob  gemahlenes  korn^  Verwijs- 
Vebdam  2,  2201^.,  nl.  gruis  woordenboek  5, 1160^.;  doch 
vgl.  daneben  auch  alem.  grus  aus  mhd.  grüz  (schweiz. 
grüssig  sandig,  steinig  Staub-Tobler  2,  811  und  grüszel 
kies  s.  u.  ^grusel),  dem  schriftsprachliches  graus  (s.  d.)  ent- 
spricht: grus  'feiner  sand'  Martin-Lienhart  1,  282;  grüs 
'häufen,  bündd,  z.  b.  gdd'  Staub-Tobler  2,  810.  nd.  grüs 
und  hd.  grüz  gehören  zu  zwei  verschiedenen  erweiterungen 


der  idg.  wurzel  ghreu-  'zermalmen',  s.  Walde- Pokorny 
1,  649/.  und  gries  teil  4,  l,  6,  273:  dat  bolwerk  aver  de 
Dune  tho  füllen  myt  gruse  (a.  d.  j.  1572)  monum.  Livo- 
nianae  antiqu^ie  4,  234 ;  graus,  grus  schult,  kummer;  poln. 
grus  KiNDERLiNG  reinigkeit  d.  deutschen  spr.  (1795)  346; 
wird  man  nicht  in  der  folge  die  urgebirgsgänge  zu  er- 
schürfen suchen,  woher  dieser  so  reichhaltige  grus  und 
grand  sich  herleitet?  Göthe  40,  91  W.; 


(du  solltest  mit  freuden  lesen,  wie) 
aus  erde,  grus,  gerill,  geschieben 
dir  diamanten  ausgespült 


ebda  6, 157; 


Schutt  und  grus  49,  257;  sand  und  grus  25, 162; 

zuteuerst  sand  und  grus  besieht 

MÖEIKE  (1905)  1, 163  Göschen; 

im  grus  unter  der  dammerde  sind  sie  (die  kry stalle)  am 
schönsten  anzutreffen  Leop.  v.  Bucng^es.  sehr,  l,  10;  der 
flugsand  zieht  weiter,  der  grobkörnige  grus  und  die  frei- 
gewehten roUkiesel  bleiben  liegen  Ritter  erdkunde  1, 
1020;  gemeiner  glimmer.  ein  wesentlicher  gemengtheil 
der  gewöhnlichen  crystallinischen  gesteine,  des  granits, 
gneises,  glimmerschief ers;  er  gelangt  bei  deren  Zer- 
setzungen in  den  grus  und  sand,  welcher  daraus  entsteht 
Oken  naturgesch.  l,  175;  grusz  grober  kies  Mothes  baulex. 
2,  543;  grusz  überhaupt  grobe  brocken  von  steinen  2,  543; 
der  grant,  grusz  ist  ein  gerölle  von  quarz,  granit,  basalt  usw. 
Schönermark-Stüber  hochbaulex.  482;  man  verwendet 
die  kleineren  kohlenteile,  den  grus  (zu  briketts)  v.  Alten 
handb.  f.  heer  u.  flotte  (1909)  2,  517.  übertragen  erscheint 
grus  als  bezeichnung  verschiedener  begriffe,  m,it  denen  die 
Vorstellung  des  grobkörnigen,  Schuttes,  der  in  menge  auf- 
tretenden kleinen  bestandteile  einer  gedeichten  einheit  ver- 
bunden ist:  was  in  den  bienenstöcken  auf  den  boden  fällt, 
heiszt  neben  das  griesig  auch  der  grus  Campe  2,  478; 
Vollbeding  plattd.  ma.  28;  Fulda  142;  Krünitz  20,  291 ; 
'Umschreibung  für  gdd,  wohl  eigentlich  kleingeld,  wie  hd. 
kies'  Mensing  schlesw. -holst.  2,  502.  fachsprachlich:  'wenn 
der  Vitriol  in  setzfässern  angeschossen  und  das  reine  vom 
unreinen  abgesondert  worden,  wird  das  letztere  mit  warmen 
wasser  zu  lauge  gemacht  und  grus  genennet'  bergmänn.  wb. 
(1778)  246.  dazu  die  compositionen:  grusförmig:  grus- 
förmige  brennstoffe  Muspratt  chemie  8,  523;  -grand 
feiner  kies  Mensing  2,  502;  -halde:  wo  die  ganze  berg- 
masse  gegen  Pompeji  nur  als  eine  einzige,  mächtige, 
ebene  grushalde  abfäljt  H.  Allmers  bei  Siebs  leben  und 
dichten  195;  -kohle:  die  verschiedenen  komgröszen  un- 
terscheidet man  als  Stückkohlen, .  .  .  gruszkohlen  Lueger 
lex.  der  ges.  technik  2,  677;  -lager:  auf  dem  gruslager  der 
glacialen  periode  Hoops  waldbäume  u.  kulturpfl.  8; 
-masse  Oken  naturgesch.  1,  343;  -regen  Staubregen 
Mensing  2,  502;  -rubin:  die  salamsteine  (gruszrubin  .  .  .) 
in  Bengalen  Zappe  mineral.  handlex.  2,  327;  -sand  grober 
sand,  der  aus  kleinen  körnern  von  quarz,  feldspath  u.  s.  w. 
bestehet  Campe  2,  478;  -schiebt:  (sandbank)  aus  .  .  . 
gruszschichten  A.  G.  Webner  gebirgsarten  (1787)  27. 

GRÜSCH,  /.  u.  n.,  seltener  m.,  'kleie',  vgl.  auch  krüsch 
teil  5,  2477. 

herkunft  und  form.  mhd.  grüsch;  ahd.  nicht  vorhan- 
den: anstdle  des  von  Graff  4,  344  (mit  berichtigung  1279) 
aus  den  Florentiner  glossen  verzeichneten  crusc  gibt  Stein- 
MEYEB-SiEVERS  3,  616,  37  crus.  Vgl.  JuD  archiv  f.  d.  stud. 
d.  neueren  spr.  126,  137.  das  relativ  späte  auftreten  des 
ivortes  und  seine  beschränkung  auf  das  schweizerische 
(Staub-Tobler  2,  817),  schwäbische  (Fischer  3,  884),  el- 
sässische  (Martin-Lienhart  l,  284),  tirolische  (Schmel- 
ler-Fr.  1,1015;  Schöpf  214),  luxemburgische  (luxemb.  wm. 
250)  u.  rheinische  (nach  m,itteilung  Jos.  Müllers  nur  in  der 
westl.  Eifel  u.  Köln),  soune  vor  allem  das  nebeneinander  von 
gr-  und  ehr-  (bezw.  kr-)  im  schweizerischen  (  Jud  aao.  138/.) 
u.  rheinischen  (mitteilung  von  Jos.  Müller)  führen  auf 
entlehnung  aus  rom.  *crüsca  in  südostfrz.  krutze,  räto- 
roman.  crisca,  nordital.  crusca;  crusca  ist  seit  dem  13.  jh. 
belegt:  furfur  crusca  vel  remula  Löwe  glossae  nominum 
148.  auf  ♦cruscum  geht  nach  Jud  burgund.  krö  zurück; 
auch  das  neutrum  im  deutschen  könnte  durch  *cruscum 


981 


GRÜSCH 


GRÜSCH  {Zusammensetzungen)  —  GRUSE  l.  2     982 


veranlaszt  sein,  eher  aber  analogisch  nach  mehl.  die  kürzung 
des  stammvocals  ist  vielleicht  schon  romanisch,  der  umlaut 
ist  durch  das  folgende  -sc-  hervorgerufen,  umlautsloses 
grusch  ist  belegt  bei  Diefenbach  gl.  253^;  nov.  gl.  186*>; 
Sebiz  f eidbau  (1579)  81;  Schottel  1331;  Stieler  712; 
Keambr  1  (1700)  575^;  ders.  hochndd.  (1719)  1,  535";  Fi- 
scher Schwab,  6,  2076.  entrundetes  ü  zeigen  grischen  {acc. 
sing.)tirol.  weist.  X,  26;  3,  245;  grisch  Österreicher  Colu- 
mella  2,  124;  Serranus  (1540)  k  5»;  HULSIUS  (1618)  142»; 
Marperöee  beschr.  d.  hanffs  u.  flachs  (1710)  295.  auf  Ver- 
mischung mit  nicht  hergehörigem  grist  (Basler  chronik  1, 
120  Vischer- Stern;  Wickram  5,  233;  Staub-Tobler  2, 
820,  vgl.  bei  griesgramen  teil  4,  l,  6,  268  u.  ags.  grist  moli- 
iura)  beruhen  grust,  grüst  Fischer  schwäb.  3,  884;  Mar- 

TIN-LlENHART    1,  284;     DiEFENBACH     gl.  253^;     waytzin- 

gruste  aus  dem  voc.  theut.  {Nürnberg  1482)  ebenda  9&^;  auch 
grytsch  gemma  gemm.  (1508)133'.  unklar  ist  grünsch 
kleien,  furfur  Veneroni  {Köln  1766)  78.  das  genus  von 
grüsch  ist  femininum  in  einem  teil  des  schweizerischen 
(Staub-Tobler  2,  817)  und  schwäbischen  (Fischer  3,884), 
im  tirolischen  (Schöpf  214)  U7id  in  Köln;  neutrum  in  den 
übrigen  teilen  der  Schweiz  und  Schwabens,  sowie  im  Elsasz 
(Martin-Lienhart  1,  284);  masculinum  in  der  Westeifel 
{mitteil,  von  Jos.  Müller),  Luxemburg  {luxemb.  maa.  250) 
und  in  Lusern  (Bacher  264).  literarisch  ist  es  meist  nicht 
sicher  zu  erkennen;  neutrum  bei  Niclas  v.  Wyle  trans- 
lationen  267  Keller;  masc.  oder  neutrum:  viel  gryschs  und 
lützel  melbs  Ulmer  ord.  a.  1403  bei  Brinbjvieier  gloss. 
dipl.  1,  939*;  dem  (gutem)  grüsch  Joh.  Adolphus  enchi- 
ridion  (Basel  1520)  t2^';  (1616)  stadtrecht  von  Neuenburg 
125  Merk;  Frisiüs  dict.  488;  von  den  lexikographen  gibt 
das  femininum  Kramer  l  (1700)  575,  das  neutrum  He- 
NISCH  1760  an.  der  plural  lautet  grüschen  im  tirolischen 
(Schmeller-Fr.  1,  1015;  Schöpf  214),  vgl.  auch  grüschen 
quisquilia  tnd.  15.  jh.  bei  Diefenbach  gloss.  480",  ver- 
einzelt grüscher  {wie  spreuwer)  im  Elsasz  (Martin-Lien- 
hart 1,  284);  die  grüsch  Kirchhoff  Schweiz,  sprüchw.  296 
kann  f.  sg.  sein. 

bedeutung.  kleie,  getreiderückstände:  swel  pfister  . . . 
schuldig  wirt,  das  er  ze  klain  gebachen  habe,  der  git  von 
ieklicher  becke  an  die  stat  drige  Schillinge  phenninge,  er 
swerre  denne  .  .  .  das  er  an  der  becke  nit  mer  gewinne 
danne  vier  phenninge  und  sin  grüsch  (1331)  stadtordnung 
von  Frauenfeld  in  zs.  f.  ungedr.  Schweiz,  rechtsquellen  2 
(1847)  120;  item  wenn  man  von  pillens  {d.h.  von  rechts 
wegen)  oder  ander  Sachen  wegen  auffhebt,  sobald  sy 
widerumb  auffgesetzt,  soll  sy  der  müUer  damit  on  under- 
lasz  mit  seinem  aigen  gut  nämlich  ainer  wannen  vol 
spreuwer,  grüsch  oder  kleyen  und  ainem  metzlin  herts 
koren  bemalen  und  bestätigen  bayr.  recht  a.  d.  j.  1346  bei 
J.  HeumäNN  opuscula  (1747)  252; 

s6  tuot  er  grüsch  in  das  mel  senken 

teuf  eis  netz  9431; 

sprichwörtlich  {vgl.  ital.farina  del  diavolo  va  tutta  in  crusca) 
des  teufeis  mehl  wird  zu  grüsch  Kirchhofer  Schweiz, 
sprüchw.  35;  Simrock  sprüchw.  553;  als  schweinefutter : 

so  verdirb  ich  under  swinnen, 

du  man  hört  rühein  und  grinen 

nach  grüschen  (den  aswingen 

zerganlclicher  dingen)        scelden  hört  4321  Adrian; 

daher  sprichwörtlich:  wer  sich  unter  die  grüsch  mischt, 
den  fressen  die  säue  Kirchhofer  Schweiz,  sprüchw.  296; 
als  hundefutter  {vgl.  furfur  i.  hundaz  ahd.  gl.  4,  236,  3  u.  ä.): 
do  fiengent  sie  an,  im  {dem  hunde)  flaischsbrü  zu  geben 
mit  brot  usz  grüsch  gemacht  Steinhöwel  Äsop  221 
Osterley.   zur  bezeichnung  des  wertlosen  und  nichtigen: 

die  sehs  umm  ain  grfische  (d.  h  'durchaus  nicM') 
vorhteu  do  den  ainen 

Johann  v.  Wükzbueg  4700  Regel. 

selten  anders,  als  glosse  zu  triestern  grüsch,  tröber  glossar 
zum  Basler  neuen  testament  1523  {Luc.  15,  16);  abfall  von 
holz,  kleine  holzstücke  Staub-Tobler  2,  817. 

Zusammensetzungen:  grüschenbrot:  darnach  ist 
gesetzet,  swer  grüsschin  brot  ald  ungebachen  brot  git. 


der  sol  gen  dem  amman  5,/y.,  den  burgern  5jj.  württ.gesch. 
qu.  21, 89  {Ravensberg  1378),  kaum  adjediv  Fischer 
schwäb.  6,  2076,  vgl.  kleienbrot  teil  5,  1086  und  grüschbrot 
Staub-Tobler  5,  960;  Fischer  schwäb.  6,  2076  und 
grüschmehl  Fischer  2,  885;  grischmehl  Frommanns  zs. 
3,  464  {Tirol);  grüschengrant  truhe  zur  aufbewahrung 
von  kleie:  gruschen  granndt  1495  Zingerle  mittelalt.  in- 
ventare  61*;  grüschhengst,  Schimpfwort: 

■wir  müssend  unglückhaflt  lut  sin 
mit  eym  solchen  herlin  (d.  i.  pfaffen)  . . . 
hettind  wir  Inn  vertriben  lengst, 
was  sol  uns  nun  der  grüschhengst? 
Utz  Eckstein  rychstag  (1527)  in  Scheibles  Wosier  8,  834; 

grüschsack  Staub-Tobler  7, 622;  grüschentrog: 
auss  dem  vollen  spiel-  und  sudel-  in  den  sauberen  gri- 
schen- oder  kleyentrog  Guarinonius  greuel  d.  Verwüstung 
(1610)  589. 

GRUSE,  /.,  mnd.,  rhein.  und  nl.  daneben  au4;h  als  m., 
mhd.  gniose,  mnd.  grose  und  in  Vermischung  mit  grus  ver- 
einzelt grus(e),  mnl.  groese,  nl.  groeze;  umlautsform  grüsz 
ist  unorganisch  und  selten,  vgl.  Schmeller-Fe.  1,  1014; 
mit  vmrzelerweiterung  -s  zur  wz.  *grö-  wie  ebenso  gras, 
vgl.  zur  etymologie  sp.  939;  eine  sicherlich  alte  bildung,  doch 
ahd.  bisher  nicht  belegbar;  als  frühe  bedeutungen  sind 
'junger  pfl/inzenumchs,  trieb"  {s.  u.  l)  und  'pflanzensaft' 
{s.  u.  2)  zu  bezeugen,  die  auf  einen  ursprünglichen  bedeu- 
tungscomplex  'frische,  im  saß  stehende  Vegetation^  deuten 
können;  zu  den  formen  vgl.  Verwijs-Verdam  2,  2156,  nl. 
wb.  5,  879^.,  Schiller-Lübben  2,  154*',  woselbst  irrige 
vermengung  mit  grus;  bis  in  das  ältere  nhd.  lebendig,  zieht 
sich  gruse  in  jüngerer  spräche  in  mundartlichen  bereich 
zurück,  besser  im  nl.  erhalten,  vgl.  nl.  wb.  a.  a.  o. 

1)  concret  für  jungen,  im  soft  stehenden  pflanzenvmcJis; 
bereits  mhd.  'frisches  gras\' 

maneg  ors  daz  s!t  nie  gruose  enbeiz 

WOLFKAM  Parz.  387,  23 ; 

vgl.  mnl.  groese  junges  grün  Verwijs-Verdam  2,  2156; 
mundartlich  ist  der  charakter  des  jungen,  treibenden  ver- 
einzelt noch  im  obd.  bewahrt:  gruesen  das  erste,  frische 
grüne  gras  im  frühling  Staub-Tobler  2,  813;  gruasa  das 
erste  frische  gras,  der  erste  stosz  gras  Bühler  Davos  1,  276; 
grüse  {pl.  ?)  'die  abgeschnittenen  .  .  .  gipfelhalme  einzelner 
dinkeläcker  im  frühjahr'  Fischer  schwäb.  3,  885;  mit  grus 
abschneiden,  gras  mehen  ebda,  aus  e.  quelle  d.  16.  jhs.;  auch 
'kurzes,  dichtes  gras''  Staub-Tobler  a.  a.  o.;  für  das  nd. 
vnrd  gruse  als  'grüne  saat,  grünes  gras,  rasen"  in  wbb.  des 
18.  jhs.  angegeben,  so  Frisch  teutsch-lat.  l,  380*',  Krünitz 
20,  291  u.  a.,  doch  weist  hier  die  form  in  der  gruse  auf  lit. 
entlehnung,  wohl  aus  einer  nicht  nd.  jagdordnung,  also  mit 
bedeutung  4;  aber  vernieder  deutscht:  welche  in  der  setzzeit 
und  auf  der  grose  auf  fremden  feldern  sich  betreten  lassen 
brem.  jagdordn.  v.  1692  art.  11;  in  den  nd.  dialektwbb.  sonst 
zwar  nicht  bezeugt,  vgl.  jedoch  grus,  m.,  'gras,  grüner  raserC 
rhein.  wb.  2,  1470  und  nl.  groeze  'begrünter  erdboden,  gras" 
nl.  wb.  5,880/.;  anders:  gros  'grünes,  unreifes'  wie  z.b. 
unreifes  obst  oder  frische  blätter  von  kohl  u.  ä.  ten  Doobn- 
KAAT-KooLMAN  ostfries.  1,  696,  Vgl.  grusen,  grusig. 

2)  pflanzensaft,  alt  und  bis  in  neuere  mundart  gehalten; 
so  der  durch  ausquetschen  von  pflanzen  gewonnene  saß: 

des  wilden  crütes  gruose 
die  Schyron  mit  slner  hant 
üz  den  würzen  dike  want 

KONEAD  V.  WÜRZBUKQ   Trojanerkrieg  6072; 

briuwet  man  daz  krut,  daz  man  die  grusen  {mit  schw. 
flexion)  daruz  muge  geduhen  {drücken)  quelle  des  14.  jhs. 
bei  Schmellee-Fr.  l,  495;  ist  gut,  die  gruse  darauf  gelegt 
{a.  d.  j.  1566)  bei  Fischer  schwäb.  3,  885;  wrink  dor  eynen 
dok  dat  sap  ud  unde  do  dar  to  se  vele  etikes  alse  der 
grose  is  bei  Schiller-Lübben  2,  154,  wo  weitere  belege; 
so  noch  mundartlich:  gruse  saß  aus  grünen  gewachsen  ViL- 
mar  kurhess.  139;  Bauer-Collitz  waldeck.  146;  Scham- 
bach Göttingen  70*,  hierzu:  gros  grüner  farbstoff  aus  saß 
von  frischen  grünen  kräutern  ten  Doornkaat-Koolman 
ostfries.  1,  696*;  in  älterer  spräche  auch  die  als  träger  des 

62* 


983 


GRUSE  8-6 


GRUSEL  —  GRUSELBEERE 


984 


lebens  gedachte  feuchtigkeit  in  pflanzlichen  oder  überhaupt 

organischen  hörpern: 

{die  haut)  .  . .  erwelket  als  ein  krüt 
dem  diu  gniose  ist  entwichen 
unt  fluhtelös  erblichen 

die  Warnung  141  in  zs.  /.  d.  altert.  1,  442; 

in  der  nacht  wart  gezogen 

sin  Stab  zu  eime  bäume. 

an  vruchtigeme  daume 

hete  er  gruse  unde  saf      passional  350,  21  K.; 

von  hier  aus  zu  verstehen:  äne  mannes  gruosen  Konbad 
V.  WÜBZBXJRG  gold.  schmiede  272;  im  sinne  'lebenssaft\' 

als  daz  gras  uf  der  wisen 

winterzit  virtirbet, 

swan  im  diu  grüse  irstlrbet 

Väterbuch  3921  Reiszenberger; 

ir  {der  fruchtbäume)  gruse  so  vorroste  {verdarb) 

Nicolaus  v.  Jeroschin  25777  Strehlke; 

mit  manigerhande  dampfe 

derret  er  {der  teufet)  des  vleisches  gruse 

Väterbuch  835  R. 

3)  der  zustand  des  grünens,  Wachsens,  im  soft  Stehens; 
aiich  das  'grün  werden,  sich  begrünen^  vereinzelt: 

darnach  über  dru  jar 

begonde  ez  lusteclich  sich  irgruen, 

nach  der  gruse  schone  bluen 

Väterbuch  22150  R.; 

sonst  der  'zustand  der  frische,  der  lebemJcrafi\  vgl.  groese 
rigor  ELilian  etym.  (1605)  162»: 

dar  enmitte  stunt  ein  gras, 

daz  wol  in  siner  gruse 

stete  bllben  muse  passional  36,  77  Hahn; 

{du  Maria  hast)  beide  gruze  unde  blut 
bewart,  daz  sich  wol  ougete 

passiowtl  667,  3  K.; 
im  genüget  joch  genfic 
an  eime  melmuse, 
daz  hielt  im  sine  gruse 
an  dem  übe  und  die  craft    väterbuch  6062  R.; 

wol  stend  bein  und  spitzig  füez, 
ir  angesicht  stet  in  gruoz 

MEiSTBR  Altswbrt  Spiegel  122,  30; 

vergleichbar,  etwa  'üppiger  wuchs':  wann  alsdann  (im 
frühjahr)  die  sog.  gruos  an  den  Winterfrüchten  überhand 
nehmen  wollte  nach  Fischee  schwäb.  3,  885;  ähnlich  ist 
gr.  für  ' Zwilling sobsV  zu  verstehen  ebda. 

4)  temporal,  die  'zeit  des  grünens,  in  safl  tretens  oder 
Stehens,  des  üppigen  gedeihens\  vgl.  bereits: 

darnach  in  der  sumergruB 
brudir  Huig  von  Almenhüs 
der  voit  von  Samelande 
achthundirt  man  benande 

Nicolais  v.  Jeroschin  24742  Strehlke; 

bisz  dasz  buchenlaup  herusz  komet,  welche  zeyt  man  die 
greusz  {lies  gruesz)  nenet  quelle  d.  16.  jhs.  bei  Fischer 
schwäb.  3,  886;  da  einer  ...  in  der  gruesz  dem  andern 
sein  somen  abgeschnitten  (v.  j.  1621)  ebda; 

es  ist  ein  hirsch  von  hinn  nit  ferr, 
der  hat  warlich  groszen  fusz; 
dieweil  es  ietz  ist  in  der  grus  {in  der  zeit  des 
möcht  ir  denselben  fahen  wol        [graswuchses) 
Teuerdank  33,  16  Qoedeke; 

in  der  älteren  Jägersprache  die  frühjahr szeit  als  die  Schon- 
zeit des  vnldes,  so  'die  hegezeit  von  Walpurgis  bis  Johanni^ 
Schmellbr-Fr.  1,1014;  Kehrein  wb.d.  weidmannsspr.  149, 
vgl.  gruszzeit:  der  haas  darf  auch  im  frühüng  in  der 
gruesz  zum  lust  und  kurzweil  gesezt  werden  {v.  j.  1609)  nach 
BiRLiNOER  schwäh.-augsb.  205;  in  der  grüsz  und  auf  den 
samen  soll  man  keine  hasen  schieszen  oberpfälz.  landes- 
ordn.  V.  1657  bei  Schmeller-Fr.  1,  1014;  wird  die  grose 
verstanden  und  gerechnet  von  domin.  judica  bis  den 
10.  august  patent  v.  11.  dec.  1705  bei  Kehbein  o.  a.  o. 

5)  nicht  sicher  hier  anzuknüpfen  vereinzelt  belegtes  gruus 
kleine  köder fische  Mensinq  schlesw.-holst.  2,  502,  dazu 
gruusslep  kleines  zugnetz;  vgl.  grusenetz,  grusegarn  flsche- 
reigeräte  [zum  fang  der  fischbrut?)  Sanders  2,430"  u.  431^, 
s.  auch  grühnetz  sp.  635;  dazu  grüseck,  m.,  name  des 
flaches  asellus  virescens  Adelung  2,  836  ? 


^GRUSEL,  m.,  auch  grüsel;  postverbale  bildung  von 
gruseln,  gruseln.  1)  die  empfindung  des  gruselns;  der  kälte- 
schauer:  es  toufEend  sich  vil,  die  im  toufif  nüt  dann  den 
grusel  des  wassers  empfindend  L.  Jud  von  wahrem  und 
falschem  glauben  {1526)  8  4*';  schauder  der  angst,  furcht: 
grusel  und  f  orchte  scheiden  von  euch  nicht,  wo  ir  wandert 
und  wonet  ackermann  aus  Böhmen  4  {var.  zu  1,  15)  Bernt; 
der  soll  nit  gan  in  die  versamlung  und  rat  der  ketzeren, 
{sondern)  ein  schuhen  und  grusel  darab  haben  L.  Jud 
au^legung  d.  ersten  psalmen  (1520)  7**.  seit  der  mitte  des  10. 
bis  ins  19.  jh.  unbelegt,  dann  wieder  in  gebrauch  als  neue 
ableitung  von  dem  durch  das  Grimmsche  märchen  neu  ver- 
breiteten vb.  gruseln  («.  d.):  keine  stadt  und  keinen  namen, 
die  mir  so  mit  schreck  und  grusel  imprägniert  schienen 
Fontane  I  4,  23;  versteckplätze  {mit)  ihrem  glück  und 
grusel  ebda  4,  271;  zu  dem  grusel  \ind  schauer,  den  man 
von  dem  anblick  des  räubers  erwartete  E.  v.  Wilden- 
bruch  novellen  (1883)  173;  sehr  sinnkräftig :  wenn  mein 
name  bei  ihnen  genannt  werde,  so  gehe  einem  ordentlich 
ein  'grusel'  von  oben  runter  Bismärck  briefe  an  s.  braut 
u.  gattin  135;  ein  grusel  stieg  mir  auf  Fb.  Th.  Visoher 
aux:,h  einer  (1879)  2,  334,  für  die  maa.  häufig  mit  gruseln 
zusammen  notiert  z.  b.  grüsl  schauder,  beängstigender  zu- 
stand Lexer  kämt.  126;  grusel  Knothe  Nordböhmen  273; 
lux.  ma.  167*^;  grusel  'grausen,  nervöses  zittern^  rhein.  wb. 
2,  1470;  Creoelius  oberhess.  442;  Damköhler  Nordharz. 
66»;  Frischbier  preusz.  l,  254,  2)  etwas,  was  gruseln 
macht;  von  einem  schlechten  pferd: 

der  knecht  erschrack  ob  diesem  allen, 
in  dem  war  gleich  sein  grusel  {im  Wechsel  mit  merrhen) 
stallen  {urinare)         H.  Sachs  9,  316  lit.  ver.; 

ein  solcher  grüsel  {grausige  gestalt)  Gotthelf  Uli  der 
Pächter  (1850)  250,  vgl.  grüsel  grober,  roher  mensch  Seiler 
Basl.  ma.  149»;  grusel  häszliche  person  rhein.  wb.  2,  1470, 
s.  auch  gräusel.  —  gruselbang,  adj.;  manches  märchen 
gruselbang  W.  Jordan  in  talar  u.  hämisch  (1899)  207. 

'^GRUSEL,  grüsel,  n.  auch  f.,  junge  gans;  ostmd.,  obd. 
dialektwort:  grusel,  auch  grüsel  'junge  gans,  solange  sie 
noch  mit  gelbem  flaum  bedeckt  ist'  Mülleb-Fbaubeuth 
obers.-erzgeb.  1,  447^;  gruschel  kleine  gänschen,  grusel  gans 
Anton  Oberlaus.  1,  12;  gruschel,/.,  Weinhold  schles.  31; 
grüsel,  grisala  'gänschen'  Schröeb  ungr.  bergl.  245;  grusel, 
auch  grutzelein,  gruschelein,  grünlein  'gans,  bes.  in  der 
kindersprache'  Fischee  schwäb.  3,  885;  s.  auch  Schweiz. 
krüseli  teil  5,  2478;  die  gruscheln  sind  die  jungen  gänse 
J.  D.  KöHLEB  schles.  kernchronika  {17 li)  2,  721;  die  junge 
und  lustige  weit  {der)  grieschel  und  huschel,  der  jungen 
gänse  Retters  Stoffsammlung  in  d.  deutschen  maa.  Böh- 
mens 53.  in  ableitungen  gruselgelb:  'gelb  wie  die  jungen 
gänschen'  Anton  Oberlaus.  1,  12 ;  'grüselgelb  sagt  man  {in 
Bayern),  wenn  jemand  sehr  gelb  aussieht'  v.  Klein  pro- 
vinzialwb.  1,  166;  gruselgelb  Zaupsee  33;  grieschelgal 
Pettebs  stoffsamml.  30;  gruselklein  {Salzburg.)  so  klein 
wie  junge  gänschen  zs.  f.  dt.  wortf.  4,  320;  sehr  klein  und 
zart  Unger-Khull  steir.  31li>,  dazu  gruseln,  vb.,  schnat- 
tern: 

was  wollt  ihr  mehr?  der  Streusand  rüselt  {die  zeit  ver- 

und  ob  gleich  bei  dergleichen  art  [geht), 

ein  toller  schedel  altklug  gruselt, 

so  bin  ich  doch  wie  er  verwalirt, 

weil,  wenn  mich  stumme  würmer  reiszen, 

auch  ihn  die  stummen  würmer  beiszen 

GÜNTHER  ged.  (1735)  922. 

vgl.  Schweiz,  gruscheln,  kruscheln  'lallen'  Staldeb 
Schweiz,  id.  1,  486. 

^GRUSEL,  m.,  kies  und  steine  untereinander;  zu  grus, 
graus  {s.d.):  niemand  soll  grüszel  oder  materi  in  die 
Stadtgräben  werfen  quelle  v.  1730  bei  Staub-Tobler  2, 
810;  auch  auf  nd.  baden  in  gruselwerk:  da  etwa  kalk  und 
gruselwerk  begunte  zu  krümeln  im  glockenthurm,  liefen 
alle  leute  zur  kirche  hinaus  Chph,  Schultze  stadt  Oarde- 
legen  {Stendal  1668)  207, 

GRUSELBEERE,  /,,  ribes  grossularia,  Stachelbeere;  s. 
auch  kräuselbeere  teil  5,  2097  und  groszel-,  grosselbeere 
teil  6, 1,  6,  532;  zur  herkunft,  Verbreitung  und  form  vgl.  Jos. 


985 


GRUSELBEERE  -  GRUSELIG 


GRUSELN 


986 


MtJLLER  in  d.  zs.  d.  rhein.  ver.  f.  denkmalpflege  1929,  231 
und  Th.  Frings  Oermania  Bomana  (1932)  148.  auch  als 
aimplex  grusel,  /.,  woneben  zahlreiche  Spielarten  tvie  gru- 
schel(-),  grutschel(-),  grossel(-),  greussel  {s.  d.)  u.a.;  oft  mit 
anlautendem  d-,  neben  den  g-formen,  druschel(-),  dro- 
schel(-)  u.  a.;  mit  inlautendem  -n-,  wohl  von  grün  beein- 
fluszt  grünzel  [s.  d.),  grunsel(-),  grün8cliel(-),  grinschel,  vgl. 
auch  Jos.  Müller  u.  Frings  a.a.O.;  Grassmann  pflan- 
zenn.  95;  Pritzel-Jessen  l,  334.  gebucht  als  groszelbeere 
uva  Spina  bei  Stieler  stammb.  119;  Weismann  lex.  bipart. 
(1698)  2,  169;  grunselbeere  Weber  ökon.  lex.  (1829)  210*. 
lebendig  vor  allem  in  den  rhein.  und  den  angrenzenden  obd. 
UTid  nd.  maa.:  Stachelbeere,  Johannisbeere  rhein.  wb.  2, 
1423^.;  Stachelbeere  Autenrieth  pjälz.  id.  58;  Schön 
Saarbr.  89*;  Kehrein  Nassau  l,  176;  Martin-Lienhart 
1,  283;  Ch.  Schmidt  Straszb.  64^»;  Fischer  schwäb.  3,  887; 
chrüsel  Stachelbeere,  Johannisbeere  Staub-Tobler  3,  862*; 
kronzel  Stachelbeere  Leithäuser  Barm.  87*,  sonst  selten: 
gruseln  Stachelbeeren  {im  lande  ob  der  Enns)  Popowitsch 
557;  grüselbeer  Thurneiszer  von  wassern  (1572)  117;  die 
einfältigsten  zogen  brot  ausz  dem  busen,  fünfpletterklee, 
grüselbeer,  kreutzblumen,  mörzwibel  Fischart  Qarg.  364 
ndr.;  es  kam  ihr  aber  ein  erschrecklich  erbrechen  ahn, 
aber  es  ist  kein  wunder,  sie  hatte  zwey  stundt  ohne  auff- 
hören  in  der  comedie  allerhandt  wüstereyen  gefreszen, 
peche  au  caramel,  kastanien,  patte  von  gruszelbehren 
Elis.-Charlotte  V.  Orleans  briefe  2,  218  Holland;  dazu 
gruszelbeerhecke :  alles  ist  grün  im  feit,  die  roszen  und 
gruszelberghecken  Elis.-Charlotte  v.  Orleans  briefe  4, 
63  Holland;  hierher  auch:  item  mit  dem  eirsten  hamel- 
vleisch  mit  dein  groisselrich  ind  catten,  dairin  hoinre  ge- 
braiden  1454  Köln,  zunfturkdb.  2,  113  Loesch? 

GRUSELEI/.,  von  einem  bild,  das  gruseln  erregt:  hier 
in  diesem  versuche,  zeigt  sich  immer  noch  ein  gewisses 
können;  ein  unerfahrener,  nichtkünstler  hätte  die  gru- 
selei  nicht  zustande  gebracht  G.  Keller  ges.  w.  2,  267.  — 
gruselgefühl,  n.,  gefühl  des  schauderns  Fontane  von 
20  bis  30  (1898)  105.  —  gruselgeschichte,  /.,  Schauer- 
geschichte: sie  erzählten  sich  gruselgeschichten  v.  Omp- 
teda  Sylvester  v.  Oeyer  (1900)  l,  178. 

GRUSELIG,  gruslich,  grüslich,  adj.  u.  adv.;  seit  dem 
15.  jh.  belegte  ableitung  von  gruseln  («.  d.);  vne  dort  ist  eine 
klare  abgrenzung  gegen  graus-,  gräus-  nicht  immer  möglich, 
s.  grauslich,  grauslich,  grauselich;  die  Verbreitung  in  den 
mundarten  entspricht  der  von  gruseln,  'schrecklich,  furcht- 
bar'':  und  das  selbe  swert  was  gestrecket  gein  dem  gruse- 
lichen  volg,  das  der  prophet  etwan  gesehen  hett  E. 
Windeck  denkvMrdigk.  354  Ältmann; 

mit  solchen  grusellchen  Sachen 
verschwindt  uns  aller  schimpf  und  lachen 

J.  Aal  tragödia  Johannis  (1549)  A  3; 

{eine  Verfolgung,  die)  so  gar  grausam,  erschrecklich  gruesz- 
lich  gewesen  H.  Gholtz  leb.  bilder  (1557)  l  1^;  gruszlich 
schreiende  verschwand  J.  Schenck  ein  schöne  chronica 
(1522)  14;  in  Franckreich  worden  die  Lutherischen  grusz- 
lich abgethan  H.  Gholtz  leb.  bilder  a  2.^;  in  meist  mdd. 
vocabularien  des  15.  jh.  als  glosse  zu  terribilis  Diefenbach 
gl.  580^;  sevus  531*=;  severus,  severiter  531^;  crvdelis  159^; 
distortus  187 C;  abhominabilis  2^;  als  Steigerungsadv.:  da 
wart  er  grüsslich  bekümret  Eulenspiegel  84  ndr.;  ander 
fisch,  die  auch  gruszlich  lang  und  schmal  waren  (1509) 
Balthasar  Springer  merfart  b  l*;  noch  heute  mund- 
artlich: grussehg  schöne  Autenrieth  pfälz.  id.  58;  e  grys- 
lig  vurnemen  frau  Hertel  Thür.  109;  gruselig  überaus, 
ungemein  Knothe  Nordböhm.  273,  vgl.  in  dieser  anwen- 
düng  auch  grauslich  und  grausam,  so  wie  heute  schreck- 
lich und  furchtbar. 

wie  grusel,  m.,  wird  auch  gruselig  erst  im  19.  jh.  wieder 
literarisch  im  Zusammenhang  mit  dem  durch  Qrimms  mdr- 
chen  neubelebten  gruseln,  vb.  {s.  d.),  als  ausdruck  der  sub- 
jectiven  empfindung  des  ängstlichen  erschauerns:  den  hab 
ich  untergehen  {und)  ertrinken  sehen;  acht  tage  später 
hab  ich  ihn  helfen  herausziehen ;  {und)  wie  er  da  aussah  — 
hu  —  gruselig!  Holtei  erz.  sehr.  7,  163;  ich  denk  es  mir 


wie  Vineta,  poetisch,  gruselig  Fontane  ges.  w.  I  4,  75; 
ich  habe  ein  biszchen  gruselige  freude,  wenn  ich  daran 
denke  S.  Hensel  fam.  Mendelssohn  2,  66;  ich  sah  den 
mond  so  gruszelich  durch  den  groszen  kastanienbaum 
scheinen  Gutzkow  ritter  v.  geiste  (1850)  2,  74;  hier  kann 
einem  ja  gruslich  werden  Fontane  ges.  sehr.  I  6,  416; 
auf  den  empfindenden  selbst  bezogen:  ihr  macht  einen  völlig 
gruslich  mit  euern  geheimnissen,  euern  ceremonien! 
Bauernfeld  ges.  sehr.  7,  125,  vgl.  gruselig  schreckhaft 
Reinwald  hennebg.  2,  56 ;  grusehg,  grüsehg  'leicht  grauen 
bekommend'  Fischer  schwäb.  3,  886;  gruslert  ängstlich, 
fröstelnd  HÜGEL  Wien.  71.  zu  graseln  frösteln;  Hans  badet 
jetzt  {wo)  das  wasser  gewisz  gruselig  war  Th.  Storm  an  s. 
frau  109.  zu  gruseln  als  ausdruck  für  das  empfinden  eines 
hautreizes  überhaupt:  dies  grüsehche  {der  löschsand  beim 
streuen)  nicht  zum  ertragen  Fb.  Th.  Vischer  auch  einer 
(1879)  2,  168. 

GRUSELN,  vb.,  gruseln,  ein  prickeln,  einen  schauder 
empfinden;  erschauern  vor  kälte,  vor  furcht;  meist  unper- 
sönlich es  gruselt  mich,  mir,  daneben  aux:h  reflexiv,  und, 
besonders  in  älteren  belegen,  intransitiv,  von  physischen 
empfindungen : 

ey  wie  ist  mir  mein  hals  so  rauch, 
und  gruselt  mich  in  meinem  baucht 
das  macht,  ich  bin  heint  drauflF  glegen 

Ayrek  dramen  1,  562  Keller; 

so  bald  nun  {der)  kopff  anfangt  zu  schmertzen,  der  magen 
zu  gruszlen,  und  der  doctor  zu  zweifElen,  {da)  fangt  er  an 
zu  gott  zu  seufEtzen  Abr.  a  s.  Clara  Judas  2  (1689)  191; 
desz  groszen  und  starken  trunck  waszers  gruszlet  mir 
alleweyl  etwas  bei  den  peuschel,  allwo  die  zwo  grosse 
glocken  lungel  und  leber  henken,  herumb  Abele  künstl. 
unordn.  (1669)  3,  80,  vgl.  die  redensart:  kaltes  wasser  gibt 
läuse  im  bauch ;  der  zahn  fängt  an  zu  gruseln,  zu  schmer- 
zen Frischbier  preusz.  l,  253*^;  vom  prickeln  der  haut: 
gruselen /ormicare  cutis  Schönsleder  prompt.  (1618)  e  4^; 
Aler  dict.  (1727)  1,  991^  {das  'ameisenlaufen'  als  krank- 
heitssymptom  vgl.  bei  Höfler  krankheitsnamenb.  207); 
mundartlich  es  gruselt  mir  die  haut  von  frost,  vom  kriechen 
und  krabbeln  eines  kleinen  tierchens  u.  a.  Schmeller-Fr. 
1, 1013;  es  soll  nicht  auszusagen  sein,  was  dieses  grüsseln 
des  {auf  den  nabd  gebundenen)  kefers  für  eine  plage 
Habsdörffer  schaupl.  lust-  und  lehrreicher  gesch.  2, 
171.  vor  allem  von  der  empfindung  der  kälte:  grussein, 
grisseln  schaudern  vor  kälte  {ma.  in  Fallersleben)  From- 
manns zs.  5,  146;  griseln,  gruseln /rösteZ«.  Frischeier  l, 
253*>;  grouselen  eine  gänsehaut  bekommen  Bauer-Collitz 
waldeck,  il^;  wenn  es  einem  über  den  leib  gruselt  Lexer 
kämt.  126,  vgl.  auch  grusler,  m.,  'eine  art  fieberfrosV 
Hügel  Wien.  71.  als  begleiterscheinung  einer  seelischen 
erregung:  ich  zytter  und  grusel  gantz,  so  ich  sie  angesehen 
hon  {tremo  horreoque)  Terenz  deutsch  (1499)  39*;  insb.  das 
blut  gruselt,  öfter  bei  Hans  Sachs: 


ich  zitter  und  grüsselt  mein  blut, 
bald  ich  nur  hört  die  wolgemut, 
dasz  ich  kaum  auf  mein  füssen  steh 


20,  7  lit.  ver.; 


vor  angst  dem  knecht  gruselt  sein  blut 

ders.  2,  288  lit.  ver.; 

dein  red  thut  gleich  mein  hertz  bewegen 
zu  trauren  und  grossem  unmut, 
mir  gruselt  gleich  im  leyb  mein  blut, 
ich  bin  geleich  von  hertzen  schwach 

ders.  15,  81  lit.  ver., 

vgl.  grus'ln  'das  prickeln  des  blutes  zwischen  der  haut,  eine 
unangenehme  empfindung  im  innern  überhaupt"  Castelli 
unter  d.  Enns  153;  das  herz  krüselt  mir  Schmid  schwäb. 
wb.  243;  vgl.  auch  grisseln. 

im  ausgehenden  16.  und  im  17.  jh.  nur  noch  spärlich 
belegt  {s.  oben),  fehlt  gruseln  dem  Schrifttum  des  18.  jh.  an- 
scheinend völlig,  seit  1819  kommt  das  wort  mit  dem  Grimm- 
schen mär  chen  von  dem,  der  auszog  das  fürchten  zu  lernen, 
in  die  literatur  des  19.  jhs.  ebenso  wie  grusel  und  gruselig 
{s.  oben);  nur  vereinzelt  auf  die  rein  sinnliche  empfindung 
des  rieselnden  erschauerns  bezogen:  {als  die  königstochter 
dem  der  auszog  das  fürchten  zu  lernen,  einen  eimer  kalten 


987 


GRUSELN 


GRUSELN -GRUSEN 


988 


Wassers  mit  kleinen,  zappelnden  fischen  über  den  bloszen 
leib  gieszt)  ach,  was  gruselt  mir,  liebe  frau !  ja  nun  weisz 
ich,  was  gruseln  ist  kinder-  u.  hausmärchen  (1819)  l,  25; 
zumeist  ist  die  anwendung  eingeengt  auf  das  erschauern  vor 
furcht  und  angst,  wobei  die  physische  empfindung  als  bedeu- 
tungscomponente  mehr  oder  weniger  sinnkräftig  ist:  (wenn) 
geschichten  erzählt  wurden,  wobei  einem  die  haut  schau- 
dert, so  sprachen  die  zuhörer  manchmal :  'ach,  es  gruselt 
mir!'  kinder-  u.  hausmärchen  (1819)  l,  14;  dasz  dem  lehrer 
s'  hat  gegruselt  den  ganzen  rücken  hinunter  0.  Ludwig 
ges.  sehr.  (1891)  2,  49;  von  einem  geheimen  gruseln  über- 
laufen starrten  sie  nach  ihm  hin  Viebig  d.  schlafende  heer 
(1904)  1,  225;  das  wort  'Justiz'  verursacht  mir  so  ein  hals- 
wehartiges gruseln  Nestroy  ges.  w.  (1890)  3,  135;  die 
Schwestern  gruselten  sich  und  weinten  Ompteda  Sylvester 
V.  Geyer  (1900)  1,  114;  an  langen  Winterabenden,  wenn  die 
weiber  gruseln  wollten,  erzählte  man  sich  geschichten 
RoSEGGER  sehr.  I  3,  330;  mir  gruselts,  wenn  ich  daran 
denke  Bauerneeld  ges.  sehr.  5,  105;  gruselnd  kraut  sie 
(dem  zwerg)  die  borsten  G.  Keller  ges.  w.  (1889)  10,  171; 
mir  hat  schon  lange  vor  dem  gegruselt,  was  heraus- 
kommen wird,  wenn  die  uns  einmal  reinen  wein  ein- 
schenkt über  ihr  häusliches  glück  Ebnek-Eschenbach 
ges.  sehr.  4,  463 ;  brüllaffen  gaben  uns  ein  abendkonzert 
und  thaten  so  fürchterlich,  als  ob  wir  das  gruseln  lernen 
sollten  v.  D.  Steinen  naturvölker  Zentralbrasiliens  (1894) 
48;  mit  näheren  bestimmungen,  die  den  sinn  des  unan- 
genehmen umbiegen:  (sie  guckten)  mit  köstlichem  gruseln 
durch  die  winzigen  fensterscheiben  Ebner-Eschenbach 
ges.  sehr.  6,  212;  ich  möchte  den  büchermacher  kennen, 
den  nicht  ein  wundersames  gruseln  durchschauert,  wenn 
er  (in)  einen  buchladen  tritt  Holtei  erz.  sehr.  39,  39;  ein 
ästhetisches  gruseln  H.  Heine  s.  w.  6,  83  Elster;  das  an- 
genehme gruseln  A.  Schnitzler  d.  grüne  kakadu  (1899) 
169.  in  fester  Verbindung  jemanden  gruseln  machen:  gru- 
seln kann  und  soll  den  leser  diese  frostige  allegorie  nicht 
machen  jahrb.  d.  Grillparzerges.  9,  5; 

(die   Troer)   welche  du  gruseln   gemacht  wie  der  löwe  die 
meckernden  ziegen         W.  Jordan  Ilias  (1892)  233. 

in  den  maa.  ist  die  bedeutung  ^schaudern  vor  furchV  sehr 
verbreitet,  so  grüsln  schaudern  bei  Lexer  kämt.  wb.  126; 
gruseln  schaudern,  kalt  überlaufen  XJnger-Khtjll  steir. 
311^5;  ^\x&G\n  fröstelnd,  beängstigt  sein  Hügel  Wien.  dial. 
71;  gruseln  schaudern  Schmeller-Fr.  1,  1613;  Knothe 
schles.  ma.  in  Nordböhmen  273;  gruseln  grausen  mit  dem 
nebensinn  des  fröstelns  Müller-Fraureuth  obarsächs.- 
erzgeb.  1,  447^;  gruseln  leise  schaudern  Hertel  Thür.  109; 
gruseln  vor  angst  schaudern  Damköhler  Nordharz.  66^; 
gruselen,  es  gruselt  mir  Fischer  schwäb.  3,  886;  gruseln 
Mabtin-Lienhart  elsäss.  l,  283;  gruselen,  gruselen 
Staub-Tobler  2,  808;  gruseln  grausen,  ekeln  Sartobius 
Würzburg.  51;  gruseln  neben  grisseln,  grieseln  Kehrein 
Nass.  1,  175;  rhein.  wb.  2,  1444;  1470;  grussein  schwach 
schaudern  Woeste  westfäl.  86**;  gruseln  leise  schaudern, 
frösteln  vor  kälte  oder  vor  furcht  Schambach  Qöttingen  70^; 
gruseln  neben  griseln  Doornkaat-Koolman  ostfries.  1, 
703^;  gruseln,  gruseln  (neben  griseln,  griseln)  grausend 
schaudern,  frösteln  Frischeier  preusz.  1,  253^;  selten  in 
Schleswig -Holstein  Mensing  2,  502. 

unsicher  in  Zugehörigkeit  und  bedeutung  ist  eine  reihe 
mundartlicher  belege:  gruseln  jemand  zum  zorn  reizen,  er- 
schüttern Lobitza  id.  vienn.  55*'; 

diende  (dirndel)  gea  sag  mer, 
wie  stellst  es  denn  an, 
dasz  d'  lieb  aus  dein  äuglan 
sou  gruselen  kann? 

bei  Lexee  kämt.  wb.  126; 

gruseln  vom  auerhahn,  gewisse  locktöne  ausstoszen: 

das  hahnl  das  gruselt  sehen, 

das  hendl  soll  zuwi  gehn 

wildschützerUied  bei   Unger-Khull  steir.  311''; 

ach  seht  sein  schönes  kleines  maul! 
das  gruselt  wie  ein  ackergaul 
(Thisbe  über  Pyramus  in  der  liebesszene) 

A.  Gryphius  lustsp.  35  Palm  (Peter  Squenz). 


die  Verbreitung  in  den  sonst  diphthongierenden  dialekt- 
gebieten verlangt  als  grundlage  eisten  stamm  grüs-,  neben 
dem  mit  langem  wurzelvocal  grüs-  steht,  hauptsächlich  ver- 
treten durch  grausen,  graus  und  das  bedeutungsparallele 
gräuseln  (s.  d.).  —  neben  grus-  steht  eine  bedeutungsgleiche 
Wurzel  gris-,  ebenfalls  mit  länge  und  kürze,  vgl.  Falk-Tobp 
et.  wb.  356  und  s.  v.  grieseln  und  griseln,  greislich  und 
greisemlich. 

GRUSELN,  vb.,  schnattern,  s.  ''grusel. 

GRUSELNACHT,  /..•  nicht  einmal  eine  regelrechte 
gruselnacht  (steht)  uns  bevor  Fontane  ges.  w.  I  4,  351.  — 
gruselstück,  /.,  schauerstück: 

ein  kriminalroman,  gekürzt 

zum  lach-  und  gruselstück,  gewürzt 

mit  hasz  und  liebelzoten 

W.  Jordan  im  talar  u.  hämisch  91. 

GRUSEM,  subst.,  'harter,  gekörnter,  gestandener  oder  ge- 
ronnener honig^  Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  214:  wenn 
auf  eine  gehnde  Witterung  plötzlich  eine  sehr  kalte  folgt, 
so  körnt  (sich)  das  honig  in  den  bienenkörben.  von  der- 
gleichen (körnigem)  geronnenem  honig  oder  grusem  (ist 
bereits)  erwähnung  geschehen  Krünitz  4,  730;  vgl.  gru- 
sam,  grusem,  grussem  'körnig,  bes.  vom  schnee^  Statjb- 
Tobler  2,  810. 

1  GRUSEN,  i;6. 

1)  zu  gruse  2  pflanzensaft,  'den  soft  aus  pflanzen  aus- 
pressen\  'durch  zerquetschen,  stampfen,  zerreiben  eine 
breiige  masse  herstellen",  woraus  die  im  nd.  erkennbare  an- 
lehnung  an  grus  (s,  gruse  sp.  982)  verständlich  wird;  seit 
dem  15.  jh.  bezeugt:  auch  sunderlich  widder  der  leber  hitze 
mag  man  grüsen  das  krut  und  ufbynden  Petrus  de  Cres- 
centiis  (Speyer  o.j.)  110^  (valet  ipsa  herba  contrita);  de 
schal  grosen  weghebreden  unde  huslok  Oothaer  arznei- 
buch  nach  Schiller-Lübben  2,  154;  schwarz  gegrüset  und 
gednmken  mit  wein  (v.  j.  1485)  nach  Fischer  schwäb.  3, 
886;  so  in  nd.  maa.:  grüsen  aus  kräutern  den  saft  aus- 
pressen Schambach  Göttingen  70'i;  grausen  Woeste- 
NÖRR.  westfäl.  84^;  greosen  'durch  reiben,  stampfen  saft 
aus  pflanzentheilen  bringen'  (lippisch)  Fro'mmanns  zeitschr. 
6,  210;  uutgrosen  saft  aus  den  gewachsen  pressen  oder 
ausziehen  lassen  brem.  wb.  2,  549  (in  Stade);  hierzu  wohl: 
grösen  grünes  essen  und  kauen  Doornkaat-K.  ostfries.  1, 
696^,  vgl.  auch  rhein.  wb.  2, 1470;  in  formalem  anschlusz  an 
grüsen  'zerkleinern"  (s.  u.  ^grüsen):  grüsen  contundere, 
tcrere  in  sua  liquore  Schottel  haubtspr,  1331 ;  dieses  krauts 
nimpt  man  zwei  oder  drei  handt  voll,  grüset  das  Burck- 
haüd  Mithobius  seuche  d.  pestilentz  (1552)  p  4»;  etwas 
anders  'zu  saft,  pflanzenbrei  loerden':  nym  rughelen  ene 
hant  vul  unde  stot  yt,  dat  yt  grose  Gothaer  arzneib.  bei 
Schiller-Lübben  2, 154,  vgl.  grasen  in  seinem  safft  sein, 
gestoszen  Henisch  1770. 

2)  zu  gruse  1  im  schwäbischen:  grasen  'die  gipfel  des 
zu  mosten  kornes  (dinkels)  im  frühjahr  beschneiden" 
Fischer  3,  886. 

^GRUSEN,  grüsen,  vb.,  von  grus,  m.,  abgeleitet,  'zu  grus 
machen  (oder  werden),  zerbröckeln,  zermalmen',  vgl.  nl. 
gruizen  nl.  wb.  5,  1173;  gruysen  redigere  in  rudus  Kilian 
etym.  (1605)  164^,  ähnlich  bei  Henisch  1760:  grüsen,  zu- 
grüsen  conterere,  comminuere,  vgl.  A.  Helvigitjs  orig.  dict. 
germ.  (1620)  147;  gegrüset,  gestam-pit  farreum,  farreatio 
Henisch  a.a.O.;  grasen,  grüsen  zermalmen,  in  schutt  ver- 
wandeln Fulda  idiot.  142,  wohl  aus  dem  nd.  geschöpft,  vgl, 
grüsen  zermalmen  brem.  wb.  2,  554,  ebenso  Vollbeding 
plattd.  28;  grasen  reibend  und  knirschend  zerkleinern  ten 
Doornkaat-Koolman  ostfries.  1,  703;  grüsen,  danken 
grüsen  zu  grus  machen  oder  werden  Mensing  schlesw.-holst. 
2,  504  u.  503;  grasen  Danneil  altmärk.  71;  grüsen  sich  in 
grus  auflösen,  zerbröckeln  Frischbier  1,  268 ;  aus  der  Ver- 
mischung mit  ^grüsen  in  Zeugnissen  des  16./17.  jhs.  ist  sein 
Vorhandensein  bereits  für  das  ältere  nd.  zu  folgern,  was  die 
Schiller-Lübben  5, 564  aufgeführten  belege  der  Zusammen- 
setzung togrusen  'zerkleinern'  bestätigen,  vgl.  auch  zer- 
grusen;  schwed.  grusa  ist  dagegen  nicht  vor  dem  18,  jh.  be- 
legt, vgl.  schwed.  wb.  10, 1066. 


989 


GRUSENER  — GRUSZ  A 


GRUSZ  B  1 


990 


GRUSENER,  subst.,  teil  der  rüstung,   s.  gräusenier. 

GRÜSER,  m.,  attch  grusel,  grüsel,  grül,  die  doppel- 
schnepfe,  brachvogel,  numenius,  scolopax  arcuata,  vor  allem 
im  Schwab,  u.  Schweiz.  Fischer  3,  886;  Statjb-Tobler 
2,  812;  numenius  arquata  gruser  J.  A.  Naumann  natur- 
gesch.  d.  vögel  8,  478;  der  schnabel  (der  doppelschnepfe) 
gekrümmt,  die  füsze  graublau;  {man)  nennt  sie  grüsel, 
grüel  G.  L.  Hartmann  vers.  e.  beschreibung  d.  Bodensees 
(1808)  111,  vgl.  auch  halbgrüel /ttr  die  'regenschnepfe"  bei 
Brehm  tierl.  6,  15  P.-L. 

^GRUSIG,  grusicht,  adj.,  zu  grase  2  und  l,  doch  ohne 
dasz  im  adj.  beide  ausgarogsbedeutungen  zu  trennen  sind: 
grusig,  safftig,  gestampfft,  zustoszen,  gestoszen  succulen- 
tus,  contritus  Henisch  1770;  grusig  succulentus,  contritus 
ScHOTTEL  haubtspr.  1331;  grusig  mit  grünem  safte  ver- 
sehen Vilmar  kurhess.  139;  grösig  grün,  frisch,  saftig  TEN 
DooRNKAAT-KooLMAN  ostfries.  1,  697;  tnd.  und  besonders 
nd.  im  sinne  'nach  herbem  grünem  soft  schmeckend,  unreif 
schmeckend' ,  vgl.  Vilmar  a.  a.  o.;  grusig  was  nach  gras 
schmeckt  Frisch  teutsch-lat.  l,  380**;  der  braune  kohl 
schmeckt  grusicht  Adelung  2,  840;  der  taback  .  .  .  be- 
stehet aus  langen  .  .  .  blättern  eines  scharffen  geschmacks 
und  grusicht  schlafEbringenden  geruchs  Hohberg  georg. 
cur.  3,  2,  503;  grosig  grasig,  grün,  unreif  brem.  wb.  2,  549; 
grosig  unschmackhaft  Mensing  2,  493,  daneben  auch  grusig 
unreif,  sauer  ebda  504 ;  grusig,  grosig  wie  gras  schmeckend, 
herbe  wie  unreifes  obst  Danneil  altmärk.  71'';  grösig  un- 
reif, roh,  herbe  ten  Doornkaat-Koolman  ostfries.  1,  697. 

^GRUSIG,  adj.,  von  grus,  m.,  abgeleitet;  vom  thee,  der 
mehr  theestaub  als  blätter  enthält  Schütze  holstein.  id.  2,  78; 
grusig  vom  kartoffelacker,  vom  honig  {'körnig')  Mensing  2, 
504,  vgl.  gröselig  in  staub  zerfallend,  bröckelig  Schambach 
Göttingen  69''  und  grusicht  farreus,  contusus,  contritus 
Stieler  stammb.  712. 

GRUSLING,  m.,  quarz  mit  feldspat  Nemnich  l,  214: 
unter  die  quarzwacken  bringt  er:  grusling,  granitling 
allg.  deutsche  bibl.  anhang  z.  bd.  25-36,  1195. 

GRUSZ,  m.,  salutatio. 

grusz  ist  erst  in  mhd.  zeit  aus  dem  vb.  grüezen  entunckelt, 
mhd.  graoz  st.  m.,  md.  grüz,  gröz  Lexer  1,  1105;  mnd. 
gröt,  grüt  Schiller-Lübben  2,  155 ;  mtidl.  groet  Verwijs- 
Verdam  2,  2158;  ndl.  groet  woordenboek  5,  865;  afries. 
gret  RiCHTHOFEN  785.  über  die  etymologie  vgl.  grüszen. 
daneben  steht  ein  st.  u.  schw.  fem.,  das  dem  obd.  fehlt  und 
auch  auf  dem  übrigen  Sprachgebiete  nur  spärlich  bezeugt  ist, 
s.  niederrhein.  Marienlieder  z.f.  d.  altert.  10,  72,  1;  73,  27; 
Heinrich  v.  Hesler  apokalypse  214H  Helm,  weitere, 
jedoch  weniger  sichere  belege  Lexer  1,  1106.  vgl.  mnd. 
grote  fem.,  mnl.  groete,  gruete,  nl.  groete. 

A.  grusz  ohne  jeden  freundlichen  beisinn,  meist  als  feind- 
liches entgegenkommen,  angriff,  anfechtung,  anklage,  in 
diesem  sinne  nhd.  nur  selten,  bei  den  jüngeren  belegen  ist 
es  unsicher,  ob  die  alte  bedeutung  erhalten,  literarisch  wieder 
aufgenommen  oder  ironisch  aus  der  positiv-freundlichen 
bedeutung  gewonnen  ist.  anknüpfend  an  die  bedeutung 
grüszen  'reizen',  'antreiben' : 

wierz  ors  üzem  walap 

mit  sporen  gruozes  pine  . . . 

üf  den  poinder  solde  wenken 

WOLFEAM  Parz.  174, 1; 

vorne  speldet  her  {der  stier)  den  vuz 
durch  des  scharfen  tribers  gruz 

Heinrich  v.  Hesler  apokalypse  8452  Hdm; 

vielleicht  auch  noch  nachklingend  als  'auftragt,  'befehV  in: 
lehrte  ihr  gleichen  sprach  und  grusz :  'hüpfe  kleine  grille, 
über  das  gebirge  zu  Ratibor,  dem  fürsten  des  landes, 
und  zirpe  ihm  ins  ohr,  die  getreue  Emma  begehre  ent- 
ledigung ihrer  banden  durch  seinen  starken  arm'  MusÄus 
volksm.  1,  15  H.; 

nach  gar  vielen  kehr-  und  wenden 
war  doch  endlich  diesz  der  schlusz, 

einen  boten  ihm  zu  senden, 
der  ihm  bringe  diesen  grus, 

dasz  er  solt  zu  hofe  kommen 

Reinicke  luchs  (1650)  52. 


als  'auff orderung  zum  kämpf  oder  auch  'kämpf: 

dö  vor  her  an  ir  möte 
ind  gaf  in  solhe  gröte, 
dat  ir  manich  söchte  den  sant 

Beethold  v.  Holle  Crane  1592  Barttch; 

si  begunden  so  herten  gruoz 
einander  beide  bieten, 
daz  si  die  sclülte  schrieten, 
unz  si  der  blöz  wurden  gar 

Stricker  Karl  11564  Bartsch; 

da  was  ein  kämpf  zu  Furt  .  .  .  zum  ersten  gras  do  {stach 
der)  burger  einer  den  andern  zu  tot  städtechron.  2,  9;  das 
geschwader  {hat)  diesen  ersten  und  ernstlichen  grusz  {an- 
griß) angehöret  Reütter  v.  Speir  kriegsordn.  89.  weniger 
sicher  erscheinen:  das  sind  märmer,  die  .  .  .  mit  dem  ersten 
grusz  ihm  den  grosdank  für  den  zweiten  ersparen  {gemeint 
ist  todesstosz)  Schiller  3,  31  Q.;  umgeben  von  tromm- 
lern  .  .  .  und  anderen  musikanten,  giebt  er  mit  einem 
ungeheuren  tusch  dem  feinde  auf  den  höhen  gegenüber 
den  ersten  grusz  H.  Grimm  Michelangelo  (1890)  2,  81; 

da  woUn  ■wir  steine  sammeln,  für  unsre  hand  gerecht, 
mit  hartem  grusz  zu  grüszen  den  ersten  feigen  knecht 

W.  MÜlLBB  ged.  185  Hatfield. 

als  'peinliche  klage*,  s.  grüszen  Alb  und  afries.  gret  'klage' : 

wand  er  die  engestlichen  trite 
vor  den  hohen  richter  muz, 
da  im  wol  gibet  herten  gruz, 
waz  er  ubels  uf  im  weiz 

passiondl  213,  44  Köpke; 

hat  der  velscher  boten  gehabt  zu  dem  gruze,  di  mac  man 
manen,  als  recht  ist  Freiberger  stadtrecht  {anfang  d.  li.jhs.) 
im  urkundenb.  v.  Freiberg  3,  47;  vgl.  ebda  92;  102;  112;  mit 
synonymen  {s.  deutsches  rechtswb.  1,  733) :  gestet  he  aber 
an  der  anspräche  unde  an  dem  gruze  73.  kemplicher 
gruz  {s.  grüszen  Alba):  unde  daz  sal  he  teidingen,  ee 
he  boten  bite  zu  dem  kemplichen  gruze  86.  vgl.  auch 
diebsgrusz  teil  2,  1095. 

als  'unglücksschlag',  auch  'noV,  'leid': 

got  in  ergazte  maneger  gröze  genesis  105,  3  Diemer; 

bedenche  mlne  wenicheit, 

la  dir  minen  gröz  wesen  leit  ebda  64, 1; 

leides  gruz  21, 16;  71, 13.  in  solch  genitivischer  Verbindung 
hielt  sich  die  Verwendung  bis  ins  spätmhd.: 

wand  Ich  von  ungemaches  gruz 
grobelichen  sufzen  muz 

passional  199,  21  Köpke; 

seit  das  der  diebe  dez  todes  grüz 
umb  einen  kelich  leiden  mäz 

kleinere  mhd.  erz.  19, 11  Leitzmann, 

diese  Verbindung  öfter,  vgl.  ebda  26,  137;  kl.  mhd.  erz.  Xll, 
26  Rosenhagen; 

ez  Ist  ein  ungelückes  gruoz, 

der  gät  für  aller  hande  swsere, 

daz  ich  von  friunden  scheiden  muoz 

Haetmann  V.  Aue  minnesangs  irühling  214,  23. 

B.  grusz  als  freundliches  entgegenkommen  ohne  den  feind- 
seligen beisinn:  salutatio  Maaler  194^';  salutatio,  salus 
Stieler  713;  salutatio  Haltaxjs  757;  grus,  glückwün- 
schung  Salus,  salulatio  Henisch  1770, 

1)  als  allgemeine  höflichkeitsbezeugung  beim  zusammen- 
kommen, vorübergehen,  abschied,  der  grusz  kann  auf  grund 
einer  formelhaften  oder  individuellen  redeweise,  meist  einer 
heiluMnschung,  mit  hilfe  einer  geste  oder  bewegung,  durch 
Übersendung  eines  briefes  oder  geschenkes  oder  durch  ver- 
mittelung  dritter  geschehen. 

a)  allgemein,  es  unrd  nicht  ausgedrückt,  auf  welche  art 
der  grusz  geboten  unrd: 

daz  siniu  chint  und  ir  bam 
an  gruz  von  im  wseren  gevam 

genesis  61, 19  Diemer, 

weitere  belege  mhd.  wb.  1,  582,  auch  im  weiteren  sinne  von 
'empfang' : 

des  gruozes  si  dö  dancten      den  recken  über  al 

Nibelungenlied  1125, 1; 


991 


GRUSZ  B  1 


GRUSZ  B  1 


992 


ebenso  'gunaV,  'huld\  vgl.  unten  die  formein  grusz  und  huld, 
grusz  und  gunst: 

Ich  Bihe  wol,  daz  man  herren  guot  und  wibes  gruoz 
gewaltecllch  und  ungezogenllch  erwerben  muoz 

WALTHKE  V.  D.  VOGELWEIDE  32,  9; 

ich  pünd  mich  in  der  maid  grüsz, 
der  rainen  chäuschen  himelporten 
Konrad  v.  Megenbekq  deutsche  sphära  3,  50  Matthäi; 

we  mir,  wie  sol  mir  gesehen, 
80  ich  von  got  scheiden  muzl 
ich  ban  verlorn  sinen  gruz 

kleinere  mhd.  erz.  6,  264  Rosenhagen, 

daher  die  verbalen  Verbindungen:  eines  gruoz  erwerben, 
gewinnen,  s.  mhd.  wb.  1,  682.  in  nachmM.  zeit  ist  dieser 
besondere  gebrauch  nicht  mehr  bezeugt:  si  habent  lieb  die 
ersten  rue  in  den  abentessen  und  die  ersten  stull  in  den 
sjTiagogen  und  die  grusz  an  dem  marckt  und  ze  werden 
gerüffen  von  den  menschen  maister  erste  deutsche  bibei  1, 
87  lit.  ver.;  die  frauen  gewenen  die  liebhaber  mit  griiszen 
und  hübschen  worten  Albr.  v.  Eyb  Spiegel  d.  sitten  t  \^; 
(Pampinea)  mit  frölichem  angesicht  iren  grusze  gab 
Abigo  decamerone  12,  38  Keller; 

wer  dir  begegnet  aufif  der  Strassen, 
den  Boiltu  für  sich  ziehen  lassen, 
unangeredt,  on  grüsz,  on  bscheidt, 
on  alle  zucht  und  freundtlichkeit 

Scheit   Qrobianus  1169  ndr.; 

vom  ritter  (den  er  lies  im  walde  da  zu  fus) 
er  {Rinaldo)  keinen  abschied  nam  und  bot  ihm  keinen  grusz 
DiETEiOH  V.  D.  Werdke  ras.  Roland  ges.  2,  str.  19; 

ihr  grusz  war  ohne  falsch  Schwabe  belustig,  l,  487;  was 
ist  seliger,  .  . .  als  der  frohe  grusz  des  manns,  dem  wir 
gutes  gethan  Geszneb  1,  132;  wenn  dir  an  dem  grusz 
eines  kleinen  knaben  etwas  gelegen  ist  Meiszneb  Alci- 
biades  1,  21;  menschen,  die  ...  an  ihm  mit  einem  grusze 
vorbeigingen  Göthe  21, 136  W.; 

erröthend  folgt  er  ihren  spuren 
und  ist  von  ihrem  grusz  beglückt 

Schiller  11,  307  Oödeke; 

doch  ich  weisz  noch,  dasz  ich  mit  erbitterung  aufstand, 
als  von  allen  meinen  vorübergehenden  bekannten  keiner 
mich  nur  eines  gruszes  gewürdigt  hatte  ebda  4,  69; 

voll  gedanken,  wenig  achtend 
auf  des  Volkes  grusze,  das  schon  damals 
nach  dem  edlen  knaben  staunend  blickte, 
folgte  Carl  Ulr.  Hkgnkr  ges.  sehr.  5, 174 ; 

er  ging  ergrimmt  und  ohne  grusz  davon 

Geibel  w.  6,  38; 

wie  er  nun  aber  mehrere  tage  nichts  von  sich  hören  liesz, 
und  endlich,  als  sie  allein  mit  ihm  zusammentraf,  auch 
nur  mit  gewöhnlichem  grusz  an  ihr  vorüberging  Melch. 
Mbyb  erzähl,  aus  dem  Ries  1,  48; 

wir  ziehn  euch  demuthsvoll  entgegen 
mit  blödem  grusz  und  frommer  scheu 

A.  V.  Droste-Hülshoff  2,  236. 

b)  der  grusz  besteht  in  einer  geste,  einer  gebräuchlichen 
bewegung  vne  nicken,  hutabziehen,  handbewegung ,  handhusz 
usw.:  baise-main  handkusz,  grusz  Wächtleb  (1714)  51; 

...  er  beut  uns  seinen  kusz. 
o  unverhoffte  wonnl  o  seelerquickend  grusz  1 
\  Geyphius  trauersp.  128  Palm; 

sieh,  der  knabe  reicht  dir  die  hand  zum  grusz  Klingeb 
neues  theater  1,  9;  ein  grusz  von  Philinen,  den  sie  ihm 
aus  ihrem  fenster  zuwinkte,  versetzte  ihn  ...  in  einen 
heitern  zustand  Göthe  21,  201  W.; 

er  kommt  mit  peitsch  und  sporen, 
nikt  freundlich  jedem  seinen  grusz 

Schiller  l,  256  Oödeke; 

der  mann  . . .  nickte  mir  seinen  grusz  zu  Pfeffel  pros. 
vers.  5,  10;  ironisch:  wohlgezogen  reckt  er  zum  grusze 
gegen  den  vater  die  zunge  maleb  Müller  1, 152;  die 
dankbaren  grusze,  die  mir  Franziska  häufig  empomickte, 
brachten  mich  nach  und  nach  mit  den  eitern  auch  auf 
den  grüszfusz  Holtei  erz.  sehr.  1,  39;  das  glück  .  . .  trat 
. . .    herein,    beide    bände    .  . .    zum    grusz    darbietend 


W.  Raabe  hungerpastor  (1864)  1,  6;  so  ziehen  wir  den  hut 
zum  grusze  auf  der  strasze  Peschel  Völkerkunde  75;  der 
grusz  besteht  in  tiefem  bücken  Ratzel  Völkerkunde  2,  200 ; 
der  alte  Wurten  zog  die  mutze  tief  zum  grusze  v.  Polenz 
Qrabenhäger  1,  121.  über  die  sitte  des  schiffsgruszes  s. 
Kluge  seemannsspr.  330. 

c)  der  grusz  besteht  in  Übersendung  eines  briefes  oder 
Überreichung  eines  geschenkes.  grusz  gewinnt  die  bedeuiung 
brief,  brieflicher  ausdruck  des  gedenkens,  der  anteilnahme, 
Verbundenheit:  dasz  fräulein  Ulrike  sich  beschwert,  von 
dir  seit  langer  zeit  keinen  grusz  vernommen  zu  haben 
GÖTHB  34,130  W.;  es  kann  auch  grusz  durch  Vermittlung 
einer  dritten  person  (s.  u.  e)  bedeuten:  der  letzte  hat  neu- 
lich meinem  vater  geschrieben,  um  sich  nach  meinem 
bruder  zu  erkvmdigen  .  .  .,  dem  er  immer  so  viel  grusze 
nach  Amerika  schickte  Caroline  l,  8  Waitz; 

gib  nachricht  jeden  tag  zu  jeder  stunde; 
schon  die  minut  enthält  der  tage  viel.  — 
leb  wohll  kein  mittel  lasz  ich  aus  den  händen, 
um  dir,  du  liebe,  meinen  grusz  zu  senden 

Shakespeare  1,  115. 

grusz  und  brief  erscheinen  in  formelhafter  Verbindung: 
grüsz  oder  brief  entpfahen  Scheit  Orobiun.  3  ndr.; 

weil  du  weder  brief  noch  grusz  deiner  liebsten  schickest  ein? 
Chr.  Kkuter  Schelmuffsky  44  vollst,  ausg.; 

nein,  laszt  euch  an  der  gunst  der  kleinen  zahl, 
der  euch  ein  brieflf,  ein  grusz,  von  mir  empfahl 
(die,  achl  stets  kleiner  wird!)  genügen 

J.  A.  Ebert  episteln  u.  verm.  ged.  (1789)  6. 

im  schwäbischen  und  schweizerischen  ist  grusz  auch  in  der 
bedeutung  ^geschenk'  zu  belegen:  grüezli  kleines  geschenk, 
welches  als  grusz  übersandt  wird  Staub-Tobleb  2,  812, 
vgl.  da  bring  ich  dir  e  grüszle  mit  ein  kleines  geschenk 
FisCHEB  Schwab.  3,  887.  die  kinder  haben  grusze,  gefärbtes 
papier,  in  den  büchern  als  buchzeichen  ebda. 

d)  der  grusz  ist  eine  anrede,  bestehend  in  einer  formel. 

a)  die  worte  des  gruszes  sind  nicht  genannt: 

dö  enwart  d4  niht  gesprochen 

wan  gruoz  gegen  gruoze  gute  frau  1813; 

derohalben  konte  ich  nicht  vorbei  gehen,  ohne  ihm  mit 
einem  freundlichen  grusz  zuzusprechen  Gbimmelshausen 

4,  620  Keller;  läszt  sich  ein  könig  mit  worten  abspeisen? 
komm!  dein  fleisch  wird  süszer  seyn  als  dein  grusz 
{spricht  der  löwe  zum  widder)  Lessing  8,  57  L.-M.;  aber 
kaum  sah  er  den  teufel  schärfer  an,  als  er  von  seinem 
gesiebte  so  begeistert  wurde,  dasz  er  alle  worte  des  gruszes 
vergasz  Klingeb  3,  172; 

sende  all  die  kronenbinder, 
jene  blumen  einzusammeln,  . . . 
deren  namen  dankespsalmen, 
süsze  grusze,  Wohlgefallen, 
wie  unschuldge  kinder  lallen 

Brentano  5,  216; 

und  der  grusz  der  frommen  lippe 
fluch  scheint  in  dem  fremden  ohr 

Geillparzer  7, 119  Sauer; 

er  bot  mit  seiner  sonoren,  wohlklingenden  stimme  freund- 
lichen grusz  Immebmann  l,  146  Bozb.;  von  den  blühenden 
Ortschaften  an  den  weithin  sich  ziehenden  ufern  rechts 
und  links  schallten  grusze  und  winkten  fahnen  herüber, 
und  mit  stolz  wies  man  den  gasten  das  wohlbekannte 
land,  die  reichen  Wohnsitze  und  Ortschaften  G.  Keller 

5,  256;  das  flachsfeld  . .  .  lag  kaum  weiter,  als  man  einen 
grusz  rufen  kann,  vom  wege  ab  Sohnbey  im  grünen  klee 
211.  auf  bestimmte  gruszformeln  weisen  hin:  sie  {die 
meisten  menschen)  sind  wie  jener  rabe,  der  den  grusz  an 
den  kayser  so  fertig  aussprechen  kunte,  aber  selbst  nicht 
wüste,  was  er  sagte  die  vernünft.  tadl.  (1725)  1,  13;  spricht 
Persius,  wer  hat  underwisen  den  sittich  sinen  grüsz 
Riedebeb  spieg.  d.  wahren  rhet.  (1493)  m  2^.  unter  Voraus- 
setzung der  kenntnis  der  jeweiligen  gruszformel  wird  vom 
üblichen,  gebührlichen,  angemessenen  grusz  gesprochen: 
der  älteste  (der  gesandtschaft)  sprach  den  üblichen  grusz, 
hernach  trat  Authari  selbst  vor  Gbimm  deutsche  sagen 
(1891)  2,  30;  und  thät  nach  zuentbietung  des  gebürlichen 


993 


GRUSZ  B  1 


GRUSZ  B  2 


994 


gruBz  meine  Werbung  Schweinichen  denkvMrd.  160  Ö.; 
nachdem  er  einen  angemessenen  grusz  vorausgeschickt, 
li  esz  der  gesandte  sich  also  vernehmen  Moltke  gea.  sehr, 
u.  denkw.  l,  59. 

ß)  es  wird  eine  formelhafte  Wendung  genannt: 

ad)  allgemein  üblicher  art: 

*8it  willekomen,  hör  wirf,  dem  gruoze  muoz  ich  swlgen: 
'slt  willelcomen,  hör  gast',  so  muoz  ich  sprechen  oder  nlgen 

WALTHKR  V.  D.  VOGELWEIDE  31,  23; 

nun  willkommen  im  deutschen  vaterlande,  Emil!  da  sie 
mir  diesen  freundlichen  grusz  nicht  bringen,  so  musz  ich 
ihn  zuerst  aussprechen  Holtei  erz.schr.  3,130;  'guten 
tag,  herr  förster',  wiederholte  .  .  .  frau  Böhmer  den  . .  . 
grusz  auch  ihrerseits  Fontane  I  6, 14;  vgl.  I  5,  2Z\.  fremd- 
sprachlich: signor  Romeo,  bon  jour!  da  habt  ihr  einen 
französischen  grusz  für  eure  französischen  pumphosen 
Shakespeare  1,  69,  vgl.:  wohl  verstanden:  ein  altdeutscher 
grusz  hat  bei  mir  mehr  zu  bedeuten  als  eine  ganz  ge- 
horsamste empfehlung  Schfbakt  briefe  l,  101.  dem  gott 
grüsze  dich,  grüsz  gott  entsprechend  ist  die  gruszformd 
gott  zum  grusz  in  wort  und  brief,  aber  auch  beim  abschied 
oder  am  briefschlusz  gebräuchlich:  gott  zum  gruesz! 
Schwabe  tintenfäszl  (1745)  ASii;  gott  zum  grusz,  herr 
Redlich,  ich  bringe  gute  nachrichten  Bätjeele  kom. 
theater  2,  48;  gott  zum  grusz,  mein  söhn  Andreas  A.  v. 
Kotzebue  sämmtl.  dram.  werke  18,  9; 

fahr  hin,  fahr  Iiin  nun  falle  und  Jagd, 
und  gott  zum  grusze,  vielschöne  magdl 

Stkachwitz  ged.(lS50)  68; 

gott  zum  grusz,  bruder  Ulrich,  das  ist  schön,  dasz  du 
auch  da  bist  Holtet  erz.  sehr.  7, 12;  adieu  imd  gott  zum 
grusz  PÜCKLEB  brief  w.  u.  tageb.  6, 126;  gott  zum  grusz, 
gnädige  gräfin!  Gbillpabzeb  11,  44  Sauer;  gott  zum 
grusz  0.  Ludwig  2,  ll,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  886.    vgl.: 

mit  gott  und  grusz  sei  hier  empfahn, 
dann  wird  der  teufel  dir  nit  nahn 

türimchriit,  Fischer  schwäb.  3,  886; 

{enget:)  Maria  syst  gegrüezt  von  gottl 
du,  die  der  herr  begnadet  hott. 
(Maria:)  was  gruez  ist  das? 

FUNKEliiN  (1553)  bei  Staub-TOBLBE  2,  812. 

die  heute  gewöhnlich  an  das  ende  des  brief  es  geselle  grusz- 
formet  des  absenders  an  den  empfänger  wurde  in  älterer 
zeit  in  ardehnung  an  den  lat.  gebrauch  allgemein  zu  beginn 
des  briefes  geboten,  vgl.  das  ist  der  grus,  wie  man  pflegt 
vom  an  die  brieff  zu  schreiben  Luther  14,  15  W.:  Clau- 
dius Lisias  sendet  den  grusz  Felix,  dem  bessten  lichter 
{ Cl.  L.  optimo  praesidi  Felici  salutem)  erste  deutsche  bibd 
2,  387,  35  lit.  ver.;  an  den  Bock  zu  Leyptzck  doctor  Mar- 
tinus  Luther,  dem  Bock  zu  Leiptzck  meinen  grusz 
Luther  7,  262  W.;  dem  strengen  imd  ernvesten  her  Se- 
bastian vom  Rotenhan  ritter,  meinnen  lieben  Schwager, 
entbeut  ich  Ulrich  von  Hütten  .  . .  meinen  freüntlichen 
grüsz  Hütten  opera  l,  323  Böcking;  Theophrastus  mei- 
ster  Leoni  . . .  sein  grusz  Pabacelsus  opera  bücher  u. 
sehr.  (1616)  2,  637. 

ßß)  besondere,  in  bestimmten  kreisen  gebräuchliche  grusz- 
formeln.  die  handwerker  haben  ihre  eigene  gruszformel, 
vgl.:  bey  den  handwerkem  ist  die  gebung  und  bringung 
des  gruszes,  wozu  jedes  handwerk  seine  eigene  formein 
hat,  ein  sehr  wichtiges  stück,  indem  keiner  von  einem 
orte  weggehen  und  bey  einer  Innung  fortkommen  konnte, 
ohne  den  grusz  von  dem  meister  und  den  gesellen  des 
handwerkes  empfangen  zu  haben  ELrünitz  20,  291.  von 
den  salzgewerken  zu  Halle  heiszt  es:  jr  grusz  ist:  gott 
förders  werk  Mathesius  Sarepta  ll5'>;  vgl.:  sie  meinten, 
dasz  ich  meinen  wünsch  wohl  erreichen  würde,  und  lehr- 
ten mich  den  üblichen  grusz  'glück  auf !',  womit  ich  den 
Steiger  anreden  sollte  Novalis  4, 114  Minor,  vgl.  Mine- 
bophilus  bergw.  lex.  (1730)  317.  —  der  eidgenössische 
grusz  ist  'die  feierliche  eröffnung  der  allgemein-schweize- 
rischen tagsatzung  sowohl,  als  die  anrede  eines  jeden  depu- 
tierten der  Schweizerkantone  bei  derselben^  Staub-Tobler 
2,  812:  diesen  morgen  wurde  die  ceremonie  des  eidge- 
IV.  1.  6. 


nössischen  gruszes  in  der  Jesuitenkirche  mit  vieler  feier- 
lichkeit  begangen  Pückler  briefw.  u.  tageb.  2, 140. 

e)  der  grusz  wird  als  zeichen  des  wohlwollenden  gedenkens 
oder  auf  grund  gesellschaftlicher  höflichkeit  einer  person 
durch  eine  dritte  person  ausgerichtet,  in  rede  und  brief: 

geh,  sage  mich  indessen 

mit  grüBzen  wahrer  treu  dem  lieben  Jauer  an 

GÜNTHER  ged.  (1735)  677; 

mit  freundlichem  grusze  läszt  er  dir  sagen  Klingeb  3, 
154;  wollen  sie  die  gute  haben,  eins  der  exemplare  an 
Niebuhr  mit  meinen  freundschaftlichsten  grüszen  zu  be- 
sorgen W.  v.  Humboldt  br.  an  Welcker  143 ;  noch  ein  hand- 
schlag,  'grüsze  an  die  deinigen'  und  der  wagen  rollt  fort 
Hebbel  briefe  1,  79  W.;  die  herzlichsten  grüsze  und  Ver- 
sicherungen meiner  liebe  an  die  eitern  Bismabck  briefe 
an  s.  braut  u.  gattin  11;  nochmals  herzlichen  grusz  an  die 
Schwestern  und  Vips  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkw.  4,  6, 
s.  auch  die  verbalen  Verbindungen  unter  4  b. 
2)  grusz  in  religiösem  Zusammenhang: 

a)  grusz  erhält  die  bedeutung  anrufung  {des  göttlichen 
Wesens),  gebet:  im  Capitolio  starb  Aulus  Pompeius,  wie 
er  sein  grusz  gegen  den  götteren  uszgerichtet  Eppen- 
DOEF  Plinius  (1548)  33;  die  nackten  weiber  bringen  in  der 
reihe  diesen  nackten  heiligen  grusz  und  anbetung  Zim- 
MEBMANN  et7wamfcei<  l,  343;  wenn  ein  weib  zu  bette  gehet 
und  grüszet  die  steme  am  himel,  so  nimmt  ihr  der  geyer 
oder  habicht  kein  jung  huhn  .  .  .;  wenn  sichs  alsden  be- 
giebt,  dasz  ihnen  die  jungen  hüner  unverletzt  bleiben, 
so  vermeynen  sie,  dasz  wahrhafftig  der  grusz,  den  sie 
an  die  stemen  gethan,  solchen  schütz  zuwege  gebracht 
habe  J.  G.  Schmidt  rockenphilos.  l,  203. 

b)  eine  besondere  rolle  spielt  hier  der  englische  grusz, 
grusz  des  engeis  u.  ä.,  d.h.  die  anrede  und  folgende 
mitteilung  des  engeis  Gabriel  an  Maria,  also  Maria  Ver- 
kündigung, des  weiteren  au4:h  das  gebet  ave  Maria  und  die 
malerischen  gestaltungen  von  Maria  Verkündigung: 

a)  Gabriels  grusz  und  mitteilung  an  Maria:  der  enge- 
lisch grusz  war  Marien  wunderlich  in  ihren  äugen  Lutheb 
7,  562  W.;  jetz  hört  der  englisch  gruz  uf ,  das  ist  der 
engel  hat  nit  wyter  gesprochen  Zwinoli  deutsche  sehr.  1, 
92;  und  do  ist  ein  kirch  gewesen,  do  wardt  unser  frauen 
der  grusz  geben  von  dem  engel  Gabriel  Schiltbebgeb 
reisebuch  73  lit.  ver.; 

80  heists  ave  ein  grusz  so  fein 
Maiiä  der  jungfrawen  rein 
vom  engel  Gabriel  so  schon, 
sie  solt  geberen  gottes  son 

Eyeeino  proverb.  1,  780; 

vielleichte  haben  die  alberstoltze  ihr  absehen  auf  des 
engeis  grusz  gegen  die  hochgelobte  Jungfrau  Maria  Pbä- 
TOEius  der  abentheuerliche  glückstopf  (1669)  363; 

mit  heyl!  empfleng  sie  (Eva)  der  engel 

und  gab  ihr  den  heiligen  grusz,  den  er  lange  nachher 

gegen  die  hohe  Maria,  die  zweyte  Eva,  gebrauchet 

Zaohariä  poet.  sehr.  7, 151; 

den  näheren  ton  zu  christlichen  gesängen  gaben  indesz 
die  lobgesänge  Zacharias  und  der  Maria,  der  grusz  des 
engeis  .  . .  Hebdeb  18, 14  8. 

ß)  das  ave  Maria  als  gebet,  anredeformel  an  Maria:  wir 
.  .  .  gryeszen  die  mit  dem  engelischen  grüsz  manuale 
curatorum  predic.  prebens  modum  (1516)  57*;  wir  be- 
nügen  uns  an  wenigen,  als  einer  der  sein  gebett  mit 
einem  engelischen  grusz  uberlaufft  Fischabt  binenkorb 
(1588)  177'';  das  vater  unser  und  den  englischen  grusz  zu 
beten  Bbentano  4,  21;  den  englischen  grusz  kann  ich 
nur  noch  bruchstückweis  Bettine  die  Günderode  l,  171. 

y)  der  englische  grusz  als  bilddarstdlung  von  Maria 
Verkündigung:  vil  ave  Maria  werden  gesprochen  vor  ge- 
maltem englischen  grus,  die  sonst  underwegen  beUben 
Bebthold  v.  Chiemsee  theologey  596  Reithm.;  genug,  sie 
haben  dieses  werk  ...  in  einem  winkel  . . .  setzen  lassen, 
v/o  es  nun  schon  seit  mehr  als  hundert  jähren  zwar  ein 
wenig  besser  als  Veit  Stoszens  englischer  grusz  in  seinem 
sacke  steht  Nicolai  reise  d.  Deutschi.  u.  d.  Schweiz  l,  219; 
es  folgt  der  englische  grusz  (gemälde)  GtÖthe  24, 15  W. 

63 


995 


GRUSZ  B  8 


GRUSZ  B  i 


996 


c)  vereinzelt  begegnet  auch  die  bezeichnung  evangelischer 
grusz  u.  ä.:  das  brüder  Frantz  seinen  brüdern  für- 
echreybt  den  evangelischen  grüsz,  der  frid  sey  mit 
euch,  ist  ain  teüfelischer  betrug  Eberlin  v.  Günzburg 
3,  62  ndr.,  vgl. :  ingleiohen  giebet  der  schöne  grusz  friede 
sey  mit  euch  nochmals  gelegenheit  vom  frieden  zu  reden 
Chr.  Weise  polit.  redner  (1677)  638;  bald  fiel  dem  predi- 
canten  ain  evangelischer  grüsz  ein  Jon.  Nas  das  antipap. 
eins  und  hundert  2,  b8*;  grusz  des  Christen:  (er)  stand 
nun  vor  dem  junger  des  herm.  der  redete  ihn  an  mit 
dem  grusze  des  Christen:  gelobt  sey  Jesus  Christus 
AuRBAOHER  volJcsbüchlein  (1835)  6. 

3)  in  poetischer  oder  gehobener  spräche  kann  grusz  aus- 
druck  des  gefühles  der  begrüszenden  freude,  der  freudigen 
anrede,  der  Sehnsucht  usw.  sein,  der  pathetische  sinn 
dieser  besonders  auf  die  natur  angewandten  au^drucksweise 
ist  meist  offenbar: 

a)  grusz  an  die  ruUur  und  ihre  er  scheinungen: 

der  letzte  trunk  sei  nun,  mit  ganzer  seele, 

als  festlich  hoher  grusz,  dem  morgen  zugebracht 

GÖTHB  14,  41  TT.; 


sieh,  beym  grusze  froher  lieder 
steigt  die  sonn  empor 


GOTTEE  1,14; 


gruisz  dem  tage, 

grusz  den  tagesstunden, 

grusz  der  tagesdämmrung ! 

FOUQUÄ  hdd  des  nordens  (1810)  1,  68; 

vergisz  mich  nicht  und  denke  darauf,  wie  du  die  ufer  des 
Rheines  einmal  begrüszen  kannst  —  sie  werden  dir  deinen 
grusz  lebendig  zurückgeben,  denn  deine  alte  freundinn 
steht  an  der  brücke  Caroline  1,  95  Waitz; 

und  die  erde  hört  ihn  (den  lern)  klingen, 
breitet  weit  die  arme  aus, 
sehnsuchtsvolle  grusze  dringen 
heimlich  in  die  nacht  hinaus 
Arbnt,  Conradi,  Henckell  mod.  dichterchar.  190. 

b)  umgekehrt  geschieht  der  grusz  der  natur,  ihrer  er- 
scheinungen  und  der  auszermenschXichen  wesen  an  den 
menschen  jisw.  der  grusz  wird  meist  akustisch  oder  optisch 
empfunden: 

a)  das  singen  oder  schreien  der  vögel  gilt  jus  grusz: 

{voenn)  die  lerche  . . .  dem  morgen  den  grus  der  Schöpfung 

singt 
Dusch  verm.  w.  (1754)  113; 

des  adlers  grusz,  der  lerche  sang, 

des  menschen  dank 
BChaUt,  sonne,  dir  zum  lobgesang 

Stolbeeq  gei.  w.  2,, 222; 

ß)  das  rauschen  der  bäume  erscheint  als  grusz: 

da  klinget  so  herzlich  und  süsze 
im  garten  ein  inniges  lied. 
die  bäume,  sie  senden  ihr  grusze, 
die  blume  lauschend  ihr  blüht 

Bekntano  get.  sehr.  2, 119; 

und,  als  wollt  der  herr  vom  himmel  steigen, 
hört  ich  wieder  durch  das  tiefe  schweigen 
rings  der  wälder  feierlichen  grusz 

ElOHENSOEF  (1864)  1,  401; 

y)  der  die  bäume  bewegende  wind  ist  der  entbieter  des 
gruszes: 

vor  dem  fenster  durch  die  linden 
spielt  es  wie  ein  linder  grusz, 
lüfte  wollt  ihr  mir  verkünden, 
dasz  ich  bald  hinunter  musz? 

EIOHENDOEF  (1864)  1,  589. 

d")  das  nicken  der  zweige,  die  Wellenbewegung  des  Stromes 
und  andere  optische  beobachtungen  gelten  als  grusz: 

und  wenn  alle  zweige  sich  neigen 
und  nicken  dir  grusze  zu, 
berzliebste,  das  ist  mein  sehnen, 
hat  nimmer  rast  und  ruh 

WiLH.  MÜLLEE  ged.  (1868)  1,  76; 

gleich  leichtbeschwingten  liebesboten  jagen 
die  silberströme  hin  durch  nacht  und  grauen, 
dem  oceane  von  den  hohen  frauen  {den  Alpen) 
manch  einen  sehnsuchtsvollen  grusz  zu  sagen 

Heeweoh  ged.  einet  lebendigen  1,  49; 


an  den  ufern  dieser  tiefen  Charente,  in  welche  die  fluth 
des  oceans  täglich  heraufsteigt  wie  ein  grusz  gnädiger 
gottheit  Laube  3,  160;  so  sah  er  in  dem  auftauchen  der 
turmspitze  einen  grusz  0.  Ludwig  l,  149;  wenn  sich  der 
Wanderer  .  .  .  westwärts  wendet,  so  wird  ihm  zwischen 
unscheinbaren  hügeln  bald  hier  bald  da  ein  stück  däm- 
merblau hereinscheinen,  grusz  und  zeichen  von  drauszen 
ziehendem  gebirgslande  Stifter  l,  212. 

e)  das  glänzen  der  Sonnenstrahlen  oder  ihre  wärme  gilt 
als  grusz.   Hartmann  spricht  vom  grusz  des  wetters : 

daz  der  süezen  weter  gruoz, 

d&  von  diu  werlt  gesten  muoz 

und  diu  heimliche  linde 

von  regen  imd  von  winde 

mir  sint  also  gemeine 

als  ob  ich  waere  reine  Gregorius  3529; 

den  ersten  grusz  der  morgensonne  zu  erwarten  A.  v.  Ar- 
nim 1,  59  Orimm; 

wie  rosen  aufgehn  von  der  sonne  grusze 

TiBCK  (1828)  1,307; 

vielleicht  weckt  dich  der  morgensonne  grusz 

POGOI  tust.  komödienbücM.  4,  37. 

vne  mit  dem  grusz  der  morgensonne  die  Zeitbestimmung  des 
morgens  verbunden  ist,  so  auch  mit  des  mittags  grusz  die 
Zeitbestimmung  des  mittags: 

so  hoch  hebt  Moro  nicht  den  fusz, 
wenn  er  den  ganzen  tag 
sich  mit  der  arbeit  kerkern  musz, 
als  wenn  er,  auf  des  mittags  grusz, 
der  Schüssel  denken  mag 

Michaelis  einzelne  ged.  145. 

c)  grusz  mit  abstracten  in  attrib.  gen. : 

der  grusz  der  liebe  ist  zeichen,  äuszerung  der  liebe: 

es  hörte  diese  zelle 

noch  nie  der  Hebe  grusz  J.  G.  JAOOBI  1,  97 ; 

du  hast  aus  deinen  lilien,  deinen  rosen 
den  grusz  der  liebe  mir  gebracht 

Hoffmann  v.  Fallkesleben  l,  32. 

der  grusz  der  begeisterung  als  erstes  auftreten  der  6c- 
geisterung: 

und  er  musz  berr  sein,  wie  ich  singen  musz 
und  bilden,  wenn  mich  der  begeistrung  grusz 
geweckt  hat  Müllnee  dram.  w.  3,  97. 

4)  verbale  Verbindungen: 

a)  der  grusz  geschieht  als  directes  zeichen  der  aufmerk- 
samkeit  von  person  zu  person,  wesen  zu  wesen:  ablegen: 
einen  grusz  ablegen  kann  sowohl  grüszen  wie  begrüszen, 
besuchen,  einen  besuch  ablegen  bedeuten:  maszen  ich  ihme 
auch  bey  erster  meiner  ankunft  einen  grusz  abgeleget 
S.  v.  Birken  fortsetzung  der  Pegnitzschäferey  (1645)  14; 
dasz  er  seinen  unterthänigsten  grusz  bey  derselben  nicht 
könte  ablegen  Rist  das  friedejauchz.  Teutschland  (1653) 
93;  das  bürschel  . .  .  leget  mit  aller  höfflichkeit  so  gut  er 
konnte  seinen  grusz  ab  Abraham  a  s.  Clara  etwas  f.  alle 
(1699)  2,  32;  deren  er  alsobald  den  göttlichen  grusz  imd 
seine  botschafft  ablegte  v.  Birken  ostländ.lorbeerhayn 
(1657)  392.  —  ausbieten:  hergegen  wirt  .  .  .  allen  schiffen 
. . .  ein  grusz  auszgebotten  Fronsperger  kriegsbuch  (1578) 
1,  e  1^.  —  bieten:  der  meiste  theil  unter  denen  vom 
adel  auf  dem  lande  . .  .  lassen  sich  bedüncken,  wenn 
sie  einem  diener  göttlichs  worts  einen  grusz  bieten,  .  .  . 
ihr  schildt  und  heim  würde  ein  loch  davon  bekommen 
Dan.  Schaller  theol.  heroldt  (1604)  80;  ich  bot  der  Jung- 
frau meinen  grusz  A.  v.  Arnim  w.  13,  85  Orimm,   vgl. 

Reinke  oem,  ik  bede  iu  nünen  groetl 

Reinke  de  vos  49  Prien. 

—  bringen:  da  sie  mir  diesen  freundlichen  grusz  nicht 
bringen,  so  musz  ich  ihn  zuerst  aussprechen  Holtei  erz. 
sehr.  3,  130.  —  empfangen:  ein  grüsz  empfahen  salutem 
accipere  Henisch  1771; 

ich  hab  kein  grusz  empfangen  nie 

Muknek  narrenbeschw.  v.  39  ndr.; 

grüsz  oder  brieff  entpfahen  Scheit  Qrobianus  3  rtdr.  — 
entbieten,  in  älteren  quellen  häufig  belegt,  diese  Verbindung 


997 


GRUSZ  B  4 


GRUSZ  B  5 


998 


gehörte  zum  brief-  und  urkundenstü,  vgl.  einen  grusz  ent- 
bieten salutem  impertire  Stieler  (1691)  713;  Maalek  194^ ; 
Henisch  1771:  embietten  wir  Adrianus  . .  .  unsem  grus 
das  summerteil  der  heyligerdeben  (1472)  599^;  ich  enbutt 
dir  gern  Lucrecia  in  geschrift  minen  grusz  Niclas  von 
Wylb  translat.  33  Keller;  der  konig  Alexander  entbeut 
Beinem  bruder  Jonathe  seinen  grus  l.  Maccabäer  10, 18; 
(sie)  im  iren  freuntlichen  grusz  enpot  Arigo  decamerone 
274  Keller;  ich  .  •  .  entbiete  Lucifem,  der  hellen  grosz- 
fürsten,  meinen  grusz  Ayeeb  histor.  processus  juris 
(1600)  333; 

edler  Pregel,  dessen  flusz 

nie  sieb  seelischer  kan  schätzen, 

aufl  entbeut  jetzt  deinen  grusz 

diesem  thewren  weltergetzen 

S.  Dach  in  Königsb.  dichterkreis  24  ndr.; 

superi  inferis  scUuiem  . .  .  das  ist,  die  obem  entbieten  den 
untern  ihren  grusz  Prätorius  anthropod.  Pluionicus  (1666) 
1,  78;  ich  graf  Kxafft  .  .  .  embüte  .  . .  dem  Stoufiacher 
landtammann  zu  Schwitz  min  getrüwen  grusz  und  alles 
lieb  TsCHUDi  chron.  Helv.  1,  156,  vgl.:  sie  beschlosz  nach 
der  Wartburg  zu  eilen,  ims  aber  befahl  sie,  die  zarten 
kinder  in  diese  Stadt  zu  geleiten  und  den  guten  bürgern 
von  Eisenach,  wie  sie  sagte,  mit  ihrem  grusze  zu  ent- 
biethen,  dasz  sie  ...  Meisl  theatral.  quodlibet  1,  201.  — 
erwidern:  sie  erwiderte  leichthin  den  grusz  der  beiden 
älteren  herm  Fontane  I  5,  22,   vgl.  Göthe  24,  73  W. 

—  geben: 

mit  heill  empfieng  sie  {Eva)  der  engel 
und  gab  ihr  den  heiligen  grusz 

ZACHAßii  poel.  sehr.  7, 161 ; 

alle  gaben  freundlich  um  die  wette 

sich  die  ersten  grüsze  Heeder  25, 196  S. 

—  sprechen: 

sie  gpr&chen  gruoz  nach  zühte  kür 

Wolfram  Parzival  84, 19; 

vor  tafel  erschienen  die  zimmerleute  — .  sie  sprachen 
ihren  grusz  Götee  17,  155  W,  —  tun:  begegnete  ihnen 
ein  grauröcklein,  that  seinen  grusz  und  fragte  Grimm 
deutsche  sagen  (1891)  1,  47,  kann  auch  einen  wink  geben 
bedeuten,  vgl.  Kluge  rotwelsch  89  v.  200,  —  wechseln :  was 
gesellschaft  und  anspräche  hat  man  auff  dem  dorff,  als 
mit  einem  groben  baurenrülpen  einen  grusz  zu  wechseln? 
Harsdörfer  teutscher  secretarius  (1656)  1, 100,  vgl.  G.  Kel- 
ler 1,  175.  —  zurückgeben:  sie  werden  dir  deinen  grusz 
lebendig  zurückgeben  Caroline  l,  95  Waitz.  —  zuwin- 
ken: ein  grusz  von  Philinen,  den  sie  ihm  aus  ihrem  fernster 
zuwinkte  Göthe  21,  201  W.  in  poetischer  spräche  auch 
lächeln: 

da  kommt  der  lenz,  der  schöne  junge  . . . 

und  lächelt  seinen  grusz  Lenau  26  Barthel. 

—  singen: 

wenn  . . . 

die  lerche  .  . .  dem  morgen  den  grusz  der  Schöpfung  singt 
Dusch  verm.  w.  (1754)  113. 

b)  der  grusz  loird  überbracht,  bestellt  oder  durch  eine 
tnittelsperson  aufgegeben:  ansagen: 

ich  seit 
euch  von  im  einen  grusz  ansagen 

H.  Sachs  17,  6  lit.  ver. 

—  aufgeben:  sie  ...  mir  noch  einen  grusz  an  meinen 
könig  aufgäbe  Ant.Ulr.  v.  Braunschweiq  Octavia  (1677) 
1, 178.  —  auftragen:  Leontine  trug  ihm  an  dieselbe  seine 
schönsten  grüsze  auf  Eichendorf  (1864)  2, 119.  —  aus- 
richten: leben  sie  recht  wohl,  und  richten  viele  grüsze 
von  mir  aus  Göthe  23, 148  W.;  von  all  dieser  pracht 
überrascht,  wuszte  Johannes  kaum,  wo  die  äugen  hin- 
wenden, und  geriet  nur  mit  einiger  mühe  dazu,  der  auf- 
schauenden frau  Kunigunde  den  grusz  des  bischofs  aus- 
zurichten und  ihr  seinen  brief  zu  übergeben  G.  Keller 
6,  59.  —  bestellen:  und  wenn  Quaas  nicht  da  ist,  so  be- 
stelle der  frau  meinen  grusz  tmd  sei  .  .  .  manierUch  Fon- 
tane I  6,  305.  —  bringen :  denn  wo  ein  student  bey  einem 
Professor  um  etwas  anhalten  wiU,  da  bringt  er  zuvor 
einen  grusz  von  vornehmen  leuten  Chb.  Weise  polit. 
redner  (1677)  177; 


der  königin  von  England 
bringt  meinen  schwesterlichen  grusz 

ScmLLEE  12,  568  Gödeke; 

ich  bring  euch  so  viel  grüsze,  dasz  ich  nicht  weisz  wo 
anzufangen  Göthe  8,  43,  3  W.;  er  brachte  mir  grüsze  von 
dem  fernen  geburtslande  Steffens  was  ich  erlebte  1,  99.  — 
melden : 

allen  und  jeden,  die  lesen  und  bezahlen, 
melde  meinen  grusz  zu  tausend  malen 

KOETDM  Jobsiade  1,  4 ; 

sie  schritt  auf  den  bauer  zu,  meldete  ihm  einen  grusz 
von  seinem  hochwürdigen  herm  bruder . . .  Anzenqbuber 
3,  125.  —  sagen:  sag  jhm  mein  freundlichen  gruesz  Fer- 
dinand v.  Tirol  spec.  vitae  hum.  79  ndr.  —  vermelden: 
wenn  die  gesandten  .  .  .  kähmen,  solten  sie  ihnen  seinen 
grusz  vermelden  A.  Olearius  pers.  reisebeschr.  (1696)  26; 

Mars,  . . . 

vermeldet  hier  durch  mich  zwar  einen  schönen  grusz 

Henrici  ernst- scherzh.  u.  tat.  ged.  1,  52; 

vermelden  sie  ihr  meinen  groszen  deutschen,  schwäger- 
lichen grusz  S0HITBART  brieje  1,  219  Strausz.  —  zuschrei- 
ben :  er  hat  befohlen,  das  du  mir  einen  grusz  zuschreibest 
mandavit,  ut  mihi  salutem  adscriberes  Henisch  1771. 

b)  formelhafte  nomirudverbindungen,  besonders  im  brief - 
Stil:  grusz  und  dienst;  grusz,  dienst  und  gnade: 

Attaganoras  im  pot 
sein  dienst  und  seinen  halden  grüs 
Heinrich  v.  Neustadt  ApoUonius  16347  Singer; 

gottes  gnad,  meinen  grusz  und  dienst  zuvor  volksb.  v.  dr. 
Faust  3  Braune;  junckher,  euwrer  guter  freund  Gandales 
läszt  euch  seinen  freundtUchen  grusz  und  dienst  ver- 
melden Amadis  49  Keller;  .  .  .  wenn  ich  euch  mein 
grusz,  dienst  und  genade  . . .  angeboten  Mathesixts  Sapt. 
(1578)  4i> ;  zületst  bot  ich  jm  dienst  und  grüsz  Schwaszbn- 
BERO  Cicero  (1535)  159^;  dem  emnesten  ...  Francisco 
von  Sickingen  entbeut  Ulrich  von  Hütten  .  . .  seynen 
freuntlichen  grüsz  vnd  wilUgen  dienst  U.  v.  Hütten  1, 
247  Böcking.  vgl. :  in  diesem  2.  theil  sind  die  formular  der 
grusz  und  diensterbietungen ...  zu  ersehen  Habsdörffbb 
teutscher  secret.  1, 10; 

vermeld  ihm  meinen  grusz,  samt  dienstergebner  treu 

Grob  dichter,  versuchg.  (1678)  53. 

—  huld  und  grusz: 

um  sine  hulde  und  sinen  gruoz 
BÖ  diente  si  ime  alle  wege 

Hartmann  armer  Heinrich  308. 

—  grusz  imd  gimst:  unse  gunst  vnd  frimtlichen  gruz 
vor  (1386)  Bauer-Collitz  301;  wir,  Philipp  Rudolf,  ent- 
bieten allen  und  jeden  bürgern,  inwohnem  imd  haus- 
genossen  der  stadt  Glaz  imseren  grusz  und  gunst  acta 
publica  7,  157  Palm;  imsere  gunst,  gnädigen  grusz, 
freundschaft,  freundliche  vnd  ganczwillige  dienste  zuvom 
1,  31,  vgl.:  unsern  gunstlichen  grus  bevor,  ersam  weiz 
xmd  besunder  lieb  städtechron.  4, 197.  —  grusz  und  segen: 
Clement  den  lieben  sünen,  abbt  und  convent  des  gotzhus 
der  groszen  Ow  . .  .  unsem  grüs  und  bäbstlichen  segen 
Öheim  Reichen,  ehr.  139  lit.  ver.  unsem  grusz  und  aposto- 
lischen seegen  zuvor,  geliebter  söhn  HLtppel  lebensl. 
1,  58  u.  ö.  —  friede  und  grusz :  Esra  dem  priester  und 
schrifftgelerten  im  gesetz  des  gottes  von  himel  fried 
und  grus  Esra  7,  12.  —  grusz  und  heil:  vil  grüsz,  hau 
vnd  gsimthait  sey  mit  vns  allen !  Albr.  v.  Eyb  deutsche 
sehr.  2,  65  Herrm.;  grusz  und  heil  in  der  nähe  und  nach 
allen  selten  (xÖthe  41,  21  W.; 

habt  grusz  und  heil,  geliebte  Rosalinde 

Shakespeare  4,  262, 


vgl.: 


Porsenna  köngklich  mayestat 
entbeut  dem  römischen  senat 
sein  grus,  wolfart,  heyl  und  gelück 

H.  Sachs  8,  214  lit.  ver.; 

ich  I^iblius,  tribun,  entbiete  grusz 

und  wünsche  heil  und  wohl  den  bürgern  Borns 

COLiJN  Regulus  20. 

63« 


999 


GRUSZ  B6-GRÜSZBAR 


GRUSZBARKEIT  —  GRÜSZDICHGOTT    1000 


—  grusz  und  andenken:  es  ist  mir  gar  lieb,  dasz  J,  L. 
mein  vetter,  der  landtgraflF,  meinen  grusz  undt  ahn- 
dencken  so  gar  güttig  auffgenohmen  hatt  Elisabeth 
Charl.  V.  Orleans  br.  l,  27  Holland.  —  grusz  und  hand- 
schlag:  dafür  bekam  Viggi  dann  von  den  rachsüchtigen 
correspondenten  doppelt  so  viele  unfrankierte  Zusen- 
dungen mit  'grusz  und  handschlag'  und  heimlichen  Ver- 
wünschungen G.  Keller  5, 147.  —  grusz  und  kusz: 
gleych  wie  Judas  gellt  nam  und  mit  frimtlichem  grus 
und  kusz  den  herm  gab  yn  seyner  feynde  hand  Luther 
10, 1, 1,  65  W.; 

vf&n  kus  und  grus  ist  aus, 
dan  scheitzet  ehrst  im  hertzen, 
der  kleine  wühtericli 

Zesen  verm.  Helikon  1, 142; 

in  der  weit  findet  man  . . .  Joabs  grüsze,  Judas  küsse 

BüTSCHKY  Pathmos  (1677)  324; 

lord  Ashley,  sag  ich,  kom  . . . 
ihm  grusz  und  kusz  zu  geben 

Gottsched  neueste  flted.  (1750)  114; 

und  so  nimm  grusz  und  kusz  J,  v,  Müller  s.  w.  5, 125; 
von  dem  sogenannten  lustigen  örtl  sahen  wir  den  see 
noch  einmal,  . .  .  die  andern  warfen  grüsze  und  küsse 
zurück  A.  Stifter  s.  w.  l,  149 ;  und  geben  sie  den  kleinen 
viele  grüsze  und  küsse  von  mir  aua  Schleiermackers  leben 
1, 106. 

6)  Sprichwörter: 

grusz  kompt  von  hofiE  schöne  weise  klugr.  {15i8)  76^; 
grusz  kompt  von  hof  vnd  grossen  leuten  Henisch  1772, 
zur  erklärung  vgl.:  der  herr  Jesus  ist  ja  ein  könig  der 
ehren,  er  weis  von  ehren  zu  sagen,  er  macht  den  an- 
fang,  sich  umb  uns  zu  bekümmern,  wie  grosze  ehrliche 
herren  pflegen,  drumb  saget  man:  grusz  kömpt  von 
hofe  V.  Herberger  herzpost.  (1613)  91;  guter  grusz  ist 
halbe  speisz  Franck  sprichw.  (1541)  2,  67'',  vgl.  Lehman 
ilor.  polit.  (1662)  3,  132.  guter  grusz  ist  viler  kranckheyt 
büsz  Franck  sprichw.  (1541)  i,  112^,  vgl.  schöne  weise 
klugr.  (1548)  170^ ;  Henisch  1772.  qui  quae  vult  dicit,  quae 
non  vult  audiet  gut  grusz  gibt  gute  antwort  Tappius  adag, 
Cent.  Septem  (1545)  121'';  gude  grote  eiget  ein  gude  and- 
wörde  Tünnicius  nr.  628  Hoffmann;  wer  den  rechten 
grus  zu  hof  nicht  weiszt,  der  kan  leicht  übel  anlauffen 
Henisch  1771;  freundtücher  grusz  behellt  die  freundt- 
schaft  Henisch  1771;  ein  leerer  grusz  geht  barfusz  {ge- 
schenke  sind  willkommener  als  blosze  Mflichkeit)  Fischer 
Schwab.  3,887,  vgl.  Staub-Tobler  2,812;  ein  seltener 
gast  ist  ein  grusz  wert  Fischer  schwäb.  3,  887 ;  wie  der 
gruesz,  so  der  dank  Staub  -  Tobler  2,  812 ;  der  grusz 
kimmt  vun  gutt,  un  war  nicht  griszt,  is  ä  stuck  Müller- 
Fraureuth  1,  447*>. 

GRUSZATEM,  m.:  wir  wollen,  meine  lieben,  dissmahl 
alleine  bey  dem  allerheiügsten  und  holdseligsten  grusz- 
und  kuszathem  des  heiligen  geistes  still  stehen  Dann- 
hawer  catechismusmilch  6,  52.  —  gruszauftrag,  m.: 
daher  der  gruszauftrag  seiner  mutter  Frenssen  Jörn  UM 
(1902)  483. 

GRUSZBAR,  GRÜSZBAR,  adj.,  wer  grüszt.  gern 
grüszt,  oder  passivisch,  wer  sich  leicht  anreden  läszt,  affa- 
bilis,  freund{schaft)lich,  liebenswürdig,  höflich,  heute  in 
süddeutschen  mundarten  auftretend,  vgl.  Fischer  schwäb. 
3,  887;  Schmeller-Fr.  1,  1014;  Stattb-Tobler  2,  812: 
saluta  libenter  bis  grüsbar,  sprich  die  leüt  freundlichen 
an  M.  Corderius  Catonis  disticha  de  moribus  A  5^; 
affabilis  gruszbar  Diefenbach  gl.  15^,  vgl.  Altbnstaiq 
vocab.  (1516)  s.  v.  affabilis;  affabilis  ein  gruszbar  mensch 
Melbeb  a  6^;  comis  lieblich,  freundtüch,  gruszbar,  ge- 
spräch  Schöpfer  syn.  b  2^;  ja  rat  ich,  daz  du  grüsbar 
syest  vnd  gemain  allen  vnd  dich  selbs  gebest  zesechen 
vnd  jetz  disen  dann  den  anredest  Niclas  von  Wyle 
translationen  211  Keller;  er  ist  so  grüsbar  bei  den  leüten, 
er  tut  sich  umb  bei  yederman  Keisersberg  siben  Schwer- 
ter 7;  und  so  ain  mensch  want,  er  sey  gruszbar,  er  hab 
lieb,  er  sey  haylig,  so  hat  er  büberei  im  herzen  Keisers- 
berg sieben  hauptsünden  (1510)  2*';     Äneas   rottharig. 


gestoszen,  wol  beredt,  gruszbar,  dapffer  in  radtschlegen 
Marcus  Tatius  trojan.  krieg  (1536)  67^;  ist  er  [der  mensch) 
weise,  sein  äugen,  kleydung  vnd  gang  zeygen  vom  man, 
er  ist  gruszbar,  tugentsam,  räthlich,  vol  lieb,  trew  vnd 
gnad  schöne  weise  klugr.  (16^8)  141'';  es  ist  vor  all  andern 
orten  teutscher  landt  ein  leudselig,  freuntlich,  redsprech, 
gruszbar  volck  zu  Augspurg  S.  Franck  chron.  Oerm. 
(1538)  281»^;  vnd  sind  gut  heuchlerisch  fromm,  gruszbar, 
freündtlich  ders.  paradoxa  (1558)  197'';  du  solt  gruszbar 
syn  {obviantes  saluta  libenter)  Steinhöwel  Äsop  69  lit.  ver.; 
er  was  gegen  menigklich  fründtlich,  grüsbar  und  gantz 
gütiger  milter  wort  Wiokram  2,  238  Bolte;  so  geht  in 
solchem  ein  jimckfraw  für  dem  hausz  annhien,  zu  deren 
der  selb  stattschreiber  nach  anderer  grüszbaren  reden 
sagt  . . .  Jac.  Frey  gartengesellschaft  145  Bolte;  sodan  soll 
man  sie  {die  kinder)  grusbar,  redgeb  und  sprachsanft 
gegen  männiglich  zu  sein,  anweisen  Fischart  3,  302 
Hauffen;  grusbar  .  .  .  significat,  qui  humaniter  et  facile 
resalutat  Schottel  haubtspr.  (1663)  325.  die  belege  aus 
dem  18.  u.  19.  jh.,  die  das  adjectiv  nur  in  der  bedeutung 
^wer  {durch  einen  dritten)  gegrüszt  werden  kann,  bzw.  musz' 
haben,  beruhen  auf  neuschöpfung  ohne  Zusammenhang 
mit  dem  älteren  gebrauch:  grüsz  alles  grüszbare  und  habe 
geduld  mit  mir  Lavater  an  Oöthe  (8.  4.  1780);  ich  wäre 
glückselig,  wen  nun  noch  ein  grusz  bestellt  würde  an 
Zimmer,  an  Grimm  und  die  leute  in  Landshut  und  was 
sonst  gruszbar  ist  GtÖrres  1808  an  A.v.  Arnim,  neue 
Heidelb.  jahrb.  10,  118;  haltet  euch  wohl  und  grüszt  alles 
grüszbare  Görres  ges.  briefe  l,  421.  neben  gruszbar  er- 
scheint die  adv.bildung  gruszbarlich  Diefenbach  gl.  15'»  s. 
V.  affabiliter;  Melber  aö*».  —  gruszbarkeit,/.,  freund- 
lichkeit,  leutseligkeit  Diefenbach  gl.  15  s.v.  affabilitas; 
Melber  a  6"',  nur  alte  belege  (15.-16.  jh.):  dann  ab  allem 
gefallen  gegen  der  weit  so  hat  demüt  vnd  grüszberkeit 
sich  mengkUch  zu  erzeigen  den  preisz  vnd  danck  Mar- 
QUART  VOM  Stein  Spiegel  d.  tugent  (1498)  b  2'';  zum  ersten 
so  verbirgt  sich  der  schalk  der  unkeüschhait  under  ge- 
stalt  der  gruszbarkeit,  affabilitas  oder  früntlichkeit,  red- 
gebig,  ansprechlich.  wenn  die  grüszbarkait  mit  rechter 
masz,  mainung  und  weise  gehalten  würt,  so  nennet  sy 
der  Arestotiles  ain  tugent,  affabilitas  Keisebsbekg  siben 
hauptsünden  {1510)  S  2^;  disz  mein  liebkosen  fteucht  her . . . 
von  einem  rechtgeschaffnen  aufrichtigen  glantz  und  mu- 
nier der  gruszbarkeit  und  leutsäügkeit,  welche  vil  näher 
der  jugent  ist  Seb.  Franck  mor.  encom.  80  0.;  die  gemeine 
gruszbarkeit  hat  der  herr  an  keinem  ort  verbotten 
Schweickhart  zu  Helffenstein  Basilius  Magnus  (1591) 
847.  daneben  gruszbarlichkeit :  suavitas,  grüszbarlichkeit, 
wonsamkeit,  schmackhafftigkeit  t;oco6.  predicantium{li8Q) 
d  3''.  —  gruszbekannter,  m.;  ich  bin  auf  einige  grusz- 
bekannte  angewiesen,  deren  spurloses  verduften  mir 
keine  gröszere  gemüthsbewegung  hervorrufen  würde  als 
das  auslöschen  einer  lampe  Treitschke  briefe  1,  388.  — 
gruszbote,  m.:  herzlieb  bruder,  syt  myn  grossbod  und 
gruszen  myr  urer  huszfrou  ser  und  urer  juffern  ouch 
bei  Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalters  l,  158.  —  grusz - 
brief,  m..  Stieler  239;  Kramer did.  l  (1700)  158'';  575''; 
gruszbrieff  {unter  dem  titel  ^brieffarten'  verzeichnet)  Be- 
SOLD  thes.  prakt.  2,  719'':  der  2.  theil  enthaltend  ...  hof- 
liche gruszbriefe  an  mannspersonen  Harsdörffer  teut- 
scher secret.  l,  ll,  vgl.:  erst  besagter  grusz-  oder  bona  dies- 
brieflein  handelen  von  freundschafft  und  diensterbieten 
ebda  1,  74.  s.  auch  frauenzimmergespr.  1,  153.  —  grusz - 
brieflein,  n.  Butschky  hochd.  kanz.  1  u.  öfter. 

GRÜSZCHEN,  n.,  deminutivbildung  zu  grusz :  denn  es 
sollte  ein  Zürchgulden  zum  grüszchen  drinn  stecken 
Bräker  1,  101,  vgl.  grusz  B  1  c ; 

eial  da  nick  ich  Macbeth  ein  grüszchen 

BÜEGEK  287  Bohtz; 

diessmal  nur  ein  .  .  .  grüszchen  von  mir  schrift.  d.  Oöthe- 
^es.  (1890)5, 107.  —  grüszdichgott,  7i.,i;5rLgrüszenB5c: 
ein  grüszdichgott  oder  ein  patschhandel  Rosegger  I  13, 
223,  vgl. :  am  grüsz-dich-gott-sonntag  sehen  wir  uns  wieder 
Rosegger  I  4, 194. 


1001 


GRÜSZEN  A 1 


GRUSZEN  A 1 


1002 


GRÜSZEN,  vb.,  salutare. 

herkunft  und  form. 

grüszen,  germ.  *grötjan  ist  catisativbildung  zu  got.  gre- 
tan,  an.  grata  (dän.  grsede,  schwed.  grata,  norw.  gräte),  as. 
grätan,  ags.  gräetan  weinen,  oh  mhd.  gräzen,  schw.  vb., 
schreien,  rasen  hierher  gehört,  ist  fraglich,  das  causativum 
ist  zwar  im  got.  nicht  belegt,  darf  aber  als  gemeingermanisch 
angenommen  werden;  ahd.  gruozan  anreden,  angreifen, 
Geaff  4,  S37ff.;  mhd.  grüezen  Lexeb  l,  1099;  as.  grotian 
anreden,  anrufen  Sehrt  211;  Wadstein  68,  23;  mnd. 
groten,  gruten  Schiller-Lübben  2,  156;  mndl.  groeten 
nötigen,  grüszen,  angreifen,  ndl.  groeten  Verwijs-Ver- 
DAM  2,2158;  woordenboek  6,865^.;  afr.  greta  grüszen, 
klagen  Richthopen  783;  ags.  gretan  in  berührung  kom- 
men mit,  angreifen,  grüszen  Bosworth  488*',  engl,  greet. 
—  als  idg.  wurzel  ist  *ghred-,  *ghröd-  anzusetzen,  eine 
sichere  Verwandtschaft  mit  dem  Wortschatz  anderer  idg.  spra- 
chen besteht  nicht,  wenn  auch  mögliche  parallelen  vorliegen, 
am  wahrscheinlichsten  ist  die  Verwandtschaft  mit  ai.  hrä- 
date  Hont,  rasselV ,  av.  zrädanh-  'ringpanzer\  eig.  'der  klir- 
rende\  npers.  zirih  'panzer\  wenn  auch  hier  die  beziehung 
zu  gr.  xixXäJcc,  xa/hiCu),  air.  ad-glädur  möglich  ist.  andere 
Verbindungen  sind:  zu  fehl,  gristan  'weinen''  Johansson 
idg.  forsch.  14,  298,  zu  apreusz.  gerdaut  ''sagen',  gr.  rpQtcCc» 
Uhlenbeck  ebda  13,  218,  vgl.  zum  ganzen  Falk-Tobp  1, 
339  8.  V.  graad  und  Walde- Pokorny  l,  659.  —  eine  neben- 
form  mit  affricata  liegt  vor  in:  got  gruetze  dich  alid.  pred. 
46, 157  Wackernagel;  vielleicht  auch  schon  ahd.  provocare 
gigruozan,  gigroizin  usw.  gl.  1,  626,  4 ;  die  form  ist  beson- 
ders dem  alemannischen  eigen,  s.  für  die  heutige  mundart 
Staub-Tobler  2,  812;  FiscHER  schwäb.  3,  887,  für  ältere 
zeit  die  glossare  zu  Haimonskinder  289  Bachmann;  Mor- 
gant  d.  riese  381  Bachmann;  dtsche  volksb.  494  lit.  ver.;  vgl. 
auch  Paul  u.  Braunes  beitr.  28,  435. 

bedeutung. 

die  bedeiäungsdifferenz  zwischen  nordgerm.  greta  'weinen 
machen^  und  westgerm.  grötjan  'grüszen\  ahd.  auch  'reizen', 
antreiben,  veranlassen'  {s.  u.  A  l),  ist  erklärlich,  wenn  man 
als  ausgangspunkt  die  causative  bedeutung  'zum  sprechen 
veranlassen' ,  'zum  klingen  bringen'  usw.  annimmt,  wo- 
durch auch  der  anschlusz  an  ai.  hrädate  'tönt',  'klingt'  er- 
reicht wäre,  ein  bedeutungsübergang  von  'zum  sprechen 
bringen'  zu  'grüszen'  steht  nicht  vereinzelt,  vgl.  an.  kvedja 
'grüszen',  eigentlich  'reden  machen',  kvedja  'grusz',  as.  qued- 
dian  'grüszen'  zu  an.  kveda,  ags.  cwedan  u^sw.  reden; 
ebenso  got.  goljan  'grüszen'  zu  ahd.  galan  'rufen',  zu  beachten 
ist,  dasz  'der  ankömmling  in  der  regel  erst  sprechen  durfte, 
nachdem  der  hausherr  ihn  mit  dem  heilgrusz  angeredet 
hatte'  Neckel  eddaglossar  s.  v.  kvedja.  vgl.  auch  Kl. 
Ströbe  altgerm.  gruszformen  Paul  u.  Braune«  beitr.  37, 
173/.  die  Sonderentwicklung  im  ahd.  (s.  u.  A  1)  bleibt  frei- 
lich auch  bei  annähme  dieses  gemeinsamen  ausgangspunktes 
ungeklärt. 

A.  grüszen  in  der  bedeutung  'an  jemand  in  bestimmter  ab- 
sieht herantreten',  ohne  den  sinn  freundlichen  entgegen- 
kommens: 

1)  jemand  antreiben,  aufreizen,  häufig  im  ahd.  zur  wie- 
dergäbe von  irritare,  agitare,  provocare,  sollicitare,  conci- 
tare,  excitare,  lacessere,  suscitare,  s.  Gräfe  4,  338;  342,  wie 
die  nachfolgenden  belege  zeigen,  durchaus  nicht  nur  als  ver- 
bum  des  Sprechens: 

flant  ni  luccer  kacniazze 
wanchontem  ruachon  mendinum 
(hostis  ne  jallax  incitet 
lascivis  cutis  gaudiis) 

Murbacher  hymnen  15,  3  Sieters; 

cruozta  si  sia  chuzelondo  an  dero  niderun  stete  ze  nietegi 
{pruritui  subscalpentem  circa  ima  corporis  i.  circa  genitalia 
apposuerat  voluptatem)  Notker  l,  699  Piper;  mit  angäbe 
des  Zieles  oder  ergebnisses: 

wan  za  kabcizzam  cacruaze 
{spes  ad  promissa  provocet) 

Murbacher  hymnen  5,  6  Sievers; 


unde  geruozton  in  ze  zorne  tifen  iro  buolen,  dar  sie  ab- 
kotdienist  uobton  Notker  2,  321  Piper;  317;  nehein  guot 
netate  ih,  negegruozti  er  mih  darazuo  223;  mit  unpersön- 
lichem object: 

kapulubt  noc  paga  kakruazze 

kitagi  noh  wamba  kaanazze 

(iram  nee  rixa  provocet, 

gutam  nee  venter  incitet) 

Murbacher  hymnen  4,  5  Sievers; 

gigruoztez  sollicitum  {mare)  ahd.  gl.  2,  644,  13.  übergehend 
in  die  bedeutung  heimsuchen,  quälen,  beunruhigen,  beson- 
ders neben  abstracten:  so  aber  die  sorgun  gruozent  {pulsarU) 
tiu  herzen  Notker  l,  788,  3  Piper;  menniskon  sorga  ne- 
gruozent  sie  {deos)  l,  817,  7;  gelüste  gruozzent  2,  598, 
2;  übel  minna,  übel  forhta  158,  13.  daher  auch  molestiam 
urdreoz  odo  cruozisal,  kruozzisal  ahd.  gl.  2,  100,  22;  111, 
54  und  grusz  als  'leid,  not',  s.  grusz  A.  vgl.  auch  gi- 
gruozis  concuties  {me  per  visiones  horrore)  ahd.  gl.  1,  501, 
43;  gigruozent  confundent  (venti  furorem  ejus,  qui  fecit 
illos)  1,  581,  24.  vgl.  auch  die  bedeutung  'strafen'  unten  c. 
über  das  ahd.  und  mhd.  hinaus  hielt  sich  die  bedeutung  an- 
treiben, aneifern,  herausfordern  in  bestimmten  Verwen- 
dungen, und  zwar 

a)  in  der  Verbindung  den  hund  grüszen: 

dd  gruoztern  (den  löwen)  als  ein  suochhant 
und  volgt  im  von  der  strftze 

Hartmann  Iwein  3894; 

ob  sich  noch  Lust  lleze  beeren 

und  daz  ich  In  mit  jagen  solte  giüezen 

Hadamar  V.  Laber  jagd  385  Schmeller; 

jaget  ein  man  en  wilt  buten  deme  vorste  unde  volgent 
ime  die  hunde  binnen  den  vorst,  die  man  mut  wol  volgen, 
so  dat  he  nicht  ne  blase  noch  die  hunde  nicht  ne  grute 
Sachsenspiegel^  l,  167  Homeyer.  in  dieser  oder  ähnlicher 
form  auch  in  anderen  gesetzlichen  bestimmungen,  s.  weist. 
3,  224;  S.  Meichszneb  land-  und  lehnr.  (1566)  76^'. 

b)  besonders  in  der  kampfes-  und  gerichtssprache. 

a)  als  'zum  kämpfe  reizen,  herausfordern': 

dö  hörter  daz  geriten  quam 
des  selben  waldes  herre. 
der  gruozt  in  harte  verre 
als  vient  slnen  vient  sei 

Hartmann  Iwein  1002; 

swer  iuch  dar  umbe  grüeze, 
dem  ir  vll  lasters  hat  get&n, 
der  woltez  doch  durch  vorhte  Iftn 

Wolfram  Parz.  89,  24; 

über  das  mhd.  hirmus  erhalten  geblieben  ist  kampflich, 
kämpflich,  kämpferlich,  zu  kämpfe  u.  ä.  grüszen,  d.  h. 
zum  kämpfe,  auch  zum  gerichtlichen  Zweikampf  heraus- 
fordern: sve  kampliken  grüten  wille  enen  sinen  genot, 
die  mut  bidden  den  richtere  Sachsenspiegel  l,  91  Ho- 
meyer; ebenso  207;  also  verwint  man  den  ok,  die  to 
kampe  gevangen  unde  gegrot  is  96 ;  also  überwindet  man 
auch  den,  der  ze  kämpfe  gevangen  oder  gegrüezzet  ist 
Schumbenspiegd  404, 48  Wackernagel;  kämpferlich  grüszen 
est  capitis  accusare  et  duellum  indicere  Stieler  Stamm- 
baum 712;  kampferlich  grüszen  capitis  accusare,  criminis 
accusare,  indicere  duellum  Henisch  1771;  'kämpflich 
grüzzen  heiszt  einen  auf  kämpf  um  leib  und  seele  an- 
sprechen, das  der  angesprochene,  ohne  verlust  seiner  ehre, 
nach  alten  recJiten  nicht  atisschlagen  kann'  Westenrieder 
(1816)  280,  vgl.  220;  einen  kämpflich  grüszen  ihn  heraus- 
fordern und,  wie  noch  jetzt  im  nd.,  zum  trunk  auffordern, 
zuwinken  Heinsius  2,  560.  vgl.  Haltaus  757;  Fischer 
schwäb.  3,  887;  mein  vater  hatte  andere  Ursachen  seinen 
herren  amtsbrüdem  kein  rappier  anzubieten  oder  sie 
kämpflich  zu  grüszen  Hippel  lebensl.  l,  79. 

ß)  weiterhin  auch  'angreifen'  mit  und  ohne  nähere  an- 
gaben, und  zwar: 

aa)  das  mittel,  womit,  oder  die  art,  wie  man  grüszt,  ist 
nicht  näher  erläutert: 

alse  den  leun  oder  die  levinnen  lernen  getar  wekchen, 

809  er  llgit  ruwen       mit  offenen  ougen: 

same  giturrin  viante  din      iuweht  dich  girüzen 

genesis  in  Hoffmann«  fundgr.  2,  77; 


1003 


GRÜSZEN  A  2 


GRÜSZEN  B 1 


1004 


Wate  stuont  niht  müezic,       des  Ich  gelouben  wil. 
er  hete  ir  vil  gegrüezet      des  Itbes  an  ein  eil 

Kudrun  1429  Martin; 

dö  räch  der  künec  Vruote      slnen  alten  haz. 

er  sprach:  ich  sage  dir,  Günther,      ich  wil  dich  grüezen  baz, 

Sit  du  mir  hie  bist  komen      üf  des  strites  vart 

rosengarten  D  370  Solz; 

den  so  wend  wir  in  dem  namen  gocz  die  beiden  grüeszen 
dtsche  volksb.  209,  18  Bachmann;  aber  tag  und  nacbt 
ritte  der  soldan  mit  seiner  ritterscbafft,  aufE  dasz  er 
Dagobertum,  den  konig  auaz  Frankreicb,  desto  ehe 
mochte  grusen  (feindlich  mit  ihm  zusammen  kommen) 
buch  d.  liebe  (1587)  11"^;  die  zugen  auch  für  Basel  hin  den 
balg  zu  wagen  vnd  jhren  feynd  zu  gruszen  Stumpf 
Schweizer  chron.  {1606)  699*. 

ßß)  das  m,iUel  oder  die  art  des  grüszens  wird  durch  pas- 
sendes subject,  adverbial  oder  durch  eine  präpositionale  Ver- 
bindung ausgedrückt; 

in  gruozet  hiute  min  swert: 
ih  pringe  in  in  not 
other  iz  ist  ther  min  tot 

Rolandslied  6179  Bartsch; 

disen  hie  dort  ienen 
gruzter  mit  grozzen  siegen 

Herbort  v.  Fritzlar  liet  v.  Troye  8813 ; 

{ich)  wil  an  iuch  gern, 
daz  ir  mich  grüezet  mit  den  spern 

Ulrich  v.  Liohtknstkin  462,  6  £.; 

ich  wil  dich  hiute  grüezen  mit  dem  swerte  min, 
daz  ist  geheizen  Balmune  und  glt  liebten  schln 

rosengarten  D  512  Kolz; 

es  hat  auch  mancher  erfarn,  wie  vbel  ich  yhn  gegrüst 
hab  auch  yn  wenig  bösem  geschrey  Ebeelin  v.  Günz- 
Bimo  3, 142  ndr.;  als  sie  aber  vermerckten,  dasz  sie  nichts 
damit  schafften  vnd  fruchteten,  machten  sie  jhre  schleu- 
dern losz  vnd  fiengen  an,  jhme  das  gebor  mit  fauste 
groszen  steinen  zu  gruszen  {steine  an  den  köpf  zu  werfen) 
BästeIj  V.  D.  Sohle  Harnisch  (1648)  205;  wer  einen  mit 
einem  schwerd  grüst,  dem  danckt  man  mit  einem  rappir 
Lehman  ß,or.  polit.  (1662)  2,  611; 

die  furcht  last  keine  hoffnung  gr&nea, 
da  mich  das  Unglück  feindlich  grüst 

A.  U.  V.  Braunschwkiq  Octavia  1,  854. 

c)  besondere  anwendungen  in  älterer  zeit; 

ich  danck  dem  herren  lobesan, 
das  er  mich  also  grüeszt, 
mit  dem  ich  mich  versündet  han, 
das  mich  dasselbe  püeszt 

Oswald  v.  Wolkknstein  84, 14  Schatz; 

ein  alder  was  ge wonlich  dicke  siech  und  eines  jares  ver- 
meit  in  der  siechtum.  do  weinet  er  unde  sprach:  herre 
hastu  mich  verlazzen,  das  du  in  diesem  jare  mich  nicht 
woldes  gruzen?  der  veter  buoch  24  lit.  ver.; 

swer  danne  hat  behalten 

sine  sunde  ungebuzzet 

untz  in  daz  alter  gruzzet, 

der  stirbet  danne  lihte 

ans  riwe  und  ane  bihte  Dooen^wüc.  2,  215; 

SO  in  diu  suht  grüeze,  bint  im  den  {riemen)  umbe  den 
hals  arzneibücher  66  Pfeiffer, 

2)  jemand  ansprechen,  anreden,  anrufen,  ohne  den  sinn  der 
bewillkommnung,  stets  ein  verbum  des  Sprechens;  alloquor. 
ich  Sprech  zu,  grusz  Albbrtjs  dict.  (1540)  27*';  gruszen, 
gruszen  compellare,  alloqui  Wachtee  621:  inti  gruozta 
{vocavit)  einan  fon  then  scalcun  inti  frageta  waz  thiu 
warin  Tatian  97,  6,  ebenso  17,  5;  bare  boren  alle  zuo, 
imsib  unde  sie  gruozet  got  Notkbe  2,  337  Piper;  mit  an- 
gäbe des  Zieles; 

stunta  kiwaldaniu  sehstuntom 
unsih  za  petonne  cruazzit 
{hora  Valuta  sexies 
nos  ad  orandum  provocat) 

Murbacher  hymnen  12, 1  Sievers; 

waz  tuo  wirs  nu,  so  siu  hirates  scal  gegruozet  {var.  ge- 
fraget) werdan?  Willieam  141,  3  Seemüller;  als  'befragen'; 

gab  er  (Christus)  mo  (Nicodemus)  antwurti  mit  mihileru  milti, 
joh  er  mo  iz  al  gisuazta      so  wes  soso  er  nan  gruazta 

0TrRiDlI12,  28; 


ähnlich  in  einer  dorf Satzung :  wann  das  war,  daa  ainer  zu 
dem  dorfrechten  {gerichtssitzung)  nit  kam  und  den  dorf- 
maister  nicht  gegrieszet  und  sein  willen  nit  biet,  den 
sol  er  {der  umsager)  pfenden  österr.  weist.  5,  159,  weitere 
belege  s.  u.  bei  Otfeid  auch  in  der  bedeutung  'in  der 
er  Zählung  berühren',  'berichten': 

sie  thiu  bede  (Gregor  und  Augustin)  gruazent      joh  uns  iz 

harto  suazent 
thesses,  thi  ih  nu  hiar  giwuag,      es  ist  uns  follon  thar  ginuag 

V  14,  29,  ebenso  12,  1;  IV  1,  24  und  an  Eartmut  97. 

bereits  mhd.  spielt  fast  stets  die  bedeutung  der  begrüszenden 
anrede  hinein; 

er  küene,  traecllche  wls 
(den  helt  ich  alsus  grüeze) 
er  wlbes  ougen  süeze 

Wolfram  Parz.  4, 19. 

in  späterer  zeit  tritt  die  bedeutung  der  reinen  anrede  am 
deutlichsten  wohl  in  der  Verbindung  jemanden  um  etwas 
gruszen  hervor,  der  sinn  ist:  jemanden  wegen  etwas  an- 
sprechen, ihn  um  etwas  bitten,  nach  etwas  fragen: .  .  .  ainen 
abgot  darausz  machten,  den  wir  in  allen  spänen  rhat- 
frageten,  sonder  das  wir  jn  darumb  gruszen,  und  gelaszen 
den  verstandt  suchen  S.  Feanck  paradoxa  vorr.  3 ;  umb 
den  verstandt  und  ausslegung  rhatsfragen  und  gruszen 
S.  Feanok  Erasmi  v.  R.  lob  d.  thorh.  (1534)  114;  ich 
wils  yhn  auch  keynen  danck  nicht  wissen,  noch  sie  {die 
concilia)  drumb  gruszen  noch  von  yhn  begehren  Ltjthee 
12,  238  W.;  vgl.  gehen  daher  in  ihrer  vermessenheit  und 
gruszeten  gott  nicht  ein  mal  drumb  ebda  15,  370,  14; 

aber  ich  bin  gar  ungewisz, 

weisz  keinen  den  ich  darumb  grflsz 

Fisohart  1,  2698  Kurz, 

vgl. ;  den  herren  vogt  zuvor  darumb  grüeszen  und  fragen 
(1581)  bei  Stafb-Toblee  2,  812;  um  des  grüsz  i  die  net! 
Fisohee  Schwab.  3,  887.  hierher  gehört  auch  die  bei  Staub- 
ToBLEE  2,  813  verzeichnete  bedeutung  'zur  rede  stellen', 
möglich,  aber  unwahrscheinlich  ist  die  bedeviung  des  reinen 
anredens  in  fällen  wie:  er  grust  jn  in  nachfolgender 
maszen  hertzog  Aymont  (1535)  cl^;  im  Sprichwort:  wie 
man  dir  rüfft  oder  dich  grüszt,  also  antwort  Feanok 
sprichw.  2,  109^;  schöne  weise  klugreden  (1548)  43^;  ant- 
worte, wie  man  dich  grüszet  Feiedrich  Wilhelm  sprich- 
wortreg. (1577)  a  1**. 

B.  jemandem  durch  wort  oder  tat  freundlich  entgegen- 
kommen, sich  ihm  freundlich  nähern,  ihn  begrüszen.  in 
den  glossaren  durch  salutare  u.  ähnl.  übertragen:  Dieeen- 
BACH  509  c  s.  V.  salutare;  salutare,  persalutare,  salutationem 
facere,ferre  salutem  alicui,  salutem  impertire  Mäalbe  1948'; 
salutare,  salutem  alicui  dicere,  nunciare,  salvere  jubere 
Stielbe  712;  salutare,  salutem  precari  aliis  Haltaus  757. 
ahd.  ist  die  bedeutung  'salutare'  nur  in  glossaren  des  11.  u. 
12.  jhs.  belegt,  s.  ahd.  gl.  2,  609,  46;  611,  50. 

1)  jemand  bewillkommnend  anreden,  ohne  den  beisinn 
des  gesellschaftlich-conventionellen.  die  belege  unterscheiden 
sich  von  den  unter  A  2  angeführten  durch  die  hinzutretende 
bedeutung  der  bevnllhommnung ; 

a)  diese  bedeuiung  ist  ahd.  bereits  da: 

so  Petrus  thaz  tho  gisah       fon  themo  skifl  er  zi  imo  sprah, 

gruazta  baldo  (ih  sagen  thir  thaz)      then  meistar,  so  er 

giwon  was        Otfrid  III 8,  31 ; 

mit  Zusatz:  daz  sie  mih  friuntlicho  gruozton  .  .  .  unde  sie 
doh  trugelicho  dahton  Notkbe  2, 121  Piper; 

din  wärhafter  munt 
den  werden  und  den  süezen 
mit  rede  nu  sol  grüezen 

Wolfram  Parz.  781,  26. 

b)  in  späterer  zeit  tritt  diese  bedeutung  in  bestimmten 
constructionsweisen  und  bei  bestimmten  Zusätzen  noch  deut- 
lich hervor: 

a)  mit  dem  doppelten  accusativ  construiert  bedeutet 
gruszen  'jemanden  als  träger  einer  bestimmten  eigenschaft, 
eines  titeis  usw.  anreden,  nennen' .  stets  ist  der  sinn  der 
begrüszenden  anrede  eingeschlossen,   schlieszlich  kann  sich 


1005 


GRÜSZEN  B 1 


GRUSZEN  B  2 


1006 


die  Bedeutung  'zu  etwas  gratulieren''  ergeben,  parallel  ge- 
bräuchlich ist  die  Verbindung  'jemanden  als  etwas,  für 
etwas  grüszen'. 

aa)  doppelter  accusativ:  die  jn  ein  vatter  grüsztind  vnd 
nenntind  qui  se  patris  appellatione  salutarent  Fbisius 
lOöl»;  er  fürt  unseglich  grosz  gut  ausz  Egipten  mit  jm 
gen  Rom,  darumb  ward  er  Augustus  gegruszt  S.  Franck 
chron.  öerm.  (1538)  le'';  27*  u.ö.;  nach  disem  sieg  ward 
er  ein  vater  des  vatterlands,  ein  herr  und  imperator 
von  iederman  grüszt  ebenda  86*';  liesz  sich  gleichfals 
ein  konig  gruszen,  wiewol  er  nit  ein  erweiter  konig  war 
Stttmpp  Schweizerchronik  222'' ;  haben  ihn  zu  einem  kö- 
nige  und  römischen  keyser  erweit,  bestetigt,  angenommen 
.  . .  und  ihn  Augustum  gegrüszet  Hossmann  von  keyserl. 
wähl  u.  krönung  196; 

hört  wunder,  hört  des  könlgs  söhn, 
der  sprang  herab  von  seinem  thron 
und  liesz  sich  schäffer  grüszen 

Angklus  SttESitJS  seelenltist  196  Ellinger; 
würd  er  . . . 

bekennen,  dasz  dir,  heid,  nichts  kayserliches  mehr 
ermanglet  dan  der  nam,  und  dich  selbs  Caesar  grüszen 
Weckheklin  ged.  1,  429  Fischer; 

und  froh  bestürzt  (loird  er) 
sich  einen  dichter  grüszen  hören 

Bamler  lyr.  ged.  (1772)  86; 

zum  pfände  noch  gröszerer  ehren,  .  .  .  soll  ich  dich 
graf  von  Cawdor  grüszen  Büeger  290  Bohtz;  er  grüszte 
sie  brüder  Schiller  2,  77  O.;  denn  sein  rufen  soll  eine  gar 
gefährliche  Vorbedeutung  seyn,  und  wen  juckt  es  nicht 
ein  bischen  an  der  stirne,  wenn  er  sich  kuckuck  grüszen 
hört  Shakespeare  1,  226; 

bis  Superintendent  irgend  ein  Städtchen  ilm  grüszt 

RÜCKERT  ges.  ged.  2,  279. 

ßß)  für  etwas,  als  etwas  grüszen:  es  wolte  aber  nicht 
jederman  allenthalben  jhn  für  ein  bapst  grüszen  vnd 
halten  Kirchhof  wendunmuth  1,  457  lit.  ver.;  zwei  edle, 
die  . . .  den  Macbeth  als  than  von  Cawdor  grüszen  Her- 
der 23,  368 /Sf.;  Bettina  von  Arnim  kam,  grüszte  mich 
als  minister  der  auswärtigen  angelegenheiten,  rieth  aber 
gleich  dringend,  ich  möchte  es  nicht  annehmen  Vabn- 
HAGEN  v.  Ense  togeb.  5,  186;  als  der  führer  der  Göttinger 
sieben  von  seinem  eide  nicht  lassen  wollte,  da  grüszten 
ihn  seine  Studenten  als  'den  mann  des  wertes  und  der 
that*  Treitschke  hist.  u.  polit.  aufsätze  1,  348. 

ß)  mit  namen  grüszen,  d.  h.  mit  dem  oder  einem  beson- 
deren namen  grüszend  anreden,  bei  namen  grüszen  mit 
namen  anreden:  dieser  (hat  mich)  mit  meinem  eigenen 
namen  . .  .  gegrüszet  theatrum  amoris  (1626-31)  127; 

darf  ich  zum  erstenmahl  dich  mit  dem  süszen, 
vertrauten  namen:  männchent  grüszen         Gotter  1,  288; 

Paris  und  London !  —  wo  man  ohrfeigen  einhandelt,  wenn 
man  einen  mit  dem  nahmen  eines  ehrlichen  mannea 
grüBzt  Schiller  2,  35  0.;  als  er  eines  abends  .  . .  sich 
zum  Schlummer  niederstreckte,  erschien  ihm  jemand  im 
träum,  grüszte  bei  namen  und  forderte  ihn  zum  gesang 
auf  J.  Grimm  kleine  sehr.  1, 109;  mit  dem  jarlsnamen 
grüszend  Dahlmann  gesch.  v.  Dänemark  2,  306;  jeden 
bürger  der  hauptstadt  wuszte  er  beim  namen  zu  grüszen 
MoMMSEN  röm.  gesch.  3, 14. 

y)  mit  Worten  grüszen  jemanden  mit  bestimmten  worten 
anreden:  als  nun  der  engel  zu  jro  {Maria)  hinynkommen 
ist,  hat  er  sy  gruzt  mit  disen  worten  Zwingli  dtsche  sehr. 
1,  92; 

und  ich  euch  hie  mit  wortten  grfiesz: 
sagt,   acht  halb  schoflf,  wie  vil  hatz  föesz?    (beginn   eines 
rätselstreites)  pfarrer  v.  Kaienberg  26  ndr.; 

singularisch: 

ich  sprach:  monsleur,  monsieur  (es  war  mir  schon  bewnst, 
dasz  man  nüt  diesem  wort  alleine  gr&szen  must) 

Rachel  sat.  ged.  88  ndr.; 

die  bedeutung  des  höflichen  grüszens  gesellschaßlicher  art 
(s.  u.  3)  ist  deutlicher  vertreten  in:  nun  grüszten  wir  ein- 
ander mit  ein  paar  Worten  Heinse  9, 199  Schüddekopf. 


b)  in  religiösem  Zusammenhang:  ein  göttliches  wesen, 
einen  in  den  bereich  des  cultischen  gehörigen  gegenständ 
grüszen,  d,  h.  ihm  seine  ehrfurcht  durch  anrede  (gebet)  oder 
aufmerksamkeit  bezeugen,  grüszen  adorare  Henisch  1771 : 

wir  knien  nlder  tzu  deinen  füeszen 
und  wellen  dich  all  hye  grueszen 

altd.  passionssp.  aus  Tirol  120  WaelerneU; 

ich  man  iuch  bi  Marien  klage, 
daz  ir  si  grüezent  alle  tage 

scTiausp.  des  mittelalters  1,  250  Mone; 

bücken  sich  vast  höfflich  gegen  der  ampel,  grüszen  die 
heiligen  Judas  Nazabei  41  ndr.; 

warumb  tregt  diser  hertzog  doch 
ein  schweres  unverschuldtes  joch, 
musz  frembde  sünd  und  unthat  büszen, 
der  doch  die  gStter  pflegt  zu  grüszen, 
mit  gaben  und  gebett  diemütlg 

Spreng  Ilias  (1610)  284»; 

wie  gewisse  Völker  bey  keinem  bUde  eines  heiligen  vorbei- 
gehen, ohne  ihn  zu  grüszen  Joh.  E.  Schlegel  3,  479; 

sonst  erschienen  uns  (menschen)  die  götter  . . . 
wann  wir  mit  festlicher  pracht  der  hekatomben  sie  grüszen 
Voss  Odyssee  122  Bernayt; 

räumen  sie  ihr  (der  Nemesis)  eine  stelle  im  lararium  ihres 
herzens  ein  und  grüszen  sie  sie  jeden  abend  Herder^15, 
331  S.;  wenn  du  nach  Einsiedeln  kommst,  grüsz  mir  d 
mutter  gottes!  lege  auch  für  mich  fürbitte  ein  Fischer 
Schwab.  3,  887.    vgl.: 

ere  wy  de  rede  begynnen, 
so  grote  wi  erst  de  koninghinne 
myt  eynem  'pater  noster'  vorwar 
vnde  myt  eynem  'ave  Maria'  dar 

Theophüut  22  PeUch. 

2)  grüszen  im  sinne  von  begrilszen  im  allgemeinen,  seiner 
freude  über  ein  ereignis  durch  wort  oder  gedanken  aua- 
druck  geben,  das  conventionelle  ist  in  diesen  fällen  nicht 
eingeschlossen: 

a)  in  gehobener  oder  poetischer  spräche,  freudig  will- 
kommen heiszen",  auch  'preisend  besingen\  'preisen'. 

a)  land,  stadt  usw.  beim  vnedersehen  oder  erstem  er- 
leben grüszen: 

du  beimath  süsze, 
du  lieber  ort, 
ich  grüsz  dich,  grüsze 
mit  bitterm  wort 

FOUQUÄ  zauberring  (1812)  1,  5; 

ich  grüszte  ...  die  gegenüber  liegenden  küsten  E.  M.  Arndt 
s.  w.  1,  91; 

nun  grusz  ich  dich  von  hertzen, 

du  edles  Wittenberg! 

Wackernagkl  deutsches  kircherdied  3,  75. 

ß)  natur,  steme,  die  aufgehende  sonne  usw.  grüszen: 

o  liebe  sonne,  sey  gegruszt  I 

Becker  mildh.  liederb.  (179Q)  3; 

mutter  erd  und  mutter  Lucina,  ich  grüsz  euch  beide! 

Herder  26,  22  S.; 

. . .  wie  glücklich  ich  aufgestanden  bin  und  die  schöne 
sonne  gegrüst  habe  .  .  .  Göthe  IV  3,  33  W.; 

dort,  wuszt  er,  grüszten  muntre  zecher 

oft  Eos  strahl  bei  vollem  becher  (durch  zutrinken) 

Kind  sred.  (1817)  1,93; 

wie  freudig  grfisz  ich  nun  das  licht  des  tages 

TiECK  3,  482; 

Ol  wann  grüszest  du  den  morgen  wieder? 
schöngelockte  wirst  du  lange  ruhn? 

Bettine  die  Günderode  1, 120; 

und  grüszt  ihr  einstens  dort  das  morgenroth, 
SO  denkt  der  schwesterhand,  die  es  euch  bot 

A.  V.  Droste-Hülshoff  2,  232  Seh. 

der  grusz  geschieht  mit  hilfe  von  musikalischen  instru- 
menten: 

all  warens  freudig,  das  maus  wag, 

vnd  grüszten  da  den  lieben  tag 

mit  trummen  vnd  trommeten  schall 

Fischart  glückh.  schiff  8  ndr.; 


1007 


GRÜSZEN  B  2 


GRÜSZEN  B  2 


1008 


mit  jungem  muth 
begleitet  sie  der  hirt,  und  grüszet 
seine  gefllde  mit  neuen  tönen  Heedek  27,  70  S. 

y)  das  subject  des  grüszens  ist  die  natur,  ein  tierisches 
Wesen,  ein  abstractum. 

aa)  der  gesang,  das  lied,  das  jaitchzen,  der  segen  usw. 
grüszen.   das  akustische  moment  tritt  hervor: 

ich  kann  sie  kaum  erwart€n 

die  erste  blum  im  garten, 

die  erste  blüth  am  bäum. 

sie  grüszen  meine  lleder  . . .  Göthe  1,  23  W; 

dasz  er  kalt  an  meinem  leicbensteine 
stehet,  und  des  modernden  gebeine 
keines  Jünglings  stiller  segen  grüszt 

HÖLDEKLIN  1,  56  Litzmann; 

beilger  boden,  dich  grüszt  mein  gesang  I 

KÖRNBE  1,  109  H.; 

ein  allgemeines  lautes  jauchzen  grüszt 

den  theuren  ort  A.  v.  Deoste-HOlshOff  2,  235; 


vgl.: 


und  immer  heller  grüszt  sie  der  gesang 


2,  235. 


ich  grüeze  mit  gesange  die  süezen 
die  ich  vermtden  niht  wil  noch  enmac 

KAISES  Heinrich  in  minnesangs  frühl.  5,  16. 

ßß)  sehr  reich  vertreten  ist  die  gruppe  mit  tieren,  meist 
vögeln  als  grüszenden  wesen.  der  gesang  der  vögel,  das 
brüllen  des  viehs  u.  s.  w.  wird  als  ein  zeichen  des  gruszes 
aufgefaszt: 

in  dem  tal 

hebt  sich  aber  der  vögele  schal. 

s!  wellent  alle  grüezen  nü  den  meien 

Neidhaet  6,21; 

laszt  ewrer  bunten  vögelscbaar 

die  weit  mit  tausent  liedern  grüszen 

R.  BOBEETHIN  in  Königsb.  dichterkreis  85  ndr.; 

das  Vieh  verläszt  den  stall, 
und  grüszt  das  nahe  thal 

Schwabe  belustigungen  (17 4tl)  3, 142; 

und  ihr,  gefiederte  Sänger  der  büsche  und  Wälder,  .  .  , 
stimmt  eure  tonreichen  kehlen,  ihrer  erscheinung  ent- 
gegen zu  grüszen  Bodb  gesch.  d.  Th.  Jones  2, 14; 

ein  bach,  von  raben  nur  gegr&szt, 
der  am  bereiften  ufer  flleszt 

J.  G.  Jaoobi  sämü.  w.  1, 132; 

dagegen  die  Glamer  fütterten  .  .  .  ihren  hahn,  dasz  er 
freudig  und  hoffärtig  den  morgen  grüszen  könne  (mit 
hahnenschrei  sollte  der  grenzlauf  mit  den  Urnern  beginnen) 
Gbimm  deutsche  sagen  l,  193; 

gleich  wie  die  lerche  grüszt  den  ersten  funken, 
der  aus  dem  aug  des  jungen  tages  bricht 

Herwegh  ged.  eines  lebendigen  (1843)  2,  3; 
unsichtbar  aus  der  luft  die  eule  grüszt 

A.  V.  Deostb-Hülshoff  2, 112. 

yy)  musikalische,  klingende  instrumente  grüszen: 

und  grüszend  vertönet  das  hörn 

Geisel  (1888)  1,  7; 

drauszen  schlug  soeben  die  uhr  vom  thurme,  als  wollte 
sie  mit  dem  wohlbekannten  klänge  grüszen  Eichendoef 
(1863)  3,  359. 

(ftf)  die  natur  und  ihre  erscheinungen  grüszen.  optische 
oder  akustische  eindrücke  vermitteln  die  anwendung,  so  wird 
der  strahl  der  sonne  oder  die  welle  des  Stromes  als  grüszend 
aufgefaszt:  die  sonne  (begann)  si  .  .  ,  mit  anmuthigen 
blikken  zu  grüszen  Zesen  adriat.  Rosemund  12  ndr.;  die 
anmuthige  morgenrSthe  grüste  den  tag  mit  lachendem 
munde  Lohenstein  Arminius  l,  146^; 

Aurora,  wenn  sie  kaum  der  berge  spitzen  grüszt 

Neukiech  anf angsgr.  (,172i)  497; 

die  sonne  grüszt  die  Auren, 
beginnet  neuen  lauf 

R.  Z.  Beckbe  müdh.  liederb.  (1799)  82; 

dort  wo  der  alte  Rhein  mit  seinen  wellen 
so  mancher  bürg  bemooste  trümmer  grüszt 

BÖHME  voUcsthüml.  lieder  d.  DeutscJien  30; 


freundlich  grüszend  und  verheiszend 

lockt  hinab  des  Stromes  pracht  Heine  1,  33  E.; 

Sirenen  buhlen  mit  der  fahrt  gesellen, 
aus  bergestiefen  grüszt  sie  daa  metall  (blinkt  grüszend 
entgegen)        Beentano  2,  304 ; 

das  weisze  bauschen  schaute  freundlich  grüszend  aus  den 
dunklen  linden  herüber  Stifteb  3,  160;  vgl.  auch:  jene 
stuckomamente,  die  .  .  .  vom  plafond  herab  grüszten 
Fontane  1 1,  390. 

ee)  abstracte  begriffe  als  stihject: 

seht,  die  milde  himmelsgunst 
euch  mit  holden  blicken  grast  . . . 

Knittel  poet.  sinnenfrüchU  (1677)  21; 

dasz  die  gute  späht  und  früe 
mag  die  treue  grüszen 

Adeesbach  bei  Fischee-TüMPBI  3, 101 ; 

unser  dank,  und  wenn  auch  trutzig, 

grüszend  alle  lieben  gaste, 

mache  keinen  frohen  stutzig  Göthe  3,  64  W.; 

doch  lächelnd  grüszt  der  friede  die  gefllde 

und  streut  die  goldne  saat  Schiller  11,  362  0.; 

jauchzend  um  die  blumenhügel 
grüszten  gram  und  sorge  dich 

HÖLDEELIN  1, 118  Litzmann. 

CC)  der  blick,  die  äugen,  das  herz  als  subject: 

leb  wohll  dich  grüszt  mein  letzter  blick! 

leb  wohl  und  liebe  mich  in  unserm  theuren  söhne! 

Schillbe  6,  383  G.; 

soll  mein  suge  noch  einmal  ihr  antlitz  grüszen? 

BODMEE  Noah  16; 
o  hertz  des  königs  aller  weit, 
des  herrschers  in  dem  himmelszelt, 
dich  grüszt  mein  hertz  in  frenden 

P.  Qeehard  bei  Fischee-Tümpel  3,  412»; 

dein  äugen,  deinen  mund, 

den  leib,  der  noch  verwundt, 

da  wir  so  vest  auf  trauen, 

das  werd  ich  alles  schauen, 

auch  innig  hcitzlich  grüszen 

die  mahl  an  blind  und  füszcn  ders.  3,  404  s 

b)  in  gehobener,  pathetischer  oder  poetischer  spräche  be- 
gegnet als  freudige  anrede  sei  mir  gegrüszt!  sei  gegrüszt!, 
au^h  abgekürzt  gegrüszt!,  dem  lat.  salve  oder  ave  entspre- 
chend, in  älterer  zeit  bis  gegrüszt  usw.  im  sinne  von 
'sei  mir  willkommen\ 

a)  belege  in  älteren  Wörterbüchern:  gegrust  systu  gemma 
gemmarum  (1508)  c  2**;  sey  von  uns  allen  gegrüszet  salve 
ab  Omnibus  nostris  Stielek  712;  vgl.  sey  gegrüszt  von 
uns  allen  Henisch  1771;  pisz,  bysz,  syest,  seyest,  sist, 
wisz  gegrüszet  Diefbnbach  609^,  vgl.  auch  s.  v.  ave  üO^. 

ß)  belege  für  den  älteren  imperativ  des  hilfsverbums: 

Juden  künig,  pis  von  mir  gegrüszt! 

altd.  passionsp.  aus  Tirol  71  Wackemell; 

bis  wolkomen  oder  gegrüszt,  merer  des  rychs,  ein  keiser 
vnd  gebieter  Riedeber  Spiegel  d.  wahren  rhet.  (1493)  m  2* ; 
wer  redt  hie :  Misis  biss  gegrüsset?  (quis  hie  loquitur?  Mysis 
salue)  Terenz  deutsch  (1499)  16^;  bisz  gegrüszt  (vale)  erste 
deutsche  bibel  11,  388,  45  lit.  ver.; 

du  holdselige,  bisz  gegrüszet 

H.  Sachs  1,  258  lit.  ver. 

y)  sei  gegrüszt,  du  seist  gegrüszt,  sollst  gegrüszt  sein 
u.  ähnl. 

aa)  als  anrede  von  menschen  oder  personifiziertem,  meist 
poetisch:  sey  gegrüszet  Demea  Boltz  Terenz  deutsch 
(1539)  96^; 

seit  all  gegrüszet  in  gemein 

H.  Sachs  21, 17  OöUe; 

gegrüszet  seystu,  lieber  herr, 

sonst  weis  ich  dir  zu  thun  nicht  mehr 

B.  Keügbe  orfton  (1580)  0  7"; 

o  du  geliebter  vatter  mein, 
in  frewden  wir  gedencken  dein, 
gegrüszet  seyest  heut  von  mir, 
der  himmel  ist  bescheret  dir, 
gegrüszet  sey  dein  seel  vnd  geist 

Speeng  Äneis  (1610)  85»; 

ihr  weisen,  seyd  geküsset, 

ihr  lehrling,  seyd  tausendmal  gegrüszet 

Neumaek  fortgepfl.  mtis.-poet.  lustw.  1, 182; 


1009 


GRÜSZEN  B  8 


GRÜSZEN  B  3 


1010 


was  hat  jener  rabe  zum  Augustum  mehr  kömien  sagen, 
als  ave  Caesar,  sey  gegrüszet  kayser  Prätobiüs  winter- 
flucht  d.  sommervögel  (1678)  41; 

zarter  erstllng,  süszer  knabel 
du,  des  hlmmels  eigne  gäbe, 
die  so  BchÖD  als  edel  ist; 
sey  willkommen,  sey  gegiüsztl 

Gottsched  ged.  1  (1761)  106; 


gegrüszet  seid  mir,  edle  herrn, 
gegrüszt  ihr,  schöne  damenl 


GÖTHE  1, 162  W.; 


sein  sie  mir  nach  einer  so  langen  abwesenheit  herzlich 
gegrüszt  23,  208; 

tapfre  Preuszenl  tapfre  Preuszen! 
heldenmänner  seyd  gegrüszt  I 

E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  1,  314; 

gegrüszt,  ihr  herrenl  zur  gelegnen  stunde 
find  ich  euch  hier  versammelt  all 

EICHENDOEF  4,  579; 

gegrüszt,  liebe  Schwester  Göthe  24,  319  W. 

häufig  ist  die  bedeutung  'sei  gepriesen,  sei  besungen\  be- 
sonders bei  der  anrede  an  Maria,  dem  ave  Maria  entspre- 
chend: gegrüszt  seistu  vol  der  genaden:  der  herr  ist  mit 
dir  erste  deutsche  bibel  l,  197  lit,  ver.; 

du  holdtsellge,  sey  gegrüszet, 
vol  genaden  gar  ubersüszetl 

H.  SACHS  11, 167  lü.  ver.; 

gegrüst  seystu,  o  heyl  der  weit, 
viel  tausent  grüsz  ich  dir  vermelt 

BÄüMKEE  hath.  kirchenlied  1,  495. 

ßß)  als  anrede  der  natur  oder  freudige  begrüszung  von 
naturerscheinungen;  poetisch: 

gegröszet  seist  du,  schönster  strahl  1 

Zesbn  vertn.  Helikon  (1666)  1,241; 

sey  uns  tausendmahl  gegr&szet 
söszer  tag,  geliebtes  licht, 

MORHOF  Unterricht  v.  d.  dtsch.  spr.  (1682)  2,  164; 

sey  mir  gegrüszt  mein  berg  mit  dem  röthlich  strahlenden 
gipfel        SOHiiLKR  11,  76  O. 

3)  als  allgemeiner  ausdruck  der  höflichkeit  bekannten 
oder  geschätzten  personen  gegenüber,  gegrüszt  vnrd  im 
vorübergehen,  beim  treffen  als  einleitung  einer  Unterhaltung, 
beim  abschied,  je  nach  zeit,  sitte,  stand  geschieht  das  grüszen 
durch  formel,  hand-  oder  kopfbewegung,  hutabnehmen  usw. 

a)  in  warten,  von  person  zu  person,  meist  durch  gebratich 
einer  der  gewöhnlichen  grv^zformeln: 

du  solt  dich  site  nieten, 
der  werlde  grüezen  bieten 

WOLFRAM  Parz.  127, 19; 

den  vriunden  niht  mit  dienste  laz, 
da  bt  in  zühten  wol  gezogen, 
und  grüeze,  den  du  grüezen  solt 

Wimbecke  39,  9  Leitzmann; 

besonders  im  minnedienst  ausgebildet  als  ausdruck  des 
Wohlwollens,  der  huld  einer  frau,  s.  grusz  B  1 : 

swer  wlrde  und  fröide  erwerben  wil, 
der  diene  guotes  wibes  gruoz. 
swen  si  mit  willen  grüezen  muoz, 
der  hat  mit  fröiden  wlrde  vil 

Walther  v.  d.  Vogblweide  90, 17; 

swenn  ir  munt  ein  grüezen  bot, 
der  brähte  sselde  unz  an  den  tot 

Wolfram  WUlehalm  155, 11. 

'den  ankommenden  begrüszen"  führte  zur  bedeutung  ^emp- 
fangen' : 

ir  heizet  Slfriden      zuo  miner  swester  kumen, 

daz  in  diu  maget  grüeze:       des  habe  wir  immer  frumen. 

diu  nie  graozte  recken,       diu  sol  in  grüezen  pflegen 

Nibelungenlied  288,  2; 

ebda  öfter:  104,  4;  1156,  3.  1657,  3  überliefern  C  D  enphähen 
statt  grüezen,  als  offt  er  zu  seinen  jungem  komen,  hat 
er  sy  gegrüeszt  mit  dem  frid  Bebth.  v.  Chibmsee  theologey 
92  Reithm.;  als  er  nu  von  der  kirchen  wider  in  den  palast 
keret,  das  niemandt  so  kün  was  ym  nachzufolgen  oder 
jn  au£E  dem  weg  anzusprechen,  . .  .  oder  anschreyen  und 
grüszen,  wie  die  Römer  pflegen  zu  thon,  vivat  rex  (die 
IV.  1.  6. 


rede  ist  von  einem  türkischen  k&nig,  der  sich  aus  hochrufen 
usw.  nichts  macht)  S.  Franck  chron.  u.  beschr.  d.  Tur- 

CJfcey  (l530)D2b; 

der  knecht  Matthies  spricht  bona  dies, 

wan  er  gut  morgen  sagt  vnd  grüst  die  magd 

Moscheeosch  gesichte  (1650)  2, 123 ; 

dann  darumb  grüszet  man  bona  dies,  dasz  der  ander 
antworte  semper  quies  Fischart  Garg.  63  ndr.;  an  der 
pforte  des  stalles  empfieng  sie  der  kutscher  Andreas, 
that  sein  pferdemaul  auf  und  grüszte  die  gnädige  com- 
tesse  Zachariä  poet.  sehr.  (1763)  l,  293; 

ein  bäuerleln  .  . . 

grüszt  mich  ganz  froh  und  munter 

'ein  guten  abend,  ein  gute  zeit' 

Cl.  Brentano  (1852)  2,  4; 

dann  grüszte  sie  mich  mit  städtischem  accente  G.  Keller 
1, 186. 

mit  poetischer  sttbjectsverschiebung.  es  findet  eine  be- 
rührung  mit  den  unter  B  2  verzeichneten  gebrauchsanwen- 
dungen  der  gehobenen  spräche  statt: 

bald  grüszt  beruhigt  mein  verstummter  mund 
den  schlichten  wnkel  . . . 

MÖRIKE  (1905)  1,  47  Göschen; 

der  mund  grüszet  dich,  das  hertz  flucht  dir  Henisch  1771 ; 
die  zunge,  die  grüszet  zwar  lieblich  und  saget :  mein  lieber 
bruder,  es  ist  niemand  den  ich  lieber  solte  xmd  mochte 
sehen  als  dich  Beinicke  fuchs  (1650)  411; 

wenn  seine  lippen  grüszen, 
dann  schwindet  alles  leid 

Keukirch  ged.  (1744)  43; 

hier  ist  die  bedeutung  'küssen^  möglich,  vgl.  mit  dem  munde 
grüszen. 

in  älterer  zeit  sehr  häufig  in  Verbindung  mit  verben  des 
sagens:  wann  so  ir  eingeet  in  das  haus,  so  grüszt  es 
sagent:  fride  sey  disem  haus  erste  deutsche  bibel  1,  36  K/. 
ver.;  er  aber  grüszet  sie  freundlich  imd  sprach,  gehet  es 
eurem  vater  dem  alten  wol  l.  Mos.  43,  27;  {sie)  The- 
daldo  Sachen  unter  seiner  tür  sten,  im  entgegen  gingen 
\md  grüsten  und  zu  im  sprachen  Arigo  decamerone  215, 
32  Keller;  im  freuntlichen  zusprach  und  grüszet  Wickram 
1,  14  lit.  ver.;  ein  reuter,  der  ongeferd  für  ritt,  der  grüszt 
sie  und  sagt  Frey  gartenges.  88,  20  Balte;  gprüsze  gern 
und  sprich  den  leuten  f rexindtlich  zu  Barth  weiberspiegel 
(1566)  L  f>^\  findet  (ihn)  auff  der  .  . .  Zugbrücken  stehen, 
grüszet  ihn  und  spricht  Hennenberger  preusz.  landtafei 
(1695)  47;  es  kompt  auch  der  fuchs  dahin  (zu  dem  löwen), 
grüszet  den  alten  und  spricht  Olearixjs  verm.  reisebeschr. 
(1696),  Lokmans  fab.  112. 

b)  durch  gebärde,  bewegung,  besonders  handbewegung, 
hutabnehmen  tisw. :  und  weil  er  (der  priester)  die  . .  .  kappen 
an  halsz  gestreifft  ,  .  .  den  hut,  als  ob  er  sie  (die  frau) 
grüszet,  ein  wenig  rücket  Kirchhof  wendunmuth  2, 159 
lit.  ver.;  (er  ist)  freundlich  mit  den  leuthen,  neigt  sich  all- 
mahl und  grüszt  alle  weit  Paracelsus  opera  (1616)  l, 

238  C; 

wer  lobt  mir  Engeland?  da  grüst  man  durch  den  kusz 

LOQAU  sinnged.  342  lit.  ver.; 

wo  er  das  frauenzimmer  mit  so  tieffen  reverentzen  grüszen 
wird  Chr.  Weise  erznarren  36  ndr.; 

die  höflichkeit  braucht  jährlich  einen  hut. 

man  grüst  sich  arm  Stoppe  Parnasz  (1735)  241 ; 

er  redte  mit  sich  selbst,    vergebens  grüszt  man  ihn, 
es  fehlt  ihm  an  der  zeit,  den  huth  herabzuziehn  . . . 

Rost  verm.  ged.  (1769)  40; 

er  legte  seinen  hut  vor  seinen  bauch  und  beide  bände 
in  den  hut,  grüszte  die  anwesenden  mit  einem  halbtiefen 
bücklinge  Nicolai  Seb.  Nothanker  l,  45;  sie  bog  beschei- 
den zurück  . .  .  und  machte  eine  bewegung,  als  ob  sie 
mich  grüszen  wolte  Bahrdt  gesch.  s.  lebens  (1790)  3,  246; 
ihn  grüszte  sie  (Mignon)  .  .  .  mit  über  die  brüst  geschla- 
genen armen  Göthe  21, 172  W.;  und  ihn  tief  grüszte  Alexis 
Boland  1,  106  u.  ö.;  sitte  ist,  was  sich  in  dem  menschen 
festsetzt  .  .  .,  ihre  herrschaft  beginnt  von  dem  sessel. 


1011 


GRÜSZEN  B  8 


GRÜSZEN  B  4 


1012 


worauf  er  sitzt,  von  dem  topf,  worin  er  kocht,  .  .  .  von 
der  Verbeugung,  womit  er  grüszt  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u. 
an  s.  l.  Deutschen  2,  153; 

und  freundlich  grüszend  mlt]|de3  hauptes  neigen 

Grillpakzkk  6,  78; 

Stine  stand  oben  am  fenster,  er  grüszte  mit  der  band 
und  stieg  dann  .  • .  hinauf  Fontane  I  5,  94;  Frey  l^steht 
mit  paketen  da):  guten  abend,  gnädige  frau.  pardon, 
wenn  ich  nicht  grüsze  .  .  .  G.  Hiesohfeld  die  mütter 
(1896)  27.  vom  militärischen  grusz:  wenn  die  generalität 
oder  ein  anderer  groszer  herr  vor  einigen  trouppen  vorbey 
fährt  oder  reitet,  wird  solcher  entweder  in  stehen  oder 
marchieren  von  ober-  und  unterofficiers  und  von  denen 
gemeinen  mit  dem  gewehr  gegruszet  Fleming  vollk.  aoldat 
(1726)  425;  als  der  fähnrich  die  beiden  erblickte,  hob  er 
sich  wie  zum  tanz,  senkte  grüszend  die  fahne  und  liesz 
das  tuch  in  kunstvollen  wellen  durch  die  luft  sausen 
G.  FRBYTAa  11,  8.  weiterhin  bei  der  hand  grüszen,  d.  h. 
mit  hävdedrvAk  begrüszen:  die  hochzeitsgäste  bei  der 
hand  grüszen  Reiser  sagen  d.  Allgäus  2,  258.  mit  dem 
munde  grüszen  bedeutet  'küssen' :  hättestu  mir  meine  mey- 
nung  gebUliget,  wolte  ich  dich  mit  dem  munde  gegrüszt 
haben  Prätoritjs  bericht  v.  Katzenveite  (1665)  l  7*. 

c)  in  den  meisten  fällen  toird  die  art  des  grüszena  nicht 
näher  erläutert:  vnd  ob  ir  alleine  grüszt  ewer  brüder:  waz 
thüt  ir  mer?   {et  si  salutaveritis  fratres  vestros  tantum, . 
quid  amplius  facitis)  erste  deutsche  bibel  1,  21  lit.  ver.; 

werfen  die  ougen  hin  und  her, 
lachen,  gaSen  alle  winkel  an, 
und  thout  eins  ums  ander  traben, 
damit  verführens  die  knaben, 
die  sie  grüszen  und  gaffen  an 
8.  Bbant  narrenschiff  4, 13  (interpol.)  Zarncke,  vgl.  2, 11; 

die  ehre  stehet  nit  in  grüszen  oder  neygen  allein  Luther 
26,  487  W.;  kumpt  iemans  zu  vch  vnd  bringt  nit  mit  im 
dise  lere,  so  entphohent  in  nit  in  uwer  husz,  auch  grieszent 
in  nit  Mubnbr  an  den  adel  47  ndr.;  ir  sollen  in  nit  gryeszen 
noch  zu  herberg  imd  haus  entpfahen  Eberlik  v.  Günz- 
BTJRa  3,  69  ndr.; 

spricht:  habt  acht  auff  die  schrlftgelerten, 
die  gern  gehn  in  langen  kleydern 
vnd  lassen  sie  auch  grüszen  gern 
^  am  marck  und  gassen,  wo  sie  stan 

H.  Sachs  6,  375  lit.  ver.; 

was  ist  es,  das  so  mürrisch  bist? 
ich  glaub  förwar,  das  dich  verdries, 
das  ich  dich  nicht  gnug  höflich  grüs 

FiscHAET  1,  250  Kurz; 

es  ist  ein  böszhafftiges  ding  der  menschen,  dasz  sie  ein- 
ander die  mäntel  vnd  kleyder  grüszen,  aber  sich  nicht 
Selbsten  Lehman  flor.  polit.  (1692)  3,  140; 

gedenke  bey  dir  selbst,  kommt  jemand  angegangen 
noch  fremd  und  unbekant,  er  wird  gar  wol  empfangen, 
bescheidentlich  gegrüszt  Kachel  tat.  ged.  91  ndr.; 

und  halt  nicht  flugs  mit  ihr  ein  peinlich  halsgerichte, 
wenn  ein  bekannter  mensch  auch  euer  weibgen  grüst 

Henrici  ernst-scherzh.  u.  sat.  ged.  1,  249; 

kein  mensch  so  wild  und  roh,  der,  wenn  er  Ihn  nur  grüszte, 
nicht  auch  zugleich  empfand,  dasz  er  ihn  lieben  müszte 
Nkukiroh  grei.  (1744)  d5»; 

imd  machte  sich  fertig,  uns  zu  danken,  wenn  wir  ihn 
etwa  grüszen  würden  A.  v.  Knigqb  roman  meines  lebens 
1,  35; 

soll  ich  sie  grüszen?  soll  ich  vor  ihr  fliehen? 

QÖTHE  2, 158  W.; 

ich,  der  vernünftige,  grüsze  zuerst 

Schiller  14,  21  G.; 

Renot  .  .  .  ward  etwas  betroffen,  als  ihm  ein  heiterer, 
schöner  jüngling  frey  und  ofEen  entgegentrat,  ihn  an- 
ständig grüszte  Klinger  w.  8, 109;  allgemein  reden  sich 
die  thiere  herr  und  frau  an,  grüszen  und  bewillkommnen 
sich  J.  Grimm  Reinhart  fv^hs,  vorr.  41 ;  die  Walpurgis 
stand  an  der  gartenhecke  und  grüszte,  indem  wir  vorüber- 
gingen Bettinb  Cl.  Brentanos  frühlingskranz  (1844)  55; 
doch  plötzlich  faszte  er  die  beiden  anwesenden  ins  äuge, 
grüszte  verbindlich  . . .  und  ging  davon  Holtei  erz.  sehr. 


3,  189;  er  sah  sie  starr  an,  ohne  sie  zu  grüszen  Ranke 
S.  w.  4,  136; 

nach  Sevilla,  nach  Sevilla, 

wo  die  letzten  häuser  stehen, 

sich  die  nachbarn  traulich  grüszen,  . . . 

dahin  sehnt  mein  herz  sich  sehr        Laube  8, 12; 

er  grüszte  und  wollte  neben  ihr  vorbeistürzen  G.  Frey- 
tag  4,  97;  er  schien  fast  ein  fremder;  denn  von  den  vor- 
übergehenden grüszten  ihn  nur  wenige  Storm  1,  3. 

d)  im  sinne  des  zutrinkens,  als  ausdruck  der  höflichkeit: 
der  wein  ist  treflich  gut,  vnnd  laszt  euch  nicht  ver- 
drieszen,  ausz  einem  fasz,  aus  einem  glasz  thu  einer 
den  andern  grüszen  Fischart  Oarg.  70  ndr.; 

er  nam  ein  becher  voller  wein, 
gr&szet  damit  Achillem  fein 

Spreng  Utas  (1610)  112». 

e)  der  briefschreiber  übermittelt  dem  empfänger  zu  beginn 
oder  am  ende  seines  Schreibens  seinen  grusz: 

die  Zeilen,  welche  mir  letzt  aus  der  feder  flieszen, 
sind  von  mir  abgeschickt,  herr  bruder,  dich  zu  grüszen 

Canitz  i/ed.  (1727)  117; 

die  zehn  minuten,  die  mir  bleiben,  kaim  ich  nicht  besser 
anwenden,  als  dich  in  gedanken  noch  recht  herzlich  zu 
grüszen  Moltke  6,  3 ;  Philipp!  war  eyn  eynige  stadt  und 
hatte  viel  bisschoffe,  wilche  Paulus  hie  grüst  Luther 
8,  500  W.;  wo  wird  z.  e.  ein  handlungsbedienter  itzt  an 
seinen  herm  schreiben  wohledler  und  ihn  am  ende  des 
briefes  freundlichst  grüszen  allg.  deutsche  bibl.  1,  2,  297. 

f)  vom  Schiffs-  und  kanonengrusz ,  'der  seemännische 
grusz  gilt  entweder  von  schiff  zu  schiff  oder  einer  einzelnen 
persönlichkeit,  bes.  einer  fürstlichkeit  oder  einem  höheren 
Seeoffizier;  gegrüszt  wird  entweder  mit  karumenschüssen, 
dippen  der  flaggen  oder  streichen  der  segel,  bei  hochgestellten 
persönlichkeiten  mit  hurrarufen'  Kluge  seemannsspr.  338: 
endlich  kam  nach  uns  von  mittag  gegen  norden  ein 
holländisches  schiff,  dieses  schnurrte,  ohne  uns  zu  grüszen, 
behend  vorbey,  und  setzte  seinen  weg  gegen  Balassor 
ganz  unerschrocken  fort  Stöcklein  weltbott  (1726)  4,  94^', 
s.  auch  Krünitz  encycl.  20,  244 ;  endlich  fielen  die  anker, 
und  die  festung  grüszte  mit  einem  königüchen  salut 
unsere  trauerflagge  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkw.  l,  199. 

4)  jemanden  im  auftrage  einer  dritten  person  grüszen, 
einen  grtisz  von  jem.  an  jem.  bestellen,  ihm  ein  zeichen  der 
höflichkeit,  des  gedenken^  übermitteln,  diese  Übermittlung 
kann  mündlich  oder  schriftlich  vor  sich  gehen. 

a)  Fabius  grüszete  sie  sehr  von  seinen  eitern  Bucholtz 
Herkuliskus  129;  vor  lauter  köpf  weh,  schnuppen  und 
herzenleid  hab  ichs  vergessen,  alle  ihre  wahre  freunde 
zu  grüszen  Schubart  briefe  1,  lOl  Strausz;  kinder  tmd 
enkel  befinden  sich  übrigens  wohl  und  grüszen  Göthe 
IV  34,  130  W.;  er  grüszt  sie  —  liebt  sie  —  wir  sind  über 
wenig  menschen  so  einig  Caroline  l,  80  Waitz. 

b)  besonders  häufig  imperativisch:  grüsz  mir,  grüsz  von 
mir,  grüsz!,  d.  h.  vermittle  meinen  grusz  an  den  und  den: 

herre,  zuo  dem  rltent  ir 
unde  grüezent  in  von  mir 

Hartmann  Iwein  5114; 

leyve  süestergin,  grüesze  mir  vrauwe  Geyrdrut  inde  sayge 
i  r,  dat  sy  bei  Steinhausen  privatbriefe  l,  5 ; 

. . .  eile  nach  dem  norden, 
grüsz  mir  mein  vertrautes  kind, 
hörst  du  disz,  mein  sudenwind 

Neumark  lortgepfl.  muaik.-poet.  lustw.  1,  278; 

grüszen  sie  mir  den  auserwählten  mann  S.  v.  Laroche 
gesch.  d.  frl.  v.  Sternheim  1,  100 ;  grüsze  ihn  von  meinet- 
wegen Adelung  lehrg.  2, 123; 

grüsz  alle  deine  lieben  mir 

Schubart  sämmü.  ged.  (1825)  2, 127; 

grüszen  sie  herzlich  alle  die  unsrigen  Göthe  24, 107  W.; 
grüszt  alles,  ich  bin  in  gedanken  immer  mit  euch,  und 
liebt  mich  ebda  32,  HO;  grüszen  sie  Göthens  Sylli  Gleim 
briefw.  1,  223  Körte; 


1013 


GRÜSZEN  B  5 


GRÜSZEN  B  6 


1014 


80  sagt  nur,  ich  kam  ia  zwei  tag  oder  drei 

und  griiszt  mir  mein  bübel  und  rührt  ihm  den  breil 

MÖRIKE  (1905)  1,  35  Oöschen; 

doch  magst  du  sie,  wenn  du  es  mit  schick  machen  kannst, 
immerhin  von  mir  grüszen;  ein  grusz  bedeutet  heut  zu 
tage  nicht  viel  mehr  wie  ein  'guter  tag',  den  man  auf 
der  strasze  ohne  unterschied  einem  jeden  zuwirft  Hebbel 
briefe  1,  16  W.;  wie  gehts  Adelen?  grüszen  sie  recht  herz- 
lich, wenn  sie  schreiben  A.  v.  Dkostb-Htjlshofb'  brieje 
96  Schücking. 

c)  grüszen  lassen,  grüszen  heiszen :  er  heiszt  dich  grüszen 
avere  te  iubet,  mein  sun  Cicero  laszt  dich  grüszen  salvebis 
a  meo  Cicerone,  unser  gantz  hauszfolck  laszt  dich  grützen 
domus  te  tota  nostra  aalutat  Maaler  1943';  avere  te  iubet 
heiszt  dich  grüszen,  sagt  dir  ein  grusz  Feisius  138'';  er 
laszt  dich  grieszen  dausentmal  Wickbam  4,  39  Bolte;  er 
lest  euch  ewre  Sidonia  wiedrumb  gar  freundlich  grüszen 
671^^  kom.  (1624)  z  8'';  er  laszt  dich  grüszen  il  vous  salue 
affectueusement,  plurimam  tibi  salutem  dicit  Wiedebhold 
(1669)  152^;  'guten  tag,  Melle,  dein  buntes  lamm  läszt 
dich  grüszen!'  (der  unbekannte  hatte  es  gestohlen  und  ver- 
spottet jetzt  den  eigentümer)W.Gvaym  deutsche  sagen  1, 152; 
der  Raspelmeyer  laszt  sie  grüszen,  und  laszt  ihr  einen 
schönen  guten  morgen  wünschen  Sbb.  Bbunner  erz.  u. 
sehr.  1,  97 ;  das  ganze  dorf  läszt  grüszen !  Fbeytäq  3,  27. 

5)  freundlich,  teilnehmend  entgegenkommen, 

a)  in  der  sprichwörtl.  redeweise  gott  grüszt  die  men- 
schen, sie  wissen  es  aber  ihm  nicht  zu  danken  u.  ä.,  seit 
Luther  in  verschiedenen  Variationen:  gott  grüszet  alle 
weit,  aber  wenig  dancken  jm  24,  393  W.;  gott  grüszt  offt 
einen,  aber  weiszt  ihm  nicht  zu  antwortten  deus  saepe 
nobis  offert  praeclaram  occasionem  rei  bene  gerendae,  con- 
sequendae,  sed  nos  nolumus  eam  amplecti,  rep/udiamus  eam 
Henisch  1772,  vgl.  Lehman /?or.  polit.{l(iQ2)  l,  283.  inab- 
leitungen:  gott  grüszet  uns  gnädiglich,  danken  wir  ihm 
nicht,  so  werden  wir  uns  hochlich  versündigen  Luther 
briefe  4,  382;  weil  jn  gott  grüszet  und  beut  jhm  das  ferck- 
lein,  soll  er  gott  dancken  Mathesius  Sarepta  (1571)  23^; 
wenn  einen  gott  und  das  glücke  grüszet,  so  soll  man 
beyden  billig  dancken  Jon.  Hoffmann  polit.  Jesus  Syrach 

(1740)  8. 

b)  die  gelegenheit,  das  glück  grüszt  die  menschen,  d.  h. 
bietet  sich  freundlich,  gibt  eine  chance,  die  genutzt  werden 
sollte,  im  Sprichwort:  wenn  die  gelegenheit  einen  grüszet, 
soll  er  jhr  dancken  Lbhman  ßor.  polit.  (1662)  1,  283,  vgl. 
Wille  Sittenlehre  (1781)  76.  heute  in  süddeutschen  mund- 
arten:  wenn  di  d'glegenheit  grüezt,  so  dank  ere  Staub- 
TOBLER  2,  812;  wenn  die  gelegeheit  grüszt,  musz  ma  ihr 
danke  Fischer  schwäb.  3,  887;  ihr  bruder,  das  glück 
grüszet  uns,  wir  müssen  jhm  dancken  Harsdörffer 
frauenz.  gesprächsp.  2,  288;  vgl.  auch  unter  a.  hierher  Un- 
geschick läszt  grüszen  Schmellbr-Fr.  1,  1014  u.  ö. 

c)  gott  als  die  menschen  grüszend  erscheint  dem  lat.  do- 
minum tecum  entsprechend  in  der  heute  in  Süddeutschiand 
weit  verbreiteten  gruszformel:  gott  grüsze  dich,  grüsz  gott 
usw.,  d.  h.  gott  sei  dir  wohl,  helfe  dir: 

a)  belege  aus  glossaren:  avete  got  grüesz  üch,  grusz  euch 
gott  obd.  15.  jh.  DiBF.  60  *;  gott  grüsz  dich  salve,  salw^  sis 
Maaler  194*;  gott  grusze  dich,  ave,  salve,  salvus  sis\ 
Stieler  712;  gott  grüsz  dich,  gott  behüte  dich  Henisch 
(1616)  1771;  ove  gott  grüsz  dich  Frisius  1381».  in  modernen 
mundarten:  grüsz  gott  Fischer  scAzcäft.  3,  887  {'im  haupt- 
gebiet geläufigste  beurillkommnung  unter  gleichstehenden, 
antwort  darauf  ebenso  oder  grosz  dank !  gott  dank !  dank 
(dir,  ihne)  gott!  die  formet  wird  nicht  beim  abschied  ge- 
brauchf);  gott  grüez-i,  grüez  gott  Staub-Tobler  2,  812l>, 
vgl.  god  groet(e)  u!  woordenboek  5,  871  s.  v.  groeten;  Ver- 

WIJS-VbrDAM  2,  2158. 

ß)  küng  fründ,  got  grüsze  dich 

Friedr.  v.  Schw.  5609  Jellinek; 

got  grüsz  üch,  fräwen  mein!  ebda  6025; 

'dominus  tecum'  sicut  nos  dicimus:  got  grust  dich,  got 
helff  dir  Luther  17,  l,  153  W.;  got  grüsz  dich  auch  mein 


herr  und  mein  ernerer  Albr.  v.  Eyb  Spiegel  d.  sitten  (1511) 

H5a; 

gott  geh,  gott  griesz,  ich  sags  fürwar, 
nüt  schedlichers  dann  ein  gelerter  narr 

MiTBNSK  narrenbeschw.  v.  119  Spanier; 

nun  grieez  dich  got,  min  vatterland 

MUKNER  badenfahrt  24,  72  Michels; 

Barbali,  gott  grüetz  dich  in  din  herz 

N.  Manuel  142  Bächtold; 

sij  spotten  sein,  sagent,  gott  grüsz  dich  künig  der  Juden 
erste  deutsche  bibd  1,  119,  19  lit.  ver.;  die  Juden  .  .  . 
sprachen:  gott  grüsz  dich,  Judenkönig  Luther  11, 444  W.; 
grüsz  dich  gott  Eppendorf  Plinius  (1548)  23;  gott  grüsz 
euch  Friedrich  Wilhelm  sprichw.  reg.  (1577)  <  1^; 

gott  grüsz  üch  schone  hie  in  einer  gmeyne, 
af  disem  plone,  alie  grosz  und  kleyne 

Schweiz.  Schauspiele  d.  16.  jfis.  1,  59  Bächtold; 

gott  grüsz  euch,  Jungfrau  reine  I 

A.  y.  Arnim  21,  4  Orimm; 

grüsz  dich  gottl  siegesgreis, 

grüsz  dich  im  heldenkreis 

deutsches  gestlrnl  (gemeint  ist  Blücher) 

Cl.  Brentano  2,  48; 

grüsz  gott,  grüsz  gott,  liebs  schätzelein, 
was  machst  du  hier  im  bettelein? 

Mittler  dtsehe  Volkslieder  (1865)  139; 

'gott  grüsze  dich,  Erich,  und  dank  für  dein  willkommen!' 
Stobm  1,  25.  mit  lasziv  verhüllender  bedeutung:  gott 
grüszens  machen,  d.  h.  beiliegen:  soll  ich  dir  (gott  helff 
uns)  gott  grüszens  machen?  Schumann  nachtbüchlein 
17  Bolte. 

d)  umgekehrt  vnrd  von  dem  menschen  gesagt,  dasz  er 
gott,  der  ihm  begegnet,  oder  das  sich  bietende  glück  nicht  zu 
grüszen,  d.  h.  ihm  seinerseits  entgegenkommen,  ihm  freudig 
willfahren,  ihm  guten  vnllen  entgegenbringen  vermag,  in 
sprichwörtlicher  redensart:  gott  begegnet  uns  täglich  dar- 
mit,  wir  können  in  aber  nit  grüszen  Luther  18,  6  W.; 
das  dis  Sprichwort  war  ist:  gott  begegnet  uns  offt, 
wer  yhn  künde  grüszen  24,  573;  und  wilche  solch  sein 
werck  und  wege  nit  leyden,  die  treiben  von  sich  seine 
gnaden  und  künden  gott,  der  yhn  begegnet,  nit  grüszen 
und  seinen  grusz  noch  vorstehn  noch  dancken  7,  365,  4. 
das  Sprichwort  erscheint  in  mannigfacher  Variation:  gott 
begegnet  manchem,  wer  yhn  grüszen  kondt  Agricola 
teutsche  sprichw.  (1534)  b  6*;  es  begegnet  manchem  unser 
hergot  wol,  wann  er  jn  grüszen  möcht  S.  Franck  sprichw. 
(1541)  1,  99";  vgl.  schöne  weise  klugr.  (1548)  36;  Friedrich 
Wilhelm  sprichw.  reg.  {1577)  s  zf^;  eine  erklärung  des 
Sprichwortes  bei  Albr  dict.  {1727)  1,  285*:  gott  begegnet 
manchem,  wan  er  ihnen  nur  grüszen  könte,  das  ist,  gott 
thut  allen  gut,  wan  sie  es  nur  erkennen  köTÜen.  vgl.  nd. 
gott  begegent  mennieen,  de  em  man  gröten  kunn  Mbn- 
SING  2,  497; 

gar  manchem  thut  das  giflck  begegen, 
und  bringt  mit  im  ein  guten  segen, 
damit  er  möcht  sein  Irummer  büszen, 
er  weisz  es  aber  nit  zu  grüszen 

BURKARD  Waldis  Esopus  1, 191  Kurz. 

6)  in  berührung  kommen  mit,  daher  betreten,  besuchen, 
auch  gedanklich  streifen. 

a)  besuchen,  betreten,  angewandt  in  poetischer  oder  ge- 
hobener diction.  der  sinn  des  freudigen  Wiedersehens  ist 
meist  eingeschlossen: 

als  wir  das  ufer  nu  gegrüszet 

Stieler  geJiarn.  Venus  57  ndr.; 

neun  jähre  sind  vorbey  geschossen,  . . . 
dasz  ich  die  liebe  Vaterstadt 
nicht  habe,  wie  ich  sol,  gegrüszet 
Nettmark  lortgepfi.  musik.-poet.  lustw.  (1657)  1, 173; 

bis,  mit  dem  siegskranz  In  der  band, 
ihr  wieder  grüszt  das  Vaterland 

KÖNIG  i?ed.  (1745)  102; 

ach  hlmmell  lasz  mich  doch  die  thäler  grüszen, 
wo  ich  den  lenz  des  lebens  zugebracht 

Haller  ged.  6  Ritzel; 

ich  hab  sie  gebeten,  diesen  sommer  noch  einmal  Königs- 
berg zu  grüszen  Hippel  briefe  14,  365.  vgl.  auch:  in  Jena 

64* 


1015     GRÜSZEN  B  7.  8  -  GRUSZFORMEL 


GRUSZFORMULARIEN-GRUSZLIED     1016 


halte  ich  mich  nicht  länger  auf  als  nötig  ist,  Knebel  und 
Hendrich  zu  grüszen  Göthe  IV  21,  387  W. 

b)  hierher  gehört  wohl  auch  die  redewendung  das  hand- 
werk  grüszen,  d.  h.  bei  einem  berufsgenoasen  vorsprechen, 
ihn  besuchen:  er  findet  noch  musze,  gelehrte  zu  besuchen? 
—  nun,  nun,  Schwester,  er  musz  doch  das  handwerk 
grüszen  Kotzebue  sämmtl.  dram.  w.  (1828)  18,248;  vgl. 
auch  unter  grüszer  und  gruszlied;  «otc ie  Fischee  schwäb. 
3, 1137. 

7)  sprichwörtliche  redensarten:  wie  man  dir  rufft  oder 
dich  grüszt,  also  antwort  S.  Fbanck  sprichw.  (1542)  2, 
1091*;  ebenso  schöne  weise  Mugr.  {I5i8)  43*>;  wie  du  mich 
grüszt,  so  wil  ich  dir  danken  Fbanck  sprichw,  (1545)  1,  30^»; 
dem  lat.  prospicere  tardum  et  a  limine  salutare  d.  h.  nur 
oberflächlich  sich  auf  etwas  einlassen  (Seneca  ep.  49,  6) 
entspricht  vor  dem  geschwell  grüszen  Fbanck  sprichw. 
(1545)1,11';  Eyebing  2,  276;  schöne  weise  klugr.  {I5i8) 
135^.  in  anderer  formulierung :  under  der  thür  grüszen 
Feiedeioh  Wilhelm  sprichw.  reg.  (1577)  £E  1«=;  der  wolff 
grüst  kein  schaaf  Lehman  flor.  polit.  l,  334,  vgl.  ebda  3, 
73:  es  grüszet  kein  wolff  ein  lamb,  s.  auch  Henisch  1771; 
den  zäun  wegen  dem  garten  grüeszen  bedeutet  nach 
Schmellee-Fr.  1, 1014  jem.  aus  geheimen  absichten  schön 
thun:  ma  grüszt  de  zäun  wegem  garten  Fischee  schwäb. 
3,  887.  älter:  der  geiszbock  grüszet  den  zäun  um  des 
gartens  willen  Moscheeosch  ges.  (1666)  l,  Q^;  man  soll 
kein  hungerigen  ansprechen  oder  grüszen  schöne  weise 
Mugr.  (1548)  142b;  freundlich  grüszen  kostet  nicht  vil 
Henisch  1771,  vgl.  Staub-Tobleb  2,  812. 

8)  besondere  construxUionsweisen: 

a)  construction  mit  dativobjed,  entgegen  dem  üblichen 
gebrauch  des  accusativobjectes :  dem  ersamen  man,  bruder 
Conrade  von  Homecke,  keiner  zu  Marburge,  odir  bruder 
Frideriche  von  Salzberg  gruzen  ich,  bruder  Ditmar  von 
Gemunden,  mit  allin  truwin  in  gote  (c.  1300)  hess.  urkun- 
denb.  2,  1  Wyss-Reimer;  Thusnelda  grüszt  ihnen  J.  H. 
Meeck  an  herzogin  Amalie  v.  Sachsen-Weimar  2, 166 
Graf; 

wir  fallen  ihr  (Maria)  zu  füszen, 

der  wir  grüszen     Hitt^^v.  deutsche  Volkslieder  30i; 

es  stehen  dreu  sternlein  am  himmel, 
die  geben  der  lieb  ihren  scheun, 
gott  griesz  dir  schönster  engel  mein 

deutsche  erz.  d.  18.  jahrh.  80  Fürst. 

b)  reflexiver  gebravx^h  ist  mundartlich,  z.  b.  im  obersächs. 
nach  Müllee-Featjbeuth  l,  447^ :  der  grüszt  sich  nicht 
(vor  mir)  er  grüszt  mich  nicht,  ich  hab  mich  gegrüszt, 
er  tat  sich  nicht  griszen. 

GRÜSZER,  m.,  einer,  der  grüszt,  gern  und  oft  grüszt, 
sa^MtonM«  Diepenbach509C;  sa^wto^or  FBisiusli77a';  Ca- 
lepinus  undec.  ling.  (1598)  1293*;  salutator,  salutiger,  salu- 
tigerulus  Stielee  712 :  ein  fleisziger  grüszer  und  anspre- 
cher  Stephanus  Vigilitts  de  rebus  memorandis  (1541)  14^ ; 
do  es  der  kaiser  höret,  sagt  ehr,  hör  auff,  solcher  grüszer 
hab  ich  dahaim  genüg  ebda  32»;  mane  salutandum  totis 
vomit  aedibus  undam,  hoc  est  turbam  er  leszet  die 
grüszer  oder  glückwunscher  mit  groszem  hauffen  aus 
dem  gantzen  hause  Bas.  Fabeb  thes.  (1587)  Q56^.  nd. 
en  gröter  ein  gern  und  viel,  besonders  damen  begrüszen- 
der  Schütze  holst,  idiot.  2,  75.  ruich  Ungee-Khull  312* 
war  der  grüszer  in  der  älteren  spräche  der  mit  dem  sog. 
handwerksgrusz  {im  gegens.  zum  lehrbriefe)  ausgestattete.  — 
gruszform,/.;  die  alte  gruszform  der  Palau-insulaner, 
weiche  mit  band  oder  fusz  des  zu  grüszenden  sich  das 
gesicht  reiben  Ratzel  Völkerkunde  2,  200;  die  gruszform 
ist  nicht  da,  um  zu  verbinden,  zu  verbrüdem,  sondern 
ganz  im  gegentheil,  um  zu  unterscheiden,  zu  trennen 
RoSEGGEE  II  2,  51.  —  gruszformel,  /.,  eineformel  oder 
die  Worte,  womit  man  andre  zu  grüszen  pflegt  Campe  2,  478, 
vgl.  Keünitz  encycl.  19,  206:  ihre  {der  kuhhändler)  grusz- 
formel bey  .  . .  besuchen:  herzevetter,  herzemuhme,  bis 
hübbisch,  bis  frumm!  deutsches  museum  4, 118  JP.  Schlegel; 
ich  denke:  besiers  de  vin,  ein  kus  und  küssen  vom 
wein,  beim  trinken,  die  ganze  zeUe  gruszformel  der  zecher 
J.  Gbimm  kleine  sehr.  3,  77;  das   'friede  sei  mit  euch!' 


...  ist  bei  ihm  nichts  als  die  bekannte  hebräische  grusz- 
formel D.  Fb.  Steausz  4,  365;  mit  dem  maurer  wechselte 
der  bursche  die  gewöhnlichen  gruszformeln  Melchioe 
Meye  erzähl,  aus  dem  Ries  1,  272 ;  andere  unserer  land- 
läufigen gruszformeln  mag  ich  gar  nicht  berühren 
RoSEGGEB  II  2,  47 ;  in  den  bergreien,  die  .  .  .  der  zeit  vor 
dem  17.  Jahrhunderte  angehören,  .  . .  findet  sich  'glück 
auf'  gleichfalls  nicht,  weder  als  gruszformel  noch  als 
muntemder  ausruf  Veith  bergwörterb.  246.  —  grusz- 
f  ormularien,  pl.:  ihrer  {der  Stutzer)  complementen  seyn 
sodann  unbeschreiblich  viel,  die  von  allerhand  frantzö- 
sischen  grusformularien  .  .  .  gläntzen  Butschky  Pathmos 
487.  —  gruszfriede,  m.:  da  finden  wir  alle  stücke,  so 
zu  einem  grusz  und  liebeskusz  gehören:  os  suave,  die 
holdseligen  lippen,  aus  welchen  geflossen  der  gruszfriede 
Dannhaweb  caiechismusmilch  6,  5. 

GRUSZFUSZ,  m.,  in  Verbindung  mit  verben,  z.  b.  auf 
dem  gruszfusz  stehen  so  weit  mit  jem.  bekannt  sein, 
dasz  man  sich  grüszt:  gunntag,  gunntag  bezeichnet  das- 
jenige gesellschaftliche  Verhältnis,  bei  welchem  man  mit 
jemand  nur  auf  dem  grüszfusze  steht  Kleemann  nord- 
thüring. id.  7^.  auf  den  gruszfusz  geraten,  kommen:  wenn 
ich  mit  Schreinzer  nach  dem  theater  ging  und  er,  die  ihm 
hier  und  da  begegnenden  kollegen  anredete,  wuszte  ich 
mich  bescheiden  ins  gespräch  zu  mischen,  wodurch  ich 
mit  den  meisten  auf  den  gruszfusz  gerieth  Holtei  vierzig 
jähre  l,  368;  auf  den  gruszfusz  kommen  deutsche  rund- 
schau,  okt.  1903,  64.  femer:  die  dankbaren  grüsze,  die  mir 
Franziska  häufig  empomickte,  .  .  .  brachten  mich  nach 
und  nach  mit  den  eitern  auch  auf  den  gruszfusz  Holtei 
erz.  sehr.  1,  39.  —  gruszgabe,/.;  die  grusz-  und  wunsch- 
gab, auff  welche  weis  die  freund  Job  wegen  wider  er- 
langten gesundheit .  . .  gratulirt . . .  {haben)  Dannhaweb 
catechismusmilch  2,  342.  —  gruszgebot,  n.,  der  grusz, 
das  entbieten  des  gruszes  Campe  2,  478: 

trautes  nicken,  grüsz  euch  gottt 
war  der  mädcben  gruszgebot 

Bltjmauer  ged.  102. 

—  gruszgesang,  m.:  endlich  hörte  er  den  wunderbaren 
gruszgesang  an  die  schlafende  .  .  .  aus  der  dämmerferne 
Jean  V avl  20,  ^02  Hempel.  —  gruszgespräch,  n.: 
grusz-  und  willkommgespräche  A.  U.  v.  Bbaunschweig 
Octavia  S,  As^.  —  grüszgott,  m.:  dös  is  a  schöner 
grüszgott  dafür,  dasz  mer  dir  was  z'  lieb  thut  Anzen- 
GEUBEE  8,  202;  mit  dem  fröhlichen  'grüszgott'  Th.  Keb- 
neb  Kernerhaus  40.  —  grüszhaft,  adj.,  qui  libenter 
salutat  Diefenbach  gloss.  509^  (15.  jh.).  —  gruszhand, 
/.,  die  zum  grusz  dargebotene  hand:  die  Kathrin  schreitet 
kühnlich  voran,  ihr  tut  keine  wähl  weh,  wem  sie  ihre 
gruszhand  bieten  soll  —  dem  Hies  Roseggee  II  7,  325.  — 
grüszig,  adj.:  grüszig  salutatorius,  gemgrüszig  libenter 
salutans  Stielee  Stammbaum  713.  —  gruszkusz,  m., 
kusz  als  begrüszung:  der  .  .  .  niemand  eines  gruszkusses 
solte  gewürdiget  haben  Dannhaweb  catechismusmilch 
6,  50.  —  gruszläuten,  subst.  inf.,  abendläuten  zum  *  eng- 
lischen grüszt  Ungee-Khttll  312*.  —  grüszlein,  n.,  de- 
minutivbildung  zu  grusz  Rist  himml.  lieder  (1652)  vorr.  3*. 

GRÜSZLICH,  auch  gruszUch,  adj.,  gern  grüszend, 
freundlich  {vgl.  grüszbar),  salutaris  Diefenbach  509'':  es 
gezimet  einem  guten  boten,  dasz  er  seine  botschaft 
minder  oder  mehr  kündt  gütig  und  grüszlich  reden  A.  V. 
Pfobe  alte  weisen  (1565)  118^»; 

gar  zu  minniglich 

dankt  ihr  mund: 

lacht  so  grüszlich, 

lockt  so  kuszlich, 

dasz  mirs  bebt  in  des  herzens  grund 

J.  H.  Voss  ged.  4,  24. 

—  gruszlied,  n.:  in  dem  eben  erwähnten  gruszliede 
Regenbogens  zeigt  sich  besonders  noch  eine  beziehung 
auf  die  form  der  handwerksgrüsze  TJhland  sehr.  z.  gesch. 
d.  dicht,  u.  sage  2,  358; 

nun  hinabzieht  mit  dem  gruszlied 
an  die  gottheiten  der  bürg  dort 

Drotsen  Äschylus  (1841)  323. 


1017 


GRÜSZLING  -  GRUSZWORT 


GRUSZZEILE  -  iGRUTZE 


1018 


GRÜSZLING,  m.,  eine  art  eszbarer  pilze  Nemnich  wb. 
d.  naturg.  214.   vgl.  zs.  f.  d.  wortf.  5, 188. 

GRUSZLOS,  adj„  ohne  zu  grüszen  oder  ohne  gegrüszt 
zu  werden: 

lasz  mich  lied-  und  gruszlos  liegen, 
lasz  nur  an  deine  knie  mich  schmiegen, 
seis  in  staub  auch  und  allein  1 

R.  KÖGEL  flred."  28; 

gruszlos  jagt  RiwaUn  von  dannen  Immermann  13, 42 
Boxb.;  auch  die  gruszlose  begegnung  mit  der  geliebten 
auf  einsamen  wegen  war  ein  erlebnis,  ein  markstein  auf 
der  lebensreise  G.  Keller  6,  69.  —  grusznachbar,  m., 
ein  nachbar,  der  nur  in  einer  gruszbeziehung  zu  jem.  steht: 
der  andere  auserwählte  stritt  sich  mit  einem  der  blos 
grusnachbaren  wegen  der  schlechten  zelten  Hippel 
lebensl.  3,  2,  51i.  —  gruszpflicht,  /.;  die  gruszpflicht 
der  burschen  in  livree  regelt  der  gouvemeur  v.  Alten 
handb.für  heer  u.  flotte  2,  641.  —  gruszpredigt,  /.;  am 
ersten  sonntag  wollte  ich  eine  schöne  gruszpredigt  halten 
Rosegger  II 1,  51.  —  gruszrede,  /.,  Sohottel  havbt- 
sprache  420;  Stieler  1540;  Kramer  dict.  i  (1700)  575^: 
nach  etlichen  gewechselten  grusreden,  fing  er  straks  wider 
an  von  seinen  gestrigen  treumen  zu  sprechen  Zesen  Asse- 
nat  (1672)  185;  der  alte  war  nach  den  üblichen  gruszreden 
zu  dem  knecht  getreten,  ihm  anweisung  zu  geben,  wie  er 
die  rosse  zu  füttern  habe  Melchior  Meyr  erzähl,  aus  d. 
Ries  3,  344.  —  gruszsam,  adj.,  freundlich,  leutselig:  er 
was  ouch  ein  gnadricher,  grüszsamer  mann,  wer  in  an- 
gesach,  der  gewan  ein  liebe  zu  im  Stretlinger  chronik  109 
Bächtold.  —  gruszschreiben,  n.,  vgl.  gruszbrief: 
Sattler  teutsche  rheforik  (1610)  260;  und  ist  nichts  lächer- 
lichers alda  zu  sehen,  als  wann  ein  novitius  ein  neuer 
Schwärmer  von  ihnen  ankommet,  seine  literas  commenda- 
titias  grusz-  und  vorschreiben  einhändiget  Moscherosch 
gesichte  1  (1650)  17;  erhellet  deiner  liebe  anstralung,  im 
jüngsten  gruszschreiben  Harsdörffer  fewiscÄcrsecrei.  1,22. 
—  gruszträger,  m.,  Überbringer  von  grüszen  oder  briefen: 
salutigeruli  gruszträger,  die  von  dem  müszigen  frauen- 
zimmer  zu  den  guten  schwestem  geschickt  werden,  jhnen 
einen  guten  morgen  zu  sagen  vnd  zu  fragen,  wie  sie  die 
nacht  geschlaffen  Corvinüs  fons  latinitatis  (1646)  732. 
gerichtsdiener:  und  bin  seit  dreisig  jähren  wohlbekannter 
posten-brief e-gruszträger,  ansager  alles  glückes  Petrasch 
sämtl.  lustsp.  1,  374.  —  gruszträgerin,/.,  Überbringerin 
von  grüszen  oder  briefen:  die  brauchte  zu  einer  hin  und 
her  post-  oder  gruszträgerin  ein  lediges  bettelmensch 
V,  LiLiENBERG  küTistl.  Unordnung  2,  232. 

GRÜSZUNG,  /.,  grüszende  anrede,  begrüszung  Stieler 
713;  Krämer  dict.  l  (1700)  575'';  Steinbach  l,  651:  der 
trachenschwantz  ist  auch  im  mittel  des  himels  gestanden, 
widerumb  von  der  sibenden  grüzsung  wegen  Saturni 
imd  Jovis  im  mittel  des  himels  Grünbeck  spiegel  der 
sehungen  c  4^;  als  so  das  volck  alte  männer,  .  .  .  mitt  • .  . 
grüszung,  entweychung, .  .  .  ehret  Schwarzenberg  Cicero 
(1535)  35;  dieweil  der  Arkalaus  kein  heim  auff  hat,  vnd 
on  ansprechen  oder  grüszung  bisz  zu  dem  könig  für  ritte 
Amadis  224  Keller;  sobald  die  abgeordneten,  nach  aus- 
führlicher betitelung  und  grüszung,  über  den  hergang 
ihrer  Verrichtungen  rechenschaft  abgeleget  hatten,  fragte 
der  schultheisz  ...Zschokke  28,5.  —  grüszungsart, /..• 
alle  küsten  einander  .  .  .  auf  den  mund  nicht  so  wohl, 
weile  diese  grüszungsart  unter  .  .  .  August  aufkommen, 
als  weil  es  eine  alte  gewohnheit  der  .  . .  Deutschen  war 
Lohenstein  Arminius  2,  743''.  —  gruszverbindung, 
/. ;  ich  selbst,  der  brief faule,  hatte  mit  Lobeck  nicht  ein- 
mal gruszverbindung  J.  H.  Voss  antisymb.  2,  77.  — 
gruszwechsel,  m.;  er  wolte  sie  diesmal  recht  darauf 
ansehen,  ob  sie  denn  wirklich  eine  solche  sei,  wie  die 
leute  sagten;  deshalb  liesz  er  seine  äugen  während  des 
gruszwechsels  tief  prüfend  a\if  ihr  ruhen  Melchior  Meyr 
erzähl,  aus  d.  Eies  1, 199.  —  grusz  weite,  /.,  eine  für  den 
grusz  ausreichende  entfernung :  schusz-  und  grusz  weite  Jean 
Pattl  11/14,  255;  27/29,  321  H.  —  gruszwort,  n.:  einige 
gruszesworte  zukommen  zu  lassen  Welcker  (1814)  bei 
K.Wild  K.  Th.  Welcker  343;  'aber',  —  fügte  er  den  ersten 


gruszworten  hinzu  —  'jetzt  und  hier  ist  keine  zeit  zur 
Unterhaltung'  Immermann  l,  182  Boxb.;  ein  gruszwort  ist 
kein  leerer  schall,  aber  das  rechte  musz  es  sein  Rosegger 
II  2,  50.  —  gruszzeile,  /.:  so  möge  er  denn  diese  grusz- 
zeilen  für  ew.  durchlaucht  mitnehmen  Pückler  briefw. 
u.  tageb.   3,  212. 

GRUSZZEIT,  grüszzeit,  /.,  'schonzeit,  hegezeit  des  wil- 
des^ wie  gruse  4  {s.  sp.  933)  und  daraus  abgeleitet;  in 
der  älteren  Jägersprache  gebräuchlich:  weder  wehr  noch 
hochzeug  (darf)  gebraucht,  noch  in  solcher  grüeszzeit 
der  haas  geschossen  werden  (v.  1609)  nach  Birlinqer 
Schwab. -augsb.  205^;  geschlossene  oder  bann-,  auch  hege-, 
grusz-  und  waidsperrzeit  wird  zwaymal  des  jahrs  be- 
obachtet, nemlich  zu  sezzeit  und  vogelbruth,  dann  zur 
prunftzeit  Heppe  wohlred.  jäger^  (1779)  180,  vgl.  Unger- 
Khüll  steir.  312». 

GRUTSCH,  m.,  hamster,  daneben  steht  in  älterer  spräche 
grütz(e)  (s.  u.),  in  jüngerer  zeit  auch  grutschel  Nemnich 
wb.  2,  651;  grentsch  teil  4,  1,  6,  117;  grontsche  Müller- 
Fratjreuth  sächs.  volksw.  46;  damna  vel  melota  grutsch 
(15. /Ä.)  DiEFENBACH  gloss.  165'';  melo  grutsch  voc.  teut. 
{Nürnberg  1482)  nach  Diefenbach  nov.  gloss.  250*:  furun- 
culus  ist  ain  tier,  daz  haizt  in  gemainer  sprach  ein  grütz 
{var.  grutsche)  KoNR.  von  Megenberg  buch  der  natur  139; 

diu  frouwe  beiz  umbe  als  ein  grutsch  (handschr.  gruisch) 
Seifhid  Helblinq  1,  1216  Seemüller; 

reht  als  die  grutschen  und  malwerf 
machten  si  lochet,  grub  und  kerf 
M.  Beheim  buch  V.  d.  Wienern  380, 10  Karajan,  vgl.  118,  21; 

der  grutze  oder  cirogull,  der  do  eintruckt  (wiederkaui)  und 
teilt  nit  die  klaw  erste  deutsche  bibel  3,  392  lit.  ver.  (choero- 
grillus,  qui  ruminat  ungulamque  non  dividit),  wo  eine  bibel 
von  1583  grutzer  übersetzt,  s.  Frisch  wb.  l,  380.  in  älterer 
spräche  ist  grutsch  auch  für  die  Steiermark  bezeugt, 
8.  Unger-Khüll  310*.  unsicheres  griuzel  bei  J.  Enikel: 

der  verswant  sam  ein  griuzel  (:  Priuzel) 

tuot  in  einer  valle  fürstenbuch  2172 

stünde  im  abtaut  zu  grütze.  dazu  als  ableitung:  verchauffet 
man  daz  grütschein  oder  lampvel,  so  geit  man  von  dem 
pfimt  vier  phen.  qu^le  (14.  jh.)  bei  Lexer  1, 1108;  von  den 
grütschein,  lampvellen  nimpt  man  . . .  ebda;  eichhorneins 
und  grutzeins  mag  ein  kursner  .  .  .  kaufen  als  vil  als  in 
gelust  Olmützer  stadtb.  103  Saliger.  —  grutschner,  m., 
verarbeiter  und  Verkäufer  von  hamsterf eilen,  nur  in  älterer 
spräche  Unger-Khüll  310*. 

GRUTSCHEN,  vb.,  knirschen,  grutschen  stridere  Al- 
TENSTAiG  (1516)  nach  Diefenbach  gloss.  556*;  grutschen 
(mit  den  zahnen)  grogner,  marmotter  Schrader  wb.  1,  582. 
heute  in  obd.  mundarten  noch  gebräuchlich,  s.  Fischer 
Schwab.  2,  889,  auch  als  grutzgen  K.  Reiser  sagen  des 
Allgäus  2,  705;  Schöpf  tirol.21Q;  in  der  Schweiz  dafür 
gritzen  Staub-Tobler  2,  836;  teil  4,  1,  6,  386. 

GRUTTEL,  m.,  auch  grüttel,  aufregung,  unruhe:  als  der 
gruttel  zergieng  (1468)  bei  Staub-Tobler  2,  828,  ebendort 
weitere  belege. 

GRÜTZ,  m.,  d.  i.  grübs,  griebs  {s.  o.  teil  4, 1,  6,  254  und 
grotz(en)  2,  s.  teil  4,  1,  6,  598),  arulla  grubsz,  grutz,  gricz 
Diefenbach  gl.  52'' :  wer  die  öpfel  in  wendig  aussneid  und 
den  grütz  davon  werf  Konr.  v.  Megenberg  buch  d.  nat. 
37iPf.;  daneben  begegnen  auch  die  formen  grotz,  grotze, 
grotzen,  grutzen,  s.  Crecelixjs  oberhess.  wb.  438 ;  rhein. 
wb.  2,  1441;  krotze,  krotzen,  5.  teil  5,  2424;  Vilmar  Kur- 
hess.  229.  vermutlich  gehört  hierher  auch:  glandula  trüsen, 
grützen  an  den  Schweinen  oder  seuwen  Frisius  dict.  (1556) 
605^;  Calepinus  Xlling.  (1598)  30*,  vgl.  dazu  griebs  in 
der  bedeutung  'adamsapfel,  kehlkopf\  s.  teil  4,  1,  6,  255.  — 
grützwerk,  n.: 

bringt  mir  vor  allen  dingen 
die  groszen  öpfel  auf  dem  bret, 
die  ich  einkaufet  nechten  spet! 
was  soll  wir  mit  dem  gritszwerck  than 

J.  Ayeer  1868  Keller. 

^GRÜTZE,  m.,  hamster,  s.  grutsch. 


1019 


2 GRÜTZE  1 


2 GRÜTZE  1 


1020 


^GRÜTZE,  /.,  m.,  geschrotetes  gdreide. 

herkunft  und  form. 

ahd.  gruzzi,  gruzze,  grutze,  nM.  grütze,  ags.  grytt,  n., 
poUis,  grytta,  gTjttein{pl.f.)furfur,  engLgrit,  mnd.  grutt«, 
/.,  gehören  wie  grausz,  griesz,  grosz,  an.  grautr,  m.,  grütze, 
ags.  grot,  n.,  pollis,  particula,  grotan,  engl,  groats  grütze 
zur  idg.  würzet  ghreud-  zerreiben,  zermalmen,  die  im  germ. 
im  st.  V.  ahd.  f ergrozziniu  excollocta  ( =  excuJta)  gl.  2,  207, 
67 ;  211, 77  und  gigrozzan  broth  panis  cretinus  ( =xqi&iu6s) 
gl.  3,  507,  6  sowie  in  mhd.  griezen  zerkleinern,  zermalmen, 
streuen  fortlebt,  die  bei  einer  schweren  wurzel  zu  erwartende 
langvokalische  form  der  Schwundstufe  begegnet  wie  in  ags. 
grüt,  mhd.  grüz  in  lit.  grüdas  körn,  grüdiene  grützbrei. 
dagegen  geht  ksl.  gruda  erdscholle  ow/*gröudä  zurück,  wei- 
teres bei  Walde- PoKOKNY  1,  649/.;  Tkautmann  bsl.  wb. 
99;  Bernekeb  357.  das  geschlecht  ist  ahd.  und  mhd.  un- 
klar, nhd.  erscheint  neben  dem  fem.  auch  das  masc.  und 
neutr.:  da  Bchmissen  die  mönche  .  .  .  den  grütze  mit  der 
Schüssel  auf  den  ofen  Hbebergeb.  herzpost.  (1613)  i,  263; 

hat  die  köchinne  aufsieht  auf  ihre  mutz,  . . . 

BO  hat  sie  nicht  sonderliche  gedancisen  auf  den  grütz 

Pkätoeius  phüosophia  colus    (1662)  128; 

brennt  euch  der  kalte  grütze  auch  sehr  aufs  hertze?  Chb. 
Weise  grünende  jugend  183  ndr.; 

die  liebe  brennt  wie  heiszer  grütze 
und  würcket  tausend  banglgkeit 

Henrici  ernst-scherzh.  u.  sat.  ged.  2,  403. 

weitere  belege  s.  urUen.   das  nd.  wechselt  zwischen  gört(e), 

DOOBNKAAT-KOOLMAN  OStfricS.  l,  6Q5;  WÖSTE  82^;  MÜL- 
LER-WeITZ  Aachener  ma.  70,  gööt  Höniq  Köln  67  und 
grüt(te) HÖNiQ  GQ'j'Kimecklenb.  2ö;Sohambaoh  Oöttingen 
70,  fast  nur  als  fem.,  doch  vgl.  das  masc.  bei  Frischbier 
preusz.  1,  268;  HuPEL  Lief.  u.  Esthl.  83.  auch  das  md. 
(grütz,  gritz,  grötz,  gretz)  bevorzugt  das  fem.,  doch  vgl. 
Crecelius  oberhess.  442;  Hofmann  niederhess.  lil*  und 
die  historischen  belege  bei  Müller-Fraureuth  1,  448.  auf 
obd.  boden  ist  das  wort  seit  je  wenig  verbreitet  oder  unbekannt 
gewesen.  Augsburger  und  Züricher  bibelübertragungen  mei- 
den es,  s.  Byland  Wortschatz  des  Züricher  alten  testamentes 
von  1526  und  1531,  s.  46;  Fischer  schwäb.  3,  889  anm.  die 
bayrisch-österreichischen  dialektwbb.  verzeichnen  grütze 
überhaupt  nicht,  während  das  schwäbische  das  wort  heute 
nur  in  der  bedeutung  'verstand'  kennt,  es  steht  aber  nicht 
fest,  ob  grütze  'verstand'  und  grütze  'getreidekörner,  brei' 
ursprünglich  gleiche  Wörter  waren,  die  Verbindung  der  erst- 
genannten bedeutung  mit  kritz  (s.  u.  teil  5,  2341)  ist  möglich 
und  es  könnte  die  uneinheitlichkeit  im  geschlecht  auf  alter 
entstehungsverschiedenheit  beruhen,  allerdings  scheinen  von 
der  idg.  wurzel  *ghreud-  auch  Wörter,  die  sich  auf  das  see- 
lische gebiet  erstrecken,  gebildet  worden  zu  sein  wie  russ. 
grustB  kummer,  lit.  graudüs  'brüchig,  rührend,  wehmütig; 
vgl.  auch  ahd.  grüsön  schrecken  empfinden'  Walde- P.  1, 
648/,  eine  klärung  des  Sachverhalts  scheint  nicht  mehr 
möglich. 

bedeutung. 

1)  m^hr  oder  weniger  grob  geschrotete  und  enthülste  körner 
von  gerste,  hafer,  buchweizen,  hirse  oder  der  daraus  ge- 
kochte brei. 

a)  getreidekörner,  geschrotet  oder  gestampft:  pabulum 
grosz,  grutz  als  die  swein  essen,  mancherlei  körn  ge- 
menget vocab.  theuton.  (1482)  nach  Diefenbach  gl.  405^, 
vgl.  2263',  s.  V.  farrago;  gritze  alica  Aler  dict.  1,  983*; 
grütz  (der)  est  far  comminutum,  polenta,  farrago,  granea 
ptisana  Stieler  712: 

da  wird  brimel,  grütze 
daz  ist  auch  gar  nütze, 
und  den  pferden  füter 

KÖNIG  V.  Odenwald  5,  39  Schröder; 

item  41/2  f.  vor  2  tunne  grucze  handelsrechn.  d.  deutschen 
Ordens  4  Sattler;  item  1  firdung  1  seh.  vor  grucze,  pottir, 
böten,  dorsch  zu  schiffe  zu  brengen  Marienb.  treszlerbuch 
17  5  Joachim,  häufig  im  groszen  ämterbuch,  auch  als  grocze, 
s.  register;  und  das  weib  nam  und  breitet  eine  decke  über 


des  brimnen  loch  und  breitet  grütze  drüber,  das  man  es 
nicht  mercket  2.  Samuel  17,  19;  der  er  bar  mann .  .  .  dörret 
sein  gerstene  graupen  oder  weitzene  grützen  Mathesiüs 
2,  130  Lösche;  wie  bei  den  nidern  Sachsen  der  brauch  {ist), 
. .  .  den  grütz  oder  bauchweitzen  mit  milch  zu  sieden 
Ryff  Spiegel  u.  regiment  d.  gesundth.  (1544)  38*;  appenda 
die  hülse  vom  hirtz  oder  grütz  nomencl.  lat.  germ.  {Ham- 
burg 1634)  103 ;  nachdem  dann  linsen,  bonen,  hirse,  beide, 
habern,  garsten,  grütz,  auch  erbeiszen,  sehr  gute  speiszen, 
zum  krieg  dienstlich  S, Wolder  türck.  Untergang  { 1664)  e  i^» ; 

mit  erbsen,  gritz  und  bohnen 

kompt  {der  bauet)  axif  den  marck  gar  schone 

Agyktas  grülenvertreiber  (1670)  97; 

man  richtet  daraus  {aus  dem  heidekor n)  wenn  es  auf  der 
mühle  zurecht  gemacht  und  ausgehülset,  den  grützen  zu 
v.  Rohr  obersächs.  hausvdrtschaftsb.  (1722)  205; 

sie  waren  ehmals  rüstige  gesellen, 

der  eine,  der  den  mais  gemahlen,  dieser, 

der  graupen  und  auch  deutsche  grütze  machte 

TiEOK  10, 186; 

was  die  niedern  bedürfnisse  betrifft,  bitte  ich  zur  grütze 
noch  von  jeder  nudelsorte  ein  pfund  packen  zu  lassen 
(3ÖTHE  IV,  10,  196  W.;  von  der  Dresdner  grütze  so  viel, 
dasz  ich  mir  alle  morgen  kann  in  den  bouillon  das  nöthige 
einrühren  lassen  ebda  IV  21,  81;  eine  habersuppe,  worin 
man  wasser  und  grütze,  butter  und  salz  .  . .  unterscheiden 
kann  J.  Moser  s.  w.  2,  304 ;  der  mann  hatte  gritze  gehabt 
da  drinnen  in  dieser  beinbüchse  Rosegger  II  15,  17;  er 
trug  grütze  und  liirse  aus  Reichenberg  im  zwerchsack 
MüsÄus  Volksmärchen  1,  38;  Luther«  Übertragung  von 
Sprüche  27,  22  wenn  du  den  narren  im  mörser  zustieszest 
mit  dem  stempfei  wie  grütze,  so  liesze  doch  seine  narr- 
heit  nicht  von  im  {si  contuderis  stultum  in  pila  quasi  pti- 
Sanas  feriente  desuper  pilo,  non  auferetur  ab  eo  stultitia 
eiu^)  wurde  sprichwörtliche  redewendung,  vgl.  noch  ob  man 
uns  gleich  im  mörser  zerstiesze  wie  ein  grütze  Luther 
15,  253  W.: 

wenn  du  in  dem  mörser  den  narren 
zerstleszest  mit  seim  zanck  und  schnarren 
mit  dem  stempflel  klein  wie  den  grütz, 
80  wer  es  im  doch  wenig  nütz 

Hans  Sachs  19,  360  lit.  ver.; 

ja,  wenn  man  sie  (die  toren)  im  mörser  stiesz, 
und  so,  wie  grütze,  stampfen  liesz, 
so  würden  sie  doch  Wahrheit  hassen 

Tkillee  poet.  betracMungen  (1750)  2,  644; 

noch  laszt  die  torheit  nit  von  ihm,  wann  du  ihn  gleich 
wie  ein  gritz  in  einem  mörser  zerstleszest  S.  Franck 
sprichw.  1,  141**,  vgl.  2,  172*;  doch  vgl.  schon 

drum  ist  allzeit  an  den  toren 
hopfen  und  auch  malz  verlohren, 
stieszt  du  ihn  wie  grütz  so  klein 

S.  Brant  narrenschiff  24  Z.  {interpol.). 

b)  gekochte  grütze,  brei;  puls  grutz,  gratz,  grutte,  grütte, 
gurt,  gorte  Diefenbach  gl.  472^;  puls,  pulmentum  . .  . 
weiche  speis,  brei,  soppen,  grötz,  mus  E.  Alberus  dict. 
f  f  2^ ;  polenta  grütte,  dicke  gerstenbrüh  Orsäus  nomencl. 
methodicus  (1623)  89;  über  die  mannigfache  art  der  Zube- 
reitung vgl.  Mensinq  schlesw.  holstein.  wb.  2,  504:  und  ein 
brot  und  ein  kuchen  und  grutze  nichten  esst  von  der  säte 
{panem  et  polentam  et  pultes  non  comeditis  ex  segele) 
1.  deutsche  bibel  3,  439  lit.  ver.;  dar  umbe  solche  schwacheit 
ein  wenig  zu  geringern,  nutzte  si  gekorner  und  grotze  mit 
bir  gesotten  Hedwigslegende  (1504)  Dl*;  ihre  kinder  .  .  . 
speck  und  grütz,  kohl,  schincken,  .  .  .  und  dergleichen 
sieben  Sachen  satt  zu  fressen  haben  B.  Schupp  Schriften 
(1663)  188;  ein  anders  wäre  es,  so  es  solche  bratwürste 
sollen  werden,  als  in  Salfeld  bei  uns  in  der  Marck  von  den 
bauren  verschluckt  werden,  dann  diese  sind  voll  grütze 
gestopft  VbI-TOBIVS Blockesberg  {1668)  457,  vgl.  grützwurst; 

weil  noch  der  ehrsucht  nessel 
im  angeflammten  blut  wie  heiszer  gritze  brennt 

M.  WiEDEMANN  gejangensch.  (1668)  aug.  68; 

kocht  weder  grütz  noch  kraut, 
der  greuel  kommt  ihr  an,  wenn  sie  ein  spinnrad  schaut 
J.  Rachel  sat.  gediehte  18  ndr.; 


1021 


2GRÜTZE  2 


2  GRÜTZE  3.  4  (Zusammensetzungen)        1022 


setzt  ihm  grütze  oder  andere  hiesige  speisen  vor  Gott- 
sched schaubühn^e  2,  434;  meinst  du,  man  soll  süsze  grütze 
fressen,  ehe  man  zum  examen  geht?  L.  Holberg  dän. 
Schaubühne  3,  16;  dicke  grütze,  rindfleisch  imd  Sauer- 
kraut .  .  .  GöTHE  IV  23,  328  W.;  ihre  nahrung  ist  .  .  .  fast 
nur  gerste  .  .  .  unter  mancherlei  formen,  als  grütze  oder 
geröstet  Ritter  erdkunde  1(1822)  903;  Botta  soll  gesagt 
haben,  er  wolle  machen,  dasz  man  von  der  grütze  essen 
könne,  ohne  sich  den  mimd  zu  verbrennen  Ranke  «.  w. 
29,  78;  ein  schönes  altes  dithmarisches  gericht  hat  deine 
mutter  mir  oft  gekocht . . . :  grütze  in  buttermüch  Hebbel 
briefe  2,  84  Werner,  übertragen:  hastu  in  deiner  luthe- 
rischen grütz  und  in  deiner  wittenbergischen  suppen 
nicht  mügen  finden,  was  Ezechiel . . .  weissagt  bei  Luther 
18,  371  W. 
als  kärgliche  speise  hervorgehoben: 

well  ich  sonst  all  tag  In  mein  haut 
musz  essen  grützen,  ruhe  vnd  kraut 

H.  Sachs  21,  211  lü.  ver.; 

hat  mich  imd  die  kinder  lassen  darben,  grütz  und  Wasser- 
suppen fressen  Cochläüs  ein  heimlich  gespräch  24  ndr.; 

bei  Pasteten,  austern,  fisch 

kont  er  grütz  und  wurst  vergessen 

H.  Che.  Boie  bei  Weinhold  Bote  347. 

in  Sprichwörtern  und  redensarten:  es  sind  nicht  alle 
koche,  die  gern  grütz  essen  Petri  d.  Teutschen  weish.  2,  C  c 
6^,  auch  mnd. :  et  sinth  nicht  alle  kuken,  de  gherne  grutte 
eten  Schiller-Lübben  2,16l ;  in  den  bauern  gehört  grütze, 
in  den  ochsen  gehört  stroh  Düringsfeld  sprichw.  1,  80*' ; 
arme  leute  kochen  dünne  grütze  Körte  sprichw.  277;  dai 
het  ök  all  mär  dän  as  görte  eten  Wöste  82.  weitere 
zahlreiche  belege  Wander  2,  163;  Mensinq  2,  605. 

2)  verstand,  in  dieser  bedeutung  mundartlich  weit  ver- 
breitet, vgl.  Fischer  schwäb.  3,  888;  Staub-Tobler  2,  839; 
ViLMAR  138;  Creceuüs  442;  Bauer-Collitz  146;  Frisch 
BIER  1,  268;  Stürenburq  73.  die  literarischen  belege  sind 
jung:  einen  honneten  mann  kann  man  aus  jedem  weiden- 
stozen  (weidenstumpf)  formen,  aber  zu  einem  spitzbuben 
wills  grüz  Schiller  2,  82  0.;  der  eine,  scheints,  hat  nicht 
viel  grütze  Platen  2,  33  H.;  sie  glauben,  {wir)  hätten 
selbst  nicht  grütze  genug,  die  zu  verstehen  Bettine  dies 
buch  gehört  dem  könig  l,  190;  der  hat  mehr  grütze  als  alle 
anderen  Laitbe  10,  173.  vne  kritz  und  witz  stehen  auch 
grütz  und  witz  in  Verbindung:  ab  hoc  et  ab  hoc,  confus, 
ohne  Ordnung,  durch  einander,  ohne  witz  und  gritz 
Sperander  (1727)  2*';  habt  ihr  witz  und  gritz  im  köpf, 
habt  ihr  ein  herz  im  leib,  so  lasset  heute  eure  fauste 
unsem  feinden  solches  zu  fühlen  geben  S.  v.  Birken 
Androßo  70;  maszen  er  denn  solches  zu  thun  alle  seine 
witz  und  gritz  zusammenraspelt  schefflerischer  Protheus 
(1664)  b  1^; 

wolt  voll  euch  zeigen  meinen  witz, 
möchte  aber  nehmen  vor  grütz 

GÖTHK  III  1,  2  W. 

grütze  steht  in  diesem  sinne  am  häufigsten  in  der  rede- 
Wendung  grütze  im  köpf  haben  u.  ä.  erst  seit  dem  17.  jh. 
literarisch  zu  belegen,  vgl.  au^h  grützkopf:  dasz  dir  das 
gehim  zu  leicht  ist,  denn  du  hast  keinen  gritz  in  köpfe 
FiLiDOR  Ernelinde  (1666)  103; 

ein  köpf,  der  spreu  vor  grütze  führet 

GÜNTHEK  ged.  374; 


ihr  habt  nicht  allein  den  grütze, 
der  scharf  dencken  kan 


ebda  426; 


es  kan  einer  zum  verstaunen  gescheut  sein  und  gleichwol 
nit  so  viel  grütz  im  köpf  haben  Schwabe  tintenfäszl 
(1746)  18;  ihr  seid  in  der  gröszten  gefahr,  in  die  ein  tüch- 
tiger junger  kerl  .  .  .,  der  grütz  im  köpfe  hat  und 
stärke  in  den  gUedern,  nur  geraten  kann  E.  Th.  A.  Hofe- 
MANN  10,  197  Orisebach;  er  hats  hinter  den  obren,  hat 
grütz  im  köpf,  der  teufelskerl!  Tieck  5,  21;  und  wer  sein 
bischen  grütze  im  köpf  hat,  der  bringt  sein  Schäfchen  ins 
trockne  Alexis  ruhe  ist  die  erste  bürgerpflicht  (1862)  3,  138; 
wie  du  ein  geschickter  arbeiter  gewesen,  wie  du  grütz 
und  gaben  hättest,  dich  den  ersten  meistern  in  deinem 


fache  gleichzustellen  Mörike  4,  86;  er  habe  grütze  im 
köpf  und  sei  ein  gar  braver  junge  Rosegger  1 13,  25; 
denn  er  .  .  .  hat  mehr  grütz  im  kleinen  finger  als  wir  beide 
im  ganzen  leib  Immermann  3,  115  Boxb.  nur  selten  er- 
scheint grütze  in  dieser  Verbindung  auch  in  seinem  eigent- 
lichen sinne,  grütze  im  köpf  haben  nimmt  dann  die  gegen- 
teilige bedeutung  an,  nämlich  dumm,  töricht  sein\  die  ent- 
stehung  ist  durch  die  gedankenverbindung  'grütze  statt  ge- 
him im  köpf  haben'  verständlich,  vgl.  he  heft  statt  marcks 
grött  öm  kopp  Frischbier  preusz.  l,  268*':  der  köpf  sei 
mit  gritze  angefüllet  oder  habe  doch  zum  wenigsten  kein 
gehim  mehr  Thomasixjs  vernunftlehre  (1691)  32;  denn  die 
wenigsten  wissen  .  .  .  die  magern  einfalle  vieler  mit  grütze 
angefüllten  köpfe  recht  zu  beurteilen  J.  B.  Mencke  char- 
latanerie  36 ;  ich  haa  ooch  fünf  sinne  und  ooch  gehem  im 
kupp,  es  stäckt  kee  grütze  drinne  curiosa  Saxonica  (1762) 
37.  vgl.  grütz  im  köpf  grillen,  seltsame  einfalle  Staub- 
Tobler  2,  839  und  grützkopf. 

3)  besondere  bedeutungen,  besonders  des  obd.  Sprach- 
gebietes, hier  ist  nicht  immer  sicher,  ob  es  sich  stets  um 
dasselbe  wort  handelt,  die  etymologische  Verwandtschaft  je- 
doch steht  auszer  frage,  grütze  im  sinne  von  etwas  zer- 
kleinertem, zerbröckeltem,  vgl.  gritz  {l.  grütz)  bruchstein, 
farrago  Harsdörffer  poetisch,  trichter {lQi7)  2, 146;  grüetz 
kalkscherben  und  dergleichen,  steingemüsel,  bruchstein  von 
verfallenen  gebewen  Henisch  (1616)  1760;  sed  grütz  etiam 
dicuntur  rvdera  sive  lapidum  frusta  Stieler  712;  gruts, 
m.,  zerbröckeltes,  kleine  stücke  Bauer-Collitz  41*'.  vgl. 
auch  das  nd.  grott,  m.  und  n.  {teil  4,  1,  6,  594),  gruuts  Txr- 
bröckeltes  {neumärkisch)  Zeitschrift  f.  dtsche  maa.  1910,  44 
und  weiterhin  das  bedeutungsfeld  'kleinigkeiV ,  'etwas  un- 
scheinbares\  in  mannigfacher  anwenduTig,  s. grütz(e) Staub- 
Tobler  2,  840;  luxemb.  mundart  167;  grotzen,  grutzen 
Crecelius  oberhess.  438.  im  sinne  von  'körnchen,  häuf- 
chen,  prise\  ein  grützen  saltz  grumu^  salis  Frisius  dict. 
1174"',  dazu  das  deminutivum  grützel  («.  d.)  und  grützet 
{s.  d.). 

4)  Zusammensetzungen,  grützabfall,  m.:  am  häufig- 
sten kommt  der  abfaU  des  getreides,  die  kleien,  das  grobe 
und  das  steinmehl,  der  mühlenschlamm,  der  graupen- 
imd  grützabfall  in  gebrauch  Thaer  grundzüge  4,  322.  — 
grützähnlich,  adj.:  eine  dieser  grützeähnlichen  masse 
der  balggeschwülste  ganz  gleiche  Substanz  v.  Sömmerring 
menschlicher  körper  s,  1,  214  {vgl.  grützbeutel).  —  grütz - 
bank,  /.,  lade  für  den  vorrat  an  grütze  Mensino  2,  507.  — 
grützbauch,  m.,  scherzhafte  bezeichnung  für  corpulente 
personen  oder  auch  solche,  welche  gerne  und  viel  grütze  ge- 
nicÄzen  (gröttbük)  Frischbier  1,258.  —  grützbeutel, 
m.,  balggeschwulst  v.  Alten  hdb.  f.  heer  und  flotte  1,  791 
{vgl.  grützähnlich),  als  abfällige  bezeichnung  für  hals,  kehle: 
deszwegen  denn,  da  er  auszreiszet,  das  kriegsrecht  nicht 
seinen  handschuch,  sondern  ihn  Selbsten  hencken  und  ihm 
den  grützbeutel  zerschnüren  lasset  Erasmus  Francisci 
lust.  Schaubühne  1,  522.  —  grützblume,  /.,  als  grütt- 
blom,  görteblaume  im  niederdeutschen  weit  verbreitete 
Pflanzenbezeichnung,  so  für  das  unesenschaumkraut  {carda- 
mine  pratensis)  Pritzel- Jessen  79;  Wöste  Z80^,  für  das 
hirtentäschel  {capsella  bursa  pastoris);  Frischbier  preusz. 
2,  526;  Schumann  Lübeck  6,  weitere  anwendungen  bei 
Pritzel- Jessen  6;  199;  324;  Mensing  2,  607.  —  grütz - 
brei,  m.,  ptisanarium  gritzbrei  Stieler  227;  Hupel 
Lief-  u.  Esthl.  83 :  der  öconom  oder  speisewirth  .  .  .  wollte 
durchaus  unsere  jugendlichen  magen  und  unsern  kind- 
lichen frohsinn  in  grützebrei  ersticken  v.  Rahden  Wan- 
derungen 1,  9;  der  tisch  stand  .  .  .  gedeckt,  obgleich  nur 
mit  .  .  .  einem  grützbrei  besetzt  v.  Francois  die  letzte 
Reckenburgerin  1,  68;  es  ist  ein  schlechter  grützebrei, 
den  das  neue  deutsche  reich  wohl  schwerlich  verdauen 
wird  Hoffmann  v.  Fallersleben  8,  369.  sprichwörtlich: 
gehen  wie  die  katze  um  einen  heiszen  grützbrei  Dürings- 
feld sprichw.  1,  138^».  —  grützbüttel,  m.,  Schimpfwort, 
s.  Pansneb  263-.  —  grützesser,  m.,  pultivorax  gurteter 
(1420)  Diefenbach  gl.  472C.  —  grützezähler,  m.,  auch 
grützchenzähler,  einer,  der  die  grützkörner  zählt,  knauser, 
kleinigkeitskrämer ,  bes.  vom  kleinlichen  ehemann  gesagt. 


1023         2 GRÜTZE  i  {zuaammenaetzungen) 

görtenteller  WöSTE  westfäl.  SS»,  vgl.  holl.  gortentelder ; 
ostfries.  görteteller  Stürenburg  73  *;  grützchenzähler 
ScHEMiONBK  Elbingcr  ma.  14;  Frischeier  preuaz.  l,  258: 

pfui,  . . .  frauenquäler, 

pfui,  topflies,  l£Üclienvogfc,  reiszslchter,  grützezähler 

J.  Cats  sinnr.  wercke  (1711)  2, 184. 

—  grützfresser,  m.:  bo  wie  einem  grützfresser  auf  dem 
hallischen  weisenhause  zu  muthe  sein  mag,  wenn  nach 
einem  langen  magern  jähre  der  grosze  feierliche  bratentag 
sich  nähert,  so  geschah  jetzt  dem  magister  Acidalius 
J.  G.  ScHUMMEL  der  Heine  Voltaire  176.  —  grützgarten, 
m.,  ein  kleines  gärtchen  unmittelbar  vor  dem  haus  Mo- 
THES  illustr.  baulexikon  Z,  19.  —  grützgesicht,  n.: 
am  tage,  wo  ich  von  deck  geh,  spuck  ich  ihm  in  sein 
grützgesicht  Frenssen  Hilligenlei{\905)  151.  —  grütz- 
g raupe,  /.,  augengeschumlst,  gerstenkorn,  vgl.  Henisch 
(1616)  1765:  von  Wassergallen  oder  grützgraupen  der 
äugen:  weiter  findet  man  ein  gewechse  an  den  augen- 
liedern,  das  wird  genant  ein  wassergalle  oder  wasser- 
gewechse,  bei  den  alten  atlantif  as  aquosum,  endlich  wirds 
grosz  und  harte  als  ein  breimusz,  grisz  Bartisch  augen- 
dienst{\h&Z)  149;  der  maulworf  .  .  .  wird  von  den  oculisten 
zu  den  wassergallen  oder  grützgraupen  der  augenliede 
gebrauchet  M.  Bäpst  von  Rochlitz  artzneibuch  494.  — 
grützhandel,  m.,  handel  mit  grütze  Campe  2,  479.  — 
grützhändler,  m.  ebda.  —  grützhafer,  m.,  der  bata- 
vische  grützhafer  oder  nackte  hafer,  eine  art  hafer,  die  sich 
stark  bestaudet  und  viel  kleine  körner  trägt  Campe  2,  479; 
avena  nuda  v.  Schlechtendal  flora  v.  Deutschland  7,  262 : 
der  chinesische  grützhafer  hat  weit  von  einander  stehende 
ährchen  Karmarsoh-Heeren  4,  229;  der  nackte  hafer, 
tartarische  grützhafer,  avena  nuda,  wird  bei  uns  nicht 
in  gebrauch  kommen  Thaeb  grundz.  4,91.  —  grütz- 
heisz,  adj.,  heisz  wie  grütze:  eines  weisz  ich  noch  zu  er- 
zehlen,  welches  ein  grützheisz  verliebter  seiner  liebsten 
gemacht,  in  dem  er  sie  also  angeredt  gepflückte  fincken 
(1665)  103.  —  grützjöckel,  m.,  ausdruck  der  bergbau- 
sprache,  'der  name  eines  ganz  grünen  vitriols,  welcher  aus 
dem  gestein  tröpfelt,  und  sich  une  zapfen  an  demselben 
hänget'  Jacobsson  technol.  wb.  2, 170'';  vgl.  Adelung  2 
(1775)  837.  —  grützkäfe,/.,  theodora  Oken  allg.  natur- 
gesch.  3,  3,  1716.  —  grützkasten,  m.,  1)  köpf:  nimm 
deinen  grützkasten  zusammen!  Frischeier  1, 258''. 
2)  krankenhaus,  lazarett,  nach  der  grütze  als  krankenkost 
benannt,  Kxuge  seemannsspr.  338;  Hörn  soldatenspr.  127; 
Imme  soldatenspr.  138;  Ostwald  rinnsteinspr.  63;  Frisch- 
bier 1,  258''.  —  grützkessel,  m.,  kessel  für  grütze:  (die 
mutter)  tauchte  das  grosze  stück  bergsalz,  das  an  einem 
stricke  aus  dem  rauchfange  baumelte,  in  den  grützkessel 
M.Keyserling  werwolf  l,  ise.  —  grützknoten,  m., 
s.  grützgraupe :  wenn  denn  die  wassergalle  oder  wasser- 
gewechse  an  den  äugen,  atlantifas  aquosum,  also  harte 
wird,  so  nennet  mans  ein  wehnen,  grützknoten  oder  athe- 
roma  Bartisch  au^/endienst  (1583)  150.  —  grützkopf, 
m.,  einer,  der  grütze  im  köpf  hat  statt  gehirn,  dumm- 
kopf,  Adelung  2  (1775),  838;  Bbendicke  130^;  Frisch- 
eier 1,  258;  Mensing  2,  507;  Pansner  25^:  da  thut 
gleichwohl  ein  iedweder  etwas  und  zeigt  dadurchen, 
dasz  er  nicht  gantz  einen  grützkopf  hat  Chr.  Weise 
erznarren  149  ndr.;  auszerdem  aber  wird  er  sich  ver- 
geblich bemühen,  mir  aus  der  camera  obscura  recen- 
tiorum  alegorum  (das  ist  aus  der  gauckeltasche  der  neuen 
grützkopf e)  was  vorzugauckeln  J.  Chr.  Edelman  Christus 
und  Belial  (1741)  89;  finden  sich  oftmahls  so  wohl  unter 
denen  zuhörern  als  lesern  sonderbare  gritzköpfe,  welche 
dasjenige,  so  ihnen  fürgetragen  wird,  in  zweifei  ziehen 
J.  D.  Ernst  denckwürdigk.  (1750)  b  3*;  diese  männer  er- 
klärten den  wisch  . .  .  für  die  geburt  eines  elenden  grütz- 
kopfs  Laukhajrd  leben  u.  Schicksale  l,  20;  so  unterstunden 
sich  diese  unwissenden  grützköpfe  Lessing  13,  64  Lach- 
mann; er  (der  lehrer)  musz  es  bald  inne  geworden  sein, 
wo  seine  . .  .  grützköpfe  . .  .  sitzen  Herder  30,  260  8.; 
ein  solcher  verworrener  grützkopf  und  dummbart  von 
kerl  BoDE  Tristram  Schandi  2,  12;  den  feldprobst  .  . ., 
einen  erzorthodoxen  und  stupiden  grützkopf  beitr.  u.  be- 


2 GRÜTZE  4  {zuBammensetzungen)  1024 

rieht,  zu  Bahrdts  lebensbeschr.  62 ;  ihr  grützköpfe,  was 
zankt  ihr  euch  Alexis  Eoland  v.  Berlin  (1840)  l,  32; 
'grützkopf,  versetzte  Jürgen,  'ich  wette,  du  ahnst  es 
nicht,  dasz  wir  heut  abend  den  stein  der  weisen  gefunden, 
haben!  Hebbel  w.  8,129  W.  —  grützköpfig,  adj., 
dummköpfig,  dumm:  Anselm  war  ein  Ignorant,  ein  grütz- 
köpfigter  Schwärmer  gewesen  beitr.  u.  bericht.  zu  Bahrdts 
lebensbeschr.  (1791)  35;  ei,  du  grützköpfiger  wanst!  du 
yemsigelteT  tvo])H  (Falstaff)  Shakespeare  6,  74;  diese grütz- 
köpfige  geringschätzung  des  feindes  hat  uns  schon  einmal 
bei  Jena  und  Auerstädt  geschlagen  B.  Goltz  ein  jugend- 
leben 2,  437;  affenschänderisches  volk!  grützköpfige 
dummheit,  wenn  du  nun  gar  noch  ausländische  bettel- 
pfennige  für  holländische  dukaten  nimmst!  GxrrzKOW 
Zauberer  v.  Rom  5, 224.  —  grützkorn,  ».,  augenge- 
schwulst,  gerstenkorn:  wenns  denn  also  harte  wird,  so 
nennet  mans  ein  wehnen  oder  grützkorn  (atheroma),  die 
gemeinen  leute  heiszens  auch  ein  uberbein  Bapst  v.  Roch- 
litz artzneibuch  495.  —  grützleute,  pL,  producten- 
händler  allg.  haush.-lex.  1,  626;  Chomel  4, 1384;  5,  485.  — 
grützmacher,  m.,  der  auf  einer  handmühle  grütze  macht 
und  damit  handelt,  auch  bezeichnung  für  produ^tenhändler. 
pultarius  gruczenmacher  Diefenbach  gl.  472 C;  mnd. 
gruttemaker  Schiller-Lübeen  2, 161*;  pultifex  ein 
grutte  meker  Diefenbach  nov.gl.soQ^:  1  last  grutcze, 
herrengrutcz  czum  grutczmecher  gr.  ämterbuch  231  Zie- 
semer;  ob  es  dort  (auf  d.  Mars)  auch  Standesämter,  grütz- 
macher, historische  romane  giebt?  v.  Liliencron  5,  62. 

—  grützmann,  m.,  a,  grützmacher,  leguminarius,  hali- 
carius  KntscH  com.  2, 159^;  Aler  did.  l,  983*: 

der  grützmann  kommt,  mein  liebes  kind, 
das  ding  bat  seine  mucken 

Henrioi  ernst-scherzh.  u.  sat.  ged.  4,  304. 

—  gr  ützmörsel,  m.,  mörsel  zum  zerstoszen  der  grütze:  ein 
hölzerner  indianischer  gritzmörsel  Leipziger  avaniurieur 
2,  47.  —  grützmühle,/.,  mühle,  auf  der  grütze  gemahlen 
wird,  mala  manualis  eyn  groczmole  Diefenbach  gloss. 
365*;  die  buchweitzen-  und  hafergrütze  läszt  sich  besser 
auf  handmühlen,  die  vom  menschen  beweget  werden, 
bereiten,  und  diese  heiszen  eigentlich  grützmühlen  Ja- 
cobsson technol.  wb.  2,  170*;  vgl.  Campe  2,  479:  in  dieser 
armen  kindischen  Jugend,  hat  mich  mein  seliger  vater 
mit  meiner  auch  jetzo  seligen  mutter  Anna  HofEmannin, 
welche  mich  hernach  in  theuren  zeiten  mit  der  grütze- 
mühlen  hat  ernehren  müssen,  gelassen  Hebberger  hertz- 
post.  (1613)  1,  147;  was  soll  ich  sagen  von  den  grütze-, 
hirse-  und  senfmühlen?  v.  Stosch  polit.  staatsgarten(lQ76) 
538;  wie  der  esel  in  der  grützmüle  aus  dem  kreise  seines 
eignen  Schattens  nicht  herauskommen  Reiske  Thucy- 
dides,  vorr.  —  grützmüller,  m.,  müller,  der  grütze  macht: 
item  ein  grützmüller  kauft  7  wispel  heidekorn  J.  Al- 
bbecht  rechenbüchlein  (1534)  g  4*;  gruetzmolner  S.  Grü- 
nau preusz.  chronik  1,  226.  —  grützmus,  n.:  käsz,  salz, 
schmalz,  brodt,  grüzmuosz  S.  Bürster  schwed.  krieg  188, 

—  grützpappe,  /.,  grützbrei:  abends  wenn  die  sterne 
aufgehen,  so  nimmt  sie  mit  grützpappe  vorlieb  Weise 
curieuser  körbelmacher  (1705)  169;  dein  vater  hat  das  ge- 
hirn vergessen,  der  hat  deinen  groszen  schädel  mit  grütz- 
pappe gefüllt  Chr.  Weise  poetenzunft  (1683)  c  6;  wo  die 
leute  den  schade!  mit  grützpappe  gefüllet  . . .  haben 
J.  Chr.  Edelmann  göttlichkeit  d.  vernunfl  91.  —  grütz- 
rad,  n.:  der  caplan  quam  und  fant  einen  persönlichen 
man  sitzen  und  er  treib  das  grütze  rat  S.  Grünau  preusz. 
chron.  1, 220.  —  grützschleim,  m.,  grützsuppe:  (sie) 
weigerte  sich  von  dem  grüzschleim  zu  trinken,  der  ihr 
angeboten  wurde  Mungo  Park  reise  im  innern  v.  Afrika 
(1799)296.  —  grützstampfe,/.,  Hn  den  stampf  mühten  eine 
stampfe,  in  welcher  grütze  gestampft  unrd'  Campe  2,  479, 
vgl.  blätter  f.  litt.  Unterhaltung  (1841)  2,  1192.  —  grütz- 
suppe,/., suppe  aus  grütze,  ptisanarium  jusculum  Stie- 
ler 1687;  Staub-Tobler  7,  1237.  —  grütztisch,  m., 
'unrd  der  extratisch  am  waisenhause  genannt,  an  welchem 
jeder  unentgeltlich  essen  kann,  weil  es  hier  gewöhnlich  nichts 
als  grütze  mit  wasser  gekocht  giebt'  stud.spr.  u.  -lied  52  Burd. : 
er  hat  nämlich  an  dem  sogenanten  grütztische  gesessen 


1025    2  GRÜTZE  i  {Zusammensetzungen)  —  GRÜTZIG 


GRÜTZNER  —  GUARDIAN 


1026 


R.  A.  KÖHLEK  tagebuchbl.  225.  als  Bezeichnung  des  frugalen 
freitisches  bei  G.  F.  Rebmann  Leipziger  stud.  41  Wust. 
—  grütztopf,  m.,  topf  zum  kochen  der  grütze:  wenn 
der  grütztopf  voll  ist,  kommen  die  fliegen  haufenweise 
herzu  Hebbeegeb  Jesws  Sirach  1243';  ausgerissene  haare, 
schmerz  im  nacken  und  einen  zerbrochenen  grütztopf 
Hebbel  taget.  4,  279  W.;  wer  nicht  den  bratspiesz  und 
den  grütztopf  vom  herde  reiszt  dem  eindringenden  feinde 
entgegen,  ist  nicht  wert,  verachtet  zu  werden  v.  LniEW- 
CRON  3,  45.  in  abfälligem  sinne:  schöne  jungfrawen  haben 
einen  verschwiegenen  mundt,  sie  plappern  nicht,  wie  ein 
grützetopf  Hebbergeb  hertzpost.  (1613)  2,  670.  —  grütz- 
wurst,  /.,  sind  gewisse  wurste,  welche  meistenteils  als 
eine  gemeine  kost  für  das  gesinde,  aus  halbgekochter  grütze 
und  darein  geschnittenem  schweine-  oder  rivdsfett  zube- 
reitet werden  Jacobsson  5,  758'';  botulus  et  botellus,  ein 
brad^Tirst  . . .,  ein  grützwurst  apud  Saxones  Corvinus 
fons  latinit.  (1646)  115;  farcimen  granea,  ptisana  aut  far- 
ragine  impletum  Stieler  2588;  vgl.  Sallmann  Esthl.  80; 
Danneil  altmärk.  wb.  250*;  Mensino  schlesw.-holst.  wb. 
2,  508:  davon  die  leute  nach  dortiger  art  das  ganze  jähr 
haushalten  mit  grützwürsten,  grabenbraten  J.  Dietz 
lebensbeschr.  107  Consentius;  gestern  war  (sein)  geburts- 
tag,  den  wir  mit  grütz-  und  anderen  wursten  und  rhein- 
wein  feierten  Th.  Stobm  an  seine  braut  (1915)  140.  — 
grützzähler  s.  o.  grützezähler. 

iQRÜTZEL,  GRÜTZLEIN,  n.,  demin.  zu  «grütze, 
brosam,  krume;  panis  mica  brosam,  brosmen,  grützel, 
grumen  Megiseb  pol.  (1603)  2,  201'';  hochteutsch  grutzel, 
grumen,  brosam  und  brosmen  Tabernämontantjs  kräu- 
terb.  (1687)  591;  grützlein,  grützel,  grumus,  grumulus, 
mica  Stieleb  712:  das  so  etwan  under  dem  sand  glitzeret 
wie  glas  oder  Silber,  wirt  genommen  für  allerlei  grützle 
oder  broszmen  vom  brot  Fbisitjs  dict.  820.  in  der  Schweiz 
ist  grützeli  knöllchen  in  der  mölke,  irA  haferbrei,  anken- 
grützeli  kleine  butterbläschen,  die  bei  der  butterbereitung  in 
der  rührmilch  schwimmen,  hier  liegt  wohl  die  bedeutung 
kornartiges  gd)ilde  ebenso  wie  bei  grützel,  krume,  zugrunde, 
dazu  grützelbrot,  mica,  brosamen,  grützlenbrot  Me- 
giseb pol.  2,  62*'. 

*GRÜTZEL,  n.,  l)  krickente  Fischee  schwäb.  3,  889; 
Staub -ToBLER  2,  84i;  2)  junges  gänschen  Fischer 
schwäb.  3,889,  «.  «grusel.  —  grützelmöhre,/..*  staaro» 
est  oleris  .  .  .  genus,  quod  geierlin  vocant  germani  et  klingel- 
mören,  grützelmören  Bas.  Faber  thes.  765*' ;  Henisch 
1760,  41.  s.  kritzelmöhre  teil  5,  2342. 

GRÜTZE(L)N,  vb.,  auch  grutzen,  grotzen,  grundbedeu- 
tung  'kleine  teile  abschneiden',  'in  kleine  teile  zerlegend 
mundartlich  sehr  verbreitet  mit  stark  differenzierten  einzel- 
bedeuiungen,  offenbar  handelt  es  sich  hier  nicht  immer  um 
dasselbe  wort,  s.  Statjb-Tobler  2,  840;  rhein.  wb.  2,  1476; 
Crecelius  438;  Baiter-Collitz  40''.  vgl.  auch  igrotz(en) 
teil  4, 1,  6,  598  und  Schmeller-Fr.  l,  1018. 

GRÜTZEREI, /.,  coMec«.  zu  igrütze:  alsdenn  (mö«s<e 
man)  die  unterschiedenen  bei  den  speisen  nöthigen 
materialien  als  milch,  wein,  hier,  essig,  butter,  . .  .  fische, 
grützereien,  obst,  gewürtze  u.  s.  w.  anführen  v.  Rohr 
hauszhalt.  bibl.  239. 

GRÜTZET,  /.  (w.?)  1)  zerbröckeltes,  was  gegrützt  {vgl. 
grützen  vb.)ist:  obe  etwas . . .  überhüben  würde  von  stücke- 
lin  brotes  oder  sust  grützott,  inen  das  zu  geben  durch 
gotts  willen  bei  Ehebebg  verfassungsgesch.  v.  Straszburg 
1, 318  (a.  d.  j.  1481);  ihm  allerhand  hauszfäget  und  grützet 
darein  {in  die  grübe)  führen  und  werfen  und  also  mit 
einander  verfaulen  lassen  Sebiz  vom  f eidbau  485;  wo  auch 
sonst  etwas  unsaubera  unnd  mistechts  ist,  item  thun 
äschen  von  sprewen,  dornen,  holtz  und  anderer  grützet, 
das  werfen  sie  alles  auf  den  mist  M.  Hebb  f eidbau  42** ; 
in  der  Schweiz  bez.  für  geschabsei  von  äpfeln;  kleine  holz- 
späne  Staub  -  Tobleb  2,841.  2)  brosam,  krume,  mica, 
brosam,  grützet  Goliüs  onom.  (1582)  340. 

GRÜTZIG,     adj.,     zerbröckelt,     bröckelig,     grüsicht, 
grützicht  farreus,  contv^us,  contriius  Stieleb  712;  gur- 
tich  pulteus  {nd.  voc.)  Diepenbach  gl.  472 c;  grutzlich 
IV.  1.  6. 


Baueb-Collitz  41*':  da  nemlich  kinder  und  erwachsene 
leute  mit  vielen  incken,  krimmen  und  grützlichten  aus- 
schlage geplaget  wurden  Breslauer  samml.  v.  natur-  u. 
medic.-gesch,  3,  388. 

GRÜTZNER,  m.,  grützmacher,  productenhändler ;  grüz- 
ner,  grüzler  in  Schlesien  {krämer)  Popowitsch  versv/^h 
140:  dem  bischoflEe  war  liebe  und  er  erloste  Sideniam  von 
dem  grötzner  Gbunau  preusz.  chronik  1,  220;  nadler, 
kleinbinder,  grützner,  stärkemacher  schles.  capitation  v. 
1645  {Breslau  1661)  B  4». 

GRYLLE,  /.,  vogel  aus  der  familie  der  ftügeltaucher : 
so  macht  er  .  .  .  auf  gryllen  .  .  .  jagd  {der  tagscMäfer) 
Naumann  vögel  6, 153;  Steppenbewohner:  die  tatarische 
lerche  .  . .,  steppenmäuse  .  .  .,  sonderbare  gryllen  Ritter 
erdkunde  2,  756;  dazu  grylUumme  cepphus  grylle  Nau- 
mann Vögel  12,  461;  -taucher  ebda;  -teiste:  die  gryll- 
teiste  übertrifft  in  der  grösze  unsere  anas  crecca  wenig 
ebda  12,  463. 

GUARDE,  /.,  wache,  besonders  leib  wache,  nebenform 
von  garde  {s.  d.  3  a),  {ital.  guardia),  auch  gewardi  {s.  d.), 
guardi,  quardi;  praetoria  cohors  des  vogts  anhang,  gwarde 
und  rott,  wenn  er  auf  seiner  vogtei  ist  Fbisius  dict.  (1556) 
1051*;  custodiae  ein  gwarde  oder  die  Wächter  360*;  aditum 
custode  coronare  ein  gwarde  oder  hüt  legen  zum  eingang 
336*: 

weil  ich  han 
gerQst  mein  gwardi  und  trabanten 
umb  mich  Hans  Sachs  7,  263  lit.  ver.; 

die  gwardi  stot  In  dlner  huet 
H.  BUIiLINGEK  Lucretia  (1533)   nach  Staub-TOBLER  2,  844; 

{die  cardinäle)  verordenen  und  bestellen  allda  für  anderen 
villerlei  gewarde,  das  conclave  zu  verwaren  W.  Linck 
bapsts  gepreng  (1539)  a  l'';  die  andere  gewarde  ist  an  der 
ersten  thür  ebda;  die  gewarden  {pl.)  ebda;  es  habend  et- 
lich  angehept,  sich  in  die  gwardinen,  herrendienst  und 
frömde  krieg  begeben  (1572)  nach  Staub-Tobleb  2,  844; 
hauptmann  des  kaisers  über  die  guardi  der  Spaniolen  .  . ., 
hauptman  über  die  teutsche  guardi  städtechron.  23,  266 ; 
darein  ward  er  .  .  .  allezeit  mit  einer  gewaapneten  gwarde 
verhütet  J.  Stumpf  concil  zu  Costentz  21'';  leibhüter  . .  . 
des  königs  {von  Quinta),  guardy  und  drabanten  HuLSius 
7.  schiffart  (1606)  95;  die  welsche  quardi  (1625)  nach 
Staub-Tobler  2,  844 ;  der  hertzoge  guardia  oder  tra- 
banten .  .  .  mögen  ohngefähr  30  Schweitzer  und  Hoch- 
deutsche sein  J.  W.  Neumäier  reise  d.  Welschland  (1622) 
99;  101;  da  folgten  ihm  deutsche  guardi  und  die  andern 
Deutschen  getrost  nach  Schickfus  chronik  von  Schlesien 
(1625)  4,  292;  wie  auch  zehen  gehamischte  männer  .  .  . 
das  castell  von  innen  und  auszen  gleich  einer  guardia 
umbtretten  und  verwachet  trincirbuch  (1652)  218;  weitere 
belege  Staub-Tobler  2,  844;  Fischer  schwäb.  3,  890; 
Schmeller-Fr.  l,  1020.  dazu  guardif ähnlein:  es 
wurden  auch  guardifähnletn  und  ein  grosz  theil  des  rei- 
sigen Zeuges  in  Europa  darzu  verordnet,  dasz  sie  aufs 
erste  wieder  in  Asia  kriegen  sollten  G.  Forberoer  wahr- 
hafftige  beschr.  (1570)  274;  ebenso  79;  -knecht,  satdlea 
trabant,  gwardeknecht,  helleparthierer  Schöpfer  Syno- 
nyma 108  Schulte- K.;  trabant,  gewardtknecht,  schrim- 
knecht  Dasypodius  (1536)  209;  umb  streichende  guard- 
knecht  Chr.  Wuhstisen  Basler  chronik  (1580)240; 
-leute:  wenn  er  nicht  von  gar  ritterlichen  trabanten 
oder  guardileuten  von  dieser  gefahr  were  erlöset  worden 
FoRBERGER  wahrhafftige  beschr.  (1570)  257;  -reuter:  und 
liesz  .  . .  die  guardireuter  auf  einer  breiten  gassen  an- 
rennen ebda  392;  -volk  ebda  264. 

GU  ARDEIN,  m.,  münzprüf  er,  erzprüf  er,  seltene  neben- 
form zu  wardein  {s.  d.  und  Staub-Tobleb  2,  845) :  hütten- 
reuter,  probierer  oder  guardein,  der  die  ertz  ausz  gusz, 
plick  und  silberkuchen  probieren  .  . .  solle  Mathesius 
Sarepta  (1571)  147*;  gvardein  .  . .,  verständiger  probirer, 
UKlche  ihre  kunst  vollkommen  und  rechtmäszig  erlernet 
Chb.  Hebttwig  neues  bergbuch  (1734)  193''. 

GUARDIAN,  m.,  klostervorsteher  bei  den  bettdorden,  be- 
sonders bei  den  Franziskanern,  ital.  guardiano,  häufiger 

65 


1027 


GUBEL—  GUBERNIEREN 


GUBERNIERER  -  GUCK 


1028 


gardian,  s.  teil  4,  l,  1344:  item  der  gwardian  czur  Nuwen- 
borgh  handelsrechnungen  d.  deutschen  ordens  244  Sattler; 
der  guardian  der  mündern  brüeder  zu  Verona  (1319) 
Bbandis  landeshauptleute  von  Tirol  41;  pater  guardian 
Pfeffel  poet.  versuche  l,  lio. 

^GUBEL,  m.,  auch  gubelein,  n.,  hügel,  felsabhang,  heute 
noch  in  der  Schweiz  lebendig,  s.  Staub-Tobler  2,  98,  wo 
als  grundbedeutung  rundliche  anschwellung ,  erhöhung  an- 
gegeben wird,  vgl.  eitergubel  ebda  und  giebel,  gufel:  den 
wiesen,  welche  ein  gübelin  haben  oder  sonst  in  der  höhe 
abheilig  liegen  Sebiz  f eidbau  458;  die  wölfin  macht  ihre 
jungen  in  dickem  geholtz  und  finsterm  gebüsch  oder 
irgendt  an  einem  gübelin  und  berglin  ebda  615.  dazu 
gubelnagel,  m.,  hufnagel;  gumpfus  gubelnagel  vocabularius 
optimus  17*  Wackernagel. 

''GUBEL,  m.,  moder,  flüssig  gewordene  klei-  und  spitt- 
erde  Benzler  deichbaulexikon  (1792)  l,  183. 

GUBERNAMENT,  n.,  befehlsgewalt,  amtsgewalt,  amt, 
namentlich  vom  Stellvertreter  des  Souveräns:  also  war  inen 
die  negste  drei  jar  ...  Wenzeslaus  Carolus  .  .  .  zur  assi- 
stenz  im  gubernament  zuegeordnet  Brandis  landeshaupt- 
leute von  Tirol  52; 

dem  eur  consens  langst  zuvor  schon 
das  gantz  gubernament  frei  eben 
über  den  heerzug  hat  gegeben 
W.  Spangenbekg  griechische  dramen  2,  55  Dähnihardt; 

mancher  fürst  forschet  wenig  nach,  ob  derjenige,  welchem 
er  ein  ehrenamt  oder  gubernament  gibet,  was  sonder- 
liches Studiret  Butschky  Pathmos  (1677)  530; 

80  ihr  königliche  majestat 
aus  Schweden  nun  beisamen  hat 
unter  seim  ganzen  gubernament 
zwei  mal  hundert  und  40000  genennt 
ohne  Sachsen 

bei  Opel-COHN  dreiszigj.  krieg  419; 

weil  durch  diesen  Granvelle  ihm  das  guvernament  derer 
Niederlande  entzogen  Ziegler  Schauplatz  (1695)  1087*. 
—  gubernantin,  /.,  statthalterin:  die  von  der  guber- 
nantin  wider  die  ketzer  ausgegebene  befehle  Ziegler 
Schauplatz  (1&95)  660*';  die  prinzeszin  von  Parma,  guber- 
nantin der  Niederlande  mo<>:  —  gubernator,  m.,  herr- 
scher,  gebieter,  auch  feste  bezeichnung  für  den  Statthalter, 
potesta  d'una  citta   Statthalter,   gubernator   einer  stadt 

HULSIUS  (1618)  2,305'': 

allerhöchster  rex,  allermächtigster  imperator 
und  aller  Türken,  Seraphe!,  beiden  gubernator 

iastnachtspiele  1,  301  Keller; 

wer  ich  dein  vater, 
dein  herr  aber  oder  dein  gubernator 

Hans  Sachs  12, 100  lit.  ver.; 

die  heren  .  .  .  satzten  Ordnung  in  allem  land  und  machten 
ihren  wirt  Tzipion  gupernator  über  alles  land  Morgant 
der  riese  225  Bachmann;  oberster  gubernator  über  statt 
und  land  Lützelburg  Kirchhof  wendunmuth  2,  381  Öster- 
ley;  der  königliche  indianische  gubernator  auf  Bantam 
Butschky  Pathmos  (1677)  390;  gott  selbst  (hat)  die  strah- 
lende sonne  zu  einem  gubernator  des  tages  gemacht 
Abr.  a  s.  Clara  etwas  für  alle  l,  677;  eine  prophezeiung 
fand  glauben,  nach  welcher  königtum  und  adel  zugleich 
vertilgt,  eine  neue  regierung  unter  vier  von  den  gemeinen 
gewählten  gubernatoren  eingerichtet  werden  sollte  Ranke 
s.  w.  14, 172.  —  gubernatorei,  /.;  so  als  der  könig  were 
gestorben,  so  were  das  regiment  und  gubernatorei  wieder 
auf  ihn  kommen  P.  Eschenloer  gesch.  der  stadt  Breslau 
1,  41. 

GUBERNIEREN,  vb.,  guvernare,  reggere  regieren, 
gubernieren,  verwalten  Hulsiüs  dict.  (1618)  2, 179^,  schon 
früh  bezeugt: 

gots  gnade,  durch  die  sich  regieren 
sollen  alle  konnige  und  gubernieren 

Pilgerfahrt  d.  träumenden  mönchs  5185  Bömer. 

der  gebrauch  des  wortes  hält  sich  bis  in  die  jüngste  Ver- 
gangenheit, besonders  häufig  von  der  befehlsgewalt  des  Statt- 
halters: 


vor  manchen  tagen 
zu  Sparta  guebernlrt 
Likurgus  wol  regirt 
Hans  Sachs  22,  211  lit.  ver.;  vgl.  ebda  2,  92;  20,  161;  483; 
18,  352;  12,  452; 

wie  ein  spanischer  gouverneur  selten  über  3  jähr  zu  gu- 
berniren  hätte  Chr.  Weise  erznarren  106  ndr.; 

habe  . .  . 

die  schönsten  dörfer  auf  der  weit, 

aber  mir  fehlts  am  rechten  mann, 

der  all  das  guberniren  kann        Göthe  16,  66  W.; 

die  insel  Cuba 
die  ich  jetzto  gubernire 
für  Juanna  von  CastiUen 
und  Fernand  von  Aragon  Heine  2,  135  E.; 

helstu  uns  für  feldherren  nit, 

die  wir  den  eid  nach  auch  hiermit 

die  gantz  armada  gubernieren 

W.  Spangenberg  griech.  dramen  2, 128  Dähnhardt; 

auf  dem  meer  gibt  niemand  die  weis  zu  gubernieren  als 
der  schifEherr  J.  B.  Schupp  sehr,  (1663)  743.  häufig  in  reli- 
giöser spräche  von  gott: 

der  da  lebet  und  regiert, 
ewig  alles  gubernirt, 
unser  lob  er  gerne  hört 

bei  Fischer-Tümpel  Mrchenlied  1,  215; 

aber  der  himelsch  vatter,  der  guberniert  grosz  und  klein 
nach  seiner  unergrüntlichen  Weisheit  und  gerechtikeit 
Keisersberg  trostspiegel  bb  4**; 

der  die  planeten  selb  reglhrt 
und  alle  dinge  gubernihrt 
M.  Frydwalt  apweiehunge  der  lande  Preuszen  (1578)  H  h  2*; 

wie  gar  der  herr  der  weit  zuwider  sein  reich  anjetzo 
gubernire  Joh.  Saubert  currus  Simeonis  (1627)  590; 

den  Philosophen  möcht  ers  (Zeus)  übertragen 
die  weit  statt  seiner  klug  zu  guberniren 

Immermann  11,  298  Boxb. 

in  mannigfacher  sonstiger  anwendung:  so  mag  auch  ein 
helfant  auf  seinem  bloszen  rugken  vier  männer  tragen, 
von  welchen  .  .  .  der  vierdte  in  mitten  gestelt  das  thier 
guberniere  Herold-Forer  Geszners  thierb.  (1563)  78;  der 
geist  .  .  .,  der  da  gubernier  in  den  creaturen  Paracelsus 
opera  (1616)  2,  338;  ohne  die  geringste  .  .  .  befleckung 
seines  freien  geistes  {des  menschen),  der  alle  zeit  .  .  .  das 
äuszere  naturreich  gänzlich  unter  sich  gubernirte  O.  L. 
Lisoow  samml.  satir.  u.  ernsth.  sehr.  669; 

dann  wi  gott  alle  weit  regiert, 
di  seel  den  leichnam  guberniert 

SCHWARZENBERO  Cicero  (1535)  252. 

—  gubernierer,  m.:  nach  diser  zweier  {sonne  und  mond) 
grosze  Weltherrschaft  und  gubernierer  bewegung  Sebiz 
feldbau  (1579)  47.  —  gubernierung,  /..•  derhalben  uns 
.  .  .  gott,  als  dem  die  oberste  gubernierung  {gebüret),  mit 
mancherlei  strafen  plagt  Kirchhof  wendunmuth  l,  412 
lit.  ver.;  darum  der  alten  gubernierung  weret  bis  in  ihr 
end  Paracelsus  op.  (1616)  2,  629. 

GUBST,  /.,  das  weibchen  des  Steinbocks,  capra  ibex 
Nemnich  wb.  der  naturgesch.  214;  chkvre  sauvage  Schra- 
DER  deutsch-frz.  wb.  l,  582.  dazu  gubsttier:  die  geis  von 
solchem  wildpret  {Steinbock)  wird  ein  gubstthier  genannt 
Feyerabend  jag-  und  weidwerkbuch  102*' ;  Sebiz  feldbau 
570;  Jägerkunst  (1611)  c  i^. 

^GUCK,  m.,  einzelner  kurzer  blick,  gebräuchlich  in  der 
Verwendung  einen  guck  tun  Staub-Tobler  2, 178;  Heyne 
wb.  1,  1271,  vgl.  in  anderer  bed.  die  geläufige  zss.  ausguck. 
die  anwendung smöglichkeit  geht  so  weit  wie  bei  ^gucke,  daher 
begegnen  auch  hier,  besonders  beim  deminutivum  (guggeli 
u.  ä.),  die  bedeutungen  'fensterchen\  'winket',  'Öffnung' 
usw.,  s.  Staub-Tobler  a.  a.  o.  und  ^gucker. 

^GUCK,  lautmalend,  in  der  älteren  spräche  in  derformel 
weder  guck  noch  gack  verstehen  nichts  verstehen  o.  ähnl. : 
ja  alle  papisten  auf  ein  häufen  wissen  nit,  was  tauf  oder 
nachtmahi  ist,  und  künden  weder  guck  noch  gack  von 
den  zeichen  der  Christen  sagen  S.  Franck  chron.  zeyt- 
buch  (1631)  459^;  dasz  er  kan  weder  gugk  noch  gagk  ver- 
stohn  KoLROS  betrachtnusse  {ibZ^)  "e  i^ ; 


1029  GUCKAHNE  -  GUCKE 

und  gibt  eben  manichem  sein  sun  den  Ion, 
das  er  nit  Ican  gucl£  noch  gaclc  verston 

Wickram  5,  38  lü.  ver.; 

wann  er  sampt  seinem  reichthumb  von  den  Sachen  noch 
guck  noch  gack  zu  sagen  noch  zu  reden  noch  jhme  zu 
rahten  weisz  Guarinoniüs  grewel  (1610)  257,  ebenso  1078. 
vgl.  auch  die  verbale  ableitung: 

glich  also  kielent  wir  die  backen 
vnd  kinnent  weder  guck  noch  gacken 

Murner  schelmemunft  62,  2  ndr. 

GUCKAHNE,  m.,  f.,  urahne,  uhrahnin,  urgroszvater, 
urgroszmutter .  die  Zugehörigkeit  des  ersten  compositions- 
elementes  bleibt  unsicher,  das  wort  ist  im  obd.  weit  ver- 
breitet, häufig  als  guckänle,  guckandl  usw.,  s.  Schmeller- 
Fb.  1,  887;  Fischer  schwäb.  3,  891;  Ungeb-Khull  312*; 
LoRiTZA  Wien  56;  Lexer  kämt.  6;  201: 

dös  hat  mein  guckenl 
mein  rechten  enl  gesoat 

A.  Hartmann  Volkslieder  120; 

und  der  dies  schreibt,  stammt  von  ihnen  her,  imd  sie  sind 
seine  guk-guk-ähnle  (ururgroszeltern)  gewesen  Atjrbacher 
Volksbüchlein  263;  (er  hatte  sie)  der  guckahne  ...  zu  lieb 
ins  haus  genommen  Auerbach  sehr.  11,  135;  hörst  schon 
schlecht,  alte  guckahnel?  Anzengrubeb  2,  275.  eine  noch 
unerklärte  nebenform  scheint  vorzuliegen  in:  si  .  .  .  was  als 
alt,  das  ain  gugin  was,  da  was  kain  mensch  in  Augsburg 
zue  der  zeit,  der  nie  weder  gugen  noch  gugin  gesechen 
hett  städtechron.  22,  390;  des  jars  ist  Barbara  Walthaim 
.  .  .  ain  gugin  worden  am  vierten  tag  nach  Jacobi,  denn 
ihr  urancklin  hat  ain  kind  bracht  ebda  23,  454.  hier  schei- 
nen die  formen  guck(e),  m.,  flekt.  -en,  und  guckin,  /.,  vor- 
zuliegen, vgl.  FiscHEB  schwäb.  3,  891.  mit  einiger  Wahr- 
scheinlichkeit wird  guge  (mins  vater  guge)  bereits  ange- 
nommen bei  Ottokab  v.  Steiebmabk  reimckronik  91602 
Seemüller.  —  guckahnfrau,  /..•  so  kan  es  viel  weniger 
geschehen  mit  seiner  uhrgroszmutter,  uhrahn  oder  guck- 
ahnfraw  Dannhaueb  catechismusmilch  3,  254, 

GUCKAPFEL,  m.,  zu  ^gucken,  äuge,  augapfel:  wäh- 
rend die  obern  augenlider  gewöhnlich  wie  kürassierhelme 
über  den  kleinen  guckäpfeln  lagen  Sohnbby  im  grünen 
klee  26.  —  guckauge, /.; 

Ihr  gang,  ihr  zopf,  ihr  frischer  wuchs: 
frank  alles!  nichts  geduckt! 
gukauge  blau,  das  wie  ein  luchs 
durch  herz  und  nieren  guktl 
K.  Schmidt  itn  Leipz.  almanack  d.  deutschenmwen  (1779)251. 

—  guckäugelein,  n.,  demin.  zu  guckauge  ocella  .  .  . 
gugäugle  CoEViNUs/ow5  latinit.  (1646)  504;  Campe  2,  479; 
Gebebt  Vogtland  359: 

mein  liebchen,  thu  deine  guckäugelein  zu! 
mit  rosigen  armen  empfange  dich  ruh! 

Langbein  ged.  1, 134; 

wer  konnte  es  wagen,  den  hellen  guckäuglein  bittre 
thränen  zu  entlocken?  v.  Gaudy  14,  87;  hast  als  Jungfer 
Hasenbart  deine  beiden  guckäugelein  auch  nicht  ver- 
gebens im  köpfe  getragen  Holtei  erz.  sehr.  19,  105. 
übertragen:  o  seht,  hier  schimmert  schon  ein  tröstlich 
lichtlein  durch  die  guckäugelein  eures  fensterladens  ebda 
4,  95. 

^GUCKE,  /.,  deverbativum  zu  ^gucken,  mannigfach  an- 
gewendet auf  gegenstände,  die  zum  vorgange  des  sehens  in 
beziehung  stehen,  vgl.  auch  ^guck  und  ^gucker.  so  als  augen- 
höhle:  sticht  er  ihm  aber  ein  aug  aus,  so  seil  er  ihm  die 
höhle  oder  guggen  mit  habern  füllen  Österreich,  weist.  11, 
42;  als  kopftuch: 

das  bunte  kopftuch  über  dem  blonden  haar, 

die  'guge*,  die  sich  so  hüpsch  an  rote  backen  schmiegt 

und  unterm  kinne  zipfelig  geschlungen  ist 

O.  J.  BiERBATJM  ges.  werke  1,  309; 

im  sächsischen  allgemein  in  diesem  sinne  gebräuchlich,  s. 
Mülleb-Fraubeüth  1,  448.  andere  Verwendungen  im  sinne 
von  'äuge",  'gesichtsausdruck\  'lücke  zum  durchsehen', 
"■fenster'  s.  Fischeb  schwäb.  3,  892;  rhein.  wb.  2,  1481.  — 
guckel(ein),  n.,  äuge,  besonders  der  kindersprache  an- 


GUCKE  —  GÜCKEL  (Zusammensetzungen)     1030 

gehörig,  s.  Bebnd  Posen  380;  Göpfebt  Erzgeb.  36;  Spiesz 
henneb.  86;  Gebbet  Vogtland  359:  du  muszt  dir  muntere 
guckelein  herrichten,  bis  er  kommt  Boseogeb  nixnutzig 
Volk  (1906)  49. 

*GUCKE,  /.,  papiertüte,  ein  vornehmlich  obd.  wort, 
s.  Fischeb  schwäb.  3,  892;  Mabtin-Lienhabt  l,  206; 
Schmeller-Fr.  1, 186.  aber  auch  Müller-Fratjreuth  l, 
448;  Gerbet  Vogtland  359:  ich  erhalte  eine  grosze  gucke 
mit  makronen  Mörike  br.  a.  Marg.  v.  ÄpeeiÄ  (1906)  31;  der 
vater  .  .  .  legte  eine  gucke  voll  'schifflein'  und  eine 
städtische  bretzge  (brezel)  auf  den  tisch  M.  Meyr  erz.  au^ 
d.  Ries  3,  170;  dafür  spielte  er  vergnügt  .  .  .  mit  einem 
kaufladen,  auf  dessen  wage  er  mehl,  salz  und  sand  abwog 
und  in  kleine  gucken  verpackte  H.  Hesse  nachbarn  (1909) 
13.  hierhin  wohl  aux:h:  die  batzen,  groschen,  halbe  batzen, 
kreuzer  .  .  .  ordentlich  in  gucken  oder  überhaupt  zu- 
sammen gezehlt  und  ausgeworfen  werden  A.  J.  Röslin 
abhandl.  von  inventuren  (1761)  17. 

^GUCKE,  /.,  schale  (des  eies)  s.  kucke  teil  5,  2518: 

als  es  {doi  ei)  der  saimer  essen  solt  . . ., 
det  ers  gar  hinein  schluecken 
und  warf  hinfuer 
«u  der  stubtuer 
die  leren  aiergucken 

H.  Sachs  fabeln  u.  schwanke  4, 102  ndr.; 

häufig  als  masz  in  der  heilkunde:  nim  von  zwein  erein  (d.  i. 
eiren)  daz  wizze  und  zeslach  das  schön  und  vaim  iz  abe 
und  nim  ain  eirguken  lutters  weins  und  wol  ain  halbe 
guken  honchsaim  Meister  Bartholomäus  arzneibuch 
47 5  Jos.  Haupt;  slach  aier  auf,  thue  das  inder  daraus  . . ., 
thue  es  wider  in  die  gucken  quelle  bei  Schmeller-Fr.  l, 
886;  daruz  (aiw  der  wurzel)  drucket  man  ein  gucken  vol 
mit  wine  Breslauer  arzneib.  90  Külz;  ein  aiergucken  vol 
(1571)  qu^le  bei  Fischer  schwäb.  2,  565,  s.  a.  Unger- 
Khull  312»;  Hoffmann  v.  F.  fundgr.  l,  374. 

GÜCKEL,  m.,  hahn,  eine  mundartliche  form,  die  gelegent- 
lich auch  in  die  Schriftsprache  gedrungen  ist;  dialektisch 
namentlich  dem  schweizerischen  (als  güggel)  eigen,  s.' 
Staub-Tobler  2,  192,  seltener  in  anderen  mundarten, 
8.  Fischer  schwäb.  3,  729;  Vilmar  Kurhessen  126;  Rein- 
wald AeTmeAergr.  1,  55;  verbreiteter  sind  die  formen  gockel 
(s.  d.),  gickel  («.  d.):  gallus  ein  güggel  oder  han  Frisius 
dict.  (1556)  597»;  cdsa  cristis  avis  ein  gückel  mit  auf  ge- 
strecktem kämmen  ebda  208»;  ein  hahn,  hauszhahn,  gul, 
güggel  und  gockelhahn  .  .  .  genennet  E.  Gockelius  der 
eierlegende  hahn  (1697)  1; 

wie  gefiel  der  alte  gückel  dir. 
beim  alter  hat  man  oflft  zur  zeit 
kunst,  weiszheit  gsüeht,  jetz  ist  es  neit 

L.  Thurneisser  archidoxa  (1575)  41; 

(er)  fraget,  warumb  er  in  ein  güggel  oder  hauen  nannte 
history  von  Diogenes  (1550)  e  4»;  der  hühnerträger  findet 
keinen  güggel,  keine  tauben  und  keine  eyer  mehr  feil 
Pestalozzi  5  (1930)  267  krit.  ausg.;  (ein  fuchs)  bisz  dem 
gückel  den  köpf  ab  L.  BECHSTEiNmärcÄen6.(1846)  157.  häu- 
fig in  redewendungen:  er  wüste  nit  darwider  dann  usz  dem 
decret,  so  im  das  nüt  sölte  gelten,  so  stund  er  eben  wie  ein 
ander  güggel  L.  Hätzer  acta  u.  geschieht  (1523)  h  2^;  so 
auch  sonst,  s.  Staub-Tobler  2,  193 ;  von  eim  f  ürnemmen 
oder  von  ein  unglück  in  das  ander  fallen,  vel  ut  Galli 
dicunt  vom  gückel  zum  esel  springen  Frisius  dict.  (1556) 
190^;  er  marschirte  .  .  .  heim  wie  ein  güggel,  grüszte  nur 
den  zehnten  menschen  J.  Gotthelf  ges.  sehr.  12,  213; 
auch  (vgl.  teil  8,  776  i^.): 

vielleicht  das  sie  der  gückel  reit 

A.  Calagius  Siisanna  (1604)  E  1». 

dazu  gückelhahn:  sich  brüsten  als  ein  bunter  gückel- 
hahn  Fr.  Rückert  nachlese  (1867)  227;  -kämm:  Peter 
wurde  rot  wie  ein  güggelkamm  auf  diese  anspielung 
H.  Nydegger  Hans  der  Chühjer  (1894)  15;  vom  neu  wen 
hanenpropheten,  von  gugelkam  Fischart  Gargantua  314 
ndr.;  -schritt,  schritt(weite)  eines  hahns,  auch  zur  be- 
zeichnuTU]  von  geringer  räumlicher  oder  zeitlicher  au^deh- 
nung  Staub-Tobleb  9, 1679;  -schwänz,  hahnenschtoanz, 

65* 


1031 


GÜCKELESTAG  -  'GUCKEN 


2 GUCKEN  1 


1032 


atich  pflanzenname  für  den  lerchensporn  oder  den  gelben 
hirschschwamm  ebda  9,  2028. 

GÜCKELESTAG,  m.,  kuckuckstag,  tag,  der  nie  kommt, 
Fischer  schwäb.  3,  893:  wenn  ich  nicht  einmal  darüber 
war,  die  reifen  sollten  liegen  wegen  mir  bis  zum  gückeles- 
tag  {auf  evng)  O.  Ludwig  2,  30. 

GÜCKELN,  vb.,  demin.  zu  ^gucken,  halb  zusehen,  ver- 
stohlen blicken,  neckisch  hervorsehen  Fischer  schwäb.  3, 
893 ;  Spiesz  henneberg.  id.  86 ; 

mein  brueder  Abrahamb  bey  dem  brückle 
soll  hin  und  wieder  heimblich  gückle, 
den  bach  hinauf  und  abin  sehen, 
dasz  uns  kein  gfahr  nicht  möcht  geschehn 

Endinger  judenspiel  39  ndr.; 

endlich  fing  ich  an  ein  wenig  zu  gücklen  Moscherosch 
gesichte  (1650)  123;  aber  weil  das  auch  gückelnde  äugen 
bei  den  leuten  machet,  die  ihren  spot  und  gelachter  draus 
haben  J.  Zader  breutigams  ehrenkrantz  (1606)  174;  nach 
und  nach  ward  ihnen  (den  kindern)  bange,  da  groszvater 
die  äugen  immer  zu  hatte,  sie  güggeleten  alle  augen- 
blicke,  ob  sie  noch  zu  seien  Gotthelf  10,  268;  dort  hinter 
dem  rebengelände  gückelt  die  kirchbäuerin  heraus  Auer- 
bach neues  leben  (1855)  l,  271. 

GUCKELRÜBE,  /.,  brassica  rapa  Nemnich  wb.  d. 
naturg.  214:  einige  (saatrüben)  machen  eine  breite,  runde, 
. . .  zwiebeiförmige  bolle  . . .  andere  eine  spindelförmige, 
die  unten  spitz  zuläuft,  und  in  die  pfahlwurzel  allmählich 
übergeht,  welche  guckelrüben  genennet  werden  Thaer 
grundzüge  d.  rat.  landw.  4,  232. 

GUCKELTERN,  pl.,  ahnen,  vgl.  guckahne:  alle  meine 
altern,  . . .  ururguckeltern  sind  lauter  koche  Ph.  Hafner 
ges.  lustsp.  2,  72. 

^GUCKEN,  vb.,  cuculare,  guggen,  schreien  wie  der 
gugger  oder  guggauch  Maaler  197<',  heute  noch  obd.  ge- 
bräuchlich, s.  Fischer  schwäb.  3,  895;  Ch.  Schmidt  elsäss. 
158;  Staub-Tobler  2,  182;  mit  der  nebenform  gucketzen 
Schmeller-Fr.  1,  886;  Schöpf  tirol.  222;  Lexer  kämt. 
.126:  dir  scolo  dir  scofficit  io  unde  dir  gouch  der  guccot  io 
Wackernagel  leseb.^  l,  123; 

als  der  gouch 
der  in  dem  meien  gugzet  ouch 

Konrad  v.  Würzburo  goldene  schmiede  132; 

swa  man  dem  schalke  ein  spanne 

gewaltes  lat,  da  wil  er  dri. 

man  mac  da  bi 

den  gouch  so  lange  pfsewen  daz  er  vri 

wil  guckens  sin  Frauenlob  324,  5  EUmüller; 

ir  wüst  wol,  im  sumer 

so  guckt  der  guckgug  auch 

MEISTER  Altswert  158  lit.ver.; 

lasz  die  storcken  klöpren,  .  .  .  die  enten  schnartern,  die 
gäuch  gucken,  es  singt  ein  ieglich  vogel  sein  gesanck 
J.  Pauli  Keisersbergs  narrensch.  (1519)  89'"';  von  jarstag 
an  bisz  uf  sant  Walpurgen  tag,  das  der  gauch  guchzet 
weisth.  1,  524;  wir  prediger  thunt  wie  ein  guckgauch;  ein 
gauch  sitzt  auf  einem  bäum  und  gucket  einist;  einer  auf 
dem  andern  bäum  und  gucket  zweimal;  der  ander  drei- 
mal und  wil  jeglicher  über  den  andern  sein  Keisersberg 
evang.  (1517)  78*^;  wie  aber  der  gut  einfaltig  baur  von 
Mündingen  sähe,  das  jener  frembder  gauch  dem  Mündiger 
mit  dem  gucken  überlegen  was,  zu  zeiten  15  oder  16  guck 
guck  mer  guckt  .  . .,  stige  (er)  auf  den  bäum  zu  seim 
gauch  und  half  ihm  gucken  J.  Frei  gartengesellschaft  42 
Balte,  im  Volksglauben  hat  der  kuckuksruf  eine  gute  Vor- 
bedeutung: ich  horte  den  gouch  gucken,  der  seite  mir,  ich 
solte  noch  fünf  jor  leben,  do  von  weis  ich  wol,  daz  ich 
noch  nit  stirbe  Germania  3,  422  Pfeiffer;  also  was  ein 
nerrisch  alt  weib,  daz  meint,  sie  solt  noch  20  jar  leben, 
wan  der  gucgauch  het  ir  20  mal  im  wald  geguckt  J.  Pauli 
Keisersbergs  narrenschiff  (1519)  169'';  da  ich  zu  dem  nech- 
sten  bin  durch  den  wald  gangen,  da  hat  mir  der  guck- 
gauch fünfmal  geguckt  und  ich  stirb  noch  in  fünf  jaren 
nit  J.  Pauli  schimpf  u.  ernst  l,  183  Balte; 

wann  er  {d.  i.  der  guckguck)  zu  gucken  hebet  an, 
nicht  wiederumb  aufhören  kan, 
das  auch  die  kind  fragen  anheben: 
sag  guckguck,  wie  lang  sol  ich  leben? 

Eykring  prov.  1,  467. 


wohl  auf  der  doppelsinnigkeit  von  gauch  als  'kuckuk^  und 
'narr,  tor'  beruht  es,  wenn  gucken  abschätzigen  beisinn  er- 
hielt und  bedeutungen  vne  'lästern',  'schmähen'  usw.  an- 
nahm: 

metten,  hegen,  nase  rimpfen, 
spotten,  gucken,  valsches  schimpfen, 
itewlzen,  fluochen,  smehen 
valsches  rünen,  diepllch  spehen 

Hugo  v.  Trimberg  14164  Ehrismann; 
also  soi  man  den  toren 

daz  gucken  büezen,  laz  du  gouch  der  rede  mich  gehören 
Colmarer  liederhandschr.  18,  81  Bartsch; 
das  ein  solcher  böser  gouch 
nit  mer  guckte  oder  liege 
und  kein  frummen  mere  betriege 

Murner  narrenbeschw.  6,  90  ndr.; 

am  anvang  wil  ich  buwen 
die  zehen  staffeln  hoch, 
die  nit  bekent  der  goch, 
wie  wol  er  gucken  kan 
Hermann  t.  Sachsenheim  goldener  tempel  651  Martin. 

adten  als  'locken\  Weizen": 

manch  tusend  man  ist  darumb  gestorben 

jo,  vor  der  statt  zu  Troy  verdorben, 

allein  das  Helena,  die  schon, 

ir  gucken  nit  hat  underlon. 

Bersabea,  die  locket  ouch 

David,  dem  künig,  dem  groszen  gouch. 

so  bald  er  ir  do  wider  guckt, 

ward  gottes  huld  von  im  verzuckt  . . . 

die  man  von  wiben  solten  leren 

züchtig  berden,  werck  von  eren; 

so  müssendt  si  ir  gucken  hören. 

guckatu  mir  mit  dinen  brüsten, 

ich  wider  guck  mit  minen  gelüsten 

Murner  geuchmatt  v.  837/.  Fuchs. 

*GUCKEN,  vb.,  sehen,  schauen,  das  wort  drückt  in  der 
Schriftsprache  meist  nur  den  Vorgang  des  sehens  aus.  die  an- 
spannung  des  aufmerksam  blickenden  au^es,  sein  ausdruck 
und  seine  richtung  wird  durch  gucken  besonders  hervor- 
gehoben, daher  die  häufige  anwendung  des  verbums  um 
neugierde,  aufmerksamkeit,  aufdringlichkeit  des  blickes  zu 
betonen  oder  das  sehen  durch  eine  mehr  oder  weniger  enge 
Öffnung  zu  bezeichnen,  'wegen  dieser  neugierigen  aufmerk- 
samkeit auf  gegenstände,  .  .  .  vne  av^h  wegen  der  gröszeren 
annäherung  zu  dem  gegenstände, . . .  ist  es  nicht  höflich,  an- 
statt sehen  gucken  zu  sagen'  Eberhard  Synonymik  6,  87. 
zu  den  synonymen  und  ihrer  Verbreitung  vgl.  Kretschmer 
Wortgeographie  454,  wo  gucken  aus  der  kindersprache  her- 
geleitet tvird.  in  den  glossaren  seit  frühnhd.  zeit:  conspicere 
gucken  Diefenbach  gl.  144°  {obd.  15.  jh.);  visere  schou- 
wen  vel  gocken  623*  {md.  15.  jh.);  tuor  lügen,  schauwen, 
sehen,  guggen  Frisius  dict.  (1556)  1337'';  video  sehen, 
lügen,  guggen  1377;  gucken  spectare,  aspicere  Stieler 
713;  gucken,  kucken  spectare,  prospectare  Wächter  622. 
gucken /eÄZt  dem  nd.,  doch  vgl.  kiken  teil  5,  701;  von  md. 
und  obd.  mundartenwörterbüchern  wird  es  durchgehend  ver- 
zeichnet, vgl.  besonders:  rheinisches  wb.  2,  1479;  Hertel 
Thür.  111;  Müller-Fraureuth  l,  448;  Schmeller-Fr. 
1,  886;  Fischer  schwäb.  3,  893;  Staub-Tobler  2, 182. 

1)  als  ausdruck  des  neugierigen,  forschenden,  staunenden 
oder  stieren  hinsehens  auf  einen  gegenständ,  die  art  des 
Sehens  vnrd  bisweilen  besonders  hervorgehoben:  die  ebre- 
cherinne  die  müezent  .  .  .  hin  gucken  unde  her  gucken 
unde  herwider  gucken  Berthold  v.  Regensburg  pred. 
1,  231  Pfeiffer;  dasz  ers  deutlich,  klar  und  grob  schreiben 
solle  .  . .,  dasz  man  nicht  dafür  müsse  stehen  und  gucken 
und  die  buchstaben  zelen  und  zusamen  lesen  Luther  19, 
391  W.;  {wenn  jemand  einen  brief  liest,  so) 

lisz  heimlich  mit  und  guck  darein, 
so  sichstu,  was  da  neus  mag  sein 

Scheit  Chobianm  v.  4328  ndr.; 

eben  so  genau,  scharpf  und  tief  {hat)  Maria  ins  grab  Christi 
geguckt  Dannhawer  catech.-milch  1,  60;  so  guckte  ich 
von  hinten  auf  seinen  zettel  Chr.  Reuter  Schelmuffsky 
52  ndr.;  der  stadtpoete  {schlich)  umher  und  guckte  in  den 
erdboden,  als  ob  er  hineinsinken  wollte  Eschenburg  bei- 
Spielsammlung  8,  l,  257 ;  immer  guckt  er  ganz  finster  in  sich 
hinein  J.  J.  Engel  schriften  l,  89;  dann  schwieg  er  eine 
weile  still,  guckte  steif  ins  licht  U.  Bräker  sämmtl.  sehr. 


1033 


2 GUCKEN  2 


2 GUCKEN  3 


1034 


1,  68;  Elanuh  flog  hinüber  .  .  .  und  guckte  voll  neugier 
in  ein  prunkhaft  eingerichtetes  schlaf  gemach  M.  v.  Eb- 
NEB-EsCHENBACH  1,  55;  der  alte  Bernd  .  .  .  guckt  dann 
mit  ernstem  gesicht  forschend  herein  G.  Hauptmann 
Böse  Bernd  (1904)  136.  mit  angäbe  der  Wirkung:  sich  die 
äugen  aus  dem  köpfe  gucken  Wieland  22,  385; 

sie  ist  ein  mädchen  worden, 
und  ich,  ich  werd  ein  kind 
und  gucke  mir  die  äugen 
nach  ihrem  fenster  blind 

WiLH.  MüllEE  ged.  1, 100; 

während  hier  sich  hundert  schöne  äugen  müde  gucken 
nach  ihnen  Holtei  erz.  sehr.  5,  35. 

als  subject  erscheinen  häufig  kinder  oder  tiere,  was  sich 
aus  der  grundbedeutung  des  verbums  («.  o.)  erklärt: 

und  sab  das  kind  sich  smucken 
und  US  der  deld  gugen 
in  under  wilunt  lachen  an 

der  scelden  hört  111,  80  Adrian; 

die  kinder  .  .  .  guckten,  was  er  in  seinem  weidenkörblein 
habe  Chph.  v.  Schmid  ges.  sehr.  2,  216;  die  kinder  guckten 
und  staunten  M.  v.  Ebneb-Eschenbach  4,  415; 

so  wart  ich  ir  recht  als  ain  fuchs 

in  ainem  hag  mit  stiller  lausz, 

gugg  ansz  der  standen,  smeug  dich  luchs 

Oswald  v.  Wolkenstkin  48,  8  Sehatz; 

die  Vögel  aus  dem  schlaf  erwachend  guckten  hie  imd  da 
aus  den  nestern  Cl.  Brentano  5,  64 ;  Gockel,  Hinkel  und 
Gackeleia  standen  am  fenster  und  guckten  hinter  dem 
Vorhang  allem  zu  5,  107.  in  pejorativ-humoristischem  Zu- 
sammenhang das  gucken  des  menschen  mit  dem  des  tiers 
verglichen:  seine  trefifliche  reden  breiteten  sich  so  fern  aus, 
dasz  der  richter  stunde  und  guckte  eben  wie  ein  esel,  der 
in  den  schlämm  gefallen  ist  Olearius  pers.  baumgarten 
(1696)  52»;  anfangs  guckte  sie  wie  ein  schaf,  bestürzt  und 
mächtighch  verlegen  Wieland  21,  108  Gruber. 

2)  gucken  bei  sachbegriffen  im  sinne  von  'hervorragen, 
sichtbar  werden",  also  mit  passivem  charakter,  gern  dann 
angewandt,  wenn  gegenstände  dem  beobachter  auffallen  oder 
aus  einem  anders  gearteten  umkreis  unerivartet  bzw.  auf- 
fällig hervorragen,  die  grenze  zu  den  unter  1  genannten  be- 
legen ist  nicht  immer  scharf  zu  ziehen,  häufig  von  körper- 
teilen:  der  neuevangelisch  esel  die  obren  so  lang  aus 
der  löwenhaut  reckt  und  gucken  last  St.  Hositjs  dialog 
(1558)  p  1^;  da  lästd  er  teufel  die  eselsohren  so  weit  her- 
vorgucken Pbätorius  sieblaufen  (1677)  e  3'';  sein  geschor- 
ner  köpf  guckte  possierlich  aus  seinem  scharlachmantel 
Heinse  2,  73  Seh. ;  seine  band  guckte  aus  dem  schwarzen 
weiten  ermel  Bettine  Oünderode  2,  67; 

seht  dochl  die  schmutzigen  eilbogen  gucken 
euch  aus  den  zerrissenen  jacken; 

ElCHENDOKFF  4,  373; 

die  löffel  (de«  hcisen)  gucken  aus  dem  schnee  Stobm  1,  283. 
auch  mannigfach  sonst: 

das  Stroh,  das  er  in  schuhen  hatt  . . . 
das  nahm  ich,  als  herauszer  guckt 
und  hab  es  hinder  ihm  verschluckt 

Ekabmus  Alberus  labein  53  tuLr.; 

da  leszt  abermal  der  hoffertig  geist  sein  unart  gucken 
C.  Ulenbebg  antwort  auf  Joannes  Bady  wamung  (1592) 
Rr3l'; 

flug  hoch  entpor  und  sah  den  rucken 

des  bergs  Atlantis  herfür  gucken 

Sprekg  Äneis  68»; 

hier  guckten  die  grasspitzen  schon  unterm  schnee  hervor 
U.  Bräeeb  sämtl.  schriften  1,  54 ;  ich  sah  aus  (seiner)  rock- 
tasche  ein  paket  gedichte  gucken,  und  lieber  wollte  ich 
den  pasz  lesen  als  die  Göthe  gespräche  3,  156  B. 

erweitert  erscheint  die  anwendung  als  aus  den  äugen 
gucken:  tmd  martern  sich  selbst  mit  ihren  uberigen  ge- 
dancken,  gleich  wie  ein  hültzerne  latern,  das  in  der  todt 
gleich  ausz  den  äugen  gugket  Lindbner  rastbüchlein  163, 
4  lit.  ver.;  der  leibhaftige  hunger  gukt  ihm  aus  den  äugen 
Miller  Sieg  wart  l,  53.  vgl.  auch:  der  teufel  guckt  ihm 
aus  den  äugen  Binder  192. 


in  sprichwörtlichen  redensarten:  lügen  guckt  allezeit 
oben  mit  dem  köpf  hinaus  Lehman  fior.  pol.  l,  508;  geld 
.  .  .  guckt  überall  oben  aus  1,  280;  wenn  man  das  hertz 
trifft,  so  guckts  herfür  1,  335;  solang  ein  mensch  in  seiner 
haut  wohnt,  guckt  der  alte  Adam  und  die  Eva  immer 
herfür  2,  522. 

3)  typische  äuszere  begleitumstände  sind  häufig  angegeben, 
durch  die  die  bedeutung  von  gucken  in  dem  oben  erwähnten 
sinne  als  angespanntes,  neugieriges,  heimliches,  verstohlenes 
sehen  charakterisiert  wird. 

a)  es  besteht  nur  eine  begrenzte  sieht,  weil  man  durch  eine 
Öffnung  oder  über  ein  hivdernis  blickt,  so  häufig  durch  (in) 
ein  fenster,  aus  einem  fenster  gucken: 

ein  narr  unverschemet  allein 
guckt  einem  zu  dem  fenster  nein 

Hans  Sachs  19,  87  lit.  ver.; 

denn  auch  vielmal  zu  allen  fenstern  und  löchern  am 
schlosz  dieses  hellische,  wütende  geschwürm  heraus- 
gucket KJBCHHOP  wendunmuth  2,  213  lit.  ver.;  ein  bauer 
guckte  zu  seinem  fenster  heraus  Chr.  Weise  erznarren 
84  ndr.;  eilte  ich  sogleich  nach  meines  vaters  haus  und 
klopfte  stark  an;  da  guckte  ein  tolles,  buckeüchtes  weib 
aus  dem  fenster  Göthe  43,  H6  Vt'.;  übertragen:  ob  sie 
zwar  endlich  .  .  .  die  eifersucht  aus  dem  fenster  seines 
herzens  herfür  gucken  sah  Lohenstein  Arminius  2,  50^; 
ähnliche  begleitumstände  liegen  vor  in:  so  man  den  diu  tor 
beschliuszet,  so  gugen  siu  dur  die  zun  us  Seuse  deutsche 
sehr.  361  Bihlmeyer;  sobald  ich  von  ihnen  ging,  schlich  ich 
mich  bis  vor  des  alten  türe  und  guckte  durch  das  Schlüs- 
selloch, um  zu  sehen,  ob  er  schon  bei  seinem  schreibe- 
pult beschäftiget  wäre  Gottsched  deutsche  Schaubühne  4, 
472;  Marthe  durchs  vorhängel  guckend  Göthe  14, 142  W.; 
die  leser  werden,  wenn  sie  nicht  einmal  durch  ein  passage- 
instrument  oder  einen  quadranten  geguckt  haben,  wenig- 
stens vom  hörensagen  wissen,  dasz  ...  F.  Th.  v.  Schu- 
bert verm.  sehr.  1,  235;  hier  {steigt  man)  hinab  in  einen 
keUer  und  gucket  dann  durch  (eine)  drei  meilen  lange 
röhre  am  hellen  mittage  nach  dem  mond  und  den  sternen 
G.  Förster  sämtl.  sehr.  3,  151;  er  guckt  durch  einen  spalt 
A.  v.  Arnim  19,  20  Qrimm;  und  ich  durfte  nur  soeben  aus 
der  schlitze  gucken  Immermann  2,  60  B.  blickt  man  über 
ein  hindernis  hinweg,  so  ist  nur  der  köpf  des  intensiv 
schauenden  sichtbar,  in  solchem  falle  vnrd  gucken  besonders 
gern  gebraucht:  {sie)  guckt  ihm  über  die  achseln  theater  der 
Deutschen  13,  310;  so  befürchte  ich  von  dem  bösen  {dem 
teufel),  der  den  eitlen  mädchen,  die  sich  des  abends  noch 
bespiegeln,  über  die  schultern  guckt,  nicht  mehr  als  von 
allen  teufein  J.  Moser  5,  40  Äbeken;  einer  guckte  dem 
andern  über  die  Schulter  W.  Raabe  hungerpastor  (1864) 
1,  170;  'der  wolf  kömmt!'  ...  er  guckt  schon  über  die 
hecke  K.  Fr.  Gramer  Neseggab  4,  472 ; 

wenn  sie  (die  riesen)  mit  ihren  groszen  perucken 

über  den  zäun  herüber  gucken        Ci.  Brentano  2,  337. 

b)  mit  angäbe  des  zieles,  wohin  man  sieht,  meist  in  (nach) 
etwas  gucken,  z.  t.  geht  dieser  gebrauch  schon  über  in  feste 
Verbindungen,  s.  u.  i;  in  den  Spiegel  gucken: 

hosen  strifen,  Spiegel  gucken, 

als  ein  wib  mit  zieren  schmucken  . . . 

das  sindt  als  fantasten  werck 

Murner  narrenbeschw.  12,  55  ndr.; 

weswegen  sie  sich  alsobald  umbschaute  und,  da  sie  nie- 
mand hinter  ihr  sähe,  wieder  in  den  spiegel  guckte 
Gremmelshausen  3,  401  Keller;  wer  disen  monat  ein 
schalck  will  sehen,  der  guck  in  ein  Spiegel  Prätorius 
saturnalia  307;  sie  {die  menschen)  sind  den  kindem  ähn- 
lich, die,  wenn  sie  in  einen  spiegel  geguckt,  ihn  sogleich 
umwenden,  um  zu  sehen,  was  auf  der  andern  seite  ist 
Göthe  gespr.  7,  21.  sprichwörtlich:  wenn  man  nachts  in 
den  Spiegel  guckt,  guckt  der  teufel  heraus  Binder  185. 
in  den  himmel  gucken,  nach  den  stemen  gucken  und  ähn- 
lich: lauft  davon  etlich  schritt  und  guckt  gen  himmel 
GuARiNONius  grewel  35;  lasz  dir  jetzt  aus  dem  lauf  des 
himmels  wahrsagen  und  nach  den  stern  gucken  Abb.  a 
s.  Clara  etw.  für  alle  2,  646;  sie  schmachtet  ohnedies 
nach  dir,  da  könnt  ihr  zusammen  die  geige  spielen  und 


1035 


2 GUCKEN  i 


2 GUCKEN  5 


1036 


in  den  mond  gucken  Eichendobff  s,  81.  vom  flüchtigen 
hinsehen:  studia  leviter  attingere  das  blau  vom  himmel 
studieren,  nur  in  die  schuel  gucken  Corvtntjs  fons  lat. 
(1660)  1417,  in  gleichem  sinne  in  ein  buch,  ein  Schriftwerk 
gucken,  d.  i.  '■einen  schnellen  blick  hineinwerfen" ,  'sich 
rasch  orientieren^  daneben  aber  auch  allgemein  'lesen', 
s.  Stieler  713: 

ich  wolt,  dasz  Ich  ein  buben  het, 
der  erst  l£em  von  dem  ABC, 
den  noch  die  ruthen  theten  we, 
der  nur  geguclit  het  in  Donat 

Fischart  nachtrab  12  Kurz; 

es  finden  sich  auch  etliche  ungelehrte,  die  kaum  in  den 
Donat  gegukket  Neumärk  palmb.  (1668)  90;  ein  wenig  in 
die  kriegescharte  gegucket  Fleming  teutscher  soldat  320; 
eines  {ein  Schulkind)  guckte  noch  schnell  ins  buch,  wohl 
im  bewusztsein,  dasz  die  lection  nicht  ganz  fest  sitze 
W.  V.  PoLENZ  Grabenhäger  1,  18;  übertragen: 

und  doch  mit  gröszerm  fleisz  und  wohn 
in  der  weit  groszes  buch  geguclcet 

Weckherlin  ged.  1,  512. 

in  die  weit  gucken  die  weit  kennenlernen:  etwas  ge- 
nauer in  die  närrische  weit  gucken  Chr.  Weise  erznarren 
10  ndr.;  was  einem  groszen  herrn  an  credit  gelegen  sei, 
das  wird  ein  jeder  wissen,  der  nur  ein  wenig  in  die  weit 
gegucket  hat  B.  Schupp  sehr.  (1663)  121.  anders  vom  ge- 
sichtsausdruck  des  kindes  oder  kindlichem  menschen:  {die) 
wiege,  aus  welcher  ein  kleiner  Karl,  das  abbild  der  mutter, 
in  die  fremde  weit  guckte  G.  Freytag  13,  163;  {ein 
bursche),  hellblonde  haarbüschel  fielen  ihm  bis  in  die 
stirne  und  drunter  guckte  er  mit  treuherzigen  blauen 
äugen  in  die  weit  Anzenoruber  3,  29,  vgl.  u.  5  guckindie- 
welt.  in  ein  land  gucken  {alt.  spr.):  si  auch  von  ferrem 
nit  solten  in  ir  vatterland  gucken  Caspar  Hedio  chron. 
Germ.  (1530)  d  5*^;  nun  aber  so  sie  von  auszen  in  das 
teutsch  land  gucket  haben  .  .  .  magst  du  wol  bei  dir  selbs 
ermessen,  was  groszes  mangels  do  sei  gewesen  S.  Mün- 
ster cosm.  306 ;  wann  ein  Teutscher  etwa  ein  viertel  jähr 
in  Franckreich  gegucket  oder  nur  einen  Franzosen  hören 
reden,  so  ist  ihm  seine  muttersprache  schon  erleidet 
teutscher  sprachverderber  (1643)  2;  seine  ursprüngliche  ab- 
sieht war  gewesen,  bis  Triest  und  weiter  nach  Italien 
zu  gucken  {zu  reisen)  Holtei  erz.  sehr.  18,  43. 

4)  aus  der  häufigen  Verbindung  von  gucken  mit  typischen 
äuszeren  begleitumständen  erwuchsen  feste  Verbindungen, 
die  besondere  bedeutungen  annahmen. 

a)in  den  hafen,  das  häflin  gucken:  wann  er  auf 
dem  dreifusz  stund,  in  den  hafen  gucken  kundt  Joh.  Nas 
das  antipap.  eins  und  hundert  1,  5'';  wann  jr  disem  rhat 
folgt,  so  werd  jr  sehen,  dasz  ihr  .  .  ,  grosze  buben  solt 
werden,  die  auf  eim  dreifusz  in  hafen  gucken  können 
Fischart  Gargantua  60  ndr;  guck  in  dein  häflin  quae 
nihil  ad  te,  ne  velis  scire  S.  Franck  sprichw.  l,  7'^,  vgl.  2, 
120  a;  guck  in  dein  eigen  häfelin  {unter  sihe  dich  selbs  an 
n^sce  te  ipsum)  schöne  weise  klugreden  57^. 

b)  ins  bergwerk  gucken  bedeutet  so  viel  als  dorthin 
gucken,  wo  man  nichts  sehen  kann,  eine  sinnlose  anstren- 
gung  machen:  in  aqua  sementem  facis  ins  meer  sähmen, 
ins  bergwerck  gucken  S.  Franck  sprichw.  2,  83^;  vgl. 
schöne  weise  klugr.  BT"'. 

c)  durch  die  finger  gucken  tun,  als  ob  man  etwas 
nicht  sieht,  was  unerlaubt  oder  gegen  die  Ordnung  geschieht: 
durch  finger  guckende  poUicey  Gtjarinonifs  grewel  (1610) 
1323;  und  dann  guckt  er  uns  durch  die  finger  und  wir 
haben  gute  tage  Fontane  I  6,  47. 

d)  in  den  topf  gucken,  wenn  die  redewendung  im 
Zusammenhang  mit  dem  begriffsfeld  des  Wortes  topf  bleibt, 
bedeutet  sie  'sich  um  das  eigene  oder  fremde  essen  kümmern' : 
was  gehts  blosz  die  an,  was  wir  essen?  die  solln  doch  in 
ihre  teppe  gucken  G.  Hauptmann  biberpelz  (1893)  28;  aber 
es  ist  mittagszeit;  da  musz  man  die  art  nicht  stören,  da 
wollen  sie  für  sich  sein,  es  belästigt  jedermann,  wenn 
man  ihm  in  den  topf  guckt  W.  v.  Polenz  Grabenhäger 
2,  135.  die  aufdringlichkeit  oder  belästigung  gehört  zum  be- 


deutungskreis  der  Wendung,  so  wird  sie  auch  heute  noch  zur 
Charakterisierung  der  ehemänner  gebraucht,  die  sich  zu  sehr 
um  die  angelegenheiten  der  frauen  kümmern: 

guckt  in  die  topfe  nicht, 
stürtzt  nicht  die  näppgen  um 

Henrici  ermt-scherzh.  u.  sat.  ged.  1,  248; 

die  männer  sind  wol  greuliche  narren,  wenn  sie  ihren 
weibem  einbilden  wollen,  sie  müssen  den  gantzen  tag 
nichts  anders  sich  zu  thun  machen,  als  in  die  töpfife 
gucken,  der  köchin  nachrechnen  Stbanitzky  ollapatrida 
330  Wiener  ndr.  übertragen  bedeutet  dann  in  jemandes  topf 
gucken  sich  um  die  angelegenheiten  anderer  ungebeten 
kümmern,  auf  fremde  angelegenheiten  achten:  die  europäi- 
schen berichterstatter  gucken  uns  dann  nicht  mehr  in 
den  topf  Kürnberger  Siegelringe  69.  hier  liegt  eine  ähn- 
liche bedeutung  vor  wie  bei  der  redewendung  in  jemandes 
karten  gucken  (s.  u.).  vgl.  auch:  si  tu  hie  esses,  aliter  sen- 
tires  guckt  ein  solcher  in  sein  eigen  töpfgen,  alsdenn  wird 
er  es  gewahr  und  glaubet,  was  er  vorher  nicht  hat  glauben 
wollen  der  wohlgeplagte  priester  (1695)  90. 

e)  in  die  karte(n)  gucken,  eig.  beim  kartenspiel  un- 
erlaubt in  die  karten  des  spielpartners  sehen,  erhält  die  be- 
deutung 'heimlich  jemandes  plane  zu  durchschauen  suchen, 
dem  vorgehen  jemandes  auf  den  grund  kommen' :  hätte  er 
einen  politicum  gebraucht,  der  hätte  ihm  in  die  karte 
geguckt  Schupp  Schriften  (1663)  37;  nun  musz  der  Ver- 
walter ein  narr  sein,  dasz  er  sich  so  last  in  die  karte 
gucken  Chr.  Weise  erznarren  206  ndr.;  man  lasset  ihme 
nirgends  gern,  am  ungernsten  aber  bei  klugen  höfen  in  die 
karten  gucken  Butschky  Pathmos  (1677)  19;  nachdeme 
dem  Aristoteles  ein  bissei  in  sein  carten  guckt  hab  J.  J. 
Schwabe  volleingeschancktes  tintenfäszl  (1745)  b  3^;  am 
wenigsten  in  diesem  stück  läszt  sich  das  Schicksal  in  die 
karte  gucken  {was  den  tod  betrifft)  schrift.  d.  Götheges.  l,  59. 

f)  ins  glas  gucken:  nun  guckte  er  ins  leere  glas 
MALER  Müller  l,  164;  frau  von  Barchwitz  musz  den 
alten  Padburg  {zu  tisch)  übernehmen,  der  kerl  ist  zwar 
auf  dem  rechten  obre  taub  und  guckt  am  liebsten  blosz 
nach  vorne  ins  glas,  aber  ich  kann  ihr  nicht  helfen  dies- 
mal Kahlenberg  familie  Barchwitz  (1902)  22.  zu  tief, 
zu  viel  ins  glas  gucken  bedeutet  über  den  durst  trinken,  sich 
einen  rausch  antrinken:  es  wer  dann  dasz  einem  die  prill 
entfallen  weret  oder  zu  tief  ins  glas  geguckt  hette  Fi- 
schart binenkorb  {lb9>9)  225^;  Starkhans  tritt  in  den  lärm 
herein,  und  da  er  etwas  zu  tief  ins  glas  geguckt,  wird  die 
Sache  nicht  besser  Göthb  41,  1,  158  W.;  lamentier  der 
herr  nicht  so  schrecklich  in  der  finsternis  und  vexier  er 
nicht  die  leute,  wenn  ihm  sonst  nichts  fehlt,  als  dasz  er 
zu  viel  ins  gläschen  geguckt  E.  Th.  A.  Hoffmann  1,  182 
Grisebach;  vgl.:  ich  glaub  du  hast  in  die  kannen  geguckt 
oder  der  flaschen  getreten  auf  den  riemen,  daz  du  schon 
anfängst  zu  reimen?  Fischart  Gargantua  212  ndr.; 

der  loclire  Phöbus  scWumraert  noch, 

weil  er  zu  tief  ins  fläschchen  gestern  guckte 

H.  V.  Kleist  1,  207  E.  Schmidt; 

5)  vom  imperativ  guck  gebildete  satzwörter: 
guckindiewelt,  von  einem  sorglosen,  unerfahrenen, 
jungen  menschen,  der  nicht  ganz  trocken  hinter  den  ohren 
ist  {s.  unter  kucken),  vgl.  Ludwig  teutsch-engl.  lex.  820: 
es  sind  ein  paar  junge  'guckindiewelt',  die  ins  blaue 
reisen  Bauernfeld  5,  55; 

es  war  einmal  ein  faun, 

ein  kleiner,  nackter  Springinsfeld, 

so  ein  guckindiewelt 

mit  äuglein  lustig  braun 

F.  Lanöheinrich  an  das  leben  72; 

ich  war  damals  erst  so  ein  guckindiewelt  von  elf  oder 
zwölf  jähren  Sohnrey  im  grünen  klee  154;  was  doch  die 
guckindiewelte  heutzutage  klug  sind!  Stürm,  71. 
guckinhafen,  topfgucker: 

garfrosz,  fiillwanst  und  guckinhafen, 

du  thüst  all  ding  bschneicken  und  schlafen 

Wickram  4,  53  Bolte; 

ei  über  schöner  guckinnhafen, 

was  mainstu  dan  mit  deinem  strafen? 

FrsCHAKT  glilckh.  schiff  v.  Zürich  99  ndr. 


1037 


GUCKENBERGEN  -  iGUCKER 


iGUCKER  icompoaita)  -  3 GUCKER       1038 


guckinsloch,  guckkasten  Fischer  schwäb.  3,  901; 
Castelli  158. 

gucküberdenzaun,  so  heiszt  in  einigen  gegenden 
wegen  seiner  höhe  der  hohe  schlichte  'pommerische  kohl  oder 
Ruppiner  kohl  Nemnich  wb.  d.  naturg.  214. 

GUCKENBERGEN,  vb.,  verstecken  spielen,  gugge- 
bergen  .  .  .  est  genus  ludi  puerorum  Schönsleder  prompt. 
(1618)  X  5^;  guggenbergen  .  .  .  ist  ein  kindersjnel,  da  sie 
sich  verbergen  Aler  dict.  1,  992**.  in  obd.  mundarten  noch 
gebräuchlich,  jedoch  im  schwäbischen  nicht  mehr  nachweis- 
bar s.  Fischer  3,  895;  guckenbergens  machen  Martik- 
LiENHART  l,  207,  Vgl.  2,  86;  gugkabergen  .  .  .,  wobei  der- 
jenige, der  sich  verborgen  hat,  gugkul  ruft,  um  gesucht  zu 
werden  Schmeller-Fr.  l,  886 ;  Schöpf  tirol.  222 ;  schweize- 
risch guggelibergen  Staub-Tobler  2,  155,  das  hier  zu  güg, 
m.,  deminutiv  gügli  'ton,  laut,  ruf  gestellt  wird:  in  der 
ganzen  weit  ist  nichts  gemeiners  bei  vilen  als  blinde  mäusel 
undgugebergenspilen(l708)ira^Zemama5,  63.  dazualsde- 
verbativ  guckenberger:  wie  schändlich  sich  aber  solche 
kindische  gugeberger  selbsten  betrügen  ebda,  älter  bezeugt 
guckenberglein  in  des  guckenpergleins  spilen  {obscön) 
fastnachtssp.  153,  3  Keller,  ebenso  des  guzepergleins  spiln 
653,  14. 

GUCKENHÄUSLEIN,  n. 

1)  zu  ^gucken  gehörend  in  der  bedeutung  dachfenster, 
warte,  sich  oft  deckend  mit  guckenhürlein  (dachreiter  mit 
atisguck,  oberteil  eines  gebautes  mit  freiem  ausblick,  s. 
Fischer  schwäb.  3,  895),  daher  hypethra  ( =  vnnixi^Qa)  gug- 
genhäuszlein  Dentzler  clavis  (1716)  142*:  gieng  ein 
streich  in  M.  L.  .  .  .  hausz  oben  zum  guggenhäuszlein 
hinein  (1700)  quelle  bei  Fischer  schwäb.  3,  896. 

2) gleichbedeutend  mit  *gucke(5.  d. ),  'papiertüte' u.  ährd., in 
diesem  sinne  heute  im  schwäbischen  gebräuchlich,  in  der  form 
gug9us,  dem.  gugaisle;  bei  den  nachfolgenden  historischen 
belegen  ist  diese  bedeutung  nicht  immer  gewisz:  setzt  mans 
{die  Seidenraupen)  in  ein  guckheuslin  von  papyr  gemacht, 
so  fahen  sie  an  ze  spinnen  Leonh.  Fuchs  neu  kreutterbuch 
(1543)  198;  giebs  den  krämern  zu  kaufen,  dasz  die  gucken- 
häuslein  und  scarmützle  {tüten)  daraus  machen  J.  Heer- 
brand nach  Fischer  3,  896;  hierauf  haben  sie  alsbald 
den  rechten  verstand  und  den  lebendig  machenden  geist 
...  in  lauter  papirine  pollwerck,  guggenhäuslein,  ge- 
mahlte wend,  larven  und  träum  .  .  .  verwechslet  und  ver- 
kehrt CoNR.  Vetter  lutherischer  schräckengast  (1599)  b  4*'; 
so  man  doch  seiner  seer  spottet  und  sein  schritt  zu  gug- 
gisslen  in  kramen  braucht  Eberlin  v.  Günzburo  s.  sehr. 
371  ndr.  weitere  belege  Staub-Tobler  2,  1709;  Fischer 
schwäb.  3,  895. 

GUCKENKEL,  m.,  urenkel:  für  einen  urenckel  C.  und 
für  einen  guckenckel  C.  B.  ...  gehalten  Tob.  Wagneb 
nach  Fischer  schwäb.  6,  2077.   s.  guckahne. 

IGUCKER,  GUCKER,  m.,  zu  igucken. 

1)  kuckuk,  lat.  cuculus  canorus  Naumann  vögel  5, 196; 
cuculus  gugger  Diefenbach  gl.  161 '^;  coccyx  ein  gucker, 
guckauch  Frisius  (1556)  237**;  cuculus  ein  gugger  oder 
guggauch  348^ ;  guckguck,  guckgauch,  gutzgauch,  gucker 
WiRSUNQ  arzneybuch  (1588)  reg.;  oberdeutsch  weit  ver- 
breitet, s.  Fischer  schwäb.  3,  897;  Schmeller-Fr.  i,  886, 
besonders  Staub-Tobler  2,  184:  den  widhopfen,  heher, 
Scherben,  gugger,  alster,  gimpel  städtechron.  22,  422 ;  diser 
vogel,  so  gucker,  guggauch  und  kukkuck  genent  wirt, 
hat  nit  krumb  klawen,  sunder  er  ist  mit  den  selbigen  als 
auch  mit  dem  köpf  und  Schlund  den  tauben  ähnlicher 
dan  dem  habichen  Heuszlin  Konr.  Geszners  vogelb. 
(1557)  72»; 

der  gugger  singt  sein  lebenlang 
und  lernet  doch  kein  ander  gesang 

loci  communes  (1572)  141; 

der  gucker  wunderlich  gern  auf  alten  faulen  bäumen 
hockt  GuARiNONius  grewel  42 ;  e  settige  narr  paszt  gerade 
auf  einen  bauernhof  wie  ein  gugger  auf  ein  nest  voll  eier 
zum  brüten  Gotthelf  ges.  sehr.  1,  106;  wohl  redensartlich: 
obschon  die  eiteren  so  torecht  sind  gewesen  und  alles 


ir  gut  verthon  und  usgeben  habend,  das  si  den  gugger 
in  in  daz  näst  satztind  Leo  Jud  von  warem  und  valschem 
glauben  (1526)  d  8"-. 

2)  bezeichnung  des  teuf  eis,  s.  teils,  2526;  Fischer 
schwäb.  3,  897;  Staub-Tobler  2, 186,  wo  die  Verwendung 
in  diesem  sinne  in  mundartlichen  redewendungen  zahlreich 
belegt  wird:  heiszt  das  heimlich  geschlichen,  so  kenne  ich 
des  guckers  nicht  J.  Heerbband  propfung  (1588)  296; 
der  müsziggang  ist  des  guggers  ruhbank  Kjrchhofer 
Schweiz,  sprichw.  163;  Eisi  wollte  fürs  guggers  gewalt  .  .  . 
noch  dazu  schlagen,  was  man  für  kosten  damit  gehabt 
Gotthelf  ges.  sehr.  18,  175. 

3)  une  kuckuk  («.  d.),  guckgauch  (s.  «.),  guckguck  {s.  u.) 
erscheint  auch  gucker-,  gugger-  als  erstes  compositions- 
element  zahlreicher  pflanzennamen,  häufig  solcher,  die  zur 
zeit  des  kuckuksrufes  blühen:  guckerblume  (guggerblume) 
Fischer  schwäb.  3,  903;  Staub-Tobler  5,  74;  -brot 
Fischer  schwäb.  6,  2077;  Staub-Tobler  5,  959;  -klee 
ebda  3,  607;  Fischer  3,  903;  -kraut  Fischer  3,  903; 
-laub  Staub-Tobler  3,  956;  -lauch:  guggerlauch  oder 
saurer  klee,  das  saft  da  von  heilet  alle  bösz  blättern  in 
dem  mund  J.  Tollat  v.  Vachenberg  margerita  medic. 
(1516)  4^;  -milch  Staub-Tobler  4,  202;  -sauer  Pri- 
tzel- Jessen  259;  -schuh  cypripedium  calceolus  ebda  125. 

4)  nach  ihrem  dem  kuckuksruf  ähnlichen  schrei  ist  eine 
kleine  rote  wasserkröte  gucker  genannt  Bück  flurnb.  80. 

^GUCKER,  m.,  {mit  lecker eien  gefüllte)  tüte:  so  über- 
nahm sie  es,  ihm  für  den  gottesdienst  das  gesangbuch  und 
zugleich  einem  .  .  .  vetter  .  .  .  einen  gucker  zu  über- 
reichen M.  Meyr  erz.  aus  d.  Ries  3,  32.   vgl.  *gucke. 

^GUCKER,  m.,  zu  ^gucken,  s.  Fischer  schwäb.  3,  896; 
Staub-Tobler  2, 183: 

1)  ein  guckender  mensch,  spectator  der  gucker  Stieler 
713:  es  ist  ein  artznei,  die  alle  alte  scribente  geschweigt 
und  ihr  jungen  gugger  Paracelsus  chirurg.  bücher  (1618) 
16  H.;  es  sollen  auch  alle  knecht  in  eignen  personen  täg- 
lichs  auf  den  vorst  reiten  und  nit  gucker  oder  knechta 
knecht  an  ir  stat  anrichten  (1540)  Reyscher  samml. 
ujürttemb.  gesetze  16,  l,  19;  cernuus  .  .  .  ein  gucker,  der 
die  nase  gar  aufs  buch  legen  musz,  wann  er  etwas  lesen 
will,  der  nichts  sehen  kann,  wann  er  die  nase  nicht  gar 
drauf  legt  Corvinus  fons  latinit.  183. 

2)  der  blick  selbst:  du  habest  ein  heimlichen  calender 
bei  dir,  darinnen  du  etwan  hinderrucks  meiner  behend 
ein  gucker  gethan  Guarinonius  grewel  1022.  —  im 
schwäb.  und  Schweiz,  bedeutet  gucker  av^h  äuge,  s.  Fischer 
3,  896;  Staub-Tobler  2, 183. 

3)  etwas,  wodurch  man  guckt: 

a)  kleines  fenster,  luke.  Kramer  dict.  1,  575^;  Adeluno 
2  (1775)  839;  FiscHER  Schwab.  3,  897;  Staub-Tobleb  2, 
183;  Schmeller-Fr.  l,  886, /rItAscAonaZs  guckerlein  (s.d.): 
nachdem  wir  viele  stunden  geschlafen,  wird  der  vater 
anfangen  im  hause  umherzusteigen,  von  einer  uhr  zur 
anderen,  wird  zu  den  guckern  Mnausschauen  .  .  .  Ros- 
EGGER  III 10,  86;  einen  gucker  haben  sie  dir  auch  her- 
gethan,  fuhr  ich  fort,  auf  das  fensterchen  deutend  1 3,  306; 

80  reisz  i  auf  den  gucker  glei, 
schaug  auszi  zu  dem  hag 

W.  Pailler  ueihnacktslieder  1,  213; 

rechts  und  links  {vom  gang)  sind  zwei  löcher  . . .  ausge- 
schnitten, sie  werden  gugga  genannt  {über  ein  steirisches 
bauernhau^)  Wörter  u.  sachen  l,  123. 

b)  brille,  fernrohr  u.  s.  w.  telescopium,  tubus  opticus 
Stieler  713;  gucker  nennen  die  schißer  ein  taschenper- 
spectiv,  deren  sie  beständig  einige  bei  sich  führen  Jacobs- 
SON  2, 170*;  au^/englas,  zwicker,  opern^Za«  Unger-Khull 
312*';  vgl.  heute  opemgucker;  wir  sahen  mit  dem  gucker 
{fernglas),  wie  beide  {falken)  sich  bestrebten,  den  gegner 
zu  übersteigen  E.  Dürckheim  erinnerungen  409; 

die  kugeln  pfiffen  hin  und  her, 
doch  das  genirte  ihn  nicht  sehr, 
er  sah  durch  seinen  gucker 

A.  V.  Winterfeld  Spazierritt  n.Jütland  68; 


1039 


GUCKERCHEN  —  GUCKES 


GUCKEZER  -  GUCKGAUCH 


1040 


fand  sich  denn  etwas  wasche,  eine  Wolljacke,  fernrohr, 
gucker,  messer,  notizbuch  H.  V.  Babth  nördl.  Kalkalpen 
147;  vgl.  ebda  589;  in  Berlin  werden  sie  lateinisch  spre- 
chen, die  jungen  sollen  durch  die  gucker  in  die  sterne 
sehn  Alexis  hosen  l,  330.  auf  büchsen  früherer  zeit  glas 
zum  visieren,  s.  Staub-Tobler  2,  183;  Eischeb  schwäb. 
3,  899,  wohl  nachlebend  in  auf  dem  gucker  {nd.  kiker) 
haben:  sie  haben  ihn  wohl  auf  dem  gucker  als  falschen 
Spieler  Holtei  erz.  sehr.  18,  91;  s.  aufs  körn  nehmen 
teil  5,  1818. 

GUCKERCHEN,  n.,  demin.  zu  ^gucker,  äugelein,  vgl. 
guckel:  das  kind  im  hemdchen  sitzt  da  und  sieht  die 
mutter  mit  seinen  guckerchen  an  A.  Eeuerbach  an  d. 
mutter  1,  179;  ist,  als  ob  ihr  die  guckerchen  aus  dem  köpf 
wollten  Fontane  I  2,  459. 

^GUCKERLEIN,  n.,  zu  ^gucker,  bezeichnung  der  kraut- 
lerche  oder  des  brachpiepers  alauda  campestris  Nemnich 
wb.  der  naturg,  214;  anthus  campestris  Naumann  vögel  2, 
745 :  disz  vögelin,  so  zu  Straszburg  gickerlin,  guckerhn  oder 
grienvögeün  genennt  wird  Heuszlin  Oeszners  vogelb.  71 8'. 

«GUCKERLEIN,  n.,  zu  «gucker: 

1)  äugelein: 

mich  hat  der  blitz  aus  diesen  guckerln  getroflen, 
die  andern  blitz  tuschleren  mich  nicht 

Nbstroy  ges.  w.  2,  33; 
von  den  sternen: 

wie  äugelt  mit  den  feurgen  guckerln 
der  himmel  deutungsvoll  mich  anl 

MOH£  gedickte  (1846)  126. 

2)  fensterchen,  kleine  luke  zum  durchgucken,  dachfenster; 
finestra  picciola,  finestrella  fensterlein,  guckerlein  HuL- 
sius  2,  165^';  guckfenster,  guckerlein  kykvenster  Kbameb 
niderhochteutsch  (1719)  2,  lOlC;  K.  Reiser  sagen  des  All- 
gmis  2,  706;  EisOHEB  3,  896:  mit  den  blinden  gucker  oder 
fensterlein  Fronsperger  bauordnung  (1564)  26;  man 
musz  {den  gläsern)  die  besten  wort  geben,  dasz  sie  einem 
ein  guckerl  flicken  Abb.  a  s.  Clara  etwas  für  alle  i,  517; 

der  Zaggier  klopfte,  rlsz  das  guckerl  auf 
und  bot  ein  frisches  gläschen  kirscheler 

A.  PiOHLKR  neue  Marksteine  (1890)  183 ; 

drei  kleine  viereckigte  guckerln  Anzengbuber  3,  107. 
weitere  belege  bei  Fischer  schwäb.  3,  896. 

GUCKERN,  vb.,  von  eintönigem,  pochendem  gerävsch: 
die  uhr  guckert,  und  es  ist  ganz  still  und  heimlich  W.  V. 
EiCHENDOBFF  an  Joseph  13,  78,  vgl.  kuckern  teil  5,  2520. 

GUCKERT,  m.,  ausdruck  der  bäckersprache,  ein  kleines 
längliches  eisen  mit  einer  schneide  wie  eine  messerklinge, 
das  mit  seinem  rücken  in  einem  eben  so  langen  hölzernen 
heft  befestigt  ist,  mit  welchem  der  teig  nach  dem  auswirken 
ab-  und  zusammengeschabt  wird  Jaoobsson  technol.  wb.  2, 
I70i>. 

GUCKES,  /.,  oberdeutsche  form  von  kux  («.  d.),  anteil 
am  bergwerk,  s.  Schmelleb-Fr.  1,  887: 

die  hoSen  aU  auf  erden 

durch  perckwerck  reich  zu  werden: 

vil  guckas  sie  verleien 

Hans  Sachs  22,  207  lü.  per.; 

ein  guckus  oder  zween  geschenckt  Kirchhof  wendun- 
muth,  2,  258  lit.  ver.;  die  menschen  suchen  mancherlei 
Wege  zur  Vergebung  der  sünden,  schlagen  hie  und  dort, 
suchen  in  diesem  und  jenem  guckes  und  vergucken 
darüber  leib  und  seel  S.  Artomedes  erkl.  des  catech.  (1605) 
283;  so  lobt  er  die  gäng  fälschlich  .  . .,  damit  er  die 
guggise  zweimahlen  teurer  möge  verkaufen  Ph.  Bech 
Ägricolas  bergwerkbuch  (1621)  18;  pluralisch:  und  hett 
darzü  verthan  das  geld,  so  er  gelöst  hett  aus  den  ver- 
kauften guckessen  S.  Münster  cosmograph.  852;  ich  rede 
nicht  von  den  guckesen  und  bergwercken,  welchs  gaben 
gottes  und  zum  brauch  des  menschlichen  lebens  not- 
wendig sind  theatrum  diabolorum  (1569)  2391»;  dazu 
guckeskränzler,  s.  kränzler  teil  5,  2061:  das  sie  . .  .  sich 
nicht  also  geschwind  und  unbedacht  auf  alle  unfündige 
massen  und  zechen  legen  und  einem  jeden  guggiskräntz- 
1er  glauben  geben  Ph.  Bech  Ägricolas  bergwerckbuch  (1621) 
vorr.  2. 


GUCKEZER,  m.,  kuckuk,  deverbativ  zu  guckezen,  s. 
unter  ^gucken :  guckitzer  Germania  6,  90  Pfeifer; 

sing  ich  mit  suszer  melodei, 
so  tu  ich  als  der  guckuzar 

Hätzlbein  liederb.  239; 
weil  der  guckezer  gar  aso  schreit 

K.  Stieiee  ged.  1,  11; 

GUCKFENSTER,  n.,  kleines  fenster,  das  sich  in  einem 
gröszeren  befinden  kann,  s.  EIbameb  dict.X  (1700)  5750;  vmd 
durchs  guckfenster,  welches  ein  wenig  offen  stand, 
hineinschaut  Ebasmus  Feancisci  lust.  Schaubühne  (1627) 
3,  226;  in  dem  Innern  saal  aber,  darin  die  mahlzeit  ge- 
schah, war  ein  besonder  guckfenster,  vor  welchem  sich 
die  mutter  des  jungen  unterköniges  ohne  unterlasz  prä- 
sentirete  J.  NEtTHOP  gesantschaft  (1666)  65'';  an  der  seite, 
nach  dem  kleinen  hirschgraben  zu,  hatte  sich  mein  vater 
in  der  mauer  ein  kleines  guckfenster  .  .  .  angelegt  Göthb 
24,  313  W.;  als  er  aber  auch  der  frau  etwas  zu  lang  aus- 
blieb, so  stand  sie  auf,  ging  an  das  guckfenster  in  der  thür 
Jxjng-Stillinq  6,  414;  ein  kind  imter  drei  jähren,  schiebt 
man  es  zu  einem  guckfenster  ein,  so  wächst  es  nicht  mehr 
Gbimm  mythologie  (1878)  3,  157;  als  ich  durchs  guckfenster 
auf  den  flur  hinaussah,  da  war  es  der  fremde  von  vorhin 
Stürm  4,  326;  alle  vierzehn  tage  diudPten  besuche  emp- 
fangen werden.  .  .  .  dann  fragte  der  schwarze  hiUspolizist 
zum  guckfenster  hinaus,  dann  öffneten  sich  die  eisernen 
tore  (des  gefängnisses)  Hans  Grimm  volk  ohne  räum  2,  482. 
in  bildlichem  sinne:  ihre  gute  hat  mir  wenigstens  ein 
kleines  guckfenster  geöffnet,  durch  welches  ich  in  die 
Werkstatt  der  schaffenden  geister  blicken  kann  G.  Frey- 
TAQ  7,  263.  für  äuge:  die  wehmut  schaut  ihm  ja  aus 
seinen  schwarzen  guckfenstern  ganz  deutlich  heraus 
W.  Hauff  3,  50.  vgl.  mitten  in  das  aug  hat  die  natur 
ein  harten  augapfel,  gleich  als  ein  guckfenster  gesetzt 
H.  V.  Eppbndorff  Plinius  (1543)  207.  —  guckfenster- 
chen, n.,  kleines  guckfenster:  und  sonderlich,  wenn  man 
möcht  ein  guckfensterchen  zu  dem  hertzen  haben,  hett 
ich  sorg,  man  solt  heimlicher  Epicurer  mehr  finden,  als 
gut  were  S.  Artomedes  christl.  auszlegung  (1609)  1,  369.; 
der  brief  lag  auf  dem  sims  des  kleinen  guckfensterchens 
der  portierstube  K.  Gutzkow  zauberer  v.  Rom  7,  9;  der 
Sträfling  .  .  .  kann  zu  jeder  secunde  von  dem  aufseher 
durch  das  guckfensterchen  beobachtet  werden  Roseggeb 
II 15,  214.  —  guckfensterlein,  n.,  kleines  guckfenster, 
riscus  guck-  oder  gutzfensterlein  in  der  wand  Kxbsch 
cornucop.  (1732)  949;  es  solt  der  mensch  ein  guckfenster- 
lein auf  der  brüst  haben  G.  Rivius  Vitruv  (1575)  197;  {es 
begab  sich),  dasz  eines  Schneiders  .  .  .  weib  .  .  .  sich  durch 
ein  enges  guckfensterlein  .  .  .  plötzlich  auf  die  gassen  ge- 
stürtzet  Wolfg.  Habtmann  Augsb.  chron.  (1596)  3,  108; 
welche  {erker)  rings  herumb  von  unterschiedlichen  färben 
gemahlte  guckfensterlein  haben  P.  ddla  Volle  reise- 
beschreibung  (1674)  l,  12;  in  diese  hütten  werden  unter- 
schiedene guckfensterlein  gemacht  J.  C.  Aitingeb  jagd- 
u.  weidbüchlein  (1681)  189; 

durchs  alte  guckfensterlein 
drang  nie  der  volle  tagesschein 

IMMEKMANN  11,  32  Boxb.; 

es  war  eine  ganz  winzige,  aber  aus  derben  baumstämmen 
gezimmerte  hütte,  sie  hatte  neben  der  thüre  nur  ein 
schmales  guckfensterlein  Anzengbubeb  4,  118. 

GUCKGAUCH,  m.,  kuckuk,  zur  bildung  vgl.  ^gucken 
'vne  ein  kuckuk  rufen^  und  gauch  'kuckuk'',  s.  o.  teil  4,  1, 
1524.  form  und  Schreibung  wechseln  stark:  cuculus  guck- 
guck, guckgauch,  -goch,  gugguch  vel  -ug,  guckgouch 
Diefenbach  gloss.  161 3';  guckauch  cuculus  E.  Albeeus 
dict.  (1540)  r3'>;  gugger  oder  guggauch  cuculus  Fbisius 
dict.  (1566)  348^;  guckauch  237**;  vgl.  weiter  Suolahti 
vogelruimen  7;  Lexeb  1,  1109;  Fischbb  schwäb.  3,  899; 
Staub-Tobleb  2,  105  und  die  belege  unten,  in  die  eigent- 
liche bedeutung  spielt  die  von  gauch  'narr'  häufig  hinein: 

swem  der  guggouch  sunge 
und  ouch  ein  distelvinkelJn 
Walthee  V.  Metzb  in  deutsche  liederd.'  255  Bartsch; 


1041     GUCKGAUCHBLUME -GUGKGUCK 


GUCKGUCK  (Zusammensetzungen)         1042 


darzu  brauch  ich  der  glocken  klang 
und  was  heuer  der  gucksgauch  sang 
und  das  getümmel  von  der  brücken 

E.  AlBEEXTS  fabeln  173  ndr.; 

er  (der  pfaff)  hab  seim  guggengauch  zu  Wittershausen 
geholfen  zu  guggen  zimmer.  chron.  2,  496  Barack;  in  des 
grünlings  näst  legt  etwan  der  guggauch  seine  eier  Heusz- 
UN  Geszners  vogelbuch  (1557)  67^;  als  ich  ein  geschrei  ver- 
nahm, eines  guckauchs,  fragte  ich,  wo  dann  die  wissent- 
liche gäuche,  welche  sonder  zweifei  auch  in  der  hölle 
wären,  ihre  näster  hätten  Moscherosch  geeichte  1  (1650) 
448;  ein  sonderer  vogel  ist  oft  gern  zwei  kälber  wert,  die 
Hepsisauer  haben  ihre  kirchweih  um  einen  guckigauch 
verkauft  Mörikb  2,  71  Göschen;  der  kuckuk  gilt  als  ein 
undankbarer  vogel,  daher:  darumb  wirstu  (gott)  den  un- 
danckbaren  gucksgauchen  nicht  beistehen  V.  Heeberger 
her izpost.  (1613)  1,47;  ais  schelte:  o  ihr  guckgeuch,  wollend 
ihr  mit  mir  disputieren,  wider  mich  schreiben  oder  an- 
schlagen und  kennen  die  simpUcia  nicht  Paracelsus 
opus  Chirurg.  (1566)  298;  redensartlich,  vgl.  die  bedeutung 
'hahnrei\  s,  teil  5,  2526: 

wann  du  kompst  in  ehlichen  stadt, 
dein  leiden  erst  doppel  angaht. 
dann  müst  du  erst  den  guckauch  treiben, 
das  garn  winden,  ein  esel  pleiben 

WiCKKAM  4,  64  BoUe. 

—  guckgauchblume,  /.,  flos  cuculi  N.  Fbisohlik  no 
mencl.  (1586)  51^.  —  guckgaucherei,  /.;  ich  mag  ein 
mahl  mein  aigne  guggaugerei  nit  selbst  ausblasen  Grim 
MELSHATJSEN  3,  SdUt.ver.  —  guckgauchklee,  m.,  oxys 
trifolium  acerosum  hasenampfer,  saurklee,  guckgauchklee 
B.  Faber  thes.  (1587)  578*.  —  guckgauchlauch,  m. 
RöszLiN  kräuterbuch  (1533)  nach  Diefenbach  gloss.  23^ 

GUCKGLAS,  n.,  glas  zum  durchgucken,  brille,  perspectiv 
vgl.  Krämer  l  (1700)  575^;  lorgnette  Schrader  d.-frz.  wb 
1, 582 :  dieses  guckglas,  das  ich  auch  selbst  geschliffen  habe 
F.  V.  Sallet  sämtl.  sehr.  8,  31;  unter  den  altem  trugen 
viele  brillen  aller  art  und  selbst  ein  paar  der  jungem 
damen  waren  neugierig  genug,  um  sich  die  sache  durch 
das  guckglas  anzusehen  J.  Venedey  England  3,  46.  als 
das  glas  des  guckkastens:  gleichwol  habe  ich  gelegenheit 
gehabt,  hier  und  da  gleichsam  als  durch  die  guckgläser 
eines  schönen  spielwerckskasten  hinein  zu  sehen  H.  Lin- 
denborn Diogenes  l,  284;  früher  hat  ihm  auf  dem  Jahr- 
markt der  guckkastenmann  für  zehn  kreuzer  durch  das 
guckglas  die  weit  in  bildern  gezeigt  Roseggeb  II  7,  296, 
vgl.  11,  97.  übertragen:  .  .  .  vortreffliche  menschen,  die, 
weil  wir  nun  einmal  kein  guckglas  an  unsrer  brüst  an- 
bringen können,  .  . .,  ihr  ganzes  haus  zu  einem  guckglas 
machten  Klinger  werke  6,  250.  —  guckgläschen,  n.; 
alle  seltsamen,  merkwürdigen  und  artigen  dinge  von  den 
reichskleinodien  bis  zum  Nürnberger  guckgläschen  Gl. 
Brentano  5,  6. 

GUCKGUCK,  m.,  nebenform  des  heule  allgemein  gelten- 
den kuckuk,  s.  teil  5,  2520/.,  schriflsprachlich  lange  in 
gebrauch: 

1)  vom  vogel  selbst,  vgl.  kuckuk  II 1  a: 

und  ain  zaiselein  das  nennet  sich  gugguck 

OswAXD  V.  Wolkenstein  10, 12  Schatz; 

die  guckguck  singend  in  dem  meigen 

Seb.  Beant  narrenschiff  110»,  20  2.; 

der  guckuck  ruft,  der  Anke  schlaget 

D.  W.  TRIIiIER  poet.  betr.  (1750)  2,  403; 

der  guckuck  wie  die  nachtigal 

sie  möchten  den  Irühling  fesseln      Göthe  1, 112  W.; 

der  guckguck  scherzt,  der  aurhahn  pfalzt 

A.  V.  Arnim  w.  13,  278  Or. 

redensartlich:  er  hört  den  guckguck  nimmer  schrein 
SCHELLHORN  sprichw.  (1797)  59;  wan  der  guckuck  zur 
nachtigal  wird  Fr.  Wilhelm  sprichw. -register  (1577)  G  1", 
als  ausdruck  des  unmöglichen; 

ich  bin  der  sach  genzUch  verdrossen, 
weil  ich  hab  ein  guckgu  geschossen 

Hans  Sachs  12,  253  lü.  ver., 

IV.  1.  6. 


anscheinend  im  sinne  von  'miszerfolg  haben\  der  kuckuk 
wird  gern  wegen  seines  gesanges  verspottet,  s.  kuckuk  II 1  b : 
fuchs  Reinicke  .  .  .  verriet  sich  selbst  durch  das  Interim, 
das  ist  des  gugkugs  geschrei,  darbei  man  in  kennet,  er 
rufet  seinen  eigenen  namen  ausz  E.  Alberus  dial.  vom 
interim  (1548)  El*;  er  ruft  seinen  namen  selbst  aus,  wie 
der  ghuckghuck  E.  Alberus  widder  Jörg  Witzein  (1539) 
0  3*;  du  singest  immer  einen  gesang,  wie  der  guckguck; 
der  guckguck  mus  im  selber  seine  urgicht  ausrufen 
B.  Faber  thes.  (1587)  1066''.  der  kuckuk  legt  seine  eier  in 
das  nest  fremder  vögel,  besonders  der  grasmücke:  sieh  doch, 
wie  manchen  nichtswürdigen  guckguck  du  unter  deinen 
jungen  mit  ausgebrütet  hast  Lessing  1,  204  L.-M.;  die 
jungen  gelten  als  undankbar,  s.  kuckuk  II  1  c :  du  lohnest 
mir,  wie  der  guckguck  dem  gorsen  (der  grasemücken) 
B.  Faber  thes.  (1587)  1066^';  gott  nehrt  einen  . .  .  aus- 
setzigen und  undanckbaren  guckguck,  .  .  .,  wie  viel  mehr 
einen  menschen  Petri  der  Teutschen  weish.2,  Qtg3^; 
als  anrede:  o  du  undankbarer  guckguck,  ist  das  der  lohn, 
das  ich  dir  zweimal  das  leben  errettet?  Lohenstein  Ar- 
minius  \,  1295*;  zur  bezeichnung  des  hochmutes:  so  oft  ich 
mich  dieser  guckgucken  (studenten),  die  ihren  eigenen 
namen  immerdar  ...  in  dem  schnabel  führen,  erinnere 
M.  Meyfart  chrisÜ.  erinner.  (1636)  131. 

2)  vom  teufel,  s.  kuckuk  II  3 :  hett  ich  wol  mögen  sammt 
meiner  gemeinen  gesondtregel  zum  guckgu  fahren  GuA- 
RiNONius  grewel  (1610)  157;  ich  fragte  meinen  dutzbruder, 
wo  ihne  der  guckguck  bisher  aufgehalten,  dasz  wir  ihn 
fast  länger  als  drei  tage  nicht  gesehen /rz.  kriegssimpliciss. 
(1683)  2,  64; 

als  Thyrsls  sich  den  guckguck  reiten  Ilesz, 

die  muntre  Sylvia  zu  lieben, 

wie  konnte  Daphne  das  betrüben? 

HOFFMANNSWALDAU  M.  a.  5,  260  Neukirch; 

da  geiles  rabenaas !  dich  soll  der  guckguck  plagen 

ebda  6, 125; 

hohle  der  gnckguck  die  melancholey  Abb.  a  s.  Clara 
närrinnen  (1713)  43;  dasz  so  ein  armer  junge  oft  vor  lauter 
poesie  des  guckgucks  werden  möchte  Seb.  Brunner 
erz.  u.  sehr.  1,  30;  des  guckgucks  will  ich  sein  Iffland 
theatr.  w.  7,  327;  dasz  dich  der  guckguck  hätt  0.  Ludwig 
ges.  sehr.  2,  332.  in  adverbieller  Verbindung:  nun  zum 
guckguck !  so  erzählen  sie  Chr.  F.  Weisze  lustspide  8, 
297;  beim  guckguck!  beim  st.  Veiten!  Göthe  9,  465  W. 
atich: 

mädchen,  was  guckguck  hast  du  da? 

Gottsched  deutsche  Schaubühne  6, 137; 

wie  kommt  das  schöne  kästgen  hier  herein?  . . . 
was  guckguck  mag  dadrinne  sein? 

GÖXHB  39,  260  W. 

4)  sonstige  Verwendung:  Wittembergiach  hier,  alias 
guckuk  Wittenbergensis  cerevisia  Stieler  (1691)  146,  vgl. 
kuckuk  5: 

dort  schwärmten  sechzehn  wüste  köpfe 
von  guckguck  voll,  von  sinnen  leer 

GÜNTHER  ged.  (1735)  162; 

sie  (die  Studenten)  .  .  .  sitzen  ...  in  den  bierkneipen,  wo 
sie  ihren  gukkuk  trinken  Laukhabd  leben  u.  Schicksale 
2,  466;  der  in  Wittenberg  ebenso  oft  eingeschenkt  als  ein- 
getunkt und  gleich  sehr  nach  der  Hippokrene  und  nach 
gukguk  gedürstet  hatte  Jean  Paul  3,  65  H. 

5)  Zusammensetzungen,  es  handelt  sich,  soweit  nichts  be- 
sonderes bemerkt  ist,  um  pflanzennamen,  unter  denen  die 
composita  wiederkehren,  die  bereits  unter  kuckuk,  guck- 
gauch,  gucker  angeführt  sind:  guckguksblume  Schwan 
dict.  (1783)1,800*;  FiSCHER  schwäl).  3,  903;  6,2077; 
Pritzel- Jessen  79;  224;  254;  luxemb.  ma.  157*;  teil  5, 

'2528;  -bruder,  m.,  2«  guckguck  4:  diesmal  ein  ärztliches 
attest  dabei,  vielleicht  von  einem  seiner  medizinischen 
guckucksbrüder  J.  Kbebs  Rübezahl  1,  112;  -brot  Fi- 
scher Schwab.  6,  2077;  teil  5,  2528;  -dank,  undank:  gibt 
. . .  den  schandtlichen  guckuksdank  C.  Dieterich  nach 
Fischer  schwäb.  6,  2078;  -ei  Fischer  schwäb.  3,  903; 
teil  5,  2528;  -gesang:  dasz  er  seinen  guckucksgesang 
immer,  doch  ohne  grundt  wiederhole  quelle  des  16.  jh.  bei 

66 


1043  GUCKGUCK  (zusammenaetz.)  —  GUCKKASTEN 


GUCKKASTEN  {compos.)  —  GUCKLOCH  1044 


Fischer  schwäb.  6,  2078;  -klee  MAUPERaER  kauf  mann- 
magaz.  (1708)  5;  Pritzel- Jessen  259;  -kohl  Pritzel- 
Jessen  259;  -kraut  Fischer  schwäb.  3,  903;  -krug,  zu 
guckguck  4:  der  in  Wittenberg  hinter  dem  guckgucks- 
kruge  die  heilige  theologie  studirte  J.  Krebs  Rübezahl  1, 
112;  -lakai:  (der  Wiedehopf)  ist  ein  Zugvogel,  der  vor  dem 
guckguck  kommt  und  daher  guckguckslakai  genannt  wird 
Oken  allgem.  naturgesch.  7,  203;  -lauch  Pritzel-Jessen 
259;  teil  5,  2529;  -nägelein,  s.  teil  5,  2529;  Fischer  3, 
903;  -pfeife,  eine  pfeife,  die  den  kuckuksruf  nachahmt, 
beschreibung  bei  N.  Öhomel  4,  1410;  -speichel  Pritzel- 
Jessek  224;  teil  5,  2529;  SO  findet  man  (von  der  schaum- 
zikade)  schäum,  welcher  .  .  .  den  namen  guckgucks- 
speichel  .  .  .  hat  Oken  naturgesch.  5,  1598;  -stein:  der 
thonschiefer  .  .  .  führt  den  trivialnamen  gukukstein 
A.G.Werner  oryktognosie  (1792)  72;  -tanz,  ein  Volks- 
tanz, getanzt  nach  einem  liede,  in  dem  das  wort  guckuck 
wiederkehrt  Fischer  schwäb.  6,  2078;  -uhr,  «.  teil  5,  2529; 
Fischer  schwäb.  3,  903. 

GUCKIG,  adj.,  neugierig,  intensiv  guckend,  spectans, 
perlustrans,  intentis  oculis  intuens  Stieler  713:  und 
schier  so  guckig  werden  die  jungen  dirndeln,  wenn  ein 
mannsbild  den  Johannestrieb  ansetzt  Roseoger  I  15,  227. 

GUCKKASTEN,  m.,  'ein  kästen  mit  optischen  Vorstel- 
lungen, in  welchen  man  die  Zuschauer  für  geld  sehen  läszV 
Adelung  2  (1796)  844;  Fischer  schwäb.  3,  90l;  Martin- 
LiENHART  1,  476^:  auf  dem  markt,  wo  man  hin  und  her 
läuft,  vom  guckkasten  zum  Puppenspiel  Bettine  Günde- 
rode  1,  160;  wir  sitzen  wie  kinder  vor  dem  guckkasten 
Auerbach  l,  14l;  gewöhnlich  eracAeia^  guckkasten  in  ver- 
gleichen, häufig  mit  dem  theater,  meist  in  abfälligem  sinne: 
wir  sehen  mit  eben  dem  guten  glauben  in  die  bühne 
hinein,  als  ob  wir  ...  in  einen  guckkasten  sähen  Gersten- 
berg recensionen  104  lit.  denk.;  im  theater  St.  Carlo 
führen  sie  auf  'Zerstörung  von  Jerusalem  durch  Nebu- 
cadnezar'.  mir  ist  es  ein  groszer  guckkasten;  es  scheint, 
ich  bin  für  solche  dinge  verdorben  Göthe  31,  35  W.;  für 
jetzt  ist  das  theater  nichts  weiter  als  ein  ausgedehnter 
guckkasten  Ad.  Müller  verm.  sehr.  2,  107;  weil  ein 
theater  kein  guckkasten  ist  Ayrenhoff  werke  (1814)  2, 96; 
das  theater  ist  vom  publicum  noch  immer  durch  einen 
wunderlichen  Vorhang  .  .  .  getrennt .  .  .,  das  theater  sieht 
dadurch  wie  ein  guckkasten  aus  Gutzkow  11,  45.  in  Zu- 
sammenhang mit  literarischen  werken:  bei  gelegenheit  seiner 
abschätzigen  kritik  an  Dusch  sagt  Lessing  der  guckkasten 
wird  nun  zu  einer  marionettenbühne  8,  105  L.-M.;  es 
sieht  hier  jetzt  mit  einigem  unterschiede  so  aus,  als  wie 
in  Amors  guckkasten  beobacht.  in  d.  lit.  u.  mor.  weit  (1773) 
13,  vgl.  den  titel  Amors  guckkasten  theater  der  Deutschen 
12,  211;  wer  guckkasten  von  .  .  .  erbaulicher  Zusammen- 
setzung verlangt,  lasse  mein  tagebuch  ungelesen  Thüm- 
mel  reise  6,  385;  jeder  roman  ist  ein  guckkasten,  darin 
man  die  .  .  .  konvulsionen  des  . . .  herzens  betrachtet 
Schopenhauer  2,  677  Orisebach;  ich  darf  hier  wohl  mei- 
nen guckkasten  schlieszen  [die  Schilderungen  des  Indianer- 
lebens) v.  D.  Steinen  naturvölker  Zentralbrasiliens  (1894) 
467.  auch  mannigfach  sonst:  wer  zur  damaligen  zeit  die 
ganze  herrlichkeit  Ludwigsburgs  wie  in  einem  guckkasten 
beisammen  sehen  wollte  Schubart  leben  u.  gesinnungen 
1,  142;  {die  erscheinungen  wechseln)  wie  bilder  auf  dem 
tuche  bei  dem  guckkasten  H.  v.  Kleist  5,  109  E.  Schm.; 
wer  die  weit  wie  in  einem  guckkasten  ansieht,  .  .  .  der 
sieht  sie  an,  wie  der  narr  ein  narrenspiel  ansieht  Fr.  M. 
Klinger  werke  12,  37;  sie  (die  n/itur)  gibt  in  dem  kinde 
.  .  .  nur  einen  guckkasten;  die  altern,  die  erziehung,  die 
Umgebung  zündet  das  öl  an  und  stellt  die  bilder  hinter 
die  gläser  Gervinus  grescA.  d.  deutschen  dichtung  5, 151;  der 
grosze  guckkasten  (Paris)  reizt  mich  nicht  mehr,  wie  frü- 
her Fr.  Hebbel  briefe  6,  361  W.;  in  der  jetzigen  zeit  wech- 
seln die  aussichten  .  .  .  wie  in  einem  guckkasten  RooN 
denkumrdigkeiten  1,  169.  —  compos.;  guckkastenartig: 
dasz  er  sein  werk  in  zusammenhängender,  ununterbro- 
chener darstellung  vollendet  hat,  statt  jener  fragmenta- 
rischen stückelepik  .  . .,  wo  denn  guckkastenartig  ein  bild 
nach  dem  andern  eingeschoben  wird  Grillparzer  18,  138 


Sauer;  -bau:  dagegen  hat  dieselbe  classische  periode 
des  französischen  theaters  .  .  .  uns  den  tiefen  guck- 
kastenbau unserer  bühne,  der  aus  den  bedürfnissen  des 
ballets  und  der  oper  entstanden  war,  hinterlassen  G.  Frey- 
TAO  ges.  M>.  14,  27;-bild:  jetzt  schwebt  der  ganze  auftritt 
vor  mir  wie  ein  guckkastenbild  Th.  Huber  bemerk,  über 
Holland  (1811)  5;  denn  so  folgen  sich  die  guckkastenbilder 
für  höhere  geister  fort  und  fort  auf  unserer  närrischen 
erde  fürst  Pückler  südöstl.  bildersaal  (1840)  2,  307;  die 
miniatures  sind  guckkastenbilder  für  kinder  R.  Schu- 
mann ges.  sehr.  1,  321;  ihr  wollt  guckkastenbilder:  brand 
von  Moskau,  .  .  .  Übergang  über  die  Beresina,  alles  in  drei 
minuten  Fontane  1 1,  55;  -bilderreim:  im  nu  reimten 
wir  guckkastenbilderreime  Hoffmann  v.  Fallersleben 
ges.  sehr.  7,  217;  -geschichte:  nie  .  .  .  habe  ich  so  eine 
guckkastengeschichte  auf  den  brettern  gesehen  J.  Ve- 
NEDEY  England  2,  533;  -glas,  glas,  durch  welches  man 
in  den  guckkasten  blickt:  und  doch  ist  ihm  (Faust) 
diese  betrachtung  der  natur  und  ihr  wirken  von  auszen 
hinein  durch  das  guckkastenglas  der  Wissenschaft  nur 
ein  Schauspiel  Jul.  Mosen  8,  123;  -licht:  mein  schlechtes 
gesicht  kann  daran  schuld  sein,  da  die  gläser  immer  mehr 
oder  weniger  guckkastenlicht  über  die  landschaft  ver- 
breiten Th.  Huber  bemerk,  über  Holland  203;  -lied 
H.  Hansjakob  bauernblut  (1896)  285;  -mann,  der  Vor- 
führer, ausrufer,  besitzer  eines  guckkastens,  s.  guckkästner : 
er  selbst  übernimmt  die  demonstration  mit  .  .  .  dem  be- 
kannten tonfall  der  guckkastenmäimer  Chamisso  6,  6; 
früher  hat  ihm  auf  dem  Jahrmarkt  der  guckkastenmann . . . 
durch  das  guckglas  die  weit  in  bildern  gezeigt  Rosegoer 
II  7,  296;  nicht  weit  davon  (von  einem  tanzbär)  steht  ein 
guckkastenmann  und  ruft  mit  heiserer  stimme  sich  Zu- 
schauer heran  Glassbrenner  Berlin  wie  es  ist  und  trinkt 
3, 30;  -mäszig,  adv.,  in  der  art  eines  guckkastens:  die  alten 
Schlösser  stellen  sie  (die  ufer)  von  unten  hinauf  gesehen, 
ohne  allen  vorgrund,  ohne  alle  Perspektive,  guckkasten- 
mäszig  dar  Th.  Huber  bemerk,  über  Holland  388;  -scherz 
scherzhafte  darstellung  innerhalb  einer  guckkastenartigen 
literarischen  arbeit:  ich  werde  hier  aus  meinen,  seit  meh- 
reren Jahren  in  Berlin  gesammelten  guckkastenscherzen 
eine  scene  zusammenstellen  Glassbrenner  Berlin  wie 
es  ist  und  trinkt  6,  1,  10;  -stück,  bühnenstück  mit  guck- 
kastenartigem ablauf:  ebenso  verwarf  er  'Wallensteins 
lager',  und  nannte  es  ein  guckkastenstück  C.  L.  Coste- 
noble  tagebücher  1,  225;  -träger,  träger,  besitzer  eines 
guckkastens:  mehr  als  fünftausend  handwerksburschen, 
.  .  .  gaukler,  guckkasten  träger, .  .  .  sollen  alljähr  hch  dieses 
weges  gehen  W.  H.  Riehl  naturgesch.  d.  Volkes  4,  287; 
-Vorgang:  wüszte  ich  nicht  sicher,  dasz  ich  ihn  (den  auf- 
tritt) wirklich  sah,  hielt  ich  die  hecken  und  die  menschen 
und  die  handlung  für  einen  guckkastenvorgang  Th.  Hu- 
ber bemerk,  über  Holland  5. 

GUCKKÄSTNER,  m.,  guckkastenmann:  es  gibt  nur 
wenige  solcher  leute  in  Berlin,  aber  die  wenigen  sind 
so  originelle  käuze,  besonders  beim  erklären  ihrer  bilder, 
dasz  ich  sie  nicht  unbeachtet  lassen  darf,  abends,  wenn 
die  sonne  untergegangen  ist,  und  die  gaslaternen  auf- 
gehen, stellen  sie  ihren  schemel  an  eine  straszenecke,  .  .  . 
rufen  sich  mit  lauter  stimme  einige  kunstliebhaber  heran, 
und  geben  den  schlechten  gemälden,  welche  man  durch 
vergröszerungsgläser  betrachtet,  einen  groszen  reiz  durch 
die  beschreibung  derselben  Glassbrenner  Berlin  wie  es 
ist  und  trinkt  6,  1,  9;  die  guckkästner  sind  ebenfalls 
am  verscheiden  (sind  sehr  selten  geworden)  E.  Dronke 
Berlin  1,  15.  dazu:  guckkästnerliteratur:  er  ist  der 
Schöpfer  der  sogenannten  guckkästnerliteratur,  welche 
dem  Berliner  jargon  ein  so  groszes  pubükum  in  allen 
ständen  durch  ganz  Deutschland  erschaffen  hat  K.  Rosen- 
kranz aus  einem  tagebuch  (1854)  183. 

GUCKLOCH,  n.,  ein  loch  zum  durchgucken,  häufig 
kleines  schubfenster  oder  türchen  in  einer  wand,  einer  tür 
oder  einem  gröszeren  fenster:  sah  von  den  fenstern  und 
gugket  durch  die  gucklöcher  Anth.  Margaritha  der 
gantz  jüdisch  glaub  (1531)  f  3'';  aber  die  spiesze,  mit  wel- 
chen sie  durch  die  guklöcher  (der  mau^r)  häufig  auf  den 


1045 


GUCKROHR  -  GUFE 


GUFE  -  GUFFEN 


1046 


heranklimmenden  feind  stachen  A.  H.  Bücholtz  Her- 
cuUskus  (1665)  49;  musz  die  hütte  .  .  .  aussehe-  oder  guck- 
löcher  haben  H.W.Döbel  neueröffn.  jägerpract.  (1754) 
2,  214; 

ein  knappe  geht  ans  pförtchen,  rückt 

das  guckloch  auf  und  schaut 

Bamler  fabellege  3,  134; 

gut,  dasz  ich  ihm  nicht  gleich  aufgmacht  und  erst  durchs 
guckloch  aussi  gschaut  hab!  Ayrenhoff  i,  307;  lauter 
neue  domestiken,  auszer  Augusten  und  dem  alten  Fasser, 
der  noch  immer  seinen  köpf  aus  dem  guckloche  .  .  .  her- 
vorsteckt A.  V.  DßoSTE-HÜLSHOFF  briefe  an  L.  Schücking 
227;  eine  festung  der  Bergkalmücken  .  .  .,  wo  die  .  .  . 
Schiefermauer  mit  schieszscharten  und  gucklöchern  durch- 
brochen ist  Ratzel  völkerk.  3,  365;  Tumayana  spähte 
durch  die  gucklöcher  im  Strohdach  v.  d.  Steinen  natur- 
völker  Zentralbrasiliens  (1894)  105;  er  war  in  der  gieszerei 
gewesen  und  hatte  durch  das  guckloch  in  den  ofen  ge- 
sehen K.  Fischer  denkw.  eines  arbeiters  (1903)  256  Göhre; 
Richter  fragte  nach  des  kriegskameraden  .  .  .  ergehen  .  .  . 
und  beobachtete  .  .  .  die  schenke  durch  bequeme  guck- 
löcher Hans  Grimm  volk  ohne  räum  2,  154.  —  guckrohr, 
n.,  perspectiv,  f er nglas,  s.  Kramer  dict.  1  (1700)  575*=:  er 
offenbarte  das  geheimnis  des  wvmdersamen  guckrohres 
{kaleidoskops)  Göthe  IV  29,  203  W. 

GUCKRÜBE,  /.,  rübenart,  'eine  ort  langer  rüben, 
welche  in  den  brachfeldern  Englands  und  der  Niederlande 
wachset,  rapa  sativa  oblonga'  Adelung  2,  840. 

GUCKSCHARTE,/.,  scharte,  wodurch  man  gucken  kann : 
ein  besonderes  geschick  solche  guckscharten  durch  die 
mauern  zu  bohren  und  sich  eine  aussieht,  die  niemand 
erwartet,  zu  verschafEen  Göthe  34,  363  W.  —  guck- 
spiel,  n.,  eine  art  Zauberei  vermittelst  eines  krystalls 
ScHRADER  d.-frz.  wb.  1,  582;  auch  die  eitelkeit  des  acteurs 
begünstiget  das  guckspiel  Ayrenhoff  2,  226,  hier  theater- 
spiel. —  guckscene, /.,  theaterszene:  Gotter  .  .  .  bringet 
da  guckszenen  auf  die  bühne,  die  man,  .  .  .,  schon  in  so 
vielen  italienischen  .  .  .  opern  .  .  .  gesehen  hat  Ayren- 
hoff 5,  192.  —  gucktürchen,  n.,  guckfensterchen:  er 
{der  diener)  hatte  das  guckthürchen  offen  gelassen 
H.  Laube  lo,  148. 

GUCKUK,  s.  o.  guckguck  und  kuckuk  teil  5,  2520. 

GUCKUMER,  /.,  gurke,  s.  kukumer  teil  5,  2585;  Fi- 
scher Schwab.  3,  903;    6,  2078;    Staub-Tobler  2,  191; 

MaRTIN-LiENHART  1,  201;  FOLLMANN  220. 

GÜDEL,  OT.,  magensack:  und  wenn  das  zirbus,  das  ist 
der  sack  oder  güdel  oder  die  derm  oder  ander  ding  heraus- 
gat  Braunschweig  chirurgia  (1498)  78*';  gat  aber  der 
zyrbus,  das  ist  der  güdel  oder  sack  herusz  Gersdorf 
feldb.  d.  vmndarzney  (1528)  37;  vgl.  Hyrtl  kunstw.  d.  ana- 
tomie  68;  Staub-Tobler  2,  125  und  die  form  geudel  teil  4, 

1,  4619. 

GÜDSE,/.,  hohlmeiszel,  mit  denen  die  schiff szimmerleute 
hohle  flächen  bearbeiten  und  die  blockmacher  die  keepen  der 
blocke  ausschlagen  Bobrik  seewb.  321*';  dän.  gyds;  schwed. 
gyts;  ndl.  guts;  frz.  gouge. 

^GUFE,  /.(?),  knäuel:  glomus,  circulus  oder  ein  gufe 
oder  ein  kluwel  garns  gemmagemm.  (1512)  1  5^;  vgl.  schwei- 
zerisch gof  kleines  gebund  rohen  wergs  oder  flachses,  ehe  er 
gebrochen  wird  Staub-Tobler  2,  131. 

*GUFE,  f.{?),  ein  fisch,  eine  art  gründet  oder  schmerle, 
cyprinus  gobio  Nemnich  wb.  d.  naturg.  215;  cobitis  barba- 
tula  Megiser  pol.  (1603)  l,  278!^;  rhein.  wb.  2, 1482. 

^GUFE,  /.,  Stecknadel,  vornehmlich  alemann,  nebenform 
von  glufe,  vgl.  teil  5,  1261;  v.  Bahder  zur  Wortwahl  149  u. 
anm.  2:  monile  spendel,  gluffe,  guffe  Diefenbach  gl.  366  c 
{voc.  theut.  1482  Nürnberg) ;  spinter  nov.  gloss.  345^;  acicula 
ein  gufen  Frisiüs  dict.  29^.  für  die  mundarten  vgl.  Martin- 
LiENHART  1,  igg^J;  Seiler  Basler  ma.  153;  Schmidt  id. 
Bernense  33;  Staub-Tobler  2, 607 ;  Schmeller-Fr.  i,  1327: 
thu  den  stich  ufl  mit  einer  gufen  und  mach  ein  pflaster 
daruf  M.  Herr  schachtafeln  der  gesundheit  (1533)  h  3»; 

ich  aölte  recht  gon  zum  ofen  sitzen, 
spennen  und  (wölt  ich  gern)  gufen  spitzen 

Utz  Eckstein  reichstag  (1592)  21; 


durchstich  das  ort  mit  einer  glüenden  Stecknadel  oder 
gufen  Fröhlich  offenh.  d.  natur  (1591)  348;  wann  man 
nur  mit  einer  kleinen  guffen  oder  nadel  dareingestochen 
Dannhawer  catech.-milch  8,  97;  dasz  sie  (die  Juden)  .  .  . 
ein  knäbli  verstolen  und  mit  guffen  so  lang  gestupft, 
bisz  er  gestorben  Tschudi  chron.  Helv.  1,  378;  er  ist  ein 
nadler  und  machet  einen  tag  in  den  andern  gerechnet 
neun  tausend  gufen  discourse  d.  mahlern  2,  131;  die  Marie 
.  .  .  breitet  mit  der  gufe  den  docht  ein  wenig  auseinander 
J.  P.  Hebel  2,  369  Behaghel;  häufig  ausdruck  der  gering- 
wertigkeit: sie  kromen  (kaufen)  ettwan  ein  heller  wert 
guffen  Keisersberg  brösaml.  l,  92; 

er  würt  sich  bald  eins  guten  bdencken, 
euch  ein  hellerwert  gu&en  schencken 

Wickram  4,  73  lit.  ver.; 

ich  geh  dir  nit  ein  böse  Icrumme  gufen  .  .  . 
um  dinen  falschen  ablasz  und  ban! 

