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Full text of "Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin und vergleichende Pathologie 9.1883"

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
DAVIS 


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DEUTSCHE ZEITSCHRIFT 

FÜR 

THIERMEDICIN 

UND 

VERGLEICHENDE PATHOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN VON 

Kreisthierarzt ADAM in Augsburg, Obermarstallsthierarzt ALBRECHT in Berlin, 
Prof. DAMMANN in Hannover, Prof. ESSER in Göttingen, Prof. FESER in 
München, Prof. FRIEDBERGER in München, Prof. GRAFF in Aschaffenburg, 
Medicinalrath GÜNTHER in Hannover, Prof. HAHN in München, Prof. HARMS 
in Friedrichstadt, Prof. HARZ in München, Prof. KEHRER in Heidelberg, 
Prof. KLEBS in Zürich, Prof. KÖSTER in Bonn, Prof. KRABBE in Kopenhagen, 
Medicinalrath LYDTIN in Karlsruhe, Prof. LUSTIG in Hannover, Dr. PAULICKI 
in Strassburg, Prof. PFLUG in Giessen, Prof. RABE in Hannover, Dir. SCHMIDT 
in Frankfurt, Medicinalassessor SCHUSTER in Jena, Prof. SEMMER in Dorpat, 
Obermedicinalrath STRAUB in Stuttgart, Prof. VOGEL in Stuttgart, Prof. 
WEHENKEL in Brüssel, Dir. WIRTZ in Utrecht, Landesthierarzt ZÜNDEL 
in Strass^urg, Prof. ZÜRN in Leipzig, Prof. ZUNTZ in Berlin 

RED1GIRT VON 

Dr. 0. BOLLINGER, Dr. L. FRANCK, 

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT •* DIRECTOR DER THIER ARZNEISCHULE 

IN MÜNCHEN. 

Dr. ALBERT JOHNE, Dr. M. SUSSDORF, 

PROF. AN DER K. THIERARZNEISCHULE PROF. AN DER K. THIERARZNEISCHULE 

IN DRESDEN. in STUTTGART. 


Neunter Band. 

MIT 12 HOLZSCHNITTEN UND 2 TAFELN. 


__ 

LEIPZIG, 

VERLAG VON F. C. W. VOGEL. 
1883. 


LIBRARY 

UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
DAVIS 

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Inhalt des neunten Bandes. 


Erstes und zweites (Doppel-) Heft 

(ausgegeben am 8. Februar 1883). 

Seite 

I. Die Geschichte der Tuberculose mit besonderer Berücksichtigung 

der Tuberculose des Rindes und die sich hieran knüpfenden 
medicinal- und veterinärpolizeilichen Gonsequenzen. Von Prof. 

Dr. A. Johne in Dresden. 1 

II. Kleinere Mittheilungen. 

1. Melanosarcomatose und Melanämie bei Schimmeln. Von Prof. 

Dr. E. Semmer in Dorpat.89 

2. Septisch typhöse Form des Rothlaufes der Schweine und deren 

Bacterien. Von demselben.90 

3. Septicopyämie in Folge putrider Nabelentzündung bei jungen 

Hunden. Von demselben.92 

4. Ueber den Schwanz bei Säugethierembryonen. Von Dr. M. 

Braun (Dorpat).93 

III. Auszüge und Besprechungen. 

1. Schutzimpfung gegen Milzbrand. (B.).95 

2. Zur Kenntniss der Trichinose. (B.).96 

3. Leuckart, Zur Entwickelungsgeschichte des Leberegels. (B.) 98 

4. Thierseuchen in Dänemark im Jahre 1881. (Krabbe.) . . 100 

IV. Bücheranzeigen. 

1. v. Thanhofer, Ueber die Zuchtlähme. (F.).102 

2. Mittheilungen aus der Universitäts - Augenklinik zu München. 

Herausgegeben von v. Rothmund undEversbusch. (F.) 102 

3. Goyau, Traitd pratique de maröchalerie. (F.).103 

4. Baber, Researches on theminute structure of the thyreoid 

gland. (F.). 103 

5. Plaut, Das organische Contagium der Schafpocken und die 

Mitigation derselben nach Toussaints Manier. (F.) . . 104 

6. Johne, Was hat der Landwirth gegenüber unserem Wissen 

über die Tuberculose des Rindes zu beachten? (F.) . . 104 


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IV 


Inhalt des neunten Bandes. 


7. Grünwald, Experimenteller Beitrag zur Lehre über einige 

Contagien. (F.).104 

8. Kunsien, Ueber die Entwicklung des Hornhufes bei eini¬ 

gen Ungulaten. (F.).105 

9. Wirth’s erfahrener Rindvieharzt, oder leichtfassliche An¬ 

leitung, wie der Landmann die Krankheit seines Rind¬ 
viehes richtig erkennen, leicht verhüten und heilen kann. f 
(F.) .105 

10. Jahresbericht der königlichen Thierarzneischule zu Hanno¬ 

ver. 14. Bericht. 1880—82. (F.).105 

11. Koch’s Veterinärkalender pro 1883. (F.).105 

12. Adam’s veterinärärztliches Taschenbuch pro 1883. (F.) . 106 

13. The journal of comparative medicine and surgery. (F.) . 106 

14. Franck, Handbuch der Anatomie der Hausthiere. (F.) . 106 

15. Ercolani, Deila polydactylia e della polimelia nell’ nomo 

e nei vertebrati. (F.).106 

16. Bericht über das Veterinär wesen im Königreich Sachsen 

für das Jahr 1881. (F.).106 

17. Pütz, Die Seuchen- und Heerdekrankheiten unserer Haus¬ 

thiere, mit Rücksicht auf die Zoonosen des Menschen. (F.) 107 

18. Arnold, Kurze Anleitung zur qualitativen chemischen Ana¬ 

lyse. (Kleber.) .108 

19. Lew in., Die Nebenwirkung der Arzneimittel. (W.) . . 108 

V. Verschiedenes.109 

VI. Personalien.112 


Drittes Heft 

(ausgegeben am 31. Mai 1883). 

VII. Ueber Katalepsie. Von Prof. E. Fröhner in Stuttgart . . . 119 
V1H. Ein Beitrag zur Kenntniss der Pachymeningitis spinalis beim 
Hunde. Von Prosector Th. Kitt und A. Stoss, I. klin. 

Assistent, in München.137 

IX. Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirthschaft. Vor¬ 
trag, gehalten im landwirtschaftlichen Kreisverein Iserlohn. 

Von Dr. Schmidt-Mülheim. 146 

X. Zwei veterinär-chirurgische Mitteilungen. Von Prof. Dr. Pütz 

in Halle a/S. 160 

1. Zur Therapie des Hufkrebses. — 2. Operative Heilung 
einer partiellen Nekrose des unteren Endes der Huf beinbeuge¬ 
sehnen mit oder ohne Affection des Hufgelenkes etc. 

XI. Angioma cavernosum bei einem Pferde. Von Mag. W. Gutmann 

in Dorpat.165 

XH. Der „doppelrotirende Huftrepan“, seine Anwendung und praktische 
Bedeutung. Von k. k. Oberthierarzt Martinak in Prag. 
(Tafel I). 169 


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Inhalt des neunten Bandes. 


V 


XIII. Amyloide Infiltration bei der Tuberculose des Geflügels. Von 

Prosector Th. Kitt in München . ..174 

XIV. Tracheitis verrucosa verminosa d. Hundk Von Prof. Dr. C. Rabe 

in Hannover. (Tafel II). N .180 


XV. Bericht über die im Jahre 1882 veröffentlichten Arbeiten über: 

Die Krankheiten der Vögel. Von Prof. Dr. Zürn in Leipzig 185 
XVL Kleinere Mittheilungen. 

1. Odontologische Notizen. Von Prosector Th. Kitt in 

München.208 

2. Miliartuberculose bei einer perlsüchtigen Kuh. Von Dr. 

Schmidt-Mülheim in Iserlohn.210 

3. Ein neuer Zuchterfolg in dem Hausthiergarten des land¬ 

wirtschaftlichen Instituts der Universität Halle. Von 
Prof. Dr. J. Kühn. 213 

4. Ueber Milben. Von Prof. Dr. Zürn in Leipzig . . . 215 
XVH. Auszüge und Besprechungen. 

1. Koch, Ueber die Milzbrandimpfung. Eine Entgegnung 
auf den von Pasteur in Genf gehaltenen Vortrag. 


(Johne.).216 

2. Grün wald, Experimenteller Beitrag zur Lehre über einige 

Contagien.. 232 


Viertes Heft 

(ausgegeben am 8. August 1883). 

XVIH. Das Vogelei. Von Prof. Dr. Bonn et.239 

XIX. Thoracopagus beim Kalb. Von Dr. Paulicki in Strassburgi/E. 253 

XX. Ein fünfbeiniger Frosch. Von Dr. Pauli cki in Strassburg i/E. 258 

XXI. Zur vergleichenden pathologischen Anatomie und Aetiologie der 

Mastitis. Von Dr. Carl Schlösser aus München . . . 260 
XXU. Kleinere Mittheilungen. 

1. Beitrag zur Casuistik der Tubo - Ovarialcysten beim Pferde. 

Von Georg Schneidemühl in Hannover.279 

2. Weitere Resultate über die Natur und Wirkung des in den 

schädlichen Lupinen enthaltenen Stoffes. Von Carl 
Arnold und Georg Schneidemühl in Hannover . 286 

3. Rudimente des vorderen Endes der MüUer’schen Gänge 

beim frischgeborenen Hengstfohlen. Von L. Franc k . 289 
XXHI. Auszüge und Besprechungen. 

1. Demme, Uebertragung der Maul- und Klauenseuche auf 

den Säugling durch den Genuss der Milch eines erkrank¬ 
ten Thieres. (B.).290 

2. Fleischvergiftung in Oberlangenhard - Zell und in Rykon- 

Zell (Canton Zürich). (B.). 292 


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VI 


Inhalt des neunten Bandes. 


Seite 

3. Warrikow, Ueber die Wirkung einiger Antiseptica auf 

das Milzbrandcontagium. (Franck.).292 

4. Roloff, Der Milzbrand, seine Entstehung und Bekäm¬ 

pfung. (Franck.).293 

5. Der Hufschmied, Zeitschrift für das ganze Hufbeschlag¬ 

wesen. (Franck.).294 

6. The quarterly journal of veterinary Science in India and 

army animal management. (Franck.) ..294 

7. II offmann, Die Entwickelung des Militär-Veterinär¬ 

wesens in Württemberg. (Franck.).295 

8. Bauwerker, Kranken- und Geschäftstagebuch für Thier¬ 

ärzte. (Friedberger.).295 

9. Philipp, Ueber Ursprung und Lebenserscheinungen der 

thierischen Organismen. (Kitt.).296 

10. Ercolani, Deila polydactylia e polymelia nelF nomo e 

nei vertebrati. (Kitt.).296 

11. Peters, Die Formveränderungen des Pferdehufes bei Ein¬ 

wirkung der Last mit besonderem Bezug auf die Aus¬ 
dehnungstheorie. (Gr.).298 

XXIV. Verschiedenes.300 

XXV. Personalien.302 

XXVI. Briefkasten.304 

Berichtigungen (VHI. Bd.).304 


t 


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I. 


# 


Die Geschichte der Tuberkulose 
mit besonderer Berücksichtigung der Tnbercnlose des 
Rindes nnd die sich hieran knüpfenden medicinal- 
nnd veterinärpolizeilichen Gonsequenzen. 

Von 

Dr. All). Johne, 

Professor an der königl. Thierarzneischule zu Dresden. 


Literatur. 

1) Eulenberg, Hdb. d. öifentl. Gesundheitswesens. II. 568. — 2) Vir- 
chow, Die krankhaften Geschwülste. Berlin. — 3) Waldenburg, Die Tu¬ 
berkulose. Berlin 1869. — 4) Zeitschrift f. rat. Med. 1857. N. Flg. VIII. S. 50. 

— 5) Bullet de l’academie de mdd. — 6) Gaz. hebdom de mdd. de Paris. — 
7) Compt. rend. — 8) Willburg, Aul. z. Heil, der Krankh. d. Kindes. 1776. 

— 9) Seeger, Hdb. d. popul. Thlk. f. aufgekl. Oeconom. I. 1797. — 10) Erx- 
leben, Prakt. Unterr. i. d. Vieharzneikd. 1780. — 11) Pilger, Hdb. d. Vet.- 
Wissensch. II. 1801. — 12) Kitt, Hdb. d. Vet.-Med. II. 1818. — 13) Huzard, 
Peripneumonie chronique ou Phthisie pulmonaire. Paris. An. VIII. — 14) Hof- 
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Gerichtl. Thrhlk. 1822. — 16) Kibbe, Unterr. üb. d. Krankh. d. Rindes. 1822. 

— 17) Dupuy, De l’affection tub. Paris. 1817. — 18) Spinola, Ueber d. 
Vorkomm. v. Eiterknoten (vomicis) in d. Lungen d. Pferdes. 1839. — 19) Veith, 
Hdb. d. Vet.-Med. 1818. — 20) Dietrichs, Hdb. d. spec. Path. u. Ther. 1828. 

— 21) Gurlt, Lehrb. d. path. Anat. 1831. I. — 22) Rychner, Bujatrik. 
1840. 1. Aufl. — 23) Funke, Hdb. d. spec. Path. u. Ther. 1841. — 24) He¬ 
ring, Hdb. d. spec. Path.u. Ther. 1849. — 25) Spinola, Hdb. d. spec. Path. 
u. Ther. 1858. — 26) Fuchs, Path. Anat. d. Hausth. 1859. — 27) Gluge, 
Atl. d. path. Anat. Lief. 15 u. 16. 1850. — 28) Förster, Hdb. d. spec. path. 
Anat. 1863. S. 237. — 29)Bruckmüller, Lehrb.d. path.Zootomie. 1869. S. 601. 

— 30) Arch. f. wissensch. u. prakt. Thlk. Berlin. — 31) Berl. klin. Wchschr. 

— 32) Virchow, Hdb. d. spec. Path. u. Ther., — Würzburg. Verh. VII. 1857. 
S. 143. — 33) Gerlach, Die Fleischkost d. Menschen 1875. — 34) Grau¬ 
mann, Abhdl. üb. d. Franzosenkr. d. Kindes. 1784. — 35) Deutsche Zeitschr. 
f. Thiermed. u. vergl. Path. — 36) Flor in i, Der kluge u. rechts verst. Haus¬ 
vater. 1702. — 37) Fürstenau, Kurze Einl. z. Haushalt- u. Vieharzneikunst. 
1747. — 38) Zink, Oecon.Lexikon. 4.Edit. Leipzig 1764. S. 816. — 39) Krü- 
nitz, Oec. Encyclop. 1778. Bd. 14. S. 768. — 40) Göttinger gemeinnütz. Ab- 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 1 


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2 


I. JOHNE 


handl. 1774. 15. u. 16. Stück. — 41) Gelehrte Beitr. z. d. braunschw. Anzeig. 
1769. 62. Stück. — 42) Hayne, Seuchen d. nutzb. Hausth. 1836. S. 237. — 
43) Viborg, Yeter. Selskab. Skrifter HI. 127.128. — 44) D’Arboval-Ren- 
ner’s, Wörterb. d. Thrhlk. 1832. S. 57. — 45) Archives de m4d. comp. Tom. I. 
1843. — 46) Mittheil. a. d. thierärztl. Praxis im preuss. Staate. Neue Folge. 

— 47) Gielen, Rep. d. preuss. Yet.-Polizeigesetze. 1836. — 48) Frenzei, 
Die Franzosenkr. d. Rindes. 1799. — 49) Gurlt, Nachträge z. path. Anat. 1849. 
S. 66. — 50) Rychner & Im Thurm, Encyclop. 1837. — 51) Fuchs, 
Thierärztl. .^Zeitschr. 1850. S. 135. — 52) Mittheil. a. d. thierärztl. Praxis im 
preuss. Staate. (Aeltere Reihe). — 53) Gurlt & HertWigs Magaz. d. ges. 
Thrhlk. — 54) Kreutzer, Grundr. d. Vet.-Med. 1853. S.624. — 55) Kreutzer, 
Centralztg. 1854. Nr. 4u. 5. — 56) Haubner, Innere u. äussere Krankh. d. 
Hausth. 1858.1863. — 57) Gerl ach, Gerichtl. Thierhlk. — 58) Röll, Lehrb. 
d. Path. u. Ther. 2. Aufl. 1859. — 59) Bericht üb. d. Yet.-Wesen im Königr. 
Sachsen. — 60)Roustan, Recherches sur Pinculabilit6 de la Phthisie. Paria 
1867. — 61) Jahresber. d. Thierarzneischule zu Hannover. — 62) Oesterr. 
Vierteljahrschr. f. wissensch. Thierheilk. — 63) Rep. d. Thierhlk. v. Hering. 

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neisch. 1879/1880. — 70) The med. Tim. and Gaz. — 71) Thebrit. med. Journ. 

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Journ. — 74) Etüde clinique de la phthisie galop. Paris 1874. — 75) Volk- 
mann, Vorträge. — 76) La Spermentale. — 77) Medic. Centralbl. — 78) 
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möd. v6t. — 81) Rüge, Beitr. zur Lehre von der Tub. Diss. Berlin 1869. - 1 * 
82) Allgem. med. Centralztg. 1877. Nr. 65. — 83) Ber. üb. d. 12. Vers. d. 
ophth. Gesellsch. z. Heidelberg. 1879. — 84) Archiv f. Ophthalm. — 85) Archiv 
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88) Gaz. möd. de Lyon. — 89) Zeitschr. f. prakt. Vet.-Wissensch. (Bern.) — 
90) Adam, Wochenschr. f. Thierhlk. u. Viehz. — 91) Tidskrift for Vet. — 
92) Schreiber, Zur Lehre v. d. artif. Tub. Inauguraldiss. Königsberg 1875. 

— 93) Der Thierarzt. — 94) Revue d. Thierheilk. — 95) Presse m6a. belg. 

— 96) Archiv d. Heilkde. — 97) Schüppel, Unters, üb. Lymphdrüs.-Tub. 
Tübingen 1871. —■ 98) Buhl, Lungenentzünd. München 1872. — 99) Rind¬ 
fleisch, Hdb. d. path. Gewebslehre. — v. Ziemssen, Hdb. d. spec. Path. V. 

— 100) E. Wagner, Das tuberkelähnl. Lymphadenom. Leipzig 1871. — 101) 
Hering, Studien über Tuberkulose. Berlin 1873. — 102) Birch-Hirsch- 
feld, Hdb. d. path. Anat. 1. Aufl. — 103) Billroth, Unters, üb. Entwick¬ 
lung d. Blutgef. Berlin 1856. S. 32. — 104) Ziegler, Ueber path. Bindege- 
websneub. 1876. — 105) Heidenhain, Ueber die Verfettung fremd. Körper 
i. d. Bauchh. leb. Th. I.-D. Breslau 1872. — 106) Ziegler, Ueber d. Bfer- 
kunft d. Tuberkelelemente. Würzburg 1875. — Lehrb. d. allgem. u. spec. 
pathol. Anat. Jena 1881. — 107) Talma, Studien üb. d. Lungenschwinds. 
Utrecht 1878. — 108) Wien. med. Jahrb. — 109) Aerztl. Intelligenzblatt. — 
110) Petersburger Archiv f. Vet.-Wissensch. — 111) Wagner, Allgem. Path. 
1876. — 112) Kudneff, Ueber Tub. u. tuberk. Neub. a. d. serös. Häuten. 
Diss. 1875. — 113) Fürstenberg, DieMilchdr. d.Kuh. 1868. — 114) Oesterr. 
Monatsschr. f. Thierärzte. — 115) Lehmann, Die landwirthsch. Versuchs¬ 
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tionslehre. Leipzig. 2. Aufl. — 117) S chüller, Exp. u. hist. Unters, üb. Entst. 
u. Urs. d. scrof. u. tub. Gelenkleid. Stuttgart 1880. — 118) Gaz. möd. de Paris. 

— 119) Deutsche med. Wochenschr. — 120) Wien. med. Presse. — 121) Re¬ 
vue v6t6rin. — 122) Rust’s Magaz. 35. Band. 2. Heft. — 123) v. Buhl, Mit¬ 
theil. a. d. path. Instit. zu München. 1878. S. 200. — 124) Aufrecht, Path. 
Mittheil. Magdeburg 1881. — 125) 17. Ber. üb. d. Thätigk. d. Jenner’schen 
Kinderhosp. m Bern. 1879. S. 27. — 126) Archiv f. Kinderheilk. 1880. I. 414. 

— 127) Eulenburg, RealencykL f. d. ges. Heilkunde. X. 503. — 128) Prager 
Vierteljahrschr. 1878. S. 115. — 129) Hergard, Lehrb. d. Kinderkrankh. 
1875. S. 303. — 130) Amtl. Bericht üb. d. 2. Vers. d. deutsch. Vet.-Rathes. 
Augsburg 1875. — 131) Lustig, Die Frage der Zulässigk. d. Fleisches u. d. 


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Geschichte der Tuberculose. 


3 


Milch perls. Rinder f. d. menschl. Genuss. Augsburg 1876. — 132) Philadel¬ 
phia med. Tim. Dec. 1881. — 133) Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. — 134) 
Vogel, Physik.Diagnostik. Stuttgart 1874. S.325. — 135) Annacker, Hdb. 
d. Path. u. Ther. Hannover 1879. S. 328. — 136) Seer, Hdb. d. Thierheilk. 
1856. — 137) Union mdd. 1868. No. 12. — 138) Lancet. 1867. No.2. —139) 
Weber, Transactoftheclin.Soc.ofLondon. Vol. Vn. 1874. — 140)Deutsche 
Klinik 1874. Nr. 21. 22. 1875. Nr.8u.9. — 141) Klein, Quelques considdra- 
tions sur la tuberc. 1870. — 142) Schmidt’s Jahrb. d ges. Med. Bd. 144. 
S. 227. — 143) Deutsch. Med.-Ztg. VHI. Nr. 36. — 144) Ptttz, Seuchen etc. 
1882. 


EINLEITUNG. 

Ueberblickt man die Arbeiten, welche in den verflossenen 
100 Jahren auf dem Gebiete der allgemeinen Pathologie geleistet 
worden sind, so dürften wenige Krankheiten einen gleichen Wett¬ 
kampf der bedeutendsten Geister hervorgerufen haben, als die 
Tuberculose. Freilich das Ziel, dem alle diese Arbeiten zu¬ 
strebten, war auch ein hohes! Galt es doch, nicht nur eine 
furchtbare Geisel des Menschengeschlechtes zu brechen, sondern 
auch deren ätiologische Beziehungen zur Tuberculose unserer 
Hausthiere, besonders der des Rindes, zu ermitteln, und damit 
eine Krankheit näher zu erforschen, deren eminente Bedeutung 
für die öffentliche Gesundheitspflege einerseits, und für unsere 
Landwirthschaft und Viehzucht andererseits nicht mehr länger 
verkannt werden kann. 

Noch ist dieses Ziel nicht vollständig erreicht, noch harren 
so manche hochwichtige Fragen ihrer Lösung; aber mehr und 
mehr hat sich seit Villemin’s (1865) epochemachenden Arbeiten 
die Ueberzeugung Bahn gebrochen, dass die Tuberculose bei 
Thieren und Menschen nicht nur eine der verbreitetsten und 
wegen ihrer Unheilbarkeit gefürchtetsten Krankheiten — oder 
wie sich Gohnheim und Koch ausdrücken, nicht nur das ein¬ 
mal gegebene Product unserer socialen und wirthschaftlichen 
Verhältnisse — nicht nur der Ausdruck des socialen Elendes — 
ist, sondern dass sie als eine übertragbare Infectionskrankheit 
betrachtet werden müsse. 

Ja noch mehr! Dem genialen Forscher auf dem Gebiete 
der Bacteriologie, Koch in Berlin, ist es in der allerneuesten 
Zeit nicht nur gelungen*), die parasitäre Natur des Tuberkel- 

*) 3 ‘) 1882, No. 15. 

1 * 


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I. JOHNE 


virus im Allgemeinen, sondern auch den von ihm entdeckten 
Tuberkelbacillus mit zweifelloser Sicherheit in den Tuberkeln 
bei Menschen und Thieren naohzuweisen, und damit die Identität 
beider Processe positiv festzustellen. 

Ohne sich einer optimistischen Schwärmerei hinzugeben, darf 
man daher wohl behaupten, dass durch die neuesten Koch’schen 
Arbeiten die pathogenetische Seite der Tuberkelfrage in ihren 
Hauptzügen als erledigt zu betrachten ist, und dass man nun 
ernstlicher als bisher daran denken muss, die Gonsequenzen zu 
erwägen, welche sich unvermeidlich aus der infectiösen Natur 
der Tuberculose ergeben. Wenn man sich bisher offenbar scheute, 
das Fadt aus dem grossen Exempel zu ziehen, an dem die be¬ 
deutendsten Forscher seit nunmehr fast 30 Jahre mit rastlosem 
Eifer gerechnet haben, so wird man jetzt offenbar gezwungen 
sein, die Gefahren'rücksichtslos ins Auge zu fassen, welche die 
Tuberculose der Schlachtthiere, speciell die des Bindes und 
Schweines für das Menschengeschlecht bietet. Die vielfach an 
sträflichen Leichtsinn grenzende Sorglosigkeit, mit welcher die 
Landwirtschaft dem Umsichgreifen der Tuberculose bei den 
genannten Thiergattungen zusah, wird aufhören müssen, und die 
Medicinal- und Veterinär-Polizei dürfte genötigt sein, entschie¬ 
dener gegen die Tuberculose Stellung zu nehmen, als bisher. 

Die Geschichte der Tuberculose ist damit an einem Wende¬ 
punkt angelangt, dessen Tragweite zur Zeit noch nicht abzusehen 
ist — ein Wendepunkt, der aber nicht unerwartet, sondern seit 
Jahren vorbereitet, und für diejenigen, welche den Arbeiten auf 
diesem Gebiete aufmerksam gefolgt sind, wie etwas längst Er¬ 
wartetes eintritt. 

Es dürfte eine dankbare Aufgabe sein, von diesem Wende¬ 
punkt aus einen Rückblick auf den Entwicklungsgang unseres 
heutigen Wissens über Tuberculose, mit besonderer Berücksich¬ 
tigung der Tuberculose des Rindes, zu werfen. Begeht letztere 
doch in diesem Jahre ein Jubiläum ganz eigener Art. Da» im 
Jahre 1782 von dem damaligen Kreisphysikus Heim über die 
vollständige Geniessharkeit des Fleisches perlsüchtiger Rinder 
an das Ober-Sanitäts-Collegium zu Berlin abgegebene Gutachten 
bezeichnet nämlich den Zeitpunkt, von welchem ab die Tuber¬ 
culose des Rindes jede Bedeutung für die Medicinal- und Vete¬ 
rinär-Polizei verlor. Die im Jahre 1882 von Koch gemachte 
Entdeckung hingegen bildet quasi den Schlussstein für eine Reihe 
höchst interessanter, die Infectiosität und Unität der bei Men- 


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Geschichte der Tuberculose. 


5 


sehen nnd Thieren vorkommenden tuberculösen Processe betref¬ 
fenden Untersuchungen, durch welche die Tuberculose des Rindes 
wiederum zu einem Gegenstand von der höchsten hygienischen 
Bedeutung geworden ist. 


ERSTE ABTHEILUNG. 

Die Geschichte der Tuberculose. 

ERSTER ABSCHNITT. 

Periode vor Villemin. 

Die Lehre von der Tuberculose in unserem heutigen, modernen 
Sinne ist bekanntlich eine verhältnissmässig junge; sie datirt 
erst aus den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. Vor 
dieser Zeit wurde der Ausdruck Tuberkel lediglich im descriptiven 
Sinne zur Bezeichnung knötchenförmiger Neubildungen der aller- 
verschiedensten Abstammung gebraucht. Jene als Miliartuberkeln 
bezeichneten kleinen, gefässlosen, zeitigen Knötchen, welche über 
eine gewisse Grösse nicht hinauswachsen, sondern, auf diesem 
Entwicklungspunkt angelangt, verkäsen, sind im Alterthum und 
Mittelalter vollständig unbekannt gewesen. Auch die grösseren, 
aus der Confluenz dieser kleinen Miliartuberkeln entstehenden 
Knoten sind bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur als ein¬ 
fache Eiterherde ohne irgend welche specifische Eigenschaft be¬ 
trachtet worden. Alle Versuche, die man seit der Entdeckung 
des eigentlichen oder sogenannten Miliartuberkels gemacht bat, 
den Nachweis zu liefern, dass der Tuberkel in unserem heutigen, 
specifischen Sinne schon den älteren Autoren Uber Lungenschwind¬ 
sucht (Phthise) bekannt gewesen sei, sind daher als verfehlte zu 
betrachten (vergl. 2 ) und 3 )). 

Für die ältesten medicinischen Autoren, Hippokrates 
(460 — 377 v. Chr.), Celsus (30 v. — 50 n. Chr.), Aretäus 
(c. 100 Jahre n. Chr.), Galenus (131—200 n. Chr.) etc., hat das 
Wort Phthisis keine andere Bedeutung als den der Vereiterung 
und Verschwärung der Lunge gehabt, trotzdem von ersterem 
bereits eine mustergültige Beschreibung der Lungenschwindsucht 
vorliegt. Das Wort »Tuberkel“ im Sinne eines derben, festen 
Knotens findet sich' überhaupt erst in den Arbeiten derjenigen 


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I. JOHNE 


Forscher, denen es mit der Anerkennung der Anatomie als einer 
berechtigten Wissenschaft möglich wurde, häufiger Sectionen 
menschlicher Leichen vorzunehmen. Hierbei stiess man in den 
Lungen auf verschiedene, knötchenartige Gebilde, welche man 
bald als Tuberkeln (von Tuberculum, das KnOtchen), bald als 
Scirrhus, Struma oder Steatoma bezeichnete, ohne dieselben aber 
vorerst in irgend welche ätiologische Beziehung zur Lungen¬ 
schwindsucht zu bringen. Der Erste, welcher einen genetischen 
Zusammenhang zwischen Lungenknoten und Phthise annahm, war 
Sylvius 2 ) (Bd. II, S. 622), welcher 1695 die Ueberzeugung aus¬ 
sprach, dass ein Theil der Phthisen aus kleineren oder grosseren 
Lungenknoten, ein anderer aus Pneumonien und Katarrhen her¬ 
vorginge, dass beide Processe aber schliesslich zur Eiterung 
und Cavernenbildung führten. Sylvius war auch der Erste, 
welcher die LungenknOtchen aus kleinen, dem Auge für ge¬ 
wöhnlich entgehenden Lymphdrttschen entstehen liess, die bei 
einer gewissen, sog. scrophulOsen Constitution wachsen, sichtbar 
werden und nach Erlangung einer gewissen GrOsse eitrig zer¬ 
fallen sollten. 

Ganz zweifellos sind die Miliartuberkeln schon von Manget 
beobachtet worden. Inseiner 1700 erschienenen Neubearbeitung 
des grossen Bon net’sehen Werkes — einem der ersten auf dem 
Gebiete der pathologischen Anatomie — fährt derselbe den 
Sectionsbefund eines Phthisikers an, dessen Lunge, Leber, Milz, 
Darm, Nieren und Mesenterialdrtlsen mit „ hagelkornartigen “ 
Knötchen von Form und GrOsse „eines Hirsekornes“ — Semen 
milii — durchsetzt gewesen sein sollen. Er beschrieb bereits 
deren Verkäsung, liess sie aber ebenfalls aus kleinen Dräschen 
hervorgehen. 

In ganz demselben Ideenkreis, welcher die Tuberculose und 
Scrophulose in die engsten Beziehungen zu einander stellte, be¬ 
wegten sich die Anschauungen der auf dieser Basis weiter bau¬ 
enden, gleichzeitig oder bald nachher lebenden Forscher, unter 
denen besonders Morton, Sydenham, Leigh, Mead, van 
Swieten und Morgagni Erwähnung verdienen. 

Erst Stark aber, dessen Werk 1785, d. h. 15 Jahre nach 
dem Tode seines Verfassers erschien, legte grösseres Gewicht auf 
die von ihm sehr eingehend beschriebenen Miliartuberkeln. — 
Seid, der gleich Cullen, Stark’s Beobachtung vollständig 
adoptirte, ging noch einen Schritt weiter. Er war der Erste, 
welcher 1785 die kleinen miliaren Knötchen als etwas vollständig 


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Geschichte der Tuberculose. 


7 


Selbständiges, Nengebildetes, mit vergrösserten Lymphdrüsen, 
resp. Scrophulose nicht Zusammengehöriges hinstellte and Über¬ 
haupt das Vorkommen kleiner Lymphdrüsen im Lungenparen¬ 
chym vollständig leugnete. Er blieb mit seinen Anschauungen 
indess vorerst vereinzelt, und seine Zeitgenossen und Nachfolger, 
z. B. Güllen, Kortum, Baume, Hufeland etc., huldigten 
fortgesetzt der Ansicht, dass die Lungenknoten Drüsen- resp. 
Scrophelknoten seien, welche unter der Einwirkung einer sog. 
Scrophelschärfe aus präexistirenden Lymphdrüsen der Lunge ent¬ 
ständen. 

Nur Baillie verfolgte die Stark’sche Entdeckung weiter. 
Nicht nur dass er sich in seiner 1794 in deutscher Uebersetzung 
erschienenen pathologischen Anatomie ganz entschieden gegen 
eine Gleichstellung der Tuberkel- und Scrophelknoten erklärte, 
machte er auch insofern einen bedeutenden Fortschritt, als er 
die Entstehung der grossen Lungenknoten aus den kleinen miliaren 
Knoten nachwiess. Er schied diese Knoten streng von anderen, 
diffusen, käsigen Einlagerungen in der Lunge, welche er als„scro- 
phulöse Materie“ oder „scrophulöse Infiltration“ bezeichnete. — 
Auch der zu gleicher Zeit lebende Portal stimmte mit diesen 
Ansichten im Allgemeinen überein, nur dass er die von Baillie 
als „scrophulös“ bezeichnete Materie eine „tuberculöse“ nannte, 
ein Missgriff, der später von Laönnec gewissermaassen die wis¬ 
senschaftliche Sanction erhielt. 