N.  Manuel  121  Bächtold; 

irgend  eine  guffe  oder  hafte  .  .  .,  eine  bohne  oder  sonst 
teufelstreck  in  den  gottes  kästen  geben  Moscherosch 
insomnis  cura  parentum  106  ndr.;  nicht  einer  gufen  grosz 
ne  helum  quidem  Aler  dict.  1,  992''; 

un  s'duriedu,  un  s'gigrigy 
sinn  mr  kein  gu&  meh  werth 

D.  HiRTZ  ged.  (1846)  205. 

dazu:  gufenbett:  ort  der  verdamnis,  eigentlich  ein  mit 
Stecknadeln  gespicktes  bett  Staub-Tobler  4,  812;  -knöpf, 
Stechnadelkopf  Staub-Tobler  3,  751:  ein  klein  löchlin, 
das  einer  kaum  mag  ein  gufenknopf  oder  speilknopf 
hinein  stoszen  Paracelsus  chirurg.  bücher  u.  sehr.  (1618) 
575»;  wenn  sie  eine  schnelle  bewegung  machte,  ...  so 
muszte  sie  den  athem  suchen  wie  einen  gufenknopf  Gott- 
HELF  12,  207;  -macher,  nadler,  Staub-Tobler  4,  50. 
hernach  ligt  an  einem  kleinen  .  .  .  see  .  .  .  die  Stadt  Nantua 
mehrertheils  von  gufenmacheren  bewohnet  Grasser 
Schatzkammer  (1610)  67;  darunder  der  erste  ein  armer 
guffenmacher  oder  spingier  gewest  Moscherosch  gesichle 
1(1650)  20;  -spitze,  nadelspitze:  das  durch  das  gantze  feil 
der  blosen  gar  kein  körnlein,  auch  eines  gufenspitz  grosz, 
dringen  mag  Thurneiszer  von  probierung  der  harnen 
(1571)  2;  alsdann  lachten  sie  .  .  .,  eine  nannt  ihn  mein 
kleiner  dille,  mein  deitelkölblin,  die  ander  mein  gulden- 
glüflin,  mein  guffenspitzlin  Fischart  Qargantua  202  ndr.; 
-spitzer,  n/idelspitzer ,  nadler:  halbhöszler,  guffenspitzer, 
einleger,  brunnefeger  Fischart  praktik  12  ndr.;  umb  den 
forst  zu  Thelema,  auf  ein  halbe  meil,  war  ein  gantzer 
flecken,  darinn  saszen  nichts  als  goldschmid,  guffenspitzer, 
näherin,  seidenstrickerin  Fischart  Qargantua  452  ndr. 

GUFEL,  n.,felseinbuchtung,  überhängender  f eis,  im  süd- 
lichen obd.  verbreitet,  häufig  in  fiurnamen,  s.  Schmelleb- 
Fr.  1,  875;  Fischer  schwäb.  3,  905;  Staub-Tobler  2,  132: 
jetzt  sind  sie  auf  sehnsweite  von  dem  rudel  entfernt,  das 
teils  in  kühlen  gufeln  lagert,  teils  sich  tummelt  oder  ver- 
traut äst  M.  Tipp  gamsbart  in  illustr.  volksfreund  (sonn- 
tagsbeibl.  zur  Berl.  morgenzeitung)  nr.  35  (29.  8.  1909);  im 
compositum:  von  der  schützengufel  (so  nennt  sich  diese 
höhle)  ziehen  die  Steilwände  H.  v.  Barth  Kalkalpen  577. 
verwandt  sind  gaufe  teil  4,  1,  1,  1542,  gubel  hügel,  auch 
kofel  (gofel),  das  im  südlichen  bayrischen  in  der  bedeutung 
bergkuppe  undfelshütte  zum  schütze  gegen  unwetter  begegnet. 

^GUFFEN,  vb.,  mit  Stecknadeln  zusammenheften  Mar- 
tin-Lienhart  1,  200.  ■ 

^GUFFEN,  vb.,  mhd.  guffen,  goffen  'seine  freude  laut 
äuszern,  übermütig  sein\  etymologie  unsicher,  lett.  gaübju, 
gaübt  kann  wegen  des  anlautes  nicht  mit  den  deutschen 
Wörtern  unter  idg.  *gheup-  'spielend  oder  ausgelassen  sich 
herumtreiben'  verbunden  werden,  guffen  gehört  zur  sippe 
guft,  guften,  güfter,  guftig  (s.  «.),  die  im  mhd.  überaus 
reich  entvnckelt  ist,  jedoch  nur  in  wenigen  ausläufern  ins 
nhd.  reicht,  s.  mhd.  wb.  1,  586;  Lexer  1,  1112.  im  mnd.  ist 
guf  'verschwenderisch''  und  gufheit  'Verschwendung^  bezeugt, 
8.  Schiller-Lübben  6,  145.  aus  dem  deutschen  sprach- 
kreis lassen  sich  hierher  stellen  mhd.  gief  'tor,  narr\  bair. 

66* 


1047 


GUFFER-2GUGEL 


2GUGEL 


1048 


go£E  'dummkopf,  engl.  goS,  gaS,  osifries.  guffel  'narr' 

U8W, : 

•wer  . . .  stets  einhergeht  in  guter  wath, 
ein  Wochen  dreimal  geht  ins  bad, 
guffet  und  geudet  auf  der  straszen, 
viel  gelts  wil  in  der  herberg  lassen 

Eyeking  prov.  1, 160. 

die  Verbindung  guffen  (güften)  und  geuden  ist  auch  sonst 
bezeugt,  s.  teil  4,  1,  4623  und  Schmelleb-Fe.  l,  875. 

GUFFER,  m.,  n.,  schult  von  sand  und  steinen,  {glet- 
scher-)geröU,  ablautend  zu  gauf,  s.  Statjb-Tobler  2,  132: 
die  kirch  hats  angefüUet  mit  guffer,  lett  und  sand  (1762) 
quelle  bei  Staxjb-Tobler  2,  132.  dazu  guf  f  erlinien,  pL, 
mit  steinen  und  schult  bedeckte  eiswelle,  gletschermoräne. 

—  guferwesen  durch  wasser  oder  lawinen  mit  steinen 
überdecktes  land  Statjb-Tobler  3, 1305,  s.  ebda  3, 1285. 

GÜFNER,  m.,  zu  ^gxde,  nadler,  auch  gufener,  guffener, 
s.  K.  Bücher  Frankfurter  beruf swb.  54  a;  güfner  MarTin- 

LlENHABT    1,  200. 

GUFT,  m.,  lautes  schreien,  Übermut,  prdhlerei,  mhd. 
guft;  fama  geche  vel  guft  Diepbnbach  gloss.  224i>.  — 
güften,  vb.,  übermütig  sein,  verschwenden,  mhd.  güften; 
gewden,  gufften  prodigere  Diefenbach  gloss.  462  c,  «.  teil 
4,  1,  4623:  wir  haben  unser  gute  mit  güften  nit  gewunnen 
und  sind  dennoch  auch  bei  den  leuten  gewest  privatbriefe 
des  mittelalters  x,  90  Steinhausen,  vgl.  noch  Fischer 
Schwab.  3,  905;  Schmeller-Fr.  1,  877.  —  güf ter,  m.,  no- 
men  agentis  zum  voraufgehenden,  Verschwender,  geudiger, 
guffter  prodigus  Diefenbach  gloss.  462  C;  gufter  prodigus 
nov.  gloss.  ZQi^;  geuder,  gufter  voc.  quattuor  linguarum 
{Augsburg  1516),  s.  teil  4,  i,  4629;  Fischer  schwäb.  3,  905: 

für  complex  sag  ich  euch  fürwahr, 
ihr  seit  ein  groszer  gufter  zwar 

fastnachtssp.  1, 143  Keller. 

—  guftig,  adj.,  verschwenderisch,  üppig,  mhd.  güftec; 
gydig,  gudig,  geudisch,  gufftig  ding  prodigalis  Diefen- 
bach gloss.  M2^;  guftig  hochmütig,  aufgeblasen  Loritza 
id.  Viennense  56:  der  lenze  sprach,  er  erquickte  und 
machte  guftig  alle  frucht  ackermann  aus  Böhmen  33,  6 
Burd.-Bernt.  —  guftigkeit,  /.,  Verschwendung,  prodi- 
galitas  Diefenbach  gloss.  462*'. 

^GUGE,  m.,  s.  guckahne. 

^GUGE,  m.{?),  käfer,  wurm,  auch  sonst  kleine  gelier, 
s.  Staub-Tobler  2,  160;  SCHMELLER  1,  881:  crustata  ani- 
malia  thier  die  einen  herten  rauhen  Überzug  habend,  als 
käffer,  gügen,  krebs  usw.  Frisius  dict.  (1556)  Sil^;  can- 
tharus  ein  gügen  oder  kä£fer  182i>;  ein  groszer  käfer  oder 
güge  Hefszlin  Oeszners  vogelb.  167  a;  der  thomkretzer 
(neuntöter)  gläbt  der  groszen  käferen  oder  gügen  237^. 

iGUGEL,  adj.,  s.  gogel. 

^GUGEL,  /.,  m.,  kapuze,  mlat.  cuculla,  cucullus,  ahd. 
cucalun  cucullam  kl.  ahd.  sprachdenkm.  145  Steinmeyer; 
anu  cugulun  sine  cucullo  ahd.  gl.  1,  139,  3;  mit  ypocrisi 
preitero  blattun  witero  chugelun  Notker  2,  249  Piper; 
mhd.  gugel  Lexer  1,  1114;  nachtr.  222;  ags.  cug(e)le, 
cu(h)le  BoswoRTH- Toller  173!^;  suppl.  135^;  neuengl. 
cowl;  mnd.  kogel,  kagel  Schiller- Lübben  2,  512;  auf 
dem  gesamten  Sprachgebiet  bezeugt  und  obd.  z.  t.  noch  leben- 
dig, s.  Fischer  schwäb.  3,  906;  Schmeller-Fe.  1,  880; 
Statjb-Tobler  2, 155. 

1)  allgemeine  Verwendung  in  der  bedeutung  kapuze  oder 
mantel  mit  einer  kapuze;  die  chape,  gugel  d  capuzo,  die 
chapen  li  chapuzi  ital. -deutsches  sprachb.  (1424)  bei  Brbn- 
ner-Hartmann  Bayerns  mundarten  2,  390^;  gugel  capi- 
tium  J.  Pinicianus  prompt.  (1521)  nach  Diefenbach  gl. 
97^ ;  gugul  halszkappe,  gugel,  kutte  Schöpfer  synonyma 
87''  8ch.-K.;  bardocucullus  ein  mantel  oder  kleid,  das  ein 
gugel  hat,  ein  Spanierkap  Frisiüs  dict.  (1556)  152»: 

uz  siner  kappen  {var.  gugel)  z6ch  er 
einen  köpf  und  ein  lit 

Heinkich  y.  d.  TtJKLiN  krotie  1072; 

von  Muret  ein  gugeln  guot 
roit  lütrem  v§hen  bunde 

V.  D.  Hagen  gesamtabent.  2,  438; 


der  ist  nu  deheiner 
grözer  unde  kleiner, 
er  müez  an  dem  kragen 
stset  ein  gugel  tragen, 
daz  im  der  hals  beübe  wlz 

Ottokar  v.  Stbiekmark  77589  Seemüller; 

6  liezen  sich  die  man  schouwen 
äne  gugel  vor  den  frouwen, 
nu  siht  mans  in  den  gugeln  gän 
vor  den  frouwen  als  ein  man, 
der  sin  houpt  niht  sehen  lät 
vor  dem  brechen  den  er  h&t.  .  . . 
86  siht  man  die  frowen  tragen 
ouch  die  gugel  für  gebaut 

Teiohnee  in  Pfeieeek  altd.  übungsb.  164; 

in  des  (rockes)  mitzt  oben  wirt  ein  gugelein  erste  deutsche 
bibel  3,  315  lit.  ver.;  es  sol  kain  leitgeb  eim  paurnknecht 
nicht  mer  parigen  dann  sein  gurtelgewant,  .  .  .  swert  und 
gugel  wert  ist  österr.  weist.  11,  193,  22;  ez  süUent  auch  die 
sneider  von  ainem  siechten  röche  und  gugel  nemen 
5  grosz  .  .  . ,  von  ainer  gugel  1  grosz  5,  392,  6;  auf  dem 
haupt  kan  sie  {die  Ungerechtigkeit)  tragen  einen  türkischen 
bund  oder  kugel  Harsdörffer  gesprächsp.  8,  446 ;  eine 
sogenannte  kappe,  das  heiszt,  einen  kurzen  mantel  von 
grüner  wolle  mit  rother  gugel  angelegt  L.  Hesekiel 
Nürnberger  tand  1,  102. 

2)  besondere  Verwendungen 

a)  als  beruf s-  und  Standestracht,  am  häufigsten  als  mönchs- 
tracht,  s.  kugel  1,  teil  5,  2533;  gugel  oder  mönchskutte 
cuculla  Brack  vocab.  15;  cappa  col  cappucio,  eine  kapp 
mit  einer  gugel,  wie  die  münch  tragen  Hulsitjs  (1618)  2, 
75*:  der  münich,  der  di  cleidere  gap,  der  legete  ime  an 
sin  bete  eine  chogele  regelf.  ein  vollk.  leben  78,  30  Priebsch; 
man  gleube  allein  den  langen  handschuchen  und  gugeln 
des  rectors  zu  Ingolstad  Luther  15, 119,  4  W.;  ob  aber 
gepoten  wirdt  dem  münich  gehaben  ein  gugel,  so  wird 
dem  ritter  groszers  gepoten,  daz  ist  ein  pantzer  offenb.  d. 
hl.  Birgitte  {1602)  n  5^;  man  sie  {die  manche)  dar  bei  under- 
scheiden  {vom  wdtklerus),  das  sie  ein  käppiin  oder  gugel- 
chen  auf  dem  häuptlin  haben  Fischart  binenkorb  (1588) 
262»;  aller  münnich  und  pf äffen  gugel  und  kappen,  men- 
tel  und  korhemmet  reformationsflugschr.  l,  11  Giemen; 

die  pfaffen  mit  ihren  platten, 

die  münch  mit  ihren  gugeln  schon 

bergreihen  26  ndr.; 

auf  dem  heim  ein  schwartzen  mönch  barhaupt  mit  einem 
spitzen  gugel  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  698»; 

er  (der  mönch)  zog  die  gugel  von  der  platten  gare 

A.  V.  Arnim  w.  13, 116  Orimm. 

die  gugel  gehört  seit  je  zur  narrenkleidung : 

diu  frouwe  nam  ein  sactuoch, 

si  sneit  im  hemde  unde  bruoch  . . . 

ein  gugel  man  obene  drüfe  vant 

WOLFRAM  Parz.  127,  6; 

er  (Tristan)  hiez  im  ein  törenkleit 
an  der  stete  machen: 
von  wunderlichen  Sachen 
einen  roc  seltsfin  getan 
und  eine  gugelen  daran 

H.  V.  Preiberq   Tristan  51,  34  Berni; 

der  rothe  Pickelhäring  mit  kolben  und  gugel  Immermann 
20,  103  Boxb.  bei  den  bergleuten  ist  gugel  der  dreieckige 
zipfel  der  bergkappe,  s.  Göpfert  zs.  f.  d.  wortf.  beih.  3,  40: 
wie  dieser  brauch  noch  heutiges  tags  bei  dem  bergk- 
werck  geblieben  und  die  gugeln  von  bergkappen  an  die 
kauen  genagelt  werden  Mathesius  Sarepta  (1578),  an 
diesen  brauch  knüpft  die  redewendung  die  gugel  an  die 
kaue  nageln,  s.  Schönberg  berginform.  (1693)  2,  46,  im 
sinne  von  'scherz,  unfug  treiben',  ein  kogel,  wie  vor  zelten 
die  magistri  und  Studenten  kogel  trugen  Luther  zu  Hese- 
kiel 23,  15,  bibdübers.  7,  527  Bindseil;  vgl.  die  Vorstellung 
von  den  alten  philosophen:  die  philosophi  sein  in  langen 
rocken  und  mänteln  und  guglen  herein  gangen,  lang  pärt 
und  ein  stab  in  der  hand  tragen,  haben  schuel  gehalten 
AvENTiN  w.  4,  424,  20  Lexer;  gabban  col  capuccio  da  mari- 
naro  schiffersrock  mit  einer  gugel  Hulsius  (1618)  2,  167''. 
öfter  als  frauenkleidung  genannt:  cucullus  ein  gugel,  den 
die  frauwen  tragend,  wenn  es  rägnet  Frisius  dict.  (1556) 


1049   GUGELFAHRT  -  GUGELFUHR(E) 


GUGELFUHR(E)  -  GUGELHUPF   1050 


348'';  frawenzimmer  .  .  .  mit  iren  schwarzen  sammatin 
schapperen  und  gugeln  nach  niderlendischen  sitten  zim- 
mer.  chron.  i,  293,  32  Barach.  heute  noch  als  kopßuch, 
haube,  s.  Lexer  kämt.  126;  Unger-Khull  steir.  313*>; 
Hügel  Wien  74. 

b)  als  Meldung  bei  besonderen  anlassen,  so  bei  leichen- 
begängnissen,  s.  Bibunger  schwäb.  wb.  205;  Schmeller- 
Fr.  1,  880  oder  jrrocessionen,  s.  L.  Stetjb  drei  sommer  in 
Tirol  1,  105;  Schmeller-Fr.  o.  a.  o. 

c)  in  der  Schweiz  auch  'hilgel',  besonders  in  flurnamen, 

S.  StAFB-TOBLER  2,  155. 

d)  in  der  bergmannssprache  ist  gugel  ein  aus  der  tiefe 
in  die  höhe  geführter  schachtartiger  bau:  sowohl  abteufen 
als  aufbrüche,  erstere  wurden  'gesenke',  letztere  'gugl' 
oder  'hohe  fahrt'  genannt  jahrb.  der  bergakademie  Sehern- 
nitz  14,  137;  wollten  wir  hingegen  auch  die  gugeln  sehen 
wo  firstenweise  oder  aufgelehnet,  das  ist,  über  sich  ge- 
bauet wird  Sperges  tyrol.  bergwerksgesch.  (1765)  321, 

GUGELFAHRT,  /.,  mutvnlliges  treiben,  lärmende  lust- 
barkeit  Staub-Tobler  1,  1032:  wir  .  .  .  hofEen,  dasz  die 
jetzt  unterbUebene  gugel-  und  gogelfahrt  einige  wochen 
später  statt  finden  wird  Hebbel  briefe  7,  320  Werner.  — 
gugelfechten,  vb.,  sich  närrisch  aufführen,  narren, 
fantasieren,  gauglen  und  gugelfechten  ZwENOEL/ormMtor- 
bu^h  (1568)39''.  —  gugelfeuer, /.,  s.  unter  gugelfuhr. 

—  gugelfranz,  m.,  spöttische  bezeichnung  eines  mönchs 
Drechsler  Wencel  Scherffer  ged.  (1652)  124;  Hörn  sol- 
datenspr.  58;  Grolmann  27  a;  Fischer  schwäb.  3,  906, 
vgl.  Luther  26,  652  W.:  im  achten  capittel  leeret  gugel- 
frantz,  wie  seine  brüder  {die  franziskaner)  sollen  ain 
generalmünister  über  seinen  orden  haben  E  Berlin  v. 
GÜNZBURQ  sehr.  3,  53  ndr.;  ihr  lieben  gugelfrantzen,  was 
hab  ich  euch  zu  leidt  gethan?  J.  Fuglinüs  depraestigiis 
daemonum  (1586)  363*';  da  stehen  oder  knien  neben 
ihme  zwen  gugelfrantzen  S.  Hübeb  erkl.  d.  abenteuerl. 
abenteuers  (1590)  43.  —  gugelfränzin,/.,  nonwcMosCHE- 
ROSCH  ges.  4  (1646)  168,  s.  FisCHER  schwäb.  3,  906; 
Luther  26,  652  W.  —  gugelfritz,  m. ,  schelte,  wohl 
nach  gugelfranz  gebildet,  mönch:  selbstheiligen  und  vom 
himmel  dünkelheilige  gefallene  gugelfritzen  Fischart 
binenkorb  106*;  wann  söllichs  nit  allein  züstat  cardi- 
nälen,  bischöffen,  pfarrern,  pf äffen  und  gugelfritzen, 
wie  sie  sich  dann  berüment  Lonicerus  berichtbüchlein 
a  3*;  warum  lästernt  dann  ihr  gugelfritzen  mein  schrei- 
ben? Paracelsus  op.  (1589)  2,  15;  ir  hört,  was  der  un- 
gelert  gugelfritz  Martin  Luther  zügericht  hat  mit  sein 
anhang  bei  Schade  Satiren  3,  214;  Fischer  scAiüöft.  3,  906. 

—  gugelfug,  m.,  späsze,  unfug  {vgl.  gugelfuhre):  gugel- 
fug  unter  einander  {haben)  Gotthelf  ges.  sehr.  18,  10, 
vgl.  Staub-Tobler  l,  700. 

GUGELFUHR(E),  /.,  scherz,  spasz,  narrheit,  au^h  in 
der  gegenwart  noch  lebendig,  s.  Fischer  schwäb.  l,  906; 
Staub-Tobler  l,  972;  Schmeller-Fb.  i,  881.  offenbar 
sind  mhd.  gogelvuore  (gogel  scherz,  posse),  gaukelvTiore 
(s.  teil  4, 1, 1550)  und  gugel  {in  der  bedeutung  ^narrenkappe') 
in  diesem  worte  zusammengeflossen,  vereinzelt  begegnet  auch 
die  form  gugelfeuer  {s.  u.).  als  lustiges,  ausgelassenes 
treiben,  toller  streich: 

was  habt  ir  für  ein  gugelfur? 

H.  Sachs  5,  60  lü.  ver.; 

einer  thut  dir  bullieder  singen, 

ein  andrer  seidenspil  lest  klingen, 

der  dritt  schnaltzt  und  juclitzt  vor  dem  hausz  — 

was  meinst,  dasz  die  nachbaurn  denclsn, 

die  hören  solche  gugelfuhr 

J.  Ayker  2689  lü.  ver.; 

der  hueb  er  die  klaider  dahünden  uf  .  .  .,  die  herzogin 
wüst  nit,  wer  dise  gugelfuer  anfieng  zimmer.  chron.^  1, 455 
Barock;  blumenwesen,  feuerwerk  mit  girandola,  musik, 
grosze  gugelfuhr  Fr.  Th.  Vischer  auch  einer  (1904)  520; 
moinst,  dia  gugelfuahr  gang  wieder  an  Mörikb  3,  126  O. 
häufig  gugelfuhr  treiben:  und  man  kan  sie  dar  bei  under- 
scheiden,  dasz  sie  ein  käppiin  oder  gugelchen  auf  dem 
häubtlein  haben  und  daher  seltzam  gugelfur  treiben 
Fischart  binenkorb  237*;  wiewol  er  {der  geist)  nit  ge- 


sehen worden,  hat  er  den  mägten  die  schlüsel  ab  der 
gürtel  hinweg  gerissen  und  dergleichen  gugelfuren  ge- 
triben  zimmer,  chron.^  4, 89  Barock;  die  geiszeler  fiengen 
da  an  umbzuziehen  im  jar  1349,  trieben  ein  wilde  gugel- 
fahr  vor  den  leuten  J.  Herold  chron.  aller  ertzbisch.  zu 
Mointz  (1551)  26^';  es  ist  aber  kein  wunder,  dasz  die  Zau- 
berer, mit  welchen  der  teufel  sein  gugelfuhr  treibet,  .  .  . 
von  einem  ort  an  das  ander  getragen  werden  J.  Fuqlinus 
de  praestigiis  daemonum  (1586)  104 a^.  vereinzelt  auch:  aus 
dem  folgt  nun,  dasz  der  irdisch  leib  sein  gugelfuhr  macht 
und  leucht  bis  in  sein  consumation,  der  himmlisch  leib 
ist  ewig  und  ohne  end  Paracelsus  opera  (1616)  2,  460, 
bei  ihm  ein  lieblingswort  mit  wechselnder  bedeutung,  so  von 
menschlicher  absonderlichkeit,  närrischer  eigenart:  so 
kommt  der  teuffei  und  lernet  die  Schneider  kleider  der 
Üppigkeit  machen  .  .  .,  nach  den  bauern  also  und  nach 
den  pf  äffen  und  mönchen  also,  ein  jegliches  in  einer  be- 
sondern gugelfuhr  Paracelsus  bücher  u.  sehr.  (1591)  10, 
368;  das  beweisen  euere  mancherlei  scribenten,  da  ein 
jeder  ein  besondere  gugelfuhr  hat  op.  (1616)  1,  341  Huser; 
warumb  wolt  dann  ein  artzet  von  disem  grund  und  Ur- 
sprung weichen  .  .  .  und  solte  hierauf  ein  besondere  gugel- 
fewr  anfahen  chirurg.  b.  u.  sehr.  (1618)  359  a.  als  abfällige 
bezeichnung  von  etwas  wertlosem:  also  werden  viel  solcher 
schaden  geheilet  durch  blatersalben,  durch  rauchen, 
durch  Wäschen,  durch  das  holtz  und  ander  dergleichen 
gugelfewer  chir.  b.  u.  sehr.  (1618)  123°;  ich  meine  nicht 
moralem  noch  ethicam  noch  ander  gugelfuhr,  damit  sich 
Erasmus  geübt  und  umbtreibt  op.  (1616)  l,  1062  b,  in 
moralisch  verwerflichem  sinne:  der  fünft  {raufbold)  schreit 
gotts  fleisch,  der  sechst  schreit  botz  kraut  und  füren  ein 
solch  gugelfuhr  und  seltzams  regiment  Fronsperger 
ÄTte^a6.  2(1573)h  6'';  ob  sie  {die  hexen)  nicht  gefressen, 
gesoffen,  getantzt  und  andere  gugelfuhr  mit  den  teufein 
daselbst  getrieben  Besold  thes.  pract.  1  (1697)387'';  so 
gern  vom  liebesabenteuer:  ich  waisz  aber  nit,  was  der 
maister  mit  der  magt  .  .  .  für  ain  schimpf  und  gugelfur 
anfieng.  sie  wardt  schwanger  zimmer.  chron.^  2,  555 
Barock;  der  fünft  der  bulet  und  hat  sein  gugulfuhr  mit 
hübschen  mägdlein  N.  Höniger  Keisersbergs  narrev^chiff 
56'';  die  männer  aber  under  ihnen  selbsten  haben  ihre 
seltzame  gugelfuhr  mit  leichtfertigen,  unzüchtigen  ge- 
bärden je  zween  und  zween  gegen  einander  H.  J.  v.  Breu- 
NiNG  Orient,  reisz  (1612)  58;  'n  mann,  den  ich  alsn  Spiegel 
der  züchte  und  keuschheit  stets  gekannt,  .  . .  nie  seine 
gugulfuhr  gehabt  mit  den  dimen  Görg  Bider  drei  mär- 
lein (1777)  211.   —  gugelgans,  /.,  alberne  gans,  schelte: 

ich  furcht,  dasz  mir  ein  furz  entwüsch, 
also  lachen  ich  der  gugelgans! 

N.  Manttel  V.  191  Bächtold. 

—  gugelgesang,  m.,  mönchsgesang,  pejorativ:  noch 
wollen  sie  ...  den  basz  zu  ihrem  gugelgesang  führen 
Hüber  calvin.  predic.  (1591)  29.  —  gugelhaube,  /., 
frauenhaube  Fischer  schwäb.  3,  907;  Ungeb-Khull  siS*»: 
d'  frau  eine  klane  untersetzte  frau,  schon  bei  jähren,  mit 
einer  gugelhauben  Ayrenhofe  w.  4,  295. 

GUGELHUPF,  auch  gogelhopf,  m.,  bezeichnung  eines 
kuchens.  nieder-  und  mitteldeutsch  entsprechen  topf-,  napf-, 
asch-  oder  formkuchen.  der  zweite  bestandteil  dürfte  zum 
verb.  hüpfen  gehören  und  bezieht  sich  auf  die  infolge  der 
hefe  sich  vne  eine  gugel  hebende  obere  fläche  des  kuchens. 
das  wort  ist  vornehmlich  oberdeutsch  und  reicht  nur  wenig 
in  mitteldeutsche  gebiete  hinein,  vgl.  Follmann  lothr.  318; 
ViLMAB  Kurhessen  139;  Reinwald  henneb.  2, 156;  Mar- 
TiN-LiENHART  elsäss.  1,  362;  Fischer  schwäb.  3,  735; 
Staub-Tobler  2, 1492;  Schmellee-Fb.  i,  880;  Lobitza 
id.  Vienn.  56.  im  schwäb.  und  bair.  herrscht  die  form  gogel- 
hopf vor.  zum  ganzen  vgl.  Kretschmer  wortgeogr.  352/. 
vereinzelt  bedeutet  gugelhupf  auch  eine  art  gebockener 
nudeln:  zu  was  für  einen  schleckerbiszl?  villeicht  hat  ihn 
gelust  nach  einen  bairischen  gogelhopf  ?  Abb.  a  s.  Clara 
Judas  1,  275;  da  soll  sie  alleweil  hinter  dem  ofen  hocken 
wie  ein  bairischer  goglhopf  228;  an  statt  des  brods  kan 
man  mandeln  mit  rosenwasser  abstoszen,  eier  daran 
schlagen,  zuckern,  dann  auf  gugelhöpflein  oder  semmel- 


1051  GUGELHUPF  {compos.)  —  GUGELMÖNCH 


GUGELMÜTZE  -  GUGLER 


1052 


schnitten  erhöhet  aufstreichen  Hohbbrg  georgica  curiosa 
3(1715)  5^;  welches  kind  wird  seinen  gugelhopf  aus  schnee 
mit  ziegelsteinmehl  gebräunet  in  dem  bratofen  backen 
wollen?  Jean  Paul  38,12^.;  da  möcht  man  sich  in 
einen  gugelhopf  verwandeln!  1,  51;  montag  früh  tunkte 
ich  den  letzten  schönen  rest  des  guglupfs  meiner  lieben 
Julie  in  den  kaffee  Lenatj  an  E.  v.  Reinbeck  69;  sie  wur- 
den mit  kaffee  und  'goglopf  (guglhupf )  trätiert  M.  Meyr 
erzähl  aus  d.  Eies  1,  130;  den  köstlichen  gugelhopf en  ver- 
zehrte ich  sogleich  aus  dem  Stegreif  K.  Gebok  ein  lebens- 
bild  94;  und  endlich  stellte  sie  auf  einem  seitentischchen 
den  nachtisch  zurecht,  die  hüpli  und  offleten,  das  gleich- 
schwer und  die  pfaffenmümpfel  oder  den  gugelhupf 
G.  Keller  6,  305;  schaff  uns  etwas  krausgebackenes  oder 
einen  napfkuchen  oder,  um  auch  in  Ölsau  gut  wienerisch 
zu  bleiben,  einem  gugelhupf  Fontane  I  4,  37.  vgl.  aha, 
bei  dem  hat  der  gugelhopf  auch  nicht  weiter  gereicht 
d.  h.  dem  ists  ergangen  wie  dem  Peter  in  der  fremde 
BiRLiNGER  schwäb.-aiigsb.  wb.  206a'.  dazu  gugelhopf- 
becken,  form  zum  backen  des  gugelhopf s  Nicolai  österr. 
id.  95;  -blech  blechform  zum  backen  Fischer  schwäb.  3, 
736;  -modeil  Hikmann  wiener,  bewährtes  kochb.  454; 
Fischer  schwäb.  wb.  3,  736;  -stück:  eine  aushelfende 
küchenmagd,  welche  auf  einer  groszen  schüssel  aufge- 
thürmte  gugelhupf  stücke  trägt  Nestroy  2,  250;  -tanz, 
tanz  bei  hochzeiten,  bei  dem  die  kränzet  jung  fern  mit  bren- 
nenden kerzen  besteckte  gugelhupf e  auf  dem  köpfe  befestigen 
und  so  lange  damit  herumtanzen,  bis  die  kerzen  herab- 
gebrannt sind  Unger-Khull  313''. 

GUGELHUT,  m.,  kapuzenhut,  mitra  Lexer  l,  lll4; 
Bentz  thes.  (1596)  129;  Statjb-Tobler  2,  1786;  Fischer 
schwäb.  3,  907:  und  satzten  ein  creutzgang  allweg  für- 
hin  uf  s.  Lucastag  in  ewig  zeit,  barfusz  in  grawen  mentlen 
und  gügelhüten  und  mit  prennenden  kertzen  zu  halten 
S.Franck  Oerm.  chron.  (1532)  224'>;  dieses  fiele  jetzt  einem 
tänzer  schwer,  der  . . .  mantel,  rock  und  gugelhut  (kapuze) 
vom  halse  schüttele  Böhme  gesch.  d.  tanzes  (1886)  34; 

sie  brachen  in  das  Elsasz  ein 
mit  Schwert  und  eisenstecken. 
in  lederwams  und  gugelhut 

LiENHAKD  gedickte  (1906)  62. 

GUGELIEREN,  vb.,  schwelgen:  dann  das  ander  jar 
war  ein  solch  gugelieren  bei  dem  guten  most  J.  Herolt 
chron.  185  Kolb. 

GUGELKAPPE,  /.,  kapuze,  saga  cucullus  gugelkapp 
rRisiusll74a;6ardocwcM?ZM5EMMELiuswomewcZ.(1592)335; 
Staub-Tobler  3,  389;  FiscHER  schwäb.  3,  907:  eine  härige 
hülse,  wie  eine  gugelkappe  anzusehen  J.MuRÄLT(l715)«ac/t 
Staxtb-Tobler  8,  389;  die  gugelkappen  ihrer  schwarzen 
mäntel  hatten  sie  bis  über  die  stirn  gezogen,  und  so  that 
es  das  ganze  trauergefolge  L.  Hesekiel  nürnb.  tand  2, 
282;  vier  .  .  .  henkersknechte  mit  schwarzen  gugelkappen 
.  .  .  bändigen  und  halten  mit  aller  anstrengung  den  .  .  . 
hengst  Liliencron  4,  212;  seine  braune  guggelkappe  .  .  . 
war  ihm  von  dem  kurzen  schwarzhaar  abgeglitten  Storm 
6,  257.  als  bezeichnung  für  mönch:  heiszt  nicht  Plautus 
(welchen  einmal  ein  gugelkapp  für  Paulus  las)  sich  vor 
den  .  .  .  tagkritlern  vnnd  tischpropheten  hüten  Fischabt 
Qargantua  253  ndr.;  —  gugelkopf ,  m.,  Calendula  offici- 
nalis  gugelkopf  Pritzel  -  Jessen  72;  binsaugnesseln, 
hummelsköl,  mönchspfeffer,  gugelkopf,  minbrüdermüntz 
Fischart  binenkorb  (1588)  a  2.  —  gugelmann,  m., 
mönch:  den  Avicennam  und  den  gugelmann  Galenum 
Paracelsus  (1616)  op.  1,  242  B;  die  gugelmänner  erfreuen 
sich  aber  der  weitern  auszeichnung,  dasz  sie  die  geheim- 
nisse  (bei  der  procession)  tragen  dürfen  Steub  drei  sommer 
in  Tirol  1,  105;  die  gugelmänner  schleppen  leichen, 
kranke  Liliencron  9,  60.  —  gugelmäuslein,  n.,  cu- 
cullaris  musculus,  das  guckelmäuszlein,  ist  das  erste  des 
schulterblats,  wird  von  der  figur,  weil  es  gleichsam  eine 
kutte  präsentiret,  so  genannt  J.  J.  Woyt  thesaurus  (1696) 
136,  vgl.  Statjb-Tobler  4,  477.  —  gugelmönch,  m., 
{kapuzen-)mönch:  dasz  jederman  sehe,  wie  falsch  unsere 
gugelmönche  zu  ihres  ordens-  Verteidigung  der  ersten 


kirchenexempel  anziehen  Calvin  christl.  relig.  2,  156.  — 
gugelmütze,  /.,  kapuzenmütze:  am  meisten  sind  es 
fiaker,  erkennbar  durch  ihre  roten  mäntel  und  roten 
gugelmützen,  die  ihr  offenes  kabriolett  famos  zu  lenken 
wissen  C.  v.  Przibram  erinnerungen  (1912)  2,  31. 

GUGELN,  vb.,  um  sich  schlagen:  mit  den  geberden,  mit 
dem  rauhen  scharren,  poltern,  drowen,  sawr  sehen,  mit 
bänden  und  füszen  guglen  und  zittern  vor  zorn  C.  Httbe- 
EiNUS  viertzig  predig  (1567)  Gl*,  wohl  dasselbe  wort,  das 
heute  noch  als  gügeln  im  schwäbischen  gebräuchlich  ist,  be- 
sonders in  der  Verbindung  das  herz  gügelet  mir  hüpft  vor 
freude;  unklar  ist  der  einmal  belegte  reflexive  gebrauch: 

also  (wie  beim  turmbau  zu  Babel)  tuend  vll  der  layen  hie, 
die  gügeln  sich  gar  hoch  enbor 
und  wissend  nit  die  rechte  spor 

Herman  V.  Sachsknheim  mörin  4378  Martin; 

das  wort  begegnet  auch  in  den  nachbarmundarten :  gügelen 
vor  zorn  zittern  Staub-Tobler  2,  159;  gügeln  schaukeln 
Halter  Hagenau  155;  als  gugen  schwanken,  schaukeln 
Seiler  Basel  153;  Martin-Lienhart  l,  204. 

GUGELNARR,  m.,  (gaukel)narr :  nun  schmeckt,  wer 
ich  sei,  ihr  gugelnarren!  Paracelsus  op.  (1616)  l,  148 
Huser;  Fischer  schwäb.  3,  908.  —  gugeltuch,7i..- Jung- 
hennen, des  buwes  knecht,  sin  kogelnduche  geben  (1449) 
Bücher  Frankf.  beruf swb.  37*;  dan  sol  er  dem  ambtman 
ain  rock  und  gugltuech  gebn,  ain  ein  für  33  pfennig  österr. 
weist.  8,  1042,  17.  —  gugelzipf  el,  m.,  zipfel  einer  kapuze, 
kapuze,  capucipendium  Diefenbach  gl.  99^;  leripipium 
324C;  retropendium  496"^;  relipendium  491*;  nov.  gl.  316*: 
diser  gugelzipfel  beschwärt  euch  nur  beide  achselen  Fi- 
schart Qargantua  382  ndr.;  und  sag  das  ain  man  dem 
andern,  das  niemant  in  gugl  oder  guglzipfl  verpunten 
mit  Waffen  oder  haken  auf  der  gassen  gen  sol  copeibuch 
der  stat  Wien  (1454-64)  176;  welcher  mit  dem  honig 
schneiden  vmgehet,  . . .  zihe  eine  kappen  oder  ein  gugel- 
zippel  an  S'ebiz  f eidbau  305,  vgl.  kugelzipfel  teil  5,  2546; 
kogelzipfel  teil  5,  1578  und  gugelzipf  bei  Lexer  l,  1114. 

GÜGER,  m.,  goldfink,  dompfaff,  s.  Staub-Tobler 
Schweiz.  2,  196;  loxia  pyrrhula  Nemnich  wb.  der  nxiturg. 
215;  pyrrhula  vulgaris  Naumann  vögel  4,  383;  güger  heiszt 
er  von  seines  gesangs  wegen,  blutfink  von  seiner  färb, 
thumbpfaff  und  pfäflin,  dasz  er  ein  münchkappen  an 
seinem  hals  trägt  Heuszlin  Qeszners  vogelb.  21^;  den 
güger  nennend  auch  etlich  zu  teütsch  goldfinck,  lobfinck, 
blutfinck  53b. 

GUGLE,  n.  ( ?),  Johanniskäferweibchen  lampyris  Nem- 
nich wb.  der  naturgesch.  215,  dem.  zu  guge,  s.  d.;  in  der 
Schweiz  güeg,  güegli,  hier  auch  der  Johanniskäfer  Staub- 
Tobler  2,  160:  in  manchen  gegenden  Deutschlands 
leuchtet  .  .  .  nur  das  als  gugle  bezeichnete  weibchen  {des 
Johanniskäfers)  Brehm  tierleben  9,  115P.-Z. 

GUGLER,  m.: 

1)  eine  art  bunter  leinwand,  gewöhnlich  in  der  form 
gugler,  doch  auch  als  kugler,  s.  teil  5,  2546,  guguler,  gogeler, 
gygeler  u.  a.,  s.  Diefenbach  gloss.  239*  s.  v.  fl.avilinum; 
nd.  kogeler  Schiller-Lübben  2,  513:  vom  barchant  und 
schedter  jedem  stück  ain  pfenning  und  vom  gugler  und 
zwilchlen  jedem  stück  ain  haller  städtechron.  34,  229  anm.; 
ain  gugler  1  häller  und  ein  schetter  l  ^  ebda  23,  446;  und 
desgleichen  welche  geste  herbringen  zu  verkauften  lein- 
wat,  geferbt  oder  ungeferbt,  schetter,  goitschen,  gugler 
. . .  Nürnb.  polizeiordn.  129  lit.  ver.;  weitere  frühnhd.  belege 
mhd.  wb.  1,  585;  Lexer  1,  1113;  Diefenbach  gl.  239*; 
vgl.  auch  Fischer  schwäb.  3,  908;  Schmeller-Fr.  1,  881; 
Staub-Tobler  2,  158. 

2)  vereinzelt  bezeichnung  für  mönch,  also  gugelmann  ent- 
sprechend: das  beten  vermöge  niemant  dann  die  grawen 
gugler  Eberlin  v.  Günzburg  2,  19  ndr. 

3)  bezeichnung  englisch-französischer  truppen  nach  ihrer 
kopfbedeckung,  s.  Staub-Tobler  2,  158:  da  kamen  aber- 
mals in  das  Elsas  über  die  Zaberer  steig  ein  volck,  die 
nante  man  auch  die  Engelländer  und  gugeler  B.  Hertzog 
chron.  Älsatiae  (1592)  2,  64. 


1053 


GUHR-GÜLDE 


GULDEN 


1054 


GUHR,  gühr, /.,  pl.  guhren,  gärung.  verbalahstract.  zu 
gären,  s.  d.  da  im  ahd.  und  mhd.  unbelegt,  ist  die  grund- 
form  nicht  sicher  anzusetzen,  rhein.  gur,  gür  (rhein.  wb.  2, 
1497),  mnd.  göre,  göre  gärung  und  der  sich  dabei  ent- 
wickelnde starke  geruch,  mnl.  göre,  göre,  m.  u.  f.,  geru^h, 
nl.  geur  gehen  auf  *guri-  zurück,  vgl.  weiter  ahd.  gor  pmus, 
ags.  gor,  n.,  kot,  dünger,  an.  gor,  n.,  der  halbverdaute 
mageninhalt,  mrü.  goor  schmutzig,  kotig,  faul,  göre,  goor 
schlämm,  kot,fäulnis.  schweizerisch  gur  frischer  kot  Staub- 
ToBLER  2,  409;  Walde-Pokorny  1,  688;  FiCK  33,  128/. 

1)  der  gärungsvorgang  oder  der  zustand  eines  alkoholischen 
getränkes  in  der  gährung:  dieser  weinkrancke  habe  des 
mosts  zuviel  gekostet,  dasz  ihm  die  gühr  des  trüben  weins 
in  den  köpf  gestiegen  Harsdörffer  gesprächsp.  2,  100; 

doch  ein  gelehrtes  werk  stralt,  wenn  der  neid  verschwunden, 
wie  aufgeklärter  wein  nach  überstandner  guhr 

neuer  büchersaal  3,  65; 

das  hier  steht  in  der  guhr  Jacobsson  technol.  wb.  2,  171»; 
dem  hier  eine  gute  guhr  geben  e^  gut  ausgären  lassen 
Adelung  2,  840.  rheinisch  bedeutet  guhr  au^h  die  würze, 
den  geschmack  des  weines  und  weiterhin  den  fleischsaft  und 
seinen  geruch. 

2)  eine  breiige,  erdige  flüssigkeit,  bis  in  die  gegenwart 
fachausdruck  der  bergmannssprache:  in  alten  zechen  und 
verfamem  felde  richten  sich  bergverständige  leute  nach 
der  ghur,  so  aus  den  Strassen  (s.  ''strosse)  giert  und  treuft 
und  sihet  wie  buttermilch,  welche  oftmals  von  ertz  her- 
sintert und  eine  maute  ertz  verkundschaft  Mathesiüs 
Sarepta  (1578)  37'';  wie  aber  erd  oder  asche  und  das  fette 
und  efere  (acerbvs)  wasser  zu  einer  guhr  vermenget  und 
temperirt  werde,  das  weisz  gott  allein  30*';  wenn  nun  ein 
guhr  oder  schweblicht  und  quecksilbricht  materien  zu- 
sammentreuft  oder  fleuszet  ders.  ausgew.  w.  4,  199  Lösche; 
und  sihet,  dasz  ein  weisze  guhr  oder  molckenfarb  wasser, 
wie  ihr  bergleut  redet,  erstlich  auf  den  Stempel  gesiegen 
oder  gesieffert  P.  Albinüs  meiszn.  bergchron.  (1590)  60; 
wann  nemlich  erde  und  wasser  in  einander  vermenget, 
dasz  eine  guhr  und  schweflichter  und  quecksilberrichter 
same  draus  wird  Prätorius  wünschdruthen  (1667)  200; 
guhr  ist  eine  flüszige  materie,  so  ausz  den  Strossen  gieret 
und  treuft  G.  Junghans  auszgeklaubte  gräublein  ertz 
(1680)  c  3'';  zudem  giebts  auch  der  augenschein,  wenn 
man  in  manchen  bergwercken  gewonnen  ertz  auf  einer 
strecken  oder  fellort  eine  Zeitlang  liegen  last,  dasz  etwan 
aus  einer  kluft  eine  guhr  oder  steinmarck  darein  treuft 
V.  Rohr  hauszhaltungsbibl.  (1716)  405;  {raseneisenstein 
kommt  vor)  theils  im  zustande  eines  Schlammes  oder 
einer  sogenannten  guhr  Oken  allg.  naturgesch.  l,  363; 
insbesondre  die  mehlartige  kieselguhr:  wird  graue  kiesel- 
guhr  verwendet,  oder  selbst  weisze  guhr  in  flammenöfen 
gebrannt,  so  bleiben  kohlenpartikelchen  in  derselben,  und 
das  dynamit  erhält  dadurch  eine  schmutzigbraune  färbe 
Muspratt  cÄemie  (1900)  7,  906.  dazu  guhrgattung,  f.: 
um  nun  die  färbe  bei  allen  Zufälligkeiten  des  glühens  der 
guhr  und  für  die  verschiedenen  guhrgattungen  gleich- 
mäszig  zu  haben,  ist  es  . . .  üblich,  dem  dynamite  . . .  ocker 
zuzusetzen  Muspratt  chemie  7,906.  —  guhrweise,  adv.: 
bergkork  {unreinere  varietät  des  asbests),  welcher  guhr- 
weise zu  entstehen  scheint  und  nach  feuchter  Witterung 
in  den  klüften  .  .  .  gefunden  wird  Göthe  II  9,  62  W.  — 
gührig,  adj.,  1)  guhren  absetzend  Veith  bergwb.  256:  gürig 
gebirge  B.  Rössler  spec.  metall.  (1700)  58^*;  dergleichen 
umstände  kommen  auch  bei  gührigem  gebürge  vor  bericht 
vom  bergbau  (1769)  86.  2)  bei  den  eisenarbeitern  von  dem 
Stahle  üblich  und  so  viel  als  spröde  Adelung  2  (1775)  840. 

GÜLDCHEN,  n.,  deminutiv  zu  gülden,  m.;  nur  als 
plural  belegt: 

da  must  der  arme  Jäckel  bückn, 

un  wühl  hunnert  güldchen  rausz  dückn 

Mart.  Binckhart  Müntzer.  bawrenkrieg  (1625)  G  2». 

^GÜLDE,/.,  goldfarbene  reife:  de  weize  schneid  in  der 
gülde  ...  de  roggen  in  der  weiszreife  Fischer  schwäb.  6, 
2078,  vgl.  güln,  vb.,  goldgelb  leuchten,  vom  reifen  körn 
Bacher  Lusern  264. 

2 GÜLDE,  s.  gilde  und  gülte. 


GULDEN,  m. 

form. 

das  aus  dem  adj.  guldin,  s.  golden,  vgl.  au^h  poln.  zl^oty, 
verselbständigte  nomen  bleibt  in  der  reget  unflectiert,  s.  die 
belege  unter  1.  obd.  sind  daneben  hier  und  da  adjectivische 
pluralformen  belegt:  gen.  pl.  guldiner,  guldeinr  (1355)  mo- 
num.  Hohenbergica  471;  (1359)  geschichtsfreund  2,  179/.; 
(1374)  monumenta  Zollerana  4,  301;  (1378)  bei  C.  Ferd. 
Jung  miscellanea^nz^)  4, 41  {vgl.  auch  unten  guldener,  m.) ; 
vereinzelt  die  schwache  form  der  selben  guldinen  quit, 
ledig  ind  lose  (1356)  monum.  Hohenbergica  474;  zwei- 
deutig ist  der  dat.  pl.  auf  -en:  an  den  guideinen  ebda  395; 
vgl.  noch  462,  772  u.  ö.  {aus  den  j.  1346-1397);  mit  guldinen 
{bezahlen)  (1351)  Zürcher  stadtbücher  1, 179;  gen  den 
dreizzigtausent  guideinen  (1375)  mon.  Zollerana  4,  330.  nd. 
ist  die  Verbindung  mit  penning  'mttreze'  lebendiger  geblieben 
und  flexion  häufiger  belegt,  für  den  gen.  pl.  fehlen  hier  die 
formen  auf  -er:  van  der  güldenen  wegen  (1336)  quell,  z. 
gesch.  d.  st.  Köln  4,  235;  der  betzalingen  der  .  .  .  tzien- 
dusent  güldenen  content  (1385)  5,450  {neben  güldene); 
der  hundert  güldenen  ( 1393)  6,  157.  der  mehrdeutige  dat.  pl. 
z.  b.  myt  ungerschen  ghuldenen  (1451)  chron.  d.  d.  städte  30 
{Lübeck)  122.  ferner  findet  sich  güldenen /wr  den  acc.  pl.: 
dy  vurschreven  hundert  güldenen  {bezahlen)  (1393)  qu.  z. 
gesch.  d.  st.  Köln  6,  157;  güldene  sowohl  für  den  nom.  und 
acc.  pl.,  z.  b.  (1372,  1386)  bei  Jesse  quellenb.  z.  münzgesch. 
167/J'.,  als  für  den  gen.  pl.,  z,  b.  (1374, 1385)  qu.  z.  gesch.  d. 
st.  Köln  5,  62;  450/.,  auch  für  den  nom.  sg.  Diefenbach 
nov.  gl.  142"'.  ein  starker  gen.  sg.  des  subst.  gülden  ist 
zuerst  im  16.  jh.  nachweisbar:  guldens  Luther  34,  l, 
186  W.;  güldens  Ruoff  hebammenb.  (1580)  48;  neben  gül- 
den bei  Wehner  observationum  liber  (1624)  251*^;  246*'. 
neben  dem  regdmäszigen  nom.  sg.  gülden,  gülden  ist  vom 
15.  bis  17.  jh.  die  teils  dialektische,  teils  analogische  form 
gulde  oder  gülde  ziemlich  häufig,  z.  b.  (1444)  bei  Jesse 
a.a.O.  115;  (1454)  chron.  d.  d.  städte  36,322  {Lüneburg); 
Diefenbach  361";  381";  Luther  15,  3i2  u.  ö.  W.;  Al- 
BERUs  nov.dict.  (1540)  86'"'  (ein  güld);  Wehner  a.a.o. 
246''  {neben  gülden);  Orsäus  nomenclator  (1623)  147. 

umgelautete  oder  aus  dem  umlaut  entwickelte  formen  sind 
aus  mundarten  von  Ostprevszen  bis  ins  Elsasz  belegt,  z.  b. 
gille  Frischbier  preusz.  233'';  gülden,  güllen  Dähnert 
pomm.  164;  giln  Hentrich  Eichsfeld.  102;  gülle,  güllen 
Schambach  Oötting.  70'';  gülen  Bauer-Collitz  waldeck. 
42*;  güllen  Woeste-Nörr.  westfäl.  87'';  drai  gilla  Sar- 
TORius  Würzburg  212;  gille  Autenrieth  pfälz.  54;  Schön 
Saarbrücken  83  *;  gülde,  kilte  Martin-Lienhart  elsäss. 
1,  213''.  bis  ins  15.  jh.  ist  der  umlaut  nur  sporadisch  be- 
zeichnet, z.  b.  (1349)  pfälz.  urk.  in  zschr.f.  gesch.  d.  Oberrh. 
3,  315;  (1400)  handelsrechn.  d.  d.  ord.  105, 136;  (1467)  chron. 
d.  d.  Städte  {Straszburg)  9,  1006;  (1495)  Wortnser  reichstags- 
abschied  bei  Joh.  Chr.  Hirsch  teutsch.  reichs  münzarch. 
(1756)  1,  168;  dann  regelmäsziger,  vgl.  etwa  Kirchhof 
wendunmuth  i,  234;  2,  54  Österley;  Wehner  a.  a.  o.  245^.; 
Schupp  (1663)  26, 68,  lOO;  P.  Gerhardt  bei  Fischer-Tüm- 
pel 3,  407 a  u.  ö.;  Gryphius  lustsp.  95  Palm;  J.  L.  Frisch 
d.-lat.  1382;  bei  Luther,  H.  Sachs,  Fischart  herrscht 
schwanken  {vgl.  dazu  Molz  nhd.  Substantiv flex.  in  P.-B. 
beitr.  27,  267).  seit  Gottsched  etwa  wird  die  umgelautete 
form  unliterarisch  zugunsten  der  heutigen  schriftsprach- 
lichen, nicht  umgelauteten,  die  in  der  südd.  literatur  bewahrt 
geblieben  war,  z.  b.  bei  Jac.  Frey  gartenges.  39,  179  Bolte; 
Schweinichen  110;  163  u.  ö.  Österley;  Guarinonius 
greuel  (1610)  17;  S.  v.  Birken  verm.  Donaustrand  (1684) 
132,  und  bis  heute  in  den  obd.  mundarten,  s.  Schmeller-Fr. 
1,  896;  Fischer  schwäb.  3,  9ii;  Staub-Tobler  2,  227,  so- 
wie in  hannoverschen  und  angrenzenden  maa.  gilt,  s.  z.  b. 
Flemes  Kaienberg  nachtr.  11;  Damköhler  Nordharz  66»; 
Frederking  Hahlen  12*'.  die  umlautlose  münzbezeichnung 
blieb  fortan,  auszer  etwa  noch  bei  Herder:  wie  der  Talmud 
schreibt:  wer  hundert  gülden  im  handel  hat  24,  74  Su- 
phan,  vom  umgelauteten  adj.  gülden,  s.  golden,  getrennt, 
wie  teilweise  schon  vorher,  z.  b.  (1444)  sächs.  münzordn.  bei 
Jesse  a.a.o.  \i\§.;  Dasypodius  dict.  lat.-germ.  (1536) 


1055 


GULDEN  1 


GULDEN  1 


1056 


340''.  functionelle  Scheidung  der  form  gülden  als  singular 
vom  plural  gülden  s.  Fischer  schwäb.  3,  9il.  über  einen 
Sachunterschied  zwischen  gülden  und  gülden  s.  unten  2.  — 
u  erscheint  zu  o  geöffnet  in  goldin,  golden,  z.  b.  pfabrer 
z.  D.  Hechte  schachbv^h  (um  1355)  in  zschr.f.  d.  alt.  17, 
305;  Marienburger  treszlerb.  4;  519  Joachim;  handelsrechn. 
d.  d.  ord.  208,  304,  497^.  Sattler,  golden  {plur.)  nur  belegt 
bei  LoQATJ  463  Eitner.  —  labialisierung  des  endconsonanten 
findet  sich  in  guldem  {plur.)  mon.  Hohenberg.  810;  823;  838 
{a.  d.  Jahren  1401  bis  1410). 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  ursprünglich  eine  goldmünze,  bezw.  der  ihr  entspre- 
chende geldwert. 

die  Substantivierung  des  altrib.  adject.  guldin  bei  münz- 
bezeichnungen  wie  pfennig,  florin  u.  a.  ist  etwa  um  1300 
eingetreten;  gelegentlich  läszt  sie  sich  noch  im  entstehen 
beobachten: 

der  (zoll)  glltet  vlerzec  tusent  guldin 
bysantzer  der  Sarrazin 

JOH.  VON  WÜKZBTTEG  V.  6193  Regel; 

neben 

daz  im  iegliclier  sendet  dar 

tusent  guldin  für  bar 

haidnischer  bysanzer  v.  6168; 

die  zal  der  gült  (zw  Baldach)  sag  ich  auch: 

der  ist  drizzec  tusent  guldin  i'.  6213; 

SO  steht  auch  der  früheste  beleg  {um  1280): 

sehzec  tusent  guldin  sie  versliezen  hiez 

Lohengrin  v.  3852  Rückert 


neben 

guldiner  phenninc  tusent  pfunt  ebda  v.  6511. 

als  Ursache  für  die  allgemeine  Verbreitung  dieser  sprach- 
lichen Verkürzung  kommt  kaum  das  mlat.  aureus  {sc.  de- 
narius,  i.  florenus),  s.  Diefenbach  gloss.  61»,  in  betracht, 
sondern  vor  allem  der  eroberungszug  des  goldfiorens,  s.  unter 
a,  der  ersten  goldmünze  von  europäischer  bedeutung. 

&)für  den  goldfloren,  mlat.  florenus  {vgl.  die  durchgängige 
abkürzung  fl.  für  gülden),  dessen  urbild,  zuerst  1252  von 
Florenz  ausgeprägt,  seit  1300  etwa  über  die  Alpen  drang, 
seit  spätestens  1340   wurde  er  auch    in  Deutschland  ge- 
prägt,  gegen  ende  des  Jahrhunderts  hatten  diese  deutschen 
-münzen  die  Florentiner  verdrängt,  vgl.  v.  Schrötter  wb. 
d.  münzkde  228''.   die  belege  sind  nur  eindeutig,  sofern  sie 
nähere  angaben,  s.  e  a,  ß,  y,  enthalten,  z.  b.  mit  guten  und 
gewegen  guldin  Florentzer  müntze  {bezalt)  (1349)  urkb.  d. 
bisch,  z.  Speyer  2,  24  Remling;  jedoch  dürfen  die  frühen, 
auch  ohne  solche  angaben,  auf  die  florene  gedeutet  werden, 
für  die  es  neben  dem  seltnen  florin,  vgl.  e  ß,  keinen  andern 
namen  als  gülden  gab:  {ein  goldschmied  und  sein  weib 
bekennen,)  daz  sie  hetten  verkaufft  alle  ire  recht  ...  an 
6  hubin  landes  .  .  .  dem  convente  des  huses  zu  Sassinhusen 
.  .  .  umb  20  gülden  (1300.?)  hess.  urk.  1,  299  Baur;  enen 
güldenen  vur  ene  marc  {Köln  1326)  altes  rathsbuch  in 
zschr.  f.  gesch.  d.   Oberrh.   11,  391;  umb  siben  hundert 
march  silber  und  um  zwainzich  march,  ie  vir  guidein  für 
ain  march  (1340)  notizenbl.  z.  arch.  f.  kde  österr.  gesch. -qu. 
9,  135;  insbesondere  gehören  die  belege  hierher,  in  denen 
gülden  als  fester  begriff  unbestimmtem  gold,  d.  i.  anders- 
artigen goldmünzen  gegenübersteht:  gold  und  guldin,  tur- 
ney  etc.  (1335)  Zürcher  stadtbücher  1,  69  Zeller-W.;  vort 
so  sal  man  alle  andere  goilt,  dat  wichtich  ind  gut  is, 
nemen  na  syme  werde,  darop  dat  dat  goilt  na  gebuere 
ind  na  werde  der  gülden  nu  gesät  is  (1372)  ndrhein.  urkb. 
3,  613   Lacomblet;  deutlich  auf  die  deutschen  prägungen 
gehen:  vort  solen  wir  {d.  erzbisch,  v.  Trier  u.  Köln)  doen 
slain  sware  güldene,  as  gut  as  man  sy  hude  zu  daghe  zu 
Duytze  sleit  (1372)  etda;  ein  iecliche  herre  von  uns  sal 
in  sinen  münzen  tun  slan  güldene,  die  halden  sidlent 
driu  und  zwenzig  krait.  unde  der  güldene  suUen  gen  ses 
unde  seszig  uf  ein  mark  gewegen  (1386)  rhein.  münzverein 
bei  Jesse  qu.-b.  z.  münz-  u.  geldgesch.  170;  als  gattungs- 
begriff  die  fülle  der  Spielarten  einschlieszend:  item  97  gül- 
den .  .  .  ungerische,  rynisch,  ducaten,  gellirsche  under  en 
ander  (1404)  Marienb.  treszlerb.  281  Joachim;  dasz  alle 
gülden  mit  dem  gewicht  genomen  würden  (1495)  Joh. 
Chr.  Hirsch  münzarch.  (1756)  l,  168. 


h)für  goldmünzen  andrer  art,  s.  o.  bysantzer,  vgl.  lea,ß; 
später  wohl  in  übertragenem  gebrauch;  für  den  ähnlichen 
ducaten  {vgl.  e  d):  von  eim  gülden  .  .  .  ein  ducatus  ge- 
heissin  (1404)  bei  P.  Joseph  goldmünzen  126;  ducate,  eyn 
güldene  van  der  stad  to  Venedic  Diefenbach  nov.  gl. 
142*;  vgl.  das  compositum  ducatengulden  (1444)  Jesse 
o.  o.  o.  113  und  (1481)  numismat.  zschr.  41, 157;  selten  für 
artverschiedene  ausländische  goldmünzen:  und  nament  den 
aht  pilgerin,  der  warent  .  . .  vier  von  Engeliant,  siben 
hundert  bar  guldin;  der  warent  achzig  nobol  (1388)  urkb. 
Freiburg  i.  B.  2,  72  Schreiber;  vgl.  nobulus  ein  guidein 
Diefenbach  381  C;  das  compositum  nobelgulden  s.  ebda; 
einen  guldin,  den  man  nemmet  schiltfranken  (1416) 
Zürch.  stadtb.  2,  54. 

c)  für  gülden  nicht  näher  bestimmter  art,  bezw.  für  gold- 
münzen überhaupt,  vor  allem  im  liter.  gebrauch: 

viertzig  guldin  er  ir  gab 

Heink.  V.  Neustadt  Apoll,  v.  15725  u.  ö.  Singer; 

guidein  chöph  (humpen)  und  silbrein  schal, 
dar  in  vil  guidein  tzu  dem  mal 

SUOHENWIET  4,  V.  500  Primisser; 

als  ob  ain  mensch  wölt  geen  zu  dem  babst  und  im  brin- 
gen ainen  guldin,  und  der  .  .  .  gab  im  hundert  tausent 
pfundt  goldes  wider  Tauler  pred.  100  Vetter;  da  nam 
Georius  einen  guldin  und  sprach:  den  guldyn  opfer  ich 
der  sunnen  got  summerteil  der  heyl.  leben  (1472)  12*>;  über 
das  alles  haben  wir  etlich  tausent  guldin  ...  in  unserm 
closter  vergraben  Schade  satiren  3,  216;  mit  dem  16.  jh. 
vArd  gülden  in  der  bedeutung  'goldmünze''  durch  goldgulden 
{s.  d.)  ersetzt;  vgl.  i.  f.  g.  hatten  auch  .  . .  1000  goldgulden 
bekommen  . .  .  die  lOOO  gülden  {bei  einem  aufenthalt)  ver- 
zehrt wurden  H.  V.  Schweinichen  denkw.  163  Österley. 
in  Übersetzungen  an  stelle  von  'aureus^  oder  fremden  münz- 
werten: do  er  {Naaman) .  .  .  mit  im  hett  genomen  10  talent 
des  Silbers  und  6  tausent  guidein  (aureos  vulg.;  gülden 
Luther)  erste  d.  bibel  5,  366  (4.  kön.  5,  5);  gaben  . . .  zum 
schätz  ans  werk  ein  und  sechzig  tausent  gülden  {auri 
solidos)  Esra  2,  69 ;  namen  f ünff  und  dreissig  tausent  gül- 
den {septuiLginta  milibus  didrachmis  acceptis)  von  inen 
2.  Macc.  10,  20;  zwenzig  gülden  becher,  die  hatten  tausent 
gülden (gtti  habebant  solidos  millenos) Esra &,2T ;  auch  2,69. 

d)  mit  dem  aufkommen  der  guldenrechnung  im  kleinver- 
kehr, vgl.  ort  I  4  und  ortsgulden,  schied  man  den  gülden 
an  golde  vom  gülden  an  gelde  {silbergeld)  oder  an  werunge 
u.ähnl.:  1  gülden  an  golde  (1444)  sächs.  münzordn.  bei 
Jesse  a.a.o.  114;  wa  einer  ein  gülden  an  gold  soll 
{schuldet)  (1490)  bei  Staub-Tobler  2,  228;  dat  gy  my 
sanden  anderen  halven  gülden,  1  an  golde,  ^/a  an  gelde 
(1458)  Germania  10,  390;  vierzig  guldin  an  golde  und 
44  //  13  seh.  an  werunge  (1380)  Frankfurter  urkde  bei 
Lexer  3,  797;  {einem  boten  vnrd  u.  a.  geraubt)  gereide  gelt 
alz  elff  gülden  an  golde  imde  an  Bemeschen  (1430)  bei 
Steinhausen  privatbr.  l,  29;  auch:  tusent  guter  rynischer 
guldin  an  golde  (1438)  urkb.  v.  Freiberg  i.  S.  2,  83;  60  guter 
rinischer  guldin  in  gold  (1398)  bei  Fischer  schwäb.  3,  909; 
hierzu  noch  zimm.  chron.^  4, 185  B.  unter  1  e  e.  vgl.  auch 
geld  4  b  {teil  4,  l,  2,  2898),  Währung  {teil  13, 1011)  und 
goldgulden.  

e)  für  die  verschiedenen  guldenmünzen  finden  sich  be- 
sonders in  Urkunden  und  münzerlassen  mannigfache,  ört- 
lich verschiedene,  nähere  bestimmungen: 

a)  form,  gewicht  und  gediegenheit  hervorhebend;  specidl 
klein  im  14.  jh.  formelhaft  für  den  floren  {vgl.  florenus  par- 
vus,  z.  b.  (1313)  bei  Joh.  P.  Schunck  cod.  dipl.  [1797]  189), 
aus  dem  gegensatz  zu  gröszeren  französischen  u.  englischen 
münzen  zu  erklären  {vgl.  E.  Kruse  köln.  geldgesch.  43), 
vielleicht  auch  zw  doppelgidden(l37l/Mr  Trier  u.  Luxemb. 
belegt  bei  Jon,  Chr.  Hirsch  münzarch.  [1756]  l,  43):  {ein 
bürger  von  Köln  beschwört,)  dat  ime  dye  bürgere  van  Vene- 
dychen  genomen  hedden  he  vurmoyls  seys  inde  drissich 
cleinre  güldenen  in  irre  stat  (1336)  qu.  z.  gesch.  d.  st.  Köln 
4,  235  Ennen;  der  gegensatz  nur  einmal: 

daz  (pferd)  trug  ain  deck,  diu  was  wol  wert 
füml  tusent  grozzer  guldin 

Joh.  von  Würzbueg  v.  6447  Regel; 


1057 


GULDEN  1 


GÜLDEN  2 


1058 


öfter  zusammen  mit  schwer  für  die  vollgewichtigen  oder 
leicht /ttr  eine  {brabantiache?)  abart  {vgl.  E.  Kruse  a.  a.  o. 
43,  dazu  quell,  z.gesch.  d.st.  Köln{\Z%4t)  4,  482;  (1374)  5,61): 
{münzver.  Köln-Jülich-Aachen)  vort  so  sin  wir  .  .  .  oever- 
comen  van  deme  güldenen  gelde  .  .  .,  dat  .  .  .  eyn  cleyne 
gülden  van  Florencie  guyt  van  golde  ind  svair  van  deme 
avairen  gewichte  sal  gelden  zwei  ind  zwentzich  schillincge 
.  .  .  ind  eyn  cleyne  gülden  guyt  van  golde  ind  svair  van 
deme  lichten  gewichte  eyn  ind  zwentzich  schillincge  (1357) 
ndrhein.  urkb.  3,  481;  eychtzien  gülden  van  Florenzie 
gut  van  goilde  ind  van  lichten  gewichte  (1355)  quell,  z. 
gesch.  d.  st.  Köln  4,  411;  vunfdusent  swairre  guldenn  (1376) 
ebda  5,  187;  für  einen  guten  cleynen  sweren  guidein  (1374) 
bei  Heinr.  Günter  münzwes.  i.  Württemb.  49;  anders: 
guldin  der  gewicht  von  Florentz,  z.  b.  (1359)  monum, 
Hohenbergica  490;  gut  und  gäbe  u.  ä.:  zway  tuaent 
guldin  guter  und  geber  guldin,  gut  von  gold  und  swer 
von  gewichte  (1368)  monum.  Hohenberg.  559  u.  ö.;  zweinzig 
guldin  guoter  und  geber  (1402)  geschichtsfreund  8,  82;  vier- 
zehenhundert  guldin  guter  und  genemer  guldin  (1385) 
monum.  Hohenberg.  727.    vgl.  auch  unter  ß  und  &,  e. 

ß)  nach  dem  typus.  bair.-alem.  belege  zeigen  eingedeutsch- 
tes florin  {s.  Lexer  3,  413)  verdeutlichend  mit  gülden  zu- 
sammengestellt: fünffzig  guldin  guter  florin  (1342)  ulm. 
urkb.  2,1,230;  auch  401;  umb  ...  zehen  tousend  gui- 
dein guter  florin  (1352)  monum.  Hohenberg.  445  u.  ö.; 
auch:  für  sechtzig  tusent  guldin  florin  (1348)  qu.  z. 
bayer.  u.  dtsch.  gesch.  6,  404;  vereinzelt:  umb  zwaintzich 
guidein  guter  und  geber  florentin  (1350)  monum.  Boica 
10, 101  {von  ital.  fiorentino  beeinfiuszt?);  zwenzig  guldin 
guoter  und  genger  florener  (1383)  geschichtsfreund  8,  66 
u.  ö.;  drissig  guldin  guoter  und  wolgewegner  florentiner 
(1361)  ebda  8,  63;  acht  dusent  gülden  von  florentiner  (1363) 
monum.  Hohenberg.  521. 

y)  nach  der  herkunft:  von  Florenz  u.ähnl.:  eynen 
kleynen  gülden  van  Florenze,  de  wigich  is  imd  van  gudin 
golde  (1337)  ndrh.  urkb.  3,  253  u.  ö.  Lacomblet;  200  gülden 
van  Florentien  (1362)  qu.  z.  gesch.  d.  st.  Köln  4,  468;  ellip- 
tisch :  225  florentien  (1370)  ebda  4,  606 ;  meist,  vne  in  späterer 
zeit  auch  die  namen  unter  6,  e,  als  artbezeichnung  aufzu- 
fassen, s.  besonders  die  belege  zu  leicht  unter  a;  seit  ende 
des  14.  jh.  auszer  gebrauch;  später  z.  b.  ein  Florentzer  (1416, 
1425)  Zürch.  stadtb.  2,  55, 215;  andere  herkunftsbezeich- 
nungen,  z.  b.  Qenueser  {vgl.  vatik.  quell.  2,  einl.  51  K.  H. 
Schäfer),  vielfach  entstellt:  einen  jenever  g.  (1370)  Hirsch 
münzarch.  7,  17;  eynen  geneboesschen  g.  (1372)  ndrh. 
urkb.  3,  613;  Januars  güldene  (1386)  Jesse  170;  ein  ... 
jenuersch  (1409)  P,  Joseph  goldmünzen  130;  lübische  {vgl. 
Jesse  89):  einen  guden  schwären  lübschen  g.  (1370) 
Hirsch  7,  17; 

der  (kauftnann)  hett  gar  vil  duckat 
und  lübisch  gülden  auch 
Herm.  V.  Sachsenheim  sleigertäechlin  228  Holland  u.  Keller: 

ebenso:  beiersche  (1420)  Hirsch  7,  31;  gellerische  g.  (1399) 
Marienb.  treszlerbuch  34,  u.  andere;  die  päpstlichen  als 
kamerguldin  (1419)  Zürch.  stadtb.  2,  299  {vgl.  Vatikan, 
quell.  2,  einl.  58;  v.  Schbötter  293). 

d)  ungarischer  gülden,  seit  dem  14.  jh.  die  übliche  bez. 
für  die  seit  etwa  1325  nach  dem  vorbild  des  {dem  floren 
wertgleichen)  ducaten  Venedigs  in  Ungarn  geprägte  gold- 
münze  {vgl.  v.  Schrötter  a.  a.  o.  1673'),  die  vorunegend  in 
Süd-  und  Nordostdeutschland  verbreitet  war:  vierhundert 
guldin  ungerischer  und  beheimischer  (1372)  augsb.  urkb.  2, 
172.  Meyer;  vgl.  auch  bei  Fischer  schwäb.wb.  3,910; 
viertzig  guidein  guter,  genger  und  wolgebegen  ducatten 
oder  ungrisch  guidein  (1391)  monum.  Boica  19,  444;  60  un- 
gersch  golden,  hirundir  woren  15  ducaten  ende  1  Florentz 
golden  (1434)  handelsrechn.  d.  dtsch.  ordens  518  u.  ö.  Satt- 
ler; als  ungarsk  gylden  auch  in  Skandinavien  umlaufend 
und  bis  ins  19.  jh.  nachgeprägt,  s.  v.  Schrötter  167*^;  in 
Deutschland  bis  ins  17.  jh.  belegt:  die  gelahrte  rechnen 
ausz,  dasz  David  seinem  söhn  Salomon  .  . .  verlassen  hab 
. .  .  10000  ungarische  gülden  Schupp  schriften  (1663)  68; 
ungriache  gülden  soll  man  zweymahl  {doppelt)  zehlen 
Gryphius  lustap.  95  Palm. 

IV.  1.  6. 


e)  rheinischer  gülden /ür  die  zunächst  von  einzelnen,  seit 
1386  einheitlich  nach  münzvereinen  geschlagenen  goldflorene 
der  rheinischen  kurfürsten  {vgl.  v.  Schrötter  2293'),  die 
die  spezifisch  deutsche  goldmünze  vrurden.  aus  ihr  ent- 
standen zahlreiche  rechnungsgulden  {s.  2):  188  gvddin  un- 
gerscher  und  behemscher  und  162  guldin  rinscher  guter 
und  genämer  (1377)  monum.  Hohenberg.  625,  au^h  (1385) 
718  u.  ö.;  seyssindtzwentzich  hundert  rynscher  gülden 
(1391)  qu.  z.  gesch.  d.  st.  Köln  6,  14; 

(ich)  band  daz  lumpli  uf  und  nam  daz  gelt, 
do  han  ich  acht  rinsch  gülden  gelt  {goldstücke) 

Schauspiele  des  mittelalt.  2,  386  Mone;  vgl.  399. 

als  artbezeichnung  bis  ins  17.  jh.  für  die  von  nichtrheini- 
schen fürsten  nach  rhein.  muster  geprägten  {s.  Weilmeyr 
1,  223,  226,  275;  av^h  in  Dänemark,  s.  V.  Schrötter  230*), 
zuweilen  als  jninderwertig  verbotnen  goldmünzen:  reinisch 
gülden  sol  er  {der  münzmeister)  slahen  so  guet  als  .  .  . 
ertzherzog  Sigmundt  von  Osterreich  und  des  ertzbischof 
zu  Saltzburg  sein  (1510)  österr.  münzordn.  in  numism. 
zschr.  54,  1;  (er  gab)  ain  reinischen  gülden  in  gold  ,  . ., 
nemlich  ain  bayrischen  gülden,  doran  unser  frow  im  ge- 
preg  zimm.  chron.^  4,  185  Barack;  der  preceptor  sprach, 
er  hett  ain  verbottnen  rheinischen  guldin  ussgeben  ebda 
3,  163;  ob  an  reinischen  gülden  .  .  .  was  untüchtiges  ein- 
schleichen solte  (1618)  acta  publica  1,  21  Palm. 

C)  sonstige  Unterscheidungen:  sehr  häufig  rmch  dem  münz- 
herren,  z.b.  ein  gülden,  die  bischoff  Adolff  {v.  Mainz)  slug, 
die  man  nennit  Adolffsgulden  (1400)  P.  Joseph  goldm. 
214;  14  new  Arnoldus  golden  (1432)  handelsr.  d.  dtsch.  ord. 
512  {vgl.  V.  Schrötter  37'')  u.  ähnl.;  ferner  6  new  arnam- 
sche  golden  (1428)  handelsr.  d.  dtsch.  ord.  497;  hornsche  g. 
{vgl.  V.  Schrötter  275'»,  228*');  hierzu:  die  hoernichten  g. 
Luther  27,  397  W.;  rmch  dem  titel  im  gepräge:  bisc^ofs- 
gulden  (1430)  handelsr.  d.  dtsch.  ord.  505;  postulates  g. 
(1450)  chron.  d.  d.  städte  36,  272  {vgl.  v.  Schrötter  527^); 
schlieszlich  nicht  selten  nach  dem  geprägebild;  nach  dem 
reichsapfel:  apfelgulden  (1432)  P.  Joseph  goldmünzen  188; 
nach  dem  räderwappen:  redergulden  (1550)  Hirsch  l,  317; 
nach  dem  dargestellten  heiligen,  z.  b.  Stephansgulden,  s. 
Schmieder  hdwb.  d.  münzkde,  nachtr.  172;  elliptisch:  ein 
peter  (1386)  Jesse  170;  17  peters  (1434)  handelsr.  d.  dtsch. 
ord.  521;  s.  auch  peter  1. 

2)  ein  rechnungswert.  im  16.  und  17.  jh,  liefen  goldgulden 
nur  noch  selten  um.  gülden  bezeichnet  nun,  vielfach  auch 
schon  früher,  teilweise  sogar  bis  ins  19.  jh.,  einen  festen, 
von  der  bewertung  des  goldgulden^  herrührenden  rechen- 
wert in  landesüblichem  kleingeld,  für  den  es,  nachdem  der 
goldgulden  weiter  gestiegen,  kein  münzstück  gab  {s.  jedoch  3), 
vgl.  V.  Schrötter  229^,  P.  M.  Wehner  observationum 
select.liber  (1624)  247**:  (26)  guldin,  ie  zwenzig  plaphart 
für  ein  guldin;  dieselben  sechs  und  zwenzig  guldin  {sind 
auf  s.  Hilarien  zahlbar)  (1405)  geschichtsfreund  8,  85;  umb 
2206  guldin,  ie  fünffzechen  batzen  oder  sechzigk  crützer 
für  den  guldin  gemeiner  lantzwerung  gereidt  (1543) 
monum.  Hohenberg.  914;  neunthalben  goldgülden  .  .  .  thut 
zu  60  creutzern  10  gülden  dreyzehenthalben  creutzer  (1551) 
bei  Hirsch  l,  320;  in  der  regel  ohne  berechnungsangabe: 
ein  schock  grüner  hechte  . .  .  um  zehen  gülden  (1569)  haus- 
hält, in  Vorwerken  206  Ermisch-Wuttke;  wenn  einer  . .  . 
ein  300  oder  400  gülden  zu  hauff  hat  bracht  (1595)  Hen- 
nenberg er  preusz.  landtafel  292;  {der  schuster  bringt 
9  goldgülden,  dagegen) 

der  goldtschmld  sie  so  bald  verehrt 
mit  einem  ring  und  andern  Sachen, 
thet  als  bey  achtzehn  gülden  machen 

L.  Sandrub  poet.  kurzweil  68  ndr. 

in  Mitteldeutschland  trat  später,  s.  3,  neben  gülden  {mit 
Umlaut)  für  den  rechnungswert  gülden  als  silberstück,  s. 
Chomel  ökon.  u.  physical.  lex.  4, 1427,  Jacobsson  techn. 
wb.  2  (1782)  172*;  trotzdem  erhielt  sich  ersterer  bis  ins  19.  jh., 
s.  Weilmeyr  l,  268;  Schmieder  214.  die  verschieden- 
artigen, als  rechnungsgulden  üblichen  kleingeldsummen  be- 
zeichnete man  gern  ruich  dem  gebiet,  in  dem  die  betreffende 
art  kleingeld  galt;  so  waren  60  kreuzer  ein  rheinischer  gul- 

67 


1059 


GULDEN  8 


GULDEN  4 


1060 


den  oder  gülden  rheinisch  u.  ä.:  ain  yede  mark 
umb  acht  gülden  reinisch  und  fünff  kreutzer  ze  reitten 
(1496)  numism.  zschr.  54,  4;  einen  defekt  von  funfzigtau- 
send  gülden  rheinl.  Nicolai  reise  1  (1783)  82;  für  Baiern, 
Württemberg  und  Baden  noch  im  19.  jh.  bezeiigt,  «.  Weil- 
MEYK  1,  279;  auch  reiohsgulden  oder  leichter  gülden  ge- 
nannt, ebda;  21  gute  (aächs.)  groschen  waren  ein  meiszni- 
scher  gülden,  s.  v.  Schkötteb  SSS^';  Zincke  ökon.  lex. 
(1744)  1,  1005;  25  leichte  groschen  ei»  fränkischer  gülden,  s. 
ScHMiEDEB  214;  Wbilmeye  1,  268;  Reinwald  Henneb. 
2,  56;  beide  auch  gute  gülden  oder  schlechtweg  gülden; 
vom  silbergulden  abzuleiten:  ein  gülden  preusz.  Weilmeyb 
1,  279.  besondere  bezeichnungen  schieden  in  Köln  ver- 
schiedene, seit  dem  14.  jh.  nacheinander  entstandne  {vgl. 
E.  Kruse  geldgesch.  8Sff.)  rechnungsgulden,  wie  paga- 
ments-  oder  kaufmannsgulden,  s.  auch  teil  5,  341,  ober- 
ländischer oder  kurrentgulden  oder  gülden  kölnisch  (bis 
1824,  8.  Jos.  Müller  rhein.  wb.  2, 1483);  ebenfalls  in  Trier 
{vgl.  V.  SoHRÖTTER  229^);  soust  Werden  besondre  städtische 
rechnungsgulden  meist  als  kurrentgulden  bezeichnet:  zu 
Frankfort  nun  zweyerley  gülden  sint  .  •  .  goltgülden  in 
gold  . . .  currentgülden  in  müntz  Wehner  o.  a.  o.  252*'; 
a.  noch  Weilmeyr  l,  271^.;  ähnlich:  münzgulden  in  Lu- 
zern,  s.  v.  Sohrötteb  419;  ein  gülden  giro  in  Augsburg 
Jacobsson  2,  172  3'.    8.  auch  zählgulden. 

3)  übertragen  auf  silbermünzen,  im  16.  jh.  erst  vereinzelt, 
durch  silbern  eindeutig  bestimmt,  für  in  silber  ausgeprägte 
gold-  oder  rechnungsgulden  {vgl.  guldener):  wiewoll  die 
gantzen  und  halb  {l.  halben)  silberin  guldin  und  örter 
ainander  am  gradt  und  khorn  etwas  ungleich  sein  möch- 
ten (1539)  Hirsch  a.  a.  o.  l,  295;  silbern  kayszers  gülden 
(1582)  ebda  7,  202.  ganz  allgemein  seit  dem  ausgehenden 
17.  jh.  für  silbermünzen,  die  tatsächlich  oder  ursprünglich 
ausgeprägte  rechnungsgulden  darstellten,  zuerst  für  die  be- 
liebten, in  Preuszen  bis  1750,  in  den  nachbarländern  bis 
ins  19.  jh.  üblichen  zweidritteltaler,  vgl.  v.  Sohrötteb  245^, 
700^';  Weilmeyb  l,  150, 152,  270^.;  2,  215,  2I8:  gülden 
stücker  auf  den  Thorgauer  fuesz  {geprägt),  nehmlich  zu 
12  rthlr.  die  mark  fein  {silber)  (1692)  bei  v.  Schbötteb 
münz-  u.  geldwesen  in  Trier  181;  ich  kriege  auf  einmal 
solch  eine  lust  nach  dem  Oberon,  dasz  du  ihn  mir 
gewisz  kaufen  solltest,  wenn  er  nicht  einen  gülden 
kostete  Caboline  1,  16  Waitz;  so  auch  in  Österr.:  {ein 
junggesdlenstand,  in  dem)  eine  grosze  anzahl  gülden  jähr 
aus,  jähr  ein  nicht  da  ist  A.  Steftbr  sämtl.  w.  1,  69  Sauer; 
wer  einen  gülden  zu  verzehren  hat,  wird  bereits  zu 
den  honoratioren  gezählt  L.  Steub  sommer  in  Tirol 
1,  47.  mundartlich  blieb  die  bezeichnung  gülden  auch  nach 
einführung  einer  andren  Währungseinheit  erhalten:  für 
das  zweifrankenstück  Schmidt  Straszburg  47  *;  Martin- 
Lienhart  1,  213^;  in  Österreich  nannte  man  nach  1892  das 
wertgleiche  zweikronenstück  so.  amtliche  bezeichnung  der 
Währungseinheit  ist  gülden  in  Holland  {seit  1816  =  100 
Cents)  und  in  Danzig  {seit  1923  =  100  pfennig),  s.  v.  Schböt- 
teb 246.  seit  beginn  des  19.  jh.  tritt  papiergeld  neben  das 
münzgeld:  ein  gülden  papiergeld  {teilbetrag  eines  Wiener 
bankzettels)  Sohmiedeb  (1811)  40;  {ich  steckte)  ihm  eine 
banknote  von  zehn  gülden  in  die  hand  Füest  Pückleb 
briefw.  2,  4.  an  besonderen  benennungen  ist  häufiger  pol- 
nischer gülden  für  dritteltalerstücke,  wie  sie  im  nordosten 
bis  1850  etwa  gängig  waren,  vgl.  v.  Schbötteb  246a; 
Weilmeyb  1,  278;  Bebnd  Posen  84:  300  poln.  gülden 
oder  50  thl.  {sc.  sächsische)  v.  König  ged.  (1745)  202;  eine 
polnische  fürstin  mit  einer  halben  mülion  gülden  jahres- 
rente  —  mögen  es  meinetwegen  nur  polnische  gülden 
sein  —  ist  durchaus  nicht  widerwärtig  Holtei  erzähl. 
Schrift.  3,  20;  {früher  kaufte  man)  ein  ganzes  ferkel  für 
einen  halben  polnischen  gülden  C.  Viebig  schlaf,  heer 
(1904)  335.  in  der  münzkunde  werden  die  zahlreichen 
guldenprägungen  des  17.  und  18.  jh.  gern  entsprechend 
den  talern  nach  ihrem  bilde  bezeichnet:  bretzen-,  rösz- 
chengulden  Weilmeyb  1,  84;  2,  216;  baren-,  hirsch-, 
hunds-,  schiff-,  Sebastiansg.  Schmiedeb;  s.  auch  Stock- 
fisch-, wildemannsg. ;  andererseits  nach  ihrem  anlasz: 
ausbeute-,   auswerf-,  gedächtnis-,  gratulations-,  huldi- 


gungs-,  krönungs-,  sterbe-,  vermählungsg.  u.  a.  Ad.  Chb. 
Weise  guldencabinet  (1780)  passim.  —  s.  auch:  silber- 
gulden. 

4)  der  literarische  gebrauch  von  gülden  knüpft  gern,  bes. 
in  älterer  zeit,  an  die  Wertvorstellung  an,  die  dem  gülden 
besonders  als  goldmünze  eignet:  heist  das  nicht  Christum 
für  ein  kind  odder  narren  halten,  dem  man  einen  gülden 
neme,  und  gebe  yhm  einen  zalpfennig  odder  ein  espen 
laub  dafür,  und  beredet  es,  das  es  kostlicher  ding  were 
denn  der  gulde?  Luther  23, 158  W.,  s.  auch  zahlpfennig 
3,  4;  denn  eyn  ewiger  gewisser  pfennig  ist  ja  besser  denn 
eyn  zeytlicher  ungewisser  gulde  15,  312; 

ein  gülden  war  ihm  nichts,  ein  thaler  eben  viel 

Kachel  satyr.  ged.  33  ndr.; 

der  ßchreiber  gab  einen  gülden  drum, 
dasz  man  das  liedlein  nimmer  sung 

bei  A.  v.  Arnim  13,  59  Grimm; 

oft  durch  runde  zahlangaben  wie  zehn,  hundert  und  vor 
allem  tausend  noch  gesteigert  und  so  volkstümlich  und  for- 
melhaft geworden,  vgl.  auch  hundert-,  tausendgüldenkraut 
sp.  1067 :  ich  wolt  zehen  gülden  darumb  geben,  das  hertzog 
George  meine  handschrift  und  siegel  bekomen  bette 
Luther  30,  2,  27  W.; 

und  solts  mich  zehen  gülden  gstan 

H.  E.  Manuel  weimpiel  v.  1031  ndr.; 

sie  ist  eine  gute  fraw  worden,  ja  für  hundert  gülden  besser 
denn  gestern  engl,  comedien  u.  trag.  (1624)  c  6*;  ain  ver- 
nüfftiger  mensch  gäbe  .  .  .  ain  band  oder  füesz  oder 
awg  nit  umb  tausent  gülden  B.  v.  Chiemsee  theologey 
348  Eeithm.; 

doctor  Brandt  hat  manchem  man 
die  narrenschellen  knipffet  an, 
der  das  liesz  tusent  guldin  gelten, 
man  dörfft  in  keinen  narren  schelten 

Murner  narrenbeschwör.  119  ndr.; 

ich  bin  sein  einzigs  töchterlein, 
er  würde  mich  nicht  geben 
um  tausend  gülden  fein 

F.  L.  Mittlee  dtscfie  volksl.  395; 

der  spasz  ist  für  tausend  gülden  nicht  theuer  Theod. 
KÖBNEB  werke  4,  59  Hempel.  in  neuerer  zeit  wird,  durch 
Verwendung  des  worts  für  den  silbergulden  veranlaszt,  ei?i 
absinken  der  wertvorstellung  deutlich: 

und  wenn  die  frau  was  braucht,  so  hat  sie  keinen  gülden 
GÖTHE  9,  48  (die  mitschuldigen)  W.; 

da  hat  er  einen  gülden  für  seine  bemühung,  Johann! 
Gottsched  Schaubühne  4,  479;  satyren  . . .  lästern  den 
guten  Geliert,  der  für  seine  fabeln  einunddreyszig 
gülden  zum  trinkgeld  von  Wendlern  empfing  Gleim 
briefw.  1, 173  Körte;  ich  kann  also  über  mein  persönliches 
tägUches  fixum  .  .  .  nicht  hinaus  und  habe  triftige  gründe, 
auch  keinen  gülden  schulden  zu  machen  Gbabbe  4,  499 
Blumenthal;  {leute,)  welche  keinen  gülden  für  ihre  kinder 
hergeben,  ohne  damit  zu  prahlen,  zu  lärmen  G.  Kelleb 
ges.  w.  3,  47,  vgl.  heute  keinen  pfennig,  keinen  heller  in 
gleicher  Verwendung. 

formelhaft  sind  in  der  regel  auch  beiwörter,  die  auf  den 
äuszeren  eindruck,  die  freude  am  besitz  zielen;  in  älterer 
zeit  bes.  rot,  vom  golde  her: 

da  greif  er  in  die  taschen  sein, 
er  gab  ihm  rother  gülden  neun 

(14.  jh.)  bei  A.  v.  Arnim  21,  23   Grimm; 

{jungen  leuten)  ist  auch  mehr  an  einem  schönen  apfel 
denn  an  einem  rothen  gülden  gelegen  Lutheb  3*,  66  Erl.; 
und  begunden  die  rothen  gülden  ihm  in  die  äugen  zu 
scheinen  Kiechhof  wendunmuth  2,  54  lit.  ver.;  als  reim- 
formet: 

dem  will  ich  vil  der  gülden  rot 

geben  für  sein  verdienten  Ion 

Maximilian  Teuerdank  91  Qoed.; 

so  nemet  hin  den  gülden  rott 

Barth.  Krüger  v.  d.  baut,  richtern  25  Bolie; 

vgl.  auch  die  belege  teil  8, 1291.  —  auf  den  silbergulden  geht 
bes.  blank,  vgl.  blanker  thaler:  deine  mühe  soll  dir  ein 


1061 


GULDEN  5-6 


GULDEN  7—9  {composita) 


1062 


blanker  gülden  belohnen  J.  Fr.  W.  Zächakiä  poet. 
Schrift.  2,  157;  bis  die  braut .  .  .  den  musikanten  .  .  .  einen 
blanken  gülden  verabreicht  hat  F.  M.  Böhme  gesch.  d. 
tanzes  191.  —  der  kauf  mann  besah  mich  und  die  schönen 
gülden  mit  wunderlichen  blicken  G.  Keller  ges.  w.  1, 
123;  manchen  lieben  gülden  Heike  l,  125  Elster.  —  ver- 
einzelt in  diesem  Zusammenhang  personificiert:  und  ein 
roter  geselle,  ein  gülden,  erfrewet  dich  mehr  denn  alle 
gottes  verheissungen?  Luther  28,  693  W.,  der  auch  sonst 
personification  verwendet:  das  gold  ist  fein  und  gut  an 
im  selbs  .  .  .  der  frome  gülden  hat  nicht  gesprochen  zu 
dir:  ich  bin  dein  gott,  ja  er  würde  vielmehr  zu  dir  sagen, 
wenn  er  reden  köndte:  ich  bin  dein  knecht  28,  553  W.; 
vgl.  noch  junker  gülden  22,  266. 

als  beiwort  erscheint  des  öfteren  alt,  wertsteigernd,  uAe 
auch  sonst  bei  münznamen,  vgl.  groschen  sp.  449,  aufgrund 
der  tatsache,  dasz  die  neuen  prägungen  vielfach  gering- 
wertiger waren  als  die  alten:  einer  der  vil  guter  alter 
gülden  hinder  sich  legt  Keisersberg  bilgersch.  Z\^; 

{er  fand)  gülden  und  thaler  mannichlalt 
meistens  von  gepräge  rar  und  alt 

KORTUM  Jobsiade  1,  35; 

sie  hat  schon  einen  alten  gülden  {für  das  hochzeitscarmen) 
parat  gelegt  Lessing  3,  212  L.-M.;  selten  anders,  als  oiw- 
druck  ästhetischen  Unbehagens: 

(der  reiche  setzt  sich  an  den  tisch,)  durchsuchet  seine  schulden, 
wieviel  er  zinse  hat,  rührt  in  den  alten  gülden, 
die  grau  und  schimmlicht  seyn,  und  ganz  veraltet  sehn, 
weil  sie  stets  eingesperrt,  und  in  dem  kästen  stehn 

Triller  poet.  betrachtungen  1,  281. 

5)  in  Sprichwörtern  reich  belegt,  fast  immer  mit  betonung 
seines  wertes;  meist  gegenüber  geringwertigem  münzarten: 
wer  eynen  pfenning  nit  so  lieb  hat  als  eynen  gülden,  der 
Wirt  selten  reich  oder  gülden  wechszlen  Tappiüs  ada- 
giorum  centuriae  (1545)  F  S^^;  der  heller  macht  den  gülden 
gantz  Petri  d.  Teutsch.  weish.  2,  o  1*^;  wer  den  pfennig 
nicht  achtet ...  ist  des  güldens  nicht  wehrt  Kramer  (1702) 
2,  197C;  weiter  in  gegenüberstdlungen  wie:  es  ist  ein  guter 
batz,  der  einen  gülden  erscharrt  Aler  dict.  1,266^;  es 
ist  ein  böser  pfennig,  der  eim  einen  güldin  schadt  Terenz 
deutsch  (1499)  c  l**;  ich  wolt  dir  lieber  ein  gülden  borgen 
dann  einen  pfenning  Agricola  sprichw.  l,v  ^^;  auf  das 
rechte  geldausgeben  zielend:  de  rappe  (münzsorte)  spare  und 
de  gulde  fare  la  Staub-Tobler  2,227;  ein  gülden  hat 
einen  grossen  namen  und  ist  doch  bald  auszgeben  Petri 
2,  V  s'' ;  ein  gewechselter  gülden  ist  auch  schon  weg  Wan- 
der 5,  1384;  einen  gülden  auf  brot  und  zehn  auf  schwere- 
noth  2,  166;  häufig:  es  ist  ein  guter  gülden,  der  hundert 
erspart  seh.  w.  klugreden  (1548)  76'',  .  .  .  der  tausend  er- 
spart ScHELLHORN  sprichw.  141;  eignen  und  fremden  besitz 
betretend:  es  schlefft  einer  desto  sanffter,  wenn  himdert 
gülden  für  dem  bette  stehen  Petri  2,  C  c  7^;  die  reichen 
mit  den  gülden  klingen,  wenn  arme  ums  brot  singen 
R  2*;  besser  ein  gülden,  den  man  werbet,  denn  zehen,  die 
man  erbet  K  5»;  es  ist  nie  kein  sack  seiden  worden,  ob 
er  wol  voll  gülden  ist  seh.  w.  klugreden  (1548)  162a;  ein 
gülde  bleibt  ein  gülden  auch  in  desz  diebes  hand  Petri 
2,  V  Z^.  anderer  art:  kein  gülde  ist  so  roth,  er  gehet  durch 
die  noth  Petri  2,  L  1  4»;  an  gekrümmeten  (dwrcA  verbiegen 
entwertet,  s.  teil  5,  2459)  gülden  verleurt  man  wenig  J  4a; 
fünftzehen  batzen  für  ein  gülden  {gleiches  für  gleiches) 
geben  seh.  w.  klugreden  (1548)  146";  ebenda  eine  reihe  auch 
anderweitig  belegter  redensarten:  es  redt  mancher,  wer  es 
ein  gülden,  er  legt  in  inn  die  taschen  149**;  von  einem  be- 
stochenen: es  stecken  im  hundert  gülden  im  hals,  es  ligen 
ihm  hundert  gülden  auff  der  zungen  180*;  vom  charakter 
eines  menschen:  der  gang  vermag  tausent  gülden  10*; 
soviel  wie  'niemaW :  wann  es  gülden  regnet  145*.  viele 
dieser  Sprichwörter  und  redensarten  auch  für  die  Volks- 
sprache der  neueren  zeit  belegt,  z.  b.  bei  Fischer  3,  910. 

6)  der  plural  gülden  in  älterer  zeit  gern  in  allgemeiner 
bedeutung  als  'geld\  zunächst  vom  goldgeld  im  gegensatz 
zum  silbergeld  {vgl.  teil  4,  l,  2,  2898)  in  der  formet  gülden 
und  gelt,  z.  b.  sprichw.,  seh.  w.  klugreden  (1548)  67*;  ab- 
gewandelt: 


wer  nit  gülden  hett  und  pfennig, 
des  denkt  man  ietz  zuon  eren  wenig 

MxjRNEE  mühle  27  ÄlbrecM; 

die  weder  müntz  noch  gülden  haben 

narrenbeschwör.  246  ndr. 

dann  blasser  ohne  den  gegensatz: 

der  (advocat)  dient  uns,  do  wir  gülden  hatten, 

do  er  uns  geleret  die  deschen, 

nam  er  myr  an  dem  herdt  die  eschen 

schelmenzunft  9  ndr.; 

quando  diu  gaudium  habes  von  gülden,  venit  unlust 
Luther  29,  653  W.;  als  wir  einen  reichen  man  darümb 
reich  nennen,  das  er  vil  gülden  und  gutt  hat  10,  3,  349  W.; 

hab  ich  der  gülden  keine, 

so  hab  ich  doch  frischen  muth 

Mittler  dtsche  Volkslieder  (1865)  576; 

sie  sagt,  sie  hätt  viel  gulde, 
8  warn  aber  lauter  schulde 

Erk-Böhme  2,  360. 

7)  gülden  iw  bezeichnungen  der  prozentualen  höhe  be- 
stimmter abgaben:  {sie  namen)  den  czenden  gülden  zu 
lenrecht  von  einem  iglichen  erbe  K.  Stolle  thür.  chron.  6 
lit.  ver.;  die  losung  {bürgersteuer  zu  Nürnberg)  nennen  wir 
.  .  .  den  6ten  gülden  Nicolai  reise  1  beil.  79;  von  abgaben 
stammen  zahlreiche  composita  her  wie  meistergulden  {s. 
d.);  grabengulden  zur  aufrechterhaltung  des  bürgerrechts 
in  abwesenheit  Chomel  4,  1289;  brautgulden  Schmeller- 
Fr.  1,  900;  appellationsguldi,  erb-  und  schirmbgulden, 
wachtgulden  etc.  Staub-Tobler  2,  228/. 

8)  als  masz-  und  gewichtsangabe  verwandt;  so  2.  6.  in 
alten  recepten:  so  ein  menschen  die  kranckheit  anstoszt, 
so  gib  einem  kind  eines  pfenning  schwer,  aber  einem 
alten  eins  guldins  schwer  Gäbelkover  artzneybuch  (1595) 
1,  32;  ähnlich  Sis^Biz  f eidbau  {1579)  78;  J.  RvoFV  hebammen- 
buch  (1580)  48;  weitete  belege  ab  1500  s.  bei  Schmeller-Fr. 
1,  896;  vgl.  gülden  ein  quintlin  Henisch  (1616)  1774;  auch 
sonst   wohl: 

ein  keten  von  ungrischem  goldt, 
die  wug  wol  hundert  gülden  schwer 

Thym   Thedel  v.  Wallmoden  p.  1007  Zimmerm. 

vereinzelt  als  7nittel  zur  bestimmung  des  goldgehalts  einer 
prägung:  {k.  Sigmund  befiehlt,)  daz  die  selben  unser 
moncze  .  .  .  ye  an  himdert  gülden  einen  gülden  besser  sin 
suUe  dan  die  vorgenanten  gülden  (1418)  Jesse  quellenb. 
z.  münzgesch.  91. 

9)  die  composita  mit  gülden-,  gülden-  als  erstem  6e- 
standteil  gehören  einesteils  der  münzunssenschafl  und  dem 
geldverkehr  der  vorigen  Jahrhunderte  an,  wobei  gülden  die 
münze  mit  ihren  eigenschaften  vertritt,  z.  b.  -geld:  man 
gab  .  .  .  auf  das  effective  guldengeld  ein  agio  von  l^/g 
bis  2  kreuzer  K.  Braun  bilder  3  (1876)  156;  -gepräge: 
nachahmung  des  guldengepräges  Luschin  v.  Eben- 
GREUTH  münzkde  (1904)  47;  -gewicht:  {es  soll)  iglich 
gülden  sein  recht  guldengewicht  haben  (1420)  Jon.  Chr. 
Hirsch  münzarch.  (1756)  7,  30;  -kurs:  {holztaxations- 
tafeln)  im  thaler-  und  guldenkurs  berechnet  Bernhardt 
gesch.  d.  waldeigentums  3,204;  -System:  es  war  also 
das  {auf  der  zahl  60  basierende)  guldensystem,  wie  wir  es 
heute  noch  alle  kennen,  das  hier  {in  Kleinasien)  zu  gründe 

ag  MoMMSEN  reden  u.  aufs.  (1905)  257;  andernteils  be- 
zeichnen sie  im  täglichen  leben  das,  was  einen  gülden 
kostet  oder  einbringt  oder  nach  gülden  veranschlagt  wird, 
z.b.  -mahl,  ein  hochzeitsmahl,  das  von  den  gasten  mit  je 
einem  gülden  bestritten  wurde  Böhme  gesch.  d.  tanz.  1,  183 ; 
-Scheibe,  eine  glasscheibe,  von  denen  das  hundert  einen 
gülden  kostete  Unger-Khull  steir.  314*;  -Steuer,  der 
von  den  Juden  als  schutzsteuer  zu  zahlende  gülden  (16.  jh.) 
Staub-Tobler  2,  227;  -stunde:  nächst  frühjahr,  heiszts, 
kommt  der  grosze  streik,  eine  guldenstunde  und  acht- 
stundentag!  Rosegger  laszt  uns  v.  liebe  reden  (1909)  66; 
-wein:  eine  halbe  {sc.  masz)  guldenwein!  ...  er  ist  keiner, 
der  apfelmost  trinkt,  er  mag  nur  guldenwein  ders.  Schrif- 
ten (1895)  II  13,  200;  auch  1,  64.  vgl.  hierzu  bicomposita 
wie  vierguldenwein  Meisl  theatral.  quodlibet  (1820)  3,  114; 
halbguldenfasz,  ein  fasz,  das  für  einen  halben  gülden  hier 

67» 


1063        GULDEN  9  (composita)  —  GÜLDEN- 


GÜLDEN- 


1064 


faszt  K.  G.  Anton  Oberlauaitzer  Wörter  (1825)  18, 17;  5000 
guldenpräbende  beitr.  zu  Bahrdts  lebensbeschr.  (1791)  177. 
in  wenigen  compositis  ist  gülden  im  allgemeinen  sinne  von 
geld  als  zidvorstellung  enthalten,  z.  b.  -fieber:  die  silber- 
sucht und  das  güldenfiber  Luther  53,  512  W.;  -fresser: 
Johannes  Calaguritanus,  ein  überaus  geitziger  und  un- 
ersettiger  güldenfresser,  kratzte  und  zupfte  Alphonsum, 
den  konig  Hispanie  und  Arragonie,  das  er  fast  verarmet 
W.  BÜTNER  epitome  historiarum  (1596)  137*';  -gierig 
M.  V.  Ebner-Eschenbach  sämtl.  w.  6,  17.  die  geläu- 
figeren composita  s.  an  alphabetischer  stelle. 

GÜLDEN,  gülden,  vb.,  vergolden:  {erst  wenn  das  holz 
mit  einer  grundfarbe  versehen  ist,  soll  man)  gülden  darup 
unde  malen  .  .  .  dat  snedene  werk  boven  de  bilde  (altar- 
figuren)  .  .  .  schal  men  gülden  fyn  golt  edder  twistgolt 
(goldlegierung).  dat  twistgolt  schal  men  fornissen  {fir- 
nissen), dat  math  {matt)  gheghuldet  is  edder  bruneret 
{poliert)  {um  1460)  Hamb.  zunftroll.  95  Büdiger;  er  hab 
die  bülder  {ornamentale  kleinplastik)  . .  .  bey  der  nacht 
gülden  muesen  (1610)  quellenschr.f.  kunstgesch.  n.f.  6,  84. 

GÜLDEN,  adj.,  s.  golden. 

GÜLDEN-,  zum  adjectiv  gehörig,  als  erstes  glied  in 
compositis,  die  goldähnliche  färbe  oder  den  goldgleichen 
wert  ausdrückend,  seit  dem  16.  jh.  häufig,  besonders  in  pflan- 
zennamen.  im  einzelfäll  ist  dabei  die  zusammenrückung 
noch  wenig  fest,  in  neuerer  zeit  ist  gülden-  meist  durch 
gold-,  selten  durch  golden-  ersetzt  {s.d.):  güldenader, 
guldenader,  /.,  auch  goldader.  eigentlich  die  goldne 
ader,  gewisse  blutgefäsze  des  mastdarms,  s.  golden;  die 
zusammenrückung  gülden-ader  im  17.  und  18.  jh.  häufig, 
z.  b.  {arzneien)  zu  der  güldenader  Gäbelkover  {Eisleben 
1595)  138;  die  natur  das  übrige  blut  .  .  .  durch  die  nasen 
oder  durch  die  guldenadern  . .  .  von  sich  treibt  Guari- 
NONius  greuel  (1610)  1111  u.  ö.;  noch  wirksamer  aber  hält 
der  hr,  V.  den  flusz  der  güldenader  {beim  aderlasz)  allg. 
dtsche  bibl.,  anh.  zu  1-12  (1771)  153.  als  terminus  für  das 
flieszen  der  ader:  die  güldenader  fluxus  haemorrhoidalis 
Blanoard  medic.wb.  (1710)  295;  güldenader  eine  kranck- 
heit  Frisch  d.-lat.  (1741)  l,  381^;  der  die  güldenader  hat 
haemorrhoicus  ebda.  —  hierzu:  güldenaderflusz  haush. 
lex.  (1740)  351.  —  -ei,  n.,  mittel  gegen  pest  und  Vergiftung: 
alexicacus  Corvinus  fons  lat.  (1660)  l,  72;  das  güldeney 
für  die  infection  macht  man  also:  man  nimmt  ein  frisch 
neugelegtes  ey  .  .  .  v.  Hohberq  georg.  cur.  (1682)  1,  249; 
die  sogenannte  königs-  oder  giftlatwerge  Unger-Khull 
steir.  299*.  —  -erz,  n.:  electrum,  gunterfei,  gülden  ertz 
Jer.  Felbinger  nomencl.  (1646)  d  l**;  'bergstuffen,  welche 
gold  halten'  Frisch  d.-lat.  l,  382;  s.  güldig.  —  -färb, 
adj.:  guldenfar  carpasinus  Diefenbach  102^=;  {junge 
wilde  bienen  sollen)  güldenfarb  . . .  sein  Sebiz  feldbau 
(1579)  297;  bei  Fischart  substantivisch:  siehst  im  hafen 
{gefäsz,  honig  enthaltend)  güldenfarb,  und  im  bett  kinds- 
treckfarb  Oarg.  357  ndr.  —  -flusz,  guldenflusz,  n.,  das 
goldene  vliesz,  s.  vliesz  3;  vgl.  noch:  der  schendtlichen  kot- 
lachen {eine  schrift  von  Oeorg  Eder  'das  güldene  flüsz 
christlicher  gemein  und  gesellschaft'  1579),  so  ie  ein  gul- 
denflusz intitulieret  Nigrintts  papist.  inquisition  u.  gul- 
denflüs  der  röm.  kirchen  (1589)  a  2*;  lieb  ist  der  Christen 
liberey  {abzeichen)  und  guldenflusz,  darbey  man  sie  er- 
kennet Otho  ev.  krankentrost  (1671)  679;  vgl.  noch  flusz, 
.  .  .  fliesz,  guldenflusz  vello  d'oro,  ritter  des  güldenen 
flieszes  Kramer  d.-ital.  (1700)  1,  390^.  —  -gänserich, 
m.,  vielleicht  im  gegensatz  zum  einfachen  gänserich  {poten- 
tilla  anserina)  für  den  gelbgrün  blühenden  frauenmantel 
oder  sinau  {alchemilla  vulgaris):  nimm  Wintergrün,  rot 
bisem,  güldin  genserich,  das  ist  synaw  Wirsung  artzneyb. 
(1584)  644 a  u.  reg.;  vgl.  Tabernämontantjs  kräuterb.  (1588) 
1,  309*.  verschiedentlich  bis  ins  19.  jh.  belegt,  z.  b.  Nemnich 

lex.  d.  naturgesch.  1,  162. günsel,  auch  güldengün- 

zel  u.  ä.,  m.  ursprünglich  wohl  f.,  da  aus  mlat.  consolida 
entstanden;  so  auch  Bock  kräuterb.  (1539)  l,  89^»;  Tabernä- 
MONTANUS  (1687)  946^.  sicher  als  m.  zuerst  bei  Hohberg 
georg.  cur.  3  (1715)  1,  425.  der  nxime  ist  seit  dem  16.  jh. 
reich  belegt  für  den  vermeintlich  heilkräftigen,  blaublühenden 


günsel  {ajuga  reptans),  vgl.  Krünitz  20,  316;  Heoi  flora 
V.  Mitteleur.  5,  4,  2541 ;  in  der  älteren  wissenschaftlichen 
literatur  als  consolida  media  aufgeführt,  z.  b.  guldin  günsel 
.  .  .  consolida  media  genant  würt,  wie  wol  etlich  spre- 
chend, das  es  consolida  minor  heisset  .  .  . 

güldin  günsel  ist  der  namen  myn, 
myn  blum  gibt  bloen  schyn 

H.  Bratjnschweig  kunst  zu  distilieren  (1500)  52»;  con- 
solida media  gülden  guntzel  Gersdorff  wundarzney 
(1517)  91»;  vgl.  noch:  gildengunsel  H.  Braunschweiq 
chirurgia  (1539)  110*>;  güldinguntzel  Gäbelkhover  artz- 
neyb. (1595)  2,  244.  vereinzelt  übertragen  auf  das  gelb- 
blühende helianthemum  chamaecistus  Nemnich  lex.  d.  na- 
turgesch. 1,  1051;  vgl.  Pritzel- Jessen  volksnamen  d. 
pfianz.  (1882)  178.  —  -haar,  n.,  s.  güldenwiderton.  — 
-jähr,  n.:  {Bonifaz  viii.)  der  die  weit  zum  ersten  mit 
dem  güldenjar  generret  und  verfüret  hat  Luther  7,  385 
Bindseil;  das  bepstisch  römisch  jubel  oder,  wie  maus  ge- 
nennet hat,  güldenjar  18,  252  W.  u.  ö.;  s.  golden.  — 
-klee,  guldenklee,  m.,  teilweise  für  den  gelbblühenden 
Steinklee  {melilotus  officinalis)  gebräuchlich,  bezw.  für  latus 
corniculatus,  s.  Nemnich  lex.  d.  naturgesch.  2, 1478  u.  447; 
Frischbier  preusz.  wb.  2,  526;  s.  auch  güldensteinklee. 
allgemein  vom  16.  bis  ins  19.  jh.  für  die  leberblume  {ane- 
mone  hepatica),  z.  b.  leberkraut  .  .  .  synd  drey  kreuter  .  .  . 
das  dritt  ist  gülden  clee  H.  Braunschweig  destilier.{\5Zi) 
79^;  vgl.  dazu  Bock  kräuterb.  (1539)  1,  154'>;  2,  3*  u.  reg.; 
guldenklee,  die  leberblume  Danneil  altmärk.  72*;  glei- 
cherweisefür die  gärtnerisch  veredelte:  hepatica  aurea  oder 
trifolium  aureum,  das  gefüllte,  wird  allein  in  den  gärten 
gefunden,  wird  teutsch  das  gefüllte  edle  leberkraut  ge- 
nennt oder  guldenklee  Hohberg  georg.  cur.  (1682)  l,  674*; 
auch  weisz  und  rot  blühend,  s.  A.  v.  Haller  onomatol. 
medica  (1755)  1,780;   öfter  in  der  schönen  literatur,  z.b. 

indeaz  die  töchterchen  emsig 
Schlüsselblümchen  und  guldenklee  und  vergiszmeinnichtcheu 
lasen,  und  Lottchen  sie  brachte,  um  bunte  kränze  zu  winden 
VOSS-GÖKINGK  musenalm.  f.  1785  16 

blau,  roth  und  weiszen  guldenklee  {im  strausze) 

EscHENGURa  beispielsamml.  z.  theorie  (1788)  5,  114 

vielfarbiger  guldenklee  wird  gepflückt  Göthe  40,  265  W 
s.  auch  güldenleberkraut.  —  -kraut,  guldenkraut,  n. 
aus  der  Schweiz  für  verschiedene  gelbblühende  pflanzen 
belegt  {teuer ium  supinum,  Solidago  virgaurea,  helianthemum 
chamaecistus),  s.  Pritzel- Jessen  399,  383;  178;  C.  Gesz- 
NER  (1561)  bei  Staub-Tobler  3,  892;  vgl.  güldengünsel. 
s.  auch  guldenkraut  sp.  1067.  —  -lack,  m.,für  goldlack, 
cheiranthus  cheiri,  aus  Mitteldeutschland  belegt,  s,  Pritzel- 
Jessen  89;  ursprünglich  wohl  gülden- lac-viol  allg.  haus- 
halt-lex.  (1749)  2,211:  duften  neben  mir  in  einem  glase 
nelken,  rosen,  güldenlack  Stolberg  ges.  werke  (1820)  6, 
326;  die  fürstin  ging  weg,  um  einen  lorbeerzweig  und 
blühenden  güldenlack  zu  brechen  Jean  Paul  15,  486 
Hempel; 

büsche  und  beete  der  wiese, 

bängros  und  güldenlack 

Stefan  Geobge  d.  siebente  ring  120. 

—  -leberkraut,  n.,  vielleicht  in  Vermischung  mit  dem 
namen  guldenklee  {s.  d.)  für  die  leberblume  {anemone  he- 
patica): {im  febru^r)  blühen,  wo  es  nicht  gar  zu  kalt  ist, 
Schlüsselblumen,  crocus,  güldenleberkraut  Hohberg  ge- 
org. cur.  (1682)  1,  109;  edel-  sive  güldenleberkraut  epatica 
nobilis  Stieler  1031;  vgl.  noch  F.  Holl  wb.  dtsch.  pfian- 
zennamen  (1833)  138*.  der  name  erscheint  wegen  des  gleich- 
artigen geschmackes  der  pflanze  auf  chrysosplenion  über- 
tragen, s.  Tabernämontanus  kräuterb.  (1687)  1224*>;  fer- 
ner Nemnich  lex.  d.  naturgesch.  1,  1033;  s.  auch  gülden- 

milzkraut,  -Steinbrech. milzkraut,  n.,  Verdeutschung 

von  chrysosplenion:  Tabernämontanus  kräuterb.  {l^SB)  2, 
512;  F.  Holl  wb.  dtsch.  pfianzennamen  {XSZZ)  138*;  av^h 
guldenmilz  v.  Heufler  botan.  beitrag  z.  dtsch.  Sprach- 
schatz (1852)  20.  s.  auch  güldensteinbrech,  -leberkraut.  — 
-mund,  m.,  der  übertragene  beiname  chrysostomus:  sihe, 
dein  Jesus  stehet  da,  der  güldenmund,  mit  seinen  hold- 
seligen lippen  Otho  ev.  krankentrost  (1671)  102;  in  deminu- 


1065 


GÜLDEN- 


GÜLDEN—  GULDENGROSCHEN   1066 


tivform:  das  güldenmündlein  {Jesuskind)  ebda  63.  dazu 
-mündig,  adj.:  der  edle  guldenmündige  lehret  Johann 
Chrysostomus  Dannhawer  catechismusmilch  (1657)  8,  50. 
—  -raute,  -rute,  /.,  goldrute  (Solidago  virgaurea),  z.  b. 
F.  HoLL  wb.  ätsch,  pflanzennamen  (1833)  138^'.  s.  auch 
gülden  wundkraut.  —  -schnitten,/.  pL,  mit  ei  gebackne 
semmein,  z.  b.  Vilmab  Kurhess.  140;  als  güldenschnitz 
artolaganus  bei  Diefenbach  52  S'  und  Decimatob  the- 
saurus  (1608)  124^;  s.  golden.  —  -schön,  adj.,  Stieleb 
(1691)  1754.  —  -stein,  m.,  Speckstein  Nemnich  wb.  d. 
naturg.  215.  —  -Steinbrech,  m.,  öfter  für  das  gelbblühende 
chrysosplenion,  z.  b.  Nemnich  lex.  d.  naturg.  l,  1033 ;  s.  auch 
güldenleberkraut,  -milzkraut.  —  -Steinklee,  m.:  tri- 
folium  .  .  .  Medica  (sc.  herba),  codab  güldensteynklee  Al- 
bebus  nov.  dict.  (1540)  g  q  l^;  vgl.  Bock  Icräuterb.  (1539) 
2,  3*'.  —  -stück,  guldenstück,  n.,  goldstoff:  (wir  brauchen 
nicht)  szo  grewlichen  grossen  schätz  für  seyden,  sammet, 
guldenstuck,  und  was  der  auszlendischen  wahr  ist,  szo 
geudisch  vorschütten  Lütheb  6,  465  W.;  ein  mäntelin 
von  gülden  stück  mit  eingemengten  und  eingewirckten 
köstlichen  blumen  Amadis  161  lit.  ver.;  mit  gold  und 
guldenstucken  wol  geziert  B.  Hebtzoq  chron.  Alsatiae 
(1592)  5, 127;  (wenn  man  die  häszlichkeit)  in  güldenstücke 
kleidete  Lohenstein  Armin.  (1689)  l,  203*^;  (mit  köst- 
lichen kleidern:)  ihre  rocke  güldenstück,  mit  sehr  grossen 
perlen  und  edelgesteinen  breit  gesticket  Oleabius  per- 
sian.  reisebeschr.(lQ9Q)  21;  es  wird  zwar  allhier  (in  Arruida- 
bad)  güldenstück  gemacht,  welches  prächtig  ins  äuge  .  . ., 
dann  sie  gebrauchen  dazu  plat  und  blinkent  gold,  wel- 
ches auff  seide  liederlich  gewircket,  wenn  es  ein  wenig 
getragen  wird,  springt  das  gold  ab.  ist  bei  weitem  nicht 
so  gut  als  persianisch  güldenstück  Mandelslo  morgen- 
länd.  reisebeschr.  48^  bei  Oleabius  verm.  reisebeschr.;  noch 
im  19.  Jh.: 

im  gleichen  augenblicke 
versetzt  ein  goldfasan:  wer  prangt  in  der  natur 
wie  ich,  im  reinsten  güldenstücke 

Pfeffel  poet.  versuche  (1812)  6,194; 

ihr  mocht  der  weihe!  (nonnenschleier)  süszer  stehn 
als  andern  güldenstück  und  seide 

Dkoste-Hülshoff  1, 105  Schäcking; 

s.  stück  II C  7.  —  hierzu:  -kleid  Stieleb  979;  — 
-macher  Dasyfodius  846^;  —  -wirker:  güldenstück- 
und  seidenwircker  Oleabius  pers.  reisebeschr.  261  a^.  — 
-stücken,  adj.,  analog  seiden?  der  pristafE  im  gülden- 
stücken rocke  ebda  2i^.  —  -wasser,  guldenwasser,  n., 
soviel  wie  'universalmitteV ,  ursprünglich  wohl  Übersetzung 
von  'aurum  potabile',  insbesondere  verschiedne  arten  von 
mit  gold  versetztem  kräuterbranntwein:  guldinwasser  oder 
sonst  guten  gebrannten  wein  Ruofe  hebammenb.  (1580) 
130;  ein  gut  roht  gülden  wasser  für  gifft  und  alle  kranck- 
heiten,  so  von  kälte  herkommen,  erstlich  mach  ein 
brandten  wein  .  .  .,  wie  im  oberen  rohten  guldenwasser 
gemeld  worden  Gäbelkhover  arzneib.  (Eisl.  1595)  395^; 
(ich)  verkaufte  solchen  (gefärbten  branntwein)  den  leuten 
vor  ein  köstlich  guldenwasser,  das  gut  vors  fieber  sey 
Gbimmelshausen  1,  577  lit.  ver.;  andre  m,ittel:  der  saur- 
brunne,  ob  er  zwar  ein  köstlich  trefflich  guldenwasser 
(17.  ^'A.)  bei  FiscHEB  schwäb.  6,2079;  guldiwasser  tinct. 
antihyst.  aur.  Abends  volkst.  namen  d.  arzneim.  (1930) 
108*;  übertragen:  (im  abendmahl  haben  ivir)  das  rechte 
aurum  potabile  .  . .,  ein  bewehrtes  guldenwasser  und  ge- 
segnete goldarznei  wider  alles,  was  schädlich  ist  an  leib 
und  seel  Scbiveb  goldpredigten  (1690)  283.  s.  wasser  II  E 
i  c  C;  zur  Sache  vgl.  noch  H.  Bbaunschweig  destill.  (1531) 
77  S.V.  kapponen;  ein  güldin  wasser  zu  allen  glidern 

leben  Marsilii  Ficini  (1531)  40*^  u.  ö. widerton,  m., 

das  moos  polytrichum:  ein  gewechs  mit  goldfarben 
stemlin  wie  goldfarb  hör  (haar),  der  güldin  wyderdon 
genant;  gegloubt  würt  von  einf eltigen  menschen,  das  sie, 
(wenn  sie)  verzoubert  werden,  sobald  sie  das  gehenck  an 
den  halsz  tragen,  sind  in  wyderbracht  gethon  und  ge- 
holffen  werd,  darum  und  umb  syner  goldfarb  den  gülden 
wyderdon  nennent  H.  Bbaunschweig  kunst  zu  distilieren 
(1500)  120»;  nim  güldinwiderthon  . . .  wächszt  gern  an 
den  mauren  oder  steinfelsen,  an  einem  braunen  stenglin 


Gäbelkhoveb  artzneyb.  (1595)  2, 174;  s.  ferner:  allg.  haus- 
halt.-lex.  (1749)  1,  629;  Peitzel- Jessen  300;  mit  verän- 
derter namensform:  der  guldenwiderthat  Pabacelsus 
Chirurg,  buch.  u.  Schriften  (1618)  22  Huser;  gülden  wider- 
todt  Mabpeegeb  kaufm.-magazin  (1708)  566.  daneben  für 
den  farn  adiantum  capillus  veneris  und  die  krähenbeere 
(empetrum  nigrum)  belegt,  s.  Pbitzel- Jessen  10  und  139. 

wundkraut,  n.,für  Solidago  virgaurea,  z.  b.  Stieleb 

1031;  Mabpebqeb  kaufm.-magazin  (1708)  1326;  consolida 
aurea  Tabebnämontanus  kräuterb.  2  (1591)  258''. 

GULDENER,  m.,  omcä  guldiner,  güldener,  gildener 
u.  ä.;  zu  gülden,  m.,  vne  schillinger  (s.  d.),  örterer  (a.  u.), 
kreuzerer  (s.  z.  b.  Job.  Chb.  Hirsch  münzarchiv  [1756] 
1,  401;  8,  495)  zu  Schilling,  ort,  kreuzer.  offizielle, 
durch  die  reichsmünzordnungen  von  1524  und  1551  ein- 
geführte bezeichnung  für  die  neue  silbermünze  vom  werte 
eines  goldgulden;  oft  reichsguldener,  daneben  vereinzelt,  s. 
Hirsch  a.  a.  o.  l,  423  z.  j.  1560,  goldguldiner  genannt: 
zum  ersten  das  stuck  oder  pfenning,  deren  einer  einen 
reinischen  gülden  thut,  und  acht  auff  ein  marck  geen, 
funfzehen  lot  feines  Silbers  halten  .  .  .,  sollich  stucke 
durch  das  reich  güldener  genannt  werden  sollen.  .  .  .  mit 
der  gutten  silbrin  müntz,  als  .  .  .  guldenern,  halb  gul- 
dener, örtterer  und  zehener  (1524)  Hirsch  a.  a.  o.  l,  241 
bezw.  243;  zum  ersten,  ain  stuck  das  ain  goldtgulden  oder 
zwen  und  sibenzig  kreutzer  gelten,  .  .  .  soll  durch  das 
reich  ain  guldiner  genannt  werden  (1551)  ebda  345.  die 
reichsmünzordnung  von  1559  (in  einzelnen  ländern  schon 
1535  vorweggenommen,  s.  den  münzvertrag  Hibsch  l,  269) 
ordnete  guldener  vom  werte  eines  rechnungs^uldens  an: 
zum  ersten  ein  stuckh  das  l  reichsguldens  oder  60  kreuzer 
gelten,  .  .  .  soll  durch  das  reich  ein  reichs  gildener  ge- 
nendt  werden  ebda  384,  au^^h  401.  die  bezeichnung  wie  die 
münze  nicht  sehr  häufig:  nimb  zu  einer  prob,  wanns  thaler 
sein,  9  schweren  rein  bley,  und  zu  den  neuwen  güldnem 
8  schweren  Ebcker  mineral.  ertzt  (1580)  26*';  man  werde 
die  reichsguldiner  schwerlich  umb  16  bazen  zu  Ulm  an- 
nemmen  (1595)  bei  Fischee  schwäb.  5,  254;  ebda  weitere 
belege,  auch  3,  910.  für  die  späteren  silbergulden,  s.  gülden 
3,  noch  bis  ins  19.  jh.  verwendet,  z.  b.  Apinus  glossar.  no- 
vum  (1728)  260;  HlBSCH  O.  O.  0.  8,  522;  WeilMEYB  1,  277; 
im  steir.  zu  gulinger  entstellt  Ungeb-Khull  314». 

GULDENFUSZ,  m.,  eigentlich  der  münzfusz  des  gülden. 
seit  dem  18.  jh.  spricht  man  von  einem  18,  20,  24  oder  24^/3 
guldenfusz,  womit  die  ausprägung  einer  kölnischen  mark 
Silbers  zu  18,  20  etc.  guldenstücken,  bezw.  gülden  kleingeld, 
angegeben  ist  (vgl.  v.  Schbötteb  wb.  d.  münzkde  418): 
(der  vf.)  rühmt  den  schweren  conventionsfusz,  d.i.  den 
20  guldenfusz  allg.  dtsche  bibl.,  anhang  l  (1771)  318;  die 
einführung  des  24  guldenfuszes  (wird  für  Hessen  befür- 
wortet,) doch  so:  dasz  sowohl  der  20  als  24  fusz  bey- 
behalten  wird;  ersterer  zum  behuf  .  .  .  derjenigen  grenz- 
gegenden,  wo  der  20  guldenfusz  eingeführt  ist,  letzterer 
aber  zum  gebrauch  des  inneren  Verkehrs  und  der  übrigen 
reichsländer,  die  den  24  guldenfusz  haben  ebda,  anh.  zu 
bd.  25-36,  2207;  die  prägung  (des  herzogt.  Nassau)  be- 
schränkte sich  .  .  ,  auf  zwanziger  oder  eindrittelgulden- 
stücke  des  20  guldenfuszes  K.  Braun  bilder  3^  (1876)  152; 
er  begann  . .  .  eine  Zeitschrift  .  .  .  unter  dem  namen:  'der 
süsze  breite  gänsefusz'  (wird  im  vierundzwanziggulden- 
fusz  bezahlt)  Gl.  Beentano  ges.  sehr.  (1852)  5,  478;  durch 
die  aimahme  des  zollpfundes  als  münzgewicht  (1857) 
wurde  aus  dem  .  .  .  24^/2  guldenfusze  ein  52^/^  guldenfusz 
hdwb.  d.  staatswissensch.^  (1898^.)  5,  899. 

GULDENGROSCHEN,  m.,  ein  groschen,  d.  i.  eine  sil- 
berne dickmünze,  im  werte  eines  goldguldens,  zuerst  1484 
in  Tirol  ausgeprägt,  dann  vorzugsweise  in  Sachsen  (vgl. 
V.  Schrötter  wb.  d.  münzkde  558a'):  und  gilt  der  silberin 
guldengroschen  eyner,  auf  21  zinszgroschen  geschlagen, 
23  und  24  groschen  pfenning  Ageicola  sprichw.  (1534) 
X  b^;  zum  sibenden  .  .  .  gantz  guldengroschen  (zu  prä- 
gen), der  8^/2  groschen  auf  (Nürnberger)  mark  geen  (1536) 
Joh.  Che.  Hirsch  teutsch.  reichs  münzarchiv  (1756)  1, 
275;  das  der  guldengroschen  . . .  über  25  groschen  nicht 


1067  GULDENKABINETT  —  GULDENKRAUT 

BoU  .  .  .  eingenommen  werden  (1542)  sächs.  münzordn. 
ebda  306,  auch  312;  in  besiegen  (eine  erdschicht)  findet 
man  offt  weisz  silber,  so  klein  als  wer  es  von  einem 
güldengroschen  abgef eilet  Mathesius  Sarepta  (1571)  28a; 
das  einer  dem  andern  ein  güldengroschen  leihet  dera. 
Syrach  (1586)  2,  22^;  im  laufe  des  16,  jh.  durch  die  bezeich- 
nung  thaler  {a.  d.)  verdrängt,  vgl.  thaler  oder  güldine 
groschen  (1549)  Hirsch  a.  a.o.  l,  316,  auch  323:  erstlich 
soll  unser  muntzmaister  schlagen  und  muntzen  1  gülden- 
groschen, welche  man  auch  daller  nenet  (1673)  zschr.  f. 
geach.  d.  Oberrheins  6,  303;  f.  g.  {d.  i.  florenu^  grossus)  (be- 
deutet) güldengroschen,  die  man  taaler  namset  Seb. 
Hblber  teutsch.  syllabierbüchl.  (1593)  49;  im  bergbau  länger 
im  gebrauch:  dannen  her  die  bergleut  noch  einen  thaler 
lieber  mit  dem  alten  nahmen  einen  güldengroschen  nen- 
nen P.  Albinus  meiazn.  bergchronica  (l&dO)  31;  es  gebühret 
sich  .  . .,  von  erlangten  silbern  .  .  .  ein  güldengroschen 
. . .  ufiF  ieden  kux  auszutheilen  A.  v.  Schönberq  ausführl. 
berginformation  (1693)  1,  7;  güldengroschen  .  . .  bey  den 
sächsischen  bergleuten  ,  .  .  ein  speziesthaler  zu  32  gr. 
Jaoobsson  techn.  wb.  (1781)  2, 172*.  in  aüddeutachen 
münzurhunden  nach  1559  häufiger  mit  guldener  (a.  d.)  für 
den  auagemünzten  rechnungagulden  aynonym  gebraucht, 
z.  b.  (1571)  Hirsch  a.  a.  o.  2,  89  (vgl.  v.  Schrötter  a.  a.  o. 
247*),  oder  contaminiert,  ebenso  mit  reichsgxildener  oder 
reichsgulden;  dabei  wird  guldener  z.  t.  als  adjectiv  an- 
gesehen, a.  golden,  adj.:  43  werckh  (prägungslieferungen) 
reichsguldener  groschen  (1562)  Hirsch  a.  a.  o.  2,  5;  zwey 
werck  reichs  güldene  groschen  ...  48  werck  reichs  fl. 
groschen  (1563)  ebda  7;  58  werck  guldener  groschen  (1567) 
ebda  31;  so  auch  schon  einmal  (1529)  bei  Sohmid  achwäb. 
(1831)  244;  vgl.  groschen  II 1.  im  18.  jh.  in  Mittel-  und 
Norddeutschland  wiederum  für  den  ausgemünzten  rech- 
nungsgulden,  a.  gülden  3,  belegt,  z.  b.  güldengroschen,  ist 
auch  so  viel  als  ein  16  groschenstück  oder  60  kreutzer 
Frisch  d.-lat.  (1741)  1,  382'»;  ebenso  Weilmeyr  l,  283; 
beide  unterscheiden  davon  einen  alten  güldengroschen  oder 
zwanzigbätzner.  vgl.  noch:  der  erste  nürnbergische  gül- 
dengroschen oder  sechziger  von  1559  dllg.  dtache  bibliothek 
(1765^.)  4,  2, 125;  güldengroschen  'eins  holländische  ailber- 
münze'  Jacobsson  techn.  wb.  (1793)  5,  760*';  'ein  conven- 
tionagulden"  ebda  6,  681*.  a.  atich  guldentaler. 

GULDENKABINETT,  n.,  als  büchertitel  nach  dem 
muater  von  thaler-  und  groschenkabinett  (a.  d.)  gebildet: 
vollständiges  guldencabinet  von  A.  Chr.  Weise  (1780). 

GULDENKRAUT,  güldenkraut,  nur  ala  bicompo- 
situm:  tausendguldenkraut,  n.,  daa  rosablühende,  ala  be- 
sonders heilkräftig  geltende  centaurium,  gr.  xei'TctvQioy. 
die  mlat.  nebenform  centaurea  ergab  in  etymologisch  fal- 
scher, willkürlicher  Übersetzung  himdertgulden,  volkstüm- 
lich stets  zu  tausendgulden  gesteigert  (vgl.  Heqi  flora  v. 
Mitteleur.  5,  3,  1969):  dusentgüldinkrut  ...  in  latinischer 
Zungen  centaurea,  von  den  Tütschen  dusentgüldin.  bil- 
licher  hiesz  es  hundert  güldin,  wann  centum  heisset  hun- 
dert und  aureum  golt  . . .  des  kruts  geschlecht  zwei  sint 
grosz  und  klein  H.  Braunschweig  kunst  zu  distilieren 
(1500)  38*;  hunderguldin  oder  fieberkraut  Pinicianus 
prompluar.  (1516)  a  6^;  im  15.  und  16.  jh.  vorwiegend  noch 
uncomponiert:  dusentgüldin  (md.  15.  jh.)  bei  Diefenbach 
gloss.  112^;  tausentguldin  (15.  jh.)  ebda;  ebenso  Trochcts 
voc.  rer.  prompt.  (1517)  k  &^;  tusentgulden  vocabulariua 
theul.  (1515)  1  2^  Hüpfuß;  centauria  sive  centaurium  .  .  . 
tausendgulde  Frisius  dict.  (1556)  209*;  so  avsh  häufiger 
bei  Bock  kreuterbuch  (1539)  u.  Tabebnämontanus  a.  u. 
deutlich  als  fem.  gebraucht  und  antiker  Überlieferung  fol- 
gend die  pflanze  als  kleines  centaurium  einer  andern  als 
groazea  (vgl.  H.  Braunsohweio  a.  a.  o.;  NsMiacH  lex.  d. 
naturgesch.  1,  936;  2,  35)  gegenüberstellend:  (wir  kommen) 
zur  kleynen  dausentgulden  Bock  kräuterb.  (1539)  l,  35, 
ebenso  l,  153;  (Aetiua  achreibt)  dasz  die  klein  tausendt- 
gülden  ein  krafit  .  .  .  habe,  .  .  .  schleim  ausz  dem  leib 
zu  führen  Tabernämontanus  (1588)  2,  456'';  grosz  tau- 
sendtgülden  heist  lateinisch  centaurium  malus  ebda  2, 
455*.    das  jetzt  allein  übliche  compositum  tausendgulden- 


GULDENLAND  -  GULDENSTÜCK       1068 

kraut  achon  seit  dem  anfang  des  16.  jh.:  1500  bei  H.  Bbafn- 
schweig,  a.  o.;  eyn  handtvol  dausentguldenkraut  Bock 
kreuterbuch  (1539)  1,  35;  das  bitter  dausentguldenkräutiin 
ebda;  Tabernämontanus  (1588)  2,  456*;  Calepinus  dict. 
IXling.  (1598)  220'>;  DeNTZLER  (1716)  2,  284; 

ich  bin  kein  arzet  niclit,  doch  sag  ich  überlaut, 
das  beste  mittel  liier  sei  tausendguldenkraut 

JOH.  Grob  dichter,  versuchgabe  (1678)  27. 

in  der  Schweiz  erscheint  der  name  übertragen  auf  die  gleich- 
falls heilkräftigen  pflanzen  potentilla,  hypericum  perfora- 
tum,  epilobium  anguatifolium,  a.  Staub-Tobler  3,  892/. 
ein  anderes  gülden-,  guldenkraut  als  zsa.  mit  dem  adject. 
gülden  a.  oben  ap.  1064. 

GULDENLAND,  n.:  selbst  unsre  fürsten  geben  etwas 
dazu,  einen  gülden  oder  einen  thaler,  je  nachdem  sie 
über  gülden-  oder  thalerland  herrschen  Immermann  1, 
29  Boxb.;  der  Westerwälder  des  südabhanges  wohnt  noch 
im  guldenlande,  er  rechnet  aber  trotzdem  nach  thalern 
W.  H.  RiEHL  naturgeach.  d.  volkea  (1851)  1,  194.  — -  gul- 
denmesse, /.,  eigentlich  'goldene  messe',  von  Luther  1, 
424  W.  in  satirischer  absieht  ala  guldeneinbringevde  inter- 
pretiert (aureae  miaaae .  .  .  ab  aureo  nummo  aic  dictae);  ao 
auch  Eb.  V.  GÜNZBURG :  die  prediger  münch  erdencken 
siben  guldin  mäsz,  die  darumb  guldin  haissen,  dann  man 
musz  in  ein  guldin  .  .  .  geben  1,  160  ndr.,  a.  golden.  — 
guldenmünze,  /.,  münze  vom  typua  dea  gülden:  unser 
mitscheffe  und  radgeselle  hat  uwerer  keyserlichen  gnaden 
begere  und  meynunge  der  guldenmoncz  halber  uns  an- 
bracht (1475)  bei  P.  Joseph  goldmünzen  205;  zum  12.  soll 
die  guldenmünz  bei  19  graden  bleiben  Knebel  chron.  v. 
Kaiaheim  289  lit.  ver.  in  weiterem  ainne,  münze  7,  teil  6, 
2706,  entaprechend,  daa  recht,  guldenmünzen  zu  prägen:  (der 
bischof  zu  Bamberg)  mag  ein  guidein  müncz  haben  und 
daselbst  haizzen  slahen  (1354)  zschr.  f.  numiam.  28,  324; 
OMCA  als  prägestätte  der  guldenmünzen:  Peder  Donne,  der 
goltsmydt  und  isengreber  (münzstempelachneider)  der  gul- 
denmoncze  by  uns  (1427)  K.  Bücher  Frankf.  beruf awb. 
G3^,  vgl.  münze  6.  —  guldenpfennig,  m.,  goldmüme: 
einen  vreimden  guldenpenning  .  . .,  de  wale  ö^/j  mark 
wert  was  (1396)  Köln,  zunfturk.  2,  552  Lösch;  (könig  Karl 
sprach:)  kauft  mir  für  meine  guldenpfennige,  was  ich 
bedarf  W.  Grimm  d.  sagen  (1891)  2,  64;  ao  viel  wie  gülden- 
groschen (a.d.):  Binder-Ebner  uMrttembergische  münz- 
kunde  40;  vgl.  auch  den  familiennamen  Güldenpfennig. 
—  guldenschein,  m.,  auf  gülden  lautende  banknote: 
(die  mutter)  steckte  ein  schmales  häufchen  guldenscheine, 
wohl  ihren  ganzen  nothpfennig,  sorgsam  in  ein  papier 
P.  Heyse  novellen  10.  aamml.  (1875)  31;  mit  zahlwort  als 
bicompositum:  einen  zehnguldenschein  in  kreuzer  (um- 
wechseln) Mommsen  red.  u.  aufsätze  (1905)  245. 

GULDENSCHREIBER,  m.,  vom  15.  bis  17.  jh.  häufig 
ala  titelfür  achreiber,  schreib-  und  rechenlehr  er;  ursprüng- 
lich illuminist,  s.  Nyström  achultermin.  141;  vgl.  aurigra- 
phua  guldenschriber  neben  goltschriber  (s.  d.)  Diefen- 
bach gloss.  62*>;  guldenschryber  aurigraphua  est,  qui 
acribit  cum  auro  vocab.  (1515  Hüpfuff)  k  5*':  Johannes 
Konig,  guldenschriber,  11  seh.,  6  hl.  pagavit  Frankfurter 
urkde  von  1463  bei  Lexer  1,  1115;  des  guldenschribers  sun 
(15.  ;A.)  chron.  d.  d.  städte  10,306  u.ö.;  vier  künstliche 
aiphabet  oder  ABC,  allen  canzeleien  und  guldenschrei- 
bern  nützlich  und  lustig  zuo  gebrauchen  buchtitel  (16.  jh.) 
bei  Staub-Tobler  9,  1539;  er  kondt  die  gelegte,  die  ge- 
brochene, die  currentschrifEt .  .  .  wie  ein  dintenklitteriger 
guldenschreiber  und  schlangenzügmaler  Fischart  Garg. 
277  ndr.;  rechenmeister  und  guldinschreiber  (1521) 
Fischer  achwäb.  6,  2079;  in  pädag.  lit.  fälschlich  auf  einen 
gülden  lohn  gedeutet,  vgl.  S.  Nyström  schultermin.  142. 
hierzu  -schule:  rechen-  und  guldinschul(1519)  Überling. 
ratsprotok.  bei  Fischer  achwäb.  6,  2079. 

GULDENSTÜCK,  n.,  die  guldenmünze  im  gegensatz 
zum  rechnungsgulden  oder  zur  kleingeldsumme  vom  werte 
eines  gülden:  die  guldenstück  (sollen  gelten)  eines  vor 
48  gr.  (1621)  acta  publica  4,  129  Palm;  jedes  guldenstück 
war  ihr  (der  mutter)  beinahe  ein  heiliges  symbolum  des 


1069   GULDENTALER  -  GULDENZOLL 


GULDENZÖLLNER  -  GULE 


1070 


Schicksals  G.  Kelleb  ges.  w.  1,  148;  Jakob,  der  sich  das 
guldenstück  ansah  Fontane  ges.  w.  I  6,  347;  ein  goldenes 
döschen  .  . .,  nicht  gröszer  als  ein  guldenstück  Ebneb- 
Eschenbach  ges.  sehr.  (1893)  4,  442,  mehrfach  mundart- 
lich belegt:  mit  neie  guldesticker  kennt  ich  em  . .  .  net 
ufwarte  Niebeeqall  245  Fuchs;  halbgileschdeg  Schöneb 
Eschenrod  336;  meist  in  deminutivform:  ein  guldestickelche 
A.  Stoltze  ges.  w.  5,357;  a  guldenstückel  K.  Stielee 
ged.  1,  61  Reclam;  wenns  kronetaler  regnet  und  gulde- 
stuckle  schneit  Fischer  schwäb.  3,  912;  es  guldistuk,  es 
guldstükli  HuNZiKEB  Aarg.  263;  es  schöns  püscheli  füf- 
zähebätzegi  tütschi  gullestückeni  Fbiedli  bärnd.  3,  526. 

GULDENTALER,  m.  volkstümliche  bezeichnung  für 
die  grosze,  offiziell  guldener  {s.  d.)  benannte  silbermünze 
vom  ursprünglichen  werte  des  rechnungsguldens,  des  sog. 
reichsguldens;  daher  auch  reichsguldentaler :  ö^/j  guiden- 
taler =  1  köln.  mark  {nach  1560)  vMrttemb.  jahrb.  (1902) 
39;  ein  reichsthaler  21  batzen,  reichsgüldenthaler  18  bat- 
zen  (1609)  JoH.  Che.  Hirsch  teutsch.  reichs  münzarchiv 
8,  53  u.  ö.;  ob  nicht  zu  .  .  .  erhaltung  der  thaler  ...  im 
lande  .  .  .  fürnemlich  güldenthaler  oder  dreisziggröscher 
.  .  .  abgeschafft  .  . .  werden  möchte  (1619)  acta  publica  2, 
40  Palm;  auch  4,  237;  es  hat  einer  frey  die  60  auff  dem 
güldenthaler  ausgekratzt,  dasz  er  siehet  wie  ein  reichs- 
thaler CoEViNUS /oTW  latin.  (1623)  21;  dasz  er  demselben 
(geiger)  eine  gantze  band  voll  funckelneuer  güldenthaler 
von  einem  schlag  zuwarff  Grimmelshatjsen  3,  406  Keller; 
auch  4,  581 ;  weitere  belege  bei  Fischer  schwäb.  3,  912  und 
5,  254;  seit  dem  18.  jh.  auszer  gebrauch,  vgl.  Weilmeye  1, 
284.    vgl.  auch  guldengroschen. 

GULDENWÄHRUNG,/.,  locale  zahlungsweise  für  den 
gülden:  die  gemeine  güldenwehrimg  {zu  Frankfurt)  .  .  . 
ist  24  Schilling  oder  27  albus  P.  M.  Wehnee  observationum 
sei.  liber  (1624)  252*'.  auf  dem  gülden  aufgebautes  geld- 
wesen:  wenn  man  seitdem  {ende  des  18.  jh.)  von  einer  taler- 
währung  spricht,  so  ist  der  gegensatz  dazu  nicht  gold- 
münzen Währung,  sondern  erstens :  hauptwährung  in  einer 
andern  groszen  silbermünze,  z.  b.  guldenwährung.  der 
zweite  gegensatz  ist  die  Scheidemünzen  Währung  v.  Scheöt- 
TEE  wb.  d.  münzkde  731'*.  —  guldenweise,  adv.:  gulden- 
weis d  fiorini  Keameb  d.-ital.  (1702)  2,  1304*; 

fein  einzeln  liab  icii  sie  gegeben  guldenwelse 

RÜCKKET  werke  (1867)  3,  232. 

—  guldenwerk,  n.:  {Nürnberger  waren  werden  vertrie- 
ben) bey  dutzend,  einige  nach  dem  hundert,  noch  andere 
nach  dem  guldenwerck,  das  ist,  so  und  so  viel  stück  oder 
dutzend  werden  vor  einen  reichsgulden  oder  thaler  ver- 
kauft, bedungen  und  verhandelt  allg.  haushalt.-lex.  (1749) 
2,  449*';  tisch  und  handglocken  .  .  .  sogenarmte  gulden- 
werk ScHEDEL  waarenlex.  (1834)  1,  462.  —  guldenw^t, 
OT.,  wert  im  betrag  eines  gülden;  bes.  von  handelsobjecten: 
unde  namen  da  den  kauf  luden  me  dan  vir  dusent  gulden- 
wert gewandes  Tilem.  E.  v.  Wolfhagen  limburg.  chron. 
62  Wysz;  jeder  gulwert  {von Schweinen)  gibt  unserem  gned. 
herren  zum  geburlichen  dechan  1  albus  (1579)  weist.  3,  747; 
er  wuszte  von  jedem  stück  den  preis  auswendig,  und  bei 
jedem  gülden  werte  einen  kreuzer  dazuschlagen,  das  war 
.  .  .  leicht  auszurechnen  Roseggee  Schriften  II 10,  159; 
auch  vom  gelde:  {B.  B.  hat  verloren)  eyn  halff  guidewert 
geldes  chron.  d.  d.  städte  16,  541.  der  wert  des  guldens:  die 
wichtigste  entscheidung  lag  in  der  festsetzung  des  gulden- 
wertes in  gold  hwb.  d.  staatswissensch.^  (1898)  6,  32.  — 
guldenzettel,  m.,  ein  gülden  papiergeld  W.  Hoffmann 
wb.  d.  d.  spr.  2,  718:  {mit  worten  so  sparsam,  als  ob)  jedes 
einen  guldenzettel  koste  M.  v.  Ebnee-Eschenbach  ges. 
sehr.  (1893)  5, 146;  wann  er  da  einer  person  .  .  .  mit  seine 
guldenzetteln  d'  äugen  verpicken  will,  so  is  das  natürlich 
Anzengruber  ges.  w.  (1890)  10,  149;  vereinzelt  als  n.:  da 
ist  ein  einspänniges  guldenzettel.  aber  wenn  die  noth- 
leidenden  wieder  zu  geld  kommen,  so  musz  es  mir  ersetzt 
werden  A.  Bäuerle  kom.  theater  (1820)  2,  33;  auch  5,  81.  — 
guldenzoll,  m.,  zoll  im  betrage  eines  gülden  oder  vom 
guldenwert  einer  wäre:  ein  rhein.  goldgulden  vom  fuder 
wein  Schmeller-Fr.  l,  900;  J.  Che.  Hiesch  münzarch. 


(1756)  7  register;  Steuer  von  verkauftem  vieh  Fischer 
schwäb.  3,  912;  weitere  belege  ebda,  hierzu  -Zöllner,  ebda. 

GÜLDERLING,  gulderling,  m.  eine  apfelsorte,  auch 
bezeichnung  für  eine  bestim,mte  klasse  von  äpfeln,  s.  Mu- 
SPRATT  chemie  6,  203.  der  name  in  dieser  form  schon  bei 
Maepeegee  kaufm.-magazin  (1708)  910;  andre  formen: 
güldling  Henisch  (1616)  1074;  Coevinus  fons  lat.  (1660) 
1,  820;  güldaling  {niederösterr.)  zschr.  f.  d.  wortforsch.  2, 
193;  guUing  Dijkstra /nescÄ  wb.  1, 483 *;  guldeling  v.Dalb 
groot  woordenboek^  721». 

GÜLDIG,  guldig,  adj.,  s.  goldig,  doch  auch  gültig.  —  berg- 
männisch für  'goldhaltig'  bei  silber  und  sand  {vgl.  güldisch): 
{electrum,)  das  nechste  {metall)  nach  dem  gold  . . .  ein 
güldig  Silber,  da  inn  der  marck  natürlichem  golde  das 
fünffte  theil  .  .  .  silber  innen  ist  Mathesius  Sarepta  (1678) 
54^  u.  ö.;  güldig  silber  oder  silber,  darinnen  gold  stecket 
Peätoeius  urilndschelruthe  (1667)  203;  im  19.  jh.  vereinzelt 
belegt:  {ein)  anbruch  güldiger  und  silberhaltiger  ocker, 
der  sogleich  geschürft  die  reichsten  erze  förderte  Rittee 
erdkunde  (1822)  2,  670;  neben  goldig,  güldisch  und  gol- 
disch, göldisch  verwendet:  ich  hab  ein  güldig  silber  .  .  . 
probirt  L.  Eeckee  mineral.  ertzt  (1580)  59*.  hierzu:  gül- 
dig sand:  {ein)  goldweschwerck,  da  man  die  goldertzt 
oder  güldigsand  .  .  .  über  rauhe  fehl  und  löcherichte 
breter  gewaschen  Mathesius  a.  a.  o.  13*. 

GÜLDISCH,  adj.,  goldhaltig,  in  der  bergnuinnssprache 
besonders  seit  dem  18.  jh.  reich  belegt,  z.  b.  silberröllgen 
sind  güldische  silberkömer,  so  ...  in  den  scheidekolben 
geworffen  werden,  um  das  gold  vom  silber  zu  salviren 
Mineeophilus  (1730)  619;  auch  300;  303;  güldisch  sind  die 
erze  und  metallische  mischungen,  welche  in  der  probe 
etwas  gold  geben  Jacobsson  techn.  wb.  (1781)  2,  129*; 
güldisches  silber  ist  eine  mischung  von  silber  und  gold, 
in  welcher  weniger  als  4  loth  gold  ist  ebda  172*;  die  ganze 
güldische  silberproduction  Rittee  erdkunde  (1822)  2,  854; 
auch  3,  341;  gold  kommt  nur  in  metallischem  zustande 
vor,  selbst  in  den  sogenannten  güldischen  erzen,  d.  h.  in 
kupfer,  arsen-  und  eisenkiesen  Kaemaesch-Heeren  4, 
120;  ältere  belege:  güldisch,  quod  auro  intermixtum  est 
Schottel  haubtspr.  (1663)  357;  im  güldischen  silber 
Eeckee  mineral.  ertzt  (1598)  59*  neben  güldig  {s.  d.),  göl- 
disch u.a.  hierzu  -gediegen:  mit  ...  güldischgedie- 
genem  silber  Zappe  mineral.  handlex.  (1817)  1,  99;  -sil- 
ber: das  gold  findet  sich  .  ,  .  theils  als  güldischsilber  im 
eisenkies  Müspeatt  chemie  3,  1690. 

GÜLDKETTLEIN,  n.: 

und  küszt  ilir  leis  des  mundes  säum 
und  nimmt  vom  hals  das  güldkettlein 

Stoem  sämü.  werke  (1897)  8,  279. 

GULDNER,  m.,  pfründner,  zu  gülden:  stipendiarius 
quelle  d.  15.  jh.  bei  Staub-Tobleb  2,  229;  ebda  die  com- 
posita  wochenguldner,  zwanzigguldner. 

GÜLDUNG,  /.,  goldglanz: 

welch  dunstig  dunstbild  dunstet  auf  vom  boden? 
zwar  guldig  hell  in  guldger  waffen  güldung 

lUHEEUANN  16, 129  Boxberger. 

GULE,  m.,  haushahn,  ein  alemannisches  wort,  auch  in 
der  form  gul,  gulen,  guler,  guli,  daneben  mit  kurzem  vocal 
gull(e),  guller,  gulli,  die  beiden  letzten  formen  auch  um- 
gelautet; zur  idg.  umrzel  ghel-  schreien,  s.  Fischee  schwäb. 
3,  912,  Staub-Toblee  2,  220,  oder  eher  mit  gul  'männliches 
tier,  pferd"  identisch,  s.  teil  4,  1,  1,  1566  u.  Sommee  idg. 
forsch.  31,  371 :  {gallus  gallinaceus)  wirt  von  Teutschen  han, 
haushan,  gul  und  güggel  gnennt  Heuszlin  Qeszners  vogel- 
buch (1557)  76^;  hauen  oder  gulen  {pl.)  H.  Bullinger 
Verantwortung  (1557)  nach  Staub-Tobleb  2,  220;  eier 
hüener,  güU  U.  Meyer  Winterthurer  chron.  {um  1550)  ebda; 
über  die  Verbreitung  und  abgrenzung  der  einzelnen  formen 
in  den  heutigen  alemann.  maa.  s.  Fischer  schwäb.,  Staub- 
ToBLER  a.  a.  0.,  Maetin-Lienhaet  elsäss.  l,  212**.  im 
Schweiz,  wie  elsäss.  atichfür  den  truthahn.  allgemein  alem. 
zur  bezeichnung  eines  zornigen,  geschwätzigen  oder  narren- 
haften menschen,  vornehmlich  in  der  form  guli,  bereits  im 
15.  jh.: 


1071         GÜLER-GULKEN,  GULKERN 


GULKGLAS-iGÜLLE 


1072 


ein  müUer  hiesz  Oumprecht  der  gül 
und  waz  geseszeu  in  einer  mfll 

bei  Keller  erzähl,  a.  altd.  hs.  463,  2; 

wer  wolt  also  ein  guli  sein,  .  .  .  der  in  seinen  krankheiten 
nicht  all  sein  poesim,  graecum,  hebraeum  .  . .  gebe  um 
einiger  kraft  zu  wissen  zu  seiner  gesundheit?  Pabacelsus 
op.  (1589)  4,  368; 

du  wüster  guli,  grober  flitz, 

ich  wil  dich  bzalen  drumb,  was  gilts 

JOH.  Aal  trag.Johannis  143  ndr. 

als  pflanzenname  für  rotblütige  gewächse,  im  eis.,  Schweiz, 
bes.  für  corydalis  cava,  lerchensporn,  hahnensporn,  im 
Schwab,  vor  allem  für  papaver  rhoeas,  ackermohn,  auch 
gockeler  genannt. 

GÜLER,  m.,  bettler,  s.  giler. 

GULF,  m.,  verschiedener  herkunft  und  bedeutung.  i)  zu 
golf,  m.  {s.d.):  ein  böser  gulf  des  meers  {15,  jh.)  bei 
Fischer  schwäb.  3,  745,  dem  einheimischen  schwäb.  fremd, 
vgl.  mlat.  gulfus  du  Canqe-Henschel  4, 137°;  Diepen- 
BACH  267*;  zweifelhaft  bair.  gülf,  /.,  'fluszmündung*  in 
Frommanns  dt.  maa.  5,  443.  2)  scheunenraum  für  getreide, 
ostfriesisch,  s.  Doobnkaat-Koolman  l,  706 »:  hier  {in  der 
Scheune)  steht  in  langer  reihe  das  vieh,  während  im  mittel- 
raum,  'gulf'  genannt,  von  unten  bis  zur  höchsten  spitze 
des  gebäudes  die  körn-  und  heumassen  lagern  H.  All- 
MEES  marschenb.  436;  vgl.  das  schwed.  golv  'fuszboden', 
'abteilung\  'speicherraum  für  saat  oder  heu,  stroK"  ordb. 
över  svenska  spräket  10,  753^./  norw.  dän.  dial.  gulv  'ab- 
teilung\  'räum";  an.  golf,  n.,  fuszboden  abteilung\  s.  Falk- 
ToBP  norw.-dän.  etym.  wb.  1,  361.  3)  unklar  in  herleitung 
und  bedeutung:  an  den  lärm  der  groszen  städte  habe  ich 
mich  weder  in  Warschau  noch  in  Berlin  gewöhnen  können 
.  .  .  die  Peripherie  mit  den  Vorstädten  ist  für  mich  ein 
wahrer  gulph,  in  den  ich,  der  ich  gern  in  zehn  minuten 
nach  allen  gegenden  zum  thore  hinaus  in  gottes  freie 
natur  schreite,  mich  mit  betäubung  verliere  Seume  (1801) 
bei  Planee-Reiszmann  303. 

GÜLFEN,  vb.,  wimmern,  schreien,  j-bildung  zu  gelten, 
im  15.-17.  jh.  vereinzelt  literarisch,  s.  teil  4,  1,  2,  3014  nr.  2  b 
und  FisoUBB,  schwäb.  3,  658;  vgl.  ndrhein.  gulTpen  fürchter- 
lich schreien  von  tieren  und  menschen  rhein.  wb.  2, 1485 
sowie  mit  anderm  wurzelavslaut  {vgl.  teil  4,  1,  3014  nr.  2  c 
und  W.  Schulze  zs.  f.  vgl.  sprachforschg .  57,  297)  gxilfen 
weinen  Woeste  westf.  87**;  gulfern  kläglich  bitten  Dähnert 
plattd.  140^;  164^  neben  galfern,  gilfern. 

GULGEN,  /.,  brandmal  { .?) : 

das  Calvinus  jetzt  klagen  thuet, 
ist  zwar  nit  gar  ein  ubermueth, 
dann  ihn  die  gulgen  gar  hart  krenclft, 
die  im  hencker  aufFen  rucken  brendt 
flieg,  bl.  Spiritus  famüiaris  ScuUeti  (1620)  in  Alemannia  18,  26, 

herleitung ?  vgl.  gülgen  löten  Staub-Tobleb  Schweiz.  2, 233. 

GULICHT,  n.,  unschlittlicht,  s.  gaulicht,  golicht  teil  4, 
1,  1,  1572.  dazu  schwäb.  guUüchter,  vgl.  goUeuchter  leuch- 
ter  zum  talglicht,  a.  a.  o.  1573  nr.  2:  von  Martini  bis  wihen- 
necht  sollen  die  schuler  morgends  einander  mit  gull- 
lüchtern  zünden  Ordnung  von  1501  {Stuttgart)  bei  A.  L. 
Rbyscheb  sammig.  d.  Württemberg,  ges.  XI  2,  4. 

GULKEN,  GULKERN,  vb.,  bezeichnet  das  geräusch  von 
flüssigkeiten,  die  durch  eine  enge  gehen,  vgl.  golkern,  kolken, 
kolkern  teil  5,  1613,  kulken  ebda  2585,  klucken  ebda  1259, 
weiterhin  glucken,  glucksen,  klucksen  mit  ähnlichen  be- 
deutungen;  in  skandinavischen  mua.  norw.  gulka  auf- 
stoszen,  sich  räuspern,  schwed.  gylka  schlucksen,  sich  er- 
6rccÄen  Falk-Tobp  et.  wb.  1,  364/.;  en^l.  dialektisch  gulch 
gulk  gierig  schlingen  Wbiqht  2,  758^;  kolk  .  .  .  inde  est 
.  .  .  kolken  ingurgitare  item  gulken  et  golkeren  bombum 
edere  Stielee  684;  gulken  bibire  vom  laut,  den  das  ge- 
tränke  macht,  wann  es  aus  einem  hals  des  geschirres  heraus- 
kommt Fbisch  1,  382^';  modern  in  md.  maa.:  mit  geräusch 
trinken  Kkothe  schles.  ma.  in  Nordböhmen  274 ;  gulkern 
gurgeln;  von  wasser,  das  durch  eine  dünne  röhre  sich  zwängt, 
auch  vom  geräusch  der  eingeweide  Hebtel  Thür.  111;  150; 


Müllee-Feaubeuth  449b;  430^;  gulksen  glucksend  trin- 
ken Jungandbeas  schles.  zeitwortbildg.  79;  stark  mit  aus- 
wurf  husten  rhein.  wb.  2, 1483  {vgl.  kolkern  husten  wie  ein 
brustkranker  teil  5,  1G13).  —  gulkglas,  n.,  vgl.  kulchgles 
teil  5,  2585;  kluckglas  ebda  1259:  baucalium,  .  .  .  bocalium 
. . .  ein  bokälichen,  ein  gulckglasz  Bas.  Faber  thes.  (1587) 
105^;  gülkerglas  vitrum  angusto  ore,  sonum  inter  bibendum 
edens  Stieler  684,  vgl.  kolkerglas  ebda  942;  gülchglas 
bombylius  Dentzlee  (1716)  2,  1^2^;  vgl.  auch  gülker,  m., 
gefäsz  Fischeb  schwäb.  6,  2079. 

GULL,  m.,  s.  gule. 

^GÜLLE,  /.,  'tümpel,  pfütze,  jauche'. 

schwundstufige  ableitung  mit  -1-formans  von  der  idg. 
Wurzel  gheu  'gähnen,  klaffen^  Walde-Pokoeny  1,  566; 
norw.  dial.  gyl  'Muff  a.  a.  o.;  schwed.  göl  'tümpel,  pfütze^ 
Hellqüist  SV.  et.  ordb.  217*;  mnd.  gole,  goel,  m.  und  f., 
'sumpf,  feuchte  niederung^  Schilleb-Lübben  2,  131^;  viel- 
leicht au^h  'ndl.  geul  'schmales  tiefes  wasser\  'kanaV  wb.  d. 
ndl.  taal  5, 1872  {anders  Vebwijs-Veedam  2,  1770;  J. 
Feanck-v.  WiJK  et.  wb.  192^);  ins  finnische  aus  germ. 
*guljö(n)  als  kulju  'tiefes  wasser,  pfütze^  entlehnt;  über  das 
frühe  eindringen  des  wortes  ins  romanische  in  der  bedeutung 
'pfütze,  sumpfiger  orV  vgl.  Tabpolet  d.  ahm.  lehnw.  i.  d. 
frz.  Schweiz  69;  Staub-Tobleb  2,223;  Meyeb-Lübke 
3912;  ins  mittellat.  als  gollia  'canalis,  aquae  decursus,  locus 
cavus,  per  quem  aquae  decurrunV,  golena  'parvus  locus' 
DU  Cange-Henschel  4,  853-;  85^.  Vgl.  auch  die  zur  wurzel 
ghei,  germ.  *gilja-  'klaffen'  (Hellqüist  217 '^)  gehörigen 
bildungen  wie  aisl.  gil,  n.,  'a  deep  narrow  glen  with  a  stream 
at  bottom'  Cleasby-Vigfusson  199*';  geil,  /.,  'o  narrow 
glen'  ebda  195**;  schwed.  mundartl.  gilja,  /.,  'hohlweg' 
RiETZ  192*';  engl,  gill  o  ravine  Skeat  233^. 

neben  güUe  erscheinen  vereinzelt  formen  ohne  umlaut: 
guU,  güU  {obd.  15,  jh.)  Diefenbach  nov.  gloss.  261^;  guUen 
Calepinus  dictionar.  undecim  ling.  (1598)  1017'';  ent- 
rundung  zeigten gillenbehälter  Pestalozzi säm<Z.scAr.(1819) 
1,  178,  vor  allem  schwäb.  flurnamen  s.  u.  sp.  1073.  unsicher 
ist  die  Zugehörigkeit  von  gill,  m.,  'urin?'  Alsf.  pass.  4912, 
von  Lexee  nachtrag  222  als  gülle  angesetzt,  vgl.  auch  gillen 
'menschenkoth'  Fischee  schwäb.  3,  913. 

allgemein  schwach  fiectiert,  stark  nur  gelegentlich,  e. 
Tschumpeet  bündner.  lex.  671  und  in  der  fachsprache.  ver- 
einzelt obd.  apokopiert  guli,  güU  bei  Diefenbach  nov. 
gloss.  261;  als  güllen  bei  Feisius  dict.  942;  1405;  Calepinus 
a.a.O.;  Hulsius  (1618)  143;  vgl.  auch  Staub-Tobleb  2, 
222.  lebendig  im  alem.,  bes.  im  Schweizerdeutschen,  woher 
es  die  landwirtschaftliche  fachsprache  in  der  bedeutung 
'jauche'  übernahm,  s.  u.  2. 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  'schmutziges  gewässer',  'sumpf,  'lache',  'tümpel'. 
gewisse  frühe  belege  legen  ein  bedeutungselement  der  tiefe 
nahe:  nattatorium  guli,  güU  voc.  rer.  (15.  jh.)  bei  Diefen- 
bach nov.  gl.  26l*>,  vgl.  natatorium  ein  wasser,  daz  man 
nicht  gewaten  kan  glgss.  376*;  gurgitem  tunccuUe  ahd.  gl. 
1,  54,  2; 

wser  si  {d.  i.  frou  Melde)  in  ainer  güllen 
ertrunken,  daz  wser  ane  clage 
Johann  von  Würzbüeq  Wilhelm  von  Österreich  1704 ; 

gulle  vetus  germ.  sax.  sicamJbr.  palus,  volutabrum,  vorago, 
gurges  Kilian  166*; 

die  man  sint  schüllen! 
wer  kans  erfüllen, 
die  fülen  güllen 
gar  verzaget? 

Ulrich  von  Winterstbtten  64  Minor; 

so  auch  in  der  anwendung  auf  die  hölle,  vgl.  der  helle 
sumpf,  söt,  pfuol,  lache,  pfütze,  aber  auch  der  helle  ab- 
gründe  u.  ähnl. : 

(heiden  und  teufet  sind)  in  die  helle  versigelt, 

die  nieman  kan  erfuUin 

in  der  helle  gullin, 

wan  daz  verworhte  hol 

nimet  so  ungefuogen  zol 

unde  Wirt  doch  niemer  vol 

Hugo  von  Lanöbnstbin  Martina  434  Keller; 


1073 


iGÜLLE  — 2GÜLLE 


3  GÜLLE  — GÜLTE 


1074 


zuo  der  helle  gullen  ebda  381;  vgl.  der  erde  gullin  ebda  168; 
in  der  folge  dagegen  fehlt  die  Vorstellung  besonderer  tiefe, 
während  der  bedeutungsgehalt  'schmutzig'',  'sumpf  stärker 
hervortritt;  schon: 

wan  er  viel  in  einen  graben, 

die  gulle  im  durch  die  ringe  dranc 

Ulrich  von  Zatzikhoven  Lanzelet  2921, 

als  Variante  in  cgp  371  (1420)  zu  hör;  palus  respirat  ma- 
lignam  aera  von  der  güUen  oder  lachen  gadt  ein  ver- 
gifter  dampf  Frisiüs  (1556)  11543';  die  lachen,  güUen  palus 
Maaler  258^;  pejorativ  auch  in  der  Übertragung:  umb 
solicher  Ursachen  willen  hat  in  {Luther)  gott  vielicht  die 
statt  Rom  sechen  lassen  als  den  cistern  und  güUen,  usz 
welichen  soliche  antichristliche  verfürung  ufquellet  und 
herum  geflossen  sind  Joh.  Kessler  Sabbata  66.  ohne 
diesen  beisinn  neutraler  vom  trinkbaren  wasser  in  einer 
bodenvertief ung :  ein  weg  über  das  ägkerli  zuo  der  güllen 
der  zeig  {des  eingehegten  feldes)  1433  bei  Staub-Tobler 
2,  222; 

acli  got,  fund  icli  doch  nun  ein  güllen, 
das  ich  möcht  halb  mein  fläschen  füllen 

Habeber  Abraham  (1592)  0  2>; 

in  ahm.  flurnamen,  wohl  zur  bezeichnung  der  wasserhaltig- 
keit: güUenacher,  -graben  Staub-Tobler  2,  222,  gillen- 
acker,  -bach,  -wiesen,  gillgraben  Fischer  schwäb.  3,  913. 
im  mnd.,  aufs  Oldenburg,  beschränkt?,  s.  Schiller-Lübben 
2, 131,  'feuchte  niederung  mit  weiden  oder  schlechtem  holz 
bewachsen':  he  heft  vorkoft  enen  orth  van  der  ghole, 
dar  men  widenholt  inne  stej^  und  nyn  eken  edder  ander 
nutte  holt  Oldenburg,  urkde  von  1480  ebda. 

2)  'jauche',  die  heute  gebräuchlichste  verwenduTig  des 
Wortes  in  den  alem.  dialekten,  von  der  landwirtschaftlichen 
fachsprache  übernommen;  diese  specielle  bedeutung  zuerst 
in  mistgüllen  stercorata  colluvies  cortis  Frisius  (1556) 
1241^';  vgl.  auch:  volutabrum  mistlach,  kaatlach,  güllen, 
darinn  sich  die  seuw  walend  ebda  1405*>;  die  gewächse 
.  .  .  werden  .  .  .  unfruchtbar,  wenn  sie  ...  weder  mit 
güllen  noch  regenwasser  bedünget  werden  v.  Muralt 
eydgen.  lustg.  (1715)  57;  auf  diese  weise  hält  man  den 
festen  und  mit  stroh  gemengten  mist  von  dem  flüssigen 
oder  der  sogenannten  gülle  ganz  abgesundert  Thaer  rat. 
landwirtsch.  2,214;  dazu  kam  seit  1703  die  aus  allerlei 
abfallen  präparierte  flüssige  gülle  Wimmer  gesch.  d.  dt. 
bodens  (1905)  199;  im  Sprichwort: 

im  herbst  der  mist,  im  frühling  die  güllen 
tut  dem  bur  die  schüren  füllen 

bei  Staub-Tobler  Schweiz.  2,  223, 
ähnlich  mit  aprillengüUen  Fischer  schwäb.  l,  301;  Mar- 

TIN-LlENHART   clsäss.  1,  212^». 

3)  composition  von  gülle;  in  flurnamen  s.  oben  l  ende; 
zur  bedeutung  'sumpf,  tümpeV  im  Schweiz.  güUenrugger 
'unke'  u.  ähnl.  bildg.  Staub-Tobler  6, 776 ;  häufiger  jedoch 
nur  im  sinne  von  'jauche',  in  der  form  gülle-  und  güllen-, 
bes.  im  schweizerdeutschen  Staub-Tobler  2,  223,  z.  6.; 
güllenfasz  ebda  l,  1050;  -gumpen  jau^htümpd  ebda  2,  310; 
-pumpen  e6do  4, 1266;  im  alem.  güllenschapfe  Fischer 
3,  914;  -wagen  ebda;  in  der  fachsprache:  güUenbehälter 
Thaer  rat.landw.  2,  214;  -bereitung,  -wesen,  -Wirtschaft 
Joh.  Nbp.  v.  Schwerz  prakt.  ackerb.  69.  68.  72;  als  früher 
beleg  für  die  bedeutung  'jauche'  hervorzuheben:  güllenloch, 
n.,  jauchgruhe: 

weil  hast  die  magd  geschändet, 
Ins  elend  auch  gesendet, 
stinkst  als  ein  güllenloch 

(aus  dem  17.  jh.)  52  ballad.  168  v.  Ditfurth; 
vgl.  Staub-Tobler  3,  I03l;  Joh,  Nep.  v.  Schwerz  o.  a.  o. 

444. 

*  GÜLLE,  /.,  grind,  halsgeschwulst,  ein  bair.  wort, 
mundartlich  heute  im  steir.  u.  kämt,  erhalten;  vielleicht  eine 
mtlehnuTig  aus  dem  südslav.?  vgl.  guliti  schinden,  schaben 
im  serbokr.  und  slov.,  gula  beule,  geschumlst  in  russ.  und 
poln.  dialekten,  Berneker  slav.  et.  wb.  l,  362;  zur  idg. 
Wurzel  geu  schaben,  reiben  Walde- Pokorny  1,  562;  kaum 
IV.  1.  6. 


ZU  lat.  gula  Schlund  Höfler  dt.  krankheitsn.  208*;  porrigo 
{das  grind,  im  15.  jh.  daneben  aber  auch  rankkorn  'hals- 
geschwulst' glossiert,  vgl.  teil  8, 108)  gulla  Admonter  hs. 
d.  11.  jh.  in  der  ahd.  gl.  4,  88,  9;  in  andern  bair.  hss.  bis 
ins  13.  jh.  gulla,  gulle,  gulli  ebda;  in  einer  Prager  hs.  gulla 
ebda;  heute  güU,  gill  entzündung  der  haarumrzeln  Unger- 
Khull  314»;  Lexer  kämt.  114;  güll  scrophula  dicuntur 
quaedam  apostemata,  quae  nascuntur  pueris  { ?  etwa  porcis) 
in  collo  Oräzer  voc.  bei  Lexer  1,  1116;  ethica  aytergüll 
(15. /Ä.)  bei  Schmelleb-Fr.  1,894;  güll,  gill  name  einer 
krankheit  verschiedener  tiere,  die  geschwüre  am  hals  zeigt 
Unger-Khull  314  a;  ähnlich  Lexer  kämt.  114;  zusam- 
mengesetzt in  dem  pflanzennamen  güllwurz,  -kräutel,  die 
als  Viehheilmittel  verwandte  nieszwurzel,  veratrum  album 
und  helleborus  niger,  auch  güllen,  m.,  Unger-Khull  314, 
vgl.  rhizoma  veratri  grindseck  v.  Wijk  dict.  of  plantn.  1, 
1394b, 

^  GÜLLE, /.,  Übelkeit,  brechreiz:  gull  nau^ea  vulgariter 
gruer  voc.  prima  ponens  dict.  theut.  {Straszburg  1515  Hüpf- 
uff)  K5^;  güUa  keuchhusten  mit  erbrechen  Schmeller 
cimbr,  189''''.  —  güllen,  vb.,  sich  erbrechen:  gullen  nauseare 
vulgariter  gruen,  Unwillen  voc.  primo  ponens  dict.  theut. 
(1615)  K  5'»;  güllen  vomitare  brechen  Schmeller  cimbr. 
127*;  güle  sich  erbrechen  Bacher  Ltwern. '  264 ;  vgl.  auch 
goUen  Lexer  i,  1045;  Schneller- Fr.  i,  893,  wüllen,  wul- 
gern  u.  ähnl.  bildungen. 

GULLER,  GÜLLER,  m.,  s.  gule, 

^GÜLLIG,  güllachtig,  adj.,  paludosus,  pfützig,  zu 
^ gülle:  güllachtig  paludosus  Frisius  (1556)  942;  giülig, 
güllachtig  pfützig,  mistjauche  enthaltend,  allgemein  Staub- 
Tobler  2,  224. 

*  GÜLLIG,  adj.,  widerlich  von  der  speise:  man  sol  auch 
kein  gülliges  smalz  noch  kein  schelmig  {von  einem  ge- 
fallenen tier)  smelzen  .  .  .  innerhalp  der  maure  .  .  .  und 
swer  ez  brennet,  der  sol  sich  keren  alle  zeit,  daz  der  wint 
den  smac  von  der  stat  treibe  (2.  hälfte  13.  jh.)  Nürnberg, 
polizeiord.  212  lit.  ver.;  vgl.  bes.  gol,  golig  bitter  schmeckend, 
ranzig  rhein.  wb.  2,  1295  sowie  gaulig  teil  4,  l,  i,  1573. 

GÜLTBAR,  giltbar,  adj.,  zu  ^gülte,  gute  gebildet. 

1)  zinspflichtig;  gUdbar  vectigalis  Stieler  658:  künig 
Osee  .  .  ,  wolt  im  nit  mer  gültpar  und  sein  lehenmann 
sein  Aventix  4,  260,  20  Lexer;  die  Teutschen  .  .  .  haben 
in  ( =  sich) . .  .  das  alt  groszmechtig  römisch  reich  gultpar 
gemacht  ebda  l,  261,  5;  höf,  huob,  widumb  und  söld,  auch 
andere  .  .  .  gültbare,  zeinsbare  .  .  .  güeter  (1526)  bei 
Fischer  schwäb.  3,  916;  die  zinspare,  gultpare  oder 
dienstpare  guter  von  dem  gotzhaus  inhaben  {bair.)  weist. 
6,  186;  ein  gult  gültbar  zum  kastenambt  (=  Verwaltung 
der  landesfürstl.  Speicher  und  dazugehöriger  gefalle)  bei 
Schmeller-Fr.  1,  910;  giltbar  ist  derjenige,  der  mir  gilt 
leisten  musz  Estor  teutsch.  rechtsgel.  3,  1214;  von  Ade- 
lung 2  (1796),  845  für  seine  zeit  als  'in  einigen  gegenden 
für  zinsbar  üblich'  verzeichnet. 

2)  'gültig':  ob  das  {sc.  besiglen)  nit  beschehe,  sollen  die 
brief  . . .  unkräftig  und  nit  gültbar  sein  (16.  jh.)  bei 
Fischer  schwäb.  3,  916;  dazu  gült-,  giltbarkeit:  pasz- 
porte  von  so  schlechter  giltbarkeit  E.  G.  Happel  Wite- 
kind  3,  95;  das  gewicht  und  die  giltbarkeit  alles  goldes 
la  doppia  impiccata  (1668)  a  2*. 

^GÜLTE,  gilte,/.,  Zahlung;  schuld;  abgäbe;  einkommen; 
wert. 

form  und  Verbreitung. 

1)  aufs  deutsche  beschränkte  -^ö  - ableitung  zur  tief- 
stufe  des  verbums  gelten,  vgl.  Willmanns  2,  249;  neben 
gülte  ohne  Umlautbezeichnung  gulte,  bes.  obd.  gulte  ( :  en- 
schulte)  Stricker  Daniel  4049  R.;  j.  Titurel  1766;  (1290) 
Züricher  urkdb.  6,  83;  ebenso  md.  gulte  weist.  6,  69  neben 
gulde  und  gülde,  s.  unten;  bis  zur  mitte  des  16.  jh.  belegt, 
s.  Knebel  chron.  v.  Kaisheim  80  lit.  ver.;  österr.  weist. 
10,  9,  4.  apokopiert  gült  und  gult,  vor  allem  obd.:  meiner 
gulht(1293)  württemb.  urkdb.  lo,  196;  gült  (1347)  stadtrecht 
V.  München  88  Auer;  der  gult  (15.  jh.)  tirol.  weist.  2, 211, 13 ; 

68 


1075 


GÜLTE 


GÜLTE  A  1-2 


1076 


in  den  modernen  obd.  maa.  vorwiegend  gült;  öfter  auch 
auf  md.  gebiet:  umbe  gult  (1330)  achtbuch  von  Eger  243 
Siegl;  rent  und  gült  Luthbe  24,  8,  17  W.;  gult  {um  1600) 
bei  Knothe  schles.  ma.  i.  Nordböhmen  274.  vereinzelt  er- 
weichung  des  dentals:  umbe  deheine  gülde  Schwabenspie- 
gel 27  W.;  von  .  .  ,  gülden  und  zinsen  Avbntin  4,  43,  6  L. 
nd.  gulde  seit  dem  13.  jh.,  vgl.  Schilleb-Lübben  2, 164/. 
tins  unde  gulde  Sachsenspiegel  2,  1,  489  JH.;  schulde  und 
gulde  ScHOTTEL  teutsche  haubtspr.  784;  ebenso  md.  im  14. 
und  15.  Jh.:  die  gulde  (1326)  hess.  urkdb.  2,  369;  bes.  ostmd.: 
gulde  K.  V.  Heinbichatj  387  Ouainde;  urkdb.  v.  Freiberg 
i.  S.  Z,  29  (14.  Jh.);  Elisabeth  6806  Rieger.  vereinzelt  md.  u. 
nd.  gülde:  gülde  neben  gülte  (13.  jh.)  Nürnberger  polizei- 
ordn.  16  lit.  ver.;  mit  guylde  (14.  jh.)  hansische geschichtsqu. 
S,  112;  gülde  bei  Jelinek  mhd.  wb.  336. 

2)  neben  den  formen  mit  -ü-  und  -u-  stehen  solche  mit  -i-, 
gilte,  gilt,  bes.  schwäbisch:  gilte  (1282)  urkdb.  d.  Stadt  Frei- 
burg i.  Br.  1,  95  Schreiber;  zwanzig  viertel  roggen  gilts 
(1402)  bei  Fischer  schwäb.  9,  914;  so  heute  auch  mundart- 
lich, s.  Fischer  3,  916;  gilten  (acc.  plur.)  L.  Aubbaohee 
Volksbüchlein  (1835)  132;  auch  elsässisch  gilt  Mubneb 
narrenbeschwör.  95  ndr.;  gilte  {dat.  sing.)  Wickbam  1,  195 
Bolte;  kilt  bei  Mabtin-Lienhabt  l,  2.1S^  und  schweize- 
risch seit  1462  bei  Staub-Tobleb  2,  260^.;  gildenvogt 
Ulb.  Bbäkeb  8.  sehr.  1  (1789)  53;  ebenso  bair.:  a.  d.  j.  1404, 
1608  bei  LoBi  bergrecht  17*;  436'^;  güeter  und  gilten 
(16.  jh.)  österr.  weist.  6,  353,  34;  gilt  voc.  1618  bei  Schmel- 
lee-Fb.  1,  909 ;  mit  starken  gilten  Äg.  Albebtinus  Luci- 
fers  kgr.  146  Liliencron;  Steub  drei  sommer  2,  357;  md.: 
gilte  (15.  jh.)  bei  Diefenbach  gloss.  4881»;  di  gilt  J.  Aybeb 
dramen  5,  3181  Keller;  gute  Haltaus  723;  Chomel  (1750) 
4,  1092;  vgl.  auch  die  composita  giltbar,  giltbarkeit  {oben 
sp.  1074)  giltbrief,  -geber,  -nehmer,  -pflichtig,  gilten- 
register,  giltzeit  {unten  sp.  1081^.)  bei  md.  autoren.  gilde 
neben  gulde  bei  Nie.  v.  Jebosohin  9413  Str.  und  9149, 
neben  gülde  bei  Stielee  658,  ebenda  gildebrief,  gildbar. 
die  dichte  der  -i-formen  vor  allem  in  entrundungsgebieten 
{schwäb.  bair.  md.)  läszt  gilte,  gilt  als  secundär  entrundetes 
gülte  gult  erscheinen;  da  aber  auch  der  entrundung  ab- 
geneigte gebiete  an  ihnen  teilhaben  {Nürnberg,  Schweiz), 
bleibt  auch  i-bildung  von  der  e-stufe  des  verbs  zu  erwägen; 
selbst  rundung  eines  ursprünglichen  gilte  >  gülte  und 
damit  gegenseitige  Vermischung  beider  bildungen  könnte 
stellenweise  eingetreten  sein,  siehe  auch  gültig  und  giltig 
unten  sp.  1034^. 

3)  in  der  form  gult,  gült,  gilt,  vielleicht  unter  einflusz 
von  gelt,  geld,  im  alem.  gelegentlich  als  stark  flectiertes  m. 
und  n.  gebraucht:  das  gült  Appenzeller  landb.  (1409)  bei 
Statjb-Toblee  2,  287.;  als  n.  noch  in  Wallis  ebda  2,  285 
{die  ansetzung  gült  stn.  Lexee  1,  1116  ist  ein  miszverständ- 
nis).  m.:  ein  gült  .  .  .  der  war  90  fl.  reinisch  {Augsburg 
15.  jh.)  ehr.  d.  dt.  Städte  5,  75;  umb  ein  zimblichen  gult 
bei  Fischee  schwäb.  3,  914;  Tobleb  appenz.  332;  güld, 
gült,  m.,  Rädlein  sprachsch.  1,415**;  m.  oder  n.:  zwanzig 
viertel  roggen  gilts  (1402)  Fischee  schwäb.  3,  914;  zum 
gmeinen  gult  (1633),  mit  dem  fahrenden  gült  (1741)  bei 
Staub-Toblee  2,  287.  —  die  starke  flexion  des  pl.  ver- 
einzelt wohl  noch  bis  ins  16.  jh.:  die  frücht  und  gülte 
N.  V.  Wyle  tra-nslationen  178  lit.  ver.;  ire  anligende  gült 
und  güeter  (1572  steir.)  österr.  weist.  10,  200;  schwache 
flexion  des  pl.  seit  dem  14.  jh.:  die  gülten,  die  ich  schuldig 
bin  (1313)  bei  J.  A.  Beandis  gesch.  d.  landeshauptl.  v.  Tirol 
50;  die  gulten  und  die  güeter  (1480)  Zür.stadtb.  3,229; 
im  pl.  vereinzelt  {attrdhiertes?)  gülter:  alle,  die  guter  und 
gülter  auf  dem  lande  haben  (1471)  in  forschg.  z.  verfass.- 
und  verwaltungsgesch.  d.  Steiermark  7,  30. 

übernommen  ins  mittdlat.  als  gulta  seit  dem  13.  jh. 
DU  Gange  4,  138*.    ins  östl.  mnl.  im  14.  jh.  als  gulde 

VeBWIJS-VeBDAM   2,  2209. 

4)  zuerst  im  mhd.  seit  anfang  des  13.  jh.:  Waltheb  v.  d. 
Vogelweide  loo,  26;  Gotfeid  v.  Stbaszbüeg  355,  mit 
dem  17.  jh.  allgemein  zurücktretend,  nur  im  alem.  in  ein- 
zdbedeutungen  mundartlich  lebendig  geblieben;  im  schwei- 
zerischen von  der  rechtssprache  bei  der  neuen  civilgesetz- 


gebung  (1912)  wieder  aufgenommen,  vgl.  Fe.  E.  Meyee  d. 
schuldrecht  d.  dtsch.  Schweiz  (1913)  6;  daneben  seit  der 
wende  zum  19.  jh.  mit  archaischem  klang  in  der  geschichts- 
schreibung  uoid  historischen  dichtung. 

bedeutung  und  gebrauch. 

A.  gülte  entspricht  in  der  bedeutung  im  allgemeinen  dem 
älteren  und  verbreiteteren  gelt,  s.  teil  4,  1,  2,  2889^.  und 
bezeichnet  wie  dieses  eine  zu  leistende  Zahlung  oder  abgäbe, 
die  sich  von  seilen  des  empfängers  als  eine  einnähme  dar- 
stellt, vgl.  A  4.  dieses  gegenseitigkeitsverhältnis  beruht  in 
der  regel  auf  einer  ständischen  abhängigkeit  oder  rechtlichen 
Verbindlichkeit  verschiedener  art.  nur  selten  allgemeiner 
auszerhalb  einer  solchen  besonderen  beziehung,  so  als  'kauf- 
preis,  bezahlung''  schlechthin: 

do  si  {die  brüder  Josephs)  kamen  wider  hein 

und  ir  körn  entladin  begunden, 

das  si  in  ir  sacken  fundin 

die  gülte  . . .  Rudolf  v.  Ems  weltchr.  7710  E.; 

als  'abschlagszahlung\-  {für)  ein  erbe  {einen  städtischen 
besitz)  .  .  .  sal  her  {der  käufer)  alle  jor  geben  10  {preusz. 
mark)  uf  ostem,  so  lange  bis  her  beczalt.  die  erste  gulde 
czu  geben  uf  ostern  1403  handelsrechn.  d.  dt.  ord.  34  Satt- 
ler; als  'gegenleistung^ ,  vgl.  gelten  3  a  und  c,  bildlich: 

ouch  galt  er  {der  gegner)  im  die  arbeit 
mit  so  rlcher  gulte, 
daz  er  in  niht  enschulte 

Steicker  Daniel  4059  Rotenh. 

innerhalb  seines  eigentlichen  anwendungsgebiets,  dem 
rechtlichen  Vorstellungsbereich,  hat  das  wort  fester  umrisse- 
nen  Charakter. 

1)  'ersatz' :  wir  .  . .  globen  {geloben)  ...»  daz  wir  dez 
selben  silbers  im  .  .  .  schuldic  sin  ze  rechter  gulte  (1272) 
urkdb.  V.  Basel  2,  52;  vgl.  ndl.  ghulde  ende  verset  hebben 
van  hueren  scade  (1348)  hans.  urkdb.  3,  66.  besonders 
''Schadenersatz,  genugtuung''  in  der  rechtsformel  mit  gulde 
unde  (oder)  mit  rechte  u.  ä.,  entsprechend  der  mlat.  formet 
iure  vel  solutione  respondere,  vom  nd.  ausgehend:  dem  kle- 
ghere  mach  he  {der  gegen  ihn  die  waße  zog)  beteren  mit 
ghülde  efte  mit  rechte  (1346)  westf.  stadtr.  1,  3, 10;  schaden 
unde  smaheit  .  .  .  vorantworden  mit  guilde  eder  mit 
rechte  (14.  jh.)  hans.  gesch.qu.  3, 112  {vgl.  ebda  75;  82;  123); 
in  Gelder  sehen  urkdd.  s.  Vebwus -Veedam  2,  2208/.; 
vereinzelt  hd.:  dut,  der  da  beklaget  ist,  nicht  gülte 
oder  recht  {wiederholt,  im  verfolg  wechselnd  mit  gelt 
oder  recht)    {a.  d.  j.  1327)   Lehmann    chron.    Spirens. 

(1698)  293*. 

2)  'gddschuld' ,  vgl.  geld  3  g,  vorwiegend  fürs  obd.  be- 
zeugt, lebendig  bis  ins  16.  jh.,  im  schweizerischen  noch 
heute,  s.  Staub-Toblee  2,  287 ;  der  früheste  beleg  ist  Glicht 
einheitlich  überliefert: 

frö  Welt,  du  solt  dem  wirte  sagen, 
daz  ich  im  gar  vergolten  habe: 
min  grceste  gülte  ist  abe  geslagen, 
daz  er  mich  von  dem  brieve  schabe, 
swer  ime  iht  sol,  der  mac  wol  sorgen, 
e  ich  im  lange  schuldic  wsere,  ich  wolt  e  zcinem  Juden 

borgen 
Walter  v.  d.  Vogklweidb  100,  26  L.,     *' 

50  in  C  gegenüber  gelt  in  A; 

{im  ablaszjahr  Moses'  sollte) 

.  . .  nie  man  sinir  gülte  gern 
an  sinin  genoz 

BuDOLF  VON  Ems  weltchr.  15423  E.; 

ez  ensol  nieman  ouf  den  andern  invarn  noch  leisten  {ein- 
lager  halten)  umb  dhein  gült,  diu  hinder  zehen  pfunden 
ist  (1281)  motu  Oerm.  hist.  leg.  sect.  IV,  tom.  3,  270;  von 
nöthen  miner  gulht  {urgente  me  debitorum  meorum 
onere)  han  {ich)  verkaft  min  aigen  (1293)  württemb. 
urkundenbuch  10,  196;  man  sol  nieman  lenger  halten 
{festsetzen  in  haß)  umbe  gülde  wan  ahtage  Schwaben- 
spiegel 230  Wackernagel;  der  konvent  waz  komen  in 
grosz  gülte  Seüse  dt.  sehr.  15  Bihlmeyer;  wan  eyn  mann 
on  liberben  abgat,  so  soll  das  farend  guot  das  gült  gar 
zalen  Appenzeller  landb.  (1409)  bei  Staub-Toblee  2,  287; 


1077 


GÜLTE  A  3 


GÜLTE  A  3 


1078 


{wer  dem  gericht  die  benutzung  eines  unrechtmäazigen  wein- 
maazea  anzeigt,)  der  ist  von  demselben  wirt  ledig  und  los 
aller  der  gult,  die  er  zu  im  vertrunkchen  hiet  (15.  jh.)  tirol. 
weist.  2,  211,  13;  das  stift  was  in  groszer  gült  an  Christen 
und  Juden,  es  war  urliugs  wegen  in  so  groaze  gült  gefallen 
{16.  jh.)  WiG.  Hund  metrop.  Salisburg.  (1582)  2,  206;  in 
formelhafter  Verbindung:  wann  wir  und  unser  stat  Aus- 
purg  in  grosz  gült  und  schulde  gevallen  warn  vor  manigen 
jaren  her  (1363)  ehr.  d.  dt.  städte  4,  158;  der  muz  einen  eit 
in  dem  rate  t\xn,  daz  er  von  keiner  gult  noch  schult  wegen 
nicht  entwichen  sei,  und  muz,  den  er  schuldig  ist,  ir  gelt 
verpürgen,  vergewissen  und  gelten  (1400)  stadtgesetze  von 
Eger  16  Khull;  schulde  und  gulde  richten  cognoscere  de 
causis  civilibus  et  pecuniariis  Schottel  haubtsprache  784. 

3)  'abgäbe*,  die  am  stärksten  entwickelte  bedeutung  von 
gülte  neben  dem  älteren  gelt,  geld,  s.  teil  4,  1,  2,  2891. 

a)  zunächst  eine  leiatung  von  Untertanen  oder  unterwor- 
fenen an  den  herr scher,  auch  als  tribut: 

die  stete  muosen  sich  ergeben 
und  loesen  ir  guot  unde  ir  leben, 
reht  alse  liep  als  ez  In  was, 
unz  er  {der  Sieger)  zesamene  gelas 
gülte  unde  guotes  die  craft 

GOTFRID  V.  Straszbueo  355  R.; 

nü  hat  mich  angest  unde  leit, 
kumber,  not  unde  arbeit 
dur  gröze  gülte  ergriffen 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  124,  21  Pfeiffer, 

mit  beziehung  auf: 


daz  er  solde  dö  zestunt 

umbe  zehentüsent  phunt 

ze  rehte  vor  dem  keiser  stän 


121,  26; 


da  von  sie  (die  Christen)  uns  (den  heiden)  hlut  ze  Zinsen  müezen 
11p  unde  leben  unt  gülte  von  ir  lande  .  .  .  [l&n 

Lohengrin  5060  Rackert; 

ich  {der  könig)  schaff  mit  üch,  das  ir  mir  gült  und  rent 
geben  {tributa  ut  exhibeatis  ac  vectigalia  tribuatis)  Stein- 
HÖWEL  Äsop  64  Oesterley;  si  müssen  auch  den  Saracenen 
tribut  oder  guldt  geben  Beknhabd  v.  Bbeidenbach  hlg. 
reyszen  n.  Jherusalem  (1486)  93''. 

b)  von  der  obrigkeit  auferlegte  Steuer,  vgl.  gelt  3  c,  census, 
vectigal: 

die  gemeinde  amptlüte  hat, 
die  Zölle  und  ander  gülte  nement  In 
KUNEAI  v.  Ammenhusen  schachzabelb .  16723  Vetter; 

{die  bürger  A-ugsburgs  behaupten,)  daz  die  stat  also  nit 
beliben  mocht  aun  gült  und  xingelt  si  müst  verderben 
(1397)  ehr.  d.  dt.  städte  4,  109,  13;  gult,  die  er  {ein  auswär- 
tiger) in  dem  markt  gelten  {bezahlen)  solt,  die  soll  er  van 
derselben  hab  gelten  (1408)  österr,  loeist.  10,  266,  18; 
unser  lieben  geteuwren  ...  in  unser  stat  Wertheim  jer- 
lichen  mit  groszen  und  sweren  bethen,  steuern,  zinszen, 
gulten  .  .  .  beswert  und  überladen  seint  (1437)  oberrhein. 
stadtr.  1 1,  27;  die  weltliche  oberkeit  musz  .  .  .  schosz, 
zinsze,  gült  und  renthe  auf  die  unterthonen  schlagen 
J.  Aqkicola  teut.  sprichw.  (1534)  l  l^^;  ghulde,  de  dat 
rike  hevet  to  Lübeke  (1318)  Lüb.  ehr.  1,  209  Orautoff. 

c)  abgaben  der  bauern  an  ihre  herrschaft  (herrengülte), 
auch  an  geistliche,  die  in  naturalien,  vornehmlich  getreide 
(komgülte)  oder  in  geld  (pfenniggülte)  bestanden  und 
meist  jährlich  zu  leisten  waren,  vgl.  gelt  unter  geld  3  a  a : 
he  desseme  heren  gaf  den  teinden  penning  der  jarliken 
gulde  Sachsenspiegel  2, 1,  452  Homeyer;  deu  Weide  und 
Parkstein  giltet  anderthalbe  hundert  mutte  (scheffd) 
und  zweie  mutte  kornes  und  eine  halbe  mutte  und 
sehzig  mutte  habern  und  drizig  swein  und  zwaintzig 
pfunt  Regenpsurger  ze  rehter  gulte  (13.  jh.)  man.  Germ, 
hist.  leg.  sect.  IV,  tom.  3,  629,  20^.;  die  bauren  musten 
dem  marggraven  sweren,  daz  sie  im  die  gült  zu  ewigen 
tagen  reichen  wolten  (1449)  ehr.  d.  dt.  städte  2,  148; 

wir  sein  von  Schnigling  herein  eur  mair 
und  pringen  euch  zu  gült  oft  kes  und  alr 

lastnachtsp.  2,  567  Keller; 

die  paurn  .  .  .  beklagen  und  begern,  das  .  .  .  alle  unzim- 
liche  Wucher  oder  gult,  sie  sein  gestif t,  waruf  sie  wollen. 


.  .  .  ein  erleichterung  ...  zu  machen  bei  Baumank  quellen 
z.  gesch.  d.  bauernkriegs  aus  Rotenburg  o.  d.  T.  134; 

wann  bawren  nicht  weren  und  ihr  gült, 
so  wer  ein  bettelsack  der  edelleut  schilt 

Fischart  groszm.  (1607)  BS»; 

die  leibeigenschaften  samt  allen  zollen,  accisen,  Zinsen, 
gülten  und  ungelten  .  .  .  aufheben  Grimmelshaüsen 
Simplicissimus  211  ndr.;  in  der  Verbindung  zins  und  gülte, 
vgl.  auch  3  d,  4b:  (es  wird  bestimmt,)  das  ieder  seine 
zins  und  gülten  seiner  herrschaft  ...  zu  der  rehten  zins- 
zeit  abrichte  und  bezale  (16.  jh.)  tirol.  weist.  1, 108,  3;  dar- 
umb  so  geben  die  guter  noch  so  viel  an  Zinsen  xmd 
gulten,  als  sie  von  alters  haben  getan  weist.  6,  13  Qrimm; 
diser  baur  müst  zinsz  und  gült  geben  einem  edelmann 
Val.  Schumann  nachtbüchlein  196  Bolte;  als  ich  durch 
das  gebirg  nach  den  zinsen  und  gülten  ging  Immebmann 
3,  74  Hempd.  neben  alten  dienst-,  specidl  lehnsverhält- 
nissen  beruhen  die  abgaben  später  auch  auf  Pachtverträgen, 
dann  gleichbedeutend  mit  grundzins,  pacht:  wie  aim 
{bauern)  ein  gut  geliehen  werd  umb  ein  zimblichen  gult 
(1525)  bei  FisCHEB  Schwab.  3,  914;  pension,  zina,  gült, 
reichnus  von  einem  glihenen  acker  oder  sonst  von  einem 
gut  Roth  dict.  m  4*;  in  lehengütern  ...  ist  der  Lehns- 
herr schuldig,  an  der  järlichen  gült  etwas  nachzulassen, 
wenn  das  jähr  unfruchtbar  LoEiCHius  v.  wdtl.  ständen 
(1594)  2,  131;  doch  hofie  ich,  er  werde  tms  die  heurige 
pacht  erlassen  . . .  allein  er  will  mir  nur  die  halbe  gülte 
nachlassen  Pfeffel  pros.  vers.  6,  63 ;  als  'pacht'  im  da. 
heute  noch  lebendig  s.  Martin -Lienhabt  l,  218*. 

d)  erstattungen  au^  liegenachaßen  als  gegenleistung  für 
eine  durch  den  sog.  gültekauf  getätigte  capitalsanlehnung, 
die  an  dem  grundstück  und  nicht  an  der  person  des  Schuld- 
ners haftde,  vgl.  Blumeb  rechtsgesch.  1, 452^.;  in  dieser  an- 
Wendung  kommt  gülte  dem  heutigen  begriff  von  zins  nahe: 
rechte  gult  soll  auf  gründen  gemacht  werden,  die  sind  blei- 
bend und  nit  erstörlich  (1585)  österr.  weist.  1,  217;  grund- 
zins, daz  gult  heist  ebda;  vgl.  auch  wa  einer  geUhen  hat  uf 
heuser,  acker,  wisen,  hölzer  und  doch  gultweis  die  haupt- 
summa  {das  angdiehene  capital)  empfangen  hat,  verhofit 
ein  gemein,  das  gut  sein  ledig  und  frei  aller  verpfendung 
bei  Baumann  qu.  z.  gesch.  d.  bauernkr.  aus  Rotenbg.  o.  d.  T. 
138;  versäumte  er  stattung  der  gülte  konnte  pfändung  nach 
sich  ziehen:  were  ouch,  dat  se  on  dusser  gulde  nicht  en- 
geven  .  . .,  so  mach  {der  gddgeber)  dat  sulve  lant  to  sik 
nemen  vor  gulde  unde  vor  gelt  unde  wat  der  gulde  worde 
entseten,  unde  mach  sin  gelt  daranne  soken  (1355)  bei 
Schiulee-Lübben  2, 165*;  last  ers  {sc.  des  gottshausz 
underthan)  aber  anstehen  14  tag,  ist  er  verfallen  halbe 
gült,  wie  er  von  sein  guet  schuldig  zu  geben  ist  (1630) 
österr.  weist.  9,  3, 112,  29,  allgemeiner  auch  ohne  diese  bin- 
dung  an  ein  grundstück  'zins  für  ein  darlehen\'  anno  1345 
verschreibt  ime  marggraf  Ludwig  um  dreihundert  dreis- 
szig  gülden  anlehen  zehen  marckh  Ferner  gült  und  sein 
haus  .  . .,  bis  er  die  330  fl.  wider  bezalt  J.  A.  v.  Beandis 
landeshauptl.  v.  Tirol  61 ;  bes.  in  der  Wendung  gülte  kaufen, 
vgl.  ein  gelt  kaufen  teil  4,  1,  2,  2893  nr.Z&y  und  gültkauf 
unten  sp.  1082:  {es  wird  bestimmt,)  dat  men  na  desem 
daghe  neine  gulde  mere  kopen  sal  dan  einen  penninch 
vor  viftein  ebda;  mit  hundert  gülden  haubtgelds  {capital) 
fünf  gülden  jährlicher  gülten  erkauft . . .  wird  Schottel 
628;  in  oder  auf  gülte(n)  legen:  hundert  pund  penninge, 
de  se  in  ghulde  hebben  ghelecht  (1366)  bei  Schilleb- 
Lübben  2, 165*; 

der  sein  gold  auf  gülten  legt, 
von  güldgebers  gnaden  lebt 

Lehman  floril.  polit.  2,  928; 

oft  auch  hier  zins  und  gülte:  der  viel  zinsz  und  gülten 
an  sich  bringt,  der  dient  einem  papirenen  und  perga- 
mentenen kalb  Dannhaweb  catechismusmilch  1,  173; 
gott  \md  dem  acker  ist  gut  auf  wucher  leihen,  sie 
geben  reiche  zinsz  und  gülten  Lehman  floril.  pol.  2,  928; 
das  gebürende  .  .  .  Interesse  und  gült  davon  {d.  i.  von 
einem  capital)  (1630)  Meichelbebk  histor.  Frisingensis 
(1729)  2,  2,  379. 

68* 


1079 


GÜLTE  A  4 


GÜLTE  A  5 


1080 


man  hat  drei  arten  von  gillteverhältnissen  zu  unterschei- 
den, die  älteste:  ewige  zinszgülten,  so  benamset  weilen 
der  ansprecher  {der  gläubiger)  zu  keinen  Zeiten  den  Schuld- 
ner zum  ablösen  des  hauptguots  halten  und  treiben  mag 
(18.  jh.)  bei  Staub-Tobleb  l,  610;  welcher  hinfür  sin  gelt 
nit  an  ein  gesatzte  und,  wie  man  spricht,  ewige  gült  an- 
legen ,  .  .  wil  (1582)  ebda  7,  1629;  vgl.  ewig  gelt  unter  geld 
3  ay;  attch  eingelegte  oder  gattergült  (vgl.  gatterzins  teil 
4, 1, 1511),  eiserne  gülten,  s.  Westenbieder  gloss.  germ.- 
lat.  183;  221;  sie  waren  bis  zu  beginn  des  15.  jh.  auch  von 
seilen  des  Schuldners  unablöslich;  seitdem  aber  gibt  es  die 
ablosige  gult  vel  zinsz  redemptorius  contractus  {ende  des 
15.  jh.)  bei  DiEFBNBACH  488 C;  ablösige  gülten  oder  renten 
reditus  redimibiles  Schottel  haubtsprache  347:  der,  so  daz 
gelt  liehet  und  die  gult  kouft,  umb  daz  houptguot  oder 
den  widerkouf  nit  manen  mag,  wie  wol  doch  der  koufer 
{so  iti  d.  hs.)  den  widerkouf  und  die  losung  tuon  mag 
(1419)  Zürcher  stadtb.  2,  118;  kein  järlich  galt,  gilt  umb 
uszgelihen  gelt  sol  fürhin  den  klöstern  geben  werden, 
aber  ein  vogt  und  gericht  sol  ordnen  zimliche  zil,  uf  welch 
die  Schuldner  daz  houptgüt  abzalen  oder  ein  stat  das 
houptgüt  den  klöstern  darzelen  und  die  gült  zu  inen 
nemen  Eberlxn  v.  Günzbubg  ausgew.  sehr,  l,  135  ndr.; 
{der  handwerker)  beschwernusz  ,  .  .,  gult  abzulösen  1  ort 
(=  viertelgulden)  mit  5  fl.  bei  Baumann  qu.  z.  gesch.  d. 
bauernkr.  aus  Rotenbg.  o.  d.  T.  2,  122;  vgl.  ebda  119.  seit 
dem  16,  jh.  waren  die  gülten  auch  vom  gläubiger  aus  auf- 
kilndbar,  gleichzeitig  dehnt  sich  der  begriff  gülte  mit  auf 
das  die  gülte  begründende  capital  aus  und  kommt  so  dem 
modernen  begriff  'hypotheF  nahe:  wer  gelt  umb  zins  us- 
lychen  wurd  und  im  selbs  vorbehält,  das  houptguet  in- 
zezüchen,  es  sie  über  kurz  oder  lang,  soll  söUichs  ein  gült 
heiszen  (1566)  bei  Staub-Tobler  2,  286;  so  hab  ich  mein 
hab  und  guot  fast  in  zinsz  und  gilte,  die  ich  dann,  so  ich 
will,  in  kurzer  zeit  zuo  barem  gelt  machen(ion?i)  Wickbam 
werke  l,  195  lit.  ver.;  so  in  der  Schweiz  heute  noch  lebendig 
vgl.  vordrist,  hindrist,  gueti,  schlechti  gülte  'hypotheken' 
Staub-Tobleb  Schweiz,  id.  2, 286;  das  gut  war  sehr  grosz, 
sein  ertrag  bedeutend,  und  doch  würde  ohne  gülten  der 
bauer  nicht  haben  bestehen  können  J.  Gotthelf  ges.  sehr. 
1, 120.  im  Schweiz,  gülte  auch  die  über  sie  lautende  Urkunde, 
dergültbrief  {s.d.):  gvXtiinstrumentum,  in  quo  debitor  cre- 
ditori  certam  summam  spondet  Schmidt-Tobleb  id.  Ber- 
nense  34^;  die  verschreibung  eines  zinses  heiszen  wir  gül- 
ten, die  verschreibung  einer  hauptsumme  aber  Schuld- 
brief (1763)  bei  Staub-Tobleb  2,  286;  die  gült ...  ist  von 
Martini  1539  datiert,  ein  gutes  altes  Wertstück  G.  Kellee 
ges.  w.  2,  102 ;  in  einer  kleinen  anzahl  gülten,  die  in  seines 
Vaters  truhe  lagen  E.  Zahn  helden  d.  alltags  (1907)  113. 

4)  ' einkommen\  diese  bedeutung  entwickelt  sich  auf 
grund  des  gegenseitigkeitsverhältnisses  der  gülte  dadurch, 
dasz  der  leistende  nicht  genannt  wird  und  statt  dessen  der 
empfang  er  in  den  Vordergrund  der  Vorstellung  tritt,  vgl.  auch 
gelt  Z&ß. 

a)  noch  innerhalb  der  gegenseitigkeitsvorstellung  in  den- 
selben anwendungsbereichen  wie  3 ;  entsprechend  3  a : 

es  was  ein  grafschaft  reich  . . . 
es  hette  da  wol  tausent  marck 
gütter  gulte  alle  jar 
Heikeich  v.  Neustadt  Äpollonius  20389  Singer; 

es  hatt  der  chönig  zu  Persia  mer  gült  von  der  stat  Tha- 
bres  dann  der  mächtigst  chönig  .  .  .  der  christenhaitt 
Schiltberger  reisetageb.  58  lit.  ver.;  König  David  hatte 
.  .  .  zween  söhne  und  drei  töchter,  denen  liesse  er  grosze 
gültes  {l.  gülten)  oder  einkommen  M.  Joach.  Heller 
Franc.  Alvares  ber.  v.  Ethiopien  (1566)  226;  entsprechend 
3  c:  (er)  het . .  .  von  einem  dorf  ein  chleine  gült,  davon  er 
sein  dienär  . . .  ausrichtet  (15.  jh.)  A.  v.  Regensburg 
sämtl.  w.  601  Leidinger;  die  gülten  sind  alle  einkommen, 
so  die  herrschaft  von  ihrem  vermögen  einsammlet,  dar- 
unter sonderlich  die  dienste  der  Untertanen  gehören 
Hohberq  adel.  land-  u.  feldl.  1,  53^; 

ich  pfalzgraf  Götz  von  Tübingen 

verkaufe  bürg  und  Stadt 

mit  leuten,  gülten,  feld  und  wald 

L.  Uhiand  gedickte  (1898)  1,  278.    I 


fUr  geistliche,  pf runden:  ein  capelle  .  .  .  besorghet  {=  do- 
tiert) mit  ghude  unde  ghulde  (1407)  Schilleb-Lübben 
2, 165»;  sacerdotium  des  priesters  gülti,  die  pfrund  Dasy- 
PODIUS  (1536)  206C ;  dem  abt  wird  bestätiget,  was  an  gütern, 
gülten  oder  Jahrzeitstiftungen  ihm  sonst  zusteht  J. 
v.  MüLLEB  sämtl.  w.  22,  78.  —  gerade  in  dieser  anwendung 
häufig  in  der  Verbindung  mit  rente,  vgl.  auch  teil  8,  816: 
ich  verkope  .  .  .  twe  hustegheden  {-zehnten)  mit  aller  rech- 
tigkeit,  tobehörige,  rente,  ghulde  (1400)  bei  Mushabd 
monum.  nobil.  ant.fam.  205;  {ülyssis  ist)  in  järlichen  gül- 
ten, renten  und  einnemen  reicher  gewesen  dann  ander 
zwanzig  Schaidenbbiszeb  Odyssea  (1537)  59 *;  daz  sie 
{die  Frankfurter)  in  {könig)  sin  gulde  und  rente  folgen 
lassin  (1406)  Frankf.  reichscorrespond.  1,  130  Janssen;  die 
genannten  geistlichen  .  .  .  solten  .  . .  ire  güldt  und  renthen 
besitzen  Sleidanus  reden  64  lit.  ver.;  renten  und  gülten, 
die  ihm  sein  mann  und  erblehen  .  .  .  jährlich  ertragen 
MoscHEBOSCH  gesichte  (1650)  2,  370;  seltener  gülte  und 
gelt,  vgl.  auch  unter  h:  den  geitigen  ligt  ir  herz  auf 
acker  und  matten,  auf  güldt  und  gelt  Keisebsbebg  irrig 
schaf  {Straszburg  o.  j.)  h  2*. 

b)  allgemeiner,  'einkommen'  ohne  andeutung  eines  wechsel- 
seitigen Verhältnisses: 

sin  {d.  i.  des  milten  küneges)  hant  vil  manigem  sine  gülte 

mSret 
BRTJDBR  Wernhee  in  V.  d.  Hagen  minnes.  2,  233" ; 

ähnlich  Konbad  v.  Würzburg  lieder  u.  spr.  18,  i  Schröder; 

do  Uz  der  edle  vurste  dar 

sich  durch  got  irbarmin 

den  kammir  der  vil  armin  (frau) 

und  schuf  ir  gulde  also  vil, 

daz  si  an  iris  lebin  zil 

davon  di  libnar  mochte  han 

Nie.  v.  Jeroschin  9413  StreMke; 

min  hus,  min  koste  und  min  pfant 
Stent  alliu  jar  in  gelückes  hant, 
wenne  Ich  gewisser  gülte  niht  han 

H.  V.  TRiMBERa  renner  18927  Ehristn.; 

ez  schol  ein  ieclich  burger  Verlosungen  ( =  versteuern)  .  .  . 
alle  gulte  Nürnb.  polizeiordn.  16  lit.  ver.;  gulde  reditus 
Konrad  v.  Heinbichau  387  Gusinde;  welcher  hausz- 
vater  von  gülten  zu  leben  hat  Lehman  fioril.  polit.  1,  404; 
die  .  .  .  Unkosten  sein  mit  jedes  gülten  zu  aestimiren  und 
also  zu  moderiren,  dasz  innerhalb  der  einkommener  seien 
Schupp  sehr.  (1663)  739.   geläufige  Verbindungen: 

die  täschenwitz  nicht  lenger  gilt, 
on  als  lang  man  hat  gelt  und  gült 

Fischart  flöhhaz  506  Hauffen; 

es  hat  dise  stat  reich  burger,  die  zum  guten  teil  leben  von 
zinsz  und  gült  Seb.  Münster  cosm.  (1550)  140. 

c)  leibrente,  die  man  sich  für  lebenszeit  erkauft:  Bartolo- 
mes  .  .  .  hat  geschickt  (=  verfügt),  das  man  an  sol  legen 
dreihundert  gülden  und  die  gült  dovon  sol  sein  bruder 
.  .  .  nissen  sein  lebtag.  .  . .  das  gelt  haben  die  purger  auf 
dem  rothaus  und  geben  alle  jor  davon  zu  zinsz  15guld. 
(2.  hälfte  14.  jh.)  ehr.  d.  dt.  städte  1,  66,  25;  ein  burger  .  .  . 
hett  ein  gült  kauft  von  dem  bistum,  der  was  90  fl.  reinisch, 
die  solt  man  im  geben  von  dem  zoll  (1.  hälfte  15.  jh.)  ehr. 
d.  dt.  Städte  2,  75,  3;  corporei  ein  leibgeding,  ein  gült,  die 
man  eim  sein  ieblang  gibt  Roth  dict.  E2^. 

d)  uneigentlich:  tätigkeit,  fähigkeit,  woraus  man  ge- 
winn hat: 

(wenn  sich  die  grobiane  raufen) 

das  ist  der  scherer  gült  und  renten 

Scheit  Grobianus  2314  ndr.; 

sprichwörtlich:  ein  band  werk,  ein  täglich  gült  sprichw. 
schöne  weise  klugr.  (1548)  6»; 

min  wiszheit  macht  mir  zinsz  und  gült 

Schweiz,  schausp.  d.  16.  jh.  2,  143  Bächthold. 

5)  landgut,  secundär  als  bezeichnung  eines  ursprünglich 
wohl  gültepflichtigen  besitzes  im  Steiermark. -kärntn.:  die 
gülten  werden  hier  im  herzogtum  Steyr  diejenigen  land- 
güter  genennet,  so  allein  dem  landsfürsten  und  anstatt 
seiner  der  löblichen  landschaft  dienstbar  seynd  .  .  .  aber 


1081 


GÜLTE  B.  G  (compoationen) 


GÜLTE  C  (compoaitionen) 


1082 


aonsten  frei  und  keiner  andern  particularherrschaf t  dienst- 
bar I.  Beckmank  id.jur.  (1688)  185;  die  gröszten  (do- 
minien)  .  .  .  heiszen  herrschaften,  minder  grosze  guter 
.  .  .  noch  kleinere  heiszen  gülten  und  ämter  I.  K.  Kindeb- 
MANN  repertor.  d.  steierm.  gesch.  (1798)  84;  in  älterer  zeit 
vielleicht  in  dieser  speciellen  bedeutung  schon  in  der  Ver- 
bindung gült  und  güeter :  all,  die  galt  und  gueter  auf  dem 
landt  hietten,  solten  geben  halben  teil  aller  irer  gult  {um 
1600)  J.  Unrest  chron.  Ausir.  569  in  S.  F.  Hahn  collectio 
monument.  vet.  (1724);  der  pfarr  und  kirchen  ire  anligende 
gült  und  güeter  österr.  weist.  10,200,10;  ebda  199,17; 
6,  353,  34. 

B.  wert,  gdtung:  bis  ins  18.  jh.  hinein,  zunächst: 

1)  der  reale  wert  von  gegenständen: 

.  . .  manig  türe  goltvaz, 

daz  man  gein  bohir  gülte  maz 

Rudolf  v.  Ems  weUchr.  29926  Ehrism.; 

(die  hl.  Elisabeth  erhielt) 

ein  hertes  unde  ein  smehes  cleit 
an  gestelle  {aussehen)  dunkelvar 
unde  an  gulde  snode  gar 

Elisabeth  6806  Rieger; 

guld  und  gute  der  Sachen  Habsdörffer  gesprächsp.  3, 
344;  vom  geld:  twintich  mark  gheldes  lodighes  silveres 
rechter  gulde  (1330)  bei  Schilleb-Lübben  2,  165*;  von 
der  monze  und  iren  gulten  mon.  Boica  n.f.  2,  1,  14. 

2)  seit  dem  17.  jh.  allgemeiner:  die  abwürdigung  der 
gülte  ihrer  Schriften  E.  Fbanoisci  lust.  schaub.  (1698)  2 
vorrede;  meinungen  .  .  .  von  schlechter  gülte  ind.-chines. 
lustg.  (1668)  1,  73;  eine  solche  gülte  hat  der  friede  in  sich, 
dasz  auch  die  feinde  dessen  .  .  .  nicht  entpehren  können 
Lohenstein  Arminius  l,  409'';  juristisch  mehr  als  'gel- 
tung\  wohl  unter  dem  einflusz  von  gültig  B  2,  vgl.  gül- 
tigkeit:  es  sollen  .  .  .  alle  andern  brief  und  Schriften  kein 
gült  noch  kraft  haben  (1721)  bei  Staüb-Tobleb  2,  287. 
im  spiel:  basta  .  . .  bedeutet  .  . .,  dasz  es  in  trefle  und 
seiner  gülte  nach  der  dritte  von  oben  Sfebandeb  ala 
modespr.  67^. 

C.  die  compositionsbildung  von  gülte,  gilte  bevor- 
zugt die  form  gult-,  gült-,  gilt-,  gegenüber  gulte-,  gulten-, 
gilte-,  gilten-;  nur  vereätizelt  gildebriefe  Stieleb  658;  6»« 
auf  gültgebig,  -haftig,  -pflichtig,  -weise  substantivcompo- 
sition,  in  der  bedeutung  A  3  zur  bezeichnung  des  abgabe- 
pflichtigen besitzes  (gültacker,  -gut,  -hof),  der  zinspflich- 
tigen bzw.  -heischenden  personen  (-bauer,  -herr),  des  er- 
stattbaren  gutes  (-frucht,  -geld,  -körn),  der  rechtlichen  ein- 
richtungen  (-brief,  -kauf),  seit  dem  14.  jh.  bezeugt;  eine 
vereinzelte  bildung  des  13.  jh.  gehört  zu  Al  (gultehaft). 
bemerkenswerte  bildungen:  gültacker:  {es  hat)  keiser 
Augustus  ein  coloniam  mit  gultäckern  reichlich  versehen 
Weblichixts  augsburg.  chron.  (1595)  23;  in  flurnamen,  s. 
R,  Vollmann  (1924)  48,  ds.  heute  noch  'verpachteter  acker^ 
Martin  -  LiENHABT  l,  218^';  -bauer:  als  der  . . .  seine 
äcker  Unachtsamkeit  halben  inn  unbau  (schlechte  be- 
bauung)  kommen  sein  vermerket,  hat  er  seinen  gült- 
bauem  . . .  herbeigefordert  Fischart  ehzuchtb.  304 
Hauffen;  wann  der  gultbawr  die  gült  .  •  .  nicht  bezahlen 
kann  Balth.  Lang  zinszscharmützd  (1645)  107;  colonus 
ein  pachtmann,  gültbauer  Corvinüs(1660)  i,  354;  im  18.  jh. 
noch  bair.  Schmelleb-Fb.  l,  909  urui  schwäb.  Fischeb  3, 
916  bdegt,  eis.  'pächter'  Mabtin-Lienhabt  2,83;  -brief 
{neben  geltbrief  Lexeb  1,  286)  über  die  gülte  ausgefertigte 
Urkunde,  'Schuldschein",  'zinsschein"  {s.  A  2  und  3);  litterae 
redituum  Stieleb  658,  später  hypothekenschein{zuAZ  ende) : 
des  {wegen  der  schuld)  geburet  .  .  .  sinen  erben,  die  unsze 
etedte  alte  gultebriefe  inne  haut,  druhundert  guldin  (1382) 
FiCHABD  archiv  1, 183;  so  werden  die  bauwern  jetzt  auch 
Wucherer  mit  zinsen,  gültbriefen  (1521)  Jon.  Römeb  seh. 
dialog.  41  Lücke;  gultbrief  kaufen  und  verkaufen  (c.  1550) 
bei  Staub-Tobler  5, 455;  überantworten  einhimdert 
pfund  an  einem  guten,  wolhabenden  gultenbrief  (1591) 
ebda;  die  realisierung  des  . . .  insatzantheils  und  des  rech- 
neiamtlichen  giltbriefs  Gtöthe  IV  28,  333  W.;  sein  ver- 


mögen, so  in  barschaft  und  gültbriefen  bestand  H. 
ZsCHOKKE  sämtl.  ausgew.  sehr.  2,  90;  {eine  Jungfrau,  die) 
einen  gultbrief  von  siebenhundert  giüden  ihr  eigentum 
nenne  G.Keller  w.  (1892)  4,228;  -buch  anschlagsbuch 
für  die  gülten :  die  lantschribere  soUent  ir  innemen  setzen 
nach  der  lute  dez  gültbuechs  (1437)  Mone  zs.  f.  d.  gesch. 
d.  oberrh.  6,  391; 

ein  rentmeister,  der  me  nempt,  dann  gultbucher  weisen, 
und  das  uberig  in  sein  saclc  leszt  reisen 

(15.  jA.)  bei  Keller  alte  gute  schwanke  78; 

grosse  herrn  ire  gült-  und  legerbücher  haben  Jac.  Gbet- 
TEB  ep.  S.  Pauls  (1566)  580;  der  markt  {flecken)  ...  in 
einer  löblichen  lantschaft  gültbuch  .  .  .  einverleibt  (17.  jh.) 
österr.  weist.  6,  186,  30;  schwäb.  noch  im  18.  jh.  Fischer 
3,  917;  -frucht  als  gülte  entrichtetes  getreide:  ins  land  ist 
befelch  ergangen,  alle  gültfrüchten  zu  Ufern  (1636)  ebda 
3,  918;  {Joseph)  brachte  .  .  .  neben  den  .  .  .  güldfrüchtea 
in  den  sieben  fruchtbaren  jähren  eine  .  .  .  menge  ,  .  . 
getreid  zusammen  Grimmelshausen  4,  814  lit.  ver.;  bis 
ins  19.  jh.  gebräuchlich  Fischer  schwäb.  a.  a.  o.;  -gebe, 
-gebig  abgabepflichtig:  höf,  die  gültgeb  sind  dem  gotz- 
haus  (1456)  bei  Schmeller-Fr.  l,  866;  {die  Römer  machten 
Britannien)  zinsbar  und  gültgebig  Ringmann  Caesar  bei 
Schmidt  ds.  160*;  -geber:  munifez  giltgeber  (15.  ^A.) 
bei  DiEFENBACH  371  c;  es  müszen  die  gültgeber  jehrlich 
uf  Martini  von  jedem  malter  drei  heller  ze  zehenten  geben 
bad.  weist.  1,  l,  78  Brinkmann; 

der  sein  gold  auf  gülten  legt, 
von  güldgebers  gnaden  lebt 

Lehman  floril.  polit.  2,  928; 

-gut  1)  fundus  vedigalis  gültgvit  Golius  (1582)  46;  zh- 
f ruhest:  der  herr  ...  ist  kumen  zu  einem  meigerhof  .  .  . 
oder  zu  einem  gültgüt  Keisersbero  postill  (1522)  2,  69; 
da  hett  mein  man  ein  gültgut  zwar  einen  bawren  schon 
etlich  jähr  verliehen  W.  Spangenberg  mammons  sold 
(1613)  A  5;  noch  im  18.  jh.  Schmeller-Fr.  1,  909;  2)  Unter- 
pfand (1573)  nach  Fischer  schwäb.  3, 918;  -haft(ig) 
1)  geldschuldig:  ir  verkoufet,  daz  iuwer  kinder  .  .  .  iemer 
deste  armer  müzent  sin  oder  du  selber  iemer  mer  nothaft 
unde  gultehaft  Berthold  v.  Reoensburg  l,  459,  37 
Pfeiffer;  2)  zinspflichtig:  leut,  so  . .  .  dem  stift  gulthaft 
seint  Mechtel  Limburger  ehr.  42  Knetsch;  3)  ersatzpflich- 
tig: es  macht  ein  chnecht  seinem  herren  wol  gülthaftig 
werden  umb  allez  daz  gut,  daz  er  im  vergamlost  {nach- 
lässig verbringt)  (1332)  bei  Schmeller-Fr.  l,  910;  -herr 
1)  der  herr,  der  den  zins  bekommt  Frisch  l,  382  c,  zuerst 
(14.  jh.)  bei  Fischer  schwäb.  3,  918;  {du)  sollest .  .  .  deinem 
lehen-  oder  gultherren  .  .  •  zinsz,  gult,  stewr  .  .  .  reichen 
bei  Baxjmann  qu.  z.  gesch.  d.  bauernkr.  aus  Rotenbg.  586; 
endlich  bezahlt  er  {der  bauer)  den  gultherren  mit  der  aller- 
leichtesten  frucht,  die  er  hat  Grimmelshausen  satyr. 
pilgr,  (1684)  25;  2)  gläubiger  {entspr.  der  bedeutung  von 
gülte  A4):  dieselbige  gülthern  in  bezalung  der  jerlichen 
zins  oder  gülten  .  .  .  nit  bei  60,  61  oder  62  kr.  pleiben 
(1554)  bei  Fischer  3,  741;  der  wlderverkäufer  tind  gült- 
herr  die  zalung  gern  .  .  .  hette  angenommen  J.  Vetter 
pract.  (1581)  38;  3)  rentmeister,  städtischer  finanzbeamter, 
s.  Götze  frühnhd.  IIS'';  -hof:  die  herren  und  edelleut  die 
gülthöf  nicht  verteilen  lassen  Speidel  notabila  (1634)  252; 
seinem  grundherren  für  die  gült  das  alles  zustellen  . . ., 
was  auf  dem  erblehen  oder  gülthof  erwachsen  Balth. 
Lang  zinszscharmützel  (1645)  143;  schwäb.  noch  im  18.  jh. 
Fischer  3,  918;  -huhn(vgrL  gelthuon  Lexer  l,  928):  zum 
sibenden  ist  unser  beger,  das  f ürohin  in  allen  kewfen  .  .  . 
keins  handlons  ( =  abgäbe)  oder  gulthunr  nimmer  gedacht 
werden  soll  bei  Baumann  qu.  z.  gesch.  d.  schwb.  bauernkr. 
aus  Rotenbg.  123;  hanen  . .  .  und  andere  gilthiener  (1682) 
bei  Fischer  schwäb.  3,  918;  heute  noch  in  Franken  über- 
tragen: der  magerste,  unscheinbarste  in  einer  gesdlschaft 
s.  ebda;  -kauf  'creditus  seu  census  annui,  wann  mit  hun- 
dert gülden  haubtgelds  (=  capitäl)  fünf  gülden  jährhcher 
gülten  erkauft  .  . .  wird'  Schottel  528;  -kauf er  gläu- 
biger: dem  narrenfresser  Satur  .  .  .  {sind)  verwand  .  .  . 
als  alle  ungeratene  kind  .  .  .  zinsz-  und  gültkeufler,  schul- 
denheufler,  geitauf bringer  Fischabt  groszm.  (1607)  o  1*; 


1083       GÜLTE  C  (Kompositionen)  —  2 GÜLTE 


3GÜLTE- GÜLTIG 


1084 


gültkaufer  (1553)  bair.  lanndtsord.  56^;  Fischer  schwäb.  3, 
918 ;  -  körn  annona  Twinoer  v.  Königshofen  bei  Scheez- 
Obbelin  577;  gultekorn,  die  sie  geben  suUent  jergelich 
(1346)  MoNE  2W.  /.  d.  gesch.  d.  Oberrh.  5,  427;  mine  herren 
zu  allererst  ire  gultekorn,  habern  und  gelt  bezalet  sin 
solten  (1445)  weist.  6,  69; 

.  . .  ein  bawer  wol  in  die  statt 
Landshut  wolt  lahrn,  in  Beyerland,  . . . 
sein  güldlforn  dem  fürstn  bringen  nein 

H.  Sachs  17,  285  lit.  ver.; 

-leute:  {sie  haben  die)  eigenthumbsherren  ...  zu  Colonen, 
gültleuten  und  sclaven  gemaclit  Dannhawer  catechism. 
(1657)  1, 108;  schon  im  14.  jh.  s.  Fischer  schwäb.  6,  919; 
-mann  bereits  14,  jh.  ebda;  die  anzal  gelts,  so  der  gült- 
man  .  .  .  biszher  gereicht  hat  (1526)  pfälz.  hofordn.  2,  164 
Kern;  so  kan  ein  gültmann  .  .  .  ein  nachlasz  desz  bei- 
standtgelts  begehrn  Balth.  Lang  zinszscharmützel  (1545) 
106;  -nehmer  municeps  ein  giltnemer  (15.  jh.)  bei 
DiEFENBACH  371";  -pfenning  s.  Frisch  l,  382C;.pf erd: 
milites  munifici,  edelleut,  die  ihr  güldpfert  dem  fürsten 
schicken,  wann  ers  bedarf  Corvinus  (1646)  566;  mit  .  .  . 
300  gültpferden  (das  ist,  mit  so  vielen  reutern  der  craine- 
rischen  ritterschaft  Valvasor  ehre  d.  hzgt.  Crain  (1689) 
4,  2,  465;  -pflichtig:  der  giltpflichtige  wurde  flugs  aus- 
gepfändet EsTOR  rechtsgelahrtheit  3  (1767)  1214;  -re- 
gist er:  tobende  bauern  stürmten  die  Schlösser  der  grund- 
herren  und  verbrannten  .  .  .  die  zehnten-  und  gilten- 
register  Treitschke  dtsche  gesch.  i.  19.  jh.  (1897)  4, 129; 
-reicher:  der  gültreicher  jerlichs  ein  gülden  .  .  .  aus- 
richten solle  Marstaller  aufruhrbuch  (1525)  27;  von  den 
gultreichern  .  . . ,  die  teils  ihr  Schuldigkeit  mit  geld 
bezahlen  wollen  (1620)  bei  Fischer  schwäb.  3,  919; 
-reichung:  durch  saumselige  gültreichung  zu  klag 
kommen  Balth.  Lang  zinszscharmützel  21;  vgl.  bair. 
lanndtsordn. (1553)  56*' ;  -schar werk  abtragung  einer gülte 
durch  körperliche  arbeit,  operae  dominicales  servitia  domi- 
nicalia  Scherz-Oberlin  i,  577;  o.  d.  j.  1616  bei  Schmel- 
ler-Fr.  1,  909;  -verschreibung  wie  gültbrief:  zinsz, 
den  .  .  .  die  Teutschen  .  .  .  ein  gülte,  den  brief  aber, 
darein  sich  einer  zur  bezalung  verobligiert,  eine  gült- 
verschreibung  nennen  Balth.  Lang  zinszscharmützel  2 ; 
die  loskündigung  der  gültverschreibung  auf  einen  wieder- 
kauf {rüchhauf)  richten  Sfeidel  speculum  iuridico-polit. 
(1683)  547'*;  -weis,  adv.,  s.  oben  A  3  d;  -zeit,  vgl.  geltzit 
Lexer  1,828:  we  on  gheven...to  der  vorgenomten  ghulde- 
tid  veftein  mark  (1383)  urkdb.  d.  höchst.  Hildesheim  7,  421; 
ir  erben  .  .  .  dem  gotzhaus  .  .  .  järlichen  ...  zu  rechter 
gultzeit  zu  herrengxdt  reichen  .  .  .  sollen  .  .  .  zehen  gülden 
(1479)  bei  Haltatjs  723;  die  giltzeit  ist  der  tag,  daran  die 
gilt  musz  bezalet  werden  Estor  rechtsgel.  3  (1767)  1214. 

2  GÜLTE,  m.,  -]&n-ableitung  zu  gelten  oder  wahrschein- 
licher -&n-bildung  zu  gülte;  ein  alem.  wort,  im  n.  sg.  öfter 
apokopiert  gült;  in  der  bedeutung  mit  gelte,  m.,  s.  teil 
4,  1,  2,  3062  zusammengehend,  ähnlich  wie  ^  gülte  in  wech- 
selseitiger anwendung  für  Schuldner  und  gläubiger,  vgl.  auch 
gelter  teil  4,  l,  2,  3096  und  gülter. 

1)  'Schuldner' :  ist  auch,  dass  unser  burger  deheiner 
umb  sin  gült  hinusvert  und  den  gülten  benotet  an  lib 
oder  an  guot,  . . .  das  enmag  nieman  verbieten  (1315) 
bei  Greinbr  d.  ölt.  recht  von  Bottweil  169;  burger  .  .  .  uf 
ihr  almende  genomen  hant  vier  tusendt  und  hundert 
gülden  . .  .  und  unser  gulten  worden  sind  (1363)  bei 
Haltaus  723;  als  . . .  unser  lieber  herre  graff  Hans  von 
Habspurg  .  . .  unser  rechter  Schuldner  und  gult  worden 
ist  an  . .  .  graf  Rudolfs  von  H.  seligen  statt  in  alle  der 
wise  und  in  allem  dem  rechten  als  er  sich  verbunden  hatt 
. .  .  gegen  der  bescheyden  frouwen  (1387)  ebda  724;  das 
wir  als  rechter  gült  und  Schuldner  . .  .  zugesagt  die  ge- 
melten  angülten  und  mitschuldner  und  ouch  die  yetz- 
geschriben  bürgen  (1476)  mon.  Habsburgica  I  2, 190  Chmel; 
im  16.  jh.  noch  in  hauptgülte  der  eigentliche  Schuldner 
Fischer  schwäb.  3, 1251 ;  s.  a.  Scherz-Oberlin  621/. 
gegenüber  mitgülte  dem  mithaftenden  bürgen,  s.  teil  6,  2350. 

2)  'bürge',  wie  angülte  {s.  Fischer  schwäb.  1,  214; 
Stafb-Tobler  2,  289)  und  mitgülte  («.  o.):  der  küng  .  .  . 


gab  .  •  .  ainen  besigelten  brief,  die  schuld  ze  bezalen, 
darnach  uff  die  nächsten  pfingsten,  mit  vil  gülten,  die 
da  nach  dem  solten  leisten,  wenn  si  gemant  wurden,  das 
zil  ging  usz  und  solliche  schuld  ward  nit  gezalt  und  dar- 
nach mantend  sy  die  gülten  . .  .  das  sy  solten  laisten 
(1431)  Richental  chron.  148  lit.  ver.;  expromittere  sich 
zum  Schuldner  verbinden  und  mit  im  geloben,  .  .  .  gült 
und  bürg  sein  Frisius  (1556)  520'';  so  hätten  wir  gleich- 
sam gülten  und  bürgen  darfür,  dasz  es  nimmermehr 
wurde  ein  Verwüstung  werden  (1655)  bei  Statjb-Tobler 

2,  289.   vgl.  auch  gültschaft  sp.  1093. 

3)  'gläubiger' :  sterbent  aber  die  bürgen,  e  daz  dem 
gülten  werde  vergolten,  so  sol  er  es  wider  han  uf  in, 
den  schuldiner,  und  sine  erbin  (1275)  recht  d.  st.  Freiburg 
81  Schreiber;  vgl.  ebda  85  u.  ö.;  meinte  aber  der  Schuldner, 
der  gült  hätte  pfänden  genuog  für  sin  schuld  (1480) 
Stattb-Tobler  2,  289;  doch  ist  der  gült  der  nächste  erb 
(1721)  ebda;  noch  lebendig  im  appenzell.,  vgl.  ebda  und 
Tobler  appenz.  232\ 

'GÜLTE,  /.,  s.  gilde. 

GÜLTEN,  gilten,  vb.,  von  ^  gülte,  gilte  abgeleitet,  auf 
obd.  boden,  bes.  im  westen  heimisch. 

^)  bezahlen  {vgl.  ^ gülte  A  eingangs):  wir  haben  denn  vor 
bezahlt  die  erbern  lüt,  denen  wir  gülten  sollen  (1445)  bei 

StAUB-ToBLER  2,  290; 

wo  ich  find  feil  ein  eisern  hut, 
der  mir  vor  lügen  möcht  sein  gut, 
und  einen  schUd  gewisz  vor  schuldten, 
die  zweig  wolt  ich  gewisz  thewr  gülten 

in  einer  Freidankrecension  bei  Zinkgeef  apophtheg. 
(1653)  3,  213; 

vgl.  zwi-,  drigülten  doppelt,  dreifach  bezahlen  bei  Lexer 

3,  1216  und  nachtr.  126. 

2)  abgäbe  leisten,  vgl.  ^  gülte  A  3:  und  mit  nomen  güldet 
jede  vorbenannte  hueb  besonder  einem  jeden  herrn  dom- 
propst  j  ehrlichen  ein  fueder  wein,  ein  malter  kom  und 
41/2  wurzb.  Pfenning  {vMrzburgisch  1396)  weist.  6,  83 
(oder  =  giltet,  zu  gelten  4b?);  zwei  guter,  die  zusammen 
...  8  herbsthühner,  2  fastnachthühner,  100  hersbsteier 
und  100  Ostereier  gilten  (1435)  bei  Fischer  schwäb.  3,  917; 
die  pischof  .  .  .  wolten  solche  steur  ir  arme  leut,  so  in 
gülten,  nit  geben  lassen  Aventin  5,  415,  4  Lexer;  jeglichs 
jar  zwo  million  lötigs  golts  zu  gülten  und  zu  gelten 
Fischart  Oargantua  430  ndr.;  bis  ins  19.  jh.  als  'zins 
leisten'  erhalten,  jetzt  woht  untergegangen,  s.  Fischer 
schwäb.  3,  917. 

3)  zins  erheben,  vgl.  ^  gülte  A  3  m.  4;  so  ist  doch  soliches 
eigne  gülten  one  consens  oder  bestetigung  zu  machen  .  .  . 
ein  abwege  österr.  weist.  10,  55,  14,  im  sinne  von  zins  dar- 
auf schlagen  vgl.  ebda  54,  16.  heute  noch  gülten  'schuld- 
briefe  auf  sein  gut  machen  lassen'  Statjb-Tobler  2,  290. 

GÜLTER,  m.,  nomen  agentis  zu  gülten,  oder  wahr- 
scheinlicher ableitung  von  ^ gülte  wie  ^gülte  {s.  d.),  in  der- 
selben zweiseitigkeit  der  bedeutung  wie  dieses  und  gelter,  m. 
(5.  d.  nr.  2  und  3). 

1)  gläubiger,  nur  fürs  spätmhd.  belegt: 

so  tno  dein  gschäft  pei  gsuntem  leben, 

das  du  daz  schuldig  mügest  schaffen 

dein  gültern  Wittenweiler  ring  5170  Wieszner; 

hat  er  {der  Schuldner)  dann  nit  zu  gelden,  so  mach  in 
{den  kläger)  zu  einen  gesworenen  gulter  (14./15.  jh.)  stadt- 
gesetze  von  Eger  23  Khull. 

2)  Schuldner: 

wir  haben  noch  so  vil  der  paurn, 
desgleichen  gulter,  gelt  und  körn 

J.  Ayeer  dram.  5,  3179  lit.  ver. 

GÜLTIG,  giltig,  adj. 

form  und  Verbreitung. 

abgeleitet  von  dem  verbalabstractum  ^  gülte,  /.;  das  wert 
ist  nur  auf  hd.  gebiet  heimisch,  seit  dem  17.  jh.  in^  schwed. 
gedrungen  als  giltig  Hellquist  et.  ordb.  187  *;  als  gyldig 
auch  ins  norw.-dän.  entlehnt  Falk-Torp  1,  363. 


1085 


GÜLTIG 


GÜLTIG  A  1-3 


1086 


1)  seit  anfang  des  14.  jh.  bezeugt,  zunächst  als  gültig 
(1319)  bei  3.  A.  v.  Brandis  gesch.  d.  landeshauptleute  v. 
Tirol  (1850)  34  und  guldiger  (1324)  urkdb.  d.  stifles  Kloster- 
neuburg 210  Zeibig;  gültig  (1356)  bei  Fischer  schwäb.  6, 
2079.    etwas  älter  ist  das  compositum  hochgültic  Hugo 

VON  TrIMBERO   431;   13489   U.  Ö.;  NlCOLAUS  VON  StRASZ- 

BüRG  bei  Ppeiffkr  myst.  1,  269,  das  aber  eine  selbständige 
Weiterbildung  des  altern  adj.  höchgülte,  5.  Lexer  1,  1315, 
sein  kann,  die  formen  ohne  umlaut  reichen  bis  ins  16.  jh.: 
hochgultigst  Thurneisser  magn.  alchym.  (1583)  45;  gül- 
tig ScHERDiGER  novae  novi  orbis  historiae  (1591)  422,  ver- 
einzelt bis  ins  17.  jh.  MiCRÄLlus  altes  Pommerland  3,  574; 
mit  medialem  dental:  guldiger  (1324)  s.  oben;  bes.  md.: 
guldegeme  {rheinfrk.  15.  jh.)  weist.  4,  623;  guldig  (1483) 
urkundenb.  v.  Freiberg  i.  Sa.  2,  370,  30;  goldigen  (1618) 
acta  publica  Verhandlungen  d.  schles.  fürsten  1,  58  Palm; 
güldig  Harsdörffer  frauenzimmer  gesprächsp.  (1641)  2, 
19.  in  der  folge  steht  gültig  als  die  hauptform  des  Worts 
bis  in  die  gegenwart  durch. 

2)  neben  den  formen  mit  -ü-  und  -u-  stehen  seit  dem 
16.  Jh.,  häufiger  seit  dem  17.  jh.  solche  mit  -i-,  ein  verein- 
zeltes frühes  giltig  (1319)  bei  J.  A.  v.  Brandis  landeshauptl. 
V.  Tirol  (1850)  44  neben  mehrfachem  gültig  im  gleichen 
Urkundenstück;  bair.-österr.:  giltig  Huberinus  christl. 
ritter  (1558)  D  7^;  GuARiNONiüS  grewel  der  verunLstung 
(1610)  225;  giltige  v.  Ayrenhoff  w.  (1814)  2,  248;  mund- 
artlich gUti  Schmeller-Fr.  l,  910;  alem.  bes.  schwäb.  in 
nachgiltig  S.Frank  chron.  zeylbuch  (1531)  121;  Thur- 
neisser erkl.  d.  archidoken  (1575)  vorr.  3,  vgl.  auch  giltig- 
keit  Dannhawer  catechismusmilch  (1657)  5,  825;  giltig 
Wächter  (1737)  590;  Uhland  ged.  (1898)  l,  69;  mundart- 
lich neben  gültig  Fischer  schwäb.  Z,  918;  auch  neben 
geltig  Staub-Tobler  2,  290;  bes.  ausgedehnt  sind  die  -i- 
formen  bei  md.  autoren:  nachgiltig  Aler  (1727)  1432*; 
giltig  GöTHE  II  5,  1,  169  W.;  giltige  M.  I.  Schmidt  gesch. 
d.  Deutschen  (1778)  4,  89;  giltigsten  GöRRES  ges.  Schrif- 
ten (1854)  1,  419;  im  östl.  md.  giltig  S.  V.  Birken  verm. 
Donaustrand  (1684)  221,  vgl.  giltigkeit  0.  Ludwig  ges.  sehr. 
(1891)  2,  361,  vor  allem  obersäclis.:  giltig  Ludwig  teutsch- 
engl.  lex.  (1716)  820;  Reiskb  Demosthenis  und  Äschinis 
reden  (1784)  l,  362;  O.  Peschel  völkerkde  (1874)  15;  gil- 
tigen (dat.  sg.)  Treitschke  histor.  u.  polit.  aufsätze  (1886) 
1,  107;  gütigkeit  H.  Lotze  mikrokosmos  (1856)  1,  28;  RiCH. 
Wagner  ges.  sehr.  u.  dicht.  (1897)  9,  72  und  schles.:  gütig 
(1621)  acta  publica  4, 130  Palm;  gütige  G.  Freytag  ges.  w. 
(1886)  17, 17;  gütigkeit  Lohenstein  Arrn.  2,697^;  Holtei 
erzähl,  sehr.  3,  98,  doch  auch  sonst  auf  norddt.  boden: 
gütigmachung  Jagemann  (1799)  522;  giltigkeit  Immer- 
mann 5,  93  Hempel;   Mommsen  röm.  gesch.  (1874)  2,  143. 

3)  ndien  gültig  und  gütig  steht  in  gleicher  bedeuiung 
älteres,  aber  sehr  viel  selteneres  geltig;  schon  bei  Wolfram 
VON  Esohenbach  geltio  Willehalm  279,  12;  Schweiz,  geltig, 
glichgeltig  Staüb-Tobler  2,  281,  eis.  in  zinsgeltigen  (n. 
pl.){lZ39)  weist.  4, 186,  fränkisch  in  nichtsgeltig  Melissus 
psalm.  T  2^,  schles.  in  geringgeltig  Butschky  kandei  168. 

4)  auf  grund  der  bildungsart,  der  anfänglichen  bedeutung 
{s.  unten  A)  und  der  früheren  und  überwiegenderen  bezeu- 
gung  erweist  sich  gültig  gegenüber  gütig  als  die  grund- 
form,  die  auch  nach  dem  eindringen  von  gütig  in  die 
Schriftsprache  stets  die  vorherrschende  blieb,  gütig  kann 
nach  seiner  vorwiegenden  bezeu^/ung  im  entrundungsgebiet 
{bair.  alem.  md.)  als  entrunduTig  eines  ursprünglichen 
gültig  oder  auch  als  ableitung  von  gute  [s.  o.  sp.  1075)  an- 
gesprochen werden,  da  aber  das  ursprünglich  vom  subst. 
gülte,  gute  abgeleitete  adjectiv  im  laufe  seiner  bedeutungs- 
entwicklung  immer  mehr,  vor  allem  seit  dem  17.  jh.,  unter 
den  einflusz  des  verbums  gelten  geriet,  ist  wahrscheinlicher, 
dasz  das  vordringen  des  verbalen  bedeutungsgehalts  au,ch 
die  aru/leichung  der  form  an  die  -i-formen  des  verbs  nach 
sich  gezogen  hat,  zumal  gerade  im  17.  jh.  die  form  gütig 
häufiger  wird. 

bedeutung  und  gebrauch. 

von  gültig  lassen  zwei  gruppen  erkennen,  von  denen  die 
eine  (A)  durchweg  an  das  subst.  gülte  anknüpft,  die  andere 


(B)  nur  auf  das  verb  bezogen  wird  und  mit  dessen  gebrauch 
parallel  geht,  auch  von  dieser  seile  her  wird  die  frage  einer 
zwiefachen  herkunft  des  worts,  vom  nomen  und  vom  verb, 
aufgeworfen,  insbesondere  da  gütig  in  einwandfreier  Ver- 
knüpfung mit  dem  Substantiv  zu  fehlen  scheint,  in  dem 
verbalen  bereich  B  schon  früh,  nach  vereinzelter,  unsicherer 
bezeugung  zu  anfang  des  14.  jh.,  seit  dem  16.  jh.  auftritt, 
doch  überwiegt  auch  in  B  die  form  gültig,  in  jedem  fall 
ist  zu  bemerken,  dasz  der  bedeutungsgehalt  des  adjectivs 
gültig  in  seiner  entwickelung  wesentlich  stärker  vom  verbum 
gelten  als  vom  subst.  gülte  bestimmt  wird. 

A.  zu  gülte,/.;  seit  dem  14.  jh.  bezeugt  und  schriftsprach- 
lich bis  ins  17.  jh.  reichend. 

1)  'zinspflichtig',  zu  gülte  A  3  'abgahe' :  der  hof  .  .  .  get 
von  uns  zu  lehen  und  ist  auch  gültig  (1356)  bei  Fischer 
schxoäb.  6,  2079;  {die  klöster)  nomend  des  adels  kinder  ab 
denen  orten  am  meisten,  zu  welchen  sie  glegne  güeter 
und  gült  hattend,  damit  inen  dieselben  dester  basz  ge- 
schirmpt  und  dester  giütiger  wesind  J.  v.  Watt  dt. 
histor.  sehr.  1,  424,  scho7i  mit  anklang  an  giütig  A  2;  vgl. 
auch  zinsgültig:  freies  lediges  eigen  .  .  .,  das  nicht  borcht- 
haftig  sei  noch  zinszgültig  (1401)  mon.  Boica  25,  171. 

2)  'einträglich^  vgl.  gülte  A  4  und  gelten  4  c :  die  nunneu 
. . .  wurden  ze  rat  mit  sampt  uns  {dem  bürgermeister),  daz 
sie  die  einen  {badestuben)  fuder  {fürder)  liezzen  gen,  so 
wurd  deu  ander  dester  guldiger  (1324)  urkdb.  d.  st.  Kloster- 
neuburg 209  Zeibig;  der  kucks  {teil  einer  bergwerksgrube) 
ist  .  .  .  guldig  {vorher:  gewinnhaftig)  wurden  (1483)  urkdb. 
V.  Freiberg  i.  Sa.  2,  370,  30. 

3)  'ertragreich',  'vollwertig\  'ausgereift^  'gehaltvolV ,  zu 
gülte  B:  der  pluger  sal  dienen  dem  pfaltzgraven  .  .  .  bit 
wizeme  silber,  guldegeme  körne  (15.  jh.)  weist.  4,  623;  wo 
.  .  .  die  mühle  auch  wohl  zugerichtet  und  ganghaftig  und 
das  getreide  güldig  ist,  mag  man  einen  müUer  annehmen 
haushaltg.  in  Vorwerken  155;  das  getreid  behalten,  bisz  es 
gültig  oder  werth  wirdt  caritatem  exspectare  Henisch 
(1616)  1777;  im  gleichen  sinne  auch:  recht  reife  und  gültige 
melonen  (1772)  bei  Staüb-Tobler  2,  290.  bergmännisch 
von  erzen,  häufig  componiert  weisz-,  rotgültig:  weisz-  und 
rothgültig  oder  gülden  ertz  heisset  deszwegen  nicht  gültig 
oder  giüden,  dasz  es  gold  führe,  sondern  dasz  es  reich- 
haltig sei  und  die  kuxe  viel  gelten  Minerophelus  neues 
. .  .  bergwerckslezikon  (1730)  319;  {beim  schmelzverfahren) 
sollen  der  Schichtmeister  und  schmeltzer  zu  guldigem 
ertze  hart  blei,  glet  {bleioxyd)  und  stein  nicht  sparen 
(c.  1500)  urkdb.  v.  Freiberg  i.  Sa.  2,  491,  23;  ertz  {im  gegen- 
satz  zur  tauben  oder  leeren  bergart)  heist,  was  gut  und 
gültig  ist  imd  metall  füret  Mathesius  Sarepta  (1578)  28^'; 
rothgültigerz  ein  reiches  Silbererz,  das  nebst  silber 
Schwefel,  antimon  und  arsenik  enthält  Scheuchen- 
stuel  öslerr.  berg-  u.  hüttenspr.  (1856)  198.  z.  t.  vermischt 
mit  güldig  'goldhaltig',  vgl.  rotgüldig  teil  8,  1309;  s.  auch 
güldig  und  güldisch  oben  sp.  1070.  kostbar  von  der  qualität 
des  Stoffes;  von  metallen:  {sie  haben  die)  ducaten  .  .  .  des 
Silbers,  das  zu  schwer  und  wenig  giütig  were,  nichts 
geachtet  A.  Scherdiger  novae  novi  orbis  historiae  (1691) 
422;  metaUen,  aus  einem  in  das  andere  verwandelt,  . . . 
besser  und  gültiger  . . .  werden  Prätorius  wünschelruthen 
204;  sonst:  carmesingefärbte  tücher,  welche  an  der 
färb  gültiger  als  das  tuech  selbsten  bei  Schmeller-Fr. 
1,  910;  gültig  thewre  weiherfisch  pisces  lacustres  pretiosi 
Henisch  (1616)  1777.  in  diesem  sinne  wohl  auch  noch 
zu  verstehen: 

wie  uns  betrug  geschieht 
gar  leicht  mit  edlen  steinen, 
die  manchem,  der  sie  sieht, 
recht,  acht  und  gültig  scheinen 

C.  Knittkl  poet.  sintienfrüchte  165. 

häufig  in  dieser  bedeutung  componiert  s.  hochgültig  teil  4, 
2, 1622,  geringgültig  teil  4, 1,  2,  3703,  ringgültig  teil  8,  1010, 
nachgültig  teil  7,  66;  kein  solches  vögelein,  das  doch  ein 
unnutz  noch  gültiges  {zu  lesen  nachgültiges)  vögelein  ist, 
ohn  den  willen  gottes  auf  die  erden  fället  Widmann 
Fausts  leben   52  Keller,    in  kreuzung   mit  der  verwen- 


1087 


GÜLTIG  A  4-5.  B  1-2 


GÜLTIG  B  3 


1088 


düng  A  5 :  derhalben  zu  gleicher  weis  wie  ein  gering  gültig 
pferd,  welchs  zu  vilem  geprauch  dienstlich  sein  mag, 
disem  fürzusetzen  ist,  das  vil  kostet  und  weniger  ist  zu 
geprauchen  Fischärt  3,  241  Hauten. 

4)  übertragen,  'wertvoll'  im  geistlich-sittlichen  bereich, 
vgl.  auch  gelten  7  c :  daz  hochgültig  wirdig  verdienen 
unsers  herren  myst.  1,269  Pf.;  (Christi)  gültige,  glück- 
hafte . . .  seelige  höUenfarth  G.Teeueb  dt.  Dädalus  1,  327. 
anders: 

nlm  weg  die  eitelkeit  von  allen  unsern  werken, 
was  wird  dir  übrig  sein  und  gültig  zu  vermerken? 

LOGAU  sämtl.  sinnged.  458  Eüner; 

mehrdeutig,  da  auch  nach  B  3  b  deutbar:  was  einer  recht 
und  gut,  der  ander  vor  nit  gültig  achten  will  J.  Mechtel 
Limburger  ehr.  17  Knetsch;  dein  grosses  almusen,  hilf  und 
stewer  der  armen  leut  .  . .,  das  ist  giltig  und  in  grossem 
ansehen  vor  gott  Huberinus  christl.  ritter  (1558)  d  7''. 

5)  'wert',  d.  h.  einem  bestimmten  geldwert  entsprechend, 
doch  vgl.  auch  gelten  7  b  /3 :  für  einen  köpf  pecher  von 
Silber  fünfzig  pfund  Ferner  gültig  (1319)  A.  v.  Bbandis 
gesch.  d.  hauptl.  v.  Tirol  34;  brachte  ichs  an  mich  und 
darzu  nicht  einmal  um  halb  geld,  was  es  gültig  war 
Gbimmelshausen  Simplicissimus  262  ndr.;  mit  einem 
schönen  creutz  .  .  .  über  200  luis  d'or  giltig  S.  v.  Birken 
verm.  Donaustrand  (1684)  221. 

B.  der  weitaus  überwiegende  gebrauch  von  gültig,  giltig 
entspricht  dem  des  verbums  gelten,  seit  dem  14.  jh.,  vom 
17.  jh.  ab  fast  ausschlieszlich  so  verwandt,  bes.  im  über- 
tragenen gebrauch,  gültig  'geltend,  durch  Satzung',  legiti- 
w,us,  oder  'allgemeine  anerkennung,  geltung  besitzend' ,  pro- 
batus,  usualis;  entsprechend  dem  bedeutungswandel  von 
gelten,  s.  d.  7  ff.,  teil  4,  1,  2,  3075/7. 

1)  von  der  münze. 

a)  vcm  dem  wertgehalt  {vgl.  gelten  7  a  a) :  ein  pfenning 
.  .  .,  wie  gültig  der  ist,  den  sol  er  ver  guet  haben  (15.  jh.) 
tirol.  weist.  1,  324,  19;  mit  einem  schnöden  ducaten  .  .  ., 
der  am  körn  oder  gewicht  den  andern  guten  nicht  gleich 
gültig  geachtet  Korchhof  wendunmuth  351  österley. 

b)  von  der  landschaftlich  verschieden  geltenden  Währung 
{vgl.  gelten  7  a  jS) :  einwächselung  der  in  Hungarn  güldigen 
Sorten  (1618)  acta  publ.  l,  58  Palm;  kupferne  pfenninge  . . ., 
die  .  .  .  bei  frembden  nicht  gültig  waren  J.  Micrälius 
altes  Pommerl.  (1640)  3,  574; 

nimm  diesen  säckel,  jeder  grifi  giebt  dir  des  golds 
zehn  wichtge  stück,  im  lande  gültig,  wo  du  weilst 

TIECK  sehr.  (1828)  3,  133. 

2)  von  Satzungen,  bestimmungen,  Vereinbarungen  recht- 
licher art  {vgl.  gelten  9  e),  'rechtskräftig' ,  'rechtsgültig' . 

a)  zuerst  von  Schriftstücken,  bes.  von  testamenten:  ich 
•  . .  will,  das  dises  mein  letstes  testament  allein  giltig 
sei  nach  den  rechten  eines  testaments  (1319)  J.  A. 
v.  Brandis  gesch.  d.  landeshauptl.  v.  Tirol  44;  ein  gültig 
testament  Ramler  fabell.  (1783)  1,  96;  auch  im  neueren 
recht  noch  ist  das  testament  gültig  R.  v.  Jhering  geist 
d.  röm.  rechts  136;  ständische  ausschnittsobUgationen 
wurden  .  .  .  gegen  andere  gültige  staatscreditpapiere  .  .  . 
verwechselt  Nicolai  reise  d.  Deutschi.  u.  d.  Schweiz  3,  317; 

was  gültig  ist  als  pasz,  durch  dieses  tor  zu  kommen 

Fr.  Eüokeet  w.  (1867)  8,  617; 

ein  Indossament  ist  gültig,  wenn  der  Indossant  .  .  .  seinen 
namen  auf  die  rückseite  des  wechseis  .  .  .  schreibt  allgem. 
dt.  wechselordg.  art.  12;  (er)  bedarf  .  .  .  eines  giltigen 
legitimationsscheines  handwb.  d.  staatswiss.^  4,  489;  in 
der  Umgangssprache  bes.  von  fahrscheinen  und  eintritts- 
karten  {vgl.  gültigkeitsdauer). 

b)  von  durch  das  rechtsverfahren  als  gültig  bestätigten 
Vorgängen,  einrichtungen,  bes.  in  Wendungen  wie  für  gültig 
erkennen,  erklären:  die  handlungen  der  reichsstände 
solten  vor  gültig  erkennet  .  .  .  werden  Zesen  gekrönte 
mxLJ.  (1661)  158;  eine  auszergerichtliche  Schenkung  für 
gültig  erkennen  J.  Moser  sämtl.  w.  1,  201 ;  ich  halte  da- 
für, der  Wucherer  seie  unter  den  gültigen  sachen,  weil 


den  menschen  vonnöthen  ist,  dasz  sie  einander  geld 
leihen  B.  Schupp  sehr.  721;  bes.  von  der  ehe,  s.  auch  un- 
gültig und  gültigkeit  l:  aus  gültiger  ehe  entsprossen 
A.  v.  Aenim  w.  8,  307  Qr.;  die  ehe  .  .  .  für  gültig  .  .  . 
erklären  Ranke  dtsche  gesch.  im  Zeitalter  d.  ref.  (1867) 
3,  95. 

c)  innerhalb  des  gerichtlichen  Verfahrens  selbst;  im  ersten 
beleg  bereits  uneigentlich:  {den  papst  wählen)  durch  men- 
schen urteil  .  .  .,  die  alle  falsch  seind  und  nichts  gültig 
noch  werth  Paracelsus  op.  (1616)  2,  593; 

das  recht,  das  uns  gesetze  giebt,  . . . 
und  giltig  urtheil  spricht 

Uhland  ged.  (1898)  1,  69; 

zu  einem  gültigen  richterspruch  gehöre  auch,  dasz  der 
richter  keinen  willkürlichkeiten  räum  gebe  Ranke  sämtl. 
w.  40/41,  290;  weil  keine  rechtmäszig-  und  giltige  Ver- 
antwortung .  .  .  anzutreffen,  wurden  wir  sämtlich  rele- 
girt  Gbimmelshausen  simplic.  Haspelhannsz  (1684)  81; 
drum  könte  ich  .  .  .  schweren,  dasz  ich  ihn  für  keinen 
gültigen  zeugen  erkennen  kan  H.  Lindenborn  Diogenes 
1,  357;  sie  sind  minorenn,  ich  kann  ihre  aussage  nicht 
als  gültig  annehmen  Nestroy  ges.  w.  (1890)  2,  57; 

ihr  Engelländer  streckt  die  räuberhände 

nach  diesem  Frankreich  aus,  wo  ihr  nicht  recht 

noch  gfiltgen  anspruch  habt  auf  so  viel  erde 

als  eines  pferdes  huf  bedeckt  Schiller  w.  13,  233  G.; 

in  dieser  function  weiter  lebendig,  wie  die  Übertragungen 
zeigen  {s.  3). 

d)  vom  gesetz,  der  rechtsordnung : 

. . .  des  Oppius  gesätz  ist  abgebracht, 

das  aber  von  stund  an  der  kaiser  gültig  macht 

D.  C.  V.  Lohenstein  Ibrahim  sultan  36 ; 


tze,  .  .  .  welche  noch  bis  dato  .  .  .  insgemein  die  gül- 
tigsten Leibniz  dt.  sehr,  l,  273;  er  kannte  das  dort  gültig 
lübsche  recht  J.  H.  Voss  antisymbol.  (1824)  2, 179;  eine 
ideale  gesetzgebung  für  alle  zelten  und  alle  fälle  gültig 
Savigny  V.  beruf  unserer  zeit  (1814)  7; 

es  darf  nicht  sein:  kein  ansehn  In  Venedig 
vermag  ein  gültiges  gesetz  zu  ändern 

(a  decree  establUhed)  Shakespeare  (1797)  4,  118. 

e)  von  vertragen  u.  ähnl. :  darumb  er  denselben  {d.  i. 
accord)  nicht  so  in  allem  gültig  sein  lassen  B.  Ph.  v. 
Chemnitz  schwed.  krieg  2,  210^;  diesen  vertrag  als  gültig 
anzuerkennen  Ranke  sämtl.  w.  4,  27;  der  fremde  .  .  . 
konnte  keine  gültige  geschäfte  .  .  .  geltend  machen 
Niebuhb  röm.  gesch.  1,  391. 

f)  im  öffentlichen  leben:  z.  b.  das  jetzt  gültige  meter- 
masz  Fr.  L.  Jahn  w.  (1884)  2,  6;  nach  dem  bis  1760  gül- 
tigen schulplan  Justi  Winckelmann  1  (1866)  23. 

3)  in  übertragenem  gebrauch  nach  gelegentlicher  Verwen- 
dung im  16.  jh.  {s.  oben  Paracelsus  2,  593),  ausgebildet 
seit  dem  18.  jh.,  im  engeren  anschlusz  an  B  2,  mit  oft  noch 
wörtlichem  anklang  an  diese  rechtssprachliche  Verwendung 
(gültiges  gesetz,  urteil,  gültiger  richter,  zeuge  u.  ä.). 

a)  geltung  nach  dem  wert  innerhalb  einer  logischen  ge- 
dankenfolge oder  eines  bestimmten  geistigen  Zusammen- 
hangs, vgl.  gelten  9  c  cf;  die  relative  gültigkeit  ist  dabei  zu- 
weilen besonders  hervorgehoben:  {das  wort)  absolut . . .  dem 
blosz  comparativ  oder  in  besonderer  rücksicht  gültigen 
entgegensetzen  Kant  3,  253  akadem.  ausg.;  nach  den  ge- 
setzen  der  sinnenwelt  und  des  in  ihr  gültigen  mecha- 
nischen Systems  ganz  richtig  Jung-Stilling  sämtl.  sehr. 
6,  391;  nun  ist  das,  was  von  Übertragimg  der  geistigen 
empfindungen  auf  thierische  gesagt  worden,  auch  .  .  . 
von  Übertragung  der  thierischen  auf  die  geistige  gültig 
Schiller  i,  164  G.;  dem  willen  . .  .  kommt  so  wenig  ein 
beharren  als  ein  vergehen  zu,  da  dieses  in  der  zeit  allein 
gültige  bestimmungen  sind  Schopenhauer  w.  l,  369  Gr.; 
so  hat  man  sich  gewöhnt,  dem  nur  dramatisch  giltigen 
absoluten  wert  beizulegen  Treitschke  hist.  u.  pol.  aufs. 
1  (1886)  107;  demgegenüber  allgemein  gültig  {vgl.  auch 
die  zss.  allgemeingültig  teil  1,  234):  die  allgemeine  gültige 
ordnimg  Hegel  w.  (1832)  2,  280;  ich  mag  keinen  despo- 


1089 


GÜLTIG  B  3 


GÜLTIG  B  s 


1090 


tismus,  auch  nicht  den  der  allgemein  gültigen  principien 
G.  Förster  sämtl.  sehr.  (1843)  8,  99;  damit  seine  wissen- 
schaftlichen bestimmungen  einen  universelleren  und  all- 
gemein gültigeren  werth  erhalten  H.  Steffens  was  ich 
erlebte  (1841)  3,253;  in  den  allgemein  gültigen  gesetzen 
der  kunst  0.  Jahn  Mozart  4,  144;  eine  aufgäbe,  welche 
.  .  .  noch  zu  keiner  allgemein  giltigen  lösung  geführt  ist 
Laistner  nebelsagen  4;  ähnlich:  giebt  es  dabei  {bei  dem 
Wohlklang  der  sprachen)  etwas  allgemeines  und  an  sich 
gültiges  A.  W.  Schlegel  im  Athenäum  l,  17. 

a)  im  denkprocesz  'richtig',  'folgerichtig':  wan  ich  dieses 
urteil  {über  anwendung  eines  reimschemas)  nicht  fohr 
tüchtig  und  gültig  erkenne  Ph.  Zesen  Helikon  (1656)  3, 
11;  er  musz  in  seinen  Wissenschaften  so  gründlich  sein, 
dasz  er  ein  gültiges  urteil  über  den  werth  der  dinge  fällen 
kann  A.  v.  Haller  tageb.  s.  beobachtg.  1,  32;  gesetzt  aber 
auch  .  . .,  man  nähme  den  schlusz,  hier  wirkt  eine  innere 
Ursache,  als  giltig  an,  so  ist  doch  die  folgerung  übereilt . . . 
GöTHE  II  5,  1,  169  W,;  keine  folgerung  scheint  gül- 
tiger sein  zu  können  als  die,  dasz  .  .  .  Niebuhr  röm. 
gesch.  1,170;  es  wird  also  blosz  darauf  ankommen,  ob  die 
erklär ungen  gültig  sind,  aus  denen  der  verf.  den  .  .  . 
begrif  der  christlichen  religion  abgezogen  hat  allg.  dt.  bibl. 
1,  2,  90;  die  einzig  gültige  Voraussetzung  einer  lebendigen 
Wirksamkeit  O.  Jahn  Mozart  1,  444. 

ß)  mehr  auf  ein  ergebnis  zielend,  von  wissenschaftlichen 
gesetzen  u.  ä.:  die  hier  {in  der  spräche)  gültigen  posi- 
tiven gesetze  können  daher  keine  andern  sein  Adelung 
lehrgeb.  2,  654;  vergebens  suchte  er  (Newton),  sie  {seine 
messungen)  zu  allgemeinen  Verhältnissen,  zu  durchaus 
gültigen  natmrgesetzen  zu  erheben  Göthe  II  5,  1,  173 
W.;  das  princip,  was  durch  die  revolution  .  .  .  der 
europäischen  politik  gegeben  wurde,  ist  das  nach  meiner 
meinung  bis  heute  gültige  Bismarck  ged.  u.  erinner.  1, 
190  volksausg.;  {Benecke)  stellt  die  für  alle  zeit  gültigen 
grundsätze  der  einrichtung  altdeutscher  texteditionen 
mit  erklärungen  auf  W.  Scherer  kl.  sehr.  1,  90. 

y)  'zuverlässig,  beweiskraft  besitzend" ,  häufig  in  der  Wen- 
dung gültiger  zeuge,  gültiges  Zeugnis  u.  ähnl.;  bes.  in  den 
historischen  Wissenschaften:  er  hat  seine  Zeitrechnung 
nach  den  besten  ausländischen  geschichtschreibern  ein- 
gerichtet und  gültige  zeugen  angeführet  Gottsched  d. 
neueste  a.  d.  anmuthigen  gelehrsamk.  7,  824;  nur  derjenige, 
der  zwischen  zwei  verschiedenen  epochen  in  der  mitte 
steht,  ist  ein  durchaus  gültiger  zeuge  der  art  ihres  Über- 
gangs W.  V.Humboldt  ges.schr.  (1903)  2,  24;  Jordanes 
...  ist  in  chronologischen  fragen  kein  gültiger  zeuge 
MoMMSEN  röm.  gesch.  (1894)  5,  218;  auch  sonst  in  all- 
gemeinerer anwendung:  empfangen  sie  die  gültigsten 
Zeugnisse  von  dem  tode  ihres  mannes  Fr.  L.  Schröder 
dramat.  w.  (1831)  3,  87;  öfter  bei  Göthe:  was  sich  seit 
jener  zeit  .  .  .  entwickelt,  davon  gibt  gegenwärtige  con- 
ourrenz  ein  gültiges  zeugnisz  49,  376  W.;  das  gültigste 
zeugnisz  .  .  .  durch  that  und  arbeit  selbst  ablegen  44, 
2,  351  W.; 

wie  auch  das  mlsgeschaflfne  antlitz  dir 

ein  gültig  zeugnisz  giebt  von  dem  gemütbe 

FoUQUfi  held  d.  nordens  (1810)  2,  112; 

Treumunds  lob  ist  der  gültigste  beweis  ihres  werthes 

V.  AyRENHOFF   W.  (1814)   1,248; 

. . .  um  dir  ein  gültig  zeiclien 

von  meiner  danckbarlceit  noch  in  der  weit  zu  reichen 

J.  Chk.  Günther  ged.  (1735)  766. 

3)  für  anerkennende  beurteilung  'ausreichend,  befriedi- 
gend begründet',  'stichhaltig'  {vgl.  gelten  lassen  unter 
gelten  8  g) : 

. . .  was  werd  ich  fürwenden  für  Ursachen, 
die  mein  entschuldigung  ihr  gültig  können  machen? 
DiKTK.  V.  D.  Wkeder  rasend.  Roland  (1636)  27.  gesang  18.  str.; 

es  soll  mir  sehr  lieb  sein,  eine  gültige  entschuldigung  für 
ein  betragen  zu  hören,  welches  einer  entschuldigung  zu  be- 
dürfen scheint  J.  J.  Chr.  ^ode  Thomas  Jones  6, 156;  da 
es  vielmehr,  wan  diese  uhrsache  gültig,  die  sinische  sein 
würde  Ph.  Zesen  rosenmänd  (1661)  178;  die  lästerungen 
IV.  1.  6. 


eines  ohne  alle  gültige  Ursache  gegen  mich  aufgebrachten 
troszbuben  Heinse  sämtl.  w.  10,  138  Schüddekopf;  diese 
widerstrebung  gegen  gründe,  die  mir  gültig  vorkommen 
H.  P.  Sturz  sehr.  (1779)  2,  188;  doch  hatte  er  dafür,  dasz 
er  sich  nicht  zu  werken  der  schönen  literatur  entschlosz, 
auch  gültige,  treffliche  gründe  Gervinus  gesch.  d.  dt. 
dichtg.  (1853)  5,  168;  er  fand  keinen  gültigen  einwurf  wider 
des  (Crespo  ansuchen  A.  v.  Haller  Usong  (1771)  359;  ge- 
bildete leute  • . .  werden  jedoch,  eh  sie  händel  anfangen, 
nie  ermangeln,  vorher  für  einen  gültigen  vorwand  zu 
sorgen  v.  Gaudy  sämtl.  w.  13,  78;  was  versteht  man  nicht 
alles  unter  bildung?  und  poesie  allein  scheint  vielleicht 
manchem  kein  gültiger  anspruch  dazu  Fr.  Schlegel 
pros.  jugendschr.  1,  61  Minor;  die  grosze  betrachtungsart 
der  begebenheiten  scheint  die  gültigste  vollmacht  bei 
groszen  gelegenheiten  zu  handeln  Caroline  i,  384  Waitz. 

b)  allgemeiner,  was  im  leben  geltung  hat,  gegenüber  a  in 
einem  mehr  subjectiven  Zusammenhang  zwischen  ding  und 
anerkennender,  wertender  umweit. 

a)  durch  sein  ansehen:  so  ist  daz  sacrament  der  weich 
{weihe)  bei  inen  etlichen  gültig,  bei  etlichen  aber  nicht 
Joh.  Nas  d.  antipapist.  ein«  u.  hundert  1,  136*;  eure  {der 
heiligen)  bildnussen  . . .  sein  nichts  bei  denen  ungehewren 
köpfen  {die  an  schamlosen  darstellungen  gefallen  finden) 
giltig;  sie  finden  nichts  an  ewrem  gottseligen  leben 
GuARiNONiüS  grewel  d.  Verwüstung  226;  beredsamkeit, 
welche  bei  hofleuten  und  Soldaten  güldig  ist  Harsdörfeb 
frauenzimmergespr.  5,  442;  weil  der  stand  der  geistlichen 
allenthalben  gültig,  für  fromm  gehalten  und  beliebet 
wird  Olearius  pers.  rosenthal  (1696)  28'';  im  sinne  von 
'für  den  gegenständ  geeignet,  berufen  und  anerkannt'  in  der 
heute  kaum  noch  üblichen  Wendung  gültiger  richter:  ich 
verspreche  meinem  Laokoon  wenig  leser  und  ich  weisz 
es,  dasz  er  noch  weniger  gültige  richter  haben  kann 
Lessing  17,  223  L.-M.;  die  leichten  poesien  der  Inder  lobt 
herr  Jones  sehr,  gewisz  ein  gültiger  richter  Herder  «. 
t».  16, 91  8.;  wir  sind  so  eingerichtet,  dasz  wir  wohl  selten 
gültige  richter  dessen  sein  werden,  was  uns  nützlich  ist 
Lichtenberg  vermischte  sehr.  1, 105;  die  geschichte,  in 
diesen  dingen  die  gültigste  lehrerin  und  richterin  E.  M. 
Arndt  ausgew.  w.  13,  I5l  Meisner- Geerds. 

ß)  durch  seine  vnrksamkeit,  seinen  einfiusz;  von  gedan- 
ken,  Worten,  handlungen  u.  ä.: 

wo  änderst  kraft  mein  bitten  hat 
und  gültig  ist  im  liimmel  hoch 

Spkknq  Äneis  119«; 

wie  gültig  und  nutz  solliche  lehr  und  red  were  Guabi- 
NONius  grewel  d.  vervMstung  80; 

freund,  wenn  die  dankbarkeit  durch  worte  gültig  war, 
so  schwur  ich  dir  anjetzt  . . . 

Gottsched  dt.  Schaubühne  5, 11 ; 

weil  die  vorspräche  eines  mannes  sehr  gültig  war  Th. 
Abbt  verm.  w.  (1768)  2,  34;  für  uns  musz  immer  gültig 
bleiben  der  alte  Wahlspruch,  dasz  die  gottseligkeit  zu 
allen  dingen  nütz  ist  Schleiermacheb  sämtl.  w.  2,  4,  2; 
da  ihr  euer  vorhaben  und  rathschläge  mit  einer  erspriesz- 
lichen  that .  .  .  gültig  machen  werdet  Reiske  Demosthenis 
und  Äschinis  reden  (1764)  1,  333; 

so  müsse  mein  bemühn  die  hölle  dir  versühnen, 
es  müsse  gültig  sein  und  dir  zur  ruhe  dienen 

J.  E.  SCHLKGKt   VI.  1, 18; 

am  dritten  tage  . .  .  faszten  {sie)  den  gültigen  entschlusz, 
in  Lüderitzbucht  .  .  .  bauarbeiten  auszuführen  Hans 
Grimm  volk  ohne  räum  2  (1923)  147;  es  wuchs  ihm  von 
dorther  doch  eine  ahnung  dessen,  dasz  es  noch  gültige 
kräfte  gäbe,  die  nicht  auf  arm  und  lenden  allein  ge- 
stellt seien  Kolbenheyer  Paracdsus  (1926)  3,  294;  ge- 
wählt in  der  bedeutung  'treffend' :  als  Joie  ihr  beider  gefühl 
mit  einem  gültigen  wort  benaimt  hatte  Bindinq  opfer- 
gang 30  inselverl. 

y)  bes.  durch  seine  beurteilung  seitens  der  menge,  des 
durchschnitts,  leicht  pejorativ  gefärbt:  und  musz  nur  das- 
selbe .  . .  gelten,  was  die  herrschende  gewohnheit  der 
weit  als  gültig  zulesset  Schottel  friedenssieg  10  ndr.; 

69 


1091 


GÜLTIGEN  —  GÜLTIGKEIT 


GÜLTIGKEIT  -  GÜLTIGMACHUNG      1092 


diese  meinung  eolte  wol  an  diesen  orten  gültig  sein,  da 
die  leute  nackend  gehen  Harsdöefkb  frauenzimmer- 
gespr.  (1641)  1  o  4^;  künstler  .  .  .,  deren  mehr  oder  weniger 
gültige  meinungen  er  aufzufassen  .  .  .  wuszte  Göthe  46, 
34  W.;  und  doch  ist  jene  durch  bedingungen  sogleich  zer- 
störte lehre  noch  immer  die  gültige  II  2,  200  W.;  dasz 
diese  bunte  zusammenfügung  territorialer  gewalten  ein 
der  . .  .  erhaltung  werthes  ganze  bilde  .  . .,  das  waren 
nun  einmal  die  gültigen  Vorstellungen  L.  Häuszke  dt. 
gesch.  (1854)  1,  243;  die  bisher  giltige  Vorstellung  von  der 
beharrlichkeit  der  artenmerkmale  Pbsohel  völkerkde. 
(1874)  15. 

GÜLTIGEN,  vb.,  nur  in  Wörterbüchern  begegnend:  gül- 
tig machen,  gültigen  validare  (d.  h.  bestätigen,  rechtskräftig 
machen)  Kramer  teutsch-ital.  (1700)  1,  503";  Campe  2, 
480*;  vcUider,  legitimer,  sanctionner  Mozin  wb.  d.  frz.  spr. 
8  (1856)  805^. 

GÜLTIGKEIT,  /.,  adjedivobstradum  zu  gültig  mit 
denselben  formvarianten  (s.  d.). 

A.  die  bedeutung  'wert'  begegnet  nur  in  der  ableitung  von 
compositis,  s.  bei  gültig  A  3.  4 ;  mhd.  hochgültigkeit,  vgl. 
hochgültig,  oben  sp.  1087 :  daz  er  an  dem  kriuze  erstarp  . . . 
daz  was  allez  ein  verdienen  immeziger  höchgültikeit 
myst.  1,  281  Pf.;  ähnlich  ebda  299;  frühnhd.  geringgültig- 
keit,  s.  oben  sp.  1086 :  gleichsam  . . .  Donatus,  Arrius  recht 
von  der  geringgültigkait  Christi  gehalten  Joh.  Nas  d. 
antipap.  eins  und  hund.  3,  43*;  geringgiltigkeit  vilitas, 
levitas,  exilitas,  ignobilitas  Henisch  1517. 

B.  die  vorherrschende  bedeutung  ist  'geltung^  nach  gül- 
tig B  2. 

1)  von  Satzungen  rechtlicher  art;  beim  rechtsverfahren, 
entsprechend  gültig  B  2  c :  so  sollen  wir  beider  theil  unser 
schiedliche  rethe  ...  in  die  stad  schicken  .  .  .  und  fleisz 
thun,  die  Sachen  gutlich  czu  richten,  ob  sie  aber  die 
gultigkeit  alsdann  nicht  erlangen  mochten,  so  sollen  wir 
einen  obmann  benennen  (1459)  bei  Longolius  sichere 
nachr.  (1751)  2,  28;  vo7i  Schriftstücken  {s.  gültig  B  2  a):  die 
gultigkeit  eines  testaments  Liscow  samml.  sat.  u.  ernsth. 
sehr.  (1739)  147;  die  gultigkeit  der  {geld-)  verschreibung 
G.  Forster  sämtl.  sehr.  (1843)  5,  34;  ihre  reisepässe  .  .  . 
seit  monaten  nicht  mehr  visirt  und  abgelaufen,  hätten 
streng  genommen  keine  giltigkeit  mehr  gehabt  Holtei 
erz.  sehr.  3,  98;  für  rechtsgültig  erklärte  handlungen  («. 
gültig  B  2  b) :  die  gultigkeit  einer  abgezwungenen  wähl 
Lohenstein  Ärminius  2, 1296*;  die  gultigkeit  der  heirath 
Rädlin  (1711)  1,  416*;  die  gultigkeit  der  kindertaufe 
K.  L.  v.  Haller  restaur.  d.  staatswiss.  4,97;  wo  das 
bundesrecht  für  die  gultigkeit  eines  rechtsgeschäf tes  keine 
besondere  form  vorsieht  Schweiz,  civ.-ges.-buch  art.  10; 
vom  gesetz  {s.  gültig  B  2  d):  jedes  recht,  welches  in  dem 
siegenden  Staate  gultigkeit  haben  mochte  Savigny  gesch. 
d.  röm.  rechts  l,  94;  jede  abänderung  der  bestimmungen 
des  grundgesetzes  .  .  .  bedarf  ...  zu  ihrer  gultigkeit  der 
genehmigung  des  bundesrats  bankgesetz  (1875)  §  47;  von 
staatsrechtlichen  vertragen  {s.  gültig  B  2  e) :  sie  {die  chatte) 
ist  weniger  ein  zu  voller  gultigkeit  gelangter  vertrag  als 
ein  Vertragsentwurf  Ranke  w.  14  (1875)  65;  auch  manche 
der  andern  bundesgesandten  bezweifelten  die  giltigkeit 
der  neuen  verfassimg  Treitschke  dt.  gesch.  im  19.  jh. 
(1897)  4,99;  im  öffentlichen  leben  {s.  gültig  B2f):  eine 
dauernde  gultigkeit  können  sie  {die  Preislisten)  über- 
haupt nicht  ansprechen  Stöckhardt  ehem.  fddpred. 
1,  140. 

2)  übertragen,  wie  gültig  B  3 ;  der  beschränkte  geltungs- 
bereich  wird  hervorgehoben:  dem  poeten  schadet  der  aber- 
glaube  nicht,  weil  er  seinen  halbwahn,  dem  er  nur  eine 
mentale  gultigkeit  verleiht,  mehrseitig  zu  gute  machen 
kann  Göthe  41,  2,  55  W.;  um  . .  .  das  theoretisiren  des 
Verstandes  .  .  .  von  dem  gebiet  abzusondern,  wo  es  keine 
gultigkeit  hat  W.  v.  Humboldt  ges.  sehr.  5,  338 ;  immer 
aber  hat  das  interessante  in  der  poesie  nur  eine  provi- 
sorische gultigkeit  Fe.  Schlegel  pros.  jtigendschr.  l, 
83  M.;  eine  auf  eine  bestimmte  periode  beschränkte  gul- 


tigkeit Schleiermacher  sämtl.  w.  i,  3,  75;  demgegenüber 
allgemeine  gultigkeit:  Wörter,  die  zu  alt  .  . .  sind,  auch 
keine  allgemeine  gultigkeit  mehr  haben  briefe  d.  neueste 
litt.  betr.  20  (1764),  163;  die  allgemeine  gultigkeit  der  von 
mir  angewandten  grundsätze  J.  J.  Engel  sehr.  8,  240; 
auch  componiert:  der  volle  denkact  greift  nach  zwei  rich- 
tungen  in  das  transsubjective  hinaus:  nach  seite  der  all- 
gemeingiltigkeit  und  der  seinsgiltigkeit  J.  Volkelt  quell, 
d.  menschl.  gewiszheit  37. 

a)  geltung  innerhalb  eines  geistigen  Zusammenhangs; 
im  denkprocesz:  um  einem  solchen  begriffe  aber  objec- 
tive  gultigkeit  .  .  .  beizulegen  Kant  3,  17  akad.  ausg.; 
wenn  man  .  .  .  erkannt  hat,  was  der  satz  vom  gründe  sei, 
. .  .  worauf  . . .  sich  seine  gultigkeit  erstrecke  Schopen- 
hauer w.  1,  12  Gr.;  die  resultate  mögen  .  .  .  noch  so  sehr 
eine  unbedingte  gultigkeit  in  anspruch  nehmen  Ranke 
sämtl.  w.  30,  3 ;  von  wissenschaftlichen  geselzen,  grund- 
sätzen:  selbst  die  ausnahmen  zeugen  also  von  der  gultig- 
keit des  hauptgesetzes  Herder  w.  5,  99Ä.;  die  grenze 
der  gultigkeit  des  Maxwellschen  gesetzes  Boltzmann 
popul.  sehr.  32 ;  man  könnte  vielleicht  diesem  grundsätze 
.  .  .  die  hinlängliche  gultigkeit  absprechen  W.  v.  Hum- 
boldt ges.  sehr.  (1903)  1,  153;  theorien  .  .  .  von  sehr  zwei- 
felhafter gultigkeit  JuSTi  Winckelmann  (1866)  2,  1, 123; 
zweifei  ...  an  der  unbedingten  gultigkeit  der  beiden 
kriterien  W.  Scherer  kl.  sehr.  1,639;  auch:  solche  ... 
lebensregeln  möchten  .  .  .  ihre  praktische  gultigkeit  haben 
E.  M.  Arndt  l,  147  M.-B.;  wissenschaftlich  zuverlässig: 
(Zeugnisse),  deren  gultigkeit  ich  .  .  .  annehmen  oder  ver- 
werfen .  .  .  konnte  Lichtenberg  briefe  (I90l)  2,  228; 
bei  der  gultigkeit  der  historischen  beweise  stehen  blei- 
ben Gerstenberg  recens.  238  lit.-dkm.;  die  gultigkeit 
dieser  beweise  aber  hängt  von  der  .  .  .  glaubwürdigkeit 
der  Zeugnisse  ab  Eschenbueg  entwurf  {n%Z)  286;  Zwdngli 
hat  gegen  die  gultigkeit  der  wörtlichen  erklärung  .  .  . 
eingeworfen  Ranke  dt.  gesch.  im  Zeitalter  d.  ref.  (1867) 
3,  60. 

b)  allgemeiner  was  im  leben  geltung  hat:  gultigkeit 
dignitas,  aestimatio,  excellentia  Stieler  683;  durch  sein 
ansehn;  dieses  opfer  unendliche  kraft,  würde  und  giltig- 
keit schöpfen  muszte,  der  söhn  gottes  muszte  in  der 
wag  gleichsam  das  gewicht  geben  Dannhawer  catechism.- 
milch  6, 825 ;  nebst  der  wachsenden  gultigkeit  des  mensch- 
lichen ansehens  in  glaubenssachen  Gottsched  d.  neueste 
a.  d.  anmuth.  gdehrsamk.  3,  870;  durch  seine  wirk- 
samkeit: 

der  in  der  höh 

ist  von  sich  selbst  bereit, 

des  Segens  gültigl^eit 

auf  selbige  (gaben)  zu  legen 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  1,  32; 

die  gultigkeit  des  Versprechens  Babo  schausp.  (1793)  10; 
Cecilie  glaubt  an  die  gultigkeit,  an  die  dauer  dieser 
schwüre  Holtei  erz.  sehr.  19,  41. 

3)  compositionsbildung  in  beschränktem  umfang  im  sinne, 
von  gultigkeit  B:  gültigkeitsbedingung,  zu  B  2  a: 
(man)  wäre  genötigt,  die  bedingungen  dafür  jederzeit  im 
äuge  zu  behalten,  sie  immerfort  als  'gültigkeitsbedin- 
gungen'  weiterzuschleppen  E.  Schröder  algebra  d.  logik 
1  (1890)  198;  -bereich,  zu  B2a:  doch  sind  die  con- 
stanten  je  nach  .  .  .  dem  gültigkeitsbereich  .  .  .  anders 
gewählt  worden  LuEGER  4,  451;  -dauer,  zu  B  1,  häufiger 
begegnend:  alle  haben  einen  so  wunderlichen  pasz,  so  ohne 
angäbe  des  reiseziels,  ohne  bestimmung  der  gültigkeits- 
dauer  Schleiden  Studien  (1855)  15;  grenzkarten  .  .  .  mit 
28tägiger  giltigkeitsdauer  handwb.  d.  staatswiss.^  3, 1271; 
die  giltigkeitsdauer  der  neuen  Vereinbarung  ebda  5,  897; 
-kraft  zuB  2  a,:  der  historiker  würde  die  gültigkeitskraft. 
seiner  forschungen  überschätzen  Börschel  Scheffel  und 
E.  Heim  (1906)  139. 

GÜLTIGMACHUNG,/.,  nur  lexikalisch,  Verdeutschung: 
legitimation  gültigmachung,  erbfähigmachung  Kinder- 
LING  reinigk.  d.  dt.  spr.  (1795)  293;  Campe  wb.  z.  erkl.  u.. 
verdeutsch.  (1801)  2,  442. 


1093 


GÜLTIGUNG- GUMMI 


GUMMI 


1094 


GÜLTIGUNG,  /.;  rechtfertigung  und  giltigung  alles 
dessen,  was  .  . .  Fk.  W.  Riemer  bei  K.  W.  Müller 
Oöthes  letzte  lit.  tätigkeit  (1832)  60. 

GÜLTSCHAFT,  /.,  bürgschaft:  150  fl.  .  .  .  mit  bürg- 
schaft  oder  mit  gültschaft  nach  noturft  versichern  J. 
V.Watt  dt.  histor.  sehr.  3,274;  vgl.  "gülte. 

GUME,  GUM,  GUMEN,  m.,  s.  gaumen  teil  4, 1, 1, 1576^. 

GÜMEN,  vb.,  auch  gumen,  gummen  gähnen,  das  maul 
offen  halten,  ableitung  von  ahd.  mhd.  guomo,  guome  der 
gaumen,  der  rächen,  vgl.  gaumen,  s.  teil  4,  1,  l,  1581,  gamen 
ebda  1208  von  goume:  guemen  (1445),  güemen  oscitare  bei 
Schmeller-Fr.  1,  913;  gümen  (15.  jh.  obd.)  Diefenbach 
nov.  gl.  203=1;  von  tragheit,  wann  wir  sitzen  bei  unerkanten 
leuten,  die  wir  gern  on  weren,  oder  von  groben  dünsten, 
die  der  magen  vol  ist,  gümbt  der  mensch  Aristotelis  pro- 
blemata  (1546)  a6^;  ein  anderer  grappelt  in  den  zahnen 
mit  gummendem  maul,  als  stehe  schon  das  thor  offen 
zum  mist  ausführen  Stranitzki  ollapatrida  138  Wiener 
ndr.;  deminutiv-iterativ  gummeln:  vor  gott  gummeln  und 
betteln  stehen  G.  Treuer  deutscher  Dädalus  1,  191 ;  das 
thränenreiche,  heulende,  seuftzende,  gummelnde  .  .  .  ge- 
bet ebda  606;  intensiv  gümizen:  guemezen  (1445)  bei 
Schmeller-Fr.  l,  913;  gümiczen  hiare  (15.  jh.  md.)  bei 
Diefenbach  rwv.  gl.  203*;  gumezen  gähnen  Schköer  wb. 
d.  dt.  ma.  d.  ung.  bergl.  hl^. 

GUMM,  GUMME,  m.,  n.,  s.  gummi. 

GUMME,  GUMM,  GUMMEN,  m..  s.  gaumen  teil  4, 

1,  1,  1576/7. 

GUMMEL,  /.,  ursprünglich  bezeichnung  für  ein  pferd: 
die  naohthalt  {hüten  zur  nachtzeit)  der  rosz  und  gumeln 
(1577)  österr.  weist.  8,  207;  steir.  noch  für  altes,  abgetriebenes 
rosz  Unger-Khull  314^;  son^t  heute  übertragen  wie  gurre, 
mähre:  üppig  entwickeltes,  rasch  aufgeschossenes  mädchen 
oder  dicke,  ungeschickte,  alberne  Weibsperson,  scherzhaft  und 
verächtlich,  im  bair.  schles.  schwäb.;  eis.  Schweiz,  gumsel; 

Benjamin  zu  Hagar: 

botz  taubennäst,  botz  hundert  gummel, 
du  gehst  gleich  wie  ein  tiemmlsch  bummel 

N.  Fkischlin  dt.  dichtg.  125  lit.  ver. 

GUMMELN,  GUMMEN,  vb..  s.  gümen. 

GUMMEN,  vb.,  gummieren  nach  gumme  (s.  gummi) 
gebildet:  gummen  gummire  Henisch  1777;  gummen  mit 
gumm  steifen  M.  Krämer  hochniderteutsch  2, 102*. 

GUMMI,  m.,  n. 

herkunft  und  form. 

vereinzelt  schon  im  13.  jh.  {s.  u.  l),  allgemeiner  im  15.  jh., 
aus  mlat.  gum(m)i  (auch  gum[m]a,  -um,  s.  Diefenbach 
271*)  entlehnt,  das  selbst  über  tat.  gummi,  cummi,  n., 
griech.  xöfi/ni,  n.,  auf  altägyptisch  kmj.t  zurückgeht,  der 
bezeichnung  eines  wohlriechenden  harzes,  vgl.  E.  Littmann 
morgenländ.  Wörter^  12;  H.  Schulz  dt.fremdwb.  1,258. 
die  fremde  form  ganz  als  deutsch  empfunden:  gummi  la- 
teinisch gleichfalls  gummi  Wirsung  artzneib.  (1588)  reg.; 
ältere  eindeutschung  zeigt  die  endungslose  form  gum  in 
selbständigem  gebrauch  zur  glossierung  von  lat.  armonia- 
cum,  euforbium,  lacca  u.  ähnl.  schon  im  16.  jh.  bei  Diefen- 
bach 637 c;  641*;  642*;  noch  im  18.  Jh.:  der  klare  gumm 
Brockes  Jahreszeiten  (1745)  215  und  in  mod.  westl.  ma. 
Martin-Lienhart  elsäss.  l,  219*;  rhein.  wb.  2,  1486;  El- 
berfdder  ma.  64*';  gumme  bei  Hesler  («.  u.)  und  (15.  u. 
16.  ^'A.)  bei  Diefenbach  271*,  ebenso  bei  Simon  Roth  dict. 
(1572)  0  8**;  noch  Schweiz.:  zweier  gattig  {gattungen)  gu- 
mene  J.  Gotthelf  ges.  sehr.  18,  75 ;  daneben  vereinzelt 
gomme  ndrh.  1507  bei  Diefenbach  gloss.  271*  sowie 
gummis,/.,  nach  lat.  cummis,  gummis,/.,  Corvinus  (1660) 
1,  655;  contaminationsformen,  latinisierend:  ein  schäum 
oder  leimächtige  gumia  Zoleckhofer  beschreibg.  (1564) 
157;  entsprechend  gummien  (pl.)  Harsdörfer  frauen- 
zimmergespr.  4,  469;  weiterhin  formen  wie  gumin,  gum- 
mig u.  ä. 

das  genus  schwankt  im  deutschen  seit  dem  16.  jh.  dem 
lat.  entsprechend  scheint  das  n.  vorzuherr sehen,  so  durch- 


aus noch  in  den  wbb.  des  18.  jh.:  'gummi  n.,  von  einigen 
im  deutschen  irrig  im,  männlichen  geschlecht  gebraucht^ 
Adelung  vers.  2,  841;  heute  neigung  zum  m.,  z.  b.  Seiler 
kultur  im  spiegel  d.  lehnw.  2, 138;  H.  Schulz  dt.  fremdwb. 
1,  258;  Weigand-Hirt  1,  779;  aber:  'gummi,  n.,  österr. 
als  gleichberechtigt  auch  m.,  so  auch  volksmäszig  bes.  in 
der  bedeutung  radiergummi'  Duden  (1929)  202''.  gummi 
gewöhnlich  indedinabel:  der  mastix,  die  gummi,  die  glet 
etc.  vermögen  nicht  einen  tropfen  fleisch  zu  geben  Para- 
CELsus  op.  (1616)  1,  i2;  für  den  plural  Umschreibung  durch 
aus  lat.  gummata  gebildetes  gummate:  die  mortification 
der  .  .  .  gummaten  Paracelsus  op.  (1616)  1,  895,  ebenso 
Kaltschmidt  gesamtwb.  (1834)  363*;  für  jüngere  zeit 
kennen  gen.  sg.  und  n.  acc.  pl.  gummis  Sanders  1,  639«, 
Duden  a.  a.  o.;  von  gum(me)  starke  und  schwache  plural- 
formen (s.  u.). 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  ein  z.  t.  in  flüssigkeiten  lösliches  harz  aus  dem  soft 
verschiedener  bäume,  zunächst  orientalischer:  gummi  ara- 
bicum heizt  ein  arabischer  zäher  Konrad  von  Megen- 
berg  bu^ch  d.  nat.  369,  3  Pf.;  in  einem  md.  kräuterverzeich- 
nis:  armoniacum  {harz  des  ammoniakbaums),  euforbium 
{der  milcharlige  soft  eines  afrikanischen  gewächses),  sarco- 
colla  {persisches  gummi)  u.  a.  ein  gum  Diefenbach  637 C; 
641*;  644*;  labdan,  das  ein  gummi  aus  Cypern  ist 
Hebold-Forer  Oeszners  thierbuch  (1563)  19;  drithalb  lot 
des  frembden  gummi  armoniaci  W.  H.  Ryff  spiegel  u 
regiment  d.  gesundheit  (1544)  115*;  ihr  {einer  amerikani 
sehen  baumart)  schweres  hartes  holz  .  .  .  liefert  ein  röth 
liches  gummi  G.  Forster  s.  sehr.  4,192;  auch  von  ein 
heimischen  baumarten,  bes.  von  kirschbäumen:  gummi  kat 
zen  clare  flinsche  ( =  kirschharz)  vel  gumme  voc.  lat.  germ 
(15.  jh.  md.)  bei  Diefenbach  271*;  gummi  gumme,  bech 
hartz,  aber  solches  von  weichsei-  und  kirschbäumen,  das 
fein  braun  ist,  wie  man  an  dem  arabischen  sieht,  den 
man  für  den  besten  achtet  S.  Roth  teutsch  dict.  (1572) 
G  8^;  s.  auch  unten  Sebiz  feldbau  (1579)  348;  v.  Fleming 
d.  vollk.  t.  Soldat  (1726)  340*';  das  fremde  und  das  einhei- 
mische gummi  gegenübergestellt:  gummi  cerasorum  kirsch- 
bäumen gummi  und  gummi  arabicum  arabisch  gummi 
JoH.  Orsäus  nomenclator  method.  (1623)  243;  in  der  teut- 
schen  spräche  aber  soll  er  {der  Harz)  den  namen  haben 
vom  hartze  oder  dem  zehen  safft  und  gummi,  so  häuffig 
ausz  den  bäumen  im  walde  fleust  J.  Prätorius  Blockes- 
berges Verrichtung  (1668)  75;  als  krankheitser scheinung : 
also  wie  ein  bäum,  wann  er  aus  untauglicher  erden  die 
nahrung  an  sich  ziehen  musz,  von  brand,  wurm,  gummi 
und  andern  zufallen  belästiget  wird  W.  H.  v.  Hohberg 
georgica  curiosa  (1682)  1, 155;  au^h  mundartlich  für  harz- 
flu^sz,  s.  rhein.  wb.  2,  1486;  in  dieser  Verallgemeinerung  er- 
scheint es  im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  bis  ins  18.  jh.: 
gummi  wird  insgemein  eine  jede  gestandene  öligte  oder 
hartzigte  feuchtigkeit  genennet,  so  aus  .  .  .  bäumen  ge- 
flossen und  hernach  hart  geworden  ist  G.  H.  Zincke 
allgem.  Ökonom,  lex.  (1744)  1005;  heute  wieder  beschränkt 
auf  das  harz  bestimmter  tropischer  bäume,  aus  dem  insbes. 
gummi  elasticum  gewonnen  wird,  s.  u.  3.  in  dem  weiteren 
sinne  nur  noch  fachsprachlich  für  bestimmte  organische 
safte  überhaupt:  die  bestandteile  der  pilze  sind  .  .  .  pilz- 
stoffe,  zucker,  gummi,  gallert  Oken  naturgesch.  3,  36; 
gummi  und  rohrzucker  gelangen  durch  die  nahrungs- 
mittel  ins  blut  Sömmerring  menschl.  körper  6,  975 ;  gummi 
ein  höher  organisirter  körper  als  zucker  Sprengel  ehem. 
f.  landw,  2,  167. 

unbestimmter  in  den  frühesten  belegen   als    besondere 
kostbarkeit: 

stuchten  (lat.  Stades),  gumin  und  resin 

sol  iuwer  kleinöde  sin  £.  v.  Ems  weltehr.  7644; 

als  räu^hermittel: 

do  wart  im  in  daz  vaz  (d.  i.  rouchvaz)  gegeben 
ein  brunst,  allen  guten  smacken  eben  .  . . 
das  sint  al  edele  gumme, 
die  vor  gote  wol  riechen 

H.  V.  Hbsleb  apokal.  12796 ; 


1095 


GUMMI 


GUMMI  (composita) 


1096 


vgl.  der  weyhrauch,  die  myrre,  der  mastik  .  .  .  und  das 
pech  sindt  gewisser  bäume  säfft  und  gummi  Comenius 
janua  aur.  vfling.  (1643)39;  vor  allem  als  arzneimittel, 
innerlich  und  äuszerlich  {vgl.  gummipflaster)  angewandt: 
wenn  man  den  diadragant  {ein  harz)  zerlaet  in  warmem 
gerstwazzer  und  tuot  dar  zuo  den  zäher,  der  gummi  ara- 
bicum heiszt,  und  gorgelt  in  der  kein  damit,  daz  ist  gar 
guot  wider  die  kalten  huosten  Konrad  von  Megenberg 
buch  d.  nat.  376  Pf.;  von  pflastern  ...  da  inne  geent  kost- 
liche stugke  zafEran,  kamfir  und  edele  gummen  (1461)  bei 
Kriegk  bürgerth.  im  ma.  (1868)  73;  euforbium,  ein  gumi 
...  ist  gut,  den  unflat  ausz  zu  ziehen  ausz  den  glidern 
T.  V.  Vachenbebg  marg.  med.  (1516)  16v;  balsamus  ist 
ein  gumi  . .  .  mit  groszer,  wolschmäckender  subtiligkeit 
Brattnschweig  Chirurg.  (1539)  117^;  gummi  von  kirss- 
bäumen  .  .  .  zermalen  den  .  .  .  plasenstein  Sebiz  feldbau 
(1579)  348;  ...  so  wirst  du  sehen,  dasz  von  diesem  gummi 
{pflaumenbaumharz)  die  wunde  so  bald  zuheilen  wird,  als 
wenn  du  ein  ander  kostbar  pflaster  darauf  gehabt  hättest 
V.Fleming  d.  vollk.  teut.  aoldat  (1726)  340*^;  weiter  als 
färb-  und  bindemiUel:  weullendoich  .  .  .  mit  gallen,  leck- 
moisz  ind  gummen  verwen  (15.  jh.)  Kölner  zunfturk.  2, 
107;  färben  .  .  .  einmachen  und  genau  erkennen,  zu  wel- 
chen gummi  .  .  .  erfordert  wird  v.  Fleming  vollk.  teut. 
aoldat  16;  als  schminke  {vgl.  gummiwasser) : 

sie  aber  bleibt,  wie  sie  ihr  schöpler  hat  gezieret, 

hat  sich  mit  gumme  nicht  noch  siiberglüt  beschmieret 

Zesen  verm.  Helikon  1,  76»; 

schreibdinte  ausz  .  .  .  kupferwasser  gummi  vmd  wein  .  . . 
zu  machen  Mathesiüs  Sarepta  (1571)  c  i^; 

du  must  auch,  fuhr  die  argllst  fort, 
mehr  gummi  in  die  dinte  schmeiszen; 
die  schrift  wird  desto  schöner  gleiszen 

Stoppe  Parnasz  (1735)  141; 

zu  rogeten  {raketen) . . .  zum  zusatz  griechisch  hartz  oder 
reschen  gummi,  genannt  colophonium  L.  Fronsperqer 
kriegsb.  1  (1578)  z  6v. 

das  schon  früh  {vgl.  oben  Konbad  von  Megenberg  369) 
au^  den  verschiedenen  gummiharzen  hervorgehobene  gummi 
arabicum  aus  der  rinde,  zunächst  arabischer  akazienarten 
bleibt  auch  später  von  bedeutung:  das  gemein  gummi, 
welchs  die  apotecker  arabicum  nennen  Ryff  confectb. 
(1548)  d3^;  auch  übersetzt:  ein  ...  linderung  von  ara- 
bischem gummi  Sebiz /eW6oM  (1579)  75;  in  der  folge  auch 
umgangssprachlich  geläufig  für  das  gewöhnlich  aus  ihm 
hergestellte  gummi  2,  bes.  zum  unterschied  von  gummi 
elasticum  {s.  3)  so  benannt. 

2)  klebstoß,  der  seit  dem  17.  jh.  in  der  Umgangssprache 
aus  der  im  täglichen  leben  gewöhnlichsten  Verwendung  des 
Stoßes  entwickelte  sinn:  denn  diese  {die  liebe)  ist  .  .  .  das 
festeste  . . .  gummi  der  weit  Lohenstein  Arminius  2, 
135*  {vgl.  zuvor:  meine  seele  fester  als  eine  klette  klebt); 
einem  halben  dürren  leim  oder  gummi  ähnlich  (1732)  bei 
H.Schulz  dt.fremdwb.  258;  .  .  .,  dasz  man  mit  etwas 
gummi  ein  . . .  stück  papier  darauf  leimt  Lichtenberg 
verm.  sehr.  (1800)  6,  470;  mit  jenem  gummi,  das  aus  der 
rinde  der  arabischen  acacia  vera  quillt,  .  . .  bUder  . . . 
auf  papier  zu  heften  Gl.  Brentano  ges.  sehr.  5,  4 ;  so  bis 
heute  vor  allem  gummiarabicum,  s.  oben  l  ende. 

3)  der  feste  elastische  stoß,  das  gleichfalls  aus  bestimmten 
gummiharzen  durch  eintrocknen  gewonnene  gummi  elasti- 
cum oder  kautschuk,  auch  federharz  genannt,  1736  in 
Europa  eingeführt;  zunächst  gewöhnlich  gummi  elasticum, 
»71  jüngerer  zeit  einfach  gummi,  bei  zurücktreten  der  Ver- 
wendung von  gummi  2  ausreichend  eindeutig:  gummi  ela- 
sticum, elastisches  gummi,  federharz,  ein  zäher  saft  aus 
der  rinde  eines  baumes  in  Südamerika  Heyse  verdeutschg.- 
wb.  (1819)  238.  da  im  gebrauxih  nur  in  verarbeitetem  zustand, 
vorzugsweise  companiert  mit  dem  aus  ihm  hergestellten 
gegenständ  {s.  4);  als  simplex  für  radiergummi  geläufig: 
Siegbert  antwortete,  indem  er  mit  dem  gummi  die  neger- 
knaben  etwas  corrigiren  wollte  Gutzkow  ritter  v.  geiste 
(1850)  3,  289;  sonst  für  die  entspr.  composita  z.  b.  redens- 
artlich: fahren  auf  gummi  {auf  gummireifen)  C.  Viebig 


schlaf,  heer  (1904)  1, 134;  oder  bildlich  und  vergleichsweise: 
denke  nur,  welche  treue  und  ausdauer  dazu  gehört  — 
gummielastikum  ist  ja  garnichts  dagegen  Seidel  Leb. 
Hühnchen  (1899)  45;  für  elastische  beweglichkeit:  so  einen 
vom  Jahrmarkt  .  . .  halb  närrisch  herumtanzen  . .  .  und 
kerzengerade  in  die  höhe  hupsen,  als  sei  er  von  gummi 
Emil  Strausz  freund  Hein  (1909)  121;  dehnbarkeit,  ab- 
schätzig: eine  rede,  die  sich  etwas  in  die  länge  zog  wie 
gummi  elasticum  Heine  sämtl.  w.  3,  148  E.;  der  abend 
dehnte  sich  wie  elastisches  gummi  in  das  unendliche  Jul. 
MosEN  sämtl.  w.  (1863)  7,  422;  ein  gewissen  Tsie  gummi 
bei  Heyne  l  (1890)  1272. 

4)  composita  mit  gummi  begegnen  seit  dem  16.  jh., 
vgl.  gummitragant,  gummipflaster,  gummireich,  adj., 
SiiBiz  feldbau  (1579)  424,  bis  auf  gelegenheitsbildungen  wie 
gummiähnlich,  -artig,  -haltig,  -reich,  substantivisch;  zu- 
nächst in  der  bedeutung  1  in  der  medizin  {vgl.  gummi- 
pflaster, -tragant,  -gutt),  vor  allem  im  botanischen  bereich 
zur  bezeichnung  gummihaltiger  pflanzen  und  bäume,  vgl. 
gummiakazie  (Ritter  erdkde  14,  174),  -bäum,  -distel 
(Oken  3,  734),  -wirbelkraut  {ders.  3, 1628)  u.  a.  sowie  für 
die  aus  ihnen  gewonnenen  producte  wie  gummiharz,  -lack, 
-Wasser,  in  neuerer  zeit  überwuchert  von  den  zahlreichen 
bildungen  von  gummi  3  zur  bezeichnung  von  gerätschaften 
der  technischen  und  chemischen  industrie{z.  b.  gummikabel, 
-pfropfen,  -riemen,  -röhr,  -Scheibe),  diese  bedeutung  ist  auch 
umgangssprachlich  die  vorherrschende;  in  niederer  sprach- 
schicht  scherzhaft  verächtlich  bes.  von  zähen  speisen  gummi- 
bälle  {klösze),  -gans,  -wiirst;  -soldat  {armierungssoldat 
Imme  soldatenspr.  108).  bemerkenswerte  bildungen:  gum- 
miball: gewöhnliche  gummibälle  werden  leicht  hart  und 
brüchig  Kregenow-Samel  gerätkde  (1905)  114;  öfter  ver- 
gleichsweise: bei  jedem  schritt  federte  der  ganze  körper 
mit  wie  ein  gummiball  v.  Kahlenbebg  d.  familie  Barch- 
witz (1902)  127;  -band,  an  kleidungsstücken:  den  .  . .  hut 
hielt  sie  am  gummiband  Auerbach  sehr.  5,  5;  -bäum, 
ostind.  feigenbaum,  fi^us  elastica:  gummibaum  .  .  .  eine 
baumgattung,  die  in  zahlreichen  arten  auf  Neuholland 
vorhanden  ist  Mothes  baulez.  (1882)  2,  545;  als  Zimmer- 
pflanze verwandt:  der  grosze  gummibaum,  der  seine 
blätter  über  das  verlassene  kontorbuch  neigte  R.  v.  Gott- 
schall d.  adlerhexe  46  Eedam;  -bereifung  an  fahr- 
zeu^en:  meist  müssen  die  räder  .  . .  mit  gummibereif ung 
versehen  werden  v.  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte  1, 137 ; 
-gutt,  n,,  ein  gummiharz  aus  garciniaarten,  das  als  gelber 
f arbstoß  und  arzneimittel  Verwendung  findet:  nimm  gummi 
gutta  ein  quentlein  Eisenberg  reitschule  wb.  (1746)  38"; 
die  drei  eckfarben  {der  farbenpyramide)  sind  carmin, 
Berlinerblau  und  gummigutt  allgem.  dt.  bibl.  23,  275; 
-harz:  gummiharz,  gummi  resina,  ist  ein  saft,  der  aus 
gewissen  bäumen  ausschwitzt  Kjiünitz  20  (1780)  339; 
meist  zu  medicinischen  zwecken,  s.  Blancard  arzneiw.  wb. 
(1788)  2,  98**;  -knüppel,  hiebwaße  der  Schutzpolizei;  -ku- 
gel,  medicinisches  präparat  gegen  heiserkeit:  einige  nach- 
wehen der  . . .  erkältung  wollten  sich  durch  reiz  zum 
husten  .  .  .  unnütz  machen,  weshalb  ich  den  dienstbaren 
geist  .  .  .  nach  gummikugeln  wegschickte  Holtei  erzähl, 
sehr.  39,201;  -lack:  gummilack,  ein  natürliches  harz- 
und  farbstoffgemenge,  welches  die  zweige  mehrerer  in- 
dischen bäume  und  zwar  croton  lacciferum  . . .  bedeckt 
LuEGER  lex.  d.  ges.  technik  5, 18;  es  wird  auch  auf  Siam 
gummi-lack  gefunden  W.  Schultz  ostindische  reise  (1676) 
144^;  firnisz  vom  gummilack  Böttiqer  kl.  sehr.  2,  99; 
-pflaster:  gummipflaster  lat.  gummatum  emplastrum 
.  .  .  ein  jedwedes  pflaster,  wozu  auszer  anderen  dienlichen 
ingredientien  auch  etwas  gummi  genommen  wird  Chomel 
öcoruym.  u.  physic.  lex.  (1750)  4,  1432;  heile  mit  dem 
gummipflaster  zu  Paracelsus  op.  (1616)  1,  668;  -rad: 

auf  gummirädern  rollte 
die  equipage  weich 

D.  V.  LiLiENCEON  sämü.  w.  9,  208; 

-reifen:  der  wagen  war  hergestellt,  zwar  die  gummi- 
reifen hatten  geopfert  werden  müssen  P.  Rosegger  sehr. 
III  9,  65;  -schuh  zum  überziehen  über  anderes  schuhzeug 
gegen  nässe: 


1097 


GUMMI  (compoOTte)  — iGUMPE 


iGUMPE 


1098 


durch  hundert  kleine  wassertruhen, 
die  wie  verlcühlter  spüligt  stehn, 
zu  stelzen  mit  den  gummischuhen 

A.  V.  Droste-Hülshoff  ges.  sehr.  (1878)  1,  217; 

dann  zog  er  gummischuhe  über  G.  Keller  gea.  t«.  (1889) 
8,  110;  -tragant,  n.,  gummi  tragacantha;  ein  gummiharz 
aus  astragalusarten,  älter  noch  gummi  tragacanth:  misch 
darunder  arabischen  gummi  und  gummi  tragacanth 
Seutter  Aipptofria  (1599)  4;  gummi  dragant  H.v.Brattn- 
SOHWEio  kunat  zu  distillieren  (1508)  ff  2'*;  gumtraganth 
in  rosenwasser  eingebeitzt  Wolley  frauenzimmer.  (1688) 
110;  auszer  zu  medicinischen  zwecken  zur  appretur  {s. 
gummieren ),/är6er ei  und  als  bindemittel  von  condiforwaren 
benutzt:  das  bunte  dessert,  das  aus  bergen  .  .  .  von  ge- 
färbtem Zucker  und  gummitragant  bestand  MusÄus 
volksmährchen  l,  61  Hempel;  -wasser:  gummi  in  aquam 
infundere  gummiwasser  machen  Corvinus  (1646)  401; 
ala  binde-  und  klebstoß  verwandt:  etliche  .  .  .  mit  gummi- 
wasser auf  dem  taffet  .  .  .  gold-  und  silberne  blumen 
mahlen  Widerhold  beschreibg.  (1681)  l,  264**; 

die  heuchele!  nahm  ihre  muscbelfarben 
und  machte  sie  mit  gummiwasser  ein 

Stoppe  Parnasz  142; 

feinster  .  .  .  talk,  .  .  .  mit  etwas  gummiwasser  vermischt, 
dient  dazu,  .  .  ,  die  ädern  aufzumalen  {als  schminke) 
MusPRATT  Chemie  (1898)  6,  2106;  ein  kleiner  stift  ,  .  .,  an 
dem  die  goldstreifchen  mit .  .  .  gummiwasser  oder  etwas 
firnisz  befestigt  sind  Lichtenberg  verm.  sehr.  6,  464; 
-zelle  für  tobsüchtige  in  irrenanstalten. 

GUMMICHT,  GUMMICHTIG,  adj.,  harzig,  klebrig,  zu 
gummi  in  der  bedeutung  1  u.  2  gebildet,  bis  ins  18.  jh.  ge- 
bräuchlich: gummosus  gummicht  Corvintts  (1646)  401 
gummicht,  hartzigt  Rädlein  europ.  sprachsch.  l,  416^ 
gummicht,  klebricht  M.  Kramer  hochniderteutsch  2,102"' 
die  zapfen  (der  fichte)  sind  .  .  .  gümmechtig  und  geben 
einen  geruch  von  sich  Tabernämontanus  kräuterb.  (1687) 
1345'>;   gummecht   ebda   1473;    die   gummichte    materi, 
welche  ein  jeder  (seiden-)wuiTa  hat  V.  Hohberg  georg. 
cur.  2,  432;  ein  gummicht-hartzichter  saft  eines  fremden 
baumes  Chr.  Hellwig  kurze  beschr.  (1704)  21;  das  gum- 
michte quecksilber  allg.  dt.  bibl.  anh.  zu  25-36,  3187. 

GUMMIEREN,  vb.,  zu  gummi  1:  die  gummierten  cata- 
plasmata  (pflaster)  Paracelsus  chirurg.  bücher  u.  achr. 
(1618)  244;  das  wasser  .  .  .  gummiret  die  kirschen-  und 
weixelbeume  Btttschky  Pathmos  (1677)  362.  zu  gummi  2, 
etwas  mit  einer  lösung  gummi  arabicum,  dextrin  u.  ä.  be- 
streichen, um  es  nach  anfeuchten  zum  aufkleben  leicht  be- 
nutzen zu  können;  appretieren  von  stoßen  mit  entsprechen- 
den gummilösungen,  um  den  geweben  griß  und  Steifheit  zu 
verleihen,  vgl.  Lueger  lex.  d.  ges.  techn.  5,  19:  die  nied- 
lichen hopfenzäpfchen  .  .  .  rauschen  .  . .,  wie  gummirter 
taffet  Ghph.  v.  Schmid  ges.  sehr.  5,  58 ;  ein  röhr  . . .  umgiebt 
(man)  . . .  mit  gummirter  leinwand  Muspratt  chemie 
(1893)  4, 1148;  ZU  gummi  3:  stoße  mit  kautschuk  tränken, 
um  sie  wasserdicht  zu  machen. 

GUMMIG,  adj.,  zu  gummi  1:  gummich  gummosus 
V.  D.  Schweren  Teuthonista  113*;  gummig  .  .  .  voll  gum- 
mi, voll  päch  gummosus  Henisch  (1616)  1777;  eine  halbe 
unze  eines  sehr  bittern  gummigen  extract  Blanoard 
arzneiw.  wb.  (1788)  3,  349'''. 

^GUMPE,  m.,  vereinzelt  f.,  teich,  tümpel;  Vertiefung  im 
fiieszenden  gewässer,  wirbel. 

form  und  herkunft. 

das  wort  ist  obd.,  bes.  ahm.  aeit  dem  14.  jh.  bezeugt, 
vereinzelt  im  17.  jh.  md.  (B.  Schupp  achr.  690;  fiachbüch- 
lein  169),  ungewisz  im  nd.:  gumpe  germ.  sax.  gurges 
KiLiAN  166^1,  vgl.  gumpen  gurges  JuNius  (1567)  426^. 
apokopiert  gumpp  (1482)  Diefenbach  629*',  häufig  im 
16.  Jh.,  modern  mundartlich  schwäb.  Fischer  3,  920;  das 
flexivische  -n  dringt  seit  dera  16.  jh.  auch  in  den  nominativ: 
gumpen  Finokler  v.  Weyl  Olai  magni  hist.  50;  Borstel 
V.  d.  lieb  Astreae  1,  17;  gompen  Maaler  189 c;  heute  all- 
gemein in  den  obd.  mundarten;  gumpf  (1657)  bei  Fischer 


schwäb.  6,  2080;  Kaltschmidt  gesammtwb.  (1834)  363*; 
abgeleitet:  gümpel,  m.,  tümpfel,  wirbel  Rädlein  (1711)  1, 
416*;  kleine  Wasserbecken,  tümpl  oder  gümpl  genannt 
K.  Stieler  natur-  u.  lebensbilder  aus  d.  Alpen  (1886)  159; 
carybdia  .  .  .  ein  dümpffel  oder  gümpffel  Melber  vocabul. 
predicantium  (1486)  d  2*,  vgl.  mrhein.  weaterw.  kümpel 
'Vertiefung,  worin  aich  das  wasaer  aammelV  teil  5,  2613. 
ala  verwandt  eracheint  ahd.  gumpiten  (acc.  ag.)  atagnum 
Notker  2,  211,  3  Piper;  vgl.  auch  unten  gunt. 

wie  dieaes  gumpiten  auf  ein  alpinea  cumbeta  keltiacher 
herkunft  zurückgeführt  wird,  ist  entsprechend  gumpe  von 
eimm  alpinen,  ursprünglich  gall.  cumba  'taV  herzuleiten, 
vgl.  Gruber  in  phil.  u.  volkstürrd.  arbeiten  K.  VollmöUer 
dargebr.  327  und  Meyer-Lübke  2386.  bedeutung smäszig 
engeren  anschlusz  an  die  quelle  zeigen  formen  wie  mhd. 
küme,  /.,  (1345  Schweizerdeutsch)  talachluchV  Lexer  1, 
1768;  kum,  kump,  gumm,  m.,  gummi,  /.,  u.  ä.  'wellen- 
förmig gekrümmte  bodenfläche  bea.  enge,  mulden-  oder 
keaaelförmige'  Staub-Tobler  3,  290;  noch  im  16.  jh.  leben- 
dig: die  hohen  clausen  und  gumb  Frontinua  v.  d.  guten 
räthen  (Mainz  1532)  35*,  erhalten  in  achweizeriachen  fiur- 
namen,  a.  Staub-Tobler  o.  a.  o.;  vgl.  auch  aga.  cumb 
'o  hollow  among  hills^  Bosworth-Toller  173**,  neuengl. 
combe  Skeat  et.  dict.  (1888)  123*,  desselben  kelt.  Ursprungs 
une  wahrscheinlich  auch  mndl.  comme,  cumme  'door  ber- 
gen ingesloten  vlakte'  Verwijs-Verdam  3,  1730/.,  neundl. 
kom.  bei  der  form  gumpe  u.  ä.  dagegen  besteht  steta  die 
voratellung  einer  waaaerhalligen  bodenvertief ung ,  auch  in 
fiurnamen  (vgl.  Grüber  a.  a.  o.;  Bück  flurnamenb.  93). 
doch  läszt  der  bedeutungsunterschied  die  herleitung  von  der 
gleichen  quelle  nicht  bedenklich  erscheinen,  zumal  der  6c- 
deutungswandel  des  verwandten,  in  der  herleitung  vom 
alpin.-kelt.  sicheren  gumpiten  atagnum  in  gleicher  richtung 
liegt,  jüngeres,  au^h  in  alem.  mundarten  auftauchendea 
gumpe  'gefäaz'  (Fischer  schwäb.  3,  921 ;  Staub-Tobler  2, 
316;  vgl.  md.  gumpen  Ruckert  unterfrk.  67;  gumpa  Sar- 
TORiüS  vmrzimrg.  52;  gump  et  gumpe  poculum  immane 
Stieler  714;  in  gleicher  bedeutung  Kramer  teutsch-it.  1 
(1700)  576*')  geliört  zu  den  besonders  md.  u.  nd.  verbreiteten 
gefäszbezeichnungen  wie  kumme  teil  5,  2588,  kump,  kumpe, 
kumpen,  kumpf  ebda  2611^.;  vgl.  auch  Walde- Pokorny 

1,  562;  alter  und  Verbreitung  sprechen  gegen  die  Verwandt- 
schaft beider  worte. 

gumpe  unrd  achwach  flectiert  und  zeigt  im  pl.  achweiz. 
und  bair.  (hier  entrundet)  umlaut,  a.  Staub-Tobler  2,315; 
Schmeller-Fr.  1,  915;  ala  fem.  aeit  dem  17.  jh.  bezeugt: 
gumpe,  /.,  Hulsius-Ravellus  (1616)  148*;  Stör  (1662) 

2,  221*;  Stieler  714;  im  bair.  a.  Schmeller-Fr.  a.  a.  o. 
in  der  blauen  gumpe  Steub  drei  aommer  in  Tirol  (1895) 

1,  12;  örtlich  begrenzt  auch  in  achweizer.  maa.,  a.  Staub- 
Tobler  a.  a.  o. 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  'teich':  den  vischern  von  Loffenberg,  die  von  uns 
belehent  sint  uf  den  wegen  (d.  i.  wsegen)  und  vischenczen 
.  .  .  dise  vorgenannten  wege  sint  gelegen  in  Baseler  bis- 
tüme  ...  zu  dem  breiten  wage,  zu  der  flühe  ...  zu  dem 
gumppen  (1347)  za.  f.  d.  gesch.  d.  Oberrh.  12,  300;  fisch  zu 
fahen  aus  einem  wog  (d.  i.  wag)  ader  gumpen  fiachbüchl. 
169;  auch  ein  besonders  tiefer  teich  oder  kleiner  see:  das 
er  .  .  .  den  gumpen,  darin  er  oft  nahend  ertruncken  ist, 
meide  S.  Franck  bei  Fischer  schwäb.  3,  921 ;  wenn  sie 
(die  Lau)  im  unmut  den  gumpen  übergehen  liesz,  kam 
Stadt  und  kloster  in  gefahr  Mörike  ges.  sehr.  (1905)  2,  75 
Göschen;  so  auch  bildlich:  dein  billichkeit  ist  wie  ein 
tiefer  gump  (abyssus)  Züricher  bibel  (1531)  2,  24^;  das 
verbot  der  pfaffenehe  wer  . . .  doch  billich  ein  bodenloser 
gump  der  sünden  zu  nennen  Eberlin  von  Günzbueo 
sämtl.  sehr.  2,  29  ndr.;  ansamndung  von  wasser  in  einer 
bodenvertief  ung ,  'tümpel' :  ein  sonn,  die  ein  gumpen  mit 
wasser  auszdrücknet  Paracelsus  chirurg.  (1618)  120 
Huser;  wo  aber  der  mensch  zum  rechten  brunnen  nicht 
gehen  will  .  . .  und  trinckt  von  den  pfützen  und  gumpen 
opera  (1616)  2,  489  Huser;  'lache,  pfütze'  Staub-Tobler 

2,  316;  wo  das  dachkendel,  rinnen  oder  zinnen  an  be- 


1099 


2GUMPE  — GUMPEL 


GUMPELN  —  GUMPEN 


1100 


hausungen  sich  in  eigen  oder  gemein  winckel  dem  traff  und 
gefeil  nach  erstrecken  und  von  dannen  ,  .  .  iren  fall  und 
auszlauff  ...  in  gruben,  gumppen  oder  ander  weg  darein 
versuncken  gehabt  hetten  L.  Fbonspergeb  bauordnung 
(1564)  37^;  ein  .  .  .  wasserschusz  .  .  .  bildet  in  ausgehöhlten 
felsmuscheln  zwei  kleine,  schön  bläulichgrüne  gumpen 
H.  V.  Barth  nördl.  Kcdkalpen  466;  nicht  wahrhaftig  sei, 
das  die  wasser  also  ob  den  metallen,  wie  ein  gump  ist, 
ein  bestimpte  zeit  standen  Thubneisser  von  wassern 
(1612)  8;  {wundwasser)  senckt  sich  allmal  gehn  boden  und 
macht  ein  gumpen,  welcher  hindert,  das  die  artzney  da- 
durch nit  wircken  mag  Päbacelsus  chirurg.  (1618)  40 
Huser;  weiterhin  als  wasserbehältnis :  die  saurbrünnenlein 
.  .  .  laufen  durch  ein  röhrlein  in  den  underen  gumpen 
und  erlustigen  den  trinkenden  mit  solcher  liebligkeit  und 
gesundheit  B.  Schupp  sehr.  690;  für  brunnen  im  schwäb, 
Fischer  3,  92i;  vgl.  kump(f)  hess.  'brunnen'  teil  5,  2614; 
vgl.  auch  Schweiz.  kum(m)e  (1491)  Hiefe  wassergrube,  eine 
art  cisterne'  teil  6,  2589;  kumm  'ein  aus  stein  gehauenes 
wasserbehältnis,  cisterne'  brem.ndsächs.  wb.  2,  895. 

2)  Vertiefung  in  flieszendem  gewässer:  reuma  ein  gump 
i.  profunditas  aquae  (15.  jÄ.)  Diefenbach  nov.gl.  318*>; 
gurges  dicit  tife  des  wassers  oder  gump  Altbnstaio  voc. 
(1516)  2Z^;  das  gestad  (ist)  allda  sandechtig  und  voll  tiefer 
gumpen  H.  Megiser  newe  nortwdt (1Q13)  172;  (ea  ertranken 
beim  Übergang  über  einen  flusz)  reuter  und  pferd,  welche 
durch  das  starcke  antringen  der  hindersten  .  .  .  die  un- 
tiefen verfehlten  oder  den  tiefen  gumpen  oder  krippen 
zu  nahe  gekommen  französ.  Simplicissimus  (1683)  1,  428; 
ich  setzte  mich  an  den  bach,  o  bis  zu  tränen  rührten  mich 
die  gumpen,  die  dort  mein  lustiges  bad  gewesen  Ulrich 
Bbäkeb  (1784)  bei  Staub-Tobler  2,  316.  speciell  'Ver- 
tiefung im  wasser  unterhalb  des  räderwerks  der  mühle' 
Martin-Lienhart  elsäss.  1,219^':  dahero  der  gump  bei 
solchen  mühlen  uf  diesen  tagh  der  waszerfrauen  stuben 
genandt  wird  G.  Widman  chron.  74  Kolb;  so  zog  der 
müUer  unversehens  den  schlusz  auf,  und  hopps,  purzelte 
einer  nach  dem  andern  in  den  gumpen  hinab  L.  Aub- 
bacheb  Volksbüchlein  (1835)  1,  89.  'wirbeV :  vortex  gump 
(1482)  Diefenbach  629^5;  gurges  locus  in  flumine  profun- 
dus, in  quo  aqua  vertitur  gump  Pinicianus  (1516)  l  1*; 
nicht  immer  ist  es  deutlich,  ob  der  wirbel  oder  die  ihn  ver- 
ursachende tiefe  gemeint  ist:  enz wischen  dise  orth  ein 
solcher  gumpen  und  wirbel  ist,  das  die  schiff,  so  ...  zu 
nahend  hinzu  kommen,  erschnappet  in  einem  trödel 
herumbgerissen  . .  .  werden  J.  B.  Finckleb  von  Weyl 
Olai  magni  hist.  (1567)  50;  ein  gumpen  und  widerwasser, 
so  der  felsz  zurück  fiieszen  und  als  ein  würbel  machte 
Borstel  von  der  lieb  Astreae  (1619)  1,  17;  mundartlich  als 
'Strudel,  vnrbeV  auch  bei  Fischer  schwäb.  3,  921. 

^GUMPE,/.,  schwäb.  auch  m.,  pumpe,  pumpwerk,  post- 
verbal von  gumpen  5  abgeleitet;  gump  Martin-Lienhabt 
1, 219^;  FOLLMANN  wb.  d.  lothring.  ma.  220*^;  gumpf 
Autenrieth  pfälz.id.  58;  gumpen,  m.,  brunnen  Bxr- 
LINGER  wb.  z.  volksthüml.  38;  vgl.  gumper  kolben  eines 
Pumpwerks,  das  pumpwerk  selbst  Schmellbr-Fr.  1,  914; 
pumpwerk  eines  Ziehbrunnens  Staub-Tobleb  2,  313:  auch 
einen  neuen  gumpen  und  bronnen  darinn  gericht  {um 
1600)  E.  HoLL  Selbstbiographie  (1873)  36  Meyer;  es  werden 
solche  teuchel  oder  canall,  darinn  das  schöpffwerck  oder 
gumppen  auff  und  ab  gezogen  wird,  von  gantzem  firnen- 
holtz  auszgebort  D.  Speckle  architectura  (1589)  8^;  com- 
poniert:  gumpbrunnen  rhfrk.,  alem.,  schweizerdt.  neben 
gampbrunnen  {von  stammverwandtem  gampen)  Statjb- 
ToBLEB  5,  667;  bair.  Zaupseb  baier.  u.  oberpfälz.  id.  34. 
-Schöpfwerk:  ein  gumppenschöpffwerck  anrichten  D. 
Speckle  a.a.O.;  -werk: 

doch  lob  ich  gar  vil  mehr  die  schönen  wasserbrunnen 

und  disen,  welcher  hat  von  anfang  auszgesunnen 

die  gumpenwerck,  und  das  wasz  schweres  wasser  zwingt 

J.  BOMPLER  V.  LÖWENHALT  erstes  gebüsch 
s.  reimged.  (1647)  53; 

gumperwerk  (1770)  bei  Fischee  schwäb.  3,  923. 
GÜMPEL,  m.,  8.  gimpel. 


GUMPELN,  GÜMPELN,  vb.,  ableitung  von  gumpen. 

1)  hüpfen,  tänzeln: 

effen,  gumpeln  unde  liegen 
mit  pärät  als  ein  gumpelman 

KONRAD  V.  Haslatj  Jüngling  v.  998; 

mein  härtz,  das  focht  jetz  an  zu  gumplen, 
erst  thüt  die  lieb  recht  in  mir  rumplen 

GENaENBACH  145  Oödehe; 

heute  noch  schweizerisch,  s.  Statjb-Tobleb  2,  315;  bair. 
Schmelleb-Fb.  1,  914;  im  hess.  als  'herumtreiben,  schlen- 
dern' Vilmab  nachtr.  73;  Kehbein  1,  150;  177;  schles. 
als  'gehen'  Junqandbeas  schles.  zeitwortbildung  66.  —  com- 
posita  bes.  mhd.,  s.  Lexee  l,  1118;  gumpelmann  'narr': 

nun  wollen  wirs  heben  an, 
zu  singen  von  elm  gumpelman 

Erasmus  Alberus  fabeln  138  ndr.; 

mnd.  'narr,  mit  dem  man  sein  spiel  treibt'  Schilleb- 
Lübben  6,  146 3';  mhd.  'springer,  possenreiszer' ,  s.  Lexer 
1,  1118  und  nachtr.  222,  so  auch  noch  rhein.  wb.  2,  1488. 

2)  trödeln,  mit  minderwertigen  sacken  handeln  Mabtin- 
Lienhabt  1,  220»;  Staub-Tobler  2,  318.  dazu  die  com- 
posita  gumpelfrau:  scrutaria  gümpelfrau  Dasypodius 
(1587)  bei  Diefenbach  521*';  noch  im  17.  jh.  Fischer 
schwäb.  6,  2080;  -markt:  forum  scrutarium  Dasypodius 
(1536)  340^;  der  gümpelmarkt,  darauf  man  feil  hat  alt 
lumpen  und  alt  hader  Keiseesbebg  predigten  (1508)  45^; 
uneigentlich:  der  gantze  gümpelmarckt  desz  verblendens, 
verzauberns  und  fatzwerckes  Joh.  Fuglinus  de  praesti- 
giis  daemonum  (1586)  100»;  bis  ins  17.  jh.  belegt:  dasz  an 
feiertagen  gümpelmarck  .  .  .  gehalten  werde  der  statt 
Straszburg  polizeyordn.  (1628)  appendix  7,  —  occasionell: 
gümpelf  eiert ag:  wie  ist  es  ...  mit  den  halben  feiertagen, 
da  eins  werckt,  das  ander  feiret,  ich  kan  inen  kein  namen 
geben,  ich  wil  es  nennen  gümpelfeiertag,  do  man  allein 
am  morgen  feiret  . . .  daz  man  am  morgen  mesz  höre  und 
nach  dem  essen  klein  werck  thüt  Keisersbebg  brösaml. 
(1517)   1,  89*». 

GUMPEN,  vb.,  springen,  hüpfen. 

ableitung  von  der  Schwundstufe  der  wurzel  guhemb- 
Walde-Pokobny  1,  678  oder  einer  kürzeren  wurzelform 
ghem-  FiOK-ToBP  3^  127;  Falk-Torp  l,  299  mit  labial- 
erweiterung;  im  ablautverhältnis  zu  gampen  'sich  gaukelnd 
bewegen,  luftig  springen  u.  ä.'  teil  4,  1,  1, 1213  und  schwei- 
zerisch gimpen,  gimpfen  Staub-Toblee  2,  311;  320  {vgl. 
auch  norw.  dän.  mundartl.  gimpe  'wippen,  schaukeln' 
Falk-Torp  l,  311).  die  u-form  begegnet  auszerhalb  des 
deutschen  als  schwed.  dialekt.  gumpa  'springa  och  vicka 
med  bakändan'  Rietz  222*»,  dän.  gumpe  'wippen'  A.  Tobp 
nynorsk  190*»,  engl,  jump  Skeat  (1888)  311=^;  ndl.  als  gum- 
pen ontspringen  exilire  Plantin  thes.  (1573)  v  1*»,  tripu- 
diare  Kilian  166^  verzeichnet,  seit  dem  15.  jh.  im  deutschen 
bezeugt,  auf  obd.  boden  heimisch,  heute  mundartlich  dort 
noch  lebendig  wie  im  anstoszenden  rheinfrk.,  s.  Auten- 
rieth pfälz.  id.  58;  seltener  bei  md.  autoren  Lutheb  19, 
458  W.;  H.  Sachs  17,  332  lit.  ver.;  Mathesius  Syrach  (1586) 
3, 19»;  LoGAU  109  Eitner.  als  gompen  Guabinonius  grewd 
der  Verwüstung  (1610)  84;  186;  (er)  gumet  bei  FiSCHAET 
Oargantua  149  ndr.;  gumt  Abb.  a  s.  Claba  Judas  (1691) 
1,  98,  vgl.  gumme  hüpfen,  tanzen  Schmid  schwäb.  218; 
als  gumpfen  (1475)  bei  Steinhausen  privatbriefe  des 
mittelalters  1, 153;  gumpffen  Mathesius  Syrach{lB8&)l,  80», 
wie  bei  gampfen,  gimpfen  o.  a.  o,;  als  ableitung  s.  gümpeln. 

1)  springen  von  tieren,  vom  esel,  pferd  bes.  vom  Jungvieh: 
das  kalb  gumpet,  stiesz  und  schlug  so  vil  und  lang,  daz 
es  das  joch  von  im  warf  Steinhöwel  Äsop  156  lit.  ver.; 
ein  jung  kalb,  wenn  man  es  usz  dem  stal  laszt,  so  springt 
es  und  gumpet  und  blitzget  binden  und  fornen  Keisees- 
bebg brösaml.  2,  76*';  wie  das  junge  viehe,  wenn  es  auf 
die  lustige  weide  gelassen  wird,  anfähet  zu  gumpen 
Geimmelshausen  Simplicissimus  488  ndr.;  wenn  dem 
esel  zu  wol  ist,  so  gumpet  er  J.  Ageicola  Sprichwörter 
(1534)  F  8»;  gumpen  quadrupediare  sicunt  faciunt  equi  voc. 
primo  ponens  dictiones  theut.  (1515  Straszburg)  TS.h**; 

es  (das  rosz)  gumpet  ungestümer  art 
und  thut  den  kopö  zerschütten  hart 

Spreng  Amis  231»; 


1101 


GUMPEN 


neben  dem  begriff  der  lebensfrische  und  der  mldheit  als 
äuszerung  der  geilheit: 

kein  gaul  ist  so  alt  und  kranclc, 
er  gumpt,  wenn  er  zur  stuten  komt 

Lehman  florüeg.  polit.  (1662)  1, 167; 

mundartlich  schwäb.:  der  hagen  {zuchtstier)  gumpet  bei 
FisoHEK  schwäb.  3,  922. 

2)  mit  den  gleichen  bedeutungsnuancen  vom  menschen; 
zumeist  als  vergleich  oder  bildlich  übertragen:  das  ist  also 
nötlich  gebare  und  unbertig  sie  mit  hin  und  her  sehen 
oder  gumpen,  dann  es  ist  gezogen  von  den  unvemünff- 
tigen  thieren  zu  dem  menschen  Terenz  (1499)  53*;  häufig 
in  der  Verbindung  mit  blitzen,  das  auch  zunächst  von  Heren 
gilt  (vgl.  teil  2,  133);  im  vergleich  mit  dem  tierischen  gum^n 
zum  ausdruck  der  wildheit  und  Widerspenstigkeit:  wenn 
man  si  da  [an  ihren  lästern)  anrüret,  so  blitzen  und  gum- 
pen si  und  schlagen  umb  sich  wie  ein  böses  pferdt 
Keisebsberg  häslein  (1510)  E  e  1*;  dardiu-ch  das  volck, 
gleich  wie  ein  ungezämpt  pferd,  gantz  wild  und  un- 
gehorsam worden,  dasz  sie  anfingen  zu  blitzen  und  zu 
gumpen  Xylander  Plutarchus  (1580)  86*'.  ebenso  redens- 
artlich in  der  wendung:  wider  den  stachel  (sporn)  gumpen 
Eberlin  V.  GÜNZBURG  sämtl.  sehr.  3,  132  ndr.;  gumppest 
du  also  wider  die  sporen  F.  Alber  Loiola  (1591)  123;  mit 
der  gleichen  Vorstellung:  daz  die  leib  minder  gumppen 
wider  den  geist  dialog  Erasmi  von  Rotterdam  von  fasten 
und  flaischessen  (1524)  ä  2'';  das  hat  dein  hochtrabenden 
geyst  also  gespornt,  das  er  gumpet  und  schlecht  Luther 
19,  458  W.  sonst  vom  umherspringen  der  kinder:  (urie  die 
buben)  aufif  allen  gassen  .  .  .  bei  hellem  tag  herumblauffen 
und  gompen  H.  Güarinoni0S  grewel  der  verivüstung  (1610) 
84;  vom  jugendlichen  treiben  überhaupt:  das  gumpen  ihrer 
Jugend  hat  sich  geendigt,  ihr  muthwill  und  Vorwitz  hat 
sich  gelegt  Gbimmelshäüsen  simpliz.  sehr.  1,  9  Tittmann; 
als  äuszerung  derfreude:  si  gumpend  vor  fröuden  Züricher 
bibd  (1530)  437;  darnach  hat  er  .  .  .  vor  im  mit  frewden 
gegumpet  und  gesprungen  Xylander  Plutarch  (1580) 
420*;  auch:  das  hertz  gumpet  mir  vor  fröuwden  salit  mihi 
cor  Maaler  198^;  Michels  herz  gumpete  fast  vor  freude 
Gotthelf  ges.  sehr,  (1855)  7,  133.  von  geiler  ausgelassen- 
heit,  lascivire:  schwer  sunden,  ergernüszen,  schand  und 
laster,  das  sind  die  fruchten,  die  man  uff  der  kirohwyh 
erlangt,  sollich  putzen,  gumpen  und  füllen  gehört  in 
die  hürenhüser  Keisebsberg  postille  (1522)  l,  24*;  die 
jungen  leut  machen  sie  (buhlbücher)  hitziger  als  das  fewer 
selber,  machen  auch  die  alten  narren  gumpen  und  reitzen 
inen  ire  vor  langst  erkalte  glider  Pütherbei  v.  Thubon 
tractat  (1581)  34*^;  sie  .  .  .  erlauben  den  zarten  herrn  und 
frawen  in  der  fasten  das  fleischessen,  damit  sie  desto 
besser  geilen  und  gumpen  mögen  Albebtinus  Lucifers 
kgr.  47,  10  Liliencron;  dann  wir  wollen  springen  an  dem 
danz  und  gumpfen  an  dem  bett  (1475)  bei  G.  Stein- 
Hausen  privatbriefe  des  mittdalters  1,  153. 

3)  vor  allem  vom  hüpfen  beim  tanzen  und  gleichbedeutend 
mit  tanzen  selbst: 

von  dem  gumpen  und  gedreng 
ward  der  tancz  so  übrigs  eng 

WiTTENWEiLKE  ring  171  BecJistein; 

tantzen  . . .,  das  die  Schwitzer  gumpen  heiszen  Lindeneb 
rastbüchlein  52  lit.  ver.; 

ir  ding  ist  nüt  dann  gumpen,  springen 
am  ringeltantz  und  ballen  schlan 

H.  B.  Manuel  weinspiel  1832  ndr.; 

bes.  unldes,  lautes,  stampfendes  tanzen: 

kein  tantz  der  was  mir  nimmer  zlang, 
ich  gumpet,  zablet,  randt  und  sprang 
das  mir  der  schweisz  zendumb  abran      ebda  2521; 

ir  gumpet  ...  ja,  dasz  der  Säntis  zu  wanken  und  schüt- 
tern anhebt  J.  Scheffel  ges.  w.  (1907)  2,  167;  vgl.  auch: 
strepere  gumpen  donen  vel  mit  den  fusen  scharren  (obd. 
voc.  anfang  15.  jh.)  bei  Diefenbach  655*^;  s.  auch  gumpen- 
donnerstag  donnerstag  vor  fastnacht  Fischer  schwäb.  3, 
924. 


GUMPOST  -  GUNDELREBE  1 102 

4)  von  einer  hüpfenden  bewegung  schlechthin: 

was  schreist  und  thust  hupffen  und  gumpen? 

H.  Sachs  17,  292,  28  Keller-  Götze; 

(sie)  haben  auf  iren  rossen  gumpet 

J.  Feischlin  bei  Fibohee  schwäb.  3,  922 ; 

(auf  rentieren  saszen  sie,)  mit  dem  . .  .  gantzem  leib  zu 
gumpen,  .  .  .  damit  sie  fort  kommen  möchten  Mosche- 
rosch  gesichte  (1650)  l,  168;  der  gumpende  weber  Abra- 
ham a  s.  Clara  etwas  f.  alle  (1699)  l,  499;  der  fisch  gum- 
pet und  schnattert  vor  im  (paljntare  coepit)  Züricher  bibd 
(1531)  1,  292*1;  gleich  ak  ein  eingeschlossen  büchsenpul- 
ver,  das  angezündt  wirdt,  hin  und  her  gumpt  Pabaoelsus 
op.  (1616)  2,  90  Huser. 

5)  die  bedeutung  'pumpen'  wohl  aus  der  bewegung  des 
pumpenkolbens  oder  Schöpfeimers  zu  erklären,  mundartlich 
obd.  und  südl.  rheinfrk.;  zuerst  bdegt  in  gumpen  ex  puteo 
aquam  per  fistulas  attrahere  Henisch  1778,  s.  *gumpe. 

GUMPOST,  m.,n.,  auch  gumpast,  -est,  -ist,  gumbst  s. 
kompost  teil  5, 1686/. 

GUNDEL,  /.,  8.  gondel. 

GUNDELKRAUT,  n..  quendd,  neben  kundelkraut  s. 
teil  5,  2624,  wie  quendel  sdbst  au^  lai.  cimila  gebildet;  in 
medizinischer  Verwendung:  nimb  attich,  päppeln,  klein 
gundelkraut  Seutteb  hippiatria  (1599)  333;  so  noch  im 
18.  jh.  V.  Hohbebo  georgica  curiosa  3  (1715)  186. 

GUNDELREBE,  /.,  glechoma  hederacea,  eine  am  boden 
kriechende  pflanze,  als  heilkraut  in  der  alten  und  in  der 
Volksmedizin  gebraucht,  der  erste  bestandteil  des  composi- 
tums,  ursprünglich  gunde-,  gehört  zu  ahd.  gund,  m.,  eiter, 
eiterndes  geschwür  Gbajf  4,  219,  das  von  der  wurzd 
ghendh-  'geschumr'  hergdeitd  wird,  Walde- Pokobny  1, 
588.  seit  dem  9./10.  jh.  bdegt  als  gund(e)reba  ahd.  gl.  3,  513, 
18  u.  öfter;  3,  516,  18  (10.  jh.),  volksdymologisch  umgedeutd 
als  grunderebe  ahd.  gl.  3,  263,  65  seit  dem  13. /14.  jh.,  viel- 
leicht aber  schon  im  11.  jh.  vgl.  die  Schreibung  grundeba 
ahd.  gl.  4,  28,  52,  s.  auch  unter  grundrebe  teil  4,  1,  6,  881 ; 
seit  dem  15.  jh.  ist  gimdelrebe  die  geläufige  form,  vidleicht 
unter  dem  einflusz  von  gundelkraut:  gundelreb  (1432)  bei 
Fbommann  dt.  ma.  4,  303 ;  mit  abschleifung  des  zweiten 
bestandteils  vom  12.  jh.  ab  gunderam  ahd.  gl.  3,  522,  55; 
im  17.  jh.  umgedeutd  zu  gundermann  Coevinüs  fons  lat. 
(1646)  408,  entsprechend  auch  gnmdermann  Ludwig  dict. 
engl.  germ.  (1736)  296.  neben  den  vielfachen  mundartlichen 
Umbildungen  finden  sich  die  formen  gundelrebe,  gun- 
deram, gundermann  allgemein  hd.  verbreitd,  obd.  auch 
noch  gundrebe,  bair.  gunrebe.  auf  nd.  boden  scheinbar 
seltener:  gundelreve  (15.  jh.)  Diefenbach  530*;  grunt- 
reve  Schillee-Lübben  2, 158;  gunderam  Fbischbier  1, 
259;  mndl.  gondrave  Verwijs-Verdam  2,  2062.  vidleicht 
hai  das  im  nd.für  diese  pflanze  gebrauchte  hederich  gundel- 
rebe nicht  zur  entfaltung  kommen  lassen,  s.  Nemnich 
cathol.  2,  51.  das  wort  steht  als  glossier ung  der  mittdlat. 
namen  von  glechoma  hederacea,  bes.  für  acer  gundereba 
(10.  ^A.)  ahd.  gl.  3,573,21;  hedera  terrestris  gundram 
(14.  jh.)  ahd.  gl.  3,  524,  14.  auch  für  andere  ähnliche  boden- 
pflanzen  begegnet  es,  wie  erdefeu,  erdweihrauch  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  215,  erdpfau,  erdunnde  Adelung  vers. 
2,  842.  als  heilkraut  schon  im  11.  jh.  in  einem  recept: 
sumat  thus,  myram,  cundereba  .  .  .  omnia  contunde  et 
cum  vino  bibat  ieiunus  ahd.  gl.  4,  370,  9;  gundelreben  in 
wein  oder  wasser  gesotten  und  den  halsz  damit  gegurgelt 
heilet  die  verserung  Book  kräuterbuch  (1539)  2, 64*»; 
minszohr  und  gundelreben  gestoszen,  in  die  ohren  gethan, 
ist  fürs  zanweh  Lonicebüs  kreuterb.  (1604)  127*.  als  heil- 
kräftig gegen  verhexte  kühe  verwandt,  wobei  man  beim 
m^ken  die  verse  spricht: 

kuh,  da  geb  ich  dir  gundelreben, 

dasz  du  mir  dei  milch  sollst  wiedergeben 

rhein.  wb.  2, 1490; 

ebenso  in  der  schles.  ma.  Knothe  schles.  ma.  in  Nord- 
böhmen 275;  s.  ferner  hdwb.  d.  dt.  aberglaubens  3,  1203; 
dazu  häufiger  compositionen  wie:  gundelrebensaft: 
gundelrebensafit  in  die  oren  gethan  bringt  das  hören 


1103 


GUNDERMANN  —  GÜNSEL 


GÜNSEN  —  GUNST 


1104 


T.  V.  Vaohknbero  margarita  med.  (1516)  16r;  -reben- 
wasser:  für  die  pestilentzische  beulen,  netz  ein  zwifach 
tuch  ...  in  gundelrebenwasser  und  legs  über,  so  würst 
du  wunder  sehen  0.  Gäbelkover  artzneyb.  (1595)  2,  206. 

GUNDERMANN,  GUNDRAM,  GUNDREBE  s.  gun- 
delrebe. 

GUNKELN,  GUNKEN,  vb.,  schaukeln,  sich  hin  und 
her  bewegen;  mundartlich  alem.  rheinisch,  hessisch  schles.: 
ein  par  flügel,  die  das  pferd  zu  beiden  Seiten  zu  guncklen 
und  zu  gauncklen  herab  hangen  hatte  Moscherosch 
gesichte  114  Bobertag,  vgl.  dann  sähe  ich  die  gunckläte 
stiffel  an  . . .  und  ja,  ja  sprach  ich:  dasz  sind  gewisz  seine 
flügel:  ja,  es  ist  der  Pegasus  ders.  gesichte  (1650)  2,  26; 
nach  dieser  seite  hin  türmte  sich  die  verwilderte  Stadt- 
mauer auf,  in  die  überall  fenster  gebrochen  waren,  dasz 
es  an  abenden  aussah,  als  gunkten  und  flackerten  noch 
die  lichter  der  Wachmannschaften  auf  dem  mauerkranze 
H.  Stehr  drei  nachte  (1909)  96. 

GUNBIRZEL  s.  unter  burzel  teil  2,  553. 

GUNNE,/.,  gunnen,  vb.,  gunner,  m.,  gunnig,  adj., 
g.  gönnen,  gönner,  gönnig. 

GÜNSEL,  GÜNSEL,  awÄ  gunzel,  günzel,  m.,  f.,  ein 
heilkraut,  ajuga  reptans.  aus  mlat.,  lat.  consolida,  das  von 
consolidare  'festmachen'  hergeleitet  ist  und  die  dieser  pflanze 
zugeschriebene  zu^ammenschweiszende  kraft  bezeichnet 
A.  Walde-Hofmann  lat.  et.  wb.  265.  im  deutschen  seit 
dem  14.  jh.  in  zunächst  der  quelle  ähnlicheren  formen: 
cunsele  (14.  ^'A.)  ahd.gl.  3,52,39;  consul  voc.opt.  51  * 
Wackernagd;  gunsul  (14./15.  fA.)  bei  Mone  anzeiger  n.f. 

1,  273;  gunsol  (15.  jh.)  bei  Staub-Tobler  2,  376;  seit  1500 
gunsel  H.  Braunschweio  kunst  zu  distilieren  (1500)  52  a', 
80  bis  ins  19.  jh.  F.  G.  Dietrich  lex.  der  gärt.  u.  bot.  (1811) 
4,  56  verzeichnet;  verbreiteter,  bes.  nach  1600  die  formen 
gunzel  (1533)  DiEFENBACH  144i>  und  vor  allem  umgelautet 
günsel  Camerariits  kreutterb.  (1590)  329;  entrundet  in 
güldenginsel  (1566)  bei  Fischer  schwäb.  3,  379.  dem  lat. 
entsprechend  erscheint  das  wort  zuerst  als  fem.:  die  grosze 
gunsel  H.  Braunschweio  kunst  zu  distilieren  (1500)  52»; 
die  gülden  günsel  Camerarius  kreutterb.  (1590)  329,  s. 
auch  güldengünsel  sp,  1063,  noch  bei  Köne  pflanzennamen 
(1840)  38;  als  m.  seit  dem  17.  jh.:  den  güntzel  Lohenstein 
Arminius  1, 13798',  so  in  allen  botanischen  Schriften  und 
den  mundarten.  dialektisch  ist  das  wort  im  rückgang  'kaum 
mehr  volkstümlich'  Hegi  ftora  V.Mitteleuropa  5,4,2537; 
bei  Martin-Lienhart  l,  2261»  als  veraltet  gebucht,  fürs 
schwäbische  als  populär  in  frage  gestellt  Fischer  schwäb. 
8,  926,  im  schweizerischen  in  engem  bezirk  Staub-Tobler 

2,  376;  im  17. /18.  jh.  wohl  noch  ausgebreiteter:  guntzel 
nomencl.  lat.  germ.  in  usum  schol.  {Hamb.  1634)  114;  gün- 
sel Chomel  öcon.  u.  phys.  lex.  (1750)  4,  1420. 

günsel  bezeichnet  eine  reihe  ähnlicher  heilpflanzen,  vgl. 
Diefenbach  144^.  zunächst  wie  schon  lat.  consolida  die 
Schwarzwurz  (symphytum  oßicinale):  consolida  wizwurz 
(weil  sie  innen  schneeweisz  ist,  vgl.  Pritzel-Jessen  393) 
vd  cunsele  ahd.  gl.  3,  52,  39;  consolida  walwürt  ald  consul 
voc.  opt.  51  a  Wackernagd;  dann  brundla  vulgaris:  die 
ersten  fünf  (sc.  arten)  brunellen  sind  die  gunsel  Bock 
kreutterbuch  (1539)  1,  90;  vor  allem  aber  consolida  media 
{die  mittelalterliche  bezeichnung  für  aju^a  reptans,  s. 
Pritzel-Jessen  14),  die  gewöhnlich  mit  gülden  günsel 
wiedergegeben  wird:  guldin  gunsel  . .  .  consolida  media 
genant  würt,  wie  wol  etlich  sprechend,  das  es  consolida 
minor  heisset  H.  Braunschweio  kunst  zu  distilieren  (1500) 
62  a,  weiteres  vgl.  unter  güldengünsel.  für  verschiedene 
andere  pflanzen  in  der  composition:  hirschgünzel  Kräu- 
termann blumen-  u.  kräuterbuch  (1723)  311;  sonnen- 
güntzel  Tabernämontanus  kreutterb.  (1591)  768^;  stein- 
günsel  Frisch  l,  383.  verwandt  als  innere  und  äuszere 
medizin:  mach  ein  pflaster  mit  güldengunselsafft,  bisz 
es  hart  genug  gesotten  ist  Wirsuno  artzneybuch  (1588) 
648;  ein  köstlicher  bewährter  wundtrank:  heidnisch  wund- 
kraut, anderthalb  hand  voll  Wintergrün,  .  .  .  golden  gün- 
sel V.  Hohbero  georgica  cur.  (1682)  1,  287;  als  Volks- 
medizin: 


wer  gunsel  und  sanickel  hat, 

biet  trotz  dem  wundartzt  mit  eim  platt 

Sebiz  feldbau  (1579)  213, 

ebenso  in  einem  arzneibuch  von  1710  bei  Staub-Tobler 
2,  376,  in  abergläubischer  Verwendung,  s.  hdwb.  d.  dt.  aber- 
glaubens  3,  1207. 

GÜNSEN,  günseln,  vb.,  unnseln,  seufzen,  von  tier  und 
mensch  gebraucht,  wahrscheinlich  ein  schallmalendes  wort 
J.  Franck-J.  Wijk  207^-,  mnd.  gimsen,  gunselen  Sciiil- 
ler-Lübben  2,  167*,  im  nd.  in  diesen  formen  mundartlich 
verbreitet,  früher  auch  in  md.  quellen  wie  passional  104, 
2;  S.  Artomedes  christl.  auszlegung  (1609)  1,  283,  als 
gaunsen  Fischer  schwäb.  3,  107;  günsen  Staub-Tobler 
2,  375.  im  obd.  oft  als  bezeichnung  schriller  geräusche. 
auszerhalb  des  deutschen  noch  ndl.  gonzen,  zuerst  gonsen 
holl.  su^urrare  Kilian  (1605)  156,  fries.  gonzje,  günzje 
DlJKSTRA  1,  469^.    seit  dem  13.  jh.  belegt: 

ir  (die  zum  martyrium  geführten)  sult  uwer  kröne 

und  der  liohsten  vreuden  stam 

durch  gunseln  dirre  wibesnam  (jammern  der  sie  begleitenden 

nimmer  lan  versturzen  [irauen) 

passional  104,  2  Köpke; 

(in  einer  regieanweisung :)  weil  er  also  redet  .  .  .  mus 
er  (der  ungeratene  söhn)  immer  stehen  und  die  hende 
winden,  die  haar  rauffen  und  günsseln  Heinrich  Julius 
V.  Braunschweio  trag.  Hiehadbel  v.  ungeratenen  söhn 
(1594)  D  1»;  und  wenn  sie  denn  zu  ihm  winseln  und 
günseln,  so  erhöret  er  sie  S.  Artomedes  christl.  ausz- 
legung (1609)  1,  283;  (sie)  werden  .  .  .  mit  nassem  leibe, 
ihr  kärmen,  günsen,  seufftzen  und  winseln  ungeachtet 
immer  fortgetrieben  J.  Neuhof  d.  gesantschaft  d.  ost-ind. 
gesdlsch.  (1666)  69**;  der  hund  .  .  .  winselte  und  günste 
nach  ihr  H.  Seidel  Leberecht  Hühnchen  (1899)  310. 

GUNST,  /.,  in  älterer  spräche  auch  m. 

herkunft  und  form. 

1)  das  wort  ist  verbalabstract  mit  t-formans  zu  gönnen 
(ahd.  gi-unnan),  wenn  die  wurzel  des  grundwortes  als 
(ans-,)  uns-,  und  nicht  als  (an-,)  un-  anzusetzen  ist,  s. 
Walde- PoKORNY  l,  68.  es  erscheinen  zwei  ablautstufen, 
eine  jüngere  von  der  Schwundstufe,  auf  das  deutsche  be- 
schränkt: ahd.  unst  seit  dem  9.  jh.  ahd.  gl.  2,  172,  24;  2, 
174,  2;  OS.  *unst  in  abunst  'invidia'  Heliand  3274;  mhd. 
gunst,  gonst;  mnd.  gunst;  mnl.  onst,  gunst,  gonst(e);  nnl. 
gunst,  in  bes.  bedeutung  gonst,  s.  u.  sp.  1116.  ins  nordische 
aus  dem  deutschen  entlehnt  als  dän.  norw.  schwed.  gunst; 
entlehnt  ist  au£,h  afries.  gunst,  gonst  neben  enst,  est  (s.  u.) 
V.  RiCHTHOFEN  789;  HoLTHAUSEN  afries.  wb.  36,  als  gonst 
auch  in  neufries.  ma.  Schmidt- Petersen  52*^.  gemein- 
germanisch dagegen  ist  die  bildung  von  der  o-stufe:  got. 
ansts;  an.  ^st,  äst;  ags.  est;  as.  anst;  ahd.  anst;  mhd. 
anst,  ganst;  frühnhd.  noch  vereinzdt  ganst:  (a.  d.  j.  1490) 
lehnsurk.  u.  besitzurk.  Schlesiens  2,  100.  afries.  enst,  evest 
ist  zweideutig,  da  es  sowohl  auf  unsti-  wie  auf  ansti-  zu- 
rückgehen kann,  s.  van  Helten  altostfries.  gr.  43/.  —  als 
jüngste  bildung  erscheint  mhd.  gunt  'gunst'  Lexeb  1, 1120, 
doch  vgl.  an.  9fund,  afund;  älterdän.  avend;  dän.  avind; 
norw.  ovund;  schwed.  afund,  alle  in  der  bed.  'invidia' 
Falk-Torp  37. 

unpräfigierte  formen  der  Schwundstufe  erscheinen  mhd. 
nur  noch  in  compositis,  z.  b.  überunst  'miszgunst'  Lexer 
2, 1671 ;  dem  nhd.  fehlen  sie  völlig,  für  das  präfix  gi-  steht 
in  Zusammensetzungen  auch  bi-  z.  b.  mhd.  abunst;  mhd. 
u.  frühnhd.  urbimst,  s.  teil  11,  3,  2393.  vgl.  auch  urbanst 
ebda  2374  und  verbunst. 

2)  das  ge^chlecht  ist  regulär  femininum,  so  atcch  got. 
ansts;  an.  äst.  daneben  steht  vom  ahd.  an  bis  ins  nlid.  das 
masculinum,  auszerhalb  des  deutschen  auch  ags.  est,  m. 
und  f.  allerdings  ist  aus  dem  ahd.  formenbestand  das  fem. 
für  unst  nicht  deutlich  zu  belegen,  dagegen  gratia  der  unst 
(10.  jh.  alemann.)  ahd.  gl.  l,  790,  51,  aber  as.  abunst  ist 
sicher  femininum,  während  andererseits  für  ahd.  anst  ein- 
deutige masculine  formen  fehlen  bei  mehrfach  gesichertem 
femininum.  —  eine  besondere  stdlung  haben  die  composita 
mit  -anst,  -unst  (abanst,  abunst),  die  ahd.  mit  ausnähme 


1105 


GUNST 


GUNST  A 


1106 


von  niuueiz  einiga  abanst  mons.  fragm.  29, 22  Hench 
durchweg  als  masculina  belegt  sind  und  noch  in  manchen 
modernen  maa.  das  männliche  geschlecht  bevorzugen,  z.  b. 
die  gunst,  aber  der  vergunst,  der  miszvergunst  Martin- 
LiENHABT  dsäss.  \,  227;  Staub-Tobler  Schweiz.  2,  377.  — 
mhd.  überwiegt  für  gunst  das  fem.  {s.  Lexek  1,  1120)  und 
ist  auch  weiterhin  die  regel.  doch  ist  das  masc.  nicht  selten 
und  beschränkt  sich  keineswegs  auf  bestimmte  bedeutungs- 
gruppen:  Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  12647  Toischer; 
Oswald  v.  Wolkenstein  94,  21  Schatz;  altdeutsche  pas- 
sionssp.  aus  Tirol  264  Wackerndl;  Frankf.  reichscorre- 
spondenz  1,  684  Janssen  {a.  d.  j.  1402) ;  Aventin  4,  363 ; 
374  L.;  Eberlin  V.  GüNZBüRG  s.  sehr.  1,  6  ndr.;  Kirch- 
hof wendunmuth  2,  431  Ö.;  Guarinonius  grewel  (1610) 
139;  Äqid.  Albertinüs  Lucifers  königr.  42  Liliencron. 
av^h  mnd.  stehen  beide  geschlechter  nebeneinander,  s. 
Schiller-Lübben  2, 1672',  Vgl.  für  das  masc.  auch  eyn 
teken  gunstes  nd.  voc.  von  1417  bei  Diefenbach  nov.  gl.  2^. 
bevorzugt  scheint  für  das  masc.  das  schwäb.-alemann. 
Sprachgebiet:  Reinfried  v.  Braunschweig  6777  Bartsch; 
Stainhöwel  de  claris  mulieribus  69  lit.  ver.;  Jag.  Stbausz 
beychtpüchlin  (1523)  e  1^;  Murner  narrenbeschwör.  141 
ndr.;  Zwingli  dtsch.  sehr.  1,  92;  Hedio  chron.  germ.  (1530) 
K  3'^;  BoLTz  Terenz  (15SQ)  20b;  Wickram  w.  l,  86  lit.  ver.; 
zimmer.  chron.  1,  583;  4,  96  B.;  Spreng  Ilias  (1610)  38^; 
68^;  Äneis  (1610)  92*  u.  a.;  auch  ahd.  der  unst  {s.  o.)  ist 
aiemann.  Luther  gebraucht  gunst  als  masc.  gelegentlich 
ohne  bedeutungsunter  schied  neben  sonstigem  fem.,  vgl.  etwa 
w.  17,  1,  181  u}id  7,  361,  5  W.  unten  sp.  1108,  une  auch  sogar 
im  alem.  gelegentlich  der  gleiche  autor  beide  genera  neben- 
einander anwendet:  gen.  sing,  günste  Konrad  v.  Würz- 
burg Trojanerkrieg  1956  Keller;  dinen  gunst  ebda  28857; 
ein  liebende  gunst  ew.  wiszheit  betbüchlin  (Basel  1518) 
1568';  eines  gunstes  ebda  l5ü^;  ihrer  gunst  Fischart 
binenkorb  (1588)  29  *;  etwas  gonstes  oder  Vorschubes 
Oarg.  342  ndr.  seit  dem  17.  jh.  kommt  das  masc.  völlig 
auszer  gebrauch;  nur  mundartlich  ist  es  für  das  schwäb.  in 
kleinen  resten  erhalten,  s.  Fischer  schwäb.  wb.  3,  927  anm, 

3)  die  flexion  ist  ahd.  und  mhd.  die  eines  masc.  bezw. 
fem.  i-stammes.  im  17.  jh.  dringt  in  den  plural  des  femin. 
wie  allgemein  die  schwache  flexion  ein,  z.  b.  christliche  gun- 
sten  Jac.  Böhme  sehr.  (1620)  4,  46;  Logau  153  lit.  ver.; 
der  umlautlose  dat.  plur.  zu  gunsten  seit  dem  15.  jh. 
sp.  1121.  leizte  bezeugungen  für  den  starken  plural  sind 
etwa  gen.  günste  Neumark  palmbaum  (1668)  348;  acc. 
günste  Reinecke  fuchs  (1650)  20,  doch  kann  der  an  sich 
wenig  gebräuchliche  und  darum  unfeste  plur.  auA:h  später 
noch  spontan  stark  gebildet  werden:  acc.  pl.  günste  E.  M. 
Arndt  sehr,  für  und  an  s.  l.  Deutschen  2,  103.  umlaut  bei 
schwacher  flexion:  acc.  plur.  günsten  Reinecke  fuchs  (1650) 
409.  vereinzeltes  eindringen  der  schwachen  flexion  in  den 
Singular:  man  musz  den  gunsten  für  die  gäbe  nemmen 
Tappius  adag.  cent.  sept.  (1545)  p  ö^. 

4)  nicht  selten,  bes.  obd.  und  im  hess. -thüringischen,  ist 
die  form  gonst,  s.  auch  günstig  sp.  1127:  siner  gönste  jung. 
Titurd  4334;  gonst  LoRi  bair.  bergr.  33;  Salzburg,  taidinge 
36;  163;  GuARiNONius  grewel  (1610)  139;  S.  v.  Birken 
forts.  der  Pegnitzschäferey  (1645)  25;  gonsten  chron.  d. 
dtsch.  Städte  5,  375  (Au^sb.  1434);  gonstes  Fischart  Garg. 
342  ndr.;  gonsten  discourse  d.  mahlern  (1721)  2, 158;  gonst 
hess.urkdb.  2,575  Wyss-Reimer  (o.  d. /.  1350);  Wigand 
Gerstenberg  259  Diemar;  Eyering  proverb.  copia  (Eis- 
leben 1601)  1,  647.  Luther  hat  beide  formen:  gonst  8,  695 
Weim.;  10,  1,  1,  420;  26,  574;  34,  2,  388;  psalm.  5,  13;  gunst 
7,  361;  10,  1,  1,  649;  14,  372;  18,  275;  18,  462. 

zum  abfall  des  t  in  einigen  mhd.  belegen  (s.  Lexer  1, 
1120)  des  alem.  Sprachgebietes  vgl.  Weinhold  alem.  gr. 
§  177.  ebenfalls  alem.  ist  der  gdegentliche  verlust  des  nasals 
mit  gleichzeitiger  dehnung  des  stammvocals  vgl.  Frommanns 
ZS.  7,  25-20;  7,  202:  güst,  goust  Staub-Tobler  2,  377; 
göst,  goust,  güst,  auch  guhest  Fischer  schwäb.  3,  926  und 
927,  vgl.  auch  ahd.  äst/iir  anst  Murbacher  hymn.  10,  1,  3; 
12,  3,  4;  20,  6,  2  Sievers,  sowie  küst/ür  kunst  teil  5  sp.  2666/. 
der  vocal  kann  dabei  stärkere  Veränderungen  erleiden, 
IV.  1.  6. 


s.  Kaufmann  gesch.  d.  schwäb.  ma.  §83:  gaunst  Weck- 
HERLIN  1,  72  Fischer  (vgl.  aunser  <  unser  ebda  1,  70); 
Sbb.  Fischer  chron.  v.  Ulm  220  Veesenmeyer,  vgl.  auch 
günstig  sp.  1127. 

bedeutung  und  gebrauch. 

A.  die  nach  der  bildung  zu  erwartende  bedeuiung  als 
nomen  actionis  'das  gönnen,  das  gewähren'  erscheint  ahd. 
gelegerdlich  recht  rein:  deus  auiem  omnis  gratiae,  a  quo 
omnis  gratia  totius  bonitatis  procedit  föne  demo  der  unst 
alles  cuotes  chumit  ahd.  gl.  1,  790,  51  St.-S.;  nü  hilf  mir 
echert,  taz  Jovis  uuillo  darana  si  unde  sine  unste  (lat. 
volensque  nutus)  Notker  sehr.  1,  718,  25  Piper,  nicht 
durchaus  eindeutig: 

ich  diende  elm  der  heizet  got, 
e  daz  so  lästerlichen  spot 
Bin  gunst  übr  mich  erhancte: 
min  sin  im  nie  gewancte, 
von  dem  mir  helfe  was  gesagt: 
nu  ist  sin  helfe  an  mir  verzagt 

Wolfram  Parz.  447,  27  L., 

wohl  eher  bitter  ironisch  im,  sinne  von  B  2;  auch  der  formd- 
hafte,  wenig  sinnschwere  gebrauch  im  reim  ist  nicht  mit 
Sicherheit  in  diesem  sinne  anzuziehen: 

von  miner  (Äthenes)  helfe  günste 
■Wirt  sselde  vil  gewannen 

Konrad  v.  Würzburg   Troj.  1956  K.; 

mit  vruntllcher  helfe  gunst 

pasiional  117,  71  H. 

reiner,  aber  sichüich  von  B  beeinfluszt  (vgl.  B  3  b) :  vrunt- 
hke,  heilsame  grot  in  gode  tovoren  mit  lütterer  steder 
gunst  alles  gudes,  erbaren  heren  (a.  d.  j.  1390)  livl.  urkb. 
3,  6023'  Bunge,  gdegentlich  erwächst  nhd.  der  Vorgangs- 
Charakter  secundär  aus  formdhafter  Umgebung  heraus: 
wenn  aber  wündschen  und  gonst  hülffe,  wolte  ich  im 
gern  ein  ander  hertz  wündschen  und  gönnen  Luther  w. 
38,  102  W.;  man  musz  den  willen  für  das  werck,  die 
gunst  (d.  h.  den  guten  willen)  für  die  gaben  nemen 
Seb.  Franck  sprüchw.  (1541)  2,  87*', 

deutlicher  und  fester  ist  die  bedeutung  in  der  anwendung 
auf  einen  bestimmten,  einmaligen  anlasz,  'gewährung,  ein- 
verständnis,  Zustimmung' ,  consensus  gunst  oder  verwilli- 
gung  gemma  gemmarum  (1508)  k  2*: 

wan  ez  was  ein  grözer  kriec  d&  zwischen  in 
umb  einen  päbst.    mit  beider  teile  günste 
mäht  er  einen  neven  päbest 

Lohengrin  7453  Rückert; 

vgl.  vor  allem  mit  gunst  F  4  b  sp.  1120;  imsern  gunst, 
willen  und  erlouben  darzuo  geben  urk.  v.  1482  bei  Staub- 
Tobler  2,  377;  und  solichs  .  .  .  des  romanischen  kaisers 
ze  thon  gunst  und  verwilligimg  het  Knebel  chron.  v. 
Kaisheim  8  lit.  ver.;  dadurch  si  wider  der  rate  .  . .  hie 
zu  Augspurg  in  der  statt  gonst  und  willen  zu  beleiben 
gehanthabet  werden  sölten  (a.  d.  j.  1438)  chron.  d.  dtsch. 
Städte  5,  378;  nach  der  herren  gunst  und  willen  (16.  ^A.) 
steir.  und  kämt,  taidinge  264;  wer  das  tätte  (gegen  die 
Schenkung  sei),  der  soll  unsre  (des  papstes)  Verfluchung 
haben,  und  hinwider  die,  so  gunst  und  willen  darzu 
gabend,  .  .  .  den  ewigen  sägen  haben  Tschudi  chron. 
Hdvd.  (1734)  40.    'erlaubnis' : 

daz  ir  {d.  hl.  Elisabeth)  der  selecliche  man, 

der  priester  (Konr.  v.  Marburg)  widersten  began, 

daz  er  si  nit  gewerte 

laube,  der  si  gerte, 

und  ir  nit  sine  gunst  engab 

zu  grifene  an  den  bedelstab 

hl.  Elisabeth  6517  Rieger; 

ich  lass  bschehen 
und  muss  mein  gunst  darzu  geben 

Maximilian  Teuerdank  256  Oödeke; 

darumb  bitten  wir,  e.  f.  g.  wolt  uns  gnediglich  dieses  not- 
baws  gunst  imd  laub  erzaygen  Luther  br.  i,  386  W. 
doch  spidt  auch  hier,  ebenso  wie  bei  dem  hierher  ge- 
hörigen mit  gunst  'mit  verlaub'  (s.  sp.  1120),  leicht  die 
bedeutung  'favor'  hinein;  auch  gunst  'privileg'  (sp.  1114), 
das  sich  seinerseits  mit  gunst  'Vergünstigung'  berührt, 
liegt  nahe. 

70 


1107 


GUNST  B  1 


GUNST  B  1 


1108 


B.  als  seelische  haltung,  Stimmung  des  gemütes:  'liebe, 
Zuneigung,  neigung,  wohlwollen'.  —  fast  immer  liegt  der 
begriff  einer  bezeigung,  äuszerung  der  neigung  nahe  {in  der 
gruppe  C  wird  dieser  g ehalt  zur  bedeutung);  doch  unrd  die 
einem  solchen  geholt  entgegenkommende  anwendung  auf 
die  neigung  eines  rechtlich  oder  gesellschaftlich  überlegenen, 
etwa  eines  fürsten,  kaum  die  ursprüngliche  sein,  da  sie 
dem  got.  ansts,  an.  dst,  as.  anst,  ahd.  anst,  unst  fehlt  {für 
den  an.  gebrauch  vgl.  vor  allem  die  anwendung  auf  die 
liebe  der  treuen,  alle  gefahren  teilenden  tochter  zum  vater 
Egilssaga  cap.  Lxvni)  und  auch  im,  ags.  nicht  deutlich 
wird;  die  vom  got.  an  durch  die  ganze  christliche  Uteratur 
hindurchgehende  anwendung  auf  gottes  gnade  (B  2),  die  für 
die  ursprünglichkeit  dieser  gruppe  angezogen  werden  könnte, 
ist  nicht  beweiskräftig,  da  jeder  entsprechende  gebrauch  im 
altnord.  fehlt,  sie  scheint  vielmehr  durch  die  christliche 
terminologie,  vor  allem  durch  x(i()i^,  gratia  hervorgerufen 
zu  sein,  die  grundbedeutung  wird  demnach  die  gutes  wün- 
schende, gebefreudige  Zuneigung  des  einen  menschen  zum 
andern  sein  (B  1),  und  erst  secundär,  dadurch  dasz  das 
occasionelle  moment  der  Überlegenheit  des  gebenden  inner- 
halb besonderer  anwendungen  in  den  Vordergrund  tritt,  die 
neigung  des  höheren  zu  dem  von  ihm  abhängigen  (B  3). 
diese  letzte  gruppe  setzt  sich  jedoch  im  laufe  des  17.  jh. 
mehr  und  mehr  gegen  B  1  durch,  sie  bestimmt  auch  den 
bildlichen  gebrauch  (B  4). 

1)  von  der  Zuneigung  unter  personen,  die  nicht  in  einem, 
äuszeren  abhängigkeitsverhältnis  stehen,  oder  bei  denen 
eine  solche  abhängigkeit  keine  beziehung  zu  ihrem  gemüts- 
verhältnis  hat,  vgl.  benevolentia  liebe,  gunst  und  guter 
oder  geneigter  will  gegen  eim  Fhisiüs  (1556)  162*^: 

gotes  liebe  und  friundes  gunst 
sint  gein  gewinne  gellch  gewegen 

Hugo  v.  Trimbbrg  renner  8862  Ehrismann; 

oych,  leyve  sustergin  so  dancke  ich  dir  dinz  suverlichen 
nuwen  jaers  alze  sere  inde  dinre  grosser  gunste,  dat  du 
ain  mich  gedacht  hays  (a.  d.  j.  1367)  Steinhausen  privat- 
briefe  1,  5;  {aus  der  sich  verratenden  liebe)  mochten  ent- 
springen zwey  böse :  das  erste,  das  ir  .  .  .  verlieren  wurden 
ewres  vattern  und  muttern  gunst  V.  Wabbeck  schöne 
Magelone  28  Bolte; 

willat  du  von  disteln  frucht,  von  schlangen  gunst  erlangen 
Lohenstein  Agrippina  (1685)  35 

{r^gl.  zur  Verbalverbindung  unten  sp.  1116);  ähnlich: 

da  jene  (die  feinde)  viel  zwar  uns,  wir  ihnen  nichts  genommen, 
indem  wir  uns  bemüht  (o,  eine  feine  kunstl) 
zu  brechen  ihren  trotz  durch  unsre  gute  gunst  {freundlichkeü, 
entgegenkommen)       LOGAU  sinnged.  6  lit.  ver. 

gern  mit  sinnsteigernden  oder  differencierenden  adjectiven: 

si  hiez  ouch  balde  blgen 

von  Silber  eine  wigen  (/wr  das  kind) 

in  muderlicher  gunste 

leb.  d.  hl.  Elisabeth  607  Rieger; 

daz  er  so  lustecliche 

mit  sinen  brudern  allen  zwein 

künde  dragen  überein 

in  dugentlicher  munste 

zu  bruderlicher  gunste  ebda  3934; 

{dasz  wir)  uns  leider  gegen  dir  {Luther)  alsz  einem  ab- 
gesagten findt  erweren  müssen  und  briederlichen,  leut- 
lichen  gunst  in  ein  ungimst  verendren  Murner  an  d. 
adel  8  ndr.;  eure  brüderliche  und  christliche  gunsten 
Jäc.  Böhme  sehr.  (1620)  4,  46;  mit  synonymen:  gunst  und 
freuntschaft  {singulare  amistd)  zu  einem  reichen  Juden 
Arigo  decamerone  29  lit.  ver.;  sobald  nu  solliche  mer 
auszgebrochen,  ist  ein  grosser  schrecken  in  die,  so  mir 
vor  mit  gunst  und  lieb  verwandt,  gefallen  Hütten  op. 
omn.  1,  409  Böcking;  wohl  auch  noch  in  diesem  sinne: 
lieb  und  gunst  der  unterthanen  ist  dem  regenten  besser 
und  gewisser  denn  ein  stalen  maur  Henisch  (1616)  1781; 
wie  lang  ein  frau  ihren  lieben  mann  hat,  so  lang  geniest 
sie  allerseits  gunst  und  günstige  äugen  Abr.  a  s.  Clara 
mercks  Wien  (1680)  49. 