Der eigentliche Begründer der Tuberkellehre war aber Bayle. 
Er führte zu Anfang des 19. Jahrhunderts (1810) für die kleinen, 
ja schon vor ihm bekannten und mit Hirsekörnern verglichenen 
Knötchen den Namen „Miliartuberkeln“ in die Wissenschaft ein 
und beschrieb genau ihre Entwicklungsphasen und ihre Be¬ 
theiligung an der Bildung der grösseren Tuberkelknoten. Er 
war es auch, welcher zuerst den genetischen und klinischen Zu¬ 
sammenhang der in den verschiedensten Organen desselben Or¬ 
ganismus vorkommenden tuberculösen Processe richtig erkannte, 
hierdurch die Tuberculose zuerst zu einer Allgemeinerkrankung 
stempelte und ihren Ursprung auf eine tuberculöse Diathese zu¬ 
rückführte. 

Im vollen Umfange wurde diese Lehre von Laönnec in 
seinem 1819 veröffentlichten Werke über die Krankheiten der 
Lunge und des Herzens adoptirt. In geradezu classischer Weise 
beschrieb dieser hochverdiente Forscher die Entwicklungsge¬ 
schichte des Tuberkels, ging aber leider noch einen Schritt weiter 


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I. JOHNE 


als Bayle, indem er auch jede nicht scharf begrenzte käsige 
Infiltration, gleichviel wo er sie fand und welchen Ursprung 
dieselbe hatte, als eine „ tuberculöse “ bezeichnete. Hierdurch 
machte er das Käsige zum Hauptkriterium der Tuberculöse, so 
dass man mit Magendie, Rokitansky, Reinhardt u. A. 
allmählich dahin gelangte, jede Verkäsung als, Tubercularisation“ 
zu bezeichnen, selbst wenn es sich dabei um einfache regressive 
Metamorphosen gewöhnlicher Entzlindungsproducte handelte. 

Es ist das Verdienst Virchow’s, in diese Verwirrung einige 
Klarheit gebracht zu haben. Dieser wies in der Mitte der 60er 
Jahre nach, dass die Verkäsung nicht allein an bestimmte 
pathologische Processe und Gewebsarten gebunden sei, sondern 
dass alle möglichen entzündlichen und hyperplastischen Neubil¬ 
dungen unter gewissen, abgeänderten Ernährungsverhältnissen 
verkäsen könnten. Nur diejenigen Processe durften als tuber¬ 
culöse bezeichnet werden, welche aus kleinen submiliaren, ge- 
fässlosen, lymphfollikelartigen Knötchen hervorgingen, aus rund¬ 
lichen, lymphkörperähnlichen Zellen zusammengesetzt seien und 
nur bis zur Grösse eines Hirsekornes weiter wüchsen, um, auf 
diesem Höhepunkt ihrer Entwicklung angelangt, zu verkäsen. 
Von diesen echten tuberculösen Processen trennte Virchow aber 
streng alle diejenigen Verkäsungen, wie sie bei gewissen hyper¬ 
plastischen und entzündlichen Zuständen, z. B. bei scrophulösen 
Lymphdrüsentumoren, bei käsiger Pneumonie, selbst in gewöhn¬ 
lichen entzündlichen Exsudaten und.verschiedenen Tumoren Vor¬ 
kommen. Nicht die Verkäsung als solche, sondern ihre Genese 
aus submiliaren Knötchen ist nach ihm für die Tuberculöse 
charakteristisch. Er stellte sich somit auf einen streng anato¬ 
mischen Standpunkt und betrachtete den Tuberkel alseine 
aus dem Bindegewebe und seinen Verwandten hervorgehende, 
heteroplastische, lymphoide Bildung, als eine in Form einer Gra¬ 
nulation aus den präexistirenden Gewebszellen hervorgehende, 
irritative, nicht selten entzündliche Neoplasie 2 ) (Bd.II, S. 714,715). 
Virchow leugnete übrigens zugleich das Vorkommen echter Tuber¬ 
kel bei Thieren (ibid. S. 716) und führte ihre Entstehung auf $ine 
allgemeine oder örtliche Diathese zurück, welche eine locale oder 
allgemeine „Vulnerabilität der Gewebe“ bedinge. Diese erzeuge 
eine specifische Prädisposition der Gewebe, in Folge deren nicht 
allein nur „ specifische, scharfe und reizende Substanzen “, sondern 
auch örtliche Reize gewöhnlicher Art (Erkältungen, Traumen — 
ibid. S. 725) den „Krankheitsreiz (die Materia irritans)“ bilden, 


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Geschichte der Tuberculose. 


9 


und das Gewebe zur tuberculösen Wucherung anregen könnten. 
Diese durch eine schlechte Ernährung erworbene, angeborene 
oder ererbte Prädisposition involvire zugleich eine Verschlech¬ 
terung des Blutes, in Folge deren den neuentstandenen Theilen 
so ungeeignetes Bildungsmaterial zugeführt werde, dass dieselben 
absterben und zerfallen müssten (ibid. S. 720). Auf ditäbe Weise 
Hesse sich nicht blos das Auftreten „eines Tuberkels, sondern 
auch die primär multiple, nach Art eines Exanthems erfol¬ 
gende Eruption“ erklären. Nebenher erkennt Virchow aber 
auch die Infectiosität der Tuberculose nicht blos in ihrem 
käsigen und erweichten, sondern auch in ihrem Wucherungsstadium 
an. In Folge derselben soll sich dieselbe nach Art der bösartigen 
Geschwulstbildungen — nach seiner Anschauung also durch Säfte 
oder Zellen (Bd. I, S. 52) — auf dem Wege der Blut- und Lymph- 
bahnen von einem auf die erstere Weise entstandenen 
primären Tuberkel (Mutterknoten) aus nicht nur regionär 
verbreiten (also Tochterknoten in der Umgebung bilden), sondern 
durch Metastasenbildung auch generalisiren können (ibid. S. 725). 

Die Scrophulose trennte hierbei Virchow vollständig von 
der Tuberculose. Er bezeichnete sie als einen entzündlichen oder 
hyperplastischen Process in bereits vorhandenen Lymph- 
drüsen, dessen Producte, schon sehr frühzeitig einer regressiven 
Metamorphose verfallend, meist verkästen und erweichten. Sei 
aber auch das Endproduct beider, die käsige Materie, das Gleiche, 
so seien doch die ätiologischen Grundprocesse der Scrophulose und 
Tuberculose durchaus verschieden. 

Fast zu derselben Zeit— 1857 —war von Buhl 4 ) eine neue, 
schon theilweise von Virchow 2 ) (Bd. II, S. 722) zurückgewiesene 
Theorie über-das Wesen der Tuberculose aufgestellt worden, 
welche noch bis in die Gegenwart eine Reihe der competentesten 
Forscher zu ihren Anhängern zählte. Er ging noch einen Schritt 
weiter als Virchow. Nach ihm ist die Tuberculose eine spe- 
cifische Resorptions- und Infectionskrankheit, hervorgerufen durch 
ein besonderes Gift, das tuberculöse Virus, welches sich in 
käsigen Herden jeder Art und jeden Umfanges — also nicht, 
wie Virchow meint, nur in localen, primären Tuberkeln — bilden 
könne. Gelange dieses Virus zur Resorption und in den Blut¬ 
strom, so könne es, überall wo es mit den Geweben in Berüh¬ 
rung komme, Miliartuberkeln erzeugen, die nun ihrerseits durch 
neue Verkäsung eine Quelle fortgesetzter Selbstinfection mit Tu¬ 
berkelvirus würden. Diese sogenannte Käseinfectionstheorie 


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näherte sich somit einer schon früher von Dittrich 2 ) (Bd. I, 
S. 112 nnd Bd. II, S. 631) ausgesprochenen Ansicht, nach welcher 
die Tuberculose überhaupt durch Aufnahme von zerfallenen Ge- 
webstheilen aller Art, sog. Gewebsdetritns in das Blut, quasi 
durch eine Verunreinigung des letzteren herrorgernfen werden 
sollte. 

Diese Buhl’sche Theorie wurde die Vorläuferin einer neuen 
Lehre, welche aus dem nunmehr fast zwei Jahrzehnte andauernden 
Kampfe um das eigentliche Wesen der Tuberculose als Siegerin 
hervorgegangen ist. 

Schon vor Buhl waren hinsichtlich der InfectioBität der 
menschlichen Tuberculose verschiedene Uebertragungsversuche 
angestellt worden. So von Kortum (1789), H6br6ard (1802), 
Saltnade (1805), Lepelletier (1830), Goodlad und Dey- 
galliöres (1829), LaSnnec, Erdt (1834) u. A. Nachdem auch 
Klenke 3 ) (S. 98 u. folg.) 1843 berichtet hatte, dass es ihm 
gelungen sei, durch Einbringen „von Tuberkelzellen“ aus „mili¬ 
aren und grauen, infiltrirten Tuberkeln“ in die Halsvene eines 
Kaninchens „eine weitverbreitete Tuberculose in Leber und 
Lungen“ hervorzurufen, war es Villemin, welcher 1864 die 
Tuberculose zuerst mit aller Bestimmtheit für eine specifische 
Infectionskrankheit erklärte 5 ) (XXXI, S. 211, ®) 1865 No. 50 und 
7 ) LXI, 1866). Sie sei eine Krankheit, welche unabhängig von 
sonstigen inneren und äusseren Verhältnissen nur durch Einver¬ 
leibung tuberculöser Substanzen erzeugt und durch Impfung von 
Thier zu Thier und von Mensch auf Thier übertragen werden 
könne. 

Wohl kaum hat jemals eine so positiv hingestellte Behaup¬ 
tung einen solchen Impuls zu wissenschaftlichen Arbeiten auf dem 
Gebiete der experimentellen Pathologie gegeben, als diese neue 
Lehre von Villemin. Die bedeutendsten Gelehrten haben ihre 
ganze Kraft und ihren Scharfsinn daran gesetzt, die Begründung 
derselben oder ihre Nichtigkeit zu beweisen. 


Dass alle diese Untersuchungen von grossem. Einfluss auf die 
Kenntniss der Tuberculose unserer Hausthierei besonders der des 
Rindes wurden , und diese hierdurch erst die Beachtung fand, 
welche ihr in der öffentlichen Hygiene zukommt, ist selbstver¬ 
ständlich. Es erscheint daher sachlich gerechtfertigt, an dieser 
Stelle einen historischen Rückblick auf ihre Geschichte bis zu 


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Geschichte der Tuberculose. 


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dem Zeitpunkt zn werfen, wo Villemin die Aufmerksamkeit 
der Forscher auf dieselbe lenkte und damit die Geschichte der 
menschlichen und thierischen Tuberculose eng verknüpfte. 

Die beiden Hauptformen der Tuberculose des 
Rindes, von denen hier hauptsächlich die Rede sein wird — 
die der Lunge und die der serösen Häute — wurden früher nicht 
als zusammengehörige Krankheitszustände betrachtet. Jede be¬ 
sitzt ihre besondere Geschichte. 


Die historisch ältere Form ist die, wie beim Menschen der 
Lungenschwindsucht (Phthisis pulmonum) zugerechnete Lungen- 
tuberculose, die in der älteren Veterinärmedicin wohl auch 
als Lungensucht, Lungenfäule, Phthisis pulmonum ulcerosa, be¬ 
zeichnet worden ist. Wie bei der Lungenschwindsucht des Men¬ 
schen, so handelt es sich indess auch hier um ein Zusammen¬ 
treffen der verschiedensten Processe, zwischen denen erst in der 
neuesten Zeit allmählig eine Sonderung erfolgt ist. 

Hinsichtlich ihrer ältesten Geschichte genügt es zu consta- 
tiren, dass letztere im Wesentlichen mit der älteren Geschichte 
der menschlichen Lungenschwindsucht zusammenfällt. Wie alle 
Autoren des Alterthums bis in die neuere Zeit mit dem Begriff 
Lungenschwindsucht des Menschen nur den der Verschwärung 
und Vereiterung der Lungen verbanden und die verschiedenar¬ 
tigsten unter diesem makroskopischen Bilde verlaufenden Krank- 
heitsprocesse unter dem noch heute das medicinische Bürgerrecht , 
behauptenden Namen Phthisis pulmonum zusammenfassten, so 
auch in der Thierheilkunde. Es ist dies leicht erklärlich, wenn 
man bedenkt, dass sich die Uranfänge einer selbständigen Thier¬ 
heilkunde nicht bis über die Mitte des 18 . Jahrhunderts zurück 
datiren lassen, die Thierarzneiwissenschaft in ihrer jetzigen Ge¬ 
stalt sogar als Kind der neuen Zeit zu betrachten ist. Was vor¬ 
her in der wissenschaftlichen Erforschung der Thierkrankheiten 
geleistet worden war, ist fast ausnahmslos das Werk derjenigen 
Männer, welche sich vorzugsweise mit der Erforschung und Be¬ 
handlung menschlicher Krankheiten beschäftigten. Ja man darf 
wohl sogar annehmen, dass das, was die alten griechischen und 
römischen Schriftsteller über Lungenschwindsucht des Menschen 
berichten, sich zum Theil auf die bei den Sectionen von Thiercada- 
vem gemachten Beobachtungen aufbaut, da die Section mensch¬ 
licher Leichname erheblichen Beschränkungen unterlag. Einer der 


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I. JOHNE 


ältesten Schriftsteller, welcher der Lungenschwindsucht des Rindes 
gedenkt, ist Columella (40n. Chr). Auch er spricht von einer 
Verschwärung der Lange (exulceratio pulmonum), und wie schon 
die bis vor wenigen Jahrzehnten noch üblichen synonymen Be¬ 
zeichnungen, Lnngensncht, Lungenfäule etc., lehren, drehen sich 
um diese Vorstellungen einzig die Kenntnisse aller späteren 
wissenschaftlich gebildeten 'und Laien-Antoren, welche über 
Lungenschwindsucht des Rindes geschrieben haben. Dass auch 
speciell die jüdischen Gesetzgeber die Lungentuberculose resp. 
Lungenschwindsucht des Rindes gekannt haben, geht aus den 
von Waldenburg 3 ) (S. 24) berichteten Thatsachen hervor. Die 
in der Misch na (redigirt gegen Ende des II. Jahrhunderts n. 
Chr.) erwähnten Löcher (perforirende Geschwüre) und Defecte 
eines Organs (Lunge, Luftröhre, Magen, Herz etc.) müssen eben¬ 
so sicher auf die erwähnten Lungenkrankheiten bezogen werden, 
wie die .in der Gemara (redigirt um das Jahr 500 n. Chr.) an¬ 
geführten Verstopfungen der Lunge mit Eiter und, die mit Eiter 
ahgefüllten Gewächse in der Lunge. Ebenso lassen sich, wie 
schon Waldenburg (1. c.) hervorhebt, die von 1 dem französichen 
Gelehrten Raschi (gestorben 1105) in den Lungen der Schlacht- 
thiere aufgefundenen harten und schweren Geschwülste von der 
Farbe des Eiters ohne Zweifel zum Theil auf die Lungentuber¬ 
culose — von ihm Perlsucht genannt — beziehen. 

Alle späteren Schriftsteller über Thierkrankheiten, bis weit 
in das 19. Jahrhundert hinein, sind über diese alten Begriffe 
von Lungenschwindsucht nicht hinausgekommen. Alle sprechen 
nur von Knoten und Verhärtungen in den Lungen, welche in 
Eiterung übergehen und zur Zerstörung des Lungengewebes 
führen, so Willburg 3 ), Seeger 9 ), Erxleben l0 ), Pilger 11 ), 
Kitt 12 ) u. A. Die Untersuchungen, welche Ende des 18. Jahr¬ 
hunderts Chabert (1794) und Huzard 13 ) über die seit circa 20 
Jahren unter den Milchkühen von Paris und Umgegend herr¬ 
schende Lungenkrankheit anstellten, lassen es unzweifelhaft, dass 
beide nur'von einer Lungenphthise im älteren Sinne sprechen, 
von einer Tuberculose des Rindes im heutigen wissenschaftlichen 
Sinne aber nichts gewusst haben. Selbst als Stark (1785), 
Reid (1785) und Baillie (1794) den Miliartuberkel entdeckt 
und genau beschrieben hatten, letzterer auch dessen wesentlichen 
Antheil an der Bildung der grösseren Lungentuberkel dargelegt 
und endlich Bayle (1819) die Lehre von der Tuberculose fest 
begründet hatte, blieben in der Thierheilkunde die alten An- 


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Geschichte der Tuherculose. 


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schauungen über Lungenschwindsucht zunächst noch bestehen, wie 
dies die Arbeiten von Hofacker 14 ), Tscheulin 15 ), Ribbe 18 ) etc. 
beweisen. Keinesfalls hat einer der bisher genannten thierärzt¬ 
lichen Schriftsteller das Wort Tuberkel anders als im descripti- 
ven Sinne angewendet. 

Dupuy 17 ) scheint 1817 dasselbe in der Thiermedicin zuerst 
im Sinne seines grossen Landsmannes Baillie, im doctrinären 
Sinn, gebraucht zu haben. Er ging bei der Schilderung der 
Tuberculose zunächst von den kleineren, bei der Rotz- und 
Wurmkrankheit der Pferde in den Lungen vorkommenden Knöt¬ 
chen aus, welche nach späteren Untersuchungen mit Tuberculose 
nicht identisch sein sollen. Im Anschluss hieran behandelte er 
dann die Phthise der Affen, die Lungentuberculose und Perl¬ 
sucht des Rindes etc., beging aber hierbei den Irrthum (1. c. p. 262), 
sie mit allen möglichen Hydatidenbildungen in Verbindung zu 
bringen, ein Irrtham, der sich bereits seit Hippokrates-) 
(Bd. II, S. 561) in die Menschenmedicin eingeschlichen hatte 
und nach Dupuy bezüglich der menschlichen Tuberkel noch 
von Baron und Ruhn 18 ) (S. 115 und 2 ) Bd. II, S. 633) festge- 
halten worden ist. Das bald nach Dupuy i. J. 1818 erschienene 
Handbuch von Veith 19 ) steht hinsichtlich der Lungentuberculose 
noch vollständig auf dem alten Standpunkte. Von Tuberkeln 
wird nur bei der Rotzkrankheit gesprochen; die tuberculose 
Natur der Perlsucht ist weder ihm, noch Dietrichs 20 ) bekannt 
gewesen. 

In der deutschen thierärztlichen Literatur hat Gurlt 21 ) 
(S. 283) i. J. 1831 die tuberculöse Natur der Lungenschwind¬ 
sucht ausgesprochen. Er entwirft ein ziemlich treffendes Bild 
der grösseren makroskopisch sichtbaren Tuberkeln und deren 
Metamorphosen, und bezeichnete die Lungenschwindsucht, welche 
besonders bei Kühen Vorkommen sollte, als eine Knotenschwind, 
sucht (Phthisis tuberculosa). Die Knoten sollten theils im ge¬ 
sunden Gewebe sitzen und dann die schon von Baillie und 
Bayle als für den Tuberkel charakteristisch beschriebenen Ver¬ 
änderungen durchmachen, oder, wenn sie ihren Sitz in entzündeten 
Partien hätten, eine faulige Auflösung erleiden. Alle erweichten, 
verkästen Knoten in der Lunge seien ausnahmslos Tuberkeln, da 
Eiterbildungen in der Lunge sehr selten vorkämen. Gurlt 
stellte sich somit vollständig auf den Laönnec’schen Standpunkt, 
einer Auffassung, der Spinola schon 1839 18 ) (S. 115), sowie 
später (s. unten) ganz entschieden entgegengetreten ist. Voll- 


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I. JOHNE 


ständig auf dem G ur lt’schen Standpunkt stehen noch Ry chn er 22 ) 
und Funke 23 ), während Hering 24 ) sich bereits bemüht bat, eine 
Sonderung der zur Lungenschwindsucht führenden pathologischen 
Processe anzubahnen. Er erklärte die am häufigsten beim Melk¬ 
vieh vorkommende Krankheit für eine langwierige, fieberlose 
Verhärtung und Vereiterung der Lungensubstanz und zum Theil 
für eine unmittelbare Folge acuter Lungenkrankbeiten, chronischer 
Katarrhe etc., zum Theil als Folge von Tuberkelbildung. 

Die durch Ausschwitzung kleiner Bluttröpfchen entstehenden 
Tuberkeln sollten anfangs einen deutlichen rothen Hof zeigen und 
später ein graugelbliches Ansehen bekommen (knötchenförmige, 
lobuläre Pneumonien ?). Sehr richtig betonte Hering aber schon, 
dass grössere Eitersäcke meist Folge einer Lungenentzündung, 
zuweilen aber auch durch Zusammenfliessen mehrerer kleiner, 
erweichter Tuberkeln entstanden seien. Auch hob er auf Grund 
eigener und der Erfahrungen Bouley’s, Günther’s und Spi- 
nola’s 18 ) hervor, dass Eiterresorption in wenigen Tagen Eiterung 
im Lungengewebe bedingen könnte, und erwähnt ferner endlich 
der secundär in der Leber und andern Organen der Bauchhöhle 
neben der Lungentuberculose vorhandenen Tuberkeln. 

Eine ziemlich specielle Schilderung der Lungensucht ent- ' 
wirft Spinola in seinem 1858 erschienenen Lehrbuche. 25 ) Auch 
er schied, wie schon früher, die eigentliche Lungentuberculose 
scharf von den entzündlichen und metastatischen Processen, 
während von Fuchs 26 ) zwar des Vorkommens der Tuberculose 
bei allen Hausthieren und in verschiedenen Organen derselben, 
nicht aber in den Lungen des Rindes Erwähnung geschieht. 

Von menschenärztlichen pathologischen Anatomen hatte sich 
bis dahin nur Ginge 27 ) näher mit der Tuberculose der Thiere 
beschäftigt. Sie soll nach ihm in allen Organen, beim Rind 
namentlich als Tuberculose des Bauchfelles und der Lungen 
Vorkommen. Aehnlich Förster. 28 ) Er hielt zwar die beim 
Rinde auftretende Tuberculose nicht für identisch mit der des 
Menschen, hob aber hervor, dass solche theils an den serösen 
Häuten, theils in den Lungen, in letzteren aber in zwei Formen 
vorkomme: 1. in der grauer, theils miliarer, theils grösserer, 
später verkäsender und durch Confluenz zur Bildung verschieden 
grosser, mit breiigem Detritus gefüllter Höhlen führender Tu¬ 
berkeln im interstitiellen Bindegewebe der Lunge; 2. in Form 
lobulärer, tuberculöser (verkäsender) Pneumonien. Auch fanden 
die sich an beide Formen häufig anschliessenden bronchiekta- 


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Geschichte der Tuberculose. 


f5 


tischen Processe, wie sie später von Bruckmttller 29 ) (S. 600), 
Siedamgrotzky 30 ) (Bd. IV. S. 401) und besonders von Vir- 
chow 31 ) (1880, No. 14) specieller beschrieben worden sind, von 
ihm bereits Erwähnung. 

Die ersten Arbeiten 35 ) des letztgenannten Forschers über 
denselben Gegenstand waren schon vor der Förster'sehen er¬ 
schienen. Specieller ist Virchow später in der Sitzung der 
physikalisch- medicinischen Gesellschaft zu Würzburg, am 12. Mai 
1855, auf die Tuberculose des Rindes eingegangen. Voll¬ 
ständig unberechtigt übertrug er aber zugleich den bisher 
nur für die knotenförmigen Neubildungen auf den serösen Häuten 
üblich gewesenen Namen Franzosenkrankheit oder Perlsucht auch 
auf die im Inneren der Organe (Lungen, Bronchialdrüsen, Leber, 
Uterus, Tuben etc.) vorkommenden, bisher als Tuberkel be- 
zeichneten Neoplasmen, ein Missgriff, den auch Förster und 
nach ihm die meisten medicinischen Autoren begangen haben. 
Virchow erkannte zwar die grosse Aehnlichkeit der bezeich- 
neten Neubildungen hinsichtlich ihrer Entwicklung und des 
Ganges der localen und constitutionellen Erkrankung mit der 
Tuberculose an, stellte sie aber nichtsdestoweniger in Parallele 
zu den Lymphosarcomen des Menschen. Bekanntlich ist er dieser 
Auffassung bis in die neueste Zeit treu geblieben und hat sie 
in allen seinen späteren Arbeiten über denselben Gegenstand 
nicht nur verfochten, sondern auch das Vorkommen echter, den 
menschlichen gleichen Tuberkeln in den Thier- resp. Rindslungen 
als ausserordentlich zweifelhaft hingestellt 2 ) (Bd. H, S. 716 und 
3 ‘) 1880, No. 14). 


Was die Geschichte der bei Thieren, besonders beim Rind 
auf den serösen Häuten vorkommenden Form der Tuberculose, 
der eigentlichen Perlsucht anbelangt, so ist dieselbe zwar kurz, 
der Wechsel der Anschauungen über ihre eigentliche Natur aber 
um so interessanter. Schon die Menge von Namen, die man ihr 
nach und nach bei dem Mangel einer klaren Erkenntniss über 
ihr Wesen beilegte, weisen hierauf hin. Man nannte sie Fran¬ 
zosenkrankheit, Venerie, Lustseuche, Geilsucht, geile Seuche, 
Unreinigkeit, Monatsreiterei, Hirsesucht, Traubenkrankheit, Meer- 
linsigkeit, Rindshamnen, Erannen, Grannigt-, Finnig-, oder 
Krättig-Sein, Zäpfigkeit, Zäckigkeit, DrUsenkrankheit, Sarkom- 
dyskrasie, Perlsucht oder Perlschwindsucht, fibröse Tuberculose, 


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16 


I. JOHNE 


primäre Tnberculose der serösen Häute, Rindstuberculose, — 
Morbus gallicus boum, Nymphomanie, Satyriasis, Parresyge, 
Gachexia boum sarcomatosa, Sarcomatosis infectios«, Sarco-tuber- 
culosis boum infectiosa, Tuberculosis serosa boum, Tuberculosis 
glandularis boum, Cachexia tuberculosa boum, Gachexia vaccarum 
tuberculosa, Tuberculosis pleuralis, Tuberculosis boum fibroma- 
tosa, Margarosis, La pommeliere, Phthisie cretosee, Phtbisie cal- 
cairöe. 

Ausserordentlich auffallend ist der Umstand, dass weder die 
alten thierärztlichep Schriftsteller, noch die alten jüdischen, so 
rigorösen Schlachtbestimmungen 3 ) (S. 25) der der Perlsucht in 
so charakteristischer Weise eigentümlichen, massenhaften, kno¬ 
tigen, meist rasch verkalkenden Neubildungen auf der serösen 
Auskleidung der Bauch- und Brusthöhle erwähnen. Ebensowenig 
geschieht dies in den schon seit Mitte des 8. Jahrhunderts von 
geistlichen und weltlichen Behörden wegen des Genusses von 
Fleisch kranker und crepirter Thiere erlassenen Verboten. 33 ) 
Nach Graumann 34 ) und 35 ) (Bd. I. S. 329), dem wir die ersten 
ausführlichen Mittheilungen über die Perlsucht, damals noch 
allgemein „Franzosenkrankheit“ genannt, verdanken, bilden einige 
nach 1680 erschienene Verordnungen, in welchen von „unreinem 
Vieh“ die Rede ist, die ersten Spuren derselben. 1702 gebrauchte 
Florini 36 ), welcher die letztgenannten Verordnungen übrigens 
nicht gekannt zu haben scheint, zum ersten Mal den Ausdruck 
„Franzosen, Franzosenkrankheit.“ Fürstenau 37 ) brachte schon 
1747 ausführlichere Mittheilungen Uber diese Krankheit und hielt 
sie für einen venerischen Process, während Zink 3S ) (1764) dieser 
Behauptung widersprach. Nach Krünitz 39 ) soll noch um das 
Jahr 1778 von derselben nicht viel mehr, als der Name bekannt 
gewesen sein, wogegen Dr. Rühling zu Northeim 40 ) bereits 1774 
das endemische Herrschen der Franzosenkrankheit unter dem 
Hornvieh beobachtete, und schon 1769 nicht nur ihrer Vererbung, 
sondern auch des Umstandes Erwähnung geschieht, dass in einer 
Heerde von 100 Stück jährlich 3—4 der Krankheit zum Opfer 
gefallen seien. 41 ) 

Die Gründe für die seiner Zeit gegen den Genuss des Flei¬ 
sches „französischer“ Rinder erlassenen Verbote, sowie der Ur¬ 
sprung des Wortes „Franzosenkrankheit“ sollen sich nach Grau- 
mann (1. c.) nur in Folgendem finden lassen. Man habe damals 
noch unter dem Eindruck des Schreckens gestanden, welchen 
die sich seuchenartig über Europa ausbreitende Venerie des Men- 


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Geschichte der Tuberculose. 


17 


sehen (nach Bäumler, Ziemssen’s Handbach 111. schon seit 
Ende des 15. Jahrhunderts als Morbas gallicas oder „Franzosen“ 
bekannt) verursacht hatte. Weder Ursprung noch Verbreitungs¬ 
art derselben habe man gekannt und sei bei dem Suchen nach 
der Erklärung für beide endlich auf die Sodomiterei verfallen. 
Der Erfinder dieser Idee sei Helmont gewesen. „Wenn nun,“ 
sagt Graumann, „ einst strafbarer Beischlaf die venerische Seuche 
beim Menschen erzeugen konnte, so war es ebenso wahrschein¬ 
lich, anzunehmen, dass auch das missbrauchte Thier sie dadurch 
erhalten könne. Untersuchte man nun eine solche Kuh, die des¬ 
halb ihr Leben verlieren musste, und fand unglücklicher Weise 
solche widernatürliche, damals noch nicht bekannte und be¬ 
merkte Geschwülste, so mochte man leicht diese für Zeichen der 
Infection und des Daseins der venerischen Krankheit halten. 
Traf man eine andere Kuh, bei der sich diese Geschwülste 
zeigten, so dachte man, dass sie heimlich gemissbraucht wäre, 
und die Zeichen der unreinen schädlichen Begattung an ihrem 
Leibe trage. Solche Thiere durften nicht gegessen, sondern muss¬ 
ten der Gewohnheit gemäss verbrannt werden.“ 

Diese von Helmont ausgesprochene Vermuthung war von 
tief einschneidenden Folgen. Nach und nach hatte der Glaube, 
dass der Genuss des mit dem venerischen Gifte erfüllten Flei¬ 
sches schädlich sei, immer tiefere Wurzeln geschlagen*, and die 
Regierungen, aufmerksam hierauf geworden, verboten denselben 
schliesslich ein für allemal. Dummheit und Aberglaube thaten 
das Uebrige und so* entwickelten sich Zustände, von denen man 
sich heute kaum noch eine rechte Vorstellung machen kann. 
Graumann sagt hierüber 34 ) (S. 13): 

„Wenn ein Hauptvieh in dem Innern seines Leibes gewisse trau¬ 
benförmige Auswüchse hat, welche an der innern Haut des Körpers 
hangen, so glaubt man, dass ein solches Thier die Franzosen habe 
und inficirt sei. Weiter bedarf es nichts, wie dieser sonderbaren 
Geschwülste, und weiter wird auch keine Untersuchung mit dem ge¬ 
schlachteten Vieh angestellt, denn sobald der Schlächter diese un¬ 
natürlichen Bammelotten bemerkt, so wirft er das Messer hin, hört 
auf das Vieh anzufassen, und solches wird dem Frohnknecht über¬ 
liefert, von dem der Schlächter noch wohl überdem, da, wo die Ge¬ 
walt der Vorurtheile und Thorheiten grösser ist, seine dabei gebrauch¬ 
ten Werkzeuge mit einem Rthr. lösen muss, ehe sie wieder ehrlich 
werden, und von einem wackeren Amtsmeister angefasst werden 
können. “ 

Ob die Thiere dabei fett oder mager waren, sei gleichgültig 
gewesen, sie mussten auf den Schindanger, während alle anderen 

Deutsche Zeitschrift £. Thiermed. n. vergl. Pathologie. IX. Bd. 2 


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I. JOHNE 


18 

Krankheiten (Anfüllung der Lunge mit Eiter oder Wasser, Leberver¬ 
härtung, Geschwüre der Leber etc.) dem Verkauf des Fleisches nicht 
hinderlich gewesen wären. 

Nachdem schon Zink (1. c.) anf die Unschädlichkeit des 
Fleisches perlsüchtiger Kinder aufmerksam gemacht hatte, war 
es wieder besonders Graumann, der im Aufträge der Regie¬ 
rung von Mecklenburg-Schwerin gegen die von ihm beschrie¬ 
benen Missstände zu Felde zog. Er bezeichnet die Franzosen¬ 
geschwülste, deren Sitz und Aeusseres er ziemlich richtig be¬ 
schreibt, als eine Art Hydatiden (Echinococcen), die vielleicht 
nur etwas Besonderes hätten; eine Ansicht, welche ja später noch 
wiederholt aufgetaucht ist (vergl. Dubuy 17 ), Hofacker 14 ), 
Hayne 42 ), Viborg 42 ), D’Arboval 44 ) u. A. Vergl. auch 
Bayer 45 ) und Leonhardt 46 ) [1880. S. 13) wegen des zufälli¬ 
gen Vorkommens von Echinococcen neben Tuberculose des Kin¬ 
des). Die Ursache der Franzosenkrankheit sei ein Ueberfluss 
an Feuchtigkeit, die nicht mehr in den Gefässen aufbewahrt 
werden könne, sondern solche zersprenge, ausfliesse und dann 
die Geschwülste bilde. Er leugnet mit Kersting, der um die¬ 
selbe Zeit im Aufträge der Regierung von Mecklenburg-Strelitz 
ein Gutachten über die Franzosenkrankheit abgab, entschieden 
die Vererbung derselben, führt ihre Entstehung auf zu fette oder 
zu feuchte Weide zurück und versteigt sich schliesslich sogar zu 
der Behauptung, dass sie eigentlich gar keine wahre und reelle 
Krankheit sei. 

Ebenso hatte sich in einem Bericht vom 26. Nov. 1782 an 
das Ober-Sanitäts-Collegium der damalige Kreisphysikus Heim 
gegen die syphilitische Natur und für die Geniessbarkeit des 
Fleisches perlsttchtiger Rinder ausgesprochen. Nichtsdestoweni¬ 
ger erschien noch im darauffolgenden Jahre von derselben Be¬ 
hörde ein „Regulativ zur Entscheidung, ob ein geschlachtetes 
Vieh mit der Franzosenkrankheit behaftet sei“, welches noch voll¬ 
ständig unter dem Eindrücke der von Graumann und Heim 
widerlegten Anschauungen entstanden war und den Genuss sol¬ 
chen Fleisches verbot. Das in demselben entworfene Bild der 
Franzosenkrankheit pasBt auf keine der genannten Krankheiten 
des Rindes und lässt sich höchstens auf die menschliche Venerie 
übertragen. Allerdings sollen nach demselben Regulativ auch 
bei ganz gesunden und gut genährten Rindern an einzelnen Ein- 
geweiden beim Schlachten schwammige, verhärtete, traubenartige, 
aber nicht als „Franzosen“ bezeichnete Gewächse gefunden wer- 


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Geschichte der Tuberculose. 


19 


den, nach deren Beseitigung das Fleisch ohne Nachtheil genossen 
werden könne und durchaus nicht dem Abdecker zu tiberweisen 
sei. Erst durch Verordnung des Generaldirectoriums vom 27. Juli 
1785 4 7 ) wurden in Preussen sämmtliche wegen Genuss des Flei¬ 
sches perlsüchtiger Rinder erlassenen Verbote aufgehoben, ein 
Vorgang, dem Oesterreich durch Verfügung vom 11. Juli 1788, 
und nachher alle deutschen Staaten folgten. Die alten Vorur- 
theile waren indess nicht so rasch auszurotten und noch 1810 
soll nach Viborg 43 ) der Widerwille gegen solches Fleisch wenig 
abgenommen, dieses sogar bis 1818 in Norwegen verworfen wor¬ 
den sein. 

Mit Aufhebung der genannten Verbote war nun zwar die 
Perlsucht ihres syphilitischen Charakters entkleidet, ihr eigent¬ 
liches Weseh und ihre tuberculöse Natur, viel weniger ihre Iden¬ 
tität mit der Tuberculose des Menschen aber noch lange nicht 
anerkannt. Der Kampf der Meinungen hierüber reicht vielmehr 
bis in die Gegenwart hinein. Im Verein mit der Lungentuber- 
culose des Rindes ist sie ein Gegenstand der vielfachsten Unter¬ 
suchungen und wissenschaftlichen Differenzen gewesen, welche 
sich wesentlich um die Frage drehten: Sind Perlsucht und Lun¬ 
genschwindsucht des Rindes identische, der Tuberculose zuzu¬ 
zählende Processe? Complicirt wurde die Lösung derselben noch 
durch den Umstand, dass, während die französischen Pathologen 
und deren Anhang gleich von Haus aus mehr die Beziehungen 
der PerlsucHf zur Tuberculose und Phthise hervorhoben, die 
Deutschen hingegen deren abdominale Form häufig mit der ihr 
vielfach combinirten Nymphomanie zusammen warfen. 

Frenzei 48 ), welcher 1799 über die Franzosenkrankheit des 
Rindes schrieb, konnte sich von den alten Anschauungen noch 
nicht vollständig losmachen. Er unterschied deshalb zuerst 
„fette und magere Franzosen“. Letztere sollten mit hoch¬ 
gradiger Kachexie verbunden und der Fleischgenuss mit schwe¬ 
ren Nachtheilen für die menschliche Gesundheit verbunden sein. 
Die Krankheit sei dabei ansteckend, vererblich und entspreche 
in ihrem ausgebildeten Grade der Venerie des Menschen. Ge¬ 
steigerter Begattungstrieb veranlasse örtliche Fehler der Ge- 
schlechtstheile, von wo die Krankheitsmaterie nach anderen Tliei- 
len hingeleitet werde. Veith 19 ) (S. 427) erklärte die knoten¬ 
artigen Auswüchse für Folge einer luxuriösen Bildungsthätigkeit 
der serösen Häute, bedingt durch das Vorwalten coagulirbarer 
Lymphe. Ihm schliesst sich vollständig Dietrichs 20 ) (S. 468) 

2 * 


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20 


I. JOHNE 


an, während Gurlt die Knoten 1831 in seiner pathologischen 
Anatomie 21 ) (S. 52) für Tuberkeln, später aber für Gebilde hielt, 
welche-mehr den Sarkomengleichen sollen. 49 ) Auch D’Arboval 44 ) 
stellte die Perlsucht zur Lungenschwindsucht und beschrieb beide 
als Phthisis pulmonaris, während Hayne 42 ) die Neubildungen 
(ausser wie auch D’Arboval aus Hydatiden) wesentlich aus 
einem formlosen, lymphatischen Gerinnsel als Folge einer rheu¬ 
matischen Entzündung der-serösen Häute entstehen liess. Aehn- 
lich Rychner und Im Thurm 50 ); beide hoben zugleich die Ver¬ 
schiedenheit der Nymphomanie und Tuberculose hervor. Hering 24 ) 
(S. 138) und Fuchs 26 ) (S. 222 und 51 ) sprachen sich ganz be¬ 
stimmt für die tuberculöse Natur der Perlsucht aus, wobei letz¬ 
terer noch ganz besonders die Zusammengehörigkeit der Perlsucht 
und Lungentuberculose urgirte. Neben Perlsucht kämen innere 
Lungentuberkeln und Scropheln (d. h. Tuberculose der Mesenterial- 
und Bronchialdrüsen) vor. Er führt zur Unterstützung seiner 
Ansicht besonders die von Schellhase gemachte Beobachtung 
an, dass neben exquisiter Perlsucht der serösen Häute sich zahl¬ 
reiche tuberculöse Geschwüre im Larynx und in der Trachea vor¬ 
gefunden hätten 52 ) (Bd. VI, S. 173), ein Fall, auf den auch Ger- 
lach später Bezug nimmt. Die gleiche Ansicht vertraten später 
noch König 53 ) (Bd.XIX, S. 334), Anacker 53 ) (Bd. XXI, S.61) 
und Kreutzer 54 ), während Dittrich 55 ) die Knoten, die.mög¬ 
licherweise tuberculöser Natur seien, wiederum aus Exsudaten 
entstehen lässt, die einem fortwuchernden Entzündungsprocess 
ihren Ursprung verdanken sollen. Wolf 53 ) (Bd. XXII) endlich 
hält dieselben für Cysten, welche Aehnlichkeit mit Atherom- und 
Colloidbälgen hätten. 

In diese Zeit der sich widerstreitenden Ansichten fallen auch 
die oben schon citirten Arbeiten Virchow’s. Er vertrat in den¬ 
selben zwar gleichfalls die Zusammengehörigkeit der auf den 
serösen Häuten und im Innern der Organe vorkommenden knoten¬ 
förmigen, tuberkelähnlichen Neoplasmen, erklärte sie aber, wie 
schon oben bemerkt, für Lymphosarkome und stellte deren Iden¬ 
tität mit der menschlichen Tuberculose entschieden in Abrede. 

Von den späteren thierärztlichen Autoren haben nur wenige 
die Virchow’sche Ansicht adoptirt. Entgegen ihm und Gurlt 
hielten Spinola 25 ) und Haubner 56 )an der Tuberkelnatur beider 
zusammengehöriger Processe fest. Der eifrigste Verfechter -der 
letzteren Ansicht war aber Ger lach. Indem er, wie ja auch in 
der neuesten Zeit mehrfach ausgesprochen, die mikroskopische 


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Geschichte der Tuberculose. 


21 


Untersuchung und den hierauf basirenden streng anatomischen 
Standpunkt zur Entscheidung dieser Streitfrage fürnichtallein 
massgebend hielt, legte er das Hauptgewicht auf gewisse klini¬ 
sche und schon makroskopisch wahrnehmbare pathologische Ver¬ 
änderungen. 

Er sagte: „Es ist Thatsache, 1. dass neben den Knoten an den 
serösen Häuten stets tuberculöse Degeneration der Lymphdrüsen, in 
der Regel auch Tuberkeln und Verkäsungen in den Lungen, zuweilen 
in und an noch anderen Organen zugleich gefunden werden; 2. dass 
man bei einer Lungentuberculose an solchen Stellen der Pleura nicht 
selten eine Gruppe von Knötchen und Trauben, ganz wie bei der 
Perlsucht, findet, wo der Krankheitsprocess bis an die Lungenpleura 
gedrungen ist; 3. dass die Perlsucht sich vererbt wie Lungentuber¬ 
culose, dass von lungensüchtigen Kühen die Nachkommen perlsüchtig, 
und auch umgekehrt die Nachkommen von perlsüchtigen Kühen 
lungensüchtig werden können“ 52 ) (S. 173) und 57 ). 

Einen vermittelnden Standpunkt zwischen Gurlt, Virchow 
undRöll 58 ) welche die Sarkomnatur, undGerlach, Spinola, 
Fuchs und Förster, welche die Tuberkelnatur der Perlsucht 
vertraten, suchte Leisering 59 ) (1862, S. 87) anzubahnen. 

Er liess sämmtliche als P^lsucht, Lungen-, Leber-, Gebärmutter- 
und Hauttuberculose bezeichneten Processe aus einem weichen, jungen, 
neugebildeten und sehr gefässreichen Bindegewebe hervorgehen. In 
diesem soll es durch Proliferation der vorhandenen Elemente erst 
secundär zur Bildung kleinster Knötchen kommen, deren Zusammen¬ 
setzung aus einem feinen, bindegewebigen Netzwerk mit eingebetteten 
zahlreichen runden und spindelförmigen, zum Theil lebhaft prolife- 
rirenden Zellen ein Fibrom oder Fibrosarkom Vortäuschen könne. 
Diese fortwährend neugebildeten Knötchen würden durch das da¬ 
zwischen liegende Bindegewebe theils zu kleinen, theils zu grösseren, 
bis faustgrossen Knoten verbunden, welche entweder isolirt blieben, 
oder, wie meist auf den serösen Häuten, zu grossen Packeten con- 
glomerirten. Charakteristisch sei allen diesen Neubildungen der rasch 
eintretende Zerfall, welcher bereits in den kleinsten Knötchen mit 
Verfettung beginne und schon bei erst hanfsamengrossen Knötchen 
zur centralen Verkalkung führe. Eine eigentliche Erweichung finde 
nur bei denen in der Submucosa der Respirations- und Verdauungs¬ 
organe, sowie dös Uterus statt und führe zur Geschwürsbildung. Auch 
in der Luuge hebe der Process lediglich mit Bildung eines Mutter¬ 
gewebes im Bindegewebe der Interlobularzüge an, worauf sich der 
Process in der obigen Weise weiter entwickle. Die grossen con- 
glomerirten Knoten zeigten eine ausgesprochene Neigung zur Ver¬ 
käsung, die kleineren zur Verkalkung. Genau dieselben Processe liefen 
ferner im intramusculären und subcutanen Bindegewebe ab; sie seien 
früher von Lafosse als Druse, von Haubner als Hauttuberkel 
beschrieben worden. 


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22 


I. JOHNE 


Stelle man sich bei Untersuchung dieser Neubildung auf 
den genetischen Standpunkt, so mttsse man sie als Sarkome be¬ 
zeichnen; ziehe man vor Allem ihre weiteren Schicksale in Be¬ 
tracht, so mttsse man sie der Tubercttlose zuzählen. Wenn sie 
aber nicht das eine noch das andere in vollem Umfange sei, so 
mttsse man sie als eine dem Binde (vielleicht auch dem Schweine) 
eigenthttmliche Neubildung sui generis ansprechen und könne ihr 
> fttglich den Namen Bindstuberculose beilegen. 


ZWEITER ABSCHNITT. 

Die von Villemin beginnende Periode der experimentellen 
Forschung. 

Mit dem von Leisering 1862 vorgescblagenen Compromiss 
war die Identitätsfrage indess noch lange nicht zum Abschluss 
gebracht. Sie trat vielmehr, wie oben schon angedeutet, in ein 
ganz neues Stadium, als Villemin im Jahre 1865 die Tuber- 
culose für eine specifische, von Meppch auf Thier und von Thier 
zu Thier Übertragbare Infectionskrankheit erklärt hatte. Niemals 
ist wobl die wissenschaftliche Kritik mit einem grösseren Scepti- 
cismus an die Prüfung einer neuen Theorie herangetreten, als an 
Villemin’s Lehre. Durch Hunderte, ja Tausende von Ueber- 
tragungsversuchen und eingehende histologische Studien der Tu- 
berkelstructur hat man sich bemüht, die Wahrheit derselben zu 
ergründen, mit Befriedigung kann man aber constatiren, dass diese 
Arbeit nicht umsonst gewesen ist. Allmählig sind der Wider¬ 
sprechenden immer weniger geworden, so dass heute wohl kaum 
noch ein gegründeter Zweifel an der Infectiosität und Identität 
sämmtlicher bei Menschen und Thieren vorkommenden tubercu- 
lösen Processe erhoben werden kann. 

In diesem Abschnitt nun soll versucht werden, einen Ueber- 
blick über die zur Begründung dieses Lehrsatzes ausgeführten 
experimentellen Arbeiten und histologischen Untersuchungen zu 
geben. Sind diese doch nicht nur für die Kenntniss der Tuber- 
culose im Allgemeinen, sondern besonders auch für die Fixirung 
der pathologischen Stellung der thierischen Tuberculose von höch¬ 
ster Bedeutung geworden. 


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Geschichte der Tuberculose. 


23 


I. Experimentelle Arbeiten. 

Alle bisher mit Tuberculose angestellten Uebertragungsver¬ 
suche zerfallen in Impf-, Inhalations- und Fütterungsversuche. 

1. Impfversuche. 

Diese sind ausserordentlich zahlreich und in verschiedener 
Weise vorgenommen worden. Man verwendete theils tuberculose 
Massen vom Menschen, oder von Thieren, welche man beiden 
verschiedensten Thiergattungen unter die Haut oder in die Bauch¬ 
höhle, theils in die Gefässe oder in die vordere Augenkammer, 
eventuell durch Einstich von Aussen direct in die Lunge brachte. 

a) Die sübcutanen Impfungen repräsentiren jedenfalls 
die grösste Anzahl der bisher überhaupt vorgenommenen Ueber- 
tragungsversuche. Sie alle hier anzuftihren ist unmöglich. Es 
sei daher vor Allem auf deren Zusammenstellung von Walden¬ 
burg 3 ) (S. 179 u. folg.) verwiesen, der sich in neuerer Zeit noch 
eine grosse Menge anderer Versuche anreihen. 

Darunter befindet sich einvonDemet, Paraskeva und tal¬ 
ionis 86 ), welche einem an fortschreitendem Brande der grossen Zehe 
leidenden, anscheinend nicht tuberculösem Manne, dessen Tod, weil 
er sich nicht amputiren lassen wollte, zweifellos bevorstand, Sputa 
eines Tuberculösen inoculirten, und als derselbe nach 38 Tagen starb, 
frische Tuberkelknötchen in beiden Lungenspitzen fanden. 

Mit tuberculösem Material von Rindern) ist speciell von 
Soujou und Court Paul 60 ), Gerl ach 61 ) (Bd. II. 1869), Gttn- 
therund Harms 61 )und 53 ) (Bd. 37), RivoltaundPerroncito 62 ) 
(Bd. 31), Bagge 63 ) (Bd. 32), Zürn 64 ), Bollinger 65 ) (Bd. I), 
Biffi und Verga 66 ) (1873, No. 52), Bouley 7 ) (1880, No. 26), 
Aufrecht 124 ) etc. experimentirt worden. Zahlreiche subcutane 
Impfungen wurden innerhalb der letzten zwei Jahre auch von 
Toussaint angestellt. Auf Grund derselben 80 ) (1880, p. 31 und 
7 ) Tom. 93, No. 5, p. 281; No. 6, p. 322) ist er der Meinung, dass 
keine Krankheit ansteckungsfähiger sei, als die Tuberculose, und 
dass alle Flüssigkeiten des Körpers, das Blut, der Nasenausfluss, 
der Speichel, der flüssige Inhalt der Gewebe und der Harn tuber- 
culöser Thiere, ja selbst der Pustelinhalt von Impfpocken, der 
Träger des Giftes wären. Letzteres erhalte sich selbst in Tem¬ 
peraturen wirksam, welche Milzbrandbacillen tödten. 

Alle diese Versuche sind an den verschiedensten Thieren 
(Kühen, Kälbern, Ziegen, Schweinen, Kaninchen und Hunden) 


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24 


I. JOHNE 


angestellt worden und führten fast regelrecht zur Entwicklung 
einer miliaren Tuberculose. Nach den Angaben der Experimen¬ 
tatoren stimmte dieselbe vollständig mit dem menschlichen Miliar¬ 
tuberkel überein, wie ihn Schttppel und fast alle pathologischen 
Anatomen der Neuzeit (mit Ausnahme Virchow’s) definiren. 

Diesen positiven Impfresultaten stehen verhältnissmässig nur 
wenige mit demselben Impfmaterial ausgeführte negative/ Ergeb¬ 
nisse gegenüber. So die von Bagge 63 ) (Bd. 31) und Pütz 144 ) 
(S. 700 — bei je zwei Kalbinnen mit tuberculösen Massen vom 
Menschen), Köh ne 53 ) (Bd. 36 — bei drei Pferden mit Tuberculose 
vom Pferd und Rind und frischem und alten Pferdeeiter), Verga 
undBiffi 66 ) (zwei Maulthiere, eine Kuh, zwei Schafe und zwei 
Hunde), Semmer 62 ) (Bd. 36 — mit tuberculösen Massen vom 
Rind bei Pferden und Hunden), Bölling er 65 ) (Bd. I — tuber- 
culöse Massen vom Mensch und Rind bei drei Katzen und zwei 
Hunden) etc. Bölling er sprach zugleich die seitdem fast allge¬ 
mein adoptirte Ansicht aus, dass Einhufer und Fleischfresser 
nahezu immun, mindestens schwerer empfänglich seien, als Pflan¬ 
zenfresser, von denen Meerschweinchen und Kaninchen ausser¬ 
ordentlich leicht inficirt würden. 

b) Peritoneal ausgeführte Impfungen liegen in bei 
Weitem geringerer Anzahl vor. Für die^Tuberculose des Rindes 
sind besonders die von Klebs, Bollinger und Kitt wichtig. 

Ersterem 67 ) (Bd. 49, 1870, S. 292) gelang es, durch Injection 
menschlicher Tuberkelmassen in die Bauchhöhle eines Kalbes eine 
Tuberculose des Peritoneums, vollständig dem Bilde der Perlsucht 
entsprechend, hervorzurufen. Bollinger 65 ) (Bd. I. 1873, 8. 257) 
erzielte durch Injection von 60 Gramm einer durch Verreiben von 
tubercuiös-scrophulösen Lvmphdrüsenpartikelchen vom Menschen mit 
V 2 proc. Kochsalzlösung gewonnenen Flüssigkeit in den Peritoneal-* 
sack eines jungen Ziegenbockes denselben Erfolg. Kitt 69 ) (1879/80, 
S. 28) constatirte bei einem Kalbe 46 Tage nach der peritoneal ausge¬ 
führten Impfung mit dem aus den tubercuiös-scrophulösen Submaxillar- 
drüsen eines Menschen gewonnenen Safte eine tuberculöse Entzündung 
des Peritoneum, tuberculös-scrophulöse Entzündung der Bronchialdrü¬ 
sen, tuberGulöse Entzündung des Pericardium und der Pleurasäcke* 


Die Beweiskraft aller dieser subcutanen und peritonealen Im¬ 
pfungen blieb indess nicht unangefochten . Von den ersten Ville - 
min'sehen Versuchen an hat sich bis in die Gegenwart hinein eine 
lebhafte, allerdings mehr und mehr verstummende Opposition hier - 


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Geschichte der Tubereulose. 


25 


gegen erhoben. Eine grosse Reihe von Forschern (Chauffard 5 ) 

1867 — Lebert und Wyss 67 ) 1867 — Clark 70 ) 1867 — 
Colin 5 ) 1868 — Sanderson 70 ) 1868 — Simon und Sander- 
son 7t ) 1868 — W. Fox 72 ) 1868 — Cohnheim undFränkel 61 ) 

1868 — Waldenburg®) 1869 — Papil Ion, Nicol, Laverna 6 ) 
1871 — Gotthardt 7 ®) 1871—Metzquer 74 ) 1874 — Fried¬ 
länder 75 ) 1874 — Carpani 70 ) 1874 — Talma 77 ) 1881 — 
Brun et 7 ) 1881, Tom. 93 — Robinson 132 ) u. A.) versuchten nach¬ 
zuweisen, dass auch nach der Einimpfung von nicht tuberculösea 
thierischen Substanzen, ja selbst nach dem Einbringen von allen 
möglichen Fremdkörpern, namentlich bei Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen, unter Bildung käsiger Herde an der Impfstelle eben¬ 
falls eine miliare Tuberculose entstehe. Waldenburg®) (S.403 
u. folg.) erklärte die dnrch Impfung entstehende Tuberculose auf 
Grund seiner zahlreichen Versuche geradezu ftlr eine nicht spe- 
cifische Resorptionskrankheit, welche durch die Inoculation der 
verschiedensten Substanzen in der Weise hervorgerufen werde, dass 
die feinen geformten Partikelchen der letzteren resorbirt, durch das 
Blut den verschiedenen Organen des Körpers zugeführt würden, 
und in diesen abgelagert, durch ihre Anwesenheit jene miliaren 
Neubildungen erzeugten. Aber nicht nur von aussen inoculirte 
Fremdkörper, sondern auch im Körper selbst vorhandene oder in 
ihm selbst abnorm erzeugte, sehr feine corpusculäre Elemente 
(Eiter, käsige Massen etc.) könnten durch Resorption die Tuber¬ 
culose, die also durchaus nichts Specifisches habe, hervorrufen, 
eine Theorie, welche mit der Buhl’schen Käseinfectionstheorie 
theilweise übereinstimmte und die Tuberculose quasi durch eine 
Selbstinfection entstehen liess. Friedländer ging sogar 
so weit, die Impftuberculose für eine Illusion, und die künstliche 
Erzeugung von Tuberkeln für unmöglich zu erklären. 

Diesen Zweiflern an der specifischen Virulenz der Tubercu¬ 
lose wurde indess schon an der Hand der bei den subcutanen 
und peritonealen Impfungen gewonnenen Erfahrungen eine Reihe 
von positiven Thatsachen entgegengestellt, deren Beweiskraft nicht 
anzufechten war. — Zunächst konnte 

a) die von Waldenburg vertretene Anschauung gegenüber 
der Thatsache keinen Boden gewinnen, dass die vonPonfick, 
Hoffmann und Langerhans massenhaft in die Bauchhöhle 
von Meerschweinchen gebrachten Zinnoberaufechwemmungen keine 
Tuberkeleruptionen hervorzurufen vermochten (Cohnheim 78 ) 
(Bd. I, S. 609). 


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26 


I. JOHNE 


ß) Selbst wo aber durch Einimpfung von Producten nicht 
tuberculösen Gewebszerfalles, sowie durch andere feinkörnige Sub¬ 
stanzen unter Umständen tuberkelähnliche Knötcheneruptionen 
entstanden, unterschieden sich dieselben trotz ihrer nahezu Über¬ 
einstimmenden oder vollständig histologischen Gleichartigkeit doch 
durch ihr weiteres Verhalten wesentlich von dem menschlichen 
Tuberkel. Sie verkästen nicht und waren nicht wie 
letztere weiter verimpfbar (Klebs 67 ) Bd.44, S. 296 
und Baumgarten 67 ) 1880, S. 697). Toussaint 7 ) (Tome 93, 
No. 19 und 78 ) 1881, No. 10, p. 529) erklärt nicht nur die Ueber- 
tragungsfähigkeit der Tuberculose für eine unbegrenzte, sondern 
nimmt sogar eine steigende Virulenz der Impfproducte mit der 
Zahl der Impfgenerationen an. Zu gleichen Resultaten gelangte 
auch Martin 68 ) (1881, No. 1 und 2). Nach ihm ist der wahre, 
durch Impfung specifischer Tuberkelmassen entstandene echte 
Tuberkel von den durch Impfung indifferenter, feinmoleculärer 
Massen entstandenen tuberkelähnlichen, localen Entzttndungspro- 
ducten — von ihm Pseudotuberkeln genannt— histologisch 
allerdings nicht zu unterscheiden. Nur die Verimpfbarkeit, die 
Infectiosität unterscheide den ersteren vom letzteren. 

y) Andere Experimentatoren waren ferner im Stande nach¬ 
zuweisen, dass die Einimpfung nicht tuberculöser Sub¬ 
stanzen (Fleisch, Neubildungen anderer Art, Fremdkörper) 
nicht bei allen Thiergattungen, Und nicht bei allen Individuen 
einer und derselben Art Tuberculose mit oder ohne vorherige Ver¬ 
käsung an der Impfstelle bilden könne. Selbst Kaninchen, welche 
thatsächlich Überaus leicht zur Bildung käsiger Herde an letz¬ 
terer hinneigen und leicht der Tuberculose verfallen, seien hier¬ 
her zu rechnen. Dagegen könnten durch Einimpfung tuberculöser 
Massen Tuberkeln selbst bei Thieren erzeugt werden, wo dies 
in anderer Weise nicht gelinge (Gerlach 61 ) 1869, S. 132, ne¬ 
gative Versuche mit Pferden, Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen 
und Hunden — Günther und Harms 61 ) 1872, S. 83, aus¬ 
nahmslos negative Resultate bei 23 Kaninchen — Verga und 
Biffi 66 ) 1870, No. 11). Jedenfalls werde auch durch Einim¬ 
pfung der Tuberkelmaterie sicherer und in viel höherem Grade 
Tuberculose erzeugt, als auf traumatischem Wege, d. h. durch 
allerhand Fremdkörper (Gerlach). 

ö) Von besonderem Gewichte war aber der Beweis, dass ein¬ 
mal nicht jede käsige Masse bei einfacher Impfung eine arti- 
ficielle Tuberculose erzeuge — Chauveau 86 ) (1872, S. 337) —, 


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Geschichte der Tuberculose. 


27 


sondern dass Überhaupt die Einimpfung nicht tuberculöser Massen 
nur dann erst Tuberculose hervorrufe, wenn die eingeführten Stoffe 
oder die Impfwunden mit tuberculösem Virus verunreinigt worden 
seien. Letzteres Argument war von um so grösserer Bedeutung, 
als es namentlich von Cohnheim 78 ) (Bd. I, S. 609), der früher 
in der ersten Reihe der Specifitätsgegner stand, aufgestellt wurde. 
(Vergl. auch Klebs 65 ) Bd. I. — Baumgarten 67 ) 1880, S. 698, 
vorherige Desinfection der Impfsubstanz schwächt deren Infec- 
tionsfähigkeit erheblich ab.) 

e) Endlich wurde mehrfach nachgewiesen, dass die Erzeu¬ 
gung eines Käseherdes an der Impfstelle durchaus kein noth- 
wendiges Postulat zur Erzeugung der Tuberculose sei (Rüge 81 ). 
Es sprach hierfür besonders der Umstand, dass peritonealen Im¬ 
pfungen durchaus nicht immer die Bildung eines Käseherdes 
voranging, welcher als Quelle der Infection anzusehen gewesen 
wäre. 

Wurden schon durch alle diese Thatsachen die Einwände 
der Zweifler mindestens erheblich erschüttert, so waren ander- 
weit modificirte, namentlich mit Vermeidung jeder Ver¬ 
käsung an der Impfstelle ausgeführte Impfversuche vollends 
imstande, die Lehre Villemin’s von der Infectiosität und Uni- 
tät der bei Menschen und Thieren vorkommenden tuberculösen 
Processe mehr und mehr zu befestigen. Es sind in dieser Rich¬ 
tung noch besonders die intravasculären, intrapulmonären und 
intraoculären Impfungen als bedeutungsvoll zu erwähnen. 

c) Intravasculäre Impfungen sind von Semmer in 
Gemeinschaft mit Thal und Nesterow 35 ) (Bd. II, S. 209 und 
67 ) Bd. 82, S. 546) nach Spinola’s und Colin’s Vorgänge im 
Jahre 1875 ausgeführt worden. Mit Ausschluss von Kaninchen 
und Meerschweinchen wurden nur Schweine und Schafe der ge¬ 
meinen Landratje aus der Umgebung von Dorpat hierzu gewählt, 
bei denen nach Semmer’s Erfahrung weder Scrophulose noch 
Tuberculose Vorkommen soll. 

Milch und Blut einer hochgradig an Lungen- und Pleuratnber- 
culose leidenden Kuh wurde 30 Versuchsthieren theils unter die Haut, 
theils in die Jugularis gebracht, und zwar in einer Menge von 1 ,i 2 bis 
V 40 der Gesammtblutmenge des Versuchstbieres. Bei keinem war an 
der Impfstelle Eiterung oder Verkäsung eingetreten. 13 Versuchs- 
thiere gingen bald nach der Impfung an verschiedenen anderen Leiden 
zu Grunde, während 16 der übrig gebliebenen bei der 5—6 Monate 
nach derselben erfolgten Tödtung die gelungensten Resultate zeigten. 
Bei den Schweinen sollen dieselben vollständig der Tuberculose der 


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28 


I. JOHNE 


Lungen und der Pleura des Rindes entsprochen haben, während sich 
der Befund bei Schafen mehr der Tuberculose des Menschen genähert 
hätte. 

Semmer glaubt aus diesen Untersuchungen scbliessen zu 
mttssen, dass die Perlsucht der Rinder als solche auf Schweine 
Übertragbar sei, und dass mit dem im Blute, Fleische und der Milch 
enthaltenen Contagium auch Schafe und andere Thiere inficirt 
werden könnten. Entgegen Gerlach, Klebs, Orth, Scbüp- 
pel u. A. hielt er aber die .Perlsucht des Rindes fttr eine 
selbständige, mit der Tuberculose nicht vollständig identische 
Krankheit. 

Auf die von Virchow 67 ) (Bd. 82) ausgesprochenen Zweifel 
hinsichtlich der Beweiskraft der Semmmer’schen Versuche, die 
sich auf die lange Dauer derselben (6 Monate) und den Mangel 
an Controlthieren, namentlich aber darauf bezogen, dass die In- 
jectionen unter die Haut und in die Venen noch nicht berech¬ 
tigten, die Uebertragbarkeit der Perlsucht durch die Verdauungs¬ 
organe anzunehmen, folgte sehr bald eine ziemlich scharfe Ent¬ 
gegnung SemmerV 1 ) (Bd. 83, S. 555). Bezüglich ersterer 
berief er sich auf die lange Incubationsdauer der Tuberculose, 
hinsichtlich der letzteren auf die Thatsache, dass in Dorpat 
die Tuberculose bei Schafen und Schweinen der gewöhnlichen 
Landrage, wie schon erwähnt, so gut wie gar nicht vorkäme, 
Controlthiere daher Überflüssig seien. Wenn 10 Schweine und 
6 Schafe, die alle von verschiedenen Müttern stammten, nach 
der Infection frische, echte Tuberkel gezeigt hätten, so müsste 
dies als vollgültiger Beweis der Virulenz des Fleisches, des Blutes 
und der Milch tuberculöser Thiere aufgefasst werden. Erst in 
zweiter Linie werde es sich darum handeln, festzustellen, ob das 
Tuberkelcontagium durch die Verdauungssäfte zerstört werde. 

d) Intrapulmonal wurden durch Pütz 144 ) (S. 700), zwei 
Pferde mit tuberculösen Producten von Menschen geimpft, und 
hierdurch in einem Falle ein zweifelhafter Erfolg, in dem ande¬ 
ren eine typische Miliartuberculose erzielt. 

Von höchster Bedeutung fttr die Lehre von* der Tuberculose 
wurden aber 

e) die intraoeulären Impfungen. Diese zuerst von 
Cohnheim und Salomonsen 82 ) (1877, No. 65 und 83 ) S. 171), 
darauf von Hänsell und Deutschmann 84 ) (Bd. XXV, 1,25) 
in Bezug auf die Virulenz der menschlichen Tuberculose ange- 
stellten, geradezu classischen Versuche sind später besonders von 


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Geschichte der Tubercolose. 


29 


Baumgarten 31 ) (1880, No. 49) mit Rücksicht auf die des Rin¬ 
des wiederholt worden. Mit denkbarst absoluter Sicherheit ge¬ 
lang es den Experimentatoren, durch Implantation von tuber- 
culösem Material in die vordere Augenkammer ohne die früher 
von den Gegnern der Specifitätslehre urgirte Zwischenstufe der 
Verkäsung nach einer Incubationsdauer von 20—30 Tagen (beim 
Kaninchen im Mittel 25 Tage) eine typische Iristuberculose mit 
einer fast regelmässig sich hieran anschliessenden typischen, se- 
cundären, allgemeinen Miliartuberculose zu erzeugen. Die von 
Baumgarten durch Inoculation tuberculöser Massen, selbst 
durch Injection von Blut tuberculöser Rinder 71 ) (1881, S. 274) 
erzeugten Iristuberkeln entsprachen dabei nicht nur vollständig 
den durch menschliches Impfmaterial erzielten, sondern waren 
auch durch mehrere Generationen weiter impfbar. Mit zweifel¬ 
loser Sicherheit wurde dabei zugleich von den genannten For¬ 
schern constatirt, dass nur echtes tuberculösesMaterial 
vom Mensch oder Thier diesen Erfolg hatte. 

Eine andere Gruppe von Infectionsversuchen, 

2. die Inhalationsversuche, 

wurden in der Weise ausgeführt, dass man tuberculöse Massen 
mit Wasser verrieb und die mittelst geeigneter Apparate zer¬ 
stäubte Flüssigkeit von Versuchsthieren tlieils durch eine Tra- 
chealwunde, theils durch die unverletzten Luftwege in geschlos¬ 
senen Räumen einathmen liess. Die ersten derartigen Experi¬ 
mente sind von Tappeiner 61 ) (Bd. 74, S. 393 u. Bd. 82, S. 353) 
angestellt und später von Lippl, Reinstadler und Ber- 
theau 85 ) (Bd. 26, S. 523), Weichselbaum 11 ) (1882, No. 20), 
mit Hunden und Ziegen in mannigfacher Weise modificirt, wie¬ 
derholt worden. Sie führten fast ausnahmslos zur Entwicklung 
einer Lungentuberculose und bewiesen somit gegen Schotte- 
lins 67 )' (Bd. 73, S. 230) nicht nur die specifische Virulenz der 
Tuberculöse, sondern auch die Möglichkeit der Aufnahme des 
tuberculösen Virus durch die Lungen und die der Ansteckung 
durch Cohabitation (s. später). 