<Ü8  besondere  anwendungsgebiete  treten  hervor 
a)  die  anwendung  auf  die  liebe  des  menschen  zu  gott, 
nur  bis  zum  16,  jh.  belegt: 


swer  in  {den  göttern)  treit  dienestllche  gunst, 
dem  länt  si  ungelönet  niht 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  243,  36  Pleiffer; 

mer  wysent  üoh  eynes  lebendigen  gunstes  gegen  gott  und 
süchent  in  inwendig  d.  ewig,  wiszh.  betbüchl.  (1518)  156*'; 
mit  hertzlicher,  grundlicher  gunst  zu  Christo  und  Un- 
gunst auff  unsz  selbs  die  sund  betrachten,  das  ist  rechte 
rew  Luther  7,  361  W.;  so  grosz  war  der  gunst  und  der 
will  zu  Christo  ebda  17,  1, 181.  occasionell,  aber  auf  der 
gleichen  linie: 

{Christus  am  kreuz  zu  Veronica:) 
lang  mer  dinen  sleyer  (sclUeier)  herel 
ich  wel  der  ein  zeichen  geben, 
da  bi  saltu  mercken  eben, 
dasz  ich  erkenne  din  gunst 

Alsfelder  passionsspiel  5454    Grein. 

b)  Verknüpfung  mit  nichtpersönlichem  object:  yhr  liebe 
und  gunst  zur  zucht,  ehre  und  erbarkeyt  Luther  10,  1, 
1,  649  W.;  lautter  gunst  und  lust  zu  dem  gutten  ebda 
450;  vil  vätter  ihre  kinder  ...  an  ein  ort  stossen,  da  sie 
weder  gunst,  liebe  noch  willen  hin  haben  Wickram  w. 
2, 142  lit.  ver. 

c)  die  anwendung  auf  die  liebe  des  mannes  zur  frau  und 
umgekehrt;  vom  manne: 

desz  wurd  der  jung  schier  doli  und  wütig, 
gedacht  sich  selber  oflt  zu  tödten, 
fürnamb  im  auch  in  diesen  nöten, 
von  ir  zu  wenden  all  sein  gunst 

H.  Sachs  2,  295  lit.  ver.; 

als  ich  dir,  Delia,  ein  schreiben  zugesandt, 
darausz  du  meine  . . .  grosse    gunst  erkannt 

M.  Opitz  teutsche  poemata  108  ndr.; 

es  fleng  ein  schäfer  an  zu  klagen, 
wie  seines  faertzens  treue  gunst 
von  Karitillen  . . .  gehalten  würde  fast  umsonst 
G.  Neumakk  fartgepfl.  mus.-poet.  lustw.  (1657)  1,293; 

wenn  ich  {die  briefschreiberin)  glauben  dörffte,  dasz 
deine  gunst  aufrichtig  gegen  mich  wäre  Schnabel  irr- 
garten  der  liebe  (1738)  5;  vgl.  auch  gunst  tragen  sp.  1118. 
von  der  frau:  in  dieser  scena  wird  angezogen  der  arg- 
won  Chremetis,  des  knaben,  von  liebe  und  gunst  Thaidis 
gegen  im,  die  er  dann  zwar  gantz  ernstlich  understatt 
zu  fliehen  Boltz   Terenz  deutsch  (1539)  42''; 

'Cardenio,  mein  freund,  ich  will  die  deine  sterben*. 
'sein  undanck  hat  ja  nie  so  treue  gunst  verdient' 

Gryphius  trauersp.  294  Palm; 

nun  sich  meiner  Phyilis  gunst 
an  mir  hat  verliebet, 
ist  mir  aller  rühm  ein  dunst, 
den  das  glücke  giebet 

Königsb.  dichterkreis  129  ndr. 

doch  neigt  diese  anwendung,  bei  der  das  moment  des  huld- 
vollen gewährens  bewuszter  ist,  besonders  seit  dem  18.  jh. 
stärker  zur  auffassung  B  3 : 

noch  hastu  {das  herz)  dir  vorgenommen, 
durch  deine  lieb  in  ihre  gunst  zu  kommen 

Gabe.  VogtlXnder  öden  u.  lieder  (1642)  13 ; 

nur  der  verdient  die  gunst  der  frauen, 
der  kräftigst  sie  zu  schützen  weisz 

GÖTHE  15,  1,  217  W.; 

so  wuszte  er  wiederholt  nicht,  wie  es  kam,  dasz  die, 
welche  er  liebte,  sich  plötzlich  und  misztrauisch  von  ihm 
abwandte,  während  eine  andere,  an  die  er  nie  gedacht, 
ihn  unversehens  mit  ihrer  gunst  beehrte  und,  einmal  im 
Zuge,  nicht  mehr  nachliesz,  bis  er  mit  ihr  im  gerücht 
war  G.  Keller  ges.  w.  5,  215;  {der  fahrende  sänger)  ein 
gefährlicher  mädchenfänger,  der  in  der  gunst  der  frauen 
den  ritter  zu  verdrängen  sucht  Scherer  litteraturgesch.  74. 
bildlich:  die  Wahrheit  ist  eine  so  spröde  schöne,  dasz 
selbst,  wer  ihr  alles  opfert,  noch  nicht  ihrer  gunst  gewisz 
seyn  darf  A.  Schopenhauer  w.  1, 18  Orisebach; 

frau  Fortuna,  ganz  umsunst 
thust  du  spröde  1    deine  gunst 
weisz  ich  mir  durch  kämpf  und  ringen 
zu  erwerben,  zu  erzwingen 

H.  Heine  w.  1,  281  Elster. 

vgl.  die  weitere  entuncklung  unter  C  2. 


1109 


GUNST  B  2 


GUNST  B  3 


1110 


2)  ait  ist  wie  für  anst  so  auch  für  unst,  gunst  die  an- 
Wendung  auf  die  gnädige,  gewährende  liebe  gottes,  vgl.  für 
got.  anats  etwa:  jah  ansts  gudis  was  ana  imma  Luc.  2,  40; 
für  alts.  anst :  an  was  imu  anst  godes  Heliand  784 ;  für  ähd. 
anst :  enti  din  anst  enti  dino  minnä  in  uns  f oUicho  kahalt 
Freisinger  paternoster,  kl.ahd.sprachdenkm.  44,  46  Steinm.; 
f ol  bistu  gotes  ensti !  Otfeid  I  5, 18 ;  II 2,  37 ;  für  ahd.  unst : 
gotes  unste  bei  Notker  unter  C  sowie  die  gleiche  anwen- 
dung  oben  unter  A: 

so  behaldit  ie  der  {heidnischen)  gote  gunst 

thür.  Katharinenspid  216  Beckers; 

SO  aber  wir  nit  on  göttlich  gnad  vermögen,  sollen  wir 
frii  und  spat  anrüffen  Maria  so  zart,  so  rein,  das  sy  unsz 
allen  erwerb  in  gemein  ires  kindes  gunst  der  ew.  wiszheit 
betbüchlin  (1518)  loo'^;  deyne  (gottes)  gonst  wird  sie  (die 
gottesfürchtigen)  mit  eym  schild  umbringen  {scuto  bonae 
voluntatis  tuae)  psalm  5, 13;  gottes  gunst  sey  mit  euch, 
amen  Luther  lo,  2,  60  W.; 

darinn  er  klar  geyt  zu  verston, 
wie  in  eim  frommen  menschen  wohn 
gott  durch  die  gunst  und  geiste  sein 
und  geust  ihm  alles  gute  ein 

H.  Sachs  16,  470,  19  lit.  ver.; 

Jehovah,  straf  mich  nicht,  wenn  deines  zornes  flammen 
verzehren  alle  gunst,  gehn  über  mir  zusammen 

Fleming  dtsch.  ged.  1,  6  lit.  ver.; 

allwesend  ewigkelt!  lasz  deiner  bUtzen  macht, 
der  ernsten  donnergluth  und,  was  die  ernste  nacht 
dräut  deiner  armen  magd,  in  tieffste  gunst  verschwinden 
A.  Gryphius  trauersp.  111  lit.  ver.; 

prägnanter:  gott  ist  nüt  wan  eyn  liebende  gunst  der  ew, 
wiszheit  betbüchlin  (1518)  156*.  gern  in  paarung  mit  ver- 
wandten begriffen:  so  ist . . .  seine  {gottes)  unaussprechliche 
liebe  und  gunst . . .  bewiesen  M.  Opitz  teutsche  poemata 
171  ndr.; 

ach  schone,  groszer  herr,  ach  schone  mich  zu  strafen, 
wenn  deine  huld  und  gunst  bei  dir  ist  ganz  entschlafen, 
und  du  für  zorne  brennst  I 

Fleming  dtsch.  ged.  1,  3  lü.  ver.; 

denn  wer  gottis  gnaden  und  gunst  haben  will,  der  musz 
sich  aller  ander  gnaden  und  gunst  erwegen  Luther  10, 
1,  1,  20  W.;  und  ist  kein  nehrer  weg  zu  der  gnade  und 
gunst  gottes  J.  Barth  weiberspiegel  (1565)  d  3*;  (den) 
menschen  mit  unendlicher  gute,  gnade  und  gunst  zu 
überschütten  Bodmer  samml.  crit.-poet.  sehr.  (1741)  l,  15; 
(die  sacramente)  das  sinnliche  symbol  einer  auszerordent- 
lichen  göttlichen  gunst  und  gnade  Göthe  27,  119  W.; 

irbuit,  irbuit  ir  {der  hl.  Barbara)  wirde  gröz, 

daz  si  vlechte  sundir  drßz 

zu  dir  (dem  Deutschen  Orden)  in  stetin  gunstin  sich 

und  mit  dir  bllbe  ewicllch 

Nicolaus  v.  Jekoschin  6659  Strehlke. 

feste  Verbindungen:  des  himmels  gunst: 

...  wo  nicht  ist  des  himmels  gunst, 
da  ist  alle  müh  . .  .  umsonst 

G.  Nkumaek  jortgepfl.  mus.-poet.  lustw.  (1657)  1,  271; 

des  himmels  kurtze  gunst  Loa  au  sinnged,  4  lit.  ver.; 

hat  dir  des  himmels  gunst  die  Wissenschaft  beschieden, 

zu  leben  frölich  mit  dem  nötigen  zufrieden, 

so  findest  du  genug        Heqnee  ges.  sehr.  (1828)  5, 184. 

der  götter  gunst: 

gering  ist  die  anzahl 

deren,  die  unverdrossen 

und  durch  der  götter  gunst  . . . 

zu  dem  gestirn  geflogen 

ZiNKGREF  aitserles.  ged.  34  ndr.; 

du  hast  der  götter  gunst  erfahren 

Schiller  11,  230  ff. 

»71  stehender  Verbindung  seit  dem  18.  jh.  die  gunst  der 
musen: 

selbst  der  redner  edle  kunst 

hast  du  mir  zuerst  gewiesen 

und  der  musen  süsze  gunst 

durch  dein  beyspiel  angepriesen 

Gottsched  ged.  (1751)  1, 198; 

nur  durch  die  gunst  der  musen  schUeszen  sich 
so  viele  reime  fest  in  eins  zusammen 

GöiHB  10, 116  W. 


3)  gern,  und  heute  vorwiegend,  von  jemandem,  der  mit 
seiner  neigung  einen  (oft  materiellen  und  social  bedingten) 
gevnnn  zu  vergeben  hat  und  zu  dem  der  begünstigte  in 
einem  gewissen  abhängigkeitsverhältnis  steht: 

a)  von  alters  in  der  sphäre  des  hoflebens:  gunst  die  huld 
eines  fürsten  gegen  seine  Umgebung,  seiner  Würdenträger 
gegen  rangtiefere  u.  s.  w.: 

wände  er  (der  kaiser)  ouch  gein  in  üi  stund, 
mit  aller  gunst  (etwa  'leutseligkeit')  er  in  entfle 

passional  88,  33  Hahn; 
daz  er  mit  keinen  sinnen 
niemer  möht  gewinnen 
des  künigs  hulde  noch  den  gunst 

Reinfried  v.  Braunschweig  6395  Bartsch; 

ich  den  gimst  des  hertzogen  fast  gegen  im  spüren  thü 
Wickkam  w.  l,  86  lit.  ver.;  wer  den  gonst  der  fürnembsten 
herrn  am  hoff  allein  hat  Guarinonius  grewel  (1610)  139; 

was  neulich  oben  war,  erfüllt  mit  gunst  und  gnade, 
das  ist  jetzt  unten  an 

M.  Opitz  opera,  geist-  u.  weltl.  ged.  (1690)  3,  284; 

wie  lang  er  (d.  höfling)  kupfern  geld  so  häuflg  lassen  regnen, 
als  seines  fürsten  gunst  zum  deckel  ihm  gedient 

ESCHENBUKG  bcispielsamml.  (1788)  2,  206. 

in  stehender  Verbindung:  groszer  herren  gunst  Alberus 
fabeln  145  ndr.;  Dan.  Schaller  heroldt  (1604)  79;  der 
herren  gunst  grillenvertreiber  (1670)  13;  deutsche  Volks- 
bücher 6,  13  Simrock;  der  groszen  leute  gunst  Ambach 
vom  ztisauffen  a  2»;  Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tüm- 
pel kirchenlied  3,  321;  die  gunst  der  groszen  E.  v.  Kleist 
w.  1,  67  Sauer;  Schubabt  briefe  l,  189  Strau^z,  vgl.  av^h 
herrengunst,  fürstengunst.    in  diesem  sinne  prägnant: 

die  schmale  stürzebrücke, 
darauff  nach  gunst  man  zeucht,  die  bringt  mir 

nicht  gefahr  Logau  sinnged.  164  lit.  ver. 

charakteristisch  sind  in  diesem  bereich  adjectiv-  und  ver- 
balverbindungen  wie:  eines  fürsten  flüchtge  gunst  Rau- 
pach dram.  w.  ernst,  galt.  5,  29;  blinde  gimst  Chr.  Wolff 
d.  menschen  thun  und  lassen  (1720)  89;  um  die  gunst  der 
mächtigen  buhlen  H.  P.  Sturz  sehr.  (1779)  i,  70;  sich  in 
jem.  gunst  einschmeicheln  Schiller  14,  192Ö.,  stehlen 
ebda  12,81;  (des  sultans)  gunst  erkaufen  Lohenstein 
Ibr.  sultan  (1680)  20.    vgl.  auch  B  5. 

b)  daher  wie  auch  günstig  und  seine  ableitungen  (s. 
sp.  1129/.)  gern  in  officiellem  stil:  mitler  zeit  will  ich  mich 
in  .  .  .  der  gantz  kunstliebhabenden  wittenbergischen 
gesellschaft  huld  und  gunst,  als  eigen,  befolhen  haben 
Scheit  Grobianus  7  ndr.;  ich  ergreife  daher  die  gelegen- 
heit,  mich  der  ferneren  gunst  und  gewogenheit  ...  zu 
empfehlen  Bremser  medicin.  parömien  (1806)  302;  anders: 

ihr  herrn  von  gunsten  lobesan, 
euch  allen  grossen  danck  wir  han 

Hayneccius  Hans  Pfriem  84  ndr. 

in  der  gruszformel:  unse  (d.  i.  des  grafen)  gunst  und  frunt- 
lichen  groz  vor  eingang  e.  lohnordnung  von  1886  bei 
Bauer-Collitz  waldeck.  30l;  unsir  (der  herzöge)  gunst 
und  allis  gut,  erbere  und  wolweize  bezundere  getrawen 
(o.  d.  j.  1451)  lehnsurk.  Schlesiens  1,  419,  vgl.  und  ermant 
sie  in  dem  (einladungs)hneS  groszen  gunst,  und  daz  sie 
solten  zu  im  kumen  Eulenspiegel  78  ndr. 

c)  allgemeiner:  den  getreusten  diener,  .  .  .  der  eurer 
(des  bürgers)  huld  und  gunst  am  meisten  geweitig  sey 
Abigo  decam.  442  lit.  ver.;  ein  hund  so  klug  von  natur, 
dasz  er  kein  frembden  hund  in  seinem  hausz  leidet,  da- 
mit er  ime  nicht  seines  herrn  gunst  und  sein  brot  abtrage 
Lehman  florileg.  polit.  (1662)  1,430;  wie  ich  dem  edlen 
herrn  durch  meine  kunst  beweisen  möchte,  dasz  er  gab 
und  gunst  an  keinen  unwürdigen  verschwendet  habe 
Storm  w.  (1899)  3,213;  (Paulus)  erschmeichelte  sich 
weder  durch  worte,  noch  durch  gaben  die  gunst  seines 
richters  Lavater  verm.  sehr.  2,  382;  (zum  carriere  machen) 
bedürfen  sie  der  ministeriellen  gunst  mehr  als  des  Wohl- 
wollens der  kreisbevölkerung  Bismarck  ged.  u.  erinn. 
1,  30  volksausg.;  (Rudolf  v.  Habsburg)  warb  demütig  um 
die  römische  gunst  (d.  h.  die  des  papstes)  Fbeytag  ges.  w. 
(1886)   18,  85. 

70* 


1111 


GUNST  B  4 


GUNST  B  5-6 


1112 


d)  eine  feste  gruppe  bildet  die  anwendung  auf  subjecte 
tvie  Volk,  publicum  u.  a.:  (er)  luget  noch  immerdar,  wie 
er  den  gunst  und  gutwilligkeit  seiner  predigtkinder  er- 
halten möge  Jac.  Grettbr  epistel  s.  Pauli  (1566)  36;  ehe 
er  sich  dort  in  der  gunst  des  publicums  festgesetzt  hatte 

0,  Jahn  Mozart  3,  12.  leicht  trübt  sich  dabei  der  gehalt 
des  Wortes:  aura  popularis  gunst  desz  volcks  Frisitjs 
(1556)  l^Z^i  krohnen  gibet  manchem  die  gunst  des  volkes 
oder  das  erbliche  recht:  aber  ein  krohnenwehrtes  gehirn 
kommt  allein  vom  herrn  aller  herren  BtiTSCHKY  Pathmos 
779;  die  folge  des  .  .  .  buhlens  der  .  .  .  aristokratie  um  die 
gunst  der  menge  Mommsen  röm.  gesch.  2,  73,  vgl.  auch 
der  weit,  der  menschen  gunst  unten  B  6. 

e)  der  begriff  des  nicht  völlig  verdienten  tritt  bisweilen 
stärker  hervor:  ach,  es  wollen  e.  h.  gleiche  gunst  gegen 
diesem  armen  unmündigen  wercklein  spüren  lassen 
MoscHEBOSCH  insomnis  cura  8  ndr.;  {der  entschlusz)  be- 
darf gunst  {nachsieht),  um  den  mangel  seiner  rechts- 
ansprüche  zu  ersetzen  Kant  s.  w.  (1838)  ii,  i5d Hartenstein; 

bey  klugen,  du  mein  buch,  thu  willig  einen  bug, 
und  bitte  sie  um  gunst  für  das,  was  nicht  hat  fug 
LOQAU  sinnged.  562  lit.  ver. 

4)  bildlicher  und  übertragener  gebrauch  sieht  als  träger 
der  empfindung  vor  allem  schicksalskräfte,  wie  natur, 
glück,  geschick  u.  a.  {vgl.  auch  günstig  sp.  1131);  anschlusz 
an^l  ist  selten{vgl,  auch  bei  B  1  c) :  wie  man  pflegt  zu  sagen 
auch  nach  der  natur,  die  da  offt  yhr  gunst  wirfift  auf  ein 
unlieblich  ding  und  spricht:  gunst  und  liebe  feilet  so 
schier  auff  den  frosch  als  auff  die  purpur  Luther  10,  l, 

1,  420  W,;  es  herrscht  durchaus  die  Vorstellung  B  3  vor. 
das  bild  ist  um  so  sinnkräf liger,  je  stärker  es  das  moment 
des  gewähr ens  bewahrt:  wer  wil  nit  sagen  und  bekennen 
alle  ding  under  des  gelückes  gunst  und  Ungunst  gere- 
gieret werden?  Niclas  v.  Wyle  translat.  57  lit.  ver.; 

dem  meister  bleibt  doch  seine  kunst, 
ob  ihm  schon  glück  versagt  sein  gunst 

Lehman  florileg.  polit.  (1662)  1,  485; 

wie  sehr  versiehst  du  dich 
in  deiner  gunst,  du  blindes  glücke 

Gottsched  gcd.  (1751)  1,111; 

ein  unbedingtes  vertrauen  auf  die  eigene  kraft  und  die 
gunst  des  glückes  Gutzkow  ges.  w.  (1872)  6,  313; 

es  reizet  mich  die  milde  gunst 
des  gar  zu  gütigen  geschickes 

"Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  1,  82; 

des  glückes  abentheuerlichen  söhn, 

der  von  der  zelten  gunst  emporgetragen 

SCHILLEE  12,  8  O.; 

gönnen  wir  ihnen  das  vergnügen,  sich  ein  wenig  sonnen 
in  der  gunst  des  augenblicks  Alexis  ruhe  ist  die  erste 
bürgerpflicht  (1852)  1,  83.  anders:  so  ging  heute  {am  reise- 
tage)  die  sonne  so  schön  auf,  als  wolle  sie  Hans  Unwirrsch 
ein  ganz  specielles  zeichen  ihrer  gunst . . .  geben  W.  Raabe 
hungerpastor  (1864)  1,  188;  um  schnell  das  gute  wetter 
noch  zu  benutzen,  das  seit  einigen  tagen  uns  mit  aller 
seiner  gunst  erfreute  Pückler  briefwechsel  u.  tageb.  (1873) 

2,  269 ;  welches  nicht  unf üglich  unter  der  decke  nächt- 
licher finsternisz  geschehen  konnte :  weil  ihre  Wohnzimmer 
nicht  übrig  weit  von  einander,  und  also  eines  zum  andern 
unter  der  gunst  des  Schattens  .  .  .  hinüberschUch  Er. 
Francisci  höll.  Proteus  (1695)  149; 

schilt  nicht  als  flatterliebe  mein  ergeben, 
das  dir  die  gunst  der  stillen  nacht  verrieth 

Göthb  9,  196  W.; 

wo  das  bild  verblaszt,  tendiert  die  gruppe  auf  eine  mehr 
objective  bedeutung  'günstigkeiV  'zweckdienlichkeit'  {vgl. 
auch  günstig  4):  jedem  dinge,  welches  .  .  .  sich  entwickein 
soll,  musz  dazu  gunst  der  zeit  und  gelegenheit  gegeben 
werden  E.  M.  Arndt  sehr,  für  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  13; 
dieselbe  gunst  des  Zufalls  .  .  •  kann  aber  auch  auf  andere 
weise  eintreten  Fr.  Th.  Vischer  ästhetik  (1846)  2, 10; 
unter  der  gunst  einer  momentanen  politischen  combina- 
tion  Ranke  s.  w,  31-32,  17.  vgl.  auch  0  4,  gegen  das  eine 
klare  abgrenzutig  nicht  immer  möglich  ist. 


5)  das  besondere  emotionale  moment  der  bedeutung,  das 
sich  vor  allem  in  der  gruppe  3  zeigt,  erscheint  verdichtet  im 
speciellen  sinne,  'ungerechtes  wohlwollen',  'unllkür': 

ir  richter,  ich  üch  hie  ouch  bit, 
lond  üch  nit  bewegen  iener  in 
kein  gyrlichkeit,  kein  bösen  sinn; 
die  gunst  land  farn  und  den  nyd! 

Schweiz,  spiele  d.  16.  jh.  2,  84  BäcMold; 

dann  laider,  mancher  ist  dahin  {zu  würden)  kommen,  dasz 
nit  die  verdienst,  sonder  der  gunst  die  idioten  zu  den 
digniteten  erhebt  Ägid.  Albertinus  Lucifers  königr.  42 
Liliencron;  da  ist  weder . . .  gunst  noch  ansehn  der  person 
MoscHERoscH  gcsichte  (1650)  1,  19; 

von  der  parteien  gunst  und  hasz  verwirrt 

SCHILLEK  12,  8  G.; 

das  regiment  der  landesherren  wie  der  städte  ist  voll 
gunst  und  animosität  Freytag  ges.  w.  (1886)  17,  14;  über- 
tragen: so  beschirmbt  {die  natur)  etlich  in  tref liehen  sor- 
gen, laszt  etlich  in  wenigem  sorgen  fallen;  das  ist  der 
gewalt  und  gunst  der  natur  Paracelsüs  chir.  (1618)  277 a 
Huser.  gern  in  formelhafter  redeweise,  rechtssprachlich, 
sprichwörtlich,  besonders  auch  im  gleichklang  mit  ver- 
wandten begriffen:  und  des  nit  zu  lassen  durch  liebe, 
myede,  gäbe,  gunst  . . .  noch  durch  keinerley  ander  sache 
willen  {diensteid  a.  d.  j.  1406)  K.  Bücher  Frankf.  berufs- 
Wörterbuch  65^;  wer  in  der  geselschaft  will  sein,  der  musz 
schweren,  wo  er  ain  Christen  anchom,  den  soll  er  töten 
und  .  .  .  nicht  gefangen  nemen,  weder  von  gimst  noch 
von  guts  wegen  Schiltberger  reisebuch  93  lit.  ver.; 
gunst  geht  für  gespunst  Kirchhofer  schweizer,  sprichw. 
157;  ein  halb  pfund  kunst  soll  mehr  gelten  als  ein  centner 
gunst  Abr.  a  s.  Clara  mercks  Wien  (1680)  15; 

gewalt,  gelt  und  gunst 
schwecht  recht,  ehr  und  kunst 

Seb.  Franck  sprüchw.  (1546)  1,81'; 

gunst  geht  für  recht,  das  klag  ich  armer  knecht  Neandeb 
dtsch.  sprichw.  16  Latendorf.  vgl.  auch  aus  gunst,  nach 
gunst  unten  F  1,  2. 

in  anderer  richtung  liegt  die  begriffliche  einengung  bei 
der  stehenden  Verbindung  gunst  der  weit,  der  menschen 
als  summarischer  inbegriff  irdischer  diesseitsbefangenheit; 
die  auffassung  neigt  gelegentlich  zu  C  {'gäbe'): 

{sie  gelobte,  dasz  sie)  des  nummer  nlht  geplege, 

da  uppekeit  an  lege 

unde  werltliche  gunst  hi.  Elisabeth  507  Rieger; 

sölten  ouch  nu  selten  werden  frö 
von  dirre  gltigen  werlde  günste 

Hugo  v.  Trimbeeg  rentier  10075  Ehrismann; 

aus  B  3  d :  dasz  es  nicht  gelte  geld  noch  gut  noch  menschen 
liebe  und  gonst  Luther  34,  2,  388  W,; 

weltl  was  hab  ich  noch  mit  dir 
und  mit  deiner  gunst  zu  schaffen? 

Günther  ged.  (1735)  7; 

nicht  rühm  und  nicht  der  menschen  gunst 
beschütze  mich  Platen  w.  1,  11  Redlich. 

6)  im  passivischen  sinne  'beliebtheit',  'anklang',  ent- 
wickelt aus  verbalen  Verbindungen  possessiven  geholtes 
wie  gunst  bei  jem.  haben,  verlieren,  erwerben,  ge- 
winnen (s.  1117),  die  vom  begünstigten  aus  gesehen 
werden: 

s6  höher  tugende  si  pflac. 
den  liuten  si  sich  künde 
wol  lieben  ze  aller  stunde, 
da  von  si  gröze  gunst  gewan 

Mai  u.  Beafior  96,  35 

{vgl.  zur  Verbalverbindung  unten  F);  er  möchte  gunst  und 
freundschafft  verlieren  bey  denen,  derer  er  genieszen 
kan  J.  A.  Qubnsted  ethica  pastoralis  (1678)  231; 

als  von  den  rechten  freyen  kunsten, 
dardurch  man  kombt  zu  grossen  gunsten 
bey  keyser,  könig,  fürsten,  herrn 

M.  Mangold  marckschiff  (1596)  d4; 

und  ihm  ein  ruhiges  alter,  hohes  ansehen  und  grosse 
gunst  bey  menniglich  verliehen  H.  Rätel  chron.  d.  hzt. 
Schlesien  (1607)  266;  und  da  {die  kinder)  nun  in  der  regel 
noch  keine  Verstellung  üben,  so  können  sie  uns  als  die 


1113 


GUNST  C 


GUNST  C  1-3 


1114 


trefflichsten  barometer  dienen,  um  an  ihnen  den  grad 
unserer  gunst  oder  Ungunst  bei  den  ihrigen  wahrzuneh- 
men GöTHE  gespräche  7,  21  i;  dies  gelang  mir  mehrmalen 
durch  die  gunst  meiner  freunde  unter  den  obern  Bahbdt 
gesch.  s.  leb.  (1790)  1,  87;  die  präp.  von  bewahrt  einen  rest 
des  activischen  ainnes:  dardurch  er  im  ainen  grossen 
gunst  und  wolwöUen  von  der  gantzen  stat  .  .  .  machet 
Fortunatua  74  ndr.;  mit  sachlichem  object: 

der  frembden  sprachen  gunst 
merklich  schon  begint  zu  wanken  (in  DeutscJdand) 

Königsb.  dichterkreis  66  n4r. 

auch  bestimmter  'ansehn,  macht,  einflusz' :  da  schweygt, 
da  heuchlet  yderman,  auf  das  sie  nit  vorlyren  yhre  gutter, 
yhr  ehr,  yhr  gunst  und  leben  Luther  6,  275  W.,  so  wohl 
schon  mhd.: 

die  kunst, 
diu  manigem  guot,  §re  und  gunst 
hat  bräht 

Hugo  v.  Teimberq  rentier  16658  Ehrismann; 

also  bringt  die  tugendzierde 
ihr  auch  hohe  gunst  und  würde 

Schupp  sehr.  (1663)  tüelbl.^; 

eine  gunst  und  Stellung  wie  er  habe  noch  nie  jemand 
gehabt  Schlesiek  bei  Gentz  sehr,  l,  xvin;  in  diesem 
sinne  gern  gunst  und  geld: 

all  menschlich  witz,  gewalt,  gunst  und  geld 
im  augenblick  zu  boden  feit 

Friedr.  Wilh.  tprichw.-register  (1577)  A  l*; 

künstler  haben  weder  gunst  noch  gelt  Seb.  Fbanck 
sprichw.  (1541)  2, 100*; 

ein  cavallier  heist  jetzt,  was  weiland  hiesz  ein  held, 
dort  macht  es  hertz  und  mut;  hier  macht  es  gunst  und  geld 
LOGAU  sinnged.  71  lit.  ver.; 

wer  geld  und  gunst  hat,  kan  thim,  treiben  und  erhalten, 
was  er  will  Reinicke  fiLchs  (1650)  155;  vgl.  auch  gunst  haben 
sp.  1117, 

bei  sachlichem  object  auch  'geltungskraft,  gdtung' :  grothe 
gimat  hefft  de  leste  wille  alt.  lüb.  recht  588  Bach,  d.  h.  von 
mehreren  letztwilligen  Verfügungen  gibt  die  letzte  den  auf- 
schlug Wander  2, 169.  —  vgl.  zur  ganzen  gruppe  günstig 
6  'angenehm', 

C.  äuszerung,  bezeigung  des  Wohlwollens;  im  ganzen 
bereich  der  bedeutungen  von  B,  zu  dem  im  einzelnen  die 
grenze  nicht  immer  scharf  zu  ziehen  ist;  charakteristisch 
ist  für  C  artikel  und  pronomen,  sowie  der  plural:  gotes 
unste  (d.  i.  die  äuszerungen  seiner  gunst)  irrahton  {expli- 
cabant)  iro  {der  feinde)  ununste  unde  haz  unde  ähtunga 
Notker  psalm  104,  25; 

dö  man  zu  Kieflande  vernam, 

daz  des  landes  meister  quam, 

man  entpflenc  in  s6  wol, 

als  man  zu  rechte  den  meister  sol. 

war  er  in  die  hüs  quam, 

die  gunste  er  gerne  von  in  nam 

livl.  reimchronik  2314  Meyer; 

al  der  arzte  kunst, 
ob  sie  im  (Oawan)  trüegen  guote  gunst 
mit  temperte  üz  würze  kraft, 
äne  wlpllch  geselleschaft 
so  müeser  sine  schärple  not 
hän  bräht  unz  an  den  süren  tot 

Wolfram  v.  Eschenbach  Parz.  643,  22; 

und  auch  vil  gnaden  und  gunstes  von  siner  (des  papstes) 
heilikeit  haben  enphangen  (o.  d.  j.  1402)  Frankf.  reichs- 
corresp.  1,  684  Janssen; 

er  hatte  schon  die  günste 
des  königes  geschmekt 

Reinicke  luchs  (1650)  368; 

nachdem  so  manche  gunst  und  gutthat  ich  empfangen 

Dietrich  v.  d.  Werder  buszpsalmen  (1632)  b  1»; 

alle  andere  gunsten  und  wohlwollen  desz  glucks  J.  Tonjo- 
lam  Aristippus  (1662)  2;  und  zwingen  mit  gewaff neter 
band  dem  glück  eine  gunst  ab  Schiller  3,  95  0.;  ohne 
irgend  eine  gunst  des  Schicksals  genossen  zu  haben 
Göthe  46,  21  W.  die  in  den  bisherigen  belegen  bisweilen 
anklingende  bed.   'gäbe"  erscheint  gelegentlich  deutlicher: 


denn  das  Schicksal  hat  ihnen  seine  höchste  gunst  ver- 
liehen: die  schlichte  Schönheit  der  seele  Scherer  kl. 
sehr.  1,  14,  besonders  wo  gäbe  als  synonymen  erscheint: 

freylich,  freylich,  die  schöne  kunst 
ist  gottes  gab,  geschenck  und  gunst 

Gilhusius  Orammatica  (1597)  1, 19; 

leider  ist  bey  solchen  dingen  das  wollen  dem  vollbringen 
nicht  sehr  förderlich,  es  sind  gaben  und  gunsten  des 
augenblicks  Göthe  IV  35, 158  W.  —  auszerhalb  des  deut- 
schen entspricht  got.  ansts  ' %(iQi(T/ia' ,  'gnadengabe'  z.  b. 
Rom,.  6,  23;  1.  Timoth.  4,  14;  ags.  est  'gabe\  z.  b.  Beoumlf 
2165;  specialisiert  estas  'dapes\  'ddiciae'  Bosworth- 
TOLLER  259*  und  SUppl.  194*'. 

1)  gelegentlich  specieller  im  hinblick  auf  einen  besonderen 
einmaligen  anlasz  'Vergünstigung' ,  wobei  der  Zusammen- 
hang mit  B  zurücktreten  kann:  [dem  cardinal  wurde)  die 
ersten  tage  erlaubt,  sich  aus  der  küche  seiner  mutter 
besorgen  zu  lassen;  da  aber  der  papst  hörte,  dasz  .  .  ., 
entzog  er  ihm  diese  gunst  M.  Klinoer  w.  3,  247 ;  ich  bitte 
in  diesem  brief  um  eine  grosze  gunst  Schiller  12,  406  G. 
mit  abhängigem  satz:  da  bat  Virginius  den  decemvir  um 
die  einzige  gunst,  von  seiner  tochter  abschied  nehmen 
zu  dürfen  Niebuhr  röm.  gesch.  2,  137,  mit  stärkerer  be- 
tonung  des  unverdienten:  wenn  myr  eyner  zehen  gülden 
schenckt,  mit  welchen  ich  meinem  schuldiger  bezalet, 
das  geschenck  wer  eytel  gunst  oder  gnad  Luther  18, 
462  W.  als  gunst,  als  eine  gunst  in  Verbindung  mit  verben 
des  bittens  und  gewähr ens  {s.  au^h  sp.  1117) :  vornehme  guts- 
besitzer  standen  demüthig  harrend  im  Vorzimmer  der 
fremden  und  erbaten  als  gunst,  ihnen  feste  veranstalten 
zu  dürfen  Freytaq  ges.  w.  (1886)  13,  57;  unter  tausend 
bittenden  .  .  ,  ist  es  mir  als  eine  gunst  bewilligt  worden 
Raumer  gesch.  d.  Hohenstaufen  4,  51;  ich  würde  mir  als 
letzte  gunst  erbitten,  dort  begraben  werden  zu  dürfen 
Sfielhagen  s.  w.  (1877)  1, 110, 

2)  liebesbeweia  der  frau  gegen  den  mann  {vgl.  B  1  c);  'ge- 
währung, erhörung' : 

allen  (freiern)  verheiszt  sie  gunst  und  sendet  jedem  besonders 
schmeichelnde  botschaft;  allein  im  herzen  denket  sie  anders 
J.  H.  Voss  Odyssee  246  Bernays; 
concreter: 

so  schwer  ists  nicht,  wie  ich  geglaubt, 

dem  mädgen  eine  gunst  zu  rauben  Göthe  37,  23  W. 

vor  allem  prägnant  für  den  liebesgenusz: 

Ihr  Jungfern,  euer  leib,  den  wo  gewalt  verletzet, 
wird  ehrenlose  nicht  mit  billigkeit  geschätzet, 
Cunninna  weisz  es  wol;  wer  an  um  gunst  sie  spricht, 
dem  gibt  sie  die  und  schreyt:  o  nein,  o  nein,  o  nicht  I 

LOGAU  sinnged.  100  lit.  ver.; 

willfahret  jedem,  gönnet  eure  gunst 

dem  ersten  besten  haushahn  auf  zwei  beinen 

Lenz  ged.  101  Weinhold; 

nun  ist  mir  gar  wohl  bekannt,  was  ein  ritter  der  ehre 
solcher  damen,  deren  gunst  ihm  heimlich  zu  teil  wird, 
schuldig  ist  H.  v.  Kleist  3,  397  Schmidt;  so  wird  bes. 
verstanden  die,  alle  gunst,  die  letzte,  höchste  gunst: 

Proba  ward  von  einem  buUer  um  die  gunst  gesprochen  an 
LooAU  sinnged.  407  lü.  ver.; 

sie  diesen  mann  in  ihr  garn  locken  und  ihm  alle  gunst 
vergönnen  solte  Leipziger  avanturieur  (1756)  1, 186;  damit 
hängt  es  zusammen,  dasz  die  Schilderungen  der  höchsten 
gunst  ganz  in  den  dienst  der  Sinnlichkeit  gestellt  werden 
Paul  Schultz  erot.  motive  (1907)  63;  mir  gab  sie  nach 
und  nach  alles  preis,  seel  und  leib,  nur  die  letzte  gunst 
ward  mir  vorbehalten  Heinse  s.  w.  4,  63  Schüddek.,  vgl. 
auch  der  letzte  wille  teil  14,  2  sp.  153,  nicht  selten  wird 
euphemistisch  der  gebrauch  von  B  in  diesem  sinne  gewandt: 
so  freüwet  mich  nichts  dann  schöne  frawen  und  junk- 
frawen,  wo  ich  der  lieb  und  gunst  überkommen  möcht 
Fortunatus  107  ndr.;  der  kaiser  von  Ruszland  schenkt  in 
Berlin  einem  schönen  hutmachermädchen  für  ihre  gunst 
himdert  ducaten  Hebbel  tageb.  2,  326  Werner. 

3)  als  terminus  älterer  rechtssprache  'vorrecht',  'privileg' 
{vgl.  gunstbrief   im  gleichen  sinne):    den   fieischhauern 


1115 


GUNST  C  * 


GUNST  D.  E 


1116 


ist  die  gunst  gethan,  das  sie  mögen  fleisch  auf  iren 
wagen  wegen,  doch  nicht  über  zehen  pfundt  Jenaer 
stadtordn.  v.  1540  ort.  138  Michelsen;  als  aber  vergangen 
zeit  die  macht  der  herrschaft  Venedig  mit  freihaiten,  zü- 
lassingen,  günsten  auch  des  römischen  stüls  gelt  offt  hilff 
empfunden,  ist  dieselbig  .  .  .  grosz  auszgewachsen  G. 
OßTOLFF  päpstlich  bull  (1509)  A  3»;  fünf  groschen  von 
einer  gunst;  ein  gülden  von  einer  gunst,  wann  es  hundert 
gülden  und  darüber  ist  {einnahmen  aus  privilegierten 
quellen?)  Urkunden  bei  Besold  thes.  pract. (1697)  348'',  vgl.: 
von  einer  amtsgunst  fünf  groschen  ebda,  anders  in  der 
bed.  A:  gunst  consensu^  in  oppignorationem  vel  alienatio- 
nem  (veräuszerung  eines  lebens,  pfandes)  Haym  Jurist,  lex. 
(1738)  276,  s.  auch  herrengunst  2  teil  i,  2  sp.  1140.  etwas 
zu  gunst  haben  ex  gratia  aliquid  possidere,  non  iure 
proprio  ac  hereditario  Halt  aus  gloss.  758:  an.  1417  hat 
W.  .  . .  verkaufft  und  gegeben  zu  einem  steten  ewigen 
kauff  Könlein  Reicherten  ein  erbrecht  auf  dem  fisch- 
wasser  mit  sambt  hausz  und  hoff,  ...  in  maszen  er  dann 
solches  biszher  um  ein  zinsz  zu  gunst  von  im  gehabt  hat, 
doch  also,  dasz  er  .  .  .  hinführo  .  .  .  ihm  davon  mit  Zin- 
sen und  andern  gewerttig  sey  urkde  ebda,  gelegentlich 
auch  übertragen  auf  das  die  gunst  enthaltende  actenstück: 
{es  wurde  gestohlen)  die  kirchenlade  mit  denen  günsten 
Steckbrief  a.  d.  j.  1687  bei  Jon.  Gabk.  Süsze  hist.  d. 
Städtgens  Königstein  (1755)  116.  in  neuerer  zeit  klingt  die 
bedeutung  im  rahmen  von  C  1  noch  gelegentlich  an:  der 
adel  . .  .  erschlich  sich  oft  gnaden  und  gunste,  die  ihm 
der  bürger  und  bauer  beneideten  E.  M.  Arndt  sehr,  für 
u.  an  «.  l.  Deutschen  2, 103. 

4)  in  gewissen  anwendungen  verlegt  sich  der  Schwerpunkt 
des  sinnes  von  dem  gewährenden  subject  auf  das  gewährte 
object:  gunst  als  summarischer  ausdruck  dessen,  was  {sub- 
stantiell) angenehm,  gut,  nützlich  ist:  die  eitern  .  . .  ihren 
kindern  .  .  .  alle  gunst  und  gutes  schuldig  sein  J.  Barth 
weiberspiegel  (1565)  o  5**;  gelegentlich  specieller:  wa  wir 
deinen  feinden  etwas  gonstes  oder  Vorschubes  beweisen 
Fisch  ART  Garg.  342  ndr.;  wo  das  subject  nicht  genannt 
wird,  ist  es  oft  noch  latent  vorhanden:  jede  gunst  und  jeder 
gewiim,  die  mich  aufsuchen,  nachdem  ich  Rahel  verloren, 
kommt  mir  wie  höhn  vor  Pückler  briefw.  u.  tageb.  3, 
186,  doch  kann  es  ganz  zurücktreten: 

wenn  es  ging  nach  desz  fleisches  muth, 
in  gunst  und  gesund  mit  grossem  gut, 
gar  bald  werden  wir  erkalten 

Pktki  d.  Teutschen  weish.  (1604)  1,  O  1»; 

Strefon,  muster  deutscher  gunst  (d.  i.  dessen,  was  g%a  deutsch 

ist),  bild  der  alten  redlichkeiten, 
meiner  Jugend  tugendmodel 

Stieler  geharnischte  Venus  11  ndr.; 

gering  ding  hat  auch  sein  gunst  {sein  gutes)  Henisch  1781, 
besonders  seit  in  neuerer  zeit  auch  das  neutrum  des  adj. 
hereinkreuzt,  gunst  'das  günstige': 

doch  wir  {die  kundschafter)  bringen  wenig  gunst 

GÖTHK  15,  1,  261  W.; 

da  solche  {erfolgreichen)  personen  gewöhnlich  den  ort 
verändern  und  als  reisende  bald  hier,  bald  da  eintreffen, 
so  kommt  ihnen  die  gunst  der  neuheit  zu  gute  ebda  28, 
185;  völlig  eigenschaftlich:  wenn  etwa  der  finanzminister 
die  gunst  seiner  amtlichen  Stellung  benützt,  um  neben- 
her als  Privatmann  gute  geldgeschäfte  zu  machen  W.  H. 
RiEHi,  deutsche  arbeit  (1861)  229.  so  von  der  gunst  eines 
landes,  klimas  u.  a.,  d.  h.  von  seiner  guten  Wirkung  auf 
den  menschen:  {um)  zugleich  die  gunst  der  seeluft  zu 
genieszen,  liesz  er  sich  ...  an  den  Strand  hinausfahren 
Stoem  w.  (1899)  6,  213;  abhängigkeit  von  der  gunst  oder 
Ungunst  des  Wohnortes  0.  Pesohel  Völkerkunde  {1874)  338. 
die  belege  führen  an  die  gruppe  B  4  heran,  die  nicht  immer 
scharf  abzugrenzen  ist. 

wohl  eher  hier  als  oti  B  6  anzuschlieszen  in  besonderem 
sinne  'ansehnlichkeit\  ^schönes  äuszeres\  'frische',  'kraft': 
ich  vberkam  wider  die  vorige  gunst  und  gestalt  des  an- 
gesichts NiQBiNUS  von  Zauberern  (1592)  179;  speciell  von 
pflanzen: 


der  veilgen  süsze  gunst,  der  anemonen  pracht 
macht,  dasz  die  Iduge  frau  oft  in  sich  selbsten  lacht 

Fleming  dtsche  ged.  1,  60  lü.  ver.; 
vgl.  medulla  peddich;  der  gunst  pomorum;  das  werck  o. 
heden  i.  flos  Uni  voc.  von  1517  bei  Diefenbach  gloss.  353^; 
in  der  mundart:  jonts  nähr  wert,  saß  und  kraft  in  speisen, 
mark  in  knochen  rhein.  wb.  2,  1494;  doa  es  de  jonts  us 
von  schalem  wein,  verdorbener  speise,  pelzigen  radieschen, 
ZU  lange  gekochtem  fleisch  ebda;  dazu  stimmt  nnl.  gonst 
'kraft  des  düngers',  fruchtbarkeit  des  bodens  woordenboek 
5,  399;  1293. 

D.  eine  Übertragung  der  empflndung  B  3  auf  die  person 
des  empfindenden  ist  der  nicht  an  einen  bestimmten  rang 
gebundene  titel  euer  gun8t(en)  {vgl.  als  ähnliche  bildungen 
euer  gnaden,  euer  liebden):  diese  kurtze  vormanung  .  .  . 
will  ich  euch  meinen  groszgünstigen  herrn,  beide  stets 
regierenden  burgermeistern  .  .  .  dediciret  und  zugeschrie- 
ben haben,  der  meinung,  das  ewer  günsten  .  .  .  solchem 
übel  wehren  und  steuren  wollen  Musculus  hosenteuffel 
26  ndr.;  bitte  demnach  ew.  günsten  um  gottes  willen 
J.  Prätorius  Katzenveit  (1692)  86;  ew.  wohledl.  hochw. 
und  hochgelahrte  günsten  Rist  sabbat.  sedenlust  (1651)  43; 
Balth.  Schupp  sehr.  (1663)  620;  622.  gern  mit  synonymis: 
dediciere  und  zuschreibe  {ich)  ewern  gnaden,  herrlig- 
keiten  und  günsten  .  .  .  mehrgemeltes  buch  Hans  Sachs 
18,  6  lit.  ver.;  ewer  gnaden  und  gunst  Hütten  op.  omn. 
1,  418  Böcking;  ewer  gnad,  gunst  und  frundschafft  H. 
v.  Cronberg  sehr.  131  ndr.  das  alter  der  Verbindung  mit 
dem  auch  sonst  verknüpften  gnade  läszt  daran  denken,  dasz 
der  gebrauch  parallelbildung  zu  euer  gnaden  ist. 

in  anderer  weise  hierher  gunst  als  'anhang,  parteigänger- 
schaft':  wer  nun  guete  gunst,  befreunte  oder  gfattersleit 
darunder  {unter  denen,  die  die  steuern  veranlagen)  hat, 
und  dem  man  wol  wil,  dem  wierts  dest  ringer,  entgegen 
aim  andern  schwärer  .  .  .  angesehen  {an  steuern  ange- 
rechnet) {anf.  d.  17.  jh.)  steir.  taidinge,  nachtr.  57;  dasz  du 
{Luther)  dise  ding  allein  darumb  einzühest,  dir  ein  gunst 
und  anhang  damit  zu  erschopffen  Murner  an  d.  adel 
36  ndr.,  vgl.  unten  E  s.  v.  erzeigen;  des  was  eyn  in  dem 
rade,  gebeten  her  H.,  de  was  van  her  Rubenauwen  gunst, 
wente  se  hadden  twe  sustere  to  echte  Lübeck,  chron.  2, 
270  Orautoff.  vgl.  auch  günstig  im  gleichen  sinne  sp.  1129, 
sowie  gunstiger. 

vereinzelte  eindeutschung  bleibt:  monfavori  mein  liebster 
freund,  mafavorite  mein  gunst  Stör  frg.-all.-lat.  (1663)  1, 
412^ 

E.  stehende  verbalverbindungen.  bei  verben  wie  erlangen, 
erwerben,  gewinnen  bevorzugt  gunst  die  ins  passivische  ge- 
wendete bedeutung  B  6  {'beliebtheit',  'ansehen'),  besonders 
wenn  sie  mit  der  präp.  bei  verbunden  sind,  bei  verben  des 
gewährens  wie  erweisen,  erzeigen,  gewähren,  schenken, 
tun  liegt  die  bedeutung  C  nahe,  vor  allem  wenn  durch 
artikel  oder  pronomen  (eine,  die,  diese  gunst)  die  einmalig- 
keit  der  handlung  festgelegt  wird,  die  Verbindungen  mit 
tragen,  stehen  verlassen  den  bereich  der  bedeutung  B  1—4 
selten,    am  vielseitigsten  ist  gunst  haben. 

jemandes  (bei  jem.)  gunst  erlangen:  {sie)  erlangen 
gunst  und  hulde  des  vatters  Luther  10,  3,  137  W.;  weil 
er  mit  dem  befehlichshaber  im  haf en  kundschaf t  gemacht 
und  seine  gunst  erlanget  hatte  Bucholtz  Herkuliskus 
(1665)  2;  er  vergiszt  nicht,  vergiebt  nicht,  auch  dann 
nicht,  .  .  .  wenn  man  alles  anwendet,  seine  gunst  wieder 
zu  erlangen  Knigge  Umgang  m.  menschen  (1796)  l,  156; 
im  erotischen  bereich  (B  1  c,  bezw.  C  2):  zu  dero  {concubine) 
schicken,  mit  vermelden,  wie  ir  {anr.)  gegen  iro,  wegen 
ihrer  schöne  in  brünnende  liebe  entzündet:  ihr  wüsten 
auch  nichts  under  dem  himmel,  das  ir  nicht,  .  .  .  allein 
ir  gunst  und  liebe  zu  erlangen,  gern  thun  weiten 
J.  Wetzel  söhne  Oiaffers  27  lit.  ver.;  zw  B  6  neigend: 
darumb  er  dan  ein  grossen  gunst  bei  meniglich  erlangt 
AvENTiN  bair.  chron.  4,  374  Lexer. 

jem.  gunst  erweisen: 

wem  gott  will  rechte  gunst  erweisen, 
den  schickt  er  in  die  weite  weit 

ElCHENDOEFF  ».  w.  (1864)  1,  237; 


1117 


GUNST  E 


GUNST  F  1 


1118 


deutlicher  im  sinne  C:  mit  welchem  {nachsichtigen  ver- 
schweigen) ihr  noch  eine  grosze  gunst  durch  mich  .  .  . 
erwiesen  worden  Zendorius  a  Zend.  winternächte  (1682) 
641;  es  war  das  erste  und  letzte  mal,  dasz  sie  mir  diese 
gunst  erwies  {sie  hat  ihm  einen  kusz  gegeben)  Göthe  26, 
331  W. 
(jemandes,  bei  jem.)  gunst  erwerben: 

etwerbent  der  werlde  und  gotes  gunst 

Hugo  v.  Teimbeeg  rentier  17470  Ehrism.; 

durch  solchen  dienst  und  solche  kunst 
erwarb  sie  so  ein  grossen  gunst 

Murner  mühle  v.  262  AlbrecM; 

ich  erwarb  mir  {durch  vorlesen)  die  gunst  der  frauen 
G.  Keller  ges.  w.  l,  252.   im  erot.  bezirk: 

(die  kupplerin:) 

o  herr,  all  arbeyt  ist  umbsunst, 
zu  erwerben  der  jungkfraw  gunst 

H.  Sachs  2,  5  lit.  ver. 

im  sinne  von  B  6:  damit  sie  {die  hofleute)  bey  grossen 
potentaten  gnad  und  gunst  erwerben  buch  d.  liebe  (1587) 
tilelblatt;  auch  mit  sachl.  subject:  das  industriecomptoir 
gab  eine  abbildung  mit  einigem  text  heraus,  welche  auch 
auswärts  soviel  gunst  erwarb,  dasz  . .  .  Göthe  36,  9  W. 
jem.  gunst  erzeigen:  sampt  allen  seinen  anhangern 
und  die  ihm  gonst  erzeygen  Luther  8,  695  W.;  {der  könig) 
erzeigt  scheinbarliche  zeichen  besonderer  liebe  und  gunst 
gegen  ihnen  Amadis  1,  255  lit.  ver.;  zu  C:  seinen  freunden 
eine  gunst  über  die  andere  zu  erzeigen  Ettner  medizin. 
maulaße  (1719)  4; 

ich  grüsze  dich,  du  einzige  phiole  1 . . . 
erweise  deinem  meister  deine  gunst 

GÖTHE  14,  40  W. 
jem.  gunst  gewähren,  vor  allem  zu  C: 

die  gunst  (d.  t.  ein  kürzeres  leben)  gewähret  ihm  der  gott 
Eamlkr  fabeUese  (1783)  1,  33; 

möge  mir  diese  gunst  des  guten  geschicks  bald  gewährt 
seyn  Göthe  IV  31,  56  W. 

jemandes,  bei  jem.  gunst  gewinnen  Mai  und  Beaflor 
96,  35,  s.oben  sp.  1112;  meine  besten  geschichten  .  .  .  gab 
ich  ihm  so  nach  und  nach  zum  besten  und  gewann  seine 
gunst  dadurch  H.  Seidel  Leberecht  Hühnchen  (1899)  55; 
2M  B  6: 

kunst  bei  Vernunft  viel  gunst  gewinnt 

Lehman  florileg.polü.  (1662)  1,322; 

dagegen  haben  seit  einiger  zeit  denkwürdigkeiten  von 
Privatpersonen  steigende  gunst  gewonnen  Scherer  kl. 
sehr.  1,  46,  im  erot.  bereich  zu  B  1  c:  das  ist  ja,  als  war 
er  der  Heiterethei  zu  gefallen  im  begriffe,  ordentlich  zu 
werden,  und  um  ihre  gunst  zu  gewinnen  0.  Ludwig  ges. 

sehr.  (1891)   2,  122. 

gunst  haben;  jemandes  gunst  haben  von  ihm  geschätzt, 
begünstigt  werden: 

got  weiz  wol,  lieber  vater  min, 
swaz  du  hast  an  ir  getan, 
des  soltü  mtne  gunst  hän 

E.UDOLF  V.  Ems  gut.  Oerh.  2864  Haupt; 

er  sagt,  er  wer  auch  von  der  kunst 
und  hett  viel  grosser  herren  gunst 

Fischart  Eulenspiegel  3261  Hauffen; 

Essex  hat  die  gunst  des  volkes  Lessinq  10,  40  L.-M.  im 
gleichen  sinne,  nur  in  älterer  spräche  gunst  haben  von  jem. : 

(manchen  mannes)  gunst, 
die  er  von  riehen  und  armen  hat 

Hugo  v.  Teimbeeg  renner  2000  Ehrism.; 

solche  Satzungen,  die  von  gott  keinen  gunst  haben 
Zwingli  dtsche  sehr.  (1828)  1,204;  du  wirst  glück  und  hayl 
haben  und  grossen  gunst  von  teütschem  land  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  s.  sehr.  1,  6  ndr.  —  in  der  bedeutung  B  6 
gunst  haben  bei  'gratia  apud  aliquem  florere'  nomencl.  in 
vsum  schal.  {Hambg.  1634)  230:  (er  hat)  bei  des  römischen 
künigs  räthen  ein  grosen  gunst  gehapt  zimmer.  chron.  4, 
96  B.;  1,  583;  2,  521;  als  ob  die  fründ  gotes  .  .  .  minder 
ansehens  oder  gunst  hetten  bei  got  Hieron.  Gebwyler 
lob  Marie  (1523)  14»;  das  bey  etlichen  gunst,  das  hat  bey 


anderen  Ungunst  Frisiüs  (1556)  618*;  deutlich  auch  bei 
unpersönlichem  subject:  das  kleyn  vyhe  hat  auch  ein 
grossen  gunst  {bdiebtheit)  zu  den  opffern  der  götter 
Eppendorff  Plinius  (1543)  8,  81;  das  neue  hat  als  solches 
schon  eine  besondere  gunst  Göthe  45,  179  W.  —  gunst 
haben  zu,  gegen  jem.  une  gunst  tragen  ihn  schätzen, 
lieben;  nur  in  älterer  spräche:  umme  gonst  und  gnade,  die 
wir  hant  zu  dem  erbern  manne  (a.  d.  j.  1350)  hess.  urk.-b. 
2,  575  Wyss-Reimer; 

zu  dir  (Helena)  hab  ich  (Paris)  so  hohen  gunst 

Spreng  llias  (1610)  38»; 

die  Präposition  kann  auch  durch  einen  obliquen  casus  ver- 
treten sein: 

doch  hat  st  minem  übe  gunst 

der  von  Gliees  bei  Baetsch  Schweiz,  minnes.  205; 

(der  hund)  hett  trewUch  dient  bey  seinen  tagen, 
des  hat  der  herr  sein  (gen.  object)  gunst  und  gnaden 
H.  Sachs  9,  230  lü.  ver.; 

mein  bastu  weder  bnld  noch  gunst 

Speenq  llias  (1610)  69». 

in  gun8t(en)  bei  jem.  stehen:  Horatio  .  .  .  hat  bei 
ihm  {dem  könig)  in  gunsten  gestanden  Göthe  22,  160  W.; 
die  damals  sehr  in  gunst  stehende  theorie  der  Schwin- 
gungen {des  lichts)  ebda  II  2,  210. 

gunst  (zu)  jemandem,  gegen  jemand  tragen;  nicht 
über  das  17.  jh.  hinaus  belegt: 

swer  in  (den  göUern)  treit  dieneetUche  gunst 

KüDOLF  V.  Ems  Barlaam  243,  36  Pieiffer; 
ZU  B  1  c : 

nach  der  mein  hertz  ye  tbet  verlangen, 
ir  lang  trug  heymlicb  lieb  und  gunst 

H.  Sachs  2,  28  lü  ver.; 

ich  weisz  nicht,  woher  eine  Jungfrau  noch  einige  gunst 
zu  euch  tragen  kan  Happel  akadem.  roman  (1690)  248. 
mit  sachlichem  object: 

er  reitzet  mich  zu  meiner  kunst, 
zu  der  ich  trag  die  gröszte  gunst 

Herlicius  musicomastix  (1606)  13". 

jemandem  gunst  tun:  dussem  boden  mode  we  gunste 
don  unde  senden  on  erliken  to  hus  ndd.  Alexander 
bei  P.  J.  Bruks  romant.  u.  a.  ged.  in  altplattdtsch.  spr. 
(1798)  361;  thut  mir  die  gunst  und  . . .  notiert  bei  Ludwig 
teutsch-engl.  (1716)  821; 

o  sUsze  brüst,  thu  mir  die  gunst 
und  fülle  mich  mit  deiner  brunst 
Paul  Gerhard  bei  Fischee-Tümfel  kirchenlied  3,  411». 

F.  präpositioncUe  Verbindungen. 

1)  aus  gunst  favore  commotu^:  in  welchem  zweimal 
ettliche  usz  gunst  dem  bapst  {von  seinem  rechte)  zu  fil 
zügeben,  die  andren  alsz  du  {Luther)  usz  Ungunst  dem 
bapst  zu  fil  understast  zu  nemmen  Murner  an  d.  adel 
29  ndr.; 

wann  entlich  durch  vern&nftig  kunst 
dem  Schöpfer  dien  ausz  lieb  und  gunst 

Schwaezenbeeg  Cicero  (1535)  155''; 

mit  stärkerer  betonung  des  unverdienten:  mer  ausz  gunst 
dann  umb  verdiensts  willen  Wickram  w.  l,  47  lit.  ver.; 

du  hast  aus  unverdienter  gunst 
auch  manch  gedichte  hoch  geschätzet 

Teillee  poet.  betracht.  (1750)  4,661; 

sogar  dachkämmerchen  werden  nur  aus  gunst  vergeben 
Göthe  IV  21,  342  W.;  'freiwillig':  haben  .  .  .  zületst  wil- 
liglich auss  gunst  die  statt  wider  von  sich  geben  W.  Xy- 
LANDER  Polybius  (1574)  84;  auch:  gratis,  gratiose  ausz 
lauterem  gunst,  umbsunst  Calepinus  Alling.  (1598) 
627  b : 

dis  schencket  sein  gnad  gar  umsonst 
dem  Thedel  nur  aus  lauter  gunst 

Thym   Thedel  v.  Wallm.  1648  ndr. 

'parteilich'  {s.  B  5) :  da  mancher  ausz  gunst  seine  zeche 
{bergwerk)  mit  listen  und  fristen  erhelt  Mathesius  Sarepta 
(1571)  59^;  da  die  saczmeister  {Schatzmeister  für  Preisfest- 
setzung) hinlässig  oder  aus  gonst  was  über  die  billichait 
zuegeben  und  underlassen  wolten  (a.  d.  j.  1585)  salzbg. 


1119 


GUNST  F  2-1 


GUNST  F  4 


1120 


taidinge  163;  da  sey  der  himmel  vor!  dasz  ich  aus  gunst 
.  .  .  einem  mädchen  den  kränz  zuerkennen  . .  .  sollte 
theater  der  Deutschen  (1768)  12,  380.  zu  gunst  A  {'erlaub- 
nia'):  hochwirdiger  in  got  vater,  gnediger  her,  ausz  ewer 
gunst  wil  ich  diszen  hern  auch  fragen  bei  O.  Clbmen  re- 
Jormationsfiugschr.  1,  73  {vgl.  sonst  mit  gunst  unten  4); 
ain  endurtail . . .  von  wegen  ains  tribs  {triebr echtes),  den 
die  pauren  wolten  haben  in  sein  holtz  wider  seinen 
willen,  dan  er  briefE  und  sigel  von  in  hett,  dasz  si  aus 
gunst  (nur  erlaubter  maszen,  d.  h.  widerruflich)  darein 
triben  (a.  d.  j.  1516)  chron,  d.  dtsch.  städte  25,  50. 

2)  nach  gunst  parteilich,  willkürlich  {vgl.  B  5):  die 
got  nit  vor  äugen  haben  und  nach  gunst  und  irem  müt- 
willen  regieren  Geiler  v.  Keisersbebo  hellisch  lew  (1514) 
23;  so  strafft  auch  die  obrigkeit  bissweilen  nach  gunst 
und  ansehen  der  person  theatr.  diabolorum  (1569)  261*; 
es  geht  nach  gunst  v.  Fleming  soldat  152;  {da)  der  kaiser- 
liche hof  auch  mehr  nach  gunst  .  . .  urteilte  Eichhorn 
dtsch.  Staats-  u.  rechtsgesch.  (1822)  3, 112.  auch  in  der 
mundart:  et  get  na  gunst  un  gäbe  ungerecht  Woeste- 
Nöbrenbebg  87;  't  geht  alles  der  gonscht  no  lux.  ma.  150. 

3)  durch  gunst;  der  erste  beleg  ohne  rechte  sinnschwere 

im  reim: 

durch  liebe,  durch  gäbe,  durch  vorhte  nleman 
8ol  plaffen  wlhen  noch  pfarre  län 
denne  durch  got,  durch  zuht,  durch  kunst, 
durch  ordenliches  lebens  gunst 

Hugo  v.  Tkimberg  rennet  2746  Ehrismann; 

'aus  gefälligkeiV :  twintech  marc  lödeghes  silveres,  de  de 
selve  biscop  Otte  ös  dor  leve  und  günste  hevet  to  borghe 
geleghen  {geliehen)  urk.  z.  geach.  d.  herz.  v.  Braunschw.  1, 
227  Sudendorf.  später  derfunction  einer  zusammengesetzten 
Präposition  sich  nähernd,  'durch  das  wohlwollen  jemandes^ 
'mit  hilfe" :  per  favore  durch  gunst  Hülsius  teutsch-ital. 
(1618)  143'';  doch  ist  er  bald  härnach  durch  der  hüteren 
gunst  entrunnen  H.  Pantaleon  mitnächt.  völck.-hist. 
(1562)  1,  250;  bis  sie  durch  gunst  des  himmels  ...  zu  der 
schön-  und  Vollkommenheit  gebracht  worden  Schottel 
haubtsprach  38 ;  {dasz  wir)  durch  gunst  irgend  eines  gottes 
auch  in  den  anfang  .  .  .  der  gerechtigkeit  scheinen  ein- 
geschritten zu  sein  Schleiermacher  Piatons  w.  (1804) 
6,  258;  mit  instrumentalem  gehalt  {lat.  entspräche  'per\ 
bezw.  abl.  instr.): 

die  schönen  Pierinnen, 
die  nun  durch  Opitz  gunst  auch  hochteutsch  reden  können 
Fleming  dtsch.  ged.  1,  60  lit.  ver.; 

so  bleiben  diese  drey  {freundschaft,  klugheü,  tugend) 
mit  treu  verbunden  frey 
durch  gunst  der  schreiberey 

Habsdörffee  secretar.  1,  (a)  2*, 

ähnlich  gelegentlich  auch  mit  gunst,  s.  4  c.  —  anders  zu  Gl 
'durch  Vergünstigung^ :  {man)  kan  .  .  .  mit  einem  eydt  dar- 
von  kommen,  durch  gunst  oder  vorbitte  Reutter 
V.  Speib  kriegsordn.  (1594)  21. 

4)  mit  gunst,  in  verschiedener  bedeutung  formelhaft. 

a)  zu  B  'gnädig',  'wohlwollend'' : 

der  alle  flust  erkennet, 

und  der  hcshest  ist  benennet? 

der  neme  min  da  mit  günste  war 

Wolfram  Willeh.  122, 13 ; 

ihr  wolt  (hortativ)  mit  gunst  uns  nemen  an 

Dedekind  papista  eonvers.  (1596)  Al»; 

gar  zwo  göttinnen  sind  dem  Menelas 

mit  gunsten  zugethan        Bürger  w.  156»  Bohtz. 

'eifrig,  fürsorglich':  die  muter  hett  irem  sone  {dem  Äneas) 
geben  ein  geziertes  hare  und  ein  rosentlichen  schein  der 
jugent,  und  hett  ime  geben  mit  gunst  ein  frolich  angesicht 
M.  v.  Kemnat  chron.  Friedr.  I.  16  Hofmann;  im  sinne  von 
'gern',  'bereitwillig' : 

,  sei  diu  rede  stsete  s!n, 

als  uns  sagete  Käedin, 

so  gebe  wir  s'  (die  eitern  die  tochter)  iu  mit  guoter 

guns 
Ulrich  v.  Türhkim  Tristan  187   OMher. 

wöliches  {ansinnen)  mit  gutem  gunst  und  als  der  billich- 
kait  gemes  beschehen  {Augsbg.  mitte  16.  jh.)  chron.  d. 


dtsch.  Städte  34,151;  ähnlich:  übe  dich  zum  tüchtigen 
Ariolinisten  und  sei  versichert,  der  capellmeister  wird  dir 
deinen  platz  im  Orchester  mit  gunst  anweisen  Göthb 
24,  51  W. 

b)  meist  zu  A,  'mit  billigung,  mit  erlaubnis'.  aber  in  der 
auffassung  leicht  von  B  zu  beeinflussen;  bald  von  ausdrück- 
licher ermächtigung ,  bald  mehr  als  beipflichtung,  {still- 
schweigendes) einverständnis : 

ich  wolde  man  und  darzuo  wlp 
und  ander  dinc  vil  gerne  sehen, 
möht  ez  mit  dfner  gunst  geschehen 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  29,  24  Pfeiffer; 

desz  solte  er  mit  gunst  und  zuegebung  ainer  ganzen 
nachbarschaft,  mit  derselben  bewilligung  thuen  {a.  d. 
j.  1655)  steir.  und  kämt,  taidinge  8.  von  B  aus  gefärbt: 
daz  ich  han  virkauft  mit  gudir  gunst  hern  Rychartis  {des 
mitbesitzers)  .  .  .  dri  maldir  korngeldis  gudis  rockin  alle 
jar  uz  unseme  habe  (a.  d.  j.  1349)  hess.  urkundenb.  2,  566 
Wyss-Reimer;  da  es  uns  denn  mit  gunst  unserer  leser 
wohl  erlaubt  sein  wird,  uns  über  diese  gegner  .  .  .  lustig 
zu  machen  Göthe  II  2,  268  W.,  vgl.  der  günstige  leser 
sp.  1030.  häufig  gepaart  mit  willen :  libeniissimis  omnibus 
mit  yedermanns  gunst  und  willen  Maaler  sprachsch. 
198";  daz  die  selbe  süne  und  richtunge  mit  unsrer  aller 
gunst,  wissende  und  willen  beschehen  ist  (a.  d.  j.  1368) 
stadtrecht  von  Neuenburg  a.  Rh.  32  Merk;  {dasz  der  bürger) 
kein  ander  .  .  .  burgerrecht  .  .  .  hab  noch  an  sich  neme 
denn  mit  des  rats  gunst  und  willen  Nürnberger  polizei- 
ordn.  26  lit.  ver.; 

mit  unsern  gunsten  seis,  mit  unserm  willen, 
wer  schauen  will,  was  wir  verhüllen 

GÖTHK  15,  1,  165  W. 

stereotyp  wird  die  formel  seit  dem  16.  jh.  gebraucht,  um 
eine  unschickliche  äuszerung  abzuschwächen  {vgl.  mit  ver- 
laub) : 

lag  er  da  in  einm  rinstein  tieff 

in  schlam  und  dreck  (mit  gunst)  und  schlieft 

HoLLONius  somn.  vitae  95  ndr.; 

allein  wer  so  viel  friszt,  der  musz 
mit  gunst  1  auch  viel  boflren 

BÜRGER  w.  27*  Bohtz; 

war  eine  reiche  fraw,  die  war  von  jugendt  auff  ein  grosse 
.  .  .  hur  gewesen,  mit  gunst  der  frommen  weyber  Lin- 
DBNER  katzipori  144  lit.  ver.;  formelhaft  erweitert:  {da) 
schisz  er  mit  gunst,  wissen  und  willen  in  den  zuber  ebda  72. 
ähnlich  verbal:  mit  gunst  zu  reden  ne  vous  desplaise 
Hulsius-Ravellus  (1616)  1488';  do  gab  ihr  Ciawert  (mit 
gunst  zu  melden)  seinen  hosenlatz  in  die  hand  B,  Krüger 
Ciawerts  werckl.  hist.  19  ndr.;  mit  gunst  gesagt  Rachel 
sat.  ged.  66  ndr.   auch  als  redeeinleitung : 

gros  wunder  mus  ich  sagen  fry, 
mit  gunst  zu  melden  von  aim  bry, 
der  droben  inn  dem  Schwizerland 
noch  dan  gekocht  von  wiber  hand  . . . 
ins  Elsas  chon  ist  diser  frist 

FiscHABT  glückh.  schiff  34  ndr.; 

vor  allem  in  höflicher  anrede  Chr.  Weise  drey  klügst,  leute 
(1676)  174; 

mit  gunst  und  Urlaub,  gnädiger  herr  landsmannl  ... 
wir  kommen  her,  ob  ihr  die  gutheit  hättet 
und  gäbt  uns  etwas  geid 

Grillpaezee  «.  w.  6,  84  Sauer; 

seit  dem  18.  jh.  daneben  gern  bei  einwänden,  entgegnungen 

u.  a.: 

mit  gunst,  den  Cäsar, 
ich  war  euch  stets  mit  neigung  zugethan,  . . . 
doch  . . .  ebda  1,  7; 

doch  wenn  Ichs  nehme  (da$  geschenkte  buch),  grundgelehrter 
mit  gunst:  musz  ich  es  dann  auch  lesen?  [mann, 

Lessing  1,  34  L.-M. 

die  formel  hat  sich  neben  vereinzelter  mundartlicher  bezeu- 
gung  {etwa  Jecht  Mansf.  44i>;  Rothbr  schles.  sprichw. 
174)  bis  heute  gehalten  als  stehende  höflichkeitsfloskel  der 
handwerker spräche:  'anrede  wandernder  handwerksgesellen 
ihrem  handwerksmeister  gegenüber,  wenn  sie  um  arbeit  oder 
das  geschenk  bitten'  Wander  5, 1384;  Rother  schles. 
sprichw.  257^;  biszweilen  gebrauchen  sich  die  bergleute 


1121 


GUNST  F  5-6 


GUNST  G  (Zusammensetzungen) 


1122 


bey  ihren  zusammenkunfften  auch  wohl  dieses  gruszes: 
glück  aufiE !  alle  mit  einander  .  .  .  mit  gunst  bin  ich  aufE- 
gestanden,  mit  gunst  setze  ich  mich  wieder  nieder  Chr. 
Herttwio  neues  u.  vollk.  bergb.  (1734)  187*;  dasz  ein 
reisender  handwerkspursch  nicht  einmal  seinen  hut  ab- 
nehmen darf,  er  thue  es  dann  mit  gunst  B.  Mayb  fäck- 
chen  Satiren  (1769)  108;  Baumeister  zimmermannsspr.  68. 
c)  vereinzelt  wie  das  instrumentale  durch  gunst,  s.  3: 
ein  guter  nachbar,  mit  gunst  {vermöge)  seines  handt- 
wercks  ein  flycker  der  schüe  und  pantoffel  Lindeneb 
katzipori  114  lit.  ver. 

5)  ohne  gunst  ohne  erlaubnis,  einwilligung :  der  was 
der  erste,  der  ...  zu  keiser  wart  on  des  senatus  gunst 
(14.  jh.)  chron.  d.  dtsch.  städle  8,  28;  Esau  .  .  .  nimpt  zwey 
weiber  ane  gunst  und  willen  der  eidern  Luther  14, 
353  W. 

6)  ZU  gunst(en),  auch  in  ein  wort  zusammengerückt. 

a)  im  anschlusz  an  B  besonders  in  älterer  spräche  'zum 
Wohlgefallen,  zu  liebe":  nachtbuchlein,  darinnen  vil  selt- 
zamer  .  .  .  historien,  .  .  .  allen  denen  zu  lieb  und  gunst, 
die  gern  schimpflich  bossen  lesen  oder  hören  Val. 
Schümann  nachtbüchl.  l  lit.  ver.;  nit  ze  smaichen  noch 
liebzekosen,  nit  zu  gunst  den  lewten  noch  zu  gefallen  der 
weld  Beuth.  V.  Chiemsee  theologey  101  Reithmeyer ;  sal- 
vey,  ein  kraut,  .  .  .  ward  meinem  vater  zu  gunsten  an 

v^y    die  meisten  schusseln  gelegt,  die  meine  mutter  anrichtete 
\         Hippel  lebensläufe  (1778)  2,  637.    in  diesem  sinne  wohl 
\       auch  der  älteste  beleg:  dan  die  heilige  kirchen  und  wir 
1^  ^     {die  obrigkeit)  die  judischheit  nicht  in  zu  gonsten,  sunder 
dem  gleubigen  folckhe  zu  einem  gedechtnisse  der  türen 
marter  unsers  herren  .  .  .  behalten  {in  der  stadt  dulden) 
{a.  d.  j.  1434)  chron.  d.  dtsch.  städte  5,  375.    in  verbalem 
Zusammenhang  weniger  functionell:  disz  erste  theil  {des 
buches),  das  wir  dem  leser  zu  gunsten  befohlen  haben 
wollen   Thurneyszeb   magna  alchym.  (1583)    144;    em- 
pfehlen sie  mich  ...  zu  gnaden  und  gunsten  Göthe  IV  20, 
191  W.    s.  auch  zu  gunst  haben  oben  C3. 

b)  seit  dem  18.  jh.  im  anschlusz  o»  C  4  Hm  interesse, 
zum  nutzen,  besten  jemandes',  eigentl.  'auf  das  zielend, 
was  für  das  obj.  von  vorteil  ist' : 

im  weiten  kreise  rectitlicher  erfahrung 
sctiaust  du  zu  meinen  gunsten  um  dicli  tier 

GÖTHE  10,  340  W.; 

eine  regung  zu  des  prinzen  gunsten, 
dem  das  gesetz  die  kugei  zuerkannte 

H.  V.  Kleist  3, 106  Schmidt; 

dem  kaiser  selbst  versagten  wir  geliorsam, 
da  er  das  reciit  zu  gunat  der  pfalfen  bog 

Schiller  14,  327  ff.; 

das  geheimnis  des  hauses  war  auf  eine  seltsame  weise 
gelöst,  und  zwar  nicht  zu  gunsten  meiner  nachtruhe  {da 
er  nicht  schlafen  kann)  H.  Seidel  vorstadtgesch.  (1880)  118. 
—  oft  mit  einem  psychologischen  accent  'dahin  zielend,  dasz 
etwas  anklang  (B  6)  finde':  dieser  {Vorschlag)  wäre,  dasz 
wir  uns  bereiten  wolten,  die  meinung  der  stadt  zu  wider- 
fechten, die  über  den  punkt  der  Schönheit  regiert,  und 
{diese  meinung)  durch  gewisse  practicken  ...  zu  verän- 
dern und  zu  gonsten  unserer  gestalt-und  forme  {d.h. 
auffassung)  zu  disponieren  discourse  der  mahlern  (1721)  2, 
158;  besojiders  bei  ausdrücken  des  sagens  und  denkens:  die 
Vorurteile  zu  gunst  der  Hofmanns'waldauischen  scjireib- 
art  Bodmeb  bei  Webnicke  poet.  vers.  (1763)  lO;  sage  mir 
ein  wort  über  dieses  büchlein:  denn  du  wirst  leicht  über- 
sehen, was  ihm  zu  gunsten  und  zu  Ungunsten  spricht 
Göthe  IV  23,  198  W.;  den  ausführungen  des  herrn  ab- 
geordneten ...  zu  gunsten  seines  antrages  Moltke  sehr, 
u.  denkw.  (1892)  7,  88;  dasz  sich  zu  gunsten  der  adels- 
institution  nichts  vorbringen  läszt  M.  v.  Ebner-Eschen- 
BACH  ges.  sehr.  (1893)  4,  2. 

die  formet  liebt  anwendungen,  die  ein  Wechsel-,  aus- 
tauschverhältnis  ausdrücken:  wie  löst  dem  reiche  gottes 
zu  gunsten  der  staat,  der  von  dieser  weit  ist,  sich  auf? 
Fichte  s.  w.  (1845)  4,  592;  die  abdankung  des  königs  zu 
gunsten  des  grafen  von  Paris  A.  Rüge  briefw.  u.  tage- 
IV.  1.  6. 


buchbl.  2,  7  Nervlich;  {er)  liesz  sich  solche  huldigungen 
gern  gefallen,  ermangelte  aber  andererseits  nie,  natür- 
lich nur  zu  gunsten  neuer  malicen  gegen  Krach,  seinen 
Schlauheitstriumph  über  diesen  ...  in  abrede  zu  stellen 
Fontane  ges.  romane  u.  novellen  (1890)  I  7,  117.  —  mehr 
auf  das  resultat  gesehen  {vgl.  günstig  sp.  1133):  im  ganzen 
jedoch  fiel  das  resultat  zu  gunsten  des  examinanden  aus 
W.  Raabe  hungerpastor  (1864)  2, 108;  das  haus  der  römi- 
schen Imperatoren,  welches  in  dem  gegensatz  der  reü- 
gionen  die  entscheidung  zu  gunsten  des  Christentums 
gegeben  hat  Ranke  s.  w.  8,  5.  banktechnisch:  nachricht 
von  2  assignationen,  jede  zu  400  thlr.  zu  gunsten  Haides 
Göthe  III  5,  224  W.;  die  reichsbank  überweise  zu  lasten 
meines  girokontos  .  .  .  dem  girokonto  von  herrn  N  .  .  . 
zu  gunsten  von  herrn  N.N.  reichsbanküberweisungsscheck; 
zu  ihren  gunsten  sind  eingegangen. 

G.  Zusammensetzungen  mit  gunst-  erscheinen  vereinzelt 
schon  im  15.  jh.:  consensus  verhennusz  vel  gunstgebung 
obd.  glossar  bei  Diefenbach  nov.  gl.  lOQ^ ;  faudicus  {i.  pal- 
panista  'Schmeichler')  gunstsagiger  voc.  theut.  (1482  Nürn- 
berg) bei  Diefenbach  gl.  227  C;  sie  sind  aber  noch  im  16.  jh. 
nicht  eben  häufig  zu  belegen,  vgl.  unten  gunstbrief,  -freund, 
-hantierung,  -los,  adj.,  -recht,  -reich,  adj.  -wind,  das  17.  jh. 
dagegen  bringt  eine  fülle  allerdings  vorwiegend  occasionel- 
ler  bildungen  hervor.  —  es  sind  mehr  oder  weniger  alle  be- 
deutungen  des  simplex  vertreten;  beispiele  für  die  gruppe 
B  1  geben  gunstbändlein,  -gemerk,  speciellfür  B  1  c  -tränk- 
lein, -zeichen,  für  B  2  -gemüt.  es  überwiegt  aber  bei  weitem 
die  Sphäre  von  B  3,  s.  gunstbewerbung,  -genösse,  -strahl, 
-wind,  insbesondere  auch  in  abschätzigem  sinne:  gunst- 
bettler,  -diener,  -Jäger,  -sklave.  gunst  B  5  {'unllkür')  er- 
scheint in  gunsthantierung,  -prediger,  B  6  {'beliebtheit,  an- 
sehen') in  gunstreich  adj.  2,  -sucht,  gunst  A  bzw.  C  führt 
zu  rechtssprachlichen  bildungen  wie  gunstbrief,  -brunnen, 
-geld,  -hafer,  -hut,  vgl.  auch  gunstrecht,  charakteristisch 
besonders  für  die  spräche  des  barock  sind  bildungen,  in  denen 
gunst-  im  anschlusz  an  B  das  ervMnschte,  zum  guten  wir- 
kende des  an  zweiter  stelle  componierten  begriff  es  ausdrückt, 
vgl.  z.  b.  gunstblick,  -geist,  -stern,  -wetter,  -wind;  bezeich- 
nend für  diese  zeit  ist  auch  die  gruppe  gunstgeneigt,  -ge- 
wogen, -gewogenheit,  -neigung,  -Zuneigung,  vgl.  dazu  un- 
ten sp.  1131.  —  bildungen  wie  gunstausteilung,  -beweis, 
-bezeigung,  -bezeugung,  -erweis(ung),  -erzeigung,  alle  im 
bereich  von  C,  ähnlich  auch  -zeichen,  haben  ihre  Ursache  vor 
allem  in  dem  bedürfnis  nach  einem  ersatz  für  den  wenig  ge- 
bräuchlichen plural,  s.  sp.  1105;  sie  sind  seit  dem  17.  jh.  be- 
logt. —  gunstausteilung  im  sinne  von  gunst  C :  welchen 
der  könig  in  gunstausztheilung  nicht  so  liberal  als  sein 
herr  vater  gewesen  A.  Gryphius  verm.  teutsche  ged.  (1698) 
1,  347;  -bändlein,  zm  B  1:  indem  er  frommer,  züchtiger 
eheleute  sinn  und  mut  mit  lauter  güldenen  liebeshäStlein 
und  güldenen  gunstbändlein  zusammen  hat  geknüpfet 
Heeberger  hertzpostille {1613)  l,  164;  -bereiter:  (er  war) 
ein  verursacher  zur  weiberüeb  und  gunstbereyter  guter 
leut  J.  Ayreb  process.  juris  (1600)  740;  -bettler  zu  B  3: 
er  verachtet  kriechende  gunstbettler  Fr.  v,  d.  Trenck 
ges.  ged.  u.  sehr.  (1786)  2,  61;  -beweis  bildung  des  19.  jh. 
für  gunst  C :  {die  abreise)  wurde  mir  indirect  dadurch  ver- 
weigert, dasz  ich  auf  das  {königliche)  gefolge  übertragen 
wurde,  ein  hoher  gunstbeweis  Bismarck  ged.  u.  erinn.  1, 
170  volksausg.;  vor  allem  im  plural: 

sie,  bald  mit  höhn,  bald  falschem  mitleidswort, 
versagungen  und  neuen  gunstbeweisen 
entzündete  mein  herz 

Q.  Regis  Bcjard.  verl.  Roland  (1840)  139; 

darum  wetteiferte  Palmerston  mit  Talleyrand  in  gunst- 
beweisen gegen  die  aufständischen  Belgier  Tbeitschke 
dtsch.  gesch.  im  19.  jh.  {1807)  4,  52; -bewerbung:  manhat 
zweyerley  eingänge  {bei  einer  rede)  zu  unterscheiden: 
einige  werden  durch  den  weg  der  gunstbewerbung  ge- 
macht .  .  .  Ramler  einl.  i.  d.  schön,  wissensch.  (1758)  4,  55; 
{so  spröde,)  dasz  er  selbst  die  unschuldigsten  gebräuch- 
lichsten gunstbewerbungen  .  .  .  unter  freunden  .  .  .  ver- 
schmähte Eichendorff  s.  w.  (1846)  2,  114;  -bezeigung 
beweis  des  Wohlwollens  im  sinne  von  gunst  C :  wir  bedanken 

71 


1123 


GUNST  G  (Zusammensetzungen) 


GUNST  G  (Zusammensetzungen)  1124 


uns  dieser  Offerten  halber  gnädigst  und  werden  es  mit 
hoher  gunstbezeigung  gegen  deiner  person  ...  zu  deme- 
riren  uns  .  .  .  angelegen  seyn  lassen  Rist  d.  friedejauch- 
zende Teutachl.  (1653)  102;  meinen  hochg.  hn.  der  allmäch- 
tigen beschützung,  mich  aber  in  dessen  gunstbezeigung 
übergebe  (briefschlusz)  Butschky  kanzelley  13;  weil  man 
ihm  hier  nicht  so  viel  gunstbezeigungen  erwies,  als  er  zu 
Tahiti  genossen  hatte  G.  Forster  s.  sehr.  (1843)  2,  108; 
domänen  sollen  nicht  als  gunstbezeigung  an  hofleute  ver- 
geben werden  hwb.  d.  staatswissensch.^  5,  1028.   im  sinne 
von  gunst  C  2 :  welchen  soll  man  mehr  tadeln,  den,  welcher 
sich  gunstbezeigungen  rühmt,  die  er  nicht  empfangen  hat, 
oder  .  .  .  Adelung  magazinf.  d.  dtsch.  spr.  (1783)  2,  4, 19; 
ein  mensch,  der  .  .  .  glaubt,  dasz  sein  general  gewisse 
gunstbezeigungen  seiner  frau  mit  ihm  getheilt  hat  Ger- 
stenberg briefe  über  merktvilrdigk.  119  lit.-denkm.;  -  be- 
zeug ung  dasselbe:  für  sotahne  (vom  groszen  Pan)  erwie- 
sene  gunstbezeugungen   S.  v.  Birken  forts.  d.  Pegnitz- 
schäferey  (1645)  59;  wer  gunstbezeugung,  libselige  blicke, 
.  . .  reichthum  .  .  .  bisz  in  ewigkeit  haben  wil,  der  kehre 
die  spitze  seiner  liebe  gen  himmel  an  Chr.  v.  Ryssel 
Seelenfrieden  (1685)  350;  gunstbezeugungen,  womit  mich 
das  glück  . . .  überschüttet  hatte  Wieland  Agathon  (1766) 
1,361;  ich  verabscheue  gunstbezeugungen,  die  von  den 
tränen  der  unterthanen  triefen  Schiller  3,  471  0.;  dasz 
er  andere  schuldige  für  geld  und  für  gunstbezeugungen 
ihrer  weiber  und  töchter  losgelassen  Laukhard  leb.  u. 
Schicks.  4, 198;  -blick  gutes  verheiszender  oder  bringender 
blick:  (es  möge)  die  glückssonne  den  gunstblick  versetzen 
Valvasor  ehre  des  hzt.  Crain  (1689)  2,  lOö*»;  wer  bei  dem 
richter  solange  aus-  und  eingegangen,  und  lauter  gunst- 
blicke .  . .  von  ihm  empfangen  hat,  der  kan  seiner  gunst 
wol  vertrauen  Er.  Francisci  wol  d.  ewigk.  (1717)  874; 
jenen  zärtlichen  gunstblick  Lavater  verm.  sehr.  (1774)  1, 
300;  g.  (der  musen)  Herder  24,  213  8.;  -brief  literae  con- 
cessionis  fevdum  alienandi,  concessio  dilationis  investi- 
turae  Haym  Jurist,  lex.  (1738)  276;  Stieler  stammb.  239; 
in  allgemeinerem  sinne  permissionis  literae  gunstbrief, 
Willbrief  Besold  thes.  (1697  —  99)  2,  720»,  'privilegverbrie- 
fung',  vgl.  auch  willebrief  teil  14,  2  sp.  165/.;  zum  8.  be- 
clagen  sich  die  von  der  ritterschaft,  dasz  viel  gunstbriefe 
uns  hinder  den  andern  lehntregern  wissen  und  wollen  aus- 
gebracht werden  (a.  d.  j.  1540)  kurmärk.  ständeacten  1,  88 
Friedenburg;  indem  sie  vorgeben,  dasz  graf  Wilhelm  .  .  . 
im  selbigen  jähre  den  Amsterdammern  einen  groszen 
brief  vol  Satzungen  und  Vorrechten  verliehen;  .  .  .  aber 
wer  solchen  gunstbrief  recht  .  .  .  anblicket,  der  wird  das- 
selbe {den  Ursprung  des  stadtrechts)  daraus  nimmermehr 
ersehen  Zesen  beschr.  d.  stadt  Amsterdam  (1664)  19;  wie 
dann  in  den  gunstbriefen  gemeiniglich  diese  wort  ange- 
hängt .  .  .  werden:  geben  darzu  unser  gunst  und  verwilli- 
gung,  doch  unser  landsfürstlichen  obrigkeit,  regalien  . .  . 
thun  (wir)  uns  hiemit .  .  .  vorbehalten  Besold  thes.  pract. 
(1697)  642;  -brunnen  'aus  bes.  gunst  einem  privaten  be- 
willigter brunnen,  der  sein  wasser  aus  der  leitung  eines  ge- 
meindebrunnens  empfängt':  sollte  es  sich  erweisen,  dasz 
(trotz  der  herbeiziehung  neuer  quellen)  noch  wasser  man- 
gelte, so  sollen  alle  gunst-  und  nebentbrunnen,  bis  ge- 
meiner Stadt  geholfen,  abgestellt  verbleiben  quelle  von 
1681  bei  Staub-Tobler  Schweiz,  id.  5,  667;  -diener  im 
sinne  von  günstling :  Mourray  hatte  (ihm)  öfters  mit  dem 
galgen  gedräuet,  bisz  er  das  landgütlein,  welches  ihm  seine 
ehefrau  zugebracht  hatte,  einem  von  des  Moiu-ray  gimst- 
dienern  abtreten  müssen  Er.  Francisci  traursaal  (1665) 
2,  331 ;  es  fanden  sich  unter  so  viel  tausend  gunstdienern 
und  freunden  kaum  zween,  die  ihm  in  solcher  noth  bei- 
stand leisteten  ebda  l,  a4'';  -erbe  wohl  rilckübersetzung 
von  heres  favorabilis,  das  auf  miszverstandenem  ganerbe  be- 
ruht, vgl.  ganerbe  3  a  teil  4, 1,  1217:  ganerben  vel  gunst- 
erben, in  latino  heredes  accelerantes  P.  M.  Wbhner  ob- 
servationes  (1643)  143'';  gimsterbe  heredes  mutui,  acceleran- 
tes Haym  Jurist,  lex.  276;  -ergeben,  adj.:  durch  dienst- 
und gunstergebene  küsse  Chr.  Weise  polit.  redn.  (1677) 
471;  -erweis  dass.  wie  gunstbezeigung  Herder  w.  25, 
159  Ä.;  -erweisung  dass.  Chr.  Weise  drey  klügst,  leute 


(1675)  16;  A.  U.  V.  Braxtnschweig  Octavia  (1677)  1,  642; 
-erzeigung do«5.  J.  Helwig  0/-mMwd(1666)  194;  Ludwig 
teutsch-engl.  (1716)821;  -freund  wohl  zu  C  4:  dann  es 
seindt  etliche  heuchler,  .  .  .  maulfreundt,  gunstfreundt, 
genieszfreundt  und  tischfreundt  Huberinus  spiegd  d. 
hauszu^ht  (1552)  287a;  gunstfreunde,  stundenfreunde  Her- 
berger J&sm«  Sirach  (1698)  124*;  -geist:  Baccho,  den  sie 
den  guten  gunstgeist  nenneten  Wolfh.  Spangenbero 
anm.  weish.lustgarten  (1&21)  10;  -gc\d  eine  gewisse  abgäbe; 
'das  geld  der  instleute,  so  sie  dem  herren  jährlich  geben,  dasz 
man  ihnen  nemlich  vergönnt,  im  dorf  zu  wohnen'  Frisch 
1,  383;  anders:  das  in  der  zollrulle  gesetzte  und  vor  alters 
üblich  gewesene  gunstgeld  auf  grosz  und  kleines  vieh,  so 
auf  die  markte  getrieben  und  sonst  verkaufft  wird,  sind 
die  unterthanen  zu  entrichten  schuldig  pomm.  dorfurkunde 
von  1683  ebda;  -gemerk  zeichen  der  Zuneigung: 

(nehmt)  dieses  frohe  Venuswerk 
als  ein  kleines  gunstgemerk 

SxiELER  geharnschte  Venus  30  ndr.; 

-gemüt  gnädiger  sinn,  s.  gunst  B  2: 

gott  zeiget  heut  sein  gunstgemüthe, 
wie  ihn  nach  unserm  heil  verlangt! 

J.  Chr.  Männlino  poet.  blumengarten  (1717)  43; 

-geneigt,  adj.,  wohlwollend,  voll  günstiger  empßndung 
(vgl.  günstig  Alb,  A  2):  den  gunstgeneigten  läser  M.  J. 
Bellin  hocM.  rechtschr.  (1657)  b  7^;  dem  gunstgeneigten 
beschauer  unsers  bilderhauses  J.  D.  Ernst  histor.  bilder- 
haus  (1691)  157;  gunstgeneigte  beförderung  neuentlarfftes 
Rom  (1672)  80;  gunstgeneigter  affection  hdlauszpolirt. 
crystall.  jungfrawnspiegel  (1653)  A2'';  ihr.  excell.  gunst- 
geneigtes gemühte  gegen  die  freyen  künste  G.  Neumark 
poet.  u.  mus.  lustto.  (1652)  ö^^;  -genösse  Schützling,  günst- 
ling: dasz  die  ehrenkränze,  welche  der  sieg  seinen  lieb- 
lingen  und  gunstgenossen  aufsezzet,  nimmermehr  so  feste 
stehen,  dasz  man  sie  nicht  herunterreiszen  könne  Ph.  Ze- 
sen Ibrahim  (1654)  2,  551;  ich  müsse  der  erste  sein  von 
deinen  gunstgenossen,  den  du  (gott)  nicht  hören  woltest 
Chr.  Scriver  seelenschatz  (l70l)  2,  601;  -gewogen,  adj., 
dass.  wie  gunstgeneigt:  der  gunstgewogene  leser  Zesen 
verm.  Helikon  (1656)  1,  12;  in  den  gunstgewognen  äugen 
der  beschauer  Er.  Francisci  traursaal  (16Q5)  l,  326;  -ge- 
wogenheit  wohlwollen,  neigung  (vgl.  zur  bildung  unten 
sp.  1131):  in  unaussätzlicher  gunstgewogenheit  Hars- 
DÖRFFER  secretar.  (1656)  1,  25;  das  vornehmste  zeichen  der 
gunstgewogenheit ...  ist  dasjenige,  dasz  er  seine  band  auf 
ihre  achseln  leget  J.  Chr.  Beer  ^«ia  (1681)  1,  löO^*;  daher 
die  hoffnung  ihn  soviel  kühner  machte,  vor  andern  um 
die  gunstgewogenheit  der  schönen  Messalina  sich  zu  be- 
werben A.  U.  V.  Braunschweig  Octavia  (1677)1,233. 
oiicA  im  sinne  von  gunst  C:  vor  erzeigte  gunstgewogen- 
heiten  sagen  wir  verbundensten  danck  Ettner  medizin. 
maulaße  (1719)  210;  -hafer  hafer,  der  als  amtsvergütung 
mitgewährt  ivird,  zu  gunst  C :  welk  ok  unser  kumpane,  de 
to  enem  ampte  wert  ghesettet,  dar  gunsthaver  äff  völt, .  .  . 
de  schal  to  des  rades  behuff  holden  en  perd  quelle  von  1451 
bei  Schiller-Lübben  2,  167;  -haftig,  adj.,  handwerk- 
sprachlich, dasselbe  wie  günstig  Alb:  gunsthaf  tige  gesellen, 
.  .  .  ich  bitt,  ihr  wollet  das  wort  verstehen,  als  ichs  mag 
geredet  haben  Marperger  beschr.  d.  hanffs  u.  flachs  (1710) 
179;  -hantierung  zu  gunst  B  5:  (aus  der  kirche)  ist  ein 
geldthandel,  .  .  .  freundekram,  schweger-  und  brüder- 
spiel,  gunsthandtierung  .  .  .  worden  J.  Letzner  dassel.  u. 
einbeck.  chron.  (1596)  l,  16^;  -hut  weiderechtlicher  begriff: 
die  hut  ist  mancherlei;  man  hat  die  vor-,  koppel-,  mithut, 
gunsthut,  gemeine  hut  und  weide,  überhut  Estor  rechts- 
gelahrth.  3  (1767)  876;  -jäger  mit  dem  abschätzigen  Sinn- 
gehalt von  gunst  B  3  a :  Schmeichler,  gunstjäger  Sonnen- 
fels ges.  sehr.  (1785)  7,  1,  214;  die  masse  der  gunstjäger 
und  stellensucher  Treitschke  dtsch.  gesch.  im  19.  jh.  5, 
533;  -los,  adj.,favore  defectus  gunstlos,  dem  gunst  mang- 
let Frisius  (1556)  376i>;  -neigung  benevolentia:  (sie  wer- 
den) meine  .  . .  vermögende  dienste  zu  gegengefälliger 
gunstneigung  gereichen  .  .  .  lassen  Habsdörffer  secre- 
tarius  (1656)  1,  374;  gnädige  gunstneigung  gegen  unsere 
löbliche  poesie  G.  Neumark  fortgepfl.  mu^ik-poet.  lustw. 


1125 


GUNST  G  {Zusammensetzungen) 


GUNST  G  {Zusammensetzungen)  —  IGÜNSTER     1 126 


(1657)  Zuschrift  4;  -prediger,  im  sinne  von  gunst  B  6: 
weit-  und  menschenprediger  seind  wir,  gunstprediger 
seind  wir,  nach  gunst  seind  wir  befördert,  nach  giinst 
handelen  wir  Chr.  Hoberg  spiegel  d.  miszbräuche  (1644) 
711;  -recht  zu  B  l:  das  ist,  es  sind  {zur  zeit  der  ersten 
Christen)  nicht  die  gewissen  damit  {mit  einzelnen  Verord- 
nungen) beladen  gewest,  sondern  {was  sie  taten)  sind  eitel 
liebedienst  und  gonstrechte  gewest,  dem  nehesten  zu 
willen  Luther  26,  574  W.;  Vergünstigung: 

gesetzt,  dasz  Nero  auch 
das  leben  möchte  mir  so  wie  ein  gunstrecht  gönnen, 
würd  ich  die  blutge  faust  als  gnädig  küssen  können 

LOHENSTEIN  Epicharis  (1685)  113; 

-reich,  adj.  1)  wer  gunst  empfindet,  spendet  {entspr. 
günstig  A  1 — 4) : 

den  frled  verender  ich  In  streyt, 
fruchtbare  jar  in  thewre  zeit,  . . , 
die  gunstreichen  in  ungenaden,  . . . 
die  fröhlichen  In  hertzenleyd 

H.  Sachs  5,  312  lü.  ver.; 

dieser  {mensch)  ist  hübsch  und  schön,  jener  gunstreich  und 
huldselig  standtbuch  (1609)  11;  {des)  gunstreichen  glück- 
wunsches  aber  sagte  er  von  wegen  seiner  liebsten  danck 
Er.  Francisci  Iv^t.  Schaubühne  {X^Q»)  2,  61;  holdseligkeit, 
gimstreiche  höflichkeit  derselbe  traursaal  2  (1669)  176; 
gunstreicher  leser  J.  Prätorius  glückstopf  {IMQ)  vorr.  1; 
mehr  im  sinne  von  gunst  C  4 :  das  bild  ist .  .  .  vielleicht  der 
höchste,  gunstreichste  augenblick  in  Cranachs  leben 
GÖTHE  48,  158  W.;  die  bündner  verloren  einen  gunst- 
reiohen  augenblick  Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  (1824)  38,  71 ; 
2)  entspr.  günstig  A  6,  gunst  B  6:  favorabilis  gunstreych, 
der  gunst  hat  Frisiüs  (1556)  548'>;  kirnst-  \md  gunstreich 
.  .  .  seynd  die  bildhauer  Abr.  a  s.  Clara  etw.f.  alle  (1699) 
1,  218;  so  wollest  du,  gnädige  Fortuna,  diese  pfeile  mit 
.  . .  gunstreichesten  Vergnügungen  .  .  .  übersüszen  Schot- 
TEii  friedenssieg  20  ndr.;  -sklave  mit  dem  abschätzigen 
accent  von  gunst  B  3  a :  wider  diesen  heuchler  und  gunat- 
sclaven  desz  ergrimmten  kardinals  Er.  Francisci  traur- 
saal 4  (1681)  1021;  -stern  gutes  verheiszender  stern: 

wie  ein  schiflmann  auff  der  see 
Bein  gemüte  frölich  machet, 
wann  der  gunststern  Hellce 
aus  dem  goldnen  himmel  lachet 

TSCHEKNINO  vortrab  (1635)  A  1»; 

Lohenstein  Epicharis  (168 5)  46;  -strahl  z«  gunst  B  3  a: 

der  gunststrahl,  der  auff  mich  vons  sultans  äugen  fällt, 
wll  mir  ein  sterbelicht  und  todtenfackel  deuchten 

Lohenstein  Ibrah.  sultan  (1680)  81; 

gunststraalen  {des  herzens)  G.  Neumark /or<grep/Z.  musik.- 
poet.  lustw.  (1657)  438;  -suchend,  partic.  gern  substanti- 
viert: er  kommt  als  gunstsuchender  Varnhagen  v.  Ense 
tageb.  (1861)  6,  99;  -sucht  begierde  nach  ansehen,  einflusz 
{zu  gunst  B  6):  da  ist  die  geltsucht,  . . .  die  lustsucht,  die 
gunstsucht,  unter  welche  ie  ein  die  ander  ablöset  Dann- 
hawer  catechismusmilch  (1657)1,169;  F.  K.  v.  Strom- 
beck darstellungen  (1835)3,  ix;  -tränklein,  zu  gunst 
B  1  c :  philtra,  lieb-  und  gunstträncklein  beybringen  und 
damit  die  gemüther  verzaubern,  ist  die  art  der  römischen 
damen  Dannhawer  salve  u.  friedensgrusz  (1658)  621; 
-voll,  adj.,  günstig  gesinnt: 

ihm  sind  die  Pieriden  nimmer  gunstvoll 

Stkachwitz  ged.  (1850)  120; 

gunstvoller  augenblick  Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  (1824) 
35, 141;  -Wetter  gutes  weiter:  disz  schöne,  warme  gunst- 
und  glückswetter  Er.  Francisci  traursaal  4  (1681)  279; 
-willig,  adj.:  ein  freiwilligen  odder  gunstwilligen,  unge- 
zwungen geist  Luther  18,  505  W.,  vgl.  aus  gunst  '/ret- 
willig'  sp.  1118 ;  'wohlwollend' :  mit  gunstwilligen  äugen  zu- 
sehen H.  Fabricius  auszug  bewerter  hist.  (1599)  84;  -Wil- 
ligkeit benevolentia  Er.  Francisci  traursaal  1  (1665) 
1050;  -wind  gutes  bringender,  günstiger  wind:  in  den  ge- 
genden  des  indianischen  und  theils  andrer  offenen  seen 
folget  gleich,  sobald  der  vorige  gunstwind  seine  zeit  von 
etlichen  monaten  erfüllet  hat,  ein  andrer  wind,  so  dem 
ersten  gantz   entgegen    Er.  Francisci  lufftkreis  (1680) 


1651;  bildlich:  das  ist  der  zeit  und  gelegenheit  sich  be- 
dienen und  vielmehr  mit  dem  gunstwinde  als  gegenwinde 
fortzusegeln  Treuer  dtsch.  Dädalu^  (1675)  l,  642; 

wenn  sich  aber  der  gunstwind  wend  (d.  h.  wenn  da»  glück 
untreu  wird)         A.  Lobwassek  calumnia  (1583)  B  6'; 

zu  gunst  B  3 : 

der  den  mantel  weisz  zu  hängen    nach  dem  ihm  der  gunst- 
wind weht 
J.  Claj  enget-  u.  drachenstreit  (1645)  B  3»; 

-zeichen,  zu  gunst  B  1  c:  im  thumier  muste  ich  ihre 
gunstzeichen  führen  Dianea  (1671)  39;  'gunstbezeigung' : 
unter  solchen  äuszerlichen  gunstzeichen  sein  abtrünniges 
gemüt  zu  verbergen  Er.  Francisci  traursaal  3  (1672)  686; 
Chr.  Weise  polit.  redn.  (1677)  459;  -Zuneigung  dass. 
wie  gunstgewogenheit :  gunst-  und  liebzuneiguug  W.  H. 
V.  Hohbero  unvergnügte  Proserpina  (1661)  149». 

GUNST,  adj.,  angenehm,  schön: 

in  grosser  ndt  mit  gunster  fräd 
was  ich  ains  tags,  davon  Ich  geüd, 
wann  mich  gelUck  gelaitet  hatt, 
aller  meiner  sorgen  ist  worden  rat 

HJCtzlerin  liederb.  194. 

GUNSTAG,  m.,  mittwoch;  in  westndd.  maa.,  vor  allem 
westfäl.  WoESTE-NÖRRENBERG  87*;  rhein.  wb.  2,  1482;  aus 
gudensdach,  gunsdach,  s.  Schiller-Lübben  2,  163,  auch 
godensdach,  gonsdach,  s.  ebda,  vgl.  auch  mythol.*  1,  103; 
zugrunde  liegt  Wödanes  dag,  Wödensdach  {engl,  wednes- 
day,  dän.  norw.  schwed.  onsdag)  Sarauw  vergh  lautlehre 
d.  ndd.  maa.  201;  343;  urkundlich  seit  1497  bei  Woeste- 
Nörrenbero  a.  a.  o.:  in  urkund  und  bevestigung  hebbe 
wy  unser  seegel  beneden  an  diesen  brieff  doen  hangen 
1534  am  gunstedage  post  palmarum  Urkunde  bei  N.  Kisv- 
LiNOER  münster.  beitrage  z.  gesch.  Deutschlands  (1787)  1,  2, 
291;  upp  den  gunstag  na  omnium  sanctorum  urk.  v.  1648 
ebda  3,  2,  686;  des  anderen  gunstages  nach  paschen  urk. 
a.  d.  j.  1549  bei  A.  Fahne  grafschaft  u.  freie  reichsstadt 
Dortm.  3,  240;  anno  1599  ist  der  tagh  Mathiae  des  apostels 
gefallen  uf  den  ersten  gunstetagh  in  der  vasten,  also  das 
man  den  dinxtetagh  zu  leste  vastelabend  hette  moessen 
vasten  gesch.-quellen  des  bisthums  Münster  3,  141  Janssen. 

GÜNSTELN,  vb.,  ableitung  von  gunst;  nach  dem  munde 
reden,  schmeicheln:  aber  so  etliche  grosse  prelaten,  denen 
uffrur  am  allermeisten  zu  förchten  were,  solten  diese 
Schreier,  lesterer  und  leutschmäher  von  ihrer  ungebühr- 
lichen weisz  abgewisen  haben,  so  haben  sy  inen  {eben 
diesen  schreiern)  erst  darzu  günstelet,  sy  angericht,  sye 
gelobet,  das  es  so  dapfer  leut  seyen  M.  Zell  christl.  Ver- 
antwortung (1523)  z  3^;  und  ihnen  {den  iumultuanten)  offt 
.  .  .  gutte  wort  geben  müssen,  sintemal  sie  sahen,  dasz 
sie  ihnen  nicht  widerstehen  kunten;  wie  denn  der  herr 
regius  {richtertitd)  der  stadt,  so  ihnen  alleweil  günstelt, 
nicht  wenige  ursach  darzu  gab,  indem  er  in  öffentliger 
Versammlung  des  gantzen  volcks  sich  hören  liesz,  sie 
{jene  tumultuanten)  hetten  eine  rechte  sach  und  billiges 
begehren  (o.  d.  j.  1645)  G.  Kraus  siebenbürg,  chron.  (1862) 
1,  161.  mundartl.  notiert  günsteln  als  'parteiisch  sein' 
Fischer  schwäb.  3,  927. 

GUNSTEN,  vb.,  dem  16.  u.  17.  jh.  angehörende  bildung 
von  gunst,  vgl.  auch  begunsten  teil  1  sp.  1314;  gunsten  et 
saepius  begunsten  favore  complecti,  cupere  alicui  Stieler 
stammb.  684: 

ich  wache  umbsonst, 
wan  der  herr  die  statt  nit  gunst 
(um  1545)  bei  H.  ZiEGLER  geschützinsckr.  (1886)  50; 

das  glück  ist  eine  weibesperson,  so  jungen  leuten  gunstet 
Treuer  dtsch.  Dädalus  (1675)  1,  924; 

ist  Jason  mein  geselle, 
so  gunstet  mir  das  glück,  so  schadt  mir  keine  welle 

S.  V.  Birken  ostländ.  lorbeerhayn  (1657)  74; 

^GÜNSTER,  m.,  gönner:  nu  sult  ir  prüeven,  daz  der 
erste  sterne,  Saturnus,  ist  ein  fürber;  der  ander,  Jupiter, 
ist  ein  gunster;  der  dritte,  Mars,  ist  ein  zürner  Meister 
Eckhardt  bei  Pfeiffer  dtsch.  mystiker  2,  212; 

71* 


1127 


2GÜNSTER- GÜNSTIG  Ai 


GÜNSTIG  A  1 


1128 


manch  gut  günner  und  gönster 
hett  unser  pfalzgraS 

Mich.  Beheim  reimchr.  115  C.  Hof  mann; 

auch  sieht  man  täglich  welliche  söUicher  Sachen  {d.  i. 
dynastischer  interessen  der  hohen  geistlichkeit)  günster  seind 
Steinhöwel  Spiegel  menschl.  lebens  {Augsburg  1479)  132'». 

2GÜNSTER,  m.,  geniata,  s.  ginster. 

»GÜNSTER,  m.,  s.  güster. 

GÜNSTIG,  adj.  und  adv.,  zugetan,  geneigt;  förderlich, 
geeignet;  beliebt. 

ahd.  unstig ;  mhd.  gunstic,  günstic ;  mnd.  gunstich ;  mnl. 
gonstich;  nni.  gunstig.  wie  bei  gunst  entspricht  auf  der  o- 
stufegot,  ansteigs;  an.  ästigr;  ags.  estig;  ahd.  enatig  (in  der 
compos.,  ohne  umlaut,  apanstig),  zu  altfries.  enstich  {neben 
gunstig,  gonstig)  vgl.  bei  gunst  sp.  1104.  7wrw.  dän.  schwed. 
gunstig  ist  wie  das  subst.  gunst  aus  dem  deutschen  entlehnt, 
der  umlaut  fehlt  obd.  nicht  selten,  z.b.  gunstig  obd.  gloss.  des 
15.  jh.  bei  DiEFENBACH gl.  22?,^;  nov.  gl.  246»';  Tannhäuser 
15,  42  Singer;  Xylandek  Plutarch  (1588)  310*,  bleibt  aber 
bis  ins  17.  jh.  auch  in  nd.  und  md.  quellen  oft  unbezeichnet. 
letzte  bezeugungen:  Tabeus  Maynhincklers  sack  (1612) 
( :)  2»;  engl,  u.frz.  comed.  u.  traged.  (1624)  a  2».  —  der  sub- 
stantivform gonst  {s.  sp.  1105)  entspricht  auch  in  seiner  Ver- 
breitung gonstig,  gönstig  z.  b.  gonstig  Diefenbacii  gl. 
456C;  gönstig  A.  DÜRER  menschl.  proport.  (1528)  a  2^;  Fi- 
schart binenkorb  (1588)  125^;  Güarinonius  grewel  (1610) 
43;  Balth.  Schupp  sehr.  (1663)  411;  discourse  d.  mahlern 
(1721)  2,  51.  auch  hier  braucht  Luther  beide  formen; 
günstig  6,  404  W.;  16,  81;  gonstig  11,  331;  23,  30.  zu  alem. 
gaunst  bei  S.  Fischer  chron.  v.  Ulm  220  {s.  sp.  1106)  schickt 
sich  geinstig  ebda  216a;  iigi^  auch  geunstlich  J.  v.  Watt 
dtsch.  sehr,  l,  7.  entrundung  zeigt  ginstig  urk.  d.  Iglauer 
meistersinger  4  Streinz. 

Bedeutung  und  gebrauch. 
A.  adjectiv. 

der  ausgangspunkt  der  bedeutungsentudcklung  ist  der 
prädicative  gebrauch  bei  persönlicher  anwendung  (1  a),  vor 
allem  in  Verbindung  mit  dem  verbum  substantivum  {vgl.  auch 
das  synonyme  gewogen  teil  4,  l,  3  sp.  6459).  aus  ihm  folgt 
zu  einem  teile  der  attributive  gebrauch  (l  b),  in  dessen  bild- 
lichem bereich  (3)  sich  die  Bedeutung  weiterentwickelt  (4,  5). 

ein  dem  nomen  actionis  gunst  'das  zulassen,  gewähren' 
{s.  gunst  A)  entsprechender  gebrauch  erscheint  in  verein- 
zelten belegen  noch  deutlich: 

er  sprach:  Hebe  swestir,  tuoz 

durch  minlr  sele  genist, 

ob  du  mir  der  gunstic  bist  {gönnst) 

Athis  und  Profüias  f  132  Kraus; 

do  begert  er,  daz  man  im  der  zeit  günstig  war,  darinn  er 
sein  Sünde  möcht  püszen  Andreas  v.  Regensbubg  s.  w. 
608  Leidinger;  sonst  im  rahmen  der  anwendung  l  gelegent- 
lich anklingend:  Mülard  bedanckte  sich  .  .  .  gegen  die  .  .  . 
compagnie,  dasz  sie  .  .  .  ihr  vergnügen  eine  Zeitlang  zu 
unterbrechen  günstig  gewesen  {d.  i.  geruht  habe)  Ettner 
mediz.  maulaße  (1719)  45. 

1)  mit  persönlichem  subject  'wohlgesinnt,  gewogen,  zu- 
getan', der  gefühlsgehalt  ist  im  allgemeinen  nicht  sehr  in- 
tensiv, vgl.  etwa  gegenüber  Stellungen  wie:  wir  haben  Fran- 
tzen  aufE  unser  Seiten,  .  .  .  nit  allein  gunstig,  sundern 
gentzlich  hitzig  und  entzündet  {nonfaventem  iam,  sed  com- 
motissime  ardentem)  Hütten  op.  omn.  2,  61  Böcking;  das 
yderman  gonstig  und  geneigt,  ja  frölich  dazu  sein  wird 
Luther  23,  30  W.;  doch  neigen  gewisse  anwendungsbe- 
reiche  zumal  in  älterer  zeit  auch  zu  intensiverer  tönung  {vgl. 
auch  gunst  B  1). 

a)  prädicativer  gebrauch,  seit  dem  ahd. 

a)  jemandem  günstig  sein  'ihn  schätzen,  werthaben",  als 
ausdruck  einer  steten  gemütsstimmung,  ohne  dasz  an  eine 
besondere  bezeigung  der  Zuneigung  gedacht  wird  {vgl. 
gunst  B):  eim  wol wollen  und  günstig  seyn  complecti  ali- 
guem  benevolentia  Frisius  dict.  (1556)  162'';  portar  favore 
HüLSius  teutsch-ital.  (1618)  143^,  entsprechend  auch  bei  an- 
deren Verben  wie  werden,  bleiben,  sich  zeigen  u.  ähnl.: 


so  wil  Ich  (Priamus)  niemer  werden 
den  Kriechen  holt  noch  günstic 

KONRAD  V.  WÜRZBURO   Trojanerkr.  2MS5; 

dien  durvon  {davon,  der  rehabilitation  des  heiligen)  kund 
was  und  ime  günstig  waren,  die  loptan  got  H.  Sefse  dtsche 
sehr.  129  Bihlmeyer;  unde  hebben  den  unmüd,  den  wy 
hadden  myt  Herman  Blughere,  .  .  .  em  tügheven  unde 
willen  em  vortmer  hold  unde  gunstich  wesen  {urk.  von 
1363)  Wigger  gesch.  d.  fam.  Blücher  267;  und  der  aide 
herre  also  zu  den  burgern  zoch  und  mit  on  fröhlich  was; 
das  behagete  den  burgern  und  dem  gemeynen  volke  gar 
wol  und  worden  ome  sere  gunstig  K.  Stolle  thür.  chron. 
18  lit.  ver.;  wem  der  herr  wol  wil,  dem  müssen  auch  alle 
seine  feind  günstig  sein  Luther  16,  81  W.;  hat  ein  storck 
vil  jar  auff  eines  bürgers  hause  genistet,  .  .  .  weil  ime  der- 
selbige  bürger  sehr  günstig  war  bei  Heyden  Plinius  (1565) 
438;  ein  kuhe,  pferd  oder  hirsch  . .  .  welchen  die  rebhuner 
sonderlich  günstig  und  lieb  haben  sollen  Aitinger  jagd- 
u.  weidbüchl.  (1681)  29; 

ich  habe  noch  keinen  bekannten  gesehn, 
dem  du  (ein  falscher  freund)  von  hertzen  günstig  wärest 
Chr.  Weise  grün.  jug.  106  ndr.; 

inzwischen  gehabe  dich  wol  und  bleibe  günstig  Balth. 
Schupp  sehr.  (1663)  274;  {die)  absieht,  sich  das  volk  günstig 
zu  machen  W.  v.  Humboldt  sechs  aufs.  84  Leitzmann.  im 
bereich  von  gunst  B  1  a : 

(gott)  liebet  alle  frommen 
und  die  ihm  gönstig  seynd 
Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  kirchenl.  3,  352*'; 

zu  gunst  B  2  (gottes  gunst):  der  herre  alzeit  di  boesen 
hasset,  aber  den  frommen  günstig  ist  Paul  Schbde- 
Melissus  psalmen  20  ndr.; 

ich  rühms  auch  ohne  scheu, 
dasz  gott  der  höchst  und  beste 
mir  gäntzlich  günstig  sey 
Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  kirchenl.  3,  387*; 

in  der  sphäre  von  gunst  B  3  a :  ihm  der  oberste  cämmerer 
gnädig  und  günstig  ward  Dannhawer  catechismusmilch 
(1657)  1,  165.  von  der  liebe  des  mannes  zur  frau  {vgl.  gunst 
B  1  c) :  derselbigen  {Jungfrau)  ward  Walter  fast  günstig 
Wickram  w.  2,  431  lit.  ver.,  von  der  der  frau  zum  manne: 

grosz  forcht  und  schreck  sie  darzu  trieb, 
dasz  sie  ihm  günstig  ward  und  hold, 
zu  rechter  eh  ihn  haben  weit 

H.  Sachs  2,  249  lit.  ver.; 

weil  sie  {Marüis)  ohne  trug  und  list 

dir  (dem  liehhaiier)  von  hertzen  günstig  ist 

Chr.  Weise  grün.  jug.  111  ndr.; 
zu  ß  hinüberspielend: 

ey  junckherr,  schweigt,  die  sach  steht  wol, 
ich  (die  magd)  merck,  mein  fraw  die  ist  euch  günstig 

H.  Sachs  17,  7  lit.  ver., 

vgl.  im  übrigen  unter  ß.  —  auch  mit  unpersönlichem  object 
{vgl.  gunst  B  1  b) :  es  müszt  ein  schändlicher  schelm  sein, 
der  seinem  Vaterland  nicht  günstig  sein  wollt  Luther  w. 
51,  450  W.; 

und  jagten  in  von  in  blutrünstig, 
wann  keiner  war  der  warheit  günstig 

H.  Sachs  9, 173  lü.  ver.; 
der  tag 
dem  sonst  kein  Pafoskind  recht  günstig  werden  mag, 

die  glüht 
der  göldnen  strahlen,  .  .  . 

Stieler  geharn.  Venus  51  ndr.; 

(der  eine  hat  diesen,  der  andere  jenen  wünsch,) 
der  (dritte)  dem  salate  günstig  ist 

Chr.  Weise  grün.  jug.  123  ndr.; 

aber  was  können  diese  liebe  reimen,  dasz  ihr  ihnen  so 
gönstig  seyd?  discourse  der  mahlern  (1721)  2,  51;  {ich)  war 
dem  maschinenwesen  weniger  günstig  als  der  unmittel- 
baren handarbeit  Göthe  25,  106  W. 

ß)  die  anwendung  auf  einen  einzelnen  fall,  in  dem  sich 
die  günstige  gesinnung  bewährt  oder  bewähren  soll,  ent- 
spricht der  bedeutung  von  gunst  C  («.  d.);  günstig  'dem  be- 
sonderen wünsche  oder  bedürfnisse  jemandes  geneigt' :  unde 
scunde  in,  daz  er  unstig  si  unserro  begunste  {allubescat 
nostris  nisibus)  Notker  sehr.  1,  724  Piper; 


1129 


GUNSTIG  A  1 


GÜNSTIG  A  2 


1130 


darumbe  solten  mir  die  biderben  gunstic  wesen 
unt  mir  min  armuot  mit  ir  güete  büezen 

MEISTER   SlOKHER   10,  12  Btodt; 

den  patronen  fleiszig  auffwarten,  diese  auff  allerley  weg 
ihme  gönstig  zu  machen  Balth.  Schupp  sehr.  (1663)  540; 

■will  Nepomuck  durch  euer  heiszes  flehen 
noch  nicht  gerührt,  nicht  günstig  werden? 

GOTTSCHED  ged.  (1751)  1,  298; 

vor  allen  {monaten)  ist  dein  vater,  der  august, 

mir  der  geliebteste,  .  .  .  weil  er  meiner  liebe  günstig  war; 

er  hat  zuerst  zu  Daphnen  mich  geführt 

GiSEKE  poet.  w.  (1767)  252; 

günstig    sein   gelegentlich   geradezu   'begünstigen^   'gunst 

spenden^  : 

versuche  nicht 
die  götter,  die  dir  zweymal  günstig  waren 

Schiller  13,  392  ö. 

—  auch  im  erot.  bereich  im  sinne  von  gunst  C  2 : 

diu  minne  wac  in  (Paris  und  Helena)  unde  maz 
geltche  ir  wunnebseren  solt. 
si  wurden  beide  ein  ander  holt 
und  ftne  mäze  günstic 

Konrad  v.  Würzburg   Trojanerkr.  22947  lit.  ver.; 

sag  in  (den  zechgenossen)  vil  der  fantaseyen, 

wie  dir  die  töchter  günstig  seyen, 

und  habst  ein  buln  nach  all  deim  willen 

Scheit  Qrobianus  v.  1320  ndr.; 

erst  hat  er  sie  geliebt,  doch  nie  gelang  es, 
sie  zu  bereden,  günstig  ihm  zu  sein 

TiECK  sehr.  (1828)  2,  223; 

wird  Daphne  mir  einst  günstig, 
dann  küss  ihr  mund  ihn  brünstig 
zum  dank  an  meiner  statt! 

J.  M.  Miller  ged.  (1783)  104. 

y)  eine,  kleine  gruppe  von  belegen  spiegelt  den  gebrauch 
von  gunst  D  {'anhang,  parteigängerschaft')  wider:  der  allain 
lutherisch  genempt  soll  werden,  des  Luthers  leer  .  .  .  an- 
hängig und  günnstig  Philadelph.  Regius  von  luther. 
tounderzaichen  (1524)  a  2'';  hie  frag  ich  alle,  die  Luthern 
günstig  sein  Murner  a.  d.  adel  20  7idr.;  so  auch  attributiv: 
die  wollten  nit  allein  mit  dem  künig,  sonder  auch  mit 
all  seim  günstigen  anhang  nicht  zu  thun  haben  Seb. 
Franck  chron.  Oerman.  (1538)  122b. 

b)  attributiver  gebrauch  in  dieser  gruppe,  bezeugt  seit 
dem  anfange  des  15.  jh.,  ist  kaum  einheitlichen  Ursprungs; 

a)  aus  dem  prädicativen  gebrauch  entwickelt:  vil  burger, 
den  Zürichern  günstig,  .  .  .  entwichen  Stumpf  Schweizer- 
chron.  (1606)  ölO**;  unter  den  kleinen  bürgern  hat  es  eine 
dem  könig  günstige  partei  gegeben  Ranke  w.  (1875)  14, 
51;  er  wolle,  hat  er  einigen  ihm  günstigen  mädchen  er- 
klärt, mit  dem  geschlechte  nichts  zu  schaffen  haben 
Holtet  erz.  sehr.  (1861)  l,  19.  ohne  nähere  bestimmung 
ebenso  wie  ß,  mit  dem  der  gebrauch  schlieszlich  zusammen- 
flieszt,  über  das  18.  jh.  hinaus  wenig  gebräuchlich:  ist  besser, 
dasz  sich  die  ding  begeben,  dasz  die  hauszfraw  unwirsch 
wider  dich  redt  und  die  sie  zorniglich  im  sinn  gedenckt, 
dann  das  günstige  eitern  {lat.  parentes  propitii)  gedencken 
BoLTZ  Terenz  (1539)  85^;  mach  dir  ein  günstigen  koch 
{indem  du  nicht  an  den  speisen  mäkelst)  Scheit  Grobianus, 
randglosse  zu  v.  2785^.;  in  besonderem  sinne  (vgl.  gunst 
Bö):  ein  günstiger  richter,  .  .  ,  der  nach  gunst  und  nit 
nach  billigkeit  rieht  iudex  obnoxius  gratiae  Frisius  dict. 
(1550)  740  a;  nur  Verbindungen  wie  die  folgenden  sind  auch 
später  noch  geläufig:  (ich)  hoffe,  die  günstigen  musen 
werden  auch  unsern  babylonischen  bau  zu  stände  bringen 
GöTHE  IV  28,  67  W.;  in  der  gestalt  einer  günstigen  gott- 
heit  Gerstenberg  recensionen  123  lit.  denkm.;  o  all  ihr 
günstgen  götter  Fouque  held  des  nordens  (1810)  1,  144. 

ß)  die  hauptmasse  der  belege  begegnet  in  formelhafter  aus- 
dru^cksweise  (vgl.  geneigt  teil  4,  l,  2  sp.  3365),  wohl  als  paral- 
lelbildung  zu  dem  in  gleicher  anwendung  festen  gnädig,  vgl. 
auch  euer  gunsten  nach  euer  gnaden  sp.  1116:  die  schäm 
trug  stete  der  eren  Spiegel  vor  iren  äugen;  got  was  ir 
gunstiger  hanthaber  (beschützer) ,  er  was  auch  mir  gunstig 
und  genedig  durch  iren  willen  ackermann  a.  Böhmen  11, 
15  Bernt;  ersamer,  weiser,  gunstiger  herr  burger meister 
(anf.  d.  17.  jh.)  urkd.  d.  Iglauer  m^eistersinger  1,  3  Streinz. 


geläufigere  formein:  unsere  ginstige  obrigkeit  ebda  4;  unser 
gnedigsten  und  günstigen  obrigkeit  Mathesius  Sarepta 
(1571)  2308';  günstiger  herr:  den  gestrengen  .  .  .  Hein- 
rico  von  Pogk  .  .  .  und  Nicoiao  von  Rottenburg,  .  . . 
meinen  günstigen  herrn  Rinowaldt  lauter  warheit  (1597) 
A2a;  meinem  günstigen  herrn  schwagern  (widmung) 
W.  Spangenberg  ausgew.  dichtungen  3  Martin;  haben 
etliche  meiner  gunstigen  herrn  und  freunde  .  .  .  inständig 
bey  mir  angehalten,  dasz  ich  dasselbe  publicieren  .  .  .  solle 
Sandrub  kurzweil  7  ndr.;  noch  im  19.  jh.:  ihnen,  meine 
günstigen  herren,  widme  ich  diesen  versuch  A.  v.  Kotzb- 
BUE  s.  dram.  w.  (1828)  18,  235.  hier  wie  bei  den  anderen 
Verbindungen  gern  mit  synonymis:  minen  günstigen  lieben 
herren  Riederer  Spiegel  d.  wahr.  rhet.  (1493)  a  2*; 
M.  Agricola  miisica  instr.  129  Eitner;  gnädigen,  günsti- 
gen, lieben  herren  Hütten  op.  omn.  1,  405  Böcking;  wir- 
diger,  geystlicher,  günstiger  lieber  herr  (anrede  an  prcbste) 
notariat  und  teutsche  rhetoric  (Franckf.  1565)  2*'  u.  a.;  vgl. 
zu  dieser  formet:  solche  aber  werden  nicht  auff  eine  art 
geherret  (herr  genannt),  dann  etliche  nennet  man  günstig, 
andere  gestreng,  höhre  gnädig,  gnädigst  Harsdörffer 
teutsch.  secretarius  (l<Sö6)  1,30.  auch  sonst  in  der  titulierung 
und  anrede:  günstiger  Junker  Wickram  w.  6,  3  lit.  ver.; 
Val.  Schumann  nachtbüchl.  2  lit.  ver.;  Heyden  Pliniua 
(1565)  vorr.  2»;  günstige  fraw  Amadis  1,  62  lit.  ver.;  als  an- 
rede an  eine  äbtissin  unadliger  herkunft:  ehrwirdige  (oder) 
günstige  fraw  notariat  u.  teutsche  rhetoric  (Franckf.  1565) 
2^;  günstige  jungfraw  Amadis  73;  dem  achtparn  .  .  . 
herren  . . .  Nicoiao  von  Amszdorff . .  .  tumherrn  zu  Witten- 
berg, meynem  besundern  gunstigen  freundt  Luther 
6,  404  W.;  Montanus  schwankb.  135  lit.  ver.;  vereinzelt  noch 
im  18.  Jh.:  und  bin  ihre  günstige,  gute  freundin  Anna 
Maccaroni  (an  einen  mann,  briefschlusz)  J.  Moser  s.  w. 
(1842)  2,  78;  auch  handwerksprachlich:  alles  mit  gunst,  ihr 
günstigen  gesellen  und  junger  um  und  um,  alles  mit  gunst 
M.  Fr.  Frisius  künstler-  u.  handwerkerceremon.-polit. 
(1705)  848.  am  aiisgebreitetsten  und  langlebigsten  ist  gün- 
stiger leser  (vgl.  schon  class.  lat.  Icctor  amicu^s):  also 
haben  wir  dir,  günstiger  leser,  die  fürtreflichsten  lat- 
wergen  .  .  .  beschriben  W.  Ruff  confectbuch  (1548)  19*>; 
damit  aber  hie  nit  underlassen  werde,  so  dem  günstigen 
läser  nutz  . . ,  bringen  möchte  Herold-Forer  Oeszners 
thierbuch  (1563)  126«;  Broker  mineral.  ertzt  (1580)  108"; 
GuARiNONius  gretvel  (1610)  4;  Treuer  deutscher  Dädalus 
(1675)1,130;  J.  C.  AiTiNGER  Jagd-  u.  weidbüchl.  (1681) 
)(  1».  nicht  selten  noch  im  18./19.  jh.  v.  Hohberg  georg, 
curios.  aicct.  3  (1715)  1,  246";  verschone  dich  selbst  damit, 
günstiger  leser,  wie  man  dich  in  allen  vorreden  nennt 
Lessino  13,  49  L.-M.;  wir  fordern  alle  günstige  und  un- 
günstige leser  auf  Göthe  II  4,  34  W.;  II  2,  115;  E.  Th.  A. 
Hoffmann  s.  w.  2,  7  Grisebach;  Fouque  zauberr.  (1812) 
1, 1;  Immermann  w.  i,  103  Boxb. 

2)  übertragener  gebrauch  in  Zuordnung  zu  begriffen  wie 
herz,  angesicht,  äuge,  ohr,  die  als  träger  oder  vermittler 
des  Wohlwollens  gedacht  werden: 

min  (kaiser  Ottes)  herze  ist  im  in  triuwen  holt 
und  muoz  im  iemer  günstic  wesen 
KONRAD  v.  WÜRZBima  Heinrich  v.  Kempten  635  Schröder; 

werdind  iro  (der  bitte)  alle  vernünftige  herzen  günstig 
H.  ZwiSGudtsch.  sehr.  1,  32  Schuler -Schulthess.  hier  über- 
wiegt durchaus  der  attributive  gebrauch:  lieb  ist  ein  gunstig 
hertz  zu  eim  andern,  des  not  und  nutz  es  ansihet  Luther 
29,  515  W.;  pietas  gunstik  gemute,  gutis  willen,  suzemute- 
keit  Konrad  v.  Heinrichau  voc.  387"  Gusinde;  über 
wilche  woldistu  mit  gnedigem  und  gunstigem  angesicht 
sehen  Luther  18,  30  W.;  wie  bei  l  b  oft  formelhaß: 

wirf  (herzogin)  dein  günstiges  geslcht 

auf  disz  kurtze  lobgedicht! 

Q.  Neumark  fortgepfl.mus.-poet.  lustw.  (1657)  1,213; 

so  lasz  von  satz  zu  satz  .  .  . 
dein  günstig  äuge  sich  nicht  minder  hier  verweilen 
(an  August  von  Sachsen)  V.  KÖNIG  ged.  (1745)  192 ; 

mutter  der  sterblichen, 
himmelsbewohnerin, 
neig  uns  ein  günstiges, 
schirmendes  augl 


Grillpaezbe  I  4, 108  Sauer; 


1131 


GÜNSTIG  A  8 


GÜNSTIG  A  4 


1132 


etwas  mit  günstigen  äugen  ansehen  v.  Fleming  soldat 
(1726)  Vorbericht  12;  GöTHE  IV  36, 13  W.;  günstige  oren, 
die  eim  gern  losend  aures  amicae  Fbisius  dict.  (1556)  S3^; 

groszer  Plantagenet,  erlauchter  prinz, 
leih  unserem  gesuch  ein  günstig  ohr 

Shakespeare  9,  129. 

ähnlich  bei  begriffen,  die  an  sich  schon  eine  Zuwendung,  ein 
wohlwollen  oder  dessen  äuszerung  bezeichnen:  unsern  gün- 
stigen gnisz  zuvor  Landorp  acta  publ.  (1668)  1,  868;  ich 
sag  e,  1.  und  euch  allen  freundtlichen  und  günstigen  danck 
Amadis  1,  310  lit.  ver,;  unsern  günstigen  willen  zuvor 
gesch.  des  Götz  v.  Berlichingen  (1861)  116;  entbieten  ew. 
gnaden  .  .  .  gnädigen  und  günstigen  willen  Schwbinichen 
denkw.  100  Österley;  er  suchet  .  .  .  günstige  erlaubnus 
Lohenstein  Arminius  (1689)  l,b*;  dasz  ich  mir  dein 
wohlwollen  und  eine  günstige  aufmerksamkeit  ausbitte 
Rabeneb  s.  sehr.  (1777)  l,  188;  und  der  letzte  {brief)  bald 
mit  Wehmut,  bald  .  .  .  mit  günstigem  interesse  gelesen 
worden  fürst  Pückler  brief w.  u.  tageb.  (1873)  1,  144;  da- 
bei liebt  das  16.  und  besonders  das  17.  jh.  einen  gevnssen 
sinnschweren  pleonasmus  {vgl.  auch  Zusammensetzungen 
wie  gunstgewogenheit,  -neigung,  -Zuneigung,  s.  oben 
ap.  1122,  sowie  solche  mit  günstig,  z.  b.  günstiggeehrt 
BuTSCHKY  kanzdley  10;  günstiggeliebt  ebda  70): 

gott  bhüt  uns  und  thut  uns  als  guts 
durch  sein  günstige  lieb  und  gnad 

H.  Sachs  1,  31  lit.  ver.; 

liebe  und  günstige  gewogenheit  Reinicke  fuchs  (1650)  321; 
gönstige  Willfährigkeit  d.  unartig  teutscher  sprach  verderber 
(1643)  8;  e.  w.  wollen  solches  im  besten  anerkennen  und 
zu  günstigem  gefallen  von  mir  aufEnemen  Barth.  Krüger 
spiel  V.  d.  bäur.  richtern  8  Bolte;  ders.  action  v.  d.  anf.  d.  weit 
(1580)  A  7^;  PtrscHMANN  meisterges.  6  ndr.;  zu  sonderlichen 
ehren  und  günstigen  gefallen  dem  ehrenfesten  und  mann- 
haften herrn  Danieli  Stettern  Opel-Cohn  dreiszigj.  krieg 
38.  schon  neutraler:  befehlen  uns  ...  in  deroselben  gün- 
stiges urtheil  Chr.  Weise  erznarren  222  ndr. ;  zu  günstiger 
Prüfung  zu  übersenden  Göthe  IV  29,  69  W.  rein  differen- 
zierender gebrauch  wird  demgegenüber  erst  seit  dem  18.  jh. 
gebräuchlich:  doch  indesz  hat  sich  der  zorn  der  königinn 
gelegt  und  günstigem  gedanken  für  den  Essex  wiederum 
räum  gemacht  Lessing  10,  ll  L.-M.;  möge  nachstehen- 
des eine  günstige  aufnähme  erfahren  Göthe  40,  86  W.; 
dasz  ihr  als  zeichen  günstiger  meinung  nicht  verschmäht, 
von  diesem  sect  zu  trinken  G.  Freytag  ges.  w.  11,  39; 
(es)  regte  sich  eine  günstige  Stimmung  im  parlament 
Ranke  s.  w.  4, 12. 

3)  in  bildlichem  gebrauch  von  schicksalskräften  wie  glück, 
geschick,  zufall  u.a.,  vgl.  gxinst  B4:  du  solt  denen  nit 
gehässig  syn,  den  das  glük  günstig  ist  Steinhöwel  Äsop 
69  lit.  ver,;  wer  weisz,  wo  ihm  das  glücke  günstig  ist  Chr. 
Weise  erznarren  I6ö  ndr.;  (nach  einem  siege)  ist  es  am 
sichersten,  den  feind  zu  verfolgen,  weil  das  glück  günstig 
ist  V.  Fleming  soldat  (1726)  302; 

sagt,  wie  endlich 
das  glück  euch  günstig  ward 

SCHIHER  13,  346  O.; 

wie  günstig  uns  die  natur  gewesen  Btttschky  Pathmos 
(1677)  85;  wie  der  himmel  gar  so  günstig  sich  erwies 
Weichmann poesied.^ieiersocÄ5en(  1721)  1,60.  auchhier 
ist  der  attributive  gebrauch  stark  entwickelt:  das  günstig 
glück  Stumpf  Schweizer  ehr  on.  (1606)  295»;  Chr.  Weise 
polit.  redner  (1677)  178;  Wieland  I  3,  20  akad.  ausg.;  die 
günstige  natur  Treuer  dtsch.  Dädalus  (1675)  1, 126;  das 
günstige  geschick  v.  König  ged.  (1745)  22; 

bis  mir  zuletzt  das  günstige  geschick 
noch  einen  tag,  den  ich  nicht  hoffte,  gab 

GÖTHE  5,  61  W.; 

wenige  tage  darauf  führte  ein  günstiges  geschick  mir  un- 
erwartet einen  lieben  freund  zu  v.  Gaudy  s.  w.  (1844)  4,  69; 
ein  besonders  günstiger  zufall  wollte  Mörike  w.  (1905)  3, 
62  Göschen;  (es)  ist  noch  für  die  hören  ein  günstiger  stern 
erschienen  Göthe  IV  10,  301  W.; 


und  also,  Ihr  getreuen,  lieben, 
willkommen  aus  der  näh  und  ferne  I 
ihr  sammelt  euch  mit  günstigem  sterne, 
da  droben  ist  uns  glück  und  heil  geschrieben 

ebda  I  15, 1,  10  {Faust  II  4763). 

ähnlich  auch:  wie  dem  ritter  Montfaucon  die  waffen  immer 
günstig  gewesen  waren  FouQui;  zauberring  (1812)  1, 15. 

4)  günstig  'der  er  reichung  eines  zieles,  der  verunrklichung 
einer  absieht,  eines  Zweckes  dienlich' ,  'förderlich',  aus  dem 
bildlichen  bereich  erwachsen,  der  vereinzelt  schon  im  16.  jh. 
(s.  unter  5  günstiger  himmel  sp.  1133),  allgemein  seit  dem 
18.  jh.  in  gewissen  anwendungen  verblaszt,  indem  sich  der 
Schwerpunkt  des  sinnes  vom  vorgange  des  gewährens  auf 
die  eigenschaften  des  gewährten  verlegt  und  ein  gewährendes 
subject  im  sinne  von  3  schlieszlich  nicht  mehr  empfunden 
wird  (vgl.  gunst  C  4).  der  prädicative  gebrauch  wahrt  das 
bild  am  ehesten: 

'ich  habe  spähend  in  die  zeit  geschaut.' 

'und  war  die  künftge  zeit  der  Jungfrau  günstig?' 

Bkentano  ges.  sehr.  (1852)  6,289; 

»  komm,  eilen  wir,  der  augenblick  ist  günstig 

Schiller  15, 1,  73  (?.; 

aber  noch  ein  umstand  war  mir  höchst  günstig  A.  V.  Ar- 
nim s.  w.  2, 132  Grimm;  denn  die  äuszern  umstände  waren 
solchen  Unternehmungen  (numismatischen  Zeitungen) 
nichts  weniger  als  günstig  Luschin  v.  Ebengreuth 
münzkunde  10.  die  Umstellung  erfolgt  in  erster  linie  bei  den 
attributiven  fügungen:  dasz  sie  ...  eine  so  günstige  zeit 
mit  unnöthigen  erklärungen  verlohren  Wieland  Agathon 
(1766)  1,  26;  darum  nahest  du  auch  jetzt  zu  günstiger 
stunde,  denn  heut  ist  der  tag,  wo  ich  dir  schenken  will, 
was  ich  dir  einst  versprach  G.  Freytag  ges.  w.  (1886)  9,  26; 
verlieren  sie  keine  zeit,  es  ist  gerade  jetzt  der  günstige 
augenblick  Schiller  14,  219  Q.;  seine  kraft  zusammen- 
fassen .  . .  auf  den  günstigen  augenblick,  der  schon  einige 
male  verpaszt  ist  Bismarck  polit.  reden  2,  29  Kohl; 

man  paszt,  man  merkt  auf  jedes  günstige  nu, 
gelegcnheit  Ist  da,  nun,  Fauste,  greife  zul 

GÖTHE  15, 1,  253  W.; 

benutzte  die  erste  günstige  gelegenheit,  um  ihr  seine  liebe 
anzutragen  Pfeffel  pros.  vers.  (1810)  5,  186;  (anlagen,) 
die  durch  günstige  umstände  entwickelt .  .  .  werden  kön- 
nen Göthe  22,  106  W.;  die  erreichung  des  zieles  war  unter 
den  günstigsten  umständen  .  .  .  nicht  zu  gewärtigen 
H.  V.  Barth  Kalkalpen  318 ;  ganz  als  sachliche  eigenschaft 
'aptus,  idoneus' :  meiner  ansieht  nach  würde  der  günstigste 
angriffspunkt  die  . .  .  Porta  Pinciana  sein  Moltkb  ges. 
sehr.  (1892)  1,  189;  ähnl.:  dieses  auftauchen  .  .  .  der  grau- 
sigen sitte  .  .  .  beweist,  dasz  immer  ein  günstiger  boden 
für  dieselbe  übrigblieb  Ratzel  Völkerkunde  (1885)  2, 126; 
doch  kommen  vielfach  auch  päppeln,  espen,  weiden  .  .  . 
noch  in  den  genannten  steppenlandschaften  an  günsti- 
geren stellen  vor  Nehring  tundren  und  steppen  (1890)  57; 
schon  mehr  im  sinne  von  5:  die  eitern  bezogen  aber  eine 
andere  wohnung,  die  eine  höchst  günstige  läge  hatte 
H.  Steffens  was  ich  erlebte  (1840)  l,  52.  der  zweck  wird 
mit  dem  dativ  oder  präpositional  angefügt:  die  für  den  han- 
del  ungemein  günstige  läge  Mommsen  röm.  gesch.  (1894) 
5,  80;  ein  zweites  bild,  eine  aussieht  des  Schlosses  vom 
park  aus,  von  einem  punkte,  den  ich  einmal  als  günstig 
dazu  angegeben  hatte  Moltke  ges.  sehr.  (1892)  4,  30; 
verbal:  das  gestein  des  Haagengebirges  ist  steilem  steigen 
etwas  günstiger  H.  v.  Barth  Kalkalpen  123;  zum  natür- 
lichsten beispiel  für  das  helldunkel  wäre  die  kugel  günstig 
GrÖTHE  II  1,  337  W.  ähnlich  'die  Voraussetzung  für  etwas 
schaffend,  enthaltend' :  stoffe  mit  stark  vorwärtstreibenden 
leidenschaften  ...  als  die  für  die  tragödie  günstigsten 
anzusehen  0.  Ludwig  ges.  sehr.  (1891)  5,  93;  (die)  Schlacht- 
ordnung auf  der  weiten,  ihrer  überzahl  günstigen  ebene 
Raumer  Hohenstaufen  (1823)  l,  69;  ist  also  g  die  anzahl 
der  dem  ereignis  E  günstigen  und  m  die  anzahl  aller  mög- 
lichen fälle,  so  ist  W(E)  =-|^  die  Wahrscheinlichkeit  von  E 
CzuBER  Wahrscheinlichkeitsrechnung  1,  14;  verbal:  das 
seichte  wasser  ist  der  nebelbildung  besonders  günstig 
Laistner  nebelsagen  (1879)  258;  da  eine  gewisse  einseitig- 


1133 


GÜNSTIG  A  5-6 


GÜNSTIG  B  1-2 


1134 


keit  der  Virtuosität  so  günstig  ist  Europa  (1803)  2,  90 
Schlegel;  anders:  der  weg  war  schlimm,  für  tanzschuhe 
nicht  günstig  Göthe  25,  208  W. 

5)  in  gewissen  anwendungen  bezeichnet  günstig  mehr  die 
erwartete  oder  eingetretene  positive  möglichkeit  gegenüber 
der  negativen,  'gut,  vorteilhaft'  im  gegensatz  zu  'uner- 
wünscht, unvorteilhaft,  tvidrig';  in  diesem  sinne  vereinzelt 
schon  im  16.  jh.:  sehen  wir  doch  jetz  zu  unser  zeit  das 
widerspill,  das  wir  gemeynlichen  ein  günstigen  himmel 
(klim^)  haben,  und  ein  geschlachten  (d.  i.  zur  bestellung 
geeigneten)  boden  Seb.  Münster  cosmogr.  (1550)  319;  so 
in  der  folge  als  stehendes  attribut  vom  klima,  weiter  u.  a.: 
gestalt,  färbe,  haltung  jener  vom  günstigsten  himmel  um- 
schienenen  landschaft  Göthe  33, 199  W.;  unsere  zehen- 
tägige  reise  ...  ist  nun  glücklich  vollendet,  wir  haben  das 
günstigste  wetter  gehabt  IV  18,  77.  die  grenzen  zu  4  wer- 
den mitunter  flieszend:  bei  der  günstigen  Witterung  alles 
mit  ackern  und  säen  .  . .  beschäftigt  ders.  III  i,  276;  unter 
günstigem  luftstrich  gedeiht  sie  (die  tierfabel)  und  gewinnt 
formen  J.  Grimm  Beinhart  fuchs  (1834)  vi.  ähnlich  gün- 
stiger wind: 


schon  fördert  die  reise 
der  günstigste  wind 


GÖTHE  2,  44  W.; 


mit  günstigem  wind  1,  329;  das  wetter  ist  schön,  .  .  .  der 
wind  günstig  aber  schwach  Moltke  ges.  sehr.  (1892)  6, 119; 
schon  im  17.  /A.." 

bey  dem  günstigen  Südwesten 
schweer  iclis,  Teiesllle,  dir: 
dein  verbleib  icti  für  und  für 

Stielkr  geharn.  Venu*  112  ndr. 

prädicativ  bildhafter:  der  wind  macht  sich  auf,  er  ist  uns 
günstig  TiECK  sehr.  (1828)  1,  132;  (Körner  und  Kleist)  star- 
ben in  der  blüthe,  denn  die  Witterung  unserer  tage  ist  den 
dichtem  nicht  günstig  Börne  ges.  sehr.  (1829)  1,  134. 
günstiges  licht:  (der)  Charakter  des  feldherm,  der  anfangs 
nicht  in  dem  günstigsten  lichte  erscheint  Göthe  7,  159  W.; 
(etwas)  in  einem  günstigen  lichte  darstellen  22, 147;  dasz 
ich  (im  Oötz)  das  faustrecht  mit  zu  günstigen  färben  ge- 
schildert habe  28,  205;  in  eigentlicher  anwendung  mehr  im 
sinne  von  4 :  dasz  wir  nunmehr  den  stein  in  ein  günstiges 
licht  gebracht,  ihn  mit  öl  getränkt,  wodurch  denn  die 
Schrift  viel  deutlicher  zum  Vorschein  kommt  dera.  IV  31, 
146. 

bevorzugt  sind  für  diese  bedeutung  substantiva,  die  einer 
resultataussage  entgegenkommen  (vgl.  gunst  sp.  1122):  auf 
mein  promemoria  habe  ich  eine  günstige  (d.  i.  'zusagende, 
positive')  entschlieszung  erhalten  Göthe  IV  21,  31  W.;  ein 
ritterheer  mochte  günstige  entscheidung  herbeiführen, 
wenn  es  einmal  mit  gleich  geschulter  höfischer  schaar  zu- 
sammenstiesz  Freytaq  ges.  w.  (1886)  18,  34;  auf  die  stol- 
zen (machte)  das  Selbstgefühl  des  mädchens  einen  gün- 
stigen eindruck  M.  Meyr  erz.  a.  d.  Ries  (1868)  1,  100;  von 
einem  so  günstigen  vorurtheil  Wieland  Agathern  (1766) 
2,  50;  er  bekommt  günstigere  bedingungen  0.  LüDwia 
ges.  sehr.  (1891)5,302;  günstige  resultate  J.  A.  Stöck- 
hardt  ehem.  feldbriefe  (1851)  l,  11;  (dasz)  aus  keinem  gün- 
stigen oder  ungünstigen  erfolge  für  uns  heil  zu  erwarten 
ist  Fichte  bei  L.  Häüszer  dtsch.  gesch.  3,  208 ;  eine  gün- 
stige handelsbilanz  hwb.  d.  staatswissensch.  (1898)  4,  981; 
ich  müsse  selbst  im  günstigsten  falle  mehrere  jähre  lang 
warten  A.  v.  Droste-Hülshoff  br.  250  Schücking;  gün- 
stigen f alles  Stürm  w.  (1899)  6,  75;  günstigenfalls  KosEG- 
GER  sehr.  (1895)  II  2,  427.  anders:  ich  hoffe  dennoch  jetzt 
auf  eine  günstige  wendung  (d.  i.  eine  wendung  zum  guten) 
und  nahe  befreyung  Caroline  br.  l,  120  Waitz;  einen 
nicht  minder  günstigen  eiuflusz  Liebig  ehem.  briefe  (1844) 
302;  nach  Wien  war  ihnen  (Mozart  und  s.  vater)  bereits  der 
günstigste  ruf  vorausgegangen  0.  Jahn  Mozart  1,  36. 

6)  'angenehm,  lieblich,  beliebt'  entsprechend  dem  ins  passi- 
vische gewendeten  gunst  B  6 :  favorabilis  gonstig  vel  kon- 
stich vel  lieblich  obd.  gloss.  des  15.  jh.  bei  Diefenbaoh 
gloss.  228  a;  favor  non  respondet  meritis  der  gunst  ist  dem 
verdienst  nit  gleyoh;  man  ist  nit  als  günstig  als  man  ver- 
dienet hat  Frisiüs  dict.  (1556)  1154!*;  von  pflanzen  (vgl.  bei 


gunst  C  4) :  der  lenze  sprach,  er  erquickte  und  machte 
guftig  (var.  gunstig,  gustig)  alle  frucht  ackermann  otw 
Böhmen  33,  6  Bernt,  vgl.  sajndus  gustig,  kustig,  konstig 
Diefenbaoh  gloss.  511*^; 

auf  liebe  nägelein,  auf  gönstige  narcissen, 

auf  schönen  hyacinth  ist  sie  schon  jetzt  beflissen 

P.  Fleming  dtsch.  ged.  1,  60  lü.  ver.; 

es  glentzt  ihr  (der  lilie)  weiszes  kleid  für  allen  blumen  vor, 
ihr  günstiger  geruch  erfrewet  hertz  und  sinnen 

Opitz  teutsche  poemata  57  ndr.; 

gehe  mit  mir  zur  angenehmen  Sommerszeit  ein  wenig 
hinausz,  einen  günstigen  lufft  zu  schöpffen,  da  wirst  du 
gleich  hören  der  nachtigal  ihr  villstimmiges  fletl, .  . .  desz 
stigelitz  sein  passarello  Abr.  a  s.  C1jAS.a  Judas  (1686)  1, 19 
(doch  vgl.  günstiger  wind  in  anderem  sinne  oben  6);  woM 
als  nachleben  dieses  barocksprachlichen  gebrauchen  noch  bei 
Wieland  : 

Izt  kommt  die  frohe  nacht,  es  eilt  erseufzt 

der  gynstge  mond  auf  seinem  silberwagen 

in  vollem  glänz  herauf  I  1,  349  akad.  autg, 

B.  adverb. 

tritt  seit  dem  16.  jh.  an  die  stelle  des  älteren  günstlich 
saune  der  ableitung  günstiglich.  der  gebrauch  unterscheidet 
sich  nicht  wesentlich  von  dem  des  adjectivs. 

1)  von  personen  'wohlgesinnt,  in  guter  absieht':  welches 
die  heil,  kirch  gönstig  zum  besten  deutet  Fischart  binen- 
korb  (1588)  192»; 

dann  der  sein  vil  in  solchen  spil, 
die  mir  nicht  günstig  wollen 

Forster  frische  teiUsche  liedl.  168  ndr.; 

richte  {geliebte)  deine  lustgeberden 
günstig  auf  den  diener  tiin 

Cur.  Weise  grün,  jugend  36  ndr.; 

wo  gott  die  ersten  Verbrecher  günstig  ('milde')  gerichtet 
BoDMER  Noah  (1762)  136;  wan  sie  der  abend  günstig  über- 
schattete imd  die  nacht  ihnen  beschirmung  angelobte 
Zesen  gekrönte  majestät  (1661)  225;  in  der  absieht,  sie 
günstig  für  ihn  zu  stimmen  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr. 
(1893)  4,  74.  auch  hier  beliebt  in  officidlem  stil:  sie  wollen 
mich  . .  .  vor  gewalt .  . .  günstich  handthaben  H.  v.  Cron- 
BERQ  sehr.  93  ndr.;  darauff  wöU  der  leser  günstig  bericht 
sein,  dasz  Ercker  mineral.  er<2<  (1580)  2^;  günstig  geruhen 
G.  l^EVMARK  fortgepfl.  munik.-poet.  lustw.  (1657)  1,  8;  mir 
behülflich  zu  seyn  imd  günstig  zu  verhelffen  Balth. 
Schupp  sehr.  (1663)  412;  anders:  wollen  euch  demnach 
günstig  ersucht  haben  archival.  quelle  von  1640  bei  Besold 
thes.  pract.  (1697)  348*.  jem.  oder  etw.  günstig  auf-, 
annehmen:  das  nemen  wir  auch  freundlich,  gnädig  und 
günstig  zu  dank  von  euch  an  Ayrer  hist.  process.  (1600) 
184 ;  ew.  excellenz  mögen  die  f reiheit,  womit  ich  .  . .  gegen- 
wärtiges erlasse,  günstig  aufnehmen  Göthe  IV  28, 39  W;  in 
neueren  belegen  leicht  differenzierender,  mehr  auf  den  posi- 
tiven ausfall  der  entscheidung  gehend  (s.  bei  A  5  und  unten  2) : 
so  ists  kein  wunder,  dasz  er  von  Deutschen  und  Welschen 
gleich  günstig  aufgenommen  wurde  Schubart  ästh.  d.  ton- 
kunst  233;  dasz  der  könig  mein  gesuch  günstig  aufge- 
nommen hat  H.  V.  Kleist  br.  an  seine  schwester  104  Ko- 
ber stein. 

2)  in  sachlicher  aussage;  zu  Ai  'aptus,  idoneun' :  Fer- 
habad  lag  zwar  höchst  günstig  zu  jagd-  und  hoflust  Göthb 
7,  196  W.;  eine  colossale  gruppe,  günstig  aufgestellt  ebda 
25, 15;  vor  allem  urie  bei  A  5  (s.  sp.  1133)  in  aussagen,  die 
sich  auf  das  resultat  irgend  einer  entscheidung,  auswahl 
unter  mehreren  möglichkeiten  richten:  weniger  günstig  läszt 
sich  über  zwei  andere  vasenbilder  urteilen  H.  Brunn  kl. 
sehr.  3,  86;  dasz  sein  werk  im  Journal  de  l'empire  günstig 
angezeigt  sey  Göthe  III  4,  341  W.;  doch  deine  wähl  mag 
nun  für  den  Samson  günstig  oder  unglücklich  ausfallen 
samml.  v.  Schauspielen  (1764)  1,  25;  so  würden  allerdings 
unsere  finanzen  heute  sehr  viel  günstiger  liegen  Moltke 
ges.  sehr.  u.  denkw.  (1892)  7,  139;  unsere  sache  steht  gün- 
stig Hans  Grimm  volk  ohne  räum  2,  168;  wer  in  den  ta- 
schen  nicht  zu  klimpern  vermag,  dem  bietet  selten  einer 
günstig  an  ebda  l,  74.   der  älteste  beleg  dieser  aniuendung 


1135 


GÜNSTIG  C-GÜNSTIGLICH 


GÜNSTLEIN  -  GÜNSTLICH 


1136 


noch  in  anlehnung  an  AZ:  bisz  sich  das  glücke  günstiger 
fügen  wolte  Chb.  Weise  erznarren  177  ndr.;  schienen  die 
dinge  .  . .  sich  günstiger  wenden  zu  wollen  Mommsen  röm, 
gesch.  327;  seine  gegenwart  wirkte  recht  günstig  auf  die 
gesellschaft  Göthe  23,  294  W. 

G.  gebrauch  als  Substantiv;  masc.  nur  vereinzelt  als  'an- 
hänger''  {vgl.  A  l  a  y) :  als  etliche  seiner  günstigen  {dagegen 
griech.  Tai((C()/toi'),  die  von  im  gen  Rom  geschickt,  gehört, 
wie  man  im  sein  hauptmannschaft  abstricken  und  nit  er- 
strecken wollen  Xylander  Plutarch  {1580)  Sio^'.  neutrum: 
einen  zu  etwas  bereit  machen,  umstimmen  zum  günstigen 
LÜFKES  seemannsspr.  (1900)  9;  das  kleinliche  kinn  allein 
benimmt  dem  gesichte  von  seiner  männlichkeit  und  liesze 
etwas  günstiges  für  die  wollust  hoffen  Lavater  physio- 
gnom.  fragm.  (1775)  1,  126. 

GÜNSTIGEN,  vb.,  ableitung  von  gunst,  mit  transitiver 
und  intransitiver  rection;  'schätzen,  lieben':  und  nachdem 
gemelte  jugent  nicht  allein  ungehaszt,  sonder  auch  ge- 
günstiget  ist,  so  künden  sie  gemelte  grosse  ding  dester 
statlicher  und  basz  volbringen  Johann  v.  Schwaezen- 
BERG  officia  (1533)  öo'';  'begünstigen':  so  geschieht 
auch  vil,  das  richter  und  urteyler  die  missetetter  günsti- 
gen und  ir  handlung  {d.  i.  die  urteilsfindung)  darauff  rich- 

,  ten,  wie  sie,  in  zu  gut,  das  recht  verlengern  und  wissent- 
lich ubeltetter  dadurch  ledig  machen  wollen  bambergische 
gerichtsordnung  Karls  V.  75  Kohler -Scheel;  jemandem 
günstigen  'zu  gute  halten':  ob  er  {der  papst)  schon  der 
tüffel  selb  wer,  sol  man  im  dannocht  günstiger  sein  dan 
dir  {Luther),  dan  in  allen  zweifflen  anklagen  solt  dem  ant- 
wurter  me  gegünstigt  werden  dan  dem  anklager  Mürner 
an  d.  adel  54  ndr.  —  günstiger,  m.:  ghever,  gunstiger 
in  qwaiden  {unglück)  fautor  Schueren  Teuthonista  136 
Verdam;  die  literarischen  belege  weisen  auf  gunst  D,  gün- 
stig A  1  a  y :  item  alle  schaden,  wie  sie  {in  dem  beigelegten 
kriege)  geschehen  sein  ein  teil  dem  andern  von  iren  heifern 
ader  günstigem  {anhäng ern),  .  ,  .  sollen  alle  vergeben  und 
vergessen  sein  S.  Grukaü  preusz.  chron.  2,  303;  Seras,  ein 
beschützor  und  günstiger  Ecii  {eines  Arianers),  der  saget, 
dasz  disz,  was  biszher  unbewiszt  und  auch  den  aposteln 
verhalten  worden,  yhm  wer  eröffnet  S.  Fbanck  chron. 
zeytbuch  {15S1)  436*>.  —  günstigkeit,/.,  idem  g-wod  gunst 
benevolentia,  Studium,  dementia  Stieler  685;  in  neuerer 
zeit  anstelle  von  gunst  C  4,  bes.  innerhalb  der  gruppe  günstig 
A  4,  5,  B  2 :  die  günstigkeit  des  angebots,  der  läge,  des 
klimas.  in  unklarer  bedeütung  schon  1476  gunstekeyt  bei 
Diefenbach  n.  gloss.  2Q3^. 

GÜNSTIGLIGH,  adv.,  vereinzelt  auch  adj.;  von  günstig, 

"  durch  dessen  adverbialen  gebrauch  es  im  lauf  des  17.  jh.  ab- 
gelöst wird  {s.  d.  B),  aber  zuweilen  auch  im  18.  jh.  noch  be- 
legt. —  die  bedeütung  bleibt  fast  ganz  auf  den  bereich  von 
günstig  B  1  beschränkt:  günstiglich  favorabiliter  Cale- 
PiNtrs  Alling.  (1598)  551»;  freundlich,  günstiglich,  mit 
liebe  amanter  Decimator  thes.  (1608)  75'>';  günstiglich  bene- 
vole  Steinbach  dtsch.  wb.  l,  620:  bürgerliche  gesetze,  die 
kommen  günstiglich  zu  hülff  den  armen  weisen  J.  Barth 
weiberspiegel  (1565)  n  ö*'; 

ist  auch  mein  sin,  gemüedt  und  hertz 
euch  günstiglich  also  geneiget 

J.  Ayker  dramen  5,  3287  lü.  ver.; 

endlich  wird  dem  sommer  von  dem  umbstehenden  volck 
.  .  .  der  sieg  günstiglich  zugesprochen  J.  Prätorius 
Blockesberges  verricht.  (1668)  478;  hab  ich  .  .  .  ehrlichen 
bergleuten  .  .  .  günstigklich  verehren  wollen  Mathesius 
Sarepta  (1571)  3^  {vorrede);  in  besonderem  sinne:  so  hat 
doch  ain  ersamer  rat . .  .  beschehne  f  ürbitt  angesehen  und 
ime  {dem  ausgewiesenen)  die  stat  wider  gonstiglich  {auf 
dem  gnadenwege)  eröffnet  (a.  d.  j.  1542)  chron.  d.  dtsch. 
Städte  33,  430.  —  wie  günstig  B,  günstlich  gern  mehr  oder 
weniger  formelhaft  als  Umschreibung  eines  ausdrucken  des 
'geruhens'  {vgl.  das  heutige  gütigst):  wan  uns  der  bischof 
zu  Brichsen  .  .  .  günstikleich  und  mit  aller  Schönheit,  die 
darzu  gehört,  verliehen  hat  alle  lehen  {a.  d.  j.  1400)  quelle 
bei  SiNNACHER  beitr.  zur  gesch.  d.  bischöß.  kirche  Säben  u. 
Brixen  (1821)  6,  12;  untertenig  dancksagung,  .  .  .  das  sy 


in  so  gütiglich  und  günstiglich  gehört  haben  Luther  7, 
856  W.; 

ach  edler  herr,  wir  alle  vier 

haben  ein  grosse  bitt  zu  dir, 

wölst  die  anhörn  günstigklich 

H.  Sachs  12,  80  lit.  ver.; 

inen  solche  regierung  .  .  .  gunstigklichen  zu  vergunnen 
(16,  jh.)  chron.  d.  dtsch.  städte  34,  384;  die  will  ich  höchlich 
gebetten  haben,  dasz  sie  günstiglich  erkennen  und  be- 
dencken  wollen  Weckherlin  ged.  l,  295  lit.  ver.  —  adjec- 
tivischer  gebrauch  ist  selten  und  begegnet  nur  prädicativ: 
und  wellet  ewch  ...  so  günsticlich  darynnen  beweisen 
(a.  d.  j.  1483)  chron.  d.  dtsch.  städte  10,  36;  dencke  der  rat, 
sich  mit  zymlicher  vererunge  gegen  ime  gonstiglich  zu 
bewysen  (a.  d.  j.  1493)  bei  K.  Bücher  Frankf.  berufswb. 
106"; 

yetz  aber  scheinst  du  (Fortuna)  mir  gantz  ertig, 
so  günstigklich  mit  deinen  gaben, 
das  ich  forthin  gut  rhu  wil  haben 

H.  Sachs  1,  439  lü.  ver.; 

im  18.  jh.  erscheint  auch  hier  die  bedeütung  von  günstig 
B2: 

(welchem  beim  spiel)  immer  die  karte  günstiglich  fiel 

KOKTüM  Jobsiade  (179Ö)  1,  41. 

GÜNSTLEIN,  n.,  eig.  'eine  kleine  gunst';  im  sinne  von 
gunst  C  2 :  wo  sie  {die  hennen)  etwa  bey  ihren  buhl- 
schäftger  ein  günstlein  genossen,  oder  vermeinen  etwa 
ein  süszes  blickgen  eingeschlückert  zu  haben,  so  können 
sie  .  .  .  das  maul  nicht  halten  und  müssen  solches  allent- 
halben ruhmräthig  auskachlen  Lindenborn  Diogenes 
(1742)  2,  380.  redensartlich:  des  günstleins  spielen  dicitur 
de  judice  affectibus  indulgente,  vulgo  partialem  esse,  par- 
teyisch  seyn  Stieler  stammb.  684*' :  das  die  richter  nit  miet 
und  gab  nemen,  des  günstleins  spilen  und  die  schuldigen 
vor  den  unschuldigen  gefüdert  werden  Aventin  s.  w.  5, 
103;  aber  die  sün  {Samuels)  .  .  .  hetten  das  gelt  lieber  dan 
die  gerechtikait,  spilten  des  günstleins,  waren  verdacht 
richter,  verkerten  das  götlich  recht  ebda  4,  202;  4,  1173, 
vgl.  auch  günstlichs  spielen  sp.  1137;  izo  aber  get  es  nur 
nach  dem  gunstlen  zue,  es  fürdert  nur  freund  den  freund 
Aventin  s.  lo.  l,  249;  wardt  gross  untrew  gespilt  und 
gieng  günstleins  zue  fortsetzer  von  ü.  Füetrer  bair.  chron. 
268  Spiller.  —  günstler,  m.,  günstling,  Schützling: 

und  wenn  auch  war  des  gröszten  königs  günstler 

ein  dichter  D.  v.  Liliencron  w.  (1904)  9,  35. 

in  anderer  bedeütung  als  zweites  compositionsglied  in  her- 
rengünstler,  s.  teil  4,  2  sp.  1139. 

GÜNSTLICH,  adj.  und  adv.;  ableitung  von  gunst,  zu- 
sammen mit  günstiglich  {s.  d.)  den  adverbialen  gebrauch 
von  günstig  bis  ins  16.  jh.  ersetzend;  doch  schon  mhd.  auch 
adjectivisch  gebraucht,  in  beiden  anwendungen  wird  günst- 
lich während  des  16.  jh.  von  günstig  verdrängt,  reicht  aber 
vereinzelt,  zumal  in  formelhafter  spräche,  bis  in  das  19.  jh.  — 
zur  form  geunstlich  J.  v.  Watt  dtsch.  sehr,  l,  7  s.  bei 
günstig  sp.  1127.  das  mnl.  hat  formen  ohne  präfix:  on- 
steleke,  unstelech  Verwijs-Verdam  5,  948. 

1)  wohlgesinnt,  liebreich,  gnädig;  als  attribut  zu  persön- 
lichen beziehungsworten  {entspr.  günstig  A  l)  nicht  belegt; 
sonst  deckt  sich  der  gebrauch  völlig  mit  dem  von  günstig  A  2 
und  3  {s.  d.): 

(Saturnus)  ist  gewaltic  unde  guot, 
swer  im  hat  gunstlichen  muot, 
des  sselden  wird  er  ein  gewer 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  244, 12  Pfeiffer; 

mit  günstlichem  herzen 
wünsch  ich  dir 
ain  vil  guet  jar 
zu  disem  neu 

Oswald  v.  Wolkenstein  74,  1  Schatz; 

daz  sl  warn  im  zügewant 
in  gunstllchlr  pflichte 

Nicolaus  v.  Jekoschin  7383  StrefUke; 

und  hab  ain  milte  gunstlich  anhangen  an  got  Tauler 
sermon.  (1508)  c  7'';  wij  dancken  u  sere  uwes  gunstelijcs 
briefs  {um  d.  j.  1373)  Steinhausen  pyrivatbriefe  1,  15;  mit 
hilf  günstliches  gelaites  Steinhöwel  dar.  mul.  16  lit.  ver.; 


1137 


GÜNSTLICH  -  GÜNSTLING 


GÜNSTLING 


1138 


unsem  gunstlichen  gras  bevor  (schreiben  des  Herzogs  v. 
Bayern  an  die  stadt  Augsb.  a.  d.  j.  1398)  chron.  d.  dtsch. 
Städte  i,  197;  Ried?:rer  rhetor.  (1493)  r  5^;  verhandl.  über 
Thomas  v.  Absberg  130  lit.  ver.;  freundlichen  dienst  und 
gunstliche  furdrung  bevor  {um  1500)  böhm.  bergrecht  2,  474 
Zycha;  bisz  glück  ihnen  ergehn  würde,  welchs  so  günstUch 
sich  endtlichen  erzeigt,  das  dieses  schiff  zu  land  käme 
Amadis  1,  178  lit.  ver.  —  synonym  erscheinen  begriffe  des 
helfens:  dar  tho  unser  eyn  den  anderen  ghunstlich  und 
forderlich  sin  schal  (bündnisacte  a.  d.  j.  1450)  Hoyer  ur- 
kxirulenb.  306  Hodenberg ;  {die  obrigkeit  von  Soest  soll  den 
eingesetzten  richterlichen  behörden)  to  aller  redelicheit 
gunstlik,  behulplik  und  bistendich  syn  {a.  d.  j.  1434)  wrM6. 
zur  landes-  und  rechtsgesch.  V/estfalens  3,  73  Seibertz.  'par- 
teiisch' {vgl.  gunst  B  5):  so  ver  die  dorfmeister  .  . .  sollichen 
.  .  .  rechten  und  strafungen  gegen  einer  oder  mehr  günst- 
lichen  und  verdächtlich  befunden  wurden  {hs.  von  1805) 
tirol.  weist.  3,  158;  substantiviert  im  genitiv  in  der  redensart 
günstiichs  spielen  {^(/i.  des  günstleins  spielen  oben  sp.  1136): 
{die  rate)  möchten  dester  minner  pracktiken  machen  und 
alfantz  und  aigennutz  suechen  und  dester  minner  günst- 
iichs Spillen  fortselzer  von  U.  Füetrer  bair.  chron.  260 
Spiller. 

ähnlich  adverbial  {vgl.  günstig  B  1);  mit  gutem  willen, 
günstlich  benevole  Frisius  dict.  (1556)  162^: 

do  inflenc  in  die  rtchc  (königin) 

harde  gunsteliche  könig  Rother  3182  Bahder; 

die  Bund  ich  haiss,  die  sünd  ich  rat, 
die  sUud  ich  iieb  und  leich  ir  stat 
gUnstlicb  (nur  allzugern) 

Oswald  v.  Wolkenstein  106,  27  Schatz; 

und  baden  daz  gunstlich  zu  versteen  und  uffzunemen 
(o.  d.  j.  1438)  Frankf.  reichscorrespondenz  1,  423  Janssen; 
im  sinne  von  gunst  B  1  c : 

pei  ainer,  der  ich  nacht  und  tag 
günstlich  mit  guetem  herzen  pflag 

Oswald  v.  Wolkenstein  11, 14  Schatz. 

in  besonderem  sinne:  wanne  se  aver  dat  selve  {geliehene) 
ghelt  willet  weder  hebben  .  •  .,  so  scole  we  en  dat  weder 
gheven  günsteliken  {d.  i.  'gütlich,  gutwillig')  {a.  d.  j.  1325) 
urk.  z.  gesch.  d.  herz,  von  Braunschw.  1,  227  Sudendorf.  wie 
günstig  und  günstiglich  gern  in  Umschreibung  des  begriffes 
'geruhen':  dasz  e.  w.  ihm  solches  günstlich  wolle  gefallen 
lassen  Melanchthon  opera  5,  54  Breischneider;  euch 
fleiszig  zu  bitten,  mir  ein  gab  und  schenckin  günstlich 
zustellen  und  nicht  versagen  wollet  Amadis  1,  118  lit.  ver.; 
darauf  die  gedachten  .  .  .  obleut  sich  der  sache  gunstlich 
und  willig  unterfangen  (18.  jh.)  tirol.  weist.  3,  326. 

2)  wohlgefällig,  beliebt  (vgl.  gunst  B  6;  günstig  A  6);  plau- 
sibilis  loblich,  günstlich,  yederman  angenäm  Frisiüs  dict. 
(1556)  lOll^:  der  ander  stein  ist  ein  saphir,  und  den  hat 
dir  zugelegt  der,  der  gunstliche  ding  dir  redet  in  deinem 
angesicht(/avom6i7m  loquebatur)  puch  d.  himl.  Offenbarung 
d.  hl.  Birgitte  (1502)  a  i'"';  (das  vorbildliche  leben  mancher 
geistlichen)  ist  zwar  an  obgemelten  mennern  .  . .  ein  lob- 
lich und  geunstlich  möncherei  gewesen  J.  v.  Watt  dtsch. 
sehr.  1,  7;  der  handel  (näml.  der  kreuzzug)  was  wol  günst- 
lich (wurde  begrüszt),  .  .  .  der  auszgang  aber  und  das  end 
bezeuget  leider,  dasz  diss  hitzig  f  ürnemen  nit  gut  gewesen 
ebda  1,226.  —  günstlichkeit, /.,  wohlwollen,  liebe: 

dann  komt  er  (Jesus)  voller  günstlichkeit 
und  thut,  eh  sle's  gedänken, 
zu  mehrung  ihrer  seeligkeit 
gantz  reichlich  sie  beschenken 

Angelus  Silesius  sintü.  beseht.  (1675)  108. 

GÜNSTLING,  m.,  der,  der  bei  jemandem  in  gunst  steht, 
gegen  ende  des  17.  jh.  aufkommende  Verdeutschung  des  frz. 
favori,  neben  der  seit  dem  frühen  18.  jh.  liebling  belegt  ist, 
s.  teil  6  sp.  972 :  günstUng  un  favorit,  cliens  vjb.  i.  dreyen 
spr.  (Genf  1695)  152 *;  favorite  eines  günstling  Wächtler 
manual  (1703)  134;  günstling  acceptu^,  qui  apud  aliquem 
in  magna  gratia  est  Steinbäch  dtsch.  wb.  l,  620. 

1)  das  wort  erscheint  zuerst  und  vor  allem  in  der  sphäre 
von  gxmst  B  3  a,  'liebling,  Schützling  eines  mächtigen,  für- 
IV.  1.  6. 


sten':  könig  Jacobus  in  Engelland  hatte  einen  favoriten 
oder  günstling  namens  Overbury,  welcher  von  natur  so 
aufgeblasen  und  stoltz  war,  dasz  er  einen  jeden  .  .  .  neben 
sich  verachtete  und  gar  schimpflich  hielt,  aus  eitelem  ver- 
trauen auf  des  königs  gnade  Erasm.  Francisci  lustige 
Schaubühne  2  (1671)  545;  in  den  äugen  der  meisten  schö- 
nen ist  der  günstling  eines  monarchen  allezeit  ein  Adonis 
Wieland  Agathon  (1766)  2,  217; 

der  könig  schenkt  dem  Gyges,  seinem  günstling, 
die  schöne  sclavin,  die  ihm  wohl  gefälltl 

Hebbel  w.  3,  276  Werner; 

der  monarch  eine  art  von  gefangenen,  der  keinen  schritt 
thun  kann,  ohne  dasz  seine  günstlinge  es  wissen  Nicolai 
reise  (1783)  5, 198.   meist  mit  stark  geringschätzigem  geholt: 

du  weiszt  mit  welcher  kunst  der  niedre  günstling  heuchelt 
theater  der  Deutschen  (1768)  1,  140; 

die  übermüthigen  günstlinge  ...  in  das  nichts  zurück- 
zustoszen  G.  Forster  s.  sehr.  (1843)  6,  30l;  verschnittene 
und  günstlinge  J.  v.  Müller  5.  w.  (ISIO)  l,  17l;  (der  mi- 
nister) hatte  sich  aus  dem  pöbelstand  zu  seinem  ersten 
günstling  emporgeschmeichelt  Schiller  2,  103  G.;  immer 
entreiszt  euer  letztes  Stückchen  brot  dem  hungernden 
kinde  und  gebt  es  dem  hunde  des  güustlings !  Fichte  s.  w. 
(1845)  6,  7; 

der  grosze  stürzt:  seht  seinen  günstling  fliehen 

Shakespeare  3,  251 ; 

die  alten  günstlinge  am  hof 
sind  unbeachtet  wie  verjährte  moden 

TlKCK  sehr.  (1828)  3,  271. 

auch  im  sinne  von  gunst  B  3  d:  so  sehr  er  auch  ein  günst- 
ling des  Volks  war  Akchenholz  Engl.  u.  Ital.  (1785)  1,  2, 
500;  (Homer)  nicht  blosz  der  einseitige  günstling  eines 
Stammes,  sondern  der  dichter  aller  Hellenen  Fr.Schleqel 
8.  w.  (1846)  3,  149;  auch  er  (Euripides)  ist  das  geschöpf 
so  wie  der  günstling  seiner  zeit  Göthe  IV  35, 193  W. 

2)  auszerhalb  dieses  anwendungsbereiches  waltet  das  be- 
deutungsmoment  des  hegenden  Schützens  und  förderns  vor, 
während  der  abschätzige  accent  seltener  bewuszt  wird:  (der 
erbe)  war  der  letzte  und  jüngste  jener  günstlinge,  an  deren 
gewandtheit  und  Wohlergehen  sie  (die  alte  Händlerin)  ihre 
freude  gehabt  hatte  G.  Keller  ges.  w.  1,  80; . 

Apollo  schmäuchelt  sich,  dasz  er  dein  günstling  ist 

(an  einen  mäcen)  Gottsched  ged.  (1751)  1,  374; 

günstlinge  der  götter  Wieland  Agathon  (1766)  1,  266;  er 
ist  ein  liebhaber  und  ein  günstling  der  musen  1,  144; 
(sagen,  die)  die  Aphrodite  mehr  denn  einmal  für  ihre 
günstlinge  hochzeitsäpfel  vom  golderfüllten  bäum  ab- 
pflücken .  .  .  lassen  E.  Gerhard  akadem.  abhandl.  (1866) 
1,  85.  bildlich  von  glück,  natur  u.  a.  personificiert  gedachten 
Schicksalskräften:  ein  günstling  des  glucks  sehnte  sich,  die 
unaussprechliche  natur  zu  umfassen  Novalis  sehr,  i,  44 
Mi7ior; 

ein  mörder,  stadt-  und  landverrähter, 
wo  er  nur  dein  (des  glückes)  günstling,  heiszt  ein  held 
Weichmann  poesie  d.  Niedersachs.  (1721)  2,  320; 

des  körpers  schöne,  ein  offnes  sclireiben, 
das  die  natur  dem  günstling  gewährt 

Gaudy  s.  w.  (1844)  4,  35; 

und  jeder  fühlt  an  deiner  holden  seite 

sich  augcnblicks  den  günstling  des  geschickes 

Göthe  3,  25  W.; 

dem  günstlinge  der  Weisheit  M.  Mendelssohn  ges.  sehr. 

(1843)  5,  285. 

3)  seltener  sind  belege,  in  denen  das  moment  der  materiellen 
Hilfeleistung  zugunsten  desjenigen  einer  innerlichen  gemüts- 
beziehung  zurücktritt  (vgl.  dagegen  liebling,  das  diese  be- 
deutung  reich  entwickelt  hat):  der  major  .  .  .  suchte  gleich 
nach  tische  seinen  alten  günstling  (einen  Jugendfreund) 
allein  zu  sprechen  Göthe  24, 271  W.;  doch  die  allzu  zärt- 
liche liebe  der  mutter  willigte  nie  ein,  ihren  einzigen  günst- 
ling, den  söhn,  . . .  von  sich  zu  lassen  A.  G.  Meiszner 
Alcibiades  (1781)  1,  71;  und  da  in  dem  stücke  selbst  sehr 
viel  getrunken  und  angestoszen  wurde,   so  war  nichts 

72 


1139 


GÜNSTLINGIN  -  GUNT 


GUNTELKRAUT  -  GÜNTER 


1140 


natürlicher,  als  dasz  die  gesellschaft  {von  Zuschauern)  . . . 
gleichfalls  anklingte  und  die  günstlinge  unter  den  han- 
delnden personen  hoch  leben  liesz  Göthe  21,  198  W.; 
{unter  den  Heren)  war  einer  seiner  günstlinge  ein  schnarren- 
der, purpurflügliger  Springer  Stifter  s.  w.  (1901)  1,  176; 

dasz,  wenn  etwa  ein  träum  Ziliens  wimper  küszt, 
du  nur  säumend  den  günstling  (d.  h.  diesen  träum)  scheuchst 
(an  den  Westwind)  Overbeck  verm.  gcd.  (1794)  126; 

ich  bin  und  bleibe  einmal  der  frauen  günstling  Göthe 
IV  5, 127  W.;  {er  war)  besonderer  freund  und  günstling 
der  frauen  Savigny  gesch.  d.  röm.  rechts  4,  329;  {der)  rühm, 
für  günstlinge  und  schoszkinder  des  frauenzimmers  an- 
gesehen zu  werden  Schwabe  belv^tigungen  (1741)  2,  75. 
in  diesem  sinne  vereinzelt  auch  von  sachlichen  ob  jeden:  {die 
reinheit  der  form)  gibt  einem  solchen  antlitz  einen  adel 
der  linien,  der  es  zum  günstüng  der  plastik  erheben  muszte 
JusTi  Winckdmann  (1866)  2,  2,  153;  jedoch  die  haube 
a  l'aventure,  die  musz  ihr  günstling  seyn  Sonnenfels 
ges.  sehr.  (1783)  2,  216;  {ich  umnsche),  dasz  sie  sich  {unter 
den  gedichten)  einige  günstlinge  aussuchen  mögen  Göthe 
IV  13, 182  W,  für  die  Zusammensetzungen  {s.  an  alphabet. 
stelle)  wird  dieser  gebrauch,  anders  als  bei  lieblings-  {s.  teil  6 
sp.  973),  nicht  von  bedeutung.  —  günstlingin,  /.;  die 
königin  theilte  ihren  {l.  den)  schmerz  ihrer  günstlingin, 
aber  noch  wagte  sie  nicht,  ihren  hasz  ausbrechen  zu  lassen 
Geiser  A.  v.  Kotzebue  (1802)  200;  da  sie  {die  zofe)  die 
günstlingin  der  gn.  frau  war  J.  Thim.  Hermes  /.  töchter 
edler  herkunft  l,  146; 

es  sind  fünf  jähre  nun, 
da  Ich,  noch  selber  eine  günstlingin 
des  glucks,  in  niedern  sclavenstand  euch  sab 

Schiller  13,  462  O. 

entsprechend  dem  frz.  favorite  die  geliebte  eines  für sten:  die 
wähl,  ...  ob  ich  verstohlen  sündigen,  oder  als  erklärte 
günstlingin  {maitresse  des  herzogs)  mit  meiner  schände 
pralen  wolle  A.  G.  Meiszner  Bianda  Capello  (1785)  267; 
{Alexander)  hätte  auch  mit  so  vielen  andern  königen  ein 
weichliches  und  dunkles  leben  mit  günstlingen  und  günst- 
linginnen durchschwelgen  können  E.  M.  Arndt  geist  d. 
zeit  2  (1813)  312;  seit  jenen  Zeiten,  wo  die  günstlingin 
Maria  den  hof  tyrannisierte  Gerviküs  gesch.  d.  dtsch. 
dicht.  (1853)  2,  299.  —  günstlingschaft,  /.,  beliebtheit, 
einflusz:  zum  mindesten  dürfte  es  um  seine  günstling- 
schaft gethan  sein  MusÄus  volksmährchen  (1853)  255;  des 
künstlers  günstlingschaft  beim  grafen  Jean  Paul  w. 
45-47,  195  Hempel.  'günstlingswesen':  von  den  vorfahren 
des  königs  sei  man  dergleichen  günstlingschaft  nicht  ge- 
wohnt FÜRST  Pückler  briefw.  u.  tageb.  (1873)  5,  394. 
s.  auch  günstlingsschaft.  —  günstlingsherrschaft,/.; 
begann  ein  System  von  f amilien-  und  günstlingsherrschaft 
Gervinüs  gesch.  d.  19.  jh.  (1855)  7,29.  —  günstlings- 
natur,  /.  H.  Laube  ges.  sehr.  (1875)  2,  71.  —  günst- 
lingsregiment,  n.:  im  stillen  ein  günstlingsregiment 
geführt,  das  ganze  land  in  parteien  gespalten  W.  H.  Riehl 
gesch.  aus  alter  zeit  (1863)  1,  198.  —  günstlingsschaft, 
/.,  in  collectivem  sinne:  einflüsterungen  der  höfischen 
günstlingsschaft  L.  Häuszer  dtsch.  gesch.  (1854)  1,  378, 
6.  atich  oben  günstlingschaft.  —  günstlingswesen,  n.: 
{die  hofleute  unssen)  dasz,  wenn  das  günstlingswesen  ein- 
mal bedürfnis  geworden  ist,  die  reihe  auch  an  sie  kommen 
kann  Fr.  M.  Klinger  w.  (1809)  ll,  73.  —  günstlings- 
wirtschaft,/..-  die  günstlings-  und  maitressenwirtschaft 
MoMMSEN  red.  u.  aufs.  (1905)  193. 

GUNT,  m.  und  f.,  auch  gunte,  gunten;  ahd.  gumpito; 
frühmhd.  gunbet;  wie  gumpe  {s.  d.)  bezeichnung  für  eine 
höhlung:  du  got  uuirfest  sie  in  dia  buzza  dero  ferlorni,  in 
stagnum  gehenne  ignis  {interlinear glosse:  in  den  gumpiten 
helle  fiuris)  Notker  2,  211,  3  P.  {psalm  54,  24);  'Vertiefung 
im  fiuzsbett,  teich,  gröszere  lache^ :  es  soll  in  der  Rüss  noch 
in  allen  andern  giessen  und  gunten  im  land  niemand 
fachen  by  verlierung  des  fischerzügs  Verordnung  von  1607 
bei  Staub-Tobler  2,  384,  vgl.  gurges  ein  wassergunte  oder 
gompen  oder  grosze  tiefe  eines  flusses  Frisius  (1556)  614*', 
sowie  gunde,  m.,  deminutiv  gidle  'wasserstauung^  Fischer 
achwäb.  6, 2080,    gunne,  /.,    grübe,    Vertiefung    {tirolisch) 


Frommanns  zs.  5,  444,  vor  allem  ^hochtal,  hochmulde  im 
gebirge\  zuältest  als  gunbet  in  gemeinengunbet  (1059) 
in  einer  regeste  bei  Baumann  gesch.  d.  Allgäus  l,  593 ;  der 
Tegelbach  {flieszt)  von  diesem  in  den  markstein  zu  endt 
des  gunten  quelle  von  1595  bei  Fischer  schwäh.  3,  924; 
noch  bis  heute  in  zahlreichen  flurnamen  besonders  des  All- 
gäus z.  b.  Hochgundspitze,  Güntlealpe,  Gundsbach,  Küh- 
gund,  Roszgund,  der  wilde  Gund,  starkets  Gund  u.  o., 
s.  K.  Gruber  in  philolog.  und  volkskundl.  arbeiten  Karl 
Vollmöller  dargeboten  (1908)  327;  Birlinger  in  Alemannia 
8(1880)143;  Schmeller-Fr.  1,920,  vgl.  auch  tirolisches 
gungk,  /.,  Weideplatz  zwischen  hügdn  Schöpf  224.  iden- 
tisch ist  ndd.  gunte  groszer  zuber  Bauer-Collitz  Waldeck, 
wb.  4,2^,  das  ein  gumpe  in  derselben  bed.  neben  sich  hat,  s. 
8p.l099;  demin.:  gunteke  merenga  {vgl.  Diefenbaoh  357c), 
cimbr{i)a  {d.  i.  vas)  in  vocab.  öciSchiller-Lübben  2,167; 
ichteswelke  gunteken,  dar  men  in  den  gyltscoppen  ut 
plecht  to  schenken  Halberstädt.  urk.  v.  1492  ebda  6,  146*>; 
eynen  veregeden  disch . . .  hef  t  gegeven  Hans  Adam ; ...  item 
de  alderman  Olrik  .  .  .  eyn  dislaken  unde  gele  hantwelen; 
.  . .  item  S.Johannes  {d.  i.  die  s.  Johannesgildschaft)  heft 
xn  gunteken,  item  ii  grote  vatbodden  unde  seyvat  (a.  d. 
j.  1464)  urkdenb.  der  stadt  Halberstadt  2,  284  Schmidt.  — 
das  wort  stammt  aus  *cumbeta  (/rz.  combette),  einer  Weiter- 
bildung von  ndat.-gall.  cumba  'toZ;  gefäsz'  (Holder  alt- 
celtischer  Sprachschatz  l,  1189;  Meyer -Lübke  2386), 
woraus  gumpe  {s.  d.)  K.  Grüber  a.a.o.  327;  Birlinger 
o.  a.  0.  142/.,  Behaghel  t»  Wörter  u.  sach.  2,  61;  gesch.  d. 
dtsch.  spr.^  111 ;  2M  dem  ursprünglichen  lautbestand  stimmen 
formen  wie  kumbitzi  urk.  von  1450  bei  Staub-Tobler  3, 
290;  gommetten  ebda  3,  291. 

GUNTELKRAUT,  n.,  platanthera  bifolia,  orchis  bi- 
folia,  kuckucksblume  Staub-Tobler  3, 893 ;  Bühleb  Davos 
2,  10;  vielleicht  so  benannt  wegen  des  langen  blütensporns, 
der  mit  einem  gunten  {s.  u.)  verglichen  wurde,  s.  Staub- 
Tobler  a.  a.  o. :  erdmoos-  oder  güntelkrautblühe  gedörret 
wird  von  herrn  Camerario  sehr  wider  den  stein  gelobet 
v.  Hohberg  georg.  curios.  aucta  3(1715)  l,  428^, 

GUNTEN,  m.,  schweizerisches  wort,  bezeichnung  eines 
eisernen  keils,  der  in  gefällte  bäume  getrieben  wird,  um 
an  ihm  eine  handhabe  zum  fortschleifen  zu  gewinnen,  s. 
Staub-Tobler  2,  382  mit  belegen.  —  guntlen,  vb.,  ab- 
leitung  von  gunten,  m.,  holz  fortschleifen:  das  brönnholz 
guntlen  quelle  von  1433  im  schweizer,  geschichtsfreund 
11,  208. 

GÜNTER,  m.,  teil  des  dickdarms:  das  klein  gedärm 
bisz  zum  groszen  günter  J.  Dryander  arzenei  (1542)  lö*' 
{hessisch) ;  das  colon  oder  gunter,  so  für  das  f ünffte  {stück 
des  gedärms)  gezehlet,  bedeckt  den  magen  .  . .  und  den 
grosten  theil  der  leber,  ist  auff  den  seyten  voller  falten 
und  winckel  Uffenbach  neues  roszbuch  (1603)  1,  130;  der 
pferde  günter  oder  darm  ebda  2,  175;  eine  darmwurst: 
faliscus  vel  venter  faliscus  der  ghünter,  gefüllter  mag, 
sewsack,  faliscorum  inventum  Alberus  nov.  dict.  gen. 
(1640)  E  e  3=^;  goniei  faliscus  ebda  bb  3'>';  {ein  dreschvers,) 
den  die  alten  bauern  auf  den  günther  oder  die  endwurst, 
auch  die  magenwurst  (die  man  eigentlich  erst  im  sommer 
essen  darf)  gemacht  haben  .  .  . : 

im  Winter 

mein  günther 

da  drischt  man  das  körn, 

wenns  kalt  ist, 

nicht  alt  ist, 

lasz  ich  dich  ung'schorn 

E.  Wagner  «.  sehr.  10  (1828)  168. 

das  wort  ist  noch  heute  in  hessischen  und  in  benachbarten 
gebieten  geläufig:  günter  magen,  bauch,  mastdarm  des 
Schweins,  daher  günterwurst  die  in  den  mastdarm  gefüllte 
leberumrst,  Schwartengünter,  auch  günter  schlechthin 
YihiiAB,  Kurhess.  140;  günter  gefüllter  und  dann  gepreszter 
Schweinsmagen  Crecelius  oberhess.  444;  günter  teil  des 
Schweinedarms,  der  mit  leberwurst  oder  schwartenmagen 
gefüllt  wird  Hofmann  niederhess.  111*;  göntert  unge- 
wöhnl.  breiter,  kurzer  sack;  herausgenomm.  magen  eines 
Schweines;    der  dicke  freszbauch  eines  kindes   Schmidt 


1141 


GUNTERFECH-GUPF 


GÜPFEL-GURFEI 


1142 


westerwäld.  id.  68,  vgl.  auch  güntereck  das  dickste  darm- 
ende des  Schweines  Baueb-Collitz  waldeck.  42.  —  her- 
kunft  zweifelhaft,  verwandt  mit  keutel,  kutteln  und  kunte 
(teil  5,  2901)  und  an  den  fersonennamen  angelehnt?  abzu- 
lehnen ist  Weigands  Zusammenstellung  mit  ksl.  jetro, 
polab.  jötra  'leber\  jötreneica  HeberwursV  Weigand-Hirt 
1,  780. 

GIINTERFECH,  n.,  gunderfei(n)  s.  conterfei  teil  2 
sf.  635,  kunterfei  teil  5  sp.  2745,  kunterbunt  ebda  2745/. 

GUNZEL,  günzel,  m.,f.,  sieh  gunsel,  günsel  sp.  1103. 
GÜNZELGEVATTER,/.,  ähnlich  wie  gummel,  gumsel 
(».  d.)  von  einem,  schwatzhaften  weib: 

(der  mann:)  dein  alte  günczel  gfater  hastu  (die  frau), 
die  dir  heimlich  tregt  ab  und  zu 

H.  Sachs  lastnacMsp.  7,  104  Götze. 

GUPF,  gupfe,  m.,  gupfe,  /.  kuppe,  spitze,  gipfel. 

entweder  entlehnt  aus  lat.  cuppa  oder  echt  germ.  wort  zur 
Wurzel  gheub(h)  'biegen',  s.  Walde- Pokorny  1,  567  u. 
561,  V.  Friesen  germ.  mediageminatorna  (1897)  43.  unver- 
schobene  formen  gupe,  guppe,  guppen  u.  a.  s.  Lexer  1, 
1124;  Fischer  schwäb.  6,  2081;  Staub-Tobler  2,390/./ 
rhein.  wb.  2,  1495.  der  bei  Staub-Tobler  a.  a.  o.  an- 
genommene ablaut  mit  gipfel  ist  lautlich  unmöglich,  dies 
vielmehr  aus  güpfel  entrundel.  das  masc.  mit  starker 
flexion  überwiegt;  bei  schwacher  form  ist  das  genus  zu- 
weilen unsicher,  z.  b.  Parz.  161,  24;  Hartlieb  Cäs.  v. 
Heisterb.  105  («.  u.  1). 

1)  etwas  hervorstehendes  mit  meist  runder  spitze  be- 
zeichnend, vgl.  kuppe,  koppe ;  nur  in  Oberdeutschland  ver- 
breitet: 

hin  geln  dem  abent  er  dersach 
eins  turnes  gupfcn  unt  des  dach 

Parz.  161,  24  L.; 

ein  hutt,  der  nicht  spiczig  was  noch  ein  gApphen  hett 
(non  acuminatus)  Habtlieb  Cäs.  v.  Heisterb.  105  Drescher; 
ihre  hüte  sind  flach  und  haben  in  der  mitte  eine  gupfe, 
wie  sie  in  Thessalien  .  .  .  üblich  Winckelmann  sämtl.  w. 
(1825)  9..  585;  sein  hut  hatte  keinen  hohen  gupf,  desto 
breiter  war  der  schirm  J.  Gotthelf  ges.  sehr.  (1855)  21,  1; 
{hut)  mit  hohem  .  .  .  gupfen  Hansjakob  bauernblut  (1896) 
262; 

wenn  man  mit  bysam  bstrelcht  die  gupffen 
des  haubts,  so  vertreibt  es  die  schnupflen 

H.  Sachs  16,  512  lit.  vor.; 

{er  stieg)  ufE  den  gupf  des  felsen  Öheim  Reichenauer  chron. 
81  Barock; 

(du)  hattest  dir  auch  gäntzlich  vorgenommen 
bisz  auff  die  gupffen  gar  am  HeUkon  zu  kommen 

BOMPLER  V.  LÖWBNHALT  cTstes  gebüsch  (1647)  127 ; 

umbo  gupf  am  bugler  {am  schilde)  voc.  opt.  32  Wacker- 
nagel; die  besten  pauken  {pocken)  sind,  die  nit  sehr  hart 
sein  und  keren  die  güpfen,  das  ist  reife  orth  zum  altern, 
under  sich  und  nit  zwygüpfet,  das  ist  an  zweien  orten 
wollen  aufbrechen  Conradinus  ungerisch  sucht  (1574)  168; 
(e*  sollen  die  baumstämme  nicht)  über  ainen  werchschuech 
von  der  erden  hoch  .  .  .  abgestöckt,  auch  nit  lang 
gupfen  {stumpfe)  gemacht,  sondern  dieselben  samt  den 
afterschlegen,  sovil  des  zu  gebrauchen  ist,  zu  nutz 
gebracht  werden  österr.  weist,  l,  261  u.  ö.;  hierzu:  das 
kupfengraben  {stubbenroden)  ebda  1,  8;  {ein  fuder)  ist 
ein  kegelförmiger  salzstock  .  .  .  der  obere  theil  eines 
fuders  heiszt  der  gupf,  der  untere  hingegen  der  herdt 
V.  LoRi  baier.  bergrecht  641  a;  (perkuffen  sind)  leere  kegi- 
förmige  Zargen,  die  man  auf  den  gupf  oder  spitzigen 
obertheil  stellet  und  mit  salz  einstosset  ebda  643*'  u.  ö.; 
weitere  specielle  Verwendungen  s.  Staub-Tobler  2,  391; 
Fischer  schwäb.  3,  928. 

bair.-österr.  bezeichnet  gupf  besonders  das,  was  über  den 
rand  eines  gefäszes  übersteht:  jedes  warf  lebkuchen,  nüsse, 
birnen  und  allerhand  hinein,  bis  die  schwarze  butten  voll 
war  und  sogar  einen  hohen  gupf  hatte  P.  Rosegger  II 
13,108;  s.  Hügel  Wieyi7i;  bildlich:  {dasz  er  mir)  sein 
ganzes,  wer  weisz  wie  lange  schon  bis  zum  gupf  gefülltes 
herz  vor  die  füsze  schüttet  P.  Rosegger  III  i,  42;  ob- 


wohl 8  glück  bei  dem  bubn  schon  völlig  ein  gupf  gmacht 
hat  Anzengrubeb  ges.  w.  (1890)  l,  253.  «.  auch  *gupfen. 
2)  das  fem.  bezeichnet  mhd.  speciell  einen  helmoberteil 
{entsprechend  dem  hutoberteil,  s,  oben  1)  oder  einen  beson- 
deren köpf  schütz,  letzteres  wohl  in  anlehnung  an  afrz.  coife, 
s.  kuppe  4  e;  mhd.  wb.  1,  857*;  9150': 

(ein  schlag)  den  er  im  twerhs  gap  an  den  heim, 
da  von  sich  diu  gupfe  tränte,  daz  dem  melm 
sie  wart  ze  teile  und  Im  enplozt  daz  houbet 

Lohengrin  v.  5765  Rückert; 

davon  manig  heim  ward  zertrant, 
des  gupffe  gar  zerzerret 

OöUtoeiger  Trojanerkrieg  v.  13185  u.  ö.  Koppüz; 

vgl.  dazu  gueffe,  guffe  eine  weiberhaube  Staub-Tobler  2, 
134;  guflte  verächtlich  für  hut  und  au^ch  für  köpf  Lexeb 
kämt.  127. 

GÜPFEL,  m.,  s.  gipfel. 

^GUPFEN,  vb.  stoszen,  hüpfen,  gleich  isl.  goppa,  schwed. 
guppa  'auf  und  niederhüpfen,  schaukeln'  zur  wurzel 
gheub(h),  s.  Walde-Pokorny  l,  567. 

1)  mhd.  'stoszen'  in  Verbindung  mit  schupfen: 

trut,  du  setze      mich  uz  klage  . . . 
schupfe,  gupfe      leit  hindan, 
wise  mich  Ilse      uf  minnen  ban 

Ulrich  v.  "Winterstettbn  13  Minor; 

geln  der  sunden  wellen, 
die  gehin  und  die  snellen, 
die  uns  dicke  schuppfent 
und  frevllllchen  guppfent 
In  frömede  habe  unser  schlf 

H.  V.  Lanoenstkin  223  Keller. 

2)  in  schweizer,  mundart:  sich  plötzlich  auf  die  fusz- 
spitzen  erheben,  auch:  hüpfen  u.  ä.  Staub-Tobleb  2,  392. 

^GUPFEN,  vb.,  bair.-öst.  'über  den  rand  auffüllen',  ab- 
geleitet von  gupf:  waiz  und  körn  gestrichen,  den  habern 
und  hiersch  aber  gupft  oder  gehäuft  (1572)  österr.  weist. 
10,  197;  auch  10,  234  u.  ö.;  in  mehrerwehntem  kreisgeneral 
von  anno  1570  wirt  der  statt  Steir  alte  gupffte  metzen  zu 
einer  durchgehenden  landmetzen  geordnet  J.  Kepler  5, 
603  Frisch;  umso  stattlicher  wird  bei  jedem  zug  der 
löffel  gegupft  oder  die  gabel  belastet  P.  Rosegger  erinn. 
eines  siebzigjähr.  (1914)  96;  mundartlich,  s.  Unger-Khull 
steir.  312";  LoRiTZAtd.  itenn.  57.  Äierz«  ghupftvoll,  guf t- 
voU  ScHRANKA  Wien.  dial.  68. 

GUPFHUT,  m.,  zu  gupf  Unger-Khull  312*.  —  gupf - 
knöpf,  m.:  da  war  eine  schnür  angefaszter  rasselnder, 
silberner  gupfknöpfe  Stifter  s.  werke  (1901)  2,  132  Sauer; 
s.  auch  Unger-Khull  312*.  —  gupfvoll  Stelzhameb 
ausgew.  dicht.  (1884)  4,  52;  vgl.  ^gupfen. 

GUPPE  s.  gupf. 

GUR,  /.,  s.  guhr. 

GURBE, /.,  speciell  ahm.  'schiffsrippe' :  costae  navium 
gürben,  krumme  höltzer,  so  die  sytenladen  zusamen 
haltend  Frisius  dict.  (1541)  227*;  s.  Kluge  seemannsspr. 
339;  ähnlich  vom  bau  des  hölzernen  pferdes: 

die  gurben  setzten  sie  gowisz 
inwendig,  als  die  rippen  seyn 
WOLFH.  Spangknbeko  anm.  weiszheit  lustg.  (1621)  613. 

soviel  wie  'kurbeV:  {eine  pfeffermühle)  obenher  mit  einer 
eisernen  schüssel,  der  darein  gehörigen  steilschraube  und 
leyer  oder  gurbe  allg.  haushalt.-lex.  (1749)  2,  533*.  s.  im 
übrigen  kurbe  und  kurbel,  teil  5,  2795/.,  sowie  Staub- 
Tobleb  2,  415,  Fischer  schwäb.  4,  863.  vgl.  noch  'plec- 
trum'  gurbel  voc.  opt.  35^  Wackernagel. 

GÜRBEL,  m.,  s.  girbel. 

GURDE,/.,  eingedeutscht  aus  frz.  gourde  'kürbisfletsche' ; 
{wir  füllten)  unsere  mitgebrachten  gurden  mit  frischem 
trinkwasser  C.  Friedrich  vierzig  jähre  (1915)  3,  133;  aitcA 
fachsprachlich  H.  Vollmer  kunstgesch.  wb.  (1928)  99. 

GURFEI,  m.,  eine  pferdekrankheit:  von  dem  gurfei. 
nim  hönig  und  knobloch  .  .  .  und  bindt  es  dem  pferdt 
auf  Albrecht  roszarznei  (1542)  31.  s.  curfiss  oder  gurfeule 
unter  curfes,  sowie  kurfes  3.  wohl  identisch  mit  dem 
folgenden. 

12* 


1143 


GÜRFEL- GURGEL  i 


GURGEL  1 


UM 


GÜRFEL,  gurfel  u.  ähnl,,  m.,  n.,  die  mundfaule  der 
kinder:  die  Voigtländer  nennens  gürfel,  die  Märker  die 
schwämme,  die  gelehrten  die  weisze  brenne  .  .  .  ligt  den 
kindern  auf  der  zungen  oben  im  gaumen  .  .  .  wie  ein 
weiszer  hirso  Coleeus  hausapothek  (1040)  129;  mit  dem 
schindmesser  muszte  man  einem  kind,  das  den  gurfel 
hatte,  dreimal  durch  den  mund  fahren  A.  John  sitte, 
brauch  in  Westböhm.  287.  s.  kurfes,  teil  5,  2805  und 
Fischer  schwäb.  4,  864,  sowie  gorfei  Staub-Tobler  2,  416. 

GURGEL,  /.,  kehle,  luftröhre,  Speiseröhre. 

herkunft,  ausbreitung ,  form. 

ahd.  gurgula  {ahd.  glossen  3,  689,  69,  9./10.  jh.),  gurgela 
(3,71,4,  IB.  Jh.),  gurgulla  (geschr.  gurgutta  ahd.  gl.  3,  362, 
43,  13.  Jh.),  mnl.  gorgel,  mnd.  gorgelstrote.  entlehnt  aus 
lat.  gurgulio,  aus  dessen  i  sich  die  gemination  in  gurgulla 
erklärt,  die  genusdifferenz  von  gurgula  gegen  gurgulio  be- 
ruht auf  einflusz  von  querca,  querchela,  dem  einheimischen 
wort  {vgl.  an.  kverk  /.,  mnd.  querke,  quarke  'gurgeV,  afr. 
querka  'erdrosseln'),  an  dessen  stelle  gurgel  trat.  mlat. 
gurgula,  belegt  als  lemma  in  deutschen  hss.  des  10.-12.  jh. 
{ahd.  gl.  3,  433,  anm.  2;  434,  26;  430,  11),  dürfte  aus  dem 
deutschen  stammen,  doch  vgl.  gargula  'guttur'  du  Gange 
4,  33  (gargula,  gurgula  im  anschlusz  an  gula,  vgl.  aJtd. 
querca  chela  ahd.  glossen  3,  433,  5?)  sowie  gargel  'ein- 
kehlung  am  fasz'  {s.  d.).  —  im  16.  jh.  vereinzelte  männliche 
belege:  der  gurgel  Paracelsus  chirurg.  (1618)  126  Huser; 
den  gurgel  Rachel  24  ndr.  neben  ahd.  gurgula  aus  gur- 
gulio steht  die  form  gurgile  aus  lat.  gurgulium,  das  sich 
in  dem  alem.  gurgele,  n.,  fortsetzen  wird:  gurgulium  gur- 
gile ahd.  gloss.  3,  661  {aus  d.  13.  jh.);  gurgele  Frisius  dict. 
(1541)  383»;  I&Q'^;  Fischeb  schwäb.  3,929;  MabTIN-LibN- 
hart  1,  231 ;  Staub-Tobler  2,  418. 

in  der  literatur  des  13. /14.  jh.  ist  gurgel  mir  spärlich 
und  vorwiegend  alemannisch  belegt:  bi  der  gurgelen  {lesart 
gurgel)  Hartmann  v.  A.v&  Iwein  176;  zuo  der  gurgelen 
lesart  für  zuo  dem  gorgen  {des  drachen)  Gottfried  v. 
Straszeurg  v.  9213  Marold;  auch  2982;  {acc.  pl.)  gurgeln 
{der  kühe)  König  v.  Odenwald  41;  querkele  {s.  o.),  nicht 
gurgel  steckt  wohl  in  die  qrquele  {nom.  sg.)  Herbort 
V.  Fritzlar  v.  10568  Fromm.;  hierzu  noch  flurnamen  wie 
in  der  gurgelun  (14.  jh.)  Alem.  8, 189;  weitere  bei  Fischer 
schwäb.  3,  930.  Konrad  v.  Megenbero  kennt  das  wort 
nicht,  in  den  glossaren  des  15./16.  jh.  fehlt  es  noch  oft.  erst 
im  16./17.  jh.  wird  es  allgemein  beliebt,  seit  der  klassischen 
literaturperiode  herrscht  das  als  feiner  empfundene  kehle 
vor.  mundartlich  noch  kräftiger  erhalten;  das  schwäbische 
braucht  sogar  kehle  gar  nicht,  sondern  nur  gurgel. 

die  form  gurgel  ist  durchweg  fest;  gorgel  findet  sich 
literarisch  bei  Ortolff  v.  Bairland  artzneipuch  (1477); 
K.Stolle  thür.  chron.  116;  Luther  18,199  W.  {neben 
gurgel);  Dürer  proport.  (1520)  N  3C;  H.  Sachs  2,  7 
lit.  ver.;  3,  515  u.  ö.;  dialektisch  z.  b.  Lenz  Handschuhs- 
heim. 29^;  RucKERT  unterfränk.  63;  Haltrich  sieben- 
bürg. 130;  Fischer  samländ.  54.  auch  umgelautete  formen 
sind  selten:  die  gurgel  {acc.  sg.)  Rist  Parnasz  (1652)  778; 
Aler  dict.  (1727)  1,  994b;  gorgel  Chyträus  nomencl.  (1594) 
109;  güörgl  Bauer-Collitz  waldeck.  42»;  görgl  Danneil 
altmärk.  68^;  gördel  Fritz  Reuter  2,  221  u.  ö.  Seelm.  — 
schwache  flexionseiidungen  im  singular  zuletzt  im  16.  jh. 
belegt,  z.  b.  der  gvirgeln  {dat.)  S.  Franck  sprüchw.  (1545) 
1, 105^;  die  gurglen {acc.)  Wickram  6, 138  lit.  ver.;  Frisius 
dict.  (1556)  133''  u.  ö.;  mundartlich  jedoch  noch  z.  b.  Seilee 
Basler  ma.  156. 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  hohlraum  des  halses,  im  sinne  von  'luftröhre'  und 
'Speiseröhre',  nicht  immer  in  dieser  Scheidung,  häufig 
als  'rachenhöhle':  {ist  das  zäpfchen  geschwollen,  so  gibt 
man)  ein  löffel  vol  dyamargariton  zu  der  gorgeln  mit 
einem  löffel  vol  warmes  wassers  und  thu  es  wider  zu  dem 
munde    Ortolff   v.  Bairland   artzneipuch   (1477)    von 

dem  plate; 

BO  lacht  das  alt  weib  ongehewr, 
das  man  ihr  bisz  an  d  gurgel  sach 

EisCHAKT  flöhhatz  14  ndr. 


andererseits  in  ausdrücklicher  nebeneinanderstellung  beider 
bedeutung en:  Avie  die  supp  im  magen  gedewet  wirdt,  und 
hatt  sein  sondere  gurgel :  also  wird  der  chaos  in  der  lungen 
gedewet  und  hatt  auch  sein  eigen  gurgel  Paracelsus 
opera  (1616)  l,  644;  guttur  g\xvge\,  athemrohr,  gula  gurgel, 
speiszrohr  Frischlin  nom.  (1586)  738'. 

a)  luftröhre:  gurgulio  die  gurgel,  dardurch  der  athem 
gehet  Dasypodius  (1537)  m  2";  fistula  gurgel  oder  ror 
dardurch  man  athmet  Frisius  dict.  (1556)  566*';  die  gurgel 
oder  lufftröhr,  vulgo  die  unrechte  kahl,  das  oberste  theil 
an  der  luftröhren  Zehner  nomencl.  (1645)  267;  wann  dem 
valcken  die  gurgel  und  die  kele  ynwendig  verswollen  ist 
und  zücht  den  atem  swärliche  Mynsinger  v.  d.  falken 
24  lit.  ver.;  die  süssen  mandeln  .  .  .  sein  den  personen 
gesund,  welchen  die  gurgel  voller  schleims  ist  SEBiz/eZi- 
bau  (1579)  345;  {man  musz)  den  athem  in  der  geschwindig- 
keit  nur  bis  an  die  gurgel  ziehen  Quantz  anw.  d.  fiöte 
zu  spielen  (1789)  75. 

meistens  als  'sitz  der  stimme',  gewöhnlich  ohne  klare 
örtliche  und  differenzierende  Vorstellung  'kehle'  schlechthin 
entsprechend:  das  man  aber  wenig  reden  soll,  lert  auch 
die  natur,  die  der  gurgeln  ein  zäpflin  oder  thürlin  für- 
gsetzt  Seb.  Franck  sprüchw.  (1545)  1, 105^;  wann  dem 
raben  das  gesang  in  der  tieffen  gurgel  krachet  Sebiz 
f eidbau  {lb7Q)  41;  wer  das  lied  zu  hoch  anfängt,  der  musz 
die  gurgel  enge  machen,  dasz  er  es  kan  hinausbringen 
P.  WiNCKLER  2000  gutte  ged.  (1685)  F8b;  weil  unsere 
gurgel  zu  tausend  liederchen  gestimmt  ist  Hamann 
Schriften  (1821)  2,  181.  besonders  in  Wendungen,  die  eine 
kehlige  sprech-  oder  singweise  bezeichnen:  ein  Franzos 
aber  beschuldigt  die  Deutschen,  dasz  sie  aus  dem 
halse  oder  aus  der  gurgel  sprechen  Gottsched  sprachk. 
(1748)  10;  durch  die  gurgel  sprechen  G.  Forster  sämtl. 
Schriften  (1843)  2,  328;  vgl.  unter  hals  11;  auf  gleicher 
linie  liegen:  (des  castraten)  stimme  wäre  nicht  so  übel, 
wenn  er  sie  nicht  in  den  hals  und  in  die  gurgel  nehmte 
Mozart  bei  0.  Jahn  (1856)  2,  433;  auch  brachte  er  alle 
töne  hinten  aus  der  gurgel  oder,  wenn  man  will  aus  dem 
rächen  hervor  Immermann  1,  152  Boxb.;  bildlich,  das  ge- 
schmacklose solcher  Vortragsweise  ins  lächerliche  ziehend: 
{Nieder Sachsen)  sang  mit  offenen  nasenlöchern  und  voller 
gurgel  Patriotismus  Lichtenberg  verm.  sehr.  (1844)  2,  210; 
mit  dicker  gurgel  wie  vom  dreifusz  geheimnisvoll  herun- 
terlallen ebda  7,  67.  speciell  auf  die  gesangstechnik  ab- 
zielend: {eine  Sängerin)  welche  1.  eine  schöne  stimme 
2.  eine  galante  gurgel  {hat)  bei  0.  Jahn  Mozart  (1856)  1, 
629;  die  aria  von  der  Courtanze  .  .  .  habe  ich  ein  wenig 
der  geläufigen  gurgel  der  mlle.  Cavalieri  aufgeopfert  ebda 
3, 106;  vgl.  noch:  eine  feste  gurgel  {stimme)  haben  Fischer 
schwäb.  3,  929;  die  geprüften  gurgeln  des  theaterpersonals 
Mommsen  röm.  gesch.*'  3,  293.  abschätzig:  die  kehle  der 
nachtigall  wird  durch  das  frühjahr  aufgeregt,  zugleich 
aber  auch  die  gurgel  des  guckucks  Göthe  28,  161  W;  für 
einen  Sprecher:  es  hätte  einsmals  eine  gottlose  gurgel  ge- 
sagt, er  wolte,  dasz  der  teuffei  in  die  kirchen  und  pfaflen 
schlug  M.  Hammer  hist.  rosengarten  (1654)  55.  —  im  18.  jh. 
häufig  für  sie  singstimme  der  vögel  {vgl.  auch  gurgeln  B  2) : 

von  den  gurgeln  kleiner  sänger  sey  jetzt  jeder  wald  erfüllt 
Bkockes  Jahreszeiten  (1745)  539; 

da  wars,  als  hört  ich  einen  schall 
wie  die  gurgel  der  nachtigall 

Kretschmann  sämtl.  w.  (1784)  1, 196. 

b)  Speiseröhre,  in  dieser  Verwendung  hält  sich  gurgel 
am  festesten;  seit  dem  15.  jh.  belegt:  die  zaichen  eines  kalten 
magen:  rützung,  hesschen  {aufstoszen)  und  pitrikeit  in 
der  gurgel  kuchenmayatrey  (1497  Augsb.)  e  5»;  vgl.frumen 
gurgel,  intruck  Diefenbach  gloss.  249l>;  gula  stomachi 
dy  gurgel  nov.  gloss.  222'';  sowie  aus  spätrer  zeit:  Oeso- 
phagus, gula  der  Schlund,  die  Speiseröhre  oder  gurgel 
onomatol.  medic.  2  (1756)  1163;  enger  gefaszt:  der  magen- 
schlund  ist  ein  häutichter  gang  ...,  dessen  oberster  theil 
die  gurgel  ist  v.  Fleming  vollk.  soldat  (1726)  348;  so  auch 
Henisch:  der  obertheil  desz  proviant  rhor,  da  die  speisz 
und  trank  durchgehet  (1616)  1782.   auch  bei  tieren:  {wenn 


1145 


GURGEL  1 


GURGEL  1-2 


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die  kraniche)  das  land  ergreiffen,  so  schyessen  sye  .  .  .  den 
sand  usz  der  gurgel  (e  gutture)  Eppendorff  Plinius 
(1543)  150. 

meistens  in  ivendungen  des  sinnes  'schlemmen,  prassen', 
die  gurgel  symbolisch  als  sitz  der  esz-  und  irinklust  auf- 
gefaszt:  {einer,  der  danach  strebt)  ab  andern  lAten  mit 
essen,  trincken  und  vergebens  komen  sin  gurglen  ze 
emÄrwn  und  buch  ze  hitzigen  Riedebeb  sjnegel  d. 
rhetoric  (1493)  q  4*';  (der  gefräszige  Grobianer:) 

wolt  jr  vll  brangen  und  hofflcrcn, 
dieweil  will  Ich  mein  gurgel  schmieren 

Scheit  GroManus  v.  840  ndr.; 

die  g.  schmieren  stravizzare,  mangiar  e  bere  allegramente 
Keameb  2  (1702)  609^';  die  gurgel  schmieren  5.  auch  u.; 

(der  ehemann)  soll  kein  löwe  sein,  noch  stets  im  hause  brüllen, 
noch  sich  in  vollem  sausz  die  gurgel  allzeit  füllen 

MOSCHEROSCH  gesichU  (1650)  2,  345; 

fülpauch  preist  man  in  aller  weit, 

wer  die  wil  nidcr  legen, 

der  musz  sein  gurgel  regen        bergreihen  78  ndr.; 

in  symbolischer  deutung:  Sardanabalus  ...  ist  die  gurgel 
oder  Schlund  .  .  .  hat  sich  nur  auf  schwelgen  und  schlam- 
pampen .  .  .  begeben  Mathesiüs  Sarepta  (1571)  SS'';  für 
den  Schlemmer  selbst:  Belsazer,  der  wird  auch  eine  gurgel 
und  trossel,  denn  er  ist  ein  schlampamper,  säuft  sich 
voll  ebda  84^.  in  belegen  des  17.  jh.  auch  wie  sonst  gaumen 
als  sitz  des  geschmackssinnes :  (sachen)  mit  welchen  die 
apotheker  unser  gurgel  anreitzen  Schupp  737;  {dcuiz  der 
Schiffer)  ein  solcher  gurgel,  der  einesz  bürgermeisters  söhn, 
mit  so  schlechten  speisen  begegnen  dürffte  {um  1630) 
JoH.  Schulte  briefe  (1856)  2  Merk; 

der  gurgel  ess  ich  nicht;  ich  esse  nur  dem  magen 

LOGAU  sinnged.  138  Eitner. 

in  reichster  fülle  lebt  gurgel  in  den  redensarten  und 
bildern,  die  sich  auf  das  trinken  beziehen:  Fürstenberger 
{wein)  zu  Bachrach  .  .  .  wie  wird  dein  gurgel  lachen 
Fischart  Garg.  84  lulr.;  {er  musz)  seiner  alten  gurgel  zu- 
sprechen und  musz  den  creditoren  tag  und  nacht  voll- 
sauffen  Schupp  (1663)  26;  er  soll  nur  drauf  los  schaben 
und  scharren,  du  wollest  dir  dafür  die  gurgel  absauffen 
ScHiLLEB  2,  33  Gödeke  {räuber),  vgl.  mundartlich  Fischeb 
3,  929;  Martin-Lienhabt  1,  231;  ähnlich  schon:  sauf, 
das  dir  der  trunk  die  gurgel  abstos  Reinicke  fuchs  (1650) 
282.  in  der  Wortverbindung  gurgel  und  magen  tritt  gurgel 
in  einen  functionellen  gegensatz  zu  magen  analog  essen 
und  trinken :  der  magen  und  die  gurgel  sind  böse  gläubiger 
Kotzebue  werke  (1827)  31,  69;  folglich  verschlangen 
gurgel  und  magen  die  einkünfte  der  mittelmäszigen 
pfarre  Holtet  erzähl,  sehr.  16,  16.  eine  trockene  gurgel 
haben  u.  ähnl.  im  sinne  von  'durstig  sein' :  wenn  als- 
denn  der  fastnachtstag  vorbey  ist,  so  sind  denen  hand- 
werckspurschen  ihre  gurgeln  von  denen  gesaltzenen  und 
gewürtzten  wursten  gantz  dürre  J.  G.  Schmidt  rocken- 
philos.  (1706)  1,  336;  der  südwind  aber  hat  im  hergehen 
mir  die  gurgel  .  .  .  ausgetrocknet  med.  maulaffe  (1719)  71; 
ich  bin  alleweil  nüchtern,  meine  gurgel  ist  trocken  Meisl 
theatral.  quodlibet  1,  115;  e  truckeni  gurgel  ha  'gern  trinken" 
Martin-Lienhart  eis.  1,231;  zahlreich  sind  die  mund- 
artlichen ausdrücke  für  trinkfestigkeit,  z.  b.  der  hat  e 
gurgel  wie  e  stiefelrohr  od.  ähnl.  Fischer  3,  929;  sei 
gurgl  is  weider  als  e  Paulaner  erml  Schmeller-Fb.  1, 
936.  —  an  diesen  anwendungsbereich  ist  wohl  anzuknüpfen 
die  bezeichnung  kriegsgurgel  {s.  d.),  rohe  begierde  aus- 
drückend; später  auch  kurzweg  gurgel  für  einen  soldaten- 
bettler  v.  Tbain  chochemer  loschen  51^;  vgl.  auch  mord- 
gurgel  Adelung  2,848;  sowie  sauf-  und  spielgurgel. 

die  g.  waschen,  schmieren  u.  ä.,  im  sinne  von  'saufen' : 

ey,  wo  wir  ziehen  auff  der  strass, 

hast  du  stets  an  der  gürtl  dein  flaschen, 

darmit  du  thust  dein  gorgel  waschen 

H.  Sachs  17, 173  lü.  ver.; 

vgl.  den  hals  waschen  ders.  unter  hals  IIa; 

setz  in  den  trog  die  fleschen, 

80  mögen  wir  die  gurglen  weschen 

Wickram  6, 138  lü.  ver.; 


alemannisch  noch  jetzt:  d  sufer  chönnid  d  gurgele  wider 
Wäsche  {wenn  der  wein  gut  geraten)  Staub-Tobleb,  2,  418. 
{ein  trinker,  der)  weidlich  vom  abend  an  bisz  morgen  früe 
die  gurgel  schmieret  Kiechhof  wendunm.  2,  122  Ost.; 
nun  die  gurgel  geschmirt,  dieser  stauf  hie  mag  die  bin 
{bühne)  netzen  Fischabt  Garg.  129  7idr.;  s.  auch  oben 
sp.  1145; 

(ich)  fass  mit  dem  maul  ihre  vollen  zitzen, 
thu  mir  mit  macht  die  gurgel  bespritzen 

GÖTHE  16,  80  W.  (Satyros); 

ähnlich  jemandem  die  gurgel  schwenken,  spülen:  wenn 
er  ihne  {anrede)  nor  di  gorgel  schwenkt  Niebebgall 
dram.  w.  (1894)  267;  eim  d  gurgel  schwenke  'frei  halten' 
RIartik-Lienhart  eis.  l,  231;  freunden,  denen  er  so  offt 
die  gurgel  gespület  und  ihnen  aus  nöhten  geholffen  hatte 
Schupp /reu7id  i.  d.  not  6  ndr.;  vgl.  dem  kerl  soll  ik  blosz 
de  jurjel  ausspülen  {trinkgeld  geben)  Bbendicke  Berlin, 
wortsch.  131*.  im  gleichen  sinne  den  wein  usw.  in  die 
gurgel  gieszen  u.  ä.  Wendungen:  wir  gössen  den  wein 
nicht  allein  in  die  gurgel,  sondern  auch  auf  den  köpf 
Zendobius  winternächte  (1682)  775;  {sie  hatte)  so  viel  von 
diesem  flüssigen  feuer  {pimsch)  in  ihre  gurgel  gegossen, 
dasz  davon  der  qualm  anfing  in  ihr  pericranium  zu  steigen 
BoDE  gesch.  d.  Th.  Jones  (1786)4,270;  {der  wirt)  gosz 
langsam  den  punsch  .  .  .  die  eigene  gurgel  hinab  Raabe 
hungerpastor  (1864)  2,  70.  iw  fester  wendung  durch  die 
gurgel  jagen:  {toie  er  mit  seinen  nachbarn)  zwantzigk 
und  mehr  tonnen  bier  durch  die  gurgel  gejagt  hat 
MicEÄLius  Pommerland  (1640)  416;  und  wehre  weit  besser, 
dasz  solch  getreidig  denen  nothleidenden  .  .  .  ümb  ein 
billiges  verkaufft  würde,  als  dasz  es  .  .  .  von  den  brandte- 
weinbrüdern  durch  die  gurgel  gejagt  wird  Prätobius 
saturnalia  (1663)  371.  bildlich  sein  geld,  sein  gut,  alles 
u.  ä.  durch  die  gurgel  jagen  'verprassen,  vertrinken', 
bis  auf  den  heutigen  tag  allgemein  verbreitet  und  literarisch 
häufig  belegt:  {nüchterne  können)  manchen  groschen,  den 
ein  andrer  unnützer  weise  durch  die  gurgel  jaget,  in  dem 
beutel  behalten  v.  Fleming  vollk.  soldat  (1726)  97;  {bur- 
schen,  die)  tag  für  tag  in  den  schenken  rumhocken,  bis 
der  letzte  pfennig  durch  die  gurgel  gejagt  ist  G.  Haupt- 
mann die  «;e6er  (1892)  78;  etliche  verschwenden  und  jagen 
ihr  gut  durch  die  gurgel  Fischabt  3,  287  Hauffen;  {der) 
jaget  sein  gütel  durch  die  gurgel  Dannhaweb  catech.- 
milch  (1657)  2,  60;  haus  und  hof  durch  die  gurgel  jagen 
W.  KÖBTE  sprichio.  (1837)  194;  so  mus  es  doch  alles  mit 
guten  brüdern  verzeret,  verschlemmet  und  durch  die 
gurgel  gejagt  sein  Pape  bettel  u.  garteteuffel  (1586)  g  4^; 
was  das  weib  daheim  ersparet  .  .  .  anderwerts  durch  die 
verdampte  gurgel  jagen  Moscheeosch  cura  parentum  74 
ndr.;  elliptisch:  in  einigen  tagen  waren  diese  pferde  und 
ochsen  durch  die  gurgel  A.  v.  Arnim  9,  159  Grimm;  vgl. 
bei  dem  musz  alles  die  gurgel  na  Fischer  schwäb.  3,  929. 
seltener  ijitransitive  Wendungen: 

was  uns  s  fechten  gwinnt, 
durch  die  gurgel  rinnt 

Nestroy  ges.  ic.  (1890)  1,  72; 

was  du  nur  bekompst,  alles  dir  durch  die  gurgel  fleusset 
Kibchhof  wendunm.  1,  365  Österley;  der  wein  ist  ein  gute, 
edle  creatur  gottes.  wann  er  nu  musz  in  einen  bösen 
argen  schalck  und  trunckenboltz  gehn  .  .  .,  erseufftzet  er 
darüber  und  ist  im  leid,  dasz  er  dem  weinschlauch  durch 
sein  gurgel  lauffen  müsse  Gbetteb  erkl.  d.  ep.  Pauli  o.  d. 
Römer  (1566)491;  himmlischer  wein!  der  schleicht  die 
gurgel  nunterl  maleb  Müller  werke  (1811)  l,  163. 

2)  die  anschauung  der  luftröhr e  von  auszen  her  be- 
stimmt einen  anderen  bereich  der  anwendung.  nur  selten 
geunnnt  das  wort  dabei  die  bed.  'auszen  am  halse  sichtbare 
luftröhre'. 

a)  in  anatomischer  u.  ä.  beschreibung :  {ich)  mach  den 
hals  dick  vom  gnick  pysz  zu  der  gorgel  Dürer  menschl. 
Proportion  (1520)  N  3<=;  drüssel  {ist)  der  vorder  teil  am  hals, 
darin  sich  die  gurgel  sehen  läszt  Henisch  760 ;  {der  vorder- 
hals) begreifft  in  sich  pomum  Adami  und  jugulum  die 
gurgel  Prätorius  colleg.  cur.  (1713)  63;  {die  kehle)  deren 


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GURGEL  2 


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mittlerer  teil,  die  gurgel  Oken  naturgesch.^  (18S9)  4,  828. 
gchon  älter  in  weiterer  bedeutung  für  den  hau  selbst: 

mit  grözen  kreften  stach  er  In 
enbor  üz  dem  satele  hin, 
daz  Im  ein  ast  den  heim  gevienc 
und  bl  der  gurgelen  hienc  . . . 
{dort)  leit  er  hangende  not 

Hartmann  v.  Aub  IwHn  176  Beneeke; 

{der  elephant  hatte)  sein  schnabel  und  gurgel  ob  dem  hals 
Fabritii  auszgestreckt  Kirchhof  wendunm.  2,  25  österley; 
seine  gemahlin,  des  Iphicrates  tochter,  schnitt  er  mit 
eigener  band  vom  geburtsgliede  bis  zur  gurgel  entzwey 
LoHENSTEiu  Arminius  (1689)  2,  32*.  im  vollen  dinglichen 
sinn  als  losgelöster  körperteil  z.  b.  in  belegen  für  die  Ver- 
wendung tierischer  luftröhr en:  {von  der  kuh  sind  ver- 
wendbar) 

lebern,  nleren,  langen, 

hertze,  gurgeln,  zungen 

KÖNIG  V.  Odbnwaldb  41  Schröder; 

die  gurgel  sie  (die  gans)  . . . 
testieret  {vermacht)  hat  der  Spinnerin 
das  sie  diesclbig  dörren  fein 
und  machen  daraus  ringlein  klein 
ihr  garn  und  faden  drauf  zu  winden 

W.  Spangknberq  ausgew.  dichtungen  44; 

es  nehmen  auch  einige  die  gurgel  vom  wolfe  Döbel  jäger 
practica  (1754)  l,  35; 

durch  den  Schornstein  mit  vergnügen 
sehen  sie  die  hühner  liegen, 
die  schon  ohne  köpf  und  gurgeln 
lieblich  in  der  pfanne  schmurgcin 

W.  Busch  Max  u.  Moritz  10. 

—  älternhd.  besteht  besonders  in  den  Wörterbüchern  Un- 
sicherheit in  der  anatomischen  definition;  mit  der  weiteren 
bedeutung:  guMur  die  gurgel  oder  kälen  Fblsius  dict.  (1556) 
eis"-;  ingluvies  der  kragen  oder  die  gurgel  eMa  6ö7^. 
auszerhalb  des  üblichen  gebrauchs  in  specialisierenden  be- 
deutungsangaben:  gurgel,  der  undertheil  desz  halsz  iugu- 
lus  Henisch  (1616)  1782;  gurgel,  das  knöpflin  am  hals 
.  .  .  nodus  gutturis  ebda;  dagegen  auf  das  halsinnere 
zielend:  caruncula  quaedam  .  .  .  quam  .  . .  columellam  ap- 
pelamus  die  gurgel,  athemzünglin,  item  zäpfflin  im  halsz 
CALEFiNtrs  XI  ling.  (1598)  632»;  gurgel:  das  z&pflin,  der 
obertheil  des  lufffcrohrs  Henisch  o.  a.  o.;  vgl.  Hyrtl 
kunstworte  d.  anatomie  21, 

b)  am  reichsten  in  Verbindungen  und  ausdrücken  des 
Sinnes  'jemandem  mit  blanker  waffe  ans  leben  gehen":  als 
ermannete  er  sich  endlich,  und  stiesze  ihm  selbst  den 
dolch  in  die  gurgel  A.  U.  V.  Bra-UNSCHWEIo  Octavia  (1677) 
1,  1059;  gesetzt  dasz  jemand  mir  das  messer  in  die  band 
gäbe,  und  seinen  halsz  hinstreckete,  mit  dem  begehren 
ihm  dasselbe  durch  die  gurgel  zu  stoszen  d.  Vernunft, 
tadlerinnen  (1725)  l,  110; 

eil  desto  besser!  er  wird  also  auch 
nicht  kreischen  können,  wenn  ich  ihm 
das  eisen  in  die  gurgel  stoszc 

Grabbe  werke  1,  260  Blumenthal; 

ich  dörfft  dich  durch  dein  gorgel  stechen 

H.  Sachs  2,  7  Keller; 

{Ingo)  erhob  das  schwert,  ihm  mit  der  spitze  die  gurgel 
zu  durchstechen  Gust.  Feeytag  werke  (1886)8,  102; 

küst  Schwerter,  die  man  euch  durch  brüst  und  gurgel  treibt, 
wenn  euch  der  eine  schätz  des  heiigen  glauben  bleibt 

A.  GRYPHitrs  trauerspiele  220  Palm; 

■wer  diese  nymfe  nicht  last  ungeschmähet  stehn, 

dem  sol  Astreen  schwehrt  durch  hertz  und  gurgel  gehn 

J.  Bist  neuer  teutscher  Pamatz  (1652)  269. 

beim  fechten:  stosse  mit  ausgestrecktem  arm  nach  seiner 
gurgeil  zu  SvroKivs  fechtbuch  (1612)  79; 

{er  greift)  den  knappen  an  . . . 
stöszt  nach  der  gurgel  frei 

A.  V.  Arnim  13,  239  Grimm; 

{er  gab)  ihm  in  die  blosze  gurgel  einen  solchen  streich 
Amadis  78  lit.  ver.;  darüber  ist  Casirairus  .  .  .  tödtlich  in 
der  gurgel  verwundet  Micrälius  Pommerland  (1640)  351; 
besonders  jemandem  die  gurgel  abschneiden: 


erstlich  dieselben  mit  ein  stich 

hinferckh  {hinfertige),  hinricht  gleich  wie  das  vich, 

hernach  die  gurgell  woll  abschneiden, 

so  werden  sies  nlt  lang  mehr  treiben 

ündinger  judenspiel  39  ndr.; 

da  er  den  wechter  fandt,  dem  schneyd  er  die  gurgel  ab 
Aymont  v.  Dordons  süne  (1535)  f  2'';  diese  teuffelinnen 
{liefen  die  gefangenen)  grausamlich  an,  schnitten  ihnen 
mit  dem  schwerd  die  gurgel  ab  Prätorius  saturnalia 
(1663)  159;  die  hänn  gehet  so  lang,  bisz  ihr  das  messer 
die  gurgel  abschneid  Lehman  floril.  polit.  (1662)  2,  600; 

wie  thörlich!  wenn  man  sich  die  gurgel  selbst  abschneidet 
A.  Gryphius  trauerspiele  65  Palm; 

einem  solchen  menschen  zu  gelde  verhelfen,  heiszt  das 
nicht  dem  wahnwitzigen  ein  messer  in  die  bände  geben, 
womit  er  sich  die  gurgel  abschneiden  kann?  Lessino  2, 
134  L.-M;  wo  der  freund  dem  freunde  dadurch  seine 
liebe  beweist,  dasz  er  ihm  die  gurgel  abschneidet  Hebbel 
w.  1,  37  Werner;  im  älternhd.  bis  ins  18.  jh.  in  gleichem 
sinne  auch  die  gurgel  abstechen: 

do  sprach  er,  er  sehe  vil  lieber  grossls  strites  glancz, 
tod  Blähen  und  gorgiln  abe  stechen, 
Btormen,  fechten,  stete  und  slosz  brechen 

K.  Stolle  thür.  chron.  116  lit.  ver.; 

wie  nun  der  böszwicht  das  messer  in  der  band  hette, 
stach  er  dem  töchterlin  die  gurgel  ab  Montäntts  scAwanÄri. 
89  lit.  ver.;  machs  auff  metzgerisch,  kratz  die  sau,  dasz 
sie  sich  legt,  und  stich  ihr  die  gurgel  ab  Lehman  florileg. 
(1662)  1,  414;  so  zog  gott  die  band  von  ihm  ab,  dasz  er  aus 
Verzweiflung  ihm  selbst  die  gurgol  abstach  P.  F.  Sper- 
ling Nicodem.  quaerens  (1718)  1,  404.  für  das  schlachten 
von  tieren  mannigfachere  ausdrücke,  z.  b.  zerschneiden 
Voss  Odyssee  199  Bernays;  durchschneiden  Bürger  154 
Bohtz;  aufschneiden  Grimm  kinder  u.  hausm.  (1812)  l,  102. 
anders: 

ich  sprang  herzu,  und  sägt  die  gurgel  ihm  herab 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  (1636)  ges.  9,  str.  40; 

zwischen  den  beinen  hielt  er  eine  ungeheure  baszgeige, 
die  er  so  wütend  strich,  als  habe  er  in  den  Abruzzen 
einen  armen  reisenden  niedergeworfen  und  wolle  ihm 
geschwinde  die  gurgel  abfiedeln  Heine  3,  249  Elster; 
runter  vom  hof,  oder  ich  drehe  dir  die  gurgel  ab  Petri 
rothe  erde  (1895)  320;  (er  tvird)  eure  gurgeln  umdrehen 
Ratzel  völkerk.  (1885)  2,  208.  —  der  zweyte  wolfE  kam 
von  binden,  wurff  den  dragoner  zu  boden  undt  bisz  ihm 
die  gurgel  ab  Elis.  Charl.  v.  Orleans  136  Menzel. 

Wendungen  bildlichen  gebrauchen  'jemanden  in  äuszerste 
bedrängnis  bringen' ;  besonders  einem  das  schwert,  messer 
itsw.  an  die  gurgel  setzen:  {weil  die  kaiserlichen)  ihres 
haubt  feindes,  der  ihnen  bishero  das  schwert  recht  an  die 
gurgel  gesetzet,  los  geworden  v.  Chemnitz  schwed.  krieg 
2  (1653)  5;  weil  die  Franzosen  schon  zum  feldzug  bereit 
seien  und  den  Italienern  den  dolchen  an  die  gurgel  setzten 
M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Deutschen  {\719i)  4,  336;  wer  weisz, 
welchem  unter  uns  er  {der  tod)  zum  ehesten  werde  das 
messer  an  die  gurgel  setzen  Jon.  Prätorius  abdanckun- 
gen  (1663)  163;  wer  Wollüsten  nicht  das  messer  an  die 
gurgel  setzt,  den  bringen  sie  um  leben  und  seelig- 
keit  Lehman  ßorileg.  polit.  (1662)  2,  922;  die  Wendung  be- 
ruht auf  eigentlichem  gebrauch  {s.  auch  oben):  {er)  sagt, 
mit  gesetztem  schwert  an  sein  gurgel,  zu  im  Amadis  116 
Keller;  {als  Abraham  den  Isaak)  auff  dem  holtzhauffen 
band  und  das  messer  an  die  gurgel  setzte  J.  B.  Carpzov 
leichpredigten  (1698)  91;  vgl.  eim  das  schwärdt  an  halsz 
oder  an  die  giu-glen  haben  oder  setzen  Frisius  dict.  (1556) 
133^,  sowie  frz.  mettre  le  poignard  sur  la  gorge. 

der  bildliche  gebrauch  in  einer  reihe  anderer  Wendungen: 

das  Wasser  an  die  seel  uns  geht, 
das  schwerd  ihr  an  der  gurgel  steht 
Dav.  V.  Schweinitz  bei  Fischer-Tümpel  1,  379; 

erfahrung  hofft,  ob  pfeil  und  degen 
ihr  schon  an  hertz  und  gurgel  stehn 

A.  Gryphitts  ged.  998  Palm; 

der  sebel  grassirt  euch  noch  nit  so  nahe  an  der  gurgel 
wie  uns  Ungarn  unterred.  eines  Ungarn  u.  teutsch.  cavaliers 
(1664)  c  1*^;  {der  mohr)  verriet  nichts,  bis  das  messer  an. 


1149 


GURGEL  2 


GURGEL  s-i  —  GURGELABSCHNEIDEN  1150 


ihre  gurgel  ging  Schiller  8,  118  Oöd.;  es  geht  an  die 
gurgel  soviel  wie  'es  geht  ans  leben'': 

wo  du  (DeutscMand)  die  lenge  wirst  zusehn, 
so  wird  dirs  an  die  gurgel  gehn, 
der  grosse  schlag  dich  rühren 

(1628)  V.  SOLTAU  histor.  tolktl.  (1845)  478; 

kömmst  du  nochmals  vors  conseil,  so  wirst  du  arretirt 
und  es  geht  an  deine  gurgel  Laukhaed  leben  (1791)  4,  46; 
für  'das  leben''  steht  gurgel  auch  in: 

also  sorg  Ich,  meim  sommergsellen 
wöll  der  tod  nach  der  gurgel  stellen 

Fischakt  1,  5  Hauff en; 

einem  nach  der  gurgel  graben  Schottel  haubispr.  (1663) 
119,     'finanziell  ruinieren' : 

mit  parem  gelt  thut  er  ihn  pochen, 
das  hcist  die  gorgel  abgestochen 

H.  Sachs  3,  515  lU.  ver. 

c)  Wendungen  im  sinne  von  'jemandem  die  luft  ab- 
schneiden', die  gurgel  als  luftröhre,  sitz  des  lebens.  vom 
hängen,  erdrosseln,  erwürgen:  seinem  begehren  ist  gnügen 
geschehen:  ihm  die  gurgel  zweimal  zugezogen  E.  Fran- 
cisci  traursaal  (1665)  1,  416;  {da)  bunden  sie  ihn  mit 
andern  stricken  und  rayttclten  (knebelten)  ihm  die  gurgel 
ab  JoH.  Nas  anlipap.  eins  u.  hund.  (1567)  2,  o  6*;  wie  er 
sie  mit  einem  küssin  ersteckt  und  die  gurgel  abgetruckt 
het  Seb.  Franck  chron.  Germ.  (1538)  221;  (soll  ich)  diesem 
abgerichteten  Schäferhund  (dem  pater)  die  gurgel  zu- 
sammenschnüren Schiller  2,  lOz  (räuber)  Q.;  vereinzelt 
präpositional:  (ich)  drückte  meinen  fremden  gast  fest  in 
die  gurgel,  dasz  er  sich  nicht  rühren  konnte  Cl.  Bren- 
tano ges.  sehr.  (1852)  4,  260.  humoristisch:  verbinde  im 
die  gurgel  collum  obstringe  homini  B.  Faeer /Äes.  (1587) 
806"';  dasz  mir  fast  die  gurgel  hette  dörffen  verknüpfft 
und  zu  eng  gemacht  werden  Joachim  Caesar  J.  Har- 
nisch aus  Fleckenl.  (1648)  287.  übertragen:  (der  der  Frei- 
heit) den  würgerstrick  der  knechtschafft  an  die  gurgel 
geworfen  Butschky  Paihmos  (1677)  203. 

jemanden  bei,  an  der  gurgel  fassen,  packen: 
darauff  fasset  er  ihn  geschwind  bey  der  gurgel,  dasz  er 
nicht  weiters  schreyen  konnte  Grimm elshaüsen  3,  423 
Keller;  wenn  ich  einen  bei  der  gurgel  fasz  .  .  .,  der  giebt 
gwisz  kein  laut  mehr  von  sich  Nestroy  werke  (1890)  3, 
61 ;  der  reitknecht  faszte  den  kammerdiener  in  die  gurgel 
Nicolai  Nothanker  (1773)  2,  lll;  er  hat  ihn  gewisz  an  die 
gurgel  gefaszt  W.  Alexis  hosen  d.  h.  v.  Bredow  (1846)  1, 
313;  übertragen:  (wenn)  es  mich  an  die  gurgel  faszt,  wie 
ein  meuchelmörder  Göthe  19,  79  W.  ( Werther),  seit  dem 
18.  jh.  wird  packen  in  dieser  Verbindung  fest,  meist  mit  der 
Präposition  an,  seltener  bei: 

wie?  fletschtet  ihr  die  zahne,  wie  ich  kam, 
bereit  schon,  bey  der  gurgel  euch  zu  packen 

Shakespeare  (1797)  9,  40; 

hat  dich  sein  geist  an  der  gurgel  gepackt,  dasz  du  stock- 
test? F.  M.  Klinger  neues  theater  (1790)1,272;  jetzt 
gings  über  den  Bayer  her;  der  Blitzschwab  packte  ihn 
an  der  gurgel  Atjrbacher  volksbüchl.  (1835)  215;  während 
die  übrigen  sich  schön  paarweise  noch  an  den  gurgeln 
gepackt  hielten  G.  Keller  werke  (1889)  5,  226;  als  lässi- 
gerer ausdruck  öfter  kriegen,  z.  b.  kriegen  sie  ihn  .  .  .  bei 
die  gördel,  so,  mit  diesen  griff,  bis  ich  ran  komm  Fritz 
Reuter  2,  221 ;  224  Seelm.;  ohne  verb:  (scen.  bemerkg.)  den 
mohren  an  der  gurgel  Schiller  3,  38  0.  (Fiesko  1,  9) ;  soll 
ich  dem  schuft  an  die  gurgel?  Liliencron  sämtl.  w.  6 
(1900)  171.  —  ohne  den  sinn  des  erdrosselns:  (gott)  solt  ihm 
wol  ein  weil  zu  sehen,  aber  zu  letst  ihn  bey  der  gurgel 
nemen  und  zum  haus  hinaus  füren  Luther  13,  302  W.  — 
ebenso  bildlich  'einem  hart  zusetzen',  vgl.  o.  sp.  1148:  aber 
las  uns  dem  schalck  an  die  gorgel  Luther  18,  199  W.; 
wir  aber  greiffen  im  (dem  papst)  nach  der  gurgel  und 
käle  tischreden  (1574)  240*';  öfter  in  älterer  zeit,  vgl.  Frisius 
dict.  (1541)  659»;  Alemannia  11,  170;  auch:  an  die  gurgel 
greifen  Laube  ge,s.  sehr.  (1875)  14,  122;  mundartliche  Wen- 
dungen: einem  auf  die  gurgel  trappen  (ihm  zusetzen,  bis 
er  bekennt)  Fiscb^er  schwäb.  3,  929;  muess  di  bim  gurgle 
ne  (nehmen)!  Staub-Tobler  2,  418.   aws  andrer  sphäre: 


zu  theuer  schnüret  die  gurgel  zu  P.  Winckleb  2000  gvMe 
gedanken  (1685)  h  1*;  vgl.  d  gurgel  zue  drucke  'finanziell 
ruinieren'  MARTiN-IiiENHART  eis.  1,  231.  —  hierher  auch 
das  wasser  geht  an  die  gurgel  für  'in  gefahr  laufen  zu  er- 
trinken': wenn  einem  das  wasser  an  die  gurgel  gehet,  so 
lernet  einer  schwimmen  Kramer  d.-ital.  (1700)  1,  576^;. 
bildlich: 

es  Ist  recht,  wenn  euch  einmahl  s  wasser  an  d  gurgel  geht 
Mexsl  tkeatral.  Quodlibet  2,  72; 

übertragen:  der  auf  rühr  schwelle  mir  an  die  gurgel 
Schiller  2,  14  Oöd. 

von  seelischen  mrkungen  so  viel  wie  den  athem  rauben : 
das  schnürt  die  gurgel  mir,  ich  musz  wohl  schreln 

Zach.  Weknee  M.  Luther  (1807)  105; 

als  werm  dir  der  ärger  die  gurgel  verschnüren  thät 
O.  Ludwig  ges.  sehr.  (1891)  2,  356;  es  ist  ein  inneres  un- 
bekaimtes  toben  . .  .  das  mir  die  gurgel  zupreszt  Göthe 
19,  150  W.  (Werther). 

3)  in  übertragener  bedeutung  ein  krummes  verbindunga- 
rohr  an  einer  druckpumpe  v.  Eggers  kriegslex.  (1757)  1, 
1124;  Vitruviu^  de  architect.  (1800)  anh.  32  Rode;  eine  runde 
einbuchtung  zwischen  den  zahnen  einer  säge  Karmarsch- 
Heeren  (1876)  7,  498.  ah  botanischer  terminus  bei  Behlen 
forst-  u.  jagdkde  (1840)  3,  518. 

4)  composita  sind  zu  den  einzelnen  anwendungsbe- 
reichen  jederzeit  leicht  bildbar  und  darum  häufig  nur  ein- 
malig zu  belegen. 

zu  2  mit  beziehung  auf  die  auszenseite  des  halses  z.  b.  aus 
vogelbeschreibungen  bezeichnungen  ivie  gurgelband,  n. :  ein 
gurgel  band  braunschwarz, .  .  .  brüst  band  schwarz  Brehm 
5,  i&7  P.-L.;  -fleck,  m,:  der  weisze  gurgelfleck  ist  grau- 
lich gefleckt  Naumann  naturgesch.  (1822)  4,  278;  -Zeich- 
nung, /.,  ebda  7,  274;  ferner  etwa  verschiedenartige  aus- 
drücke für  den  beim  manne  am  halse  sichtbaren  kehlkopf 
wie  -knöpf,  m.,  gorjelknopp  Askenasy  Frankf.  160; 
Martin-Lienhart  1,  507;  -stock,  m.  Hertel  Thür.  lll; 
-zapfen,  m.  Martin-Lienhart  2,  911. 

zu  1,  das  halsinnere  betreffend,  gehören  bezeichnungen 
wie  -drüslein,  n.,  uvula,  das  zäpfflein  oder  gurgeldrüszlein 
WoYT  thes.  (1696)  373;  vgl.  Hyrtl  kunstworte  d.  anat.  21; 
-klamm,  m.,  angina  Krämer  (1700)  1,  577»;  -loch,  n., 
orificium,  vulg.  mundtloch  vocab.  (1515  Hüpfuff)  k  6»; 
-pfeife,  /.  .•  (am  oberende  der  luftröhre  hat  die  rohrdommel) 
keinen  rechten  kehlknoten  oder  gurgelpfeiffe,  einen  schall 
oder  laut  zu  machen  Knorb  v.  Rosenroth  Browns 
pseudodoxia  (1680)  692;  -ritz,  m.,  languette  nouveau  dict. 
(1762)  361»;  -Seuche  /..•  (der  tod)  ausz  dem  wulcken 
(würgen,  ersticken),  oder  einer  anderen  gurgelseuche 
M.  Pegius  geburtsstundenbuch  (1570)  Qql»;  -wehe,  m., 
mal dellagorga,  angina  Kjiamer  teutsch-ital.  (1700)  1,  577»; 
n.,  bräune  Schrader  d.-frz.  1,  584. 

eine  besondere  gruppe  bilden  die  composita  zu  ih  mit 
bezug  auf  essen  und  trinken,  z.  b.  -leder,  n.:  (weinliebhaber) 
die  ihr  verschrumpffenes  gurgelleder  wiederum  gern  mit 
linder  salbe  ausschmiereten  E.  G.  Happel  d.  sächs.  Wite- 
kind  3,  385;  (wein,  den  die  alte)  in  den  dürren  schlauch 
ihres  verschrumpfften  gurgelleders  hinabgeschüttet  Er. 
Fbancisci  lust.  Schaubühne  (1702)1,1041;  -öl,  n.:  der 
wirth  hat  ein  fäszchen,  da  ist  ein  trefflliches  gurgelöl 
darin  P.  Roseggeb  U,  10,  270;  -provision, /. ;  mit  vorrhat 
von  gurgelpro Vision  (lesart:  speisz)  Fischabt  Oarg,  420 
ndr.;  -Schinder,  m.,  schlechter  kuchen  Spiess  henneberg.  86; 
-sucht,  /.  .•  über  das  hatte  der  gute  kerl  die  gurgelsucht : 
denn  was  er  desz  tags  mit  betteln  sammlete,  das  versoff 
er  desz  abends  in  gutem  hier  Er.  Francisci  lust.  schau- 
bühne(16Q8)  2,665;  -vergnügen,  n.:  jeh  mal  vor  mir  nach 
de  andre  ecke  un  hole  mir  en  halb  quart  jurjelverjnüjen 
A.  Glasbrenner  Berlin,  wie  es  ist  u.  trinkt  7,  36. 

GURGELABSCHNEIDEN,  n.,  im  sinne  von  hinter- 
rücks ermorden:  weil  das  gurgelabschneiden  dein  geschäft 
ist  Alexis  Woldemar  (1842)  1,  180;  uneigentlich  von  un- 
sauberen handlungen:  sich  ins  eigne  oder  fremde  gurgel- 
abschneiden (hineinduseln)  F.  Kürnberger  w.  2  (1911) 


1 151  GURGELABSCHNEIDER— GURGELHAHN 

161  Deutach.  —  gurgelabschneider,  m.,  mörder,  als 
romanfigur:  ( wer  interessiert  sich  noch)  für  die  biederen 
gurgelabschneider,  die  herz  und  messer  an  der  rechten 
stelle  haben  Spielhagen  7,  302;  die  typischen  gestalten 
des  tugendhaften  gurgelabschneiders,  des  harten  Wu- 
cherers und  der  .  .  .  bordellsohönheit  Tbeitschke  auf- 
sätze  (1886)  3,  232;  wie  halsabschneider  heule  aiich  für 
'Wucherer^  üblich;  vgl.  gurgel  2  b  sowie  gurgelschneider. 
GURGELADER,  /.,  Schlagader  Krämer  t.-ital.  (1700) 
1,  677 ä':  man  solle  im  schlage  {schlaganfall) .  .  .  die  gurgel- 
adern  .  .  .  schlahen  lassen  J.  Wittich  consilium  apoplect. 
(1594)  160.  —  gurgelbein,  n.,  kehlkopf,  adamsapfel: 
welche  unter  dem  gurgelbein  kein  holes  grüblein  haben 
(le  noeud  de  la  gorge)  Comenius  jan.  iv  ling.  (1643)  100;  der 
Adamsbisz  Ludwig  d.-engl.  (1716)  822;  Heinsiüs  2,  563'^; 
anders  bei  tieren:  (beim  bratenvorschneiden)  stich  die  gabel 
recht  mit  der  einen  spitzen  in  das  gurgelbein  trincirbuch 
(1652)  62;  embrochire  die  gabel  in  das  gurgelbein,  hebe 
den  (kalbs-)  köpf  damit  auf  Maeperger  küch-  u.  keller- 
dict.  (1716)  1265a. 

GURGELEI,/.,  abschätzig  für  coloratur  Verzierungen  im 
kunstgesang,  zu  gurgeln  B  1  c:  {man  hat  bisher  dem  italieni- 
schen) des  gesanges  halber  oder,  wie  sich  der  verf.  auszu- 
drücken beliebt,  .  .  .  der  gurgeley  wegen  bey  der  Vokal- 
musik den  Vorzug  gegeben  allg.  dtsche  bibl.  (1765)  10,  2,  31; 
eine  musik  ohne  solfezieren,  oder  wie  ich  es  lieber  nennen 
möchte,  ohne  gurgeley  Sonnenfels  ges.  sehr.  (1784)  5, 150; 
gern  pluralisch  gebraucht:  ich  spreche  .  .  .  nicht  davon, 
dasz  in  den  entscheidenden  augenblicken  die  sänger 
gurgeleien  und  trillerchen  und  passagen  machen  müssen 
S.  Hensel, /«TO.  Mendelssohn  1,148;  G.Weber  that  es 
weh  zu  glauben,  dasz  Mozart  den  chorstimmen  'wilde 
gurgeleien',  wie  die  'kraus  verbrämten  chromatischen 
Schlangengänge'  .  .  .  hätte  aufbürden  können  O.  Jahn 
Mozart  (1856)  4,  708;  die  abgedroschensten  gurgeleien 
J.  A.  Hiller  anw.  z.  singen  (1792)4;  vgl.  noch:  (ausge- 
bildet zur)  opernarien-gurgelei  Z.  Fünck  erinn.  (1836)  l, 
16,  —  von  unarticvlierten  aßenlauten  Brehm  1,  135  P.-L. 

GURGELEIN,  gürgelein,  n.,  deminutiv  zu  gurgel:  (ein 
dieb  sagt  aus:)  ich  hab  wol  1500  gülden  wert  gestolen  .  ,  . 
esz  ist  als  durch  des  gurgelin  hinabgelaffen,  er  maynet, 
er  hett  es  alles  vertruncken  Baumann  quell,  z.  gesch.  d, 
bauernkrieges  1,  230  lit.  ver.  (vgl.  gurgel  ib);  (die  nach- 
tigall)  hat  in  ihrem  kleinen  unansehnlichen  gürglin  die 
gantze  kunst,  welche  die  menschen  mit  .  .  .  pfeiffen, 
schweglen  . .  .  kaum  austrucken  mögen  Heyden  Plinius 
(1565)  452; 

da  netzet  (vögelein  am  brunnen)  eure  züngelein  . . . 
da  spület  hals  und  gürgelein, 
dann  singt  ihr  noch  so  reine 

A.  V.  Arnim  tvunderhorn  (1845)  3,  355. 

das  demin.  auf  -lein  ersetzt  in  älteren  Wörterbüchern  zu- 
weilen vielleicht  auch  jenes  alem.  gurgele,  das  als  nebenform 
zu  gurgel  (s.  d.)  urspr.  nicht  deminutiv  ist:  iugulus  das 
gürgelein  umb  den  knopff  Calepinus  xi  ling.  (1598) 
777"';  rumen  das  gürgelein  am  hals  Kirsch  cornw  copiae 
(1732)  954*';  vgl.  rumen  das  gurgele  am  halsz  Frisius  dict. 
(1541)  769'';  auch  ZS,Z^;  iugulus  das  gurgele  oder  trossel 
am  halsz  ders.  (1556)  1i\^;  ebenso  Maaler  198^. 

GURGELFREUDE,/.,  diefreude  am  essen  und  trinken, 
zu  gvu-gel  1  b :  die  epicurischen  bauchknechte,  suchen 
nur  die  elende  gurgelfreude  L.  Pollio  v.  ewig,  leben  (1583) 
117*;  drey  ding  sind  .  .  . ,  die  einem  podagramischen 
den  schmertzen  verursachen  und  mehren,  die  gurgel- 
frewd,  die  buhlerey  und  der  gähehitzige  zorn  Mosche- 
ROSCH  gesichte  (1646)  4,  56;  der  gurgelfreude  allzu  geneigt 
sein  V.  Kobbe  gesch.  v.  Bremen  u.   Verden  (1825)  2,  259. 

GURGELGRIFF,  m.,  zu  gurgel  2  c  'griff  an  die  gurgel': 
faustschläge,  gurgelgriffe  und  beinschläge  F.  L.  Jahn  2, 
133  Euler. 

GÜRGELHAHN,  m.,  auerhahn  (vgl.  gurgeln  B  1  a) 
Adelung  2,  849;  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  (1822)  6, 
277;  vom  gattungsbegriff  her  auch  als  gurgelhuhn  bezeichnet 
Brehm  5,  474  P.-L.  vgl.  die  ältere  bezeichnung  grügelhan 


GURGELHIEB -iGURGELN  Ai         1152 

grygallua  maior  Heuszlin  Oesners  vogelbuch  (1567)  107; 
s.  teil  4,  1,  6,  634. 

GURGELHIEB,  m.  'hieb  in  die  kehlet  mein  printz  . . . 
sich  des  einen  feindes  durch  einen  giu-gelhieb  entledigte 
v.  Ziegler  asiat.  Banise  (1689)  142; 

und  neben  diesem  lag  dort  auf  der  wiese, 
mit  einem  gurgelhieb,  ein  todter  riese 

Geies  Bojardos  verl.  Roland  (1835)  2,  332. 

—  gurgelkehle,  /.,  gurgel:  (durch  aderlasz  kann  man 
keinen  schleim  entziehen;)  soll  dann  die  ader  ein  nasenloch 
oder  ein  gurgelkeel  .  .  .  seyn,  dardurch  der  .  .  .  schleimb, 
so  mit  harter  mühe  durch  die  weite  gurgl  herauffgebracht 
wirdt,  .  .  .  soll  herauszgetriben  werden?  Guarinoniüs 
grewel  (I&IQ)  1044;  vgl.  gurgelstrosse.  —  gurgelklappe, 
/.,  bei  pumpen  (vgl.  gurgel  3)  Jacobsson  technol.  wb.  (1781) 
2,  173^;  von  der  luftröhre,  im  humoristischen  vergleich  mit 
der  orgel:  (er  war  fest  eingeschlafen  und  im  besten  zuge) 
mit  allen  gurgelklappen  und  nasenwindladen  den  melo- 
dischen Choral  'nun  ruhen  alle  Wälder'  abzuspielen 
O.M\!iÄ.^B.  Bürger  (1873)1,102.  —  gurgelkropf,  m., 
'der  vorwanst  der  thieren,  ausz  dem  sie  die  speisz  wider- 
holen' Megiser  thes.  polygl.  (1603)  2,  440^. 

GURGELLAUT,  w.,  für  'gutturaler  consonanf ,  zu 
gurgel  la:  (unter  den  consonanten)  giebt  es:  l.  einen 
hmgenlaut  ...  h;  2.  drey  gurgellaute  ...  ch,  g,  k 
Adelung  dtsche  Sprachlehre  (1781)  29;  ein  mensch,  der 
darüber  wahnsinnig  wird,  weil  er  .  .  .  einen  neuen  gurgel - 
laut,  der  nicht  im  a  b  c  aufgeht,  hervorbringen  will 
Hebbel  tageb.  2,  297  Werner,  allgemeiner,  mehr  im  sinne 
einer  stark  guttural  gefärbten  articulation(vgl.  gurgeln  B 1  b) : 
(er)  fragte  den  schwer  verständlichen  kellner,  welcher  in 
wunderbaren  kehl-  und  gurgellauten  versicherte,  er 
spreche  deutsch  Laube  ges.  sehr.  (1875)  15,  482;  (Eng- 
länderinnen reden  stets  laut  im  museum)  wobei  die  gurgel- 
laute des  englischen  das  ganze  noch  besonders  verscheusz- 
lichen  0.  J.  Bierbaum  mit  der  kraft  (1906)  133.  s.  auch 
gurgelton. 

^GURGELN,  vb.  den  rächen  (gurgel)  spülen;  laute  in 
der  gurgel  oder  solchen  ähnliche  gerauscht  hervorbringen. 

von  gurgel,  /.,  abzuleiten,  vgl.  it.  gorgogliare;  doch  ist 
zu  beachten,  dasz  einer  der  frühesten  belege  im  Breslauer 
arzneib.  52  (s.  B  1  e  ß)  auf  das  knurren  im  leibe  geht  (vgl. 
gurren  1  a)  und  dasz  hier  wie  bei  K.  v.  Megenberg  (s.  l) 
gurgel  noch  fehlt;  das  legt  die  Vermutung  nahe,  dasz  in  dem 
denominat.  ein  schallnachahmendes  verb  aufgegangen  ist. 

gorgeln  hat  sich  gegenüber  gurgeln  auf  die  ma.  zurück- 
gezogen: (1421)  bei  DiEFENBACH  nov.  gl.  189»;  Ortolfp 
v.  Bairland  (1479)  40»,  jedoch  (1488)  56b  gurgeln;  buch 
der  liebe  (1587)  153*';  görgeln  Hulsius  d.-it.  (1Q18)  U3^; 
8.  auch  Fischer  schwäb.  3,  751;  Woeste  82^;  Men- 
siNG  2,  466.  mnd.  tritt  gorgeln  nehen  entlehnungsversuchen 
wie  gargaren,  gargariseren,  gargheln  nach  lat.  gargarizare 
auf,  s.  Schiller-Lübben  2,  13'';  134»;  vgl.  mnl.  gorgelen. 
mit  dem  ende  des  16.  jh.  hat  sich  gurgeln  schriftsprachlich 
durchgesetzt,  s.  auch  gargeln.  mlat.  gurgulare  Diefen- 
bach  271 '^  wird  aus  dem  deutschen  stammen. 

A.  Spülbewegungen  im  halse,  in  der  gurgel  hervorbringen. 

1)  in  specißscher  Verwendung  für  das  rachenspülen,  pleo- 
nastisch  im  hals  gurgeln:  so  man  damit  (mit  eisenkraui) 
gorgelt  in  dem  hals  und  in  dem  mund  K.  v.  Megenberg 
blich  d.  natur  424  Pfeiffer;  auch  329;  365;  367;  gargarizare 
gurgelen  in  der  kelen  oder  in  dem  halsz  gemma  gemm. 
(1508)13^1;  gargarizo  ich  gurgel  im  hals  Alberus  dict. 
(1640)  i  i  33';  dann  bis  heute  ohne  jede  ergänzung  gebraucht: 
gragari  gorgelen  (1421)  (»ei  Diefenbach  nov.  gl.  189 »; 
gargarizare  gurgeln,  gorgeln  gl.  257^;  gargarizatio  das 
gurgelen  Frisius  dict.  (1541)388'';  durch  gurgeln,  ab- 
waschung  .  .  .  curiert  werden  Ettner  v.  Eiteritz  med. 
maulaffe  (1719)  829;  man  quälte  mich  mit  gurgeln  und  pin- 
seln Göthe  27,  214  W.;  des  morgens  kann  ich  ruhig  eine 
Viertelstunde  lang  gurgeln,  ohne  irgend  wen  zu  be- 
lästigen Fontane  familienbriefe  (1905)  1,  138. 

in  älterer  zeit  sind  verschiedene  abiveichende  constructions- 
weisen  in  gebrauch;  reflexiv  sich  gurgeln  se  gargariser 


1153 


iGURGELN  A  2-B  i 


iGURGELN  B  1 


1154 


nouv.  did.  (1762)  1,  sei»;  Adelung  2,  844:  damit  soll  sich 
der  kranck  offt  lawlecht  gurgeln,  oder  vil  mehr  den  mund 
und  die  ziingen  damit  schwencken  und  waschen  Gäbel- 
KOVEK  arzneib.  (1595)  l,  61;  und  gurgel  dich  damit 
J.  Aghicola  chirurgia  (1643)  129;  stark  gurgeln  aber  darf 
sich  der  kranke  nicht  Bremseb  med.  parömien  (1806)  267; 
transitiv  wie  spülen  gebraucht:  das  pulverlin  von  den  ge- 
brannten hundtszänen  ...  in  wein  gesotten,  und  den 
mund  damit  wol  gegurglet,  vertreibet  das  zanwee  (Pli- 
nius,  nat.  hiat.  30,3:  colluunt)  Heyden  (1565)205;  {ein 
Wasser)  damit  man  den  hals,  so  er  siech,  gurglet,  wescht 
und  heylet  S.  Roth  did.  (1571)  o  6»;  (wasser)  den  mund 
zu  gurgeln  jjour  gargariser  la  boucke  DuEZ  guidon  (1657) 
594;  noch  Adelung  den  hals  mit  wasser  gurgeln  2,  844. 
wohl  vom  lat.  gargarizare  aliquid  beeinfluszt:  wenn  man 
ez  {aufgelöstes  baummark)  gorgelt  in  dem  hals,  so  pricht 
ez  die  apostem  in  der  kein  K.  v.  Megenberq  buch  d.  nat. 
364;  nym  sein  {des  medicamenls)  eyn  löilel  vol  in  den 
mund  und  gorgel  es  umb  und  umb  und  spey  es  denn 
wider  aus  Obtolff  v.  BAmLAND  arbzneipuch  (1479)  iO^. 
s.  auch  gurgelung. 

2)  unter  röchel-  und  umrgebewegun^en  'von  sich  geben'' 
und  'zu  sich  nehmen':  gurgulare  {i.  e.  erudare)  gorgeln  vel 
vyern  Diefenbach  gloss.  271";  'vom  würgen  und  dem 
damit  verbundenen  laut  beim  erbrechen  oder  beim  reize  dazu; 
sich  erbrechen'  Staub-Tobleb  2,  418;  vgl.  utgörgeln  vo- 
mieren, von  kindern  Woeste  west/äl.  283  «■;  s.  auch  gurgel- 
suppe.  blut  von  sich  geben:  und  gurgelte  das  blut  häuffig 
ausz  dem  halse  A.  H.  Buchholtz  Herkules  (1660)  l,  487; 
aber  das  häuffige  geblüte,  welches  er  von  sich  gurgelte, 
machte,  dasz  er  mir  nicht  antworten  konte  poln.-preusz. 
Robinson  (1736)  14.  umgekehrt:  ingurgitare  in  sich  gur- 
gehi  vel  schlucken  Diefenbach  gloss.  298^;  bes.  vom 
trinken: 

mein  träumen  gieng  allein  auf  trinken,  gurgeln,  schluken; 

jedoch  mund,  hala  und  Schlund,  die  blieben  immer  truken 

JOH.  Grob  epigramme  170  lit.  ver.; 

noch  heute  mundartlich  eins  gurgeln  Maetin-Lienhakt 
1,  231;  Staub-Tobleb  2,  418;  ähnlich  bier  hineingurgeln 
Hebtel  Thür.  111;  vgl.  noch  durch-,  herunter-,  ver- 
gurgeln  Sandebs  641»;   ergwb.  241^;   s.  auch  gurgler  3. 

B.  laute  von  bestimmter  art  hervorbringen,  durch  ähn- 
liche be7vegungen  im  halse  wie  unter  A;  hier  bestimmen 
z.  l.  greifbar  onotnatopoetische  absichien  die  Wortwahl. 

1)  dumpfe,  unscharfe,  unklare,  also  meist  häsdiche  laute 
hervorbringen,  mit  der  rein  terminologischen  bedeutung 
verbindet  sich  oft  ein  mehr  oder  weniger  pejorativer  gehalt. 

a)  von  dumpfen  tierischen  kehllauten,  gurren,  quarren, 
special  für  balztöne:  {der  birkhahn)  gurgelt  und  pullert, 
wie  die  kleinen  pflugräder,  dasz  man  es  weit  höret  H.  P. 
V.  Fleming  d.  teutsche  jäger  (1719)  l,  142;  {zuerst  hört  man 
das  zischen  des  birkha,hns)  nachher  das  sogenannte  .  .  . 
gurgeln  J.  A.  Naumann  imturgesch.  d.  vögel  (1822)  6,  344; 
s.  auch  gurgelhahn.  von  tauben:  {da)  gurrt,  gluckst  und 
gurgelt  es  durcheinander  Gutzkow  zaub.  v.  Rom  l,  IC; 
seine  tauben  gurgelten  auf  dem  Strohdach  Pbeytag  soll 
u.  hab.  (1855)  3,  112;  ferner:  {der  rohrsperling)  zwitschert, 
pfeift,  schnattert,  zischt  und  gurgelt  li.  Allmeks  7nar- 
schenb.  103;  vom  quarren  der  f rösche:  mooriges  schilf, 
worin  die  frösche  gurgeha  Gutzkow  ges.  w.  (1872)  11,  127; 
unbestimmter  in  dichterischem  bilde: 

wo  gefleckte  kröten 
sich  gurgelnd  blähn  bei  menscheniisern 

Schubart  sämtl.  ged.  (1825)  2,  293. 

anders  von  unartikulierten  kehllauten:  nun  erfreute  er  {der 
äffe)  sich  seines  sieges  auf  das  lebhafteste,  indem  er  .  .  . 
ein  bedeutungsvolles  gurgeln  hören  liesz  Bbehm  tierleben 
(1890)  1,  85. 

b)  mit  vorwiegend  gutturaler  articulation  sprechen:  {für 
die  ausspräche  des  hebräischen  wurde  mir)  ein  gewisses 
näseln  und  gurgeln  als  ein  unerreichbares  nicht  wenig 
empfohlen  Göthe  26,  201  W.;  {manche  können)  den  kon- 
sonanten  r  nur  gurgelnd  aussprechen  Möbike  5,  133 
Krausz;    Sophiechen    spricht    das    echt    stralsundische 

IV.  1.  (i. 


deutsch,  das  etwas  tief  in  der  kehle  sitzt  und  —  gurgelt 
K.  v.  Pommeb-Eiche  tagebuch  (1911)  150;  vgl.  der  gurglet, 
as  häb  er  en  wirtel  im  hals  Fischeb  schwäb.  3,  930.  da- 
neben öfter  ein  halbunterdrücktes  sprechen  umschreibend: 
als  ich  mich  zu  ihm  herüber  beugte,  gurgelte  er  mir 
schnarrend  'generös'  in  das  ohr  Hauff  sämtl.  w.  (1890)  3, 
269;  pack  dich,  gurgelte  ich  endlich  nach  dem  lästigen 
hin  Laube  d.  junge  Europa  (1908)  1,  79;  bestien,  ver- 
fluchte! gurgelte  Hans  Adam  {im  zorn)  Handel-Maz- 
zetti  Jesse  u.  Maria  2  (1906)  213. 

mit  stärker  abschätzigem  gehalt  {vgl.  u.  c):  {der  söhn  des 
rabbi  recitiert  die  thora;) 

und  er  gurgelte  gar  lieblich 

jene  fetten  gutturalen  Heine  1,  439  Elfter; 

{Kamtschadalen)  die  ihre  töne  aus  grosen  kröpfen  heraus 
mehr  gurgeln  als  sprechen  Schubabt  leben  u.  gesinn.  1,  80. 

c)  rein  pejorativ,  auf  geschmacklose  weise  singen,  dann 
plärren,  grölen  {vgl.  auch  2).  von  den  unnatürlichen  kolo- 
raturen  der  arien:  eine  Sängerin  muszte,  um  bewundert  zu 
werden,  gurgeln  und  trillern  wie  eine  nachtigall  Wieland 
I  10,  29  akad.  {Abd.  I  2) ;  {arien,  aus  dem  Zusammenhang 
gerissen,  in  fremden  sprachen  gesungen,  sind  für  die 
meisten)  ein  bloszes  gurgeln  und  trillern  Heinse  5,  108 
Seh.;  {halbkenner  wollen)  die  vortreffliche  Sängerin  bereden 
.  .  .  eine  ganz  fremde  aria  d'agilitä  nach  italienischer  art 
zu  gurgeln  V.  Aybenhoff  werke  (1814)  3,  275;  die  sänger 
der  hiesigen  nationalbühne  verdienen  das  lob,  dasz  sie 
gefühlt  haben,  was  sie  sangen;  .  .  .  dasz  sie  nicht  blos 
gurgelten,  sondern  sprachen  bei  O.  Jahn  Mozart  (1856) 
3,  470;  wenn  ich  mit  ausdruck  singen  höre  —  nicht  leiern 
oder  gurgeln  —  so  was  eigentlich  singen  ist  Iffland 
Iheatral.  w.  4,  218;  bildlich  für  überkünstelte  poesie: 

statt  unnatürlicher  töne, 
die  ein  Lobenstein  gurgelt,  hört  man  in  teutonischen  haynen 
ileder  von  geist  und  anmut  beseelt 

Wieland  1 1,  457  akad. 

für  grölen,  plärren  schlechthin:  'oiw  vollem,  halse  singen, 
plärren'  wb.  d.  dt.  spräche  {Prag  1821)  110*; 

(sckildwache:)  wir  singen  auf  befehle, 

nur  zu,  es  glückt  uns  schon. 

ich  gurgle  falsche  töne     Kotzebuk  (1827)  1,  175; 

anders,  im  sinne  von  'röcheln'  etwa  {vgl.  u.  d):  auch  musz 
der  küster,  der  ein  gespenst  ist,  nicht  singen,  sondern 
gurgeln  Büegeb  469^  Bohtz;  s.  vorgurgeln. 

d)  vom,  hervorbringen  geringster  menschlicher  kehllaute, 
meist  soviel  wie  'röcheln' ;  bes.  von  sterbenden  oder  nach 
Ivft  ringenden  menschen,  s.  Ludwig  t.-ewjl.  (1716)  822; 
Woeste  ivestf.  82^;  Fischeb  schwäb.  3,  930:  {wenn  er 
stirbt)  so  fehet  dan  der  mensch  an  zu  rubelen  und  zu 
gurgeln  in  der  kelen  wie  ein  trechter  Keisebsbeeg  emeis 
(1517)  9^;  über  dem  röcheln  und  gurgeln  erwachet  die 
magd,  so  in  der  kammer  lag  A.  v.  Kreckwitz  lustwäld- 
lein  (1632)  266;  {indem  ich  den  einen  mörder  entwaffnde) 
wollte  mein  camerad  dem  gurgelnden  Merillo  die  schlinge 
vom  halse  machen  Schnabel  d.  im  irrg.  d.  liebe  herumt. 
cavalier  (1738)  527;  ein  tiefes  gurgelndes  stöhnen  kam  von 
ziemlich  nahe  W.  Alexis  d.  hosen  (1846)  1,  295;  gurgelnde 
und  pfeifende  laute  .  .  .  trafen  sein  ohr  G.  Hauptmann 
bahnwärter  Thiel  (1892)  55;  bub,  stammelte  er  .  .  .  dann 
kam  ein  gurgeln  aus  seinem  munde,  als  müszte  er  er- 
sticken E.  Zahn  schattenhalb  (1917)  155.  ebenso  bei  sprach- 
behinderten: 

ihr  nennt  es  st-ottern?    weisz  nicht,   wie  es  heiszt, 
ich  weisz  nur,  dasz  der  hals  mir  so  gewachsen, 
da  klemmt  sichs,  schnurrt  und  gurgelt  wohl  ein  bischen 
TiECK  schrijten  (1828)  3,  273; 

{des  lehrers  worte  waren)  nicht  sehr  klar  des  weges,  und 
bei  aufpassen  hörte  man  sie  vor  ihrer  ankunft  gurgeln 
Hans  Geimm  volk  o.  räum  l,  508.  für  'unarticulierte  laute 
von  sich  geben,  stammeln'  im  schwäb.,  s.  gorgeln  Fischeb 
3,  751. 

e)  hervorbringen  unarticvlierter  geräusche  auszerhalb  des 
bereiches  der  kehle,  oft  in  unpersönlicher  construdion. 

73 


1155 


iGURGELN  B  2 


2GURGELN  -  GURGELSTROSSE       1 156 


a)  meist  vom  wasser,  gluckern,  plätschern,  murmeln,  rau- 
schen: wenn  nicht  mehr  in  dem  trechter  ist,  so  fahet  es 
an  zu  gurgeln  und  bluttern  KEiSEKSBEKGemei.s(1517)8^; 
ähnlich:  trinklieder,  die  das  gurgeln  und  plodern  der 
weinschlücke  nachahmen  Gervinus  gesch.  d.  d.  dichtung^ 
(1871)  2,  öüC;  anders: 

(der  pfaffen  heller  sind)  al  vol  wein, 
der  würt  unsz  gurglen  süsz  hinyn 

MuKNEE  luth.  narr  97  Kurz; 

in  neuerer  literatur  für  das  ger dusch  flieszenden  oder  be- 
wegten Wassers  sehr  beliebt: 

lauter  gurgelt  der  bach 
durch  mäander  des  veilchenthals 

HÖLTY  ged.  65  Halm; 

Valtin  und  Grete  hörten  nichts  mehr  als  das  gurgehi  des 
Wassers  Fontane  I  2,  402;  (das  hochwasser)  gurgelte  und 
mm-melte  lustig  B.  Atjeebach  sehr.  (1892)11,131;  (der 
bach  bildete  einen  sumpf,  in  dem  es)  geheimnisvoll  gurgelte 
und  murmelte  E.  v.  Dincklage  kurze  erzähl.^  177;  unten 
gurgelte  die  flut  klagend  an  den  holzpfählen  G.  Feeytag 
geg.  w.  (1886)4,  129;  von  anderen  wassergeräuschen  eben- 
falls nicht  selten: 

nur  manchmal,  wenn  vom  tiefen  grund 
die  bläschen  gurgelnd  aufwärts  quellen 

G.  Kinkel  ged.  2  (1868)  365; 

(es)  rauschte  ein  dichter  guszregen  nieder,  auszen  plät- 
scherte es  von  den  traufen  und  gurgelte  in  den  rinnsalen 
Anzengeuber  ges.  w.  (1890)  2,  184;  das  wasser  gurgelte 
dumpf  am  bug  und  tröpfelte  silbern  von  den  rudern 
H.Hesse  P.  Camenzind  (1905)167;  wie  Tantalus  stehe 
ich  mitten  in  der  fluth,  und  die  wasser  gurgeln  zur  tiefe 
rings  um  meinen  dürstenden  mund  G.  Fkeytag  ges.  w. 
(1886)  2,  297. 

ß)  in  verschiedenen  anderen  bereichen;  vom,  knurren  im 
leibe  schon  im  14.  jh.  belegt:  swer  di  vicblatern  hat  von 
grozir  vuchte,  di  leimic  ist,  der  hat  bladem  {wind),  des 
zu  vil  ist  itwederhalp  bi  den  siten  unde  gurgelt  in  dem 
buche  Bresl.  arzneib.  52  Külz;  von  darmblähungen  auch 
Bacher  Lusern  260;  ähnlich:  ich  glaube,  dasz  mein 
kurtzer  ahtem  nur  von  winden  kompt;  den  wie  ich  ein 
wenig  starck  gehe,  gurgeln  sie  mir  im  halsz  Elisabeth 
Charlotte  bricfc  v.  1707-15,  236  Holland. 

vereinzelt  von  mehr  surrenden  geräuschen:  {er  stieg  in 
den  lift)  die  maschine  gurgelte,  es  ging  in  die  höhe 
B.  Auerbach  sehr.  (1892)  18,  190;  im  kriege  von  granaten: 
bei  jedem  gurgeln  und  sausen  in  der  luft  P.  Alverdes 
Reinhold  (1931)  44;  danach  hieszen  bestimmte  geschosse 
gurgelaugust,  gurgelpanje  Th.  Imme  soldatenspr.  (1917) 
63,  136, 

2)  singen,  schmettern,  zwitschern,  meist  von  vögeln: 

gar  suze  gedune  er  da  vernam: 
uz  heller  stimme  gorgeln  (chorum) 
Schönbach  miit.  a.  altd.  hss.  6,  112  in  Wiener  sb.  1897; 

im  18.  jh.  fest: 

hört,  wie  gurgeln  sie  so  schön! 
höret,  wie  sie  musicieren 

Beockes  ird.  vergnügen  (1721)  4,  10; 

(es)  erfüllt  ihr  liederreicher  chor 
und  helles  gurgeln  luft  und  ohr 

ebda  4,  57;  auch  Jahreszeiten  (1745)  65;  73; 

bes.  für  das  schlagen  der  nachtigall: 

ich  hörte  sie  bezaubernd  streicheln 
mit  holdem  gurgeln  luft  und  ohr 
Chr.  Fr.  Weichjiann  poesie  d.  Niedersachsen  (1721)  2,  108; 

sie  gurgelte,  tief  aus  der  vollen  kehle 

den  silberschlag  Hölty  ged.  56  Halm. 

vielleicht  auch  hierher,  wenn  nicht  abschätzig  geineint  und 
dann  also  zu  B  l  c :  {sie  hatten)  musicisch  mit  vier  und 
fünff  stimmen  zu  figuriren,  .  .  .  bergreyen,  Bremberger, 
vülanellen  und  .  .  .  reuterliedlein  zu  singen,  zu  gurgelen 
und  im  halsz  nachtigallisch  zu  dichten  und  zu  uber- 
werflEen  Fischart  Garg.  277  ndr.; 

(wir)  gurgelten  nach  einer  melodie 
ein  muntres  lied,  die  arbeit  zu  beleben 
Wieland  II  l,  57  akad.  (sommernachtstraum  in  7), 


für  das  engl,  to  warble  'trillern,  trällern'' ;  ebenso  über- 
setzt von  Herder  25, 112  S. 

^GURGELN,  vb.,  junge  neubildung  vom  subst.  gurge), 
'jemand  würgen';  vgl.  quergeln  teil  7,  2360:  du  gurgelst 
den  nackenden,  du  schlegst  den  hungerigen  G.  Wicelius 
unchristl.  wucher  (1537)  D  6^;  (sie  berichteten,  dasz)  der 
schalckhafftige  knecht  seinen  mitknecht  gurglete,  steckte 
und  blockte  {Matth.  18)  C.  Htjberinus  spiegel  der  haus- 
zucht  (1554)  Bb  4^;  einfach  für  'töten':  4700  hat  er  als 
proscribirten  oder  verschribnen  lassen  gurgeln  H.  Gholtz 
leb.  bilder,  vorred  Q>^;  im  ursprünglichen  sinn:  wenn  man 
einem  an  den  halsz  feilet,  jhn  mit  den  henden,  strick 
oder  handquell(-<McÄ)  gurgelt  {kann  er  den  schlag  be- 
kommen) J.  Wittich  consilium  apoplect.  (1594)  20"^;  offoco 
gurglen  oder  erstecken  Calepinus  Xlling.  (1598)986^; 
{ich  will  dich)  so  görgeln,  dasz  du  all  dein  bischen  basz 
und  discant  drüber  verlieren  sollst  maler  Müller  werke 
(1811)  3,  198;  (er  wollte  seine  Stiefmutter  nicht  ermorden) 
doch  wisse  er,  dasz  er  in  bosheit  sie  recht  gegurgelt 
Gesky  criminal-chron.  (1825)  18.  in  beschränkter  Ver- 
breitung noch  in  den  mundarten,  z.  b.  Fischer  3,  930; 
Batjee-Collitz  42"';  Reinwald  53;  2,  54;  Mensing  2, 
455;  abgeblaszt  zu  'quälen'  Crecelius  444;  vgl.  noch 
Hertel  Thür,  111.  s.  auch  abgurgeln,  entgurgeln, 
gurgen. 

GURGELPLATTE,  /.,  'halsschutz  der  plattenrüstung 
des  16.  jh.'  Otte  archäol.  wb.  94. 

GURGELROHR,  n.,  auch  gurgebröhre,  /.  l)  luftröhre 
{vgl.  gurgel  1  a):  es  ist  auch  solche  käl  oder  gurgelror  mitt 
den  fellin  umbgeben  Ryff  anaiomi  (1541)  k  23-;  von  iedem 
81  wirt  die  kele  und  gurgelror  rauch  und  heyser  ders. 
Spiegel  d.  gesundh.  (1544)  59^;  der  weisz  magsaamen  ist 
aine  nutzliche  artzney  der  brüst,  lungen  und  gurgelröhr 
Tabernämontanus  kräutb.  (1687)  964"';  gurgelrohr  auch 
L.  Remmelin  kl.  Weltspiegel  (1632)  6.  2)  Speiseröhre  {vgl. 
gurgel  ib):  gurgelrohr  foce,  canale  della  gola  Hulsius 

d.-ital.  (1618)  2,  157t>; 

der  Schöpfer  setzte  mann  un  weib 

e  richtig  leber  in  de  leib 

un  übe  druff  e  gurgelrohr  — 

mer  habe  durscht  —  wer  kann  davor? 

11.  Thomas  unter  künden  (1905)  221. 

3)  technisch,  bei  wasserpumpen  {vgl.  gurgel  3):  gurgel- 
röhren .  .  .  anzuordnen  allg.  dtsche  bibl.  (1765)  10,  139; 
gurgelrohr  Karmaesch-Heeren  10,  382;  Lueger  5,  22; 
7,  868. 

GURGELSCHNEIDERi,  m.,  gedungener  mörder,  raub- 
mörder,  zu  gurgel  2  b:  unser  eins  hat  auch  ehre  im  leibe. 

—  die  ehre  der  gurgelschneider  ?  —  ist  wohl  feuerfester 
als  eurer  ehrlichen  leute  Schiller  3,  29  O.  {Fiesco  I  9) ; 
herr,  die  gurgel  ist  ihm  abgeschnitten  ...  —  du  bist  einer 
der  besten  gurgelschneider  Bürger  300  Bohtz  {Macbeth 
III  6);  so!  der  gurgelschneider  wollte  mich  ums  leben 
bringen  G.  Forster  sämtl.  sehr.  (1843)  9,  291.  in  über- 
tragener bedeutung  für  'Wucherer'  Ruckert  unterfränk. 
rna.  G3;  für  'kritiker'  R.  Delcourt  expressions  d'argot 
(1917)  112''. 

GURGELSTECHER,  m.,  in  übertragenem  sinne,  vgl. 
gurgel  2  b,  für  ' Wucherer' :  solche  fynantzer  heyst  man 
die  gorgelstecher  odder  kelstecher  Luther  15,  308  W.; 

ein  junckfrawschwecher  oder  ehbrecher 
ein  wuchrer,  Wechsler,  gorgelstecher 

H.  Sachs  3,  568  Keller. 

—  gurgelstimme,/..*  wenn  man  die  zunge  an  dengau- 
men  drücket ;  oder  . . .  die  zahne  einbeizet . . . :  so  wird  da- 
durch der  ton  verhindert,  und  nehmen  daher  die  haupt- 
fehler  des  singens,  nämlich  die  sogenannte  gurgel-  und 
nasenstimme  ihren  Ursprung  J.  Quantz  versuch  {ns,9)  40. 
vgl.  gurgel  1  a.  —  gurgelstrosse,/.,  gurgel,  vgl.  strosse 
teil  10,  4,  76;  pleonastisch  wie  gurgelkehle  {s.d.):  {Qrosz- 
gisier  s])rach)  wie  hast  so  gar  ein  grosz  .  .  .  gorgelstrosen. 
darauflf  schlosz  gleich  der  gantz  umbstand  .  .  .,  dasz  dieser 
durstig  schreiling  darumb  müszt  den  nam  Gorgellantua 
oder  Gurgelstrozza  tragen  Fischart  Oarg.  161  ndr.; 


1 157  GURGELSUPPE  -  GURGEL  WASSER 


GURGEN- GURKE 


1158 


de  eine  rüspert  uth  der  gorgelstrate, 
als  queme  idt  uth  einem  halen  vate 

Lauremberg  scherzged.  05  ndr.  (4,  585). 

—  gurgelsuppe,/.,  das  erbrochene  des  trinkcrs:  die  sew 
.  .  .  seine  gorgelsuppen  umb  yhn  her  fressen  Luther  19, 
397  W.    vgl.  gurgeln  A  2. 

GURGELTON,  m.  l)  wie  gurgellaut  'gutturaler  con- 
sonanV:  in  den  Alpenländern  hat  sich  der  gewöhnliche 
klimatische  einflusz  gebirgigter  länder  auf  eine  rauhe 
ausspräche  und  die  harten  gurgeltöne  bewährt  Fr. 
Schlegel  sämtl.  w.  (1846)  i,  20ö;  zu  gurgel  i  a. 

2)  zu  gurgeln,  vb.;  von  affenlauten  (B  l  a):  beruhigende 
gurgeltöne  Brehm  1,  131  P.-L.;  traurige  gurgeltöne  ebda 

1,  135.  von  gurgelndem  sprechen  (B  1  b):  ein  neger  hatte 
eben  madagassisch  gesprochen  und  gurgeltöne  hervorge- 
bracht, die  noch  kaum  der  menschlichen  spräche  anzu- 
gehören schienen  Gutzkow  zauberer  (1858)  9,  420;  in 
ächzend  herausgestoszenen  gurgeltönen  redete  er  weiter 
RosEGGER  sehr.  I  2,  133.  von  kehlgeräuschen  (B  1  d;  A  2): 
nun  gieng  ein  husten,  niesen,  mit  untermischtem  schluk- 
ken, seltsamen,  wilden  gurgel-  und  schnapptönen  .  .  .  los 
VisCHER  auch  einer  (1879)  1,  36;  er  beugt  sich  {betrunken) 
über  das  geländer.  schreckliche  gurgeltöne,  halt  mir 
doch  den  köpf  .  .  .  neue  gurgeltöne  Lilienckon  sämtl.  w. 
(1896)2,200.  vom  Wasser  im  engen  gefäszhals  (Blea): 
gurgeltöne  von  sich  geben  (glunkern)  Unger-Khull 
steir.  296*>. 

GURGELTRANK,  m.,  synonym  zu  gurgelwasser,  zu 
gurgeln  Al:  gurgeltranck Kramer <ew<5cA-i<. (1700)  1,5773'; 
man  kann  gurgeltränke  machen,  wenn  man  .  .  ,  Krünitz 
20,  359;  ganz  verblaszt,  im  sinne  von  einzugebender  medizin: 
in  der  kranckheit  wird  dem  viehe  ein  gurgeltranck  ge- 
geben casselische  zeitung  (1732)  71. 

GURGELUNG,  /.  gurgelung  machen  im  nd.  statt  des 
einfachen  gurgeln  in  der  mediz.  bed.  gebraucht:  (den  mund) 
dar  mede  ghespolet  effte  gorgelinghe  in  deme  halsze  dar 
mede  ghemaket  (1520)  bei  Schiller-Lübben  2,  134»;  vgl. 

2,  13''.  sonst  7iur  als  contrafactur  von  gargarismus  belegt 
Stieler  715;  Kramer  teutsch-it.  (1700)  i,  577'i;  in  ver- 
derbter form  gurlung  vocab.  opt.  33*'  Wackernagel. 

GURGELWÄSCHE,  /.,  das  trinken,  vgl.  die  gurgel  wa- 
schen unter  gurgel  l  b:  {ein  grund,)  dasz  man  eine  steiffe 
gurgelwäsch  darum  halten  kunte  Joh.  Riemer«/,  trunkene 
träumer  (1684)405;  (214  arten,  das  geld)  zu  verthun,  die 
gurgelwäsch  nicht  mit  gerechnet  G.  Regis  Rabelais  (1832) 
1,  264.  —  gurgelwaschen,  n.:  was  soll  mirs  gelt  in  der 
täschen,  mir  thut  viel  basz  das  gurgelwäschen  Fischart 
Qarg.  135  ndr.  —  gurgelwäscher,  m.,  trinker:  wann 
sie  {die  prediger)  vil  wider  die  gurgelwescher  schreien 
Casp.  Adler  allen  frummen  Christen  zu  lesen  (1523)  a  4*. 

GURGELWASSER,  n.  l)  gurgdmittel ,  mundwasser; 
schon  K.  V.  Megenberg  {mit  der  form  gargel-  für 
gorgel-;  vgl.  gurgeln,  vb.;  gurgel,/.):  ain  gargelwazzer  dar 
auz  {aus  diadragant)  .  .  .,  daz  ist  guot  wider  der  prust 
siehtum  buch  d.  nat.  366  Pf.;  allaun  in  wein  zerlassen  ein 
seer  nutzlichs  gurgelwasser  gibt  Ryff  spiegel  d.  gesundh. 
(1544)97'"';  kreftige  mund  oder  gurgelwasser  Joh.  Wit- 
tich consilium  apoplect.  (1594)  96;  ich  bin  fro,  dasz  ihr 
ewers  böszen  halsz  quit  seydt;  man  hatt  ja  so  viel  gutts 
gurgelwaszer,  dasz  soltet  ihr  brauchen  Elis.  Chakl.  v. 
Orleans  briefe  1676-1706  378  Holland;  die  myrrhetinctur 
wird  gurgelwässern  ...  oft  zugesetzt  Muspbatt  chemie 
(1893)  4,  109.  in  ältrer  zeit  auch  für  einzuführende  medi- 
camente  {vgl.  gurgeltrank):  lasz  dem  pferd  ein  gurgel- 
wasser zurichten,  dasselbige  desz  tags  vier  oder  fünfE- 
mahl  gebrauchen  —  als  giesz  jme  4  becher  einer  mixtur 
fein  allgemach  in  den  halsz  hinein  Uffenbach  roszbuch 
(1603)  2,  114;  einem  ein  gurgelwasser  einspritzen  Kjiamer 
teutsch-it.  (1700)  2,  895^. 

2)  übertragen,  für  getränke:  ein  gütiger  s.  Urban,  der 
uns  so  gut  giu-gelwasscr  schafft  Fischart  Garg.  385  ndr.; 
wie  der  reiche  gesell  alle  tage  geschlempt,  hat  ihm  doch 
solches  tägliche  gurglwasser  ein  freud  gemacht  Abr.  a  s. 
Cl,ara  Judas  (1686)  l,  86;  das  gurgelwasser  von  den  Wein- 


reben ders.  auf,  auf  ihr  Christen  107  Wiener  ndr.;  {sie 
schenken  ein)  gebrannte  wasser  —  meistens  aber  gurgel- 
wasser von  labewein,  das  man  nicht  hinunterbringt 
Jean  Paul  li,  440  Hempel. 

GURGEN,  gorgen,  vb.,  lauinachahmende  bildung.  in 
verschiedenen  bedeutungen  belegt;  'gurgelnd  trinken' :  wie 
sie  jetzunder  im  wasser  gurcken,  würden  sie  auch, 
wann  sie  ...  hauswirtin  würden,  im  weine  schlucken 
W.  Bütner  epitome  histor.  (1596)  3251*;  gurken  gurren, 
von  der  taube  rhein.  wb.  2,  1500;  gurgen  röcheln  ebda 
1499;  knurren  im  leibe  Schmid  schwäb.  238;  vom  wasser: 
der  {kranke)  hab  das  aug  in  ein  wasser,  das  gorgent  sei 
bei  Schmeller-Fr.  l,  936;  vgl.  auch  garken  sich  erbrechen 
ebda,  anders,  zu  ^gurgeln,  in  der  bedeutung  'an  der  gurgel 
packen' : 

under  sin  vind  er  .  . . 
sprangt  als  ein  hungriger  wolff, 
der  under  ein  herde  der  schaff 
springet  mit  schnelligklichem  laff, 
an  der  kein  mit  (mute)  in  gurget, 
angreiftet  und  sie  würget 

M.  Behaim  reimchronik  134  Hofmann; 

in  verwandter  bedeutung:  dat  görgt  em  hals  zieht  die  kehle 
zusammen  rhein.  wb.  2,  1499. 

GÜRGENPROZESZ,  m.,  entstellt  aus  injurienprozesz: 
dieser  injurien-  oder,  wie  es  die  bauren  exprimiren, 
gürgenprocesz  J.  C.  Dippel  abgezwungene  fatale  ab- 
fertigung  (1733)  108;  ebda  auch  gürgenklage  132. 

GURGLER,  m.  l)  abschätzig  für  sänger,  zu  gurgeln 
Blc: 

der  fürst:  wie?  was?  ihm  gurgler!  ihm?  fünftausend  golden? 
mein  kanzier  hat  fünfhundert  nur!  — 
mag  seyn,  spricht  der  sopran 

Fr.  W.  gotter  gedickte  (1787)  1,  202. 

in  übertragener  Verwendung:  {manche  verzichten,)  die  hohen 
triller  des  formtriebs  und  spicltriebs  und  das  hohle 
gurgeln  der  Wissenschaft  nachzumachen;  deswegen,  weil 
sie  dazu  nicht  gelangen  könnten,  ohne  etwas  ganz  ge- 
meines aufzuopfern,  was  die  trillerschläger  und  gurgler 
nicht  achten  Fr.  Nicolai  anh.  zu  Fr.  Schillers  musenalm. 
(1797)  61.  —  2)  trinker,  zu  gurgeln  A  2,  in  compos.:  wein- 
und  biergurgler  Kirchhof  wendunm.  (1581)  212»;  gaffi- 
görgeler  Staub-Tobler  2,  418;  durstgurgeler  Fischart 
Garg.  405  ndr.  —  3)  im  lu^ernischen  gorglar  für  den,  der 
g\irgelt:  brumnnbär;  qudlname;  und  für  'gurgelnder  laut', 
'brummende  schelte'  Bacher  261. 

GURGSEN,  vb.,  neben  gorgsen,  gurksen,  gorksen  «. 
ähnl.;  dialektisch,  i&s.  für  magenger äusche,  aufstoszen,  s. 
Staub-Tobler  2,  449;  Fischer  3,  930;  751;  Martin- 
Lienhart  1,  235;  rhein.  wb.  2,  1500;  1307;  Müllek- 
Fraureuth  1,  450^;  JuNGANDREAS  zeitwortbild.  79:  sie 
geifern  und  gorgsen  und  lont  reubszen  Keisebsberg 
brösaml.  (1517)  1,  54*». 

GURIG,  adj.,  armJ  wie  wenig  zwei  gurige  menschlein 
ohne  kind  und  kegel  brauchten,  um  sich  ihres  ehestandes 
zu  trösten  M.  Krummacher  un^er  groszvater  351 ;  vgl. 
gurig,  gaurig,  gorg,  görg  hager,  mager,  schlecht  genährt, 
geizig  rhein.  wb.  2,  1497;  1061;  1306;  s.  auch  gorig. 

GURIMUSCH,  m.,  das  durcheinander;  aus  der  Schweiz 
belegt,  s.  Staub-Tobler  4,  507: 

ördle  {ordne)  den  gurimusch  doch,   und  räume  zusammen 
das  ungschirr       G.  v.  Gaal  nord.  gaste  (1819)  12. 

GURIS,  güris,  m.?,  gartenschierling  Nemnich  216; 
gurisch  Pritzel- Jessen  12;  gürisch  Amaranthes  (1715) 

699. 

GURKATZEN,  vb.,  gurren:  g.  als  die  tauben,  pulpare 
vocab.  (1515  Hüpf  uff)  k  6»;  vgl.  gurgsen,  gurretzen;  ähn- 
lich: lasz  die  tauben  gurucketzen  Abb.  a  s.  Cl,ara  Judas 
4(1695)385. 

GURK,  GURKE,  m.,  s.  kork. 
GURKE,/.,  cucumis  sativus,  pflanze  und  frucht. 
herkunft  und  form. 

das  wort  ist  im  deutschen  seit  dem  16.  jh.  als  enilehnung 
aus  dem  westslav.  bezeugt,  poln.  og6rek  {älter  ogurek);  cech. 

73* 


1159 


GURKE 


GURKE 


1160 


okurka,okurek.  mit  einer  erweiterung  durch  das  deminutiv- 
suffix  ist  es  dort  wiederum  aus  dem  spätgriech.  ((yyovqiov, 
äyovQo^  entnommen  YASnaES,  griech.-slav.  stvd.  II  izvestija 
otd.  russk.  jaz.  imp.  ah.  nauk.  12,  2,  260,  das  seinerseits 
auf  persisch  angörah  zurückgeführt  wird  Kltjge-Götze 
etym.  wb.  222**;  sorb.  korka  stammt  aus  dem  deutschen,  s. 
H.  H.  BiELFELDT  dt.  Ichnwörter  im  obersorb.  169. 

in  näherem  anschlusz  an  die  slav.  quelle  steht  nd.  agurke, 
augurke  (s.  teil  l,  190;  816).  beide  formen  kommen  neben- 
einander vor:  agvircken  {pl.)  Oleäkius  pers.  reisebeschr. 
(1696)  13^;  ajurcken  (pl.)  ebda  lOS**;  aujurcken  (pl.)  pers. 
rosenthal  109**;  ebenso  agurke,  augurke  Htjpel  id.  d.  dt. 
spr.  in  Lief-  und  Esthland  (1795)  5;  mit  dem  akzent  auf  der 
ersten  silbelA'ESSiSQschlesw.-holst.  1, 95.  das  dreisilbige  tuort 
zuerst  beiCTSYTRÄvs^Rostock  1582)  nacÄ  Ejlttge-Götze  222^ ; 
lexikalisch  noch  agurken  LtiDWio  teutsch-engl.  69;  sonst 
nur  mundartlich,  auszer  den  obengenannten  formen  bezeugt 
als  augurke  brem.-ndsächs.  wb.  l,  32;  Dornkaat-Kool- 
MAN  1,  71^;  als  agurke /ttr  Lübeck,  Braunschweig,  Osna- 
brück Kosegarten  wb.  d.  nd.  spr.  (1856)  l,  157;  als  ver- 
altetfür Emmerich  rhein.  wb.  \,  81.  oiw  diesen  mundarten 
weiterentlehnt  als  agurk,  augurk  ins  ndl.  J.  Franck-Wuk 
et.  wb.  d.  ndl.  taal  22^;  fries.  augurch  Dijkstra  l,  62''; 
dän.  agurk,  älter  augurk  Talk-Torp  1,  17;  schwed.  ver- 
altet Hellqüist  SV.  et.  ordb.  21l'>.  anguricke  Henisch  83, 
angurke  Nemnich  cathol.  1,  1306  mögen  Vermischungen 
von  agurke  mit  angurie,  /.,  streifengurke,  Wassermelone 
sein  (s.  Sakders  frcmdwb.  [1891]  l,  OO'';  Nemnich  cathol. 
1, 1302),  das  wie  mittellat.  angurius  du  Gange-Henschel  1, 
257c,  ital.  anguria  Rioutini  -  Bulle  ital.-dt.  1,  43^  un- 
mittelbar aufs  griech.  zurückgeht,  die  form  gurke  begegnet 
zuerst  als  gurcken  (pl.)  W.  H.  Ryfe  confectbüchlein  (1544) 
156''';  ob  in  dem  beinamen  Johannes  diotus  Kurke  (1326) 
urkdb.  d.  stadt  Freiberg  in  Sa.  1,  408  bereits  unser  wort  vor- 
liegt Kluge-Götze  222*>,  M.  GoTTSCHALD  dt.  namenkde 
210'',  bleibt  fraglich;  vgl.  denfamiliennamen  Gurke,  Ogorek 
GoTTSCHALD  o. O.G.;  dagegen  spricht  cech.  Ales Krk(  =  hals) 
urlcde  von  1351  bei  Gebauer  slovnik  starocesky  2,  150. 
häufig  die  o-form:  gorcke  Kirsch  cornu  cop.  (1732)  2, 157"'; 
gork(e)  Müller-Fraureuth  i,  450^ ;  gorge  F.  Hofmann 
niederhess.  111*';  apokopiert  gark,  gork  Metssi'sq  scJilesw.- 
holst.  2,  510;  gork  Frisch  1,  sei'';  Müller-Fraubeuth 
a.  a.  o.;  mit  flexivischem  -n  im  nom.  sg.  gurcken  vocabula 
rei  numinariae {1652)  j  4'';  Henisch  625;  gorchen,  gurchen 
Aler  (1727)  1,  966»;  994^;  korke,  korke  s.  teil  5,1811; 
Pritzel-Jessen  120.  neben  den  Weiterentlehnungen  aus 
dem-  deutschen  agurke,  augurke  {s.  o.)  steht  schwed.  gurka 
Hellqüist  sv.  et.  ordb.   211'';   engl,  gherkin  Skeat  et. 

dict.  (1888)  232l>. 

mundartliche  Verbreitung. 

das  wort  ist  in  nd.  und  ostmd.  dialekten  lebendig,  neben 
den  formen  agurke,  augurke  {s.  0.)  als  gurke  und  neben- 
formen;  im  nd.:  Fkischbier  1,  259;  Mensing  schlesw.- 
holst.  2, 510;  Bauer-Gollitz  42^;  im  md.:  Müller- 
Fraureuth  1,  450b;  Wenisch  heimatforschg.  Nordwest- 
böhmens 1,  92;  Hentrich  Eichsfeld  3;  Hertel  Thüring. 
111;  F.  Hofmann  niederhess.  lli^;  im  kurhess.  kaum, 
üblich  ViLMAB  230;  im  rheinischen  dringt  gurke  allgemein, 
nur  nicht  rhfrk.,  erst  vor  rhein.  wb.  2,  1499;  im  schiväb. 
gürklein  'kleine  essiggurken'  jetzt  verbreitet,  vereinzelt  schon 
im  16.  jh.  girgel  Fischer  3,  930,  der  eigentlichen  mundart 
aber  fehlt  es,  s.  ebda  904.  das  westmd.  alem.  bair.  brauchen 
dafür  das  aus  dem  lat.  übernommene  kukumer  und  seine 
ableittingeyi  {s.  teil  5,  2585),  das  auch  im  westl.  nd.  bis  ins 
holsteinische  verbreitet  ist.  im  österr.  steht  aus  ungar. 
umorka  entlehntes  unmorke,  unmurke,  umurke  (5.  teil  11, 
3,  1194),  bair.  auch  amurke  Schmeller-Fr.  1,  936.  der 
mundartliche  unterschied  im  gebrauch  der  worte  kukumer 
und  gurke  geht  darauf  zurück,  dasz  es  sich  ursprünglich  um 
zwei  verschiedene  arten  der  gattung  cucumis  handelt;  die 
erste  brachte  die  römische  colonisation  mit,  die  andere  aber, 
die  im  frühen  mittelalter  von  Byzanz  aus  in  Europa  ein- 
drang, gelangte  über  die  östlichen  nachbarn  nach  Deutsch- 
land, wie  lat.  cucumis  bezeichnete  'ursprünglich  ivohl  auch 


das  aus  ihm  stammende  dt.  kukumer  eine  grosze,  Jcürbis- 
ähnlichefrucht'  Schrader  reallex.  d.  idg.  altertumskde.  484 ; 
V.  Hehn  kulturpflanzen  u.  hausthiere  (1902)  316;  vgl.  die 
grfossierwig' cucumer  CMcwr6ito  Diefenbach  lei'';  Schmel- 
ler-Fr. 1,  887.  seit  der  mitte  des  IG.  jh.  stehen  beide  be- 
zeichnungen  jedoch  synonym  nebeneinander:  cucumer  et 
cucumis  cucumern,  gurcken  Golius  (1582)  376;  (die  Tür- 
ken) essen  wenigk  zwibeln  und  knoblauch,  ein  wenigk  zer- 
schnittener cucumern,  so  wir  gurken  nennen  R.  Lubenau 
beschreibg.  der  reisen  237  Sahm.  deutlich  wird  die  westliche 
pflanze  mit  gurke  wiedergegeben,  wenn  es  mit  berufung  auf 
Plinius  üb.  20  cap.  2  (ed.  sec.  3,304  Mayhoff)  heiszt:  was 
mit  dem  pulfEer  der  langen  gurcken  besprentzt  wirt,  rüren 
die  meiiss  nicht  an  Heyden  Plin.  (1565)  293;  desgleichen 
in  der  glossierung:  cticumis  .  .  .  welsch  gurcken  Eber- 
Peucer  voc.  rei  numm.  (1558)  k  8'^;  ebenso  Freigius 
quaest.  phys.  (1579)  839.  während  die  mundarten  die  ent- 
lehnungsgebiete  noch  unterscheiden,  hat  sich  schriftsprach- 
lich gurke  durchgesetzt. 

bedeutung. 

1)  die  über  Byzanz  in  Europa  eindringende  pflanze 
namens  äyyovQioi'  scheint  mit  der  heutigen  langen  gurke 
(cucumis  sativus)  nicht  identisch  gewesen  zu  sein;  denn  die 
pers.  spätgriech.  lat.  und  ital.  benennungen,  das  entlehnte 
dt.  angurie  (s.  o.),  selbst  älteres  slowakisches  angurka 
Preobrazensky  etym.  wb.  d.  russ.  spr.  (1910)  6398'  be- 
deuten 'Wassermelone' .  auch  im  deutschen  kann  gurke  ver- 
einzelt noch  bis  ins  17.  jh.  kürbisartige  fruchte  bezeichnen; 
aber  das  geht  wohl  auf  einflusz  des  synonym  gebrauchten 
kukumer  i?i  seiner  ursprünglichen  bedeutung  zurück:  voce- 
mus  ergo  melones  Oermanorum  melaunen  et  melopepones 
pfeben,  pepones  pluzern  et  gurcken  Eber-Peucer  voc. 
rei  numm.  (1558)  k  8^;  cucumern,  gorcken,  saturey  (con- 
combre,  courges,  sariette)  S^Bizfeldbau  (1579)  171;  vgl.  au^ch 
W.  H.  Ryff  confectb.  (1544)  156'''  (s.  u.);  gurcke,  gurchen 
.  .  .  ein  art  einer  frucht  anguria,  cucumer  Aler  (1727) 
1,  994". 

2)  die  bedeutung  'cucumis  sativus'  aber  ist  die  gewöhn- 
liche im  deutschen,  auch  im  slav.  und  in  neugriech.  dyyovQi 
HfipiTÄs  dict.  grec.-fran^.  1, 27^*.  die  ersten  belege  lassen  das 
wort  bereits  bis  ins  alem.  hinein  als  bekannt  erscheinen, 
vgl.  W.  H.  Ryff  confectb.  (1544)  156^;  Ssbiz  feldbau  (1579) 
171;  Golius  (1582)  376;  Freigius  quaest.  phys.  (1579)  839 
s.  0.;  Seutter  hippiatria  35  s.  u.;  girgel  (16.  jh.)  Fischer 
Schwab.  3,  930.  im  einzelnen  kann  man  dabei  noch  an  eine 
Unterscheidung  der  heimischen  kukumer  von  der  im  osten 
eindringenden  gurke  als  zweier  besonderer  arten  denken, 
früh  verwandt  als  heilpflanze:  kalte,  einfache  stuck,  dem 
magen  dienstlich :  . .  .  kürbsz  und  alle  andere  frembde 
kürbiszfrücht  als  melaunen,  beben,  gurcken  und  citrullen 
W.  H.  Ryff  confectb.  (1544)  156";  nimb  .  .  .  safft  von 
manhauptlen  ein  untz,  der  kern  von  gurcken  vier  lot 
Seutter  hippiatria  (1599)  35;  vgl.  auch  gurkensaft.  als 
gericht,  eingemacht  als  saure  gurke  ist  sie  'nur  in  den 
theilen  Deutschlands  üblich  geworden,  .  .  .  die  ehmals  von 
Slaiuen  bewohnt  waren'  V.  Hehn  a.  a.  0.  316;  gork  cucumis, 
eine  frucht,  die  gar  gemein  ist,  eingemacht,  saure  gorcken 
Frisch  i,  361"; 

...  im  kühlen  gewölbe 

gährt  ihr  der  kräftige  kohl,  und  reifen  im  essig  die  gurken 

GÖTHE  1,  303  W.; 

während  ich  ihr  bald  antworte,  bald  schreibe,  bald  einem 
excellenten  frischen  schweinsbraten  mit  eingelegten  gur- 
ken zuspreche  fürst  Pückler  briefivechselu.  tageb.  (1873) 
6,  439;  allgemeiner  scheint  die  kleine,  als  zukost  genossene 
essiggurke  bekannt:  gelb  eingemachte  girgel  (16.  ja.) 
Fischer  schwäb.  3,  930,  hetite  dort  gürklein  s.  ebda;  nach 
der  art  des  einmachens  unterscheidet  man  noch  fenchel-, 
pfeffer-,  salz-  und  senfgurken  s.  Sanders  1,  641"-.  i?i  der 
niederen  Umgangssprache  wird  das  wort  gurke  gern  ver- 
wandt in  redensarten,  wie  besonders:  sich  bey  jemandem 
eine  gurke  zu  viel  herausnehmen  figürlich  'sich  einer  un- 
erlaubten fr  eyheit  bedienen'  Adelung  2,  849.  schon  1603  bei 
J.  B.  Schupp  s.  Wander  2,  172;  ein  kürbs  unter  den 


1161 


GURKE  (Komposita)  -  GURRE 


GURRE 


1162 


gurcken,  umbschrieben :  nur  grosz  gegen  andern  G.Treueb 
dt.  Dädalus  (1C75)  1,  851;  das  bringt  ja  eine  saure  gurke 
ums  leben  Holtei  erzähl,  sehr.  21,  183;  weiteres  s.  bei 
Wander  o.  a.  o.;  vulgär  im  vergleich  für  nase:  der  begiszt 
seine  koblrote  gurke  mit  brantwein  G.  Hauptmann  weber 
(1892)  64;  vgl.  Th.  Imme  soldatenspr.  102;  Ostwald  rinn- 
stein.s'pr.  63;  vgl.  gurkennase  bereits  bei  Stielee. 

3)  in  der  botanik  wird  das  wort  auch  für  andere  aus- 
ländische, gurkenähnliche  gewächse  gebraucht,  z.  b.:  voluta 
glahella  glatte  gurke  Nemnich  cathol.  2,  1577;  melothria 
schwarze  gurke   dida   547. 

in  der  composition  zielt  gurken-  in  der  zweiten  be- 
deutung  gewöhnlich  auf  die  der  frucht  ähnliche  form,  so  bei 
gewachsen:  gurkenapfel,  -bäum,  -kartoffel  U7id  im  ver- 
gleich: -haupt,  -nase:  gurkenähnlich:  gurkenähnliche 
fruchte  Campe  2,  l,  4811^;  -apfel  momordica,  eine  apfel- 
Sorte,  gut  in  der  haushaltung  Nemnich  wbb.  216;  -bäum 
ist  ein  bäum,  welcher  in  Java  wachset  und  fruchte  wie 
gurcken  traget  Chomcl  (1750)  4,1437;  magnolia  acutni- 
nata  Nemnich  cathol.  l,  490;  -form:  da  finden  sich  solche 
(gefäsze)  von  kugelform,  gurkenform  v.  d.  Steinen  natur- 
völker  Zentralbrasiliens  (1894)  240;  -förmig:  seine  fruchte 
aber  sind  gurkenförmig  Bunzlauische  monathschrift  (1775) 
2,  171;  -haupt:  ein  südlicher  magazinswirt  mit  einem 
blasierten  gurkenhaupte  D.  Spitzer  ges.  sehr,  l,  99; 
-kartoffel  kartoffdart  M.^rzc'ER  pflanzenkde  (1841)538; 
-kraut:  borretsch  oder  gxirkenkraut  borago  officinalis, 
kraut  als  zusatz  zum  salat  Muspeatt  chemie  (1898)  6,190; 
-maier:  gurckenmahler  rhyparographus  Steinbach (1734) 
2, 13,  vgl.  Qvnc<Qoy()<icpo^  schmutzmaler,  maier  kleinlicher 
gegenstände,  von  fruchtstücken  usw.  PassowII(1857)  1352^; 
sie  wären  in  der  that  nur  sogenannte  schlechte  gurken- 
mahler,  die  nicht  werth,  dasz  man  sie  mahler  nennete 
BiEDEEMANN  reiscbeschr.  (1735)  133;  vgl.  dazu  H.Meyer 
gesch.  d.  bildenden  hünste  (1824)  3,  251;  -nase:  grosznase 
appdlant  etiam  gurkennase  Stielee  1333;  -saft:  thu 
auch  darzu  gorckensafft  M.  Bapst  v.  Rochlitz  artznei- 
buch  (1590)327;  -salat  Stieler  1676;  der  gurkensalat 
steht  bei  vielen  ärzten  in  einem  schlechtem  credit  {wegen 
seiner  schweren  bekümmlichkeit)  Krünitz  20,  382; 

gute  antwort  kann  mancher  magen 
noch  weniger  als  gurkensalat  vertragen 

HOFFMANX  v.  Fallersleben  mein  leben  6,  332; 

-zeit  die  geschäftsstille,  an  politischen  ereignissen  arme 
zeit  des  hochsornmers  s.  sauregurkenzeit  teil  8,  1924  und 
0.  Ladendorf  hisior.  schlagwb.  (1906)  276.  vgl.  ferner 
K.  Alrrecht  Leipziger  mxi.  127*;  Fbischbiee  prsz. 
sprichw.^  1,  101;  Holtei  erz.  sehr.  25,  9. 

GURLEFE,  n.,  entstdlt  aus  caur  Icve,  liebesgram: 

die  kranckheit  heiszt  das  gurlefe 

MUKNEK  gäuchmatt  381  (w.  anm.)  Fuchs. 

GURLEN,  gurletzen,  s.  gurrein. 

GÜRMSCH,  m.,  schtveiz.  für  vogelbeerbaum:  unz  an  den 
gürmsch,  der  am  hag  stat  (1472)  bei  Staub-Tobler  2,  419 ; 
{die  alpenhasen)  leben  von  gürmsch-  und  andern  baum- 
rinden  Bonstetten  br.  üb.  ein  Schweiz. hirtenland  (1782)  36. 

GURPS,  s.  gorps,  görps.  —  gurpsen,  s.  gorpseu, 
görpsen. 

GURR,  lautmalendes  klaiigwort,  vgl.  gurren,  vb.: 

eine  Wildtaube  lacht  ihr  gurr,  gurr 

LiXJENCRON  8.  w.  (1896)  2,  181; 

aus  dem  sonst  so  schweigsamen  munde  {des  geistesgestörten) 
brach  ein  merkwürdiges  knastern:  gurr-gurr-klabauter- 
mann  G.  Engel  Ha7m  Klüth  (1905)  14. 

GURRE,  gorre,  /.,  auch  m.,  'pferd';  'stule' ;  meist  ab- 
schätzig, herkunfl  dunkd.  formal  ist  zu  beachten,  dasz 
gurre  im  gegensatz  zu  gurren,  das  -  wie  girren  ein  kirren  - 
ein  kurren  neben,  sich  hat,  die  anlautende  media  durchaus 
festhält,  die  anknüpfung  an  gurren,  vb.,  von  Heyne  haus- 
altert.  2,  177  u.  andern  versucht,  wird  auch  durch  dessen 
bedeutung  nicht  gestützt,  gewisse  mundartliche  tierbezeich- 
nungen   klingen  wohl  nur  äuazerlich  an:  gurri,   lockruf 


und  bezeichnung  für  puter,  hahn,  gänserich,  s.  Staub- 
ToBLEE  2,  411;  Fischee  schwäb.  3,  932;  rhein.  wb.  2, 1500; 
afrz.  gorre  ebenso,  für  die  sau,  s.Meyee-Lübke  3820;  doch 
vgl.  das  plattdeutsche  zurre,  zöre  'altes,  schlechtes  pferd, 
auch   altes    weib'    Gilow   de   diere  769^;    Dähnert  562. 

1)  pferd. 

a)  abschätzig  für  geringwertige,  schlechte  pferde.  schon 
seit  dem  mhd.;  als  kämpf  unfällig,  zu  ritterlichem  gebrauch 
nicht  mehr  geeignet: 

Appolonius  der  was  {im  streite)  zu  fusz. 
er  slug  dl  rosz,  das  sie  churren, 
er  machte  gute  rosz  zu  gurren 

H.  V.  Neustadt  Apoll,  v.  9434  Singer; 
ähnlich : 

zu  gajher  raise  mein  pferd  wenig  tochte  . . . 
von  müde  es  da  struchte, 
das  es  gelag  de  nider  uf  baiden  knewen; 
und  (sc.  ich)  stund  darvon  und  lies  die  gurren  ligen 
der  minnejalkner  str.  120  in  Hadamae  v.  Laber  Schmeller. 

von  schlechten,  nicht  rittermäszigen  pf erden  überhaupt: 

Ir  pfert  waren,  diu  si  (die  gefangenen)  riten, 

totmager  unde  kranc: 

ir  ietwedez  struchte  unde  hanc  . .  . 

den  gurren  (eben  diesen  pferden),  die  si  truogen  hin, 

den  warn  die  zagele  under  in 

zesamcne  gevlohten  Iwein  v.  4941  B.-L.; 

auf  ein  mageres,  struppiges  fohlen  bezogen: 

(der  bauer)  hete  ein  gurren  feile 

Eraclius  v.  1451  Maszmann; 

{sie}  ritten  all  auff  gurren  (i?i  jumentis)  Jon.  Haetlieb 
Ces.  V.  Heisterbach  378  Drescher;  als  Schimpfwort  herab- 
setzend von  guten  pferden;  Laurin  über  die  streitrosse  Diet- 
richs und  Witegs: 

wer  hat  iuch  tören  gehcizen 
her  nider  üf  den  plan  erheizen 
und  iuwer  gurren  spannen 
fif  minen  grüenen  anger 

Laurin  v.  261  MüUenhoff; 

Hdmbrecht  über  den  hengst,  den  ihm  der  vafer  kaufen  soll: 

daz  ich  so  lange  bellbe 
des  irret  mich  ein  gurre 

•  meier  Helmbrecht  v.  369  Panzer; 

im  Zorn  über  unruhige  reitpferde: 

(der  abt  v.  Fulda  ritt)  ein  pfert,  daz  was  gar  gemeit 

und  was  ouch  übel  zwar: 

daz  beiz  daz  keisers  pfert  gar 

durch  die  manen,  daz  es  kar  .  .  . 

(der  kaiser:)  'ez  kunit  mir  niht  ze  maz  da, 

daz  iuwer  gurr  daz  pfert  min 

8ol  bizen'  Enikbl  weltchron.  v.  27821  Strauch; 

schnöde  gur,  das  du  vermaladeit  werdest  {zu  einem  edlen 
pferd)  Aymonts  süne  (1535)  r  6^.  als  verächtliche  bezeich- 
nung mit  verschiedener  färbung  bis  in  moderne  miindarten 
belegt:  equus  debilis  gul,  gorre,  eyn  cranck  pert  Diefen- 
bach  nov.  gl.  154*^;  runcinus  gurr,  baw-,  ackerrosz  ebda 
s-2'Z^;  'schlechtes  pferd'  Zaupsee  34;  Bauee-Collitz  42^; 
meist  dabei  zugleich  alt:  gurr  (gorre)  'gemeinlich  ein  alt  dürr 
rosz'  Henisch  1783;  gurre,  gorre  caval  magro,  vecchio,  bolso 
e  con  altri  difctti  Keamer  teutsch-it.  (1700)  1,  577*;  alt,  ab- 
getrieben Hübnee  curieus.u.real.'lex.  {171^)122;  Vilmae 
141;  'alter  gauV  Hertel  TMr.  111.  vgl.  mhd.  er-,  ver- 
gurren 'zu  einer  gurre  werden,  schlecht  laufen'  Lexee  1, 634; 
3,  121  und  ackergurre  teil  1,  174.  —  oft  neben  adjectiven, 
die  von  sich  aus  fehler  und  geringicertigkeit  bezeichnen: 

wlrt  danne  ein  eltiu  gurre  zeinem  vüln, 
so  siht  manz  in  der  werlte  twerhes  stende 

minnesangs  frühling^-  430  Vogt; 

altiu  gurre  darf  wol  fuoters  Beeth.  V.  Reobnsbueg  2, 143 
Pfeiffer; 

(müediu  beln)  gelich  den  lamen  gurren 

Hadamar  V.  Labee  89  Schmeller; 

tzwene  stetige  (störrige)  gorren  schüfen,  daz  der  wagen 

stunt  so  stille 
MEISTER  Gervelyn  in  Jenaer  liedhschr.  1,  69"  Holz; 

{ein  reiter)  auff  einer  hinckenden  gxur  Guaeinoniüs  grewd 
(1610)  638;  {oft)  wil  ein  krancker  von  einem  selbst 
krancken,  machtlosen,  dürren  gurren  getragen  werden 
H.  W.  Kirchhof  milit.  disciplina  (1602)  118; 


1163 


GURRE 


GURRE 


1164 


mit  seiner  dürren  gurren 
will  er  auch  helffen  vil 

Fr.  L.  V.  Soltau  hist.  Volkslieder  221; 

{wie  er)  das  pferd,  welches  zimblich  beindräxlerisch  .  .  . 
angebunden,  da  haben  die  schlauhe  vögel  die  gantz  matte 
gurren  in  der  still  hinweg  geführt  Simplicissimi  albern, 
briefsteller  (1725)  16;  ein  lohnfuhrmann  eine  elende  gurre 
durch  stacheln  .  .  .  ermuthiget  Voss  Aristophanes  (1821) 
1,  297;  geringschätzig  von  einem  deutschen  pferd: 

nun  führt  er  auch  die  sporn 
umsonste  nicht,  weil  er  ihm  einen  teutschen  gorn 
ersparet  an  der  Icost 

W.  SCHERFFER  geist-  u.  weltl.  ged.  1  (1652)  612. 

im  vergleich:  {man  miisz  beim  tanzen)  an  ihr  ziehen  wie 
an  einem  faulen  gorren  theatr.  diabol.  (1587)  1,  181^; 
übertragen: 

{die  vom  cngel  geblendeten  Juden) 
we  uns  hude  und  immer  mel 
wi  han  wir  blinde  gurren 
als  die  von  Sodomorren 
godes  zorn  irworben 

Marien  himmelf.  v.  1373  in  zsclir.  f.  dtsch.  alt.  5,  552; 

er  (mein  alter  mann)  ist  ein  abgejagter  görr, 
umb  sein  lenden  mager  und  dörr 

B.  Waldis  Esop  2,  204  Kurz. 

b)  daneben  ist  die  bedeutung  'pferd'  ohne  jeden  pejora- 
tiven nebensinn  sicher  bezeugt;  vielleicht  bezeichnete  das  wort 
ursprünglich  im  bäuerlichen  bzw.  bürgerlichen  bereich  das 
'pferd'  schlechthin  als  nutztier  und  hatte  eben  darum  im 
ritterlichen  bereich  den  abschätzigen  sinn,  etwa  wie  'bauern- 
gauV,  'ackergauV ;  jedenfalls  ist  nicht  zu  erweisen,  dasz  die 
sachliche  bed.  erst  durch  verblassen  des  pejorativen  sinnes 
entstand:  komet  eyne  to  Grussen,  so  rostiret  {beschlag- 
nahmt) men  ome  dye  gorren  (1462)  lübecJc.  urkb.  10,  262; 
{dort)  Schach  vake  roverye  in  den  Straten:  dar  men 
{den  reisenden)  de  gorren  losede  {weg  nahm)  lüb.  chro7i.  2, 
597  Qrautoff;  {etliche)  von  solcher  ubermessigen  hitze  und 
dursts  not  von  jhren  gorren  stürtzten  und  tod  blieben 
Script,  rer.  Livonicarum  2,  225;  die  hällischen  baurn  hetten 
sie  gern  under  die  gurn  geschossen  Heeolt  chron.  l,  122 
Kolb;  und  schlugen  unser  schützen  irer  burgermeister 
einen  unter  die  gurren  Kirchhof  wendunm.  2, 359  Österley; 
dasz  es  nicht  weit  fehlet,  er  were  unter  die  gurren  gefallen 
ebda  l,  245;  {sie  halfen)  jhrem  haubtman  . . .  wider  auf  die 
gur  Fischakt  Oarg.  313  ndr.;  der  gurren  wol  zum  aug  lugen 
'seine  geschäfte  wohl  ausrichten'  Fkisius  dict.  (1556)  161^. 
die  unverächtlichkeit  zeigt  sich  besonders  durch  anerken- 
nende epitheta:  {er  hat  sein)  geldt  an  golden  keden  .  .  . 
sammet  unde  siden,  unde  an  stadtliken  gorren  wol 
dusentfoldich  wedder  gekregen  Script,  rer.  Livonicar.  2, 
87;  in  neuerer  mundart  vereinzelt:  {als  neujahrsumnsch) 

dem  Scheuster krist  striäwe  {derbe)  gurren  tem  fahren 

bei  Bauer-Collitz  icaldeck.  194». 

übertragen:  {ein  altes  mütterchen  redet  den  palmesel  an)  o  du 
himmelische  gurre  B.  Herzog  schiltwacht  c  1^. 

c)  in  den  verbind-ungen  gurre  wie  gaul  {s.  gaul  II  3  a) 
u.  s.  w.,  redensartlich  reich  entwickelt  im  sinne  'beides  ist 
gleich,  einerlei' ,  schlägt  bisweilen  wohl  die  bedeutung  'stute' 
{u.  2)  durch;  im  allgemeinen  aber  nur  rein  formelhaft 
identificierend;  als  'gleiches  um  gleiches' :  lohn  umb  lohn, 
gaul  umb  gurre  Petri  weish.  (1604)  2,  MmSä';  er  gab 
mir  ein  hund  umb  ein  hund,  einen  gaul  umb  einen 
gorren  Luther  26,  357  W.;  beide  begriße  in  deutlich  ab- 
schätzigem gebrauch: 

{wo  beide  liebenden  untreu  und  unstät) 

da  hat  fraw  Statt  verlassen  {zugelassen), 
das  gurr  an  gaul  war  chomen 

liederbuch  der  Eätzlerin  240  Hallaus; 

so  auch  bes.  in  der  redensart  es  ist  gurr  als  gaul  u.  ähnl.; 
zuweilen  vielleicht  im  sinne  einer  gegenseitigen  abhängigkeit 
gebraucht,  analog  'wie  der  herr,  so  der  knechf :  es  ist  eben 
gurr  als  gaul,  vihe  als  stall  S.  Pranck  sprichw.  (1541)  2, 
10^;  wie  die  gurr,  so  ist  der  gaul  Lehman  ßoril.  polit.  (1662) 
1,  350;  ausdrücklich  so  Henisck  17  8S;  gemeinhin  jedoch  für 
zwei  gleichgestellte  und  als  solche  gleich  schlechte  dinge: 


wie  lond  sich  dino  töchtern  an?  — 
es  ist  warlich  fast  gurr  als  gul: 
sind  d  knaben  bösz,  so  sind  sy  füll 

H.  11.  Manuel  das  iveinspiel  v.  1829  Odinga; 

in  unserem  convent  geschieht  es  auch,  ist  eben  gleich  gur 
als  gaul,  grysz  als  grammen  dialog  zwischen  Qötzer  und 

Scotus  (1524)  D  3»; 

es  heisst  bei  euch  wol  gurr  ist  gaul, 
dann  einer  wie  der  ander  ist 

NicOD.  Feischlin  dtsche  dicJdungen  117  lit.  ver. 

die  copula  ist  oder  als  verschmilzt  mit  gurre  zu  neuen  aus- 
drücken im  sinne  von  'einerlei' :  es  ist  schier  gurris  gaul 
JoH.  Dectjmanus  dialog.  (1601)  111;  unsere  landsleute  .  .  . 
sprechen,  es  seye  gurr  asz  gaul  Moscherosch  gesichte 
(1650)  1,  43;  schlieszlich  ist  aus  der  zweigliedrigen  form.el  ein 
neues  Schimpfwort  geworden:  gurus  gaul  und  dergleichen 
ehrnrierischen  wort  mehr  in  Alemannia  18,  26;  {hab  dank) 
für  deine  wohlgemeinte  predigt,  welche  du  auch  selber 
dir  applicieren  magst,  weilen  wir  fast  gleiche  gurausz 
gäule  sein,  und  ist  bei  uns  beiden  das  geworffne  wie  das 
gestohlne  französ.  Simplizissimus  (1683)  2,  390. 

dagegen  nur  vereinzelt  mit  gurre  als  'schlechteres  pferd' 
im  gegensatz  zum  höher  bewerteten  gaul: 

{ein  handwerksbursche,  der  aus  gutem  dienst  wegwandert  und 
schlechten  findet) 

hat  ein  gaul  umb  ein  gurren  geben 

H.  Sachs  17,  300  Ht.  ver.; 

für  ein  gaul  ein  gur  ist  böser  tausch  Petri  weish.  (1604)  2, 
Ee3i'. 

d)  vereinzelt  für  sp^-iiighengst:  emissarius  gorre  (13.  jh.) 
bei  Dieeenbach  200^;  gurr  hengst  Henisch  17S3;  vgl. 
gorre,  m.,  ividder  Lexer  kämt.  127. 

2)  Stute. 

a)  im  rein  sachlichen  sinne  schon  früh  in  obd.  ländlichen 
quellen:  chumb  einer  herzu  mit  einer  gurren  {im  gegensatz 
zu  rosz)  mit  jungen  füllen,  die  niht  beslagen  sind,  die  sind 
auch  {dem  fergen)  nichts  pflichtig  (14.  jh.)  österr.  weist.  7, 
964;  auch  (1469)  8,  104;  {vom  Ghiemsee)  es  süll  auch  chain 
rosz  in  daz  weidach  . . .  auszgenomen  der  mair  von  0.  sol 
des  morgens  ain  gurren  mit  ainem  fül  mit  seinem  galten 
vich  hinein  treiben  (1443-63)  weist.  6,  169;  equa  eyn  stüdt 
oder  gurr  Dasypodius  (1537)  65^';  cavalla  ein  gurr  oder 
mutterpferdt  Htjlsius  ii.-tZ^.  (1618)  81^;  equa  gurr,  stute, 
mutterpferd  Aler(1727)  1,995''';  ein  hengst,  den  man  zu 
den  gurren  oder  stuten  laszt  Fßisius  dict.  (1556)  39^;  et- 
liche pferdt  leben  biss  an  die  fünfftzig  jar,  aber  die  gurren 
sollen  ihr  leben  nicht  so  hoch  bringen  {femina  minore  spa- 
tio)  Heyden  Plin.  (1565)  214  u.  ö.;  wenn  einer  ein  gurren 
gen  Rom  ritte,  so  könt  er  siegel  und  brieff  herausz  bringen, 
das  es  ein  hengst  were  Petri  weish.  2,  B  b  b  8^.  mund- 
artlich erhalten,  s.  Bühler  Davos  2,  4;  Kramer  Bistritz 
43;  vgl.  gorre  ivbl.  schaf,  mutterschaf  Lexer  kämt.  127; 
Schöpf  tirol.  200;  s.  auch  gurrenfüllen,  gurrenpferd 
zf.  ähnl.  Fischer  schiväb.  3,  932. 

b)  pejorativ,  schlechte,  alte,  abgetriebene  stute,  sehr  un- 
sicher bezeugt:  gurr(e),  gorre  equa.  annosa,  strigosa  et  maci- 
lenta  Stieler  715;  hodie  apud  Suevos  equa  vilis  et  maci- 
lenta  Wächter  (1737)  627;  gurre  'ein  schindmerr',  equa 
strigosa  Aler  dict.  (1727)  1,  995*;  'stute  von  geringer  und 
schlechter  art'  Keünitz  enzykl.  20,  392;  das  weibchen  {des 
Pferdes  heiszt)  stute,  im  verächtlichen  sinn  gurre  Oken 
naturgesch.  7,  1234;  gur  'schlechte  stute'  Kisch  Nösner 
Wörter  59.  —  im  sinne  von  'bäuerliche  stute',  vgl.  1  b:  merhe, 
vulgariter  gurr  oder  sttiden  runcina,  dicitur  equa  rusticalis 
voc.  (1515  Hüpfuff)  Q  4b;  letslich  gieng  er  in  den  stal, 
sähe,  was  er  noch  für  pferdt  hette,  fandt  er  kaum  mehr 
ein  bawren  mehrre  oder  gur  darin  Nie.  Höniger  hoffh. 
d.  türk.  keisers  (1573)  73. 

c)  übertragen  als  Schimpfwort  für  frauen  und  mädchen, 
vne  stute  B  3.  für  grosze,  grobe  weibliche  personen  Tschttm- 
PERT  bündn.  686;  Schmeller-Fr.  l,  932;  hessisch:  ä  lange 
gurr  ESTOR  d.  Teutsch.  rechtsgelahrth.  3  (1767)  1410;  vgl. 
hierzu  rosz  3  d ;  für  sinnliche,  liederliche,  z.  b.  Stalder  499 ; 
Martin-Lienhart  1,  230;  des  ischt  a  reachta  gurra  aus 


1165 


GÜRRELN- GURREN 


GURREN 


1166 


Ulm  in  Z8.f.  hochd.  maa.  6,  36;  keinen  bissen  kann  ich  in 
ruhe  fressen,  so  lang  die  gurr  noch  unter  einem  dach  mit 
mir  ist  H.  L.  Wagneb  kindermörd.  29  lit.  denkm.;  eben- 
falls im  geschlechtlichen  bereich: 

worumme  scheide  ik  de  rosen  (d.  i.  eine  Jungfrau)  dorren 
efte  makon  to  ener  gorren 

Bchaekspd  (15.  ja.)  bei  Schiller- Lübben  2,134; 

für  alte,  auch  häszliche,  s.  Schöpf  tirol.  225;  K.  Reiser 
Allgäu  %,  707;  Sfiess  Henneberg.  86;  alte  gurre  schon  im 
15.  Jh.:  {als  die  nachbarn)  dannan  koment,  do  starp  ouch 
die  alte  gurre  predigtmärlein  in  Germania  3,  422;  bildlich 
verwendet:  die  sage  ist  gar  eine  vielmäulige  gurre,  hoch- 
beliebt in  zechhäusern,  kunkelstuben  Schubaet  vaterl. 
chron.  (1787)  186. 

auch  verächtlich  für  weibliche  tiere:  gurre  Schimpfname 
für  alte,  störrische  kuh  und  andere  tiere  Staub-Toblek  2, 
402;  für  ein  altes  gelttier  beim  rotwild  Behlen  forst-  u. 
jagdk.  1,  248, 

3)  'muUebria' ,  vereinzelt:  {bäuerin  in  unfreivnlligem 
doppelsinn  für  'stute')  mein  guter  geselle,  so  pletze  mir 
mein  gurre  auch,  dasz  sie  lustig  werde  Tabeus  Mayn- 
hincklers  sack  (1612)  e  2^»;  Schweiz,  einem  s  gurrli  figge 
Staub-Tobler  2,  402.  —  kaum  an  gurre  meretrix  (2  c) 
anknüpfbar;  vgl.  aber  u.  4  gurre  'pfMzime'  uiid  heute  berlin. 
pflaume  'muliebria\ 

4)  eine  pflaumenxirt:  die  gestalt  einer  kriechen  oder 
gurren,  wie  mans  hie  zu  land  haisst  J.  Kepler  5,  527 
Frisch. 

GURRELN,  vb.,  in  ähnlichen  bedeutungen  belegt  wie 
gurgeln ;  von  flüssigkeitsgeräuschen:  die  krug  gurrelt,  gluckt 
amphora  bilbit  Aler  dict.  (1727)  l,  905 a;  gurrein  bilbire 
Frisch  dt.-lat.  (1741)  i,  384^;  gorln  Müller-Fbaüreuth 
obsächs.  1,  451'"'  ebenso  und  vom  kollern  der  eingeweide  {vgl. 
gurgeln  B  1  e/S  und  gurren  1  a).  Schweiz,  gurlen  für  "un- 
verständlich ivelsch  reden\  s.  Alemannia  15,  203,  und  für 
'lallen',  auch  von  den  ersten  tönen  junger  vögel,  s.  Staub- 
Tobler  2,  411  {vgl.  gurgeln  B  1  a).  hierher  wohl  auch  gur- 
letzen  jodeln  Unger-Khtjll  315^. 

GURREN,  vb.,  laut  wort  schwacher  flexion  wie  girren, 
kurren,  knurren  u.  ähnl.  mhd.  vereinzelt  bei  Freidank 
140,  7  {s.  1);  frühnhd.  mit  kurren,  das  die  gleichen  bedeu- 
tungen entwickelt  hat,  im  Wettbewerb,  z.  b.  kuchenmaisterey : 
gurren  (1497)  E  4'>';  kurren  (o.  o.  u.  j.)  d  5;  Mathesius: 
gurren  Syrach  (1586)  ss^;  kvuren  38*^;  vgl.  auch  die  paare 
gurrein -kurrein,  gnurren -knurren,  im  stammvokcä  fest, 
auszer  Luther  (er)  gorret  16,  279  W.  im  19.  jh.  allgemein 
schriftsprachlich  für  die  eigentümlichen  laute  der  tauben 
{S.  2). 

1)  soviel  wie  'knurren',  zufrühst  isoliert  bei  Freidank 
belegt: 

der  esel  gurret  üf  den  wän, 

er  wsenet  wol  gesungen  hän  140,  7  Qrimm. 

ebenfalls  vereinzelt  von  knarrenden  und  anderen  geräuschen 
{vgl.  kurren  a) :  alt  karren  gurren  gern  S.  Franck  sprichw. 
(1541)  1,  87''';  von  neuem  lederzeug  Vilmar  Kurhess.  141; 
von  türen,  schnee,  schuhen  Fischer  schwäb.  3,  932. 

a)  regelmäszig  bezeugt  vom  knurrenden  geräusch  im 
leib:  unser  herr  gott  hat  butter milch  gessen,  wie  gurret 
ihm  der  bauch  darvon  Gr.  Strigenicius  Jonas  (1595)  lio'» ; 
das  wert  dem  wülen  und  stellet  das  gurren  in  dem  plöden 
magen  kuchenmaisterey  (1497)  e  4»;  venter  latrat,  rugit 
gurrt  Alberus  (1540)  r  S^;  corporis  flatus,  wmd  im  leib, 
wenn  einem  der  bauch  gurrt,  blehungen  Corvinus(1660) 
582;  Frisch  (1741)  1,361^;  633^;  {bei  darmgicht  dem  pferd) 
offt  der  gantze  leib  schwitzet  und  das  inngeweid  gurret 
Hohberg  georgica  cur.  2  (1682)  207;  wann  die  alten 
pferd  traben,  so  gurrt  ihnen  der  bauch  Frisch  dt.-lal. 
(1741)  1,  seit»;  vgl.  noch  Höfler  krankheitsnamen  20S*'. 
literarisch  als  unfein  empfunden:  die  Übersetzung  .  .  . 
ist  höchst  elend  .  .  ,  wer  kann  ohne  eckel  das:  indeme, 
einstweilen,  .  .  .  baumstarke  lenden,  der  bauch  gurrt 
etc.  lesen  allg.  deutsche  bibl.  (1765)  9,  118.  später  von 
gnurren  (knurren)  abgelöst,  nebeneinander  bei  Schrader 
dt.-frz.{l'iS>\)  1,  56ia.  in  den  mundarten  erhalten,  s.  St^vb- 


Tobler  2,  410;  Fischer  3,  932;  Lexer  kämt.  127;  Sae- 
TORius  Würzburg  53;  Knothe  Markersdorf.  {Nordböhm.) 
48;  auch  brem.  wb.  2,  529. 

b)  'knurren,  murren,  schelten,  aufbegehren' ;  an  a  unmittel- 
bar anknüpfend  vom  hungrigen  magen,  vgl.  unser  heutiges 
der  magen  knurrt:  so  sehen  nu  die  kinder  Israel  {in  der 
wüste)  nur  au£E  den  bauch,  wie  der  gorret  und  zu  trincken 
haben  will  Luther  16,  279  W.;  es  ist  mit  dem  bauch  nicht 
gut  reden,  weil  er  nicht  höret,  sondern  gurret  .  .  .  nach 
den  newen  egyptischen  fleischdöpffen  G.  Wicelius  beten, 
fasten  u.  ahnosen  (1535)  m  4**; 

der  arme  bauch  fing  an  zu  gurrn, 

diewell  er  hört  den  hauffen  {die  glieder)  murrn 

Ee.  Alberus  fahdn  43  ndr. 

in  allgemeiner  anwendung,  meist  in  Verbindung  mit 
murren :  {die  Korinther)  die  da  auch  murreten  und  gurre- 
ten  wider  iren  Mosen  und  Aaronem  Mathesius  epist.  a. 
d.  Corinthier  (1591)  1,  225«=;  die  armut  giebt  manchmal 
ursach  auff  die  reichen  zu  murren,  zu  gurren  Syrach  {1586) 
85»;  vgl.  der  geitz  . . .  gurret  alweg  aufE  S.  Franck  sprichw. 
(1541)  1,  44**.  mundartlich  Loritza  id.  vienn.  57;  für  zan- 
ken Fischer  schwäb.  3,  932.  mehr  vom  akustischen  ein- 
dru^k  her:  vor  dem  sausen  und  brausen,  von  dem 
summen  und  brummen,  von  dem  gurren  und  murren  {des 
fernen  meeres)  erschrecken  J.  M.  Meyfaet  d.  jüngste  ge- 
rieht  (1037)  1,  247; 

(der  priester  segnet  Reineke  als  püger  ein) 
fing  drauf  im  maul  zu  murren 
und,  weis  nicht  was,  her  zu  gurren 

Reineke  fuchs  (Rost.  1650)  203. 

2)  vom  laute  der  tauben,  vgl.  auch  das  gleichbedeutende 
girren,    erst  später  bezeugt  als  1. 

a)  eigentlich: 

die  frösche  coaxen  und  quaxen  und  murren, 
die  tauben,  die  turteln  und  lachen  und  gurren 

D.  Schirmer  singende  rosen  (1654)  licd  67; 

holztauben  gurrend  ich  vernahm  aus  einem  strauch 
W.  H.  V.  hohberg  habsburg.  Ottobert  (1664)  Vuu  3»; 

{die  lurteltaube)  mit  ihrem  traurigen  gurren  (1701)  in  Ale- 
mannia 12,  42.  diese  wenigen  frühen  belege  lassen  es  zwei- 
felhaft, ob  das  wort  speciellfür  den  laut  der  wildtaube  hoch- 
gekommen; bei  Lindenborn  Diogenes  (1742)  2,  786  auch 
für  die  haustaube.  nach  Heynatz  antibarb.  (1796)  2,  81 
nur  'von  dem  gröberen  tone  der  taube'  und  auch  da  noch 
'nicht  in  allen  gegenden  J^^eutschlands  angenommen' ;  jedoch 
setzt  es  sich  seit  dem  l5.  jh.  schriftsprachlich  durch:  ein 
blutgieriger  falke  schosz  einem  unschuldigen  tauben- 
paare  nach  .  .  .  schon  gurrten  sich  die  zärtlichen  freunde 
ihren  abschied  zu  Lessing  l,  231  L.-M.; 

horch,  wie  fern  die  taube  gurret 
und  von  bienen  summt  und  surret 
rings  der  blütenvolle  räum 

J.  H.  Voss  sämü.  ged.  (1802)  5, 144; 

die  tauben  gurren  auf  dem  dache, 
die  bunten  tauben,  wie  verliebt 

Geibel  werke  (1888)  8,  97; 

während  .  .  ,  das  gurren  der  Wildtauben  aus  .  .  .  einer 
edelgewachsenen,  alten  birke  klang  G.  Hauptmann  Em. 
Quint  (1910)  50.    in  Verbindung  mit  ähnlichen  lautworten: 

der  tauber  dort 

gurrt  und  kurrt  sein  liebes  wort 
V.  DITFFETH  dtsche  Volks-  u.  gesellschaftslieder  (1872)  189; 

{turtdtauben)  die  dir  im  köpf  girren  und  gurren  B.  v.  Ar- 
nim Brentanos  frühlingskr.  (1844)  334;  da  purren  und 
gurren  ja  noch  die  tauben  K.  Gutzkow  zaub.  v.  Eom  (1858) 
1, 18.  auch  vereinzelt  von  andern  vögeln:  gleich  einem  alten 
papageien  hatte  er  gegurrt  und  gegrammelt  ebda  5,  63; 
eines  dieser  schönen  thiere  {feuerländische  albatrosse) 
flatterte  {getroffen)  krampfhaft  einige  augenblicke  umher, 
dann  sank  es  gurrend  in  die  see  A.  E.  Brachvogel 
Benoni  (1881)  2,  181. 

b)  in  die  menschliche  sphäre  übertragen,  von  ähnlichen 
lautäuszerungen:  wie  auf  einem  bazar  im  asiatischen  Rusz- 
land,  wo  alle  nationen  unter  einander  plappern  und 
maulen,  gurren  und  schnurren  W.  Hauff  sämtl.  w.  (1890) 


1167 


GURRENGAUCH  -  iGURT 


iGURT 


1168 


3,  22;  besonders  von  lieblichen,  liebenswürdigen  lautäusze- 
rungen:  {das  jüngste)  kann  schon  so  schelmisch  und  intelli- 
gent lächeln  und  gurren,  dasz  es  eine  lust  ist  Fbeiligeath 
bei  Buchner  Freiligrath  (1881)  2,  170;  ein  paar  mal  lachte 
sie,  leise,  glückselig,  gurrend  H.  V.  Kahlbnbeeg  Eva 
Sehring  (1901)  28;  ganz  ins  allgemeine  gewendet,  etwa  für 
freu7idlich  sein:  bie  ennem  gurrt  e,  hinger  ennem  knurrt  e 
L.  CuKTZE  volksüberl.  a.  Waldeck  348 ;  'verliebt,  zärtlich  tun 
und  reden\  wohl  nur  abschätzig:  der  alternde  mann  als 
gurrender  liebhaber  war  mir  fatal  Sudermann  bilderb. 
(1922)  209; 

■wer  von  Hebe  girrt  und  gurrt 

J.  H.  Voss  sämtl.  ged.  (1802)  6,  24. 

vereinzelt  schon  im  17.  jh.:  da  wäre  es  viel  besser  ge- 
than,  wann  ein  knecht  den  andern,  eine  magd  die  ander 
...  in  den  hauptstücken  der  christlichen  lehr  .  .  .  unter- 
richtete, als  dasz  man,  sonderlich  am  eonntag,  die  zeit 
mit  gumpen,  gurren,  tantzen  und  dergleichen  Üppigkeit 
zubringe  Dannhawee  catechismusmilch  (1657)  3,  401; 
vgl.  den  alern.  von  tändeln  bis  huren  sich  erstreckenden 
gebrauch  Fischer  3,932;  Martin  -  Lienhart  i,  230^; 
V.  Klein  provinz.  1,  173;  Staub-Tobler  2,  410. 

GURRENGAUCH,  m.,  sumpf schnepfe,  zu  gurre  2,  über- 
setzt, ein  dem  yord.  horsgök  entsprechendes  cuculus  equa- 
rum:  (nepae  campestres  . . .  cuculi  equarum  dictae)  der  feld- 
schnepff  oder  gurrengauch  J.  B.  Fickler  v.  Weyl  Olai 
Magni  historien  (1657)  551. 

GURRETZEN,  vb.,  knarren  {vgl.  gurren  1):  die  hauss- 
thür  mit  fieisz  zurichten  lassen,  damit  sie  im  auff-  und 
zugehen  starck  krachet  und  gurretzt  Guarinonius  grewel 
(1610)  288;  wann  ein  karrn  oder  wagen  gurretzt  und  kürrt 
Abr.  a  s.  Clara  Judas  2  (1689)  312;  auch  etw.  f.  alle  1 
(1699)  247;  350;  noch  mundartlich,  s.  Schöpf  tirol.  225. 
anders,  von  den  gedärmen  Schmeller-Fr.  1,  932;  hierzu: 
gurretzer,  m.,  gurrender  laut  ebda;  Unoee-Khull  315. 

GURRIG,  adj.,  in  den  gleichen  bedeutungen  wie  kurrig, 
s.  teil  5,  2818.  1)  knurrig:  (lasten)  die  ihm  sein  hausdrache 
von  weibe  aufbürdete,  wie  er  hinter  ihrem  rücken  die 
gurrige  ehehälfte  aus  gerechtem  eifer  zu  nennen  pflegte 
MusÄus  Volksmärchen  (1826)  5,  115.  2)  kräftig,  munter:  die 
stiere  besaszen  so  viel  kräfte  und  munterkeit,  dasz  sie  in 
einem  tage  mehr  land  umi-issen  als  zwölf  joch  ochsen  .  .  . 
sie  waren  rasch  und  gurrig,  wie  der  stier  im  kalender 
{zum  april)  abgebildet  wird  ebda  3,  26;  ebenso  kurrig 
Schambach  Oött.  117». 

GÜRSCHE,  /.,  älter  gurse,  gofse,  auch  m.,  goldammer. 
mnl.  geelgorse,  gelgurse,  nl.  gors.  als  gürsche  heut  im 
rhein.  reich  bezeugt,  z.  b.  gel  wie  en  gel  gürsche,  s.  rhein. 
wb.  2,  1501.  bei  Albertus  Magnus  als  gursa  nach  Ges- 
NEE  de  avium  natura  (1555)  628;  {die  goldammer  wird) 
auch  ein  gorse  oder  gurse  genennt  Heuszlin  Ocsners 
vogelb.  (1557)  224*^;  im  sprichiuort,  auf  die  kuckuckseier  an- 
spielend: du  lonest  mir  wie  der  guggouch  dem  gorse  ebda; 
dasselbe  mit  merkwürdiger  sinnverdrehung :  du  lohnest 
mich,  wie  den  kuckuk  die  gorse  Tappius  adagiorum  cent. 
(1545)  A  a  4*^;  auch  Gesner  de  avium  nat.  628;  durch  dieses 
Sprichwort  ist  der  name  gorse  fälschlich  auf  die  grasmücke 
übertragen  worden,  die  gleichfalls  die  eier  des  kuckucks  aus- 
brüten soll,  so  Gesner  a.  a.  o.  326;  Junius  (1567)  66^^; 
gürse,  gorse  grasmucke  Henisch  1783 ;  gürse  Harsdörffee 
poet.  trichter  (1647)  2, 147;  dagegen  gors  goldhammer  Popo- 
wiTSCH  versuch  {11 8Q)  159;  vgl.  Suolahti  vogelnamen  104/. 

GURST,  wohl  m.,  ginster,  ags.  gorst,  m.,  s.  Walde- 
PoKORNY  1, 610 :  gurst  V.  Heppe  wohlred.  jäger  (l  763)  1 51  a ; 
gurst,  gürst  genista  tinctoria  Nemnich  216. 

^GÜRT,  m.,  gurt,  gurte,  /.,  gürtel,  sattelgurt,  band.. 

form. 

mnl.  gort,  m.,  gorde,  /.,  im,  ahd.  nicht  bezeugt;  mhd.  als 
simplex  sehr  selten,  häufiger  die  composita  über-,  umbe-, 
undergurt.  daher  postverbales  Substantiv  zu  gürten,  vb., 
s.  Walde-Pokorny  1,  608.  —  das  starkflectierte  masc.gVLTt 
herrscht  in  älterer  wie  neuerer  literatur  vor.  der  plur.  lautet 
im  nom.,  gen.,  acc.  gurte,  z.  b.  Jacobsson  2,  173'';  Th.  L. 
V.  Jacob  volksl.  d.  Serb.  2,  251;  v.  Alten  i,  36;   ostmd. 


gorte  treszlerb.  241  Joach.;  in  älterer  zeit  ist  er  zuweilen  um- 
gelautet: under  den  gürten  Mynsinger  70  lit.  ver.;  mit 
gürten  Lohenstein  Armin.  2,  484 »;  hierzu  gürt  {pl.) 
Seiler  Bas.  I5ö. 

das  fem.  lautet  im  sing.frühnhd.  meist  ohne  flexionskenn- 
zeichen  gurt,  z.  b.  {nom.)  2.  Mos.  28,  8  u.  ö.;  Henisch 
1783/.;  {dat.)  Jon.  Arndt  paradiszgärtl.  (1626)  85;  {nom.) 
HoHBERG  georg.  cur.  3  (1715)  76»;  so  auch  noch  {acc.) 
Pfeffel  poet.  vers.  7,  196;  {dat.)  Jean  Paul  5,  107  Hem- 
pel;  {dat.)  E.  M.  Arndt  ansieht,  d.  teutsch.  gesch.  (1814)  91. 
abweichend:  gurte  {voc.  1482),  gorte  {md.  15.  jh.)  cingula 
DiEFENBACH  gl.  563C;  120»;  ferner  gurten  {schwach  nom.. 
sing.)  ebda  563^;  H.  Feölich  offenb.  d.  natur  {IMI)  9;  He- 
nisch 1783;  mundartl.  die  gurten  noch  jetzt,  s.  Schmellee- 
Fr.  1,  943;  Hartmann -Abele  volksschausp.  i.  Bay.  56; 
Jacob  Wien  78^;  Staub-Tobler  2, 445;  mit  umlaut:  gürt 
{acc.)  theatr.  diab.  (1575)  305»;  gürte  {dat.)  Lindenborn 
Diog.  1, 181.  gegenwärtig  ist  das  fem.  nur  {in  der  bed.  'band' 
u.  'gurtbogen')  in  der  form  gurte  allgemeiner  verbreitet  {s.  2; 
4).  hierzu  wird  ein  schwacher  plural  gurten  gebildet,  wie  er 
{in  der  bed.  'sattelgurt')  schon  frühnhd.  belegt  ist:  Aymont 
(1535)  p ib;  RYFFiraMmfe. (1570)  102»;  nd.  gorden  {m.?)  Lüb. 
zunftrollen  nr.  379  Wehrm.  starke  fem.  pluralform  ist  selten: 
gürte  Luther  24,  91  W.;  Hohberg  georg.  cur.  2,  158. 

als  n.  findet  sich  gurt  bei  Jacobsson  2,  173''  {neben  dem 
m.);  Staub-Tobler  2,  444;  vielleicht  schon  König  vom 
Odenwald  62  {s.  unter  l). 

bedeutung  und  amvendung. 
1)  im  gebrauchsbereich  von  gürtel. 
a)  band,  riemen,  gürtel  zum  gürten  der  kleider.  heute  nur 
selten  neben  gürtel;  als  kräftiger  empfunden,  daher  in  ge- 
hobener  literatursprache   bevorzugt,     vereinzelt   schon   im 
13.  Jh.: 

(er  hob  die  beiden  männer)  ho  uf  impor, 
wen  er  si  ot  gevazzit  vor 
zurucke  hatte  In  den  gurt 
Nie.  V.  Jeroschin  krön.  v.  Pruzinl.  v.  12973  Strehlke; 

(die  frauen  weben)  zyechen  unde  teppich, 

stullachen,  daz  sage  ich, 

gurte  haben  sie  uzderlcorn 

und  einz,  dran  henket  man  daz  hörn 

KÖNIG  VOM  Odenwald  62  Schröder; 

seit  dem  16.  jh.  häufig:  seine  gurt  drauff  sol  derselben 
kunat  und  wercks  sein  2.  Mos. '2.8,  8;  auch  ZQ,  h;  {ein 
Spieler,  der)  seines  weibs  kleinoter,  ring,  gurt  und  sturtz 
verspielt  Äg.  Albertinüs  hirnschleiffer  (1664)  390;  auch 
darf  ein  (^■ä^er-)junge  noch  kein  .  .  .  hirschfänger  tragen, 
sondern  blos  mit  dem  gurt  um  den  leib  gehen  V.  Heppe 
lehrprinz  (1751)  221;  {in  einem  kleide)  das  unter  der  brüst 
über  einen  gurt  .  .  .  ein  wenig  sich  senkt  Gleim  briefw.  1, 
278  Körte;  dichterisch: 

mutter  der  liebe,  dir  weiht  Kallirhoe  den  kränz  hier; 
Pallas,  die  locke  dir;  dir  o  Diana  den  gurt 

Hekdee  26,  82  Suph.; 

gürt  ihm  den  gurt,  und  häng  ihm  um  das  schwert 

KtJCKERT  werke  (1867)  9, 128; 

in  jüngster  zeit  besonders  auch  für  den  hosengürtel,  der  die 
hosenträger  ersetzt:  farbiges  hemd,  verschlissene  sammt- 
hose,  gurt,  abgetragener  rock  J.  Greber  Lucie  (1901)  10. 
die  kennzeichnenden  beivjörter  von  gürtel  kehren  hier  wieder, 
aber  tveniger  zahlreich  und  mannigfaltig;  z.  b.  auf  material 
und  herstellung  bezüglich:  es  schien  nach  dem  ledernen 
gurt,  den  er  um  den  leib  trug,  ein  reisender  Viehhändler 
zu  sein  Hebbel  werke  8,  221  Werner; 

das  ganze  brustgebild  . .  . 

bis  wo  den  leib  der  goldne  gurt  umschlleszt 

H.  V.  Kleist  2,  35  Schm.  (Penth.  in) ; 

hinsichtlich  der  form  wird  besonders  die  breite  hervorgehoben: 
{der  reisende  sorgte)  für  eine  ungeheuer  breite  gurt  um  den 
leib  Jung-Stilling  sehr.  (1835)  4,  88;  {fahne)  deren  stock 
in  einem  breiten  gurt  steckte  Fontane  I  2,  210.  auch  mit 
der  Standesbezeichnung  ritterlich  findet  sich  gurt:  als  er 
kommen  war,  gürteten  sie  ihm  den  ritterlichen  gurt  als- 
bald ab,  und  befohlen,  dasz  er  ein  priesterlich  kleid  an- 
legen solt  G.  Älurius  Olaciographia  (1625)  SöQ;  vgl.  hierzu 


1169 


iGURT 


iGURT 


1170 


gürtel  6  c.  in  Verbindung  mit  verben,  die  Verwendung  des 
gurtes  als  träger  und  behälter  spiegelnd.:  {ein  mensch,  der) 
in  den  bänden  .  .  .  ein  scliwerd  und  dolchen,  und  ein  paar 
handröhre  in  der  gürte  trüge  Lindenboen  Diog.  (1742) 
\,  181;  elliptisch:  {wo)  jeder  auf  eigne  faust  richter  spielt, 
den  revolver  im  gurt  C.  Viebig  schlaf,  heer  (1904)  1,  181; 

ein  schwelt,  mit  Jaspis  reich  bezogen,  glüht 

an  seinem  gurt  Schiller  6,  398  Oöd.; 

diese  pistole,  die  ich  mir  wegen  des  silbernen  beschlags  in 
den  gurt  steckte  A.  v.  Aknim  10,  24  Gr.;  er  zog  ganz  ruhig 
eine  pistole  aus  dem  gurt  Eichendokff  w.  (1864)  3,  36; 
er  risz  wütend  die  faustwaffe  aus  dem  gurt  Watzlik 
Pfarrer  v.  Dornloh  (1930)  241.  —  iji  speziellen  anwendungs- 
ber eichen;  bei  bestimmten  beruf siätigkeiten:  'der  gürtel,  den 
arbeitsame  leute  von  leder  umgürten  .  .  .  wenn  sie  schwer 
heben  oder  das  getraide  hauen'  Zincke  ök.  lex.  (1744)  1009; 
bei  fuhrleuien  und  reitern  Kbünitz  20,  393 ;  'kuppet  oder 
wehrgehenk  des  Jägers'  Heppe  wohlred.  jäger  (1763)  154*; 
vgl.  auch  dess.  lehrprinz  (1751)  260  und  Jacobsson  2,  174*^; 
'leibgurl  des  Spinners'  zschr.  f.  d.  wartforsch,  beiheft  9,  40 
{Wortschatz  v.  Lübeck),  im,  bair.  der  schmuckgürtel  der 
männer:  die  gurten,  die  gurt  Schmeller-Fr.  1,  043; 
Schöpf  225;  {Goliath)  in  der  perlengestickten  giu-ten  ein 
langes  schwert  Hartmann-Abele  volksschausp.  56.  — 
übertragen  vom  gürtel  des  als  menschengestalt  vorgestellten 
Sternbilds  des  Orion: 

Orions  sternlcht  gurth 

LOHENSTKIN  Epüharis  (1685)  28; 

{ich  sah)  Orions  hellen  gurt 

Hbkdek  29,  377  Suphan. 

poetisch  gelegentlich  in  tveit  hergeholten  bildern  und  Über- 
tragungen, z.t.  gürtel  8  b  ähnlich: 

den  weiszen  gurt,  gev/ebt  aus  sonnen, 

legt  er  (der  himmel)  zum  erstenmal  um  sich 

J.  E.  Schlegel  ged.  (1787)  1,  65; 

gottes  donnergewölk  im  farbigen  gurte  des  friedens 

rollt  ostwärts  J.  H.  Voss  ged.  (1802)  3,  88; 

wie'n  gurt  umschnallt  seine  (de«  MotUblanc)  hüft  ein  wald 

Heine  2,  225  Ehler; 

{die  skalden  waren  in  jeder  schleicht  umgeben  mit)  einer 
schirmenden  gurt  von  Jünglingen,  skaldaburg  genannt 
Jean  Paul  5,  107  H.emj>el. 

in  einigen  redewcisen;  im  gleichen  sinne  wie  unter 
dem  gürtel  tragen  {s.  gürtel  4)  findet  sich:  der  mir  {der 
schwangeren)  under  der  gurt  ligt,  sol  solchs  an  dir  rechnen 
Iheatr.  diabol.  (1509)  360^;  dagegen  vereinzelt:  schon  am 
22.  raai  war  er  wieder  in  Berlin,  um  feuer  hinter  dem  gurt 
zu  machen,  d.  h.  um  auf  alle  ...  im  sinne  der  .  .  .  neuen 
aussiebten  ...  zu  wirken  R.  Haym  leben  M.  Dunckers 
(1S91)  104.  sich  mit  jemandes  gurt  binden  etwa  für  'ge- 
meinsame Sache  mit  ihm  machen': 

{Chursachsen,  lirandenJburg)  gedachten  nicht  also 
sich  mit  der  cardinäl  und  mönchc  gurt  zu  binden, 
sie  wuszten  allbereit  ein  bessern  bund  zu  ^ii.A.Ka(mü Schweden) 
Opel-Cohs  dreiszigj.  krieg  (1862)  284. 

als  Symbol  und  träger  von  kräften  und  eigenschaften,  wie 
u.  gürtel  6.  als  symbol  weiblicher  schäm:  die  weiber  aber 
sitzen  für  der  kirchen  .  .  .  und  wenn  jemand  für  über- 
gehet und  eine  von  jnen  hin  weg  nimpt  und  bey  jr  schlefft, 
rhümet  sie  sich  wider  die  andern,  das  jene  nicht  sey  werd 
gewest  wie  sie,  das  jr  der  gurt  auffgelöset  würde  Bar.  6,43; 
eine,  die  sich  nicht  an  den  gurt  kommen  lies  {der  die  bur- 
schen  nicht  zu  nahe  zu  treten  wagten)  Fkenssen  Jörn  UM 
(1902)  461.  —  im  sinne  von  'zierende  wappnung' ,  wie  u. 
gürtel  0  a,  meist  von  ethischen  begriffen  im  gefolge  des  bibel- 
wortes  gcrechtigkeit  wird  die  gurt  seiner  lenden  sein  und 
der  glaube  die  gurt  seiner  nieren  Jes.  11,  5  (Luther  zitiert 
auch  .. .  eyn  gürtel  ...  ein  gurt  12,  281  W.);  (er)  begürtet 
seine  lenden  mit  dem  gurt  der  gcrechtigkeit  Stumpf 
Schweizerchron.  {1606)  355^;  umbgürte  meine  lenden  und 
nieren  mit  der  gurdt  der  keuschheit  Jon.  Arndt  paradisz- 
gäril.  (1626)  85; 

der  lenden  gurt  sey  klarer  warheit  schein 

Opitz  opera  (1690)  3, 144; 

IV.  1.  6. 


die  liebe  gegen  gott  und  den  nechsten  wird  .  .  .  das  band 
oder  der  gurt  der  Vollkommenheit  genennet  Harsdöeffbr 
t.  secretar.  (1656)  1,  694;  mit  ausgeführtem-  bilde:  {wir  sind) 
umbgürtet  mit  der  harmoni  göttlicher  warheit  als  mit 
einer  ahmen  gurt  und  geschupten  eisenschurtz  Dann- 
HAWKR  catechismusmilch  (1057)  l,  188.  ohne  das  starke 
ethos,  rein  zuständlich: 

. . .  seiner  nieren  gurt  ist  friede 

K.A11LEE  lyr.ged.  (1772)  330; 

zieh  hin  im  gurte  deiner  kraft 
ins  edle  Schweizerland 

SCHUBAST  ichr.  (1839)  4,  132; 

{die  Vorsehung  gottes)  ist  der  gurt,  womit  ich  mich  morgens 
gürte  ders.  leb.  u.  gesinn.  2,  285. 

b)  gürtel,  um  geld  darin  zu  tragen,  wie  gürtel  2  b:  sieh, 
was  dem  metzger  eine  gurt  voll  geld  unter  dem  brusttiich 
hervorschaut  Hebel  2,  201  u.  ö.  Behaghel;  er  zog  einige 
Wechselbriefe  hervor,  so  wie  einen  mit  gold  angefüllten 
gurt  G.  Keller  w.  (1889)  4,  212;  vgl.  Martin -Lienhart 
1,  234*';  Jos.  MÜLLER  rhein.  2,  1502;  ähnlich  auch:  die  paar 
harten  stücke,  die  noch  ...  in  dem  gurt  eingenäht  steck- 
ten Gaudy  10.  (1844)  2,  39;  vom  markt  heimgekehrt,  ihnen 
aus  dem  ledernen  gurt  das  geld  vorzuzählen  M.  Meyk  erz. 
a.d.Ries  (1868)2,11;  vgl.:  das  täschchen  ...  das  an 
meinem  gurte  hing  und  neben  .  .  •  anderen  dingen  einen 
teil  der  letzten  barschaft  enthielt  G.  Keller  w.  (1889)  2, 
206;  bildlich  von  der  biene: 

. . .  Immer  mehrend  ihren  werthen  gurt, 
die  reiche  katze  um  des  leibes  mitten 

Droste-Hülshoff  w.  (1879)  1,  82  Schücking; 

mit  reichgefülltem  gurt  kehrten  emsige  bienen  .  .  .  heim 
Eener-Eschenbach  sehr.  (1893)  3,  162. 

c)  in  weiterem  sinne  'schürz':  {Adam  u.  Eva)  machen  yhn 
schürtz  oder  gürte  von  blettern  geflochten  Luther  24, 
91  W.;  Hesiodus  habe  nackte  Wettkämpfer  ohne  gurt  ein- 
geführt JoH.  H.Voss  krit.blättcr  (1828)2,336;  wie  ein 
Dorier  der  erste  war,  der  . .  .  den  lästigen  gurt .  .  .  abwarf 
K.  O.^IÜLLER  Dorier  (1824)2,260;  vgl.  succinctorium 
gurte  Diefenbach  gl.  563 C;  cingulus  gurt,  schurtz  120^. 

d)  die  stelle  des  körpers,  wo  der  gürtel  sitzt,  ebenso  wie  u. 
gürtel  6  als  'Scheidelinie,  mitte  zwischen  ober-  und  Unter- 
leib': die  alten  Sachsen  haben  den  huren  die  haar  und 
kleider  abgeschnitten  bisz  an  die  gürt  theatr.  diabol.  (1576) 
305 11;  von  dem  gurthe  bisz  an  die  knie  war  sie  zwar  mit 
einer  zarten  leinwand  verhüllet  Lohenstein  Armin.  1, 
1127'^;  {die)  bisz  über  den  gurth  v^atenden  ebda  2,  850;  ein 
camisol,  das  nur  bis  auf  den  gurt  gehet  Ludwig  dt.-en^l. 
(1716)  822;  dagegen  nur  vereinzelt  im  directen  sinne  von 
'laille' :  der  gurt,  die  hüfften,  da  wo  ein  mensch  sich  gürtet 
ebda: 

gleich  an  äugen  und  haupt  dem  donnerfrohen  Kronion, 
gleich  dem  Ares  an  gurt,  und  an  hoher  brüst  dem  Poseidon 
Voss  Ilias  (1793)  ges.  2,  v.  479. 
vielleicht  auch: 

ihr  {der  Jünglinge)  haupt  kann  er  mit  blumenkränzen, 
mit  rosen  ihren  gurt  umwunden  sehn 

GÖthe  16,  183  W.  {geheimnisse  v.  348). 

e)  in,  einigen  Übertragungen  technischen  gebrauchs  glei- 
cher art  une  gürtel.  von  einem  bleiring  um  den  bäum,  wie  u. 
gürtel  7 :  wann  aber  die  öpffel  anf ahen  zu  wachsen  .  .  . 
so  thu  die  gurt  wider  hinweg  M.  HERR/eWia«  (1551)  122'^ ; 
von  einer  gürtelartigen  Verstärkung  am  kanonenrohr,  frz. 
ceinture  Fäsch  kriegslex.  (1735)  4033';  Eggebs  1,  1124; 
WoLFF  math.  lex.  633;  vgl.  gürtel  7.  geographisch,  als  lehn- 
übersetzung  von  gr.  Cüjut],  lat.  zona,  une  u.  gürtel  8  a:  wann 
man  nun  diese  {grade)  mit  iren  underen  zusammenthut 
.  .  .  mag  man  die  zonam  oder  gurten  nennen  H.  Frölich 
Offenbarung  d.  natur  (1591)  9;  welchen  gurt  oder  umbkreisz 
wir  den  zodiacum  nennen  Pabacelsus  op.  (1616)  2,  553 
Huser.  wohl  in  gleicher  lehnüberselzung,  im  sinne  von 
'streifen,  gegend':  auff  das  die  werme  des  fewers  die  zon 
oder  den  giurdt  des  alembics  {teil  des  experimentier gefäszes) 
nicht  erreichen  mag  Thurneysser  alchymia  (1583)  31. 

2)  üj  der  baukunst  terminologisch  ausgebildet. 

74 


1171 


iGURT 


1GURT-2GURT 


1172 


a)  gürtelartige  Verzierung,  an  einem  gebmide:  ein  gurt 
oder  sims,  der  am  ganzen  hause  hinläuft,  gibt  das  bild, 
dasz  ihm  drinnen  eine  balkenlage  entspreche  V.v.Strätjsz 
lebensführ.  (1888)  2,  279;  neben  dem  balkengesiras  oder 
balkengurt,  der  die  Stockwerke  trennt,  auch  für  brüstungs- 
gesimse  oder  fenstergurte,  s.  O.  Mothes  ill.  baulex.  (1882) 
2, 546 :  (rechts  am  portal  ein  schlangenkopf)  der  sich  mit  dem 
halse  in  das  gesims  verliert,  links  .  .  .  steigt  aus  dem  ge- 
sims  ein  Schlangenschwanz  herab,  so  dasz,  die  gurt  als 
leib  betrachtet,  eine  schlänge  die  ganze  kirche  umgiebt 
Th.  Kernbr  d.  Kernerhaus  24;  vgl.  schon  Keamek  zier- 
gurt  an  einem  bolwerk,  an  einem gebäu  dt.-it.{nOQ)  l,  577*' ; 
s.  auch  gurtband,  -sims.  ein  stufenförmiger  absatz  scheint 
in  den  folgenden  belegen  gemeint  zu  sein:  gurt  an  gebenden 
praecinctiones  {Vitruv.)  Stieler  716;  Aler  dict.  (1727)  l, 
995b;  vgl.  gürtel  8  b; 

aber  der  flscher  von  auszen  vernahm  mit  innigem  lachen 
jegliches  wort,  er  war  auf  den  gurt  an  der  mauer  gestiegen, 
dicht  am  fenster  das  ohr 

MÖKIKB  1,  262  Göschen  {idylle  v.  Bodensee); 

an  seinem  (des  turmes)  untern  gurt  war  eine  merkwürdige 
alte  Inschrift  eingehauen  ebda  3,  178.  vereinzelt  bei  säulen, 
wohl  für  eine  bestimmte  unUstung  der  basis:  (von  den  5  arten 
von)  seulen,  wie  selbe  mit  ihren  fuszgestellen,  leisten, 
Vierungen,  gurden,  ringen  .  .  .  unterschieden  werden 
Harsdökffer  gesprächsp.  (1641)  8,  437;  vgl.  der  ring  sive 
gurt  der  seulen  annulus,  torques,  torus,  torulus  Stieler 
1693;  Krünitz  20,  393;  s.  auch  gürtlein. 

b)  der  eigentlichen  bed.  'gürteV  ferner  gerückt,  mehr  der 
bed.  'band'  (u.  4)  entsprechend,  speciell  bei  gewölben  für  die 
das  gewölbe  stützenden  bogen,  s.  Mothes  ill.  baulex.  (1882) 
2,  546;  als  fem.,  gurte,  pl.  gurten  Karmarsch-Heeren 
4, 190:  (mit)  gürten  überruck  gewölbt  (1619)  E.  Holl  bei 
Meyer  hauschron.  d.fam.  H.  72;  merkwürdig  war  mir  ein 
tonnengewölbe  mit  stark  vortretenden  gurten  W.  Stier 
hesperische  blätter  (1857)  36;  (von  einem  keller gewölbe:)  die 
gurte  der  alten  Wölbung  .  .  .  verwandelten  sich  ihm  Frey- 
TAG  ges.  w.  4  (1909)  69  (soll  u.  hob.); 

{die  schatten)  beginnen  hörbar  am  gewölb  zu  gaukeln 
und  auf  und  ab  die  gurten  anzuklimmen 

L.  SCHÜCKING  in  Dkostk-Hülshoff  briefe  (1893)  30. 

s.  auch  gurtbogen.  —  bei  brücken  wohl  für  die  steinerne 
loölbung: 

{bei  einer  flut  der  Mosel) 

der  brücke  gurt  erbebt 

Ci,.  Brentano  ges.  sehr.  (1852)  1,  412. 

anders  bei  eisenbrücken,  für  die  einfassung  des  gittertverks, 
die  zugleich  die  eisernen  spannbögen  oder  geraden  träger 
bildet,  s.  Meyer  konv.-lex.^  8, 531:  der  eine  gurt  (ivird)  auf 
'zug' ...  beansprucht  Kabmarsch-Heeren  2, 81;  die  wage- 
rechten  gurte  V.  Alten  2,  564. 

S)  Sattelgurt,  die  Vorstellung  des  gleichmäszig  umschlieszen- 
den  gürteis  weicht  hier  der  des  befestigenden  bandes  oder  rie- 
mens  (vgl.  4);  seit  etwa  1400  in  gleichmäszig  er  häufigkeit 
belegt,  z.  b. : 

der  afterraif  was  hänfein 

und  der  gurt  pestein     fastnachtspiele  440  Keller; 

lYi  mark  vor  setil,  zoume,  gorte  Marienb.  treszlerb.  241 

Joachim; 

durch  dieses  heyden  stärck  . . . 

must  jtzt  die  gurt  entzwey  am  sattel  unten  relssen 

D.  V.  D.  Wekdek  ras.  Roland  (1636)  ges.  23,  str.  87; 

den  gurt,  der  vom  sattel  unib  den  leib  gemacht  wird 
J.  Walther  pferde-  u.  Viehzucht  (1658)28;  (ich  bückte) 
mich,  als  wenn  ich  etwas  am  gurte  (des  reitesels)  zu  thun 
hätte  Göthe  24,  30  W.;  er  sasz  in  der  gurt  unter  der  stute 
BR.  Grimm  ir.  elfenmärchen  (1826)114;  jene  stellen  des 
satteis,  der  gurten  und  des  andern  geschirres  der  eselin 
Stifter  w.  (1901)  3,  62  Sauer;  in  bestimmungen  der  körper- 
gegend  mehr  oder  minder  abstract:  (dem  boten)  wurde  nachts 
sein  pferd  bis  an  die  gurt  in  hafer  gestellt  (1560)  6ei  Grimm 
rechtsalt.^  1,  545;  durch  eine  leidlich  gangbare  fürt  reitend, 
in  der  den  gäulen  das  wasser  noch  über  die  gurte  reichte 
und  den  reitern  in  die  Stiefel  schöpfte  Bernh.  v.  d.  Mar- 
wiTZ  stirb  u.  werde  (1931)  104;  (ein  pferd,)  schlank  und  voll 


im  gurt  Auerbach  schatzkästl.  (1862)  l,  160;  und  nicht  nur 
von  rentieren:  um  das  gurt  werden  die  kühe  gemessen  bei 

StaUB-ToBLER  2,  444. 