Die vom allgemein hygienischen Standpunkt aus wichtigste 
Gruppe der Uebertragungsversuche bilden endlich 

3. Die Fütterungsversuche. 

Durch die Impf- und Inhaitationsversuche war zwar die 
Virulenz und Identität der Tuberculöse im Allgemeinen, speciell 


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30 


I. JOHNE 


namentlich auch die des Menschen und des Rindes zweifellos 
bewiesen worden. Die Einwände der Gegner dieser Lehre hatten 
indess schon von Haus aus noch solche Versuche wünschens¬ 
wert erscheinen lassen, welche nicht nur eine Einverleibung 
des Tuberkelvirus ohne Verwundung, Eiterung und Käsebildung 
auf dem Wege des Verdauungsschlauches gestatteten, sondern 
auch zugleich die nahe liegende, hochwichtige Frage lösen 
konnten, ob die Tuberculose durch den Genuss von Fleisch und 
Milch damit behafteter Thiere, namentlich Rinder, auf andere 
Thiere, resp. auf den Menschen übertragbar sei 

Die ersten Versuche dieser Art sind von Gerlach 30 ) (Bd. L 
S. 6 und 6l ) 1869, Bd. II) und zwar mit tuberculösen Knoten von 
serösen Häuten und mit der Milch perlsüchtiger Kühe in den 
Jahren 1866—1869 in Hannover vorgenommen worden, während 
die ersten Mitteilungen solcher von Chaveau 87 ) (Bd. XXV, 
S. b) 1869 veröffentlicht wurden. 

Auf Qrund seiner an drei, 6—12 Monate alten Kälbern ange- 
stellten Fütterungsversuche mit positivem Erfolg (jedes hatte circa 
30 Gramm tuberculöser Massen aus Lungen, Lymphdrüsen und vom 
Bauchfell erhalten), erklärte Letzterer die Tuberculose des Rindes für 
eine virulente, wahrscheinlich durch die Verdauungswege sogar häu¬ 
figer, als durch die Respirationsschleimhaut übertragbare Krankheit. 
Weitere Versuche veröffentlichte er noch in den darauf folgenden 
Jahren 88 ) (No. 5. 1870 und 80 ) 1872 S. 327 ; 1873 S. 929; «) 1874 und 
5 ) 1875 S. 891). Mit principiellem Ausschluss von Kaninchen und 
Meerschweinchen wurden dieselben nur an Pferden, Eseln, Rindern 
und Kälbern angestellt. Darunter befindet sich ein Experiment mit 
11 Kälbern, wovon das jüngste 14 Monate alt war, die sämmtlich 
nach Fütterung mit tuberculösen Rindslungen positive Resultate er¬ 
gaben , während zwei Controlthiere derselben Reihe gesund blieben. 
Unter 160 Saugkälbern, berichtet Chauveau unter anderem weiter, 
sei nicht eins gewesen, das sich nach l*/ 2 —2 Monate lang fortge¬ 
setzter Fütterung von tuberculösen Massen, zum Theil vom Rind, 
nicht als inficirt erwiesen hätte. Die Infection durch den Verdauungs¬ 
kanal sei eine um so sicherere, je jünger das Kalb wäre (eine Be¬ 
obachtung, die auch später von Bollinger, Klebsu. A. bestätigt 
worden ist). Es genüge schon, die Finger oder die Striche der Kuh, 
an welcher die Kälber saugten, mit Tuberkelmassen zu bestreichen, 
um bei sämmtlichen Saugkälbern bereits nach 6 Wochen ausgebreitete 
tubercülöse Neubildungen zu erzeugen. Dabei soll, wie Chauveau 
ausdrücklich hervorhebt, in der Umgebung von Lyon die Tuberculose 
bei Kälbern nur im Verhältniss 1:70 Vorkommen. 

Diese ersten Versuche Gerlach’s und Chauveau’s, welche 
auf Grund ihrer Erfahrungen die Tuberculose als eminent in- 


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Geschichte der Tuberculose. 


31 


fectiös bezeichneten, blieben nicht vereinzelt. Eine grosse Reihe 
der hervorragendsten Forscher widmeten- ihre Thätigkeit der 
Lösung der hochwichtigen Frage. Nur eine verhältnissmässig 
kleine Zahl hat hierbei lediglich negative Resultate zu registriren, 
Einzelne fast nur positive, die Meisten gemischte Resultate. 

Es sei hier nur hingewiesen auf die wesentlich mit tuberculösem 
Material, Fleisch und Milch tuberculöser Thiere, besonders an Rin¬ 
dern angestellten Versuche der Dresdener Schule 69 ) (1870, 1872 
und 30 ) Bd. VIII, J878/79), Günther und Harms 6t ) (1870, 1872, 
1873 und 53 ) 1871 Bd. 37), Klebs 07 ) (Bd. 49, 1870 und ° 5 ) Bd. I, 
1873, S. 163), Zürn 64 ) (1871), Brusasco 03 ) (1871, S. 217), 
Bollinger 65 ) (1873, Bd. I, S. 357 und 35 ) 1880, Bd. VI, S. 103), 
Semmer 62 ) (1873, Bd. XL, S. 16 und 07 ) Bd. 82, S. 546), Ro- 
loff 89 ) (1874, Bd. II, S. 33), Viseur 5 ) (1874, S. 443), Dammann 9(> ) 
(1874, Bd. 18, S. 443), Holten 9 *) (1874, Heft 4), Colin 30 ) (1875, 
S. 122), Döpke 89 ) (1875, Bd. III, S. 327), Schreib er 92 ) (1875), 
Breil 35 ) (1877*, Bd. IV, S.290), Metzquer 03 ) (1878, S. 57), Lan¬ 
ger on 93 ) (1878, Bd. 17, S. 149), Blumenberg 35 ) (1879, Bd. V, S. 319), 
Orth 67 ) (1879, Bd. 76, S. 217), Peuch 7 ) (1879, Nr. 26 und 1880, 
Vol. 90, No. 26), Lange 35 ) (1880, Bd. VI, S. 309), Toussaint 80 ) 
(1880, Bd. VII, S. 317 und 7 ) 1880, Vol. 90, Nr. 13), Flemming 71 ) 
1880, Sept.), Virchow 31 ) (1880, S. 189), Peuch ü. Toussaint 79 ) 
(1881, Nr. 15), Aufrecht 77 ) (1882, S. 289 etc.). — Günther und 
Harms 53 ) (Bd. 37, S. 150), sowie Virchow (1. c. S. 210) stellten 
ausserdem noch Control versuche in der Weise an, dass ersterer Ka¬ 
ninchen mit Milch und Fleisch gesunder Kühe, letzterer Schweine 
mit „ verdorbenem “, aber nicht von tuberculösen Thieren abstammen¬ 
den Fleische fütterte. Beide Versuche führten zu keinem Resultate, 
am allerwenigsten zur Bildung von Producten, weiche als käsig oder 
tuberculös bezeichnet und mit den durch Fütterung mit perlsüchtigem 
Material erhaltenen in Parallele gestellt werden konnten. 

Werden aus diesen Versuchsreihen diejenigen hervorgehoben, 
bei denen möglichst genaue Zahlenangaben vorliegen, so ergibt 
eine Zusammenstellung derselben, mit Hinweglassung derjenigen 
Fälle, wo die Thiere vorzeitig an intercurrirenden Krankheiten 
zu Grunde gingen, oder die Controlthiere ebenfalls tuberculös 
waren, dass von Chauveau 87 ) (Bd. XXV, S. 5), Gerlach, der 
Dresdner und Hannöver’schen Thierarzneischule, 
Klebs, Zürn, Bollinger, Möller, Roloff, Breil, Metz¬ 
quer, Langeron, Blumenberg, Orth, Lange, Peuch, 
Peuch und Toussaint und Aufrecht 322 Thiere lediglich 
zu Ftttterungsversuchen verwendet worden sind. Die hierbei er¬ 
reichten Resultate vertheilen sich, wie folgt: 


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32 


I. JOHNE 


1 Pferd mit 0 Proc. positivem, 100 Proc. negativem, 0 Proc. zweifelh. 

Erfolg. 


5 Kälber 

0 

100 

« 

= 

0 

0 

0 

0,0 

0 

0 

35 Schafe 

SS 

51,4 

cs 

0 

42,9 

0 

0 

5,7 

* 

0 

13 Ziegen 

0 

84,6 

0 

0 

15,4 

0 

* 0 

0,0 

* 

0 

60 Schweine 

SS 

65,0 

0 

SS 

18,3 

0 

0 

16,6 

# 

m 

171 Kaninchen 

SS 

31,2 

0 

, 0 

66,5 

0 

0 

2,3 

0 

0 

20 Hunde 

= 

25,0 

0 

0 

75,0 

0 

SS 

0,0 

0 

0 

9 Katzen 

SS 

55,5 

0 

0 

44,4 

0 

0 

0,0 

0 

0 

6 Meerschw. 

SS 

83,3 

0 

0 

16,6 

0 

0 

0,0 

0 

0 

2 Tauben 

SS 

0,0 

0 

0 

100,0 

* 

0 

0,0 

0 

* 

In Summa: 

: 43,5 

0 

0 

51,1 

0 

0 

5,0 

0 

0 


Von den 322 Ftitterungsversuchen wurden 259 mit rohem 
Material vorgenommen, wobei 47,7 Proc. positive, 48,9 Proc. 
Negative und 3,3 Proc. zweifelhafte Resultate ergaben. — In 
62 Versuchen hingegen wurde 10—15 Min. lang gekochtes 
Material verwendet und hiermit noch 35,5 Proc. positive, 64,5 
Proc. negative und 1,Q Proc. zweifelhafte Erfolge erzielt. 

Nach dem verwendeten Material vertheilen sich die Ver¬ 
suche auf ' 


117 mit tuberculösem Material vom 

Rind. 

46 mit Fleisch von tuberculösen 
Rindern (gekocht durchaus ne¬ 
gatives Resultat). 

91 mit Milch von tuberculösen Rin¬ 
dern . 

1 mit Milch von tuberculösen Ka¬ 
ninchen . 

25 mit tuberculösem Material von 

Menschen. 

33 mit tuberculösem Material von 
Schweinen. 

2 mit tuberculösem Material von 

Schafen. 

2 mit tuberculösem Material von 

Kaninchen. 

3 mit tuberculösem Material von 

Affen. 

5 mit tuberculösem Material von 
Vögeln 


61,5 Proc.+, 34,2Proc. —, 4,3 Proc. ?♦) 


13,1 

0 

+, 86,9 

! » 

0 

V 

30,7 

0 

+> 59,3 

-, 9,9 

0 

? 

100 

0 

+, o,o 

0,0 

0 

? 

36 

0 

+, 64 

0,0 

0 

? 

52,2 

0 

+, 47 

0,0 

0 

? 

100 

0 

+, 0,0 

0,0 

0 

? 

50 

0 

+, 50 

0,0 

0 

? 

100 

* 

+, 0,0 

• - 0,0 

0 

P 

100 

0 

+, 0,0 

-, 0,0 

0 

? 


Den positiven Fütterungsresultaten gleichzustellen wäre end¬ 
lich noch eine Reihe von klinischen (in obige Zusammenstellung 
nicht aufgenommene) Beobachtungen von Jakobs 95 ) (1868,1870) 
und Devilliers und Lengler 88 ) (1869, S. 430), welche sich 
auf Uebertragung der Tuberculose auf Hunde und Hühner durch 
freiwilligen Genuss von Sputa phthisischer Menschen, sowie die 


*) + positive, — negative, ? zweifelhafte Resultate. 


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Geschichte der Tuberculose. 


33 


vonKlebs 65 ) (Bd. I, S. 174), Göring 35 ) (Bd. IV, S. 290), Zip- 
pelius 90 ) (Bd. IXX, S. 3), Lehnert* 9 ) (1876), Kloss 46 ) (Bd.V, 
S. 15), Böttcher 46 ) (Bd. II, S. 103) etc., welche sich auf Ueber- 
traguog von Rindstuberculose durch Milch- und Fleischgenuss auf 
Kälber und Schweine beziehen. 

Aus den gesammten Ftitterungsversuchen und den angeführten 
klinischen Beobachtungen lassen sich bei einer vorurtheilsfreien 
Kritik folgende Schlüsse ziehen: 

1. Die Uebertragung der Tuberculose durch den Genuss 
tuberculöser Massen von Thier auf Thier und von Mensch auf 
Thier ist möglich, wenn auch mit weniger Sicherheit zu er¬ 
zielen, als durch Impfungen. 

2. Die Uebertragung gelingt am leichtesten durch Füt¬ 
terung tuberculöser Massen (Lungen- und Pleuratuberkeln, 
tuberculöser Lymphdrüsen), demnächst auch durch Milch tuber¬ 
culöser Thiere. Die Infection durch tuberculöses Material vom 
Menschen gelingt verhältnissmässig schwerer. 

3. Weniger leicht, aber doch in circa tye aller in der Ta¬ 
belle zusammengestellten Versuche erfolgt dieselbe durch Fleisch. 

4. Kälber, Schafe, Ziegen und Schweine besitzen, wie dies 
schon früher, namentlich von Bollinger (vergl. S. 24) betont 
wurde, die grösste Empfänglichkeit, doch ist die angebliche 
Immunität der Carnivoren nicht so bedeutend, als von einzelnen 
Autoren angenommen worden ist. 

Semmer 94 ) (1878, S. 71) will bei circa 100 Carnivoren durch¬ 
aus negative Resultate erhalten haben. — Sauer 93 ) (Bd. XVII, S. 17) 
berichtet, dass von ihm jährlich circa 30 Stück hochgradig tuber- 
culöse, zum Theil kachektische Rinder dem Besitzer eines zoologischen 
Gartens zügewiesen worden seien. Bei keinem der in dem angegebe¬ 
nen Zeitraum zur Section gelangten Thiere wäre Tuberculose nach¬ 
zuweisen gewesen. 

5. Es scheint, als ob auch gleichartiges, tuberculöses Material 
ein und derselben Thiergattung nicht immer eine gleichartige 
lnfectiosität besitze (vergl. hier Siedamgrotzky 30 ) (Bd. VIII, 
S. 193). Diese Verschiedenheit ist zurtickzuführen 

a) nicht nur auf erwähnte generelle, sondern zweifellos 
auch auf eine verschiedene individuelle Empfänglichkeit der Ver- 
suchsthiere. Ferner aiif die verschiedene Leichtigkeit, mit wel¬ 
cher das, einer bestimmten Species angepasste Virus (Bacillus) 
auf die gleiche oder eine andere übergehen kann. Besonders 
kommt hierbei auch das Alter in Betracht. Der Darm junger 
Individuen scheint infectionsfähiger zu sein, als der alter Thiere 

Deutsche Zeitschrift f. Thiormed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 3 


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34 


I. JOHNE 


(analog der Thatsache, dass z. B. die Infection von Schweinen 
und Schafen mit Proglotiden von Taenia solium, eoenurns etc. 
wesentlich auch nur bei jungen Thieren gelingt). 

b) auf die bei Tuberculose mehrfach beobachtete tuberculöse 
Erkrankung des Euters (vergl. S. 43). Es ist durchaus wahrschein¬ 
lich, dass die Milch von Ktthen mit einer solchen gefährlicher ist. 

c) auf die Dauer des Versuches. Bollinger 65 ) (Bd. I, 

S. 370), Orth«) (Bd. 76, S. 234) und Semmer (ibid. Bd. 82, 

S. 549) haben darauf aufmerksam gemacht, dass viele der nega¬ 
tiven Versuche deshalb nicht ins Gewicht fallen dürften, weil 
bei ihnen, gegenüber der langsamen Entwicklung -der Tuber¬ 
culose, die Dauer des Experimentes eine zu kurze gewesen 
sei. Letztere beiden Forscher nahmen auf Grund ihrer Erfah¬ 
rungen fUr die Ftttterungstuberculose ein Incubationsstadium von 
mindestens 2—3 Monaten an. Thiere, welche vorher getödtet ' 
würden, müssten negative Besultate geben (vergl. n. d. Rieht, 
die Versuche von Günther-Harms 61 ) Bd. IV, sowie einen 
Theil der von Zürn 64 ) angestellten). 

d) Eicht wenig dürfte weiter bei der Beurtheilung der mit 
Milch angestellten Fütterungsversuche die von allen thierärzt¬ 
lichen Autoren (vergl. auch Virchow 31 ) 1880, S. 209) urgirte 
Schwierigkeit ins Gewicht fallen, die Tuberculose des Rindes intra * 
vitam zu diagnosticiren. Alle Versuche, deren Endresultat nicht 
durch Section der betreffenden Kuh controlirt wurden, sind daher 
als zweifelhaft auszuscheiden (vergl. Sehreiber’s Versuche 92 ). 

6. Endlich dürfte noch darauf hinzuweisen sein, dass Bol¬ 
linger 65 ) (Bd. I, S. 370) mit vollem Rechte betonte, dass nach 
Analogie mit anderen Erfahrungen auf dem Gebiete der allge¬ 
meinen, experimentellen Pathologie (z. B. bei den Uebertragungs¬ 
versuchen mit Parasiten) schon wenige positive Ergebnisse im 
Stande seien, gegenüber zahlreichen negativen eine Thatsache 
fest zu begründen. 


II. Histologische Arbeiten. 

Es konnte nicht fehlen, dass die eb«n geschilderten kritisch¬ 
experimentellen Arbeiten auch zu einer gewissenhaften Prüfung 
der histologischen Zusammensetzung und zu einem eingehenden 
vergleichenden Studium des menschlichen und thierischen Tuber¬ 
kels anregten. 


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Geschichte der Tuberculose. 


35 


Im Allgemeinen ist zwar der anatomische Begriff „ Tuberkel “ 
der von Virchow aufgestellte, d. h. der eines zelligen, gefäss- 
losen, später verkäsenden Knötchens, geblieben. Indess haben 
neuere Untersuchungen , doch gelehrt, dass zwischen den lymph- 
körperartigen Zellen, welche gewissermassen den Grundstock des 
Knötchens ausmachen, noch andere Zellenformen Vorkommen, 
welche dem Tuberkel eine ganz charakteristische Structor geben 
sollen. Von besonderem Gewicht ist nach dieser Richtung die 
Arbeit von Langhanns 61 ) (Bd. 42, S. 382), welcher zuerst den 
schon von Rokitansky (Path. Anat. 1855, Bd. I, S. 295) ge¬ 
sehenen und von Virchow 2 ) (Bd. II, S. 637) specieller erwähn¬ 
ten, häufig im Centrum der Tuberkeln vorkommenden Riesen¬ 
zellen ein grösseres Gewicht beilegte und auf die randständige 
Stellung ihrer Kerne (ein heute noch von vielen Forschern her¬ 
vorgehobenes Kriterium der echten Tuberkelriesenzellen) auf¬ 
merksam machte. Schüppel 91 ) (S. 84, 91 und 61 ) Bd. 56, S. 38), 
dessen Arbeiten auf dem Gebiete der Tuberculose ganz beson¬ 
dere Bedeutung erlangten, hebt nicht nur das constante Vorkommen 
der Riesenzellen in den Tuberkeln hervor, sondern betrachtet 
dieselben sogar als Ausgangspunkt der Knötchenbildung. Um 
diese Riesenzellen lagern sich nach ihm grössere epithelioide 
Zellen und erst in der Peripherie lymphoide Zellen. Diese zelligen 
Elemente aber sollen in den Maschen eines auch vonE. Wagner 100 ) 
beschriebenen Reticulum eingelagert sein. Auch Köster 67 ) (Bd. 48, 
S. 111) und Charcot 68 ) (1878, No. 4, S. 398 und 399) hielten die 
Riesenzellen für constante Bestandtheile des Tuberkels. Ebenso 
betonten Friedländer 15 ), Buhl 98 ), Rind fleisch 99 ) ihre Wich¬ 
tigkeit für die Diagnose desselben, während Orth 67 ) (Bd. 76, 
S. 235), Baumgarten 61 ) (Bd. 76, S. 485), Kiener 68 ) (1880, 
2. S6r. Bd. VII, S. 790 und 894), Malassez 118 )-(1880, No. 15, 
S. 194) und Andere sie als keinen constanten Bestandteil auf¬ 
fassen möchten. Hering 101 ) bestritt sogar direct jede specifische 
Bedeutung der Riesen- und epithelioiden Zellen und wies auf 
deren öfteres Fehlen in den Tuberkeln hin (vergl. auch Bro- 
dowsky 67 ) (Bd. 63). 

In der That haben weitere Untersuchungen gelehrt, dass 
man einerseits neben den charakteristischen Tuberkelknötchen 
Schuppers häufig noch solche findet, welche weder Riesen¬ 
zellen, noch ein Reticulum erkennen lassen, und vollständig den 
Virchow'sehen Tuberkeln entsprechend, als solche aufgefasst 
werden müssen. Anderseits sind die Riesenzellen in den mannig- 

3 * 


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I. JOHNE 


fachsten pathologischen Neubildungen gefunden worden, welche 
in durchaus keiner Beziehung zur Tuberculose stehen. 

So fand sie B i 11 r o t h 103 ), Förster (Handb. d. path. Anat. 3. Aufl. 
Bd.I. S. 382), Brodowsky (1. c.), Ziegler 104 ) in jungem Granu¬ 
lationsgewebe, Tillmanns 67 ) (Bd. 78, S. 461) in dem jungen Gra¬ 
nulationsgewebe, weiches sich innerhalb todter, in die Bauchhöhle 
lebender Kaninchen eingeheilter Gewebsstttcken gebildet hatte, Lang- 
hanns 67 ) (Bd. 49, S. 101) in ßlutgerinnungen, Friedlärider 102 ) 
(S. 178) in den Lungenalveolen bei chronischer Pneumonie, Baum¬ 
garten 67 ) (Bd. 76, S. 485) in syphilitischen Neubildungen, Licht¬ 
heim 65 ) (Bd. X, S. 54) bei seinen geistvollen Untersuchungen über 
Atelektase nach Unterbindung eines Bronchus in zerstreuten käsigen 
Herden in der Lunge, Senftleben 67 ) (Bd. 77, S. 431) bei seinen 
Experimenten über Verschluss der Blutgefässe nach Unterbindungen 
etc. Noch andere beobachteten ihre Bildung um Fremdkörper oder 
Parasiten. So Heidenhain 105 ) nach Einführung fremder Körper 
in die Bauchhöhle, Baumgarten 77 ) (1878, Nr. 13) und Giovani 
Weiss 67 ) (Bd. 68, S. 59) nach Einführung von Fremdkörpern in 
das subcutane Bindegewebe, Rustitzky 67 ) (Bd. 59, S. 218) nach 
Einbringung allerhand Fremdkörper in den Lymphsack des Frosches, 
Johne 35 ) (Bd. VII, S. 163) bei seinen Impfversuchen um Actinomyces- 
Rasen, Pflug 62 ) (LVIII, Bd. 1, S. 28) bei seinen Untersuchungen über 
Lungenactinomykose, Laulamiö 80 ) (1881, No. 1) in der Lunge von 
Hunden um die Eier von Strongilus vasorum. 

Ziegler 106 ) hält daher weder die epithelioiden, noch die 
Riesenzellen für etwas dem Tuberkel Eigentümliches. „Wenn 
auch die genannten Zellenformen bei tuberculösen Processen sehr 
häufig Vorkommen, so sind sie doch nicht dem Tuberkel aus¬ 
schliesslich angehörend. a Nach ihm sind die den Tuberkel con- 
stituirenden Zellen den Zellen der Granulation durchaus gleich¬ 
wertig. Der Tuberkel sei — und alle neueren Forschungen 
bestätigen diese Annahme — entzündlichen Ursprungs und ent¬ 
stehe, in derselben Weise wie die Granulation, zur Hauptsache 
aus emigrirten farblosen Blutkörperchen, während die Endothelien 
der Lymphgefässe, überhaupt die fixen Bindegewebszellen an 
seinem Aufbau nur in untergeordneter Weise beteiligt wären. 
Nur bestehe zwischen der Granulation und dem Tuberkel der 
Unterschied, dass für gewöhnlich die mehrkernigen Zellenformen 
in gesunden Granulationen spärlich vertreten wären, während sie 
im Tuberkel in grosser Zahl und starker Ausbildung vorhanden 
seien. Während in der gesunden Granulation aus den durch 
Stoffaufnahme und Grössenzunahme in epithelioide, sog. Bildungs¬ 
zellen oder Fibroblasten umgewandelten lymphoiden Zellen 
schliesslich Bindegewebe entstehe, blieben im Tuberkel die Zellen 


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Geschichte der Tuberculose. 


37 


auf der Entwicklungsstufe der Fibroblasten stehen, verfielen rasch 
einer rückgängigen Metamorphose und verkästen. Hierdurch werde 
auch die histologische Verschiedenheit der Tuberkeln und daa 
Ungerechtfertigte, die Diagnose derselben lediglich von der ana¬ 
tomischen Structur abhängig machen zu wollen, genügend erklärt. 
In dem einen Falle seien die extravasirten Bundzellen auf dieser 
niederen Entwicklungsstufe stehen geblieben, oder hätten eventuell 
noch nicht die nöthige Zeit zu ihrer Weiterentwicklung gefunden, 
im anderen Falle könnten sie unter Umständen sogar das Stadium 
der Fibroblasten- und Riesenzellenbildung überschreiten und sich, 
wie in gewöhnlicher Granulation, in Bindegewebe umwandeln. 

Hierdurch erklärt Ziegler zugleich in befriedigenderWeise 
die schon von Virchow*) (Bd. II, S. 639) und Schüppel (1. c.) 
urgirte Unterscheidung in zellige und fibröse Tuberkeln. Während 
letzterer die namentlich beim Schwein und Rind vorkommenden 
fibrösen Tuberkeln für eine höhere, weiter fortgeschrittene Form 
des zelligen Knötchens hielt, war Virchow der entgegenge¬ 
setzten Meinung. Er musste es sein, da er die kleinen Rund¬ 
zellen des Tuberkels ja durch Theilung der fixen Bindegewebs¬ 
zellen entstehen liess. \ 

In gleiche Parallele zur Entzündung stellen den Tuberkel 
Waldenburg 3 ) (S. 423), Rindfleisch 67 ) (Bd. 85, S. 71 und 
Würzburger Bericht 1881, No. 7), Talma 107 ), Cohnheim 78 ) 
(Bd. I, S. 207), Councilmann 108 ) (1881, S. 207) etc. Birch- 
Hirschfeld i02 ) (2. Aufl., Bd. I, S. 168) erklärt den Tuberkel 
direct für das Product einer Reaction der Gewebe gegen einen 
eingedrungenen Fremdkörper etc. 

Pflug (1. c. S. 13 und 77 ) 1882, No. 14 — vergl. auch 
Johne 35 ) Bd. VII, S. 162) geht noch weiter. In der Lunge eines 
Rindes, welche makroskopisch in jeder Beziehung das vollstän¬ 
dige Bild einer typischen disseminirten Miliartuberculose bot, fand 
er bei mikroskopischer Untersuchung der kleinen, im Centrum 
regelmässig einen kleinen Actinomyceshaufen enthaltenden, tuber¬ 
kelähnlichen Knötchen, dass dieselben auch histologisch dem 
Tuberkel ausserordentlich nahe standen, resp. mit der reticulären 
Form desselben übereinstimmten. Er nannte diese Knötchen 
daher geradezu Actinomycestuberkeln. Er spricht sich weiter 
ganz entschieden dahin aus, dass man endlich auf hören solle, 
den Tuberkel als eine Neubildung von bestimmtem histologi¬ 
schen Bau zu bezeichnen. Man müsse jedes Knötchen, möge es 
in Folge einer Infection oder in Folge einer anderen Ursache 


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I. JOHNE 


entstehen, möge es dem Laennec’schen, Virchow’schen', dem 
Kiesenzellen- oder reticulirten Tuberkel entsprechen, als Tuberkel 
bezeichnen, solle aber jedem durch ein passendes Adjectiv seine 
Art beifügen, wie er es z. B. schon früher beim Botztuberkel 
und jetzt beim Actinomycestuberkel gethan habe (Leisering 
es übrigens auch schon bezüglich der Tuberculose des Rindes 
gethan hat — vergl. S. 21). Man werde dann sehen, dass damit 
die grossen Schwierigkeiten der Tuberculosenlehre überwunden 
seien, dass man in natürliche Bahnen einlenke und der patho¬ 
logische Anatom mit dem Kliniker wieder Hand in Hand gehen 
könne — dass „man den Wald vor lauter Bäumen wieder sehe“! 
(1. c. S. 6). Pflug glaubt geradezu aussprechen zu können, „dass 
der Tuberkel kein einheitlicher histologischer und kein einheit¬ 
licher ätiologischer Begriff sei, sondern eine Collectivbezeichnung 
für allerlei histologisch und ätiologisch verschiedene, in den 
thierischen Geweben auftretende, meist (nicht immer) auf ent¬ 
zündlicher Basis beruhende Knötchen.“ 


Den vorstehenden histologischen Studien des 
menschlichen Tuberkels, deren Zusammenstellung bei 
der Masse der einschläglichen Literatur nicht entfernt eine voll¬ 
ständige, sondern nur orientirende sein konnte, ging parallel 
die gründliche Erforschung des thierischen. Die 
mannigfachen Uebertragungsversuche von Mensch auf Thier und 
von Thier zu Thier, welche man zur Prüfung der Villemin- 
schen Entdeckung anstellte, machten zu ihrer sorgfältigen Con- 
trole auch eine genaue Kenntniss des thierischen Tuberkels noth- 
wendig. 

Nachdem Gurlt, Virchow und Bö 11 die Tuberculose des 
Bindes früher für eine sarcomatöse, Gerlach, Spinola, Fuchs 
und Förster für eine tuberculöse Neubildung angesehen, Leise- 
ring derselben aber eine Mittelstellung als sog. Bindstuberculose 
angewiesen hatte (vergl. S. 21 dieser Monogr.), haben fast alle 
neueren Arbeiten die zweifellose Identität des menschlichen und 
bei den verschiedensten Thieren erzeugten Impftuberkels er¬ 
geben. Besonders ist die vollkommene Uebereinstimmung der so¬ 
wohl bei der Lungentuberculose, als wie auch bei der Perlsucht 
des Bindes vorkommenden Tuberkeln mit denen des Menschen 
positiv bewiesen worden. Es genügt bezüglich dessen auf die 
Arbeiten von Wagner (1. c.), Schüppel 67 ) (Bd. 56, S. 38), 


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Geschichte der Tuberculose. 


39 


Klebs 61 ) (Bd. 44, 49 etc.), Orth«') (Bd. 76, S. 217), Baum- 
garten 31 ) (1880, No. 49), K ikiloff 3b ) (VII, 375), Lwow (ibid. 
S. 374) etc. hinzuweisen. 

Trotz alledem hat es an Einwänden hiergegen von Seiten 
deijenigen nicht gefehlt, welche den wankend gewordenen, jetzt 
als überwunden zu betrachtenden, streng anatomisch-histologi¬ 
schen Standpunkt hinsichtlich der Diagnose des Tuberkels nicht 
preiszugeben vermochten, und letzteren immer nur als das distincte 
zeitige Knötchen Virchow’s oder Schttppel’s auffassten. 

So sind von Virchow stets, und noch in seiner neuesten 
Arbeit 3 ') (1880, No. 14), die erheblichen äusseren Verschieden¬ 
heiten im äusseren Auftreten des menschlichen Tuberkels und 
dem des Rindes betont worden. Die in letzteren angeblich im¬ 
mer mangelnde Verkäsung, ihre rasch eintretende, allgemeine 
Verkalkung, ihre durchaus verschiedene Form und Gruppirung 
an den serösen Häuten seien so erhebliche Differenzen, dass, ab¬ 
gesehen von ihrer inneren Verschiedenheit, beide Neubildungen 
nicht identificirt werden könnten. 

Diese Einwände sind indess vollständig widerlegt worden. , 
So wurde durch Günther und Harms 61 ) (Bd. IV) — welche in 
den tuberculösen, plattenartigen Auflagerungen des Peritoneum 
sogar tuberculose Geschwüre beobachteten —Bollinger 109 ) 
(1875, No. 47), Kirillow 110 ) (1880), Baumgarten 3 ') (1880, 
S. 174) ausdrücklich constatirt, dass auch bei der Rindstuberculose • 
Verkäsung eintritt, welche nur durch die in Folge individueller, 
in der Verschiedenheit der Ernährung und des Stoffwechsels be¬ 
gründeten Ursachen sehr bald eintretende Verkalkung verdeckt 
werde. Letzteres sei aber nicht die unbedingte ausschliessliche 
Regel. Bei jungen Thieren zeigten die tuberculösen Neubildun¬ 
gen häufig sogar keine Spur derselben, sondern verkästen, oder 
bildeten nach eingetretener Erweichung im Parenchym der Organe 
Cavemen — alles wie beim Tuberkel des Menschen. 

Baumgarten (1. e.) urgirt ausdrücklich, dass nach seinen 
Untersuchungen eine echte käsige Nekrose kaum weniger ausge¬ 
dehnt, und in ganz identischer Art wie beim Menschen, vorkäme, 
welche sich durch vorsichtige Entkalkung der Knoten leicht nacb- 
weisen lasse. Aehnlich Lwow (1. c. 397). Derselbe hebt gegen 
Virchow noch hervor, dass man die beim Tuberkel des Rindes 
allerdings häufig eintretende Kalkmetamorphose deshalb nicht als 
einen principiellen Unterschied aufi'assen könne, weil dieselbe das 
Resultat der verschiedensten pathologischen Processe sei und auch, 


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I. JOHNE 


wie Samuel und Schakki lehrten, bei der Tuberculose des 
Menschen vorkomme (vergl. auch ,u ) S. 609). Umgekehrt sei 
aber auch die caseose Metamorphose keine typische Eigentüm¬ 
lichkeit der menschlichen Tuberculose. Am ähnlichsten sei der 
Perlknoten dem chronischen Tuberkel des Menschen, da dieser 
nach Rudneff" 2 ) aus einer Gonfluenz mehrerer Tuberkeln be¬ 
stehe und nach Virchow durch eine bedeutende Ausbildung 
von Bindegewebe, wie auch der Perlknoten, ausgezeichnet sei. — 
Dass auch die von Virchow als Unterschied betonte äussere 
Form der Tuberculose der serösen Häute beim Rind kein ent¬ 
scheidender Differenzpunkt ist, beweist eine Mittheilung von 
Creighton 71 ) (1880, S. 1018). Dieser beschrieb 8 Fälle von 
Tuberculose des Menschen, bei welchen breite, flache und perl¬ 
schnurartig verbundene Tuberkeln der Serosa gestielt aufsassen. 

Die angebliche innere Verschiedenheit des menschlichen 
und tierischen Tuberkels, in Folge deren Virchow den des 
Rindes als Lymphosarkom bezeichnete, ist auch fttrSemmer 35 ) 
(Bd. II, S. 219) ein Grund gewesen, die vollständige Identität der 
bei Menschen und Thieren vorkommenden tuberculösen Processe 
zu bezweifeln. Nach ihm soll sich der Tuberkel des Rindes in 
Folge seiner stark fibrösen Grundsubstanz mehr den Sarkomen 
nähern, während der des Schafes fast ganz dem des Menschen 
entspräche — eine Ansicht, die von Schüppel, Baumgarten 
u. A. durch den Nachweis widerlegt worden ist, dass neben der 
fibrösen Form auch typische zellige Tuberkeln in 4er Rindslunge 
gefunden werden. Die Arbeiten Ziegler’s (1. c.) lassen diese 
Verschiedenheit übrigens als ganz nebensächlich erscheinen; nach 
Birch-Birschfeld 102 ) (2. Aufl., Bd.I, S. 167) sind sie einfach 
auf die verschiedene Höhe der Entwicklung des Tuberkels und 
auf Gattungs- und individuelle Verhältnisse zurückzuführen. Die 
oben angeführten Arbeiten beweisen also genügend die vollstän¬ 
dige anatomische Uebereinstimmung des menschlichen und tie¬ 
rischen Tuberkels, wenn man nur nicht eigensinnig den Stand¬ 
punkt Virchow’s festhält. 

Orth (1. c. 8. 235) sagt bezüglich der bei seinen Fütterungs- 
Versuchen mit perlsüchtigen Massen bei Kaninchen erhaltenen Impf- 
tnberkeln: „ Gefässlose, multiple Knötchen, die im Wesentlichen ans 
grossen' epithelialen Zellen aufgebant sind, häufig einen reticulären Bau 
haben und grosse vielkernige Riesenzellen enthalten, die endlich die 
Neigung besitzen, vom Centrum aus zu verkäsen, bilden eine Affec- 
tion, die beim Menschen unbedingt als eine tuberculöse bezeichnet 
werden müsste“. Hierdurch würde auch Friedländer’s Einwand 75 ), 


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Geschichte der Tuberculose. 


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die Impftuberculose sei, weil in ihnen die das Kriterium der mensch¬ 
lichen Tuberculose bildenden Langhann suchen Riesenzellen fehlten, 
genügend widerlegt. Orth (1. c. S. 237) betont ausserdem noch ganz 
besonders, dass sich der durch Fütterung mit tuberculösen Massen 
vom Rind beim Kaninchen hervorgerufene Tuberkel im äusseren An¬ 
sehen zwar nicht unerheblich von den Perlknoten der serösen Häute 
unterscheide und schon wegen der fehlenden, beim Rind so sehr in 
den Vordergrund tretenden Verkalkung mehr dem Tuberkel des Men¬ 
schen ähnlich sehe. Wenn nun aber schon die Perlsucht ein so 
verschiedenes Ansehen zeige, so könnten die zwischen der Perlsucht 
des Rindes und der menschlichen Tuberculose vorhandenen äusseren 
Unterschiede um so weniger gegen die Identität beider sprechen, als 
eben die Kaninchen perlsucht vielmehr der letzteren näher steht, als 
der ersteren, aus welcher sie entstanden sei. — 

Nach allem lässt jeder Perlknoten der serösen Häute, beziehungs¬ 
weise auch jeder Organtuberkel des Rindes, in einem gewissen Ent¬ 
wicklungsstadium zwei Bestandtheile ganz präcis unterscheiden: 

1. Ein bindegewebiges, sehr zellenreiches und daher dem Sar¬ 
kom, beziehungsweise Lymphosarkom ähnliches Stroma, in dem auch 
die in jungen Knoten sehr zahlreichen, in älteren spärlichen Gefässe 
der Neubildung verlaufen. Die äusseren, jüngeren Schichten desselben 
bestehen aus Granulationsgewebe, durch dessen fortgesetzte Wuche¬ 
rung das periphere Wachsthum und die gelegentliche Verschmelzung, 
resp. Adhärirung der einzelnen Perlknoten der serösen Haut unter 
einander vermittelt wird. Mehr nach innen, in den älteren Theilen 
des Knotens, geht dasselbe in ein mehr feinfaseriges Bindegewebe 
über, in welchem viele runde und spindelförmige Zellen eingelagert 
sind, welche letztere mit ihren Ausläufern mannigfach anastomosiren, 
ein Bild, das allerdings lebhaft an ein Lympho- oder Fibrosarkom, 
oder beim Ueberwiegen der fibrillären Elemente sogar an ein Fibrom 
erinnern kann. In diesem Stroma sind 

2. submiliare Knötchen, Tuberkeln, von circa 0,25 Mm. Durch¬ 
messer mehr oder weniger dicht und gleichmässig eingebettet, welche 
anfangs isolirt stehen, später vielfach zu miliaren, mit blossen Augen 
wahrnehmbaren Knötchen confluiren. Jedes der kleinsten Knötchen 
besteht aus einer oder mehreren, meist auffallend grossen, circa 0,12 
bis 0,15 Mm. im Durchmesser haltenden Riesenzelle mit sehr vielen 
— nach Virchow bis 60 — fast regelmässig randständig liegenden 
Kernen. Nach Schüppel sind diese Zellen anfangs als rundliche 
oder schwach ovale Protoplasmahaufen vereinzelt im Granulationsge¬ 
webe, ohne Zusammenhang mit demselben, eingebettet, während sie 
sich später — und so findet man sie in der Regel — durch Bildung 
eckiger und zackiger Ausläufer in unregelmässige Sternzellen ver¬ 
wandele Diese Ausläufer hängen unmittelbar mit einem aus mehr 
homogen erscheinenden Bälkchen gebildeten Reticulum zusammen, das 
die Grundlage des ganzen Knötchens bildet und nach aussen in das 
Stromagewebe übergeht. Nach Lwow sollen die Ausläufer der Riesen¬ 
zellen des Rindstuberkels stumpf endigen und das Reticulum nur schein- 


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I. JOHNE 


bar mit demselben in Verbindung stehen. In den Maschenräumen 
des letzteren liegen unmittelbar um die Riesenzelle grössere, 0,01 bis 
0,03 Mm. durchmessende rundliche oder polyedrische, epithelähnliche 
Zellen mit 1—3 runden oder ovalen, verhältnissmässig grossen Ker¬ 
nen und einer verhältnissmässig schmalen Zone blassen, feinkörnigen 
Protoplasmas. Auf die leichte Zerbrechlichkeit dieser Zellen ist von 
Schüppel mit Recht aufmerksam gemacht worden. 

Ob dieselben übrigens nach diesem Autor als abgeschnürte Pro- 
ducte der Riesenzellen zu betrachten sind, bleibt fraglich. Jedenfalls 
ist aber dessen Beobachtung richtig, dass in den grösseren und älteren 
Knötchen die Riesenzeilen im Allgemeinen kleiner sind, ja seltener 
gefunden werden, als in den jüngeren. Es hat aber den Anschein, 
als ob die Riesenzellen weniger in der Bildung der epithelioiden Zellen 
als vielmehr in dem complicirten Reticulum bei dessen fernerem 
Wachsthum aufgingen. Nach der’ Peripherie des Knötchens werden 
diese Zellen kleiner und gehen meist unmerklich in die angrenzenden 
lymphoiden Zeilen des umschliessenden Granulationsgewebes über. 

Ganz dieselbe histologische Structur besitzen die in den Schleim¬ 
häuten und die im Parenchym der Lunge und verschiedener anderer 
Organe vorkommenden Tuberkeln. Sie entwickeln sich dort aus dem 
submucösen, beziehungsweise interstitiellen Gewebe, das zunächst 
durch eine kleinzellige Infiltration den Charakter eines jungen, zellen- 
und gefässreichen Binde-, resp. Granulationsgewebes annimmt. In 
diesem entwickeln sich submiliare Tuberkelknötchen nach dem be¬ 
schriebenen Modus. Bezüglich derjenigen Tuberkeln, welche bei pri¬ 
märer oder vollständig solitärer, nicht mit Tuberculose der Pleura 
verbundener Lungentuberculose vorgekommen, würde höchstens der 
übrigens unwesentliche Unterschied bemerkbar sein, dass bei diesen 
das Reticulum weniger stark entwickelt, die Menge der Riesenzellen 
geringer und der Nachweis derselben daher etwas schwieriger ist. 

Allmählich verfallen die Tuberkelknötchen gewissen regressiven 
Metamorphosen, welche im Centrum derselben anheben'und zunächst 
mit Coagulationsnekrose, Eintrocknung, körnigem Zerfall »und fettiger 
Degeneration des Protoplasmas der grossen epithelioiden Zeilen, resp. 
der Riesenzellen oder deren noch vorhandenen Reste beginnen. Die 
Kerne der ersteren leisten verhältnissmässig längeren Widerstand, 
verfallen aber schliesslich derselben Metamorphose. Das Reticulum 
soll nach Schüppel in Form eines mehr homogenen oder fibrillären 
Gewebes persistiren, indess ist dies nur in jüngeren Knötchen der 
Fall; in älteren verfällt auch dies der Coagulationsnekrose, resp. 
Verkäsung und Verfettung. Besonders bei älteren Thieren macht 
sich gleich vom Anfang her eine bemerkenswerthe Neigung zur Ver¬ 
kalkung der verkästen und fettig degenerirten Partien der Knötchen 
geltend. Vom Centrum her lagern sich überall Kalksalze, Kalkkrü- 
melchen in die verkästen Knötchen ab, ja schliesslich kann auch das 
allmählich immer derber und fibrillärer gewordene Stroma der Ver¬ 
käsung und Verkalkung verfallen. Der ganze Knoten, mag derselbe 
im Parenchym der Organe oder an den serösen Häuten sitzen, bildet 
dann einen, von nur wenig intacten Bindegewebsmassen durchzogenen 


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Geschichte der Tuberculose. 


43 


resp. theilweise umhüllten Kalkklumpen. Die Perlknoten der serösen 
Häute erhalten hierdurch zuweilen eine rauhe, bimssteinartige Ober¬ 
fläche. 

Die mit der Milch tuberculöser Kühe angestellten Ftttte- 
rungsversucbe sind auch Ursache gewesen, dass man das Euter, 
sowie die Milch derselben einer näheren Untersuchung unter¬ 
warf. 

Was die anatomischen Untersuchungen des Enters 
tuberculöser Kühe betrifft, so erwähnte schon Ginge 1850 
in seiner pathologischen Anatomie im Euter des Kindes vor¬ 
kommende Tuberkeln, ebenso Bruckmttller (path. Anatomie) 
und Fttrstenberg m ). In der neueren Literatur finden sich eine 
ganze Keihe solcher Beobachtungen von Fttnfstttck, Dinter, 
Ackermann, Hartenstein, König, Pröger 59 ) (1870, 1872, 
1874, 1875, 1876, 1879), Annacker 93 ) (Bd. XVII, S. 104), 
Foglar 11 «) (1879, S. 103), Eggeling« 9 ) (1879/80. S. 14) und 
Anderen, durch welche das Vorkommen von Tuberkeln im Euter 
perlsttchtiger Kühe erwiesen und zum Theil deren Zusammen¬ 
hang mit der Tuberculose der daraus ernährten Kälber höchst 
wahrscheinlich gemacht worden ist. (Vergl. auch Ohnacker, 
Die Tuberculose der weiblichen Brustdrüse. Inaugural-Disser- 
tation 1882.) 

Kolessniko w 61 ) (Bd. 70, S. 531) erklärt die im Euter vor¬ 
kommenden Neubildungen auf Grund seiner unter-Virchow’s Lei¬ 
tung vorgenommenen Untersuchung der Auffassung seines Meisters 
entsprechend allerdings für die der Perlsueht des Kindes eigen¬ 
tümlichen Lymphosarkome. NachSchttppel’s gründlichen Unter¬ 
suchungen sind dieselben indess ja vollständig identisch mit dem 
Tuberkel des Menschen. Virchow selbst hält auch bei einer 
eventuellen Controle der Milchthiere die perlsttchtigen Erkran¬ 
kungen des Euters für sehr beachtenswert 31 ) (1880, S. 210). 

Die chemische und physikalische Untersuchung 
der Milch tuberculöser Kühe hat bis jetzt zu keinem Re¬ 
sultat geführt. Billardi&re 13 ) hat in der Milch der tuber- 
culösen Milchkühe von Paris siebenmal mehr phosphorsauren 
Kalk als in der Milch gesunder Kühe gefunden. Dieselbe An¬ 
gabe findet sich bei Dupuy 17 ) (p. 257). Lehmann 115 ) con- 
statirte eine Verminderung ihres CaseYngehaltes, Dutrone 93 ) 
(1873. p. 257) hielt es für ein Symptom der Tuberculose, wenn 
die Milch blau werde, während nach Tappeiner’s und För¬ 
sters Untersuchungen 35 ) (Bd.VI, S. 105) die Milch tuberculöser 


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I. JOHNE 


Kühe weder mikroskopische noch chemische Differenzen von der 
gesunder zeigt. _ 


Die mit verbesserten Hülfsmitteln und Methoden vorgenom¬ 
menen histologischen Untersuchungen gaben aber auch noch 
weitere interessante Aufschlüsse und beförderten die Kenntniss 
der Tuberculose um ein erhebliches Stück weiter. Man fand, 
dass der Tuberkel in der von Schtippel fixirten histologischen 
Zusammensetzung viel häufiger und selbst bei solchen mit Ver¬ 
käsung einhergehenden Processen vorgefunden werden konnte, 
welche man bisher zu den entzündlichen, hyperplastischen, resp. 
scrophulösen Neubildungen, — nach Virchow also nicht zur Tu¬ 
berculose gerechnet hatte. So fand man beim Menschen typische 
Tuberkeln bei der scrophulösen Lymphadenitis (Schtippel 97 )) 
bei der käsigen Pneumonie, bei gewissen Formen fungöser Ge¬ 
lenkentzündungen (Küster 67 ) Bd. 48, S. 95 — Schüller ln ) etc. 

Und alle diese scheinbar verschiedenen Processe hatten mit 
der Tuberculose ein gemeinsames Kriterium: sie erzeugten bei 
Ueberimpfung auf Thiere locale und allgemeine Tuberculose und 
bewiesen hierdurch mit unzweifelhafter Consequenz, dass sie 
trotz der Verschiedenheit ihrer makroskopischen Erscheinungs¬ 
form genetisch zusammen gehörten. Sie verhielten sich also ganz 
entgegengesetzt den durch Impfung nicht infectiöser Massen er¬ 
zeugten, von Martin sogenannten pseudotuberculösen Knötchen¬ 
bildungen, welche trotz ihrer anatomischen Gleichartigkeit mit 
Tuberculose nichts zu schaffen haben. Diese sind niemals ver- 
impfbar und vermögen im geimpften Organismus keine von der 
Impfstelle ausgehende allgemeine Tuberculose hervorzurufen. 

Aehnlich dürfte es sich mit den knötchenartigen Bildungen ver¬ 
halten, welche Balogh (Wien. med. Bl. 1882. No. 49) bei Kaninchen 
in Lungen und Nieren nach Inhalation verschieden geformter Schizo- 
myceten erhalten haben will, die in den Sümpfen der Umgebung von 
Budapest Vorkommen sollen. 

Ein Gleiches gilt, wie weitere Untersuchungen lehrten, von 
einigen anderen Knötchen bildenden Entzündungen des Menschen, 
welche trotz aller anatomischen Aehnlichkeit aus obigen Grün¬ 
den doch nicht zur Tuberculose gerechnet werden können. Ein 
eclatantes Beispiel hierfür bildet der Lupus der Haut mit seinen, 
dem SchüppeTschen Tuberkel oft vollständig analogen Granu¬ 
lationsknötchen, ebenso manche Formen der Syphilis. 


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Geschichte der Tuberculose. 


45 


DRITTER ABSCHNITT. 

Die gegenwärtige Anschauung über die Tuberculose der Menschen 
und Thiere im Allgemeinen vom Standpunkte der Infectionslehre. 

In der etwas speciell geschilderten Weise hat sich denn 
allmählich die Lehre Villemin’s Bahn gebrochen nnd ist zur 
herrschenden geworden. Unsere heutige Kenntmss über das 
Wesen der Tuberculose lässt sich dem entsprechend etwa in 
folgenden Worten zusammenfassen: 

Die Tuberculose ist anatomisch ein destruirender Entzün- 
dungsprocess, der zur Bildung kleiner, später käsig zerfallender, 
zeitiger, gefässloser Granulationsknötchen von meist bestimmtem 
Baue führt. Dieser Entzttndungsprocess kennzeichnet sich aber 
klinisch durch eine scharf ausgesprochene Progressivität. Es 
kommt bei ihm nicht nur in dem primär befallenen Organ zur 
destruirenden Knötchenbildung, sondern dieselbe verbreitet sich 
auch successive oder plötzlich über den Gesammtorganismus, 
oder kann, wie dies die geschilderten, seit Villemin’s Ent¬ 
deckung ansgeführten experimentellen und histologischen Ar¬ 
beiten beweisen, durch Impfung vom Mensch auf Thier und vom 
Thier auf Thier übertragen werden. Mit einem Worte: Es 
steht zweifellos fest, dass die Tuberculose eine In- 
fectionskrankheit, und zwar eine bei Menschen und 
Thieren vollständig identische Infectionskrank- 
heit ist. 

Niemand hat wohl die Tuberculose von diesem neugewon¬ 
nenen Standpunkte der Infectionslehre in jüngster Zeit in kla¬ 
rerer Weise geschildert, alsOohnheim 1,6 )und 7S ) (Bd.I, S. 711). 
Er betont zunächst, dass der rein anatomische Standpunkt 
bei der Diagnose des Tuberkels nicht mehr stichhaltig, sondern 
nur der ätiologische der berechtigte sein könne. Das zel- 
lige Knötchen allein könne eben so wenig, wie die früher von 
Laönnec urgirte Verkäsung, das entscheidende Kriterium der 
Tuberculose sein, weil beides derselben nicht ausschliesslich 
eigenthümlich wäre. Das zellige Knötchen einerseits, die käsige 
Ooagulationsnekrose andererseits seien vielmehr nur dann der 
Tuberculose zuzurechnen, wenn ihre Uebertragung wiederum 
Tuberkelbildung, d. h. Knötchenbildung und Verkäsung hervor¬ 
zurufen vermöge. „Zur Tuberculose gehört alles, durch dessen 
Uebertragung auf geeignete Versuchsthiere Tuberculose hervor¬ 
gerufen wird, und nichts, dessen Uebertragung unwirksam ist.“ 


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I. JOHNE 


Da aber — so folgerte Cohnheim und mit ihm Klebs 
Gerlach, Bollinger, Orth, Baumgarten etc. weiter — 
nicht alle tuberkelähnlichen Knötchen und nicht alle kä¬ 
sigen Massen eine solche infectiöse Wirkung besitzen, so müsste 
diese letztere durch eine specifische Beimengung, ein specifisches 
Virus, bedingt sein. Erst wo solches mit dem Impfmaterial hin¬ 
gelange und längere Zeit verweile, entstehe ein tuberculöses 
(oder scrophulöses) Product. Durch altbekannte klinische und 
patholisch-anatomische Erfahrungen werde dies zur Genüge be¬ 
wiesen. So z. B. durch das wiederholt beobachtete, schon von 
Vircho w 2 ) (Bd. II, S. 725) erwähnte epidemische Auftreten und 
durch die vielfach beobachteten Fälle von Ansteckung unter 
Eheleuten ' 8 ) (Bd. I, S. 721, sub 39), vor Allem aber durch die 
anatomische Verbreitung der Tuberculose im Organismus. Letz¬ 
tere richte sich in erster Linie nach der Eingangspforte des Virus, 
von dort aus erfolge sie entsprechend den natürlichen Strassen 
des Organismus, werde aber indess wesentlich von jener Wider¬ 
standsfähigkeit desselben beeinflusst, welclmman vielfach als den 
Ausfluss einer besonderen Disposition oder Prädisposition ansehe 
(vergl. Ziegler, path. Anatomie, Bd. I, S. 174). 

In der Mehrzahl der Fälle gelange das Gift mit der Athmungs- 
laft in den Organismus. So erkrankten meist zunächst die Lungen 
und von dort aus würden die Bronchialdrüsen und die Pleura inficirt. 
Durch Expectoration des infectiösen Auswurfes würden dann Trachea 
und Kehlkopf, durch Verschlucken des infectiösen Sputums der Ver¬ 
dauungskanal inficirt. Andernfalls könne auch der Eintritt des Virus 
durch letzteren mittelst der Nahrung etc. erfolgen und der Verdauungs¬ 
apparat zuerst erkranken. Hier beginne die Infection vielfach in den 
lymphoiden Organen der Mund- und Rachenhöhle und führe zur Tuber¬ 
culose der oberen Halslymphdrüsen. Schlund und Magen blieben, 
weil das Virus ersteren rasch passire, die chemische Wirkung der 
Verdauubgssäfte letzteren aber schütze, meist frei, dagegen etablire 
sich die Tuberculose um so ausgedehnter im Darm, ergreife dann 
allmählich die Mesenterialdrüsen (Phthisis meseraica), Leber und Milz, 
pflanze sich aber auch durch die Lymphgefässe des Darmes von tief¬ 
gehenden tuberculösen Geschwüren aus auf das Peritoneum, und von 
dort durch die Tuben auf den Üterus fort. Da das tuberculöse Gift 
durch die Nieren ausgeschieden werde, so schliesse sich den vorigen 
Processen häufig eine Tuberculose der Nieren an, welche dann durch 
die Ureteren herab bis zur Blase, der Prostata und dem Urogenital¬ 
kanal, von dort aber bis zu den Samenblasen, den Samenleitern und 
den Hoden herabzusteigen vermöge. In Folge von Infection durch den 
Coitus könne aber auch umgekehrt bei männlichen Thieren vom Uro¬ 
genitalkanal aus das tuberculöse Gift nach Nieren und Hoden, bei 


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Geschichte der Tuberculose. 


47 


weiblichen Thieren von Scheide und Uterus aus nach dem Peritoneal¬ 
sack gelangen. 

Genau so wie beim Menschen liegen, wie die oben genannten 
Forscher dargethan, die Verhältnisse bei der Tuberculose der 
Thiere, gleichviel ob die Infection mit menschlichen oder thie- 
rischen Tuberkeln, gleichviel ob sie zufällig oder absichtlich 
durch Impfung, Inhalation oder Fütterung erfolgte. Gerade die 
vollständige Uebereinstimmung des Infectionsganges bei Menschen 
und Thieren kann als ein weiteres starkes Glied in der Kette 
der Beweise für die Identität der menschlichen und thierischen 
Tuberculose aufgefasst werden. 

Die Verbreitung des Tuberkelvirus im Organis¬ 
mus erfolgt auf mehrfache Weise. Dass die local-regionäre 
Ausbreitung des Processes innerhalb desselben durch die Lymph¬ 
spalten des interstitiellen Bindegewebes und die Lymphgefässe, 
eventuell durch den Weitertransport infectiöser Massen in Schleim¬ 
hautkanälen und serösen Säcken ohne Mithülfe dieser, lediglich 
an der inneren Oberfläche genannter Hohlräume erfolgt, ist 
längst festgestellt. Die Art und Weise der allgemeinen Gene- 
ralisirung wurde dagegen erst in neuerer Zeit durch Ponfick 
und Weigert näher ermittelt. Nach beiden tritt eine solche 
dann ein, wenn das Tuberkelvirus in den allgemeinen Blutstrom 
gelangt und mit diesem nach allen Organen des Körpers hinge¬ 
führt wird. 

Ponfick 31 ) (Bd. XIV, S. 77) hat als Eintrittsstellen desselben 
in 3 Fällen tuberculose Geschwüre und Infiltrationen im Ductus tho- 
racicus, Weigert 67 ) (Bd. 77, S. 269 und ibid. Bd. 88, S. 307) Tu¬ 
berkelentwicklung in der Wand der Lungenvenen nachgewiesen. In 
jüngster Zeit hat letztgenannter Forscher 67 ) (Bd. 88) den Begriff der 
„generalisirten miliaren Tuberculose“ noch genauer präcisirt und ver¬ 
steht darunter ausschliesslich Tuberkeleruptionen an solchen 
Stellen, wohin das Tuberkelgift nur auf dem Wege des allgemeinen 
Blutstromes gelangt sein konnte, scheidet hiervon aber jene Tuberkeln 
aus, welche durch Weiterschreiten per contiguitatem, Fortkriechen in 
den Lymphwegen, durch Ueberimpfung oder durch Eintritt in das 
Pfortadergebiet entstehen. 

Orth 31 ) (1881, Nr. 42, S. 613), welcher auf Grund seiner 
Versuche zwischen chronisch verlaufenden tüberculösen oder käsig 
pneumonischen Lungenphthisen einerseits, und acuter Miliartuber- 
culose andererseits, genetisch keinen Unterschied bestehen lässt, 
erklärt übrigens die äussere Verschiedenheit dieser Processe da¬ 
durch, dass er annixpmt: Je nachdem das giftige Agens in grösse¬ 
ren Mengen in den allgemeinen Blutstrom gelangt, oder nach und 


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I. JOHNE 


nach in kleinen Portionen, oder je nachdem es mehr local zur 
Wirkung komme, und endlich je nachdem es auf ein widerstands¬ 
fähiges oder schwächliches Individuum einwirkt, würden sich die 
anatomischen Befunde der Tuberkelinfection bald mehr acut unter 
dem Bilde der Miliartuberculose, bald mehr als käsige Phthise 
mit oder ohne Knotenbildung darstellen. 


Welcher Natur das die Tuberculose hervorrufende 
Gift sei, ist bis in die allerneueste Zeit zweifelhaft geblieben. 

Die von Buhl, Rindfleisch und zahlreichen Klinikern 
ausgesprochene Ansicht, dass der Organismus selbst das Gift der 
Tuberculose produciren könne, hat sich nie allgemeine Geltung 
verschafft. Besonders sollten scrophulöse, d. h. solche Individuen, 
welche auf relativ geringe Reize hin sehr zellenreiche, rasch 
verkäsende Entztindungsproducte liefern, nach Resorption der 
letzteren zu solcher Selbstinfection disponiren. Nicht spe- 
cifische Reize sollten also specifisch infectiöse Entzündungspro- 
ducte bilden. 

Experimentelle und klinische Untersuchungen und Beobach¬ 
tungen haben diese Theorie, wie schon oben genügend ausge- 
flihrt, hinlänglich widerlegt. Namentlich spricht die klinische 
Thatsache, dass eine Menge käsig-nekrotischer Gewebsmassen 
resorbirt wird, ohne dass eine Tuberkeleruption erfolgt, zu 
klar dafür, dass nicht alle dergleichen eine specifisch inficirende 
Wirkung besitzen, dass vielmehr bei den giftigen Käsesubstanzen 
noch ein „gewisses Etwas“ hinzukommt, resp. schon bei der 
Bildung des Käses vorhanden ist, was sie erst infectiös macht. 
„Wir wissen heute,“ sagt Cohnheim 116 ), „dass nur diejenigen 
hyperplastischen oder Entztindungsproducte die specifische, d. h. 
infectiöse, tuberculose Verkäsung erleiden, welche selbst schon 
ein Product des tuberculösen Virus sind. “ Eine Pleuritis, welche 
nicht zur Resorption gelange, sich hinschleppe oder gar recidi- 
vire und hinterher zur Lungentuberculose führe, sei eben von 
Anfang her eine tuberculose gewesen. Dasselbe gelte von der 
Bronchitis, der Pneumonie und Lymphdrüsenanschwellungen; sie 
verkästen, weil sie vom Anfänge an durch das tuberculöse, oder 
wie es hier genannt werde, scrophulöse Gift, hervorgerufen seien 78 ) 
(S. 709). Oder wie sich Ziegler (path. Anatomie S. 177) mit 
Bezug auf das Verhältniss der Tuberculose zur Scrophulöse aus¬ 
drückt: „Das verkäsende Entzündungsproduct eines Scrophulösen 


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Geschichte der Tuberculose. 


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ist nicht deshalb infectiös, weil er scrophulös, sondern weil er be¬ 
reits tuberculös ist, oder das Entzündungsproduct secundär durch 
Tuberkelgift inficirt wurde. 

Schon die bis jetzt vorliegenden klinischen und experimen¬ 
tellen Tbatsachen und die Analogie mit anderen Infectionskrank- 
heiten, machten es seit langem im hohen Grade wahrscheinlich, 
dass es sich auch bei der Tuberculose nur um corpusculäre, or- 
ganisirte Elemente, um einen reproductionsfähigen, organisirten 
Virus, nicht um ein gelöstes chemisches Gift handeln könne. 

Bereits Zürn 64 )(S. 9, 12, 16) hat bei seinen im September 
1871 angestellten Untersuchungen nicht nur im Blute einer tuber- 
culösen Kuh, sondern auch in den Tuberkelmassen derselben 
„kleine punktförmige Zellenmoleküle“ (S. 12 ib. als Mikrococcen 
bezeichnet) gefunden, „welche, in Wasser gebracht, eine lebhafte 
Bewegung zeigten, die, wie unter guten Immersionsystemen ge¬ 
sehen werden konnte, eine selbständige war. Zusatz von einem 
Minimum Phenylsäure hob die Bewegung dieser kleinen beweg¬ 
lichen Punkte auf.“ Dieselben Mikrococcen fand Zürn in einer 
Impfgeschwulst, welche durch Impfung mit durch Abschwemmung 
von den gröberen käsigen Partikeln getrennten Tuberkelmassen 
(„Tuberkelzellen“ ibid. S. 12) bei einem Kaninchen entstanden 
war, ebenso in miliaren Impftuberkeln der Lunge. — Auch 
Chauveau 80 ) (1872, S. 337) sprach sich für die corpusculär- 
parasitäre Natur des Tuberkelvirus aus, während Klebs 65 ) (Bd. I, 
1873, S. 172 und 67 ) Bd. 49, S. 291) dieselbe anfangs bezweifelte, 
später aber ebenfalls für sie eintrat. Die mannigfachsten weite¬ 
ren indirecten (klinischen) und directen (experimentellen) Beweise, 
vor Allem die nachgewiesene unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit 
des Virus wurde Veranlassung, dass die Ansicht der genannten 
Forscher immer mehr Boden gewann. 

Reinstadler 77 ) (1880, No. 42), Müller 119 ) (1880, No. 19), 
Krozcok und Rokitansky 12 °) (1880) u. A. glaubten dieselbe durch 
die günstige Wirkung antibacterieller Mittel bei Lungentuberculose 
bestätigt. Baumgarten 31 ) (1880, S. 714) vermuthete ein corpus- 
culäres Contagium vivum aus zwei Gründen. Einmal würde durch 
intacte Impftuberkeln bei Weiterimpfungen ein Erfolg nicht ausge¬ 
löst, dieselben müssten erst zerquetscht werden; das Virus müsse so¬ 
mit im Innern sitzen und corpusculärer Natur sein, da gelöstes das 
ganze Knötchen diffundiren würde. Ferner würde aber auch durch 
kurz andauernde Behandlung des Impfstoffes mit 2—3 proc. Carboi- 
säurelösung die Contagiosität des Tuberkels aufgehoben. Zi eg l e r 103b ) 
(8. 178) begründet die gleiche Annahme durch die örtlich beschränkte 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl.Pathologie. IX. Bd. 4 


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I. JOHNE 


Wirkung des Giftes. Schüller 117 ) und Baumgarten glaubten im 
Blute der Versuchstiere mit selbständiger Eigenbewegung versehene 
kleine Körnchen wahrgenommen zu haben, die schon längst vor- 
her von Zürn 64 ) (1872, S. 9) beschrieben und abgebildet worden 
waren. Auch Cohnheim und Fränkel 67 ) (Bd. 45) sind kleine, 
stark lichtbrechende, mit lebhafter Molecularbewegung begabte Körn¬ 
chen in den spontan entstandenen und Impftuberkeln nicht entgangen. 
Aufrecht 124 ) endlich hat im Centrum der Impftuberkeln bei mehreren 
Kaninchen neben zwei verschiedenen Mikrococcusarten kurze Stäbchen- 
bacterien gefunden, deren Längsdurchmesser den Querdurchmesser um 
die Hälfte übertraf. Toussaint 7 ) (Tome VI, 1880; Tome 93, No. 7, 
p. 350 und 121 ) p. 484) beschäftigte sich vielfach mit der Cultur des 
supponirten Tuberkelpilzes, als welchen er kleine, meist paarweise zu¬ 
sammenliegende Mikrococcen ansah, deren Virulenz mit der Zahl der - 
Culturen steigen sollte. Nach Deutschmann 77 ) (1882, S. 322) 
haben hingegen die von ihm im tuberculösen Eiter gefundenen Mikro¬ 
coccen nicht gleiche specifische Wirkung, je nachdem man das Eiter¬ 
serum oder die tieferen zähflüssigen Schichten desselben verwendet, 
trotzdem die in beiden Vorgefundenen Coccenformen den Charakter 
des sog. Monas tuberculosum zeigten. 