4)  band,  speciell  eine  breite,  feste  bandart  von  gutem  hanf- 
garn,  wie  sie  ursprünglich  besonders  zu  sattelgurten  ver- 
wendet wurde,  s.  Zincke  öcon.  lex.  (1744)  1008:  gurten,  wie 
an  den  satteln  zu  bauchgurten  genommen  werden  Döbel 
jag. -practica  (1754)  2,  75;  im  15.  jh.  mit  der  bezeichnung 
leinen  belegt:  (das  pferd  erzählt:)  ain  mennlin  bint  mich 
mit  .  .  .  lynin  gürten  Steinhöwel  Esop  237  lit.  ver.;  vgl. 
auch  basten  oben  3.  in  weiterer  Verwendung  zu  betten, 
stuhlen,  polsterungen,  als  trag-  und  ziehbänder  u.  s.  w. :  dasz 
er  geschwind  unter  das  bett  kriechen  und  füsze  und  bände 
in  die  gurte  stecken  solle,  w^elche  das  bett  trugen,  um  sich 
...  zu  verstecken  Heinse  2,  177  Schüddelc;  der  sitz  des 
Wagens  ist  von  weichen  gurten  Hackländer  soldatenleben 
(1850)  150;  der  giu:t  (mit  dem  er  den  holzschlitten  zieht)  reicht 
ihm  vom  rücken  .  .  .  bis  ans  kinn  Auerbach  sehr.  (1892) 
15,  154;  (er  zog)  die  um  seinen  oberleib  geschlungene 
gurte  ab  (mit  der  er  den  karren  gezogen)  ders.  schwäb.  dorf- 
gesch.  (1884)  2,  52;  vgl.  noch:  das  nackziehseil  besteht  aus 
zwei  ...  2-3  zoll  breiten  gurten  oder  hülsen,  deren  enden 
durch  zv/ei  . . .  stränge  verbunden  . . . ;  jeder  legt  sich 
einen  gurt  über  den  nacken,  sieht  den  gegner  an  und  sucht 
ihn  rückwärts  zu  ziehen  F.  L.  Jahn  2,  78  Euler;  rings  um 
den(/esse^)ballon  läuft  .  .  .  ein  kräftiger  gurt,  an  dem  der 
korb  für  den  beobachter  (befestigt  ist)  v.  Alten  3,  211. 
lexikalisch  als  m.  gurt,  plur.  gurte  Jacobsson  2,  178''; 
(plur.)  Karmarsch-Heeren  1,  402;  Lueger  5,  23;  da- 
neben ist  von  Süddeutschland  her,  z.  t.  fachsprachlich,  das 
fera.  gurte  verbreitet:  Staub-Tobler  2,  445;  Martin- 
Lienhart  1,234**;  Hoyer-Kreuteb  techn.wb.  1,319;  plur. 
gurten  Karmarsch-Heeren  4,190;  9,683;  wozu  compo- 
sita  wie  gurtenband,  -bett,  -macher  zu  vergleichen  sind, 
seltener  für  bänder  andrer  art:  (opf er  stiere,  c^ere»)  rücken 
mit  seidenen  gürten  überlegt  waren  Lohenstein  Armin. 
2,  484  a;  eine  bibliothek  .  .  .  mit  15  gefach,  gefüllt  mit 
fliegenden  blättern,  die  .  .  .  durch  holzstäbe  und  seidene 
gurten  verbunden  sind  Ritter  erdk.  (1822)  3,  323;  gurte 
von  kautschuk,  lediglich  zugeschnitten,  ohne  weitere  be- 
arbeitung  Troje  Zolltarif  (1886)  171;  für  riemen  schlechthin: 

dan  {wird  man)  strichen  en  {Jesus)  mit  gurten 

Alsfelder  passionsspiel  77  Grein; 

für  kleine  riemen  zum  zuschnallen: 

weinend  löst  ihm  {dem  toten)  Montesinos 
heim  und  seiner  riistung  gurte 

ElCHENDORFF   w.  (1864)  1,  723. 

verschiedene  specielle  Verwendungen:  gurt  'pastetenband' 
Amaranthes /rawe?i2;.-Zea;.  (1715)  125;  ' windelschnur'  ebda 
706;  die  gurt  gängelband  für  kleine  kinder  Biblinger 
schw.-au^sb.  wb.  208**;  der  gurt  'riehmen,  welcher  um  die 
walze  läuft'  Täubel  wb.  d.  buchdruck.  (1805)  anh.  32*»;  als 
die  gurte  bei  Hoyer-Kreuteb  techn.  wb.  (1902)  l,  zw ; 
gurten  oder  pergamentstreifen  (werden  zum  buchbinden) 
in  die  heftlade  gespannt  Karmaesgh-Heeren  2,  113. 

de7n  siym  von  'gürteF  wieder  näher,  wenn  es  sich  nicht  so 
sehr  um  bänder  und  streifen,  als  um  ein  umschlieszendes 
handelt;  'band  zum  umschnüren  eines  bündeis': 

glychmasz,  die  soll  der  reitel  syn, 
der  gurt  war  bald  gebrochen, 
brächt  dich  in  grosze  pyn 
Val.  TSCHüdi  trostUed  (1530)  bei  STAUB-TOBLEß  2,  444; 

vgl.  vinctus,  vincidum  band,  gurt  Frisius  dict.  (1556)  1381; 
gorde,/.,  binde,  die  etwas  e7ig  umschlieszt  Hofmann  ndhess. 
Ill";  gurt,  gurtkette  bei  leiterbäumen  Fischer  schiväb. 
nachtr.  2082.  in  neuerer  zeit  für  riemen  über  die  schütter: 
über  die  schulter  ein  gurfc,  an  dem  das  schwert  hing 
Holtei  vierzig  jähre  1,  261 ; 

am  gelben  gurt  den  schwarzen  operngucker 
stelzt  durchs  museum  nun  der  Inglishman 
Arent-Conkadi-Henokell  mod.  dichterchar.  (1885)  141. 

2GURT,  m.,  hof,  rvohl  aus  mlat.  curtis:  curia,  curtis, 
familia,  praedium  rusticum  Henisch  1783;  hof,  rafhaus 

SCIIRADER  dt.-frz.  1,  584. 


1173 


3GURT  — iGÜRTEL 


iGÜRTEL  1 


1174 


^GURT,  /.,  soviel  wie  grütze,  mit  metathesis  des  r.   nl. 
gort  alica  Diefenbach  gl.  272^;  gürt  P.  APHBBDiANtrs 
method.  (1601)  185;  Jos.  Müller  rhein.  2,  1502,  1477;  görte 
WoESTE  82/.;  als  gürtl(?)  bei  Henisch  1783. 
GURT-,  s.  auch  gurten-. 

GURTBAND,  n.  l)  band  als  gurt,  gürtelband  {s.  d.): 
gurtband  an  hosen  Ludwig  dt.-engl.  (1716)  822;  Haille- 
band'  Stäub-Tobleb  4,  1328;  als  tragband:  ein  mit  gurt- 
band, versehener  köcher  archäol.  ztg.  (1843)  3,  65  Gerhard. 
2)  starkes  band,  zu  gurt  4:  hosenträger  aus  ganz  grobem 
gurtband  Troje  Zolltarif  (1885)  410;  auch  leinenes  ebda 
399;  für  den  friedensgebrauch  hat  man  besondere  stall- 
halfter  aus  leder,  gurtband  oder  schnür  v.  Alten  4,  507; 
übertragen:  wie  naturgemäsz  {sind  bei  den  Griechen)  .  .  . 
die  horizontalen  platten  und  bänder  mit  .  .  .  perlen- 
sohnüren,  an  ihrer  Unterseite  mit  starken  geflochtenen 
gurtbändern  verziert  P.  Th.  Vischeb  ästhetik  (1846)  3,  2, 
290.  3)  geradliniges  gurtgesims  von  geringer  ausladung,  zu 
gurt  2  a,  s.  LuEOEB  5,  23;  Mothes  ill.  baulex.  2,  546:  die 
gurtbänder  als  Verbindung  der  vertikalen  Schmabsow 
ästh.  d.  bild.  k.  2,  270;  anders:  das  in  den  fels  gehauene 
halbrund  des  durch  zwei  gurtbänder  in  drei  Stockwerke 
getheilten  theaters  H.  Hettneb  griech.  rciseskizzen  216. 
GURTBETT,  n.,  fddbett,  zu  gurt  'band\-  gurtbette 
lectus  loris  subtentus  Aleb  dict.  (1727)  1,  995»;  gurtbett, 
feldbett  Mothes  baulex.  (1882)  l,  285;  (er)  liegt  droben  wie 
eine  leiche  auf  dem  gurtbette  Jean  Paul  11,  412  Hempel. 
auA:h  gurtbettstelle  Keünitz  176,  86. 

GURTBOGEN,  m.,  stützbogen  bei  gewölben,  wie  gurt  2  b, 
5.  Mothes  2,  546;  Hoyer-Kbeutee  l,  319:  (tempelinne- 
res, abgeschlossen)  von  himmelanstrebenden  gewölben  und 
sich  durchkreuzenden  gurtbogen  Zschokke  sehr.  (1824)  30, 
373 ;  die  gurtbögen  (treten)  nicht  als  glieder  hervor,  sondern 
bleiben  versteckt  F.  Th.  Vischeb  ästhetik  (1846)  3,  2,  295. 
hierzu:  gurtbogenanlage  für  den  'Stützpfeiler'  Mülleb- 
Mothes  1,  497*,  bzw.  -vorläge  oder  -pfeiler  Hoyeb- 
Kreuteb  1,  319;  gurtbogenstärke  Schönebmark-Stüber 
hochbaulex.  897. 

^GÜRTEL,  m.,  auch  f.  und  n.,  cingulum,  zona. 
herkunft  und  form. 

nomen  instrumenti  mit  suffix  -ilo-  zu  got.  bigairdan  'negi- 
fwfffKffi^Kt',  idg.  vmrzel  gherd  'flechten,  winden,  umfassen, 
umzäunen,  timgürten',  s.  Walde-Pokorny  1,  608;  ahd. 
gurtil,  aisl.  gyrdill,  ags.  gyrdel,  afr.  gerdel,  mnl.  gordel, 
n.,  m.,  mnd.  gordel,  n.  (selten  m.);für  sich  steht  got.  gairda 
=  an.  gJ9rd,  mnl.  gerde.  —  wie  auch  sonst  gelegentlich  bei 
gerätenamen  atif  -il-,  s.  Kluge  nom.  stammbild.  §  90/., 
zeigt  das  ahd.  neben  der  starken  männl.  starke  oder  schwache 
wbl.form:  gurdil  Isidor  41  Hench;  der  gurtel  Notkee  2, 
472  Piper;  curtil(ll.  jh.)  Steinmeyeb-Sievees  gl.  3,  654»; 
gurtil  3,  146a  (12.  u.  13.  jh.),  3,  181»  (12.  Jh.);  daneben:  ciu:- 
tila  (10.  jh.)  ebda  3,  654^;  gurtila  (11.  jh.)  2,  399l>;  vgl.  noch 
gurtil  aus  gurtila  verbessert  (11./12.  jh.)  3,  651^.  dies  fem. 
hält  sich  neben  dem  stets  überwiegenden  masc.  bis  gegen 
1700 ;  jetzt  ist  es  au^h  mundartlich  so  gut  wie  ausgestorben, 
in  mhd.  zeit  herrscht  es  auffällig  in  den  rechtsformeln  (s.  2  a 
und  3)  und  mit  wenigen  ausnahmen  in  den  präpositional- 
verbindungen  (s.  5),  auch  bei  Schriftstellern,  die  sonst  das 
masc.  haben,  z.b.  Wient  v.  Gbafenbeeg  niderhalb  der 
g.  Wig.  178  Pfeiffer;  den  g.  13;  24;  Ottokae  als  in  diu  g. 
umbevienge  10941  Seem.;  mit  einem  g.  7942;  62613;  auch 
noch  frnhd.  bei  H.  Sachs  an  der  g.  14,  32;  17,  173;  aber 
2,  142;  Stumpf  zu  halber  gürtein  Schweizerchron.  (1606) 
750*';  a6er(einew)  beschlagnen  gürtel  233^.  darüberhinaus 
ist  das  fem.  hauptsächlich  im  umkreis  des  bair.  belegt,  z.  b. 
meier  Helmbrecht  1121;  weinschwelg  349;  H.  v.  Trimberg 
renner  16478  Ehrism.;  Dürer  tageb.  49;  Spreng  Ilias  iZ^ 
u.  ö.;  Abr.  a  s.  Clara  etw.  f.  alle  X,  340  u.  ö.;  oft  mit  dem 
rfiasc.  daneben:  gürtein  (schwacher  acc.  pl.;  s.  unten) 
Parziv.2Zi,S,;  aber  m.  410,  4;  341,20;  168,16;  an  der 
gurtel  H.  V.  Neustadt  Apoll.  6755  Singer;  m.  gottes  zuk. 
317;  an  ainer  gürttel  Fortunat  129  ndr.;  m.  116;  ein  schöne 
g.  Val.  Schumann  nachtb.  87  Bolte;  m.  160;  ein  cöstliche 


girtel  (acc.)  Zimm.  chron.^  4,  302  u.  ö.;  m.  145;  244;  303; 
SCHAIDENBEISZEE  Odyss.  58'';  m.  21^. 

die  nicht  sehr  häufigen  schwach  flectierten  formen  von 
gurtel  werden  sämtlich  dem  fem.  zuzuweisen  sein:  gürtein 
(acc.  pl.)  Parziv.  234,  8;  563, 18;  König  v.  Odenwald  38 
Schröder;  kein  silberin  gürtein  (acc.  sg.)  Nürnb.  polizeiord. 
65  lit.  ver.;  gürtein  (acc.  pl.)  Johan  Barth  weiber- 
Spiegel  (1565)  t  3*';  deutlich  fem.  sind:  magedcurtelun  (gen. 
sg.)  Notkee  l,  815,  19  Piper;  mit  der  gürtein  K.  v.  Me- 
genbebg  b.  d.  nat.  59;  die  zwu  gürtein  ders.  sphaera  25 
Matthäi;  an  der  gürtein  erste  dt.  bibel  1,  36  Kurreim.; 
4,206  (aber  stori  2,473);  Stumpf  Schweizerchron.  (l&oei) 
750^  (s.  o.);  archaisierend  G.  Kelleb  (1889)  l,  50;  s.  auch 
gürtle,  /.  Staub-Tobleb  2,  447. 

gurtel  als  neutr.  (nach  as.  gm-disli  ?)  ist  vorvnegend  nd., 
s.  Schtlleb-Lübben  2,  133;  Diefenbach  gl.  412*=;  Ger- 
mania 14, 197;  ferner  beudee  Hans  Marienl.  1183  Minzl.; 
altd.  tischzuchten  12^  Geyer;  dann  auch  das  gurtel  Luther 
12,  282  W.;  das  gurtel  W.  Hildebrand  magia  Twttor.  (1610) 
127;  M.  Schneider  Amintaa  (1632)113;  M.  Schibmee 
Virgil  (1668)  439;  Zesen  Ibrahim  (1645)  2,  11;  Assenat 
(1672)  212;  ins  gurtel  Chb.  Reutee  Schelm,  (vollst,  ausg.) 
25  ndr.;  vielleicht  auch  schon,  wofern  nicht  deminutiv,  das 
gurtel  H.  V.  Neustadt  Apoll.  12582  Singer. 

bedeutung  und  gebrauch. 

die  grundbedeutung  des  Wortes  und  deren  charakteristische 
abwandlungen  und  anwendungen  entsprechen  den  Verhält- 
nissen von  griech.  fwr/;,  lat.  zona,  auch  cingulum,  genau; 
in  vielen  fällen  liegt  nicht  eigenständige  entuncklung,  son- 
dern Übernahme  des  antiken  gebrauchs  vor. 

1)  ein  nach  stoff  und  form  mit  der  mode  wechselndes  band, 
mit  dem  man  die  kleidung  gürtet: 

. .  .  der  gurtel  umb  Ir  lip 
Ulr.  V.  EsOHENBACH  Wüleh.  V.  Wenden  v.  1485  Toischer; 

Ich  pin  ain  welb       mit  gurtel  umbevangen 

Osw.  V.  Wolkenstein  189  Schatz; 

unterschiede  in  stoff,  machart,  form,  färbe  sind  vielfach 
durch  attribute  bezeichnet,  feilen,  ledern,  hären,  seiden, 
wollen,  golden,  silbern:  (Johannes  hatte)  ein  fellin  gurtel 
umb  sein  lancken  (Matth.  3,  4)  erste  dt.  bibel  1,  12;  Luther 
dafür:  einen  leddern  gurtel  umb  seine  lenden;  ein  hären 
gurtel  antragen  Fr.  Spee  tugendb.  (1649)  738;  zona  serica 
seiden  gurtel  Albebus  did.  (1540)  B  b  2*»;  zona  bidentis 
wullyn  gurtel  von  wollen  Diefenbach  635C;  stropheum 
gülden  gurtel  557 »;  begürtet  .  .  .  mit  einem  güldnen 
gurtel  offb.  1,  13;  (Mignon  als  engel  mit)  einem  goldenen 
gurtel  um  die  brüst  Göthe  23,  158  W.;  sprichwörtlich: 
guter  ruf  ist  goldnen  gurtel  werth  ders.  45,  52  (Rameaus 
neffe);  vgl.  Keünitz  20,  320;  (kein  bürger  eine)  silberin 
gürtein  mer  tragen  sol  danne  die  ainer  halben  mark 
Silbers  wert  sei  (14.  jh.)  Nürnb.  polizeiordn.  65  lit.  ver.;  ein 
silbern  gurtel  von  36  loth  Schweinichen  denkw.  526  Ost.  — 
die  machart  bezeichnen  z.  b.  beschlagen,  gewirkt,  gestickt: 

■wol  beslagen 

waren  in  ir  gurtel  beide  samt  (den  dörpern) 

Neidhart  60, 14  Haupt-Wieszner; 

(sie  sollten)  kein  ring  noch  beschlagnen  gurtel  haben 
Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  233^;  mit  vier  finger 
breiten  und  mit  gülden  blech  beschlagenen  gürtein 
Oleaeius  reisebeschr.  (1696)  staat  d.  kön.  Pers.  19;  balteus 
beschlagner  gurtel  Diefenbach  gl.  67^;  zona  bullata  ge- 
spengelt  girtel  635  C; 

ir  gurtel  gewurket  in  der  ram 

Wernhek  marienleb.  v.  12913  Päpke; 

gewirkte  gurtel  um  die  lenden 

V.  Droste-Hülshoff  2,  61  Schücking; 

(eine  schere  hing  ihr)  von  blumig  gesticktem  gurtel  herab 
Göthe  25,  265  W.  hinsichtlich  der  form  wird  besonders  die 
breite  hervorgehoben:  des  kinderspiels  und  narren werks  von 
.  .  .  breiten  gürtein  Luthee  50,  196  W.; 

die  breit  und  dicke  gurtel  eben 
hat  mich  erhalten  bei  dem  leben 

Spreng  Ilias  (1610)  43». 

farbbezeichnungen:  mit  einem  feinen  schwartzen  ledern 
gurtel  Riemee  polit.  maulaffe  (1679)  139;  (sie)  trug  einen 

74* 


1175 


iGÜRTEL  2 


iGÜRTEL  8 


1176 


roten  gürtel  H.  Seidel  Leb.  Hühnchen  (180Q)  51 ;  mit  recht- 
licher bedeutung:  einen  roten  gürtel  tuont  si  im  (dem 
herzog)  umbe  Schwabenspiegel  418  Wackernagel.  —  den 
gürtel  lösen  (s.  auch  u.  6  b),  aufbinden,  beim  entkleiden: 
nach  dem  ihm  der  bischof  Clemens  erstlich  den  gürtel 
aufgelöst  hatte  .  .  .  {stieg  er  in  das  taufwasser)  A.  U. 
V.  Bbaünschweiq    Octavia  2,  818; 

(er)  loste  ihr  dann  den  gürtel  und  tat  ihr  die  glänzenden 

kleider  (ab) 
Th.  V.  SCHBFFER  homcr.  götterhymncn  (1927)  49; 
bei  tische: 

swer  ob  dem  tisch  des  wenet  sich, 
daz  er  die  gürtel  wlter  lat 
altdi.  tischzuchten  (progr.  Altenb.  1882)  W- Geyer;  auch  8»  u.ö.; 

so  dir  der  gürtel  ist  zu  eng, 
80  lösz  in  aufl  nach  guter  leng 

Scheit  Qrobianus  v.  2933  ndr.; 

wann  einer  vil  essen  musz,  so  spricht  man :  tue  den  gürtel 
uff,  dz  ist:  rüst  dich  darzu  Terenz  (1499)  124^;  oder  ein- 
fach: den  gürtel  auff,  lasz  dem  bauch  seinen  gangFiscHAET 
Garg.  149  ndr. 

gelegentlich  in  Specialbedeutungen:  'frauengürteV  im 
gegensatz  zum  'riemen^  des  mannes  Kramer  Bistritzer  dial. 
34.  —  ohne  besondere  kennzeichnung  für  den  'priester- 
gürteV  üblich:  de  vestimentis  sacerdotalibus ,  cingulum  gurtil 
aM.  gl.  3,  146,  21.  181,  29.  655,  37;  de  vestibus  sacris.  zona 
gürtel  voc.  opt.  27''  Wackernarjel;  alben,  gürtel  und  hu- 
meral  bei  Schöpf  tirol.  225;  die  skapuliere,  gürtel  und 
meszgewande  Nicolai  reise  5,  17.  —  in  dem  als  mensch- 
liche gestalt  vorgestellten  Sternbild  des  Orion:  an  des  curtele 
sehs  Sternen  michellicho  zeichenhafte  sint  Notker  l,  770 
Piper;  in  der  Zeichnung,  die  .  .  .  von  dem  gürtel  bis  zum 
anfang  des  rechten  schenkeis  reicht  Humboldt  kosmos 
(1845)  3,  335;  bildlich  von  der  milchstrasze: 

wie  der  sonnenbesäete  gürtel  der  nacht 
tönend  mit  himmlischen  harmonieen 

GEAFEN  ZV  Stolberq  ges.  w.  (1820)  1,  120. 

2)  neben  dem  gürten  der  kleider  dient  der  gürtel  zum  be- 
festigen und  tragen  von  dingen,  die  bequem  zur  hand  sein 
sollen;  daher  besonders  in  Wendungen  wie  etwas  am,  im 
gürtel  tragen,  aus  dem  gürtel  ziehen,  in  den  gürtel  stecken. 

a)  besonders  von  waffen,  auch  von  anderen  geraten:  suc- 

cingulum  ein  gürtel,   das  schwärdt  daran  ze  hencken 

Frisius  dict.  (1556)  1262'^;  {ein  Icriegsgötze  mit)  sieben  am 

gürtel  hangenden  sch-werdtern  Micräliüs  Pommerl.  (1640) 

2,  254; 

doch  mild  am  gürtel  trägst  du  (kön.  Ludwig)  das  reine  schwert 

Platen  1,  189  Redlich; 

sprichwörtlich:  honig  auf  der  zungen  und  das  scheer- 
messer  am  gürtel  haben  P.  Winckler  2000  gedanken 
(1685)  Dl!*;  ein  rosenkranz  hängt  am  gürtel  herab 
Schiller  12,  554  Oöd.;  den  prächtigen  dolch,  den  er  im 
gürtel  trägt  A.  W.  Schlegel  sämil.  w.  9,  58;  ein  oder  zwei 
pistolen  im  gürtel  FouQut  gefühle  (1819)  1,  63;  die  pistoh- 
len  stackte  ich  ins  gürtel  Chr.  Reuter  Schelm,  {vollst, 
ausg.)  25  ndr.;  er  soll  manchmal  einen  dolch  ...  in  den 
gürtel  gesteckt  {habeyi)  Göthe  21,  87  W.; 

er  da»  messer  aus  dem  gürtel 
ziehet  und  ganz  stille  sitzt 

A.  V.  Aknim  w.  22,  128  Orimm; 

ich  zog  das  messer  aus  seinem  gürtel  Schiller  4,  76  Göd.; 
mit  verkürztem  ausdruck:  das  rappier  aus  dem  gürtel  {in 
der  hand)  Kirchhof  wendunm.  2,  375  Ost. 

unter  dem  gürtel  tragen  (s.  auch  4)  u.  ähnl.:  wie  an  dem 
angriffe  300  oder  400  eydgenossen  .  .  .  ein  tannast  under 
den  gürtlen  getragen  Tschüdi  chron.  hdvet.  (1734)  2,  386; 
{die  geige)  die  er  unter  dem  gürtel  stecken  het  Lindener 
rastbüchl.  20  lit.  ver.;  als  er  ein  halbes  roszeisen  gefunden 
und  selbiges  undern  gürtel  gesteckt  hatte  grillenvertreiber 
(1670)  148;  bes.  in  der  redewendung:  {die)  hende  unter  die 
gürtein  stecken  und  feyern  Boccaccio  decam.  154  lit.  ver.; 
vgl.  die  bände  im  gürtel  haben,  müszig  sein  Frisch  dt.-lat. 
(1741)  1,  384^. 

Schlüssel  werden  am  gürtel  getragen:  {einer  lief  zu  dem 
toten)  die  Schlüssel  zu  nemmen,  welche  an  seiner  gürtel 


hiengen  Amadis  208  lit.  ver.;  {Schlafrock)  an  dessen  gürtel 
ein  groszes  bund  Schlüssel  hing  J.  Kerner  bilderb.  154; 
sprichwörtlich:  es  hangen  nicht  alle  Schlüssel  an  einem 
gürtel  Lehman  florileg.  pol.  (1662)  2,  916;  übertragen:  {wer 
heiraten  will,  soll  eine  fromme  frau  nehmen)  dasz  er  ihr 
nicht  dörff  hüten  oder  sie  am  gürtel  tragen  ebda  1,  164.  — 
daher  den  gürtel  auflösen,  recken,  beim  concurse  soviel  wie 
'die  Schlüssel  ausliefern':  si  wolten  ir  girtel  auffiesen  {var. 
von  irem  leib  abgirten)  und  von  aller  ir  hab  und  gut  gan 
und  wölten  aiu  aid  schweren  dt.  städtechron.  23,  222/. 
{Augsb.  i);  gleichbedeutend  den  gürtel  recken:  han  ich  mich 
des  vorgenanten  hofs  genzlich  mit  der  gürtel  verzihen, 
die  ich  gerekt  han  (1343)  monum.  boica  1,  443;  vgl.  zum 
letzteren  Grimm  rechtsall.*  l,  624. 

b)  gürtel  um  geld  darin  zu  tragen,  geldgurt,  wie  lat.  zona: 
zona  gürtel,  seckelgürtel,  dareyn  man  das  gelt  lägt 
Frisius  dict.  (1556)  1425^';  cingulum  gürtel,  der  zugleich 
an  statt  eines  beuteis  ist,  darinn  man  das  geld  sicherlich 
über  das  land  tragen  kan  A.  Corvinus /o?is  lai.  (1646)  194; 
nit  wölt  besitzen  golt  und  silber  noch  müntz  an  eueren 
gurtein  {Matth.  10,  9)  erste  dt.  bibcl  1,  36;  Luther  dafür: 
ir  sok  nicht  gold  noch  silber  noch  ertz  in  ewien  gürtein 
haben;  seinen  solt  sol  er  an  der  gürtel  und  nicht  im  zäch- 
haus  haben  H.  Megiser  annales  Carinthiae  (1612)  210; 
hieran  anknüpfend: 

und  der  soldat,  um  rascher  sich  zu  wenden, 
erleichtert  schnell  den  gürtel  seiner  lenden  (vom  metallgeld) 
GÖTHE  15,  1,  64  W.  (Faust  t.  6108); 

ebenso:  er  hett  sein  gürtel  verloren,  das  ist,  er  ist  um  hab 
und  gut  kommen  Seb.  Franck  sprichw.  (1541)  1,  38*;  ähn- 
lich 2,  23'';  im  anschlusz  an  HoRAZ:  zonam  perdidit  epist. 
2,  2,  40.  —  sachlich  gleichbedeutend  ist  die  tasche  am  gürtel: 

(das  kind)  truoc  an  dem  gürtel  sin 

ein  maszigez  tcschelin  Lanzelot  5807  Hahn; 

{sie  spann  ein  netz)  das  sie  wie  eine  geldtasche  nachher 
am  gürtel  trug  maler  Müller  w.  (I8ll)  2,  177;  daher 
sprichwortartig : 

das  man  und  frauen  wol  zusammen  fügen 
reht  Bam  ain  gürtel  zu  einer  taschen 

fastnacMspiele  694  Keller. 

3)  in  der  mittelalterlichen  rechtssprache,  bis  ins  älternhd. 
lebendig,  heiszt  was  der  gürtel  umschlieszt  der  geringste 
persönliche  besitz,  der  unpfändbar  ist,  bei  expropriieruruj 
zu  belassen  u.  s.  w.;  besonders  in  den  Wendungen  als  einer 
mit  gürtel  umfangen  ist;  als  einen  die  gürtel  umfangen, 
begriffen,  beschlossen  hat,  umfängt,  begreift;  was  die 
gürtel  begreift,  beschlieszt;  vgl.  quae  cingulum  capit  (1240) 
monum.  boica  3,  135;  ähnlich  156.  vielfach  in  den  be- 
dingungen  des  abzugs  von  belagerten:  {freier  abzug  mit)  nicht 
mehr,  als  was  sie  unterm  gürtel  mit  sich  heraustragen 
können  Chemnitz  schwed.  krieg  2  (1653)  208; 

er  hiez  in  bediuten, 
daz  ie  der  man  her  uz  gienge, 
als  in  diu  gürtel  umbevienge, 
und  sin  swert  in  der  hant 

Ottokak  chron.  v.  10941  Seemüller; 

das  man  sie  plosz,  wie  sie  der  gürtel  begriff,  liesz  ziehenn 
Seb.  Franck  chron.  Germ.  (1538)145;  muszt  all  sein 
kriegszvolck  .  .  .  wie  sie  die  gürtel  beschlosz,  abziehen 
Adam  Reiszner  hist.  Georg  v.  Frundsberg  (1572)  173'»;  es 
ward  ihnen  angeboten,  sie  ohne  pferd  und  gewehr,  jedoch 
mit  dem,  was  der  gürtel  beschliesse,  passieren  zu  lassen 
Simpliziss.  224  ndr.;  Loths  weib  soll  haus  und  hof  ver- 
lassen, und  wie  sie  der  gürtel  beschleuszt,  ins  bittere  elend 
wandern  Otho  krankentrost  (1671)  705;  ähnlich:  {er  hätte 
aus  dem  gefängnis)  nichts  anderes  herausgebracht  als  die 
girtel  (1442)  jhrb.  d.  hist.  ver.  Dillingen  19,  106.  —  speciell 
bairisch  früh  und  häufig  für  die  art  der  auslieferung  eines 
missetäters  an  den  zuständigen  richter:  {den  totschläger)  ant- 
wurten,  als  in  die  gürtel  umbfangen  hat  monum.  boica  2, 
525/.;  auch  509;  {wem  die  todesstrafe  zukommt)  den  suUen 
.  .  .  dez  klosters  amptleut .  .  .  antwurten,  als  er  mit  gürtel 
umbvangen  ist,  und  waz  er  hab  hat,  die  sol  alle  dem 
gotshous  genczlich  beleiben  (1386)  urk.  d.  Karthause  Aggs- 
bach  50  Fuchs;  als  er  mit  gürtl  umbfangen  ist  österr.  weist. 


1177 


iGÜRTEL  4-5 


iGURTEL  5-6 


1178 


1,  4;  10,  121  und  oft;  noch  im  17.  jh.:  überliefern,  wie  er 
mit  der  gürtel  umfangen  ist  v.  Hohberq  georgica  cur. 
(1682)  1,  35;  vgl.  Geimm  rechtsalt.*  1,  140;  2,  516;  Lexer  1, 
1126;    ScHMELLER-Fr.  1,  944;   FlSCHER  schiväb.  3,  933;   in 

Wilderer  wendung:  (hat  der  verurteilte)  ros,  Harnisch  oder 
gut,  das  ist  des  vogtes;  was  darnach  oberhalb  gürteis  ist, 
das  ist  des  weibels;  und  schwert  und  messer  und  was 
unterhalb  gürteis  ist,  das  ist  des  henkers  quelle  bei  Grimm 
rechtsalt.*  2,  517.  —  im  pfand-  und  concursrecht :  es  sol  ouch 
nieman  sin  gelter  (Schuldner)  noten  an  aim  bett  .  .  .  und 
waz  die  gürtel  begriffet  Memm.  ratsb.  bei  Fischer  schwäb. 
3,  033;  er  habe  auch  nichts  aigens,  ja  nichts  mer,  als  sein 
gürtl  beschlüeszt  (1633)  gesch.-büch.  d.  wiedertäuf.  i.  Ost. 
453  Beck;  von  aller  irer  hab  und  gutem  ...  nichtz  dan  wie 
sie  die  girtel  umbfacht  .  .  .  darvon  nemen  noch  haben  dt. 
städtechron.  23,  230.  —  dazu  im  gegensatz  wird  das,  vjas  der 
gürtel  nicht  umschlieszt,  als  ob,  über,  auszerhalb  der  gürtel 
bezeichnet:  daz  kain  wirt  .  .  .  nicht  verner  weren  sol,  dan 
was  si  ob  der  gürtl  tragent  weist.  6,  120;  der  da  verspilet, 
mag  nimmer  verlisen  nur  das,  daz  er  über  seiner  gürtel 
hat  Altjyrager  stadtrecht  121  Röszler;  als  er  an  beraitschaft 
bei  jme  hat  an  dem  gwandt  auszerhalb  der  gürtl  (1335)  bei 
Schmeller-Fr.  1,  944. 

4)  einen  neuen  gürtel  bekommen  'schwanger  werden', 
vielleicht  in  dem  sinne,  dasz  der  alte  gürtel  dann  nicht  mehr 
paszt;  kaum  anknüpfend  an  die  sitte  der  brautgürtel:  cestus 
prawtgurtel  Diefenbach  nov.  gl.  87^;  gürtel  der  liebe, 
damit  der  breutigam  seine  braut  umgürtet  H.  Decimator 
thes.  (1615)  s.  V.  gürtel;  vgl.  begürten,  befruchten,  schwan- 
ger machen  gravidare,  vulgo  incingere  Henisch  1784;  zu 
vergleichen  ist  etwa  auch  den  gürtel  lösen  entjungfern{u.  6  b). 
nur  älternhd.:  es  ist  eines  weibes  rühm,  ehre  und  kröne, 
da  sie,  wie  man  pflegt  zu  sagen  in  züchten  und  in  ehren, 
einen  newen  gürtel  bekommen  und  schwangeres  leibs  ist 
H.  Braxjn  kinderspiegel  (1610)  46;  (Joseph  wollte  Maria 
nicht)  beschuldigen,  da  er  an  ihr  ein  newe  gürtel  spüret 
Mathesius  hochzeitspred.  241  Lösche;  (Joseph)  wolte  nicht 
eine  braut  haben  mit  einem  frembden  gürtel  J.  Gigas 
pos<iZ/a  (1595)  1,  36*5;  (sie  hatte)  ihr  krentzlein  verloren  und 
ein  unehrlich  gürtel  bekommen  ebda  52'^.  wohl  kaum 
hierher: 

ouch  was  der  frouwen  da  genuoc 
etsliu  den  zwelfteu  gürtel  truoc 
zo  pfände  nach  ir  minne. 
es  warn  niht  küneginne: 
die  selben  trippaniersen 
hieszen  soldiersen 

W.  V.  ESCHKNBACH  Parzivol  341,  20  Lachm. 

in  sachlich  gleichem  bereich  ein  kind  unter  dem  gürtel 
tragen,  urspr.  griechisch  vno  CMiT^g  (pioew,  für  unser 
'unter  dem  herzen": 

unter  dem  gürtel  trag  ich  {Aphrodite)  ein  kind  aus  sterbUchem 

lager 
Th.  V.  SCHEFFEK  homer.göüerhymnen  (1927)  52; 

(sie  sprach)  den  ich  unter  dem  gürtel  trage,  soll  diesen 
mord  an  dir  ...  rächen  Grimm  dt.  sagen  (1891)  1,51; 
ähnlich: 

ernährte  unterm  gürtel  sie  dich  nicht? 

GRAFEN   zu    STOLBERQ    W.  (1820)  15,  224. 

5)  gürtel  im  sinne  der  Scheidelinie,  der  mitte  zwischen 
ober-  und  Unterleib;  in  mancherlei  präpositionalverbindun- 
gen,  über  und  unter  dem  gürtel  u.  ähtü.: 

(es)  si  gegeben  iu  für  eigen 
min  lip,  als  ich  gegürtet  bin, 
niderhalp  der  gürtel  hin 
oder  oberhalp  der  gürtel  min 

die  heidin  I  v.  860  Pfannmüller; 

domit  wir  frauen  dienst  erpleten 
unter  der  gurtel  und  darob 

fastnachtspiele  519  Keller;  auch  728;  735; 

oberhalb  der  gürtel  einer  frouwen  gar  gelich 

Wolfdietrich  B  27  Amelung; 

(die  eine  quelle  der  unkeuschheit)  ist  ob  der  gürtel,  vileicht 
das  hertz  Berth.  v.  Chiemsee  theol.  S70  Eeilhm.; 

niderhalp  der  gürtel  gar 

het  si  (das  ungeheuer)  eines  rosses  lip 

W.  V.  Grafknberq  Wigalois  178  Pfeiffer; 


was  (an  krankheitserscheinungen)  im  angesicht  oder  halsz 
ist  .  .  .  was  fomen  oder  binden  am  leib  ist  .  .  .  was  under- 
halb  der  gürtel  ist  Paracelsus  chirurg.  sehr.  (1618)  90; 

nimpt  er  ein  weib  zuo  der  ee 

die  under  der  gürtel  wer  hungrig  und  geitig 

fastnacUsp.  317  Keller; 

(eine  miszgeburt  hatte)  zwen  leibe,  vier  arm,  aber  unter 
dem  gürtel  war  es  ein  mensch  Niobinits  papist.  Inquisition 
(1582)  598. 

bis  in  die  neuzeit  bis  an   den  gürtel;  von  oben  her: 

für  eigen  habt  (ihr)  gegeben  mir 
unz,  uf  die  gürtel  iuwern  lip 

die  heidin  I  v.  945  Pfannmüller; 

entblöst  bisz  an  die  gürtel  unden 

H.  Sachs  2,  241  Keller; 

(die  rasende  Jiatte  ihres  mannes)  lincken  arm  und  selten 
bisz  auff  den  gürtel  alsbald  gefressen  J.  B.  Carpzov 
leichpred.  (1698)  122; 

eine  geschwisterte  nun,  zum  gürtel  ab  griechische  Schönheit, 
sittig  hinab  zum  fusz  nordisch  umhüllt  sie  das  knie 

GÖTHK  4,  126  W. 
besonders  oft  vom  hart  gesagt,  z.  b. : 

(ihnen  war)  der  hart  snevar 
nider  gewachsen  also  tief, 
daz  er  in  uf  die  gürtel  awief 

H.  V.  AUK  Erec  v.  2083; 

er  trägt  einen  weissen  hart,  der  ihm  bis  an  den  gürtel 
geht  Gottsched  dt.  Schaubühne  (1741)  2,  272.  von  unten 
her:  wie  gezämi  ainer  jungfrowen,  daz  si  ainen  rok  an 
hetti,  der  ir  untz  an  den  gArtel  schlügi  ?  s.  Oeorgener  pred. 
45  Bieder;  er  schneit  inen  die  kleider  halb  ab  bis  an  den 
gürtel  2.  Sam.  10,  4;  (die  mauer)  dreyer  schuch  hoch,  also 
das  sie  einem  man  ongever  bis  an  die  gürtel  reych  Dürer 
befestigung  (1527)  B  i^;  dann  zerrisz  sie  ihr  weiszes  kleid 
vom  säum  bis  aii  den  gürtel  Stürm  iü.  (1899)  3,  41.  häufig 
vom  stehen  in  wasser,  schnee  u.  a.:  die  landsknechte,  bis 
an  den  gürtel  im  wasser  Ranke  sämtl.  w.  (1867)  2,  193; 
bis  zum  gürtel  in  dem  schlämm  versunken  Mommsen 
röm.  gesch.  2,  257 ;  bes.  mit  der  präpos.  über :  (er  ist)  bisz 
schier  übern  gürtel  hindurch  gewaten  Kirchhof  mit.  dis- 
ciplina  (1602)  181;  der  vorderste  ...  sasz  oft  bis  über  den 
gürtel  (im  schnee)  Göthe  19,  291  W.  änhd.  zu  halber 
gürtel  'halb  bis  zum  gürteV:  dem  sie  sich  .  .  .  zum  gesiebt 
und  gefallen  bej'  nahe  zu  halber  gürtein  zum  fenster  ihres 
hauses  herausz  liesz  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  750''; 

setzt  in  zu  halber  gürtel  fein 
im  nechsten  feuerofn  hinein 

Satiren  u.  pasquiUe  1,  108  Schade. 

vom  gürtel  ab:  nun  waz  der  elende  Jüngling  von  der 
gürtel  hin  auff  .  .  .  naeket  Bocaccio  decamerone  354  lit.ver.; 
alle  ding  von  der  gürtel  hinauff  seyn  euch  zimlich  und 
erlaubt  Henisch  1784;  (ihr  leib  war)  von  der  gürtel  hinab 
von  ainem  weiszen  decklach  verborgen  Montanus 
schwankb.  239  lit.  ver.;  von  der  gürtel  bis  auf  die  knie 
weisze  schurtz  unterred.  e.  Ungarn  u.  e.  dt.  cavaliers  (1664) 
F  Z^;  man  trug  das  wamms  von  .  .  .  seide,  geknöpft  vom 
gürtel  bis  zum  halse  Laube  ges.  sehr.  (1875)  4,  224. 

ähnlich  steht  gürtel  auch  sonst  im  sinne  von  'gürtelgegend 
des  kör  per  s\- 

sie  (die  armen)  sint  zo  deme  gurtele  also  smal, 
en  stat  er  liph  harde  wal 

könig  Rother  v.  1371  v.  Bahder; 

du  hast  am  kiertag  einer  frawen 
beidt  hende  mortes  abgehawen, 
das  ir  stümpfl  an  der  gurtel  hingen 

H.  Sachs  14,  32  lit.  ver.;  auch  21,  52; 

den  schwanenarm 
womit  sie  um  den  gürtel  ihn  umfangen 

Wieland  Oberon  6.  ges.,  str.  74. 

6)  der  gürtel  als  symbol  und  träger  hoher  eigenschaften. 
a)  in  mythos  und  poesie  in  mannigfachen  beziehungen. 
ungewöhnliche  stärke  verleihend: 

dar  zuo  nam  er  (Siegfried)  ir  gürtel :  daz  was  ein  borte  guot .  . . 

done  was  ouch  sl  (Brünhüd)  niht  sterker  danne  ein  ander  wip 

Nibclunge  not  628/.  Lachm.; 


1179 


»GÜRTEL  6 


iGÜRTEL  6 


1180 


mit  einem  gurtel  so  guot 

zder  zit  ich  (der  zwerg)  dich  bewar  . .  . 

ob  er  (der  gegner)  zweinzic  manne  sterke  phliege, 

daz  im  daz  niht  gen  dir  wjege, 

du  werdest  an  im  sigehaft 

Ottokae  chron.  v.  62613  Seemüller; 

dazu  der  gürtet  Laurins,  s.  gürtlein ;  vgl.  den  megingjardr 
Thors  und  aus  dem  klassischen  altertum  den  gürtel  der 
Amazonenkönigin:  Hippolyte,  die  einen  gürtel  hat,  den 
ihr  Ares  schenkte,  es  heiszt,  dasz  er  .  .  .  dem,  der  ihn 
trägt,  eine  übermännliche  kühnheit  verleiht  A.  Schäffek 
griech.  heldensagen  l,  104.  den  eingesetzten  edelsteinen  ver- 
dankt der  Wandergürtel  im  Wigalois  seine  kraft: 

(Oawein)  gurte  do 
den  gürtel  umbe  sin  isengewant. 
do  het  ouch  er  zehant 
wol  drizec  riter  manheit 

WiENT  V.  GEAFENBEEa  Wig.  21  Pfeiffer. 

mit  andern  ungewöhnlichen  eigenschaften:  ein  gürtel  ausz 
dem  wolfsmagen  gemacht,  umb  den  blossen  leib  zu  tragen 
sein  lebenlang,  so  sey  eins .  .  .  sicher  {vor  asthma)  Wibsung 
arzneib.  (1588)  258;  wolfsgestalt  verleihend,  s.  Geimm  myth.* 
2,  916.  aus  neuerer  literatur  z.  b.  hätte  die  fürstin  .  .  .  einen 
gürtel  angeboten,  vermittelst  dessen  man  sich  unsichtbar 
machen  kann:  ich  wüszte  nicht,  was  ich  gewählt  hätte 
Hippel  kreuz-  u.  querzüge  (1793)  1,  60;  um  den  gürtel  der 
unsichtbarkeit ...  zu  erlangen  B.  v.  Arnim  d.  buch  gehört 
d.  kön.  (1843)  1,  193;  diesen  magischen  gürtel  will  ich  ihnen 
leihen  Pocci  tust,  komödienbüchl.  5, 148.  —  gürtel  voyi 
heiligen,  bes.  Mariens,  im  kirchlichen  brauchtum:  die  re- 
liquien  der  muttergottes,  deroselben  hausz,  rock,  gürtel, 
haub  Dannhawer  catechismusmilch  (1657)  1,  156;  von 
unser  1.  frawen  .  .  .  gürtel,  der  auch  daselbst  ligt,  dar- 
durch  so  viel  weiber  fruchtbar  sind  worden,  wann  man 
sie  einmal  darmit  umbgürtet  hat  Fischart  binenkorb 
(1588)  63 a;  daneben  ein  Monicagürtel,  s.  Schmeller-Fr.  1, 
944,  und  andere,  vgl.  {die  Pfalzgräfin)  hat  auch  von  kinder 
wegen  walfarten  gethon  und  sich  mit  etlichen  hailigen 
gurtlen  umbgürtet  zimm.  chron.  4,  145  Barark. 

in  der  klassik  spielt  der  gürtel  der  Aphrodite  als  träger 
der  Schönheit  eine  grosze  rolle: 

sprachs,  und  löste  vom  busen  den  wunderköstlichen  gürtel, 
buntgestickt:  dort  waren  des  Zaubers  reize  versammelt; 
dort  war  schmachtende  lieb  und  Sehnsucht,  dort  das  getändel, 
und  die  schmeichelnde  bitte,  die  selbst  den  weisen  bethöret 
Voss  Iliaa  (1794)  2,  47  (ges.  14,  v.  214^.); 

auch  schon  in  ältrer  dichtung: 

sie  ( Venus)  nam  den  gürtel  auch,  darin  betrug,  list,  schimpf, 
sich  selbs  vereinigen  mit  gailheit,  lust  und  glimpf 

Weokheelin  ged.  2,  352  Fischer; 

wie  die  anmuth  und  die  reizungen  in  den  gürtel  der  Venus 
eingenäht  waren  JoH.  E.  Schlegel  (1761)  5,  214.  als  Sinn- 
bild des  liebreizes:  {ein  liedchen)  worin  sie  die  Venus  um 
ihren  gürtel  bat  S.  v.  Laroche/t^  v.  Sternheim  (1771)  2,38; 

was  ist,  ohne  liebe,  ehre? 
was  Zytherens  gürtel  ohne  sie 

ScHiLLEE  1,  314  ööd.; 

der  gab  dir  Pallas  aug,  der  Heres  arm, 
der  Aphroditens  reizdurchwirkten  gürtel 

Geillpaezee  (1892)  4,  146  Sauer; 

an  den  gürtel  der  Aphrodite  anknüpfend: 

scheidend  reicht 

eine  fürstin  der  andern 

den  gürtel  der  anmuth 

SCHILLEE  14,  60  Oöd.;  auch  6,  266; 

der  Schönheit  goldner  gürtel  webet 

sich  mild  (mit  der  hunst)  in  seine  lebensbahn 

ebda  6,273;  vgl.  11,  367; 

ähnlich:  die  schönsten  reize,  die  sich  in  ihrem  {der  nutur) 
gürtel  der  Schönheit  fanden  Herder  13,  53  Suph.;  vgl.  15, 
318.  hierher,  wohl  in  anlehnung  an  jungfräulichen  gürtel, 
den  gürtel  des  reizes  lösen  'Schönheit  enthüllen': 

neige  dich  lieblich,  göttliche  Kyprisl 
löse  den  gürtel  jeglichen  reizes 

deutsches  museum  (1812)  2,  182; 

still  hebt  der  mond  sein  strahlend  angesicht, 
die  weit  zerschmilzt  in  ruhig  grosze  massen, 
der  gürtel  ist  von  jedem  reiz  gelöst, 
und  alles  schöne  zeigt  sich  mir  entblöszt 

Schiller  11,  209  Oöd.  (d.  erwartung); 


ähnlich,  im  sinne  von  'nackt': 

dem  sie  zuerst  sich  ohne  gürtel  wies 

Haobdorn  poet.  w.  (1769)  2,  189;  vgl.  3,  86. 
s,  auch  gürtellos. 

in  völlig  abstractem  gebrauch  steht  gürtel  im  sinne  von 
'schütz  und  trutz\  auch  'zier':  triuuua  sindun  sinero  lendino 
gurdil  Isidor  il  Hench,  s.  auch  gurt  la  {sp.  1169);  der 
glaub  wirt  seyn  ein  gürtel  seiner  nieren(Je.«.  11,  5)  Luther 
15,  808  W.;  es  werden  viel  falsche  lerer  .  .  .  ewern  synn 
verrücken  und  das  gurtel  des  glawbens  aufflöszen  ebda  12, 
282;  {wir  sollen)  stehen  umbgürtet  mit  dem  gürtel  der 
warheit  F.  Dedekind  christl.  ritter  (1590)  b  5t>;  {nichts 
kann)  den  strengen  gürtel  seiner  nüchternheit  lösen 
Schiller  lO,  446  Göd.; 

sein  gürtel  heiszet  milde 

SCHENKENDOEF  ged.  (1815)  4. 

vereinzelt  in  ausgeführtem  bilde:  der  gürtel  der  bulschaft 
hab  fünf  knöpf:  gesiebt,  reden,  greiffen,  küssen,  das 
werck  Keisersberq  narrensch.  (1520)  128^. 

b)  der  gürtel  als  symbol  der  Jungfräulichkeit;  schon  im 
Nibelungenlied:  {Kriemhild  zu  Brunhild) 

ja  was  ez  niht  min  bruoder      der  dincn  meituom  gewan  .  . . 
Ich  erziugez  mit  dem  gürtel       den  ich  umbe  han 
daz  Ich  niht  liuge:      ja  wart  Sifrlt  diu  man 

783,  4;  792,  3  Lachm. 

den  gürtel  der  Jungfrau  und  braut  lösen  im  sinne  von  ent- 
jungfern, gr.  C*^VT]U  IvEiy:  (das  lösen  des  gürteis  in  der 
brautnacht  war  antiker  brauch,  wie)  CatuUus  spricht,  das 
er  die  gürttel,  die  lang  verbunden  ist  gewest,  auflöset  hab 
{irrtümliche  auslegung  der  stelle  2,  13  zonam  solvit  diu  ne- 
gatam,  sc.  malum)  M.  Tatius  Alpinus  Polyd.  Vergilius, 
v.d.  erfindern  (1537)  8"; 

wenn  man  die  erste  nacht  der  braut  den  gürtel  löst 

Lohenstein  rosen  118  (reine  liebe); 

auf  den  obersten  sölIer  des  hauses  schlich  das  verschämte 
mädchen  (Ästpoche)  zum  starken  Ares,   hier  löst  er  ihr  heim- 
lich den  gürtel 
BÜEGEE  201  Bohtz  (Ilias  2,  515); 

des  gürteis  kunst  war  über  alles  lobenswerth. 
und  diesen  gürtel  hab  ich  liebend  aufgelöst 

GÖTHE  50,  327  W.  (Pandora  v.  627). 

bildlich:  wenn  Hymen  den  gürtel  der  Jungfrau  lösete,  trat 
die  verlobte  aus  dem  dienst  der  strengen  Diana  Herder 
17,  356  Suph.;  du  {deutscher  Rhein)  bist  der  jungfräuliche 
gürtel  Deutschlands,  den  sie  nicht  lösen  sollen  mit  fre- 
velnder hand  Gutzkow  (1872)  7,  59;  s.  auch  unten  und  1. 
nhd.  bes.  in  der  redewendung  den  jungfräulichen  gürtel 
zerreiszen:  ist  er  dem  megdlein  umb  den  halsz  gefallen, 
und  ir  als  bald  den  jungfräulichen  gürtel  und  das  band 
der  keuscheit  zurissen  und  zustöret  Jon.  Fuglinus 
J.  Wier,  de  praesligiis  daemonum  (1586)  339^; 

.  . .  nimm  meine  tochter.    doch 

zerreiszt  du  ihr  den  jungfräulichen  gürtel, 

bevor  der  heiigen  feyrlichkeiten  jede 

nach  hehrem  brauch  verwaltet  werden  kann, 

so  wird  der  himmel  keinen  segensthau 

auf  dieses  bündnis  sprengen 

Shakespeare  (1797)  3,  99  (stürm  4,  1); 

auch  in  anderen  Wendungen  gleichen  sinnes: 

da  ging  es  an  ein  küssen, 

er  kriegt  nicht  satt  an  ihr; 

fürwahr  ihr  güldner  gürtel  war 

zu  schaden  kommen  schier       Möeike  1,  40  Göschen; 

ach  des  lebens  schönste  feier 
endigt  auch  den  lebcnsmai, 
mit  dem  gürtel,  mit  dem  Schleier 
reiszt  der  schöne  wahn  entzwei 

SCHILLEE  11,  308  Qöd.; 

(sie  hat  durch  Jiäszlichkeit)  die  freyer  abgeschreckt,  den  krantz 

aus  noth  gespart, 
den  gürtel  trägt  sie  noch,  weil  keiner  ihn  verlanget 

GÜNTHEE  ged.  (1739)  1003; 
in  Nachahmung  der  antike: 

nun  widerstrebe  nicht  mehr;  nimm  gürtel  und  kränz, 
und  weihe  sie  der  strengen  göttin, 
an  deren  ödem  altare  du  dienst 

ßAMLEE  poet.  w.  (1800)  1,  8. 

gürtel  der  keuschheit  «.  ö.,  .9.  Kramer  «Z<.-i<.  1,  577*'; 

schon  alt  in  übertragenem  sinn:  wenn  wir  uns  gürten  mit 


1181 


iQÜRTEL  7-8 


iGÜRTEL  8 


1182 


der  gürtein  der  käuschait  und  der  rainikait  K.  v.  Megen- 
BERO  b.  d.  nal.  59  Pf.;  {Thomas  v.  Aquin)  mit  dem  gürtel 
einer  ewigen  jungfrauschafEt  umgeben  Abr.  a  s.  Clara 
eiw.  f.  alle  2  (1711)  lö7;  modern  im  eigentlichc.i  sinn: 

den  gürtel 
der  keuschbeit  ihr  zu  lösen,  verstattet  sie  ihm  nicht 

SCHTJBAET  sämil.  ged.  (1826)  2,  109; 

schmeichelnd  löst  er  den  gürtel  der  kcuschheit  und  liesz  sie 
entschlummern  ('/.vm  di  nuijdi\'niv  ucHi/i) 
Voss  Odyssee  11,  245; 
ähnlich: 

den  gürtel  meiner  zucht  und  tugend  (hat  niemand)  abge- 
bunden        Geyphiüs  gcd.  361  Palm. 

c)  gürtel  als  symbol  und  ausweis  eines  amts-  oder  standes- 
characters,  auch  in  rechtlichem  sinne:  wirt  en  monik  oder 
ene  clostervrowe  tu  biscop  oder  tu  abbatissen  gecoren, 
so  mögen  si  dat  gurdel  irer  gewalt  .  .  .  hebben  van  deme 
rike  Sachsenspiegel  (1861)  1,  26  Homeyer;  [der  kaiser) 
schenkte  ihm  gürtel  und  ring  und  belehnte  ihn  mit  vielen 
gütern  vom  reich  Grimm  dt.  sagen  (1891)  2,  170.  bes.  seit 
dem  15.  jh.  als  symbol  ritterlichen  Standes:  alda  komen  die 
Behem  und  die  Hungern  zu  ime,  in  willen  die  statt  Rom, 
die  kaiserlichen  bekrönung  .  .  .  ze  schawen  und  die  gürtel 
der  ritterschaft  ze  verdienen  G.  Alt  buch  d.  cronicken 
(1493)  247"';  (er  erteilte)  die  ritterwürde,  indem  er  ihm  ein 
purpurnes  kleid  gab  und  einen  gürtel  umschnürte 
v.  Haller  Alfred,  kön.  d.  Angels.  (1773)  84;  ritterlich 
als  attribut:  {er  fragte  ihn)  wo  er  mit  dem  ritterlichen 
gürtel  angeleit  were  Seb.  Münster  cosmogr.  (1550)  151; 
kein  Saracenen  mit  dem  ritterlichen  gürtel .  .  .  umbgürten 
noch  edel  machen  N.  Falckner  Nie.  Oilles,  frantzös. 
chron.  (1572)  l,  313;  in  den  deutschen  Städten  (wird)  noch 
kein  handwerker  des  ritterlichen  gürteis  gewürdigt 
NiTZSCii  dl.  Studien  (1879)  176;  vgl.  noch:  da  liez  her  sich 
zcu  ritter  seynen  .  .  .  mit  vel  andern  ediln  jungelingen, 
dy  her  alle  begabete  mit  ritters  gorteln,  pferdin,  bunten 
rogken  und  ritters  geczüge  Schoettgen-Kreyszig  dipl. 
et  Script,  hist.  Germ.  1  (1753)  91;  rittergürtel  Stainhöwel 
Bocaccio,  de  claris  mulieribus  76  lit.  ver. 

7)  auszerhalb  des  bereiches  der  menschlichen  taille  in 

sonderanweiidungen  und  Übertragungen;  soviel  wie  knie- 

gürtel : 

(eine  perücke  soll)  das  Ingenium  und  poetenkästchen  decken, 
goldne  gürtel,  seidne  strumpfe  ziebren  das  gelehrte  bein 
Hoffmannswaldau  u.  ariderer  ged.  (1697)  7,  233  Neukireh. 

—  am  Pferdegeschirr  für  gewöhnliches  gurt  (3):  man  mag 
auch  dem  pferd  für  die  strenge  sail  durch  den  hals  stossen 
ob  der  gürtel,  und  sol  ain  sail  von  dem  andern  stan  dreyer 
vinger  weitt  Myksinger  v.  d.falken,  pferden  73  lit.  ver.; 
vgl.  cingula  ain  pfertgirtel  Diefenbäch  gl.  120*;  auch  cin- 
gulum  eyn  perdesz  ader  eyns  andern  diers  gortel  120^; 
antela  'brustriemen  an  einem  satteT  gürtel  S7^;  für  'fürbug 
und  hinderbug^  Hektisch  1784;  s.  auch  rhein.  wb.  2,  1502. 

—  freier,  aber  immer  unter  festhaÜung  der  eigentlichen 
bedeutung  'womit  gegürtet,  gebunden  wird'':  der  gürtel  {mit 
dem  sich  die  fenchelraupe  vor  der  verpuppung  festheftet)  be- 
steht .  .  .  aus  vielen,  aber  dickern  und  stärkern  fäden 
zwischen  dem  fünften  und  sechsten  ringel  Oken  natur- 
gesch.  (1839)  5,1110;  {Schlüsselbein  u.  Schulterblatt,  ferner 
das  hüftbein  bilden  je)  einen  gürtel,  welcher  die  vorderen 
und  hinteren  extremitäten  an  den  rümpf  heftet  Sömme- 
BING  bau  d.  menschl.  körp.  (1839)  2,  223;  weiterhin  5,  272; 
6,  859;  wann  man  einen  bäum  mit  eynem  bleien  gürtel 
umbgürtet,  so  laszt  er  die  frucht  nicht  fallen  M.  Herr 
feldbau  (1551)  137»;  auch  Sebiz  (1580)  375;  an  der  kanone: 
die  ganze  carthaun  .  .  .  zehen  schuhe  .  .  .,  der  gürtel  stehet 
f ünffthalben  schuh  von  dem  mundt  Wallhausen  kriegs- 
inanual  (1616)  110;  undeutlich:  4  scheibkrappen  {spann- 
haken für  armbrustwinden)  mit  4  gürtel  Zingerle  inven- 
tare  122»  u.  ö. 

8)  im  sinne  von  'zone! ;  die  eigentliche  bedeutung  'das, 
womit  man  gürtet^  geht  völlig  verloren  zugunsten  der  neuen 
rein  örtlichen  bed. 

a)  geographisch  und  allgemeiner  topographisch;  am  älte- 
sten von  den  um  den  globus  herum  vorgestellten  streifen. 


anknüpfend  an  griech.  C(öyrj:  gürtel  des  erdbodens,  streifen 
auf  unserer  erdkugel,  welche  durch  die  besondere  läge 
gegen  die  .  . .  Sonnenbahn  .  .  .  von  einander  unterschieden 
werden  onomatologia  c«rio5a(l704)  809;  schon  bei  K.v.Me- 
genberg  als  Übersetzung  von  zona:  die  zwu  gürtein,  die 
umbslozzen  werden  von  dem  pernkraizze  {circulu^  arcticus) 
und  von  dem  widerpernkraizz  .  .  .,  die  sint  unwonhaft 
durch  der  grozzen  kelden  kraft  sphaera  25  Matthäi;  dich- 
terisch: 

ihr  sollet  die  gürtel  der  erde 
wieder  mit  Völkern  ergänzen 

BODMEK  Noah  (1752)  288  (9,  660); 

mit  besonderen  beiwörtern:  {die  sonne  ist  beschwerlich) 
denen  nahe  an  dem  mittelsten  gürtel  der  erdkugel  liegen- 
den Südländern  Lohenstein  Armin.  2,  169»;  wie  viel 
landes  in  der  verbrennten  gürtel  oder  zona  torrida  lige 
Kepler  5,  519  Frisch;  dasz  unter  dem  heiszen  gürtel  der 
weit  alles  brennen  müszte  Gottsched  anm.  gdehrsamk. 
9,  651 ;  die  Wohnorte  aller  genannten  Völker  .  .  .  fallen  .  .  . 
in  die  subtropischen  gürtel  0.  Peschel  völkerkde  (1874) 
105;  dichterisch:  der  engel  und  Noah  .  .  .  wandten  ihren 
schlüpfenden  gang  in  die  nördlichen  gürtel  \Vieland  I  3, 
346  ak.  —  vom  himmel:  (der  ebennehter,  aequinoctialis) 
haizt  auch  dez  obersten  waltzhimels  gürtel  {cingulus  primi 
motus),  dar  umb  daz  er  dez  selben  himels  lauf  ze  mittelst 
umbgreift  K.  v.  Megenberg  sphaera  16  Matthäi;  mehr 
bildlich : 

der  sonnenwagen  hatte  dreyzehnmahl 
den  gürtel  des  zodiakus  durchrannt 

JOH.  NiK.  GÖTZ  vermischte  ged.  (1785)  1,  84. 

in  junger  zeit  von  erdgebieten  gleichartigen  Charakters,  in 
flächiger  Vorstellung:  derselbe  fette,  schwarze,  überaus 
fruchtbare  boden  .  .  .  charakterisiert  den  ganzen  gürtel 
der  KoUa  {tiefland,  von  wald  umschlossen)  Ritter  erdk. 
(1822)  1,  245;  {in  dem)  gürtel  der  gebirgsgrasarten  Dahl- 
MANN  gesch.  v.  Dänemark  2,  80;  den  breiten  gürtel  der 
deutschen  mittelgebirge  vom  Rhein  bis  zum  Riesen- 
gebirge Wimmer  gesch.  d.  dt.  bodens  (1905)  6.  politisch- 
geographisch: {die  behauptung)  dasz  ein  500  quadratmeilen 
enthaltender  gürtel  dem  greuel  der  russischen  krieg- 
führung  {gegen  die  polnischen  Insurgenten)  preisgegeben 
wäre  BiSMARCK  polit.  reden  2,  128  Kohl.  —  in  stärkerer 
aimäherung  an  die  eigentliche  bedeutung  des  wortes  'ring- 
förmig um  einen  mittelpunkt  herum,  gelegenes,  sich  im  bogen 
erstreckendes  gebiet';  besonders  von  stadt-  und  speciell  von 
fe-stungsanlagen:  das  sogenannte  suburbano,  der  durch- 
schnittlich eine  meile  breite  gürtel  von  villen  und  vignen 
Moltke  (1892)  1,  184;  der  gürtel  von  10  hauptwerken 
sollte  .  .  .  beide  Rheinufer  umfassen  v.  Alten  hdb.  f.  heer 
u.  flotte  (1909)  2,  49;  bei  der  anordnung  des  weit  ins  Vor- 
feld vorgeschobnen  gürteis  einer  gröszeren  f  estung  ebda  4, 
480.  anders:  wäre  auch  irgend  ein  staat  im  stände  .  .  . 
wie  Frankreich  seine  grenze  mit  einem  dreifachen  gürtel 
zu  umschlieszen  Fb.  Meinecke  v.  Boyen  2,  152.  —  in  leb- 
hafter Schilderung  'teil  der  landschaft,  der  sich  um  den  be- 
schauer  mehr  oder  weniger  kreisförmig  erstreckt':  als  blau- 
goldner  gürtel  schlingt  sich  das  .  . .  meer  um  den  zauber 
Scheffel  (1907)  l,  lll;  {es)  lag  ein  ganzer  gürtel  von 
pallästen  um  die  schwarze  bucht  geschlungen  Stifter 
(1901)  3,  70;  der  Vesuv  mit  dem  grünen  gürtel  von  Wein- 
bergen Gaudy  (1844)  14,  67;  bes.  von  gebirgen:  die  jen- 
seitige grenze  der  ebene,  den  kleinen  Atlas,  sieht  man, 
einen  blauen  gürtel,  herumreichen  weithin  nach  süden 
Laube  (1875)  5,  281;  einen  purpurrothen  gürtel  bildete  die 
alpenrose  der  Cordilleren  Humboldt  kosmos  (1845)  1,  13. 
vgl.  gürten  7  b.    auf  gröszere  erdräume  übertragen: 

mit  seinem  gürtel  hält  der  ocean, 
mit  ihrer  Wölbung  uns  die  luft  umfangen 
Hagemeistkr  bei  Fe.  L.  Jahn  werke  (1884)  1, 152. 

b)  i?i  anderen  bereichen  'sich  sichtbar  abhebender,  etwas 
umschlieszender  streifen';  vereinzelt  schon,  etwa  im  sinne 
von  'kränz':  {den  pflanzen)  ein  gortel  mit  miste  {geben) 
Petrus  de  Crescentiis,  v.  ackerbau  (1531)  1091»;  sonst  jung, 
immer  in  mehr  oder  weniger  technischer  spräche:  ein  edel- 
gestein,  welcher  .  .  .  viel  ädern  hat,  die  mit  milchfarbenen 


1183 


2GÜRTEL  -  GÜRTELBAND 


GÜRTELBESCHLAG  -  GÜRTELHOCH  1 184 


zirckeln  oder  gürtein  um  ihn  herum  gehen  haush.-lex. 
(1749)  2,  481^;  {die  männchen  des  flughuhns)  sind  durch 
schwarze  oder  weisze  gürtel  .  .  .  von  den  weibchen  ver- 
schieden Naumann  naturgesch.  d.  vögel  (1822)  6,  256;  in  der 
heraldik  soviel  ivie  'quer  über  den  schild  laufender  balken' 
QüERFüRTH  57;  Schumacher  wapenkunst  (1094)  C2.  in 
der  architcctur,  vgl.  auch  gurt  2,  für  das  griech.  Coh'r]  'fries^ 
Vitruv,  de  archit,  (1800)  anh.  72  Rode;  mehr  bildlich:  die 
auf  merksamkeit  mehr  auf  den  äuszeren  y.öafAos  der  tempel, 
den  gürtel  der  metopenbilder  {gerichtet)  Welcker  alte 
denkmäler  (1849)  l,  174;  anders:  'trennungsglied  zwischen 
dem  säulenhals  und  -schaff,  griech.  hypotrachelion  Meyer 
konv.-lex.^  5,  668*" ;  {die  Sitzreihen  des  theaters  sind  durch 
zwei)  absatzstufen  (praecinctiones,  ö'ueCoj/jarcc)  in  drei 
gürtel  zerschnitten  W.  v.  Humboldt  aufsätze  70  dld.  — 
einfach  'streifen' ,  ohne  die  Vorstellung  des  ringes:  in  einem 
lichten  gürtel  des  himmels,  den  zwei  lange  wolkenbänder 
zwischen  sich  lieszen  Stifter  (1901)  1,  14;  man  entdeckte 
breite  dunkle  gürtel  auf  dem  stillen  meere  H.  Steffens 
was  ich  erlebte  (1841)  3,  14;  buschige  gehänge  .  .  .  von  steil- 
wandigen gürtein  durchzogen  H.  v.  Barth  nördl.  Kalk- 
alpen (1874)  435.  anthropomorphisierend,  im  sinne  von 
'gürtelgegend'  {s.  5) :  {ei7ie  bergwand,)  ihr  gürtel  und  ihr  f  usz 
belaubt  fürst  Pückler  briefw.  8,  282. 

^GÜRTEL,  m.,  meist  pl.,  taue  zum  segeleinholen,  um- 
gestaltet aus  dem  gleichbedeutenden  nd.  und  seemännischen 
gordings,  5.  Kluge  seemannsspr.  S23:  gürteis,  gordings 
qu.  a.  d.  j.  1735  bei  Kluge  ebda;  gürtel  Chomel  4,  1421; 
Campe  2,  482. 

^GÜRTEL,  m.,  'beifusz\  seltener  'bärlapp' ,  volksetymo- 
logisch umgestaltet  aus  gertel,  s.  teil  i,  3745  u.  ahd.  gl.  3,  547 
(a.  d.  14.  Jh.),  weil  kränze  aus  beifusz  zu  Johanni  umgelegt 
werden,  s.  Staub-Tobler  2,  446;  Grimm  mythol.*  2, 1013; 
lex.  d.  aberglaub.  1,  1004;  wenn  ihr  nun  das  kraut  arte- 
misia,  Johannisgürtel  genannt,  findet  und  kleine  gürtel 
daraus  flechtet,  sollt  ihr  sprechen  .  .  .  Gl.  Brentano  (1852) 
4,  115;  'bärlapp':  disz  gürtel-  oder  seylkraut  .  .  .  die  jung- 
frawen  machen  krentz  und  gürtel  daraus  Bock  kräuter- 
buch  (1539)  1,  164'';  daher  auch  in  der  botanik  nur  im  com- 
pos.  johannisgürtel  (s.  teil  4,  2,  2334):  artemisia  sanct 
Johannskraut  oder  gürtel  Diefenbach  gl.  530*';  beyfusz, 
S.Johannes  gürtel  Bas.  Faber  <Ae«.  (1587)  83'>;  desz- 
gleichen  musz  ihn  auch  für  Verzauberung  dienen  das  kraut 
artemisia,  das  ist  beifusz  oder  s.  Johannes  gürtel  J.  Prä- 
TORius  blocksberg  (1668)  113;  'bärlapp":  st.  Johannisgürtel 
Marperger  Ä;aM/TO.-TOasr.  (1708)  571;  Pritzel- Jessen  226; 
als  gürtel  wohl  erst  in  bewusztem  spiel:  das  kriechendt 
mosicht  grün  gürtelkraut  ist  druckener  qualitet,  .  .  . 
dieser  gürtel  in  wein  gesotten  und  davon  gedruneken 
Bock  kräuterb.  (1539)  l,  164''.  —  vgl.  auch  gürtelkraut. 

GÜRTELARTIG,  adj.,  wie  ein  gürtel  etwas  umgebend, 
ringförmig:  (die  eier  sind  mit)  grauen  fäden,  oft  gürtel- 
artig in  der  mitte  des  eies,  umsponnen  Brehm  tierl.  4, 
349  P.-L.;  streifenförmig:  {steilstufen)  durchstreichen  dies 
gehänge  gürtelartig  H.  v.  Barth  nördl.  Kalkalp.  (1874) 
506.  —  gürtelbahn,/.,  bahnlinie,  die  eine  stadt  oder  ein 
bestimmtes  gebiet  umfährt:  'chemin  de  fer  de  ceinture' 
Hoyer-Kreuter  techn.  wb.  1,  319;  {die)  eisenbahnen, 
welche  durch  die  Pariser  gürtelbahn  in  Verbindung  stehen 
besitzen  .  .  .  16  000  güterwagen  Bismarck  in  briefw. 
V.  Gerlach-0.  V.  B.  2^9;  {fahrende  panzerbatterien  werden) 
auf  gürtelbahnen,  walleisenbahnen,  strandeisenbahnen 
verwendet  Mothes  ill.  baulex.  1,  278. 

GÜRTELBAND,  n.,  ein  leichtes  band,  als  gürtel  ge- 
tragen: über  dem  falben  streif  von  gürtelhand  Gleim  br. 
1,  242  Körte;  es  gab  unendliche  dispute  ...  ob  das  gürtel- 
band frei  flatternde  enden  haben  sollte  oder  nicht  G.  Her- 
mann J.  Oebert  (1907)  418;  schlechthin  für  gürtel,  bes.  in 
ältrer  zeit: 

und  an  dem  gurtilbande 
truc  he  manchirhande 
PFAKKER  zu  DEM  HECHTE  schachbuch  in  zschr.  f.  d.  alt.  17,  309; 

gurtcUband,  leder  und  schüch  C.  Hedio  chron.  germ.{l^ZQ) 
c  4"';  als  m.:  um  den  leib  tragen  sie{Japaner)  einen  gürtel- 
band, welcher  von  allerhand  gefärbter  seide  als  ein  fischer- 


netz gestrickt  J.  Andersen  88  bei  Olearius  reisebeschr. 
(1696);  uneigentlich: 

er  faszte  sie  um  ihr  gürtelband 
.    und  schwang  sie  wol  hin  und  her 

Mittler  dt.  Volkslieder  (1865)  253. 

ütr.,  von  den  ringförmigen  streifen  eines  feiles  Brehm  tierl. 
1,  510  P.-L. 

GÜRTELBESCHLAG,  m.,  metallbeschlag  auf  gürtein: 
zu  wehrgehencken,  gürtelbeschlägen  .  .  .  mögen  sie  von 
dem  besten  geätzten  eisen  .  .  .  tragen  sächs.  policei-  u. 
kleiderordn.  (1612)  32;  die  gewandnadel  .  .  .  war  samt  den 
gürtelbeschlägen  {in  der  bronzezeit)  ein  kostbarer  schmuck 
Weinhold  dt.frau  (1897)  2,  212.  —  gürtelborte,  m., 
borte,  zum  gürtel  verwendet,  mhd.,  z.  b.: 

die  gürtelborten  wol  besiagen 
von  Silber,  golt  vant  man  da 

der  Salden  hört  v.  6990  Adrian. 

—  gürtelchen,  ;;.,  demin.  zu  gürtel,  als  gürtlichen  bei 
Steinbach  (1734)  l,  653: 

wer  hat  mein  gürtelchen  gelöset? 

Cl.  Brentano  (1852)  1,  375. 

—  gürtelechse, /.  Brehm  tierl.  1,^8  P.-L.  —  gürtel- 
eidechse,  /.  Oken  naturgesch.  (1839)  6,  617.  —  gürte- 
lejn,  n.,  s.  gürtlein.  —  gürtelf  estung,/.,  'ein  mit  einem 
gürtel  weit  vorgeschobener  selbständiger  werke  befestigter 
platz'  V.  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flotte  4,  501;  3,  702:  Nowo 
Georgiewsk  wird  vielleicht  die  letzte  gürtelfestung  ge- 
wesen sein,  die  nach  einer  einschlieszung  genommen 
wurde  Ludendorff  kriegserinn.  (1919)  121.  —  gürtel - 
flechte,/.,/Mrgürtelrose(a.  d.)  Meyer  Ä;o?»'.-Zea;.'  6,  068*'. 

GÜRTELFÖRMIG,  adj.,  wie  ein  gürtel  um  etwas 
herumgehend,  ringförmig:  {runder  hohlspiegel)  gantz,  oder 
zergäntzt  und  gürtelförmig  geschnitten  E.  FRANCisciZjtsi- 
haus  (1670)  695;  die  gürtelförmigen  knochen  {rippen, 
beckenknochen)  Sömmering  menschl.  körp.  (1839)  2,  242; 
7,  120;  {das)  absatzweise  den  berg  gürtelförmig  um- 
spannende gewölke  L.  Laistner  nebelsagen  (1879)  48; 
bandähnlich,  streifenförmig :  der  körper  des  venusgürtels 
{quölle)  verlängert  sich  nach  zwei  selten  bandartig  und 
das  ganze  gürtelförmige  gebilde  ist  eine  wahre  augen- 
weide  Brehm  tierl.  10,  547  P.-L.;  die  grasreicheren  stellen 
.  .  .  nicht  selten  durch  gürtelförmige  mauerabsiltze  völlig 
unterbrochen  H.  v.  Barth  nördl.  Kalkalp.  556. 

GÜRTELGESCHMEIDE,  n.,5rMHeZscÄmMc7j.-  ain  gürtel- 
geschmeid  (1563  als  meisterstück  der  goldschmiede)  Frankf. 
zunfturk.  1,  247;  als  fem.:  ein  versilberte  gürtelgeschmeid 
J.  J.  Gbasser  Schatzkammer  (1610)  30;  bildlich:  {die  wellen) 
die  an  den  Strand  eilen,  ihm  ihre  weiszen  Schaumkronen 
als  ein  schimmerndes  gürtelgeschmeide  zum  geschenk 
zubringen  Gust.  Falke  d,  stadt  m.  d.  gold.  türm.  285. 

GÜRTELGEWAND,  n.,  obergewand  mit  zugehörigem 
gürtel  für  den  dolch  u.  s.  w.: 

ze  sines  bettes  houpte       suocht  er  sin  gürtelgwant 

Wolfdietrich  A  89  Amelung  {str.  75); 

ich  pin  ain  dörper  Schoppinswang  .  .  . 
ich  trag  heur  nun  mein  erstes  schwerd 
und  han  ain  neues  gürtlgewant 

fastnachtsp.  400  Keller; 

in  rechtssatzungen  häufig:  {ein  wirt)  sol  eim  pawTnclmecht 
nicht  mer  parigen  {borgen)  wann  sein  guertelgewant,  swert 
und  sparn  wert  ist  (15.  jh.)  urbar  Nikolsburg  256  Bretholz; 
als  nachlaszstück:  {dem  waibel  gebührt,  wenn  ein  männl. 
erbe  fehlt)  guertellgewand,  däschen,  hossen,  kappen, 
schuech  .  .  .  {ebenso,  wenn  eine  frau  ohne  tochter  stirbt) 
gürttelgewand,  düicher,  hendscbüch  weist.  1,  240;  als 
bloszer  name  einer  abgäbe:  {von  jeder)  mit  leib  zugethanen 
mans  oder  frawen  persohn  ...  so  sich  alda  verhewrathet, 
wirdt  zu  brautlauff  oder  gürttelgewandt  ein  salzscheiben 
eingezogen  bei  Fischer  schwäb.  3,  934. 

GÜRTELHOCH,  adj.,  adv.,  in  hüfthöhe,  vgl.  gürtel  5: 
dieses  etwa  gürtelhoch  in  der  luf t  dahinfahrende  fuhrwerk 
{des  wilden  gejaids)  Grässe  jägerbrevier  (1869)  2,  237.  von 
einem  bestimmten  masz  im  oldenburgischen:  'eine  höhe  von 
3  ftisz  oder  IY2  eilen'  Benzler  deichbaulex.  (1792)  l,  183.  — 


1 185   GÜRTELHÖHE  -  GÜRTELMAGD 


GÜRTELMAUS  -  GÜRTELSCHMUCK  1 1 86 


gürtelhöhe,  /.;  die  hände  in  gürtelhöhe  vor  dem  leib 
übereinandergelegt  P.  Alverdes  pfeif erstube  (1929)  02.  — 
gürtelkette,/.,  'schlüsselkette,  welche  ehemals  die  frauen- 
zimmer  um  den  leib  trugen''  Jacobsson  2,  174'';  'kostbarer, 
kettenähnlicher  gürtet'  Staüb-Tobler  3,  506:  die  kleider 
rauschten,  die  gürtelketten  und  degen  klirrten  E.  v.  Han- 
del-Mazzetti  Jesse  u.  Maria  (1909)  84; 

sie  trat  in  gürtelketten 

so  stolz  einher       G.  Keller  (1889)  10,  82. 

—  gürtelkind,  n.,  voreheliches  kind,  s.  v.  mantelkind 
Meyer  ^ortv.-Zex.'  13,  249''.  —  gürtelklau, /.,/ür  gürtel- 
kraut (s.  rf.)NEMNiCH  216;  C.  A.  Fechner  t?oiÄ:5<.  pflanzen- 
warn.  (1871)  4.  —  gürtelknopf,  m.,  gürtelverzierung  als 
Vorarbeit  zum  meisterstück  der  goldarbeiter:  {jeder  soll)  einen 
wolgeniachten  gürtelknopff  zu  verferttigen  .  .  .  gehalten 
sein  (1695)  Frankfurier  zunfturk.  1,  251;  ein  mönchsstrick 
mit  knoten  Frisch  dt.-lat.  1,  384'';  daher  als  Spitzname: 
bischoff  gürtelknopff,  so  den  nammen  von  der  knodrichten 
barfüssergürtel  hatte  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  705»; 
gemeiniglich  bischof  knoderer  oder  gürtelknopf  genennet, 
von  dem  knottichten  seil,  wormit  er  sich  als  ein  francis- 
caner  zu  gürten  pflegte  Rheinstrom  (1685)  l,  563. 

GÜRTELKRAUT,  n.,  zu  »gürtel.  l)  beifusz:  Johannis- 
tag gürtet  man  sich  mit  beifusz  und  wirft  ihn  unter 
Sprüchen  und  reimen  ins  feuer.  daher  die  namen  johannis- 
gürtel,  Sonnenwendgürtel,  gürtelkraut  J.  Grimm  myth. 
(1876)  2,  1013;  arlemisia  gurtelkraut  Diefenbach  nov.  gl. 
35;  girtelkraut  artemisia  abrotanum  Schmeller-Fr.  1,943; 
Fischer  schwäb.  3,  935.  2)  bärlapp:  soldana  berlapp, 
giirtel-  oder  seylkraut  Diefenbach  gl.  540'';  beerlap, 
gurtelkraut .  .  .  die  jungfrawen  machen  krentz  und  gürtel 
darausz  muscus  marinus  Bock  kreutterb.  (1539)  l,  164*'; 
muscus  terrestris,  clavatus,  lycopodium  beerlapp,  gürtel- 
kraut {cingularia  .  .  .  kräntz  und  gürtel  draus)  Pancovius 
herb.  (1673)  266;  bärlapp  ...  st.  Johannis  gürtelkraut 
Chomel  4,  1422;  gürtelchrut,  gem.  bärlapp  Staub-Tobler 

3,  893.  hierzu:  gürtelkrautsamen,  m.,  als  hausmittd 
Krünitz  20,  56. 

GÜRTELKUGEL,/.,  sphaera  armillaris  Stieler  907; 
gewehrkugel  mit  gürtelförmiger  Verstärkung  v.  Alten  4, 
501.  —  gürtellinie,  /.,  Knie  in  hüfthöhe:  reiterinnen  in 
kurzen  roten  Jacken,  die  mit  der  gürtellinie  abschnitten 
K.  H.  Strobl  Bismarck  92;  bei  festu>igen  Mothes  baulex. 
2,  71;  Hoyer-Kreüter  techn.  wb.  l,  319. 

GÜRTELLOS,  ad],  in  eigentlichem  sinne  'ohne  befesti- 
genden gürteV;  antikisch  vom  tanz,  vgl.  solutis  Gratiae  zonis 
Horaz,  carm.  I  30,  5: 

ja,  tanzte  schon  im  schatten  junger  meien 
mit  ihren  grazien  Cythere  gürtellos 

J.  C.  Blum  idyllen  (1773)  71; 

auch  sonst:  während  sie  ein  tuch  über  ihr  lockeres  gürtel- 
loses nachtgewand  schlug  Fb.  v.  Heyden  br.  e.  flüchtlings 
(1838)  4,  210;  im  sinne  von  'ärmlich,  nachlässig  gekleidet': 

denn  Deutschland  war  alsdann  durch  krieg  recht  gürtellos 
und  gieng  erbärmelich  an  vielen  gliedern  blosz 

Opel-COHN  dreiszigjähr.  krieg  284. 

uneigentlich  'nackV,  vgl.  gürtel  6: 

o  liebe!  liebe!  wehend  umsäuselten 

da  deines  odems  hauche  mit  wärmeduft 

der  neuvermählten  gürtellosen 

schoosz  GKAFEN  ZU  Stolberg  (1820)  2,  30; 

bildlich,  etwa  im  sinne  von  'ungebunden': 

die  wilde  lüsternheit 
und  gürtelloser  scherz  stehn  neben  Ihr  gereiht 

Wieland  l,  46  akad. 

GÜRTELMACHER,  m.,  häufig  für  gürtler  (s.  d.)  Die- 
fenbach gl.  120a;  635C;  Frisius  dict.  (1556)  1425;  Chomd 

4,  1422;  Krünitz  20,  322;  vortviegend  nd.: 

beide  peltzer  ind  smede 

ind  gurdelmelcher  damede  (waren  dabei) 

dt.  städtechron.  12  {Köln)  250. 

—  gürtelmagd,/.,  kammer Jungfer: 

ein  jungfraw  wol  bedagt 
und  auch  ein  gürtelmagt, 
die  gingen  beid  mit  ir 

iiEiSTER  Altswert  218  HoUand-Eeller; 

IV.  1.  6. 


aie  solle  gemach  und  kammer  unserer  seligen  mutter  für 
gräfin  Oda  und  ihre  gürtelmagd  rüsten  J.  Wolff  raubgraf 
(1886)  78;  Elsbeth,  die  alte  gürtelmagd  der  gestorbenen 
freiherrin  J.  Gotthelf(1855)  15,  149.  —  gürtelmaus,/., 
chlamydophorus  truncaius  Brehm  2,  679  P.-L.  —  gürtel - 
messer,  n.,  das  im  gürtel  getragne  messer:  {er  machte) 
einen  zuckenden  griff  an  sein  gürtelmesser  Rosegger  III 
10,  190;  so  schon,  mit  der  nd.form  -mest:  {sie  nahmen  ihm) 
swerd,  taschen,  gordelmest  dt.  städtechron.  6,  151.  — 
gürtelmoos,n.,^/eicAgürtelkraut  2,2.6. Krünitz  20, 321. 
GÜRTELN,  vb.,  denominativ  zu  gürtel.  1)  'gürten',  zu- 
frühest  im  mnd. :  dat  gordel  .  .  .  dar  se  mede  gordelt  was 
bei  Schiller-Lübben  2,  133'';  weitere  belege  ebda;  dann 
auch  nhd.  öfter:  {mit)  breiten  gürtlen  über  den  rock  ge- 
gürtelt  M.  Sebiz  de  partu  caesario  (1583)  29 »;  in  gestalt 
eins  mönchs  mit  einer  gegürtelten  gürtel  Paracelsus 
(1616)  1,  250  Huser; 

Cupido  gürtelt  sich  und  ffigt  sich  auch  dabei 

Z.  LüNDiüS  dt.  ged.  (1636)  18; 

{in)  zwiefach  gegürtelte  alben  gekleidet  G.  Regis  Rabelais 
(1832)  1,  733;  ihre  weiten  mäntel  schlotterten  und  wehten, 
denn  sie  hatten  sie  nicht  gegürtelt  P.  Alverdes  Reinhold 
(1931)  82.  —  2)  fachsprachlich,  s.  Sanders  l,  641  c,  mit  der 
bedeutung  'die  rinde  eines  baumes  gürtelförmig  abschälen': 
{meine  versuche)  des  von  alters  her  sogenannten  ringelns, 
alias  gürtelns  Ratzeburo  waldverderbnis  (1866)  2,  106.  — 
3)  als  'durchprügeln'  im  Elsasz,  s.  gürten  C:  gürtle  Martin- 
Lienhart  1,  234''. 

GÜRTELPANZER,  m.,  beim  gürteltier:  ähnlich  dem 
gürtelpanzer  des  armadills  Immermann  18,  200  Boxb.  bei 
Panzerschiffen  'der  streifen  der  panzerung,  der  den  gefähr- 
detsten  teil  des  schiff  es  schützt'  v.  Alten  4,  501 :  die  deut- 
schen panzerkanonenboote  der  wespeklasse  haben  gürtel- 
panzer Lueger  5,  713.  —  gürtelpfennig,  m.,  abgäbe  von 
leibeignen,  s.  schürzenzins,  bettmund. 

GÜRTELREGION,  /.,  bei  bergen  die  mittleren  lagen 
zwischen  fusz  und  gipfel,  vgl.  gürtel  8 :  wie  ein  mächtiges 
seebecken  erschien  das  .  .  .  hochauf  zur  gürtelregion  der 
berge  erfüllte  thal  J.  Nordmann  meine  sonntage  303.  — 
gürtelriemen,  m.,  der  lederriemen,  den  man  als  gürtel 
trägt:  gordelryeme  Diefenbach  gl.  350«=;  gurtelriem 
Krämer  c?<.-i<.  (I70ü)  2,  355^;  skapuliere,  gürtelriemen, 
bilder  .  .  .  die  lockspeisen,  womit  die  .  .  .  abergläubischen 
leute  angelockt  werden  Nicolai  reise  5,  81.  —  gürtel- 
ring, m.,  fibula  schöner  gurtelring  'schnalle'  Brack  voc. 
rer.  (1512)  17'';  gürtelspange,  -schnalle,  -ring  buckle  or 
ring  of  a  girdle  Ludwig  dt.-engl.  (1716)  822;  {eine  flasche 
hing)  ihr  am  gürtelring  {haken?)  Platen  1,  49  Redlich, 
ebenso:  gürtelrinke,  m.:  gürtelrincken  fibbia  della  cin- 
tura  Kramer  dl.-it.  (1700)  1,  577''.  —  gürtelrose,  /., 
krankheit,  bei  der  unter  fieber  ein  streifen  starker  rötung  den 
rümpf  zu  einem  teil  umgibt,  herpes  zoster  Höfleb  krankh. 
519'»:  urplötzlich  brach  die  gürtelrose  bei  mir  aus  E.  Cur- 
Tius  lebensbild  in  br.  667  Fr.  Curtius;  die  gürtelrose,  an 
welcher  ich  krank  war,  .  .  .  kennzeichnete  den  fehlbetrag 
in  dem  damaligen  zustande  meiner  gesundheit  Bismarck 
ged.  u.  erinn.  2,  224.    auch  gürtelflechte  genannt  {s.  d.). 

GÜRTELSCHLOSZ,  n.,  schlosz  des  gürteis:  seine  band 
war  .  .  .  schon  kunstreich  genug,  das  gürtelschlosz  zu 
fassen  für  madonna  Porcia  Stier  hesper.  blätter  9; 

{sie  hakte  los)  die  verbundnen  adler, 

die  ihr  der  earl  geschenkt:  ihr  gürtelschlosz 

Freiligrath  (1870)  5,  198; 
im  Volkslied: 

er  nahm  schöns  Annelein  beim  gürtelschlosz, 
er  Schwungs  wol  hinder  ihn  auf  sein  rosz 

bibl.  ä.  schriftw.  d.  Schweiz  I  4,  114. 

—  gürtelschmuck,  m..'die  originellen  köpf-  und  gürtel- 
schmucke {in  Daghestan)  Ratzel  völkerkde  (1885)  3,  727; 

seht!  wie  wir  {Nereiden)  im  hochentzücken 
uns  mit  goldenen  ketten  schmücken, 
auch  zu  krön  und  edelsteinen 
spang  und  gürtelschmuck  vereinen 

GÖTHE  15,  157  W.  (Faust  II,  v.  8058). 

75 


1187  GÜRTELSCHNALLE  -  GÜRTELTIER 


GÜRTELWIRKER  -  GÜRTEN  A  i -2  1188 


—  gürtelschnalle,  /.; 

er  liesz  ihr  auch  machen  eine  gürtelschnalle, 
damit  stolzirt  sie  über  berg  und  thale 

Mittler  Volkslieder  (1865)  248; 

ein  guter  maier  musz  mehr  verstehen  als  .  .  .  eine  gürtel- 
schnalle gut  nachzumalen  H.  Gbimm  Michelangelo  (1890) 
2,  296.  —  gixTtelschnuT ,  f.,  schnür  aus  harif,  seideu.a.w., 
als  gilrlel  getragen:  gurtelschnur  zona  Diefenbach  gl. 
esB'^;  schon  mhd.:  {wer  quecksilber)  seudet  mit  paumöl  und 
ain  gürtelsnuor  darein  daucht  K.  v.  Megenberg  b.  d.  nat. 
305  Pf.;  bes.  vom  mönchsstrick:  diese  kleine  stricke  oder 
gurtelschnur  derjenigen,  die  st.  Franciscus  trug  ...  so 
gar  nicht  gleichen  G.  d'Emilliane  merkw.  beschr.  (1693) 
496;  die  braune  kutte,  von  der  weiszen  gurtelschnur  fest- 
gehalten Gutzkow  zaub.  v.  Rom  (1858)  2,  190;  anders:  sie 
tragen  nur  eine  gurtelschnur  in  gestalt  eines  baumwoll- 
fadens  v.  d.  Steinen  naturvölk.  Zentralbrasil.  (1894)  191. 

—  gürtelshawl,  m.,  schärpenartiger  gürtd  bes.  der  Orien- 
talen: im  gürtelshawl  dürfen  nie  die  silber beschlagenen 
pistolen  fehlen  C.  v.  Hailbronner  morgenland  2,  424; 

die  linke,  zugekniffen, 
hält  starr  den  gürtelshawl 

FREILIGRATH   (1870)  1,  50. 

—  gürtelspange,  /.,  gürtelschnalle:  bulla  Diefenbach 

nov.gl.  62^;  Stieler  2071; 

der  mutier  bild,  umringt  von  edlen  steinen, 
in  gürtelspangen  künstlich  eingefügt 

Grillparzer  (1892)  8,  152. 

—  gürtelstätte,/.,  änhd.  für  gürtel  (s.  5)  im  sinne  von 

^gürtelgegend\'  (der  weg  war)  so  gesenckt,  dasz  das  ufer 

des  ackers  einem  bisz  zur  gürtelstett  reichete  G.  Klee 

berümter  leule  leben  (1589)  1,  354; 

und  spaltet  brüst  und  bauch  bisz  auf  die  gürtelstette 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  23.  ges.,  str.  167; 

bisz  an  die  gürtelstette  gantz  nacket  Joach.  Cäsar  j.  Har- 
nisch (1648)  48;  kurtze  bis  zur  gürtelstette  hangende 
mäntel  J.  A.  v.  Mandelslo  113;  auch  77  bei  Olearius 
verm.  reisebeschr.  (1696);  (ein  Meid)  so  von  der  gürtelstätte 
bisz  hinunter  gehet  Männling  exoiicus  curios.  (1717)  400; 
vgl.  ilia  die  weiche  des  bauchs,  gürtelstatt  Orsäus  nom. 
(1623)  58.  —  gürtelstellung,/.,  bei  festungen:  während 
die  truppen  den  gegner  .  .  .  belästigen,  werden  in  der 
gürtelstellung  alle  beschädigungen  .  . .  ausgebessert 
V.  Alten  2,  74;  auch  4,  480. 

GÜRTELTASCHE,/.,  am  gürtel  befestigte  tasche  Mül- 
ler-Mothes  1,  497*':  er  zog  aus  seiner  ledernen  gürtel- 
tasche  sogleich  eins  der  pulver  H.  Laube  (1875)  15,  459; 
sie  entnahm  ihrer  gürteltasche  eine  kleine  mappe 
v.  Ebneb-Eschenbach(1893)  4,  238.  —  gür tel taube,/., 
turtur,  turteltaube,  vielleicht  aus  diesem  volkstümlich  ent- 
stellt, vgl.  jedoch  eis.  kränzletube  Mabtin-Lienhart  2,  644; 
vereinzelt  in  einem  md.  vocabular:  turtur  gurteltawb  (1429) 
bei  Diefenbach  gl.^üZ^;  häufig  im  bair.:  tuben  und 
gürteltuben  und  spatzen  Berth.  v.  Regensburg  2,  248 
Pf.  neben  turteltauben  la.  u.  249;  turtur  turteltaub  gurtel- 
taub AvENTiN  1,  389;  auch  392;  s.  auch  Schmelleb-Fr.  i, 
944;  Lexer  nachtr.  224.  hierzu  das  deminutiv:  gürtel- 
täublein,  n.: 

beleib  stet  an  deinem  pulen  gut 

als  das  gürtelteublein  tut 

klopfan  (15.  jh.)  in  Weimar,  jahrb.  2,  107;  auch  106. 

—  gürteltief,  adj.,  bis  an  die  hüften  reichend:  denn  ich 
zimlich  weit  gehen  muste,  ehe  ich  das  wasser  gürteltieff 
gefunden  J.  G.  Harant  christl.  Ulysses  (1689)  628;  unten 
im  dorfe  flössen  die  wogen  zu  einem  bache  ab,  der  .  .  . 
gürteltief  war  Immermann  7,  213  Boxb. 

GÜRTELTIER,  n.,  nach  den  gürtelförmigen  streifen  sei- 
nes Schuppenpanzers  benannt,  dasypus  Brehm  2,  667  P.-L.: 
von  drei  arten  .  .  .  gürteltieren,  werden  zwei  arten  nicht 
{als  eszbar)  gelobt  v.  d.  Steinen  naturvölk.  Zentralbras. 
(1894)  36;  {f eider  mit  dornstrauch)  umgeben,  der  gürtel- 
tiere,  wilde  schweine  .  .  .  abhält  E.  v.  Hesse-W artegg 
zw.  Anden  u.  Amaz.^  479;  auch  auszerhalb  von  reise- 
beschr eibungen  häufiger: 

ein  Stachelschwein  ersah  ein  gürtel tier 

Peeffkl  poet.  versuche  (1812)  9,  26; 


bildlich:  doppelsinniger  spasz  und  nörgelnder  spott  regen 
das  dickfellige  gürteltier  —  nur  zur  naseweisheit  F.  L. 
Jahn  (1884)  1,  232.  —  gürtelwirker,  m.:  {in  den  Steuer- 
registern um  1403)  gürtelwirker,  Schleyerwirker  und  der- 
gleichen professionen  P.  v.  Stetten  kunslgesch.  v.  Augsb. 
(1779)  1,  214;  vgl.  Heyne  altdt.  handw.  154. 

GURTEN,  vb.,  denominativ  zu  ^gurt  4.  l)  'mit  gurten 
versehen^  als  fachausdruck  bei  der  Herstellung  von  matratzen 
s.  Staub-Tobler  2,  445.  2)  anders  im  zimmerluindwerk, 
vielleicht  entsprechend  dem  sich  überschneiden  der  gurte  in 
Polsterungen:  'überschneiden  zweier  höher,  überblatten' , 
s.  MoTHES  baulex.  (1882)  2,  546;  LuEGER  Ux.  d.  ges.  techn. 
(1894)  5,  23.  als  denominativ  {zu  ^gurt  3)  wird  meist  auch 
nicht  umgelautetes  gurten  beim  reitsattel  empfunden,  s.  unter 
gürten  A  6  und  B  c. 

GÜRTEN,  gurten,  vb.,  als  yverb  gleich  dem  subst.  gürtel 
tiefstufig,  zum  starken  vcrb  got.  bigairdan  'vc^ii^waaa&ai' 
gehörig;  idg.  tvurzel  gherdh  'fischten,  winden',  'umfassen, 
umzäunen,  umgürten\  s.  Walde- Pokobny  1,  608.  auszer- 
deutsch  entsprechen  aisl.  gyrda,  ags.  gyrdan,  afries.  gerda, 
mndl.  gorden. 

A.  mit  einem  gürtel  umgeben,  begürten,  gürten  mit  äusze- 
rem  object. 

1)  als  gewöhnliche  Verrichtung  beim  ankleiden,  besonders 
in  früheren  Jahrhunderten  tvichtig;  biblisch  lat.  cingere, 
accingere  u.  ähnl.  übersetzend:  mittiu  thu  iungiro  uuari, 
bigurtos  thih  .  .  .  mittiu  thu  altes,  thenis  thino  henti,  inti 
ander  thih  gurtit  Tatian  238  Sievers  {Joh.  21,  18);  Luther 
dafür:  da  du  jünger  wärest,  gürtest  d\i  dich  selbs  .  .  . 
wenn  du  aber  alt  wirst,  wirstu  deine  bände  ausstrecken, 
und  ein  ander  wird  dich  gürten; /er reer;  umb  ewr  lenden 
solt  jr  gegürtet  sein  2.  Mos.  12,  11  u.  ö.;  in  allgemeinem 
gebrauch:  hübsche  jungfrowen  spulgent  (pflegen)  sich  ze 
gArten  mit  zwain  giirtlen  st.  Georgener  prediger  46  Bieder; 
(die  reichen  Florentiner)  gürteten  sich  mit  ledernem  gürtel 
Raumer  gesch.  d.  Hohenstaufen  (1823)  6,  565;  mit  örtlicher 
prüpositionalbestimmung  in  einem  humorvollen  ausdruck 
der  mittelalterlichen  rechtssprache:  (wer)  sich  gürtet  zwü- 
schent  zwene  harte  (erwachsen  is<)  (1341)  weist.  1,  366;  auch 
3,  521;  vgl.  Staub-Tobler  2,  446;  Germania  29,  25.  im 
Sprichwort:  ein  jeder  gürte  sich,  so  schlodert  ihm  nicht 
Lehman  fiorileg.  polit.  (1662)  3,  84;  wer  sich  selbst  gürtet, 
dem  drückt  es  nicht  Stieleb  715.  besonders  um  sich  zum 
kriege  zu  rüsten,  eigentlich  sich  mit  dem  an  besonderem  gurt 
hängenden  schwert  versehen  (vgl.  auch  4  u.  B  b): 

{segen  Jacobs  für  Gad) 

vil  wol  dir  daz  swert  stat, 

gegurter  du  vehtest, 

diu  liut  du  beschirmist         genesis  112  Diemer; 

nicht  vrewe  er  sich  gewapent,  gegurt  gleicherweise  sam 
entwapent  und  entgurt  Wenzelbibel  (l.  kön.  20,  11)  bei 
Jelinek  mhd.  wb.  337;  vgl.  wappen  antun,  gurten  accin- 
gere (1432)  Diefenbach  nov.gloss.  b^;  auch  gloss.  7;  in 
neuerer  literatur  häufig:  (Götz)  gürtet  sich  und  sitzt  auf 
ohne  hämisch  Göthe  8,  155  W.;  durch  instrumentales  ob- 
ject verdeutlicht:  gürte  dich  mit  deinem  Schwerte  Klingeb 
(1809)  1,  26;  vereinzelt  von  der  schwertleite: 

daz  he  zcu  rittir  wirt  gegurt 
PFARRER  zu  D.  HECHTE  schachb.  in,  zschr.  f.  d.  alt.  17,  220. 

2)  auszer  der  bis  ins  7ihd.  geläufigen  form  jemanden 
gürten  kommen  besonders  in  alter  zeit  andere  constructionen 
vor.  jemandem  gürten  ihm  den  gürtel  anlegen,  s.  auch  u.  5: 

unz  thu  jung  wari,  so  was  thlr  thaz  gizami, 

thaz  thu  thir  selbo  gurtos  joh  giangi,  thara  thu  woltos 

Otfrid  5,  15,  40  (Joh.  21,  18). 

in  absolutem  gebrauch,  s.  auch  u.  5,  im  sinne  von  'enger 
schnallen,  festziehen,  einschnüren\- 

Sit  ich  niht  wines  tranc, 

des  ist  mer  danne  ein  woche: 

des  gürt  ich  drier  loche 

an  dem  gürtel  min  hinhinder 

meier  Helmbrecht  v.  1121  Panzer. 

mhd.  u.  mnd.  auch  sich  gürten  in  einen  gürtel,  vgl.  auch 
u.Bd: 


1189 


GÜRTEN  A  3-4 


GÜRTEN  A  5-6 


1190 


ßwenne  Ich  mich  gegürte 

In  einen  borten,  der  ist  siecht 

Neidhakt  li,  30; 

W.  V.  L.  .  .  .  de  so  vet  was,  dat  sik  ver  man  in  sin  gordel 
gorden  Magdeburger  schöppenchron.  ISO  Janicke.  der  gür- 
tel  gürtet  jemanden,  s.  auch  u.  7  und  8: 

der  gurt,  der  künstliche,  welcher  den  alten  (Nestor) 
gürtete,  wann  zur  mordenden  schlacht  er  gewapnet  einherzog 

VOSS  Ilias  10,  77. 

3)  das  gewand  gürten  bes.  in  neuerer  zeit  als  sachlich 
genauerer  ausdruck.  zunächst  'mit  dem  dazugehörigen  gurt 
versehend  dar  na  gordet  he  (prister)  de  alven  mit  enen 
gordele,  dat  hefft  twe  strengen  bei  Schillek-Lübben 
2,  ns^; 

als  er  die  alben  guertet  het 

H.  Sachs  fab.  u.  schwanke  2,  38  ndr.; 

waz  gürtst  die  kutt  mit  knopfifecht  stricken 

Fischart  binenkorb  (1588)  24». 

dann  in  festerem  gebrauch  'mit  einem  gurt  befestigen':  {sie 
tragen)  gegürteten  weissen  leibrock  Amäeänthes  frauen- 
zimm.-Zex.  (1715)  1372;  ein  reichgesticktes  gewand,  wie 
nur  vornehme  frauen  es  tragen,  aber  nachlässig  gegürtet 
FouQui:  zauberring  (1812)  1,  121;  ein  langes  dunkles  ge- 
wand .  .  .  dicht  unter  der  brüst  gegürtet  G.  Keller  (1889) 
6,  341;  OMCA  5,  254;  auch  speciell  'hochgürten,  raffen,  auf- 
schürzen":  ein  langes  gewand,  das,  wenn  es  nicht  zweymal 
gegürtet  wäre,  ihr  weit  über  die  füszc  lierabfallen  müszto 
Göthe  IV  11,  73;  in  dem  heiligen  räume  gürteten  die 
priester  ihr  gewand  zum  tanze  Mommsen  red.  u.  aufs. 
(1905)  283. 

4)  im  Zusammenhang  des  sich  ankleidens  gelajigt  gürten 
zu  der  bedeutung  sich  vorbereiten,  rüsten,  fertig  machen: 
gurten  oder  bereytin  precingere  Diefenbach  gl.  452^; 
gürten  praeparare,  promptum  et  paratum  esse  Stieler  715; 
accingersi  sich  gurten,  fertig  machen  Castelli  it.-dt.  (I7il) 
10*;  so  auch:  haben  wir  uns  nit  ungern  zu  dieser  arbeyt 
gegürtet  S.  Frakck  weltbuch  vorr.;  auch  sonst  mit  der  an- 
gäbe wozu:  zum  andern  soll  er  sein  gegürtet  zum  weg 
Iprecinctus  ad  viam)  offenb.  d.  hl.  Birgitte  (1502)  l  l'';  (sie 
saszen)  um  den  tisch  herum  .  . .,  zur  reise  gegürtet  Laube 
(1875)  8,  59;  ungewöhnlich  mit  der  angäbe  wohin: 

musz  ich  (fischerknabe)  in  das  meer  mich  gürten 

GÖTUB  3,  31  W. 

besonders  'sich  zum  kämpfe  rüsten',  d.  h.  die  waffe  um- 
schnallen, vgl.  auch  o.  1:  bereyten  od.  gurten  zu  stryten 
procingere  gemma  gemm.  (1508)  u  l**; 

ich  sehe  dich  gegürtet  und  gerüstet 

Schiller  14,  308  Oöd.; 

auf !  zum  kämpf  dich  gegürtet  .  .  . 

Voss  sämtl.  ged.  (1802)  2,  182; 
bildlich: 

und  selbst  die  liebe,  wie  in  stahl  gerüstet, 
zum  todeskampf  gegürtet,  tritt  sie  auf 

Schiller  12,  154  Oöd.  {Piccol.  III  9). 

öfter  mit  dem  in  gleicher  bedeutung sentwicklung  begriffenen 
schürzen  zusammengestellt  {s.  d. ) : 

Flordelcyse  schurtzte  und  gurte  sich  (zum  Zweikampf) 

H.  V.  Neustadt  Apollon.  v.  20249  Singer; 

das  wir  gegürtet  und  auffgeschürtzt  sein  Luther  34,  2, 
399  W. 

im  gleichen  sinne  SQine  lenden  gürten,  hierbei  tritt 
der  körperieil  an  stelle  des  personalen  objects;  aus  dem  bi- 
blischen Sprachgebrauch  (lumbos  accingere):  (£'üisa)  sprach 
zu  Gehasi:  gürte  deine  lenden  (und  gehe  nach  Sunem) 
2.  kön.  4,  29;  atich  9,  1  u.  ö.;  so  auch:  (beim  erscheineyi  des 
wahren  Messias)  würden  die  Juden  ihre  lenden  fröhlich 
gürten,  sich  auf  die  bein  machen  und  .  .  .  nach  Jerusalem 
marchircn  Grimmelshausen  4,  605  Keller;  so  gürtete  er 
ohne  aufschub  seine  lenden,  und  langte  ...  in  Jemal  an 
Wieland  lO,  450  akad.;  (es  war  ihm)  als  müsse  er  eines 
tages  seine  lenden  gürten,  den  stab  nehmen  und  weit, 
weit  von  seiner  heerde  gehen  Stifter  (1901)  l,  179;  par- 
odistisch:  gürte  lenden,  manuskripte  und  bücher,  besteige 
.  .  .  die  eisenbahn  fürst  Pückler  briefw.  (1873)  6,  72.  im 
sinne  der  Vorbereitung  zum  kämpf  und  andrer  tätigkeit: 


lenden  gürten  heisset  in  der  schrifft  .  .  .  sich  schürtzen 
und  rüsten,  das  einer  fertig  und  geschickt  sey  zu  laufEen 
odder  zu  kempffen  Luther  34,  2,  399;  des  bin  ich  mon- 
archa  .  .  .  und  gürt  euch  ewer  lenden  (rüste  eu^h  aus  zu 
wahrem  arzttum)  Paracelsus  (1616)  l,  233. 

5)  das  pferd  gürten,  in  speciellem  gebrauch  'den  sattel- 
gurtfest (oder  nachträglich  fester)  schnallen',  cingulam  equi 
constringere  Stieler  715;  seit  dem  mhd.: 

sin  ros  daz  was  schocne.    daz  gurte  der  degen  baz 

Wolfdietrich  B  541  Amelung; 

je  fester  das  rosz  gegürtet  ist,  je  besser  kan  man  reiten 
J.  Walther  pferde  u.vielizucht  (1658)28;  gürtet  mein 
pferd,  gürtets  aber  nicht  zu  hart  Ludwig  dt.-engl.  (1716) 
822.  seltener  für  'satteln'  überhaupt:  equum  sternere 
Stieler  715;  da  stund  Abraham  des  morgens  früe  aufif 
und  gürtet  seinen  esel  l.  Mos.  22,  3; 

schnell  war  ihm  das  rosz  gegürtet, 
und  Ich  trug  das  banner  vor 

Uhland  ged.  (1898)  1,  217. 

dem  rosse  gürten  m,hd.  in  festem  gebrauch: 

(ich)  gurte  mime  rosse  baz  Iwein  35  Ben.; 

den  rossen  was  vil  wol  gegurt 
si  rantten  auif  den  puhurt 

H.  V.  Neustadt  Apollonius  v.  6331  Singer. 

in  gleichem  sinn  auch  mit  dem  dativ  der  person;  mhd.  ver- 
einzelt: 

sich  huop  ein  grozcr  buhurt. 
8wem  da  niht  was  wol  gegurt, 
der  moht  sich  vallens  wol  bewegen 

Mai  und  Beaflor  234  Pfeiffer; 

frühnhd.:  wer  ihm  selbst  gürtet,  dem  stehet  der  sattel 
steiff  Henisch  1785;  wer  sich  nicht  gürtet,  ehe  er  reitet, 
der  feit  leicht  Petri  d.  Teutsch.  weish.  (1604)  2,  Iii8'>'. 
auch  in  absoluter  construction: 

groz  arbeit  ez  (da»  rosz)  ringe  wac  . . . 

er  dorft  im  keines  gürtens  wonen 

doch  eines  loches  naher  baz, 

swer  zwene  tage  druffe  saz  Parzival  101,  14; 

■wer  nit  vor  gürt,  ee  dann  er  rytt 

S.  Brant  narrenschiff  14  Zameke; 

zu  hoch  gürten  sprengt  die  gurt  Fischart  Garg.  367  ndr.; 
gurten  cingulas  constringere  Duez  nomend.  (1652)  180.  s. 
auch  den  sattel  gürten  B  c. 

6)  in  zucht  nehmen;  sich  oder  andern  hartes  auflegen; 
bezwingen;  ausgehend  vom  enger  schnallen  des  leibriemens 
beim  fasten,  s.  auch  o.  2:  ir  soUent  euch  eins  lochs  enger 
gürten  Keisersberg  postille  (1522)  2,  10^;  allgemeiner 
'hart  anfassen': 

die  . . .  münch  besorgten  (von  dem  neuen  abt)  das, 
ob  er  sy  würde  gürten  basz, 
geistlicher  würde  reformieren 

MüRNER  narrenbeschw.  57  ndr.  u.  ö.; 

hierher  modern  bildlich:  (mit  dem)  Schmachtriemen  der 
enthaltsamkeit  gegürtet  Lavater  handbibl.  1,  329 ;  im 
sinne  straffer  Ordnung  und  rastlosen  fleiszes:  sie  (die  haus- 
frau)  gürtet  ire  lenden  fest  und  sterckt  Ire  arme  spr. 
Salom.  31,  17;  vielfach  aufgenommen,  z.  b.: 

in  zucht  und  fleisz 
erstarkt  sie  ihren  arm  und  gürtet  fest  die  lenden 

Cl.  Brentano  (1852)  2,  569; 

dagegen  sich  lose  gürten  sich  gehen  lassen:  ein  schlack  ist 
ein  loses,  leeres  vergebens  metall  .  .  .  (das  Sinnbild  für) 
lose  leute,  die  sich  lose  gürten,  darinn  kein  guter  tropffen 
mehr  ist  von  gott,  glauben,  ehre  und  warheit  Jon.  Ma- 
thesius  Sarepta  (1671)  lll^^;  vgl.  einer  der  sich  lose  gürtet 
discinctus,  i.  e.  improbus,  negligens  et  iners  Henisch  1784; 
ähnlich:  wi  übel  sich  N.  N.  alhir  gürtet,  liast  du  beyligend, 
gleich  aus  einem  spigel,  zu  ersehen  Butschky  hd.  kan- 
zelley  (1659)  241.  auf  einen  weiteren  ausgangspunkt,  das 
festschnallen  des  satteis  und  damit  der  last  des  lasttieres, 
s.  auch  0.  5,  deutet  vielleicht:  man  soll  einen  bogen  nicht 
überspannen  und  einen  esel  zu  sehr  gürten  (onere  gravi 
supprimitur)  Steinbach  (1734)  l,  653.  —  auf  solchen  con- 
creten  Wendungen  beruht  die  abstracte  Verwendung  neben 
zwingen,  vo7i  diesem  in  der  bedeutung  kaum  unterschieden: 

75* 


1191 


GÜRTEN  A  7-8 


GURTEN  B 


1192 


mancherlei  iingluck  wirdt  mir  angethan  .  .  .  und  gurtet 
mich  oder  zwingt  mich,  dasz  ich  nicht  herausz  kummen 
kan  Hafeknitz  Job  (1530)  208i>;  {die  gestirne)  nöthen, 
treiben  den  faulen  zu  der  arbeit  und  zwingen  ihn  .  .  .  wie 
Petrus  gezwungen  und  gegürtet  warde,  dahin  zu  gehn, 
da  er  nicht  hin  wolte  Paracelsus  (1616)  2,  413  Huser. 
sogar  in  auszermenschlicher  sphäre:  (schwerer  boden  tut  die) 
sammen  zwingen  und  girten  semina  comprimere  atque 
strangulare  Östereeicher  Golumella  1,  205  lit.  ver.;  im 
sinne  von  'kräftig  bearbeiten" :  sol  sich  der  acker  wol  lösen, 
so  musz  man  ihn  erst  wol  gürten  Petri  d,  Teutschen  weish. 
(1604)  2,  Ppp  i'^. 

7)  übertragen  im  vjeiteren  sinn  von  'umwinden,  umgeben, 
umbinden',  auszerhalb  des  bereiches  der  menschlichen  taille 
und  des  pferdebauches. 

a)  alt,  in  beschränktem  gebrauch,  vom  anbinden  der  reben: 
gurten  oder  cruden  'die  rebe  mit  stroh  oder  bandweiden  am 
pfähl  befestigen'  (15.  jh.)  bei  Mone  zschr.f.  gesch.  d.  Oberrh. 
10,183;  14,33;  noch  jetzt  gebräuchlich,  s.  Jos.  MtJLLBB 
rhein.  2,  1502;  Haltrich  siebb.-sächs.  95. 

b)  jung  in  mancherlei  Übertragungen;  andre  körperteile 
mit  etwas  anderem  als  einem  gürtel  umgeben: 

ein  goldncs  band, 
das  knie  der  braut  zu  gürten 

Ramler  lyr.  ged.  (1772)  108; 

aufl  gürtet  den  fusz  euch  {mit  Schlittschuhen) 

R.  Z.  Becker  müdh.  Uederbuch  (1799)  49; 

(werin)  so  ein  narr  sicli  das  scliienbein  gürtet  mit  schwarzem 

{leder) 
W.  Binder  Horaz^  2,  23  («erw.  6,  27). 
im  sinne  von  bekränzen: 

grünt  (ihr  myrten),  um  meine  welke  stirn  zu  gürten, 
meine  laute,  der  nur  schmerz  entflosz 

Novalis  1,  163  Minor; 

an  den  'leibgürteV  nahe  angelehnt:  das  fett,  womit  gelehrte 
sich  gürten  (ist  nichts)  gegen  den  fettpolster  eines  ge- 
sunden und  weisen  rathes  Jean  Paul  15,  22  Reimer, 
anders:  schon  gürteten  die  felsriesen  mit  wolkenschleiern 
ihre  leiber  H.  v.  Barth  nördl.  Kalkalpen  387.  poetisch 
in  landschaftsschilderungen  'umgeben,  begrenzen,  um- 
schlieszen' ,  vgl.  auch  gürtel  8  a: 

da,  wo  des  Chzechus  stamm  mit  bergen  sich  gegärt 

LOGAtr  sinnged.  184  Eitner; 

(klivpen)  mit  denen  sich  die  küste  gürtend  schützt 

Grillparzer  (1892)  7,  64; 

Flandern  gürten  sandge  banken 

EiCiiENDOREF  (1864)  1,  714; 

die  feste  selbst  und  ihren  garten  gürtet 

ein  mauerring  mit  turmesschmuck  und  zinnen 

LILIENCRON  (1896)  9,  64; 
ganz  unbestimmt  für  'umgeben': 

blühest,  wie  rosen,  welche  mit  moos 

gürten  ihr  blatt  Klopstock  öden  2, 140  Muncker. 

8)  schützend  umgeben,  wappnen,  ivie  gürtel  6  a  und 
gurt  1  a,  von  ethischen  werten:  got  ist,  der  mich  curtet 
mit  tugede  (psalm  17,  33)  Notker  2,  53  Piper; 

ist  er  mit  tugenden  so  gegurt, 
das  er  sin  rein  gemute 
went  an  rechte  gute, 
des  lobe  volgit  wirdikeit 

herzog  Ernst  v.  4509  Hagen-Büsching; 

diu  rede  wart  dem  künege  swsere, 
den  doch  menlich  eilen  gurt 

U.  V.  D.  TtJRLiN  WiUeh.  46  Singer;  auch  13; 

ähnlich:  (gott  zu  Hiob)  gürte  deine  lenden  wie  ein  man, 
ich  will  dich  fragen  Hiob  38,  3;  40,  7; 

und  die  da  wankten,  gürtet  er  mit  kraft 

Herder  12, 199  Suphan; 

gürte  mit  stolz  mich  und  kraft  und  Wahrheit 

HÖLDERLIN  1,  91  Litzmann; 

der  glaub  musz  die  nieren  gürtten  und  halten  Luther  10, 
2,  130  W.;  du  hast  meinen  sack  ausgezogen  und  mich  mit 
freuden  gegürtet  psalm  30,  12;  wenn  aber  alle  fäderm  .  .  . 
zerreiszen  .  .  .  musz  er  sich  nur  mit  gedult  und  hofEnung 
gürten  Lohenstein  Armin.  2,  781''; 

es  gürtet  schaam  den  keuschen  leib 

Schiller  11,  248  Oöd. 


bildhafter,  vgl.  gürtel  (6)  als  Symbol  der  Jungfräulichkeit: 
(wenn)  wir  uns  gürten  mit  der  gürtein  der  käuschait 
K.  V.  Megenberg  6.  d.  nat.  59  Pf.;  vereinzelt  auch  gegen- 
sätzlich vom  üblen: 

swer  schände  hat  unt  schände  gert 
den  la  sich  gürten  mit  der  schänden  borden  (borte) 
MEISTER  BOPPE  in  minnesinger  2,  382"  Hagen. 

B.   'umtun,  umbinden,  timlegen,  anlegen',  gürten   mit 
innerem  object. 

a)  einen  gürtel,  strick  und  ähnliches  gürten,  meist  mit 
der  Präposition  um: 

(er)  gurte  do 
den  gürtel  umbe  sin  isengewant 

Wigalois  21  Pfeiffer; 

du  bist  darumb  kein  Christen,  so  du  ein  seil  umb  dich 
gürtest,  man  mag  einer  sauw  auch  ein  seyl  umbiegen 
Eberlin  V.  GÜNZBURG  2,  116  ndr.;  die  weiber  gürten  ein 
stück  zeug  um  ihre  lenden  G.  Forster  sehr.  (1843)  4,  212; 
zog  ich  meines  einsidlers  hinterlassen  härin  hembd  an  und 
gürtete  seine  kette  darüber  Grimmelshausen  Simpl.  37 
ndr.;  uneigentlich:  gürtet  man  aber  die  hant  umb  die 
hufften,  so  lagert  sich  das  hüffte  und  nieren  wehe  Bapst 
V.  Rochlitz  arzneib.  150.   übertragen. von  kränzen: 

ums  haupt  euch  gürtet  myrten  und  Jasminen 

Strachwitz  ged.  (1850)  109. 

ganz  entsinnlicht  für  'schlingen': 

die  erste  der  silben  mit  zaubergewalten 
gürtet  um  geister  das  magische  band 

KÖRNER  2,  258  Hempel. 

in  älterer  zeit  ist  auch  eine  gegenteilige  wendung  üblich 
'etwas  von  sich  gürten' : 

den  (borten)  kund  si  nu  von  ir  gurten  schone 

jung.  Titurel  str.  1250  Hahn; 

(sie)  gürte  mir  den  gürtel  von  den  lenden 

LOHENSTKIN  Sophonisbe  (1680)  14; 

bildlich,  vgl.  o.  A  6:  (dort  wollte  er  alle  ihm)  auffgebunden 
klag  von  sich  gürten  und  sich  bessern  See.  Franck  chron. 
Germ,.  (1538)  157. 

b)  das   Schwert   gürten,    eigentlich  'mittels  des  (meist 
daran  befindlichen)  gurtes  umbinden' : 

(wollte  gott,  dasz)  van  Bulion  der  konynck  wert 
mir  hedde  gegurt  min  swert 

Karlmeinet  375  Keller;  auch  66. 

in  der  regel  mit  präpositionalen  beslimmungen,  mit  'um' : 
curte  die  suert  umbe  din  dich  accingere  gladio  tuo  circa 
femur  tuum  (ps.  44,  4)  Notker  2,  168  Piper; 

siegesdürstend  gürten  keine  söhne 
um  die  lenden  ihrer  vätcr  stahl 

HÖLDERLIN  1, 109  Litzmann; 

mhd.,  bis  ins  frühnhd.,  ist  'um  sich'  stehend: 

sein  Schwert  das  gürtet  er  umb  sich 

Laurin  2115  Schade; 

gürte  ein  jglicher  sein  schwert  umb  sich  l.  Sam.  25, 13  u.  ö.; 
der  printz  .  .  .  gürtete  seinen  sebel  mit  diesen  Worten  um 
sich  Ziegler  as.  Banise  (1689)  398;  mit  der  präp.  an  erst 
nhd.  belegt  und  dann  sehr  häufi/j:  du  hast  (als  ein  Goliath) 
diss  schwerd  an  dich  gürttet  und  lessist  dir  den  kopff 
damit  abhawen  Luther  7,  660  W.;  gurte  dein  schwert  an 
deine  Seiten  du  helt  psalm  45,  4; 

ich  nam  mein  schwert  wol  in  die  hand 
und  gürt  es  an  die  seyten 

Forster  irische  t.  liedlein  132  ndr.; 

so  gürtete  ich  mein  schwerd  an  meine  seite  Heinse  2,  152 
Schüdd.;  daneben  mit  anderen  bestimmungen,  z.  b.:  David 
gürtet  sein  schwert  über  seine  kleider  1.  Sam.  17,  39;  die 
capuziner  der  Ligue,  die  das  schwert  über  die  kutte  gür- 
teten Ranke  sämtl.  w.  (1867)  9,  41;  nur  in  bes.  fällen  ohne: 
gürte  ein  jeder  sein  schwerd  und  ermorde  seinen  bruder 
den  kälberdiener  (2.  Mos.  32,  27)  Jag.  Böhme  (1620)  3,  262; 

nun  feyern  die  Schwerter  .  .  . 
wie  schön!  sie  zu  gürten 
umschlungen  von  myrten 

F.  v.  Matthisson  sehr.  (1825)  1,  249/. 

c)  von  anderen  gegenständen;  vom  sattel:  (dasz  die  ärzte) 
fein  alle  Sättel  können  gerecht  gürten  Fischart  3,  1/ 


1193 


GÜRTEN  C  — GURTENTIEFE 


GÜRTGESIMS  —  GÜRTLER 


1194 


Hauten;  vgl.  den  sattel  gürten  cingiare  un  cavallo  Httl- 
siXTS  (1618)  143^ ;  ferner :  das  mundstück  soll  einem  jeden 
pferde  .  .  .  einen  querdaumen  über  die  hackenzähne  ge- 
gürtet werden  allg.  haush.-lex.  (1749)  2,  379^; 

die  sporn 
könn  wyr  euch  gürtten 
P.  Speratus  bei  PH.  Wackeenagel  dt.  kirchenlied  3,  41. 

d)  'umtun,  anlegen''  von  kleidungsstücken:  {schürzen)  die 
sie  {Adam  u.  Eva)  umb  sich  her  gürteten  Luther  24, 
91  W.;  ungewöhnlich: 

(in  die  decke)  er  sich  elnwicklen  thet, 
gärt  sie  zu  ihm  nach  bettlers  art 

H.  Sachs  17,  241  lit.  vere- 
dle meisten  Zeugnisse  erscheinen  jedoch  zweideutig,  da  auch 
ein  umtuti,  der  kleider  mittels  gürtung,  also  ähnlich  dem  ge- 
wöhnlichen das  gewand  gürten  (o.  A  3)  vorliegen  kann: 

{ein  Schleier)  der  umb  Marien  was  getan, 
gegürtet  und  gebunden 

Wernher  marierUeben  v.  14059  Päpke; 

gürtet  secke  umb  euch  {als  zeichen  der  trauer)  2.  Sam.  3, 
31  u.  ö.;  {da)  gürtet  er  das  hembd  umb  sieb,  denn  er  war 
nacket  JoÄ.  21,  7;  braucht  ein  havelländischer  Junker  sich 
zu  scheuen,  um  den  leib  zu  gürten,  was  der  markgraf 
urathut?  {puffhosen)  Alexis  hosen  (1846)  1,  71.  von  der 
rüstung: 

etslicher  niht  vollen  die  semftenier 

zu  den  beinen  gebunden  hct, 

dlrre  im  die  platen  gurten  tet 

kreuzlahrt  Ludwigs  v.  6198  Naumann; 

den  diamantenen  panzer 
gürte  jeder  sich  wohl,  und  jeder  binde  den  heim  fest 

Zachariä  poet.  sehr.  (1763)  7,  260. 

ebenso  auch  sich  in  ein  gewand  gürten: 

junger  man  mit  harte  gürtet  sich  in  toren  wat 

minnesinger  3,  422»  Hagen; 

ich  sach  sy  her  gen  mir  gan, 
gegürt  in  iren  pesten  rock 

liederbuch  der  Hätzlerin  145  Haltaus; 
vgl.  hierzu: 

des  seibin  gewerkis 
was  ein  roc  ir  gesnitin  .  .  . 
da  hete  si  sich  in  gegurt 
mit  eime  beslaginin  bortin 

Athis  u.  Prophiiias  D,  r.  162  Grimm; 

au£E  die  zeitt  giengen  leutt  umb  in  leinin  tücher  und  ge- 
wand mit  stricken  gegürtt  dt.  städtechron.  4,  316.  —  über- 
tragen, etwa  im  sinne  von  wappnen,  s.  auch  o.  A  8 : 

(in  gottes)  genade  wil  ich  gan 
unde  ich  wil  mich  gurten 
in  des  beilegen  gotes  worten 

denkmäler^  143  MilUenhoff-Scherer. 

C.  schlagen,  urspr.  mit  dem  gtirt  schlagen,  vgl.  prügeln, 
peitschen : 

nun  streich  weidelieh  uflf  denn  schalck, 
wir  wollenn  im  recht  gurtten  den  balck 

Heidelberger  passionsspiel  210; 

(ich)  dich  mit  einem  scheit  werd  gurten 

iastnachtspiele  253  Keller;  auch  215; 

{dasz  man)  den  son  oder  knecht  .  .  .  mit  worten  oder  mit 
streichen  tapffer  gürte  Jon.  Heroldt  v.  d.  zting  (1544) 
123^;  mundartlich  erhalten,  s.  Jos.  Müller  rhein.  2,  1502; 
luxemb.  (1906)  158;  bes.  in  der  Schweiz  in  reicher  Weiter- 
entwicklung, s.  Staub-Tobler  2,  446. 

GURTENBAND,  n.,  feste  bandart,  wie  gurt  4:  {zum 
einspannen  einer  Stickerei)  hat  man  an  zwei  gegenüber- 
liegenden Seiten  .  .  .  ein  gurtenband  oder  einen  gerade 
geschnittenen  stoffstreifen  .  .  .  anzunähen  Dillmont  wbl. 
handarb.  83;  s.  auch  gurtband  2.  —  gurtenbettstelle, 
/.;  falls  dir  die  gurtenbettstelle  nicht  durchreiszt  Bog. 
Goltz  kleinst,  in  Ägypt.  32;  auch:  jugendleben  1,  102;  vgl. 
gurtbett.  —  gurtenmacher,  m.:  C.  von  Colne,  gurten- 
mecher  (1400)  bei  Bücher  Frankf.  berufswb.  55a.  _  gur- 
tenschlagstock,  m.,  schmaler  Webstuhl  für  gurten, 
8.  PrechTL  7,  264;  KaEMARSCH-HeereN  4,  190;  7,  677.  — 
gurtentiefe,  /.,  die  relativ  geringe  höhe  der  gurtgegend 


beim  pferde:  {dem  engl,  pferd  ist)  eigen:  grosze  gurtentiefe 
V.  Alten  3,  380 ;  vgl.  gurt  3. 

GURTGESIMS,  n.:  mehrgliedriger,  reicherer  gurtsims 
Mothes  baulex.  2,  547;  msist  aber  für  sims  schlechthin, 
s.  Lueger  5,  23;  Karmarsch-Heeren  3,  762:  auf  dem 
{stichbogen)  ein  gurtgesims  mit  einem  muster  ruhet  Gott- 
sched anm.  gelehrsamk.  9,  265;  alle  dächer,  gurtgesimse 
und  was  nur  irgend  eine  fläche  bot  {von  lavastaub  bedeckt) 
GöTHE  31,  29  W.;  im  auf  bau  der  Stockwerke  sind  es  die 
gurtgesimse,  die  .  .  .  das  ganze  in  einzelne  teile  zerlegen 
H.  WÖLFFLiN  architekt.  d.  dt.  renaiss.  (1914)  7. 

GURTGEWÖLBE,  n.,  'tonnengewölbe  mit  vorstehenden 
gurtbogen,  oder  daraus  gebildetes  kreuzgewölbe'  Müller- 
MoTHES  1,  497*»;  Hoyer-Kreuter  1,  319;  auch  bei  tech- 
nischen bauten:  heizcanal  mit  gurtgewölbe  Muspratt  8, 
540.  —  gurthaken,  m.,  haken  am  gürtel  Beil  techn.  wb. 
1,  2M;  fachaxisdruck  bei  der  feuerwehr :  an  gut  vernieteten 
beschlagen  hängt  ein  sog.  gurthaken  Karmarsch-Heeren 
5,  649;  LuEGER  1,  607.  —  gurtholz,  n.,  ein  wie  ein  gürtel 
herumgehendes  holz  bei  schiffen  Mothes  baulex.  2,  546;  ein 
Verbindungsbalken  beim  brücken-  und  hochbau  ebda;  hei 
deichen  Lueger  7,  45;  beim  wagen  Jos.,  Müller  rhein.  2, 
1503.  —  gurthose,  /.,  bestandteil  der  mittelalterlichen 
rüstung: 

gurthosen,  halsperc  unde  swert, 
kursit  unde  platten 

f     Ottokar  v.  58806  SeemOller. 

—  gurtkamra,  m.,  webrahmen,  'womit  der  seiler  die  gurte 
webV  Jacobsson  2,  174».  —  gurtkette,/.,  kette,  die  um 
den  wagen  zum  zusammenhalten  der  wände  oder  der  lasten 
herumgebunden  wird,  z.  b.  Jos.  Müller  rhein.  2,  1503. 

GÜRTLEIN,  n.,  deminutiv  zu  gürtel:  curtilin,  curtelin 
balteus  ahd.  gloss.  1,  370,  2  Steinm.-S.;  mit  hochalem. plural- 
form kurtelliu  semicinctia  ebda  2,  37,  8 ;  gürtelin  cincticulus 
Frisius  dict.  (1556)  222'';  daneben  gürtele  zonula  1425''; 
gürtlein  Stieler  716;  Kramer  dt. -it.  (1700)  l,  577''.  in 
älterer  zeit  gern  gebraucht: 

ain  gürtellin  von  siden  smal 

der  Salden  hört  v.  2827  Adrian; 

nempt  euwer  gArtelein  und  legt  es  dem  tracken  ...  an 
seynen  hals  summerteil  d.  heylig.  leben  (1472)  \b^;  für  den 
zaubergürtel  des  zwergenkönigs  Laurin: 

(um  die  brünne)  lac  ein  gürtelin; 
daz  mohte  wol  von  zouber  sin, 
da  von  hat  ez  (der  zwerg)  zwelf  manne  kraft 
Laurin  v.  191  in  dt.  heldenbuch,  hg.  v.Jänicke;  auch  v.  1419; 

sinnentleert  und  danach  entstellt  in  der  bezeichnung  eines 
kinderspieles :  gArtelin  drage  ich  dich  Diefenbach  gl. 
1210;  gurtulli  trag  ich  dich  z.  f.  dt.  wortforsch.  5,  6.  in 
weiterer  bedeutung:  {sie  binden  das  haar)  aufE  dem  haupt 
zusammen  mit  etlichen  güldenen  gürtelein  J.  Kellner 
China  (1589)  27.  als  technische  bezeichnung:  19  alter  arm- 
brost  und  9  krapfen  {spannhaken)  mit  im  gürtlein  ZiN- 
GERLE  inventare  183;  vgl.  gürtel  7;  {bei  der  tuscanischen 
säule  gliedert  sich  das  untere  dritteil  des  capitäls,  dasfriesz, 
in  zwei  teile.)  der  selben  teil  einer  ist  die  breite  des  gürtlis 
oder  leystlis,  welches  in  drey  teil  sol  geteilt  werden,  einer 
zum  blättle  (Ä;?eme  platte),  zwen  zum  stäble  H.  Blum  beschr. 
u.  gebr.  d.  säulen  (1596)  1;  auch  Serlius  archit.  (1609)  6*; 
vgl.  gurt  2  a. 

GÜRTLER,  m.,  cingulator,  zcmarius;  gurteler,  girtler, 
gordeler  h.  ähnl.  Diefenbach  gl.  120^;  635«=;  gürtteler 
Alberus  dict.  (1540)  B  B  21;  gürtler  Frisius  dict.  (1556) 
1425'';  Henisch  1784;  Stieler  716.  seit  dem  späteren 
mittelalter  häufig  als  besonderes  handwerk  auftretend,  viel- 
fach mit  der  neigung  zum  kleinhandel  mit  modewar en: 

daz  groezist  volc,  daz  Wienne  hat, 
daz  sint  hantwerkiere  . .  . 
gurtlser  und  irhaere  (weiszgerber) 

Ottokar  chron.  v.  65691  Seemüller; 

etlich  ausz  der  kramerzunft  als  gürtler  dt.  städtechron.  5, 
118;  au^h  2,  507  u.  ö.;  vgl.  K.  Bücher  Frankf.  berufswb. 
55  a-;  der  gurteler  willekur,  des  di  ratlute  habn  gestatet 
cod.  dipl.  Silesiae  8,  115;  die  gürtler  haben  ihr  handwerk 


1195 


GÜRTLEREI  —  GURTSIMS 


GURTSPANGE  -  GUSCHEL 


1196 


schon  in  solche  Vollkommenheit  gebracht,  dasz  deren 
etliche  fast  unter  die  künstler  zu  zehlen  Abk.  a  s.  Clara 
eiw.f.  alle  (1699)  1,  341;  arbeiten,  wie  sie  namentlich  dem 
goldarbeiter  und  gürtler  vorkommen  Müspbatt  chemie 
(1891)  3,  827.  in  jüngerer  zeit  mannigfache  einschlägige  ar- 
beiten ausführend:  gürtlers  machen  allerhand  pur  meszinge 
oder  .  .  .  beschläge  auf  wehrgehäng,  item  .  .  .  knöpffe  und 
Schuhspangen,  allerley  zierrahten  auf  die  spiegeis  und  zu 
andern  hausgeraht  Marperger  kaufm.-magaz.  (1708)  571; 
s.  ferner  Chomel  öcon.lex.  (1750)  4,  1422;  Jacobsson  2, 
Xlh^;  Krünitz  20,  322;  NICOLAI  reise  1,  beil.  1,  115;  zwei 
Schiefertafeln  .  .  .  werden  in  diesem  augenblick  vom 
gürtler  und  vom  schreiner  eingerahmt  Mörike  an  Marg. 
V.  Speeth  (1906)  14;  teilweise  dem  urspr.  beruf  ganz  ent- 
fremdet: 'jetzt  gelbgieszer'  Sanders  1,  642^;  'silberschmied, 
der  den  zur  weiblichen  Bernertracht  gehörenden  silber- 
schmuck anfertigt'  Staub-Tobler  2,  447 ;  (sie  wolle)  ihre 
göllerketteli  zum  gürtler  tragen,  um  sie  ausputzen  zu 
lassen  J.  Gotthelf  (1855)  l,  141.  —  gürtlerei,  /.;  (sie) 
trieb  neben  der  gürtlerei  .  .  .  noch  einen  andern  handel 
J.  Gotthelf  (1855)  12,  202.  —  gürtlergeselle,  m.:  ein 
junger  gürtlergesell  Montanüs  schwankb.  293  lit.  ver.; 
Krünitz  20,  329.  —  gürtlerin,  /.;  [es  wurde)  ein  kind 
von  einer  gürtlerin  geborn  J.  Fincelius  wunderzeichen 
(1566)  j  41;  GüARiNONius  grcwcl  (1610)  311.  —  gürtler- 
knecht,  m.:  ein  gortelerknecht  .  .  .  hat  einen  orfrede 
gesworen  (1429)  cod.  dipl.  ■  Lusatiae  super.  2,123.  — 
-meister,  m.:  ich  schwatze  .  .  .  mit  meinem  hausherm, 
gürtlermeister  (1817)  bei  L.  Geiger  Ther.  Huber  (1901)  251. 
—  -mittel,  n.,gürllerzunft:  die  gelbgieszer  müssen  auszer 
dem  gürtlermittel  leben  und  dürfen  .  .  .  keine  .  .  .  gürtler- 
gesellen .  .  .  zum  nachtheil  des  gürtlermittels  an  sich 
ziehen  Krünitz  20,  328  (wohl  aus  Zunftordnungen).  — 
-wäre,  /.;  dergleichen  magd  sol  auch  nicht  .  .  .  gürtler- 
wahre feil  zu  haben  gebraucht  werden  A.  Beier  lehrjung 
(1683)  23;  Troje  Zolltarif  (188 :i)  399. 

GURTNEN,  vb.,  nebenform  zu  gürten  Schmeller-Fr. 
1,  943;  gurtna,  'partic.  gurtent  Jacob  Wien  (1929)  788'. 

GURTRIEMEN,  m.  l)  soviel  wie  gurt,  gürtel:  lorum 
Frisius  dict.  (1556)  782t>;  gürtel,  cingulum  Henisch  1784; 
er  faszte  den  harten  gurtriemen  des  messers  Freytag 
(1886)  8,  359;  (das  gutachten  spricht)  für  die  bisherige  form 
(der  reithosen)  mit  dem  gurtriem  Wilhelm  i.  milit.  sehr.  1, 
401.  —  2)  für  den  satielgurt:  cingula  Stieleb  1610;  cinghia 
da  cavallo  Kramer  dt.-it.  2(1702),  355C:  die  gurt-,  brüst-, 
schwänz-  und  sattelriemen  des  .  .  .  bürgerlichen  lebens 
hatte  sein  Buzephalus  längst  abgesprengt  Jean  Paul  15, 
217  Hempel;  als  obergurt  'sopraccinghia'  Jagemann  dt.-it. 
(1799)  2,  562;  speciell  der  kleine  riemen  am  satielgurt,  an 
dem  die  schnalle  sitzt:  girthleather  Ludwig  dt. -engl.  (1716) 
822;  Heinsius  2,  5658'.  _  z)  für  das  futtcrkraut  hedysarum 
onobrychis,  esparsette  Nemnich  wb.  d.  naturg.  216;  Krü- 
nitz 11,  562. 

GURTRIPPE,  /.,  für  gewölbegurt:  die  palmensäulen 
mit  ihren  mächtigen  gurtrippen  nach  den  kreuzzügen 
M.  Waldau  a.  d.  junkerweit  (1851)  l,  131;  speciell  für  die 
quergurte  im  gegensatz  zu  den  längsgurten  in  der  längsrich- 
tung  der  schiffe  Lueger  5,  23. 

GURTSATTEL,  m.:  (ehe  man  dem  pferd  das  gebisz  ein- 
hängt) ists  viel  nutzer,  man  reits  im  gurtsattel  J.  Fayser 
hippokomike  (1623)  33.  —  gurtscheibe,  /.;  (das  dritte 
meisterstück  der  seiler  ist)  ein  gurtscheib  von  sechtzig  ein 
(1580)  Frankfurter  zunfturk.  2,  72;  Chomel  8,  1181;  als 
Scheibe,  über  die  ein  gurt  läuft  Hoyer-Krbüter  l,  319.  — 
gurtschnalle,/.,  am  leibgurt:  das  köstlichste  (ist)  einem 
vornehmen  zu  liebe  in  die  ixrne  geleget  worden;  so  ist  auch 
dessen  gurtschnalle  dazu  genommen  Gottsched  anmuth. 
gelehrsamk.  (1751)  1,  416;  (da)  habe  er  etwas  im  gestrüpp 
blitzen  sehen;  es  war  die  gurtschnalle  des  Oberförsters 
Droste-Hülshoff  2,  288  Schücking.  —  am  satielgurt: 
fibbia  da  cinghia  Kramer  dt.-it.  2  (1702)  617 <=;  boucle  de 
sangle  Hoyer-Kreüter  l,  319. 

GURTSIMS,  m.,  ein  horizontaler,  meist  die  Stockwerke 
abteilender  sims  Müller-Mothes  1,  497*5:  (man  musz  die 


flächen  eines  turmes)  mit  gurtsimsen  unterbrechen  allg.  dt. 
biblioth.  (1765)  22,  86.  —  gurtspange,  /.;  1  gürtel  mit 
einem  silberin  rinkin  und  senkel,  gortspangin  (1426)  cod. 
dipl.  Lusatiae  super.  1,  339.  —  gurtträger,  m.  1)  säul- 
chen an  den  gotischen  pfeilern,  das  eine  gewölbrippe  trägt 
Mothes  ill.  baulex.  2,  547.  —  2)  tragstein,  auf  dem  ein  ge- 
luölbegurt  aufsitzt,  konsole  ebda; 

Eulenspiegel  am  kreuzgang,  was?  der  verrufne  geselle 
als  gurtträger?  und  wem  hält  er  sein  spiegelchen  vor? 

MÖKIKE  1,  206  Göschen. 

—  gurttuch,  n.,  cinctorium  vulgo  gurtthuch  (1540)  quell. 
2.  gesch.  d.  st.  Kronstadt  2,  677 ;  auch  1,  205. 

GURTUNG,/.,  von  gurten,  gurt:  'überblattung,  Über- 
schneidung von  bauhölzern'  Lueger  5,  23 ;  Mothes  baulex. 
2,  547;  'Verbindung  durch  gurte,  gurthölzer'  (b.  pfahlrost) 
ebda;  Verbindung  von  schräg  sich  kreuzenden  Zaunlatten 
Karmarsch-Heeben  11,  153;  bes.  im  brückenbau  für  die 
fortlaufende  Verbindung  und  einfassung  des  fachwerks,  die 
die  brückenträger  darstellt:  (bilden  die  stäbe,  die  ein)  fach- 
werk nach  oben  und  unten  begrenzen,  zusammenhängende 
linienzüge  (bögen  oder  geraden),  so  werden  die  betreffenden 
stabfolgen  obere  .  .  .  und  untere  gurtung  .  .  .  genannt, 
das  Stabsystem  zwischen  beiden  gurtungen  heiszt  füllung 
Lueger  4,  21;  gurtung  eines  brückenträgers  Hoyer- 
Kreuter  1,  319.  zu  dieser  Verwendung  gibt  es  auch  zahl- 
reiche composita,  z.  b.  gurtungsform  Kabmarsch-Heeren 
2,89;  -material  Lueger  1,  782;  -stab  4,  26;  -stehblech 
4,  57. 

GÜRTUNG,  gurtung,  /.,  die  handlung  des  gürtens: 
procinctus  bereytung,  gurtung  gemma  gemm.  (1508)  v  1**; 
die  ankleidung  und  gürtung  B.  S.  v.  Stosch  trauerreden 
(1674)  132;  (Odysseus)  bei  seiner  gürtung  Herder  3,  219 
Suph.;  bildlich  im  sinne  von  'zuchV ,  wie  gürten  6:  mir 
lianstu  von  strenger  gürtung  .  .  .  sagen,  diesem  aber 
sagestu  nichts,  der  ist  liebes  kind  S.  Artomedes  christl. 
auslegung  (1609)  1,  96;  seine  starke  phantasie  bedurfte 
einer  festen  gürtung  Betsy  Meyer  G.  F.  Meyer  179.  im 
sinne  eines  zustandes,  das  gegürtetsein :  die  gürtung  ist  ein 
zeichen,  dasz  einer  mannlich,  ...  zu  der  arbeit  geschickt 
und  tauglich  sei  Schweickhart  gbaf  zu  Helfenstein 
Basilius  magnus  (1591)  791 ;  tiefere  gürtung  des  weiblichen 
chiton  (zeigt)  amazonencharakter  (an)  Fr.  Th.  Vischer 
ästh.  3,  2,  397. 

GURTWEITE,/.,  'entfernung  von  einem  gurtbogen  zum 
andern'  Mothes  baulex.  2,  547.  —  gurtwerk,  n.,  'ein 
band  mit  zierrathen  an  einem  gebäude'  Chomel  4,  1438; 
'zierrat  an  den  säulen,  der  ganz  um  die  säule  herumgehet' 
ScHRADER  dt. -frz.  (1781)  584";  von  der  gesamtheit  der  gurt- 
bögen: die  gewölbe  mit  ihren  kappen  und  ihrem  gurt- 
werke A.  ReichensbeeCvER  verm.  sehr.  129. 

GURZ,  m.,  s.  gorz,  görz. 

GURZEN,  gorzen,  vb.,  aufstoszen,  rülpsen,  aus  gur- 
retzen,  gurgetzen  oder  gurketzen,  vgl.  gurren,  gurretzen, 
gurgsen,  gorpsen:  eructare  gürtzen,  so  eim  die  speyse  uff- 
stoszt,  uffrochtzen  vor  föUe  vocab.  predicantium  (i486) 
J  3'"';  (essen)  bisz  er  vol  würt,  das  er  gortzet  Keisersbebg 
sünd.  d.  munds  (1518)  5;  dieser  saft  (der  brunnenkresse)  ist 
gut  wider  das  gurtzen  und  brechen  des  magens  Tabeenä- 
montanus  (1687)  847;  in  gleicher  bedeutung  wohl  schon:  es 
sal  auch  nimants  in  der  orten  von  Verlassenheit  fortzen, 
fysten,  gortzen  noch  ander  unzucht  triben  (1476)  Frank- 
furter ztmfturk.  2, 84;  mundartlich  z.  b.  görzen  Jos.  Müller 
rhein.  2,  1308;  in  ganz  andrer  bedeutung:  gurzn  'lärmende 
töne  des  jubeis  ausstoszen,  laut  jubilieren'  Neubauer 
Egerld.  68. 

GUSCHE,  /.-,  s.  gosche. 

GUSCHEL,  n.,  wie  goschel  (s.  d.)  demin.  zu  gusche, 
gosche  'maul',  jedoch  im  schles.  zur  speciellen  bed.  'kusz' 
entwickelt  wie  lat.  osculum,  dt.  mäulchen,  mündchen  u. 
dergl.,  s.  Rother  sprichw.  357;  auch  im  Erzgeb.,  Vogtland 
Müller-Fraureuth  1,  451  »■: 

ich  wilter  hundert  guschla  gähn 

H.  W.  V.  LoGAU  poet.  Zeitvertreib  (1725)  346; 


1197 


GUSCHELN-GÜSEL 


GUSELICHT— GUSSE 


1198 


(dem)  Marie-Liesel  viele  tausend  guschel  und  patschhandel 
HoLTEi  erz.  sehr.  13,  217.   s.  auch  unter  kusz  3. 

GUSCHELN,  vb.,  küssen,  vom  vorigen  wort  in  der  glei- 
chen sonderbexleutung  abgeleitet,  nur  im  umkreis  des  schles., 
s.  Anton  oberlaus.  w.  1,  12: 

ihr  sanften  küsse  schöner  llppen  .  .  . 
. . .  küszt  ihn  trunken,  küszt  ihn  satt, 
ja  guschelt  ihn  auf  du  und  du 

Stoppe  Parnasz  (1735)  418; 

sie  aber  guschelt  mich  und  schmeichelt  immer  mehr 

Karschin  ged.  380  Klenke. 

GUSCHEN,  vb.,  sich  legen,  still  sein,  nicht  mucksen,  aus 
frz.  coucher;  neben  mehr  norddeutschem  kuschen  (5.  d.)  bes. 
obd.  bezeugt,  s.  Staüb-Tobler  2,  481 ;  Fischer  3,  936 ; 
Martin-Lienhart  1,  239'';  Sartorius  Würzb.  53;  Lo- 
KiTZA  id.  vienn.  57: 

hund  und  katz  kann  nur  guschen 
und  —  8  viech  ghert  zum  viech 

Stelzhamer  1,  339  Rosegger; 

guschts  euch  nur,  und  geht  hinein,  es  hat  seine  grimmige 
Ursachen  Hafner  ges.  lustsp.  (1812)  2,  149.  in  der  kinder- 
sprache  auch  speciell  'sich  zu  bell  legen,  sich  unter  die  bett- 
decke  schmiegen,  schlummern',  z.  b.  Martin-Lienhart  1, 
239*';  Schöpf  225. 

GUSEL,  m.,  erregung,  aufregung,  vereinzelt  güsel;  alem. 
wort,  postverbale  von  alem.  gusein,  vgl.  besonders  dessen  bed. 
'lustig  sein;  kitzeln,  siechen;  antreiben^  s.  Staüb-Tobler 
2,  474;  das  vb.  ist  nicht  über  die  mundart  hinausgelangt; 
dasz  gusein  zu  anord.  giosa  gehöre  (Staub-Tobler  2, 
477),  ist  aus  den  bedeulun^en  beider  verben  nicht  zu  ent- 
nehmen. 

in  ältrer  zeit  bes.  vom  zustand  sinnliclier  erregung:  (die 
esel)  reyssen  sich  zu  zeyten  ausz  den  halfftern,  springen 
auff  die  stütten  .  .  .  dasz  in  diser  gusel  vergange,  sei  man 
sy  ein  weyl  eynspannen  und  das  mülinrad  ziehen  lassen 
Gesner-Forer  thierb.  (1563)  49*';  man  soll  die  geile  hur 
...  in  kalt  wasser  setzen,  wie  man  einer  hennen  pflegt 
zu  thun,  so  immerzu  brütlen  will,  damit  ihr  der  güsel 
gelege  Jon.  Grassäüs  d.  kleine  baur  (1618)  236; 

den  jungen  lecker  nem  beym  kämm 
und  werff  ihn  in  den  kerckcr  nein, 
vertreib  darmit  den  gusel  sein 

BIRCK  ehespiegel  (1598)  142; 

neuerdinjs  im  allgemeineren  sinne  von  'aufregung,  eifer, 
freudiger  Himmung':  (der  pachtherr  hatte  den  armen  Päch- 
tern hinterdstig  zugeredet,  ihren  ertrag  durch  kauf  von  düng 
auf  borg  zu  steigern)  er  hatte  seinen  zweck  erreicht,  neu 
in  gusel  hatt^  er  die  leute  gebracht  J.  Gotthelf  (1855)  19, 
110;  5.  StaübTobler  a.  a.  0. 

GUSEL,  adj ,  ganz  ähnlich  wie  geil  'fröhlich  oder  sinn- 
lich erregt',  zu  gisel,  m.,  und  dem  ihm  zugrunde  liegenden 
vb.;  alem.,  auszer  schweizerisch:  frisch,  gails,  guseis  rosz 
Altenstaiq  voc.  (\516)  35c ;  ein  esel  aber,  warm  man  ihm 
ruh  laszt  ...  so  wrd  er  gimmelich,  geil  oder  gusel  J.  H. 
Heerbrand  fasten22;  dieweil  unser  fleischlicher  Adam 
so  gusel  und  geil  is ,  so  ist  von  nöten,  dasz  der  mensch 
sein  fleisch  .  .  .  lerni  abwürgen  und  tödten  J.  Willino 
pred.  in  Alemania  7,  90.    bes.  auch  gusel  machen: 

das  du  so  tolichen  lachst 
und  dich  so -echt  gusel  machst, 
darum  das  d>  erwellet  bist 
ze  kung  so  ai    kurtze  frist 
JÖRQ  Zobel  bei  feiHMELLER-FR.  1,  951  (a.  d.  j.  1455); 

die  münch  werden  dis  jar  -«1  kesz  samlen,  wann  das  füter 
ist  wol  geraten,  das  wirtsie  faszt  stechen  und  gusel 
machen,  vorausz  die  noch  b.hopff  und  schwantz  haben 
dr.  Boszschwantz  practica  (l5ti)  cap.  14; 

las  von  dir  schrepfe  dasselbig  bluot, 
das  dich  zuo  geile  rttzen  duot  .  .  . 
schrepfft  hindan  das  ose  bluot, 
das  uch  so  gusel  macbn  duot 
MURNEE  badenfahrt  14  Marti.-  auch:  luth.  narr  44  Kurz. 

GÜSEL,  n.,  'abfall,  rückstand.icehricht,  staub',  auch 
giesel,  vereinzelt  gusel.  postverbale  vo  gusebi,  z.  6.  'stöbern; 
durcheinander    regnen'    (Staub-Tobbr  2, 474);    güseln. 


gusein,  z.  6.  fein  zerbröckeln,  zerfallen'  (477);  vgl.  s.  v. 
gusel,  m.  alemannisches  wort:  pulvis  güsel  staub,  puiver 
Frisius  dict.  (1541)  717*';  nauci  alles  das  vom  obs  als 
unnütz  abgaat  ebda  572;  güsel,  n.,  alles  das  man  ring  hin- 
wirfft,  peripsema;  auszwüscheten  Maaler  198*>;  puiver 
stup,  staub,  gusel,  niszl  Roth  dict.  (1572)  n  6^;  als  giesel 
kehricht  KmscH  cornu  copiae  (1732)  911»;  bes.  abgang  vom 
gelreide,  kleie,  s.  Stalder  1,  501,  soune  grannen,  hülsen, 
spreu:  Obermüller  zu  Dubendorf  sol  30/3  um  güsel  (1489) 
dokum.  z.  gesch.  d.  bürgm.  H.  Waldmann  2,  226  Qazwardi; 
(wer  sein  lehngut  aufgeben  will,  soll  das  angebaute  gelreide 
mähen  und  ausdreschen)  und  dann  ui  dem  gut  lassen  stro, 
güsel  und  anders  weist.  5,  115  Grimm;  bildlich:  der  geist 
gottes  . . .  verwejet  . . .  alls  gstüpp  und  güsel  der  glychs- 
nery  Zwingli  dt.  Schriften  1,  193;  (dasz  er)  der  Sophisten 
güsel  nit  recht  erlesen  hat  ders.  üb.  M.  Lutera  buch,  be- 
kentnusz  genant  (1528)  82'';  anders: 

Ich  wird  der  weit  ein  schowspil  werden, 
veracht  wie  a  gusel  uff  der  erden 

JOH.  Aal  tragödia  Johannis  Q  1. 

von  gesteinsschutt :  er  wirdt  alle  altarsteyn  machen  wie 
güsel  zerschlagnen  (l.  zerschlagner)  steynen  sicut  lapides 
cineris  allisos(Jes.  27,  9)  zürch.  bibel  (1531)  2,  84a;  die  kol- 
hüfen  und  güsel  von  dem  zerfallnen  und  verbrunnenen 
kloster  ab  der  hofstatt  ze  rumen  geschichtsfreund  3,  181. 
von  rückständigen  bruchteilen  in  der  mölke:  gysel  M artin Y 
wb.  d.  milchwirtsch.  (1907)  49  a.  d.  kanton  Glarus;  s.  gisel 
Staub-Tobler  2,  468.  in  der  bed.  'kehricht'  vielfach  in 
compositis  lebendig,  z.  b.  güsel besen  ebda  4,  1669;  güsel- 
chübel  3,  113;  güselfuhre  1,  972.  die  reichere  dialeclische 
bedeutungsentwicklung  s.  ebda  2,  473;  476. 

GUSELICHT,  adj.,  wie  einfaches  gusel,  adj.:  ich  höre 
wol,  welcher  nicht  gern  tanzt,  nicht  frech,  prachtig  und 
unzüchtig  gebaret,  nit  wüst  und  guselecht  ist  .  .  .  der  ist 
ein  mönich,  tolpe,  sawerseher  M.  Ambach  v.tantzen  (1545) 
j  2". 

GUSELN,  vb.,  s.  gusel,  m. 

GÜSSE,/,  u.  n.,  die  Überschwemmung,  nur  hochdeutsch 
belegtes  wort.  ahd.  cusse  cataclismum,  diluvium  ahd.  gl. 
1,  81,  34;  cussa  inundatio  1,  282,  39;  cussi  adluvionem  1, 
511,  40;  gusu  flumina  Tatian  43,  1;  vgl.  urguse  affluentia, 
superabundantia  Notker  l,  91,  20;  484,  7.  voie  das  neben- 
einander von  einfachem  und  doppeltem  Spiranten  lehrt, 
das  auch  in  mhd.  güse  Hugo  v.  Trimberq  renner  2518; 
Zürcher  bibel  (1531)  psalm  32  und  in  nhd.  gusi,  güsi 
Staub-Tobler  2,  477;  478  unederkehrt  und  sich  aus 
einem  ursprünglichen  paradigma  *gusi,  *gusjes  erklärt,  ge- 
hört güsse  als  -ja-  und  -iö-stamm  zu  *geus  in  an.  giosa  'her- 
vorströmen' und  nicht  mit  dentalsuffix  zu  der  wurzdvariante 
*geut  in  gieszen,  vgl.  Walde- Pokorny  1,  564  gegen  FiCK 
3*,  136  und  Schatz  ahd.  gr.  §  201.  doppelbildung  von  -ja- 
und  -]ö-stämmen  ist  nicht  selten,  vgl.  die  parallelen  bei 
Schatz  ahd.  gr.  §  375.  —  formen  ohne  Umlautsbezeichnung 
mit  vorhandenem  wie  apokopiertem  -e  sind  häufig  (durch 
einflusz  von  gusz?).  das  ahd.  endungs-i  ist  in  den  aleman- 
nischen formell  gusi,  güsi  bis  heute  vertreten,  s.  Fischer 
Schwab.  3,  937;  J.  V.  Watt  2, 147;  Staub-Tobler  2,  477; 
478.  die  zu  gisz  entrundeten  formen  können  durch  ahd. 
giozo  torrens,  mhd.  giesze  beeinfluszt  sein,  z.  t.  sind  sie  mit 
diesen  identisch,  s.  Fischer  3,  938;  österr.  weisth.  2,  251 
(16.  jA.);  TscHiNKEL  Qottschee  310.  das  neutrum  ist  nur 
selten  bezeugt,  im  schwäbischen  gehört  es  namentlich  dem 
norden  an,  s.  Fischer  a.  a.  o.;  auch  ahd.  ist  das  neu- 
trum nördlich,  das  fem.  südlich,  schw.  pl.  findet  sich 
zweimal:  Fischer  3,  937  (1424);  österr.  weisth.  2,  251  (16. 
Jh.).  in  der  Schweiz  begegne  der  pl.  güsine,  5.  Staub- 
Tobler  2,  478. 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  güsse  bezeichnet  das  ergieszen,  die  Überschwemmung, 
schon  seit  ältester  zeit  belegt,  s.  die  ahd.  belege  oben,  seit 
jeher  der  vorherrschende  gebrauch,  vgl.  die  belege  bei  Staub- 
Tobler  2, 478;  Fischer  schwäb.  3,  937;  Jelinek  mhd.  wb. 
337:  inti  nidarsteio  regan  inti  quamun  gusu  (venerunt 
fiumina)  Tatian  43,  1;  2;  der  abganch  ist,  das  die  gusse 


1199 


GÜSSE 


&ÜSSE 


1200 


wol  das  dritail  paws  verderbet  hat  daz  noch  nieman 
pawen  m&ch  fontes  rer.  Austr.  (1310)  36,  ih^Zahn;  biz  du 
üf  gesihst,  so  hat  daz  güsse  daz  hüs  undergraben  Berth. 
V.  Regensburg  l,  45  Pf.;  wan  swer  ein  hüs  üf  eine  boese 
gruntvesten  büwet,  daz  nimt  schiere  ein  ende,  ob  ez  ein 
groz  wint  bestet  oder  ein  regen,  ein  güsse  l,  44; 

daz  geschach  von  der  gusse 
diu  kom  mit  solhen  fluzzen 
daz  diu  wazzer  sich  enlcuzzen 
und  daz  darüber  nieman  molite 

Ottokar  österr.  reimchron.  9071; 
ey  wie  sälig  er  da  was, 
der  vor  der  gusse  genaszl 

Heinrich  v.  Neustadt  Apollonius  9158; 

wann  der  Neker  usget  oder  gussen  hat  (1424)  Fischer 
Schwab.  3,937;  item  desselben  sumers  was  gar  grosser 
schaur,  das  erschlug  das  trait  gar  vast  und  warff  heusser 
und  städel  darnider  und  ward  grosz  guisz,  das  sy  den 
leuten  an  hew,  an  füter  grosz  schaden  tet  und  dörfer  hin- 
fürt (1447)  städtechron.  4,  114;  besonders  häufig  in  chroni- 
kalischen berichten  als  grosz  güsz,  vgl.  städtechron.  l,  75; 
349;  2,  352;  3,  287;  15,  149  u.  ö.;  auch  was  das  gusz 
oder  wasser  (alluvio  in  latein)  deinem  acker  zugeit,  ist 
dein  clagantwurt  (1497)  62''; 

nun  war  das  geschrey  im  dorflfe  sein, 
die  güss  im  winter  hett  voran 
der    Ysser-brucken  schaden  than 

Hans   Sachs  17,  285  lü.  ver.; 

item,  auch  sol  niemant  kain  holz  slahen  vor  den  güetern, 
da  die  guss  mocht  angeen  und  das  gross  wasser  österr. 
weisth.h,h2b  {l&.jh.);  es  solt  auch  kainer  den  grossen 
gatter  aufthon,  dieweil  die  gisz  get,  es  ist  verboten  bei 
fünf  pfund  perner  österr.  weisth.  2,  251  (16.  jh.);  so  wirdt 
jn  die  güse  der  grossen  wassern  nit  berüren  Zürcher  bibel 
(1531)  2,  13,  ps.  32  (diluvio  aquarum  multarum,  Luther: 
grosse  Wasserflut);  .  .  .  der  mülibach  so  erschreckenlich 
grosz  ward,  dasz  man  nacht  lüt  uf  die  blaiche  schikt,  die 
linwat  ufzeheben,  damit  si  vor  der  güszi  errett  wurde 
J.V.Watt  2,  177  O.;  darnach  im  somer  ward  der  Rin 
so  grosz,  dasz  er  zu  Straszburg  an  der  stainstrasz  ainen 
hochen  turn  underfrasz  und  umstiesz  und  allenthalb  vil 
Schadens  tet  mit  güsinen  2,  288;  da  lieff  der  flusz  Tanarus 
ausz  und  thet  der  statt  grosze  hilff,  da  warde  jn  profandt 
und  hilff  in  der  gusz  auflt  dem  fiusz  Tanaro  und  Pado 
von  den  ej'dtgenossen  und  bundsverwandten  zuge- 
schickt .  .  .  nach  der  verlauffenen  gusz  brachen  die 
unsern  bey  nacht  ...  in  die  statt  See.  Franck  chron. 
Germ.  (1538)  164^;  auch  die  güsz  allenthalb  vil  dörffer 
hinrisz  ebda  56; 

bach,  brunn  und  flusz,  ja  grosze  gusz 
der  armen  wein  wrdt  machen 
für  gott  dem  lierrn,  das  die  feynd  wem 
desselben  gar  nicht  lachen 

FOKSTER  irische  teutsche  liedlein  177  ndr.; 

.  .  .  das  dy  wasser  mechtig  in  augusto  grosz,  auch  im 
September  grosz  gusz  het.  es  luff  seer  ausz,  thet  grossen 
schaden  städtechron.  15,  154  (um  1547);  der  Neckher  vil 
prucken,  sche%vren  und  heuser  weggefürt  JoH.  Hekolt 
chronika  149  Kolb;  doch  das  si  die  jung  prüt  wider  in  das 
wasser,  daran  sz  sie  durch  die  güsz  getragen  seind,  werfen 
bair.  landtsordnung  (1553)  152!^  {gegen  das  auswerfen  von 
gruben,  in  denen  nach  der  Überschwemmung  fische  zurück- 
bleiben) ;  wie  die  Cimbri  aus  ursach  der  güsse  des  meeres 
verlassen  haben  die  lander,  in  welchen  der  Rein  in  das 
meer  auszgeet  Lacius  khunigreich  Hungern  (1556)  b  Q^; 

das  erdterich  vor  jaren  alt, 
war  gantz  allda,  hett  keinen  spalt, 
hernacher  es  die  wasserflüsz 
zertheylten,  und  die  grosse  güsz 

Spreng  Äneis  (1610)  53"; 

in  den  beiden  letzten  fällen  von  der  meeresüberschwemmung. 
von  der  flusz  Enypei  wegen,  der  alle  gelegenheit  herumb 
mit  seim  gusz  unwegsam  gemacht  hette  L.  Tatius  in 
Fronspergee  Icriegsbuch  3  (1573)  247'''; 

weil  noch  das  bächl  seicht  her  rindt, 

da  solt  man  wem  und  retten, 

wen  kombt  ein  güsz,  so  reist  es  geschwindt 

das  landt  ein  und  die  gstätten 

Theob.  Hock  schönes  blumenjeld  82  ndr.; 


darüber  sich  am  18.  juny  ein  grosse  mechtige  gusse  an 
dem  wasser,  die  Liser  genannt,  erhoben  H.  Megiser  an- 
VMles  Carinthiae  (1612)  1479;  item  fürbau  und  verwörung 
der  gewässer  und  gissen  österr.  iveisth.  5,  iSO  (17,  jh.); 
item  wenn  ain  güsz  der  wäszer  ist,  was  dann  die  Mhuer 
von  schufen,  flesden,  holz  alt  oder  neu  bringet  österr. 
weisth.  6,  326  (17.  Jh.);  die  weil  sich  auch  oft  begibt,  dasz 
die  steurer  und  schärler  mit  den  leeren  schiffen  am  ent- 
gegenfahren durch  güszl  oder  wasserpläen  .  .  .  verhindert 
werden  (1616)  Lori  bair.  bergrecht  501'^:  das  ist  die  gross 
güsi  g'sin  van  dere"  d'historenen  erzellen  tuend  Staub- 
ToBLER  2,  477;  vereinzelt  von  der  sündflut  als  der  gröszten, 
bekanntesten  Überschwemmung : 

dö  wert  diu  güss  und  der  regen, 
unz  in  got  sant  sinen  segen, 
vierzic  tag  und  vierzic  naht 

Jansen  Bnikel  weltchron.  2583; 

di\  {auf  den  bäum)  het  diu  güss  üf  getragen, 

daz  mac  ich  wol  für  war  sagen, 

ein  äs,  des  was  der  rab  frO  2637; 

üz  der  arehen  wilcnt  liez 
einen  raben  her  Noe,  den  er  hiez 
den  gevangen  bringen  liebe  mßre, 
ob  daz  güse  verflozzen  were 

Hugo  v.  Trimbeeg  renner  2518; 

OMCA  von  der  künstlich  herbeigeführten  Überschwemmung: 

.  .  .  die  tam,  die  da  sint  geslagen 
für  daz  wazzer  datz  Valbach, 
b!  der  naht  er  diso  üf  brach 
unde  macht  ein  gusse  gröz, 
wand  daz  wazzer  mit  kreften  flöz, 
da  des  kunics  her  lac 

Ottokak  österr.  reimchron.  11308; 

schweres  hochwasser  heiszt  wuetgüss:  item,  wenn  ain  wuet- 
güss  oder  ain  gros  wasser  auskümbt  ...  so  hat  kain 
vischer  recht  das  guet  aufzuvahen  österr.  weisth.  (1450)  7, 
926;  vgl.  guetgüss  ebda  7,  785;  7,  787.  eine  Überschwem- 
mung durch  vereisu7ig  eisgüss:  item  in  wuetgüssen,  in  eis- 
güssen  und  in  grossen  sturmwinten  sol  man  nicht  mer 
geben  an  das  lant  wen  den  dritten  phenning  österr.  weislii. 
(1450)  7,  928;  in  der  bedeutung  'Überschwemmung''  auf 
tränen  übertragen: 

sin  kumber  leider  was  ze  gröz, 
ein  güsse  im  von  den  ougen  vlöz 

WOLFRAM  V.  Eschenbach  Parzival^^,  0; 


daz  gap  zahers  gusse 

ir  friunde  ougen  unde  herzen 

Ottokar  österr.  reimchion. 


)51; 


von  hier  aus  bei  den  dichtem  des  14. /15.  jhs.  in  wrßchreiben- 
den  (blümelnden)  gen.  auf  alle  arten  von  cori^reten  und 
abstracten  subst.  bezogen: 

überhebet  mich  verderbnusse 
in  diser  urliuges  gusse 

Ottokar  österr.  r^mchron.  35341; 


ze  keren  in  den  val 
der  verdampnusse 
und  der  helle  gusse 


52138; 


wirf  in  mit  zornes  güsze 
in  die  uzzern  vinsternisse 

Heinr.  v.  Neustadt  gottes  zukunft  7250; 

lieht  ane  vinsternisse, 

freude  ane  truren  gusse 

friede,  Sicherheit  ist  d?  gantz  7765  var.; 

das  rein  formale  prinzip  solcher  fildungen  kennzeichnet 

folgende  Steigerung:  / 

er  wcere  äne  wider/rit 
von  kummers  übe^asse 
verdorben  in  der/ancnusse 

OTyKAR  österr.  reimchron.  39708. 

2)  güsse  meint  die  wogen,  grk^e,  wassermassen  in  starker 

bewegung:  / 

daz  sich  von /eni  wäcgedrenge 
diu  güsse  befinde  werren, 
blödern  und/kerren 
als  ein  win/sprüt  üf  dem  mere 

weinschwelg  139  Schröder; 

hat  bein  M^  arme  ragen 

als  in  di/ Busse  dar  habe  getragen 

Konrad  v.  Haslau  jüngling  560; 

vgl.:  (im  satlel  sitzenM^  ob  in  dar  die  güsz  hab  gefürt 
ScHMELLER  1,  951  (ofi  ^gm.  379);  wann  da  zu  ihrem  tode 


1201 


GUSSE 


GÜSSE  — GÜSSIG 


1202 


die  guise  von  grosse  der  wind  al  so  hoch  wurden  und  der 
steurnagel  des  Schiffs  verloren  was  .  .  .  und  das  schiff 
ward  von  uibrigen  guisen  gar  zerprochen  dialogi  Oregorii 
(1476)  89;  darumb  aber,  dasz  der  geist  des  lebens  inmitten 
des  menschen  ligt,  so  ertrinckt  er,  gleich  wie  ein  mann, 
den  das  gusz  ubereylet  und  nit  ab  Stadt  fliehen  kan  Paba- 
CELSüS  opera  (1616)  1,  516  Huser. 

3)  regengusz;  güsse  platzregen  Fischer  schwäb.  3,  Ö38; 
jedoch:  gisse  Sprühregen  Tschinkel  Gottschee  310: 

güsse  schadet  dem  brunnen 

Spervogel  minnes.  frühl.  30,  34 ; 

ich  hab  eins  regens  und  nicht  einer  güsz  begehrt,  sie  ist 
von  einem  engel  zu  einem  groszen  teufel  worden  Bebel 
facetiae  (1589)  58*';  wie  ein  gemacher  regen  mit  kleinen 
tropffen  die  erde  viel  besser  und  fruchtbarer  besprenget, 
als  wann  eine  gähe  güsse  oder  wolckenbruch  herabfället 
Hohberg  georg.  cur.  1  (1682)  52*>; 

gleich  wann  in  einer  güsz  unt  wann  die  wolclien  regnen 
zwen  wasserlauf  in  grund  einander  sich  begegnen 

HOHBERO  habsb.  Ottobert  (1664)  N  5"; 

het  mir  zu  freuden  auszgesät, 
ein  ander  hat  mirs  abgeniät, 
das  macht  das  weiter  unstät, 
ein  lileiner  wind  der  mirs  hin  wät; 
do  kam  ein  groszes  güsse 
und  fürt  mir  alles  dahin, 
schafft  dasz  ich  so  traurig  bin 

L.  Uhland  }toch-  M.  niederd.  Volkslieder  128; 

in  umschreibendem  genitiv: 

grözer  sorgen  gusse 

ir  herze  begöz       Ottokar  österr.  retmchron.  6594. 

4)  flieszetides  tvasser,  ßusz,  back,  slurzbach;  gusse  torrens 
voc.  ieutonicus  (1482)  Diefenbach  gloss.  589**: 

mtnes  Sinnes  Icraft  vert  oben  hin 
als  über  ein  güse  ein  dürrez  ris 

Hugo  v.  Trimberg  renner  13948; 

die  zeher  gelichent  sich  der  güsse  diu  vaste  ze  tal  loufet 
und  die  steine  mit  ir  füert  deutsche  pred.  d.  13.  u.  14.  jhs. 
16  Leyser;  das  schöne  frische  wasser,  bronnen  und  weyer- 
werck  auff  Melantz,  und  der  klein  gussen  under  dem 
gschloss  Tratzberg  Guarinoniüs  greivel  d.  Verwüstung 
(1610)  418;  ist  für  thunlich  angesehen  worden,  die  roboten 
in  disem  markt  Sillian  in  drei  thail  abzutheilen,  darunter 
die  giss,  worunter  das  cruzifix  stehet,  und  das  pächl  bei 
der  Scharlingerschen  wirtstafern,  die  abtheilungsmarch 
sein  sollen  österr.  weisth.  5,  580  (17.  jh.);  über  die  güsz 
Cedron,  id  est  ein  wasser,  das  het  etwen  wasser  und  et- 
wen  nit,  und  darumb  hiesz  es  ain  güsz  Schmeller  l,  951 ; 
sie  stosseten  das  kind  in  eine  güsse  oder  ausfluss  des  Jnns 
bei  Schöpf  tirol.  id.  225  {beleg  v.  1738);  güsi  brausender 
wasserstrom  Staub-Tobler  2,  477.    bildlich: 

man  sach  die  güsse  (blutströme)  enouwe  gän 
sam  von  regen  tuet  ein  bach 

Dietrichs  flucht  9278; 

vnnd  von  der  güsz  alles  woUustes  werdenn  sy  getrenckt 
(nach  psalm  35,  9  torrenfe  voluptatis  tuae)  Kaisersberg 
granatapfel  g  7^. 

5)  compositionsbildungen:  güszbett  gemauerte 
stelle,  über  die  sich  das  wasser  des  angeschwollenen  teiches 
ergieszt:  ist  überkomen  mit  .  .  .  (den)  Steinmetzen  des 
güszbetts  halb  am  see  zu  Liebenzelle,  als  das  yetzt  schad- 
haftig  ist  herf unden  worden,  dasselb  widerumb  zu  bessern 
(1485)  Mone  anzeiger  6,253;  gemauertes  bett  für  ausgetretene 
wasser,  für  das  wasser  des  mühlbaches:  mer  soll  der  Stadt 
paumeister  machen  lassen  und  in  wesen  halten  das  güs- 
pett,  das  do  ist  unterhalb  des  wers  zwischen  dem  newen 
fleischhaus  und  der  müU,  die  im  wasser  steet  doselbst, 
also  wenn  güsz  sein  und  das  wasser  uberfelt,  das  es  dann 
nit  als  sere  spüU,  als  es  sust  thet  Tucher  baumeisterbuch 
201  lit.  ver.,  vgl.  167;  180;  217  u.  s.  w.;  die  suw  füret  in 
zuo  ainem  güssbett,  durch  das  das  waszer  uff  die  mulin 
louffet  Steinhöwel  Äsop  216  lit.  ver.; 

und  führt  den  wolflf  nahent  darbey 
zum  wasser,  das  auff  ein  güspet, 
auff  ein  mül  schnell  zulaufen  thet 

H.  Sachs  17,  461  lü.  ver.; 

IV.  I.  G. 


allg.  haushält. -lex.  (1749)  1,  1640;  -feier  das  stilliegen  der 
schifleute  wegen  güssen  LoRi  bair.  bergrecht  (1764)  641*» 
(glossar):  vergleich  des  churbaierischen  salzfertiger s  und 
der  schiffleute  wegen  der  güszfeier  (1685)  ebda  510;  -f eyr- 
geld:  nachdeme  gedacht  churbaierischer  salzfertiger  und 
gegenschreiber  mit  denen  samentlichen  schifleuten  zu 
Lauffen  wegen  45  fl.  45  kr.  güszfeyrgelds  und  anders 
halber  einen  rechtstritt  angefangen  (1685)  Lori  bair. 
bergrecht  516!*;  -fischlein  von  fischen,  diedas  güsse  herbei- 
geführt hat  Fischer  schwäb.  3,  QiS;  -geld:  güszgeld  warl- 
geld,  so  den  schifleute  n  wegen  den  güszfeyren  bezahlt  urird  Lori 
641^  (glossar):  und  wann  unterwegen  ohne  ihr  schuld  ein 
schif  zerbrochen  wurde,  solle  dasselb  auf  des  fertigers 
kosten  gemacht  und  alsdann  durch  sie  gegen  bezahlung 
des  hernach  benannten  güszgelts  herein  gebracht  werden 
(1581)  ebda  323;  wenn  das  beschicht,  als  dann  zahlt  ihnen 
der  salzfertiger  das  güszgeld  nach  gelegenheit  des  orts, 
da  sie  die  güsz  angetroffen  (1616)  501*^;  -holz  durch  wasser 
herbeigeschlepptes  holz:  in  allen  bantaidingen  soll  man 
guete  Ordnungen  machen  wegen  des  güssholz,  damit  das- 
selbe keiner  einfüre  österr.  weisth.  6,  213;  -wasser:  gusz- 
wasser  lorrensDiETEVUACü gloss.  589'';  de  inundatione  von 
guszwassern,  wie  man  in  guszwassern  fischen  möge 
Besold  thes.  pract.  (1697)  2,  65*';  guszwasser  inundatio 
Stieler  2444 :  wenn  du  die  walvisch  mit  enander  ssehest 
gen,  du  waentest  verrlingen,  daz  ain  groz  güzzwasser  da 
fluzz  und  gar  snell  flüzz  Konr.  v.  Megenbebg  buch  d. 
natur  247;  fliessent  vil  wasser  in  das  mer  und  vil  flüss, 
ouch  güsswasser  Steinhöwel  Asop  58  lit.  ver.;  als  üwer 
iedem  wol  wiszend  ist,  daz  vil  flieszende  waszer,  ...  vil 
güsz  waszer  in  das  mer  fallend  59;  als  sie  an  den  fluss  E. 
kamen,  funden  sie  in  von  güswasser  so  gross  gewachsen, 
das  nit  lycht  darüber  zekomen  was  Steinhöwel  de  daris 
muiieribus  88  lit.  ver.; 

das  sey  zu  vergleichen  alwegen 
eim  guszwasser  von  eim  platzregen, 
das  von  eim  berg  ablaufl  zu  thal 

Haxs  Sachs  7,  367  lit.  ver.; 

kein  schnee,  der  doch  mochte  solches  guswasser  gebracht 
haben  Dreytwein  essling.  chrcm.  146;  darauff  ein  güss- 
wasser komen  ist  geschichtsbücher  d.  iviedertäuf er  (1746)  573. 

^GÜSSEL,  n.,  'heiszt  an  einem  gegossenen  gefäsze  das- 
jenige stück,  welches  den  räum  der  Öffnung  der  form  ein- 
nimmt und  von  dem  gefäsze,  welches  gegossen  worden,  ab- 
gebrannt wird'  Jacobsson  techn.  wb.  (1793)  5,  766a. 

^GÜSSEL,  n.,  deminutivum  zu  güsse:  dieweil  sich  oft 
begibt,  dasz  die  steurer  und  schärler  mit  den  leeren 
schiffen  am  entgegenfahren  durch  güszl  oder  wasserpläen 
verhindert  werden  und  still  liegen  müssen  (1581)  Lori 
bair.  bergrecht  333. 

GÜSSELN,  vb.,  frequentativum  zu  giessen,  schnell  und 
dicht  rinnen  oder  flieszen,  s.  Schmelleb-Fbommann  1,951; 
Bacher  Lusern  (1905)  264: 

do  giengs  den  andern  an  daz  leben, 
den  daz  wasser  in  den  Schlund 
güsselt  in  des  baches  grund 

Heinrich  Wittenweiler  fing  248  Wieszner. 

GÜSSEN,  vb.,  überschwemmen,  denom.  von  güsse:  wo  es 
gisset  oder  das  wasser  hoch  Schmeller-Fbommann  1,  951, 
vgl.  ahd.  uparcussoen  affluant  Murb.  hymn.  8,  9. 

GÜSSIG,  adj.,  'vom  regen  angeschwollen,  flutend': 
wen  die  wasser  trüb  und  gissig  sind  mhd.  wb.  1,  543  j 
wenn  es  (das  wasser)  güssig  was  (cum  inundasset)  J.  Hart- 
lieb dialogus  miraculorum  des  Cäs.  v.  Heisterbach  29,  37 
Drescher;  in  disem  drissigsten  jar  ward  der  Tiber  zu  Rom 
so  merklich  grosz  und  güszig,  dasz  er  vil  hüser  under- 
frasz  und  umfallt  J.  v.  Watt  l,  291.  häufiger  bezeugt  als 
'liquidus':  zerflossen  und  das  rünnt  wie  wasser,  güssig 
Joh.  Fbisius  dict.  774^;  liqitor  saft,  fruchte,  güssig  ding 
774*^;  liquidus,  liquido,  flüszig,  güszig  F.Verantius  dict. 
(1595)  g  4**;  etliche  andere  waschen  die  unsauberkeit  (des 
goldes)  nicht  mit  warmem  wasser  ausz,  sonder  mit 
scharpffer  laugen  unnd  essig,  dann  solche  güssige  ding 
schütten  sie  in  ein  töpff,  und  in  denselbigen  werffen  sie 

76 


1203 


GUST 


GUST 


1204 


auch  das  gekretze  Ph.  Bech  Agricolaa  bergwerckbuch 
(1621)  190;  nit  salb,  das  sich  streichen  lasst,  sondern  das 
güssig  und  flüssig  ist  Stäub-Tobleb  2, 478  {beleg  v.  1650); 

auf  meiner  metall  form  und  gestalt 
warm,  feucht,  trucken  und,  auch  kalt, 
abr  nicht  gediegen,  sonder  güszig, 
im  feur  und  an  der  kälte  sprüszig 

A.  Hauptmann  bergbedenken  (1658)  68; 

allhier  entgegnet  uns  abermahls  zuerst  die  eussere,  durch- 
scheinige und  flüssige  oder  güssige  substantz  des  wassers 
A.  V.  Fbanckenbeko  gemma  magica  (1684)  34.  als 
'strömend\-  und  alzuhant  floz  gussiges  blut  aus  demselben 
bilde  J.  V.  Neumabkt  Hieronymua  180 ;  das  plut  güsset 
von  im  flos  Schmeller-Fkommann  l,  951 ; 

die  priinn  und  Wasserkunst  anstatt  sie  güssig  sein 
mit  Achelous  quell,  hier  milch  und  edler  wein 
aus  quellen  brennen  lauft 

V.  HOHBERG  der  habsburgische  Ottobert  (1664)  Ili  7"; 

in  der  medizin:  in  dem  alter,  do  ist  .  .  .  langwierig  ge- 
bresten  der  oren,  äugen  und  der  naslöcher,  sonderlich  ein 
durchflüssiger  bauch  und  was  daraus  erfolgt,  als  do  ist, 
die  rot  rur  oder  Schlüpfrigkeit  des  gedärms  und  die  an- 
dern gefährlichkeit  eines  güssigen  bauchs  {ceteraque  ventris 
fuai  mala)  J.  Khüfener  acht  buchet  d.  Aur.  Corn.  Celsi 
(1531)  8^. 

GUST,  m.,  geschmack.  im  16.  jh.  aus  dem  ital.  gusto  (lat. 
gustus)  entlehnt,  neben  häufigerem  gusto  begegnen  die  selte- 
neren nebenformen  gustus,  gustum,  gustes,  guster,  gustem, 
gusti,  gusdius  «.  s.  w. 

am  ältesten  und  bis  ans  ende  des  17.  jhs.  allein  herrschend 
gust,  seit  der  ersten  hälfte  des  16.  jhs.  in  der  Schweiz  belegt, 
bis  heute  rein  süddeutsch  {nicht  über  den  Main  gedrungen), 
im  18.  jh.  wesentlich  durch  gusto  verdrängt,  vor  allem  in  der 
schriftspr.,  in  der  das  letztere  durchaus  geläufig  wird  {vgl. 
H.  Schulz  deutsches  fremdwb.  1,  259).  im  19.  jh.  sinkt 
gusto  wieder  zur  rein  dialektischen  geltung  herab  und  herrscht 
vorwiegend  in  den  Österreich,  und  süddeutschen  maa.,  wird 
aber  auch  am  Rhein  entlang  bis  zum  Niederrhein  gebraucht, 
vereinzelt  sogar  in  Schleswig-Holstein,  s.  Mensinq  2,  511, 
obgleich  hier  gout  vorherrscht  {vgl.  Schulz  1,  250). 

die  anderen  formen  treten  nur  sehr  selten  auf  und  sind 
teilweise  spontane  literar.  bildungen  wie  gustus  (Fontane 
ges.  werke  I  2,  54),  gustum  (Ludwig  ges.  sehr.  2,  129), 
gusti  ( J.  GoTTHELE  ges.  sehr.  7,  6),  teilweise  local  eng  be- 
grenzte mundartliche  bildungen  wie  gusdius  Chbista  Trier, 
ma.  103,  gustes  Honig  Kölner  ma.  70;  Müller  rhein. 
wb.  2,  1507,  gustem  Spiesz  henncberg.  id.  86,  guster 
LoRiTZA  Wiener  id.  57;  Unger-Khull  stoV.  315. 

bedeutung  und  gebrauch. 

1)  objectiv,  und  zwar  als  geschmackssinn:  dass  aber  etliche 
von  jhnen  aussgeben,  wie  einen  überaus  scharpffen  gust 
oder  geschmack  sie  {die  mause)  haben  sollen,  nimpt  mich 
wunder  I.  Heyden  Plinius  (1565)  187;  so  viel  aber  die 
sinn  belanget,  wird  der  gust  oder  geschmack  mehr  von 
den  nässen  oder  scharpfen,  denn  von  den  bitteren  ver- 
letzet H.  Frölich  Offenbarung  der  natur  (1591)  81.  als 
sachliche  eigenschaft:  {der  wein  um  Zürich)  b'halt  doch  {im 
alter)  sein  gust  und  härbe  (1600)  bei  Staub-Tobleb  2,  492; 
eines  guten  geruchs,  geschmacks,  tons  und  gusts  (1608) 
ebda  2,  492 ;  dass  nicht  diese  speisen  zusammen  ganz  einen 
unguten  geruch  und  gust  von  sich  geben  (1702)  ebda 
2,  492. 

2)  bis  heute  vorwiegend  angewendet  für  die  subjective 
emp findung,  so  als  neigung  zu  einer  person:  würde  man 
die  ausgeschlossen  hassen,  so  möchten  die  obern  anneh- 
men, dass  man  wenig  gust  zu  ihnen  trage  (1534)  Staub- 
Tobleb  2,  492;  als  'verlangen  nach  eiwas" :  was  nun  die 
arbeit  betrifft,  so  musz  ich  gestehen,  dasz  ich  .  .  .  noch 
keinen  ganz  auszerordentlichen  gusto  dazu  habe  Görres 
ges.  briefe  1,  367;  nach  gusto  nach  freiem  belieben,  er- 
messen: nach  schwerer  reisbemühung  . . .  recht  nach  gusto 
auszurasten  J.  V.  Neiner  tändlmarckt  (1734)  275;  wenns 
einmal  gedient  sein  soll,  will  ich  nach  gusto  dienen  Göthe 
11,  409  W.;  anders:  wenn  mer  nooch  vermöga  heiroothet 


und  net  nooch  gusto  Fischer  3,  939;  von  der  inneren 
fr  ende:  in  solchen  Schwellungen  der  grazie  hat  er  sich  in 
einer  noch  vorhandenen  kalligraphischen  musterhand- 
schrLft  der  öden  des  Anacreon  mit  besonderem  gusto  er- 
gangen Justi  Winckelmann  l,  44;  ähnlich  als  'Wohlge- 
fallen': wir  sahen  mit  grösstem  gust  die  färben  eines 
regenbogens  G.  König  Wiener  reise  (1715)  bei  Staub- 
Tobler  2,  492;  und  {ich)  bis  dato  viel  gusto  daran  ge- 
funden habe  Fb.  L.  Schröder  dram.  werke  (1831)  3,  144. 
die  formelhafte  Verbindung  iust  und  gust  findet  sich  häufiger 
in  religiös-moralischen  Schriften:  einige,  so  auch  den 
kirchenbann  verachten,  jhren  gust  unnd  Iust  nur  an  den 
schmutzigen  häfen  und  stinckendem  knoblach  irdischer 
gelüsten  suchen  und  wayden  Dalhoveb  gartenheetlein 
(1689)  2,  6368';  1,  166»;  mancher  menschen  all  ihr  Iust  und 
gust  .  .  .  bestehet  in  fressen  und  saufen  Neiner  tändl- 
marckt (1734)  162;  häufig  bei  Abb.  a  s.  Clara:  deswegen 
mit  groszem  Iust  und  gust,  mit  unbeweglicher  Verständig- 
keit, mit  höchsten  begierden  wollte  er  {St.  Georg)  leiden 
und  litt  wirklich  werke  1,  164  Strigl;  er  naschte  mit 
groszem  Iust  und  gust  das  süsze  weltgift  ebda  2,  373;  {der 
Schmeichler)  der  seinem  herren  zuträgt,  .  .  .  verteufflets 
. . .  nach  seines  herren  neigen,  Iust  und  gust.  o  schelm ! 
etwas  für  alle  2  (1711)  395;  mehr  objectiv  von  den  freuden 
der  weit:  grillen  und  pf rillen  seynd  alle  Iust  und  gust  der 
weit  gegen  dem,  was  Paulus  schon  gekost  mercks  Wien 
(1680)  32;  und  da  andere  weltbürstel  gleichwol  nach  ver- 
kosten Iust  und  gust  zur  höUe  schlipf  ern,  müst  ihr  (geizige) 
aller  hitz  und  schwitz  über  tragen  ebda  72. 

3)  individueller  geschmack,  in  den  frühen  belegen  auch 
die  fähigkeit  zur  ästhetischen  wertung:  es  musz  wohl  ein 
verdorbener  gusto  seyn,  der  sich  in  solche  waar  würde 
verlieben  Cällenbach  eclipses  (1714)  37;  sintemalen  sie 
ein  jedem  leser,  der  für  ein  heller  gusto  habn  thuet,  besser 
gefallen  werdn  Schwabe  tintenfäszl  (1745)  31;  so  lange 
mein  Ingenium  practicum  noch  wenig  gelegenheit  hatte, 
sich  zu  developpieren :  so  war  mein  gusto  noch  schlechter 
als  jetzt  ZiNZENDORF  neQi  tavxov  (1746)  9;  nun  ich  werde 
ihren  gusto  schon  treffen  Gottl.  Stephanie  d.  jung. 
sämtl.  lustspiele  (1771)  146; 

ein  wunderlicher  gusto 
für  eine  dam,  in  solchem  kriegsgetümmel 
bey  nacht  und  nebel  hin  und  her  zu  reisen 

KOTZEBüE  sämtl.  dram.  werke  16,  81 ; 

wer  wird  denn  so  einen  gemeinen  gusto  haben!  F.  Rai- 
mund werke  1,  31  Qlossy  u.  Sauer;  s  hat  halt  jeder 
seinen  gusto  P.  Rosegoeb  schriflen  (1895)  II  1,  130;  in 
einem  engeren  sinne:  man  musz  auch  wegen  des  unter- 
schiedenen gousto  der  leute  bey  einer  gasterey  die  spei- 
sen in  einer  kleinen  anzahl  aufsetzen  PvOHB  Zeremoniell- 
wissenschaft (1728)  1,  434;  der  koch  wunderte  sich  sehr 
über  den  gusto  der  baronesse,  v/idersprach  aber  nicht, 
sondern  machte  eine  gute  portion  Schnecken  Ph.  Hafneb 
gesammelte  lustspiele  (1812)  1,  5;  nach  .  . .  gusto:  es  ist 
nicht  nach  meinem  gusto  displicet  mihi,  minus  arridet 
Apinus  gloss.  nov.  (1728)  260;  das  wäre  nach  meinem  gusto, 
es  stehet  auch  besser  Cällenbach  wurmatia  (1714)  67; 

man  wählt  sich  die  kleider, 
nach  gusto  den  Schneider 

GÖTHE    4,  155  W.; 

Künstler?  eyl  den  lass  geschwind  herein, 

gib  acht,  das  wird  ein  mann  nach  meinem  gusto  seyn 

KOTZEBUE  sämtl.  dram.  w.  (1828)  33,  238 ; 

wenn  ich  eine  tichterlesfrau  {frau  für  meinen  enkel)  nach 
meinem  gustum  finden  müszt  Ludwig  ges.  sehr.  (1891)  2, 
129;  auch  in  der  form:  dies  Franzosenvolk  ist  sonst  nicht 
mein  gustus  Fontane  ges.  werke  I  2,  54,  s.  auch  Schultz 
fremdwb.  259  u.  vgl.:  bei  den  kauf  Leuten  aber,  die  im  einzeln 
verkaufen,  nennt  man  einen  zeug  nach  dem  gusto,  der  zwar 
kein  reicher  zeug,  noch  aiich  besonders  gut  fabriziert  ist, 
oder  der  eben  kein  schönes  muster  hat,  noch  atich  jedermann 
gefällt,  sondern  wobey  es  nur  auf  eigensinn  und  die  phan- 
tasie  der  käufer  ankömmt,  dessen  mode  gemeiniglich  sehr 
kurze  zeit  dauert;  und  womit  ein  verständiger  kauf  mann 
sich  nicht  gern  in  groszer  menge  beschweret,  weil  auf  der- 


1205 


GUST  — GÜST 


GUST 


1206 


gleichen  zeugen  fast  beständig  zu  verlieren  ist,  wenn  man 
nicht  ihrer  los  zu  werden  eilet,  so  lange  eiwan  die  phantasie 
dauert  Jacobsson  technol.  wb.  5,  766''. 

4)  im  18.  jh.  auch  im  überpersönlichen  sinne  als  allge- 
meine geschmacksrichtung  gebraucht:  einer  der  sich  nach 
dem  heutigen  gusto  richtet  Philo  rühm  d.  tabaks  (1722)  10; 
je  mehr  wird  es  nach  dem  allgemeinen  gusto  seyn  Phi- 
Lippi  reimschmiedekunst  (1743)  201;  denn  solches  ist  dem 
gusto  unsers  itzigen  seculi  entgegen  203;  nach  italieni- 
schem gusto  Ramler  an  Gleim  briefw.  2  (1757)  279 
Schüddekopf;  ich  kriegte  10  zimmer  alle  schön  und  wohl 
meublirt  nach  Frankfurter  gusto  Göthe  IV  1,  226  W. 

5)  composita  sind  nur  sehr  selten  bezeugt:  gustlos:  in 
diesen  und  künfftigen  exempeln  müssen  wir  nothwendig 
mehr  auf!  unser  vorhaben  als  au£E  ein  gustloses  aus- 
künsteln des  recitatives  sehen  Heinichen  generalbass 
(1728)  618;  -brettl:  gustobrettl  in  den  gasthäusern  das 
brettl,  auf  dem  besondere  speisen  ausgestellt  waren  Schranka 
Wiener  dial.lex.Q9;  -sach:  gustosach  geschmackssache 
Fischer  schwäb.  3,  939. 

GvST.adj.,  nicht  milchgebeml,  unfruchtbar,  mnd.gnste, 
mnl.  nl.  gust.  ob  aofr.  geste  <gu8tja-  oder  gest(e)  <gaista-, 
bzw.  gaistja-  anzusetzen  ist,  läszt  sich  nicht  entscheiden 
{vgl.  V.  Heltek  idg.  forsch.  19,  197  und  z.  lexicol.  d.  aofr. 
154).  möglicherweise  zur  wurzel  gheu-  'gähnen,  klaffen", 
wie  geest  zur  gleichbedeutenden  Variante  ghei-,  vgl.  nisl. 
gi^inn,  dän.  gissen  'vor  trockenheil  geborsten,  rissig',  ags. 
gii'sne  'unfruchtbar',  aM.  keisini  'sterilitas'  und  Walde- 
PoKORNY  1,  551.  es  wäre  dann  von  einer  grundbedeutung 
'dürr,  unfruchtbar  {vom  lande)'  auszugehen,  was  sich  freilich 
durch  die  Chronologie  der  belege  nicht  stützen  läszt  {s.  u.  3).  — 
neben  den  formen  gust,  güst  begegnet  auch  guste  und  gutes. 
mundartliche  sonderformen:  goest  in  Schleswig-Holstein 
Mensino  2,  457;  brem.-niedersächs.  wb.  2,  558  und 
am  Niederrhein  Müller  2,  1507;  Waldbrühl  rhingscher 
klaaf  169.  gist  in  Nord-  u.  Mitteldeutschland  Schemio- 
NEK  eJbing.  ma.  13;  Frischbier  234;  Damköhler  Nord- 
harzer wb.  61;  WOESTE  88;  MÜLLER  rheinisch  2,  1506; 
Kehrein  165  und  bei  Frisch  (1745)  385*.  weitere  formen 
s.  Mensino  2,  458.  —  auf  ml.  gebiete  herrscht  güst.  nur  im 
preuszischen  hat  es  gelt  neben  sich,  s.  Frischeier  l,  225, 
auszerdem  begegnet  im  niedersächsischen  gelljehemp, 
s.  brem.-niedersächs.  wb.  2,  497;  gelt,  im  nordischen  (geldr), 
ags.  (gelde)  und  nl.  (gelde)  bezeugt,  herrscht  bereits  im  schle- 
sischen,  obersächsischen  und  thüringischen,  im  hessischen 
und  rheinischen  stehen  beide  synonyme  nebeneinander,  in 
beiden  landschaften  jedoch  ist  gelt  in  den  südlicheren  be- 
zirken lebendiger,  vgl.  Vilmar  Kurhessen  123;  141;  Crece- 
Lius  o6erAe55.  445;  Müller  rheinisch.  2,  994  u.  1506.  das 
bayrisch-österreichische  hat  ausschlieszlich  galt  —  ein  ver- 
einzeltes güste  aus  dem  jähre  1733  bei  Unger-Khull  315 
—  im  schwäbisch-alemannischen  stehen  güst  und  gelt 
nebeneinander,  jedoch  hat  gelt  die  vorhand,  auszer  im  el- 
sässischen,  das  mit  seinem  vorherrschenden  güst  dem  nd. 
näher  steht,  s.  Martin-Lienhart  l,  241. 

1)  güst  in  der  bedeutung  nicht  milchgebend,  unfruchtbar, 
von  tieren  gebraucht;  guste  sterilis  Diefenbach  651  c 
(1425  nd.);  nov.gloss.Zi8  [nd.  15.  jh.).  vorwiegend  und 
primär  in  anwendung  auf  rindvieh,  vgl.  die  gleiche  an- 
wendtmg  bei  gelt  {teil  4,  1,  2,  3059):  22  hovede  gustes 
quekes  {rindvieh)  urkundenb.  der  stadt  Lübeck  6,  624  {a.  d. 
j.  1425);  eyn  güste  kue  Vilmar  141  (a.  d.  j.  1436);  hirvor 
sal  her  Johan  jarlikes  geven  .  .  .  ene  guste  ko  erbebücher 
d.  Stadt  Riga  (1455)  100;  in  einer  rechnung  von  Borken  vom 
jähre  1489  wird  die  melke  kuwe  der  geste  kuwe  entgegen- 
gestellt, s.  Vilmar  14l;  man  nennet  gühste  oder  gelde 
vieh,  das  nicht  kälber  und  milch  bringet  viehbüchl.  (1667) 
31;  damit  aber  das  mülcke  vieh,  schaaff  und  kühe  bey 
dem  forbergo  desto  basz  weide  und  Unterhaltung  haben 
mag,  wird  das  junge  und  guhst  rindvieh  .  .  .  auff  ein 
ander  forberg  .  .  .  verordnet  ebda  33;  so  hatte  auch 
Treina  butter  verkaufft,  da  sie  doch  nur  eine  güste  kuhe 
gehabt  Marburger  hexenprocessacten  (1673)  bei  Vilmar  141 ; 
güst  wird  von  kühen  gebraucht,  die  nicht  kalben  J.  Mo- 


ser sämtl.  töcrfce(l842)  6,  35;  da  von  ihren  fünf  kühen  . . . 
eine  güste  war  Sohnrey  im  grünen  klee  (1905)  199; 

man  kamen  wi  up  Juist, 
sünd  alle  kojen  güst 

Kkrn-Willms  ostfriesl.  sprichw.  15; 

de  koh  göst  maken  eine  kuh,  welche  fett  gemacht  werden 
soll,  durch  gewisse  mittel  in  den  stand  setzen,  dasz  sie 
aufhört,  milch  zu  geben  {also  wohl  künstlich  unfruchtbar 
machen)  Mensino  2,  457  {beleg  v.  1755);  in  Verbindung 
mit  den  beiden  verben  gehen  und  stehen:  güste  gehen 
eo  anno  non  vitulum  parere  Frisch  1  (1741)  385»;  Krü- 
NITZ  20,  332;  gust  gän  de  vaccis,  quando  gravidae  lacte 
non  spoliantur  Staub-Tobler  2,  493;  Woeste  westf.  88; 
Martin-Lienhart  i,  241;  Fischer  schwäb.  3,939;  güst 
stehen:  de  koh  steit  güst  M.  Richey  82;  Woeste  westf. 
88;  Schambach  70.  vereinzelt  und  local  erscheint  die  be- 
deutung auch  erweitert:  die  güste-  oder  geltkühe  heisset 
man  diejenigen,  so  unfruchtbar  sind  oder  nur  kranck, 
lahme  oder  sonst  gebrechliche  kälber  bringen  Hohbero 
georg.  cur.  3  (1715)  2,  243»;  auch  allgemein:  güst  mager 
vom  vieh  Müller  rhein.  2,  1507. 

von  anderen  tieren,  vornehmlich  von  schafen:  220  melke 
schape,  230  guste  mit  den  botling  (1511)  bei  Schiller- 
LÜBBEN  2,  168;  einem  güsten  schaafe,  das  in  einem 
jähr  oder  dreyen  nicht  trächtig  gewesen,  dem  schlägt 
alle  milch  zur  fettigkeit  Hohbero  georg.  cur.  3  (1715) 
2,  255*';  güste,  gist,  kühe  oder  schafe,  so  xmfrucht- 
bar  sind  bos  vel  ovis  non  lactaria  Frisch  1  (1741)  385». 
auch  auf  ziegen  angewendet:  Schambach  70;  Müller 
rhein.  2,  1507;  Leihener  Cronenberg  47;  von  Schweinen: 
wy  en  beerfdelet  nycht  ...  de  mutten,  de  drechtich  synt, 
mer  wann  se  guste  synt,  dat  men  se  wyll  affdriven,  so 
dele  wy  de  oeck  Schiller-Lübben  6,  146;  ebenso  von 
Stuten:  zwo  alte  güste  stuetten  (1733)  bei  Unger-Khull 
315;  aus  dem  Harzburger  gestüt  kommt  die  meidung, 
dasz  in  diesem  jähre  die  38  köpfe  zählende  stuten- 
herde  insgesamt  25  fohlen  gebracht  hat,  von  denen  3  be- 
reits wieder  eingegangen  sind.  10  stuten  blieben  güst, 
während  3  verfohlten  beilage  zur  Braunschw.  landeszeitg. 
vom  30.  nov.  1900  {morgenausg.);  stuten,  die  ...  stark 
rossen,  bleiben  güst  v.  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flotte  2, 
208;  vgl.  ebda  4,  503;  mitunter  auch  auf  vögel  übertragen: 
güste  hühner,  welche  bei  eröffnung  der  jagd  keine  jungen 
haben  Staub-Tobler  2,  493;  güstes  huhn  {in  Nord- 
deutschland), eine  wegen  alters,  krankheit  oder  mangel 
an  hähnen  unbefruchtet  gebliebene  henne,  auch  gelt- 
henne  genannt  Wurm  das  auerunld  12;  es  gibt  .  .  .  alle 
jähre  eine  menge  sogenannter  güster  storche,  die  nicht 
hecken  Naumann  vögel  9,  273.  allgemein,  ohne  nähere 
tierartbezeichnung :  dat  en  scal  nein  unfruchtbar  in  dem 
lande  noch  güste  werden  {infecunda  nee  sterilis)  halberst. 
bibel  2.  Mos.  23,  26  bei  Schiller-Lübben  2, 168;  so  lange 
güst,  so  lange  melk  Wander  Sprichwörter  2,  174. 

2)  vom  menschen,  zumeist  in  festen,  formelhaften  Wen- 
dungen, literarisch  nicht  bezeugt:  de  borst  ist  göst  von 
einer  frau,  die  das  Und  nicht  stillen  kann  Mensino  2,  457; 
göst  gohn  nicht  schwanger  werden  Müller  rhein.  2,  1507; 
die  blif  göst  kommt  nicht  zum  heiraten  ebda;  auch  'mager' 
ebda  2,  1507. 

3)  güst,  in  der  bedeutung  unfruchtbar,  vom  lande,  nur  in 
jüngerer  zeit  mundartlich  belegt:  Adelung  2  (1775)  847; 
rhein.  wb.  2,  1507  {vom  felde  und  von  der  wiese);  Staub- 
Tobler  2,  493;  auch  in  der  bedeutung  'brach,  unbestellt, 
unbesät,  ohne  ertrag':  C.  H.  Stürenburg  78;  Doornkaat- 
KooLMAN  1,  709;  giste  gän  vom  acker,  der  brach  liegt 
Woeste  westf.  88»;  in  Schwaben:  die  felder  gehen  güst 
es  gibt  eine  miszernte  Fischer  3,  939. 

4)  verschiedene  Übertragungen  und  anwendungen  von 
güst,  nur  im  volksmund  verbreitet  und  daher  fast  nur  in  den 
ma.-wb.  zu  finden:  güste  kindelbiere  feiern:  in  vielen 
dörfern  giebt  es  noch  güste  kindelbiere.  das  ist  eheleute, 
die  keine  kinder  haben,  können  einmal  in  ihrem  leben 
auch  ein  kindelbier  halten,  damit  sie  sich  wegen  dessen, 
was  die  andern  geopfert  haben,  erholen  können  J.  Moser 

76* 


1207 


GÜST 


GÜST  — GUSTO 


1208 


sämtl.  werke  4,  35;  vgl.  Dooenkaat-Koolman  1,  709; 
Sanders  wb.  l,  642^,  auch  nl.  bezeugt,  s.  woordenboek  5, 1310. 
vom  austrocknen,  versiegen  eines  brunnens  de  sood  ward 
güst  Mensing  2,  457;  ähnlich  Staub-Tobler  2,  493;  güst 
geschmacklos,  fade,  von  speisen;  trocken,  zähe,  vom  fleisch 
Müller  rhein.  2,  1507;  he  geht  göst  (seine  bemühung  ist 
vergeblich)  ebda;  scherzh.  min  geldsack  geht  dato  gust  ich 
habe  kein  geld  Martin-Lienhabt  l,  241;  vom  kohl:  güster 
kohl,  unfruchtbarer  kohl  Adelung  2,  847 ;   güster  kohl 

a)  so    heiszt    an    einigen    orten    der     winterbraunkohl; 

b)  kohl  der  im  dritten  jähr  erst  schösset  Nemnich  wb.  d. 
naturg.  216. 

5)  als  subst.  adj.  weist  gust  zahlreiche  formvarianten  auf. 
in  der  Schweiz  und  in  Schwaben  lautet  die  form  meist  gusti, 
seltener  gust,  genus:  neutr.  in  Niederdeutschi,  sowie  im 
Elsasz  heiszt  es  gust,  güst,  güste,  genus:  fem.  als  masc. 
göss  nur  bei  Müller  rhein.  2,  1507. 

a)  gelegentliche  allgemein-abstracte  Verwendung:  die  kü 
haben  ein  Zeitlang  ee  dann  sy  kalberen  bei  10  tagen  kein 
milch,  zu  welcher  zeit  man  sy  nennet  ze  gust  gon  Herold- 
Forer  Gesners  ihierb.  (15C3)  122*5,  ygi_  qI^^ji  gy^^i  gehen 
unter  1 ;  se  hett  de  göst  von  frauen,  die  ihr  kind  von  der 
brüst  entwöhnen  Mensing  2,  458. 

b)  vornehmlich  in  concrcter  Verwendung,  so  in  der  be- 
deutung  Jungvieh,  besonders  junges  rindvieh,  vgl.  Fischer 
Schwab.  3,939;  Martin  -  Lienhart  i,  241;  242;  Müller 
rhein.  2,  1507;  BucK  ßurnb.  95:  wenn  eine  kuh  18  monate 
alt  ist,  kann  sie  schon  mit  dem  stiere  laufen  und  wird 
dann  ein  rind  genannt,  vorher  aber  ein  gusti  bei  Staub- 
Tobler  2,494;  von  einer  sache  so  viel  verstehen  als  ein 
gusti  vom  geigen  Gotthelf  ebda  2,  494 ;  dass  die  unsern 
im  land  Entlibuch  gar  kein  vech  (weder  guste  noch  an- 
dere) ins  land  nemmen  sollen  ebda  2,  494.  auch  'kuh,  die  in 
einem  jähre  nicht  belegt  wird'  Martin-Lienhart  2,  241; 
von  anderen  tieren:  güste  ein  einjähriges  mutterschaf,  wel- 
ches noch  nicht  geworfen  hat  Schambach  70;  jährige  ziege 
Staub-Tobler  2,  494;  als  'braches  land': 

wie?  soll  ich  .  .  . 

. . .  nicht  fragen  was  es  ist, 

dasz  ein  landsmann  sich  zu  eigen 

einen  fremden  ort  erliiest, 

da  er  itzt  mit  höchster  lust 

bringt  sein  heerd  auf  feiste  gust 

P.  Fleming  deutsche  ged.  2,  626  lü.  ver.; 

vgl.  Adelung  2,  847;  E.  Krüger  plattd.  spr.  bes.  in  Em- 
den 55.  locale  Übertragung  auf  menschen:  gusti 'scherzhafte 
benennung  eines  kindes,  schelte  für  ein  schmutziges  kind 
oder  einen  groben  burschen,  auch  für  einen  dummen  (jungen) 
menschen'  Staub-Tobler  2,  494;  gusti  meretricula,  hure 
ebda  2,  494. 

6)  compositio7ien  (mit  güst-  oder  gust-):  güstfalge: 
brache,  brachacker  (friesisch)  Stürenbürg  78;  Doorn- 
KAAT-KooLMAN  1,  709;  Berghaus  1,  629;  dazu:  güst- 
falgen:  'brachen,  umpflügen  und  eggen  ohne  zu  besäen' 
Stürenbürg  78;  Doobnkaat-Koolman  l,  709;  Berg- 
haus 1,  629;  Krüger  Emden  55;  in  übertragener  bedeu- 
tung:  he  güstfalgt  von  einem  ehemann,  welcher  mit  seiner 
frau  keine  kinder  zeugt  (scherzhaft)  Stürenbürg  78;  -gut 
vieh,  das  nicht  trächtig  ist  und  keine  milch  gibt  Stüren- 
bürg 78;  Berghaus  1,  629;  -häufen  'häufe  schafe, 
welcher  mit  lämmern  geht  itvd  zur  zeit  nicht  gemolken  werden 
kann'  Vilmar  141;  -hanf :  güsthemp  männlicher  (keinen 
samen  tragender)  hanf  Doornkaat  -  Koolman  1,  709; 
-beider  jungviehhirte  (1787)  Fischer  schwäb.  6,  2083; 
-hirt  dass.  Fischer  3,  939  (beleg  a.  d.  j.  1700);  -kindel- 
beer  (vgl.  oben  4);  -knecht  jungviehknecht  Fischer 
6,  2083  (beleg  v.  1699);  -kohl  Campe  2,  483,  vgl.  oben  4; 
-kuh  HoHBERG  georg.  cur.  3  (1715)  2431;  -land  hohes 
und  unfruchtbares  land  brem.-nieders.  wb.  (1767)  2,  bbd; 
-pflügen  nur  zxir  brache,  nicht  zur  saat  pflügen  Staub- 
TOBLER  2,  493;  ADELUNG  2,  847;  -pflaster  rotes  mennig 
enthaltendes  bleipflaster;  auch  trockenpfiaster  (drög- 
plaster),  um  die  milch  bei  stillenden  müttern  zurückzu- 
treiben, wenn  das  kind  entwöhnt  ist  Mensing  2,  457;  -vieh 
Jungvieh,  schmalvieh,  das  noch  unfruchtbar  ist  und  keine 


milch  gibt:  melckkhüe  und  gustviech  Fischer  schwäb.  3, 
939  (beleg  v.  1580);  wann  sie  des  nachts  mit  dem  gustvieh 
in  Schönbuch  bleiben  wollen  3,  940  (beleg  v.  1625);  oxen, 
melchkühe,  gustvieh  und  junge  kälber  ebda  (beleg  v.  1630); 
jedoch  nimmt  man  auch  an,  dass  die  aussenweiden  das 
jung-  und  gustvieh  erhalten  Thär  landwirtsch.  1,  60;  zur 
landschaftlichen  Verbreitung  vgl.  folgende  ma.  wb.:  Staub- 
Tobler  1,  648;  Fischer  schwäb.  3,  939;  Martin-Lien- 
hart 1,  242;  Berghaus  l,  629;  Doornkaat-Koolman  i, 
709;  GiLOW  de  diere  204;  -wäre  kleinvieh:  4  stück 
gustware  Fischer  schwäb.  6,  2083  (beleg  v.  1770);  -weide 
weide  für  gustvieh  Stürenbürg  78;  magere  weide  Doorn- 
kaat-Koolman  1,  709:  he  geit  mit  Nebukadnezar  in  de 
güstweide  (weide  für  fette  kühe),  hergenommen  von  Nebu- 
kadnezar s  auf  enthalt  bei  den  tieren  desfeMes  Kern-Willms 
ostfriesl.  sprichw.  (1869)  23. 

^GUSTEN,  vb.,  nicht  trächtig  werden  oder  noch  keine 
milch  geben  Staub-Tobler  2,493;  auch  transitiv:  machen, 
dasz  eine  kuh  keine  milch  gibt  ebda  2,  493;  Doornkaat- 
Koolman  1,  709. 

^GUSTEN,  vb.,  kosten,  schmecken:  güste  oder  versuche 
das  öl  (1608)  bei  Staub-Tobler  2,  493.  dazu  güstlen,  vb., 
ein  wenig  versuchen,  kosten,  prüfen  ebda. 

^GÜSTER,  m.,  Lexer  l,  1128,  auch  gusterer  =  küster, 
s.  teil  5,  2880/. 

^GÜSTER,  m.,  geschmack,  s.  gust. 

^GÜSTER,  m.,  eine  art  weiszf^ch,  cobitis  blicca  Oken 
naturgesch.  6,  316.  sonst  auch  blicke  oder  blecke  genannt, 
vgl.  Brehm  tierleben  8,  280  Pechuel- Lösche;  jedoch  werden 
landschaftlich  auch  andere  fische  darunter  verstanden,  so  in 
der  Altmark  vorzugsiveise  der  matjeshering  Berghaus  l, 
629;  Danneil  72  (also  zu  güst  gehörend?),  schon  im  16.  jh. 
bekannt: 

darnach  folgen  ghuster  und  zup, 

die  rotaug,  quap,  welcher  alrup 

genennt  wird,  was  ich  weiter  find, 

das  sind  nur  flschlin  fürs  gesind 

Erasmus  Alberus  fabeln  84  ndr.; 

gebraten  sind  die  weiche  phlegmatische  fische,  als 
parpffen,  aal,  eltfisch,  gustern,  alend,  prassen  am  besten 
fischbüchlein  13;  item  pleger,  gustern,  quappen,  neun- 
augen,  etc.  ebda  15;  es  werden  hie  gefiinden  .  .  .  gold- 
fische,  graupen,  gründlinge,  güsten  (ob  güster?)  J.  MicRÄ- 
Lius  Pommerland  (1640)  6,  384.  —  dazu  als  compositum: 
gusternetz:  dat  die  von  Plauve,  die  fischer  sind, ichlicher 
alleine  4  gusternetten  und  sovele  plötznetten  .  .  .  fuhren 
magte ;  alle  andern  Avide  netten  unde  mowesen  sollen  ganz 
von  den  von  Plauve  abgedahn  seyn  Riedel  urk.  d. 
klosters  Lehnin  (1516)247;  ungerümet,  dat  sie  tu  buten 
und  open  water  met  einem  kahne  unde  met  güster  unde 
plötznetten  darup  fahren  und  stellen  mögen  e6tZo(l5l6)  248. 

GÜSTERPLÖTZE,  /.,  abramis  blicca  Brehm  tierleben 
8,  281  P.-L. 

GUSTIEREN,  vb.,  kosten,  an  etwas  geschmack  finden, 
s.  Staub-Tobler  2,  493;  ausdruck  beim  hazard-karten- 
ßpiel,  bedeutet:  die  karten  mit  der  rückseite  gegeneinander 
legen  und  langsam  abziehen,  so  dasz  eine  zahl  nach  der 
anderen  zum  Vorschein  kommt  und  erst  schlieszlich  die 
ganze  karte  erkennbar  ist  Hügel  Wien.  74:  ihr  langsames 
forschendes  aufnehmen  der  karten  (gustieren),  indes  un- 
geübte Spieler  ungeduldig  und  rasch  zugreifen  Grill- 
parzer  12,  191  Sauer. 

^GÜSTLING,  m.,  animale  non  impregnato  Jagemann 
(1799)  2,  552;  besonders  in  Nieder scbchseii  ein  güstes,  d.  i. 
unbefruchtetes  tier  Adelung  2,  847. 

^GÜSTLING,  m.,  galtung  heringe  Berghaus  1,  629; 
schon  mnd.,  vgl.  ^güster:  ock  scholen  de  gemene,  de  den 
heringk  uthwerpen  en  vorkopen  Avyllen,  eyn  iewlik  staen 
upp  siner  stede,  alse  myt  dem  hilgenlandesschen  heringe 
vor  dem  vleschhuse,  myt  den  gustlinge  unde  schoenschen 
heringe  vor  de  potteschen  hutte  bei  Schiller-Lübben 
2,  168. 

GUSTO,  m.,  geschmack  s.  gust. 


1209 


GUSTOS -GUSZ  lAi 


GUSZ  I  A  1 


1210 


GUSTOS,  adj.,  schmackhaft,  geschmackvoll,  zumeist  von 
der  kleidung,  vgl.  Fischee  schwäb.  3,  939;  Staub-Tobler 
%,  493 ;  madame  Blunt  und  Miranda  sind  abgegangen,  sich 
gustöser  des  französischen  gastes  wegen  zu  machen  Les- 
siNO  3,  408  L.-M.;  lassen  sie  mich  nur  machen;  ich  will 
ihnen  zeigen,  dasz  ich  ein  ziemlich  gustöser  buchhändler 
geworden  wäre  ebda  17, 147;  sie  fiel  recht  artig,  sagt  die 
gnädige  tante  recht  gustös  sur  mom  honneur  und  spreitet 
ihren  damastenen  schlamp  weit  aus  Schiller  2,  6 
Oödeke;  sie  wissen  sich  damit  (bänderchen)  so  gustös  zu 
putzen,  dasz  man  sich  in  ihren  kopfputz  verlieben 
möchte  J.  H.  Fr.  Ulrich  bemerkungen  eines  reisenden 
(1779)  2,  207;  die  braut  trug  ein  hellgelbes  atlasznes  kleid, 
sehr  gustös  gestickt  J.  G.  Müller  die  herren  von  Wald- 
heim 4,  51; 

meint  ihr,  man  hätt  so  hergericht't  den  prater 
und  alles  so  gustös  illuminiert, 
wenn  es  so  stehen  thät? 

M.  Greif  ges.  werke  2,  292. 

GUSTRUM,  m.,  aus  lat.  ligustrum,  rainweide,  ligv,8trum 
vulgare  Pritzel- Jessen  214;  Mensing  2,  5il.  —  gu- 
strumholz,  n.,  holz  der  rainweide  Pritzel- Jessen  214. 

GUSTUM,  auch  gustus,  m.,  geschmack,  s.  gust. 

GUSZ,  m.,  das  gieszen,  das  gegossene,  behälter,  aus  dem 
oder  in  den  inan  gieszt.  verbalabstractum  {masculiner  i- 
stamm)  zu  gieszen.  gemeinwestgerm.  wort:  ahd.  guz,  mhd. 
guz,  mnd.  göte,  mnl.  ghöte,  ags.  gyte,  mengl.  blod-gyte. 
im  neund.  ist  vereinzelt  Vermischung  mit  mnd.  gote,  gate 
=  altniederdt.  gota  canalis,  hd.  gösse  eingetreten,  so  in 
teilen  des  Rheinlandes  (rhein.  wb.  2, 1309)  und  in  Schleswig- 
Holstein  (wo  auch  hd.  gusz  eingedrungen  ist  Mensino  2, 
458/.);  im  gröszten  teil  des  nd.  Sprachgebietes  sind  aber 
göt(e)  'gusz^  und  gote  'gösse"  geschieden,  vgl.  rhein.  wb. 

2,  1506   mit  1309,  WoESTE  87  mit  83,   HOLTHAÜSEN  TOO.  V. 

Soest  §  66  mit  63,  Doornkaat-Koolman  l,  668,  brem.  wb. 

1,  502,  RiCHEY  72,  DÄHNERT  140  mit  144.  im  übrigen 
siehe  auch  gösse,  in  obd.  dial.  herrscht  fast  ei7iheitlich  die 
masc.  form  gusz,  jedoch  können  auch  hier  gelegentlich  form- 
vermischungen  mit  dem  obd.  güsse/.  (s.  d.)  infolge  gleichen 
pl.  eintreten;  als  gosz  erscheint  gusz  im  fränkischen: 
träum,  mönch  5098  Böhmer;  Elsen  v.  Holczhusen  inventar 
(1410),  hs.  Frankf.  archiv;  Härsdörffer  trichter  2,  144. 
zur  nasalierung  in  günsze  Straszhurg.  chron.  1019  (1349) 
vgl.  Weinhold  ahm.  gr.  §  201 ;  mhd.  gutz  Karlm.  469,  21 ; 
nhd.  gutz  Fischer  schw.  wb.  3, 973 ;  Staub-Tobler  2,  582 
beruht  auf  anlehnung  an  ahd.  gutzen  Hibare,  profundere" 
ahd.  gl.  2,  648,  3,  mhd.  gützen  'vergieszen'  (dazu  das  f. 
gütze  'gusz,  ström"  Johann  v.  Würzbürg  Wh.  v.  Österr. 
19040),  Schweiz,  gutzen  überflieszen  Staub-Tobler  2,  582. 
—  der  plural  ist  im  ahd^zufällig  nur  als  guzza  (ahd.  gl. 

2,  513,  61)  belegt,  vgl.  Braune  ahd.  gr.^  §  216  anm.  3;  im 
mhd.  ist  nur  der  plural  güzze  bezeugt;  bei  Luther  er- 
scheint einmal  ein  zweifelhaftes  gösse  (pl.)  bibel  1,  134  W., 
vgl.  sp.  1213. 

bedeutung  und  gebrauch. 

gusz  begegnet  in  der  bedeutung  des  nomen  actionis  = 
gieszen  (I)  uyid  der  des  nomen  acti  ==  das  gegossene  (II). 
die  anwendung  von  gusz  auf  ort  oder  behälter  des  gieszens 
erscheint  erst  in  frnhd.  zeit  (vgl.  III). 

I.  gusz  als  nomen  actionis  bezeichnet  das  gieszen,  sich 
ergieszen  von  flüssigkeiten,  umfaszt  also  den  transitiven, 
intransitiven  und  reflexiven  gebrauch  des  verbums  gieszen. 

A.  das  ausgieszen,  sich  ergieszen  von  flüssigkeiten  im 
allgemeinen  sinne. 

1)  gusz  als  Vorgang  des  gieszens. 

a)  das  einmalige  ausgieszen  aus  einem  gefäsz: 

noch  dö  der  stolze  Iwän 

slnen  guz  niht  wolde  län 

uf  der  ftventiure  stein 

Wolfram  v.  Eschene  ach  Parz.  583,  30; 
dasz  also  ein  kleyd  von  70  gülden  in  einem  gusz  (indem 
ein  gefäsz  aus  dem  fenster  geleert  wird)  gantz  vertilgt  und 
verderbt  wird  Guarinoniüs  grewel  (1610)  508; 


80  gehstu  morgens  hin,  tuhst  dreymal  einen  gusz 
vom  Tyber  autf  das  haupt,  entsündigest  den  flusz 
der  hingelegten  nacht  Kachel  sat.  ged.  55  ndr.; 

seht,  er  läuft  zum  uler  nieder: 

wahrlich!  ist  schon  an  dem  flusse, 

und  mit  blitzesschnelle  wieder 

ist  er  hier  mit  raschem  gusse     Göthe  1,  216  W.; 

es  ist  die  gründlichkeit  der  Danaiden,  die  auch  immer 
hofften,  der  nächste  gusz  würde  nun  der  rechte  und  letzte 
sein  TiECK  sehr.  (1828)  4,  52; 

. .  .  doch  unerwartet 

plätscherte  nieder  ein  gusz  aus  überströmendem  eimer 
J.  H.  Voss  s.ged.  2,  142; 

so  floss  ein  glas  eiskaltes  wasser  über  meine  erhitzte 

brüst ;   ich  schrie,  ein  zweiter  gusz  folgte  A.  v.  Arnim 

2,  332; 

kein  gusz  der  schale  soll,  noch  in  die  gruft 
geleiten  ihn  der  klage  heller  ton, 
die  freunde  folgen  seiner  leiche  nicht 

F.  L.  Stolbero  sieben  gegen   Theben  15,  120; 

bildlich: 

du  bist  der  brinnden  minne  fluz, 

der  minnde  giuzet  manigen  guz 

und  süezen  duz  in  brinndiu  minndiu  herzen 

angeblich  von  Gottfried  2,  33  v.  di  Hagen; 

der  mai  hat  da  sinen  guz 
in  manig  rosen  gegossen 

JOH.  V.  WÜRZBURQ  6796  Regel. 

b)  vom  heftigen  hervorquillen  des  blutes: 

der  lewe  uf  drlen  fttezen  spranc: 
ime  Schilde  beleip  der  vierde  fuoz. 
mit  bluote  gaber  solhen  guoz 
daz  Gäwän  mohte  vaste  sten 

Wolfram  v.  Eschenbach  Parz.  572,  2; 

und  heten  ouch  darumb  erliten 
vil  manigen  bluotes  guz 

Ottokar  österr.  reimchron.  40779; 

endlich  so  kriegt  er  hervor  auch  die  füsze, 
ob  es  gleich  kostet  gar  blutige  güsze 

Reinicke  fuchs  (1650)  73; 

in  schwarzen  güssen  strömend  hin  sein  blut 

Grillparzer  2,  224  5.; 
im  bilde: 

brechet  auf  ihr  wunden  I 

flieszet,  flieszet! 

in  schwarzen  güssen 

stürzet  hervor  ihr  bäche  des  blutes 

Schiller  14, 110  G. 
ebenso  von  tränen: 

do  si  hat  abgeweschen 
in  alles  hör  und  eschen 
mit  haisser  trehen  güsse 

Salden  hört  8007  Adrian; 
auffs  new  die  zähr  verschwendet, 
mit  noch  so  starckem  gusz 

Spee  trutznacht.  (1649)  69; 

mit  vieler  bewegung  hörten  die  bischöfe  solches  an,  und 
unter  einem  gusz  von  thränen  antworteten  sie :  des  herrn 
wille  geschehe !  J.  A.  Chr.  v.  Einem  Mosheims  kirchen- 
gesch.  3(1771),  19; 

wie  tropfen  blutes,  roth  vom  fackelschein, 
rann  ihrer  thränen  wilde  sturzfiuth  nieder, 
heisz,  gusz  auf  guszl 

F.  Freilihrath  ges.  dichtungen  5,  28. 

vom  schweisz,  selten:  unter  einem  gusz  von  angstsch weiss 
platzte  er  heraus  Alexis  ruhe  (1852)  1,  343. 

c)  von  objecten,  auf  die  sich  die  Vorstellung  des  sich  er- 
gieszens  übertragen  läszt:  das  ganze  (geröll-)ie\d  in  be- 
wegung, hinabfliessend  nach  seinem  nahen  steilrande, 
über  welchen  es  in  prasselndem  gusse  seinen  überschusz 
entleert  H.  v.  Barth  Kalkalpen  (1874)  70; 

lasz  mich  wägen  all  mein  gold, 

deines  haares  schwere  güsse  Keller  10,  87. 

vor  allem  neben  weniger  concreten  und  abstracten  begriffen: 
(da)  ging  der  zweite,  übervoll  geschöpfte  eimer,  die 
sonne,  in  die  höhe,  und  die  güsse  des  lichtes  flatterten 
immer  breiter  Jean  Paul  3,  105  IL; 

nieder  schwang  er   das   schwert,   da  stürmten   güsse   von 

flammen, 
zischend,  wie  feuerregen  herab,  auf  die  fürstin  der  städte 
Fr.  V.  SONNENBERG  Donatoa  1,  90; 

wie?  lauschte  sie  der  goldnen  saiten  gusz? 

Fr.  Kind  ged.  1,  277. 


1211 


GÜSZ  I  A  2 


GUSZ  I  A  3-4 


1212 


wie  halbverwischter  färben  gusz 
verrinnts  um  dich  .  . . 

A.  V.  Droste-Hülshoff  1, 168  Schücking. 

von  plötzlicher  begeisterung ,  empßndung,  dichterischer  oder 
gedanklicher  eingäbe:  wo  endlich  Klopstock  im  gusse  seiner 
empfindung  und  im  fluge  der  phantasie  gedanken  ein- 
webt Herder  5,  361  S.;  es  kocht  zu  laut  in  meiner  brüst, 
und  alles  kann  ich  nicht  mit  einzeitigem  gusz  auf  das 
papier  schütten  Chamisso  (1864)5,  180;  und  das  ganze 
weniger  aus  dem  einen  groszen  gusse  der  begeisterung 
Kerner  briefw.  1,  96;  könnt  ich  in  einem  glühenden  gusz 
die  quälen  meiner  seele  strömen  lassen  Linog  (1847)  2,  51; 
das  bild  ist  ein  moment,  ein  gusz  des  gedankens  Göthe 
48, 158  W.  mhd.  in  umschreibenden  {blümehiden)  geni- 
tiven : 

nun  merkend  wie  der  süsze  Jhesus 

von  ymraerwerender  minne  gusz 

sich  geben  wolt  durch  uns  in  not 

und  och  in  den  vil  grimmen  tod 

KONiiAD  V.  Hklmsdorf  Spiegel  1129; 

las  fiissen  schir 

zw  mir  der  gnadin  güsse 

H.  FOLZ  meisterl.  82,  20  Mayer; 

2)  gusz  in  der  bedeutung  regeiujusz,  starker  regenfall,  in 
dieser  anwendung  seit  dem  13.  jh.  belegt,  zunächst  noch 
durch  ein  beigefügtes  regen  oder  wasser  in  seiner  engeren 
bedeutung  bestimmt: 

do  zergie  des  wazzers  fluz. 
von  dem  tage  nie  wazzers  guz 
uf  das  ertriche  Icam 

KUDOIF  V.  Ems  weltchron.  34338; 

es  waz  in  der  naht  ein  gus  wassers  komen,  und  waren 
die  becho  gross  H.  Seüse  deutsche  sehr.  71  Bihlmeyer; 

na  dem  schonen  weder  kompt  des  regens  gos 

träum,  manch  5098  Mejboom; 

eyn  frow,  die  hell,  das  erterich 

das  schluckt  all  wassers  güsz  ]n  sich 

S.  BsANT  narrenschiff  63  Zarncke. 
alleinsteJievd : 

und  wart  ie  grözer  sin  vrftz, 
als  daz  mer  von  vluzzen, 
von  regene  und  von  guzzen 

Albrecht  v.  Halberstadt  xx,  216; 

er  sprach  und  der  geist  des  hageis  stund  und  sein  unten 
{var.  güszs)  sein  erhaben  erste  dtsche  bibel  7,  405  (dixit 
et  stetit  Spiritus  procellae  et  exalti  sunt  fluctus  ejus);  und 
er  satzt  iren  hagel  in  das  wetter,  und  sein  untten  die 
sch-\vigent  (war.  güssz)  ebda  406  (siluerunt  fluctus  ejv^);  ein 
glaubig  hertz  ist  wie  ein  hauss  ufE  einen  fclsen  gebawen, 
dem  weder  güss,  schlägregen,  noch  Sturmwind  schaden 
mögen  Eberlin  v.  Günzburg  2, 165  ndr.;  gehet  man  doch 
einem  regen  nicht  gerne  entgegen,  ich  geschweige  einem 
platzregen  oder  solchem  gusse  J.  Prätorius  glückstopf 
(1669)21; 

ach,  welch  gewltter  dräut  mit  diesen  strengen  güsscn 

A.  Gryphius  ged.  391  lit.  ver.; 

früh  ein  gusz,  hernach  regnicht  Prätgritts  zodiacus  merc. 
29;  dergleichen  werder  (kleine  inselchen)  entstehen  ...  auch 
im  sommer,  da  jähe  güsse  und  wolckenbrüche  .  .  .  grosze 
teiche  unversehens  ausreiszen  G.  H.  Zincke  allg.  oecon. 
lex.  (1744)3185; 

wie  viel  nebel  seynd  im  mertz, 
so  viel  güsse  sind  im  jähr  ohn  allen  schertz 
{bauernwetterregel) 
v.  HOHBERG  georg.  cur.  3,  1,  95"; 

bis  des  gewitters  strenger  gusz, 
wie  sie  einmal  vergnügt  spazierten  und  unbehutsam  fern 
sie  unvermittelt  überfiel  [gegangen, 

Brockes  Jahreszeiten  (1745)  239; 

wir  duldeten  viel  auf  dem  langen  wege,  watend  jetzt 
durch  wilde  ströme,  jetzt  in  ungewittern  von  güssen 
überströmt  Herder  18,  233  S.;  vor  einigen  tagen  war 
auch  hier  ein  gewitter  und  starker  gusz  Göthe  III  4, 
279  W.  ; 

möge  das  drohende  wetter,  so  sagte  Hermann,  nicht  etwa 

schlössen  uns  bringen  und  heftigen  gusz 

GÖTHE  50,  252  W.; 

in  Kirchenlamitz  trieb  uns  ein  gusz  ins  Wirtshaus,  wo 
wir  das  fluchen  fortsetzten  Jean  Paul  3,  212  Hempel; 


zu  Ziltz  hat  uns  ein  sehr  starker  gusz  überfallen 
J.  V.  EiCHENDORFF  11,  2  Kosch-Sauer;  und  in  wenigen 
minuten  stand  .  .  .  alles  in  wasser,  so  heftig  war  der 
guss  und  Sturm  Ritter  erdk.  10,  127; 

gell  stürzt,  vom  gusz  geschwollen, 
der  quell  vom  felsenkamm, 

G.  Kinkel  ged.  (1868)  2,  81; 

.  .  .  aber  schon  bewegt  sich  das  letzte  fuder  auf  dem 
feldweg  rasch  ins  dorf,  und  wenn  unter  donner  und  blitz 
der  gusz  beginnt,  ist  es  auf  der  tenne  des  stadels  geborgen 
M.  Meyr  erz.  aus  dem  Ries  (1868)  3,  140;  der  himmel  hatte 
sich  drohend  umdüstert,  und  schon  bei  Goricani  über- 
raschte uns  ein  kurzer,  kräftiger  gusz  Hassert  reise  durch 
Montenegro  (1893)185;  die  schwarzen  wölken  am  himmel 
platzten  und  sandten  einen  gusz  nieder  M.  v.  Ebner- 
EscHENBACH  ges.  sehr.  (1893)  4,  99.  von  eiyizclnen  heftigen 
regenschauern :  der  regen  fing  erst  gegen  abend  an,  etwas 
nachzulassen;  doch  kamen  von  zeit  zu  zeit  noch  einige 
güsse  I.  G.  Förster  sämtl.  sehr.  (1843)  2,  44;  als  ich  bei 
Seefeld  hinaufgekommen,  gingen  die  güsse  nicht  mit  .  .  . 
GöRRES  ges.  6r.  (1858)  3,  526;  und  nach  fünf  minuten  hörte 
es  wieder  auf  (zu  regnen),  allein  da  neue  güsse  drohten, 
und  doch  die  gänge  nasz  waren,  so  zog  ich  mich  klüglich 
nach  hause  zurück  Varnhagen  v.  Ense  tagebücher  3,  384; 
der  regen  liess  gegen  abend  allmälig  nach  und  hörte  mit 
einem  letzten  tüchtigen  gusse  ganz  auf  W.  Raabe  schüd- 
derump  (1870)  l,  235;  verkroch  ich  mich,  besserung  des 
Wetters  abwartend,  der  ärgste  gusz  ging  denn  auch  bald 
vorüber  Herm.  v.  Barth  nördl.  kalkalpen  216. 

3)  als  starker  trunk,  hinuntergieszen  einer  flüssigkeit, 
vielleicht  schon  ahd.  guzza  'hausttis'  (largos  locus  accipit 
haustus)  ahd.  gl.  2,  513,  61:  ^ 

dö  huob  er  üf  unde  tranc 

einen  trunc,  der  gröze  güzze  truoc 

weinschwelg  185  E.  Schröder; 

Inn  allen  gliedern  kalte  flüsz, 
horkummen  durch  die  grossen  güsz 
übriger  füll,  die  mich  ernert, 
der  ich  mit  arbeyt  nye  verzert 

H.  Sachs  3,  489  lit.  ver.; 

wie  Venus  schwächt  der  glider  kraft, 
gleiches  auch  Bachi  weingab  schaft, 
hindert  den  tritt  und  schwächt  die  füs 
und  geben  güsz  auch  wider  flüsz 

FiSCHART  w.  3,  23  H.; 

die  ihn  {den  tabak)  bald  nach  den  mittagsessen  brauchen, 

verderben  den  magen  und  durch  zugesetzte  starcke  güsse 

die   gantze   substantz    menschlicher   Constitution    med. 

maulaffe  (1719)  91; 

und  leert  sie  aus  auf  einen  gusz 
Ch.  Fr.  Henrici  ernst-scherzh.  u.  sat.  ged.  (1727)  4,  398; 

du  stärckest  mich  un^  machst  gesund 
durch  deiner  güsse  hlraigs  külilen  {vom  wein) 

F.  V.  Hagedorn  vers.  einiger  ged.  34  ndr.; 

sprichwörtlich:  durch  das  freszen  und  sauffen,  wirt  die 
natur  verderbt,  ein  bösz  vorzeitiges  alter,  blöden  doUen 
köpf,  ...  wie  man  spricht,  lasz  die  güsz,  so  lassen  dich  die 
flüsz  S. Franck  trunkenheit {ibZl)  c  1^ ;  darub ginner  artzet 
zu  dem  follen  sprach,  liessestu  die  güss,  so  liessent  dich 
die  flüss  Th.  Murner  bei  U.  v.  Hütten  op.  5,  468  Böcking ; 
güsz  machen  flüsz  gulosi  morbosi  Aler  dict.  (1727)  1,995"^; 
güsse  machen  flüsse  Staub-Tobler  2, 472;  mit  neuer  sinn- 
gebung:  grosse  güsse  bringen  flüsse  (von  den  folgen  grosser 
ereignisse)  Wander  2,  173;  anders:  der  gusz  geht  nach 
dem  flusz  (das  geld  flieszt  immer  dem  reichen  zu,  frz.  Veau 
va  toujours  ä  la  rivihe)  ebda. 

4)  besondere  bedeutung sschattierungen  gewinnt  gusz  bei 
fliessendem  wasser,  sich  ergieszenden  wassermassen,  wobei 
auch  die  Vorstellung  einer  horizontalen  Strömung  möglich  ist. 

a)  der  ursprünglichen  bedeutung  noch  nahestehend  von 
plötzlich  vordringendem,  abstürzendem  wasser: 

der  prünnen  quäll  und  wassers  flüss 
sah  ich  aus  velsen  manche  güss 

J.  V.  Schwarzenberg  teutsch  Cicero  (1535)  156; 

die  Maasz  .  .  .  stürzt  sich  endlich  .  .  .  mit  einem  gewal- 
tigen gusz  in  das  grosze  meer  Ufitenbach  geogr.  tabdn 
(1612)  232; 


1213 


GUSZ  I  A4  — B  1 


GUSZ  I  B  1 


1214 


^ 


ein  regenstrom  aus  felsenrissen, 
er  kommt  mit  donners  ungestüm, 
bergtrümmer  folgen  seinen  güssen 

SCHILLEK  11,  15  ö.; 

ati/ch  geradezu  als  sturzbach,  gieszbach  (vgl.  guszbach, 
sp.  1220):  dann  wann  es  regendt,  so  pringen  es  (edles  ge- 
stern von  den  bergen)  die  güsz  herab  Schiltberger  reiseb. 
59  lit.  ver.;  also  geschiht  oft  under  den  wazzem,  diu  vest 
gründ  habent,  und  so  ir  gründ  erhebt  werdeiit,  so  vleuzt 
das  wazzer  auz.  da  von  koment  dike  groz  güzz  auz  den 
pergen,  an  regenwazzer  und  auch  an  snewazzcr  Kokk. 
V.  Megenbero  buch  der  natur  113;  oder  als  'Wasserfall, 
Stromschnelle':  hirnachcr  gerieh te  er  unter  ein  klein  klip- 
pigt eiländlein,  da  zween  güsse  oder  Wasserfälle  von 
einem  hohen  steinfelsen  mit  einem  erschröcklichen  ge- 
räusch  in  die  see  hinabschossen  M.  Krämer  leben  u. 
tapffere  thafen  (1081)  560; 

gleichförmig  wie  der  gusz  von  katarakten 
roll  hin,  o  lied!  der  Sänger  ist  zu  schwach 
zu  widerstehen  deinen  riesentacten 

J.  MOSKN  (1863)  2,  230. 

b)  von  den  anschwellenden  und  überflutenden  gewässern, 
neben  das  üblichere  güsse  'Überschwemmung'  (s.  d. )  tretend 
u)id  von  ihm  nicht  immer  zu  unterscheiden:  groz  guzz 
diluvium  Dieffenbach-Wülcker  625:  (der  grosztürke 
Moratbey)  soll,  ward  gesagt,  haben  gehabt  allein  drey- 
hundert  tausent  reysiger,  das  Ungerland  zu  uerderben, 
das  auch  an  zweyfel  geschehen  wer,  wo  nit  ein 
groszen  gusz  und  überflusz  des  wassers  aus  gottes  Ord- 
nung yn  hett  verhindert  und  abgefodert  Seb.  Franck 
chron.  u.  beschr.  d.  Turckey  (1530)  a  41»;  thet  der  ueber- 
schwall,  gusz  und  auslauff  der  Tiber  ein  mercklichen 
schaden  S.  Franck  germ.  chron.  (1534)  191;  und  es  er- 
schynen  rlie  gösse  des  meeris  (effusiot^es  maris)  2.  Sam. 
22, 16  (var.  zu  wassergösse); 

(der  Rhein)  hat  mit  der  weil  auch  mit  sein  güssen 
der  stat  ain  gut  stück  hingerissen 

Fisch  ART  glückhalt  schiff  17  ndr.; 

gleich  als  ein  schneller  wasserflusz, 
der  sich  ausbreyt  mit  starckem  gusz 

JOH.  Spreng  Ilias  (1610)  53»; 

.  . .  und  Averden  wir  der  weiszheit  vergessen,  (so  leben  wir) 
wie  das  röhr  im  wasser  und  sein  kein  augenblick  sicher, 
wo  ein  gusz  komme  und  uns  hinführe  Paracelsüs  op. 
(1616)  2,016  Huser;  'räumet  auf,  's  kommt  ein  gusz', 
ruft  eine  geisterstimme  vor  jeder  Kocherüberschwemmung 
Fischer  schwäb.  3,  937. 

c)  in  dichterischer  spräche  von  der  Strömung  des  vxisser- 
laufs: 

so  rausche,  so  laufe  mit  stärkerem  gusz 
weil  meiu  zehren  dich  vermehret  (vom  fiusse) 

HaksdÖkffer  fraucmimmergesprächspiele  4,  128; 

der  bachvermehrte  flusz 

kan  seinen  lauf  nicht  zwingen, 

er  eilt  mit  scliuellem  gusz 

Harsdörffer  trichter  (1647)  1,  83; 

wo  der  gelbe  Pregelflusz 

durch  Pontenens  braune  matten 

ziehet  seinen  leisen  gusz 

K.  Stieler  geh.  Venus  32  ndr. 

d)  als  fiusz,  wasserlauf,  bach:  da  kam  ein  solch  unge- 
witter,  fiel  ein  söllichs  nasz  wetter  an,  das  die  päch  und 
güsz  überal  anliefen  Aventin  bayr.  chron.  2,  293  L.;  sie 
liebeten  diese  angenehme  Waldungen,  .  .  .  das  gerausche 
dieser  güsse  und  fiüsse  Schupp  sehr.  (1663)  848; 

seufifzet  mit,  ihr  stillen  flüsse, 
bejammert  eures  königs  fall! 
weinet  doch,  gesambte  güsae, 
weinet  doch,  ihr  quellen,  überall! 
D.  Frommer  bei  Fiscueu-Tümpel  kirchenlied  4,  196». 

B.  gusz  als  arbeitsvorgang  bei  den  gewerken. 

1)  in  der  eigentlichen  bedeutung  'gieszen  von  metallen'. 

a)  der  gesammte  arbeitsprocesz  von  der  entnähme  des 
flüssigen  metalls  aus  den  Schmelzöfen  an  bis  zum  ein- 
bringen in  die  form  v.  Alten  handb.  f.  heer  u.  flotte 
4,  502;  schon  aJÜl.  guz  'fususio'  (l.  [opere]  fusorio)  ahd. 
gl.  1,  324,  47:  es  leit  vil  am  guss  ob  ein  glock  darauss 


wert  oder  ein  büchs  Joh.  Nas  dcLs  antipap.  eins  und 
hundert  (1567)  5,  29;  item,  so  die  stück  zu  dünn,  krum, 
und  ungleich  bort,  zu  kalt  gegossen,  daz  die  tem- 
peratur  des  metall  sich  miteinander  nicht  wol  resoluiren 
unnd  vereynigten,  daz  sie  im  gusz  schifferig,  oder  inn- 
wendig  verborgne  klüfften  .  .  .  gewunnen  haben  L.  Frons- 
perger kriegsbuch  2  (1573)  z  1^;  nim  .  .  .  bley  .  . .,  das 
zerlasz  in  einem  tigel  .  .  .  des  bleis  nim  8  oder  10  pfimd 
auff  ein  gusz  zumal,  lasz  es  .  . .  schmeltzen  Gäbelkover 
artzneybuch  (1595)  1,  205;  und  gleich  dieser  stund  nach 
dem  gusz  (des  metalls)  so  Schlags  dünn  Paracelsüs  op.  2, 
555  Huser;  derhalben  das  pley  darein  gössen  (in  die 
höhlung  der  zange),  fleuszt  herab  durch  die  löcher  in  die 
hole  theil,  und  werden  also  mit  einem  gusz  zwey  pley- 
kügelin  Ph.  Bech  Agricolas  bergwerckbuch  (1621)  195;  in 
besorgung,  sie  (die  weibsperson)  möchte  ihre  menses  haben, 
welches  (tvie  mancher  gieszer  fest  glaubt)  zu  gäntzlicher 
verderbung  seines  gusses  Ursache  geben  würde  J.  G. 
ScHSiiDT  rockenphilosphia  (1706)  2,  420;  geschieht  dieses 
(das  kugelgieszen) ,  wann  der  mond  im  schützen  läufft,  und 
drey  schützentage  nacheinander  stehen,  auch  insonder- 
heit dies  martis  eintrifft,  so  soll  man  sehen,  dasz  der 
gusz  in  hora  martis  geschehn,  so  wird  man  seine  Ver- 
gnügungen haben  v.  Fleming  vollk.  teutscher  soldat  (\Ti.&) 
363*;  der  maier  ahmet  sie  (die  natürlichen  dinge)  durch 
pinsel  und  färben  nach ;  der  bildschnitzer  durch  holz  und 
stein  oder  auch  durch  den  gusz  in  gyps  und  allerhand 
metallen  Gottsched  crit.  dichtkunst  (1751)  98;  ingleichen 
bedienen  sich  auch  die  meister  im  gusz  —  fabri  aerarii  — 
der  steine  aus  diesen  brüchen  zu  formen  beim  gusz  in  erz 
Rode  Vitruvius'  baukunst  (1796)  1,  84;  weil  die  nachricht 
von  dem  vollendeten  gusse  (zweier  bronzereliefs)  länger, 
als  zu  vermuthen  war,  auszen  bliebe  Göthe  IV  29, 291  W.; 

laszts  mit  aschcnsalz  durchdringen, 
das  befördert  schnell  den  gusz 

Schiller  11,  306  O.; 

allein  die  ungeheuren  kosten  und  Schwierigkeiten,  die  mit 
dem  gusz  verbunden  waren,  machten,  dasz  man  nach 
vielen  vergeblichen  vei-suchen  endlich  mittel  fand,  die 
grössten  Spiegel  zu  blasen  F.  Th.  v.  Schubert  verm.  sehr. 
1,  211;  da  wären  die  bürger  der  Stadt  herbeigelaufen  und 
hätten  ihm  (dem  künstler)  ihre  silbernen  löffel  gebracht, 
um  den  gusz  zu  vollenden  H.  Heine  werke  3,  145  E.;  als 
aber  der  meister  nicht  kam  und  der  gesell  selbst  gern 
eine  probe  thun  wollte,  so  fuhr  er  mit  dem  gusz  fort  und 
verfertigte  .  .  .  eine  glocke  Grimm  dtsche  sagen  (1891)  1,  98; 
auf  die  metallegierung  und  damit  auf  die  quralität  gehend: 
er  hat  die  glocken  läuten  hören,  wo  sie  hängen,  wie  sie 
hängen,  aus  welchem  gusz  sie  sind,  darüber  findet  man 
bei  ihm  keine  auskunft  Gutzkow  ges.  werke  (1872)  9,  310. 

b)  gusz  in  der  bedeutung  gieszen  zwecks  Scheidung  der 
metalle,  mitunter  in  der  formelhaften  wendung  gusz  und 
flusz;  gusz  und  flusz  eine  scheidungsart  des  goldes  und 
Silbers,  wenn  diese  metalle  unter  sich  oder  mit  anderen 
metallen  vermischt  sind,  man  bedient  sich  hierbey  nebst 
dem  feuer  verschiedenen  mineralien,  als  schwefel,  zuge- 
setztes fluszpulver  u.  dgl.  Jäcobsson  technol.  wb.  2,  176: 
sind  die  silber  güldig,  müssen  sie  noch  ein  mal  durchs 
aqua  fort,  oder  durch  den  gusz  geschieden  werden 
J.  Mathesius  Sarepta  (1571)  65'';  das  ander  buch  be- 
schreibt, .  .  .  Silber  und  golt  im  starcken  wasser  und  im 
grusz  zu  scheiden  L.  Ercker  beschr.  aller  mineral.  ertzt 
(1580)  ^X^;  quinta  essentia  .  .  .  reinigt  das  silber  und  goldt 
in  seim  guss  und  last  . . .  kein  unflat  in  jhm  Paracelsüs 
op.  1,  827  Huser;  Scheidung  durch  gusz  und  flusz  Mus- 
pratt  3,  1814. 

c)  der  arbeitsvorgatvg  des  metallgieszens  übertragen  auf  das 
enlsteheii  literarischer  oder  künstlerischer  werke:  solches 
corpus  juris  habe  er  zu  mehrerer  deutlichkeit  angefangen 
in  einen  neuen  gusz  zu  bringen  Liscow  sat.  u.  ernsth.  sehr. 
(1739)  780;  nach  meiner  Überzeugung  hat  das  ganze  sehr  an 
klarheit  gewonnen  und  verhältnismässig  nur  wenig  von 
dem  glänze  des  ersten  gusses  verloren  aus  Schleiermachers 
leben  2,  66;  das  werk  des  meisters  .  .  .,  das  im  grossen 
gusse  hervorgeht  B.  G.  Niebuhr  röm.  gesch.  1,138;  sie 


1215 


GÜSZ  I  B  8 


GUSZ  II 1-2 


1216 


begreifen  nicht,  welche  arbeit  ich  habe,  um  .  .  .  durch 
einen  besonnenen  guss  ein  harmonisches  ganze  hervor- 
zubringen H.  Heine  6,  4  E.;  aber  diese  Überarbeitungen 
in  längeren  Zwischenräumen  haben  dem  drama  auch  das 
schöne  ebenmasz  genommen,  welches  bei  gleichzeitigem 
gusz  aller  theile  möglich  ist  G.  Frkytag  14, 166.  die  nach- 
stehenden Verwendungen  in  qualitativem  sinne  stehen  unter 
dem  einflusz  der  festen  Verbindung  aus  einem  gusse  sein ; 
sie  gehen  auf  die  geschlossene  composition:  kein  blick,  kein 
ohr,  kein  herz  ward  von  dem  ganzen  verwendet,  und  es 
fing  schon  an,  gediegen  und  zu  einem  gusse  zu  werden 
(aus  der  beschreibung  einer  chorprobe)  Heinse  5,15  Schild- 
dekopf;  was  diese  an  geschlossenheit,  an  gleichem  guss, 
an  gehaltenem  ton  vor  jenen  voraus  hat,  das  überbieten 
jene  an  weitem  Interesse  und  an  groszartiger  Wirkung 
{Karlssage  und  Nibelungen)  Gebvinüs  gesch.  d.  deutschen 
dichtung  1,  238;  manche,  die  ich  neuerdings  gesprochen, 
halten  den  Jenatsch  für  ihr  meisterwerck  und  dem  gusze 
nach  mögen  sie  recht  haben  L.  v.  FBANgois  an  C.  F.  Meyer 
briefw.  18.  jedoch  spielt  auch  die  Vorstellung  mit  hinein, 
dasz  die  art  des  gusses  von  der  art  der  metallegierung  ab- 
hängig ist,  wie  in  den  nachfolgenden  belegen:  das  fleisch 
ist  hart,  die  sehnen  sind  stramm,  wie  eisen  von  bestem 
gusse  H.  Heine  werke  2,  117  Elster;  j  unker  waren  sie  alle 
drei  gewiss;  ...  sie  waren  von  anderm  guss  als  die 
bürgerherren  unten  Alexis  Roland  v.  Berlin  (1840)  l,  202. 

2)  gusz  in  präposilionalen  fügungen. 

a)  am  entwickeltsten  ist  aus  einem  gusse;  in  allge- 
meiner Übertragung  auf  beliebige  dinge:  'aus  einem  gusse 
sein  in  einem  zuge  gearbeitet,  aus  der  metallgieszerei :  die 
meisten  metallguszaxbeiten  wurden  früher  in  einzelnen 
teilen  gegossen  und  diese  dann  zusammengeschweiszt,  wobei 
■oft  nähte  sichtbar  bleiben,  im  gegensatz  dazu  lobt  die  redens- 
■art  ein  werk,  das  keine  nähte  erkennen  läszt,  einen  voll- 
kommen  einheitlichen  eindruck  machf  Bobchabdt-Wust- 
MANN  sprichtwörtl.  redensarten  (1925)  168;  gern  in  an- 
wendung  auf  künstlerische,  besonders  literarische  werke: 
es  (ein  von  Palladio  erbautes  kloster)  steht  wie  aus  einem 
gusz  GöTHE  3,  110  W.;  da  entsinne  ich  mich,  dasz  ihre 
kleider  nicht  so  aus  einem  gusse  sind  als  diejenigen,  die 
.sie  ihren  freunden  bereitet  IV  22,  47  W .;  alles  strebt  er 
. . .  freundlich  zu  verbinden,  so  dass  das  ganze  wie  aus 
einem  guss  ist  Athenäum  l,  127;  wo  dann  das  ganze  wie 
aus  einem  gusse  ist,  da  fühlt  der  gleichartige  sinn  den 
lebendigen  hauch  und  sein  begeisterndes  wehen  Athenäum 
2,36  [über  die  philosophie  v.  Fr.  Schlegel);  schöner,  was 
so  aus  einem  gusse  kömmt,  als  woran  täglich  geflickt 
wird  J.  v.  Müller  sämtl.  werke  (1810)  6,  432;  in  den  .  .  . 
gedichten  ...  ist  die  empfindung  aus  einem  gusse  Bettine 
briefiv.  m.  e.  kimle  1,  63;  dadurch  nimmt  diese  schrift 
unwiderstehlich  für  sich  ein,  dasz  sie  so  ganz  aus  einem 
gusz  ist  Görkes  briefe  2,  20;  hier  eine  treffliche,  fest 
ineinander  gefügte  fabel  aus  einem  gusz  in  gehaltener 
gleicher  darstellung  J.  Grimm  kl.  sehr.  5,266;  Wilhelm 
Meister  ist  kein  werk  aus  einem  gusse  D.  F.  Stbauss  sehr. 
•6,  210;  seien  sie  fleissig,  .  .  .  damit  der  zweite  und  der 
dritte  band  Avie  aus  einem  gusse  erscheinen  Holtei  erz. 
sehr.  22,  8;  qualitativ  einfach  ist  das  recht,  wenn  es  wie 
aus  einem  gusse  ist  R.  v.  Jhering  geist  d.  röm.  rechts 
2,  2,  345;  bei  ihnen  war  die  betrachtung  der  gegebenen 
weit,  in  die  sie  sich  gesetzt  sahen,  und  der  gegensatz,  in 
den  sie  sich  selbst  zu  ihr  setzten,  immer  aus  einem 
ganzen  gusse  Gebvinus  gesch.  d.  deutschen  dichtung  5, 
147;  und  alles  (auf  dem  bilde)  ist  aus  einem  gusse  und  in 
einem  zarten  schmelze,  dass  keine  harte,  keine  leere 
stelle  sich  aufzeigt  A.  Stifteb  14,  226;  wie  aus  einem  gusz 
aufgeführt  (von  einem  gebäude)  J.  V.  v.  Scheffel  ges.  w. 
{1907)  3,  230;  trotzdem  bleibt  der  Samson  ein  wunder- 
schönes gedieht,  ein  werk  aus  einem  gusse  Tbeitschke 
hist,  u.  pol.  aufs.  1,  54;  das  werk,  wie  es  im  wesentlichen 
vollendet  war,  . . .  konnte  hiernach  kein  kunstwerk  aus 
einem  gusz  sein  K.  Justi  Winckelmann  2,  2,  20. 

b)  aus  einem  gusz  erweitert  durch  andere  subst.:  so 
musste    freilich    beer-    und    wehrordnung    durch    ganz 


Deutschland  .  .  .  bei  dem  stehenden  beere  bei  der  land- 
wehr  und  dem  landsturm  ganz  aus  einem  guss  und 
schluss  sein  E.  M.  Abndt  Schriften  f.  u.  an  s.  l.  Deutschen 
3,  223;  sie  erschienen  ihnen  damals  durchaus  wie  ein 
Volk  aus  einem  guss  und  stamm  ebda  4,  85;  von  geisti- 
gen, namentlich  künstlerischen  gebilden:  eine  geistige 
Schöpfung  ist  es  (Mozarts  Don  Juan),  das  einzelne  wie 
das  ganze  aus  einem  geiste  und  gusz  und  von  dem 
hauche  eines  lebens  durchdrungen  Göthe  gespräche  8,  98 
Biedermann;  sie  (die  deutsche  spräche)  ist  ein  werk  aus 
einem  gusz  und  flusz  Fr.  L.  Jahn  werke  2,  11;  ...  das 
ganze  zuletzt  weder  aus  einem  stück  und  gusz  erscheint, 
noch  ...  F.  Schleiebm ACHER  5ttm<Z.  werÄ-e(l834)  i,  5,  168; 
es  (das  klavierstück)  ist  so  klar  und  schön,  so  aus  einem 
gusz  lind  flusz,  in  der  Verbindung  mit  dem  Orchester  so 
eigenartig  und  wirkungsvoll,  wie  es  dem  kunst jünger 
selten,  und  nur  dem  meister  in  guter  stunde  gelingt 
R.  Schümann  briefe  2,  50. 

c)  fügungen  mit  in,  auf,  von  usw.  zur  bezeichnung 
der  einmaligen  oder  der  nicht  unterbrochenen  handlung: 
gleich  wie  ich  aber,  was  ich  will,  gern  aus  allen  kräften 
will,  so  Hess  ich  alles  liegen  und  stehen,  um  nur  in  einem 
guss  dieses  werk  darzustellen  Gleim  briefwechsel  2,  585 
Körte;  nun  ging  alles  in  einem  guss  fort  Caroline  2, 170 
Waitz;  so  dasz  nun  die  freie  Schönheit  ganz  ungehindert 
wie  in  einem  gusze  hervorgegangen  zu  sein  scheint  Hegel 
werke  10,  2, 246;  ich  erwarte  nie,  dasz  irgend  etwas 
groszes,  das  nur  durch  vereinigte  kräf te  und  hartnäckigen 
fleisz  einer  groszen  anzahl  der  geschicktesten  und  besten 
männer  eines  volkes  zustande  kommen  kann,  sich  so  auf 
einen  gusz,  wie  man  eine  metallene  bildsäule  gieszt, 
machen  lasse  K.  Fr.  Gramer  Neseggab  (1791)  3,  21;  er  hat 
sich  bemüht,  alles  wie  von  einem  einzigen  gusse  zu 
machen  Winckelmann  sämtl.  werke  l,  152. 

II.  gusz  als  nomen  acti  bedeutet  das  ausgegossene,  be- 
sonders fa^hspr  achlich. 

1)  allgemein  als  ausgegossene  flüssigkeit,  sich  mit  den 
belegen  unter  I  1  noch  nahe  berührend: 

dlsen  seleclichen  guz  (von  himmelstau) 

den  heilsamen  uzfluz  leben  d.  hl.  Elisabeth  10339 ; 

worauf  der  frevelnde  junge  bösewicht,  weil  er  einen  ziem- 
lichen gusz  (aus  dem  nachtscherben)  bekommen,  .  .  .  mit 
fluchen,  hageln  und  donnern  davon  geloffen  Erasmus 
Francisci  höll.  Proteus  (1695)  1017;  diese  seeangst,  kalte 
güsse  und  saltzige  trüncke  wolten  sich  mit  der  zuvor 
auf  dem  königlichen  schiff  empfangenen  freude  und  ge- 
sundheiten  in  uns  und  unserem  magen  nicht  vertragen 
Adam  Oleariüs  verm.  reisebeschr.  (1696)  133;  die  holz- 
stösse  .  .  .  löschten  vor  drüber  hingeströmten  güssen  aus 
flusz  und  bach  und  trinkhorn  Fouque  altsächs.  bildersaal 
(1818)  2,  202;  gusz  das  ausgegossene  wasser,  womit  ein  ver- 
storbener abgewaschen  wird  Alemannia  15,  75/  über  einen 
gusz  gehen  bedeutet  böses  ebda. 

2)  im  brauiüesen:  'die  zu  einem  gebräude  bestimmter 
grösze,  zu  einem  bestimmten  schult  nach  der  brauordnung 
gehörige,  aufzugieszende  menge  tvassers'  Weber  term.-ökon. 
lex.  u.  id.  (1829)  211;  anders:  gusz  im  brauen  ein  gewisses 
■maasz  weitzen  oder  gerste  zu  einem  brau  Frisch  384:  so 
sollen  sie  sich  dohin  vorgleichen,  dasz  der  schutt  und 
gusz  deromaszen  angestellt,  dasz  ein  jeder  von  dem  losz 
nach  ein  doppel  und  einfaches  hier  .  .  .  verhoffentlich 
brawen  könne  stadtrecht  von  Eisenach  102;  daraus  kan 
gesehen  werden,  dasz  über  vermögen  des  getreides  der 
gusz  nicht  einzurichten,  sondern  alles  in  richtiger  masz 
zu  halten  sei,  damit  ein  gutes  bier  daraus  erfolgen  kan 
schles.  Wirtschaftsbuch  (1712)  635.  in  der  weinkelterei  der 
ausgusz,  ausflieszende  strahl  als  menge,  s.  Fischer  schwäb. 
3,  973;  Staub-Tobler  2,  582:  und  sol  in  den  vorlas  under 
dem  wingarten  geben ;  war  aber,  daz  von  dem  vorlasse  nit 
als  vil  werden  möchte,  so  sulen  sie  herabe  volgen  under 
die  kälterrun  und  suln  da  den  ersten  gusz  nemen,  bis  sie 
geweret  werdent  (1343)  Württemberg,  geschichtsqu.  4,  382; 
wievil  weins  ir  von  dem  gusz  nemen,  daz  ir  denselben 
wein  in  den  weisen  wein  schüten  Fischer  schwäb.  2,  974. 


1217 


GUSZ  II  3-5.  III 


GUSZ  IV— V  {Zusammensetzungen)  1218 


3)  in  der  hausmrtschaft:  'bei  backwerken  flüssig  aufge- 
goszner  oder  au fg estrichner  und  dann  hartgebackner  zucker 
mit  eiweisz'  Sandeks  wb.  l,  642'';  einen  gusz  von  zucker, 
etc.  auf  pasteten  crostata  di  zucchero  Jagemann  dtsch- 
italien.  wb.  (1799)  2,  552,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  937:  gusz 
zu  einem  groszen  kuchen  von  frischen  zwetschen.  ein  klei- 
ner Suppenteller  dicke  saure  sahne,  ..,,  2  eszlöffel  zucker, 
1  teelöffel  zimt  Henr.  Davidis  kochbuch  (1920)  245;  mau 
kann  dem  gusz  {zuckergusz)  oder  etwas  von  demselben, 
auf  folgende  weise  eine  färbung  geben  246;  übertragen: 
der  atem  der  kälte  legte  sich  über  den  wald  in  zuckrigem 
gusz  C.  Viebig  schlaf,  heer  (1904)  l,  134. 

4)  vom  gegossenen  unschlitt,  schmalz:  auch  sollen  si 
{die  fleischhacker)  geben  inszlet  vierding  oder  mer,  was 
ainer  zu  bezallen  hat;  und  ob  ainer  ainen  groszen  gusz 
inszlet  het,  das  sol  er  zustechen  und  davon  ainem 
geben  was  er  zu  bezallen  hat,  ob  des  an  in  begert  wirdt 
österr.  weist.  9,  722.  dazu  die  deminitivform :  das  güszlein 
schmalz  stöckchen  Schmalzes,  wie  es  durch  ausgieszen  der 
zerlassenen  butter  in  gewisse  geschirre  entsteht  Schmeller 
1,  950;  vielleicht  hierhin:  ithem  3  gülden  4  hllr  vür  einen 
gosz  onslechtes  der  weig  Lvm  </i  und  vür  xxvi  //  rohes 
ungesmelzten  unslechtes  Elsen  v.  Holczhusen  inventar 
{Frankf.  archiv  1410,  hs.  mitget.);  doch  vgl.  goss  Fischer 
Schwab.  3,  754. 

6)  als  das  gegossene  metall  oder  der  gegossene  gegen- 
ständ, bei  bildwerken  der  abgusz:  und  behielte  ihme  .  .  . 
das  schloss  Croman,  voll  gefüllter  mit  bahrem  gelt, 
getraidt,  grosse  güss  goldt  undt  silber  mit  ainem  cost- 
lichen  credentz  clainodien  N.  Hermann  Bosenburgsche 
chronik  1Ö6;  die  neu  wen  güsz  aber  sein  schöner  und 
stärcker  J.  Th.  de  Bry  archelei  (1614)  2;  doch  zeiget 
der  gusz  {der  figur)  eine  Schönheit,  der  sich  ein  meister 
nicht  schämen  darf  Gottsched  anm.  gelehrsamkeit  (1751) 
6,  284 ;  denn  es  ist  schwer,  einen  neuen  gusz  an  den  bruch 
eines  alten  Stückes  von  erzt  zu  verbinden  J.  J.  Winckel- 
MANN  von  den  herkulan.  entd.  (1762)  26;  wenn  er  geräth, 
werde  ich  mich  sehr  freuen,  noch  mehr  aber  wenn  ich  dir 
einige  güsse  in  bronze  liefern  kann  Göthe  br.  6,  388 ;  gute 
güsse  der  antiken  Göthe  4,  3,  67  W.;  wer  würde  hier  {in 
arie  19  des  Figaro)  an  ein  einschiebsei  denken?  oder  nur 
ein  ähnliches  verfahren  erkemien,  wie  das  des  ciseleurs, 
der  die  mängel  des  gusses  mit  geschickter  band  über- 
arbeitet? O.Jahn  Mozart  {18ö6)  3,  449;  weisses  roheisen 
ist  .  .  .  zu  feinen  güssen  wenig  geeignet  Karmarsch- 
Heeren  2,  772;  es  erfolgen  sehr  dichte  und  blasenfreie 
güsse  {mit  platin)  Muspratt  7,  298;  al  frauen  un  ale  gösz 
krit  mer  iweral  umsos  Müller  rhein.  wb.  2,  1506;  fach- 
sprachlich hat  gusz  specidle  bedeutungen  erhalten:  gusz  als 
hals  der  kugelform:  wenn  man  vom  maas  der  kugelform 
redet,  so  musz  man  den  hals  oder  gusz  nicht  darzu 
rechnen  J.  F.  Stahl  gewehrgerechte  jäger  (1762)  151  {vgl. 
guszhals,  sp.  1219);  in  Schwaben  bezeichnet  man  mit  gusz 
auch  den  gusseisernen  teil  des  modernen  pfluges  Fischer 
schwäb.  6,  2082. 

III.  gusz  =  behälter,  aus  dein  oder  in  den  etwas  gegossen 
vnrd. 

1)  behälter  aus  dem  etwas  gegossen  wird,  nicht  litera- 
risch belegt:  gusz  waschgefäsz,  aus  dem  man  durch  eine 
röhre  beym  waschen  der  hände  das  wasser  in  ein  darunter 
stehendes  kupfernes  becken  laufen  läszt  Stalder  1,  502 ;  gut 
gefäsz  zum  gieszen  Krüger  plattd.  spräche,  bes.  in  Emden 
55;  gusz  von  topfen  mit  einem  ausgusz  {rohmguss) 
Mensing  2,  511;  auch  der  ausgusz  selbst:  göt  ausfluszrohr 
einer  pumpe,  gieszkanne  usw.  ebda  2,  458;  de  gut  an  de 
tepot  Doornkaat-Koolman  l,  70 ;  als  m^sz  einer  flüssig- 
keit:  gütt  iVie  masz,  kännchen  Woeste  88;  gosz  gieszkanne 
als  masz:  duh  noch  e  gosz  wasser  druff  Reuting  wb.  d. 
Höchster  ma.  19;  in  speciellem  gebrauch  bedeutet  gusz  auch 
die  guszform:  derhalben  alsbald  das  ertz  geflossen  ist, 
disz  geuszt  er  {der  probierer)  in  ein  eisernen  gusz,  der 
grosz  oder  klein  pflegt  zu  seyn  Ph.  Bech  Agricolas 
bergwerkbuch  (1621)  204;  wenn  .  .  .  das  gold  in  den 
gusz  des  künstlers  . .  .  käme,  würde  das  vollkommenste 
IV.  1.  ß. 


gemachte  daraus  D.  C.  V.  Lohenstein  Arminiua  (1689) 
1,  134;  wenn  alles  ist  wie  in  den  tagen  des  glückes, 
blank,  wie  aus  dem  gusse  des  goldschmiedea  kommend 
A.  Stifter  i,  217. 

2)  als  gösse,  rinnstein,  ausgusz  in  der  küche,  vgl.  gusz 
ein  ort,  wo  man  das  unreine  wasser  durch-  und  weggiesset, 
fusorium  culinae  Frisch  1(1741)384*=: 

mir  Ist  verfroren  heut  der  gusz, 
denselbn  man  widr  öffnen  musz, 
dasz  das  wasser  kan  dadurch  rausz 

J.  Ayebk  2400  lü.  ver.; 

darnach  laufit  dasselbe  wasser  durch  heimliche  güsse 
wieder  weg  und  führt  aller  unflat  mit  Erasmus  Franisci 
lu^t.  Schaubühne  (1697)  3,  1018;  heute  noch  in  obd.  mund- 
arten,  s.  gusz  gösse,  rinne  Sartorius  ma.  d.  st.  Würz- 
burg 53  {beleg  von  1700);  Fischer  schwäb.  3,  937;  mit  dir 
tut  man  im  himmel  den  gusz  pflasteren  {wo  der  regen 
herauskommt)  Fischer  schwäb.  6,  2082.  in  Schwaben  be- 
zeichnet man  mit  gusz  auch  den  penis. 

in  der  seemannssprache  bedeutet  gusz  'auf  den  schiffen 
beym  wallfischfang  eine  rinne  von  brettern,  darinnen  man 
den  speck  des  loallflsches  vom  obern  schiff  hinein  in  die 
lücke  streicht,  dasz  er  durch  die  mammierung  in  den 
unteren  räum  falle  {canalis  in  quödejicitur  lardum  belaenae 
in  inferiora  navis  loca)  Frisch  i  (1741)  384^ ;  vgl.  Jacobsson 
techn.  wb.  2, 176;  Kluge  seemannssprache  339. 

IV.  Sonderbedeutungen. 

a)  gusz  als  krankheit,  podagra,  vielleicht  durch  die 
sprichtwörtlichen  redensarten  sp.  1212  bedingt?  so  sind  die 
weibszpersonen  mehrern  theils  schwach  und  sonderlich 
von  Aussen  und  güsen  geplagt  T.  Knobloch  kurtzer  be- 
richt  V.  d.  podagra  (1606)  29;  oder  wie  sie  zu  reden  pflegen, 
die  güsse  bekommen  ebda  44. 

b)  in  der  Soldatensprache  ist  gusz  ein  Spottname  für  den 
train,  nur  in  Sachsen  gebräuchlich,  vgl.  Müller-Frau- 
reuth  1,  452;  HoRN  soldatensprache  32. 

V.  Zusammensetzungen  mit  gusz  kommen  fast  nur 
mit  Substantiven  vor,  vereinzelt  schon  im  ahd.,  s.  u, 
guszfasz,  gusopfer,  das  19.  jh,  bringt  eine  fülle  von  neuen 
bildungen,  vor  allem  in  der  spräche  der  technik:  gusz- 
anstalt:  man  baute  einen  reverberirofen,  um  altes  eisen 
zu  schmelzen  und  eine  gussanstalt  ins  werk  zu  setzen 
Göthe  35,  58  W.;  -arbeit:  ich  meine  den  kunstsinn,  der 
.  .  .  den  rothschmied  zum  meister  kunstreicher  guss- 
arbeiten  erhob  L.  Uhland  sehr.  z.  gesch.  d.  dichtung  u. 
sage  2,  359;  kupferne  fingerringe,  .  .  .,  könnten  ebenfalls 
auf  guszarbeit  deuten  Ratzel  Völkerkunde  2,  588;  -art: 
der  Inspektor  .  .  .  sagte  mir,  dasz  er  diese  guszart  er- 
funden PüCKLER-MusKAU  briefe  eines  verstorbenen  (1836) 
1,  150;  -bahn:  man  sticht  dasselbe  {blei)  in  einen  eisernen 
giesstrog  ab,  welcher  ...  an  der  aussenkante  der  guss- 
bahn  mittels  rollen  bewegt  wird  Muspratt  l,  1637; 
-berechnung:  {es)  sei  erwähnt,  dasz  nach  den  gusz- 
berechnungen  der  Wiener  münzstätte  im  15.  jh.  der 
Schlagschatz  13%  vom  metallwert  der  münze  ausmachte 
LuscHiN  v.  Ebengreüth  münzk.  217;  -bereit:  tagsüber 
modelliere  und  korregiere  ich  an  der  kleinen  figur,  .  .  ., 
den  ich  im  f ebruar  guszbereit  zu  haben  hoffe  K.  Stauffer 
/ami7iew6ne/ß  (1890)  338;  -blase:  gewehrkugeln  werden 
aus  bleischienen  .  .  .  gepresst  und  dadurch  jene  hohl- 
räume  (guszblasen)  beseitigt,  welche  beim  kugelgieszen 
unvermeidlich  sind  Karmarsch-Heeren  5,  147 ;  durch 
gusz  {der  münzen)  entstehen  gewöhnlich  nur  vereinzelte 
guszblasen  Luschin  v.  Ebengreüth  77 ;  -block:  {es) 
lassen  sich  messingröhren  durch  walzen  aus  einem  guss- 
blocke  herstellen  Muspratt  4,  2050;  -boden:  die  con- 
struction  des  neapolitanischen  guszbodens  {astrico  ge- 
nannt) ist  ...  folgender  G.  F.  Schinkel  nachlasz  1,  73; 
hier  {im  oberen  teil  des  apparates)  kann  die  Zuleitung 
durch  den  gussboden  (aw5  guszeisen)  dauerhaft  dicht  her- 
gestellt werden  Muspratt  l,  409;  -decke:  sobald  die 
gussdecke  erstarrt  ist,  werden  die  dochtenden  abge- 
schnitten {bei  der  kerzenfabrikation)  Muspratt  6,  188; 
-eisern«,  aw  alph.  stelle;  -f  abrik:  er  vereinigte  sich  .  .  . 

77 


1219 


GUSZ  V  (Zusammensetzungen) 


GUSZ  V  (Zusammensetzungen)— 0\]SZEmEN     1220 


mit  Th.  zur  begründung  einer  gussfabrik  Müspratt  8, 
1357;  -fähig:  geschmolzenes  zinn  ist  sehr  gussfähig 
Schöneemakk-Stübeb  929;  -fehler:  dies  also  sind  die 
guszfehler  Rietschel  an  Bauch  (1838)  1,  433;  -gedinge 
bei  den  gusawerken  in  akkord  gegebene  arbeifsleistung  C.  v. 
ScHEUCHENSTUEii  öst.  berg-  u.  hüttenspr.  (185Q)  9Q;  -ge- 
fäsz:  ...  seltsames  guszgefäsz  mit  bügelschenkel  oben, 
mit  tüUe  A.  Fvrtwä'Sotl.^'r  vasenbeachr. (1885)  15;  -gegen- 
ständ: die  gussgegenstände  werden  in  tiegel,  guszeisen- 
kästen  oder  blecbbüchsen  mit  adoucirpulver  so  einge- 
schichtet, dass  sie  rings  von  demselben  umgeben  sind 
Kahmaesch-Heeeen  3,  41;  die  eisenhochofenschlacken 
werden  mit  kalk  gemengt  weiter  verwandt  zu  gussgegen- 
ständen Müspratt  2,  1308;  -gerinne:  1)  mit  wänden 
eingeschlossener  kanal,  um  darin  das  roheisen  zur  form 
laufen  zu  lassen;  2)  sehr  steiles  gerinne,  besonders  bei  miitel- 
schlächtigen  mühlen  vorkommend  Mothes  baulex.  2,  549; 
-glas:  (eine  beschränkung  der  dachfenster)  wird  erreicht 
.  .  .  bei  Ziegeldächern  durch  lichtziegeln  aus  gussglas  in 
form  des  deckmaterials  Lueoer  3,  97;  -glashütte: 
Peter  Ziegler  . .  .  gebührt  das  verdienst,  .  .  .  die  erste 
und  dermalen  einzig  bestehende  gussglashütte  dort  er- 
richtet zu  haben  Liebig  ein  arbeiterleben  (1871)  165;  -hals, 
auch  gieszzapfen,  guszzapfen:  bei  allen  kugelformen  ist 
darauf  zu  sehen,  dasz  das  guszloch  nicht  sehr  grosz  ge- 
macht werde;  denn  seine  grösze  bestimmt  den  guszhals 
Seydelli  einrichtung  des  kleinen  gewehrs  (1811)  135; 
-haut  die  oxydierte  Oberfläche  gegossener  metallgegen- 
stände,  rauh,  von  grauer,  schwärzlicher  oder  bräunlicher 
färbe  Bucher  reallex.  d.  kunstgewerbe  173:  schwer  kommt 
in  veränderten  falten  ein  wahrer  Zusammenhang,  selbst 
die  weiszen  frischen  stellen  neben  der  gelber  gewordenen 
guszhaut  stören  ihn  Rietschel  an  Bavx:h  briefwechsel 
1,  255;  -hütte:  in  Russland  existieren  eine  gusshütte 
(für  Spiegelglas)  zu  Dorpat, .  .  .  eine  zweite  ...  im  Rjäsan- 
schengouvernementKARMABSCH-HEEREN  4,76;  -kästen: 
die  kastenform  steht  (bei  der  eisengieszerei)  meist  noch 
in  einer  aussenform,  dem  guszkasten  0.  Mothes  2,  549; 
-köpf  «.  ap.  1222;  -körper:  dasz  weder  das  ganze  eines 
guszkörpers  noch  seine  theile  homogen  waren  Müspratt 
chemie  4,  1954;  -kruste  die  oberflMche  grosser  gu^zeisen- 
stücke,  welche  früher  erkalten  als  das  innere  derselben 
C.  v.  Scheüchenstüel  116;  -kunstwerk:  obgleich  die 
guszkunstwerke  nun  .  .  .  um  die  hälfte  billiger  beschafft 
werden  können  und  entsteht  in  dieser  beziehung  ein 
wohlbegründeter  vortheil  den  bildhauern  Rauch  an 
Rietschel  briefw.  2,  401;  -lag er:  während  die  wellen  1  und 
2  in  gusslagern  gehen,  läuft  die  dritte  welle  ...  in  einem 
rothgusslager  (b.  d.  centrifuge)  Müspratt  5,  1570;  -löffel 
dienen  zum  schöpfen  des  roheisens  atis  dem  hochofen  C.  v. 
Scheüchenstüel  116;  -lücke  Vertiefung  in  der  flache 
eines  deiches,  worüber  das  wasser  bei  groszer  flut  geht 
Mothes  2,  550;  -masse:  der  leere  räum  ...,  in  welchem 
später  die  gussmasse  eindringt  Rossmässler  d.  mensch 
im  Spiegel  d.  wofür (1855)  103;  -mauer:  der  bergfried 
hatte  noch  Überreste  römischen  mauerwerks,  guszmauern 
B.  Auerbach  sehr.  6,  43;  Mothes  4,  71;  -metall:  guss- 
naht  entsteht  durch  einfliessen  von  gussmetall  in  die 
fugen  bei  zweiteiligen  gussformen  v.  Alten  4, 503 ; 
-modeil:  in  der  artülerietechnik  wird  .  .  .  das  holz  der 
roterle  .  .  .  verwendet  .  .  .  zu  .  .  .  gussmodellen  v.  Alten 
3,  413;  -mörtel  gleichbedeutend  mit  beton  v.  Alten  4,  502; 
-mündung  im  wasserbaue,  der  äuszerste  teil  oder  die 
mündung  eines  rohres,  welches  auf  den  springbruymen  auf- 
geschraubt wird  und  durch  welches  der  Wasserstrahl  aus- 
fährt Campe  2,  482^ ;  -  m  u  1 1  e  r  in  den  schriftgiesze- 
reien  die  form,  in  welcher  der  buchstabe  gegossen  vnrd 
(matrice)  Campe  2,  375^;  matrize  giszmutter  oder  gusz- 
mutter  J.  Kinderling  reinigk.  d.  deutschen  spr.  (1795)  297; 
-naht  erhöhungen  an  einem  rohgusz,  welche  durch  das 
eindringen  des  flüssigen  metalls  in  die  fugen  zwischen  den 
einzelnen  stücken  der  guszform  entstanden  sind  Bücher 
reallex.  d.  kunstgew.  173;  -Oberfläche:  feiner  sand 
liefert  eine  glatte,  grober  eine  rauhe  guszoberfläche  (in 
der  eisengieszerei)  Lueger  3,  619;  -pfanne:  gusspfannen 


dienen  zum  schöpfen  des  .  . .  roheisens  aus  dem  hochofen 
Scheüchenstüel  ii6;  -platte:  ein  vertiefter  kästen  .  .  . 
durch  dicke  guszplatten  begrenzt  Kaemarsch-Heeren 
3,  24;  -probe:  anmerkungen  über  gussproben  von  zinn 
und  blei  (buchtitel)  allg.  deutsche  bibl.  63,  614;  -putzen 
die  reinigung  der  gusswaren  von  oxydschichten,  gusshaut 
LüEQER  5,  25:  eine  specialität  (der  bürstenwalzen)  sind 
die  bürsten  mit  giisstahldrahtbüschel,  die  zum  gussputzen 
dienen  ebda  2,  762;  -schale:  guszschale  auch  im  deut- 
schen vielfach  mit  kokille  bezeichnet,  ist  eine  guszeiserne 
form  zur  aufnähme  des  flüssigen  metalls  als  ersatz  für  lehm- 
und  Sandformen  v.  Alten  handb.  4,  502;  -scharte  Ver- 
tiefung in  der  fläche  eines  deiches,  worüber  das  wasser  bei 
grosser  flut  geht  Mothes  2,  550;  4,  503;  -tafel:  Peter 
Ziegler  gebührt  das  verdienst,  die  gusztafelglaserzeugung 
in  Österreich  eingeführt  zu  haben  J.  Liebio  arbeiterleben 
165;  -technik:  man  hat  auszerdem  die  gusztechnik 
neuerer  zeit  sehr  vervollkommnet  Luschin  v.  Eben- 
geeüth  131;  eiserne  kugeln  grossen  kalibers  zu  giessen 
war  bei  dem  niedrigen  stände  der  gusstechnik  nicht  mög- 
lich V.  Alten  4,  187;  -tiegel:  glauben,  dasz  sie  (Sappho) 
mit  ihren  lieben  liebesgesängen  der  liebe  ewige  form  und 
gusztigel  hinterlassen  habe?  Herder  25,  85  5. ;  -Wöl- 
bung: ...  das  kunststück  .  .  .  bestand  in  metallenen 
Stäben,  welche  der  flachen  Wölbung  eine  fast  unbegreiflich 
weite  spannimg  gaben  und  so  eine  sohlenartige  gusz- 
wölbung  gestatteten  C.  A.  Böttiger  kl.  sehr.  2,  343 
Sillig;  -zapfen:  der  guszzapfen  entsteht  durch  das  ver- 
härten des  .  .  .  metalls  im  eingusskanal  0.  Mothes  2,  551 ; 
die  oinguszspur,  da  wo  der  guszzapfen  an  dem  ge- 
gossenen stücke  gesessen  hat  G.  Loos  (in  gerichtsaden 
1833);  Hoyer-Kreuter  1,  298;  -zink:  des  gusszinks  be- 
dient man  sich  grossentheils  zu  Verzierungen  J.  J.  Hklfft 
wb.  d.  landbaukunst  420. 

GUSZADER,  /..•  dasz  er  sich  die  guszader  am  halse 
selbst  öffnete  viridarium  historicum  (1&70)  3^  —  gusz- 
bach,  m.,   torrente,   abondanza  d'  acqua  alV  improviso 

HüLSIÜS   (1618)   143l>. 

GÜSZBETT,  n.,  gemauertes  bett,  s.  o.  unter  güsse  5.  — 
guszbild,  n.:  man  wundre  sich  über  die  ungeheure 
menge  der  kleinen  schnitz-  und  guszbilder  von  göttern, 
Philosophen  und  Schäfern,  nymphen  und  thieren  Gott- 
sched anmuthige  gdehrsamkeit  (1751)  6,  410;  der  ver- 
meintliche baumstamm  mit  seinen  blätterlosen  ästen 
über  dem  linken  arm  des  gussbildes  F.  G.  Welcker 
alte  denkmäler  3,  240;  dazu  guszbildnerei  statuaria 
W.  Fr.  v.  Meyern  hinterlassene  kl.  Schriften  3,  76.  — 
guszbogen,  m.,  zuckerbackwerk :  guszbögen.  zu  einem 
bogen  rechnet  man  1  esslöffel  voll  von  der  masse,  bakt 
sie  .  .  .  und  krümmt  sie  über  ein  wällholz  Fischer  schwäb. 
9,  2082.  —  guszbrett,  n.:  unter  zweyen  Jochen  .  .  .  sind 
gussbretter  oder  fluthbetten  gemacht  (reusenartige  Vor- 
richtung au^  brettern  und  pfählen  zum  lachsfang)  H.  W. 
Döbel  neueröffnete  jägerpractica  (1754)  anhang  66. 

GUSZEISEN,  n.,  gegossenes  eisen  zum  unterschiede  von 
dem  geschmiedeten  Adelung;  diejenige  eisenart,  aus 
welcher  .  .  .  alle  andere  eisenarten  .  .  .  dargestellt  werden 
Mothes  2,  547,  ebda  näheres  über  arten  und  herstellung: 
das  guszeisen  hat  den  Vorzug,  dasz  es  nicht  so  wie  der 
stein  die  feuchtigkeiten  in  sich  aufnimmt  und  daher  auch 
nicht  so  leicht  übelriechend  wird  Helfet  wb.  d.  landbau- 
kunst 158^;  der  stahl  unterscheidet  sich  aiich  vom  eisen 
dadurch,  dasz  er  spröde  ist,  einen  kernigen  bruch  hat; 
ebenso  das  guszeisen  Hegel  werke  l,  7,  200;  in  Verbindung 
mit  dem  aus  dem  material  hergestellten  gegenständ:  man 
kann  nicht  ohne  grausen  an  das  unglück  denken,  welches 
das  zerspringen  dieses  gefäszes  von  dem  stärksten  gusz- 
eisen, ganz  ähnlich  einer  kanone,  in  einem  von  zuhörern 
vollgepfropften  saale  verursacht  haben  würde  J.  Liebio 
ehem.  6ne/e(1844)  95;  ein  alterthümlich  geformter  ofen 
von  guszeisen  K.  Gutzkow  ritter  vom  geiste (1850)7,^; 
einen  würfel  als  grabstein,  auf  welchen  von  guszeisen 
heim,  Schild,  seh  wert .  .  .  kommen  sollten  Gutzkow  6,  99; 
die  pfeiler,  welche  die  ketten  tragen,  sind  wahre  thürme 
aus  guszeisen  Moltkb  ges,  sehr.  u.  denkwürdigk.  1,  220.. 


1221     GUSZEISEN  {zusammensetz.)  —  GUSZFORM 


GUSZGEWÖLBE  -  GUSZOB^EN 


1222 


I 


übertragen  die  qualität  bezeichnend:  der  kerl  sieht  aus, 
als  wenn  er  von  guszeisen  war  F.  Raimund  werke  2,  279; 
später,  als  sie  schon  auf  den  mond  geheiratet  hatte, 
waren  die  Russen  und  Preuszen  da  gewesen,  grosze  statt- 
liche männer  wie  aus  guszeisen  W.  Hauff  sämtl.  werke 
3,  48;  so  hart  und  unnachgiebig  erscheinen  wir  uns  selbst, 
so  spröde  sind  sehnen  und  muskeln,  wie  guszeisen 
Fr.  Schauweckeb  feurige  weg  (1926)  26. 

Zusammensetzungen  sind  besonders  in  der  spräche  der 
techniksehr  häufig,  vgl.  darüber  die  einschlägigen  techn.  wb.: 
gusz eisenarbeit:  was  Hermann  von  ...  den  prächtigen 
guszeisenarbeiten,  .  . .,  vernahm,  überzeugte  ihn,  dasz 
gattenliebe  hier  das  kostbarste  mausoleum  gründen  wolle 
Immermann  7,  17  Hempel;  --kreuz:  heute  plumpe  gusz- 
eisenkreuze  mit  ebenso  plumpen  bildnissen,  .  .  .  von  ge- 
schmacklosigkeiten  höheren  Stiles  nicht  zu  reden  P.  Ro- 
SEGQER  sehr.  112,260;  --tor:  der  wie  die  Juden  die 
mauern  von  Jericho,  so  die  steinwälle  und  guszeisenthore 
von  Idas  herzen  mit  zinken  und  pauken  habe  nieder- 
blasen wollen  W.  Hauff  s.  werke  3,  78;  --wäre:  küchen- 
geschirr,  guszeisenwaaren  Ritter  erdkunde  (1822)  6,  72. 

GUSZEISERN,  adj.,  aus  guszeisen:  an  den  sich  durch- 
kreuzenden Strassen  der  stadt  fand  Erman  grosse  guss- 
eiserne kohlenbecken  mit  bänken  umgeben  Ritter 
erdkunde  3,  201;  Schnitzarbeiten  von  elfenbein  und 
hirschhorn,  guszeiserne  cruzifixe  K.  Gutzkow  ritler  vom 
geist  1,  294;  eine  guszeiserne  pforte  von  geschmack- 
voller Zeichnung  ebda  2,  374;  ein  guszeisernes  denkmal 
Fontane  ges.  werke  I  4,  271;  ein  gusseisernes  grabkreuz, 
wie  sie  mode  seien  Fontane  I  6,  404 ;  bekanntlich  ist  die 
eisenbahn  ein  weg  mit  geleisen  aus  starken,  gusseisemen 
schienen  Moltke  sehr.  u.  denkwürdigk.  2, 237.  uneigenllich: 
so  über  sich  selbst  zu  sprechen,  das  vermag,  ja,  das 
erträgt  nur  eine  guszeiserne  eitelkeit  R.  Heller  brust- 
bilder  aus  der  paulskirche  (1849)  154;  der  gang  des 
{röm.  gerichts-)veTi&h.Tens  schritt  in  unabwendlicher 
gleichmäszigkeit  vorwärts,  in  denselben  ein  für  alle  mal 
festgesetzten  fristen  und  guszeisernen  formen  R.  v.  Jhe- 
BINQ  geist  d.  röm.  rechts  (1852)  2,  1,  108;  laszt  du  nix 
nach  an  dieser  f orderung?  .  .  .  dann  hast  du  eine  gusz- 
eiserne seel  J.  Nestroy  ges.  werke  2,  243.  —  guszerker, 
m.,  ein  auf  consolen  ruhender,  unten  offener  balkon  an 
einem  festungsthurme,  über  einem  thore  etc.  zum  herabwerfen 
tödlicher  dinge  auf  den  andringenden  feind  Otte  archäol. 
wb.  (1877)  95.  —  guszfasz,  n.:  infusoria  guzvaz  ahd.  gl. 
1,  686,  9.  —  guszfest,  adj.:  während  die  sprachen  des 
alterthums  .  .  .  den  eigensten  grund  und  boden  besitzen, 
auf  dem  eine  entschieden  ausgeformte  und  guszfeste 
metrik  .  .  .  entstehen  konnte  Th.  Wundt  kunst.  d.  deut- 
schen prosa  41. 

GUSZFORM,  /.,  erst  seit  dem  19.  jh.  zu  belegen. 

1)  eine  form,  worin  man  einem  flüssig  gemachten  körper 
die  form  gibt,  welche  er  hohen  soll  Campe  2,  482: 

drum  geh  und  hole  kreide,  denn  ich  musz 

versuchen,  ob  Ich  etwas  mir  vielleicht 

diaus  machen  kann,  das  einer  guszform  gleicht 

A.  V.  DÜRING  Chaucer  3,  223; 

in  kurzem  erwarte  ich  nun  den  vollständigen  vorrath, 
und  werde  dann  auf  befehl  des  herrn  minister  von  Alten- 
stein die  matrizen  und  guszformen  nach  Berlin  senden 
A.  W.  Schlegel  an  W.  v.  Humboldt  briefw.  13;  es  leuchtet 
ein,  dasz  diese  bestimmung  der  oberfläche  durch  meiszel 
und  guszform  nicht  nachgebildet  werden  kann  Fr.  Th. 
ViscHER  ästhetik  3,  371 ;  Brasseur  gibt  an,  die  Zapoteken 
hätten  guszformen  aus  kohle  gehabt  Ratzel  Völkerkunde 
3,  684;  dem  feinde  fehlten  hohlgeschosse  zur  belagerung 
der  f estungen,  die  guszformen  dazu  verwahrte  er  in  eisen- 
werken  Oberschlesiens  G.  Freytag  ges.  werke  13,  71;  bei 
gegossenen  stücken  (münzen)  ist  die  guszform  .  .  .  für  den 
umrisz  der  münze  bestimmend  Luschin  v.  Ebengreuth 
münzkunde  u.  gddgesch.  36. 

2)  Übertragungen:  dasz  die  verschiedenen  racen,  die 
seit  der  Völkerwanderung  überall  gemischt  sind,  sich  in 
die  guszform  des  Staates  zu  einem  gleichartigen  ganzen 


verschmolzen  haben  L.  Bücher  bildet  aus  d.  fremde  (1862) 
1,  138;  arbeiten,  für  welche  die  geistigen  guszformen  so 
zu  sagen  erst  hergestellt  werden  muszten  tfusTi  Winckd- 
mann  l,  202;  das  was  seine  aesthetik  auszeichnete,  war 
die  enge  beziehung  auf  .  .  .  ein  gegebenes  von  canonischer 
bedeutung  —  feste  guszformen  für  den  flüssigen  stoff  der 
philosophischen  meditation  2,  78.  —  guszgewölbe,  ».; 
die  grosze  leichtigkeit  dieses  steins  läszt  ihn  übrigens  bei 
den  sogenannten  g\iszgewölben  sehr  anwendbar  erscheinen 
C.  F.  ScHiNKEL  nachlasz  1,  71,  vgl.  O.  Mothes  2,  549; 
Luegeb  5,  25;  Schönermark-Stüber  888.  —  guszklam- 
mer,/.;  1  güssclammer  zur  treppe  vor  unser  frauen  thore 
9  sol.  3  gr.  (1435)  cod.  dipl.  Lus.  sup.  2,  568  (vielleicht  gu^z- 
klammer,  die  mit  blei  eingegossen  ist).  —  guszkönig,  w., 
rohe  form  des  geldes,  aus  flachen  silberkuchen  bestehend: 
auch  im  münzfunde  zu  Läszig  in  der  provinz  Branden- 
burg wurden  vier  harren  in  form  von  guszkönigen  ge- 
funden Lüschin  V.  Ebenoreuth  münzk.  142.  —  gusz- 
kanne,  /.;  einer  der  schränke  zeigte  .  .  .  becken,  gusz- 
kannen,  zierliche  gefäsze  aller  gattungen,  sämmtlich  aus 
den  gröszten  kristallen  geschnitten  H.  Zschokke  sämtl. 
ausgew.  sehr.  34,  137  (vgl.  gieszkanne).  —  guszkehle, 
/..•  das  höltzlein  gibt  nachmahlen  die  guszkehl  Joh. 
Grassäus  kleine  baur  (1658)  57.  —  guszkern,  m.,  deakalb 
wurde  durch  Verschiebung  des  gusskerns  die  höhlung  .  .  . 
aus  der  mitte  verlegt  (bei  geschossen,  um  drehung  um  die 
ochse  zu  vermeiden)  v.  Alten  hdb.  f.  heer  u.  flutte  3,  461.  — 
guszkopf,  m.,feeding-head,  meselotte  Hoyer-Kreuter  1, 
319;  MusPRATT  2,  1463:  das  metall  hat  sich  unten  eine  Öff- 
nung gemacht,  und  ist  soviel  herausgeflossen,  dasz  oben  der 
guszkopf  zum  druck  der  masse  fehlt  Rietschel  an  Rauch 
(1838)  1,  430.  —  guszkuchen,  m.:  guszkuchen.  man 
bestreicht  ein  äpfelkuchen  blech  .  .  .  mit  butter,  legt 
es  mit  oblaten  aus  .  .  .  und  füllt  die  masse  auf  die  Ob- 
laten und  lässt  sie  nur  langsam  backen  Fischer  schwäb. 
6,  2083;  man  erhält  dabei  (beim  gieszen  flüssigen  silbers 
in  Wasser)  dünne  flache  guszkuchen  von  verschiedener 
grosze  Luschin  v.  Ebengreuth  münzhunde  139. 

GUSZLE,  /.,  'ein  musikalisches  Instrument,  in  form 
einer  zither,  aber  nur  mit  einer  aus  mehreren  pferdehaaren 
bestehenden  saite  bezogen,  es  wird  mit  einem  bogen,  der 
auch  mit  pferdehaaren  bezogen  ist,  gestrichen''  Sanders 
fremdwb.  1,  467 »: 

lautlos,  gleich  dem  leichenmahle, 
ohne  Saitenklang  und  zinkenschmettern, 
ohne  pauken  und  der  guszle  schwirren, 
denn  mein  vater  hat  nicht  einen  spieler 

Gaüdy  sämtl.  werke  16,  64. 

GUSZLOCH,  n.:  l)  in  der  metallgieszerei:  guszloch  bey 
den  gieszern /055o  Jagemann  (1799)  2,  552;  loch  oder  die 
öffniing,  durch  welche  das  geschmolzene  metall  in  die 
form  läuft  Campe  2,  482 :  sogleich  liesz  ich  die  mündung 
meiner  form  öffnen,  und  zu  gleicher  zeit  die  beiden  gusz- 
löcher  aufstoszen  Göthe  44,  212  W.;  die  grübe  ist  aller- 
dings nicht  geeignet,  da  der  ofen  und  guszloch  eine  treppe 
hoch  ...  ist  Rietschel  an  Eatich  1,  430;  im  kriegstech- 
nischem sinne:  die  pechnase  ...  ward  benutzt,  um  durch 
das  gussloch  pech  auf  den  gegner  hinabzugieszen  v.  Alten 
3,  412;  als  rinnstein:  im  zwielichten  aber  .  .  .  ging  es  auf 
einmal  holterpolter,  holterpolter  die  stiege  hinab  und 
durchs  guszloch  hinaus  in  den  garten  Möbike  6,  178 
Krausz.  —  gusz  mann,  m.,  auf  den  schiffen,  welche  auf 
dem  wallfischfang  sind,  derjenige,  welcher  den  wallfi^ch- 
speck  von  der  speckbank  in  den  gusz  schiebt  und  mit  einer 
schuppe  fortstreicht  Campe  2,  482;  Jacobsson  2, 176a'; 
Kluge  seemannsspr.  339.  —  guszmedaille,  /.;  ihres 
Wunsches,  deutsche  guszmedaillen  zu  erhalten  oder  besser 
deren  holzmodelle,  nehme  ich  mich  gerne  an  Rietschel 
an  Rauch  1,  291;  in  die  erste  haltte  des  15.  jhs.  fallen  die 
groszen  guszmedaillen  des  Victor  Pisanus,  der  diese 
technik  zur  gröszten  Vollendung  brachte  Luschin  v. 
Ebengreuth  25.  —  guszofen,  vi.:  auch  solche  öfen  mit 
gestel],  worin  in  der  regel  nicht  sehr  manganhaltige, 
strengflüssige  erze  Verblasen  werden,  welche,  wenn  der 
ofen  in  gutem  betriebe  seyn  soll,  graues  roheisen  geben 

77* 


1223 


GUSZOPFER  —  GUSZSTAHL 


müssen,  hat  man  guszöfen  genannt  Blumhof  eisenhüUen- 
kunde{1817)  1,  498 ;  der  mann  war  nichts  als  eine  glänzende 
bildsäule  zu  pferde,  welche  so  marzialisch  und  ähnlich, 
als  gussform  und  gussofen  zugelassen,  den  seligen  vater 
der  regierenden  herrn  .  .  .  abbildete  Jean  Paul  27/29, 
322  H.;  und  es  ging  in  den  feuerhäusern  wohl  schon  so 
gewaltsam  und  kraftvoll  her,  wie  an  jenem  gussofen  zu 
Florenz,  als  Benevenuto  seinen  Perseus  goss  G.  Kelleb 
2,  177.  —  guszopfer,  n.:  libamen  guszoffar  aJid.  gl.  4, 
204,  56. 

GUSZREGEN,  m.,  heftiger  regen,  platzregen:  unde  wur- 
den gefuchtet  mit  deme  guseregene,  dasz  was  der  hailige 
gaist  hohe  lied  81,  20  J.  Haupt  (11.  jh.);  wann  sy  fürchten 
ain  grossen  gwssregen  J.  Hartlieb  dialogus  miracul. 
V.  Caes.  V.  Heisterbach  280,  34  Drescher;  den  10.  junii  zu 
nacht  tet  es  ein  gosz-  und  platzregen  J.  Mechtel  Lim- 
burger chron.  214;  dann  der  luft  wirdt  ietzo  mit  unge- 
stümen guszregen  .  .  .  vergiftet  werden  G.  Alt  buch  d. 
chron.  (1493)  259^;  und  in  dem  grossen  guszregen  schlug 
das  Wasser  zu  uns  in  unser  stantzen  hinab  F.  Faber 
eigendlich  beschr.  (1557)  19^;  der  f eider  durst  musz  noth- 
wendig  durch  starcke  guszregen  gelöscht  werden  Weioel 
grund  aller  tug.  (1687)  19;  worbei  zugleich,  nebst  vielen 
winden,  auch  starcke  gusz-  und  platzregen  zu  verspüren 
gewesen  Breslauer  samrrd.  v.  nat.  u.  med.  gesch.  (1717)  2,16; 
sie  (heringe)  schiessen  mit  einem  geräusch,  wie  von  einem 
gussregen  ...  ins  meer  zurück  Oken  naturgesch.  6,  375; 
der  verhenkerte  guszregen  wäscht  mir  vor  aug  und  fern- 
rohr  alle  gegende  durcheinander  C.  D.  Gbabbe  tverke  3, 
218  Blumenthal;  an  einem  deutschen  sommertage,  wo 
guszregen  und  schwüler  sonnenblick  wechselten  Immeb- 
MANN  5,  5  H. ;  ein  starker  guszregen  fluthete  nieder 
P.  RosEOOEB  sehr.  I  6,  337;  das  titanische  fühlten  wir 
wohl  in  seiner  nähe,  den  eigens  geschaffenen  wind,  den 
guszregen  von  wasserperlen  Ii.Stevb drei sommer  i7i  Tirol 
1,  264;  nach  herzlichem  abschied  brachen  wir  während 
eines  guszregens  auf  Sven  Hedin  abcnteuer  in  Tibet  16, 
281.  —  guszreifen,  m.:  wenn  die  kugel  nicht  recht 
rund  und  an  einem  ort  höher  als  am  andern  ist,  und 
grosse  guszreiffen  hat  {kan7i  eine  Sprengung  des  geschützes 
eintreten)  J.  S.  Gruber /nedens-  u.  kriegsschule  (1697)  435; 
(beim  kugelgieszen)  .  .  .  abtheilungen  ...  wo  ...  2  mann 
endlich  die  güsse  abkneipen,  und  die  kugeln  in  einem 
fasse  rollen,  um  sie  von  guszreifen  zu  befreien  J.  G. 
HOYER  allg.  wb.  d.  artillerie  (1804)  1, 137.  —  guszrohr,  n.: 
welcher  den  von  den  gusz-  und  windröhren  auszerdem 
gereinigten  gusz  der  statue  beurtheilt  Rauch  an  Rietschel 

1,  439.  —  guszröhre,  /.,  'dasjenige  metallene  röhr, 
welches  auf  eine  Wasserkunst  aufgesetzt  und  durch  welches 
der  Wasserstrahl  in  die  luft  dringet  und  sichtbar  wird'' 
Jacobsson  2,  176»;  Campe  2,  482;  Mothes  2,  550.  in 
der  metaUgieszerei :  ich  hätte  alsdann  einen  weit  gröszeren 
ofen  machen  müssen,  und  eine  guszröhre  {für  das  heisze 
metall)  wie  mein  fusz  Göthe  44,  204  W.  —  guszrunse, 
/.;  ain  ieder  nachpaur  an  der  winter-  und  sumerzeit  sol 
die  gussrunsen  vor  seinem  haus  räumen  österr.  weist. 
8,  76.  —  guszscheiden,  subst.  inf.:  solch  guszscheiden 
aber  sol  man  also  verstehen,  weil  das  goldt  in  dem  arm- 
haltigen  goldischen  silber  weit  auszgetheilt  ist  L.  Ercker 
beschreibg  aller  mineral.  erzt  (1580)  76*>. 

GUSZSTAHL,  m.,  'gegossener  stahl,  zum  unterschiede 
von  dem  geschmiedeten"  Campe  2,  482:  der  englische  gusz- 
stahl  ist  gewöhnlich  mit  dem  namen  martial,  walker, 
oder  hurtsmann  bezeichnet  Hoyer  wb.  d.  artillerie  (1804) 

2,  195;  wird  derselbe  {brennstahl)  mit  .  .  .  glaspulver  ge- 
schmolzen, so  gibt  dieses  guszstahl  J.  Ltebig  hdb.  d.  chemie 
(1843)531;  die  erzeugung  des  cement-  und  guszstahls, 
der  Übergang  des  fasrigen  gewebes  des  eisens  in  körniges 
durch  erhöhte  temperatur  Humboldt  kosmos  l,  272; 

geht  nur  näher  zu  der  mauer 

ohne  scheu  . . . 

seht,  sie  ist  durchaus  von  guszstahl 

Immermann  12,  58  H.; 

die  Stange  {reckatange)  muss  aus  feinstem  guszstahl  ge- 
fertigt werden  Kbeoenow-Samel  gerätkunde  (1905)  24; 


GUSZSTAHL  {composita)  -  GÜSZVOGEL    1224 

in  bildlichem  gebrauch:  mein  hirn  ist  .  .  .  abgestumpft 
wie  n  brettnagel  auf  guszstahl  Südermann  hohe  lied 

(1926)   594. 

composita.  wie  bei  guszeisen  sehr  viele  Verbindungen 
in  der  spräche  der  technik,  vgl.  die  einschlägigen  techn. 
wb.:  --fabrikation:  er  hörte  ...  zu,  wie  v.  E.  .  .  . 
die  guszstahlfabrikation  darlegte  B.  Auerbach  sehr.  7, 
15;  --härte:  Napoleon  ist  nicht  mein  idol,  ich  lob 
und  liebe  ihn  nicht;  aber  er  hat  eben  die  .  .  .  guszstahl- 
härte  und  das  metall,  .  .  .  alle  die  handgriffe  und  prak- 
tiken,  kiirz  und  gut  alles  das,  was  uns  eben  fehlt  Bog. 
Goltz  ein  jugendleben  {I802)  2,  iSS;  --werk:  ich  begab 
mich  .  .  .  nach  dem  guszstahlwerk  Pückler-Muskau 
briefe  eines  verstorbenen  4,227.  —  guszstählern,  adj., 
aus  guszstahl  verfertigt,  nur  in  der  spräche  der  technik  nach- 
weisbar: das  guszstählerne  geböhr  Veith  bergwb.  (1870) 
220 ;  .  .  .  guszstählerne  räder  finden  sich  selten  beim  berg- 
bau  Karmarsch-Heeren  1,  403. 

GUSZSTEIN,  m.,  spülstein,  wasserstein,  gosz-  oder 
guszstein  scafa,  sciacquatoio  dove  si  lava  le  scudelle 
Matth.  lüiAMER  2(1702)  949C;  'ein  ausgeliauener  steinerner 
trog,  aus  welchem  ein  röhr  gehet,  damit  das  dahineinge- 
schüttete  wasser  dadurch  geleitet  werde  G.  H.  Zincke 
öconom.  lex.  (1744)  971;  vgl.  goszstein,  gossenstein: 
item  Vi  m-  den  gossteyn  in  des  treszlers  gemache  zu 
legen  den  muweren  Marienburger  tresslerbuch  (1399-1409) 
312  Joachim;  item  ein  hulczene  rinnen  hab  ich  aus  dem 
guszstein  in  derselben  kuchen  über  den  zwinger  in  den 
statgraben  geleit  Tücher  baumeisterb.  289  lit.  ver.;  item 
ausz  derselben  küchen  von  dem  guszstein  wart  ein 
hulczene  rin  .  .  .  hinausz  gemacht  301;  alle  technischen 
mittel,  wodurch  dies  resultat  erreicht  worden  und  wobei 
begreiflich  die  anläge  von  luftzügen,  abtritten  und  gusz- 
steinen  eine  hauptrolle  spielt,  würdest  du,  besonders  ohne 
Zeichnungen  so  wenig  verstehen,  als  ich  sie  beschreiben 
könnte  V.  A.  Hüber  reisebr.  (1855)  1,  133;  dann  .  .  . 
gössen  sie  das  spülicht  weg,  putzten  den  guszstein  Gottfr. 
Keller  ges.  werke  8,  295;  für  die  das  spülicht  ableitende 
röhre  oder  rinne,  s.  Mothes  2,  551 ;  steinerne  rinne,  durch 
die  das  schmutzige  küchenwasser  ausgegossen  wird  Rein- 
wald henneb.  id.  (1793)  55;  all  gusstain,  von  den  kücheln 
auf  die  gassen  geend  österr.  tveisth.  5,  290  (1570): 

wie  jede  küche  so  bereitet, 
dasz  ein  canal  und  guszstein  Ist, 
durch  welche  man  das  spühlicht  leitet, 
und  was  sonst  nichts  mehr  tauget,  gieszt 

D.  W.  TRILLER  poet.  betr.  (1750)  1,  181. 

—  guszstrahl,  m.: 

wie  aber  aus  der  felsenkluft, 
nach  überstandnem  stürm  und  regen, 
der  Sonnenschein  die  tauben  ruft, 
dasz  sie  sich  wieder  wärmen  mögen: 
doch  bald  darauf  nun  andermal 
ein  neuer  gusz-  und  wetterstrahl 
sie  wieder  in  die  höhe  jaget 

D.  W.  Triller  poet.  betr.  (1750)  3,  478; 

die  wölke  hingegen,  wie  sie  vorrückte,  unterlag  im 
einzelnen  der  erdanziehung,  und  es  senkten  sich  ganz 
verticale  guszstrahlen  herunter  Göthe  II,  12,  28  W.;  in 
der  technik:  gusstrahl  jet  of  metal,  jet  de  metal  Hoyer- 
Kreuter  1,  320.  —  gusz  ström,  m.:  von  regen,  gusz- 
strömen  und  wüthendem  stürme  gepeitscht  A.  v.  Wars- 
BERG  odysseische  landschaften  (1878)  1,  212.  —  gusz- 
stück,  n.:  die  guszstücke  zur  luftpumpe  Göthe  III,  4, 
266  W.;  sie  {die  gusznaht)  wird  beim  putzen  des  gusz- 
stückes  .  .  .  entfernt  v.  Alten  4,  503. 

GÜSZVOGEL,  w.,  der  kleine  brachvogel,  numenius 
phaeopus  Brehm  tierleben  6,  15  Pechud- Lösche;  Naumann 
vögd  8,  506;  auch  der  grünspecht  {picus  viridus)  wird 
darunter  verstanden  Schmeller  1,  951; 

da  giszvogel  sait: 

dasz  s  bal  rögnat  wird  wern 

Fr.  Stelzhamer  ausgew.  dicM.  1,  285  Rosegger. 

etymologie  wie  Schreibart  unsicher,  häufig  auch  güsvogel 
geschrieben,  vgl.  Suolahti  deutsche  vogelnamen  281.  in 
Schwaben  ist  der  name  und  die  volkstümliche  function  des 


1225 


GUSZWACHS  -  GUT,  adj. 


GUT,  adj. 


1226 


Vogels  auf  schleierarlige  wölken  (güszvögel)  übertragen, 
die  auf  regen  deuten  Fischer  6,  2083.  —  gusz  wachs,  n., 
das  aus  den  Scheiben  geschmolzene  und  gereinigte  wachs 
Makperger  kaufmannsmagazin  (1708)  1346.  —  gusz- 
ware,  /.,  allerlei  waaren  oder  sachen  von  eisen  usw., 
in  formen  gegossen  Campe  2,  483;  es  kann  wohl  sein, 
dasz  sie  ...  manches  metallische,  gusz-  und  andere 
waaren  .  .  .  zurückgenommen  Göthe  48,  153  W. 

GÜSZWASSER,  n.,  s.  o.  sp.  1202. 

GUSZ  WERK,  n.,  der  gegossene  gegenständ,  das  kunst- 
werk,  die  statue,  in  dieser  bedeutung  am  frühesten  belegt: 
es  sein  auch  (im  zeughaus)  ain  hauffen  modell  von 
spritzenwerck,  gusswerck,  schuswerck  und  anderen  inven- 
tionen  und  künsten  vorhanden  (1629)  quellenschr.  zur 
kunstgesch.  neue  folge  10,  215;  .  .  .  der  rothschmied  Peter 
Vischer,  der  mit  fünf  söhnen  das  wunderbare  gusswerk, 
S.  Sebalds  grab,  in  der  Sebalduskirche,  verfertigt  hat 
L.  Uhland  sehr.  z.  gesch.  d.  dichtung  u.  sage  2,  360;  ferner 
gehören  manche  statuen  und  ähnliches  gusswerk  .  .  .  dem 
rothgusse  an  Muspratt  4,  2051;  so  erscheint  ein  guss- 
werk des  Phoikos  dem  Pausanias  noch  unbeholfen 
H.  Brunn  kl.  sehr.  2,  34.  von  der  herstellungsart:  die  stadt 
Nürnberg  wollte  .  .  .  ihrem  erretter  .  .  .  ein  stattliches 
denkmal  aus  guszwerk  errichten  Fr.  L.  Jahn  werke  2, 
386;  näher  bestimmt,  so  als  gemisch  von  mörtel,  cement: 
sie  {die  brunnen)  sind  alle  aus  wasserdichtem  gemäuer, 
aus  einem  gusswerke  von  mörtel,  mit  vielen  kiesein  ver- 
mischt, eingefasst  Ritter  erdkunde  17,  351;  mit  groszem 
Scharfsinn  löste  Hirt,  .  .  .  dieses  räthsel  durch  das  leichte 
guszwerk  aus  bimsstein  C.  A.  Böttioer  kl.  sehr.  2,  343 
Sillig;  das  dicke  gemäuer  ist  völlig  zyklopisch  von  un- 
behauenen granitsteinen,  durch  guszwerk  verbunden  auf- 
geführt H.  Allmers  marschenbuch  1/2,  143.  die  statte,  an 
der  metall  gegossen  vnrd,  vgl.  C.  v.  Scheuchenstuel 
hüttenspr.  104:  noch  liegt  an  unserem  wege  wie  ein  fetzen 
staubiger  prosa  das  guszwerk  P.  Roseqoeb  sehr.  I  7, 194; 
da  kommt  sie  ins  guszwerk,  wo  die  groszen  hochöfen 
stehen  Rosegger  nixnutzig  volk  (1907)  115.  —  gusz- 
wesen,  n.:  unter  allen  ist  das  feine  englische  und  das 
Schlackenwalder  bergzinn  zum  guszwesen  das  beste 
Gruber  mathem.  friedens-  und  kriegsschule  424;  chemie 
oder  scheidekunst,  welche  die  Untersuchung  der  qualita- 
tiven und  quantitativen  Verhältnisse  der  bestandtheile 
.  .  .  aller  körper  lehret,  ist  dem  artilleristen  sowohl  in 
absieht  des  guswesens  als  der  kunstfeuerwerke  nöthig 
J.  G.  HoYER  artillerie  1,  192.  —  guszzwieback,  m., 
zuHeback  mit  zuckergusz  Brendicke  berl.  Wortschatz  131^; 
Meyer  d.  rieht.  Berliner  90;  Betcke  Königsberger  ma.  31. 

GUT,  adj.  adv.,  bonus,  idoneus,  utilis,  nobilis,  jucundv^, 
benignus,  probus,  sanctus. 

gemeitujerm.  wort,  got.  go^s  mit  der  nebenform  gods 
(nach  Braune  got.  gr.  §  74  anm.  1  spätgot.  schreiberform, 
na<;h  Streitberq  got.  elem.  §  25  satzphonetische  Variante), 
ahd.  mhd.  guot,  as.  mnd.  god,  ags.  göd,  eTigl.  good,  anord. 
godr,  norw.  schwed.  dän.  god.  in  süddtsch.  maa.  mit  be- 
wahrtem diphthong  guet,  guat,  guat,  im  nd.  gebiet  got, 
gaut,  gut  {vgl.  anz.  f.  d.  a.  22,  112^.)  und  kurzvokalisch 
gut  besonders  itn  hess.  u.  schles.  7id.  teilweise  mit  geschumn- 
denem  dental  in  flektierten  formen,  vgl.  gön  {guteti)  jung, 
göa  dern  Mensing  2,  423,  rhein.  wb.  2,  1509  u.  anz.  22, 
115/.,  vgl.  schon  goen  dach  in  Teweschen  hochtydt  (1640) 
in  JEtLiNOHAUS  nd.  bauernkom.  233 ;  mit  palatalem  über- 
gangslaut  -j-  vgl.  rhein.  wb.  2,  1509,  anz.  a.  a.  o.  und 
ebenso  schon  goje  in  Teweschen  hochtydt  a.  a.  o.  240. 
über  formen  mit  -r-,  -1-  iisw.  vgl.  anz.  a.  a.  0.;  vgl.  zum 
ganzen  den  Sprachatlas  des  Dtsch.  reiches,  karten  nrr.  220 
(gut),  221  (gute). 
form  und  herkunft. 

1)  formal  stellt  sich  gut  als  adjektivbildung  zu  einer  idg. 
Wurzel  *ghadh-  in  II.  hochstufe  mit  {wohl  partizipialem) 
o-suffix  dar  und  wäre  als  idg.  wurzeladjektiv  *ghädho-  > 
germ.  »göda-  aufzufassen,  vgl.  F.  Schmidt  zur  geschichte 
des  Wortes  'guf  {Leipziger  diss.  1898),  wenn  seine  bildung 
von  gr.  ayaO^ög  geschieden  bleibt  {s.  u.  3);  direkte  oder 


zweifelsfreie  parallelbildungen  fehlen  jedoch,  den  Zu- 
sammenhang von  gut  mit  dem  stamm  germ.  •gad-  in  got, 
gadiliggs  'vetter\  as.  gaduling  'verwandter,  Volksgenosse^ 
ahd.  gagat,  adj.  Graff  4,  143,  as.  gigado  'genösset ,  ahd. 
bigatön  Graff  o.  a.  o.,  mhd.  gaten  'passen,  paaren\  arurrd. 
gadda  'zusammenheften" ,  mhd.  gate  'genösse,  gatte\  ags. 
geador,  -gaedere  'vereint,  zusammen' ,  vgl.  nd.  gader,  und 
gätlich  {vgl.  teil  4,  l,  l,  1490),  gätlos  {ebda  1494),  gatter 
{ebda  1502)  hat  bereits  Grassmann  1863  {vgl.  Kuhns  zs. 
12,  128/.)  erkannt,  den  gemeinsamen  stammbegriff  der 
Wortsippe  von  *gad-  erschlosz  schon  Jac.  Grimm  {gr.  2,  51) 
als  jüngere  'verbinden',  der  als  'vereinigen,  eng  verbunden 
sein,  zusammenpassen'  bereits  als  Wurzelbedeutung  von  idg. 
*ghadh-  anzusetzen  ist,  vgl.  Walde-Pok.  vgl.  wb.  1,  531. 
grammatischer  Wechsel  ist  für  gut  nicht  nachzuiveisen; 
der  Wechsel  der  Schreibung  als  gutte,  guttin  und  gude  im 
älteren  schles.  beruht  auf  Sprachmischung,  vgl.  W.  Juno- 
andreas besiedlung  Schles.  (1928)  76,  127,  247. 

2)  die  aus  den  auszergerm.  sprachen  beigebrachten  urver- 
wandten Wörter  erweisen,  soweit  sie  überzeugend  verknüpft 
werden,  dasz  ein  teil  der  bedeutungsstränge  des  adj.  gut  in 
gewissen  abschattier ungen  der  idg.  wurzelbedeutung  oder 
deren  fortbildungen  seine  parallelen  findet,  so  besonders  im 
slav.,  vgl.  russ.  godnyj  'tauglich'  {s.  gut  I  A),  russ.  prigozij 
'gut,  passend'  {s.  gut  I  A),  'schmuck,  hübsch'  {s.  gut  III), 
niedersorb.  g6dny  'günstig'  {s.  gut  I  C),  ksl.  godü  'passende 
zeit;  zeit,  stunde',  abg.  ü-goda  'Wohlgefallen',  ksl.  godinü 
'gefällig'  {s.  gut  III),  lit.  gadnus  'geeignet,  tvürdig'  entlehnt 
aus  weiszruss.  {s.  gut  I.  II);  fraglicher  bleiben  schon  lit, 
güda  (-U-  =  idg.  -ö-l)  'ehre',  lett.  güds  'ehre,  rühm' ,  gudigs 
'anständig,  ehrbar'  {s.  gut  V),  vgl.  Berneker  slav.  etym. 
wb.  snf.  im  skr.  bietet  sich  nur  die  wz.  gadh-  in  ä-gadh-ita 
'angeklammert' ,  pära-gadh-ita  'umklammert'  und  gädh-ia-s 
'festzuhalten'  {vgl.  Gbassmann  a.  a,  o.).  dazu  noch  lit. 
{aus  weiszruss.)  gädas  'Vereinigung' .  dagegen  bleiben  tat, 
habere  und  verwandte  besser  beiseite;  weitere  versuche  bei 
Walde- PoK.  o.  a.  0.  532/. 

3)  der  etymologische  Zusammenhang  mit  gr.  (cyn&os  ist 
{trotz  Jac.  Grimms  zweifei,  gr.  2,  43)  viel  erörtert,  aber  nicht 
hinreichend  glaubhaft  gemacht  worden,  da  die  lautlichen 
inkongruenzen  nur  durch  gewagte  hilfskonstruktionen  weg- 
erklärt werden  können  und  auch  die  bedeutung  des  gr. 
Wortes  eine  so  prägnante  ist  une  sie  dem  germ.  gut  nicht 
zukam.  HirT5  ansatz  {vgl.  'd.  idg.  ablaut'  [1900]  107)  idg. 
•aghödh-  'gut' ,  dazu  got.  göds  und  als  reduktionsstufe  gr. 
ayuH^öi  ist  ebenso  abzulehnen  une  der  oft  benutzte  umweg 
über  das  hesychische  ((xn9-<if,  z.  b.  Johansson  in  Bezzen- 
berger  beitr.  13,  116/.;  etwas  anders  zu  idg.  *ghädh-  ein 
sm-ghadh-  >  ay.a&ö;  Güntert  idg.  ablautprobleme  (1916) 
132.  au^h  die  identität  von  gut  als  *ghät6s  mit  gr.  /äaiog, 
lakon.  yjäos  {*yäxiog),  vgl.  Laoercrantz  in  Kuhns  zs. 
35,  290/.  ui\d  Güntert. a.  a.  o.,  ist  schwerlich  gültig. 

komparation  und  adverbbildung. 

die  alte  komparation,  die  in  allen  germ.  sprachen  erhalten 
ist,  tvird  von  der  umrzel  idg.  *bhäd-  {vgl.  Walde-Pok.  2, 
152)  gebildet,  nhd.  besser  {vgl.  teil  1,  1644^.)  und  best, 
beste  {vgl.  teil  l,  1649/.,  iQbQff.),  dazu  als  adv.  des  comp. 
basz  {vgl.  teil  l,  1153^.).  die  anomalie  der  komparation 
erklärt  sich  aus  der  ursprünglichen  begriffsgrenze  von  gut, 
das  in  der  bedeutung  'passend'  keiner  Steigerung  fähig  war, 
eine  allseitige  kongruenz  der  bedeutung sinhalte  des  positive 
und  der  komparationsformen  fehlt  bis  heute,  die  folge  ist 
das  in  den  maa.  und  der  kindersprache  sichtbare  bestreben, 
die  anomalie  zu  beseitigen  und  namentlich  für  bestimmte 
sonder  bedeutung  en  von  gut  eine  wurzelechte  steiger^ing  zu 
schaffen,  die  jedoch  bestenfalls  neben  der  alten  komparation 
besteht,  schon  im  mhd.  setzen  diese  bildungen  ein,  sind 
aber  nicht  zu  allgemeinerer  Verwendung  gelangt: 

fürstinne  wart  nie  guoter 
danne  diu  grsevlnne  Irmetscbart 

Ulkich  v.  d.  Türlin  Wülehalm  247,  4  Singer; 

noch  den  ist  der  minneste  heilige  in  himelriche  guter  und 
getruwere  dan  alle  menschen  mochten  wesen  heil,  reget 
19,  25  Priebsch;  alsus  vindest  du  an  dem  einvaltigen  aller 


1227 


GUT,  adj. 


GUT,  adj.,  I  A  1 


1228 


gutesten  gute,  daz  got  ist  Tauleii  pred.  426,  4  Vetter; 
der  aller  gütste  got  173,  19;  die  heiligen  seind  all  gut, 
doch  ist  unser  frow  die  gütest  und  dye  gnädigest  d. 
heiligen  leben  summerteyl  (1472)  160*';  mal.  in  gewissen 
bedeutungcn  im  schwäb.  guter,  gutest  und  mit  umlaut 
guter,  gütest,  vgl.  Fischer  3,  940:  eine  gütere  milch  3, 
941;  mein  feld  ist  guter  als  das  deine  ebda;  im  Schweiz, 
(kanton  Schaffhausen)  güeter,  güetist,  sonst  nur  scherzhaft 
und  in  der  kindersprache  Staub-Tobleb  2,  535;  'güeter 
(güetest)  kommt  im  physischen  sinne  in  bezug  auf  speisen 
und  mehr  bei  kivdern  vor,  besser  (best)  in  allen  andern 
fällen,  wo  es  bas  nicht  vertritt'  Tobler  appenzell.  245*; 
güeter,  guetst  in  der  kindersprache  Martin-Lienhart 
1,  248,  vgl.  guder  sprich  (=  besser  ausgedrückt)  'mit  andern 
warten'  Follmakn  lothr.  221;  jöar,  jotsto  'bei  beteuerungen 
und  emphatisch''  rhein.  wb.  2,  1509:  hea  is  goer  äs  got  ebda; 
et  jotste  keukche  Rovenhagen  Aachener  ma.  46;  meine 
mutter  is  gitter  als  deine  {Meiszen)  Mülleb-Fraueetjth 
1,  452  in  der  kindersprache,  aber  auch  sonst:  gemochter 
arbeit  wor  ar  giter  Rob.  Pöschel  Oösznitzer  bilderbuch 
(1909)  158;  065.  und  anderorts  namentlich  als  anrede  mei 
gutster  (herre)  Mülx,er-Fraureuth  o.  a.  0.;  sehen  sie, 
gutester  herr  lieutenant,  nu  sind  sie  mir  noch  drei  mal 
lieber  Holtei  erz.  sehr.  7,  154;  na,  mein  gutester  W. 
Raabe  Abu  T  elf  an  124;  sie  ist  ihrem  vater  guter  gewesen 
als  er  ihr  Hippel  Lebensläufe  3,  94;  dem  Copernikus  bin 
ich  am  gutsten  1,  378;  so  bin  ich  dem  liederdichter  Hans 
Rist  nur  noch  guter  geworden  Fr.  Ludw.  Jahn  br.  158 
Meyer;  mit  übernähme  des  komparativ-r  in  den  Superlativ: 
güatBr,  güat^rstg  Bacher  Lusern  264;  gütor,  gütorst 
ScHMELLER  cimbr.  127^;  guterst  'der  beste'  (oberhess.) 
EsTOR  rechtsgelähriheit  3  (1767)  1410.  im  bayr.  oberland 
tritt  güetiger,  güetigist  als  Steigerung  von  gut  auf,  vgl. 
Schmeller-Fr.  1,  965;  sonst  hilft  sich  die  spräche  bei  der 
komparation  von  bedeutungcn,  die  besser,  best  nicht  be- 
sitzt, durch  Umschreibung  mit  mehr,  meist. 

das  adv.  von  gut  ist  in  älterer  spräche  allein  wohl  {got. 
waila,  alid.  wela,  wola,  mhd.  wol),  was  darauf  deuten 
dürfte,  dasz  gut  zufrühest  noch  keine  qualifizierende  be- 
deutung  zukam,  die  auf  handlungen  hätte  bezogen  werden 
können,  sondern  dasz  gut  lediglich  als  adj.  in  anwendung 
auf  concreta  deren  gebrav^hsfähigkeit  feststellte,  seit  dem 
13.  jh.  tritt  im  deutschen  gut  neben  wohl  als  adv.  auf, 
gewinnt  aber  erst  mit  dem  nhd.  seinen  vollen  umfang  als 
adv.;  genaueres  s.  u.  gut  VII  köpf. 

bedeutung  und  gebrauch. 

die  bedeutung sgeschichte  des  Wortes  gut  fällt  in  ihren 
wesentlichsten  abschnitten  in  vorlilerarische  zeit  und  seine 
hauptbedeutungen  lassen  sich  bereits  teilweise  (I-IV)  im 
frühesten  Schrifttum  erkennen,  entscheidend  für  die  Weiter- 
entwicklung zum  ethischen  begriffsinhalt  (V)  und  für  die 
Umbildung  zu  zahlreichen  Sonderbedeutungen  war  der  ein- 
flusz  von  lat.  bonus  und  seiner  vielfältigen  verwendungs- 
arten  in  theologischer,  juristischer  und  poetischer  literatur. 
der  germanische  bedeutungsumfang  des  wortes  läszt  sich 
daher  nicht  mehr  bis  ins  einzelne  abschätzen,  gerade  im 
gegensatz  zu  bonus  erweist  sich  die  teleologische  Verwendung 
(I)  mit  zweckangabe  in  abhängiger  konstruktion  (I  A  1)  als 
ursprünglich  und  läszt  sich  im  sinne  'passend' ,  dann  'ge- 
eignet, tatiglich,  nützlich'  unmittelbar  aus  der  wurzdbe- 
deutung  von  idg.  *ghadh-  (s.  o.  1)  herleiten,  nach  ags. 
(Beowulf)  und  anord.  zeugnis  ist  in  anwendung  auf  per- 
sonen  die  bedeutung  'tapfer,  tüchtig,  welker'  (I B)  und 
terminologisch  als  Standesbezeichnung  'edel,  vornehm'  (IIB) 
früh  entfaltet,  die  bereits  für  das  ältere  germ.  die  entwicklung 
zum  allgemeineren  qualitativbegriff  (II)  voraussetzt,  wie  ja 
go{)3  im  gotischen  gleicherweise  gr.  nyad^os  und  xaXög  ver- 
tritt, die  bedeutung szweige  'angenehm,  freudig'  (III)  und 
'geneigt,  freundlich'  (IV)  sind  als  psychologisch  begründete 
Seitentriebe  von  gut  I  aus  verständlich,  jedoch  in  den 
frühesten  denkmälern  nur  spärlich  bezeugt,  dasz  im  got. 
als  attribut  gottes  und  Christi  durchaus  j)iuj)eigs  auftritt, 
weist  aber  darauf,  dasz  die  religiös  gefärbte  bedeutung 
'gütig,  gnädig'  jüngeren  lehnursprungs  ist;  auch  'freund- 


lich' wird  im  got.  trotz  lat.  bonus  (gr.  yorjGxös)  durch  sels 
wiedergegeben  {wie  bonitas  durch  seli);  doch  steht  go{)s  für 
benignus  {Luk.  6,  35),  wo  es  als  eigenschaft  des  herrschers 
offenbar  urtümlicher  Verwendung  entspricht,  die  ethische 
bedeutung  (V)  entwickelt  sich,  wohl  auf  der  grundlage  von 
I  B  und  I  C,  unter  unmittelbarem  einflusz  des  christlichen 
sittlichkeitsbegriffe^  zu  ihrem  religiösen  gehall,  wie  die 
älteste  Übersetzungsliteratur  es  verdeutlicht,  die  entkernung 
zum  bloszen  intensitäts-  und  maszbegriff  (VI)  ist  erst  in 
mhd.  spräche  zu  beobachten. 

I.  die  genetisch  älteste  und  der  etymologisch  erschliesz- 
baren  grundbedeutung  'passend'  am  nächsten  stehende 
hauptbedeutung  wird  durch  den  teleologischen  char akter 
des  Wortgebrauches  bestimmt:  eine  sache,  eine  person,  ein 
zustand  ist  gut,  weil  sie  im  hinblick  auf  einen  im  be- 
beziehungswort  mehr  oder  minder  deutlich  erkennbaren 
ztveck  als  'passend,  zweckdienlich,  tauglich,  brauchbar', 
'tüchtig',  'günstig'  usw.  erscheinen,  gut  ist  damit  zunächst 
von  den  ältesten  zeiten  bis  heute  als  relalionsbegriff  zu 
fassen,  der  stets  erst  die  Vorstufe  zum  absoluten  wertbegriff 
darstellt,  und  zwar  als  bezeichnung  einer  objektiv  fest- 
stellbaren tauglichkeit. 

A.  von  dingen  aller  art  und  personen  allgemein  im  sinne 
'zu  einem  zwecke  dienlich,  tauglich,  brauchbar,  geeignet, 
verwendbar' . 

1)  die  funktion  als  relalionsbegriff  zeigt  sich  am  deut- 
lichsten da,  wo  gut  mit  einer  angäbe  der  Zweckbestimmung 
durch  bestimmte  abhängige  konstruktionen  oder  mit  der  be- 
zeichnung der  an  einer  sache  interessierten  person  im  per- 
sonalen dativ  verbunden  ist. 

a)  neutral  in  der  bedeutung  'für  einen  zweck  geeignet, 
passend,  tauglich'. 

a)  durch  präpositionale  Verbindungen  näher  bestimmt. 

aa)  so  seit  alters  durch  zu  {vgl.  für  das  got.  I  A  1  b  a), 
das  in  neuerer  spräche  bei  substantivischem  beziehungswort 
abkommt  und  gelegentlich  durch  als  ersetzt  wird  {s.  u.  y) ; 
von  Sachen: 

ze  sselde  unt  ze  erzente  guot 

was  d&  maneges  Steines  sunder  art 

WOLFKAM  Parzival  792,  2; 

die  gallen  und  die  lebbern  behalt  dir,  denn  sie  sind  seer 

gut  zur  artzney  Tobias  6,  6 ;  hat  sy  von  mir  in  bevelh  die 

gelocheroten  teil  mit  minem  alten  rock  zu  verbletzen,  so 

wirts  {das  tuch)  gut  zu  einem  decklachen  Fb.  Riederer 

rhetoric  (1493)  A2*'; 

d6  was  der  Hagene  wille      niht  ze  kurzewlle  guot 

Nibelungen  1856,  4  L.; 

{der  knappe  sprach)  zem  fürsten:  war  zuo  Ist  diz  guot  {der 

daz  dich  so  wol  kan  schicken?  [Mrnisch), 

WOLFKAM  Parzival  124,  2; 

es  ist  nichts  zu  gering,  es  ist  war  zu  gut  Henisch  1795; 
wenn  die  kuh  den  schwänz  verloren  hat,  weisz  sie  erst, 
wozu  er  gut  war  Binder  sprichw.  116;   lokal  gewendet: 

ungefangen  fiske 

BÜnd  neet  goot  to  diske 

LÜPKES    seemannsspr.  6; 

vielfach  mit  subst.  inf.  {bzw.  gerundium): 

der  Site  was  ze  trüren  guot 

WOLFRAM  Parzival  231, 19; 

abir  das  ole  ist  uneze,  doch  ist  is  gut  czu  burnen  Marco 
Polo  4,  9  V.  Tscharner;  doch  wirt  er  {der  Leopard)  s6  zam, 
daz  er  zuo  jagen  guot  wirt  Megenbeeg  buch  d.  natur  145 
Pf.;  der  win  ist  gut  ze  trinkenne  und  ist  nüt  übele 
schwabensp.  bei  Fischbb  schwäb.  3,  944 ;  oliven  die  noch 
nit  gut  ze  essen  sind  drupae  Feisius  449i>;  zalbar,  gut 
zezellen  numerabilis  885*',  vgl.  gut  zu  senden  missilis 
Diefenbach  363^;  ebenso  in  neuerer  spräche  geläufig: 
das  mehl  ist  zum  backen  gut;  das  messer  ist  gut  zum 
schnitzen  usto.;  substantiviert:  eyer,  die  auch  zur  aus- 
brütung der  hüner  dienstlich  und  gut  seyn  viehbüchl. 
(1667)  97;  von  personen: 

sl  dühte  des,  er  wsere  guot 

ze  herren  ir  lande        Hartmann  Iwein  3808; 

mancher  fünf  oder  sechs  pfarren  .  .  .  besitzt,  so  seiner 
kunst  halben  kum  zu  einem  sigristen  gut  wer  H.  Geb- 


1229 


GUT,  adj.,  I  A  1 


GUT,  adj.,  I  A  1 


1230 


WEILER  beschirm,  d,  lobs  Marie  (1623)  36^;  welcher  nit  kan 
lassen  wort  für  om  gehn,  der  ist  nit  gut  zu  ainem  bevelch- 
haber  G.  Mayr  sprüchw.  (1567)  a  5^;  böse  weiber  sind  gut 
zu  bösen  Sachen  Petri  d.  Teutschen  weish,  2,  l  4t>;  wer 
zu  seinem  rath  und  kanzler  tauge,  werde  wohl  auch  zu 
einem  domherrn  gut  genug  sein  Ranke  s.  w.  1,  103;  mit 
einschlag  von  III  A  'genehni' : 

daz  sin  (goUes)  genäde  und  sin  gebot 

erzeigte  wer  im  wäre 

guot  ze  rihtaere  Haetmann  Gregorius  2988; 

gut  sein  zu  im  sinne  'dienen  als': 

ich  bin  dir  zu  elm  vatter  gut 

Jag.  Ayker  dram.  2,  971  K.; 

'brauchbar  sein  für':  (es)  hat  sich  meiner  so  sehr  bemäch- 
tigt, dasz  ich  zu  nichts  anderm  gut  bin  Wieland 
8.  w.  (1795)  13,  34;  'mit  (subst.)  inf.:  {sie  sind)  zu  nicht 
anders  gut  dann  zu  rauben  und  stelen  Arioo  decam.  iSK.; 
zum  schwatzen  sind  die  liebhaber  ebenso  gut  Bauern- 
feld ges.  sehr.  1,  3. 

ßß)  mit  anderen  präpositionen;  besonders  für  seit  dem 
älteren  nhd.  gebräuchlich  an  stelle  von  älterem  zu:  für 
bittere  wasser  sind  gestoszen  corallen  gut  Sebiz  feldbau 
(1579)  16;  bildlich:  de  het  en  gut  perd  för  de  wage  rhein. 
tvb.  2,  1510  'gute  für  Sprache' ;  seltener  mit  anderen  präposi- 
tionen, wenn  der  verwendungsort  genannt  ist:  gut  auf  den 
tisch,  gut  ins  bett  Fischer  schwäb.  3,  944,  vgl.  das  er  {der 
papst)  nicht  gut  in  ein  schuch  were,  geschweig  zum  fusz- 
küssen  Fischart  binenk.  (1588)  4*'. 

ß)  durch  einen  abhängigen  satz:  die  galle  vom  fisch  ist 
gut,  die  äugen  damit  zu  salben  Tobias  6,  10; 

er  (der  tag)  ist  gut,  sich  zu  zerstreuen, 
zu  was  anderm  taugt  er  nicht 

GÖTHB  2, 119  TT.; 

das  ist  gut,  der  sau  vor  den  arsch  zu  gieszen  Hst  un- 
brauchbar' Frischbier  preusz.  sprichw.^  l,  227;  und  seind 
die  leusz  darzu  gut,  das  sie  manchem  betler  zusuchen 
und  zuschafEen  machen  Lindener  rastbüchlein  8  lit.  ver.; 

die  gottcsmutter  rauchgeschwärzt 
ihr  eingeräuchert  Iciudlein  herzt, 
verzeiclmet,  bunt,  doch  gut  genug, 
dasz  es  dem  manne  sonder  trug 
mit  andacht  so  die  seele  füllt 

A.  V.  Drostk-Hülshoff  w.  2,  74; 

■mit  abhängigem  geniiiv  eines  verbum  in  älterer  spräche:  es 
ist  gut  genug  vergebens  ( =  zum  verschenken  gut  genug) 
sprichw.  schöne  weise  klugreden  (1548)  155'^,  vgl.  es  ist  guet 
gnueg  vergebe  Staub-Tobler  2,  537;  entsprechend  in  an- 
wendung  auf  personen:  die  anderen  sint  gut,  in  clöster 
zu  stoszen,  pfaffcn,  münch  und  nunnen  darusz  zu  machen 
KEiSERSBERG6iig'er-.sc7i.(l512)  24^;  ich  mein,  dasAnnedorle 
ist  über  nacht  geblieben  im  Zainhammer,  . . .  die  ist  gut 
nach  dem  tode  schicken  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  144. 

y)  in  neuerer  Umgangssprache  findet  sich  ein  gebrauch 
gut  als  etw.  sein,  z.  6.  der  stock  hier  ist  ganz  gut  als  waffe; 
als  kindermädchen  bin  ich  dir  natürlich  gut  genug  usw.; 
tor  not  ia  n  botsmann  got  {als  ehcmann)  W.  Lüpkes  see- 
mannsspr.  3. 

b)  die  Vorstellung  der  tauglichkeit  verengert  sich  in  der 
bedeutung  förderlich,  nützlich,  heilsam'. 

a)  der  bestimmungszweck  wird  durch  präpositionale  Ver- 
bindung mit  zu  näher  bezeichnet,  vgl.  warzu  gut  sein  rem 
praebere  aliquas  utiliiates  Henisch  1787;  'dienlich,  nütz- 
lich', vgl.  {)atei  go{)  sijai  du  timreinai  galaubeinais  got. 
bibel  Eph.  4,  29: 

Amor  was  sin  krie. 

der  ruoft  ist  zer  dßmuot 

icdoch  niht  vollecliehen  guot 

Wolfram  Parzival  479,  2;  vgl.  2, 18; 

(ich)  gedäht  in  minem  muote 

waz  guot  wajr  zuo  des  herzen  huote 

Lamprbcht  V.  ßEGENSBtrEQ  tochter  Syon  2169  W.; 

mäze  ist  z  allen  dingen  guot  ebda  2989; 

armüt  ist  zu  vil  dingen  gut  sprichw.  (1548)  978;  eygen 
wüle  ist  zu  nicht  gud  prov.  Fridanci  74;  der  ganze  Vorfall 
{scheint)  zu  nichts  anderem  gut  gewesen  zu  sein,  als  mich 
nur  noch  unzufriedener  zu  machen  Brunner  erz.  u.  sehr. 


1,  343;  wortzu  sind  doch  so  viel  überflüssiger  wort  nütz 
und  gut?  Luther  8,  527  W.;  was  einsamkeit  wirket  . .  . 
und  wozu  sie  gut  ist  Zimmermann  üb.  d.  einsamk.  l,  6; 
wir  brauchen  contrast,  wahre  mängel  zu  empfinden, 
diesen  giebt  uns  die  englische  bühne,  und  dazu  sind  die 
Übersetzungen  gut  Gerstenberg  Hamb.  n.  ztg.  36  lit.- 
dkm.;  spezieller  von  mittein,  denen  eine  bestimmte  unrkung 
zugeschrieben  wird,  namentlich  heilmitteln: 

er  (der  adamas)  ist  ze  manegin  dingin  gut 
du  mir  niht  rehte  sint  bekant 

RUD.  V.  Ems  weltchron.  1847  Ehr.; 

zue  dem  so  ist  der  Christen  bluet 
zue  vU  Sachen  gar  nutz  und  guet 

Endinger  judenspiel  26  ndr.; 

das  kraut  ist  zu  siben  dingen  gut  Frisius  159^;  wenn 
auch  ein  viehe  die  blätter  isset,  so  soll  es  ihme  zur  milch 
trefflich  gut  seyn  viehbüchlein  (1667)  50; 

wozu  es  alles  schon  gut  gewesen, 
ist  aufm  gedruckten  zettel  zu  lesen 

GÖTHB  16,  29  W.; 

vgl.  w6  gaud  tau  sin  wogegen  helfen  Schambach  Gott.  60*. 
ß)  das  objekt,  für  das  ein  ding  dienlich  ist,  wird  durch 
präpositionale  bestimmung  angegeben;  bis  in  das  ältere  nhd. 
kann  au^h  hier  zu  gebraucht  werden,  später  wird  es  völlig 
durch  für  verdrängt;  'heilsam,  wohltätig':  si  sint  auch  guot 
zuo  den  äugen  Megenberq  b.  d.  natur  368  Pf.;  Wildtpad 
ain  stattl  und  ain  natürlich  päd  ...  ist  gut  zu  den  gelidern 
Ladisl.  Suntheim  in:  Wttbg.  vierteljahrsh.  jahrg.  1884, 128; 
das  ist  ein  liquatur,  das  zun  wunden  gutt  ist  Paracelsus 
opera  (1616)  1,  1039  H.;  nüt  ist  gut  für  d  äugen,  aber  nüd 
für  den  buch  Staub-Tobler  2,  539;  so  allgemein  nhd.:  die 
ruhe  (ist)  gut  vorn  schlaff  Lehman  floril.  pol.  (1662)1,  57; 

2.  6.  diese  tropfen  sind  auch  für  den  magen  gut,  für  die 
Verdauung  gut  usw.;  hierher:  Verzug  ist  für  Unglück  gut 
{dient,  führt  zum  Unglück)  Kirchhofeb  Schweiz,  sprüchw. 
(1824)  157. 

y)  das  objekt,  für  dessen  Vermeidung  oder  beseitigung  eine 
sacke  zweckdienlich  ist,  unrd  durch  präpositionale  bestim- 
mung gekennzeichnet, 
aa)  mit  für: 

ist  ez  mir  guot  für  ungemach 
ich  gloub  8wes  ir  gebietet 

WOLFRAM  Parzival  818,  2; 

daz  was  in  guot  vür  den  tot 

Hartmann  Iwein  5395; 
für  trüren  und  für  ungemüete  ist  niht  so  guot 
als  an  ze  sehen  ein  schcene  frowen  wol  gemuot 

Walther  27,  34; 

(der  Smaragd)  ...  ist  vor  di  vallende  suche  gut 

JOH.  ROTHE  lob  d.  keuschh.  2841  N.; 

Liebenzeil  ain  stättl  und  natürlich  päd  ist  für  die  gelsucht 
gut  Ladisl.  Suntheim  in:  Wttbg.  vierteljahrsh.  jahrg. 
1884,  126; 

ein  abgefleischtes  bein 

^t  gut  für  ihren  hunger 

Stieler  geh.  Venus  114  ndr.; 

do  kauft  er  ihr  ein  pfauenhut 
und  der  was  für  die  sonnen  gut 

A.  V.  Arnim  w.  21,  15  Gr.; 

wat  gaud  is  vor  die  bitte  is  äk  gaud  vor  de  külle  Scham- 
bach plattd.  sprichw.  nr.  343;  {der  doktor)  verschriewet 
pillen,  dei  sit  für  olles  gudd  Bauer-Collitz  192  a,  so  nhd. 
in  volkssprachlicher  redeweise  verbreitet,  z.  b.  der  tee  ist 
gut  für  den  husten  usw.;  was  ist  gut  fürs  zandweh?  s 
hören  {aufhören)  Staub-Tobler  2,  539. 

ßß)  mit  wider,  gegen: 

und  wer  ess  (das  hörn)  in  sinen  dranck  tud, 
so  ist  ess  wider  di  pestilencien  gud 

JOH.  ROTHE  lob  d.  keuschh.  3871  N.; 

daz  ist  gar  guot  wider  die  kalten  huosten  Megenberq 
6.  d.  naiur  367  Pf.;  disz  ist  gut  gegen  dem  geschütz 
A.  DüREB  underricht  (1527)  B3'';  ebenso  modern  üblich: 
das  präparat  ist  gegen  alle  erkrankungen  der  luftwege 
gut ;  die  Verwendung  von  gegen  statt  für  stellt  die  schrift- 
sprachlich gehobenere  form  dar,  weil  sie  heutigem  Sprach- 
gefühl logisch  exakter  erscheint;  statt  präpositionaler  fügung 
selten  mit  dativ  der  sache:  heydöchsen  .  .  .  sampt  zihlen 


1231 


GUT,  adj.,  I  A  l 


GUT,  adj.,  I  A  8 


1232 


gepülfert ...  ist  disem  schadten  auch  gut  Hebold-Foeeb 
Oesznera  thierbuch  (1563)  19. 

c)  absolut  mit  dem  dativ  der  person,  'dienlich,  förderlich, 
nützlich^  vgl.  altnord. 

, . .  at  ])ü  räd  nemir  — 
niöta  mundo,  ef  I)ü  nemr, 
I)6r  muno  göd,  ef  jjü  getr  — 

Hdvamdl  112,  4  Neeka: 

kuot  ist  mir  föne  dinemo  munde  chomeniu  ea  {bonum 
mihi  lex  oris  tui)  Notkee  ps.  118,  72;  intellectus  ist  guot 
dien,  die  in  skeinent  110,  10; 

eine  würz  i*  u  geben  wU 

da  von  ir  släfet:  daist  iu  guot 

WOLFKAM  Parzival  580,  21,  vgl.  572,  25 

kundestu  noch  geswfgen      daz  wsere  dir  guot 

Nibelungen  839,  2  Bartsch, 

ich  wil  mich  von  dir  scheiden 

daz  ist  uns  beiden  guot  Walthee  88,  24 

was  er  selb  sprichet,  daz  sey  im  gut  oder  schade  Schwaben- 
Spiegel  Idr.  172  nach  Fischer  schwäb.  Z,  944;  was  von 
anfang  geschaffen  ist,  das  ist  dem  fromen  gut,  aber  dem 
gottlosen  schedlich  Sirach  39,  30;  ain  zimliche  Übung  ist 
dem  leib  gut  G.  Mayk  sprüchw.  (1567)  c  l*;  wie  der  mist 
den  wurtzlen  gut  ist  M.  Herr  fddbau  (1551)  47; 

was  ist  gutes  in  der  weit 
das  nicht  mir  gut  wäre? 
Paul  Gekhardt  bei  Fisohke- Tümpel  3,  384; 

sie  friszt  nicht  mehr  als  ihr  gut  ist  Rabeneb  s.  w.  l,  195; 
deinem  alter  ist  der  schlaf  gut  Tieck  sehr.  1,  63;  wenn 
dirs  gut  ist,  gern!  Müllnee  dram.  w.  2,  56;  häufig  auch 
in  der  zwillingsformel  nütz  und  gut: 

so  nemt  durch  got  in  iuwern  muot 
waz  iu  st  nütze  unde  guot 

Haktmann  Iwein  1988; 
wüste,  der  im  himmel  lebt, 
dasz  dir  wäre  nütz  und  gut 
Paul  Gkehardt  bei  Fischee-TüMPEL  3,  318 ; 

und  läuft  ihnen  {den  pferden)  das  übrige  blut  weg,  das 
ist  ihnen  gut  und  nützlich  J.  Waltheb  pferde-  u.  Vieh- 
zucht (1658)  153;  der  gegenständ  der  beziehung  unrd  gelegent- 
lich in  präpositionaler  fügung  beigestellt: 

daz  was  geln  werdekeit  ir  guot 

WOLFSAM  Parzival  403,  28; 
und  ist  in  auch  gut  an  der  sele 

kl.  mhd.  fabeln  u.  lehrged.  129,  153  Rosenh.; 
ern  tsete  swaz  im  guot  wsere 
vür  des  siechtuoms  swiere 
LAMPRBOHT  V.  ßEGENSBURö  «.  Fruncisken  leben  S609  Weinh.; 

ein  alter  gebrauch  mit  personalem  subjekt  im  sinne  'förder- 
lich, dienlich  sein,  helfen^  findet  nhd.  keine  fortsetzung: 

vll  gerne  wser  ich  dir  guot      mit  minem  Schilde 

Nibelungen  2133, 1  L.; 
er  bat  sl  flizicüchen 
daz  si  im  guot  wasren 
gegen  die  Sttrseren 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  2313  See»». 

d)  mit  persönlichem  dativ  und  der  näheren  bestimmung 
dessen,  was  als  'förderlich,  dienlich,  nützlich^  gilt,  in  ab- 
hängigem Subjektssatze  bis  in  das  ältere  nhd.  geläufig;  gof) 
ist  imma  mais,  ei  galagjaidau  asiluquairnus  ana  halsaggan 
got.  bibel  Mark.  9,  42;  ist  mir  guot,  daz  du  mih  kenidertost 
NOTKEB  ps.  118,  71,  vgl.  42,  2;  guot  wäri  imo,  thaz  giboran 
ni  wäri  ther  man  Tatian  158,  6;  es  ist  dem  menschen  gut, 
das  er  kein  weib  berühre  1.  Kor.  7,  1;  es  was  ime  nit 
gütt,  das  er  mir  ye  understund  zudrawen  hertzog  Aymon 
(1535)  c  2^;  es  ist  ihnen  gut  gewesen,  dasz  er  tödt  ist 
worden  bono  ejus  fuit  illum  occidi  Maalee  199^;  ent- 
sprechend mit  inf. :  {)ata  goj)  ist  mann  swa  wisan  got.  bibel 
1.  Kor.  7,  26;  rabbei,  goj)  ist  unsis  her  wisan  Mark.  9,  5, 
was  Luther  nach  III  hin  verlagert;  mir  ist  aber  guot 
ze  gote  haften  Notker  ps.  72,  28; 

.  . .  'nis  that',      quad  he,  'mannes  reht, 

gumöno  nigenum      göd  te  gifrummienne, 

that  he  is  barnun      brödes  altthe  Heliand  3016; 

guot  ist  thir  zi  libe  ingangen  wanaheilan  odo  halzan, 
thanna  .  .  .  Tatian  95,  4;  es  wäre  gut  einem  menschen 
also  zu  syn  Zwingli  dtsche  sehr,  l,  133;  in  jüngerer  spräche 


wird  statt  dessen  die  unpersördiche  konstruktion  mit  per- 
sonalem Subjekt  im  abhängigen  satz  verwendet,  vgl.sp.  1259. 
e)  nur  im  mhd.  mit  partizipialkonstruktion: 

von  du  ist  gewisse 

dl  heilige  misse 

uns  sundigen  also  gut  gehört 

Hartmanns  rede  v.  glauben  1127  v.  d.  Leyen; 

.  . .  mlniu  wort 
sint  Iu  guot  gehört 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alexander  1412  T. 

2)  als  eigenschaftsbezeichnung  bei  gegenständen,  die  einen 
bestimmten  gebrauchszweck  besitzen  und  diesem  entsprechen 
und  daher  als  werthältig  gelten. 

a)  bei  waffen,  gerätschaften,  Schutzvorrichtungen  tisw., 
vgl.  ags.  sigeeadig  bil . . .  god  ond  geatolic,  giganta  geweorc 
Beowulf  1562;  het  him  ydlidan  . .  .  gödne  gegyrwan  199, 
wo  aber  wie  zumeist  der  begriff  'brauchbar'  in  die  wertvor- 
Stellung  (vgl.  II  A)  hinüberspielt;  vom  schwert  'scharf, 
früh  zur  formet  erstarrt: 

mit  dem  guoten  swerte      daz  hiez  Balmunc 

Nibelungen  96, 1  L.; 

mit  seinem  guten  und  bewährten  schwerdt  buch  d.  liebe 
(1587)  15C; 

wir  haben  hye  tzway  guete  schwert 

altdt.  passionsspiele  a.  Tirol  30  Wack.; 

wenn  wir  nicht  auf  der  wacht  zusammen  wären 
bewies  Ichs  euch  mit  meinem  guten  schwert 

MÜLLNER  dram.  w.  3,  12; 
daz  im  ein  garzün  widerstiez, 
der  einen  guoten  bogen  truoc 

Hartmann  Iwein  3265; 

eine  gute  klinge,  ein  gut  messer  una  lamma,  un  coltdla 
di  finissima  tempra  Krämer  t.-ital.  1,  578*';  eine  gute 
klinge  bin  ich,  wers  nit  glaubt  probir  mich  {schwert- 
inschrift  um  1700)  H.  Ziegler  geschüizinschriften  70;  {die 
löwenjagd)  betrieb  ich  ganz  allein,  indem  ich  mit  nichts 
als  mit  einer  guten  büchse  bewaffnet  zu  fusz  ausging 
G.  Keller  ges.  w.  4,  70; 

mit  drin  starken  wunden      die  er  dem  künege  sluoc 
durch  eine  wlze  brünne      diu  was  guot  genuoc  . . . 

Nibelungen  187,  2  L.; 
so  hert  und  gut  ist  sein  geschmeid 
keiner  hand  schwert  dadurch  nie  schneid 

Laurin  735  Schade; 
entsprechend  vom  material: 

und  hiez  In  vaste  spengen      mit  stAle  der  was  guot 

Nibelungen  979,  3  L.; 
darzuo  von  guoten  Isen 
ein  vestez  banzler  enge 

Weintchwelg  406  Schröder; 
allgemeiner  'gebrauchstüchtig^ : 

die  masboume  wurden      veste  unde  guot 

Kudrun  265,  1  M.; 
Bwle  guot  ir  anker  wseren,      an  daz  vinster  mer 
magneten  die  steine      heten  sie  gezogen. 
Ir  guote  segelboume      stuonden  alle  gebogen      1126,  2; 

es  (das  haus)  schützt  vor  regen,  frost  und  wind 
wenn  gut  nur  thüren  und  fenster  sind 

E.  Baumeister  zimmermannssprüche  13; 

hertzog  Berchtold  .  . .  umfieng  das  dorff  mit  einer  ge- 
waltigen ringmauer  und  guten  gräbnen  Tschtjdi  chron. 
Hdv.  1,  50; 

ihr  schlagt  mir  eine  gute  faust,  gevatter! 

H.  V.  Kleist  1,  209  Schm. 

b)  im  allgemeinsten  sinne  'geeignet',  ohne  dasz  der  ge- 
brauchszweck näher  gekennzeichnet  zu  sein  braucht,  in  viel- 
fältiger anwendung,  für  die  nur  beispiele  zu  geben  sind. 

a)  aufsacken  bezüglich:  und  gott  sähe  das  das  Hecht  gut 
war  1.  Mose  1,4;  bynnen  Dorsey  is  ene  haven,  mer  se  en 
is  nicht  alte  gud  seebuch  18  Koppm. ;  da  gab  mir  der 
musikus  . . .  ein  stück  (mundstück  einer  klarinette)  mit  der 
Versicherung,  das  sei  gut,  er  könne  gut  darauf  spielen 
H.  V.  KJLEiST  br.  a.  s.  braut  58  Biedermann. 

ß)  von  tieren,  je  nach  der  art  ihrer  Verwendung;  vgl.  ags. 
ne  god  hafoc  geond  sael  swinged  Beoioulf  2263,  für  die 
jagd  tauglich: 

dö  nam  ein  alter  jägere      einen  guoten  spürehunt 

Nibelungen  933,  1  Bartsch; 


1233 


GUT,  adj.,  I  A  2 


GUT,  adj.,  I  A  2 


1234 


US  soimderm  vertruwen  bitt  ich  uwer  lieb  mit  flisz  frunt- 
lich,  mich  zu  styren  mit  gutten  laithunden  {v.  j.  1493)  bei 
Steinhatjsen  privalbr.  d.  mittelalters  1,  300;  guter  leit- 
hund,  der  flux  auf  dem  gespor  ist  Maalkr  200»;  man  ver- 
gleiche: gut  werden  heiszet  allhier:  der  Jäger  arbeitet 
seinen  leithund  .  . .  aus,  dasz  er  sich  hernach  .  .  .  auf  ihn 
verlassen  kann  Heppe  aufr.  lehrprinz  (1751)  47;  bei  trag- 
tieren  ^schnelV  oder  'stark'': 

ouch  was  s!n  ros  also  guot, 
daz  er  vil  nach  was  komen  hin 

Hartmann  Iwein  1060; 

wider  an,  wider  an  vorterbet  manch  gut  phert  proverbia 
Fridanci  82;  do  sint  gar  gute  pfert  unde  mule  Marco 
Polo  3,  24  V.  Tschabnee; 

der  schöne  sattel  macht  auch  kein  gut  pferd 

Gabe.  Voigtländer  öden  u.  lieder  (1642)  95; 

item  ein  moller  ze  Ascha  sol  haben  zwehen  gute  esel, 
damit  er  den  nachbauern  zu  der  molen  holt  tueisthümer 

6,  41;  andere  beziehungen:  ne  guda  hahn  wiard  selde  fett 
rhein.  wb.  2,  1510;  god  swien  fritt  allens  Mensing  2,  424; 
hinsichtlich  des  nutzwertes:  da  sind  sie  (die  fische)  wiederum 
fett  und  gut  fischbüchlein  11;  ähnlich:  sie  wissen  nicht, 
was  für  ein  guter  vogel  sie  {die  gans)  ist  Gramer  Neseggab 
1,  8. 

c)  abzusondern  ist  eine  bedeutungsrichtung,  bei  der  der 
haupisinn  in  der  brauchbarkeit  einer  sache  liegt  im  gegen- 
satz  zu  einer  im  Vorstellungsbereich  enthaltenen  uniaug- 
lichkeit. 

a)  alt,  wenn  auch  zunächst  in  Übersetzungsliteratur  be- 
zeugt, in  einer  Verwendung,  bei  der  es  um  die  Unterscheidung 
zweier  Massen  von  dingen  nach  ihrem  gebrauchswert  geht; 
die  nutzbare  sorte  wird  der  wertlosen  gegenübergestellt;  auf 
grund  von  Luk.  8,  8:  jah  an{)ar  gadraus  ana  air{}ai  godai 
got.  bibel;  daz  auuar  in  guota  haerda  uuarth  gasait  Monseer 
fragm.  13  Hench;  etliches  fiel  auf  ein  gut  land  Matth.  13,  8; 

der  grundt  ist  an  im  selb  so  gut, 
das  er  so  groszen  wücher  thut 

MüENER  dische  sehr.  6,  142; 

'durch  tiefpflügen  der  guet  härd  ga  z  verloche  und  der 
bös,  mager  obef ür  z  mache'  Friedli  Bäryid.  1,  99 ;  etwas 
anders  im  technischen  gebrauch  guter  boden:  ein  boden 
ist  gut,  wenn  er  .  .  .  dem  pflanzenwachstum  günstig  ist 
LuEOER  5,  25;  pflanzen  .  .  .,  welche  ...  als  zeichen  eines 
guten  fetten  bodens  angesehen  werden  Körte  sprichw. 
377;  dein  vater  .  .  .  hat  die  fünfhundert  morgen  .  .  .  par- 
zelliert, und  was  von  gutem  boden  übriggeblieben  ist,  ist 
nicht  viel  Fontane  ges.  w.  I  5,  165;  bildlich:  was  sie  mir 
sonst  sagen,  soll  in  gutem  boden  gedeihen  Göthe  IV 
19,  3  W.;  swa  all  bagme  godaize  akrana  goda  gataujif), 
ijj  sa  ubila  bagms  akrana  ubila  gatauji{)  got.  bibel  Matth. 

7,  17 ;  eyn  gud  boum  brenget  gute  fruchte  prov.  Fridanci 
44;  ob  du  bist  ausgehauen  von  dem  wilden  natürlichen 
Ölbaum  und  bist  in  gezweygt  wider  die  natur  in  ein  guten 
Ölbaum  erste  dtsche  bibel  2,  46  Kurr.;  daz  reich  der  himel 
ist  gleich  eim  man  der  do  seet  guten  samen  an  sein  acker 
1,  50;  das  Unkraut  {musz)  ausgejätet  werden,  welches  den 
guten  samen  ansteckt  Justi  Winckelmann  1,  251 ;  nament- 
lich hinsichtlich  der  Verwendbarkeit  als  nahrung:  inti  bi 
stedu  sizente  arläsun  thie  guoton  in  faz,  thie  ubilon 
üzwurphun  Tatian  77,  3;  s6  .  .  .  mag  man  dann  niht  wol 
erkennen  die  guoten  nägel  {geivürznelken)  von  den  valschen 
Megenbeeg  b.  d.  natur  368  Pf.,  vgl.  gueti  nägeli  gewürz- 
nelken  Staub-Tobler  2,  537;  gute  kräuter  herbe  mangia- 
bili  Kramer  t.-ital.  l,  578^;  gute  pilze  'eszbare  pilze' 
Müllee-Fbaueeuth  1,  452,  vgl.  gut  ze  essen  seyn  und 
für  die  speysz  ze  brauchen  Frisius  2203'. 

ß)  verwendbar,  weil  noch  nicht  im  zustande  der  un- 
brauchbarkeit:  dise  {wurmstichigen)  öphel  {sind)  ...  als 
schön  geschaffen  als  die  guten  Taulee  pred.  185  Vetter; 
kein  gut  (=  unverdorben)  stück  fleisch  kriegten  wir  &vd 
den  tisch  Grimmelshausen  Simpl.  285  ndr.;  die  milch 
ist  nicht  mehr  gut  sauer  geworden  usw.;  disz  bad  bleibet 
drey  tage  gut,  sonderlich  in  Winterszeiten  Chr.  Wibsunq 
artzneybuch  304C;  ein  solch  erdgestübe  soll  mit  dem  kol- 
IV.  1.  6. 


gestübe  vermischt  seyn,  welches  man  werfen  soll  in  ein 
gruben,  daselbsten  zu  feuchten,  dasz  es  lang  gut  bleibe 
Ph.  Bech ^grncofew  bergwerckbv^h{l&2.\)  314 ;  gut  bleibende 
waaren  Jacobsson  techn.  wb.  5,  766'';  gode  waar  'von 
Sachen  die  haltbar  sind"  Mensing  2,  424;  es  ist  nicht  gut, 
wenn  es  nicht  frisch  ist  nequam  est  nisi  recens  Seez 
idiotismen  59 »;  vgl.  dazu:  nig  guet  due  'sich  nicht  halten^ 
Seiler  Basler  ma.  153;  namentlich  in  jüngerer  spräche 
häufig  von  kleidungsstücken,  die  noch  als  brauchbar  anzu- 
sehen sind:  'ein  rock,  eine  hose,  ein  strumpf  udgl.  ist 
(noch)  gut  noch  nicht  zerrissen,  noch  anständig  zu  tragen' 
Fischer  schwäb.  3,  943  vne  allgemein  nhd.,  vgl.  das  kleid 
ist  nicht  gut  vestimentum  non  est  integrum  Steinbaoh 
1,  654;  2.  6,  der  verlorene  hut  war  noch  ziemlich  gut; 
bildlich:  in  keinen  guten  schuhen  stecken  'übel  dran  sein' 
Fischer  a.  a.  o.;  vielfach  in  Verbindung  mit  genug,  was 
msist  schon  als  hart  an  der  grenze  der  unbrauchbarkeit 
empfunden  wird,  z.  b.  für  den  bettler  ist  das  hemd  noch 
gut  genug;  daher  redensartlich:  guet  gnueg  ist  schlecht 
gnueg  Schmeller-Frommann  i,  963;  det  is  lange  jut  vor 
den  Brendicke  Berliner  wortsch.  131. 

y)  umgekehrt  'tauglich'  gegenüber  dem  vorhergehenden  zu- 
stande der  unfertigkeit,  unreife  usw. :  was  eyn  gutter  hocke 
werdyn  wyl,  das  krommyt  sich  yn  czeiten  proverbia  Fri- 
danci 43;  das  mustu  3  oder  4  mahl  überfärben,  so  ist 
es  .  .  .  gut  J.  Walthkb  pferde-  u.  Viehzucht  (1658)  153; 
im  bilde: 

ein  Stockfisch  wlrt  auch  nimmer  gut, 
den  man  nlt  weidlich  plewen  thüt 

K.  SCHEIT  Grob.  3950  ndr.; 

die  kirschen  sind  noch  nicht  gut  le  cireggie  non  sono  ancora 
buone,  mature  Kramer  t.-ital.  l,  579'';  so  überhaupt  von 
dingen,  die  in  bearbeitung  befindlich  sind,  meist  in  negativer 
Wendung,  z.  b.  der  kuchen  ist  noch  nicht  gut  'aufge- 
backen', die  bohnen  werden  bald  gut  sein  'gar',  erst  wenn 
die  Oberfläche  gut  ist,  darf  poliert  werden  'glatt'  usw., 
im  leben  der  alltagssprache  das  wort,  das  eine  genauere  be- 
stimmung  der  gemeinten  eigenschaft  ersetzt  durch  den 
bloszen  begriff  der  Verwendbarkeit. 

d)  im  sinne  'unversehrt' : 

sol  mich  toeten  ditze  wip? 
nu  ist  mir  guot  noch  der  Up 
bl  dirre  konen  niht  gegeben 

d.  böte  frau  718  Sehr.; 

'der  guet  schueh  wenn  der  andere  löcher  hat'  Staub- 
Tobler  2,  539 ;  'die  guet  mür  der  noch  nicht  baufällige 
teil  einer  mauer'  ebda;  der  berg  {hat)  also  gebrannt,  dasz 
in  der  stadt  Catanea  nicht  ein  eintzig  haus  gut  ge- 
blieben Che.  Weise  pol.  redner  (1677)  665; 

für  dem  unzyfer  nun  ist  kein  kraut  gut  gebliben 

G.  K.  Wkckhkrlin  ged.  2,  160  F.; 

'der  guet  arm  im  gegs.  zum  kranken'  Staub-Tobler  2, 539 ; 
he  kreeg  em  bi  de  gode  hand  bei  der  gesunden  hand 
Mensing  2,  425;  'ungeschwächt':  {es)  gebührt  dem  der 
preis,  der  .  .  .  am  ziele  unerschöpft  bei  guten  kräften 
anlangt  Fr.  L.  Jahn  w.  2,  26. 

e)  noch  anders  im  sinne  'wiederhergestellt'  gegenüber 
einem  durch  Schädigung  geschaffenen  zustande,  z.  b.  nu  is 
dat  weller  {wieder)  god  Mensing  2,  426;  die  wunde  wird 
bald  gut  sein  usw.;  es  wird  schon  gut  bis  d  heurathst 
oder  stirbst  {in  Oberösterr.)  Wander  2,  184;  ähnlich  auf- 
zufassen wohl  schon:  wers  erharren  künde,  er  wurd  alles 
gut  prov.  Fridanci  63,  doch  vgl.  auch  gut  werden  sp.  1258; 
geläufig  riamentUch  in  der  festen  Verbindung  etwas  gut  tun 
oder  machen  'wiederherstellen,  vergüten,  ersetzen,  ent- 
schädigen, bezahlen'. 

aa)  gut  tun  in  neuerer  spräche  veraltend,  aber  noch  ende 
des  18.  jhs.  mundartlicher  Verwendung  entsprechend  ver- 
einzelt gebraucht,  vgl.  den  schaden  gut  thun,  auf  sich 
nemen  Henisch  1788:  er  {der  ratsdiener)  hett  etlichs  gelt 
in  seiner  rechnung  übersehen,  das  kind  er  nit  wider  gut 
thun  {v.  j.  1571)  städtechron.  32,  xi;  {ich  werde)  wie  bisher 
die  kosten  (ob  mir  schon  hier  deswegen  nicht  das  geringste 
gut  gethan  noch  von  mir  gefodert  wird)  nicht  ansehen 
Leibnitz  dtsche  sehr.  2,  92;  soll  das  abgenommene  wieder 

78 


1235 


GUT,  adj.,  I  A  2 


GUT,  adj.,  I  A  2 


1236 


ersetzen  und  gut  thun  (v.  j.  1664)  bei  Fischer  schwäb. 
3,  948;  dasz  ...  er  gehalten  seyn  wolle,  die  helfte  der 
Unkosten  zu  einlegung  der  röhren  in  seinem  hause  .  . . 
gut  zu  thun  und  zu  bezalen  Menantes  neue  br.  (1723)  674; 

man  grüst  sich  arm.    ■wer  thut  den  schaden  gut? 

Stoppe  Parnass  241; 

8  gr.  werden  für  die  meile  gut  gethan  Göthe  IV  9, 298  W.; 
und  35  (prozent)  wurden  ehedem  auf  dasjenige  (linnen) 
wieder  gut  gethan,  was  nach  den  englischen  colonien  aus- 
geführet  wurde  J.  Moser  s.  w.  6,  9o  A.;  noch  mundartlich 
bewahrt,  s.  Staub -Tobler  2,  540,  Cbecelixts  oberhess. 
445;  bildlich: 

sie  hat  vergeben  1 

nein,  ihre  thränen 

thust  ihr  nicht  gut  Göthe  11,  327  W. 

ßß)  gut  machen  seil  dem  älteren  nhd.  bezeugt;  im  sinne 
'ersetzen,  vergüten,  bezahlen'  mit  angäbe  der  summe  bis  ins 
18.  jh.  gebräuchlich:  sollen  mir  gut  gemacht  werden  uff 
pferdt  14  fl.  {v.  j.  1580)  bei  Fischer  schwäb.  3,  948;  undt 
erstlich  der  kays.  cammer  (ist)  gutt  gemacht  worden 
17  178  thl  21  gr4  hl  acta  publica  1,  39  Palm;  zur  erhaltung 
des  zauns  sollen  dem  weibel  3  fl.  gut  gemacht  werden 
(v.  j.  1742)  bei  Staüb-Tobleb  2,  540;  hierher  auch:  hat  der 
marktrichter  macht  .  .  .,  bemelte  pfennwerth  .  .  .  hinwek 
zu  nemben  und  solle  niemant  nihts  dafür  guet  zu  machen 
schuldig  sein  {v.  j.  1662)  österr.  weist.  0,  173; 

nu,  was  denkstu,  wenn  damahlen 
ich  ihr  hätte  gut  gemacht, 
was  verliebte  liönnen  zahien, 
hättestu  sie  auch  bewacht? 

Stiklee  geharnschte  Venus  129  ridr.; 

bis  heute  üblich  unter  arujabe  des  objekts  der  Vergütung:  die 
magdt  {hätte)  ihr  eine  eile  tuch  gestohlen,  wann  sie  ihr 
das  tuch  gut  mache,  wolle  sie  .  .  .  {v.  j.  1659)  bei  Fischer 
schwäb.  3,  948;  was  sonst  in  den  gastzimmeru  verloren 
gieng,  muszte  durch  mich  gut  gemacht  werden  Ph.  Haf- 
ner ges.  lustsp.  l,  70 ;  besonders  einen  schaden :  der  grosze 
gott  .  .  .  wolle  . . .  den  schaden  ersetzen  und  gut  machen 
Chr.  Weise  pol.  redner  (1677)  488;  es  ist  leichter,  schaden 
zu  verhüten,  als  wieder  gut  zu  machen  Hebel  w.  10  Beh.; 
isoliert: 

wolani  mein  leid  ist  auch  volbracht, 
die  schuld  bezahlt  und  gut  gemacht 

Königsb.  dicMerkr.  156  ndr.; 
wie  'aufwiegen'  gebraucht: 

den  Verlust  von  gut  und  blut 
macht  der  sold  der  minne  gut 

BÜRaER  «.  w.  17"  B.; 

volksläufig  ist  gut  machen  einmal  im  sinne  'entschädigen', 
vgl.  Martin-Lienhart  l,  248;  Honig  Kölner  ma.  67^; 
Lambert  Pennsylv.  75^;  dann  namentlich  als  'wieder- 
erstatten, vergelten',  eine  gäbe  durch  eine  gegengabe  auf- 
wiegen: ha,  ihr  werdent  net  auch  noch  schenken,  ich 
weisz  ja  net,  wie  ichs  gut  machen  soll  Fischer  schwäb. 
3,  948;  eppes  gutt  mächen  vergelten,  bezahlen  lux.  ma.  158; 
wieder  jut  machen  wiedererstattenBB.^^mcKiEBerl.wortsch. 
131,  aber  auch  berlinisch  meist  als  vergelten  einer  empfan- 
genen freundlichkeit  z.  b.  nich  doch,  nich  doch,  det  kenn 
wa  ja  janich  wieda  jut  machen;  weiterhin  in  moralischer 
hinsieht  'ein  durch  eine  fehlerhafte  handlungsweise  be- 
gangenes unrecht  sühnen':  machen  sie  also  ihren  fehler 
wieder  gut,  so  weit  es  noch  möglich  ist,  ihn  gut  zu  machen 
Lessing  2,  29i  L.-M.;  als  ob  eine  Schlechtigkeit  durch 
eine  toUheit  wieder  gut  gemacht  würde  A.  W.  Schlegel 
in:  Athenäum  l,  2,  5;  ob  ich  die  himmelschreiende  sünde 
bereuen  und  gut  machen  wolle  v.  Gaudy  s.  w,  2,  136;  die 
äugen  machten  alles  wieder  gut,  was  die  nase  {durch  ihre 
schärfe)  sündigte  W.  Raabe  hungerpastor  l,  32;  er  ... 
wollte  das  unrecht  der  menschen  an  dem  fremden  weib 
wieder  gutmachen  Blunck  sprung  ü.  d.  schwelle  169;  vgl. 
crem  gutt  mächen  sühnen  lux.  ma.  158;  etwas  anders  Hn 
Ordnung  bringen':  Gelanor  hatte  zeit,  dasz  er  die  sache 
wieder  gut  machte  Chr.  Weise  erznarren  142  ndr.;  ich 
konnte  ihm  nicht  begreiflich  machen,  dasz  man  viel  zeit 
brauche,  um  so  etwas  gut  zu  machen  Göthe  43,  279  PF.; 
neutral  im  sinne   'aufwiegen,   ausgleichen'  in  negativer 


richtung  ganz  vereinzelt:  so  wir  von  gote  in  bösen  gedanken 
werden  verlazen,  das  geschiet  darumbe  .  .  .,  das  die  un- 
subern  gedanken  unser  kleine  gutete  gut  machen  und 
demutic  an  uns  d.  veter  buoch  17  lit.  ver. 

d)  im  zustande  der  tauglichkeit,  eine  bestimmte  funktion 
richtig  auszuüben  oder  ihr  zweckentsprechendes  ergebnis 
zu  sein. 

a)  von  körperlichen  organen  'funktionstüchtig' :  auch  das 
der  cirurgicus  hab  ain  gutt  scharpff  lautter  gesicht 
H.  Braunschweio  chir.  (1539)  l;  was  . . .  dem  menschen, 
der  ein  gut  gesiebte  hat,  nicht  kan  verborgen  sein  Sper- 
ling Nicod.  quaer.  (1700)  2,  828;  das  rosz  ...  ist  jung  und 
starck  und  hat  gute  äugen,  mag  darzu  wol  laufen  buch 
d.  liebe  (1587)  S,^;  ich  hab  eine  sichere  hand  und  ein  gutes 
äuge  Fontane  ges.  w.  I  6,  5;  eine  gute  nase  .  .  .  hat  der 
hund,  welcher  die  ferte  richtig  verfolget  Joh.  Täntzer 
jagtgeh.  (1682)  1,  12;  bildlich:  er  hat  eine  gute  nasen 
sprichw.,  schöne  weise  klugr.  (1548)  26*';  redensartlich 
modern:  einen  guten  riecher  haben  für  etwas;  der  grosze 
oren  hat  oder  ein  gut  gehör  Fbisius  145'';  mit  guten 
zänen  übel  essen  sprichw.  (1548)  1543';  ain  iegleich  vogel, 
der  guot  flügel  hat,  daz  ist  der  snell  fleugt  Megenbebo 
b.  d.  natur  164  P/.;  es  müssen  gute  bein  sein,  die  gute 
tage  tragen  mugen  Luther  14,  286  W. ;  wer  hoch  anfangt, 
der  musz  ein  gute  stimm  haben  oder  bald  aufhören  Leh- 
man flor.  polit.  (1662)  1,  25;  indesz  ein  guter  magen  weisz 
sich  zu  helfen  Bremser  medic.  parömien  291;  deinem 
derben  gaumen  und  guter  verdauungskraft  Göthe  IV  33, 
240  W.;  er  hat  auch  eine  gute  hand  zum  schlagen  B.  Mayr 
päckchen  satiren  (1769)  38;  daher  heiszt  die  rechte  hand, 
mit  der  sich  geschickter  arbeiten  läszt  die  gute  hand :  muszt 
opa  de  gode  hand  geben  Mensinq  2,  425. 