Das Verdienst, diese Vermuthungen zur unbestreitbaren 
Thatsache erhoben, d. h. den wahren Tuberkelpilz und damit das 
Virus der Tuberculose entdeckt zu haben, gebührt aber Koch 31 ) 
(1881. Nr. 15), dem vielgenannten Bacteriologen des deutschen 
Reichsgesundheitsamtes. Es ist ihm Anfang dieses Jahres mit 
Hülfe bestimmter, mittlerweile von Ehrlich 119 ) (1882. No. 19) 
und Baumgarten 77 ) (1882. S. 434) noch verbesserter Färbungs¬ 
verfahren gelungen, in allen von ihm untersuchten tuberculösen 
Producten bei Menschen und Thieren bis dahin nicht bekannte 
Bacillen aufzufinden. Wenige Tage darauf veröffentlichte Baum¬ 
garten 77 ) (1882. Nr. 15) die gleiche Entdeckung, welche Koch’s 
Priorität und Verdienst in dieser Frage indess ebenso wenig 
schmälert, wie die spätere Reclamation derselben durch Auf¬ 
recht 77 ) (1881. S. 289). Ihm allein war es ausser der Auffin¬ 
dung des Pilzes zugleich gelungen, mittelst einer neuen, von 
ihm erfundenen Methode die Bacillen absolut rein zu züchten, 
sie isolirt mit Erfolg zu verimpfen und so mit einer vollständig 
abgeschlossenen Entdeckung vor die Oeffentlichkeit zu treten. 

Die von Koch entdeckten Bacillen sind sehr dünne Stäbchen, 
deren Länge dem halben bis ganzen Breitendurchmesser eines rothen 
Blutkörperchens entspricht. Man findet sie vielfach in den Riesen¬ 
zellen eingebettet, welche die Bacillen nach Analogie der von Weiss, 
Friedländer und Laulamiö 31 ) (1882, S. 222 und 80 ) 1881, No. 1; 
vergl. auch S. 36 d. Monogr.) beobachteten Bildung von Riesenzellen 
um Fremdkörper, wie Pflanzenfasern, Strongyluseier, Actinomyces- 


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Geschichte der Tuberculose. 


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pilze, ebenfalls als irritirende Fremdkörper eingeschlossen haben. Die 
Koch'sehen Tuberkelbacillen unterscheiden sich aber von den bisher 
mit der Tuberculose in ätiologische Beziehung gebrachten Spaltpilzen 
ausser ihrem scheinbar specifischen Tinctionsvermögen dadurch, dass 
Bis unbeweglich sind und sich ausserordentlich langsam vermehren. 

Durch Verimpfung dieser Bacillen, die zum Theil bis 178 Tage 
ausserhalb des Organismus in mehrfacher, sogar bis achtfacher 
Umzttchtung auf geronnenem Blutserum cultivirt worden waren, 
gelang es Koch, bei Meerschweinchen, Kaninchen, Batten, Mäu¬ 
sen, Katzen und Hunden in jedem Falle eine locale und typische 
allgemeine Miliartuberculose hervorzurufen. Gleichviel von wel¬ 
chem Thiere oder Menschen das ursprüngliche Material abstammte, 
der Erfolg war der gleiche und entsprach vollständig den von 
anderen Forschern, namentlich Cohnheim, Salomonsen und 
Baumgarten gewonnenen Resultaten. 

Koch erklärte die Bacillen für einen so charakteristischen 
Bestandteil des Tuberkels, dass er geradezu aussprach: Mit dem 
Nachweis der Tuberkelbacillen wäre die Möglichkeit gegeben, 
die Grenze der unter Tuberculose zu verstehenden Krankheiten 
bestimmter als bisher zu ziehen. Es werde in Zukunft nicht 
schwer sein zu entscheiden, was tuberculös und was nicht tuber- 
culös sei. Nicht der anatomische Bau des Tuberkels — Koch 
stimmt hierin also vollständig mit Cohn heim überein — son¬ 
dern der ätiologische Nachweis von Tuberkelbacillen in dem¬ 
selben werde künftighin das entscheidende Kriterium sein. 

Dieses Kriterium als maassgebend angenommen, müssten 
nach seinen Untersuchungen Miliartuberculose, käsige Pneumonie, 
käsige Bronchitis, Darm- und Drüsentuberculose, Perlsucht des 
Rindes, spontane und Impftuberculose bei Thieren für voll¬ 
ständig identische Processe angenommen werden. Jeden¬ 
falls sei auch ein grosser Theil, wenn nicht alle, scrophulösen 
Drüsen und Gelenkleiden der echten Tuberculose zuzuzählen. 

Bezüglich des „Woher und Wie“ diese Parasiten in den Kör¬ 
per gelangen, haben die von Koch weiter angestellten Unter¬ 
suchungen ergeben, dass der Tuberkelpilz zu seiner Entwicke¬ 
lung einer constanten Temperatur von +30—41 # C. bedarf und 
dass sein Wachsthum ein ausserordentlich langsames ist. Da 
nun in unserem gemässigten Klima ausserhalb des thierischen 
Körpers für eine mindestens 2 Wochen (soviel braucht der Pilz 
zu seiner Vermehrung) anhaltende, gleichmässige Temperatur von 
über +30® C. keine Gelegenheit vorhanden sei, so gehe daraus 

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I. JOHNE 


herror, dass der Tuberkelpilz sich auch nur innerhalb des 
Thierkörpers entwickeln könne. Er sei daher ein echter Parasit, 
der alle seine Entwicklungsphasen im Thierkörper durchmache, 
nicht wie der Milzbrandpilz sich auch ausserhalb desselben im 
Boden durch Dauersporen fortzupflanzen vermöge. 

Da nun die bei Weitem meisten Fälle von Tuberculose ihren 
Anfang in den Respirationsorganen nehmen, so liege die Wahr¬ 
scheinlichkeit vor, dass die Tuberkelbacillen wohl auch meist 
mit der Athmungsluft, an Staubpartikelchen haftend, eingeathmet 
würden. Ihr Ursprung liege sehr nahe. Bei den Unmassen von 
Tuberkelbacillen, welche im Caverneninhalt von Phthisikern vor¬ 
handen wären, könne kein Zweifel darüber obwalten, dass solche 
— wie er durch seine Untersuchungen in der That auch nachge¬ 
wiesen — mit dem Sputum ausgeworfen würden und mit diesem 
eintrockneten. Wie lange solches eingetrocknetes Sputum aber 
infectiös bleibe, gehe daraus hervor, dass durch Einimpfung von 
acht Wochen lang trocken aufbewahrtem, phthisischem Sputum 
Meerschweinchen ebenso sicher tuberculös gemacht worden seien, 
als durch Infection mit frischem Material. Demnach lasse sich 
wohl annehmen, dass auch das am Boden, Kleidern u. s. w. ein¬ 
getrocknete phthisische Sputum längere Zeit seine Wirksamkeit 
bewahre, und wenn es zerstäubt z. B. in die Lunge gelange, 
daselbst Tuberculose erzeugen könne. 

Die Infection des Organismus mit Tuberkelbacillen sei aller¬ 
dings nicht, wie beispielsweise bei dem schnell wachsenden Milz¬ 
brandbacillus, von jeder kleinen Verletzung aus möglich. Die 
sehr langsame Entwicklung des Bacillus der Tuberculose erfor¬ 
dere, dass derselbe, um festen Fuss zu fassen, längere Zeit in 
geschützter Lage verbleibe. Andererseits werde er wieder eli- 
minirt, ehe er sich einnisten könne. Leichte, oberflächliche Haut¬ 
wunden genügten — analog Bollinger 35 ) (Bd. VI, S. 13), entge¬ 
gen zwei älteren von Hof mann m ) und Frenzei 48 ) (S. 94) mit- 
getheilten Fällen, entgegen ferner Zürn 64 ) und Toussaint’s 
Resultaten bei Pockenimpfung (vergl. S. 23 d.Bd.) — nach Koch’s 
Versuchen nicht zur Infection, der Infectionsstoff müsse in das 
subcutane Gewebe, in die Bauchhöhle, in die vordere Augen¬ 
kammer u. s. w. gebracht werden. Aehnlich werde es sich glück¬ 
licherweise auch in den Lungen verhalten. Auch hier würde 
stagnirendes Secret, Verlust der schützenden Epitheldecke u. s. w. 
vorausgehen müssen, ehe die Infection möglich sei. Nur hier¬ 
durch werde es verständlich, dass die Tuberculose, mit weleher 


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Geschichte der Tubercolose. 


53 


in dicht bevölkerten Orten doch jeder Mensch mehr oder weniger 
in Bertthrnng gelange, nicht noch häufiger vorkomme, als dies 
wirklich der Fall wäre. 

Die erfolgreiche Bekämpfung der Tuberculose 
sei nur durch Verstopfung der Quelle des Infectionsstoffes mög¬ 
lich. Da der Pilz'sich aber nur innerhalb des kranken Or¬ 
ganismus vermehre, so sei dieser als Quelle des Ansteckungs¬ 
stoffes zu betrachten. Von diesem Standpunkte aus wären zwei 
Dinge als Ursache der menschlichen Tuberculose ins Auge zu 
fassen. Einmal das Sputum kranker Menschen und die damit 
beschmutzten Gegenstände, Kleider etc. Eine zweite Quelle sei 
ganz unzweifelhaft die Tuberculose der Hausthiere, in erster 
Linie die Perlsucht. Diese wäre aber eine mit der menschlichen 
Tuberculose identische Krankheit, folglich auf diesen übertragbar. 
Der Genuss von Fleisch und Milch perlsüchtiger Thiere sei eine 
Infectionsgefahr für den Menschen, die, sei sie so gross oder so 
klein, wie sie wolle, vermieden werden müsse. Wäre es auch hin¬ 
länglich bekannt, dass milzbrandiges Fleisch von vielen Personen 
und oft lange Zeit hindurch ohne Nachtheil genossen werde, so 
würde doch deswegen Niemand den Verkehr mit solchem Fleische 
gestatten. 

Pflug, der, wie schon S. 37 vorl. Schrift erwähnt, den Tuberkel 
weder für eine histologisch noch ätiologisch einheitliche Neubildung 
hält, glaubt auf Grund dieser Anschauung die von Koch entdeckten 
Tuberkelbacillen nicht für die einzige und specifische Ursache der 
Tuberculose ansehen zu können. Er sagt: „Denn selbst der jüngst¬ 
hin von Koch und dann noch von anderen (Baumgarten) gemachte 
Befund von Bacillen in den menschlichen Tuberkeln und in der Perl¬ 
sucht des Rindes beweist wohl nur, dass für gewöhnlich die Koch- 
sehen Bacillen die menschlichen Tuberkeln und die Perlsucht des 
Rindviehes veranlassen. Dass diese Bacillen die alleinige Ursache 
der Tuberculosis seien, hat selbst Koch nicht gesagt; dass sie die¬ 
selbe aber wirklich nicht sind, dass ersehen wir zunächst schon aus 
dem vorliegenden (Lungenactinomykose betreffenden) Fall.“ 

Im Grossen und Ganzen würde übrigens durch diese Pflug’sche 
Auffassung die Tuberculose von ihrer Bedeutung als Infectionskrank- 
heit nichts verlieren. 


VIERTER ABSCHNITT. 

Die ätiologischen Beziehungen der menschlichen und thierischen 
Tuberculose zu einander. 

Mit dem von Koch gelieferten, unzweifelhaft sicheren Nach¬ 
weis der Identität und Virulenz sämmtlicher bei Thieren und 


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I. JOHNE 


Menschen Yorkommenden tabercnlösen Processe, welcher gewisser- 
maassen als die Probe auf die Richtigkeit der zahlreichen Ueber- 
tragnngsversuche und histologischen Stadien bezeichnet werden 
kann, wurde selbstverständlich aber auch die seit Villemin’s 
Entdeckung unausgesetzt ventilirte Frage wieder mächtiger denn 
je in den Vordergrund gedrängt: 

Ist die Tuberculose durch den Genuss von Fleisch und Milch 
tuberculöser Thiere von Thier zu Thier, vor Allem aber auf den 
Menschen übertragbar ? 

Der Erste, welcher mit voller Entschiedenheit diese Frage 
bejahte, war Ger lach. Schon auf Grund seiner ersten, in Han¬ 
nover angestellten Fütterungsversuche wollte er das Fleisch tuber¬ 
culöser Rinder vom menschlichen Genuss ausgeschlossen haben, 
„ wie dies ehedem geschehen sei. “ Ebenso hielt er schon damals 
die Verwendung der Milch solcher Thiere für bedenklich. 

Im Jahre 1875 forderte Gerlach 30 ) (Bd. I, S. 541), nach¬ 
dem von ihm die Identität der menschlichen und thierischen 
Tuberculose begründet worden war, geradezu: „Wir haben dem¬ 
nach ein Recht und zugleich auch die Pflicht, die Resultate der 
Fütterungsversuche mit Thieren auf den Menschen anzuwen¬ 
den; dieselben führen uns auf das Gebiet der Aetiologie der 
Tuberculose des Menschen und eröffnen uns eine neue Quelle 
dieser mit Recht so gefürchteten Krankheit in den thierischen 
Nahrungsmitteln. “ 

Gerlach, und dieser Annahme sind auch Zürn 64 ), Sem- 
mer (1. c.) und Toussaint 7 ) (1881, Tom. 93, No. 5 und 19 ) 
1881, No. 8) beigetreten, hält das Fleisch tuberculöser Thiere 
für unbedingt infectiös, wenn auch im geringeren Grade, als die 
eigentlichen Tuberkelmassen. Dass Tuberkeln aber im intersti¬ 
tiellen Bindegewebe des Fleiches Vorkommen, sei durch die Unter¬ 
suchungen von Schütz 33 ) unzweifelhaft nachgewiesen und wurde 
überdies auch von Leisering 59 ) (1862/63, S. 103) constatirt 
(vergl. auch Zusammenstellung über das Vorkommen der Tu¬ 
berkeln in den einzelnen Organen und Geweben der Rinder 99 ) 
Bd. XXI, S. 351*)). Die Menge des Virus im Fleische werde 
von dem Grade der Localisation abhängen. Das Kochen des 
Fleisches zerstöre übrigens zwar das Virus, indess dringe die 
Siedehitze so langsam in die Tiefe grösserer Fleischstttcke und 


*) Auch Verf. wird anderen Ortes über einen exquisiten Fall von Müiar- 
tuberculose der Musculatur bei einem Rind berichten. 


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Geschichte der Tuberculose. 


55 


Knoten ein, dass nach V4—‘/sstUndigem Kochen die Möglichkeit 
einer Infection noch vorhanden sei. 

Dieser Ueberzeugung entsprechend schliesst er 30 ) (Bd. I, 
S. 41) das Fleisch von tuberculösen Thieren überhaupt und be¬ 
sonders von perlsüchtigem Rindvieh unter gewissen, später noch 
specieller zu besprechenden Voraussetzungen von der Verwen¬ 
dung zur menschlichen Nahrung aus. 

Ganz ähnlich stellen sich zu dieser Frage alle anderen For¬ 
scher, welche sich mit der Ftitterungstuberculose eingehender 
beschäftigt haben. 

Klebs (1. c.) stimmt bezüglich der Infectionsfähigkeit der Tu¬ 
berculose durch Fleischgenuss Gerlach vollständig bei. Ganz 
besonders betont er aber die Infectiosität der Milch tuberculöser 
Kühe, deren verschiedene Intensität wahrscheinlich von dem 
Grade der Erkrankung der betreffenden Stücke abhänge. Das 
Virus solle nach ihm im Milchserum, wie er Anfangs meinte 
(s. S. 79), in gelöster Form, vorhanden und durch die gewöhn¬ 
liche Art des Kochens nicht zerstörbar sein. 

Ganz den Gerlach’schen Lehren schlossen sich weiter 
Flemming 71 ) (September 1880), Rivolta und Perroncito 63 ) 
Bd. 31. Analect. S. 43) an, während Bollinger 65 ) (Bd. I, S. 356, 
m ), 85 ) und 9# ) 1880, No. 1 und 35 ) Bd. I, S. 111, 243 und 
ibid. Bd. VI, S. 13 etc.) zwar die Infectiosität der Tuberculose 
anerkannte, die des Menschen und des Rindes aber (ähnlich 
Semmer) nicht für identische, sondern nur homologe Processe 
hielt. Die Möglichkeit einer tuberculösen Infection durch Fütte¬ 
rung (wobei der Darm der Pflanzenfresser eine weit bessere 
Resorptionsfläche darzustellen scheine, als Haut und Unterhänt- 
bindegewebe derselben) dürfe aber kaum mehr bezweifelt werden. 
Indess hielt Bollinger ,#9 ) (1880, S. 409) die Gefahr der Ueber- 
tragung durch Milch für grösser, als die durch Fleisch, da erstere 
meist roh oder wenig gekocht längere Zeit vom Säugling aus¬ 
schliesslich genossen werde. Die Receptivität des Säuglings für 
Schädlichkeiten in der Nahrung übertreffe jedenfalls die des 
erwachsenen Menschen. Ja er ging so weit, die „sehr gegründete“ 
Vermuthung auszusprechen, dass der Begriff „Heredität“ viel¬ 
leicht theilweise auf Milchinfection bei Säuglingen zurückzu¬ 
führen sei. Bollinger legte zugleich ein besonderes Gewicht 
auf die generelle Disposition des Menschen. Er glaubte die Om¬ 
nivoren Menschen in Betreff der Infectionsfähigkeit den Camivoren 
gleichstellen zu müssen; eine Annahme, zu welcher nach Klebs 65 ) 


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L JOHNE 


(Bd. III, S. 443) eine Berechtigung deshalb nicht vorliege, weil 
das Menschengeschlecht ja gerade mit dieser Krankheit gesegnet 
sei. Auch muss hiergegen der Umstand geltend gemacht werden, 
dass ja gerade das Schwein, welches wie der Mensch omnivor 
ist, ausserordentlich leicht mit Tuberkelvirus inficirt werden kann. 
Uebrigens weist Bollinger auch selbst auf den Umstand hin, 
dass einerseits die Tuberculose eine ausserordentlich häufige 
Todesursache des Menschen bilde (in München im Jahre 1866 bis 
30,25 Proc., nach Koch [1. c.] sterben l h aller Menschen an Tu¬ 
berculose), dass andererseits aber auch nur wenige Menschen vor¬ 
handen sein mochten, welche bei der Verbreitung der Tuberculose 
unter den Rindern nicht schon Fleisch oder Milch perlsüchtiger 
Rinder genossen hätten, also einer Infection ausgesetzt gewesen 
wären. 

In seiner letzten Publication scheint er indess auf Grund der 
von Adam und Göring über die Häufigkeit der Tuberculose 
unter den Rindern in Bayern angestellten Ermittlungen die In- 
fectionsgefahr für den Menschen weniger hoch anzuschlagen. 
Einstweilen müsse allerdings die Möglichkeit einer Infec¬ 
tion durch Milch im Auge behalten werden, namentlich werde 
es Aufgabe der experimentellen Forschung sein, zu ermitteln, 
welche Form der Rindstuberculose eine infectiöse Milch liefere. 
Da nach Adam’s und Göring’s Zusammenstellung die Wahr¬ 
scheinlichkeit, dass ein Rind tuberculös sei, mit dem höheren 
Alter zunehme, so erscheine es vor allem gerathen, die 
Milch älterer Kühe (über 6 Jahr) vom Genüsse auszuschliessen. 

Nach Göring 35 ) (Bd. IV, 8. 281 und Bd. VI, 8. 136) waren 
im Königreich Bayern tnberculös: 

1877 von 4976 geschlachteten Rindern 1,31 Proc. unter einem, 
10,81 Proc. von 1—3, 37,80 Proc. von 3—6, 50,07 Proc. 
Uber 6 Jahre alt. , 

1878 von 5042 geschlachteten Rindern 1,28 Proc. unter einem, 
11,12 Proc. yon 1—3, 34,31 Proc. von 3—6, 46,80 Proc. 
über 6 Jahre alt. 

Zu gleichen Resultaten gelangte Adam, so dass man Bollinger 
wohl beipflichten kann, wenn er sagt: „Je älter das Rind, desto 
grösser die Wahrscheinlichkeit, dass es tuberculös ist. 

Klinische Fälle von Infection durch Milch sollen nach Bol¬ 
linger noch wenig bekannt sein. Er gedenkt nur der im Jahre 
1846 von Klenke, ferner eines von Zippelius 90 ) (Bd. XX, 
S. 205) berichteten, wonach Dr. Stang in Amorbach die Tu¬ 
berculose bei einem 5 jährigen, nicht hereditär belasteten Knaben 


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Geschichte der Tuberculose. 


57 


entstehen sah, welcher längere Zeit die Milch einer hochgradig 
perlsüchtigen Kuh erhalten und kuhwarm genossen hatte. 

So selten wie Bollinger derartige Beobachtungen hinstellt, 
sind sie in der That aber doch nicht. So werden noch gleiche 
und ähnliche mitgetheilt von Demme 125 ), Uffelmann 126 ), 
Ebstein 128 ), Hergard 129 ), Felizet 80 ) (V. Ser. Tom. V. Vol. 
XLV. S. 48). *) Nicht unbeachtet darf ferner der bisher in der 
ärztlichen Literatur so wenig beachtete Versuch eines statistischen 
Vergleiches zwischen dem Vorkommen der Tuberculose bei Kin¬ 
dern und Rindern von Zippelius bleiben, welchen derselbe 
187 6 90 ) (Bd. XX, S. 225) auf Grund eines 5jährigen Durch¬ 
schnittes der amtlichen Ausweise seines Amtsbezirkes veröffent¬ 
lichte. Ans demselben scheint hervorzugehen, dass die Sterb¬ 
lichkeit der Kinder unter 2 Jahren in solchen Orten am grössten 
war, wo nach Ausweis der Fleischschauregister die meisten tuber- 
culösen Rinder vorkamen. 

Auch Orth 67 ) (Bd. 76, S. 242) hält die Uebertragbarkeit 
der Rindertuberculose auf den Menschen durch Fleisch und Milch 
für nicht unwahrscheinlich. Cohnheim 116 ) und Aufrecht 77 ) 
(1882, S. 291) erklären die Milch tuberculöser Thiere für eine 
Ursache der Phthisis meseraica, der primären Darm- und acuten 
Miliartuberculose der Kinder. Semmer 67 ) (Bd. 83, S. 555) steht 
auf dem Standpunkt Böllinger 7 s. Wenn auch der Mensch wenig 
Neigung zur Erkrankung an Tuberculose durch den Genuss der 
Milch und des Fleisches perlsüchtiger Rinder zu besitzen scheine, 
weil bei der Häufigkeit des Genusses beider die Tuberculose 

*) Auch Verf. kann einen solchen Fall berichten. 1880 wurden ihm 
durch den Rittergutsbesitzer v. S. die Brust- und Baucheingeweide einer 
hochgradig tuberculösen Kuh zugesendet und zugleich bemerkt, dass die¬ 
selbe bis vor wenigen Wochen das schönste und wohlgenährteste Stück 
im Stalle gewesen wäre, dann aber rapid abgemagert sei. Ihres früheren 
vorzüglichen Gesundheitszustandes halber hätte der Inspector des Gutes ge¬ 
rade die Milch dieser Kuh zur Ernährung eines ihm geborenen Knaben ver¬ 
wendet. 

Ich hielt mich verpflichtet, dem Hausarzt genannten Vaters von dem 
Sectionsbefund der bew. Kuh durch einen Collegen Mittheilung machen und 
mich zugleich nach dem Gesundheitszustände des Kindes erkundigen zu 
lassen. Der Bericht lautete wenig günstig. Angeblich in Folge der Masern 
und eines Lungenkatarrhs sollte das Kind im Ernährungszustand sehr zu¬ 
rückgekommen sein. Vor Kurzem erhielt ich die Nachricht, dass solches, 
2*/2 Jahre alt, an Miliartuberculose des Gehirns gestorben wäre. Die ande¬ 
ren Kinder der nach keiner Richtung erblich belasteten Eltern sollen ganz 
gesund sein. 


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58 


I. JOHNE 


weit häufiger bei ihm Vorkommen müsse, so sei doch die Mög¬ 
lichkeit einer solchen Infection nicht einfach za negiren. Die 
gelungenen Uebertragungen auf Hunde, die ebenso wenig 
empfänglich schienen, bewiesen genügend die Möglichkeit einer 
solchen. 

Selbst Virchow musste auf Grund der unter seiner Mit- 
Wirkung seit dem Jahre 1876 an der Thierarzneischule zu Berlin 
vorgenommenen Versuche wenigstens so viel zugeben, dass man 
nach den Fütterungen mit Fleisch perlsüchtiger Binder eine 
grössere Anzahl kranker Thiere gehabt habe, als wenn man die 
gewöhnlichen Erfahrungen und Befunde bei den Controlthieren 
berücksichtigt hätte. Ebenso seien die durch Fütterung mit 
Milch gewonnenen Erfahrungen nicht im Stande, die Milch perl¬ 
süchtiger Kühe zu „ exculpiren “. Wenn er auch nicht in der 
Lage wäre, auf Grund der gewonnenen Erfahrungen ein allge¬ 
meines Verbot des Fleisches perlsttchtiger Thiere gerechtfertigt 
zu finden, weil das eigentliche Fleisch, die eigentliche Muskel- 
substanz durchaus frei von Perlknoten zu sein pflege (vergl. S. 54), 
so scheine es ihm doch motivirt, den Genuss des Fleisches von 
solchen Theilen zu verbieten, an denen sich perlsttchtige Neu¬ 
bildungen vorfänden. 

Toussaint 7 ) (1881. Tom. 93. No. 5, p. 281 und 79 ) 1881. 
No. 8) glaubt, dass die Ansteckung mit Tuberculose vom Darm 
aus leichter, wie von der Haut erfolge. Auf Grund seiner Ex¬ 
perimente hält er es für gefährlich, heruntergekommenen Kran¬ 
ken und Kindern rohes Fleisch und den Saft wenig erhitzter 
Muskeln zu verordnen. 

Wenn es mit Zugrundelegung aller dieser Aussprüche und 
im Zusammenhang mit den oben (S. 29 u. folgd.) geschilderten 
Fütterungsversuchen auch zweifellos erscheinen dürfte, dass die 
Tuberculose durch die Verdauungswege übertragbar ist, und bei 
der Identität der thierischen und menschlichen Tuberculose ge¬ 
folgert werden muss, dass die erstere durch den Genuss von 
Fleisch und Milch tuberculöser Thiere auf den Menschen über¬ 
tragen werden kann, so hat sich andererseits gegen die Ger- 
1 ach'sehen Forderungen (S. 64) doch eine lebhafte Opposition- 
geltend gemacht. 

Das meiste Aufsehen erregte seiner Zeit der bekannte und 
vielbesprochene Beschluss des deutschen Veterinärrathes 13 °). Der¬ 
selbe erklärte in seiner zweiten Versammlung im Jahre 1875 mit 
22 gegen 6 Stimmen: „Insbesondere sind dieselben (d. h. die vor- 


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Geschichte der Tuberculose. 


59 


liegenden Erfahrungen) nicht aasreichend, die Annahme einer An¬ 
steckungsgefahr für Menschen, und aus diesem Grunde den Erlass 
eines Verbotes des Verkaufes von Fleisch und Milch der betref¬ 
fenden Thiere zu rechtfertigen.“ 

Die Motive dieses Beschlusses sind in einem von Lustig ver¬ 
fassten Gutachten 13 ^ niedergelegt, das allerdings den von Gerlach 
und anderen Experimentatoren bis dahin angestellten Fütterungsver¬ 
suchen mit positiven Erfolgen nahezu jede Bedeutung abspricht, andere 
wenige, negativ ausgefallene Versuche aber zu ganz entschieden wider¬ 
sprechenden Erfolgen aufbauscht. Während z. B. die von Colin 30 ) 
(1875, p. 22) bei nur 2 Kälbern, 2 Lämmern, 4 Schweinen, mehreren 
Hunden und Kaninchen, einigen Meerschweinchen, 1 Ente und 2 Tau¬ 
ben mit allerlei tuberculösem Material unternommenen Versuche in 
den Vordergrund gestellt wurden, fanden die oben citirten, so über¬ 
aus glänzenden, viel älteren Fütterungsversuche seines Landsmannes 
Chauveau mit keinem Worte Erwähnung. 

Weiter ist der Gerlach'sehen Forderung entgegen gehalten 
worden, dass alle vorliegenden Versuche doch zunächst nur die 
Uebertragungsfähigkeit der Tuberculose von Thier auf Thier und 
von Mensch auf Thier bewiesen hätten. Besonders fuhrt Göring 
in seinen amtlichen Zusammenstellungen Uber das Vorkommen 
der Tuberculose in Bayern 35 ) (Bd. IV, S. 289 und Bd. VI, S. 142) 
zahlreiche Mittheilungen an, nach welchen ganz im Gegentheil 
zu den Gerlach’schen Annahmen Milch und Fleisch tubercu- 
löser Kühe jahrelang fast ausschliesslich von Menschen ohne 
Nachtheil genossen worden sein soll. 

Bollinger (1. c.) hat daher allen Ernstes zur endlichen 
Lösung dieser Frage den Vorschlag gemacht, dieselbe experi¬ 
mentell durch Versuche an zum Tode verurtheilten Verbrechern 
zur endgültigen Entscheidung zu bringen. Semmer 94 ) (1878) 
dagegen empfahl dieselben an Affen anzustellen, aber nicht an 
solchen, die hier gehalten wurden, da dieselben mehr oder we¬ 
niger mit der Tuberculose behaftet seien, sondern in ihrer tropi¬ 
schen Heimath. 

Diesem letzteren Vorschlag entsprechen zum Theil die von Kris¬ 
haber und Dieulafoy 5 ) (1881, Nr. 34), welche 16 Affen zu Impf¬ 
versuchen mit tuberculösen Substanzen, 34 dergleichen dagegen als 
Controlthiere benutzten. Von ersteren starben circa 90 Proc. unter 
analogen Veränderungen wie beim Menschen. Auch von den nicht 
geimpften Controlaffen gingen einzelne an Tuberculose ein, jedoch 
viermal so wenig, wie von den geimpften. 

Wägt man alle diese fUr und wider angeführten Thatsachen 
sorgfältig gegen einander ab, berücksichtigt man hierbei noch 


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60 


I. JOHNE 


die nach Koch’s Arbeiten ganz unzweifelhaft bewiesene Unität 
und Virulenz sämmtlicher tuberculösen Processe, so wird man 
zu folgender Ueberzeugung gedrängt: 

Die Möglichkeit einer Uebertragung der Tuberculose durch 
den Genuss von Fleisch und Milch damit behafteter Thiere auf 
den Menschen darf nicht länger bezweifelt werden . Der stricte 
Beweis hierfür kann nur auf einem der oben angedeuteten Wege y 
am sichersten durch directe Infectionsversuche erbracht werden . 
So lange das nicht geschehen, oder so lange umgekehrt nicht die 
volle Unschädlichkeit des Fleisches von tuberculösen Rindern, resp. 
Thieren im Allgemeinen, für die menschliche Gesundheit positiv 
erwiesen ist , sind wir bei der unberechenbaren Tragweite, welche 
die ganze Frage für die öffentliche Gesundheitspflege besitzt , 
nicht nur berechtigt , sondern sogar verpflichtet, auf Grund der 
bei den Thierversuchen gewonnenen Resultate und des vorliegen¬ 
den klinischen Materials die vor Allem von Gerl ach, Chau - 
veau, Klebs und Toussaint behauptete Uebertragbarkeit der 
Tuberculose durch Fleisch und Milchgenuss auf den Menschen als 
thatsächlich vorhanden anzunehmen . 

Wie gross diese Gefahr und unter welchen Um¬ 
ständen sie besonders vorhanden ist, das sind noch 
offene, durch fortgesetzte Untersuchungen zu lösende Fragen. 

Ebenso offen bleibt noch die Frage, durch welche Mittel 
das Virus zerstört und unschädlich gemacht werden 
kann. 

Was man in dieser Beziehung über die Wirkung der übli¬ 
chen Zubereitungsmethoden der animalischen Nahrungs¬ 
mittel weiss, ist im Grunde noch wenig und zum Theil Wider¬ 
sprechendes. Durch die Versuche von Gerl ach, der Dresdner 
und Hannover’schen Thierarzneischule (vergl. Fütterungsversuche 
S. 29 d. Bd.) wissen wir, dass die Siedehitze das Tuberkel¬ 
gift zwar zerstören kann, aber selbst ein V 2 ständiges Kochen 
noch nicht immer genügt, dicke Knoten und Fleischstücke un¬ 
schädlich zu machen. Nach Au frech, t ,24 ) zerstört das Kochen 
das Virus und damit sicher die Infectiosität der Milch, während 
nach Toussaint 71 ) (Tom. 93, No. 5, p. 281 und 79 ) 1881, No. 8) 
der Saft wenig erhitzter Muskeln (10 Minuten langes Erhitzen 
des ausgepressten Saftes einer tuberculösen Bindslunge — Saft 
aus wie Beefsteaks gebratenen Muskelstücken) die Tuberculose 
noch zu erzeugen vermag. Langeron 93 ) (Tome XVII, p. 149) 
erwähnt ferner, dass vorherige^ mehrstündige Einwirkung von 


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Geschichte der Tuberculose. 


64 

salpetersaurem Wasser auf die tuberculösen Massen die Virulenz 
derselben nicht aufzuheben vermocht habe; nach Baumgarten 31 ) 
(1880, S. 714) kann hingegen schon eine kurz andauernde Be¬ 
handlung des Impfstoffes mit 2 — 3 proc. Carboisäurelösung die 
Contagiosität desselben zerstören. 

Hinsichtlich der Einwirkung der Verdauungssäfte 
auf das Virus fehlen alle experimentellen Untersuchungen. Die 
Secrete des Magens und der vorderen Darmabtheilnngen scheinen 
demselben im Allgemeinen feindlich gegenüber zu stehen, da bei 
secundärer Tuberculose des Verdauungsapparates nach primärer 
der Respirationsorgane, immer nur die hintere Darmabtheilung, 
der Magen dagegen fast nie tuberculös erkrankt ist. Auch das 
Fleisch milzbrand- und tollwuthkranker Thiere wirkt vom Magen 
aus — um auf analoge Verhältnisse zurtickzugreifen — ersteres 
höchst selten, leltzteres niemals nachtheilig auf die menschliche 
Gesundheit. 

Es würde durch weitere experimentelle Untersuchungen noch 
zu ermitteln sein, ob sich die Widerstandsfähigkeit der Tuberkel¬ 
bacillen und die der Dauersporen derselben gegen die Secrete des 
Magens und Darmes gleich verhält, oder ob hier ähnliche Verhält¬ 
nisse wie beim Milzbrand Platz greifen (vergl. Koch, Ueber die 
Milzbrandimpfung. 1882. S. 25). 

Da zur Zeit indess noch sichere experimentelle Unterlagen 
über alle diese Verhältnisse fehlen, so thut man wohl, die Frage 
der Tenacität des tuberculösen Virus noch nicht als abgeschlossen 
zu betrachten. Ihre endgültige Lösung im Reichsgesundheitsamt 
dürfte baldigst zu erwarten sein. 


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I. JOHNE 


ZWEITE ABTHEILUNG. 

Welche Consequenzen ergehen sich für Hedicinal* 
und Veterinärpolizei aus der bewiesenen Infectiosität und 
Identität sämmtlicher, hei Menschen und Thieren 
verkommender tubereulöser Processe? 


ERSTER ABSCHNITT. 

Welche Aufgaben fallen bei der bewiesenen Möglichkeit der Heber- 
tragung der Tuberculose durch Genuss von Fleisch und Milch 
tubereulöser Thiere, besonders des Kindes und Schweines, 
der Medicinalpolizei zuP 

Im Hinblick auf die bewiesene Möglichkeit der Uebertragung 
der Tuberculose durch den Genuss von Fleisch und Milch tnber- 
culöser Thiere auf den Menschen, hat Gerl ach die Aufgabe 
der Medicinalpolizei klar ausgesprochen: Sie hat den Genuss von 
Fleisch tubereulöser Thiere, insbesondere perlstichtiger Rinder 
(unter den S. 64 noch näher bezeichneten Bedingungen) ebenso 
zu verbieten, wie den Genuss der Milch solcher Thiere. 

Die Berechtigung dieser Forderung wird erst in der aller- 
neuesten Zeit mehr und mehr zugestanden. Die Scheu vor den 
einschneidenden Folgen derselben scheint die Ursache zu sein, 
dass man, und wohl mit Recht, gang ausserordentlich vorsichtig 
und bedächtig bei ihrer Prüfung zu Wege geht.*) Praktisch ist an 


*) Dieselben sind auch in dem bekannten Obergutachten der königl. 
Thierarzneischuldirection zu Berlin, welches dieselbe i. J. 1878 in einer an¬ 
hängigen Processsach§ abzugeben hatte 30 ) (Bd. IV, S. 466) sehr richtig betont 
worden: 

„Es ist noch nicht erwiesen, dass das Fleisch einer mit der allgemeinen 
Tuberculose (Franzosenkrankheit, Perlsucht) behafteten, sonst aber sehr 


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Geschichte der Tuberculose. 


63 


die Entscheidung der Frage im vollen Gerl ach'sehen Sinne bis 
heute noch Niemand herangetreten, im vollen Umfange sind 
seine kategorischen Forderungen noch nirgends zur Ausführung 
gelangt. 

Ja man kann der Medicinalpolizei vielleicht sogar den Vor¬ 
wurf nicht ersparen, trotz der Wichtigkeit des Gegenstandes bis 
jetzt bei den Regierungen ausser einer in viel zu geringem Um¬ 
fange unternommenen Reihe von Fütterungsversuchen nichts der 
Tragweite der Frage Entsprechendes beantragt zu haben. Be¬ 
sonders liegt die Statistik sehr im Argen. Eine Ausnahme hier¬ 
von macht Bayern. Hier hat die königl. bayer. Regierung 
von Schwaben und Neuburg 90 ) (Bd. XXI, No. 2 u. Bd.XXIV, 
No. 13) — auf die Initiative des thierärztlichen Vereines zu 
München hin — alle Bezirks- und städtischen Thierärzte des 
Regierungsbezirkes durch Verordnungen vom Jahre 1877 und 1880 
veranlasst, unter Mitwirkung der Distrikts- und praktischen Thier¬ 
ärzte alle vorkommenden Fälle der Tuberculose beim Rind zu 
sammeln und ihnen die Mittheilung der weiteren Beobachtungen 
Uber die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit des Genusses von 
Fleisch und Milch tuberculöser Thiere zur Pflicht gemacht. Um 
namentlich Uber letzteren Punkt Gewissheit zu erlangen, wurden 
die Bezirksthierärzte ferner angewiesen, halbjährig den Bezirks¬ 
ärzten ihres Bezirks ein Verzeichniss derjenigen Bewohner des 
Amtsbezirkes einzureichen, aus deren Stallungen nachweislich 
diejenigen Kühe stammen, welche bei der Fleischbeschau oder 
in den Wasenmeistereien tuberculös befunden würden. 

Es steht zu hoffen, dass diese Anordnung brauchbare Unter¬ 
lagen für weitere Entschliessungen liefern, und dass seitens der 
übrigen deutschen Regierungen in gleicher Weise vorgegangen 
werden wird. 

Die Stellung, welche die Medicinalpolizei vorläufig dem Ge¬ 
nuss von Fleisch tuberculöser Rinder, resp. des unserer schlacht¬ 
baren Hausthiere im Allgemeinen gegenüber einzunehmen hat, 
ist folgende: 

fetten und wohlgenährten Kuh nicht geeignet ist, Menschen als Nah¬ 
rung zu dienen.“ 

„Andererseits ist jedoch auch die Behauptung mehrerer Experimenta¬ 
toren, dass bei der Franzosenkrankheit, namentlich in Fällen grösserer Ver¬ 
breitung der Krankheit im Körper, das Fleisch eine speciiische Schädlichkeit 
enthalte und deshalb von der Verwerthung zur menschlichen Nahrung aus- 
zuschliessen sei, durch die bisherigen wissenschaftlichen Forschungen noch 
nicht widerlegt.“ 


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64 


I. JOHNE 


Das Fleisch tnberculöser Thiere muss vor der Hand in die 
Klasse der gesundheitsschädlichen Nahrungsmittel verwiesen wer¬ 
den. Die stricte Durchführung dieser Forderung würde aber 
zu schwer schädigenden Gonsequenzen führen. Die Erfahrung 
lehrt, dass ein Rind z. B. an Tuberculose verschiedener Organe 
leiden und trotzdem im Uebrigen gesund, sehr gut genährt, ja 
Schlachtwaare I. Qualität sein kann, ein Fall, der besonders 
häufig bei der Tuberculose der serösen Häute (sog. fette Fran¬ 
zosen) vorkommt. Wird die Costalpleura mit den oft massen¬ 
haft darauf sitzenden Knoten abgeschält und die Lunge mit den 
auf ihrem serösen Ueberznge sitzenden tuberculösen Neubildungen 
und den tuberculösen Bronchialdrüsen entfernt, so kann das aus¬ 
geschlachtete Rind im Uebrigen von ganz tadelloser Beschaffen¬ 
heit erscheinen. 

Soll auch solches Fleisch rücksichtslos verworfen werdenf 
Ist anzunehmen, dass auch in dieses bereits der Infectionsstoff 
eingedrungen ist? Wo liegt nach solchen Erfahrungen die Grenze 
zwischen dem noch geniessbaren und dem als ungeniessbar zu ver¬ 
werfenden Fleische? 

Die Beantwortung dieser Frage ist ausserordentlich schwierig 
und in verschiedenerWeise versucht worden. Für Semmer °') 
(Bd. 83, S. 556) gibt es nur ein „entweder — oder.“ „Ent¬ 
weder die Perlsucht und Tuberculose ist für den Menschen un¬ 
schädlich und dann gestatte man Alles, oder sie ist schädlich, 
und dann verbiete man alles Perlsüchtige und Tuberculöse. “ 

Nicht ganz soweit geht Oer lach, aber doch weit genug, 
um eine Entscheidung in seinem Sinne als eine für die Land¬ 
wirtschaft und Viehzucht tief einschneidende erscheinen zu 
lassen. 

Nach ihm muss schon der Anfang der Abzehrung, d. h. der 
Rückgang der Ernährung ohne diätetische Ursache als Symptom 
davon betrachtet werden, dass die Tuberculose allgemein — 
constitutioneil, oder wie wir jetzt sagen, generell — geworden 
ist. Da man die Abzehrung aber erst zu erkennen vermöge, wenn 
solche einen gewissen Grad erreicht habe, so könne das Fleisch 
schon schädlich sein, wenn sich die Thiere noch nicht in einem 
abgemagerten Ernährungszustand befänden. Für Gerlach ist 
das Fleisch tnberculöser Rinder und anderer Thiere als schädlich 
zu betrachten: 

1. „Wenn die Lymphdrüsen im Bereich der tuberculös er¬ 
krankten Organe ebenfalls tuberculös und so der Ausgang einer 


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Geschichte der Tuberculose. 


65 


immer weiteren Infection geworden sind. Die erste Verbreitung 
erfolgt in den Lymphbahnen; so lange also die nächsten Lymph- 
drüsen noch nicht inficirt nnd tubercnlös degenerirt sind, so 
lange hat auch noch keine Verbreitung stattgefunden. Bei Mit¬ 
erkrankung verschiedener Lymphdrtisen ist das ganze Lymph- 
gefässsystem verdächtig; 

2. wenn schon käsiger- Zerfall stattgefnnden hat, wenn 
namentlich schon käsige Herde in den Lnngen liegen. Je mehr 
käsige Tnberkelherde, desto schädlicher scheint das Fleisch 
zu sein; 

3. wenn schon eine weitere Verbreitung der Tuberkeln im 
Körper stattgefunden hat nnd 

4. wenn bereits Abzehrung eingetreten ist. 

Eines von diesen Merkmalen im ausgebildeten Grade ge¬ 
nügt, das Fleisch von tuberculösen Thieren für nngeniessbar zu 
erklären. “ 

Nicht mit Unrecht ist Ger lach der Vorwurf gemacht wor¬ 
den, dass auch seine Forderung Aber das Maass des unbedingt 
Nothwendigen hinausgehe. Würden durch dieselbe ja oft die 
bestgenährten Rinder dem Fleischmarkt entzogen. In Wahrheit 
liegt glücklicher Weise aber die Sache etwas günstiger, als sie 
von Ger lach nnd verschiedenen anderen Forschern aufgefasst 
und hingestellt worden ist. 

Es steht fest, dass die Tuberculose eine Infectionskrank- 
heit ist, hervorgernfen dnrch ein Virus, das überall, wo es mit 
den Geweben in Berührung kommt, Tuberkelbildung erzeugt. 
Cohnheim hat gezeigt (vergl. S. 46) in welcher Weise sich 
das Tuberkelvirus von den Eingangspforten des Organismus aus 
auf den natürlichen Strassen des letzteren theils per contigui- 
tatem, theils anf der inneren Oberfläche von Schleimhantkanälen 
mit dem Girculationsstrom deren Inhaltes, theils durch Lymph¬ 
spalten nnd Lymphgefässe oder vom Darme aus dnrch die Pfort¬ 
aderwurzeln weiter verbreitet. Seine nnd Anderer Untersuchun¬ 
gen haben weiter gelehrt, dass das Tnberkelgift von einem 
primär oder secundär erkrankten Organe ans in den Blutstrom 
gelangen, und mit diesem überall hin verschleppt, in mehr oder 
weniger acuter oder chronisch verlaufender Form eine genera- 
lisirte (metastatische) Tuberculose erzeugen kann. Wenn solches 
verhältnissmässig selten geschieht, so soll dies nach Cohn- 
heim U6 ) seinen Grund darin haben, dass die Menge des je¬ 
weilig circulirenden Virus nicht immer gross genug hierzu ist. 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 5 


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66 


1. JOHNE 


Auf Grund der Koch’schen Untersuchungen würde jetzt noeh 
hinzuzufügen sein: Kleine Mengen werden eben (wie dies auch 
Versuche mit anderen Bacterienformen gezeigt haben) viel eher 
durch die Nieren etc. wieder aus dem Blute und dem Organis¬ 
mus überhaupt ausgegchieden, ehe sie sich bei ihrer ausser¬ 
ordentlich langsamen Entwicklung vermehren und einnisten kön¬ 
nen. Hingegen kann und wird .eine Generalisirung der Tuber- 
culose, eventuell eine sog. allgemeine Miliartuberculose eintreten, 
wenn eine rasche Ueberschwemmung des Blutstromes mit grösse¬ 
ren Mengen von Virus erfolgt. Dass der Duct. thoracicus und 
die Lungenvenen die hauptsächlichsten Einbruchstellen für letz¬ 
teres sein sollen, wurde schon oben erwähnt. 

Von mehreren Seiten, so noch neuerdings wieder von Fehl¬ 
eisen 133 ) (Bd. XIV, S. 585 und Bd. XV, S. 184), ist noch darauf 
aufmerksam gemacht worden, dass eine solche Allgemeininfection 
um so leichter erfolge, je mehr die tuberculösen Massen verkäst 
und erweicht seien. Dagegen würde sie um so schwerer ein¬ 
treten können, je mehr der Tuberkel den fibrösen Charakter an¬ 
genommen, je rascher er verkalkt, je fester, dichter und fibril¬ 
lärer das Stroma sei, in welchem er z. B. an den serösen Häuten 
des Bindes eingebettet zu sein pflege. Es sind dies selbstver¬ 
ständliche, durch klinische Beobachtungen hinlänglich bestätigte, 
für die concrete Frage aber höchst wichtige Punkte. 

Aus alledem geht also hervor, dass man von einer infection 
des Blutes mit tuberculösem Virus nur dann erst sprechen 
kann, wenn sich die Tuberculose generalisirt hat, 
d. h. wenn ausser den primär oder secundär erkrankten Or¬ 
ganen noch andere, mit diesen nicht in directem Zusammen¬ 
hänge stehende ebenfalls erkranken, solche Organe sich tuber- 
culös zeigen, welche von ersteren aus nur auf dem Wege des all¬ 
gemeinen Blutstromes zu erreichen sind (Weigert 67 ) Bd.88, S.311). 

Wie liegen nun alle diese Verhältnisse beim Muskel, dem 
Fleisch des Consums ? Auf welche Weise kann dieses ii\ficirt wer¬ 
dent Die Anatomie ertheilt die Antwort: Nur durch das Blut. 
Weder di^ Lymphbahnen der Brust-, Bauch- oder Beckenein¬ 
geweide, noch die der serösen Häute der Bauch- und Brusthöhle 
verlaufen in den grösseren Muskelmassen und können somit den¬ 
selben keinen Infectionsstoff zuführen. Sind ihre Wurzelgebiete 
aber tuberculös, und daher zu präsumiren, dass sie infectiöse 
Lymphe führen, so würden sie sammt den eingeschaltenen, dann 
stets tuberculös degenerirten Lymphdrüsen leicht zu entfernen 


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Geschichte der Tuberculose. 


67 


sein. Höchstens könnten hiervon die kleinen, von den Lymph- 
wurzeln in der Pleura gespeisten Lymphdrttsen eine Ausnahme 
machen, welche zwischen den beiden Lagen der Intercostal- 
muskeln eingebettet sind. Diese könnte man in praxi nicht ent¬ 
fernen und wttrde somit die Intercostalmuskeln ihrer infectiösen 
Einlagerungen halber ebenfalls als infectiös betrachten und dem 
Consum entziehen mUssen. Die dicken, fettreichen Fleischmassen, 
welche von aussen die Brustwand bedecken, werden von dem 
in der Richtung des Lymphstromes fortgefiihrten Virus indess 
nicht inficirt. 

Der Kernpunkt der Frage: Von welchem Zeit¬ 
punkt ab ist das Fleisch tuberculöser Thiere als 
inficirt und daher infectiös zu betrachten, liegt also 
nicht, wie Ger lach will, schon in der Erkrankung der Lymph- 
drüsen der benachbarten Organe, sondern lediglich in dem 
Nachweis der generaliäirten Tuberculose. Dieser erst 
bildet den positiven Beweis dafür, dass Virus in den grossen 
Kreislauf gelangt ist und das Fleisch inficirt bat. Erst von diesem 
Zeitpunkt ab sind wir daher berechtigt und verpflichtet, das 
betreffende Schlachtstück unbedingt vom Consum auszuschliessen. 

Falsch ist hingegen, die vielfach betonte Abmage¬ 
rung .als nothwendiges Kriterium der erfolgten Infection 
des Fleisches zu betonen. Diese ist lediglich als Folge der 
durch die tuberculöse, destruirende Erkrankung innerer, lebens¬ 
wichtiger Organe bedingte Functionsstörung der letzteren anzu¬ 
sehen. So wissen wir, dass Thiere mit Lungen-, Leber- und 
Darmtuberculose rasch abmagem, ohne dass es zu einer allge¬ 
meinen, generalisirten Tuberculose zu kommen braucht, wenn 
auch diese häufig genug den Schlussact des ganzen Processes 
bildet. Im Gegentheil aber können Rinder mit hochgradiger 
Tuberculose der Pleura und des Peritoneum jahrelang wohl¬ 
genährt, selbst mastfäbig bleiben, so lange nicht Lunge, Leber 
oder Nieren direct oder auf metastatischem Wege erkranken. 
Dass solches Fleisch in Folge eintretender Ernährungsstörungen 
an Nährwerth und gutem, normalen Ansehen verlieren, bei ein¬ 
tretender Kachexie sogar ekelhaft und vollständig ungeeignet 
für den menschlichen Genuss werden kann, liegt auf der Hand. 
Als Träger des tuberculösen Virus, als infectiös darf es sicher 
aber so lange nicht betrachtet werden, als nicht aus den an 
gegebenen Gründen eine Allgemeininfection des Körpers anzu¬ 
nehmen ist. 

5* 


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68 


I. JOHNE 


Es erscheint nach diesen durch die Erfahrung allseitig bestätigten 
Thatsachen, dass tuberculöse Rinder sich in einem ausgezeichneten Er¬ 
nährungszustand befinden können, schwer verständlich, weshalb Lothar 
Meyer 127 ) fette Schweine, bei denen die Verhältnisse genau so liegen, 
wie beim Rind, von vornherein als tuberkelfrei ansehen will. 

Diese Fandamentalsätze mttssen die Basis einer 
event. wegen Tuberculöse einzurichtenden Fleisch¬ 
beschau bilden, wie sie auch bei der Beurtheilung der Fttt- 
terungsversuche die allergrösste Beachtung verdienen. Die mit 
Fleisch ausgeftthrten mussten weniger positive Resultate geben, 
als die mit tuberculösen Knoten und Lymphdrttsen angestellten. 
Eine Generalisirung der Tuberculöse tritt eben nicht immer, ver- 
hältnissmässig sogar seltener ein, selbst in hochgradigen Fällen 
localer Tuberculöse und weit vorgeschrittener Abmagerung kann 
sie fehlen und die Musculatur vom Virus frei bleiben. Fehlt 
die Generalisation, d. h. tritt" kein Virus in den Blut¬ 
strom ein, so kann auch das Fleisch keinen solchen 
enthalten. 

Selbst aber gesetzt den Fall, es sei trotz fehlender gene- 
ralisirter oder metastatischer Tuberculöse doch Virus in den 
Blutstrom gelangt, so muss man logischer Weise auch annehmen, 
dass seine Menge zu gering war, um in specifischer Weise schäd¬ 
lich zu wirken. War diese Menge aber im eigenen Körper zu 
gering, um schädlich zu wirken, so ist zu präsumiren, dass sie 
auch beim Genuss des Fleisches solcher Thiere, also im frem¬ 
den Organismus, ohne Nachtheil bleiben wird. Die noch weiter 
abschwächende oder vernichtende Wirkung, welche zweifelsohne 
die Üblichen Zubereitungsmethoden und besonders die Verdauungs¬ 
säfte auf das Virus ausiiben, werden hierbei noch weiter zu be¬ 
rücksichtigen sein. 

Jedenfalls bleibt ferner zu bedenken, dass aueh der Zu¬ 
stand des Darmes bei der Infectionsfrage in Betracht kommt. 
Koch hat gezeigt, dass sich der Tuberkelpilz schwer einnistet, 
dass z. B. die gesunde Bronchialschleimhaut keinen geeigneten 
Boden für sein Eindringen und für seine Weiterentwicklung bieten 
wird. Das Gleiche muss man auch für den Darm annehmen. 
Das normale Epithel desselben bietet gewiss einen eben solchen 
Schutz gegen die Infection, Erkrankungen und Verlust desselben 
(z. B. schon durch einfache Darmkatarrhe) begünstigt letztere. 
Von diesem Gesichtspunkt verdient die schon erwähnte, von 
Toussaint aufgestellte Behauptung, es sei gefährlich, rohes 


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Geschichte der Tuherculose. 


69 


Fleisch und den Saft wenig erhitzter Muskeln herabgekommenen 
Kranken und Kindern zu verordnen, die allergrösste Beachtung. 

Diese bisher nicht gehörig gewürdigten Verhältnisse erklären 
auch, weshalb Gerlach schon das Fleisch von nicht abgezehrten 
Rindern infectiös gefunden haben will. Sie erklären ferner die 
von den Gegnern der Infectiosität mit Vorliebe angeführten Fälle, 
dass ganze Familien jahrelang fast ausschliesslich von dem 
Fleische tuberculöser Rinder ohne Nachtheil gemessen sollen. 

Auch auf einen anderen Punkt muss bei dieser Gelegenheit 
liingewiesen werden. Es ist oft entgegengehalten worden, das 
Fleisch tuberculöser Thiere sei überhaupt unschädlich, nur 
die Lymphdrüsen und die tuberculösen Producte ent¬ 
hielten das Virus. Diese Theile geniesse aber der Mensch nicht, 
und deshalb sei der ganze Streit um die Infectiosität des Fleisches 
gegenstandslos. Theoretisch mag dies richtig sein, praktisch lie¬ 
gen aber die Verhältnisse, namentlich bei den Wurstfleischern, 
doch anders. Diese verwenden Alles, nichts wird weggeworfen; 
was nicht als Fleisch verkauft und genossen werden kann, wird 
zur Wurstbereitung verwendet. Hierher gehören auch die Lymph¬ 
drüsen. Die kranke Lunge, das kranke Brust- oder Bauchfell 
wird zwar entfernt, die bereits erkrankten Lymphdrüsen wan¬ 
dern aber sicher in die Wurst und werden zwar nicht als Fleisch, 
aber als Wurst vom Menschen genossen. Wie wenig Garantie 
die übliche Wurstfabrication, resp. das ungenügende Kochen der 
Wurst bieten wird, das lehren genugsam die trotz desselben mög¬ 
lichen Infectionen mit thierischen Parasiten. S. auch Zündel: 
Nature Parasitaire de la Tuherculose. Veröffentl. d. Gesellsch. f. 
Wiss. u. Ackerb. im N.-Elsass. 3. Mai. 1882. 

Für die Praxis der Fleischbeschau werden sich also die sei¬ 
tens der Medicinalpolizei au f zustellenden Directiven bezüglich des 
mit tuberculösen Schlachtstücken inne zu haltenden Verfahrens kurz 
in folgenden Sätzen zusammenfassen lassen: So lange hei tuber¬ 
culösen Schlachtstttcken, gleichviel welcher Thiergattung, meta¬ 
statische resp. generalisirte Tuherculose nicht vorhanden, eine 
Infection des Fleisches somit nicht anzunehmen ist, sind nur die 
tuberculösen Organe, sowie die von diesen nach dem Ductus 
thoracieus hinführenden Lymphgefässe incl. der eingeschaltenen 
Lymphdrüsen zu beseitigen. Der Einfachheit und Sicherheit wegen 
wird dies in Verbindung mit den anliegenden Gefässen und den 
einhttllenden Bindegewehsmassen zu erfolgen haben. Das Fleisch 
hingegen ist, gleichviel in welchem Ernährungszustände, als un- 


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70 


I. JOHNE 


schädlich oder höchstens als minderwerthig zu bezeichnen, falls 
nicht andere’ Gründe seine Vertilgung erfordern. 

Sprechen aber die oben angeführten Erscheinungen für eine 
bereits erfolgte Infection des Blutes, so ist das betreffende Schlacht¬ 
stück, gleichviel in welchem Ernährungszustand sich dasselbe 
sonst befindet, vom menschlichen Genuss auszuschliessen. — Dass 
eine derartige Handhabung der Fleischbeschau öffentliche Schlacht¬ 
häuser und eingeschultes Personal von wissenschaftlich gebilde¬ 
ten Thierärzten erfordert, bedarf keiner weiteren Auseinander¬ 
setzung. 

Lothar Meyer 127 )(1. c.) will tuberculöse Thiere niemals cou- 
fiscirt wissen. Da er die Siedehitze für genügend hält, das tubercu¬ 
löse Virus zu zerstören, so hat nach seiner Ansicht die Sanitätspolizei 
nur dafür Sorge zu tragen, dass Fleisch und Milch perlsüchtiger 
Thiere *vor a dem Genuss sorgfältig gekocht werden. Zu diesem Zwecke 
ist Fleisch und Milch perlsüchtiger Thiere Armenanstalten, sowie Volks¬ 
küchen zu übergeben!! 

Auch die Milch tuberculöser Thiere ist nach unzweifelhaften 
klinischen und experimentellen Beobachtungen als infectiös zu be¬ 
trachten . Vor Allem hat die Medicinalpolizei die schrankenlose 
Verwendung derselben zur Ernährung von Säuglingen zu verbie¬ 
ten . Die Milch solcher Thiere, welche gleichzeitig an Tuberculöse 
des Euters leiden, ist von jeder Verwendung auszuschliessen . 

Dieser berechtigten Forderung stellen sich allerdings einige 
Bedenken entgegen. Schon die Diagnose der Tuberculöse im All¬ 
gemeinen hat intra vitam bei Thieren ihre grossen Schwierigkeiten. 
Beim Rind, das hier zunächst in Betracht kommt, sind sie, nament¬ 
lich in dem Anfangsstadium der Krankheit sehr bedeutende. 

Auscultation und Percussion bieten selbst bei hochgra¬ 
digen Erkrankungen keine sicheren Anhaltepunkte. Ziemlich erheb¬ 
liche Tuberkelmassen auf der Pleura können bei der grossen Reso¬ 
nanzfähigkeit des Brustkastens und der Lunge des Rindes dem physi¬ 
kalischen Nachweis entgehen. Für die Pleuratuberculose kann nur 
das sog. Perlenreiben oder Perlenschaben als charakteristisch 
angenommen werden. Es tritt aber bekanntlich erst dann ein, wenn 
die Tuberkeln auf Costal- oder Pulmonalpleura verkalkt und dadurch 
auf ihrer Oberfläche mehr oder weniger rauh geworden sind (Vogel 90 ) 
Bd. XVII, S. 73 u. 134)). Von Roioff* 2 ) (Bd. XV, S. 113) wurden 
die unter den Namen Stiersucht u. s. w. bekannten Anomalien des 
Geschlechtstriebes, die seltene Conception, der häufige Abortus 
und die diesem ohne äussere Veranlassung folgende auffallend rasche 
Abmagerung, als eines der ersten und sichersten Symptome der Perl¬ 
sucht bezeichnet. Diese Anomalien machen sich indess nur bemerk¬ 
bar, wenn die Tuberkelablagerungen vorzugsweise im Peritonealsack 


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Geschichte der Tuberculose. 


71 


besonders in der Umgebung oder im Parenchym der Ovarien, oder 
aber in der Uterusschleimhaut selbst, erfolgt sind. Im letzteren Falle 
stellt sich zugleich ein schleimiger, eitriger Ausfluss aus 
der Vagina ein. Vom Spinola 25 ) (S. 1707) ist noch als ein wei¬ 
teres erstes verdachterregendes Symptom die Anschwellung der 
Leistendrüsen genannt worden. Andere, z. B. Anacker 135 ), be¬ 
trachten überhaupt alle fühlbaren, knotigen Lymphdrüsen- 
anschwellungen, besonders die der oberen und unteren Hals- 
lymphdrüsen, als sehr verdächtige Erscheinungen. Zuweilen ge¬ 
lingt es wohl auch grössere tuberculöse Knoten in der Brust- und 
Bauchhöhle zwischen den ersten Rippen, resp. durch die Bauchdecken 
hindurch zu fühlen. Da letzteres nicht immer möglich ist, wurde von 
Rauch 53 ) (Bd. 39, S. 356) die Vaginotomie vorgeschlagen und aus¬ 
geführt. Einige Schriftsteller endlich, z. B. Rychner 22 ) (S. 560), 
Hering 24 ) (S. 139), Seer 136 ) (S. 623) u. A. haben auf die bei tuber- 
culösen Rindern ungewöhnlich häufig vorkommenden Warzenbil¬ 
dungen an der Haut aufmerksam gemacht, während Foglar 114 ) 
(1879. S. 138) sich häufig wiederholende, ohne äussere 
veranlassende Ursache eintretende Durchfälle als ein nicht 
zu unterschätzendes Symptom hervorhebt; Aehnlich Zippelius 90 ) 
(Bd. IXX, S. 3). Auch knotige, harte Anschwellungen des 
Euter8, sowie eine bei jungen Stieren sich plötzlich ohne äussere 
Ursache einsteilende Orchitis machen die betreffenden Rinder der 
Tuberculose verdächtig. 

Bezüglich der Tuberculose des Euters würde ausser auf 
diese harten, knotigen, schmerzlosen Verdichtungen noch neben¬ 
bei auf die schon erwähnten Anomalien in der Geschlechtssphäre, 
die Lymphdrüsenanschwellungen, den Husten und die rasch ein¬ 
tretende Abmagerung bei sonst guter Pflege der diagnostische 
Schwerpunkt zu legen sein. 

Zippelius 90 ) (Bd. XX, S. 204) lenkt die Aufmerksamkeit be¬ 
sonders auf jene subacut verlaufende, auf einen oder zwei Striche 
beschränkt bleibende Form der Mastitis, die wenig schmerzhaft sei, 
eine geringe Geschwulst bilde und die Milchsecretion kaum beschränke. 
Neben der von Lehmann 115 ) gefundenen Verminderung des Caseins 
würde nach demselben Forscher der mikroskopische Nachweis von 
Eiterkörperchen in der Milch ein diagnostisches Hülfsmittel bieten. 

In wie weit in der Milch sowie im Nasen- und Schei¬ 
den a u s fl u s s tuberculöser Kühe mittelst der von Koch u. A. 
beschriebenen Färbungsmethoden etwa Tuberkelbacillen 
naehzuweisen sein werden, und diese Methode für die Praxis zu 
verwerthen sein wird, muss durch weitere Untersuchungen noch 
festgestellt werden. Das Gleiche gilt von intraoculären Im¬ 
pfungen mit Milch verdächtiger Kühe. 

Die medicinalpolizeiliche Controle der in neuester 
Zeit in grosser Zahl errichteten sog. Milchcuranstalten und 


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72 


I. JOHNE 


sonstigen Verkaufsstellen für Kindermilch ist vom 
Standpunkte der Infectionslehre aus als ein dringendes Be¬ 
dürfnis» zu bezeichnen. 


ZWEITER ABSCHNITT. 

Welche Aufgaben fallen bei der bewiesenen Infectiosität 
der Tuberculose der Veterinärpolizei zu? 

Die Aufgaben der Veterinärpolizei sind nach dieser Richtung 
doppelte: 

1. Sie hat die Medicinalpolizei in der Durchführung der im 
vorigen Abschnitt bezeichneten, allerdings schwer zur allseitigen 
Zufriedenheit zu regelnden Maassnahmen zu unterstützen . Ohne 
Mithülfe eines geschulten, wissenschaftlich gebildeten Personales 
dürfte dieselbe aber unmöglich sein. 

2 . Es fällt ihr die Pflicht zu, der Landwirthschaft in der 
Bekämpfung und Ausrottung der Tuber culose mit Rath und That 
beizustehen. Indem die Veterinärpolizei zur Tuberculose der 
Hausthiere entschiedener Stellung nimmt, als bisher, wird nicht 
nur eine Quelle der menschlichen Tuberculose verstopft, sondern 
auch einer nicht zu verkennenden Schädigung unserer Viehzucht, 
resp. unseres Nationalvermögens wirksam entgegengetreten. 

Wie die Tuberculose beim Menschen, so gehört auch die bei 
unseren schlachtbaren Hausthieren — Schaf und Ziege und ein¬ 
zelne Gegenden ausgenommen — zu den am häufigsten vorkom¬ 
menden Krankheiten. Die Schuld hieran trägt, wie Gerlach 
schon lange betonte, die Landwirthschaft selbst. Seit die Tuber¬ 
culose vor nunmehr 100 Jahren von dem ihr anhaftenden Odium 
der Syphilis befreit und die gegen den Fleischgenuss damit be¬ 
hafteter Rinder bestehenden polizeilichen Maassregeln aufgehoben 
wurden, verlor sie nicht nur jede medicinal-polizeiliche, son¬ 
dern auch ihre Bedeutung für den Landwirth un<f Viehzüchter. 
Derselbe verkannte die Gefahren, welche in ihrem Ueberhand- 
nehmen für Nationalwohlstand und Volksgesundheit lagen. Seine 
Sorgfalt in der Fernhaltung derselben vom eigenen Viehstand 
wurde geringer, er achtete weniger ängstlich wie früher auf 
die Auswahl der Zuchtthiere, und die Verbreitung der Tuber¬ 
culose in seinem Stalle machte ihm wenig Sorge, da der eigene 
Beutel dabei zunächst wenig alterirt wurde. Es wehrte ihm ja 
bis heute Niemand, die Milch seiner tuberculösen Kühe (selbst 
ipit Preisaufschlag als Kinder milch !!) zu verkaufen. 


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Geschichte der Tuberculose. 


73 


Das Fleisch derselben wurde ja anstandslos gekauft und genos¬ 
sen, und Niemand hinderte ihn, selbst hochgradig tuberculöse 
Thiere an eine gewisse Kategorie von Fleischern zu verwerthen, 
deren Schlachtwaare unter dem Schutze der vielgepriesenen Ge¬ 
werbefreiheit, bei dem beklagenswerthen Mangel eines Schlacht¬ 
zwanges in öffentlichen Schlachthäusern und dem einer obliga¬ 
torischen Fleischbeschau sich jeder Controle entzieht. 