ß)  vom  körper,  seinem  zustande  und  aussehen,  und 
einzelnen  seiner  teile,  'gesund,  kräftig':  so  reiniget  sich 
das  loch  {der  brüst)  und  wächst  gut  fleisch  und  heilet 
bald  Gäbelkover  artzneyb.  (1594)  2,  00;  wann  man  sieht, 
das  im  (demfalken)  gut  vedern  wider  wachsen  Mynsinger 
V.  d.falken  27  lit.  ver.;  ein  gesunder  hat  gutes  blut  Fischer 
schwäb.  3,  941;  ein  gutes  blut,  ein  langes  leben  K.  Reiser 
sagen  d.  Allgäus  2,  569  bei  Fischer  a.  a.  o.;  übertragen  in 
der  redensart  gutes  blut  machen  {s.  blut  teil  2,  170):  was 
soll  es  guts  blut  machen,  das  ein  pfaff  voll  ist  und 
truncken  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr.  2,  84  ndr.;  das 
soll  gewisz  gut  blut  machen,  wenn  August .  .  .  sagt  Göthe 
IV  10, 323  W .;  das  man  warnemen  soll,  wie  die  leuth  ge- 
staltet und  geschaffen  sindt,  die  inn  eim  luft  wohnen, 
nämlich,  ob  sie  gute  lebhafte  färb  .  .  .  haben  Sebiz  f eid- 
bau (1579)  5;  wohX  hierzu:  ein  gut  angesicht  Maaler  1993'; 
modern:  ein  gutes  aussehen  haben;  vgl.  guter  und  wol- 
geschickter  naturen  vitalis  Diefenbach  623";  es  ge- 
hört eine  übermenschlich  gute  natur  dazu,  um  so  etwas 
auszuhalten  Storm  w.  (1904)  3,  29;  sie  schreiben  meiner 
kunst  zu,  was  deine  gute  natur  gethan  hat  Ebner- 
EscHENBACH  ges.  sehr.  2,  8;  etwas  anders  'zur  gesundheit 
gehörig':  wenn  nur  die  schmerzen  weg  sind,  die  guten 
kräfte  werden  bald  wiederkommen  Göthe  IV  5,  213  W. 

y)  in  anwendung  auf  die  organe  geistiger  tätigkeit  und 
auf  geistige  eigenschaften  und  leistungen  überhaupt. 

aa)  zunächst  im  sinne  'imstande,  die  normale  funktion 
auszuüben' :  der  kaiser  het  ein  edlman  im  hör  .  .  .,  der  nit 
alzeit  bei  gueter  vernuft  was  Wilwolt  v.  Schaumburg  26  K.; 
durch  göttliche  gnad  bei  gesunten  leib  und  gueter  Ver- 
nunft {testament  v.  j.  1319)  in  v.  Bbandis  gesch.  d.  landes- 
hauptleute  32;  {ich)  nahm  dessen  anstatt  meines  beaute- 
weins  so  viel  zu  mir  als  ich  mit  guter  Vernunft  zu  ertragen 
getraute  Grimmelshausen  2,  426  Keller;  so  noch  mund- 
artlich: er  isch  bim  gude  verstand  gstorb  Follmann 
lothr.  221;  besser  gehalten  in  der  Wendung  gute  sinne: 

dann  solches  lastcr  nimpt  dahin 
Vernunft,  weiszheit  und  gute  sinn 

K.  Scheit  Qrob.  1873  ndr.  ■ 

welcher  mensch  wil  sich  dann  unterstehen,  der  noch  bey 
guten  sinnen,  ein  ander  Verwandlung  der  menschen  ...  zu 
bestÄttigen  Nigrinus  v.  zäuberern  {lö82)  177;  der  was  an 


1237 


GUT,  adj.,  I  A  2 


GUT,  adj.,  I  A  3 


1238 


dem  leibe  khranckh,  doch  von  den  gnaden  des  allmechtigen 
gottes  gueter  süne  v.  Bkandis  gesch.  d.  landeshauptleute 
24;  lieber,  bist  du  bei  guten  sinnen?  C.  F.  Meybb  d. 
heilige^''  32. 

ßß)  dann  auf  ein  überdurchschnittliches  masz  geistiger 
hräfte  bezogen  'qualitativ  leistungsfähig^ : 

das  gesiebte  her  (der  smaragd)  sere  stercket, 
ein  gud  gedechtnisse  her  wercket 

Johannes  Kothk  lob  d.  keuschh.  2844  N.; 

denn  es  gehortt  tzu  dem  geyst,  wer  predigen  wil  .  . .  eyn 
gutt  gedeehtnisz  und  ander  naturliche  gaben  Luther  8, 
497  W.;  freu  de  über  dein  gutes  gedächtnisz  Göthe  21,  10 
W.;  {die  Hessen,  die)  als  Teutsche  dennoch  von  gutem 
gehirn  und  verständig  seyn  Prätorius  bericht  v.  Katzen- 
veite (1665)  A  6*;  und  war  ein  weib  guter  Vernunft  1.  Sam. 
25,  3; 

Hiltebrant  gut  vermmfft  da  het: 

wenn  er  begund  zu  mercken, 

dasz  sich  der  risz  eins  Schlags  erholt, 

so  sprang  er  aus  den  bäumen 

recht  als  ein  degen  solt  Sigenot  148  Schade; 

gütter  verstand  dotes  ingenii  Alberüs  nov.  dict.  79*; 

kurz  rede  von  guoten  minnen 

diu  guotet  guoten  sinnen  (leuten  verständigen  Urteils) 

GoTFKiD  Tristan  12190; 

häufiger  als  guter  verstand  ist  in  jüngerer  spräche  guter 
köpf :  auch  ein  guter  köpf  kann  unter  den  mittelmäszigen 
mit  durchschlüpfen  Gerstenbero  Hamb.  nat.  zeitg.  7  lit.- 
denkm.;  die  guten  köpfe  aller  nationen  waren  heimlich 
mündig  geworden  Novalis  sehr.  2,  32  Minor. 

yy)  zur  kennzeichnung  des  ergebnisses  der  geistigen  tätig- 
keit,  'verständig^' 

ich  was  mit  sehenden  ougen  blint 
und  aller  guoten  sinne  ein  rint 

Walthkr  123,  35; 

die  guten  vernünftigen  sinne  den  weisen  man  ausz  groszer 
sorge  und  angste  pringen  Arigo  decam.  33  K. ;  was  sie 
eben  sagten,  scheint  einen  sehr  guten  sinn  zu  geben 
Gerstenberg  schlesw.  liier. -br.  199;  z.b.  das  alles  hat 
seinen  guten  sinn;  allen  denen  ze  wüssen,  die  Hierony- 
mum  mit  gutem  urteil  lesend  Zwingli  l,  141  dtsch.  sehr.; 
z.  b.  der  Verfasser  beweist  ein  gutes  urteil ;  leviten,  die  ein 
guten  verstand  (Verständnis)  hatten  am  herrn  2.  chron. 
30,  22;  etwas  anders:  über  die  prosa  des  guten  Verstandes 
Herder  2,  324  Ä.; 

dwil  Kom  die  wyszheit  hielt  bevor 
do  gieng  ir  regiment  enbor 
ouch  gut  anschleg  zu  aller  zyt 

P.  Qengenbaoh  4  Oödeke; 

(er)  entfernte  sich  schnell  wie  einer,  der  plötzlich  einen 
guten  einfall  hat  Eichendorf  s.  w.  3,  4ll ;  Schiller  hat 
deswegen  einen  sehr  guten  gedanken  gehabt,  dasz  er 
ein  kleines  stück  ...  als  prolog  vorausschickt  Göthe  IV 
12,  143  W.;  wiewohl  auch  hie  unter  den  commenten  eyner 
guten  wähl  not  ist  Luther  15,  52  W.;  ebenso  modern:  eine 
gute  wähl  treffen,  wobei  aber  II  A  stark  hineinklingt; 
ähnlich:  so  zog  ich  mich  mit  gutem  vorbedacht  schweigend 
unter  die  leser  und  zuhörer  zurück  Kretschmann  5.  w. 
1,  1;  indesz  die  alte  den  Überrest  des  weins  mit  gutem 
bedachte  genosz  Göthe  21,  38  W. 

e)  schlieszlich  ganz  allgemein  'im  zustande  des  gedeihen«, 
der  fülle,  der  kraft  befindlich\ 

a)  von  konkreten;  von  vieh  und  menschen  gut  bei  leibe 
'wohlgenährt,  fett':  ein  zart  gut  kalb  l.Mos.  18,7;  gut  bei 
leib  nennt  man  das  wild  .  .  .,  wenn  es  nicht  mager  ist 
v.  Thüngen-v.  Traik  waidm.  n.  pract.  299 ;  he  is  god  bi 
fleesch  Mensing  2,  425;  die  frau  schint  guet  am  Hb  Staub- 
TOBLER  2,  536;  guter  bock  'ein  rehbock,  der  stark  und  feist 
vom  leibe  sowie  auch  stark  am  gehörne  ist'  Jacobsson 
techn.  wb.  2,  177^;  hierher:  das  dasselbe  gut  darnach  also 
gut  ('ertragsfähig')  pleibe,  das  min  her  aller  siner  gulte, 
zinse,  feile  und  recht  sicher  gnüg  davon  sin  möge  (urk. 
V.  j.  1483)  weisth.  6,  15;  von  ländern  'üppig  ausgestattet, 
blühend' : 


sie  buent  mit  geziugon 
in  guatemo  lante 


(]oh  warun  io  thes  giwon) 

Otfrid  1 1,  66; 


in  der  hofnung  .  .  .  irgend  einen  gespaanen  anzutreffen, 
der  es  mit  mir  in  das  gute  land  .  .  .,  da  mann  brod  genug 
zu  essen  hätte  .  .  .,  durch  wagen  thäte  Moscherosch 
gesichte  2,  25;  gut  land,  feig  leut  Neander  sprichw.  16 
Latendorf. 

ß)  bei  abstrakten:  der  ist  ains  snellen  sinnes  und  ainer 
guoten  behenden  nätür  (anläge),  der  lindez  flaisch  hat  an 
seinem  leib  Meoenbero  b.  d.  natur  50  Pf.;  in  guter  ge- 
sundtheit  seyn  bene  valere  Frisius  16lt>;  in  guter  gesund- 
heit  Grimmelshausek  2,  25  K.;  unerachtet  aller  be- 
schwerlichkeiten  einer  harten  ungewohnten  lebensart 
(blieben  wir)  .  .  .  bei  guter  gesundheit  Forster  s.  sehr. 
1,  27;  namentlich  auch  vom  zustande  selbst,  'gedeihlich' :  das 
du  das  .  .  .  also  versehen  und  zu  gutem  stände  bracht 
hast  Arigo  decam.  253  K.;  der  oberrock  war  in  gantz 
gutem  stand  Lichtenberg  aphor.  2, 174  Leitzm.;  die  ab- 
güsse  befinden  (sich)  in  vollkommen  gutem  zustande 
Göthe  IV  32,  I6O  W.;  der  gute  zustand  seiner  casse  I 
22,  8;  für  uns  und  des  heiligen  reichs  Seligkeit  und  gut 
wesen  (v.  j.  1360)  bei  Haltaus  1678;  als  unnser  statt  Am- 
berg und  unnsere  bürger  daselbs  durch  bergwerckh  lange 
zeit  in  ufnem  kommen  umd  in  guethen  wesen  gewest 
seint  (v.J.  1455)  bei  v.  Lori  baier.  bergr.  46;  nachdem  sie 
die  Sachen  in  Africa  geschickt  und  zu  gutem  wesen  ge- 
richtet hatten  Xylander  Polybius  (1574)  67;  m,ehr  nach 
1  A.lcß  hin  modern:  in  gutem  zustande  'g^rauchsfertig' 
z.  b.  die  Wohnung  befindet  sich  in  gutem  zustande. 

3)  nd)en  dingen,  handlungen  usw.  zur  bezeichnung  der 
Wirksamkeit  oder  zweckmäszigkeit  im  sinyie  'nützlich'  oder 
'ratsam',  vgl.  gut,  nutz,  nutzlich,  ersprieszlich,  tauglich 
bonus,  utilis,  aptus,  idoneus,  accomodatus  Henisch  1785. 

a)  bei  konkreten  dingen  mit  bestimmter  zweckioirkung 
'wirksam',  dann  'nützlich,  heilsam' :  go{)  salt.  i{)  jabai  salt 
unsaltan  wair{)i{),  Ive  supuda?  got.  bibel  Mark.  9, 50;  samo 
mit  den  guoten  salbon  geheilet  werdent  die  gekniston 
unte  die  siechon  lichamon  Wilubam  70,  10  Seem.;  'heil- 
kräftig': 

wir  strichen  an  die  wunden 
.  .  .  die  guoten  salben  nardas 
Wolfkam  Parzival  484, 15;  vgl.  Haktmann  Iwein  3689; 

das  durch  beyn  und  marck  gehet,  wie  denn  die  guten 
salben  thun  nach  yhrer  art  Luther  19,  607  W.; 

eine  gnote  würzen      nam  er  in  die  hant 
und  eine  bühsen       da  was  phlaster  Inno 

Eudrun  530,  2M.; 

allgemein  'loirksam':  das  lächerlichmachen  der  neben- 
buhler  ist  überhaupt  ein  gutes  hausmittel  bei  den  weibern 
Deinhardstein  ges.  dram.  w.  l,  8;  mit  gutem  mittel 
Frisius  159=^;  vgl.  alle  diese  gut  heilsame  hülfsmittel 
Fischart  binenk.  (1588)  123*;  entsprechend  in  heutiger 
spräche  z.  b.  ein  gutes  mittel,  die  steuermoral  wiederher- 
zustellen; es  gilt  als  ein  gutes  mittel  bei  Venenentzün- 
dungen usw. 

b)  neben  ausdrücken  für  tätigkeiten,  die  eine  bestimmte 
Wirkung  ausüben  sollen  im  sinne  'zweckmäszig,  nützlich'; 
so  guter  rat,  vgl.  gödrädr  adj.  Gripispd  26,  3  Neckel: 

. .  .  quad  that  he  is  im  gödan  räd 

seggian  mahti  Heliand  4482; 

swer  volget  guotem  rate 
dem  missellnget  späte 

Hartmans  Iwein  2, 153; 

wolte  sie  (die  Vernunft)  gott  einen  giiten  rat  gegeben  haben 
Luther  51,  247  W.;  der  freunde  rath  ist  gut,  wenn  er 
wol  gerath  Petri  d.  Teutschen  weish.  2,  N  71*;  da  war 
guter  rat  teuer!  Göthe  21,  36  TF.;  is  der  räd  gaud? 
ScHAJiBACH  Qölt.  60»;  gute  lehre: 

ich  bedarf  wol  guoter  lere 

Hartmann  Iwein  4876; 
gut  ler  er  (Catö)  seinem  sun  las 

liederb.  d.  Hätzlerin  274  H.; 

der  sol  die  färb  der  pluomen  nit  grosz  achten,  sunder  die 
guoten  lere  Steiniiöwel  Esop  4  Ö. ;  erstlich  haben  boten 
hieraus  eine  gute  lehre  zu  fassen  Reinecke  fuchs  (1650)  216 ; 
nun  habt  ihr  für  diesen  tag  gute  lehren  genug  Th.  Storm 
w.  1,  9; 

78* 


1239 


GUT,  adj.,  I  A  3 


GUT,  adj.,  I  A  4 


1240 


du  kanst  mir  gut  anleitung  geben 

K.  Scheit  Orob.  46  ndr.; 

seines  Junckern  guten  Unterricht  Geimmelshattsen  2, 344 
K.;  guter  dienst:  ich  hoffet  von  im  vil  guter  dienst  ze 
haben  Abigo  decam.  167  K.; 

(deshalb)  meint  ich  ein  guten  dienst  zu  thun 
wann  ich  euch  davon  abhülf  nun 

Fischakt  geschichtsklitt.  2  ndr.; 

die  ihr  in  der  that  gute  dienste  leisten  Ramler  einl.  (1758) 
1,  3ö;  wir  sind  hergekommen,  euch  einen  guten  dienst  zu 
leisten  Geestenberg  schlesw.  lit.-br.  150  lit.-dkm. 

c)  allgemein  bei  dingen  und  zuständen  usw.,  die  im  Zu- 
sammenhang der  aussage  als  'nützlich''  bezeichnet  werden: 
darumb  wil  ich  dich  zu  einem  guten  handwerck  thun 
buch  d.  liebe  (1587)  7*';  ledig  thet  er  {der  esel)  keinn  guten 
tritt  sprichw.  (1548)  588;  prädikativer  gebrauch  überwiegt 
hier:  das  wasser  wer  gut,  hette  es  der  han  nicht  umb- 
geschütt  Eyeeing  prov.  1,  278;  gut  ist  in  der  band  ein 
epiesz  Denis  lieder  Sineds  (1772)  66;  ai,  wor  gät  äss  de 
rät!  {wie  gut  ist  die  rute)  Wandee  2,  174;  zwischen  nach- 
bars  gärten  ist  ein  zäun  gut  Binder  sprichw.  137;  na- 
mentlich bei  abstrakten:  a{)lmn  witum  jjatei  go{)  ist  witoj) 
got.  bibel  1.  Tim.  1,  8; 

ein  schade  ist  guot,  der  zwßne  frumen  gewinnet 

Walther  19,  28; 

klosterleben  und  gelubde  möchten  vorzeiten  gut  gewesen 
sein  LuTHEE  23, 421 W.;  sweygin  ist  gut,  redin  ist  bessir,  der 
ym  recht  tuth  prov.  Fridanci  84 ;  darumb  solche  erkand- 
nusz  nutz  und  gut  sind  Paeacelsus  op.  2,  507  H.;  drey 
stück  und  vortheil  seindt  gut:  der  jung  inn  thaten,  der 
mittel  im  rathen,  der  alt  im  gebet  Henisch  1795;  (die 
bauern)  sprechend,  mertzenblust  sig  nit  gut  Tsohudi 
chron.  helv.  2,  133;  ähnlich  'segensreicK' :  unglück  ist  auch 
gut  GöTHB  IV  1, 183  W.; 

freyheit  das  best  man  achten  thut 
und  ist  doch  auch  nit  allzeit  gut 

Eyering  prov.  2,  620; 

vollcsherrschaft  ist  nicht  gut     EüCKERT  w.  1,  46. 

d)  im  sinne  'passend,  angemessen,  ratsam,  tunlich,  ge- 
ziemend, richtig''  in  bestimmten  verbalen  Verbindungen. 

a)  gut  dünken  zunädtst  mit  personalem  akk.,  für  den 
seit  dem  älteren  nhd.  der  dativ  eintreten  kann;  doch  bleibt 
der  akk,  die  regel  bei  pronominalem  objekt: 

dö  daz  den  liünec  niht  dühte  guot, 

dö  belehrte  sl  ir  muot        Hartmann  Itoein  6749; 

.  .  .  s6  diuht  in  llhte  guot, 
ob  ein  eit  hie  wurd  zebrochen 
darumb  daz  er  an  iu  gerochen 
wurd  an  disen  stunden 

Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  4132  Seetn.; 

du  Salt  unse  gote  anebete, 

daz  dunlcit  mich  gut  noch  unsemc  sete 

Katharinempiel  130  Beckers; 

alse  verre  alse  it  uch  goyt  dünket  unde  ur  wille  ist  Stein- 
hausen privatbr.  d.  mittelalters  1,  6;  die  hertzogin  gut  be- 
dunckt,  ein  abscheyd  ...  zu  nemen  Wickeam  w.  1,  18  B.; 
darnach  nit  .  .  .  jeder  alles,  das  in  gut  bedunkt  on  grund 
der  .  .  .  gschrift  an  der  kanzel  predige  Zwingli  dtsche 
sehr.  1,  116;  neutral: 

nennt  es,  so  längs  euch  gut  dünkt,  nennts  Verschwörung 

BÜCKERT  w.  1, 13; 

mit  dativ  der  person:  dan  er  wolts  do  hin  füren,  wo  es 
im  gut  geduncket  Waebeck  Magelone  59  B.;  folgende  an- 
merkung,  von  der  sie  übrigens  glauben  mögen,  was  ihnen 
gut  deucht  Geestenbeeg  schlesw.  lit.-br.  141  lit.-dkm.; 

langt  mit  den  flngerspltzen  so  viel  sprossen 
hervor  als  gut  dünkt  ihrer  Wissenschaft 

atJCKERT  u).  3,  121 ; 

modern  namentlich  gut  scheinen:  es  schien  ihm  jetzt  nicht 
mehr  gut,  den  ehrgeizigen  ...  M.  in  Italien  fusz  fassen 
zu  lassen  Ranke  s.  w.  l,  112. 

ß)  gut  heiszen  (achten,  sprechen)  'etw.  angemessen 
finden,  billigen';  erst  frühnhd.  zu  bezeugen,  in  der  älteren 
rechtssprache  namentlich  als  subst,  inf.  'einverständnis\' 
so  ist  auch  mit  guethaiszen  der  gnädigen  gerichtsherr- 


lichen Obrigkeit .  .  .  iederzeit .  .  .  breichig  gewest  (v.  ^'.1568) 
österr.  weist.  4,  126; 

dasselb  kan  nit  gut  heiszen  ich 

J.  Spreng  Ilias  (1610)  1.  get.  7»; 

ich  .  .  .  werde  .  .  .  niemanden  zwingen,  dasz  er  meine 
gedancken  müsse  gut  heiszen  Logau  sinnged.,  vorr.  1  L.; 
schritte,  die  sie  nicht  gutheiszen  durften  Schillee  4,  133 
0.;  bald  würden  sie  seine  thorheit  gut  heiszen  be.  Geimm 
dtsche  sagen  2,  43;  entsprechend  mundartlich,  vgl.  Lambeet 
Pennsylv.  75^;  Beendicke  Berl.  w.  131;  etwas  anders 
'das  einverständnis  erklären':  die  gesandten  aber  .  .  . 
wolten  ihm  zwar  anfänglich  solches  nicht  gut  heiszen 
Oleaeius  verm.  reisebeschr.  361 ;  und  wollen  uns  dort  ver- 
binden {heiraten)  wenn  sie  meine  Sehnsucht  gut  heiszen 
werden  Holston  u.  Augusta  {1780)  liS;  eps  guet  heiszen 
bestätigen  Martin  -  Lienhaet  l,  249 ;  er  het  drei  mosen 
win  guet  gheiszen  zum  besten  gegeben  ebda;  gut  achten 
probare  Maajler  199 "; 

dargegen  achtet  mancher  gut 

das  leib  und  seel  doch  schaden  thut 

Henisch  1795; 

solches  gereicht  der  obrigkeit  ...  zu  kleinen  ehren,  die 
heilig  Schrift  und  alle  vernünftige  leute  können  auch 
solches  nicht  gut  sprechen  J.MATHESiusÄarepto(1571)48^. 

y)  in  präpositionaler  Verbindung  mit  für  bei  verben  des 
meinens,  denkens  oder  sagen«  im  sinne  'passend,  geziemend, 
richtig,  ratsam'. 

aa)  für  gut  ansehen  bis  in  das  17.  jh.  gebräuchlich: 
wie  es  inen  .  .  .  für  gueth  und  ratsam  angesehen 
sein  würdet  {wird)  urk.  v.  j.  1319  bei  v.  Beandis  landes- 
hauptl.  V.  Tirol  33;  gleichwohl  haben  sie  vor  gut  an- 
gesehen, einen  iedweden  in  seiner  eigenen  spräche  zu 
beschreiben  Chr.  Weise  erznarren  215  ndr.;  vereinzelt  mit 
personalem  akk.  in  vermengung  mit  gut  dünken :  das  ist, 
das  mich  für  gut  hat  angesehen,  die  partickel  der  astro- 
nomey  zu  erklehren  Paeacelsus  opera  2,  336  H. 

ßß)  für  gut  halten  löst  das  vorige  ab;  zufrühest  bei 
Henisch:  für  gut  halten  bonum  cestimare  1787;  die  katze 
hielt  das  für  gut  und  ging  mit  br.  Grimm  kinder-  u.  haus- 
märchen  (1895)  31;  möge  sie  {die  Schützengesellschaft)  über 
mich  beschlieszen,  was  sie  für  gut  hält  Brentano  ges. 
sehr.  6,  339;  die  kaiserlichen  räthe  hielten  doch  für  gut 
.  . .,  einen  andern  kenner  der  jüdischen  literatur  ...  zu 
rathe  zu  ziehen  Ranke  «.  w.  1,  185;  mit  ellipse  der  prä- 
position:  gutt  halen  billigen  lux.  ma.  158. 

yy)  für  gut  befinden,  finden:  endlich  wurde  vor  gut 
befunden,  nach  der  obrigkeit  zu  schicken  Geimmels- 
HAUSEN  2,  425  X.;  niemand  aber,  der  gesetze  giebt,  ist 
denselben  weiter  unterworfen,  als  er  es  selbst  für  gut  be- 
findet Rabener  s.  w.  1,  202;  (er)  habe  . . .  für  gut  befunden, 
bei  einer  kartenlegerin  nachzufragen  Holtei  erz.  sehr. 
1,  26;  mit  ellipse  der  präposition: 

mit  welchem  von  ihr  zu  und  aufgeschlossen  werden, 
wie  sie  es  gut  beflndt,  die  schätze  dieser  erden 

V.  KÖNIG  ged.  (1745)  77; 
nach  dieser  hauszhaltung  fand  unser  held  für  gut 
sich  weiter  umzusehn  . . .  LiOHTWER  äsop.  labein  65; 

man  fand  für  gut,  einige  arien  und  gesänge  einzuflechten 
GöTHE  21,  196  W.;  die  frage  .  .  .  hat  keiner  der  herren 
Vorredner  wieder  zu  berühren  für  gut  gefunden  Bismarck 
pol.  reden  4,  357. 

66)  für  gut  erkennen:  Alexander  M.  beim  Curtio  hat 
es  auch  vor  gut  erkannt,  daz  ein  mann  seine  f  rau  schlagen 
möchte  Che.  Weise  erznarren  14  ndr.;  sollte  für  gut  er- 
kannt werden,  dieses  denkmal  ...  zu  den  acten  der 
societät  zu  bringen,  so  erbiete  mich  hier  am  orte,  eine 
genaue  lithographische  nachbildung  zu  besorgen  Göthe 
IV  32,  221  W.;  vereinzelt:  für  gut  gäben  adjicere  calculum 
Feisius  35^;  vor  jut  erkleeren  als  richtig  anerkennen 
Beendicke  Berl.  wortsch.  132. 

4)  gut  im  sinne  'passend,  zweckmäszig'  gewinnt  einen 
besonderen  bedeutungsbereich  innerhalb  einer  sphäre,  in  der 
das,  was  bestimmten  objektiv  gültigen  normen  oder  durch 
gesellschaftliche  konvention  festgesetzten  regeln  entspricht, 
als  gut  d.  h.  'ziemlich,  schicklich',  'richtig,  ordnungsgemäsz' 
bezeichnet  wird. 


1241 


GUT,  adj.,  I  A  i 


GUT,  adj.,  I  A  i 


1242 


a)  bei  formen  menschlichen  Verhaltens. 

a)  gute  sitte;  zunächst  im  sinne  ^schickliches  gebaren': 

da  schiltet  sl  vil  maneger  mite 
so  dunketz  mich  ein  guot  Site 

Hartmann  Itoein  1872; 

versage  er  lu  die  reise,      ir  sult  mit  guoten  siten 
durch  iuwer  swester  liebe       der  bete  in  vriuntltchen  piten 
Nibelungen  532,  3  Bartsch; 

hie  mit  sundigt  man  nicht  wider  gutte  sitten,  sondern 
wider  den  glauben  Lutheb  8,  546  W.; 

dasz  jederman  gleich  spürt  und  sieht 
dU'habst  gelernt  gut  Bitten  nicht 

K.  Scheit  Orobianu»  3349  ndr.; 

entsprechend  auch  in  moderner  spräche,  z.  b.:  eine  solche 
reklame  verstöszt  wenn  schon  nicht  gegen  das  Strafgesetz- 
buch, so  zumindest  gegen  die  guten  sitten,  wo  g.  s.  fa^t 
terminologisch  das  verhalten  im  rahmen  der  regeln  an- 
ständigen geschäftsgebarens  ausdrückt;  auf  der  grenze  zu 
V  B  1 :  dieweil  er  sähe,  dasz  sie  (die  Jungfrau)  gantz 
züchtig  und  guter  sitten  war  J.  Wetzel  reise  d.  söhne 
Giaffers  124  lit.  ver. 

ß)  ebenso  bei.  anderen  Substantiven;  mhd.  namentlich  im 
bereich  höfischer  konvention  'geziemend,  anständig,  fein': 

guot  gebserde  und  Iduscher  site 
den  zwein  wont  vil  steote  mite 

WOLFRAM  Parzival  414,  23; 
stn  leben  daz  ist  höfsch  unde  guot 

GOTFRID   Tristan  499; 
darzuo  gebt  mir  vier  kint, 
mit  guoter  zuht,  von  höher  art 

Wolfram  Parzival  8,  5; 

{der  Jüngling)  aller  guter  zucht  und  sitten,  dopey  schön 
und  liebe  .  .  .  waz  Aeioo  decam.  131  K.; 

Bwaz  ie  guoter  tugende      an  vroun  Heichen  lac 
der  vleiz  sich  vrou  Kriemhilt      dar  nflch  vil  raanlgen  tac 
Nibelungen  1380,  1  Bartsch; 

sy  anhangent  der  lere  guter  tugend  Niclas  v.  Wyle 
iranslat.  21  K.;  in  neuerer  spräche  vergleichen  sich:  gutes 
benehmen,  gutes  betragen,  guter  anstand,  gute  manieren, 
wobei  gut  die  Übereinstimmung  mit  den  regeln  des  schick- 
lichen Verhaltens  angibt  (anders  der  gute  ton,  die  gute 
lebensart  vgl.  II  B) :  diese  leitete  die  stunden  und  tage 
des  kindes  zum  leben,  lernen  und  zu  allem  guten  betragen 
GÖTHE  24,  128  W.;  der  gute  .  .  .  anstand  ist  ein  äuszerer 
schein,  der  andern  achtung  einflöszt  Kant  s.  w.  (1838)  10, 
151  H.;  ähnlich  von  einzelnen  handlungsf armen:  so  suchte 
er  mich  auf  eine  gute  art  von  Florenz  zu  entfernen 
GÖTHB  43,  114  W.;  der  nachforschung  der  elemente 
unserer  erkenntnis  .  .  .  mit  guter  manier  ausweichen 
Kant  s.  w.  (1838)  3,  321  H.;  der  miszbrauch  (der  Presse- 
freiheit) .  .  .  wird  unendlich  von  dem  groszen  nutzen 
überwogen,  den  der  gute  gebrauch  dem  gemeinen  wesen 
gewährt  Archenholz  E7tgl.  u.  Italien  1,  9;  die  schuld 
(lag)  ...  an  dem  gebrauch  oder  vielmehr  an  dem  misz- 
brauch, den  man  neben  der  guten  anwendung  davon 
machte  Fr.  Schlegel  s.  w.  2,  15. 

b)  allgemeiner  bei  zuständen  des  sozialen  lebens,  die  mit 
ihrem  sinncharakter  in  einklang  stehen,  d.  h.  sind  wie  sie 
sein  sollen,  also  'zweckentsprechend,  geziemend,  gebührend' : 
dann  etliche  kirchenordnung  sind  gemacht  umb  guter 
ordenung  und  fridens  willen  Luther  26,  222  W.; 

von  frid  und  einigkeit  der  alten 
und  wll  sie  gut  Ordnung  gehalten 

K.  Scheit  Grobianus  1287  ndr.; 

von  welchen  die  meisten  Verwirrungen  und  Zerrüttung 
guter  Ordnungen  herkommen  polit.  maulaße  (1679)  vorr.; 
die  gemeinde  stand  in  guter  Ordnung  um  die  kanzel 
V.  Arnim  s.  w.  2,  Sll  Or.;  wenn  der  geselle  schon  ins 
madt  gehen  kann,  wann  noch  die  Jungfrau  im  bad  liget, 
so  wird  eine  gute  heirat  Mathesiüs  hochzeitpr.  (1584)  30^; 
es  ward  auch  ein  gute  ehe,  dann  die  history  sagt  gäntz- 
lich  und  für  gewisz,  dasz  ihr  keins  das  ander  ihr  leben 
lang  nie  mit  einem  wort  erzürnet  hab  buch  d.  liebe  (1587) 
30^',  heute  aber  mehr  nach  III  hin  als  'glückliche  ehe' 
empfunden;  er  ist  mechtig  und  helt  sein  landt  in  güttem 
fride  also  Warbeck  Magdone  51  B.;  thut  dasz  ein  weib 


...  in  gutem  frieden?  Mosoherosch  ins.  cur.  par.  13  ndr.; 
darumb  inn  eyner  guten  pollicei  sol  nit  alleyn  das  arg 
gestraft,  sonder  auch  das  gut  belont  werden  Carbach 
Livii  röm.  hist.  (1551)  27'';  er  regierte  solches  (Bayern)  mit 
guetter  rhue  fünf  jar  lanng  v.  Brandts  landeshauptl.  v. 
Tirol  14;  —  hierzu  gehört  auch  das  gute  recht,  d.  h.  ein 
recht,  das  den  f orderungen  des  natürlichen  rechtsempfindens 
oder  rechtlicher  konvention  entspricht:  Christus  soll  sein 
reich  auflEs  erst  ordenen,  zurichten  und  fertigen,  das  es 
stehe  und  gehe  ynn  gutem  recht  Luther  19,  167  W.; 
wenig  gesatz,  gut  recht  Lehman  fior.  polit.  1,  291;  etwas 
anders  das  recht,  das  einem  zusteht,  'gebührlich" :  man  solt 
im  zu  Kolen  gut  recht  doin  (sein  gutes  recht  verschaffen) 
städtechron.  13, 114  (1.  hälfte  d.  15.  jhs.);  die  eifrigsten  Ver- 
treter von  Adherbals  gutem  recht  überzeugten  . .  .  sich 
davon,  dasz  Mommsen  röm.  gesch.  2,  140; 

{wo)  der  Würtemberger  zecht 

da  soll  der  erste  trinkspruch  sein: 

das  alte,  gute  recht  1  Uhland  ged.  1,  69; 

wir  bedürfen  dieser  deckung  nicht,  wir  stehen  fest  auf 
dem  boden  unseres  guten  rechtes  Bismarck  pol. reden  2, 79. 

c)  bei  modaliiätsbegriffen;  in  älterer  spräche  gute  masze, 
guter  fug,  besonders  in  präpositionaler  Verwendung  'in 
ziemlicher  weise,  in  schicklicher  art': 

wanne  god  dem  menschen  gud  bescheret 
des  her  gebrucht  in  guder  masse 
unnd  nicht  in  vollede  adder  in  quasse 

JOH.  Rothe  lob  d.  keuschh.  2026  N.; 

Mo.:  ,halt  frled,  er  ■nirds  nun  bleiben  lassn. 
Ha.:  Ja  herr,  ich  thues  zu  guter  massn 

Hayneccius  Hans  Pfriem  83  rtdr.; 

(mein  vater)  hat  uns  ein  testament  gemacht 
und  auch  das  landvolck  guter  massn 
freybeiten  drinn  genieszen  lassn 

M.  Binckhart  Christi,  ritter  26  ndr.; 

wie  kanstu  denn  hie  mit  gutem  fug  raten,  das  die  heim- 
liche Verlöbnis  .  .  .  solle  ein  ehe  bleiben?  Luther  30,  3, 
225  W.; 

es  kan  dich  wol  mit  gutem  fug 
hosen  und  wammes  decken  gnug 

K.  Scheit  Grobianus  1044  ndr.; 

oft  mehr  im  sinne  'berechtigt' :  dann  wiewol  ich  das  züthün 
gute  füg  und  mer  dann  gnügsame  ursach  gehabt  Hütten 
opera  l,  418  B.; 

. .  .  mein  gelücke  thut  mir  nichts  von  diesen  allen, 
was  ich  ihm  mit  gutem  fuge  zugemutet,  zu  gefallen 

LOGAF  sinnged.  582  L.; 

(die  obrigkeit,)  die  mich  wegen  so  scheinbarlicher  an- 
zeigung  mit  gutem  fug  an  die  tortur  werfen  dörfte 
Grimmelshausen  2,  431  K.;  (sie  sind)  so  gar  ähnlich,  dasz 
sie  sich  nicht  mit  gutem  fuge  in  etliche  kleinere  classen 
eintheilen  lieszen  Rösel  v.  Rosenhof  insectenbelust. 
(1746)  1,  165. 

d)  bestimmten  objektiven  regeln  entsprechend. 

a)  den  Sprachgesetzen  folgend,  'richtig':  nu  wil  ich 
sprechen  einen  sin,  den  nut  ein  iekliches  verstot  und 
doch  sprich  ich  iemer  gut  tutsch  Tauler  pred.  144  F.; 
gottes  werck  wirken  ist  nicht  gutt  deutsch  geredet 
Luther  33,25  W:-;  ausz  italiänischer  sprach  in  gut  hoch- 
teutsch  gebracht  Wetzel  reise  d.  söhne  Giaffers  9  lit.  ver. ; 
ich  hab  ihn  (den  schüler)  angezeichnet  .  .  .,  das  er  nicht 
gut  latin  geredet  Orsäus  nomencl.  meth.  (1623)  308; 

so  hat  die  barbarey  das  gut  latein  zerstükket 
und  gotisch,  wendisch,  teutsch  mit  macht  hinein  geflikket 
Rachel  satyr.  ged.  118  ndr.; 

das  gute  latein  (musz  sich)  zuweilen  von  dem  gesunden 
menschenverstande  sehr  weit  entfernen  Lessing  10,  336 
L.-M.;  hierher  auch  als  'richtig  gebildet':  kunstrichterey 
...  ist  zum  exempel  kein  gutes  wort  Klopstock  gelehrten- 
republ.  (1774)  147;  besonders  gern  präpositional,  wobei 
der  begriff  des  richtigen  in  den  meist  drastisch  aufgefaszten 
begriff  'unverfälscht,  echt'  oder  'grob'  übergehen  kann: 

einer  kennt  syn  gesellen  über  den  zun 
und  welszt  behendt,  was  er  sol  thun; 
zu  güttem  tütsch  helszt  es  ein  vertragk 
oder  gesungen:  der  habersack 

MUENBE  narrenbeschw.  71  ridr.; 


1243 


GUT,  adj.,  1  A  5 


GUT,  adj.,  I  A  6 


1244 


communia  auf  gut  lateinisch  bedeutet  allgemeine  dinge 
Bamleb  einl.  (1758)3,261;  teutschet  Luther  dise  wort 
auf  gut  bulerisch  Emsee  in  Luther  17,  1,  6  W.;  auf  gut 
schwäbisch :  herr  magischter,  es  ischt  ein  groszer  .  .  . 
Schupp,  sehr.  27;  in  spezifischem  gebrauch  erscheint  auf 
gut  deutsch  im  sinne  'deutlich  ausgedrückt:  ir  seind 
narren  auf  gut  teutsch  gerett  Eberlin  v.  Günzburg 
s.  sehr.  2,  9  ndr. ;  soll  wohl  auf  gut  deutsch  heiszen :  ein 
sehr  fein  gebildeter  mann  H.  Beck  schachmasch.  (1798)  12. 
ß)  ähnlich  so  bei  kunstwerken,  handarbeiten  u.  dgl.,  die 
den  regeln  der  kunst,  des  handwerks  usw.  entsprechen, 
'kunstgerecht,  vorschriftsmäszig\'  danne  daz  sy  oft  und  vil 
lese  in  geschriften  guter  und  zierlicher  gedichten  Niclas 
V.  Wyle  translat.  8  K.; 

welche  haben  ir  seel  und  leben 
und  reinen  guten  text  darneben 
diese  aller  ehren  werd  sein 

A.  PusoHMANN  gründl.  bericht  2  tidr.; 

gnug,  dasz  die  verse  gut,  die  lieder  lieblich  gehn 

Che.  Weise  grün.  jug.  172  ndr.; 

es  ist  schwer  gute  perioden  ...  zu  machen  Göthe  IV 

1,  258  W.;  oft  hört  man  sie  ...  melodisch  singen  und 
guten  takt  halten  Bücher  arbeit  u.  rhythm.*  66;  redens- 
artliche Wendung:  gute  arbeit  leisten,  vgl.  gott  hat  jedem 
in  seinem  beruf  ein  rocken  angeleget,  daran  er  soll  schaffen 
und  gut  garn  spinnen  Lehman  fior.  pol.  1,  18 ;  hierzu  stellt 
sich  auch:  rechtsinnig,  der  ein  recht  und  gute  meynung 
hat  orthodoxus  Calepinus  XI  ling.  1005»;  die  ent- 
sprechende adverbielle  Verwendung  gut  evangelisch  ge- 
sinnt sein  usw.  vgl.  unter  VII. 

e)  prädikativ  seit  alters  in  gebrauch  im  sinne  'es  ist  ge- 
ziemend, billig,  richtig':  gote  sol  man  jehen,  daz  ist  guot 

NOTKER  pS.  91,  2; 

ich  prlse  in  swä  er  rehte  tnot 

und  verswlge  ein  laster:  daz  ist  guot 

Habtuann  Itoein  2404; 
■was  man  dem  bederben  ere  tut 
das  ist  billichen  unde  gut 
herzog  Ernst  D  1831  in:  V.  D.  Hagen  dtsche  ged.  d.  mittelalters; 

es  ist  ganz  gut,  was  er  thut,  dem  man  wohl  will  PiSTORlus 
thes.  paroem.  10,  65; 

dasz  du  in  das  gehelmnisz  deiner  abkunft 

vor  mir  wie  vor  dem  letzten  stets  dich  hüllest, 

war  unter  keinem  volke  recht  und  gut 

GÖTHE  10,  13  W.; 

darum  ist  es  nicht  anmaszung  sondern  recht  und  gut, 
wenn  .  .  .  v.  Savtgny  v.  beruf  u.  zeit  (1814)  1;  in  diesen 
Zusammenhang  reiht  sich  der  ausruf  des  erstaunens  das  ist 
gut!,  der  ironisch  verstanden  gerade  dünn  gebraucht  wird, 
wenn  eine  sache  nicht  ordnungsgemäsz  erscheint,  vgl.  dei 
ass  gutt  das  ist  doch  sonderbar  lux.  ma.  158;  redensartlich 
so  ist  es  gut!  oder  meist  elliptisch  gut  so!  im  sinne  'so 
gehört  es  sich,  so  ist  es  richtig,  recht  so\-  s  ist  gut  so,  sagte 
Grete  und  öffnete  schrank  und  truhe  Fontane  ges.  w. 
1  2,  394;  auch  das  oft  ironisch:  got  so,  broder  Liedtke, 
kannst  so  leege,  kannst  so  stehle  Frischbier  jw.sp"-^  1»  170. 

5)  einen  besonderen  bedeutungsbereich  hat  gut  seit  dem 
jüngeren  mhd.  in  der  spräche  des  rechts-  und  geschäfts- 
verkehrs  inne. 

a)  der  ausgangspunkt  der  bedeutungsreihen  'beglaubigt, 
'vollwertig^  'sicher'  in  bezu^  auf  Urkunden,  münzen,  Wert- 
papiere u.  ä.  liegt  in  der  bedeutung  'taiiglich,  wirksam'  in- 
sofern ein  bestimmter  juristischer  zweck,  der  der  rechts- 
gültigkeit, zu  erfüllen  ist. 

a)  'beglaubigt,  sicher,  rechtswirksam':  daz  si  dar  über 
haben  gute  brieve  urk.  v.  j.  1295  bei  Fischer  schwäb.  3, 
941;  nach  guten  briven  und  wizzintlichen  Urkunden 
andirer  kurfürsten  urk.  v.  j.  1354  in:  Zeumer  gold.  bulle 

2,  65; 

daz  uns  dhein  schad 
(geschähe)  ...  an  unsern  alten  rehten 
diu  uns  mit  guoten  und  mit  sichten 
hantvesten  sint  bestistigt 

Ottokar  v.  Steiermark  reimchr.  19849  Seem.; 

auch  'urkundlich  anerkannt':  dasz  mein  gnediger  herr  von 
Bieneck  ein  gut  halsgericht  hir  hab  weisth.  6,  13;  und 


bettend  all  und  jeglich  vollen  und  guten  gewalt  von  irn 
herren  mit  briefen  und  och  insigeln  Biohental  ehr.  d. 
Const.  conzils  52  lit.  ver.;  ähnlich:  wir  musztens  geben 
laut  pakt  und  gutem  wort  Alexis  Roland  v.  Berlin  1,  115; 
in  verbaler  Verbindung:  gut  machen  'verbürgen' : 

mit  gfseln  und  mit  hantvesten 
woldens  in  daz  machen  guot 

Ottokar  v.  Steiermark  reimchr.  46317  Seem.; 

bis  sie  {die  verdächtigen)  inen  umb  die  sprüch  ain  bemüegen 
thuen  oder  zum  rechten  guet  machen  und  verpürgen 
österr.  weist.  5,  648;  'beweisen' :  die  stellen,  welche  gut 
machen,  was  ich  gesagt  habe  Lessing  11,  102  L.-M.;  gut 
geben  'bestätigen' :  {eine  abtwahl)  gut  geben  mit  urkund 
Vadian  bei  Staub-Tobler  2,  541 ;  für  gut  bestätigen  'für 
rechtsgültig  erklären':  daz  ist  der  recht  grundt,  das  solcher 
kauf  für  gut  bestettiget  ward  Jacob  Strausz  das  wücher 
nemen  (1524)  d^; 

iedoch  er  sie  verbürgen  sol 
sicher  mit  guter  bürgschalt  wol 

H.  Sachs  2,  9  K.; 

in  neuerer  spräche  klingt  diese  Verwendung  noch  in  einzelnen 
archaisierenden  formein  nach  im  sinne  'sicher,  verläszlich' : 
er  selbst  aber  ging  mit  gutem  geleite  nach  dem  Bourbon- 
nais  H.  Laube  ges.  sehr.  2,  47;  unter  guter  bedeckung  und 
kaiserlichem  schütz  Scheffel  ges.  w.  1,  270. 

ß)  auf  münzen,  Währungen  und  geldsorten  bezüglich. 

aa)  'vollwertig,  von  richtigem  gewicht':  umbe  120  guter 
Pfenninge  Tuwinger  müntze  {v.  j.  1317)  bei  Fischer 
schwäb.  3,  941 ;  namentlich  in  formelhafter  Verbindung  mit 
gebe,  genge,  geneme,  die  den  begriff  'gangbar,  gültig'  bei- 
fügen: guter  und  geber  Augspurger  pfemiing  städtechron. 
22,336;  guter  und  gebir  werunge  hess.  urk.-buch  2,660; 
drizechen  pfund  pfenn.  guoter  und  genger  Züricher  münz 
{v.  j.  1369)  bei  Staub-Tobler  2,  538;  i  ^  haller  guter, 
gselaer  und  genemer(v.  j.  1346)  bei  FiscuEn  schwäb.  3,  942; 
so  soll  man  nemen  .  .  .  ein  ducaten  und  ein  ungarschen 
guldin,  die  gut  sind  Tschudi  chron.  helv.  2,  158;  archai- 
sierend: 

ich  ihn  an  mich  gekaufet  hab 
für  richtig  gutes  schweres  geld 

TiECK  sehr.  1,135; 

vergleichbar:  der  gute  gehalt  der  münzen  {ist)  gefallen 
Babener  s.  w.  3,  10. 

ßß)  daraus  spezieller  entwickelt  'echt'  gegenüber  dem 
schlechten  gelde  mit  geringem  gehalt  an  eddmatall  oder  dem 
falschen: 

(hätten  toir)  ein  müntze  und  gut  gelt 
so  stund  es  wol  in  aller  weit 

tprichw.  (1548)  73»; 
trauet  mir,  mein  geld  ist  gut 

Che.  Weise  grün,  jugend  64  ndr.; 

falsch  müntz  hat  ein  gepreg  eines  herren  der  gute  müntz 
macht  Lehman  flor.  pol.  1,  107;  wer  geld  einnimmt,  der 
thue  .  .  .  die  äugen  recht  auf,  dasz  nicht  zwey-  vor  vier- 
groschenstücken  .  .  .  oder  sonst  falsch  geld  vor  voll  und 
gut  mit  eingezählet  werde  J.  G.  Schmidt  gestrieg.  rocken- 
phil.  1,  13;  übertragen: 

hie  nimmt  der  arme  Jost  solch  honigsüszes  streichen 
für  gute  gülden  an  Rachel  sat.  ged.  21  ndr.; 

auch  modern  ein  gutes  Zweimarkstück  usw.  im  sinne  'ein 
echtes,  nicht  gefälschtes',  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  942; 
gueti  banknöt  echte  banknoten  Staub-Tobler  2,  538. 

yy)  vereinzelter  im  sinne  'gültig,  gangbar'  gegenüber  den 
auszer  kurs  gesetzten  münzen: 

wer  die  müntze  recht  nicht  kennt,  dem  ist  ieder  groschen  gut 
LOGAU  sinnged.  265  lü.  ver.; 

dat  geld  is  good  gangbar  Dähnert  157^;  god  geld  gültiges 
geld  Mensing  2,  424. 

66)  terminologisch  im  sinne  'vollwertig,  hoch  im  kurs 
stehend'  gegenüber  der  zwar  gültigen,  aber  niedriger  be- 
werteten Währung  und  ihrer  münzsorten,  vgl.  'gutgeld  opp. 
dem  keyserlichen  geld,  welches  alsdann  leicht  geld  heiszf 
Scherz-Obeblin  581:  dieweyl  aber  von  wegen  imser 
schwachen  münzen,  die  im  rych  nach  der  selben  wär- 
schaft  und  halt  nit  gäng  und  gab,  imsere  kouf-  und 


1245 


GUT,  adj.,  I  A  5 


GUT,  adj.,  I  A  5 


1246 


werbende  lüt^  so  im  rych  waren  koufen  und  mit  gueter  i 
rychsmünz  zalen  müeszend,  so  solle  von  diser  ursach  ■ 
wegen  unsern  kouflüten  zuegelassen  syn,  dasz  sy  gegen 
einandern  uf  guet  gelt  handien  {v.  j.  1568)  bei  Stäub- 
ToBLEB  2,  538;  dedit  6  //  16  ß  guttes  geldes  handelsrechn. 
d.  dtsch.  Ordens  17  Sattler;  nach  beiliegender  rechnung 
(bin  ich)  .  .  .  125  thlr.  49  grote  gut  geld  schuldig,  welches 
nach  unserem  cours  ohngefähr  macht  135  thlr.  Göthe  IV 
16,  224  W.;  es  (mache)  mehr  als  8  thaler  im  guten  gelde 
aus  Ayeenhoff  s.  rv.  l,  21;  7ioch  redensartlich:  er  wirft 
das  gute  geld  dem  schlechten  nach  Fischer  schwäb.  3,  942; 
bei  einzelnen  milnznamen:  'guter  gülden  (=  21  groschen) 
opp.  leichter,  kayserl.  gülden  (=  16  groschen)"  Feisch  t.-lai. 
1,  385^;  wir  (haben)  .  .  .  für  50  gute  gülden  103  papier- 
gulden  erhalten  Götke  IV  19,  342  W.,  weiteres  s.  gülden 
teil  4,  1,  6  sp.  1059;  guldiner,  eine  teutsche  reichsmüntze 
und  so  viel  als  16  gute  groschen  Apikus  gloss.  nov.  (1728) 
260 ;  ein  andrer  musz  mir  zwar  acht  gute  groschen  geben 
Gottsched  dtsche  schaub.  3,  283;  einen  tagelohn  von  6-8 
guten  groschen  Bismakck  pol.  red.  1,  131; 

gut  krönen  und  dick  Pfenning  schwär 

E.  R.  Manuel  weinspiel  3086; 

hundert  Schilling  guter  güldener  pfennig  buch  d.  liebe 
(1587)  101». 

es)  in  jüngerer  spräche  im  sinne  ''sicher'' :  die  besagte 
summe  für  den  kaufmann  M.  ...  in  guten  landespapieren 
H.  V.  Kleist  4,  88  Schm.;  guete  Schuldbrief,  guete  zedel 
gesicherte  hypothek  Staub -Tobler  2,  538;  ähnlich  auch: 
gute  papiere  mündelsichere  papiere,  erstrangige  Prima- 
wechsel, aktien  solider  Unternehmungen,  wobei  aber  auch 
(vgl.  6ö)  an  hohen  kurswert  oder  hohe  Verzinsung  gedacht 
werden  kann;  was  den  wustischen  insatz  betrifft,  so  er- 
suche (ich)  dagegen  dessen  verkauf  nicht  vorzunehmen, 
denn  da  er  sicher  und  gut  ist  .  .  .,  so  lassen  wir  denn 
diese  sache  auch  auf  sich  beruhen  Göthe  IV  29,  51  W.; 
anders  'verfügbar\  gute  schulden  debiii  liquidi  Kramkb 
t.-ital.  1,  5781». 

b)  die  bedeutung  'sicher,  zuverlässig^  in  bezug  auf  zeugen, 
bürgen  usw.  ruht  in  der  Vorstellung,  dasz  die  personen  für 
eine  juristische  funklion  'tauglich'  anzusehen  sind;  bei 
zeugen  auf  grund  ihrer  Stellung,  ihrer  herkunft,  ihres 
Charakters  usw.,  bei  debitoren  oder  bürgen  auf  grund  ihrer 
Wohlhabenheit,  ihrer  geschäftlichen  Zuverlässigkeit  usw. 

a)  bei  zeugen  oder  anderen  gerichtlich  beeidigten  Sach- 
waltern; gute  leute  fester  terminus  der  älteren  urkunden- 
sprache,  vgl.  lat.  viri,  homines  boni,  d.  h.  'biedermänner\- 
die  formel  geht  wohl  von  gut  V  aus  und  bedeutet  zunächst 
'rechf^chaffene"  und  deshalb  'zuverlässige^  leute:  her  (soll) 
ime  sine  kost  gelde  näh  guter  lüte  kure  Sachsenspiegel  66 
Weiske;  das  habent  och  gut  lüt  dik  und  fil  hie  gesait 
Elsb.  Staoel  schw.  z.  Tösz  109  F.;  (man)  hat  .  .  .  etlich 
in  gelubd  genomen,  aber  man  hats  nit  können  binden, 
dasz  nit  sei  .  .  .  ist  jederman  gut  gewesen  (zeuge  gewesen) 
städtechron.  29,  48 ;  wie  wir  bey  ein  anderen  sind  gewesen, 
bist  du  ein  guter  zeug  Frisius  159*;  so  sollen  sie  die 
sache  gründlich  und  mit  guten  bewehrten  zeugen  be- 
weisen Eeinicke  fuchs  (1650)  369;  in  gegenwart  seiner  und 
ihrer  guten  männer  (hat  er)  120  mrk.  zu  erlegen  sich  er- 
boten nach  e.  westpreusz.  schöppenbuch  v.  1642  in:  neue 
preusz.  provinzialblätter  12,  333;  entsprechend  mal.:  guter 
mann,  gutmann  zeuge  bei  der  trauung,  taufe  und  Verlobung 
Frischeier  jrr.  wb.  l,  260;  guter  mann  kirchlicher  trau- 
zeuge  Betcke  Königsb,  ma.  31;  in  engerer  bedeutung  von 
gerichtspersonen,  Schiedsleuten  oder  gerichtlich  vereidigten 
Sachwaltern,  vgl.  gute  mannen,  beidermänner  arbitri,  boni 
viri  Henisch  1791 :  der  herr  foit  (vogt)  die  sachen  zuweilen 
auf  gutte  leuthe  gibt,  dan  domitte  werden  viele  sachen 
durch  gutte  leuthe  in  der  suehne  vertragen  Olmülzer 
gerichtsordn.  11,  wo  die  bedeutung  IV  hineinspieü;  leut .  .  ., 
die  etwann  bluetiges  gewant  antruegen  und  iemant 
sollichs  chauf  et,  die  sollen  gestraft  werden,  wie  dann  weiter 
durch  guete  leut  erkennt  ■WTirde  (v.  j.  1629)  österr,  weist. 
6,  258 ;  durch  gute  männer  (arbitri) . . .  einen  streit  beilegen 
Hippel  s.  w.   6,  199;   'beeidigter  Sachwalter'' :   er   brauch 


ihn  erstlich  in  schweren  sachen  und  vertragen  zum  guten 
mann,  so  wird  er  ...  (17. 7A.)  Casp.  Stein  peregrinus  12,  41 
bei  Frischbier  wb.  1,  261;  gute  männer  . . .,  welche  alle 
beliebte  nachbarliche  Zulagen  treulich  und  fleiszig  ein- 
sammeln, aufschreiben  und  .  .  .  richtige  rechnung  geben 
sollen  A.  Haetwich  geogr.  hist.  landesbeschr.  (1722)  508; 
'guter  mann,  omcä  geschworener  mann,  sind  beeidigte 
leute,  durch  welche  die  gerichtlichen  aussagen  der  auf 
grundstücke  bestätigten  kapitalien  geschehen  müssen'  Klein 
dtsch.  prov.-wb.  1,  174  für  Danzig;  'n  gooden  mann  ein 
als  zeuge  oder  vermittler  zugezogener  unbescholtener,  un- 
parteiischer mann,  im  letzteren  prägnanten  technischen 
sinne  ist  der  pl.  goode  mannen'  Stürenbtjro  ostfries.  73*. 
ß)  bei  debitoren  usw.  'sicher,  zuverlässig',  au^h  'kredit- 
ivürdig',  vgl.  besondere  arten  der  vollmacht  sind,  wenn 
.  .  .  man  einen  unter  dem  vorgeben,  dasz  es  ein  guter 
mann,  dem  wol  zu  trauen,  bey  dem  keine  gefahr  zum 
anlehn  oder  creditgeben  beweget,  davor  man  allerdings 
stehen  musz  Haym  jur.  lex.  (1738)  1280:  daz  dhain  pfleger 
.  .  .  dhainen  man  nicht  vahen  sol,  der  gut  zu  dem  rechten 
ist  (mit  rücksicht  auf  besitz  dem  gerichte  sicher  ist)  österr. 
weist.  1,  321;  der  mann  ist  gut,  warumb  solte  er  durch- 
gehen? polit.  bratenwender  (1682)  246;  glauben  sie  nur 
nicht,  .  .  .  ich  wollte  sie  mahnen  —  das  hat  zeit,  sie  sind 
mir  gut  Heine  w.  3,  321  E.;  der  oheim  G.  war  so  gut 
wie  sein  wort  W.  Raabe  hungerpastor  54;  von  da  au^  oft 
mit  dem  beisinn  'wohlhabend,  zahlungskräftig' ,  vgl. 

wills  b8chulden,  wo  ich  bin  so  guet 

J.  Aal  Joh.  (1549)  hei  Staub-Toblke  2,  536; 

da  nun  heir  St.,  wie  die  anderen  hier  anwesenden  Berliner 
versichern,  'gut'  ist  Isolde  Kurz  lebensfluten  (1907)  151; 
mal.:  der  ina  ist  gued  reich  Tobler  appenz.  245*;  nu 
betahl  man,  dat  dröppt  ja  n  goden  mann  Mensino  2,  424; 
vereinzelt  gut  sein  'besitzen':  guet  sein  um  1000  gülden 
1000  gülden  besitzen  Schöpf  tirol,  220;  bescheiden  theil 
was  du  gut  bist  Petri  d.  Teutsch.  w.  2,  k  4*. 

y)  formelhaß  in  den  wend^ingen  von  (in)  guter  band, 
aus  guter  quelle  u.  ä.  im  sinne  'verläszlich' :  der  graf  von 
Strahl,  uns  vielfältig  und  von  guter  hand  bekannt  H.  v. 
Kleist  2,  182  Schm.,  vgl.  dazu  auch  guter  hande  leute 
sp.  1267;  wir  (machen)  uns  ein  vergnügen  daraus,  ihnen 
eine  parodie  darauf  mitzutheilen,  die  wir  von  guter  hand 
bekommen  haben  Lessino  5,  446  L.-M.;  sie  sind  schlecht 
berichtet,  herr  M.,  ich  musz  es  doch  zum  teufel  aus  guter 
hand  haben  Lenz  ges.  sehr,  l,  229 ;  es  liegt  in  guter  hand 
Schiller  12,  401  O.;  modern  oft  plur.:  der  küster,  da  er 
seine  sache  in  guten  bänden  sah  Immeemann  Münchh. 
(1838)  3,  43;  es  ist  aus  guter  queUe  Klix  bei  Wander 
5,  1440. 

c)  in  festen  verbalen  Verbindungen. 

a)  wie  in  b  ruht  die  Vorstellung  darauf,  dasz  eine  person 
als  'tatiglich'  angesehen  wird  für  die  Verpflichtungen  einer 
zweiten  person  einzustehen. 

aa)  unmittelbar  personell  gut  sein,  werden;  im  sinne 
'bürgen,  haften'  meist  mit  für:  wer  wü  mir  bürge  und  gut 
dafür  seyn,  das  sie  recht  sagen  Luther  bei  Dietz  2,  187  **; 
wie  die  alle  durch  vielgemelten  N.  also  stet  und  feste  zu 
halten,  gelobt  und  geschworn  seind,  selbschuldige  bürgen 
und  dafür  gut  wurden  seind  A.  Machholtl /ormuZar  (1560) 
94*1;  hürumme  vorwillekorden  syk  de  borghere,  dat  se 
wolden  güd  wesen  vor  allen  schaden  (v.  j.  1450)  städte- 
chron. 30,   110; 

da  für  sy  mir  der  künig  gut, 
das  mir  hie  üwer  keiner  thüt 

Murner  narrenbeschw.  272  ndr.; 

scheue  dich  nicht,  sie  auf  zu  nehmen,  ich  bin  dir  guht 
vor  ihre  ehre  Zesen  helik.  rosent.  (1669)  42;  für  das  der 
H.  gegebne  (geld)  bin  ich  auch  gut  Göthe  IV  19,  217  W.; 
ebenso  mal.,  vgl.  Mensing  2,  424;  eiicas  anders  'sici.  ein- 
setzen': weil  nun  .  .  .  Th.  auch  ihm  rund  abschlug,  für 
ihn  bey  Z.  gut  in  Worten  zu  seyn  Lohenstein  Arminius 
2,  923*>;  auch  'dafür  bürgen,  dasz  eine  gefahr,  ein  schaden 
nicht  eintritt':  gut  für  alle  gefahr  sein  Reyher  thes.  3, 626; 


1247 


GUT,  adj.,  I  A  6 


GUT,  adj.,  I  A  6 


1248 


ich  wil  dir  gut  vorn  schaden  seyn 

M.  BiNCKHAET  Christi,  rittet  27  ndr.; 

sey  gut  für  allem  schaden 
du  aug  und  Wächter  Israel 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpei,  3,  298; 

dann  ^sich  für  eine  eigene  behauptung  verbürgen,  nach- 
drücklich versichern\  oft  mit  personalem  dativ: 

du  lernst  in  wol  kennen  hierin, 
vorwar  ich  dir  darfür  gut  bin 

gatir.  u.  pasq.  1,  80  Schade; 

da  schrieb  ich  ihr  nun  was  auf,  ich  bin  gut  dafür,  wenn 
sie  es  gebrauchet,  so  wird  sie  in  4  wochen  keinen  menschen 
ähnlich  sehen  Chr.  Reuter  ehrl.  frau  28;  ich  bin  dafür 
gut,  dasz  niemand  . .  .  jemals  wieder  zu  jener  alten  .  .  . 
Scheinwissenschaft  zurückkeliren  werde  Kant  s.  w.  (1838) 
3,  295  27.;  so  mal.  verbreitet,  vgl.  Dähnert  is?*^;  Scham- 
bach 60*;  Hofmann  niederhess.  lll*';  Christa  Trier,  ma. 
103*';  Martin-Lienhaet  1,  248;  vereinzelter  mit  um:  die 
sind  mir  gutt  umb  mein  vordrung  U.  Füetrer  bat/er. 
chron.  211;  ich  wil  gut  darum  b  seyn  ad  me  recipio  Frisius 
1121''.  gut  werden,  vgl.  der  für  ein  andern  gut  wirt,  der 
für  ein  andern  verheyst  Albertjs  nov.  dict.  16^:  dy  ob- 
genante  fraw  unnd  (volljährigen)  kinder  obgenant  sindt 
gudt  wordenn  vor  dy  kinder  dy  noch  nicht  mundigk 
seindt  {v.  j.  1492)  Melbacher  gerichtsbuch  (handschr.  quelle); 
ist  dem  vogt  gut  worden,  daz  er  von  sollichen  geltz 
wegen  nit  angelanget  werden  sol  (r.  j.  1493)  bei  Fischer 
Schwab.  3,  948;  wan  der  schuldig  man  guet  wird  oder 
seiner  freund  ainer  für  die  wandel  (busze),  so  soll  man 
ihm  sein  hab  nicht  anfallen  (v.  j.  1C60)  österr.  weist.  9,  430. 

ßß)  gut  stehen  ist  nicht  vor  dem  18.  jh.  zu  bezeugen:  ein 
freund  ihres  bruders  ist  für  ihre  hiesigen  schulden  gut 
gestanden  J.  Nestroy  ges.  w.  1,  58 ;  sie  sagte  mir  auf  die 
letzt,  dasz  sie  sich  getraue,  mir  mit  ihrem  leben  gut  zu 
stehen,  dasz  das,  was  ich  bis  dato  geschrieben,  gewisz  ge- 
fallen wird  Mozart  an  d.  vater  bei  Jahn  Mozart  3,  45; 
wenn  er  ihn  umgebracht  hätte?  .  .  .  gut  stehe  ich  nicht 
dafür,  sprach  der  Vorsteher  von  G.  W.  Raabe  Horacker 
103;  ebenso  mal.  in  westl.  maa.,  vgl.  HöNio  Kölner  ma. 
67'';  Martin-Lienhart  1,  248;  Seiler  Basler  ma.  153; 
Fischer  schwäb.  3,  948;  sich  gud  stelle  Follmann  lothr. 
221;  etwas  anders  im  sinne  'einstehen,  entschädigen'' :  auch 
ist  hie  und  da  wohl  ein  zug  oder  eine  scene  gelungen,  die 
für  das  ganze  dann  gut  stehn  müssen  Tieck  sehr.  4,  287. 

yy)  gut  sagen,  gut  sprechen  seit  dem  17.  jh.  geläufig; 
isoliert  mit  akkusativ  objekt  im  sinne  'versprechen' : 

denck  nur,  es  sey  der  weit  nit  neu, 
das  sie  es  gut  sagt  on  alle  treu 

B.  \V ALDIS  Esopus  2,  291  Kurz; 

die  regel  ist  konstruktion  mit  für  oder  abh.  satz  in  der  be- 
deutung  'bürge?i\-  als  wenn  du  den  bundsverwandten, 
bürgern  und  dem  regiment  nicht  allein  für  deine  person 
sondern  auch  alle  reichsdiener  gut  sagetest  und  Versiche- 
rung tätest  Reyher  thes.  (1668)  3,  626;  sagt  doch  hier 
gut  vor  dasjenige,  was  ich  im  wirtshausz  werde  schuldig 
seyn  Schupp  sehr.  256;  wenn  sie  für  meine  schulden  all 
gut  sagen  wollte  Schiller  2,  134  0.; 

Neptun  kann  keinem  gut  für  seinen  schaden  sagen, 
der  sich  in  seiner  flut  auf  späten  herbst  wil  wagen 

P.  Fleming  1, 167  Läpp.; 

{ich  habe)  mich  nicht  getrauet,  für  anderer  leute  arbeit 
gut  zu  sagen  Jöcher  compend.  gelehrtenlex.  (1725)  vorr. 
§  25 ;  ich  könnte  nicht  dafür  gut  sagen,  dasz  in  ermanglung 
eines  solchen  (königs)  die  nächste  generation  nicht 
republikanisch  werden  könne  Bismarck  ged.  u.  erinn. 

1,  173  volksausg.;  mal.  im  nd.  und  md.,  vgl.  brem. -nieder s. 

2,  526,  Beendicke  Be.rl.  wortsch.  131,  Sciiambach  Gott.  60 *, 
Spiesz  henneberg.  87;  gab  darauf  seinen  dienern  befelch, 
mich  in  ein  wirthshausz  zu  führen  und  dem  wirth  gut- 
zusprechen vor  alles,  was  ich  .  .  .  verzehren  würde  Grim- 
melshausen  Simpl.  532  ndr.;  dann  er  hat  gut  gesprochen, 
dasz  ich  mich  wiederum  gestellen  würde  Hofemanns- 
WALDAU  sterb.  Socrates  (1679)  145;  er  hot  uns  vor  alles  gut 
gesproche,  hörsts?  maler  Müller  w.  2,  31;  mal.  vgl. 
Seilee  Basler  ma.  153;  Staub-Tobler  2,  541. 


ß)  andere  Verbindungen  dagegen  sind  elliptischer  natur 
und  aus  zu  gut  schreiben,  haben  usw.  herzuleiten  (vgl. 
gut  subst.). 

aa)  gut  schreiben  einen  betrag  zugunsten  des  Zahlers  auf 
sein  konto  schreiben  oder  auf  seine  schuld  in  anrechnung 
bringen:  und  soll  uns  auch  dieses  nicht  in  rechnung  gut 
geschrieben  werden,  dasz  die  anfangsepoke  unsrer  dicht- 
kunst  die  jüngste  von  allen  ist  Kretschmann  s.  w.  2,  38; 
modern  z.  b. :  den  zuviel  gezahlten  betrag  werden  wir  ihnen 
für  die  nächste  bestellung  gutschreiben;  anders  im  sinne 
'durch  bürgen  sichern' :  ein  gut  geschriebener  Wechselbrief, 
mit  dem  auch  der  bankerottirer  zur  noth  noch  hinauslangt 
Schiller  2,  25  0.;  gut  bringen:  gütigst  gesandte  m.  46.80 
haben  wir  ihrem  conto  bestens  dankend  gut  gebracht 
hdschr.  beleg. 

ßß)  gut  haben  im  sinne  'etw.  zu  fordern  haben",  vom 
gläubiger  gescujt:  es  scheint  also  wohl  .  .  .  nur  ein  irrthum 
zu  seyn,  wenn  sie  bey  mir  noch  zwanzig  thaler  gut  zu 
haben  glauben  Göthe  IV  30,  70  W.;  er  habe  .  .  .  bei  sei- 
nem ältesten  bruder,  dem  fleischer,  sechs  groschen  gut 
für  ein  zicklein  O.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  512;  den  dahler 
haben  se  jut  Brendicke  Berl.  w.  181;  etwas  anders  'sich 
auf  grund  einer  unbeglichenen  forderung  schadlos  halten 
durch  etwas,  was  an  stelle  der  bezahlung  tritV:  wie  aber  der 
bapst,  der  sin  verräteri  zu  Basel  gut  hatt,  sölichs  vernam, 
bracht  er  den  obersten  patron  derselben  armaden  dahin 
mit  gelt,  dasz  er  siner  part  was  J.  v.  Watt  dt.  sehr.  2,  32 
Oötzinger;  ich  hatte  noch  schlechte  streiche  bei  dem 
menschengeschlechte  gut,  weil  ich  im  voraus  dafür  ge- 
litten hatte  Schiller  4,  70  0.;  auch  umgekehrt  'schuldeji": 
du  bist  mir  5  m.  gut  schuldest  mir  5  m.  Fischer  schwäb.  3, 
949 ;  vereinzelter:  gut  behalten  noch  zu  fordern  haben  Spiesz 
henneberg.  87. 

6)  neben  abstrakten,  namentlich  bei  begriffen  der  äuszeren 
und  inneren  erfahrung,  bezeichnet  gut  eine  form  der  taug- 
lichkeit  oder  ziveckmäszigkeit,  die  sich  durch  die  Überein- 
stimmung von  anspruch  und  erfüllung  manifestiert;  die  be- 
deutung  'sicher,  zuverlässig'  geht  dann  teilweise  in  den  sinn 
'genau,  richtig' ,  'überzeugend,  begründet'  über. 

a)  neben  begriffen  der  Wahrnehmung  u.  ä.: 

und  swaz  der  jeger  scite, 

des  nam  der  künec  vU  guote  war 

GOTFRiD  Tristan  3317; 

des  gesteines  nam  er  guoten  war 

Otte  Eraclius  847; 

darumb  so  thuet  guet  achtung  han 
so  khönt  ihrs  desto  basz  verstahn 

Endinger  Judenspiel  23  ndr.; 

so  jemand  jetzt  ausz  euch  begert 
dem  feind  ein  jraub  zu  jagen  ab, 
derselbig  gute  achtung  hab, 
dasz  er  nicht  ferr  dahinden  bleib 

Spreng  Ilias  (1610)  6.  gesang  7S^; 

so  haben  die  lieben  frommen  alten  auf  alle  umbstände 
dieses  tages  .  .  .  gute  achtung  geben  Peätoeius  saturnalia 
(1663)  3;  in  neuerer  spräche  wird  dafür  meist  das  adv.  ein- 
gesetzt, vgl.  gut  aufpassen. 

b)  neben  begriffen  des  wissens  und  kennens  u.  ä.: 

hie  non  fuit  ullus  thes  hafon  ig  guoda  fulleist  (sichere 
nobilibus  ac  Uberis  thaz  thid  allaz  war  is  [bestätigung) 
cui  non  fecisset  Heinrich      aUero  rehto  gUtch 

de  Beinrico  25; 

der  (ritter)  AUessander  gute  kuntschaft  het  Aeigo  decam. 
67  K.;  so  sie  frembde  und  unbekand  sind,  sol  man  sie 
heiszen  gute  kundschaft  schriftlich  und  mündlich  bringen 
Luther  30,  3,  227  W.; 

darvon  soltu  guot  wissen  han 

Endinger  judenspiel  56  ndr.; 

wiewol  wir  neben  dem  gut  wissens  haben,  das  etlich  usz 
fürsatz  den  durst  überwunden  haben  H.  v.  Eppendoef 
Plinius  (1543)  8,  15;  der  landgraf  ward  gewarnt  von  einem 
manne  .  .  .,  'der  .  .  .  gut  wissens  darum  trage,  es  sei  etwas 
im  werke'  Ranke  s.  w.  3,  24 ;  sie  hätten  .  .  .  um  die  bünd- 
nisz  des  adels  gute  Wissenschaft  gehabt  Zieglbe  schaupl. 
(1695)  660"; 


1249 


GUT,  adj.,  I  A  7 


GUT,  adj.,  I  A  7 


1250 


und  kennt  mit  guter  Wissenschaft 
was  In  uns  denket  und  empfindet 

Gottsched  ged.  (1751)  1, 169; 

ähnlich  in  neuerer  spräche  gute  kenntnis,  z.  b,  gute  kennt- 
nis  aller  einscUägigen  arbeiten  ist  bedingung  {für  den  be- 
werber). 

c)  anders  bei  grund,  Ursache;  zunächst  noch  bei  konkret 
empfundenem  grund  in  der  bedeutung  'zuverlässig'' :  so  ist 
auch  unserm  glauben  not,  das  er  guten  sichern  grund  für 
sich  habe,  damit  er  der  Sachen  gewis  sey  Lutheb  23, 
649  W.;  denn  schrift  und  guten  giund  wollen  wir,  nicht 
seinen  eigen  rotz  und  geifer  26,  323;  die  bebstlich  gesetz 
(haben) .  .  .  kein  guten  grund  H.  v.  Ckonbeeg  sehr.  5  ndr.; 
dann  mehr  im  sinne  'beweiskräftig,  überzeugend' : 

dein  Danzig,  das  zwo  töchter  hat, 

mit  welchen  es  fürwahr  aus  gutem  gründe  pralet 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  274; 

vor  allem  beschwerten  sich  die  städte  und  zwar  mit  gutem 
gründe  Ranke  s.  w.  1,  122;  wie  'begründet,  berechtige :  (er) 
warf  kurze  scharfe  blicke  in  alle  winkel,  ob  ihm  nicht 
jemand  guten  grund  zu  ordentlichem  zorne  geben  wollte 
Eichendorf  s.  w.  3,  230;  da  mit  im  der  Jude  dienet  oder 
guter  Ursache  halben  dienen  müszte  Arigo  decam.  33 ;  die 
vorspräche  wegen  St.  will  ich  bis  nach  Hamburg,  aus 
guten  Ursachen,  versparen  Lessing  17,  401  L.-M. 

7)  das  urteil  darüber,  dasz  eine  handlung  ihren  zweck- 
mäszigen  abschlusz  erreicht  hat  und  damit  die  weitere  fort- 
führung  als  unnütz  anzusehen  ist,  findet  in  festen  konklu- 
dierenden  formeln  seinen  ausdruck. 

a)  im  sinne  'es  ist  erledigt''  als  satz  es,  das  ist  gut :  wann 
mein  herren  das  gericht  wolden  hin  lassen,  so  sol  man  es 
die  gemain  anvailen.  bestent  se  es,  das  ist  gut.  bestent 
se  es  nicht,  so  suUen  es  mein  herrn  lassen,  wem  se  wellen 
(v.  j.  1414)  österr.  weist.  11,  198;  lost  er  es,  das  ist  guet,  lost 
er  es  aber  nicht .  .  .  weisth.  6,  120;  meine  frau  mutter  liesz 
dem  kauf  mann  aber  wieder  sagen :  es  wäre  schon  gut  und 
sie  wolte  mich  wieder  zu  ihm  thun  Chr.  Reuter  Schdl- 
mußsky  12  ndr.; 

kompt  er  drein  (ins  haus)  so  ist  es  gut, 
wo  nicht,  er  nicht  grosz  drumb  thut 

Gabe.  VoiqtlInder  öden  u.  lieder  (1642)  89; 

oft  elliptisch:  nympt  sie  es  an,  gutt,  wo  nicht,  so  habe 
sie . . .  Luther  12, 233  W.;  könnt  ihr  helfen,  gut!  Klinqeb 
w.  3,  122. 

b)  anders  mit  dem  beiklang  der  abwehr  gegenüber  einer 
lästigen  erklärung,  frage  u.  ä. :  er  sprach,  warumb  wiltu  zu 
im?  ...  sie  sprach,  es  ist  gut  2.  kön.  4,  23;  namentlich 
durch  schon  verstärkt:  es  ist  schon  gut,  alles  ist  abgemacht 
.  .  .,  belästige  mich  nicht  Bettine  dies  buch  geh.  d.  kön.  1, 
41;  'es  ist  schon  gut,  Schulmeister',  fiel  ihm  der  alte  in  die 
rede  Immermann  w.  l,  ll  B.;  elliptisch:  schon  gut!  schon 
gut!  dergleichen  schwüre  sind  nichts  werth  Kotzebue 
dram.  w.  2,  186. 

c)  als  ausdruck  eines  einverständnisses  mit  einem  Vor- 
schlag, einer  bitte,  meinung,  Situation  usio.:  is  god,  laat 
uns  man  hingahn  Mensing  2,  426; 

gut,  gut,  herr  Harlequin,  ich  will  hier  bleiben  stehn 

Chr.  Reuter  Harlequins  hochz.-  u.  Jcindb.-schmaus  71; 

und  schreyt  man  mich  gleich  oft  für  dumm  und  boshaft  aus, 
gut!  ich  bin  dennoch  herr  in  meinem  eignen  haus 

V.  Cronegk  sehr.  1,  8; 
gut!  sagte  er,  so  reit  ich  in  die  weit,  bis  ich  umkomme 
Göthe  25,  294  W.;  'gut  denn',  antwortete  Jacob,  ...  so 
lassen  wir  diesen  pvtnkt  der  anklage  fahren  K.  Fr.  Gramer 
Neseggab  l,  22;  eine  wette?  nun  gut,  so  schlagt  sie  vor 
Göthe  13,  i,  234  W.; 

auch  gut!  dacht  ich,  ergriff  sie  (die  vipern)  im  genicke 

Fr.  Kind  ged.  1,  39; 

nach  ooch  jut  m^g  es  drum  sein  Brendicke  Berl.  wartsch. 
132;  etwas  anders  als  feststelhing  eines  tatbestandes : 

es  fehlt  an  geld,  nun  gut,  so  schaff  es  denn 

GÖTHB  15, 15  W. 
IV.  1.  G. 


I       d)  im  sinne  'es  ist  genug\  vgl.  es  ist  gut  sat  est  Albebus 
nov.  dict.  394*>;  ähnlich  bereits  mhd.: 

ich  saget  iu  vil  armaot: 
war  zuo?  diz  ist  als  guot 

Wolfram  Parzival  257,  30; 

herre,  dem  orae  enthaldet  nu 
enjaget  niht  mt,  ez  ist  gut 

land'jr,  Ludmgs  kreuzfahrt  2145  mon.  germ.; 

es  ist  gut,  freund!  Schiller  3, 119  G.;  nu  is  t  god  jetzt  ist 
es  genug  Mensing  2,  426;  un  damed  guad!  Woeste-Nöbr. 
873';  jut  dem  dinge  'genug  davon',  Übergangsformel  bei  er- 
zählungen  Brendicke  Berl.  wartsch.  131. 

a)  aus  solcher  verwendungsweise  versteht  sich  die  formel- 
hafte Verbindung  etwas  gut  sein  lassen  'etwas  beenden,  ge- 
nug sein  lassen': 

ich  sprach:  mein  hordt,  ich  gab  ain  pfunt, 
das  du  verstündest  den  willen  mein, 
sy  sprach:  das  wollen  wir  gut  lan  sein 
und  richten  uf  ainen  andern  lauf 

liederb.  d.  Hätzlerin  281  H.; 

und  schikten  fruntlich  zu  bischuf  Diderich  und  betten  in 
gern  underwist,  dat  er  dat  het  lassen  gut  sin  städtechron. 
13,  113;  do  sprach  der  bischof  Turpin:  ich  bit  uch,  land 
uwern  zorn  guot  sin  dtsche  Volksbücher  61  Bachm.;  lasz  es 
doch  einmal  gut  sein,  höre  doch  auf  B.  Faber  thes.  (1587) 
5631^; 

lasz  es  jetzt  gut  seyn,  Senil  komm  herab! 

Schiller  12,  205  G.; 

nu  lasz  eck  gut  sein,  a  hat  sei  fett  G.  Hauptmann  weber 
40;  lor  as  gut  sin  unterlasse  es\  Hofmann  niederhess.  Hl''; 
etwas  anders  'es  bewenden  lassen  bei  etw.,  sich  zufrieden 
geben  mit  etw.',  vgl.  lasse  es  gut  seyn  ne  ultra  tendas  Serz 
idiot.  59"':  wir  müssen  aber  die  zeit  und  andere  gaben 
gottes  nit  unnützlich  verlieren  . . .  {antwort:)  ey  herr  ma- 
gister,  lasset  es  gut  sein  Vogelgesang  heiml.  gespräch  12 
ndr.;  das  ir  das  zu  disem  mal  guet  sein  lasset  Brandis  bei 
Schöpf  tirol.  220;  lassen  sies  gut  sein,  herr  Unwirrsch, 
ich  stehe  schon  meinen  mann  W.  Raabe  hungerpastor  233; 
losz  das  ding  guet  sin  gedulde  dich  Martin-Lienhart  1, 
248,  vgl.  Staub-Tobler  2,  540;  spezifisch:  lassen  set  man 
jut  sind  seien  sie  vemichert,  das  kommt  ganz  anders  Bren- 
dicke Berl.  wortsch.  131;  als  'etw.  hingehen  lassen,  dulden': 
Silenum,  der  nit  muncket  und  helt  Knebel  inne,  redt  auch 
dem  Mida  nicht  ein,  leszt  es  alles  gut  sein,  was  er  redet 
imd  thut  J.  Mathesius  Sarepta  (1571)  141';  hat  jetzt  neu- 
lich seinem  bruder  ein  weib  mit  gewalt  genommen,  das 
muszte  der  bruder  gut  sein  lassen  H.  Megiser  chorogr. 
Tari.  (1611)  311;  welches  er  (Sokrates)  doch  mit  groszer 
langmuth  vertrug  und  gut  seyn  liesz  J.  B.  Carpzov  leich- 
pred.  (1698)  100;  weil  er  gern  durch  bilder  das  mögliche 
und  unmögliche  verwirklichen  mag,  so  liesz  ich  es  gut  sein 
Göthe  24,  216  'W.;  im  sinne  'etw.  auf  sich  beruhen  lassen, 
sich  nicht  kümmern  um  etw.':  (er)  kramte  viel  wissens  aus 
.  .  .,  ich  liesz  das  gut  seyn  Göthe  19,  13  W.;  ich  habe  über 
diese  sache  niemals  nachgedacht,  sondern  sie  eben  so  gut 
seyn  lassen,  sie  interessirt  mich  aber  für  die  zukunft  mehr 
IV  13,  325;  und  so  liesz  er  denn  auch  alles  gut  sein  und 
wollte  mit  grübehi  das  glück  nicht  versuchen,  das  ihm 
so  unversehens  über  den  köpf  gewachsen  Eichendoef 
s.  w.  3,  414. 

ß)  die  formel  kurz  und  gut,  erst  mit  dem  16.  jh.  bezeugt, 
aber  wohl  älter,  heiszt  zunächst  'so  knapp,  dasz  das  erzählte 
wirksam  bleibt',  vgl.  kurtz  und  gut  compendiarius  Albebus 
nov.  dict.  (15i0)  89»:  kurtz  und  gut  d.  h.  wann  der  schimpf 
am  besten  ist,  sol  mann  aufhören  sprichw.  (1548)  36i>; 

disz  sey  dir  gschriben  kurtz  und  giit 
wie  mich  das  Flaccus  heiszen  thut 

K.  Scheit  Orobianm  4859  ndr.; 

maket  äwwer  kuort  un  gudd  .  .  .  un  nit  te  arig  (beim  er- 
zählen) Bauer-Collitz  waldeck.  210^;  meist  am  ende  der 
rede  im  sinne  'um  es  in  kürze  zusammenzufassen': 

drum  kurz  und  gut:  gesegnet  sei  . . . 

E.  Baumeister  zimmermannsspr.  21 ; 

kurz  und  gut,  andre  wollen  auch  die  krönung  des  jungen 
kaisers  mit  ansehn  Tieck  sehr.  3, 176;  dann  überhaupt  'in 

79 


1251 


GUT,  adj.,  I  A  8 


GUT,  adj.,  I  B  i 


1252 


kürze  treffend  gesagV:  {sie)  glauben,  kurtz  und  gut, 
nicht  bisz  endtlich  die  heiligen  selbs  kummen  werden 
J.  Nas  antipap.  eins  u.  h.  (1567)  1,  58^;  so  wil  ich  euch 
mit  enckern  rationibus  kurtz  und  guet  abfertigen  J.  J. 
Schwabe  tintenfässl  ll;  wie  soll  ich  ihnen  .  .  .  kurz  und 
gut  den  gegenwärtigen  vorstellen?  Göthe  24,  175  W.;  er- 
weitert zu  der  bedeutung  'kurzum,  kurzerhand,  kurzweg^: 

ich  machte  kurtz  und  gut  den  besten  Schnitzer  lahm 

Hoffmannswaldau-Neükiroh  5,  210; 

anstatt  dessen  aber  ist  alles  .  . .  flüchtig  beurtheilt  und 
in  einem  spöttischen  ton  kiu-z  und  gut  abgewiesen  allg. 
dtsche  bibl.  2,  2,  164;  ich  nahm  also  kurz  und  gut  abschied 
Ule.  Bkäker  s.  sehr.  1,  69;  überhaupt  dächte  ich  . . .,  sie 
entsagten  kurz  und  gut  dem  theater  Göthe  23,  81  W.; 
durch  ein  schmutziges  wetter  trug  man  den  leichnam  und 
scharrte  ihn  kurz  und  gut  ein  ohne  das  allergeringste  ge- 
pränge  W.  Raabe  hun^erpastor  60. 

8)  eine  besondere  Verwendung,  die  bereits  im  mhd.  sichtbar 
wird,  gewinnt  gut  als  glied  eines  komparativen  ausdrucks, 
der  das  beschaffenheits-  oder  Wertverhältnis  zweier  gröszen 
beschreibt,  in  so  gut  als,  so  gut  wie. 

a)  zur  bezeichnung  einer  Wertgleichheit. 

a)  im  sinne  'ebenso  beschaffen,  tauglich,  brauchbar  wie' 
in  prädikativer  fügung  mit  sein;  gebrauch  mit  dem  attrib. 
adj.  tritt  nur  ausnahmsweise  auf:  ein  krumb  holtz  gibt  so 
gute  hitz  als  ein  gerades  Lehman  floril.  pol.  (1662)  l,  351; 
eine  Vorstufe  dieser  komparationsformel  bilden  ver- 
gleiche wie: 

daz  das  mer  und  iesltch  b6 

als  guot  {'ertragreich')  w»r  als  daz  beste  laut 

toeinschwelg  293  Sehr.; 

er  wolts  im  nicht  geben,  wann  er  hett  das  mitt  dem 
schwertt  gewonnen  und  er  were  als  gutt  {'geeignet')  darzu 
als  er  Schiltbebger  reisebuch  23  lit.  ver.;  ich  bin  so  gut 
als  du  bist  Eyerino  prov.  cop.  3,  51 ;  früh  zur  formet  er- 
starrt zur  bezeichnung  der  wertgleichheit  'ist  ebenso  viel  wert 
wie,  gilt  so  viel  wie":  tusint  bysante  {Byzantiner),  die  sint 
also  gut  als  v  guldin  floren  Marco  Polo  31  v.  Tsch.;  so  hat 
her  weder  eyn  pfert  von  mir  als  gut  als  5  m.  handelsrechn. 
d.  dtsch.  Ordens  36  Sattler;  zween  unfi  dreiszig  alte  kreu- 
tzer,  die  sind  wol  so  gut  als  jetzt  ein  halber  güldengroschen 
J.  Mathesius  Sarepta  (1571)  169^  und  entsprechend  re- 
lativisch:  leth  beschrieven  den  schaden,  wo  gud  {'hoch')  de 
vorlust  was  Lüb.  chron.  2,  602  Orautoff;  der  ersparte  pfennig 
ist  ...  so  gut  als  der  erworben  Petri  d.  Teutschcn  weish. 
2,  N  6'';  das  der  ehliche  stand  eben  so  gütt  sey  als  der 
juncldrawen  stand  Luther  12,  349  W.;  stehet  die  eiserne 
mauer  nicht  fester,  ...  sie  ist  nicht  so  gut  als  papyren 
26,  431;  Stehler  und  hehler  ist  einer  so  gut  als  der  ander 
Lehman  floril.  pol.  l,  137;  do  ist  einer  so  gut  wie  der  anner 
Martin-Lienhart  1,  248;  sie  treiben  allerlei  hantierung 
und  eine  ist  ihnen  so  gut  wie  die  andere  G.  Keller  ges.  w. 
4,  215;  etwas  anders  'gleichkommen' :  wer  dem  hund  das 
bellen  und  beiszen  nicht  wehrt,  der  ist  so  gut  als  hetzt  er 
ihn  an  Lehman  floril.  pol.  2,  721 ;  dieses  weibergezänck  ist 
wol  so  gut  als  ein  Schauspiel  Kramer  teutsch-ital.  12,829^^; 
so  redensartlich:  dreimal  umgezogen  ist  so  gut  wie  einmal 
abgebrannt. 

ß)  absolut  im  sinne  'in  gleicher  weise,  in  gleicher  art 
beschaffen' ;  wohl  noch  als  attr.  adj.  zu  fassen,  aber  deutlich 
hinüberleitend:  daz  die  holzer  und  die  bach  seien  ein 
rechte  gemein  und  der  arme  als  gut  recht  dar  in  hat  als 
der  reiche  weisth.  6,  17; 

bein  und  ädern,  fleisch  und  blut 
hast  du  eben  auch  so  gut 

Chr.  Weise  grün,  jugend  102  ndr.; 

schon  rein  formelhaft  auf  der  grenze  zum  adv.:  hab  ich 
nicht  alle  meine  leibesbewegungen  so  gut  als  jemals 
Kramer  tetitsch-ital.  2,  829  a^ 

er  war  so  gut  ein  held  im  sterben  als  Im  leben 

V.  KÖNIG  ged.  (1745)  120. 

b)  zur  bezeichnung  einer  annähernden  wertgleichheit  im 
sinne  'nahezu,  beinahe,  fast'  erst  in  jüngerer  spräche  ent- 
wickelt; die  grenze  gegenüber  a  ist  gelegentlich  unscharf: 


dasz  sie  eine  so  gut  als  freywillige  erklärung  .  .  .  thun 
Lessing  13,  99  L.-M.;  m,eist  aber  wird  die  einschränkung 
deutlich:  {die)  männer  .  .  .  hatten  auf  dem  heiszen  kies  die 
kleider  des  Jünglings  schon  so  gut  als  getrocknet  Göthe 
25,  298  W.;  die  geschichte  der  kaiserlichen  landgerichte 
seit  dem  14ten  Jahrhundert  ist  so  gut  als  noch  gar  nicht 
untersucht  Eichhorn  dtsche  Staats-  u.  rechtsgesch.^  3,  169; 
{ein  schlosz,  das)  so  gut  als  in  gar  keinem  style  gebaut  ist 
Stifter  s.  w.2,12; 

hat  einer  dreiszig  jähr  vorüber, 
80  ist  er  schon  so  gut  wie  todt 

GÖTHE  15, 99  W.; 

schon  war  die  capitulation  so  gut  wie  abgeschlossen 
Mommsen  röm.  gesch.  2,  9 ;  so  hab  ich  dich  so  gut  wie  gar 
nicht  mehr  Fontane  ges.  w,  I  5,  147;  vgl.  so  jut  wie  ja- 
nischt  unsinn  Brendicke  Berl.  wortsch.  132. 

B.  in  spezifischer  anwendung  auf  personen  und  deren 
eigenschaften  und  leistungen  steigert  sich  die  in  A  aufge- 
zeigte bedeutung  'tauglich  zu  etwas'  zum  sinne  'tüchtig';  doch 
bleibt  die  zweckrichtuvg  der  so  gekennzeichneten  persönlichen 
eigenschaft  noch  im  Vordergrund;  seit  alters  bezeugt,  ist  diese 
Verwendung  besonders  im  engl,  so  weit  verselbständigt,  dasz 
{im  gegensatz  zum  deutschen)  das  persönliche  Subjekt  den 
teleologischen  charakter  entbehren  kann,  z.  b.  a  good  man 
'ein  tüchtiger  mensch', 

1)  'tüchtig'  im  hinblick  auf  eine  hantierung  oderfertigkeit, 
die  von  der  person  ausgeübt  wird. 

a)  prädikativer  gebrauch  mit  zweckangabe:  wie  guot  er 
ie  wart  in  der  verbekunst  Megenberg  b.  d.  natur  245  Pf.; 
sehet  nach  eym  man  der  gutt  sey  auf  seyttenspiel  Luther 
bibel  1,  64  W.; 

und  das  er  gütt  sy  uff  der  pfiff 

Seb.  Brant  narrenseh.  75  Z.; 

vgl.  wenn  es  gleichs  Polen  schneiete  •  .  .,  so  wirdt  den- 
noch der  hohem.(-eia<er)  in  allem  gutt  genug  sein 
Grünau  preusz.  chron.  2,  501;  modern  z.  b.:  er  ist  aber 
als  redner  gut,  so  M'enig  er  sonst  taugen  mag  u.  ä.; 
auch  mal.  entsprechend:  er  ist  gut  in  der  feder  Fischer 
Schwab.  3,  940;  ein  schüler  ist  gut  im  Schönschreiben  ebda 
liegt  schon  auf  der  grenze  zu  II ;  voruszen  sigs  {das  mädchen) 
es  güets  mit  werchen,  aber  im  hüs  innen  chennds  nit 
Staub-Tobler  2,  536;  gut  zo  machen  scattole  geübt, 
schachteln  zu  machen  Schmeller  cimbr.  127^';  anders  im 
sinne  'rüstig':  gut  zu  fusz  sein:  weil  .  .  .  die  ente  auch 
nicht  gut  zu  fusz  war  br.  Grimm  kinder-  u.  hausm.  (1895) 
31;  gaud  tau  weg  Fr.  Reuter  strömt.  Zib  Seelm.;  über- 
tragen: he  is  ni  god  to  weg  'nicht  ganz  richtig,  schlecht  ge- 
launt' MeNSING  2,  425. 

b)  in  dieser  Verwendung  auch  attributiv  'tüchtig  für  eine 
tätigkeit': 

des  antwurte  Hagene        ich  pin  niht  böte  guot. 
lät  mich  pflegen  der  kamere 

Nibelungen  531,  1  Bariseh; 

ob  einer  nicht  geschickt  zur  lehr 
gibt  er  ein  guten  arbeiter 

Eyerino  prov.  cop.  (1601)  3,  273; 

oft  negativ  gewendet:  der  ist  kein  guter  mäurer,  der  ein 
stein  abzunehmen  verweigert  Lehman  floril.  pol.  l,  5. 

c)  bei  beruf sbezeichnungen,  'geschickt'  in  seinem  gewerbe : 
pata  insakands  brojjrum  gops  wair{)is  andbahts  Xristaus 
Jesuis  got.  bibel  l.  Tim.  4,  6; 

. . .  gSng  flskari  göd, 

Simon  Petrus,  warp  an  theua  seo  innan 

angul  an  üdeon  .  .  .  Heliand  3209; 

.  .  .  swaz  der  (tiere)  von  lagere  stuont, 

di  erjageten  die  gesellen,  so  noch  guote  jägere  tuont 

Nibelungen  933,  4  Bartsch; 

{die  provinz)  hot  gar  gute  vogeler  Marco  Polo  4,  21  v.  Tsch.; 
Hiram  sandte  seine  knechte  im  schiff,  die  gute  schiffleut 
und  auf  dem  meer  erfaren  waren  1.  kön.  9,  27;  hieruf 
sprechent  eudeiles  meister,  sunderlichen  di  guden  arzide, 
daz  endciles  worden  danzen,  di  von  heiszer  naturen  waren 
Limburg,  chron.  64  Wysz;  und  gab  sich  usz  für  einen  guten 


1253 


GUT,  adj.,  I  B  1 


GUT,  adj.,  I  B  2-4 


1254 


artzet  zu  aller  krankheit  Eulenspiegel  25  ndr.;  viel  unfals 
geschieht,  das  man  nicht  gute  hebammen  hat  J.  Bugex- 
HAGEN  Braunschw.  kirchenardn.  (1531)  p  3;  da  war  gar  ein 
guter  schmid  zu  Marppach  Götz  v.  Beelichingen  lebens- 
beschr.  68  Biel.;  auf  eine  gute  köchinn  stelle  ich  überall 
aus  und  gestern  ist  mir  eine  vorgeschlagen  die  sehr  gut 
seyn  soll  Lessing  18,  188  L.-M.;  hier  werd  ich  in  gesell- 
schaft  eines  guten  architecten  .  .  .  die  gebäude  besehen 
GöTHE  IV  8,  41  W.;  ähnlich:  ein  guter  griech  gnarus  lin- 
guae  graecae  Aler  did.  1,  997'''. 

d)  ebenso  beim  nomen  agentis  überhaupt  zur  bezeichnung, 
dasz  die  betr.  tätigkeit  zweckentsprechend  ausgeübt  tvird: 
gute  schwymmer  ertrincken  gerne  und  gute  steyger  fallen 
gerne  Luther  11,  117  Erl.;  es  ligt  an  einem  guten  aus- 
leger  spricht  man  Luther  54,  273  W.;  du  ghevest  ein 
guden  vischmenger  Tappius  adag.  cent.  sept.  (1545)  c  7*^; 
ein  guter  fürer  macht  das  volck  nacher  gehen  sprichw. 
(1543)  I4ia;  guter  tänzer  MusÄus  volksm.  (1826)  4,  130;  en 
gueter  mäder  (mäher)  Staub-Tobler  2,  536;  entsprechend 
'guter  seegier  ewi  schiff,  so  das  wasser  gut  schneidet  und  gut 
segdV  Jacobsson  techn.  wb.  4,  116''';  im  Übergang  zu  stei- 
gernder funktion:  gute  bancketirer  geben  gute  bancke- 
rottirer  Pistobxus  thes.  parocm.  254 ; 

dann  er  ein  guter  sclüucker  Ist, 
dem  nimmer  küler  wein  gebrist 

K.  SCBEIT  Grobianus  49  ndr.; 

ne  gude  söper  {sauf er)  äwir  ne  schielte  löper  {lauf er)  rhein. 
tcb.  2,  1510, 

e)  dann  allgemein  von  funktionen  und  Verpflichtungen,  die 
eine  person  in  richtiger  weise  aufführt:  hairdeis  sa  goda 
saiwala  seina  lagji{)  faur  lamba  got.  bibelJoh.  10,  11; 

(Jose])  was  thlonostman  guater      bisuorgeta  ouh  thla  muater 

Otfrid  I  19,  2; 

tho  quad  imo  sin  h§rro:  gifih,  guot  scalc  inti  gitriu%vi 
Tatian  149,  4;  ein  guter  amptmann  ist  desz  königs  unter- 
than  und  hertz  Lehman  floril.  pol.  1,  22 ;  das  es  {das  land- 
gut)  einen  guten  hauszvater  .  .  .  möge  ernehren  Sebiz/cW- 
6aM  (1571)  1 ;  ein  jeder  gute  haushalter  sollte  sie{die doppelte 
buchführung)  in  seiner  wirthschaft  einführen  Göthe  21, 
51  W.;  funfzigtausend  thaler  hat  er  im  vermögen  und  ist 
ein  guter  wirth  Rabener  s.  w.  3,  288;  wobei  er  stets  darauf 
zurückkam,  dasz  ihr  Christentum  sie  nicht  einmal  dazu 
befähigte,  ihren  kindern  eine  gute  mutter  zu  sein  Rio. 
Hu  GH  vita  somn.  breve*  466;  er  war  keineswegs  ein  guter 
gatte  Ranke  s.  w.  14,  42;  ebenso  ein  guter  söhn,  eine  gute 
tochter  sein;  vgl.  gude  dernen  en  gude  gas  {gast)  kommen 
betits  {beizeilen)  no  hus  rhein.  wb.  2,  1510;  prägnant 
"fleiszig\-  den  guten  gesellen  dürst  Eyebino  prov.  cop.  2, 
473 ;  bei  abstrakten  personalia:  gut  regiment,  gute  regierung 
TSjrau'EB,  teutsch-ital.  1,  577^; 

dargegen  wo  gut  regiment 
Ist  über  leut  und  über  land 

Hans  Sachs  2,  20  K. 

i)  eine  andere  färbung  gewinnt  gut  wenn  es,  nach  II 
hinüberspielend,  auf  den  künstler  sowohl  hinsichtlich  seiner 
kunstfertigkeit  als  auch  im  hinblick  auf  deti,  wertgehalt  des 
kunstwerks  angewendet  wird;  mehr  aufs  handwerklich  tech- 
nische zielend  'kunstreich'' : 

dö  stuont  so  mlnnecllche      daz  Sigemundes  kint, 
sani  er  entworfen  wsere      an  ein  permint 
von  guotes  meistcrs  listen  ... 

Nibelungen  280,  3  Bartsch; 

gute  meister  feylen  auch  Luthers  sprichw.  18  Thiele;  du 
bist  ein  guter  flötenspieler  Sal.  Geszner  sehr.  1,  54;  man 
will  jetzt  noch  ein  guter  künstler  und  dichter  sein  oder 
werden  wie  vor  Jahrhunderten,  die  mittel  aber,  wodurch 
man  zu  dem  zwecke  gelangt  sind  nicht  jedem  klar  Göthe 
47,  19  W.;  für  einen  guten  Schauspieler  gelten  21,  31;  es 
wäre  zu  wünschen,  dasz  irgend  ein  guter  dichter  sich 
dieser  verse  erbarmte  und  ihnen  einen  besseren  aesthe- 
tischen  zuschnitt  gäbe  Bremser  med.  paroem.  201 ;  ist 
Zeichnung  und  licht,  charakter,  färbe  nicht  bei  jedem 
guten  mahler  ein  harmonisches  untrennbares  ganze? 
Fb.  Schlegel  s.  w.  6,  59 ;  mehr  von  der  geistigen  bedeut- 


samkeit  gesagt:  sie  hatte  alle  guten  deutschen  und  fran- 
zösischen dichter  fleiszig  gelesen  Nicolai  Seb.  Nothanker 

1,  12;  etliche  dieser  kirchen  besitzen  gemälde  von  guten 
meistern  Chamisso  w.  2,  129;  er  ist  ein  .  .  .  guter  Schrift- 
steller Seez  idiot.  59  *;  mehr  'geschmackvoW :  wenn  der 
kunstrichter  nicht  sowohl  gute  Schriftsteller  als  nur  blosz 
gute  leser  bilden  will  Lessing  8,  39  L.-M. 

2)  als  epitheton  des  kriegers  spezialisiert  sich  gut  zur  be- 
deutung  'wacker,  tapfer,  mannhaft',  eine  verwetiduruj ,  die 
zweifellos  bereits  der  ältesten  sprachstufe  angehört  wie  sie 
auch  die  hauptsächlichste  im  Beowulf  darstellt;  nur  das 
anord.  hat  sie  schwach  bewahrt:  jju  nu  arbeidei  swe  gods 
gadrauhts  Xristaus  Jesuis  (w«,-  xa^os  (TTQax cwtt]^)  got.  bibel 

2.  Tim.  2,  3;  vgl.  ags.: 

Jjset  üre  mandryhten  mcegenes  behöfad 

gödra  gfidrinca  Beowulf  2648; 

gldan  Ist  es  nu  redina      thaz  sie  sint  guate  thegana 

Otfrid  I  l,  111; 
sie  wären  guote  knehte 
thes  kelseres  vorevehten 

Rolandslied  71  Bartsch; 

so  seht  ir  helme  houwen      von  guoter  helede  haut 

Nibelungen  195,  3  Bartsch; 

daz  er  und  stne  degene      wunder  vil  der  guoten  recken  valten 

Kudrun  1430,  4  M.; 
und  pflägens  mitten  swerten 
als  guote  riter  solten 

Hartmann  Iwein  5345; 

do  das  herr  Jacob  verstünde,  warde  er  zornig,  dan  er  ein 
gutter  ritter  war  Wabbeck  Magelone  33  B.;  kein  ge- 
duldiger frommer  mensch  gibt  einen  guten  kriegsmann 
Friedrich  Wilhelm  sprichw.-reg.  (1577)  c  2^;  die  Russen 
sind  gute  Soldaten,  sie  wanken  und  weichen  nicht  Campe 
4,  467 ;  doch  wird  in  dieser  Sphäre  gut  schon  früh  zum 
stehenden  beiwort  in  blasser  Verwendung  'vortrefflich'' : 

. . .  thö  sprak  eft  the  landes  ward 
angegin  the  godes  sunu      gödumu  thegne 

Eeliand  3249; 
Slvrit  was  gehelzen       der  snelle  degen  guot 

Nibelungen  20,  1  Bartsch; 
Ir  minne  hat  gepfendct 
an  freuden  manegen  rtter  guot 

■Wolfram  Parzival  769, 13; 

gut  reuter  bey  dem  weine  sasz,  oho, 
der  sich  vil  stoltzer  wort  vermasz,  do  do 

FISCHART  Oargantua  (1594)  92". 

3)  'tüchtig'  in  hiiisicht  der  gesinnungsfestigkeit  und  Zu- 
verlässigkeit: se  .  .  .  loveden,  se  wolden  gude  cristen  bliven 
städtechron.  7,  33 ; 

so  mach  ich  ihm  ein  freundlich  gesiebt; 

gute  Christen  die  thätens  nicht         Göthe  4,  256  W.; 

zu  geschweigen,  dasz  es  wider  die  pflicht  eines  guten 
bürgers  läuft  Rabener  s.  iv.  l,  154;  dieser  auszerordent- 
liche  mann  würde  .  .  .  für  das  muster  eines  guten  Staats- 
bürgers haben  gelten  können  H.  v.  Kleist  3,  141  Schm.; 
in  manchem  guten  deutschen  erwachte  die  hoffnung 
Ranke  s.  w.  l,  108;  vgl.  der  ist  guet,  denen  kann  mer 
allein  schicken  Martin-Lienhart  1,  248. 

4)  auch  ganz  allgemein  'tüchtig',  ohne  dasz  der  tätigkeits- 
bereich  näher  bezeichnet  ivird,  vgl.  ags. 

Emercan  söhte  ic  ond  Fridlan  ond  Eastgotan, 

frodne  ond  gödne  feeder  Unwönes         Widsiö  114  Holth.: 

so  ist  da  nieman  so  guot, 
so  wise  noch  so  wol  gemuot, 
die  daz  gemaeldc  kunnen  sehen 

Pfaffe  Amis  521  Lambel; 
halt  für  gut  jederman 
du  weist  nicht  was  ein  ander  kan 

Hknisch  1787; 

hierher  auch  ein  guter  menschenschlag  'tüchtiger  menschen- 
schlag' ;  de  greve  is  uns  gelegen,  den  syn  wy  guet  ge- 
noch  {'gewachsen')  münst.  chron.  l,  174  Ficker;  du  solt 
mir  nicht  gut  genug  seyn,  mich  eine  handbreit  erde 
weichen  zu  machen  EIbamer  teutsch-ital.  1,  579**,  vgl, 
ungut  'unfähig'  Schmeller  cimbr.  127^;  he  krichte  dän 
Wilddieb  jewisse,  su  jut  wer  ä  niche  Jecht  mansf.  45*; 
du  pist  mir  nicht  zi  guote  dir  bin  ich  schon  gewachsen 
'   Lexer  kämt.  128;  oft  auch  ironisch  im  sinne  'allzu  tüchtig': 

79* 


1255 


GUT,  adj.,  I  B  5-7.  C  1 


GUT,  adj.,  I  C  1 


1256 


der  ist  auch  guet,  ich  soll  enweg  gehn,  dasz  er  annen  kann 
Martin-Lienhaet  1,  248;  ähnlich  in  Berlin  du  bist  aber 
jut!  'du  bist  ja  ein  ganz  geriebener  bursche',  oder  auch:  der 
is  jut,  der  kann  so  bleiben;  das  ist  mir  ein  guter  schlag 
von  menschen,   die  jetzt   auf  der  erde   wirthschaf ten ! 

KlINGER  W.  3,  292. 

6)  in  anwendung  auf  die  eigenschaften  und  taten  seibat  in 
älterer  spräche,  doch  im  ganzen  selten,  'tüchtige  mannes- 
hrafC,  vgl.  ags.: 

. . .  Sü  de  worna  fela 

gumcystum  göd,  giida  gedigdc  Beowulf  2543; 

Simon  F€tru8      sprak  sän  angegin 

6no  for  Im  allun      habda  imu  elllen  göd 

Heiland  3066; 
tho  zalta  Krist  thla  hertl     theiz  alleswlo  wurtl, 
baldi  slnes  muates      joh  ellenes  guates 

OtfridIV13,30; 
'tüchtige  taten",  vgl.  ags. 

8wä  bealdode  bearn  Ecgdeowes 

guma  giulum  cüd  gödum  dasdum      Beoiculf  2178; 

da  taten  guote  rltterschaft 

nlun  hundert  rltter  die  wol  striten 

WoiFRAM  Parzival  214,  19; 

auch  in  neuerer  spräche  noch  vereinzelt  unethisch: 

auf,  ihr  brüder, 
ehrt  die  lieder! 
sie  sind  gleich  den  guten  thaten 

QÖTHE  2,  24  W. 

6)  die  Vorstellung  der  tüchtigen  leistUTig  geht  vom  handeln- 
den Subjekt  auf  die  leistung  selbst  über  bei  einer  bestimmten 
prädikativen  gebrauchsweise,  wo  gut  das  akkusativobjekt 
charakterisiert;  so  in  mhd.  spräche  in  direktem  anschlusz 
an  2  in  der  formet  ez  guot  tuen  'tapfer  kämpf en": 

Slfrit  der  reelle      der  het  ez  guot  getan; 
des  im  jehen  muosen      alle  Guntheres  man 

Nibelungen  220,  3  L.;  vgl.  2072,  1; 

der  was  von  rlterschefte  wunt 
und  hetz  ouch  da  vll  guot  getan 

Wolfram  Parzival  46, 19; 

diu  maget  tetz  da  harte  guot 

WiRNT  V.  Gravenbekg  Wtgolois  11016; 

aber  adverbial  gewendet: 

si  hetenz  diclce  wol  get&n 

an  maneger  rlterschefte  9140; 

für  die  jüngere  spräche  ist  in  fällen  wie  eine  sache  gut 
machen  u.  ä.  die  Objektsbeziehung  nicht  mehr  deutlich,  so- 
dasz  gut  als  adv.  eintritt. 

7)  neben  Verbalsubstantiven  zur  kennzeichnung  der  tätig- 
keit  entsprechend  der  funktion  des  adverbs  bei  verbaler 
fügung: 

im  ist  ab  guoter  helfe  not 

Wolfram  Parzival  578,  2; 

swer  also  minnen  Ican,  der  habe  undanc, 
und  da  bl  guoten  dienest  übersiht 

Walther  96,  23; 

ain  iegleich  gefügel,  daz  krum  kläen  hat,  daz  ist  guotes 
fluges  Megenbeeo  buch  d.  natur  164;  ein  gut  sehen  ist 
halb  arbeit  Henisch  1795;  gute  Wartung  bringt  ain 
langkwirig  alter  Mayb  sprüchw.  (1507)  e  5»; 

. . .  solche  kranlce 

wie  du,  mein  söhn,  verlangen  gute  pflege 

Schiller  5,  2,  206  O. 

C.  eine  weitere  abart  der  teleologischen  Verwendung  beruht 
darauf,  dasz  gut  den  durch  einen  Vorgang  herbeigeführten 
effekt  oder  den  handlungsverlauf  selbst  in  der  weise  näher 
bestimmt,  dasz  er  als  den  zwecken  eines  beteiligten  Subjekts 
angemessen  erscheint,  d.  h.  'günstig,  glücklich';  ob  schon 
anord.  f)enn  vard  gott  til  fjar  Möbitjs  altn.  gloss.  146  be- 
reits so  wie  gut  werden  {vgl.  2)  aufzufassen  ist  oder  als 
subst.  neutr.  gelten  musz,  bleibt  zweifelhaft,  doch  spricht  die 
Vereinzelung  des  falles  eher  für  die  zweite  möglichkeit. 

1)  in  attributivem  gebrauch. 

a)  bei  konkreten  begriffen  wie  wind,  wetter,  vgl.  vom 
guten  oder  glücklichen  wind  Feisitjs  83  ^r 

daz  ich  vor  diseme  berge      mit  guoten  winden  üzer  not 

entrünne 
Kudrun  1132,  4  M.; 


Hetele  und  die  sine 
si  begunden  segelen 


guoten  luft  gewan. 
nach  ir  vlanden 


846,  2; 

inndem  stund  auf  ein  guter  wind; 
der  patron  M-olt  abfaren  gschwind 

H.  Sachs  2,  258  K.; 
die  götter  dörfen  mir  nur  guten  wind  verleihen 

Gottsched  dtsche  Schaubühne  2, 11; 


gut  si  uch  weder  unde  wlnt 

daz  weter  wart  gut 
gevuge  unde  ouch  linde 


Elisabeth  594  Rieger; 

passional  48,  78  K., 

e.  Urban,  der  sol  gut  wetter  zum  wein  geben  Luther  bibel 
4,  118  W.;  (Dionysius,)  da  er  den  tempel  beraubet  hatte 
und  gut  wetter  zu  schiffen  kreig,  das  er  sich  rhümet  und 
sprach :  sehet  wie  gut  wetter  gibt  gott  den  kirchendieben 
19,  380;  aTiders  gutes  wetter  'schönes  weiter'  s.  unter  III 
A  2 ;  gute  reise,  fahrt : 

man  grüezet  sunderlingen      die  künige  und  ir  man. 
wir  haben  niht  guoter  reise      zuo  dirre  höhgeztt  getan 
j  Nibelungen  1738,  4  Bartsch; 

ir  geschach  ein  guote  vart 
I  BONER  edelstein  53,  50; 

gute  fahrt  wird  den  Schiffern  gewünscht  Fe.  L.  Jahn  tv. 
2,921;  guter  weg  'günstiger,  sicherer  weg':  kain  con- 
scientz  haben,  ist  ain  guter  weg  reich  zu  werden  G.  Maye 
sprüchw.  (1567)  E  7». 

b)  bei  begriffen,  die  einzelne  phasen  eines  handlungs- 
verlaufes  atisdrücken  wie  anfang,  fortgang,  verlauf,  ende 
u.  ä. : 

daz  anegenge  ist  selten  guot  daz  bcoses  ende  hat 

Walther  83,  39; 

gute  anfang  initia  bona  Feisiüs  1598';  guter  anfang  macht 
guten  fortgang  Wandee  1,81;  guter  fortgang  hat  oft 
bösen  auszgang  Lehman  floril.  pol.  850;  sie  hatte  plötzlich 
das  gefühl,  dasz  alles  einen  guten  verlauf  nehmen  werde 
Fontane  ges.  w.  1 1,  327; 

swer  ir  vient  ist,  dem  wil  si  mite 
rünen;  daz  guot  ende  nie  genam 

Walther  53, 12; 

wenn  ich  betracht  Im  hertzen  mein, 
das  allzu  schnell  und  küner  rath 
kein  gut  ende  nie  genammen  hat 

Hayneccitjs  Bans  Pfriem  23  ndr.; 

angesehen  .  .  .  E.  May.  beger  ich  nicht  volführen  noch  zu 
gutem  ende  bringen  (kann)  Amadis  1,  19  lit.  ver.;  formel- 
haft: fürbas  zu  gon  syn  walfart  und  die  volbring  zu  einem 
guten  end  Geilee  v.  Keiseesbeeg  bilgersch.  (1512)  16^; 
wen  gleich  dy  sach  nicht  eyn  guten  auszgangk  gewünne 
Hütten  opera  2,  190  B.;  anders  gutes  ende  als  'erfreu- 
liches, angenehmes  ende'  siehe  unter  III  A  4. 

c)  bei  begriffen,  die  die  zeitlichen  umstände  der  handlung 
angeben  wie  zeit,  stunde,  gelegenheit  u.  ä.;  gute  zeit:  gut 
tijd  tempus  fortunatum  lune  Diepenbach  nov.  gloss.  360"; 
so  bedeutet  namentlich  dieformel  zu,  bei  guter  zeit  zunächst 
'zu  passender,  rechter,  gelegener  zeit' ,  auch  'zu  einem  be- 
stimmten zwecke  günstiger  zeit' :  ehe  er  zu  bequemer  guter 
tagezeit  das  läger  erreyche  Kiechhof  milit.  disc.  (1602) 
100 ;  ist  er  zu  gutter  zeit  da  erschienen  Xylandee  Polybius 
255;  das  Pisaner  schiffe  .  .  .  do  guter  zeit  meinet  zewarten 
Aeigo  decam.  93  K.;  etwas  anders:  so  besuchten  sie  mich 
vielleicht  bey  guter  tageszeit  auf  ein  Stündchen,  vielleicht 
im  mittage  Göthe  IV  17,  243  W.;  im  sinne  'rechtzeitig' : 

wie  man  den  causenmacher  kan 
bey  guter  zeit  zurücke  treiben 

Cur.  Weise  grün,  jugend  43   ndr.; 

Fitz  versprach  zu  guter  zeit  in  den  hallen  des  riesen- 
schlosses  wieder  einzutreffen  Göthe  24,  59  W.;  speziali- 
siert im  sinne  'frühzeitig': 

{du  sollst)  der  erst  in  d  platten  greifen 
und  nemen  rausz  bey  guter  zeit 
das  best,  an  welchem  ort  es  leit 

K.  Scheit  Grob.  635; 

darauf  nahmen  sie  bey  guter  zeit  skbschied  und  fuhren 
davon   Che.  Weise   erznarren  91  ndr.;  it  mot  gut   tyt 


1257 


GUT,  adj.,  I  C  1 


GUT,  adj.,  I  C  2 


1258 


l 


krammen,  dat  ein  gut  hake  werden  sal  TxJNicius  sprichw. 
nr.  mQ  Hoffm.; 

wer  nichtes  widerlichs  mag  hören  oder  sehen 
der  mag  bey  guter  zeit  hin  zu  den  Vätern  gehen 

Rachel  sat.  ged.  35  ndr.; 

wenn  sich  die  megdlein  gut  zeit  wo  für  halten,  so  thun 
sie  gut  zeit  alten  Petei  d.  Teutach.  weiszh.  2,  D  d  d  3*>; 
in  bezug  auf  die  tageszeit  einmal  'frühzeitig  am  morgen': 
(ich)  wünschte  daher,  dasz  sie  sonntags  bey  guter  zeit  von 
Weimar  ausführen  Göthe  IV32,  33lF.;  der  herr  pro- 
fessor  {soll)  morgen  bei  guter  zeit  den  zugang  gebahnt 
finden  G.  Freytag  ges.  w.  7,  339 ;  dann  'frühzeitig  am 
abend,  noch  vor  dunkelheiV :  wir  kamen  noch  bey  guter 
zeit  in  Schaff  hausen  an  U.  Bräker  s.  «cÄr.  (1789)  1,90; 
{um)  dann  noch  bei  guter  zeit  die  letzten  meilen  bis  zu 
Manfreds  wohnung  zurück  zu  legen  Tieck  sehr.  4,  45; 
gute  stunde,  vgl.  glücklich  oder  unglücklich,  in  einer 
guten  oder  bösen  stund  Frisius  158*': 

(Äneas)  traf  an  desz  glucks  ein  gute  stund 

Spreng  Rias  12.  ges.  255»; 

für  die  proben  {musz)  . . .  immer  erst  die  gute  stunde 
kommen  Gutzkow  ges.  w.  4, 128;  präpositional  formelhaft 
'zur  günstigen,  passenden  zeit': 

wann  sie  dann  all  sind  überwunden  (vom  wein) 
so  schlafstu  auch  zu  guter  stunden 

K.  Scheit  Grob.  2077  tidr.; 

Gelanor  sagte,  wo  dieses  {gesv^h)  dem  fürsten  zur  guten 
stunde  ist  überreicht  worden,  so  ist  kein  zweifei,  dasz  .  .  . 
Chb.  Weise  erznarren  186  ndr.;  ew.  wohlgebomen  beyde 
freundliche  briefe  beantworte  ich  zur  guten  stunde :  denn 
indem  mein  söhn  August  seine  herreise  zurückgelegt  hat, 
so  ist  das  kleine  nunmehr  vollendete  werk  eben  im  begriff 
die  hinreise  nach  Leipzig  zu  machen  GrÖTHE  IV  21,  98  W.; 
'zur  richtigen  zeit,  rechtzeitig': 

indehm  so  boU  in  guter  stund 

Melanipus  unser  hirtenhund 

und  dieses  war  mein  höchstes  glücke 

Stieler  geh.  Venus  136  ndr.; 

zur  guten  stunde  kam  ihm  Philipp  von  Hessen  zu  hülfe 
Ranke  s.  w.  2,  151;  (er)  versäumte,  diese  rettenden  anker 
zu  guter  stunde  auszuwerfen  Fontane  ges.  w.  1 1,  202; 
bezüglich  der  tageszeit  'frühzeitig' : 

schau  da,  bey  guten  stunden 
ich  hab  gewachet  früh 

Spee  trutznacM.  (1649)  63; 
und  nach  Bodinkthorpe  reiten 
morgen  wir  zu  guter  stunde  (vorher  in  aller  frühe) 
Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden  "341 ; 

etwas  anders  'früh  genug':  frisch  voran  des  morgens  den 
luftigen  höhen  entgegen  .  .  .  bedacht  zu  gut«r  stunde 
herab  zu  tisch  und  obdach,  den  wettersturm  zu  meiden 
und  .  .  .  die  nacht  v.  Barth  Kalkalpen  636 ;  auf  die  innere 
disposition  des  Subjekts  zielend:  doch  wird,  wenn  man  zu 
guter  stunde  ein  paar  selten  drinne  liest,  die  geistreiche 
behandlung  immer  reizend  seyn  Göthe  IV  13,  346  W.; 
heute  aber  sasz  ich  wieder  hier  . .  .  und  hatte  einen  guten 
augenblick  IV  3,  95;  gute  gelegenheit :  {die  Sprichwörter) 
sproszten  und  sprieszen  plötzlich  au^  bei  guter  gelegenheit 
Körte  sprichw.  (1837)  vi;  hätte  ich  damals  geheirathet, 
damals,  als  ich  so  gute  gelegenheit  {hatte)  Ebner-Eschen- 
BACH  ges.  sehr.  4,  13. 

d)  bei  begriffen,  die  die  erfolgsmöglichkeit  des  Handlungs- 
verlaufes andeuten  wie  zeichen,  Vorbedeutung,  aussiebten 
u.  ä.,  vgl.  ein  gutes  zeichen  faustum  omen  R.eyhee  thes. 
(1668)  2,  2560:  aber  das  ist  nit  aUweg  ein  gut  zeichen 
Geiler  v.  Keisersberg  post.  2,  39 ;  {kluchsen)  ist  ein  gut 
zeichen  eins  unflats  K.  Scheit  Qrob.  s.  105  ndr.;  nach 
überstandener  gefahr  hielt  er  diese  begebenheit  für  ein 
gutes  zeichen  Göthe  43,  20  W.;  {Götz)  hielt  das  für  ein 
gutes  Wahrzeichen  Ranke  s.  w.  1,  138; 

o,  mög  es  gute  Vorbedeutung  sein 
für  meiner  frauen  zukunft 

Grillparzer,  I  6, 13  5.; 

ich  nehm  es  als  eine  gute  Vorbedeutung  Fontane  ges.  w. 
I  5, 159;  gute  aspecten  ILramer  teutsch-ital.  1,  5783';  das 


waren  keine  guten  aussiebten  W.  v.  Polenz  Chrahenhäger 

1,  5;  ähnlich  auch:  ein  glückfal,  ein  guter  acYäck  fortuitum 
bonum  Frisixts  159*^. 

e)  bei  begriffen,  die  den  ha'ndlungseffekl  ausdrücken  wie 
abhilf e,  erfolg,  Wirkung  u.  ä.;  hierher  gehört  bereits  mhd. 
guot  rät  werden  m.  gen.  d.  Sache  'glückliche  abhilf e  schaffen' : 

bevindent  siz,  so  ez  ergät, 
des  Wirt  danne  guot  rät 

Harthann  Iwein  944 

des  sol  doch  guot  rät  werden 

WOLFRAM  Parzival  340,  13 

der  schände  würde  guot  rftt 

Moritz  V.  Craün  1665  Sehr., 

nachwirkend  in:  dem  wer  noch  gut  rat  zu  thün  Eulen 
Spiegel  24  ndr.;  für  den  wald  fanden  wir  eine  gute  aus 
kimft  Göthe  21,  35  W.;  {sie)  verkündigte  ihrem  bräuti 
gam  den  guten  erfolg  ihrer  bitten  Brentano  ges.  sehr.  5 
44 ;  das  blatt  wird  eine  gute  Wirkung  thun  Göthe  11, 49  W. 
auch  als  vmnsch:  wünsche  guten  erfolg,  gute  besserung 
u.  ä.:  und  gute  besserung!  Geisel  w.  7,  141;  ich  wünsche 
gute  Verrichtungen  Kbameb  teutsch-ital.  2,  347 ". 

f )  in  älterer  spräche  gutes  heil  'günstiges  glück,  glücklicher 
erfolg': 

zwäre  so  bftstü  guot  heil, 
gescheidestü  mit  6ren  dan 

Hartmann  Itcein  596; 
als  wünsch: 

ode  vart  iuwer  sträze 

mit  guotem  heile  888; 

god  hael  dy  vale  Diefenbach  605*';  'gut  heil'  ist  ein 
deutscher  grusz  wie  nur  irgend  einer  Fr.  L.  Jahn  w. 

2,  921. 

2)  in  prädikativem  gebrauch;  die  unter  1  angeführten  be- 
lege sind  auch  in  prädikativer  Wendung  möglich,  doch  im 
ganzen  bleibt  diese  weniger  häufig;  hier  kommen  daher  nur 
fälle  in  betracht,  die  nur  prädikativ  vorkommen;  bis  ins 
16.  jh.  mit  persönlichem  dativ  mir  wird  etwas  gut  'es  tvird 
für  mich  günstig,  es  schlägt  mir  glücklich  aus,  es  gelingt  mir': 

iu  habt  ez  eine,  werde  iu  z  guot 

Hartmann  Iwein  854; 

wie  mancher  desz  begeren  thüt, 
es  Wirt  im  aber  nlt  so  gut 

K.  Scheit  Grob.  3415  tidr.; 

der  inen  noch  für  und  für  feind  war  und  in  tröwet,  das 
stettlein  zu  verbrennen,  wa  es  im  möcht  so  gut  werden 
LiNDENER  rastbüchl.  24  lit.  ver.;  denn  ich  fürwar  sein  acht 
genommen  habe,  wo  es  ihm  als  gut  werden  mag,  er  dich 
von  gantzem  hertzen  anblicken  thut  buch  d.  liebe  (1587) 
236 'i;  ohne  personäldativ,  vielfach  auch  mit  pronominalem 
neutrum  als  subjekt  oder  sache : 

die  sache  ist  noch  ytel  guot 

Hans  v.  Bühel  königst.  1866  Merzd.; 

es  mag  all  sach  noch  werden  gut 

Hans  Sachs  2,  26  K.; 

es  habe  ein  Schulmeister  nach  zwölfjähriger  gefängnusz 
endlich  den  schlusz  erhalten,  seine  sache  wäre  gut  ge- 
worden Chr.  Weise  pol.redner  (1677)151;  alle  Sachen 
stehen  gut,  nur  die  meinigen  nicht  samml.  v.  schausp. 
(1764)  1,  4; 

ir  mugt  ez  dannoch  heizen  guot 

ob  erz  wlllecUchen  tuot       Hartmann  Iwetn  1923; 

besonders:  es  wird  gut  'es  geht  günstig  aus':  aber  {diefrau) 
wol  gedacht,  es  möcht  noch  gut  wem  Arigo  decam.  79  K.; 
da  gedacht  Ulenspiegel,  daz  wil  nit  gut  werden,  wollen 
die  thoren  die  warheit  sagen,  so  mus  ich  warlich  wandern 
Eulenspiegel  41  7idr.; 

(ich)  hoff  alles  werde  gut  und  recht 

Opitz  t.  poem.  37  ndr.; 

s  irrt  ihn,  ohm!  das  wird  nicht  gut! 

MÜLLNER  dram.  w.  1,  54; 

etwas  anders:  es  ist  gut  'es  ist  im  wünschenswerten  zustand': 
wollte  gott,  ich  hätte  den  unseligen  sprang  nicht  gewagt ! 
alles  wäre  gut  gewesen  Gerstenberg  Ugolino  250  nat.- 
lit.;  so  wäre  jetzt  alles  gut!  maler  Müller  w.  i,  148. 


1259 


GUT,  adj.,  I  D  1- 


GUT,  adj.,  II  A  i 


1260 


D.  unpersönliche  Iconstruktion  es  ist  gut  'es  ist 
passend,  zweckmäszig ,  ratsam,  richtig,  nützlich,  geziemend" 
usw.  ohne  personaldativ  tritt  bereits  in  der  ältesten  über- 
setzungsliteratur  auf;  für  die  gleichfalls  alte  Verbindung  mit 
persönl.  dativ  vgl,  sp.  1231;  in  der  bedeutung  treten  ver- 
schiedene der  unter  A  bis  C  behandelten  nuancen  auf,  die 
aiis  gründen  syntaktischen  interesses  {arten  der  abhängig- 
keit)  nicht  besonders  geschieden  werden. 

1)  mit  abhängigem  infinitiv:  unte  ni  goj)  ist  niman  hlaib 
barne  jah  wairpan  hundam  got.  bibel  Mark.  7,  27;  aj){3an 
gof)  ist  aljanon  in  godamma  sinteino  Oal.  4,  18;  ...  göd 
is  it  her  te  wesanne  Heliand  3138;  ist  kuot,  ze  sagenne 
dina  gnada  Notkee  ps.  91,  3 ;  is  ist  gut,  etwas  czu  wissen 
prov.  Fridanci  61 ;  es  ist  gut,  unglückhaf  tiger  leute  müszig 
gon  sprichw.  (1548)  158^;  indesz  ist  es  doch  gut,  hier  bey 
der  Untersuchung  nicht  zu  streng  zu  verfahren  Klop- 
STOCK  gelehrtenrepubl.  (1774)  4;  nicht  selten  mit  Umstellung 
unter  ellipse  des  neutr.  pron.:  die  ader  aufs  creutz  ist  gut 
zu  lassen,  wenn  sich  ein  rosz  hat  wehe  gethan  J.  Walther 
pferde-  u.  Viehzucht  (1658)  158; 

guten  Worten  Ist  nicht  alzcit  gut  zu  trauen 

J.  Gkob  dicht,  versuchg.  (1678)  30; 

muste  man  erst  in  tausend  generationen  so  weit  kommen, 
es  einzusehen,  dasz  die  spräche  zu  verbessern  gut  sey 
Hebder  5,  107  S.;  von  dem,  was  ich  thue,  ist  nicht  gut 
reden  GtÖthe  IV  19,  410  W.;  an  solche  geheimnisse  sei 
nicht  gut  rühren  I  25,  295. 

2)  mit  abhängigem  nebensatze  bei  selbständigem  subjekt. 

a)  alt  durch  dasz  eingeleitet;  'es  ziemt  sich':  kuot  ist,  daz 
man  in  lobot  Notker  ps.  146, 1 ;  'es  ist  günstig':  is  ist  gut, 
das  her  icht  hat  prov.  Fridanci  70;  es  ist  noch  gut,  dasz 
er  warnet  Geimmelshaxjsen  2,  344  K.;  'es  ist  zweck- 
mäszig': 

wedr  Ist  ez  übel  od  Ist  ez  guot, 
daz  ich  min  leit  verhelen  Ican 

Waithee  120,  25; 

es  ist  nicht  gut,  das  der  mensch  allein  sey  1.  Mos.  2,  18; 
aufs  erste  were  wol  gutt,  das  Luther  12,  12  W.;  es  were 
gut,  dasz  man  nicht  nur  salbte,  sondern  Gäeelkover 
artzneybuch  (1595)  1,  8;  es  ist  gut,  dasz  man  von  zeit  zu 
zeit  aus  seinen  Umgebungen  zu  scheiden  .  .  .  gehöthigt 
wird  GöTHB  IV  32,  242  W.; 

es  ist  gut  und  ist  recht, 
dasz  verschiedene  Icräfte 
im  groszen  staatsgeüechte  (sind) 

IIÜCKHRT  w.  1,  47; 

verkürzte  formen:  ist  gut,  dasz  also  gerathen  ist  Eyering 
prov.  cop.  3,  109 ;  die  herrn  ist  gut,  dasz  man  sie  weit  hab 
sprichw.  (1548)  162*; 

gut,  dasz  Europa  christlich  worden 

Stoppe  Parnass  (1735)  16; 

gut,  dasz  es  die  menschen  nicht  so  genau  mit  einander 
nehmen  Göthe  IV  6,  57  W.;  'es  trifft  sich  günstig': 

gut,  Hafl,  dasz  du  Isömmst 

LkssinG  w.  3,  44  L.-M. 

b)  jünger  ist  konditionalsatz  mit  wenn,  doch  vgl.  mitd. : 

ich  vürhte,  ez  sl  mir  niht  guot, 
obe  ich  mit  der  höchvart  var 

Mai  und  Beaflor  38, 10; 

es  ist  nicht  gut,  wenn  die  stüle  auf  die  benck  hüpfen 
wollen  Henisch  277;  es  were  nicht  gut,  wenn  die  geisz 
ein  schwantz  hett  Lehman  floril.  pol.  (1640)  53;  es  ist  gut, 
wenn  wir  uns  das  alles  deutlich  vorstellen  Jung-Stilling 
w.  3,  29  Gr.;  mit  konjunktivischem  nebensaiz  vereinzelt: 

hsote  ich  dtnem  rate 
gevolget,  daz  wsere  guot 

Moriz  V.  Craün  1762  Sehr. 

c)  mhd.  in  Verbindung  mit  partizipialkonstruktion: 

nü  rata,  degen  Sifrit,       waz  des  guot  sl  getan 

Nibelungen  312,  4  L.; 
daz  wier  geläzen  also  guot 

XJleich  V.  ESOHENBAOH  Alexander  486  T. 

so  ist  es  auch  guet  auf  den  see  an  beiden  orttern  ain  wenig 
pley  daran  gesenket  Tegernseer  angelb.  zs.f.  d.  a.  14, 165. 


II.  aus  der  Vorstellung  der  tauglichkeit  für  einen  be- 
stimmten zweck  entwickelt  sich  gut  als  absoluter  wertbegriff, 
der  ohne  teleologischen  beisinn  rein  den  ävszeren  oder  inne- 
ren wert  eines  gegenständes  oder  einer  person  ausdrückt; 
da  lat.  bonus  in  gleicher  funktion  gilt,  ist  nicht  auszumachen, 
wieweit  das  germ.  das  adj.  als  blosze  qualitätsbezeichnung 
selbständig  entmckelt  hatte;  noch  auf  der  grenze  zu  I 
steht  ags. 

standed  me  her  on  eaxelum  .-l-'lferes  läf, 
göd  ond  geapneb,  golde  geweordod 

Walderebruchst.  2,  19  HoUh. 

A.  in  anwertdung  auf  dingliche  Subjekte,  konkrete  und 
abstrakte. 

1)  im  sinne  ^wertvoll,  kostbar',  besonders  von  kleidungs- 
tind  Schmuckstücken,  perlen,  edelmetallen  usw.:  manne 
suolihentemo  guotä  merigriozä  Tatian  77,  2;  gute  perlen 
Matth.  13,  45;  guter  stein  ist  im  mhd.  fester  begriff  'edel- 
stein': 

vingerlin  Icleine 

mit  eime  guoten  steine 

Moriz  V.  Craün  606  Sehr.; 

vier  unt  zweinzec  pouge      mit  gesteine  guot 

Nibelungen  558,  1  Bartsch; 

hwat  thu  at  thesaru  thiodu      thiggean  willies 
gödaro  mStImö  . . .  Heliand  4489; 

ich  wil  es  wol  gelauben,  das  er  kostliche  klainat  hab,  so 
er  üch  so  guter  ring  zwen  geschenkt  hat  Forlunatus  115 
ndr.;  die  plenschen  tragen  die  Indianer  am  gestirn  für 
ein  zir  als  hie  zu  landt  die  grosen  herren  guette  khettcn 
am  hals  tragen  U.  Schmiedel  reise  n.  Südamerika  31 
lit.  ver.; 

von  NinnlvS  der  slden      si  den  porten  truoc, 
mit  edelem  gesteine:      ja,  was  er  guot  genuoc 

Nibelungen  850,  2  Bartsch; 

dar  in  si  leiten  steine;     des  wurden  guotiu  Icleit     362,  3; 

übermuot  und  guot  gewant 
was  iu  durch  mich  unerlcant 

V.  d.  Jungesten  tage  579  Wül.; 

ab  wol  di  kleider  sint  kostlich  unnd  gut, 
treid  dl  ein  mensche  an  Itel  ere, 
wer  kan  si  yra  danne  verkere? 

JOH.  BOTHE  lob  d.  keuschh.  812  N.; 

hab  erst  das  gute  kleid  da  von  den  schultern 
und  umgehüllt  dein  derbes  sctilflerwams 

Grilipakzer  s.  w.  7,  31  5.; 

ein  böser  ris  ynn  ein  gut  tuch  Luthees  sprichw. -samrrd.  4 
Thiele,  vgl.  guttuch,  guttüchen  von  echtem  scharlachtuch 
Schmellee-Fe.  1,  963  und 

gut  lündisch  rot  von  tüch  er  {der  rock)  was 

Hans  Folz  ebda; 

etwas  anders  'kostbar  wegen  seiner  heiligkeif  vom  rock 
Christi: 

thiu  tunicha  thiu  guata      bi  thia  ther  loz  suanta 

Otfrid  IV  29, 15; 
ebenso  von  Stoffbezeichnungen  'kostbar': 

joh  hete  er  under  brünne      von  vil  guoten  slden 

von  Aballe  ein  hemede  Kudrun  864,  3  M.; 

guot  man  ist  guoter  slden  wert  Walthek  44, 10; 

namentlich  von  edelmetallen  'wertvoll': 

nemet  von  mir  ze  minne       ditze  golt  vil  guot 

Nibelungen  1559,  2  Bartsch; 

zweintzig  (striche)  von  kostbarliehem  zin 
auch  zwölff  von  gutem  gold  lürhin 

Spreng  Ilias  10.  ges.  138»; 

die  verpfändeten  zwei  kästen 

.  . .  glaubten  sie  voll  guten  goldes 

Heedee  28,  510  S.; 

dann  auch  im  sinne  'gediegen,  echt':  auch  ist  die  müntz 
gefelschet,  kain  gut  gold  kan  man  meer  finden  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  s.  sehr.  1,  10  iidr.;  jetzt  wollen  wir  einmal 
sehen,  wie  die  gesohenke  beschaffen  sind,  vor  allem  die 
probe,  ob  es  gut  gold  ist  Brentano  ges.  sehr.  5,  103;  mehr 
technisch:  silberertz  .  . .,  wann  sie  nicht  gar  gedigen  und 
gut  Ercker  mineral.  ertzt  (1580)  3^;  von  münzen:  gülden 
gut  am  golde  und  swer  gnug  am  gewichte  lehnsurk.  Schles. 


1261 


GUT,  adj.,  II  A  2 


GUT,  adj.,  II  A  2 


1262 


1,  106  Orünh.,  vgl.  Fiscser  achwäb.  3,  942;  gut  von  gold 
heiszt  zunächst  kostbar,  weil  aus  gold  gearbeitet'' : 

ouch  was  der  zoum  riebe  genuoc, 
daz  gereite  (sattelzeug)  guot  von  golde 

Haetmann  Iwein  3463; 

mundartlich  im  sinne  'von  echtem  golde\-  guet  vom  gold 
Schmeller-Fb.  1,  963;  des  kreutzl  is  gued  von  silber  ebda, 
vgl.  Schöpf  tirol.  220,  Fischer  schwäb.  s,  942;  auch  ohne 
materialangabe  im  sinne  'echt  von  gold  bzw.  silber\'  vast 
köstlich  {meszgewänder)  von  gülden  stücken,  sammat  und 
damastkt  mit  guten  kreuzen  städtechron.  15,  159;  e  guede 
haubm  haube  mit  echtem  silber  oder  golde  gestickt  Schmel- 
ler-Fr.  1,  963;  guete  borten  Schöpf  tirol.  220;  es  ist  nicht 
alles  gut,  was  vergoldet  ist  Fischer  schwäb.  3,  942;  'kost- 
bar' auch  von  spezereien: 

(ich  habe)  . .  .  min  guote  salben  vlorn 

Hartmann  Iwein  3689; 

weil  solcbe  brü  gewürtzet  sey 
mit  guter  thewrer  spetzerey 

K.  Scheit  Grob.  1629  ndr.; 

auch  sonst  vielfach  von  dingen  besonderen  iverles:  zu  Ach 
hab  ich  gesehen  die  proportionirten  seulen  mit  ihren  guten 
capitelen  von  porfit  grün  A.  Düber  tageb.  64;  da  sinds 
eitel  flüchtige  fladdergeister,  bescheiszen  die  weil  viel  guts 
papyrs  mit  unnützen  vergeblichen  Worten  Luther  26, 
303  W.;  gute  prise  in  der  seefahr ersprache:  was  ein  deut- 
scher einem  ausländer  abnimmt,  sey  immer  gute  priso 
Lessing  lO,  274  L.-M.;  der  frachtvertrag  tritt  auszer 
kraft,  wenn  . .  .  das  schifiE  .  .  .  für  gute  prise  erklärt  wird 
handelsgesetzbuch  §  628;  feste  formd,  wohl  aus  I  A  5a/S 
entwickelt,  gutes  geld  'wertvolles  geld\-  wenn  er  mit  seinem 
guten  gelde  .  .  .  nichts  denn  leeren  wind  und  nichtige  hof- 
uung  erkauft  Thomasius  kl.  dtsche  sehr.  136;  ein  mann  . . ., 
der  um  sein  gutes  geld  auch  ein  Mäcenas  sein  will  A.  Stif- 
ter s.  w.  1,  94;  mehr  quantitativ:  dort  bepackte  ich  mich 
für  gutes  geld  mit  tabak  Göthe  33,  88  W.;  mit  affektgehalt 
nach  IV  hinüber  spielend:  mein  gutes  geld  tut  mir  leid,  vgl. 
Fischer  schwäb.  3,  942 ;  dafür  ist  mir  mein  gutes  geld  zu 
schade  u.  ä. 

2)  'hochwertig,  qualitativ  hervorstechend',  dem  äuszeren 
vjerte  nach;  vielfach  bei  gegenstandsbezeichnungen  in  be- 
tontem gegensatz  zu  einer  geringwertigen  art. 

a)  in  anwendung  auf  genusz-  und  nahrungsmittd  seit 
alters:  iogiwelih  man  zi  §rist  guotan  win  sezzit  inti  mit 
thiu  sie  foltruncane  sint,  thanne  thaz  thär  wirsirä  ist 
Tatian  45,  7; 

si  fuorten  riebe  spise      dar  zuo  guoten  win, 

den  besten  den  man  Icunde      vinden  umben  Bin 

Nibelungen  380, 1  Bartseh; 
und  sandten  nach  malvasier,  den  man  da  gut  fand  Fortu- 
natus  60  ndr.;  wo  der  wein  gut  ist,  darf  man  kein  reif 
auszhencken  Eyebino  prov.  cop.  3,  677;  spezifisch  im 
gegensatz  zum  sauren  wein:  sy  züchend  gären  vom  suren 
zürichwin  zum  gütten  Platter  61  Boas;  redensartlich:  er 
drinkt  guete  wi  er  ist  beim  wein  lustig  Seiler  Basl.  ma. 
153*;  modern:  eine  gute  flasche,  einen  guten  tropfen  trin- 
ken; ist  gut  hier,  es  gilt  dir,  liebes  thier,  ein  stübgen  oder 
vier  Fischabt  Garg.  {159i)  96»;  terminologisch  god  beer 
vollbier  Mensing  2,  424,  i;grZ.  gutbier;  gueti  oder  ganzi 
milch  Vollmilch  Friedli  Bärnd.  1,483;  ebenso  in  Schlesien, 
vgl.  Maetiny  wb.  d.  milchunrtsch.  49;  es  guetes  kaffi  kaffee 
ohne  Surrogat  (Basel)  Staub-Toblee  2,  537;  e  guets  kaffe 
kaffee  mit  rahm  Tobleb  appenzell.  245^;  gute  frische 
meyesche  putter  (maibutter)  Luther  38,  234  W.; 

das  brod  sei  frisch,  die  butter  gut 

A.  V.  Dkoste-Hülshoff  u\  2,  87; 

terminologisch  ist  gute  butter  im  gegensatz  zur  kunstbutter 
(margarine) ; 

dein  brot  sey  weder  warm  noch  alt 
geseurt  und  leicht,  nicht  gar  ohn  saltz, 
von  gutem  getreyde  wolgebacken 

regimen  sanitatis  (1642)  A  i"»; 
dat  wilk  die  lehren,  ehr,  als  gode  klütjen  backen 

lust.  hoehzeit  (1708)  in:  nd.  jahrb.  8,  136; 


guete  leckerli  lionigkuchen  von  feinerem  mehl  Tobler 
appenzell.  245*;  dasz  für  das  pf.  guete  fische  aber  als 
hecht,  forellen,  aal,  treischen  und  esch  12  kr.  bezahlt 
werde  (v.  j.  1790)  Staub-Tobler  2,  538; 

de  mussei  is  good  fis 
wenn  de  anners  nix  is 

LüPKES  seemannsspr.  6; 

friske  ejere  (eter),  gude  ejere  Bauer-Collitz  25*;  wenn 
ich  mir  einen  neuen  tabaksbeutel  voll  guten  ächten  unga- 
rischen wünsche  v.  Gaudy  s.  w.  13,  89;  z.b.  eine  gute 
Zigarre;  feine  und  gute  braugersten  sind  weiter  gefragt 
kreuzzeitg.  v.  16.  8.  34.,  wo  gut  wie  in  moderner  handels- 
sprache  häufig  die  zweitbeste  qualität  bezeichnet;  ähnlich 
spricht  man  von  einer  guten  Sorte,  guten  marke  gegenüber 
der  besten  einerseits  und  der  billigen  anderseits. 

b)  entsprechend  bei  waren  und  produkten  aller  art,  oft 
technisch:  ich  hab  zu  Frankhfurt  stan  lassen  in  der  vast 
im  49.  jar  .  .  .  meinem  wirt:  item  am  ersten  (saumiuch) 
guter  arbait  3  tausend  und  6  hundert  \md  55  duczet,  item 
mer  9  hundert  und  31  duczet  ausschusz  Ott  Ruland 
handlgsb.  27  lit.  ver.; 

die  selben  schaf  gend  gute  wullen 

NiKL.  Manuel  60  Bächt.; 

bonwolle,  {die)  .  .  .  geschowet  und  von  unsern  schowem 
erlobet  und  gut  gegeben  ist  (15.  jh.)  wttbg.  geschichtsqu.  8, 
131 ;  wer  den  nahmen  hat,  dasz  er  gut  gam  spinnet  Leh- 
man floril.  pol.  1,  326;  man  unterscheidet  {in  der  bäum- 
Wollspinnerei)  gewöhnlich  guten  abgang  .  .  .  {und)  schlech- 
ten abfall  Pbechtl  techn.  encycl.  21,  362;  gute  libetten. . ., 
kupfer,  so  von  garschlacken  durch  nochmaliges  schmelzen 
im  frischofen  gewonnen  Jacobsson  techn.  wb.  2,  176^;  gut 
erz  ...  ist  reichhaltiges,  edles  erz  2,  177*;  gut  wahr  merces, 
res  venalis  Henisch  1785;  sein  dinck  ist  nit  gute  waar 
E BERLIN  V.  GüNZBURO  8.  schr.  3,  22  ndr.; 

gut  und  schlechte  wahren 
durch  desz  meercs  tiefe  fahren 

Schupp  sehr.  aI"»; 

gute  wäre  lobt  sich  selber,  verkauft  sich  selber  Fisohbb 
schwäb.  3,  941;  ein  gutes  exemplar  {des  divan)  ist  für  dich 
bestimmt  Göthe  IV  32,  52  W.;  {er)  schicket  ihnen  hiermit 
eine  mittelmäsige  scheere,  ein  gutes  messer  und  leder  zu 
zwey  paar  pantoffeln.  sie  sind  alle  von  gutem  Stoffe  IV  1, 
163;  entsprechend  modern  z.  b.  wir  verwenden  für  unsere 
fabrikate  ausschlieszlich  gutes  material;  etwas  anders:  die 
{dem  büttgesdlen)  entgegenstehende  seite  heiszt  der  gute 
rand,  weil  das  papier  von  dieser  seite  ein  wenig  stärker  ist 
Jacobsson  techn.  wb.  7,  30**;  ähnlich  wird  bei  Stoffen  die 
gute  seite,  die  rechte  seite,  gebildseite  usw.  von  der  innen- 
seite  unterschieden;  diese  qualitative  sonderung  gilt  auch  für 
die  sprichwörtliche  Wendung  {über  ihren  Ursprung  vgl.  zs.  f. 
dtsche  maa.  3,  279/. )  kein  gutes  haar,  kein  guter  faden  {ist 
an  dem  menschen),  vgl.  wo  haut  und  har  böse  ist,  da  wird 
kein  guter  peltz  aus  Luther  19,  514  W.;  da  ist  weder 
haut  noch  haar  gut  Henisch  1788; 

an  fauler  waar 

ist  kein  gut  haar      Binder  sprichw.  206; 

es  ist  doch  keine  gute  haar  an  keinem  Studenten  Schoch 
Studentenleben  (1657)  cS'';  et  is  ken  gut  har  an  ieme 
Bauer-Collitz  45*;  kein  guete  fetzen  (faden)  an  eim  lan 
eine  vernichtende  kritik  üben  Staub-Tobler  2,  539,  auch 
kein  gutes  haar  an  einem  lassen  in  gleichem  sinne. 

c)  halb  terminologisch  in  mehr  rdativer  Verwendung  im 
sinne  'schön,  fein" ,  auch  'neu":  item  37  m.  4  scot  vor  5  gute 
panzer  Marienb.  treszlerbu^h  220  Joach.;  das  gute  geschirr 
das  feine  porzdlan;  alle  ihre  guten  kleider  und  neues  haus- 
geräth  im  stich  lassend  A.  v.'  Deoste-Hülshoff  w.  2,  264; 
der  gute  anzug  {neuer  anzug)  Müller-Feaub.  l,  452;  guter 
rock  gala-,  sonntagsrock  Fischer  schwäb.  3,  942;  et  gud 
kled  rhein.  wb.  2,  1512;  van  hier  aus  zu  verstehen  die  guet 
kammer  kammer,  in  welcher  das  bessere  an  kleidern  und 
sonstigem  hausrat  aufbewahrt  wird  Schmeller-Fr.  1,  963; 
ein  solcher  {Stammbaum)  sei  allerdings  noch  da  und  be- 
finde sich  halbvergessen  in  der  'guten  kammer'  Steub 
wand,  im  bayr.  geb.  27;  anders  die  gute  stube,  das  gute 


1263 


GUT,  adj.,  II  A  2 


GUT,  adj.,  II  A  8-4 


1264 


zimmer  prunkstube,  salon:  die  sopha-  und  stuhlkappen 
aus  den  guten  zimmern  Schiller  br.  7,  175  Jonas;  de  gud 
stuff,  gud  kamer  staatszimmer  rhein.  wb.  2,  1512;  gute 
Stube  Sudermann  d.  hohe  lied  312,  Müller-Fraureuth 
1,  452;  (er)  war  nun  erst  imstande,  sich  all  der  kleinig- 
keiten  zu  freuen,  die  die  'gute  stube'  schmückten  Fon- 
tane ges.  w.  I  3,  290;  im  sinne  'rein,  frisch^  bergmännisch 
gut  Wetter :  gut  wetter  ist  die  gute  reine  luf  t  in  der  grübe 
Junghans  gräubl.  ertz  (1680)  c  3^. 

d)  terminologisch  bei  Zeitbestimmungen  wie  tag,  woche 
und  wochentagsnamen,  vgl.  Grotefend  zeitrechn.  78/, 

a)  im  sinne  'hoch,  heilig'  namentlich  bei  den  festlagen  und 
Wochentagen  der  karwoche  und  des  Osterfestes,  wo  vielleicht 
die  bedeutung  VA2  nachwirkt:  de  gude  weak  karwoche 
rhein.  wb.  2,  1512;  Westenrieder  224;  guder  mandag 
(montag  vor  ostern)  Stralsunder  chron.  l,  58 ;  dit  schach  an 
deme  guden  dingstage  {dienstag)  Schiller-Lübben  1,520; 
an  dem  guden  middeweke  in  der  martelweke  (v.  j.  1383) 
bei  Grotefend  a.  a.  c;  an  der  guten  mittwochen  Richen- 
TAL  chron.  d.  Const.  conzils  64  lit.  ver.;  der  gut  dunstag 
cena  domini  Diefenbach  nov.  gloss.  84*;  item  in  den 
spital  uflE  den  guden  donnerstag  in  der  karwochen  {v.  j. 
1372)  urk.  in:  Limb,  chron.  125  Wysz;  auf  dem  guten 
donnerstag  (mögen  sie  predigen)  . . ,  vom  osterlamb 
BuGENHAGEN  Braunschw.  kirchenordn.  (1531)  o  2;  so  noch 
mundartlich  z.  b.  rheinisch,  vgl.  rhein.  wb.  a.  a.  o.,  und 
Schweiz.,  vgl.  Staub-Tobler  2,  639 ;  der  gude  fritage  paras- 
ceve  Diefenbach  412^;  des  goeden  vrydags  vor  paeschen 
{v.  j.  1314)  bei  Grotefend  a.  a.  o.;  das  gelt  berechente  uns 
der  scheffer  am  guten  frytage  Marienb.  treszlerbuch  340 
Joachim;  wie  die  kirche  gesungen  am  guten  freitag 
Luther  20,  334  W.,  mundartlich  s.  rhein.  wb.  a.  a.  o., 
Staub-Tobler  a.a.O.,  Knothe  schles.  2.77 ;  am  Nieder- 
rhein auch  guda  sodeschtig  rhein.  wb.  a.  a.  o.;  auch  von 
andern  feiertagen  gesagt: 

up  einen  gueden  Cristusdaich 
zo  allen  drin  (er)  misse  sprach 

GOTTFRID  Haqkn  teimchron.  128; 

in  deme  guden  donredage  dyner  claren  weldighen  hem- 
melvard  Schiller-Lübben  l,  540 ;  ene  guda  dag  ein  fest- 
lag, gure  dags  an  feiertagen,  der  gude  dag  han  zur  ersten 
hl.  kommunion  gehen,  sei  guda  dag  hon  die  osterkommunion 
empfangen  rhein.  wb.  a.  a.  o. 

ß)  speziell  der  gute  montag,  wohl  zu  gut  III  A  2  gehörig, 
als  der  blaue  montag  bei  den  handwerkern,  vgl.  Grimm 
myth.^  113;  in  Norddeutschland  terminologisch  für  den 
montafj  nach  trinitatis,  den  tag  des  maigangs  einiger  hand- 
werke,  s.  Grotefend  zeitrechn.  79/.,  der  zugleich  einer  der 
vier  Jahrestermine  ist;  meist  allgemeiner  arbeitsfreie  mon- 
tage  und  zechtage: 

ich  guetter  montag  mach  dollsopf 
lere  peuttel  und  volle  kröpf 

meisterlieder  d.  Berliner  hs.  germ.  fol.  23  nr.  231; 

was  manche  handtwercksleuth  .  .  .  die  die  wochen  über 
mit  irer  schweren  arbeit  zusammen  treiben,  das  musz 
am  Sonntag  oder  auffn  guten  montag  versoffen  sein 
SiGiSMUNDUS  SuEVUS  Herodis  banckel  (1569)  c  5^;  disz  jar 
würd  ein  schalckjar  sein  von  halb  hundert  guten  faul 
montagen  Fischart  praktik  3  ndr.;  bey  den  hand- 
werckern  herkommen  und  noch  übrig  sey  die  gewohnheit 
einen  guten  montag  zu  machen  Prätorius  philos.  col. 
184;  in  neuerer  zeit  angeblich  noch  Schweiz.,  s.  Grimm  myth. 
a.  a.  o.  und  obersächs.  nach  Müller-Fraureuth  1,452, 
hier  wohl  nur  in  der  bergmannssprache,  vgl.  so  genannte 
gute  montage  und  andere  muthwillige  sauftage  sind 
gäntzlich  verbothen  Chr.  Herttwig  bergbuch  (1734)  134a; 
dann  übertragen:  guter  montag  'erntefesttag,  so  genannt, 
aber  am  sonntag  gefeiert'  Bruns  volksw.  d.  prov.  Sachsen 
27^;  mehr  formelhaft: 

de  soine,  di  do  geschaich 
up  einen  gueden  maindaich 
reicht  na  paischen  velrzein  naicht 

GOTTFEID  Hagen  reimchron.  6276; 

auch  lediglich  guter  t&g  für  den  'montag',  vgl.  Grotefend 
a.  a.  o.,  wo  belege,  u.  Grimm  myth.  a.  a.  o.:  die  prüdere 


i  mugen  ezzen  fleisch  an  deme  guten  tage  auzerhalb  des 
I  coventes  (v.j.l286)  bei  Schmeller-Fr.  1,964;  dis  ge- 
j  schach  do  man  zalte  von  Cristes  giburte  drincehin 
i   hundert  jar  an  dem  nehesten  gutendage  (montag?)  urk. 

V.  j.  1300  urk. -buch  d.  kl.  Heiligkreuztal  l,  62,  doch  vgl. 

auch  gutentag  'miltwoch'  an  alph.  stelle. 

e)  'hochwertig'  in  hinsieht  auf  die  spielstärke:  ein  guter 
i  steyn  im  brett  sprichw.  (15iS)  89'^;  bildlich:  einen  guten 
;  stein  im  brett  haben  (bei  jemand)  haver  un  buon  patrone 
!   Kjiamer  l.-ilal.  2,  950*';  behalt  ein  gut  blat  (im  karten- 

spiel)  auf  die  letzsten lasse  sprichw.  (1548)  140*;  wer  weisz, 
ob  er  ein  bösz  oder  gut  kart  bekompt,  hat  ers,  so  sieht 
ers  Lehman  floril.  pol.  2,  627;  so  noch  heule  z.b.  ich  muszte 
das  spiel  verlieren,  denn  ich  hatte  keine  guten  karten. 

f )  in  der  musik  und  melrik  vom  'schweren,  betonten'  teil 
des  lakles:  denn  so  wie  der  accent  bey  tiri  auf  der  zweyten 
sylbe  liegt,  so  fällt  derselbe  bey  didll  auf  die  erste  und 
kömmt  allezeit  auf  die  note  ein  niederschlage  oder  auf 
die  sogenannte  gute  note  Quantz  anweisung  (1789). 69; 
der  gute  tacttheil,  nehmlich  im  schlechten  tacte  die  erste 
minima,  das  Iste  und  3te  vierthel  Walther  mus.  lex, 
(1732)  106  für  franz.  bon  temps  de  la  mesure;  ebenso  in 
der  melrik  vom  akzenttragenden  taktteil. 

g)  als  glied  einer  werteskala  ohne  substantiellen  eigen- 
gehall;  so  in  den  schulzensuren:  sehr  gut,  gut,  im  ganzen 
gut,  ziemlich  gut,  genügend  usw.;  weiter  in  Wendungen 
wie:  eine  gute  zensur  erhalten;  ein  gutes  Zeugnis  aus- 
stellen; eine  gute  leistung  aufweisen  und  in  der  sport- 
sprache:  in  guter  form  sein,  ein  gutes  rennen  machen 
u.  ähnl. 

h)  gut  machen  spezifisch  im  sinne  'eine  hochwertige 
qualilät  herstellen,  veredeln,  verfeinern':  kirschen  gut 
machen  veredeln  Müller-Fraureuth  l,  452;  im  bilde: 

ich  war  ein  wilder  reben 
du  hast  mich  gut  gemacht 
Paul  Gerhakdt  bei  Fischer-Tümpel  3,  343; 

technisch:  die  grobem  graupen,  welche  nicht  durch  das 
obere  sieb  fallen  und  die  gut  gemachten  graupen  in  dem 
2ten  siebe  fallen  zur  seite  heraus  Jacobsson  techn.  wb. 
5,  767*;  guet  mache  mästen  Seiler  Basler  ma.  153. 

3)  als  epilhelon  bei  slädten  in  verschiedener  färbung;  zu- 
nächst in  bezug  auf  festigkeil  und  Wohlhabenheit,  noch 
gehallvoll: 

wes  sint  disiu  erbe  und  ditze  rlche  laut 

und  ouch  die  guoten  bürge?  wie  ist  er  genant? 

Eudrun  1226,  2  M.; 

ende  was  ein  schedeliche  boese  vrouwe,  alle  de  cristenheit 
zo  Schinnen  und  goide  stede  zu  verderven  städtechron. 
13,  183;  und  ist  etwan  gewesen  ein  gute  Stadt,  nun  ist  es 
ein  ciain  dorf  Schiltberger  reiseb.  72  lit.  ver.;  termino- 
logisch gute  Städte  in  Württemberg  seit  1811  sieben  alte 
residenz-  bzw.  reichsslädte  mit  besonderen  rechten,  vgl. 
Fischer  schwäb.  3,942;  blasser:  der  mann  stand  vielleicht 
in  Boppard  oder  Greifswald  oder  in  Görlitz,  in  einer  von 
den  guten  alten  städten  Moltke  ges.  sehr.  u.  denkw. 
7,  61;  mit  aßektgehalt  ähnlich:  alles  gute,  was  sie  dem 
Professor  V.  erzeigen,  ist  auch  mir  und  der  guten  Univer- 
sität Jena  gethan  Göthe  IV  21,  111  W. 

4)  der  werlgehalt  bezieht  sich  auf  innere,  geistige  werte. 
a)  'inhaltlich  wertvoll,  gehaltvoll':   |)ata  godo   anafilh 

fastai  |jairh  ahman  weihana  got.  bibel  2.  Tim.  l,  14;  bei 
warten  und  gedanken  usw.  'verständig,  inhaltsreich,  treffend': 

i  . . .  gi  ni  thurbun  an  enigun  sorgun  wesan 

I  ...  hwat  gi  im  than  tegegnes  sljulin  gOdoro  wordö, 

spählikoro  gesprekan  Eeliand  1900; 

Catho  hat  .  .  .  latinisch  geredt  mit  guten,  kurtzen 
wortten  Agricola  t.  sprichw.  (1534)  a  1*;  es  ist  .  .  .  ein 
gutes  wort  im  leben  .  .  . :  wir  sollen  die  liebe,  die  wir  den 
todten  mit  ins  grab  geben,  nicht  den  lebenden  entziehen 
W.  Raabe  hungerpastor  145;  gute  gespräch  gute  sitten 
erhalten  llARSDÖnvEn  frauenz-.gesjn-ächsp.  l,  A4''; 

oba  wir  wollen  wahten       mit  gidrahton  fliu  rehten 
mit  githankon  guaten      thes  Kristes  grabes  hueten 

Otfrid  IV  37,  2; 


1265 


GUT,  adj.,  II  A  5 


GUT,  adj.,  II  B  1 


1266 


(die  Zeichnungen)  sind  .  .  .  eine  unerschöpfliche  quelle 
guter  gedanken  Göthe  IV  42,  231  IF.;  'gehaltvoll'  von 
werken  geistiger  arbeit:  in  diesem  exemplar  stand  ge- 
schriben:  vier  gütü  büchlü  in  H.  Seüse  dt.  sehr.  3  Bihlm.; 
im  kloster  liesz  man  dich  nit  läsen  gute  bücher  E  Berlin 
V.  GÜNZBURO  s.  sehr,  l,  29  ndr.;  gutte  bücher  .  .  .  seyn 
das  brodt  unseres  Verstandes  Butschky  Pathmos  (1677) 
)(  3^;  wenn  sie  mir  von  den  neusten,  artigen  und  guten 
Schriften  nachricht  gäben  Göthe  IV  1,  202  PT.;  (er  konnte) 
dabei  eine  gute  predigt  ausarbeiten  Bahrdt  gesch.  s.  leb. 
(1790)  1,  15, 

b)  namentlich  von  künstlerischen  erzeugnissen,  in  bezug 
auf  ihre  inhaltliche  qualität  sowohl  wie  auf  den  künst- 
lerischen wert: 

(der  bischof)  . . .  hiez  macheu  ein  vil  guot  werch: 

er  hiez  dl  sine  pbaphen 

ein  guot  llet  machen  Ezzos  getang  2  u.  4 ; 

ähnlich,  auf  die  künstlerische  leistungskraft  bezogen : 

Beimar  was  guoter  kunst  an  dir  verdlrbet 

Walthbr  82,29; 

gute  Schauspiele  behalten  auch  im  drucke  ihren  werth 
samml.  v.  Schauspielen  (1764)  1,  4  vorher.;  hier  schicke  ich 
dir  mein  letztes  gedieht,  ich  halte  es  für  gut  Göthe  IV  1, 
152  W.;  in  guten  gedichten  herrscht  die  leidenschaft  A.  W. 
Schlegel  in:  Athenäum  l,  45;  bei  werken  der  bildenden 
kunst:  also  kan  für  uns  nichts  rührenders  gefunden  werden 
als  ein  gutes  gemälde  von  den  leidenschaften  und  hand- 
lungen  der  menschen  Ramleb  einZeii.  (1758)  1,  75;  fänden 
sich  bei  seinem  tod  einige  gute  cla vierstücke  Göthe  45, 
21  W.;  so  ist  die  gute  zeit  eines  künstlers,  einer  stilperiode 
usiv.  die  zeit  der  meister werke:  die  zweite  (form)  vertritt 
die  gute  zeit  des  Stiles  0.  v.  Leixner  lehrb.  d.  baustile 
(1916)  2,  102;  mehr  im  sinne  'technisch  gelungen' :  für  eben 
diese  fehlende  originalien  und  auch  für  die  gute  kopien 
ist  plaz  gelassen  Göthe  IV  4,  279  W.;  in  religiöser  hinsieht 
wertvoll:  das  lobgesang  Marie,  so  im  ix.  hundert  jar  gut 
ist  gewesen,  {würde)  umb  dein  oder  anderer  köpf  willen 
hinweg  gethon  Hieron.  Gebweiler  beschirm,  d.  lobs 
Marie  (1523)  7'';  das  gebet  wil  das  hertz  gantz  und  allein 
haben,  wenns  sol  ein  gut  gebet  sein  Petri  d.  Teutschen 
weish.  (1004)  1,  A  5*^:  bilder  aus  der  schrift  und  von  guten 
historien  ich  fast  nützlich  . . .  halte  Luther  26,  509  W. 

c)  hochwertig  in  hinsieht  der  geistigen  tcirkungskraft :  das 
man  ynn  stedten  sollt  gute  schulen  aufrichten,  damit  man 
gelerte  menner  . .  .  aufzöge  Luther  15,  360  W.;  gute 
schule  macht  gute  künstler  Wander  4,377; 

...  in  guter  schule 

hat  er  des  schmeichelns  liünste  ausgelernt 

Schiller  12,  475  G.; 

ähnlich  gute  ausbildung,  guter  Unterricht;  etwas  anders 
'als  hochwertig  erprobt,  bewährt' :  um  nach  älterer  guter 
methode  die  Schönheiten  der  alten  sprachen  kennen  zu 
lernen  Göthe  46,  91  W.;  z.  b.  die  Untersuchung  zeigt  die 
gute  methode  der  Rankeschule. 

5)  ganz  allgemein  ist  früh  eine  unprägnantere  anwendung 
entwickelt,  die  im  sinne  einer  einfachen  Wertschätzung,  oft 
nur  als  epitheton  ornans,  für  die  verschiedensten  sachbe- 
zeichnungen  und  abstracta  stattfindet,  also  'trefflich,  vor- 
trefflich, herrlich';  beispiele  dafür: 


welon  endi  willeon 
göd  Höht  mld  gode 


endi  wonodsam  lif, 

Heliand  2138; 


Ich  wil  im  guot  geleite  tuon 

Wolfram  Parzival  720, 15; 

stricke  mit  guten  knoten  Arigo  decam.  249  K.;  das  pferd 
gehet  einen  guten  pasz  Kramer  teutsch.-ital.  2,  183^; 

zuoberst  woll  er  uns  verleihen 
in  die  kornböden  gut  gedeihen 

Baumeister  zimmermannsspr.  46; 

sie  befleiszigen  sich,  ihre  gute  gaben  .  .  .  wohl  anzu- 
wenden Schiller  l,  15  0.;  er  hat  gar  eine  gute  art  von 
aufpassen,  theilnehmen  und  neugier  Göthe  IV  4,  79  W.; 
diesen  geistreichen  köpf  mit  so  guter  art  .  .  .  entwerfen 
I  43,  279;  mit  einschlag  von  III  in  der  zvnllingsformd  gut 
IV.  1.  6. 


und  schön:  der  tag  wächst  und  so  ist  alles  schön  und 
gut  IV  33,  29  W.;  häufig  ironisch  oder  doch  einschränkend 
gebraucht:  so  sind  alle  piae  fraudes  der  katholischen  gut 
und  schön  Gottsched  neueste  6,  42;  brav  sein  und  sich 
rechtschaffen  halten,  das  ist  alles  sehr  gut  und  schön 
Fontane  ges.  w.  I  5,  45;  als  reines  epitheton  ornans  in 
älterer  dichtung  oft  nachgestellt: 

die  guldtnen  scä^iel      ob  liehtem  pfelle  guot 

Nibelungen  670,  3  Bartseh; 
mtt  deinem  grönen  krentzlin  gut 

K.  Scheit  Grob.  33  ndr. 

B.  in  anwendung  auf  persönliche  Subjekte  und  abstrada, 
die  sich  auf  personale  Verhältnisse  beziehen. 

1)  alt  und  für  das  gesamte  germ.  bezeugt  ist  gut  als  bezeich- 
nung  des  menschen  hinsichtlich  seiner  herkunft  und  seines 
Standes  im  sinne  'vornehm,  edel,  angesehen' ,  vgl.  got.  manna 
sums  godakunds  gaggida  landis  franiman  sis  {)iudangardja 
got.  bibel  Luk.  19,  12,  vgl.  ags.  cynegod  Widsib  56. 

a)  lieben  abstractis,  die  einen  bestimmten  herkunftsbereich 
oder  einen  sozialen  kreis  bezeichnen,  vgl.  ags. 

Qecyste  i>ä.      cyning  se^elum  göd 

Beowull  1870  Eolth.; 
und  altnord. 

Atta  ]>iönar,  odlom  gödir     SigurOarkv.  70,  4  Necket; 

u.  ättom  goda  18,  11: 

.  .  .  ik  gisibu  that  gi  sind  ediligiburdiun 

kunniea  fon  knösle  gödun        Eeliand  558,  rgl.  254; 

diu  edlen  guoten  alten  geschlecht  von  gräfen,  herren 
Zürch.  Jahrb.  65  nach  mhd.  wb.  2,  2,  390*';  die  selbig  frau 
was  von  gutem  edelm  geschlechte  Arigo  decam.  176  K.; 
die  benachbarten  orte  {hätten)  ...  als  geisein  frauen  und 
Jungfrauen  von  guten  geschlechtern  gefordert  Niebuhb 
röm.  gesch.  2,  286;  vil  ritter  ind  knechte  van  goider  art 
städtechron.  13,  ]55; 

weil  er  auch  einer  ist  vom  adel 
von  gutem  stamm  on  allen  tadel 

Hans  Sachs  21,  5  ö.; 

er  ( wäre)  eins  hochen  gütten  herkommens  Wabbeck  seh. 
Magdone  13;  in  der  that  ist  er  von  eben  so  guter  geburt 
als  der  marquis  Lessing  9, 253  L.-M.;  kein  einziger 
mensch  von  gutem  stände  Gottsched  dtsche  Schaubühne 
2,  87;  mehr  steigernd: 

und  that  mir  wie  ein  griifin  her 
als  obs  von  gutem  adel  war 

N.  Manuel  v.  papst  474  BäcM.; 

es  's\'aren  mit  alle  dem  junge  herren  von  sehr  gutem  adel 
darunter  Wieland  Agathon  2, 107;  jünger  und  ebenso  von 
personen  adligen  wie  bürgerlichen  herkommens  gebraucht 
mehr  im  sinne  'angesehen'  gutes  haus,  gute  familie:  Über- 
bringer dieses  mr.  H.,  ein  junger  mensch  von  gutem 
hause  imd  artigen  qualitäten  Bodmer  an  Gottsched  i.  j, 
1732  in:  zs.  d.  f.  dtsch.  unterr.  11,  6;  junge  leute  von 
gutem  hause  und  sorgfältiger  erziehung  Göthe  21,  315  W.; 
mit  III  7  c  vermischt  kaufmännisch  ein  gutes  haus  'eine 
angesehene,  solide  firma':  so  musz  ich  vorher  zeigen,  dasz 
ich  nicht  unbesonnen  in  den  tag  hineinkaufe  sondern 
meine  waare  aus  einem  recht  guten  hause,  um  kauf- 
männisch zu  reden,  oder  aus  einem  recht  alten,  um 
heraldisch  zu  sprechen,  ausnehme  Jean  Paul  w.  1, 34  H.; 
vgl.  Fischer  schwäb.  3, 941 ;  klassifizierend:  in  den  motiven 
wie  in  der  spräche  steht  Plautus  in  der  kneipe,  Terenz 
im  guten  bürgerlichen  haushält  Mommsen  röm.  gesch.  2, 
434 ;  gute  familie !  .  .  .  gehört  dem  ältesten  adel  Sachsens 
an  V.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  4,  56;  das  wohler- 
zogene mädchen  aus  guter  familie  W.  v.  Polenz  Graben- 
hager  1,  22;  spezidler  im  sinne  'sozial  hochstehend'  gute 
gesellschaf t  oft  mit  dem  beisinn  'ästhdisch  kultiviert' :  was 
gute  gesellschaft  genannt  wird,  ist  meistens  nur  eine 
mosaik  von  geschliffnen  karikaturen  Fb.  Schlegel  in: 
Athenäum  1,  2,  4;  bey  manchem  worte,  das  kein  anderer 
mensch  in  guter  gesellschaft  ausspricht  Zimmermann 
üb.  d.  einsamk.  l,  15;  hierzu  stellt  sich  der  gute  ton  als 
die  lebensart  der  feinen  gesellschaft:  den  sogenannten 
weltleuten  such  ich  nun  abzupassen,  worinn  es  ihnen 
denn  eigentlich  sitzt?  was  sie  guten  ton  heisen  Göthe  IV 

80 


1267 


GUT,  adj.,  II  B  1 


GUT,  adj.,  11  B  2-3 


1268 


4,  160  W.;  der  mann,  der  in  den  assembleen  des  guten 
tons  gelitten  wird,  konnte  nie  deine  partkie  seyn  Schiller 
3,  44  0.;  bei  vielen  gehört  es  zum  guten  ton  Körner  w. 
1,  60;  das  wichtigste  stück  der  guten  lebensart  ist  die 
dreistigkeit  Schleiermacher  in:  Athenäum  l,  2, 125; 
formelhaft  ist  in  älterer  rechtssprache  guter  hande  leute 
Heute  vornehmer  arV :  de  pauwelun  over  dem  sacrament 
wart  gedragen  van  twen  greven  und  andern  guder  hande 
luden  städtechron.  7,  401;  guter  hande  lute  und  gebur 
weisth.  6, 101;  in  die  ethische  Bedeutung  hinüberspielend: 
der  ist  nicht  gar  von  guter  arth,  der  nicht  gedencket  an 
wolthat  Pbtri  d.    Teutsch.  weish.  2,  o  3^. 

b)  absolut  neben  personen;  in  älterer  spräche  neben 
Standesbezeichnungen  'edel',  vgl.  ags.  |)8et  waes  göd  cyning 
Beowulf  11  Holth.;  aus  dieser  formel  hergeleitet: 

.-. .  so  mag  Im  thea  gödon  giwirkean 

huldi  hebankuninges  Heliand  901; 

tunc  surrexit  Otdo      ther  unsar  keisar  guodo 

de  Heinrico  9; 

der  (Jungfrauen)  gedäht  im  eine  erwerben       Günther  der 

künec  guot 
Nibelungen  325,  3  Bartsch; 

ow6  wer  sol  nu  troesten      des  guoten  maregräven  w5p? 

2259,  4; 

dö  sprach  diu  guote  künegtn  Hartmann  Iwein  230; 

und  solde  ich  tragen  kröne,       ze  w!be  wolde  ich  hän 
die  iuwern  schcenen  tohter:       des  wünschet  mir  der  muot 
diu  ist  minneclich  ze  sehene,       darzuo  edel  unde  guot 

Nibelungen  1675,  4  Bartsch; 

terminologisch  gute  leute  {boni  homines)  im  sinne  'edd- 
leute',  namentlich  wohl  'ritterbürtige' :  dissen  eyt  stavet 
öme  weme  id  de  heren,  de  stede  unde  de  guden  lüde 
heten  städtechron.  6,  82;  was  der  dote  guter  luite,  so 
trugent  in  die  guten,  was  er  ein  gebur,  so  trugent  in 
sine  genossen  Königshofen  in:  städtechron.  9,  769;  es 
wirt  auch  in  keiner  historien  gefunden,  das  je  also  gutte 
leutte  (fürsten  und  herren)  weren  auf  ein  mall  in  diser 
Stadt  gewesen  Warbeck  seh.  Magelone  31  B.;  alda  wart 
der  buschof  van  Coellen  verraden  ind  me  goider  heren 
städtechron.  13,  165,  vgl.  Statjb-Tobler  2,  536;  ebenso- 
wenig deutlich  in  seiner  terminologischen  gdtung  ist  gute 
mannen,  vgl.  offenbar  werden  hier  die  'guden  manne' 
d.  h.  die  bloszen  freyen,  der  Überrest  der  alten  volks- 
gemeine, von  den  rittern  .  .  .  unterschieden  Savigny 
gesch.  d.  röm.  rechts  2,  22;  als  'edelleute,  die  keine  ritter 
warerC,  vgl.  J.  Grimm  rechtsalterth.*  l ,  408 : 

ir  ritter  und  euch  ir  guten  man 

gedieht  v.  d.  gerechtigkeit  in:  Oermania  18,  460; 

von  papen  und  moneken,  von  rittern  und  gudemann, 
von  buirgern  und  bauem  in  Lbibnitz  scr,  rer.  brunsv.  3, 
411 ;  he  was  eyn  gut  mann  geboren  ebda  2,  257 ;  vgl.  gut 
mensch  'eddmann':  ich  bruder  AUonsus  ein  gutmensche 
von  Spangen  (Spanien)  bei  Scherz-Oberlin  582*^;  es 
bittet  abermal  die  gute  frawe  Hanna  von  der  Dame 
LtTTHER  briefw.  274  Burkh. 

c)  dann  überhaupt  in  weiterem  sinne  'den  besseren 
ständen  angehörig,  wohlhabend,  angesehen':  auf  das  jar 
starb  hie  füll  reichs  gütz  folck,  als  nie  erhert  was,  mer 
denn  armer  städtechron.  23,  451;  mehr  im  sinne  'ehrbar', 
vgl.  goda  eina  ('nur  anständige  leute')  Hdrbarzliöb  8,  7 
Neckel;  formelhaft  für  frum  man,  biderman:  so  das  wasser 
ainen  weg  zerbricht,  so  soU  der  gute  man  hinein  fahren 
mit  seinem  grund  (v.  j.  1597)  österr.  weist.  7,  339; 

mir  ist  harte  wo!  geschehen, 

Sit  ich  hie  solde  gesehen 

also  guote  Hute  Hartmann  Greg.  3107; 

o  laszt  ihn!  er  ist  guter  leute  kind 

Schiller  12,  30  ö.; 

das  mädchen  war  auch  'von  guten  leuten'  O.  Ludwig 
ges.  sehr.  2,  338;  'wohlhabend' :  grosze  goldne  ohrringe 
und  eine  recht  massive  kette  zeigten  schon  an,  dasz  sie 
guter  leute  kind  seyn  müsse  v.  Gaudy  s.  w.  2, 98 ;  ich  bin 
gottlob  es  guets  bürli,  ha  schöns  vehli  und  ha  mis  zisli 
(Steuer)  zalt  Statjb-Tobler  2,  536;  'stolz'  in  dem  pflanzen- 
namen  guter  Heinrich  chenopodium  bonus  Henricus:  des 


unflätigen  geruchs  halben  nennen  sie  das  kreutlin  den 
guten  und  stoltzen  Heinrich  Bock  kräuterb.  (1595)  265^*; 
'ehrlich'  in  der  alten  formel  gut  machen:  landgraf  Albrecht 
. . .  liesz  .  .  .  seinen  bastardt  Ludwigen  Apetz  .  .  .  vom 
keyser  eheliehen  und  gut  machen  Binhardus  thür.  chron. 
(1613)  206;  die  landsknecht  machten  in  (den  vom  galgen 
gefallenen)  einhellig  wider  gut  Kirchhoe  wendunm.  110 
Ost.;  ähnlich:  sollt  er  ein  jähr  und  tag  aller  landtsknecht 
versamblung  meiden  .  .  .  gleichwol  alsdann  neben  gnug- 
samer  schriftlicher  kundschaft  seines  Verhaltens  .  .  .  für 
gut  wieder  angenommen  sein  Kirchhof  milit.  disc. 
(1602)  265. 

2)  in  schlichtem  sinne  'wertvoll'  von  personen;  seit  dem 
jüngeren  mhd.  namentlich  zu  gut  sein  'zu  wertvoll,  zu 
schade  sein': 

des  red  nit  mer,  ich  will  ze  gut 
dir  zu  schumpfleren  sein 

liederb.  d.  Eätzlerin  249  H.; 

mein  jüngstes  söhnlein  ...  ist  dir  nicht  zu  gut  gewesen 
und  du  hast  ihn  auch  umbringen  lassen  Tieck  sehr,  i,  184 ; 
als  trophäe  in  ihrer  band  zurückzubleiben,  dazu  .  .  .  bin 
ich  zu  gut  FÜRST  Pückler  briefw.  u.  tageb.  1,  455;  Mac 
Mahon,  der  viel  zu  gut  für  die  Franzosen  ...  sei  Fontane 
ges.  w.  I  6,  24;  seit  dem  älteren  nhd.  giit  genug  mit  dativ 
des  interesses:  dise  Buchdorf  er  .  .  .  hieszen  k.  maiestat  ain 
öpfelking  .  .  .,  wasz  inen  nyemauds  gut  genüg,  auch  ir 
aygner  herr  abt  .  .  .  wasz  in  zu  schlecht  Knebel  chron. 
V.  Kaisheim  360  lit.  ver.;  weyl  ir  kein  handwercksgesell 
gut  genüg  war  Schumann  nachtbüchl.  234  B.;  gleich  gut 
sein  im  sinne  'gleichvid  wert  sein':  wenn  wi  dood  sünd, 
sünd  wi  all  lieker  god  Mensinq  2,  426;  oft  in  verbalver- 
bindung  'für  wert  halten,  schätzen',  vgl.  mhd. 

dö  man  mich  vür  guot  erkande 

Moriz  V.  Craün  438  Sehr.; 

oder  acht  man  mich  nicht  so  gut, 
dasz  man  mirs  nicht  wol  günnen  thiU 

K.  Scheit  Grob.  723  ndr.; 

werd  ich  von  dir  gut  geschäzt, 
nun  so  ist  mein  wünsch  geschehen 

J.  Grob  dicht,  versuchg.  (1678)  12; 

selten  in  der  konstruklion  wie  la aoa  (vgl.  sp.  1228): 

des  ist  si  guot  ze  lobenne  (lobes  würdig) 
Meinloh  v.  Sevelingen  in:  minnesangs  früM.  12,  35; 

absolut:  mitbürger  dieser  erde,  jeder  in  seiner  art  voll- 
kommen und  gut  S.  Geszner  sehr.  (1777)  1, 108. 

3)  häufig  in  blasserer  anwendung  als  lobendes  bei  wort 
'vortrefflich,  brav,  wacker',  vgl.  ags.  fela  godra  monna  ehr. 
871  bei  Bosw.-ToLLER  482^: 

...  he  (Johannes)  was  thftr  managumu  llof 
gödaro  gumono  Heliand  2704; 

so  vil  guter  lüte 

an  tichtenne  gewesen  ist 

daz  sie  ez  an  mich  habent  gevrist 

Albrecht  v.  Halberstadt  56  Bartsch; 

wolt  man  in  solher  spise  wenen 
daz  er  (der  Löwe)  guote  liute  gscze 

WOLFRAM  Parzival  572,  9; 

joch  schät  ez  guoten  liuten,  waere  ich  tot 

die  nach  fröiden  rungen  Walther  114,  34; 

(Jupiters  gewalt)  auch  über  alle  menschen  gut 
auf  erden  sich  erstrecken  thut 

Spreng  Ilias  l.  ges.,  7»; 

viele  gute  musikalische  leute  haben  geglaubt,  die  men- 
schen könnten  diesen  gesang  von  den  vögeln  abgelernt 
haben  Herder  5,  57  8.;  die  schriftsteiler  selbst,  gute 
wackere  männer  aus  dem  bürgerlichen  stände  Göthe  40, 
176  W.;  (er)  ist  also  verschollen  \de  viele  gute  männer 
Hans  Grimm  volk  ohne  räum  l,  9 ;  vergleichbar  die  redens- 
art:  (jem.  oder  gott)  einen  guten  mann  sein  lassen,  im 
eigentlichen  sinne  'wertschätzen'  bei  Frisius  9583'  ver- 
zeichnet, dann  redensartlich  so  viel  wie  'es  dabei  bewenden 
lassen,  ihn  trefflich  zu  nennen' ,  d.  h.  'sich  um  ihn  nicht 
weiter  kümmern' :  last  unsern  herr  gott  ein  guten  mann 
seyn  J.  Gruter  flor.  eth.-pol.  3  (1612)  62;  nun  war  er 
wieder  guter  dinge  .  .  .  und  liesz  gott  einen  guten  mann 
sein  BR.  Grimm  kinder-  u.  hausm.  (1895)252;  nun  wolan. 


1269 


GUT,  adj.,  II  B  4  -  III  A 


GUT,  adj.,  III  A  i 


1270 


du  bist  auch  ein  gut  kerl  Schottel  friedenssieg  5  ndr.; 
oft  ironisch:  a  guater  bruader  ein  netter  geselle  Jakob 
Wien.  T?''. 

4)  'ehrenvoll,  ehrlich^  bei  abstrakten,  die  die  Spiegelung 
der  qualität  eines  menschen  in  den  äugen  seiner  umweit 
bezeichnen,  vgl.  lat.  bona  iama;  guten  liumunt  geben 
famare  Diefenbach  224 *>:  unte  von  den  tugedon  quam 
guot  luimunt  Willibam  42,  6  Seem.; 

daz  ist  gut  liumunt 
Vorauer  Moses  bei  Diemer  dtsche  ged.  d.  11.  u.  12.  jhs.  83,  21; 

swie  gar  guot  unde  hei 
äne  alles  tadeis  mäs 
des  erweiten  liunt  was 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  23523  Seem.; 

ir  lieber  puele  mit  falschem  lügen  sie  irer  eren  und  guten 
leymet  genomen  (hat)  Abigo  decam.  152  K.;  mhd.  ge- 
läufig guot  wort  hän,  bejagen  vgl.  mhd.  wb.  Z,  808:  sinen 
guoten  liumunt  und  sin  guot  wort  Verliesen  altdtsche  bl. 
1,  137; 

das  bringt  dir  gar  ein  gut  glimpf 

K.  Scheit  Grob.  1133  ndr.; 

auch  musz  er  ein  gutt  gerücht  haben  bey  den  ungleubigen 
Luther  lO,  2, 113  W.; 

(dasz  er)  sich  selber  ein   gutes  gerücht  bei  den  menschen 
erwürbe         J.  H.  Vosz  OdBssee  37  Bern.; 

gieb,  dasz  ich  .  .  .  des  nachbars  guten  ruf  durch  kein 
übles  urtheil  richte  Schmolokb  s.  trost.-  u.  geistr.  sehr. 
(1744)  1,  4;  guter  ruf  ist  goldnen  gürtel  werth  Göthe  45, 
52  W.;  davon  wir  deutschen  .  .  .  nit  ein  gut  geschrey 
haben  in  frembden  landen  Luther  6,  467  W.;  seinen 
christlichen  guten  geruch  lauter  und  rein  .  .  .  erhalten 
Lessxng  18,  350  L.-M.;  eine  pflanzstätte  klösterlicher 
zucht  von  gutem  klang  in  deutschen  landen  Scheffel 
ges.  w,  1, 163;  besonders  guter  name:  wir  müssen  dennoch 
einen  guten  namen  und  ehre  haben  Luther  6,  221  W.; 
{ich  will)  meinen  guten  namen  .  .  .  bestermahszen  ver- 
thädigen  J.  RisT/nedcto.  Teutschl.  (1648)  28;  noch  immer 
wird  bei  uns  .  .  .  guter  name  für  ehre,  rühm  und  ansehn 
genommen  Fe.  L.  Jahn  w.  1,  337;  ich  lies  drucken,  weil 
man  mir  schmeichelte,  dasz  ich  leuten  gefallen  könnte, 
deren  beyfall  einen  guten  namen  verschafte  Lessino  8,  6 
L.-M.;  ebenso  sich  einen  guten  namen  machen  'sich  be- 
kannt milchen';  mehr  in  steigernder  Verwendung  gutes  lob, 
vgl.  gut  lob  geben  famare  Diefenbach  224^,  ein  gut  lob 
haben  bono  nomine  esse  Fbisius  159  »: 

man  hat  mich  offt  geprisen; 
solt  mein  gut  lob  hie  untergan, 
het  ich  noch  tausent  leibe 
sie  müsten  all  daran  Sigenot  9  Schade; 

hierzu: 

wärt  ihr  kinder  guter  ehren, 
scheutet  ihr  so  nicht 

Stieler  geh.  Venus  56  ndr. 

III.  gut  bezeichnet  seit  alters  die  eigenschaft,  die  ein 
ding  subjektiv  für  eine  empfindende  person  hat  und  die 
durch  einen  psychologischen  akt  des  Wohlgefallens,  der 
freude  usw.  bestimmt  wird,  also  'angenehm,  bequem,  vor- 
teilhaft, erfreulich,  schön" ;  in  mhd.  spräche  entsprechen 
namentlich  süeze  und  liep. 

A.  in  persönlicher  konstruktion  attributiv  und  prädikativ; 
verhältnismäszig  selten  bleibt  der  ältere  gebrauch,  die  be- 
ziehungsrichtung  dessen,  was  angenehm  ist,  durch  einen 
abhängigen  infinitiv  anzugeben;  hierin  liegt  noch  eine 
brücke  zu  gut  I  A  1  zutage: 

[oben  was  ein  rubin 
darinne  beworht  als  ein  huot; 
des  schln  was  ze  sehen  guot 
und  gap  dem  herzen  wünne 

WiRNT  y.  Grayknberq  Wigalois  7085; 

unz  ich  kunt  gemache 
ander  hande  sache 
die  ouch  guot  sint  ze  hören 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  22760  Seem.; 

{diese  geschichte)  nicht  minder  gut  ze  hörn  {ist)  als  die 
gesagt  gewesen  ist  Arioo  decam.  47  K.;  do  sint  ouch  stere 
gar  groz  und  vet  und  gut  czu  essin  Marco  Polo  8,  21 
v.  Tsch.;  dorumb  daz  weip  sach  das  holtz  daz  es  was 


gut  zu  essen  erste  dtsche  bibel  3,  52  lit.  ver.,  vgl.  1.  Mos. 
3,  6;  der  pfau  .  .  .  {ist)  gut  zu  essen  Sebiz /eZdfta«  (1579)  114. 

1)  'angenehm"  in  hinsieht  auf  die  empfindungen  der 
Sinnesorgane. 

a)  vom  geschmack,  vgl.  göda  mi9d  Qrimnismdl  13,  6 
Neckel,  'wohlschmeckend^  von  speisen  und  getrunken: 

diu  wisheit  in  des  herzen  gründe 
smecket  rehte  als  in  dem  munde 
dem  guom  ein  guotiu  spise  tuot 
Lamprecht  v.  Beqessburq  tocMer  Syon  2798  Weinh.; 

swer  ez  az,  das  er  bevant 
beidü  übü  und  gut  vil  gar 

BUDOLF  V.  Ems  weltchr.  281  Ehr.; 

der  brunne  was  küele      lüter  unde  guot 

Nibelungen  979,  1  Bartseh; 

ys  möchte  eyn  hunth  wol  schmeckyn,  das  dy  fladyn  gut 
wern  piov.  Fridanci  54;  sich  enthalten  von  guten  bissen 
Luther  23,  590  W.;  isz,  mein  son,  honig,  denn  er  ist  gut 
spr.  Sal.  24,  13;  wir  können  uns  zwar  die  guten  franzö- 
sischen brühen  gefallen  lassen  Nicolai  Seb.  Nothanker 
1,  57 ;  die  vorsichtigen  freundinnen  {hätten)  .  .  .  gute 
bissen  herübergesendet  Göthe  24,  362  W.;  wie  schmeckt 
er  dem  hauptmann?  recht  gut,  euer  majestät,  er  ist  so 
gut  als  schön  Aybenhoff  w.  1,  27;  {der)  äärbsfisel  {wird) 
nummen  {nur)  in  em  äärigen  {irdenen)  hafen  rächt  gued 
Fbiedli  Bärnd.2,  458;  gern  gueti  mümpfeli  hän  'ein  fein- 
schmecker  sein'  Staub-Tobler  2,  539;  {eine  speise)  ist  kalt 
guet  schmeckt  auch  kalt  Fischer  achwäb.  3,  950;  termino- 
logisch bei  obstnamen:  gute  bir  eine  bestimmte  birnensorte 
ebda;  gute  christbirne,  in  einigen  gegenden  die  zucke- 
ratenbirne  Dietrich  lex.  d.  gärtnerei  7,  687 ;  au^h  die  be- 
friedigende menge  einbegreifend:  tugenden,  von  deren 
Schönheit  .  .  .  sich  nach  einer  guten  mahlzeit  am  be- 
redtesten sprechen  lässt  Wieland  Agathon  2,  I5l;  mit 
einem  guten  frühstück  H.  v.  Kleist  l,  347  Schm. 

h)  vom  geruch,  'wohlriechend',  vgl.  ein  guter  ruch 
redolentia  Diefenbach  489»:  also  die  tuiren  salben  die 
quekke  des  guotes  stankes  Williram  70,  8  Seem.;  ein 
gut  gerücht  ist  besser  denn  gute  salbe  pred.  Sal.  7,  2; 

der  gut  geruch  lang  drinnen  bleibt, 
so  mans  nur  wol  In  d  kleider  reibt 

K.  Scheit  Grob.  1630  ndr.; 

ist  er  {der  mensch)  vaiszt,  so  Ist  im  teur 

gilter  attem  liederb.  d.  Hätzlerin  151; 

vier  höhe  boume  habeten  in 

guoten  smac  unde  schaten 

Konrad  Fleck  Flore  u.  Blanschefiur  191  Sommer; 

und  wird  stanck  für  gut  geruch  sein  Jes.  3,  24;  {ein) 
garten  voll  guter  gerüche  Rückert  w.  li,  513:  redens- 
artlich sich  in  guten  geruch  bringen  'sich  angenehm,  be- 
liebt machen'. 

c)  vom  gehörseindrvck,  'wohlklingend',  wobei  auszer 
dem  rein  sinnlichen  Wohlklang  oft  das  ästhetische  empfinden 
hineinspielt:  lobont  in  mit  zymbon  wola  skellenten  unde 
guoten  chlanch  habenten  Notker  ps.  150,  5; 

ir  (der  naclitigallen)  stimme  ist  lüter  unde  guot, 
sie  gebeut  der  weit  höhen  muot 

GOTFKID   Tristan  4757; 

wil  du  guote  stimme  gewinnen,  so  nim  senef  dtsch.  arznei- 
bücher  27  Pf.; 

dasz  mirs  an  guter  stimme  fehlt 

Bamxeb  fabellese  1,  47; 
etwas  anders: 

das  Schwert  von  gutem  klang 

Uhland  ged.  1, 148; 

dö  sprach  der  videlaere       'swenn  ir  die  selten  min 
verirret  guoter  doene  . .".'      Nibelungen  2270,  2  Bartsch; 

ich  singe  iu  ze  allen  zlten      also  guotez  sanc 

Kudrun  377,  2  Martin; 

last  giite  saitenspil  erschallen 

Schede-Melissus  ps.  117  ndr.; 

alte  kirchen  haben  gute  geleut  Lehman  fior.  pol.  l,  14; 
vom  harmonischen  zusammenklang:  gut  lut,  susz  gedon 
euphonia  Diefenbach  213"';  ein  guter  ton,  der  wol 
zesamen  stimpt  oder  lautet  canor  Frisius  181^;  nicht 

80* 


1271 


GUT,  adj.,  III  A  2 


GUT,  adj  ,  III  A  3 


1272 


guote  weter  linde 
heten  si  ül  al  der  vart 


Mai  u.  Beaflor  107,  36: 


...  in  einen  guten  ton  gestellt  imtnodulalua  Cai^epinus    ; 
XI  ling.   682'';     ein    gleiche    harmonia   gibt    ein    gute 
music  nicht  wann  der  discant  zu  hoch  ist  Lehman  flor. 
pol.  1,  39. 

d)  vom  geaichtseindruck  und  dem  dadurch  vermittelten 
Wohlgefallen: 

BUS  gleiz  ez  allez  vaste: 

die  steine  gegen  dem  golde  nlder, 

und  daz  golt  gegen  in  wider. 

daz  was  guot  ougenweide; 

in  allem  slnem  leide 

die  gezierde  er  gerne  sach 

WiENT  V.  Gkavenbeeg  Wigolois  7281; 

(die  Stirn)  breit,  glat  und  klar,  von  färben  gut, 
getemperiert  wie  milch  und  blüt 

K.  Scheit  Grob.  2139  ndr.; 

ein  gute  färb  color  bonus  Frisitjs  158'^;  gut  gestalt  eugenia 
DiEFENBACH  219'';  David  war  guter  gestalt  1.  Sam.  16, 12; 
die  gestalt  ist  oft  gut,  der  köpf  ein  narr  Lehman  fior.  pol. 
1,37;  guter  wuchs  Lichtenberg  aphor.  2,  I3l  Leitzm.; 
gutes  aussehen  von  dingen  'gefälliges  aussehen'';  etwas 
anders  bei  verhältnisformen,  wo  I  A  hineinklingt:  und  was  , 
ein  jung  man  under  driszig  jaren  von  guder  lengde  j 
Limb,  chron.  55  Wysz;  \ 

ein  gut  proportz  von  glidern  haben 

K.  Scheit  Orob.  1593  ndr.; 

ähnlich  auch  modern,  z.  b.  fensterreihen  und  wandflächen 
stehen  im  guten  Verhältnis. 

2)  auf  das  körperliche  Wohlbefinden  im  ganzen  gehend, 
'angenehm,  behaglich'. 

a)  bei  konkreten: 

vil  guote  hereberge      gap  man  den  edelen  gesten  sint 

Nibelungen  1297,  4  Bartsch; 

euch  enwlrt  diu  Wirtschaft  (bewirtung)  nimmer  guot 
äne  willigen  muot  Haetmann  Iwein  2693; 

(die  königin)  ein  bette  hiez  bereiten, 
da  für  ein  teppech  breiten 
bl  einem  guotem  flure 

WOLFEAM  Parzival  578,  7; 

bej'^  einem  guten  feuer  sitzen  nomencl.  lat.  germ.  (1634)  386; 
ein  gutes  quartier  Haktmann  volksschausp.  9 ;  du  hättest 
ein  gutes  haus,  .  .  .  ein  gutes  bett  Göthe  45,  22  W.;  bild- 
lich: ( Ulenspiegel)  und  der  wirt  vertrügen  sich  der  schalk- 
heit,  so  das  er  hinfurt  uf  ein  gut  bet  kam  Ulenspiegel 
118  Läpp.;  'gesund':  alda  ist  guter  gemesser  luft  S. 
Fkanck  iveltbuch  (1534)  204^;  'wohltuend,  erfrischend': 
(die  heiligen)  trostent  sie  {die  seelen  im  fegefeuer)  mit 
guteme  lüfte  Lucidarius  61  Heidlauf; 

(der  Tcönig)  ...  oft  gieng  spacieren  weit 
...  zu  schöpfen  guten  luft  und  wind 

Hans  Sachs  8,  559  K.; 

die  gute  frische  morgenluft  ist  hereingekommen  v.  Ebner- 
Eschenbach  ges.  sehr.  4,  197 ;  terminologisch  gutes  wetter 
'angenehmes,  schönes  weiter' ,  vgl. 


die  einen  reisgesellen      herebergen  bat 

der  Wirt  vil  minnecllchen      unt  schuof  in  guot  gemach 

Nibelungen  1164,  3  Bartich; 

und  gaffet  auf  des  anderen  gut  gemach  Luther  30,  2, 
573  W.;  er  sie  (die  schißbrüchigen)  mit  guter  Wartung  und 
ruhung  labet  und  tröstet  Arigo  decam.  108  K.; 

...  die  ^lle  sult  ir  gän 

in  iuwer  herberge      und  sult  vil  guote  ruowe  h&n 

Nibelungen  1450,  4  Bartsch; 

und  er  sähe  die  rüge,  das  sie  gut  ist  1.  Mose  49,  lö;  in 
guter  still  und  ruh  Micyllus  Tacitus  (1535)  bi^:,  wovon 
ich  guten  genusz  wünsche  Göthe  IV  21, 17  W.;  das 
Wetter  war  unsern  Seefahrern  so  günstig,  dasz  A.  gute 
musze  hatte  Wieland  Agathon  i,  35;  glück  also  und 
gutes  behagen!  GröTHE  IV  41,  114  W.; 

.  .  .  ir  leben  daz  wart  guot  Kudrun  467,  2  M.; 

ach,  frau,  sagt,  habt  ir  nicht  gut  leben? 

Hans  Sachs  17,  3  K.-Q.; 

der  hunger  .  .  .,  der  nach  essen  und  trinken  und  einem 
guten  leben  verlangt  W.  Raabe  hungerpastor  260 ;  ge- 
steigert zum  sinne  'üppiges  leben': 

gut  leben  und  gesund  tag 
steen  nimmer  in  einem  hag 

sprichw.  (1548)  1508; 


gut  wetter  ist  eine  gute  gab  gottes  Luther  26,  234  W.; 
ein  wandersmann  .  .  .  musz  gutes  und  klares  wetter 
haben  Chr.  Weise  pol.  redner  (1677)  150;  wenn  er  spazie- 
ren gehen  will,  so  ist  es  niemals  gut  wetter  J.  E.  Schlegel 
w.  5,  313;  bildlich  in  redensarten:  gut  wetter  machen  be- 
sänftigen Seiler  Basler  ma.  153,  um  gut  wetter  bitten 
'um  Versöhnung,  entgegenkommen  bitten';  ähnlich  gute 
Jahreszeit  'die  periode  des  schönen  wetter s' : 

. .  .  den  söhn,  welcher  schon  über  die 
gute  Jahreszeit  verzeucht 

Bamlee  lyr.  ged.  (1772)  192; 

während  der  guten  Jahreszeit  Mommsen  räm.  gesch.  2, 
239;  ist  guter  herbst  unzweifelhaft  Uhland  2,  150. 

b)  bei  abstrakten  vne  pflege,  bequemlichkeit,  genusz, 
behagen,  leben  zur  Unterstreichung  der  subjektiven  Wirkung 
bei  der  empfangenden  person: 

(das)  brahta  imo  selben  guat  gimah      want  er  scono  gisah 

Otfeid  III 20,  28; 

dö  er  guot  gemach  gewan  Haetmank  Iwein  1783; 


zu  gute  und  reiche  leben 


das  für  einen  Jüngling 
E.  M.  Arndt  s.  w.  i,  54. 

c)  spezieller  für  gesundheitliches  Wohlbefinden:  womit  ich 
gutes  befinden  wünsche  Göthe  IV  41,  65  W.;  das  zahn- 
weh  hat  mich  gestern  abend  nicht  geplagt  und  heut  früh 
bin  ich  recht  gut  5,  105,  wozu  gut  zufrieden  sein,  sich 
gut  fühlen  bei  dem  adv.  zu  vergleichen  ist;  mehr  objektiv: 
er  ist  wieder  guet  gesund  Martin-Lienhart  1,  248. 

3)  in  anwendung  auf  zeitbegriffe  drückt  gut  oms,  dasz 
der  genannte  Zeitabschnitt  für  die  ihn  durchlebende  person 
'angenehm'  verläuft;  namentlich  in  gruszformeln  verbreitet. 

a)  gute  zeit,  vgl.  du  hast  gute  zeyt  bene  tibi  est  Frisius 
161*»: 

thaz  leben  wir,  so  ih  meinu,       mit  frewi  joh  mit  heilu 
simbolon  gimuato      joh  eigun  ziti  guato 

Otfeid  ad  Ludov.  81 ; 

Erec  und  frou  Bnite 

häten  guote  zlte  Haetmann  Eree  8613; 

hyerumb  ist  wol  die  freuntschaft  deren,  die  sich  zu  guten 
und  glückhaftigen  zeyten  beweisen  .  .  .  dannocht  nitt  zu 
verwerfen  Hütten  opera  1,  448  Böcking;  die  falschen 
freunde,  so  zur  guten  lebenszeit  sich  bey  uns  häufig  be- 
finden lassen  Prätorius  winterflucht  (1678)  3;  als  wünsch: 

so  zih  hin  von  meint  wegn  ihr  sag; 
viel  guter  zeit,  viel  guter  tagl 

GiLHUSius  grammatica  (1597)  98; 

ich  wünsch  ihr  viel  guter  zeit  Arnim  w.  21,  1 ;  feste  forme! 
ist  die  gute  alte  zeit,  in  der  das  leben  in  angenehmen 
formen  verlief:  man  möchte  sich  gern  bequem,  fröhlich 
und  auf  die  dauer  einrichten  wie  in  der  guten  alten  zeit 
Eichendobe  s.  w.  2,  387;  mehr  wertend:  gewisz  ein  mann 
der  guten  alten  zeit  JusTi  Winckelmann  2,  1,  203. 

b)  gutes  jähr,  in  älterer  spräche  für  'glückliches  jähr', 
doch  mundartlich  noch  bewahrt  und  auch  schriftsprachlich 
als  neujahrsgrusz  ein  recht  gutes  neues  jähr!  erhalten: 

als  vil  Stern  am  himel  stan 
als  manig  gucz  jar  gee  dich  an 

jastnachtssTpiele  1150  K.; 

ein  guet  seligs  jar,  wasz  schafstu  hie?  sprachbuch  (1423) 
in:  Bayerns  mundarten  2,  442;  'vom  christtag  bis  Sylvester 
wünscht  man  ein  gutes  jähr,  an  neu  jähr  selbst  ein  gutes 
neues  jähr'  Fischer  schwäb.  3,  946;  auch  für  den  neu- 
jahrstag  selbst:  die  gab,  die  du  mir  geschickt  hast  zu 
ainem  guten  jar  (v.  j.  1510)  bei  Fischer  a.  a.  o.;  s  gute 
jähr  bringts  (das  Weihnachten  riicht  erhaltene geschenk)  ebda; 
dann  auch  für  das  neujahrsgeschenk:  wenn  dir  got  ein  gut 
jor  heim  zu  hus  schickt  Gehler  v,  Keisersbebg  tiZg^erscÄ. 
(1512)  84*=;  ein  schenke  oder  gaab,  die  man  eim  auf  einen 
feyrtag  oder  auf  das  neuw  jar  gibt,  ein  gut  jar  strena 
Frisius  1246*';  das  gute  jahx  geben  neujahrsopfer  sam- 


1273 


GUT,  adj.,  III  A  3 


GUT,  adj.,  III  A  3 


1274 


mein  (16.  jh.)  bei  Fischer  a.  a.  o.,  s.  gutjahr  an  alphab. 
stelle;  vom  neujahrsumnsch  aus  in  redensarten  entwickelt 
jem.  ein  gutes  jähr  haben  lassen  im  sinne  'jem.  gutes, 
angenehmes  vmnschen\  meist  aber  ironisch  'jem.  mit  einem 
u'unsche  stehen  lassen'',  d.  h.  'sich  um  jem.  nicht  mehr 
kümmern':  etliche  sagen,  es  geschehe  im(rfem  papste)  nit 
zu  gefallen  und  sie  lieszen  in  wol  ein  güts  jar  haben  Slei- 
DANüs  reden  82  Böhmer;  darum  wollen  wir  sie  ein  guts 
jar  lassen  haben  und  es  mit  den  Juden  halten  Fischaet 
binenkorb  171  =*;  ähnlich  ein  gut  jähr  haben  'den  abschied 
nehmen' :  wollen  wir  des  sathan?  so  habe  dir  ein  gut  jar 
mit  deiner  und  meiner  geschicklickeit  Luthee  30,  2,  618 
W.;  als  Verwünschung :  ey,  das  dich  ein  gut  jar  annkum! 
was  redestu  da?  reformationsflugschr.  1,  39  Giemen;  ein 
gut  jar  'etwas  geringfügiges,  nichts' :  weystu  ouch,  was 
Christus  sey?  ja  jha,  eyn  gut  jhar  wissestu,  du  werest 
sunst  nicht  schwermütig  Luther  34,  2,  70  W. 

c)  guter  tag   der  tag,   den   man  auf  angenehme  weise 
verbringt: 

mac  ein  man  danne  Mn 

guoten  tac  und  senfte  zit, 

der  üf  den  l!p  gevangcn  llt? 

Haetmann  Iwein  1749; 
namentlich  in  hinsieht  auf  essen  und  trinken  in  der  redens- 
art  sich  einen  guten  tag  machen:  unsere  canzleyleute 
werden  sich  für  den  reichlichen  übcrschusz  einen  guten 
feyertag  machen  Göthe  IV  15,  165  W.;  wenn  sie  irgend 
angegriffen  sind,  faulenzen  sie  ja  und  thun  sich  einen 
recht  guten  tag  an  L.  Schücking  in:  A.  v  Droste-Hüls- 
HOFF  br.  345;  he  hett  n  goden  dag  lebt  sorgenlos  dahin 
Mensino  2,  242;  guter  tag  'beim  mililär .  .  .  {der)  tag  des 
arrests,  wo  man  volle  kost  erhälV  Fischer  schwäb.  3,  950; 
meist  pluralisch  gute  tage  ' Wohlleben':  und  dennoch  das 
beste  essen  und  trinken,  faule  gutte  tage  haben  Luther 
10,  1,  1,  498  W^.;  man  hat  aber  nit  so  gute  tag  bey  den 
arbeytern  als  bey  den  gelerten  Vooelgesano-Cochläus 
gespräch  v.  d.  trag.  Joh.  Russen  24  ndr.;  es  müssen  starcke 
beyn  sein,  die  gute  tag  künnen  ertragen  sprichw.{l5i9.)  15»; 
die  meisten,  welche  sich  zum  mönchsstand  bequemten, 
hatten  keine  andre  idee  als  sich  gute  tage  ohne  arbeit 
zu  machen  Ranke  s.  w.  l,  171 ;  mehr  auf  die  ökonomischen 
Verhältnisse  gehend,  vgl.  gude  richtage  mammona  Diefen- 
BACH  345c :  sie  hatten  gute  tage  gesehen  W.  v.  Polenz 
Orabenhäger  l,  3;  noch  anders  im  sinne  'vergnüglich': 
Friz  wird  gute  tage  mit  uns  haben  Göthe  IV  3,  68  1^.; 
nach  I  C  hin  'glücklich  verlaufen' :  eynen  gutten  tag  sal 
man  uf  den  obent  loben  prov.  Fridaru:i  48;  mehr  'inner- 
lich befriedigend' :  gestern  hatt  ich  einen  guten  tag  Göthe 
IV  3,  54  W.;  seit  alter  zeit  als  umnsch-  und  gruszformel: 

got  gebe  ir  lemer  guoten  tac 

Walther  119, 17; 

schoenen  morgen,  guoten  tac 

unt  süeze  zit  müezet  ir  hän 

Otte  Eraclius  3498  Gr.; 

des  muoz  Mr  Walther  singen 

'guoten  tac,  bcEs  unde  guot' ! 

Wolfram  Parzival  297,  25; 
so  solle  der  schultheisz  anfahen  zu  reden  und  ihnen  {den 
richtern)  einen  guten  tag  wünschen  Fronsperger  kriegsb. 
1,  A  5I*;  guten  tag,  meine  liebe  tochter!  ich  gebe  dir  einen 
guten  tag!  ollapatrida  238  Wiener  ndr.;  bei  uns  heest  et: 
Juten  dach  un  juten  weech  und  damit  hat  et  een  ende 
Brendicke  Berl.  wortsch.  131;  guten  tag  sagen  bei  der 
abwesenheit  der  bewohner  einbrechen  Ostwald  rinnstein- 
spr.  64;  als  herausforderung  gebraucht: 

Everart  Neisgin,  guden  daicli! 

er  Everart  Neisgin,  wa  sit  ir? 
GOTTFRiD  Hagek  Teimchr.  3882  (städtechron.  12, 132); 
als  morgengrusz  bzw.  für  die  zeit  des  Wunsches,  die 
morgenfrühe:  zweien  wächteren  jedem  15  ß,  dasz  si  von 
s.  Michels  tag  bis  uf  osteren  den  guten  tag  den  bürgeren 
.  .  .  singent  {v.  j.  1595)  bei  Staub-Tobler  2,  539;  et  get 
eweil  gudon  dag  es  wird  hell  rhein.  wb.  2,  1512. 

d)  bei  den  verschiedenen  tage^zeiten  in  der  regel  nur  in 
gruszformeln: 


daz  ich  den  liuten  guoten  morgen  bot 

Friede,  v.  Hausen  in:  minnesangs  frühl.  46,  4; 

nü  gap  im  Erec 

mit  gruoze  guoten  morgen 

Haethakn  Eree  3506; 

es  sind  wol  viel,  die  • . .  sprechen  'gutten  morgen'  zu 
dem  nehisten,  dencken  aber  ym  hertzen  'der  teufel  holl 
dich' !  Luther  12,  355  PJ''. ;  einen  schlimmen  guten  morgen 
geben  v.  Cronegk  sehr.  1,  25;  ihr  guter  morgen  war  mir 
sehr  werth,  war  er  nur  nicht  ein  zeichen  einer  Übeln 
nacht  gewesen  Göthe  IV  4,  41  W.; 

si  hiez  in  guoten  äbent  hän 

Tristan  als  mönch  2281; 
der  wolf  ihr  guten  abendt  bot 

Eeasmus  Albkeus  fabeln  82  ndr.; 

ey,  guten  abend,  lieber  Valcour  Schiller  14, 131  G.; 

der  Wirt  bot  im  gnote  naht 

WOLFEAM  Parzival  242,  22; 
got  gebe  dir,  frowe,  guote  naht 

Walthbe  101,  21; 
berre  ir  suit  siäfen  gän 
guot  naht  wil  ich  von  iu  hän 

Oarel  v.  d.  blüh,  tal  3012; 
ade  wolan,  habt  gute  nacht 
und  euch  den  abendt  fröiich  macht! 

HAYNKCCirs  Hans  Pfriem  84  ndr.; 
ich  musz  ihnen  noch  . .  .  eine  gute  nacht  sagen  Gtöthe  IV 
3,  16  W.;  präpositional : 

sie  füren  hyn  mit  gutter  nacht 

ein  yedes  do  an  sein  petstat 

Pfarrer  v.  Kaienberg  1242  ndr.; 
und  hiermit  zu  tausend  guter  nacht  Che.  Weise  grün, 
jwfend  213  ndr.;  im  sinne  'zum  abschied': 

und  ais  sie  (die  sonne)  es  sah  schir  voilpracht 
sprang  sie  noch  ains  zu  guter  nacht 

Fischaet  glückh.  schiff  692  ndr.; 
(diesen  musz)  zur  guten  nacht  ich  was  zum  besten  geben 

GÖTHE  14,  100  W.; 
schlechthin  als  abschiedsgrusz:  das  sind  die  letzte  wort 
als  des,  der  da  wil  hinweg  scheiden  und  gute  nacht  oder 
den  Segen  gibt  Luther  45,  623  W.; 

80  balt  ich  meinen  streich  voilbracht, 

80  heist  es  dan:  ade,  gut  nacht! 

DlHNHAEDT  griech.  dramen  1,  76  lit.  ver.; 
daher  gute  nacht  geben  u.  ä.  mit  dat.  'von  etw.  abschied 
nehmen,  sich  lossagen': 

wenn  aber  nun  das  liecht  der  sonnen  höher  steiget, 

der  lentz  gibt  gute  nacht  Kachel  sat.  ged.  37  ndr.; 

willst  du  dich  darum  nur  zum  götterchor  erheben 
um  aller  menschlichkeit  gar  gute  nacht  zu  geben? 

Gottsched  dtsche  schaub.  1,  214; 
attch  als  'sterben': 

wenn  du  diesem  armen  leben 
endlich  gute  nacht  must  geben 
Neumark  fortgepfl.  mus.  poet.  lustw.  (1657)  1,  66; 

doch  Sappho  kann,  wenn  sie  gleich  gute  nacht  gegeben, 
verewiget  in  ihren  schritten  leben 

B.  Neukiech  ged.  (1744)  284; 
absolut  mit  vokativ  'ade': 

ihr  Waffen,  gute  nacht!  es  musz  gestorben  sein  ebda  32; 
vne  'es  ist  vorbei  mit  etw.':  gute  nacht,  religion,  wenn  die 
untrüglichkeit  des  pabstes  aufgehoben  wird  v.  Einem 
Mosheims  vollst,  kirchengesch.  8,  84 ;  alsdenn  gute  nacht, 
weiberfeindschaft!  Lessinq  2,  11  L.-M.;  auszerhalb  der 
formelhaften  Verwendung  seltener;  von  der  liebesnacht: 

er  gedähte,  des  llhte  niht  geschach, 
mit  ir  vil  guote  naht  hän 

Haetmann  Erec  6354; 

dieweyl  sie  von  der  guten  nacht  sagten,  die  Rinaldo  mit 
der  schönen  frawen  begangen  het  Arigo  decam.  65  K.; 
wer  ausz  lieb  ein  frau  nimbt,  der  nimbt  immer  gute 
nacht  aber  böse  tag  Lehman  flor.  pol.  l,  162;  vereinzelter 
'zu  guter  nachtrxihe' : 

die  herren  riten  sä  zehant 
von  dem  kunic  ze  guoter  naht 
Ottokae  v.  Steiermark  reimchron.  1621  Seem.; 


1275 


GUT,  adj.,  III  A  4 


GUT,  adj.,  III  A  5 


1276 


aufs  geistige  gehend  'unterhaltlich':  hoffte  heut  auf  einen 
guten  abend  mit  ihnen  Göthe  IV  3^  72  W.; 

e)  gute  stunde  stunde,  in  der  man  sich  wohlfühlt,  vgl. 
sy  laszt  im  wenig  guter  stunden  Feisitts  322b,  allgemein 


kein  gute  stund  noch  zeit  ich  hab 
ich  werck  mir  selbs  das  leben  ab 

K.  Scheit  Grob.  1562  ndr.; 

ich  sprach  zur  guten  stunde, 
da  mirs  noch  wol  ergieng 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  349 ; 

{das  mädchen)  wird  dir  manche  gute  stunde  machen 
können  ollapatrida  43  Wien,  ndr.;  bezüglich  des  körper- 
lichen beßndens,  'schmerzfrei^-  sy  {ist)  in  disen  groszen 
arbaiten  ain  gantzes  jar  . . .  gewessen  also  das  sy  nie  gütte 
stund  gewan  Elsbeth  Stagel  schw.  z.  Tösz  115  Str.; 
wenn  Anna  an  sonnigen  nachmittagen  eine  gute  stunde 
hatte  G.  Keller  ges.  w.  2,  69;  auf  seelische  werte  bezogen: 
ich  werde  gewisz  mich  jederzeit  .  .  .  der  guten  stunden 
erinnern,  die  ich  das  glück  hatte,  in  ihrer  gesellschaft 
zuzubringen  Göthe  IV  29,  15  W.; 

in  allen  guten  stunden 

erhöht  von  Heb  und  wein  I  1, 117; 

im  südl.  Deutschland  redensartlich  verbreitet:  ein  mensch 
wie  die  gut  stund  commodus  homo  Fbisius  261  b;  denn 
es  war  ein  mann  wie  die  gut  stund,  der  keinen  krieg  f  ür- 
nam,  dann  so  er  zur  gegenwehr  greifen  müst  Sbb.Franck 
chron.  Oerm.  (1538)  i6^;  es  ist  die  gute  stunde  selbst:  ein 
mann,  den  man  um  den  finger  wickeln  könnte  portraits 
(1779)  221. 

4)  im  allgemeinsten  sinne  für  alles,  was  dem  menschen 
gefällt  oder  wilnschbar  scheint: 

da  si  ensament  lägen 
und  guoter  minne  phl&gen 

Hartmann  Erec  8616; 

so  auch  in  älterer  sprachstufe  gut  dünken  'gefallen' : 

(die  frauen)  begunden  Waten  vrägen      ob  in  daz  diuhte  guot, 
swanne  er  bl  schoenen      vrouwen  sitzen  solte 
oder  obe  er  gerner      in  den  herten  stritcn  vehten  wolte? 

Kudrun  343,  2  M.; 

vil  ding  dem  menschen  lieben,  gut  duncken  und  gefallen 
Akigo  decam.  269  Z.; 

insonderheit  dunkt  sie  gar  gut, 
zu  trinken  sein  das  zarte  blut 

FiSCHART  flöhhatz  (1610)  5»; 

'das  buch  ist  gut  heiszt  es  gefällt  mir'  studentenspr.  in 
Halle  (1894)  52;  modern  verbreitet:  einen  guten  eindruck 
machen,  haben  ti.ä.;  besonders  bei  ding,  sache: 

guoter  dinge  gnuoge      hei  waz  man  der  da  vantl 
vrische  kalte  brunnen      die  vluzzen  in  dem  tanne 

Kudrun  1143,  2  M.; 

an  allen  gnoten  dingen  hän  ich  wol  gemeine, 

wan  da  man  teilet  friundes  11p  Walther  70,  33; 

er  sprach:  gotes  hulde 
ist  mir  ein  Überguide 
vor  allen  guoten  dingen 

>  Jansen  Enikel  weltchr.  3985  Strauch; 

gute  ding  vergisset  man  bald 
das  böse  kan  man  besser  behalten 

Lehman  fior.  pol.  3,  131 ; 

und  Rom  als  spinne  sasz  satt  im  netz  der  guten  dinge 
W.  ScHÄEEE  dreizehn  bücher  (1925)  211;  in  sprichwörtlichen 
Wendungen:  es  gilt  noch  eines  umb  guter  gesellen  \villen: 
aller  guten  ding  sollen  drey  sein  Luther  26,  550  W.; 
aller  guten  dinge  sind  drei  Herder  5,  103  S.;  gut  ding 
wil  weil  haben  Luthers  sprichw.  23  Thiele;  gut  ding  wil 
haben  zeit  und  weil  Eyering  prov.  cop.  l,  731,  wo  II  A 
stark  hineinspielt; 

sich  treit  der  werlde  sache 

vil  ofte  z  ungemache 

und  aber  von  ungemache 

wider  ze  guoter  sache  Gotfeid  Tristan  1866; 

date  han  ihr  guet  sach  grusz  an  feiernde  Martin-Lien- 
hart  1,  248 ;  guete  sach  han  behaglich  leben  Staub-Toelee 
2,  537;  der  weisz  nicht,  was  gut  ist,  der  schlimmes  nicht 
erlebt  hat  Wander  2,  175;  in  bezug  auf  den  ausgang  einer 
handlung  'vmnschenswerf : 


swer  sime  rehte  unreht  tuot 

da  Wirt  daz  ende  selten  guot 

Feeidank  106,  21  Gr.; 
{das  Unglück)  sich  doch  ze  gutem  seligen  ende  gefüget 
hat  Arigo  decajn.  5iK.;  {es)  nemmen  die  teufelsbe- 
schwerer  selten  ein  gut  ende  volksb.  v.  dr.  Faust  9  Br.; 
ähnlich  auch  im  Sprichwort  ende  gut,  alles  gut :  wenne  das 
ende  gut  ist,  so  ist  is  gar  gut  prov.  Fridanci  53;  ende 
gut,  alles  gut  Pistorius  thes.  paroem.  3,  342;  besonders 
von  einem  sanften  und  seligen  lebensende  im  gegetisatz  zum 
bösen  tod,  dem  gewaltsamen  und  unbuszfertigen  ende: 

und  hab  uns  herre  in  diner  hüt 
und  mache  uns  unser  ende  gut 

H.  V.  BtJHEL  Diodetian  9494  K., 

vgl.  ähnlich  adverbiell  gewendet  in: 

ich  bitt  durch  Christi  blut 
machs  nur  mit  meinem  ende  gut 
ÄMiLiE  Juliane  v.  ScHWARZBURa-RuDOLSTADT  bei  Fischbe- 
TtJMPEL  5,  564; 

wer  dem  barfüszer  orden  widerig  ist,  der  stirbt  keins 
guten  todts  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr.  1,  158  ndr.; 
wer  ein  junckfrau  schendet,  der  stirbt  keins  guten  tods 
sprichw.  (1548)  116^';  gute  seite  'angenehme  seile':  jedes 
übel  hat  eine  gute  seite  vgl.  Rother  schles.  sprichw.  254^. 

5)  spezieller  auf  den  zustand  des  gemütslebens  gehend, 
geht  der  begriff  gut  vom  angenehmen,  behaglichen  zum  er- 
freulichen, freudigen  über,  eine  entwicklung,  die  bereits  in 
älterer  spräche  einsetzt,  vgl.  er  {der  äther)  io  in  guotemo 
ist  immutabili  laetitia  renidebat  Notkee  bei  Graef  4,  159; 
tes  tu  nu  trurig  pist,  tes  soltöst  tu  in  guotomo  sin  ebda; 
s.  auch  got.  wen  goda  {l^niöa  uya&rjy)  2.  Thess.  2, 16. 

a)  inhaltlich  neutral  ist  in  älterer  zeit  mut  (herz)  als 
'gesinnung,  sinn' ,  die  kraft  des  adj.  im  sinne  'freudig, 
getrost'  kommt  daher  hier  zu  voller  geltung;  doch  kennt  auch 
das  lat.  in  bonus  animus  die  gleiche  Verwendung  und  kann 
von  einflusz  gewesen  sein,  vgl.  mit  cuatu  muatu  {cum  bono 
animo)  Benediktinerregel  cap.  5  in:  Steinmeyer  kl.  ahd. 
sprachdenkm.  208,  ein  guter  mut  bonus  animus  Eeisius 
158^,  guds  muds  animequior  Diefenbach  35^: 

1&  guoten  muot  den  hassen  muot  von  dir  vertrlben: 
minne  got,  so  mäht  du  frö  bcHben  Walther  37,  28; 

Sit  bl  guotem  muote! 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  2593  T.; 

guttir  mut  ist  halbir  leib  {leben)  prov.  Fridanci  38;  S.  bot 
ihm  die  hand,  .  .  .  hiesz  ihn  gutes  muthes  seyn  Nicolai 
Seb.  Nothanher  l,  138; 

du  trauerst,  liebelt  er, 

sei  guten  muthes,  freund I        Göthe  2,  75  W.; 

als  abschiedsgrusz:  gehab  dich  wol  und  pisz  gütz  mütes 
Akigo  decam.  192  K.;  als  adverbialer  ausdruck  'lustig, 
vergnügt',  vgl.  güts  müts,  frölich  oder  leychtsinnig  Fei- 
sius  158^ :  der  baur  . . .  gieng  dahin  guts  muhts  Kirchhof 
wendunm.  2,  420  Ost.;  sie  aszen  und  tranken  gutes  mutes 
J.  P.  Hebel  w.  2,  85  Beh.;  mit  guttem  mut  ynn  aller 
Sicherheit  zechen  und  wol  leben  Luther  30,  2,  100  W.; 

runda,  runda,  das  hier  ist  gut, 

...  es  macht  uns  einen  guten  muth 

Chr.  Beuter  Harleq.  kindb.-schm.  85; 

wir  kommen  in  ainem  monat  wider,  so  wellen  wir  erst 
ainen  gütten  mut  haben  {dann  soll  es  erst  lustig  hergehen) 
Fortunatus  60  ndr.;  guter  muth  secundus  nuptiarum  dies 
Scherz  582;  im  sinne  'ziiver sichtlich,  tapfer,  getrost': 

doch  hab  ich  mir  fürgenommen  heut 
ich  wöll  einen  guten  mut  haben 

Hans  Sachs  5,  47  K.; 

so  mögen  sie  bei  einen  fridtlichen  gutten  muth  sein 
(18.  jh.)  österr.  weist.  11,  297; 

gäbet  ihr  uns  auf  der  erde 

festen  sinn  und  guten  muth  Göthe  2,  86  W.; 

auch  unter  den  anwachsenden  Schwierigkeiten  behielt  er 
guten  muth  Ranke  s.  w.  1,  117;  so  auch  ein  gutes  herz: 
sie  sprach:  'ich  bin  unlustig  und  kan  nichts  essen',  'ey', 
sprach  ihre  basz,  'es  wirdt  villeicht  heind  besser,  hab 
nur  ein  gutes  hertz!'  Schumann  nachtbüchl.  219  B.;  sie 
hätten  niemahls  mehr  Ursache  gehabt,  ein  gut  hertz  zu 


1277 


GUT,  adj.,  III  A  5 


GUT,  adj.,  III  A  6 


1278 


haben  Lohenstein  Arminius  2,  loei'^;  als  'vergnügt,  fr oW 
in  gute  laune,  guter  humor:  mein  vater,  der  guter  laune 
war,  .  .  .  hatte  .  .  .  zugesagt  Stobm  w.  (1899)  l,  152;  heute 
hat  er  die  gute  {laune)  Fischer  schwäb.  3,  951;  ein 
büchlein,  das  .  .  .  uns  in  guten  humor  versetzt  Göthe 
IV  35,  141  W.;  ihr  mann  war  guter  humor  3,  107;  in 
heutiger  spräche  besonders  gute  Stimmung  sowohl  für  die 
zuversichtliche  wie  für  die  vergnügte  gemütsverfassung  ; 
mehr  nach  IV  B  hin:  damit  er  ihn  in  gutem  laun  haben 
und  ihn  zum  gnädigen  herrn  behalten  möge  Gkimmels- 

EAUSEN   2,  357  K. 

b)  bei  abstrakten,  die  einen  bestimmten,  positiv  bewerteten 
geniütszustand  angeben,  so  bei  hoffnung,  Zuversicht  und 
ähnlichen  begriffen  im  sinne  ^getrost,  freudig,  zuversicht- 
lich':  jah  atgaf  gajjlaiht  aiwema  jah  wen  goda  in  anstai 
got.  bibel  2.  Thess.  2,  16; 

und  hetent  des  vil  guoten  wän 

Tristan  als  manch  1482; 

etwas  anders  'in  freudiger  erwartung': 

dei  künic  in  guotem  wäne      dö  vra3lichen  saz 

Nibelungen  659, 1  Bartsch; 
60  dien  ich  dir  uS  guten  won 

liederb.  d.  Eätzlerin  280  H.; 
diu  groeste  vröude,  die  wir  hän, 
deist  guot  gedinge  und  lieber  wän 

Fkeidank  134,  23  Gr.; 
um  guot  geding  und  übei  leben 
•Wirt  vil  swacher  lön  gegeben 

BONEK  edelstein  22,  5; 

habe  guoten  drost  nihil  igitur  pertimescas  Notkeb  1, 49P.; 

euch  hän  ich  guoten  tröst  daran 

GOTFKID   Tristan  13318; 

(er)  macht  mich  guter  hoffnung  so  vol  Luther  23,  31  W.; 
ich  (bi'/i)  tröstlicher  guter  hoffnung  Heyden  Plinius  (1565) 
vorr.  4^^; 

seid  guter  hoSnung  unverzagt! 

Haynecciüs  Hans  Pfriem  27  ndr.; 

die  fromme,  guter  hoffnung  lebende  Maria  Göthe  IV  34, 
10  W.;  mehr  nach  I  C  hin:  erg  sthet  die  sach  in  einer  guten 
hoffnung  Luther  28,  669  W.;  von  hier  an  seh  ich  keine 
gute  hoffnung  Göthe  IV  4, 16  W.;  zu  I  A  6  c  neigend:  so 
ist  gute  hoffnung  zu  machen,  ihr  werdet  bald  gar  catho- 
lisch  werden  Griaimelshausen  2,  359  K.;  feste  formet 
guter  hoffnung  sein  'ein  freudiges  ereignis  erwarten, 
schwanger  sein':  als  sie  zunächst  wieder  guter  hoffnung 
ward,  brachte  sie  eine  tochter  zur  weit  Göthe  43,  18  W.; 
gude  zuversycht  inducie  Diefenbaoh  295'»';  ohn  gute  Zu- 
versicht diffidenter  Calepinus  XI  ling.  422'>';  mehr  in  ver- 
stärkender funktion: 

theist  thaz  minaz  heila  muat      joli  ouh  min  frewida  so  guat 
in  imo  sint  mir  follo      tlüa  mina  frewida  allot 

Otfrid  II 13,  15; 
und  wie  sl  beidiu  wolten 
. .  .  guoter  vröude  walten 

Hartmann  Iwein  6530; 
mit  guoten  Ireuden  er  az 

WOLFEAM  Parzival  581,  26; 

(er)  freuete  sich  drüber  mit  der  guten  freude  eines  Werk- 
meisters Herder  6,  ii  S. 

c)  guter  dinge  sein  'fröhlich  sein\  nicht  vor  dem  15,  jh. 
zu  belegen,  vgl.  Hollander  zs.  f.  dtsche  wortforsch.  7,  307 ; 
die  dort  805/7.  verstichte  erklärung,  die  rcdensart  aus  gut 
gedinge  (s.  b)  'frohe  hoffnung'  herzuleiten,  ist  ansprechend, 
enthält  aber  iwch  die  Schwierigkeit,  dasz  ein  mhd.  guoter 
gedinge  sin  im  sinne  'lustig  sein'  nicht  nachgewiesen  wird; 
brücken  für  diese  bedeutungsentwicklung  wären,  etwa 
stellen  wie: 

mich  bat  liep  gedinge 

in  den  vröuden  her  behalten 

minnesinger  1,  360»  v.  d.  Hagen; 
mir  male  min  guot  gedinge  noch  die  sorge  wol  vertriben 

1,295"; 

eine  art  mittelstellung  zeigen  noch:  sie  solten  guter  dinge 
und  nicht  zaghaft  sein  Schütz  hist.  rer.  pruss.  (1592)  l, 
e  4^ ;  einen  heiszen,  mutig,  f rölich  und  guter  dingen  seyn 
FrISIUS  158'3; 

gnedige  frau,  seyt  guter  ding! 

Hans  Sachs  2,  37  K.; 


prägnant:  frölich  und  guter  dinge  sein  Luther  50,  511 W.; 
oder  da  man  drüber  von  hertzen  leichtsinnig  und  gar 
guter  ding  ist  Mathesius  Äarepto  (1571)  231^;  unterdessen 
sind  die  gaste  lustig  und  guter  dinge  Oleabius  verm. 
reisebeschr.  (1696)  55;  mittlerweile  war  Otto  der  schütz 
guter  dinge  zu  Cleve  Grimm  dtsche  sagen  2,  187;  verein- 
zelter: das  sie  den  (bösen)  man  guter  ding  machten  Geiler 
V.  Keisersberg  brösaml.  (1517)  56^',  wo  gute  dinge  {s.  V) 
im  sinne  'rechtschaffene  dinge'  hineinkreuzt;  im  16.  jh.  auch 
guter  küchlein  sein :  nachdem  ich  erf  aren,  wie  das  ir  guter 
küchlin  bei  den  gesten  .  .  .  gewesen  (seid)  schwanke  d. 
16.  jhs.  392  Bobertag;  über  gut  geschirr  machen  vgl.  teil  4, 
1,  2,  sp.  3893. 

6)  auf  die  gegenstände  bezogen,  deren  artung  den  gehobenen 
gemütszustand  herbeiführt. 

a)  im  sinne  'erfreulich' ;  so  alt  für  evangelium,  vgl.  gut 
virkundunge  Diefenbach  2123', gut  kundung  nov.gl.lbl^: 


that  sea  slioldin  ahebbean 
godspell  that  guoda 


helagaro  stemnun 

Heliand  25; 


kuot  arende  evangelium  Notkeb  2, 107  P.;  das  evangelium 
ist  als  vil  als  ein  gute  botschaft  in  tutscher  sprachZwiNGLi 
dtsche  sehr.  1,  33; 

ich  bring  euch  gute  neue  mehr 

Luther  bei  Fischke-Tümpel  S,  23 ; 

ebenso  von  nuchrichten  aller  art: 

waz  maere  hästü  vernomen? 
guotiu  msere!  sage  doch  wie? 

Hartmann  Iwein  2207; 

6  der  morig  abend  kome,  ir  gute  mere  haben  sölt  Arigo 
decam.  210  K.;  es  ist  uns  ein  änickel  geboren  ...  du  ver- 
kündest uns  gütte  bottschaft  Boltz  Terenz  (1539)  128*; 

du  wirst,  das  wil  ich  hoffen 
mir  bringen  gut  bescheid 

Reinicke  fuchs  (1650)  368; 

einem  gute  post  bringen  Kbaueb  teutsch-ital.  2,  224  C;  ich 
bringe  gute  zeitung  mit  Bamleb  ei7Ü.  (1758)  1,  300;  wer 
will  gute  Wahrsagung?  maleb  Mülleb  w.  1,  117;  gute 
nachricht  kommt  stets  gelegen  Wandeb  3,  840  ;  von  da 
aus  übertragen  auf  den  boten,  vgl.  guter  bott,  der  gute  bott- 
schaft bringt  evangelus  Maaleb  1991»; 

ich  bin  ein  engl  von  gott  gesandt 

meins  ampts  ein  gutter  bott  genannt 

JOH.  V.  ScHWARZENBEEG  bücM.  V.  Zutrinken  41  ndr.; 

doch  auch  in  allgemeiner  anwendung  'vergnüglich,  lustig': 
wenn  wir  auch  dahin  (zum  teufd)  kommen,  so  haben  wir 
doch  gute  geselschaft  Ambach  v.  tanlzen  (1543)  a  4'"';  bey 
guter  gesellschaft  ist  gut  sitzen  Petbi  d.  Teutsch.  weish.  2, 
L  l'i;  B.  (zeigte)  ...  in  seinen  besten  jähren  in  guter  ge- 
sellschaft einen  sehr  erfreulichen  humor  Göthe  II 2, 
192  W.;  gute  Unterhaltung  sei  halber  weg  O.  Ludwig  ges. 
sehr.  2,  11;  wir  sind  schon  eine  weile  in  Zürch  und  haben 
ein  gutes  leben  mit  Lavatern  Göthe  IV  4,  151  W.;  ver- 
gleichbar gut  lewens  machen  spielen  Mabtin-Lienhart  1, 
248,  mer  wend  guot  leaban  thuan  wir  wollen  etwas  spielen 
ScHMiD  schwäb.  246  wohl  im  sinne  'sich  vergnügen' ;  mit 
I  C  sich  mischend  'erfreulich' :  es  ist  mein  unglück,  dasz 
ich . . ,  alles  von  der  guten  seite  ansehe  Göthe  IV  l,  201 W.; 
ich  .  .  .  freue  mich  des  guten  eindrucks  IV  41,  129. 

b)  im  sinne  'lieblich,  schön' ,  namentlich  von  dingen  ästhe- 
tischer Wirkung;  ähnlich  schon  in  alter  spräche: 

.  . .  thär  ward  so  wunsam  spräka 

so  göd  Word  undar  gumun  Heliand  3133; 

Sit  daz  gedenken  dar  von  hinne  {an  die  himmlische 
so  süeze  ist  und  so  rehte  guot,  Iherriichkeit) 

daz  sich  der  geist  entwindet 
Lamprecht  v.  Beöensburg  tochter  Syon  2130  Weinh.; 

guoter  rede  (feiner  worte)  kimnet  ir  vil 

d.  heidin  959  Pf.; 
besoThders  von  künstlerischen  werken: 

dur  si  man  singet  unde  seit 

so  guot  getiht  und  suez  gedoene 

Hadlaub  in:  minnesinger  2,  281*  v.  d.  Hagen; 


unt  wisse  er,  wa 

guot  sank  noch  weere 

er  würbe  vil  endelich  darna 


2,  280»; 


1279 


GUT,  adj.,  III  A  6 


GUT,  adj..  III  A  7 


1280 


dar  umb  wel  Ich  springen 

und  ein  gut  litgen  (liedchen)  singen 

Älsfelder  passionsspiel  56  Grein; 

nichts  schiclit,  dünclit  mich,  nicht  sich  basz 
als  gut  trancli  und  gute  lieder 

Königsb.  dichterkreis  23  ndr.; 

gut  ghemelte  anaglifa  Diefenbäch  nov.  gloss.  22^; 

dar  an  si  wol  geschriben  vant 
mit  guoter  schritt  wis  unde  wort 

U.  V.  Lichtenstein  frauendienst  321,  24  L.; 

heute  ist  gute  handschrift  mehr  die  leserliche  als  die  eigent- 
lich schöne  handschrift  und  nähert  sich  damit  I  A  3 ;  feste 
Verbindung  guter  geschmack  'der  dem  ästhetischen  fein- 
gefühl  entsprechende  geschmack':  derjenige  gesclimack  ist 
gut,  der  mit  den  regeln  übereinkömmt,  die  von  der  Ver- 
nunft .  .  .  albereit  fest  gesetzet  worden  Gottsched  ver- 
such (1751)  125,  wo  noch  I  A  4  durchschmeckt;  der  gute 
geschmack  in  den  künsten  Ramler  einl.  (1758)  l,  7;  ver- 
stand ist  die  seele,  genie  der  körper,  und  die  erscheinung 
beider  in  einander  heiszt:  guter  geschmack  Herder  5, 
60S  8.;  doch  kann  ich  mich  nicht  enthalten,  den  guten 
geschmack  zu  predigen  Göthe  IV  l,  181  W.;  mehr  von  der 
schönen  erscheinungsform:  (ein)  saal,  im  guten  geschmack 
decorirt  1 17,  3 ;  eine  recht  artige  gratulation  . . .,  die  einen 
guten  ton  hat  und  überhaupt  wohl  gerathen  ist  IV  8,  9. 

c)  gute  künste  'die  schönen  künste'  übersetzt  lat.  artes 
bonae,  deren  bereich  durch  die  mittelalterlichen  artes  libe- 
rales bestimmt  wird:  der  zirckel  aller  guten  künsten  en- 
cyclopaedia  Calepinus  XI  ling.  480*' ;  ein  liebhaber  der 
guten  künst  philologus  GoLitrs  onom.  (1585)  169;  demnach 
wir  vil  herrlicher  exempel  haben,  wie  so  ein  schön,  lustig, 
herrlich  und  auch  zierlich  ding  sey  umb  ein  menschen, 
der  in  guten  künsten  erfaren  ist  Montanus  schwankb.  3 
lit.  ver.; 

all  gute  künst  sind  gottes  goben, 
glchrte  zum  reich  gotts  soll  man  loben 

FiscHAKT  s.  dicht.  2,  379  Kurz; 

dahero  .  .  .  die  tugend  und  guten  künste  in  aufnehmen 
gesetzt  wurden  Lohenstein  Arminius  l,  115*';  in  freierer 
anwendung: 

heil  ihm,  der  aus  lorbeerwäldern 
aus  des  Ölbaums  stillem  hain 
heimkehrt  —  allen  guten  künsten 
bringt  er  weizen,  öl  und  weinl 

Brentano  ges.  sehr.  2,  84 ; 

(es)  wurden  einige  mondscheine  aufs  papier  gebracht, 
dann  sonst  allerlei  gute  kunst  getrieben  Göthe  32,  40  W. 

d)  im  sinne  'ergötzlich,  erheiternd,  unterhaltsam': 

ich  sünge  gern  hübeschen  sang 
und  seit  euch  guotiu  msere 

minnesinger  2,  355  »  v.  d.  Hagen; 

ßo  waren  in  irem  mund  vil  hoflicher  schimpfrede  guter 
schwencken  Niclas  von  Wyle  transl.  23  K.;  voll 
schimpfreden  und  guter  schwäncken  facetosus,  jocosus 
homo  Maaler  2008';  gute  schwenck  facetiae  Zehner 
nomencl.  (1645)  8; 

verzeuch  ein  weil  und  hab  gedult, 
es  ist  des  guten  gschwätz  hie  schuldt; 
doch  will  ich  komen  jetz  behend 
sobald  ich  hab  gehört  das  end 

K.  Scheit  Grob.  2210  ndr.; 

ähnlich  in  neuerer  spräche  guter  witz,  gute  anekdote:  ein 
guter  witz  musz  den  schein  des  unabsichtlichen  haben 
v.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr,  l,  43 ;  vielfach  ironisch 
gute  geschichte  'unerfreuliche  angelegenheif:  das  wird  eine 
gute  geschichte  werden,  seufzte  ich  innerlich  v.  Gafdy 
s.  10.  2, 113;  ähnlich  auch  gute  possen,  zunächst  im  sinne 
'lustig\  oft  auch  ironisch: 

das  macht  uns  guter  bossen  vil 
und  treibt  visierlich  aflenspil 

K.  SCHBIT  Grob.  2561  ndr.; 

wil  sunst  ein  guten  possen  machen 

H.  B.  Manuel  weinspiel  74  ndr.; 

ebenso  gute  streiche  'schlimme  streiche':  wan  sy  [die 
pharisäer)  erlagen  in  kunst,  so  wendeten  sy  sich  zu 
Schmachworten,  ufrür  und  guten  streichen  Judas  Na- 
ZAREi  V.  alten  u.  neuen  gott  10  ndr. 


7)  einen  besonderen  bedeutungskreis  gewinnt  gut  im  sinne 
'zufriedenstellend  hinsichtlich  der  ökonomischen  läge',  ge- 
radezu 'ertragbringend,  vorteilhaft';  das  attribut  gut  ist  hier 
zwar  teilweise  als  objektive  Wertangabe  av.ffaszbar,  doch 
überwiegt  in  den  meisten  fällen  das  subjektive  moment  der 
.  Wertschätzung. 

a)  bei  Zeitbestimmungen:  guotiu  jar  unde  ubeliu  feraces 
annos  et  steriles  Notker  1,  56  Piper;  da  waren  gude  jar, 
da  kaufte  man  uf  dem  Rine  ein  gut  fuder  wines  umb 
echte  (acht)  gülden  Limb,  chron.  78  Wysz; 

ei  was!  es  war  ein  gutes  jähr,  der  bauer  kann 

schon  wieder  geben  .  .  .  Schihee  12,  70  0.; 

s  war  heuer  wieder  a  gudes  jähr  G.  Hauptmann  weber  54; 
goode  ia&re  fruchtbare  jähre  Dähnert  157^;  item  in  disen 
jaren  was  gude  zit  von  fruchten  unde  von  wine  Limb, 
chron.  34  Wysz;  gode  tijd  wolfeile  zeit  Dähnert  157^; 
guter  Sommer  Fischer  schwäb.  3,  941;  etwas  anders:  er 
.  .  .  hatte  auch  allem  ansehen  nach  keinen  guten  sommer 
gehabt  Grimmelshausen  2,  20  K. 

b)  bei  begriffen,  die  den  ertrag  selbst  bezeichnen:  diu  lant 
diu  guoten  v/uocher  bereut  Notker  ps.  88,  6;  hundert - 
faltigen  guoten  wuocher  bringen  dtsche  pred.  d.  13.  jhs.  2, 
52  Qrieshaber; 

farit  im  ford  mid  thiu,       antfähit  is  mieda, 
guod  lön  at  gode,      nl  sindun  cniga  geba  beteran 

Heliand  3484; 


vgl. 


mundo  aldrcgi 

Hdvamdl  123,  3  Neckel; 


l>viat  af  illom  manni 
göds  laun  um  geta 

ziu  scal  iu  Ion  sin  thanana  guat? 

OtfridII  19,  26; 
Ich  wil  aber  miete: 
■Wirt  min  lön  iht  guot, 
ich  sage  iu  vil  lihte  daz  iu  sanfte  tuot 

Waither  56, 19; 

Ich  wil  dir  geben  guten  Ion 

Hans  Sachs  2,  4  K.; 

neuere  spräche  empfindet  aber  guter  lohn,  gutes  gehalt, 
gute  bezahlung  u.  ä.  mehr  als  quantitative  kennzeichnuruj , 
vgl.  gut  VI; 

daz  düht  si  ein  guot  gewin 
wan  si  het  got  beraten 

J.  Enikel  weltchron.  9208  Str.; 

das  er  an  jedem  füder  guten  gewinne  hat  Straszb.  wein- 
zapfordn.  545  Brucker;  guter  und  groszer  gwün  lucrum 
bonum  Frisiüs  159*;  ich  wil  die  sinnebilder  (gemälde)  umb 
meinen  Stammbaum  mit  gutem  gewinn  vergelten  Bach- 
mann janua  lat.  bipatens  (1631)  nr.  865;  München  macht 
einen  guten  gewinn  an  dem  professor  Phillips  Brentano 
sehr.  9, 283 ;  gute  ernte :  gute  düngung  verspricht  gute  ernte 
Herder  23,  8  S.,  vgl.  gute  erndte  buona  raccolta  Kramer 
teutsch-ital.  l,  578'';  guter  kauf  vom  kauf  er  aus  'wohlfeiler 
kauf ,  vgl.  ein  guten  kauf  thün  bene  emere  Frisius  472*; 
woUfeul  und  sehr  guets  kaufs  S.  Kiechel  reisen  244  lit. 
ver.;  es  were  ein  güttir  kauf  Platter  94  Boos;  [der  rosz- 
händler)  vernomen  het  wie  söliche  grosze  rosz  zu  Napolis 
gar  in  gutem  kauffe  weren  Arigo  decam.  78  K.;  die  mütter 
gibt  so  guten  kauf  als  die  tochter  sprichw.  (1548)  95t>;  gut 
kauf  oder  guten  kauf  es  wohlfeil  Müller-Weitz  Aach.  ma. 
70;  vom  Verkäufer  aus  'gewinnbringend' :  andern  gewerbe- 
treibenden (wird)  gutes  geschäft  (gewünscht)  Fb.  L.  Jahn 
w.  2,  921;  Türken  .  .  .,  die  eine  gute  handlung  (handel)  mit 
Seide  .  .  .  betreiben  Jung-Stilling  w.  3,  32;  wen  dy  kin- 
der  und  toten  czum  markte  komen,  zo  wirt  her  gut  prov. 
Fridanci  53 ;  die  spaten  merckt  werden  gern  gut  sprichw. 
(1548)  8^;  nachdem  die  mesz  gut  gewesen,  giengen  sie  .  .  . 
in  der  stadt  spazieren  Kirchhop  wendunm.  1,  182;  'ein- 
träglich':  das  ich  dir  wil  fünfhundert  cronen  geben  und 
dich  dartzu  an  ain  gutt  ampt  schaffen  Fortuiiatus  21  ndr.; 
diese  gute  pfründe  Göthe  24,  21  W.;  ebenso  guter  posten, 
gute  Stellung;  du  (soldat)  bedörftest  wohl  wieder  einen 
guten  krieg,  damit  du  wieder  ein  wenig  zurecht  kämest 
Grimmelshausen  Simpl.  i,  246  Kurz;  ein  alter  jaghund 
macht  eine  gute  jagt  Lehman  floril.  pol.  l,  10;  eyiah  ich 
hab  ein  fast  gütten  fund  Boltz  Terenz  (1539)  77»;  auch 
modern  einen  guten  fund  machen;  'vorteilhaft':  ich  wnsztQ 


1281 


GUT,  adj.,  III  A  8.  B 


GUT,  adj.,  III  B  1-5 


1282 


für  meine  schülerinn  eine  sehr  gute  partey  Gottsched 
dtsche  sckaub.(nil)  1,86;  eine  sogenannte  gute  parthie 
Baüernfeld  ges.  sehr,  l,  124. 

c)  zur  bezeichnung  der  günstigen  wirtschaftlichen  Situa- 
tion,  in  der  sich  die  perso7i  befindet:  sie  müssen  bey  guten 
mittein  seyn  Chr.  Reuter  ehrl.frau  12  ndr.;  der  Schneider 
befand  sich  jetzt  in  guten  Verhältnissen  v.  Ebner-Eschen- 
BACH  ges.  sehr.  3,  8;  sie  nahmen  dadurch  selbst  an  gutem 
Wohlstände  zu  Nicolai  Seb.  Nothanker  1,  26;  in  guden 
heften  sein  wohlhabend  sein  Bauer-Collitz  ib^;  sin  sach 
guet  han  wohlhabend  sein  Staub-Tobler  2,  540;  'vermög- 
lich'': sie  {war)  ein  töchtergen  aus  einem  guten  kaufmanns- 
haus  U.  Bräker  s.  sehr,  l,  244;  gut  machen:  der  todt  und 
ein  braut  machen  die  armen  gut,  den  da  gibt  man  all- 
mosen  in  den  kästen  für  die  armen  Petri  d.  Teutsch. 
weish.  2,  p  2^;  anders  'verdienen' :  sie  hatten  heuer  e 
hübsch  biszchen  gut  gemacht  Müller  -  Fraureüth 
1,  452, 

8)  gut  als  'angenehm,  erfreulich^  verengert  als  'ohne 
Schwierigkeit,  keine  mühe  machend'  wendet  sich  in  begrenz- 
ter anwendung  zum  sinn  'bequem,  leicht\ 

a)  bei  begriffen  wie  reise,  fahrt,  weg,  vgl.  bane,  eyn  gut 
wech  planities  Diefenbach  7iov.  gloss.  29i^:  gud  weck 
umme  had  keyne  krumme  prov.  Fridanci  40;  im  bilde:  wer 
ist  der,  so  er  vindet  sein  veind,  daz  er  in  lest  an  dem  guten 
weg  erste  dtsche  bibel  5,  107;  auf  gutem  wege  sein  'bequem 
vorwärtskommen,  erfreulich  fortschreiten'' :  meine  freude  ..., 
das  geschäft  auf  so  gutem  wege  zu  sehen  Göthe  IV  41, 
45  W.;  'sich  in  erfreulichem  zustand  befinden' ,  gesundheit- 
lich: ich  war  auf  recht  gutem  wege,  habe  mir  aber  donners- 
tag  .  . .  ein  haisweh  geholt  30,  84 ;  seelisch-geistig :  der  her- 
zog ist  auf  sehr  guten  wegen  .  . .,  es  klärt  sich  vieles  in  ihm 
auf  6,  173;  er  .  .  .  ist  gewisz  auf  einem  guten  wege  der 
kunst  8,  46;  es  hat  gute  wege  mit  etw.  seit  dem  17.  jh.  im 
sinne  'nicht  viel  mühe  haben,  es  sich  bequem  machen  mit 
etwas\  'zu  spät  sein\  wann  der  vogel  ausz  dem  gebauer  ist, 
so  hats  mit  der  wache  gute  wege  Chr.  Weise  grün,  jugend 
222  ndr.;  von  da  aus  zu  verstehen  als  'es  hat  keine  eile\- 

o  herrl  mit  dem  hats  gute  wegel 

Pfeffkl  poet.  ters.  2,  45; 

noch  nicht,  erwiderte  der  geleiter,  damit  hat  es  gute  wege 
Fr.  L.  Jahn  w.  l,  4C2;  au^h  das  hat  gute  wege  'hat  keine 
eile',  vgl.  Brendicke  Berl.  wortsch.  132;  schlieszlich  'es  ist 
unmöglich':  fürs  leben  gern  möchte  er  den  löwen  spielen 
.  . .,  doch  das  hat  gute  wege!  er  bleibt  dennoch  nur  ein 
nachahmer  Kretschmann  s.  w.  6,  49. 

b)  redensartlieh  gutes  spiel  haben  'müheloses,  leichtes  spiel 
haben':  wem  das  glück  wol  wil,  der  hat  gut  spiel  Petri 
d.  Teutsch.  iveish.  2,  A  a  a  2^ ;  weil  aber  die  liebe  mensch- 
heit  niemals  beysammen  ist,  so  hat  die  natur  gut  spiel, 
sich  vor  unsern  äugen  zu  verstecken  Göthe  IV  13,  77  W.; 
vereinzelt  mit  machen:  diejenige  {literaturzeitung) ,  die  den 
angreifenden  theil  spielt,  {wird)  .  .  .  vor  dem  lieben  deut- 
schen publico  unrecht  behalten  und  der  andern  dadurch 
gut  spiel  machen  17,  39. 

c)  halb  terminologisch  bei  stoßen,  die  leicht  zu  verarbeiten 
und  arbeiten,  die  mühelos  zu  verrichten  sind:  guete  side 
leicht  zu  verarbeitende  seide  Staub-Tobler  2,  539;  e  guetes 
wupp  webearbeit,  die  leicht  vonstatten  geht  ebda;  ebenso  von 
rätseln  und  rechnungen  'leicht  zu  lösen'  {in  Zürich)  ebda. 

B.  in  unpersönlicher  konstruktion  mit  abhängigem  in- 
finitiv  (bzw.  gerundium)  tritt  gut  bereits  in  älterer  spräche 
mit  den  bedeutungen  'es  ist  angenehm,  lieblich,  vorteilhaft, 
bequem,  leicht'  auf,  doch  zeigt  erst  das  nhd.  diese  anwendung 
voll  entwickelt;  der  zunächst  am  satzanfang  oder  satzende 
stehende  ausdruck  es  ist  gut,  wie  gut  ist  (es)  rückt  früh 
direkt  vor  den  infinitiv  und  kommt  dem  charakter  des  adv. 
nahe,  sobald  die  strenge  Scheidewand  zwischen  gut  adj.  und 
wol  adv.  fällt;  mit  flektierfetn  inf.  nach  zu:  wieo  guot  {'lieb- 
lich') sament  dir  ze  wesenne  ist  Notker  ps.  83,  2; 

ez  ist  ze  vehtenne  guot  {'leicht') 
da  nieman  den  widerslac  tuot 

Hautmann  v.  Aue  Iwein  2477; 
IV.  1.  6. 


auch  mit  personalem  dativ: 

den  frowen  ez  guot  ('bequem')  ze  sehene  was 
her  nider  von  dem  palas 

Wolfkam  Parzival  387, 19; 

mit  einfachem  inf.:  wieo  guot  ist  sament  puen  {quam  ju- 
cundum  habitare  fratres  in  unum)  Notker  pjs.  132,  l, 

1)  im  ganzen  selten  bleibt  voranstehendes  es  ist  gut  mit 
abhängigem  inf.  nebst  zu:  es  ist  gut  {'vorteilhaft'')  riemen 
ausz  ander  leuth  heut  zu  schneiden  sprichw.  (1548)  37^'; 
es  ist  gut  {'leicht')  herr  zu  seyn,  wenn  einer  das  recht  unter 
bänden  hat  Petri  d.  Teutschen  weish.  2,  A  a  7'*: 

da  ist  es  gut  ('angenehm')  zu  seyn  und  hütten  aufzubauen 
LOGAU  sinnged.  199  lü,  ver. 

2)  häufiger  ohne  zu;  mit  anfangsstellung : 

es  wer  gut  ('leicht')  schneclien  mit  dir  jagen 

Hans  Sachs  1,  372; 

es  ist  gut  mit  kindern  spielen  {statt  mit  den  fortlaufenden 
hunden)  spriehw.  (1548)  159*^;  es  ist  gut  {'vorteilhaft')  den 
schnit  an  fremdem  duch  lernen  Eyebing  prov.  eop.  2,  536; 
es  ist  gut  {'leicht')  geduldig  seyn,  wann  es  eim  wohl  geht 
J.  Gruter  flor.  eth.-pol.  (1610)  l,  33;  mit  schluszstellung : 

gelt  elnnemen  sey  allzeit  gut  ('vorteilhaft') 

K.  Scheit  Orob.  2298  ndr.; 

gelt  zehlen  ist  gut  aus  ander  leute  beutel  Friedrich 
Wilhelms  spriehwörterreg.  (1577)  3  2»;  unglück  ahnen 
ist  nicht  gut  {'angenehm')  Müllner  dram.  w.  1,  4. 

3)  gut  steht  vor  dem  inf.  mit  zu :  wie  ist  hie  so  gar  gut 
{'lieblich')  zu  syn  d.  ew.  wiszh.  betbüchlin  (1518)  29*;  wir 
nahen  einer  epoche  bei  der  nicht  gut  {'angenehm')  zu  ver- 
weilen ist  Göthe  23,  61  W.;  mit  objektsdativ :  dir  ist  gut 
{'leicht')  gx&m  zu  sein  Luthers  spriehw.  14  Thiele;  de  sik 
loten  Seggen,  den  is  gut  to  raden  Tunnicius  sprichw. 
nr.  364  Hoffm. 

4)  gut  steht  vor  dem  inf.  ohne  zu:  es  ist  ynn  eine  frembde 
haut  gut  {'vorteilhaft')  schneiten  Luther  30, 3,  210  W.;  den 
es  firwar  nicht  gut('fortei/Äo/'t')scherczen  ist  mit  solchen 
klugen  herren  19,  275;  und  ob  es  zwar  gut  {'angenehm') 
in  diesem  saal  wohnen  war  Grimmelshausen  2,  406 
Keller;  im  winter  ist  nicht  gut  wandern  Luther  gl.  zu 
Matth.  24,  20  bei  Dietz  2,  187*';  nach  geschehener  arbeit 
ist  gut  feiern  K.  Scheit  Orob.  47  {randglosse)  ndr.; 
mit  groszen  herren  ist  nit  gut  kirseu  essen,  sie  schieszen 
gern  mit  steinen  zu  und  werfen  die  stil  eim  ann  köpf 
spriehw.  (1548)  9»; 

nachtigall,  wohl  Ist  gut  wohnen 
in  der  linde  grünen  krönen 

Brentano  ges.  sehr.  6,  98; 

im  dunkeln  ist  gut  munkeln,  vgl.  Bauer-Collitz  24*'; 
mit  personalem  dativ:  wer  gern  dantzt,  dem  ist  gut  {'leicht') 
pfifen  Geiler  v.  Keisersberq  post.  (1522)  2,  36»;  den 
gelarten  ist  gut  predigen  Ey bring  prov.cop.  1,  395;  aber 
einem  gelehrten  ist  gut  predigen  Tieck  sehr.  6,  92. 

5)  das  Objekt  des  Infinitivs  tritt  als  subjekt  des  satzes  auf, 
eine  erscheinung,  der  eine  mischung  mit  dem  gebrauch  von 
gut  III  A  zugrunde  liegt;  meist  mit  zu: 

er  sprach:  frou,  die  rede  läz 

under  wegen  beliben. 

ich  bin  niht  guot  ze  vertribenl 

Ottokae  V.  Steieemaek  reimchron.  18396  Seem.; 

hie  dicz  gut  ('leicM')  zu  mercken  ist, 
dasz  hie  sijhe  der  wäre  Crist 

Alsfelder  passionsspiel  874  Qr.; 
was  ich  dich  lern  ist  gut  ('vorteilhaft')  zu  thon 

K.  Scheit  Orob.  409  ndr.; 

alte  hunde  sind  nicht  gut  bendig  zu  machen  prov.  Fridanci 
41 ;  er  wiszte  wol,  wir  weren  gut  zu  verfüren  von  rechtem 
wesen  Eberlin  v.  Günzbutrq  s.  sehr.  1, 80  ndr.;  in  heutiger 
spräche  entsprechend,  z.  b.  das  ist  gut  zu  machen  kann 
leicht  gemacht  werden;  seltener  ohne  zu:  es  ist  ein  ding  gut 
{'mühelos')  sehenden,  aber  bösz  nachthün  spriehw.  (1548) 
155*';  wenn  ich  einen  schönen  langen  hals  sehe,  musz  ich 
gleich  wider  willen  denken :  der  ist  gut  köpfen  Göthe  8, 
212  W.;  frischi  wunden  sind  guet  heilen  Martin -Lien- 
HART  1,  248;  dis  ist  guet  machen  ebda. 

81 


1283 


GUT,  adj.,  IV  A  i 


GUT,  adj.,  IV  A  i 


1284 


IV.  gut  bezeichnet  die  sinne^richtung  einer  person  hin- 
sichtlich ihres  Verhaltens  zu  anderen  personen  und  die  akte 
und  ergebnisse  solchen  subjektiven  gesinnungsausdruckes 
nach  verschiedenen  seilen  hin;  als  grundlage  der  einzel- 
bedeutungen  läszt  sich  die  bedeutung  'geneigt,  wohlmeinend, 
freundlich'  ansehen,  die  das  als  ausgangsbedeutung  er- 
schlieszbare  Verhältnis  des  Verbundenseins,  passens,  taugens 
(vgl.  sp.  1228)  auf  das  gebiet  des  psychischen  überträgt;  vgl. 
gut,  freundtlich  amabilis,  benignus,  humanus  Henisch 
1785.  diese  offenbar  bereits  in  gemeingerm.  zeit  ansetzende 
bedeutung  verrät  noch  in  den  fällen  ihre  beziehung  zur  teleo- 
logischen verwendungsweise  (gut  I),  wo  die  sinnesrichtung 
auf  einen  bestimmten  bereich  eingeschränkt  bleibt,  vgl.  wes 
|)ü  Ü8  lärena  göd  ( 'sei  willig,  geneigt  zur  lehre^ )  Beowulf  269 ; 
war  die  gemain  guet('OTZ%'),das  gesetz  gottes  anzünemen 
städtechron.  2Q,  27;  ähnlich  auch  im  sinne  freigebig^  (A  1  a) 
und  'gefällig'  (A  1  by);  vgl.  auch  ^güte  3  und  gütig  1. 

A.  in  bezug  auf  persönliche  Subjekte  alt  bezeugt. 

1)  in  aktiver  beziehung;  die  gesinnung  wird  durch  das 
handeln  der  person  sichtbar,  'geneigt,  wohlmeinend,  freund- 
lich, gefällig,  gütig,  liebreich. 

a)  als  vielleicht  frühester  ansatz  dieser  bedeutungsrichtung 
erscheint  eine  Verwendung,  die  auf  die  gesinnung  des  unllig 
gebenden,  so  des  gefolgsherrn  gegenüber  seinen  gefolgsleuten 
und  des  gastgebers  gegenüber  seinen  gasten  abzielt,  vgl.  got. 
gastigojjs  rpÜM^evos  i.  Tim.  Z,  2  u.  Tit.  1,8  M?id  gastigodei 
rpiXo^Evict  Rom.  12,  13;  vgl.  anord.  matgödr  Orimnismdl 
proöm.  28  Neckel;  und 

fannka  ek  mildan  mann      eda  svä  matar  gödan 

Hdvamdl  39,  2  Nechel; 

als  'freigebig'  und  darum  zugleich  'von  huldreicher,  gütiger, 
edler  gesinnung'  namentlich  epitheton  des  herrschers  in  der 
ältesten  Überlieferung,  vgl. 

ond  ic  wcBS  mid  Eormanrlce      Calle  Jiräge, 

\)dL'.i  me  Gotena  cynlng      göde  dohte; 

sc  me  beag  forgüaf,      burgwarena  fruma, 

on  I)äm  siexhund  wass      smates  goldes 

gescyred  scöatta      scilllngrime  WidsiO  89  HoUh.; 

cyning  and  cwen  sceolon  geofum  göd  wesan  cod.  Exon.  90* 

nach  BOSWORTH-TOLLER  482^'; 

wela  glslhu  Ih  in  dlnßm  hnistim, 

dat  du  habSs  hime      hferron  göten, 

dat  du  noh  bi  desemo  riebe      reccheo  ni  wurtl 

Hildebrandslied  47. 

im  got.  bietet  sich  eine  stelle  ähnlichen  Charakters  in  Luk. 
6,  35  'gnädig,  gütig':  wairf)i{)  sunjus  hauhistins,  unte  is 
gods  ist  f)aim  unfagram  jah  unseljam,  während  sonst  sels, 
bleij)s  die  bedeutung  'gnädig,  barmherzig'  mit  mehr  ethisch- 
religiösem geholt  vertreten  {vgl.  auch  sp.  1285);  in  der  as. 
bibeldichtung  klingt  diese  bedeutung  noch  nach: 

.  . .  ik  biun  th!n  egan  scalc, 

hold  endi  gihörig;       thu  bist  mtn  hfirro  so  guod, 

mödmö  so  mildi  ...  as.  genesis  169  Heyne; 

. . .  was  is  helpdno  göd 
mannun  mildi  . . .  Heliand  2174  Heyne; 

schon  im  mhd.  tritt  diese  anwendung  zugunsten  von  milte 
ganz  in  den  hintergrund,  doch  vgl.  noch  etwa: 

hie  het  her  Iwein 
stne  not  überwunden 
unde  guoten  wirt  vunden 

Haetmann  V.  AUB  Iwein  3654; 

wo  in  jüngerer  spräche  gut  im  sinne  'freigebig'  angegeben 
wird,  vgl.  Staub-Tobler  2,  535  u.  537,  Fischer  schwäb. 
Z,  951,  handelt  es  sich  um  sekundäre  einengung  von  2  aus. 

b)  allgemein  'freundlich  gesinnt,  liebreich,  wohlmeinend, 
gewogen,  gütig'  in  prädikativem  gebrauch,  vgl.  in  kontra- 
stierung: 

Ich  sprach:  'bist  übel  ode  guot?' 
er  sprach:  'swer  mir  niene  tuot, 
der  sol  ouch  mich  ze  vriunde  hän' 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  484; 

a)  alt  mit  dem  dat.  des  objekts  einem,  einer  sache  gut 
sein,  vgl.  anord.  |)4  er  J)d  vart  honum  lllr  Jjä,  var  bann  {)er 
gödr  bei  Clbasby  21 0^'. 


aa)  mit  personalem  objekt,  'jem.  zugetan  sein,  freundlich 
gesinnt  sein;  jem.  gern  haben,  lieben';  von  freundlicher  ge- 
sinnung im  allgemeinen: 

tbat  man  is  nähist  on      niudüko  skal 
minniön  an  is  möde,       wesan  is  mägun  hold, 
gadulingun  göd      endi  wesan  is  geba  mildi 

Heliand  1450  H.,  vgl.  3274; 

wie  seit  ich  den  geminnen     der  mir  übele  tuot? 
mir  muoz  der  iemer  lieber  sin     der  mir  ist  guot 

Walthkr  26, 11 ; 
(er  gebot)  daz  si  dem  fremeden  kinde 
guot  unde  genoedic  wseren 

GOTFKiD  V.  Steaszbueg  Tristan  3387; 

die  schwiegern  alle  diese  art  haben,  das  sie  ihren  schnü- 
ren nicht  gut  sein  Barth  weiberspiegel  (1565)  <s^; 

den  leuten  bin  ich  von  hertzen  gut 

Che.  "Weise  erznarren  3  ndr.; 

die  bauern,  die  ihm  nicht  gut  sind  Rabener  s.  tv.  6,  21; 
ich  bin  ihm  sehr  gut,  achte  den  tapfern  mann  Klinger 
w.  1,  73;  der  geistliche  herr  sprach  dabei  freundlich  mit 
allen,  sodasz  ihm  bald  ein  jeder  gut  wurde  Eichendorf 
8.  w.  3,  92;  schwächer,  'gewogen':  den  symbolikern  konnte 
ich  bisher  nicht  gut  seyn  Göthe  IV  '11,  30  W.; 

verflucht!  der  teufel  ist  mir  gut 

H.  V.  Kleist  1,  393  Schm.; 

auch  mxil.  allgemein  verbreitet,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  951 ; 
Müller  -  Fraübeuth  i,  452;  Doornkaat  -  Koolman  l, 
655  usw.;  häufig  eingeschränkter  auf  erotische  Zuneigung 
gehend,  doch  oft  und  besonders  in  heutiger  Umgangssprache 
auch  von  einem  schwächeren  grade  der  Zuneigung  als  er  in 
lieben  ausgedrückt  wird;  im  rahmen  des  minnedienstes  'ge- 
neigt, hold': 

ichn  weiz,  wes  s!  mir  niht  ist  guot 

Haetmann  v.  Aue  1.  büchl.  98; 
prägnanter  erst  im  nhd.: 

mein  mädgen  ist  mir  gut! 

Che.  Weise  grün,  jugend  27  ndr.; 

denn  ich  bin  dem  artigen  fräulein  Amalie  so  gut  Gott- 
sched dtsche  schaub.  1,  85; 

warum  bin  ich  dem  hirtenmädchen 

so  gut  und  möchts  auf  meinen  armen 

in  himmel  tragen?    Schubakt  s.  ged.  (1825)  2,  36; 

liebe  Wilhelmiue,  .  .  .  ich  bleibe  dir  herzlich  gut  in  der 
festen  Überzeugung,  dasz  du  auch  mir  noch  herzlich  gut 
bist  H.  V.  Kleist  briefe  an  s.  braut  81  Biederm.;  o,  mein 
einziger  Botho,  wie  schön  das  ist  und  wie  gut  ich  dir  bin 
Fontane  ges.  w.  I  5, 187;  bistu  mi  good?  'liebest  du  mich?^ 
Dähnert  1583';  ich  bin  ihm  so  gut,  dasz  ich  ihn  fressen 
möchte  Rother  schles.  sprichw.  157"'. 

ßß)  mit  sächlichem  objekt,  'etw.  gern  haben,  einer  sache 
ztigetan  sein': 

si  ist  so  minneklich  unt  sajldebsere 
zuht  und  eren  ist  si  guot 

Hadlaub  in:  minnesinger  2,  284*  v.  d.  Hagen; 

und  deiner  spräche,  liebes  glücke, 
sind  doch  die  mädgen  gar  zu  gut 

LiCHTWER  Äsop.  fabeln  (1748)  10; 

ich  bin  dem  küssen  gar  zu  gut 

Th.  Köknee  w.  2, 134  Hempel; 

wir  sind  der  französischen  Schreibart  in  mancher  absieht 
recht  gut  Gerstenberg  Hamburg,  n.  zeitg.  41  lit.-denkm.; 
dem  gelde  gut  sein  geizig  sein  Müller-Fraureuth  l,  452; 
anders  'günstig  sein,  befördern' : 

Sit  daz  du  (minne)  also  gewaltik  bist, 
80  wis  minen  vröuden  guot 

rninnesinger  1,  316»  v.  d.  Hagen. 

ß)  weniger  ausgebreitet  in  präpositionaler  Verbindung  mit 
personalem  objekt;  gut  gegen,  mit,  zu  jem.  sein,  'jem.. 
freundlich  behandeln': 

got  selbi  lerti  unsich  chuschi  undi  dimut, 
gidult  undi  wesin  widir  ubUi  gut 
undi  vrenüdiz  leit  irbarmin 

summa  theol.  256  Waag; 

sein  sie  gut  gegen  arme  Göthe  24,  91  W.;  umgangssprach- 
lich gern  verwendet  z.  b.  meine  Stiefmutter  ist  immer  gut 
gegen  mich  gewesen; 


1285 


GUT,  adj.,  IV  A  i 


GUT,  adj.,  IV  A  1 


1286 


vergib,  ■wenn  Ich  aus  angeborner  neigung 

mit  einem  jeden  gut  und  froh  zu  sein, 

mich  dir  verdächtig  machte  Göthk  11,  288  W.; 

er  is  gut  mit  mir  'gut  gegen  mich'  Mülleb-Fkaueeuth 
1, 452;  in  anderem  sinne  'freundschaftlich  mit  jemand 
stehen'':  gut  seyn  mit  jemand  esser  in  buona  Kramer 
t.-ital.  X,  bTi^;  sie  sind  nicht  gut  miteinander  non  sono 
amici  1,  678  C;  sie  soll  doch  recht  gut  mit  der  gräfin  sein 
Lenz  ges.  sehr,  l,  300  T.;  sie  sind  guet  mitenander  sind 
freunde  Martin-Lienhart  l,  249;  die  zwei  sind  nimmer 
guet  mit  einander  Fischer  schwäb.  Z,  951;  modern  mit  zu: 
sie  gewann  mit  der  zeit  den  mann  auch  in  ruhiger  und 
einfacher  weise  lieb,  denn  er  war  gut  zu  ihr  Paul  Ernst 
d.  schmale  weg  z.  glück  (1926)  282. 

y)  im  sinne  freundlich,  gütig,  gefällig'  in  beschränkung 
auf  ein  bestimmtes  tun;  oft  mit  nebengeordnetem  satz,  der 
den  inhalt  des  handelns  näher  bestimmt,  namentlich  in 
formein  des  bitten^  verbreitet;  vor  dem  17.  jh.  nicht  geläufig: 
ist  herr  pfarrer  so  gut  gewesen  und  hat  uns  .  .  .  geben  . . ., 
was  wir  gebraucht  {v.  j.  1692)  bei  Fischer  schwäb.  3,  951; 
er  ist  noch  so  gut  gewesen  und  hat  mir  .  .  .  KLramer 
t.-ital.  1,  579*;  der  herr  wolle  doch  so  gut  seyn  und  . .  . 
ebda;  seyd  nun  auch  so  gut  und  verschafft  uns  audienz 
Gottsched  dtsche  schaub.  l,  469;  sey  nur  so  gut  und 
schreib  mit  einigen  werten  deine  billigung  Göthe  IV  21, 
133  W.;  sind  se  so  jut  un  ricken  se  n  bisken  hin  Bren- 
DIOKE  Berl.  wortsch.  131'';  au<:,h  mit  abhängigem  infinitiv- 
satz:  ich  möchte  doch  so  gut  sein,  ihm  seine  mutze  .  .  . 
wieder  zu  geben  Göthe  43,  275  W.;  absolut  als  bittformel: 
lieber  Blum,  geb  er  mir  doch  einmal  ein  paar  blümchen 
für  den  gnädigen  graf en !  sei  er  so  gut !  Gotter  in  F.  L, 
Schröder  hamb.  theater  (1776^.)  2,  209; 

a  feuer,  san  s  so  guat! 

K.  SHELER  ged.  3, 14; 

andere  Wendungen  sind  seltener:  sie  sind  sehr  gut,  mir  das 
zu  sagen  Göthe  23,  83  W.;  in  der  form  es  ist  sehr 
gut  von  ihnen,  mir  das  zu  sagen  in  heutiger  Umgangs- 
sprache gebraucht. 

c)  im  sinne  'gnädig,  gütig,  hilfreich',  'freundlich'  von 
einer  mehr  habituellen  sinnesrichlung ,  oft  mit  einschloß  von 
gut  V  her. 

a)  von  gott,  Christus  und  übermenschlichen  wesen  und 
mächten. 

aa)  als  attribut  gottes  tritt  im  got.  {auazer  Luk.  6,  35  s.  o.  a) 
nicht  gut,  sondern  {)iu{)eigs  auf,  vgl.  Mark.  10,  17.  18,  aM. 
dagegen  entsprechend  lat.  bonus  erscheint  es  bereits  geläufig: 

thuo  im  the  guoda      god  hebanriki 
sniumo  gisagda,       that  hie  so  weidi 

ISstian  an  then  landa  o».  genesi»  216  Heyne; 

. . .  'thär  thu  mi,  herro  min',  quad  siu, 
'nerienderö  batst,       näher  wäris 

hfileand  the  gödo      than  ni  thorftl  ilj  sultli  härm  tholön 

Heliand  4033  Heyne; 
. . .  nu  lat  thu  sie,  h§rro  the  gödo, 

ßldön  thär  sie  selida  flden;      näh  sind  her  gesetana  burgl 

2825; 
flrlih  ouh  mir  gethinges,       thes  mines  heiminges; 
wis  fater  mir  joh  muater,      thu  bist  min  druhtin  guaterl 

Otfeid  III   1,  44; 
der  Israhelis  got  wieo  guot  der  ist  Notker  ps.  72,  l; 

got  vori  bimeintl  in  disin  zweln  dingin 

al  sin  lob  vuri  bringin, 

daz  er  si  giwaltic  undi  gut  (d.  h.  =  woliwillic  26) 

summa  theologiae  23  Waag; 
Bi  bat  got  den  guoten      siner  sele  pflegen 

Nibelungen  1103,  3  Bartsch; 
rScher  got  der  guote, 
wie  sei  ez  mir  nü  ergän? 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  5972; 

wan  got  gut  ist,  darumb  sint  wir  und  als,  daz  alle  crea- 
turen  gütz  haut,  daz  ist  alles  von  der  wesenlichen  gute 
gottes  allain  Tatjler  pred.  8  Vetter; 

zwar  ist  stehts  unser  gott  barmhertzig  und  getreu  . . . 
zu  geben  ist  er  gut  und  zu  vergeben  güttig 

Weckheelin  ged.  2, 150  F.; 
in  ausrufen  erstarrt: 

ach  guter  gott  im  himmel!  wie  so  ruhig 

die  Idnder  schlafen  1  . . .  Tieck  sehr.  1,  81; 


ob  ich  erlaube,  fragt  sie?  guter  gottl 
soll  ich  erlauben?  und  hab  nie  verwehrtl 

Grillparzer  «.  w.  6, 156  Sauer; 

seid  mir  hold,  ihr  guten  götter! 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden^"  114; 

die  gute  gottheit  Mommsbn  röm.  gesch.  (1874)  1,  27; 

wenn  der  gute  himmel  mir 

ewig,  ewig  doch  vergönnte  BÜRGER  w.  5*  B.; 

und  ein  dorf  nun  —  guter  himmel ! 
o  mir  ahnet,  was  es  sei 

MÖRIKE  ges.  sehr.  (1905)  1,  26  Göschen. 

ßß)  bei  der  beziehung  auf  andere  übernatürliche  wesen 
und  mächte  spielt  oft  die  bedeutung  I C  hinein,  insofern  ihre 
gütige  gesinnung  den  glücklichen  ausgang  einer  sache  ver- 
spricht oder,  mit  einfärbung  von  gut  VAS  her,  ein  sittlich 
einwandfreies  handeln  bewirkt:  du  hast  da  einen  guten 
engel  gehabt  Luther  23,  512  W.; 

ein  guter  engel  leite  deine  tritte 

Wieland  I  3, 157  akad.; 

wicht,  gude  holden  penates  Diefenbach  nov.  gloss.  285^; 
besonders  gute  geister  gegenüber  den  schädigenden  bösen 
geistern,  vermutlich  schon  in  älterer  spräche  geläufig  {vgl, 
th.  4,  1,  2,  sp.  2635/.),  vgl.  die  gute  geister  les  bons  esprita 
DuEZ  nomencl.  (1663)  2:  dein  guter  geist  füre  mich  auf 
ebener  ban  ps.  143,  10;  wir  sind  ein  paar  gute  geister  und 
von  einiger  macht  Deinhardstein  ges.  dram.  w.  1,  11; 

und  wer  die  götter  lachen  hört, 

als  er  den  liebesmeineid  ausgesprochen, 

von  dem  hat  sich  der  gute  geist  gekehrt 

Brentano  ges.  sehr.  2,  444; 

ihr  guter  geist  sey  immer  bey  mir  und  die  gegenwart  des 
lieben  gesezzes  mache  mich  gut  und  glücklich  Göthe  IV 
5,  114  W.;  auf  gutgesinnte  menschen  übertragen:  laden  sie 
einige  gute  geister  ein  Göthe  IV  5,  19  W.;  mein  guter 
genius  gab  mir  im  träum  ein,  mich  ...  zu  entfernen 
Gleim  bricfw.  l,  7  Körte;  mehr  wie  aa  gute  natur  in  Per- 
sonifikation: 

. . .  ich  tadle  nicht  gern  was  immer  dem  menschen 
für  unschädliche  triebe  die  gute  mutter  natur  gab 

GÖTHE  40,  237  W.; 
guter  Stern: 

auf  dem  meer  hat  er  guten  stem: 
Seins  todts  die  erben  nicht  begern 

Mangold  marckschiff  (1596)  b4; 

eh  mich  .  . .  meine  guten  sterne 

an  meines  kaisers  hof  hieher  geführt 

Schiller  13,  372  O.; 

möge  sein  unternehmen  vorwärts  gehen,  damit  in  die 
anarchisch-trübe  kunst  doch  ein  guter  stern  einmal 
wieder  hereinleuchte  Göthe  IV  42,  163  W. 

yy)  älter  ist  gutes  glück;  in  der  regel  personifiziert  ge- 
dacht, wenn  nicht  der  effekt  selbst  gemeint  ist  wie  in  den 
folgenden  fällen,  vgl.  guot  gluck  successus  Diefenbach 
563b : 

Wirt  m!n  gelücke  also  guot 
s6  min  herze  unt  der  rauot 

Hartmann  v.  Atte  Iwein  5517; 

got  gheve  uns  guet  gelucke,  wy  werden  in  allen  enden 
wol  getrost  recesse  u.  akten  d.  hansetage  2,  227; 

es  geh  ihm,  wie  es  woU,  er  ist  gerüst  zu  leiden 

das  gut  und  böse  glück  Zinkgref  auserl.  ged.  62  ndr.; 

in  der  formel  zu  gutem  glück  'glücklicherweise' ,  vgl. 
zu  gut  geluck  auspicato  Diefenbach  &Z^:  eben  zu  gutem 
glück  hat  der  jiincker  . .  .  sein  visier  fürgethan  Amadis  60 
lit.  ver.;  sie  würden  aber  nicht  viel  nützliches  verrichtet 
haben,  wan  nicht  zu  guten  glück  ein  schäfer  darzu  ge- 
kommen wäre  Anton  Ulrich  v.  Braunschweig  Octavia 
(1677)  1,  32;  zum  guten  glück  stand  bei  den  kranichen  und 
reihern  ein  schmucker  Silberfasan  Scheffel  gre«.  w.  l,  142; 
sonst  ist  die  Personifikation  meist  ausgesprochener:  gut 
glück  ist  nimmer  on  duck  sprichw.  (1548)  1518'; 

ist  mein  gelücke  gut, 
so  will  Ichs  bald  erleben 

Chr.  Weise  grün,  jugend  54  ndr.; 

■wir  brennen  von  ergebenheit, 
dem  guten  glücke  dank  zu  sagen 

Stoppe  Parnasz  (1736)  9; 

81* 


1287 


GUT,  adj.,  IV  A  i 


GUT,  adj.,  IV  A  2 


1288 


wir  sind  ohne  schuld  in  diese  Verwirrung  gerathen,  das 
gute  glück  mag  uns  wieder  heraushelfen  Göthe  23,  213  W.; 
formelhaft  mit  gutem  glück: 

TOD  Zürch  ein  Rselllg  burgerschaft 
mit  gutem  glück  und  mannesljraft 
gen  Straszburg  auf  das  schieszen  fuhr 

Fischart  glückh.  schiff  88  ndr.; 

wenn  er  sein  verrähtrisch  stük 
hett  verbracht  mit  gutem  glük 

Beinicke  fuchs  (1650)  182; 

auf  gut  glück  Hm  vertrauen  auf  die  gunst  des  glückes'  ist 
nicht  vor  dem  ende  des  18.  jhs.  geläufig:  du  verlassest  mich, 
.  .  .  einer  person  zu  gefallen,  welche  auf  gut  glück  herum 
zieht  samml.  v.  schausp.  (1764)  1,  71;  wollen  sie  es  daher 
auf  gut  glück  mittwochs  wagen  und  herüber  kommen, 
so  sollen  sie  wohl  empfangen  seyn  Göthe  IV  18,  81  W.; 
gekröpfte  weiden  .  .  .  bezeichneten  die  richtung,  in  der 
sich  die  fahrt,  im  übrigen  auf  gut  glück  hin,  vorzubewegen 
hatte  Fontane  1 1,  137;  etwas  anders  im  sinne  'ohne  Über- 
legung, blindlings'':  tausend  dinge  musz  man  blindlings 
und  auf  gut  glück  annehmen  Tieck  sehr.  7,  228;  nunmehr 
gab  es  augenblicke,  in  welchen  ...  er  auf  gut  glück  nach 
allen  selten  hin  umhergriff  W.  Raabe  hungerpastor  (1864) 
2,  23;  seltener  gutes  geschick:  eine  reihe  von  .  .  .  Jubel- 
festen auf  eine  ...  dankbare  weise  gegen  das  gute  geschick 
zu  feyern  Göthe  IV  41,  33  W. 
ß)  von  menschen  'gütig,  freundlich' : 

neinä  hßrrel  eist  so  guot, 

swenne  ir  güete 

erkennet  mtn  gemüete, 

daz  sl  mir  daz  beste  tuot       Waithee  14,  18; 

als  beiname:  ich,  Otto  der  gütt,  gelob  und  schwer  dir 
Judas  Nazarei  v.  alten  u.  n.  gott  30  ndr.;  die  guten  patres 
thaten  mir  alles  gutes  Jürgen  Andersen  oriental.  reise- 
beschr.  (1696)  129  Olearius;  Herder  war  gar  gut,  wenn 
er  öfter  so  wäre,  man  mögte  sich  nichts  bessers  wünschen 
GÖTHE  IV  5,  132  W.; 

o  freyheiti  freyheitl  nicht  nur  der  demokrat 

■welsz,  was  du  bist, 

des  guten  königes  glücklicher  söhn 

der  welsz  es  auch         Klopstook  öden  1, 148  M.-P.; 

war  sie  nicht  von  hoher  gestalt  .  .  .  und  so  freund- 
lich, so  gut?  Klinger  w.  4,  22;  gott,  sie  sind  immer 
so  gut,  frau  Dörr,  aber  was  wird  nur  ihr  alter  sagen? 
Fontane  ges.  w.  I  5,  129;  o  tadel,  mein  guter  feind, 
singe  du  meinen  grabgesang  v.  Ebner  -  Eschenbach 
ges.  sehr.  1,  149;  er  hett  guet  {'gefällige')  lütt  gfunge 
{gefunden)  Seiler  Basler  ma.  153;  vgl.  ein  guter  kerle 
Fischer  schwäb.  3,  951 ;  gott  und  guete  leute  haben  mir 
immer  geholfen  ebda  952;  etwas  anders  mit  einwirkung 
von  h  her  'wohlmeinend,  gewogen' ,  'liebevolV:  kein  guete 
mensch  han  Statjb-Tobler  2,  535;  kein  mensch,  der  mit- 
leiden mit  ihr  hat,  sie  hat  keinen  guten  menschen  {v.  j. 
1787)  ebda;  danck  für  die  bratens,  wir  wollen  sie  in  gesell- 
schaft  mit  guten  wesens  verzehren  Göthe  IV  4,  328  W.; 
dieses  zärtliche,  gute,  liebliche  geschöpf  I  21,  30;  auch 
kann  ichs  nicht  verschweigen,  wie  gut  du  warst  maler 
Müller  w.  l,  117; 

sie  Ist  gar  zu  lieb  und  guti 

Grillparzee  «.  w.  7, 132  S.; 

so  glücklich  war  ich  den  abend  und  du  warst  so  lieb  und 

gut   Fontane   ges.  w.  I  5,  154;    noch   anders:    en   guete 

meister  nicht  strenge  Staub-Toblbr  2,  535. 

y)  auf  die  organe  der  gesinnung  übertragen,  besonders  vom 

herzen,  vgl.  m.hd.  holdez  herze;  im  spiel  mit  gut  V: 

doch  was  ir  herze  niht  so  guot, 
sine  hsete  zorn  und  unmuot 

GOTFEiD  v.  Steaszbueq   Tristan  10253; 

von  gutem  hertzen  und  gemüt  amicus  ex  animo  Feisitjs 
dict.  (1556)  83''';  einem  etwas  von  gutem  hertzen  gäben 
Maaler  199^;  das  ir  zu  thün  die  spitalerin  verhiesche  mit 
güttem  hertzen  Wabbeck  Magelone  81  ^  B.; 

so  nimm  doch  meinen  grusz  mit  gutem  hertzen  an 

Che.  Weise  grün,  jugend  32  ndr.; 

ihr  mädchen  kommt,  theilt  mit,  was  euer  gutes  herz  ver- 
mag MALER  MÜLLER  w.  1,  117 ;  wie  kann  tücke  in  ein  äuge 


kommen,  wo  das  herz  ...  so  brüderlich  gut  ist  Gebsten- 
berg  Ugolino  in:  dtsche  nat.-lit.  48,  254;  im  erstarrten  ge- 
nitiv:  bemelter  könig  trüg  wenig  güts  hertzens  zu  den 
abten  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  369^»,  vgl.  herzensgut 
(teili,  2,  sp.l235 ;  ebenso  vomgemüt,  der  seele  usw. :  gott  wolle 
mir  solche  leute  bescheren,  die  eben  so  ein  gutes  gemüthe 
.  .  .  bey  sich  führen  Chr.  Weise  polit.  redner  (1677)  vorr.; 
vgl.  en  god  geniöd  gutmütiger  mensch  Mensing  2,  424;  eine 
gute  seele  una  buon  anima  Kramer  t.-iial.  1,  577 f';  die 
person  vertretend: 

habt  dank  ihr  götter!  auch  zu  Peckin  sollt  ich 

eine  gute  seele  finden  ScmLLEE  13,  341  O.; 

mehr  nach  2  a  hin:  dein  vater  war  übrigens  eine  gute  seele, 
gott  wirds  nicht  so  genau  mit  ihm  nehmen  A.  v.  Droste- 
HÜLSHOFF  w.  2,  274  Sch.,  vgl.  eine  gute  seele  Fischer 
schwäb.  3,  951 ;  ähnlich  auf  die  person  als  ganze  bezogen: 
Hans  erkannte  zu  seiner  hohen  freude,  dasz  das  Fränz- 
chen  in  gute  bände  gefallen  sei  W.  Raabe  hungerpastor 
(1864)  3,  157;  streute  eine  gute  band  wermuth  darauf 
Göthe  43,  103  W. 

2)  in  mehr  passiver  beziehung;  die  gesinnung  wird  durch 
die  art  und  weise,  wie  die  person  sich  im  Umgang  mit  andern 
allgemein  verhält  oder  auf  bestimmte  anforderungen  psy- 
chisch reagiert,  gekennzeichnet:  'gutmütig',  'gutwillig,  gut- 
artig', 'versöhnt';  in  einigen  maa.  gilt  als  gegensatzbildung 
ungut,  vgl.  Fischer  schwäb.  6,  l,  191,  Staub-Tobler  2, 545. 

a)  ansätze  zur  bedeutung  'gutmütig'  mit  dem  nicht  seltenen 
negativen  beisinn  der  gutmütigen  schwäche  begegnen  schon 
mhd. : 

er  tete  als  ein  guot  man 
und  liez  ez  aber  hin  gftn 

frauenlist  577  Eenschel,  vgl.  615; 

swä  guot  man  hat  ein  übel  wip 

unt  da  bt  unverwizzen  gar,  vervluochet  sl  der  Itpl 

Beinmae  V.  ZwETEE  464,  Str.  105  R.; 

{er)  ist  zu  grund  gangen,  weiln  er  zu  gut  war  Schupp  sehr. 
794;  oft  in  sprichwörtlichen  Wendungen:  allzu  gut  ver- 
derbt es  gar  Henisch  1790;  wenn  einer  gut  ist,  so  hoffirt 
man  ihm  gar  aufs  maul  Serz  idiot.  59'';  gar  zu  gut  ist 
liederlich  Binder  sprichw.  81;  zu  gud  isch  e  stick  von 
der  lidderlichkeit  Follmann  lothr.  221,  vgl.  Martin-Lien- 
hart  1,  248;  zu  jut  is  halb  liederlich  Brendicke  Berl. 
131*»;  ol  tou  güd  is  olermans  huntsfüt  Bauer-Collitz  42"; 
hai  is  sou  ghudd,  hai  dait  kainer  flaige  wat  te  lehe  {zu  leide) 
Firmenich  Germ,  völkerst.  l,  356;  mit  anklang  an  Y  Cl 
als  'brav,  aber  schwach':  ville  zu  jut  vor  disse  weit  Bren- 
dicke Berl.  191^;  mit  Weiterentwicklung  zum  sinne  'ein- 
fältig, dümmlich',  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  952:  den  ge- 
dultigen  nimpt  man  alles,  das  sie  haben,  heyszt  sie  narren 
und  gute  leuth  sprichw.  (1548)  IQ'^;  möchten  ir  etwa  ein 
guoten  schlechten  gsellen  nemmen,  an  dem  nützit  gelegen 
wäre  {v.  j.  1531)  bei  Staub-Tobler  2,  536;  ich  bin  so  gut, 
so  einfältig  gewesen  und  hab  es  geglaubt  Kramer  t.-ital. 
2,  829^';  ein  guter  narr  un  sempliciotto  ebda  1,  577 '=;  en 
gueter  Tscholi  ein  mensch  von  fast  einfältiger  gelassenheit 
und  gutmütigkeit  Staub-Tobler  2,  536;  e  gueter  Jokli 
Martin-Lienhaet  1,  248;  a  aler  guder  norr  Rother 
schien,  sprichw.  338. 

b)  jünger  erscheint  die  bedeutungsrichtung  'guticillig, 
gutartig,  verträglich,  geduldig,  lenksam,  folgsam',  die  im 
gegensatz  zu  a  mehr  die  positive  bewertung  der  sinnesart 
betont:  als  der  pabst  in  Frankrich  zum  keiser  kam,  dor 
rit  im  der  gütt,  duldig  keiser  entgegen  Judas  Nazarei 
v.  alten  u.  neuen  gott  28  ndr.; 

der  meister  was  zu  guter  man, 
er  liesz  im  dieses  auch  hin  gähn 

FiSOHAET  2,  235  B.; 

man  ist  gut,  wann  es  umb  den  finger  gehet,  wann  es  aber 
einen  seine  haut  trifft,  so  krümbt  sich  auch  ein  wurmb 
Lehman  fior.  pol.  (1640)  381; 

Aiax  soll  nicht  mehr,  alsz  ich  mein, 
in  dem  spiel  ihr  guts  mänlein  seyn 
W.  Spangenbbeg  bei  Dähnhaedt  griech.  dram.  2, 68  lü.  ver.; 

ich  bin  gut,  aber  ich  kann  auch  bös  seyn,  weim  ich  will 
Krämer  t.-ital.  l,  578 c;  immer  kän  ma  net  gutt  sein 


1289 


GUT,  adj.,  IV  A  2-3 


GUT,  adj.,  IV  A  3 


1290 


Rotheb  achtes,  sprichw.  254'';  dor  blief  mal  ener  god  bi! 
das  soll  man  sich  nun  gefallen  lassen  Mensing  2,  425;  hei 
{der  igel)  was  en  guden  kerel  un  konnte  olles  verdrägen, 
äwer  up  sine  beine  let  hei  nicks  kumen  Bauer-Collitz 
261*;  8  is  a  gudr  man  —  ja,  wenn  a  schläft  Rothee  schles. 
sprichw.  264*';  go  nhd.  ein  guter  narr,  guter  irrer  'ein  un- 
gefährlicher, harmloser  geisteskranker^  in  anwendung  auf 
liere  im  sinne  'nicht  bösartig,  fromm\  vgl.  de  brune  gohde 
als  pferdename  im  viermannbuch  (17.  jh.)  Meksing  2,  428; 
folgsam  wie  ein  gutes  lamm  Göthe  IV  1,  170  W.;  z.  b. 
fürchte  dich  nicht,  es  ist  ein  guter  hund ;  noch  anders  mit 
affektwert  'brav,  lieb':  du  bist  mein  alt  gut  tier  0.  Ludwig 
ge.?.  sehr.  2,  322;  in  Übertragung  auf  krankheiten  harmloser 
und  ungefährlicher  natur:  die  guten  blättern  im  gegensafz 
zu  den  bösen,  vgl.  Frisch  1,  386^;  ein  spitzig  und  hitzig 
gewächs  am  leyb,  wie  ein  gute  blater,  ein  kleiner  eisz 
Frisius  (1568)  595a,  vgl.  guetbläterli  hitzbläschen  Staub- 

TOBLEB  2,  540. 

c)  spezifischer  im  sinne  'versöhnt',  namentlich  nhd.  in 
Verbindung  mit  wieder;  vergleichbar: 

Esau  wart  alse  gut, 
das  er  vil  gar  zc  gute 
becherte  in  sinim  mute, 
swas  er  zornes  ie  gewan 

BUDOLP  V.  Ems  weltchron.  6696  Ehr.; 

dann  spricht  sie  honigsüsz,  bald  wendet  sie  den  muth 
und  fährt  ihn  schnaubend  an,  ba!d  ist  sie  wieder  gutli 

Rachel  sat.  ged.  18  ndr.; 

wo  ist  denn  die  frau  mutter?  sie  sitzt  schon  am  tische 
und  wartet  auf  sie.  kom  nur  fort  Seh.,  sie  ist  schon  wieder 
gut  Chb.  Rectter  ehrt,  frau  35  ndr.;  sie  ist  in  ihre  kammer 
gangen,  H.,  du  kannst  wieder  rauf,  nu  ist  sie  wieder  gut! 
O.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  328;  he  ward  wol  weller  god  Men- 
sing 2,  425;  mer  sein  wieder  gut  mitenanner  Mülleb- 
Fbaureuth  1,  452;  wieder  jut  werden  sich  versöhnen 
Brendicke  Berl.  131;  ähnlich  gut  sein  als  'sich  zu- 
frieden geben':  sei  nur  gut,  Hannesie!  0.  Ludwig  ges.  sehr. 
2,  383;  mit  personalem dativ  une  1ha  verbunden:  und  wenn 
mir  der  vetter  nun  auch  wieder  gut  wäre  Schiller  14, 
143  0.;  er  war  so  lieb,  dasz  es  nicht  möglich  war  ihm 
böse  zu  sein,  man  muszte  ihm  wieder  gut  werden  Kon- 
stanze Mozabt  in  O.  Jahn  Mozart  3,  172;  mit  perso- 
nalem akkusativobjekt  einen  wieder  gut  machen,  vgl.  einen 
wiederum  gut  machen  rachettare  uno  Kramer  t.-ital.  1, 
578 C;  wenn  er  etwas  gethan  hat,  was  ihm  verboten  wor- 
den, so  darf  ich  ihn  nur  ernsthaft  ansehen  und  er  kommt 
gelaufen  und  küszt  mich,  mich  wieder  gut  zu  machen 
Schiller  br.  4,  66  Jo?ias,  vgl.  Staub-Tobler  2,  536. 

3)  zur  allgemeinen  kennzeichnung  dessen,  dasz  zwischen 
personen  ein  Verhältnis  der  geneigtheit,  Zuneigung,  freund- 
schaft,  Vertrautheit  usw.  besteht,  wird  gut  als  den  affekt- 
charakter  betonendes  beiwort  dem  personalnomen  beigefügt; 
in  jüngerer  spräche  geht  dieser  gebrauch  in  weitem  umfange 
zugunsten  des  ähnlich  verwendeten  lieb  in  eine  mehr  stei- 
gernde funktion  über,  erhält  sich  aber  in  bestimmten  Wen- 
dungen bis  in  die  neuste  spräche,  oft  durch  den  zusammen- 
klang mit  andern  bedeutungen  gestützt;  im  mhd.  zeigen 
sich  liep,  vriuntlich  und  trüt  oft  als  synonyma  dieser  an- 
wendungsweise, die  bedeutungsschwere  von  gut  wechselt  je 
nach  dem  sinnzusammenhang;  als  allgemeinster  Oberbegriff 
kann  etwa  'wohlgesinnt'  gelten,  der  sich  nach  verschiedenen 
Seiten  hin  nuanciert. 

a)  guter  freund;  als  'geneigt,  wohlgesinnt' ,  dann  'hilfs- 
bereit, treu': 

wer  hat  mich  mlnes  Idndes      und  iuch  des  iuwern  man 
bl  also  guoten  friunden      sus  mortlich  äne  getan? 

Nibelungen  1023,  4  BarUch; 

wer  bräht  iuch  her'? 
'guote  friunt'I  'nü  sagcnt  doch,  wer*? 

Hartmann  v.  Aue  Erec  9034; 

ensament  solten  wesen 
gerne  guote  vriunde:      s6  möhten  si  genesen 

Kudrun  237,  2  M.,  vgl.  1419,  4; 

ein  gut  gancz  freund  ist  besser  dann  gold  und  silber  oder 
edelgestein  Otto  v.  Passau  nach  C.  Schulze  bibl. 
sprichw.  101;  wer  ein  guten  freund  hat,  der  hat  ein  gut 


pfand  sprichw.  (1548)  23'';  schwächer  an  eigengehalt  bei 
mehr  intensivierender  Verwendung  'vertraut,  lieb,  intim", 
vgl.  ein  geheimer,  ein  guter  freund  familiaris  amicus,  in- 
timus  Calepinus  XI  ling.  5ib'>-:  uneinikeit  und  kriege 
under  guten  freunden  ze  machen,  er  meister  was  Arigo 
decam.  20  K.;  so  ich  doch  oft  mitten  auf  dez  margkt  bey 
guten  freunden  zwo  oder  drey  stunden  gestanden  Hütten 
opera  2,  81  Bock.; 

so  man  dir  gibt  ein  guten  bissen 
den  dir  ein  guter  freund  thüt  senden 

K.  Scheit  Grob.  742  Tidr.; 

da  ich  itzo  dieses  schreibe,  kömmt  von  einem  guten 
freunde  ein  brief  J.  Riemer  polit.  maulaffe  (1679)  vorr.; 
könnt  ihr  euch  beim  guten  freunde  bedanken  Schiller 
3,  89  G. ;  ähnlich  als  antwort  auf  den  anruf  der  schildwache 
im  sinne  'wohlmeinend,  nichts  böses  im  schilde  führend': 

{Fautt:)  wer  da?  (Meph.:)  gut  freund! 

QÖTHB  14, 160  W.; 

prädikativ  gut  freund  sein  'nahe  befreundet  sein':  Franck- 
reich  und  teutsche  nation  {sind)  alle  zeit  gut  freund  ge- 
wesen und  {haben)  treuwlich  gut  und  blut  zusammen  ge- 
setzet N.  Falckner  frantz.  chron.  (1572)  1,  173*;  mit 
Hellbach  schien  sie  besonders  gut  freund  H.  v.  Kahlen- 
berg  Eva  Sehring  144;  er  will  überall  gut  freund  sein  er 
ist  ein  Schmeichler  Staub-Tobler  2,  535;  mehr  formelhaft 
in  der  anrede  guter  frunt,  wer  bistu  oder  von  wannen 
komest?  Reuchlin  Lukian  in:ztschr.f.  vgl.  litteraturgesch. 
n.f.  8,  413; 

gnt  freund,  gesellen,  weib  und  kind 

Hans  Sachs  1,  433  K.; 

den  erbarn  und  ehrngeachten  Hermes  von  Wingen  .  .  . 
und  Lorentzen  Gossmann,  rathsverwandten  imd  bürgern 
zu  Waldcappel,  meinen  besondern  guten  freunden  Kirch- 
hof irewdurtm.  265  Ost.;  guter  freund,  frage  lieber:  wozu 
diese  ganze  schrift?  Hippel  üb.  d.  ehe  (1774)  vorber.  v;  ihr 
lieben  leute  von  Köln  und  guten  freunde  von  Beilin 
Alexis  Roland  v.  Berlin  1,  24;  ironisch:  bleib,  guter 
freund !  Schiller  3,  28  0. 

b)  von  stärkerem  eigenwert  ist  die  affekttrcLgende  bedeutung 
von  gut  bei  begriffen,  die  ein  nicht  ohne  weiteres  als  affekt- 
hallig  anzusprechendes  Verhältnis  persönlicher  beziehungen 
aufrücken,  so  guter  geselle,  guter  nachbar,  guter  be- 
kannter usw.;  in  guter  geselle  kreuzt  besonders  stark 
die  bedeutung  I  B  4  hinein  und  gewinnt  nicht  selten  die 
Oberhand,  doch  bleibt  meist  ein  spürbarer  rest  von  affekt- 
gehalt  zurück;  mehr  objektiv: 

thes  dages  fuarun  thanana      sine  drutthegana 

giscilou  zuene  guate      seragemo  muate        Otfkid  V9,  4; 

vom  geliebten: 

wol  dir  geselle  guote 
daz  ich  ie  b!  dir  gelak 

minnesinger  1,  4*  v.d.  Hagen; 

meist  von  freunden  und  gefährten,  nicht  das  16.  jh.  über- 
dauernd: 

ez  glengen  zwen  gesellen  guot 

mit  einander  dur  einen  walt 

BONEK  edelstein  73, 1  Pf.; 

es  kan  nyemant  recht  pedencken, 
was  wird  und  eren  an  im  leitt, 
der  es  mit  red  nit  übergeitt 
und  gut  gesell  wesen  kan 

liederb.  d.  Hätzlerin  242  H.; 

und  {die  ritter)  beliben  darnach  gütte  gesellen  Waebeck 
Magelone  9  B.;  der  was  Oporini  und  min  gütter  gsell  Th.  u. 
F.  Platter  88  Boos;  in  einem  stettlin  drey  burger  saszen 
.  . .,  die  alle  drey  gut  gesellen  mit  einander  waren 
M.  Lindnere  rastbüchl.  24  lit.  ver.;  im  15.  u.  16.  jh.  mit 
einfärbung  von  gut  III  A  5u.  6  her  im  festen  sinne  'trauter, 
lustiger  geführte',  besonders  als  zechgenosse: 

die  man  heizet  guot  gesellen 
die  legent  wfnic  guotes  vür 

Heineich  d.  Teichner  231  Karajan; 

sol  er  dann  faren  zu  der  hell 
80  well  er  syn  eyn  gut  gesell 
und  leben  recht  mit  andern  wol 

Sbb.  Beant  narrenschiff  57, 10  Z.; 


1291 


GUT,  adj.,  IV  A  3 


GUT,  adj.,  IV  A  4-5 


1292 


thu  fort  in  allem  wolIust  schweben 
mit  gutn  gesellen  nacht  und  tagt 

Hans  Sachs  6, 138  K.; 

es  gilt  noch  eines  umb  guter  gesellen  willen,  aller  guten 
ding  sollen  drey  sein  Luther  26,  550  W.; 

sitz  nider,  bisz  ein  gut  gesell 

K.  Scheit  Orob.  641  ndr.; 

guter  gesell  bei  dem  wein  ist  ein  böser  kindervatter  Leh- 
man flor.  pol.  (1662)  3,  135;  mit  prävalenz  von  gut  I  B: 

noch  so  cagten  sie  da  bt, 
daz  er  ein  gut  geselle  st 

landgr.  Ludwigs  kreuzfahrt  2626  Naum.; 

wan  das  waeser  trybt  grosze  mülreder  mit  seiner  sterck, 
auch  so  trincket  gar  manicher  guter  gesel  den  tod  daran 
Eulenspiegel  31  ndr.; 

es  ist  gar  mancher  gut  gesell  auf  erden, 
dem  solches  nicht  kan  beygemessen  werden 

G.  VoigtlXnder  Oden  u.  lieder  (1642)  106; 
ein  guter  nachpaur  vicinus  bonus  Feisius  150^; 
{ich  habe)  gut  nachbauren,  freund,  maid  und  knecht 

Hans  Sachs  l,  439  K.; 
ein  guter  nachbar  ist  ein  edel  kleinot  Eyering  prov. 
copia  (1601)  2,  102;  war  sich  salba  lobt,  hot  ken  guda 
nubber  Rother  schles.  sprichw.  338  a;  ein  guter  bekandter 
un  buon  amico  Kramer  t.-ital.  l,  577«=;  modern  blasser:  es 
sei  nur  eine  freundschaftliche  coUation  guter  bekannten, 
die  hier  zufälligerweise  zusammenträfen  Müsäxts  Volks- 
märchen 1,  61  Hempel; 

bleib  du  im  ewgen  leben 

mein  guter  kameradi       ühland  ged.  (1863)  248; 

er  hatte  das  unglück,  sich  von  der  neigung  zu  der  frau 
eines  .  .  .  guten  gefährten  in  feld  und  jagd  .  .  .  hinreiszen 
zu  lassen  Ranke  s.  w.  l,  224;  in  ähnlicher  Verwendung 
auch  auszerhalb  fester  formelbindung,  vgl.  ein  frund,  ein 
guter  gunner  amicus  Diefeneach  nov.  gl,  20*»;  durch 
etliche  seine  gut  güner  Arigo  decam,  42  K.; 

darfifstu  eins  guten  gasts  zu  dir, 
80  bring  Bacchum  auch  her  zu  mir 

K.  Scheit  Grob.  47  ndr.; 
vergleichbar: 

willkommen  meine  vielgetreuen  bürger 

aus  Orleans!  wie  stelits  um  meine  gute  Stadt? 

SOHIILEK  13,  194  ff.; 

all  ihr  vögel  im  guten  grünen  wald!  E.  M.  Arndts,  w. 

6,  243  R.-M. 

y)  als  ausdruck  der  Zuneigung  oft  als  epitheton  bei  Ver- 
wandtschaftsbezeichnungen oder  bei  namen  verwandter  oder 
befreundeter  menschen: 

hier  gute  mutterl  dieses  götterbild 
ruft  mich  zu  meinem  Schicksal 

Schiller  13,  362  C; 

unsre  gute  mama  hat  mich  an  Starekens  handbuch  er- 
innern lassen  Göthe  IV  l,  168  W.;  mein  guter  vater  ge- 
rieth  darüber  in  Verzweiflung  43,  24; 

und  wer  der  zeit  vorauseilt,  guter  bruder, 
kommt  früh  ans  ziel 

Grilipaezee  s.  w.  5,  42  S.; 

grüszet  und  küsset  den  guten  Gustel  Göthe  IV  8,  20  W.; 
ich  bin  aber  krank,  meine  gute  Bettina  fürst  Pückler 
briefw.  u.  tageb.  1,  86;  gute  Mathilde,  lieber  Heinrich,  das 
war  alles,  was  sie  einander  sagen  konnten  Novalis  sehr. 
4,  160  Minor. 

c)  einen  besonderen  charahter  hat  gut  seit  alters  als  epi- 
theton in  der  vertraulichen  anrede;  der  anredende  drückt 
durch  gut  die  dem  angeredeten  wunschmäszig  beigelegte 
eigenschaft  des  Wohlwollens,  der  freundlichkeit  aus,  in  die 
je  nach  der  Situation  auch  andere  bedeutungen  einbezogen 
werden  können; 

sie  quatun  zi  in,  sos  iz  zam:  'wes  scowot  ir  thar,  guate  man?' 

Otfrid  V  18,  3; 
biwaz  keröst  thü,  guot  man,       daz  ih  thir  geba  trinkan 
Christus  u.  d.  Samariterin  7 ; 
Ir  guote  schifliute,      Ir  bringet  mich  ze  lande 

Eudrun  133,  3  M.; 


suochent,  guote  liute. 

In  winkeln  und  under  benken 

Hartmann  v.  Afe  Iwein  1286; 
er  sprach  'als  Ichz  iu  nbiute, 
komt  wider,  guoten  liute' 

Wolfram  Parzival  208,  80; 
guetter  man,  dir  sey  bekannt 

altdt.  passionssp.  a.  Tirol  21  Wackernell; 

o  ir  gute  männer,  wie  seyt  ihr  so  irr  gereiset  volksb.  v. 
dr.  Faust  61  Br.;  wir  sind  reisende  ritter,  ihr  guten 
leute,  die  das  unwetter  überrascht  hat  H.  v.  Kleist 
w.  2,  217  Schm.;  ihr  gueti  lüt  vertrauliche  anrede  Martin- 

LlENHART  1,  248; 

dar  inne  werde  erlischet,  herre  guot, 
6  du  volendest  dinen  muot 

KONRAD  V.  WOrzbueg  Partonopier  7767; 

guter  junger  herr,  dergleichen  leut  packen  sich  nicht  wie 
ein  flüchtiger  dieb  Göthe  8,  85  W.; 

gutes  weib,  lasz  mich  weiter  schreiten 

Klinger  neues  theater  (1790)  1,  9; 

ihr  pflegt  auch  zu  singen,  guter  alter  Göthe  21,  203  W.; 
hierher: 

guter  tnond,  du  gehst  so  stille 

in  den  abendwolken  hin 

bei  Böhme  volksth.  lieder  d.  Deutschen  857; 

ironisch:  o  ihr  guten  herren  apotheker,  wie  man  die  sim- 
plicia  einzelte,  so  würde  denen  kranken  viel  eher  geholfen 
Ettner  V.  Eiteritz  ungewissenh.  apot.  (1700)  790;  spöt- 
tisch: o  du  guter  kerle  Fischer  schiväb.  3,  952;  gern 
substantiviert: 

wie  meine  gute?  rätselhaft  war  sonst 

nie  deine  rede  Schiller  1,  317  ff.; 

nach  kurzer  zeit,  mein  guter,  tret  ich  wieder  vor  und  zwar 
dieszmal  mit  wünsch  und  ansinnen  Göthe  IV  38,  73  W. 

4)  im  15.  und  16.  jh.  ist  eine  Verwendung  spezieller  art 
gebräuchlich,  die  sowohl  auf  1  freundlich,  gefällig,  freigebig^ 
wie  auf  dem  in  erotischer  richtung  liegenden  2  Hieb,  traut' 
beruhen  kann  und  ins  pejorative  'hurerisch'  übergeht:  der 
W.  was  in  ainem  hausz  bey  ainer  gütten  dieren  (15.  jh.) 
städtechron.  22,  352;  die  des  benanten  Schwarz  burgers 
gute  diern  gewesen  ist  und  büberey  mit  der  gepflogen  hat 
(r. /.  1494)  Ulmer  einungsbuch  bei  Schmid  schwäb.  24&; 
dasz  dieselbig  guet  dürn  mit  anderer  gespilschaft  in  die 
zimbrisch  behausung  kam  Zimmer,  chron.^  3,  366  i5.;gude 
dochter  (u.  j.  1485)  'dirne,  prostituierte'  K.  Bücher  Frankf. 
beruf swb.  54 a;  do  aber  die  gut  tochter  vernam  {von  einer 
dirne  gesagt)  Fortunatus  100  ndr.;  die  ain  gütte  geselliu 
ist  und  die  durch  geltes  willen  im  leib  nyeman  versagt  98 ; 
gute  hää7\e\n.  (dirnen)  Lindener  katzipori  {l^bS)  126;  wohl 
hierzu-  guota  Lisal  {Schimpfwort)  in:  Frommänn  d.  dt.  maa. 
7,  471,  vgl.  das  guotli  Elsi  Kürze  und  derglycben  liederlich 
frowen  (1508)  bei  Staüb-Tobler  2,  537;  anders,  euphe- 
mistisch für  ^schädlich,  unheilbringend' :  {die  hexe  hat)  vor 
dreyen  jähren  Matthes  Herman  zwey  paar  gute  kinder, 
wie  sie  sie  nennet,  oder  elben  zugebracht,  derowegen, 
dasz  er  ihr  einen  scheffel  körn  verweigert  {v.  j.  1583)  in 
Carpzov  pract.  nov.  rer.  crim.  (1635)  1,  440^^. 

5)  eine  vorab  in  älterer  spräche  gebrauchte  sonderbedeu- 
tung  ist  hier  anzuschlieszen,  wenn  auch  ihr  Ursprung  nicht 
völlig  aufgehellt  werden  kann;  vielleicht  von  gut  IV  A  2  aus 
im  sinne  'sich  viel  gefallen  lassend,  viel  erdulden  müssend' 
entwickelt  und  zur  bedeutung  'bemitleidenswert'  verengert, 
doch  läge  auch  Verknüpfung  mit  den  den  bresthaften  leuten 
zugewandten  guten  werken  {s.  gut  IV  G  3  und  V  B  3  a  a) 
nahe,  vgl.  etwa:  den  armen  knechten  {almosenbrüdern) ,  die 
man  nennet  die  brot-durch-got  urk.  v.  j.  1376  in:  ztschr. 
f.  d.  gesch.  d.  Oberrheins  12,  14;  anderseits  könnte  für  gute 
leute  'aussätzige'  auch  von  der  krankheit  aus  die  bezeich- 
nung  erklärt  werden,  entweder  als  volkstümlicher  euphemis- 
musfür 'gefahrbringende,  ansteckende  menschen'  {vgl.  oben 
4  schlusz)  oder  als  benennung  für  leute  mit  einer  krankheit, 
die  nicht  zum  jähen  tode  führt  wie  etwa  die  pest. 

a)  seit  dem  13.  jh.  bis  in  das  ältere  nhd.  hinein  gilt  gute 
leute  für  'aussätzige' ,  mhd.  sonst  miselsühtige,  üzsetzige, 
sundersieche,  veitsieche,  als  fester  terminus,  vgl.  1  pfd. 


1293 


GUT,  adj.,  IV  B  1-2 


GUT,  adj.,  IV  B  2 


1294 


rappen  den  armen  luten  in  den  siechenstüben  im  spital 
.  .  .;  1  guldin,  ye  12 14  ß  für  1  guldin,  den  guten  lüten; 
mer  1  guldin  den  armen  lüten  im  platerhausz  testam.  a.  d. 
anfang  d.  16.  jhs.  in:  ztschr.f.  d.  gesch.  d.  Oberrheins  12,  30: 
gute  leuthe  in  der  rothen  kirch  seeig  er  ätebrief  v.  1271  bei 
Schebz-Oberlin  581;  bi  den  guten  lüten  vor  der  stadt 
ze  H.  urk.  v.  j.  1296  in:  württbg.  urk.-buch  10,  547;  und 
setzet  den  siechen  des  alten  spitals  nun  untze  hellere  und 
zweier  cappen  zinses,  die  man  git  von  Drutzenhuse  .  .  . 
und  den  guten  lüten  ein  phunt  hellere  urk.  v.  j.  1318  in: 
ztschr.f.  d.  gesch.  d.  Oberrheins  12,  13  anm.;  {ein)  knecht, 
genant  Klobelauch  .  .  .,  der  den  guten  luiten  im  garten 
iiesz  {v.  j.  1439)  bei  Scherz-Oberlin  581 ;  der  guten  leute 
sein,  werden  'aussätzig  sein,  werden^ :  ein  swester  .  . .,  die 
was  der  guten  leut  (15.  jh.)  bei  Fischer  schwäb.  3,  952; 
des  alten  Deckers  weib,  so  der  guten  leut  sein  soll,  soll 
sich  schauen  lassen  ratsprotokoll  v.  1528  bei  Schmtd 
schwäb.  246;  der  abbt  ward  der  gütten  lütt  (15.  jh.)  bei 
Fischer  a.  a.  o.;  auch  als  Zusammensetzung:  ist  aussätzig 
oder  gehört  zu  den  gutleuten  Martin  neu  parlement  (1637) 
157,  vgl.  auch  gutleuthaus. 

b)  allgemeiner  'bemitleidenswert^ ;  die  traditionell  für  'be- 
dürftig, arm"  hierher  gewiesene  stelle:  Nibelungen  1061,  2  B. 
gehört  indessen  zu  gut  V  A  2,  was  die  bearbeitung  in  hs.  C 
besonders  deutlich  werden  läszt;  daher  erscheint  diese  be- 
deutung  für  mhd.  zeit  noch  nicht  gesichert  und  ist  nicht  not- 
wendig die  Voraussetzung  für  a,  zumal  bei  b  auch  gut  IVA  3  c 
als  ein  das  mitgefühl  ausdrückendes  epitheton  in  der  anrede 
hiveinspielen  dürfte  und  gut  V  C  6  nicht  weit  abliegt;  für 
'bedürftig'  vgl.  nur  godeman  mendicus,  qui  ostiatim  stipem 
petit  KiLiAN  dict.  (1623)  l  3*;  für  leibeigene  leute: 

ja,  täglich  mir  selnd  für  der  tür 
die  guten  leut  und  bringen  für, 
wie  sie  es  nit  mehr  mügen  erzügen, 
80  tüind  sie  die  herren  bügen 
MyeioäUS  Bercht.  rediv.  (1630)  nach  Staüb-Toblkr  2,  536; 

'bedauernswert':  der  guet  mann  ist  kummen  um  all  syn 
hab  und  guet  U.  Meyer  Winterth.  chron.  v.  1540-1573  ebda; 
die  gueten  seien  die  seelen  im  feg f euer  ebda. 

B.  alt  ist  auch  die  beziehung  auf  formen  des  subjektiven 
gesinnungsausdrucks,  also  abstracta  une  gesinnung,  mei- 
nung,  wille  u.  ä.;  vgl.  neben  den  alten  bezeugungen  für 
guter  wille  (s.  u.  2)  altnord.  godr  hugr  'wohhcollen': 

ver  I)ü  heill,  Hymlr,       i  hugom  gödomi 

HymiskviOa  11,  2  Neekel, 

s.  weitere  belege  bei  Neckel  edda  2,  63=^; 

. . .  hwanda  hie  habda  starkan  bugl, 
mildean  endl  guodan  Heliand  30  Heyne. 

l)fast  ganz  auf  ältere  spräche  beschränkt  bleibt  guter  mut 
als  'freundliche  gesinnung' ,  vgl.  auch  nhd.  gutmütig: 

zalt  er  managfaltaz  guat      ufan  sia  joh  thes  ginuag 
Job  luad  sia  baito  guates      joh  suaslichea  muates 

Otfkid  V  12,  90; 
weder  wider  mich  sin  muot 
waere  übel  ode  guet, 
desn  weste  ich  nlbt  die  wärbeit 

Hartmann  v.  Attb  Iwein  476; 

gap  diu  minne  guoten  muot  (machte  gtUherziger) 

WiRNT  V.  Gkavenbkrq  Wigulois  5465  Ben.; 

wan  das  in  gutem  mute  (in  gutem  einvernehmen) 

einvalteclih  in  gute 

dii  selbü  zal  (Zählung)  alda  geschab 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  31076  Ehr.; 

tvie  A  2  b :  etwas  .  .  .  dultig  und  von  gutem  gemüt  tragen 
und  leyden  animo  meliore  aliquid  ferre  Frisifs  158^; 
•mehr  nach  III  A  5  hinüberspielend:  der  kreis,  aus  dem 
diese  lieder  kommen,  ist  zwar  ein  beschränkter, 
aber  heiter,  von  gutem  muth  und  willen  Göthe  IV 
29,  19  W. 

2)  bis  in  heutige  spräche  steht  guter  wille  durch;  es  ent- 
spricht lat.  bona  voluntas,  doch  ist  es  kaum  entlehnte  formet, 
vgl.  altnord.  gödvild,/.  'wohlwollen':  hann  syndi  enn  god- 
vild  slna  bei  Möbius  altnord.  gloss.  146;  meist  nicht  mehr 
als  'geneigter,  freundlicher,  tatbereiter  wille',  doch  gelegent- 
lich an  gut  V  B  1  b  angelehnt  wie  schon  in  den  Übersetzun- 


gen von  Luk.  2,  14:  mannam  godis  wiljins  {EvJoxiciff)  got. 
bibel,  vgl.  unten  sp.  1305;  vgl.  auch  gutwillig. 

a)  als  'freundlicher,  geneigter,  wohlmeinender  wille' ,  vgl. 
gunstig  gemute,  gutis  willen  susigkeit  pieias  Diefenbach 
433C: 

al  8Ö  bie  tbia  tbioda  gibörda 

wrfidon  wordon,      ne  was  is  willio  guod 

Heliand  5584  Heyne,  vgl.  S972; 


lehn  welz  wie  dln  wiUe  stö 
wider  micb:  der  mine  ist  guot 


wider  dich 


Walther  60,  21  L.; 


ir  müget  nun  wol  mein  guten  willen  und  freuntschaft  zu 
euch  vernomen  haben  Arigo  decam.  267  K.;  das  e.  m.  von 
nöten  het  umbzüsehen  und  zu  trachten,  aller  stend  gunst 
und  guten  willen  zu  bekomen  Sleidanüs  reden  150  B.; 
mein  guter  will  und  neigung  gegen  euch  (unrd)  weder 
frembd  noch  wunderlich  beduncken  K.  Scheit  Orob. 
vorr.  3  ndr.; 

des  tlscbes  arme  kost,  den  guter  wille  deckte 

Götter  ged.  1,  275; 
. . .  'kommt,  dem  nacbbar 
Btebt  die  thür  des  nacbbarn  offen' 1 
drauf  der  greis:  'dem  gut-en  wlUen 
besten  dank'l 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden  "*  101 ; 
in  verbaler  Wendung: 

der  belt  von  Burgonden      in  allen  guoten  willen  trnoc 
Nibelungen  1736,  4  Bartsch; 

eim  günstig  seyn  und  einen  guten  willen  zu  im  haben 
etwas  diensts  zebeweysen  Frisiüs  dict.  (1556)  160*>;  einen 
guten  willen  zu  einer  tochter  gewünnen  animum  adjicere 
ad  virginem  94^;  auch  guten  willen  haben,  vgl.  ich 
soll  hiemit  (4  kannen  wein)  von  ihnen  verehret  sein  und 
ihren  guten  willen  haben  Düber  nachl.  112  L.-F.;  mit 
Botschkai  im  bey  den  seinen  ein  guten  willen  gemacht 
Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  50^;  schon  formelhaft  in 
präpositio7uiler  Verbindung  'freundlich',  vgl.  mit  gutem 
willen  benevole  Fbisiüs  dict.  (1556)  162'': 

mit  guotem  willen  gruozter  st 

Hartmann  v.  ArB  /wein  7953; 
'gern': 

daz  ist  och  ftne  mtnen  zorn 
mit  guotem  willen  gar  verkorn 

WOLFRAM  Parz.  402, 18; 

'wohlwollend,  nachsichtig' :  aber  fühlen  hätte  der  Verfasser 
sollen,  dasz  man  seine  arbeit  mit  gutem  willen  lesen 
musz,  deszhalb  der  ausfall  besonders  gegen  uns  nicht  am 
rechten  flecke  steht  Göthe  an  Schiller  841 ;  ut  gauen  willen 
aus  gefälligkeit  Schambach  Oött.  60»;  nach  gut  IV  A  1  c  a 
hin  vom  vnllen  höherer  wesen  'gütig,  gnädig':  din  {gottes) 
guot  willo  ist  ims  skerm  unde  era  Notkeb  ps.  5, 13; 

In  deme  guten  willen 
entpflenc  der  vater  stillen 
die  gnade  die  der  sun  begieno 

Heinrich  v.  Hesler  apokal.  932  H.; 

feste  formet  ist  gottes  guter  gnädiger  wille :  gottes  guter 
gnediger  wille  geschieht  wol  on  unser  gebet  Lutheb  30, 
1,  252  W.;  von  hier  aus  zu  verstehen:  s  wer  e  guete  gotswill 
es  wäre  gut,  sehr  zu  wünschen  Seiler  Basler  ma.  153. 

b)  das  moment  der  freundlichen  gesinnung  kann  früh  zu- 
gunsten einer  bloszen  inneren  bereitschaft  zu  einem  tun 
zurücktreten;  gut  drückt  dann  oft  nur  den  begriff  des  tat- 
bereiten, freivnlligen  handelns  aus  und  wird  nicht  selten  zur 
bloszen  Verstärkung: 

lät  uns  stSn  die  mcere,       mir  und  minen  man. 
wir  wellen  sclere  hinnen:  des  Ich  guoten  willen  (ernste  absieht) 
hän        Nibelungen  76,  4  Bartsch; 

das  der  mensche  .  .  .  vinde  des  in  ime  einen  wol  bereiten 
guten  willen,  was  er  wiste  das  got  von  ime  wolte  .  . .,  das 
er  sich  darzü  zemole  bereit  vinde,  das  ze  tünde  Taüleb 
pred.  139  Vetter,  vgl.  137,  27;  do  die  künigin  irer  gesell- 
schaft  guten  willen  vername  Abigo  decam.  16  K.;  sie 
wollen  meinen  hertzlichen  gutten  willen  und  meynimg, 
der  armen  jügent  .  .  .  nützlich  zu  sein,  christlichen  an- 
sehen Maet.  Agricola  mus.  instr.  vorr.  4  Eitner;  nament- 
lich der  tatbereite  iville  im  gegensatz  zur  mangelhaften  oder 
mangelnden  ausführung:  so  nem  ewr  genad  den  gueten 


1295 


GUT,  adj.,  IV  B  2-3 


GUT,  adj.,  IV  G  1 


1296 


willen  zusampt  meinem  werck  für  guet  U.  Füetbbr 
bayer.  chron.  214  Sfilhr;  es  solt  an  gutem  willen  villeicht 
weniger  denn  bey  dem  Turcken  mangeln  Luther  30, 
2,  142  W.; 

all  gutar  will  wlrt  ta  bewisen 

all  frait,  die  fll  farmaintcn, 

auch  träumten  unt  for  langst  farhisen 

Fischart  Oarg.  50  ndr.; 

und  überall  es  mir  gebricht, 

als  nur  am  guten  willen  nicht 

GÖTHE  16,  152  W.: 

das  Schicksal^  welches  den  guten  willen  nicht  zur  that 
werden  liesz  W.  Raäbe  hungerpastor  (1864)  1,  246;  den 
guten  willen  zu  etw.  haben,  einem  den  guten  willen 
machen  Fischer  schwäb.  Z,  951 ;  mein  guter  wille  ist  nix 
höfliche  entschuldigung  ebda;  in  präpositionaler  fügung 
mit  (von)  gutem  willen  erstarrt  'mit  geneigtem  vnllen,  mit 
einwilligung': 

mit  mlnem  guoten  willen  si  tuot  in  allen  aller  sorgen  buoz 
KEINMAE  V.  ZWETEK  19,  6  R.; 

die  andere  helfte  der  wandernden  Cimbern  zohe  mit 
gutem  willen  der  Chautzen  .  .  .  über  den  Rhein  Lohek- 
STEiN  Arminius  1,  900*;  meinen  bedienten  aber  liesz  ich 
mit  seinem  guten  willen  zurücke  Rabener  s.  w.  6,  264; 
ganz  verblaszt:  es  ist  mir  abscheulich,  etwas  von  ihrem 
guten  willen  zu  erhalten,  was  mich  .  .  .  verletzt  oder  be- 
leidigt GöTHE  IV  19,  517  W.;  besonders  rechtssprachlich  alt 
im  sinne  'freier  wille'  und  präpositionxil  'freiwillig' ,  vgl. 
dienstbarkeit  usz  gutem  willen  unverpflicht  obsequium 
DiEFENBACH  389^,  in  zusammenrückung  gütswillens  volun- 
tate  Fbisius  (1556)  1404»;  ich  (habe)  mit  guden  willen  unde 
vrien  wilkore  .  .  .  werzegen  unde  ufifgelazen  al  daz  gut 
[v.  j.  1299)  hess.  urk.-buch  1,  482  Wysz;  das  soll  der  vor- 
geschribnen  pürgen  guet  willen  sein  {v.  j.  1347)  bei  v.  Bran- 
Dis  landeshauptl.  v.  Tirol  64;  {was  er)  nicht  schuldig  ist 
zu  üben,  es  sei  dann,  daz  er  dazselbe  tun  welle  mit  seinem 
guten  willen  (r.  j.  1356)  bei  Zeumer  gold.  bulle  2,  118; 
darumb  besorget  (Saladin),  er  {der  Jude)  im  von  gutem 
willen  nicht  mit  solcher  groszer  summe  gelt  ze  liebe  würde 
Arigo  decam.  33  K.,  wo  die  quelle  di  sua  volontä  bietet; 
ähnlich  noch  heute  in  gebrauch,  vgl.  das  is  mei  freier  gudr 
wille  Rotheb  schles.  sprichw.  302»;  zur  leeren  füllformel 
entkernt: 

undern  arm  sluoc  er 

mit  guotem  willen  daz  sper 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  6026; 

der  leit  so  lütez  krachen  gap 

als  der  einen  starken  stap 

mit  guotem  willen  brajche  enzwei 

Ulrich  v.  d.  Türlin  WüleTialm  54,  9  S. 

3)  gute  meinung,  gute  absieht  u.  ä.,  gern  in  präpositio- 
naler fügung,  die  in  älterer  spräche  oft  durch  das  subst. 
mit  durch  wiedergegeben  ist  durch  guot  (s.  gut  IX  B  5); 
vielleicht  schon  hierzu:  tannan  geskihet  taz  kuot  anawa- 
nunga  eresta  dero  sih  keloube  dien  misselungen  ist  {existi- 
matio  bona  'wohlwollende  beurteilmig')  Notker  1, 37  Piper; 

in  guoter  meine  ich  warne  iuch  alle  stunden 

Feauenlob  400,  2  E.; 

so  ich  gute  wolmeinung  der  leser  .  .  .  spüren  würd 
K.  Scheit  Qrob.  vorr.  7  ndr. ;  dann  der  geschrifft  halb  wer 
guter  meynung  geschehen  Seb.  Brant  W.  v.  Hohensteins 
waal,  anh.  zum  narrensch.  204''  Z.;  etwas  thün  oder  reden 
in  guter  meynung  oder  ausz  gutem  hertzen  Frisius  (1568) 
158'';  die  weyl  es  ausz  einer  gutten  meynung  und  allen 
kunstbegirigen  zu  gut  geschieht  A.  Dürer  underweysung 
(1525)  A  l'';  {die  Gatten  hätten)  unterschiedene  römische 
kaufleute,  die  guter  meinung  {in  friedlicher  absieht)  zu 
ihnen  kommen,  beraubet  Lohenstein  Arminius  1,  22»; 
m,it  beimiscMing  von  gut  II  B  4 : 

sie  werden  unvermerkt  die  gute  meynung, 
worauf  du  jetzo  fuszest,  untergraben 

SOffiLLER  12,  212  ö.; 
er  soll  sich  vor  mir  reinigen,  er  soll 
mir  meine  gute  meinung  wiedergeben 

Geillparzer  s.  w.  8,  9  Sauer; 

etwas  anders  nach  gut  I  C  hin  liegend:  lassen  sie  pich  in 
ihrer  guten  meinung  von  diesem  kritischen  werke  nichts 
irren  Lessing  8,  39  L.-M.;  {die)  viel  zu  gute  meinung 


vom  kunstvermögen  der  alten  Etrurier  Göthe  46,  71  W.; 
nur  mhd.  ist  guter  wahn  als  'freundliche  gesinnung' : 

sin  trüwe,  sin  stet,  sin  güder  wan 

is  gar  an  mir  zurblichen        Musoatblüt  34,  24  Or.; 

als  'gute  meinung':  daz  bezeichnet  die  guoten  wän  und 
daz  guot  wort,  die  man  hat  von  eines  guoten  menschen 
heiligen  lebene  Leyser  pred.  41,  9;  jung  ist  gute  absieht: 
{eine)  leidenschaft  .  .  .,  deren  herrschaft  über  ihn  allein 
hinlänglich  war,  alle  guten  absiebten  seines  neuen  freun- 
des zu  hintertreiben  Wieland  ^g-a^A.  (1766)  2, 200;  betreten 
darüber  .  .  .,  dasz  der  alte  seine  gute  absieht  so  übel  auf- 
nahm E.  T.  A.  Hoffmann  s.  w.  6,  152  Gr.;  wenn  du  mir 
nur  glaubst,  dasz  ich  in  guter  absieht  gesprochen  habe 
Th.  Mann  Buddenbrooks  (1901)  2,  99;  so  auch  gutes  ver- 
urteil, das  aber  meist  nach  gut  I  G  hinübergreift:  da  er  von 
seiner  tüchtigkeit  ein  so  gutes  vorurtheil  gefasset  hatte 
WiELAND  Agathon  2,  46;  könnten  sie  jedoch  einstweilen 
hier  und  da  ein  gutes  vorurtheil  für  die  sache  erregen 
und  mir  irgend  jemand  anzeigen,  der  schon  vorbereitet 
wäre  und  den  prospectus  freundlich  aufnähme  .  .  .  Göthe 
IV  19,  419  W.;  ähnlich:  dann  purgierts  auch  die  über- 
trieben gute  einbildung,  die  man  von  sich  selber  hat 
U.  Bräker  s.  sehr.  2,  112;  hierzu  stellt  sich  ein  gutes  an- 
denken, vgl.  |)atei  gaminjji  unsar  habaif)  god  sinteino 
got.  bibel  1.  Thess.  3,  6:  die  reden  der  .  .  .  beamten,  die  in 
gutem  andenken  bei  den  Soldaten  standen  Mommsen 
röm.  gesch.  (1908)  2,  307;  behalten  sie  mich  in  gutem  an- 
denken Göthe  IV  4, 181  W. 

C.  seit  früher  zeit  werden  auch  die  ausdrucksresuüate  der 
geneigten,  freundlichen  gesinnung  wie  wort,  gebärde,  tat 
durch  gut  auf  die  psychische  haltung  des  handelnden  Sub- 
jekts zurückbezogen;  gut  erhält  dann  die  bedeuiung  'aus 
freundlicher  gesinnung  stammend',  vgl.  den  entsprechenden 
gebrauch  der  ableitungen  gütlich  und  gütig. 

1)  von  der  rede,  den  worten  usiv.,  die  eine  freundliche 
gesinnung  zum  ausdruck  bringen: 

. . .  siu  ni  wissa  that  sia  thie  suno  drohtines 
gruotta  mid  gödaro  spräkun;      siu  w&nda  that  it  thie  gar- 
därl  wftri         Beliand  5929  Heyne; 

diu  rede  was  im  ande      und  dühte  in  niht  guot 

Kudrun  992,  2  M.; 
ir  mochtet  mir  bescheinen 
doch  mit  guoter  rede  daz 
ir  mir  weret  nicht  gehaz 

Heine,  v.  Freiberq  Tristan  1027  Bechst.; 

eyne  gute  rede  findet  eyne  gute  stat  prov.  Fridanci  58 ; 

lützel  guoter  (güetlicher  var.)  sprüche      redet  er  (Hagen) 
derzuo  Nibelungen  1500,  2  Bartsch; 

am  häufigsten  und  bis  heute  lebendig  gutes  wort,  besonders 
im  plural;  mit  einschlag  von  gut  III  A  6 : 

dö  gap  er  mir  vil  guotiu  wort 

Lohengrin  1404  R.; 
gut  wort,  arg  tück, 
vil  grüsz,  bösz  blick, 
das  ist  der  sit  auf  erden 

G.  Forstee  fr.  teutsche  liedlein  19  ndr.; 

und  sollen  kein  gut  wort  mehr  von  mir  hören  Luther 

30,  3,  470  W.; 

jedoch  stillt  ers  (das  heer)  mit  guten  worten 

Hans  Sachs  8,  450  K.; 

allzu  gute  wort  haben  wenig  glaubens  Friedrich  Wil- 
helms sprichwörterreg .  (1577)  a  1»;  wenn  ich  geklaget, 
hätte  er  mirs  schon  zahlen  müssen  und  der  tebel  hohl 
mer  kein  gut  wort  darzu  Chr.  Reuter  Schelm.  97  vollst, 
ndr.;  allem  ansehn  nach  werden  wir  heute  von  dem  herrn 
baron  nicht  viel  gute  worte  zu  erhalten  haben  ollapatrida 
145  Wiener  ndr.;  des  tages  wuszte  er  sich  nicht  zu  er- 
innern, an  dem  der  'wohlthäter'  ihm  ein  gutes  wort  ge- 
gönnt .  .  .  hätte  V.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  2,  10; 
'versöhnend' : 

unbewegt  und  stolz  will  keiner  dem  andern  sich  nähern, 
keiner  zum  guten  worte,  dem  ersten,  die  zunge  bewegen 

GÖTHE  50.  221  W.; 

feste  Verbindung  ist  gute  worte  geben,  s.  o.  Lohengrin  1404: 
wie  er  {der  papst)  .  .  .  einem  jeden  theil  gute  wort  geben 
hat  Sleidanus  reden  206  B.;  er  gab  ihr  so  gute  wort,  dasz 


1297 


GUT,  adj.,  IV  C  2-3 


GUT,  adj.,  IV  C  4 


1298 


endlich  Gretel  ja  sagte  Geimmelshattsen  2, 365  Keller;  um 
das  Service  zu  haben,  muszt  ich  auf  der  fabrick  gute  worte 
geben  Göthe  IV  20,  83  W.;  andere  Verbindungen  in  der 
bedeutung  'f Ursprache  tun':  ein  gut  wort  gegen  einem  ver- 
leyhen  Fbisius  (1556)  930*',  vgl.  Sekz  idiotismen  59^;  das 
sie  uns  ein  gut  wort  gegen  irem  herren  verleyhe  Vogel- 
GESANG-CocHLÄus  gespr.  V.  d.  trag.  Joh.  Hussen  26  ndr.; 
modern  besonders  ein  gutes  wort  einlegen :  ein  gutes  wort 
für  sie  bei  euch  einlegen  Schiller  3,  90  G.;  einem  e  guetes 
wort  zuechen  tuen  {Basel)  dasselbe  wie  für  einen  e  guetes 
wort  inieggen  {Zürich)  jemd.  zu  gunsten  reden,  ihn  em- 
pfehlen Staub-Toblek  2,  537;  sprichwörtlich:  ein  gut  wort 
findet  eine  gute  statt  Luthers  sprichw.  407  Thiele,  vgl. 
oben  prov.  Fridanci  58;  ein  gutes  wort  findet  eine  gute 
statt,  aber  ein  vernünftiges  keine  Göthe  IV  29,  19  W.; 
ein  gutes  wort  findet  ein  gutes  ort  Fischer  schwäb.  3,  951 ; 
formelhaft  mit  geld  und  guten  worten,  vgl.  schon  guete 
wort  und  alt  gelt,  das  verriebt  bei  der  höchern  oberkait 
.  .  .  alles  Zimmer,  chron.^  3,  600  B.;  mit  gelde  und  guten 
Worten  Micbaelius  altes Pommerland  (lG'i9)  2, 291 ;  vor  geld 
und  gute  wort  Chr.  Reuter  Schelm.  3  vollst,  ndr.;  oft  ins 
pejorative  umschlagend  freundlich  scheinende,  gleisznerische 
worte':  gute  wort,  nichts  dahinter  Luther  39,  355  Erl.; 
guot  hofwort  und  bös  kauf  M.  Frecht  (1549)  bei  Fischer 
schwäb.  3,  9bl;  gut  wort  müssen  böse  wahr  verkaufen 
sprichw.  (1548)  1753';  betriegen  geschieht  mit  guten  worten 
Lehman  flor.  pol.  (1662)  l,  106;  redensarllich  sich  durch 
gute  Worte  fangen  lassen  sich  betrügen  lassen;  fälle  ent- 
sprechenden gebrauchen  von  gut  freundlich'  auch  sonst 
nicht  selten,  doch  klingt  oft  gut  I  C  mit  hinein:  ein  gut  trost 
erfrewet  das  hercze  prov.  Fridanci  74;  die  freundlichkeit 
und  der  gute  trost  des  Wundarztes  Göthe  23,  27  W.;  wir 
daiiken  ew.  gn.  wegen  des  guten  anerbietens  tugend-  u. 
liebesstreit  in:  Creizenach  schausp.  engl,  comöd.  79;  gut 
grusz  gibt  gut  antwort  Luther  bei  Schulze  bibl.  sprichw. 
55;  der  kaiser  begann  damit,  seinen  Vorschlag  zu  erneuern 
und  um  gute  {'wohlwollende')  antwort  zu  bitten  Ranke 
s.  w.  1,  130;  modern  häufig  gute  wünsche:  der  grosze  gute 
wille  ruft  alle  unsere  besten  guten  wünsche  Göthe  IV 
41,  54  W. 

2)  von  gebärden  und  körperlichen  ausdrucksformen 
freundlicher  gesinnuny;  mit  einschlusz  der  worte  guter 
grusz : 

der  guote  gruoz  der  vreut  den  gast,  swenn  er  In  gät 

Spervogel  in:  minnesangs  frühl.  25,  5; 

guter  grusz  ist  vieler  kranckheit  busz  Neander  dt. 
sprichw.  14  L.;  guter  grusz  ist  halbe  speisz  Lehman  flor. 
J)oL(1662)  3,  132; 

die  tritt  mit  gutem  grusz  herein  Göthe  16,  124  TT.; 

weil  ihr  durch  mich  seit  gebracht  zu  diesem  glficlc, 
laszt  mich  genieszen  auch  biszweil  ein  guten  blick 

ZiNKGREF  auserl.  gcd.  59  ndr.; 

dieser  {konnte  ihn) .  .  .  nie  wieder  mit  gutem  äuge  ansehen 
Fr.  H.  Jacobi  w.  5,  68;  einem  kein  guetes  aug  gen  {geben) 
unwirsch  sein  im  Umgang  Staub-Tobler  2,  537;  en  ;feoas 
auga  up  äinan  häbn  jem.  lieben  Böger  Schwalenberg.  ma. 
150;  ebenso  hd.  ein  gutes  äuge  auf  etwas  haben  oder  werfen 
im  sinne  'etw.  gern  besitzen  wollen' ;  etwas  anders  freund- 
lichkeit verratend':  aus  den  schönen  guten  äugen  Göthe 
25,  254  W.;  {er  wurde)  bey  dem  eintritt  in  sein  haus  durch 
. . .  die  menge  und  die  gute  mine  der  bedienten  ...  in  eine 
art  von  Verwunderung  gesezt  Wieland  ^gra^Aon  (1766)  1, 
46;  {er)  brachte  sie  durch  seine  .  .  .  gemachte  lustigkeit 
dahin,  zu  allen  seinen  grausamen  erklärungen  eine  gute 
miene  zu  machen  Gutzkow  ges.  w.  4,  43;  redensartlich 
gute  miene  zum  bösen  spiel  machen,  vgl.  v.  Gaal  sprüchw. 
(1830)  257;  sie  hatte  dieselbe  art  .  . .,  immer  gute  miene 
zum  bösen  spiel  zu  machen  Fr.  v.  Reventlow  ges.  w. 
(1925)  1127;  ihr  {der  mutter)  gutes  gesicht  war  alt,  so  alt 
geworden  E.  G.  Kolbenheyer  Montsalvasch  (1912)  319. 

3)  von  handlungen  und  handlungsergebnissen  verschie- 
dener art,  die  durch  gut  im  sinne  'aus  freundlicher  gesin- 
nung  geschehen,  wohlwollend  gegeben,  gern  gewährt'  u.  ä. 
charakterisiert  werden: 

IV   1.  6. 


endi  selbo  gibdd, 
that  sea  an  fride  förin  widar  fiundo  nid, 
thea  idisl  mid  is  orlöbu  gödu  . . .         Eeliand  4213  Heyne; 

si  kust  ir  vriunt  die  nsehsten,      swaz  si  der  bi  ir  vant. 
mit  guotem  urloube      si  körnen  üf  den  se 

Nibelungen  526,  3  Bartsch; 

dö  wart  der  rlterllchen  magt 
von  mir  gnäde  gesagt 
ir  guoten  handelunge 

Haktmanu  V.  Aue  Iwein  389,  vgl.  6480; 

fräulein  Reseda,  welche  so  oft  im  wochenblättchen  an- 
zeigt, dasz  sie  mehr  auf  gute  behandlung  als  groszen  ge- 
halt  sehe  Brentano  ges.  sehr.  5,  65;  die  gute  aufnähme, 
welche  die  erste  ankündigung  .  .  .  gefunden  hat  Wie- 
land d.  deutsche  Merkur  l,  3;  den  27.  ging  eine  kleine 
Sendung  noch  von  Jena,  der  ich  guten  empfang  wünsche 
Göthe  IV  34,  lO  W.;  {ich  musz)  ein  mal  meinem  hertzen, 
das  gesteckt  voll  guter  gedänken  und  freuntlicher  güt- 
willigkeit,  .  .  .  einen  luft  geben  Hütten  op.  1,  449  Bock.; 
darumme  ab  ir,  so  ir  böse  sit,  künnit  gute  gäbin  gebin 
üweren  sünen  des  Malth.  v.Beheim  evang.-buch  19  B.;  ein 
gnediger  segen  und  gute  gäbe  gottes  Mathesius  Sarepta 
(1571)  l"'  inhaltsang.;  bey  dieser  gelegenheit  seh  ich  doch 
auch,  dasz  ich  diese  gute  gäbe  der  himmlischen  ein  wenig 
zu  kavalier  behandle  Göthe  IV  4,  21  W.;  einen  gar  guten 
brief  von  meiner  mutter  hab  ich  kriegt  ebda  12;  er  tut 
mir  kein  gutes  stücklein  nicht  den  kleinsten  gefallen 
Fischer  schwäb.  3,  951;  gute  werke  u.a.  siehe  unten  V 
BSa. 

4)  gut  bestimrrd  die  verhältnisart  mehrerer  personen  zu- 
einander als  'auf  freundlicher  gesinnung  beruhend'  und 
nähert  sich  dem  sinne  'freuiidschaftlich,  vertraut',  doch  ist 
auch  blassere  Verwendung  als  bloszes  epitheion  des  affekt- 
wertes häufig;  mit  vollem  gehalt: 

ist  unser  minne  äne  kraft, 
Böne  wart  nie  guot  geselleschait 

Haktmann  V.  Aue  Jwein  5110; 

ich  war  newlich  yon  einer  gutten  gesellschafft  Luther  26, 
552  W.;  gef arten  .  .  .,  die  under  dem  schein  einer  freund- 
schafft, einer  guten  gesellschaft  euch  in  abwege  zu  führen 
begehren  Moscherosch  insomn.  cura  par.  24  ndr.;  kuche 
über  den  zäun,  kuche  herwidder,  helt  gutte  gefatterschaft 
prov.  Fridanci  51;  man  musz  etwas  thun  von  guter  nach- 
baurschafft  wegen  sprichw.  (1548)  180;  dabei  hielt  man 
doch  auf  gute  nachbarschaft,  .  .  .  beging  häusüche  feste 
mit  einander  Ranke  s.  w.  1,  231; 

halten  also  der  Mayn  und  Rhein 
correspondentz  und  gut  verein 

M.  Mangold  marckschiff  (1596)  b  4; 

um  zu  sehen,  ob  auch  zwischen  den  erwachsenen  ein 
gutes  verhältnisz  entstehen  könne  Göthe  24,  7  W.;  Paul 
von  Lichtenstein,  der  in  gutem  verhältnisz  mit  Venedig 
stand,  war  für  einen  angriff  auf  Mailand  Ranke  s.  w.  l, 
118;  einige  besitzer  benachbarter  bergschlösser  standen 
mit  den  kaufleuten  in  gutem  vernehmen  Novalis  sehr.  4, 
99  Minor;  der  kaiser  war  .  .  .  genöthigt,  ein  gutes  ver- 
nehmen mit  dem  papst  aufrecht  zu  erhalten  Ranke  s.  w. 
1,  205;  mir  liegt  daran,  dasz  wir  in  gutem  einvernehmen 
scheiden  Freytag  ges.  w.  (1887)  6,  71;  bei  diesem  guten 
einverständnisz  in  hinsieht  der  auswärtigen  angelegen- 
heiten  Ranke  s.  w.  1,  114;  hierher  stellt  sich  auch  die  junge 
redensartliche  wendung  auf  gutem  fusze  mit  jem.  stehen 
u.  ähnl.,  die  ihren  ausgang  aber  wohl  von  gut  I  A  auf  gutem 
fusz  {'solider  grundlage')  stehen  {s.  U.  Bräker  s.  sehr.  2, 
138),  auf  guten  fusz  stellen  (s.  Göthe  IV  21,  240  W.)  u. 
ähnl.  her  genommen  hat;  heutigem  Sprachgefühl  nach  ist  auf 
gutem  fusze  bedeutun^sgleich  mit  auf  vertrautem,  freund- 
schaftlichen fusze:  Preuszen  setzt  sich  auf  guten  fusz 
mit  Frankreich  Grillparzer  s.  w.  14,  146  8.;  Saturnius 
und  Glaucia  waren  .  .  .  keineswegs  auf  gutem  fusze  mit 
der  geldaristokratie  Mommsen  röm.gesch.^^  2,  204;  war  es 
unvermeidlich,  sich  mit  signor  Camilla  auf  guten  fusz  zu 
stellen  JusTi  Winckelmann  2,  l,  182;  der  verstand  und 
das  herz  stehen  auf  sehr  gutem  fusze  v.  Ebner-Eschen- 
bach  ges.  sehr.  1,  36. 

82 


1299 


GUT,  adj.,  V  A  1 


GUT,  adj.,  V  A  i 


1300 


V.  gut  bezeichnet  in  anwendung  auf  menschen,  mensch- 
liche eigenschaften,  handlungen  und  einrichtungen,  zustände 
und  erscheinungen  des  lebens  aller  art,  dasz  ihnen  vom  Stand- 
punkt der  ethischen  bewertung,  sei  es  nach  der  in  den  sitt- 
lich-religiösen geboten  gottes  niedergelegten  oder  in  der  philo- 
sophischen ethik  aufgezeigten  morallehre,  das  prädikat  'dem 
bereiche  des  sittlichen  zugehörig'  zukommt;  die  moralphilo- 
sophisch und  moraltheologisch  in  frühchristlicher  zeit  schon 
scharf  ausgeprägte  ethische  bedeutung  des  lat.  bonus  hat  auf 
die  entwicklung  dieser  bedeutung  von  gut  Tiach  der  Christia- 
nisierung der  Germanen  entscheidend  eingewirkt,  es  na- 
mentlich dem  theologischen  Verwendungszweck  zugeführt; 
wieweit  in  vorchristlicher  zeit  germ.  gut  ethisch  wertenden 
Sinngehalt  gehabt  hat,  läszt  sich  nicht  mehr  ausmachen,  aber 
sowohl  gut  I  A  4  'schicklich',  I  B  2  'tapfer',  I  B  5  'tüchtig' 
(nicht  I  C  wie  sp.  1228)  wie  namentlich  gut  II  B  l  'edel, 
vornehm'  und  IV  A  1  'huldreich,  freundlich'  enthalten  be- 
reits ethische  Wesenselemente,  die  die  Verwendung  von  gut 
für  die  sphäre  des  sittlichreligiösen  empfindens  vorbereiten 
konnten,  vgl.  eddisch  godr  'ehrlich,  anständig'; 

(der  fährmann  sagt  zu  Thor:) 

badat  hann  hlennimenn  flytia      ecJa  hrossa  Jiiöfa, 
göda  eina,       ok  Jid  er  ek  gprva  kynna 

Eärbarzliöö  8,  7  Necket. 

A.  sittlich  gut  von  personen  und  den  Organen  der  mora- 
lischen gesinnung  spezialisiert  sich  nach  verschiedenen 
richtungen  je  nach  den  anwendungsgebieten  der  ethisch  be- 
stimmten haltung;  der  ethisch-religiöse  gehalt  von  lat.  bonus 
übt  in  der  ausbildung  der  Sonderbedeutungen  hier  einen  um 
so  stärkeren  einflusz  aus,  als  die  differenzierung  der  mora- 
lischen Qualitäten  nach  dem  Vorbild  der  lat.  theologischen 
und  philosophischen  Schriften  erfolgt;  im  got.  ist  die  per- 
sonale Verwendung  nur  in  einem  einzigen  falle  und  nur  in 
der  Substantivierung  bezeugt:  ubilans  jah  godans  {noy/jQov^ 
y.ccl  ayad-ovs)  Matth.  5,  45,  doch  fehlt  es  an  einer  gröszeren 
zahl  geeigneter  Vergleichsstellen,  sodasz  nicht  sicher  auszu- 
machen ist,  ob  die  christlichen  Ooten  das  attributive  ad- 
jektiv  in  diesem  sinne  nicht  auf  personen  angewendet  haben, 
weil  sie  für  diesen  gebrauch  jjiujieigs  benutzten,  vgl.  Luk.  6, 
45:  f)iuj)eigs  manna  (6  nyah^os  äy&QüJjiOs);  in  ahd.  zeit  ist 
die  ethische  bedeutung  von  gut  bei  personaler  Verwendung 
stark  von  der  religiösen  seile  her  bestimmt  und  zweigt  daher 
auch  spezifisch  religiöse  Sonderbedeutungen  ab,  vgl.  guot 
probus,  sanctus,  pius  Graff  i,  157  (s.  unten  2). 

1)  in  allgemeiner  ethischer  Verwendung;  gut  im  sinne 
'rechtschaffen,  tugendhaß,  nach  den  göttlichen  geboten  und 
den  irdischen  gesetzen  einen  sittlich  reinen  lebenswandel 
führend' ,  vgl.  gut,  sittig  moralis  Diepenbäch  nov.  gl.  257^; 
gut  probus,  albus,  apertus,  candidus,  dexter,  castigatu^, 
honestus,  redicors,  innocens,  integer,  inculpatus,  justus, 
purus  ab  humanis  cupiditatibus,  illabefactabilis  ad  impia 
Albeeus  nov.  dict.  (1540)  394. 

a)  früh  mit  stark  religiös  bestimmtem  gehalt  hinsichtlich 
der  sittlichen  beurteilung  nach  den  geboten  gottes. 

a)  im  gegensatzpaar  gut  und  böse,  besonders  im  hinblick 
auf  das  urteil  gottes  beim  jüngsten  gericht,  vgl.  gerecht  und 
ungerecht;  substantiviert: 

. . .  skedit  that  werod  an  tw6 
thea  gödun  endi  tbea  ubilon 

Eeliand  4447  H.; 

in  einerweo  gahwelihero  steti  gascauwont  enti  gasehant 
gotes  augun  guote  joh  ubile  Monseer  fragm.  27,  23  üench; 

giwisso,  thaz  nl  hlluh  thih,      thoh  sint  thie  liuti  missilih, 
fehemo  muate,      ubile  joh  guate  Otfkid  II  19,  24, 

weitere  fälle  für  subst.  adj.  s.  unten  gut  VIII  A  1  a;  guot 
man  fon  guotemo  tresewe  sines  herzen  frambringit  guot 
intiubil  man  fon  ubilemo  bringit  ubil  Tatian  41,  5; 

thea  forgrlponon  gumon      s6  samo  so  thea  gödun  man 

Eeliand  2591  H.; 
di  undir  iu  {Jakobs  söhnen)  werden  gut 
die  sin  mine  sun  in  got; 
die  ubelen  ich  zersprenge, 
elliu  genade  si  in  enge 

genesia  u.  exodus  107,  34  Diemer; 

der  gute  (mensch)  lidet  sich  darinne  (der  Versuchung)  durch 
got  .  .  .,  aber  der  böse  enmeinet  got  nüt  und  vellet  in  die 


as.  genesis  115  H.; 


Sunde  Tatjler  pred.  116,  15  F.;  der  mensch  ist  nit  genüg 
gut,  der  nit  bös  leut  umb  sich  geleiden  mag  und  in  ver- 
tragen Geiler  v.  Keisersberg  häslein  (l5io)  D  d  2*'. 

b)  auch  ohne  den  betonten  gegensatz  zu  böse  zeigt  gut  ein 
moraltheologisch  bestimmtes  gepräge,  doch  ist  in  älterer 
spräche  die  abgrenzung  gegenüber  c  und  d  oft  kaum  möglich: 
guot  man  inti  reht  Tatian  212,  l; 

. . .  thanan  quamun  guoda  mann, 
wordun  wisa      gewitt  linödun 

kuot  man  ih  nebin  Notker  ps.  68,  20; 

wanta  iagilih  tho  thar  instuant,      thaz  ther  man  scolta 

wesan  guat, 
zi  guaten  sih  gizeliti,      ther  suntigan  so  quelitl 

Otfkid  III 17,  47; 

ther  ther  thanne  thiob  was,  Inder  thanana  ginas, 
nam  sina  vaston:  s!dh  warth  her  guot  man 

Ludwigslied  16; 

und  were  ein  iglich  mensche  alse  getruwe  und  also  gut 
d.  heil,  regel  19,  24  Priebsch;  wie  not  wer  dis  manigen  guten 
menschen,  die  in  guter  einvaltikeit  ungewarnet  uzlöffent 
von  irme  gründe  in  gut  schinenden  wisen  und  werken 
Tauler  36,  l  F.; 

und  wer  auch  diss  nicht  entud, 
der  ist  ein  schalk  und  nicht  gud 

Joh.  Rothe  lob.  d.  keuschh.  1769  ^.; 

daz  also  eines  guten  gerechten  man  sele  solt  verdampt 
sein  Arigo  decam.  29  K.;  aber  disse  (menschen)  sind  durch 
und  durch  gutt  Luther  10,  1,  l,  456  W.;  ich  byn  nicht 
gutt  gnug,  das  du  unter  mein  dach  gehist  var.  zu  Luc.  7,  6 
bei  Dietz  2,  186^;  ähnlich  gehaltvoll: 

o,  ich  will  gut  noch  werden,  fromm  und  gut! 

Geillparzee  4, 152  S. 

c)  allgemeiner,  und  auch  in  neuerer  spräche  die  geläufigste 
Verwendung,  von  dem  in  einklang  mit  dem  sittengesetz 
lebenden,  moralisch  hochstehenden  menschen  im  sinne  'recht- 
schaffen, ehrenhaft,  gradsinnig':  der  gegensatz  ist  hier  in 
älterer  spräche  übel,  böse,  arg,  in  neuerer  namentlich 
schlecht:  taz  .  .  .  übel  man  an  demo  guoten  geskeinen 
mag  sinen  argen  willen  (posse  contra  innocentiam  quae 
sceleratus  quisque  conceperit.    Boethius)  Notker  1,  32  P.; 

daz  er  {der  mann)  im  selben  ein  urchunde  tuot 
daz  erne  ist  reht  noch  guot 

vom  rechte  286  Waag; 

man  wirt  bl  guoten  liuten  guot, 
bl  deme  bcese,  der  übel  tuot 

Frbidank  107, 10  Gr., 
vgl.  subst. : 

guoten  tac,  bces  unde  guot 

WOLFRAM  Parzival  297,  25; 

wan  llez  ich  die  {die  versprochene  hilfe)  danne, 
wie  zsem  daz  guotem  manne? 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  4898; 

der  guot  man,  swaz  der  in  guot 
und  niwan  der  werlt  ze  guote  tuot, 
swer  daz  iht  anders  wan  in  guot 
vernemen  wil,  der  missetuot 

GOTFEiD  V.  Straszbueg  Tristan  5; 

reht  und  einvaltis  mütis 

was  er  der  reine  gute, 

in  herzen  und  in  mute 

hat  er  sih  valschis  gar  bewegln 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  5490  Ehr.; 

es  werden  offt  von  guten  und  edlen  vättern  böse  unertige 
kindt  .  .  .-geboren  Carbach  Livius  (1551)  5^; 

man  helt  manchen  für  bösz  und  manchen  für  gut, 

da  man  beiden  unrecht  thut  Henisch  1787; 

was  würdet  ihr  nun  vorziehen,  dasz  Racine  ein  guter 
mann  gewesen  wäre  .  .  .  oder  dasz  er  schelmisch,  verräte- 
risch, ehrgeizig,  neidisch  gewesen  wäre?  Göthe  45, 15  W.; 
besonders  gehaltvoll: 

ein  guter  mensch  in  seinem  dunklen  dränge 

ist  sich  des  rechten  weges  wohl  bewuszt  14,  22; 

all  die  einrichtungen  der  natur,  die  dem  guten  und  ge- 
rechten menschen  seine  seel  reifen  Bettine  dies  buch  geh', 
d.  kön.  1,  38; 

war  nur  der  mensch  erst  wahr,  er  war  auch  gut 

Grillfarzer  8, 11  S.; 


1301 


GUT,  adj.,  V  A  l 


GUT,  adj.,  V  A  2 


1302 


gut  und  arm  bleibt  hinter  der  thür, 
reich  und  schlecht  kommt  herfür 


Wandbe  2, 179; 


8  kan  m  guda  menscha  a  schlecht  gihn  Rother  schles.  spr. 
237*';  besser  guet  als  schön  Staub-Tobler  2,  535. 

d)  schon  auf  dem  wege  zur  abgeschwächten  bedeutungs- 
gruppe  (s.  unten  C),  aber  noch  mit  uneingeschränktem 
ethischen  Sinngehalt  tritt  in  neuerer  spräche  gut  als  'brav, 
wacker,  ordentlich,  anständig'  hervor: 

ein  edles  volk, 
das  nur  durch  friedenswerke  sinnt  und  strebt, 
gott  wohlgefällig,  gut  und  brav  zu  sein 

Hoffmann  v.  Falleksleben  ges.  sehr.  5,  309; 

gut  und  brav  gewesen  sein,  ist  das  schönste  lob  auf 
den  leichenstein  Wander  2,  179; 

ist  die  mutter  gut  von  Sitten, 
magst  du  um  die  tochter  bitten 

Binder  sprichw.  136 ; 

e  guter  mann  brav,  ordentlich  Follmann  lothr.  221. 

e)  eine  besondere  prägung  erfährt  gut  im  rahmen  hoch- 
mittelalterlicher Standesethik;  so  ist  gut  in  der  klassischen 
mhd.  dichtung  vielfach  ein  terminus,  der  die  tatsache  um- 
schreibt, dasz  die  charakterisierte  person  alle  höfischen  tuten- 
den und  die  damit  geforderten  ethischen  qualitäten  besitzt; 
vgl.  dazu  auch  R.  Brodführer:  Untersuchung  üb.  d.  ent- 
wickl.  d.  begriffes  'guot'  in  Verbindung  mit  personenbezeich- 
nungen  im  minnesange  (diss.  Leipz.  1917): 

(Oawein,)  an  dem  niht  tes  erschein 
ern  wsere  hövesch  unde  guot, 
der  erzeicte  getriuwen  muot 

Haetmann  V.  AUK  Iwein  2699 ; 

ich  bin  mit  rehter  stsetekeit      eim  guoten  rtter  undertän 
BtTRGGKAF  V.  Regknsbtjrg  in:  minnegangs  frühl.  16,  2; 

jft  hoere  vil  der  tugende  sagen  von  eime  ritter  guot 

Dietmar  v.  Eist  ebda  39,  4; 

■wart  le  guotes  und  getriuwes  mannes  rät, 
8ö  kum  ich  mit  vröiden  hin 

Reinmar  D.  a.  ebda  173,  20 

Ich  wll  guotes  mannes  werdekeit 

vil  gerne  hoeren  unde  sagen        Walther  41,  21 


reiniu  wlp  und  guote  man, 

swaz  der  lebe,  die  müezen  sajüc  s!n 


91,9 


besonders  häufig  als  wertendes  epitheton  in  höfischer  epik 
und  im  minnesang  von  der  frau,  doch  achunngt  dabei  nicht 
selten  auch  gut  IV  A  l  c  ^  mit: 

vor  gote  ich  guoten  wlben  bite, 
daz  in  rehtiu  mäze  volge  mite 

Wolfram  Parzival  3,  3; 


'daz  glt  gelücke  und  höhen  muot, 
op  si  kiusche  ist  und  guot 


128,  2; 


sl  (Belakane)  phlac  so  schoener  zühte 
und  was  so  wlpllchen  guot  (von  edler  fraulichkeü) 
d.  böse  frau  585  Sehr.; 
höhe  stät  min  muot: 
wan  al  diu  werlt  noch  nie  gewan 
ein  schcene  wlp  s6  rehte  guot 

Dietmar  v.  Eist  in:  minnesangs  frühl.  36,  26; 

swer  guotes  wlbes  minne  hat 
der  schämt  sich  aller  missetät 

Waithek  93, 17 ; 

guot  wlp  in  eines  jungen  mannes  muote 
diu  entwirfet  dem  sinne  vil  tugentlichlu  bilde 
DER  VON  HOHENFELS  in,:  minnesinger  1,  208  v.  d.  Hagen; 

vil  schcene  unde  biderbe      darzuo  edel  unde  guot 
so  weiz  ich  eine  frouwen:      der  zimet  wol  allez  daz  si  tuot 
Meinloh  v.  Sevelingen  in:  minnesangs  frühl.  15,1; 

zur  bloszen  formet  erstarrt: 

.  . .  waz  solde  ich  einem  man 

der  ie  herzen  liebe      von  guotem  w!be  gewan 

Nibelungen  1218,  4  Bartseh; 

si  vil  minnecUchiu  guote,  guot  von  rehter  güete,  guot  für 

elliu  guoten  wlp 
Ulrich  v.  Lichtekstsin  irauendienst  401,  5  £.; 

kunig  Teramens  tochter  die  gut 

Friedrich  v.  Schwaben  1386  Jell. 

f)  in  den  von  a-d  unterschiedenen  bedeutungen  findet  oft 
eine  Übertragung  von  der  person  auf  das  wirkend  gedachte 
organ  der  ethischen  gesinnung  statt;  namentlich  herz:  J)ai 
ize  in  hairtin  godamma  jah  seljamma  gahausjandans  {)ata 


waurd  gahaband  got.  bibel  Luk.  8,  15;  wola  tuo,  du 
thruhten,  guot  unde  reht  herza  habenten  Notkee  ps. 
124,  4; 

ir  wlpltch  herze  was  s6  guot, 

ein  arke  für  unkiusche  fluot 

Wolfram  Parzival  477, 11, 
vgl. 

reinez  herze  unt  reiner  muot 

sint  in  aller  waete  guot        Fkbidank  112,  21  Or.; 

aber  das  hertz  ist  grosz  und  gut 

ROLLENHAQEN  ffoschmeuseler  (1595)  0  4"; 

wenn  das  hertz  durch  den  glauben  gut  ist,  so  ist  alles  gut, 
was  es  im  glauben  thut  Petri  d.  Teutschen  weiszh.  1, 
F7*'; 

und  die  Unschuld  eines  guten  herzens 
regte  sich  im  busen  hin  und  wieder 

Göthe  2, 101  TT.; 

vereinzelter  bleiben  andere  objekte:  vone  dannan  sint  mit 
den  wibon  bezeichenet  die  guoton  sela,  die  der  in  selbon 
sint  consciae  iro  brode  Williram  hohelied  52,  38  Seem.; 
anders: 

Schwester,  Schwester!  reine  gute  seelel 

Hölderlin  ges.  dicht.  1,  40  Litzm.; 

so  was  doch  Innerhalp  der  muot 

sd  reine  geart«t  und  so  guot, 

daz  edeler  muot  und  reiner  art 

under  helme  nie  bedecket  wart 

GOTFRiD  v.  Straszburg  Tristan  6722,  vgl.  17895; 

schwartze  haar  und  rother  hart 
ist  selten  einer  guten  art 

Düez  nomencl.  (1652)  101; 

wenn  sie  [die  seele)  sich  auf  etwas  rechtschaffenes  wendet, 
heiszet  es  ein  gutes  und  ein  edles  gemüth  Noel  Chomels 
öcon.  lex.  (1750)  4,  869;  Tiberius  war  eine  gute  und  sitt- 
liche natur  Mommsen  röm.  gesch.^'^  2,  84 ;  hierher:  sie  freute 
sich  innerlich,  weil  sie  einen  so  schönen  .  .  .  blick  in  sein 
gutes  theil  hatte  werfen  können  Gutzkow  ges.  w.  6,  100; 
feste  formel  ist  guter  charakter,  vgl.  Staub-Toblek  2,  537; 
warum  verirren  sie  sich  in  politik?  ...  sie  verderben 
sich  ihren  guten  charakter  Fontane  ges.  w.  I  8,  34. 

2)  in  älterer  spräche  hat  sich  die  anwendung  von  gut  in 
der  religiös-sittlichen  sphäre  zu  einer  spezifisch  religiösen 
bedeutungsform  verengert,  die  später  durch  fromm  verdrängt 
wird,  aber  bis  in  neuere  zeit  nachunrkt,  vgl.  dazu  Fr. 
Schmidt  z.  gesch.  des  wortes  'gut'  {diss.  Leipz.  1898)  s.  16/.; 
gut  Via  wird  zur  bedeutung  'gott  wohlgefällig,  fromm, 
heilig'  gesteigert,  vgl.  guot  pius,  sanctus  Graff  4,  157,  und 
dient  als  ständiges  epitheton  heiliger  personen,  namentlich 
auch  solcher,  denen  das  prädikat  heilig  nicht  offiziell  bei- 
gelegt ist,  so  der  alttestamentlichen  frommen,  der  anhänger 
Christi  im  neuen  testament  sowie  der  angehörig en  des  geist- 
lichen Standes;  doch  tritt  es  auch  bei  den  namen  der  heiligen 
oft  zu  sanct  hinzu,  vgl.  dem  guten  sant  Peter  (v.  j.  1326) 
mon.Boic.  6,  415;  den  guden  sent  Severin  städtechron.  13, 
78;  den  guten  sanctum  Brendanum  Lucidarius  1,  16 
Heidi.; 

dem  guoten  sante  Stephanen 

kaiserchron.  13754  Sehr.; 

diu  guote  sande  Elisabet 
Lampeecht  v.  Reqensbxteg  s.  Francisken  leben  1081  Weinh.; 

vgl.  auch  terminologisch  als  subst. : 

diu  kristenheit  wser  übel  beriht, 

genüzzen  wir  der  guoten  {der  heiligen)  niht 

Feeidank  24,  6  ffr.; 
bei  alttestamentlichen  personen: 

. . .  thanan  mahta  he  thena  gödon  skawön, 

Abraham  gesehan  . . .  Heliand  3360  H.; 

thie  forasagon  (propheten)  guate      thle  sint  ouch  alle  dote 

Otfrid  III  18,  30; 

wellet  ir  gihoren      Daviden  den  guoton 

psalm  138  v.  1  in:  denkm."  31  Müllenh.-Scherer; 

Moj'ses  der  vröne  böte  guot 

Ezzos  gesang  326  Waag; 
do  sprach  Jacob  der  gute 

Rudolf  v.  Ems  toeltchron.  5519  Ehr.; 

mit  deutlicher  trennung:  die  guoten  liute  in  der  alten  6 
und  die  heiligen  in  der  niuwen  6  Berthold  v.  Regens- 
BUKG  266,  13  Pf.;  von  neutestamentlichen  personen: 

82* 


1303 


GUT,  adj.,  V  A  2 


GUT,  adj.,  V  A  3.  B  l 


1304 


. . .  thö  habda  eft  garo 
Johannes  the  gödo      glau  andwordi 

Lazarus  ther  guato 


Heliand  930  H.; 


ward  kumig  fllu  thrato 

Otfrid  III  23,  5; 

mid   thiu   godesbarnu      endi    mid   theru   gödan   thiornon 
(Maria)         Heliand  706  H.,  vgl.  361; 

muater  thlu  guata  (Maria)      thaz  kind  ouh  thara  fuaita 

Otfrid  I  15, 11; 
ein  maget  guote  (Maria) 
uzzer  einem  edelen  chunne  d.  hochzeit  188  Waag; 

. . .  s6  ISrda  tlie  lielago  Icriat 
tliea  is  gödun  jungaron  . . .  Heliand  3225  3'.; 

es  waren  aber  diese  guten  jünger  {Christi)  nicht  gar  einer 
ungereimten  meinung  Abraham  a  s.  Clara  w.  4,  251 
Strigl;  von  frommen  kirchenmännern: 

Gregorins  ther  guato      er  spunota  iz  glmuato 

Otfkid  V  14,  25; 
daz  hörte  der  guote  Francisk  wol 
Lamprecht  v.  IIegensburq  s.  Francisken  leben  1141  Weinh.; 

der gutt Urrich  Zwingle  See.  Fischer chron.  17  Veesenm.; 
bei  geistlichen  Standesbezeichnungen: 

der  guote  biscoph  Güntere  vone  Babenbereh 

Bzzos  gesang  1  Waag; 

Wärbel  der  vil  snelle      den  guoten  bischof  vant 

Nibelungen  1427,  2  Bartsch; 

hey  waz  guoter  pf äffen      ze  siner  pifllde  was         1065,  4; 

Sit  bräht  ez  ein  münlch  guot 

ze  Ilegensburc  in  die  stat      Alber  Tnugdalus  44  Wagner; 

wsen  aber  min  guoter  klösenjere  klage  und  sSre  weine 

Walther  34,  33; 

drei  vil  selig  gut  prüder  gingen  ein  selig  heg(weg)8egens8pr. 
d.  15.  jhs.  in:  mitt.  d.  ver.f.  d.  gesch.  Böhmens  39,  26;  guter 
bruder,  ihr  schlagt  euer  gebet  ziemlich  hoch  an  Klinoer 
w.  Z,  87;  ähnlich:  got  wes  wol,  wer  eyn  gut  pilgram  ist 
prov.  Fridanci  56; 

kommt  als  gute  pilger  wieder 

steiget  froh  den  berg  heran, 

tief  gefühlte  reuelieder 

künden  uns  die  brüder  an  GÖthk  2,  30  W.; 

fast  terminologisch  ist  guotei  man,  guote  liute  für  die 
religiösen,  fromme  einsiedler  u.  ä.: 

si  stuonden  üf  und  giengen  dan, 
Parziväl  unt  der  guote  man 

Wolfram  Parzival  487,  22; 

man  saitt  uns,  daz  küng  Minoss 

für  in  die  insal  Battmoss 

und  da  wurde  ain  vil  gütt  man 

Oöttweiger  Trojanerkrieg  22679  Koppitz; 

urbar  üf  der  erden     teiltes  in  diu  hant, 

swä  s6  man  diu  klöster    und  guote  liute  vant 

Nibelungen  1061,  2  B.; 
er  für  in  dugenlicher  craft 
zu  den  clostern  umme. 
wa  er  icht  guder  lüde  vant, 
die  bat  der  herre  so  zu  hant  . .  ., 
daz  sl  in  rechter  minne 
got  ufte  für  in  beden  Elisabeth  4217  R.; 

allgemeiner:  {ein)  heiliger  guter  alter  wirdiger  man,  ein 
meister  der  heiligen  schritt  Arigo  decam.  23  K.;  aber  auch 
von  profanen  personen  'fromm'': 

Wirt  ein  wip  ze  gote  guot 
Lamprecht  v.  Regensburg  tocMer  von  Syon  2845  Weinh.; 

nü  was  ein  guot  edelman 
in  der  gegene,  hiez  Johan 

8.  Francisken  leben  3096; 

he  was  en  gut  man.  he  gewan  enen  sone  . . .,  der  was  oc 
van  siner  jugent  en  wol  cristen  man  unde  vor  to  Rome 
sächs.  weltchron.  264  Weiland;  noch  vergleichbar:  das  gebet 
einer  guten  mutter  holt  vom  meeresgrunde  herauf  Lüpkes 
seemannsspr.  127;  formelhaft  scheint  guter  sünder '6msz- 
fertiger  sünder\- 

hie  hebent  sich  von  örste  an 

diu  seltsaenen  msere 

vome  guoten  sündsere  (d'un  bon  peckeor) 

Hartmann  v.  Atte  Oregorius  6; 

{der  betende)  sol  mit  aller  andaht  dar  in  ziehen  {in 
das  gebet)  alle  menschen,  die  armen  sunder  und  die 
guten  und  die  gevangenen  des  vegfürs  Tauler  pred. 
165, 24  F.;    in  anwendung    auf  die  göttlichen   personen 


selbst  erhält  gut  im  ahd.  geradezu  die  bedeutung  'heilig', 
doch  ist  die  abgrenzung  gegenüber  gut  IV  A  1  c  a  meist 
nicht  ganz  deutlich  und  darin  liegt  ivohl  auch  der  grund 
für  das  frühe  absterben  dieses  bedeutungsziueiges: 

thuo  im  the  guodo      god  hebanrlkl 
sniumo  gisagda,      that  hie  ... 

as.  genesis  216  H.; 
. . .  thö  sprak  waldand  Krist, 
the  gödo  wid  is  jungaron  . . .       Heliand  3769  H.; 

thaz  ist  uns  irougit,       thaz  got  ist  Kristes  houbit, 
wizist  thaz  gimuato      theist  druhtin  unser  guato 

Otfrid  V  8, 16; 

niuwiboran  habet  thiz  lant       then  himilisgon  heilant, 
theist  druhtin  Krist  guater,    fon  jungeru  muater     1 12, 14. 

3)  weniger  auf  die  persönliche  Wertung  des  Subjekts  als  auf 
die  umschreibwng  des  objektiven  wirkens  geht  gut,  wenn  es 
sich  um  übernatürliche  wesen  und  rnächte  handelt,  deren 
einflusz  das  menschliche  handeln  ethisch  bestimmt;  guter 
engel  ist  zunächst  'der  dem  göttlichen  gebot  treu  gebliebene 
enget'  gegenüber  dem  abgefallenen  Lucifer  und  seinen  ge- 
nossen : 

dö  dt  gütin  engili  al 

ani  sähin  den  sinin  (Lucifers)  val 

surnma  theol.  59  Waag; 

geschöpfe  .  .  .,  die  von  der  menschlichen  art  so  ungemein 
weit  abweichen  als  die  guten  und  bösen  engel  Bodmer 
V.  d.  wunderbaren  (1740)  12;  dann  aber  'der  dem  reich  des 
göttlichen  wirkens  angehöreiule  engel,  der  den  menschen  zum 
sittlichen  tun  leitet': 

zwene  engele  sint  bescheiden 

einen  guten,  einen  leiden 

ein  iechelich  mensche  bi  Im  hat 

d.  alte  passional  337,  48  Hahn; 

vielleicht  ausz  trieb  desz  bösen  feinds,  dann  darbei  kein 
guter  engel  gemerckt  Kirchhof  wendunm.  2,476  Österley; 
durch  zusprechung  des  guten  enge!  Moschekosch  in- 
somnis  cura  par.  53  'iulr.; 

lasz  dich  den  guten  engel  warnen, 
und  nicht  vom  bösen  dich  umgarnen 

BÜRGER  w.  70»  B., 

vgl.  aber  auch  IV  A  1  c  «  ßß;  ähnlich  guter  geist  'dem 
bereich  des  sittlich  guten  angehörender  und  gutes  wirkender 
geist'  im  gegensatz  zum  bösen  geist,  teufel  usw.;  ältere  be- 
lege fehlen,  doch  ist  der  bekannte  ausruf  alle  gute  geister 
loben  gott  den  herrn!  Göthe  IV  27,  224  W.,  Tieck  sehr. 
2,  243  schwerlich  jung,  zumal  böser,  arger,  übeler  geist 
alter  spräche  geläufig  ist,  s.  Lexer  l,  799  und  teil  4,  l,  2, 
2637/?.;  eine  gewisse,  wenn  auch  bedeuttingsmäszig  mehr  zu 
V  A  2  gehörige  parallele  ist  schon: 

.  .  .  enti  dar  wärun  auh  manake  mit  inan 
cootllhhe  geistä      enti  cot  heilac       Wessobrunner  gebet  9; 

neueren  datiims  und  abstrakter  bildung  ist  der  ausdruck  das 
gute  prinzip,  eigentlich  das  prinzip  des  guten,  das  gegen- 
über dem  bösen  prinzip  die  allgemeinste  seinsform  des  sitt- 
lich guten  darstellt:  das  böse  prineip  erscheint  ganz  über- 
wunden, das  gute  aber  in  ungestörter  heiterkeit  Fr. 
Schlegel  s.  w.  6,  28. 

B.  sittlich  gut,  dem  gebot  goites  oder  dem  sittengesetz  eyd- 
sprechend,  von  gesinnungen,  handlungen  und  zuständen  ist 
wie  A  in  seiner  entwicklung  und  differenzierung  von  der 
gleichartigen  anwendung  des  lat.  bonus  stark  beeinfluszt. 
im  got.  gibt  diese  bedeutung  von  gofis  sowohl  gr.  xaXöi  wie 
ccycix^os  wieder, nur  einmal  dagegen  inl.  Kor.  15,  SS/QTjarö^, 
und  ist  im  gegensatz  zur  personalen  Verwendung  {s.  oben  A) 
überaus  häufig,  vermutlich  im  sinne  'schicklich,  anständig' 
{vgl.  gut  I  A  4)  auch  schon  bei  den  vorchristlichen  Germanen 
in  gebrauch  gewesen. 

1)  von  der  ethischen  gesinnung  des  menschen  und  ihren 
psychischen  erscheinungsformen:  'sittlicher  Vorschrift  und 
göttlicher  lehre  gemäsz' . 

a)  allgemein  vom  denken  und  meinen: 

. . .  them  wastom  ISh 
hebanas  waldand       endi  hugi  guodan 

as.  genesis  110  H.; 
triuwe  und  andern  guoten  sin 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  2427; 


1305 


GUT,  adj.,  V  B  1 


GUT,  adj.,  V  B  2 


1306 


die  sie  da  leren  solten,  die  sint  guoter  sinne  äne 

Walthke  33,  32; 

oba  wir  wollen  wahten      mit  gidrahton  filu  rehten, 
mit  githanlson  guaten      thes  Kristes  grabes  hueten 

Otfrid  IV  37,  2; 
noch  guot  gedanc 
im  nie  gewurzet  inne 

pseudogotfridischer  Marienpreis  4  Wolff; 

(ich  könnte  nun)  manchen  guten  moralischen  gedanken 
.  .  .  anbringen  Göthe  IV  1,  241  W.;  auch  mundartlich  so: 
'man  chann  bi  der  arbet  gueti  gidanken  han  es  bedarf 
nicht  des  gebetbuches,  um  religiöse  gedanken  zu  bewegen' 
Stafb-Tobler  2,537;  schwächer:  heb  gueti  gidanken 
underwegs!  ebda;  im  sinne  'rechtschaffen,  ehrlich,  auf- 
richtig': wie  ein  böser,  der  ein  weib  nympt  nicht  guter 
meynung,  der  ehe  raiszbraucht  Luther  26,  209  W.;  ein 
teil  sich  daran  übel  verböseret  und  das  usz  guter  einfal- 
tiger meinung  H.  Zwinoli  v.  freih.  d.  speisen  4  ndr. 

b)  guter  wille:  sumai  f)an  in  godis  wiljins  Xristu  mer- 
jand  got.  bibel  Phil.  1,  15;  {gott,)  forgip  mir  in  dino  ganädä 
rehta  galaupa  enti  cötan  willeon  Wessobrunner  gebet; 

. . .  haMt  im  gikoranan  muod, 
willion  guodan,       werold-saka  midit, 
larlätit  is  lusta  . . .  Heliand  3453  H.; 

si  in  erdu  fridu  ouh  allen,      thie  fol  sin  guates  willen 

Otfrid  I  12,  24; 
moht  ir  der  werke  niht  begän 
ir  sollt  doch  guoten  willen  hftn 

Fkeidank  178,  23  Or.; 

der  gute  wille  machet  den  menschen  gut  Roth  dtsche  pred. 
d.  IS.  und  14.  jAs.  53;  dise  widderwertigkheit  hat  uns 
geben  der  böse  geyst,  .  .  .  die  weyl  wir  nicht  haben 
wollenn  bewilligen  in  seine  böse  anfechtung,  .  .  .  unser 
beyder  gütten  willen  zu  brechen  Warbeck  Magelone  48  B. 

der  tod  ist  gar  ein  theurer  mann, 
fragt  nichts  nach  gutem  willen 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  366»; 

v-mgangssprachlich  heute  entkernt  zur  intensivierung  'ernst- 
hafter wilW:  guter  wille  macht  nicht  jung  A.  v.  Arnim  w. 
22,16  Or.;  redensartlich:  mit  einem  biszchen  guten  willen 
wirds  schon  gehen! 

c)  guter  glaube;  religiös: 

mid  leohtu  hugi       endi  mid  gilöbon  gödun 

endi  mid  hluttrun  trewun  . . .        Heliand  290  H.; 

in  der  regel  vorn  allgemeinen  sittlichen  empfinden  aus  ge- 
wertet 'rechtschaffener,  ehrlicher,  aufrichtiger  glaube':  dann 
der  geist  Christi  .  .  .  würt  on  zwyfel  byston  allen  denen, 
so  solich  geschrifft  läsen  mit  gutem  glouben  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  s.  sehr.  1,  164  ndr.;  besonders  in  juristischem 
sinne  entsprechcTid  lat.  bona  fides:  welcher  ein  sölichen  esel 
verkaufen  wollen,  der  hat  wärschaft  und  guten  glauben 
versprechen  müssen,  dasz  er  kein  mangel  wüsse  Herold- 
Forer  Oesners  ^ierö.  (1563)  42*»;  oft  mehr  mit  objektsvor- 
stellung  'glaube  an  die  rechtmäszigkeit  oder  richtigkeif:  wo 
das  gesetz  eine  rechtswirkung  an  den  guten  glauben  einer 
person  geknüpft  hat,  ist  dessen  dasein  zu  vermuten 
Schweiz,  zivilgesetzb.  art.  2;  parallel  lat.  bona  fide  häufig  in 
präpositionalen  Verbindungen:  dan  wo  man  nicht  alle  ding 
lauter,  einfeltig  und  mit  gutem  glauben  redt  und  handelt 
Hütten  opera  omn.  2,  193  B.;  das  er  solch  recht  und 
Servitut  . .  .  mit  gutem  glauben  gebraucht  U.  Tengler 
laienspiegel  (1544)  20;  bei  gutem  glauben  bona  fide  Al- 
BERUS  nov.  dict.  238';  modern  noch  mit  in:  was  ein  aktionär 
in  gutem  glauben  als  geAvinnanteil  oder  als  zinsen  bezogen 
hat,  ist  er  in  keinem  falle  zurückzuzahlen  verpflichtet 
handelsgesetzb.  §  217;  verbal:  ich  bin  auch  in  gutem  glau- 
ben, daz  {'bin  fest  überzeugt,  dasz')  H.  Gebweiler  be- 
schirm, d.  lobs  Marie  (1523)  17*;  auf  guten  glauben  scheint 
aus  einer  mischung  mit  auf  treu  und  glauben  entstanden: 
auf  guten  glauben  und  treuw  empfahen  Frisius  dic<.(1556) 
16*^;  auf  guten  glauben  handeln  trattare  di  buona  fede 
Kramer  t.-ital.  1,  578a';  Hinz  folgete  ihm  (dem  fuchs)  auf 
guten  glauben  Gottsched  Reineke  fuchs  22  Bieling;  wir 
müssen  es  blosz  auf  guten  glauben  annehmen  Gersten- 
BERO  briefe  über  merkw.  d.  lit.  297  lit.-denkm.;  diese  wun- 
derbaren kräfte,  die  uns  auf  guten  glauben  versichert 


wurden  Göthe  17,  185  W.;  verblaszt:  daz  (pferd)  kauft  er 
und  het  guten  glauben,  daz  es  lang  leben  würd  Eulen- 
spiegel 101  ndr. 

d)  gutes  gewissen,  wie  lat.  bona  conscientia,  das  sittlich 
lautere,  von  schuldbewusztsein  nicht  belastete  geunssen,  vgl. 
reines  gewissen;  zunächst  religiös:  us  hrainjamma  hairtin 
jah  mi^wissein  godai  jah  galaubeinai  unhindarweisai  got. 
bibel  1.  Tim.  1,  5;  got  gawizzida  Graff  4,  158;  von  reinen 
hertzen  und  von  guter  gewissen  erste  dtsche  bibel  2,  210; 
wo  gut  gewissen  ist,  da  ist  auch  groszer  mut  Luther  19, 
623  W.;  ein  gut  gewissen  machet  eine  grosze  Zuversicht  zu 
gott  J.  Arno  nachf.  Christi  (1631)  4;  sonst  meist  allge- 
meiner: 

dar  neben  mich  zu  trösten 

mit  giitem  gwissen  hab, 

das  kainer  von  den  hosten 

mir  eer  mag  brechen  ab 

Hütten  opera  2,  93  B.; 

die  miszbrauchung  solcher  gaben  (des  trinkens  ustv.) .  .  . 
ungestrafft  ...  zu  lassen,  (zvird)  mit  gutem  gewissen  nit 
zu  verantworten  sein  K.  Scheit  Grob.  5  ndr.;  als  Cla wer- 
ten diese  beute  geriete,  das  er  in  eil  und  mit  gutem  ge- 
wissen achtzig  thaler  bekam,  gedachte  er  B.  Krüger 
Ciawerts  werckl.  hist.  17  ndr.;  in  der  stille  wird  jeder  sein 
gutes  gewissen  preiszen  Schiller  3,  515  0.;  wenn  der 
Verfasser  ein  gut  gewissen  hat,  warum  erwähnt  er  denn 
der  färben  hier  auszer  der  Ordnung  Göthe  II  2,  201  W.; 
sprichwörtlich:  ein  gutes  gewissen  ist  ein  sanftes  ruhe- 
kissen,  vgl.  Wander  1,  1669/.,  hierzu:  eersame  lüt  und 
guter  conscientz  H.  Zwingli  v.  freih.  d.  speisen  4  ndr. 

2)  von  menschlichen  strebungen  und  eigenschaften,  die 
einer  sittlichen  intention  entspringen. 

a)  allgemein:  kuot  sint  die  gelüste  beide  Notker  ps.  118, 
20 ;  es  sint  etliche  lüte  alzühant,  alse  in  in  uffstet  ein  gute 
begerunge  eins  nüwen  wesens  . . .,  alzühant  so  sint  sü  alse 
küne  .  .  .  Tauler  pred.  12  F.;  der  herr  schenk  mir  nur 
gute  triebe  Schiller  1,  4  0.;  der  mensch  ist  nun  einmal 
ein  kentaur  und  auszer  guten  antrieben  gibt  es  auch 
schlechte  R.  Hüch  d.  fall  Deruga  (1917)  68;  doch  wird 
dabei  gefordert,  dasz  zur  ausführung  guter  intention  nur 
gute  mittel  in  anwendüng  gebracht  werden  Brockhaus 
convers. -/ex.  ^^  9, 631*;  mit  eindringen  der  objcklsvorstellung 
gute  absieht  als  die  'absieht  gutes  zu  tun':  kein  tadelhaftes 
mittel  wird  durch  eine  gute  absieht  entschuldigt  Geb- 
STENBERO  recensionen  145  lit.-denkm.;  vergleichbar: 

und  ihr  verbrechen  war  ein  guter  wahnl 

GÖTHE  14,  229  W.; 

eine  sanfte  seele,  ein  mitleidiges  herz  krönte  ihre  übrigen 
guten  eigenschaften  Nicolai  Seb.  Nothanker  l,  18;  daz 
negibet  dir  nicht  ubil  minna  nube  kuot  minna  Notker 
ps.  79,  17;  fiel  ir  umb  iren  hals  und  thet  sie  freuntlichen 
küssen  in  rechter,  gütter  liebe  Warbeck  schöne  Magelone 
68  B. 

h)  feste  formel  ist  seit  alters  gute  treue;  als  eine  treue, 
die  im  sittlichen  beumsztsein  des  menschen  verankert  ist, 
'aufrichtige,  ivahre,  echte  treue'  scheint  diese  formel  zu- 
nächst dem  ethischen  Sinngehalt  von  gut  ihre  prägung  zu 
verdanken,  doch  ist  z.  t.  schon  früh,  besonders  in  präpositio- 
nalen fügungen,  die  entkräftung  zur  intensivierenden  Vor- 
stellung fühlbar ;  vgl.  auch  lat.  bona  fides;  das  subst.  treue 
kann  je  nach  dem  Zusammenhang  verschiedene  bedeutungs- 
nuancen  enthalten: 

. . .  trewa  habda  he  göda, 
adal  and-bäri  . .  .  Heliand  1195  H.; 

ir  muget  sie  sehen  gerne:      ir  triuwe  diu  ist  guot 

Nibelungen  1815,  2  Bartsch; 

ist  iuwer  triuwe  guot  {ist  euer  versprechen  ehrlich) 

rittertreue  721  Pfannm.; 

under  dem  schein  guter  treuw  und  billigkeit  Frisius  dict. 
(1556)  970*';  präpositional : 

si  habent  uns  iu  recken    üf  guote  triuwe  gesant 

Nibelungen  1440,  4  Bartsch 

daz  ir  mir  werbet  sunder  twftl 
mit  guoten  trlwen  umben  gräl 

Wolfram  Parzival  428,  22; 


1307  GUT,  adj.,  V  B  3 

daz  gut  behielt  diu  frouwe  wol 
mit  guten  triuwen  als  man  sol 

BONBK  edelstein  72,  21 ; 

wanne  allez,  daz  eu  anget,  daz  main  ich  mit  guten  triuen 
von  inwendikeit  meinez  herzen  brief  um  1340  bei  Stein- 
HAUSEN  privatbr.  d.  mütelaUers  1,  4; 

wie  Luther  lehrt  mit  guten  trewen 

FiSCHAET  s.  dicht.  1, 19  Kurz; 

daz  sy  ein  solches,  daz  er  ir  in  guten  treuen  (aufrichtigem 
vertrauen)  gesaget  het,  pey  ir  beleyben  liesze  Arigo  decam. 
197  K.;  in  guten  treuwen  candide  Fkisiüs  did.  (1556)  ISOfi, 
vgl.  buch  d.  liebe  (1587)  260^;  als  ich  das  alles  zu  halten 
und  darwider  nit  ze  thon  gelobt  und  versprochen  hab  by 
guten  trwen  und  aides  stat  paktverschreib,  v.  150Q  (Kon- 
stanz) in:  samml.  selten  gew.  pädag.  sehr.  13, 160;  bi  miner 
guten  trawen  Basler  urk.  1 ,  201;  ich  will  ouch  den  friden 
. . .  halten  bi  guten  trüwen  on  allen  betrug  Tschudi  chron. 
helv.  1,  91 ;  bey  guten  treuwen  und  on  allen  falsch  sagen 
Frisius  dict.  (1568)  158^;  ausz  guten  treuwen  49*;  ähn- 
lich gutes  vertrauen:  aber  also  eins  sehr  gütten  ver- 
trauwens  Boltz  Terenz  (1539)  88  *;  daher  er  auch  zu 
ihm  ein  gut  vertrauen  hatte  A.  Oleärius  persian.  rosen- 
thal  (1696)  471». 

3)  von  den  haiidlungen  und  lebensformen  der  menschen 
im  sinne  'mit  dem  siitengesetz  und  den  göttlichen  geboten  in 
einklang  stehend,  die  forderungen  der  ethischen  maximen 
erfüllend\ 

a)  gutes  werk,  gute  tat  u.  ä. 

a)  zunächst  religiös  bestimmt:  gaskapanai  in  Xristau 
Jesu  du  waurstwam  godaim  (tnl  tQyois  nya^oli)  got.bibel 
Eph.  2.,  10;  ei  gasailvaina  izwara  goda  waurstwa  (la  xaXä 
ioya)  Matth.  5,16;  thaz  sie  gisehen  iuuaru  guotu  werc 
(vestra  bona  opera)  Tatian  25,  3; 

. . .  Ißstead  luwa  gödon  werk, 
samndd  iu  an  himile      hord  that  mera 

Eeliand  1648  B.; 

odo  (wenn  du)  werk  guatu      joh  druhtine  gimuatu 
woUes  io  mit  willen    fora  gote  irfullen      Otfrid  II  20,  3; 

harent  ze  imo  (gott)  mit  knoten  werchen  Notker  ps.  4,  4; 
samo  zierent  dih  guotiu  werch  in  minero  anasune  Willi- 
ram hohelied  66,  14  Seem.; 

80  der  tiuvel  nlht  erwenden  kan 

guotiu  werc  an  manigem  man, 

BÖ  . . .  Freidank  68, 17  Gr.; 

ist  daz  er  (der  mensch)  guotiu  werch  begät, 
der  ist  üf  der  rehten  sträze 
Lamprecht  v.  Regensburg  tochter  von  Syon  1898  Wemh.; 

du  ahtest  niht  uf  gotes  gebot, 
guotiu  werc,  diu  warn  din  spot 

V.  d.  jüngsten  tage  128  Will.; 

(in  Rom)  ist  weder  andacht  noch  heiligkeit,  keinn  gut 
werck  noch  züchtig  leben  Arigo  decam.  32  K.;  besonders 
die  kirchlich  empfohlenen  opera  bona,  die  einzelnen  gott 
wohlgefälligen  frommen  werke  wie  fasten,  kasteien, 
almosengeben  usw.,  die  das  Seelenheil  fördern  sollen: 
wer  in  disem  gründe  in  der  worheit  nut  enstot  und  tete 
als  vil  guter  werke  als  alle  die  weit  mit  einander  tut: 
si  werdent  alle  wurmstichig  Tauler  pred.  188  F.;istnott, 
das  söllichs  (das  lebensende)  nieman  unberait  vinde,  das 
er  von  diser  weit  one  Zuversicht  gutter  werk  nit  schaide 
G.  Oheim  Reichen,  chron.  9  Bar.; 

mein  gute  werck  die  gölten  nicht, 
es  war  mit  yhn  verdorbenn 

Luther  bei  Wackern agel  hirchenl.  3,  5; 

doch  sollen  wir  nit  züvil  hoffen,  als  mögen  wir  on  glaub, 
lieb  und  gute  werch,  besonder  on  die  sacrament,  sälig- 
kait  erlangen  Berth.  v.  Chiemsee  t.  theol.  16  Reithm.; 
denn  es  gilt  bei  gott  gantz  niett,  erwechst  ausz  einer  übel- 
riechenden pf ützen  der  angenomen  gutten  werck  Caspar 
GÜTTEL  schutzredt  (1522)  o  8*;  'der  ungerechte  mammon', 
mit  welchem  ausdruck  man  die  kirchlichen  guten  werke 
. . .  bezeichnete  Ranke  s.  w.  4, 29 ;  auch  als  'durch  gelübde 
verheiszenes  werk\  vgl.  een  voerloeper  van  goeden  werken 
apostata  Diefenbach  nov.  gl.  28*»;  kein  pilgrim  .  .  .  körme 
die  strasze  ziehn,  um  sein  gutes  werk  .  .  .  auszurichten 
Ranke   s.  w.  1,  145;    allgemeiner   überhaupt    'liebeswerk. 


GUT,  adj.,  V  B  3 


1308 


wohltätigkeiV :  die  gutten  werck  der  liebe  gegen  den  nehi- 
sten  Luther  15,  183  W.;  wer  gute  werke  übt,  soll  die 
linke  nicht  wissen  lassen,  was  die  rechte  thut  W.H.Riehl 
d.  dtsche  arbeit  17. 

ß)  ohne  spezifisch  religiöse  färbung  von  handlungen,  die 
den  allgemeinen  sittlichen  normen  entsprechen: 

der  meistir  ist  guot, 

der  selbe  guotiu  werch  tuot  (=  daz  reht  beg&t  328) 

V.  rechte  324  Waag; 

es  ist  kein  tugent  on  fahl  und  kein  gut  werck  on  nachteyl 
sprichw.  (1548)  1653';  ein  jeder  sol  sich  fleiszen,  sein  ge- 
dechtnus  nicht  auf  grabsteinen,  sondern  in  guten  thaten 
hinder  ime  zulassen  Friedrich  Wilhelms  sprichw.-reg. 
(1577)  q  2»,  nr.  979;  gott  lest  kein  arbeit,  sie  sey  gut  oder 
bösz,  unvergolten  Lehman  flor.  pol.  (1640)  88;  etwas  anders 
im  sinne  'edle,  hochherzige  taf: 

singst  du  einst  von  dem  glück,  welches  die  gute  that 

auf  dem  freyeren  throne  lohnt  1 

Klopstock  Oden  1,  88  M.-P.; 

vom  lohne  jeder  guten  that 

Denis  lieder  Sineds  (1772)  101; 

uns  rührt  die  erzähiung  jeder  guten  that  Göthe  23,3  W.; 
ähnlich:  Faust  tröstete  sich,  durch  eine  gute  handlung 
die  sündige  nacht  versühnt  zu  haben  Kxinger  w.  3, 108. 

y)  in  ganz  abgeschwächter  Verwendung  nähert  sich  gutes 
werk  auch  gut  I  A  3  c,  doch  ist  in  dem  beisinn  der  bewirkten 
wohltat  oder  des  rechtschaffenen  tuns  der  Ursprung  von 
V  B  2  a  aus  meist  noch  spürbar:  vermainten,  sy  betten 
ain  gut  werck  volbracht,  das  sy  Theodorum  .  . .  mitt 
ainem  weib  allso  zam  hetten  gemachet  Fortunatus  4  ndr.; 
ich  hatte  gar  keinen  zweifei,  weil  es  eine  geistliche  art 
und  unentgeltlich,  nur  um  ein  gutes  werk  zu  thun,  ist 
Mozart  bei  0.  Jahn  Mozart  3,  ll;  wenn  die  andre  hälfte 
meines  hiesigen  aufenthaltes  der  ersten  gleich  ist,  so  werde 
ich  an  guten  werken  arm  zurückkehren  Göthe  IV  10, 
279  W. 

b)  vom  wort  als  dem  ausdruck  religiös-sittlicher  wesens- 
haltung;  von  den  warten  Jesu  im  sinne  'heiligt 

. . .  stöd  Ina  werod  umbi 

gröt  folk  Judeöno,       gihordun  is  gödon  word 

Eeliand  3784  H.; 

ni  habet  therer  (Christus)  ander  wort      ni  si  guat  einfolt 

Otfrid  IV  31, 13; 

von  menschlicher  rede  'fromm,  rechtschaffen' : 

thanne  nist  thaz  wort  gnat, 
thaz  sie  mo  batin  ubiles 

III  20, 139; 

an  gote  lobon  ih  miniu  wort  (sermones  meos),  wanda  er 
gab  mir  siu,  er  getuot  siu  wesen  guot  Notker  ps.  55,  5; 
noch  mundartlich  gutes  wort  für  'gebet':  laat  uns  en  god 
wort  spreken  laszt  uns  ein  tischgebet  sprechen  Mbnsing  2, 
424;  allgemeiner  'ehrbar'': 

slniu  wort  diu  sint  guot: 

von  den  scheidet  sich  der  muot 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  3125; 

guet  wort  bösz  that  hat  sie  verbleut  Brandis  tirol.  adlers 
immergr.  ehrenkr.  (1678)  75;  ähnlich:  die  da  nicht  gerne 
hören  guette  lieder  singen  C.  Spangenberg  v.  d.  musica  3 
lit.  ver.;  spezifisch  religiös  vom  gebet  'fromm,  gottgefällig'': 
ich  das  wol  getan  und  erber  schäcz,  das  wir  uns  auf  den 
tage  ee  zu  guten  gepeten  .  .  .  schicken  süllen  dann  neue 
fabeln  ze  sagen  Arigo  decam.  162  K.;  ein  gut  beet  (gebet) 
Luther  bei  Dietz  2,  187  a;  etwas  anders  'aufrichtig,  von 
herzen  kommend,  innig'':  das  gebet  sol  kurtz  und  gut  sein 
Petri  d.  Teutschen  weish.  (1604)  1,  a  5»;  verwandten  sinnes 
auch  in  der  formet  des  alten  wallfahrtsliedes: 
nu  ist  diu  betfart  so  gut 
einzugsleis  d.  geiszier  5  bei  A.  Hühner  d.  dtsch.  geiszlerlieder 
(1931)  174, 

vgl.  Freidank  133, 17  Or. 

c)  von  den  lebensformen  im  ganzen;  gutes  leben,  guter 
Wandel,  gute  sitte  u.  ä.: 

SW&  mensche  in  guotem  lebene  ist, 
dar  köret  der  tiuvel  manigen  list 

Freidank  68,  22  Gr.; 


oba  thu  scowost  thaz  muat, 
wanta  wantum  harte  thes. 


1309 


GUT,  adj.,  V  B  4 


GUT,  adj.,  V  B  5 


1310 


{bo  kommst  du)  van  sunden  in  ein  gudes  leben, 
das  Bi  dir  gantz  werden  vorgeben 

Johannes  Rothk  lob  d.  keuschheit  5092  N.; 

der  münch  .  .  .  ein  heiliges  gutes  leben  füret  Aeigo  decam. 
177  K.;  wir  haben  keyn  ander  frucht  dan  unser  guett 
leben  Luther  9,  532  W.;  darumb  werden  uns  die  heiligen 
in  irem  gütten  leben  in  der  schrifft  für  getragen  zu  einem 
exempel  JoH.  Diettenberoer  wider  d.  unchristl.  buch 
Marl.  Luth.  (1526)  F4;  ein  guter  wandel  eutrapelia  Die- 
FENBACH  213'';  guter  wandel  buona  conversatione  Kramer 
t.-ital.  1,  577 C;  und  vleiszigen  uns  guten  wandel  zufüren 
bey  allen  Hehr.  13,  18;  die  übrigen  (mönche)  stellen  bürg- 
schaften  für  ihre  gute  aufführung  Raumer  gesch.  d. 
Hohenst.  i,  48;  ein  gut  alter  ist  besser  dann  eine  böse 
jugent  Friedrich  Wilhelms  sprichw.-reg.  (1577)  a  i*, 
nr.  25;  bildlich  für  sittlich  reinen,  ehrbaren  lebenswandel 
ist  seit  alters  guter  weg  in  gebrauch: 

thuruh  is  hand-megin      hwiribit  thiu  sSoIa, 

thie  gest  an  gupdan  weg  as.  genesis  144  H.; 

er  gegagenwerta  sih  wegelichemo  der  guot  neist  {omni  vie 
non  bone)  Notker  fs.  35,  5;  modern  üblich  z.  b.:  ich  hoffe, 
sie  werden  nun  wieder  auf  den  guten  weg  kommen  d.  h. 
ein  ehrbares  leben  führen;  von  hier  aus  abgeschwächt:  ich 
. . .  hoffe  .  .  .  wieder  auf  den  guten  weeg  zu  kommen 
Göthe  IV  5,  83  W.,  wo  jedoch  gut  I C  1  hineinspielt;  in  ver- 
wandter bildvorstellung :  du  bist  mein  anker  an  der  guten 
Seite  des  uf ers,  reiszt  der,  so  sei  gott  meiner  seele  gnädig ! 
'BisuAB.CKbr. ans. braut u.gatt.  (1900)226;  gutesitte:  riur- 
jand  sidu  (/jS-r^  /?'?öT«)  godana  gawaurdja  ubila  got.  bibel 
1.  Kor.  15,  33; 

thar  duent  se  uns  io  zl  muate      situ  fllu  guate 

mäht  lesan  io  in  ahtu    werli  fllu  rehtu       Otfrid  IV  5,  59; 

Iftnt  si  (die  äugen)  guote  site  spehen 

und  die  bocsen  übersehen  Walther  87, 19; 

swer  sich  vlizet  guoter  site, 
dem  volget  diclie  sajlde  mite 

Fkeidank  108,  23  Gr.; 

die  gepot  gutter  sitten  Luther  7,  423  W.;  Lisabetta  {war) 
.  ,  .  züchtig  von  loblichen  syten  und  guter  gewonheyt  vol 
Arigo  decam.  277  K.;  so  noch  sprichwörtlich:  böse  bei- 
spiele  verderben  gute  sitten  Wander  1,  304. 

4)  bei  abstrakten,  die  die  forderwngen  und  Vorschriften  für 
die  lebensführung  ihrem  inhalte  nach  zum  ausdruck  bringen, 
im  sinne  'die  maximen  des  sitteng csetzes  und  die  geböte 
gottes  enthaltend  oder  zeigend':  namentlich  gute  lehre,  gutes 
beispiel:  alands  waurdam  galaubeinais  jah  godaizos  lai- 
seinais  J)oei  galaistides  got.  bibel  l.  Tim.  4,  6;  bi  den  dü- 
sent  skilten  hanget  ouh  allerslahte  wiggewäffene  bider- 
bero  gnehto,  daz  ist  aldaz  gerustc  guoter  lero  Williram 
hohdied  58,  23  Seem.; 

swer  lu  guote  ISre  gebe 

unt  selbe  Iht  geebecliche  lebe, 

da  nemet  ir  guot  bilde  bl  Feeidank  71,  3; 

(Herren,)  die  gut  leer  und  exempel  geben 
und  füren  ein  unsträflich  leben 

K.  Scheit  Orob.  1179  ndr.; 

etwas  anders  'rechte,  reine  lehre"  religiösen  Inhalts:  man 
kund  nymmer  szo  viel  auszwerffen  mit  gutter  lere  alsz 
die  bösen  hewbter  eyn  werffen  mit  falscher  lere  Luther 
10,  2,  110  W.;  ir  heiligen  sela,  ir  dir  durhtan  birt  in  gottes 
minna,  stüret  mih  mit  iuweren  guoten  biliden  wie  ir  die 
biderbecheit  ana  ringet  Williram  hohel.  31,  6  Seem.; 

(Christus,  der)  . . .  uns  manich  guot  bilede  vor  begiench 

d.  hochzeit  895  Waag; 
die  uns  guot  bilde  solten  gebn, 
der  velschent  vil  ir  selber  lehn 

Feeidank  69,  21  Gr.; 
also  sollen  dl  kuschen  mit  irem  lebn 
den  luten  gute  bilde  gebn 

JOH.  EOTHE  lob  d.  keuschheit  956  ^.; 
ironisch: 

das  lasz  dir  sein  ein  g&t  beyspill 

K.  Scheit  Grob.  302  ndr.; 

das  gute  beispiel  aus  dem  vaterhause  E.  M.  Arndt  s.  w.  1, 
69  R.-M.;  allenn  fursten  und  hern  zu  einem  gutten 
exempel  Luther  7,  603  W.;  denen  Bernhardus  mit  gutem 
exempel  vorstund  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  361*; 


modern  auch  gutes  vorbild,  z.b.:  du  solltest  deinen  jünge- 
ren geschwistern  ein  gutes  vorbild  seinU  vgl.  he  geit  hum 
mit  n  göd  forbäld  föran  Doornkaat-Koolman  l,  537  *>. 
5)  bei  abstractis,  zuständen  und  erscheinungen  aller  art 
zur  kennzeichnung  dessen,  dasz  ihr  Sinngehalt  oder  ihre 
ausdrucksform  dem  religiös-sittlichen  empfinden  gemäsz  ist. 

a)  gutes  ding,  gute  sache;  gutes  ding,  namentlich  im 
plural,  das  'sittliche,  ethisch  vollkommene  guV,  besonders  mit 
religiösem  akzent  in  älterer  spräche: 

got,  vater  öwlch,  ist  daz  angengi 

allir  guoten  dingin  summa  theöl.  2  Waag; 

got  minnen  äne  meil 
und  äne  allerleie  wanc, 
wan  der  rehte  ein  anevanc 
aller  guoten  dinge  ist 
Fraueniob  bei  W.  Geimm  Vridankes  bescheidenheü  (1834)  319; 

mehr  im  sinne  'fromm':  abtretten  von  guten  dingen  aposta- 
tare  Diefenbach  gl.  41 C;  als  'rechtschaffen,  ehrlich',  auch 
'gerecht'  seit  dem  älteren  nhd.  in  gute  sache :  das  gerechte 
unschuldige  lebenn,  das  niemant  unrecht  thut  odder  wie 
man  auff  deutsch  sagt:  eyn  gutte  sache  Luther  7,  622  W.; 
namentlich  von  der  Streitsache,  auf  deren  seile  das  mora- 
lische recht  steht:  der  obsieg  folgt  nit  der  guten  sach  und 
dem  rechte,  sondern  stehet  beym  glück  und  richter  Leh- 
man ^or.poZ. (1662)2,806;  ein  redlicher,  auffrechterhandel. 
ein  gute,  eerliche  sach  causa  6ona Frisius  dict.  (1568)  158*'; 
sich  auff  seine  gute  sache  verlassen  confidere  sua  cav.sa 
ReYHER  thes.  (1668)  l,  1322; 

die  gute  sach  ihn  tröst,  solt  auch  der  feind  obsiegen 

ZiNKGEEF  auserl.  ged.  63  ndr.; 

ein  eyd,  den  streitende  partheyen  darüber  leisten,  dasz 
sie  eine  gute  und  gerechte  sache  zu  haben  glauben  Haym 
jur.  lex.  (1738)  214;  mit  neubelebter  hoffnung  auf  den  sieg 
ihrer  guten  sache  v.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  3,  385; 
anders  im  sinne  'edle,  das  ethisch  gute  betreffende  sache': 
alle  stände  haben  der  guten  sache  mit  einer  kraft  und 
eintracht  gedient,  welche  fast  beispiellos  genannt  werden 
kann  Thibaut  über  d.  notw.  e.  allg.  bürgerl.  rechts  411 ;  dem 
andenken  aller  freien  beiden,  die  für  gute  sache  streitend 
einsam  unter  philistern  gesunken  sind  Brentano  ges. 
sehr.  5,  403. 

b)  171  älterer  spräche  von  der  bloszen  erscheinungsform  im 
gegensatz  zum  wahren  wesen  guter  schein,  gute  gestalt, 
vgl.  auch  das  noch  gebräuchliche  frommer  schein;  verbal 
erschinen  gut  sin  simulare  Diefenbach g'Z.  535** :  menschen, 
die  .  .  .  uzlöffent  von  irme  gründe  in  gut  schinenden 
wisen  und  werken  Tauler  pred.  36,  l  V.; 

hkt  er  guoten  schln 
und  ist  guotes  willen  blöz, 
so  ist  er  Judas  genöz 

D.  Teichner  145  Karajan; 

wie  alle  weit  durchs  gleiszen  und  guten  schein  betrogen 
wird  Luther  26, 548  M''.;  das  ir  so  schädlich  und  unschrist- 
lich  verfürt  werden  under  so  einem  guten  schein  des  gots- 
diensts  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr.  3,  22  ndr.;  matter: 

es  ist  nichts  so  gemein 

als  falsche  wort  im  guten  schein 

Lehman  Hot.  pol.  (1640)357; 
und  mit  erborgter  pracht  nimmt  oft  dein  guter  schein 
auch  herzen,  die  dich  sonst  verachten  müszten,  ein 

V.  Cronegk  sehr.  (1771)  1,  4; 

um  die  seelen  zu  verfüren  mit  einer  guten  gestalt  {vom 
teufel)  H.  ZwiNGLi  dtsche  sehr.  1,  43;  {die  päpste)  suchten 
die  hoff  der  fürsten  und  keiser,  warden  ir  rädt  eben  wie 
ietz  das  volck  noch  in  bruch  hat,  rieten  stäts  in  iren  sach, 
doch  unter  guter  gestalt  Judas  Nazarei  v.  alten  u.  neuen 
gott  25  ndr.;  vergleichen  läszt  sich  noch:  dasz  er  aber  mit 
ihr  beständig  in  keuscher  ehe  gelebt .  .  .,  ist  ein  gute  fabel 
H.iHN  vollst,  einl.  (1721)  2,  197,  wo  heutige  spräche  nur 
fromme  fabel  verwendet. 

c)  allgemein  von  begriffen  verschiedenster  bedeutung,  deren 
geistiger  inhalt,  zweck,  art  der  Verwendung  usw.  vom  ge- 
sichtspunkt  moralischer  beurteilung  aus  als  der  sphäre  der 
sittlichen  werte  angehörig  bezeichnet  werden  kann;  die  Viel- 
falt der  möglichkeifen  solchen  unpräzisen  gebrauches  ge- 
stattet nur  beispiele  für  diese  weiteste  bedeutung  'ethisch 


1311 


GUT,  adj.,  V  B  5-6.  G 


GUT,  adj.,  V  G  1-4 


1312 


bewertet  vortreßlidi' :  haifstei  J)o  godon  haifst  galaubeinais 
got.  bibel  1.  Tim.  6^  12,  bei  Ltjthek:  kämpfe  den  guten 
kämpf  des  glaubens; 

buent  ouh  gimuato      zua  suester  iro  guato, 

reht  inti  frithu,  thar  Otfkid  V  23, 126; 

swie  geswsesllchen  er  ez  tuot, 
da  ist  daz  reht  vil  guot 

V.  rechte  453  Waag; 

swft  man  dem  ungetriuwen  man  .die  triuwe  wider  gtt, 
da  Ist  daz  gerihte  guot  Walthek  107,  8; 

guot  ist  guot,  daz  mit  schänden  nie  gewannen  wart 

minnesinger  3,  420»  v.  d.  Hagen; 

das  gelt  syg  indifferens,  daz  ist  für  sich  selbs  weder  bösz 
noch  gut  H.  ZwiNGLi  v.freih.  d.  speisen  11  ndr.;  dasz  wier 
.  .  .  uns  von  unserem  guhten  zwecke  nicht  im  geringsten 
werden  abhalten  lassen  Zesen  verm. Helikon  (1656)  1,  a  t''; 
heute  ist  guter  zweck  halb  terminologisch  für  wohltätiger 
zweck  z.  b.  für  einen  guten  zweck  sammeln  eine  wohl- 
tätigkeitssammlung  veranstalten;  der  moralische  wert  der 
handlungen  richtet  sich  nach  der  Intention  und  nicht 
nach  dem  erfolg,  doch  wird  dabei  gefordert,  dasz  .  .  .  nur 
gute  mittel  in  anwendung  gebracht  werden  Brockhatjs 
convers.-lex.^^  9,  631^;  (es)  ist  der  betrug  auch  gut,  so  dem 
der  betrogen  wird  zum  besten  gereicht,  wie  eitern  die 
kinder,  lehrer  die  Jugend,  gewalthaber  das  gemeine  volck 
und  die  medici  die  patienten  betriegen  Lehman  flor.  pol. 
(1662)  1,  105;  im  sinne  'gerecht'  {s.  oben  gute  sache  5  a): 
wenn  dich  einst  ein  guter  krieg  ins  Schlachtfeld  ruft, 
deiner  heimath,  so  geh,  man  wird  deinen  werth  empfin- 
den, wenn  die  noth  drängt  H.  v.  Kleist  w.  5,  317  Schm.; 
im  sinne  'redlich,  ehrlich':  alle  gute  Übungen  und  handtie- 
rungen  oder  gewärb  Fßisius  dict.  (1568)  lös**;  als  'den  sitt- 
lichen anforderungen  genügend':  skal  auk  is  weitwodiJ)a 
goda  haban  fram  |)aim  uta,  ei  ni  atdriusai  in  idweit  jah 
hlamma  unhul|)in8  got.  bibel  1.  Tim.  3,  7;  auch  modern  in 
diesem  sinne  gebräuchlich  gutes  Zeugnis  z.b.:  über  den 
lebenswandel  des  Zöglings  kann  ein  gutes  zeugnis  ausge- 
stellt werden,  doch  klingt  meist  gut  II  A  2  g  mit;  mit  neu- 
tralem Subjekt: 

rehte  weiz  er  (gott)  im  den  muot, 

ez  sl  ubil  odir  guot  v.  recMe  457  Waag; 

von  des  {des  baumes  d.  erkenntnis)  fruht  wart  irliant, 
swas  gut  und  ubil  was  genant 

ßun.  V.  Ems  weltchron.  278  Ehr.; 

(menschen,)  die  nit  in  in  finden  ain  gunst  und  ain  lieb  doch 
zu  dem  minsten  zu  allem  dem,  daz  gut  und  göttlich  ist 
Taxjleb  sermones  (1508)  42 »; 

so  würd  bey  in  {den  gemütern)  erreget  gleich 
ihr  art  und  was  ist  thugentreich, 
was  in  in  mutig  ist  und  gut 

Fischart  l,  255  Eauffen; 

es  ist  alles  bösz  oder  gut,  wie  der  ist,  ders  thut  Henisch 

1785; 

{hat  er)  als  söhn  geehrt  meine  grauen  haare 
und  immer  gethan,  was  gut  und  recht? 

Kotzebus  «.  dram.  w.  2,  282; 

schön,  auch  gut?  du  bannst  das  arge! 
doch  es  trägt  dir  fluch  statt  segen 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden  "«  52. 

6)  unpersönliche  konstruktion,  die  formal  von  gut  I  D 
ausgeht,  bleibt  bei  gut  V  selten,  ist  aber  in  negativer  fassung 
öfter  bezeugt: 

wars  gut  und  recht,  dasz  du,  ein  wackrer  söhn, 
solang  die  teure  lebte,  fromm  bemüht 
und  ihr,  der  tiefbekümmerten,  zu  willen, 
am  Strand  des  meeres  wohntest,  fern  der  stadt 
und  menschen  fern,  nur  kindespfllchten  übend  . . . 
Griliparzer  s.  w.  7,  30  S.; 

es  ist  nicht  gut,  das  man  den  gerechten  schindet,  den 
f  ürsten  zu  schlahen,  der  recht  regiert  Sprüche  Sal.  17,  26 ; 
ez  ist  net  gut  zo  köden  (sagen)  luge  Schmeller  cimbr.  127. 

C.  die  auf  personale  Subjekte  bezügliche  ethische  bedeu- 
tung  (gut  V  A)  wird  bei  einigen  veriuendungsarten  in  stark 
abgeschwächter  oder  eingeschränkter  form  weiterentwickelt 
oder  bei  ironischem  gebrauch  in  das  gegenteil  verkehrt;  die 
moralische  qualität  bezieht  sich  hier  nicht  so  sehr  wie  in  A 
auf  die  gesamte  lebensform,  sondern  wird  mehr  in  hinsieht 


auf  bestimmte  einzelne  f orderungen  als  gut  gekennzeichnet 
oder  für  einen  konkreten  einzelfall  als  gut  aber  wirkungslos 
charakterisiert. 

l)  im  sinne  'brav,  wacker,  ehrlich,  bieder'  von  Charakter, 
doch  meist  mit  mehr  oder  minder  deutlichem  beiklang  von 
gutmütiger  nachsieht  gesagt,  vgl.  ein  'guter  mensch'  zu  sein, 
ist  zwar  gewisz  ein  recht  wünschbarer  preis  —  aber 
dennoch  khngt  ein  unreiner  oberton  hinein :  fast  als  wäre 
der  so  gerühmte  ein  ganz  klein  wenig  dümmlich  oder 
schwächlich  J.  Schultz  d.  philosophie  am  Scheidewege 
(1922)  111,  die  Ursache  dieser  entwertung  liegt  im  verrinnen 
mit  gut  IV  A  2  a ;  noch  nahe  anY  Al  d,  aber  mit  gewisser 
einschränkung ,  die  sonst  gern  negativ  durch  nicht  schlecht 
ausgedrückt  wird:  die  Hannah  ist  unbesonnen,  aber  gut 
Lichtenberg  br.  2,  4;  geizig  is  er  und  ein  biszchen  wun- 
derlich .  .  .,  aber  eigentlich  doch  ein  guter  mann  Fon- 
tane ges.  w.  I  5,  129;  namentlich  in  ausdrücken  wie  gute 
haut,  guter  kerl,  guter  junge  u.  ä.:  du  bist  noch  die  alte 
gute  haut  Corvini  fons  lat.  (1646)  60;  so  ehrliche  gute 
häute  als  wir  hat  die  weit  nicht  mehr  Börne  ges.  sehr.  6, 
87;  (deshalb)  bitte  ich  dienstfreundlich,  man  wolle  den 
guten  kerl  als  einen  redlichen  landsmann  passirn  lassen 
Rachel  sat.  ged.  12  Tidr.;  B.  empfahl  dem  freunde  aufs 
dringendste  eine  anknüpfung  mit  dem  'guten  kerl' 
Gutzkow  zauberer  v.  Rom  (1858)  3,  201;  du  bist  ein  guter 
junge!  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.\,b;  (er  war)  ein  arger 
Schlingel,  aber  sonst  ein  guter  junge  W.  Raabe  s.  w.lll, 
420;  hierher  stellen  sich  auch :  ich  brauche  ihnen  die  gute 
Seele  nicht  weiter  zu  empfehlen,  er  verdient  ihre  gnade 
und  Unterstützung  Göthe  IV  9,  167  W.;  er  hat  ein  gut 
gesicht,  nur  zu  wild  ist  er  Storm  s.  w.  1,  239;  mit  ironie: 
er  ist  ein  guter  mann,  er  friszt  keine  Schuhwichse  und 
scheiszt  in  keine  kirche  Rother  schles.  sprichw.  338^; 
mehr  nach  gut  IV  A  2  hinüberspielend:  was  überkommt 
.  .  .  denn  sonst  das  gute  arme  volk  für  staatehre,  indesz 
.  .  .  jeder  edelmann  sogar  im  frieden  kriegsauszeich- 
nungen  erhält  Jean  Paul  w.  37,  32  Hempel. 

2)  von  kindern  'gehorsam,  artig,  folgsam',  auch  hier  in 
mischung  mit  gut  I V  A  2  b :  danck  habe  ruthe,  du  machest 
gar  gutte  kinder  jyrov.  Fridanci  77;  rüt  macht  die  kinder 
gut  sprichw.  (1548)  8t>;  gute  kinder  beschenken  und  un- 
artige bestrafen  Göthe  23,  157  W.;  der  webet  ein  gutes 
webe,  der  ein  gutes  kind  aufziehet  Rother  schles.  sprichw. 

S)im  sinne  'unverdorben,  harmlos,  arglos',  auch  mit  dem 
beisinn  'leichtgläubig';  besonders  von  kindern  und  jungen 
menschen: 

ende  deines  kindes  noth 

weil  es  klein  noch  ist  und  gut 

MüIiLNER  dram.  w.  1,  68; 

und  {du  herz)  glühtest,  jung  und  gut, 

betrogen,  rettungsdank 

dem  schlafenden  da  droben  GÖTHE  2,  77  W.; 

namentlich  in  der  formet  gutes  kind : 

doch  sie  weisz  nichts  hier  von,  das  gute  kind 

Stieler  gehamschte  Venus  70  ndr.; 

Julie  ist  ein  gutes  kind  —  so  wenig  eitel  —  sagen  sie  das 
mir  zum  angehör?  Chr.  F.  Weisze  lustsp.  l,  154;  aber 
son  gutes  kind,  das  alles  ernsthaft  nimmt  Fontane  ges.  w. 
I  5,  121;  er  ist  gut  wie  ein  kind  Wander  2,  183,  vgl.  guet 
hin  arglos  Martin-Lienhart  l,  248. 

4)  oft  mit  pejorativer  färbung  wie  'brav,  bieder,  einfältig' 
als  milder  ausdruck  der  nachsichtigen  g er ing Schätzung , 
wobei  es  sich  auch  mit  gut  IV  A  2  a  berühren  kann:  die 
guten  leute  meynen  nicht,  das  gott  yhren  anschlag  wisse, 
gedencken,  er  sey  gen  Calakutten  odder  ynns  morenland 
gezogen  Luther  19,  315  W.;  wenn  doch  die  guten  leute 
aufhörten,  eine  Weissagung  zu  erklären,  die  nicht  erklärt 
werden  kann  Jung-Stilling  w.  3,  5  Or.;  da  behüt  euch 
gott  ihr  Teutschen,  das  ihr  ja  nicht  so  bald  klug  werdet, 
auf  das  ihr  eine  gute  weile  noch  gute  Zärtlinge  bleibet  und 
lasset  wehrlinge  und  nehrlinge  sein  Moscherosch  gesichte 
(1650)  2,  106;  und  fiel  der  gute  tropft  (Ikarus)  zur  erden 
Lehman  flor.  pol.  (1662)  l,  223; 


1313 


GUT,  adj.,  V  C  5-6.  VI 


GUT,  adj.,  VI  A  1-2 


1314 


er  weis,  der  gute  herr,  selber  nicht, 
er  thet  mir  sonst  gar  gern  bericht 

HatnecciüS  Hans  Pfriem  2332  tidr.; 

er  klaget  in  allen  gesellschaften  über  eure  gottlose  Schrif- 
ten, davor  kein  ehrlicher  kerl  mehr  sicher  sey  ,  .  .,  der 
gute  herr  ist  unter  dem  hüte  nicht  richtig  Gottsched 
Vernunft,  tadl.  l,  199; 

das  kommt  nun  unter  einer  decke 

dem  guten  leser  in  die  band        Göthe  1, 11  W.; 

wie  konnte  der  mann  • . .  sich  besser  rächen,  als  indem  er 
...  mitleidig  ausrief:  ach,  da  hat  der  gute  Mozart  auch 
einmal  gelehrt  thun  wollen  0.  Jahn  Mozart  3,  308;  der 
gute  Oels  danke  doch  ja  gott,  dasz  man  ihn  erträgt,  und 
poche  nicht  auf  ein  talent,  das  täglich  zurückgeht  Göthe 
IV  20,  317  W.;  C.  hatte  nicht  ohne  Ironie  an  den  'guten 
Uhland',  wie  er  ihn  zur  bezeichnung  des  'überwundenen 
Standpunktes'  nannte,  erinnert  Gutzkow  ges.  w.  3,  219. 

5)  häufig  verblaszt  gut  V  A  zum  fast  farblosen  epitheton, 
das  nur  noch  die  aufgäbe  behält,  die  bezeichnete  person  mit 
einer  ehrenden  kennzeichnung  ohne  besonderen  Sinngehalt 
zu  versehen;  häufig  klingt  dabei  ein  ton  mitleidigen  be- 
dauerns  mit,  vgl.  auch  gut  IV  A  5:  der  gut  Jude  Gianotto 
antwürt  (il  giudeo  hat  die  vorläge)  Abigo  decam.  29  K.; 
eben  so  gehet  es  hie  diesem  guten  Habacuc  auch  und 
verdreust  yhn  seer,  das  seine  lere  nicht  wil  eytel  werck 
und  that  werden  Luther  19,  364  W.;  ym  niocht  aber  nie- 
mandt  gehelffen  und  starb  allso  der  gut  Lüpoldus  Fortu- 
natus  75  ndr.,  vgl.  der  gute  mann  hat  so  bald  sterben 
müssen  Fischer  schwäb.  3,  952;  die  guten  jüngling,  nach 
dem  sie  desz  keisers  urtheil  vernommen,  waren  .  .  .  etwas 
erschrocken  J.  W^etzel  reise  d.  söhne  Oiaffers  17  lit.  ver.; 
was  solte  nun  der  gute  Juncker  thun?  Gbimmelshaüsen 
2,  334  Keller;  der  gute  mensch  soll  aus  Leipzig  und  hat 
kein  blut  gespien  Göthe  IV  l,  186  W.; 

und  verlegen  sie  (die  an  laden  gebundenen  brotstücke)  genau 
in  den  bof  der  guten  frau        W.  Buscu  Max  u.  Moritz  2; 

du  machst  den  guten  leuten  bang 

K.  Scheit  Grob.  1889  ndr.; 

sie  werden  .  .  .  kaum  glauben,  wie  die  guten  menschen 
in  diesem  departement  sich  beholfen  haben  Göthe  IV  30, 
129  W.; 

die  guten  leute  zitterten  und  bebten 

MÜLLNEE  dram.  w.  3, 13. 

6)  mit  einem  gut  V  A  entgegengesetzten  bedeutungsinhalt 
bei  ironischer  Verwendung: 

daz  si  den  guoten  man, 
den  si  da  kunic  hiezen, 
wider  üf  daz  hüs  iiezen 

Ottokar  v.  Steiermark  96749  Seem.; 

darumb  wurden  die  zwen  guten  kärli  (die  mörder  des  Iby- 
kus)  gefangen  Zoleckhofer  vilvaltige  beschreib.  (1564)  10; 
wäre  der  gute  kerl  mit  seiner  kleinen  injurie  zufrieden 
gewesen,  so  dürffte  er  letzt  nicht  etliche  wochen  in  des 
barbierers  gewalt  liegen  Chr.  Weise  erznarren  22  ndr.; 
da  ligts,  sprach  die  gut  magd,  da  empfiel  ir  das  kindt  am 
tantz  K.  Scheit  Orob.  3446  (am  rawde)  ndr.;  sündigerweise 
benützt  der  gute  mann  auch  die  porträts  schöner  fürst- 
licher damen  W.  Hauff  s.  w.  3,  210 ;  modern  gern  in  iro- 
nischen ausrufen:  doü  bist  mei  en  guder  künde!  Baüeb- 
Collitz  waldeck.  63». 

VI.  seit  mhd.  zeit  ist  die  entkernung  von  gut  zum  masz- 
begriff  oder  zur  steigernden  kennzeichnung  in  weiterem  uyn- 
fange  zu  belegen,  vielleicht  nicht  ohne  einflv^z  der  entspre- 
chenden Verwendung  von  lat.  boiius;  für  ältere  spräche 
liegen  nur  unmittelbar  übersetzte  fälle  ähnlichen  gebrauches 
vor  une  die  Übersetzungen  von  Luk.  6,  38 :  gibaid,  jah  gibada 
izwis,  mitads  goda  {fjtxQoi'  xaXoi')  jah  ufarfuUa  jah  ga- 
wigana  jah  ufargutana  gibada  in  barm  izwarana  got.  bibel; 
gebet,  thanne  gibit  iu:  guot  raez  {mensuram  bonam),  gi- 
fultaz  inti  giwegan,  inti  ubarfliozentaz  gebent  in  iuweran 
buosum  Talian  39,  3,  vgl.  Tauler  pred.  336  V.;  hier  liegt 
die  mehr  normierende  Vorstellung  'richtig,  ordnungsgemäsz" 
{vgl.  auch  gut  I  A  4)  noch  so  nahe,  dasz  ein  Übergang  zur 
quantitiererulen  Vorstellung  'reichlich'  nicht  vorauszusetzen 
ist,  doch  vgl.  für  das  altengl.  we  däer  göde  hwile  stödon 

IV.  1.  6 


rood  kmbl.  140  bei  Bosworth-Toller  482^;  ob  gut  in 
ward  tho  giwentit  in  guota  ernust  {et  factum  est  in  agonia) 
Tatian  182,  1  bereits  intensivierend  gedacht  ist,  bleibt 
zweifelhaft. 

A.  zu  bezeichnungen  von  maszen,  gewichten,  bei  mengen- 
oder  zahlangaben  und  anderen  begriffen,  die  eine  Quantität 
ausdrücken,  tritt  gut  als  normbegriff  im  sinne  'angemessen, 
richtig,  ordnungsgemäsz',  dann  als  maszbegriff  'die  masz- 
einheit  überschreitend,  reichlich". 

1)  gutes  masz  als  'richtiges,  angemessenes  masz',  dann 
'hinreichendes,  genügendes  masz"  in  präpositiorudem  aus- 
druck  mhd.  ze  (zuo)  guoter  mäze;  in  älterer  spräche  bis 
in  das  16.  jh.  gebräuchlich,  vgl.  im  mhd.  ebenso  verwendetes 
ze  rehter  mäze,  ze  maze :  den  arczte  dauchte,  er  zu  guter 
masze  die  ursacher  (der)  .  .  .  krancheit  vernomen  het 
Ariqo  decam.  132  K.;  das  ander  stück,  mein  leben  und 
personlich  wesen,  weis  ich  zu  guter  maszen  selbs  wol,  das 
es  sundlich  ...  ist  Luther  23,  29  W.;  solches  .  .  .  lateins 
zu  guter  masz  gnüg  gelachet  ward  M.  Lindeneb  rast- 
büchl.  33  lit.  ver.; 

du  hast  zu  guter  masz  gehört 
wie  ich  dich  droben  hab  gelort 

K.  Scheit  Grob.  818  ndr.; 

au^h  ohne  zu :  wie  guter  masz  im  3  buch  hievor  verzeichnet 
ist  Stumpf  Schweizerchron.  303*,  vgl.  gütermasz  'genügend' 
(ü.  y.  1463)  Fischer  «cAM;ä6.  3,  943;  als  'ziemlich'  in  be- 
grenzender funktion : 

(er  lag)  nä  ze  guoter  mäze  (nicM  allzu  weit) 

b!  der  lantstr&ze      Hartmann  v.  aüb  Iwein  3365; 

im  sinne  'erheblich,  beträchtlich'  als  quantitative  Steigerung: 

der  risz  (riese)  der  gieng  zu  guter  masz 
über  herr  Dieterichen; 
herr  Dieterich  mooht  mit  seim  zeichen 
nicht  an  des  risen  gürtel  reichen 

Sigenot  85  Schade; 
abstrakter  'in  hohem  masze': 

der  künec  was  sinen  gesten  ze  gnoter  mäze  holt 

Kiidrun  325,  2  M. 

2)  bei  masz-  und  mengenbezeichnungen  verschiedenster  art 
im  sinne  'reichlich,  beträchtlich'. 

a)  bei  längenmaszen,  entfernungsangaben  oder  allge- 
meinen Streckenbezeichnungen: 

einer  guoten  mile 
an  der  lenge  het  diu  schar 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  96001  Seem.; 

bürden  ihm  zwei  schock  parchend  auf,  gute  anderthalb 
meilen  wegs  G.  Hauptmann  d.  weber  (1892)  17;  etwas 
anders  'grosze  meile',  die  detäsche  meile  gegenüber  der  klei- 
neren welschen  meile,  vgl.  'gut  pro  longo  vel  magno  ali- 
quando  utimur:  gut  meil  i.  (idem)  lang  oder  grosz  Alberus 
dict.  (1540)  394*':  wol  sieben  guter,  groszer,  deudsche  meile 
wegs  von  der  stad  Luther  bibel  7,  357  Bindseil- Niem.;  an 
der  Stirnen  lasz  es  einer  guten  handbreit  ledig  O.  Gäbel- 
KOVER  arlzneybuch  (1595)  1,  5;  ein  gutten  stainwurf  oder 
bey  achtzig  schritten  geystlich  strasz  (1521)  g  4*;  dar  is 
id  deip  30  vademe  enen  guden  bussenschote  van  dem 
lande  seebuch  24  Koppm.;  auf  der  süder  scheeren  liegt  ein 
grund,  einen  guten  musquetenschusz  vom  lande  Mansons 
seebuch  (1701 )  6;  ein  guter  weg  'ein  weg  von  beträchtlicher 
länge'  bis  ins  18.  jh.  üblich: 

diu  Ime  geselleschaft  tete 
einen  guoten  wec  hin 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  5553; 

Achiron  lief  hlnder  sich 
aineu  guten  weg  hin  dan 

Heinrich  v.  Neustadt  Apoll.  5043  S.; 

wenn  man  auch  schon  einen  guhten  weg  deszwegen  reisen 
solte  J.Rist  n.t.Parnasz  (1652)  85;  als  er  aber  schon 
einen  guten  weg  damit  fort  wäre  Abraham  a  s.  Clara 
etuMS  f.  alle  2  (1711)  15;  moderner  eine  gute  strecke: 

ich  schleppe  sie  erst  eine  gute  strecke 

GÖTHE  12, 159  W.; 

eine  gute  strecke  weiter  vorwärts  D.  Fr.  Strausz  ges. 
sehr.  3,  12;  ebenso  gut«r  schritt  'ein  groszer,  beträchtlicher 
schritt',  meist  übertragen  verwendet:  im  Verständnis  einen 

83 


1315 


GUT,  adj.,  VI  A  2 


GUT,  adj.,  VI  A  2 


1316 


guten  schritt  weiterkommen  Lange  gesch.  d.  mat.  22; 
ähnlich:  an  solche  (luftlöcher)  kan  man  nit  in  den  ge- 
welben  beleiben,  welche  derhalb  .  .  .  ein  gutte  weyten 
haben  müssen  A.  Dübeb  underr.  (1527)  3  4^;  auch  über- 
tragen gueti  witi  han  Spielraum  haben,  im  frieden  gelassen 
iverden  Staub-Tobler  2,  539:  die  anemonen  wollen  gute 
weite  haben  J.  C.  Sulzeb  gartenb.  (1772)  nach  Staub- 
Toblee  ebda;  dise  fisch  wachsend  ...  zu  guter  grösze 
Heeold-Fober  Oesners  thierbuch  (1563)  3,  27; 

dasz  er  (der  bauch)  sich  auszstreck  breit  und  lang 
und  guten  räum  bab  nach  seim  willen 

K.  SOHBiT  Grob.  611  ndr. 

b)  bei  mengenbezeichnungen,  sowohl  relativen  wie  be- 
stimmten, 
a)  ein  guter  teU  'groszer,  beträchtlicher  teiV: 

Bwaz  der  -wtten  rfche      uns  ist  undertän, 

der  sult  ir  teil  vil  guoten      samet  Kriemhilde  bän 

Nibelungen  693,  4  B.; 

der  Frankfurter  drvA^k  des  renner  ersetzt  ein  michel  teil 
8268  Ehr.  durch  ein  guttes  theil  41  a,  vgl.  P.  Waelies  (diss. 
1912)  67;  ein  gut  teil  (eine  ziemliche  anzahl)  schlaffen 
1.  Kor.  11,  30;  er  erschlug  einen  guten  theyl  eins  raths  zu 
Rom  Seb.  Feanck  chron.  Oerm.  (1538)  22»;  der  kleinste 
kelch  hett  18  marck  goldes  .  .  .,  der  gröst  ein  gut  teyl 
mehr  73^;  als  sie  aber  nun  des  weins  ain  gut  theil  em- 
pfangen hetten  M.  Lindeker  rastb.  17  lit.  ver.;  ein  guten 
teil  desz  tags  ad  multum  diei  Feisius  dict.  (1556)  27'';  (die 
vettern,  die)  im  begriffe  sind,  ein  gutes  teil  der  viel  zer- 
hackten .  .  .  grundstücke  an  sich  zu  bringen  G.  Kellee 
ges.  w.  1,  13;  en  gaud  del  Sohambach  Qütt.  60»;  auch  in 
der  materiellen  arbeit  steckt  nämlich  ein  gutes  bruchtheil 
geistiger  cultur  W.  H.  Riehl  d.  dt.  arbeit  73;  als  adverbiale 
bestimmung  formelliaft,  'zu  einem  erheblichen  teil,  zumeist' : 
ich  briefschribender  art  (die  zu  gutem  teil  ...  in  der 
rhetoric  reglen  grundt  hat)  ze  pflegen  mich  üb  Riedeeee 
rhetoric  (1493)  a  3»;  'erheblich,  beträchtlich':  (um)  meinen 
Faust  .  .  .  doch  wenigstens  um  ein  gutes  theü  weiter  zu 
bringen  Göthe  IV  12,  167  W.;  sie  ein  gut  teyle  getrost  was 
Arigo  decam.  108  K.;  nur  dasz  er  ein  gut  theil  alberner 
schreibt  Geestenberg  recens.  93  lit.-denkm.;  auch  zu- 
sammengerückt: der  Stoff  ist  ein  gutteil  ernster  Scheffel 
ges.  w.  4,  48;  namentlich  im  genitiv,  vgl.  groszen  teils, 
gröszten  teils :  das  gantze  Burgund  sampt  der  statt  Lyon 
und  waz  umb  Lyon  herum  in  Provansen  guts  teils  liget 
Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  213»;  und  warfen  guten 
theils  das  gewehr  von  sich  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  2 
(1653)  195;  die  .  .  .  guten  teils  unschuldige  behaghchkeit 
E.  M.  Arndt  s.  w.  i,  66  R.-M. 
ß)  ein  gutes  stück  'ein  groszes,  beträchtliches  stück': 

drumb  wartent,  so  gehe  ich  geschwindt 
bring  euch  darfür  ein  guet  stüclth  brodt 

Endinger  judenspiel  34  ndr.; 

ein  guts  stück  wegs  sind  wir  nun  fro 

FiSCHAXT  glückh.  schiff  484  ndr.; 

worden  dem  Helene  zu  theyl 
ein  gutes  stuck  von  seinem  reich 

Speeng  ÄnMs  (1610)  51»; 

unter  der  aufforderung,  ein  gutes  stück  essen,  das  in  der 
Schüssel  übrig  geblieben  war,  zu  sich  zu  nehmen  H.  v. 
Kleist  3,  229  Schm.;  er  könnte  sich  hier  ein  gutes  stück 
geld  verdienen  Eichendoef  s.  w.  3,  33,  vgl.  e  guet  stück 
rewen  Martin-Lienhaet  l,  248;  en  god  stück  'reichlich 
bemessen'  Mensinq  2,  424 ;  e  guder  fetze,  e  guder  schmurre 
'ein  groszes  stück'  Follmann  lothr.  221;  entsprechend: 

und  schneid  ein  gute  portz  darvon 

K.  Scheit  Grob.  719  ndr. 

y)  eine  gute  zahl,  anzahl,  summe  u.  ä. :  eine  grosze  oder 
gute  zal  bene  multi  Feisius  161»;  dasz  ir  (der  schafe)  ein 
gute  zal  der  wolf  erhaschte  Kiechhof  wendunm.  1,  541 
Ost.;  eine  gute  zahl,  ihrer  viel  aliquammülti  Reyhee  thes. 
(1668)  1,  260;  sein  eheliches  beilager  (ist)  ...  im  beisein 
der  fürstlichen  personen  und  sonsten  in  guter  anzahl  ehr- 
licher leute  gehalten  worden  v.  Schweinichen  denkw.  11 
Ost.;  als  der  hertzog  eine  gute  anzahlen  allerley  wahren, 
sammet,  seiden  etc.  bedurfte  Mäynhincklers  sack  (1612) 


B  3^;  ich  hatte  eine  gute  anzahl  sogenannter  anakreon- 
tischer  gedächte  verfertigt  Göthe  26,  225  W.;  ein  gute 
summ  geltes  Aeigo  decam.  78  K.;  mit  einer  guten  summe 
scudi  reiste  ich  von  Mantua  Göthe  43,  116  W.;  eine  gute 
reihe  jähre  habe  ich  auch  gelebt  Fe.  L.  Jahn  w.  2,  727  E. 
(J")  bei  bestimmten  und  unbestimmten  mengen-  und  bei 
zahlangaben:  darmit  man  inn  eim  jeden  zug  auf  das  we- 
nigste ein  gut  halben  omen  wassers  herauf  mög  schöpfen 
Sebiz  f eidbau  (1579)  12;  nimm  diey  gute  bände  voU  das 
grüne  von  den  welschen  nüssen  J.  Walther  pferde-  u. 
Viehzucht  (1658)  150;  ein  gute  halb  mas  wein  Grimmels- 
HAUSEN  2, 17  Keller;  darbey  die  pauren  nach  alter  gewon- 
heit  ein  gut  fasz  hier  zuvertrincken  hatten  B.  Keügee 
Ciawerts  werckl.  hist.  27  ndr.;  (mische)  lilü  convallii  wasser 
zween  gut  löffel  voll  Paeacelsus  op.  1,  360  H.; 

ein  gutes  glas  von  dem  bekannten  saft 

GÖTHE  14, 123  W.; 

zur  guten  hälfte  germanischer  art  und  abkunft  E.  M. 
Aendt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  3, 101 ;  en  gueter  Zentner 
Staub-Toblee  2, 539 ;  Krommer,  ein  guter  fünfziger,  stand 
um  1815  im  zenith  seines  ruhmes  W.  H.  Riehl  musik. 
charakterk.  2,  219  (Kr.  ist  1759  geb.  2,  215);  vor  die  zahl  ge- 
rückt: noch  gute  vierzehn  tage  habe  ich  hier  zu  thun 
Göthe  IV  35,  119  W.;  (das  lied)  ist  seine  guten  dreyszig 
jähr  alt  41,  36;  in  neuerer  spräche  ist  statt  dessen  vor  die 
Zahlangabe  das  adv.  gut  getreten,  z.  b.  er  wiegt  gut  andert- 
halb Zentner,  ich  komme  in  gut  drei  wochen  zurück,  sie 
ist  gut  siebzig  jähre  alt,  vgl.  auch  sp.  1328. 

£)  von  gut  III  A  7  b  ausgehend,  aber  in  nhd.  zeit  schon 
vorwiegend  als  quantitative  kennzeichnung  empfunden  bei 
unbestimmten  angaben  über  entlohnung,  bezahlung,  preis, 
besitz  u.  ä.;  noch  mit  dem  beiklang  subjektiver  Wertschätzung: 
und  dir  dartzu  aynen  guten  sold  geben  Fortunatus  43  ndr.; 
ein  ampt  ohne  guten  sold  macht  dieb  Lehman  flor.  pol. 
(1662)  1,  18;  (der  chirurg)  sol  .  .  .  von  dem  reichen  gütten 
Ion  haischen  H.  Braunschweig  chirurg.  (1539)  2»;  ehr 
und  guter  lohn  seynd  zur  arbeit  scharpfe  sporn  Lehman 
jlor.  pol.  1,  86;  ein  gutes  trinckgelt  buch  d.  liebe  (1587)  20»; 
für  diese  nachricht  sollst  du  ein  gutes  trinkgeld  bekom- 
men V.  Ceonegk  scÄr.  (1771)  29;  gute  belohnung  macht 
wilHge  arbeiter  Petei^.  Teutschen  weiszh.  2,  Hh  1»;  wer 
sich  eines  guten  Vermögens  trösten  kan,  der  darf  .  .  .  nicht 
verzweifeln  Che.  Weise  pol.  redner  (1677)  6;  sie  sollen 
ihren  männern  eine  gute  konstitution  geben  und  gut  ver- 
mögen zubringen  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.  1,  18;  objek- 
tiv: ir  heymsteuer  gut  und  nicht  klein  ist  Aeigo  decam. 
99  K.;  ayn  so  kostliche  kirchen,  ...  die  er  so  eerhch  be- 
gäbet hatt  mit  guten  zinszsen  in  ewig  zeit  Fortunatus  64 
ndr.;  ein  jeder  burgersman  (soll)  .  .  .  mit  einen  gueten 
opfergelt  versechen  sein  österr.  weisth.  6,  210; 

um  guten  preis  gemachte  kleider 

Pfeffel  poet.  vers.  1,  79; 

freylich  würde  dieser  scandal  gutes  geld  eintragen  Göthe 
IV  29,  30  W. 

c)  bei  Zeitangaben  und  bezeichnungen  der  dauer,  vgl.  schon 
ags.  göde  hwile,  s.  oben  VI  köpf;  bei  unbestimmten  Zeit- 
angaben, gute  weile,  zeit  'Zeitraum  von  beträchtlicher  dauer' : 

da.  stuont  er  guote  w!le  ob  in 

■weinende  unde  klagende 

GOTFEID  V.  Straszbukö  Tristan  18654,  vgl.  8487 ; 

er  ein  gut  wüi  sin  herz  also  mit  got  erkülte  H.  Seuse 
dtsche  sehr.  85  Bihlm.;  der  abte  ein  gute  weyel  in  der 
kamern  gestanden  was  Arigo  decam.  46  iT.;  dasz  er  .  .  . 
mit  gebücktem  haupt  uberzwerch  diesen  wald  ein  gute 
lange  weil  einritte  Amadis  87  lit.  ver.;  also  war  mein 
printz  eine  gute  weile  mit  seinen  äugen  an  den  ihrigen 
geheftet  verblieben  A.  v.  Ziegler  asiat.  Banise  (1689)  299; 
ohne  die  mindeste  hast  zu  zeigen,  bUeb  Thiel  noch  eine 
gute  weile  im  innern  der  bude  G.  Hauptmann  bahnw. 
Thiel  (1892)  25;  präpositional:  vor  einer  guten  weyl  jam 
dudum  Frisius  641»;  das  man  in  guter  weil  (für  längere 
zeit)  nit  waiszt  Fortunatus  60  ndr.;  sein  ampt  münd- 
lich und  mit  guter  weile  (mit  beträchtlicher  zeit,  in  aller 
ruhe) . .  .  verrichten  Moscherosch  ins.  cura  par.  135  ndr.; 


1317 


GUT,  adj.,  VI  A  2.  B  1 


GUT,  adj.,  VI  B  2 


1318 


ähnlich:  wir  haben  gute  weile  {zeit  genug,  d.  h.  wir  können 
es  uns  bequem  machen)  Gerstenbeeg  Ugolino  252  nat.-lit.; 
vgl.  Schweiz,  en  gueter  rung  weile,  zeit  (Zürich)  Staub- 
ToBLER  2,  539;  (er)  gut  zeit  vor  essen  kam  Arigo  decam. 
46  K.;  also  wasz  ain  gute  zeit  zwayung  in  dem  reich 
Knebel  chron.  v.  Kaisheim  66  lit.  ver.;  ihre  königl.  maje- 
stät  (ist)  ,  .  .  schon  eine  gute  zeit  hero  jämmerlich  ver- 
führet worden  3. 'Rist:  friedewünsch.  Teutschl.  (1647)  24; 
bis  mir  .  .  .  dieses  gelänge,  möchte  wohl  eine  gute  zeit 
vorbeystreichen  Göthe  IV  22,  216  W.;  gute  zeit  im  sinne 
'frühe  zeit'  vgl.  unter  gut  I  C  1  c  (sp.  1256/.),  dazu  als 
nachtrag: 

8i  benimet  mir  noch  guot  zlt  (frühzeitig)  den  l!p 

d.  Heidin  1390  Pfannm.; 

in  älterer  spräche  verbleibt  gutes  alter  'hohes  alter',  vgl.  eins 
guten  alters  und  wol  betaget  proveda  aetate  Frisius  54^, 
wohl  nach  dem  lat.  bona  aetate  ebda  158^: 

in  gütim  altir  man  in  ( Oideon)  sah 
von  dirre  weite  scheiden  hin 

EUDOIF  V.  Ems  weltchron.  18961  Ehr., 

vgl.  'mortuusqiie  est  Qedeon  .  .  .  in  senectute  bona'  jud.  8, 
32;  du  wirst  begraben  in  eim  guten  alter  erste  dtsche  bibel  3, 
87  Kurr.;  (David)  starb  in  gutem  alter  1.  chron.  30,  28;  er 
ist  endlich  bey  gutem  alter  gestorben  Barth  weiberspiegel 
(1565)  E  7^;  Theodosius  (ist)  .  .  .  nach  langer  regierung  in 
gutem  alter  ausz  diser  zeyt  gescheiden  Stumpf  Schweizer- 
chron.  (1606)  192  8';  in  gleicher  Verwendung  auch  guter  tagen, 
guter  Jahren  in  erstarrtem  genitiv,  vgl.  guter  tagen  aetate 
provectus  Frisius  1084'':  er  ist  gsammlet  zu  synen  vätem, 
als  er  guter  tagen  gsjTi  L.  Lavater  v.  gespänsten  (1590) 
nach  Staub-Tobler  2,  540;  guter  jaren,  vast  alt  annis 
plenus  Frisius  10121 ;  bei  bestimmten  Zeitangaben:  ein 
guette  stund  lang  Sbutter  bei  Fischer  schwäb.  3,  943; 
als  der  priester  .  .  .  eine  gute  halbe  stunde  gesungen  per- 
sian.  reisebeschr.  14  in:  Oleariüs  verm.  reisebeschr.  (1696); 
eine  gute,  starcke,  lange  stund  Kramer  t.-ital.  2,  1026'>'; 
'wie  weit  ists  von  hier?'  'eine  gute  stunde'  Lenz  ges.  sehr. 
1,  137;  in  den  türm  ist  es  drei  gute  stunden  W.  Hauff 
s.  w.  4,  312;  wenigstens  hast  du  in  3  guten  monaten  nichts 
nach  ihr  gefragt  Göthe  IV  1,  156  W. 

d)  im  Übergang  zur  intensivierenden  anwendung,  aber 
noch  auf  qtiantitative  gröszen  bezüglich  im  sinne  'beträcht- 
lich grosz,  tüchtig,  kräftig': 

ich  musz  mich  vor  ein  wenig  Itröpfen, 
dasz  ich  ein  guten  truncl:  mög  schöpfen 

K.  SCHKIT  Grob.  96  ridr.; 

nach  diesem  soll  sie  ethche  morgen  ein  guten  trunck 
keszwasser  thun  Wirsung  artzneyb.  (1588)  545<J;  sie  ... 
alsobald  drey  gute  zechzüge  thut  S.  v.  Birken  verm. 
Donaustr.  (1684)  13;  ein  guter  sufE  in  einem  athem  Hul- 
sius  diel.  (1618)  2,  59 »;  mit  einem  guten  schöpf  oder 
truncken  Frisius  1031'^;  auf  einen  guten  rausch  gehört 
ein  gute  ruhe  Lehman  flor.  pol.  (1662)  2,  779;  e  gueti  well 
ein  tüchtiger  rausch  Martin-Lienhart  l,  248;  en  gueten 
schluck,  e  gueti  mögi  han  im  trinken  und  essen  bedeutendes 
leisten  Staub-Tobler  2,  539;  umgangssprachliche  redens- 
art:  der  hat  aber  einen  guten  zug  an  der  kehle,  am  leibe! 
u.  ä.; 

(der  betrüger  gibt) 

für  pfeffer  mäusedreclt,  tuht  einen  guten  satz 
der  sllbermüntze  zu  . . . 

BacheIi  eai.  ged.  60  ndr.; 

an  Wilhelm  habe  ich  fortgefahren,  vieUeicht  thut  er  dies- 
mal einen  guten  ruck  Göthe  IV  7,  60  W.;  he  hett  n  goden 
settdidal  einen  sehr  dicken  hintern  Mensing  2,  424;  en 
gueter  schueh  stark  gemessener  fusz  Staub-Tobler  2,  539. 

B.  bei  der  Verwendung  als  mittel  der  Steigerung  bleibt  nur 
noch  ein  funktioneller  wert  zurück,  der  den  Sinngehalt  des 
beziehungswortes  intensiviert;  in  neuerer  spräche  geht  dieser 
gebrauch  von  gut  zugunsten  anderer  adjektive  stark  zurück. 

1)  bei  ausdrücken  objektiver  art  als  gradbezeichnung  wie 
'tüchtig,  kräftig,  gehörig'  in  steigernder  funktion  gebraucht: 

ain  prügel,  den  nymm  in  die  hannd, 
gib  deinem  herren  gut  straich 
in  den  ruggen  und  in  die  waich 

liederb.  d.  Eätzlerin  292  H.; 


dasz  ich  wie  ein  edler  Spartaner  wol  einen  guten  streich 
ausstehen  kan  Rachel  sat.  ged.  4  ndr.;  wyr  musszen  yhn 
myt  eynem  vater  unszer  eyn  gutten  puff  geben  Luther 
27,  445  W.;  und  greif  den  fordersten  bei  dem  har  und  gab 
im  einen  guten  rupf  Eulenspiegel  12  ndr.;  ich  wolt  im  nach- 
reiten und  im  ein  gut  schlappen  (ohrfeige)  schlagen  66; 
gäbe  ihr  eine  gute  maultaschen  mit  der  hand  Mäyn- 
hincklers  sack  (1612)  a  2*;  dasz  sie  ihren  bräutigam  mit 
guten  schlagen  zu  dem  altare  begleitet  Chr.  Weise  pol. 
redner  (1677)  782; 

dasz  er  on  kertzen  schlafen  gieng 
und  guter  beulen  vil  entpfleng 

K.  Scheit  Grob.  2388  ndr.; 

die  bUdnisz  haben  ettlich  schendhch  gehandeUt  .  .  .,  die 
wol  eyner  guten  straff  werd  weren  Luther  10,  2,  33  W.; 
einem  einen  dichten,  guten,  scharfen  verweis  geben 
Kramer  t.-ital.  2,  1307'';  denn  das  er  gute,  fette,  starcke 
lügen  auslesst  Luther  18,  191  W.; 

folgt  mir  nur  nach  in  guter  eyl! 

GiLHUSius  gramm.  (1597)  41; 

obwohl  die  sache  .  .  .  noch  lange  nicht  zum  ziel  gediehen, 
so  war  sie  doch  in  guten  zug  gebracht  Ranke  s.  w.  1,  88 ; 
damit  diesz  mich  nicht  treffe,  will  ich  auf  guter  hut  sein 
Herder  3,  44  S.;  deswegen  bleibt  doch  immer  .  .  .  der 
gute  unterschied  Jean  Paul  w.  4,  69  H.;  dis  isch  e  guder 
dreck  eine  kleinigkeit  Follmann  lothr.  221;  adverbial  gut 
ding  'tüchtig':  das  crucifix  ist  auch  eynmal  der  stecken 
gewesen,  damit  man  ine  gut  ding  abgeschmiert  hat 
Fischart  binenk.  (1586)  177^;  meist  zusammengerückt: 
der  schwartz  hund  laufft  guetding  J.  Pauli  (1519)  bei 
Sohmeller-Fr.  1,  964;  mit  dem  gaiszelstecken  guetding 
zugeschlagen  (v.  j.  1657)  bei  Fischer  schwäb.  3,  965;  noch 
mundartlich:  ich  habe  a  gutding  (recht  sehr)  geweint 
Klein  prov.-wb.  1, 172;  der  Natz  hat  uns  schon  oftmalen 
gutding  geholfen  Rosegger  sehr.  I  13,  218,  s.  auch  unten 
guting  an  aiphabet,  stelle. 

2)  in  entsprechender  anwendung  auch  bei  begriffen  aus 
einer  mehr  subjektiven  sphäre;  ob  hier  gut  noch  einen 
eigenen  bedeuiungsklang  enthält  oder  lediglich  Steigerungs- 
mittel ist,  läszt  meist  nur  der  sinnzusammenhang  des  ganzen 
abschätzen,  weswegen  ähnliche  belegfälle  auch  anderorts  ver- 
zeichnet sind:  er  solle  von  innen  in  gutem  friden  hüben 
Tauler  pred.  173  F.; 

sollicher  weisz  Troya  die  statt 
vor  dir  noch  guten  friden  hat 

Spreng  Ilias  (1610)  98», 
vgl.  auch  sp.  I24l/.; 

gluck  zu,  gluck  zu,  mit  guter  rhu 
vollbringet  frisch  und  gsund  die  reiszl 

F18OHART  glückh.  schiff  214  ndr.; 

der  fette  hahn  schlief  noch  in  guter  ruh  Grimm  dtsche 
sagen  l,  193,  vgl.  sp.  1272;  er  het  nit  guten  lust,  allen  tag 
mit  den  feinden  zu  fechten  Eulenspiegel  33  ndr.;  guten 
lust  und  sondere  neigung  zum  feldbau  SEBiz/eM6ott(1679) 
37;  damit  du  deine  stunde  nicht  ganz  bey  dir  verloren 
habest,  hätte  ich  gute  lust  .  .  .,  dir  eine  kleine  lehre  mit 
nach  hause  zu  geben  Wieland  s.  w.  (1794)  13,  140;  doch 
habe  ich  immer  noch  gute  lust,  hier  länger  zu  verweilen 
Göthe  IV  19,  386  W.,  vgl.  sp.  1277/.;  er  daran  ein  gut 
vergnügen  hatte  A.  Oleariüs  persian.  rosenthal  (1696)  45; 
do  von  dir  sol  ein  gute  genügen  geschehen  Arigo 
decam.  21  K.;  sie  wolle  an  dem  ein  gut  benugen  haben 
Warbeck  seh.  Magelone  IQ  B.; 

lieben  gesellen,  habt  guetten  flelsz! 

altdtsche  passionssp.  a.  Tirol  51  Wack.; 

da  läse  der  könig  den  brief  mit  gutem  fleisz  bu/^h  d.  liebe 
(1587)  93*';  gut  strenckhait,  das  übel  zu  straffen  zehis 
DiEFENBACH  gl.  635^;  einer  dame  .  .  .,  der  es  einkömmt, 
sie  in  gutem  ernste  zu  lieben  Lessing  2,  386  L.-M.  (die 
handschr.  hat  in  allem  ernste);  auch  ihm  bot  er  .  .  .  die 
hand  zum  frieden,  es  scheint  in  gutem  ernste  Mommsen 
röm.  gesch.  2  (1908)  322,  vgl.  sp.  1310;  die  ausführliche 
fabel  von  der  Pasiphae  ist  mit  gutem  vorbedacht  in  die 
geschichte  des  Cephalus  und  der  Procris  verwandelt 
worden  Ramler  einl.  (1758)  1,  408. 

83* 


1319 


GUT,  adj.,  VI  B  3.  VII 


GUT,  adj.,  VII  A  1 


1320 


3)  nach  ihrer  Verwendung  im  nhd.  stellt  sich  die  Verbin- 
dung zu  guter  letzt  hierher;  die  herleitung  aus  zu  guter 
letze  'als  erfreuliche  abschiedsgabe,  erfreuendes  andenken^ 
{vgl.  gut  III  A6)ist  nicht  unwahrscheinlich,  vgl.  A.  Richter 
dtsche  redensarten*  (1921)  130;  da  letze  auch  'ende''  be- 
deviete,  irnr  der  sinn  'zum  guten  ende,  zum  guten  schlusz' 
{vgl.  gut  III  A  4)  leicht  erreichbar,  doch  ist  der  ausdruck 
wohl  unier  dem  einflusz  von  VI  A  2  c  bereits  im  älteren  nhd. 
zur  Steigerungsformel  'zu  allerletzt,  ganz  zum  schlusz'  ver- 
allgemeinert, vgl.  was  wol  ansetzt,  laszt  gern  gute  letz 
{'findet  ein  spätes  ende,  läszt  sich  viel  zeit'),  quae  sero  con- 
tingunt  magnifi,ca,  zu:  spat  obs  ligt  lang  sprichw.  (1548)  8»: 

so  wll  Ich  euch  ein  täntzleln  klein 

zu  guter  letzt  (ehe  ich  gehängt  werde)  vor  hören  lahn 

A.  Dietrich  baurenknechi  (1618)  b  4"; 

doch  wolte  ich  zu  guter  letze  s.  Johannis  segen  noch 
trincken  Grimmelshaüsen  2,  374  Keller; 

daaz  er  mir  zu  guter  letzt 
mein  begräbnisliedt  gemachet 

S.  Dach  761  Ost.; 

da  befahl  Josef  seinen  brüdern  noch  zu  guhter  letzte, 
sie  selten  seinen  vater  nicht  sagen,  dasz  er  von  ihnen  ver- 
kauft worden  Zesen  AsseruU  (1679)  282; 

ich  hab  es  tausend  mahl  zu  guter  letzt  gelcüst 

Hoffmannswaldaü-Neukikch  2,  32; 

ich  will  sie  {die  Wahrheit)  auch  noch  zu  guter  letzt  sagen 
J.  E.  Schlegel  w.  (1761)  3,  587;  er  wird  also  zu  guter 
letzte  noch  einmal  alle  seine  kräfte  anstrengen  Jung- 
Stilling  w.  3,  247  Or.;  dasz  wir  die  wort-  und  klang- 
wiederholung  zu  guter  letzt  noch  hinausbringen  Göthe 
IV  37,  51  W.;  bevor  mr  abzogen  zu  guter  letzte  sangen 
mr  nochs  bluttgerichte  G.  Hauptmann  d.  weber  (1892)  40. 

VII.  adverb  zum  adjektiv  gut  ist  seit  alter  zeit  wohl 
{s.  sp.  1227);  nach  F.  Bechs  angeblichem  nachweis  —  von 
R.  Bechstein  Gottfrieds  v.  Straszburg  Tristan^  1,  183 
{anm.  zu  5236)  zitiert,  aber  nicht  auffindbar  —  soll  guot  um 
die  mitte  des  13.  jhs.  als  adv.  schon  geläufiger  sein,  vxu  je- 
doch starke  zweifei  verdient;  diu  guote  gemuote  Tristan  i 
5236  enthält  das  ad}.,  wie  der  stete  gemute  graf  Rudolf  d  7  j 
Gr.  und  den  senften  gemüten  ebda  k**  29  erweisen,  und 
statt  diu  suoze  gemuote  Hartmann  v.  Aue  Iwein  7300 
legt  auch  die  Überlieferung  das  adj.  süeze  näher;  die  beleg- 
stellen  im  mhd.  wb.  2,  1,  256/.  lehren,  dasz  im  mhd.  zu  ge- 
muot  sowohl  das  adj.  wie  das  adv.  treten  kaym,  je  nachdem 
peraon  oder  funktion  {vgl.  wol  gemuot  ebda  2,  1,  268,  baz 
gemuot  2,  1,  256)  im  sinnvordergrund  steht,  eine  ähnliche 
doppelung  zeigt  sich  in  der  formet  ez  guot  tuon  {vgl. 
sp.  1255)  neben  ez  wol  tuon  (Hartmann  v.  Aue  Erec  2260, 
Kudrun  184,  2),  wo  objekt  und  verbum  rivalisieren;  solche 
doppellösungen  bereiten  ebenso  wie  die  seit  dem  14.  jh.  auf- 
tretende feste  Zwillingsformel  wol  und  gut  der  Umbildung 
des  adj.  zum  adv.  den  boden;  zunächst  gut  I  A  7  a  ent- 
sprechend: antwurtt  in  der  wirt  herauz  oder  wil  in  ver- 
antwurten,  wol  und  gut!  {anf.  d.  14.  jhs.)  weisth.  6,  116; 
redent  si  dann  und  khoment  über  ain  mit  unns,  das  uns 
der  gelt,  den  wir  von  den. Putschen  ehmaki  gehabt  haben, 
von  in  widerkhert  wirdt,  der  an  uns  genügt,  wol  und  gut ! 
{v.  j.  1337)  in:  v.  LoRi  baier.  bergr.  (1764)  10;  wollen  si 
williklich  die  pfrönden  lassen,  wol  und  gut!  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  s.  sehr.  1,  188  ndr.;  qualifizierend:  wer  alles 
wol  und  gut  rede  sprichw.  (1548)  176''; 

vor  dieser  zeit  und  noch  anjetzt  erscheint, 

wie  gutt  und  wol,  herr  Höpner,  ihr  mich  meint 

TSCHKRNINQ  dtsch.  gct.  frül.  (1642)  125; 

so  mundartlich  gepaart:  t  is  bi  mi  to  hüs  all  göd  un  wol 
TEN  Doornkaat-Koolman  1,  655;  als  Verstärkung  {s.  unten 
F  2  a):  he  hätt  t  good  un  woll  vergäten  Stürenburg  73; 
got  on  wähl  Leithäuser  Barmer  ma.  61*;  auch  unver- 
bunden:  wol  gut,  saget  er,  ich  wil  sie  besehen  Ämadis 
74  K.; 

wol  gutl  weil  gott  sein  reich  den  kindern  anverspricht, 
erbt  jene  weit  allein,  und  diese  weit  erbt  nicht 

LOGAU  sinnged.  35  E.; 

umfänglich  tritt  gut  als  adv.  im  frühnhd.  auf,  doch  beruht 
ein  groszer  teil  der  fälle  auf  Umbildung  ursprünglich  ad- 


jektivischer oder  substantivischer  Wendungen,  z.  b.  gute 
acht  geben  {vgl.  sp.  1248)  zu  gut  acht  geben:  der  .  .  .  geb 
gut  acht  auf  die  propheten  und  aposteln  J.  Mathesius 
Sarepta  (1571)  43»; 

und  gut  acht  nemen  aller  Sachen 

H.  B.  Manuel  weinspiel  73  ndr.; 

vgl.  weiter  es  ist  mir  zu  machen  gut  {s.  sp.  1282)  zu  ich 
habe  gut  machen  {s.  unten  C  7),  kein  gut  tun  zu  nicht 
gut  tun  {s.  unten  A  1  c  /5),  mhd.  einem  guot  {subst.  n.)  tuon 
zu  einem  gut  {neben  wohl)  tun  {s.  unten  A  1  c  c)')  usw.;  der 
prozesz  der  ablösung  von  wohl  durch  adverbiales  gut 
schreitet  noch  in  neuerer  spräche  fort,  sodasz  wohl  als  quali- 
fizierendes adv.  stetig  zurücktritt;  in  heutiger  spräche  sind 
z.  b.  die  um  1800  noch  geläufigen  Verbindungen  es  schmeckt, 
riecht,  klingt  wohl  {vgl.  teil  9,  sp.  968  und  Adelung  4 
[1801]  1591)  nicht  mehr  möglich  und  durch  es  schmeckt, 
riecht,  klingt  gut  ersetzt  {s.  unten  G  1),  was  sich  nd.  im 
15.  jh.  bereits  anbahnt,  vgl.  gud  rukende  crut  anetum  {voc. 
V.  1417)  Diefenbach  nov.  gl.  2S^. 

A.  aus  gut  I  als  adverb  entwickelt. 
1)  entsprechend  gut  I  A  bzw.  B. 

a)  bei  verben,  die  eine  technische  oder  künstlerische 
fertigkeit  bezeichnen  {vgl.  gut  1  B  1  d),  als  ausdruck  dessen, 
dasz  die  tätigkeit  in  zweckentsprechender,  richtiger  weise 
ausgeübt  wird;  meist  mit  der  qualitativen  wertung  ver- 
bunden; häufig  mit  dem  verb  zusammengerückt,  vgl.  komp.- 
typ.ld:  aber  dise  meyster  und  richter  müsz  er  (der 
baumeister  oder  Schreiber)  leiden  und  eben  die,  die  es  so 
gut  zu  bauen  und  zu  schreiben  nimmer  mehr  vermöchten 
sprichw.  (1548)  50*; 

viel  lürsten  fechten  gut  und  herrschen  doch  nicht  wohl 

Besser  sehr.  (1732)  1,  4; 
. . .  man  sollte  nicht  glauben, 
dasz  ein  jüngerer  manu  so  gut  zu  reden  verstünde 

J.  H.  Vosz  Odyssee  38  Bern.; 

unter  mir  wohnte  eine  Wäscherin,  die  mir  sehr  gut  kochte 
Göthe  43,  235  W.;  wenn  Goldoni  gut  übersetzt  würde, 
das  wäre  ein  schätz  für  unsere  spräche  Gerstenberg 
recens.  56  lit.-denkm.;  gut  gebrüllt,  löwe!  gut  gelaufen 
Thisbe!  gut  geschienen,  mond!  Shakespeare  7,  341;  gut  ist 
sie  gemauert  {die  steinsäule),  noch  im  sommer  1873  zeigte 
Peter  sie  mit  stolz  den  besuchem  des  Rainthaies  Barth 
Kalkalpen  587;  in  adjektivische  fassung  umgebogen:  bren- 
net es,  sie  haben  gute  gemaurte  heuser  darfür  sprichw. 
(1548)  66*;  er  .  .  .  spielte  ein  gutes  klavier  Schubart  leb. 
u.  ges.  1,  5. 

b)  ebenso  bei  allgemeineren  tätigkeitsbezeichnungen: 
hastu  es  gut  eingebrockt,  so  isz  es  gut  aus  Eyerinq  prov. 
(1601)  1,  389;  lassen  sie  mich  das  gut  vollenden,  was  gut 
angefangen  ist  Göthe  IV  8,  41  W.; 

wir  ziehen  rasch  von  dannen, 
wie  wehrt  die  landwehr  gut 

SCHNECKENBURGER  dtsche  lieder  21; 

gut  gekauet 

ist  halb  verdauet         Bremser  med.  paroem.  219; 

'der  rahm  {wird)  über  die  morgenmilch  gegossen  und  mid 
der  chellen  gued  zertriben'  Friedli  Bärnd.  2,  398; 

werd  nehmen  grüne  linsen,  gut 
mit  zehn  pfund  reis  gemischt 

K.  BÜCHER  arbeit  u.  rhythm.*  181 ; 

na,  binde  man  alles  gut  zusammen  Fontane  ges.  w.  I  6, 
127;  so  bei  rezepten  und  gebrauchsanweisungen  häufig  ver- 
wendet, z.  b.  gut  umrühren,  gut  verreiben,  gut  reinigen, 
gut  trocknen  lassen;  berufssprachlich  vielfach  in  festen 
technischen  Wendungen  im  gebrauch:  'gut  abkommen  be- 
deutet, wenn  beim  abdrücken  des  feuergewehrs  die  richtung 
desselben  auf  dem  Zielpunkt  geblieben  isV  Behlen  forst-  u. 
jagdhmde  3,  518;  'ist  das  grattier  gued  trofiens,  so  wird 
es  gleich  ausgeweidet'  Friedli  Bärnd.  2,  223;  'gut  ge- 
flossene {zinnschlacken)  sind  mehr  glasartig  und  leicht' 
Lampadius  hwb.  d.  hüttenkde  (1801)  1,  92;  'gut  gelagert 
sagen  {die  roszhändler) .  .  .  von  einem  pferde,  wenn  es  gerade 
auf  seinen  füszen  stehet'  Jacobsson  5,  767*;  'gut  treiben 
{heiszt)  . .  . ,  wenn  bey  dem  treiben  das  geschmolzene  bley- 


1321 


GUT,  adj.,  VII  A  1 


GUT,  adj.,  VII  A  1 


1322 


werk,  ohne  sich  zu  verschlacken,  auf  der  aschenkapelk  rein 
fUeszV  4,  433^;  'der  schriftgieszer  nennt  böse  buchstaben 
solche,  die  nicht  oder  nur  schwer  bei  gewöhnlicher  behand- 
lung  gut  fallen,  d.  h.  sich  nicht  vollkommen  und  rein  aus- 
gieszen'  Pkechtl  techn.  encycl.  16,  574;  'gut  gefallene 
presse  [heiszt)  die  zwcyie  warme  fresse,  welche  das  tuch  bei 
der  appretur  erhäW  Jacobsson  2,  177*;  ein  sehr  gut  wir- 
kender, dauerhafter  und  leicht  nachzuschärfender  vier- 
schneidiger Senker  {in  der  bohrmaschine)  Pkechtl  techn. 
encycl.  21,  574. 

c)  etwas  gut  machen  'etw.  in  richtiger,  zweckmäsziger 
weise  ausführen' ;  das  adv.  ist  hier  wohl  aus  dem  prädika- 
tiven adj.,  das  zum  akkusativobjekt  gehört,  herausgebildet: 
so  man  solche  gepeu  recht  und  gut  macht,  darf  man  das 
in  vil  jaren  nicht  pessern  A,  Düeer  eil.  underr.  (1527)  E  4*»; 
man  sol  ein  ding  nit  zu  gut  machen  sprichw.  (1548)  136''; 
hastus  gut  gemacht,  so  wirstus  gut  finden  Eyering  prov. 
(1601)  3,  7;  er  machts  eben  so  gut  egli  fä  altrettanto  Krä- 
mer t.-ital.  2,829'';  sie  haben  ihre  Sache  ...  gut  gemacht 
GÖTHE  21,  162  W.;  das  hast  du  einmal  gut  gemacht 
Alexis  Roland  v.  Berlin  l,  25;  das  macht  der  guat  das 
ist  nicht  übel  Jakob  Wien,  n^;  nach  gut  IC  hinüber- 
greifend als  abschiedsgrtisz  im  nd.  und  md.  verbreitet  machs 
gut,  machts  gut!,  vgl.  machts  gut  fatela  galantemente 
Kramer  t.-ital.  l,  579,  z.b.  Schambach  Gott.  60^,  Bauer- 
CoLLiTZ  wald.  42^,  Hofmann  niederhess.  lli'',  Lambert 
Fennsylv.  75*  u.  ö.;  mehr  nach  gut  III  A  4  hin: 

deiner  sorge  schwere  last 
niint  er  weg,  macht  alles  gut 

Paul  Gerhardt  in:  Fischkr-Tümpel  3,  320; 

gott  macht  es  gut  Arndt  s.  w.  4,  6  R.-M.;  etw.  kurz  und 
gut  machen  vgl.  unter  gut  I  A  7  d  /S  {sp.  1250). 

d)  gut  tun  ist  genetisch  anderer  herkunft;  in  dieser  Ver- 
bindung setzt  sich  zumeist  das  subst.  gut  fort  {s.  gut,  n., 
A  3  b) ;  vereinzelter  liegt  echtes  junges  adverb  im  wechsd 
mit  wohl  vor  (s.  u.  e). 

a)  gut  (daran)  tun  mit  abhängigem  objektsatz,  'rätlich, 
nützlich,  zweckmäszig  verfahren",  vgl.  wohl  (daran)  tun; 
vergleichbar  schon:  diewijl  Anthea  mit  so  groszem  zug 
kam,  hettest  du  guot  gehept,  vor  dinem  unglück  ze  sin 
Morganl  277  Bachm.  (nach  frz.  tu  avois  beau  eviter 
ton  malheur); 

der  den  schöpffer  weisz  zu  schaffen,  thäte  wol  so  gut  daran, 
wenn  er  eine  weit  auch  schaöte,  die  ein  solches  glauben  kann 

LOGAtr  543  E.; 
gut  daran  tun  mit  inf.  in  neuerer  spräche  gebräuchlich: 
ich  {mache)  euch  darauf  aufmerksam,  dasz  ihr  gut 
daran  thut,  möglichst  bald  .  .  .  dies  haus  zu  verlassen 
E.  Carlssen  Stadt  Junker  v.  Braunschweig  (1882)  306;  hat 
Homer  nicht  also  gut  gethan,  dasz  er  'seiner  göttin 
nicht  so  offenbar  eine  körperliche  grösze  gab,  die  alle 
natürliche  maasze  weit  überstiege?'  Herder  3,119  5.; 
wer  die  {Privilegien)  antastet,  der  würde  ebenso  gut  thun, 
einen  schlafenden  .  .  .  wolf  bey  den  obren  zu  zupfen 
Klinger  w.  3,  45. 

ß)  gut  tun  im  sinne  'nützlich,  rätlich,  ersprieszlich  sein, 
etuxis  taugen",  und  oft  mit  Übergang  zu  gut  I C  'günstig  aus- 
gehen" in  negativer  weruiung  mit  sächlichem  subjekt,  ist 
aus  der  älteren  formel  kein  gut  tun  {s.  gut  IX  A  l) 
zu  adverbialer  fassung  entwickelt:  hohmut  thut  nimer  gut, 
und  kan  nichts  denn  arges  draus  erwachsen  Lutheb  bibd 
5,  70  Bindseil-Niem. ; 

welches  doch  die  lenge  nit  that  gut 

und  mag  ouch  nit  erlitten  werden 

Schweiz,  schausp.  3,  16  Bäeht.; 
spate  rew  thut  selten  gut  Berthold  v.  Chiemsee 
teutsche  theol.  30  R.;  es  ist  solch  ding  eine  rechte  .  . . 
kätzerey  und  wird  in  die  harre  nicht  gut  thun  Mosche- 
ROSCH  insomn.  cur.  par.  36  ndr.; 

das  plaudern  thut  nicht  gut,  man  wird  zu  sehr  zerstreut 

Körner  vj.  4,  8  Hempel; 
es  thut  selten  gut,  wenn  der  autor  sich  unterfängt,  dem 
geneigten  leser  genau  zu  beschreiben,  wie  diese  oder  jene 
. .  .  person  —  ausgesehen  E.  T.  A.  Hoffmann  s.  w.  12, 
18  Or.;  vereinzelt  mit  persönlichem  subjekt:  ein  bekümmert 


mann  thut  selten  gut  {nimmt  selten  ein  gutes  ende)  He- 
NISCH  1795;  positiv  gewendet  nur  gelegentlich:  ich  wiU 
fleisig  seyn,  das  thut  gut  Göthe  IV  5, 243  W.;  anders  guet 
tuen  fügen,  passen  Schöpf  tirol.  220. 

y)  gut  tun  mit  persönlichem  oder  personifiziertem  subjekt 
im  sinne  'sich  ordnungsgemäsz,  geziemend,  schicklich  be- 
tragen', an  gut  I  A  4  a  anknüpfend,  ist  wie  ß  aus- 
schlieszlich  aus  der  substantivformel  kein  gut  tun  {vgl.  gut 
IX  A  2)  hervorgegangen;  'ordnungsgemäsz  arbeiten,  im 
richtigen  zustande  sein':  item  dasz  sie  aus  dem  Schnabel 
ihren  koth  wissen  von  sich  zu  geben,  wenn  der  bauch 
nicht  gut  thun  wil  Prätorius  winterfiucht  (1678)  130;  im 
waasen  wül  er  {der  Pfirsichbaum)  nicht  gut  thun,  sondern 
wässerige  und  ungeschmacke  fruchte  bringen  v.  Hoh- 
berg  georg.  cur.  aucta  (1715)  3,  339'';  vom  menschen,  auch 
mit  einschlag  von  gut  V  B,  'sich  schicklich,  anständig  be- 
tragen': da  sie  ein  liederlicher  mensch  sind,  der  nirgends 
gut  thut  G,  Stephanie  d.  j.  s.  lustsp.  (1771)  284;  der  platz- 
schuster  ist  .  .  .  ein  gemsenwildschütze  gewesen  und  hat 
überhaupt  in  seiner  Jugend  .  .  .  nicht  gut  gethan  A.  Stif- 
ter s.  w.  5,  1,  210  S.;  mit  personalem  objektsdativ  im  sinne 
'gehorchen':  die  zither,  .  .  .  mit  der  sie  mich  sonst  einzu- 
schläfern pflegte,  wenn  ich  ihr  nicht  gut  thun  wollte 
Gotter  ged.  (1787)  3,  545; 

BO  lang  ein  edler  biedermann 

mit  einem  glied  sein  brod  verdienen  kann, 

. . .  doch  thut  Ihm  endlich  keines  mehr  gut 

BÜRGER  ».  w.  79*  B.; 

an  gut  U  A  1  anknüpfend  bergmännisch:  'gut  thun,  .  . . 
von  lagerstätten:  erze  enthalten'  Veith  bergwb.  256: 

es  thut  kein  gang  so  gut 
er  hat  denn  einen  eisernen  hut 
(d.  h.  er  gehe  denn  nach  oben  in  einen  eisensteingang  aus) 

Dannenberg-Frantz  bergtn.  wb.  183. 

6)  gut  tun  mit  persönlichem  objektsdativ  im  sinne  'gutes 
erweisen',  vgl.  daneben  wohl  tun,  leitet  sich  ebenso  aus  dem 
subst.  her  {vgl.  gut,  n.,  A  3  b):  die  aber  das  evangelion 
Christi  lieb  haben,  .  .  .  das  böse  vermeiden  und  dem 
nechsten  gut  thun  und  sein  bestes  gedencken,  warumb 
solten  die  nit  oft  zum  sacrament  gehen?  J.  Bugenhagen 
Braunschw.  kirchenordn.  (1531)  c  2;  elliptisch:  wir  sollen 
gut  thun  die  uns  hassen  Luther  10,  3,  222  W.;  allge- 
meiner: ek  döe  minen  väder  god  'ich  behandele  meinen 
vater  gut'  Schambach  Qött.  60*;  auch  präpositional  mit 
gegen:  darumb  sollen  wir  gegen  allen  menschen  güet 
thuon,  dieweyl  wir  zeyt  haben  zum  verdienen  Berthold 
V.  Chiemsee  t.  theol.  570  R. 

c)  jung  aus  gut  I  A  1  c  oZ«  adv.  hergeleitet  mit  personalem 
objektsdativ  gut  tun  im  sinne  'heilsam  sein,  helfen'  vgl. 
wohl  tun :  die  kalten  umschlage  .  .  .  hatten  ihm  gut  getan 
Gutzkow  ritter  v.  geiste  l,  112;  das  Lauchstädter  bad  .  .  , 
hat  ihnen  früher  doch  ganz  gut  gethan  Göthe  IV  19, 
367  W.;  de  kaffe  deit  enen  god  Mensing  2,  427;  'nützlich 
sein,  gebühren,  verdieneyi" :  die  herren  soUten  nur  einen 
tag  und  eine  nacht  das  leben  führen,  das  ich  drei  Wochen 
lang  ausgestanden  habe,  es  würde  ihnen  gut  thun 
W.  Raabe  s.  w.lll,  458;  von  hier  aus  zu  verstehen:  emm 
guet  gnueg  thue  'einem  {im  schlimmen  sinne)  gehören,  es 
verdienen'  Tobler  appenzell.  245*,  vgl.  modern  als  aus- 
druck  der  Schadenfreude:  das  tut  dir  gerade  gut! 

e)  bei  verben  der  äuszeren  %t,nd  inneren  erfahrung  ent- 
sprechend, gut  I  A  6{sp.  1248)  im  sinne  'genau':  Leviathan, 
der  so  gut  wuszte,  was  dem  satan  gefiel  Klinger  w.  3,  34; 
{ich)  erinnere  mich  recht  gut  Schiller  12,  69  0.;  von 
allem  war  er  gut  unterrichtet  Göthe  33,  12  W.;  ich  kenne 
ihn  gut  lo  conosco  benissimo  Kramer  t.-ital.  1,  579 C;  der 
bruder  hatte  ihn  weislich  nicht  darin  eingeweiht,  weil  er 
ihn  zu  gut  kannte  0.  Ludv5t:g  ges.  sehr.  1,  157;  Rudolf  .  .  . 
sah  aber  alles  und  paszte  gut  auf  Fontane  ges.  w.  I  5, 132; 
ohne  bedeutungsgehaü  mehr  intensivierend  'vollständig' :  ich 
begreife  nun  recht  gut,  wie  Flaxmann  der  abgott  aller 
düettanten  sein  musz  Göthe  47,  245  W. 

f )  zii  gut  I  A  4  a  im  sinne  'geziemend,  schicklich,  an- 
ständig'  {vgl.  gut  tun  dy):  und  wenn  er  sich  immer  gut 
aufführt  A.  v.  Arnim  s.  w.  l,  251  Qr.;  in  heutiger  spräche 
geläufig  sich  gut  benehmen,  betragen. 


1323 


GUT,  adj.,  VII  A  2-3 


GUT,  adj.,  VII  B.  C  1-3 


1324 


2)  zu  gut  IG  im  sinne  'günstig,  glücklich'. 

a)  bei  verben,  die  einen  handlungsverlauf  bezeichnen,  wie 
angehen,  gehen,  fahren  u.  ä.:  die  invention  gehet  gantz 
gut  an  Chr.  Reutek  ehrl.frau  9  ndr.;  wie  gut  es  zwischen 
uns  sich  anliesz,  ersiehst  du  daraus,  dasz  wir  mit  einer 
Umarmung  endigten  Göthe  IV  39,  237  W.;  die  sache  ging 
gut  durch  ihre  treue  pflege  und  Wartung  Ramler  einl.  i. 
d.  schön,  wissensch.  (1758)  1,  294;  wenn  alles  gut  geht, 
wünsch  ich  ihn  wohl  auf  eine  stunde  zu  mir  Göthe  IV  8, 
24  W.;  gesteigert  in  fester  wendung  das  geht  noch  einmal 
(mal)  so  gut,  wobei  sich  der  sinn  oft  nach  gut  III  A  8  hin 
verlagert:  wenn  die  Luise  mithalf,  ging  es  noch  mal  so 
gut  beim  brotbacken  oder  einschlachten  H.  V.  Kahlen- 
BERQ  Eva  Sehring  (1901)  42;  nachdem  es  mit  der  erklä- 
rung  der  himmelsbewegungen  nicht  gut  fortwollte  Kant 
3,  12  aJcad.;  wenn  ihr  den  zum  muster  nehmt,  so  werdet 
ihr  gut  dabey  fahren  Klinger  w.  3,  85. 

b)  bei  verben,  die  ein  handlungsergebnis  oder  einen  zu- 
stand ausdrücken:  es  war  ein  glück  für  sie,  dasz  diese  un- 
gestempelten tage  die  meiste  zeit  für  sie  .  .  .  gut  ausfielen 
Hippel  lebensl.  1,  26;  man  . .  .  wünschte  sich  .  . .  glück, 
so  gut  aus  einem  schlimmen  handel  gekommen  zu  seyn 
Klinger  w.  3,72;  ah,  da  bist  du  ja  auch,  rief  ihm  dieser 
entgegen,  das  trifft  sich  gut  Tieck  sehr.  4,  260;  s  steht 
nicht  gut  ums  schiff  Müllner  dram.  w.  3,  67 ;  modern  z.  b. 
sein  prozesz  (seine  sache)  steht  nicht  gut. 

3)  entsprechend  gut  I  A  8  in  komparativen  ausdrücken 
verbalen  Charakters. 

a)  allgemein  mit  komparierten  verben  oder  nomina  im 

sinne  Hn  gleicher  weise,  ebenso  wie';  so  gut  als :  nachdem 

es  aber  nicht  zu  ändern  war,  musten  sie  .  .  .  so  gut  als 

es  die  zeit  und  der  ort  lidte,  in  Schlachtordnung  stellen 

Lohbnstein  Arminius  (1689)  1,  37»; 

ich  welsz  so  gut  als  du  den  zunder  deiner  sinnen 

Hoffmannswaiüaü-Neukikch  1,  3; 

(er)  hielt  leider  auf  diese  weise  das  falsche  so  gut  als  das 

wahre  fest  Göthe  22,  140  W.; 

wir  haben  auch  unsern  helden  fürwahr, 
80  gut  als  wie  die  groszen, 
die  uns  wie  nichts  verstoszen 

BÜCKERT  «7. 1,  58; 

etwas  anders  'mit  gleichem  recht':  sie  könnte  .  .  .  eben  so 
gut  die  Bravethei  heiszen  als  die  Heiterethei  O.  Ludwig 
ges.  sehr.  2,  12;  so  gut  wie:  (Newton)  setzte  ihm  {dem  lichte) 
auch  bedingungen  entgegen  so  gut  wie  wir  Göthe  II  2, 

11  W.; 

hört  seine  letzten  lehren  an; 

er  hats  so  gut  wie  ihr  gethan 

und  kennt  des  glückes  grenzen  I  4,87; 

oft  ohne  relationsadverb :  er ...  tröstete  mich,  so  gut  es  zeit 

und  gelegenheit  zuliesz  Grimmelshatjsen  Simpl.  33  ndr.; 

man  schreyt,  so  gut  es  sich  nur  fügt 

Stoppe  Parnasz  (1735)  7; 

das  ist  die  wahre  Weisheit . . .,  seine  Schuldigkeit  thun,  so 
gut  es  gehen  will  GtÖthe  45,  11  W.;  sie  wissen  ja  .  .  .,  so 
gut  sie  es  wissen  Arndt  s.  w.  (1892)  2,  6;  z.  b.  was  ich 
heute  zu  tun  versäumte,  kann  ich  eben  so  gut  morgen 
noch  nachholen. 

b)  schon  frühnhd.  mit  ellipse  des  zweiten  vergleichs- 
verbum  bei  kann,  vermag,  weisz ;  mit  als  und  unbestimmtem 
Objekt:  der  baumeyster  macht  es  wie  es  im  gefeilt,  ein 
büchschreiber  auch  also  gut  als  ers  kan  sprichw.  (1548) 
50»;  als  er  den  zwirn  einfädeln  konnte  so  gut  als  er  es  je 
gekonnt  hatte  br.  Grimm  kinder-  u.  hausm.  2  (1850)  124; 
ohne  unbestimmtes  objekt:  ich  excusirte  mich  so  gut  als 
ich  kunte  Chr.  Rextter  ehrl.frau  26  ndr.;  ein  hund  ...  fiel 
über  den  dieb  her,  der  sich  mit  dem  degen  so  gut  verthei- 
digte  als  er  konnte  Göthe  43,  149  W.;  und  ohne  relations- 
adverb : 

liebe  mich  und  treib  mich  an 
dasz  ich  dich  so  gut  ich  kann 
^viderumb  ümbfang  und  liebe 

Paul  geuhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  300; 

ich  . . .  tröste  mich  so  gut  ich  kann  Caroline  l,  3  Waitz; 
blasser  im  sinne  'soweit  möglich':  ich  faszte  mich  in 
meiner  wuth   so  gut  ich  konnte   und  wartete   Göthe 


43,  48  W.;  bei  modern  gebräuchlichem  so  gut  ich  es  ver- 
mag bleibt  Objektsausfall  selten;  so  gut  ich  (es)  weisz  ver- 
bleibt im  älteren  nhd.: 

wer  aber  dein  herr  nicht  content, 
und  sprach,  dien  mir  zu  disch  behend: 
80  rhat  ich  dir,  so  gut  ichs  weisz, 
du  thüst  was  er  dich  selber  heisz 

K.  Scheit  Orob.  1580  ndr.; 
mein  hertze  soll  dir  grünen 
in  stetem  lob  und  preis, 
und  deinem  namen  dienen, 
so  gut  es  kan  und  weisz 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  324. 

B.  aus  gut  II  adverbial  gebildet  bei  verben  aller  art  im 
sinne  'vortrefflich'  als  allgemeinster  ausdruck  einer  wert- 
bezeichnung,  die  oft  zur  bloszen  Steigerung  verblaszt;  die 
fülle  der  möglichkeiten  gestattet  nur  beispiele:  fräulein  Ul- 
rike ist  .  .  .  zurückgekommen,  hat  gut  gesehen  und  er- 
zählt gar  wacker  Göthe  IV  41,  192  W.;  die  tanzenden 
(kamen)  doch  nicht  aus  dem  takte,  so  gut  hatten  sie  ihre 
schule  gelernt  Klinger  w.  3,  30;  da  in  allen  allgemeinen 
Sprüchen,  sie  mögen  noch  so  gut  durchdacht  sein,  etwas 
unfaszliches  .  .  .  liegt  Göthe  II  6,  11  W.;  gut  gesagt, 
mylord  Fr.  L.  Schröder  dram.  w.  1,  40;  guet  gegeben 
gut  geantwortet  Martin-Lienhart  1,  248;  reiseberichte 
und  sagen  .  .  .,  die  .  .  .  mit  den  allerältesten  andeutungen 
gut  übereinstimmen  Ritter  erdk.  1,  168;  Kayser  läszt 
sich  gut  an,  ich  hoffe,  sein  leben  hier  soll  ihn  geschmei- 
diger machen  Göthe  IV  5,  56  W.;  der  Stallmeister  halte 
sich  gut  I  25,  35;  wir  .  .  .  wurden  recht  gut  erzogen 
E.  M.  Arndt  s.  w.  1,  12  B.-M. 

C.  aus  gut  III  als  adverb  gebildet. 

1)  entsprechend  gut  III  A  1  bei  verben  der  sinnlichen 

emp findung: 

mir  schmäkket  nichts  so  gut  als  wasz  Ich  selber  esse 

Angelus  Silesius  cheritb.  wand.  122  ndr.; 

gelt  ock  alter,  du  weeszt,  was  gut  schmeckt?  G.  Haupt- 
mann weber  (1892)  39;  gud  rukende  crut  anetum  (gl.  v. 
j.  1417)  DiEFENBACH  nov.  gl.  23^»;  aU  wat  good  rükt, 
kummt  vun  mi,  seggt  de  apteeker  un  harr  in  de  büx 
scheeten  Schütze  holst.  3,  313. 

2)  nach  gut  III  A  2  vo7n  körperlichen  befinden  in  ver- 
balen Wendungen;  mit  dem  verbum  substantivum  mir  ist 
(nicht)  gut  'ich  befinde  mich  gesundheitlich  (nicht)  wohl' 
neben  häufigerem  gebrauch  mit  wohl  besonders  mundartlich 
und  umgangssprachlich:  (Marthel:)  is  dir  ni  gutt,  Rusla? 
(Rose:)  o  ja,  mir  is  gutt !  G.  Hauptmann  Rose  Bernd  (iQOi) 
133;  s  mer  als  nit  guet  'ich  fühle  mich  fortwährend  unwohl' 
Martin-Lienhart  1,  248;  es  ist  mir  wieder  gut  Fischer 
Schwab.  3,  956;  persönlich  gewendet:  ech  sen  (gar)  net  gut 
bin  krank,  ech  bön  nicks  jet  gut  bin  gar  nicht  wohl  und 
ähnl.  redensarten,  vgl.  Müller  rhein.  2,  1512;  ik  bün  ni 
god  'mir  ist  übel'  Mensing  2,  425;  auf  das  geistige  Wohl- 
befinden übertragen:  dem  es  et  net  gut  'der  ist  wohl  ver- 
rückt' Müller  rhein.  2,  1513;  gelt  s  ist  dir  nit  guet  'das 
ist  nicht  wahr'  (d.  h.  du  bist  wohl  nicht  bei  verstand)  Mar- 
tin-Lienhart 1,  248;  vgl.  ähnlich  Müller  rhein.  2,  1513; 
umgangssprachlich  geläufige  Wendungen  sind:  sich  gut 
fühlen,  z.  b.  der  kranke  fühlte  sich  gestern  wieder  nicht 
so  gut;  ech  fohle  mech  net  gut  Müller  rhein.  2,  1512; 
gut  zufrieden  sein,  z.  b.  ich  bin  heute  gar  nicht  gut  zu- 
frieden (/MÄ^e  mich  unwohl);  hierzu  stellt  sich:  der  gesang 
und  die  anspräche  hat  mir  wieder  gut  gemacht  (hat  mein 
befinden  gebessert)  E.  Strausz  freund  Hein^^  138;  er  findet 
guet  druf  'er  befindet  sich  daraufhin  wohl'  Martin-Lien- 
hart 1,  248;  eigentlich  war  es  nur  verkältung  .  .  .  nun 
geht  es  wieder  gut  und  ich  treibe  mein  wesen  wieder 
fort  Göthe  IV  29,  218  W.;  sachlich  hierher  gehörig,  doch 
eher  von  gut  I  A  2  d  ^  ausgehend:  er  war  ganz  gesund  und 
sah  sehr  gut  aus  A.  Stifter  s.  w.  2,  241  S. 

3)  zu  gut  III  A  4  gebildet  vom  wünschbaren  zustande,  an- 
genehmer lebenslage. 

a)  in  festen  Verbindungen. 

a)  seit  dem  älteren  nhd.  bis  ins  19.  jh.  in  der  negativen 
formel  es  wird  mir  nicht  so  gut  (vgl.  mhd.  ez  wirt  mir  also 


1325 


GUT,  adj.,  VH  C  3-4 


GUT,  adj.,  VII  C  5-7 


1326 


wol)  im  sinne  'ich  komme  in  die  angenehme  läge,  es  wird 
mir  vergönni' :  käme  Christus  selber  wider  .  .  .,  es  würde 
im  kaum  mehr  so  gut,  dasz  man  in  im  kühstall  sein  leger 
haben  liesz  K.  Scheit  Orob.  4  ndr.;  dem  fürsten  R.  aber, 
welcher  auf  dieser  waUstatt  gerne  eine  ruhmwürdige 
heldenbaare  erlanget  hätte,  ward  es  nicht  so  gut,  dasz 
er  sterben  mochte  Lohenstein  Ärminius  (1689)  l,  43»; 
es  wird  ihm  nicht  so  gut,  seinen  entschlusz  in  einer  an- 
deren seelenlage  noch  einmal  anzuschauen  Schiller  6, 
79  0.;  welches  .  .  .  der  theologischen  facultät  nicht  so 
gut  wird  Kant  w.  (1838)  l,  220  Hartenst.;  ähnlich:  denn  es 
kömmt  mir  nicht  so  gut  Chr.  Weise  grün,  jugend  63  ndr.; 

pfuil  dasz  68  nie  so  gut 
mit  mir  vorhin  geschehen 

Königsberger  dicMerkr.  29  ndr. 

ß)  es  gut  haben  'in  angenehmen  umständen  leben'  seit 
dem  frühnhd.  geläufig:  wie  es  die  gerechten  zuletzt  gut 
haben  werden  weish.  2,  16;  der  gut  fürst  liesz  beschehen: 
mächten  sis  gut,  so  hetten  sis  gütt  Judas  Nazarei  v.  alt. 
u.  n.  gott  29  ndr.;  viertens  habens  auch  auf  den  reiseij 
gut  diejenigen,  welchen  die  kunst  zu  singen  ein  an- 
sehen machet  Olearius  persian.  rosenthal  (1696)  54; 
ich  wollte  es  auch  einmal  so  gut  haben  wie  andere 
menschen  Lessino  18,  259  L.-M.;  auch  mundartlich  ver- 
breitet, vgl.  z.  b.  Seiler  Basler  ma.  153,  Fischer  schwäb. 
3,  950,  Brendicke  Berlin,  wortsch.  131'',  er  het  s  zue  guet 
ist  verwöhnt  Martin-Lienhart  1,  249;  ironisch:  ich  heff 
di  jümmer  seggt,  du  schusst  dat  nalaten,  nu  hesst  du 
t  so  god  Mensinq  2,  426;  prädikativ  gewendet:  in  hanns 
guoter  Lexer  kämt.  128;  von  hier  av^  gebildet  es  gut  be- 
kommen, kriegen  Hn  angenehme  Verhältnisse  kommen\ 
vgl.  Fischer  schwäb.  3,  950;  awcA  es  bei  jem.  gut  haben, 
bekommen  ist  heide  verbreitet. 

y)  es  geht  mir  gut,  vom  gesundheitlichen  und  wirtschaft- 
lichen Wohlbefinden  gesagt,  ist  erst  jung  bezeugt:  erem  gutt 
gin  genesen  lux.  ma.  158;  mir  ging  es  zu  gut,  das  konnte 
nicht  dauern  Göthe  45,  81  W.;  o  mir  gehts  auch  in  der 
Stadt  gut  V.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  4,  17;  als  ab- 
schiedsgrusz  verbreitet  lasz  dirs  gut  gehen!  vgl.  Mensing 
2,  427. 

(f)  es  tut  gut  'es  ist  angenehm"  neben  häufigerem  es  tut 
wohl  scheint  erst  spät  von  A  1  c  ^  her  auf  gut  III  A  als 
adv.  übertragen:  du  weiszt  nicht,  vne  gut  das  thut  maler 
Müller  w.  l,  126;  nach  schwerer  arbeit  tut  es  gut  sich 
hinzulegen  Crecelius  oberhess.  445;  es  tut  gut  es  ist  an- 
genehm Müller- Fraureüth  l,  452. 

e)  es  sich  gut  geschehen,  sein  lassen  im  sinne  'sich  etwas 
gutes  gönnen,  üppig  leben"  bleiben  seltener  neben  noch  ge- 
bräuchlichem wohl: 

so  ein  guter  baron  hat  nix  zu  essen, 

während  der  böse  baron  sich  gut  geschehen  läszt 

J.  Nestroy  ges.  w.  3,  72; 

er  schwelgte  und  liesz  sich  gut  seyn  Klinger  w.  3,  85; 
vgl.  sech  et  gutt  si  lössen  'gemächlich  leben"  lux.  ma.  158. 
b)  ebenso  in  allgemeinerer  Verwendung :  betracht,  daz 
got  dyn  herr  ist  und  das  du  sja.  knecht  bist,  ist  er  nun 
din  herr,  wie  mocht  er  dich  denn  nit  gut  haben  {gut  halten) 
Geiler  v.  Keisersberg  bilgersch.  (1512)  29C; 

merke  wohl:  die  bringer  werden 

gut  in  brot  und  hier  gehalten 

Fr.  W.  Weber  Dreizehnlinden  300 
es  ist  des  nachts  still  und  gut  schlaffen  Luther  18,  158  W. 
wei  sek  gut  bedet,  dei  slsepet  gut  Bauer-Collitz  lO^^ 
häufiger  wünsch  schlaf  gut!;  kann  man  gut  zur  miethe 
wohnen,  warum  soll  man  sich  sein  eigenes  haus  an- 
schaffen? Hippel  üb.  d.  ehe  (1792)  35;  wer  gut  webt,  der 
gut  lebt  G.  Hauptmann  weber  (1892)  lO;  ich  sitze  gut, 
sagte  die  katze,  da  sasz  sie  auf  dem  speck  Wander  2,  180; 
da  wäre  ich  gut  daran,  hier  einen  buckligen  leib  und  die 
seele  nach  dem  tode  in  alle  winde  S.  Brunner  erzähl,  u. 
sehr.  1,  276;  ein  kerl,  mit  dem  sichs  gut  zusammen  war 
H.  V.  Kleist  i,  330  Schm. 

4)  aus  gut  III  Ab  als  adv.  entunckeü  im  sinne  'froh, 
heiter\' 

ihm  war  gar  gut  zu  muth,  als  hett  er  nie  betrübt 
ein  eintzigs  waszerchen . ,  .       Reinicke  fuchs  (1650)  136; 


bin  ich  nicht  immer  gut  aufgelegt  gewesen?  und  wo  ist 
meine  heiterkeit  hergekommen?  S.  Brunner  erzähl,  u. 
sehr.  1,  825;  so  gut  gelaimt  sein,  z.  b.  ich  bin  heute  be- 
sonders gut  gelaunt; 

dann  Ist  der  gut  gelaunte  Sänger 

mitunter  auch  ein  kinderfänger        Göthe  1, 183  W.; 

vgl.  auch  gutgelaunt  an  alphab.  stelle;  anders,  in  bezug  auf 
die  innere  freudigkeit  oder  bereitwilligkeit  'gern": 

alle  Ohnwitzer  mögen  sie  gut  leiden 

KORTUM  Jobsiade  (1799)  2, 187 ; 

wenn  er  seinen  spasz  hatte  mit  jemand,  den  er  gut  leiden 
mochte,  so  stiesz  er  den  mit  der  lockeren  f  aust  in  die  seite 
Anzengruber  ges.  w.  3,  48;  was  sagst  du  zum  Wilhelm? 
Verena  war  verlegen,  'gut  mag  ich  ihn',  sagte  sie  lächelnd 
E.  Zahn  helden  d.  alltags  (1907)  18. 

5)  zu  gut  III  A  6  als  adv.  vom  ästhetischen  eindruck 
'schön,  hübsch',  vgl.  mit  Übertragung  von  1  a  y  her:  nim  die 
harfen,  .  .  .  machs  gut  auf  dem  seitenspiel  und  singe  ge- 
trost Jes.  23,  16;  meist  vom  optisch  vermittelten  eindruck: 
wie  gut  sie  schreibt!  kalligraphisch  gewisz  und  ortho- 
graphisch  beinahe  Fontane  ges.  w;.  I  5,  155;  besonders  in 
festen  Verbindungen  gut  lassen,  stehen,  aussehen  u.  ä.:  eine 
Säule  in  der  Adrienne  würde  ja  wohl  so  gut  lassen  als 
eine  im  faltigten  kleide  Kästner  rerm.scÄr.  (1753)  l,i2i; 
die  frauen  beteuerten,  diese  tracht  lasse  ihm  vorzüglich 
gut  Göthe  22,  15  W.;  utverschamt  lett  nig  good  Unver- 
schämtheit kleidet  nicht  Schütze  Twist.  50; 

ich  dreht  den  ring,  —  den  grafenhut 
hat  ich  sogleich,  er  stand  mir  gut 

Cl.  Brentano  ge«.  sehr.  5,  75; 

übertragen:  herr  Abel,  euch  steht  es  auch  gut,  wenn  euch 
so  grob  begegnet  wird  Tieck  sehr.  3,  179;  aim  guet  asto 
gut  stehen,  von  kleidern  Seiler  Basler  ma.  153;  der  hirsch 
wird  durchaus  nicht  schön  genenhet,  sondern:  er  siehet 
gut  aus  am  leibe  Döbel  jägerpr.  (1754)  1,  19'';  sie  (die 
ringe)  sahen  sehr  gut  aus  Göthe  43,  86  W.; 

dich  kleidet  reiz  and  milde  gut 

Mastaliek  ged.  (1774)  55; 

die  bärenmützen  der  grenadiere  nehmen  sich  sehr  gut  aus 
Solger  nachgel.  sehr.  (1826)  l,  52;  die  blühenden  bäume 
und  das  junge  gelbgrün  zwischen  und  vor  den  alten 
grauen  felsen,  den  finstem  fichtenwäldern  machten  sich 
sehr  gut  GJöthe  IV  20,  71  W.;  das  kupfer  thut  im  ganzen 
sehr  gut  und  ist  in  seinen  theilen  fürtrefflich  gestochen 
12,  279. 

6)  an  gut  III  A  7  als  adv.  angeschlossen  für  die  kenn- 
zeichnung  der  ökonomischen  läge  einer  person  'zufrieden- 
stellend, vorteilhaft';  vgl.  es  geht  mir  gut  oben  0  3  a  y;  denk 
ock  ä  mich,  wenn  dersch  watt  gutt  gihn  Rother  schles. 
sprichw.  2503';  verbreitet  in  moderner  spräche  sich  gut 
stehen,  vgl.  sech  gutt  stoen  'wohlhabend  sein'  lux.  ma.  158; 
gut  schtehn  Lambert  Pennsylv.  7b^;  als  frau  Hinkel 
hörte,  dasz  er  den  Alektryo  so  gut  hätte  verkaufen 
können,  machte  sie  dem  Gockel  bittere  vorwürfe  Gl.  Bren- 
tano ges.  sehr.  5,  56;  sie  dankt  noch  dem  himmel  dafür, 
wenn  sie  ihr  geld  so  gut  an  den  mann  bringt  Deinhardt- 
STEiN  ges.  dram.  w.  (1848)  1,  8;  aus  kaufmännischer  vor- 
stellungsweit  entwickelt  im  bilde  gut  angeschrieben  sein  bei 
jem.  'in  jemandes  gunst  stehen' :  dieses  kerlchen  war  .  .  . 
bei  den  frauen  . . .  gut  angeschrieben  E.  M.  Arndt  s.  w. 
1,  28  B.-M. 

7)  im  sinne  'mühelos,  bequem,  leicht'  hat  sich  adverbial- 
bildung  aus  gut  III  A  8  früh  entwickelt,  der  wohl  gut  B 
den  weg  gebahnt  hat,  indem  sich  alte  unpersönliche  kon- 
struktion  mir  ist  etwas  zu  machen  gut  in  die  persönliche 
ich  habe  etw.  gut  machen  umbog;  vereinzelt  noch  mit  zu: 
ein  mit  messen  {messern)  unde  bussen  {büchsen)  heft  den 
nakeden  gut  to  vorslän  Tunnicius  sprichw.  471  Hoffm.; 
sonst  ohne  zu:  du  hast  gut  reden  Luther  46,  110  W.;  ha, 
sagt  sie,  ihr  habt  gut  sagen,  were  dem  fasz  der  boden  ausz 
Fisch  ART  Oargantuxt  155  tidr.; 

du  hast  gut  reden,  dacht  ich,  zum  geleite 
gab  dir  ein  gott  die  gunst  des  augenblicks 

Göthb  3,  26  W.; 


1327 


GUT,  adj.,  VII  D  1 


GUT,  adj.,  VII  D  2-3.  E.  F  l 


1328 


da  hatte  freilich  der  teufel  gut  machen  Luther  26, 197  W.; 
er  hat  gut  reich  werden  sprichw.  (1548)  79*';  der  dichter 
.  .  .  hat  gut  nach  einem  ideal  arbeiten,  der  kunstrichter 
hat  gut  nach  ideen  urtheilen  Schiller  14,  4  G.;  ich  hatte 
gut  schwärmen,  alle  diese  bilder  erreichten  sie  nicht 
Klinger  w.  l,  243;  im  sinne  'leicht,  aber  erfolglos' :  aber 
die  beiden  hatten  gut  winken.  Kramer  kehrte  sich  nicht 
daran  S.  Brunner  erzähl,  u.  sehr.  2,  28;  aber  auch  auszer- 
halb  dieses  festen  gebrauche«  nicht  selten:  sintemal  .  .  .  alle 
gemachte  äuserlich  entweder  dieselbe  anmuth  oder  ver- 
drüszligkcit  zeugen,  die  dem  künstler  in  seinem  gehirne 
gesteckt,  wenn  ihm  die  arbeit  entweder  schwer  oder  gut 
von  bänden  gegangen  Lohenstein  Ärminius  {ifiiQ)  1,  86^; 
wie  mit  der  zeit  und  jaren  die  mannschaft  in  eim  dorf, 
also  hett  auch,  wie  gut  zu  gedencken,  die  summ  des 
Viehes  zugenommen  Kirchhof  «jendMwm.  2,  295  Österl.; 

das  sagt  sich  gut,  allein  es  übt  sich  schwer 

Grillpakzer  «.  w.  5, 157  S.; 

in  negativer  Wendung  abgegriffener  'nicht  so  einfach, 
Tcaurn' :  der  witz  läszt  sich  freilich  nicht  gut  wiedergeben, 
denn  er  ist  zu  derb  H.  Steffens  was  ich  erlebte  (1840)  1, 
180;  ein  ancien  ministre  {kann)  nicht  gut  wieder  vor  das 
barreau  treten  und  processe  führen  wie  früher  Gutzkow 
ges.  w.  7,  314;  ähnlich:  die  Charakterentwicklung  ...  kann 
das  rhetorische  nicht  gut  brauchen  0.  Ludwig  ges.  sehr. 
5,  206 ;  so  in  heuliger  spräche  formelhaft  das  ist  nicht  gut 
möglich ! 

D.  aus  gut  IV  als  adv.  abgeleitet  seit  dem  frühnhd.  im 
sinne  'freundlich,  liebreich\ 

1)  21t  gut  IV  A  bzw.  B  gehörig. 

a)  formelhafte  wendung  ist  es  gut  meinen,  'freundlich 
gesinnt  sein,  freundschaftliche  gesinnung  hegen',  vgl.  wohl- 
meinend: ich  meyne  es  ohn  zweyffel  gutt  Luther  12, 
232  W.; 

gleichwol  verzeih  mir  mein  ungllmpf 
das  Ich  zu  bekant  mit  dir  schimpf, 
ich  malnt  es  gut  .  . . 

FiSCHAKT  glttckh.  schiff  58  ndr.; 

dasz  alles,  was  die  rosengenossen  würken,  hertzlich  guht 
gemeinet  sein  sol  Zesen  helikon.  rosenthäi  (1669)  28; 
indem  es  die  sonne  dergestalt  gut  mit  uns  meynete 
Schnäbel  insel  Felsenburg  (1731)  4,  241;  jut  meinen 
liebkosen  Jecht  Mansf.  45;  auch  ins  pejorative  um- 
schlagend bei  einem  miszverhältnis  von  absieht  und 
Wirkung:  sie  meinen  es  gut  und  werden  mich  noch  um- 
bringen Göthe  22,  127  W.;  8  war  guat  gement,  s  it  halt 
Schlacht  ausgf alln  Ruckert  unterfr.  67 ;  nuch  gut  V  B 
hin  'ehrlich':  aber  sein  {des  papstes)  grimmigkeit  ereugt 
sich  so  dan  am  allermeisten,  wan  er  .  .  .  sich  stellt  als 
meynet  er  es  gut  und  trewlich  Hütten  opera  l,  384  Bock.; 
er  meinte  es  treu  und  gut  Stifter  s.  w.  3, 147  8.;  mit  per- 
sönlichem Objekt  präpositional  durch  mit  verbunden: 

ich  mein  es  hertzlich  gut  mit  dir 

J.  Spreng  Utas  (1610)  5"; 
dann  ich  seh  in  allen  dingen 
wie  80  gut  ers  mit  mir  meyn 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer- Tümpel  3,  347»; 

deinem  alten  freund  und  lehrer,  von  dem  du  weiszt,  dasz 
ers  gut  mit  dir  meint  Fontane  ges.  w.I  6,  9;  vereinzelt  mit 
Objektsdativ:  schauen  sie,  ich  mein  ihnen  s  gut  Nestroy 
ges.  w.  2,  233. 

b)  entsprechend  in  anderen  Wendungen  gleichen  sinnes 
gebräuchlich:  und  kan  dyr  wol  die  sprüch,  die  du  am 
besten  gefasset  hast,  ausz  den  bänden  nehmen,  das  dyrs 
feylet,  wenn  du  es  gleych  gütt  ym  synn  hast  Luther  12, 
363  W.;  ihr  seid  mir  ein  schöner  hahn,  herr  candidate,  der 
alte  hats  gut  mit  euch  im  sinn,  er  wird  euch  schön  den 
text  lesen  W.  Raabe  hungerpastor  (1864)  3,  88;  in  gleicher 
bedeutung  üblich  es  gut  mit  jemand  vorhaben;  verblaszt 
'die  absieht  haben':  ich  gedachte:  auf  eine  luge  gehöret 
ein  maultasche.  hats  auch  gut  im  sinn,  ihme  eine  solche 
mitzutheilen  Grimmelshausen  2,  379  Keller; 

und  wie  Ihr  wolltet  allen  gut  Göthe  16,  65  TT.; 
ists  nicht  gut  gemacht,  so  ists  doch  gut  gedacht  Henisch 
1795;  ich  dachte  gut  von  ihm  Göthe  22,  170  W.;  hier 


schicke  ich  dir  einen  brief  meiner  mutter,  daraus  du  sehen 
kannst  wie  gut  sie  denkt  IV  12,  151;  schlecht  gebetet  ist 
doch  gut  gedenkt  Fischer  schwäb.  3,  951;  'freundschaft- 
lich': lassen  sie  uns  einander  gut  gesinnt  bleiben  fürst 
PÜCKLER  brief w.  1,  271;  'gnädig'  zu  gut  IV  A  1  c  ayy: 

der  königliche  gast  erstaunet, 

dein  glück  ist  heute  gut  gelaunet 

doch  fürchte  seinen  unbestand     Schiller  11,  231 0.; 

so  auch  von  der  aufnehmenden  person:  ein  ding  ist  nicht 
bös,  wann  mans  gut  versteht  sprichw.  (1548)  58*;  er  maint 
es  gut,  es  wills  aber  niemand  gut  verstehn  Henisch  1795; 
nehmen  sies  gut  auf,  dasz  ich  für  ihre  gesundheit  be- 
sorgt bin  Göthe  IV  5,  30  W.;  dat  nehm  he  em  nich  god 
af  das  nahm  er  ihm  übel  Mensing  2,  427. 

2)  'freundlich'  vom  reden  und  handeln  entsprechend  gut 
IV  G  1-3,  z.  b.  einem  gut  zu  reden,  zusprechen:  sie  redete 
ihm  gut  zu  und  bat  ihn  viel:  er  wäre  noch  jung 
G.  Frenssen  Jörn  ühl  (1902)  166;  einem  guet  reden 
schmeicheln  Martin  -  Lienhart  1,  248;  der  herzog  geht 
auf  Dresden,  er  hat  mich  gar  gut  eingeladen  mit  zu 
gehn  oder  zu  folgen  Göthe  IV  6,  50  W.;  deswegen  gehet 
man  sehr  freundlich  und  gut  mit  ihnen  {den  leithunden) 
um  Heppe  jagdlust  (1783)  1,  39;  man  {musz)  den  burschen 
noch  gut  behandebi  E.  Carlssen  sladtjunker  v.  Braun- 
schweig (1882) 117; 

er  (goU)  hat  die  kleinen  klnder  gut 
und  hält  so  treue  wacht 

E.  M.  Arndt  «.  w.  3,  287  B..-M.: 

alle  haben  mich  gut  empfangen  br.  v.  u.  an  Herwegh  13; 
etwas  anders:  (sie)  war  nicht  gut  auf  sie  zu  sprechen  Bren- 
tano ges.  sehr.  5,  185. 

3)  rwfcA  gut  IV  C  4  als  adv.  von  dem  Verhältnis  zweier 
personen;  besonders  im  formelhaften  ausdruck  (sich)  gut 
stehen  u.  ä.: 

wenn  ein  mensch  mit  gott  gut  steht, 
der  steht  wol,  wenns  übel  geht 

LOGATT  sinnged.  44  E.; 

er  steht  gut  bei  der  frau  amtmannin  Rabener  s.  w.  4, 120; 
wie  oft  haben  die  römischen  nuntien  . . .  ihm  {Heinrich  IV.) 
vorgetragen,  dasz  er  sich  schmeicheln  dürfe,  mit  beiden 
Parteien  gut  stehen  zu  können  Ranke  s.  w.  9,  83;  modern 
üblich  sich  mit  jem.  gut  stellen  'jemandes  gewogenheit  er- 
werben'. 

E.  adverbbildung  aus  gut  V  bleibt  seltener:  sie  {diefertig- 

keit)  ist  nichts  als  eine  leichtigkeit,  gut  oder  schlecht  zu 

handeln  Ramler  einl.  i.  d.  schön,  wiss.  (1758)  2,  21; 

wirke  gut,  so  wirkst  da  länger, 

als  es  menschen  sonst  vermögen     Göthb  2,  24  W. 

F.  im  anschlusz  an  gut  VI  adverbial  als  maszbegriff  oder 
Steigerungsmittel  verwendet. 

1)  als  maszbegriff  im  sinne  'reichlich'. 

a)  neben  verben:  ich  dachte  wunder,  wie  gut  versehen 

ich  wäre  Göthe  43,  77  W.;  seine  tafel  war  so  gut  besetzt 

Klinger  w.  3,  113;  er  bezahlte  mir  sie  gut  Göthe  43, 

75  W.;  der  rogg  hett  god  geben  {reichlich  körn  gegeben) 

Mensing  2,  427; 

der  ninasz  guat  pulver  und  blei  mittragn 

A.  Hartmann  volksschausp.  18; 

vgl.  gut  gewogen,  z.  b.  der  sack  hat  gut  gewogen  50  pfund, 
entsprechend  gut  gemessen  u.  ä. 

b)  besonders  neben  zahlangaben,  vgl.  gut  VI  A  2  d  d"; 
Glatmund  wird  verstand  und  wiz  hundert  jähre  gut  bewahren, 
weil  er  solche  beide  pflegt  in  der  Jugend  sehr  zu  sparen 

J.  Grob  dicht,  vers.  (1678)  70; 

und  40000  mann  warens  gut,  welche  die  flucht  nahmen 
Chr.  Reuter  Schelmuffsky  32  ndr.;  {wanderer:)  wie  weit 
ists  hin^  {frau:)  zwei  meilen  gut  Göthe  2,  176  W.;  seiner 
kräftigen  statur  wegen  war  das  tier  von  Heilmann  er- 
standen worden,  der  gut  seine  zwei  centner  in  den  sattel 
brachte  W.  v.  Polenz  Orabenhäger  l,  33;  dat  is  gut  hun- 
dert däler  wärt  reichlich  100  taler  Bauer-Collitz  42^;  dat 
gellt  hunnert  god  in  de  föftig  mark  reichlich  150  m/irk 
Mensing  2,  427;  guet  tusig  ad  minimum  mille  Schmidt 
id.  Bern.  33;  'früh' :  des  morgens  gut  um  achte  {la  mattina 
a  buon'ottä)  Göthe  43,  221  W. 


1329 


GDT,  adj.,  VII  F  2 


GUT,  adj.,  VIII  A  1 


1330 


2)  in  intensivierender  funldion. 

a)  neben  verben,  den  begriffsinhalt  allgemein  steigernd: 
die  fabeln  des  la  Fontaine  haben  ihr  glück  sehr  gut  ge- 
macht Ramler  einl.  i.  d.  schön,  wiss.  (1758)  l,  292;  dem 
theater  recht  gut  angemessen  Geestbnbekg  Schlesw.  lit.- 
br.  159  lit.-denhm.;  denn  weisz  auf  schwarz  sticht  gar  gut 
ab  MALER  Müller  w.  l,  127;  die  bäuern  fuhren  gut  Hol- 
stonund  Augusta  (1780)  171;  wer  gut  schmiert,  der  fährt 
auch  gut  Binder  sprichw.  174;  kan  9  guad  raffe,  so  kan 
ar  a  guad  zaln  Schmeller-Fr.  l,  963;  da  hätte  man  sehen 
soUen,  wie  die  beiden  einander  {beim  prügeln)  gute  gaben 
KuHNAU  music.  quacks.  165  lit.-denkm.;  dat  hesst  em 
god  geben  Mensing  2,  427;  dein  junge  ist  scheu,  weil  ihn 
die  andern  ein  paarmal  gut  durchgedroschen  haben 
A.  V.  Droste-Hülshoff  w.  2,  270  Seh. 

b)  neben  adjektiven  als  Steigerungsmittel,  besonders  in  obd. 
muvdarten  geläufig;mhd.  adjektivisch  empfunden,  vgl.  ex{der 
Sattel)  was  guot  {echt)  hagenbüechin  Hartmann  v.  Aue 
Erec  7501;  gut  kindische  sitten  stehen  wol  an  eim 
kind  und  seind  ein  gut  zej'chen  sprichw.  (1548)  63^; 
wie  inen  dann  der  prophet  Jeremias  am  9.  capitel 
solches  gut  rund  sagen  darf  Jag.  Gretter  erkl.  d.  ep. 
s.  Pauls  a.  d.  Römer  (1566)  144;  darum  haben  sie  so  gut 
rond  on  vil  omwicklens  dasz  kind  getaufft  Fischart 
binenkorb  (1581)  187*';  er  ist  recht  gut  edel  von  rechtge- 
schaffnem adel,  aber  also  arm,  daz  er  bluten  möcht 
sprichw.  (1548)  73'';  ich  konte  aber  auf  fleisziges  nach- 
forschen nichts  anders  erfahren,  als  dasz  er  zwar  gut  edel 
von  geburt,  aber  hingegen  so  blutarm  gewesen,  dasz  er 
sich  elend  behelfen  müssen  Grimmelshausen  simpl.  sehr. 
1,  23  Tiitm.;  so  ist  doch  gnädiger  fürst  und  herr  gut 
kundtlich,  offenbar  und  beweiszlich  Mich.  Herr  f eidbau 
(1551)  3=1;  es  ist  gut  kühl  diesen  morgen  J.  Gotthelf 
Uli  d.  knecht  (1846)  370;  do  ist  gut  warm  Martin-Lien- 
hart  1,  249 ;  bear  ist  gut  lustec  steen  wer  kann  fröhlich 
sein  ScHMELLER  cimbr.  127^;  des  is  guod  richti  Schmel- 
ler-Fr. 1,  963 ;  dar  steet  gut  res  of  der  steht  sehr  zeitig  auf 
GusiNDE  poln.  Oberschles.  171^;  geat  nasz  sehr  nasz,  geat 
länzem  sehr  langsam  Haltrich  sitbenbiirg.-sächs.  43*; 
kaufmännisch  bei  farbbezeichnungen,  z.  b.  des  rohkaffees 
gut  grün  'intensiv  grün'  gegenüber  blaszgrün;  auch  als 
milderndes  beiwort  'ziemlich'' :  was  sich  der  gestrenge  herr 
einbildet,  da  meint  er  guet  keck,  ich  werde  ihm  nach- 
laufen A.  V.  Bücher  s.  w.  4,  242;  vgl.  Schmeller-Fb.  1, 
963,  Schöpf  tirol.  220. 

c)  etwas  anders  aus  gut  I  B  3  entwickelt;  wo  das  adjektiv 
die  beschaffenheit  der  gesinnung  bezeichnet,  noch  gehaltvoll 
'treu':  also  sind  zu  unser  zeit  viel  leute  gut  evangelisch, 
aber  sie  halten  das  evangelium  nicht  werd,  das  sie  ir  leib, 
leben  ...  in  fahr  setzen  Luther  28,  369  W.; 

Mars  beweiset  alle  stunden, 
dasz  er  gut  catholisch  sey 

LOGAU  sinnged.  128  E.; 

sagen  sie  .  .  .  meinen  kameraden  .  .  .,  ich  sei  gut  öster- 
reichisch geblieben  Körner  w.  3,  264  H.;  farbloser  im 
sinne  'echt,  unverfälschV ,  vgl.  er  ist  guet  von  hie  {ein  echter 
Straszburger)  Martin-Lienhart  1,  248:  die  lieb  Grand- 
gurgel .  .  .  soff  gut  prelatisch  Fischart  Garg.  73  ndr.; 
ebenso  Jude  und  Türkin,  obgleich  in  gut  altdeutscher 
manier  ä  la  Cranach  veduttenmäszig  hingestellt  Hebbel 
br.  6,  143  W.; 

.  .  .  wer  wollte  nicht  viel  lieber 
an  einen  sichtbarn  feind,  für  den  er  stehen  kann, 
und  auf  gut  ritterlich  es  mit  ihm  nehmen  an, 
als  einen  matten  tod  im  faulen  bette  leiden 

P.  Fleming  dtsche  ged.  1,  49  L.; 

wo  ich  dich  .  .  .  recht  auf  gut  berlinisch  im  schwelgen 
finde  Göthe  IV  39,  103  W.,  vgl.  6,  297;  z.  b.  er  redete  ihn 
(auf)  gut  bairisch  an. 

d)  feste  Zwillingsformel  mit  steigernder  funktion  im  sinne 
'vollständig,  ganz  gewisz"  ist  gut  und  gern,  die  aus  älterem 
gut  und  gar  entstellt  scheint:  wyle  doch  gut  und  gar  nach 
im  leben  notdurftig  ist,  daz  wir  unser  gemüt  mit  sorgen, 
arbait  und  müdi  belestiget  etwenne  hier  von  berüffent 
NiCLAS  V.  Wyle  translat.  14  K.; 

IV.  1.  6. 


an  frässmern  (den  brei)  gutt  en  goar 

an  llss  mich  ne  a  bissa        D.  Stopps  ged.  (1729)  5; 

o  freund,  dasz  in  des  Lorchens  gärtnerel 
die  liebe  gut  und  gern  die  erste  pflanze  sei, 
das  weiszt  du  . . . 

KL.  Schmidt  poH.  br.  (1782)  102; 

deutsche  hexameter,  freund,  lassen  sich  gut  und  gern 
verfertigen  Bürger  w.  176»  B.;  schon  um  6  uhr  glaubte 
sie  aufstehen  zu  müssen,  gut  und  gern  hätte  sie  sich 
noch  eine  stunde  gönnen  dürfen  Gutzkow  zaub.  v.  Rom 
3,  34;  die  wolln  behaupten,  de  weber  kennten  gut  und 
gerne  auskommen,  se  wem  blosz  zu  faul  G.  Hauptmann 
weber  (1892)  40;  mundartlich  meist  als  quantitative  Steige- 
rung gebraucht  'reichlich':  das  sinn  jüt  unn  jären  zwä 
soheffel  Jecht  Mansf.  45;  eine  stunde  weit  ist  es  gut  und 
gerne  {derbe  stunde)  Albeecht  Leipz.  127  **;  vgl.  Bren- 
DiCKE  Berl.  w.  131,  Reuting  Höchst.  20:  das  reh  hier,  das 
hat  seine  dreiszig  fund.  aber  gutt  un  gerne,  kann  ich 
ihn  sagen  G.Hauptmann  bibcrpelz  (1893)  18;  auch  umge- 
stellt: dat  sen  gern  on  gud  50  steck  Müller  rhein.  2,  1513. 

VIII.  Substantivierungen  des  adj.  gut  mit  adjektivi- 
scher flezion  begegnen  seit  ahd.  zeit. 

A.  als  m.  und  f.  substantiviert  für  personen  oder  sachen, 
deren  hervorstechende  eigenschaft  durch  gut  gekennzeichnet 
wird,  vgl.  auch  ags.  wses  endedaeg  gödum  {den  tapferen) 
gegongen  Beovndf  3036  Holth. 

1)  alt  und  bis  in  gegenwärtige  spräche  die  geläufigste 
personale  Substantivierung  aus  gut  V  A  abgeleitet. 

a)  der  sittlich  vollkommene  mensch,  der  den  religiös- 
sittlichen forderungen  gottes  entspricht;  oft  in  gegensatz 
zum  bösen  {vgl.  gut  V  A  1  a  und  b),  s.  alte  belege  auf 
sp.  1299: 

die  vriunde  an  dem  rate 
daz  sint  die  tougen  guote, 
wan  sie  uns  helfent  bringen 
ruo  den  christenllchen  dingen 

d.  hochzeü  376  Waag; 

die  guoten  enphahent  vröuden  leben, 
die  übelen  varent  der  helle  grünt 

V.  d.  jungeHen  tage  370  WiUoughby; 

wan  dem  guten  gypt  und  tut 
daz  man  nennet  geistlich  gut 
und  riche  geistliche  gäbe 

md.  Hiob  10580  Karsten; 

syd  das  vil  widergangen  würt  iren  bösen  meinungen  und 
anschlegen,  scheltend  sy  das  evangelium,  das  aber  die 
guten  nit  erlyden  mögend,  simder  wider  sy  strytend 
ZwiNGLi  V.  freiheit  d.  sp.  21  ndr.;  der  gute  wird  erben 
auf  kinds  kind,  aber  des  sünders  gut  wird  dem  gerechten 
furgespart  spr.  Sal.  13,  22. 

b )  allgemeiner  wie  gut  V  A  1  c  'der  rechtschaffene,  ehr- 
liche, moralisch  hochstehende  mensch':  nu  suochent,  chad 
si,  die  guoten  summum  bonum,  daz  peiden  gelicho  er- 
boten ist,  knoten  ioch  ubelen  mit  temo  ambahte  dero 
tugedo  NoTKER  Boeihius  bei  Hattemer  3,  168*'; 

. . .  ir  dekelnlr  das  niht  lat 
guter  noh  unguter, 
si  slahin  vater  und  müter 
so  si  beginnent  alten 

Rudolf  v.  Ems  weUchron.  1650  Ehr. 

(er)  bat  die  tumben  und  die  wlsen, 
guot  und  unguot,  sich  bewisen, 
wie  er  möhte  baz  geleben 
Laufreght  V.  Rkgensbükg  8.  Francisken  leb.  3260  Weinh.; 

...  es  ist  ye  der  valschen  lob 
so  den  guten  gat  fräd  ab 

liederb.  d.  Hätzlerin  245  H.; 

wä  der  guote  hat  gemeinschaft 
mit  den  guoten 

Ulrich  v.  Esohenbach  Alex.  22451/52  T.; 

denn  die  gutten  würden  dadurch  nur  träger,  die  bösen 
aber  ...  schlimmer  Lohenstein  Arminius  (1689)  1,  74*; 

habt  Ihr  thränen,  die  ganz  des  guten  innerstes  rühren 
...  so  weint  1  Klopstock  öden  2,  102  M.-P.; 

sowohl  sie  als  ihre  landsleute  wuszten  sich,  bey  dem 
hiesigen  aufenthalte,  die  achtung  aller  guten  zu  gewinnen 
Göthe  IV  33,  73  W.; 

84 


1331 


GUT,  arfj.,  VHI  A  2-3.  B  t 


GUT,  adj.,  VIII  B  2 


1332 


aulmerkend  hört  ich  da  manch  kluges  wort, 
was  der  verständge  denkt,  der  gute  wünscht 

SCHIHEU  14,  284  ö.; 

entsprechend  gut  V  A  1  d  in  höfischer  Verengung  des  be- 


daz  gevüeget  wol  diu  guote 

minnesinger  1,  72'*  v.  d.  Hagen; 

blasser  'keiner,  der  als  wacker  bezeichnet  werden  kann' : 

sin  kelserllchez  houbet  zlmt  ir  (der  kröne)  also  wol, 
daz  si  ze  rehte  nieman  gueter  scheiden  sei 

Walther  18,  33; 
er  sprach:  ichn  habe  genäden  niht: 
swem  Talus  dienstes  not  geschiht 
und  swer  guotcr  des  gert, 
dern  wlrt  es  nlemer  entwert 

Haetmann  V.  Aue  Iwein  6003; 

mit  pejorativer  färbung  entsprechend  gut  V  C  4 :  wie  viel 
darf  man  nicht  laut  sagen,  um  nicht  von  den  dummen 
guten  gesteinigt  zu  werden  Niebühb  leben  2,  494;  selten 
mit  einschlug  von  gut  I  B  4  für  den  tüchtigen,  strebsamen 
menschen:  der  gute  macht  den  guten,  der  schlemmer 
macht  den  schlemmer  Henisch  1785;  vereinzelt  nach  gut 
II  B  3  hin:  die  guten  aller  zeiten  bestrebten  sich,  das 
schöne  als  eine  darstellung  des  wahren  und  guten  an- 
sohaubar  zu  machen  Heeder  22,  9  S. 

2)  weniger  häufig  atw  gut  IVA  substantiviert. 

a)  zu  gut  IV  A  1  b  für  den  freundlichen,  gütigen,  hilf- 
reichen menschen: 

.  .  .  vor  allem  aber 
hätts  ihn  (das  volk  den  Nathan)  den  guten  nennen  müssen 

Lessinq  3,  36  L.-M.; 

lasse  beim  grabe  des  guten  verlassene  redliche  weinen 

GÖTHK  2, 136  W.; 

wie  nenn  ich  dich?    verruchter,  milder,  guter? 

Geiilpaezer  s.  w.  5, 196  5.; 

etwas  anders,  nach  gut  IV  A  2  hin:  hei  is  ken  güder  nit 
{'man  kann  ihm  nicht  trauen')  Bauer-Collitz  Wald.  42*>. 

b)  entsprechend  gut  IVAlca  für  gott:  ihr  seyd  zu 
unruhig  zum  gebeth,  und  könnt  an  den  guten  und  barm- 
herzigen nicht  ohne  furcht  und  unruhe  denken  J.  M.  Mil- 
ler pred.  f.  landvolk  (1776)  1,  15; 

o  ich  glaube  1  guter  I  vater  deiner  kinder; 
glaubend,  glaubend  tret  ich  deinem  throne  nah 

HÖLDEELIN  ges.  dicht.  1,  38  Lüzm.; 

anders,  mehr  nach  gut  V  A  2  hin,  'der  heilige"  von  Christus: 

ak  geng  imo  thö  the  gödo      endi  is  jungaron  mid  imu 
fridu-barn  godes  Ueliand  2381  Heyne. 

c)  entsprechend  gut  IVAsbj^  tmd  c  als  affekthaUige 
bezeichnung  für  eine  vertraute,  geliebte  oder  geschätzte 
person: 

müde  von  dem  gartenfleisz:  vom  pelzen 
junger  apfelstämm  und  kirschenruthen 
ruh  ich  aus  zur  seite  meiner  guten 

Schmidt  v.  Wbeneuohen  alman.  für  1802,  85; 

wenn  die  gute  nun  kommt  vor  den  hohen  stengel  getreten 
MÖRIKB  ges.  sehr.  (1905)  1,  121  Göschen; 
erst  ergötzte  der  gute  sich  daran  Göthb  25,  237  W.;  ich 
warte  keine  neuen  briefe  von  dir  ab,  meine  gute,  um  dir 
zu  schreiben  G.  Forster  s.  sehr.  9,  6;  und  nun,  mein 
guter,  seid  uns  willkommen!  A.  Schnitzler  d.  grüne 
kakadu  (1899)  19. 

3)  von  Sachen  unter  ellipse  der  Sachbezeichnung,  so  z.  b. 
vom  wein  zu  gut  II  A :  en  schoppen  (vom )  gueten  {d.  h. 
win)  Staub-Tobler  2,  541,  ivo  weitere  belege  dieser  art. 

B.  Substantivierung  des  adj.  neutr.  mit  artikel  und 
schwacher  flexion  das  gute  ist  ahd.  und  mhd.  selten,  weil 
das  substantivisch  flektierte  neutr.  ohne  artikel  {s.u.  gut,  n., 
A)  den  gebrauch  beherrscht,  im  nhd.  aber  besonders  in 
jüngerer  spräche  ausgebreitet. 

1 )  die  häufigste  Verwendung  stellt  sich  zu  gut  V  im  sinne 
'das  sittlich  vollkommene': 

a)  religiös-ethisch  für  das  tun  und  handeln,  das  den  ge- 
boten gottes  und  dem  sittengesetz  entspricht,  in  betontem 
gegensatz  zum  bösen  als  dem  sündhaften  tun,  oder  abstrakter 
für  das  prinzip  des  religiös-sittlichen: 


want  er  thaz  ubila  flrmeid        joh  iz  garo  thana  sneid; 
thaz  guata  steit  gihaltan        joh  mag  sib  baz  giwaltan 

Otfrid  V  25,  50; 
von  dem  holze  des  lebenes      des  guten  und  des  ubeles 
von  dem  holze  der  gewizzene      vindet  hie  geschriebene 

genes,  u.  exod.  9,  23  Diemer; 
also  kleine  schat  ez  iht, 
dö  der  man  daz  guote  sagt 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  22461  T.; 

hasset  das  böse  und  liebet  das  gute  Arnos  5,  15; 

hlerausz  ein  mensch  soll  undterscheyden, 

das  gut  zu  thun,  das  bösz  zu  meyden      H.  Sachs  2, 20  E.; 

die  tödtliche  weiszheit  zu  scheiden  in  das  gut  und  böse 
Paracelsus  opera  (1616)  2,  336  Huser;  dadurch  man 
.  .  .  das  angebohrne  böse  und  guthe  des  hertzens  sehen 
kan  Ph.  Zesen  rosenmänd  (1651)  39;  da  tritt  sodann  das 
gute  und  böse  gleich  ans  licht  Herder  17,  12  S. 

b)  allgemeiner  das  sittlich  vollkommene  überhaupt,  so 
vom  tun  selbst:  wann  wunnickUch  und  ere  und  frid  eim 
yghchen  der  do  wirckt  das  gut  erste  dtsche  bibel  2,  16  Kurr.; 

die  gedanken  nur  sind  wahr, 
und  die  liebe,  die  du  fühlest, 
und  das  gute,  das  du  thust 

Geillpaezee  8.  w.  7, 132  S.; 

vergleichbar:  aber  alles  wurde  ihm  zum  guten  ausgelegt 
U.  Bräker  s.  sehr.  (1789)  2,  263;  abstrakter  'das  sittlich 
vollkommene'  als  erscheinungsform:  das  gut  leidt  wol  ie 
not,  aber  nimmer  den  tod  sprichw.  (1548)  177^;  so  be- 
finden wir,  dasz  die  gerechtigkeit  alles  gute  nicht  allein 
erwerben,  sondern  auch  zu  gewisser  erhaltung  bestätigen 
müste  Chr.  Weise  pol.  redner  (1677)  47;  das  schlechter- 
dings und  in  aller  absieht  gute,  nämlich  das  moralische 
Kant  w.  (1838)  7,  50  Hartenst. 

c)  oft  in  gegenüberstellung  mit  anderen  prinzipien, 
namentlich  dem  wahren  oder  schönen :  das  wahre  sey  das, 
so  mit  dem  verstände,  und  das  gute  das,  so  mit  dem 
wiUen  gottes  .  .  .  übereintrifft  Leibniz  dtsche  sehr.  2,  35; 
diese  form  des  wahren  und  guten  ...  ist  Schönheit 
Herder  17,  377  8.;  die  Wissenschaften  haben  das  wahre 
zum  gegenständ,  die  künste  das  gute  und  das  schöne 
Ramler  einl.  i.  d.  schön,  wissensch.  (1758)  1,  53;  das 
schöne  gefällt  ohne  alles  Interesse,  .  .  .  das  gute  .  .  . 
durch  einen  begriff  Schiller  lO,  53  0.;  das  gute  und 
schöne,  die  kraft  etc.  an  demselben  erkennend  0.  Lud- 
wig ges.  sehr.  5,  106. 

d)  anders  zu  gut  IV  B  5  b  formelhaft  unter  dem  schein 
des  guten  {vgl.  guter  schein  sp.  1310)  im  sinne  'unter  dem 
deckmantel  der  rechtschaffenheit,  des  redlichen  Vorhabens' : 
so  ist  auch  demselben  tausendlistigen  meyster  {dem 
teufel)  leycht  und  putz  müghch  zuthun  gewesen  unter 
dem  schein  des  guten  den  abtrünnigen  menschen  von 
got ...  in  unzcelich  unuberwintliche  stricke  .  .  .  zcufuren 
Jac.  Stratjsz  beychtpüchlin  (1523)  a  2''. 

2)  im  ganzen  jung  ist  das  gute  als  ableitung  von  gut 
III  A  4,  wofür  sonst  gutes  {s.  u.  C )  und  in  älterer  spräche 
gut  {s.  u.  gut  71.  A)  eintritt,  als  'das,  was  dem  manschen 
an  vmnschbarem,  erfreulichem,  angenehmem  zuteil  wird'. 

a)  allgemein  vom  erfreulichen  zustand,  oft  in  gegensatz 
zum  übel:  ein  gesätz,  das  natürlich  {von  natur)  dem  übel 
feind  ist  und  dem  guten  hold  sprichw.  (1548)  90**;  es 
könnte  dieses  kurze  gute  so  grosz  seyn  und  das  lang- 
wierige übel  so  klein,  dasz  dennoch  das  gute  überwöge 
Leibniz  dtsche  sehr.  2,  41;  das  gute  hat  seinen  Ursprung 
vielmals  einem  übel  zu  danken  Rabener  s.  w.  1,  151; 

ich  habe  manchen  tag  getrauert, 
dasz  alles  so  vergänglich  ist, 
und  dasz  das  gute  selbst  nicht  dauert, 
und  dasz  man  sein  so  bald  vergiszt 

HOFFMANN  V.  Falleesleben  ged.'  31; 

nach  gut  IC  hin  'glück':  wäre  nicht  zu  besorgen,  dasz 
er  ...  im  widrigen  den  reichsstab  würde  lassen  aus  der 
hand  fallen,  im  guten  aber  sich  versteigen  Lohensteik 
Arminius  (1689)  1,  183;  ähnlich  etw.  zum  guten  wenden 
'zu  einem  erfreulicheren,  günstigeren  zustand  bringen': 

wer  nun  vest  hofft 
dem  gehets  offt 
glükwunderlich  von  bänden, 
gott  kans  zum  guten  wenden 

Reinicke  fuchs  (1650)  89; 


1333 


GUT,  aclj.,  VIII  B  3 


GUT,  adj.,  VIII  B  i 


1334 


(er)  überliesz  sich  gern  der  hoffnung,  noch  allea  zum 
guten  wenden  zu  können  Eichendorf  «.  w.  3,  324;  er 
kenne  am  genauesten  meine  ganze  läge  und  werde  noch 
alles  zum  guten  lenken  U.  Beäkee  s.  sehr.  (1789)  1,  207; 
das  in  der  kirche  drüben  geschlossene  vornehme  ehe- 
bündnis  war  nicht  zum  guten  ausgeschlagen  Stobm  ges. 
sehr.  (1884)  2,  93. 

b)  enger  gefaszt  von  einzelnen  tatsachen  oder  handlungen, 
die  den  erfreulichen  zustand  herbeiführen: 

du  bewisest  mich  des  guoten 
bl  der  krummen  ruoten 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  1917  T.; 

alle  . . .  lobten  gott,  den  geber  alles  guten  maler  Müller 
w.  1,  60;  jenes  manigfaltige  gute,  das  kunst  und  Wissen- 
schaft ew.  durchlaucht  verdanken  Göthe  46,  6  W.;  ist 
einer  indiscret,  so  musz  ich  es  hingehen  lassen  und  auf 
das  gute,  was  ich  stiften  wollte  und  sicher  stiften  werde, 
trotzen  G.  Forster  s.  sehr.  8,  36;  so  häufig  als  wünsch: 
heil,  gesundheit  und  alles  gute  zuvor,  wo  sie  dieser  brief 
auch  antrifft  Göthe  IV  8,  235  W.;  mehr  verdinglicht:  es 
geht  mir  so  gut,  dasz  mich  es  nxir  offt  betrübt  das  gute 
nicht  theilen  zu  können  8,  25  W.;  zu  gut  III  A  1:  es  soll 
nicht  heiszen,  wie  von  den  wirthen  zu  Seldwyl,  die  alles 
gute  selber  fressen  und  den  fremden  die  knochen  vor- 
setzen G.Keller  ges.  w.  5,15;  zu  gut  III  A4:  das 
Krügern  zugedachte  gute  hat  sich  zufällig  gesteigert,  er 
möge  nun  dessen  genieszen  Göthe  IV  42,  162  W.;  dem 
herrn  pfarrer  lasse  ich  mich  recht  schön  für  die  geige  und 
für  alles  gute  miteinander  bedanken  S.  Brunner  erzähl, 
u.  sehr.  1,  55;  ich  verspreche  mir  alles  gute  von  meinen 
zukünftigen  Zöglingen  Spielhagen  s.  w.  1,  3;  das  gute, 
das  eine  gute  'rfer  erfreuliche  umMand\  z.  b.  das  eine 
gut«  hatte  seine  Vereinsamung,  dasz  der  dichter  nun 
die  unterbrochene  arbeit  an  dem  Schauspiel  wieder 
aufnahm ;  noch  mehr  nach  gut  III  A  7  hin  als  'vorteiV : 
freilich  das  gute  hat  die  enge  französische  Ordnung  in 
der  Wortfügung,  dasz  sie  den  ungestüm  und  den  un- 
mittelbaren ausbruch  kühner  Sprünge  des  gedankens  und 
der  rede  hemmt  und  zügelt  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an 
s.  l.  Deutschen  1,  398. 

c)  die  redensart  des  guten  zu  viel  tun  geht  zunächst  in 
negativer  formulierung  von  1  b  av^:  ich  wil  zuwarten, 
meine  vermessenheit  gerne  gestrafft  und  verdampt  haben, 
aber  noch  ist  das  auch  war,  man  kan  des  guten  nicht  zu 
viel  thun  Luther  30,  2,  270  W.;  man  kan  des  guten  nit 
zu  vil  thün  nulla  facietas  rerum  honestarum  spriehw.  (1548) 
38*;  auch  dativisch  gewendet:  dem  guten  kan  man  nicht 
zu  viel  thun  Spanutius  spriehw.-lex.  (1720)  595;  dann 
meist  auf  2  b  angewendet  'zu  viel  des  erfreulichen,  ange- 
nehmen'; im  spiel  mit  gut  I  A  1  b : 

...  zu  der  gesundtheit  köstlich  ist, 
sich  brechen  alle  monats  frist, 
ein  mal  aufs  wenigst:  merck  mich  nun, 
des  guten  nicht  zu  viel  kanst  thun 

Scheit   Grob.  1015  ndr.; 

das  er  wol  zusehe,  er  dem  guten  nicht  zu  vil  thue 
Seutter  roszarznei  (1599)  7;  besonders  vom  allzu  reich- 
lichen genusz  von  speisen  und  namentlich  alkoholischer 
getränke,  vgl.  ich  habe  des  guten  zu  viel  gethan  liberaliua 
m£  invitavi  Serz  idiot.  (1797)  59*:  man  hatte  den  wein 
nicht  gespart  .  .  .  und  wenn  der  alte  amtmann  des  guten 
ein  wenig  zu  viel  getan  hatte  Göthe  28,  21  W.;  sah  ich 
ihn  aber  bei  mir  oder  sonstwo,  so  hatte  er  gewöhnlich 
schon  des  guten  zu  viel  gethan  Hoffmann  v.  Fallees- 
LEBEN  ges.  sehr.  7,  131;  auch  variiert:  als  die  gesellschaft 
in  die  freie  luft  kam,  merkte  fast  jedes,  dasz  man  für 
diesen  abend  des  guten  zu  viel  genossen  hatte  Göthe 
22,  209  W.;  en  huet  des  gudden  zevill  'das  ist  mehr  als 
man  ertragen  kann'  lux.  ma.  158;  he  hett  dat  gode  to  vel 
hatt  'er  ist  betrunken'  Mensing  2,  427. 

3 )  zu  gut  II  gebildet  von  dingen  und  zuständen,  die  einen 
loertgehalt  besitzen. 

a)  für  konkrete  dinge  'wertvolles'  gegenüber  dem  wert- 
losen {vgl.  gut  II  A  2):  und  der  mage  der  kochet  die  spise 


und  teilet  das  grobe,  das  böse  von  dem  guten  Tauleb 
pred.  294,  7  F.; 

kein  artzt  purgieret  so  gar  mit  heyl, 
er  nimpt  desz  guten  auch  ein  theil 

Pbtri  d.  Teutgchen  weiszh.  (1604)  2,  LI  3»; 

man  bewere  alles  imd  behalte  das  gütt  C.  Hedio  thron. 
Germ.  (1530)  6»; 

alsdann  wird  das  gut'  erkannt, 
wenn  es  ist  aus  der  hand 

Spanutius  spriehw.-lex.  (1720)  595; 

das  alte  Sprichwort,  dasz  das  beste  der  feind  des  guten 
ist  A.  Stifter  s.  w.  14,  142  S.;  traurig,  dasz  jedes  gute 
in  der  weit  eine  unvollkommenheit  im  gefolge  hat 
K.  Gutzkow  ges.  w.  7,  443;  rein  qualifizierend: 

sondern  eins  guten  dich  bedenck 

Spreng  Äneit  (1610)  70». 

b)  entsprechend  gut  II  A  4  für  geistige  und  sittliche 
werte: 

ir  ist  s6  vil,  die  des  nu  pflegent, 
daz  si  daz  guote  z'übele  wegent 

GOTFRiD  V.  Straszburo   Tristan  30; 

dasz  sein  herz  .  .  .  dem  zuge  zu  allem  groszen  und  guten 
nicht  verschlossen  gewesen,  zeigen  hundert  stellen  seiner 
Schriften  Herder  17,  32  S.;  jeder  nachdenkende  mann 
{habe)  für  das  gute  und  grosze  laut  zu  reden  Thibaut 
notw.  e.  allg.  bürgert,  rechts  (1814)  405;  gern  vom  eharak- 
terlichen  wert:  dieweU  stündlich  zu  geschehen  pfleget, 
dasz  die  kinder  denen  eltem  immer  eher  in  der  unvoll- 
kommenheit als  im  guten  nachschlagen  Riemer  polit. 
maulaffe  (1679)  vndmung;  sie  {hätten)  alle  anlagen  zu 
einem  glücklichen  volke  .  . .,  wenn  ein  gesetzgeber  das 
viele  gute  anzuwenden  wüszte  A.  v.  Haller  Usong  (1771) 
23;  auch  die  stimme  ist  oft  der  freywillige  ausdruck 
unsers  characters,  und  sie  wird  also  auch  das  gute  und 
fehlerhafte  desselben  an  sich  nehmen  Lavater  physiogn. 
fragm.  (1775)  1,  31. 

4)  ZM  gut  IV  B  in  festen  präpositionalen  Verbindungen^ 
die  aber  auch  artikellos  mit  starker  flexion  auftreten  {s.  u. 
C)  und  den  älteren  gebrauch  des  substantivisch  flektierten 
subst.  neutr.  {s.  u.  IX  B)  teilweise  ablösen. 

a)  im  guten  'in  gewogenheit,  freundschaft,  freundlich- 
keit' ;  die  doppelte  möglichkeit  im  guten  oder  in  gutem 
führt  auch  zu  der  mischform  in  guten:  der  künig  batt  yn, 
das  er  das  thäte  und  kain  gelt  dar  an  sparete,  er  wölt 
daz  gegen  ym  und  den  seinen  in  allem  guten  erkennen 
Fortunatus  137  ndr.;  eur  lieb  hat  .  .  .  vernomen,  dasz 
ain  ersamer  rat  .  .  .  den  im  truck  ausgangnen  ratschlag, 
die  religion  belangende,  in  allem  guten  angenommen 
städtechron.  32,  41 ;  wohl  aufnehmen,  in  allem  guten  ver- 
mercken  in  meliorem  partem  accipere  Faber  thes.  (1654) 
21*';  ich  nehme  solches  in  allem  guten  auf  schausp.  engl, 
comöd.  279,  28  Greiz.;  in  allem  gooden  'freundlieh' 
Dähnert  158*;  auch  im  guten?  (ein  frag,  ob  man  auch 
guts  von  ihm  gesagt  hab)  Henisch  1787;  nun  gedenke 
meiner  im  guten  Göthe  IV  32,  243  W.;  aber  so  lasz  sich 
der  herr  nur  im  guten  sagen  Nestroy  ges.  w.  2,  175; 
besonders  gegenüber  gewaltättigen  methoden,  vgl.  in  der 
gute,  in  gute  unter  ^güte  Z  A.  ß  yy): 

wil  er  in  guten  folgen  nicht, 
ist  ihm  was  ergers  zugericht 

Hayneccius  Hans  Pfriem  1516  ndr.; 

hye  frag  ich  dich  in  gueten,  obs  mit  der  sprach  .  .  .  auszer- 
rucken  wilst  J.  J.  Schwabe  tintenfäszl  (1745)  67;  dreck! 
werds  gehn  {geben),  aber  nich  im  guden.  wo  wer  a  so  was 
im  guden  gangen?  G.  Hauptmann  weber  (1892)  61;  im 
guten  'auf  freundliche,  friedliche  art'  Müller-Fraureuth 

1,  452;  da  s  beter  in  goden  as  mit  störtigkeit  Mensing 

2,  427. 

b)  mit  guten  in  gleichem  sinne  bleibt  seltener:  sundern 
hefft  de  gemelte  legation.  mit  allem  guden  voraffschedet 
Script,  rer.  Livoniae  2,  64;  soll  ich  nicht  mitreisen,  so 
sagt  mir  es  nur  mit  guten,  ich  will  von  hertzen  gern  zu 
hause  bleiben  Chr.  Weise  erznarren  11  ndr.;  mit  goden 
'im  guten'  Mensing  2,  427;  mit  goden  'gutwillig'  Dähnert 
158*. 

84» 


1335 


GUT,  adj.,  VIII  C  1 


GUT,  adj.,  VIII  C  i 


1336 


c)  in  verwandten  Wendungen:  Xenophon  hält  mehr 
davon,  dasz  man  ihnen  {den  pf erden)  die  lippen  mit  den 
fingern  niederdrucke,  das  thut  ihnen  nicht  wehe  und 
behält  sie  beym  guten  (in  williger  Verfassung)  J.Waltheb 
pferde-  u.  viehziicht  (1658)  21;  artikellos:  welche  beyde 
stücke  von  alters  her  für  sehr  nöthig  geachtet  worden, 
das  neugierige  volck  bey  guten  zu  erhalten  J.  J.  Mäscou 
gesch.  d.  Teutschen  2  (1737)  65;  vgl.  67  u.  206;  Stine  ver- 
suchte zum  guten  {zur  Versöhnung)  zu  reden  Fontane 
ges.  w.  I  5,  38. 

C.  Substantivierung  des  adj.  neutr.  mit  starker  fiexion 
ohne  artikel  gutes  oder  mit  unbestimmtem  artikel  ein  gutes 
tritt  seit  ahd.  zeit  auf,  bleibt  aber  bis  in  das  ältere  nhd. 
selten,  wo  es  das  substantivisch  flektierte  neutr,  {s.  gut,  n.,  A) 
ablöst;  ahd.  nach  lat.  bona  auch  im  plur.  guotiu. 

1 )  die  ausgebreitetste  Verwendung  erwächst  aus  gut  III A, 
indem  gutes  all  das  bezeichnet,wa8  dem  menschen  angenehm, 
wohltätig,  erfreulich,  ivünschbar,  vorteilhaft  und  vielfach 
mit  einschlusz  von  gut  I  A  1  förderlich,  ersprieszlich  er- 
scheint. 

a)  die  handlangen,  mit  denen  jemand  etwas  angenehmes 
erwiesen  wird,  wohltaten,  freundlichkeiten  usw.,  vgl.  anord. 
ok  vill  J)ü  af  hdnom  gott  geta  Hdvamdl  44,  3  Neckel. 

a)  in  fester  Verbindung  gutes  tun;  meist  mit  personalem 
objektsdativ  'jem.  eine  wohltat  erweisen" :  cuatiu,  dei 
du  mir  tati  Graff  4,  158;  habent  lieb  üwer  finde, 
thuont  denen  güts  die  üch  hassent  Geiler  v.  Keisers- 
BBRG  bilgersch.  (1512)  b  e^^;  wegere  dich  nicht,  dem 
dürftigen  guts  zu  thun  spr.  Sal.  3,  27; 

wir  dtirffen  keins  gelelds  noch  schütz 
gott  bhüt  uns  und  thut  uns  als  guts 
durch  sein  günstige  lieb  und  gnad 

H.  Sachs  w.  1,  31  K.; 

dat  86  keinem  minschen,  so  lange  alse  die  roverie  ge- 
waret,  mehr  gudes  dohn  wolden  Script,  rer.  Livoniae 
2,  143; 

nun  seh  und  lern  ein  jederman, 

wie  sehr  viel  gutes  uns  gethan 

der  bräutgam  unsrer  Seelen 

Paul  Gerhardt  in:  Fischer-Tümpel  3,306; 

beym  freunde  war  ich  jetzt,  zur  freundln  kumm  ich  nun; 
hier  that  der  tag  mir  guts,  dort  wird  die  nacht  es  thun 

LOGATT  sinnged.  65  E.; 

thut  er  euch  denn  nichts  gutes?  Göthe  45,  10  W.;  in 
besonderer  Verengung  auf  den  sinnlichen  genu^z  bezogen: 
seinem  maul  guts  thun  far  del  bene  alla  sua  bocca  Kramer 
t.-ital.  (1702)  2,  32'';  meist  reflexiv  gewendet  wie  'sich  güt- 
lich tun': 

es  ist  die  mäszigkelt  die  mutter  aller  tugend, 

die  uns,  je  minder  wir  uns  guts  thun,  gutes  thut 

Chr.  Warnecke  poet.  vers.  (1704)  23; 

nun  will  ich  schlafen!  will  mir  gutes  thun  mit  schlafen 
Klinger  to.  l,  83;  auch  zeigte  er  ihm  einen  keller,  darin 
lag  commiszbrot,  hier,  branntwein,  tabak  und  pfeifen, 
der  gute  bärenhäuter  war  froh  und  thät  sich  ein  gutes 
in  solcher  buchkammer  Brentano  ges.  sehr.  5,  463;  in 
mischung  mit  sich  etwas  zu  gute  tun  {vgl.  VIII  B 1  c  ;S  ßß), 
sich  etwas  zum  guten  thun  darsi  un  pö  di  buon  tempo 
Kramer  t.-ital.  l,  580*;  auch  präpositional  verkoppelt  mit 
an:  lasset  uns  gutes  thun  an  jederman,  allermeist  aber 
an  des  glaubens  genossen  Oal.  6,  10;  es  kann  dir  meinet- 
halben nirgend  übel  gehn,  dasz  du  guts  an  mir  gethan 
MALER  Müller  w.  1,  118;  absolut  verwendet: 

ob  in  wol  afterrew  tut  pinden, 
das  er  nun  geren  ain  gütz  tätt, 
so  Ist  es  worden  mir  ze  spät 

liederb.  d.  Hätzlerin  247  B.; 

wen  du  gutes  thust,  so  denk  nicht  dran  Eyering  prov. 
(1601 )  3,  449 ;  die  macht  gutes  zu  thun  ohne  einschränkung 
Th.  Abbt  verm.  w.  (1768)  2,18;  spezialisiert:  se  schall 
wat  godes  doon  'sie  ist  schwanger'  brem.-nieders.  2,  526; 
zu  gut  I  A  1  selten,  im  sinne  'nützliches  hervorbringen': 
sintemal  keyn  erdrich  .  .  .  mag  ungebauen  guts  thun 
Sebiz  feldbau  (1579)  455. 

ß)  mit  anderen  verben  verbunden  oft  weniger  konkret 
die  einzelne  wohltat  als  allgemeiner  das  erfreuliche  oder 


ersprieszliche  geschehen  überhaupt:  wuo  mihhiles  mer 
iwer  fater,  thie  in  himile  ist,  gibit  guotu  inan  bitentSn 
Tatian    40,  7; 

sie  sprach  'nieman  enmac 

guotez  verdienen  {sich  ein  verdienst  erwerben)  umb  den  man, 

der  ganze  triuwe  nie  gewan' 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  483; 

er  {Christus)  schut  guts  ausz  und  nimbt  übel  drumb 
heim  Luther  17,  l,  264  W.;  du  wirst  auch  keinen  freunde 
finden,  der  dir  also  vill  güttes  beweyset  als  ich  Warbeck 
Magelone  58  B.;  sehwet  einer  güts,  so  schneidt  er  nichts 
bösz  sprichw.  (1548)  146^;  gutes  mit  gutem  vergelten  ist 
ein  wolstand  Henisch  1795;  bey  welchen  {arbeiten)  ein 
ehrlicher,  geschickter  .  .  .  mann  so  viel  gutes  stiften  kann 
Rabener  s.  w.  6,  189;  er  •  •  .  zeigte  ihm,  wie  viel  guts 
der  einzelne  mensch  wirken  könnte  Kling  er  w.  4,  53; 
hierzu:  was  gutes  auf  erden  unterbleibt,  .  .  .  das  siehe 
du  als  einen  ruf  von  gott  selbst  an  K.  L.  v.  Haller 
rest.  d.  staatswiss.  (1816)  1,  29. 

y)  gern  in  formelhaften  gruszfragen  verwendet:  was 
habt  ihr  gutes  darin  zu  schaffen?  Amadis  113  K.;  ähnlich: 
ließ  er  zu  sehen,  was  sie  guts  machten  Fischart  Garg. 
321  ndr.;  wie  gehet  es  sonsten  auf  der  Universität?  sind 
auch  viel  bursche  daselbst?  was  machen  sie  guts?  Schoch 
stud.-leb.  36  Fabr.;  was  schafft  ihr  gutes?  hub  Ekkehard 
das  gespräch  an  Scheffel  ges.  w.  1,  208;  nu,  wat  hefft 
ji  goods  um  de  band?  Mensing  2,  424;  was  mache  sie 
guts?  'wie  befinden  sie  sich"  Schmidt  Straszb.  47*. 

b)  besonders  von  der  empfangenden  person  aus  gesehen 
die  erscheinungen,  zustände,  Verhältnisse,  ereignisse,  dinge, 
die  den  Charakter  des  erfreulichen,  angenehmen  haben. 

a)  allgemein:  wer  ein  ehefraw  findet,  der  findet  was 
guts  spr.  Sal.  18,  22;  ein  grosze  schar  .  .  .  die  mir  eeren 
und  güts  günnen  Hütten  opera  l,  412  Bock.;  in  den 
landen  ...  da  pin  ich  gewesen  manichs  jar  und  han  guts 
und  args  versucht,  davon  vil  ze  sagen  were  Schilt- 
BERGER  reiseb.  79  lit.  ver.;  was  hätten  die  Deutschen  sich 
nunmehr  denn  für  gutes  zu  versehen?  Lohenstein  Ar- 
minitis  (1689)  1,  24'>; 

wiederfehrt  ihm  (dem  don  Juan)  guts  zur  stund 
schweigt  er  fein  und  wischt  den  mund 

G.  VoigtlXnder  Oden  u.lieder  (1642)  89; 

kinder  und  alte  wüszten  nicht  zu  schätzen,  was  ihnen 
gutes  täglich  begegnete  Göthe  21,  18  W.;  von  keinem 
haben  wir  etwas  gutes  zu  erwarten  v.  Ebneb-Eschen- 
bach  ges.  sehr.  2,  135;  Therese  hofte  gutes  von  einer 
kleinen  entfernung  aus  ihrer  eitern  haus  Caeoline  br. 
1,  29  Waitz;  man  stritt  ...  ob  der  anschlusz  an  den  zoU- 
verein  was  gutes  wäre  H.  Laube  ges.  sehr.  1,  147;  det 
hat  ooch  sein  jutes  Brendicke  Berlin,  w.  132*;  i  han 
ke  guds  meh  'ich  bin  sehr  besorgt'  Follmann  lothr.  221; 
also  doch  ein  gutes  beim  übel  A.  v.  Droste -Hülshoff 
br.  an  L.  Schuck.  132.  alles  gute  {s.  oben  B  2  b)  und  gutes 
in  formaler  addifion  gelegentlich  alles  gutes :  denn  weil  wir 
uns  selbst  .  .  .  alles  gutes  gönnen,  so  erfreuen  wir  uns 
Gottsched  vernünft.  tadl.  (1725)  2,  222;  so  wahr  mir  gott 
alles  guts  gebe  Heine  w.  3,  327  E. 

ß)  besonders  häufig  als  inhalt  von  wünschen:  du  solt 
inen  weder  glück  noch  guts  wündschen  5.  Mos.  23,  6 ; 
meinen  willigen  dienst  und  alles  guts  zuvor,  wirdiger  .  . . 
herr  doctor  in:  Luther  26,  539  W.;  gott  bewar  dich  wol, 
es  begegne  dir  alles  güts  bene  sit  tibi  Frisius  161^;  sie 
wissen  nicht,  wie  lieb  ich  sie  habe,  wie  viel  gutes  ich 
ihnen  wünsche  A.  v.  Droste-Hülshoff  br.  a.  L.  Schük- 
king  267;  negativ  gewendet:  das  dich  nimer  güts  angon 
müsz,  du  thüst  als  die  schelck  all  pflegen  zu  thün  Eulen- 
spiegel 82  ndr. 

y)  in  festen  negativen  Verbindungen  nichts  gutes,  wenig 
gutes : 

wir  wern  nichts  gutes  an  ihm  erleben 

H.  Sachs  1,  57  K.; 

armut  und  geitz  treibt  zu  nichts  guts  Petri  d.  Teutsch. 
weiszh.    (1604)   2,  j  6l>; 

wir  kundten  uns  nichts  guts  versehn 

Sprbng  Äneis  (1610)  öö»»; 


1337 


GUT,  adj.,  VIII  C  1 


GUT,  adj.,  VHI  C  2 


1338 


stumm  führte  ich  sie  nach  hause  und  erwartete  mir 
nichts  gutes  Göthe  25,  149  W.;  ach  mutter,  du  quälst 
mich  und  richtest  nichts  gutes  damit  an  Fontane  ges.  w. 
I  6,  4;  ich  hab  nix  guets  uf  der  weit  Maetin-Lienhart 
1,  248;  die  Schroffheit  dieses  kammes,  die  abgehackte  ge- 
staltung  seiner  gipfel  verspricht  in  der  that  dem  berg- 
wanderer  wenig  gutes  Barth  Kalkalpen  549; 

ihr  eitern,  thut  die  kinder  zu  der  heurat  nicht  zwingen, 
denn  es  thut  ja  selten  ein  wenig  gutes  bringen 

Mittlee  dtsche  volksl.  578; 

formelhaft  wie  (als  wie)  nichts  gutes;  zunächst  im  sinne 
'wie  etwas,  das  nichts  erfreuliches,  angenehmes  bedeutef, 
vgl.  es  riechet  als  wie  nichts  gutes  questo  rende  {ne  viene) 
un  odore  di  cosa  non  buona  Krameb  t.-ital.  l,  580":  die 
haut  fing  mir  an  zu  gucken  {jucken)  wie  nichts  guts  Chr. 
Reuter  Schelmußsky  96  vollst,  ndr.;  ein  förmliches  rennen 
von  sechs  rittern,  . . .  wobei  die  hiebe  auf  den  hämischen 
klatschten  wie  nichts  gutes  Gbillparzer  s.  w.  20,  63  8.; 
dann  zur  bloszen  Steigerungsformel  entstellt  'auszer ordent- 
lich, heftig^ :  das  arme  vieh  hat  sich  am  widerrisz  gedruckt 
wie  nichts  gutes  Shakespeare  6,  41; 

wenn  wie  nichts  guts  dich  schilt  ein  wicht 

RÜCKERT  ged.  (1841)  234; 

80  mundartlich  verbreitet,  vgl.  ass  all  niks  göds  ''auszer- 
ordentlich'  Danneil  67'';  he  regeret  as  niks  godes  'er 
lärmt  und  poltert  als  ein  unsinniger'  brem.-nieders.  2,  526; 
he  höllt  hus  as  niks  goodes  'er  lärmt  als  wenn  er  rasend 
ist'  Dähnert  158*;  9s  get  wi  al  nyst  guds  'es  geht  sehr 
gut'  Hofmann  niederhess.  X\l^;  wy  aU  neisd  guds  'tüchtig, 
sehr'  Christa   Trier.  lOS'';  do  gchts  wie  all  nix  gutes 

MaRTIN-LiENHART   1,  249  USW. 

J)  namentlich  von  bevorstehenden  oder  erwarteten  ereig- 
nissen  gebraucht: 

o  weh,  mich  andtet  nichtsen  guts 

H.  Sachs  2,  36  K.; 
wie  lang  ists  schon  helle, 
mir  ahnet  niclits  guts 

Brkntano  ges.  sehr.  6,  314; 

also  hast  du  bewerung  der  naturlichen  meister,  das  die 
cometen  nichts  guts  bedeuten  M.  v.  Kemnat  chron. 
Friedr.  I.  88  Hofm.; 

das  deutet  gutes,  laszt  uns  eilen  denni 

Grillparzer  «.  w.  5,  0  S.; 

dat  bedüdt  nix  godes  Mensinq  2,  428; 

was  hör  ich?  o  disz  wird  was  gutes  prophezeihn 
V.  KÖNIG  ged.  (1745)  44; 

der  anfall  verspricht  mir  aber  für  die  Zukunft  nicht  viel 
gutes  br.  v.  u.  an  Herwegh  36. 

e )  zu  gut  IIT  A  6  von  erfreulichen,  angenehmen  nach- 
richten,  vgl.  etwas  guts  bringen,  eine  gute  bottschafft 
verkünden  apportare  bonum  Frisius  ib^^: 

sihe  do,  gespan,  was  bringt  der  guts? 

Haynbccius  Hans  Pfriem  31  ndr.; 

zu  vememen,  was  man  guts  neues  sagte  Grimmblshafsen 
2, 421  Keller;  fragte  die  wirthin :  was  denn  guts  neues  in  der 
Stadt  Venedig  paszirete?  Chr.  Reuter  Schelmuffsky  102 
vollst,  ndr.;  guten  abend,  Pinkus.  nun?  was  guts? 
G.  Stephanie  d.  j.  s.  lustsp.  (1771)  124;  was  bringen  sie 
mir  gutes?  Göthe  23,  7  W. 

C)  präpositional  verbunden  mit  einschlug  von  gut  I  C 
etwas  zu  gutem  kehren,  bringen,  wenden,  kommen  u.  ä. 
'eine  sache  zum  erfreulichen,  glücklichen  ende  führen'  {vgl. 
zum  guten  sp.  1332/.,  zu  gute  «p.  1345): 

du  solt  es  zu  gfittem  keren, 
deinen  schaden  sech  ich  nlt  gern 

Friedrich  v.  Schwaben  1217  Jell.; 

der  herr  und  alles  hauszgsind  dacht, 
ir  sach  wer  nun  zu  gutem  bracht 

K.  Scheit  fröl.  heimfart  J  1"; 

glücklich  sol  dtrs  erspriszen 
zu  gutem  als  gewend 

Schede-Melissfs  ps.  202  ndr.; 


ain  rath  het  inen  zugesagt,  die  sach  nimer  zu  gedenken, 
und  {sie  sei)  zu  gutem  komen  und  hingelegt  worden 
städtechron.  29,  31;  ich  kan  für  war  nit  gedencken,  das 
daraus  etwas  möcht  ...  zu  guttem  kommen  Reüchlin 
augensp.  (1511)  18». 

c )  verdinglicht  aus  gut  III  A  1  a  'gute  speise  und  trank, 
delikatesse,  hckereV,  vgl.  etwas  gutes  essen  mangiare  cibi 
delicati  Kramer  t.-ital.  l,  680'': 

kompt  etwas  guts  (auf  den  tisch)  so  spitz  dich  drauf, 
dasz  du  ertapst  die  beste  speisz 

K.  Scheit   Grob.  825  ndr.; 

eszt  und  trincket  etwas  guts, 
und  last  waldvöglein  sorgen 

Gabe.  VoiGTLlNDER  od.u.lied.  (1642)  61; 

was  sie  guts  auf  die  nacht  würde  zurichten  lassen  Grim- 
melshausen  2,  340  Keller;  dank,  mein  herr  wirth.  nun, 
was  kann  ich  .  .  .  heute  gutes  bei  euch  haben?  Tieck 
sehr.  3,  57;  ich  möchte  etwas  gutes  und  ein  biszlein  viel 
Fischer  schwäb.  3,  950;  als  'naschwerk,  konfekV : 

bringt  es  {das  Christkind)  ihnen  {den  hindern)  guts  genug 
und  ein  schönes  bllderbuch 

Heinr.  Hoffmann-Donnee  Struwwelpeter  1; 

ebbes  guhds  'süszes  zuckerwerk'  Laven  ged.  i.  Trier,  trui. 
235;  guts  'bei  kindern  alle  zuckerbäckertoare',  guts  'nennt 
auch  die  hausfrau  ihr  kleines  weihnachtsgebäck'  Reuting 
Höchst.  20;  jots  'leckerei'  Rovenhagen  Aach.  46;  guets 
Martin-Lienhart  1,  249 ;  auch  mit  angäbe  der  sache: 

was  hastu  guts  von  wiltpret  gefangen 

GiLHUSiUS  gramtn.  (1597)  81; 

was  es  nur  gutes  gab  an  äpfeln  und  trauben  .  .  .  war 
alles  dein  maler  Müller  w.  l,  132. 

2 )  zu  gut  IV  gebildet  für  den  gesinnungsau^druck,  der 
aus  wohlwollen,  freundlichkeit,  freundschaft  hervorgeht, 
also  gegenüber  1  mehr  auf  die  subjektive  motivation  der 
handelnden  person  bezogen,  im  sinne  'freundliche  meinung, 
absieht'. 

a)  von  dem  inhaÜ  der  gesinnung  selbst,  vgl.  gut  IV  B. 

a)  allgemein:  der  nichts  guttis  gedenckt  Ltjthee 
grund  u.  urs.  (1521)  bl**; 

dar  Ick  my  gudes  to  verleth, 
dat  was  de  genne  de  my  verreth 

Hüsemann  spruchsamml.  89  ITetnifc.; 

BO  aber  mein  ich  alles  liebs  und  guts 

FOUQUÄ  held  d.  nordens  (1810)  1,  24. 

ß)  besonders  in  präpositionalen  Verbindungen;  alt  ist  in 
gutem  'in  wohlwollender  gesinnung':  taz  se  in  guotemo 
sin  {ui  judices  faciat  benevolos)  Graff  4,  159;  aber  nach 
gut  III  A  5  hin  verschoben  bei  Notker,  s.  sp.  1276;  im 
sinne  'in  freundlicher  meinung,  in  freundschaft':  alle  die 
meinen  und  die  meiner  in  gutem  gedencken  volksb.  v. 
dr.  Faust  116  Br.;  ir  wollen  ...  mich  euch  in  allem  guttem 
lassen  bevolhen  sein  S.  Lotzer  bei  Fischer  schwäb.  S, 
951;  auch  in  gutem?  Friedrich  Wilhelms  sprichw.-reg. 
(1577)al''; 

...  in  gutem  will  ich  hoffen! 

Grillparzer  «.  to.  6,  87  S.; 

gestern  aszen  wir  ein  gerüchte  Sauerkraut  .  .  .  mit  ein- 
ander in  allem  gutem,  denn  wir  geben  einander  den 
gantzen  tag  kein  bösz  wort  Ollapatrida  143  Wien,  ndr.; 
'in  freundlicher  absieht':  der  Stouffacher  gedacht  wol, 
dasz  er  {der  landvogt)  in  nit  in  gutem  frage  Tschudi 
chron.  Helv.  1,  235;  ich  sag  dir  in  guetem  'in  guter  absieht' 
Martin-Lienhart  l,  248;  von  der  aufnehmenden  {pas- 
siven) person  'freundlich,  willig': 

nlmb  also  disz  {das  buch)  in  gutem  an, 
und  bleib  allzeit  ein  grobian 

K.  Scheit   Grob.  4873  ndr.; 

verste  in  gutem  {v.j.  1525)  bei  Fischer  schwäb.  3,  951; 
häufig  im  gegensatz  zur  gewaltsamen  oder  gerichtlichen  aus- 
einandersetzung ;  'freiwillig': 

mich  freuts,  dasz  ihr  in  gutem  euch  gefügt 

Schiller  12,  254  G.; 

'friedlich':  {der)  entschlusz,  sich  anderwärts  entweder 
mit  gewalt  oder  in  gutem  niederzulassen  M.  I.  Schmidt 


1339 


GUT,  adj.,  VIII  C  8 


GUT,  adj.,  VIII  C  4-6 


1340 


gesch.  d.  Deutschen  1,  130;  mit,  in  gutem  sich  vertragen 
accordarsi  ICramer  t.-ital.  l,  581*;  sich  in  jutem  ver- 
drajen  'ohne  prozesz  vereinigen'  Brbkdicke  Berlin,  w. 
131^;  kommet  in  gutem  miteinander  ab  FiscnEB  schwäb. 
3,  951;  mit  anderen  präpositionen:  dasz  mit  gutem  nichts 
mehr  ausz  ihnen  vorzubringen  Wickram  rollw.  (1579)  63^; 
wolt  ihr  mit  gutem  gehn,  so  thuts  J.  Ayreb  dram.  1954 
K.;  er  solte  .  .  .  den  V.  mit  gutem  oder  gewalt  in  Syrien 
führen  Lohensteik  Ärminius  (1689)  2,  1125^;  wöUest 
...  zu  gutem  annemen  das,  so  ich  dir  freuntlichen  und 
treuwer  meynung  rhaten  wU  Wickram  w.  l,  21  B.;  die 
müter  aber  {war)  .  .  .  wirdig,  das  man  ir  zu  gutem  ge- 
dencke  Zürcher  bibel  (i531)  3283';  us  guetem  'aus  gute' 
Martin  -  Liekhart  i,  248;  dat  hett  se  ut  goden  daan 
*  in  guter  absieht''  Mensing  2,428;  {um  ihn)  bey  gutem 
zu  erhalten  MusÄtrs  Volksmärchen  (1788)  4,  153. 

b)  namentlich  vom  gesinnung sausdruck  durch  wort  und 
rede  {s.  gut  IV  Cl),  vgl.  ich  red  güts,  segne  benedico 
AiiBERTTS  nov.  dict.  (1540)  28*,  guts  von  einem  sagen 
benedicere  alicui  Frisius  161  **:  des  fyndes  munt  reth  .  .  . 
zelden  gutis  prov.  Fridanci  50;  je  mehr  man  einem  bösen 
menschen  guts  sagt,  desto  gröszer  wird  die  boszheit  Leh- 
man floril.  polit.  (1662)  1,  116;  der  papst  sagte  viel  gut«s 
von  mir  Göthe  43,  121  W.;  sie  hätte  gern  etwas  freund- 
liches und  gutes  zu  Minna  gesagt  H.  v.  ELihlenberq 
Eva  Sehring  (1901)  60. 

c)  von  den  handlungen,  die  aus  freundlicher  gesinnung 
hervorgehen,  vgl.  guts  umb  einen  beschulden,  eines  huld 
verdienen  demereor  B.  Garth  lex.  (1657)  192*:  unsere  .  .  . 
brüderliche  dienste  und  was  wir  sonsten  mehr  liebes  und 
guttes  vermögen  zuvore  acta  publ.  1,  13  Palm; 

mein  welb  zu  ehren  hochgeneigt, 
hat  euch  alls  llebs  und  guts  erzeigt 

Spreng  Ilias  (1610)  181»; 

also  .  .  .  seind  wir  erbietig,  euch  .  .  .  alles  liebs  und  guts 
zuerzaigen  Weckherlin  ged.  l,  18  F.;  do  ist  Hebs  und 
guets  binden  und  vornen  Martin-Lienhart  l,  248;  mir 
waren  die  äugen  .  .  .  zuwider  gewesen  und  auch  jetzt 
noch  schienen  sie  mir  nichts  gutes  zu  versprechen  Stobm 
ges.  w.  (1899)  1,  75;  euch  traue  ich  auch  nichts  gutes  zu 
Babth  Kalkalpen  563. 

d)  auf  die  freundlich  gesinnte  person  übertragen  in  der 
Wendung  jemand  (wer)  gutes  u.  ä.:  grüszen  sie  Lavatern, 
.  .  .  auch  Schlossern  und  wen  sie  gutes  begegnen  Göthe 
IV  6,  382  W.; 

und  niemand  gutes  gab  mir  einen  blick: 

die  jungen  herrn,  die  hoch  nach  fenstern  schielten, 

erniedrigten  nach  mir  nicht  ilir  genick 

atJcKERT  w.  3, 119. 

3 )  ZU  gut  V  B  von  dingen,  handlungen  und  eigenschaften, 
die  den  sittlichen  maximen  entsprechen. 

a)  allgemein:  wuo  mugut  ir  guotu  sprehhan,  mit  thiu 
ir  ubile  birut  Tatian  62,  10;  mich  bedünket  nichtz  gütz 
weder  irer  wort  noch  werke  Arigo  decam.  32  K.;  als  ge- 
schriben  steet,  das  aufrecht  Christen  durch  gewonheyt 
haben  sollen  geyebt  sinn,  zu  erkennen  guots  und  pösz 
Berthold  v.  Chiemsee  t.  theol.  15  B.; 

die  götter  in  dem  hlmmel  hoch 
so  guts  und  bösz  erkennen  noch 

Spreng  Äneis  (1610)  2.  ges.,  53»; 

schimpfflich  gutes  lehren,  heist  dem  bösen  glimpfflich 
wehren  Fischart  2,  16  Hauff en;  {ich)  wüste  weder  gutes 
noch  böses  zu  unterscheiden  Grimmelshausen  Simpl. 
9  ndr.;  also  wahres  und  gutes  miteinander  vemichtiget 
würden  Leibniz  dtsche  sehr.  2,  35;  das  musz  einen  be- 
festigen, dasz  man  mit  allem  guten  bleibender  und  näher 
wird  GrÖTHE  IV  5,  1  W.;  es  {gebe)  ein  absolut  gutes  nicht 
Lange  gesch.  d.  material.  15. 

b)  spezieller  die  sittlich  guten  handlungen:  min  wercke, 
als  ain  ding  mer  arges  dann  gutes  lerende  Niclas  v.Wylb 
translat.  13  K.; 

und  gar  nichts  guts  hast  thon  {getan)  vor  mir 

H.  Sachs  i,  25  K.; 


drumb  thut  er  {der  gottlose)  gutes  mit  verdrusz, 
dasz  er  mit  frewden  doch  thun  solte 

D.  v.  D.  Werder  buszpsalm.  (1632)  D  3»; 

{niemand  kann  ohne  gotles  gnade)  etwas  guts  und  rechte 
woUen  oder  vollbringen  Lehman  flor.  pol.  (1662)  1,  33; 

. .  .  keiner  ist, 
der  gutes  thut,  und  sein  (gottes)  gesetz  erfüllt 

GiSEKE  poet.  w.  (1767)  12; 
nach  1  a  a  hin: 

. . .  denn  gott  lohnt  gutes,  hier 

gethan,  auch  hier  noch  Lbssinq  3,  i8  L.-M.; 

vom  lebensivandel:  die  .  .  .  dienen  guten  leuten  und  sehen 
alsdenn  viel  gutes  engl.  com.  u.  trag.  (1624)  g  ö*». 

c)  als  sittliche  intention  oder  eigenschaft:  ich  weisz,  dasz 
in  mir  nüt  güts  wonet  Zwingli  dtsche  sehr.  1,  61;  die 
natür  keert  eim  ein  laster  zu  gutem  oder  zu  tügend 
Frisius  1393*;  da  ist  nichts  guts,  kein  ehr  und  redligkeit 
Henisch  1788;  o  ich  arme  frau!  nun  sol  nichts  gutes  an 
mir  seyn  Chr.  W^eise  grün,  jugend  234  ndr.; 

von  andern  Völkern  borgt  das  schlimme  nicht, 
wei  weisz,  ob  euch  erreichbar  Ist  ihr  gutes 

Grillparzer  s.  w.  6, 166  S.; 

über  seinen  Charakter  jedoch  hüllte  man  sich  ins  unklare, 
wollte  nicht  viel  gutes  wissen  G.  Keller  ges.  w.  2,  24 ; 
'redliche  absichV ,  vgl.  nichts  gutes  im  sinn  haben  disegnare 
qualche  furbaria  Kramer  t.-ital.  1,  580f>:  wers  hcht  scheut, 
hat  nichts  gutes  im  sinn  Schulze  bibl.  sprichw.  166. 

4)  von  gut  II  hergeleitet  unhäufiger;  besonders  auf 
geistige  erzeugnisse  bezogen,  entsprechend  gut  II  A  4,  im 
sinne  'etwas,  was  einen  geistigen  wert  besitzt';  vom  kunst- 
werk: 

wurde  Ich  von  der  guoten  vro, 

■waz  Ich  danne  guotes  noch  der  werlte  sunge! 

minnesing  er  1,  318'*  v.  d.  Hagen; 

was  soltistu  guttis  schreyben  Luther  auff  d.  ubirchristl. 
buch  (1521)  J  2*;  desz  geringsten  namen,  der  irgend  etwas 
guts  und  artiges  geredt  oder  geschrieben  Zinkgref 
apophthegm.  (1628)  a  5;  wan  sie  in  den  schrancken  der 
gottesforcht  bleiben,  so  können  sie  zehen  mahl  mehr 
guts  schaffen  als  einer  der  nicht  studiret  hatMoscHEROSCH 
insomn.  cura  parent.  47  ndr.;  etwas  gutes  von  eigener 
erfindung  hervorgebracht  ,zu  haben  G.  Stephanie  d.  j. 
s.  lustsp.  (1771)  vorr.  3;  wenn  in  dem  ganzen  buche  nichts 
gutes  ist,  so  sind  wenigstens  die  worte  des  alten  Schrift- 
stellers gut  Rabener  s.  w.  1, 146;  es  {das  buch)  ist  in  dem 
lieben  Deutschland  verschollen  und  mit  vielem  andern, 
gutem  und  nützlichen  von  den  Sandwehen  des  tages  zu- 
gedeckt Göthe  IV  32,  242  W.;  gelesen  hab  ich  schon  viel, 
und  was  mehr  ist,  viel  gutes  Caroline  br.  l,  92  Waitz; 
anders  zu  gut  II  B  2  in  fester  Verbindung  etw.  gutes  halten 
von  jem.  'wertvolles  an  jem.  finden,  jem.  für  wertvoll 
hauen',  vgl.  die  leut  haltind  güts  von  mir  Frisius  1419*; 
das  myrs  leyd  ist,  was  ich  yhe  guttis  gehalten  .  .  .  habe 
vom  bapst  Luther  10,  2,  233  W.;  ähnlich:  sie  waren  .  .  . 
eifrige  vaterlandsfreunde,  lieszen  an  den  Franzosen  nichts 
gutes  gelten  A.  Stifter  s.  w.  5,  l,  355. 

5)  zu  gut  VTA2b)S  gehört  (um)  ein  gutes  im  sinne 
'ein  beträchtliches  stück',  wo  ursprünglich  wohl  ellipse  des 
maszbegriffes,  wie  stück,  teil  vorliegt:  umb  ein  güts  elter 
seyn  Frisius  54'' ;  doch  weisz  ich  auch  einen  eingang  von 
dieser  seite,  wo  wir  um  ein  gutes  näher  gehen  Göthe 
24,  63  W.;  bei  der  die  gutmütigkeit  die  weibliche  ränke- 
sucht  um  ein  gutes  überwog  W.  v.  Polenz  Büttnerbauer 
1,  107;  sind  wir  ein  guts  dahinden  bheben  Frischlin  bei 
Fischer  schwäb.  3,  943; 

ich  gab  ir  noch  ein  guts  an  schlaf  (schlafe) 

H.  Sachs  5,  233  K.; 

ein  güts  witziger  dan  sein  meister  Frisius  952^;  so  hat 
sich  doch  das  volck  gemeinlich  ein  guts  vor  tag  ...  an 
gedachte  orth  {den  circus  maximus)  begeben  Grasser 
Schatzkammer  (1610)  351;  es  wird  ein  gutes  kosten  costara 
del  buono  Kramer  t.-ital.  1, 580^;  ein  gutes  teurer  Fischer 
schwäb.  3,  943 ;  vereinzelt  in  gleichem  sinne  etwas  gutes : 
so  hat  er  {der  hundsaffe) .  .  .  zän  wie  der  hund,  ist  gantz 
Avild  .  .  . ,  etwas  güts  grösser  dann  ein  hund  Herold- 
Forer  Oesners  thierbuch  (1563)  7''. 


1341  GUT,  adj.,  VlII  C  6.  IX  A  1 

6)  bildungen  zu  gut  I  A  1  sind  im  ganzen  unhäufig, 
aber  doch  belegbar. 

a)  im  sinne  'nützliches,  taugliches,  förderliches',  oft  von 
1  a  nicht  deutlich  zu  trennen,  vom  ergebnis  eines  zweck- 
bestimmten tuns,  vgl.  vermegenlichait  zu  guottem  faciliiaa 
DiEFFENBACH  gl.  222 S':  zweyffelt  nicht,  weyl  ewer  gebet 
auf  des  sons  blut  gegründet  ist,  es  dringe  durch  alle 
himel  und  richte  viel  gutes  ausz  Mathesiüs  ausgew.  w. 
1,  104  Lösche;  es  wird  überhaupt  in  gar  manchem  gutes 
und  vortrefEhches  geschehen  können  Göthe  IV  27,  224  PF. 

h)  an  diese  Verwendung  angeschlossen  lud  die  alte  Ver- 
bindung zu  gute  (s.  gut  IX  B  1 )  im  älteren  nhd.  bis  ins 
18.  jh.  hinein  auch  die  form  zu  gutem  (guten)  im  sinne 
'zum  nutzen,  vorteiV  entwickelt,  vgl.  von  gott  zu  gutem 
gegeben  donatus  Fkisius  448'^;  meist  mit  personalem 
objektsdativ,  vereinzelter  mit  abhängigem  genetiv:  dise  und 
jene  spysz  . . .,  weliche  aber  gott  zu  güt€m  den  menschen 
. .  .  geschaffen  hat  Zwingli  v.  freih.  d.  sp.  8  ndr.;  uns  und 
unaern  nachkommen  zu  gutem  (v.  j.  1566)  weisth.  6,  79; 
die  getreuen  dienste,  die  er  seinem  Vaterland  zu  gutem 
in  krieg  und  friedenszeiten  erwiesen  hatte  J.  B.  Schupp 
sehr.  (1663)  492;  in  fester  paarung  mit  nutz:  wo  dmrch 
die  gwercken  .  .  .  dem  paw  zu  nutz  imd  guetten,  etwas 
betracht  und  fürgenomen  wirdet  {v.  j.  1532)  in:  v.  Loßi 
baier.  bergr.  (1764)  214;  andere  .  .  .  mögen  von  dieses 
priesters  that  urtheilen  wie  sie  wollen,  und  sam  sie  zu 
nutz  und  gutem  des  reychs  geschehen  sey  Stumpf 
Schweizerchron.  (1606)  242'';  an  typischen  verben  besonders 
mit  kommen,  seltener  gereichen:  demselben  (menschen) 
kumbt  auch  das  leiden  Cristi  oder  ander  gnad  gots  nit  zu 
guotem  Berthold  v.  Chiemsee  t.  theol.  375  B.;  und 
unsere  gemüther  .  .  .  haben  diesen  unfehlbaren  vortheü 
über  alle  andere  hertz,  dasz  das  übel  ihnen  zu  gutem 
gereicht  VVeckheklin  ged.  1, 61  F.;  oft  auch  an  das  schwach 
flektierte  subst.  adj.  neutr.  (s.  o.  B)  angeglichen  als  zu 
guten:  so  alles  .  .  .  der  herrschaft  Guettenberg,  auch  ge- 
mainen markt  zu  gueten  und  nuzen  geschechen  soll  (17./A.) 
österr.  weist.  6,  187;  zu  gueten  der  minderjährigen  {v.j. 
1669)  bei  Schmelleb-Fk.  l,  964,  vgl.  noch  mundartlich: 
ze  gueten  'ihm  zum  frommen'  Schöpf  tirol.  220;  auch 
mit  artikel  verschen:  dasz  thu  ich  dir  alls  zu  eim  guten 
A.  Dieteich  baurenkn.  (1618)  a  8**;  ich  weisz,  dasz  dessen 
befehle  zu  meinem  guten  abgezielet  sind  Hunold  neue 
br.  (1723)  281;  in  gleicher  weise  neben  zu  gute  halten  {s.  u. 
IX  B  1  a  e),  zu  gute  haben  (s.  u.  IX  B  icy):  dasz  es 
ja  die  frau  zu  gutem  hielte,  thut  sie,  dasz  er  ein  fremd- 
ling wer  buch  der  liebe  (1587)  214*;  wann  ich  es  deiner 
dummheit  nicht  zu  guten  hielte  ...  so  wollte  ich  dir  den 
hals  umdrehen  Ph.  Hafner  ges.  lustsp.  1,  20;  nun  hab 
ich  einen  überzähligen  dummkopf  zu  guten  Bauernfeld 
ges.  sehr,  l,  36;  mundartlich  entsprechend  sich  etw.  zu  gute 
tun  (s.  u.  gut  IX  B  1  c  /3) :  darup  do  ikk  mi  recht  wat  to 
goden  'darauf  bilde  ich  mir  nicht  wenig  ein'  Dähnebt  158*. 

IX.  der  folgende  abschnitt  enthält  die  fälle  der  substan- 
tivisch flektierten  substardivier ung  (s.  gnt,  n.),  in  denen 
gut  nicht  mehr  ohne  weiteres  als  Substantiv  erkennbar  ist; 
diejenigen,  welche  zu  adverbialen  Wendungen  umgebogen 
wurden,  stehen  unter  gut  VII. 

A.  von  dem  substantivisch  flektierten  subst.  adj.  neutr. 
au^zerhalb  präpositionaler  fügungen  hat  sich  bis  in  heutige 
spräche  nur  in  mundarten  und  dialektisch  gefärbter  Um- 
gangssprache die  Verbindung  kein  gut  gehalten,  die  sonst 
durch  nichts  gutes  oder  nicht  gut  ersetzt  ist. 

1)  im  sinne  'kein  nuizen,  kein  vorteiV  {zu  gut  I  A  1 
bzw.  III  A  7): 

fein  langsam,  wie  faulhenszlin  thüt, 
von  eylen  kam  doch  nie  kein  gut 

K.  Scheit  Orob.  1687  ruLr.; 
(seit)  die  kauffleut  kauffmanstrew  verlieszen, 
Juden  der  herrn  Vormünder  hieszen, 
ist  in  der  weit  kein  gut  gewesen 

Petei  d.  Teutsch.  weiszh.  (1604)  2,  Br  8"; 

er  konte  noch  in  etwas  gedult  tragen,  weil  in  der  gegen- 
wärtigen sache  eilen  kein  gut  bringen  möchte  Chb.Weise 
pol,  redner  (1677)  235;  bes.  in  fester  Verbindung  mit  tun: 


GUT,  adj.,  IX  A  2-3.  B  1 


1342 


zwar  zweifei  tett  noch  nye  chain  gut 

liederb.  d.  Eätzlerin  54  H.; 

dasz  es  in  {den  geizigen)  kein  gut  thüt  sprichw.  (1548)  65*; 
wann  sie  lang  mit  den  cavallieren  conversirt  haben, 
dencken  sie  endlich,  das  ding  thue  kein  gut  J.  B.  Schupp 
sehr.  (1663)  4;  gleichwie  eilen  mehrentheüs  kein  gut  thut 
und  schlechten  nutzen  bringet  Sperling  Nicod.  quaer. 
(1718)   1,  40; 

o  weh,  o  weh,  ein  sacrilegiumi  o  weh, 
das  thut  kein  gut 

FouQUfi  altsächs.  bildersaal  (1818)  1, 103 ; 

du  willst  wein  trinken,  und  weiszt  er  thut  dir  kein  gut 
0.  Ludwig  ges.  sehr.  3,  86;  so  mundartlich  bewahrt,  doch 
schon  oft  im  Wechsel  mit  der  wendung  ins  adverbiale  nicht 
gut  tun  («.  sp.lZZl):  kan  guat  tuan  'schlecht  enden' 
Jakob  Wien.  77^;  kein  gut  tun  'nachteil  und  Unglück 
bringen'  Crecelius  oberhess.  445;  es  thut  kein  gut  'bringt 
schaden'  Spiesz  henneb.  87;  dat  dait  kain  guad  'bringt 
keinen  segen'  Woeste-Nörr.  87*;  dat  will  keen  good  doon 
'das  reicht  nicht  aus'  Mensinq  2,  427;  in  das  adjektivisch 
flektierte  subst.  adj.  neuir.  überführt:  von  eilen  kam  nie  kein 
gxLts  sprichw.  (1548)  25*. 

2)  kein  gut  tun  mit  persönlichem  Subjekt  schlieszt  sich 
an  gut  V  A  1  d,  aber  auch  gut  IV  A  2  b  an  im  sinne  'sich 
rechtschaffen,  brav,  anständig  beiragen': 

ihr  thut  kein  gut,  ihr  böszewicht, 
wan  man  euch  nicht  zuboden  schlegt 

GiLHUSius  gramm.  (1597)  73; 

solche  müsziggänger,  welche  in  der  jugend  kein  gut 
haben  thun  woUen  und  sich  muthwülig  in  armut  ge- 
stürtzet  haben  J.B.Schupp  sehr.  (1663)  341;  dasz  die 
unterthanen  kein  gut  thäten,  wenn  sie  viel  geld  hätten 
Chr.  Thomasius  kl.  dtsche  sehr.  138;  er  . .  .  hatte  in  seiner 
Jugend  kein  gut  gethan  v.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr. 
2,  193;  ebenso  mundartlich,  vgl.  kain  guet  tuen  Schmelleb- 
Fb.  1,  965;  er  thuat  kan  guat  'er  ist  von  sehr  schlechter 
aufführung,  schlechtem  lebenstvandeV  idiot.  austr.  (1824)  78; 
der  pue  tuot  kan  guot  Lexer  kämt.  128;  der  junge  will 
nich  {oder  kain)  gut  tun  Müller-Fraur.  1,  452;  he  wül 
keen  good  doon  'er  will  sich  nicht  schicken'  Mensing  2, 
427;  auch  von  tieren  'störrisch  sein' :  so  bald  sie  mercken, 
das  man  sie  vil  zuschlagen  und  zu  poltern  begert,  wollen 
sie  darnach  keyn  gut  mehr  thun  S^Bizfeldbau  (1579)  599; 
in  das  adjektivisch  flektierte  subst.  adj.  neutr.  umgebogen: 
{sie)  klagen,  wie  das  gesinde  gar  kein  guts  thun  wolle 
D.  Schaller  theol.  heroldt  (1604)  72; 

ich  hab  mein  leben  kein  guts  gethan 
und  habs  auch  nicht  im  sinn 

Mittler  dtsche  Volkslied.  560. 

3)  zu  gut  in  A  4  mit  personalem  objektsdativ  'eine  wohl- 
tat, etivas  angenehmes  erweisen': 

darumb  gelaub  ich,  er  thu  ir  kein  gut 

fastnachtsp.  2,  544  K.; 
doch  hat  sie  ihm  auch  kein  gut  gethan 

J.  Aykek  dram.  1,  553  K. 

B.  feste  präpositionale  Verbindungen. 
1)  zu  gute,  in  neuerer  Schreibung  zugute,  früher  auch 
zu  Gute  geschrieben,  vgl.  Göthe  9,  246  W.;  zu  Gut  Heeder 
23,  411  8. 

a)  zu  gut  I  A  1  {bzw.  nach  gut  III  A  7  hinüber)  im  sinne 
'zum  nutzen,  vorteil',  vgl.  niener  zu  gut  und  unnütz 
Frisiüs  119*. 

a)  mit  dem  dativ  der  person,  vgl.  gut  I  A  1  c  und  d: 
wir  sculun  uns  zi  guate  (zum  heil)      nu  keren  thaz  zi  muate 

Otfkid  II  5,1; 
nach  gut  III  A  4  übergleitend:  mir  ze  guote  {zum  Wohl- 
gefallen) bin  ih  got,  dir  ze  freison  nebin  ih  diu  got  Not 
KEB  ps.  49,  7; 

und  wie  si  mit  dem  blute 
In  solten  da  ze  gute 
bestrichin  du  ubirtur 

EUDOLF  v.  Ems  weltchron.  10511  Ehr.; 

des  grundpuechs,  das  wier  . . .  allen  unsem  underthan 
zu  guet  fürgenomen  .  .  .  haben  {v.  j.  1494)  österr.  weist. 
6,  229;  minen  jungern  zu  gut  ...  hab  ich  söHcher  trans- 


1343 


GUT,  adj.,  IX  B  1 


GUT,  adj.,  IX  B  1 


1344 


laciones  etwa  vil  gemachet  Niclas  v.  Wyle  translat.  9  K.; 
zu  gut  dem  vatterland  . . .  verteutschet  Xylander  Poly- 
bius  (1574)  vorr.;  weil  er  (gott)  den  baw  der  weit  dem 
menschen  zu  gute  gesetzt  Oleariüs  persian.  reisebeschr. 
(1696)  1 ;  dasz  dieaelbe  {Luthers  Schriften)  in  gewisse  tomos 
zusammen  gedruckt  und  den  nachkommen  zu  gute  er- 
halten würden  Leibniz  dtsche  sehr.  2,  389;  ihm  (Sickingen) 
und  dem  groszen  häufen  des  deutschen  volks  zu  gut 
schrieb  Hütten  jetzt  .  .  .  deutsch  Herder  16,  284  S.; 
mundartlich  variiert:  das  ist  mer  nicht  zi  guote  'das  kommt 
mir  wohl  zu,  darum  braucht  nxin  mich  nicht  zu  beneiden^ 
Lexer  kämt.  128. 

ß)  zu  gute  kommen  erscheint  als  feste  formel  im  sinne 
'zum  nutzen,  vorteil,  heil  gereichen': 

sol  daz  heizen  guot,  daz  nieman  hie  ze  guote  kumt? 

DER  Maeker  116  StravLch; 

die  mhd.  belege  spielen  oft  mehr  nach  gut  I  C  oder  gut 
III  A  4  hinüber  {'zum  erwünschten,  glücklichen  ziel'): 

. . .  daz  enkam  den  nlht  ze  guote, 

von  den  si  den  schaden  nam  d.  klage  68; 

auf  das  die  gütte,  die  er  bey  yhm  selber  hatt,  auch  andern 
lasse  bekandt  werden  und  tzu  gutte  komen  Luther 
10,  3,  287  W.;  ist  also  fast  nichts  an  den  ziegen  zu  finden, 
welches  dem  menschen  nicht  zu  gute  käme  viehbüchl. 
(1667)  65; 

. . .  kommts  nicht  dem  herrn  zu  gut, 

wenn  sein  kriegsvolk  was  auf  sich  halten  thut? 

Schiller  12,  51  &.; 
einem  botanischen  Institut  . . .,  welchem  der  ertrag  dieses 
grundstücks  zu  gute  kommen  sollte  Göthe  IV  10,  137  W.; 
das  . . .  war  . . .  den  Hohen  Vietzern  mehr  als  einmal  zu- 
gute gekommen  Fontane  ges.  w.  I  l,  62;  mit  ellipse  der 
Präposition: 

was  einer  früh  um  viere  thut, 

das  kommt  ihm  nachts  um  neune  gut 

Binder  sprichw. -schätz  59; 

mit  persönlichem  subjekt  'zu  hilfe  kommen': 

Maria,  gotis  muter,  bis  du  ein  loserin, 
so  kum  oucb  uns  zu  gute,  wan  wir  gevangen  sin 
sp.  V.  d.  zehn  jungfr.  513  Beckers. 

y)  zu  gute  werden  u.  ä.  'zum  nutzen,  heil  und  segen 
gereichen',  vgl.  at  godo  goraz  Helgakv.  Hinrv.  33, 11  Neckel: 

. . .  joh  ward  uns  iz  zi  guate         Otfrid  IV  32,  3; 

werdent  tir  is  tie  friunt  ze  guote  {zum  schütz),  du  ne  sist 
unsichure  {an  praesidio  sini  amici)  Notker  bei  Graff 
4,  163;  de  Düdschen  darna  ock  also,  alse  se  segen,  dat 
idt  den  Schotten  alles  to  gude  wordt,  begunden  crem 
exempel  to  volgende  Script,  rer.  Livon.  2,  100;  aber  Oreste 
und  Augustulo  wurd  die  untrewe  nicht  lange  zu  gutte 
Kantzow  chron.  v.  Pomm.  22;  mit  anderen  verben: 

In  rehtemo  muate      erge  uns  iz  io  zi  guate, 
thaz  wir  io  muazin  bilde       wesan  scalka  sine 

Otfrid  III  20, 141; 
was  das  ie  ze  keinir  vrist 
reht,  gut  unde  wol  getan, 
80  milzes  iuh  ze  gute  irgan 

KUDOLF  V.  Ems  weltchron.  19105  Ehr.; 

ezn  habe  deheinlu  groezer  kiaSt 
danne  unsippiu  selleschaft, 
gerate  si  ze  guote 

Hartmann  v.  Atjb  Iwein  2705; 
dö  sluoc  des  gelückes  kür 
mir  ze  guote,  im  ze  arge  vür 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  5093  T.; 
wer  untrewUch  handelt,  dem  gehet  es  ein  weil  zu  gut 
Agricola  sprichw.  (1534)  c  l*; 

höret  auch,  ir  herren,  mlnen  raid, 
der  gar  woll  zu  gude  gaid 

Aisfdd.  passionssp.  2467   Or.; 

bemühungen, .  .  .  welche  der  ganzen  nation  zu  gute  gehen 
GrÖTHE  41,  1,  116  W.;  es  gelange  denn  zu  gottes  ehren  im 
menschlichen  herze  zu  gute  J.  Böhme  sehr.  (1620)  2,  62; 

das  ims  zu  gut 
nit  spreiszen  mag 

G.  Förster  fr.  t .  liedl.  10  ndr. 


d')  in  transitiven  Verbindungen  zu  gute  kehren,  wenden, 
bringen,  geben  in  älterer  spräche  im  sinne  'zum  nutzen, 
heil,  segen  bringen,  gedeihen  lassen' : 

cheret  thaz  in  muate      bi  thia  zuhti  iu  zi  guate 

Otfrid  S.  25; 

ze  ubele  noch  ze  guote  wanton  sie  beneficia  dei  Notkee 
bei  Graff  4,  163; 

{die  Weisheit)  . . .  trcestet  den  muot 
mit  allen  den  dingen, 
diu  man  kan  ze  guote  bringen 
Lamprbcht  V.  Begensbueg  tolUer  van  Syon  2801  Weinh.; 

ähnlich  zu  gute  geben:  wenn  wir  von  einem  reden,  dem 
gott  das  gedeien  gibt  zu  seiner  narung,  so  sprechen  wir 
gott  gebs  im  zu  gut  G.  Edelman  hochzeitspred.  (1580) 
N  n  ö'';  nachbar  Alex,  ihr  habt,  gott  geb  euchs  zu  gute, 
nicht  zu  klagen  Schoch  stud.  leb.  (1657)  h  6^;  anders,  vne 
zum  besten  geben  {zu  gut  III  A):  bruchstücke,  die  sie 
mir  zu  gute  gaben  Thümmel  reise  2,  46;  vergleichbar:  to 
gaue  räen  'gut  rathen'  Schambach  Oött.  60^. 

b)  zu  gute  halten  u.  ä.  mit  personalem  dativ  'jem.  etwas 
nicht  als  nachteil,  als  schuld,  zu  hoch  anrechnen;  etwas  nicht 
übel  nehmen,  nachsehen,  verzeihen',  vgl.  zu  gut  halten  dare 
veniam  B.  Faber  thes.  (1587)  253*',  du  wollest  mir  zu  gut 
halten  quod  pace  tua  dixerim  Henisch  1789,  einem  ein 
verbrechen  hingehen  lassen,  eins  zu  gut  halten  amittere 
alicui  unam  noxiam  Reyher  thes.  (1668)  313:  were  nu 
eine  finsternis  drynnen,  so  wirstu  mirs  wol  zu  gut  halten, 
das  ichs  nicht  treffe  Luther  26,  447  W.;  aber  gott  kan 
denen,  so  busze  thun  .  .  .  viel  zu  gut  halten  J.  Mathesius 
Sarepta  (1571)  83*';  er  woUe  ihr  ...  zu  gut  halten,  wie 
sie  ihn  auch  geschmähet  Grimmelshausen  4,  563  Keller; 
einem  poetischen  {Übersetzer)  aber  musz  man  .  .  .  schon 
eine  kleine  abweichung  zu  gute  halten  Gottsched  crit. 
dichtk.  (1751)  6;  herr  Dreisziger,  man  musz  es  seiner 
Jugend  zugute  halten  G.Hauptmann  weber  (1892)  77; 
mit  ellipse  des  dativ: 

. .  .  'wer  an  der  thür?' 

'halt  zu  gut,  ich  brenge  für, 

wahnt  nicht  der  meister  Juncker  drin?' 

Binckhart  ehrisU.  ritter  27  ndr.; 

der  leser  .  . .  wolle  ...  zu  gutt  halten  Butschky  Pathmos 
(1677)  vorr.  )(  4*';  vereinzelt  mit  anderen  verben:  zu  gut 
nemen,  auszlegen  accipere  in  bonam  vel  Optimum  partem 
Henisch  1789;  diesem  {dem  glücke)  müste  man  wie  einem 
narren  alles  zu  gute  haben  Lohenstein  Arminius  (1689) 
2,  1046*; 

war  etwa  Mars  wo  from,  so  kelirt  es  ihm  zu  gute; 
ea  ist  gewlsz  geschehn  ausz  unverdachtem  mute 

LOOAU  sinnged.  75  E. 

b)  zu  gute  machen  (bringen)  im  sinne  'zu  einer  nutz- 
baren, gebrauchsfähigen  sache  machen',  besonders  berg- 
technisch 'aufbereiten,  scheiden'  schlieszt  sich  wohl  an  gut 
I  A  2  cy  an:  die  hüttenherrn,  so  hütten  gehabt  und  da 
die  ertze  geschmolzen  und  zu  gutt  gemacht,  haben  auch 
gewisze  Ordnung  und  sonderhche  Satzung  gehabt  Har- 
DANUS  Hake  bergchron.  (1583)  25;  dasselbige  {zinn)  kan 
nicht  ein  jeder  gemeiner  goltschmidt  oder  probir'er  zu 
gut  machen  und  scheiden  Ercker  mineralertzt  (1580)  34''; 
wie  man  ein  jedes  erz  solle  und  könne  gewinnen,  auf- 
bereiten und  zu  gut  machen  Mathesius  Sarepta  (1571) 
vorr.;  schiffe,  welche  die  erze  .  .  .  {bringen),  um  zu  gute 
gemacht  zu  werden  Ritter  erdk.  2,  666;  in  Substanti- 
vierungen: er  erzählet  .  .  .  das  zugutmachen  der  erze 
allg.  dtsche  bibl.  anh.  1-12,  303;  als  wenn  sich  die  chemie 
blosz  mit  zugutmachung  der  erze  .  .  .  beschäftigte  allg. 
dtsche  bibl.  53,  619;  in  gleicher  bedeutung:  der  prozesz 
{fälü)  mit  der  zugute  bringung  silberhaltigen  bleies  zu- 
sammen Karmarsch-Heeben  4,  127;  allgemeiner  'nutz- 
bar machen' :  und  da  gleich  etwas  in  die  scheuren  bracht 
ward,  wuchs  es  dennoch  aus,  entbrant  aufeinander,  oder 
kundte  doch  nicht  zu  gute  gemacht  werden  H.  Megiseb 
ann.  Gar.  (1692)  498;  dem  poeten  schadet  der  aberglaube 
nicht,  weil  er  seinen  halbwahn,  dem  er  nur  eine  neutrale 
gültigkeit   verleiht,   mehrseitig   zu  gute   machen  kann 


1345 


GUT,  adj.,  IX  B  1 


GUT,  adj.,  IX  B  1 


1346 


GöTHE  41,  2,  55  W.;  auch  'verwirklichen'' :  zu  gute  ge- 
macht wurde  dieses  durch  die  .  .  .  nach  Wahrheit  streben- 
den männer  Ritter  erdkunde  1,  33;  etwas  anders  zu  gut 
I  A  2  0  /3  die  Verbindung  zu  gute  halten  'in  gebrauchs- 
fähigem zustande  erhalten':  auch  die  zerunge  der  stadt 
an  allen  stedten  bas  zu  gute  halten,  dan  biszhero  ge- 
schehen ist  bei  Steenge-Devrient  stadtr.v.  Eisenach  65; 
item  sal  auch  keiner  nichtz  verkauffen,  ...  er  sal  es  dem 
andern  zufur  anschiben  und  das  selbige  als  dan  jar  und 
tag  zugute  halten  chron.  d.  stadt  Ellbogen  11  Schles. 

c)  an  gut  III  A  angeschlossen  für  die  erfreuliche,  an- 
genehme, vorteilliafte  sache,  zu  der  etwas  gebracht  wird,  oder 
den  erfreulichen  zustand. 

a )  allgemein  in  verschiedenen  Verwendungen;  schon  ahd. 
belegbar: 

80  bluama  thar  in  crute        so  scono  theh  zi  guate 

Otfrid  I  16,  24; 

ruore  dine  hendc  unde  bruche  sie  ze  guote  Notkke  ps. 
91,  2; 

SU8  teilte  ich  in  mim  muote 

und  wände  wein  ze  guote 

und  li&n  des  michel  lelt  genomen 

psbüdo-Hartmann  V.  Aue  2.  büehl.,  634; 

etw.  zu  gute  bringen,  kehren  'etw.  in  einen  wünschbaren, 
erfreulichen  zustand  bringen',  vgl.  gut  III  A4: 

ich  bring  ez  wol  ze  guote 

Ulkich  v.  Esohenbach  Alex.  2594; 

ir  haut  mich  ofte  g§ret 
und  ze  guote  gekeret 
mtn  dinc  so  voUecitcben 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  7534; 

nach  gut  III  A  5  hinüber  zu  gute  werden  Hn  einen 
erfreulichen  zustand  kommen': 

mein  seel  empfindet  groszen  schmertz 
und  wird  kein  mal  zu  gute 

B.  ßiNGWALDT  handbüchl.  (1586)  0  1»; 

zu  gut  III  A  2c  persönlich  gewendet:  ek  kan  nich  drup 
(derbi,  däbi)  to  gaue  weren  Hch  kann  nicht  dabei  genesen, 
mich  erholen'  Schambach  Oött.  60*. 

ß)  in  fester  Verbindung  zu  gute  tun  mit  personalem 
Objektsdativ  'jem.  etwas  als  eine  angenehme,  erfreuliche, 
vorteilhafte  sache  geben',  vgl.  zu  liebe  tun. 

aa)  allgemein: 

due  uns  thaz  zi  guate       blidemo  muate 

Otfuid  Salom.  43,  vgl.  IV  37,  20; 
ßwaz  ich  ir  gedienen  kan,  si  tuot  mir  niht  ze  guote 

minnesinger  1,  111''  v.  d.  Hagen; 

waz  wollent  ir  mir  (Judas)  zu  gude  dun(a2«  belohnung  bieten)! 
ich  geben  ueh  Jhesum,  Marien  sun 

schausp.  d.  mittelalt.  1,  99  Mone; 

wo  man  ein  undankbar  herz  öndet,  da  vergehet  lust  und 
liebe,  dasz  man  ferner  helfen  und  solchen  leuten  etwas 
sollte  zu  gut  tun  Luther  6*,  26  Erl.;  ich  will  deinem 
männchen  kein  leid,  sondern  euch  beiden  etwas  zu  gute 
thun  J.Mosen  s.w.  8,475;  dem  ehrlichen  alten  Panzacchi 
.  .  .  musz  man  doch  auch  etwas  zu  gute  thun  Mozart  bei 
O.  Jahn  Mozart  2,  553;  ohne  objektsdativ: 

swaz  ich  le  tete  ze  guote  (gewann), 
daz  verlius  ich  ganzliche 

erzähl,  u.  schw.  30  Lambel. 

ßß)  reflexiv  im  sinne  'sich  etwas  gutes,  eine  erquickung 
verschaffen',  meist  auf  materielle  genüsse  bezogen:  allwo 
sie  sich  nunmehr  was  zu  gute  thun  und  das  biszherige  leid 
ablegen  wolten  J.  Riemer  pol.  maulaffe  (1679)  72;  wenn 
ich  gleich  noch  so  verliebt  bin,  so  thue  ich  mir  gleichwohl 
auch  was  zu  gute  ollapatrida  35  Wien,  ndr.;  ich  ver- 
schlosz  das  zimmer  . . .  und  that  mir  etwas  zu  gute  Göthe 
25,  136  W.;  Schlüters  sind  gesund  und  .  .  .  sehr  heiter, 
sie  thun  sich  etwas  zu  gute  A.  v.  Droste-Hitlshoff  br. 
a.  L.  Schücking  209;  ebenso  mundartlich:  ik  wil  mei  mal 
wuot  te  güde  doun  Baüer-Collitz  waldeck.  i2^;  zu  jute 
dhun  '^tlich  thun'  Brendicke  Berl.  w.  131. 

yy)  zu  besonderer  bedeutung  entwickelt  sich  etw.  zu  gute 
tun  auf  etw.  'sich  in  bezug  auf  etw.  eine  Schmeichelei  sagen; 
IV.  1.  6. 


sich  etwas  einbilden,  stolz  sein  auf  etw.\'  nicht  vor  dem 
18.  jh.  zu  belegen:  wo  sich  neid,  hochmuth  und  die  über- 
hebung  unsrer  zelten,  auf  die  rechnung  der  Verdienste 
des  vergangenen  alters  etwas  zu  gute  thut  Gottsched 
d.  neueste  7,  529;  so  viel  er  sich  auf  seinen  alten  vater  zu 
gute  thut,  so  stolz  bin  ich  auf  meine  liebe  tante  Rabeneb. 
s.  sehr.  3,  288; 

der  mond  schminkt  sich  und  stiehlt  der  sonne  stralen, 
thut  auf  gestohlen  brod  sich  wunderviel  zu  gut 

Schiller  1,  244  G.; 

das  bild  ging  zur  belustigung  der  gesellschaft  herum, 
weil  sie  vergasz,  dasz  der  urheber  sich  vielleicht  etwas 
zugute  that  auf  dasselbe  G.  Keller  ges.  w.  6,  86;  hei 
doüt  se!k  wuot  drup  te  güde  'er  ist  stolz  darauf  Baueb- 
Collitz  42'';  gelegentlich  mit  über:  wir  haben  nachher 
uns  oft  was  drüber  zu  gute  gethan  GtÖthe  8,  25  W. 

y)  handelstechnisch  zu  gut  III  A  7  (sp.  1280)  in  be- 
stimmten Wendungen  bedeutet  zu  gute  'zum  vorteil;  als 
guthaben,  f orderung' ,  vgl.  zu  gute  komen  prevenire  {'über- 
vorteilen') Diefenbach  gl.  458^  (15.  jh.);  vergleichbar 
auch  zu  gute  lassen  'vorteil,  vorsprung  lassen;  nachstehen': 
dasz  es  {das  maultier)  auch  in  seinem  sinn  den  rossen 
mit  lauffen  .  . .  nichts  zu  gut  lassen  wolte  Heyden 
Pliniu^  (1565)  228;  ähnlich  zu  gute  gehen  'zum  vorteil 
gereichen':  damit  dem  kauffer,  weil  er  im  herausz- 
schmeltzen  desz  silbers  einen  abgang  leiden  musz,  die 
übrigen  pfundt  ...  in  seinem  kauf  zu  gut  gehen  Ercker 
mineralertzt  (1580)  13'*';  zu  gute  schreiben  'als  guthaben 
blichen',  vgl.  einem  so  viel  geld  zu  gut  schreiben  notare 
qualche  somma  in  credito  ad  uno  Kramer  t.-ital.  l,  680*: 
du  kannst  diese  nun  an  Bucklen  auszahlen  und  ich  will 
sie  dir  zu  gute  schreiben  Göthe  IV  5,  89  W.;  sie  ... 
lassen  sich  für  die  Vorschüsse,  die  sie  geben,  eine  provision 
zu  gut  schreiben  Gutzkow  ges.  w.  5,  97;  zu  gute  haben, 
behalten  'als  guthaben  haben,  behalten':  wenn  ich  mich 
aber  alle  acht  tage  resignire,  so  hab  ich  es  freilich  bei 
dreyhundert  und  fünf  und  sechzigen  zu  gute  Göthe  1  4, 
125  W.;  der  alte  marm  hat  zwei  groschen  zu  gute  für  die 
uhr,  die  er  mir  gestern  ausgeblasen  hat  Gutzkow  ritter 
V.  geiste  4,  143;  so  mundartlich  verbreitet,  oft  bildlich:  i  ha 
selb  no  z  guet  'habe  es  noch  zu  erwarten'  Seiler  Basler 
ma.  153;  eps  ze  guet  han  'geld  ausstehen  haben'  Mabtin- 
LiENHART  1,  249;  en  holt  nach  eppes  bei  mir  ze  gud 
Gangler  Luxemb.  489;  ik  heff  noch  enen  togui  Men- 
siNG  2,  423;  aus  der  beyliegenden  rechnung  sehen  sie, 
dasz  sie  nach  abzug  der  200  laubthk.  bey  mir  noch  zu 
gute  behalten  Göthe  IV  11,  228  W.;  ähnlich:  dem  künst- 
ler,  mit  dem  ich  in  abrechnung  stehe,  habe  ich  15  du- 
katen  zu  gute  gethan  30,  44 ;  häufl^er  elliptisch  gut  schrei- 
ben, gut  haben  usw.,  vgl.  sp.  1248. 

d)  im  anschlusz  an  gut  IV  C  bezeichnet  zu  gute  be- 
sonders in  älterer  spräche,  dasz  die  handlung  den  attsdruck 
freundlicher  gesinnung  bezweckt  oder  den  zustand  freund- 
schaftlichen einvernehmens  herbeiführt. 

a)  bei  verben  des  sagens  und  denkens;  ahd.  zi  guote 
nennen  u.  ä.  übersetzt  tat,  benedicere: 

(Zacharias)  was  ein  ewarto,       zi  guate  si  er  ginanto 

Otfeid  I  4,  2 ; 

dero  rehton  geburt  wirt  ze  guote  genamot  {benedicetur) 
NoTKER  ps.  111,  2;  ze  guote  gechattost  du  dina  erda 
(benedixisti)  ps.  84,  2;  zi  guote  sprechan  'freundlich, 
gnädig  anreden': 

so  ist  themo  gotes  drute      gisproclian  zi  guate, 
Moysene  in  wäre      themo  wizodspentare 

Otfrid  V  8,  35,  vgl.  zi  guate  gruazen  II  16,  24; 

zu  gute  gedenken  'in  freundlichkeit  gedenken,  in  gutem 
andenken  behalten': 

gedsehte  man  ir  ze  guote  niht, 
von  den  der  werlde  guot  geschiht, 
8Ö  wsere  ez  allez  alse  niht 

GOTFRiD  V.  Straszbfkg  Tristan  1; 

meister  Jordan  prediger  ordens  (so  sein  got  zuo  guot 
{gnädig']  gedenk)  Meoenbebg  buch  d.  natur  196  Pf.; 
liebir  meistir  ...,  gdenckt  mein  zu  gut,   ee  es  mitag 

85 


1347 


GUT,  adj.,  IX  B  8 


GUT,  adj..  IX  B  2 


1348 


würt,  ich  scheid  darvon  Eulenspiegel  llO  ndr.;  ähnlich  in 
negativer  formet: 

daz  ich  Ir  guoten  guete 
ze  guote  niht  vergezzen  wil 

minncs.  1,  73"  v.  d.  Eagen. 

ß)  bei  Verben  des  aufnehmens  und  empfangens  'freund- 
lich aufnehmen': 

selben  Krlst  thar  betota      joh  slnaz  wort  ouh  lobota 
intflang  iruz  zi  guate      mammuntemo  muate 

Otfeid  in  11,  20; 
swer  guote  rede  ze  guote 
und  ouch  ze  rehte  kan  verst&n 

GOTFRID  V.  Stkaszbubo   Tristan  4632; 
stelle  s!  diu  mir  daz  wol  verstß  ze  guote' 

Walther  109,  3; 

allergnedigste  junckfrauw,  ich  nim  euweren  schimpff  gern 
zu  gut  Wickkam  w.  2,  299  B.;  in  zusagung  der  steuern 
hat  man  die  gesandten  zu  gut  genommen  quelle 
bei  Schmeller-Fk.  1,  964;  anders  'vorlieb  nehmen,  sich 
zufrieden  geben  mit  etwas':  die  (söhne)  muesten  sich 
alles  erbs  .  .  .  für  sich  und  all  ir  nachkomen  verzeihen 
....  muesten  ains  auf  ainem  schaitlein  (wie  man  spricht) 
von  so  vil  land  und  leuten  ,  . .  zu  guet  nemen  Türmatr 
w.  5,  165  L.; 

nembt  mit  mir  armen  gsellen  z  gut 

SCHMEiTZL  hochzeit  z.  Cana  (1543)  18». 

y)  bei  verben  des  Schaffens  vom  herzustellenden  zustand 
freundlicher  gesinnung;  subjektiv: 

man  macs  üz  übelem  muote 
bekßren  wol  ze  guote 
unde  niht  von  guote 
bringen  ze  übelem  muote 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  1880; 

das  er  (Esau)  vil  gar  ze  gute 
beclierte  In  slnem  mute 
swas  er  zornes  ie  gewan 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  6696  Ehr.; 

damit  er  ze  guote  brsehte 
die  vintschaft  und  den  häz 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  3500  Seem.; 

objektiver  'freundschaft,  einvernehmen': 

BUS  brAht  siz  in  ir  muote 

ze  suone  und  ze  guote 

und  machte  im  unschult  wider  s! 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  2051; 

der  redt  sampt  mit  im  und  bracht  die  sacli  zu  gut  zwi- 
schen des  und  seins  vatters  (15.  jh.)  städtechron.  4,  122; 
alsz  ers  {den  auf  rühr)  nu  nicht . . .  konte  wieder  zue  guete 
machen,  ist  der  Fritz  Hans  uff  dem  predigstuel  gestiegen 
und  das  volck  vermanet  27,  153;  etwas  anders  'in  wohl- 
ineinender  absieht': 

tuost  du  daz  ze  guote, 

söne  wize  ich  dir  dar  umbe  niht 

Walthkr  50,  29; 

ähnlichen  sinnes  im  schles.  sich  zu  gute  geben  'sich  be- 
schwichtigen lassen,  sich  beruhigen,  sich  zufrieden  geben', 
vgl.  Knothe  schles.  277,  Rother  schles.  sprichw.  254^: 
gieb  dich  zu  gute,  mein  junge,  für  dich  ist  noch  nicht 
jede  aussieht  verschwunden  Holtet  erz.  sehr.  24,  128;  (er) 
konnte  sich  noch  immer  vor  lachen  nicht  zu  gute  geben, 
bis  er  sich  endlich  ganz  verhustete  Eichendorf  s.  w.  3, 92. 
e)  vereinzelt  zu  gut  V  B  'rechtschaffenes  handeln': 

wis  horsam  io  zi  guate      ni  hori  themo  muate 

Otfeid  I  18,  40; 
wider  zu  gut  keren  resipere  {vocab.  v.  1440)  Diefenbach 
gl.  494'';  was  tu  ich  zu  gut,  das  ich  habe  das  ewig  leben? 
erste  dtsche  bibel  1,  73  Kurr. 

2)  für  gut  in  bestimmten  Verbalverbindungen  seit  mhd. 
zeit  bezeugt  ist  zunächst  als  substantivierter  gebrauch  des 
adj.  neutr.  aufzufassen  im  sinne  'für  eine  gute  sache',  vgl. 
im  spiel  mit  gut,  n.: 

daz  solt  ir  nemen  für  gröz  guot 

Berth.  V.  Holle  Crane  1391  B.; 

neuerer  spräche  ist  diese  ableitung  nicht  mehr  bewuszt,  so- 
dasz  Schreibungen  mit  groszem  anfangsbuchstaben  nicht  auf- 


treten; im  mhd.  und  älteren  nhd.  häufig  zusammengerückt 
unter  Schwächung  des  nebentonigen  vokals  der  präposition 
als  verguot,  vergut,  so  auch  mundartlich;  bedeutungsmäszig 
stellt  sich  gut  hier  meist  zu  gut  III  A  als  'angenehme, 
erfreuliche,  zufriedenstellende  sache',  oft  mit  besonderer 
färbung  'eine  sache,  die  nicht  völlig  dem  umnsche  ent- 
spricht, die  man  sich  aber  noch  gefallen  läszt',  vgl.  analog 
gebrauchtes  für  lieb  teil  6,  sp.  911. 

a)  für  gut  haben  hält  sich  schriftsprachlich  bis  ins  17.  jh. 
hinein;  'zufrieden  sein,  vorlieb  nehmen,  sich  begnügen  mit 
etwas' : 

die  wlle  ich  singen  wil,  so  vlnde  ich  iemer  wo! 

ein  nluwe  lop  daz  ir  gezimet. 

nü  habe  ir  diz  für  guot:  so  lobe  ich  danne  m6 

Walthbe  64,  26; 
das  sullin  si  für  gilt  wol  han 
und  für  das  die  vorderunge  lan 
an  unsirn  roub 

KüDOLF  V.  Ems  weltchron.  26179  Ehr.; 

er  dailte  mit  im  was  er  hett, 

geleich  was  er  asz: 

hab  verguett  was  ich  han 

Heine,  v.  Neustadt  Apoll.  1417  S.; 

wo  ich  yhm  aber  wurd  tzu  wenig  thun,  woltist  für  gut 
haben,  ich  wils  ein  ander  mal  bessern  Luther  bulla 
cene  domini  (1522)  a  Z^;  so  ists  8icher(er)  im  walt 
für  guet  zu  haben,  dann  in  der  Indianer  heuser  oder 
fleckhen  U.  Schmidel  reise  107  lit.  ver.;  soUend  wir  billicb 
iez  mal  an  dissem  vergun  haben  und  gott  dem  herrn 
darumb  dank  sagen  abt  Witwyler  bei  Schmeller-Fr. 
1,  964;  wer  den  wein  hat  getruncken,  der  soll  auch  vor 
gut  haben,  wann  er  auf  die  hefen  kompt  Lehman  flor. 
pol.  (1662)  1,  172;  wärsch  vur  gutt  hot,  wils  no  bessr  han 
Rother  schles.  sprichw.  214^1;  mit  umgekehrtem  sinne  in 
formelhafter  Verbindung  übel  für  gut  haben  'etwas  als  ein 
übel  betrachten,  mit  etwas  unzufrieden  sein,  etwas  übel 
nehmen',  vgl.  übel  vergut  aufnemmen  adversis  animis 
accipere  Frisiüs  93'',  ein  ding  übel  für  gut  haben  aliquid 
aegre  boni  consulere  Henisch  1787,  ich  hab  das  laben  nit 
übel  vergut  patior  non  moleste  eam  vitam  Frisius  958*^: 
bald  darnach  aber  hat  Lysias  .  .  .  übel  für  gut  ghept, 
die  ding  die  sich  verlauffen  hattend  Zürcher  bibel  (1531) 
330'>;  dasz  k.  Friderich  . . .  solchen  krieg  . . .  nit  befolhen, 
sonder  solche  Verhinderung  übel  für  gut  gehabt  habe 
Stumpf  Schweizerchron.  (160C)  19'»,  vgl.  Staub-Tobleb 
anders  wie  zu  gute  halten  («.  o.  sp.  1344)  'freundlich  2,  542; 
aufnehmen,  günstig  anrechnen': 

nu  suochet  iu  w!p  s6  gemuot, 
die  solhe  schimpfe  hän  verguot 
Heeeant  V.  WILDONIE  in:  erz.  u.  schw.  210  Latnbel; 

es  ist  myr  zcu  vül,  das  e.f.g.  szo  weyt  jmn  mejmn  sache 
und  mühe  gezcogen  wirt,  die  weyl  aber  die  not  und  gott 
szo  fuget,  bitt  ich  e.f.g.  wolt  myrs  zcu  gnaden  vor  gute 
haben  Luther  br.  1,  207  de  Wette;  verguot  habn  'zu  gute 
halten'  Lexer  kämt.  128;  'gern  sehen,  billigen': 

ez  was  dem  abte  ungemach 
unde  het  ez  niht  verguot 
Ottokae  V.  Steiermark  reimchron.  26624  Seem.; 

vgl.  substantiviert  'billigung':  mit  der  vorgut  des  N.  Augsb. 
spitalurk.  v.  1313  bei  Schmeller-Fr.  l,  964;  im  sinne 
'etwas  hingehen  lassen,  dulden': 

und  hetten  für  guot  gat  alle  man 
was  man  die  frawen  sähe  begän 
.    .  ir  etzliche  wurden  unguot 
Ulrich  v.  Lichtenstein  frauenbuch  1962  Bergm.; 

das  wolt  der  hertzog  nit  für  gut  haben,  sunder  fieng  den 
pfaltzgraven  Seb.  Münster  cosmogr.  (1550)  1018;  diesen 
spotbossen  wolt  graf  L.  nit  verguet  haben  Zimmer,  chron.^ 
3,  415  Bar.;  in  entschuldigungsformeln  'verzeihen': 

es  (das  JesusJHnd)  ist  noch  jung,   haben  vergütt! 
Erasm.  Schaltoeffer  (1478)  bei  Schmeller-Fr.  1,  964; 

hab  ietz  vergut  I  K.  Manuel  28  Bächt.; 

auf  gut  V  5  übertragen  'für  etwas  rechtsclmffenes  halten' : 

wan  enem  kan  niht  geschaden  swer  für  guot  hat  swaz  er 
tuot        Walther  107,  9. 


1349 


GUT,  ad}.,  IX  B  8 


GUT,  adj.,  IX  B  4—5.  X  (kompositionstypen)     1350 


b)  für  gut  nehmen  oder  mit  ähnl.  verben  erhält  sich  gleich- 
falls bis  ins  17.  jh.  und  ivird  dann  durch  vorlieb  nehmen 
verdrängt;  im  sinne  'zufrieden  sein,  sich  begnügen  mit  etw.' : 

minne  sol  daz  nemen  vür  guot 

Walthbr  58,  12; 

der  riche  vriunt  sol  nemen  verguot 
den  dienst,  den  im  der  arme  tuot 

Freidank  98,  5  Or.; 

bitt,  ihr  wollet  auch  die  geringe  malzeit  nicht  verachten, 
sondern  ,  .  .  damit  für  gut  nemmen  volksb.  v.  dr.  Faust 
98  Br.; 

(freundschaft)  . . .  nimmet  auch  für  gut, 
was  ein  treues  freundgemühte  mit  paplergeschenken  tuht 
Stielkr  geh.  Venus  11  ndr.; 

verguet  nemmin  'vorlieb  nehmen'  Lexek  kämt.  128;  etwas 
anders  wie  zu  gute  halten  'freundlich  aufnehmen',  vgl. 
für  gut  nemen,  annemen,  aufnemen  in  bonam  partem 
accipere  Henisch  1787: 

lob  ich  sl  s6  man  ander  frouwen  tuot, 
dazn  nlmet  eht  si  von  mir  niht  für  guot 

Beinmar  d.  a.  in:  d.  minnes.  Jrühl.  159,  6; 

ez  nimt  got  selten  vur  gut, 
swaz  man  dem  teufel  liebes  tut 

kl.  mhd.  lab.  u.  lehrged.  3, 194,  69  Rosenh.; 

■wo  sie  freundlichen  scherzen  thut 
und  nimbt  auch  scherz  wieder  vergut 

H.  Sachs  9,  345  K.; 
daz  nam  die  muoter  niht  verguot 

ztschr.  f.  dtsch.  altert.  6,  498 
'freudig  annehmen  : 

des  Vaters  klag  was  so  gros, 
das  in  des  lebens  gar  verdros; 
den  tod  biet  er  für  gut  genömen, 
wer  er  in  nur  ane  chömen 
Havich  d.  Kellner  st.  Stephans  leben  4620  McClean; 

noch  anders  'als  gültig  anerkennen': 

sie  nämen  verguot  den  eit 

Hkrbort  v.  Fritzlar  16011  Fr.; 

in  entsprechenden  bedeutungen  für  gut  aufnehmen,  vgl.  für 
gut  aufnemen,  im  besten  verston  aequi  boni  facerc 
Frisius  159^;  für  gut  auf  nemmen,  zulassen,  annemmen 
recipere  et  respuere  1121^; 

sorg  nicht,  was  da  zucht  halb  gezlmpt, 
beim  wein  man  alls  für  gut  aufnimpt 

K.  Scheit   Grob.  3697  ndr.; 

woferne  der  fürst  ein  nachsinnen  hat,  kan  er  sein  gedieht 
nicht  vor  gut  aufnehmen,  als  in  welchem  da  sein  fried- 
liebendes haupt  mit  einem  krieges-  und  siegeskrantze 
also  schertzende  bekrönet  d.  unsichtb.  Charmion  (1697) 
615. 

8)  in  gut,  in  gute  hält  sich  bis  in  frühnhd.  zeit  hinein. 

a)  in  gut  'in  richtung  auf  das  gute  hin' ;  Z7i  gut  IV  B 
^ind  C  im  sinne  'zur  freundlichen  gesinnung  und  zum 
gütigen  handeln  hin',  d.  h.  'freundlich,  gütig,  gnädig' : 
inphah  mih  in  guot  Notker  ps.  118,  122; 

dar  an  er  im  bescheinde, 
daz  erz  in  guot  melnde 

Hartmann  v.  Aue  Erec  4902; 

swer  daz  iht  anders  wan  in  guot 
vernemen  wil,  der  missetuot 

GoTFRiD  v.  Straszburg   Tristan  7; 

darumb  thut  und  laszt,  was  euch  eben  ist,  nempt  es  in 
gut  oder  in  übel  auf,  so  ist  sie  doch  mein  weib  Aeigo 
decam.    (1580)   2,  204t>; 

so  bitten  wir  euch  all  vorahn, 
ir  wölt  es  in  gut  hie  verstahn 
und  uns  zu  dem  besten  auszlegen 

H.  Sachs  14,  3  K.-  6.; 

zu  gut  III  A  4  'zu  einem  erfreulichen,  glücklichen  zustand 

hin' : 

swenne  du  ez  keren  wilt  in  guot, 
nu  rät,  zierlicher  degen  vruot,  « 
daz  wir  von  disen  sorgen  kumen 

Heinrich  v.  Frexberq  Tristan  2871  Beehst.; 

du  mäht  ain  iegleich  dinch  wol  handeln  in  übel  oder  in 
guot  KoKEAD  V.  Megenberg  buch  d.  nat.  380  Pf.; 

swaz  er  uns  ze  leide  tuot, 
daz  machet  uns  got  in  guot 

V.  d  Siebenschläfern  369  Karajan. 


b)  in  gute  zu  gut  IV  B  ^in  vnlliger,  freundlicher,  gütiger 
gesinnung';  'in  freundlicher  absieht': 

diz  sprach  er  niht  in  gute 
noh  in  einvaltem  mute 

KUDOLF  V.  Ems  weltchron.  30403  Ehr.; 

her,  den  rät  den  wir  iu  geben, 
den  vervähet  uns  in  guote 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  31384  Seem.; 

so  solstu  ir  den  fried  anblten 
durch  ein  bottschaft  in  allem  gut 

H.  Sachs  6,  212  K.; 

vielleicht  noch  hierzu:  in  jüte  {ohne  umlaut)  'in  gute,  in 
frieden'  Jecht  Mansf.  45. 

c)  vereinzelt  zu  gut  V  A  5 :  concupiscentia  unde  desi- 
derium  dei  lutent  beidiu  giride,  so  ist  desiderium  ette- 
wenne  in  guote  {'in  positivem,  nicht  pejorativem  sinne'), 
ettewenne  in  ubile  gesprochen  {'gesagt')  Windberger  ps. 
497  Oraff. 

4)  mit  gute  (gut)  reicht  ebenso  noch  vereinzelt  in  nhd. 
zeit  hinein;  zu  gut  III  A  5  'mit  freudig  keif : 

'far'  quad  er  tho  innan  thes,       'tohter,  heimortes 

mit  fridu  joh  mit  guatu  . . .'  Otfrid  III  14,  47; 

zu  gut  IV  C  1-3  'mit  gütigem  handeln,  durch  gütliches 
zureden': 

ob  st  ir  vrouwen  haz 

bekerte  mit  guote 

ze  senfteren  muote 

Hartmann  v.  Afk  Iwein  2007; 

etuxis  anders  zu  gut  IV  B  2  b  'mit  willigem  sinn': 

was  nicht  sein  sol  noch  kan, 
soltu  mit  gut  fahren  lan 
Petri  d.  Teutschen  weiszA.  (1604)  2,  Z  z  2'»; 

fraglich,  ob  noch  hierher  zu  gut  V  B  oder  aus  das  gute 
{s.  o.  gut  VIII  B  1  b)  erdwickeU:  wenn  men  med  gaue 
dör  de  weit  wil  'wenn  man  ehrlich  durch  die  weit  will' 
Schambach  Oött.  eo"'. 

5)  durch  gut  beschränkt  sich  ganz  auf  ahd.  und  mhd. 
Sprache;  zu  gut  IV  C  1-3  'zum  zwecke  eines  aus  freund- 
licher gesinnung  hervorgehenden  tuns'  d.  h.  'in  freund- 
licher absieht': 

. .  .  ir  quamut  hera  thuruh  guat 

Otfrid  V  4,  38; 
...  er  reitez  durch  guot 

Nibelungen  1953,  IL.; 

ez  sl  durch  guot  getan 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alex.  2603  T.; 

eme  sagiz  im  durch  guot     v.  rechte  301  Waag; 

ich  frage  iuch  niuwan  durch  guot 

.  Hartmann  v.  Aue  Erec  3519. 

X.  kompositionstypen. 

Zusammensetzungen  mit  gut  als  erstem  hompositionsglied 
treten  seit  ältester  Sprachüberlieferung  auf,  vgl.  got.  goda- 
kunds  {evyeyTJ^)  Lukas  19,  12,  ahd.  guotwillig,  as.  god- 
spräki  Heliand  567,  anord.  godrddr  Gripisspd  26,  3, 
bleiben  aber  noch  in  mhd.  zeit  im  ganzen  selten;  erst  nhd. 
ist  ein  stärkeres  anwachsen  der  komposita  zu  beobachten, 
doch  erscheint  nur  der  typus  der  partizipialen  adjektive 
von  ungehemmter  triebkraft.  Stichwörter  ohne  belegstellen 
sind  an  alphabetischer  stelle  behandelt. 

1)  adjectiva. 

a)  Zusammensetzungen  von  gut  adj.  mit  einem  adjekti- 
vierten  subst.,  vgl.  got.  godakunds  {s.o.):  gutachtlich; 
-artig;  -batzet:  ein  gutbatzete  feyste  brat-  oder  leber- 
wurst  GuARiNONius  greuel  d.  verwüst.  (1610)  1201;  -batzig 
Staub-Tobler  4,  1974;  -blutig:  die  asche  des  gutblütigen 
faullenzers  v.  Göchhattsen  meiree  reisen  13;  -bürgerlich; 
-dünklich;  -dünkUsch;  -gängig:  hünerhunde  {sind)  sehr 
gutgängig  Heppe  ZeArpriwz  (1751)  16;  -geschirrig;  -gläu- 
big; -grundig;  -günstig;  -herrschaftlich;  -herz;  -herzig; 
-kauf;  -launig;  -meinig;  -mutig;  -säftig;  -sinnig;  -sittig; 
-tätig;  -tuchen;  -wächsig:  schöne  bäume,  gutwächsige 
säten  J.  B.  Porta  nat.  magia  (1617)  407;  -willig;  hierzu 
stellen  sich  die  formal  nach  art  der  partic.  praes.  gebildeten 
adjektive:  gutbeleibt:  kein  so  gut  beleibter  bestürmer 
Gleim  briefw.  l,  169  K.;  -geartet;  -gebeint  Staub-Tob- 
ler 4, 1306 ;  -gemutet :  ein  gutgemütheter  mann  Sonnen- 

85* 


1351 


GUT,  adj.,  X  (Jcompositionstypen) 


GUT,  adj.,  X  (Jwmpoaitionstypen)  1352 


FELS  ges.  sehr.  (1786)  9,  274;  -gelaunt;  -gemut;  -gesinnt; 
-gesittet:  gutgesittete  leute  M.  Claudius  Asmus  (1775) 
7,  3«;  -gestaltet:  wie  er  so  dastand,  jung,  gutgestaltet 
G.  Freytag  ges.  w.  13,  17;  -gewillt:  ein  gutgewillter 
mensch  Gervinüs  gesch.  d.  ätsch,  diehtung  3,  425. 

b)  Icompositionen  mit  einem  adjektiv,  wobei  gut  stei- 
gernde funktion  {vgl.  gut  VII  F  2)  besitzt,  soweit  nicht 
zusammenrückung  einer  doppelformel  vorliegt  wie  in  den 
ältesten  (15/16.  jh.)  gutgern,  gutselig;  gutbeständig:  in 
gutbeständiger  ruhe  Bdtschky  Pathmos  (1677)  einf.  )(  5^; 
-edel;  -gern:  guotgern,  wole  enstich  benigna  (15.  jh.)  bei 
Schmeller-Fr.  1,  063;  -katholisch:  dieser  gutkatholische 
könig  ZscHOKKE  s.  ausgew.  sehr.  5,  324;  -moralisch:  dem 
gutraoralischen  karakter  A.  G.  Meiszner  Alcibiades  (1781) 
2,  50;  -protestantisch:  die  gutprotestantischen  Christen 
Läükhard  leb.  u.  schicks.  4,  128;  -prosaisch:  ein  gut- 
prosaisches nachtessen  Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  24,  58; 
-ratsam:  doch  befand  man  gutrhatsam,  dasz  ,  .  .  Ftsch- 
ABT  Oarg.  361  ndr.;  -richtig  Rother  schles.  sprichw.  351; 
-schweizerisch:  diese  drey  gutschweizerischen  Wörter 
La  VATER  physiognom.  fragm.  3,  329;  -selig. 

c)  participia  praesentis  als  adj.  in  komposition  mit  gut 
VII  begegnen  seit  dem  14.  jh.,  vgl.  gutscheinend;  gutbe- 
stehend: eine  kleine  kolonie  von  gutbestehenden  G.  Kel- 
ler ges.  w.  5,  179;  -denkend;  -gehend:  eine  flotte  und 
gutgehende  bäckerei  denkw.  u.  erinn.  e.  arbeiters  (1903)  17; 
-herzend;  -klingend:  einen  gutklingendon  vers  Dahl- 
MANN  gesch.  v.  Dänem.  l,  26;  -laufend:  die  gut-  und 
sicherlau  Sende  pferde  v.  Hühberg  georg.  cur.  (1682)  2, 
179;  -meinend;  -scheinend;  -schlieszend :  ein  gut- 
schlieszendes  glasgefäsz  Li  e  big  handb.  d.  chemie  626; 
-sitzend:  man  passioniert  sich  eben  für  das  gerade  und 
gutsitzende,  wenn  man  von  der  natur  solche  irreguläre, 
krummbeinige  flickschusterstatur  mitbekommen  hat 
H.  V.  K  AHLEN  BERG  d./omt7ie  Barchtvitz  (1902)  37 ;  -tuend; 
-wirkend ;   -wollend. 

d)  besonders  triebkräftig  ist  der  junge  typus  (17.  jh.)  von 
kompositionen  der  participia  praeieriti  als  adj.  mit  gut  VII; 
da  nahezu  jedes  Irans,  vb.  so  verwendet  werden  kann,  folgen 
nur  häufigere  beispiele;  gutbebaut:  der  grosze,  gutbebaute 
garten  G.  Keller  ges.  w.  1,  17;  -beleuchtet:  von  dem 
mahlerischen  effekte  eines  jeden  gutbeleuchteten  mundes 
Lavater  physioqn.  fragm.  2,  239;  -bereitet:  in  einer  gut- 
bereiteten blutlauge  allg.  dtsche  bibl.  38,  500;  -besetzt: 
eine  gutbesetzte  tafel  Justi  Winckelmann  2,  l,  356;  -be- 
standen :  am  rande  des  gutbestandenen  hochwaldes  Auer- 
bach sehr.  5,  24;  -besucht:  die  gutbesuchte  Sitzung  jahrb. 
d.  Grillparzergesellsch.  8,  325;  -bezahlt:  seine  gutbezahlten 
erfolge  B.  Weber  Tirol,  u.  d.  reform-.  47;  -dotiert:  die 
gutdotierte  stelle  des  jüngstverstorbenen  alten  kanzel- 
redners  Holtei  erz.  sehr.  8,  103;  -eingerichtet:  gutein- 
gerichtete Seelen  Ramler  einl.  (1758)  l,  99;  -erzogen:  ein 
feines,  wohlgewachsenes  und  guterzogenes  mädchen 
A. G.  Meiszner skizzen  (1778)  l,  34;  -frisiert:  ein  gutfrisier- 
tes haar  J.  A. Gramer  d.  nord.  aufs.  (1758)  2. 47 ;  -fundiert: 
auf  dieser  gutfundierten  schule  .1.  Grimm  kl.  sehr.  1,  3; 
-gearbeitet:  gutgearbeitete  . . .  musik  W.  H.  Riehl  musik. 
charakterk.^  1,  373;  -gebaut;  -gebildet:  einen  gutgebil- 
deten und  wohlgekleideten  menschen  Schiller  4,223  0.; 
-gedacht:  geistreiche,  gutgedachte  einfalle  Göthe  IV  22, 
84  W.;  -gedüngt:  das  gutgedüngte  land  Mothes  baulex. 
1,  309;  -gefaszt:  kan  ein  gutgefaszter  schlusz  nicht  seinen 
zweck  erreichen?  oraf  Sporck  streitged.  93;  -geformt: 
den  gutgeformten  köpf  J.  Rank  erinn.  13;  -geführt:  die 
haupteigenschaft  eines  gutgeführten  bogens  Quantz  an- 
weis, d.  flöte  zu  spielen  (1789)  189;  -gehalten:  ein  mäsziger 
häufen  von  hundertdreiszig  gutgehaltenen  häusern  Steub 
drei  sommer  i.  Tirol  2,  99;  -gekleidet:  sein  äuge  .  .  .  ver- 
weilte auf  jedem  gutgekleideten  frauenzimmer  Miller 
Siegwart  (1777)  2,  507;  -gemacht:  mit  einer  gutgemachten 
suppe  d.  wohlgepl.  priester  (1695)  55;  -gemalt:  (ein)  gut- 
gemahltes  bild  Lohenstein  Arminius  (1689)  2,  1541»; 
-gemeint;  -geschaffen:  ein  solch  gutgeschaffen  gewächs 
J.  G.  Schmidt  gestr.  roc.kenphilos.  (1706)  2,  lO;  -ge- 
schrieben;  -gesetzt;   -gespielt:  gutgespielte  rollen  J.  A. 


Gramer  d.  nord.  aufs.  (1758)  1,  llO;  -gestellt:  das  gesicht 
.  . .  der  gutgesteUten  landfrau  M.  Heyne  körperpfl.  33; 
-gestimmt:  gutgestimmt«  menschen  allg.  dtsche  bibl.  63, 
410 ;  -getroffen :  ein  gutgetroffenes  portrait  fürst  Pückler 
briefw.  1,  398;  -gewachsen:  kinder  von  . . .  gutgewachsenen 
Zwergen  Holtei  erz.  sehr.  11,126;  -gewählt:  gutgewählte 
und  unwidersprechliche  beyspiele  J.  A.  Gramer  d.  nord. 
aufs.  (1758)  1,  243;  -gezielt:  gutgezielten  stöszen  imd 
hieben  E.  T.  A.  Hoffmann  s.  w.  i,  12  Or.;  -situiert: 
aus  dem  gutsituierten,  aber  nicht  sehr  fleiszig  besorgten 
posten  BisMARCK  ged.  u.  erinn.  1,  144;  -unterrichtet:  die 
'gutunterrichteten'  leute  wollen  behaupten  J.  Venbdey 
die  wage  (1845)  4,  3;  -vermeint:  sie  wollen  lieber  einen 
guten  freund  als  eine  gutvermeinte  antwort  verlieren 
Harsdörfbr  geschichtsp.  (1654)  658;  -versorgt:  wohl- 
gepÜegte  küche  und  gutversorgten  keller  W.  V.  Polenz 
Orabenhäger  (1897)  2,  272. 

2)  adverbia. 

adverbiale  bildungen  aus  substantivierten  Verbindungen 
zusammengerückt  bleiben  seÜen:  gutenteils;  gutermaszen; 
gutesteils;  gutwillens. 

3)  verba. 

von  den  verbalkompositionen  sind  die  aUeren  {seit  dem 
14.  Jh.,  vgl.  gutwillen)  meist  au^s  präpositionalen  Verbin- 
dungen ziisammengerückt  {vgl.  gutachten),  die  jüngeren 
stellen  sich  zu  gut  VII  oder  sind  technische  fachausdrücke 
zu  gut  lAcy:  gutachten;  -bedünken;  -befinden; 
-dünken;  -finden;  -heiszen;  -jähren;  -kochen;  -machen; 
-meinen;  -rösten;  -sagen;  -schreiben;  -sprechen;  -stehen; 
-treffen;  -treiben;   -tun;   -willen;   -züchten. 

4)  substantiva. 

a)  kompositionen  von  gut  mit  echten  Substantiven  treten 
seit  ahd.  zeit  auf,  vgl.  guttat,  gutwerk,  und  sind  meist 
zusammenrückung  fester  Verbindungen  des  adj.  mit  be- 
stimmten Substantiven. 

a)  zu  gut  I  gehören  folgende  bildungen:  gutart;  -brief; 
-bürge;  gutegroschen ;  gutfeuer;  -geld;  -genug;  -land; 
-ofen;   -schein;   -Schrift;   -spräche;   -spruch. 

ß)  zu  gut  II  gehören:  gutbier;  gutemann;  guterz;  -frei- 
tag;  -mann;   -tuch;  -weizen. 

y)  au^  gut  III  sind  entwickelt:  gutenacht;  gutfurt; 
-jähr;   -leben;   -mut;  -tag;   -tat;   -wetterperiode. 

J)  an  gut  IV  schlieszen  sich  an:  gutefrau;  -hulde;  gut- 
freund;  -geselle;  -glück;  -leute;  -leuthaus;  -leuthof; 
-leutmann;  -männlein;  -meinung;  -sinn;  -tat;  -täter; 
-Wille. 

e)  zu  gut  V  stellen  sich:  gutgetat;  -sittigkeit;  -tat; 
-täter;  -werk. 

b)  Zusammensetzungen  mit  Substantivableitungen  aus 
adjektiven  begegnen  seit  dem  15.  jh.,  vgl.  gutartigkeit ; 
-gesinntheit;  -gläubigkeit ;  -herzigkeit;  -mildigkeit; 
-mütigkeit;   -sinnigkeit;  -tätigkeit;  -Willigkeit. 

c)  komposita  aus  substantivierten  verben,  teils  subst. 
inf.,  teils  suffixale  ableitungen  treten  mit  dem  15.  jh.  auf, 
vgl.  gutgefallen;  gutachten;  -achter;  -achtung;  -ansehen; 
-bedünken;  -befinden;  -befindung;  -befund;  -behagen: 
ich  führe  dir  nach  meinem  guhtbehagen  den  arm  Schot- 
T^h  friedenssieg  31  ndr.;  -brand  Kerl  thonwaaren  (1907) 
1406;  -denken;  -dunkel;  -dünken;  -dünkenheit;  -dünker; 
-dunkler;  -dünklichkeit;  -dünkung;  -erachten;  -färben; 
-färber;  -finden;  -findung;  -gedunken;  -gefallen;  -gönner; 
-haben;  -häber;  -handeln;  -heiszer;  -heiszung;  -macher; 
-machschein;  -machung;  -meiner;  -mögen;  -sage;  -sager; 
-sagung;  -schau;  -schmecke;  -schmecker;  -Schreibung; 
-sein;  -sprechen;  -sprechung;  -steher;  -stehung;  -tuer; 
-tuung;  -wählrung;  -Wandlung;  -Wartung;  -wischen; 
-wöller. 

d)  gut  als  erster  kompositionsteil  in  pflanzen-  und  tier- 
namen  bleibt  unhäufig,  bei  pflanzennamen  liegt  zumeist 
gut  I  A  1  b  vor:  gutberat;  -blatterkraut;  -erbse;  -fink; 
-fisch;  -heil;  guterheinrich ;  gutkraut;  -merle;  -schlösz- 
chen;   -vergesz;  -vogel;  -wurichkraut;  -würz. 


1353 


GUT, 


A  1—3 


GUT,  n.,  A4-5 


1354 


GUT,  n.,  Substantivbildung  aus  dem  adj.  gut,  ahd.  mhd. 
guot,  as.  göd,  ags.  göd,  anord.  göd,  nhd.  gut;  die  plural- 
Jorm  ist  (im  nom.,  acc.)  bis  in  das  jüngere  mM.  mit  dem 
sing,  gkichlautend,  vgl.  gut  v.  Lobi  baier.  bergr.  3,  gut 
( =  gut)  weisth.  6,  25,  im  spätmhd.  treten  formen  mit  den 
sekundären  endungen  -e  und  -er  hinzu:  gute  JoH.  Rothe 
rittersj).  414  B.  und  wohl  hierzu  gen.  pl.  einer  goide 
chron.  d.  stifts  s.  Simon  u.  Judas  593  Weiland,  dat.  pl. 
gnden.{lS'il)hess.urk.-buch2,  504  PFysz;  gutir  Joh.Rothe 
rittersp.  413,  guddern  (1290)  Hess,  urk.-buch  3,  509  Reimer, 
godere  chron.  d.  stifts  s.  Simon  u.  Judas  594  Weiland;  der 
er-plural  ist  bereits  im  15.  jh.  die  geläufige  form  und 
ebenso  im  nJid.  gängig. 

A.  Substantivierung  des  adj.  neutr.  gut  mit  substantivi- 
scher ßezion  als  st.  n.  erscheint  seit  alters  bis  in  das  ältere 
nhd.  hinein  schriftsprachlich  verwendet,  um  die  verschie- 
denen bedeutungen  des  adj.  ins  gegenständliche  zu  erheben, 
in  ahd.  und  mhd.  spräche  ist  diese  bildung  vom  sub- 
starUiv  der  sachbezeichnung  (s.  u.  B)  bedeutungsmäszig  oft 
nicht  sicher  zu  scheiden,  vgl.  Gbaff  4,  160,  und  deshalb 
lexikalisch  verschieden  bewertet  worden;  das  mhd.  wb. 
z.  b.  reiht  sie  unter  das  st.  n.,  das  wb.  zum  Iwein  unter  das 
adj.  ein;  im  älteren  nhd.  ist  diese  bildungsweise  als  solche 
im  erlöschen  und  wird  durch  die  adjektivisch  flektierte  das 
gute  und  gutes  (s.  gut  VIII  B  und  C)  ersetzt,  doch  ist  in 
den  fällen,  wo  frühnM.  noch  abhängiger  genitiv  möglich 
ist  (z.  b.  viel  gutes,  was  gutes)  die  Unterscheidung  vom 
stark  flektierten  adj.  gutes  nicht  durchzuführen,  in  er- 
starrten formein  und  festen  pronominalen  Wendungen  hat 
sich  auch  diese  bildung  in  neuerer  spräche  erhalten,  wird 
aber  nicht  mehr  als  echtes  Substantiv  empfunden  (s.  gut  IX). 

1)  zu  gut  I  A  nur  vereinzelt;  für  eine  taugliche,  nütz- 
liche, brauchbare  sache:  fon  Nazareth  mag  sih  waz  guotes 
weean?   Tatian  17,  3; 

die  Schilde  wären  vür  stlche  deheln  guot 

WiRNT  V.  Gravenbkrg  Wigalot»  6662; 

du  Salt  alle  zyt  sin  eines  solichen  mutes, 
das  du  beginnest  etwas  gutes  {nützliche  arbeit) 

JOH.  Rothe  lob  d.  keuschh.  3226  N.; 

das  gut  und  die  nutzbarkeit  des  studierens  oder  lemens 
bona  studii  Frisius  löO*»;  präpositionale  Verbindungen  zu 
gute,  für  gut,  in  gut(e),  mit  gute,  durch  gut  s.  oben 
gut  IX  B. 

2)  selten  auch  zu  gut  II  A;  für  etwas  geistig  wertvolles: 
theist  al  fon  themo  brunnen,      tliaz  wir  hiar  guates  Zeilen 

Otfrid  V  23,  292; 
künd  ich,  swaz  ieman  guotes  kan, 
daz  teilte  Ich  mit  dem  werden  man 

Walthek  18,  21; 
für  die  kostbare,  wertvolle  sache  als  besitzgegenstand  s.  u.  Bl. 

3)  seit  alters  überaus  häufig  für  alles,  was  dem  menschen 
angenehm,  erfreulich,  vorteilhaft  ist,  entsprechend  gut  III  A, 
vgl.  ags.  gödes  ond  yfles   Widsid  51  Holth. 

a)  allgemein: 

du  (gott)  mannun 

sO  manac  coot  forgäpi 

Wessobrunner  gebet  11; 
ir . . .  wizzut  guot  zi^ebanne  iuwerln  kindon  Tatian  40, 7; 

. . .  hwat,  thu  thar  alla  tlilna  wunnea  farsliti, 

gödes  an  gardun  . . .  Heliand  3379  Heyne; 

thiu  wanna  joh  ouh  manag  guat 

Otfeid  II  16,  4; 
ih  geswigeta  guotes  (silui  a  bonis  et  dolor  meus  renovatu^ 
est)  NoTKEE  ps.  38,  3; 

. . .  swä  liep  und  guot 
den  recken  widerfüere       des  müese  ich  vreude  hän 

Nibelungen  1342,  2  L.; 
ir  bewiset  mir  übel  wider  guot 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alexander  20341  T.; 
. . .  bevalch  er  In  (den  knaben) 
dem  gräven  Eeimunde 
zu  hüte,  als  erm  gunde 
wol  gutes,  do  was  er  wol  bewart 

landgr.  Ludw.  kreuzf.  392  Naum.; 

mmser  früntlich  dinst  und  alles  gut  zuvor  (v.  j.  1493)  bei 
Stbinhausen  privatbr.  d.  mittelaü.  l,  304;  in  dem  ersten 


teyl  will  ich  geben  zuverstien  .  .  .,  was  guttes  sich  in 
dem  eelichen  stände  .  .  .  mügen  begeben  Albr.  v.  Eyb 
dtsche  sehr.  1,  5  Herrm.;  nun  Ambrogiolo  Bamaba  ge- 
sechen  und  erkant  het  (und)  im  gedachte,  da  nicht  gucz 
sich  gefügen  möcht  Abigo  decam.  151  K.;  ja  herr,  ainer 
wird  (auf  reisen)  gut  und  bösz  innen  und  müsz  manige 
eilende  herberg  haben  und  grosze  verschmähung  leiden 
Fortunatus  43  ndr.;  von  weibern  geschähe  nie  keynem 
man  gut  Tappius  adag.  cent.  sept.  (1545)  v  8^; 

bezal  das  bösz  mit  gut 

und  hab  ein  gedültigen  muth 

Petri  d.  TetUschen  weiszh.  (1604)  2,  12»; 

vergleichbar  noch  mundartlich:  he  hett  dor  vel  god  vun 
viel  genusz,  freude,  spasz  Mensino  2,  427. 

b)  in  fester  Verbindung  mit  tun:  diu  (sc.  guot)  den 
mennisken  guot  tuont  Notker  ps.  118,  127; 

daz  er  liep  unde  guot 

8ö  wider  sinen  willen  tuot 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  6667; 

woUent  sü  (die  vorgesetzten)  mir  gut  tun  und  gütlich  sin, 
daz  solte  ich  nemen  Tauler  pred.  15  V.;  wie  Moyses 
dem  volck  saget,  was  guts  ine  got  thun  wurd  erste  dtsche 
bibel  4,  442  Kurr.;  mundartlich  ist  noch  vergleichbar:  do 
hat  ose  hergott  e  gruss  gut  gedohn  Jos.  Müixee  rhein. 
2, 1524;  tou  dar  e~  guad  lasz  dir  wohl  seyn  Schmelleb-Fb. 
1,  966;  über  kein  gut  tun  vgl.  gut  IX  A  2. 

4)  zu  gut  IV  weniger  häufig  gebildet;  für  etwas,  uxis  aus 
freundlicher  gesinnung  hervorgeht,  vgl.  ags.  alwalda  |)eo 
göde  forgylde  Beowulf  956  Holth.,  anord.  h9fnom  opt  g6do 
Atlamdl  70,  4  N ecket: 

Petrus  dua  mih  wisl,       oba  ih  thlr  Hob  fllu  si, 
mit  minnu  thines  muates       mir  unnis  alles  guates 

Otfrid  V  15, 14; 

hweo  magut  ir  guot  sprehhan,  nu  ir  so  ubile  birut  Monseer 
fragm.  6,  17  Hench; 

. . .  wie  moht  man  dö  versten 
waz  er  da  mit  meinte,       niwan  allez  guot? 

Nibelungen  2108,  3  L.; 

ich  wil  in  (den  frauen)  niuwan  guotes  jehn 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  1887; 

were  es  nicht  vor  dem  heiligen  vater  gewesen,  für  wäre 
sie  Allessander  und  der  frawen  nicht  gütz  beweist  hetten 
Abiqo  decam.  72  K.; 

wir  versechend  uns  nun  alles  gütz 
ja  aller  frulntschaft,  gütigkeit 

J.  Ruf  in:  Schweiz,  schausp.  3, 165  Bucht.; 

5)  aus  gut  V  entwickelt  für  das  rechtschaffene,  sittlich 
vollkommene  denken  und  handeln:  framgangent  the  dar 
guot  tätun  in  urresti  libes  Tatian  88,  9;  enti  so  hwaz  so 
siu  in  andremo  guotes  gasihit  so  sama  so  ira  selbera 
frumono  des  mendit  Monseer  fragm.  30,  16  Hench; 

(der  teufet  zu  Adam  und  Eva) 

quad,  guat  joh  ubil  wessin,      thes  guates  thoh  ni  missin 

Otfrid  II  5, 18; 

nehein  guot  ne  täte  ih  Notker  ps.  58,  lO; 

wan  der  erkennet  übel  unde  guot 

Walther  44,  2; 

waz  hlllet  edle,  waz  hilfet  guot  (in  der  bösen  weit) 

Ulrich  v.  Eschenbach  Alexander  7789  T.; 

gudt  und  quaet  erkennen  Rotmann  rest.  62  ndr.; 

und  lernt  . . ., 

ob  ilir,  was  auf  der  weit  geschieht, 
gott  geb,  wies  alls  werd  ausgerlcht, 
recht  unrecht  gleich,  bös  oder  gut 

Hayneccius  Hans  Pfriem  185  ndr.; 

aUesgut  gehet  ausz  dem  tempel,  auch  kompt  alles  böses 
darausz  Petri  d.  Teutschen  weiszh.  (1604)  1,  a  t^;  in 
jüngerer  spräche  etwas  anders  aus  dem  adj.  neu  heraus- 
gebildet: 

dasz  wir  falsch  für  gut  gewehret 

LOGAU  sinnged.  642  B.; 

dankt  immer  gott,  der  euch  vergönnt,  ein  tröpflein 
von  gut  zu  thun  in  euer  meer  von  bösem 

Grillfarzer  s.  w.  6,  236  S, 


1355 


GUT,  n.,  B  1 


GUT,  n.,  B  1 


1356 


B.  als  Substantivierung  von  gut  II  A,  mit  einschlag  von 
gut  I  A  2  und  gut  III  A  7,  hat  sich  das  neutr.  des  adj.  früh 
zum  selbständigen  Substantiv  der  gegenstandsbezeichnung 
entwickelt;  got.  noch  unbezeugt,  aber  auch  anord.  wie  ags. 
in  diesem  gebrauch  belegbar,  vgl.  Cleasby-Vigfüsson  210*, 
BoswoRTH-ToLLER  i8Z^;  allgemeinster  ausgangspunkt 
dieser  bedeutungsentwicklung  ist  die  Verwendung  des  subst. 
adj.  für  eine  sache,  die  infolge  ihrer  nutzbarkeit  {vgl.  gut 
I  A  2),  ihrer  kostbarkeit  (vgl.  gut  II  A)  oder  ihrer  ertrags- 
fähigkeit  {vgl.  gut  III A  7)  den  Charakter  des  wertvollen 
eigeniums  besitzt. 

1)  als  bezeichnung  von  dinglichen  besitztümern  und  wert- 
gegenständen  verschiedenster  art,  soweit  sie  beweglicher 
natur  sind;  belege  aus  älterem  recht  s.  in  fülle  bei  Fischer 
Schwab.  3,  954^. 

a)  von  einzelnen  gegenständen  und  Wertstücken  des  be- 
Sitzes,  vgl.  neitt  Menio  god  Sigurctarkv.  in  sk.  52,  5  Neckel. 

a)  allgemein: 

.  .  than  wili  in  the  rlkeo  drohtin 
gebon  mid  alloro  gödö  gehwillku  Heliand  1691  Heyne; 

do  wurdin  die  brüdir  (Eain  und  Abel)  undir  In       eines 

tages  enein 
daz  ir  iewedir  noeme      sines  gutes  des  in  gezaeme, 
unde  ez  got  ophoroten  genesis  u.  exod.  24,  5  Diemer; 

hüet  es  (das  glas)  vor  allem  guote  (mehr  als  jede  kostbarkeit) 
GOTFRID  V.  Stkaszburg   Tristan  11458; 

mit  huse,  schüren  unde  Schoppen  unde  mit  allen  den 
guden,  die  dar  zu  gehorent  {v.  j.  1341)  hess.  urkundenb.  2, 
504  Wysz; 

hertzog  Äneas  auch  daneben 

Achatl  den  befelch  thet  geben, 

dasz  er  mit  näm  die  guter  schon 

ausz  Troia  gebracht  darvon 

Spkenq  Äneis  (1610)  17»; 

behalts  (das  herz),  Lisette,  denn  es  soll  dir  zugehören, 
nicht  schäme  dich  des  schlechten  guts 

Hoffmannswaldau-Nkukiroh  2,  58; 

die  schaflnerin  schaltete  drinnen 
tag  und  nacht  und  bewachte  die  guter  mit  sorgsamer  klugheit 
J.  H.  Voss  Odyssee  377  Bernays; 

in  diesem  augenblick,  da  er  seine  beiden  groszen  guter 
{den  väterlichen  hof  und  die  geliebte)  gegeneinander  gestellt 
sah,  entschied  er  sich  für  die  arme  Fränze  P.  Dörfler 
d.  notwertder  8;  vergleichbar  die  umgangssprachliche  Wen- 
dung das  liebe  gut  für  die  als  lebenswichtigen  besitz  an- 
gesehenen nahrungsmittel,  besonders  brot:  das  liebe  gut! 
{milch  mit  brot  und  zucker)  man  musz  es  nun  wegwerfen 
GöTHB  17,  303  W.;  det  liebe  jut  'das  liebe  brot',  det  liebe 
jut  musz  man  nich  uff  de  erde  Uejen  lassen  Brendicke 
Berl.  w.  ISl**;  in  übertragenem  sinne  redensartlich:  da  hat 
mers  {man  das)  liebe  gut  und  es  ist  noch  nicht  ausge- 
backen. 

ß)  seit  aÜers  pluralisch  verwendet  für  die  summe  der  be- 
sitztümer,  aus  denen  sich  die  habe  eines  menschen  zusam- 
mensetzt: thara  gisamanon  alliu  thiu  dar  giboraniu  sint 
mir  inti  miniu  guot  Tatian  105,  2,  vgl.  halftonod  minero 
guoto  114,  2;  dusse  gaf  den  negeden  del  al  siner  goide, 
de  dar  horden  to  siner  tresekameren,  to  der  provende  der 
heren  chron.  d.  stifts  s.  Simon  u.  Judas  i.  Ooslar  593  Wei- 
land; {sie)  den  grosten  teyle  ir  verseczten  guter  wider 
lösten  Arigo  decam.  66  K.;  es  haben  aber  diese  beide  .  .  . 
leib  und  leben  neben  verliehrung  ihrer  guter  ...  in  gefahr 
dersetzen  müssen  Moscherosch  insomn.  cur.  par.  7  ndr.; 

ist  sie  an  gutem  reich, 
so  will  sie  herre  sein 

Zesen  verm.  Helikon  (1656)  1,  75»; 

du  weiszt  doch,  dasz  die  Ungleichheit  der  guter  die  quelle 
alles  Unglücks  auf  erden  ist?  Klinger  w.  l,  114;  einer  von 
unsern  bürgern  ward  beschuldigt,  er  hätte  verschiedenes 
von  den  gutem  eines  mündeis  .  . .  veruntreut  Lenz  ges. 
sehr.  3,  139  Tieck; 

das  köstlichste  von  Phryxus  gutem  aber, 
68  war  ein  köstliches,  geheimnisvolles  vliesz 

Gkillpakzer  «.  w.  5,  71  S.; 

formelhaft  habende  und  kriegende  guter  'besitztümer  und 
einkünfte" :  da  einer  nicht  allein  seiner  nachbarn  und  mit- 


bürger  ausneunet  {anzeigt),  sondern  auch  alle  seine 
habende  und  kriechende  guter  zu  berechnen  und  anzu- 
geben weisz  Scriver  goldpred.  (1658)  130. 

b)  namentlich  kollektiv  im  singular  für  die  gesamtheit  des 
dinglichen  besitzes  'vermögen,  habe,  eigentum''  verwendet. 

a)  seit  ahd.  zeit  allgemein  gebräuchlich,  jedoch  im  jüngeren 
nhd.  abkommend  und  nur  noch  in  festen  formein  {s.  u.  ß) 
bewahrt:  der  in  ehlentin  was  faranti  halota  sine  scalcha 
enti  selita  im  siin  guot  {bona  sum)  Monseer  fragm.  20,  24 
Hench; 

. . .  habda  im  th&r  welöno  ginuog 

guodas  giwunnan       as.  genes.  262  Heyne,  vgl.  190; 

cuotes  nebeteilet  er  unsundige  {non  privabit  bonis)  NoT- 
KER  ps.  83,  12;  aba  minemo  guote  verstozener  l,  37  Piper; 

Kachel  unde  Lie      die  sprachen  beide 
sine  wielten  niuhtes      ir  vater  gutes, 
gewandes  noch  schazzes 

genesis  u.  exod.  60,  24  Diemer; 

liute  und  guot,  swaz  heizet  min, 
daz  ker  ich  iu  gcin  diens  siten   • 

WOLFRAM  v.  Eschenbach  Parz.  362,  2; 

damit  er  wol  hat  behuot 
beide  sin  hüs  und  s!n  guot 

Ottokar  v.  Steiermark  reitnekron.  1230  Seem.; 

gestern  hct  du  hohen  mi'it 
groszes  erbe  und  riches  gut 

Heinrich  v.  Neustadt  visio  Phüiberti  26  .S.; 

nemen  sie  den  leib, 

gut,  eher,  kind  und  weib 

Luther  bei  Wackernagbl  kirehenl.  3,  20; 

o  du  schendlich  verfluchtes  gut! 

H.  Sachs  6, 144  K.; 

also  der  kaufmann  durch  sein  verstandt  und  weltliche 
weiszhait  kam  umb  sein  gut  V.  Schumann  nachtbüchl.  läB.; 

groszes  gut  und  stetes  prassen 
macht  vielmehr  die  leute  blassen 

LoGAU  sinnged.  406  E.; 

durch  schweisz  erworbnes  gut 
wird  plötzlich  weggerafft 

Weichmann  poes.  d.  Niedersachs.  (1721)  1,  5; 

in  einer  nacht  verlor  Aret 
sein  gut  durch  einen  brand 

Pfeffel  poet.  vers.  (1812)  1,  72; 

und  ein  wurf,  auf  den  du  hast 
frevelspielend  all  dein  gut  verpfändet 

MÜHNER  dram.  w.  1,  6; 

haben  sie  mir  nicht  hundertmal  gesagt,  ihr  hättet  aU  eur 
gut  am  leibe  und  kein  brod  im  schranke  A.  v.  Droste- 
HtJLSHOFF  w.  2,  296  Sch.;  im  Sprichwort  viel  verwendet,  z.  b. 
also  dem  manne  wasset  dat  göt,  so  wasset  eme  sin  mot 
EiKE  v.  Repgow  zeitbuch  254  Maszm.;  gut  macht  muth 
-prov.  Fridanci  82 ;  der  eilt  nach  frembdem  gut,  auf  den 
wart  armüt  sprichw.  (1548)  148*;  unrecht  guth  gedeyet 
nicht  Spanutius  sprichw. -lex.  (1720)  595;  in  juristischer 
formet:  in  ungetheiltem  gut  sitzen  omnia  cum  aliquo  com- 
muniter  possidere  Serz  idiotism.  59^;  fester  gegensatz  ist 
in  älterer  spräche  eigen  gut  'Privatbesitz'  gegenüber  gemein 
gut  'kollektivbesitz',  vgl.  eigen  gut  jyrojyria  res  Diefen- 
BACH  gl.  466*  (15.  Jh.): 

had  her  in  den  klostern  eigen  gud, 

ess  machet  ym  vil  dicke  (unkusch)  den  mud 

Joh.  Rothe  lob  d.  keuschheü  4082  N.; 

gemeyn  gut  res  publica  Diefenbach  gl.  495*:  der  Hans 
Graff  uff  dem  richthusz  ist  an  groszer  diebstall  des  ge- 
meinen gutz  ergriffen  Thom.  Platter  br.  19  Burckhardt; 
ähnlich: 

denn  raub  begeht  am  allgemeinen  gut, 
wer  selbst  sich  hilft  in  seiner  eignen  sache 

Schiller  14,  336  G.; 

anders  der  unterschied  von  erbgut  und  gewonnenem  gut, 
vgl.  Stafb-Tobler  2,  546;  geistliches  gut  'kirchengut': 
kirchengut  oder  geistlich  gut  hat  eiserne  zeene,  es  frisset 
eins  mit  dem  andern  hinweg  B.  Faber  thes.  (1587)  8721^, 
vgl.  auch  sp.  1365;  alte  juristische  formein  sind  gut  em- 
pfangen, gewinnen,  anfangen,  kaufen,  anfassen,  angreifen 
im  sinne  'in  den  besitz  von  etw.  kommen',  vgl.  Fisohkb 
achwäb.  3,  954. 


1357 


GUT,  Tl.,  B  1 


GUT,  n.,  B  1 


1358 


ß)  vielfach  in  festen  paarungen;  parallel  verwendet  in 
hab  und  gut:  wer  der  war,  der  von  dem  streit  fliechen 
wurd  .  .  .,  der  . . .  und  sein  weip  .  .  .  sullen  als  ir  gut  und 
hab  verloren  haben  bair.  forts.  d.  sächs.  weltchron.  364,  26 
Weiland;  der  yetzgenannt  reuter  {habe)  sy  irs  heyratguts 
auf  aller  seiner  habe  und  gutern,  so  er  nach  seinem  ab- 
gang  verlassen,  verwisen  tirk.  z.  gesch.  Maximilians  I.  16 
lit.  ver.;  die  ungeheuren  f orderungen  des  feindes  hatten 
hab  und  gut  verzehrt  G.  Freytag  ges.  w.  13,  2\h;  formel- 
hafte gegensatzpaare  sind  leib  und  gut  oder  gut  und  leib 

(leben) : 

waz  sol  mir  guot  unde  11p? 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  1467; 

und  wer  auch  verstollens  aerzt  kauft,  .  .  ,  der  ist  der 
herrschaft  leib  und  gut  verfallen  {v.  j.  1308)  v,  Loei 
baier.  bergr.  6;  da  geht  leib  und  gut  miteinander  Binder 
sprichw.  121;  erweitert:  Christus  gibt  seine  Christen  in 
gwalt  des  heidnischen  regiments  ir  leib,  leben,  gütsz  halb 
Eberlin  v.  Günzbürg  sehr.  2,  178  ndr.;  jedoch  alles  mein 
leip,  gut  und  vormugen  ist  alles  ir  Warbeck  Magelone 
19  B.;  jünger  ist  die  reimformel  gut  und  blut:  gut  und 
blut  sprichw.  (1548)  73'';  da  es  den  andern  fürwitzigen 
vöglen  haar  und  haut,  so  wol  als  der  laboranten  ehr,  gut 
und  blut  gilt  Guabinoniüs  greueld.  verwüst.  (1610)  41; 

gut  und  blut  für  volk  und  freiheit  geben 

KÖKNEU  w.  1, 112; 

in  gut  und  ehre  wird  der  dingliche  besitz  dein  ideellen  gegen- 
über gestellt: 

ir  hant  6re  unde  guot: 

daz  meinet  mlnes  herren  muot, 

wan  er  lu  leit  nie  gesprach 

und  ouch  daz  guot  nie  abe  gebrach 

Haetmann  V.  AUK  arm.  Heinr.  617; 

es  ging  gleich  auf  leib,  gut  und  ehre  sprichw.  (1548)  91*; 
straife  der  boszhaftigen  appellanten  an  leib,  ehre  und  gut 
Chr.  Thomasius  ged.  u.  erinn.  (1720)  2,  16;  gut  und  geld 
stellt  anders  den  dinglichen  besitz  dem  gemünzten,  baren 
vermögen  gegenüber:  dann  .  .  .  soll  mich  keyn  müh,  gelt 
noch  gut  daran  verhindern  Wickram  w.  1,  6  lit.  ver.; 

ich  bin  ein  reicher  edelmann, 

habe  gar  viel  gut  und  geld  Göthe  16,  66  W. 

c)  stehende  formet  zur  Unterscheidung  vom  unbeweglichen 
Eigentum  {s.  u.  3)  ist  bis  ins  18.  jh.  fahrendes  gut  {zu  B  1  b), 
»71  nhd.  spräche  meist  im  pl.  fahrende  guter  {zu  B  1  a),  im 
jüngeren  nhd.  auch  bewegliche  guter  {7iwbilien): 

diu  zwei  sint  ere  und  varnde  guot, 
daz  diclfe  ein  ander  schaden  tuot 

Walthkr  8, 14; 

(Parzival)  sprach  'liute,  lant,  noch  varnde  guot, 
der  decheinez  mac  gehelfen  dir' 

Wolfram  v.  Eschenbach  Parz.  267, 10; 

est  varnde  guot,  mit  dem  wir  varn: 

nu  vuege,  herre,  mir  des  stseten  guotes  iht 

minnesinger  1,  298*  v.  d.  Hagen; 

liegentz  und  farentz  gut  städtechron.  23,  447; 

und  hette  in  also 

zu  ainem  erben  aingeseczt 

all  seiner  güeter  ligent  und  auch  farent 

H.  Sachs  fab.  u.  schw.  5,  8  ndr.; 

{dasz)  alles  gemein  seyn  soUe  an  ligenden  und  fahrenden 
gütern  B.  Schupp  sehr.  (1663)  6;  vom  verbot  auf  fahrende 
guter  allgem.  dtsche  bibl.  anh.  37-52,  1161;  das  bewegliche 
gut  .  .  .  ward  den  Soldaten  zur  plünderung  preisgegeben 
MoMMSEN  röm.  gesch.  (1874)  2,  37;  mein  freund,  muhmen 
gehören  nicht  unter  die  beweglichen  guter  Cl.  Brentano 
ges.  sehr.  7,  58;  hierher  au^h:  mit  ir  ve  und  ungebundnem 
gut  sullen  s'  si  unbekümbert  lan  {v.  j.  1437)  bei  Staub- 

TOBLER  2,  547. 

d)  in  älterer  spräche  auch  kollektiv  für  die  gesamtheit 
dessen,  was  jemand  als  belohnung,  geschenk,  bezahlung 
usw.  empfängt  oder  gibt;  oft  für  die  dingliche  gäbe  gegenüber 
dem  gelde: 

ist  ave  hie  dihein  man, 
der  guot  nemen  wil, 
man  gtt  im  sin  vil 

PFAFFK  KONEAD  RolandsUcd  5,  23  W.  Grimm; 


sie  sprach  zen  boten  beiden       'nu  dient  mlchel  guot, 
daz  ir  minen  willen      vil  güetlichen  tuot' 

Nibelungen  1354, 1  L.; 
gelt,  zilblr  unde  gut 
erweicht  manchen  harten  mut 

prov.  Fridanei  66; 
besonders  in  präpositionalen  fügungen: 

er  bot  sin  dienest  umbe  guot, 
als  noch  vil  dicke  ein  riter  tuot 

WoLFEAM  v.  ESOHENBACH  Parz.  17, 12; 

swaz  ein  phafte  haben  sol, 

. . .  der  predigen  wil  nach  guote, 

daz  vuort  der  phaffe  Amis 

erz.  u.  schwanke  31  Lambel; 

mit  grözem  guote  und  mit  kunst 
gewan  er  zweier  herren  gunst 
Ottokae  v.  Steiermark  reimchron.  21242  Seem.; 

daz  mort  stift  der  von  Wirtemberg  und  gab  gut  darumb 
dem  von  Nidberg  städtechron.  4,  125;  aber  auch  mit  ein- 
schlus'!'.  der  geldlichen  Vergütung:  {sie  sollen)  uf  ir  aygen  guet 
{'eigene  kosten')  einen  sundern  briester  haben  {v.  j.  1398) 
fontes  rer.  au^tr.  2, 18,  459;  daz  si  {die  richter)  allen  liuten 
rehte  richten,  nimer  durch  gut  noch  durch  gäbe  daz 
gerihte  verkeren  heil,  rcgel  70  Pr.;  darumb  ist  man  dem 
landrichter  von  sein  desselben,  so  ime  selbst  den  todt 
gethan  hat,  guet  feUig  sechzig  und  fünf  phund  phennig 
auf  gnadt,  das  übrig  guet  soll  den  erben  imverkomert 
bleiben  (1565-1581)  österr.  weist.  6,  428;  bauwet  das  schlosz 
Gottlieben  ausz  seinem  eignen  gut  Stumpf  Schweizer- 
chron.  (1606)  402^»;  gut  nehmen  'sich  bestechen  lassen":  die 
drie  meister  müstent  han  gut  von  den  Juden  genomen, 
daz  sü  sü  alsus  fristeten  städtechron.  8,  128;  ganz  all- 
gemein für  'geld' :  liet  ein  burgeri  enimi  manni  sin  gut 
zu  enimi  tage  {termin)  Mühlh.  reichsrechtsb.^  163  Meyer; 
daz  ein  man  ein  kint  hin  lat  gan  durch  lerunge  und  git 
da  von  ein  genantez  gut  {bestimmtes  lehrgeld)  Schwaben- 
spiegel, landr.  247;  gut  nemen  ze  wücher  ebda  160;  gut 
uszlyhen  fenerari  Diefenbach  gl.  229^;  drey  pfennig  wert 
guots  tressis  594^;  und  nempt  mit  euch  zwyfeltigs  gütte 
{pecuniam  quoque  duplicem)  und  widertragt  das,  das  ir 
habt  funden  in  den  secken  erste  dtsche  bibel  3,  193  Kurr.; 
um  ein  ringe  summa  guots  J.  v.  Watt  bei  Staub - 
Tobleb  2,  546; 

da  Simeon  müntzt  falsches  gut 

Reinicke  fuchs  (1650)  184; 

geltendes  gut  'einkünfte,  renten,  zinsen\  vgl.  bischöfl.  salz, 
üb.  d.  eidgeschosz  in  Zeitz  1, 13  Bech:  ez  sint  ouch,  die  da 
lihent  üf  geltende  guot  Berth.  v.  Reqensbubq  1,  437  Pf.; 
anders  verdientes  gut  'arbeitserträgnis':  swer  sin  erbe  ist 
näh  lantrechte,  der  sal  nemen  sin  verdiente  gut  in  dem 
lene  Sachsensp.^  68  Weiske-Hildebr. 

e)  spezialisiert  für  bestimmte  hauptsächliche  teile  des  be- 
sitzes;  so  namevilich  für  den  unbeweglichen  und  grund- 
besitz,  s.u.  3;  für  das  'vieh\'  und  en  hadden  ock  nyn  rechte 
to  dem  edriftighen  gude  {riTidvieh)  bei  Schiller -Lübben 
2,  169^  {v.  j.  1387);  des  scholen  de  kopere  den  hemen  in 
temeliken  thunen,  graven  unde  wrechten  holden,  dat 
ander  lüde  gudt  dar  nicht  können  in  stigen  {v.  j.  1560) 
ebda;  item  band  wir  ein  weg  mit  gewetnem  gut  {zugvieh) 
{v.  j.  1536)  bei  Staub-Tobler  2,  547;  es  soUe  die  weid- 
fahrt .  .  .  allein  für  das  grosze  vieh  bestimmt  und  alles 
das  kleine  gut,  darunter  fürnehmlich  die  Schweine  ver- 
standen werden,  hiervon  ausgeschlossen  sein  {v.  j.  1679) 
ebda. 

f)  ohne  die  besitzvorstellung  für  alle  objekte,  die  das  phy- 
sische oder  psychische  begehren  des  menschen  befriedigen. 

a)  allgemein: 

drumb  leb,  meine  liebe  seel,  von  allen 
güttern  nach  deinem  wolgefallen 

H.  Sachs  6, 138  K.; 

umb  arbeyt  haben  die  götter  alle  guter  feyl  sprichw.  {15iS) 
29^;  dasz  .  .  .  e.  fürstl.  gn.  .  .  .  mit  seinen  {gottes)  reichen 
gütern  und  gnadengaben  gefüllet  und  gesättiget  werden 
mögen  Neumark  neuspr.  t.  palmb.  (1668)  300;  jeder  zahlt 
für  die  guter,  die  ihm  behagen,  den  preis,  für  welchen 
sie  feil  stehn  Sturz  sehr,  i,  76; 


1359  GUT,  n.,  B  1 

von  des  lebens  gutem  allen 
ist  der  ruhm  das  höchste  doch 

SCHILLKE  11,  393  ff. 

ß)  mit  besonderem  Charakter  bei  der  bewertung  vom  reli- 
giösen oder  idealistischen  Standpunkt  aus;  im  gegensatz  zu 
religiösen  und  ideellen  werten  (s.  u.  2)  durch  bestimmte 
formelhafte  Verbindungen  als  materielle  und  daher  weniger 
wertvolle  dinge  gekennzeichnet;  guter  der  erde,  der  weit 
gegenüber  den  himmlischen  oder  geistigen,  vgl.  erdeguot 
(terrena  bona)  Notker  ps.  72,  23:  kühn  warf  ich  dieser 
erde  guter  alle  weg  von  mir  Bettine  Oünderode  l,  102; 
dise  statt  war  .  .  .  rieh  wesen  von  allen  güttern  diser  weit 
Bbkidbnbach  heil,  reyszen  (i486)  öO"'; 

die  guter  dieser  weit  sind  schadenreiche  netze 

Neukikch  anfangsgr.  (1724)  55; 
ähnlich: 

schatten  sind  des  lebens  guter 

Grillparzer  8.  w.  7, 132  S.; 

entsprechend  zeitliche,  irdische  guter:  daz  ecchert  zit- 
lichiu  guot  geheizzen  sint  {temporalia  bona)  Notker  ps. 
89,  10,  vgl.  werltzitelichiu  guot  36,  26; 

und  (heiraten)  bewilen  durch  zitlich  gud 

JOH.  BOTHE  lob  d.  keuschh.  1754  N.; 

gesunder  leib  alle  andere  zeitliche  guter  und  schetz  auf 
erden  . . .  weit  übertrifft  Ryff  spiegel  u.  regim.  d.  gesundlh. 
(1544)  aa  3*;  warumb  .  .  .  tragest  (du)  schmertz  nur  umb 
das  zeitlich  gut?  J.  Prätoriüs  glückstopf  (1069)  vorr.  5; 
sie  wollen  vorher  zeitliche  guter  retten  und  mich  vielleicht 
ewige  darüber  verscherzen  lassen  Lessing  2,  276  L.-M.; 
eiu  machet  in  contemptorem  allis  irdisken  guotes  unte 
machet  in  giregan  des  ewegen  richtuomes  Willibam  hohel. 
140,  4  Seem.; 

daz  sy  mit  Iren  synnen 

In  mugen  gar  wol  gewinnen 

yenz  daz  man  nennet  irdisch  gut 

md.  paraphr.  d.  b.  Hiob  10593  K.; 

vor  allem  ist  demnach  streben  nach  irdischen  gütern  .  .  . 
vom  übel  D.  Fr.  Strausz  sehr.  6,  41 ;  ebenso  vergängliche, 
eitle  guter  u.  ä.,  vgl.  gutter  die  verschwinden  transitoria 
DiEFENBAOH  gl.  593"':  daz  ist  daz  zerganclich  gut,  wan 
daz  ist  in  vil  Ueber  et  alliu  andäht  pred.  d.  13.  jhs.  1,  47 
Grieshaber;  wi  vollincumen  ein  mensche  ist,  forlusit  he 
icht  forgenclichis  gudis,  sin  herze  wil  sich  wandelin  und 
betrubin  mbister  Eckhart  in:  parad.  anim,  int.  105, 
SO  Str.; 

die  nur  mit  schattenwerk,  (als  blieb  es),  sich  ergözt, 
und  unvergängllchkeit  verscherzt  für  eitle  guter 

Heraus  ged.  u.  inschr.  (1721)  170. 

g)  aus  B  1  a  a  entwickelt  sich  in  mlid.  zeit  die  bedeutung 
'gegenständ,  sache,  materiaV  von  bestimmtem  geldwert  oder 
gebrauchswert. 

a)  namentlich  von  der  'wäre"  des  kaufmanns,  vgl.  kauf- 
mannsgut, oder  allgemeiner  'gebrauchsgegenstand,  wert- 
gegenständ,  der  als  wäre  transportiert  wird'. 

aa)  kollektiv  im  singular  vorab  in  älterer  spräche  ver- 
wendet: da  mit  man  ,  .  .  ässig  {eszbares)  und  trinkig  (trink- 
bares) gut  koff  und  verkoft  {v.  j.  1365)  bei  Fischer  schwäb. 
2,  386;  daz  si  gewalt  haben  ze  furn  trukens  gut  und  palln 
...  an  alle  widerred  und  hinderung  {v.  j.  1371)  österr. 
weist.  3,  2  anm.,  vgl.  trucken  gut  (opp.  nasz)  bei  Fischer 
schwäb.  3,  958;  ein  schef  mit  guot  oneraria  Diefenbach 
gl.  ZW^;  die  fail  gut  fürend  in  unser  stadt  {v.  j.  1520)  bei 
Fischer  schwäb.  3,  958;  [ein  kaufherr  gibt)  commission  . . ., 
frisch  darein  zu  kauffen  und  ihn  mit  neuem  guht  zu  ver- 
sehen Stieler  zeitungslust  (1697)  142;  wer  von  den  herren 
sich  aufs  würdigen  versteht,  wird  es  schwerhch  ,  .  .  für 
auswörtigs  gut  .  .  .  halten  Hippel  lebensl.  l,  9; 

und  wenn  ihr  nun  mit  ausgesuchtem  gut 
der  ganzen  weit  ein  einzig  schiff  befrachtet 

RÜCKEET  w.  3,  133; 

verkauft  des  herzens  heldenmuth 
wie  ein  gemein  verächtlich  gut 

B.  Arent  mod.  dichtercharakt.  (1885)  102; 

'gepäck':  und  hatte  viel  gut  mitgebracht,  welches  er  den 
folgenden  tag  auszupacken  vorgab  J.Riemer  polit.  maul- 


GUT,  n.,  B  8 


1360 


aße  (1679)  16;  'fracht,  ladung\  vgl.  gut  loading  Hoyer- 
Kreüter  1,  320,  2.  b.  der  völkerrechtliche  grundsatz  frei 
schiff,  frei  gut,  d.  h.  neutrale  flagge  deckt  feindliche  ladung; 
in  moderner  spräche  in  Zusammensetzungen  für  frachtstücke, 
vgl.  Stückgut,  eilgut,  passagiergut,  postgut,  rollgut  usw.; 
allgemeiner:  'ivertobjekV :  vindet  ein  man  gut  uf  der  frien 
strazze  Schwabenspiegel,  landr.  347,  vgl.  modern  herren- 
loses gut,  diebesgut;  oft  übertragen  'stoß,  materiaV:  die 
art  wie  das  entlehnte  gut  verbraucht  ist  (in  der  krö- 
nungsmesse)  0.  Jahn  Mozart  4,  768;  Zeugnisse  für  altes 
gut  sind  die  Übereinstimmungen  zwischen  allen  drei 
handschriften  G.  Ehbismann  gesch.  d.  dt.  lii.  2,  l,  331. 

ßß)  im  plural  von  den  einzelnen  waren,  warensorten, 
gegenständen,  gepäckstücken,  frachtsendungen  usw.;  so  auch 
noch  in  heutiger  spräche  geläufig:  das  niembt  kainen  un- 
gewimbten  traid,  noch  kainerlai  argkwänige  war  noch 
güeter  kauf  (16.  jh.)  österr.  iveist.  2,  372;  und  den  stüber 
hab  ich  geben  von  güttern  zu  fahren  Dübeb  tageb.  152 
Leitsch.;  da  man  .  .  .  über  die  gefrornen  wasser  auf  dem 
eysz  wandert  und  die  guter  fertigen  mag  Stumpf  Schwei- 
zerchron.  4**;  ( Welschkmd  und  Spanien,)  w&s  da  vor  schöne 
gütter  heraus  kommen,  als  nemhch  von  feigen,  von 
mandelkern  Prätoriüs  saturn.  (1663)  54;  das  schiff,  wel- 
ches mit  gütern  für  ihn  beladen  war  samml.  v.  schausp. 
(1764)  7,  135; 

.  .  .  wagt  doch 
der  kaufmann  um  geringe  guter  schiff 
und  mannschaft  an  ein  wildes  dement 

Schiller  13,  385  ff. 

dann  ganz  allgemein  von  nutzbaren  objekten  des  Wirt- 
schaftslebens: guter  (sind)  ...  die  mittel  der  realisierung 
der  wirtschaftszwecke  hwb.  d.  staatswiss.*  4  (1927)  1273; 
(die  münze  ist)  der  allgemeine  wertmaszstab  für  alle  im 
verkehr  befindUchen  guter  Lüschin  v.  Ebengreuth 
münzkde  148;  vgl.  moderne  kompositionen  wie  produktions- 
güter,  Verbrauchsgüter  usw.  und  volkswirtschaftliche  defi- 
nitionen  wie  wirtschaftliche  guter,  freie  guter,  verbrauch - 
liehe  guter  u^w.,  s.  hwb.  d.  staatswiss.*  4  (1927)  \2izß. 

ß)  in  besonderer  technischer  Verwendung  für  das  material, 
die  masse,  aus  der  ein  nutzbares  erzeugnis  hergestellt  wird 
oder  besteht,  vgl.  gut  substantia  Diefenbach  gl.  561^;  in 
älterer  spräche  für  'getreide" :  10  malter  beider  guots  (dinkel 
und  hafer)  v.  j.  1406  bei  Staub-Tobleb  2,  547,  wo  weitere 
belege,  vgl.  auch  saatgut;  und  sollen  gleichwohl  die  becken 
(bäcker)  aus  einem  gut  nicht  mehr  dann  vier  stuck  dar 
semelmelh,  vier  stuck  pull  und  zwey  stuck  aftermelh 
malen  und  machen  lassen,  und  wo  das  gut  geringe,  sollen 
sie  nuhr  virdehalb  stuck  pull,  virdehalb  stuck  semelmelh 
und  zcwey  stuck  aftermelh  bereiten  lassen  Leipz.  bäcker- 
ordn.  V.  1513,  art.  2;  für  'mehV:  das  besser  guet  mit  dem 
schlechtem  guet  vermischen  und  verbachen  (v.  j.  1671) 
bei  Staub-Tobleb  2,  547;  in  neuerer  technischer  spräche 
überhaupt  für  'masse':  die  schönsten  krystalle  sind  das 
Mayländer  gut  Zappe  miner.  handlex.  1,  117; 

ey  seht  doch,  was  die  mode  thut! 
sonst  achtes  Silberzeug,  dann  zinn; 
sonst  porzellan,  itzt  englisch  gut  (Steingut) 

Kretschmann  «.  w.  (1784)  6,  381; 

das  gut  wird  in  den  gähr-  oder  gutbottichen  ...  zu  einer 
dickflüssigen  masse  angerührt  Karmarsch -Heeren  8, 
416;  (bei  der  sodafabrikation  wird)  das  gut  flach  ausge- 
breitet Muspbatt-Stohmann  6,  986;  'gut  bedeutet  in  der 
spräche  der  gieszmeister  soviel  wie  metallmischung'  v.  Alten 
4,  503. 

y)  in  nautischer  spräche  für  die  Zubehörteile  des  schiß  es, 
wohl  aus  B  1  g  a  entwickelt:  stehendes  gut  für  die  starren, 
feststehenden  teile  wie  mäste,  stengen  usw.  gegenüber  laufen- 
des gut,  dem  tauwerk,  vgl.  Bobrik  nuut.  wb.  322'»:  ab- 
stampfen  .  .  .  des  klüverbaums  oder  des  stehenden  gutes 
v.  Alten  l,  44. 

2)  von  B  1  a  Aer  auf  ideelle  besitztümer  und  werte  über- 
tragen, die  nicht  dinglicher  natur  sind  oder  keinen  objektiv 
bestimmbaren  materiellen  wertgehaU  besitzen,  sondern  mehr 
subjektiv  als  wertträger  gelten;  philosophisch -theologischer 
gebrauch  von  lat.  bonum  (gr.  äyati-öv)  ist  seit  alters  von  ein- 
flusz  auf  diese  verwendungsweise. 


1361 


GUT,  n.,  B  8 


GUT,  Tl.,  B  2 


1362 


a)  alt  in  theologischer  spräche  für  das,  was  als  religiöser 
wert,  als  eine  von  gott  gewirkte  geistliche  gnadengabe  oder 
als  geheiligter  gegenständ  angesehen  wird. 

a)  höchstes  gut  u.  ä.  entsfrechend  der  theologischen  Ver- 
wendung von  summum  bonum;  allgemeiner  als  höchster 
religiöser  schätz  oder  wert: 

.  .  .  quad  that  im  than  ■wftri  hebanrikl 

garu,  gödö  mest  . . .  Heliand  4258  Heyne; 

wanda  mit  tiu  (mit  gottes  gesetzen)  daz  meista  guot  {sum- 
mum bonum)  gewunnen  wirt  Notker  fs.  104,  45; 

(die  gottesminne  will)  sin  In  dem  herzen  daz  hohste  guot 
unt  daz  aller  liepste  herzebluot 

minnes.  2,  227  »  v.  d.  Hagen; 

um  die  menschen  zu  der  erkenntnisz  ihrer  selbst  und  des 
wahren  und  höchsten  gutes  zu  bringen  discourse  d.  mah- 
lern (1721)  2,  0;  speziell  in  fester  terminologie  von  gott:  daz 
din  (gottes)  namo  ist  kuot  unde  daz  fursta  guot  (summum 
bonum)  Notker  ps.  53,  9;  der  vadir  und  der  son  und  der 
heilegeist  di  sint  ein  in  der  nature  und  in  deme  wesine 
und  sint  daz  obirste  guit  parad.  anim.  int.  9,  26  Strauch; 

uff  das  her  (der  mensch)  dirkenne  das  hogeste  gut 
und  alletzld  sinen  willen  tut 

JOH.  ROTHE  lob  d.  keuschh.  593  N.; 

(gott)  kindlich  zefürchten,  nit  von  wegen  vergelltung,  son- 
der von  wegen  sein  selbs  als  das  höchst  gut  Bekth. 
V.  Chiemsee  t.  theol.  10  R.;  sie  haben  sich  durch  ihren 
eignen  mutwülen  von  dem  höhesten  und  einigen  gute  ab- 
gewandt theatr.  diab.  (1569)  20''; 

auf  dasz  du,  höclistes  gut,  mögst  bleiben  auch  in  mir 

LOGAU  sinnged.  7  E.; 

vergleichbar:  wer  Christum  findet,  der  hat  einen  guten 
scliatz  gefunden,  ja  ein  gut  über  alles  gut  Jon.  Arnd 
nachf.  Christi  (1631)  51. 

ß)  ewiges  gut,  nach  tat.  aeternum  bonum;  allgemeiner 
als  geistliche  gnadengabe,  die  das  ewige  heil  vermittelt: 

thier  (Jesus  die  jünger)  in  himilkamaru    irf  ulUt  io  mit  gamanu 
bildliches  muates        joh  ewiniges  guates    Otfkid  II  9,  10; 

dat  se  (die  leute)  to  himmelrike  varen, 

darinne  se  ok  sein  unses  hcren  licham  unde  sin  blöd 

daraf  uns  komet  dat  ewige  got 

Eberhard  v.  Gandersheim  reimchron.  26  Weiland; 

der  brunn  der  ewgen  guter, 
der  ist  mein  hirt  und  hüter 

Paul  Gerhard  bei  Fischer- Tümpel  3,  356»; 

auf  Christus  oder  gott  angewandt: 

tho  thaz  ewiniga  guat      uz  fon  themo  grabe  irstuant 

Otfrid  V  9, 1 ; 

die  Unfähigkeit  der  creatur  .  .  .,  durch  ihr  ich  und  selbst 
.  .  .  sich  dem  ewigen  gute  hinzugeben  Ranke  s.  w.  1,  193. 
y)  geistliches  gut,  besonders  im  plural,  gegenüber  den 
irdischen  gutem  (s.  o.  B  1  f  ß),  die  religiösen  gnadengaben 
gottes,  wie  Sündenvergebung  usw.: 

wan  dem  guten  gybt  und  tut  (gott), 
daz  man  nennet  geistlich  gut 
und  riebe  geistliche  gäbe 

md.  paraphr.  d.  b.  Hiob  10580  Karsten; 

begeren  geistlich  gut  zu  kauffen,  heiliger  ding  hebung 
simonia  Dieeenbach  gl.  534'' ;  (damit  wir)  das  recht  lehen 
und  erbschafft  der  geistlichen  und  himlischen  guter  em- 
pfahen  Mathesiüs  Sarepta  (1571)  52»;  wir  haben  tage- 
bücher,  in  denen  man  die  ausgaben  für  die  geistUchen 
guter  neben  anderm  weltlichen  ankauf  in  rechnung 
bringt  Ranke  s.  w.  l,  200. 

ö)  heiUges,  hoch  würdiges  gut  für  die  vom  priester  ver- 
wandelte hostie:  sie  hat  das  haüig  gütt  .  .  .  betrest  mit 
dem  plütt  irer  nasen  städtechron.  25,  86;  deren  (der  ordens- 
herren)  einer  trug  das  hochwürdige  gut  Brentano  ges. 
sehr.  4,  45;  terminologisch  besonders  im  Superlativ  das 
hochwürdigste  gut  'aüarsakramenf ,  vgl.  Jos.  Müller 
rhein.  1524. 

e)  besonders  in  der  spräche  der  mystik  in  vielfacher  ab- 
warullung  für  gott,    Christus,   den  seelengrund  usw.  ge- 
braucht: der  ist  wenic,  di  daz  inre  guit  minnen,  daz  man 
alleine  minnen  solde  parad.  anim.  int.  87,  21  Str.;  ach 
IV.  1.  6. 


hertzigliches,  unbegriffliches  gut  d.  ewig,  wiszh.  beibtichl. 
(1518)  17^;  in  dasz  verborgen  weyslosz  vinstemusz  des 
weislosen  gutes,  da  wirt  der  gaist  allso  nahe  eingefürt  in 
die  ainikait  gottes  Tauler  sermones  (1508)  38»;  sundt 
sey  nit  anders,  dan  das  sich  die  creatur  abkert  von  dem 
unwandelhaftigen  gut  theolog.  deutsch  10  Mandel; 

(Jesus)  du  bist  daz  übervlüzzic  gut, 
des  herzen  spil,  der  genaden  vlüt 

schausp.  d.  mittelalt.  1,  210  Mone. 

C)  ganz  allgemein  von  geistlichen  gaben  und  religiösen 
werten: 

joh  thar  irflsgot  thinaz  muat      barto  managfaltaz  guat 

Otfrid  III  7,  36; 

wer  chan  uns  ieht  kesagen  föne  vita  eterna,  wer  ouget 
uns  daz  kuot?  Notker  pa.  i,  G; 

kom  heyliger  geyst,  herre  gott, 

erfüll  mit  deiner  gnaden  gutt 

deiner  glaubigen  hertz,  mut  und  sinn 

bei  Kehrein  kathol.  kirchenl.  1,  550 ; 

was  für  grosze  unermesliche  guter  er  (gott)  uns  durch  in 
(Christus)  schencken  wolle  N.  Herman  sontagsevang.  3 
Wolkan;  die  gnade  gottes  war  sichtbar  in  Antiochien,  das 
unsichtbare  gut  der  kirche  liesz  als  leuchtendes  licht  sich 
sehen  im  bekenntnisz  und  im  wandel  der  gläubigen 
Besser  bibelst.  3  (1877)  570. 

b)  im  ganzen  jünger  bezeugt  im  profanen  gebrauch  für 
besitüümer  nicht  materieller  art  und  ideelle  werte. 

d)  noch  nahe  an  der  dinglichen  bedeutung  in  anwendung 
auf  persönliche  objekte,  die  als  gegenständ  der  liebe  und 
Verehrung  einen  ideellen  schätz  bedeuten,  besonders  mit  ad- 
jektiven  der  gefühlsbetonung ;  subjektiv: 

uf  der  erde  ist  also  guotes  niht 
sam  daz  reine  guot,  min  vrouwe 

minnesinger  1,  361»  v.  d.  Hagen,  vgl.  2,  283''; 

sprich  nicht,  da  er  so  früh  dein  allerliebstes  gut 
von  deiner  seite  reiszt,  dasz  er  dir  unrecht  thut 

Giseke  poet.  w.  (1767)  60; 

ja,  so  erschein  ich  mir  im  geist  gegen  dir  über,  du  mein 
liebstes  gut  (anrede  an  die  Oünderode)  Bettine  Oünde- 
rode  2,  92;  neutraler:  herre,  waz  ist  der  mensche,  daz  du 
un  so  sere  geminnit  haist?  he  ist  ein  guit  in  deme  ge- 
saminit  werdin  alle  manicvaldige  dinc  in  ein  enikeit 
MEISTER  Eckhart  in:  parad.  anim.  irit.  38,  21  Strauch. 

ß)  allgemein  gebraucht  von  erscheinungen  und  zuständen 
verschiedenster  art,  die  ein  wertgefühl  oder  eine  glucks - 
empfindung  auflösen. 

aa)  wo  der  singular  erscheint,  liegt  die  Übertragung  von 
B  1  a  a  her  noch  fühlbar  nahe;  oft  mit  ad  jektiven,  die  den 
affektwert  betonen: 

alles  guotes  überguot 

ist  diu  liebe,  ir  lop  daz  wil  ich  triben 

minnesinger  1,  26 '  v.  d.  Hagen; 

hulffe  ist  eyn  notig  gut  prov.  Fridanci  80 ;  das  f rölich  gut 
des  gelückes  Niclas  v.  Wyle  translat.  24  K.;  (ein)  un- 
sterbliches und  geleich  der  seel  unwandelbares  gut 
ScHAiDENRAiszER  Odyssca  (1537)  vorr.  4; 

der  froheit  fakkelkien,  o  welch  ein  teures  gut! 

SiGM.  V.  Birken  iorts.  d.  Pegnitzschäf.  (1646)  10; 

dir,  dem  das  edle  gut,  der  güldne  fried  entbricht 

J.  Bist  friedewünsch.  Teutschl.  (1647)  30; 

auch  nicht  wegen  des  decori  oder  Wohlstandes,  denn 
solchen  verstehen  ist  ein  gut  der  seele  Leibniz  dtsche  sehr. 
2,  45;  ihr  vorurtheil,  ein  falsches  gut,  ein  scheingut,  hält 
sie  zurück  Gottsched  d.  neueste  (1751)  9,  599;  als  ich  eine 
solche  erneuerung  unserer  schönen  früheren  Verhältnisse 
für  ein  gut  halten  musz,  dessen  ich  nicht  länger  entbehren 
darf  GöTHE  IV  37,  17  W.;  der  Franzose  verdankt  seinem 
erbkönigthum  ein  nicht  genug  zu  preisendes  gut,  seine 
Staatseinheit  Dahlmann  gesch.  d.  frz.  revol.  4 ;  der  dritte 
((ej'ü)aber  sei  mir  ein  heiliges,  unantastbares  gutW.  Hauff 
5.  tr.  4,  37;  die  Vorsehung  verlangt,  .  .  .  dasz  der  physische 
mangel  in  irgend  einer  .  .  .  weise  zu  einem  geistigen  gute 
umgewandelt  werde  P.  de  Lagarde  dtsche  sehr.  19;  etwas 

86 


1363 


GUT,  n.,  B  2-3 


GUT,  n.,  B  3 


1364 


anders  in  betontem  gegensatz  zum  übel  oder  bösen  in  an- 
lehnung  an  gut  III  A  4,  vgl.  oben  A  3  a :  aus  diesen  gründen 
nun  ist  leicht  zu  erkennen,  welch  gut  dem  andern  für- 
zuziehen,  welches  böse  ärger  ist  als  das  andere  Leibniz 
dtsche  sehr.  2,  39;  ein  vergangenes  übel  ist  ein  gut  Göthe 
IV  1,142  W.; 

er  tröstet  eifrig  sie  und  macht  ihr  muth, 
aus  ihrem  unglück  komme  noch  ein  gut 

A.  W.  Sohlegel  in:  Athenäum  2,  273. 

ßß)  pluralisch  objektiver  in  Übertragung  von  Elf  aus  für 
verschiedene  als  wertbehaftet  angesehene  erscheinungen;  so 
in  philosophischer  terminologie  die  neben  der  lehre  von  den 
pflichten  {den  sittlichen  gutem)  aufgestellte  güterlehre,  die 
die  einzelnen  zur  glückseligkeit  und  Willensbefriedigung 
nötigen  guter  behandelt:  die  einteilung  der  guter  in  äuszer- 
liche  und  innerliche,  diese  aber  wieder  in  leibes-  und 
seelenguter  Leibniz  dtsche  sehr.  2,  45;  es  sind  dreyerley 
guter,  welche  der  grosze  und  mildreiche  vater  denen 
menschen  in  der  weit  ausgetheilet  hat,  .  .  .  glücksgaben, 
.  .  .  leibesgaben,  .  .  .  gemütsgaben  d.  wohlgepl.  priester 
(1695)  34;  von  werten  geistig -seelischer  natur:  allein  die 
guter  des  gemüts  sind  dem  glück  nicht  unterworffen 
Fbxedbxch  Wilhelms  sprichw.-reg.  (1577)  a  2»; 

selbst  bey  männern  sieht  man  selten 
solcher  guter  zahl  vereint, 
als  in  deinem  thun  erscheint 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  231; 

die  guter  des  geists  erhalten  beim  knaben  nur  durch 
Übertragung  einigen  werth  Schiller  l,  153  0.;  wenn  die 
brüder  Grimm  das  Vaterland  unter  die  ewigen  guter  des 
lebens  rechneten  W.  Scheber  kl.  sehr.  1,  13;  von  werten 
physisch -ästhetischen  Charakters : 

auch  deren  geist  dem  immer  erneuerten 
gescblecht  der  menschen  guter  und  künste  fand 

Eamlee  lyr.  ged.  (1772)  135; 

das  alter  mag  doch  eigentlich  eine  lästige  sache  seyn,  da 
es  uns  hindert,  solche  so  wünschenswerthe  guter  zu  ge- 
nieszen  Göthe  IV  34,  226  W.;  mit  steigerndem  adjektiv: 

das  leben  ist  der  guter  höchstes  nicht 

Schiller  14, 128  ff.; 

so  schlummre  fort,  bis  deines  Volkes  brüder 

. . ,  mit  gott  versöhnt,  die  rostgen  Schwerter  brauchen, 

das  leben  opfernd  für  die  höchsten  guter 

Th.  Körner  w.  109  E.; 

aber  immer  .  .  .  um  gott  oder  glaubens-  oder  höchster 
guter  willen  Fontane  ges.  w.  I  2,  26. 

yy)  das  höchste  gut  entspricht  in  philosophischer  termi- 
nologie dem  summum  bonum  (finis  bonorum),  der  Ver- 
einigung von  tugend  und  glückseligkeit:  den  Ursprung  desz 
höchsten  güts  von  der  ersten  ankunfft  der  läbendigen  ge- 
schöpfften  här  nemmen  {nach  Cicero)  Fkisius  1000^;  ich 
nenne  die  idee  einer  solchen  Intelligenz,  in  welcher  der 
moralisch  vollkommenste  wille,  mit  der  höchsten  Selig- 
keit verbunden,  die  Ursache  aUer  glückseligkeit  in  der 
weit  ist,  so  fern  sie  mit  der  sittMchkeit  ...  in  genauem 
Verhältnisse  steht,  das  ideal  des  höchsten  guts  Kant  S, 
526  akad.;  in  den  modernen  philosophemen  wurde  das 
höchste  gut  transcendent  behandelt  Schleiermacher  w. 
III  5,  83;  von  neueren  philosophen  vielfältig  anders  defi- 
niert, vgl.  Eisler  ivb.  d.  philos.  begr.*  l,  611^.;  dann  ent- 
sprechend h  ßaa  allgemeiner  verwendet  für  das  wertvollste 
überhaupt:  under  diesen  {heiden  sind)  treffenlich  viel  ge- 
funden worden,  welche  .  .  .  die  tugend  doch  für  das 
höchste  gut  gehalten  und  geehret  haben  J.  Wetzel  reise 
d.  söhne  Giaßers  4  lit.  ver. ;  die  ehre  ist  nicht  das  höchste 
gut  SiGM.  v.  Birken  ostländ.  lorbeerhayn  (1657)  2^; 

in  der  ruh  vergnügter  sinnen 
steckt  das  höchste  gut  der  weit 

Chr.  Günther  2, 151  lü.  ver.; 

das  höchste  gut,  was  gott  allen  geschöpfen  geben  konnte, 
war  und  bleibt  eignes  daseyn  Herder  15,  326  S. 

3)  im  älteren  mhd.  spezialisiert  für  das  hauptsächlichste 
und  wichtigste  besitztum  der  ackerbautreibenden  bevölke- 
rung,  dem  ländlichen  besitz  an  grund  und  boden,  meist  ein- 


schlieszlich  der  dazu  gehörigen  unbeweglichen  objekte,  des 
Wohnhauses,  der  stalle,  scheunen  und  ackerfrüchte;  in 
älterer  tvie  neuerer  zeit  wird  dabei  zivischen  persönlichem 
eigentum  und  lehen  oder  pacht  nicht  unterschieden,  vgl.  mhd. 
eigenguot  {allodium),  lehenguot  {feudum) ;  wie  weit  die  im 
nhd.  sichtbare  und  auch  durch  die  mundarten  bestätigte  Vor- 
stellung, gut  besonders  als  ein  gröszeres  landwirtschaftliches 
grundstück  im  besitz  sozial  höher  stehender  {besonders  ad- 
liger) grundeigentümer  {vgl.  rittergut)  aufzufassen,  in  ältere 
Sprache  zurückreicht,  ist  nicht  sicher  auszumachen;  mhd. 
kann  guot  sowohl  das  gröszere  ritterliche  grundeigentum 
oder  lehen  wie  den  kleineren  bäuerlichen  ackerhof  bezeichnen, 
doch  scheint  letzteres  weniger  häufig  zu  sein. 

a)  zunächst  aus  B  1  b  a  entwickeü  und  gegenüber  dem 
beweglichen  besitz  {s.  o.  fahrendes  gut  B  1  c)  ats  Hegendes, 
gelegenes  gut  {immobilie)  determiniert;  vom  grundstück 
selbst:  suaz  (=  swaz)  von  der  vrowin  dari  cumit  hgindis 
gutis  Mühlh.  reichsrechtsb.^  143,  9  Meyer;  uff  hüsern  und 
uff  bomgärten,  gärten,  hofstetten,  ackern,  wisen,  höltzern 
oder  andern  liegenden  gutem  alt.  recht,  v.  Rottw.  bei  Fischer 
Schwab.  3,  958;  kainer,  der  in  der  gemain  nit  haus,  hof 
oder  ligunde  güeter  hat,  {soll)  zu  der  gemain  gepoten  . . . 
werden  {v.  j.  1568)  österr.  weist.  4,  112;  du  all  deine  ligen- 
den  guter  verkaufft  hast  Wickbam  w.  1,  198  lit.  ver.; 

Im  landt  Phaenicia  ohn  zil 
hett  er  llgender  guter  vil 

Spreng  Äneia  (1610)  10»; 

die  liegenden  eigenthümUchen  guter  eines  Franken 
wurden  .  .  .  salische  guter  genannt  M.  I.  Schmidt  gesch. 
d.  Deutschen  (1778)  1, 314;  an  hüben  {sie)  ze  verseczen  und 
ze  verkauffen  ire  gelegne  guter  eines  nach  dem  andern 
Arigo  decam.  66  K.;  ähnlich:  nur  blosz  bürger  dürfen  un- 
bewegliche guter  in  und  vor  der  stadt  besitzen  Fr.  Nico- 
lai reise  (1783)  1,  225;  doch  gehören  zum  liegenden  gut 
axiszer  grund  und  boden  auch  gebäude,  feldfrüchte  und 
nach  älterem  recht  bestimmte  teile  der  gerätschaften:  were 
auch,  dasz  körn  uff  dem  veld  stund  .  .  .,  so  heiszt  und 
ist  es  ligend  gut  {v.  j.  1435)  weisth.  4,  274;  so  hoert  der 
säm  oder  die  gewechst  zu  ligendem  gut  {v.  j.  1439)  2,  14; 
man  soll  auch  wissen,  was  nach  des  hofs  recht  zuo 
ligendem  guot  hören  soU:  des  ersten  harnasch,  waegen, 
karren,  hüser  und  alle  ungeschliffen  waffen  {v.  j.  1480) 
nach  Staub-Tobler  3,  1207;  vgl.  auch  teil  6,  sp.  1016. 

b)  früh  ohne  solche  determination  als  ländliches  grund- 
stück bezeugt,  vgl.  si  aliquid  beneficium,  quod  lazgut 
dicitur,  vacare  contingat  {urk.  v.  j.  1190)  Graff  4,  16&^: 

mit  minnen  sich  schieden      die  gebrüder  lieben 
Esau  für  an  sin  gut       Jacob  für  ze  Sochot 

genes,  u.  exodua  67,  24  Diemer; 

swelk  herre  doch  dirre  eyneme  liet  gut,  van  deme  haben 
se  lenrecht  an  deme  güde,  unde  ne  erbit  iz  nicht  an  ir 
kindere  Sachsensp.  165  Eckh.;  liet  ouch  eyn  herre  eyn 
gut  eyneme  manne  sunder  underschid,  swaz  da  büwes 
upphe  is,  daz  is  des  mannes  mit  sament  deme  güde  75; 
daz  ich  daz  gut  ze  Wilmodingen,  swaz  ich  hate  in  dem 
dorfe,  enholzen,  envelde,  aker  und  wisen,  .  .  .  han  ge- 
geben .  .  .  dem  closter  ze  Stetin  {v.  j.  1296)  Monum.  Zoller. 
1,  103;  {verkauft  wird)  Bisingin  daz  dorf,  gut  und  lüt  mit 
aller  zö  gehörd  {v.  j.  1342)  l,  155;  daz  gut  (=  hofstat) 
giltet  jserglich  drü  malter  {v.  j.  1347)  1,  170;  item  5  m. 
Niclus  Swittirgals  dyner  gegeben,  der  eyn  gut  zu  Soldow 
gekouft  hat  Marienb.  treszlerb.  285,  21  Joachim;  chainer 
sol  .  .  .  pehausts  guet  .  .  .  verchaufen  an  unsers  anbalds 
wissen  {v.  j.  1450)  österr.  weist.  11,  391;  item  auch  wisten 
sie  alle  die  gut,  die  da  zu  Sunderitt  sin  {v.  j.  1424)  weisth. 
6,  24 ;  das  sind  di  gut  und  die  urbar,  di  zu  meines  herm 
des  herzogen  von  Bayrn  ambt  gehörend  {v.  j.  1285) 
V.  LoRi  baier.  bergr.  3;  dusse  {graf)  gaf  der  kerken  de 
godere  to  Slanstede  unde  to  Dedelewe  chron.  d.  stifts 
s.  Simon  u.  Judas  i.  Goslar  594  Weiland;  ain  reicher  burger 
zu  Hall,  der  wolt  auszreiten  zu  seinen  guetem  und  wolt 
die  besehen  städtechron.  5,  25;  gleich  als  wenn  ein  fürst 
odder  lehenherr  einem  edelman  ein  gut  schenckt  odder 
leihet  Luther  ivie  d.  gesetz  u.  evang.  zu  untersch.  (1532) 


1365 


GUT,  n.,  C  (kompositionstypen) 


GUT,  n.,  C  {kompositionati/pen) 


1366 


A4'';  dasz  ich  mit  der  zeit  ein  adeliges  guth  hätte  pachten 
können  Chb.  Weise  erznarren  105  ndr.;  die  dame  dieser 
guter  sieht  mit  betrübten  blicken  ihr  gantzes  glück  auf 
der  erde  liegen  Ramleb  einl.  in  d.  schön,  wiss.  (1758)  l,  295; 

auf  seine  guter  wird  er  sich  zurückziehn 

Schiller  12, 143  G.; 

wie  diese  Thüringer  bauern  pflegen,  von  denen  immer 
ein  bruder  das  gut  behält,  während  die  andern  ihr  fort- 
kommen auf  andere  weise  suchen  Ranke  s.  w.  1,  195; 
in  einer  halben  stunde  war  das  gut  des  amtsrates  erreicht 
G.  Kellek  ges.  w.  5,  22;  mehr  lokal:  auf  seinen  eigenen 
gütern  findet  man  zum  wohltun  gelegenheit  genug  Göthe 
8,  21  W.;  zum  mundartl.  gebrazich  vgl.  Fischer  achwäb. 

3,  959,  Staub -ToBLER  2,  .546,  Müller  rhein.  2,  1523  usw. 

c)  in  festen  Verbindungen  besonders  in  älterer  spräche; 
freies  gut  'allodialgut\  vgl,  ein  fry  gut  allodium  bei 
Staub -ToBLER  2,  547: 

und  koufln  si  gutir  di  nicht  sint  fri 
und  vorzinsln  si  di  seibin  gute, 
so  mogin  si  frome  gebur  wol  si 

JOH.  ROTHE  rütersp.  413  B.; 

item  die  hern  von  Khunigsperg  haben  freie  gueter  zu 
Zigerwerg  aufzufarn  und  abzulassen  (16.  jh.)  österr.  weist. 
11,  5;  walzende  guter  'guter  die  frei  verkauft  werden 
können'  {beleg  v.  j.  1515)  bei  Fischer  schwäb.  3,  959;  des 
reiches  gut  'grund  und  boden,  der  zum  reichseigentum 
gehört':  daz  selbe  dienst  is  ouch  die  man  plichtig  von 
sineme  eigen  sime  herren  zu  dünde,  ob  her  iz  zu  leene 
von  yme  hat,  daz  her  yme  plichtich  is  zu  dünde  von  des 
riches  güde  Sachsensp.  227  Eckh.;  hat  der  man  des  riches 
gut  von  dem  herren  zu  lehen,  er  sol  im  teidingen  uf  des 
riches  gut  Schwabensp.,  lehenr.  112. 

d)  nhd.  oft  so  unscharf  gebraucht,  dasz  die  Vorstellung 
des  ländlichen  besitzes  nur  die  vorherrschende  ist,  aber  auch 
das  übrige  bewegliche  eigentum  mit  einbegriffen  bleibt:  unde 
se  geven  hertogen  Otten  4  mark,  dat  he  den  vordreven 
ore  goydere  weddergaff  städtechron.  16,  317;  A.  ziehet  des 
aufgestandenen  adels  guter  ein  Lohenstein  Arminiua 
(1689)  2,  1093;  dasz  du  den  einzigen  söhn  deines  jugend- 
freimdes  der  falschen  anklage  seines  verräthers  schnell 
aufopfertest  und  ihm  seine  guter  nahmst  Herder  12, 
202  S.;  (sie  vmrden)  in  acht  und  bann  gethan  und  ihrer 
guter  verlustig  erklärt  v.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr. 

4,  4;  geistliches  gut  'kirchliches  eigentum,  besonders 
liegende  guter': 

o,  heiszet  das  patronum  sein, 
geistliche  guter  ziehen  ein? 

HOLLONius  somit.  Vit,  hum.  64  ndr.; 

fürsten  hetten  kein  besser  bergwerck  als  die  hohe  stifEt 
und  geistliche  guter  Zinkgref -Weidner  t.  nation  weiszh. 
(1653)  3,  12. 

e)  ohne  die  vermögensrechtliche  bedeutung  in  physikali- 
scher hinsieht  für  den  grund  und  boden  an  sich,  die  lände- 
reien, den  acker  verwendet,  vgl.  noch  Schweiz.  Staub - 
Tobler  2,  546/.;  ein  inbeschlossen  gut  (umzäuntes  Weide- 
land, V.  j.  1478)  nacA. Staüb-Tobler  2,  547;  man  sol  den 
bu  niht  scheiden  von  dem  gute  e  zer  liehtmesse  Schwaben- 
sp., landr.  150;  wurden  aUiu  gut  wol  gebuwen  und  zu- 
geset  städtechron,  4,  167;  ein  wüt  umb  einen  weyher  oder 
sunst  flüsz  und  wasser,  darmit  und  es  nit  auszbreche  in 
die  umbUgenden  guter  Frisius  63 »;  wann  ich  an  deiner 
stelle  wäre,  ich  kauffte  ein  stücke  gut,  gäbe  ein  starck 
angeld  Chr.  Weise  erznarren  52  ndr. 

C.  kompositionstypen. 

composita  mit  gut,  n.,  als  erstem  gliede  treten  seit  mhd. 
zeit  auf,  sind  aber  erst  im  jüngeren  nM.  zahlreicher  ent- 
wickelt; formal  sind  drei  haupttypen  zu  unterscheiden:  die 
Zusammensetzungen  mit  gut-  (sing.),  mit  guter-  (plur.) 
und  mit  kopulativem  s  guts-  (sing,);  Wörter  ohne  belege 
s.  an  alphab.  stelle. 

^  1)  Zusammensetzungen  mit  gut-  bleiben  im  ganzen  selten, 
sind  aber  namentlich  älterer  spräche  geläufig. 


a)  zu  gut  B  1  a-f  gehören  folgende  kompositionen,  deren 
älteste  mhd.  guotswender,  guotswende  ist;  nhd.  bleibt 
dieser  typus  unfruchtbar;  gutarm :  die  blutedle,  aber  gut- 
arme Jungfrau  Maria  v.  Herbebqer  traurbinden  (1611) 
1,  156;  -begierig;  -durstig;  -geber;  -geiz;  -geizig;  -ge- 
winner; -gierig;  -gierigkeit;  -los;  -pfleger;  -rauber; 
-reich;  -sammeln;  -Sammlung;  -süchtig;  -verdämpf er; 
-vergeuderin;  -verlämmerer;  -verschlinderin;  -Verschwen- 
der; -verzehrer. 

b)  an  gut  Big  schlieszen  folgende  composita  an,  deren 
frühestes  mit  dem  16.  jh.  auftritt;  im  ganzen  wenig  aus- 
gebreitet und  im  jüngeren  nhd.  nur  noch  durch  bildungen 
aus  der  spräche  der  technik  (vgl.  B  1  gj5)  bereichert:  gut- 
fallkasten;  -ferger;  -fertiger;  -lauge;  -markt;  -ofen; 
-pfanne;  -soole;  -wagen  (s.  u.  güterwagen). 

c)  vereinzelt  bleiben  zu  gut  B  3  gehörige  kompositionen; 
gutbeschreibung:  das  wird  die  gutbeschreibung  und  der 
stall  gelbsten  an  hand  geben  v.  Hohbebg  georg.  cur. 
aucta  3  (1715)  44»;  -gericht:  ein  gutgericht,  dessen  mit- 
glieder  die  bauern  jährlich  selbst  .  .  .  erwählen  H.  Mer- 
kel d.  Letten  (1797)  134;  -herr  (s.  u.  gutsherr);  -recht; 
-schaden. 

2)  composita  mit  guter-  erscheinen  seit  dem  jüngeren 
mhd. 

a)  zu  gut  B 1  a-f  sind  folgende  komp.  gebildet,  unter  ihnen 
zahlreiche  aus  juristischem  Sprachgebrauch;  ältester  zeuge 
dieses  typus  ist  aus  dem  15.  jh.  güterzahl;  güterabfindung : 
(die)  töchter  erhielten  güterabfindungen  allg,  dtsche  bibl. 
72,  460;  -ablösung:  das  recht  auf  güterablösung  rechts- 
altert. 1,  643;  -abteilung  divisio  bonorum  Stieler  2270; 
-anhäuf ung  hwb.  d.  staatswiss.  5,  996;  -arm:  aus  einer 
alten,  doch  güterarmen  famiUe  Platen  w.  3,  32  Hempel; 
-arrest:  güterarrest  wegen  früherer  verbindhchkeiten 
hwb,  d.  staatswiss.^  5,  696;  -austausch:  der  güteraustausch 
ist  also  die  folge  eines  allen  gemeinsamen  geistigen 
Impulses  Bernhardt  gesch.  d.  waldeigent.  2,  221;  -bedarf 
hwb.  d.  staatswiss.  4,  83;  -begierde:  der  nie  zu  erfüllende 
rächen  dieser  geld-  und  güterbegierde  K.  v.  Eckarts- 
hausen prinz  u.  freund  (1789)  403;  -beraubung:  wo  zu 
raten  sie  denn  nur  zu  widerspenstickeyt,  tzwitracht, 
gütterberaubung,  schlachten  und  fleischhchem  wessen 
Luther  li,  347  W.;  -confiscation :  mit  güterconfiscation 
bestraft  werden  acta  publ.  6,  225  Palm;  -einheit:  (das) 
Verhältnis,  in  welchem  gütereinheiten  .  .  .  gegen  gewisse 
geldeinheiten  erworben  werden  können  Luschin  v.Eben- 
GREüTH  münzkde  181;  -entwendung  spolium  bonorum 
Stieler  2504;  -erwerb:  (dasz)  der  materielle  gütererwerb 
nicht  Selbstzweck  (sei)  W.  H.  Riehl  d.  dtsche  arbeit  226; 
-erzeuger:  was  die  menschen  in  Wirklichkeit  heute  wollen, 
das  ist,  dasz  sie  nicht  mehr  gütererzeuger  sein  wollen, 
sondern  menschen  Paul  Ernst  tageb.  e.  dicht.  (1934)  296; 
-erzeugung :  eine  beständige  Steigerung  der  gütererzeugung 
Lange  gesch.  d.  mater.  506 ;  -gewinn :  was  nicht  auf  krieg, 
Wollust  und  gütergewinn  zielte  Zschokke  ausgew.  sehr. 
37,  39;  -gewinnung:  nach  privatwirtschaftlichen  grund - 
Sätzen  zur  gütergewinnung  benutzt  Bernhardt  gesch. 
d,  tvaldeigent,  3,  57;  -gleichheit:  das  prinzip  der  guter - 
gleichheit  K.  0.  Müller  d,  Darier  2,  199;  -klage  klage 
auf  gut  (beleg  v,  j,  1580)  Fischer  schwäb,  3,  963;  -kraft: 
die  wirtschaftliche  politik  ...  ist  darauf  gerichtet,  un- 
benutzte güterkräfte  zu  entbinden  hwb.  d.  staatswiss  4, 
930;  -kreislauf:  das  ist  der  güterkreislauf  der  national - 
öconomen  Hebbel  br.  7,  88  Werner;  -krieg: 

mein  selbsten  bin  ich  herr,  nicht  vor  der  thür  zu  stehen, 
nicht  in  den  güterlirieg  und  blutrecht  auszzugehen 

V.  HOHBEKQ  d.  habsp.  Ottobert  (1664)  p  2»; 

-ladung:  die  beute  . . .  von  mehr  als  20000  güterladungen 
Ritter  erdk.  14,  924;  -last:  (es)  ward  ihm  endhch  ernst, 
...  die  güterlast  abzuschütteln  Göthe  24,  303  W.;  -leben: 
der  credit,  das  talent  .  .  .  fungiren  in  unserm  heutigen 
güterieben  als  höchst  werthvolle  wirtschaftliche  factoren 
Jhering  geist  d,  röm,  rechts  2,  2,  456;  -menge  hwb.  d. 
staatswiss,  6,  1133;  -nähme:  güternam  apprehensio  bono- 
rum Stieleb  1359;  -pfleger,  treuhänder  im  konkurs  (cura- 

86* 


1367 


GUT,  n.,  C  (kompoaitionatypen) 


GUT,  n.,  C  (kompositionsti/pen) 


1368 


tor  bonorum):  er  kann  auf  veranlassung  dieses  einigen 
gläubigers  .  .  .  ihm  einen  güterpfleger  setzen  lassen  allg. 
dtsche  bibl.  32,  77;  -preis:  höhere  zinsen  bewiesen  geld- 
mängel  .  .  .,  aber  auch  geringe  güterpreise  seyn  deren 
folgen  ebda  100,  237;  -produktion:  die  kapitalistische 
Organisation  der  gewerblichen  güterproduktion  hwb,  d. 
staatswiss.^  1,  179;  -spende:  {eine)  ausbeute  frommer 
güterspende  Göthe  49,  358  W.;  -stand:  über  den  guter- 
stand  der  eheleute  hwb.  d.  staatswiss.  3,  267;  -trenming: 
mit  dem  grundsatz  der  gütertrennung  .  .  .  steht  auch 
ein  eheliches  erbrecht  nicht  im  einklang  hwb.  d.  Staats- 
wias.  3,  270;  -Umlauf:  der  geringe  gütenimlauf  3,  587; 
-verbrauch:  die  art  des  güterverbrauchs  eines  Volkes 
5,  317;  -Verhältnis:  Statuten  über  die  güterverhältnisse 
der  eheleute  Eichhorn  dtsche  Staats-  u.  rechtsgesch.'  3, 
296;  -Vernichtung:  objektive  gütervernichtung  verur- 
sachend hwb.  d.  staatswiss.  6,  248;  -Verwahrer:  {der  Vor- 
mund hat)  hierin  vollkommen  rechte  und  pflichten  eines 
unentgeltlichen  guter  Verwahrers  M.  Mendelssohn  gea. 
sehr.  6,  27;  -vormund:  Ephraim,  den  ihr  vater  als  güter- 
vormund  eingesetzt  {hatte)  W.  Alexih  Isegrim  1,  187; 
-wähl  et  erbschaftswahl  optio  bonorum  et  portionis  here- 
ditariae  Stieler  2467;  -weit:  die  güterweit  {sei)  .  .  .  un- 
wandelbaren naturgesetzen  unterworfen  Treitschke 
dtsche  gesck.  5,  449;  -wesen:  Veränderungen  .  .  .  bey  dem 
kirchlichen  güterwesen  Eichhorn  dtsche  Staats-  u.  rechts - 
gcsch.^  1,  439;  -zahl:  deme  die  lande  noch  fieczaU  und 
die  stette  noch  gutterczall  musten  schössen  {v.  j.  1473) 
act.  d.  Ständetage  Preuszens  5,  270;  -Zählung: 

bei  deiner  gtiterzäblung  lasz  mich  fem, 
doch  unter  deinen  schätzen  dulde  mich 

Stefan  Georoe  Shakespeares  sonnette  142. 

b)  zu  gut  Big  stellen  sich  besonders  seit  dem  19.  jh. 
bildungen  aus  der  wirtschaftlichen  spräche;  die  ältesten 
bildungen  sind  güterballen,  güterwagen,  güterzille  {sämt- 
lich 16.  Jh.,  s.  an  alphab.  stelle);  güterabfertigung :  ein- 
richtungen  .  .  .  durch  welche  die  reihenfolge  der  güter- 
abfertigung festgestellt  werden  kann  verkehrsord.  f.  d. 
eisenb.  Deutschlands  §  56,  abs.5;  -aufzug:  waren-  und  güter- 
auf züge  MoTHES  baulex.  1,  190;  -ausfuhr:  güterausfuhr 
als  bezahlung  für  frachterwerb  hwb.  d.  staatswiss.  3,  357; 
-bef örderung :  die  tarife  für  güterbeförderung  3,  536;  -be- 
wegung:  die  eisenbahnen  {bilden)  eher  ein  hindemisz  als 
ein  befördernisz  der  güterbewegung  Moltke  ges.  sehr. 
7,  29;  -d&rmpier,  frachtdampfer  hwb.  d.  staatswiss.  2,  871; 
-führe:  eine  lange  reihe  einspänniger  güterfuhren 
ZsoHOKKB  ausgew.  sehr.  25,  55,  vgl.  Staub-Tobler  1,  972; 
-f uhrmann  ebda  4,  255;  -handel:  das  ganze  vermögen, 
das  seinem  güterhandel  zum  gründe  lag  H.  v.  Kleist 
3,  361  Schm.;  -haxis:  ist  vorhin  da  nur  ein  wirts-  und 
gütterhausz  wegen  der  wahren  gewesen  M.  Zeiler  itin. 
Ital.  (1640)  498-;  -lager  Kramer  hochnidert.  (1719)  2,  102^; 
-niederlage  aUg.  dtsche  bibl.  86,  222;  -schuppen  Mothes 
baulex.  1,  106;  -Sendung  hwb.  d.  staatswiss.  3,  518;  -stadel 
Kramer  hochnidert.  (1719)  2,  102";  -tarif  hwb.  d.  staats- 
wiss. 5,  101;  -transport:  der  ochs  .  .  .  dient  ...  zu  lasten 
und  gütertransport  Ritter  erdk.  5,  257;  -Versender  Spedi- 
teur Chomels  öcon.  lex.  4,  1425;  -Versendung:  güterver- 
sendungen  für  ein  anderes  handelshaus  Voigt  hwb.  f.  d. 
geschäftsführ.  2,  448;  -waage,  wage  zur  abwägung  von 
kaufmannsgütern  Campe  2,  486. 

c)  ZM  B  3  treten  kompositionen  mit  dem  15.  jh.  auf,  vgl. 
gütergülte  {an  alphab.  stelle),  doch  ist  die  mehrzahl  erst  im 
18.  u.  19.  jh.  entstanden;  güterabtrennung :  güterabtren- 
nungen  können  nur  aus  dem  domänenfonds  des  königs 
hergenommen  werden  K.  L.  v.  Haller  rest.  d.  staatswiss. 
3,502;  -agentW.  V.  PoLENZÖraöenÄäger  (1897)  1,151;  -an- 
reiner, grenznachbar:  mit  beizugdes  dorfmeisters,derwald- 
rieger  und  einigen  güteranreinern  {v.  j.  1818)  österr.  weist. 
2,  243;  -aufseher:  güteraufseher  reicher  hoher  familien 
J.Vbnedey  Irland  (1844)  2,20;  -beschreibung:  von  güter- 
beschreibungen  gibt  die  amtstabelle  des  . . .  hertzogen  zu 
Sachsen-Gotha  ein  muster  Zincke  öcon.  lex.  (1744)  1088; 
-bub:  die  gute  groszmutter  starb,  als  ich  schon  ein  guter - 


bub  geworden  Gotthelf  ges.  sehr.  1,  49,  vgl.  Staub- 
Tobler  4,  931;  -buch:  grundbücher,  auch  gewähr-, 
guter-,  mutationsbücher  genannt  hwb.  d.  staatswiss.  4, 
1270;  -eigen  proprium  quoad  fundum  Stieler  25;  -ein- 
kunft:  rückständige  zehnten  und  gütereinkünfte  J.  v. 
Müller  s.  w.  22,  99;  -einziehung:  geldstrafen  und  güter- 
einziehungen  H.  Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  9,  20;  -ertrag: 
steuerf usz  nach  dem  güterertrag  allg.  dtsche  bibl.  100,  238 ; 
-fall,  abgäbe  an  den  grundherrn  bei  Veränderung  der  person 
eines  grundholden  Fischer  schwäb.  3, 963;  Staub-Tobler 
1,  739;  -gemarkung:  der  reichsadel  {habe)  blosz  güter- 
gemarkungen  allg.  dtsche  bibl.  96,  73;  -händler:  drinnen 
ist  eine  ganze  bände  güterhändler,  ein  agent,  ein  notar 
Gotthelf  ges.  sehr.  19,  6;  -hauptrecht,  was  güterfall 
Fischer  schwäb.  3,  963;  -holz:  (er)  besasz  zerstückelte 
Waldungen,  sogenannte  güterhölzer  W.  Weigand  d. 
Frankenthaler  (1901)  86;  -inspektor:  nach  der  rückkehr 
wurde  er ...  güterinspektor  sehr.  d.  Oöthegesellsch.  17,  cxxi ; 
-kind:  wie  der  schnödeste  eigennutz  die  kinder  misz- 
braucht,  güterkinder  und  eigene  Gotthelf  ges.  sehr.  8, 
219,  vgl.  Staub-Tobler  3,  345;  -mal:  schiedmal  sive 
gütermal  lapides  privatorum  Stieler  1217;  -mann,  land- 
wirt  Staub-Tobler  4,  257;  -milch:  raubung  der  güter- 
milch  Prätorius  Blockesberges  verr.  (1668)  146;  -rolle: 
die  güterrollen  haben  eine  geringere  bedeutung  {im  höfe- 
recht) gewonnen  hwb.  d.  staatswiss.  4,  1223;  -Schätzer, 
bonorum  taxator  Stieler  1741;  -Schenkung:  deutscher 
adel  hat  güterschenkungen  bekommen  E.  M.  Arndt  sehr. 
f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  4,  101 ;  -Schinder  extortor  bonorum 
Stieler  1798;  -Spekulant:  Napoleon  glich  .  .  .  einem 
güterspeculanten  L.  Häuszer  dtsche  gesch.  4,  742;  -ver- 
kauf: daher  muszte  ...  zu  geldanleihen  und  güterver- 
käufen  Zuflucht  genommen  werden  Zschokke  s.  ausgew. 
sehr.  35,  231;  -Verlegung,  güterzusammenlegung,  feldbe- 
reinigung  Lueger  4,  151;  -Verpachtung:  güterverpach- 
tungen  wurden  durchaus  verboten  Jüno-Stillinh  s.  sehr. 
5,  26;  -Verzeichnis:  die  sein  eigentum  beschreibenden 
güterverzeichnisse  {kataster)  Lueger  5,  481;  -Zerschlagung 
hwb.,d.  staatswiss.  3,836;  -Zersplitterung:  die  petition, 
die  gegen  .  .  .  güterzersplitterung  gerichtet  war  B.  Auer- 
bach sehr.  13,  90;  -Zerstückelung:  kartoffelbau  und  güter- 
zerstückelung  gehen  hand  in  hand  W.  H.  Riehl  natur- 
gesch.  d.  volkes  l,  215;  -Zusammenlegung,  s.  güterver- 
legung :  die  güterzusammenlegung  ist  weit  vorgeschritten 
B.  Auerbach  sehr  17,  210. 

3)  Zusammensetzungen  mit  guts-  sind  der  jüngste  typus, 
der  im  17.  jh.  sichtbar  wird,  vgl.  gutsbericht,  gutsinhaber, 
gutsname,  gutsstrafe;  doch  bringen  erst  das  18.  und  19.  jh. 
den  typus  zur  vollen  entfaltung;  bildungen  zu  gut  B  1 
bleiben  vereinzelt:  gutsabtretung :  die  gutsabtretung  bei 
lebzeiten  hwb.  d.  staatswiss.  2,  1192;  -strafe:  damit  ain 
ieder  sein  rauchfank  und  hüszstatt  gar  vleiszig  bewahr, 
solches  bei  Vermeidung  leibs-  und  guetsstraff  {v.  j.  1629) 
österr.  weist.  6,  260;  das  gros  der  bildungen  gehört  zu 
gut  B  3,  aus  deren  fülle  nur  wichtigere  beigezogen  werden; 
gutsacker:  in  fällen,  wo  der  ganze  gutsacker  .  .  .  durch 
hofedienste  .  .  .  bestellt  wird  Thaer  grundz.  d.  rat.  land- 
wirtsch.  1, 64 ;  -adel :  dem  benachbarten  gutsadel  Moltke 
ges.  sehr,  l,  92 ;  -anschlag :  der  gutsanschlag  ist  ein  auf - 
satz,  welcher  die  beschreibung  aller  zu  einem  landgut 
gehörigen  grundstücke  .  . .  enthält  G.  H.  Schnee  d.  an- 
gehende Pachter*  {18S7)  3;  -arbeiter:  warum  er  denn  nicht... 
lieber  mehr  gutsarbeiter  angenommen  hätte  W.  v.Polenz 
Qrabenhäger  1,  40;  -areal:  graf  M.,  dessen  weites  guts- 
areal  ein  vorzügliches  terrain  bot  Fontane  ges.  w.  I  1, 
395;  -aufseher:  ich  nahm  Gottfried  als  gutsauf seher  in 
meinen  dienst  Meisl  theatr.  quodlih.  l,  152;  -bauer:  das 
unterthanenverhältnisz  der  gutsbauern  Gervinus  gesch. 
d.  19.  jh.  1,  609;  -beamter:  {der  hasz),  den  er  in  der  seele 
des  gutsbeamten  entzündet  hatte  W.  v.  Polenz  Qraben- 
häger 1,  241 ;  -bediente :  in  die  klasse  .  .  .  der  gutsbedienten 
herabgewürdigt  Hirschfeld  theor.  d.  gartenkunst  4,  18; 
-bericht:  gedachter  herr  Schreyer  (hat)  .  .  .  fünftens  den 
gutsbericht  zu  hinterlassen  {v.  j.  1693)  v.  Lori  baier. 
bergr.  523;  -heachieihung  hwb. d.staatswiss.  7,60;  -bezirk: 


1369     GUT.  n.,  C  (kompo8iUonstypen)  —  ^Gm 


GUTACHTEN 


1370 


(amtsbezirke,)  die  aus  dörfern  und  gutsbezirken  bestehen 
sollen  Treitschke  hist.  u.  pol.  aufs.^  3,  523;  -buttert 
hof  butter  oder  gutsbutter  (ist)  bessere,  in  gröszeren  land- 
wirtschaftsbetrieben  selbständig  erzeugte  butter  Mar- 
TiNY  wb.  d.  milchwirtsch.  54;  -eigentümer:  die  leibeignen 
eines  gutseigenthümers  sind  zur  freiheit  noch  nicht  reif 
G.  Förster«,  sehr.  6,  408;  -einkommen  Krünitz  198,  550; 
-ertrag:  es  wird  geprüft  .  .  .  wie  viel  sonach  mit  dem 
gutsertrage  für  den  gutsherrn  übrigbleibt  Fr.  L.  Jahn 
w.  2,  360  E.;  -fron,  fron  für  das  herrschaftsgut  Krünitz 
20,407;  Fischer  schwäb.  3,  970;  -garten:  auf  der  terrasse 
des  gutsgartens  W.  Raabe  schüdderump  (1870)  3,  135; 
-gebäude:  ein  palastähnliches  gutsgebäude  Göthe  34, 8 17.; 
-gerichtsbarkeit :  die  Privilegien  des  adels  wurden  ver- 
mehrt, wie  z.  b.  durch  die  vollkommene  gutsgerichtsbar- 
keit  K.  L.v.  Haller  rest.  d.  staatswiss.  3, 404 ;  -handwerker : 
gutshandwerker  für  den  eigenbedarf  hwb.  d.  staatswiss.^ 
1,  167;  -haus:  an  einem  hang,  auf  dem  allerlei  niedrige 
nutz  bauten  um  ein  längliches  gutshaus  lagen  W.  Weioand 
d.  Löffelstelze  (1919)  257;  -hörige:  bedrückung  der  guts- 
hörigen Bernhardt  gesch.  d.  waldeigent.  2,  31;  -Inhaber 
Krünitz  198,  547:  dergleichen  wildbahn  {sei)  .  .  .  durch 
seine  vorfahren  oder  gutesinnhabere  jederzeit  gejaget 
V.  HoHBERG  georg.  cur.  (1682)  l,  37;  -Insasse:  sie  wollen 
damit  wiederum  den  glauben  unter  ihren  gutsinsassen 
oder  unterthanen  heraufbeschwören,  dasz  der  gutsherr 
ihre  von  gott  vorgesetzte  obrigkeit  sei  H.  Jahn  badeleben 
in  Karlsbad  (1850)  13;  -kauf:  indessen  wird  der  guts- 
kauf  abgeschlossen  Göthe  23,  183  W.;  -meier:  land- 
übliches besitzrecht,  welches  im  zweifei  die  Verhältnisse 
von  gutsherrn  und  gutsmeier  regulierte  Stüve  wesen  u. 
verf.  228;  -meierei:  hofmeierei,  gutsmeierei  {ist  die)  eigne 
molkerei  eines  gröszeren  landwirtschaftlichen  betriebes 
Martiny  wb.  d.  milchwirtsch.  78;  -nachbar:  {ich)  werde  . . . 
an  meinem  gutsnachbar . . .  räche  nehmen  Wieland  Lucian 
(1788)  1,  315;  -namen:  nichts  ist  gemeiner  hir  in  Franck- 
reich,  alsz  dasz  man  seinen  nahmen  vor  ein  gutsnahmen 
fahren  lest  Elis.  Charl.  v.  d.  Pfalz  br.  1,  278  Holland; 
-obrigkeit:  jedem  durchziehenden  orgeldreher  {ist) von  der 
gutsobrigkeit  in  Gadendorp  ein  zwanzigmarkstück  aus- 
zuzahlen D.  v.  LiLiENCRON  5.  w.  5,  20;  -pächter:  ein  un- 
abhängiger gutspächter  E.  M.  Arndt  s.  w.  1,  88  R.-M.; 
-pflichtig:  ein  echtes  feudalwesen  mit  seinen  hörigen, 
hintersassen,  fronarbeitern,  jagd-  und  gutspflichtigen 
meiern  Allmers  marschenbuch  1/2,  211;  -pflichtigkeit : 
von  jeglicher  gutspüichtigkeit  frei  E.  M.  Arndt  s.  tv.  l, 
84  R.-M.;  -rente:  der  grund  und  boden  {gibt)  eine  jähr- 
liche rente,  .  .  .  die  grundrente  oder  gutsrente  hwb.  d. 
staatswiss.  7,  117;  -schmied:  vom  gutsschmied  war  der 
dietrich  zum  öffnen  des  Schlosses  geliefert  worden 
W.  v.  PoLENZ  Grabenhäger  2,165;  -stück:  bestimmung 
der  grösze  der  gutsstücke  nach  der  aussaat  allg.  dtsche 
bibl.  113,  258;  -tagelöhner:  die  Schnitter  gehörten  noch 
viel  weniger  unter  seine  kontroUe  als  die  guts  tagelöhner 
W.  v.  PoLENZ  Grabenhäger  1,  59 ;  -übergäbe :  die  sitte, 
bei  gutsübergaben  das  alte  feuer  zu  löschen  rechtsaüert.* 
1,  268;  -Übernahme:  dasz  der  junge  Lehnhold  .  .  .  ge- 
schenke  bei  der  gutsübernahme  austeilte  B.  Auerbach 
sehr.  13,  132;  -Untertan:  nun  sind  meine  gutsunterthanen 
.  .  .  ehrliche  unbescholtene  männer  MusÄus  physiogn. 
reisen  (1778)  l,  89;  -Untertänigkeit:  in  Schlesien  hatte  die 
gutsunterthänigkeit  1807  rasch  aufgehoben  werden 
müssen  Gervinxjs  gesch.  d.  19.  jh.  2,  572;  -Verwalter:  die 
gutsverwalter  sollten  entsprechende  ausscheidung  zwi- 
schen wald  und  ackerland  treffen  Schwappach  handb.  d. 
forst-  u.  jagdgesch.  1,  77;  -verweser:  als  er  ...  in  den  hof 
eines  herrensitzes  gelangte,  wo  er  den  gutsverweser  her- 
ausklopfte Fr.  L.  Jahn  w.  l,  462  E.;  -Vorsteher,  amts- 
vor Steher  eines  gutsbezirks:  zum  stellvertretenden  guts- 
vorsteher  {gebrauchen)  W.  V.  Polenz  Grabenhäger  2,  226; 
-wert :  Verbesserung  des  gutswerths  Thaer  grundz.  d.  rat. 
landwirtsch.  l,  29;  -Wirtschaft:  Verdrängung  der  klein - 
wirthschaft  durch  die  gutswirthschaft  Mommsen  röm. 
gesch.  (1874)  2,  74. 

^GUT,  n.,  'schlagfliisz,  lähmung*  s.  gutt. 


GUTACHTEN,  vb.,  jüngere  verbalbildung  aus  gut- 
achten,  n.,  vgl.  gutachten,  sich  beduncken  lassen,  meinen 
putare,  statuere,  arbitrari  Henisch  1787:  dies  recht  der 
magistratischen  mittlieilung  ist  wesentlich  verschieden 
von  dem  recht  zu  gutachten  und  zu  stimmen  Mommsen 
röm.  Staatsrecht  \,  156. 

GUTACHTEN,  n.,  zusammenrückung  aus  der  Ver- 
bindung etw.  gut  achten  {vgl.  sp.  1240),  mit  dem  beginn 
des  16.  jh.  auftretend;  zumeist  von  der  meinung,  Über- 
zeugung, billigung  oder,  wie  namentlich  in  neuerer  spräche, 
von  einein  fachmännisch  abgegebenen  urteil;  im  lö.  jh.  tritt 
vereinzelt  ein  mehr  objektiver  gebrauch  zutage  etwa  im  sinne 
^erf Order nis\'  dartzu  haben  sie  {die  Augsburger)  in  .  . . 
brauch  gehabt,  so  sie  ainen  aufrechten  .  .  .  erfarnen  man 
.  .  .  gewuszt,  dasz  sie  ine  auch  beruft  und  nach  irer  not- 
durft,  gelegenhait  und  gutachten  zu  erlichem  bevelch 
gebraucht  städtechron.  32, 147;  er  leget  hamen  und  flügel 
.  .  .  nach  nothdurft  und  gutachten  des  orths  in  eine 
furche  oder  graben  Aitinger  jagd-  u.  weidb.  (1681)  20. 

1)  im  sinne  'meinung,  ansieht',  die  das  zum  ausdruck 
bringt,  was  eine  person  subjektiv  für  richtig  hält. 

a)  allgemein,  die  ohne  bestimmten  zweck  geäuszerte  mei- 
nung: derhalben  ist  mein  gutachten,  dasz  man  dergleichen 
pferd  . . .  Hörwart  v.  Hohen  bürg  ritterl.  kunst  d.  reiterei 
(1581)  70*';  ob  dises  ein  Weissagung  oder  conjectur  ge- 
wesen, hat  damalen  mennigUch  nach  seinem  gutachten 
aufnemmen  mögen  Dietz  annales  (1621)  6;  sei  doch 
einem  jeden  gemeinen  underthanen  so  viel  erlaubt  .  . ., 
sein  gutachten  von  vorgefallenen  Sachen  .  .  .  seinem 
herren  zu  eröffnen  und  anzuzeigen  C.  Ensz  fama  Austr 
(1627)  1,  71*;  diejenigen  fuhr  er  oft  sehr  hart  an,  welche 
sich  unterstunden,  in  einigerlei  Sachen  ihr  gutachten  zu 
eröffnen  J.  Chr.  Beer  Asia{l&8l)  l,  159*';  wenn  ich  meine 
gedancken  und  gutachten  hierüber  eröffnen  soll,  so  sage 
ich,  dasz  . . .  J.  G.  Schmidt  gestr.  rockenphilos.  {1706)  1,  31; 
ihre  base  Calliste  gibt  ihr  bisweilen  ein  buch  zu  lesen 
und  fraget  sie  hernach  um  ihr  gutachten  Gottsched  Ver- 
nunft, tadler.  (1725)  1,  191;  wir  wollen  ihr  {der  gelehrten 
gesdlschaft)  aber  mit  dieser  antwort  kein  joch  auflegen; 
sondern  nur  unser  unmaszgebliches  gutachten  eröffnen 
Gottsched  d.  neueste  5,  122; 

(zwar  wäre)  für  ihn  ...  Im  Baierlande 
die  beste  Zuflucht  gewesen  wohl, 
wenn  ich  mein  gutachten  sagen  soll 

KORTüM  Jobxiade  (1799)  1,  179; 

da  nun  die  zeit  wo  solche  nöthig  werden,  herannaht,  so 
werden  ew.  wohlgeb.  mir  aufs  baldigste  ihr  gutachten 
darüber  zu  erkennen  geben  Göthe  IV  lO,  236  W.;  ob  er 
dies  nur  für  seine  meinung,  sein  unvorgreifliches  .  .  .  gut- 
achten halte,  oder  ob  er  es  zu  \vissen  .  .  .  glaube  Fichte 
s.  w.  (1845)  2,  4;  noch  neutraler  'dafürhalten' :  ich  {habe) 
gelegenheit  gesuchet  ein  gymnasium  anzuordnen  nach 
meinem  sinn  und  gutachten  Schupp  sehr.  686;  sie  über- 
setzte, ohne  äuszeren  antrieb,  aus  innerer  neigung  und 
gutachten,  eine  grosze  masse  der  vorliegenden  gedichte 
Göthe  41,  2,  151  W.;  gelegentlich  auf  die  Urteilsfähigkeit 
der  gutachtenden  person  übertragen:  dieses  unser  progno- 
sticon  ist  .  .  .  vom  chursächs.  astrologo,  und  andern  für- 
nehmen gelehrten  leuten  reiffücher  gutachten  gebilliget 
Prätorius  anthropod.  Plut.{l6a6)  l,  128:  welchem  urtheile 
ich  mich  auch,  meinem  wenigen  gutachten  nach,  beyge- 
selle  Schwabe  belustig.  (i74l)  3,  248. 

b)  die  ansieht,  in  deren  mitteilung  zugleich  eine  empfeh- 
lung,  ein  ratschlag  enthalten  ist:  wie  der  achtfüssig  fisch 
polypus  sein  färb  mit  dem  erdtrich  verändert,  also  wurd 
auch  (er)  nach  dem  willen  und  gutachten  seiner  freund 
.  •  .  das  gemüt  ohn  underlasz  verwandlen  Schweickhart 
GR.  zu  Helfenstein  Basilius  (1591)  417;  ein  fürst  be- 
treugt  und  verderbt  sich,  der  seiner  landständ  rath  und 
gutachten  .  .  .  nicht  hört  und  annimmet  Lehman  ftor. 
pol.  (1662)  2,  696;  der  advocat  entschuldigte  sich,  er  hätte 
hierin  vornehmer  leute  gutachten  angesehen  Chr.  Weise 
erznarren  82  ndr.;  unsern  pyastischen  fürsten  {bewegte) 
keine  . .  .  regirsucht  .  .  .,  sondern  {der)  . .  .  räthe  gut- 


1371 


GUTACHTEN 


GUTACHTEN 


1372 


achten  Lohenstein  George  Wilhelms  lobschrißt  (1679) 
r  4^;  und  weil  uns  d.  Id.  wegen  verwilligung  obberürter 
Suspension  armorum  dero  rath  und  wohlmeinendes  gut- 
achten  aniczo  .  .  .  zur  handt  giebet  acta  publ.  2,  11  Palm; 
Propheten,  bey  denen  man  raht  und  that  gesuchet  hat  in 
wichtigen  sachen  und  fast  nichts  sonderliches  ohn  ihr 
gutachten  angefangen  Widmann  Fausts  leben  76  K.; 
gutachten  an  einen  jungen  mahler,  dasz  er  sich  in  die 
schule  eines  bildhauers  begeben  möge  Göthe  IV  13,  165 
W.;  also  lasz  uns  dabey  bleiben,  Meyers  gutachten  aber 
befolgen  Caeoline  2,  58  Waitz. 

c)  in  gleichem  sinne  besonders  in  'präpositionaler  fügung 
mit  auf  im  älteren  nhd.  häufig:  auf  dieser  weniger  rath 
und  gutachten  hat  er  sich  understanden  einen  wunder- 
groszen  bäum  .  .  .  abzuhacken  H.  Fabbicius  auszzug 
(1599)  374;  ich  geschweige,  dasz  ich  ihn  auff  euer  gut- 
achten ...  an  den  tag  bringe  Opitz  teutsche  poenuUa  166 
ndr.;  auf  des  königlichen  schwedischen  legaten  .  .  .  ein- 
rathen  und  gutachten  (hat)  gedachter  Lesle  dieser  insul 
eich  zu  bemächtigen  .  .  .  einen  versuch  gethan  v.  Chem- 
nitz schwed.  krieg  1  (1648)  43;  sonsten  verblieb  Fabius 
auf  der  gesanten  gutachten  nach  deren  abzuge  zu  Prag 
BucHHOLTZ  Herkuliskus  (1665)  253;  {ich)  will  .  .  .  das- 
jenige urtheil  fällen,  welches  auf  gutachten  meiner  mit- 
schwestern  vor  billig  erlcannt  worden  Gottschedin  Ver- 
nunft, tadl.  2,  191;  mehr  nach  1  b  hin:  der  baron  setzte  es 
nicht  einmal  auf  das  gutachten  des  rechtsfreundes  aus 
Hippel  kreuz-  und  querzüge  (1793)  i,  122. 

d)  im  sinne  'Zustimmung,  billigung'  im  ganzen  unhäufig: 
in  zweifelhafften  .  .  .  fällen  müssen  sie  mit  dem  feld- 
medico  communiciren  .  .  .,  auch  ohne  sein  gutachten  und 
genehmhaltung  nichts  vornehmen  v.  Fleming  soldat 
(1726)  179;  ich  habe  selbst  mit  meiner  eitern  gutachten 
die  ehe  dem  herrn  Leander  versprochen  L.  Holbeeo 
dän.  Schaubühne  (1743)  2,  253;  ich  wurde  gegen  sein  und 
herrn  Benners  gutachten  konsistorialis  und  muszte  das 
vom  ersten  tage  an  empfinden  Bahrdt  gesch.  s.  lebena 
(1790)  2,  170;  deutsche  komödien  für  den  gemeinen  mann 
(sollten)  nicht  von  den  schülern  dargestellt  werden,  es  sei 
denn  unter  dem  vorwissen  und  gutachten  der  regierung 
Gekvinus  gesch.  d.  dtsch.  dichtung  3,  92. 

2)  häufiger  und  auch  in  neuerer  spräche  verwendet  für 
die  aus  einer  bestimmten  meinungsäuszerung  oder  urteils- 
bildung  hervorgehende  entscheidung. 

a)  im  sinne  'entscheidung'' :  stelle  esz  demnach  pur, 
oder  auf  gut  bremisch  klar,  zu  e,  1.  gutachten,  wie  sie  es 
machen  wollen,  nur  das  man  bei  zeit  nach  jungfrawen 
umbhöre  und  es  nicht  bisz  auf  die  letzte  zeit  verschiebe 
briefd.  geh.  rats  R.  Bluhm  v.  j.  1654  in:  archiv  für  kultur- 
gesch.  7,  191;  des  churfürsten  von  Brandenburg  wolver- 
meintliches  gutachten  Micraelius  altes  Pommerland(\&iO) 
5,  301 ;  das,  was  nicht  nachfolgender  maszen  insonderheit 
geändert,  (soll)  allerdings  bey  derer  darzu  abgeordneten 
. . .  gutachten  verbleiben  acta  publ.  1,  24  Palm;  das  be- 
ruhet alles  auf  Plutus  einsieht  und  gutachten  L.  Hol- 
BERQ  dän.  schaub.  (1743)  5,  9;  ihr  gutachten  fiel  dahin  aus, 
man  wolle  erst  nach  Chios  segeln  Heilmann  gesch.  d. 
Pelop.  krieges  (1760)  1038;  für  die  wichtigsten  Staatshand- 
lungen sollte  er  an  das  gutachten  des  staatsraths  gebunden 
sein  Ranke  s.  w.  17,  108;  noch  ähnlich:  da  gedachte  herr 
Spazzo  pünktlichen  vertrag  zu  erstatten  und  frau  Had- 
wigs  fürstliches  gutachten  einzuholen  Scheffel  ges.  w. 
1, 108. 

b)  als  das  ergebnis  einer  Überlegung  oder  eines  meinungs- 
austausches  im  sinne  'beschlusz"  besonders  im  16./17.  jh.  be- 
legt, vgl.  ein  beschlusz,  ein  gutachten  decretum  Corvinus 
fons  lat.  (1646)  183:  dises  war  nun  (bei  einer  abstimmung 
der  götter)  das  votum  oder  gutachten  Apollinis  Äg. 
Albebtinfs  Ousman  (1515)  38;  umbfragen,  was  für  ein 
Sinnbild  er  in  seinem  schild  zu  führen  vermeint  und 
darüber  gutachten  zu  erwarten  Harsdöeffer /rawenz. 
gesprechsp.  (1641)  1,  F  3^;  zu  der  botschafft  ward  durch 
ein  einhelliges  gutachten  ernennt  der  götter  gesandte 
MoRHOF  Unterricht  (1682)  2,  160;  sindt  folgends  nach  be- 


schriebene punct  in  beratschlagung  genomben  undt 
zue  einhelligem  guetachten  gerichtet  worden  acta  publ. 
1,  53  Palm. 

c)  etwas  anders  'anweisung,  Verordnung,  befehV:  auf  Ver- 
ordnung und  gutachten  seines  anherrn,  keysers  Maximi- 
liani,  ward  ihm  vermählet  frau  Anna,  königs  Vladislai 
tochter  Rätel  Curäi  chron.  (1607)  262;  welchem  des  h. 
reichs  cantzlers  und  bundes  raths  gutachten  und  Ver- 
ordnung fast  in  allem  nachkommen  worden  v.  Chemnitz 
schwed.  krieg  2  (1653)  236;  bisz  der  Lateiner  kriegesheer 
. .  .  auf  guthachten  Innocent  III.  die  waffen  wider  die 
Griechen  wandte  Olearius  persian.reisebeschr.(l^Q&)nO; 
so  verrichteten  .  .  .  die  ältesten  als  hirten  und  lehrer 
einerley  und  blieben  nach  und  nach  bey  dieser  und  jener 
gemeine  beständig  nach  dem  gutachten  der  apostel 
Arnold  kirchen-  u.  ketzerhist.  (1699)  35*';  ich  hatte  meine 
kindheit  nach  andrer  leute  gutachten  zugebracht  dis- 
course  der  mahlern  (1721)  2,  10;  dasz  er  sich  .  .  .  nach  des 
papstes  gutachten  richten  solle  M.  I.  Schmidt  gesch.  d. 
Deutschen  3,  37. 

d)  in  ähnlicher  Verwendung  wie  'gutdünken' ,  auch  ge- 
radezu wie  'belieben' :  derhalben  mag  er  .  .  .  die  schrift 
nach  allem  seinem  gutachten  auszlegen  Fischart  binen- 
korb  (1588)  1343';  (der  hauptmann)  wolt  es  ihrem  (seiner 
Soldaten)  gutachten  haben  heimgestellt  Zinkgeef  apoph- 
thegm.  (1628)  36;  ich  beantwortete  . . .  ihre  fragen  nach 
meinem  gutachten  Schnabel  insel  Felsenburg  13,  8 
Ullrich;  wenn  sich  zweifelhafte  fälle  bey  der  auswechse- 
lung  ereignen,  die  in  denen  cartellen  nicht  deutlich  aus- 
gemacht, so  ist  es  am  sichersten,  dasz  man  deren  ent- 
scheidung der  willkühr  und  den  gutachten  der  krieg- 
führenden partheyen  überlast  v.  Fleming  teutsche  soldat 
(1726)  314;  die  Unterscheidungszeichen,  die  im  Ducker 
schlecht,  im  Camerar  aber  abscheuhch  waren,  hat  er 
ganz  nach  eigenem  gutachten  eingerichtet  Gottsched 
d.  neueste  8,  665. 

3)  die  hauptverwendung  in  neuerer  spräche  geht  auf  eine 
meinungsäuszerung,  die  zugleich  ein  aus  Sachverständnis 
flieszendes  urteil  über  den  in  rede  stehenden  gegenständ  ent- 
hält, unterscheidet  sich  aber  vom  eigentlichen  urteil  durch 
den  Charakter  einer  mehr  subjektiven  und  unverbindlichen 
aussage. 

a)  von  der  meinungsäuszerung  selbst  im  allgemeinen: 
wir  bekennen  unser  Unvermögen  und  wüntschen  anderer 
hülfliches  gutachten  Gueintz  dtscher  sprcuM.  entw.  (1641) 
7;  hes  derowegen  . .  .  theils  wetterauische  graffen  und 
andere  . . .  stände  ...  zu  sich  erfordern  und  begehrte  ero 
gutachten  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  2  (1653)  10;  im 
sechsten  hauptstücke  trägt  der  Verfasser  nun  sein  neues 
gutachten  vor  Gottsched  d.  neueste  (1751)  i,  94;  ein  gut- 
achten .  .  .,  auf  welche  weise  es  (das  werk)  am  zweck- 
mäszigsten  anzugreifen  sei  O.Ludwig  ges.  sehr.  1,  188; 
mit  beziehung  auf  gut  II  'anerkennendes  urteiV:  in  diesem 
meinem  gutachten  bin  ich  sehr  gestärcket  worden  Gott- 
sched vern.  tadl.  (1725)  1,  161. 

b)  auch  gleichbedeutend  mit  'begutachtung',  dem  akt  der 
meinungsäuszerung  oder  urteilsbildung :  darinnen  nun  sind 
.  .  .  viel  anleitungen  .  .  .  dargestellet  worden,  so  ...  zu 
beliebung  dem  vernünftigen  gutachten  übergeben  sind 
Gueintz  dtsche  rechtschreib.  (1666)  3;  in  wichtigen  sachen 
(wurden)  die  stimmen  der  sämmthchen  staatsräthe  dem 
fürsten  Kaunitz  zum  gutachten  vorgelegt  Nicolai  reise 
d.  Deutschi.  (1783)  3,  281;  alle  aussprüche,  auch  die  civil- 
gerichte,  unterlagen  seinem  gutachten  Ranke  s.  w. 
40/41,  412. 

c)  namentlich  für  eine  von  fachleuten,  sachverständigen 
oder  einer  amtlichen  körperschaft  abgegebene  beurteilung: 
nach  der  kriegsverständigen  gutachten  Kirchhof  milit. 
discipl.  (1602)  198;  welcher  über  alle  seine  Sachen  ge- 
lehrter freunde  guetachten  erfodert  Opitz  poeter ey  56  ndr.; 
hier  ist  auf  der  spräche  kündigsten  vernünftiges  gut- 
achten .  .  .  alles  gesetzet  Gueintz  dtsche  rechtschreib. 
(1666)  )(  5^;  alle  vornehme  gelehrte  leute  von  Universi- 
täten schickten  alle  ihre  schrifften,  bevor  sie  selbige  in 
druck  geben,  ihm  erst  zu  durchzusehen  mit  erforderung 


1373 


GUTACHTEN 


GUTACHTER— GUTART 


1374 


seines gutachtens  J.Riemer polit.maulaffe{1679)  223;  oder 
schicke  den  urin  ...  zu  3.  4.  medicis,  deren  gutachten 
darüber  auszzuforschen  medicin.  poatconsilium  (1680)  16; 
bei  der  abgäbe  eines  gutachtens  über  die  qualität  eines 
.  . .  brotes  sollte  der  damit  betraute  Chemiker  sich  der 
gröszten  vorsieht  befleiszigen  Muspratt-Stohmann 
chemie  2,  219;  was  man  von  den  pontifices  begehrte,  war 
mehr  ein  gutachten  als  ein  urtheil  Jhering  geist  d.  röm. 
rechts  267;  das  gutachten  der  sachverständigen  {hatte)  ihn 
in  dem  zweifei  befestigt  v.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr. 
5,  150;  gestützt  auf  die  eigene,  durch  das  gutachten  der 
kronsyndici  bestärkte  rechtliche  Überzeugung  Bismarck 
polit.  reden  3,  7. 

d)  wo  zugleich  eine  bewertung  oder  entscheidung  vor- 
liegt, kommt  gutachten  der  bedeutung  'urteil'  noch  näher, 
vgl.  gutachten  Judicium,  arbitrium,  sein  gutachten  über 
was  geben  Judicium  suum  interponere  Steinbach  dtsch. 
wb.  (1725)  2:  wo  es  einen  streit  zu  schlichten  .  .  .  gab, 
war  es  sein  gutachten,  das  .  .  .  eingeholt .  . .  wurde  D.  Fr. 
Strausz  ges.  w.  10,  197;  die  alte  gräfin  .  .  .  verhinderte 
eine  erklärung,  . . .  indem  sie  mit  unendlich  vielem  Inter- 
esse mein  gutachten  über  einen  fasan  einforderte  Moltke 
ges.  sehr.  1,  48;  jetzt  wirds  wohl  zu  spät  sein,  sonst  nähme 
ich  ihre  gutachten  noch  gern  entgegen  A.  v.  Droste- 
HÜLSHOFii"  br.  an  L.  Schücking  258;  nach  dem  gutachten 
aller  riesen  war  für  seine  Zukunft  keine  andere  als  eine 
mäszige  mittelgrösze  zu  erwarten  Freytag  ges.  w.  4,  92. 

e)  in  formelhaften  Verbalverbindungen;  in  älterer  spräche 
ein  gutachten  sagen:  der  selige  V.  ward  von  dem  direc- 
torio  aufgefordert,  sein  gutachten  zu  sagen  allg.  dtsche 
bibl.  anh.  53-86,  2059;  die  reihe  {kam)  an  ihn,  sein  gut- 
achten zu  sagen  Rabener  s.  w.  2,  48 ;  damit  unterschieden 
sie  {die  apostel)  ihre  personen  vom  geist  des  gemein- 
wesens  selbst,  in  dessen  sinn  sie  die  sache  geprüft  hatten 
und  darüber  jetzt  ihr  gutachten  sagten  Herder  w.  20, 
36  Ä.;  bis  in  die  heutige  spräche  durchstehend  ein  gutachten 
geben,  abgeben,  erstatten:  nehmen  sie  sich  nicht  so  viel 
heraus,  ihr  gutachten  über  irgend  eine  sache  zu  geben, 
bis  sie  gefragt  werden  samml.  v.  Schauspiel.  (1764)  8,  hoch- 
zeittag 38 ;  {ich)  wünschte  .  .  . ,  dasz  sie  mir  ein  mineralo- 
gisches .  .  .  gutachten  gäben  Göthe  IV  19,  125  W.;  die 
pontifices  {gaben)  .  .  .  auf  verlangen  rathschläge  und  gut- 
achten ab  MoMMSEK  röm.  gesch.^^  1,  471;  ich  sollte  mein 
gutachten  über  diese  spräche  abgeben  Immermann  2, 
131  B.;  der  commissarus  {musz)  nebst  einschickung  des 
protocoUs  über  den  zustand  des  regiments  seine  ausführ- 
liche pflichtmäszige  relation  samt  seinen  gutachten,  wie 
in  allen  fall  zu  helfen,  an  die  generalität  oder  krieges- 
kantzeley  erstatten  v.  Fleming  teutsche  soldat  (1726)  207; 
Preysz  .  .  .  wird  ein  amtliches  gutachten  über  das  bad 
erstatten  jahrb.  d.  Qrillparzergesellsch.  1,  146;  formelhaft 
auch  ein  gutachten  einholen:  der  druyden  hierüber  ein- 
geholtes gutachten  Lohenstein  Arminius  (1689)  1, 164''; 
ich  werde  .  .  .  rathen,  dasz  man  bey  decorirung  unseres 
Schlosses  auch  sein  gutachten  einhole  Göthe  III  2, 119  W.; 
der  Schiffer  {hat)  zur  rechtfertigung  seines  Verfahrens  das 
gutachten  von  sachverständigen  einzuholen  handelsge- 
setzbuch  §  530  abs.  2. 

4)  verdinglicht  für  die  schriftlich  in  form  einer  begrün- 
deten erklärung  abgegebene  beurteilung:  er  {sollte)  in  even- 
tum  sein  gutachten  .  . .  verfertigen  Ayrer  hist.  proc.  juris 
(1600)  151;  die  oberenserischen  stand  haben  uf  begern 
ihro  maist.  ein  gutachten  wie  zu  beständigem  frieden 
zu  gelangen,  übergeben  Cuspinianus  fama  mundi  (1620) 
0  2^;  durch  diese  worte  solte  sich  der  leser  einbilden, 
dasz  dieses  gutachten  von  einem  unbekannten  auszer 
Leipzig  gemacht  worden  Thomasius  ernsth.  gedanck. 
(1720)  3,  163;  ich  habe  die  gutachten  der  geschiktesten 
ärzte  von  England  über  den  zustand  unserer  theuern 
kranken  bey  mir  Wieland  I  3,  231  akad.;  berichte  und 
gutachten  fasse  man  nach  diesen  gesichtspunkten,  und 
zwar  ohne  rechte  kenntnisz  der  läge  der  sache  Ranke 
8.  w.  ZXjZi,  38;  die  büanz  und  die  gewinnberechnung, 
welche  nach  ablauf  des  geschäftsjahres  vom  reichsbank- 
direktorium  aufgestellt,  mit  dessen  gutachten  dem  reichs- 


kanzler  . .  .  überreicht  .  .  .  wird  bankgesetz  v.  14.  mürz 
1875,  §  32;  etwas  anders,  wie  'erläuterung,  erklärung' :  dasz 
andere  aber  {ist)  mit  gutachten  zue  eur.  f.  gnd.  undt  der 
andern  herrn  fürsten  undt  stände  resolution  aufgestellet 
cu:ta  publ.  1,  40  Palm.  —  gutachter,  m.,  jemand,  der 
ein  gutachten  abgibt;  anscheinend  im  17.  jh.  unmittelbar 
aus  gutachten,  n.,  gebildet,  da  das  vb.  gutachten  nur 
Singular  auftritt;  im  sinne  'beurteiler' :  dann  gewisz,  dasz 
kein  mensch,  so,  wie  dieser  guttachter  will,  es  gemachet 
Gueintz  bei  G.Krause  ertzschrein  253;  modern  namentlich 
für  'sachverständige' ,  die  beruflich  oder  gelegentlich  ein  gut- 
achten {vgl.  dort  3  c)  abgeben:  dasz  zwei  gutachter  bei  der 
nemlichen  probe  zu  ganz  entgegengesetzten  ergebnissen 
gelangt  waren  handwb.  d.  staatswiss.  5,  954. 

GUTACHTLICH,  adj.  und  adv.;  weniger  häufig,  be- 
sonders im  18.  jh.  auch  gutachtlich;  im  18.  jh.  aus  gut- 
achten, n.,  gebildet  im  sinne  'ein  gutachten  enthaltend  oder 
darstellend'. 

1)  als  adj.  namentlich  von  schriftlichen  äuszerungen,  be- 
richten usw.:  {dasz  er)  die  acta,  nebst  einem  gutacht- 
lichen bericht,  an  uns  .  .  .  einschicken  {solle)  V.  Friedbn- 
BERG  abh.  V.  d.  in  Schlesien  übl.  rechten  (1741)  2,  5;  er 
forderte  die  cardinäle  auf,  ihm  ihre  gutachtlichen  äusze- 
rungen darüber  zugehen  zu  lassen  Ranke  s.  w.  39,  184; 
Hippokrates  ertheilt  den  Abderiten  einen  gutachtlichen 
rath  Wieland  s.  w.  (1794)  19,  223;  zwey  abschriften  liegen 
bey  von  jenen  gutachtlichen  vorschlagen  des  vorsorgen- 
den bibhothekars  Göthe  in:  Göthejahrbuch  22,  25;  ew. 
herzogliche  durchlaucht  geruhen  sich  über  einige  punkte, 
die  freye  zeichenschule  sowohl  hier  als  in  Eisenach  be- 
treffend, eine  gutachtliche  meynung  vortragen  zu  lassen 
Göthe  IV  30,  118  W.;  man  teilte  mir  die  gutachtliche 
bewilligung  .  .  .  mit  B.  Weber  bei  Wackernell  Beda 
Weber  149;  im  papiernen  amtsstil  auch  anstatt  'als 
gutachter'  verwendet:  unter  gutachtlicher  mitwirkung  der 
gemeindebehörden  handwb.  d.  staatswiss.  4,  549;  ebenso 
gutachtliche  tätigkeit  u.  ä.;  isoliert  als  'rätlich',  vgl.  gut- 
achten 1  b:  ich  hielt  es  daher  für  gutachtlich,  vor  an- 
fang  der  Verhandlung  ihn  durch  gegenstriche  aufzu- 
wecken Jean  Paul  w.  45/47,  473  Hempel. 

2)  als  adv.  im  sinne  'in  einem  gutachten  sich  äuszernd, 
durch  ein  gutachten  urteilend'  zum  ersatz  für  präposiiionale 
Verbindungen  gebraucht:  also  konten  diese  das  maul  nicht 
aufmachen,  wenn  etwa  über  eine  vorkommende  sach  die 
stimm  gutachtlich  zugeben  wäre  Lindenborn  Diogenes 
(1742)  2,  631;  um  gutächthch  zu  berichten  Wieland  s.  w. 
(1794)  19,210;  wir  geben  euch  auf,  euch  gutachtlich  darüber 
auszulassen  H.  V.  Kx,eist  w.  4,  88  Schm.;  hatte  {ich)  .  .  . 
die  befehlshaber  der  truppen  .  .  .  aufgefordert,  sich  dar- 
über gutachtlich  zu  äuszern  Wilhelm  I.  milit.  sehr,  l,  257; 
über  . . .  Verletzungen  des  rechts  gutachtlich  zu  ent- 
scheiden MoMMSEN  röm.  gesch.^^  1,  169;  anstatt  'in  einem 
gutachten,  als  gutachter':  insbesondere  ist  der  centralaus- 
schusz  gutachtlich  zu  hören  bankgesetz  v.  14.  märz  1875, 
§  32  th.  2 ;  noch  anders  'auf  grund  von  gutachten' :  die  be- 
stände {vmrden)  gutachtlich  in  die  perioden  verteilt 
Schwapp  ach  handb.  d.forst-  u.  jagdgesch.  2,  738.  —  gut- 
achtung,  /.,  durch  gut  verstärktes  achtung,  aus  der  in 
älterer  spräche  lebenden  redensart  'einer  sache  gute  achtung 
haben  {vgl.  sp.  1248)  hervorgegangen,  im  sinne  'genaue 
aufsieht':  bemelte  4  männer  sollen  .  .  .  auf  das  ganze 
lerninger  mos  der  guetachtung  und  aufsechen  haben  {v. 
j.  1590)  österr.  weist.  6,  21;  anders  loeiterbildung  von  gut- 
achten, n.:  gutachtung,  guttdüncken  Judicium  nomencl. 
lat.  germ.  (1634)  225.  —  gutansehen,  n.,  zusammen- 
rückung aus  der  formel  etw.  für  gut  ansehen  {vgl.  gut  I  A 
3  d  y  aa,  sp.  1240)  im  sinne  'ansieht' ,  'gutachten' ,  'billigung' 
im  16.  jh.  gelegentlich  bezeugt,  namentlich  schwäb.,  vgl. 
Fischer  3,  960,  wo  belege.  —  gutart,  /.,  gelegentliche 
bildung,  wohl  aus  gutartig  rückgebildet:  er  erwähnte  noch 
nebenher  anderer  gründe,  .  .  .  und  besonders  der  gutart 
jener  gemeinde  Hermes  für  eitern  und  ehelustige  (1789) 
3,  293;  (sie)  setzten  .  .  .  aus  einer  unsumme  neuer  klein- 
tugenden  ein  ganz  erträgliches  Vollbild  weiblicher  gutart 
zusammen  H.  Hoffmann  teufd  vom  sande  (1907)  31. 


1375 


GUTARTIG 


GUTARTIG 


1376 


GUTARTIG,  adj.,  vereinzelt  adv.;  im  16.  jh.  auftretend 
und  aus  der  Verbindung  gute  art  (vgl.  gut  II  B  1  a,  sp.  1267) 
entwickelt,  wobei  gut  verschiedenen  bedeutungen  zugehören 
kann. 

1)  in  älterer  spräche  und  technisch  entsprechend  gut  II 
A  2  'von  hochwertiger  beschaff enheiV :  die  edlen  und  gut- 
artigen füllen  erkennet  man  bei  natürlichen  und  leib- 
lichen eigenschafften  M.  üsuRfeldbau  (1551)  185'';  es  laszt 
auch  ein  gütartige  stüt  kein  anders  dann  ein  gütartigs 
rosz  zu  ir  Chr.  Bruno  de  inst,  christ.  foem.  (1566)  i2^; 
ebenso  vom  boden  'fruchtbar^  vgl.  Staub-Tobler  1,  477; 
je  gutartiger  die  eisensteine,  desto  günstiger  stellt  sich 
der  brennmaterialverbrauch  Muspratt-Stohmann  2, 
1199;  selten  sonst:  verschiedene  ^seiner  kleinen  gedichte 
sind  zum  theil  gutartige  fruchte  desselben  Göthe  49, 36  W. 

2)  häufiger  vom  menschen,  seiner  geistigen  und  sittlichen 
anläge  nach,  also  sowohl  gut  I  A  2  d  als  auch  besonders 
gut  V  B  6  einbegreifend;  vgl.  gutartig  bonae  indoles 
Henisch  1790:  so  findet  man  auch  gutartige  ingenia 
W.  BÜTNER  dialectica  teutsch  (1588)  107*; 

gift  also  selbst, 
find  ich,  kann  in  gutartigen  naturen 
zu  etwas  besser  m  sich  veredeln 

SCHIIIER  3, 10  G.; 

diser  gutartige  fürst  ward  unversehenlich  ausz  diser  zeit 
erfordert  C.  Wurstisbn  Pauli  Aemilii  .  .  .  hist.  (1572)  2, 
51;  da  sich  in  ainer  geplütschaft  unablässig  vil  tugend- 
beflissene .  .  .  herfür  thaten,  das  man  verursacht  worden, 
aus  hoffnung  der  gutartigen  nachkommenschafft,  die 
lehen  .  .  .  erbUch  zu  verleihen  Fischart  3,  41  Hauffen; 
dem,  was  der  Deutsche  gemüth  nennt,  dem  Innern  gefühl, 
worin  alle  gutartige  menschen  übereinkommen,  d.  h.  also 
der  humanität  Göthe  41,  2,  277  W.;  er  heiszt  Vulpius  und 
ist  mir  als  ein  gutartiger  junger  mann  bekannt  IV  9,  152; 
besonders  von  kindern,  vgl.  gutartig,  knab  guter  art  bonae 
indolis  puer  Dentzler  clav.  (1716)  1,  353  •>,  gutartig 
ingenuus  2,  1438':  ein  gutartiges  kind  achtet  auf  seines 
vatters  wort  F.  Wysz  (1653)  Tiach  Staüb-Tobler  1,  477; 
beide  waren  sehr  gutartige,  wohlgesittete  kinder  Chph. 
V.  ScHMiD  ges.  sehr.  4,  75;  das  bewusztsein  andern  lieb 
zu  sein,  .  .  .  giebt  der  gutartigen  Jugend  einen  kom- 
pasz  in  die  band  Roon  denkw.  1,  35;  ebenso  von  den 
seelischen  organen:  ihr  gutartig  gemüthe  Bodmer  Noah 
(1752)  61;  (die)  meynung  .  .  .  dasz  ein  schöner  leib  eine 
gutartige  seele  verkündiget  Wieland  I  3,  332  akad.; 
die  Philosophen  bewiesen  ihnen:  sie  wären  rohe  thiere, 
die  zwar  alle  tugenden,  aber  gänzlich  ohne  verdienst,  aus 
bloszem  instinkt  und  gutartigem  herzen  ausübten 
Klinger  w.  lO,  lOl;  nur  vereinzelt  von  den  handlungen 
selbst:  das  dieselbigen  erstlich  gutartiger  sitten  folgends 
landläufiger  sprachen,  auch  solche  deutlich  mit  wolge- 
löseter  zungen  auszusprechen  färtig  seien  Fischart  3, 
283  Hauffen. 

3)  die  hauptsächlichste  Verwendung  in  neuerer  spräche 
schlieszt  sich  an  gut  IV  C  an  und  erhält  bedeutungen,  die 
denen  von  gut  IV  A  entsprechen. 

a)  von  menschen  'wohlmeinend,  freundlich'' ;  vereinzelt 
wie  gut  IV  A  1  b/3  m,it  präposition:  immer  hast  du  mir 
gefallen,  denn  du  warst  treu  im  dienst  und  gutartig  gegen 
meine  gesellen  Freytag  ges.  w.  8,  105;  wie  gut  Alb/5, 
doch  klingt  meist  noch  gutartig  2  m,it  hinein,  wie  namentlich 
der  gegensatzbegriff  bösartig  zeigt:  so  wie  jene  alten  volks- 
dichter ist  er  ( Gerhard)  ungeheuchelt  und  unangestrengt 
fromm,  naiv  und  tüchtig;  gutartig  und  freundHch  macht 
ihn  die  Seligkeit  seines  glaubens  Gervinus  gesch.  d.  dtsch. 
dicht.  3,  354;  vergnügt  über  die  landschaft  und  die  gut- 
artigen leute  Freytag  ges.  w.  16,  122;  manche  dieser 
Zwerge  waren  gutartig  und  den  landbewohnern  .  .  .  be- 
hülflich  BR.  Grimm  dtsche  sagen  l,  117;  unter  der  ge- 
sundesten, nüchternsten,  mäszigsten,  fröhlichsten  und 
gutartigsten  nazion  von  der  weit  Wieland  s.  w.  (1794) 
7,  225;  tausend  segen  wurden  mir  von  diesem  gutartigen 
Volke  nachgewünscht  Fr.  v.  d.  Trenck  lebensgesch.  1, 226; 
aber  mit  betonler  ausnähme  des  ethischen  beiklangs:  es 
giebt  eine  geringere,  eine  faunen-  und  satyrennatur  in 


der  menschlichen  bildung,  die  wir  nicht  verläugnen 
können;  sie  ist  ...  gutartig,  dienstfertig,  wohlgefällig, 
freundlich  Herder  17,  364  S.;  wo  menschen,  die  nur  gut- 
artig, nicht  sittlich  sind,  sich  höchstens  bis  zum  mitgef  ühl 
mit  der  leidenden  thierheit  erheben  Fr.  Schlegel  pros. 
jugendschr.  2,  127  Minor;  mehr  nach  gut  IV  A  2  hin  passiv 
im  sinne  'gutmütig,  friedlich' :  die  einwohner  in  diesem  see 
waren  friedliche,  gutartige  leute  G.  Forster  s.  sehr.  4,  26; 
die  leute  sahen  mich  an  .  . .,  aber  waren  so  gutartig  und 
lachten  nicht  Seume  spazierg.  (1803)  140;  aber  nein! 
auf  meine  ehre,  das  gutartige  meisterlein  denkt  ohnehin 
nicht  daran  Jean  Paul  w.  l,  371  Hempel;  selbst  wenn 
sie  es  geradezu  vergessen  hätten,  würde  ihnen  dies  bei 
einer  so  gutartigen  person  .  .  .  keinen  eintrag  tun  A.  v, 
Droste-Hülshoff  br.  an  L.  Schücking  227;  auch  nahm 
michs  wunder,  dasz  er  .  .  .  auf  dein  zureden  sogleich 
wieder  gutartig  geworden  ist  G.  Forster  s.  sehr.  9,  302; 
ebenso  verwendet:  es  war  ein  gutartiger,  allerliebster  früh- 
Ungstag  Hippel  lebensl.  3,  2,  402;  anders,  wie  gutartig  3  d 
(vgl.  gut  IV  A  2  b)  im  sinne  'harmlos,  ungefährlich' :  von 
den  vielen  arten  der  geisteskranken  sind  die  gutartigen 
immer  der  häuslichen  pflege  und  aufsieht  vorbehalten 
gewesen  M.  Heyne  körperpflege  (1903)  168. 

b)  bei  abstractis  im  sinne  'aus  freundlicher,  wohl- 
wollender gesinnung  entspringend':  empfindsamkeit,  .  .  . 
die  aus  der  gutartigen  ansieht  von  der  menschlichen 
schwäche  und  kleinlichkeit  flieszt  Gervinus  gesch.  d. 
dtsch.  dicht.  5,  150;  deine  gutartige  kindlichkeit  Kortum 
Jobsiade  (1799)  108;  sie  zitterten  für  Meropen  selbst,  die 
durch  die  gutartigste  Übereilung  gefahr  lief,  die  mörderin 
ihres  sohnes  zu  werden  Lessinq  9,  383  L.-M.;  also  die 
gerech tigkeit  laster?  das  nicht,  aber  höchst  gutartige  ein- 
falt  Schleiermacher  Piatons  w.  (1804)  6, 109;  (cme)  bibUo- 
thek  . . .,  daraus  er  nach  dem  antriebe  seiner  gutartigen 
laune  las  Göthe  46,  85  W.;  mehr  objektiv  nach  3  d  hin  'als 
harmlos  anzusehen,  nicht  bösartig':  (die  weichmütigkeit  ist) 
eine  gutartige  leidenschaft  Kant  5.  w.  (1838)  7,  390  Har- 
tenst.;  ob  sie  (die  erscheinungen  des  gesetzlosen  ungcfährs) 
als  bösartige  oder  als  gutartige  erscheinungen  ausfallen 
werden,  müssen  wir  erwarten  Fichte  s.  w.  5,  496;  die  un- 
schuldige eitelkeit,  sie  ist  die  gutartige  Verzierung  des 
daseins  G.  Keller  ges.  w.  3,  134;  diese  (satire)  ist  an  den 
meisten  stellen  gutartig  genug  Solgbe  nachgel.  sehr. 
(1826)  1,  2. 

c)  von  tieren,  die  nicht  bösartig  und  gefährlich  sind,  vgl. 
gut  IV  A  2  b,  im  sinne  'harmlos,  lenksam,  fromm' :  ja,  das 
ich  euch  auff  den  hund  bring  (welches  thir  .  .  .  unter 
allem  das  .  .  .  gutartigest  ist),  habt  ihr  nicht  gesehen,  wie 
andechtich  er  das  marckbein  verschiltwachtet  Fischart 
Garg.  23  ndr.;  die  feldelefanten  helt  man  vor  guhtahrtig, 
zahm,  und  lehrsam  O.  Dapper  Äfrica  (1670)  15a';  auch 
haben  wirklich  alle  rinder  dieses  thals  ein  glänzendes 
silberweisz,  und  sind  auszerordentlich  gutartig  mit  ihren 
Ungeheuern  groszen  hörnern  Heinse  s.  w.  4,  363  Seh.;  der 
kleine  geselle  (ein  gorilla)  war  nichts  weniger  als  gutartig 
Brehm  tierl.  l,  62 ;  mit  negativer  bewertung  'geduldig,  eira- 
fältig' :gVitaxt\g  wie  die  schaf  e  Kant  w.  (1838)  4, 298  Hartenst. 

d)  von  krankheiten  'harmlos,  ungefährlich'  ihrer  natur 
nach,  oder  auch  'leichte  form  zeigend,  ohne  komplikationen 
vorübergehend',  vgl.  benignus  morbus,  eine  gutartige 
kranckheit,  wird  genennet  eine  solche  kranckheit,  die 
keine  sonderlich  böse  zufalle  hat  Blancard  med.  wb. 
(1710)  87:  man  weis,  dasz  ein  gutartiges  fieber  über  das 
gift  in  unsern  bösen  feuchtigkeiten  sieget  Gottsched  d. 
neueste  (1751)  8,  527;  alle  (impfpocken)  sind  gutartig,  und 
die  meisten  schon  auf  dem  rückwege  Schiller  br.  2,  49 
Jonas;  folgen,  welche  selbst  nach  den  gutartigsten  masem 
drohen  Bremser  medic.  paröm.  282;  diese  frau  bekam 
viermal  das  bösartige  friesel,  einmal  das  gutartige  allg. 
dtsche  bibl.  anh.  37-52,  1413;  Herders  kinder  haben  die 
natürlichen,  doch  gutartigen  blättern  Göthe  IV  6, 154  W.; 
die  sogenannten  gutartigen  hypertrophien  entstehen  ge- 
wöhnlich dadurch,  dasz  kleine  exsudationen  sich  .  .  . 
wiederholen  Sömmerring  menschl.  körp.  8,  l,  88;  ähnlich: 
die  gutartigen  safte  verirren  Schiller  l,  160  G.;  alles 


1377   GUTARTIGKEIT— GUTBEDÜNKEN 


GUTBEDÜNKEN 


1378 


bisher  vorgetragene  gilt  nur  von  dem  regelmäszigen  und 
gutartigen  verlaufe  der  krankheit  Bremser  medic. 
paräm.  272. 

4)  gelegentlich  adverbiell  gewendet;  wie  2 :  dieser  wackere 
mann  .  .  .  arbeitete  ...  an  der  geistlichen  erziehung  seines 
pathen,  der  ihm  gutartig  zuhörte  und  mit  häufigem  'ja, 
ja'  beistimmte  M.  Mbyb  erzähl,  a.  d.  Ries  2,  266;  wie  3  d: 
epidemien  können  bösartig  seyn  und  doch  .  .  .  personen 
gutartig  kranken  allg.  dtsche  bibl.  6,  76. 

GUTARTIGKEIT,  /.,  Weiterbildung  des  vorigen  Wortes, 
vereinzelt  mit  anderem  adjektivsuffix  gutartlichkeit  (s.  m.  2). 

1)  entsprechend  gutartig  1  'hochwertige  beschaß enheit, 
vortreffliche  qualilät',  doch  selten  und  jung:  die  gutartigkeit 
des  bodens,  die  gutartigkeit  des  werkes  selbst  Bode 
Tristram  Schandi  (1774)  6,  91;  bergtechnisch  von  S  her 
übertragen:  bei  der  gutartigkeit  des  gebirges,  welche 
himmelsbrüche  nicht  so  leicht  entstehen  läszt  Veith 
bergivb.  (1870)  118. 

2)  wie  gutartig  2,  die  'vortreffliche  beschaffenheit  der 
geistig -sittlichen  artung'  des  manschen:  desgleichen  auch 
von  inen  der  ungerhatenen  ubelgesitteten  mitschüler 
gesellung  abzuschaffen,  dan  dise  auch  die  beste  gut- 
arthchkeyt  zuverkehren  genug  vermöglich  sind  Fischart 
3,  312  Hauff en;  ja  nicht  allein  dieses,  sondern  auch  seine 
sonderliche  guhtarthigkeit  und  angebohme  fürtrefüche 
geschiklichkeit  brachte  ihn  in  groszes  ansehen  Zesen 
Assenat  (1672)  99;  mit  dieser  manier  zu  unterweisen, 
wird  alle  gutartigkeit  und  tugendhafftigkeit  aus  dem 
gemüthe  verschlagen  und  verderbet  Faszmann  d.  ge- 
lehrte narr  (1729)  24;  ein  Jüngling  ohne  gutartigkeit 
Herder  16,  147  S.;  die  gutartigkeit  der  menschlichen 
natur  Wielakd  s.  w.  (1794)  1,  314;  die  gutartigkeit  seines 
willens  Kakt  w.  (1838)  4,  296  Hartenst.;  objektiv,  an  gut 
V  B  5  a  angeschlossen:  so  steht  öfter  die  lauterkeit  der 
gesinnung  im  umgekehrten  Verhältnisse  der  gutartigkeit 
der  Sache  selbst  Kant  3,  491  akad. 

3)  entsprechend  gutartig  3  als  'wohlmeinende,  freund- 
liche wesensarf. 

a)  vom  menschen:  es  ist  eine  blosze  höfligkeit,  ja  über- 
mäszige  gutartigkeit  des  egiptischen  frauenzimmer  Zesen 
Assenat  (1672)  20;  was  wir  in  der  spräche  des  gemeinen 
lebens  das  gute  herz  nennen,  die  natürliche  gutartigkeit 
Sohleiermaoher  8.  w.  I  12,  223;  auf  die  handlungsweise 
übertragen:  da  doch  jeder,  dessen  patron  mit  leidlicher 
gutartigkeit  verfuhr,  die  .  .  .  ehrerbietung  .  .  .  zurück- 
halten muszte  Niebuhr  röm.  gesch.  1,  383. 

b)  vne  gutartig  3  d  auch  von  krankheiten  'ungefährlicher 
Charakter,  harmlosigkeif :  von  den  zeichen  der  krankheit, 
.  .  .  der  dauer,  .  .  .  gut-  und  bösartigkeit  allg.  dtsche  bibl. 
anh.  53-86,  407;  gewöhnlich  setzte  man  die  gutartigkeit 
einer  geschwulst  in  den  umstand,  dasz  sie  nach  ihrer 
exstirpation  nicht  wiedererscheint  Sömmerrinq  menschl. 
körp.  8,  1,  173. 

GUTBEDÜNKEN,  vb.,  zusammenrückung  aus  es  be- 
dünkt mich  gut  {vgl.  sp.  1239),  im  16.  jh.  wohl  unter  ein- 
fiusz  des  subst.  gutbedünken  geschaffen,  jedoch  selten  be- 
zeugt: und  wie  es  euch  dann  gutbedunckt,  das  es  gegen 
den  gefangen  wirten  gehalten  werden  soll,  das  mügt  ir 
uns  wider  zuerkennen  geben  verhandl.  über  Thomas  v. 
Absberg  181  lit.  ver.;  unsern  herren  Christum  (hat)  gut- 
bedunckt, daz  .  .  .  allen  sondern  kirchen  .  .  .  ain  stäte 
kirch  . . .  fürgesetzt  sey  Berthold  v.  Chiemsee  teutsche 
theolog.  632  R. 

GUTBEDÜNKEN,  n.,  Substantivbildung  aus  der  formet 
es  bedünkt  mich  gut  (vgl.  sp.  1239),  seit  dem  15.  jh.  auf- 
tretend und  bis  ins  17.  jh.  hinein  lebendig,  später  von  gut- 
dünken,  n.,  verdrängt;  vereinzelt  im  15.  jh.  an  die  ins  präs. 
gedrungene  präteritalform  des  verbums  angeschlossen:  er 
also  eim  spruch  volgen  oder  ein  besunder  urteil .  .  .  nach 
skiem  gütbedüchen  vellen  mag  Fr.  Biederer  rhetoric 

(1493)  A  4". 

1)  noch  mit  stark  verbalem  char akter  als  'das  denken  und 
meinen  darüber,  was  eine  person  für  angemessen,  ratsam 

IV.  1.  6. 


oder  richtig  hält',  vgl.  gut  I  A  3  d  a:  gaben  und  das  leggelt 
sollen  nach  ansehen  und  gutbedimcken  der  verordneten 
sibener  auszgethaUt  und  durch  gemein  . . .  gesellen  erlegt 
werden  {v.  j.  i486)  urkundenb.  d.  stadt  Heilbronn  2,  353;  so 
ich  nun  alle  lengen,  dicke  und  preiten  . . .  bezeichnet  hab, 
.  , .  alszdann  zeuch  ich  die  gestalt  .  .  .  nach  meinem  gut- 
beduncken  darein  A.  Dürer  menschl.  proportion  (1528) 
A4d^;  nachmals  hat  er  (Christus)  in  (den  Seelsorgern) 
macht  geben,  nach  irer  erkanntnus  und  güetbeduncken, 
nachzelassen  etwas  oder  nichts  Berth.  v.  Chiemsee 
teutsche  theolog.  507  R.;  der  gefangen  soU  auch  zum 
minsten  über  den  andern  tag  nach  der  marter  nach  gut- 
beduncken  des  richters  in  die  büttelstuben  .  .  .  für  (vor) 
den  bannrichter  gefürt  (werden)  Carolina  36  Kohler-Scheel; 
dann  die  heilige  römische  kirche  hat  der  alten  lehrer 
schrifften  niemahls  anders  annemen  wollen,  dann  mit 
diesem  geding,  das  sie  dieselbige  mögen  auszIegen  nach 
ihrem  gutbedujQcken  und  bester  gelegenheit  Fischart 
binenkorb  (1688)  6^, 

2)  besonders  im  sinne  'meinung,  ansieht'  (vgl.  gutachten 
1  a)  verbreitet:  sytenmal  wir  der  firmung  ze  reden  worden 
sind,  will  ich  min  gutbedünken  davon  sagen  Zwinglx 
dtsche  sehr.  1,  239;  darumb  so  wollest  disen  brieff  selb 
lesen  und  mir  darnach  auff  mein  frag  dein  gütbeduncken 
zu  verston  geben  Wickram  w.  2,  401  B.;  ieglichem  aber 
(sei)  sein  urtheil  und  gütbeduncken  frey  gestellet  Kjbch- 
HOF  wendunmuth  2,  96  Ost.;  einem  jeden  sein  wohn  und 
gütbeduncken  laszen  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  510*'; 
ist  dann  ein  sach  also  beschaffen,  dasz  es  weiters  be- 
denkens  bedarff,  so  lassen  sies  ehrenthalben  an  landvogt 
gelangen,  dasz  er  .  .  .  sein  gütbeduncken  mag  sagen 
Megiseb  newe  nortwelt  (1613)  74;  als  'lehrmeinung' :  als 
ob  sie  keine  gewiszheit  ires  glaubens  hetten,  sondern 
weren  soviel  evangelia  als  lehrer  und  so  vielerley  religion 
als  gütbeduncken  Kirchhof  wendunmuth  1,  469  Ost.; 
dasz  unser  hebe  mutter  sein  (des  Thomas  von  Aquino) 
gütbeduncken  fürs  best  erkannt  und  angenommen  hat 
Fischart  binenkorb  (1588)  186». 

3)  häufig  als  die  mit  einer  empfehlung  verbundene 
meinungsäu,8zerung  (vgl.  gutachten  1  b)  im  sinne  'rat- 
schlag'; oft  in  doppelformeln :  und  wie  eur  freundliche 
lieb  die  sach  im  besten  furnämen  und  betrachten  wirt, 
sezen  wir  ganz  zu  euerem  rate  und  gutbedunkchen  bei 
Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalters  i,  47;  was  aber  in 
solichem  not  were  oder  wurde,  sol  er  allezeit  mit  selben 
seinen  rat  und  gütbeduncken  an  dieselben  unser  stathalter 
unser  schatzcammer  zu  Insprugg  bringen  in:  urk.  z. 
gesch.  Maxim,  I.  163  lit.  ver.;  dieser  erstgemeldte  raht 
und  gütbeduncken  ward  von  ihnen  allen  mit  fleisz  und 
ernst  erwogen  Aqyrtas  grillenvertr.  (1670)  20;  dann  ge- 
melster  bapst  Adrian  hat  fürgenommen,  der  geistlichen 
personen  miszbrauch,  wandel  und  wesen,  mit  neuwen 
gesetzen  ...  zu  verbessern,  darinnen  Pauli  hilff  und  güt- 
beduncken brauchen  wollen  A.  Henricpetri  general- 
historien (157 7)  2;  nach  gutbedunckchen  meiner  vertrauten 
commissarien  v.  Brandis  landeshaupÜ.  v.  Tirol  37; 
andere  wöUen  dem  könig  in  Hispanien  ihr  gütbeduncken 
uberschicken,  wie  die  Gösen  ...  zu  verjagen  seyen  Äg. 
Albertinus  Lucifers  königr.  190  nat.-lit.; 

mein  vater,  so  besteh 
dein  weises  gütbeduncken  I 
dein,  nicht  mein  wuntsch  ergehl 

GRYPmus  ged.  301  Palm; 

wie  'veranlassung' :  reytze  und  ermane  in  auch  nicht 
leichtlich  zu  etwas,  das  ers  nach  deinem  gütbeduncken 
fürnemme,  aus  bedenken,  das  das  end  miszlich  ist 
Fischart  3,  186  Hauffen. 

4)  zu  verschiedenen  Sonderbedeutungen  verengert;  als  kri- 
tische meinungsäuszerung  vne  'gutachten,  urteil':  rat- 
schlege und  gut  beduncken  verfasset  und  zuschicket 
Reuchlin  augenspiegel  (1511)  3^;  erwirdig  lieben  herren, 
hye  schicken  vnv  euch  zu  unser  gütbeduncken  uff  ewer 
klag  Eberlin  v.  Günzbübq  5.  sehr.  2,  93  ndr.;  der  herren 
gütbeduncken  auf  der  chur-  und  fürsten  gestelte  aini- 

87 


1379 


GUTBEDÜNKEN  —  GUTBEFINDEN 


GUTBEFINDEN 


1380 


gungsnotel  zwischen  denen  von  herren  iind  zünften  (v. 
j.  1552)  städtechron.  32,  272;  die  empfehlung  einbegreifend 
als  'Vorschlag':  das  eyn  yder  chürfürst  .  .  .  ettlichen  ge- 
lerten  .  .  .  personen  befehell  thun  soll,  .  .  .  des  Luthers 
lere,  predig  und  bücher  ...  zu  examiniren  ...  als  denn 
,  .  .  alles  mit  yhrem  gutbeduncken,  wye  die  selbige  be- 
schwerung  auf  leydenlich  pan  (bahn)  .  .  .  bracht  werden 
möchten  . . .,  uns  furzubrengen  Luther  15,  274  W.;  be- 
hielt ir  mt.  ir  bevor,  auf  des  neuen  rats  gutbeduncken 
weiter  masz  und  Ordnung,  wie  es  die  notdurft  ervorderte, 
hinfüran  zu  geben  {v.  j.  1548)  städtechron.  32,  87;  mit  dem 
beisinn  der  getroffenen  entscheidung  als  'beschlusz':  wo  dann 
dieselben  unsere  rate  .  .  .  ains  ainhelligen  gutbedunckens 
miteinander  nit  vergleichen  künden,  .  .  .  soUen  si  uns 
des  .  .  .  aigentliche  relation  thun  bair.  lanndiordn.  21^; 
im  sinne  'anordnung,  befehV:  nach  des  rats  gutbeduncken 
und  wolgef allen  städtechron.  2,  347 ;  dann  ihnen  ausz  gut- 
beduncken desz  soldans  befohlen  ward  Amadis  (1595)  24, 
401 ;  wie  gutachten  l  d  im  sinne  ''Zustimmung,  billigung'  : 
volgents  deren  von  herren  gutbeduncken  und  bewilügung 
{v.  j.  1552)  städtechron.  32,  266;  dasz  ein  jeder  .  .  .  gemeint 
hab,  im  gebür  seines  gefallens  oder  gutbedunckens  .  .  . 
namen  zugeben  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  56'';  da 
man  nicht  allzeit  hinschicken  und  sich  eines  andern  ordre 
oder  gutbeduncken  erholen  könte  Chemnitz  schwed.  krieg 
1,  169;  wenn  die  erben  auch  bey  des  gerichts»  gutbe- 
duncken nicht  ruhen  wollten  Mainzer  landrecht  (1755) 
XVI  §  7. 

6)  im  sinne  'Wohlgefallen,  gutdünken,  belieben';  als 
'Wohlgefallen' :  das  er  ihnen  gebe  nach  seinem  gutbe- 
duncken Züricher  bibel  (1531)  Jes.  Sirach  33;  wollestu  in 
darumb  für  einen  ungerechten  und  tyrannischen  gott 
auszrufifen,  dasz  er  seine  kyrch  nicht  nach  deinem 
kopff  und  gutbeduncken  regieret  Jag.  Gketteb  ep. 
8.  Pauls  a.  d.  Römer  (1566)  602;  als  'gutdünken,  belieben' : 
nachdem  die  pfieselschreiber  biszher  durch  die  salzmair 
irs  guethbedunkhens  und  zue  zeiten  gering  gesellen 
darzue  aufgenommen  .  .  .  haben,  ist  darauf  der  .  .  .  be- 
velch  . . .,  das  nun  furo  die  salzmair  mit  rathe  der  gegen- 
schreiber  aufnemmen  {v.  j.  1509)  v.  Lori  baier.  bergr.  138; 
ain  jeder  mann  . . .  die  h.  bibel  lese  . . .  und  legs  ausz 
zu  seinem  gefallen  und  nach  seinem  gutbeduncken  JoH. 
Nas  antipap.  eins  (1567)  1,  55*';  der  heilig  vater  der 
pabst  .  ,  .  hat  dan  guet  recht  und  macht,  das  römisch 
reich  .  .  .  seins  gefallens  und  guetbedunckens  zu  verwalten 
J.  TuEMÄiR  w.  5,  458  Lexer;  welcher  nach  jedes  poten- 
taten,  fürsten  und  herrn  gutbeduncken  gestellet  ist 
Kirchhof  milit.  discipl.  (1602)  66;  gott  hätte  ihn  mit 
einer  Schwester  und  tochter,  die  reichsgesetze  Britanniens 
aber  mit  dieser  gewalt  begabt,  dasz  er  selbte  nach  seinem 
gutbeduncken  durch  verehligung  .  .  .  versorgen  .  .  . 
möchte  Lohenstein  Arminius  (1689)  l,  160^;  vereinzelt, 
aus  metrischen  gründen,  noch  im  IQ.jh.: 

zum  führer  nimm  fortan  dein  gutbedünken 

Steeckfusz  Dantes  fegfcuer  27,  130. 

GUTBEFINDEN,  vb.,  gelegentliche  zusammenrücicung 
aus  der  formel  etw.  für  gut  befinden  (vgl.  sp.  1240),  wohl 
unter  einflusz  des  subst.  gutbefinden,  n.:  dem  gutbefun- 
denen concluso  sträklich  nachzugehen  Schottel  haubt- 
spr.  (1663)  658;  (eine)  anekdote,  die  er  auf  angeben  eines 
seiner  freunde  ...  zu  publizieren  gutbefunden  hat  Nico- 
lai reise  durch  Deutschi.  (1783)  8,  anh.  57. 

GUTBEFINDEN,  n. 

1)  Substantivbildung  aus  der  verbalverbindung  etw.  für 
gut  befinden  (vgl.  sp.  1240),  im  17/18.  jh.  häufig,  im  19.  jh. 
wieder  abkommend. 

a)  'das,  was  eine  person  für  angemessen,  schicklich, 
richtig  hält'  so  ganz  allgemein  als  'dafürhalten,  gutdünken, 
ermessen',  vgl.  gutbefinden  Kramer  t.-ital.  1,  582'i:  ich 
folgete  meinem  gutbefinden,  vor  der  thür  anzuklopffen 
Grimmelshausen  Simpl.  94  ?idr.;  namentlich  in  präposi- 
tionaler  Verbindung  mit  nach  häufig:  ich  wolte,  nach 
meinem  wenigen  guhtbefünden,  mich  dieser  .  .  .  reime 


lieber  gahr  äuszem  Zesen  verm.  Helikon  (1656)  1,  104; 
der  handlung  nach  seinem  vernünfftigen  gutbefinden  auf- 
helfEen  Gladow  d  la  ^ode  sprach  (1727)  152 *;  (der  ober- 
Jägermeister  erteilt) .  .  .  die  Verordnungen  und  befehle  vor 
sich  selbst,  nach  seinem  pfüchtmäszigen  gutbefinden 
Heppe  lehrprinz  (1751)  202;  nach  eigener  einsieht  und 
eigenem  gutbefinden  Fr.  v.  Gentz  sehr.  3,  5  Schlesier; 
abstrakter  'ermessen' :  die  treuhertzige  Antonie  .  .  .  stellte 
ihr  frey  alles  nach  ihrem  gutbefinden  einzurichten  Lohen- 
stein Arminius  (1689)  1,  392^;  wenn  ich  wiederhole,  dasz 
ich  es  ganz  und  gar  ihrem  gutbefinden  überlasse,  so  ist 
das  keine  blosze  redensart  H.  v.  Kleist  5,  400  Schm.; 
solange  ihr,  nach  der  Überzeugung  und  dem  gutbefinden 
herzoglicher  commission,  in  dieser  quaUtät  angestellt 
seyn  werdet  Göthe  IV  21,  167  W.;  der  testator  wünscht 
den  erben  in  die  läge  zu  versetzen,  dasz  er  je  nach  gut- 
befinden die  erbschaft  auf  einen  andern  übertragen  .  .  . 
kann  Jhering  geist  d.  röm.  rechts  3,  l,  236;  dann  wie  'be- 
lieben':  denn  man  schlaget  nach  gutbefinden  eine  von 
den  beyden  stimmen,  so  man  harpeggiren  will,  zuerst  an 
Heinichen  generalbasz  (1728)  558;  'ewig'  ist  ein  wort, 
welches  ein  jeder  nach  seinem  gutbefinden  .  .  .  braucht 
Rabener  w.  2,  232;  alle  vor  angeführten  stücke,  von 
denen  freilich  nach  gutbefinden  gewählt  —  nie  aber  eins 
durchgängig  kann  ausgeschlossen  werden  Herder  2, 
241  8.;  halten  sie  es  darum  damit  nach  ihrem  gutbefinden 
GÖRRES  ges.  br.  3,  145;  geradezu  als  'unllkür':  auch  durch 
das  schwerdt  der  gerechtigkeit  sezt  der  grosze  den  bürger 
in  furcht,  . . .  dessen  leben  selbst  von  seinem  gutbefinden 
abhängen  kan  Haller  Alfred  (1773)  179;  über  ihre  person 
.  .  .  nach  gutbefinden  schalten  und  walten  Hippel  ehe 
(1792)  149;  sollte  Clemens  erleben,  ganz  und  gar  in  die 
bände  desselben  (Karls  V.)  zu  gerathen  und  seinem  gut- 
befinden überlassen  zu  sein?  Ranke  s.  w.  37,  76. 

b)  prägnanter  im  sinne  'anweisung,  anordnung':  die  ge- 
meine (wäre  nicht)  gehalten  gewest  .  .  .,  ihrem  (der  quaty, 
d.  i.  dem  rate)  gutbefinden  oder  Schlüssen  allein  zu  folgen 
und  nachzukommen  insul  formosa  41  bei  Olearius  verm. 
reisebeschr.  (1696)  anh.;  dessen  gutbefinden  mich  zu 
widersetzen  ich  .  .  .  bedenken  getragen  Schnabel 
insel  Felsenburg  vorr.  9  Ullrich;  jener  hätte  sich  so  mit 
den  ärzten  zerschleppet,  und  alle  sein  thun  und  lassen 
nach  dem  gutbefinden  derselben  eingerichtet  Linden- 
born Diogenes  (1742)  2,  596;  ist  jede  gemein  schuldig 
aljährl.  nach  gut  befinden  des  forstbedienten  Schonungen 
und  gehege  anzulegen  forstordn.  v.  j.  1773  bei  Schwappach 
handb.  d.  forst-  u.  jagdgesch.  1,  505  anm.  40;  den  fort-  und 
ausgang  aber  last  sie  (die  seele)  gott  anheimgestellt  nach 
seinem  gutbefinden  Abraham  a  s.  Clara  etw.  f.  alle  2,  45; 
ähnlich  'ratschliisz' :  alle  christhchen  regenten  nennen 
sich  von  gottes  gnaden  und  bekennen  damit,  dasz  sie 
nicht  durch  ihr  verdienst,  .  .  .  sondern  durch  das  gut- 
befinden der  Vorsehung,  .  .  .  zur  kröne  gelangten  Herder 
13,  386  S.;  die  Waldhörner  sind,  nach  beschafEenheit  der 
stücke  und  gutbefinden  des  componisten,  so  wohl  zu 
einer  kleinen  als  groszen  musik  nöthig  Quantz  anweis. 
d.  flöte  zu  spielen  (1789)  185;  ebenso  in  präpositionaler 
fügung  mit  auf:  den  zwelfften  tag  jenners  kam  auf  gut- 
befinden des  h.  reichs  cantzlers  feldmarschalck  Kniep- 
hausen  davor  an  Chemnitz  schwed.  krieg  2  (1653)  358; 
sintemahl  die  gefangenen  .  .  .  auf  des  Cato  gutbefinden 
im  kercker  erwürget  .  .  .  wurden  Lohenstein  Arminius 
(1689)  1,  956^;  wenn  (ein  marktfiecken)  dieses  auf  gut- 
befinden seiner  obrigkeit  .  .  .  thut,  so  dürfen  .  .  .  die 
Schweine  auch  zur  unbeschlossenen  zeit  die  gassen  nicht 
belaufen  J.  Moser  s.  w.  3,  205  A. 

c)  verschiedentlich  zu  Sonderverwendungen  verengert;  im 
sinne  'ratschlag':  dise  schöne  nümmet,  auf  mein  guht- 
befünden und  einrahten,  ihre  Zuflucht  zu  ihnen  Zesen 
adriat.  Rosemund  4  ndr.;  auf  des  Clemens  gutbefinden 
(hatte  er)  sich  entschlossen,  nach  Gallien  zu  reisen  A.  U. 
v.  Braunschweig  Octavia(l&77)  2, 1 022;  welchen (scAi^en) 
er  auf  gutbefinden  seiner  capitaine  entschlösse  den  kopff 
zu  bieten  M.Krämer  leben  (1681)  73;  auf  gutbefinden 
seines  geheimen  raths  erwiderte  Jones  Bode  gesch.  d. 


1381 


GUTBEFINDEN-GUTBIER 


GUTBLATTERKRAUT- GÜTCHEN      1382 


Thomas  Jones  h,  442;  blasser  'Veranlassung^ :  und  ist  dieses 
gegeben  an  dem  jetzigen  orte  desz  ertzschreines,  in  bey- 
seyn  und  auf  gutbefinden  des  nehrenden  Hars  Dörfer 
frauenzimmergesprechs'p.  (1641)  2,  b  2'';  auf  gutbefinden 
der  gesamten  hochzeitgäste  trete  ich  hervor  Chr.  Weise 
pol.  redner  (1677)  750;  die  deutsche  rechtschreibung  auf 
sonderbares  gutbefinden  durch  Christianum  Gueintz 
.  .  .  verfasset  Chr.  Gueintz  dtsche  rechtschr.  (1666)  titelbl.; 
im  sinne  'vorschlag\'  dergleichen  raht  (sollte)  .  .  .  geord- 
net werden  .  .  .  und  des  directorii  und  consilii  formati 
wie  auch  der  stände  gutbefinden  nach  an  einem  gewissen 
orte  residiren  Chemnitz  schwed.  krieg  2  (1653)  86;  der 
hofrath  {möge)  .  .  .  seinen  rath  und  gutbefinden  auch  un- 
erf ordert  {beilragen)  Thomasius  ernsth.  ged.  u.  erinn. 
(1720)  3,  240;  wie  'entscheidung^ :  so  kommt  es  auf  dero 
gutbefinden  an,  darauf  ichs  lediglich  beruhen  lasse  Leib- 
Niz  dtsche  sehr.  2,  110;  wenn  er  den  pabst  oder  die 
römische  kirche  beleidigt  habe,  wolle  er  nach  gutbefinden 
der  kardinale  .  .  .  genugthuung  leisten  M.  I.  Schmidt 
gesch.  d.  Deutschen  (1778)  2,  624;  als  'beschlusz" :  dasz  die 
ganze  Versammlung  nach  einhelligem  gutbefinden  aus 
dem  gesamten  häufen  zween  herausgenommen  und  dar- 
gestellet  Chph.  Starke  Synopsis  (1735)  2,  37;  Karl  war 
erst  15  jähre  alt,  aber  auf  gutbefinden  seines  groszvaters, 
des  kaisers  sowohl  als  der  stände  hatte  er  die  regierung 
der  Niederlande  angetreten  M.  I.  Schmidt  gesch.  d. 
Deutschen  (1778)  4,  145;  als  'billigung':  wolte  der  landgraff 
seine  .  .  .  vasallen,  ...  so  offt  es  die  noth  erforderte,  auf 
des  königs  begehren  und  gesambtes  gutbefinden  be- 
schreiben Chemnitz  schwed.  krieg  l  (1648)  196;  ohne  des 
berghauptmanns  und  amtleute  zulassen  und  gutbefinden 
Herttwig  bergbuch  (1734)  381^;  vereinzelt  wie  'gutachten" 
(vgl.  gutachten  3)  gebraucht:  ich  lege  diese  meinung  .  . . 
dem  gutbefinden  euer  exzellenz  also  vor  Schiller  br. 
1,  72  Jonas. 

2)  nur  gelegentlich  von  der  wendung  sich  gut  befinden 
(vgl.  gut  III  A  3  c)  aus  gebildet  anstelle  des  üblichen  Wohl- 
befinden, von  dem  gesundheitlichen  zustand:  leider  hat  sich 
nach  langem  gutbefinden  wieder  ein  alter  anf  all  gemeldet 
Göthe  IV  21,  355  W.;  schreibe  des  grafen  gut-  oder  übel- 
befinden so  oft  als  möghch  jahrb.  d.  Orillparzergesellsch. 
1,  36.  —  gutbefindenheit,  /.,  vereinzelte  bildung  im 
Juristendeutsch  des  17.  jhs.,  vgl.  auch  das  folgende  wort: 
nach  guetbefindenhait  des  ausschusses  österr.  weist.  5, 
139.  —  gut  befindung,/.,  Weiterbildung  aus  gutbefinden, 
im  17.  jh.  besonders  im  präpositionalen  ausdruck  beliebt; 
'ratschlusz\'  aus  gnädiger  guhtbefindung  gottes  Schottel 
friedenssieg  75  ndr.;  'anraten^ :  er  zwar  Uesz  sich  auf  gut- 
befindung  seines  advocatens  nicht  lange  nöthigen  Chr. 
Weise  polit.  näscher  (1678)  287;  'billigung\'  bey  bevor- 
stehender handlung  (solle)  nichts  dan  mit  vorbewust  und 
gutbefindung  der  hohen  officirer  vorgenommen  . . .  werden 
V.  Chemnitz  schwed.  krieg  2  (1653)  742.  —  gutbefund, 
m.,  vereinzelte  bildung  im  17.  jh.,  vgl.  das  vorige  wort; 
'billigung':  alles  (solle)  auf  vorwissen  und  gutbefund  der 
Obrigkeit  geschehen  v.  Hohberg  georg.  cur.  (1682)  l,  48. 
—  gutbegierde,/.,  begierde  nach  besitz  (vgl.  gut  n.  B  l): 
denn  die  unersättUche  geld-  und  gutbegierde  eines  regenten 
verblendet  ihm  die  äugen  des  leibes  und  der  seelen  J.  M. 
WiLHERR  tugendschatz  (1659)  177.  —  gutbegierig,  adj., 
begierig  nach  besitz;  im  älteren  nhd.  gebräuchlich,  vgl.  gut- 
hegirig  avarus  Maaler  199^,  guhthegiiig  nimitim  inhians 
bonis  Schottel  haubtspr.  350:  und  eure  vorferend,  als 
einfaltig  gutbegyrig  lewt,  leichtlich  mochten  verfürt 
werden , E BERLIN  v.  Günzbtjrg  s.  sehr.  3,4  ndr.;  der 
geitzigen,  ehr-  und  guthbegierigen,  unvergnüglichen  und 
ungläubigen  weit  (musz)  gezeiget  werden,  wie  leicht  es 
sei,  arme  und  geringe  aus  dem  staube  zu  erheben  G.  Dexe- 
LiXJS  histor.  lustgarten  (1701)  296.  —  gutberat,  m.,  name 
der  pflanze  'froschlöffd'  (alisma  plantago),  s.  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  216,  Pritzel-Jessen  16. 

GUTBIER,  n.,  das  stark  eingebraute  vollbier  gegenüber 
dem  leichteren  dünnbier,  vgl.  gut  A  II  2  a  (sp.  1261);  seit 
dem  spätmhd.  bezeugt:  item  2»4  m.  vor  6  tonnen  gutbir, 
dy  tonne  vor  10  scot.,  item  2  m^  vor  acht  tonnen  tafel- 


byer  Marienb.  treszlerbuch  431  Joachim;  es  wurde-  nur 
gutbier  und  dünnbier  gebraut,  aber  beides  war  gut  für 
den  durst  und  nicht  so  gallenbitter  wie  das  jetzige  Storm 
ges.  sehr.  (1882)  14,  6,  i;gri.  Mensing  2,  424.  —  gut  blatter- 
kraut, n,,  auch  gutsblatterkraut  (in  Schlesien)  Peitzel- 
Jessen  265,  name  der  "einbeere'  (paris  quadrifolia)  Nem- 
nich wb.  d.  naturgesch.  216,  Holl  pflanzenn.  140*',  wegen 
des  früheren  offizinellen  gebrauchs  gegen  blättern,  vgl. 
blatternblatt,  schwarzblatterkraut  Pritzel-Jessen  a.a.O. 

—  gutbrief,  m.,  Urkunde,  die  die  rechtmäszigkeit  eines 
anspruchs  u.  dergl.  bestätigt;  aus  gut  in  der  juristischen 
Verwendung  von  gut  I  A  5  a  a  (vgl.  sp.  1243)  und  brief 
'Urkunde^  zusammengerückt: 

sprichstu:  den  gütbrieff  ich  hab, 
so  sagendt  sy:  den  frisz  dorabl 

MüRNER  schelmemunß  16  ndr. 

—  gutbürge,  m.,  verstärktes  bürge,  'sicherer  bürge";  aus 
der  Verbindung  guter  bürge  (vgl.  gut  I  A  5  b,  sp.  1245/.) 
gebildet:  dasz  wir  .  .  .  der  mehrgedachten  unser  gnädigen 
herrschafft  gutbürgen  und  selbstschuldner  .  .  .  worden 
seyndt  urk.  v.  j.  1489  bei  Haltaus  gloss.  germ.  764.  — 
gutbürgerlich,  adj.  und  adv.,  häufige  zusammen- 
rückung von  gut  adv.  in  der  bedeutung  von  gut  II  B  1  c  (vgl. 
sp.  1267)  'der  Lebensart  des  besseren,  wohlhabenden  bürger- 
standes  entsprechend\'  bei  dem  gut  bürgerlichen  mittel- 
masze  der  bewirthung  .  .  .  gingen  allen  . . .  die  herzen  auf 
D.  Fr.  Strausz  ges.  w.  l,  170;  'mit  wem  werde  ich  denn 
die  ehre  haben?'  fragte  in  gutbürgerUcher  höflichkeit  frau 
Cl.  Rosegger  sehr.  II  13,  140;  feste  termini  sind  gut- 
bürgerUcher mittagstisch,  gutbürgerliches  gasthaus  usw.; 
abverbial:  man  müszte  diese  herren  gut  bürgerlich  in 
die  bank  des  tribunals  caution  machen  und  es  gerichtlich 
deponiren  lassen  Herder  23,  477  S. 

^GÜTCHEN,  n.,  auch  gutchen,  name  eines  kobolds, 
hausgeistes,  unchtelmännchens;  ursprünglich  vielleicht  von 
gott  abgeleitet  im  sinne  'götze\  aber  früh  als  freund- , 
licher,  hilfreicher  geist  auf  gut  IV  A  l  c  a  jS/3  (vgl.  sp.  1286) 
bezogen,  s.  Bächtold-Stäübli  hdwb.  d.  aberglaubens  3, 
1233/.  und  unten  ^gütel,  vgl.  güttgen  cobalus  ('kobold') 
gemma  gemmarum  (1508)  nach  Schmeller  -  Fr.  1,  963; 
literarisch  erst  seit  dem  17.  jh.  bezeugt:  in  Deutschland 
hat  man  sie  (die  hausgeister)  gehaiszen  gutichen,  wicht- 
hchen  Peätorius  anthrop.Plut.  (1666)  l,  360;  man  nennet 
sie  sonsten  erdmännlein,  gütchen  und  gute  hulden  oder 
hausgeister  Widmann  Fausts  leben  157  K.;  wenn  aber 
das  kind  im  schlafe  lacht,  sollen  sie  es  ja  nicht  stören, 
das  gütchen  spielt  mit  ihm,  welches  sehr  gut  ist  der 
biedermann  (1729)  2,  192; 

da  trippelt  ein  die  kleine  schar  (der  gnomen)  . . . 

den  frommen  gütchen  nah  verwandt     Göthe  15,  2,  53  W.; 

ein  kleiner  kobold  trägt  es  (das  flämmlein)  durch  die  nacht, 
stehl  kleines  gütchen,  leuchte  mal  dem  Wehrmund  1 

FoUQrÄ  büdersaal  (1818)  1,  220. 

^GÜTCHEN,  n.,  deminutiv  zu  gut,  n. 

1)  seit  dem  jüngeren  mhd.  für  ein  kleines  ländliches  be- 
sitztum,  vgl.  gut,  ».,  B  3  b  (sp.  1364):  umme  anspräche,  die 
sie  zu  sprechenne  hatte  zu  dem  commentüre  und  den 
brüdern  des  Düczhin  hüsis  by  Marthpurg  umme  daz 
gütdchin  zu  Damme  (v.  j.  1347)  hess.  urkundenb.  2,  551 
Reimer;  die  (beute)  nahm  ich  und  kauffte  ein  wüst 
gütgen  Chr.  Weise  erznarren  42  ndr.;  mein  güthgen  trägt 
mir  jährhch  mein  leidhch  auskommen  noch  zu  Ettner 
V.  Eiteritz  mediz.  maulaße  (1719)  103; 

er  hat  ein  hübsches  gütchen  hier 
mit  einer  hufe  feld 

BÖHME  volksth.  lieder  d.  Dtschen  286 ; 

das  schöne  gütchen  kennst  du  ja, 
das  ich  den  alten  ausersah 

GÖTHE   15,  2,  300  TT.; 

weit  von  hier  am  fernen  Rhein 
ist  ein  schlosz,  ein  gütchen  mein 

Grillparzee  s.  w.  4,  79  Sauer; 

seine  durchlaucht  besitzen  ihre  Schlösser  nicht  wie  der 
bauer  sein  gütchen  Immermann  6,  93  Boxb. 

87» 


1383 


GÜTCHEN— GUTDENKEND 


GUTDENKEND— GUTDÜNKEL 


1384 


2)  nur  vereinzelt  von  einem  kleinen  beweglichen  besitz, 
vgl.  gut,  n.,  B  1;  vom  geld: 

also  kompts  güttgen  fein  zu  hauff 

Gabe.  Voigtländer  öden  u.  lieder  (1642)  74; 

täglich  im  sausze  und  schmausze  zu  leben,  das  gütgen 
unnützlich  durchzujagen  Schoch  stvdentenleben  5  Fabr.; 
von  der  dinglichen  habe  überhaupt:  {wir  können)  den  er- 
littenen schaden  nicht  anders  alsz  mit  Verpfändung  .  .  . 
unserer  wenigen  güterger  •  .  .  ersetzen  bittschreiben  v.  j. 
1707  in  Ceecelius  oberhess.  445. 

3)  in  der  redensart  sich  ein  gütchen  tun,  ^sich  etwas 
angenehmes  verschaffen^ ,  vgl.  sich  etwas  zu  gute  tun 
{sp.  1345),  sich  eine  gute  tun  (s.  ^güte  5  b),  sich  gütlich 
tun  (5.  gütlich  B 1  f  «  yy),  namentlich  im  essen  und  trinken: 
dachte  aber  so  bei  mir:  'diese  nacht  willst  du  dir  hier 
ein  gütchen  tun  L.  E.  Grimm  erinner,  a.  m.  leben  180; 
mit  der  absieht,  sich  mit  dem  häuflein  geldes  .  .  ,  ein 
besonderes  gütchen  anzutun  W.  Speck  zwei  seelen^  108; 
da  hat  mein  boshafter  hund  sich  diese  nacht  ein  gütchen 
gethan  in  meinem  Samenbeete  M.  Nathtjsius  ausgew. 
sehr.  (1889)  2,  108. 

GUTCHEN,  n.,  auch  gütchen  {s.  u.  gütchenbüchse), 
'bonbon,  leckerei,  naschioerk\  vgl.  gutsele,  gutlein:  der 
geist  (schüttelt)  seine  sacke  und  beutel  aus,  allerlei  gut- 
chen, leckereien  und  geklimper  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u. 
an  s.  l.  Deutschen  (1845)  3,  206;  der  lieben  mutter  danke 
ich  herzHch  für  die  gutchen  K.  Gerok  lebensbiM  119.  — 
gütchenbüchse,  /.,  auch  gütchenbüchse  'bonbonniere, 
büchse  für  rMschwerk:  sein  werk  {ist)  . . .  eine  bonbonniere 
voU  historischer  bonbons  .  . .,  eine  gütchenbüchse  voll 
geschichtlicher  süszbrödchen  Börne  ges.  sehr.  (1840)  3, 
117.  —  gütchenshaar,  n.,  was  gütchenzopf  {s.  dort): 
gütchenshar  cirragra,  vulgo  plica  polonica  Stieler  Stamm- 
baum {1691)  7  Q7.  —  gütchenzopf,  m.,  we  weichselzopf, 
auch  wichtelzopf,  judenzopf  {zu  ^gütchen,  vgl.  Bächtold- 
Stäubli  hdwb.  d.  aberglaubens  3,1236,  weil  dem  Volks- 
glauben nach  von  kobolden  hervorgerufen),  name  einer 
krankhaften  haarver filzung:  gütchenzöpflfe  crines  perplexi 
E.HuTTER  dict.harmon. {lb98)  197;  gütchenzopf  it.  juden- 
et  salbenzopf  cirragra,  plica  polonica  Stieler  2633. 

GUTDÄCHTIG,  adj.,  zu  gut  IV  A  l  b  im  sinne 
'freundlich^  vgl.  wohlmeinend,  gutdenkend:  milde  vel 
gutdechtig  hilaris  {voc.  v.  1476)  Diefenbaoh  nov.  gl.  203^. 
—  gutdenken,  n.,  seltene  bildung,  statt  gutdünken  1  b 
{vgl.  sp.  1387)  im  sinjie  'ermessen' :  wers  aber  wider  befelch 
öfter  thätte,  soU  nach  guetdenken  der  herrschafft  abge- 
strafft werden  {um  1660)  österr.  weist.  11,  275;  anders, 
rüclcbildung  aus  gutdenkend,  im  sinne  'rechtschaffenheit, 
wohlgesinniheif :  in  ansehung  der  fremden  sprachen  be- 
hauptet der  verf.,  dasz  ihre  erlernung  zum  .  .  .  gutdenken 
gar  nichts  .  .  .  beytrage  allg.  dtsche  bibl.  105,  288. 

GUTDENKEND,  part.  adj.,  seit  dem  18.  jh.  bezeugte 
und  viel  verwendete  zusammenrückung. 

1)  am  häufigsten  von  gut  im  ethischen  sinne  {vgl.  gut 
V  B  1)  'rechtschaffen,  ehrlich  denkend,  gradsinnig\-  bey 
gutdenkenden  seelen  ist  alles  dieses  {da^  übersenden  des 
ringes)  überflüssig  Gottsohedin  br.  1,  141  v.  Runkel; 
wenn  anders  in  ihren  äugen  .  .  .  ein  gutdenkendes,  recht- 
schaffenes, tugendhaftes  und  gefälliges  weib  ein  glück 
für  ihren  mann  ist  Mozart  bei  0.  Jahn  Mozart  3,  160; 
ich  überlasse  es  ihrem  gutdenkenden  und  aller  classen 
der  moral  und  klugheit  kundigen  manne  S.  v.  Laroche 
frl.  V.  Sternheim  (1771)  1,  291;  nichts  ist  einem  jeden  gut- 
denkenden mädchen  leichter,  als  einen  stutzer  .  .  .  auf 
seine  gränze  ...  zu  bringen  Hippel  leben^läufe  (1778)  2, 
310;  diese  belohnung  wird  jeder  gutdenkende  mann  .  .  . 
über  alle  vortheile  setzen  Wieland  Lucian  (1788)  4,  142; 
was  soll  vielmehr  ein  gutdenkender  mensch  thun  bei 
böser  nachrede  über  seinen  nächsten?  Herder  30,  329  S.; 
gern  substantiviert:  welcher  gutdenkende  kann  ganz  froh 
sein  glück  genieszen,  wenn  er  es  mit  seinen  freunden 
nicht  theilen  kann?  Gottschedin  br.  3,  315  v.  Runkel; 
wird  ein  solcher  .  .  .  mann  .  .  .  nicht  von  allen  gutdenken- 
den und  rechtschaffenen  geliebt?  J.  M.  Miller  pred. 
(1776)  1^  160. 


2)  im  sinne  von  gut  IV  A  1  als  'wohlmeinend,  freundlich 
gesinnt' :  betrübnisz  macht  sonst  so  gutdenkend  Lessing 
11,  242  L.-M.;  die  freude,  welche  die  gastfreien  alten  und 
ihr  gutdenkender  söhn  darüber  bezeigten,  dasz  uns  ihr 
mahl  so  wohl  schmeckte  G.  Forster  s.  sehr,  l,  248;  die 
. .  .  umstände  {sind)  von  der  art  .  .  .,  dasz  einem  jeden 
gutdenkenden  eine  .  .  .  erquickung  wohl  zu  gönnen  wäre 
GÖTHE  in:  sehr.  d.  Göthegesellsch.  17,  51;  etwas  anders 
'willig,  gläubig':  so  wirds  jedem  rechtschaffenen  geist- 
lichen sein,  der  gutdenkende  gemüther  nicht  mit  worten 
bezahlen  will  Göthe  37,  156  W.;  mit  besonderer  note  'für 
das  wohl  jemandes  bedacht,  das  beste  wollend':  da  müssen 
gutdenkende  altem  wachen,  dasz  .  .  .  H.  Beck  schoch- 
maschine  (1798)  17;  wie  viel  dieses  kostet,  weisz  jeder 
rechtschaffene,  für  seine  kinder  gutdenkende  vater 
Grillparzer  in:  jahrb.  d.  Orillparzergesellsch.  8,  248;  so 
dasz  .  .  .  die  thätigste  mitwirkung  seiner  gutdenkenden 
minister  dazu  gehört,  um  die  hindemisse  .  .  .  wegzu- 
räumen Fr.  Nicolai  reise  d.  Deutschi.  (1783)  2,  508;  {ich) 
erwarte  . .  .  von  gutdenkenden  österreichischen  schul- 
leuten  dank  allg.  dtsche  bibl.  anh.  37-52,  334. 

3)  eine  politisch  gefärbte  Sonderbedeutung  zeigt  sich  in 
der  ersten  hälfte  des  19.  jh.  entwickelt,  wo  gutdenkend  als 
widergabe  von  loyal  den  königstreu  gesinnten  bürger  be- 
zeichnet; auch  hier  vergleicht  sich  wohlgesinnt:  der  ganze 
mädchenflor  gutdenkender  bürger  prangte  in  neuge- 
waschenen kleidern  E.  T.  A.  Hoffmann  ausgew.  sehr. 
(1839)  11,  81;  ich  bin  wohl  konservativ,  aber  bisher 
hielten  mich  die  sogenannten  gutdenkenden  für  einen 
Jakobiner  Varnhagen  tageb.  4,  354;  was  die  hoffnung 
der  gutdenkenden  aufrecht  hält,  ist  die  Versicherung,  .  . . 
dasz  der  könig  nicht  nachgeben  werde  GtÖrres  ges.  br. 
3,  385;  der  zweck,  . .  .  ein  mitglied  des  kaiserlichen  hauses 
in  ein  weniger  gehässiges  licht  zu  stellen,  als  dasjenige 
ist,  worin  die  öffentlich  meinung  es  am  13.  märz  erblickte, 
{mu^z)  von  jedem  gutdenkenden  gebilligt  .  .  .  werden 
Hebbel  w.  lO,  64  W.  —  gutdeutsch,  adj.,  zusammen- 
rückung mit  gut  adv.  {vgl.  sp.  1329)  im  sinne  'echt  deutsch' : 
deren  friedlieb  und  gutteutsch  gemüht  Londorp  acta 
publ.  (1668)  1,  240;  zu  wünschen  wäre  es,  dasz  der  Ver- 
fasser künftig  .  .  .  sich  der  .  .  .  gutdeutschen  worte  be- 
dienen möchte  allg.  dtsche  bibl.  88,  2, 167;  wogegen  die 
graublasse  färbe  seiner  lebhaften  äugen  unzweifelhaft  auf 
gutdeutsche  abstammung  hinwies  0.  Müller  Münch- 
hausenim  V ogelsberg  {192^)  82.  —  gutdunk,  m.,  verein- 
zelte kurzform  zu  gutdünkel,  gutdünken  {s.  dort)  'das 
sich  gutdünken,  einbildung':  allsdann  werden  sy  iren  gut- 
tunck  und  hochmut  fallen  lassen  L.  Thtjrneiszer  von 
probierung  (1576)  47. 

GUTDÜNKEL,  m.,  von  Luther  häufig  verwendetes 
und  anscheinend  aus  gutdünken,  n.  {s.  dort)  und  dunkel, 
m.,  gebildetes  wort;  besonders  bei  Protestant,  theologen  bis 
ins  17.  jh.  hinein  sehr  gebräuchlich. 

1)  das  was  den  menschen  gut  dünkt  {vgl.  gut  I  A  3  d  a, 
sp.  1239),  ihm  angemessen,  ratsam,  richtig  erscheint. 

a)  vom  menschlichen  denken,  besonders  dem  eigen- 
willigen und  selbstherrlichen  meinen  im  gegensatz  zum 
göttlichen  gesetz  und  der  lehre  Christi:  das  du  solches 
haltest  on  eigen  gutdünckel  und  nichts  thuest  nach  gunst 
Luther  l.  ep.  Pauli  an  Tim.  5,21;  gott  macht  sie  so 
zu  narren  in  irer  klugheyt  und  gutdünckel  19,  375  W.; 
durch  in  würt  der  gantz  mensch  getödt,  alles  liecht  der 
vernunfft,  aUe  erwölung,  anschlag,  gutdünckel  Eberlin 
V.  GÜNZBURG  8.  sehr.  2,  183  ndr.; 

du  irrst  und  thust  dich  selbst  verführen 
mit  deim  gutdünckel  und  glosieren 

A.  Glasee  phasma  (1593)  K  6»; 

o  ihr  hoffärtige,  blinde  menschen,  wie  lasset  ihr  euch  den 
gutdünckel  ohne  gottes  geist  verführen  J.  Böhme  sehr. 
(1620)  3,  53;  man  find  aber  leyder  vü  {junge  leute),  so 
weder  umb  beyspil,  loben  noch  schelten  gar  nichts  geben, 
sunder  auf  ihrem  gutdünckel  also  hinauszfaren,  geben 
weder  umb  vatter,  müter,  leer  und  Schulmeister  gar  nicht 
Wickram  w.  2,  3  B.;  sprichwörtlich:  meister  gutdünckel 


1385 


GUTDÜNKEL 


GUTDÜNKELHEIT-GUTDÜNKEN        1386 


ist  aller  ketzerey  wurtzel  Lehman  f,or.  polit.  (1662)  3,  229; 
besonders  häufig  in  präpositionaler  Wendung  mit  aus,  nach : 
dasz  wir  aus  unserm  gutdünkel  und  Vernunft  etwas  an- 
fallen Luther  br.  2,  224  de  Wette;  so  {die  auslegung)  ausz 
eigenem  menschlichen  gutdünckel  herfür  bracht  und  er- 
funden worden  ist  G.  Nigrinus  anticalvinismus  (1595)  2; 
es  soll  wohl  aber  ein  gewissenhafter  prediger  dieses  amts- 
werck  nicht  aus  eigenem  gutdünckel  verrichten,  sondern 
mit  wissen  und  willen  der  gantzen  kirchen  J.  Feinler 
gewissenh.  priester  (1694)  117;  und  musz  im  so  viel  sein 
als  frei  leben  nach  seinem  eigen  gutdünckel,  ja  gottes- 
dienst  G.  Wicelius  annotat.  (1536)  144t>;  und  wöUen  gott 
nach  irer  hertzen  gutdimckel  an  ein  ort  binden  J.  Mathe- 
siTJS  Sarepta  (1571)  96*;  die  ehrgeitzigen  seyn  den  Babel- 
bauern gleich,  wie  {l.  die?)  nach  eigenem  guttdünckel  ihr 
werck  bis  an  die  wölken  erheben  wollen  Butschky  Path- 
mos  (1677)  349. 

b)  die  aus  dem  eigenwilligen  denken  hervorgehende  will- 
kürliche, unbegründete  'meinung,  ansichf :  du  hast  noch 
nit  versucht,  was  schrifft  füren  für  kunst  und  arbeyt  sey, 
lieber  Murner,  du  ixxnst  yhe  keyne,  redist  nur  deyn  gutt- 
dünckel, lessist  meyn  schritt  unaufgelöset  Luther  7, 
682  W.;  darumb  ist  sich  zu  hutten  für  allen  leren  der 
menschen,  für  allem  guttdünckel  der  vemunfft  10,  1,  1, 
527;  namentlich  die  irrige,  eingebildete,  abergläubische 
meinung  und  lehre:  nu  ist  diszer  artickel  biszher  von  mir 
noch  nie  gehaltenn  andersz  denn  ein  wahn  unnd  gutt- 
dünckel, nit  für  eyn  bestendig  gewisze  warheit  7,  345; 
szo  sein  darnach  umb  solchs  der  seelen  yrthumb  und 
falschen  gutdünckel,  auch  alle  werck  des  leibs  bosz  und 
f urworffen  7,  553 ;  sonst  were  alle  unsere  hoffnung,  auszer- 
halb  gottes  wort  und  geist,  eine  lautere  triegerei,  gespenst 
und  fleischlicher  gutdünckel  Huberinus  form  zu  predigen 
(1557)  16l'>;  werden  wir  andere  nebensteige  suchen,  und 
uns  auf  eigene  träume  und  gutdünckel  wenden,  so  werden 
wir  verleitet  werden  H.  Decimator  hochzeitpred.  (1601) 
Li!*;  auch  geradezu  wie  'belieben,  tvillkür^  gebraucht:  {gott) 
wil  nicht,  das  wir  yhm  dienen  soUen  aus  eygener  wal 
und  gutdünckel,  wie  denn  die  natur  und  vemunfft  pflegt 
zu  thun  Luther  16,  425  W.;  was  sie  aber  sonsten  nach 
trem  guttdünckel  in  euszerlichen  dingen  .  .  .  statuiert  und 
beschlossen  haben  G.  NiGRiNUS  papist.  inquis.  (1582)  103; 

wann  sie  mich  dann  gar  wol  beschissen 
und  in  gar  Isleine  stücic  zerrissen, 
80  wirflt  mich  dann  ihr  gntdünclcel 
etwan  in  einen  flnstern  winclcel 

A.  Tharäus  erberml.  klage  (1609)  57". 

2)  die  eigenschaft  des  menschen  sich  gut  zu  dünken  {unter 
hinwendung  zu  gut  I  B,  II  B  oder  V  A),  mit  deutlichem  an- 
schlusz  an  dunkel  2  {vgl.  teil  2,  sp,  1539)  im  sinne  'Überheb- 
lichkeit, Selbstgefälligkeit,  ehrsucht\  vgl.  gutdünckel,  uber- 
hebung  praesumtio  Henisch  1790:  lesterlicher  gutdünckel 
die  menschen  also  aufbleset  Luther  tischr.  (1576)  117^ 
Aurifaber;  denn  wenn  es  menschen  glücklich  und  wol 
gehet,  schleichet  gutdünckel,  stoltz  und  hochmut  mit  ein 
J.  Jonas  Melanchthons  Daniel  deutsch  (1546)  27;  wie  sie 
aus  lautter  gutdünckel  und  stinckender  hoffart  sich 
lassen  düncken,  sie  sind  viel  besser  denn  gemein  leute 
C.  Spangenberg  jagteuf el  (1660)  m  z^;  und  khondten  wier 
nicht  bedenckhen,  wie  wiers  euch  solden  gerecht  machen, 
wier  woldens  dan  nach  eurer  überwitz  imd  gutdunckhel 
auf  eine  solche  weitleuftige  Inquisition  und  ausfor- 
schung  stellen,  derer  ende  wier  .  .  .  vieleicht  nicht  er- 
leben khonten  v.  j.  1569  in:  ständeakten  Joachims  II.  2, 596 
Friedensburg;  als  nun  hierzwischen  Conradus  der  ander 
keiser  worden,  .  .  .  stach  könig  Stephan  der  gutdünckel 
dermaszen  W.  Dilich  ungar.  chron.  (1606)  110;  diese 
geister  verführet  ihr  eigener  hochfahrender  macht  und 
guttdünckel,  dasz  sie  meinen,  alles  was  sie  thun,  sei  wol 
gethan  A.  v.  Franckenberg  gewinn  u.  verl.  (1634)  27;  in 
mischung  mit  eigendünkel  (s.  teil  3,  sp.  97)  als  eigen  gut- 
dünkel: ubirausz  aber,  yhr  hewbtherr  der  babst,  der 
stinckt  doch  von  eytellem  eygen  guttdünckel  und  selbs 
wolgef allen  yn  aller  wellt  Luther  10, 1,  1,  636  W.;  und 
wil  den  hoffart  ingemein  stracks  nennen  den  eygen  gut- 


[  dünckel  in  der  menschen  hertzen  J.  Wbstphal  hoffartS' 

I  teuffei  in:  theatr.  diabol.  (1587)  2,  197;    als   wann    man 

j  aus  eigenem  gutdünckel  dieses  und  jenes  mit  stoltzen 

I  Worten  heraus  streicht  Harsdörfer  teutsche  secret.  (1656) 

j    2,  543. 

j  3)  bei  Luther  av^h  mit  anschlusz  an  gut  III  A  5  für 
die  emp findung  des  Wohlgefallens:  wenig  und  gantz  hoch- 
geystliche  menschen  müssen  das  seyn:  die  yn  ehre  und 
lob  blosz  gelaszen  und  gleych  bleyben,  das  sie  sich  den 
selben  nit  an  nehmen :  guttdunckeÜ  und  gefallen  drynnen 
haben,  szondem  gantz  frey  und  ledig  bleyben  9,  247  W.; 
in  die  weyszheit  begreifft  er  allis,  was  do  sind  geystlich 
gutter  und  hohe  gaben,  davon  ein  mensch  ein  wolgefallen, 
rum  und  gutdünckel  haben  mag  7,  578,  vgl.  dazu  mund- 
artl.  gutdäuchte,  /.,  'Wohlgefallen'  Hertel  Thür.  111,  gut- 
deuchten,  vb.,  'einen  angenehmen  kitzel  und  dergl.  hervor- 
bringen' Albrecht  Leipz.  127^.  —  gutdünkelheit,  /., 
Weiterbildung  von  gutdünkel  2:  szo  leyt  alle  hoffart,  uber- 
muth  und  gutdünkelheit  damydder  Luther  9,  130  W.; 
dat  erste  {capitel)  in  ypocryserie  efte  guddunkelheit 
maniger,  de  gheme  willen  ghepriset  wesen  efte  lovet 
Reinke  de  vos  42  Prien. 

GUTDÜNKEN,  vb.,  zusammenrückung  der  formelhaften 
Verbindung  mich  (mir)  dünkt  etwas  gut  {vgl.  gut  I  A  3  d  a, 
sp.  1239)  im  sinne  'ratsam  erscheinen,  zusagen,  gefallen' : 
darzu  wil  er  nicht  mit  uns  handlen,  wie  es  uns  gefeit  imd 
gutdünckt  HuBERiNUS  vom  zorn  u.  d.  gute  gottes  (1535)  67^ ; 
füll  alsdann  die  kugelseck  .  .  .  mit  den  brenenden  zeugen, 
welcher  dich  gutdünckt,  auff  das  hertest  eyn  Frons- 
perger kriegsbuch  (1578)  1,  148»;  begehre  von  mir,  was 
dir  gutdäucht  Meiszner  Alcibiades  (1781)  4,  127;  aufzu- 
bauen und  zu  pflanzen,  wie  es  ihm  nach  gott  gutdünken 
würde  M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Detitschen  (1778)  3,  49;  da- 
mit der  musicus  vollkommenen  räum  habe  seine  stickerey 
.  .  .  mit  starken  oder  feinen  fäden,  wies  es  ihm  gutdünkt, 
auszuführen  Göthe  IV  23,  23  W.;  auf  jede  dem  könig 
gutdünkende  bedingung  Mommsen  röm.  gesch.*  1,  366; 
anders  'richtig  erscheinen':  dogma  {bedeutet)  seinem  ur- 
sinne  nach  das  gutdünkende,  nicht  das  wahre  P.  de 
Lagarde  dtsche  sehr.  191. 

GUTDÜNKEN,  n.,  seit  dem  jüngeren  mhd.  bezeugte 
Substantivbildung  aus  der  Verbindung  mich  (mir)  dünkt 
etw.  gut  {vgl.  gut  I  A  3  d  a,  sp.  1239),  in  älterer  spräche 
oft  gutdünken;  die  bei  Taxjler  auftretende  form  gut- 
dünkende ist  nichts  als  reguläre  elsäss.  dativform  des 
gerundiums,  gutdunkend  im  älteren  nd.  dagegen  wohl 
sekundär  durch  epithetischen  dental  erweitert,  vgl.  gud- 
ghedunckent  Schiller-Lübben  2, 170*. 

1)  vom  subjektiven  menschlichen  denken  und  meinen, 
das  sich  auf  dinge  richtet,  die  den  menschen  gut  dünken, 
ihm  ratsam,  richtig,  erstrebenswert  erscheinen. 

a)  in  gegensatz  zum  gebot  gottes  und  der  christlichen 
lehre  gestellt  namentlich  in  älteren  theologischen  Schriften 
bis  ins  17.  jh.  hinein  verbreitet:  das  sint  ir  uf setze  und  ir 
wisen,  die  si  in  irem  gutdünkende  gestiftet  und  gesazt 
haut  Tauler  pred.  287  V.;  und  ir  wellent  einen  ieklichen 
setzen  und  lu-teilen  nach  uwer  wise  und  nach  uwerm  gut- 
dünkende 180;  also  si  got  irvechten  wollen,  alliz  bit  in 
selver  in  irme  eygenen  willen,  vol  gütdunkens  in  ire 
eygene  naturen  Seuse  dtsche  sehr.  533  Bihlm.;  und  nicht 
viel  mehr  achtet  die  besserung  der  leütte  denn  unsem 
eygen  synn  und  gutdünken  Luther  18,  419  W.;  dasz  wir 
.  .  .  die  hafligen  .  .  .  Schriften  .  .  .  on  alle  menschliche 
züsetz  und  abwege,  die  von  der  göttlichen  lehre  auf  der 
menschen  gütduncken  und  vertrauen  abfueren  mögen, 
predigen  ...  wöUen  städtechron.  32,  275;  ein  weil  sagt  er, 
ye  mehr  yemandt  seinem  gütduncken  trawe,  ye  mehr  er 
verfürt  werd  J.  Nas  antipapist.  eins  u.  hundert  (1567)  3, 
131»;  weltmenschen,  die  alles  nur  mit  ihrer  weiszheit 
und  gutdünken  anfahen  und  hinausz  führen  wollen,  unbe- 
trachtet  gottes  worts  oder  ihres  beruffs  Kirchhof  wevd- 
unmuth  2,  249  Ost.;  auch  ist  in  diesem  stuck  eigenem  güt- 
duncken und  affect  nicht  zu  trauen  Dannhauer  catechis- 
musmilch  (1657)  1, )(  3*;  wenn  solche  {gottes  verheiszungen) 


1387 


GUTDÜNKEN 


GUTDUNKEN 


1388 


der  Vernunft  zuwider,  so  setzen  sie  ihr  vertrauen  und 
glauben  nicht  darauff,  sondern  aufEs  gutdüncken  Lehman 
fior.  polü.  (1662)  2,  948. 

b)  bis  in  heutige  spräche  gehalten  allgemeiner  für  die  be- 
urteilung  und  entscheidung  dessen,  was  für  ratsam,  richtig, 
tunlich  gehalten  wird:  man  sei  geschribene  und  gebreuch- 
liche  recht  und  gesetze  mehr  gelten  lassen,  denn  sein 
eigen  affect  oder  gutdüncken  E.  Menius  chron.  (1560)  1, 
OS*;  pruchnasticatz  (prognosticatio)  .  .  .  gestellet  durch 
gütdunken  .  .  .  des  stirnweisen  H.  Winhold  Wüstblut 
vom  Nebelschiff  Fischaet  praktik  1  ndr.;  die  künste  er- 
schaffen ihre  regeln  nicht  selbst,  sie  sind  kein  werck  ihres 
gutdünkens,  sie  liegen  unveränderlich  in  dem  vorbilde 
der  natur  Ramler  einl.  in  d.  schön,  wissensch.  (1758)  1,  16; 
die  lehre,  dasz  der  papst  der  einzige  Stellvertreter  Jesu 
Christi,  dasz  die  gewalt  der  Schlüssel  seinem  gutdünken 
anvertraut .  ,  .  sei,  wollte  er  {Paul  V.)  in  ihrer  vollen  be- 
deutung  behaupten  Ranke  s.  w.  38,  213;  wie  'ermessen': 
hängt  solches  blos  von  ew.  wohlgeboren  Überzeugung 
und  gutdünken  ab  Göthe  IV  37,  273  W.;  aber  nicht  mehr 
von  freiem  gutdünken  der  Völkerschaften  und  ihrer 
häupter  hing  er  ab  Rakke  s.  w.  8, 11;  auch  hier  meist  mit 
dem  beisinn  des  eigenwilligen  oder  willkürlichen  denkens: 
sich  sonst  den  launen  und  dem  gutdünken  eines  unter- 
thans  ...  unterwerfen  Kant  w.  (1838)  5, 480  Hart.;  wir  sind 
gewohnt,  gesetze  zu  nennen,  was  aus  dem  gutdünken  der 
Volksversammlungen  .  .  .  entsprang  Fe.  v.  Gentz  sehr. 
3,  211  Schlesier;  mit  dem  dogma  {waren)  auch  die  cultus- 
formen  dem  persönlichen  gutdünken  der  geistlichen  an- 
heimgefallen Tebitschke  dtsche  gesch.  S,  395;  besonders 
in  festen  Verbindungen,  so  bis  in  das  18.  jh.  einem  gut- 
dünken folgen :  wo  ein  her  nach  seinem  tollen  kopff  regiret 
und  seinem  gutdüncken  folget,  der  ist  gleich  wie  ein 
toller  furmann,  der  mit  pferd  und  wagen  stracks  zu- 
rennet Luther  6,  261  W.; 

allein  folgst  du  nur  deim  gutdüncken 

H.  Sachs  17, 146  K.-  G.; 

so  lang  er  seinen  anregungen  und  gutdüncken  allein  nach- 
folgend seinen  unterthanen  gebotten  hat,  ist  ihm  auch 
allein  gehorsam  geleistet  worden  Fischart  discours  (1589) 
A3'';  er  {der  komponist)  musz  . . .  seinem  eigenen  musikali- 
schen gutdünken  folgen  Scheibe  crit.  musicus  (1745)  165; 
in  ansehung  der  eigentlichen  begebenheiten  des  krieges 
selbst  bin  ich  nicht  den  ersten  den  besten  nachrichten 
noch  meinem  eigenen  gutdünken  gefolgt  Heilmann  gesch. 
d.  Pelop.  krieges  (1760)  25;  etw.  dem  gutdünken  jemds. 
überlassen,  vgl.  schon  alle  ding  in  eins  andern  gutdüncken 
lassen  permittere  omnia  iudicio  alterius  Frisius  985'',  und 
im  gleichen  sinne:  gleichwol  wollen  wir  hierin  nieman 
nichts  vorgeschrieben,  sondern  eynem  jeden  sein  gut- 
düncken vorbehalten  haben  Fischart  3,  307  Hauffen;  ich 
überlasse  es  deinem  gutdünken  theater  d.  Deutschen  (1768) 
16,  68;  jemanden  kränken  ist  eine  grausamkeit,  ihn  aber 
zu  suchen  oder  zu  meiden  bleibt  meinem  gutdünken 
überlassen  G.  Büchner  nachgel.  sehr.  246;  was  das  hono- 
rar  für  Hannibal  betrifft,  überlasse  ich  ihrem  gutdünken 
Grabbe  w.  4,  549  Bl. 

c)  die  breiteste  Verwendung  findet  sich  noch  in  neuerer 
spräche  vor  allem  in  präpositionaler  Verbindung. 

a)  im  ganzen  seltener  bleibt  Verbindung  mit  aus;  am 
häufigsten  im  älteren  nhd. :  aus  eigenem  furnemen  und  gut- 
düncken Luther  32,  302  W.;  ob  man  mich  nun  dagegen 
beschuldigen  wolte,  ich  hette  aus  eignem  gutdüncken 
irer  tabulatur  straffartickel  etliches  theils  verendert,  .  .  . 
kan  ich  dasselbige  nicht  verneinen  Puschmann  meisterges. 
9  ndr.;  ob  er  solch  beginnen  aus  befehl  seines  königes  oder 
aus  eigen  guthdüncken  thäte  Olearius  persian.  reise- 
beschr.  (1696)  69;  wann  stöszt  man  da  endlich  auf  einen, 
ders  aus  eignem  gutdünken  gemacht  hat  Bettine  dies 
buch  gehört  d.  könig  (1843)  1,  27. 

ß)  hauptsächlich  mit  nach  im  sinne  'wie  es  jemd.  ratsam, 
richtig,  erstrebenswert  erscheine ;  oft  mit  dem  Personalpro- 
nomen, bestimmenden  adjektiven  oder  dem  gen.  der  person 
verbunden:  wij  bidden  juw  gutlijken  dat  gij  uns  bij  ju  in 
juwer  kerken   eder   beholtnissen   lehnen  unde  gunnen 


willen  ener  bequemen  stede  na  juwen  guddunckende  urk. 
V.  25.  5.  1442  {handschr.  beleg);  er  kuntschaft  bestellen  sol 
auf  die  mortbrenner  noch  seinem  gutdüncke  städtechron. 
2,  88;  wenn  ich  mir  aber  ein  besonder  zeychen  nach 
meinem  gutdüncken  machte  Luther  16,  427  W.;  nach 
meinem  gutdüncken  und  verstand  Henisoh  1790;  ein 
ieder  mag  hievon  nach  seinem  begriff  und  gutdüncken 
urtheilen  Besser  scAr.  (1782)  2,  488  König;  {das  Parlament) 
werde  seine  Sitzungen  nach  belieben  ausdehnen,  und  der 
nation  eine  religion  nach  seinem  gutdünken  auflegen 
können  Ranke  s.  w.  17,  131;  dieselbigen  soll  aber  weder 
die  meyersfrau  selbs,  noch  jemand  anders  one  allen  unter- 
scheyd  und  nach  irem  eygenen  gutdüncken  gebrauchen 
Sebiz  f eidbau  (1579)  527;  die  urtheilung  und  erkäntnusz 
nach  eigenem  gutdüncken  hatte  den  verstand  des  richters 
damahls  noch  nicht  eingenommen  Bastel  v.  d.  Sohle 
Harnisch  {16i8)  126;  ich  war  bereits  übermüthig  geworden 
und  kletterte  nach  eigenem  gutdünken  geradlinig  auf- 
wärts H.  v.  Barth  Kalkalpen  348;  gott  nach  mensch- 
lichem gutdüncken  dienen  Mathesius  8arepta{l57l)  199^; 
inmittelst  wird  einem  jedweden  nach  seinem  vernünftigen 
guhtdünken  von  diesem  meinem  Schauspiele  auffrichtig 
zu  urtheilen  bülich  anheim  gestellet  J.  Rist  friedew. 
Teutschl.  (1648)  21;  die  nahmen  in  dem  calender  {sind) 
mehrentheils  nach  gutdüncken  einiger  päbste  .  .  .  ange- 
setzt worden  J.  G.  Schmidt  gestr.  rockenphilos.  (1706)  2, 
291;  jeder  sünder,  . . .  der  .  .  .  nach  dem  gutdünken  seines 
hertzens  .  .  .  handeln  wül  Lavater  verm.  sehr.  (1774)  2, 
309;  dann  auch  in  unmittelbarem  anschlusz  nach  gut- 
dünken, wobei  besonders  gern  der  begriff  des  beliebigen  oder 
auch  des  willkürlichen  ermessens  sich  beigesellt:  aber  alle 
junge  und  unerfahrne  astrologi  machen  ihre  practica 
nach  gutem  wohn  und  gutdüncken  volksb.  v.  dr.  Faust 
43  Br.;  wer  nach  gutdüncken  redt,  der  sucht  einen  hügel 
auff  ebenem  weg  Petri  d.  Teutsch.  weiszh.  (1604)  2,  H  hh 
41»;  man  solte  .  .  .  eines  oder  das  andere  ausz  eigenem 
verstand  nach  gutdüncken  beysetzen  HARSDÖRFER/raMew- 
zimmergesprächsp.  (1641)  1,  n  6*;  der  zehend  {soll  nicht) 
nach  gutdüncken  im  feld  gelassen  werden  v.  Hohberg 
geogr.  cur.  (1682)  1,  41;  diese  .  .  .  lassen  anfang  und  ende 
weg,  ändern  und  verbessern  das  übrige  nach  gutdünken 
Fr.  Nicolai  8eb.  Nothanker  l,  lOO ;  handeln  sie  von  morgen 
an  nach  gutdünken  J.  Nestroy  ges.  w.  6,  61 ;  die  tausende, 
die  er  angab,  sind  mir  obiter  in  erinnerung,  die  übrigen 
Ziffern  setze  ich  nach  gutdünken  hinzu  Bismarck  ged.  u. 
erinn.  l,  84 ;  wo  es  sich  um  die  nach  gutdünken  erfolgende 
anwendung  von  maszen  oder  mengenbezeichnungen  handelt, 
tritt  aber  der  begriff  des  beliebigen  oft  hinter  dem  des  an- 
gemessenen zurück:  sind  die  victualien  in  dem  lager  an- 
gekommen, so  müssen  sie  ...  nach  gutdüncken  und 
billiger  gebühr  geschätzet  {werden)  v.  Fleming  soldat 
(1726)  165;  Übrigens  bezahlt  man  die  ärzte  hier  nach  gut- 
dünken Hebbel  s.  br.  2,  233  W.;  so  vielfach  bei  rezepten 
und  kochvorschriften,  z.  b.  man  füge  nach  gutdünken 
butter  hinzu  usw.;  vereinzelter  mit  nachgestellter  prä- 
position:  aller  liebster  bruder,  wie  wol  ich  meinem  gut- 
düncken nach  vatter  schreyben  solt  H.  v.  Cronberg  sehr. 
61  ndr.;  andere  ihrem  gutdünken  nach,  es  {das  staats- 
ruder)  führen  und  lencken  thaten  Chemnitz  schwed.  krieg 
2  (1653)  238;  er  wolte  aber  niemanden  rathen,  das  er 
solche  Sachen  seinen  gutdüncken  nach  brauchte  Ett- 
NER  V.  EiTERiTZ  mcdiz.  maulaffe  (1719)  399;  im  sinne 
'Schätzung'' :  den  einwohnern  so  viel  ...  zu  geben,  als  das 
geraubte  vieh  dem  gutdünken  nach  werth  sein  mögte 
G.  Forster  s.  sehr,  i,  236. 

y)  statt  präpositionaler  fügung  findet  sich  bis  in  das 
18.  jh.  hinein  auch  absoluter  genetiv:  susth  suUen  uns  .  .  . 
obgeschrebene  lande  .  .  .  mit  allen  hirschafften  .  .  .  unsers 
.  .  .  eygen  gutduncks  und  wolgefallens  volmechtig  zu 
thuen  und  zu  lossen  zusthen  urk.  v.  j.  1504  in:  lehnsurk. 
Schlesiens  1,  469;  er  .  .  .  den  krieg  gegen  den  Römern  seins 
eignen  gutdunckens  hab  angefangen  Xylander  Polybius 
(1574)  121;  und  für  gewisse  arbeiten  eignes  gutdünkens 
hübsche  gesellen  anstellen  möchten  Wieland  in:  br.  an 
Merck  1,  82  Wagner. 


1389 


GUTDÜNKEN 


2)  bis  in  das  18.  jh.  hält  sich  eine  im  16.  und  17.  jh.  ver- 
breitete bedeutung,  die  das  ergebnis  des  meinens  und  denhens 
umschreibt. 

a)  so  im  sinne  'meinun^,  ansieht  u.  ä.,  vgl.  nach  seiner 
meinung  und  gutduncken  reden  sententiam  dicere  Frisius 
410'',  gutduncken  .  .  .  ,  gutachten,  meinung  sententia, 
opinio,  consilium  Henisch  1790,  gutdünken  aviso,  opini- 
one,  parere  Hulsitjs  dict.  {U18)  144  a,  gutduncken,  meinung 
opinion,  sentiment  Wideehold  (1669)  cZtcMSS'';  von  den 
jungfrawen  aber  hab  ich  keyn  gepott  des  herrn,  ich  sage 
aber  meyn  gutdünken  Luther  12,  96  W.;  ich  wü  meyner 
torheyt  nach  der  erste  mein  gutduncken  furlegen,  mit 
vorbehält  eynsz  yghchen  bessers  vorstand  6,  454; 

liesz  drauf  in  der  landschaft  fragen, 
was  hierin  ir  gutdunlien  war 

Maximilian  Teuerdank  13  Oöd.; 

wollet  .  .  .  lieber  auch  unser  gutduncken  vernemen,  und 
dan  ewern  hilfflichen  rat  zu  erkennen  geben  J.  Schenok 
cronica  (1522)  61;  der  Plato  hat  nach  dem  gutduncken 
und  meinung  des  Pythagorae  gerathen  Barth  weiber- 
spiegel  (1565)  b  2'';  eines  gutduncken  und  meinung  folgen 
Henisch  1790;  wir  ihme  unser  gutduncken  sagen  wolten 
theatr.  amoris  (1626)  86;  ich  geschweige,  dasz  auch  nach 
des  Fabii  gutduncken  geringe  leute  durch  geringe  Sachen 
am  besten  mögen  verständiget  werden  Prätorius  winter- 
flucht  (1678)  2;  wenn  er  höret,  dasz  dieser  oder  jener  junge 
lehrer  eben  so  groszmüthig  von  allem,   was  ihm  vor- 
kommet, sein  unzeitiges  gutduncken  eröffnet  Gottsched 
Vernunft,  tadl.  (1725)  l,  170;  mehr  als  'lehrmeinung':  hiemit 
sollen  ge warnet  sein  alle,  die  uff  menschen  gesetz  und  gut- 
dünken oder  uff  ire  eygne  werk  bawhen  H.v.Cronberg 
sehr.  76  ndr.;  deszhalben  klärUch  hierausz  erscheint,  das 
die  gewonheit  und  das  gutduncken  der  römischen  kirchen 
wol   mög  die   gebott  Christi  .  .  .  ändern   und   gar  ab- 
schaffen Fxschärt  binenkorb  (1588)  12a';  wie  gutachten 
1  b  auch  als  'empfehlung,  ratschlag' :  were  wol  meyn,  auch 
meyns  meisters  guttüncken,  ob  es  e.  1.  gefylle,  ir  wolten 
doctorem  Hildebrandum  ...  zu  mir  .  .  .  geschickt  {haben) 
V.  j.  1479  bei  Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalt.  l,  200; 
es  ist  beydes  nütz  und  nötig,  dasz  sich  ein  jeder,  so 
seiner  gesundheit  in  acht  hat,  in  diesem  nach  berühmpter 
ertzt  lehre  und  gutduncken  regulire  J.  Ruoff  hebammen- 
6mcA(1580)  A  2*>;  we  gutachten  3  gelegentlich  für  die  kri- 
tische meinungsäuszerung ,   entscheidung,  das  urteil,  vgl. 
er  raubet  uns  unser  gutduncken  spoliat  nos  judicio  B.  Fa- 
ber thes.  (1587)  648'',  gutachtung,  guttdüncken  Judicium 
nomencl.  in  iisum  schol.  (1634)  225,  sein  guttdüncken  von 
etwas  geben  Judicium  de  re  aliqua  ferre  ebda,  der  aus- 
sprach  eines   schiedemanns,    das   urtheil,   gutduncken 
arbitrage  Spanutius  sprichw.-lex.  (1720)  153:  eines  jeg- 
Uchen  ehr  bestehet  in  den  wercken  und  gutthaten,  nicht 
aber  in  der  menschen  reden  und  gutduncken   Lehman 
ßoril  pol.  (1662)  4,  79;  etwas  anders,  'Urteilsfähigkeit :  ich 
meines  theils  würde  allezeit  mein  gutdünken  eher  ver- 
achten als  den  Vorwurf  einer  einbüdung  Heraus  ged.  u. 
lat.  inschr.  (1721)  21. 

b)  geradezu  wie  'willkürliche  annähme,  einbildung,  phan- 
tasie',  vgl.  nach  meiner  fantasey  oder  gutduncken  meo 
arbitratu  Frisius  112*:  do  sie  aber  ire  guttdungken  und 
träume,  menschen  tandt  und  menschen  Satzungen  predig- 
ten Luther  14,398  W.;  aber  man  sol  sich  hüten,  daz  man 
keinen  witzigen  ein  narrenkappen  mit  schäUen  anlegen, 
das  ist,  das  man  nit  eins  yeden  nüwen  lerers  tröum  oder 
guttüncken  darüber  läse  P.  Gengenbach  196  Oöd.;  latet 
juw  gein  gudtduncken  noch  ydel  philosophie  bedregen 
B.  Rotmann  restit.  5  ndr.;  das  sie  (die  bischöfe)  in  fried- 
lichem und  einheUigen  gespräch  (hindan  gesetzet  aUen 
menschlichen  wohn  und  gutduncken)  .  .  .  reden,  handien 
und  schheszen  solten  M.  HERR/eW6aTt(155l)  4*';  ein  ander 
mensch  seinem  gutduncken  und  fantaseyen  .  .  .  nach- 
geben wirdt  Paeacelsus  Chirurg,  bücher  (1618)  752 
Huser. 

c)  wie  gutachten  1  c  vereinzelt  im  sinne  'anweisung,  be- 
fehV :  (sie)  wurde  .  .  .  auf  gutduncken  der  obrigkeit,  in  dem 


GUTDÜNKENHEIT-GUTDÜNKUNG     1390 

gefängnisz  so  lange  verwahret  Widmann  Fausts  leben 
527  K.;  diesem  ungeachtet  muste  auf  gutduncken  Brügge- 
manns ...  die  lust  ('lustbarkeW)  doch  noch  eine  weUe 
fortgehen  Oleabius  persian.  reisebeschr.  (1696)    282. 

3)  vom  menschen  als  objekt  der  meinung  über  sich  selbst, 
von  er  dünkt  sich  gut  {s.  gut  V  A 1)  herzuleiten,  imfrühnhd. 
im  sinne  'dünkelhafligkeit,  Selbstgefälligkeit,  hochmuV,  vgl. 
gutdünkel  2;  älter  in  adjektivischer  fügung  bezeugt: 

unnd  lassest  daz  gute  dünken  und  er  wegen 
und  woldest  der  demutilceid  piegen 

Joe.  Roths  lob  d.  keuschheü  3806  N. 

in  fester  komposition:  voll  guetduncken  fastuosua  (1517) 
Diefenbach  gl.  227^;  erlosze  mich  von  meinem  gut- 
duncken und  vor  der  geysthchen  hoffart  {Spalatins  gebet- 
büchl.  V.  1522)  Luther  lo,  2,  496  W.;  sie  wüten  freilich, 
sintemal  sie  von  dem  gutduncken  des  fleisches  verfürt 
seindt  J.  Menius  sprüch  Salomo  (1526)  128a..  —  gut- 
dünkenheit,  f.,  Weiterbildung  von  gutdünken;  wie  gut- 
dünken 2:  gutdunckenheit  .  .  .  gutachten,  meinung  sen- 
tentia, opinio,  consilium  Henisch  1790;  wie  gutdünken  3: 

nun  leg  von  dir  güthdünckcnheit, 
das  manchen  In  dieser  zeit  verleit 

Wackernagel  kirchenlied  5,  686. 

—  gutdünker,  m.,  ein  mensch,  der  sich  gut  dünkt,  sich 
einbildet  rechtschaffen  zu  sein,  vgl.  gutdünken  3  u.  gut- 
dünkler  'hochmütiger,  dünkelhafter  mensch': 

darnach  flndt  man  gutdüncker  viel, 
die  ander  leut  vertümen 

RiNQWALDT  handbüchl.  (1586)  B  5"; 

ähnlich  'besserwisser\-  witzige  leut  seynd  gutdüncker  Leh- 
man flor.  polit.  (1662)  2,  919.  —  gutdünkler,  gutdünke- 
1er,  m.,  was  gutdünker,  doch  häufiger  als  dieses  bezeugt;  als 
'viensch,  der  sich  seinem  gutdünken  (2  b)  überläszt,  besser- 
wisser,  phantasV:  es  gefeit  gott  also,  das  er  solch  geheymnis 
verberge  ...  für  den  schwetzern  und  gutdüncklern  Luther 
23,  686  W.;   es  seint  auch  von  den  gutdunckelern  das 
arm  gemein  volk  in  hasz  und  Widerwillen  irer  oberkeit 
gefurt  (v.  j.  1625)  in:  akten  u.  br.  z.  kirchengesch.  Georg  V. 
V.  Sachsen  2, 466;   denn  als   die   Juden   zu   Jerasalem 
gott  verUeszen   und    mehr  denen  gutdunckelern   denn 
dem    gesetz    folgeten,    drewete    ihnen    gott    hefftiglich 
C.  Spangenbero  pestilenz  (1552)  o  l**;  darumb  ob  nun  in 
beschreibung  dieses  krieges  etwas  mit  unterleufft,  das 
nicht  einem  yglichen  (sonderlich  den  unwissenden  gut- 
dunckelern,   die   aÜe   ding,    boltzen  und  federn,    recht 
machen  wollen)  deuchte  recht  getroffen  zu  sein,  der  wisse 
J.  Letzner  Dass.  chron.  (1596)  1,  52'';  witzige  leut  seynd 
gembsensteiger,  gutdunckler,  männer  von  sieben  sinnen 
Lehman  flor.  polit.  (1662)  l,  914;  lexikalisch  noch  im  17.  jh., 
vgl.  gutdünkler  Schottel  84.  —  gutdünklich,  adj.,  ab- 
leitung  aus  gutdünken ;  im  sinne  von  gutdünken  3  '■selbst- 
gefällig':  de  Joden  weren  guddunckelych  und  homodich 
6.  d.  profec.  78''  nach  Schiller-Lübben  2, 170»,  —  gut- 
dünklichkeit, /.,  bei  Tauler  als  gutdunklicheit  belegt; 
Weiterbildung  aus  gutdünkhch,  um  die  eigenschaft  des  im 
sich  gutdünken  (vgl.  gutdünken  3)  lebenden  menschen  aus- 
zudrücken; im  sinne  'anmaszende  Selbstgefälligkeit,  dünkel- 
haftigkeit:  die  frijen  geiste,  die  mit  iren  valschen  üechtem 
wenent  die  worheit  bekant  han,  imd  swimment  do  mit 
uf  in   ir  eigen   beheghcheit    und   in    ir  gütdunkUcheit 
Tauler  'pred.  250  V.;  das  es  (das  rechttun)  der  mensche 
nut  entü  von  einer  tumber  künheit  oder  von  einer  blinder 
vermessenheit   oder  einer  gütdunkhcheit   272;   als  sich 
disser   am   groszen   feiertage   sehr   geschmöcket   hatte, 
predigte  im  die  heihge  Ehzabeth  lange  von  der  hoffart 
und  gutdünckligkeit  S.  Grünau  preusz.  chron.  l,  187.  — 
gutdünklisch,  adj.,  ableitung  von  gutdünkel  2  im  sinne 
'selbstgefällig,  dünkelhaft,  hoff  artig' :  menschen   .  . .,  die 
gottes  kraft  in  ihnen  selber  verleugnen,  sintemal  sie  seind 
.  .  .  gutdünckhsche  menschen  Ringwaldt  lauter  warheit 
(1597)  A  2'';  (damit)  gutdünckelische  gesellen  und  spötter 
etwas  zu  grübeln  bekämen  Aitinger  jagd-  u.  weidbüchl. 
(1681) )(  1^.  —  gutdünkung, /.,  Weiterbildung  von  gut- 
dünken; wie  gutdünken  2  a  im  sinne  'empfehlung' :  aber 


1391        GUTDÜNKUNGSBRIEF— GÜTE  i 


GUTE  1 


1392 


auf  unsern  rat  und  guttunkung  wollen  sie  darmit  ein 
kleine  zeit  stiller  halten  v.  j.  1509  in:  hess.  landtagsakten 
1, 44.  —  gutdünkungsbrief,  m.,  was  gutachten  4, 
älterer  kaufmännischer  terminus,  s.  Jacobsson  2,  176*'.  — 
gutdurstig,  adj.,  analogiebildung  zu  blutdurstig  im  an- 
schlusz  an  die  paarung  gut  und  blut,  im  16.  u.  17.  jh.  be- 
liebt; 'begierig  nach  habe,  beutegierig^:  die  anf enger  und 
stiffter  solches  blutigen  lermens,  der  wider  aUe  göttliche 
und  menschliche  rechte  .  .  .  durch  die  gut-  und  blut- 
dürstigen Calvinisten  in  diesem  ertzstifft  erregt  worden 
Ulenberg  cÄromcÄ;  (1586)  vorw.  b^;  und  nahm  die  ober- 
stathalterschaft  ...  in  eine  blüht-  und  guhtdürstigen 
klauen  Zesbn  beschr.  d.  stadt  Amsterdam  (1669)  147;  die 
unfuechsamen  {sollen)  ermant  .  .  .  und  durch  ritterliche 
thaten  und  geschenk  kün  und  gutdurstig  gemacht  {wer- 
den) Frokspeegbr  kriegsb.  (1578)  1,  g  1*.  —  gutdurstig- 
keit,/.,  vom  vorigen  wort  gebildet:  die  unerleschUche  blut- 
und  gutdurstigkeit  vorbesagter  Spanier  E.  Francisci 
traursaal  (1665)  l,  931 ;  es  ist  Entropius,  welcher  .  .  .  die 
hohe  Obrigkeit  .  .  .  zum  raub  und  gutdurstigkeit  .  .  .  an- 
geführet  hat  J.  M.  Meyfaet  teutsche  rhetorica  (1653)  48. 

^GÜTE,  /.,  bonitas,  probitas,  benignitas,  gratia. 

herkunft  und  form. 

abstraktbildung  aus  gut,  adj.;  got.  godei,  ahd.  guoti,  as. 
gödi,  mhd.  güete,  mnl.  goede,  nhd.  gute;  eine  mit  dem 
Suffix  -Jn  gebildete  form  ahd.  *guotin  scheint  sich  bis  in 
neueren  dialekt  vereinzelt  obd.  erhalten  zu  haben,  soweit 
nicht  mit  dem  plural  oder  schwacher  flexion  zu  rechnen  ist, 
vgl.  guotin  ( :  sin)  v.  rechte  354  Waag,  vgl.  Diemer  gloss. 
z.  genes,  u.  exod.  156*;  gütin  Seusb  dtsche  sehr.  258 
Bihlm.,  Mone  schausp.  d.  mittelalt.  \,  161;  gütten  bei 
Matthäi  minnered.  l,  17;  guten  Mtjrner  an  den  add 
49  ndr.,  urk.  v.  j.  1613  bei  Fischer  schwäb.  3,  960;  güadn 
Schmellbr-Fr.  1,  965;  fraglich,  ob  hierher  gehörig  die  fälle 
im  reimgebrauch:  in  gütten  Fleming  306, 15  Läpp.,  voller 
guten  Brentano  ges.  sehr.  3,  172;  die  bildung  fehlt  ags., 
anord.,  ist  auch  mnd.  nicht  belegt  und  kann  daher  kaum 
als  gemeingerman.  gelten;  im  anord.  entspricht  bedeutungs- 
mäszig  ein  masc.  gödi,  vgl.  Fritzner  ordbog  1,  621''  und 
ein  fem.  goezka,  vgl.  Neckel  gloss.  z.  Edda  69**,  im  engl, 
vergleicht  sich  goodness. 

bedeutung  und  gebrauch. 

theoretisch  liesze  sich  zu  jeder  bedeutung  des  adj.  gut 
eine  entsprechende  von  gute  denken,  doch  beschränkt  sich 
die  spräche  im  allgemeinen  auf  wenige  bedeutungsstränge; 
die  auszerhalb  dieser  auftretenden  Sonderbedeutungen  er- 
scheinen daher  als  mehr  individuelle  Schöpfungen,  das  gilt 
namentlich  für  die  ahd.  zeit  von  Otfrid,  dessen  verschwen- 
derische anwendung  des  Wortes  stilistisch  zu  werten  ist  und 
keine  bedeutungsgeschichtlichen  rückschlüsse  erlaubt,  so- 
weit nicht  andere  Zeugnisse  beispringen. 

1)  in  allgemeinster  Verwendung  bezeichnet  gute  die  be- 
schaffenheit  einer  sache,  der  das  prädikat  gut  als  'taug- 
lich, vortrefflich,  hochwertig^  zukommt;  die  Zugehörigkeit 
zu  gut  I,  II  oder  III  ist  nicht  überall  deutlich  zu  schei- 
den, doch  neigt  das  adjektivabstractum  dazu,  sich  als  rei- 
ner qualitätsbegriff  an  das  abstraktere  gut  II  anzuschlieszen, 
vgl.  gütti  bonitas  Diefenbach  nov.  gl.  57;  als  Übersetzung 
von  lat.  bonitas  bereits  ahd.,  s.  Grapf  4,  167. 

a)  als  bezeichnung  des  äuszeren  oder  inneren  wertes  einer 
Sache  im  sinne  'vortrefflichkeit,  hochwertigkeit,  vorzüglich- 
keif. 

a)  von  dingen  mit  eirt^m  .bestimmten  gebrauchswert,  also 
gut  IA2  entsprechend: 

daz  swert  Im  üz  der  scheide  schöz: 
des  güete  was  aisö  gröz, 
deiz  im  durch  die  halsperc  brach 
und  eine  gr6ze  wunden  stach 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  3946 ; 

do  was  das  hüs  (eine  bürg)  in  der  güete, 

daz  ez  ze  stürme  niht  entohte 

OxTOKAK  V.  Steikkmark  teimchron.  29397  Seem.; 

und  begunde  wol  erscheinen 

des  phärdes  güete    Hartmann  v.  Aue  Erec  7412; 


gleichwohl  aber  machten  sich  S.  und  I.  durch  die  gute 
ihrer  mauritanischen  pferde  noch  aus  dem  staube  Lohen- 
stein Arminius  (1689)  2,  1178''';  von  dener  gute  kriegst 
nit  bald  wieder  ein  rosz  Fischer  schwäb.  3,  960;  jäger- 
sprachlich:  und  ist  solches  {der  beitritt)  ein  gutes  zeichen, 
weün  dadurch  des  hirsches  gute  oder  feiste  vermuthet 
wird  V.  GöcHHAUSEN  notab.  venat.  (1741)  25;  gleych  wie 
du  des  bawms  früchtte  magst  nennen  eyn  offenbar  gutti- 
keyt  des  baums,  die  da  folget  und  beweyszet  ynnerliche 
naturliche  gutte  Luther  lO,  3,  288  W.;  die  marcische 
Wasserleitung,  die  an  gute  und  fülle  des  wassers  .  .  .  un- 
übertroffen blieb  MoMMSEN  röm.  gesch.^  2,  390;  sintemal 
kejTi  erdrich  .  .  .  mag  ungebauen  guts  thun,  noch  inn 
seiner  gute  pleiben  SEBiz/eW6aM  (1579)  455;  zum  andern 
musz  ein  hausvatter  .  .  .  seines  grundes  beschaffenheit 
.  .  .  gute  und  mängel  wissen  v.  Hohberg  georg.  cur.  (1682) 

1,  8;  durch  diese  gute  des  bodens  {war)  einer  und  der  an- 
dere zu  einem  gröszeren  vermögen  gelanget  Heilmann 
geschichte  des  Pdop.  krieges  (1760)  3;  nach  gut  II  A  2 
von  erzeugnissen  und  waren:  ist  den  lederern  hiemit 
auferlegt,  das  si  .  .  .  solches  {leder)  gerecht  und  guet 
machen  und  darunter  ainiche  verfortaUung  weder  mit 
nembung  sovil  kalchs  oder  in  ander  weeg,  dardurch 
dem  leder  sein  guet  entzogen,  gebrauchen  {v.  j.  1523) 
österr.  weist.  10,  22;  ihr  gröszter  Staat  besteht  in  der 
gute  der  zeuge,  die  sie  trägt  J.  E.  Schlegel  w.  (1761)  5, 
192;  das  tuech  hed  ekei  güeti  {'Solidität')  Staub-Tobler 

2,  556;  die  gute  des  pulvers  gründet  sich  auf  .  .  .  Stahl 
gewehrgerecht,  jäger  (1762)  36;  so  brach  endlich  der  ver- 
borgene honigwuchs  mit  solcher  stärke  hervor,  dasz  er 
das  glas,  welches  ihn  bedeckte,  gewisz  würde  zersprenget 
haben,  wenn  es  nicht  von  gar  zu  groszer  gute  gewesen 
wäre  Schwabe  belust.  (1741)  l,  459;  an  gute  der  waffen 
wären  sie  den  Deutschen  überlegen  Lohenstein  Arminius 
(1689)  1,  58"; 

alles  das  man  bütet  feil, 

das  ist  nun  uff  den  kouB  gemacht, 

der  gütte  nimpt  man  wenig  acht 

MUKNER  narrenbeschw.  10  ndr.; 

die  wiederbringung  alter  verlegener  waare  von  beson- 
derer gute  Kinderling  reinigkeit  {iTAh)  96;  wird  eine  nur 
der  gattung  nach  bestimmte  waare  geschuldet,  so  ist 
handelsgut  mittlerer  art  und  gute  zu  leisten  handels- 
gesetzbuch  §  360;  bildlich: 

war  meine  wahre  nicht  recht  gut,  so  geh  ich  etwas  zu, 
damit,  was  nicht  die  gute  thet,  vielleicht  die  menge  thu 

LOGAU  sinnged.  409  E.; 

{jede  reichsmünzstätte)  haftete  für  die  gute  ihrer  erzeug- 
nisse,  weshalb  sie  auch  ein  eigenes  münzbild  verwendete 
Luschin  v.  Ebengreuth  münzkunde  80;  hierzu  auch: 
dasz  aber  bei  meinen  künden  sich  das  geld  in  den  von  mir 
erhandelten  beuteln  so  wohl  konservirte,  lag  meinem  be- 
dünken  nach  weder  an  der  glücklichen  hand  des  meistere, 
noch  an  der  gute  der  arbeit  MusÄus  volksm.  1,  64  Hem- 
pel;  hauptsächlich  aber  hielt  er  die  innere  gute  der  hol- 
steinischen truppen  nicht  für  ausreichend  Moltke  ges. 
sehr.  6,  184 ;  gern  mit  steigernden  adjektiven  besondere,  vor- 
zügliche, hervorragende,  einzigartige  gute  usw.:  zu 
Schwertern  und  waffen  von  vorzüglicher  gute  Ritter 
erdk.  1,  139. 

ß)  von  dingen,  denen  ein  gefühlswert  {geruch,  geschmack, 
sinnliches  Wohlgefallen  überhaupt)  zukommt  im  anschlusz 
an  gut  III: 

irfulta  thiu  ira  {der  salbe)  guati      thes  selben  hnses  witi 

Otfrid  IV,  2,  20; 

die  gute  und  clarheit  der  lufft  Peirus  de  Crescentiis 
(1493)  a  2"; 

von  des  weines  guete  tranch  er  so  vil, 
das  in  der  sin  vil  gar  verlle 

H.  V.  BuRGUS  der  seele  rat  372  Rosenf.; 

nichts  desto  weniger  wäre  die  gute  des  weines  so  grosz 
LoHENSTBiN  Arminius  (1689)  2,  295*; 

der  wein  vom  vorgen  jähr  hat  rechte  gute 

A.  V.  Arnim  w.  19,  220  Gr.; 


1393 


GÜTE  1 


GÜTE  1 


1394 


well-e  güeti  ist  der  most!  Statjb-Tobler  1,  556;  durch 
andere  fehler  {ist)  das  hier  von  seiner  alten  gute  und  ge- 
schmack  gekommen  v.  Hohbekq  georg.  cur.  aucta  (1715) 
43'"';  den  erfrischenden  trank  {xvasser)  .  .  . ,  der  uns 
trotz  seiner  zweifelhaften  gute  vortrefflich  mundete 
Hassert  reise  d.  Montenegro  60 ;  und  konnte  sich  am  ende 
doch  wenigstens  damit  trösten,  dasz  alles  getränk  eine 
besondere  gute  hat  Thibaut  notwendigkeit  (1814)  459;  der 
salm  um  s.  Jacobs  tag,  als  er  jetzt  verleichet  hat,  seinen 
geschmack  und  gute,  darzu  auch  seinen  namen  verleuert 
ßschbüchlein  144;  denn  der  kenner  mit  feinerem  gaumen 
muszte  bald  merken,  dasz  insbesondere  die  rotweisze, 
groszohrige,  bayrische  landsau  .  .  .  sich  an  gute  und 
Zartheit  des  fleisches  von  keiner  anderen  rasse  über- 
treffen läszt  WiMMEE  gesch.  d.  dtsch.  bodens  449; 

der  biruen  gute  wird  vom  Wespenstich  erkennt, 

dasz  sie  schmackhaftig  sey,  sie  wird  drum  angestochen 

Neumark  neuspr.  t.  pcUmbaum  (1668)  156; 

wodurch  die  sonne  desto  besser  in  die  stocke  und  trauben 
wircken  und  sie  zu  rechter  zeit  zur  reife  und  gute  bringen 
kan  allgem.  haush.-lex.  (1749)  1,  f  2'>';  o  ischt  der  äpfel  &n 
(eine)  güate,  4n  süasse,  an  mürbe  G.  Sailer  geistl.  reden 
29  nach  Fischer  schwäb.  3,  960;  ähnlich:  das  brot  ist 
eine  gute  ebda; 

ein  dragoner  zu  pferd  auf  dem  päcklcin  rühmte  die  sorte 
als  der  gesundheit  dienlich  und  von  preiswürdiger  gute 

MÖRIKE  ges.  sehr.  (1905)  1  260. 

vergleichbar  bei  Jahreszeiten  in  hinsieht  auf  ihre  lieb- 
lichkeit  (vgl.  gut  III  A  2) : 

vergisz  mein  nit,  als  ich  dir  getraw 
wol  durch  des  mayen  gute 

liederbuch  der  Hätzlerin  75  Halt.; 

verdinglicht:  güeti  andauernd  schönes  wetter  Staub- 
ToBLER  2,  656;  auf  ältere  spräche  beschränkt  bleibt  gute 
im  sinne  'angenehme  lebenslage,  Wohlergehen' : 

tho  batun  sine  sibbon      so  ofto  maga  sint  glwon, 
then  ist  io  gimuati      thero  nahistono  guati 

Otfrid  III  15,  16; 

er  sprach:  zehenzich  unde  drizzich      so  maneger  iare  alt 

bin  ich 
dei  han  ich  mit  swseren  mute        gelebet  in  deheiner  gute 
genesis  u.  exod.  108, 12  Diemer; 

nun  lobt  ihr  menschen  wie  ihr  wolt, 
des  erdenlebens  gute 

Pato  Gerhardt  bei  Fisohbe-Tümpel  3,  321 ; 

wie  'lusf  verwendet: 

thiu  {das  greisentum)  mo  allaz  liob  inselzit      joh  mahto 

nan  gihelzit 
duit  imo  widarmuati       thia  jugundlichun  guati 

Otfrid  V  23, 142. 

y)  von  Objekten,  die  einen  ästhetischen  oder  geistigen 
wert  besitzen  {vgl.  gut  III  A  6  bzw.  II  A  4  b):  es  werden 
vieleicht  auch  hier  nit  wenig  Sachen  gefunden  werden,  so 
den  andern  an  der  gute  der  wort  und  erfindung  nit  glei- 
chen Opitz  teutsche  poemata  8  ndr.;  welche  (die  meister- 
sänger) aber  immer  an  gute  abgenommen  Morhof  Unter- 
richt (1682)  1,  336; 

und  blikke  mehr  auf  meine  gemüht 
als  auf  der  schnellen  versehe  gut 
Neumark  fortgepfl.  musik.-poet.  lustw.  (1657)  1,222; 

man  weisz,  dasz  die  poetische  gute  in  der  ähnUchkeit  des 
bildes  mit  seinem  urbilde  besteht  Ramler  einleit.  i.  d. 
schön,  wissensch.  (1758)  1,  322;  die  bisher  angeführten 
kennzeichen  der  gute  eines  Stückes  Quantz  anw.  d.  flöte  zu 
sjnel.  (1789)  306;  wenn  der  kunstrichter  werke  von  einer 
ausgemachten  gute  vor  sich  hat  Lessikg  8,  39  L.-M.;  die 
gute  des  gemäldes  besteht  allein  in  dem  colorit  Jüsti 
Viinckelmann  1,  327;  wir  alle  meinen,  es  sei  die  gute 
eines  kunstwerkes  .  .  .  bewiesen,  wenn  .  .  .  Nietzsche  w. 
I  2,  168;  es  läszt  sich  also  ganz;  sicher  von  dem  leben 
eines  solchen  mannes  auf  die  gute  seiner  denkungsart 
schlieszen  Wieland  Agathen  (1766)2,311;  HrifligkeiV: 
aus  gründen,  denen  es  weder  an  kürze  noch  an  gute 
fehlte  Klopstock  gelehrtenrepublik  (1774)  315;  mehr  nach 
gut  I  A  4  d  hin  als  Wichtigkeif :  und  doch  nyeman  zwyfeln 

IV.  I.  6. 


soU,  das  der  setzer  des  willens  gewesen  sye:  wider  recht 
billicheit,  wider  natur  oder  güty  zeschriben  Riedereb 
rhetor.  (1493)  a  5*';  wir  sind  leute  vom  fach,  der  herr 
graf  können  sich  auf  die  gute  unserer  auslegung  ver- 
lassen Brentano  ges.  sehr.  5,  68. 

d)  allgemein  'vortrefflichkeif;  nach  gut  II  B  1  gebildet 
'vornehmheiV  : 

ni  ward  io  in  woroltzitin      thiu  zisamane  gehitin, 
thaz  sih  gesto  guati      sulibhero  ruamti 

Otfrid  II  8,  6,  vgl.  I  3,  22 ; 
nach  gut  II  A  2  b: 

des  de  arme  nicht  kan  vorstan, 
de  den  penningh  unwerde  achtet, 
synen  schaden  nicht  betrachtet, 
gar  dür  kofft,  gar  weynich  vordenfc, 
des  he  aulvest  doch  nicht  en  mendt, 
den  tal  ansüdt,  nicht  de  goyde 
KhicMspeel  to  Brunswick  4750  in:  «tätöecÄron.  16,  249; 

vielfältig  ganz  neutral:  weilen  .  .  .  was  gut  ist,  seine  gute 
behält,  wenn  es  gleich  kein  mensch  sich  zu  nutze  machte 
Leibniz  dtsche  sehr.  2,  35;  'gute  beschaff enheif :  die  werte 
gabt  über  die  gute  Fischer  schwäb.  3,  960;  werdi  {be- 
gehrtheit) ist  über  güeti  Staub-Tobler  2,  566;  natur- 
fehler musz  man  verzeyhen,  wenn  das  wesen  sonst  seine 
gute  hat  Heinse  s.  w.  9,  276  Seh.;  man  hat  .  . .  die 
bürger  von  der  gute  .  .  .  der  gesetze  überzeugen  wollen 
W.V.Humboldt  ges.  sehr.  1,245;  einstmals  wurde  die 
gute  oder  Schlechtigkeit  einer  Vorschrift  der  sitte  ebenso 
festgestellt  wie  jetzt  die  jeder  anderen  Vorschrift:  durch 
hinweisung  auf  den  erfolg  Nietzsche  w.  4,  31;  da  ich 
der  gute  meiner  abänderungen  keineswegs  sicher  bin 
A.  V.  Droste-Hülshoff  br.  an  Lev.  Schücking  268;  an- 
ders, nach  gut  IA2e  hin  'krafV : 

gib,  das  dieser  duple  friede 
mög  in  steter  gute  stehn 

LOGAIT  sinnged,  441  E. 

e)  namentlich  in  älterer  spräche  verengert  zum  bloszen 
begriff  des  wertes  {vgl.  gut  II  A  1),  vgl.  werdigen,  achten 
eyn  ding  na  siner  goude  taxare  Diefenbach  vmv.  gl.  369* 
{nd.  lö.jh.);  'wert,  kostbarkeif: 

die  grifen  wonent  ouch  da, 
die  der  gimmen  hüten, 
nicht  daz  sie  sich  guten 
an  der  gute  des  Steines 

Heinrich  v.  Hesler  apokal.  21648  Helm; 

disz  metal  hat  nach  dem  golt  den  höhsten  grad,  seiner 
gute  halb  Seb.  Münster  cosmogr.  (1560)  9;  das  glaszertz 
.  .  .  {ist)  fast  dem  gedignen  silber  an  der  gute  zuver- 
gleichen  Ercker  mineralertzt  (1680)  3^;  soll  .  .  .  kein  nutz 
so  hoch  und  grosz  geschätzt  werden,  das  umb  seiner  gute 
und  grösze  willen,  das  heyl  des  menschen  ...  in  höchste 
und  letste  gefahr  solle  gebracht  werden  Ph.  Bech  Agri- 
colas  bergwerckbuch  (1621)  3;  es  were  aber  sehr  übel,  dasz 
jedes  aUen  gefiele,  weil  der  bösen  vielmehr  als  der  from- 
men, und  solcher  lob  bülich  für  schände  zu  erachten, 
dardurch  die  güld  und  gute  der  sachen  nicht  mag  ver- 
nachtheUet  werden  Harsdörfer  frauenzimmergespräch- 
sp.  (1641)  3,  344;  als  'höchster  wert,  krone\'  gott  hies  es 
yhn  {Abraham),  das  gottes  heiszen  ist  die  güete  und 
adel  des  wercks  Luther  24,  360  W.;  etwas  anders  im 
sinne  'vorzug\-  gefallt  im  aber  ein  werck  für  das  ander, 
so  ist  es  ein  zeychen,  das  er  die  gyete  gibt  dem  werck 
und  nit  dem  glauben  Clemen  reform.-flu^schr.  3,  340; 
in  Vermischung  oder  Verwechslung  mit  mhd.  {md.)  giude 
'überßusz" :  an  dem  was  den  menschen  zur  notdurft  ge- 
reichet, hat  man  bey  uns  die  gute  und  fülle  Albintts 
NiVEMONTius  comment.  nov.  de  Mysnia  (1580)  624  bei 
Müller-Fratjreuth  1,  453. 

f)  entsprechend  gut  I  A  1-3  vereinzelt  in  älterer  spräche 
als  'heilsamkeit,  nützlichkeif: 

er  {Christus)  nam  er  sin  gewatl      tho  zalta  in  {den  jungem) 

sar  thio  dati 
thes  selben  Werkes  {der  fuszwaschung)  guati        tho  Judas 
es  ni  horti        Otfrid  IV  11,  42; 

von  unsäglicher  guti  der  betrahtunge  des  götUchen  lidens 
Seuse  dtsche  sehr.  254  Bihlm,; 

88 


1395 


GÜTE  8 


GÜTE  2 


1396 


böses  glück  hat  diese  gütte, 
dasz  die  ungewissen  Sachen 
uns  gewisse  freunde  machen 

LOGAU  sinnged.  16  E.; 

mehr  nach  gut  III  A  1  hin  'lieblichkeit\'  endlich  kam  der 
.  .  .  herbst,  da  sich  alle  fruchte  ...  in  ihrer  nutzbaren 
gute  und  würckung  häuffig  einstelleten  Chr.  Weise 
polit.  redner  (1677)  484. 

7])  vereinzelt  nach  gut  IClc  gebildet,  als  'gunst^  der 
zeit: 

koftim,  Dorinde,  lasz  uns  eilen, 
nimm  der  zelten  gut  in  acht 

Königsberg,  dichterkreis  130  ndr.; 

damit  ein  weinschenk  dem  andern  nicht  schaden  mach, 
nach  gelegenhait  der  zait  und  der  guet  ein  trank  für  das 
ander  halten,  also  dasz  der  arm  gegen  reichen  auch  sein 
nuz  schaffen  mög  {v.  j.  1603)  österr.  weist.  6,  115. 

b)  gute  als  begriff  der  guten  qiialität  wird  seit  dem  älteren 
nhd.  zu  dem  der  beschaffenheit  überhaupt  relativiert,  doch 
bleibt  der  wertbegriff  soweit  noch  erhalten,  dasz  wohl  eine 
weniger  vorzügliche  qualität,  nicht  aber  die  schlechte  be- 
schaffenheit durch  gute  ausgedrückt  werden  kann,  z.  b.  zwar 
von  geringer  gute,  aber  niemals  von  miserabler  gute :  und 
thü  das  nach  der  grösze  des  boms  und  der  giette  der  rind 
Österreicher  Columella  l,  155  lit.  ver.;  wiewol  in  den  an- 
deren simplicibus  grosze  artzney  gesucht  ist  worden  und 
in  mancherley  weg  und  form :  jedoch  nichts  erschieszhchs, 
dann  was  die  zeit  und  gute  der  kranckheit  zugelassen  hat 
Paracelsus  Chirurg.  fcttcAer  (1618)  164  Iluser;  etliche  wol- 
len die  gute  des  thees  aus  der  färbe  des  wassers  urtheilen 
Ettner  V.  EiTERiTZ  mcdiz.  maulaffe  (1719)  189;  und 
pflegt  man  also  aus  der  menge  derer  dinge,  die  man  sich 
wieder  vorstellen,  und  .  .  .  wieder  erkennen  kan,  die  gute 
des  gedächtnisses  zu  beurtheilen  Chr.  Wolf  ged.  v.  gott 
(1720)  126;  aus  sothanen  färthen  nur  .  .  .  musz  der  Jäger 
{das  wild)  .  .  .  anzusprechen  wissen  .  .  .  nach  gute, 
.  .  .  jagd-  und  unjagdbarkeit  Heppb  lehrprinz  (1751)  25; 
die  zweyte  lieferung  enthält  .  .  .  zwey  an  alter,  gute  und 
grösze  sehr  ungleiche  gedichte  Adelung  magazin  f.  d. 
dtsche  spr.  2,  2,  153;  die  wolle  wurde  nach  ihrer  gute  ab- 
gesondert A.  V.  Arnim  3,  79  Or.;  ihre  fragen  nach  grösze 
und  gute  des  ackers  verschlangen  sich  förmlich  G.  Haupt- 
mann bahnwärter  Thiel  (1892)  13;  unabhängig  von  der 
gute  solcher  abhandlungen  steigt  in  ihnen,  wie  bei  ein- 
gegossenem getränk,  ein  augenblicklicher  schäum  ihrer 
geistigen  bestandtheile  auf  J.  Grimm  kl.  sehr.  1,  248;  be- 
sonders mit  adjektiven,  die  im  vergleich  oder  absolut  den 
qualitätsgrad  angeben:  sind  ihre  übrigen  Wahrheiten  von 
gleicher  gute?  Lessing  2,  54  L.-M.;  der  wein  ist  von 
verschiedener  gute  und  preise  Forster  s.  sehr.  1,  45;  ohn- 
geachtet  ihrer  {der  Schriften) .  .  .  sehr  mittelmäszigen  gute 
fanden  sie  doch  guten  abgang  v.  Einem  Mosheims  vollst, 
kirchengesch.  (1774)  6,  334;  die  ausführung  ist  von  mittlerer 
gute  Brunn  kl.  sehr.  3,  149;  zobel,  die  schon  längst  von 
geringerer  gute  geworden  sind  Ritter  erdkde  2,  1042 ;  die 
viel  billigeren  afrikanischen  diamanten  minderer  gute 
Hesse-Warteqg  zw.  Anden  u.  Amazonas^  73;  in  kauf- 
männischer spräche  oft  klassifiziert  z.  b.  weizen  erster  gute, 
hafer  zweiter  gute  usw.;  von  hier  aus  scherzhaft  für 
'Masse'  überhaupt  verwendet,  so  bei  der  eisenbahn,  droschke 
usw.,  z.  b.  wir  fahren  immer  vierter  gute  (4.  Masse),  eine 
droschke  erster  gute:  und  für  einen  baron  taxiert  man 
mich  obendrein?  wahrscheinlich,  weil  ich  zweiter  gute 
fahre;  eine  erste  klasse  scheint  überhaupt  nicht  vorhan- 
den zu  sein  Fr.  Jacobsen  waldmoder  in:  daheim  31,  213''. 

2)  von  gut  V  A  ausgehend  bezeichnet  gute  die  Wesens- 
art des  menschen  oder  seine  handlungen  hinsichtlich  der 
sittlichen  qualität;  wie  bei  gut  V  A  l  a  in  älterer  sprä- 
che besonders  auch  die  ethisch-religiöse  Vollkommenheit; 
in  diesem  sinne  glossiert  ahd.  guoti  lat.  bonitas,  probitas 
Gräfe  4,  167,  vgl.  Uk  van  gude  {unius  et  eiusdem  statis 
et  probitatis)  coequalis  Diefenbach  nov.  gl.  993-;  gute, 
frommkeit  probitas  Frisius  1061*;  lat.  probatio,  vgl.  guoti 
probaiione  {Tob.  3,  21)  ahd.  gl.  l,  478,  3;  lat.  justitia  guodi 
justitiam,  bonitatem  ahd.  gl.  1,  710,  45,  vgl.  Otfrid  II 18,  6 


{Matth.  5,  20);  lat.  pietas  kuoti  pietate  ahd.  gl.  2,  528,  23  u. 
25,  ebenso  2,  650, 1,  vgl.  Otfrid  II  8,  24;  lat.  virtus  Notker 
1,  1,  103  Piper. 

a)  die  sittliche  Vollkommenheit  des  menschen;  religiös 
die  gerechtigkeit  vor  gott,  allgemein  ethisch  die  'recht- 
schaffenheit, tugendhaftigkeiV :  jabai  Yvo  godeino,  jabai  Ivo 
hazeino,  fiata  mitoj)  {eX  Tis  uqst?]  xal  t  xig  'inuivos 
ravTct  loyO^ead-e)  got.  bibel  Phil.  4,  8; 

...  he  (der  Jesusknabe)  ni  was  ödnin  mannun  glllk 
the  gumo  an  stnera  gödi  . .  . 

Heiland  786  Heyne,  vgl.  3264; 

er  avur  themo  liubit       ther  sinan  wlllon  uabit 

jo  themo  ist  io  gimuati       ther  wonet  In  ther  guati 

Otfkid  III  20,  154,  vgl.  10,  42; 

nl  quam  iz  in  sin  muat  in  war      (thaz  ni  mohta  wesan  sar), 
odo  ouh  thes  herzen  guati      wiht  innana  biruarti 

11  4,  106; 

zesehenne  an  dero  guoti  dinero  irweleton  {in  bonitate  elec- 
torum  ps.  106,  5)  Notker  2,  451  Piper;  ane  daz  sie  iro 
geliehen  lerent,  die  iro  bürge  sint,  hazen  die  rehten.  ziu 
tuont  sie  daz?  wanda  in  iro  guoti  ubeU  gedunchet  2,  580; 

habet  stätlgen  muot, 
habet  zuht  mit  guote, 
wesct  theumuote 

PFAFFE  Konrad  Rolandslied  215  Bartsch; 

weit  Ir  nu  gote  fliegen  leit, 
...  80  slt  ir  der  verlorne. 
nu  keret  iwer  gemüete, 
daz  er  iu  danke  güete. 

WOLFEAM  V.  BscHKNBAOH  Parz.  467,  10; 

der  wehsei  niemen  missezimt 
swer  güete  vür  die  schoene  nimt 

Feeidank  104,  19   Or.; 

mit  valschelöser  güete  lebt 

ein  man,  der  mir  wol  iemer  mac 

gebieten  swaz  er  6re  wil  Walthee  72,  9; 

alrerst  dö  bevander, 

daz  bi  ir  wünnecllcher  jugent 

wonte  güete  und  michel  tugent 

Haetmann  V.  AuB  Iwein  6496 ; 

ez  ist  war,  ein  iglich  mensche  trede  mit  fornuftikeit  in 
sin  herze,  he  vindet  daz  ho  nicht  minnit  dan  vollincumene 
gude,  und  darum  inhait  got  keiner  creature  vollincumene 
gude  gegebin  meister  Eckhart  in:  parad.  an.  intell.  84, 
36  Strauch;  {er)  umb  seiner  gute  und  tugent  wiUen  von 
yederman  wol  gehalten  was  Arigo  decam.  81  K.;  von 
seiner  frombkeit  und  gute  genennt  ein  vatter  der  vätter 
Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  501*;  in  neuerer  spräche 
durch  gute  3  stark  zurückgedrängt  und  oft  mit  deren  bei- 
mischung:  man  sieht  in  seinem  {des  tugendhaften)  ganzen 
betragen  den  Charakter  einer  allgemeinen  gute  ausge- 
drückt Gramer  nord.  aufseher  (1758)  l,  49;  ich  musz  also 
auf  die  erklärung  der  moralischen  gute  zurückgehen 
M.  Mendelssohn  ges.  sehr.  2,  14; 

drey  gleiche  söhne, 
an  innrer  gute  gleich  und  gleich  an  äuszrer  schöne 

E.AMIEE  labellese  (1783)  1,  98; 

dasz  Vernunft  sich  ebenso  wohl  mit  groszer  boszheit  als 
mit  groszer  gute  im  verein  findet  Schopenhauer  w.  l,  134 
Or.;  die  unbedingte  und  bewegungslose  gute  und  Schlech- 
tigkeit sind  für  hauptrollen  schon  dadurch  ausgeschlossen 
G.  Freytag  ges.  w.  14,  267;  tief  überzeugt  von  seiner 
eigenen  gute  und  noch  tiefer  von  der  Verworfenheit  seiner 
gegner  Treitschke  dtsche  gesch.  4,  4;  die  Überzeugung, 
dasz  reine  tugend  und  gute  irgendwo  sind,  ist  ja  die 
beste,  die  uns  werden  kann  G.  Keller  ges.  w.  3,  17; 
von  den  organen  der  gesinnung,  dem  charakter  usw. : 

welches  andeit  eyn  sittsam  gmüt, 
so  sieh  in  gut  vor  argem  bhüt 

riscHAET  1,  271  Hauffen; 

wenn  wir  an  die  natürliche  gute  des  menschlichen  herzens 
glauben,  die  von  einigen  mit  unrecht  angenommen  wird 
GrÖTHE  43,  6  W.;  und  zwar  schien  diese  edle  Selbständig- 
keit gepaart  mit  der  einfachen  kindlichkeit  und  gute  des 
Charakters  G.  Keller  ges.  w.  4,  37;  der  gemeine  ratio- 
nalismus  .  .  .  glaubte  harmlos  an  die  gute  der  mensch- 
lichen natur  Treitschke  dtsche  geschickte  2,  87 ;  vereinzelt 
ganz  abstrakt  wie  das  gute:  sei  fleiszig  in  der  musik  und 


1397 


GUTE  .2 


Zeichnung,  es  sind  die  unschuldigen  organe  der  gute  und 
Schönheit  Bettine  Cl.  Brentanos  frühlhuj skr.  (1844)  2;  als 
phir.  im  mhd.  wie  tugent  verwendet: 


der  gr41  ist  mit  höher  kür, 
BÖ  suln  s!n  rJter  hüeten 
mit  kiuscheclichen  güeten 
Wolfram  v.  Eschenbach  Parz.  493,  24, 


'/.  823, 13; 


do  de  vröwe  Sophie  so  bederve  were, 

dat  or  Gandersem  hedde  vromen  unde  ere, 

under  den  frauden,  de  men  vor  oren  guden  hadde, 

ein  grot  ungerede  erhof  sek  dar  harde  drade 

Eberhard  reimehron.  v.  Oandersheim  1793  Weil.; 

'fromme  handlung': 

swie  vil  ein  man  guotes  begät, 
die  wlle  er  toetllch  sünde  hat, 
diu  güete  gar  verdirbet, 
ob  er  an  riuwe  stiibet 

Frkiuank  37,  24  ffr. 

b)  der  ethische  bedeutungsgehalt  kann  zugunsten  der  all- 
gemeinen Wertvorstellung  zurücktreten,  sodasz  gute  der 
bedeutung  von  gut  I  B  näher  kommt,  doch  bleibt  namentlich 
für  den  gebrauch  in  der  höfischen  dichtung  die  Verbindung 
mit  gut  VAle  deutlich;  'tüchtigkeit' : 

liut  slh  in  nintfuarit      thaz  iro  (der  Franken)  lant  ruarlt 
nl  sie  bi  Iro  guati      in  thlonon  zi  not!       Otfrid  I  1,  78; 

s6  sende  thlnen  boten  dare, 
. .  .  ther  dir  beste  gevalle, 
ther  thurh  sine  guote 
thaz  rieh  behuote 
PFAFFE  Konrad  Rolandslied  1290  Bartsch; 

die  vrouwen  ze  aller  zlte      genuzzen  slner  (Hagens)  güete 

Kudrun  103,  3  M.; 

er  (Schionatulander)  pflac  manltcher  güete, 
sin  sterben  mich  dö  müete 

WoiFRAM  V.  Eschenbach  Parz.  252,  23,  vgl.  92,  22; 

swer  an  rehte  güete 
wendet  sin  gemüete, 
dem  volget  saslde  und  tie 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  1 ; 
als  lebete  er  In  der  werdekeit 
und  in  der  rehten  güete, 
die  er  In  stn  gemüete 
mit  tegellchen  tugenden  nam 

GOTFUiD  V.  Straszbueg   Tristan  519; 

er  was  ein  wise  junger  man 
und  het  mit  güete  vil  getan 
bl  slner  zlt,  daz  ere  birt 
Ulrich  v.  Lichtbnstein  frauendienst  1060,  6  Sechst.; 

die  gute,  welche  Aristoteles  (für  den  hdden)  federt,  will 
er  also  durchaus  für  keine  moralische  gute  gelten  lassen. 
es  musz  eine  andere  art  von  gute  seyn,  die  sich  mit  dem 
moralisch  bösen  ebenso  wohl  verträgt  als  mit  dem 
moralisch  guten  Lessikq  10,  136  L.-M.;  auf  einmal  so 
rasch  und  so  störrisch?  doch  auch  diesz  hab  ich  erwartet, 
da  deine  gute  in  deiner  stärke  liegt  Klinger  w.  4,  73; 
sie  selbst  waren  zwar  dahingegangen,  aber  ihre  gute 
und  tüchtigkeit  lebte  noch  Stokm  w.  1,  198;  entsprechend 
gut  V  B  gelegentlich  auf  die  qualität  der  handlungen  be- 
zogen: 

erzelist  thu  ouch  thla  guati       waz  iagllicher  däti 

Otfrid  II  9,  22; 
zu  gut  V  B  5  a :  dann  trete  er  ohne  winkelzüge,  aber 
kühn  und  fest,  voU  Zuversicht  auf  die  gute  seiner  sache 
.  .  .  hervor  Knigge  Umgang  m.  menschen  (1796)  2,  179. 

c)  eine  besondere  note  hat  gute  in  der  spräche  der  minne- 
poesie  bei  anwendung  auf  die  Sinnesart  der  frau  als  des 
gegenständes  der  Verehrung  und  Werbung;  wie  bei  gut 
VAle  ist  vielfach  ein  ethisch  gefaszter  bedeutung sker7i 
noch  spürbar,  doch  gewinnt  nicht  selten  auch  gute  3  stark 
an  übergewicht,  sodasz  die  mit  sittlicher  untadligkeit  und 
höfischer  Vollkommenheit  verbundene  huld  den  bedeutungs- 
inhalt  bestimmt;  mit  prävalenz  der  ethischen  bedeutung: 

vil  süezlu  Irowe  högelopt  mit  reiner  güete, 
dln  kiuscher  11p  glt  wünneberndez  hochgemüete 

Walther  27,  27; 
(er  sah)  ir  starkez  ungemüete 
unde  ir  stsete  güete, 
Ir  wlpllche  triuwe 
und  ir  senllche  riuwe 

Haetmann  v.  Aue  Iwein  1602 ; 


GÜTE  3  1398 

meist  inhaltlich  neutraler  Hnnere  Vollkommenheit*: 

slt  si  wll,  deich  von  ir  scheide, 
dem  sl  dicke  tuot  gellch, 
ir  schoene  unde  ir  güete  beide 
die  läze  si,  so  kere  ich  mich 
BUEGOR.  V.  RiETENBUEG  in:  minnes.  frühl.  19,  29; 

als  Ist  mit  güete  umbevangen  diu  schöne, 
des  man  ir  jet:  slst  aller  wlbe  ein  kröne 

Heinr.  v.  Morungkn  in:  minnes.  frühl.  122,  9; 
daz  ich  von  ir  gescheiden  niht  enkan, 
daz  hat  ir  schoene  und  ir  güete  gemachet 

Walthke  110, 18; 
bl  schoene  was  ie  güete, 
daz  hän  ich  wol  geraerket 

Hadaiiar  V.  Labee  jagd  644; 
im  Volkslied  nachklingend: 

so  verzehrte  mich  dein  gute, 
ein  jähr  war  bald  hinfür 

Mittler  dtsche  Volkslieder  13; 
mit  überunegen  von  gute  3: 

ich  bin  ein  böte  her  gesant,   frowe,  ül  mange  dtne  güete 
Dietmar  v.  Eist  in:  minnes.  frühl.  38, 14; 
min  langez  ja  daz  was  ie  der  vil  lieben  nein, 
swie  doch  ir  güete  ie  vür  ir  herte  schein 

minnesinger  1,  313»  v.  d.  Hagen; 
neihä  herre!  s  Ist  so  guot, 
swenne  Ir  güete 
erkennet  min  gemüete, 
daz  si  mir  daz  beste  tuot  Walther  14,  19; 

daz  man  st  (die  frauen)  also  dicke  siht 
in  wankelm  gemüete: 
ez  kumet  von  ir  güete 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  1878; 
und  daz  ir  güete  manigvalt 
im  (dem  mann)  so  guettlich  guottet 
vor  traweren  in  behuottet 

Ulrich  v.  Lichtenstein  frauenbuch  974; 

namentlich  in  formelhafter  Verbindung  wiplich  güete : 

bit  si,  daz9  ir  wlplIch  güete  gegen  mir  kdre 

Walther  109,  27; 
nu  gewert  mich,  frouwe,  des  ich  ger, 
durch  wlpllche  güete 

WiENT  v.  Gravenbeeg  Wigolois  12,  12  Pf.; 
erstarrt:         ^^^^  welpliche  gut 

tut 

mich  straffen 

Oswald  v.  Wolkenstein  38,  2  Weber; 
freueleln,  wann  chumpt  der  tag 
das  mich  dein  trost  gehelfen  mag, 
dein  weiblich  gftte?  Erlauer  spiele  4,  573; 

allein  dein  zucht 
und  weiblich  g&t 
mein  hertz  und  gm&t 
für  all  dich  grlnd 
in  lieb  erzind 

Forster  fr.  teuische  liedlein  12,  1  ndr.; 

als  traditionelle  höfische  tutend  auch  personifiziert: 

da  saz  vrou  Guete  gallen  vrl, 

der  kröne  was  gewieret; 

Milte  und  Ere  Ich  vant  dabi 

nach  wünsche  wol  gezieret 
KONEAD  V.  WÜEZBURQ  klage  der  kunst  10, 1  Schröder; 

dar  nach  frow  Stet  ir  wonung  nimpt, 

frow  Tr&w  ir  gezelt  dar  nach  hat  in, 

frow  Gut  ist  ir  nachburin 

mhd.  minnereden  1,  nr.  1,  754  Matthäi. 
3)  nach  gut  IV  A  gebildet  als  die  Wesensart  von  per- 
sonen  in  hinsieht  auf  ihr  verhalten  zu  anderen  personen  im 
sinne  'freundlichkeit,  wohlwollen,  huld,  milde,  nachsieht' 
usw.;  got.  nur  in  der  Substantivierung  von  gastigofis  {vgl. 
gut  IV  A  1  a,  sp.  1283)  gastigodei  bezeugt:  gastigodein 
galaistjandans  {xrju  ^iXo^eviku  Sköxovtes)  got.  bibel 
Rom.  12,  13;  ahd.  nur  bei  Oterid  vom  menschen,  aber 
durch  die  entsprechende  anwendung  auf  gott  für  den  all- 
gemeinen Sprachgebrauch  (s.  u.  3  b)  gesichert,  vgl.  guoti 
gratia  Gräfe  4,  167;  freundtlichkeyt,  leudtseligkeyt, 
sanfftmüt,  gute  Aleerus  nov.  dict.  (1540)  8^;  gute,  miltig- 
keit,  freygebigkeit  beneficientia,  benignitas,  bonitas,  muni- 
fi^-entia  Henisch  1785. 

a)  als  Charaktereigenschaft  von  der  habituellen  Wesensart 
einer  person. 

a)  vom  menschen,  der  eine  freundliche,  liebreiche  ge- 
sinnung  gegen  seine  mitmenschen  hegt  und  diese  in  ent- 

88* 


1399 


GÜTE  3 


GUTE  3 


1400 


sprechenden  taten  äuszert,  vgl.  der  fleisz  andern  gutes  zu  er- 
zeigen, wird  gute  genennet  CHB.WoiiFP  ged.v.gott  (1720) 
580. 
««)  vom  menschen  im  allgemeinen: 

thu  scalt  haben  guati      joh  mlhllo  otmuati, 
In  herzen  lo  zl  notl       waro  karitati 

Otfeid  I  18,  37 ; 
er  sol  driu  reht  haben: 
eiuiz  ist  diu  guotin 
daz  ander  diu  diemuottn 

bei  DiEMEE  gloss.  z.  genes,  u.  exod.  156»; 

kiuscheit  mit  der  diemüete, 
geduld,  senfte  unde  güete 
und  ander  unser  gespiln 
eullen  sich  ze  ringe  ziln 
Lampeecht  v.  Regensburq  toMer  von  Syon  3855  Weinh.; 

di  seiste  (frucht)  ist  gude,  daz  ist  suzikeit  des  gemudis 
Eckhart  Rübe  in:  parad.  anime  intell.  71  Strauch; 

ouch  wonte  in  ir  gemüete 

ze  schoener  Isunst  diu  güete  {'barmherzigkeü'), 

daz  sl  in  schier  ernerten 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  5618; 


ir  höfscheit  unde  ir  güete  ('mitgefühl') 
beswärten  ir  gemüete 


3387; 


der  sine  güete  {' wohlioollen')  an  mir  begät 
und  tuot  mir  eteslichen  rät 

GOTFEiD  V.  Steaszbueq   Tristan  7633; 

als  ich  In  (fierrn  Ulrich)  ganz  habe  erlcant: 
alle  gute  ich  an  Im  vant, 
nach  der  wären  liebe  geböte 

kreuzt,  landgr.  Ludwigs  1066  Naum.; 

wann  sie  (das  gesinde)  irs  Iierren  gute  ,  .  .  spüren  Sebiz 
f eidbau  (1579)  37; 

kein  orth  wirdt  irgendt  je  gefunden  weit  und  breit 
der  ihnen  glaichen  mag  an  gut  und  freundlichkeit 

Opitz  teutsche  poemata  76  ndr.; 

wer  Tyridates  dapfre  faust  und  hoch  gemüte 

wie  auch  des  Italus  so  oft  gepriesne  gute  (wissen  will) 

A.  U.  V.  Braunschweig  Octavia  (1685)  1,  )(  6"; 

ich  zweifle  nicht  an  eurer  vätterlichen  gute  discourse  d. 
mahlern  (1721)  1,  4;  sie  sind  sich  immer  gleich,  immer  die 
unendliche  heb  und  gute  Göthe  IV  3,  71  W.;(Lucinde  ist) 
die  gute,  das  wohlwollen  selbst  I  24,  169;  sein  strenger 
.  .  .  geist  kannte  also  doch  auch  gute  und  milde  Zimmer- 
mann üb.  d.  einsamkeit  1,  259;  das  bleiche,  verlebte  gesicht 
war  reich  an  ausdruck  von  sanftmuth  und  gute  Holtei 
erzähl,  sehr.  2,8;  die  gute,  die  nicht  grenzenlos  ist,  ver- 
dient den  namen  nicht  M.  v.  Ebner-Eschenbach  ges. 
sehr.  1,  13;  das  . . .  zeigt  . . .,  dasz  du  hart  bist  und  ohne 
rechte  gute  Fontane  ges.  w.  I  5,  88;  und  sieh  dabey  {in 
diesem  gesicht)  diese  himmlische  gute  Lavater  physiogn. 
fragm.  (1775)  1,  266;  jedes  der  unzähligen  kleinen  fält- 
chen  war  eine  gute  und  eine  freundlichkeit  Stifter  s.  w. 
8,  267  8.;  seine  {des  Münsterländers)  züge  sind  weich,  oft 
äuszerst  liebHch,  und  immer  durch  einen  ausdruck  von 
gute  gewinnend  A.  v.  Droste-Hülshofp  w.  2,  368;  (er) 
glaubte  ...  in  ihren  bücken  theilnahme,  in  ihren  äusze- 
rungen  gute  für  ihn  wahrzunehmen  Moltke  ges.  sehr. 
1, 83;  ebenso  mundartlich  in  redensarten  tvie:  er  ver- 
springt vor  gute  Fischer  schwäb.  3,  960;  wegen  der 
güeti  fressed  en  d  müs  nüd  {von  einem  unwirschen)  Staxjb- 
ToBLER  2,  556;  in  präpositionaler  wendung  besonders  mit 
aus  verbunden:  wenn  jemand  gnade  erweisen  will,  ists 
besser  er  thue  es  vor  sich  selbst  ausz  angebohrner  gute, 
andern  guts  zu  thun  Lehman  floril.  pol.  (1662)  1,  378;  sie 
beschlossen,  ohne  alle  überhebung,  sondern  aus  reiner 
gute,  diesem  opfer  aus  dem  wege  zu  gehen  G.Keller  w. 
5,  340;  besonders  auch  als  typische  eigenschaft  der  frau,  für 
ältere  spräche  vgl.  2  c :  die  frau  ist  das  symbol  der  gute 
und  Schönheit  Novalis  sehr.  3,  92  Minor; 

der  nothwendigkeit  heilige  macht 
hütet  der  züchtigkeit  köstliche  blüthe, 
hütet  Im  busen  des  weibea  die  gute 

Schiller  11,  36  ö.; 
zum  scherz  belebt  den  kreis  der  frauen  gute 

Fe.  Sohleqel  in:  Athenätim  3,  2. 

ßß)  spezifisch  als  eigenschaft  des  herrschers  gegenüber 
seinen  Untertanen  mehr  im  sinne  Leutseligkeit,  huldvolle 
gesinnung,  m,ilde\' 


da  erkendten  desz  reiches  fürsten, 
welche  nach  ghrechtigkeit  war  dürsten, 
durch  sein  natürlich  lieb  und  gut, 
das  er  wer  von  des  köngs  geblüt 

Hans  Sachs  2,  269  K.; 

dem  fürsten  sey  die  gut  als  schärfte  mehr  erkoren 

LOGAU  sinnged.  289  E.; 

das  redliche  gemüthe, 
der  mehr  denn  fromme  fürst,  das  bild  der  linden  gute 

Gryphius  trauersp.  21  Palm; 

es  ist  der  könlg  ja  mitleidig  vom  gemüte 

so  zärtlich  und  gerecht,  von  solcher  huld  und  gute, 

dasz  keine  nation  sichs  besser  wünschen  kann 

Wbichmann  poesie  d.  Niedersachsen  (1721)  1,  35; 

o  wie  schön  glänzt  die  gute  vom  angesicht  des  gewal- 
tigen {des  groszcophta)  Göthe  17,  177  W.;  von  hier  aus 
wie  gnade  auch  zur  Umschreibung  der  fürstlichen  person 
entwickelt,  so  des  bischofs:  denn  er  musz  das  seh  wert 
fürchten,  und  wo  er  am  licht  sollt  handeln,  möchte 
solch  antwort  gefallen,  dasz  s.  f.  gute  Antonius  Schenizt 
vielleicht  müszte  bezahlen,  und  nicht  allein  ungehänget 
lassen  Luther  32,  61  Erl.;  mein  herr  {bischof),  ich  bitte 
umb  Verzeihung,  das  ich  das  für  ewer  gute  {d.  i.  in  ge- 
genwart  euerer  person)  gethan  B.  Hertzog  schiltwache  L 1  *. 
yy)  von  den  psychischen  Organen,  namentlich  vom 
herzen,  vgl.  herzensgute: 

eur  wohlgeneigtes  herz,  das  voll  von  fester  gute 

sich  uns  zu  pfände  gibt        Gryphius  trauersp.  188  Palm; 

edelmut,  grösze  des  geistes,  gute  des  herzens  waren  die 
grundzüge  seines  Charakters  S.  v.  Laroche  frl.  v.  Stern- 
heim (1771)  1,  2;  dir  schwellt  erhabne  gute  das  herz 
Platen  w.  1,  187. 

öd)  ein  formelhafter  präpositionaler  ausdruck  besonderer 
prägung  ist  in  älterer  spräche  durch  deine  gute  'um  deiner 
gute  willen^  u.  ä.,  der  bei  bitten  als  appell  an  die  wohl- 
wollende gesinnung  des  gebers  gebraucht  wird;  vgl.  für  die 
anrufung  gottes  die  belege  unter  cß: 

dua  mir  thaz  gimuati      thuruh  thin  selbes  guati  1 

Otfeid  III  10,  32; 
ei  (Jakob)  bat  in  (Esau)  durch  sin  gute,      daz  er  im  genadote 
unde  im  unde  sinem  gesinde      inlentis  gunde 

genesis  u.  exod.  63, 19  Diemer; 


frowe,  dur  iuwer  güete 
rucket  üf  die  hüete! 


Walthee  75,  6; 


ei.frouwe,  durch  iuwer  güete I 
waz  hilf  et  iu  mSn  sterben? 
nemt  iu  ein  guot  gemüete, 
und  l&t  mich  . . .  gunst  erwerben 

Hadamae  V.  Labee  jagd  632; 

künic  durch  din  güete  (mit  deiner  erlaubnis) 
ich  sag  dir  m!n  gemüete 

Jansen  Bnikel  weltchron.  9894  Str.; 
jünger  mit  um: 

darum  thü  es  um  dln  gute 
und  haisz  uns  des  grabs  hietten 

MONE  schausp.  d.  miitelaU.  2,  146; 
noch  anders  gewendet: 

apostole  Johannes 

dlne  gute  manen  dlh  des 

daz  du  unsir  wider  gut  nit  ne  vergezzis 

litanei  619  bei  MASZMANN  ged.  d.  12.  jhs. 

ß)  entsprechend  gut  IV  2  in  mehr  passiver  hinsieht  'gut- 
mütigkeit,  geduld,  nachsieht';  vergleichbar  schon: 


in  thlu  ir  thie  armuati 


githultet  lo  mit  guati  ('geduld') 
Otfeid  II  16,  2,  vgl.  h  94; 


getruobet  was  sin  gemuote, 

iedoch  vertruogenz  sine  michile  guote, 

daz  er  sich  is  nicht  irzeigete 

PFAFFB  KONEAD  Rolandslied 


3,  7  Gr.; 


der  pabst  hiez  auch  durch  sin  geitichait  in  den  chirchen 
.  .  .  stoke  machen  und  auch  dorzu  daz  chrauz  predigen, 
daz  enpfiengen  die  christenleut  in  ainvaltiger  gut  sächs. 
weltchron.  334  Weil.;  etwas  verlieren  und  um  etwas  kom- 
men von  wägen  der  gute  und  freygäbne  amittere  aliquid 
bonitate  Frisius  160^; 

sin  g&tte  hatt  inn  bracht  dahin 

Schweiz,  schausp.  d.  16.  jh.  3,  228  Bächt.; 

mich  .  .  .  verdrossen  die  uberschwenckhche  demutigkeyt 
und  erzeygte  gütte  gegen  seinen  feinden  hertzog  Aymon 


1401 


GÜTE  3 


GUTE  3 


1402 


(1535)  a  2»;  als  er  (kaiser  Friedrich  III.)  dem  könig  von 
Ungern  zuliesz,  Wien  zu  straffen,  sagt  er :  sie  miszbrauchen 
meiner  gute,  und  wollen  die  früsch  den  hültzemen  ploch 
nicht,  so  will  ich  den  storcken  über  sie  schicken  Zink- 
GEEF  apophth.  (1628)  73;  sie  werden  hoflEentlich,  nach  ihrer 
weltbekannten  gute,  .  .  .  wo  etwan  was  mangelhafftes, 
schlechtes  oder  ungereimtes  mit  untergelaufen  wäre, 
solches  gnädig  übertragen  und  entschuldigen  v.  Hoh- 
BERG  georg.cur.  (1682)1,  vorr.&2^;  überdrüszig  der  oft 
misbrauchten  gute  sezte  nunmehr  Alfred  über  North- 
umberland  und  über  Ostsachsen  zwei  sächsische  grafen 
A.  V.  HALLEE^Z/red(1773)  38;  mit  deiner  unzeitigen  gute 
nahmst  du  alles,  wie  mans  dir  gab  Beäkeb  s.  sehr.  (1789) 
1,  212;  immer  genug  (entschuldigungen),  Schwester,  um, 
wenn  du  deine  gute  noch  dazu  in  die  wagschaale  legst, 
alle  vorwürfe  zu  überwiegen,  die  du  mir  machen  könntest 
GÖTHE  IV  1,  83  W.;  (die)  niedertracht  dieser  leute,  die 
meine  gute  nur  benutzen  würden,  um  mich  zu  hinter- 
gehen und  auszubeuten  Ric.  Httch  triumphgasse  (1902)  6; 
gute  macht  ungütige  knechte  Bindee  sprichw. -schätz  81; 
d'  güeti  wird  z'  letzt  zur  untuged  Staub-Toblee  2,  556; 
in  der  württembergischen  gute  hat  er  alles  eingebüszt 
Fischee  Schwab.  3,  960. 

y)  seit  ahd.  zeit  von  gott  als  dem  Spender  alles  guten; 
gute  gilt  als  diejenige  unter  den  haupteigenschaften  gottes, 
aus  der  heraus  er  der  ganzen  kreatur  alle  lebensbedürfnisse 
gewährt  und  dem  menschen  die  ewige  Seligkeit  zugänglich 
gemacht  hat,  betont  daher  im  gegensaiz  zur  gnade  als  der 
verzeihenden  oft  mehr  die  aktive  seile  der  liebe  gottes,  vgl. 
gut  IV  A  1  c  a  und  lat.  bonitas. 

aa)  in  prägnanter  Verwendung: 

.  .  .  ik  (Abraham)  wSt,  that  ik  thas  wirdlg  ni  bium, 
ni  st  that  thu  it  willeas  b!  thinaro  giiodi,  god  hebanrikl, 
thiadan,  gitbolöian  .  .  .  as.  genesis  229  Heyne; 

'ih  ougta  lu',  quad  (Christus),  'gimyatu     manigu  werk  guatu 
fon  mlnes  fater  (gottes)  guati      suazlicho  dati 

Otfeid  III  22,  38; 

unde  got,  chade  du,  mit  temo  stuorruodere  dero  guoti  dia 
werlt  alla  rihten  (deum  quoque  bonitatis  gubernaculis 
universitatem  regere  disputabas)  Notkee  1,  219  Piper, 
vgl.  214; 

dö  vrAgte  si  alle      'wie  mohte  daz  wesen, 
daz  ir  bl  den  grtfen      so  lange  sIt  genesen?' 
dö  sprach  der  junge  Hagene:  'daz  wolte  diu  gotes  güete' 

Kudrun  125,  3  M.; 

'ei*,  sprach  er,  'got  der  rtche, 
so  rtche  du  genäden  bist, 
so  vll  güete  als  an  dir  ist 

GOTFEiD  V.  Straszburg  Tristan  2490; 

er  git  sin  gnad  gar  vergeben  von  siner  miltekait,  von  siner 
ganzen  güti  s.Oeorg.  pred.  66,  8  B.; 

got  leite  stne  süezen  haut 

an  daz  reine  kindeün 

unde  tet  ime  stne  güete  schtn 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  21,  24  Pf.; 

es  meinet  aber,  daz  er  {gott)  sine  wunder  hie  an  dir  wil 
erzoigen  und  den  uberflusz  siner  gute  Seuse  dtsche  sehr. 
467  Bihlm.; 

dir  werd  gesprochen  ewig  lob, 
herr,  deiner  gar  mildreichen  gut 

Hans  Sachs  1,  28  K.; 

der  mensch  hat  des  bergwercks  nicht  mögen  gerahten,  ja 
es  hat  gottes  gütte  nicht  wollen,  dasz  er  dessen  manglete 
Ph.  Bech  Agricolas  bergwerckbuch  (1621)  17; 

er  lasse  seine  lieb  und  gut 
umb,  bey  und  mit  uns  gehen 
Paul  Gerhardt  bei  Fisohek-Tümpel  3,  312; 

dasz  die  gute  gottes  ihr  hertz  erleuchten  und  sie  zu  wahrer 
busze  bringen  woUe  Geimmelshäusen  2,  48  Keller;  dasz  es 
ein  irrwahn  sei,  gottes  macht,  Weisheit  und  gute  in  einer 
Unterbrechung  des  naturlaufs  .  .  .  erkennen  zu  wollen 
D.FK.STRAUSzgrcs.  5cAr.(1877)  3, 16;  die  entstehung  dieses 
Sinnes  für  das  schöne  .  .  .  weisz  er  nicht  nachzuweisen,  er 
schreibt  ihn  unmittelbar  der  gute  gottes  zu  Solgee  vor- 
les.  üb.  ästhetik  (1829)  2^;  feste  formet  ist  namentlich  väter- 
liche gute  (gottes): 


do  aber  dein  (gottes)  veterlciche  guet 
ir  (der  seele)  verwandelt  das  gemuet 

Heinr.  V.  Burgus  d.  seele  rat  5933  Rosenf.; 

da  hat  dennoch  der  .  .  .  vater  nach  seiner  göttlichen  veter- 
lichen  gute  daa  arme  .  .  .  geschlechte  nicht  wolt  lassen  ver- 
loren sein  F.  Dedekind  pap.  conv.  (1590)  ( )  2^. 

ßß)  häufig  unschärfer  gebraucht  von  gottes  'gnade,  barm- 
herzigkeit,  erbarmender  liebe'  ganz  allgemein;  in  dieser  Ver- 
wendung auch  von   Christus  und  der  Jungfrau  Maria: 

ther  (heiland)  niemen  äne  trost  ne  lät, 
80  wer  mit  theumuote 
suochet  sine  guote 

PFAFFE  KONRAD  Rolandslied  3488  Bartsch; 

{den)  sundigen  menschen  ...  zu  begnaden  . . .,  herre,  . . . 
es  stat  diner  groszen  guti  also  reht  zimlich  Settse  dtsche 
sehr.  447  Bihlm.; 

(Jesiu,)  du  kanst  von  güete  niht  versagen, 
erhöre  herre  min  klagen 

MoNE  schausp.  d.  miUelaU.  1,  210; 

künigin  der  barmherczikait  .  .  ., 

ob  uns  ümmer  heil  beschicht, 

das  möss  din  güti  helfen  uns  1, 170; 

sein  {gottes)  langmuth  und  gute  ist  zu  grosz  Dannhauee 
catechismu^milch  (1657)  1,  66; 

ach,  wie  hungert  mein  gemüthe, 
menschenfreund,  nach  deiner  gute 

PiETSOH  geb.  sehr.  (1740)  326; 

Jungfrau  voller  guten  I 

Brentano  ges.  sehr.  3, 172; 

seit  alters  besoiiders  in  formelhaften  präpositionalen  Ver- 
bindungen: 

...  so  tbu  ml,  drobtin,  will 
fargeban  thurh  thina  gödl  . . . 

Heliand  4523  Heyne; 

thia  ginada  ouch,   druhtin,        dua  in  mir  mit  mahtin, 
thla  thu  in  thina  guati      themo  scachere  dati 

Otfrid  IV  31,  28; 

umbe  dina  guoti,  truhten,  wanda  ih  knote  frehte  ne- 
habo  {propter  bonitatem  tuam,  domine  ps.  24,  7)  Notkee 
2,  77  Piper; 

und  (gott)  ruoche  iu  durch  stne  gfiete 

iuwer  swaerez  ungemüete 

vU  schiere  verkSren 

Hartmann  v.  Aub  Iwein  5537; 

da  vor  uns  got  behüte 
durch  alle  sine  gute 

kreuzt,  landgr.  Ludwigs  646  Nautn.; 

Jhesu  mein  heiland,  daran  sieht 
emphach  mich  in  dein  huet 
durich  dein  suesse  guet 

Heinr.  v.  Burqus  d.  seele  rat  4612  Rosenf.; 

sunder  (gott)  wird  sich  bald  unser  armen 
durch  sein  gut  und  mildte  erbarmen 

Hans  Sachs  1,  56  K.; 

das  hilfl  mir,  o  herr  Jesu  Christ, 
durch  deine  grosze  gute 

RiNGWALDT  evangelia  (1581)  Q  8"; 

und  hilfif  mir  aus  der  sünden  not 
umb  deiner  gute  willen 

ders.  handbüMin  (1586)  A  10»; 

um  der  gute  gottes  willen  frage  nicht  mehr,  warum  ich 
gekommen  Stifter  s.  w.  l,  289  S.; 

gott  läszt  üch  die  sünd  nach  us  genaden, 
allein  us  siner  güete 

N.  Manuel  ablaszkr.  478  Bächt.; 

gott  musz  mit  unserm  armseligen  dienste  zufrieden  sein, 
aus  übergroszer  gute  Göthe  37,  164  W. 

wan  er  mit  seiner  süessen  güet 

cunt  wenden  aller  menschen  schmertzen 

altdtsche  passionssp.  o.  Tirol  475  Wack.; 

in  dem  der  getrewe  gott  nach  seiner  groszen  gute  seinem 
volcke  viel  herrliche  .  .  .  victorien  .  .  .  verliehen  Chemnitz 
schwed.  krieg  2  (1653)  426;  stehende  paarung  ist  gnade  und 
gute,  gute  und  gnade: 

(wenn  man)  soll  zweiffein  an  gotts  gnad  und  gut 

Pischart  «.  dicht.  2,  347  Kurz; 

der  herr  aus  lauter  gnad  und  gut 

ist  über  deiner  rechten  handt 

dein  schatten  bei  FiSOHER-TttMPKL  1,  5; 


1403 


GÜTE  3 


GUTE  3 


1404 


er  heiszet  uns  arbeiten,  und  dann  gibt  ers,  nicht  um 
unserer  arbeit  willen,  sondern  aus  seiner  gute  und  gnade 
Luther  14,  85  Erl.;  Lucem  ist  die  königin  unter  den 
stetten  Schwytzerlands  von  gottes  güette  und  gnaden 
Renward  Cysat   §  48  Brandstetter. 

yy)  von  hier  aus  als  formelhafte  Interjektion  des  er- 
staunens  oder  des  mitleids  entwickelt,  die  aus  scheu  vor 
der  anrufung  von  gottes  namen  diesen  durch  gottes  eigen- 
schaft  ersetzt,  vgl.  im  16.  jh.  noch  potzgietten  (aus  gottes 
guten)  cod.  hist.fol.  397  d.  landesbibl.  Stuttg.  79  bei  Fischer 
Schwab.  3,  961:  ach,  du  myn  heiland  und  myn  gieti  com. 
beati  (16.  jh.)  bei  Staub-Tobler  2,  556;  ach  gott  und  alle 
gute !  J.  GoTTHELF  nach  Staub-Tobler  ebda;  herr  (du) 
mini  güeti!  ebda;  umgangssprachlich  und  mundartlich  be- 
sonders verbreitet  in  der  form  (ei)  du  meine  gute !  (statt 
mein  gott),  vgl.  eh  du  mini  güeti!  Friedli  Bärnd.  3,  610; 
i  du  meine  gute!  Müllek-Fr.  1,  453;  ei  du  meine 
gute!  Hertel  Thür,  111  usw.:  da  schlug  aber  der  mälder 
ein  mal  übers  andere  die  bände  zusammen  und  schrie 
immer  dazwischen :  'ei  du  meine  gute !  ei  du  meine  gute ! 
aber  herr  Traugott,  herr  Traugott!'  E.  T.  A.  Hoffmann 
s.  w.  6,  165  Gr.; 

du  meine  gut,  da  lobt  man  sich 
so  frommen  ofen  dank  barlich 

MÖEIKE  ges.  sehr.  (1905)  1,  162; 

ach  du  meine  gute,  da  sind  der  herr  graf  mal  wieder  aus 
irrland,  un  ganz  gehörig  Fontane  ges.  w.  I,  5,  87 ;  o  du 
meine  gitte,  das  werd  a  tanz  werden !  G.  Hauptmann 
weber  ( 1892)  61 ;  auch  du  liebe  gute,  du  grosze  gute ! :  du 
Hebe  gute,  da  vergasz  ich  ganz,  dasz  ich  zu  herrn  Bartho- 
lomeus  tochter  spreche  Alexis  Roland  v.  Berlin  l,  388; 
o  du  grosze  gute!  Fischer  schwäb.  s,  961. 

ö)  unhäufiger  von  anderen  wesen  und  mächten,  von  deren 
wohlwollendem  einwirken  sich  der  mensch  abhängig  fühlt 
(vgl.  gut  IV  A  1  caßß):  du  .  .  .  meinst  sie  (die  natur)  er- 
nehre  dich  nicht  ausz  lauter  gute  Heyden  Plinius  (1565) 
18 ;  heilige  natur !  deine  wege  sind  immer  gute  und  Wahr- 
heit Hippel  üb.  d.  ehe  (1792)  65; 

doch  hat  in  Juppiter  behüt 

ir  hausz  und  hoff  durch  seine  gut 

K.  Scheit  Irölich  heimfart  0  3»; 

so  lassen  sie  sich  doch  erbitten,  die  gute  der  Vorsehung 
nicht  gering  zu  schätzen  Bode  Thomas  Jones  (1786)  3,  362; 
warum  wünsche  ich  mir  denn  also  das,  was  mir  das  weisere 
Schicksal  nur  aus  gute  versagte?  Lessing  2,  317  L.-M. 

b)  die  in  einzelnen  handlungen  und  tatsachen  sich 
äuszernde  freundliche,  wohlwollende  sinnesweise  einer  per- 
son,  also  eine  nur  augenblicklich  in  erscheinung  tretende 
gesinnung. 

a)  wie  gut  IV  A  1  b  /S  mit  abhängiger  präposition  gegen : 
doch  seytemal  dein  gute  also  grosz  gegen  mir  ist,  das  sie 
mein  schäm  überwunden  hat  Montanus  schwankb.  113 
lit.  ver.;  die  lieb  undt  giete  gegen  den  armen  schien  des 
fegfeirs  verdekt  die  menge  der  sinden  Abraham  a  s. 
Clara  27  lit.  ver.;  der  allmächtige  schöpflfer  (hat)  .  .  .  den 
menschen  in  die  weit  gesetzt,  dasz  er  gegen  andere  hebe 
und  gute  ausüben  soll  v.  Fleming  soldat  (1726)  vorber.  2; 
gegen  seine  coUegen  und  untergebenen  war  er  gute, 
f reundschaf t  und  dienstbeflissenheit  Rabener  s.  w.  1,  67 ; 
selbst  dieser  mensch,  sonst  die  lautere  gute  gegen  mich, 
(war)  nun  ernst  und  scheu  und  kalt  Stifter  s.  w.  1, 136  S.; 
seltener  für:  die  für  euch  so  viel  gute  hatten  Göthe  45, 
81  W. 

ß)  allgemein  besonders  in  neuerer  spräche  verbreitet,  vgl. 
wenn  mich  dein  gute  nit  betreugt  si  bonitas  tua  respon- 
derit  iudicio  meo  Frisius  1154'':  dasz  sie  (die  götter  und 
göttinnen)  unter  dem  schein  ihrer  gute  ein  todesgift  ver- 
borgen haben  Schottel  friedenssieg  29  ndr.; 

ein  jedes  wort  war  gut  und  freundlichlceit 

Nkukirch  ged.  (1744)  dö^; 

ohne  die  verrätherische  gute  des  freundes,  der  ihn  (den 
fuchs)  von  mir  entlehnet,  .  .  .  würde  er  seinen  einsamen 
wald  nie  verlassen  haben  Gottsched  d.  neueste  3,  387 ; 
glauben  sie  immer,  dasz  ich  ihre  einwilligung  als  eine 


herablassende  gute   ansehe   S.  v.  Laroche  frl.  v.  Stern- 
heim (1771)  1,  35;  was  seine  bosheit  an  meinem  herzen 
noch  ganz  lies,  zerreiszt  seine  gute  Schiller  3,  385  G. 
ihre  gute,  mein  herr,  . . .  ängstigt  mich  Göthe  24,  88  W. 
so  versprach  ich  mir  viel  von  seiner  verstellten  gute  44,  86 
die  bekannte  gute,  mit  der  eure  fürstliche  gnaden  das 
gesuch  jedes  impetranten  aufzunehmen  .  .  .  gewohnt  sind 
Grillparzer  in:  jahrb.  d.  Grillparzergesdlsch.  2,  4;  Louise 
ist  tief  gerührt  über  die  pantofEeln  und  auszer ordentlich 
froh   über  ihre  gute   L.  Schücking   in:  A.  v.  Droste- 
Hülshoff  br.  an  L.  Schücking  239. 

y)  vielfältig  in  redewendungen  des  höflichen  Verkehrs 
verwendet,  z.  t.  in  festen  redensarten:  kein  befehl,  freund- 
liche bitte,  gute  von  eurer  seite !  maler  Müller  w.  3,  278; 
'ich  werde  von  ihrer  gute  gebrauch  machen,  fräulein' 
erwiderte  Berger  Brunner  erz.  u.  sehr.  1,  334;  wir  werden 
ihre  gute  nicht  miszbrauchen  Fontane  ges.  w.  1  4,  251; 
auf  zehn  jähr?  welche  übermäszige  gute!  Lessing  2, 
145  L.-M.;  zu  viel  gute!  Müllner  dram.  w.  6,  115;  gern 
in  dankesformeln:  (ich  halte  mich  schuldig)  für  ihre  gute, 
womit  sie  mich  öffentlich  ihrer  aufmerksamkeit  versi- 
chern Dusch  verm.  krit.  u.  sat.  sehr.  (1758)  vorr.  a  3"';  ich 
danke  nochmals  für  die  gute  G.  Stephanie  d.  j.  5.  lustsp. 
(1771)  152;  mein  erstes,  sir,  sey  dank  für  die  gute,  mit 
welcher  sie  sich  meines  glucks  annahmen   Kxinger  w. 

1,  233;  in  bittformeln,  entsprechend  gut  IV  A  1  b  y  'freurtd- 
lichkeit,gefälligkeit,liebenswürdigkeit';  im  18.  jh.  gebräuch- 
lich und  noch  mundartlich  bewahrt  von  der  gute  sein  ivie 
so  gut  sein  (vgl.  sp.  1285) : 

der  dichter,  lauft  geschwind!   soll  von  der  gute  seyn, 
und  mir  sein  trauerspiel  auf  eine  stunde  schicken 

Gelleet  8.  sehr.  (1839)  1,  61; 

dasz  er  von  der  gute  sein  und  sich  zu  seinem  oheim  ver- 
fügen möchte  v.  Meyer  peculat  (1762)  bei  Staub-Tobler 

2,  556 ;  wollten  sie  von  der  gute  seyn,  meinem  vater  solche 
gelder  .  .  .  einzuhändigen  Göthe  IV  3,  3  W.;  schwäb.  noch 
verbreitet:  sind  sie  von  der  gute  Fischer  3,  960;  gleichfalls 
im  18.  jh.  auftretend  und  noch  moderner  spräche  geläufig 
die  gute  haben,  meist  mit  abhängigem  infinitiv:  doch  habt 
die  gute  Schnabel  insel  Felsenburg  16  Ullrich;  die  Breit- 
kopfische buchhandlung  hatte  die  gute,  mich  dieser  sorge 
zu  überheben  Meiszner  Alcibiades  (1781)  2,  vorber.;  habe 
die  gute,  mir  die  merkwürdigsten  Sachen  der  stadt  zu 
zeigen  dtsche  erzähl,  d.  18.  jhs.  47  Fürst;  haben  sie  die  gute, 
mich  unseren  gnädigsten  damen  ehrfurchtsvoll  zu  füszen 
zu  legen  Göthe  IV  23,  73  W.;  herr  Hansen-Grell  wird  die 
gute  haben,  uns  einiges  vorzulesen  Fontane  ges.  rom.  u. 
nov.  7,  87;  haben  sie  die  gute,  platz  zu  nehmen  H.  Seidel 
vorstadtgesch.  86;  weniger  häufig  mit  beigeordnetem  satze: 
meine  herren,  .  .  .  soUten  sie  doch  wohl  auch  die  gute 
haben  und  mir  in  einem  verworrenen  rechtshandel  ihren 
guten  rath  ertheilen?  Meiszner  skizzen  (1778)  1,  33;  habt 
die  gute  und  begleitet  mich  Schiller  3,  149  G. 

ö)  in  älterer  spräche  auch  wie  'gute  absieht': 

thoh  er  (Judas)  thaz  tho  quati,      ni  det  er  iz  bi  guati  (aus 
guter  absieht)         Otfrid  IV  2,  27; 

sie  beut  mir  diese  grosze  ehre  nicht  durch  gute  buch  d. 
liebe  (1587)  85«^. 

•  c)  in  festen  präpositionalen  Verbindungen  zur  bezeichnung 
der  ausdrucksform  des  .  Wohlwollens,  namentlich  von  der 
freundlichen  rede,  verwendet;  mit  gute: 

und  swaz  ich  sprach,  daz  hörte  sl 
und  antwurt  es  mit  güete 

Haktmann  v.  Aue  Iwein  343; 

ho  ho,  saget  es  doch  mit  gute,  wann  ihr  gleich  böses  ge- 
dencket  schausp.  engl,  comöd.  223  Creizenach; 

gleich  lehrten'  sie  mit  ernst  und  gute, 

von  altvergessenen  geschichten, 

wie  maus  herz  fleiszig  soll  abrichten 

TiECK  sehr.  1,  343; 

(wir)  wurden  gleich  vorgelassen  und  von  ihm  mit  aus- 
nehmender gute  empfangen  Fr.  Nicolai  reise  d.  Deutschi. 
(1783)  12,  74;  dieser  .  .  .  hat  mir  mit  zuvorkommender  gute 
die  benutzung  derselben  (Mozarts  Manuskripte)  gestattet 


1405 


GÜTE  3 


GUTE  3 


1406 


O.  Jahn  Mozart  i,  187,  a?im.  47;  bei  in  steht  in  älterer 
spräche  vielfach  der  artikel,  so  noch  gelegentlich  bei  Göthb 
und  mundartlich: 

damit  sie  gar  thetten  erwelclin 
den  fromen  füisten  ir  gemüt, 
das  sie  zu  gnad  und  in  der  gut, 
zu  gnad,  sag  ich,  sind  auffgenomen 

B.  Waldis  streitged.  5  ndr.; 

ist  also  vorbemelter  knab  .  .  .  durch  die  zuverordnete  räht 
in  der  gute  und  mit  ernst  angefragt,  wie  er  doch  hinder 
disen  handel  kommen  J.  Näs  antipap.  eins  u.  hundert 
(1567)  1,  225*;  und  doch  haben  wir  gemessene  ordre,  euch 
in  der  gute  zu  überreden  Göthe  8,  124  W.;  i  häb  esm  s 
i~  da  bestn  güadn  gsagt  Schmeller-Fb.  1,  965;  entspre- 
chend ohne  artikel: 

verstet  mtn  red  in  güete, 
sint  ichz  in  güete  meine 

Hadamar  V.  Labee  jagd  638; 

gut  einfeltige  schwencli  in  gut 
bewegen  o£ft  ein  ernsthafft  gmüt 

Hans  Sachs  21,  33  ff.; 

hab  ich  Schwachheit  und  gebrechen, 
herr,  so  lenclie  meinen  freund, 
mich  in  gute  zu  besprechen 

Paul  Gerhardt  bei  Fischee-Tümpei  3,  419"; 

ich  wül  der  wos  söge,  Fritz,  und  zwor  in  gibt  Nieber- 
GALL  dram.  w.  134;  anders  %n  gnädiger  laune' : 

Klio,  Klio,  lasz  erbitten, 
lasz  erbitten  dich  doch  Itzt; 
zeige  dich  einmal  in  gütten 

V.  Fleming  306,  15  L.; 

absolut  loie  ''gütliches  zureden' :  gute  und  drohen  waren 
vergebens  Grillparzer  s.  w.  19,  231  8.;  ohne  gute  'ohne 
Schonung,  unter  aüen  umständen':  se  wollts  anegitt 
wissen  (erzgebirg.)  Müller -Fratjr.  1,  453. 

d)  alt  ist  die  anwendung  auf  die  handlungsweise  als 
solche,  deren  beschaff enheit  der  freundlichen  gesinnung  des 
handelnden  entspricht. 

a)  in  allgemeinem  gebrauch: 

wie  mac  siz  behüeten? 

ich  fröwe  mich  noch  ir  güeten 

Walthee  115,  21; 

wä  von  sie  {die  planeten)  güete  (gnädige  einwirkung)  müezen 
hän        XJlr.  V.  Eschenbach  Alexander  8407  T.; 

dasz  eine  wunde  seele  heilt 

durch  freundes  Zuspruch,  gunst  und  gute 

K.  Stieler  geh.  Venus  31  ndr.; 

wenn  gut,  in  solcher  absieht  ausgeübt, 

noch  gute  heiszon  kann  Lessinq  3,  5  L.-M.; 

eim  alli  güeti  versprechen  Stafb-Tobler  2,  556;  aber 
alles  war  verschwendet,  alle  gute,  alle  fürsorge  Polenz 
Orabenhäger  (1897)  1,  126; 

darum  bltt  ich  um  die  gute, 
dasz  man  sie  vor  katzen  hüte 

Brentano  ges.  sehr.  5, 130; 

besonders  im  gegensatz  zum  ernsten,  strengen  oder  gewalt- 
samen verfahren:  doch  schlage  ich  nicht  ab,  das  man 
am  ersten  die  gute  mit  yhn  versuchen  soU  Luther  15, 
129  W.;  dasz  der  keyser  .  .  .  nach  nicht  verfangter  gute 
den  ernst  vor  die  band  namb  v.  Brandts  ehrenkräntzel 
(1678)  215;  ernst  und  gute  versuchen  ufar  rigore  e  dolcezza 
Jaqemann  dtsch.-it.  wb.  (1799)  2,  554;  CeUa,  seine  Schwe- 
ster, die  immer  zur  gute  räth  0.  Jahn  Mozart  l,  288; 
(der  könig)  redete  zur  gute  bei  den  einzelnen,  weil  er 
aber  der  Versammlung  im  ganzen  groUte,  hielt  er  seinen 
minister  noch  fest  Dahlmänn  gesch.  d.  frz.  revol.  112. 

ß)  speziell  in  festen  präpositionalen  fügungen: 

aa)  durch  gute  im  sinne  'durch  freundliches  vorgehen, 
zureden',  oft  im  gegensatz  zur  gewalt: 

durch  reht  noch  durch  güete 

enhete  siz  nimmer  getan, 

si  muose  gewalt  od  vorhte  hän 

Haetmann  V.Aue  Iwein  7706; 

die  auszenstehende  schulden  durch  gute  und  recht  einzu- 
treiben HuNOLD  neue  br.  (1723)  630;  als  es  ihm  gelang, 
mehr  noch  durch  gute  als  durch  anwendung  von  gewalt. 


seinem  rechte  auf  den  thron  von  England  räum  zu  ver- 
schaffen Ranke  s.  w.  14,  35;  anders  im  sinne  'durch 
freundschaftliche  handlungsweise,  durch  freundliche  be- 
mühung' :  es  ist  uns  durch  die  gute  einer  gewissen  freundin 
zugestellet  Gottsched  vernünft.  tadl.  (1725)  i,  177;  durch 
die  gute  eines  gelehrten  reisenden  A.  v.  Humboldt  kos- 
mos  2,  124;  durch  Ernst  Martins  gute  war  er  {der  sammel- 
band)  mir  zugänglich  geworden  K.  Burdach  in:  W.  Sche- 
ber  kl.  sehr.  1,  vi ;  ebenso  gelegentlich  mit  aus :  er  lernte 
das  gerbergewerbe  aus  gute  mildtätiger  menschen  Stif- 
ter s.  w.  5,  1,  105  8. 

ßß)  mit  gute  'mit  gütiger  behandlung,  freundlicher  ein- 
wirkung' : 

(dasz  ihr)  joh  untar  tu  mit  guati       irbietet  otmuati, 
mit  mihilen  mlnnon      iz  frammort  zeigot  mannon 

•Otfeid  IV  11,  51; 

das  ist  ein  gröszer  narr:  er  legt  die  sporen  an, 
da  er  sein  treues  pferd  mit  gute  lencken  kan 

Che.  Weise  erznarren  18  ndr.; 

es  lautet  aller  meister  lehr: 
man  gewinnt  mit  gute  mehr 

BiNDEE  sprichw. -schätz  81; 

mit  gute  und  gelindigkeit  musz  also  der  offizier  den 
jungen  Soldaten  bilden  Meinecke  v.  Boyen  \,  31;  oft  im 
betonten  gegensatz  zur  gewaltanwendung : 

was  man  oft  könnt  mit  gute  schlichten, 
soll  ihre  macht  und  trutz  verrichten 

Seb.  Brant  narrenschiff  13,  3  Z.; 

wer  gotts  wort  nicht  will  hören  mit  güete,  der  mus  den 
hencker  hören  mit  der  scherpffe  Luther  18,  386  W.; 
und  als  er  nun  sähe,  dasz  er  mit  gute  nichts  an  ir  ge- 
haben mocht,  da  hub  er  an  und  dräwet  ir  buch  der  liebe 
(1587)  343*1;  dardurch  er  die  knecht  weder  mit  gute 
noch  böse  fort  bringen  mögen  Stumpf  Schweizerchron. 
(1606)  IQ^;  maszen  er  .  ,  .  mit  schörffe  und  güete  darauff 
trang,  das  Friderico  seyn  entzogene  ehr  und  gueter 
widerumben  zuekamb  v.  Brandis  ehrenkräntzel  (1678) 
165;  was  man  mit  der  gute  haben  kan,  soll  man  nicht 
mit  gewalt  suchen  D.  Kern  auserles.  sprüchw.  (1718)  54 

bringt  ihn  zurück,  mit  gute,  mit  gewalt 

Geillpaezee  «.  w.  6,  240  S. 

anders  vom  bedrohten  subjekt  aus  'gutwillig,  freiwillig' 

drumb  gib  nur  her  mit  gut  das  geldt 

B.  KeüQee  spiel  V.  d.  bäur.  richtern  47  B. 

oder  gebt  sie  (die  u^ürste)  mir  mit  gute  wider  Pape  garte 
teuffei  (1586)  p  2». 

yy)  in  der  gute,  und  bis  in  heutige  spräche  erhalten  in 
gute  im  sinne  'in  freundlicher  handlungsweise',  auch  hier 
oft  gegenüber  der  gewalt:  derhalben  ihn  {einen  landstreicher) 
gemelter  amptman  gefängUch  hesz  einziehen  und  in  der 
gute  {ironisch  für  'peinlich'  ?)  besprechen,  bekennete  er 
seiner  redhchen  stück  so  viel,  dasz  er  an  galgen  ward 
gehenckt  Kirchhof  wendunmuth  2,  228  Österley; 

ihn  zu  erweichen  in  der  gut 

W.  Spangenbeeg  bei  Dähnhaedt  griech.  dr.  1,  206; 

man  berathschlagte  sich  .  . .,  wie  pabst  Johann  zur  Voll- 
streckung seines  Versprechens  entweder  in  der  gute  oder 
durch  gewalt  könnte  gebracht  werden  M.  I.  Schmidt 
gesch.  d.  Dtsch.  4,  94;  alles  anwenden  .  . .,  um  in  der  gute 
die  verdorbene  menschheit  vom  thier  ab-  und  zu  Christo 
zu  ziehen  Jung-Stilling  w.  3,  362  Or.;  S.  aber  schicket 
er,  sich  umb  der  Ambre  liebe  in  gute  zu  bewerben  Lohen- 
stein Ibrahim  8ultan  vorr.  b  5»;  warumb  hab  ich  dann 
nicht  .  .  .  mit  gewalt  .  .  .  dasjenige  genommen,  was  mir 
in  gute  nicht  hat  werden  können  schausp.  engl,  comöd.  221 
Creizenach;  wenn  er  {der  regisseur)  dieses  nicht  selbst 
in  gute  vermöchte,  bey  der  üitendanz  ungesäumt  davon 
anzeige  zu  thun  Göthe  IV  28,  17  W.;  dies  muszte  jedoch 
in  gute  geschehen  M.  v.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  1, 
172;  vom  bedrohten  subjekt  aus  'gutwillig,  freimllig' : 

die  thut  gar  nichts  nicht  in  der  gute, 
sie  wUl  und  musz  geschlagen  seyn 

J.  Rachel  sat.  ged.  146  ndr.; 

wenn  sie  in  der  gute  nicht  ausziehen  wollen,  so  stoszen 
wir  sie  mit  gewalt  aus  dem  hause  Sperling  Nicodemus 


1407 


GÜTE  * 


GUTE  * 


1408 


quaerens  (1718)  1,  1314;  wenn  sie  mich  nicht  in  der  gute 
lieben  wollen,  so  müssen  sie  Stoppe  Parnaaz  (1735)  491; 
der  marquis  .  .  .  fragte,  ob  sie  in  gute  sich  zum  katholi- 
schen glauben  bekennen  würde  A.  V.  Aenim  s.  w.  2, 
134  Gr.; 

.  .  .  denn  in  gute 
geb  ich  dir  diese  dabin,  obschon  unwilligen  herzens 

BÜRGER  w.  213  B. 

4)  von  gute  3  d  aus  übertragen  auf  den  durch  friedliche 
gesinnung  und  freundliche  handlungsweise  hervorgerufenen 
zustand  der  ' eintrachV ,  des  'einvernehmens,  Übereinkom- 
mens' usw.;  auch  rechtstechnisch  als  'einigung,  Versöhnung, 
vergleich'  in  fester  frägung;  vergleichbar  ist  schon: 

wio  ■wunnisamo  guati  ('eintracht')      joh  minna  so  gimuati 
thar  unter  then  ist  iamer    bi  thaz  hiar  thultent  thaz  ser 

Otfkid  V  23,  5; 
wir  sollen  es  ee  mit  guet  {'einträchtig,  gemeinsam')  überlegen 
das  man  im  sein  leben  nem 

altdtsch.  passionssp.  a.  Tirol  17  Wack. 

a)  in  juristischer  Verwendung  als  'einigung,  überein- 
kommen, gütliches  einvernehmen,  vergleich'  seit  dem  15.  jh. 
{vgl.  unten  hy  u.  d)  zu  belegen,  aber  wohl  älter:  {es)  wart 
berichtet  mit  gude,  also  dat  de  bischop  de  borgere 
vragede,  eft  he  sik  an  der  stad  sodaner  wis  vorgrepen 
hedde  städtechron.  7,  252;  in  allen  zweiffehchen  .  .  .  fäUen 
.  .  .  erstlichen  die  guten  ...  zu  suchen  {v.  j.  1613)  bei 
PiscHEB  Schwab.  3,  960;  worüber  der  klagende  schuldherr 
dem  beklagten  Schuldner  die  gut  angeboten,  und  sich 
alle  aufgelaufene  zinsen  zu  erlassen  erkläret  Scbiver 
seelensch.  (1701)  2,  348;  gelegenheit ...,  den  gütlichen  ver- 
gleich zu  abrumpiren,  und  mir  hernach  die  schuld  bey- 
zumessen,  dasz  sich  die  gute  zerschlagen  Chb.  Thoma- 
sius  ernsth.  gedank.  (1720)  3,  42;  die  pflegung  der  gute  ist 
eine  gerichtliche  handlung,  darinnen  ein  richter  die  vor- 
gefallenen handlungen  gütlich  beizulegen  und  zu  ver- 
gleichen suchet  Haym  jur.  lex.  (1738)  279;  von  Versuchung 
der  gute  allg.  dtsche  bibl.  anh.  37-52,  1161;  der  stadt- 
richter  versuchte  die  gute  noch  einmahl  und  die  parteyen 
fingen  schon  an,  es  allmählich  näher  zu  geben  Wieland 
s.  w.  (1794)  20,  14;  ich  stand  demnach  schon  im  termin 
in  person,  verwarf  vorher  gute,  und  befestigte  sogleich 
den  krieg  rechtens  J.  Paul  5,  83  Hempel;  auch  für  das 
gerichtliche  güteverfahren  selbst  {vgl.  unten  ß  M) :  vor  wohl- 
gedachten löbhchen  oberhofgerichte  oder  wohin  sonsten 
die  Sache  gedeyen  möchte,  zur  gute  und  recht  zu  er- 
scheinen HuNOLD  newetr.  (1723)  633;  von  diesem  juristi- 
schen gebrauch  aus  zu  verstehen  die  redensart  ein  Vorschlag 
zur  gute,  vgl.  Vorbescheid  zur  gute  decreto  con  cui  sono 
esortate  le  parti  alla  transattione  amichevole  Kbamer 
t.-ital.  2,  487^:  überlegt  es  immer,  gnädige  frau  amt- 
mannin, ich  dächte  nun  so,  es  wäre  ein  Vorschlag  zur  gute 
Rabener  s.  sehr.  (1777)  3,  68;  in  der  zeit,  da  die  alte  ehr- 
liche Schreibung  .  .  .  noch  obwaltete,  wurde  ein  verschlag 
zur  gute  gethan  Klopstock  gram,  gespr.  (1794)  24;  es  geht 
unser  Vorschlag  zur  gute  dahin,  dasz  .  . .  Göthe  II 11, 
66  W.;  formelhaft  auch  im  wege,  auf  dem  wege  der  gute: 
soviel  konnte  man  voraussehen,  dasz  die  feindseligkeiten 
nicht  im  wege  der  gute  ausgeglichen  werden  würden 
Ranke  s.  w.  l,  226;  noch  einmal  versuchte  er  die  sache 
auf  dem  wege  der  gute  Dboysen  gesch.  Alexander  d.  gr.  83. 

b)  besonders  in  formelhafter  präpositionaler  fügung  mit 
in;  mit  artikel  in  der  gute  nur  bis  ins  18.  jh.  hinein  ge- 
bräuchlich, aber  noch  mundartlich  erhalten,  vgl.  Baueb- 
CoLLiTZ  waldeck.  41^. 

a)  in  allgemeiner  anwendung;  Hn  eintracht' : 

ich  und  mein  bruder  wollen  in  guten 
dasz  reich  regiren,  weil  wir  leben 

J.  Ayree  dram.  19  lü.  ver.; 
gern  in  paarungen: 

hier  sey  von  herzensgrund,  in  gut  und  frieden 
an  Hermlas  huld  mein  antbeil  dir  beschieden 

Shakespeare  1,  237; 

alles  in  liebe  und  gute,  herr  erbförster,  wie  gestern  der 
Sänger  im  theater  sagte  Holtei  erz.  sehr,  3,  24. 

ß)  hauptanwendung  im  sinne  'auf  dem  wege  gütlichen 
einvernehmens' ,  auch  in  bezug  auf  das  juristische  Ver- 


gleichsverfahren, vgl.  schon  mnl. :  om  die  sake  der  geschillen 
...  in  der  gueden  tot  eynen  mynliken  accort  . . .  te  vol- 
bringen  publ.  Limb.  14,  84  bei  Vebwijs-Vebdam  2,  2019 : 
welche  stadt  ingleichen  ihren  accord  in  der  gute  machte 
S.  V.  Birken  verm.  Bonaustr.  (1684)  196;  wie  nun  ihr 
vater  aUe  hoffnung,  seine  tochter  in  guten  wieder  zu  er- 
langen verzweiffelt,  habe  er  solches  durch  list  .  .  .  aus- 
zuüben getrachtet  Lohenstein  Arminius  (1689)  l,  541»; 
bilhge  Zahlungsfristen  in  gute  zu  erwerben  J.  Moser  s.  w. 
1,  238  Ab.;  legt  die  feindseligen  Werkzeuge  aus  der  hand, 
und  überlaszt  es  mir,  durch  des  kaisers  vermittelung  in 
gute  die  rechte  meiner  kinder  zu  verfechten  Meisl  theatr. 
quodlibet  1,  181 ;  wei  wilt  et  iner  güde  afmaken  Bauer- 
CoLLiTZ  waldeck.  41^;  in  göden  afmaken  Mi  meckl.  25; 
Renald  hielt  sich  noch,  ...  er  wünschte  immer  noch,  alles 
in  gute  abzumachen  Eichendoef  s.  w.  3,  314;  wäre  es 
möglich,  ihn  zu  disponiren,  dasz  er  mit  der  academie 
friede  machte,  so  Uesz  sich  durch  Voigt,  der  jetzt  pro- 
rektor  ist,  wohl  alles  in  gute  abthun  Göthe  IV  10,  238  W. 
y)  in  (der)  gute  als  fester  terminus,  vorab  in  der  rechts- 
sprache,  mit  typischen  verben  verknüpft,  so  vertragen, 
vergleichen,  beilegen,  vereinen,  handeln  usw.: 

man  köndts  vertragen  in  der  gut 
und  richten  einen  rezesz  auff 

J.  Ayrbr  dram.  138  lit.  ver.; 

vertragen  wir  uns  lieber  in  der  gute  miteinander!  Gry- 
PHius  lustsp.  161  P.; 

und  ineinander  leg  ich  euch  die  bände, 
. . .  vertraget  euch  in  gütel 

Brentano  ges.  sehr.  6,  106 

was  sich  vor  gebrechen,  irrungen  und  Zwiespalt  zutragen 
werden,  dieselben  soll  unser  hofmarschalck  kegen  ein 
ander  verhören  und  vleisz  haben,  die  in  der  gute  zu  ent 
scheiden  und  zu  vergleichen  sächs.  hofordnungen  56  Kern 
wenn  sich  aber  beyde  theile  entweder  in  gute  miteinander 
vergleichen  M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Dtschen  l,  309;  {wel 
che)  gebrechen  in  der  gute  und  fruntschaft  hin  und  bey 
geleget  mochten  werden  {v.  j.  1495)  rezeszbuch  d.  sächs 
oberhofger.  bei  Haltaus  764 ;  sie  {die  Streitsache)  wäre  noch 
in  der  gute  beygeleget  Chr.  Weise  d.  klügst.  Ieute{l675)  35 
Zacharias  .  •  .  liesz  sich  angelegen  seyn,  die  sache  in  der 
gute  beyzulegen  M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Dtschen  l,  276 
und  alle  sach  {ein  prozeszhandel)  jti  git  hingelegt  wordn 
ist  und  abgethan  stadtb.  v.  Falkenau  49  Pietsch;  die  chur 
fürsten  Sachsen  und  Brandenburg  die  sache  in  gute  bey 
zulegen  gesuchet  {haben)  Chemnitz  schwed.  krieg  1  (1648)  5 
einen  versuch  den  zwist  in  gute  beizulegen  Mommsen  röm. 
gesch.  (1874)  2,  45;  die  parthey  {hat)  solcher  puncten  zum 
thail  mit  iren  gueten  willen  und  vorwissen  in  der  giette 
veraint  {v.  j.  1518)  LoRi  baier.  bergr.  159;  in  wie  fern 
nun  die  itahänischen  theoretiker  sich  in  gute  vereinigen 
können,  wird  die  zeit  lehren  Göthe  41,  1,  138  W.;  {man 
soll)  solches  auch  mit  den  geschwomen  desz  goldschmid- 
handwercks  also  in  der  gute  handien  Nürnb.  Urkunde 
V.  j.  1583  in:  anz.f.  d.  künde  d.  dtsch.  vorzeit,  n.  f.  24,  256, 
vgl.  in  der  gute  handeln  accorder  Widerhold  dict.  (1669) 
163^,  in  der  gute  sich  scheiden  partirsi  ä  bona  dolce 
Castelli  wörterb.  (1741)  1,  l^;  bat  derwegen,  er  wolte 
die  Sachen  dahin  richten  helffen,  dasz  sie  in  gute  von 
einander  geschieden  werden  möchten  Binhaedus  thür. 
chron.  (1613)  94. 

6)  als  'im  Schlichtungsverfahren,  güteverfahren'  in  beton- 
tem gegensatz  zur  entscheidung  durch  rechtsurteil:  es  mögen 
auch  die  vorgenanten  abt  .  .  .  die  ding  guthch  handeln 
und  versuchen  lassen,  usserhalb  rechts  in  der  gute  grunt- 
lich  zu  verfassen  {v.  j.  1465)  bei  J.  B.  Mencke  script.  rer. 
germ.  1,  570;  das  alles  haben  die  dorfsjunkern  und  ganer- 
ben mit  recht  oder  in  der  guete  zu  vertragen  {v.  j.  1508) 
weisth.  6,  43;  was  denn  durch  die  selben  obman  .  .  .  ynn 
der  güete  gesprochen  odder  zu  recht  erkend  wird  Luther 
18,  339  W.;  ein  mager  vertrag  in  der  gute  ist  besser  denn 
ein  fetter  mit  rechte  Petri  d.  Teutsch.  weiszh.  (1604)  x  6»; 
ob  sie  sich  wollte  mit  ihrem  ersten  manne  in  gute  setzen, 
oder  ob  er  durch  die  rechte  es  suchen  müsse  Holston  und 
Augusta  (1780)  249. 


1409 


GÜTE  5 


GUTE  6 -GUTEFRAU 


1410 


5)  von  gute  3  b  und  c  aus  verdinglicht  auf  das  saddiche 
ergebnis  der  freundlichen  handlungsweise  übertragen. 

a)  allgemein  'wohltat,  liebesbeweis,  gnadener Weisung, 
gunstbezeugung,  aufmerksamkeiV : 

starb  afur  therer  noti,       er  nnsih  samanoti 
joh  sines  tothes  guati       zisamane  gifuagti 

Otfrid  III  26,48;  vgl.  Hartm.  151; 
der  also  manege  güete 
mit  väterlicher  staete 
ime  erzeiget  haete 
GOTFRiD  V.  STKASZBURa   Tristan  5044,  vgl.  1365; 

eUiu  gute  chumit  von  im  (von  gott)  specul.  eccl.  89  Kelle; 
und  die  vorgeschrebene  gäbe  und  gute  tuen  wir  und 
haben  getan  urk.  v.  j.  1409  in:  lehnsurk.  Schlesiens  1,  358; 
got  der  almechtig,  der  aller  gute  ein  überflüsziger  geber 
ist  Arigo  decam.  103  K.; 

wir  danken  dier  (Cliristru)  der  lieben  gut  (die  ftuzwaschung) 
MUKNEK  dtsche.  sehr.  1,  2,  39; 

daraus  ich  gottes  sonderliche  führung  ...  zu  spüren,  ihm 
vor  seine  erweisete  gute  und  wohltaten  ...  zu  danken 
(hätte)  V.  ScHWKiNiCHEN  denkwürd.  6  Österl.; 

(die  sonne)  streuet  lauter  gut  und  gaben 

LOGAU  sinnged.  380  E.; 

gott  selber  können  wir  vor  seine  gute  und  gutthaten 
nichts  höhers  zahlen  S.  v.  Bikken  ostländ.  lorbeerhayn 
(1657)  2b; 

wann  Ich  schlafe,  wacht  sein  sorgen 

und  ermuntert  mein  gemüth, 

dasz  ich  alle  liebe  morgen 

schaue  neue  lieb  und  gut 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  348"; 

wie  dein  erbarmend  hertz  so  manche  huld  und  gute 
an  denen  leidenden  und  armen  auszgeübt 

Henrici  ernst-,  scherzh.  u.  sat.  ged.  (1727)  1,  50; 

{wir  rasteten)  im  Lentinschen  hause,  welches  uns  mit  gute 
überhäufte  Bahrdt  gesch.  s.  lebens  (1790)4,17; 

ich  darf  euch  wohl  um  eine  gute  bitten? 
ich  bitt  euch,  mir  durch  einen  eurer  diener 
nur  ein  glas  wasser  freundlich  zu  gewähren 

GÜTHE  11,  239  W.; 

nun  zeigt  euch  dankbar  für  die  viele  gute, 

die  ihr  von  mir  empfingt      Grillparzer  s.  w.  8,  256  S.; 

wenn  einer  undankbar  war,  so  seid  ihr  hingegangen  und 
habt  ihm  eine  neue  gute  erwiesen  Stifter  s.  w.  2,  159  S.; 
vereinzelt  an  gut  tun  'wohl  bekommen'  (vgl.  sp,  1325)  an- 
geschlossen: 

bei  tische  trank  sie  niemals  bler, 

denn  dessen  fetter  saft  erwies  ihr  keine  gute, 

erweckt  ihr  herzensangst  und  stocken  im  geblüte 

Arist  Schild.  (1764)  9; 

ich  wollte  der  alten  eine  gute  thun  Storm  s.  w.  1,  144. 
b)  von  hier  aus  seit  dem  18.  jh.  in  fester  formel  ent- 
wickelt reflexiv  sich  eine  gute  tun,  antun,  die  an  gut 
III  A  1  angeschlossen  wird  und  in  die  bedeutung  'sichs 
wohl  sein  lassen,  sich  delektieren,  sich  eine  erquickung 
verschaffen^  übergeht,  vgl.  sich  gütlich  tun,  sich  etwas 
zu  gute  tun,  sich  ein  gütchen  tun:  der  alte  hat  mir  ein 
schönes  bette  aufschlagen  lassen,  da  will  ich  mir  eine 
gute  tun  samml.  V.  schausp.  (1764)2,  Burlin  d  1^;  eines 
theils  verlangte  seine  natur  eine  erquickung,  und  zwar 
mit  eben  dem  recht,  mit  welchem  sie  häufig  die  kindtaufs- 
väter  anreizt,  sich  eine  gute  zu  tun  Hertzbero  Eulenspie- 
gel (1779)  1,  42;  von  den  einwohnern  der  stadt,  die  sich 
in  wein  oder  hier  oder  meth  bei  musik  und  tanz  eine 
gute  thun  Chr.  Fr.  Schulz  reise  c.  Livländers  (1793)  5, 241 ; 
da  hätte  ich  mir  nun  eine  gute  anthun  und  ein  halb 
schock  austern  in  den  kaffee  tunken  können  Gaudy 
3.  w.  2,  66;  da  hatten  sich  die  leute  eine  gute  gethan,  aber 
sie  waren  die  Sachen  nicht  gewohnt  denkwürd.  e.  arbeiters 
2,  359  Qöhre;  mundartlich  verbreitet,  vgl.  z.  b.  ich  tue  mir 
eine  gute  Fischer  schwäb.  3,  960;  sich  anne  gitte  tun 
Müller-Fraur.  1,  463;  Sek  en  gute  andonn  Müller 
rhein.  2,  1525;  sich  eine  gute  anthun  Hertel  Thür.  111; 
ohne  den  unbestimmten  artikel  vereinzelt  in  mischung  mit 
sich  gütlich  tun: 

.  . .  meine  ganze  suito 

sei  schon  in  freudenreichem  schall 

an  bord  und  thät  sich  gute 

SlICHENDORF  «.  W.   1,  249.     l 

IV.  1.  6. 


6)  auf  ältere  spräche  beschränkt  bleibt  die  verdinglichung 
für  'nutzbare,  genieszbare,  wertvolle  sache^  (vgl.  gut,  »., 
sp.  1355);  hier  ist  vorwiegend  mit  herleitung  aus  gute  1  aa 
U7id  ß  zu  rechnen: 

liaz  inan  (Adam)  waltan  alles       thes  wunnisamen  feidos 
nuzzi  thera  guati        zi  thlu  er  thiz  (verbot)  gihialtl 

Otfrid  II  6, 12; 

du  bist  min  got,  wanda  mines  cuotes  nebist  du  dürftig, 
minero  guoti  newirdest  du  salig  (deus  meus  es  tu,  quoniam 
bonorum  meorum  non  eges  ps.  15,  2)  Notker  2,  40  Piper, 
vgl.  2,  17  (ps.  7,  5);  damit  der  vorlasz  und  güete,  von  dem 
truck  und  schlechten  wein  absonderhch  eingezogen  .  .  . 
werden  (v.  j.  1620)  nach  Fischer  schwäb.  3,  960; 

itzt,  da  das  reiche  feld  in  voller  rose  steht 

und  mit  so  mancher  frucht  und  gute  schwanger  geht 

P.  Fleming  dtsche  ged.  1, 149  L. 

^GÜTE,  /.,  name  eines  gerätes:  'gute,  eine  hollandoise 
oder  Schwung  schaufei'   Benzler  deichbau  (1792)  l,  183. 

GUTEDEL,  ad}.,  zusammenrückung  aus  gut  urul  edel; 
zu  gut  II  B  1:  gutedel  nobile  genere  natus  Stieler  21;  zu 
gut  V  A  1  c:  (mancher,  der)  nach  Weisheit  trachtet,  . .  . 
nach  gutedlem,  über  leibesbedarf  erhabenem  sinne  des 
alterthums  J.  H.  Voss  arUisymb.  (1824)  2,  i&7  -y^nders,  aus 
gutedel,  m.,  adjektiviert: 

dasz  der  wind  anhauch  . . . 
ungehemmt  eindring  an  die  zarten  träublein, 
welche  voll  gutedeles  mostes  schwellend 
bräune  gewinnen  J.  H.  Voss  «.  ged.  (1802)  3,  180. 

—  gutedel,  m.,  auch  f.  1)  name  einer  rebsorte  (vitis  vini- 
fera  aminea),  wohl  Verkürzung  und  zusammenrückung  von 
gut  und  edler  wein ;  anscheinend  zuerst  für  einen  frühen 
weiszen  wein,  vgl.  Pritzel-Jessen  445;  seit  dem  17.  jh. 
zu  belegen,  jedoch  älter  (s.  gutedelwein) ;  vgl.  gutedel  .  .  . 
species  quaedam  uvarum  Apianarum  Stieler  21 ;  in  älterer 
spräche  noch  als  substantiviertes  adj.  behandelt,  auf  traube 
bezogen  als  fem.  * 

die  Glefener  schwartzbraun  und  die  gutedle  weisz, 

die  MuscateUer  gelb  Weckherlin  ged.  2,  382  Fischer; 

vgl.  mundartlich  gutedel,  /.  'weisze  traube'  Follmann 
lothr.  221 ; 

gutedel  sind  allein  die  reben,  die  er  setzt, 

er  gleicht  dem  Bacchus  so,  wie  Bacchus  Ihn  ergötzt 

V.  König  ged.  (1745)  483; 

verselbständigt  als  m.:  die  besten  trauben  .  .  .  sind  die 
Muskateller,  .  .  .  der  gutedel  .  .  .  Oken  allg.  naturgesch. 
3,  3,  1869; 

und  es  hingen  herein  gatedel  und  MuscateUer 

Göthe  30,  214  W.; 

ihr  kirschen  und  Ihr  kästen  sollt 

noch  manches  jähr  gedeihn, 

auch  du  gutedel,  flicszend  gold, 

auch  du  markgrafenweln  , 

SCHKNKENDORF  ged.  (1815)  135; 

ebenso  mundartlich,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  961,  Martin- 
Lienhart  eis.  l,  15,  Meisinger  Bappen.  81;  auch  roter 
(gelber),  schwarzer  gutedel,  s.  Pritzel-Jessen  445,  449. 
2)  im  alem.  ironische  bezeichnung  für  einen  taugenichts, 
vgl.  Fischer  schwäb.  3,  961,  Meisinger  Rappen.  81,  zs.  f. 
hochdtsche  maa.  2,  237:  'nach  Amerika  schick  ich  ihn,  den 
gutedel!'  schrie  er  zornig  H.  Hesse  nachbarn*  (1909)  93; 
in  jedem  der  beiden  zimmer  wohnten  zwei  solche  gutedel 
mitsammen  W.  Ghezy  erinn.  l,  263;  anders  in  positiver 
bedeutung  verwendet:  jetzt  spielt  der  pfarrer  den  gutedel 
Auerbach  sehr.  2,  213.  —  gutedeltraube,/.,  vxis  gut- 
edel, m.:  den  allbeliebten  badischen  weiszen  markgräfler, 
. .  .  einen  milden  und  frischen  lieblichen  tafelwein,  mei- 
stens aus  der  gutedeltraube  gezogen  H.  v.  Zobeltitz 
d.  M?eiw(1901)  50.  —  gutedelwein,  m.,  was  gutedel,  m.; 
bereits  für  das  frühe  15.  jh  bezeugt,  vgl.  gu tedil wein /a?er- 
num  (lat.-dtsch.  gloss.  v.  1410)  Germania  37,  187.  —  gute- 
f  rau,/.,  zusammenrückung  entsprechend  gut  IV  A  l  caßß, 
vielleicht  auch  euphemistisch  (vgl.  gut  IV  A  4):  es  werden 
diese  von  den  scribenten  Sibyllen,  nachtfrauen,  gute- 
frauen  und  mit  dergleichen  namen  genennet  G.  Präto- 

89 


1411 


GUTEGROSCHEN— GÜTELN 


GUTEMANN— GUTEN 


1412 


BIFS  anthropod.  Plut.  (1666)  2,  117;  anders  gutfrau  zu  gut 
I A  5  b  für  die  'trauzeugin',  vgl.  Fbischbiek  preusz.  wb. 
1,  260.  —  gutegroschen,  m.,  zusammenrückung  eni- 
sprechend  gut  I  A  5  a  /3  öd':  ich  dachte  an  Harlekin,  wie 
er  den  brief  seiner  Colombine  aus  mangel  eines  guten- 
groschens  nicht  von  der  post  lösen  konnte  J.  Mösee  s.  w. 
3,  17  Ab.,  vgl.  gudnkresn  Henteich  Eichsf.  102.  —  gute- 
hulde,  pl.,  zusammenrückung  entsprechend  gut  IV  A  1  c 
a  j3/3 :  in  Deutschlande  hat  man  sie  geheiszen  wichtlichen, 
erdmännerchen,  gutehulden  und  helle  käppelein  und  man 
hat  sie  gefunden,  dasz  si^  schusseln  in  der  küchen  ge- 
waschen haben  theatr.  diabol.  (1569)  19^'.  —  güteklasse, 
/.,  zu  gute  1  b:  die  deutschen  Spinnereien  bezeichnen  ihre 
güteklassen  mit  buchstaben  Luegee  5,  411. 

^GÜTEL,  n;,  auch  gutel,  was  ^gütchen  (s.  dort),  'freund- 
licher geist,  koboW;  vielleicht  zunächst  ableitung  von  gott 
als  götel  'gölze',  dann  volksetymologisch  auf  gut  IV  A 
1  ca ßß  bezogen,  vgl.  bergmenlein,  kobel,  guttel  daemon 
subterraneus  mitis  G.  Aoeicola  de  anim.  subterr.  (1549) 
B  b  3»;  zur  sache  s.  K.  v.  Bahdee  beitr.  22,  534  und 
Bächtold-Stättbli  hwb.  d.  abergl.  3,  1233/.; 

nü  staut  von  dlnem  glouben  und  gich  dem  mfnen  got, 

dln  got  Ist  ein  gütel,  daz  geloube  fi.ne  spot 

Wolfdietrich  B  bei  JXnickb  heldenb.  3,  253; 

kombt  er  zum  beutel  umb  das  wunschhütel, 
so  wird  ich  beiazen  nicht  der  gütel 

H.  Sachs  12,  218  K.-  G.; 

und  die  (heinzelmännchen)  man,  weil  sie  sich  dem  mensch- 
lichen geschlecht  gütig  erzeigen,  ...  zu  deutsch  gütel 
heiszet  Peätobiüs  anthropod.  plut.  (1666)  1,  373,  vgl.  giü 
ein  kindergespenst  Göpfebt  sächs.  Erzgeb.  36,  vgl.  auch 
guteli: 

die  ■werckleut  nennens  (die  berggeister)  guteli, 

werden  sonst  auch  genant  trulll 

J.  E.  Kebmann  natur.  magn.  (1620)  202. 

*GÜTEL,  n.,  was  '^gütchen,  obd.  deminutiv  zu  gut,  n.; 
besonders  als  'kleines  ländliches  besitztum'  (gut,  n.,  B3): 
item  ich  wil,  dasz  das  güettel  undt  drei  dorffer  .  .  .  ver- 
khaufit  werden  dem  herrn  Nobb.  Heebmann  Rosenberg- 
sche  chron.  41  Kl.;  zunechst  daran  stoszend  ein  güttel,  der 
Mosweeg  genannt,  darauf  der  Ekhainrieder  sitzt  {v.  j.  1578) 
bei  V.  LoEi  baier.  bergr.  (1764)  306;  so  haben  wir,  ich  und 
meine  mutter,  allein  auf  unserm  gütel  gehaust  Anzen- 
GEUBEEsres.  w.  3,  85;  vgl.  gieti  Staue  v.  d.  Maech  rurrd- 
mähr.  44;  güetl  kleines  bauernanwesen  Schöpf  tirol.  220; 
von  einem  kleinen  besitz  im  allgemeinen  (gut,  n.,  Bl): 
daz  du  daz  sin  {deines  nächsten)  armez  güetel  hsetest 
zuo  dem  dinen  guote  Beethold  v.  Regensbubg  pred. 
1,  62  Pf.;  der,  dem  der  schaden  geschieht,  (mag)  dar- 
nach in  seines  {des  täters)  vatters  oder  herrn  hausz 
geen  .  .  .  und  sein  güetl  zu  im  nemen  und  von  dannen 
gehen  österr.  weist,  l,  23 ;  leiblicher  brüeder,  die  . . .  ainer 
von  dem  anndern  nichts  aygens  noch  vortail  süecht, 
sonder  all  ir  güetel  lieblich  miteinander  brauchen 
Beeth.  V.  Chiemsee  tewtsche  theol.  (1528)  v  6*';  der  faul- 
lentzet,  jaget  sein  gütel  durch  die  gurgel  Dannhauee 
catechismusmilch  (1657)2,60.  —  gutele,  n.,  von  gut 
III A  1  a  gebildet,  'süszes  nuschwerk';  im  obd.  kinder- 
sprachlich  verbreitet  für  bonbon,  vgl.  gutele  Schmid 
Schwab.  246,  gutel  Follmann  lothr.  221,  guteli  Staldee 
1,  503,  gueteli  Toblee  appenzell.  245»,  guatl  Schmelleb- 
Fb.  1,  965,  guetele  Schöpf  tirol.  221,  gutel  Lobitza  Vienn. 
57;  verdoppelt  wie  bonbon:  guadlguadl  Castelli  nieder- 
österr.  157:  wir  lekerleten  immer  .  .  .  und  redten  schon 
sogar  von  den  f  üllungen  zu  diesen  neuen  guteinen  Pesta- 
lozzi s.  w.  1,  35  Buchenau;  ironisch  zu  gut  IV  A  von 
Personen:  er  ist  ein  gutele  'er  ist  ein  etwas  schlimmer 
mensch'  Schmid  schwäb.  246. 

GÜTELN,  gutein,  vb.;  ableitung  von  gut  IV  A  1  im 
sinne  freundlich  tun,  liebkosen': 

kan  die  deutsche  spräche  schnauben,  schnarchen,  poltern, 

donnern,  krachen, 
kan  sie  doch  auch  spielen,  schertzen,  lieben,  gütteln,  kür- 
meln,  lachen        Logau  sinnged.  521  E., 

vgl.  Hopfmann  v.  Falleesleben  schles.  wb.  8 ;  anders,  zu 
gut  III  A  gebildet:  guetelen  'gut  sein,  gut  riechen  oder 


schmecken'  Schöpf  tirol.  220,  —  gutemann,  m.,  zu- 
sammenrückung entsprechend  gut  II  B  1  b  'edelmann' : 

desse  gave  gaf  her  ridderen  unde  knapen, 

darto  harnesch,  pantser  unde  wapen; 

he  begavede  rlkliken  alle  gudeman 

unde  scholdo  also  tehen  in  groten  eren  vordan 

holstein.  reimchron.  413  Weiland; 

dat  de  gudemans  vomemen  unde  sanden  se  deme  mar- 
greven  städtechron.  16,  404;  {ein)  spruch,  wodurch  er  seine 
gutemanns  (so  nante  er  die  im  krieg  dienende  von  adel)  zur 
Wachsamkeit  aufgemuntert  {hat)  Schottel  haubtspr. 
(1663)  781;  vgl.  gutmann.  —  gütemasz,  n.,  zu  gute  1  b: 
als  gütemasz  für  das  material  dienen  beim  schlagversuch 
die  beziehungen  zwischen  formänderung  imd  . . .  schlag- 
arbeit Luegee  7,  234. 

^GUTEN,  vb.,  intr.;  mhd.  und  im  alem.  mundartlich  be- 
zeugt; die  umlautlosigkeit  setzt  ableitung  von  gut  adj.,  nach 
der  3.  kl.  der  schw.  verben  {ahd.  *guoten)  voraus,  doch  steht 
neben  inchoativem  gebrauch  auch  essentieller. 

1)  mhd.  mit  persönlichem  Subjekt  und  dat.  der  person; 
zu  gut  III  A  'angenehm  sein,  wohltun,  erfreuen': 

kurz  rede  von  guoten  minnen, 
diu  guotet  guoten  sinnen 

GOTFEID  V.  Straszbukg   Tristan  12190; 

(du  willst)  .  .  .  mit  edelcr  spise  dime  fleische  gute 
und  nicht  dir  abe  tzihen  die  spise 

JOH.  BoiHE  lob  d.  keuschh.  2048  ^.; 

anders  zu  gut  IV  A  l  c  'gnädig,  hilfreich  sein': 

b1  sal  uns  guotende  sin 
Pilatus  vorr.  91  bei  Maszmann  ged.  d.  12.  jks. 

2)  in  neuerer  alem.  mundart  im  sinne  'gut  werden,  besser 
werden',  vgl.  gueten  'gui,  besser  werden,  von  krankheiten, 
wunden  (m.  dat.  d.  person),  vom  weiter,  von  feldfrüchten' 
Staüb-Toblee  2, 555,  guete  Seilee  Basler  ma.  153,  gueta 
Stucki  Jaun  297;  guten  Bühlee  Davos  1,  43;  zu  gut 
I  A  2  c  ^ :  si  {die  sahne)  tued  nit  gueten  d'  raab  (sie  wird 
durch  stehenbleiben  nicht  besser)  Feiedli  Bärnd.  2,  395;  zu 
gut  I  A  2  c  y :  do  begond  der  herbste  und  der  wyn  guoten 
und  zyten  Hans  Feünd  chron.  (1446)  bei  Staub-Toblee 
a.  a.  0.;  d  trüben  händ  wacker  g'guetet  (sind  im  Wachs- 
tum, in  der  reife  fortgeschritten)  die  wuchen  (Zürich)  ebda; 
zu  gut  I  A  2  d:  des  Joggeiis  bein  wiU  gar  nicht  gueten 
Beeitenstein  bei  Stäub-Toblee  o.  a.  o.;  auch  zu  gut 
VAld  'gut  tun,  gehorchen':  der  bub  will  nit  gueten 
(Basel)  ebda;  häufig  unpersönlich  (mit  haben  konstr.)  zu 
gut  I  A  2  d  a  und  III  A  3  c  bzw.  VII  C  3  a  y  vom  besser- 
werden des  gesundheitlichen  zustandes,  vgl.  es  hed  mer  frei 
geguetet  'mein  befinden  hat  sich  bedeutend  gebessert' 
ToBLEE  appenzell.  245*;  guten  'besser  werden  im  physischen 
sowohl  als  moralischen  sinn,  dann  auch  aufhören  oder 
wenigstens  nachlassen  z.  b.  bei  krankheiten,  schmerzen': 
s  chopfweh  hed  mer  gguetet  'meine  kopfschmerzen  haben 
nachgelassen',  es  guetet  mittem  'er  nähert  sich  der  genesung' 
Staldee  i,  503; 

B  het  menge  schade  gutet  übernacht 

J.  P.  Hebel  bei  Schiiid  schwäb.  246; 

mehr  wie  gut  werden  (vgl.  gut  I  A  2  c  e)  im  sinne  'besser 
werden,  helfen',  vgl.  es  guetet  'es  wird  besser;  eine  Un- 
ruhe, bewegung  usw.  läszt  nach'  Staub-Toblee  a.  a.  o. : 
wenn  du  dann  weiszt,  woran  du  bist,  und  es  gutet 
nicht,  so  turnire  dann  einmal  recht  aus  dem  ff  aus,  da- 
mit sie  wissen,  woran  sie  mit  dir  sind  J.  Gotthelf  ges. 
sehr.  2,  151;  wie  gut  sein  (vgl.  gut  I A  l  b):  meine  Vittore 
ist  ihre  beste  freundin  und  es  gutet  ihr,  wenn  sie  bei  ihr 
ist,  mehr  als  alle  doktors,  die  ihr  nicht  helfen  können 
Aueebach  neues  leben  (1871)  l,  126;  etwas  anders  zu  gut 
I  A  1  c  hin:  es  guetet  nüd,  bis  ich  mit  der  ruete  chummel 
(drohung  an  die  kinder)  Staub-Toblee  o.  o.  o. 

^GUTEN,  vb.,  ableitung  von  gut,  n.,  B  l ;  'mit  gut,  besitz, 
habe  ausstatten',  vgl.  anord.  goeda  'beschenken'  Möbius  147, 
a^5.gödianBoswoBTH-ToLLEB483,  Grein  sprachsch.  1,521; 
im  dtschen  scheint  aber,  aus  der  umlautlosigkeit  zu  schlieszen, 
jüngere  bildung  vorzuliegen,  vgl.  guten,  erbmachen  trans- 
scribere,  transferre,  tradere  alicui  hcereditatem  Henisch 
1785: 


1413 


GÜTEN 


GÜTEN 


1414 


quam  buschof  Coinrait  in  de  stat 
unde  dede  de  richsten  anemoiden, 
hei  wolde  si  erven  unde  goiden 
GOTFRiD  Hagen  reimchron.  1191  in:  städteehron.  12,  55; 

als  festes  partizlp  gegutet  'besitz  habend,  begiUert\  vgl. 
gegutet,  geerbt  possessor  /actus,  investitus  in  bona  He- 
NISCH  1785;  wol  gegut,  reich  von  erbschafEt  praediatus 
ebda;  wer  in  der  mark  gegutet  ist  und  eigen  rauch  hat  bei 
J.  Gkimm  rechtsalt ertümer*  2,  21 ;  wohl  analogisch  mii  Um- 
laut bedacht:  guten,  begüten  sive  begüteren  ditare  opes 
alicui  conjerre,  augere  bonis  Stielek  stammb.  (1691)  718. 
GÜTEN,  vb.,  ableitung  von  gut,  adj.  {vereinzelter  von 
gute,  /.)  nach  der  l.  schw.  verbalklasse;  nach  giguaten  Ot- 
FEID  I  3,  13  wohl  bereits  aM.  gebildet;  mhd.  und  im  älteren 
nhd.  gebräuchlich,  noch  vereinzelt  mundartlich  bezeugt,  vgl, 
awcÄ  guten  bonißer,  accomoderd  Vamiable  Schaffer  iiscÄ.- 
Jrz.  wb.  1,  783 ;  poetische  neubildung  zu  gut  I  A  1  im  sinne 
'nützen,  frommen' : 

das  ist  gut,  doch  hat  mirs  nicht  gegutet, 

weil  ich  ach  mich  nicht  gehütet 

vor  dem  mund,  der  neu  das  körn  beblüthet 

RÜCKERT  w.  2,  262. 

1)  frans,  gebrauch  'gid  machen^  zu  verschiedenen  bedeu- 
tungen  von  gut,  adj.,  s.  auch  Schweiz,  güteren  Staub- 
ToBLEPv  2,  556;  entsprechend  gut  I  A  2  c  £  mit  arUehnung 
an  gut  V  B  5 : 

hänt  min  munt,  min  sin  biz  har 

gehender  missehüetet, 

daz  Wirt  von  mir  gegüetet 

Iteinfrid  von  Braunschweig  12830  B.; 
ähnlich: 

Moabes  grosse  hochvart 
des  tages  wart  gegüetet, 
genideret,  gedemüetet, 
gedruclset  unde  hin  geleit 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  17784  Ehr.; 
nu  laszt  darvon!  man  sol  das  dink  guten 
und  sol  sich  vor  groszen  trunken  hüten 

fastnachissp.  855  K.; 

anders,  zu  gut  I  A  2  c  e  ^/?  oder  wie  *guten  zu  gut,  n.,  B  1 
im  sinne  'entschädigen,  belohnen': 

. . .  der  der  6ren  unde  min 

wirdecllchen  hüetet, 

ob  den  sin  sorge  gfletet 

mit  tröst,  daz  ist  ein  billich  dinc 

lieinfrid  v.  Braunschweig  8714  B.; 

zu  gut  II  A  1  'wertvoll  machen,  bereichern,  steigern' : 

wie  süezet  ez  den  herzen 
der  süezen  minne  smerzen! 
wie  güetet  ez  der  guoten  guot, 
der  höchgemuoten  höhen  muot 

Rudolf  v.  Ems  Alexander  Zlb\  Junk; 

zu  gut  III  A  6  'erfreulich  machen' : 

wibes  güete  ist  lieber  vröude  ursprink, 
wip  kan  herze  luter  machen, 
wip  kan  truren  s wachen: 
wibes  güete  güetet  elliu  dink 

minnesinger  1,  361 »  v.  d.  Hagen; 

ZU  gut  IV  A  1  b  'gewogen  machen' : 

{wenn  die  minne  aus  dem  lande  vertrieben  ist,) 

wer  sol  danne  wibes  muot  gegen  minne  gueten      2,  263". 

2)  zu  gut  IV  A  2  c  bzw.  IV  B  oder  igüte  3  gebildet 
trans.  im  sinne  'versöhnen,  beschwichtigen',  auch  'begü- 
tigen, zum  einvernehmen  raten';  feste  Verbindung  ist  den 
zorn  guten: 

lä,  senften  unde  güeten 
dln  angest  unde  dinen  zorn 

Konrad  v.  Würzburg  Trojaneririeg  17166; 
des  erman  ich  dich,  frow  (Maria)  an  diss  laid 
und  durch  din  grosz  erbarmhertzkaid, 
das  du  gen  mir  gütist 
gottes  zorn  und  mich  behfitist 
KONEAD  v.  Helmsdorf  sp.  d.  menschl.  heils  4355  Lindqvist; 
mit  des  kochs  antwort  wunderhch 
wurd  dem  ritter  sein  zorn  gegüt 

H.  Sachs  9,  477  K.; 
absolut: 

zu  allen  dingen  Ist  sie  {die  bescheidenJieit)  gut 
und  senflftet  und  güdet, 
vll  schaden  sie  behüdet 
,  mhd.  minnered.  1,  89  Matthäi; 

Ist  iu  liep  daz  güeten, 
86  hat  ein  ende  dirre  strlt 
Ulrich  v.  TOrheim  Willehalm  242'  nach  Lbxee  1, 1111; 


da  hilfft  kein  bitten,  kein  sönen,  kein  guten  S.  Abto- 
MEDES  Christi,  auszlegung  (lüOy)  l,  785;  hei  persönlichem 
Objekt  mit  an: 

das  er  sich  meint  zu  hüten, 
wol  an  der  bauren  schar, 
und  wenn  sie  werden  wüten, 
BD  hülflt  an  ihn  kein  guten 

Ambraser  liederb.  153,  164; 
wie  hat  der  herr  getobt  und  gewüt, 
wie  lang  hab  ich  an  ihm  gegüt 

J.  Ayrer  dram.  4,  2688  K.; 
je  mehr  man  an  den  gselln  thut  gutten 
je  grausamer  mit  werten  wöten 

Eyerino  prov.  (1601)  3,  166; 

mit  sächlichem  akhusativobjekt  'eine  sache  gütlich  beilegen,': 

ach  lieber  nachtpaur,  redt  darzu, 
das  man  die  sach  doch  guten  thu 

H.  Sachs  9,  56  K.; 

aber  durch  den  heiligen  geist  wirt  alles  versönet,  gütet, 
angenummen  S.  Fbanck  chron.,  zeytbuch  (1531)  3^;  vgl. 
mundartlich  {Würzburg)  guten  'zur  gute,  zum  vergleich 
rathen'  Schmeller-Fb.  l,  965,  ebenso  Reinwald  henne- 
berg.  2,  156;  etwas  anders  'nachsichtig  beurteilen':  gotes 
freiend  .  .  .  gütent  und  entschuldigent  ain  iglichs  ding 
nach  irem  vermügen  {handschr.  beleg  a.  d.  16.  jh.). 

3)  zu  gut  IV  A  1  b  M.  c  gebildet  intrans.  von  personen 
'sich  als  huldreich,  gütig,  freundlich  erweisen';  mit  ein- 
schlag  von  gut  V  A  1  e  {vgl.  au^h  gute  2  c): 

werden  vrouwen 

stat  wol  daz  si  güetlich  gueten 

minnennger  2,  58''  v.  d.  Hagen; 

wol  ir,  daz  sie  mir  so  güetlich  güetet, 
d&  von  min  muot  höe  stät 
Ulrich  v.  Lichtenstein  frauendienst  39,  35  Bechst.; 

ob  gleich  ein  zoren  ich  anfach, 
so  gütet  sie  und  gibt  mir  nach 

H.  Sachs  1,  448  K.; 

wie  gut  sein  'zugetan  sein'  {vgl.  gut  IV  A  1  haaa): 

got  ist  Ir  (der  seele)  vater,  brüder,  wlrt, 
der  aller  gebresten  gar  verbirt, 
der  aller  güeti  güetet 

der  tcelden  hört  1469  Adrian; 
zu  gut  V  A  2 : 

{die)  got  in  den  selben  menschen 
gloubint  unde  anebetent 
mit  dem  herzen  innicliche  guetent 
D.  ARME  Haetmann  rede  vom  glauben  594  bei  Maszmann  ged. 
d.  12.  jhs.; 

woM  unmittelbar  aus  gute  2  c  abgeleitet  'mit  gute  versehen 
sein,  voller  gute  sein' : 

got  ist  so  wol  gegüetet, 
daz  er  darumbe  niht  wüetet, 
daz  ich  an  slner  milte  spur 

Hugo  v.  Langenstein  Martina  11,  75  K. 

4)  reflexiver  gebrauch  verteilt  sich  gleichfalls  auf  ver- 
schiedene bedeidungen. 

a)  mit  persönlichem  Subjekt;  hierzu  stellt  sich  ahd.  gi- 
guoten,  im  anschlusz  an  gut  III  A  4  als  'sich  angenehm, 
beliebt  machen': 

sih  Abraham  giguatta      joh  druhtlne  ouh  giliubta 
wanta  er  was  giborsam  Otfrid  13, 13; 

hete  sih  in  sinin  tagin 
din  vater  gote  geg&tit, 
genidert,  gedemütit, 
so  were  im  bas  in  sinir  zit 
geschehin  . . . 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  28097  Ehr.; 

anders,  nach  gut  III  Aid  hin,  'sich  ergötzen,  Wohlgefallen 
haben' : 

die  grifen  wonent  ouch  da, 

die  der  gimmen  hüten, 

nicht  daz  sie  sich  guten 

an  der  gute  des  steines 

Heinrich  v.  Hbsler  ApoJcal.  21648  B.; 

gelegentlich  zu  gut  IV  A  1  im  sinne  'sich  als  freundlich, 
gütig  erweisen': 

haete  sich  unser  herre  got 

.  .  .  niht  so  gedemüetet 

unde  also  sere  gegüetet, 

daz  er  durch  sine  güete 

. . .  des  knehtes  bilde  nseme  an  sich 

Rudolf  v.  Ems  Barlaam  323,  35  Pfeiffer; 

89* 


1415 


GUTENACHT-GUTENTAG 


GUTENTAG-GÜTERBESCHAUER   1416 


owe,  grundloses  gut,  wie  hastu  dich  nu  so  suzeklich  in  mir 
gegutet  Setjse  dtsche  sehr.  202  Bihlm. ;  öfter  zu  gut  V  A  1 
als  'sich  gut  machen''  d.  h,  'eich  in  ethischer  hinsieht  bessern, 
rechischaffen  werden^ : 

oder  ob  si  sint  ark  gewesen, 

daz  sie  sich  wider  gueten 

und  sich  dan  sider  hucten 

HElNiilCH  V.  Heslee  Apokcd.  11499  S.; 

tseten  si  sich  davor  hüten 

und  sich  in  all  sach  guten 

und  guot  bild  trügind  vor 

d.  teufeis  netz  5539  Bar.; 
etwas  anders  'sich  als  fromm  zeigen'' : 
{der  getaufte  heide) 

. . .  let  sich  noter  rouben 

sines  cristenen  gelouben 

dan  der  dar  an  gewachsen  ist 

und  der  sich  guten  wil  mit  list 

an  den  geberden  buzen 

Heinrich  v.  Hesler  Apokal.  6504  E. 

b)  mit  sachlichem  subjelct  'gut  werden^ ;  zu  gut  I  A  5  b 
'sich  als  zuverlässig  beweisen,  bewähren' : 
Ir  trutgebaren  stset 
kund  sich  gsen  im  gilten, 
daz  in  von  unmiiten 
dick  uz  sorgen  lost 
Johann  v.  Würzbüeo  Wüh.  v.  Österreich  16172  R.; 

zu  gut  II  A  4,  5  im  sinne  'sich  zur  Vollkommenheit  toenden, 
vollkommen  werden':  ich  {die  ewige  Weisheit)  bin  daz  ewig 
gut,  ane  daz  gut  nieman  nüt  gutes  hat ;  und  dar  umb,  so 
ich  mich  ...  als  gütlich  und  als  minneklich  entgüsse,  so 
gutet  sich  alles  daz,  da  ich  hine  kume  Seuse  dtsche  sehr.  233 
Bihlm.;  anders,  an  gute  2  c  angeschlossen  'sich  als  gute 
erweisen  :  gn  ^er  guoten  güete 

sich  so  güetet  unde  meret  alle  tage 
U.  V.  SlNGENBERQ  in:  minnesinger  1,  292»  v.  d.  Hagen. 

—  gutenacht,  /.,  zusammenrüclcung  entsprechend  gut 
III  A  3  d,  der  gutenachtgrusz,  vgl.  lux.  ma.  157:  abgesehen 
davon,  dasz  er  unzählige  male  schmollend  zu  bett  ge- 
gangen war,  ohne  gutenacht  zu  sagen  G.  Kelleb  ges.  w. 
4,  23;  danach  so  gaben  sie  einander  küssend  gutenacht 
und  ging  er  .  .  .  auf  seine  kammer  Mörike  w.  6,  186 
Krausz.  —  gutenachtgrusz,  m.:  dem  Weisz  hab  ich 
gestern  meinen  gutenachtgrusz  .  .  .  vorgestammelt  Bet- 
tine d.  Oünderode  2,  145.  —  gutenachtkusz,  m.:  wie 
sie  .  .  .  nach  fröhlichem  gutenachtkusz  gleich  wieder  in  die 
küche  eilte  Stobm  s.  w.  7,  72;  na,  jiebste  papan  keen  gute- 
nachtkusz? G.  Hauptmann  iiöerjaeZz  (1893)  20.  —  gute- 
nachtpatsch,  m.,  handschlag  beim  gutenachtsagen,  vgl. 
Fischer  schwäb.  3,  968,  Martin-Lienhart  2,  122.  — 
gutenachtsagen,  n.:  wir  trennten  uns  .  .  .  wie  beim  ge- 
wöhnlichen gutenachtsagen  R.  Waoner  ges.  sehr.  u.  dicht. 
8,  193.  —  gutenbeere,  /.,  name  der  einbeere  (paris 
quadrifolia)  Nemnich  wb.  d.  naturgeseh.  216,  vgl.  die  guten 
beere  {Zillertal)  Pritzel-Jessen  265,  s.  auch  gutblatter- 
kraut.  —  gutenjahr,  n.,  geschenk  zum  neuen  jähr,  vgl. 
gut  III  A  3  b  (ap.  1272):  ich  ...  übergab  meine  Sinn- 
lichkeit dem  t{eufel)  und  seiner  groszmutter  zum  guten- 
jahr U.  Bräkbr  s.  sehr.  1,  262.  —  gutenmorgen,  m., 
morgengrusz:  es  war  vor  seinen  obren  unmöglich,  dasz 
man  nicht  fein  war,  und  aus  eurem  gutenmorgen  drehte 
er  ein  bonmot  Jean  Patjl  7/10,  291  Hempel.  ■—  ^guten- 
tag,  m.,  scherzliaft  für  eine  person,  die  viele  besuche  macht 
bruder  gutentag :  aus  dieser  mittheilung  ersah  man,  dasz 
Armgart  in  der  ganzen  gegend  zu  hospitiren  pflegte  und 
überall  den  bruder  gutentg^g  machte  Gutzkow  zaub.  v. 
Rom  5,  100.  —  ^gutentag,  m.,  in  älterer  spräche  etwas 
häufiger  gutemtag;  seit  dem  ende  des  13.  jhs.  als  name  des 
'montag'  bezeugt,  besonders  schwäb.  als  kuomtag,  kwumtig, 
guamtag,  guamtag  usw.  bis  ins  19.  jh.  noch  mundartlich 
gebraucht,  sonst  nur  noch  im  nordösil.  Schweiz.,  vgl.  Fi- 
scher schwäb.  3,  961-63,  Stalder  1,  490,  ToBLER  Appen- 
zell. 248;  eis.  noch  bei  Geiler  v.  Keisersberg,  «.Schmidt 
eis.  141;  die  frühere  deutung  von  gutentag,  gutemtag  als 
Wodanstag  wie  nd.  Gudenstag  für  den  'mittwoeh'  ist  von 
H.  Fischer  württembg.  vierteljahrsh.  n.  f.  9,  164  und 
schwäb.  wb.  a.  a.  o.  endgültig  widerlegt  worden;  irrig  für 
'mittwoeh'  bei  Birlinoer  schwäb. -augsb.  208^,  Schmid 
■schwäb.  246  (a.  o.  sp.  1264).    ungeklärt  ist,  ob  gutentag. 


gutemtag  atta  erstarrter  formel  an  dem  guten,  gutem 
tag  {s.  Grotefend  zeitrechn.  79/.)  entstanden  ist  oder  aus 
einer  Verschmelzung  von  gut  mit  montag,  s.  gut  II A  2  d  /S 
{sp.  1263);  auffällig  bleibt,  dasz  guter  montag  erst  er- 
heblich jünger  bezeugt  scheint  als  guter  tag,  was  die  erst- 
genannte ableitung  wahrscheinlicher  macht,  ohne  sie  doch 
zu  erklären;  reiche  urkundl.  und  chronikal.  belege  bei  Fi- 
scher schwäb.  a.  a.  0.,  dazu  vgl.  noch:  geschriben  in  gro- 
ser yl  am  gutentag  nach  dem  fierden  sunnentag  des  ad- 
ventz  {v.  j.  1483)  bei  Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalt.  2, 
87;  uff  gutemtag  nach  sant  Niclaus  tag  Nürnberger  urk. 
V.  j.  1444  in:  städtechron.  10,  163  anm.  4.  —  gutentag- 
stock,  m.,  mundartlieh  im  nd.für  'spazier stock',  vgl.  Fbe- 
DERKiNO  Hahlen  13,  Flemes  Kaienberg  94  naehtr.  2, 
Woeste-Nörr.  87I',Danneil  68a. —  gutenteils, ac?j;.,zw- 
sammenrüchmg  entsprechend  gut  VI  A  2  b  a ;  im  sinne  'zu 
einem  groszen  teil' :  die  tugend  samt  ihren  töchtern  {sind) 
gutenteihls  ins  elend  verjaget  Schottel  friedenssieg  53 
ndr.;  seine  redlichkeit  betreffend,  mögen  ihm  die  leuthe 
auch  gutentheils,  vielleicht  ganz,  fälschlich  beschuldigt 
haben  U.  Bräker  s.  sehr.  2,  106;  wenigstens  wird  erzählt, 
dasz  .  .  .  Sinigaglia  erobert  und  gutentheils  zerstört  wor- 
den sey  Raumer  gesch.  d.  Hohenst.  4,  489;  'zumeist' :  ein 
mischmasch  gemeiner,  unreifer  und  gutentheils  gestohlner 
gedanken  Liscow  sat.  u.  ernsth.  sehr.  (1739)  vorr.  6;  'haupt- 
sächlich' :  Thiers  verdankte  seine  lauf  bahn  gutentheils  den 
Zeitungen  Treitschke  dtsche  gesch.  5,  109. 

GÜTERABTRETUNG,/.,  römisch-rechtlicher  terminns 
{lat.  cessio  bonorum),  übergäbe  des  eigentums  {vgl.  gut,  n., 
B  1)  an  die  gläubiger  beim  konkurs;  im  allgemeinen:  dient 
er  {d.  Stab)  wiederum  zum  zeichen  der  güterabtretung 
J.  Grimm  rechtsalter th.*  1,  184;  wenn  über  das  vermögen 
des  Schuldners  der  konkurs  eröffnet  oder  der  Schuldner 
zur  güterabtretung  zugelassen  worden  ist  Wechselordnung 
art.  2,  abs.  4;  als  'Übereignung  von  landbesitz'  {vgl.  gut,  n., 
B  3):  agenten  .  .  .  treiben  .  .  .  unbarmherzig  zur  güter- 
abtretung J.  Gotthelf  ges.  sehr.  10,  134.  —  guterach- 
ten, n.,  was  gutachten,  n.;  wie  gutachten  l  b:  da  sol  der 
oberst  und  alle  seine  kriegszverständigen  zu  raht  erfor- 
dert und  dem  guterachten  angehöret  werden  Frons- 
perger kriegsb.  (1596)  3,  117 ^i;  wie  gutachten  2  a:  die 
herren  {haben)  . . .  unser  wohlmeinendes  bedenckon  und 
gutterachten  begehret  und  gesucht  acta  publ.  l,  68 
Palm.  —  güteranschlag,  m.,  zu  gut,  n.,  B3,  vgl.gütev- 
anschlag  cestimatio  bonorum  Stieler  stammb.  (1691)  1819: 
ein  solcher  güteranschlag  nun  ist  eine  Schätzung  über  ein 
gut  mit  seiner  zubehörung, .  .  .  um  dadurch  den  werth  des- 
selben zu  determiniren  Zincke  öcon.  lex.  (1744)  117; 
gütheranschlag  in  gebürgsgegenden  allg.  dtsche  bibl.  anh. 
53-86,  654.  —  güterarbeit, /.,  arbeit  auf  dem  ländlichen 
besitztum,  vgl.  güeterarbeit  Staub-Tobler  l,  423:  wir 
hatten  ein  recht  gutes  jähr  und  konnten  neben  unserer 
güterarbeit  noch  eine  ziemliche  zeit  fürs  salpetersieden 
entübrigen  U.  Bräker  s.  sehr.  (1789)  1,  53. 

GÜTERBAHNHOF,  m.,  bahnhof  für  den  frachtverkehr 
der  eisenbahn  {vgl.  gut,  n..  Big  a) :  es  entstehen  so 
Personenbahnhöfe,  guter-  und  rangierbahnhöfe  v.  Alten 
1,  774;  aus  den  vorderfenstern  schaut  ihr  auf  den 
güterbahnhof  der  Potsdamer  bahn  H.  Seidel  Leberecht 
Hühnchen  (1899)  315.  —  guter  ballen,  m.,  aus  fracht- 
gütern  in  form  eines  ballens  zusammengepackte  last: 
und  sein  folgenden  tag  darnach  Thomassen,  ...  so 
damals  für  der  reichesten  einen  allhir  gehalten  worden, 
sechsz  güterballen  mit  Venedischen  wahren  von  et- 
lichen edelleuthen  genommen  worden  W.  Hartman- 
Nus  Augsb.  chron.  (1593)  207;  ein  reicher  kauf  mann 
liesz  einen  geldsack,  unter  vilen  gutem  in  einen 
güterballen  mit  einpacken  Qu.  Kuhlmann  lehrhoff  {1672) 
519;  die  armen  thiere  stürzten  nicht  selten  mit 
ihren  güterballen  in  die  tiefen  Ritter  erdk.  8,  145.  — 
güterbeschauer,  m.,  im  18  jh.  gebräuchlich,  'eine  ver- 
eidigte person,  welche  die  guter,  d.  i.  waaren  beschauet', 
visiteur  Schrader  dtsch.-frz.  l,  586,  vgl.  gütherbeschauer« 
explorator  mereium  tributariarium  Haym  jur.  lex.  (1738) 
279:  desto  glänzender  ist  aber  auch  der  rühm  eines  für- 


1417    GÜTERBESITZ -GÜTERFÜLLE 


GÜTERGEFAHR-  GÜTERLOS 


1418 


sten,  dessen  allgütiger  wiUe  sich  beeifert,  der  oft  gemis- 
brauchten  gewalt  gieriger  Zöllner,  und  ihres  gefolges,  der 
giiterbescbauer,  ausreuter,  contrebandirer  etc.  etc.  grän- 
zen  zu  setzen  W.  C.  Weckheblin  d.  graue  ungeheuer 
(1784)1,91;  er  verkaufte  sein  haus  an  einen  güter- 
beschauer,  einen  mann,  dem  die  ehrlichkeit  von  amts- 
■wegen  zur  anderen  natur  geworden  war  J.  Ch.  Gret- 
SCHEL  sat.  blätter  (1798)  113.  —  güterbesitz,  m.,  besitz 
an  eigentum  überhaupt  {vgl.  gut,  n.,  B  l):  dies  {streben)  hat 
einen  güterbesitz  geschaffen,  der  sich  jetzt  so  weit  über 
tausende  erstreckt  als  vormals  über  zehne  E.  M.  Akxdt 
sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Dtschen  3,  200;  nicht  blosz  gewinn  und 
güterbesitz,  auch  erfolg  und  schaffensgenusz  lohnen  die 
arbeit  W.  H.  Riehl  d.  dtsche  arbeit  234;  im  engeren  sinne 
'besitz  an  grundeiqentum'' {vgl.  gut,  n.,  B3):  nun  ist  aller- 
dings der  Wohlstand  besser  und  sicherer,  der  sich  auf 
den  ackerbau  und  den  güterbesitz  gründet  Görees  ges. 
sehr.  2,  160;  der  clerus  aber  war  reich  durch  die  einkünfte 
von  dem  groszen,  in  ganz  Italien  zerstreuten  güterbesitz 
des  heiligen  Petrus  v.  Döllinger  akad.  vortr.  1,  62.  — 
güterbesitzer,  m.,  besitzer  eines  grundstücks,  besonders 
gröszerer  ländlicher  grundbesitzungen,  vgl.  gutsbesitzer; 
in  heutiger  spräche  ungebräuchlich:  der  ort  .  .  .  wird  von 
güterbesitzern  bewohnt  Göthe  III  2,  136  W.;  diese  {be- 
dürfnisse)  wurden  meist  unmittelbar  von  leibeigenen  be- 
sorgt, die  dem  freien  güterbesitzer  auf  dem  lande,  zum 
theil  auch  in  Städten,  dienstbar  waren  Lichtenberg 
verm.  sehr.  6,  409;  etwas  anders  'besitzer  von  Weingütern' : 
bei  vielen  güterbesitzern  nimmt  übrigens  die  ansieht  über- 
hand, der  wein  des  Etschlandes  entspreche  noch  nicht 
dem  trefflichen  geschmack  der  trauben  Steub  drei  sommer 
in  Tirol  2,  235;  vereinzelt  allgemeiner  im  gegensatz  zu  dem 
armen  'wohlhabender^  kadis  der  städte  .  .  .  sind  die  güter- 
besitzer und  vornehmen  Ritter  erdk.  1,  1000.  —  güter- 
besi  tzung,/.,  besitz  an  eigentum  überhaupt:  alle  ungleiche 
güterbesitzung  ist  allda  aufgehoben  E.  Feancisci  wol  d. 
ewigkeit  (1717)1098;  enger  'besitz  an  grundeigentum' :  aus 
liebe  zu  eurem  vater  will  ich  euch  in  .  .  .  euren  .  .  .  güter- 
besitzungen  ungekränkt  lassen  Platen  w.  3,  154  Hempel. 
—  güterbestäter,  m.,  auch  guter bestätter,  güterbe- 
statter,  güterbestätterer,  güterbestätiger,  im  älteren  obd. 
'Verfrachter  von  versandgütern,  frachtmakler\  vgl.  güter- 
bestätter  speditore,  condottiere  de'  colli  mercantili  ICbameb 
t.-ital.  2,  914C,  Unger-Khull  313»,  Fischer  schwäb.  3, 
963:  am  besten  wäre  es,  dasz  ein  jede  handelsstadt  ihre 
gewisse  güterbestätters  hielte,  welche  die  fuhrleute  von 
langer  hand  her  kennten  Marperger  kaufmannsmagazin 
(1708)494;  da  der  hiesige  güterbestätter  den  fuhrmann 
kent  FRAir  rat  Göthb  in:  sehr.  d.  Oöthegesellsch.  4,  118; 
die  tätigkeit  der  frachtmakler,  güterbestätter  {ist)  nicht 
den  normen  des  Speditionsrechts  .  .  .  unterworfen  hdwb. 
d.  staatswiss.  6,  881 ;  als  güterbestätterer  für  den  'Spedi- 
teur' z.  b.  noch  in  Nürnberg  gebräuchlich;  so  sind  vor 
diesem  gericht  sowohl  .  .  .  mäckler,  gütherbestätiger, 
handelsdiener  {anzutreffen)  Haym  jur.  lex.  (1738)  297;  ein 
gleiches  {konzessionsnachsuchung)  galt  von  .  .  .  güter- 
bestätigern,  , . .  Wägern  . . .,  messern  hdwb.  d.  staatswiss. 
4,  413.  —  güterbestattung,  /.,  das  gewerbe  des  güter- 
bestäters  {s.  dort),  vgl.  güterbestattung  speditione  de  colli 
di  mercantie  Kramer  t.-ital.  2,  915*. 

GUTERBSE,/.,  zu  gut  III  A  l  a,  erbse  mit  eszbaren  hül- 
sen {Zürich)  Staub-Tobler  l,  430,  vgl.  guterbskiefel  {pi- 
sum  sativum)  Peitzel- Jessen  290  {für  Bern). 

GÜTERFÜLLE,  /.,  fülle  an  grundbesitz:  der  scharf- 
sinnige mann  verschwieg,  dasz  die  beiden  privilegierten 
stände  reichlich  die  hälfte  alles  französischen  grundeigen- 
thums  besaszen;  denn  er  hätte  sonst  .  .  .  die  herausgäbe 
dieser  güterfüUe  fordern  müssen  Dahlmann  gesch.  d.  frz. 
revolut.  167;  allgemeiner  'fülle  von  waren" : 

gerne  gönnen  -nir  die  schnellste  reise, 
gern  die  hohe  fahrt  dir;  güterfülle 
wartet  drüben  in  den  weiten  deiner 

GÖTHB  2,  72  W.; 
'fülle  an  besitztümern' : 

der  güterfülle  mäsziges  genügen 

Cl.  Brentano  ges.  sehr.  6, 120. 


GÜTERGEFAHR,  /.,  parallelbildtmg  zu  lebensgefahr, 
'gefahr,  die  besitztümer  zu  verlieren' :  werdet  demnach  mit 
uns  beiden  zustimmen  und  um  Verhütung  guter-  und 
lebensgefahr  ihm  das  mensch  folgen  lassen  Bitchholtz 
Herkules  (1666)  1,  460;  {die)  pest  .  .  .,  so  er  mit  ziemlicher 
lebens-  und  gütergefahr  zum  andernma]  daselbst  aus- 
gestanden schles.  Robinson  (1713)  1,  173.  —  güterge- 
meinschaft,  /.,  gemeinschaftliches  und  gleiches  eigen- 
tumsrecht  an  besitztümern;  noch  bei  Adelung  fehlend. 
1)  allgemein:  von  seinen  jungem  und  ,der  ersten  güter- 
gemeinschaft  Herder  10,  276  S.;  es  gibt  keine  familie,  da- 
her auch  kein  Privateigentum,  sondern  gütergemeinschaft 
Schopenhauer  w.  2,  738  Gr.;  und  dasz  er(PZo<o) . . .  das 
geständnis  macht,  gütergemeinschaft  sei  nur  bei  göttem 
und  göttersöhnen  möglich  W.  Wejoand  d.  rote  flut  (1935) 
185;  auf  den  gemeinsamen  besitz  geistiger  werte  übertragen: 
da  wir  geistige  gütergemeinschaft  mit  allen  Völkern  haben 
A.v.  Arnim  trösteinsamk.  28  Pfaff;  beide  lebten  überhaupt 
in  einer  gütergemeinschaft  des  körpers  und  geistes,  die 
wenige  fassen  Jean  Paul  ii/i4,  65  Hempel.  2)  im  engeren 
sinne  als  terminus  im  ehelichen  güterrecht;  das  schon  im 
altdeutschen  recht  festgesetzte  gemeinsame  besitzrecht  der 
ehegatten  am  beiderseitigen  vermögen  gegenüber  der  güter- 
trennung:  die  gütergemeinschaft  soll  ein  arcanum  für 
den  .  .  .  hausfrieden  unter  eheleuten  seyn  allg.  dtsche  bibl. 
anh.  25-36,  319;  die  eheliche  gütergemeinschaft  ändere  an 
dem  eigenthum  des  Vermögens  von  dem  einen  oder  dem 
anderen  theile  nichts  K.  L.  v.  Halleb  rest.  d.  staatsunss. 
1,  199;  vollständige  gütergemeinschaft  in  der  ehe  galt 
erst,  als  thätigerer  handelsgeist  geld  oder  zutrauen 
nöthiger  machten  Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  31,  210.  — 
gütergewerb,  m.,  Schweiz.,  'bewirtschaflung  eines 
bauerngutes' :  der  hochmuth  trieb  ihn  bald  an,  dem  vater 
seinen  gütergewerb  nicht  mehr  zu  lassen  Pestalozzi  s.  w. 
4,  143  Btich^nau;  verdinglicht  für  das  ländliche  besitztum 
selbst:  der  alte  Berghansli  hatte  drei  enkel  im  hause  . . ., 
welche  seinen  ziemlich  groszen  gütergewerb  fleiszig  be- 
bauten G.  Keller  nachgel.  sehr.  279.  —  gütergülte,/., 
in  älterer  spräche  ein  auf  ländlichem  besitztum  ruhender 
zins:  daz  der  herren  gute  oder  hübe  beswert  wurden  mit 
gudergulde,  atzunge  oder  unzemliche  dinste  (r.  j.  1400) 
weisth.  6,  88.    vgl.  gülte  3. 

GÜTERHALLE,/.,  halle  für  waren  undfrachtgüter,  vgl. 
güterhaUe  loggia  di  colli  mercantili  Krämer  t.-ital.  1, 
698*,  güterhalle  goods-depot  Mothes  baulex.  2,  486.  — 
guterhand,  adj.,  zusanrimenrückung  aus  guter  hande, 
s.  gut  II  B  1  b  {sp.  1267),  vgl.  goderhande  lüde  proceres 
{nd.  voc.  d.  15.  jhs.)  Diefenbach  gl.  461**;  verkürzt  zu  gut- 
hand :  och  di  guothande  lute  zu  Guttern  weisth.  6,  102.  — 
güterkauf,  m.,  kauf  eines  ländlichen  besitztums:  mit  un- 
serm  güterkauf  bleibts  nach  wie  vor  beym  alten  Kotzebue 
s.  dram.  w.  (1828)  38,  257;  dieser  fremde  könnte  vielleicht 
an  eine  ansiedelung,  an  einen  güterkauf  denken  Gutz- 
kow ritter  v.  geiste  2,  140.  —  güterkäufer,  m.,  im  sinne 
'bodenaufkäufer,  terrainspektdanf :  der  bauer  ist  fleiszig 
von  früh  bis  spät,  alles  gelingt  ihm,  aber  nicht  für  ihn, 
sondern  für  die  güterkäufer  G.  Keller  nachgel.  sehr.  152. 

GÜTERLEHRE,  /.,  die  philosophische  lehre  von  den 
werten  {s.  gut,  n.,  B  2  h  ß  ßß):  es  bleibt  also  dabei,  dasz 
sowohl  eine  güterlehre  als  eine  pflichtenlehre,  als  eine 
tugendlehre  nöthig  ist  Herbart  w.  2,  55  Hartenst.;  die 
volkswirtschaftliche  lehre  von  den  produktionsgütern  {s.  gut, 
ri.,  B 1  g  rcßß) :  rechte  und  Verhältnisse  vom  Standpunkt  der 
volkswirtschaftlichen  güterlehre  E.  Böhm  v.  Bawebk  titel. 
—  guterling,  m.,  name  einer  apfelsorte,  wohl  zu  gut 
III  A  1  a  gebildet:  goderling,  ys  eyn  appel  Diefenbach 
gl.  267"'  (nrf.  1425).  —  guter los,cr<^;'.,  ohne  eigentum,  besitz- 
los: wie  soll  ein  kriegsmann  seine  tapfferkeit  im  streit  be- 
zeugen, der  armseelig  und  güterlosz  ist  persian.  baum- 
garten 24,  anhang  zu  Olearius  verm.  reisebeschr.  (1696); 

80  kan  ein  reicher  mann  hierinnen  gott  nachahmen 
und  wieder  gutes  thun  dem  güterlosen  saamen 

F.  H.  V.  Perlensee  lob  d.  geldsucht  (1709)  743; 

schwerlich  gewährt  dem  güterlosen  ein  ansehnlicher  mann 
seine  tochter  als  ehegemahl  G.  Freytaq  ges.  w.  8,  46.  — 


1419     GÜTERLOTTERIE-GÜTERRECHT 


GÜTERRECHTLICH-GÜTERSTÜCK     1420 


güterlotterie,  /.,  Verlosung  von  grundstücken:  ein 
los  auf  seine  güterlotterie  Gutzkow  ges.  w.  5,  48.  — 
gütermakler,  gütermäkler,  m.,  berufsmäsziger  vermittler 
von  grundstücksgeschäften:  ein  erfahrner  landwirth  und 
gütermakler  namens  Lob  Seligmann  Gutzkow  zaub.  v. 
Born  3, 324;  und  haben  wir  in  den  letzten  drei  Jahrzehnten 
den  adel  in  vielen  deutschen  landen  nicht  in  der  rolle  von 
gütermäklem  und  kaufleuten  gesehen?  E.  M.  Aendt  sehr, 
f.  u.  an  s.  l.  Devischen  2, 113.  —  gutermann,  m.  1)  entstel- 
lung  aus  gundermann,  name  der  pflanze  glechoma  hederacea, 
vgl.  Pritzel- Jessen  166  (für  Ulm).  2)  zusammenrückung 
aus  guter  mann  entsprechend  gut  IV  A  5  a,  vgl.  maletschi- 
ger  ...guterman  leprosus  voc.  theut.  (Nürnberg  1482)  t  i^.  — 
gütermark,/.,  grenze  zwischen  ländlichen  grundstücken: 
daher  erhub  sich  der  gütermarcken  oder  banscheide  hal- 
ben ein  zanck  und  hader  C.  Wurstisen  Pauli  Aemilii 
Aisfor.  (1572)  1,  255.  —  gütermarkt,  m.,  markt  für  grund- 
etücke:  es  war  in  Goldenthal  wie  an  einer  landversteige- 
rung  oder  wie  auf  einem  gütermarkt  H.  Zsohokke  s.  aus- 
gew.  sehr.  14,  296.  —  gütermasse,/.,  l)  menge  anfracht- 
gütern:  erwägt  man  nun  die  Schwierigkeit  des  damaligen 
landtransports  für  gröszere  gütermassen  Nitzsch  dtsche 
Studien  130;  menge  an  gebrauchsgütern:  die  arbeitenden 
'bände'  in  den  fabriken  (konnten)  nur  wenn  die  köpfe  leid- 
lich erleuchtet  waren,  die  gröszte  gütermasse  erzeugen 
Treitschkb  dtsche  gesch,  5,  477;  menge  der  besitztümer: 
mit  der  gütermasse  der  wohlhabenden  (wächst)  allemal 
die  lüsternheit  der  entbehrenden  Herbart  w.  8,  402 
Harienst.  2)  gesamtheit  des  grundvermögens :  die  dom- 
und  collegialstifter  erlangten  allgemein  die  abgesonderte 
Verwaltung  des  zu  ihrem  unterhalte  durch  fundationen 
gewidmeten  oder  vom  bischof  aus  der  allgemeinen  güter- 
masse ausgesetzten  gutes  Eichhorn  dtsche  Staats-  u. 
rechtsgesch.  (1821)2,  434.  —  gutermaszen,  adv.,  zusam- 
tnenrückung  aus  zu  (in)  guter  maszen  entsprechend  gut 
I  A  4  c,  auch  verkürzt  gutermasz,  vgl.  ziemlicher  maszen 
satis,  abunde,  it.  mediocriter,  leviter,  affatim,  dicitur  etiam 
gutermaszen  Stieler  1285:  darauf  haben  die  stennd  des 
reichs,  so  erschinen  sind,  ertzelung  gethan,  aber  gutter- 
masz  auf  vorige  mainung  urk.  z.  gesch.  d.  schwäb.  bundes 
138  lit.  ver.;  von  welchem  allen  gutermasz  hievor  im  end 
desz  4.  büchs  gesagt  ist  Stumpf  Schweizerchron.  (1606) 
5093';  'i^i  richtiger,  schicklicher  weise;  gehörig^  nach  dem 
biszher  gutermaszen  der  betler  und  gartenbrüder  büberey 
und  mutwiUe  beschrieben  worden  A.  Pape  in:  theair.diab. 
(1587)2,  180*>;  wir  zweiffeiten  nicht,  sie  die  stände  oder 
directores  würden  sich  guttermaszen  zu  erinnern  haben 
acta  publ.  2,  14  Palm;  'in  rechter  art,  vollständig^ :  ich  .  .  . 
verstehe  gutermaszen,  was  David  in  den  psalmen  so  oft 
klaget,  dasz  sein  herz  in  ihm  sey  wie  zerschmolzen  wachs 
ScRiVER  seelensch.  (1701)  2,  385;  'rechtmäszigerweise\-  (die) 
jagd,  die  gutermaszen  zu  den  persönlichen  freiheiten  ge- 
hörte Moser  pafr.  pAoni.  2, 202.  —  guter meier,  m.,  'päch- 
ter  eines  landgutes,  lehensmami":  item,  weller  nit  gutgüter- 
mair  ist,  der  vertreibet  sich  selber  (v.  j.  1427)  österr.  weist. 
3,  355;  welcher  nachtbauer  zu  Glurns  kürchenguet  .  . . 
innen  hat  und  güetermair  ist  und  richtigclichen  zünset, 
den  hat  kein  pfahrer  .  . .  nicht  zu  vertreiben  (v.  j.  1643) 
3,  11.  —  gutermut,  m.,  auch  gutenmut,  bezeichnung  für 
die  kindtaufe  (vgl.  gut  III  A  5  a),  wohl  im  sinne  von  'belu- 
stigung\  vgl.  obersächs.  Müller  -  Fraureuth  1,  453  (mit 
hinweis  auf  ober pf alz.),  Brückner  landes-  u.  volkskde  d. 
fürstent.  Reusz  j.  1. 1,  153.  —  gutem,  vb.,  Schweiz,  güteren 
'in  einen  besseren  stand  setzen":  (wasserrunsen)  bessern, 
güteren,  besorgen  und  machen  (v.  1452/1544)  bei  Staub- 
Tobler  2,  556.  —  güterpächter,  güterpachter,  m., 
'pächter  eines  landgutes\  vgl.  gutspächter:  denn  auf  dem 
lande  wohnet  mancher  güterpachter  Stieler  zeitungs- 
lust  (1697)  14;  (er)  rechnete  seinen  güterpächtern  nach 
Becker  weltgesch.  4,  380.  —  güterrecht,  n.,  recht,  das 
von  den  besitztümern  handelt,  namentlich  der  ehegatten:  in 
beziehung  auf  das  güterrecht  der  eheleute  entwickelte 
sich  von  den  Instituten  .  .  .  ein  theil  mehr  durch  die 
gesetzgebung,  ein  theil  mehr  durch  die  theorie  Eichhorn 
dtsche  Staats-  u.  rechtsgesch.  (1823)  4,  506;  wie  steht  es  denn 


hier  im  Kooge  mit  den  ehelichen  güterrechten?  Storm 
s.  w.  7,  205.  —  güterrechtlich,  adj.,  sich  auf  das  güter- 
recht beziehend:  die  ehegatten  können  üire  güterrecht- 
lichen Verhältnisse  durch  vertrag  regeln  bürgerl.  gesetzb. 
§  1432.  —  güterreich,  adj.,  reich  an  besitztümern,  vgl. 
güterreich  pecwMosMS  Stieler  (1691)  1582:  gold-,  geld- und 
güterreich  Venusgärtlein  59  ndr.;  reich  an  gebrauchsgütern 
und  kostbar keiten: 

desz  unge  meszner  ehrgeitz  in  gedanken 
das  giiterreiche  Moskau  schon  verschlingt 

Schiller  in:  sehr.  d.  Oöthegesellsch.  9, 19. 

—  güterreichtum,  m.:  wie  der  dritte  stand  nach  dem 
eigenthum  in  den  beweglichen  güterreichthum  und  den 
grund besitz  .  .  .  sich  theilt  Görres  ges.  sehr.  4,  219;  wir 
verlangen  von  ihr  (der  Statistik)  beispielsweise  .  .  .  kurze 
notizen  über  gemeindevermögen,  güterreichthum  W.  H. 
Riehl  naturgesch.  d.  volkes  l,  18.  —  güterschaden,  m., 
Verlust  von  besitztümern,  vgl.  güterschaden  naufragium 
bonorum  Stieler  (1691)  1704;  bildlich:  weltlust  güter- 
schade  Luther  16,  26  W.  —  güterschaft,  /.,  eine  zu- 
sammengehörende masse  ländlicher  besitztümer:  der  kur- 
fürst  .  .  .  beschränkte  die  ertheilung  derselben  (der  edel- 
Tnännischen  freiheit)  für  kommende  Zeiten  nur  .  ,  .  auf 
benannte  güterschaften  und  rechtsame  H.  Zschokke  s. 
ausgew.  sehr.  34,  32 ;  übrigens  war  die  ganze  güterschaft 
vermuhrt  und  man  hatte  lange  zu  thun,  bis  sie  wieder 
ertragsfähig  wurde  Steub  drei  sommer  in  Tirol  2,  266.  — 
güterschiff,  n.,  schiß  für  frachtgüter,  frachtschiß,  vgl. 
güterschiff  vectoria  navigia  Corvinus /ons  lat.  (1646)  941: 
der  liebe  friede  aber  (ist)  ein  reich  beladenes  güterschiff 
J.  Schmidt  göttl. friedenscoal.  (1641)  267.  —  güterschiff. 
fahrt,  /..•  die  österreichischen  gebirgsseen  dienen  .  .  . 
auch  der  güterschiffahrt  hdwb.  d.  staatswiss.  2,  863.  — 
güterschlächter,  m.,  bezeichnung  für  eine  person,  die, 
wie  ein  schlächter  ein  stück  vieh,  berufsmäszig  land- 
besitzungen  aufkauft  und  in  kleineren  teilen  verhandelt:  eine 
Unzahl  von  Wucherern  und  güterschlächtern  Treitschke 
dtsche  gesch.  5,  630.  —  güterschlächterei,  /.;  die  Ver- 
ödung der  mittleren  höhenlagen  von  Schleswig-Holsteiu, 
...  welche  als  nächste  folge  der  güterschlächterei  nach  1820 
dort  platz  griff  Bernh^irdt  gesch.  d.  waldeigent.  3,  1»^.; 
Benno,  der  ihn  für  seine  güterschlächterei  als  student 
aus  dem  Roland  'geschmissen'  hatte  Gutzkow  zaub.  v. 
Rom  6,  164.  —  güterstein,  m.,  grenzstein  für  ländliche 
besitzungen,  vgl.  güterstein  lapis  angularis  fines  deter- 
minans  Stieler  (1691)  2140:  und  stehen  noch  etlich  ban- 
oder  güterstein  dabei,  welche  in  diser  summa  mit  be. 
griffen  (v.  j.  1603)  bad.  weist.  1,  l,  207;.  güthersteine,  so 
gärten,  äcker,  f eider,  wiesen,  Weinberge  .  .  .  und  andere 
liegende  güther  von  einander  absondern  allgem.  haushaU- 
lex.  (1749)  2,  245i>,  vgl.  Fischer  schwäb.  (belege  d.  18.  jhs.); 
als  geographischer  name: 

beid  fürsten  lieszen  noch  nicht  ab, 
lagerten  sich  zum  Güterstein 

R.  V.  LiLlENCßON  hist.  volksl.  4,  73. 

—  gütersteuer,  /.,  auf  grundbesitz  lastende  Steuer,  vgl. 
da  man  sie  (die  Steuer)  denn  auch  insbesondere  die  güter- 
und vermögensteuer  zu  nennen  pflegt  Chomels  öcon.  lex. 
8,  1648:  das  solchs  (beschweren)  in  landen  und  stetten 
nicht  alleine  keine  vorwustung  noch  vorterb  anrichtet, 
sondern  auch  ungleich  weniger  nachteils  als  die  pfund- 
schosse  oder  gutthersteuren  (v.  j.  1564)  in:  ständeakten 
Joachims  II.  2,  340  Friedensburg;  auszer  dieser  güter- 
steuer hat  man  .  . .  noch  .  .  .  viehsteuer  allg.  dtsche  bibl. 
50,  252;  SO  hat  die  republik  in  kriegszeiten  das  recht,  vom 
festen  lande  eine  gütersteuer  zu  erheben  Fr.  v.  d.  Trenck 
s.  ged.  u.  sehr.  4,  305.  —  güterstrasze,  /.,  chaussee  für 
frachtverkehr:  die  land-  und  gütherstraszen  (v.  j.  1711)  bei 
Fischer  schwäb.  3,  963.  —  güterstück,  :i.,  ein  stück 
grundeigentum,  grundstück;  meist  von  kleinerem  landbesitz: 
die  durch  diese  unter  den  gemeinen  mann  gekommene 
gütherstücke  geschehne  Vermehrung  des  viehs  und  der 
menschen  Merck  in:  br.  an  d.  herz.-mutter  Anna  Amalia 
u.  .  .  .  Karl  August  38;  auf  der  Sachsenhäuser  markung 
kann  man  sich  am  besten  vom  vortheil  der  vertheüten 
güterstücke  unter  viele  überzeugen  K.  J.  Weber  Deutsch- 


1421       GUTERT-GÜTERVERWALTUNG 


GÜTERWAGEN-GÜTEVERSUCH      1422 


land  (1828)  4,  486.  —  gutert,  adj.,  bedeutung  zweifelhaft; 
etwa  zu  gut  II  A  1  und  erde,  im  sinne  'aus  kostbarer 
erde  gemachV,  d.  h.  'aus  ton  bestehend'  {?):  auff  der  taffei 
114  grosze,  mittlere  und  kleine  schüssel,  item  drei  guterte 
fisch  täller  und  6  tutzet  andere  täller  H.  Megisek  annales 
Carinthiae  (1612)1575.  —  gütertausch,  m.,  tausch  von 
landbesitztümern,  vgl.  gütertausch  bonorum  commutatio 
Stielek  (1691)  2265:  grenzstreitigkeiten,  länder-  und  gü- 
tertausche,  .  .  .  sind  der  erinnerung  der  nachweit  nicht 
würdig  ZscHOKKE  s.ausgew.  sehr.  37,  56.  —  gütertei- 
lung,/.,  teilung  von  besitztümern,  vgl.  güterteilung  separa- 
tio bonorum  Stieler (1691)  2268:  bist  du  denn  toU,  dasz  du 
mir  .  .  .  eine  . .  .  gütertheilung  zumuthest?  Wieland  Lu- 
cian  (1788)3,31;  sie  können  sich  nicht  dagegen  ver- 
schiieszen,  dasz  die  erste  gütertheilung  die  hundertste  in- 
volvirt  MoLTKE  ges.  sehr.  7,  76;  spezieller  die  aufteilung  von 
grund  und  boden,  namentlich  unter  die  erbberechtigten:  da- 
bei war  immer  noch  soviel  kulturfähiges  wüdland  übrig 
geblieben,  dasz  für  die  anwachsende  bevölkerung  keine 
güterteilung  notwendig  wurde,  sondern  niu*  anweisungen 
auf  neubruchland  Wimmer  gesch.  d.  dtsch.  bodens  130;  sie 
wollten  daher  keinerlei  beschränkung  des  handels  und 
Verkehrs, . . .  keinen  unveräuszerlichen  und  todten  besitz, 
keine  erschwerung  der  güterteilung  Gervinus  gesch.  d. 
19.  jha.  2,  288.  —  güterumsatz,  m.,  'austausch  von  pro- 
duktionsgütern,  waren':  {es  finden)  die  güterumsätze  aller 
regel  nach  durch  Vermittlung  des  geldes  statt  hdwb.  d. 
staatswiss.  4,  83;  zu  diesen  lehrreichen  berichten  über 
alten  güterumsatz  G.  Freytag  ges.  w.  16,447;  anders 
'Umladung  von  frachtgütern\'  canalhäfen  werden  dort  an- 
gelegt, wo  gröszere  güterumsätze  erfolgen  Karmarsch- 
Heeren  10,  272.  —  güterverkehr,  w.,  Hransport  und 
austausch  von  frachtgütern" ,  namentlich  der  durch  eisen- 
bahnen:  sobald  der  güterverkehr  ein  regelmäsziger  wird 
und  die  entwickelung  .  .  .  der  geldwirtschaft  mehr  und 
mehr  dazu  führt,  dasz  die  guter  .  .  .  für  geld  erworben 
werden  hdwb.  d.  staatswiss.  4,  84;  eine  dem  öffentlichen 
güterverkehre  dienende  eisenbahn  darf  die  Übernahme 
von  gutem  .  .  .  nicht  verweigern  handelsgesetzbuch  §  453; 
in  dieser  Jahreszeit  waren  die  Stationen  der  kleinbahn  wie 
ausgestorben,  weder  vom  passagier-  noch  vom  güterver- 
kehr war  da  viel  zu  merken  W.  V.  Polenz  Qrabenhäger 
2,  71.  —  güterverlust,  m.,  vertust  von  besitztümern: 

über  güterverlust  erlasz  dem  himmel 

deine  klagen  Herder  27,  29  S.; 

güterverlust  läszt  sich  ersetzen  Göthe  41,  1,  20  W.  — 
güterverteilung,/.,  allgemein  'Verteilung  der  gebrauchs- 
guter,  der  besitztütner' :  man  lieset  nichts  von  einer  ordent- 
lichen gütervertheilung  M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Dtschen 
(1778)1,313;  güterverteilung  nach  dem  maszstabe  des 
bedürfnisses  hdwb.  d.  staatswiss.  4,  1343;  spezieller  'Ver- 
teilung des  landbesitzes' :  die  feldwirthschaft  und  güter- 
vertheilung und  die  einzelhöferei  scheint  ziemlich  in  der 
weise  gehalten  ...  zu  seyn,  wie  wir  sie  in  diesen  landen 
heutigen  tages  noch  erblicken  E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an 
s.  l.  Deutschen  4, 106;  jede  familie  war  bei  der  kleinen  gü- 
tervertheilung auf  ihrer  parcelle  mit  der  ernte  in  fröhlich- 
keit  beschäftigt  Ritter  erdk.  4,  700.  —  güterverwal- 
ter,  m.,  'Verwalter  von  besitztümern''  (curator  bonorum), 
besonders  der  im  konkurs  gerichtlich  beauftragte  treuhän- 
der,  Vormund,  vgl.  güterverwalter  manoualdo,  curatore 
KjtAMER  t.-ital.  2,  12453';  häufiger  'Verwalter  eines  larid- 
gutes',  vgl.  güterverwalter  auf  dem  lande  fattore,  gastaldo, 
castellano  di  villa  Kramer  t.-ital.  2,  1245^:  Jelek  hiesz 
er,  ein  bauemsohn,  der,  aufgeweckt  und  tüchtig,  es  bis 
zu  dem  amte  meines  güterverwalters  gebracht  hatte 
M.  v.  Ebner-Eschenbach  d<yrf-  und  schloszgesch.  (1883)  74, 
vgl.  auch  gutsverwalter.  —  güterverwaltung,  /.,  vgl. 
güterverwaltung  fattoria,  manoualderia,  gastaldia  Kra- 
mer t.-ital.  2,  1245*':  (die  Verwaltung  der  forsten)  bildete 
einen,  meist  ziemlich  untergeordneten  zweig  der  allge- 
meinen güterverwaltung  Schwappach  hdb.  d.  forst-  u. 
jagdgesch.  1,  77;  persönlich  gefaszt  für  die  ausübende  In- 
stanz: die  .  .  .  güterverwaltung  nahm  anstand,  die  kosten 
herzuschieszen  allg.  dtsche  bibl.  107,  320. 


GÜTERWAGEN,  m.,  'wagen für frachtgüter\  vgl.güter- 
wagen  vekes  mercibus  onusta  Aler  dict.  (1727)  1,  996''':  die 
nachtwacht  sowol  über  die  geladene  salz-  imd  traid-  als 
andere  güterwägen  {v.j.  1599)  v.  Lori  baier.  bergr.  (17  6i)S69; 
wandersleute,  auch  güterwägen,  so  aus  der  Schlesien  ge- 
reiset L.  Peccenstbin  theatr.  saxon.  (1608)  3,  160;  ich 
(mutzte)  neben  100  dragonem  etliche  kauffleute  und  güter- 
wägen .  .  .  dorthin  convoyim  helffen  Grimmelshausbn 
Simpl.  247  ndr.;  gott  hat  das,  dasz  er  .  .  .  denen  nieder- 
trächtigen herentgegen  seine  gnaden  auff  voUbeladenen 
güterwägen  zuschicket  Gottsched  d.  neueste  4,  710;  die 
breite  der  strasze  bleibt  über  aU  die  nämliche,  zwei  dick- 
bäuchige güterwägen  können  vor  einander  vorbei,  ohne 
weder  sich  selbst  noch  den  fuszgänger  zu  berühren  Mat- 
thisson  ennn.  (1810)  2,  347;  die  alten  güterwägen  und  die 
f uhrleute,  welche  einst  über  die  Brennerstrasze  fuhren  und 
alle  hier  einkehrten,  (werden)  doch  nie  wiederkommen 
Steub  drei  sommer  l,  28;  so  noch  mundartlich  im  obd., 
vgl.  güeterwaga  Tobler  appenzell.  245*,  güeterwägn 
Schöpf  tirol.  220;  auch  gutwagen  Fischer  schwäb. 
3,  963  f.;  in  neuerer  Schriftsprache  nur  für  den  f rächt - 
wagen  der  eisenbahn  gebräuchlich:  wird  die  leiche  in 
einem  ringsumschlossenen  leichenwagen  befördert,  so 
darf  zum  eisenbahntransport  ein  offener  güterwägen  be- 
nutzt werden  Verkehrsordnung  f.  d.  eisenbahnen  Dtschlda 
§  42  abs.  5;  ein  bahnbeamter  rief  . .  .  die  namen  auf,  der 
betreffende  muszte  auf  einen  kleinen  vierrädrigen  güter- 
wägen steigen  H.  Seidel  vorstadtgesch.  204.  —  güter- 
wert, m,,  allgemein  'Preisstand  der  gebrauchsgüter' :  die 
lehre  vom  masze  des  güterwertes  hdwb.  d.  staatsunss.  4,  85; 
spezieller  'verkaufswert  ländlichen  besitzes':  damals  hielt 
auszer  mir  kein  mensch  eine  so  auszerordentliche  er- 
höhung  des  güterwerths  in  diesen  gegenden  für  möglich 
Pestalozzi  s.  sehr.  13,  285.  —  guterz,  n.,  zu  gut  II  Al: 
guterz,  edles  und  reichhaltiges  sUbererz  Mothes  baulex. 
2,  551.  —  güterzille,  /.,  eine  art  frachtkahn  für  fracht- 
güter:  durch  die  fremden  schiff  und  grosze  güterzüllen 
(werden)  die  march  im  wasser  hingeschlagen  (v.  j.  1581) 
v. Lori fcafer.iergrr. (1764)315.  —  güterzins,  m.,auf  einem 
ländlichen  grundstück  liegende  abgäbe:  denen  (personen)  die 
mit  widerkaufflichen  und  gutterzinszen  verhaft  (sind)  bei 
Strenge-Devrient  stadtr.  v.  Eisenach,  Gotha  u.  Walterh. 
274.  —  güterzug,  m.,  aus  güterivagen  bestehender  eisen- 
bahnzug,  lastzug(engl.  goodstrain  of  course,  freight-train): 
der  zug  von  Weiszenfels  ist  ein  güterzug  gewesen  A.  Rüge 
britfw.  2,  86  Nervlich;  allemal  abends  zwischen  dem  güter- 
zug und  dem  Pariser  eilzug  meldete  Jakob  das  neu- 
geborne  beim  pfarrer  an  B.  Auerbach  sehr.  18,  6. 

GUTESBRINGER,  m.,  gelegentliche  bildung;  einer,  der 
angenehmes,  erfreuliches  bringt: 

das  wird  der  frieden  lösen, 
der  gutesbringer  der, 
der  störer  alles  bösen 

Treuer  Dädalus  (1675)  1,  579; 

diese  den  Achaiem  übertragenen  Olympier,  noch  halb 
waldmännische  gutesbringer  und  Übelwender,  walteten 
fort  J.H.Voss  antisymb.  1,192.  —  gütesorte,/.,  zugute 
1  b:  florettseidengespinste  kommen  in  den  handel  ...  in 
verschiedenen  gütesorten  Lfeger  7,  349.  —  gutestun, 
n.,  zusammenrückung  von  gutes  tim  (vgl.  gut  VIII  C  1  a  a), 
vgl.  wohltun: 

ob  er  (gott)  dich  möchte  zwingen 

mit  lieb  und  gutesthun 

Paul  Gerhardt  bei  Fisoher-Tümpel  3,  398»; 

du  hast  mir  den  genusz  im  gutsthun  gegeben  Göthe 
IV  5,  97  W.;  nun  steht  der  philisterhafte  sprach  vom 
gutesthun  darin  Rosegger  sehr.  II  2,  203.  —  gütever- 
hältnis,  /.,  zu  gute  1  b,  technischer  ausdruck  für  'Wir- 
kungsgrad, nutzeffekt',  vgl.  güteverhältnis  einer  maschine 
efficiency  Hoyer-Kreuter  techn.  wb.  l,  320:  die  Selbst- 
hemmung der  last  kann  nur  auf  kosten  des  gütever- 
hältnisses  der  maschine  erreicht  werden  Karmarsch- 
Heeren  4,  271.  —  güteversuch,  m.,  juristischer  ter- 
minus  zu  gute  4  a,  'versuch,  zwischen  den  kontrahenten  eine 
einigung  zustande  zu  bringen',  vgl.  insbesondere  hat  das 


1423 


GÜTEVOLL-GUTFINDEN 


GUTFINDUNG  -  GUTGEBAUT 


1424 


seemannsamt,  vor  welchem  die  abmusterung  erfolgt,  hin- 
sichtlich solcher  Streitigkeiten  eiaen  güteversuch  zu  ver- 
anstalten seemannsordn.  v.  2,  vi.  1902  §  128:  in  der  sache 
Hecker  gegen  hospital  Haina  .  .  .  wurde  .  .  .  ein  decret 
wegen  güteversuchs  erlassen  K.  Bkaun  bilder  4,  126.  — 
gütevoll,  adj.,  zu  gute  3  a,  'voller  freundlichkeit,  giUig\' 
Franz,  fuhr  er  fort,  ist  unser  gütevoller  fürst  A.  G.  Meisz- 
NEE  Bianka  Capello  (1785)464;  wie  gütevoll  und  herab- 
lassend er  gegen  mich  ist  Bettine  d.  Günderode  2,  220; 
der  gütevolle  brief  . . .  hat  mir  . . .  wohlgetan  Schellinq 
in:  sehr.  d.  Oöthegesellsch.  13,  268; 

und  sie  spricht,  zu  straf  und  lohne, 

gütevolles  recht  herab  Bürgek  s.  10.113"  B.; 

bist  du  es  endlich,  Konrad?  fragte  er  weich  und  gütevoU 
H.  Watzlik  d.alp  (1923)84.  —  gutfallkasten,  m., 
technischer  ausdruck  im  salinenwerk:  das  meerwasser 
{wird)  auf  dorngradirwerken  .  .  .  angereichert  und  in  dem 
bassin  des  letzten  falles,  dem  gutfallkasten,  durch  Stein- 
salz . . .  gesättigt  Muspkatt-Stohmann  6,  594.  —  gut- 
f  ärben,  n.,  zu  gut  1  A  2  a,  dauerhaft  färben  im  gegensatz 
zum  schönfärben :  die  französische  regierung  hatte  . . . 
durch  wohl  überdachte  Verordnungen  das  gutfärben  und 
schönfärben  getrennt  Göthb  II  4,  146  W.  —  gutfärber, 
m.,  zum  vorigen  gebildet:  dem  gutfärber  {loar)  ebenso  wohl 
verboten  .  .  .,  vergängliche  materialien  in  der  Werkstatt 
zu  haben,  als  dem  Schönfärber  dauerhafte  ebda.  —  gut- 
f  erger,  gutferker,  m.,  zu  gut, «.,  B  l  g  «  und  ferger  'fracht- 
f uhrmann  bzw.  frachtschiffer^  (s.  teil  3,  1530),  im  älteren 
obd.  bezeugt,  vgl.  ein  gutfergker,  der  kauffmannschatz 
oder  guter,  es  sey  auff  dem  oder  auff  anderen  wassern 
fürt  und  fergket,  eia  factor  exercitor  Feisius  504*, 
Staldee  1,  364:  und  sie  auff  ein  zeit  mit  einander  zu 
einem  gutfercker  von  Luca  sich  verfügeteu  J.  Fuglinus 
de  praest.  daem.  (1586)  270*.  —  gutfertiger,  m.,  zu  gut, 
n..  Big«  und  fertigen  'absenden",  ein  'Verfrachter  von  gu- 
tem, waren",  vgl.  Feisch  t.-lat.  1,  260  {für  Ulm),  Schöpf 
tirol.  221,  Staub-Toblee  1,  1012,  Fisches  schwäb.  3,  964, 
BiRLiNGEE  schwäb. -augsb.  20%^:  mit  hinführung  des  guets 
ist  man  auch  schuldig,  wanns  durch  den  gutfertiger  be- 
gehrt wird,  auf  einmal  mit  zwölf  wägen  zu  fahren  {v.  j. 
1607)  österr.  weist.  4,  257;  zween  gutfertiger  (wagbedien- 
stete)  au^f.  bericht  (1686)  58.  —  gutfeuer,  n.,  zu  gut 
I  A  2  c  y,  feuer,  in  dem  das  porzellan  fertig  gebrannt  wird: 
dann  folgt  {auf  das  vorfeuer)  das  .  .  .  gutfeuer  .  .  .  zum 
garbrennen  Müspeatt-Stohmann  8,  555.  —  gutfinden, 
vb.,  zusammenrückung  von  etw.  gut  finden,  vgl.  gut 
I  As  dyyy  {sp.  1240),  im  sinne  'für  richtig  halten':  an- 
wenden mochte  er  {Paulus)  seine  lehre,  wie  ers  konnte 
und  gutfand  Heedee  19,  209  S.;  besonders  im  pari,  praes. 
'passend,  geziemend':  {es)  wurden  die  gefangenen  räuber 
von  der  behörde  in  der  regel  an  ihre  herren  zu  gutfindender 
bestraf ung  abgegeben  Mommsen  röm.  gesch.  (1874)  2, 79;  sie 
{die  verlobten)  würden  die  eitern  .  .  .  zur  gutfindenden  zeit 
begrüszt  haben  G.  Kellee  ges.  w.  8,  105;  anders  'für  rät- 
lich erachtet':  durch  prokurirte,  denen  sie  die  gutfinden- 
den Instruktionen  geben  kömien  K.  L.  v.  Hallee  rest.  d. 
staatswiss.  (1816)  2,  117. 

GUTFINDEN,  n,,  Substantivierung  des  vorigen,  im 
17.  jh.  aufkommend,  vgl.  gutbefinden,  ».;  als  'das,  was 
geziemend,  räilich,  passend  erscheint':  da  nun  dieses 
christlöbliche  gutfinden  zum  effect  gebracht  ward,  also 
dasz  die  vomemsten  selbst  den  geringeren  mit  ihrem 
exempel  vorgiengen  Th.  Undeeeyck  d.  narr,  atheist 
(1722)  172;  nichts  ist  gefährlicher  als  eigenes  gutfinden 
über  die  allgemeine  stimme  zu  erheben  Fe.  H.  Jacobi  w. 
5,  382;  die  {gedickte)  .  .  .  werden  sie  nach  gutfinden  zum 
theil  oder  alle  aufnehmen  Grambeeg  in:  br.  von  u.  an 
Bürger  3,  171  Str.;  in  ähnlichen  fäUen  richte  dich  nur 
immer  auch  ohne  meine  ausdrückliche  Zustimmung 
nach  deinem  gutfinden  Geabbb  w.  4,  416  Bl.;  im  sinne 
'ermessen' :  termine  soll  der  richter  nach  seinem  gutfinden, 
jedoch  nicht  zu  kurz,  setzen  Che.  Thomasius  ernsth.  ged. 
u.  erinn.  (1720)  2,  140;  eine  Sammlung  solcher  chorgesänge, 
mit  denen  der  prediger  nach  gutfinden  könnte  wechseln 
lassen  Schleibemachee  s.  w.  I  5,  202;  die  wähl  des  straf - 


mittels  {hängt)  von  dem  gutfinden  des  strafberechtigten 
ab  v.  Hallee  restaur.  d.  staatswiss.  (1816)  3,  337;  als  'be- 
lieben': aber  die  leicht  feuerfassende  fackel  des  aufruhrs 
ist  nicht  nach  gutfinden  schnell  und  ganz  zu  löschen 
J.  v.  MÜLLEE  s.  w.  24,  431;  wie  'gutachten' :  darum  ist  er 
entschlossen,  das  guhtfinden  einer  freien  stahtsversam- 
lung  zu  erwarten  Zesen  gekr.  mujestät  (1661)329;  im 
sinne  'entscheidung' :  ich  aber  verstelle  alles  zu  gnädig- 
stem gutfinden  Leibniz  dtsche  sehr.  1,  407;  in  Altona 
.  .  .,  wo  es  gesetzlich  von  dem  gutfinden  der  lutherisch- 
mennonistischen  eitern  abhängt,  welcher  prediger  ihr 
kind  taufen  soll  Claus  Haems  pastoraltheol.  (1834)  2,  170; 
'billigung':  beliebte  ich  mit  gutfinden  der  Antonia  eine 
reise  nach  GaUien  zu  thun  A.  U.  v.  Beaunschweig  Oda- 
via  (1677)  1,  445;  als  'ratschlag':  der  könig  hat  diese  ein- 
ladung,  wider  seiner  mutter  guhtfinden  .  .  .  unangenom- 
men vorbei  gelaszen  Zesen  gekr.  majestät  (1661)  153;  'an- 
Ordnung':  solchem  nach  nam  derselbe  des  hochseligen 
königs  disposition  und  gutfinden  wegen  des  Pfaltzgraf- 
fens  person  allerdings  in  acht  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  2 
(1653)36.  —  gutfindung, /.,  vom  vorigen  abgeleitet  'er- 
messen': die  knechte  {sollten)  in  feindeslanden  aber  ihren 
unterhalt  aus  denen  selben  nach  ihrer  beyderseits  gutfin- 
dung nehmen  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  1  (1648)  197.  — 
gutfink,  m.,  name  des  buchfinks,  vgl.  Megisee  thes.  pol. 
(1603)  372^.  —  gutfisch,  m.,  eine  schmackhafte  {vgl.  gut 
III  A  1  a)  makrelenart  Heinsius  2,  570*.  —  gutf  reitag, 
m.,  karfreitag,  vgl.  gut  II  A  2  d  «  (5^.1263):  gutfridag 
parasceve  Diefenbach  gl.  412*>;  dazu  gutfreitagsgrö- 
schel,  Tl.;  ein  gutfreitagsgröschel  zu  einem  paar  sem- 
mein MusÄus  volksmährchen  d.  Deutschen  l,  46.  —  gut- 
f  reund,  m.,  zusammenrückung  entsprechend  gut  IV  A  3  a 
{sp.  1290/.):  aber,  gutfreund,  du  lernst  auch  gewaltig 
lange  an  deiner  rolle  Foüque  aUsäch.  bildersaal  (1818) 

I,  11;  gutfreund  ist  besser  als  blutsfreund  Rückest  w. 

II,  490.  —  gutfurt,  /.,  'angenehme,  bequeme  fürt'  zum 
landen;  nach  Luthers  Übersetzung  von  apostelgesch.  27,  8 
eine  statte,  die  heiszet  gutfurt:  sich  sehnen  nach  der 
port,  nach  der  gutf urth  und  auszspann,  nach  einem  guten, 
sichern  land  Dannhauee  catechismusmilch  (1657)  7,  122. 

GUTGEARTET,  adj.,  vereinzelt  im  16.  jh.,  gebräuch- 
lich seit  dem  18.  jh.;  aus  der  formel  gute  art  {vgl.  gut 
II  B  1  a,  ep.  1267)  gebildet,  s.  auch  gutartig;  von  der  geisti- 
gen anläge  des  menschen  {vgl.  gut  I  A  2  d) :  da  sich  aller- 
ley  gutgeartete  köpf  .  .  .  bemüheten,  mit  den  Griechen 
gleichsam  umb  die  wett  von  den  tiefsinnigsten  künsten  zu 
schreiben  Fischaet  3,  122  Haußen;  meist  die  sittliche  an- 
läge einschlieszend  {vgl.  gut  B  5):  der  herzog  war  ein  gut- 
gearteter mann  Knigge  roman.  m.  lebens  (1781)  l,  199; 
diejenigen  unter  den  bürgern,  die  gutgeartet  sind  an  leib 
und  Seele  Schleieemachee  Piaton  6,  205 ;  ich  habe  meine 
geschwister  immer,  zum  theil  wegen  ihrer  gutgearteten 
persönlichkeiten,  zum  theil  wegen  der  freundschafft,  die 
sie  für  mich  hatten,  von  herzen  heb  gehabt  H.  v.  Kleist 
5,  434  Schm.;  besonders  von  kindern,  vgl.  gutartig  2: 
Emma  war  ein  sehr  gutgeartetes,  wohlgezogenes  kind 
Chph.  v.  ScHMiD  ges.  sehr.  2,69;  don  Vincenzio  {war) 
ein  gottesfürchtig  erzogener,  gutgearteter  junger  mann 
Gaudy  s.  w.  14,  64;  von  den  seelischen  Organen  als 
repräsentanten  der  person:  gutgearteten  herzen  {könn^) 
eine  solche  Wiederholung  so  wenig  unangenehm  seyn  als 
die  jährliche  Wiederkunft  des  frühlings  ist  Ceamee  nord. 
aufs.  (1758)  1,  21;  gutgearteten  seelen  braucht  man  diesz 
zwar  nicht  zu  sagen  Che.  F.  Weisze  kinderfreund  (1775) 
11,  6;  {das  häusliche  leben,)  das  über  gutgeartete  gemüther 
eine  ruhe  und  einen  gewissen  frieden  verbreitet  Eichen- 
DOEFF  s.  w.  2, 82;  mehr  nach  gutartig  3  {vgl.  gut  IV  A  2)  hin 
'wohlwollend,  freundlich,  liebenswürdig':  Hagedorn  da- 
gegen war  von  früh  auf  gutgeartet  und  weich,  jovial  und 
selbst  locker  Geevinus  gesch.  d.  dtsch.  dicht.  4,  37.  — 
gutgebaut,  adj.,  entsprechend  komp.-typ  1  d  'vortreff- 
lich bebaut':  in  der  besten  sommerried  liegen  meine  . .  . 
gutgebaute  Weingärten  neue  schausp.  (1771)10,  4,  47;  'vor- 
trefflich angelegt' :  sie  gieng  in  ein  gutgebautes  haus  hinein 
MiLLEB  Siegwart  (1777)  2,  524;  'schön  geformt' :  sie  tragen 


1425 


GUTGEBER— GUTGEMEINT 


GUTGEMUT-GUTGESINNT 


1426 


nur  kurze  rocke,  die  nur  bis  an  die  waden  gehen,  und 
den  gutgebauten  sehr  vortheühaf  t  stehen  fübst  Pückleb 
briefw.  2,  146.  —  gutgeber,  m.,  jemand,  der  gutes  gibt; 

Spender: 

du  wunderstarcker  gott, 
gutgeber,  liebesfreund,  hauptbrecher,  löwenzwinger 

Opitz  teutsche  poem.  220  ndr.; 

o  himmelsadeler,  .  .  .  gutgeber,  seelenfreund,  segensvoll 
Treuer Dädalus  {i&7 5)  1,26^.  —  gutgedünken,  n.,  ivas 
gut  bedünken,  gutdünken;  'willkürliche  annähme':  wo  ir 
aber  ewer  eygen  f  undt  und  gutgeduncken  sagt,  soll  man 
euch  gar  nicht  hören  H.  Sachs  22,  21  K.-  G.;  concilia 
.  .  .  nach  menschlicher  anmutigkeit  und  gütgedunken 
etwann  ufgesetzt  Zwingli  dtsche  sehr.  1,  130;  "meinung, 
ansieht':  hab  ich  solches  angezeigt,  dasz  euch  fürsten 
ein  Warnung  sey,  und  also  den  astronomis  .  .  .  mehr  folgen 
dann  eurem  gutgeduncken  Paracelsus  opera  2,  302  Hu- 
ser;  'ermessen" :  ich  will  nach  meinem  gutgeduncken  reden 
Aler  dict.  (1727)  1,  997*';  'belieben":  er  will  sich  die  freyheit 
er  betten  .  .  .  nach  gutgedünken  zu  schreiben  allg.  dtsch. 
bibl.  5,  179;  'gutachten,  entscheidung\'  alsdann  soll  der  berg- 
maister  und  andern  unverdächtlichen  berckverstendigen 
solches  besichtigen  und  nach  ihren  gutgeduncken  ainen 
thail  dem  andern  zu  waichen  wissen  (v.  j.  1548)  v.  Lobi 
baier.  bergr.  (1764)247;  ob  er  {gott)  ihrer  menschlichen 
weiazheit  und  natürlichem  discurs,  urtheU  und  gutge- 
duncken auch  etwas  heimbsetzet  und  frei  liesze  F.  Albeb 
Igvxttius  Loiola  (1591)  409.  —  gutgefallen,  n.,  vereinzelt 
für  'Wohlgefallen':  diese  meinunge  han  ich  in  der  ile  uch 
nit  wollen  verhalten,  die  ir  zu  uwerm  gutgefallen  forder- 
lichen minen  herren  zcu  Franckfort  verkünden  und  irrer 
wiszheit  dieszen  zettel  zuschicket  {v.  j.  1475)  in:  urk.  u. 
act.  betr.  d.  belagerung  d.  Stadt  Neusz  95;  e.  1.  werden 
daran  .  .  .  ein  gutgefaUen  haben  v.  LoRi  baier.  bergr. 
(1764)  vorr.  51.  —  gutgeiz,  m.,  begierde  nach  besitz,  hab- 
sucht:  der  geldt-  und  gutgeytz  Spalatin  Sprichwort  (1520) 
B  2*» ;  der  weltweise  Cyneas  hat  den  könig  Pyrrhum  . . .  von 
seinem  gutgeitz  weiszlich  abgemahnet  A.  v.  Kbeckwitz 
lustwäldlin  (1632)  3.  —  gutgeizig,  adj.,  vom  vorigen  ab- 
geleitet 'habsüchtig';  in  älterer  form  gutgitig,  gutgeitig: 
und  es  kummend  eer-  und  gütgytig,  die  wellend  mit 
gwalt  die  menschen  zwingen,  man  solle  sy  für  gött 
halten  Zwingli  dtsche  sehr,  l,  228;  derselb  veldzeug- 
maister  was  ain  geschickter  man,  aber  gar  guetgeitig 
Weiszkunig  189;  ich  kan  mir  wohl  einbilden,  wann  die 
geldt-  und  gutgeitzigen  den  titul  dieses  büchleins  sehen, 
sie  ihnen  anders  nicht  einbilden  werden  Glaubeb  de  na- 
tura salium  (1658)  12.  —  gutgelaunt,  adj.,  entsprechend 
gut  IV  B  62«;.  III  A  5  a  'in  freundlicher  Stimmung'  oder  'in 
froher  gemütsverfassung  befindlich',  vgl.  wohlgelaunt:  als 
es  zum  abschied  ging,  überreichte  der  gutgelaunte  wirth 
meinem  diener  einen  .  .  .  brief  nach  Paris  an  seine 
Schwester  Göthe  33,  47  W.;  von  gutgelaunten  und  libe- 
ralen göttern  steht  diesz  auch  billig  zu  hoffen  A.  W. 
Schlegel  in:  Athenäum  3,  258;  Klärchen  wuszte  sich 
gutgelaunt  mit  diesem  Vorwurf  abzufinden  W.  v.  Polenz 
Grabenhäger  1,  214;  dem  fürstl.  Claryschen  paare  sowie 
dem  dechanten  aller  gutgelaunten  bitte  mich  ins  ange- 
denken  zu  rufen  Göthe  IV  22,  54  W.;  anders  'av^  günstiger 
laune  entspringend': 

drob  der  alte  Fritz  erstaunte, 
und  ihm  eine  gutgelaunte 
oheimliche  nase  gab 

Feeiiigkath  ges.  dicht.  3,  34. 

—  gutgeld,  n.  1)  das  bei  dem  tode  eines  mit  grund  und 
baden  beliehenen  hintersassen  dem  grundherrn  zu  zahlende 
gefalle:  das  sogenannte  mortuarium  wird  auf  mancherlei 
weise  ausgedrucket  .  .  .,  es  heiszet  auch  leibfaU,  haubt- 
fall,  trauerrecht  . . .,  gut-,  recht-,  leibgelt  Estob  d.  Teut- 
schen  rechtsgel.  (1767)  3,  358.  2)  mit  gut  IA5aj5  zu- 
sammengerückt: gutgeld  'geld  der  sog.  conventionsmünze' 
Ungeb-Khüll  S13^.  —  gutgemeint,  adj.,  'aus  freund- 
licher meinung,  absieht  hervorgegangen',  vgl.  gut  III  B  3 : 
dieser  so  gutgemeinte  anschlag  möchte  sofort  ins  werk  ge- 
richtet werden  A.  U.  v.  Bbäunschweig  Octavia  (1677)  1, 
652 ;  es  werden  dieselben  {herren)  aus  denen  . . .  begehrten 

IV.  1.  6. 


und  gutgemeinten  erinnerungen  rathsam  abnehmen  kön- 
nen, ob  das  .  .  .  Projekt  den  intendirten  zweck  zu  beför- 
dern werde  geschickt  seyn  Thomasius  ernsth.  ged.  v.  er- 
inn.  (1720)2,158;  den  Jünglingen  gebe  ich  den  gut- 
gemeinten rath,  sich  noch  vorzusehen  J.  A.  Ceameb  d. 
nord.  aufseher  (1758)  2,  90;  reiztest  du  .  .  .  durch  irgend 
eine  gutgemeinte  strenge  . .  .  seine  empfindlichkeit? 
Meiszneb  Alcibiades  (1781)1,75;  oft  im  gegensatz  zur 
mangelnden  guten  ausführung  mit  einem  stich  ins  pejora- 
tive: {will  ich)  hoffen,  .  .  .  dasz  diese  wenige,  doch  gut- 
gemeinte arbeit  so  werde  aufgenommen  werden  Neu- 
t,iAKK  fortgepfi.  mus.-poet.  lu^tw.  (1657)  235;  es  kann  sejTi, 
desz  wir  dem  grundsatze:  das  trauerspiel  soU  bessern, 
manches  elende  aber  gutgemeinte  stück  schuldig  sind 
Lessing  17,  64  L.-M.;  der  frieden,  welcher  in  dem  gut- 
gemeinten bilde  atmete,  stieg  auch  in  meine  seele 
G.  Kelleb  ges.  w.  l,  I5l; 

gutgemeint 

wird  oft  beweint     W.  Kokte  sprichw.  181. 

—  gutgemut,  adj.,  in  zuversichtlicher  Stimmung,  vgl.  gut 
III  A  5  a,  vereinzelt  statt  des  gewöhnlich  verwendeten  wohl- 
gemut, vgl.  gotgemot  Honig  Köln.  67^;  als  gevAlrzname 
in  einer  apothekerrechnung  v.  j.  1604  gutgemut  Ungee- 
Khull  313"'.  —  gutgenug,  m.,  mtindartlich  obd.  gebil- 
dete zusammenrückung  von  gut  genug  'das  noch  zu  etwas 
taugliche"  {s.  gut  I  A  2  c  jS),  meist  halb  ironisch  für  etw.,  das 
nicht  mehr  viel  wert  ist,  aber  in  ermanglung  von  besserem 
noch  gebraucht  wird,  vgl.  der  gutgenug  hat  sein  lebtag 
nichts  getaugt  vel  ist  sein  lebtag  nichts  nutz  gewesen 
nunquam,  in  pretio  fuit  res  superficiarie  peracta  Pistoeitts 
thes.  paroem.  (1715)891;  von  personen  im  sinne  'lücken- 
büszer'  als  f.  und  m.:  meinen  sie,  dasz  ein  fräulein  so 
leicht  eine  untreue  vergebe  und  letzt  am  ende  die  gut- 
genug für  sie  seyn  wolle  v.  Petbasch  s.  lustsp.  (1765)  1, 
511 ;  du  warst  mir  der  gutgnug,  wenn  kein  anderer  da  war 
Melchior  Meyb  erzähl,  a.  d.  Ries  2,  152;  der  gutgenug 
macht  s  schlecht  genug  W.  Körte  sprichw.  345;  vgl.  der 
gutgenug  sein  lückenbüszer  sein  Fischer  schwäb.  3,  964, 
wo  belege;  für  ein  stück  zeu^  am  frauenkleid,  das  von  der 
schürze  bedeckt  aus  billigem  stoß  bestehen  kann,  vgl.  Staub- 
Tobler  4,  700,  Staue  v.  d.  Mabch  nordmähr.  48.  —  gut- 
geschirrig,  adj.,  'fröhlich,  ausgelassen',  gelegenheitsbil- 
dung  aus  gut  geschirr,  s.  gut  III  A  5  c  {sp.  1278):  dabei 
blieben  sie  mit  groszem  lust  und  gutgeschirrig  und  übten 
sich  zuzeiten  bisz  sie  die  stund  zuschlaffen  scheidet 
Fischabt  Garg.  291  ndr.  —  gutgeschrieben,  adj.,  zu 
gut  II  A  5  als  adv. :  um  sich  .  . .  praktische  kenntnisse 
zu  erwerben  .  .  .  solle  man  .  .  .  gutgeschriebene  akten 
lesen  allg.  dtsche  bibl.  112,  367;  die  erste  gutgeschriebene 
deutsche  biographie  in  ihrer  art  Gerstenbebg  recens.  354 
lit.-denkm.  —  gutgeselle,  m.,  zusammenrückung  von 
guter  geselle  {vgl.  gut  IV  A  3  b,  sp.  1290):  weil  es  wol- 
gehet,  so  sind  sie  gutgeselie  F.  Rhot  Jesus  Sirach  (1587) 
163^; 

zu  sehn,  ob  stein  auf  stein  geblieben, 

und  ob  die  tapfern  gutgesellen 

was  rinnet,  rüstig  noch  verschwellen 

G.  Keller  ges.  w.  9,  250. 

—  gutgesetzt,  adj.,  zu  gut  IA4  als  adv.  'ordnungs- 
mäszig,  schicklich  eingerichtet':  vil  tapffere  leute  haben 
das  balgen  {den  Zweikampf)  nicht  gutt  gesprochen,  wird 
auch  annoch  unter  den  alten  gutgesäzten  regimentem 
nicht  zugelassen  Butschky  hochd.  kanz.  (1659)  220;  zu 
gut  III  AQh  als  adv.:  im  anfang  klingt  ihr  {der  franzosen) 
geschwätz  erträglich,  weil  es  gutgesetzte  phrasen  sind 
J.  Grimm  an  W.  Grimm  in:  briefw.  243. 

GUTGESINNT,  adj.,  häufige  zusammenrückung  neben 
wohlgesinnt;  seit  dem  17.  jh.  bezeugt,  gern  substantiviert. 

1)  zu  gut  IV  B  als  adv.  im  sinne  von  gut  IV  A  1  b 
'freundlich  gesinnt,  gewogen,  wohlwollend';  gelegentlich  mit 
abhängiger  präposition  für:  der  für  Hütten  gutgesinnte 
herausgeber  Herder  16,  297  S.;  der  prinz  ist  gutgesinnt 
fürs  bett  Göthe  4,  215  W.;  meist  absolut: 
zärtlich,  treu  und  gutgesinnt, 
ganz  zur  lieb  erkoren 

V.  Erlach  volksl.  d.  Deutschen  3, 124 ; 

90 


1427 


GUTGESINNT-GUTGEWICHT 


GUTGEWINNER-GUTGLÄUBIG        1428 


viele  gutgesinnte  kamen  uns  zu  besuchen,  auch  aus  der 
ferne  beschreib,  v.  Herrnhut  (1735)  7;  im  gründe  war  er  so 
ruhig  als  ein  mann,  .  .  .  dem  ein  gutgesinnter  nachbar 
ein  kämmerlein  eingeräumet  hat  Hippel  lebensl.  (1778)  1, 
140;  beym  theater  grüsze  die  gutgesinnten  GtÖthe  IV  21, 
56  W.;  denn  wenn  diese  in  so  zarter  angelegenheit  nicht 
gutgesinnt  und  einverstanden  war,  so  fiel  der  liebliche 
plan  dahin  G.  Keller  ges.  w.  6,  150;  nun  darf  ich  .  . . 
die  fürsorge  eines  gutgesinnten  genius  preisen  Göthe 
35,  194  W.;  bevor  er  sich  entschlieszt,  der  gutgesinnten 
gottesmacht  eine  Verehrung  darzubringen  Peschel  völ- 
kerkde  293. 

2)  mit  besonderer  färbung  ^wohlwollend'  und  in  gut  V  'A 
1  0  übergreifend  'rechtlich  denkend'  von  Untertanen  in  bezug 
auf  ihr  treueverhäUnis  zur  obrigkeit;  allgemeiner:  die  gut- 
gesinnten wolten  dieses  durch  eine  gesandschaft  nach 
Rom  ersetzen  A.U.  v.  Bratjnschweig  Octavia  {1677)  3, 408; 
Drusus  .  .  .  liesz  durch  etliche  andere  gutgesinnte  ihnen 
ihr  verbrechen  ...  zu  gemüthe  führen  Lohensteik  Armi- 
nius  (1689)  2,  OSO**;  alle  geheimen  nachrichten  von  dem- 
jenigen .  .  .,  was  gutgesinnte  der  regierung  zum  besten 
oder  zur  Sicherheit  des  stattes  vertrauen  wollen  I.  A. 
Gramer  nord.  aufs.  (1758)  l,  55;  um  ihre  bisthümer  wieder 
zu  bekommen,  erregten  sie  himmel  und  erde,  und  mach- 
ten .  .  .  die  gutgesinnten  weltlichen  fürsten  wieder  rück- 
fällig M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Dtschen  (1778)  2,  309;  was 
brauchts  den  gutgesinnten  patrioten  erst  in  einen  him- 
melsstürmer,  in  einen  tollen  Verbrecher  umzuschauen 
Herder  3,  67  S.;  das  waren  gutgesinnte,  ruhige,  zuver- 
lässige männer,  gewohnt,  sich  dem  willen  der  herrschaft 
zu  fügen  ohne  zu  fragen  W.  v.  Polenz  Orabenhäger  2, 101; 
im  19.  jh.  politisch  enger  gefaszt  geradezu  wie  'loyal,  königs- 
treu, konservativ^ :  der  gutgesinnte  theU  der  bevölkerung 
entfernte  sich  unter  dem  rufe :  es  lebe  der  könig !  Bauern- 
PELD  ges.  sehr.  6,  10;  diese  {die  Preuszen)  haben  gewisz 
nicht  ohne  absieht  eine  colonie  sogenannter  gutgesinnter 
hergeschickt  J.  Fe.  Böhmer  leb.,  br.  u.  kl.  sehr.  2,  248 
Janssen;  der  inhalt  der  .  .  .  zusammengedruckten  auf- 
sätze  wird  weder  der  gutgesinnten  noch  der  ultramon- 
tanen noch  der  demokratischen  presse  zusagen  P.  de  La- 
garde  dtsche  sehr.  100. 

3)  zu  gut  V  B  1  'rechtschaffen,  ehrlich  gesinrW : 

wer  nur  sonst  ist  gutgesinnt  . .  . 

LoaAU  sinnged.  517  E.; 

ein  gutgesinnter  mensch  wird  sich  vielmehr  über  das 
freuen,  was  er  erweckte,  als  was  er  sagte  Herder  13,  6  S.; 
sey  gutgesinnt,  und  du  wirst  glücklich  seyn  Laukhard 
leb.  u.  Schicks.  4,  193;  überhaupt  verdient  diese  .  .  .  grosz- 
mütige  Unternehmung,  bei  der,  wie  es  die  natur  der 
Sache  zeigt,  keine  art  gemeiner  Spekulation  obgewaltet 
hat,  die  Unterstützung  aller  gutgesinnten  H.  v.  Kleist 
4,  179  Schm.;  von  den  seelischen  organen:  wer  von  euch 
solche  fruchte  aussäet,  sie  mit  reinem  gutgesinnten  herzen 
. .  .  aussäet  Miller  pred.  fürs  landvolk  (1776)3,  39;  in 
religiöser  beziehung:  übrigens  glaubten  .  .  .  selbst  fromme 
und  gutgesinnte  männer,  dasz  die  aufhebung  der  wall- 
fahrt wegen  der  vielen  miszbräuche  .  . .  nothwendig  ge- 
wesen sei  Steub  drei  sommer  in  Tirol  1,  300;  wie  fromm\ 
blieben  aber  die  gutgesinnten  an  ihrem  gottgefälligen  .  .  . 
bibelforschen  Jung-Stilling  w.  3,  428  Or.  —  gut- 
gesinntheit, /.,  vom  vorigen  gebildet;  zu  gutgesinnt  2: 
es  gibt  leute,  die  metier  von  der  gutgesinntheit  machen 
J.  Fr.  Böhjier  leb.,  br.  u.  kl.  sehr.  2,  2^8  Janssen;  zu  gut- 
gesinnt 3 :  ich  brauche  mich  nicht  auf  den  vernunf terb- 
adel  meines  freundes  zu  berufen,  dessen  eigene  Weisheit 
und  gutgesinntheit  ich  durch  einen  einzigen  seiner  cha- 
rakterzüge  zu  zeichnen  vermag  Kürnberqer  siegelr.  71. 
—  gutgetat,/.,  was  guttat  {s.  dort)  'gnadener Weisung'': 
{die)  manigfaltigen  gnad  und  gütgetate,  die  die  craf t  gottes 
an  uns  blöden  creaturen  geleit  hett  {v.  j.  1387)  in:  urk.-buch 
d.  Stadt  Rottweil  1,  212;  wyle  diner  gutgetäten  so  vil  in 
mir  sint  Niclas  v.  Wyle  translat.  20  K.  —  gutgewicht, 
n.,  zu  gut  VI  A  2  b  Weichliches  gewicht,  übergewicht\  kauf- 
männisch das  dem  kauf  er  unentgeltlich  über  das  geforderte 


masz  hinaus  gegebene  warenquantum:  tara  oder  gut- 
gewicht war  ihm  in  diesem  augenblick  ganz  unwesentMch 
G.  Freytag  ges.  w.  4,  185;  ob  und  wieviel  als  gutgewicht 
zu  gunsten  des  käufers  zu  berechnen  ist  .  .  .,  bestimmt 
sich  nach  dem  vertrag  oder  handelsgebrauche  des  ortes, 
an  welchem  der  Verkäufer  zu  erfüllen  hat  handelsgesetzb. 
§  380  abs.  2.  —  gutgewinner,  m.,  zu  gut,  n.,  B  l,  ge- 
winner  von  Wertsachen,  geld,  im  sinne  'gauner,  betrüger': 
der  geseU  . . .  saste  sich  ze  tisch  zu  einem  wilden  gesinde 
und  gütgewünnern,  die  och  zu  dem  jarmarkt  waren  kö- 
rnen Seuse  dtsche  sehr.  74  B.;  'beutejäger'' :  bei  1600  dra- 
banten,  die  kain  sold  hetten,  gutgewinner,  und  der  raiszi- 
gen  waren  bei  26  hundert  pferdten  städtechron.  22,  415;  in 
kurtzer  zeit  hat  sich  die  Jugend  dermaszen  verendert, 
dasz  aus  solchen  tantz junckerlein,  bulern  und  gut- 
gewinnern,  weise  und  verständige  männer  .  .  .  worden 
sein  G.  Maier  hist.  lustgart.  (1625)1,143;  'Wegelagerer, 
straszenräuber\-  alsz  die  kaufleut  .  .  .  ausz  der  mesz 
zochen  ...  da  sprengten  ethch  gutgewunner  ausz  dem  zewg 
und  he  wen  die  wegen  oder  ballin  auf,  namen  was  ynen 
geful  N.  Thoman  Weiszenborner  hist.  bei  Baumann  qv£.ll. 
z.  gesch.  d.  bauernkr.  in  Oberschw.  18  lit.  ver.,  vgl.  10;  es  {die 
engländischen  horden)  warend  alles  ytel  gutgewunner 
und  röuber  Tschudi  chron.  helv.  1,  463.  —  gutgierig, 
adj.,  'gierig  nach  besitz,  habgierig\  vgl.  gutgierig  avidus 
bonorum  Henisch  1790:  sie  ziehen  ein  wenig  fort  vor  dem 
blut-  und  gutgirigen  Verfolger  H.  Fabriciüs  auszztig  bew. 
hist.  (1599)  729;  weil  mir  allerhand  hüpfende,  schmeich- 
lende,  schändende,  hoffärtige  und  gutgierige  gestalten  vor 
den  äugen  schwebeten  Lindenborn  Diogenes  {17 i2)  1, 112. 
—  gutgierigkeit,  /.,  vom  vorigen  gebildet  'habsuchV : 
dann  die  bettelhaften  und  eilenden  fürsten  ausz  Europa 
{seien)  . . .  ausz  gutgierigkeit . . .  dahergezogen  Wurstisen 
Pauli  Aemilii  hist.  (1672)  1,  213. 

GUTGLÄUBIG,  adj.  aus  guter  glaube  {s.  gut  V  B  1  c, 
sp.  1305)  abgeleitet;  seit  dem  15.  jh.  belegbar. 

1)  religiös  'rechten,  aufrichtigen  glauben  habend' :  dieser 
Heinrich  was  ein  weiszer  gerechter  gnadenreicher  .  .  . 
gutgläubiger  .  .  .  man  G.  Alt  buch  d.  chron.  (1495)  2223'; 

also  den  gutgläubigen  frommen 
all  gotteswerck  zu  gutem  kommen 

H.  Sachs  19,  175  K.-  G.,  vgl.  17,  396; 

gib  mir  ein  gute  und  starcke  Zuversicht  und  getrauen  in 
dein  guetigkeit,  das  ich  vor  der  grosze  und  menig  wegen 
meiner  sund  nitt  in  verzweyfflung  falle  sunder  mitt  ge- 
trewen  gutgläubigem  gemuet  bedencke  hertzemaner  {1492) 
12Z^;  etwas  anders  'rechtgläubig':  fehlgläubige  männer  mit 
ihren  weibern  sind  auszutreiben,  die  guetgläubigen  wei- 
ber  dürfen  auf  den  häusem  bleiben  Schönherr  glaube  u. 
heimat  74. 

2)  allgemeiner,  'ehrlichen,  aufrichtigen  glauben  habend', 
vgl.  schon:  so  werden  sy  also  demütig  und  gelassen  und 
also  gütgelaubig  gen  allen  menschen  Tätjler  sermones 
(1508)  38^1;  die  gutgläubigen  enthusiasten,  die  bisher  in 
seinen  werten  gefunden,  was  sie  wünschten,  sahen  sich 
enttäuscht  H.  Prutz  preusz.  gesch.  4, 218 ;  zu  bedauern  sind 
die  vielen  ehrlichen  seelen,  welche  gutgläubig  für  eine 
Sache,  die  sie  nicht  kennen,  ins  feuer  gehen  P.  de  La- 
garde  dtsche  sehr.  177;  {was)  ein  federfuchser  zusammen- 
geschrieben hat,  der  es  versteht,  gutgläubigen  menschen 
eine  spitze  mit  gift  einzustechen  Hans  Grimm  volk  ohne 
räum  1,  623;  vielfach  mit  dem  beiklang  'leichtgläubig':  kann 
man  es  nun  den  gutgläubigen  weibern  verdenken,  wenn 
sie  nach  ablegen!  von  diesen  heldenblumen  lüstern 
sind  Fr.  L.Jahn  l,  482  E.;  anders  'gute  absieht  habend,  es 
nicht  böse  meineiid' :  das  wort  vom  'beschränkten  unter- 
thanenverstande',  das  der  minister  von  Rochow  .  .  .  ge- 
braucht hatte,  selbst  wenn  es,  wie  seine  Verteidiger  wollen, 
gutgläubig  und  ohne  bösen  nebensinn  geschehen  sein 
sollte,  gab  doch  nur  der  auffassung  ausdruck,  die  man 
in  jenen  kreisen  hegte  H.  Peutz  preusz.  gesch.  4,  172. 

3)  juristisch  entsprechend  bona  fide,  den  'ehrlichen  glau- 
ben an  die  rechtmäszigkeit  oder  richtigkeit  einer  sache  ha- 
bend', vgl.  gutgläubiger  Inhaber  bonae  fidei  possessor 
Schottel  haubtspr.  (1663)  350:  ein  gutgläubiger  Inhaber 


1429       GÜTGLÄUBIGKEIT-GUTHABEN 


GUTHÄBER-GUTHEISZEN 


1430 


{kann) .  .  .  noch  nachträglich  abstempelung  seiner  Schuld- 
verschreibungen erlangen  gesetz  betr.  d.  infiaberpapiere  m. 
Prämien  §  5;  dem  gutgläubigen  besitzer  gegenüber  (lüar  er 
nicht)  dazu  (zur  klage)  berechtigt  Jheeinq  geist  d.  röm. 
rechts  3,  1,  31;  {die  nachprägungen)  waren  jedoch  über- 
dies eine  betrügliche  Verkürzung  des  gutgläubigen  emp- 
fängers  Luschin  v.  Ebengeeuth  münzk.  125;  der  gut- 
gläubige checknehmer  besitzt  {keinen) . . .  anspruch  gegen 
den  zusteiler  hdwb.  d.  staatswiss.  3,  30;  wer  bei  der  auf- 
merksamkeit,  wie  sie  nach  den  umständen  von  ihm  ver- 
langt werden  darf,  nicht  gutgläubig  sein  konnte,  ist  nicht 
berechtigt,  sich  auf  den  guten  glauben  zu  berufen  Schweiz, 
ziv.-ges.,  art.  3;  'oms  gutem  glauben  hervorgehend' :  der  In- 
haber konnte  .  .  .  nicht  einmal  den  gutgläubigen  eigen- 
thumsbesitz  sich  zuschreiben  Mommsen  röm.gesch.  2*,  91. 
—  gutgläubigkeit,  /.,  vom  vorigen  abgeleitet;  zu  gut- 
gläubig 2:  unter  diesen  aber  .  .  .  misz  brauchten  die 
Spanier  gleichwol  der  allzu  vielen  gutgläubigkeit  der  ti- 
dianer  A.  Scherdiger  novae  novi  orbis  hist.  (1591)  b  4^; 
auf  französische  leichtgläubigkeit  und  deutsche  gutgläu- 
bigkeit berechnet  Fr.  L.  Jahn  w.  1,  528  E.;  ihm  steht 
diese  gutgläubigkeit  gleichsam  schon  im  gesicht  ge- 
schrieben W.  Schäfer  erz.  sehr.  (1918)  4,  19;  zu  gutgläu- 
big 3 :  der  Versicherer  kann  also  trotz  aller  'gutgläubigkeit', 
durch  Verhandlung  mit  einer  person  .  .  .  nicht  das  recht 
des  angeblichen  veräuszerers  ändern  Manes  versicherungs- 
lex.  (1909)763.  —  gutglück,  n.,  zusammenrückung  ent- 
sprechend gut  IV  A  1  c  a  yy  {sp.  1286),  vgl.  gutglück  for- 
tuna  secunda,  felicitas  Maaler  199*».  —  gutgönner,  m., 
'jem.  der  einem  gutes  gönnt,  einem  wohlwill',  vgl.  gut  VIII 
C 1  a;  verstärktes  'gönner\  vgl.  gutgönner  benevolo  Khamer 
t.-ital.  1,  548^':  ettliche  unsrer  gutgönner  Riederer  rhe- 
toric  (1493)  joi»;  aber  dise  ehr  ist  vil  süszer,  so  den 
eintzigen  menschen  von  iren  freunden  und  gütgünnern 
umb  iergent  ein  herrliche  that  oder  fürtreffliche  tugend 
erzeigt  wirt  Vielfelt  sp.  d.  menschl.  blöd.  (1564)  eI^^; 
groszgönstiger  herr  und  gutgönner  Guarinonius  greuel 
d.  verwüst.  (1610)  764;  etioas  anders  'anhänger,  Partei- 
gänger': Maximilianus  grüeszten  den  12.  Augusti  seine 
gutgönner  ihren  könig  und  ungeacht  dessen  war  auch 
Sigismundus  von  sein  anhängern  zum  thron  erhoben 
V.  Brandts  immergr.  ehrenkr.  (1678)  212.  —  gutgrundig, 
adj.,  zu  gut  I  A  2  und  grund  IV  A  2  'feste  grundlage  ha- 
bend':  die  aufgerichte  Ordnung  der  heiligen  kirchen  {wäre) 
gutgrundig  und  bestendig  H.  v.  d.  Planitz  berichte  604; 
zu  grund  II  A  2  'gute  erde  habend' :  das  land  ist  eben  und 
mehrertheils  gutgrundig  und  fruchtbar  D.  Federmann 
niderl.  beschreib.  (1580)67.  —  gutgünstig,  adj.,  zusam' 
menrückung  von  gut  IV  A  1  b  und  günstig  in  steigerndem 
sinne,  vgl.  gutgünstig  Henisch  1790:  sie  waren  gut- 
günstige frind  miteinander  C.  Hedio  chron.  germ.  (1530) 
165*;  'gnädig':  welchen  der  kaiser  endlich  gutgünstig 
wieder  in  sein  königreich  einsetzte  M.  Krämer  tapffere 
thaten  (1681)  185;  substantiviert  auf  das  objekt  des  Wohl- 
wollens bezogen  'günstling' :  des  aber  unangesehen  ver- 
kündete Hermon  und  alle  gutgünstige  des  königs,  wie 
nun  alle  rüstung,  thier  und  kriegsordnungen  bereitet 
wärind  Züricher  bibel  (1530)  684i>. 

GUTHABEN,  n.,  aus  der  formet  etw.  gut  haben  {vgl. 
gut  I  A  5  c  /5  ßß,  sp.  1248)  gebildet;  um  1800  auftretend, 
aber  vielleicht  älter,  s.  guthäber;  'als  f orderung  an  jem. 
ausstehende  geldsumme' :  da  Dietrich  bereit  war,  nicht  nur 
ein  guthaben  an  Bürger  von  beiläufig  1500  thlr.  zu  strei- 
chen Müllner  dram.  w.  (1828)  8,  128;  in  welchen  das 
spärliche  licht  .  .  .  ohne  beistand  der  ewigen  comptoir- 
lampe  weder  guthaben  noch  debet  aufklären  würde 
Gaudy  s.  w.  (1844)  19,  44;  und  er  {der  sünder)  dachte 
sich  seine  schuld  und  sein  guthaben  im  himmel  genau  an- 
gemerkt G.  Freytag  ges.  w.  18,  326;  so  brachte  ich  also 
nicht  nur  eine  für  meine  bisherigen  Verhältnisse  ansehn- 
liche barschaf  t  mit  nach  hause,  sondern  auch  ausstehendes 
guthaben,  dessen  eingang  aus  weiter  ferne  .  .  .  von  erfreu- 
lichster Wirkung  sein  muszte  G.Keller  ges.  w.  3,  241; 
vgl.  guethabe  Seiler  Basler  ma.  153;  etwas  anders  guet- 
haba  'das  herauskommende  saldo'  Tobler  appenzell.  2453', 


Stalder  1,504;  vereinzelt  zu  gut  III  A  2  'gutes  leben, 
bequemlichkeit' :  ein  schlecht  aussehen  habe  es  {das  Ma- 
reili)  nicht,  sagte  die  mutter,  doch  werde  das  kaum  vom 
guthaben  kommen  J.  Gotthelf  Hans  Joggeli  (1893)  14; 
kinder  stören  .  .  .  vor  allem  aus  ihre  behaghchkeit,  ihr 
guthaben,  durch  unruhige  nachte  und  geschreivolle  tage 
ges.  sehr.  5,  81.  —  guthäber,  m.,  zu  etw.  gut  haben 
{vgl.  sp.  1248),  im  sinne  'gläubiger,  Wohltäter':  den  treu- 
herzigen guthäbem  zu  dankbarem  ehrengedächtnus  {v.  j. 
1666)  bei  Fischer  schwäb.  864.  —  guthandeln,  «.,  zu 
gut  VII  E  'sittliches,  rechtschaffenes  tun' :  soll  durch  unser 
jeziges  guthandeln  etwas  für  die  Zukunft  ausgerichtet 
werden,  so  musz  auch  durch  das  frühere  schon  jezt 
etwas  ausgerichtet  sein  Schleiermacher  pred.  (1801)  252; 
die  ahnung,  die  vorempf  indung  der  lust  dieses  affektes  kön  - 
nen  als  triebfedern  wirken,  durch  guthandeln  den  affekt 
wirklich  zu  machen  O.Lüdwig  6,  8.  —  guthaus,  n.,  Ver- 
kürzung aus  gutleuthaus  (s.  dort)  'leprosenhaus' ,  vgl.  stadt- 
recht V.  st.  Avold  42  bei  Follmann  löthr.  221'».  —  gutheil, 
n.,  name  der  weiszen  mistel  {viscum  album)  als  heilpflanze 
zu  gut  I  A  1  b,  auch  heü  aller  schaden ;  nach  v.  West- 
phalen  bei  Pritzel- Jessen  442.  —  gutheinrich,  m., 
pflanzenname,  zusammenrückung  von  guter  Heinrich 
{chenopodium  bonus  Henricus),  s.  gut  II  B  l  c  (sp.  1267/.), 
vgl.  Pritzel- Jessen  '91:  gutheinrich  atriplex  Alberus 
nov.  dict.  (1540)  cc  4*,  neszlen,  papplen,  guethainrich,  rot- 
buchen  wol  gesotten  und  das  rosz  darmit  gewaschen 
hauet  bald  Seutter  hippiatria  (1599)224;  (sie)  legte  er- 
weichende und  auflösende  umschlage  darauf  —  kräuter- 
pflaster  von  pappelweide,  gutenhinrich,  weisze  lilien 
BoDE   Tristram  Schandi  (1774)  7,  63. 

GUTHEISZEN,  vb.,  zusammenrückung  atis  der  formel 
etw.  gut  heiszen,  vgl.  gut  I  A  3  d  /5  {sp.  1239),  im  sinne 
'eine  sache  für  angemessen,  geziemend,  löblich  halten',  'etw. 
billigen',  besonders  vom  verfügungsberechtigten  aus  'seine 
Zustimmung  geben',  vgl.  gutheiszen  approbare  val  lodare 
provar  per  buono  Hulsius  dict.  (1618)  2,  Si^;  in  dieser 
hauptbedeutung  nicht  vor  dem  16.  jh.  zu  belegen,  aber  wohl 
älter,  s.  gutheiszung:  mancher  musz  .  .  .  viel  lassen  für 
ohren  gehen,  und  loben  und  gutheiszen,  das  nicht  gut  ist 
Mathesius  hochzeitspred.  240  Lösche;  er  köndt  ihnen  zu 
solcher  raisz  nit  rathen,  noch  dieselbige  gutheiszen 
F.  Alber  Igruitius  Loiola  (1571)  88; 

darbey  kan  man  Ihn  auch  verwelsn, 
ihn  nlt  recht  geben  und  gutheiszn, 
was  sie  Unrechts  haben  gethan 

J.  Ayeke  dram.  753  K.; 

damit  ein  künftiger  regierender  erzbischof  diesen  ver- 
gleich .  .  .  gutheisze  {v.  j.  1612)  bei  v.  LoRi  baier.  bergr. 
(1764)  389;  indem  ich  .  .  .  betrachte,  was  ich  geschehen 
lassen,  gutheiszen,  thun  und  helfen  solle  Moscherosch 
insomn.  cura  par.  53  ndr.;  so  kan  ich  .  .  .  die  furchtsame 
regel,  welche  von  einigen  deutschen  kunstrichtern  ...  ohne 
einigen  grund  vorgeschrieben  worden,  eben  so  wenig  billi- 
gen oder  gutheiszen  J.  Breitinger  crit.  dichtkunst  { 1740)  2, 
284 ;  der  embryon  wird  im  verborgenen  gebildet,  wies  kaum 
die  briUe  des  philosophen  a  priori  gutheiszen  würde  Her- 
der 5,  478  8.;  zuletzt  schrieb  ich  das  hier  beigelegte  dank- 
gedicht,  das  ich  in  verse  bringe,  wenn  es  der  fromme 
vater  gutheiszet  Jean  Paul  15/18,  174  Hempel;  der  Vor- 
schlag wurde  gutgeheiszen,  obgleich  Figura  ihn  be- 
kämpfte, weil  sie  dem  landvogt  die  unangenehme  scene 
ersparen  woUte  G.  Keller  ges.  w.  6,  244;  partizipial:  ob 
.  .  .  nach  dem  gutheiszenden  breve  des  papstes  auch  noch 
die  bestätigung  des  kaisers  erforderlich  sei  Ranke  s.  w. 
1,38;  eine  von  St.  Amaud  gutgeheiszene  Verabredung 
Fontane  ges.  w.  I  4,  267;  im  sinne  'bürgschaft  leisten',  d.  h. 
etw.  für  sicher  erklären  {vgl.  gut  I  A  5  c)  angeblich  in  einem 
Ulmer  Schwörbrief  V.  j.  1397,  s.  Schmid  schwäb.  246;  anders 
'versprechen'  Unger-Khull  3l3ä'.  —  gutheiszen,  n., 
Substantivierung  des  vorigen  im  sinne  'billigung,  Zustim- 
mung': so  ist  auch  mit  guethaiszen  der  gnädigen  gerichts- 
herrlichen obrigkeit  .  .  .  iederzeit  .  .  .  breichig  {gebräuch- 
lich) gewest  {v.  j.  1568)  österr.  weist.  4,  126;  mit  gutheiszen 
der  bademeistem  Guarinonius  greuel  d.  verwüst.  (1610) 

90* 


1431 


GUTHEISZER-GUTHEIT 


GUTHEIT 


1432 


900;  also  dasz  auf  deszen  bewilligung  und  gutheiszen 
lederne  und  papirene  pfennig  eben  des  wertes  seyn 
können  Beinicke  Fuchs  (1650)  188;  sie  beyde  bedancketen 
sich  untertähnigst  des  ausgesprochenen  gnädigsten  gut- 
heiszens  Buchholtz  Herkuliskus  (1665)  264;  (er)  hörte  ihr 
urtheil  an,  und  bestätigte  es  mit  freundschaftlichem  gut- 
heiszen A.  V.  Hallbe  Usong  (1771)  86;  eine  neue  acte  .  .  ., 
durch  welche  die  ernennung  zu  den  wichtigsten  stellen  in 
der  Staatsverwaltung  ...  an  das  gutheiszen  des  Parla- 
ments gebunden  ward  Ranke  s.  w.  16,  68;  wunderbar  ist 
es,  dasz  der  mensch  .  .  .  durch  beistimmen  und  gut- 
heiszen sich  gestärkt  fühlt  0.  Ludwig  ges.  sehr.  5,  282; 
anders,  nach  gut  I  B  hin  abgezweigt:  kein  mensch  .  .  . 
kann  mir  durch  sein  gutheiszen  einen  werth  geben  br.  d. 
neueste  litt.  betr.  18,  10.  —  gutheiszer,  m.,  aus  gut- 
heiszen, vb.,  gebildet;  'jem.,  der  etw.  billigt:  also  bekahm  die 
taht,  wie  greulich  sie  auch  war,  von  stunden  an  ihre  guht- 
heiszer  und  vertähdiger  Zesest  gekr.  majest.  (1661)  146;  ich 
begreiffe  wol,  dasz  eure  verblühmte  manieren  zu  reden, 
eure  lustige  Vorstellungen  und  nicht  gemeine  gedancken 
bei  euch  gutheiszer  finden  d.  lahme  teuffei  (1711) ):(  3^;  ich 
bediene  mich  des  ausdrueks  des  gutheiszers,  welcher  sagt 
M.  Mendelssohn  ges.  sehr.  6,  452;  die  reichsversamm- 
lung  der  stände  musz  eine  Sprechgemeinschaft  (Parla- 
ment) sein,  nicht  eine  taubstummenanstalt  von  jaherren 
und  beifallnickern,  nicht  eine  Versammlung  von  gut- 
heiszern  Fe. L.  Jahn  w>.  l,285ß.  —  gutheiszung,/.,  s«6- 
stantivierung  aus  gutheiszen,  vb.  im  sinne  'billigung,  zu- 
stimmung\  vgl.  gutheiszung  comprobation  Roth  dict. 
(1572)  D  3*,  gutheiszung,  bewehrung  approbatione,  appro- 
bamento  Htjlsitjs  dict.  (1618)  2,  348':  diesemnach  (sind) 
wir  auch  zue  besseren  nutzen  und  deren  guthäusungen 
nach  auch  in  gnaden  zue  willfahren  gewogen  urk.  v.  j.  1478 
in:  urk. -buch  d.  st.  Saatz  206;  die  Jungfrauen  auszer  gut- 
heiszung oder  widersprechen  nichts  darzu  zu  sagen 
schuldig  seyn  Haesdöefee  gesprächsp.  (1641)  l,  e  3^;  er 
.  .  ,  mit  deroselben  approbation  und  gutheiszung  das 
gericht  führe,  die  schuldbücher  vorlege  Dannhauer 
catechismusmilch  (1657)  l,  307;  derjenige  griffe  mit  gut- 
heiszung desselben  viertelcommisario  zu  Geimmels- 
HAUSEN  Simpl.  290  ndr.;  (die  stoici)  sagten  ferner,  auf 
die  einwilligung  folgte  die  gutheiszung  oder  die  com- 
prehension  Thomäsius  hofjihil.  (1719)  137;  wissen  sie,  dasz 
das  werckchen  .  .  .  gutheiszung  erhalten  hat?  allg.  dtsche 
bibl.  anh.  53-88,  2264;  seine  einzige  sorge  war  nun  die 
anstalten  so  zu  treffen,  dasz  ihm  der  spanische  hof  seine 
gutheiszung  am  ende  nicht  verweigern  dürfte  Schiller 
4,  119  0.;  stolz  auf  das  ereignis,  welches  die  gutheiszung 
all  ihrer  opfer  .  .  .  enthielt  G.  Keller  ges.  w.  8,  144;  ein 
glück,  für  das  ich  früher  oder  später  .  .  .  die  gutheiszung 
der  gesellschaft  erwartete  Fontane  ges.  w.  I  5,  224. 

GUTHEIT,  /.,  abstraktbildung  zu  verschiedenen  bedeu- 
tungen  von  gut,  adj.,  besonders  gut  IV ;  seit  mhd.  zeit  belegt 
und  bis  in  neuere  spräche  verwendet,  aber  weniger  aus- 
gebreitet als  sein  konkurrenzwort  gute;  mundartlich  heute 
hauptsächlich  nd.  und  westobd.,  doch  auch  bair,  belegt; 
schriftsprachlich  im  ganzen  dem  modernen  Wortschatz  ent- 
fremdet. 

1)  zu  gut  I  und  II  seltener,  entsprechend  gute  1  die  ^ge- 
brauchstüchtige, hochwertige  beschaffenheit  einer  sache'  vgl. 
guydheyd  bonitas  Diefbnbach  gl,  7Q^,  glich  gutheyd 
equipollentia  206"^:  de  gudheit  des  bomes  is,  dat  he  gut  sy 
van  wortelen  Johannes  Veghe  400  Jostes;  von  der  gütt- 
hait  des  wassers  ist  es  also  allen  offenbar,  das  es  vilen 
nit  usz  ze  legen  ist  H.  Östeeeeicher  Columella  1,  26 
lit.  ver.;  als  'vortreffliche,  wertvolle  eigenschaff :  alle  güt- 
hait  des  leibs  in  der  weit  seind  schwach  und  zergenck- 
lich  Albe.  v.  Eye  sp.  d.  sitten  (1511)  a  6^;  got  der  herr 
mancherley  krafft  und  gütheyten  in  kreütern,  steinen, 
wassern  .  .  .  geschaffen  hat  Tollat  v.  Vachenberg  marg. 
medic.  (1516)  2^;  zu  gut  I  A  1  b  'nützlichkeit,  zweckmäszig- 
keif :  das  dy  güthayt  des  tods,  dy  untödtlichen  gött  er- 
kandt  und  geurthaylt  haben  J.  v.  Schwaezenberg  Ci- 
cero (1635)62'';  dann  erzählte  der  Vorsteher  der  anstalt 
im  kurzen  umrisz  die  diesjährige  geschichte  des  turn- 


wesens,  und  wie  erhobene  zweifei  wider  die  gutheit  der 
Sache  nun  erst  recht  ihren  wert  zur  klarheit  gebracht 
Fr.  L.  Jahn  w.  2,  877  E.;  nach  gut  III  A  l  a  'vorzüglich- 
keit  im  geschmacF :  wann  sie  [die  Wasserschnepfen)  die 
grösze  hätten  wie  die  Waldschnepfen,  wären  sie  ihnen 
wegen  zärtigkeit  und  gutheit  des  fleisches  weit  vorzu- 
ziehen V.  Hohbeeg  georg.  cur.  (1682)  2,  549. 

2)  die  hauptbedeutung  schlieszt  sich  an  gut  IV  an. 

a)  von  der  Wesensart  oder  gesinnung  einer  person  hin- 
sichtlich ihres  Verhaltens  zu  anderen  menschen,  vgl.  gute 
3  a,  'freundlichkeit,  wohlwollen,  milde,  nachsichf,  vgl.  gut- 
heit  beneficentia  Diefenbach  g'Z.  71  <^;  entsprechend  mund- 
artlich, s.  Mensing  2,  430,  Stüeenbueg  73^»,  Danneil  67*^, 
Battee-Collitz  42^»,  Schambach  eo'',  Woeste  87^, 
RovENHAGEN  Aach.  47,  HÖNIG  Kölner  ma.  67**,  lux.  ma. 
158,  Follmann  lothr.  221,  Maetin-Lienhart  1,  249^, 
FiscHEE  Schwab.  3,  965,  Schmeller-Fr.  1,  965,  Soha- 
CHEEL  Böhmerwald  16. 

a)  von  der  charakterlichen  habituellen  Wesensart  des  men- 
schen. 

aa)  in  aktiver  hinsieht  'freundlichkeit,  wohlwollen' :  ich 
geschwyg  ains  vatters,  der  doch  mit  vil  güthait  syne  kind 
alzyt  het  geUebet  Stainhöwel  de  claris  mulieribus  169 
Dr.;  (die  liebe  wird)  gefüret  und  behalten  zwüschen  der 
frölichen  güthait  des  gelückes  Niclas  v.  Wyle  translat. 
96  K.;  wir  beklagten  uns,  dasz  sie  imsere  gutheit  so 
wenig  erkennet  Hunold  verliebte  weit  (1700)  2,  42; 

ich  kenne  deine  gutheit  v/ohl, 

du  leihst  mir,  wie  ein  nachhar  soll 

GÖTZ  verm.  ged.  2,  111  Ränder; 

er  war  die  gutheit  und  menschenliebe  selbst  Gelleet 
s.  sehr.  (1839)  4,  204; 

sie  (die  ziege)  meckert:  dich  (hasen)  itzt  aufzunehmen, 
wird  jenes  schaf  sich  bald  bequemen, 
dir  ist  ja  seine  gutheit  kund 

Hagedorn  poet.  w.  (1769)  2,  60; 

ihre  Schönheit  (war)  .  .  .  mit  einem  einladenden  ausdruck 
von  gefälligkeit  und  gutheit  verbunden  Wieland  s.  w. 
(1794)28,169;  unwürdige  seele,  die  nicht  groszheit  ... 
genug  hätte,  eben  die  gutheit  ...  zu  beweisen  Herdep 
31,  90  S.;  du  wähnst,  aus  übergroszer  gutheit,  dasz  uns 
ein  nähres  band  zum  glück  vereinen  werde  Göthe  39, 
339  W.;  ich  werde  nicht  lange  mehr  die  gutheit  selber 
seyn,  ich  werde  eine  tigerin  werden  Bäuerle  kom.  theat. 
(1820)  2,  75. 

ßß)  mehr  passiv  'milde,  gutmütigkeit,  nachsichf:  ja  die 
clerisey  misz brauchte  des  kaysers  gutheit  so  grob  Arnold 
kirch.-  u.  keizerhist.  (1699)  348^;  sie  miszbrauchen  meine 
oft  leichtsinnige  gutheit  aufs  abscheulichste  Schubart 
br.  2,  157  Strausz; 

und  weil  ich  noch  gerührt  betrachte, 
wie  furchtsam  dich  die  gutheit  machte 

J.  J.  Schwabe  bdmt.  (1741)  2,  25; 

wenn  man  die  Wissenschaft,  den  glänz  der  Weisheit  fliehet, 
sich  alles,  andern  nichts,  mit  gutheit  übersiehet 

Triller  poet.  betr.  (1750)  3,  436; 

unsre  gutheit  spielt  uns  eben  immer  üble  streiche  Cabol. 
Herder  in:  Göthes  gespr.  i,  101  Biederm.;  dieser  einzelne 
hat  keine  Verpflichtung,  sich  dem  stupiden  begeisterungs- 
gebäh  aus  bloszer  artigkeit  oder  gutheit  anzuschheszen 
Fontane /ami7tew6r.  l,  270;  dat  hett  he  in  sien  goodheit 
daan  Mensing  2,  430;  guetheit  ist  e  dummheit  Martin- 

LlENHART   1,  249^. 

yy)  im  Übergang  zu  b  auf  die  erscheinungsform  der 
gesinnung  hinweisend: 

das  im  (dem  wolf)  der  gfitheit  würt  gelonet, 

die  weil  er  im  oft  het  verschonet 

seiner  schaff  ...  H.  Sachs  fab.  u.  schw.  2,  2  ndr.; 

um  mancherlei  lieb,  freundschaft  und  gutheit  willen,  so 
ihr  mir  .  .  .  bewiesen  habt  Dürer  nachl.  209  L.-F.;  er  ist 
aber  ein  bettler,  der  bursche,  er  hat  nicht  einen  Schilling, 
und  meine  gutheit  hat  er  schön  belohnt,  wie  sie  wiszen 
Sturz  sehr.  (1779)  2,  259;  nimm  es  nun  hin  und  lasz  ihm 
deine  unermüdliche  gutheit  heilsam  werden  Göthe  IV  8, 
134  W.;  so  will  ich  dir  hier  ade  sagen,  ich  danke  dir  für 
deine  gutheit  Auerbach  sehr.  15,  38. 


1433 


GUTHEIT 


GUTHEIT 


1434 


ß)  als  eigenschaft  gottes  entsprechend  gut  IV  A  c  a  {vgl. 

gute  3aa)  'gnade,  barmherzigkeit^ : 

die  alle  wolten  schowen 

daz  raine  wib,  den  werden  man, 

da  got  michel  wunder  an 

bette  in  siner  gottheltt  (/.  guotheit) 

baide  geformett  und  geleitt 

Göttweiger  Trojanerkrieg  12805  Koppüz; 

der  usflusse  der  verborgener  gütheit  gotz  Taulek  pred. 
159  F.;  dez  grundlosü  gütheit  zwinget  sich  selb  Seuse 
dlsche  sehr.  178  Bihlm.;  das  gott  der  herr  allein  usz 
bewegung  seiner  überschwenklichen  gütheit  sich  der 
Seelen  also  völligliohen  eingüsset  Geiler  v.  Keisersbekg 
seelenpar.  (lölO)  3*';  es  rhumet  nit  mehr  denn  gots  werck 
seyne  gnade,  seyne  gutheyt  ubir  uns  Luther  10,  l,  1,  527  W. 
y)  anders  {vgl.  gute  3  d)  von  der  temporären  gesinnung 
eines  menschen,  die  in  einzelnen  handlungen  sichtbar  wird, 
'freundlichkeit,  gefälligkeit,  liebenswürdigkeif :  wir  müssen 
den  guten  freund  bitten,  dasz  er  die  gutheit  hat  und 
voran  geht  Chr.  Weise  liebesalliance  (1708)  69;  man  hat 
mich  versichert,  sie  würden  die  gutheit  haben  und  es 
bestens  auslegen  Spanutius  schreiblex.  (1720)861;  einige 
indessen  hatten  vollends  die  gutheit,  mir  .  .  .  thätlich 
unter  die  arme  zu  greifen  Bräker  s.  sehr.  (1789)1,  177; 

wir  kommen  her,  ob  ihr  die  gutheit  hättet, 
und  gäbt  uns  etwas  geld 

Gkillparzer  «.  w.  6,  85  Sauer; 

hab  die  gutheit,  schwager,  und  geh  zur  Versteigerung 
Rosegger  sehr.  II  9,  228;  sien  se  vun  der  goodheit  Men- 
siNG  2,  430;  aUes,  was  sie  mir  mit  so  vieler  gutheit  über- 
sehicken  will  zur  Vermehrung  meiner  kenntnisse  mir  zu 
nutze  machen  Gottschedin  br.  1,  26  Eunkel;  des  war  e 
guatot!  Schmeller-Fr.  1,  965. 

d)  von  abhängigen  präpositionen  sind  für,  gegen  häufig, 
zu  bleibt  selten:  möchte  man  doch  die  gutheit  für  ihn 
haben,  das  vergangene  zu  vergessen  A.  U.  v.  Bräun- 
SCHWEIQ  Octoma(1677)  4,  406 ;  persuadire  mich  anbey,  dasz 
sie  auch  aus  freundschafft  einige  gutheit  vor  mich  haben 
HuNOLD  neue  6r.  (1723)  200;  die  auferziehung  eines  prinzen 
vollkommen  zu  machen,  für  den  sie  soviel  gutheit  hatte 
J.  E.  Schlegel  w.  (1761)  3,  510;  o,  ich  bitte,  mein  herr, 
haben  sie  die  gutheit  für  mich,  und  überheben  sie  mich 
einer  dienstlichen  erklärung  Lessing  3,  225  L.-M.;  ich 
schrieb  ihre  gutheit  für  dich  auf  rechnung  des  engel- 
herzens  Göthb  9,  139  W.;  wie  diese  und  andere  merck- 
mahle  ihrer  gewogenheit  mich  sehr  verpflichten :  so  bitte 
in  dero  gutheit  gegen  mich  fortzufahren  Hünold  neue  br. 
(1723)  340;  so  wie  die  gutheit  gegen  die  Völker  verderblich 
ist,  wenn  sie  in  ihnen  die  Vernachlässigung  der  götter 
und  ihres  dienstes  begünstigt  M.  Claudius  Sethos  (1777) 
1,  317;  dich  grüszt  sie  und  ist  voller  danckbarkeit  für 
deine  gutheit  gegen  sie  Göthe  IV  7,  80  W.;  viel  theurer 
und  viel  werther  ist  mir  deine  gutheit  zu  mir  IV  3,  77. 
s)  vereinzelter  für  den  zustand  des  Wohlwollens  und  ein- 
vernehmens  entsprechend  gute  4  im  sinne  'freundschaft, 
eintrachV  : 

und  ausz  der  sipschafft  kan  gar  baldt 
auffgehebt  all  gutheit  werden, 
von  schlechter  ursach  wegen  und  gestalt, 
wie  sagen  man  thut,  gutt  scheidt  das  blut 

Th.  Höck  blumenfeld  56  ndr.; 

es  gab  gar  keine  unruhe  mehr  zwischen  den  beiden  men- 
schen, sondern  nur  ausgleich  und  hilfe  und  Sicherheit 
und  gutheit  Hans  Grimm  volk  ohne  räum  2,  393. 

b)  seit  dem  mhd.  für  das  ergebnis  der  aus  freundlicher 
gesinnung  flieszenden  handlung  im  sinne  'wohltat,  gnaden- 
erweisung' ,  auch  geradezu  'schenktmg'. 

a)  allgemeiner: 

disz  zerung  wil  ich  dir  geben 

umb  die  güthait,  die  du  mir  hast  getan 

Friedrich  v.  Schwaben  2SiSJell.; 

und  wollen  das  und  alle  güthait,  uns  von  eu  gethan,  gar 
früntlichen  verdienen  Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalt. 
1,  120;  gold  und  silber  und  alle  gütheyt  empfahen  Stain- 
höwel  Esopus  (1487)  48;  und  iren  vil  ir  handtraich,  al- 
müsen  und  ander  enthalt  mitgethailt  Knebel  chron.  v. 


Kaisheim  14  lit.  ver.;  über  die  gutheit  sie  mich  hat  tödten 
wollen  buch  d.  liebe  (1587)  131  <=; 

ja  Ich  halts  auch,  es  sey  am  bestn, 
wenn  eim  ein  guttheit  wlderfar, 
dasz  er  dleselb  nicht  offenbar 

J.  Aykek  dram.  2653  K.; 

ich  besorge,  ich  habe  in  meinem  leben  mehr  als  einem  un- 
würdigen gutheiten  erwiesen  Bode  Thomas  Jones  (1786) 
6,  149;  du  betrügst  sie  um  ihre  gutheit  Auerbach  schätz- 
kästl.  1,  11;  halb  technisch  entsprechend  beneficium  im 
sinne  'Schenkung'' :  und  solch  recht,  freihält,  privilegia 
und  güthait  inen  verlassen  und  bis  auf  uns  komen  ist 
städtechron.  32,  276; 

zu  widergelt  solcher  gutheit, 
so  thu  drey  ding  auS  disen  tag 
all  jar  hernach,  wie  ich  dir  sag 

H.Sachs  12, 194  £.- <?. 

ß)  speziell  von  den  gnadengaben  gottes: 

der  gutheit  halb,  die  unsz  got  gan 
und  willig  hat  getan 

Hans  Foiz  meistert.  3,  63  Mayer; 

danck  sagen  wir  dir,  Jesu  Christ, 
umb  die  speis,  die  du  uns  gibst, 
und  loben  dich  mit  reichem  schall 
ja  umb  die  gab  und  gütheit  all, 
die  du  uns  gibst  uf  erttrich 

liederb.  d.  Hätzlerin  82  H.; 

hett  in  got  als  vi]  Hechtes  geben  und  also  grosz  güthait 
als  er  dir  hat  gethon  Tauler  sermones  (1508)  131^;  dann 
ein  opffer  nennet  man,  welches  gott  zu  eren  oder  danck 
seiner  gütheit .  .  .  geben  wirt  J.  Diettemberger  wider  d. 
unchristl.  buch  Mart.  Luthers  (1526)  i>  1^;  und  er,  wie  ain 
danckbarer  herr,  zu  gedechtnus  empfangener  güthait,  hat 
kirchen  gebauet  H.  Kilian  res  publ.  Vinet.  (1557)  b  6^. 
y)  unhäufig  mehr  nach  gut  III  A  2  bzw.  4  hin  für  die 
'gute,  angenehme  erfreuliche  scLche'  überhaupt:  und  Abra- 
ham sprach  zu  im  {dem  reichen  manne) :  sun,  gedenk  daz 
du  hast  enphangen  dein  gutheit  in  deim  leben  cod.  Tepl. 
1,  105  Rüttler;  der  herr  machet  dich  uberflieszend  in  aller 
gütheit  erste  dtsche  bibel  4, 218  Kurr.;  daz  ym  erst  in  seinen 
alten  tagen  so  vil  eer  und  güthait  widerfaren  soltt  For- 
tunatus  74  ndr.; 

desz  {deg  fantens  der  reichen)  doch  der  arm  mon  mag 
zu  nütz  und  güthait  mag  erspriesen  [genisen, 
von  der  reichen  kurzweil  und  schlmpfif 

H.  Sachs  17,  347  K.-  O.; 
wie  gut,  n.,  Blb  'besitz,  habe" : 


das  im  im  alter  nicht  zerrinn, 
so  er  erst  darff  der  gutheit  wol 


6,  365. 


3)  weniger  häufig  von  gut  V  hergeleitet  von  der  sittlichen 
Wesensart  des  menschen  oder  der  moralischen  qualität 
seiner  handlungen,  vgl.  gute  2. 

a)  meist  mit  persönlichem  beziehungswort  'rechtschaffen- 
heit,  tugendhaftigkeiV ,  und  religiös  gewertet  'frömmigkeit, 
gerechtigkeit  vor  gotV :  daz  fünfte  ist,  daz  man  dirre  geburt 
grcezlichen  begern  sol,  wan  begerunge  ist  ein  wurzel 
aller  tugende  unde  guotheit  meister  Eckhart  bei 
Pfeiffer  myst.  2,  479; 

das  die  geistlich  bofarte 

dir  nit  dein  gutheit  gar  vernlcht, 

dar  vor  mit  fleisz  dich  hüte 

Hans  Folz  meistert.  8,  68  Mayer; 

wir  legten  der  frouwen  arckwon  auff  die  waug  und  lag 
die  güttheyt  auff  dem  andern  teU  d.  heyligen  leben,  sum- 
merteil (1472)  80*;  das  sy  im  hoffnung  und  trost  versaget, 
domit  im  verschliesz  den  weg  aller  gütheyt  und  tugent 
Hartlieb  buch  Ovidii  v.  d.  liebe  (1482)  30^; 

in  gutheit  üb  dein  jugent  wol 

J.  V.  Sohwakzknbeeo  trostspr.  261  ndr.; 

B.  erkent  die  gütheit  und  redlichkeit,  übergibt  im  frei  das 
furstenthumb  Tancredo  seines  brüders  sun  Seb.  Franck 
chron.  Germ.  (1538)  1373';  göttliche  dichtkunst,  die  du  das 
reinste  feuer  in  mir  entflammtest,  woran  sich  tugend 
und  gutheit  ohne  furcht  und  erröthen  wärmten  Kretsch- 
MANN  s.  w.  (1784)  2,  1;  als  die  missethat  des  kaisers  seine 
gutheit  überwiegen  sollte,  und  wir  {teufel)  die  seele  in 


1435 


GUTHERR-  GUTHERZIG 


GUTHERZIG 


1436 


unsere  gewalt  nehmen  wollten,  da  kam  der  gesegnete 
Lauren  tius  Grimm  dtsche  sagen'  2,  99. 

b)  objektiv,  auf  handlungen  oder  zustände  bezogen  oder 
absolut  'rechtschaffenheiV: 

was  ich  sage,  das  wollent  !r  verandern: 

falscheit  nennent  ir  gutheit, 

und  Schönheit  nennent  ir  falscheit 

pilgerf.  d.  träum,  mönchs  5466  Bömer; 

darümb  ist  das  werck  recht,  gut,  heilig  und  wohlgethan, 
denn  er  (gott)  selbs  thuts  und  also  die  gutheit  herkömet 
von  gott  und  nicht  von  dem  werck  Luther  16,  142  W., 
vgl.  6,  204;  verdinglicht  für  die  'sittliche  handlung^  selbst: 

die  sind  all  zitt  berait 

durch  mynn  und  durch  stätikait 

ze  wurcken  alle  gütthait 

mhd.  minnereden  1,  141  MattMi; 

die  dan  hie  gutheyt  hant  verprachte, 

gent  in  das  ewig  himlisch  reich  und  vaterlant 

Hans  Folz  meistert.  63,  116  Mayer; 

etwas  anders  'alles  sittlich  gute" :  der  todt  .  .  .  aller  natür- 
lichen dingen  ist  anders  nicht  als  ein  .  .  .  herrschung  über 
die  gutheit  und  boszheit  Paracelsits  opera  (1616)  1,  91 
Huser;  nach  gut  V  B  3  a  'gute  werke" : 

{der  kaiser)  mit  den  klostern  und  kircben 
er  vil  gutheit  was  wirchen 

M.  Beheim  buc/i  V.  d.  Wienern  355,  14  Karajan. 

GUTHERR,  m.,s.  gutsherr.  —  gutherz,  adj. ,  vereinzelte 
adjektivierung  aus  der  formet  gutes  herz  (vgl.  sp.  1287)  mit 
dem  alten  adj.  herze,  vgl.  mhd.  barmherze,  adj.,  in  der  be- 
deutung  von  gutherzig  la:  guthoerzer  leut  P.  Schede- 
Melissus  ps.  44  ndr.  —  gutherzend,  part.  adj.,  ge- 
legentliche bildung  entsprechend  gutherzig  la:  dieses 
mein  geringes  werck  (ist)  von  vielen  wolmeinenden,  gut- 
hertzenden  leuthen  wol  angenommen  worden  J.  Ayber 
hist.  proc.  jur.  (1600)  )(  3», 

GUTHERZIG,  adj.,  auch  adv.;  seit  dem  späteren  mhd. 
bezeugt,  von  formelhafter  Verbindung  gutes  herz,  vgl.  gut 
IV  A  1  c  y  und  V  A  1  f  abgeleitet,  vgl.  guthertzig  bonicors 
Alberus  nov.  dict.  (1540)  k  k  2a. 

1)  entsprechend  gut  IVAlcy  (sp.12%1)  im  sinne 
'freundliche,  wohlwollende,  geneigte,  gutmütige  gesinnung 
habend  oder  zeigend\ 

a)  mit  personalem  beziehungswort  von  menschen  mit 
freundlicher,  wohlwollender  gesinnung. 

a)  allgemein  von  der  sinnesart  als  solcher:  do  dis  (Sev^es 
krankheit)  innen  ward  ein  getrüwer  gütherziger  mensche, 
der  sin  do  pflag  Seuse  dtsche  sehr.  87  Bihlm.;  (die  sich) 
deshalben  .  .  .  heimlich  umb  ainen  getreuen  beystandt 
bey  ethchen  guetherzigen  beworben  städtechron.  22,  435; 
hab  ich  auff  bitt  und  begehren  ethcher  guthertziger  leut 
solches  gedieht  an  tag  zu  kommen  mich  überreden  lassen 
W.  Spangenberq  ausgew.  dicht.  16  Martin;  solche  weise 
Friderici  und  guthertzige  fürsten  .  .  .  seyn  dünn  gesäet 
Zinkgrep-Weidner  teutsch.  nation  weish.  3  (1653)  22; 
von  jeher  sind  wir  unter  allen  europäischen  Völkern  das 
gutherzigste  gewesen  Meiszner  skizzen  (1778)  2,  120;  du 
warst  durch  das  zureden  gutherziger  und  wohlmeinden- 
der  freunde  dazu  bewogen  Leopold  Mozart  bei  0.  Jahn 
Mozart  2,  54;  man  pries  ihre  erhabenen  eigenschaften, 
obgleich  sie  nur  ein  gutherziges  mädchen  war  Auerbach 
sehr.  3,  141;  wie  'gutmütig':  indem  ich  mich  aber  so  un- 
freundlich hierüber  ausdrucke,  so  musz  ich  doch,  wie  es 
den  gutherzigen  polterern  zu  gehen  pflegt,  mich  sogleich 
zurücknehmen  Göthe  IV  20,  193  W.;  neutraler  'wilUg\- 
gegen  sollichen  güthertzigen  menschen  müssen  wir  uns 
vü  anders  halten  dann  gegen  den  halszstarcken  Luther 
10,  3,  38  W. 

ß)  blasser  'geneigf  in  der  formal  gutherziger  leser,  die 
bis  ende  des  18.  jh.  geläufig  ist:  dem  freundlichen  gut- 
hertzigen  leser  wünscht  Hans  Sachs  ein  gut  seligs  neues 
jar  H.  Sachs  6,  8  K.;  dahin  ich  auch  auff  diszmal  den 
güthertzigen  leser  geweiset  wil  haben  theair.  diabol.  (1569) 
2^;  zum  beschlusz  den  güthertzigen  leser  der  göttlichen 
allgewaltigen  obhut  und  mich  zu  seinen  beharrlichen 
gunsten   empfehlende   v.  Hohbekg  georg.  cur.  (1682)  2, 


vorr.  a  6'';  gehaltvoller:  dasz  ein  guthertziger  leser  zu- 
weilen einen  kleinen  Schnitzer  .  .  .  übersiehet  Bodmeb 
abh.  V.  d.  wanderb.  (1740)  253;  einige  von  meinen  gut- 
herzigen lesern  werden  bei  dieser  gelegen  heit  ein  wahres 
mitleiden  mit  mir  gehabt  haben  Klopstock  s.  w.  (1823) 
11,  239. 

y)  mit  dem  beisinn  'wohltätig',  wenn  sich  die  sinnes- 
weise in  bestimmten  Jmvdlungen  äuszert;  gelegentlich  auch 
mit  abhängiger  präposition  gegen  (vgl.  gut  IVAlbjS) 
oder  personalem  dativ  (vgl.  gut  IV  A  1  b  a) :  ich  kan  nicht 
gnugsam  aussprechen,  wie  guthertzig  sie  kegen  mir  war 
Barth  weibersp.  (1565)  m  l**;  kayser  Tiberius,  welcher 
einmahl  einen  unschätzbaren  schätz  ausz  der  erden 
graben  (ivird),  weilen  er  so  guthertzig  gegen  den  armen 
gewest  Abraham  A  s.  Clara  Judas  (1689)  2,  5;  bat  die 
götter,  dasz  sie  mir  geneigt  und  guthertzig  waren  in 
aller  sach  buchd.  liebe (l^S7)ldO'^;  meist  absolut:  un(Seu^e) 
waz  in  derselben  stat  ...  sin  noturft  vil  wol  zu  gevallen 
von  gütherzigen  menschen  Seuse  dtsche  sehr.  124  Bihlm.: 
machten  ethche  guthertzig  knechte  .  .  .  ein  hütten, 
trugen  darunder  die  presthafftigen  Kirchhof  wendunm. 
1,532  Österl. ;  das  volck  ist  auch  mehr  gutherzig  als  freund- 
lich MiCRAELius  altes  Pommerland  (1640)  6,  414;  ein 
solcher  armer  knabe  aber  sieht,  dasz  er  nichts  vermag, 
als  was  er  von  güthertzigen  leuten  aus  gnaden  bekäme 
J.  G.  Schmidt  gestr.rockenphil.  (1706)  2, 122;  wäre  sie  nicht 
auch  die  gutherzigste  und  wohlthätigste  ihres  geschlechts 
schon  von  natur  gewesen,  .  .  .  die  beichtväter  hätten  sie 
dazu  gemacht  Gutzkow  zaub.  v.  Rom  3,  165. 

ö)  wie  gut  IV  A  2  a  oft  mit  dem  pejorativen  beisinn  der 
gutmütigen,  weichherzigen  schwäche  oder  torheit:  die 
schwache,  güthertzigen  menschen  Luther  10,  3,  47  W.; 
das  läszt  sich  der  gutherzige  scheick  gefallen  allg.  dtsche 
bibl.  (1785)  1,  40;  freue  dich,  gutherziges  schaf !  neue 
schausp.  (1771)  7,  3,  79;  der  schwache  oder  sogenannte 
gutherzige  portraits  (1779)  221;  wil  wollen  nicht  verachtet 
noch  gedruckt  sein,  so  gutherzige  narren  wir  auch  sind 
Göthe  8,  176  W.;  wie  'leichtgläubig':  viele  seiner  gut- 
herzigen und  unbelesenen  landsleute  hielten  ihn  für 
einen  rechten  wundermann  Klopstock  gelehrtenrepubl. 
(1774)  165;  ich  sagte  weiter,  kein  eisen  dürfe  dem  schätze 
nahe  kommen  .  .  .  und  die  dummen  gutherzigen  mord- 
brenner  schmissen  nun  auch  ihre  gewehre,  säbel  und 
grausam  langen  messer  von  sich  Tieck  sehr.  (1828)  9,  255; 
eiwas  anders  für  jemand,  der  es  zwar  gut  meint,  aber  töricht 
ist:  das  Christentum  (wird)  dadurch  jeder  verworrenen 
ausbildung  eines  jeden  gutherzigen  Schwärmers  bloszge- 
stellt  allg.  dtsche  bibl.  (1765)  1,  2,  119;  vorerst  also  zur 
beruhigung  dieses  gutherzigen  briefschreibers :  ich  habe 
die  christliche  religion  niemals  öffenthch  bestritten 
M.  Mendelssohn  ges.  sehr.  3,  310;  scherzhaft,  nach  gut 
IV  A  4  hin,  'gefällig' : 

verfallene  nachtherbergen,  aber  drinnen 
gutherzige  mägde  und  freundliche  wirthlnnen 

KOETUM  Jobsiade  (1799)  2,  89. 

b)  mit  sächlichem  beziehungswort  im  sinne  'freundliche 
gesinnung  zeigend'  oder  'aus  freundlicher  gesinnung  her- 
vorgehend'. 

a)  von  seelischen  organen,  der  gesinnung,  dem  Charakter 
u.  ä.:  zu  anzeigung  ihres  gutherzigen  gemütes,  so  sie 
zu  i.  f.  g.  trügen  .  .  .,  hätten  sie  ihren  gesandten  i.  f.  g. 
ein  präsent  zu  überantworten  zugestellt  v.  Schwei- 
nichen  denkumrd.  104  Österl.;  hierdurch  werden  sie  ihr 
gutherziges  gemüth  an  den  tag  legen  Schwabe  belust. 
(1741)  2,  13;  (eine  menscheng aituruj)  von  .  .  .  sanftem, 
gutherzigem  Charakter  Ratzel  völkerkde  2,  215;  persön- 
lich gewendet:  Christian  Lammfell  ist  eine  weiche,  poe- 
tische, unendhch  gutherzige  natur  G.  Freytag  ges.  w. 
16,  164. 

ß)  von  kennzeichen  oder  ausdrucksformen  der  gesinnung: 
ein  groszer .  .  .  junge  mit  gutherzigen]  äugen  W.  v.  Polenz 
Qrabenhäger  1,  257;  sein  gutherziges  angesicht  lachte  vor 
freu  de  unter  dem  weiszen  haar  G.  Freytag  ges.  w.  6,  100; 
so  mengt  sich  zugleich  ein  bedauren  darunter,  welches 


1437 


GUTHERZIG 


GUTHERZIGKEIT 


1438 


eine  rührung  der  zärtUchkeit  ist,  die  sich  als  spiel  mit 
einem  solchen  gutherzigen  lachen  sehr  wohl  verbinden 
läszt  Kant  5,  335  akad.;  der  könig  vermiszte  seinen 
Maurepas,  .  .  .  zollte  ihm  seine  gutherzigen  thiänen 
Dahlmann  gesch.  d.  frz.  revolut.  91. 

y)  von  menschlichen  eigenschaften:  aus  gutherziger 
dankbarkeit  für  den  schönen  kaiserlichen  einfall  Klop- 
STOCK  gelehrtenrepubl.  (1774)  43;  hierauf*  antworteten  die 
Noditen  mit  einer  gutherzigen  einfalt  Wielakd  I  3,  347 
akad.;  die  freche  dummheit  ist  gestraft,  .  .  .  die  gut- 
herzige Schwachheit  ebenso  sehr  Heedeb  23,  12  S.;  Nerva 
regierte  nur  kurze  zeit,  aber  mit  gutherziger  milde 
H.  Meyer  gesch.  d.  bild.  künste  Z,  200. 

d)  vom  meinen  und  denken:  dasz  sie  {die  bürger)  .  .  . 
aines  ersamen  rats  handlung  und  gantz  güthertzige  wol- 
mainung  mit  schuldiger  danckbarkeit  erkennen  städte- 
chron.  32,  36;  bittend,  den  schimpft  nit  selber  zu  ver- 
unglimpffen,  dann  es  guthertziger  meinung  und  ausz 
mitleiden  gegen  den  Eulenspieglern  fürgenommen  (ist) 
Fischabt  2,  20  Hauffen;  weil  ich  nun  befinde,  daz  meine 
güthertzige  meynungen  so  MederUch  verworfEen  worden 
Chr.  Weise  erznarren  24  ndr.;  über  den  gutherzigen  ein- 
fall, den  Deutschen  ein  nationaltheater  zu  verschaffen 
Lessinq  10,  213  L.-M.;  der  sechzehnte  Ludwig  ...  da 
er  jung  und  voll  gutherziger  hoffnung  war  Dahlmann 
gesch.  d.  frz.  revol.  3;  sein  verbrechen  ist  erwiesen;  was 
du  sagst,  ist  gutherziger  irrthum  J.  A.  Eeszlee  Äristides 
u.  Themistokles  1,  206. 

e)  vom  ausdrucksergebnis  in  rede  und  handlung:  dis  güt- 
hertzige straffen  gelinget  dem  guten  man  nicht  wol 
J.  Garceus  v.  d.  heil,  engein  (1565)  b  2C;  auf  der  .  .  . 
stände  güthertzige  erinnerungen  Londobp  acta  publ.  (1668) 

1,  72;  gutthertzige  anttwordt  Kbaeft  reisen  6  lit.  ver.; 
ein  gutherziger  wolmeinender  rath  bei  Opel-Cohn 
dreiszigj.  krieg  8;  ich  habe  solche  güthertzige  lehre  alle- 
zeit in  den  wind  geschlagen  Oleaeius  'persian.  rosenthal 
32  in:  verm.  reiseöescAr.  (1696)  anhang;  damit  solches  um  so 
leichter  geschehen  könne,  macht  er  den  gutherzigen  Vor- 
schlag M.  I.  Schmidt  gesch.  d.  Dtschen  (1778)  2,  452;  was 
kann  man  auf  ein  so  gutherziges  wort  anders  als  sogleich 
kindlich  ja  sagen  Lavater  in:  br.  von  u.  an  Klopstock 
347  Läpp.;  wirkhch  verdiente  auch  die  königliche  familie, 
ihres  durchgängig  leutseligen  und  gutherzigen  betragens 
wegen  mit  recht  allgemeine  liebe  G.  Fobster  s.  sehr. 

2,  73;  denen  sie  sonst  an  gastfreiheit  sowie  an  dienst- 
fertiger und  gutherziger  behandlung  von  fremden  nicht 
nachstehen  0.  Peschel  völkerkde  417;  (eine)  gutherzige 
spende  an  den  nöthigsten  kleidern  G.  Feeytag  ges.  w. 
9,  5;  es  ist  eine  art  von  gutherziger  grobheit  in  diesen 
leuten  Lichtenberg  verm.  sehr.  (1844)  3,  274, 

2)  nach  gut  V  A  1  f  (sp.  1301)  gebildet  in  älterer  spräche 
hinsichtlich  der  ethischen  gesinnung  des  menschen  'ein 
rechtschaffenes,  frommes  herz  habend':  es  viel  .  .  .  eine 
grosze  erbermede  in  mich  von  driger  weltwiser  manne 
wegen,  die  bekenne  ich  wol,  das  es  gar  guothertzige  man 
sint  und  ouch  etewas  gottes  vorhte  habende  sint  Nico- 
laus V.  Basel  ausgew.  sehr.  251  Schm.;  daz  es  gotes  guter 
wiUe  were,  daz  es  fürbaz  würdi  gemainsamet  allen  güt- 
herzigen menschen  Seuse  dtsche  sehr.  6  Bihlm.;  denn 
ich  rede  hie  von  den  guthertzigen  und  gottfurchtigen 
menschen,  die  nicht  gern  unrecht  thetten  Luther  15, 
297  W.;  aUen  unde  ythüken  godtfrüchtigen  unde  gudt- 
hertigen  leiffhebberen  der  christliker  warheit  B.  RoT- 
MANN  rest.  3  ndr.; 

der  könig  David  zeyget  an 

ein  guthertzigen  frommen  mann 

H.  Sachs  15, 193  K.-  0.; 

wie  merckhch  die  eer  gottes  durch  die  widerwertigen  leren 
verhindert,  die  gewissen  der  guthertzigen  beschwert  und 
der  gemein  mann  ...  in  irthumb  gefiert  wirt  städtechron. 
23,  389;  der  tod  und  jüngst  tag  seind  grausam  allen  gott- 
losen, erwünscht  aber  allen  guthertzigen  sprichw.  (1548) 
683';  derwegen  will  die  äuszerste  und  höchste  nohtdurfft 
erfordern,  das  alle  güthertzige  Christen  vor  solchen 
zauberischen  beschwerern  . .  .  gewamet  (werden)  Wid- 


mann Fausts  leben  34  K.;  er  etwan  ein  sonst  frommes 
guthertziges  kind  in  der  Versuchung  fällen  last  Fr.  Spee 
güld.  tugendb.  (1649)  208;  noch  vergleichbar:  unmäszige, 
ungesunde,  bösartige  und  blöde  eitern  haben  wenig  hoff- 
nung zu  einer  gesunden,  verständigen  und  gutherzigen 
nachkommenschaft  Gellert  dicht.  302  Schullerus. 

3)  als  adv.  in  verschiedenen  bedeutungen  von  gutherzig  1 
seit  dem  16.  jh.  verwendet: 

. . .  all,  so  auff  erden  eben 

mit  irem  nechsteu  friedlich  leben 

guthertzig,  brüderlich  und  treu 

H.  Sachs  15,  309  K.-  Q.; 

dasz  solches,  so  .  .  .  von  unsern  voreitern  guthertzig  {'in 
guter  absieht')  gestiftet,  also  durch  ain  schlecht  argument 
solte  profaniert  werden  städtechron.  32,  321;  was  haben 
aber  etliche  schweitzerische  ort  seidher  des  1520.  jars  . . . 
diser  wolmeinenden  vermanung  und  guthertzig  ge- 
gebenen weisen  rhats  geachtet?  Fischart  vorr.  in: 
Euphorion  jahrg.  1902,  642;  rede  ich  guthertzig  und  in 
gantzen  treuen  uns  zu  vermahnen  Jacob  Böhme  sehr. 
(1620)  6,  28;  sondern  es  {der  hausherr)  guthertzig  und  treu 
mit  ihnen  {dem  gesinde)  meynet  v.  Hohbebg  georg.  cur. 
aucta  3  (1715)  821";  tanten,  welche  .  .  .  sich  endhch  dem 
wohl  einer  ganzen  familie  gutherzig  aufopfern  Th.  Abbt 
verm.  w.  (1768)  6,  1,  135;  er  antwortete  immer  gutherzig 
Jung-Stilling  s.  sehr,  l,  125;  morgen  lächle  ich  ihm  wohl 
wieder  gutherzig  zu?  Caeoline  l,  lOl  Waitz. 

GUTHERZIGKEIT,  /.,  vom  vorigen  abgeleitet;  'die 
eigenschaft,  gutherzig  zu  sein';  vereinzelt  schon  spätmhd. 
(«.  u.  2),  geläufig  seit  dem  16.  jh. 

1)  entsprechend  gutherzig  l  'freundliche,  wohlwollende, 
geneigte,  gutmütige  gesinnung',  vgl.  guthertzigkeit  cordia- 
lita,  benevolenza  Hülsius  dict.  (1618)  144'>'. 

a)  allgemein,  die  freundliche,  zum  wohlwollen  geneigte 
Sinnesart  als  Charaktereigenschaft  {vgl.  gutherzig  l  a  a) :  die 
durch  freimdthche  sittigkeit  und  guthertzigkeit  gleichsam 
gesalbet  und  gelindert  werde  Baeth  weibersp.  (1565)  b  6»; 
wie  ich  offtmals  von  solchen  leuten  diu-ch  meine  gut- 
hertzigkeit sey  betrogen  worden  Schupp  freund  i.  d.  not 
42  ndr.;  im  ersten  falle  loben  wir  die  französische  höflich- 
keit,  leutseligkeit  und  natürliche  gutherzigkeit  Gott- 
sched d.  neueste  (1751)  2,  596;  weil  ich  aber  sehe,  dasz 
du  es  aus  gutherzigkeit  gethan  hast,  .  .  .  will  ichs  dir 
vergeben  theat.  d.  Dtschen  (1768)  12,  333;  die  wolbedachte 
mischung  deutscher  gutherzigkeit  und  deutschen  ernstes 
Klopstock  gelelirtenrepubl.  (1774)  115;  sie  rechnete  fest 
auf  seine  gutherzigkeit,  einfalt  und  stüle  ergebenheit 
G.  Keller  ges.  w.  5,  124;  die  gutherzigkeit  der  mensch- 
lichen natur  und  das  vergnügen,  glückUch  zu  machen 
Wieland  Agathon  (1766)  l,  253. 

b)  die  sich  in  einzelnen  handlungen  äuszernde  gesinnung 
des  Wohlwollens  {vgl.  gutherzig  l&y):  die  weise  und  ge- 
stalt  peinlich  zu  fragen,  steht  gar  miteinander  auff  er- 
achtung, fürsichtigkeit  und  guthertzigkeit  des  richters 
M.  Beuther  v.  Caelstat  prax.  var.  crim.  (1565)  &Q^;  die 
aber  wegen  meiner  guthertzigkeit  diu-chaus  nichts  von 
mir  nehmen  weiten  Geimmelshausen  4,  635  Keller;  ein 
schwartzer  mohr  hat  aus  guthertzigkeit  den  propheten 
Jeremiam  .  .  .  aus  einer  tieffen  gruben  gezogen  Abeaham 
AS.  Clara  Judns  (1686)  l,  237;  wir  stellen  es  also  der 
gutherzigkeit  unserer  leser  anheim,  ob  sie  glauben  woUen, 
der  Verfasser  habe  sein  wort  gehalten  Gottsched  beytr. 
z.  crit.  hist.  (1732)  1,  306;  züge  der  gefälUgkeit  und  gut- 
herzigkeit unter  den  hiesigen  einwohnern  S.  G.  Bürde 
erzähl,  v.  e.  gesellschaftsreise  (1785)  186;  *  wohltätig  keif: 
er  lebte  .  .  .  von  der  gutherzigkeit  anderer  Studenten 
Laukhard  leb.  u.  schicks.  l,  259;  nehmt  als  dank  für  eure 
gutherzigkeit  eine  Warnung  G.  Feeytag  ges.  w.  11,  246. 

c)  mehr  in  passiver  hinsieht  'gutmütigkeit,  nachsieht', 
auch  in  pejorativen  sinn  übergehend  {vgl.  gutherzig  lad): 
so  musz  ich  mich  über  des  heilandes  guthertzigkeit 
wundern,  dasz  er  sie  nicht  besser  peitschet  geaf  Zinzen- 
DORF  Christi,  bedencken  (1735)  20;  vielleicht  verlacht  man 
.  .  .  meine  gutherzigkeit  theat.  d.  Dtschen  (1768)  7,  276; 


1439 


GUTHERZIGLICH-GÜTIG 


GÜTIG 


1440 


oder  was  hält  man  von  jenem  manne,  dessen  ganzes 
hauswesen  ich  schildern  musz,  um  von  seiner  sogenannten 
gutherzigkeit  urtheüen  zu  können?  portraits  (1779)  222; 
wir  wundern  uns  über  die  gutherzigkeit  des  pubUkums, 
wenn  es  .  .  .  diese  rhapsodie  ...  als  ein  meisterstück  auf- 
nehmen wird  GöTHE  38,  335  W.;  (sie)  legte  mit  kindischer 
gutherzigkeit  ihre  beyden  händchen  in  die  meinen 
Thümmel  reise  i.  d.  mittl.  prov.  v.  Fr.  5,  300;  worin  besteht 
seine  gutherzigkeit?  in  der  Unfähigkeit,  jemandem  etwas 
abzuschlagen  Gerstenberg  recens.  78  lit.-denkm. 

2)  unhäufiger  zu  gutherzig  2  gebildet,  doch  bereits  aus 
älterer  spräche  belegbar,  für  'rechtschaffenheit,  frömmigkeit, 
ethische  wohlgesinntheit':  were  es  denne,  daz  got  sine 
barmhertzikeit  und  uwere  guothertzikeit  wxirde  ane- 
sehende  und  uch  wurde  unverdienet  die  grosze  gnode 
gebende  Nicolaus  v.  Basel  ausgew.  sehr.  283  Schm.; 
schon  mit  beiklang  von  1  a:  und  lobet  ire  trew  und  gut- 
hertzigkeit  Schütz  hist.  rer.  pruss.  (1592)  b,  f  6^;  dem- 
nach ich  deine  guthertzigkeit  und  treue  sehe  Grimmels- 
HAUSEN  Simpl.  370  ndr.;  diese  treue  war  vielmehr  eine 
Wirkung  der  alten  redlichkeit  und  gutherzigkeit  M.  I. 
ScHr«DT  gesch.  d.  Dtschen  (1778)  4,  433;  die  redlichkeit 
und  gutherzigkeit  des  jungen,  die  ihm  angebohren  war 
Th.  Abbt  verm.  w.  (1768)  1,  138.  —  gutherziglich,  adv., 
ältere  adverbialverbildung  zu  gutherzig  l: 

wol  dem  mann,  der  guthertziglicb 
desz  dürfftigen  annemet  sich 

H.  Sachs  18,175  K.-G.; 
also  Anchises  sein  gcbett 
guthertziglicb  vollenden  thet 

Spkenq  Utas  (1610)  49»; 

dis  war  es,  dasz  sich  viele  verwunderten,  wie  solche  land- 
zwingende  wühteriche  noch  so  guthertziglicb  grausam 
sein  konten  Zesen  gekr.  majest.  (1661)  184;  sondern  bat 
einen  Polweichschen  diener  und  boten,  dasz  er  ihn  die 
nacht  über  gutherziglich  beherbergen  ...  wolte  L.  Geiz- 
kofler  selbstbiogr.  99  Wolf.  —  gutheu,  ».,  zu  gut  II 
A  2,  ältere  bezeichnung  für  die  beste  heugattung  [aus  e.  inv. 
V.  1680)  Unger-Khüll  313.  —  gutieren,  vb.,  entlehnung 
aus  franz.  gouter,  daher  meist  als  goutieren  {s.  dort)  ge- 
schrieben; 'geschmack  an  etwas  finden':  dasz  sie  'menschcn- 
hasz  und  reue'  so  sehr  gutiren,  wird  man  ihnen  doch 
nicht  anrechnen  sollen  W.  v.  Bürgsdorff  br.  172  lit.- 
dkm.;  und  Rindvigius  —  gutirte  das  neue  fach,  das  sie 
ihm  anwiesz  C.  F.  Bahrdt  pastor  Bindvigius  2,  157. 

GUTIG,  adv.,  s.  guting. 

GÜTIG,  adj.,  adv.;  ableitung  von  ^güte,  dessen  be- 
deutungen  sich  zumeist  in  gütig  wiederfinden,  daher  direkte 
bildung  aus  gut,  adj.,  nicht  wahrscheinlich  ist;  ahd.  noch 
nicht  bezeugt  und  auch  mhd.  relativ  selten  drängt  es  sein 
konkurrenzworl  gütlich  (s.  dort)  im  nhd.  stark  zurück. 

1)  die  hauptbedeutung  entspricht  ^güte  3  im  sinne 
'freundliche,  wohlwollende,  liebreiche,  sanfte,  milde  ge- 
sinnung  habend  oder  beweisend;  vgl.  gütig  clemens  Diefen- 
BACH  gl.  126^=;  gutig,  gunstig  marisuetus  nov.  gl.  246^'; 
zem  und  gietig  mansuetus  gl.  347*^;  milt,  guetig  pius  439*. 

a)  von  der  Wesensart  einer  person  als  dauernder  eigen- 
schaft,  die  aus  dem  charakter  oder  aus  sittlicher  Verpflichtung 
hervorgeht. 

a)  von  der  Wesensart  des  menschen,  die  sein  handeln  be- 
stimmt,. 

aa)  allgemein:  doch  was  er  ersamig,  gutig,  weis  und 
gesprechig  nach  der  werlt  laufe  Johann  v.  Neumarkt 
Hieronymu^s  424  Kl.;  {er)  sagt  .  .  .,  ein  senfEtige  gütige 
fraw  sey  ein  seltzamer  vogel  auff  erttrich  Albr.  v.  Eyb 
dtsche  sehr.  1,  8  Herrm.;  der  ein  cardinal  {war)  ein  guttig 
man  Luther  7,  567  W.;  diese  königin  war  so  gottfürchtig, 
fromb  und  gütig,  dasz  sie  mit  aller  billigkeit  in  die  zahl 
der  heUigen  und  hochberümpten  frauwen  .  .  .  gezehlet 
und  gerechnet  wird  H.  Rätel  Curäi  chron.  (1607)  262; 

Agnes,  die  schön  und  zarte, 

. . .  fromm,  züchtig,     Ijeusch  und  gütig 

ZiNKQREF  auserl.  ged.  10  ndr  ; 

ich  möchte  eine  schöne,  gütige  und  vornehme  frau,  die 
mir  aber  nichts  verzehret  Lessing  8,  55  L.-M.;  der  helle 


verstand  - .  .  edler,  weiser  gütiger  menschen  Hebdeb 
23,  12  S.;  {meine  Schwester  war)  gesund,  stark  und  un- 
beschreiblich gütig  Göthe  22,  343  W.;  der  herr  des  ge- 
schäfts  sei  klug  und  gütig  Fontane  ges.  w.  I  5,  51. 

ßß)  im  sinne  'liebevoll'  als  spezifische  eigenschaft  von 
mutter  und  vater  formelhaft:  diweil  sie  solcher  vilf altigen 
grosen  gaben  gleichsam  als  ain  gütige  muter  ist  und 
solche  wolthaten  von  den  voreitern  und  vättern  auch  auf 
ihre  kinder  .  •  .  will  kommen  und  erben  lassen  Fischaet 
3,  48  Hauffen;  die  gütige  mutter  oder  sonst  ein  ihm 
zugewandtes  weibliches  wesen  E.  T.  A.  Hoffmann  s.  w. 
12,  7  Or.;  freude  eines  dankbaren  sohnes  über  die  erfolgte 
genesung  seines  gütigen  vaters  Pietsch  geb.  sehr.  (1740) 
284;  nun  ja,  miss,  unser  gütiger,  unser  bester  vater 
Lessing  2,  316  L.-M. 

yy)  im  sinne  'gnädig,  huldvoll,  leutselig'  als  typische 
eigenschaft  des  herr  scher  s  oder  herrn:  bey  dem  volk  werde 
ich  {Salomo)  gütig  erfunden  und  im  krieg  ein  helt  Luther 
bibel  5,  31  Bindseil- Niem.;  weil  er  ein  freundlicher,  gütiger 
und  liebhcher  fürst  ist  Amadis  56  lit.  ver.; 

die  königin  Didonem  gütig 
ersuchten  sie  durch  bitt  demütig, 
ihnen  zu  bieten  dar  die  band 

Spkenq  Äneis  (1610)  1»; 

welches  fest?    o  lasset  hören  1 

unsrer  königin  zu  ehren, 

der  erhabnen,  gütigen  Schillee  15, 1,  6   G.; 

dem  braven  hauptmanne  .  .  .  bewilligte  der  gütige  fürst 
eine  bedeutende  zulage  Chph.  v.  Schmid  ges.  sehr.  2,  112; 
wenn  ein  knecht  alzu  einen  fromen  herren  hat,  .  .  .  eine 
magd  eine  gütige  fraw,  so  kan  mans  nicht  leiden,  je 
gütiger  inen  geschiet  von  irer  herrschafft,  jeweniger  sie 
es  achten  Luther  28,  642  W.;  ein  gütiger  herr  kan  auch 
keine  tyranney  von  andern  dulden  Friedrich  Wilhelms 
sprichw.-reg.  (1577)  m  2*; 

{nimmer)  find  ich  einen  so  gütigen  berm,  wohin  ich  auch  gebe 
J.  H.  Voss  Odyssee  254,  139  Bern.; 

wenn  ich  in  jenen  posten  versetzt  werden  sollte,  den  mir 
mein  gütiger  gönner  bestimmt  Schiller  14,  214  0. 

öd)  entsprechend  aa  von  den  psychischen  organen:  ich 
bin  eins  demütigen  und  senfften,  gütigen  hertzen  Geiler 
V.  Keisersberg  bilgersch.  (1512)  17''; 

disz  als  bescbuS  sein  gütig  hertz 

H.  Sachs  1, 178  K.; 

anstatt  an  der  Sehnsucht  nach  einem  würdigen  dasein, 
nach  einem  gütigen  herzen,  nach  liebe  lebenslang  zu 
kranken  G.  Keller  ges.  w.  5,  52;  ich  meint  dise  ding 
alle  weren  geschefft  menschlicher  art  und  eins  güttigen 
gemüts  BoLTZ  Terenz  (1539)  5*"'; 

der  eine,  sagt  man  hier,  ist  gütig  von  gemüthe 

Bamler  labeU.  (1783)  1,  14; 

sanft  und  gütig  war  die  seele,  von  der  ich  hier  spreche 
Zimmermann  üb.  d.  einsamkeit  3,  229. 

ß)  mehr  passiv  gewendet  'sanftmütig,  gutmütig,  geduldig, 
nachsichtig'  {vgl.  gute  3  a  ß),  vgl.  milt,  gütig,  der  nit 
leichtlich  zürnt  clemens  Frisius  235*',  gütig  machen 
placare  1008 'J;  gegensatz  ist  ungütig,  vgl.  bittere,  ungittige 
ieuthe  Luther  9,  378  W.:  einer  was  zornig,  der  ander 
was  güetig  probl.  Arist.  (1492)  25^;  Ampedo  der  was  ain 
gütig  mensch,  lyesz  es  allso  beschehen,  wie  es  sein  brüder 
gemacht  hett  Fortunatus  97  ndr.;  di  alten  werden  {durch 
wein)  kinder,  .  .  .  di  güttigen  grymmig  J.  v.  Schwabzen- 
BERQ  Cicero  (1535)  91; 

so  die  musik  gerhümt  würd, 
umb  ihr  lieblicheyt  die  sie  fürt, 
dasz  sie  die  menschen  machet  gütig, 
.  .  .  und  die  gemütter  so  erregt, 
gleich  wie  ein  süsze  red  bewegt, 
und  macht  die  wilden  hertzen  mildt, 
den  zorn  und  all  Unwillen  stillt 

Fischart  l,  355  Bauffen; 

daheim  gütig,  im  streit  wüthig  Petki  d.  Teutschen  weiszh. 
(1604)  2,  L  6^;  ja  sehn  se,  herr  gensdarm,  des  is  immer  so! 
sie  sind  vielleicht  ooch  viel  jütiger,  wenn  se  zu  hause 
sind,  als  wenn  sie  uf  de  strasze  rumjehen  Glaszbrenneb 


1441 


GUTIG 


GÜTIG 


1442 


Berlin  6,  3,  5;  etivas  anders  'geneigt,  günstig'' :  an  den 
gütigen  leser  J.  Frey  gartengesellsch.  5  B.;  ins  pejorative 
übergehend: 

mein  vater  war  so  gütig  schwach,  dasz,  wehten 
die  winde  rauh,  er  sie  wohl  schelten  konnte 

TiECK  sehr.  (1828)  1,  393. 

y)  wie  gut  IV  A  2  b  von  tieren  im  sinne  'gutartig, 
ungefährlich,  folgsam':  da  die  löwen  tzü  den  heiligen 
kamen,  da  wurden  sy  zam  und  güttig  d.  heyligen  leben, 
summerteil  (1472)  62^; 

80  wird  sie  fein  gescUacht  und  milt, 
gleich  wie  ein  gütigs  lämblin  klein 

Scheit  Orob.  4034  ndr.; 

(der  esel)  ist  sunst  ein  zam  gütig  thier  Hebold-Foeeb 

Oesners  thierbuch  (1563)  41^; 

wo  die  Stareken  adler  sich  gütiger  als  tauben  zeigen 

LOUENSTEIN  Ibrahim  Sultan  (1680)  3. 

(?)  seit  mhd.  zeit  von  gott,  dann  überhaupt  von  über- 
natürlichen mächten,  naturerscheinungen  usw.  im  sinne 
'gnädig,  huldreich,  wohlgesinnt'. 

aa)  von  gott;  'gnädig'  in  bezu^  auf  sein  handeln:  (gott) 
ist  als  reht  tugenthaft,  er  ist  als  reht  hertzklich  gütig, 
daz  er  es  an  sime  muten  hertzen  nüt  möhte  vinden,  daz  er 
den  menschen  möhte  lan  Seuse  dtsche  sehr.  426  Bihlm.; 

ob  Ich  möcht  gottes  huld  gewinnen, 

der  gütig  und  barmhertzig  ist      H.  Sachs  1,  47  K.; 

der  (gott)  wirt  uns  geben,  was  uns  brist, 

diewyl  er  doch  so  gütig  ist 

H.  E.  Manuel  weinspiel  4226  ndr.; 
zwar  ist  stehts  unser  gott  barmhertzig  und  getrew, 
.  .  .  zugeben  ist  er  gut,  und  zu  vergeben  güttig 

Weckheelin  ged.  2, 150  F.; 

(gott  ist)  stets  gütig,  schon  bezahlt,  wenn  sein  geschöpf  ihn 

[hebet 
und  nichts,  als  weise  huld,  auch  dann,  wann  er  betrübet 
GISEKE  poet.  w.  (1767)  4; 

der  gütige  gott  verleihe  uns,  dasz  wir  das  recht  also 
lieben  in  dieser  weit  und  das  unrecht  schwächen  in  dieser 
weit,  dasz  wir  dessen  genieszen  dort,  wo  leib  und  seele 
scheiden  G.  Keller  ges.  w.  6,  48 ; 

.  .  .  selbstischer  dummheit  voU 

schreit  dort  ein  protz  nach  'Ordnung',  ihm  ja 

füllte  der  'gütige  gott'  den  fleischtopf 

Akent  mod.  dichtercharakt.  (1886)  206; 

als  ausruf  des  erschreckens  oder  erstaunen^  formelhaft, 
vgl.  du  gütiger  gott  exuUantis  vox  Frisiüs  407^:  gütiger 
gott,  was  kranckheit  ist  das?  Boltz  Terenz  (1539)  35*^; 
aber  herr  geheimer  rath  —  gütiger  gott,  es  ist  in  der  weit 
nicht  anders  Lenz  ges.  sehr.  1, 17  Tieck;  denn  ob  zwar  der 
gütigste  schöpffer  theuer  versprochen  hat,  dasz  er  uns  . .  . 
versorgen  wolle,  dennoch  wil  er  diese  wolilthat .  .  .  beför- 
dert wissen  Chr.  Weise  pol.  redner  (1677)  26;  alle  frohen 
geschöpfe  .  .  .  danken  ihrem  gütigen  erhalter  maler 
Müller  w.  l,  7. 

ßß)  entsprechend  bei  begriffen,  die  die  überirdische  macht 
unpersönlicher  umschreiben:  so  wird  der  gütige  himmel 
unsere  auen  .  .  .  beschenken  S.  v.  Birken  fortsetz.  d. 
Pegnitzschäf.  (1645)  l;  ebenfalls  als  ausruf  häufig:  gütiger 
himmel,  wie  viel  hat  der  mensch  in  Ordnung  zu  bringen, 
bis  er  auf  vögel  und  Schmetterlinge  kommt  Lichtenberg 
verm.schr.  (1800)  l,  268;  gütiger  himmel,  wie  die  zeit  hin- 
geht! W.  Raabe  iforacier  (1876)  28;  Voraussetzung  einer 
höchst  gütigen  .  .  ..Vorsehung  Lessing  7,  12  L.-M.;  die 
gütige  Vorsehung  hat  jedem  einen  gewissen  trieb  ge- 
geben, so  oder  anders  zu  handeln  Göthe  37,  331  W.  die 
sage  dünkte  ihm  wie  die  verheiszung  einer  gütigen 
macht  Novalis  sehr.  4,  92  Minor. 

yy)  von  göttern  und  überirdischen  wesen:  desthalben  ist 
dem  gütigen  Jupiter . . .  der  Ölbaum  . . .  befreindet  Lohen - 
STEIN  rosen  (1680)  118;  verzeihet  mir,  gütigsten  götter 
A.  v.  Ziegler  asiat.  Banise  (1689)  ll; 

Hl  ...  genieszt  der  stunde, 

^B^  die  ihm  gütge  götter  senden  Göthe  1,  51  TF.; 

^^K^^  .  .  .  eine  gütge  gottheit 

^^^^■^  nahm  die  unselge  nacht  des  geistes  mir 

W^BKr  '^^™  haupte  M.  Beek  s.  w.  (1836)  170; 

um  ihn  her  lebte  wald,  busch,  quelle,    ström  .  .  .  unter 
gs    der  pflege  und  sorge  gütiger,  schöner  -wesen  Klinqeb 


w.  4,  15;  mag  er  {der  symboliker)  aus  seiner  magischen 
laterne  uns  vorgaukeln,  wie  dieser  gütige  nachtdämon 
.  .  .  aus  Lidien  her  .  .  .  nach  Thrakien  gezogen  sei  J.  H. 
Voss  antisymb.  1,  138 ;  sagen  sie  mir  doch,  welcher  gütige 
oder  ungütige  dämon  sie  bei  einem  buche  hat  vesthalten 
können,  das  für  mich  eins  der  langweiligsten  unsres  Jahr- 
hunderts gewesen?  Herdes  3,  439  S.;  was  die  alten  von 
den  Seelen  der  todten  oder  gespenstern  geglaubet,  die  sie 
theils  für  gütig  und  wohlthätig,  theils  für  boshafte  und 
schädliche  kobolde  gehalten  haben  Gottsched  d.  neueste 
3,  432;  {die)  bevorzugten,  denen  eine  gütige  fee  das  beste 
gesöhenk,  die  kunst  glücklich  zu  sein,  auf  die  wiege 
legte  H.  Seidel  Leber.  Hühnchen  (1899)  3; 

und  dann  musz  auch  dem  herzen,  das  den  freund 
sich  in  dem  zauberspiegel  gütger  phantasie 
so  nahe  wähnt,  die  frage  schmerzlich  sein 

Cl.  Beestano  ges.  sehr.  7,  215. 

6ö)  vom  Schicksal,  dem  glück,  der  natur,  naturkräften 
und  naturerscheinungen  u.  ä.:  ach  wie  fast  hilfft  es,  dasz 
der  tödtüche  mensch  im  findet  die  gütigen  gestirn  desz 
himmels  buch  d.  liebe  (1587)  114'*;  es  schien,  als  wenn 
.  .  .  das  güttige  verhängnüs  selbst  allen  völckern  einen 
stillstand  der  waffen  geboten  hätte  Lohenstein  Arminiu^ 
(1689)  2,  906''; 

es  reizet  mich  die  milde  gunst 
des  gar  zu  gütigen  geschlckes 

Weichmann  poesie  d.  Nieder s.  (1721)  1,82; 

genug,  sie  ist  da  und  scheint  von  dem  gütigen  Schicksal 
mir  angenähert  worden  zu  sein  A.  Stifter  s.  w.  1,  110  S.; 
zwar  bot  ihm  das  gütige  glück  die  gute  gelegenheit  an  die 
band  Joh. Riemer  pol.  maulaffe  (1679)  39;  es  wäre  unvon- 
nöhten  viel  regeln  zu  schreiben,  da  sich  die  natur  selbst 
gütig  genug  erzeiget  hätte  Chr.  Weise  pol.  redner  (1677) 
168;  nun,  da  mich  die  gütige  natur  durch  ihre  gröszten 
gaben,  durch  die  liebe,  wieder  geheilt  hat  Göthe  23,  267 
W.;  da  ist  die  sunn  gütig  G.  Alt  buch  d.  cron.  (1493)  13*; 
milde  regen,  die  so  gütig  die  durstige  erde  tränken 
U.  Bräker  8.  sehr.  (1789)  2,  260;  das  meer  war  bald  gütig, 
bald  grausam  Heinse  s.  w.  3,  499  Seh. 

b)  von  der  gesinnung,  die  sich  im  einzelnen  tun  und 
hundein  äuszert  und  nur  temporären  charakter  zu  besitzen 
braucht  {s.  ^güte  3  b),  vgl.  dienstbar,  gutig,  der  geneigt 
und  gutwillig  ist  guts  zethun  beneficus  Frisius  162*. 

a)  bei  ausgedrückter  beziehung  auf  ein  personales  Ob- 
jekt mit  objektsdativ  (s.  gut  IV  Alba)  oder  abhängiger 
Präposition  {s.  gut  IV  A 1  b  y5) ;  vereinzelter  auch  in  zu  1  a 
gehörigen  fällen. 

aa)  mit  personalem  dativ: 

kunic  so  demütiger, 
bi  gewalde  so  gar  gütiger 
allen  lüten,  ich  wene  der  nie 
üf  erden  si  geborn  hie 

landgr.  Ludwigs  kreuzt.  5486  Naum.; 

unde  was  armen  luten  gar  barmherczig  unde  gutick 
W.  Gerstenbebq  chron.  32  Diemar;  denn  hertzog  Geor- 
gen fürstenthum  ...  ist  solchem  imerschrockenem  und 
unüberwindlichem  geyst  .  .  .  allzu  guetig  und  sanfft 
kämpf  d.  Schwärmer  geg.  Luther  4  ndr.;  güttig  soll  man 
yederman  sein  J.  Agricola  sprichw.  (1534)  b  8''; 

wem  die  noth  um  etwas  bittet,  ist  ein  narr,  wers  abeschlägt : 
diesem  bleibt  sie  immer  gütig,  der  ihr  nichts  entgegen  legt 

LOGAU  sinnged.  402  E.; 

dasz  er  (gott)  grosz  und  reich  von  kräflften, 

rein  und  heilig  in  geschafften, 

gütig  dem,  der  gutes  thut 

Paul  Gerhardt  bei  Fischer-Tümpel  3,  437"; 

in  neuerer  spräche  nur  noch  poetisch  verwendet: 

schein  ich  dir  hart?    sie  war  mir  auch  nicht  gütig 

Geillparzer  s.  w.  -6, 117  S.; 
hoffnung  zeigt  sich  immerdar 
treugesinnten  herzen  gütig 

G.  Keller  ges.  w.  3,  234. 

ßß)  von  abhängigen  präpositionen  ist  gegen  alt  und 
häufig: 

si  ist  gein  den  vremden  worden  güetlk 
und  ist  mit  gebsere  gein  den  künden  worden  (also'»  s winde 
minnes.  3,  263  ^  v.  d.  Hagen; 

91 


1443  GÜTIG 

ouch  Ist  ez  billlch, 
daz  ich  immer  umbe  diu 
güetic  st  gegen  iu 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  15046  Seem.; 

sich  Esope,  wie  gütig  ist  iecz 
dyn  frow  gegen  dir  worden 

Steinhöwel  Äsop  48  ÖsterL; 

darzu  er  sich  auch  gnedig  hilt 
gen  yderman,  gütig  und  mllt 

H.  Sachs  8,  576  K.; 

als  im  verwiesen  ward,  dasz  er  gegen  seine  feinde ...  all- 
zu gütig,  sagt  er  Zinkgref-W  eidner  teutsch.  nation 
weish.  (1653)  3,  27;  gegen  den  gütigen  zaigestu  dich  gütig 
Schede-Melissus  ps.  65  ndr.;  er  ist  gütig  gegen  seine 
gefährtei},  die  er  glücklich  zu  machen  sucht  Ramler  einl. 
i.  d.  schön,  wissensch.  (1758)  2,  102; 

sonst  ist  sie  gütig  gegen  alle  weit 

Schiller  13,  355  Q.; 

'gegen  den  kleinen  Heinrich  waren  sie  besonders  gütig', 
setzte  der  junge  graf  hinzu,  'ich  werde  das  nie  vergessen' 
Langbein  «.  sehr.  (1835)  31,  75;  andere  präpositionen  blei- 
ben vereinzelt:  hiemit  sind  gütig  mit  mir  und  zürnt  nit 
so  bald  Dürer  nachl.  22  L.-F.;  ich  erwarte  von  diesem 
für  dich  so  gütig  gewesenen  sommer  nun  auch  gute  Wir- 
kung Bettine  Gl.  Brentanos  frühlingskranz  (1844)  467; 
er  selb  {gott)  ist  güttig  über  die  undanckpem  und  über 
die  ubeln  erste  dtsche  bibel  1,  225  Kurr. 

ß)  absolut  seit  älterer  spräche  in  vielfacher  anwen- 
dung: 

nun  seit  gUttig  und  vcrsunnent 

Friedr.  v.  Schwaben  7636  Jell.; 

do  was  Fortunatus  so  gütig,  lud  yn  zu  gast  und  erbot  ym 
es  gar  kostlich  Fortunatus  92  ndr.; 

du  hast  die  lüt  gewenet  daran, 
das  ich  das  truwen  zuo  dir  ban, 
du  seist  so  ein  gütig  man 

Th.  Murner  badenfahrt  7,  54  Martin; 

aber  du  meinst  es  nicht  hertzlich,  du  redest  hinter  ym. 
vor  ym  bistu  gutigk  Luther  9,  154  W.; 

mit  flehen  bat  er  (Chryses)  gantz  diemütig, 
sie  wolten  sich  erzaigen  gütig 

J.  Spreng  Ilias  (1610)  8"; 

sie  habe  schönen  danck,  dasz  sie  sich  so  gütig  bezeigen 
wollen  Chr.  Weise  erznarren  132  ndr.;  derowegen  so  oft 
wir  mit  andern  zuthun  haben,  .  .  .  müssen  wir  gerecht 
seyn  und  also  gütig  und  weise  uns  zugleich  bezeigen 
Chr.  Wolef  v.  d.  menschen  thtin  u.  lassen  (1720)  686; 

ach  wie  entzüclcend  war  es  mir, 
so  gütig  dich  sehn 

S.  Geszner  w.  (1778)  2, 17; 

ich  fragte  Ferdinando  jeden  augenblick,  .  .  .  und  Ferdi- 
nando  war  gütig,  erzählte  mir  viel  von  euch  Klinger 
w.  1,  38; 

und  doch  verljennen  sie  in  dir  den  gütgen  retter 

Göthe  16,  21  W.; 
im  ganzen  gings  ihm  leidlich;  die  herrschaft  war  sehr 
gütig,  und  herr  von  S.  unterhielt  sich  oft  lange  mit  ihm 
über  die  Türkei  A.  v.  Droste-Hülshoff  w.  2,  310 
Schuck.;  auf  die  ausführenden  organe  übertragen:  er  ver- 
achtet die  gütige  hand,  die  ihm  in  der  noth  futter  reichte 
Göthe  8,  84  W.;  vernehmen  sie  mit  gütigem  obre  alle  die 
redensarten  Gaudy  s.  w.  2,  135. 

y)  formelhaft  gebraucht  in  höflichen  redewendungen,  na- 
mentlich in  dankes-  und  bittfloskeln:  sie  sind  allzu  gütig 
G.  Stephanie  d.  j.  s.  lustsp.  (1771)  87;  der  herr  sind  gar  zu 
gütig  Schliler  3,  29  0.;  o  wie  gütig,  sagt  ich  und  drückte 
ihre  hand  Miller  briefw.  dr.  akad.fr.  1,  244;  meine  gütige 
madame  Singewald,  ich  empfehle  mich  ihnen  Holtei  erz. 
sehr.  1,  105;  m,it  abhängigem  infinitivsatz:  wenn  sie  zu 
speisen  belieben,  so  sind  sie  wohl  so  gütig  zu  warten 
Göthe  ll,  128  W.;  sie  waren  gütig  genug  meine  absieht 
zu  büligen  Meiszner  skizzen  (1778)  1,  vorber.  3;  er  war  so 
gütig,  dich  zum  tanzen  einzuladen  Storm  s.  w.  4,  147; 
mit  beigeordnetem  satz:  seyn  sie  doch  ...  so  gütig  und 
schweigen  sie!  Gottsched  dtsche  Schaubühne  (1741)  l,  81; 


GÜTIG 


1444 


lady  wird  so  gütig  seyn  und  bis  zu  ihrer  zurückkunft 
warten  Lessing  2,  326  L.-M.; 

. .  .  die  herren  dann  sind 

80  gütig  und  machen  den  chor 

MÖkike  ges.  sehr.  (1905)  1, 155; 
adverbial  gewendet:  empfehlen  sie  mich  gütig  ihrer  frau 
gemalin  und  der  ganzen  famihe  Göthe  IV  l,  182  W.;  ob 
sie  .  .  .  mit  einem  honorar  von  4000  conventionsgulden 
gütig  vorlieb  nehmen  Müllner  dram.  w.  8,  67 ;  eure  kai- 
serhche  majestät  wollen  es  mir  gütig  gestatten,  dasz  . . . 
Bismarck  ged.  u.  erinn.  l,  13;  besonders  als  höflichkeits- 
floskel  im  Superlativ;  noch  gehaltvoll:  bürger,  welchen  .  .  . 
das  bürgerrecht  auf  einige  jähr  gütigst  vorbehalten 
würdet  {v.  j.  1707)  bei  Fischer  schwäb.  3,  966; 

so  hast  du  gütigst  auch  die  aller  strafi  entbunden, 
die  dir  heimtückisch  selbst  nach  deinem  leben  stunden 

V.  KÖNIG  ged.  (1745)  21; 
blasser: 

doch  bitt  ich,  vor  der  hand  es  gütigst  zu  verschweigen 

GÖTHE  9,  85  TF.; 

nun,  da  erlauben  sie  wohl  gütigst  Gaudy  «.  w.  2,  62 ;  äe 
werdn  gittichst  verzeihn,  herr  graf  G.  Hauptmann  weber 
(1892)3,  56;  ich  wullte  se  gitigst  bitten  Müller- Frau- 

REUTH   1,  453. 

c)  in  anwendung  auf  die  formen  und  ergebnisse  des  sub- 
jektiven gesinnungsausdrucks. 

a)  von  den  ausdrucksformen  der  gesinnung  und  ihren 
eigenschaften  im  sinne  'freundlichkeit,  wohlwollen,  gute 
zeigend^ : 

so  götic  sin  gebaren  was, 

daz  manlgiu  do  in  hertzen  las, 

daz  sis  in  sei  sit  enpfant 

JOH.  v.  WÜRZBÜRG  Wilh.  c.  Österreich  16047  R.; 

er  was  .  .  .  nit  vast  langes  lybes,  aber  ainer  frölichen  und 
gütigen  gestalt  Niclas  v.  Wyle  translat.  24  K.;  sie  lokket 
uns  mit  so  gühtigem  .  .  .  wesen  zu  ihrer  königlichen 
Wohnung  Zesen  verm.  Helikon  (1656)  l,  216;  gesellige 
und  gütige  neigungen  gefallen  Schiller  1,  33  0.;  sie 
belohnt  ihn  mit  keiner  gegenliebe,  mit  keinem  gütigen 
blicke  Rämler  einl.  i.  d.  schön,  wissensch.  (1758)1,  398; 
nein,  sagte  der  marquis  mit  gütigem  tone  Tieck  sehr. 
19,  492; 

noch  sonst  ein  andrer  von  den  hirten  allen 
mag  dir  ein  gütig  lächeln  abgewinnen 

Schiller  13, 174  ö.; 

(die)  ougen  stetz  zu  gnade  und  gütiger  tugend  gericht 
Niclas  v.  Wyle  translat.  24  K.;  und  wen  er  uns  nicht 
aus  gütiger  milde  und  gnade  nachlysse  und  vorgebe,  so 
hetten  wir  alle  die  helle  vordint  Luther  9,  156  W.;  nu 
aber  mein  gütiger  glimpff  umbsonst  ist  Luther  30,  2,  27 
W.;  und  disz  wollen  wir  alles  geredt  haben  un  vorgreif - 
lieh  der  gütigen  Vorsehung  gottes  Siebiz  f eidbau  (1579)  46; 

gütig  ist  allvaters  gnade 

Denis  lieder  Sinede  (1772)  133. 

ß)  besonders  häufig  auf  die  handlungsergebnisse  selbst 
übertragen  im  sinne  'aus  freundlichkeit,  wohlwollen,  gute, 
nachsieht  hervorgehend'  oder  'gütiger  gesinnung  entspre- 
chend'. 

aa)  von  warten  und  handlungen  allgemein: 

keyn  gütig  wort  gat  usz  sym  {des  zornigen)  mundt 
See.  Brant  narrensch.  37,  4  Z.; 

zubedeuten,  das  die  ehleut  dises,  so  sie  von  ainander  be- 
geren,  holdselighch  mit  freuntlichen  gütigen  Worten, 
nicht  mit  palgen,  pochen,  trotzen  und  zancken  fordern 
und  erlangen  sollen  Fischart  3,  127  Hauff en;  Florentin 
.  .  .  verliesz  unter  einigen  gütigen  Worten  das  zimmer 
H.  Laube  ges.  sehr.  2, 156;  er  solte  sich  an  solcher  gütiger, 
demütiger  antwort  lassen  begnügen  Luther  30,  2,  20  W. ; 
dann  ye  daz  meyn  vornemen  gewest,  wie  ich  durch  güt- 
tige  ermanung  vorschaffen  möcht,  do  mit  die  selbigen 
geystUchen  doch  zum  lesten  sich  zu  besserung  erinerten 
Hütten  opera  l,  406  Bock.;  got  darumb  dancken  seyner 
gutygen  wolthat  Luther  10,  3,  408  W.;  insonderheit 
aber  sollen  nachvolgende  armen  mit  gütiger  handreichung 
bedacht  werden  d.  fürsienth.  Wirtembergs  newe  landsordn. 
(1536)  F  31*;  die  leute  (haben)  das  vertrawen  einigen  gütigen 


1445 


GÜTIG 


GUTIG 


1446 


und  leutseligen  tractaments  zu  derselben  (armee)  nicht 
gehabt  v.  Chemnitz  schvjed.  krieg.  2(1653)49; 

ob  ihn  Gyraldus  gleich  deswegen  hönisch  hält, 
und  über  ihn  kein  gütig  urtheil  fällt 

Triller  poet.  betr.  (1750)  1,  46; 

mein  .  .  .  musicahsche  tractat  vom  generalbasz  {hat)  bey 
musicliebenden  eine  gütige  auffnahme  gefunden  Heini- 
chen generalbass  (1728) )  (  3;  diese  unaussprechlich  gütige 
fürsorge  Schiller  br.  l,  24  Jonas;  mit  gütiger  herab- 
lassung  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,51;  objektiver  'milde': 
sollen  die  richter  .  .  .  allewege  in  das  gutiger  urteil  sich 
neigen  Jon.  v.  Gelnhausen  const.  jur.  metall.  IV  18,  lo 
bei  Jelinek  337;  dieselb  {göttliche  barmherzig keit)  pfligt 
laslichen  sünder  mit  gütiger  straff  ...  aufzenemen  Bebth. 
v.Chiemsee  t.  theol.  {1528)  c  3^;  welch  einen  gütigen  namen 
gibst  du  meiner  flucht  M^iszüer  Alcibiades  {1781)  l,  94; 
'gelinde':  gewalt  sol  gütig  sein  See.  Franck  sprüchw. 
(1545)    1,  70». 

ßß)  vielfach  weniger  gehaltvoll  und  oft  nur  als  blosze 
höflichkeitsformel  beigefügt:  ich  danke  für  gütige  nach- 
frage Gottsched  dtsche  Schaubühne  (1741)2,  492;  da  sie 
mir  nicht  nur  schon  mehrmals  ein  gütiges  gehör  gegönnet 
J.  J.  Schwabe  tintenfäszl  (1745)  83;  wer  behaupten  will, 
dasz  man  bey  den  ehen  nicht  aufs  geld  sehen  soll,  den 
halte  ich,  mit  seiner  gütigen  erlaubnis,  für  einen  ver- 
liebten pedanten  Rabener  s.  w.  4,  207;  ihr  gütigs  zu- 
reden und  mein  versprechen  haben  mich  heute  früh  glück- 
lich den  2ten  ackt  anfangen  machen  Göthe  IV  5,  5  W.; 
drum  danck  ich  gegenwärtig  nur  für  die  gütige  einladung 
30,  7;  eine  assignation  .  .  .  welche  ich  durch  gütige  Ver- 
mittlung des  herrn  v.  S.  erhalten  G.  Förster  s.  sehr. 
7,  105;  die  ehre  ihres  gütigen  besuche  Lichtenberg 
br.  2,  43. 

y)  anders,  auf  den  subjektiven  inhalt  der  gesinnung  be- 
zogen {vgl.  gut  IV  B  3)  im  sinne  'mit  freundlicher  gesinnung 
verbunden':  nach  vielen  empfehlungen  zu  einem  gütigen 
andencken  machten  sie  sich  von  uns  Gottsched  vernünft. 
tadl.  (1725)  1,  28;  ich  empfehle  mich  zu  gütigem  andenken 
Göthe  IV  4,  35  W.;  Burt  bittet,  sich  bestens  empfehlen 
zu  dürfen,  und  ich  bitte  in  gütigem  andenken  zu  be- 
wahren ihren  ergebensten  Moltke  ges.  sehr.  1,  236;  dem 
glücklichen  Anton  zuwinkend,  sagte  er  mit  gütigem  ernst 
G.  Freytag  ges.  w.  4,  162. 

cF)  juristisch  in  besonderer  Verwendung  in  älterer  spräche, 
tirol.  noch  bewahrt;  von  ^güte  4  abgeleitet  im  sinne  'auf 
friedlicher  einigung  beruhend',  wofür  neuerer  spräche  sonst 
gütlich  A 1  hy  geläufiger  ist:  e.  m.  {ist)  endlich  dahin  genö- 
tigt ...  die  sach  zu  verhör  und  gütiger  handlung  komen 
zu  lassen  Sleidanus  reden  155  Böhmer;  das  ...  durch  die 
vier  nachborschaften  .  .  .  ain  güetiger  und  nottwendiger 
vergleich  gemacht  und  beschlossen  {v.  j.  1612)  österr.  weist. 
6,  469;  und  bewegte  damit  Mauritium  dahin,  dasz  er  die 
Waffen  hindann  legt  und  sich  auflf  einen  gütigen  vertrag 
lendete  v.  Brandis  ehrenkräntzel  (1678)  202^;  da  auch  über 
verhoffen  sie  in  streit  gerahten  und  durch  gütige  mittel 
nicht  geschieden  werden  könten  Hunold  neue  br.  (1723) 
711;  gesetz,  die  gütige  und  kostenfreie  vermittelung 
streitiger,  noch  nicht  gerichtlich  angängiger  civilan- 
sprüche  durch  die  Untergerichte  betreffend,  vom  30.  de- 
cember  1861  {titel);  adverbial  gewendet:  wo  sie  sich  nicht 
güthig  mit  ihnen  vertragen  konnten  v.  Berlichingen 
lebensbeschr.  37  Biel.;  derwegen  sol  man  .  .  .  sich  gütig 
und  rechtschaffen  vertragen  und  versönen  Barth  wei- 
bersp.  (1565)  4*';  wo  es  der  brauch  ist,  .  .  .  läszt  man  es 
dabei  bewenden  und  übergibt  das  gut  nur  'gütig',  d.  h. 
auszergerichtUch  L.  v.  Hörmann  Tirol,  volksieb.  417. 

d)  adverbialer  gebrauch  {s.  auch  ihy  u.  1  c  cF)  kommt 
seit  dem  16.  jh.  in  Übung,  die  ältere  adverbialbildung  gütig- 
lich  {s.  dort)  allmählich  ablösend  und  gewinnt  auf  kosten 
des  adverbialen  güthch  {s.  dort  B)  seine  heutige  ausdeh- 
nung;  bedeutungsmäszig  überwiegend  gütig  1  b  und  c  zu- 
gehörig: hat  auch  ...  sin  fürstlich  gnad  uns  nüt  anders 
denn  gütig  in  sölichen  sache  ze  handien  empfolen 
IL  Zwingli  dtsche  sehr.  1,  118,  vgl.  1,  120; 


wo  Ichs  nicht  mit  kan  machen  gütig  ('in  gute'), 

so  will  ich  mich  den  unnütz  machen, 

kein  gut  wort  geben  in  den  Sachen       H.  Sachs  9,  52  K.; 

wie  gütig  nun  solche  Calvinische  mit  den  Lutheranern 
faren,  .  .  .  wollen  wir  anderstwa  anzaigen  J.  Nas  antipap. 
eins  u.  hundert  (1567)  2,  a  S^^;  güetig  und  glimpflich  mit 
den  kindem  umbgehen  clementer  tractare  liberos  Henisch 
1786; 

die  Sintier  mich  armen  gütig 

ausz  liebe  namen  auff  zu  sich 

J.  Spreng  Ilias  (1610)  12"; 

er  wurde  nicht  so  gütig  wie  sein  herr  vatter  von  ihr  ent- 
fangen A.  U.  v.  Bbaunschweig  Octavia  (1677)  l,  61;  sie 
nehmens  gütig  auf  Chr.  Reuter  ehrl.frau  4  ndr.;  von 
dem  hochberühmten  groszpensionario,  Johann  de  Wit, 
urtheilt  der  Verfasser  nicht  so  gütig  {'günstig'),  als  vortreff- 
liche leute  seiner  zeit  Leibniz  dtsche  sehr.  2,  481; 

. . .  ich  wink  ihm  mit  den  äugen, 
.  und  weis  ihn  {den  gläubiger)  gütig  ab.    allein,  den  andern 
so  schöne  minen  nicht  . . .  [taugen 

B.  Nkukihch  ged.  (1744)  145; 
wem  dein  äuge,  Melpomene, 
einmal  bey  der  gebort  gütig  gelächelt  hat 

Ramler  lyr.ged.  (1772)  195; 

in  der  hoffnung,  dasz  sie  gütiger  werden  gesinnt  seyn,  will 
ich  gehen  Lessing  2,  131  L.-M.;  ich  danke  ihnen,  dasz  sie 
ihm  so  gütig  fortgeholfen  haben  Göthe  IV  20,  204  W.; 
höre  dann,  wie  gütig,  wie  langmütig  das  gericht  mit  dir 
böszwicht  verfährt  Schiller  2,  102  Q.;  denkt  nicht  selbst 
Gleim  gütig  {'günstig')  von  ihm?  Gerstenberg  recena.  146 
lit.-dkm.; 

die  gräfln  spricht  wehmütig: 

die  liebe  ist  eine  passionl 

und  präsentieret  gütig 

die  tasse  dem  herren  baron 

HEmi!  w.  1,  85  E.; 

blickte  sie  unbeschreiblich  gütig  und  treuherzig  an 
V.  Ebner-Eschenbach  ges.  sehr.  4,  37;  zu  l  a  d: 

80  wil  ich  {gott)  doch  deiner  denken 
und  mich  gütig  zu  dir  lenken 
Xevmask  tortgepfi.  musib.-poet.  lustto.  (1667)  1,  79. 

2)  in  älterer  spräche  vereinzelter  von  ^güte  2  abgeleitet. 
a)  zu  ^güte  2  a    »wi    sinne    'tugendhaft,    sittlich    voll- 
kommen, fromm': 

si  ist  junger  dan  du  bist, 

güetec,  reine  an  argen  list 

Alexius  292  Maszmann; 
ein  truglicher,  ablistiger  mensch,  du  trüg  ein  wülfin  herz 
ander  einem  gutigen  wandel  und  barg  daz  als  genote 
Seuse  dtsche  sehr.  119  Bihlm. 

dise  werden  gebrüder  drl 
wären  al  ir  site  gütic, 
küne,  doch  dfimütic 

landgr.  Ludw.  kreuzt.  3633  Nautn.; 

wie  solt  du,  elender  mensch,  yemant  glewben,  das  du  bey 
solchem  unmenschlichen,  unrugigen  hasz  kundist  die 
reyne,  gutige  schrifft  vorstehen  Luther  7,  263  W.;  dazu, 
von  den  orten  der  frommen  Übungen,  im  sinne  'heilig': 
auch  {in)  die  kirchen,  clöster,  beetheüser  und  gütig 
stett,  wie  die  genendt  seind  H.  Ortolff  d.  päpstl.  bull 
(1509)  A  5^';  kirchen,  clöstern,  spitaln,  gutigen  stedten,  ge- 
meinen und  brüderschaften  Luther  (1565)  3, 93^  Jen.  ausg. 
h)  zu  ^güte  2  b  neutraler  'rechtschaffen,  wacker,  tüchtig': 

der  Lucius  Valerius 

und  der  Marcus  Horacius! 

der  gschlecht  und  die  sind  allzeyt  gütig 

H.  Sachs  2, 17  K.; 
ich  (habe)  .  .  .  groszen  schmertzen  und  dawren  von  dem 
abscheid  einer  so  gütigen  frawen  {empfunden)  K.  Scheit 
fröl.  heimfart  A  2»;  hat  er  sich  so  gütig  und  dapfer  in 
allen  sachen  gehalten  Xylander  Polybiu^  (1574)  5; 

Nestor  der  edel  ritter  gütig 

Sprbnq  Ilias  (1610)  45*. 

3)  einzelne  sonderbedeutun^en,  die  sich  nicht  an  ^güte 
anknüpfen  lassen,  sind  offenbar  direkte  ableitungen  vom 
adj.  oder  subst.  gut;  zu  gut  I C  1  im  sinne  'glücklich, 
günstig' : 

ein  güetic  ende 
JOH.  V.  WÜRZBtma  Wüh.  v.  ÖOerreieh  10»  nacA  Lkxer  1,  1111; 

91* 


1447 


GÜTIG-GÜTIGKEIT 


GUTIGKEIT 


1448 


als  er  (Arion)  nun  sprang  ins  meer  hinunder, 
hub  sich  ein  gütig,  selfczam  gschlcht 

B.  Waldis  Esop  1,  205  K.; 

indem  sie  nun  in  der  Jungfer  kammer  beyde  den  gütigen 
ausgang  ihrer  noth  genugsam  belachten  J.  Riemer  pol. 
maulaffe {1679)  21;  zztgut  III  A  2  'angenehm,  behaglich':  by 
mir  und  mein  xiiij  gesellen  ists  ein  gütige  haltung,  kain 
lay  .  .  .  sy  verbunden  by  todtsünden  die  fasten  vor  ostern 
zu  halten  Eberlin  v.  Günzbtjrg  s.  sehr.  1,  21  ndr.;  zur 
redensart  jem.  gut  tun  {s.  gut,  n.,  A  3  b)  'gutes  erweisen, 
reichlich  geben",  ivohl  vermischt  mit  jem.  gütlich  tun  (vgl. 
gütlich  B  1  f ) :  wer  vor  sein  zugvieh  sorge  traget,  der  lasse 
es  einige  tage  vor  der  erndte  ruhen  und  thue  ihm  in  der 
fütterung  ein  wenig  gütiger  allg.  haushaltlex.  (1749) 
1,  d  2^;  zu  gut,  n.,  B  1  b  'reich  an  besitz'  (?): 

die  priesterschaflE  drifft  symony, 

si  sint  ouch  ubermüdich. 

wer  nit  hat  zu  frunde  zwene  ader  dry, 

der  wirt  ouch  nymmer  gutich 

MtjskatblüT  157  Or, 

4)  unsicherer  Herkunft,  etwa  zu  gute  l  a  e  bergmännisch 
im  sinne  'hochwertig'  ( ?),  vgl.  auch  gütigkeit  1  b :  ein  wenig 
festes  eisen  dienet  zur  erzeugung  güttiger  flössen  (eisen- 
blöcke)  bei  Unger-Khttll  3131. 

GÜTIGEN,  vb.,  mhd.  vereinzelt  neben  güeten  {s,  u.  3), 
im  frühnhd.  häufiger,  später  durch  begütigen  verdrängt; 
lexikalisch  noch  bei  Stieler  stammb.  (1691)  718  bezeugt: 
gütiglich  facilis,  placidus  etc.,  doch  literarisch  im  17.  jh. 
nicht  mehr  zu  belegen. 

1)  trans.  zu  gütig  1  b  'freundlich  machen,  versöhnen, 
besänftigen,  lindern',  vgl.  senftmütigen,  güttigen  lenire 
DiBFENBACH  gl.  323  C;  mit  persönlichem  objekt:  die  erbern 
frowen  von  der  stat  kamen  täglich  .  .  .  frid  ze  erwerben 
und  ieren  sun  ze  gütigen  Steinhöwel  de  clar.  mul.  188 
lit.  ver.;  darumb  so  beduncht  mich,  daz  er  von  uns  syge 
zegütigen  mit  diensten  und  fründlicher  erbietung  Niclas 
V.  Wyle  transl.  lißK.;  da  funden  sie,  daz  sie  die  sele 
Esopi  sölten  gütigen  und  versünnen  Steinhöwel  Äsop 
76  lit.  ver.;  Empedocles  .  .  .  was  in  dem  gesang  also 
preiszlich,  das  er  mit  seinem  süszen  gesang  einen  zornigen 
und  grimmigen  jungen  .  .  .  von  seinem  grimmigen  zorn 
lindet  und  gütiget  G.  Alt  bu^h  d.  cron.  (1493)  71*;  (gott) 
ietz  den  gesendt  hab,  in  dem  er  gefridet  und  gütiget 
werde  H.  Zwingli  dtsche  sehr,  l,  267;  mit  sächlichem 
objekt:  ir  strafft  die  sich  widersetzent,  und  vereint  ze- 
letst  die  sünder  mit  dem  öbristen  got  und  gütiget  seinen 
zorn  Steinhöwel  spiegel  menschl.  leb.  (1479)126;  hüett 
dich  vor  allem  falsch!  uns  soltt  alles  übel  und  groszen 
zorn  güettigen  dtsche  volksb.  185  Bachm.-Singer ;  und 
gütige  unsern  smertzen  mit  deinen  salben  Bonaventuras 
Marienleben  deutsch  (1516)  x  l'*. 

2)  zu  gütig  1  c  rf  trans.  'eine  sache  gütlich  beilegen,  zur 
Versöhnung  bringen,  vgl.  ein  amptman,  der  die  sach  gütiget 
oder  gütlich  hinlegt  arbiter  Melber  v.  Gerolzhoeen 
voc.  pred.  (1486)  b  7!*:  also  fingen  an  alle  potschaft  zu  reden 
zwischen  der  sach  und  wurden  sie  güetigen  und  dem 
kaiser  fürhalten  das  törlich  fürnemen  wer  beschehen 
ausz  narrheit  städtechron.  3,  152. 

3)  vereinzelt  reflexiv  zu  gütig  1  b  wie  sich  guten  im 
sinne  'sich  freundlich,  milde,  versöhnlich  zeigen' : 

le  mer  der  mensch  wirde  hat, 
ie  mer  sol  er  sich  diemüetigen 
und  in  allen  Sachen  güetigen 

Hans  Vintler  pluomen  d.  tugent  5469  Z. 

GÜTIGKEIT,  /.,  von  gütig  abgeleitet,  seit  mhd.  zeit  ge- 
läufig und  bis  ins  18.  jh.  neben  gute  vielfach  verwendet-, 
wenn  auch  im  ganzen  als  geziertere  bildung  weniger  häufig 
als  dieses;  im  19.  jh.  veraltend  und  heute  als  papieren  em- 
pfunden kaum  noch  gebräuchlich,  vgl.  aber  miindartl. 
goodigkeit  Dornkaat-Koolman  ostfries.  l,  657*. 

1)  die  hauptbedeutung  zu  gütig  1  gehörend  und  ^güte  3 
weithin  entsprechend  schlieszt  sich  an  gut  IV  an. 

a)  als  die  freundliche,  liebreiche,  milde  gesinnung  einer 
person,  die  in  ihrem  char akter  verumrzeU  ist  und  eine 


dauernde  eigenschaft  darstellt,  vgl.  gutekeit,  suzmutekeit 
benignitas  Dieeenbach  gl.  638^,  lutter  guttigkeit  cle- 
mentia  126°. 

a)  vom  menschen  und  seinem  handeln. 

aa)  allgemein:  ich  habs  erfaren,  daz  dem  menschen 
nichts  bessers  ist  dann  guttigkeit  und  senfftmüttigkeit 
BoLTZ  Terenz  (1539)  100^;  aber  ire  mutter  Clara  was 
clare  von  sitten,  clare  in  guttigkeit  M.  v.  Kemnat  chronik 
Friedr.  I.  138  Hofmann; 

die  ander  gab  {des  hl.  geistes)  ist  güttikeit 
und  die  macht  den  menschen  bereit, 
sein  nechston  hertzlich  zu  lieben 
und  sich  im  guten  zu  üben 

M.  Weiszk  bei  Wackernaoel  hirchenl.  3,  280; 

ihre  dunkelblaue  äugen  die  gütigkeit  selber  vorstellten 
A.  U.  V.  Bratjnschwbig  Octavia  (1677)  l,  144;  die  tugen- 
den,  so  die  bezeigung  gegen  den  nächsten  angehen,  sind 
die  gerechtigkeit  und  gütigkeit  Leibniz  dtsche  sehr.  1,  362 ; 

stell  alle  sorgen  ein, 
denn  unsro  gütigkeit  läszt  uns  nicht  feinde  seyn 

GOTTSCHED  dtsche  Schaubühne  (1741)  4,  13; 
menschenliebe,  gütigkeit, 
jede  tugend  ist  dir  eigen 

Gleim  s.  sehr.  (1798)  1,  366; 

ach,  sie  war  lauter  liebe  und  erhabne  gütigkeit  Gebsten- 
BERG  ügolino  241  nat.-lit.;  des  Christentums  regel  hatte  die 
frucht  des  geistes,  menschengüte  und  menschenseligkeit 
in  sich :  liebe,  .  .  .  gütigkeit,  treue,  Sanftmut  Herder  20, 
171  Ä.;  blasser  als  höflichkeitsformel:  nun  musz  ich  eine 
bitte  wagen,  und  ich  hoffe  von  ihrer  gütigkeit,  dasz  sie 
mir  dieselbe  nicht  abschlagen  werden  Lichtenberg  br. 
2,  65;  auf  ein  bestimmtes  objekt  bezogen  im  sinne  'Zu- 
neigung, Willfährigkeit': 

mein  schätz,  wie  hab  ich  leider  übel  dich 

genommen  doch  in  acht  I   ach  weh,  wie  schmertzt  das  mich ! 

da  ich  dich  tag  und  nacht  stets  bey  mir  haben  kunte, 

und  deine  gütigkeit  mir  solches  wol  vergunte: 

dasz  ich  gelassen  dich  hab  in  des  Namo  band 

D.  V.  D.  Werder  ras.  Roland  (1636)  116. 

ßß)  als  eigenschaft  des  fürsten  oder  herren  'wohlwollen, 
gnade,  leutselig  keif :  unser  kraft  die  beschirmen  sol  mit  der 
besundern  hant  der  güetichait  (v.  j.  1299)  in:  urk.-b.  d. 
landes  ob  d.  Enns  4,  316;  du  darfst  dich  nicht  verlassen 
auff    die    gütigkeit    deines    landesfürsten    Luther    28, 

215  W.;  ,  _  , 

und  der  marggraf  ist  kammerer, 
tregt  ein  gülden  stab  vor  ihm  her, 
derselbig  gülden  stab  bedeut, 
dasz  der  keiser  brauch  gütigkeit 

J.  Ayrer  dram.  535  K.; 

allergnädigster  kayser  und  herr,  dessen  tugend  und  gütig- 
keit höher  ist  als  sie  von  mir  kan  erkennet  oder  begriffen 
werden  A.  v.  Ziegler  asiat.  Banise  (1689)  292. 

yy)  mehr  passiv  gefaszt  'geduld,  nachsieht,  gutmütig- 
keit  :  giij  ^ns  jn  leiden  deinen  rat, 

gib  gütikhait  für  Übeltat 

bei  Kehrein  kirchen-  u.  relig.  lieder  140; 

mich  waz  verwundern,  wann  es  also  hinweg  gieng  und 
allweg  des  herren  gütikeit  (lenitas)  Terenz  (1499)  14*; 
gütigkeyt  macht  ungütig  knecht  Seb.  Fbanck  sprüchw. 
(1541)  1,  159'';  der  ungetreuwe  heyd  Roas  von  Goys,  den 
ich  ausz  gütigkeit  .  .  .  bey  mir  erzogen  buch  der  liebe 
(1587)  387  <i;  wie  sonsten  grosz  und  kleine  meiner  gütigkeit 
miszbraucht  haben  Schupp  sehr.  (1663)  582;  die  vorigen 
merckmale  seiner  gütigkeit  hätten  sie  beredet,  dasz  sie 
ihre  ergebung  einer  verzweifelten  gegenwehr  fürgezogen 
hätten  Lohenstbin  Arminius  (1689)  l,  60^;  Badizzaman 
ergab  sich  selbst  dem  sieger,  dessen  gütigkeit  der  weit 
bekannt  war  A.  v.  Haller  Usong  (1771)  96; 

doch  herr,  geht  deine  gütigkeit, 

die  Schonung  dieses  orts  und  volkes  nicht  zu  weit? 

Ayrenhoff  w.  (1814)  2,  59; 

sie  hielt  eben  zu  dem  grafen,  auf  dessen  gütigkeit  und 
wohl  auch  schwäche  sie  manchen  zukunftsplan  auf- 
gebaut haben  mochte  Fontane  ges.  w.  I  7,  278;  objektiver 
geradezzt,  für  'milde':  mit  ihr  {der  strafe)  kann  zwar  auch 
gütigkeit  verbunden  werden,  aber  auf  diese  hat  der 
strafwürdige  nach  seiner  aufführung  nicht  die  mindeste 
Ursache  sich  rechnung  zu  machen  Kant  5,  37  akad. 


1449 


GÜTIGKEIT 


GÜTIGKEIT 


1450 


ß)  von  der  barmherzigen  liebe  gottes:  got  der  wil  dir 
vaterlich  heKen  usz  allen  dinen  nöten,  ob  du  allein  siner 
gutikeit  macht  getrüwen  Sexjsk  dtscke  sehr.  380  Bihlm.; 

ich  weisz  nlt,  wo  is  herkommet  dir  {gott) 
anders  dan  von  dinre  gütekeit 

pilgert,  d.  träum,  mönchs  10969  Bömer; 

miissen  wir  ins  hercze  bilden  die  gutikeit  und  genade 
Christi  unsers  herren  Luther  9,  554  W.; 

bleib  heilig  jederzeit, 
Bo  wird  er  (gott)  dich  in  aufifsicht  fassen, 
und  weder  jetzt  noch  ewig  lassen 
aus  seiner  gnad  und  gütigkeit 

Simon  Dach  194  österl.; 

der  unter  andern  besonderen  danksagungen,  wodurch  er 
sich  gegen  die  gütigkeit  gottes  erkenntüch  bezeigte,  der 
weit  Wörterbüchermacher  verschaffte  Lessing  8,  9  L.-M. 

y)  von  der  gunst  der  götter  oder  des  schicksah:  so  grosze 
und  so  wichtige  vortheile  .  .  .  welche  die  gütigkeit  der 
götter  uns  ohne  unser  zuthun  .  .  .  bescheret  hat  Reiskb 
Demosthenes  u.  Äschimis  reden  (1764)  1,  26;  wie  lang,  ihr 
götter,  soU  ich  noch  eurer  gütigkeit  zeuge  sein?  S.  Gesz- 
NEB  sehr.  (1777)  1,  65;  {Fortuna)  die  du  durch  deine  grosze 
gütigkeit  am  aller  schädlichsten  wirst  Schottel  friedens- 
sieg  29  ndr.;  aber  ich  habe  gelernt,  mehr  auf  die  gütigkeit 
des  geschicks  rechnen  Knigge  roman  m.  leb.  (1781)  1,  32. 

b)  die  in  einzelnen  handlungen  sichtbare  freundliche 
gesinnung  des  menschen,  die  eine  mehr  augenblicklich  sicht- 
bare eigenschaft  darstellt,  vgl.  güttigkeit  facilitas  S.  Roth 

dict.  (1752)  G  2*. 

a)  allgemein:  durch  übrige  kelty  und  grosze  gefrüri 
ward  ain  man  in  gütikait  bewegt,  das  er  ain  schlangen  in 
synem  hus  beherberget  Steinhöwel  Äsop  91  Ost.;  es 
komme  noch  ain  glückhafftige  stunde,  darinnen  euer 
edels  hertz  bewegt  werde  zu  gütigkait  rnid  euer  synn 
und  gemüt  umbgeben  mit  barmhertzigkait  Fortunatus 
134  vdr.;  denn  es  geschieht  oft,  dasz  weibliches  gemüht 
durch  schöne  gestalt  und  hübsche  geberd  von  zorn  in 
gütigkeit  und  sanfftmütigkeit  gewandelt  wirdt  bv^h  d. 
liebe  (1587)  83^; 

du  bist,  o  Nyctelen,  zue  gütigkeit  geneiget, 

hast  von  natur  und  art  gantz  freundlich  dich  erzeiget 

Opitz  tetUsche  poem.  209  ndr.; 

ihr  herren  aber  . . .  werdet  es  meiner  gütigkeit  zuschrei- 
ben, dasz  ich  euch  mein  hausrecht  nicht  gethan  habe 
Chr.  Weise  erznarren  142  ndr.; 

dann  werden  wir  uns  jederzeit, 
als  zeugen  deiner  gütigkeit 
voll  innigster  empflndung  zeigen 

Gottsched  ged.  (1751)  1,  160; 

wie  hat  diese  gütigkeit  meine  ganze  seele  durchdrungen 
Lessing  2,  31 1  L.-M.;  musje  Würfel,  ihre  gütigkeit  zer- 
schneidet mir  das  herz  Bätjerle  kom.  theater  (1820)  1,  83; 
ich  danke  dem  herrn  meister  für  seine  geduld  und  gütig- 
keit und  aufmerksamkeit  Brukner  erz.  u.  sehr.  1,  116; 
blasz  als  höflichkeitsphrase:  eben  wollte  ich  wegen  meiner 
nachlässigkeit  um  Verzeihung  bitten,  da  mir  ihre  gütig- 
keit entgegen  eüet,  mich  darüber  mit  einem  so  schönen 
Aveynachtsgeschenke  zu  bestrafen  Gottschedin  br.  1,  167 
Runkel;  deine  gütigkeit  wird  also  rath  zu  schaffen  wissen 
Schubart  br.  l,  I8l  Strausz. 

ß)  mit  abhängigen  präpositionen,  namentlich  gegen :  ein 
geitziger  helt  .  .  .  nit  die  gütigkeit  gen  vater  und  muter 
Albr.  V.  Eyb  dtsche  sehr.  1,  33  Herrm.;  hastu  ye  mein 
güttigkeit  empfunden  gegen  dir  verschlossen  zewerden? 
BoLTZ  Terenz  (1539)  34'>;  so  fing  ich  an,  diese  dialoge  und 
Sinngedichte  zu  verfertigen,  welche  herr  Wieland  aus  all- 
zugroszer  gütigkeit  gegen  mich,  ihnen  hier  zur  Versorgung 
übersendet  Gleiji  briefw.  l,  11  Körte;  andere  präposi- 
tionen bleiben  vereinzelt:  ich  gedenke  die  gütigkait,  die  ich 
alle  zyt  hab  gehabt  zu  den  gesten  Steinhöwel  Äsop 
40  Ost. 

y)  häufig  in  formelhaften,  präpositionalen  Verbindungen; 
aus  gütigkeit:  ausz  guetigkait  verhelfend  Knebel  chron. 
V.  Kaisheim  145  lit.  ver.;  die  remarques  aber  .  .  .  sind  mir 
von  einem  meiner  damahhgen  reisegefährten  . . .  aus  be- 


sonderer gütigkeit  und  freundschaft  communiciret  Ne- 
meitz  nachlese  (1726)  )(  5*; 

ein  reisender  ist  so  gewohnt, 
aus  gütigkeit  vorlieb  zu  nehmen 

GÖTHE  14, 153  W.; 

mit  gütigkeit:  Erasmus  von  Roterdam,  der  mit  eng- 
lischem ingenium  für  und  für  mit  gütigkeit  göttliche 
gaben  gemeret  hat  in  unsz  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr. 
1,  3  ndr.;  so  viel  ein  fürst  .  .  .  höher  ist  als  seine  unter- 
thanen  .  .  .  soU  er  denselben  mit  .  .  .  gütigkeit  zuvor 
gehen  Zinkgref-Weidnbr  teutscher  nation  weish.  (1653) 
3,  65; 

allenthalben  irret  umher,  wen  gott  von  der  thür  stöszt; 
wem  er  sie  öfnet,  den  nimmt  jeder  mit  gütigkeit  auf 

Herder  26,  389  S.; 
anders  im  sinne  'gütlich,  willig\' 

wer  gehorchet  mit  gütigkeit, 
den  lest  man  auch  zu  aller  zeit 
widerum  reden  auch  mit  rhu 

H.  Sachs  19,  321  O. 

6)  in  festen  redensarten  des  höflichen  Verkehrs;  der,  von 
der  gütigkeit  sein  'die  freundlichkeit  haben":  so  ist  es 
auch  unläugbar,  dasz  etliche  Satzung  aus  Unverstand  an- 
genommen sind,  darum  sollten  die  bischofe  der  gütigkeit 
sein,  dieselben  Satzungen  zu  müdern  .4m^56.  konfess.,art.  28 
bei  J.  T.  Müller  d.  symbol.  bücher  d.  evang.-luth.  kirche^ 
69 ;  der  herr  baron  ist  von  einer  sehr  raren  gütigkeit,  dasz 
er  sich  des  armen  frauenzimmers  noch  so  viel  erbarmet 
Stbanitzky  ollapatrida  149  Wien,  ndr.;  so  noch  schwäb. 
als  gewähltere  formel  statt  'so  gut  sein^  {vgl.  sp.  1285):  sind 
sie  von  der  gütigkeit  Fischer  3,  966;  häufig  im  18.  u. 
frühen  19.  jh.  die  gütigkeit  haben:  vielleicht  pflichte  ich 
ihnen  bey,  wenn  sie  vorher  die  gütigkeit  haben,  folgenden 
zweifelsknoten  aufzulösen  neuer  büchersaal  (1745)6,38; 
haben  sie  daher  die  gütigkeit,  mir  für  ein  quartier  zu 
sorgen  Göthe  IV  27,  76  W.;  {sie)  bat  mich  anbey,  die 
gütigkeit  zu  haben  und  ihr  nun  erlauben  nach  hause  zu 
gehen d.Leipz.areniwncMr  (1756)1,135;  allerliebste  madam 
H. !  wenn  sie  nur  die  gütigkeit  haben,  und  . .  .  Ph.  Haf- 
ner ges.  lustsp.  (1812)  2,  32. 

c)  auf  die  auf  freundlicher  gesinnung  beruhende  hand- 
lungsweise  übertragen  {vgl.  ^güte  l  d):  min  gütikait,  Gwis- 
carde,  dero  ich  mich  gegen  dir  gebracht  han,  hat  in  kain 
weg  verschuldet  sölich  unrecht  Niclas  v.  Wyle  translat. 
83  K.;  also  thu  du  auch,  du  kanst  in  nit  überwinden  mit 
boszheit,  so  versuch  die  gutikeit  und  früntlichheit,  so 
würstu  in  überwinden  Pauli  schimpf  u.  ernst  265  Ost.; 
gütigkeit  inn  reden  und  embsigkeit  im  schreiben  erhelt 
gute  freundschafft  Lehman  fior.  pol.  (1662)3,  135;  e.  ex- 
ceU.  wolle  dero  offterwiesene  gütigkeit  auch  hierinn  .  .  . 
genieszen  lassen  Che.  Weise  pol.  redner  (1677)  58;  konnte 
ich  jemals  so  viele  gütigkeit  hoffen?  theat.  d.  Dtschen 
(1768)  12,  183;  ich  bitte  mir  die  erlaubnisz  aus,  bei  einer 
übers  Jahr  zu  hoffenden  rückkehr  nach  Böhmen  mich 
wieder  ins  gedächtnisz  bringen  und  auf  ihre  gütigkeit 
abermals  ansprach  machen  zu  dürfen  Göthe  IV  23,  92  W.; 

möcht  ich  erlangen  nur  gütigkeit, 

das  war  meinem  herzen  ein  grosze  freud 

A.  v.  Arnim  w.  21, 119  Gr.; 

in  präpositionaler  Verbindung  durch  gütigkeit: 

. . .  dein  . . .  söhn 
wird  das  verwayste  volck  durch  gütigkeit  regieren 

PiETSOH  geb.  sehr.  (1740)  55 ; 

sie  eilen  nach  dem  schiff  und  flndens,  hoch  erfreut, 
zur  reise  schon  versehn  und  zierlich  eingerichtet 
durch  ihres  Schützers  gütigkeit 

WrEtAND  te.  5,  80  Düntzer; 

die  köstlichen  stücke,  die  ich  durch  ihre  gütigkeit  habe 
kennen  lernen  Göthe  21,  309  W.;  mit  (in)  gütigkeit  im 
gegensatz  zum  gewaltsamen  verfahren:  und  als  er  mit 
gütigkeit  von  ihrem  furnemen  abzustehen  sie  nicht  be- 
wegen mögen  Stumpf  Schweizerchron.  (1606)  50*;  biet  ain 
rat  verstanden,  daz  der  ursach  nicht  genug  gewesen  wer, 
ich  hiet  mich  davon  lassen  weisen  in  der  gütigkait,  und 
bieten  ewrn  gnaden  zu  schanndt  und  der  ganzen  stat 
ein  solhe  verpotne  grobe  antwurt  nicht  dürffen  geben 


1451 


GÜTIGKEIT 


GÜTIGKEIT 


1452 


fönt.  rer.  Austr.  II  7,  35;  was  er  in  der  gütigkeyt  ab- 
schaffen kondt,  do  vermitt  er  mit  allem  fleisz  zanck 
und  hader  Wickram  w.  2,  433  B.;  bald  darnach  kam 
Carlen  .  .  •  der  meinung,  die  von  Zürich  .  .  .  mit  gewalt 
darzu  zeweisen,  welches  er  vormals  in  gütigkeit  bey 
inen  nit  mocht  finden  Seb.  Münster  cosm.  (1550)  448. 

d)  früh  für  das  aus  freundlicher  gesinnung  und  friedlicher 
handlungsweise  hervorgehende  verfahren  gütlicher  einigung 
und  den  dadurch  geschaffenen  zustand  (vgl.  ^güte  4),  vgl. 
vorsunung,  gutichait  Diefenbach  nov.  gl.  306  S';  in  älterer 
Sprache  namentlich  juristisch  verwendet:  aUs  mir  .  .  .  ewer 
fürstlich  gnad  .  .  .  kain  rechttag  gesatzt,  noch  dy  gutti- 
chayt  gegen  meinem  anwallt  furgenomen  hat  fönt.  rer. 
Austr.  II  2,  200;  mag  der  verweser  den  parteien  zu  guetem 
und  dasz  si  nit  in  so  schwären  Unkosten  kumben,  auf 
ir  willküerlich  ersuchen  und  anlangen  gleichfals  die  güe- 
tigkait  zwischen  inen  versuechen  [v.  j.  1568)  österr.  weist. 
10,  12;  um  gütigkeit  und  ruhe  wUlen  und  nicht  von 
strengheit  des  rechten  v.  Lori  baier.  bergr.  (1764)  vorr.  43; 

er  (der  vater)  wird  den  'Widerspruch  In  gütigkeit  verwandeln 
und  führt  dich,  wie  ich  hof,  mit  seegen  selbst  zu  mir 

Chr.  Günthke  1,  270  lit.  ver.; 

haben  die  gedachten  commissari  allen  mugenlichen  fleysz 
.  .  .  virgewent,  die  sach  zu  guetigkait  bringen  Knebel 
chron.  v.  Kaisheim  51  lit.  ver.;  in  präpositiona,ler  Verbin- 
dung mit  in.*  die  vier  sollen  darauf  den  fünfften  zu  in 
erwehlen  .  .  .  und  dann  versuchen,  ob  sie  uns  herrn 
darumb  mit  wissen  in  der  güettigkeit  verainen  mügen 
{v.  j.  1437)  bei  V.  Lori  baier.  bergr.  (1764)  30^;  auch  meinten 
dieselben  fürsten,  ob  man  in  der  gütigkeit  darein  möcht 
chomen,  unverdingtlich  zu  versuchen  städtechron.  2,  142; 
do  haben  die  ersamen  scheffen  und  gericht  in  gietigkeit 
erkant  und  Casparn  nachgelossen,  ein  stand  zu  haben 
auch  zu  empfohen  {v.  j.  1628)  bei  Schmoller  Straszburger 
weberzunft  138;  für  das  Vergleichsverfahren:  in  güteheit 
oder  durch  recht  stadtb.  v.  Brüx  nr.  345  bei  Jelinek 
338;  es  sol  auch  ieder  teU  .  .  .  slosz,  vesten,  stet  oder 
merckte  . . .  inn  haben  und  behalten,  {es  sei  denn,  dasz) . . . 
er  mit  recht  daraus  gevertigt  oder  mit  der  gütigkeit  davon 
geteidingt  wirt  städtechron.  2,  166;  des  giengen  auch  bald 
barteien  mit  wüllkür  auf  den  priarch  {von  Friaul)  zu  ainer 
guetigkait,  was  er  darausz  machte,  das  wolten  sie  treulich 
halten  ebda  5,  11. 

e)  verdinglicht  für  das  ergebnis  der  freundlichen  hand- 


a)  noch  subjektiv  mit  bezug  auf  das  persönliche  handeln, 
^wohltat,  gnadenbeweis,  gefälligkeiV :  inen  hilf,  fürternisse 
und  bistand  und  güetigkeit  ze  tuonde,  und  ze  erzögen  an 
alle  gevärde  H.  Fründ  chron.  101  Kind;  verhofft  durch 
dise  gütigkeit,  es  solte  inen  beyden  an  der  seien  geniesz- 
lich  sein  Frey  gartengesellsch.  16  Bolte;  keine  wohltat 
und  gütigkeit  ist  thewrer  dann  diese,  welche  durch  bitten 
erlangt  und  erkaufft  werden  musz  Lehman  flor.  pol. 
(1662)  4,  160;  die  vielen  gütigkeiten,  so  von  ihnen  rühm- 
lichst genossen  Hunold  allern.  art  (1718)147;  für  diese 
gütigkeit  musz  ich  verbunden  leben  Gottsched  dtsche 
Schaubühne  (1741)  1,  53;  dasz  sie  mich  durch  gütigkeiten 
verpflichtet  haben  .  .  .,  das  alles  muste  ich  ihnen  schon 
vorgestern  schreiben  Hermes  Sophiens  reise  (1769)  3,  42; 
{nddabot)  heiszen,  wie  jedermann  weisz,  gütigkeiten,  frei- 
willige gaben  Herder  12,  269  8.;  dazu  suche  ich  ihren 
rath  und  beistand,  weil  sie  ein  schriftgelehrter  sind 
und  mir  mitunter  eine  gütigkeit  erwiesen  haben  Immer- 
mann 4,  29  Boxb. 

ß)  objektiv  'das  gute  ding,  die  angenehme  sache''  selbst, 
wie  'das  gute'  {vgl.  gut  VIII  B  2  b)  gebraucht: 

got,  aller  gütigkeit  wolthater 

H.  Sachs  1, 143  E.; 

wie  ich  denn  bey  dem  herren  nah 
den  keyser  Constantinum  sah, 
der  ehr  und  alle  gütigkeit 
erzeiget  hat  der  Christenheit 

BiKOWALDT  Christi,  warn.  (1588)  D  1"; 

dem  quelle  vieler  gütigkeiten, 

der  sonne,  gibst  du  wärm  und  schein 

LÖWEN  sehr.  (1765)  2, 10. 


2)  nach  gütig  2,  entsprechend  ^güte  2  seltener  im  sinne 
'tugendhaftigkeit,  rechtschaffenheit,  frömmigkeiV ,  vgl.  gütig- 
keit, gute,  frömmigkeit,  ehrbarkeit  bonitas,  üyai^ÖTr]S 
Decimator  thes.  (1615):  unsere  angeborne  gutekeit  {in- 
nata  nobis  pietas)  Jon.  v.  Gelnhausen  const.  jur.  metall. 
III  6,  12  bei  Jelinek  337;  da  lernet  es  kunst  und  güt- 
tikeit  und  zucht  d.  heyligen  leben,  summerteil  (1472)  38*; 
gütikait  machet  rechte  vätterHche  trüw  unt  früntschaft 
der  kind  gegen  vater  und  muoter  und  nit  die  geburt 
Steinhöwel  Äsop  117  Ost.;  aller  gotseUgkeit  und  gütig- 
keyt eyn  unmenschlich  grausam  verderbnus  Hütten 
opera  194  Bock.;  Pontus  thet  als  einer,  so  voller  tugend 
und  gütigkeit  ist  buch  d.  liebe  (1587)  327*;  die  gütigkeit 
ist  gott,  die  boszheit  der  teuffei  Lehman  flor.  pol.  (1662)  l, 
393;  farbloser: 

daher  ausz  solcher  g&tlgkeyt 
entsprang  auch  die  ehrbietigkeyt 

FISCHAET  1,  272  Eauffen; 

nach  gut  V  Ale  hin  'höfische  erziehung,  ritterlichkeit': 
der  rysz  stuont  wyder  uf.  und  der  erkant  Ruollanden 
güettigkeyt  {courtoisie)  Morgant  198  Bachm.;  etwas  anders 
von  den  taten  'sittlich  gute  beschaff enheiV :  und  nu  got  der 
mache,  daz  di  dink  di  da  sint  von  mir,  sint  dienent  zu 
dem  nucze  der  warheit  dez  ewangeliumz  und  tut  di 
gütikait  der  werk,  di  da  sint  der  behaltsam  dez  ewigen 
lebens  cod.  Tepl.  2,  81  Huttier. 

3)  nicht  unmittelbar  an  eine  bedeutung  von  gütig  an- 
zv^chlieszen,  sondern  wohl  direkt  aus  ^güte  1  mit  bedeu- 
tungsgehalt  gespeist  sind  Verwendungen,  die  gut  I-III 
entsprechen,  vgl.  guttigkeit  bonitas  Diefenbach  gl.  79*. 

a)  zu  gut  I  in  verschiedenen  bedeutungen;  entsprechend 
gut  I  A  1  'nützlichkeiV :  was  die  sache,  wann  sie  noch  vor- 
handen wäre,  zu  der  zeit  gelten  könne,  oder  was  sie  auf- 
bringen könte  und  worinnen  ihre  gütigkeit  bestünde 
V.  Hohbero  georg.  cur.  aucta  (1715)  3,  27'';  zu  gut  I  A  2  b 
'gebrauchstüchtigkeiV :  was  nicht  durch  die  gütigkeit  der 
pferde  entrann,  {vmrde)  in  stücke  gehauen  Lohenstein 
Arminius  (1689)  2,  1079;  zu  gut  I  A  2  c  '  nutzbar  keif :  {die) 
gütigkeit  eines  edlen  bodens,  . . .  welcher  seinen  präch- 
tigen blumen  die  bewunderung  der  Zuschauer  erwirbt 
J.  Moser  s.  w.  9,  ll  Ab.;  zu  gut  I  A  2  d  )S  'gesundes  aus- 
sehen" :  und  so  der  cancer  getödt  ist,  das  du  erkennen  magst 
durch  die  gyetigkeit  des  fleisches  und  durch  mangel  des 
eyters  und  gestancks,  so  curier  in  noch  dem  sinn  als  an- 
dere eyszen  Gersdore  wundarzney  (1517)  65*;  zu  gut 
IA2dy:  klugheit  und  wahrheitfindung  entspringen 
beide  aus  der  natur  gütigkeit  und  Übung  Herder  17, 
208  S.;  zw  gut  I  B  5  'wackere  taV :  ock  vint  me  wol  stede 
dede  or  wapen  hebben  vorworven  myt  der  manheyt 
in  stride,  in  blotstorting,  in  anderen  gudicheyden,  de  se 
by  oren  fursten  gedan  hebben  städtechron.  16,  480;  zu 
gut  I  C  1  c  'gunst,  förderlichkeit' :  so  is  ouch  Coellen  der 
zit  half,  men  mirk  an  die  lankheit  van  jaeren  of  guedicheit 
der  zit,  ein  wirdige  vlecke  städtechron.  13,  455. 

b)  entsprechend  gut  II  A  2  im  sinne  'hochwertigkeit, 
wertgehaW:  der  deutsche  {born)  wird  wegen  der  solen 
gütigkeit  vor  dem  besten  gehalten  Fr.  Hondorff  d. 
saÜzwerk  zu  Halle  (1670)  2;  gutekeit  des  erczes  {bonitas 
metalli)  Jon.  v.  Gelnhausen  const.  jur.  m,etall.  1 16,  2  bei 
Jelinek  337;  gehalt  der  ertze  bedeutet  die  gütigkeit 
desselben,  wie  viel  es  an  metall  hält  Chr.  HERTTW^G 
bergbuch  (1734)  170'';  ganz  abstrakt  nach  gut  II  A  5  all- 
gemeiner 'vortrefflichheit' :  kanst  du  nu  ,.  .  •  schowen  des 
obresten  gutes  lutersten  gutekait  Seuse  dtsche  sehr.  179 
Bihlm.;  ja  alle  creaturen  mit  aller  irer  gütigkeit  als  ein 
augenblick  des  ewigen  lebens  {können  das  leisten)  Jon. 
Arnd  Thomas  a  Kempis  (1631)  11;  zu  gut  II  B  3: 

(wenn  sie)  um  deine  schöne  Jugend  weint, 
und  deine  gütigkeit  mit  nassem  aug  erhebet 

V.  CrONEQK  sehr.  (1766)  2,  354. 

c)  zu  gut  III  in  verschiedenem  sinne;  entsprechend  gut 
III  A  1  a  'schmackhaftigkeit' :  eine  andere  gütigkeit  ist  der 
speise,  da  gut  so  viel  ist  als  wolgeschmack  heist  Hars- 
döbfer  poel.  trichter  (1653)  248;  {dasz  es)  die  gütigkeit 


1453 


GÜTIGLICH 


GUTING-GUTKELLER 


1454 


und  nahrung  dem  fleisch  etwas  enziehe  Aitingeb  jagd- 
u.  weidbüchl.  (1681)  321;  zu  gut  III  A  1  c  '■  Wohlklang'' : 
dann  was  gütikeit  der  stymm  von  natur  anhangt,  das 
gevalt  ouch  dem  hörenden  und  machet  inn  uffmerckig 
RiEDEßEß  rlietorica  (1493)  g  3'^;  zu  gut  II  A  5  'fröhlich- 
keif:  singen  .  .  .  gibt  gütikeit  Albb.  v.  Eyb  Spiegel  d. 
Sitten  (1511)  D  5». 

GÜTIGLICH,  adv.,  auch  als  adj.  gebraucht;  zunächst 
adverbialbildung  zu  gütig,  adj.,  mhd.  adv.  güetecliche, 
güeteclichen ;  im  17.  jh.  veraltend  und  von  adverbialem 
gütig  verdrängt,  später  noch  vereinzelt  poetisch. 

1)  zu  gütig  1  b  'freundlich,  wohlwollend',  vgl.  gütiglich 
candide  Fbisius  180^,  placide  lOOS^',  mite  826^,  clementer 
Calepinus  X7  ling.  254*,  mansuete  865^,  vgl.  noch  Stieles 
stammb.  (1691)  718. 

a)  als  adv.: 

diu  keiserinne  Meliur 
sprach  güeteclichen  wider  in 

KONEAD  V.  WÜRZBüKQ  Partonopier  20781; 

das  ir  mir  nit  das  dis  male  wollent  vergeben 
gutteclich  und  keinen  bösen  willen  beheben 

pilgert,  d.  träum,  möncha  1856  Bömer; 

die  göttin  .  .  .  begäbet  in  mit  wyszheit  ...  als  dem,  der 
sy  gütenclich  in  demütikait  hette  beherbergt  Steikhöwel 
Äsop  40  Ost.;  die  {pilger)  er  doch  guttigMchen  enpfieng 
und  eyns  yeden  namen  erforschet  Breydenbach  heyl. 
reyszen  (1486)  isg^^;  dasz  euch  gott  gütiglich  versammlet 
hat  buch  d.  liebe  (1587)  30^;  wir  dancken  auch  gott,  dasz 
er  uns  so  güttiglichen  befohlen  hatt  der  jungfrawen 
Pabacelsus  opera  2,  lOS''  Hu^er;  antworte  sanfftiglich 
oder  gütighch  dem,  der  da  fraget  Comenius  janua  (1644) 
292;  nach  gütig  1  ajS  'milde' :  er  sol  in  gütiglich  straffen 
und  bewainen  sein  übel  Albb.  v.  Eyb  spiegel  d.  sitten 
(1511)  F  1*;  im  sinne  'unllig':  (die  frau)  sich  gütiglichen 
ergäbe  Abiqo  decam.  94  K.; 

Jhesus  allzyt  gehorsam  was 
Joseph  und  der  müter  sin; 
als  sie  hatten  verloren  in, 
gütiglich  gieng  er  mit  in  bein 

P.  Qengknbaoh  26  Gödeke; 

entsprechend  gütig  c  cT  'freiwillig,  friedlich' : 

beredt  er  die  dry  lender  eben, 

das  sy'  sich  under  syn  berrschaft  band 

gütigklich  ergeben  mit  Irem  land 

Schweiz,  schausp.  3,  20  BäcM.; 

das  er  desz  italischen  reychs  gütigküch  abtrete  Stumpf 
Schweizerchron.  (1603)  203 1»;  etwas  anders  'auf  gütlichem 
wege\'  dasz  ich . . .  kummen  bin  ze  hören  und  gütighch  (so 
etwas  Uneinigkeit  entstund)  helfen  entscheiden  Zwingli 
dtsche  sehr.  1,  120. 

b)  adjektivisch  gebraucht:  ich  {der  löwe)  .  . .  erzögete 
naich  gütiglich  gegen  dem  pferd  Steikhöwel  Äsop  142 
Ost.;  wi  gutigkUch  und  susziglich  er  sich  dertzeiget,  vor- 
dint  si  allein  seliklich  tzu  erfaren  buch  geistl.  gnaden 
(1603)  A  2'';  sich  gein  den  ersten  ernsthch  und  gein  den 
andern  guttighch  und  ündiglich  ze  beweisen  Ordnung 
vier  lat.  schulen  (1505)  in:  samml.  selten  gew.  pädag.  sehr. 
13,  152;  'bereitwillig':  darauf  sich  ethche  knecht  gleich 
gütighchen  finden  lassen  Fbonspeegee  kriegsb.  (1578) 
1,  B  e''; 

ich  weisz  ihr  seyd  so  gütiglich, 
werdt  itzt  nicht  lassen  stecken  mich 

Wkichmänn  poesie  d.  Nieders.  (1721)  6,  391. 

2)  selten  zu  andern  bedeutungen  von  gütig ;  zu  gütig  2  a 
'rechtschaffen':  und  solich  ier  unzimlichen  handel  ofEen- 
waren  und  erzellen.  erfindt  sich  dan  die  mit  ainer  war- 
hait,  so  soll  man  im  sagen,  das  er  sich  der  abthue  und 
wider  wen  si  damit  gehandlt  bieten,  abtragen  und  sich 
furpäszer  guetikhch  und  frumbkhch  halten  (14.  jh.)  österr. 
weist.  9,  579;  entsprechend  gut  IA5b  im  sinne  'zuver- 
lässig, sicher':  und  als  güticklich  züglauben  ist,  so  hat 
Joseph  ir  gemahel  auch  ewige  küscheit  gehalten  H.  Geb- 
WEiLEB  beschirm,  d.  lobs  Marie  (1523)  5*;  es  ist  auch 
gütigklich  zu  glauben,  das  solhen  sig  von  got  erworben 
haben  die  priesterschaft  in  seinem  land  Aenpeck  s. 
chron.  620  Leidinger;  zu  gut  III  A  2  'angenehm,  behaglich': 


er  {Paulus)  hat  a*ch  vermaint  daz  jhen,  die  gütiklich 
wollen  leben,  soUen  widerwärtigkait  leyden  Beethold 
v.  Chiemsee  t.  theol.  279  Beithm.;  adjektivisch  zu  gut 
V  B  3  b  'ehrbar,  anständig' :  es  bit  auch  der  obgemelt 
samler  dis  büchs,  das  man  es  lesen  wöl  in  der  meinung 
als  er  es  gemachet  hat,  nit  verkeren  noch  verwerffen, 
sundem  bessern  und  es  meren  und  andere  gütigUche  stück 
herzu  setzen,  die  sich  ziemen  J.  Paul  schimpf  u.  erriet 
14  Ost. 

GUTING,  adv.,  seltene  adj.;  zusammenrückung  aus 
gut  ding  («.  gut  VI  B  1,  sp.  1318);  alem.  teilweise  mit 
nasalverlust  gutig  oder  sekundärer  erweiterung  durch  ad- 
verbiales l-suffix  guthg,  gutling;  auch  in  Steigerung 
gütinger,  gütlinger  u.  ä.,  s.  Fischeb  schwäb.  3,  965/., 
Staub-Toblee  2,  555;  alem.  und  bair.  als  intensivierendes 
adv.  im  sinne  'nachdrücklich,  ausgiebig,  tüchtig,  hurtig, 
weidlich,  gehörig'  usw.:  wer  daher  guetig  {ausgiebig) 
.  .  .  angefangen  hat,  halte  mitten  im  höchsten  genusz 
inne  Fbiedli  Bärnd.  2,  394;  ich  hab  es  ihm  guting  gesagt 
Staldee  1,503;  adjektivisch  schon  bei  Heine,  v.  Nöed- 
linoen:  ward  ein  gutiger  {heftiger)  krieg  16,  14,  vgl.  16, 
41;  ebenso  bair.  gueting:  item,  welcher  nit  gueting  fridt 
{gehörig  einzäunt),  dardurch  fiech  oder  anders  in  perg 
kam  und  schadten  dardurch  beschäch  oder  nit,  ist  der 
dem  der  frit  zuegehörig  ist,  den  schaden  schultig  zu  zaUn 
{16.  jh.)  österr.  weist.  9,  134;  las  fei~  d  suppen  guating 
ausbregln  Schmelleb-Fb.  1,  964;  zehen  pfund  gueting 
reichlich  zehn  pfund  ebda;  guotink  zuoschläg'n  Lexeb 
kämt.  128,  vgl.  Schöpf  tirol.  220;  als  intensivierungsmittel 
neben  adjektiven:  gueting  bös,  gueting  frum  Wackius 
(1713)  bei  Schmelleb-Fe.  l,  964;  guting  'gewiszlich,  sicher, 
sehr  {m^ist  den  folgenden  adjektivbegriff  verstärkend)' 
Ungee-Khüll  313 '';  adjektiviert  im  sinne 'verläszlich' : 

mein  vater  is  a  sodl. 
viel  rödn  thuet  a  not; 
awa  wahr  Is  und  gueting 
Bor  oft  a  wos  rödt 

Stelzhamer  ausgew.  dicht.  (1884)  1,  35. 

—  gut  Jahr,  n.  1)  zusammenrückurig  aus  gutes  jähr  {vgl. 
gut  III  A  3  b,  sp.  1272)  im  sinne  'neujahr',  besonders  das 
am  neujahrstage  dem  glückwünschenden  überreichte  neu- 
Jahrsgeschenk,  vgl.  gütjar,  schencke  oder  gaab,  die  man 
einem  auff  einem  feyrtag  oder  aufi  das  new  jar  gibt 
strena,  apophoreta  Maaleb  (1561)  199'',  Staub-Tobleb 
3,  811,  Tobleb  appenzell.  245*,  Bühleb  Davos  51,  Bib- 
LiNGEE  volkthünü.  38:  und  habe  ihr  das  backen  und 
mahlen  abgeschlagen  und  gut  jähr  und  alles  auf  gekündet, 
wenn  sie  nicht  auf  der  stelle  dem  sparhafenlärm  ein  ende 
mache  Pestalozzi  Lienh.  u.  Gertr.  (1831)  3,  12l;  nach- 
mittags hatte  Käthi  besuch,  erhielt  kram,  ein  soge- 
nanntes gutjahr  von  JohannesHs  pathe  J.  Gotthelf  ges. 
sehr.  4,  220;  es  folgt  an  jedem  neujahr  der  göttibatze  oder 
das  guetjahr  Fbiedli  Bärnd.  l,  620. 

2)  bezeichnung  für  eine  bestimmte  tonfolge  des  finken- 
schlages;  mit  innerer  ergänzung  von  schlag  auch  m.:  {be- 
zeichmmgen  für  die  melodien  des  finkengesanges  sind:)  der 
doiteret,  der  gutjahr  v.  Hohbebg  georg.  cur.  aucta  3 
(1715)  369*;  diese  künstüchen  finkenschläge  ...  als  den 
weingesang,  .  .  .  das  gutjahr  Naümajsn  naturgesch.  d. 
Vögel  5,  27;  'Harzer  gutjahr'  nennt  man  diesen  schlag 
{der  finken)  v.  Ebneb-Eschenbach  ges.  sehr.  2,  271,  vgl. 
gudjairsfeinken  Hebtel  Thür.  111.  —  gut  jähren,  vb., 
vom  vorigen  gebildet  'ein  neujahrsgeschenk  geben'  Staldeb 
1,  504,  Fischeb  schwäb.  3,  966;  nach  Staldee  auch  im 
sinne  'das  neujahr  feiern' .  —  gutkauf,  adj.,  adv.;  zu- 
sammenrückung aus  guter  kauf  {vgl.  gut  III  A  7  b)  im 
sinne  'wohlfeil,  billig'  besonders  in  nd.  maa.  verbreitet,  vgl. 
Woeste  westf.  87*,  Dobnkaat-Koolman  ostfries.  l,  657*; 
Keen-Willms  Ostfriesl.  127:  proten  {'kritisieren')  is 
gootkoop,  man  doon  (=  tun)  isn  ding  Lüpkes  seemann- 
spr.  20,  253*.  —  gutkeller,  m.,  zu  gut,  n..  Big 
'  warenkeller' : 

(die  diebe)  deten  da  vil  groszen  schaden, 
guotkeler  und  kraumgaden 
si  aufprachen  maisterleich 

H.  KAUTBlNaEE  4,  44  EuL; 


1455 


GUTKOCHEN-GÜTLEIN 


GÜTLER-GUTLEUTMANN 


1456 


—  gutkochen,  vb.,  technischer  ausdruck,  zu  gut  I  A 
2cy:  das  rückständige  gold  wird  ...  in  einem  kessel 
(gutkochkessel)zweimal  gutgekocht  Müspratt-Stohmann 
3,  1804.  —  gutkraut,  n.,  name  des  tausendgüldenkrauts 
{erythraea  centaurium),  nach  Peitzel-Jessen  146  schon 
mhd.  gutherut,  zu  gut  I  A  l  b  yS  wegen  seiner  heilkraft, 
vgl.  gutkraut,  heidensch  wondkruid  Kkameb-Moerbeck 
(1768)  143*'.  —  gutlach,  n.,  aus  gut,  n.,  B  3  b  und 
deminutivem  suffix  -lach  (vgl.  Schmellee-Fr.  1,  1426) 
zusammengesetzt  im  sinne  'kleines  landguV :  auf  dem  guet- 
lach  {v.  j.  1456)  bei  Schmeller-Fb.  a.  a.  o.;  da  würd  es 
gemacht,  dasz  die  von  Kaiszham  dem  oftgemelten  pfalz- 
graf  Friderichen  selten  geben  zway  gütlach  Knebel 
chron.  v.  Kaisheim  25  lit.  ver.,  vgl.  gütlich:  mein  gütlich 
gangen  ist  an  galgen  H.  Sachs  bei  Schmeller-Fe.  a.  a.  o. 

—  gutland,  n.,  zusammenrückung  aus  gutes  land  {vgl. 
gut  I  A  2  c  a)  'ackerland\  vgl.  guhtland  optimus  ager  seu 
Campus  ScHOTTEL  haubtspr.  (1663)  407;  dazu  gutland - 
haus:  wir  waren  dazumalen  weit  weg  über  land  in  einem 
armen  gutlandhaus  am  wald  J.  Grosze  ausgew.  w.  3,  272. 

—  gutlauge,  /.,  technischer  ausdruck,  wohl  für  eine  ge- 
sättigte lösung,  zu  gut  I  A  2  c  y  vgl.  Lampadius  hdwb.  d. 
hüttenkde  (1817)  95:  nachdem  sich  die  gutlauge  ...  in  der 
pfanne  .  .  .  geklärt  hat,  ist  sie  .  .  .  zur  alaunbildung  fertig 
Müspratt-Stohmann  l,  798.  —  gutlaunig,  adj.,  ent- 
sprechend gut  III  A  5  a  {sp.  1277)  'frohe  laune  habend' :  er 
ist  .  . .  ein  gutlauniger  bursche  Wieland  Lucian  (1788) 
1,  385;  einzig  lustig  und  gutlaunig  Göthe  40,  347  W.; 
Leoni  weisz  das  alles  ebenso  gut  wie  ich,  und  zugleich, 
welch  ein  lieber  gast  man  dem  gutlaunigen,  nur  etwas 
pünktlichen  alten  herrn  ist  A.  v.  Droste-Hülshoff  br.  an 
L.Schilcking  288;  aus  froher  laune  hervorgehend,  'vergnügt': 

das  trauliebe  gutlaunige  geschwätz 
beim  abendstern  in  einer  sommerlaube 

Wieland  «.  w.  (1794)  9,  136. 

—  gutleben,».,  2«  gut  III  A  2  b  neben  häufigerem  Wohl- 
leben :  kurz,  was  zum  gutleben  gehört,  schneyte  aus  allen 
ecken  her  U.  Bräker  s.  sehr.  (1789)  2,  262;  anders  zu  gut 
V  B  3  c  'rechtschaffenes  leben' :  du  wirst  doch  nicht  leicht 
einen  andern  Inhalt  des  gutlebens  finden  Schleier- 
macher Piaton  2,  45.  —  gutlecht,  adv.,  mundartliche 
deminutivform  zu  gut,  adj.,  III  A  3  c  'ziemlich  gut,  besser', 
vgl.  FisOüBB,  Schwab.  3,  967,  Schmeller-Fr.  l,  161:  wenn 
ein  siecher  schlafen  mag,  so  spricht  man,  es  ist  ein  wenig 
guttelecht  umb  in  worden  Geiler  v.  Keisersberq  post. 
(1522)  2,  93 a.  —  gutlein,  n.,  zu  gut  III  A  1  a  kinder- 
sprachlich 'süszigkeit,  zuckerwerk',  in  obd.  mundarten  ver- 
breitet,  vgl.  Fischer  schwäb.  3,  967,  Maetin-Lienhart 
1,  249,  Meisinger  Rappen.  81,  Staub-Tobler  2,  554, 
Schmeller-Fr.  l,  965,  Schöpf  tirol.  221  usw. 

^GÜTLEIN,  deminutivbiMung  zu  gut  IV  Al  caßß 
(vgl.  sp.  1286);  bezeichnung  eines  freundlichen  kobolds,  vgl. 
^gütchen,  ^gütel:  es  lesset  sich  offt  auch  das  bergmänn- 
lein  und  cöbele  oder  gütlein  darinne  sehen  und  hören 
J.  Mathesifs  Sarepta  (1671)  210^;  vielleicht  von  hier  atis 
verallgemeinert  als  masc.  oder  selbständige  ableitung  aus 
gut  IV  Alb  im  sinne  'freundlicher,  wohlwollender 
mensch'' : 

er  macht  ein  schein,  als  ob  er  heisz 

der  gütlin  ...  H.  Sachs  1,  444  K.; 

so  gar  reiszt  das  glück  den  man  dahin,  blendt  und  ver- 
ruckt im  all  sein  sinn  und  vernunfft,  also  so  einer  gleich 
sehend  und  der  gütlin  ins  regiment  kumpt,  stehet  er 
doch  gemeinkhch  wie  ein  tyrann  und  adler  davon  Seb. 
Franck  chronica,  zeytb.  (1531)  123^. 

^GÜTLEIN,  n.,  obd.  deminutivform  von  gut,  ».,  s.  auch 
^gütel,  ^gütchen. 

1)  seit  dem  jüngeren  mhd.  für  ein  kleines  ländliches  be- 
sitztum  oder  lehen  (s.  gut,  n.,  B  3  b),  vgl.  gütlein  praediolum 
Calepinus  XI  ling.  (1598)  1129^':  von  einem  gütelein, 
daz  dez  Vlecken  waz,  3  phunt  {v.  j.  1286)  Meinhards  II. 
urbare  104  Zingerle;  ir  lönet  dem  knehtelin,  daz  den 
acker  büwet,  dem  gebet  ir  ein  wenic  güetelins  Berthold 
v.  Regensbitrg  1,  358  Pf.;  des  bykantte  sye  sich  vor 
uns  und  vor  andiris  vil  godir  lüde,  daz  sye  oder  keyner 


ir  erbin  keyn  recht  an  dem  güdelin  hettin  (v.  j.  1347) 
hess.  urkundenb.  2,  552  Wysz;  und  von  seiner  freigebigkeit 
zu  grosem  danke  annemmen  eiij  solches  ländlin,  ein 
solchs  gütlin  S-ebu.  f eidbau  (1579)  3;  zu  wünschen  ist  es, 
dasz  einer  auf  seinem,  ob  schon  geringen  gütlein  ...  in 
friden  wohnen  .  .  .  möge  Moscherosch  gesichte  (1650)  520; 
du  aber,  liebster  bruder  Mülard,  kanst  zeit  meiner  abreise 
.  .  .  mein  güthlein  Liddo  dieweil  in  Verwaltung  nehmen 
Ettner  V.  Eiteritz  med.  rruiulaffe  (1719)  104;  damit  du 
jetzt  schon  gehen  kannst,  ohne  um  das  deine  zu  kommen, 
will  ich  dir  dein  gütlein  aus  erbarmen  um  einen  billigen 
kaufschilling  abnehmen  G.  Keller  ges.  w.  6,  357;  ter- 
minologisch güetlein  'ein  solches  bauerngut,  das  minder 
als  einen  viertel-  und  mehr  als  einen  zweyunddreiszigstel- 
hof  ausmacht'  Schmeller-Fr.  l,  965. 

2)  für  einen  kleinen  besitz  von  geld,   Wertsachen  und 
habe  aller  art  im  allgemeinen  {zu  gut,  n.,  Bl): 

daz  selbe  kleine  güetelin, 
daz  noch  In  dem  gewalte  min 
bellben  ist,  daz  soltu  nemen 
Konrad  v.  Würzburg  Pantaleon.  553   Oereke; 

(Judas)  verriet  den  rehten  herren  sin 
umb  ein  armez  güeteltn 

BRUDER  Philipp  Marienleben  6345  R.; 

haben  aber  andere  nicht  auch  arbeit  gnug  umb  yhr 
gütlin?  Luther  19,  654  W.;  alsbald  einem  wenig  heUer- 
lein  zugehen,  pflegt  ihm  auch  das  müthlein  und  dunkel 
zu  wachsen,  das  gütlein  macht  ein  mütlein  Mathesius 
Syrach  (1586)  1,  248';  j^q^  ^jg,.  (^g  redensartlich  sein  güt- 
lein vermehren  übermüthig  sein  Aler  dict.  (1727)  1,  996'': 
ein  Soldat  .  .  .  hatte  sich  in  einer  statt  .  .  .  wohnlich 
niedergelassen,  willens  sein  im  krieg  erworbenes  gütlein 
mit  ruhe  zu  genieszen  Harsdörfer  gesprächsp.  (1641) 
6,  117;  ar  hat  sei  güatla  die  gorgl  no  gejagt  {hab  und  gut 
vertrunken)  Rückebt  unterfrk.  67;  etwas  anders  'kostbar- 
keif : 

(Ign.  V.  Loyola)  welchem  zuerst  erscheinen  soll 

dises  vierhornig  widerhütlein; 

der  wirds  atiffnemmen  fürs  gröst  gütlein 

Fischart  1,  246  Eauffen; 

mehr  zu  gut  I  A  2  b  bezogen  für  das  'gebrauchsfähige  stück' 
oder  in  anlehnung  an  gutlein  als  'eszbarer  teil':  die  hasel- 
nüsse  oder  welsche  nüsse  haben  die  grüne  schale,  die 
harte  schale,  das  marck,  und  das  güttlein  oder  saamkern 
v.  Breszler  merkw.  d.  natur  (1708)  54.  —  gütler,  m., 
besitzer  eines  bauerngutes,  vgl.  Schmeller-Fe.  1,  965.  — 
gutleute,  pl.,  zu  gutmann  {s.  dort);  zusammenrückung 
entsprechend  gut  IV  A  5  a,  vgl.  gutleute  die  aussätzigen 
FoLLMANN  lothr.  221^.  —  gutleuthaus,  n.,  zunächst 
das  für  die  guten  leute,  die  aussätzigen  {vgl.  gut  IV  A  5  a) 
bestimmte  huus,  'leprosenhaus' ,  dann  allgemeiner  'spitaV 
oder  'armenhaus',  vgl.  gutlüthhws  {v.  j.  1368)  Bück  flurn. 
95:  nun  hett  man  .  .  .  einen  burger  ...  in  das  gutleut- 
haus oder  lasary  gethon  Wickram  w.  3,  273  lit.  ver.; 
gegen  abend  suchte  Eugen  den  Lipp  in  seiner  wohnung, 
diese  war  in  dem  sogenannten  gutleuthaus  in  der  ehe- 
maligen behausung  des  totengräbers  auf  dem  alten  kirch- 
hof  Auerbach  ges.  sehr.  (1858)  15,  26;  noch  mundartlich, 
vgl.  Fischer  schwäb.  3,  967,  Martin-Lienhaet  1,  383, 
Staub-Tobler  2,  1717;  bildlich: 

lebt  häuslich  fort,  wie  heute! 

bald  wird  vom  Belt  zum  Rhein 

ein  haus  voll  guter  leute, 

ja  ein  gutleuthaus  sein  XJhland  ged.  1,  85. 

—  gutleuthof,  m.,  grundstück  mit  dem  gutleuthaus  {s. 
dort):  wie  wür  den  gutenleuthof  gekauft  haben  {v.  j.  1434) 
nach  Fischer  schwäb.  3,  967;  für  das  siechenhaus  selbst: 
eines  klösterlichen  siechenhauses  oder  'gutleuthof,  wie 
wie  man  im  südlichen  Deutschland  ähnliche  herbergen 
der  geistig  und  körperlich  aussätzigen  nannte  Gutz- 
kow knabenzeit  (1852)  104.  —  gutleutkind,  n.,  Hnd 
eines  siechen  oder  armen:  unsere  Straszburger  soUen  ge- 
dencken  an  die  waysen-  und  gutleutkinder  Dannhauer 
catechismusmilch  (1657)  10,  18.  —  gutleutmann,  m., 
zusammenrückung  entsprechend  gut  IV  A  5  b  'armer,  bett- 
ler':  bin  zerlumpet  daher  gangen,  mit  stückern  zusammen- 
geflickt als  ein  gutleutmaim  Moscherosch  grmcÄie  (1650) 


1457 


GÜTLICH  A  1 


GÜTLICH  A  1 


1458 


1,  415;  ich  schäme  mich  .  .  .,  in  diesem  meinem  erbärm- 
lichen zustand  gleichsamb  wie  ein  eilender  gutleuthmann 
in  das  dorff  zu  gehen  Geimmelshausen  simpl.  sehr.  4, 
328  Kurz. 

GÜTLICH,  adj.,  adv.;  vonj gut  adj.  gebildet,  doch  in 
einigen  bedeutungen  von  ^güte,  /.  inhaltlich  bestimmt;  ahd. 
guotlih,  mhd.  guotlich,  güetlich,  nhd.  gütlich,  vereinzelt 
gutlich,  das  z.  t.  wohl  nur  fehlen  der  umlautschreibunq 
bedeutet,  z.  t.  aber  neuen  anschlusz  an  gut,  adj.  verrät,  vgl. 
guttenlich  Fischer  schwäb.  3,  968.  —  ahd.  guoUich  und 
dissimiliert  mhd.  guonlich,  güenlich,  frühnhd,  günlich 
'gloriosus^  ist  von  guotlich  als  selbständiges  wort  abzu- 
trennen; eine  ahd.  assimilation  von  tl  >  11  (von  Geafp  4, 
171  erwogen,  von  Braune  ahd.  gr.  §  99  gebucht  und  in  den 
wbb.  verzeichnet,  vgl.  Lexer  1,  1123)  ist  sonst  nicht  zu  be- 
zeugen, das  allenfalls  vergleichbare  ahd.  antluzzi  <  annuzzi 
(wohl  über  anluzzi)  folgt  seiner  dreikonsonans  wegen 
anderen  gesetzen;  auch  bedeutungsmäszig  sind  guotlich  und 
guollich  bei  Oteeid  und  Notker  durchaus  geschieden  (a 
Geatf  4,  171);  letzteres  ist  mit  Gräfe  4,  184  und  Kögel 
anz.  f.  dtsch.  altert.  19,  243  zu  guol  in  urguol  'insignis 
(vgl.  ags.  galan,  got.  göljan)  zu  stellen,  s.  auch  Walde-Pok 
1,  628;  dasz  guoUich  von  guotlich  in  volksetymologischer 
anlehnung  gelegentlich  formal  beeinfluszt  ist,  bleibt  dabei 
unbestritten,  doch  erscheint  auch  ahd.  küotilih  'insignis 
Graff  4,  170  eher  als  selbständige  sonderbildung  zu  guoti, 
/.,  vgl.  aber  guotlich  'gloriosum',  guotlich  wirt  'exaUare^ 
cotlih  und  coatlih  'glorid"  und  entsprechend  die  ableitungen 
guollichi,  guotlichi  und  guotlicha  'gloria\  guotlichen  und 
guotlichon,  guoUichon  'gloriari,  glorificari^  Graff  4, 
170-73;  die  nähe  der  bedeutungen  von  guotlih  (zu  gut  II 
A  5)  'herrlich^  (s.  u.  A  2  b)  und  guollich  'ruhmvoll,  aus- 
erwähW  leistete  einer  Wortmischung  Vorschub,  doch  blieben 
im  ganzen  beide  Wörter  bis  zum  erlöschen  von  günlich  nach 
form  und  bedeutungsgehalt  geschieden.  —  güthch  schrumpft 
seit  dem  älteren  nhd.  infolge  der  konkurrenz  von  gütig  auch 
als  adv.  mehr  und  mehr  und  ist  heutiger  Schriftsprache  fast 
nur  noch  in  festen  formelhaften  Wendungen  geläufig. 

A.  adjektiv. 

1)  zu  gut  IV  bzw.  ^güte  3  und  4  im  sinne  'freundlich, 
wohlmeinend,  freundschaftlich,  friedlich'. 

a)  von  Personen  und  den  ausdrucksformen  ihrer  ge- 
sinnung,  vgl.  menschhch,  gutUch  humanus  Diefenbach 
gl.  281''. 

a)  von  personen  entsprechend  gut  IV  A  1  b  6z«».  ^güte 
3aa;  gelegentlich  mit  personalem  objektsdativ  (vgl.  gut 
IV  a  1  b  a  aa,  sp.  1284) :  woltent  sü  mir  gut  tun  und  güt- 
lich sin,  daz  solte  ich  nemen  Taulee  pred.  15,  11  V.;  er 
was  ouch  allen  mönschen,  die  in  gesachent  oder  etwas 
mit  im  ze  handien  hattent,  lieplich  und  güetlich  Stret- 
linger  chron.  118  Bächt.;  meist  absolut:  der  (gaben  des  hl. 
geistes)  sint  zwo  würcklich:  daz  ist  die  gutlicheit  und  die 
kunst,  denne  wurt  der  mensche  so  gütlich  und  senft- 
mütig  Tauler  pred.  301  F.;  'milde,  gütig' : 

seil  min,  du  must  jehen 

daz  du  mit  äugen  nie  gesehen 

habst  80  gutlichen  man  (Jesus) 

Heinkich  V.  Neustadt  gottes  zuk.  3071  5.; 

mit  einschlag  von  ^güte  2  c : 

m!n  sanc  wil  genäde  saochen 

an  dich,  güetlich  wlp:  nu  hilf,  slt  helfe  ist  worden  not 

Wolfram  v.  Eschenbaoh  lied.  7,  24  L.; 
'gnädig': 

on  wart  de  dar  olc  by  ghesacht: 

de  radt  wolde  gutlick  wesen 

Braunschweig,  schichtspiel  in:  städtechron.  16,  107; 

die  Christen  sindt  gütliche  leuthe  unnd  geben  gerne 
LuTHEE  33,  654  W.;  SO  ist  aber  Salomon  so  weisz  und 
zuviel  güthch  J.  Ayeee  hist.  proc.  jur.  (1600)  l,  5;  ver- 
einzelt mundartlich  bewahrt:  dat  is  n  gödelk  minsk  ten 
DooRNKAAT-KooLMAN  1,  656;  'friedlich':  ein  ander  gobe, 
daz  ist  die  senftmütige  miltekeit  . . .,  machet  in  (den 
menschen)  fridesam  und  güthch  in  siner  ussewendiger 
wandelunge  und  gesast  Tauler  pted.  106  V.,  vgl.  234; 
anders,  aus  güthch  vermitteln  u.  ä.  persönlich  gewendet 
IV.  1.  6. 


für  den  Schiedsmann:  als  ein  gütMcher  mitler  (v.  j.  1447) 
urkundenbuch  d.  st.  Basel  7,  199. 

ß)  von  ausdrucksformen  oder  erscheinungsweisen  der 
freundlichen,  gütigen  gesinnung: 

er  gütlichez  (aurem  benignum) 
zu  fuge  unsern  stimmen, 
sige  heilige  singen  wir, 
vergibe  daz  wir  missetün 
übers,  e.  tat.  hymnus  (12.  jh.)  bei  Kehrein  kirchen-  u.  relig. 

lieder  117; 

und  alsus  betrahtende  so  ward  sin  antlüt  so  fröUch,  sinü 
ogen  so  güthch  Seuse  dtsche  sehr.  15  Bihlm.; 

o  huniges  süssi  was  sin  (Jesu)  munt, 
fruntlich,  gütlich  allestunt 
SCHWEIZER  Wernhee  Marierdeben  5880  Päpke; 

owe  du  gütliches  antlüt,  owe  du  miltes  herz,  ich  heti  es 
dir  nie  getniwet,  daz  du  mich  so  gar  hetist  verworfen 
Seuse  dtsche  sehr.  127  Bihlm.,  vgl.  113; 

friwentllche  blicke      und  güetllches  sehen 
des  mohte  da  in  beiden      harte  vU  gescehen 

Nibelungen -363, 1  Bartsch; 

dö  sacb  in  der  guote  man 
mit  güetllchen  gebserden  an 

RuDOtF  V.  Ems  Barlaam  124,  32  Pf.; 

(her  Cone)  stont  uf  sinen  beinen  als  ein  lewe  unde  hatte 
guthche  geberde  gen  sinen  frunden  Limburger  chron.  51, 
12  Wysz; 

hab  ein  grewlich  krumm  gesiebt, 
gutlichs  ansebens  brauch  dich  nicht 

K.  Scheit  Grob.  202  ndr.; 

ähnlich  von  der  gesinnung  selbst: 

(Christus)  des  gutlich  genade  (benigna  gratia) 
chruzes  durh  heilige  wunden 
mit  tugent  zerloste  hoher 
des  ersten  vater  gebende  (vincula) 
übers,  e.  lat.  hymnus  (12.  jh.)  bei  Kehrein  kirchen-  u.  relig. 

lieder  58; 
entsprechend  gut  IV  B  2,  vgl.  gutwillig  2  b  y : 

(dasz  der  kaiser)  ir  nimmer  gsebe  dheinen  man, 
wan  dem  si  gern  wser  Untertan 
mit  güetlichem  willen 

Jans  Enikel  fürstenb.  287  Str. 

b)  von  der  aus  freundlicher  gesinnung  hervorgehenden 
handlungsweise  und  ihren  ergebnissen,  vgl.  gut  IV  C  und 
igüte  3  b. 

a)  häufig  von  wort,  zusprach,  bitte  u.  ä.: 

güetllchiu  wort  mit  triwen  war 
Bint  guot  gein  werden  wfben  gar 

Ulrich  v.  Lichtenstein  frauend.  1331  B.; 

enkanst  du  nüt  vü  getün,  so  tu  doch  ie  etwas,  es  si  mit 
innewendiger  oder  uswendiger  barmherzikeit  oder  sprich 
im  (dem  nächsten)  doch  ein  güthch  wort  zu  Tauler 
pred.  148  F.; 

nach  diesem  so  gehet  fein  hurtig  zum  tantze, 
versuchet  mit  gütlichen  werten  die  schantze 

MORHOF  urUerr.  v.  d.  dt.  spr.  (1682)  2,  110; 
nlht  güetllcher  Sprüche       redet  er  (Hagen)  der  zuo 

Nibelungen  (hs.  0)  1500,  2  Bartsch; 

bitt  hiemit  ein  gnedige  auch  güthche  antwort  V.  Schu- 
mann nachtbüchl.  82  B.;  diesen  knaben  allen  soll  auch  ge- 
sagt, bevolhen  und  sie  darzu  gehalten  werden,  das  ye 
einer  dem  andern,  so  er  das  an  ine  begert,  seiner  lection 
guthche  underweisung  thue  ordn.  d.  vier  lat.  schulen 
um  1500  in:  samml.  selten  geword.  pädag.  sehr.  13,  147; 

er  tet  den  sttgen  und  den  wegen   . 
mancgen  güetllchen  segen 
die  mich  gewiset  beten  dar 

Hartmann  v.  Aue  Iwein  358 ; 
manigen  guotlichen  segen 
tete  man  nach  in  {den  abgesandten) 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  38695  Seem.; 
got  16ne  iu,  frouwe,  daz  ir  hie 
mir  gebt  so  güetllchen  tröst 

Wolfram  v.  Eschenbaoh  Parz.  329, 17; 

so  heb  ick  dit  .  .  .  uwen  vader  gescreven,  byddende  rades 
unde  holpe  van  em  myt  mer  gutlicher  bede  (v.  j.  1486) 
bei  Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalt.  2,  96 ;  ist  derhalben 
mein  guthche  bitte  Luther  br.  5,  125  de  Wette;  mehr 
nach  c  hin  'wort  in  gute'  gegenüber  der  strengen  rede  oder 
tätlicher  auseinandersetzung :  so  .  .  .  solche  unzimhche  be- 
schwerde  über  unser  oder  der  unsern  gütliche  erinderung 

92 


1459 


GUTLICH  A  1 


GUTLICH  A  1 


1460 


der  billigkeyt  und  des  rechten  nit  abgestelt  werden  wölte 
Bamberger  halsgerichtsordn.  115  Kohler-Scheel;  die  säu- 
migen und  fahrläszigen  (möchten)  zu  beszrer  beobachtung 
ihrer  pflicht  durch  gütliche  und  nach  erfordern  ernstliche 
erinnerungen  angehalten  werden  v.  Fleming  Soldat  (1726) 
158;  auf  noch  einiges  gütliches  zureden  Schnabel  insel 
Felsenburg  (1731)  2,  31;  so  nöthigten  diese  ihre  tochter, 
halb  durch  ernst,  halb  durch  gütliche  zuredung,  ihm  ihre 
hand  ...  zuzusagen  A.  G.  Meisznee  skizzen  (1778)  l,  75; 

versuch  ich  eines  nocli  —  ein  gütlich  wort 

Mich.  Beer  s.  w.  (1835)  310; 

da  haben  er  und  die  frau  meisterin  den  trunkenen  mann 
mit  gütlichen  Worten  sanft  gerüttelt  Stobm  s.  w.  6,  95; 
herzog  Bernhard  sucht  durch  gütliche  Vorstellungen  die 
unzufriedenen  umzustimmen  Hebbel  w.  9,  149  W.;  noch 
anders,  entsprechend  mit  gute  (vgl.  ^güte  3  d  ;3  ßß),  in  (der) 
gute  (vgl.  ^güte  3dß  yy)  'freiwillig' :  der  gefangenen  vettel 
gutliches  bekenntnusn  bei  Klingneb  dorf-  u.  baurenr. 
(1749)  3,  315, 
ß)  von  handlungsweise  und  handlungsergebnia: 

umbe  sine  hulde  und  sinen  gruoz 

so  diente  si  ime  alle  wege 

mit  ir  güetllchen  pflege 

Hartmann  v.  Aue  arme  Heinrich  310,  vgl.  349; 

gleichwohl  durffte  es  ihr  auch  nach  deren  abgange  an 
beystand  und  gütlicher  pflege  nicht  mangelen  Besser 
sehr.  (1732)  2,  351;  wir  werden  .  .  .  nach  einigen  tagen 
gütlicher  pflege  wieder  in  das  schrecklichste  wetter  hin- 
ausgestoszen  Göthe  33,  47  W.; 

sun  des  Sigemundes       mit  güetlichem  site 
spracli  zuo  sInen  heleden 

Nibelungen  {hs.  o)  690,  1  Bartgeh; 

des  selben  wolte  ich  gerne  biten, 
daz  man  mit  guotltchen  siten 
und  BÖ  min  wort  vernjeme 
als  ez  dem  lande  zaemc 

GOXFRID  V.  Straszburq   Tristan  8796; 

mit  güetllchen  6ren  (ehrenbezeugungen)      man  gap  in  allen 

genuoc 
Nibelungen  805,  4  Bartsch; 

ich  bitte  euch,  lieber  meister  Hans,  last  die  ding  also 
westan  guttlicher  weysz  und  schreybt  dem  Heydelberg 
nicht  unfreundlich  brieff  (v.  j.  1504)  bei  Hase  d.  Koberger 
(1885)xcvin;  auf  das  konkrete  ergebnia  des  handelna  über- 
tragen: 

(Oawan)  danctem  verjen  unt  der  tohter  sin 

. . .  ir  güetlicben  spfse  (beköstigung) 

Wolfram  v.  Eschenbach  Parz.  623,  9; 

wizzint,  herzeliebe  mone,  daz  ich  uhern  gütlichin  brief 
wol  verstanden  han  bei  Steinhausen  privatbr.  d.  mittelalt. 
1,  9;  dorumbe  denne  em  geleite  unde  gutlichen  zcustehn 
(beistand)  von  unsern  hern  zcu  wart  geschreben  uf  eine 
namhaftig  czit  urkundenb.  d.  stadt  Freiberg  i.  S.  3,  219. 
y)  speziell  im  gegensatz  zum  strengen  oder  gewalt- 
samen vorgehen  (vgl.  ^güte  S  d  ß  ßß  und  yy)  mit,  in 
gute:  sunder  zum  andern,  das  wir  mer  begeren  ir 
gütliche  stroff  und  manung  Geiler  v.  Keisersbero 
bilgersch.  (1512)0  1*^;  anstatt  durch  eine  gütliche  be- 
handlung  die  gemüther  wieder  zu  gewinnen,  (forderte  er) 
von  den  vornehmsten  des  adels  .  .  .  geiszel  M.  I.  Schmidt 
gesch.  d.  Deutschen  (1778)  3,  362;  Trautmannsdorf,  der  zu 
einem  gütlichen  verfahren  (gegen  die  Niederländer)  neigte 
Ranke  s.  w.  31/32,  357;  man  machte  vergebens  gütliche 
versuche,  sie  herauszubringen  Göthe  12,  52  W.;  entweder 
das  man  mit  schwerts  gewalt  die  halsstarrigen  strafifete 
oder  das  man  sönliche  und  gütliche  mittel  und  wege  für 
die  hend  neme  Mathesius  ausgew.  w.  3,  182  L.;  eine  ge- 
sandtschaft  .  .  .  die  dasjenige,  was  mit  gewalt  nicht  ge- 
schehen konnte,  dm"ch  gütliche  mittel  zu  bewirken  ver- 
suchen sollte  Gottsched  d.  neueste  (1751)  4,  523;  gütlicher 
weg  'weg  friedlichen  Verfahrens'' :  wollte  er  aber  den  güt- 
lichen weg  einschlagen,  so  verspreche  ich  ihn  Schtjbart 
br.  1,  192  Strausz;  dem  entgegenzutreten,  hielt  er  für 
seine  seelsorgerpflicht,  wenn  es  ging  auf  gütlichem  wege 
W.  V.  PoLENZ  Grabenhäger  1,  242 ;  so  auch  in  juristischer 
Verwendung  einen  streit  auf  gütlichem  wege  beilegen,  sich 
auf  gütlichem  wege  einigen  u.  ä.  statt  des  adv.  gütlich. 


c)  namentlich  in  juristischem  Sprachgebrauch  aus  den 
präpositionalen  Wendungen  von  gute  4  entwickelt. 

a)  'freundlich^  d.  h.  ohne  anwendung  von  Zwangsmitteln 
(tortur)  bei  der  bef ragung  des  angeklagten:  diser  span  kam 
zu  gutlicher  verhör  Knebel  chron.  v.  Kaisheim  94  lit.  ver.; 
obwohl  Christoph  auf  befragen  dem  herrn  judici  nach 
allen  umständen  die  warheit  bey  gütlichem  verhör  von 
diesem  actu  (hätte)  entdecken  sollen  Chr.  Thomasius  ged. 
u.  erinn.  (1720)  2,  42; 

inquisitin  musz  man  morgen  laden, 
heute  geb  Ich  gütliches  verhör 

•     SCHiLiER  1, 193   G.; 

sagt  an  guetlicher  frag  (v.  j.  1528)  bei  Fischer  schwäb. 
3,  968;  die  gütliche  frage  der  peinlichen  vorgehen  lassen 
inquirere  un  reo  premieramente  colle  buone  Krämer  t.-ital. 
1,  583". 

ß)  'auf  dem  wege  freundschaftlichen  einvernehmens  ge- 
schehend' von  Verhandlungen  und  Verfahrensarten:  darumb 
wir  ...  zu  einer  gutlichen,  unverdingten  verhörung 
kumen  sein  städtechron.  2,  72;  und  als  er  die  nit  zu  halten 
torst  und  sorg  het,  wo  sie  niderlegen  in  groszen  nach- 
tail  bringen  wurd,  darum  begert  er  guetlicher  handlung 
WilwoU  V.  Schaumburg  45  lit.  ver.;  er  .  .  .  könte  dem 
könige  unverfängliche,  gütliche,  billige  handlung  zu 
einem  .  .  ,  allgemeinen  frieden  an  seinem  ort  leichtlich 
einräumen  v.  Chemnitz  schwed.  krieg  2  (1653)  30;  yhnen 
gütlicher  underhandlung  ...  zu  bewilligen  Luther  18, 
337  W.;  die  Voraussetzung  .  .  .,  die  Zustimmung  des 
papstes  durch  gütliche  Verhandlungen  erlangen  ...  zu 
können  Mommsen  red.  u.  aufs.  (1905)  87;  wo  königliche 
be  willigungen  fehlten,  . . .  traten  gütliche  auseinander- 
setzungen  ein  Raumer  gesch.  d.  Hohenst.  5,  57;  durch 
gütliche  Verständigung  mit  dem  doch  nur  unterge- 
ordneten Inhaber  des  landes  Ranke  s.  w.  25,  18;  je  mehr 
nun  bei  der  gröszeren  Verwickelung  die  gütliche  einigung 
wünschenswerth,  je  weniger  war  der  wille  dazu  vor- 
handen Moltke  ges.  sehr.  2,  155;  unter  allen  geheimen 
räthen  war  nicht  einer,  welcher  nicht  ...  zu  einer  güt- 
lichen vermittelung  .  .  .  riethen  Lohenstein  Arminius 
(1689)  2,  823^^;  (es)  pflegt  ein  solches  decisum  insgemein 
zur  gütlichen  entscheidung  zwey  generalen  von  beyder- 
seits  armeen  aufgetragen  zu  werden  v.  Fleming  soldat 
(1726)  807; 

der  kaiser  hat  gesendet  einen  herold 
imd  lädt  euch  ein  zu  gütlichem  gespräch 

Grulparzer  s.  w.  6,  79  Sauer. 

y)  'auf  freundschaftliche,  friedliche  weise  erreicht'  vom 
ergebnis  des  Vergleichsverfahrens  und  dem  daraus  folgenden 
zustand  des  einvernehmens,  vgl.  gutlicher  entscheid  arbi- 
trium  Diefenbach  gl.  44^:  ist  ain  gutlicher  spruch 
(Schiedsspruch)  .  .  .  beschehen  (v.  j.  1493)  bei  Fischer 
schwäb.  3,  968;  sich  haltend  offt  hendel  in  solcher  ge- 
stalt,  das  darüber  richter,  entscheider  oder  schidlüt  in 
rechtlichen  oder  gutlichen  spruchen  zehaben  nodt  sint 
Fe.  Riederer  rhetorica  (1493)  a  5^;  diese  böse  sache  zum 
ende  oder  gütlichen  abtrage  fördern  Luther  br.  4,  658 
de  Wette;  ein  widerversünung,  gütliche  vertragung  recon- 
ciliatio  Calepinus  XI  ling.  (1598)  1231*;  gütlicher  vertrag 
amica  transactio  Zehner  nomencl.  (1645)  113;  mit  solchen 
titeln  würde  der  sache  nicht  abgehoKen,  er  bäte,  man 
möchte  ihn  zu  einem  gütlichen  vertrag  oder  zu  einer 
vernünftigen  rede  anhalten  Chr.  Weise  d.  drei  klügsten 
leide  (1675)  47; 

nichts  weiter  von  vergleich,  von  Unterredung, 
von  gütlichen  Vertrags  fruchtlosem  versuch 

Gkiliparzer  s.  w.  5,  79  Sauer; 

(der  Seeräuber  hat)  sich  auch  endlich  vor  diese  vestung  ge- 
legt, selbige  mit  gütlichem  accord  aufzugeben  anforde- 
rung  gethan  Jürgen  Andersen  orientalische  reisebeschr. 
(1696)  91  Olearius;  gütlicher  vergleich  accordo  amichevole 
Kramer  t.-ital.  l,  583^; 

ob  denn,  eh  man  zu  felde  geht, 

kein  gütlicher  vergleich  zu  hofifen  steht? 

Weichmann  poesie  d.  Niedere.  (1721)  2,278; 


1461 


GÜTLICH  A  2 


GUTLICH  B  1 


1462 


vielleicht,  wendet  man  ein,  es  sei  .  .  .  ein  gütlicher  ver- 
gleich dahin  zu  vermitteln,  dasz  J.  Moser  s.  w.  2, 138  A.; 
überdem  war  zu  einer  gütlichen  vergleichung  beyder 
kirchen  damals  noch  die  wahrscheinhchste  hofEnung  vor- 
handen Schiller  8,  8  0.;  eine  gütliche  beylegung  durch 
einen  schiedsrichterlichen  spruch  M.  I.  Schmidt  gesch.  d. 
Deutschen(1778)  4, 30 ;  ob  der  staat  durch  eine  gütliche  Über- 
einkunft .  .  .  sein  miszlungenes  ehebündnis  mit  der  kirche 
trennen  .  .  .  wird  Schleiebmacher  red.  üb.  d.  relig.  212; 
die  hoffnung  .  .  .  dasz  man  doch  noch  zu  einem  gütlichen 
abkommen  gelangen  würde  Räkke  s.  w.  16,  128;  auch 
ein  gütliches  loskommen  wäre  hier  am  ende  nicht  so 
schwer  Hebbel  br.  4, 149  W.;  er  sollte  herrschen,  wie  Ales- 
sandro  herrschte,  er  soll  sogar  mit  diesem  unterhandelt 
haben  in  der  stille,  um  eine  gütliche  theilung  der  gewalt 
herbeizuführen  H.  Grimm  Michelangelo  2,  204;  he  nam 
die  sache  uff  von  on  beidin  unde  machte  einen  tag  unde 
ein  guthch  sten  ('Waffenstillstand')  biz  uff  sente  Mertins 
tag  KöDiz  V.  Saalfeld  leben  d.  hl.  Ludwig  49,  lo  Rückert; 
in  der  nacht  {ist)  inkomen  schrifftUch  und  mündlich,  das 
dy  dingk  eyns  gütlichen  Stehens  sich  in  warheit  so  dir- 
geben  haben,  dorumb  so  brechen  wir  heute  wider  uff  und 
zihen  ein  jeder  theil  wider  in  sein  heymeth  (v.  j.  1469)  in: 
fontes  rer.  Austr.  II  20,  366;  daz  ir  darauf  mit  dem  ob- 
genannten  .  .  .  von  der  bemelten  Sachen  wegen  ainen 
gutlichen  anstand  [friede)  haltet  {v.  j.  1451)  lehnsurk.  u. 
besitzurk.  Schlesiens  1,  411; 

die  Griechen  und  Troyaner  all 
ersuechen  dich  Id  gleichem  fall, 
das  du  zu  ihnen  wollest  tretten, 
gütliche  bündtnusz  zu  bestetten 

Speeng  Ilias  (1610)  34''; 

gütlicher  abschied  congedo,  partenza  ä  bocca  bacciata 
Kramer  t.-ital..  1,  58Z^;  der  böse  wolf  ...  faszte  den 
gleiszenden  entschlusz,  mit  den  schäfern  auf  einem  güt- 
lichen fusz  zu  leben  Lessing  l,  224  L.-M. 

ä)  in  äUerer  rechtssprache  auf  den  termin  des  sühnever- 
fahrens  angewendet  gütlicher  tag:  daz  dieselben  fursten 
und  herren  suUen  komen  czu  Strelicz  achte  tage  noch 
sente  Martins  tage  czu  eyme  gutlichen  tage  {v.  j.  1372) 
lehnsurk.  u.  besitzurk.  Schlesiens  2,  445;  wie  dann  zu  ver- 
gangen guetlichen  tagen  auch  fürgschlagen  were  worden 
verhandl.  üb.  Thomas  v.  Absberg  3  lit.  ver.;  es  sol  auch 
nieman  .  .  .  glait  haben  oder  gegeben  werden,  uszge- 
nommen  zu  höfen,  rechten  oder  gütlichen  tagen  urk.  z. 
gesch.  d.  schwäb.  bundes  8  lit.  ver. 

2)  zu  anderen  bedeutungen  von  gut  nur  vereinzelter  ge- 
bildet. 

a)  zu  gut  I;  entsprechend  gut  I  A  1  a  im  sinne  'nütz- 
lieh':  ist  dir  danne  guotlihhora  {erit  tibi  utiliv^)  Graff 
4, 170;  zu  gut  I A  3  b :  unser  gutlicher  rat  kan  an  dir  nicht 
gehelfen  ackerm.  a.  Böhmen  35,  20  Bernt;  zu  gut  IA4: 
ordenlich,  gutlich  analogice  Diefenbach  gl.  33*;  thet 
thiu  sone  se  natheUk  a,ndgodHik('zweckmäszig')  Rüstringer 
ms.  77,  20  bei  Richthofen  afries.  779'';  zu  gut  I  C 
'günstig':  das  schöne  aug  der  weit,  die  sonn  .  .  .  wird 
betrachtet  .  .  .  von  einem  Sterndeuter  in  ihrem  gütlichen 
oder  unglücklichen  einflusz  auf  diese  erde  J.  J.  Scheuch- 
ZER  physica  (1711)  1,  2. 

b)  zu  gut  II A  5  ganz  allgemein  'herrlich,  hehr,  prächtig' : 


was  thftr  gard  gödük 
paradtse  geltk 


endi  gröni  wang 

Ediand  3136  Heyne; 


.  .  .  than  t^gid  be  iu  en  gödllk  hüs 
höhan  soleri  tbe  ia  bihangan  al 
faganin  fratahun 


4543; 


entsprechend  von  Christus: 

endi  siu  so  sübro  drög 
al  te  huld!  godes  helagna  gest, 
gödllkan  gumon  336; 

lat  iu  ir  namen  schriben, 
wan  der  ist  harte  here 
und  heizit  guotliche  ere. 
diu  ist  ze  himel  also  groz 

HUQO  V.  Lanqenstbin  Martina  274,  2  E., 

wohl  nur  irrig  statt  guordiche  ere  une  246,  77  u.  ö. 


c)  zu  gut  III A  'lieblich,  behaglich,  erfreulich,  vorteilhaß' 
in  jungen  belegen,  die  wohl  z.  t.  sekundär  aus  derformel  sich 
gütlich  tun  {s.  B  1  f )  poetisch  stilisiert  sind:  lauter  gütliche 
gerüehe  um  mich  her  machten,  dasz  nach  und  nach  alle 
meine  sinnen  von  entzücken  trunken  in  .  .  .  wollüstige 
Ohnmacht  einschlummerten  Heinse  s.  w.  3,  86  Seh.;  die 
liebe  zu  einem  gütlichen  leben  macht  uns  oft  handlungen 
begehen,  die  . . .  F.  W.  Meyer  Dya-na-sore  (1787)  4,  417; 
wenn  er  nicht  das  gütliche  Wohlbehagen  und  die  naive 
trunkenheit  dieser  verse  fühlte  Herder  15,  19/8.;  hier 
fand  sich,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  eine  sehr  gütliche, 
erwünschte  partie  Göthe  29,  99  W. 

d)  zu  gut  V  A  2  'fromm,  heilig' : 

. . .  enti  dar  warun  auh  manake  mit  inan 
cootlihhe  geista        ento  cot  heilac 
Wessobrunner  gebet  9  hei  MÜllknhoff-Scheebe  denkm.  1; 

zu  gut  V  B  'sittlich  vollkommen',  mit  einschlag  von  gut 

VAle: 

din  güetUch  geläz  mich  twanc 

daz  ich  dir  beide  singe  al  kurz  od  wUtu  lanc 

Wolfram  v.  Eschenbach  lied.  7,  33  L.; 

zu  gut  V  B  3  a :  solcher  güthcher  wercke  ir  lu-sache  wert, 
und  euch  got  darumb  besundem  lone  geben  würde  Arigo 
decam.  231  K.;  zu  gut  V  B  5  a: 

swaz  so  ir  habet  vernomen,       daz  behaltet  vil  wol 
ir  selbe  unde  diu  chint:       daz  sint  giitelichiu  dinch 
immir  ewicblichen      iu  selben  saelichlichen 

genesis  u.  exodus  154,  18  Diemer; 
er  sol  sich  vlizzen  geren, 
wie  er  werde  zu  eren 
mit  gutlichen  dingen 
kl.  mhd.  fabeln  u.  lehrged.  3, 129,  72  Rosenhagen. 
B.  adverb. 

1)  zu  gut  IV  62«;.  ^güte  3  und  4  im  sinne  'freundlich, 
gnädig,  willig,  freundschaftlich,  friedlich' ;  namentlich  in 
mhd.  spräche  in  der  form  guotliche,  guotlichen  und  güet- 
liche,  guetlichen  stark  ausgebreitet,  solange  gut  noch  nicht 
selbst  adverbial  verwendet  werden  konnte. 

a)  im  sinne  von  gut  IV  A  1  b  'freundlich,  wohlwollend, 
liebreich,  gütig'  von  der  art  und  weise,  wie  sich  die  ge- 
sinnung  von  personen  äuszert,  vgl.  guttleich,  stenfftmut- 
tikleich  benigne  Diefenbach  gl.  71";  senfftiglich,  gütlich 
amanter,  amice,  affabiliter,  benigne,  blande  etc.  Albebus 
nov.  dict.  (1540)  8''. 

a)  bei  verben  der  avsdrucksgebärde,  vgl.  kuotlicho  weinon 
(pias  lacrimas)  daz  leid  wende  Notkeb  1,  61  Piper; 

dd  sach  diu  küniginne        den  recken  guetlichen  an 

Kudrun  416,  6  Martin; 
sO  si  begunde  lachen 
güetllche  z  etellcher  stunt 

KONEAD  V.  WÜEZBUEa  Trojanerkrieg  19977 ; 

sie  redeten  auch  miteinander  und  lacheten  einander  gar 
freundtlich  und  gütlich  an  buch  d.  liebe  (1587)  98**; 

den  (könig)  gruozt  er  guotlichen  sä 
von  unserm  vater  dem  bäbst 
Ottokae  V.  Steiermark  reimchron.  24463  Seem.; 

mit  armen  er  ex  (das  kind)  umbevie 
und  kust  ez  güetllch  an  den  munt 

Jans  Enikel  weltchron.  3973  Strauch; 

eine  nam  die  ander  gütlichen  und  freundlichen  in  ire 
arme  Wigand  Gerstenberg  chron.  6  Diemar; 

si  {die  frau)  sol  gütlich  gebaren, 
Ir  mannes  willen  varen 

der  scelden  hört  6137  Adrian; 
Woltrost  streicht  gütlich  seinen  hart 
J.  V.  ScHWAKZENBERQ  d.teutsch  Cicero  (1535)  157"; 

ebenso  von  der  gesinnung  selbst: 

das  gein  im  were  nicht  Laban 
alse  gütliche  gemüt 

Rudolf  v.  Ems  weltchron.  6421  Ehrism. 

ß)  vom  gesinnungsausdrv^k  durch  rede,  Zuspruch, 
mahnung,  Unterweisung  u.  ä.: 

swer  in  (den  frauen)  von  hertzen  guotes  gan 
und  güetlich  gegen  in  sprechen  kan, 
der  mac  ir  hulde  wol  bejagen 

Ulrich  v.  Liohtenstein  frauendienst  1331,  4  B.; 

(Vtilcanus)  sprach  seiner  mutter  gütlich  zu 

Sfbeng  Iliat  (1610)  12*; 

92* 


1463 


GÜTLICH  B  1 


GÜTLICH  B  1 


1464 


mit  den  (andersgläubigen)  ensüUent  ir  nüt  vil  redendes 
haben  denne  gütlichen  ja  und  nein  Tatjlbr  pred.  387  F.; 
dann  an  einem  guten  botten  lyt,  daz  er  sein  bottschafft 
mindren  und  meren  künd,  güthch  und  grüszlich  reden 
A.  V.  Pfokr  buch  d.  beisp.  105  lit.  ver.; 


diu  maget  ist  eilende        vrouwe  ir  ault  si  güetllchen  leren 

Kudrun  994,  4  Martin; 

hie  sol  man  sie  gutlich  unterrichten  und  sie  nit  frech 
vorachten  Luther  6,  247  W.;  so  er  sach  dii  armen  herzen 
in  dem  jemerlichen  lidene,  so  ward  er  mit  in  weinende 
und  tröste  sü  güthch  Sbtjse  dtsche  sehr.  117  Bihlm.;  es 
ist  .  .  .  gahr  freundlich  geantworttet,  so  guthMch  kondte 
ich  nicht  antwortten  Luther  33,  587  W.; 

auch  wer  das  in  gesellschafft  trag, 
eim  andern  gütlich  undersag, 
so  er  sein  bruder  irren  sieht 

K.  SCHBIT   Orob.  4993  ndr.; 

formelhaft  namentlich  güthch  bitten,  güthch  danken: 

Küdrün  bat  ir  mnoter        güetllchen  sint 

Kudrun  1579,  2  Martin; 

bitte  gar  güthch  e.  g.  und  g.  wollten  mir  diese  schrift 

zu  gut  halten  Luther  br.  3,  647  de  Wette; 

Fridrauna  euch  gütlich  dankt, 

dasz  ir  ir  euren  wein  habt  geschankt 

fastnacMsp.  1,  451,  23  K.; 

wenn  du  wisztest,  das  yemant  dein  kind  von  dem  todte 

errettet  hette,  du  würdest  demselbigen  güthchen  dancken 

Luther  26,  209  W. 
y)  bei  verben  des  Handelns : 

swer  aber  äne  koufes        ir  gäbe  ihtes  gerte, 
si  wären  in  dem  willen,        daz  man  ir  manegen  güetitche 

werte 
Kudrun  325,  4  Martin; 
(dasz  er)  . . .  mich  so  güetlichen  liez 
mit  der  juncvrouwen  ezzen 

Hartmänn  V.  AuK  Iwein  362; 

sin  und  sincs  rosses       vil  güetllch  man  dfl,  phlac 

Wolfdietrich  A  560; 

Petrus  quam  dar  alzuhant, 
den  si  gutlich  entphiengen 
1^  passional  657,  87  K.; 

die  barmherczikeit  war  die  thorwerterin,  welche  gutlich 
einliesz,  die  do  quomen  buch  geistl.  gnaden  (1503)  90^; 
sestzehen  güde  kleyne  swere  göldin  als  tzü  Bützpach 
genge  und  geneme  syn,  dye  se  uns  güthche  geluhen  han 
Niederweiseier  urk.  v.  j.  1377  (handschr.  beleg);  als  die- 
selben bitten,  ine  gelt  zu  lijhen,  guthchen  abslagen  bei 
Bücher  Frankf.  beruf swb.  113^;  so  viel  weysz  ich,  dasz 
mich  ein  bürger  zu  Paris  gütlich  erzogen  buch  d.  liebe 
(1587)  29C;  so  wirst  du  mir  selbst  zu  einer  erkwikkung 
güthch  verstatten  dich  zu  trösten  Butschky  hochd. 
kanzelley  (1659)  888. 

b)  entspi-echend  gut  IV  A  1  c  und  ^güte  S  aaßß  bzw. 
yßß  im  sinne  'gnädig^ ;  vom  handeln  der  göttlichen  personen: 

wie  möht  er  (der  hl.  geist)  gutlicher  getun 

anegenge  10,  61  Sahn, 

des  nim  du  {gott)  gütteklichen  war 
und  geruch  dich  och  erbarmen 

SCHWEIZER  Wernhbr  Marienlehen  280  Päpke; 

der  vadir  wirkit  gewaldicliche  in  der  sele  .  .  .  und  der 
heüege  geist  guithche  mit  der  gude  parad.  anime  intell. 
12,  15  Strauch; 

wie  gar  gütlich, 

herr,  hastu  mich 

wider  zu  dir  lan  wenden 

mit  deinem  wort  H.  Sachs  22;  86    O. 

mein  gott  und  höchstes  gut 
zu  dir  mich  gütUch  lencke 

Fr.  Spee  güld.  tugendbuch  (1649)  254; 

ebenso  von  menschen,  besonders  der  obrigkeit,  respekts- 
personen  u.  ä.,  oft  in  formelhafter  anrede; 

er  bat  in  vergebens, 
daz  er  in  müeste  toeten 
des  liez  er  sich  niht  nceten, 
er  (der  Tcönig)  vergap  im  guotlich 
Ottokar  v.  Steiermark  reimchron.  3405  Seem.; 

ein  rate  . . .  woU  . . .  gütlich  ansehen,  das  sein  sun  also  un- 
wissend zu  den  dingen  komen  sey  städtechron.  2,  75,  vgl. 


32,  281 ;  dar  umb  ich  euch  bitte,  mir  guttüch  und  gnedigk- 
lichen  zu  erlauben  und  solches  kein  beschwerung  haben 
Warbeck  Magelone  57  B.;  dorumb  bitten  wir  unter- 
tenighch  dein  gnad,  du  wollest  unsere  botschaften  gütt- 
lich  und  gnediglich  verhörn  C.  Hedio  chron.  Germ.  (1530) 
154''';  (der)  bittet  .  .  .,  dasz  er  gütlich  gehöret  werden 
möge  Kirchhop  milit.  discipl.  (I602)  222. 

c)  entsprechend  gut  IV  A  2  und  ^güte  3  a  ^  in  mehr 
passiver  wendung;  im  sinne  'willig\' 

der  vatir  sprach  er  soldez  im  sagen      unde  dehein  wis  niht 

verdagen 
daz  tet  Joseph  guotlichen,       er  sprach  gezogenlichen 

genesis  u.  exodus  74,  7  Diemer; 

si  leiste  güetllchen        allez  daz  man  hiez 

Kudrun  1021, 1  Martin; 

wand  ich  die  not  wold  iemer  güetllche  Itden, 
het  ich  von  schulden  verdienet  den  haz 

Friede,  v.  Hausen  in;  minnes.  früM.  44,  9; 

unde  sollent  dy  daz  guthchen  von  uns  nemen  ane  wider- 
spräche urk.  V.  j.  1373  in:  Limburg,  chron.  125  Wysz;  disz 
alles  .  .  .  verhieszent  die  undertanen  herrn  Arnolden  von 
Strethngen  mit  gutem  wiUen  unverdrossen,  unbezwungen, 
güetenkhch,  stark  und  unzerbrochenkhch  ze  halten 
Stretlinger  chron.  49  Bächt.; 

(er  tat)  als  dann  noch  thüt  manch  gschickter  man 
und  nara  die  sach  (das  anerbieten)  gar  gütlich  an 

P.  Gencienbach  263   Göd.; 
laz  öch  uz  dinem  mute 
den  jamer  nach  dem  gute, 
daz  du  gclazen  hast  dur  got; 
wis  gütlich  arm  dur  sin  gebot 

KUDOLF  v.  Ems  Barlaam  385,  30  Köpke; 

sehg  sind  die  solches  glauben,  und  verzeihen  sich  güthch 
der  weit  ehre,  schmuck  und  lohn  J.  Mathesius  Sarepta 
(1571)  97*'; 

des  du  nicht  kanst  gekeren  (ändern), 

dat  salstu  goetllck  lyde  leren  (erdulden  lernen) 

HuSEMANN  spruchsamml.  71  Weink.; 

'bereitwillig^ :  sohch  bit  ich  giethch  uffgenommen  hab 
H.  Braunschweig  chirurgia  (1539)  b  1^;  im  sinne  'ge- 
duldig, nachsichtig,  milde': 

iz  zimet  wol  guten  wiben 
daz  si  allen  zom  vertriben, 
und  soln  ez  idoch  mit  minuen 
gutlich  überwinden 

kl.  mild,  fabeln  u.  lehrged.  3, 129, 163  Rosenh.; 

wir  (sollen)  ausz  heb  unsers  nähesten  gebrechen  güthch 
und  senfftmütiklich  leiden  und  vertragen  bei  Tauler 
sermones  (1508)  reg.  5^h;  übersihe  gütlich  was  man  dir 
thüt  Geiler  v.  Keisersbeko  bilgersch.  (1512)  32^;  'fried- 
lich'': denne  .  .  .  süUent  si  ir  gute  übunge  tun  ...  in 
friden  und  guthchen  nach  gotz  wülen  Tauler  pred.  179 
F.;  mitten  yn  der  mordgruben  güthch  leben  Luther  bei 
Dietz  2,  190". 

d)  vielfach  im  gegensatz  zum  strengen  oder  gewaltsamen 
verfahren,  vgl.  mit  gute,  in  (der)  gute  ^lnter  ^güte  i  d  ß. 

a)  im  sinne  'auf  friedliche  weise,  in  gute':  das  getreng 
aufzuhalten  und  unsers  hern  rex  laute  gutleichen  dannen 
zu  weiszen  (16.  jh.)  städtechron.  3,  369;  man  sag  yhn  güthch 
die  warheit,  wollen  sie  nit,  lasz  sie  fern  Luther  7,  601 IF.; 

gleichwol  der  könlg  an  dem  end 
das  gantze  griechisch  heer  behend 
gütUch  vermahnet  abzuziehen 

Spreng  Ilias  (1610)  13»; 

lasset  euch  begnügen,  dasz  wir  noch  so  güthch  mit  euch 
verfahren,  wie  müssen  es  andere  machen,  so  gar  nichts 
in  vermögen  haben  Schoch  studentenleb.  (1657)  h  5^; 

vielleicht,  dasz  gütlich  man  noch  beyden  Übeln  wehrt 

Ayrenhoff  w.  (1814)  203; 

aus  dem  verschiedenen  tone  . . .  und  aus  den  bewegungen 
.  .  .  schien  er  wechselsweise  zu  fragen,  zu  prahlen,  zu 
drohen,  herauszufordern  und  dann  uns  wieder  güthch 
zuzureden  G.  Forster  s.  sehr.  1,  192;  dasz  Grattenauer 
zuerst  gütlich  geschrieben,  hat  ihn  vermuthhch  noch  in 
der  tohheit  getroffen  Caroline  br.  2,  94  Waitz;  vgl.  mund- 
artlich güetla  'in  gute,  schonend,  verträglich'  Lexer 
kämt.  128. 


1465 


GÜTLICH  B  1 


GÜTLICH  B  1 


1466 


ß)  im  sinne  ^freiwillig,  widerstandslos': 

weit  ir  niht  güetltchen 

miner  bete  entwichen 

80  geschiht  ez  under  iuwem  danc 

Haktmann  V.  Aue  Erec  3830; 

darumb  beger  ich,  daz  du  mynen  wiUen  früntlich 
vollbringest,  ob  das  nit  gütlich  beschehen  mag,  du 
wurdest  dar  zu  bezwungen  mit  dem  schwert  Steinhöwel 
de  dar.  mul.  172  lit.  ver.; 

darumb  zeuch  gütlich  von  mir  ab 

H.  Sachs  5,  68  K.; 

wirst  du  desz  gütlich  tretten  ab, 
so  ist  es  gut  und  gibt  kein  streit 

J,  Ayrkr  dram.  28  K.; 

hofft  (spricht  sie)  nicht,  durch  läugnen  zu  entgehn, 
man  wird  euch  bald  die  zungen  lösen  können; 
und  werdet  ihr  nicht  gütlich  eingestehn, 
so  soll  euch  mir  der  gott  zu  Delfi  nennen 

WIELAND  s.w.  (1794)  10,133; 

bezal   gütlich   ante   temjms   solvo   Alberus    nov.    dict. 

(1540)  44b, 

y)  objektiv;  'in  frieden,  ohne  gewaÜanwendung':  hier- 
umb  so  bescheiden  .  .  .  wir  euch  deszhalben  einen  tag 
au£f  das  .  .  .  new  jar  .  .  .  gein  Präge  zu  kommen  und  die 
Sachen  dieweU  gütlichen  bestehen  lassen  {v.  j.  1466)  in: 
fontes  rer.  Austr.  11  20, 420;  deszhalb  er  understündt,  den 
krieg  gütlich  abzustellen  Ca»bach  Livius  (1551)  29  *;  wir 
waren  mit  hellem,  wüthigem  häuf  herum,  und  er  oben 
aufm  kirchthurn  woUt  gütUch  mit  uns  handeln  Göthe 
8,  140  W.;  laszt  uns  sehen,  ob  wir  mit  den  männem  nicht 
gütlich  zurecht  kommen  können  Chph.  v.  Schmid  ges. 
sehr.  1,  59;  die  capitalisten  fuhren  fort  die  kleinen  besitzer 
auszukaufen  .  .  .  wobei  es  begreiflich  nicht  immer  gütlich 
abging  Mommsen  röm.  gesch.*  2,  82;  'in  frenndschafl, 
ohne  streit':  also  scheiden  se  gutliken  van  deme  koninge 
städtechron.  7,  332;  do  nam  er  gütlich  sein  abschied  Thym 
Thedel  v.  Wallmoden  1073  Z.;  so  schieden  wir  für  heute 
gütlich  MöBiKE  w.  1,  239;  'einträchtig':  mith  thinere 
wive  skaltu  godUike  libba  Rüstringer  ms.  132,  13  bei 
RiCHTHOFEN  ofries.  779''. 

e)  besonders  häufig  von  der  juristischen  Verwendung  von 
^güte  4  ausgehend  im  sinne  'auf  dem  wege  der  einigung, 
im  Vergleichsverfahren';  so  sich  gütlich  vertragen,  ver- 
gleichen u.  ä.:  sie  wollen  sich  der  Sachen  gütlichen 
mit  eine  vertragen  lossen  Schboeder  oberrh.  stadt- 
rechte  l,  1;  item,  es  soll  ein  jeder,  wie  er  von  seinem 
forier  losiret  wirdt,  sich  deszselben  vorgnügen  lassen 
undt  sich  güthch  undt  freundlich  vertragen  acta  publ. 
1,  124  Palm;  wir  müssen  uns  gütlich  vertragen  G.  Ste- 
phanie D.  J.  s.  singsp.  (1792)  52;  dasz  ihr  euch  allhie  in 
meiner  gegenwart  .  .  .  gütlich  vergleichet  Agyrtas 
grillenvertreiber  (1670)  210;  dasz  er  sich  aber  gütlich  mit 
ihm  über  das  Athen(äum)  vergleiche,  ist  mir  sehr  un- 
wahrscheinlich Caroline  br.  1,  233  Waitz;  item  von  des 
waldts  auszerhalb  des  Schellnperg,  darumb  sy  zwayg 
(ztoieträchtig)  sindt,  auch  des  gehags  wegen,  soll  zwischen 
hin  und  vierzehen  tegen  nach  sanct  Georgentag  schierst 
konfftigen  darumb  in  beschau  geschikht,  und  fletz  ge- 
than,  damit  sy  gütlich  veraint  werden  {v.  j.  1458)  v.  LoRi 
baier.  bergr.  52; 

gütlich  sich  die  brüder  nun  vereinten, 
auszutheilen  alle  ihre  erbschaft 

J.  Gkimm  kl.  sehr.  1,  410; 

also  wurdent  si  {abt  und  manche)  gütUch  mit  einander 
vereinbart  Äo.  Tschudi  chron.  Helvet.  1,  68;  eine  sache 
gütlich  hinlegen,  beilegen  u.  ä. :  die  sachen  gütlich  und 
friedlich  hin  zulegen  Luther  bei  Dietz  2,  190*»;  die  vor- 
bestympten  irrung  all  werden  daselbs  gütlich  hingelegt 
7irk.  z.  gesch.  d.  schwäb.  bundes  41  lit.  ver.;  unter  dem 
scheine,  die  brüderliche  Uneinigkeit  gütlich  beyzulegen 
Lohbnstein  Arminius  (1689)  1,  231^';  Max,  ich  wollte 
deinen  streit  mit  dem  ehrenmanne  gütlich  beilegen 
G.  Freytag  ges.  w.  2,  48;  und  sollen  hiermit  angezceigter 
yrrunge  gentzlich  und  gutlich  geschieden  und  geeynet 


seyn  und  bleiben  {v.  j.  1497)  bei  Michelsen  apecim.  cod. 
diplom.  Jen.  16; 

weil  nun  drey  Ijronen  sind  gütlich  entschieden 

J.Rist  iriedejauchz.  Teutsehl.  (1663)  188; 

weil  er  den  alten  streit  mit  Nürnberg  gütlich  geschlichtet 
A.  v.  Arnim  w.  9,  6  Qr.;  {diejenigen  konfiikte,)  die  nicht 
gütlich  ausgetragen  werden  konnten,  gelangten  .  .  .  vor 
die  zweite  Instanz  hdwb.  d.  staatswiss.  4,  408;  dise  be- 
schwärtsartiggl  entweders  giet-  oder  rechtlich  abzuhelfen 
{v.  j.  1638)  österr.  weist.  10,  235;  weil  er  jeden  lärm  scheute 
und  ihm  daran  lag,  die  sache,  zwar  durchaus  nicht  güt- 
lich, doch  in  aller  stille  abzumachen  Anzengruber  ges. 
w.  3,  139;  entsprechend  mundartlich  s  güetlich  machen 
sich  in  minne  vergleichen  Staub-Tobler  2,  557. 

f)  mit  personalem  objekt  in  festen  verbalen  Wendungen 
im  sinne  'auf  freundliche  weise  mit  jemand  verfahren, 
jem.  angenehmes  erweisen'. 

a)  stark  ausgebreitet  namerUlich  gütlich  tun,  mit  perso- 
nalem objektsdativ  einem  gütlich  tun  'jem.  freundlich  be- 
handeln, jem.  gutes  erweisen'. 

aa)  in  allgemeiner  Verwendung:  das  ir  herrn  Fridrich 
.  .  .  gnedigelichen  und  güetlich  thuet  {v.  j.  1313)  bei 
v.  Brandis  landeshauptl.  v.  Tirol  50;  ein  bischof  zu 
Palborne  .  •  .,  der  regirete  den  stift  zu  Palbome  gar 
herUchen  .  .  .  unde  gap  rittern  unde  knehten  .  .  .  phert 
unde  gut  unde  det  auch  armen  luden  zu  male  gutlichen 
Limburg,  chron.  83  Wysz;  das  ander  {gebot)  das  man  die 
fyend  heb  hab  und  yn  durch  gott  gütlich  thüg  d.  eung. 
wiszheit  betbüchl.  (1518)  204  *;  liesz  Joseph  auch  nicht 
unterwegen,  seinen  brüdern  gütlich  zu  thun  Grimmels- 
HAFSEN  4,  840  Keller;  der  meisten  arbeit  zielet  auch  nicht 
so  wol  dahin  ein  werck  auszumachen,  als  anderer  vor- 
haben zu  zernichten  und  mehr  das  menschliche  ge- 
schlechte  zu  vertilgen,  als  selbigem  gütlich  zu  thun 
Lohenstein  Arminius  (1689)  2,  1222»;  bist  du's  nicht 
allein,  der  dem  vater  gütlich  thut !  der  seine  wohltat  ist ! 
Klinger  w.  1,  39;  dich  sollen  alle  Jungfrauen  neiden,  so 
gütlich  will  ich  dir  thun  maler  Müller  w.  1,  127;  durch 
dessen  Vollendung  ich  es  mir  erst  verdienen  wUl,  meinem 
herzen  güthch  zu  thun  Sohleiermacher  leben  1,  321; 
'genugtuung  verschaffen': 

wenn  Ich  ihm  mal  die  hüfte  rühren  kann, 
so  thu  ich  meinem  alten  grolle  gütlich 

Shakespeare  4,  26; 

'freundlich  behandeln'  von  tieren:  er  soll  auch  haven  einen 
haibge,  dri  fogelhonde,  zwene  winde,  den  sal  man  güt- 
Uch doen  in:  rechtsaltert.  1,  357;  intransitiv  'wohltun,  an- 
genehm sein' : 

so  lang  ihr  zartes  feU  auf  flaum  und  ederdon  ruht 
nichts  ihnen  gebricht,  was  nur  den  sinnen  gütlich  thut 

WIEIAND  s.  w.  (1794)  4,  77; 

ach,  wie  der  träum  mir  gar  so  gütlich  thut 

KÖRNER  w.  2,  54  Eempel; 

und  da  wir  noch  von  vielen  andern  gerichten  reichlich 
zu  uns  genommen  hatten,  fielen  wir,  weil  es  uns  so  güt- 
lich that,  in  einen  sanften  Schlummer  Heinse  5.  w. 
2,  60  Seh. 

ßß)  spezieller  im  sinne  'mit  speise  und  trank  traktieren, 
bewirten',  vgl.  einem  güttlich  thun,  wol  tractiren  benigne 
alicui  facere  Cobvinus /orw  lat.  (1646)  109:  da  gingen  die 
erbern  lüde  dar  unde  luden  der  geiseler  heim  .  .  .  unde 
daten  inen  gutlichen  ober  nacht  Limburg,  chron.  34  Wysz; 

ik  byu  ghekart  in  dat  leste, 
to  nomen  der  heren  gheste 
den  sus  wart  gutlick  gedan 
Braunschw.  schichtspiel  in:  städtechron.  16,  228; 

thu  im  gütlich  Im  leben  sein, 
beide  mit  trincken  und  mit  essen 

H.Sachs  19,382  K.-G.; 

sie  pflegten  meiner  .  .  .  wol  und  thäten  mir  .  .  .  gütlich 
A.  U.  V.  Braünschweig  Octavia  (1677)  1,  564;  es  ist  auch 
anstalt  zu  machen,  dasz  ihnen  {den  maroden  Soldaten) 
in  speise  und  geträncke  etwas  gütlich  gethan  werde 
V.Fleming  soldat  (1726)  327;  wie  hätte  ich  lust  haben 


1467 


GÜTLICH  B  2 


GÜTLICHE-GÜTLICHKEIT 


1468 


können,  meinem  körper  gütlich  zu  thun  Thümmel  reise 
i.  d.  mittl.  frov.  v.  Fr.  10,  224;  '■gut  pflegen,  mästen'  von 
Heren:  gibt  man  inen  {den  eseln)  weytzen  oder  gersten- 
kleyen,  so  thut  man  inen  gütlich  Herold-Forer  Oesners 
thierbuch  (1563)  43;  doch  geschieht  ihnen  anders  nicht, 
denn  wie  den  säuen,  die  man  auf  den  koben  leget  und 
mästet  sie,  und  je  gütlicher  man  ihnen  thut,  je  näher 
sie  der  Schlachtbank  sind  Luther  tischr.  2,  73  Förstern, 
yy)  am  häufigsten  und  noch  heutiger  s'prache  geläufig 
auf  das  handelnde  subjekt  zurückbezogen  sich  gütlich  tun 
'sich  etwas  angenehmes  verschaffen,  sichs  wohl  sein  lassen, 
sich  delektieren',  besonders  mit  materiellen  genüssen,  vgl. 
im  selbs  gütUch  thün,  sich  selbs  schön  und  wol  halten 
molliter  se  curare  Frisius  833*:  und  darumb  so  isz  fluchxs 
und  thu  dir  selber  gutlich,  das  dir  der  unterleger  dick 
bleib  bei  Steinhausbn  privatbr.  d.  mittelalt.  l,  129; 
darumb  merckt  ich,  das  nichts  bessers  drinnen  ist,  denn 
frölich  sein  und  im  (sich)  gütlich  thun  in  seinem  leben 
pred.  Salomo  3,  12;  auf  einer  bekandten  Universität 
wolten  sich  etliche  Studenten  gütlich  thun  Happel  akad. 
roman  (1690)  379;  ich  will  mir  nur  gütlich  thun  und  mir 
mein  leben  durch  allerley  beliebige  lust  vergnügt  machen 
Rbimärus  wahrh.  d.  nat.  relig.  (1766)  537; 

auf  weicher  betten  flaumenschoos 

kann  man  sich  gütlich  thun         GröTHE  1, 135  W.; 

während  die  leichtsinnigen  bei  guter  zeit  davon  zu  laufen 
strebten,  um  in  einem  gasthause  sich  noch  etwas  gütlich 
zu  thun  G.  Keller  ges.  w.  6,  170;  nur  an  den  verlorenen 
ähren  .  .  .,  an  denen  sich  eine  schar  von  gänsen  und  enten 
gütlich  tat,  merkte  man  den  herbst  Gl.  Viebiq  d.  schlaf, 
heer  (1904)  l,  68;  'sich  belustigen,  vergnügen': 


wie  im  lanb  der  vogel  spielet, 
mag  sich  jeder  gütlich  thun 


SCHILLES  11,  314  (?.; 


ähnlich  'sich  eine  genugtuung  verschaffen^ :  die  thaten 
dann  sich  gütlich,  lieszen  sich  beigehn,  mir  zu  sagen: 
klage  nicht,  handle!  Hölderlin  ges.  dicht.  2,  67  Litzm. 
ß)  seltener  sind  Verbindungen  mit  personalem  objekts- 
akkusativ:  oych  sendden  ich  uch  dis  hüntgin,  .  .  .  unde 
bidden  uch,  daz  ir  is  leyp  halt  unde  güetlich  doit  bei 
Steinhausen  privatbr.  d.  mittelaUers  l,  6;  der  selbig 
pfaff  macht  es  mit  seinen  pfarleuten  also,  das  uff  daz 
wenigst  zu  dem  jar  einist  must  in  ieder  buer  zu  gast 
haben,  und  in  mit  seiner  magt  ein  tag  oder  zwen  vol 
halten  und  uff  das  gütlichst  thün  Eulenspiegel  105  ndr.; 
inzwischen  hielt  Axel  seine  gefangenen  sehr  gütüch 
BucHHOLTZ  Herkuliskus  (1665)  23,  vgl.  einen  gütlich 
halten  trattare  uno  dolcemevie  KIramer  t.-ital.  1,  583^; 

hab  danlr,  du  tapfrer  degen,  und  reit  mit  mir  nach  haus! 

dasz  wir  uns  gütlich  pflegen  nach  diesem  harten  strausz 

Uhland  ged.  (1898)  1,  289; 

da  sprach  der  pfaffe:  ich  will  es  gerne  thun,  auf  dasz 
euch  der  neue  herr  desto  gütlicher  handle  br.  Grimm 
dtsche  sagen  2,  180. 

g)  von  bedeutungen  wie  gütlich  B  1  d  aus  mundartlich 
zum  sinne  'sacht,  langsam,  vorsichtig^  entwickelt,  vgl.  güet- 
lich gehen,  güetlich  trinken  sachte,  bequem,  langsam 
Höper  österr.  341;  gütlich  langsam,  bedächtig  Unger- 
Khull  313»;  güetlich  sachte  Schmeller  cimb.  127;  fahr 
güetle,  dasz  d  nit  umwirfst !  Schöpf  tirol.  220 ;  fahr  (doch 
'tue')  jet  güthch  (Zan^sam)  Müller  rÄerra.  2, 1525;  du  must 
hübsch  giatlä  gehn  Lindermayb  dicht,  i.  d.  ob.  d.  Enns. 
volksmundart  (1822)  120; 

ÖS  liabn  meine  gesellen,  gehts  güatlä  dran 

A.  Haetmann  Volkslieder  211; 

als  einschränkendes  adv.  'etuMs,  ziemlich''  wohl  mit  gut- 
lecht  (s.  dort)  vermengt:  es  geit  güetlich  besser  Staub- 

ToBLER   2,  558. 

2)  zu  andern  bedeutungen  von  gut  nur  in  vereinzelten 
Sonderbildungen  zu  gut  I  A  l  'zweckmäszig^: 

. . .  wenns  (die  wiese)  tuch  war,  nicht  mit  der  schere 
schnitt  maus  gütlicher  zu     Mörikk  ges.  sehr.  (1905)  1,  261; 

zu  gut  I  A  4  'geziemend,  schicklich,  rechtmäszig'' : 

von  diu  sol  ein  iegelich  man      sinen  vater  und  sin  mütir  lan 
und  sol  bi  sinem  wibe      guotlichin  beliben 

genesis  u.  exodus  12, 14  Diemer; 


reden  dann  die  hauszgenözzen,  im  beschech  nit  gütUch, 
so  sol  man  in  mit  rü  lassen  (anf.  d.  15.  jh.)  österr.  weist. 
9,  681;  es  habs  dann  unser  patron  .  .  .  wol  und  gütUch 
verbeugt  Paracelsus  opera  2,  637  Huser;  zu  gut  I  A  5 
'gewisz,  zuverlässig^- 

daraus  gar  gütlich  wirdt  geglaubt, 
das  der  mann  ye  hab  den  Vorgang 

H.  Sachs  9,  303  E.; 

wie  darnach  die  engel  weiter  geordent,  ist  uns  verporgen 
doch  gütlich  zegelauben,  daz  got  under  denselben  geisten 
kain  confusion  oder  zerüttung  im  anfang  gestatt  hab 
Berth.  V.  Chiemsee  t.  theol.  (1528)  kZ^;zu  gut  III  Aid: 

Sm  behaget  wol  der  böte, 
wan  er  was  gutlich  getan 

Väterbuch  28377  Reiszenb.; 
zu  gut  III  A  5  'erfreulich^ : 

ieglicher  begunde  jehen, 

im  wsere  guotlich  geschehen, 

daz  er  den  andern  het  erkant 

Ottokab  V.  Stbiermaek  reimchron.  43414  Seem.; 

zu  gut  V  B  3 : 

hat  ynndert  ein  weih  ye  missetan, 
seyn  mund  das  wol  gesagen  kan. 
wo  ein  weih  güetllchen  thuot, 
des  hat  er  nicht  ze  sagen  muot 

Ulrich  v.  Lichtenstein  frauenb.  1668  Bergm. 

GÜTLICHE,  /.,  Substantivierung  des  vorigen,  im  älteren 
nhd.  vereinzelt  belegt;  zu  gütlich  im  sinne  'gütliches  ein- 
vernehmen':  in  der  gütlichen  disen  vertrag  gemacht  {v.  j. 
1527)  bei  Fischer  schwäb.  3,  968;  etwas  anders  zu  gütUch 
'friedlicher  zustaruT :  darumb  es  auch  biszher  mehr  irrung 
dann  gütlige  gemacht  hat  Paracelsus  chir.  bücher  u. 
sehr.  (1618)  383  Huser;  mhd.  guotliche  'rühm,  herrlichkeit, 
wollusV  gehört  zu  guotUch,  das  aus  guollich  entstellt  ist, 
vgl.  Lexer  1,  1123,  s.  awcÄgüthch  köpf.  —  gütlichheit, 
/.,  Substantivbildung  älterer  spräche  mit  dem  suffix  -heit  aus 
gütUch,  neben  häufigerem  gütlichkeit  [s.  dort);  zu  gütlich 
im  sinne  'freundliches,  liebevolles  wesen',  vgl.  gotlicheyt 
humanitas  {voc.  v.  j.  1417)  Diefenbach  nov.  gl.  206^:  ein 
mensche,  der  got  gerne  minnete  .  . .,  der  sol  alle  ding 
von  minnen  tun  gote  zu  lobe  ...  in  senftmütiger  güt- 
licheit  und  fridelicher  gelossenheit  Tauler  pred.  309  F.; 
als  'wohlwollen,  barmherzigkeiV :  do  (die  ratsherren)  de 
oethmodicheit  seghen  erer  borghere,  se  worden  beweghet 
to  barmeherticheit  unde  nemen  se  to  gnaden,  do  de 
borghere  bekanden  de  gutUcheyt  erer  herren  .  .  .  städte- 
chron.  28,  88;  als  ,freundlichkeit,  gefälligkeiV :  alles  das 
uns  syne  Uebde  zo  gütlicheit  wiUen  und  wolgefaUen 
gethun  und  besteUen  mach  bei  Steinhausen  privatbr.  d. 
mittelalt.  1,  31;  besonders  entsprechend  gütlich  Ale  'güt- 
liche beilegung  einer  Streitsache,  einigung,  vergleich":  in 
der  meinung,  ob  icht  darzwuschen  noch  in  der  gutlichait 
zukommen  were  gewesen  (v.  j.  1453)  act.  d.  ständetage 
Preuszens  4,  156;  wie  wol  uns  die  gutlichait,  wa  die  leiden - 
Ucher  weise  gefunden  werden  möcht,  mer  dann  der  krieg 
gemaint  wer  urk.  z.  gesch.  d.  schwäb.  bundes  46  lit.  ver.; 
ähnlich  'friedlich -schiedliches  vorgehen,  Vergleichsverfahren': 
deszgelych  haund  die  Gelter  auch  zu  gesagt  by  ainem  raut 
in  der  gutlichait  zu  belyben  und  den  drittail  faUen  ze 
lauszen  städtechron.  5,  100  anm.  2. 

GÜTLICHKEIT,  /.,  substantivbildung  aus  gütlich,  im 
jüngeren  mhd.  und  älteren  nhd.  häufig,  in  neuerer  spräche 
nur  noch  selten  verwendet;  zu  gütlich  A  2  d  'heiligkeit, 
vollkommenheiV :  die  tübe  .  .  .  meinet  ouch  di  guotUch- 
keit  und  lüterkeit  unses  herren  Jesu  Khristi  mystiker  1, 
53  Pfeiffer;  zu  gütUch  A  l  aa  (vgl.  igüte  2  c): 

ir  güetlichkeit  und  ir  name 
die  kenne  ich  sunderlichen  wol 

MEISTER  Altswert  3  Tloll.; 

etwas  anders  'freundliches,  liebevolles  wesen':  du  kanst 
dein  ehr  und  guten  leumbdt  erhalten  mit  gütUchkeit 
HÖNIGER  narrensch.  (1574)  isi^';  hauptsächlich  zu  gütlich 
Ale  'gütliches  einvernehmen,  vergleich,  einigung' :  da  wars 
die  sach  von  recht  genomen  und  zu  gütlichkeit  hinder 
erber  lute  gegeben,  die  sie  auch  gütlich  verdrugen  (v.  j. 
1467)  bad.  weist.  1,  1,  35}  deren  (Maximilians)  friedUeb 


1469 


GÜTLICHKEIT-GUTMACHUNG 


GUTMANN-GUTMEINIG 


1470 


und  gutteutsch  gemüht  .  .  .  die  gütlichkeit  zu  befördern 
sich  .  .  .  bemühet  (hat)  Londoep  acta  publ.  (1668)  l,  240; 

geladen  von  dem  könlg  dieses  landes 

zur  zweisprach,  zum  versucli  der  gütlichlseit 

Gkillpakzek  s.  w.  5,  66  «S.; 

als  'weg  der  einigung,  Vergleichsverfahren':  und  sprechen 
wir  ...  in  der  gutlichkeit,  das  der  gnante  Hans  T.  für 
den  .  .  .  meister  Johansen  .  .  .  bezaln  soll  zwenzig  gülden 
(v.  j.  1476)  urk.-buch  d.  st.  Heilbronn  2,  106;  das  er  vor- 
suchunge  liede  ...  in  der  sache  der  vitzthume,  die  in 
gutligkeit  zu  handeln  Cammermeister  chron.  170  Reiche; 
um  zu  sehen,  ob  man  {der  klage)  in  der  gütlichkeit  ab- 
helffen  könte  Lindenborn  Diogenes  (1742)  1,  736.  —  gut  - 
licht,  n.,  volksetymologisch  auf  gut  II  A  2  b  bezogen; 
mundartlich  für  'talglicht,  unschlittkerze'  im  gegensatz  zum 
kienspan,  vgl.  Askenasy  Frkf.  115,  guetlicht  Pfister 
nachtr.  86,  siehe  gollicht.  —  gutloch,  n.,  zu  gut,  n., 
Blg/3  als  technischer  terminus  gebildet:  die  sog.  gut- 
löcher  {im  glasofen)  Karmarsch  -  Heeren  4,  17.  — 
gutlos,  adj.,  zu  gut,  n.,  Blh  'ohne  besitz,  arrn' :  si  wolden 
lieber  gütlos  denn  erlös  werden  Jon.  Rothe  Dür.  chron. 
478  V.  Liliencr.;  wente  min  arch  gutlos  wen  ghutlos  unde 
erelos  {v.  j.  1414.?)  Braunschw.  urk.  in:  städtechron.  16,  82; 
sulde  her  darumme  leiplosz  unde  gutlosz  mith  aUin  Unger- 
schin  werdin  {v.  j.  1466)  in:  fontes  rer.  austr.  II  20,  402; 
alle  Völker  der  erde  .  .  .,  auch  wenn  sie  ...  diurch  ihr 
finanzministerium  nicht  gutlos  gemacht  worden,  {würden) 
dennoch  alle  rechtlich  grosze,  bürgerliche  freyheiten  in 
jedem  fall  miszbrauchen  Pestalozzi  s.  sehr.  6,  320. 

GUTMACHEN,  vb.,  zusammenrückung  aus  der  formet 
etw.  gut  machen  {vgl.  sp.  1235/.);  'ersetzen,  bezahlen':  was 
der  Soldat  .  .  ,  bey  den  leuten  zehren  und  schuld  machen 
würde,  (soll)  bey  der  abdanckung  gutgemacht  und  be- 
czahlet  (werden)  acta  publ.  1, 18lPaZm(t;. ;'.  1618);  'sühnen': 
wartet  ruhig  den  äugen  bück  ab,  wo  sie  selbst ...  ihr  unrecht 
gutmachen  Knigge  umg.  m.  menschen  (1796)  2,  107;  'zum 
guten  wenden,  wettmachen':  um  noch  zu  rechter  zeit ...  gut- 
machen zu  können,  was  die  alte  (fee)  verwünschen  würde 
J.  Grimm  kl.  sehr.  8,  195;  die  frauen  müssen  nur  zu  oft  das 
gutmachen,  was  die  männer  verpatzen  W.  Weigand  d.  ew. 
schölle  (1927)  135;  marinetechnisch  'ausgleichen,  aufholen': 
abweitung  (ist)  der  auf  einem  schiffskurse  gutgemachte 
längenunterschied  v.  Alten  l,  53;  anders  zu  gut  I  A  2  c  y 
'verbessern' :  carioUen  (mit  walzen),  worauf!  sich  denn  die 
herrschafft  .  .  .  durch  die  aUeen  herum  führen  lasset  imd 
damit  zugleich  dieselben  gutmachen  hüft  Stürm  vollst, 
anweis.  (1718)57;  in  anlehnung  an  gut  IA5c)S  bzw. 
IX  B  Icy  mundartlich:  gutmachen  '(geld)  sparen,  zurück- 
legen, gewinnen'  Spiesz  henneb.  87;  gutmachen  'einen 
nutzen  erlangen,  profitieren'  Bruns  volksw.  d.  prov.  Sachsen 
27;  substantiviert  aus  der  formet  zu  gute  machen,  (vgl. 
sp.  1344)  'aufbereiten' :  die  röstung  wird  (bei  der  amalgama- 
tion  der  erze)  nun  noch  (die  dritte  periode  des  gutmachens) 
etwa  eine  stunde  lang  fortgesetzt  Prechtl  techn.  encycl. 
1,  251.  —  gutmacher,  m.,  zum  vorigen  gebildet;  entspre- 
chend der  bedeutung  'gewinnen'  im  sinne  'profitjäger',  vgl. 
gutmacher  'einer  der  stets  auf  vortheilhafte  geschäfte  sinnt' 
Albrecht  Leipz.  127'':  bei  der  gelegenheit  komme  ich 
unerwartet  in  das  renomee  eines  intriguanten,  eines  gut- 
machers F.  Carion  c.  getheiltes  herz  (1858)  2,  94;  anders 
' besser unsser' :  er  ist  gutmachers  sein  söhn  Rother  schles. 
sprichw.  263.  —  gutmachschein,  m.,  bewilligungsur- 
kunde,  vgl.  gut  IA5aa  (sp.  1244):  verpoten  (ist),  das 
sich  keiner  zum  inventirn  gbrauchen  (lasse),  er  hab  dann 
zuvor  von  seiner  obrigkeit  den  consens  und  guetmach- 
schein  (17.  jh.)  österr.  weist,  l,  120.  —  gutmachung,/., 
aus  gut  machen  (sp.  1235)  gebildet  im  sinne  'bezahlung' : 
da  der  restant  länger  als  einen  tag  mit  gutmachung  der 
Steuerrest  verzögerte  acta  publ.  4, 144  Palm  (v.j.  1621);  'ent- 
schädigung' :  allen  obstechenten  schaden  aber  solle  der  hal- 
ter  abstatten  oder  die  herrschaf t  für  ihme  die  guetmachung 
thuen  (17.  jh.)  österr.  weist.  11,  273;  wenn  die  weit  und 
das  leben  .  .  .  praktisch  keiner  entschädigung  oder  gut- 
machung bedürfen  sollten  Schopenhauer  w.  2,  679  Gr.; 
zu  gut  I  A  2  c  y  'Verbesserung' :  und  also  der  frische  mist 


.  .  .  desto  besser  zu  befrüchtigung  und  gutmachung  der 
felder  ausgebe  v.  Hohberg  georg.  cur.  (1682)  2,  291*;  aus 
zu  gute  machen  (gut  IX  B  1  b)  'aufbereiten'  (vgl.  sp.  1344) : 
einen  sonderüchen  Vorsteher  ...  zur  beystürtz-  und  gut- 
machung der  ertze  von  dem  bergambt  bestätigen  zu 
lassen  Schönbeeg  berginform.  (1693)  3.  —  gutmann, 
m.,  aus  guter  mann  (s.  gut  II  B  l  b  und  gutemann)  zu- 
sammengerückt; 'edelmann,  ritterbürtiger' :  und  wuchs  jars 
myn  here  also  uf  dem  wege  ist  geyn  Steinheym  zu  riden 
.  .  .,  begenet  im  dan  underwegen  eyn  gut  man  und 
syn  knecht,  daz  sal  sin  ein  edelman  und  sin  knecht 
oder  eyn  priester  und  syn  knecht  weisth.  1,  510  (o.  d. 
j.  ca.  1430  Wetterau),  vgl.  rechtsaltert.*'  1,  359;  item 
1  m  her  Jokup  Mev.e  eyme  gutmane  zu  Schlochaw 
Marienb.  treszlerb.  552  Joach.;  zu  gut  IA5ba  'zeuge' 
bei  der  trauung,  auch  Verlobung  und  taufe  Frischbier 
preusz.  wb.  1, 260 ;  zu  gut  III  A  5  mit  einschlag  von  IV  A  3  b 
für  jem.,  der  sichs  wohl  sein  läszt:  lasset  uns  gütman 
sein,  fressen  saufen  Lavater  d.  buch  Job  (1582)  bei 
Staub-Tobler  4,  257;  zu  gut  IV  A  1  'freundlicher,  gut- 
mütiger mann':  gutmann,  der  jungfraw  vatter,  spricht 
H.Sachs  14,204  K.-O.;  wie  dann  teutsche  sprach  vil 
composita  (hat)  ...  als  gütmann,  böszmann  Stumpf 
Schweizerchron.  (1606)  543';  sprichwörtlich:  guötmon  ischt 
kuatmon  (kotmann)  d.  h.  gute  wird  mit  spott  belohnt 
TscHiNKEL  sprichw.  i.  Gottscheer  volksma.  in:  zs.  f. 
österr.  volkskde  12,  141;  zu  gut  VC  4: 

und  gutmann  spricht  zur  guten  frau: 
'du  riegle  die  thüre  fest.*  CKiTHE  4,  336  TT. 

—  gutmännlein,  n.,  z«  gut  IV  Al  caßß:  gutmännlein, 
kobolde,  gespensterchen,  welche  in  den  erzgruben  herum- 
wandern sollen  ScHRADER  dtsch.-frz.  wb.  1,  586,  vgl.  gütel. 
GUTMEINEN,  n.,  Substantivierung  aus  es  gut  meinen 
(s. gut  Vn  Dia)  'wohlwollen, freundliche  gesinnung':  (ich 
habe)  sie  in  irem  gutmeinen  gegen  mir  fort  zu  faren  ver- 
anlaszen  wollen  Bellin  hochd.  rechtschr.  (1657)  )(  5^;  mehr 
zu  gut  V  B  1  a  'aufrichtige  gesinnung' :  das  recht  zu  reden 
beruht  auf  gutmeinen  und  ehrlichkeit  Fr.  L.  Jahn  w. 
2,  472  £.  —  gutmeinend,  part.  adj.,  adv.,  neben  häu- 
figerem wohlmeinend  aus  es  gut  meinen  (vgl.  gut  VII  Dia, 
ap.  1827)  gebildet;  im  sinne  'freundlich  gesinnt,  wohlwollend': 

mit  karger  rede  kaum  erwiederst  du 
des  bruders  liebesworte,  der  gutmeinend 
mit  ofnem  herzen  dir  entgegen  kommt 

Schiller  14,  38  G.; 
adverbial  'in  freundlicher,  gnädiger  gesinnung':  wir  von 
gottes  gnaden  Johann  George  .  .  .  entbieten  der  ganzen 
löbhchen  gemeinde  .  .  .  unsem  gnädigsten  grusz  .  .  .  und 
fügen  denselben  dameben  gutmeüiend  ...  zu  wiszen  acta 
publ.  4,  174  Palm;  'in  guter  absieht':  welches  gutmeinend 
vorhero  zu  erinnern  nicht  ermangeln  woUen  Neumark 
neuspr.  teutsch.  palmb.  (1668)  42;  ins  pejorative  gewendet 
beim  Widerspruch  von  absieht  und  ergebnis:  die  weisen  und 
gutmeinende  leut  haben  land  und  leut  verderbt  Petri 
d.  Teutsch.  weiszh.  (1604)  2,  R  5*';  näher  zu  gut  V  B  1  a 
im,  sinne  'aufrichtig' :  der  Verfasser,  ein  .  .  .  gutmeynender 
.  .  .  kathohk  allg.  dtsche  bibl.  anh.  53-86,  1642.  —  gut- 
meinenheit,  /.,  aus  gutmeinen  abgeleitet:  Uli  .  ,  .  sah 
doch,  dasz  auf  des  meisters  seite  die  gröszere  gutmeinen - 
heit  sei  J.  Gotthelf  ges.  sehr.  2,  42 ;  all  das  unheil . . .  rührt 
von  diesem  einzigen  schritt  her,  den  sie  in  der  herz- 
lichsten gutmeinenheit  thaten  Chr.  F.  Sintenis  Theo- 
dors glückl.  morgen  2  (1789)  25.  —  gutmeiner,  m.,  je- 
mand, der  es  gut  meint,  zu  gutmeinen  gebildet:  diesen 
guten  raht,  hoff  ich,  nehmen  sie  dem  alten  gutmeiner 
nicht  übel  Gleim  in:  br.  v.  u.  an  Bürger  3,  293  Strodtm.; 
namentlich  in  abschätzigem  sinne:  wollte  jemand  sagen, 
ich  thäte  ihm  hier  zu  viel,  so  bedencke  ein  solcher  leise - 
treter  und  gutmeiner,  dasz  ich  seine  worte  planmäszig 
geschrieben  hatte  J.  G.  Schütze  Herrnhuthianismus 
(1751)  3,  661,  —  gutmeinig,  adj.,  aus  gutmeinen  ge- 
bildet 'freundlich  gesinnt,  wohlwollend' :  das  er  inen  .  .  . 
gntmeinig  mit  einraten  wolte  Schütz  hist.  rer.  pruss. 
(1592)  4,  F  f  4C,  vgl.  gutmeenich  kindhearted  Lambert 
Pennsylv.  75^;  etwas  anders  zu  gut  III  A  5  a  'in  guter 
Stimmung':  als  Stüdi  einmal  so  recht  gutmeinig  schien 


1471 


GUTMEINUNG-GUTMÜTIG 


GUTMÜTIGKEIT— GUTRÖSTEN         1472 


J.  GoTTHBLF  bei  Staub-Toblee  4,  312.  —  gutmei- 
nung,/.,  zusammenrückung  aus  gute  meinung  (vgl.  gut 
IV  B  3,  sp.  1295) :  wollest  dich  sollich  gutmeynung  nichts 
yrren  lassen,  meyn  über  M.  Stifel  d.  coss  (1553)  179,  vgl. 
ScHOTTEL  haubtsjyr.  (1663)  388.  —  gutmerle,  /.,  name 
des  kirschpirols  (oriolus  galbula),  s.  Naumann  nahirgesch. 
d.  Vögel  2,  171.  —  gutmildigkeit, /.,  verstärktes  mildig- 
keit :  ausz  geprauch  groszer  gütmiltigkeit  G.  Alt  buch  d. 
cron.  (1493)  142^.  —  gutmögen,  n.,  intensiviertes  mögen 
im,  sinne  'berechtigung^ :  gutmögen  und  macht,  ein  abt . . . 
zu  erwöhlen  Widmann  nach  Fischer  schwäb.  3,  968.  — 
gutmutter,/.,  wohl  entstellt  aus  göttmutter  inanlehnung 
an  gut  I  A  5  b  a  'patin\  vgl.  gutmutter,  pat  parens  my- 
stica  Henisch  1791. 

GUTMÜTIG,  adj.,  auch  adv.;  seit  dem  15.  jh  zu  be- 
zeugen, doch  im  älteren  nhd.  noch  selten. 

1)  zu  gut  IV  B  1  ^freundliche  gesinnung  habend  oder 
zeigend',  vgl.  senftmutig,  gutmutig  animequior  Diefen- 
BACH  gl.  35" (15.  Jh.),  gutmutig  benevalens  (l.  benevolens)  71". 

a)  'freundlich,  wohlwollend,  gütig,  hilfsbereit':  Leonide, 
die  am  ersten  geredt  als  barmhertziger  und  gutmüettiger, 
war  die  erste,  die  ihne  umb  den  leib  fasset  v.  Boestel  v.  d. 
lieb  Astraae  (1619)  l,  27;  er  war  so  gutmütig,  uns  [das)  an- 
zuzeigen H.  Widerhold  beschr.  d.  sechs  reisen  (1681)  l, 
64^;  derjenige  denn,  der  eine  person  angenehm  heiszet, 
will  damit  sagen,  dasz  sie  gutmüthig,  liebreich  .  .  .  seye 
discourse  d.  mahlern  (1721)  3,  7;  {ich)  fand  einen  ziemhch 
unterrichteten,  sehr  gutmüthigen  mann  in  ihm  Che.  Fi- 
scher reise  (1799)  70;  die  Gr.  {sei)  eine  nette  person  und 
jedenfalls  eine  sehr  gutmütige  Fontane  ges.  w.  I  5,  38; 
wegen  seines  gutmütigen  und  sittsamen  wesens,  das  von 
der  Wildheit  der  menschen  vorteilhaft  abstach  G.  Keller 
ges.  w.  6,  95;  spezieller  'menschenfreundlich,  mildtätig' :  ein 
gutmütiger  krämer  sammelte  einige  grosohen  7,  166;  mit 
abhängiger  präposition  wie  gut  IV  A  1  b  jS,  'dienstbeflissen, 
gehorsam' :  und  hab  ich  euch  jederzeit  gegen  mir  willig, 
gutmüthig,  underthänig  erkennet  Heneicpetri  general- 
hist.  (1577)  292;  'gutartig' :  nicht  so  gutmüthig  gegen  die 
menschen  als  die  eidergans  Fr.  Schlegel  in:  dtsches  mu- 
seum  1,  134;  häufig  mehr  passiv  mit  dem  beisinn  der  nach- 
sichtigen, geduldigen,  milden  Sinnesart:  wir  {sind)  nicht  so 
gutmütig  wie  unsere  liebe  tante  gegen  den  immer  ver- 
zogenen neffen  Göthe  24,  108  W.;  {dann)  glaubt  einen 
der  gutmüthige  leser  im  besitz  der  bezeichneten  eigen - 
Schaft  A.  W.  Schlegel  in:  Athenäum  l,  2,  65;  danach 
gaben  ein  paar  gutmütige  zeichen  der  Zustimmung 
Hans  Grimm  volk  ohne  räum  l,  291. 

b)  früh  mit  mehr  oder  minder  deutlicher  geringschätzung 
'allzu  wohlwollend;  wohlmeinend,  aber  töricht':  Sordorea, 
die  einf eltig  und  gutmütig  gewesen,  hat  Fredegondis  ge- 
antwort,  wie  sie  recht  rede  N.  Falckner  frantz.  chron. 
(1572)  1,  61;  gutmüthige  Protestanten,  welche  sich  ein- 
bilden, dasjenige  was  sie  einsehen,  müsse  auch  die  ganze 
weit  einsehen  Fe.  Nicolai  beschr.  e.  reise  (1787)  504 ;  wie  sich 
die  Zeiten  verändert  haben,  dasz  man  das  gutmüthige 
jetzt  für  geistlos  hält  Deinhardstein  ges.  dram.  w.  1,  21 ; 
da  ich  aber  nun  schon  ein  gutmüthiger  tropf  bin,  so  sey 
es  darum  Geillparzee  in:  jahrb.  d.  Grillparzerges.  1,  96; 
die  {freude  verlieh)  seinem  gutmütigen  gesiebte  etwas  an- 
genehmes W.  Hauff  w.  (1890)  l,  34. 

c)  bei  abstr actis  'aus  wohlmeinender  gesinnung  hervor- 
gehend': in  ihren  gutmüthigen  und  edlen  hoffnungen  ge- 
täuscht Göthe  IV  19,  h  W.;  der  natürliche  kreislauf  der 
büdung  {ist)  nicht  etwa  eine  gutmüthige  hoffnung,  oder 
ein  wissenschafthcher  glaubenssatz  Fr.  Schlegel  in: 
Athenäum  2,  27;  so  fingt  ihr  an,  uns  mit  gutmüthigen 
kindergeschichten  zu  täuschen  Göthe  23,  91  W.;  'gut- 
gemeint, nicht  böswillig':  mit  welcher  unerschütterlichen 
gleichmüthigkeit  ich  ihren  gutmüthigen  spott  las  G.  For- 
ster s.  sehr.  7,  265;  die  briefe  und  ihr  Inhalt  {sind)  nur  eine 
guthmütige  täuschung  beider  Varnhagen  v.  Ense  tageb. 
1,  332;  anders  'freiwillig,  guiwillig':  gesetze  und  sitten, 
welche  unverehelichte  eitern  zur  freyen  und  gutmüthigen 
erfüUung  ihrer  naturpflicht  hinlenken  Pestalozzi  s.w.  9, 
50  krit.  ausg. ;  wie  gut  I V  A  2  b  'harmlos,  ungefährlich' :  mein 


Wahnsinn  war  aber  sehr  gutmütiger  art  R.  Waoner  ges. 
sehr,  u.  dicht,  l,  92. 

d)  adverbialer  gebrauch  ist  jung;  'mit  wohlwollendem 
sinn':  wenn  die  frauen  nicht  .  .  .  das  leicht  begonnene, 
schwer  zu  vollbringende  gutmüthig  beförderten  Göthe 
47,  193  W.;  'nachsichtig' :  was  ich  .  .  .  dennoch  überhört 
oder  verhört  habe,  wird  man  gutmütig  verzeihn  J.  H. 
Voss  zeitm.  d.  dtsch.  spräche  (1802)  7;  Gregor  lächelte  gut- 
müthig über  diese  kriegerischen  anstalten  und  liesz  sie 
gewähren  A.  Stifter«,  w.  l,  258  8.;  'in freundlicher  weise, 
nicht  heftig':  die  Schorlemmer  drängte  die  krügersfrau 
gutmütig  auf  die  türe  zu  Fontane  ges.  w.  I  2,  72. 

2)  vereinzelt  im  frühnhd.  zu  guter  mut  froher  mut  {vgl. 
gut  III A  5  a,  sp.  127 6)  gebildet  im  sinne  'heiter,  wohlgemut' : 
wo  ein  gutmütiger  mensch  uf  eim  wagen  mit  andern  fert, 
der  macht  sie  all  frisch  und  frölich  Geiler  v.  Keisers- 
bero  bilg.  (1512)  129»;  du  solt  haben  ein  fröüch  frywiUige 
und  gutmütige  hoffnung  25''. 

GUTMÜTIGKEIT,  /.,  zxim  vorigen  gebildet,  verein- 
zelt im  16.  jh.  belegt,  allgemeiner  erst  im  18.  jh.  verbreitet; 
entsprechend  gutmütig  1  a  'freundliche,  wohlwollende, 
gütige  gesinnung' :  es  wolt  aber  der  könig  ausz  seiner 
angebornen  mute  und  gutmütigkeit  nicht,  das  sie  ster- 
ben solten  N.  Falckner  frantz.  chron.  (1572)  i,  i3l; 
er  begegnete  mir  .  .  .  mit  einer  offnen  gutmüthigkeit 
Göthe  22,  103  W.;  {sie)  gab  einem  söhn  wohlhabender 
landleute,  gerührt  von  seiner  gutmütigkeit  und  herzens- 
einfalt,  gehör  G.  Keller  ges.  w.  5,  334;  oft  mehr  passiv 
aufgefaszt  'nachsieht,  geduld,  milde':  wenn  die  gutmüthig- 
keit der  eitern  den  kindern  eine  unschuldige  freiheit  ge- 
stattet, so  ist  wohl  darauf  zu  sehen,  ob  sie  wirkUch  un- 
schuldig ist  Hegel  w.  16,  197;  halb  aus  gutmütigkeit, 
empfahl  ihn  Tieck  Fontane  ges.  w.  I  l,  231;  anders  'guter 
wille,  bereitwilligkeit' :  man  denkt  sich  auch  in  die  höheren 
absiebten  dieser  lehrmeister  leicht  bei  einiger  gutmüthig- 
keit hinein  Jean  Paul  49/53,  429  liempel;  concreier 
'wohlwollende  handlung':  es  gibt  augenblicke  im  leben, 
wo  wir  von  der  summe  unserer  gutmüthigkeiten  auf  ein- 
mal die  ernte  erheben  Iffland  dram.  w.  9,  4,  27;  nach 
gutmütig  1  b  mit  pejorativem  beisinn:  du  hast  einen 
groszen  fehler  ...  in  deinem  charakter  —  die  unbelehr- 
bare, unbesiegbare,  un vertilgbare,  un bewegbare  gut- 
müthigkeit Lävater  handbibl.  (1773)  1,  137;  {wer)  meinte, 
dasz  die  schleswig-holsteinische  frage  .  .  .  gelöst  sei  .  .  ., 
der  hatte  sich  die  deutsche  erbsünde  der  gutmütigkeit 
noch  nicht  hinreichend  abgewöhnt  Mommsen  reden  u. 
aw/s.  (1905)375. —  gut  mütiglich,adw.2M  gutmütig  la;  im 
frühnhd.  bezeugt,  vgl.  gutt-  oder  senlitmuttikleich  benigne 
DiEFENBACH  gl.  71*^:  demütiglich  bittende  .  .  .,  dises  myn 
büchlin  güttmütiglich  ze  empfahen  und  zehören  vor  der 
urtail  Steinhöwel  de  clar.  mul.  16  lit.  ver.  —  gutofen, 
m.,  zu  gut,  n.,  B  2  g  |8  oder  gut  I  A  2  c  y  als  technischer 
termimis:  behufs  der  entsilberung  werden . . .  die  spurstein - 
mehle  ...  in  gutöfen  . . .  geröstet  Müspratt-Stohmann  4, 
1851.  —  gutpf  anne,  /.,  zu  gut,  n.,  B  2  g  ß  als  technische 
bezeichnung:  'gutpf anne  . . .  heiszt  auch  die  siedepfanne  der 
vitriolsieder'  Jacobsson  5,  7673'.  —  gutpfleger,  m.,  zu 
gut,  n.,  B  1  b  'Vermögensverwalter' ,  vgl.  gutpfleger  curator 
DiEFENBACH  nov.  gl.  1248'  {obd.  anf.  d.  15.  jhs.),  s.  auch 
güterpfleger  sp.  1366/. 

GUTRÄUBER,  m.,  zu  gut,  n.,  B  l  a,  vgl.  gütrauber 
ereptor  Frisius  480**:  bald  versucht  sich  ein  ehrenrauber 
an  unsrem  guten  leumund,  bald  ein  geld-  und  gütrauber 
an  unsrem  gut  odernahrung  E.Francisci  letzte  rechensch. 
(1681)  934.  —  gutrecht,  n.,  zu  gut,  n.,  B  ^  für  die  recht- 
liche Stellung  liegender  guter  im  schuldprozesz:  wie  lang  ein 
schuld,  so  mit  liegendem  gut  gemacht,  sein  gutrechti  be- 
halten möge  landb.  d.  hochgerichts  Kloster  (1833)  41  nach 
Staub -ToBLER  6, 312 ;  anders  im  sinne  von  'besthauptrecht', 
vgl.  'gutrecht  in  Schwaben  servitus  optimi  capitis,  a  quo  ci- 
vitates  quaedam  privilegiis  caesareis  exemtae  sunt'  Frisch 
t.-lat.  1,  386^,  j;g'Z. Scherz -Oberlin  582.  —  gutreich,  adj., 
reich  an  besitz,  vgl.  Stieler  1582:  er  war  ein  listiger,  gut- 
reichermannH.MEOiSER  ann.  Carinth.  (1612)  145.  —  gut- 
rösten, ».,  technischer  ausdruck  in  der  metallverarbeitung. 


1473      GUTRÖSTUNG-GUTSCHEINEND 


GÜTSCHER— GUTSEIN 


1474 


zu  gut  I  A  2  c  y:  die  zweite  röstung  (bei  der  nickelgewin,' 
nung),  das  gutrösten,  geschieht  in  muffelöfen  Kab- 
maksch-Hkeren  6,  338.  —  gutröstung, /.,  vom  vorigen 
abgeleitet:  das  röstgut  (silber)  wird  fein  gemahlen  und  ge- 
langt in  flammöfen  zur  gutröstung  Lüeqeb  7,  392. 

GUTS,  n.,aus  gutes  {vgl.  gut  VIII  Bio)  kiriderspr  achlich 
für  'süszigkeiten,  naschwerk'',  vgl.  auch  gutsei:  guts,gutzele 
ScHMiD  Schwab.  246,  AsKENASY  Frankf.  71,  guds  Christa 
Trierer  ma.  103^,  gots  Honig  Köln.  67^,  vgl.  s  guezi  Seile» 
Basler  ma.  153''.  —  gutsäftig,  adj.y  guten  saft  habend 
(vgl.  gut  IA2):  er  {hat)  melaune  und  kürbis  unter  die 
gutsäfiftigen  gewächse  gezehlet  v.  Hohbero  georg.  cur. 
(1682)  2,  100;  spezieller  zu  gut  I  A  2  d  /3;  gutsäfftig,  der  ein 
gut  frisch  geblüt  hat  euchylos  J.  J.  WoYT  thes.  (1616)  161, 

—  gutsage,/.,  rückbildung  aus  gutsagen  {s.  dort)  mit  der 
bedentung  'bürgschaff :  da  zahle  her  —  blank  und  bar. 
für  eine  gutsage  bin  ich  nicht  feil,  geld  will  ich  Iffland 
theatr.  w.  2,  265;  er  {der  richter)  wird  eine  gewohnheit  an- 
führen über  die  dauer  einer  gutsage  und  ähnliches  Paul 
Ernst  tageb.  e.  dichters  (1934)  150.  —  gutsagen,  vb.,  zu- 
eammenrückung  aus  gut  sagen,  s.  gut  I  A  5  c  a  yy  (sp.  1247) 
im  sinne  'bürgen,  haften':  ich  wü  .  .  .  für  dessen  Verschwie- 
genheit gutsagen  A.  U.  v.  Braunschweig  Octavia  (1677) 
1,  197;  ich  habe  sie  aber  dran  verhindert  und  für  die 
summe  gutgesagt  Lenz  ges.  sehr,  l,  47;  —  gutsager,  m., 
zu7n  vorigen  gebildet,  vgl.  der  gutsager,  bürge  Bandtke 
poln.-dtsch.  wb.  2,  llöst*.  —  gutsagung,/.,  aus  gutsagen 
gebildet,  vgl.  gutsagung,  bürgschaft  abbonamento  Castelli 
it.-ieutsch  (1741)  l,  4'':  zuerst  musz  ich  wissen,  warum  und 
in  wie  fern  es  einer  besonderen  gutsagung  für  mich  bedarf 
H.  Laube  ges.  sehr,  ll,  139.  —  gutsammeln,  n.,  zu  gut, 
n.,  15  1  d:        jj.  jjg^jj^  ^j  gutsamlen  grosz  acht 

Seb.  Beant  narrensch.  9  Zamcke. 

—  gutsammlung,  /.,  zu  gut,  «.,  B  l  a,  Sammlung  von 
gegenständen  und  geld,  vgl.  gütsamnung  {voc.  rer.  1466), 
guetsamung  (15.  jh.)  collecta  Diefenbach  nov.  gl.  loo''. 

GUTSBESITZ,  m.,  besitz  eines  ländlichen  gutes  {vgl. 
gut,  n.,  B  3) :  der  freie  erwerb,  der  nur  auf  dem  Verdienste, 
nicht  auf  der  Überlieferung  ruht,  {ist)  höher  der  art  nach  als 
der  gebundene  gutsbesitz  Görres  ges.  sehr.  (1854)  4,  259.  — 
gutsbesitzer,  m.,  besitzer  eines  landwirtschaftlichen  be- 
trieben {vgl.  gut,  n.,  B  3  b),  vorab  der  sozial  gehobenere  eigen- 
tümer  eines  gröszeren  gutes  gegenüber  dem  bäuerlichen  be- 
sitzer: dasz  jeder  guths besitzer  seinem  prediger  die  frei- 
heit  erlaubte  Gottschedin  br,  2,  26  Runkel;  wogegen  die 
.  . .  gutsbesizer  zu  dem  niedern  adel  gerechnet  wurden 
K.  L.  V.  Haller  restaur.  d.  staatswiss.  3,  266;  von  einer  Zu- 
lassung der  nicht  landtagsfähigen  gutsbesitzer  konnte  nur 
flüchtig  die  rede  sein  Görres  ges.  sehr.  4,  99;  du  lassest 
doch  auch  den  adelichen  gutsbesitzer  seine  bauern  selbst 
in  den  wallen  üben?  Fouqüb  gefühle  l,  58.  —  guts- 
blatterkraut  s.  gutblatterkraut.  —  gutschaden,  m., 
zu  gut,  n.,  B  3  feldschaden\  vgl.  Unoer-Khull  313''':  wel- 
cher gerichtsman  den  andern  pfendt  auf  sein  gründen  umb 
guetschaden  {v.  j.  1625)  österr.  weist.  1,  28. 

GUTSCH  s.  kutsche.  —  gütach.,  m.,name  des  jisches 
harausche  {carassivn  vulgaris),  vgl.  Oken  allg.  naturgesch. 
6,  320. 

GÜTSCHAU,/.,  amtliche  prüfung,  durch  die  eine  wäre 
als  gut  anerkannt  wird  {s.  gut  II  A  2  b,  sp.  1262)  Fischer 
Schwab.  3,  941  {beleg  v.  1572). 

GUTSCHE,  /.,  name  eines  Zimmereiwerkzeugs,  eines 
Hohleisens,  nach  frz. -engl,  gouge,  vgl.  Hoyer-Kreuter 
techn.  wb.  l,  321,  vgl.  guts  'holle  beiteV  TER  Laan  Groning. 
286*>,  goets  RüTTEN  haspengouwsch  id.  82*'. 

GUTSCHE,  /.,  'wagen,  bett'  s.  kutsche. 

GUTSCHEIN,  m.,  bescheinigung  über  ein  gvLth&hen  {vgl. 
etw.  gut  haben,  sp.  1248),  im  handelsverkehr  gebräuchlich, 
vgl.  FiscsEn  Schwab.  3,  969.  —  gutscheinend,  part.  adj., 
zusammenrückung  aus  gut  scheinen  {vgl.  sp.  1310);  zu  gut 
V  B  5  b  'rechtschaffen,  fromm  scheinend' :  mit  uswendiger 
gütschinender  sinnelicher  blinder  wise  Tauler  pred. 
288  V.;  fayszte,  volle,  gütschynende,  eygengesüchtige, 
gältstrickende  münch  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr.  1, 
IV.  1.  6. 


77  ndr.;  zu  gut  IV  A  l  b  bezogen  'freundlich  scheinend': 
nit  allein  . . .  leidet  unbiUiche  ding  von  den  frembden  . . ., 
sunder  ouch  von  den  f runden  und  gütscheinenden  men- 
schen Geiler  v.  Keisebsbero  seelenparad.  (1510)  23a'. 

GUTSCHER  s.  kutscher. 

GUTSCHICK,  m.,  schweizer,  zu  gut  IV  A  2  a  'dummer 
mensch',  vgl.  gutschick  decoctor,  deperditus  Dentzleb  dav. 
(1716)  143,  guetschik  Seiler  Basler  ma.  153. 

GUTSCHLAG,  guttschlag,  m.,zu  gutt,  n.,  im  schweizer, 
für  'schlag flvnz,  schlaganfalV ,  vgl.tvo-pi,  gutschlag  paralysis 
Dentzler  clav.  (1716)  291^1:  {als)  das  mütterli  .  .  .  bim 
tisch  sasz,  fiel  ufE  ins  der  guttschlag  {um  1600)  nach 
Staub -ToBLEB  9,  234,  wo  weitere  belege;  darum  dies  ge- 
wächs  billig  in  den  zufallen  des  kalten  haubtes,  .  .  .  bey 
den  gutschlägen  und  lähmungen  gebraucht  wird  Mubalt 
eidgen.  lustgarten  (1715)  98.  —  gutschlägig,  adj.,  zum 
vorigen  gebildet,  'vom  schlagflusz  getroffen,  gelähmt',  vgl. 
gutschlägig  paralyticus  Dentzleb  clav.  (1716)  143**:  sy 
habend  ihm  zuegebracht  einen  guetschlägigen,  der  lag 
auf^  einem  bet  {bibel  v.  j.  1638  Matth.  9,  2)  nach  Staub- 
Tobler  9,  234;  bildlich  'lahm':  welch  ein  namenloser 
unterschied  ist  nicht  zwischen  der  Wahrheit  und  energie 
des  gefühls,  .  .  .  und  der  zahmen  Verwirrung  und  gut- 
schlägigen  künstelei,  die  euch  das  verlangen  nach  Cidli 
vorlügen  H.  FüszLi  d.  j.  in:  br.  a.  J.  H.  Merck  (1835) 
59  Wagner. 

GUTSCHLÖSZCHEN,  n.,  Übersetzung  des  wissenschaft- 
lichen Pflanzennamens  euclidium  {syriacum)  bei  A.  Martin 
pflanzenn.  51,  so  genannt,  weil  die  wände  des  schötchens 
fest  zusammenschlieszen,  zu  gut  VII  B.  —  gutschmecke, 
/.,  in  ostmd.  mundarten  zu  etw.  schmeckt  gut  {vgl.  gut  VII 
C  1)  gebildet  im  sinne  'leckerbissen,  leckerei',  vgl.  F.  Knothe 
Markersdorfer  ma.  48:  gutschmecke  macht  bettelsäcke 
Müller-Fraureuth  Sachs,  volksw.  78;  nu  jaja,  —  nu 
nee  nee,  das  {der  hundebraten)  is  o  noch  ne  guttschmecke 
—  das  macht  gar  a  liebHch  gerichl  G.  Hauptmann 
d.  weber  (1892)  35;  als  gutschmeck  s.  Göpfert  erzgeb.  91, 
ScHBÖEB  beitr.  (1858)  56;  gutschmecki  Weinhold  scfdes. 
85*.  —  gutschmecker,  m.,  zu  etw.  schmeckt  gut  {vgl. 
gut  VII  C  1)  tm  sinne  'feinschmecker,  leckermauV :  zur  all- 
gemeinen bedauerung  aller  gutschmecker  und  feinen 
züngler  seiner  Vaterstadt  MusÄus  volksmährchen  2,  109 
Hempel;  so  und  so  viel  tausend  mark  öffentliches  geld 
werden  von  einem  subalternen  gutschmecker  für  Stein- 
butt .  .  .  verausgabt  P.  de  Laoabde  dtsche  sehr.  430.  — 
gutschmeckerei,  /.,  zum  vorigen  'feinschmeckerei' : 
Agnes  und  die  tante  neckten  mich  mit  meiner  .  .  .  prä- 
meditirten  gutschmeckerei  B.  Goltz  c.  jugendleb.  3,  49.  — 
gutschreiben,  vb.,  zusammenrückung  avn  der  formel 
etw.  gut  schreiben  {vgl.  sp.  1248),  'zu  jemandes  gunsten 
buchen' :  ein  mann,  der  .  .  .  sich  die  ihm  von  rechtswegen 
zukommende  belohnung  höchstens  im  hauptbuch  des 
himmels  gutschreiben  läszt  W.  Raabs  hungerpastor  (1864) 
1,  130;  anders  zu  gut  VII  A  1  a  'richtig  schreiben':  jeder 
gutschreibende  Schwabe  {wird)  vom  Hamburger  .  .  .  ver- 
standen v.  Ayrenhoff  w.  (1814)  5,  205.  —  gutschrei- 
bung,/.,  zum  vorigen  gebildet,  was  gutschrift:  gutschrei- 
bung der  Zinsen  Weserzeitg.  jahrg.  1859,  4870.  —  gut- 
schrift, /.,  aus  gutschreiben  entwickelt  als  handelstech- 
nischer ausdruck  für  die  zu  jemandes  gunsten  getätigte 
buchung:  zur  gutschrift  gelangen  auszer  baren  einzah- 
lungen  alle  von  dem  contoinhaber  .  .  .  eingelieferten  in- 
cassopapiere  hwb.  d.  staatswiss.  4,  731.  —  gut  sein,  ».,  zu 
gut  II  A  gebildet  'vortrefflichkeit' : 

ich  habe  mich,  mein  gott,  mit  mir  besprochen, 
dasz  ich  der  weit  ihr  gutsein  oder  pochen 
ins  künftige,  dich  liebend  fromm  und  still, 
nicht  achten  will 

Neümark  fortgepfl.  musik-poet.  Itistw.  (1657)  37; 

zu  gut  I V  A  1  b  'freundschaft,  Zuneigung' : 

lies  diesen  brief  noch  hier, 
den  deiner  freundschaft  zunft  in  höchster  eile  dir 
aus  brüderlicher  treu  und  gutsein  hat  geschrieben 

P.  Fleming  464  Läpp.; 

zu  gut  V  A  1  'rechtschaffenes  leben' :  übrigens  hast  du  das 
gutsein  auch  leichter  gehabt  als  andere  leute  W.  Raabe 

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1475 


GUTSEL-GUTSITTIG 


GUTSITTIGKEIT— GUTSTEHUNG       1476 


Abu  Telfan  (1870)  1,  169.  —  gutsei,  gutsele,  n.,  demi- 
nutivbildung  zu  guts,  n.;  kindersprachlich  für  'leckerei, 
naachwerk,  bonbon'  (s.  gut  VIII  B  l  c),  vgl.  guatsela,  gutsle 
RuoKEBT  unterfrk.  67,  guetsele  Martin -Lienhabt  l,  249, 
gütsel  Schmidt  Straszb.  47 '^,  guezeli  Seilek  Basler  ma. 
153'',  guetsel  Pfister  nachtr.  87:  ohne  gutsei  soll  der 
knabe  dich  lieb  haben  H.  Jäcobi  in:  Teutscher  Merkur 
(1776)  2,  63;  um  im  gedenken  der  toten  kaflfee  zu  trinken 
und  gutsein  zu  essen  O.  J.  Bierbaum  ges.  w.  7,  118;  a 
kriecht  oUe  guttseln  Rother  schles.  sprichw.  316.  —  gut  - 
selig,  adj.;  mhd.  guotsselic  'durch  vermögen  beglückt'  zu 
gut,  n.,  B  1  b: 

er  ist  ein  guotssellger  man 

Seifrid  Helbling  1,  34  Seem.; 

anders  zvsainmenrückung  aus  gut  und  selig  (vgl.  gut  III 
A  4,  sp.  1276): 

zu  einem  gutseligen  endt 

H.  Sachs  13,  81  K.-a.; 

—  gutsfrau,/.,  frau  des  gutsherrn  oder  gutsherrin :  schrei  - 
ben  einer  gutsfrau,  die  freilassung  ihrer  eigenbehörjgen 
betreffend  J.  Moser  3,  225  Ab. 

GUTSHERR,  m.,  der  herr  und  besitzer  eines  landgules 
(vgl.  gut,  n.,  B  3),  im  älteren  nhd.  auch  als  gutherr  belegt,  vgl. 
YiacsER  Schwab.  3,  905  (beleg  von  1553):  wurden  die  namen 
der  verstorbenen  oder  abgegangenen  gutherrn  gelöscht 
und  der  neuen  ihre  namen  in  sterbe-  oder  kauflehen  wie- 
derum in  das  wachs  gebracht  v.  Lüdewiq  gel.  anz.  (1743) 
142;  es  kam  ungefehr  einer  seiner  meiern  daher,  .  .  .  der 
gother  oder  guttsherr  sprach,  er  solte  über  eine  stund 
oder  etwas  wider  ansprechen  und  die  wurst  auch  ver- 
suchen gepfl.  fincken  (1665)  19;  unter  gutsherrn,  Verwal- 
tern und  Pächtern  fanden  sich  .  .  .  erfahrne  männer 
GÖTHE  II  6,  389  W.;  die  bauern  muszten  als  entschädi- 
gung  für  die  bisherigen  leistungen  an  die  gutsherren  die- 
sen ein  drittel  oder  die  hälfte  ihrer  höfe  abtreten  hwb.  d. 
staatswiss.^  l,  202.  —  gutsherrin,/.;  meine  mutter  war 
...  in  diensten  einer  benachbarten  gutsherrin  G.  Keller 
ges.  w.  6,  53.  —  gutsherrlich,  adj.,  zu  gutsherr  gebildet 
entsprechend  bäuerlich  zu  bauer :  (ein)  garten,  der  .  .  .  von 
altem  wohlhaben  und  gutsherrlicher  Vorsorge  zeugt 
GÖTHB  84,  52  W.;  wegen  regulierung  der  gutsherrlichen 
und  bäuerlichen  Verhältnisse  Fr.  L.  Jahn  w.  2,  358  £J.  — 
gutsherrlichkeit,/.,  vom  vorigen  abgeleitet,  das  rechts - 
Verhältnis  des  gutsherrn:  in  späteren  jähren  erwarb  er  die 
gutsherrlichkeit  in  seinem  geburtsort  Saviqny  gesch.  d. 
röm.  rechts  5,  26;  gutsherrlichkeit  und  leibeigenschaft 
hwb.  d.  staatswiss.  2,  338.  —  gutsherrschaft,  /.,  die 
herr  Schaft  eines  landgutes,  die  familie  des  gutsherrn:  seit 
dem  recesz  vom  9.  juni  1786  ist  diese  sache  dahin  ver- 
glichen, dasz  die  gutsherrschaft  und  bauern  den  stamm - 
ochsen  in  die  weide  nehmen  (v.  j.  1790)  cod.  dipl.  8iles. 
4,  340;  die  kinder  muszten,  wie  üblich,  der  gutsherrschaft 
zum  zwangsgesindedienst  angeboten  werden  W.  v.  Po- 
LKNZ  Büttnerbauer  1,  37;  als  obrigkeit  eines  gutsbezirks: 
dadurch  wurden  sie  (kirchen  und  klöster)  zu  gutsherr- 
schaften einer  groszen  zahl  unfreier  .  .  .  hintersassen 
Eichhorn  dtsche  Staats-  u.  rechtsgesch.  (1821)  l,  250.  — 
gutsherrschaftlich,  adj.:  eine  gemilderte  Vormund- 
schaft der  gutsherrschafthchen  monarchie  K.  Fr.  Krä- 
mer Neseggab  (1791)  4,  356.  —  gutshof,  m.,  der  durch 
Wohnhäuser,  stalle  u^w.  gebildete  hof  eines  landgutes:  statt- 
liche Wirtschaftsgebäude  büdeten  .  .  .  einen  geräumigen 
gutshof  GöTHE  35,  225  W.;  Renate  .  .  .  kam  eben  von  dem 
gutshofe  zurück  Fontane  ges.  w.  I  2,  61.  —  gutsinn,  m., 
zu  gut  IV  B  'wohlwollen,  nachsieht':  der  mehr  lachte  als 
trauerte,  unarten  der  menschen  mit  gutsinn  überdeckte 
W.  F.  Meyer  Dyanasore  1,  431.  —  gutsinnig,  adj.,  zu 
gut  IV  B  'freundlich,  wohlwollend',  vgl.  gutsinnig  benignus 
Stieler  2032;  etwas  anders,  vgl.  gutgesinnt,  nach  gut 
V  B  1  a  hin:  auf  viele  .  .  .  gutsinnige,  bildungsreiche 
männer  .  .  .  machten  die  Ungeheuern  geschichten  ihrer 
tage  besondere  Wirkung  Zschokke  s.  ausgew.  sehr.  9,  284. 

—  gutsinnigkeit,  /.,  vgl.  gutsinnigkeit  bontä,  amore- 
volezza,  benignitä  Kramer  t.-ital.  2,  818".  —  gutsittig, 
adj.,    zu   gut  V  B  3  c :   gutsitiger   morigerus   voc.   theut. 


(Nürnberg  1482)  n  3»,  —  gutsittigkeit,/.,  zum  vorigen 
gebildet:  aber  ir  sun  Constantinus  . . .  mocht  seiner  muter 
frümkeit,  erberkeit  und  gutsittigkeit  nit  lenger  gedulden 
G.Alt  buch  d.  cron.  (Ii93)  164».  —  gutsittlich,  ad;.,  zm- 
sammenrückung  aus  gut  und  sitthch  (vgl.  gut  V  B  3  c) : 

dasz  sie  führen  gutsittlich  leben 
mit  schönen  tagenden  umbgeben 

H.  Sachs  16,  451  K.-  O. 

—  gutsole,  /.,  technischer  ausdruck  im  gradierwerk,  zu 
gut,  n.,  B  1  gß  oder  gut  I A  2 cy  'verarbeitungsfähige salz- 
sole':  die  (sole)  vom  letzten  falle  nennt  man  .  .  .  siede-  oder 
gutsoole  Muspratt-Stohmann  6,  580.  —  gutsprache,  /., 
atis  gut  sprechen  (vgl.  gut  I  A  5  c  a  yy,  sp.  1247)  erUwickeÜ 
im  sinne  'bürgschaft':  die  regierung  (hatte)  . . .  eine  art 
von  gutsprache  für  das  verhalten  ihrer  Vertrauensmänner 
übernommenK.BRAUN6iüder(l88l)4, 53.  — gutsprechen, 
vb.,  zusammenrückung  aus  gut  sprechen;  nach  gut  I  A  5  c 
ayy  (sp.  1247)  im  sinne  'bürgen,  verbürgen,  haften'  vgl, 
gutsprechen  rispondere,  promettere,  erdrar  cautione,  tnalle- 
vadore  Kramer  t.-ital.  2,  883":  (die  meister,)  welche  sich 
für  sein  des  jungen  aussetzen,  abtragen  oder  andere  un- 
gepühr  umb  f ünf zehen  pf und  pfenning  verbürgen  und  gut- 
sprechen (v.  j.  1629)  bei  G.  Schmolleb  Straszb.  weber  u. 
tuchm.-zunft  261;  (er  gab  befehl)  dem  wirt  gutzusprechen 
vor  alles  was  ich  dieselbe  nacht  über  verzehren  würde 
Grimmelshausen  Simpl.  532  ndr.;  noch  mundartlich  be- 
wahrt, vgl.  Stalder  1,  504,  lux.  ma.  158,  Hofmann  nieder - 
hess.  lli'',  Spiesz  henneb.  87,  Honig  Köln.  67^;  zu  gut 
I  A  3  d)S  (sp.  1240)  im  sinne  'billigen,  sein  einverständnis 
erklären',  vgl.  gutsprechen,  rechtsprechen  approvare,  com- 
provare,  ratificare,  giustificare,  lodare  Krämer  t.-ital.  2, 
883^;  es  sei  denn,  dasz  sie  diese  unser  antwort  mit  ihrer 
eignen  bekantnus  gutsprechen  J.  Calvin  inst,  christ. 
relig.  (1572)  2,  114;  Callirea  diesen  list  gutsprechend  und 
lobend  den  verstand,  .  .  .  gieng  alsobald  hin  theatr.  amor. 
(1626)  259;  als  technischer  terminus  im  gradierwerk  zu 
gut  IA2cy  eine  salzsole  'für  tauglich,  siedeuMrdig  er- 
klären' vgl.  Scheuchenstuel  österr.  berg-  u.  hüttenspr. 
117:  die  soole  wird  .  .  .  bis  auf  26  proc.  angereichert  und 
dann  gutgesprochen  Muspratt-Stohmann  6,  537;  zu  gut 
IV  0  1  'freundlich  reden' :  und  ist  niemandt  unweiser, 
als  der  uff  eines  jeglichen  gutsprechen  sihet  Opitz  teutsche 
poem.  8  ndr.;  zu  gut  V  A  1  'für  sittlich  erklären':  die  ge- 
schichte  handelt  fast  nur  von  diesen  schlechten  men- 
schen, welche  später  gutgesprochen  worden  sind 
Nietzsche  w.  I  4,  29;  ahd.  mit  gut,  n.,  'segen'  (vgl.  gut,  n., 
A  4)  zusammengesetzt,  vgl.  guotsprechit  benedicite  bei 
Graff  6,  382.  —  gutsprecher,  m.,  aus  dem  vorigen  ab- 
geleitet; als  'bürge',  vgl.  gutsprecher  fideiussor  Aler  dict. 
(1727)  1,  lOOO'',  Stalder  l,  &0i;  etwas  anders  'anunlt,  Sach- 
walter': gott  als  der  einige  guttsprecher  der  unschuldigen 
werde  sie  als  eine  unschuldige  verthättigen  sendschr.  d. 
Teresa  v.Jesu  216.  —  gutsprechung,/.,  zw  gutsprechen 
gebildet  im  sinne  'billigung,  einverständnis',  vgl.  gutspre- 
chung, gutspruch  approbatione  Kramer  t.  -ital.  2,  883" : 
der  aufgereckte  daumm  ist  bey  den  alten  ein  zeichen  der 
gutsprechung  gewesen  Harsdörfer  teutsche  secret.  (1656) 
1,  712,  vgl.  auch  Kinderlinq  reinigkeit  (1795)  110.  — 
gutständer,  m.,  zu  gutstehen  gebildet,  'bürge'  vgl.  Fi- 
scher Schwab.  3,  970.  —  gutstehen,  vb.,  aus  der  formet 
gut  stehen,  vgl.  gut  I  A  5  c  a  yy  (sp.  1247),  zusammen- 
gerückt im  sinne  'bürgen' :  weil .  .  .  mir  niemand  gutstehen 
konnte,  dasz  ich  nicht  jeden  augenblick  mit  der  frage 
herausfahre  A.  Stifter  s.  w.  l,  80  8.;  substantiviert:  er 
habe  gerade  eine  grosze  Zahlung  an  den  eisenhändler  zu 
machen,  sei  mit  gutstehen  hängengebheben  P.  Dörfler 
Apollonias  Sommer  (1932)  390;  etwas  anders  'sicher  stehend,  ^_ 
gut  angelegt' :  dank  meinem  vater  habe  ich  . .  .  gut-  ^H 
stehende  kapitahen  A.  Schopenhauer  br.  43  Gr.;  zu  ^H 
gut  VII C  6  'wohlhabend':  das  sind  gutstehende  leute 
G.  Keller  ge^.  w.  8,  296.  —  gutsteher,  m.,  zum  vorigen 
gebildet,  'bürge':  sie  müssen  zahlen;  die  trupp  hat  ge- 
trunken, sie  sind  der  gutsteher  Nestroy  ges.  w.  5,  141.  — 
gutstehung,  /.,  von  gutstehen  abgeleitet  'bürgschaft^ 
haftung':  er  müsse  mir  das  honorar  schuldig  bleiben  und 


Ä 


1477 


GUTSÜCHTIG— GUTTAT 


GUTTAT 


1478 


könne  also  auch  die  gutstehung  nicht  übernehmen 
V.  PöCK  humor.  lustwäldch.  (1825)  19.  —  gutsüchtig, 
adj.,  zu  gut,  w.,  B 1  b  'gierig  nach  besitz':  der  ehrengeitzigen 
und  gutsüchtigen  päpsten  J.  v.  Watt  dtsche  hisf.  sehr. 
1,  343  Götz. 

GUTT,  gut,».,  entlehnung  aus  lat.  gutta  bzw.  frz.  goutte 
in  der  bedeidung  des  französischen  Wortes  (vgl.  tripfe,  /., 
als  Übersetzung  dieses  frz.  goutte  teil  11,  l,  2,  637,  sowie 
triefte,  /.,  ebenda  sp.  481,  UTid  tropf,  m.,  in  der  gleichen 
bedeutung);  als  krankheitsname  ahm.  im  älteren  nhd.  ge- 
bräuchlich und  vielleicht  als  euphemismus  in  geschlecht  und 
form  an  gut,  n.,  angelehnt,  sodasz  auch  diphthongischer 
vokal  (ü,   ue)   erscheint;   die  allgemeinste    bedeutung  ist 
'lähmung',  die  vom  schlagflusz  (apoplexie,  vgl.  gutschlag) 
herrühren,  aber  auch  gichlischer  oder  epileptischer  natur 
sein    kann,    vgl.    schlag    o.    guot   tactus    [voc.   v.    1487) 
DiEFENBACH  gl.  571^;   erlämbt,  eines   glids  onmächtig, 
vom   gut    oder   tropf    geschlagen    patalyticv^    Frisius 
945»;  der  den  schlag,  das  gut  oder  den  tropff  hat  und 
alle  empfindtnusz  seiner  glideren  verleurt  attonitus  136^; 
einer  den  das  gutt  oder  der  schlag   troffen  hat   para- 
lyticus  Megiseb  pol.  (1603)  2,  206*:  starb  ain  minch,  .  .  . 
als  er  über  den  altar  wolt  gan  .  .  .,  er  {l.  es)  traflf  in  das 
gut,  er  lebt  danocht  bis  nacht  und  starb  darnach  städte- 
chron.  25,  75;  {da)  traff  Arnolffum  das  perli  oder  gütt 
Öheim  Eeichenauer  chron.  67  Bar.;  wider  den  tropff  oder 
das  gut  reibet  das  lam  oder  geschlagen  glid  Skbiz  f eidbau 
(1579)  70;  vom  gut  geschlagen  werden  apoplexia  corripi 
Dentzler  Clav.  (1716)  143b,  vgl.  Staub-Tobler  2,  553,  wo 
weitere  belege;  als  'gichV  {?):  es  {das  Wormserbad)  heilet 
alle  krankheiten,  die  von  feuchte  und  kälte  härlangen, 
als  da  seind  der  schlag,  der  tropf  oder  das  gut  bei  Tschum- 
PEBT  Bündn.  594; /wr  ein  brennendes  geschwür,  karfunkel 
s.  bei  Staub-Tobler  a.a.o.  {beleg  v.  1721);  alsfem.{?)  gutt 
'epilepsie" :  von  fallender  sucht,  frais,  gut,  monsucht,  das 
ist  epilepsia  Wibsung  arzn.  127  bei  Fischer  schwäb.  3, 970. 
GUTTAPERCHA,  /.,  auch  als  m.,  und  modern,  luohl 
nach  gummi,  als  n.;  ein  plastisches  gummi,  der  eingedickte 
milchsaft  {malaiisch  gutta)  des  baumes  isonandra  gutta 
(malaiisch  percha),  aus  dem  engl,  übernommen,  vgl.  der 
guttapercha  Seiler  kultur  im  sp.  d.  lehnworts  4,  332;  die 
guttapercha  Schönermark-Stüber  499:  ein  sehr  schätz- 
bares material  ...  ist  die  erst  seit  etwa  10  jähren  bekannt 
gewordene  guttapercha  Fregktl.  techn.encycl.  18  (1852)  58. 
GUTTAT,/.,  aus  der  formet  gut  {  =  gutes)  tun  {vgl.  gut, 
n.,  A  3  b  und  5)  entwickelt,  ahd.  mhd.  guottät,  mhd.  auch 
guottsete;  plur.  ahd..  guottäti,  mhd.  guottsete,  im  älteren 
nhd.  nach  guttat  neben  jüngerem  guttaten,  welche  form 
sich  nhd.  durchsetzt,   guttat  hat  von  ahd.  zeit  an  die  kon- 
kurrenz  von  wohltat  neben  sich,  das  im  ahd.  aber  mehr 
gut  IV  vertritt,   während  guttat  sich  ahd.  besonders  zu 
gut  V  %ind  III  stellt;  mhd.  ist  guottät  das  verbreitetere 
tvort,  woltät  erscheint  fast  nur  im  ostmd.;  im  nhd.  wird  gut- 
tat allmählich  von  wohltat  zurückgedrängt,  sodasz  es  in 
neuerer  Schriftsprache  nur  noch  wenig  gebräuchlich  ist. 

1)  zu  gut,  n.,  A  5  bzw.  B  3  'das  sittlich  religiös  vollkom- 
mene handeln,  rechtschaffenes  tun,  tugendhafte  tat',  vgl.  die 
zu  dieser  bedeutung  gehörenden  glossierungen  cuattati  Ion 
praerogativa  Graff  5,  334,  guottät  lux  justorum  ebda; 
guottäti  profectu  ebda;  daz  chit,  föne  fidelibus  unde  föne 
allero  ecclesia,  chumet  der  liument  kuottado  {virtutum), 
der  also  suozze  ist  Notkee  ps.  44,  9,  vgl.  41,  5;  neheinen 
guottatin  foreganten  {nullis  precedentibus  meritis)  67,  10; 
die  in  guttaten  tot  waren  17,  9; 

wände  uns  saget,  der  goloube  here  unde  staete, 

der  erfüllet  alle  guottsete, 

daz  wir  ze  jungist  schuln  erstän 

V.  rechte  374  Waag; 
harte  bezzirte  er  sich, 
her  was  vil  stsete 

allir  güttete  Trierer  Silvester  272  v.  Kraus; 

nu  bellbe  ich  dar  an  stsete 
daz  ich  unz  an  mines  tödes  zil 
den  darumbe  bitten  wil, 
der  dehelner  guottät 
niemer  ungelönet  lät 

Hartmann  v.  Auk   Oregorius  1218  Patt/; 


bösen  luten  und  ir  rote 

was  er  dicke  und  dicke  bi 

unde  aller  gutete  vri       passional  132,  14  Köpke; 

daz  sich  nieman  siner  gutete  iht  berüme,  wan  der  sunder 
gewinnet  alse  schiere  daz  himelriche  alse  der  rehte 
Lucidarius  38  Heidi.;  daz  unrecht  zu  vermyden  und 
güttet  zu  volbringen  A.  v.  Pforr  buch  d.  beisp.  12  lit. 
ver.;  nun  in  Christo  bleyben  haiszt,  das  man  all  sein 
guthat  habe  als  gerechtigkait,  das  leben  und  aUe  tugendt 

LlTTHER    12,  583    W.; 

die  guthat  soll  werden  blohnet 
und  das  übel  gestraflet  hart 

J.  Atree  dram.  74  K.; 

warum  solte  auch  nicht  vorhergehende  gutthat  das  fol- 
gende unrecht  ausgleichen?  Lohenstein  Arminius  (1689) 
2,  1352^;  die  gnade  rechnet  mehr  unsere  guttat  an  als 
unsere  schuld  Fontane  ges.  w.  I  4,  339;  was  eine  mutter 
ist,  kann  lügen  und  stehlen  und  morden  .  .  .  und  meint 
noch  aUeweil,  es  war  eine  guttat,  für  die  ein  lohn  ist 
droben  im  himmel  Ganghofer  mann  im  salz  in:  garten- 
laube  Jahrg.  1905,  710'';  spezieller  wie  'gutes  werk':  sume- 
lichen  ist  ein  irluterunge  vasten  unde  wachen,  oder  so 
getone  gutete  Lucidarius  61  Heidi.;  nach  2  hinüber  spie- 
lend: er  rächte  Asinias  tod,  indem  er  den  alten  fürsten 
von  jeder  gutthat  abhielt  Börne  ges.  sehr.  (1827)  1,  5. 

2)  vom  handelnden  Subjekt  aus  gesehen,  zu  gut,  «.,  A  3  b 
gebildet,  entsprechend  gut,  n.,  A  4  und  gut  IV  C  3  mit  dem 
für  diese  bedeutung  wesentlichen  beisinn,  dasz  die  erwiesene 
wohltat  aus  freundlicher,  gütiger,  wohlwollender,  gnädiger 
gesinnung  hervorgeht,  vgl.  gutdait  beneficentia  Diefenbach 
gl.  71<^,  guttat  beneßcium  gemma  gemmarum  (1508)  c  ö^». 

a)  allgemein  'wohltat,  liebes  werk',  vgl.  ein  gutthat  wol  in 
gedächtnusz  behalten  benefacta  tenere  Frisius  161'':  noh 
sinen  samen  brotes  dürftigen,  wanda  er  guottate  sähet, 
dannan  habet  er  seti  Notker  ps.  36,  25; 

euch  lönten  si  der  staeten 
mit  mangen.guottseten 
des  siun  ze  liebe  ie  getete 

Ulrich  v.  Zazikhoven  Lanz.  7668  H.; 
so  beere  ich  sprechen  unde  sagen, 
ez  künne  ein  übeler  niht  vertragen 
guottsete,  die  der  mensche  tuo 

Konrad  v.  Wükzburq  Engelhard  1563; 

solliche  gutet,  die  ir  beweist  an  den  leuten,  soUiche  ge- 
nade,  so  die  leut  von  euch  empfahen  ackermann  aus 
Böhmen  28  Bernt-Burd.;  die  weit  vergilt  gutthat  mit 
ubelthat  Luther  16,  7  W.;  denen  {den  gebern)  sie  {die 
bettler)  zu  zelten  für  ihre  erzeigete  gutthaten  übel  lohnen 
Pape  bettel-  und  garteteufel  (1586)  l  l*»;  aUerley  gutthaten, 
so  die  Polen  .  .  .  dem  orden  bewiesen  Schütz  hist.  rer. 
pruss.  (1592)  L  3*';  die  besten  lobserhebungen  geschehen 
unter  dem  fürwand  einer  schuldigen  danckbarkeit,  da 
man  die  erwiesene  guthaten  sehr  hoch  rühmet  Chr.  Weise 
pol.  redn.  (1677)  189;  ein  edelmann,  von  welchem  wir  ehe- 
malen merckliche  gunst  und  sonderbare  gutthaten  em- 
pfangen haben  Opitz  Sidneys  Arcadia  (1638)  22;  {einen) 
mann,  {der  von)  seinen  gutthaten  nicht  viel  wesens  machet 
Thomasius  kl.  dtsch.  sehr.  86;  bei  der  erzählung,  dasz  gut- 
herzige russische  husaren  dem  verwundeten  Kleist  gut- 
thaten erzeigten  briefe  d.  neueste  litt.  betr.  16,  28; 

gott  lohn  euch  eure  gutthat 

Schiller  14,  376  O.; 

geht  nur  mit  mir  in  meine  wohnung,  dasz  ich  euch  eure 
gutthat  vergelte  Stifter  s.  w.  4, 1, 42  Ä.;  indem  er  nun  seine 
guttat  zu  ende  bringen  wollte  Paul  Ernst  10  geschieh - 
ten  17 Potthoff;  weil  diese  Engländer,  selbst  wenn  sie  betteln, 
immer  noch  fertig  bringen,  ihren  bettel  von  fremden  als 
guttat  an  diesen  .  .  .  darzustellen  Hans  Grimm  volk  ohne 
räum  l,  614;  als  'wohltat'  mundartlich  vielfach  bewahrt,  z.  b. 
Seiler  Basler  ma.  153,  Schröer  ^lngr.  bergl.  245,  Hof- 
mann niederhess.  lll^,  Müller  rÄem.  2,  1524;  vergleichbar 
als  neutr.  'geschenk' :  'guatthät  ist  das,  luas  die  um  lohn 
gedungenen  hirten  bei  guter  dienstverrichtung  über  den  lohn 
noch  an  nahrung  bekommen'  Bühler  Davos  1,  43;  als  'al- 
mosen':  so  tu  din  almüsin  geben  wUt,  daz  enmache  niht 
mere  den  lütin  .  .  .,  tu  dine  guttete  heimelich  bei  Roth 

93* 


1479 


GUTTAT 


GUTTATER 


1480 


dtscke  pred.  69;  dine  almüsen  und  guttat  der  erbarm - 
herzekeit  sind  ufgangen  für  min  angesicht  Stretlinger 
chron.  4  Bäckt.;  es  that  ihr  wehe,  von  den  gutthaten  an- 
derer menschen  leben  zu  müssen  Hauff  s.  w.  (1890) 
4,  319;  'freundliche  behandlung\- 

derselbigen  (pierde)  Ich  hab  verschont, 
weil  sie  der  gutthat  seind  gewont 

J.  Spreng  Tlias  (1610)  56»; 

freundlich  warst  du  gegen  mich,  gutthat  genosz  ich  an 
deinem  hofe  G.  Freytag  ges.  w.  8,  149. 

b)  besonders  von  den  gnadengaben  gottes:  gote  sol  man 

jehen,  daz  ist  kuot ,  jich  imo  ouh  dinero  guottato,  so 

daz  du  iro  imo  danchoest  Notker  fs.  91,  2; 

. . .  der  vil  schiere  vergaz 

der  manegen  gütsete       die  got  erboten  hete 

genes,  u.  exod.  120,  5  Diemer; 
vlrnemet  hie  ein  wunder 
von  gotlicher  guttat, 
die  er  an  siner  diet  begat       väterbuch  3267  Eeisz.; 

auch  erkenstu  vül  groszer  guttat  und  gab,  die  du  von 
gott  enpfangen  hast  Geiler  v.  Keisersberg  granatapfel 
(1510)  G  6"';  gott  selber  können  wir  vor  seine  gute  und  gut- 
thaten nichts  höhers  zahlen  Sigm.  v.  Birken  ostländ.  lor- 
beerhayn  (1657)  2*'. 

c)  spezialisiert  im  sinne  'fromme  Stiftung,  Schenkung^ 

ein  guottät  diu  vor  gote  swebt 
8Ö  rlche,  daz  nu  niemen  lebt, 
der  umb  daz  ewecllche  leben 
durch  got  habe  als  vil  gegeben 

KUDOLF  V.  Ems  d.  gute  Gerhard  269  B.; 

die  todten  heyligen  hören  dein  gebet  nitt,  so  bedorflFen  sie 
deiner  ehr  und  guttadt  nit  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr. 
3,  25  ndr.;  dieweü  durch  schrififtlich  handvestinen  die  gut- 
taten verrechnet  werdend,  so  zu  der  gottshüsern  dienst 
.  .  .  gegabet  werdend  Äo.  Tschudi  chron.  helv.  1,  61 ;  disze 
kürchen  ist  im  jähr  1628  .  .  .  erbaut  worden  ,  .  .  und  ge- 
schehen taglich  guettaten  daselbst  {v.  j.  1638)  österr.  weist. 
10,  237. 

d)  die  auf  wohltätiges  tun  hin  bedachte  gesinnung  selbst, 
' Wohltätigkeit,  gute,  milde':  durch  heil  unser  sele  und  sün- 
derliche güttede  und  früntschaft  {v.  j.  1352)  hess.  urk.-buch 
2,  585  Wysz;  so  mustu  auch  gegen  dem  nehesten  in  der 
liebe  gedult  und  guthat  bleiben  Luther  (1568)  6,  51*'  Jen. 
ausg.;  Reynhardt  die  gutthat  und  miltigkeyt  des  königs 
erkant  hertzog  Aymont  (1535)  i  l**; 

besuecht  mit  gutthat  sie  die  armen 
EOMPLEE  V.  LÖWENHALT  erst,  gebüsch  (1647)  41; 

so  ordentlich  und  so  die  gutthat  selber  ist  gar  keiner  mehr, 
wie  mein  tichterle  0.  Ludwig  ges.  sehr.  2,  165;  dür  meine 
güdät  durch  meine  gutmütigkeit  Bauer-Collitz  42^; 
ebenso  von  gottes  gute  und  gnade:  also  dasz  ein  jeder 
Christ  diesem  gütigen  vatter  für  seine  .  .  .  fürsorge  und 
gutthat  zu  dancken  desto  mehr  verbunden  lebet  v.  HoH- 
BERO  georg.  cur.  (1682)  l,  vorr.  a  2^^; 

wir  aber  stimmen  schlecht  mit  gottes  gutthat  ein, 
weil  unsre  danckbarkeit  pflegt  klein  und  kurz  zu  sein 
Che.  Warneckk  poet.  vers.  (1704)  199; 

in  fester  präpositionaler  formel  mit  aus,  vgl.  aus  guttat  und 
gnaden  gottes  dei  benignitate  Frisiüs  1638':  das  er  ausz 
seiner  und  des  römischen  volcks  gnad  und  gutthat  ein 
freund  und  könig  were  genent  Seb.  Franck  chron.  Oerm. 
(1538)  103';  der  kaiser  aber  hatte  ihn  (den  kelch)  .  .  .  dem 
heiligen  Laurenz  zu  Merseburg  aus  gutthat  geweihet 
Grimm  dtsche  sagen^  2,  99. 

3)  zu  gut,  n.,  A  3  b  und  gut  III A  4  bzw.  7  zu  stellen,  aus- 
schlieszlicher  vom  empfänger  her  betrachtet  für  die  'erfreu- 
liche, angenehme,  vorteilhafte  sacke,  gäbe,  geschenk,  beloh- 
nung'  usw.;  hierzu  stellt  sich  bereits  ahd.  guottati  divitie 
ahd.  gl.  1,  532,  51  St.-S.,  vgl.  dienst  umb  guttat  simula- 
crum  DiEFBNBACH  gl.  ssst*,  vergangner  gütthaaten  nit 
vergässen  bona  praeterita  non  effluere  Frisius  4628': 

die  boten  wurden  wol  beraten 
mit  maneger  guotttete 

Dietrichs  flucht  1037  Martin; 
Christi  Jesu,  dem  herren  mein, 
ich  alle  zeit  wil  danckbar  sein 
. . .  für  all  gutthat  auf  diser  erd 

G.  FORSTEE  /r.  t.  liedl.  198  ndr.; 


in  dem  im  der  herr  diese  euszerliche  leibliche  gutthat  hat 
abgeschlagen,  hat  er  ihm  viel  groszere . . .  ewige  gutthaten 
zubereitet  theatr.  diab.  (1569)  203*;  das  alter  bedarfE  geld 
und  gutthat  Petri  d.  Teutsck.  weiszk.  (1604)  2,  l  7^;  man- 
ches land  hat  grosze  gutthaten  von  der  natur  Schupp 
sckr.  (1663)  120;  damit  ich  die  gutthat,  so  ich  allhier  in 
Cypern  genossen,  in  Venedig  wiederum  ersetzen  möge 
schaitsp.  engl,  comöd.  79  Creizenach;  nicht  wenn  das  .  .  . 
herz  gutthaten  empfangen  hat,  wird  es  zum  tempel  eilen 
Herder  32,  117  S.; 

bleibt  nur  bieder  und  fromm,  und  empfangt  gutherzig  die 
gutthat      J.  H.  Voss  s.  ged.  2,  70; 

ähnlich  mundartlich  'etwas  angenekmes' :  des  war  9  guatat 
Schmeller-Fr.  1,  965,  in  winter  is  s  9  rechta  guattat  um 
o"^  warms  stübal  ebda  1,  630;  auch  'Wohlbehagen' : 

und  aft,  wann  a  recht 
in  da  güetat  is  glögn 

Fr.  Stelzhamee  ausgew.  dicht.  1,  19  Ros.; 

als  'angenehme,  erfreuliche  Wirkung' :  die  salvatelle  äderen 
geschlagen  bringen  vü  gütthät  J.  v.  Gersdorf  wundt- 
artzney  (1526)  18*;  {dasz)  sie  die  gutthat  der  selbigen 
empfinden  wurden  Ryff  spiegel  u.  reg.  d.  gesundh.  (1544) 
31^;  nach  gut  III  A  7  hin  'vorteil': 

der  bücher  gutthat  ists,  dasz  viel  noch  wird  gefunden, 
was  längst  hat  fortgcmuszt  . . .     Opitz  opera  (1690)  3,  307; 

angenommen,  sie  bekäme  ihn  doch  noch  .  .  .,  was  hätte 
sie  für  eine  gutthat  als  sein  weib?  M.  Meyr  erzähl,  a.  d. 
Eies  2,  325,  vgl.  guttat  das  gut,  der  vortheil  Schmeller 
cimbr.  127'', 

4)  zu  gut  I  B  5  und  6  im  sinne  'wackere  tat,  tücktige 
leistung'   in  älterer  spräche  gebildet,  vgl.  ez  guot  tuon 

P'  hie  ist  so  manlc  biderbe  man, 

daz  vil  guottät  hie  geschiht 

Uleioh  V.  Lichtenstein  frauend.  116,  ö'X.; 

es  bringt  mir  grosze  freude  zu  hören  und  sagen  von  der 
gutthat,  die  ir  in  diesem  streit  vollbracht  habet  buch  d. 
liebe  (1587)  323"';  hat  also  kaiser  Karl  das  kaisertumb  in 
Teutschland  durch  sein  guettat  und  geschickligkait  bracht 
Turmair  s.  w.  5,  127  Lexer;  es  sind  zwar  .  .  .  viel,  die  et- 
wan  durch  römische  keyser  oder  könige  ausz  eygener  be- 
wegnusz  ungethaner  einiger  manlicher  vorbündigen 
guthaten  .  .  .  geadelt  worden  sind  Moscherosch  gesichte 
(1650)  2,  418;  vergleichbar  'nützliche  tat':  in  betrachtung 
viUaltiger  gutthat  dises  thierUns  ist  .  .  .  verbotten  irer 
nicht  eyn  eynziges  zutöden  S'ebiz  f eidbau  (1579)  305;  vor- 
urtheilslose  abwägung  seiner  gut-  und  übelthaten  ergibt, 
dasz  er  (der  kornweike)  schädliche  (tiere)  befehdet  Brehm 
tierleben^  6,  396. 

GUTTÄTER,  m.,  zum  vorigen  gebildet. 

1)  zu  guttat  2  a  'wokltäter',  vgl.  guttheter  benefactorius 
gemma  gemmarum  (1508)  c  5*:  daz  sie  ir  ehtern  unde  lei- 
digem alse  wUlic  sint  als  irn  friunden  unde  guottetern 
MEISTER  Eckart  in:  myst.  2,  365  Pfeiffer;  du  achtest  nit 
grosz  din  vater,  din  müter,  din  fründ  und  gutteeder 
NiCLAS  V.  Wyle  translat.  97  K. ; 

in  allen  nöten  im  (gott)  vertrawen 

als  irem  himelischen  vater, 

dem  aller  hohlstem  guthater     H.  Sachs  1,  86  K.; 

die  nit  gott  und  iren  gutthätern  zu  danken  stumm  sein 
gewesen  Fischart  3,  98  Hauffen;  ehrerbietung,  ...  so  den 
verblichenen  gutthätern  und  wohlverdienten  männem  er- 
zeiget wird  Prätorius  hundert  auserl.  abdanck.  (1663)  151; 
sie  soUen  mit  freudenthränen  den  unbekannten  gutthäter 
segnen  Säl.  Geszner  sckr.  (1777)  2,  68;  wahrlich,  die  mü- 
den gutthäter  müssen  sich  viel  gefallen  lassen  Gutzkow 
zaub.  V.  Rom  4,  137;  {sie  seien)  nicht  nur  ohne  schuld  an 
den  verwandten,  sondern  ihre  guttäter  P.  Dörfler  Apol- 
lonias  sommer  (1932)  146;  vgl.  mundartlick  noch  Müller 
rkein.  2,  1524. 

2)  spezieller  zu  guttat  2  c  'jem.,  der  eine  Stiftung  oder 
sckenkung  mackt' :  helffen  mir  auch  gott  bitten  für  alle  die, 
die  disz  gotzhusz  und  des  gotzdiensts  darinn  stiffter .  .  . 
oder  gutthäter  seindt  manuale  curat.  (1516)  67'';  wie  grosze 
friheit  der  orden  inhelt  und  manig  der  messen  für  all  gut- 
thäter bei  Schade  sat.  u.  pasqu.  3,  21;  mitstiffter  und 


1481 


GUTTÄTERBUCH -GUTTER 


GUTTER 


1482 


gütthäter  desz  closters  Wettingen  Stumpf  Schweizerchron. 
(1606)  468*;  es  ward  1743  von  Michael  v.  Khienmayr  .  .  . 
zuerst  zu  bauen  angefangen  und  von  ihm  und  mehrern 
gutthätern  allein  42,000  fl.  auf  das  gebäude  verwendet 
Fb.  Nicolai  reise  d.  Deutschi.  (1783)  3,  36. 

3)  seltener  entsprechend  guttat  l  für  'jem.,  der  recht- 
schaffene, fromme  werke  tut\'  davon  die  wirckheiUgen  und 
guttheter  gar  nichts  wissen  Luther  6,  209  W.;  (dasz)  güt- 
thäter und  übelthäter  under  in  waren  Seb.  Fbanck  chron. 
Oerm.  (1588)  201*.  —  guttäterbuch,  n.,  btich  der  Stifter, 
vgl.  Fischer  schwäb.  3,  Qll  {beleg  d.  17.  jhs.).  —  gut- 
t&terin,/.,  'Wohltäterin' :  Johan  Eberlin  von  Gintzburg 
wünscht  gnad  und  frid  .  .  .  seiner  lieben  gedrewen  gut- 
thaterin  Eberlin  v.  Günzburg  s.  sehr.  3,  126  ndr.;  dasz 
er  . .  .  seiner  gutthäterin  die  noth  seines  herzens  klagen 
könnte  bb.  Grimm  kinder-  u.  hausmärch.  (1812)  2,  294. 

GUTTÄTIG,  adj.,  zu  guttat  gebildet;  nach  guttat  1 
'rechtschaffenes  tuend",  weniger  häufig: 

die  schuldigen  berefsen, 
die  guttetigen  leren 

Heinr.  V.  Hkslbr  apokal.  6339  fl.; 

gleichwol  wird  solche  hohe,  unschuldige,  gutthetige  und 
bey  jederman  wol  verdiente  person  .  .  .  zum  tode  ver- 
dampt  Luther  28,  226  W.;  so  sind  die  Engelländer  gut- 
thätig  und  fromm  ÜARSDÖRFEn frauenz.-gesprächsp.{l&il) 
2,  186;  meist  zu  guttat  2  a  gehörig  'wohltätig,  mildtätig, 
gnädig',  vgl.  gütthätig  beneficus  Calepinus  XI  ling.  (1598) 

168»: 

umb  das  ich  (gottes  gnade)  gutdedlg  bin 
nnd  kein  scheldersze  nlt  enbin 

pilgerf.  d.  träum,  mönchs  1561  Bömer; 

dartzu  auch  die  unvoniunftige  thier  yhres  gleichen  gut- 
thetig  und  mild  sein  Lütheb  6,  272  W.;  das  bedeut,  dasz 
wir  uns  gutthetig  gegen  allen  menschen  erzeigen  sollen 
Heyden  Plinius  (1565)  463 ;  den  himmel  nennt  man  gnädig 
und  die  unsterblichen  einwohner  desselben  gütthätig 
ßonoTTEL  friedenssieg  29  ndr.;  ich  wolte  mich  der  armen 
mit .  .  .  treuem  hertzen  (und) , . .  gutthätiger  band  anneh- 
men Schupp  sehr.  (1663)  429;  damit  ich  diesen  gutthätigen 
leuten  nicht  zur  last  werden  möchte  Gellert  «.  sehr. 
(1783)  4,  280;  da  er  seine  sinne  an  der  kühnen  hofnung 
weidete,  der  verrufene  kriticomastix  .  .  .  möchte  sich 
selbst  dieser  gutthätigen  handlung  unterziehen  Gebsten- 
BBRG  br.  üb.  merkw.  d.  litt.  25  lit.-denkm.;  vgl.  mundart- 
lich Fischer  schwäb.  3,  971 ;  göddedig  Vollbeding  plattd. 
27.  zu  guttat  4  'tüchtig' :  der  künig  solt  reilicher  den  gut- 
thätigen begaben  Seb.  Münster  cosm.  (1564)  1460.'  — 
guttätigkeit,/.,  aus  guttätig  gebildet;  entsprechend  gut- 
tat 2  a  'ivoKltätigkeiV:  gutthätigkeit  beneficentia  Cale- 
pinus XI  ling.  (1598)  168*,  Charites  die  drey  göttinnen 
der  gutthätigkeit  onom.  85*';  dasz  er  {der  spruch)  eigent- 
lich von  der  gutthetikeit  soll  gesagt  sein  J.  Meniüs  spr. 
Salomo  (1526)  66'';  darumb  sollen  die  knaben  in  alle  weg 
zur  guttetigkeit  und  almosen  gewehnet  werden  BarTh 
weibersp.  (1565)  g  3*;  ein  fürst  solle  langsam  zur  räche, 
hurtig  aber  zur  gutthätigkeit  sein  Zinkgref  apophthegm. 
(1628)  19;  damit  er  den  reichen  umb  seiner  demut  und 
gutthätigkeit  willen  krönen  möchte  Grimmelshausen  2, 
412  Keller;  er  gab  ihr  zu  überlegen,  ob  er  nicht  dessen 
gutthätigkeit  mit  undanke  belohnen  {müszte)  Fr.  Nicolai 
Seb.  Nothanker  (1773)  3,  136;  {die)  religion  deszen,  .  . .  der 
gutthätigkeit  gegen  andere  zum  wesen  der  religion  machte 
Herder  23,  105  S.;  vgl.  mundartlich  guttätigkeit  'wohl- 
vDoUen'  Müller  rhein.  2,  1524;  verdinglicht  für  die  gäbe 
selbst:  mit  geschenken  und  allerhand  gutthätigkeiten 
E.  Francisci  lust.  schaub.  (1698)  572;  nur  durch  drei- 
maliges hinausgehen  konnte  eine  förmUche  mahlzeit  ver- 
hindert, die  gutthätigkeit  auf  einen  kaffee  zurückgebracht 
werden  J.  Gotthelf  ges.  sehr.  2,  328.  —  guttau,  n.,  zu 
gut,  n.,  B  1  g  y:  'guttaue,  taue  amrande  dersegeV  Schea- 
DER  dtsch.-frz.  1,  586. 

GUTTER,  m.,  f.,  flasche  mit  weitem  bau^h  und  langem, 
engem  halse,  der  sich  zu  einer  trinkschale  erweitert;  aus 
spätantiker  kultur  stammende  gefäszform,  vgl.  zur  sach- 
geschichte  ztschr.  f.  bild.  kunst  62,  37^.  u.  166^.,  Belvedere 
11,  85^.  auch  auf  den  destillierkolben  angewendet  in  zahl- 


reichen formenvarianten  wie  gütter,  guttere,  guttem,  gut- 
terer,  gutturf,  guttruf,  gutrolf,  gutterolf  auftretend,  neben 
denen  solche  mit  k-  im  anlaut  stehen,  s.  kutter  teil  5, 
sp.  2905  und  kutrolf  sp.  2883;  etymologische  versuche  ebda 
sp.  2884;  entlehnung  aus  lat.  gutturnium  ist  besonders 
für  die  formen  unter  3  wahrscheinlich,  die  form  gutter 
scheint  direkt  mit  lat.  guttur  {in  mischung  mit  guttus?) 
in  Verbindung  zu  stehen,  vielleicht  gehört  bereits  spätahd. 
gutter  hierher,  falls  etwa  ein  Zusammenhang  zwischen  der 
er  scheinung  sform  des  kröpf  es  und  der  benennung  der  dick- 
bäuchigen flasche  zu  suchen  ist:  föne  diu  ward,  daz  Catullus 
Nonium  gutter  hiez,  do  er  an  demo  herstuole  säze  {unde 
Catullus  Nonium  licet  sedentem  in  curili  tarnen  struma 
appellat)  Notker  3,  107*^  Hattemer,  vgl.  gutter  'kröpf, 
dicker  hals'  Staub-Tobler  2,  533,  und  mlat.  guttura 
*kelsucht,  halszgeschumlst'  Dikfenbach  gl.  272^  {voc.  theut. 
V,  1482);  mundartlich  im  bair.-alem.,  besonders  Schweiz., 
bezeugt. 

1)  gutter,  gütter,  als  m.  {oder  n.?),f.,  pl.  gutteren;  vgl. 
gutter  fiala  Diefenbach  nov.  gl.  172^:  darnach  nimpt  der 
rabbi  aber  ein  gutter  mit  wein  S.  Fbanck  weltb.  (1567) 
165*;  /ür  'euter' :  die  gaisz  wirt  fürnämlich  gelopt ... ,  wann 
si  ouch  ains  groszen  gutters  ist  und  der  überflüssigen  milch 
H.  Östebbeicheb  Columella  2,  86  lit.  ver.;  gutter  'meist 
dickbauchige,  enghalsige  kleine  flasche;  krug,  kolben  aus 
stein  oder  glas'  FiscHEn  schwäb.  3,  971;  gutter,  m.,  Schmid 
schwäb.  246;  der  gütter  Seileb  Basler  ma.  156;  gutter,  m., 
Staub-Toblee  2,  532;  gutter,/.,  'gläserne  flasche'  K.  Rei- 
SEE  sagen,  gebr.,  sprichw.  d.  Ällgäus  2,  707; 

2)  guttere,/.,  vgl.  gutter(e)/.,  Mabtin-Lienhaet  1,  247, 
guttere,/.,  'flasche'  A.  Webeb  ma.  d. Zürch.  Oberlandes  46, 
guttere  Bühleb  Davos  2,  39,  guttere  Seileb  Basler  ma. 
156;  etwa  hieraus  latinisiert  guttura  'gieszfasz'  {voc.  theut. 
1482)  Diefenbach  gl.  272^? 

3)  guttern,  gutteren,  /.  {av/:h  m.?),  vgl.  guttern  /., 
Schmelleb-Fb.  1,  963,  gutteren,/.,  Staub-Toblee  2,  532: 
ein  gieszfasz  oder  tropfgeschirr,  ein  ölkrüg,  ein  gutteren 
und  geschirr  mit  einem  zougen  guttus  Feisius  eis**;  ein 
fach  oder  feymer,  gutteren,  dareyn  das  roszwasser  oder 
dergleychen  empfangen  wirt,  wenn  man  distilUert  excipu- 
lus  497*;  melancholy,  die  alles  das  ins  menschen  hertzen 
ist,  zeiget,  gleych  als  das  so  man  in  einem  glasz  oder  gute- 
ren  sieht  155^,  vgl.  ein  ölgutteren  von  glasz,  ein  krug,  ein 
geschirr  das  ein  weiten  bauch  hat  ampulla  Calepinus 
XI  ling.  (1598)  83'';  der  trug  zwo  gutren  in  ietweder  band, 
ain  mit  wissen,  die  ander  mit  rotem  win  Richental  chron. 
d.  Conet.  conz.  120  lit.  ver.;  die  eyer  werdend  mit  essich 
also  lind  gemacht,  dasz  sy  durch  einen  fingerring  ge- 
stoszen  werdend,  item  in  ein  gutteren  Heeold-Fobee 
Oesners  thierbuch  (1563)  2,  87*;  fahe  mayenthau  auf,  .  .  • 
thue  ihn  in  ein  gutterglas  und  gaffer  darzu,  nach  dem  die 
gutter  ist  Gäbelkovee  ortzneyt.  (1596)  2,  95;  die  groszen 
viereckhigen  guttem,  so  stärkher  als  die  andern  runde, 
tuet  man  in  ein  fils,  das  sie  nit  verstoszen  werden  {v.  7.1709) 
bei  Schmellee-Fe.  1,  963;  {der  tierarzt  sagte:)  das  ist  von 
den  feinen  einer  {ein  melkknecht),  der  .  .  .  nimmt  nicht  die 
leere  guttem  zur  gewohnten  zeit  zum  melken  J.  Gott- 
helf ges.  sehr.  3,  192. 

4)  gutterer,  m.:  ain  bittrich  oder  flasch  oder  krug  mit 
aim  kragen  oder  gutterer  bauculum,  vas  ex  ligno  Pinicia- 
Nus  prompt.  (1516)  D  3'';  gutterer,  ängster  Haesdöefeb 
poet.  trichter  (1647)  2,  146  {wortbuch). 

5)  gutturf,  guttruf,  m.,  u.  ä.  ist  bis  ins  17.  jh.,  lexikalisch 
bis  ins  18.  jh.  bezeug,  vgl.  guttrof  artista  {vas)  Diefenbach 
gl.  5ic,  ghüddorff,  flesch  Albeeus  nov.  dict.  (1540),  gut- 
torf  guttus,  poculum  rorans  Zehner  nomencl.  (1645)  368, 
guttruff,  gieszkanne  guttus  thes.  lat.-germ.  (1687)  404,  gut- 
ter, guttert,  gutturff  ampulla,  bombylius  Alee  dict.  (1727) 
1,  1001  *>:  Moses  und  Job  erwenen  meines  wissens  ge- 
schmeltzten  glases  oder  glesem  geschirr  ninder,  denn 
das  die  Rabinen  das  wort  zinzsenet  exodi  16  in  jrer 
verdeutschten  postille  ein  glas  oder  guttrof  geben,  kön- 
nen sie  mit  gutem  gründe  nit  erhalten,  wir  lassen  es 
ein  geschirr  sein,  das  oben  weit  und  unten  enge  ist, 
wie  man  solche  ehme  unnd  gleserne  gefesz  noch  hat. 


1483 


GUTTER-GUTTIEREN 


GUTTÜCH-GUTVERSCHWENDER      1484 


die  do  kuttern,  klunckern  oder  wie  ein  storch  schnat- 
tern, wenn  man  drausz  trincket  Mathesius  Sarepta 
(1562)  268'';  (mittags)  hett  jeder  (mönch)  ein  gutteruff  vor 
sich,  soffen  einander  weidlich  zu  Kirchhof  wendunrmdh 
(1565)  2,  420'»;  ein  langhälsiger  gutterruf  Fischart  binen- 
korb  {1&88)  122»;  damit  möcht  ihr  mitdemguttaruf  gluck- 
tratrara  singen  Oargantua  43  ndr.;  gutruf,  angster,  trink - 
geschirr  J.  Sommer  ethnogr.  mundi  (1614)  1,  76;  wenn  man 
.  .  .  aus  einem  Zuckerrohr  sieben  engster  oder  gutruffen 
füllen  soU  J.  Ph.  Abelin  hist.  antipod.  (1631)  110;  ein  stru- 
deln und  brudeln  der  in  diesem  gutturf  aufwallenden 
weüenJ. Bälde  trucken  trunkenh.  (1658)  31 ;  im  compositum: 

da  fleng  der  pawer  seinen  brunnen  (harn) 

in  ein  guttroffglas  ...  H.  Sachs  9,  312  K. 

6)  gutrolf,  gutterolf,  m.,  u.  ä.,  bis  zum  16.  jh.  belegbar; 
zuf ruhest  als  gutrolf e  (plur.)  in  der  Casseler  hs.  des  WiUe- 
halm  V.  1334  {vgl.  Wolfram  v.  Eschenbach  Willeh.  326, 
17)  bezeugt,  vgl.  gotrolff  fiala  Diefenbach  nov.  gl.  172'': 

vor  zyten  setzt  man  guttrolff  dar, 
'     gleser  mit  den  engen  liiagen 

Thomas  Murner  die  mülle  1070  Albrecht; 

in  komposition:  ein  gutteroKglasz,  den  gemeinen  leuten 
wol  bekant  Hier.  Braunschweig  kunst  d.  destill.  (1509) 
1351;  setzet  er  ihm  ein  süpplein  vor  in  eim  glasz  mit 
eim  engen  halsz,  ein  gutterolf  genandt  Kirchhof  wend- 
unmuth  4,  260  Österl.;  —  gutterglas,  w.,  was  gutter, 
vgl.  gutterglas,  engster  Stieler  1050:  fahe  mayenthaw 
auf,  .  .  .  thue  ihn  in  ein  gutterglas  Gäbelkover  artzney- 
buch  (1596)  2,  95.  —  gutterkrug,  m.,  zu  gutter,  'krug 
mit  engem  hals,  sauerbrunnenkrug':  die  Stumpfen  führ- 
ten ein  wasserkrug  oder  gutterkrug  im  schildt  W.  Hund 
bayr.  stammenb.  (1585)  1,  343.  —  gütterlein,  ».,  deminu- 
tivbildung  zu  gutter,  vgl.  gütterlein  guttulus  Diefenbach 
gl.  272 »:  ein  mügel,  ein  gütterlin  oder  ein  kruso  oder 
was  trinkgesehirre  es  ist  {v.  j.  1456)  bei  Schmidt  eis.  161 3'; 
die  salb  thüet  es  (dasz  die  hexen  auf  der  ofengabel  reitend 
herumfliegen)  auch  nit,  sunst  wan  sie  ein  gütterlin  salbete, 
dasselb  für  auch  darvon  Geiler  v.  Keisersbebg  emeia 
(1516)  54b;  etliche  bringen  gütterlein  voU  öl,  salben  da- 
mit das  bUd  Widerhold  beschr.  d.  reisen  (I68I)  2,  69''; 
schütte  es  alsdann  in  ein  gütterlein  Hebel  w.  2, 203  Beh.; 
den  ganzen  Unterleib  waschen  sie  alle  drei  stunden  mit 
Wasser  in  dem  langen  gütterlin  J.  G.  Zimmermann  briefe 
4;  Ferdel,  hör,  der  vater  wartet  auf  das  gütterli  da 
H.  Fedbrer  berge  u.  menschen  (1911)  16.  —  guttern- 
macher,  m.,  flaschenmacher,  vgl.  ein  guttermacher  am- 
pullarius  Frisius  89'',  Maaler  200<i.  —  guttern,  vb.,  zu 
gutter,  doch  vgl.  auch  mhd.  kuteren  Lexer  1,  1804,  nhd. 
kuttern  teil  5,  sp.  2805:  'gutteln,  guttern  ein  geräusch 
machen  wie  flüssigkeit,  welche  aus  einem  enghälsigen  gefäsz 
ausgegossen  wird'  Schmeller-Fr.  1,963;  Stalder  1,489; 
'gutt(e)ren  ein  geräusch  machen  une  eine  flüssigkeit  .  .  ., 
glucksen,  rumpeln,  kollern  im  magen'  Fischer  schwäb.  3, 
972;  8  haut  guttret  inn  wia  im  a  schlauch  Birlinger 
schwäb. -augsb.  208'';  im  sinne  'aus  dem  gutterkrug  trinken, 
eine  flusche  ausleeren'  Fischer  a.a.o.  nicht  sicher  hierzu  die 
bedeutungen  'werfen,  treiben,  machen"  und  'butter  machen' 
ebda.  —  gutternputzer,  m.,  Schweiz,  pflanzenname; 
wegen  der  kolbenartigen  bluten,  die  wie  flaschenbürsten  aus- 
sehen, zu  gutter;  für  den  rohrkolben  ( typha  latifolia)  Pritzel- 
Jessen  4:17;  für  eine  distelart  [dipsacus  silvestris)  ebda  136. 

GUTTREFFEN,  vb.,  zusammenrückung  mit  gut  VII 
A  1  a:  einige  junge  buchhalter  oder  gelehrte  spielten 
bratsche,  cello  oder  entwickelten  guttreffende  stimmen 
Gutzkow  zaub.  v.  Rom  1,  274;  substantivisch:  einer  der 
schützen  sagte,  zum  gutzielen  und  guttreffen  müszt  man 
satt  sein  M.  Reich  ausgew.  w.  120.  —  guttreiben,  vb., 
technischer  ausdruck,  zu  gut  IA2cy;  Öfen,  in  welchen 
guttreiben  (des  silbers)  stattfindet  Muspratt-Stohmann 
7,  1556. 

GUTTIEREN,  vb.,  zu  gutter  in  der  bedeviung  destil- 
lier kolben  gebildet  im  sinne  'herausträufeln':  solches  ist  al- 
chimistisch zugerichtet,  dasz  ein  tropffen  dem  andern 
nach  sich  herab  vütriere,  distilliere  und  guttiere  in 
tropffensweise  Paracelsus  opera  2,  84  Huser. 


GUTTUCH,  n.,  entspr.  gut  II  A  1  (sp.  1260)  kostbares, 
wertvolles  wolltuch,  bes.  scharlachtuch,  vgl.  guetduech  ganz 
wollenes  zeug  Seiler  Basler  ma.  153;  das  ganzwollene  guet- 
tuch  (im  gegensatz  zum  halbleinen)  Friedli  Bärnd.  1,379; 
(er  war)  der  erste,  der  in  unserm  dorfe  ein  scharlachwama 
und  fremdes  guttuch  zum  kittel  trug  Pestalozzi  sehr. 
(1819)  2,  260.  —  guttuchen,  guttüchen,  adj,,  zum  vorigen 
gehörig,  vgl.  guadtüachan  'von  echtem  scharlachtuch',  z.  b. 
9  guadtüachonen  brustfl6k  Schmeller-Fr.  1,  963:  ihr 
herren  reisende  und  ihr  in  schwarzen  oder  guttuchenen 
kutten  wisset  nicht,  was  vorgeht  im  eigentlichen  volke 
J.  GoTTHELF  ges.  sehr.  12,  164.  —  guttuer,  m.,  'Wohl- 
täter', vgl.  guttäter:  die  pettelörden  baten  got  tag  und 
nacht,  dasz  ire  gutthuer  und  speiser  wider  komen  städte- 
chron.  3,  148.  —  guttun,  vb.,  zusammenrückung  aus  der 
formet  gut  tun;  zu  gut  I  A  2  c  e  aa  (sp.  1234/.)  'vergüten': 
(dasz  man)  ihm  sogar  das  pachtgeld  gegen  gute  aufsieht 
gutthäte  GÖTHB  IV  11,  235  W.;  etwas  montirungsgeld 
und  einem  jährlich  durch  80  thaler  'gutgethanen',  d.  h. 
selbst  zu  stellenden  pferde  Gutzkow  zaub.  v.  Rom  2,  75; 
zu  gut  Vn  A  1  d  y  'sich  ordentlich  betragen' :  (ein)  zum 
leichtsinn  geneigter  bursch,  der  nicht  überall  gutthat 
M.Meyr  erz.  a.  d.  Ries  2,  422;  zu  gut  VII  E  bzw.  gut,  n., 
A  5  'rechtschaffen  handeln':  es  ist  kein  gerechter  mensch 
auf  erden,  der  in  dem,  das  er  gutthuet,  nicht  sundigte 
(pred.Salom.  7,  21)  Lvthbvi  bibel  9,  155  W.;  substantivisch: 
dann  er  im  alles  gütthüns  unbewyst,  wie  Christus  sprach : 
sie  reden,  aber  sie  thüns  nicht  J.  Nas  antipap.  eins  u. 
hund.  (1567)  3,  39»;  zu  gut  VII  A  1  d  d"  'wohltätigkeil': 

es  nelimen  doch  die  lente 
mein  gutthan  gegen  sie  nicht  auf  der  schlimmen  seite? 
Gottsched  dtsche  schaub.  6,  416. 

GUTTURAL,  adj.,  adv.,  oft  substantiviert;  phonetischer 
terminus  nach  gutturalis  zu  lat.  guttur  'kehle'  von  sprach- 
lauten im  sinne  'in  der  kehle  gebildet':  davon  nimmt  der 
herr  Verfasser  die  gutturalen  oder  kehlbuchstaben  zuerst 
vor  Gottsched  d.  neueste  (1751)  2,  338;  die  rückkehr  der 
vielen  gutturalen,  welche  überhaupt  das  mongolische  aus- 
zeichnet Ritter  erdk.  3,  II6.  —  gutturalaussprache, 
/..•  wuszte  denn  der  Verfasser  nicht,  dasz  das  patach  furti- 
vum  blos  die  gutturalaussprache  anzeige  ?  allg.  dtsche  bibl. 
101,  535.  —  gutturalreihe,/.  ."SO  kann  der  in  der  dental- 
reihe entstandene  laut  unmöglich  von  derselben  qualität 
sein  wie  die  in  der  labial-  und  gutturalreihe  entstandenen 
W.  Schbrer  kl.  sehr.  1,  283.  —  gutturalsprache,  /..• 
die  gröbei'e  gutturalsprache  der  bergbewohner  Ritter 
erdk.  15,  314. 

GUTTUUNG,  /.,  zu  gut  tun,  vgl.  gut  I  A  2  c  e  aa  (sp. 
1234/.)  im  sinne  'entschädigung' :  (der  vater)  hat  an 
seine  correspondenten  die  Verfügung  ausgehen  lassen, 
an  seinen  söhn  keinen  thaler  mehr  ausztizahlen  bey 
Verlust  der  gutthuung  Göttinger  Student  auf  d.  Plesse 
(1748)  1,  161;  weil  ich  eine  geliehene  (laute)  einem  armen 
Studenten  V.  verdorben  hatte,  der  sich  von  der  musik 
ernährte,  und  dem  ich  keine  gutthuung  dafür  erwiesen 
Hamann  sehr.  1,  203  Roth.  —  gutverdämpfer,  m.,  zu 
gut,  n.,  B  1  b  'prasser,  Verschwender' :  gutverdempffer 
catillo  Diefenbach  gl.  107''  (1590),  vgl.  catillones  schl&m- 
mer,  fräsz,  gütdämpfer  Frisius  dict.  (1568)  198».  — 
gutvergesz,  m.,  name  des  andorn  (marrubium  vulgare) 
Nemnich  wb.  d.  naturgesch.  217;  entstellt  aus  gottver- 
gesz,  vgl.  Pritzel-Jessen  230/.  —  gutvergeuderin, 
/.,  zu  gut,  n.,  B  1  b  'Verschwenderin' : 

(mode,)  du  flinkste  gut-  und  geldvergeuderln 

Hoffmann  v.  Faherslebbn  geg.  sehr.  5,  297. 

—  gutverlämmerer,  m.,  zu  gut  B  1  b  'Verschwender' : 
ihr  aufhaspler,  gutverlämmerer,  vaterverderber  Fischart 
Garg.  15 ndr.  —  gut ver schiin derin,/.,  zu  gnt,  n.,  Blb 
'Verschwenderin' :  dises  aber  gedeiet  solchen  prachtschaben 
und  gutverschlinderin  zulezt,  eben  wie  dem  prassen^olf 
Fischart  3,  251  Hauffen.  —  gutverschwender,  m.,  zu 
gut,  n.,  Blb,  vgl.  mhd.  guotswendsere  Konrad  v.  Haslau 
jüngl.  363,   guotswent   Sbifrid  Helbling  2,  429  Seem.: 

ir,  Finnen  und  Lappländer, 
das  seind  die  rechten  gutverschwender 

Opbl-Cohn  dreiszigj.  krieg  421. 


1485     GUTVERSCHÖSSER-GUTWILLIG 


GUTWILLIG 


1486 


—  gutverschösser,  m.,  zu  gut,  n.,  Blb  'verarmter 
mensch'  luxemb.  ma.  523.  —  gutverzehrer,  m.,  zu  gut, 
».,  B  1  b  'prasser,  verschwender\  vgl.  gutverczerer  ambro 
DiKFENBACH  gl.  20^,  prass,  guotverzerer  comedo  ebda 
134C  (15.  u.  16.  Jh.),  vgl.  Fischer  achwäb.  3,  973  {v.  j.  1521). 

GÜTVOGEL,  m.,  nd.  name  einer  schnepfenart,  der 
'grosze  und  der  kleine  brachvogeV  {numenius  arquatus  bzw. 
phaeopus):  regen-,  güs-,  güth-,  jütvogel,  kücker  Bkehm 
tierl.^  6,  15;  Naumann  naturgesch.  d.  vögel  8,  478.  vgl. 
gieszvogel  (steirisch)  Sdolahti  vögeln.  281. 

GUTWAGEN,  s.  güterwagen.  —  gutwährung,  f.: 
'gutwährung,  freiwillige  ablegung  eines  dinges,  einer  ge- 
wohnheit,  frz.  abdication,  intermission'  Schradeb  disch.- 
frz.  1,  580;  vielleicht  hierzu:  dicitur  enim  das  schelten, 
treiben,  auftreiben,  nachschreiben,  fuszhalten,  gutweh - 
rung  A.  BeiePv schelten d.  handw.  (1689)  55.  —  gutwand- 
lung,/.,  zu  gut  V  B  3  c  'rechtschaffener  wandeV:  habt  eur 
gutwandlung  unter  den  leuten  cod.  Tepl.  3,  9  Huttier.  — 
gutwartung,  /.,  zu  gut  III  A  2  'sorgsame  pflege':  eine 
einzige  aderlässe  bekam  mir  treffüch  neben  der  gutwar- 
tung, die  ich  empfing  Grimmelshausen  Simpl.  541  ndr.  — 
gutwerdung,  /.,  zu  gut  I  A  5  c  a  aa  {sp.  1246)  im,  sinne 
'bürgschaft':  Nicolaus  Ulrich  (soll)  solcher  gutwerdung 
entladen  und  losz  gezcalt  werden  (v.  j.  1494)  bei  Haltaus 
gloaa.  766.  —  gutweizen,  m.,  zu  gut  II  A  2,  ein  weizen 
gvier  qualität:  sortirung  des  gutweizens  Karmarsch - 
Hebren  6,  3.  —  gut  werk,  n.,  zusammenrückung  aus 
gutes  werk ;  zu  gut  IV  C  3  'freundliche  tat,  wohltat' : 

BÖ  deda  the  drohtines  sunu      dagö  gehwillkes 
gödwerk  mld  is  jungoron  Heliand  2285  Heyne; 

zu  gut  V  3  a  a  'frommes,  tugendhaftes  werk' :  das  ist  das 
oynigk,  höchst  und  das  gewissest  gutwerck,  das  wir  uf 
erden  thun  mögen  Hartmuth  v.  Cronberg  sehr.  50  ndr.; 
mundartlich  spezialisiert  im  sinne  'gevatterstehen'  Unger- 
Khuxl  313ä'.  —  gutwetterperiode,/.,  zu  gutes  wetter, 
vgl.  gut  III  A  2  a  (sp.  1271):  wir  benutzten  jede  gutwetter- 
periode zu  Spaziergängen  J.  G.  Kohl  Alpenreisen  l,  11,  vgl. 
gutwetterwind  Fischer  schwäb.  3,  973.  —  gutwierig, 
adj.,  im  16.  jh.  vereinzelt  auftretend;  ^brauchbar,  geeignet' : 
die  euszerst  rind  von  den  (cocos)nüssen  gescheit,  ist 
gutwirig  zuverbrennen  Seb.  Franck  iceltb.  (1534)  206^; 
'berechtigt':  ist  mein  .  .  .  pitt,  solche  .  .  .  verpott  ufzu- 
heben  und  mich  in  meiner  gutwirigen  und  wolbecleidten 
gerechtickheit  und  possession ...  zu  lassen  Amalie  v.Ysen- 
bürg  an  Philipp  v.  Hessen,  ungedr.  schreiben  v.  j.  1535. 

GUTWILLE,  m.,  zusammenrückung  aus  guter  wiUe,  vgl. 
gut  IV  B  2  a  (sp.  1293/.)  im  sinne  'freundlicher  wille,  innere 
bereittvilligkeit' : 

disz  Ist  nimmer  kein  wolthat  gut 
wanns  der  gutwill  nicht  wircken  thut 

Eyerjng  prov.  cop.  (1601)  3,  382; 

mehr  zu  gut  IV  B  2  b  hin  steigernd  'freier,  eigener  unlle': 
der  die  weit  durch  ihren  eignen  mutwillen  oder  gutwillen 
betriege  M.  Hayneccius  schuüeuffel  (1603)  vorr.;  zu  gut  V 
Blb  (sp.  1305)  'rechtschaffener,  aufrichtiger  wille': 

fürwahr,  der  ist  gutwlllens  blind, 

. .  .  der  solcheä  führt  in  streit  und  frag, 

was  öffentlich  liegt  an  dem  tag 

Opel-Cohn  dreiszigj.  krieg  331. 

—  gutwillen,  vb.  aus  guter  w"lle,  vgl.  gut  IV  B  2  a  ge- 
bildet im  sinne  'guten  ivillen  beweisen,  willfahren': 

uf  daz  er  sie  (das  volk)  gestillete 
und  iren  mut  gutwillete, 
so  nam  Johannes  ienez  gut 

buch  d.  Makkabäer  11470  Helm. 

GUTWILLIG,  adj.,  auch  adv.;  schon  in  ahd.  zeit  aus  der 
formelhaften  Verbindung  guter  wille  geschaffen  und  bis  in 
heutige  spräche  durchstehend. 

1)  zu  gut  V  B  1  b  (sp.  1305)  gebildet. 

a)  die  bedeutung  'einen  tugendhaften,  frommen  willen 
habend'  bleibt  auf  ältere  spräche  beschränkt,  vgl.  gütig, 
fromm,  auf  rächt,  on  boszheit,  ungefelscht,  gutwillig  can- 
didua  Frisius  180»; 

8Ö  thu  nl  wlli,  that  thär  antgeldan      guodwillige  man 
wamscadöno  werek  as.  genesis  198  Heyne; 


guotwillige  mennisken  (sacratoa)  Notker  bei  Gbaff  l,  829, 
guotwiUigen  (piis)  ebda; 

unde  (dasz)  sie  {die  geistlichen)  den  unturen 

ires  irretumes  sturen 

mit  yserinnen  gelten, 

die  gutwilligen  zerten, 

daz  honic  bevorn  in  troufen 

Heine,  v.  Hesler  apocal.  2290  H.; 

wie  got  einen  iegeUchen  gütwilhgen  menschen  suchet  mit 
manigerleige  widerwertikeit  Tauler  pred.  131  F.;  die 
guotwiUigen  menschen  loufent  irrende  alse  die  scheiJelin 
under  den  woHen  Nicolaus  v.  Basel  246  Schmidt;  desz- 
halb  het  got  aufgericht  das  gepot  der  gehorsam,  darein 
sich  gütwilhger  mensch  solt  ergeben  und  gegen  got  under- 
thänig  machen  Berth.  v.  Chiemsee  t.  theol.  256  R. 

b)  in  jüngerer  spräche  in  abgeschwächter  Verwendung,  die 
oft  mit  2  verrinnt,  einen  'rechtschaffenen  redlichen,  aufrich- 
tigen, ehrlichen  willen  habend',  auch  'das  gute  wollend': 

kurzewliff  und  geselleschaft 

nement  e  der  zit  den  liuten  ir  kraft, 

die  blctde  und  doch  guotwillic  sin 

Hugo  V.  Trimbekü  rennet  9873  Ehr.; 

der  pabst  war  guetwillig  und  bekennet  frei,  es  geschech 
kaiser  Ludwig  unrecht  J.  Turmair  w.  5,  485  Lexer;  der 
englischen  hartköpfe  ziel  zu  verrükken  und  den  guht- 
wiUigen  einen  muht  zu  machen  Zesen  gekr.  majestät  (1661) 
149;  die  geduld  ist  in  der  that  ein  schönes  weibesbild, 
welches  nur  diejenigen  glücklich  machet,  die  ihrer  liebe 
guttwillig  genieszen  Warnecke  poet.  vers.  (1704)  252;  die 
mitglieder  waren  meist  erwekte  und  gutwUh'ge  leute,  die 
sich  herzlich  darüber  freuten,  wenn  was  gutes  geschah 
J.  RiSLER  Spangenberg  (1794)  178;  oft  mit  abschätzigem 
beiklang  bei  dem  mehr  oder  minder  betonten  gegensatz  zwi- 
schen wollen  und  handeln:  ein  zwar  wohlmeinender  und 
gutwilliger,  aber  doch  sich  übereilender  . .  .  junger  mann 
Göthe  IV  28,  314  W.;  der  andere  (arzt  ist)  zwar  ein  güt- 
wilhger mensch,  der  aber  nicht  viel  gelernt  hat  G.  For- 
ster s.  sehr.  7,  297 ;  dann  gibt  es  aber  auch  noch  .  .  .  eine 
menge  blos  gutwilliger  seelen  Jung-Stilling  s.  sehr.  5,  67. 

2)  die  ausgebreitetste  Verwendung  schlieszt  sich  an  gut  IV 
B  2  (ap.  1293^.)  an;  in  älterer  spräche  steht  wohlwiUig,  vgl. 
ahd.  welawiUig  benevolus,  benignus  Graff  l,  829,  als  kcn- 
kurrent  für  diesen  bedeutungszweig  neben  gutwillig,  sodasz 
aUe  belege  weniger  häufig  sind. 

a)  zu  gut  IV  B  2  a  im  sinne  'freundlichen,  geneigten 
tvillen  habend  oder  zeigend',  vgl.  gutwillig  benivolus  Die- 
fenbach  gl.  7l<^,  gutwillic  clemens  126^^,  gudwillig  mitia  364  ». 

a)  allgemein  als  eigenschaft  aktiven  strebens: 

endi  fridu  an  erdu       flrihö  barnun 

gödwilligun  gumun  Heliand  421  Heyne; 

mit  kuotwUhgemo  muote  (benigna  mente)  Notker  pa.  61, 5; 

mit  der  rede  machte  ich  dö 
die  gebür  guotwillic  unde  frö 

Hugo  v.  Teimberq  renner  1458  Ehr.; 
(sie  sei)  unfletlc  oder  schoene, 
guotwillic  alder  hoene 
Hugo  v.  Langenstein  MaHina  133, 104  K.; 

von  fründen  und  erkanten  gütwilligen  lüten  Niclas 
y.  Wyle  transl.  119  K.; 


(ich)  hab  in  gutwillig  geredt  an 

H.  Sachs  21, 


!  E.-  a.; 


die  weyl  got  als  eyn  gütwühger  almechtiger  artzt  sich  so 
gnedigkhch  erbeuttet  eynen  yetzüchen,  der  das  begert, 
gesundt  zu  machen  H.  v.  Cronberg  sehr.  136  ndr.;  zu 
dienst  dem  gütwilhgen  läser  Herold -Forer  Oesners 
thierb.  (1563)  116;  die  band  des  herrn  (hat  mich)  zu  solcher 
erkäntnus  gebracht,  damit  ich  vielen  menschen  gutwillig 
wiederumb  gedienet  habe  Jag.  Böhme  sehr.  (1620)  4,  220; 
viel  andere  mehr,  die  mir  treuhertzig  und  gutwillig  in 
vielem  an  die  band  gestenden  v.  Hohberg  georg.  cur. 
(1682)  1,  vorr.  a  4;  als  sie  in  den  völligen  besitz  aller  heihg- 
thümer  der  gütwilhgen  Sophia  gesetzt  wurden  Schwabe 
belust.  (1741)  1,  314;  indessen  bettelt  man  von  gütwilhgen 
beyträge  Göthe  IV  12,  236  W.;  sie  ärgerte  immer  durch 
Widerrede  den  gutwilligen  mann  A.  v.  Arnim  w.  9,  251  Or.; 
'freigebig' :  to  gutwilhg  es  half  lidderhch  Müller  rhein.  2, 


1487 


GUTWILLIG 


GUTWILLIG 


1488 


1524;  adverbial  'in  guter  ab8icht\-  ir  (der  ratsherren)  aUer 
unschuldt  dagegen  auszüfüeren  (würde)  gutwillig  und  be- 
dechtlich  underlassen  städtechron.  32,  281. 

ß)  von  der  mehr  passiven  unüenshaüung,  oft  mit  pejora- 
tivem einschlug;  im  sinne  'geduldig,  nachsichtig':  das  sol 
und  will  ich  für  vätterlich  Warnung  .  .  .  von  uwer  yedem 
gütwillig  dulden  und  ufEnemen  Fr.  Riederer  rhetor. 
(1493)  a2b;  man  spricht,  es  geschehe  die  gerechtigkeit, 
wann  die  partheyen  . .  .  gutwillig  und  mit  gedult  gehört 
werden  Nigrinus  v.  zäuberern  (1592)  287;  allein  allzu  gut- 
willig seyn  ist  keine  tugend  Chr.  Wolff  v,  d.  menschen 
thun  u.  lassen  (1720)  681;  wenn  sie  so  einfältig  seyn,  und 
den  schimpf  so  gutwillig  verschlucken  wollen,  so  wiU  ich 
für  sie  denken  theat.  d.  Dtschen  (1768)  12,  158;  die  deutsche 
weit  ist  gutwiUig,  sie  hat  sich  schon  sehr  viel  kompen- 
dienschreiber  für  Schriftsteller  aufdringen  lassen  Fr.  Ni- 
colai Seb.  Nothanker  (1773)  l,  92;  als  'gutmütig':  (er)  setzt 
seine  stinkende  faixlheit  noch  im  grabe  fort,  unter  der 
nase  des  gutwilligen  narren,  dem  er  seine  abgeschüttelte 
arbeit  aufgehalst  hat  Thümmel  reise  in  d.  mittl.  prov.  v. 
Frankr.  (1791)  6,  204;  das  wird  kaum  ein  gutwühger  narr 
glauben  Fr.  L.  Jahn  w.  2,  222  E.;  'verträglich,  nicht  stör- 
risch': dat  is  gaudwillig  veih  (von  den  schufen)  Schambach 
Gott.  60". 

y)  mit  abhängiger  präposition  gegen,  entsprechend  gut  IV 
A  1  b^;  darumb,  ihr  discipuh  ,  . .,  sollen  von  ewerm  gan- 
tzen  gemüt  ihnen  danckbar  seyn  und  in  allen  euch  gegen 
ihnen  als  moecenaten  gutwillig  erzeigen  und  dienstbar 
finden  lassen  Paeacelsus  opera  1,  282  Huser;  er  gegen 
alle  menschen  und  gegen  alles  ding  gutwillig  sey  JoH. 
Abnd  Thomas  a  Kempis  theol.  (1661)  45;  der  tischler  ist 
wohl  sonst  ein  ganzer  kerl,  aber  gegen  das  mädchen  ist 
er  zu  gutwillig  Storm  s.  w.  2,  132. 

b)  an  gut  IV  B  2  b  anschlieszend  im  sinne  'bereitwillig, 
willfährig,  willig'  zu  einem  handeln,  das  nicht  aus  freund- 
licher gesinnung,  sondern  aus  bloszer  innerer  tatbereitschaft 
hervorgeht,  vgl.  gutwillig,  wilf ertig /ociii«,  lubens  Deoima- 
TOR  thes.  (1615). 

a)  in  allgemeiner  Verwendung: 

lasz  dich  iecz  guetwlHig  finden, 
spar  nit  dein  vergifft  hefftig  pheyll 

altdt.  pass.-spiele  282  Wackerndl; 

es  weren  die  burger  guottwiUig,  ir  iaa,i(estät)  endtgegen 
zu  ziechen  städtechron.  25,  367;  so  bin  ich  gütwilHg,  öffent- 
lich zu  bekennen,  das  er  ein  besserer  ritter  sey  dan  ich 
Warbbck  Magelone  33  B.;  (sie)  fügten  sich  darauf  zu 
ihm,  den  betraffen  sie  gutwiUig  ihnen  zu  helffen  Fischart 
Qarg.  361  ndr.;  vereinzelt  mit  abhängiger  präposition  im 
sinne  'empfänglich' :  welher  mensch  gegen  derselben  gnad 
gutwillig,  nit  widerspänig  ist,  denselben  macht  got  ge- 
recht Berth.  v.  Chiemsee  t.  theol.  284  R. ;  oft  in  bezug  auf 
die  unllfährigkeit  zur  ausführung  von  befehlen  und  auf- 
tragen: 

vor  anfang  miner  befelch  du  wüssen  solt 

zu  allen  ziten  gutwillig  bereit 

unser  aller  willige  gehorsamkeit 

N.  Manuel  v.  papst  888  BäcM.; 

sie  ist  brav,  thätig,  gehorsam,  gutwiUig  M.  Meyr  erz.  a.  d. 
Ries  2,  460;  sie  waren  gutwiUig  und  gehorsam  H.  Stef- 
fens was  ich  erlebte  7,  269;  die  (kamele)  wurden  angesetzt 
und  wiegten  bei  hängender  Unterlippe  gutwüMg  und 
gleichmäszig  schneU  los  Hans  Grimm  volk  ohne  räum  2,  37. 
ß)  häufig  passiv  geivendet  von  jemand,  der  etwas  willig, 
ohne  widerstand  mit  sich  geschehen  läszt,  vgl.  gern  oder 
gütwiUig  leyden  pati  facile  Frisius  958  a; 

will  mich  gantz  gehorsam  erzeigen 
und  gib  mich  gutwillig  darein 

H.  Sachs  10, 18  K.-  O.; 

ein  geschlecht,  das  ich  verachte,  weU  sie  sich  so  gutwiUig 
unter  der  niedrigsten  knech tschaft  der  menschen  be- 
quemen Tieck  sehr,  5,  206;  (sie)  Uesz  sich  gutwiUig  von 
ihm  das  blut  stillen  und  die  wunden  verbinden  Eichen - 
DORF  s.  w.  2,  134;  in  pejorativem  sinne  'gefällig,  willig'  in 
bezug  auf  erotische  hingäbe:  (er)  verhiesz  ire,  wan  sie  im 
ein  nacht  zu  wiUen  wolt  werden,  ein  pfund  goldt  zu  geben, 
die  gut  fraw  .  .  .  woit  gutwiUig  sein  Luther  11,  280  W.; 


allwo  er  meistens  auf  dem  land 
manche  gutwillige  schöne  fand 

KOKTUM  Jobsiade  (1799)  1,  48; 

bei  den  kaiserUchen  schlosz  sich  eine  menge  gutwUliger 
frauenspersonen  an  den  heereszug  an  Schiller  8,  273  0. 
y)  namentlich  in  neuerer  spräche  adverbial  im  sinne  'mit 
innerer  zustimmxmg,  gern',  vgl.  gutwUlig  und  gern  hören 
oder  auf  losen  aequo  animo  atterulere  Frisius  48":  dieweil 
es  die  kay.  mt.  und  ain  ersamer  rat  also  haben  wolten, 
so  wolten  sie  .  . .  das  underthenigist  und  gütwühg  thün 
städtechron.  32,  39;  versagt  er  es  ihr  nicht,  sondern  liesz 
sie  dasselbig  gern  und  gutwiUig  nemmen  Amadis  17  lit. 
ver.;  der  einige  weg  guttwiUig  zu  sterben,  bestehet  in 
erkäntnus  des  todes  Butschky  Pathmos  (1677)  153; 

denn  war  er  (der  gegen)  einen  häller  werth, 

hochwürdger  herr,  sie  gähen  ihn 

gewisz  nicht  so  gutwillig  hin 

Ramler  fabellese  (1783)  1,  28; 
80  mögen  wir  uns  gern  dem  zauber  des  dichters  entreiszen, 
nachdem  wir  uns  gutwülig  haben  von  ihm  fesseln  lassen 
Fr.  Schlegel  in:  Athenäum  l,  2,  155;  aUe  nachbarn  wer- 
den sie  (die  fremden)  gutwiUig  als  gaste  empfangen 
G.  Freytag  ges.  w.  8,  81. 

c)  in  Weiterbildung  aus  b  bereits  im  älteren  nhd.  im  sinne 
'freiwillig,  aus  eigenem  antrieb  handelnd,  unaufgefordert', 
vgl.  von  im  selbs,  ungebätten,  gütwiUig,  ausz  eigner  wUl- 
kür  suapte  Frlsius  1251^,  gutwüUg,  selbswiUig,  unerfor- 
dert  uüro  Decimator  thes,  (1615):  (ob  er  daraus,  dasz)  ime 
die  Schlüssel  zu  dem  ainen  thor  . . .  gütwUlig  mitgetaüt 
(wären),  ain  gerech tigkait  schöpfen  (wollte)^  städtechron. 
32,  320;  80  wiU  ich  mich  gutwUlig  für  mein  königreich 
. . .  aufopffern  M.  C.  Schütz  hist.  rer.  pruss.  (1592)  a  6»; 
als  nun  dieser  zu  Wien  wider  einritte,  zog  hingegen 
Eitzinger  gutwiUig  zum  andern  thor  hinausz  Zinkgref 
apophthegm.  (1628)  184;  es  ist  nicht  zu  glauben,  dasz  ein 
jeder  aus  denen,  welche  dergleichen  unterschiedene  Seiten 
haben,  sich  gutwilUg  selbst  betriegen  (werde)  Leibniz 
dtsche  sehr.  2,  319;  soU  kein  hamraerherr  einen  arbeiter 
annehmen,  es  habe  denn  dieser  zu  vorhero  einen  schein 
produciret,  dasz  er  gutwiUig  dimittiret  sey  und  seinen 
vorigen  herrn  vergnüget  habe  Chr.  Herttwig  bergbuch 
(1734)  198"';  (es  ist  der)  entschlusz  eines  autors,  der  dem 
reiche  der  schönen  Wissenschaften  gutwiUig  entsagt,  weü 
es  ihn  noch  niemals  aufgenommen  hat  br.  d.  neueste  litt, 
betr.  13,  33;  (ich)  beachtete  genau,  was  erfahrung  einzeln, 
gutwiUig  hergab  (jÖthe  II  6,  16  W.;  wir  sind  aus  der 
stiUe,  genügsamkeit  und  mittelmäszigkeit  der  früheren 
zeit  herausgeworfen,  und  keiner  wül  gutwiUig  dahin  zu- 
rück E.  M.  Arndt  sehr.  f.  u.  an  s.  l.  Deutschen  3,  201; 
besonders  im  betonten  gegensatz  zu  zwang  oder  gewaü- 
anwendung,  meist  adverbial: 

80  ferr  er  nit  wil  gutwillig  syn, 
so  fürend  in  gefenclilichen  hyn 

Schweiz,  schausp.  d.  16.  jhs.  3,  25  Bäckt.; 

dieweil  er  der  folter  nicht  gewohnt,  hat  er  gutwiUig  be- 
kannt, er  habe  es  gethan  Prätorius  wündscheirvihen 
(1667)  80;  ich  wül  sehen,  ob  ich  ihr  das  .  .  .  entweder  gut- 
wiUig oder  mit  gewalt  abnehmen  kann  Gottsched  dtsche 
schaub.  1,  160;  und  wenn  sie  (die  Steuer)  nicht  gutwiUig 
gezahlt  wird,  so  schicken  wir  den  executor  Bismarck 
polit.  reden  4,  92;  man  konnte  sich  denken,  dasz  er  nicht 
gutwilUg  davon  lassen  würde,  sein  vieh  auf  fremden  wei- 
den fett  zu  machen  Will  Vesper  d.  harte  geschlecht  34. 

3)  auf  abstracta  bezogen  im  sinne  'au^  gutem  willen  her- 
vorgehend, guten  willen  beweisend'  in  den  unter  1  und  2 
behandelten  bedeutungen. 

a)  zu  1  a  vereinzelt,  vgl.  cuotwillig  hohi  (pium  culmen) 
Notker  3,  288"  Hattem.er;  gütwiUig  tugent  tempfen  pös 
natürlich  untugent  Besth.  v.  Chiemsee  t,  theol.  474  R.; 
zu  kestigung  des  lybs  in  underthänig  machen  dem  güt- 
wUligen  gaist  E Berlin  v.  Günzburg  s.  sehr.  1,  19  ndr.; 
z^t  1  b:  wenn  ich  dran  denke,  dasz  mein  argloses,  gutwü- 
liges  gemüth  so  gemiszhandelt  wird  Babo  schausp.  (1793) 
94;  wie  unvermögend  ist  doch  der  gutwiUigste  fleisz  der 
menschen  gegen  die  aUmacht  der  ungetheilten  begeiste- 
rung  Hölderlin  ges.  dicht.  2,  73  Litzm. 


1489        GUTWILLIG-GUTWILLIGKEIT 


GUTWILLIGKEIT-GÜTWILLIGLICH    1490 


b)  2u  2  a:  das  volck  hatt  ein  gütwillig  hertz  gegen  den 
künigen  S.Münster  cosm.  (1564)  1461;  und  hat  di  bey- 
wonung  solche  guetwilUge  fraintschafft  auch  nit  wenig 
gemert  J.  v.  Schwabzenberg  d.  teutsch  Cicero  (1535)  70; 
nachdem  er  meiner  gutwilligen  freundUchkeit  genossen 
Gbimmelshausen  2,  35  Keller;  beyMegendes  pro  memoria 
.  .  .  habe  ich  mit  gutwilliger  meynung  verfaszt  Göthe  IV 
12,  146  W. 

c)  zu  2h:  wenn  ich  euch  (trost)  beweisen  kan,  wil  ich 
dasselbige  mit  gutwilligen  treuwen  vollbringen  Amadis 
73  lit.  ver.;  gutwillige  erlaubnusz  und  wiUfahrung  seiner 
bitt  Dannhatjer  catechismusmilch  (1657)  1,  346;  gebt  mir 
gutwilüges  gehör,  ich  will  euch  die  kunst  reich  zu  werden 
lehren  Schupp  sehr.  (1663)  748;  durch  gutwillige  treue  und 
fast  bhnden  gehorsam  gegen  ihre  landesherren  Herder 
18, 315  (S.;  nun  will  ich  eure  Rosalinde  in  einer  gutwilligeren 
Stimmung  seyn,  und  bittet  von  mir,  was  ihr  wollt,  ich 
wiU  es  zugestehn  Shakespeare  4,  266. 

d)  ZM  2  c :  alleine  meine  gutwillige  erniedrigung  ihm  zu 
dienen,  hat  er  .  .  .  nicht  für  eine  enteuserung  meines  Stan- 
des anzunehmen  Lohenstein  Arminius  (1689)  2,  iso'';  und 
musz  man  von  ihnen  ledighch  ein  gutwilliges  geständnisz 
erwarten  Scheibe  d.  crit.  musiczts  (1745)  202;  werden  neun 
zehntel  der  kosten  von  den  hofgesessenen  getragen  und 
diese  .  .  .  zur  gutwilligen  übernehmung  dieser  beschwer - 
den  bewogen  J.  Moser  s.  w.  2,  16  Ab.  —  gutwillige,  /., 
abstraktbildung  zu  gutwilüg  2  a  'freundlichkeiV ;  ahd.  gut- 
willig! benignilas:  übe  mihne  scunti  min  guotwilligi,  minen 
tougenen  willen  mit  iu  ahton  Notker  3,  3l4'>'  Hattemer;  zu 
gutwillig  2  b  'bereitwilligkeit' :  und  begab  sich  wiUigklich 
von  dem  pabstumb  abzetretten  .  .  .  dann  diser  pabst 
meint,  er  weit  siner  gutwillige  harnach  genieszen,  dasz  er 
wider  ze  pabst  erkoren  wurd  Äg.  Tschudi  chron.  helv.  2,  5. 

GUTWILLIGKEIT,  /.,  seit  mhd.  zeit  bezeugt,  ableitung 
von  gutwillig,  vgl.  auch  mhd.  wolwiUicheit. 

1)  2M  gutwiUig  1  seüen  gebildet  im  sinne  'rechtschaffenes 
wollen,  vnlle  zum  gvien" : 

das  auch  gutwilllgkeit  erwachs 

bey  meyd  und  knechten  1  räth  Hans  Sachs 

H.  Sachs  9,  353  K.; 

gleichwie  die  gerechtigkeit  ist  eine  allgemeine  gutwilllg- 
keit der  weiszheit  gemäsz  Leibniz  dtsche  sehr.  2,  39; 
blasser  nach  gutwillig  1  b  'aufrichtiger  wille' :  das  sie  auch 
iren  eitern  folgen  und  solche  lieb  und  treu  axif  sich  erben 
lassen  und  sie  dieselbe  mit  gutwiUigkeyt  ohne  heucheley 
bewaren  Mathesius  ausgew.  w.  2,  8  Lösche. 

2)  besonders  häufig  aus  gutwilhg  2  hergeleitet,  vgl.  gut- 
willikeit  benivolentia  Diefenbach  gl.  71^. 

a)  entsprechend  gutwillig  2  a  a;  als  'mildtätigkeit,  frei- 
^ebigkeii" :  di  sibinde  (frucht)  ist  guitwillikeit,  daz  ist  milde - 
keit  des  gudis  parad.  anim.  int.  71  Strauch;  es  begegent 
wider  die  sünd  geitikait  die  tugent  mUtikait,  dieselb  ge- 
birt  gütwillikait  der  menschen  Albr.  v.  Eyb  Spiegel  d. 
sitt.  (1511)  c  1^;  {dann)  werdet  ihr  vielleicht  wirth,  mahler 
und  andere  künstler  zu  zeugen  eurer  gutwilllgkeit  haben, 
aber  wenig  hungerige,  durstige,  nackende,  krancke 
Schupp  sehr.  (1663)  750;  dasz  der  schwache  magen  .  .  . 
bey  der  gutwiUigkeit  seiner  gönnerinnen  nicht  zureiche 
Schwabe  belttst.  (1741)  2,  253;  'freundlichkeit,freundschaft; 
gnade,  gute':  o  du  unaussprechliche  sueszigkeit  gotllcher 
gutwiUigkeit  gein  dem  mentschhchen  gesiecht  hertz- 
maner  17'';  also  gehandelt  werden  von  eynem  freunde, 
dem  mein  glaub  nu  lange  bekant,  der  meinen  glimpf  und 
gütwilHgkeit  oft  erfaren  Hütten  opera  2,  182  Bock.;  ha 
ihr  kavaUier,  wird  mir  meine  gutwiUigkeit  dergestalt  be- 
lohnet? J.  Rist  d.  friedeunlnsch.  Teutschl.  (1648)  103;  ihm 
(wäre)  seine  freundhche  gutwiUigkeit  um  geld  nicht  feil 
E.  Francisci  lustig,  schaub.  (1697)  3,  471;  gern  präpositio- 
nal  verbunden  mit  aus:  wir  aber  solchen  (schlüssel)  .  . . 
aus  gütwilhgkait  und  nachbarhchem  wiUen  geUehen 
städtechron.  32,  327;  aus  innerster  gutwiUigkeit  gegen 
einem  freund  Schupp  sehr.  (1663)  763;  'gewogenheit,  gunsf : 
jso  setzt  der  redner  den  anvang  usz  dem  zimUchen  teil 
der  sach  des  richters  neygung  oder  gütwillikeit  zu  er- 
langen Fb.  Riederer  rhetoric  (1493)  a  7^;  wie  das  fürst- 
IV.  1.  6. 


Uch  geblüt,  so  auch  der  fürstUche  muth  zuvor  in  gnädiger 
Sänfte  und  gutwiUigkeit  gleich  und  eins  sey  Lutheb  br. 
1,  435  de  Wette;  suchet  derwegen  ire  gunst  und  gutwiUig- 
keit J.  Gbetteb  a.  d.  Römer  (1566)  29;  '■freundliches  wohl- 
wollen\  man  findet  selbst  beym  rohesten  pöbel  gutwiUig- 
keit Archenholz  Engl.  u.  Ital.  l,  2,  423;  ich  näherte  mich 
ihm  voU  gutwiUigkeit  und  vieUeicht  nach  meiner  art 
etwas  zu  schneU  Göthe  gespr.  1,  43  Biederm. 

ß)  nach  gutwillig  2  a  j5  'gutmütigkeit,  nachgiebigkeiV :  er 
miszbraucht  unser  gutwiUigkeit  Luther  <i«cÄr.  301*  (1576) 
Aurif.;  dasz  meim  Vrane  ob  dieser  einfaltigen  gutwiUig- 
keit und  wolgemeynter  einfalt  der  Canarrier  die  äugen 
anfiengen  uberzugehn  Fischart  Garg.  430  ndr.;  noch  ein 
erschreckUcher  miszbrauch  ist  aus  der  gutwiUigkeit  CaroU 
erwachsen  Arnold  kirch.-  u.  ketzerhist.  (1699)  311*';  die 
gutwiUigkeit  dieser  Augustiner  und  das  ansehen  des 
landesherrn  hat  solche  aber  in  ein  nichts  verwandelt 
Winckelmann  s.  w.  2,  89;  vgl.  gaudwiUigkeit  gutmütigkeit 
Schambach  Gott.  QO^. 

y)  für  den  aus  geneigtem  willen  hervorgehenden  'gvien 
willen,  die  gute  absieht':  sein  glawb  (wäre)  dannoch  ge- 
recht von  wegen  der  heb  und  gütwiUikait,  so  er  zu 
guten  werchen  hat  Bebth.  v.  Chiemsee  t.  theol.  36  R.; 
ich  hoff  .  .  .,  menigllch  werd  mein  gutwiUigkeit  und  ge- 
neygten  wiUen  loben  A.  Dübeb  v.  menschl.  proportion 
A  2*;  (er)  auch  unser  Unvermögen  und  unser  gutwilikeit 
darin  bedachte  städtechron.  10,  419;  meine  dumme  Un- 
wissenheit hat  also  über  meine  gutwiUigkeit,  dir  gleich  zu 
antworten,  den  meister  gespielt  Wackenbodeb  w.  2,  18 
v.  d.  Leyen;  mit  leicht  abschätziger  färbung :  bei  aUem  . .  . 
musz  man  seiner  gutwiUigkeit  gerechtigkeit  widerfahren 
lassen  Göbres  ges.  br.  3,  18. 

b)  zu  gutwiUig  2  b  im  sinne  'bereitmlligkeit,  vnllfährig- 
keiV,  vgl.  begirlich  kraft  vel  gutwiUigkait  voluntas  Diefen- 
bach gl.  628^:  (er)  findet  bei  aUen  iren  reichen  uberausz 
grosze  guttwüUgkait,  volg  und  hüff  wider  den  Turcken 
Scheübl  briefb.  214  v.  Soden;  {sie)  würden  durch  anrei- 
czung  unserer  guttwiUigkeit ...  gleichmeszigen  wiUen  uns 
erweisen  acta  publ.  2,  53  Palm;  ich  ziehe  meine  vorige  gut- 
wiUigkeit zurück  Lohenstein  Arminius  2,  604'';  'innere 
bereitschafV :  der  selb  herr  seUg  starb  an  aUerheiUgen 
abent  mit  groszer  andacht  und  gütwülikeyt  Bbbyden- 
BACH  heyl.  reyszen  (1486)  142!*;  'botmäszigkeiV :  {Cicero 
hat)  dieselben  innwoner  nicht  weniger  diurch  völUge  ge- 
rechtigkeit .  .  .  dann  mit  den  waffen  zu  guttwiUigkeit  . .  . 
bracht  J.  v.  Schwabzenbebg  d.  teutsch  Cicero  (1535)  11*»; 
vereinzelt  nach  2  c  hin  'freiwilliges  handeln":  {wer)  ihm 
nicht  selbs  mit  eigener  gutwiUigkeit  undanck  .  .  .  ein- 
kramen wU  V.  HoHBEBG  georg.  cur.  (1682)  l,  29. 

c)  verdinglicht  für  die  aus  freundlichkeit,freigebigkeit  her- 
vorgegangene handlung  selbst  'wohltat,  freundschaftsbeweis, 
liebeswerk':  {dasz  er  den)  glaubigen ...  für  ihre  gutwiUigkeit 
und  wolthaten  die  seUgkeit  mittheüe  Babth  weibersp. 
(1565)  0  3^;  diesem  nach  wäre  die  .  .  .  Opferung  .  .  .  eine 
noth  und  pflicht,  nicht  aber  eine  blosze  gutwiUigkeit 
Lohenstein  Arminius  (1689)  2,  928"';  es  seynd  {dem  wirt) 
.  .  .  wegen  erzeigter  gutwiUigkeit  gegen  denen  frembden 
.  .  .  aUe  sünd  verziehen  Abbaham  a  s.  Claba  etw.  f.  alle 
(1699)  1,  618;  einem  mann,  dessen  .  .  .  rathgebungen  und 
gutwiUigkeiten  ich  das  meiste  ...  schuldig  zu  sein  ...  ein- 
gestehe J.  H.  Voss  antisymb.  2,  77;  'dienstleistung' :  {sie 
auch)  gegen  denselben ...  sich  aUer  freuntschaft,  gutwillig- 
kalt  .  .  ,  hiemit  erbieten  städtechron.  32,  279;  welcher  sich 
aUer  gutwiUigkeit  und  mögUcher  beförderung  erbotten 
Habsdörfer  teutsche  secret.  (1656)  l,  323.  —  gutwillig - 
lieh,  adj.,  bis  ins  17.  jh.  gebräuchlich;  vereinzelt  zu  gut- 
wiUig 1  a :  bitet  unsern  herren,  daz  er  euch  selber  berait 
und  lebt  gütwiUikUch  und  innerUch  Tauler  sermones 
(1508)  L  X^;  zu  gutwiUig  2aa;  ietz  streck  sie  {die  hand) 
gütwiUigüch  usz  zu  trost  den  armen  durch  almusen  geben 
Geii.er  v.  Keisersberg  bilgerschaft  (1512)  b  3»;  er  solt 
im  gutwilligUchen  vergönnen  mit  ihm  zu  reden  von  aUerley 
Sachen  buch  d.  liebe  (1587)  338'^;  zu  gutwiUig  2  b:  (er)  bat 
W.  umb  ein  weer,  die  er  an  der  selten  trug,  ime  zu  geben, 
das  tet  er  guetwiUikUch  WilwoU  v.  Schaumburg  68  lit.  ver.; 

94 


1491 


GUTWOLLEND-GUTZEIT 


GUTZEL-iGUTZEN 


1492 


sein  schreiben,  seine  hand, 
die  hat  uns  disz  sein  thun  gutwllliglich  bekant 

MORHOF  unterr.  (1682)  2,  87; 

ZU  gutwillig  2  c :  davon  wurden  sie  erst  so  gar  verzagt, 
wurffen  ihre  wehren  von  ihn,  gaben  sich  gantz  gütwüligk- 
hchen  gefangen  Wickbam  w.  2,  409  lit.  ver.; 

du  hast  das  lant  geräumt 
und  in  das  elend  dich  gutwilliglich  verfüeget 

ROMPLER  V.  LÖWENHALT  erst,  gebüsch  (1647)  92. 

—  gutwollend,  adj.,  seltene  bildung  neben  wohlwollend; 
zu  gut  V  A 1  bzw.  gut,  n.,  A  5  'rechtschaffenes  wollen 
habend':  ain  frummen  gutwöllenden  man  Schaiden- 
RAiszBB  Odyssea  (1537)  s^;  zu  gut  IV  B  2  b  hin: 

sodann  die  kindcr,  gutwollend  und  artig 

GÖTHB  III 13,  19  W. 

—  gutwoller,  m.,  'jem.,  der  guten  willen  hat,  aber  nichts 
leistet\  vgl.  gut  IV  B  2  b :  wo  nicht,  so  ist  er  ein  yrrer  und 
ein  gutwöUer  in  der  artzney  Paräcelsus  opera  (1616)  1, 
277  Huser.  —  gutwurichkraut,  n.,  im  Schweiz,  name 
der  pflanze  gänsejusz  {chenopodium  bonus  Henricus),  s. 
auch  gutheinrich,  vgl.  Pbitzel-Jessen  91  {für  S.  Oallen 
bei  Werdenberg),  Staub-Tobler  3,  915.  —  gutwurz,/., 
name  der  pflanze  Schöllkraut  {chelidonium  majus),  wegen 
ihrer  heilkraft  an  gut  I  A  1  b  angeknüpft,  doch  wohl  zu- 
ruichst  entstellung  aus  goldwurz ;  belegt  bei  Toxites  kreutter- 
buch  (1576)  nach  Pextzel- Jessen  90. 

^GUTZ,  m.,  obd.  nebenform  von  gusz  («.  d.)  zum  stamme 
germ.  *geut-  'gieszen^  im  sinne  'das  herausflieszervde,  der 
strahl  einer  flüssigkeit': 

daz  si  so  prislich  striten 
mit  swerten  und  mit  geschütze, 
daz  von  in  blutes  gütze 
gerert  ward  uz  den  haiden 
JOH.  V.  WÜRZBURQ  Wüh.  V.  Österreich  19040  Reffel; 

den  ersten  gutz  {vom  wein)  nemen  {v.  j.  1343)  bei  Fischeb 
Schwab.  3,  973;  schweizer,  noch  mundartlich:  gutz  flüssig- 
keit, ausgieszen  von  flüssigkeit  Bühleb  Davos  l,  46,  Staub- 
Tobleb  2,  582,  vgl.  'gutzji,  n.,  dem.  zu  gutz  'äuszerst 
kleine  flüssigkeitsmenge,  vne  selbe  bei  der  ruckartigen  be- 
wegung  des  trinkgeschirrs  in  das  glas  .  .  .  durch  die  röhre 
oder  den  schnabel  vorzuschieszen  pflegt'  Bühleb  Davos  2, 
132;  diese  kuh  gibt  nur  noch  ein  gutzli  {d.  i.  ein  wenig) 
milch  Staub -Tobleb  2,  582. 

''GUTZ,  m.,  'das  erbettelte  giä,  bettelgeld',  retrograde  bil- 
dung aus  'gutzen  oder  gutzeln  'betteln',  im  16.  jh.  vereinzelt 
auftretend,  vgl.  auch  gutzel:  das  die  armen  pfefflin  nit 
ufE  dem  gutz,  uff  der  finantz,  uff  dem  raub  dürfften  sitzen 
{v.  j.  1523)  bei  Schmidt  elsäss.  161  *;  'almosen,  milde  gäbe', 
hier  als  gutze  /.  ( ?) :  gange  zu  Andelfingen  von  einem  hus 
zu  dem  andern,  bitte  einen  umb  gutzen  und  gaben  und 
ein  husstür  dokum.  z.  gesch.  d.  bürgermeist.  Hans  Wald- 
mann 2,  160,  —  gützbetterin,  /.,  zu  gutzen,  gutzeln 
'betteln'  für  eine  'bettlerin,  die  sich  fälschlich  für  eine  Wöch- 
nerin ausgibt':  es  sint  ouch  frowen  .  .  .  heiszent  gütz- 
betterin {v.  j.  1430)  bei  Staub-Tobleb  4,  1823. 

^GÜTZE,/.,  name  einer  fi^chart;  nur  in  älterer  spräche 
bezeugt  und  nicht  näher  zu  bestimmen:  item  wan  man 
hinusz  fiiret  hering  und  ander  gesalzen  güz,  dasz  sol  man 
nit  hinweg  lassen  on  desz  saltzmeisters  zeichen  {v.  j.  1454) 
urk.-buch  d.  stadt  Heilbronn  2,  559;  es  werden  hier  ge- 
funden . . .  goldfische  .  .  .  güsten,  gutzen  Micbaelius 
altes  Pommerland  (1640)  6,  384. 

*GÜTZE,  /.,  retrograde  bildung  aus  gutzen  («.  dort), 
benennung  der  gieszschaufel  der  leinwandbleicher  {veraltet) 
und  einer  in  der  form  ähnlichen  tonpfeif e,  s.  Mülleb  rhein. 
2, 1528. 

GUTZEBERGLEIN,  n.,  s.  guckenberglein  sp.  1037. 

GUTZEGAUCH,  s.  gutzgauch. 

GUTZÄHLUNG,  /.,  aus  etw.  gut  zählen  {vgl.  gut  I  A 
3  d)  substantiviert  im  sinne  'billigung' :  Socrates  .  •  .  hat 
seine  discipulos  von  unzeitiger  bestätigung  der  mainung 
und  leichtf artiger  gutzehlung  des  gemainen  wons  .  .  .  ver- 
warnet Fischaet  s,  i  Hauffen.  —  gutzeit,  adv.,  zu- 
sammenrilckung  aus  bei  guter  zeit  (vgl.  gut  I  C  l  c, 
sp.  1256)  im  sinne  frühzeitig',  besonders  nd.  beliebt,  vgl. 


se  gingen  goodtied  weg  Mensinq  2,481;  guöttid  Woestb- 
NÖBB.  westfäl.  87*,  wo  ältere  belege. 

GUTZEL,  m.,  rückbildung  aus  gutzeln  'betteln'  im  sinne 
'bettel,  almosenfordern':  {die)  armen  pfarren  habend  mües- 
sen  den  gutzel  us  armuet  anheben  Zwingli  bei  Staub- 
TOBLEE  2,  683 ;  was  groszer  bauren  aber  werend  si  gwesen, 
wan  si  von  dem  kleineren  zeitlichen  ganzen  werend,  damit 
sie  mit  dem  bättel  oder  gutzel  zu  gröszerem  und  ja  hundert- 
faltigem hettind  an  dem  zeitlichen  langen  mögen  J.  v.Watt 
hist.  dtsche  sehr.  1,  73  Götz.;  deszwegen  auch  der  künig  iren 
unverschampten  geit  und  gutzel  auffs  höchst  mit  wortten 
straaffet  und  beschalt  J.  Stumpf  keiser  Heinrich  d.  vier- 
dten  hist.  (1556)  54*.  —  gutzel,/.,  aus  gutzeln  2  'sich  zu- 
dringlich mit  liebkosungen  um  etwas  bemühen,  buhlen'  her- 
geleitet: gutzel,  dirn,  hure  putana,  meretrix  HuLSius  dict. 
(1618)  144». 

GUTZELN,  vb.,  alem.-rhein.  wort,  besonders  schweizer, 
seit  dem  16.  jh.  bezeugt;  allgemeinste  bedeutung  ist  'dringend, 
unausgesetzt  bitten', iterativbildung zu  ^gutzen;  nachSTAVB- 
TOBLEE  2,  583  ZU  Schweizer,  güzen  {aus  *guwezen)  'mit 
offenem  munde  nach  etw.  blicken',  doch  legt  das  gröszere  Ver- 
breitungsgebiet von  gutzeln  und  sein  kurzer  Stammvokal 
herleitung  aus  ^gutzen,  'blicken'  näher,  entweder  wneFEiscH 
t.-lat.  1,387**  'gutzlen,  betteln,  aspicerealiquem moremcTidi- 
corum  eleemosynam  exspectantium' ,  also  als  'gierig  blicken', 
oder  aber  'den  köpf  heischend  in  die  türen  stecken',  vgl. 
^gutzen  3  b;  aber  auch  gutzeln  =  kitzeln  {vgl.  teil  5,  sp.  877) 
'behelligen,  plagen'  von  kützen  teil  5,  sp.  2909  liesze  sich 
heranziehen,  vgl. gutzeln'kitzeln,  jucken'  Lexeb  kämt.  128*'. 

1)  allgemein  'sich  um  etwas  mit  zudringlichem  wesen,  z.  b. 
mit  vielen  schmeicheleyen,  liebkosungen  usw.  bewerben' 
Staldee  1,  505,  vgl.  umb  etwas  werben,  höuschen,  gylen, 
gutzlen,  anstrengen,  begären  procare  Feisius  1063^,  mit 
bitten  und  gutzlen  einen  unrüwig  und  überlägen  seyn  la- 
cessere  aliquem  751*,  so  vil  etwan  ein  eerenampt  begärend, 
gond  sy  von  eim  zum  andern  darumb  ze  gutzlen  oder  ze- 
wärben  competitores  plures  obeunt  890'':  einer  verhiesz 
giddine  berg,  einer  disz,  der  ander  dasz,  also  das  in  irem 
gutzlen  und  verheiszen  kein  maasz  was  J.  Stumpf  keiser 
Heinrich  d.  vierdt.  hist.  (1656)  45*;  ähnlich  'schmeichelnd 
locken',  vgl.  gotzel  dem  ferkelchen  e  beszchen,  da  kennt 
et  Mülleb  rhein.  2,  1528;  dann  überhaupt  'dringend  bitten, 
betteln',  vgl.  bitten,  eins  bitten,  vast  bitten,  gutzlen  ero- 
gitare  Feisius  481*,  'schmarotzen,  betteln'  Staldee  1,  505: 
gutzeln  'schmeichelnd  betteln,  nur  von  menschen,  besonders 
um  essen,  namentlich  von  kindern,  die  um  näschereien  bitten 
und  nicht  nachlassen':  en  hat  ken  rauh,  bes  en  em  de 
groschen  aus  dem  sack  gegotzelt  hat  Mülleb  rhein.  2, 
1528;  dan  wo  si  arm  gwesen,  habe  man  den  geit  gespürt, 
vor  welchen  niemand  bättlens  und  gutzlens  halb  ruw 
gehabt  habe  J.  v.  Watt  hist.  dtsche  sehr,  l,  308  Oötz.;  was 
bringt  dann  das  ander  gutzlen  ain:  eyer,  schmalz,  kes 
und  flaisch,  och  gelt  JoH.  Kbszleb  sabbata  62  hist.  ver.; 
ausz  welchem  dann  zusehen,  dasz  es  viel  besser  seye,  den 
weibem  zu  kramen,  darmit  man  ires  gutzelns  und  betteis 
ledig  werde  Agybtas  grillenvertr.  (1670)  72;  beim  abschied 
gutzelte  {der  f  uhrmann)  um  eine  Vermehrung  des  trank - 
geldes  JoH.  Toblee  (1790)  nach  Staub-Toblee  2,  584. 

2)  in  spezieller  bedeutung  'umbuhlen,  mit  liebkosungen 
umwerben',  vgl.  unschamhaftig  anstrengen,  unzüchtiglich 
begären,  gutzlen  procare  Calepinus  dict.  (1570)  1223,  ein 
mutwill,  Unzucht  mit  gutzlen,  frechheit,  gaUlung  Megiseb 
pol.  (1603)  2,  327^:  als  er  einen  sach  umb  ein  gemeyne 
dirnen  bülen  und  ir  yemerdar  zümütten,  das  sy  im  mit 
iren  unerbars  zuhandlen  gestatten  wolle,  sprach  er:  du 
arbeitsäliger  tropff,  was  wüt  du  mit  dem  gutzlen  und 
gylen  schaffen?  leer  u.  laben  Biogenis  (1550)  g  6*.  — 
gutzeln,  vb.,  iterativbildung  zu  gutzen  'mutwillig  eine 
flüssigkeit  verschütten,  ausgieszen'  Mülleb  rhein.  2,  1528. 

^GUTZEN,  vb.,  aus  guckezen, intensivbildung  zu  ^gucken 
'blicken'  {sp.  1032^.),  über  gukzen  entwickelt;  seit  dem 
jüngeren  mhd.  belegt  und  in  obd.  und  md.  maa.  noch  be- 
uxihrt,  vgl.  Schmellee-Fr.  i,  969,  Schöpf  tirol.  226, 
Staub-Tobleb  2,  583,  FiscHEE  schwäb.  3,  974,  Neubaueb 


1493 


1GUTZEN-2GUTZEN 


3GUTZEN-GUTZGAUCH 


1494 


Egerl.  67,  'blinzeln,  zwinkern"  Hertel  Thür.  111;  litera- 
risch das  17.  jh.  nicht  überdauernd. 

1)  zu  'gucken  1  'neugierig,  forschend  blicken*: 

ich  sach  in  (den  ehemann)  eins  die  klrch  durch  gutzen 
und  ie  zu  Zeiten  eine  an  schmutzen 

fastnacMssp.  2,  544  Keller; 

da  hett  man  von  Calandrino  ein  schön  gutzen  gesehen, 
dann  er  die  frawen  durchsehen  wolt  Arigo  decam.  564  K. 

dort  geht  ein  man,  artlich  gebutzt, 
der  stets  hin  und  herwider  gutzt, 
samb  er  nach  schönen  frawen  sech 

H.  Sachs  17,  73  K.-  O. 

2)  besonders  häufig  wie  ^gucken  3  in  verengerten  bedeu- 
tungen. 

a)  mit  begrenzter  sieht  durch  etwas  hindurch,  über  etvxis 
hinweg  oder  unter  etwas  hervor  blicken: 

(zwei  sehlüpften)  hinter  ein  mantel  preyt, 
der  do  hing  hinter  einer  Stuben  thure, 
do  guczt  der  eyne  pey  der  weil  her  füre 

H.  FOLZ  meisterlieder  47,  10  Mayer; 
an  Irem  hausz  klopfet  ich  an, 
. . .  ich  melndt  sie  solt  mich  einhin  Ion, 
gutzt  herausz,  hiesz  mich  ein  fladen 

Volks-  u.  gesellschaftslieder  54,  31  Kopp; 
denn  In  dem  fenster  meines  hausz 
gutzt  ich  durch  ein  gitter  herausz 

H.  Sachs  19,  251  K.-  G.; 

wird  ein  grosz  gepolter  und  gutzet  Satanas  unten  herfür 
Jao.  Ayrkr  dram.  1566  K.;  durch  unterschiedlich  mit 
eiszen  vergitterten  fenster  (sah  ich)  die  elende  einwohner 
des  hauszes  ganz  auszgemergelt,  mager,  pleich  und  halb 
todt  herauszer  gutzen  F.  Axbanus  münchsesel  (1637)  10; 
er  guckte  oder  gutzte  an  den  fenster  .  .  .  herausz  E.  Wei- 
GEL  tugend-üb,  rechenkunst  (1687)  208;  mundartliche  redens- 
art  im  bair.  i  will  do's  gutzan  dur'n  zäun  leanan  will  dich 
bescheidenheit  lehren  Schmeller-Fr.  l,  969. 

b)  nach  *gucken  3  b  mit  Zielangabe  des  sehens: 

und  in  der  sünden  putzen 

hast  du  (leib)  mich  (seele)  gehelszen  gutzen 

Heinrich  v.  Neustadt  vis  Philiberti  284  iS.; 

in  die  mischung  weltlicher  schänden  hastu  nit  geluget,  in 
irdische  Wandlung  hastu  nit  gegutzt  ackermann  a.  Böh- 
men 13  Kn.; 

der  pfaff  ward  lachen,  da  ward  sie  schmutzen, 

da  lies  Ich  sie  unten  in  meinn  spiegel  gutzen 

fastnacMssp.  2,  765  Keller; 

ir  wolt  in  eile  Winkel  gutzen  1,  142; 

sobald  einer  in  ein  glas  oder  krausen  gutzet,  ist  ihm  schon 
der  dürmol  im  köpf  Wickram  w.  2,  25  lit.  ver.;  stehet  hin- 
ter dem  teufel  und  hebt  im  den  schwantz  auff  und  gutzt 
selber  hinein  Joh.  Nas  aniipap.  eins  u.  hundert  (1567) 
1,  97i>; 

er  kumpt  zum  hausz  und  gutzt  hinein, 

ob  er  da  find  die  göttin  fein 
H.Chr.  WOLCKKNSTKIN  aller  practicken  grosvater  (1573)  F  2''; 

artzney  ist  gut  in  der  suppen,  gut  baden  im  kuchenladen, 
da  der  Fritz  hinein  gutzt  und  man  die  hund  bespritzt 
FisoHART  prakt.  20  ndr. 

3)  entsprechend  'gucken  2  bei  sachlichen  Subjekten  'her- 
vorragen, sichtbar  werden";  noch  in  bildlicher  Übertragung 
von  2  a  Äer; 

(dag  haar)  gutzt  herausz  sam  durch  ein  thor 

H.  FOLZ  in:  fastnachtssp.  3, 1276  Keller; 

ein  Spindel  in  eim  sack,  das  stroh  in  schuhen,  ein  hur  im 
hausz  gutzt  selbst  herausz  Fischart  praktik  120  ndr.;  {die 
fdsen)  an  einer  langen  zeil  .  .  .  herfür  gutzen,  wie  die 
zürnen  an  einer  stattmauren  J.  B.  Fickler  v.  Weyl  Olai 
magni  hist.  (1667)  76;  von  hier  aus  zu  verstehen  technisch 
im  sinne  'keimblätter  treiben" :  nach  ...  3  tagen  werden  die 
körner  anfangen  zu  keimen,  gutzen,  wie  es  die  brauer 
neimen  Muspratt-Stohmann  i,  1306. 

"GUTZEN,  vb.,  intensivbildung  zu  'gucken  {sp.  1031) 
aus  guckezen  über  gukzen,  vgl.  gugzet  Konrad  v.  Würz- 
BURG  gold.  schmiede  132  Sehr.,  guchzet  weisth.  1,  524,  im 
sinne  'wie  der  kuckuk  rufen,  kuckuk  schreien": 

swie  lange  aber  wer  s!n  fröuden  spil, 

daz  welz  der  gouch,  der  im  vür  war 

hat  gegutzet  hundert  jär 

,  Htrao  V.  Trimbeeq  renner  11382  Ehrism.; 


auch  mit  umlaut  als  gutzen: 

den  gauch  (kuckuk)  den  hört  man  gutzen, 
daz  ist  hierzu  nütze 

KÖNIG  V.  Odenwald  2,  39  Schröder; 

als  gutzschen:  und  nam  den  brief  an  der  kirchtür  und 
schrai  und  gutzschet  etädtechron.  11,  631. 

'GUTZEN,  vb.,  'nach  etwas  eifrig  werben,  betteln",  vgl. 
gutzeln,  wo  etymologisches;  literarisch  im  16.  jh.  bezeug: 
aber  die  reichen  münch  ernerten  sich  usz  iren  gülten  und 
stelleten  auch  das  gutzen  ab,  damit  sie  auch  ungezwungen 
weren  zu  den  täglichen  jämerlichen  messen  M.  Zell 
christenl.  verantwort.  (1523)  h  3*;  nit  achten,  ob  sie  ewer 
fürstliche  gnaden  tag  und  nacht  mit  geüen  und  gutzen 
molestieren  und  bekümmern  J.  Frey  gartengesellsch. 
26  B.;  vgl.  schweizer,  güzen,  gauzen:  ich  güze  nüd  der- 
nach  'es  liegt  mir  an  dessen  besitz  oder  genusz  nicht  viel", 
er  tuet  ja  um  das  pösteli  güzen  Staub-Tobler  2,  583. 

GUTZEN,  vb.,  intensivbildung  vom  stamme  germ.  *geut- 
'gieszen",  aus  *guttjan  entwickelt,  vgl.  Kuhns  ztschr.  15,  268; 
im  sinne  'ausgieszen" : 

. . .  waz  blütes  samen 
von  In  (beim  Zweikampf)  do  wart  gegfltzet 

Joh.  V.  WttRZBURQ  Wilh.  V.  Österreich  8313  Regel; 

mundartlich  bewahrt,  vgl.  gutzen  'spritzen,  aus  einer  röhre, 
mit  der  spritzbüchse"  und  'schnell,  stark  springen'  Fischer 
Schwab.  3,  974,  vgl.  Staub-Tobler  2,  682;  im  sinne  'in 
strömen  gieszen,  regnen" :  et  regent,  dat  et  götzt  Müller 
rhein.  2,  1528,  aber  'ein  wenig  regnen"  Fischer  a.  a.  o.  — 
gutzenelle,  /.,  volkssprachliche  entstellung  aus  Coche- 
nille, eine  art  der  schildläuse  {coccu^  cacti),  vgl.  Nemnich 
wb.  d.  naturgesch.  217. 

'GUTZER,  gützer,  m.,  nomen  agentis  zu  'gutzen,  vgl. 
gutzer,  blinzler,  gutzauge  Hertel  Thür.  111;  anders  'ein 
ding,  nach  dem  man  guckt",  vgl.  güzer  wetterglas  Seiler 
Basler  ma.  156.  —  'gutzer,  m.,  nomen  agentis  zu  'gutzen, 
'bettler,  Schmarotzer"  vgl.  gutzier:  ich  hab  an  meinem  hoff 
gnug  solcher  gutzer  und  gruszschmarotzer  Dannhatjer 
evang.  memor.  (1661)  699.  —  gutzerei,  /.,  zu  'gutzen 
'bettelei":  wer  meinstu  der  anders  erdacht  hat  die  vil 
stempereyen,  die  gutzereyen,  weder  allein  die  hungrigen 
Prediger?  M.  Zell  christenl.  verantwort.  (1523)  s  2*.  — 
gutzerlein,  gutzerl,  n.,  zu  'gutzen  3  a,  'ein  ding,  aus 
dem  man  herausschaut,  kleines  fenster,  gu^kloch",  s. 
'guckerlein  2;  vgl.  gluckfenster  (=  guckfenster)  vel 
gutzerlein  fenestella  (  =  fenestrella)  Diefenbach  229^; 
gutzerlein  valvula  reductilis  Kxbsch  corn.  (1723)  162*;  'ein 
guckfenster,  heiszt  ein  guckerlein,  im  obd.  ein  gutzerlein' 
EoiÜNITZ  20,  295; 

sie  zogen  links  ums  Herodes  sein  haus; 
da  schreit  der  kalfakter  zum  guzerl  heraus 

A.  Hartmann  Volkslieder  232; 

wie  'guckerlein  ifür  das  äuge:  wers  nit  so  guet  waisz,  hat 
doch  noch  ein  paar  gutzerl  im  schedel,  dasz  er  suechn  kan 
Schwabe  tintenfäszl  (1745)  78.  —  gutzfenster,  n.,  zu 
'gutzen  3  a  'guckfenster",  vgl.  guck-o.  gutzfensterlein  in 
der  wand  riscus  Kirsch  cornucop.  (1718)  949»:  es  ist 
eben  ein  fürnehmer  japanischer  herr  .  .  .  bei  einem 
schieb-  oder  gutzfenster  . .  .  gesessen  E.  Francisci  hiat. 
schaub.  (1698)  2,  222. 

GUTZGAUCH,  gutzegauch,  m.,  name  des  huchuks,  aus 
'gucken  und  gauch  'kuckuk",  vgl.  teil  4,  l,  sp.  1524,  ge- 
bildet, s.  auch  guckgauch  sp.  1040;  literarisch  bis  ins  17.  jh. 
belegt,  im  19,  jh.  aus  dem  Volkslied  wieder  aufgenommen, 
vgl.  gutzegauch,  gutzgauch,  guczengauch,  goczengaug 
cuculus  Diefenbach  gl.  161»:  der  güczgäuch  {Überschrift) 
in:  Germania  6,  88; 

der  gutzgauch  hat  sich  zu  todt  gefallen 
von  einer  holen  weiden 

Volks-  M.  gesellschaftslieder  111,  1  Kopp; 

Plinlus  schreibt  vom  gutzegauch, 
dem  vogel,  seiner  natur  brauch 

H.  Sachs  16,  484  ü:.- G.; 

gleich  wie  der  gutzgauch  der  graszmucken,  wann  sie  ihn 
auszbrüt  und  emöhret,  bisz  er  grosz  ist  worden,  so  friszt 
er  sie  zu  groszem  danck  V.  Schumann  nachtbüchl.  226  B.; 

94* 


1495    GUTZGEN— GYMNASIALÜNTERRICHT 


GYMNASIARCH  -  GYMNASTIK 


1496 


er  scheiszt  in  sein  eigen  nest  wie  der  gutzgauch  Etebino 
prov.  (1601)  2,  420; 

der  gutzgauch  war  der  kemmerling, 
der  fürt  die  braut  zu  schlafen 

Uhlani)  Volkslied.  (1881)  36; 

der  gutzegauch  will  seine  eier 

in  fremde  nester  legen      Gutzkow  ges.  w.  1,  255; 

mundartlich  in  Übertragung  a^if  die  grüne  feldwanze,  vgl. 
Mkisingek  Volks w.  a.  d.  Wiesenthal  22.  —  gutzgen,  vb., 
wohl  metathetische  Umbildung  von  guckzen  (s.  ^gucken), 
auf  das  geschrei  des  raben  übertragen:  und  künnen  nicht 
anders  gutzgen  und  gatzgen,  dann  wie  der  rab  C.  Golt- 
wüRM  geistl.  bedeut.  d.  erst,  buchs  Moysi  (1552)  31*. 

GUTZLER,  m.,  nomen  agentis  zu  gutzeln  1  'bettler, 
schmarotzer\  vgl.  gutzier,  ein  überlägner  bitter  flagitator 
Maaler  200«^,  gützler  procax  Diefenbach  gl.  461*:  so  ha- 
bend wir ...  wider  den  gemelten  (papst)  Hildebrandum  un- 
verschämten gutzier  ...  uns  einhellig  erkennt,  dasz  er  ab- 
gesetzt solle  sin  Tschüdi  chron.  Helvet.  (1734)  1,  31;  die 
fürnembste  lastet  .  •  .  sind  diese,  dasz  man  {die  Baiern) 
.  .  .  schwelger  und  unverschämpte,  mutwillige  und  fre- 
vele gutzier  ...  zu  nennen  pflegt  P.  Uffenbach  Atlas 
minor  (1609)  B 1»,  vgl.  Staüb-Toblbr  2,  584  (beleg  von  1667). 

GUTZÜCHTEN,  vb.,  zu  gut  IA2ea  (sp.  1237)  im 
älteren  steir.  'an  körperfülle  zunehmen^  Unger-Khull  3138'. 

GWACKATZEN,  vb.,  onomatopoetische  bildung  für 
das  schnattern  der  enten;  vielleicht  erweiterung  zu  quaken 
und  Vorstufe  von  quatschen,  vgl.  quieken,  quickezen, 
quecksen  und  veruxindtes  Wilmanns  dtsche  gramm.  2, 
108:  gwackatzen  als  die  enten  tetrasitare  Diefenbach 
gl.  582a  (15.  ß_)^ 

GWARDI  und  ableitungen  s.  guardi. 

GWELLFISCH,  m.,  name  des  fisches  aalraupe,  treusche 
(Iota  vulgaris),  der  zur  familie  der  Schellfische  (gadoidei) 
rechnet:  item  ain  mausz  (masz)  gwellfisch  Richental 
chron.  d.  Constanzer  conz.  40  lil.  ver. 

GYBITZ,  TO.,  name  einer  art  regenpfeif  er :  haupt- 
dummer  gybytz  (charadrius  morinellus)  Naumann  naiur- 
gesch.  d.  vögel  7,  163,  vgl.  kiebitz  und  giebitz. 

GYTITZ,  m.,  name  mehrerer  arten  des  regenpfeifers,  vgl. 
gyfitz  und  gyfitzköpel  'goldregenpfeif er'  {charadrius  pluvia- 
lis)  (1666)  Baldner  vogelb.  55  Laut,  für  den  kiebitzregen- 
pfeifer  {charadrius  squatarola):  eine  brachamsel,  groszer 
brachvogel,  grauer  gyfitz  C.  Schwenckfeldt  theriotr.Siles. 
(1663)  316;  gyfitz  {charadrius  vanellus  =  vanellus  cristaius) 
Naumann  naturgesch.  d.  vögel  7,  269;  vgl.  auch  kiebitz, 
giebitz  und  H.  Süolahti  d.  dtsch.  vogelnamen  271/. 

GYMNASIAL,  adj.,  latinisierende  ableitung  von  gym- 
nasium  'zum  gymnasium  gehörig,  am  gymnasium  befind- 
lich\  z.  b.  das  gymnasium  in  B.  besitzt  eine  gymnasiale 
und  eine  realgymnasiale  abteilung;  besonders  in  kompo- 
sitionen  gebräuchlich,  vgl.  gymnasialbildung,  /..*  und 
diese  historiker  treiben  nach  mangelhafter  gymnasial- 
büdung  ihr  fach  ziemlich  abgelöst  von  der  philologie 
W.  Scherer  H.  «cÄr.  l,  729.  —  gymnasialdirektor, 
m.:  dann  führst  du  ihn  {den  knaben)  zu  G.,  dem  würdigen 
gymnasialdirektor  A.  Pichler  neue  marksteine  (1890)  57. 
—  gymnasiallehrer,  m.:  die  späsze  der  anderen herren, 
einiger  gymnasiallehrer,  dünkten  ihn  schal  und  laichen - 
haft  H.  v.  Kahlenbebg /ami7ie  Barchwitz  (1902)  181.  — 
gymnasialprofessor,  m.:  {seine)  Vorbereitungen  als 
Zeichner  mit  den  ansprüchen  der  gymnasialprofessoren  in 
einklang  zu  .  .  .  bringen  Holtei  erz.  sehr.  5,  10.  —  gym- 
nasialunterricht,  m.:  da  der  gymnasialunterricht 
wesentlich  vorbereitend  ist  Hegel  w.  17,  348. 


GYMNASIARCH,  m.,  n  achgr.  YvuvaainQ-/og;  Vorsteher 
einer  schule  für  leibesübungen:  zeichen  der  gewalt  eines 
gymnasiarchen  Böttioer  kl.  sehr,  l,  215  Billig;  auf  den 
Vorsteher  einer  humanistischen  schule,  eines  gymnasiums 
übertragen:  o,  ihr  konrektoren  und  gymnasiarchen,  die  ihr 
über  die  devalvazion  der  alten  winselt  Jean  Paul  l,  108 
Hempel. 

GYMNASIAST,  m.,  aus  neulat.  gymnasiasta,  vgl.  PaÄ- 
TORius  philos.  salust.  (1664)  a  12^,  für  den  schulet  einer 
humanistischen  schule,  eines  gymnasiums;  ältere  belege  des 
18.  jhs.  s.  bei  H.  Schulz  dtsches  fremdwörterbuch  1,  260'>: 
vielleicht  war  es  gar  nichts,  blosz  eine  milchsuppe  von 
Berliner,  ein  gymnasiast  Fontane  ges.  w.  I  6,  63. 

GYMNASIUM,  n.,  lat.  gymnasium,  gr.  yv/uyacor 
schule  für  leibesübungen  {zu  yv/uyos'  nackt);  in  der  alten 
bedeutung  wieder  aufgenommen:  nach  Strabo  waren  die 
schauenswerthesten  statuen  im  gymnasium  und  im  tem- 
pel  des  Bacchus  aufgestellt  H.  Meyer  gesch.  d.  bild.  künste 
(1824)  1,  218;  in  späthumanistischer  zeit  (16.  jh.)  als  name 
für  die  humanistische  gelehrtenschule  eingeführt,  weil  im 
antiken  gymnasium  der  hauptsächlich  steversammlungsort 
der  philosophenschulen  zu  sein  pflegte:  umb  das  jähr  Christi 
1346  hat  pfaltzgraff  Rupertus  alda  ein  herlich  gymnasium 
auffgerichtet  Quad  enchiridion  (1598)  79;  die  erbam  sitten 
auf  hohen  schulen  und  gymnasien  Meyfabt  v.  d.  hoch- 
schulen  (1636)  5;  das  herlich  gymnasium  oder  schuelhausz 
der  geseUschaf  t  Jesu  zu  Insprugg  v.  Brandis  ehrenkräntzel 
(1678)  213;  {Oöthes  vater)  hatte  seine  Jugend  auf  dem 
Coburger  gymnasium  zugebracht,  welches  unter  den  deut- 
schen lehranstalten  eine  der  ersten  stellen  einnahm  Göthk 
26,  44  W.;  eine  grosze  zwillingsschule,  welche  aus  einem 
gymnasium  und  einer  realschule  bestand  G.  Keller  ges. 
w.  1,  128;  in  scherzhafter  Übertragung:  gymnasium  Straf- 
anstalt, Zuchthaus  H.  Ostwald  rinnsteinspr.  04;  gimnasi 
verstand 'K.VE^  oberschwäb.  19.  —  gymnasiumsprofes- 
sor,  m.:  dann  ein  gymnasiumsprofessor  Görres  ges.  br. 
3,  285. 

GYMNASTIK,/.,  nach  gr.  yvfivaaTiXTJ  (rix^v)  diekunst 
der  leibesübungen:  die  ganze  gymnastik  der  alten  Iftszt 
sich  in  die  orchestrik  und  palästrik  eintheilen  Gottsched 
d.  neueste  (1751)  3,  435;  ist  die  einrichtung  nicht  löblich, 
.  .  .  die  deinen  vater  veranlasset,  dich  in  der  .  .  .  gym- 
nastik unterrichten  zu  lassen?  Fr.  Nicolai  literaturbr. 
(1759)  7,  iO;für  die  'ttirnkunsf  eingeführt  durch  J.  Chr.  F. 
GuTSMUTHs  gymnastik  für  die  Jugend  (1793)  titel;  in 
neuerer  spräche  aber  vom  eigentlichen  turnen  mit  hilfsgeräten 
wieder  getrennt  als  körperliche  Übungen  ohne  gerate,  z.  b, 
rhythmische  gymnastik;  übertragen  auf  geistige  Schulung 
und  Übung:  solch  ein  angriff  gefällt  mir!  das  ist  eine  gym- 
nastik des  Verstandes  Heinse  s.  w.  4,  333  Seh.;  die  gei- 
stige gymnastik  hat  vor  der  körperlichen  das  übergewicht 
gewonnen  Rosegger  scAr.  II  8,  390.  —  gymnastisch, 
adj.,  nach  lat.  gymnasticus,  gr,  yvfiyaaxixos  'die  leibes- 
übungen betreffend':  hier  wird  nun  der  Ursprung  . . .  der 
gymnastischen  spiele  erkläret  Gottsched  d.  neueste  (1751) 
3,  435;  durch  gymnastische  Übungen  bilden  sich  .  .  . 
athletische  körper  aus  Schiller  lo,  294  0.;  Eros  (bekam) 
neben  den  zwei  gymnastischen  göttern,  dem  Hermes  und 
Herakles,  bildsäulen  Böttiger  kl.  sehr,  l,  161  Sillig;  er 
hob  ihn  durch  einen  gymnastischen  schwung  auf  die 
Schulter  Alexis  ruhe  ist  die  erste  bürgerpfi.  (1852)  236.  — 
gymnisch,  adj.,  nach  lat.  gymnicus,  gr.  yvfiyi/.ös,  was 
gymnastisch:  die  gymnischen  spiele  beruhen  auf  der 
einigung  der  Vernunft  mit  den  körperkräften  Sohlbier- 
macher  I  12,  58  beil.  §  I7l. 


Druck  von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig 
Printed  in  Germany 


ou^wii^v*  t-isj«    Art;  JL D  1355 


PF 

3625 

G7 

Bd. 4 

Abt.l 

T.6 


Grimm,   Jakob  Ludwig  Karl 
Deutsches  Wörterbuch 


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