Sehr treffend sagt Gerlach 33 ) (S. 52): „Das häufige Vor¬ 
kommen und fortwährende Umsichgreifen der Tuberculose in 
einzelnen Ställen und in ganzen Bezirken hat keinen anderen 
Grund, als die Vererbung und Inficirung. Ursachen einer ander¬ 
weitigen Entstehung kennen wir nicht, unter allen Umständen ist 
eine andere Entstehung eine grosse Seltenheit, die bedeutungslos 
bleibt, wenn bei der Züchtung solchen exceptionellen Fällen die 
gebührende Rechnung getragen wird. Ebenso gut wie einzelne 
Ställe und ganze Bezirke frei bleiben, ebenso gut kann auch das 
Vieh in anderen Ställen, Orten und Bezirken, die zwischen jenen 
liegen, von der Perlsucht befreit werden, wenn man gesunde 
Stämme einführt und unter sich fortzüchtet. Die Schuld der so 
häufigen Perlsucht tragen die Viehzüchter selbst.“ 

In sehr drastischer Weise drückt sich von Lengercke 93 ) 
(Bd. XII. S. 115) bei Besprechung desselben Gegenstandes aus: 
„Die Tuberculose entsteht beim Rindvieh in erster Reihe durch 
die angeerbte Disposition, in zweiter durch die Habsucht der 
Viehzüchter. “ Nach Besprechung obiger Missstände fährt er dann 
fort: „Die Strafe dafür heisst — Tuberculose. Die Habsucht der 
Menschen gräbt hier das Grab, denn die Natur lässt sich nicht 
spotten. “ 

Die Angaben über dieHäufigeit der Tuberculose sind 
allerdings etwas verschieden. Nach Göring 35 ) (Bd. IV, VI) belief 
sich die Zahl der tuberculösen Thiere in Bayern im Jahre 1877 auf 
1,62, im Jahre 1878 auf l,61°/oo, welche sich der Mehrheit nach auf 
Oberbayern, die Pfalz und Schwaben vertheilen. — Nach Adam 90 ) 
befanden sich von den im Schlachthause zu Augsburg geschlachteten 
Rindern tuberculös: In den Jahren 1871—1874 (4jähr. Durchschnitt): 
1,5 Proc., 1876: 1,84 Proc., 1877: 2,16 Proc., 1878: 2,31 Proc., 
1879: 2,92 Proc., 1880: 2,24 Proc., 1881: 2,01 Proc.— Günther 
und Harms 61 ) (Bd. IV, S. 81) schlagen die Zahl der tuberculösen 
Kühe in Hannover und dessen Umgegend sogar nur auf 4 /3 Proc. an, 
Fischbach 46 ) (1880, S. 13) beziffert sie im Untertaunuskreise nur 
auf 2,5—3 Proc., Jarmer 46 ) (Bd. II, S. 98) für die im Schlacht¬ 
hause zu Liegnitz geschlachteten Rinder auf 2 Proc., Trapp (vergl. 
Zündel 1. c. S. 69) fand i. J. 1880 im Schlachthause zu Strassburg 


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74 


I. JOHNE 


2,20 Proc., Mandel in dem, zu Mülhausen i./E. 3,41 Proc., Zippe- 
lius 90 ) (Bd. XX, S. 190) für die Bezirke Hassfurt, Gerolshofen, Obern- 
burg auf 6,36 Proc. aller Erkrankungsfälle der erwachsenen Rinder. 

Diesen gegenüber stehen die Angaben von Zürn 64 ) (S. 7), der 
für die Umgegend von Jena und für den angrenzenden altenburgischen 
Amtsbezirk Eisenberg 17—20 Proc., von Wolf 53 ) (Bd. XXII, S. 252), 
welcher für die Gegend von Grünberg 15—20 Proc. annimmt, von 
Schanz 52 ) (Bd. VIII, S. 182), welcher die Hälfte des ganzen Vieh¬ 
standes von Hohenzollern-Sigmaringen, und von Al brecht 13 °) (S. 53), 
der die Tuberculose des Rindes für eine in Pommern, vor allem aber 
in dem Regierungsbezirk Bromberg, sehr verbreitete Krankheit und 50 
bis 60 Proc. des ganzen Viehstandes des Netzbezirkes für tuberculös 
hält. Auch Ulrich 52 ) (Bd. VII) spricht von der Franzosenkrankheit 
als einer im Regierungsbezirk Liegnitz sehr häufig beim Rind vorkom¬ 
menden Krankheit, welche nach Jarmer 46 ) (Bd. II, S. 99) im schle¬ 
sischen Kreise Löwenberg unter den holländer Kühen zur stationären 
geworden sein soll. Besonders gravirende Schilderung entwirft Haar¬ 
stick für die Landdrostei Hildesheim und Völlers für Norderdith¬ 
marschen; letzterer erklärt geradezu, im genannten Kreise habe die 
Tuberculose eine so bedeutende Verbreitung gewonnen, dass an der¬ 
selben mehr Thiere zu Grunde gingen, als an allen anderen Krank¬ 
heiten zusammen (ibidem). Aehnlich sollen nach S emmer 62 ) (Bd. XL, 
S. 16) die Verhältnisse in Livland liegen. 

Durch diese Angaben scheint allerdings die schon vielseitig aus¬ 
gesprochene Annahme, dass die Tuberculose des Rindes (man kann 
auch hinzufugen des Schweines) im Norden ungleich häufiger vor - 
kommt, als in den südlichen Theilen Deutschlands, gerechtfertigt. 
Auf die angeführten niederen, aus Schlachthäusern stammenden Zahlen 
darf hierbei indess nicht zu viel Gewicht gelegt werden, da — wie 
schon von verschiedenen Seiten vollkommen richtig betont worden ist 
— die abgemagerten, schon .kachektischen Stücke von dem Besitzer 
selbst oder von gewissen „dunkeln Existenzen tt geschlachtet werden, 
also gar nicht in die städtischen Schlachthäuser kommen. Und gerade 
die Zahl solcher Thiere ist eine ziemlich erhebliche (vergl. auch Zürn). 

Bezüglich der Geschlechts Verhältnisse der tuberculösen 
Rinder scheint es, wenn man nur die geschlachteten Thiere in An¬ 
schlag bringt, als ob die weiblichen häufiger befallen würden, als die 
männlichen. Nach Göring (l. c.) waren 

1877 von 4976 tubercul. Rindern 869 männl. u. 4107 weibl. Geschl. 

1878 = 4760 = = 997 3763 = 

Adam (l. c.) rechnet für sämmtliche im Schlachthof zu Augsburg 
getödteten Rinder 


1875 

0,4 Proc. 

männliche und 

0,9 Proc. weibliche 

1876 

0,5 = 

•= 

= 

1,2 = 

1877 

0,70 = 


= 

4,75 = 

1878 

1,19 = 

= 

= 

5,84 = 

1879 

1,28 = 

= 

= 

8,22 = 

1880 

1,24 = 

= 

= 

4,32 = 

1881 

1,09 -- 

- 

= 

3,36 = 


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Geschichte der Tuberculose. 


75 


tuberculöse Schlachtthiere heraus. Wie er schon selbst betont, ist aber 
hierbei auf den Umstand Rücksicht zu nehmen, dass die meisten Tuber- 
culose-Erkrankungen über das 6. Jahr hinaus Vorkommen, ein Alter, 
das meist nur Kühe erreichen, während männliche Rinder schon vor 
diesem Alter der Schlachtbank verfallen. Ein richtigeres Urtheil über 
die Betheiligung der Geschlechter wird gewonnen, wenn man die Ge- 
sammtviehzahl der Rechnung zu Grunde legt. Darnach kommen in 
Bayern nach Göring (1. c.) im Jahre 1877 auf 1000 Rinder des Ge- 
sammtviehbestandes überhaupt 5,84 Stiere, 1,39 Ochsen, 2,50 Kühe, 
0,35 Jungrinder und 0,09 Kälber. Zippelius 90 ) (Bd. XX, S. 191) 
fand 2,20 Proc. der in seinem Bezirk vorhandenen Farren, und nur 
0,9 Proc. der lebenden Kühe tuberculös. 

Ueber die Häufigkeit des Auftretens der Tuberculose 
bei den einzelnen Rindviehragen fehlen vorläufig noch ge¬ 
naue Unterlagen. Im Allgemeinen ist man geneigt den Niederungs¬ 
schlägen eine grössere Disposition zur Erkrankung an Tuberculose zu¬ 
zuschreiben, besonders steht die holländer Rage in diesem Verdacht. 
Nach Göring 35 ) (Bd. IV) scheint dem allgäuer Vieh eine grössere 
Disposition inne zu wohnen, als den übrigen bayerischen Landschlägen. 

Was die Ausbreitung des tuberculösen Processes im 
Organismus selbst anbelangt, so stellt sich das Verhältniss nach 
Göring (l. c.) in Bayern, wie folgt: 

Es litten von den geschlachteten Rindern 
a) an Lungentuberculose und Tuber¬ 
culose der serösen Häute (Perl¬ 
sucht) 


b) Lungentuberculose allein . . 

. = 33 = 

= 33,9 

c) Perlsucht allein. 

. = 17 = 

= 15,2 

d) Tuberculose anderer Organe . 

. = 8 * 

= 3,5 


1877 41 Proc., 1878 47,2 Proc. 


Nach Adam’s Zusammenstellungen 
culose ihrem Sitze nach so, dass 


vertheilte sich die Tuber- 


1874 

1876 

1877 

1878 

1879 

1880 

1881 

von 

11331 

von 

13241 

von 

12799 

von 

10965 

von 

10988 

von 

11688 

von 

12269 

84 

135 

149 

109 J 

129 

112 

68 

31 

81 

92 

117 

149 

105 

144 

16 

22 

33 

28 

43 

46 

i 

37 


Rindviehstücken, welche im Schlachthaus zu Augsburg geschlachtet 
wurden, an Tuberculose der Lungen und serösen Häute, nur an 
Lungentuberculose, und nur an Tuberculose der serösen Häute ge¬ 
litten hatten. In einzelnen Fällen fand sich nur eine Tuberculose 
der Leber, in anderen Fällen war neben Perlsucht und Lungentuber ¬ 
culose noch eine Tuberculose des Uterus, der Ovarien, der Nieren etc. 
zugegen. 


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76 


I. JOHNE 


Ueber den Einfluss der Tuberculose auf die Qualität 
des Fleisches im Allgemeinen liegen folgende ziffernmässige 
Nachweise vor: 


Jahr 

Nach Göring in ganz 
Bayern geschlachtet 

Nach Adam im Schlachthause 
zu Augsburg geschlachtet 

Zahl der 
tuberculösen 
Rinder 

1 Qualität d. Flei¬ 
sches in Proc. 

Zahl der 
tuberculösen 
Rinder 

Qualität des Fleisches 
in Proc. 

I 

11 

III 

0 

I 

1 II 

III 

0 

1876 



_ 

_ 


243 

11,7 

17,6 

61,7 

8,6 

1877 

4278 

10 

45 

45 

— 

277 

6,1 

23,8 

61,7 

8,3 

1878 

4538 

8 

44 

47 

81 

256 

10,5 

23,4 

59,7 

5,8 

1879 

— 

— 

— 

— 

— 

321 

8,0 

16,5 

70,7 

4,6 

1880 

— 

— 

— 

— 

— 

262 

11,1 

15,6 

67,1 

6,1 

1881 

— 

— 

— 

— 

— 

246 

8,9 

11.8 

72,3 

7.3 


1 





6jähr. Durch¬ 











schnitt bei 











1605 Stück 

9,38 

18,11 

65,53 

5,9E 


Diese Verhältnisse müssen und werden sich sofort ändern, 
wenn seitens der Medicinalpolizei der Tuberculose des Rinde» 
und der übrigen Schlachttbiere als einer Quelle der menschlichen 
Tuberculose wiederum eine grössere Beachtung gewidmet, wenn 
der schrankenlosen Verwerthung der Milch tuberculöser Kühe zur 
Kinderernährung und der rücksichtslosen Verwerthung des Flei¬ 
sches solcher Thiere zum Genuss ein Damm entgegengesetzt wird» 
Es wird dann, wie schon bemerkt, eine der Aufgaben der 
Veterinärpolizei sein, die Tuberculose unserer Hausthiere theils 
durch Verordnungen, theils durch Belehrung der Viehzüchter zu 
bekämpfen. Besonderes Gewicht wird hierbei auf die verschiede¬ 
nen möglichen Infectionswege und die zu deren Verlegung nöthi- 
gen Maassnahmen zu legen sein. 


I. Mögliche Infectionswege« 
a) Die intrauterine Infection. 

Die Tuberculose kann ererbt oder angeboren sein, d. h. sie 
kann durch den Zeugungsact auf das Ei übertragen, oder der 
gesund angelegte Embryo kann von der kranken Mutter inficirt 
werden. 

Wenn auch für die menschliche Tuberculose die intrauterine 
Infection noch vielfach geleugnet oder mindestens sehr in Zweifel 
gestellt wird, so kann dieselbe doch für die Tuberculose c|es Rin- 


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Geschichte der Tuberculose. 


77 


des, und ganz bestimmt auch die des Schweines, als sichere und 
ziemlich häufige Ursache angenommen werden. Wiederholt ist 
schon beobachtet worden, dass neugeborene oder im Alter von 
3—6 Wochen geschlachtete, vor Allem aber, dass noch unge- 
geborene oder abortirte Föten bereits mit Tuberculose behaftet 
waren. 

Beispiele hierfür berichten Chauveau 80 ) (1873, p. 929), 
König und Eberhardt 53 ) (Bd. 19 und 39), Adam und Ott 90 ) 
(Bd. I, S. 53, Bd. XX, S. 38, Bd. XXI, S. 61, Bd. XXII, S. 41 und 
265 und Bd. XXV, S. 107), Müller 3 *) (1880, 8. 64), Kreutzer 5 *) 
(8. 624), Köhler und Hetjemeier 63 ) (1846, S. 197 und 1857, 
8. 151), Esser, Kühnert, Hagen, Ulrich, Schanz 52 ) 
(Bd. VIII, S. 182 und Bd. XV, 8. 81), Rychner und Im Thurm 50 ), 
Scholz, Röttiger, Kolb, Fischbach 46 ) (Bd. II, S. 101, 103 
undBd. VI, 13), Sommer 62 ) (Bd. XL, S. 10) und Andere. Göring 35 ) 
(Bd. IV, S. 289) bemerkt hierzu noch, dass in nahezu sämmtlichen 
Berichten der bayerischen Bezirksthierärzte vom Jahre 1877 die 
Heredität der Rindstuberculose als ganz bestimmte Thatsache ange¬ 
führt worden sei. In 123 Fällen habe man dieselbe speciell auf die 
Mutter, in 43 Fällen anf den Vater zurückgeführt. Jedenfalls seien 
die 12 Proc. sämmtlicher Tuberculosenfälle bei Thieren bis zum 3. 
Lebensjahre sämmtlich hier einzureihen. Im Jahre 1878 hätten die¬ 
selben Berichterstatter 23 Fälle der Vererbung von mütterlicher Seite 
mitgetheilt. Aehnliche Mittheilungen (vergl. besonders die eclatanten 
Fälle von Zippel ins 85 ) (Bd. XX, S. 198), welche namentlich auch 
die Vererbung durch tuberculöse Zuchtbullen wahrscheinlich machen, 
finden sich wiederholt in der thierärztlichen Literatur. Gerade ihr 
wird von vielen Autoren die rasch zunehmende Verbreitung der Tu¬ 
berculose unter der Nachzucht zugeschrie'ben. Ger lach 33 ) (S. 52) 
hält die Vererbungsfähigkeit der ersteren für so eminent, dass ein¬ 
zelne tuberculöse Individuen in einem Hornviehbestand genügten, die 
Krankheit durch fortgesetzte Inzucht nach mehreren Generationen 
unter der ganzen Heerde zu verbreiten, eine Annahme, welcher sich 
Verfasser auf Grund seiner zahlreichen Beobachtungen im vollen 
Umfange anschliessen muss. 

Für Schweine gelten ganz dieselben Gesichts¬ 
punkte. 

b) Die extrauterine Infection. 

Es ist die Möglichkeit vorhanden, dass das geborene Thier, 
z. B. Kalb, inficirt wird. Hierbei ist Bedacht zu nehmen 

a) auf die Thatsache , dass die Tuberculose durch die Ver¬ 
dauungswege , namentlich durch Genuss von Milch und Fleisch tu¬ 
berkulöser Thiere übertragen werden kann . 

Es steht fest, dass Kälber durch die Milch tuberculöser 
Mütter inficirt werden können. Das in der Milch tuberculöser, 


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78 


I. JOHNE 


namentlich mit Eutertuberculose behafteter Kühe enthaltene Virus 
wird mit dieser aufgenommen. Der anatomische Befund, der 
Infectionsgang im Organismus, die angestellten Ftttterungsversuche 
(vergl. S. 29) und eine Menge gut beobachteter klinischer Fälle 
sprechen zweifellos hierfür. 

Gerlach 33 ) (S. 52) erklärte die Infection der Kälber durch 
solche Milch nächst der Vererbung geradezu für das zweit wichtigste 
ätiologische Moment. Von den schon citirten Fällen ist besonders 
instructiv der von Zippelius mitgetheilte, dem sich noch eine eben 
solche experimentelle Beobachtung von Aufrecht anreiht. Ersterer 
fand bei einem an Diarrhoe eingegangenen Kalbe, das von einer 
wegen hochgradiger Tuberculose geschlachteten Kuh abstammte, 
gürtelförmige, tuberculose Darmgeschwüre und Tuberculose der Darm¬ 
serosa. Letzterer 77 ) (1882, S. 291) fand eine ausgebreitete Miliar- 
tuberculose der Leber bei einem 37 Tage alt gewordenen Kaninchen, 
dessen Mutter einen Tag nach seiner Geburt durch subcutane Im¬ 
pfung mit einer Spritze voll perlsüchtigen Massen tuberculös gemacht 
worden war. Ebenso führt noch Völlers 46 ) (Bd. II, S. 101) an, 
dass Kälber, welche nachweislich von nicht tuberculösen Eltern 
stammen, vielfach mit Tuberculose inficirt würden, wenn sie die Milch 
tuberculöser Kühe erhielten. 

Uebrigen8 kann durch dergleichen Milch die Tuberculose 
auch auf Schweine übertragen werden, die gerade in Nord¬ 
deutschland, wo solche, wie schon bemerkt, am häufigsten unter 
den Kühen vorkommt, in ziemlicher Ausbreitung auftritt. Es lie¬ 
gen Beobachtungen vor, dass ganze Schweinefamilien und Zuch¬ 
ten durch den Genuss von Molkerei- und Käsereiabfällen, welche 
von tuberculösen Bindern abstammen, nach und nach an der 
gleichen Krankheit zu Grunde gingen. Vielfach fällt das Auf¬ 
treten der Tuberculose unter den Schweinen mit dem unter den 
Kühen derselben Wirthschaft zusammen. 

Aber auch das Fleisch tuberculöser Thiere kann, wie aus¬ 
führlich erörtert, die^Ursache zur Ausbreitung der Tuberculose 
werden. Hier kommen fast nur die Schweine in Betracht. An 
Perlsucht verendete, oder beim Schlachten als gänzlich unbrauch¬ 
bar für den menschlichen Genuss erklärte Binder werden von 
dem sparsamen Landwirth hier und da noch als billiges Mast¬ 
futter für, Schweine verwendet. Wie leicht hierdurch die Tuber¬ 
culose der Kühe auf diese übertragen werden kann, lehren die 
gelungenen Ftitterungsversuchen mit perlstichtigen Massen. 

In wie weit expectorirte, schleimig-eitrige Massen 
(Sputum), welche Tröge und Wände und das Futter besudeln und 
beim Husten oft weit fortgeschleudert werden, die Infection auf dem 


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Geschichte der Tuberculose. 


79 


Wege der Verdauung dadurch vermitteln können, dass nebenstehende 
Kühe sie ablecken oder das im Troge der kranken Kühe liegen ge¬ 
bliebene Futter fressen (vergl. S. 80), bleibt weiter zu untersuchen. 
Die zahlreichen vorliegenden, scheinbar dafür sprechenden Beobach¬ 
tungen lassen sich ebenso gut auf eine Infection von den Athmungs- 
wegen aus zurückführen. 

ß) Auf die extrauterine Infection gesund geborener Thiere 
durch die Athmungsluft , durch Cohabitation, d. h. durch das Zu¬ 
sammenleben kranker und gesunder Thiere in einem Stalle. 

Schon die von Tapp ein er etc. angestellten Inhalationsver¬ 
suche (vergl. S. 29) hatten die Möglichkeit der Uebertragung der 
Tuberculose durch die Athmungsluft bewiesen. Durch Cohn- 
heim’s Nachweis des Infectionsganges (vergl. S. 46) war diese 
Art der Infection anatomisch klar gelegt, durch Koch’s Versuche 
mit menschlichem Sputum (vergl. S. 52) aber so zweifellos ge¬ 
worden, dass die beim Menschen vorliegenden, zahlreichen klini¬ 
schen Erfahrungen hierdurch ihre volle wissenschaftliche Bestäti¬ 
gung erhielten. 

Vergl. die Mittheilungen von Villemin, Berthet, Paider, 
Galliga 137 ), Catton 138 ), Windrif 95 ) (1867, No. 4), Weber 139 ), 
Boas und Rhoden 140 ), Klein 141 ), Reich 31 ) (1878, S. 24 und 
37), Drysdale 71 ) (1868, Februar) etc. Die Mittheilung von Reich 
verdient speciellere Erwähnung, ln Neuenburg, einem Ort von 
1300 Einwohnern starben vom 11. Juli 1875 bis 29. September 1876 
zehn von einer phthisischen Hebamme entbundene Kinder an Menin¬ 
gitis tuberculosa, welche in der Zeit vom 4. April 1875 bis 10. Mai 
1876, d. h. ein Jahr vor dem Tode der Hebamme geboren worden 
waren. Keine derselben war mit erblicher Anlage belastet. Von den 
von der anderen Hebamme des Ortes entbundenen Kindern litt keines 
an tuberculösen Krankheiten. Die erstgenannte hatte die Gewohn¬ 
heit gehabt, neugeborenen Kindern den Schleim zu aspiriren, resp. 
bei leichten Graden von Asphyxie Luft einzublasen. Ref. fügt noch 
hinzu, dass in Neuenburg die tuberculöse Meningitis niemals ende¬ 
misch vorgekommen sei. In neun Jahren seien von circa 92 im Jahre 
geborenen Kindern* nur 2 daran erkrankt. — Ebenfalls auf An¬ 
steckung durch die Athmungsluft, d. h. auf Einathmen zerstäubter 
Sputa zurückzuführen ist der neuerdings von Krüche 143 ) beobach¬ 
tete Fall, in dem der Sohn einer durchaus gesunden Familie und 
selbst gesund und von robustem Körperbau einige Wochen nach einem 
Erholungsaufenthalte in einem Luftcurorte an Miliartuberculose er¬ 
krankte. Als einzige Ursache der letzteren konnte nur der Umstand 
ermittelt werden, dass in dem Zimmer, welches er dort benutzt hatte, 
kurz vorher ein Patient mit Tuberculose im Stadium der eitrigen 
Schmelzung logirt und dasselbe Bett benutzt hatte. — Vergl. auch 
Baumgarten und Hirsch, Sitzg. d. V. f. wissensch. Heilk. in Kö¬ 
nigsberg. 31 ) (1882. S. 689. 


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80 


I. JOHNE 


Ungeachtet der von Haubner 56 )(1880, S.204) u. Anacker 136 ) 
(S. 325) noch in den letzten Jahren erhobenen Zweifel bricht sich 
für die Tubercnlose des Rindes mehr und mehr die Ueberzeu- 
gung Bahn, dass auch diese dnrch Cohabitation weiter verbreitet 
werden könne, dass sie also nicht nur eine erbliche, sondern auch 
eine direct ansteckende Krankheit sei. Experimentelle Untersu¬ 
chungen hierüber sind allerdings so gut wie nicht vorhanden. 

Günther und Harms 61 ) (1871, S. 97) hingen fünf Kaninchen 
in einem Käfig dergestalt vor dem Kopfe einer tuberculösen Kuh 
auf, dass diese die Exspirationsluft derselben einathmen mussten. Der 
Erfolg war negativ. 

Andererseits berichtet Gibaux 7 ) (1882, p. 1391) folgenden 
Versuch mit positivem Erfolge. In hölzernen Kästen von 4 1 /« OM. 
brachte er je zwei gesunde Kaninchen unter, welche von einem Wurfe 
und von einer Mutter stammten, die bei der Section ganz gesund be¬ 
funden wurde, ln den einen dieser Kästen liess man durch 127 Tage 
täglich 20 bis 30 Liter Exspirationsluft einströmen, welche mittelst 
Spirometer von Phthisikern 2. und 3. Grades entnommen worden war. 
Dem anderen Kasten wurde in gleicher Weise Exspirationsluft von 
gesunden Menschen zugeftthrt. Nach 4 monatlicher Dauer des Ver¬ 
suches waren die beiden Kaninchen in lezterem Kasten noch vollstän¬ 
dig nfunter und gesund, während die im ersteren mager und kraftlos 
geworden waren, Diarrhoe, und bei der Section Lungentuberculose* 
und Geschwüre im Ileum zeigten. 

Dagegen liegen eine Anzahl gut beobachteter klinischer Fälle 
vor, welche ganz unzweifelhaft für diese Thatsache sprechen. 

Von Göring (1. c.) werden in Bayern für die Jahre 1877 
und 1878 27 Fälle von Cohabitation erwähnt. Weitere Mitthei¬ 
lungen liegen vor von Lossner und Lehnert 59 ) (Bd. XVII), 
Feldbauer 36 ) (Bd.VI, S. 141), Renner 90 ) (Bd. XX, S. 297), 
ßouley 142 ), Haarstick und Haas 46 ) (Bd. II, S. 99), Tous¬ 
saint und Chauveau 7 ) (Tom. 93, No. 6, p. 322 und 121 ) (1881, 
p. 481), Ja mm (Bad. thierärztl. Mitth. 1882. S. 105) u. A. Mehr¬ 
fach wird geradezu behauptet, dass die Tuberculose durch eine 
damit behaftete Kuh in ganz gesunde Ställe eingeschleppt und 
in diesen durch Ansteckung weiter verbreitet werden könne. 
Immer seien die Stücke zunächst befallen worden, welche neben 
dem kranken Thiere gestanden oder mit ihm aus einem Kübel 
oder Trog gefressen hätten. Eine vollständige Ausrottung der 
Krankheit sei nur durch Abschlachtung des ganzen Viehstandes, 
Desinfection, beziehungsweise Umbau des Stalles und Ankauf 
eines neuen gesunden Stammes möglich gewesen. 

Als durch Ansteckung entstanden dürften namentlich die bei 


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Geschichte der Tuberculose. 


8L 


älteren, in überfüllten, schlecht ventilirten Ställen gehaltenen 
Kühen entstehenden käsigen Pneumonien und Tuberculosen an¬ 
zusehen sein. 

Es sind dies speciell jene phthisischen Processe, welche, im All¬ 
gemeinen den gleichen Veränderungen beim Menschen entsprechend, 
früher von Siedamgrotzky 30 ) (Bd. IV, S. 401) specieller unter¬ 
sucht worden sind. Dieser Autor lässt sie aus chronischen, bron- 
chitischen und peribronchitischen Processen hervorgehen, welche zum 
Emphysem, Atelektase, Oedem, zur verkäsenden Desquamativpneu¬ 
monie und endlich zur Verkäsung, Bronchiektasien und Cavernen- 
bildung führen. Die Verkäsung soll, ganz der Buhl’schen Käse- 
infectionstheorie entsprechend, erst in zweiter Linie zur Tuberculose 
der Lunge, der Pleura etc. führen,* sich also secundär der käsigen 
Pneumonie anschliessen. 

Nachdem die Specifitätslehre für die sämmtlichen tuberculosen 
Processe zum Dogma erhoben, die Buhl’sche Theorie vollständig 
widerlegt und die käsige Pneumonie des Menschen namentlich durch 
Cohnheim’s Arbeiten als eine Form der Tuberculose anerkannt 
worden ist — nachdem ferner von Koch die specifischen Tuberkel¬ 
bacillen auch in den breiig - käsigen Knoten der Rindslunge, die 
seiner Beschreibung nach der käsigen Pneumonie zugerechnet werden 
müssen 31 ) (1882, S. 225), nachgewiesen wurden, dürfte auch die 
käsige Pneumonie des Rindes als ein tuberculöser Process, als eine 
eigentliche Tuberculose aufzufassen sein. Auch hier ist sicher die 
Verkäsung das Product des specifischen Tuberkelvirus, dessen Wir¬ 
kung sich, wie Orth (vergl. S. 47) wohl sehr richtig ausdrückt, je 
nach der eingedrungenen Menge und der Reactionsfähigkeit des Orga¬ 
nismus verschieden gestalten kann. 

Da tuberculöse Producte nur dort entstehen, wo das Tuberkel¬ 
virus längere Zeit eingewirkt hat, gerade in der Umgebung der von 
Siedamgrotzky beschriebenen käsig degenerirten Lungenpartien ; 
sowohl im Lungenparenchym, als auch auf der Lungenpleura typische 
Tuberkeln in grösserer oder kleinerer Anzahl entstehen, so muss 
nothwendiger Weise der Käseherd das Virus enthalten, der sich in 
ihm als primäres Product desselben Virus fortgesetzt reproducirt. 

Durch diese veränderte Deutung des Processes verliert die von 
Siedamgrotzky sehr treffend besprochene Aetiologie der denselben 
einleitenden chronisch katarrhalischen Erkrankungen der mittleren 
und feineren Bronchien und diese selbst nicht an Bedeutung. Beide 
bilden gewissermassen die Prädisposition. Koch hat gezeigt, dass 
das Einnisten der Tuberkelbacillen gewisse begünstigende Momente, 
wie stagnirendes Secret, Entblössung der Schleimhaut vom schützen¬ 
den, Epithel etc. voraussetze. Nun gut! Die oberflächliche unkräf¬ 
tige Exspiration unserer Stallrinder, die mangelhafte Expectoration 
und die hierdurch bedingte Verhaltung und Zersetzung des zähflüs¬ 
sigen Bronchialsecretes sammt den hierdurch bedingten bronchitischen 
Erkrankungen erzeugen eben jene begünstigenden Umstände. 

In welcher Weise die Ansteckung durch Cohabitation er- 

Deatsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX.Bd. 6 


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82 


I. JOHNfi 


folgt — ob durch mit der Exspirationsluft fortgerissene Bacillen, 
oder durch Hustenstösse fortgeschleuderte und zerstäubte infectiöse 
Schleim- und Eiterpartikelchen oder endlich durch die freiwillig 
aus der Nase ausfliessenden, infectiösen, eitrig-schleimigen Sputa, 
welche Tröge, Eaufen und Wände besudeln, dann eintrocknen 
und später wieder zerstäuben, ist zur Zeit noch nicht ermittelt. 
Es ist aber zu präsumiren, dass gerade die durch Hustenstösse 
herausgeschleuderten weichen, käsigen Producte und der schleimig¬ 
eitrige Inhalt der Bronchiektasien bei der käsigen Pneumonie am 
leichtesten zum Vermittler der Infection werden können. 

Bei Beurtheilung dieser Verhältnisse verdienen die von Wer- 
nich 67 ) (Bd. 79, S. 451), und von C. v. Nägeli und H. Büchner 77 ) 
(1882, Nr. 29), sowie die von Balmer und Fraentzel 31 ) (1882, 
S. 679) angestellten Untersuchungen die höchste Beachtung. 

Ersterer fasst das Ergebniss derselben in folgenden Sätzen zu¬ 
sammen : 

I. a) Ganz compact zusammengetrocknete, ob durch Contact auch 
noch so ansteckungsfähige Mikroorganismencomplexe geben selbst an 
die stärksten Luftströmungen keine tibertragungsfähigen Keime ab- 

b) Auf festgefügte Substanzen angetrocknete, in Flüssigkeiten 
leicht zur Entwicklung zu bringende Krusten von Spaltpilzen etc. 
werden von Luftströmen weder in toto noch theilweise abgerissen. 

c) Gröberer und feiner Staub geht leicht in Luftströme von ent¬ 
sprechender Schnelligkeit über. 

d) Poröse Körper verschiedener Art, welche mit keimhaltigen 
Flüssigkeiten verunreinigt und dann vorsichtig, aber gründlich ge¬ 
trocknet wurden, erleiden durch starken Luftstrom genügende Er¬ 
schütterungen, um Keime enthaltende Staubtheile an die Luft abzu¬ 
geben. 

. II. a) Dagegen genügt eine geringe Benetzung der porösen, 
verunreinigten Körper, um diese Folgen zu verhindern. — Gleich- 
mässig schleimige, nicht sehr klebrige, mit Spaltpilzen bedeckte Flä¬ 
chen kann ein genügend lange unterhaltender Luftstrom partiell aus¬ 
trocknen und auch von den ausgetrockneten Stellen Partikelchen, die 
zur Infection genügen, mit sich führen. 

b) Gleichmässige Flüssigkeiten geben darin enthaltene Keime nur 
an sie durchsetzende Luftströme ab, so dass jene eigentlich mit¬ 
telst mechanischen Wassertransportes (Verspritzen) weiter gelangen. 
U e b e r die keimhaltigen Flüssigkeiten hinziehende Luftströme bleiben 
frei, ausser wenn Schaumbildung auf der Oberfläche solcher Flüs¬ 
sigkeiten stattgefunden hat. In diesem Falle werden die in den 
Schaumblasen enthaltenen Keime mit den Flüssigkeitstheilchen auch 
durch schwache Luftbewegungen fortgeführt. 

Zu gleichen Resultaten gelangten in der Hauptsache Nägeli 
und Büchner. Auch sie konnten constatiren, dass auf festen Unter¬ 
lagen eingetrocknete Spaltpilze nur dann von darüber hinstreichenden 
Luftströmen fortgerissen werden, wenn die Unterlage merkliche Er- 


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Geschichte der Tuberculose. 


83 


schütterungen oder sonstige mechanische Veränderungen (Wärmeaus¬ 
dehnung) erleidet, welche zur Absplitterung der angetrockneten Ueber- 
zügp führt. Zugleich wiesen sie aber nach, dass auch beim Einsickern 
bacterienhaltiger Flüssigkeiten in Sandboden und bei ungleichmässiger 
Austrocknung desselben ein Zerspringen von zwischen einzelnen Sand¬ 
körnchen stehenbleibender Wasserhäutchen und ein mechanisches Ab¬ 
schleudern kleinster, bacterienhaltiger Flüssigkeitstheilchen bewirkt 
wird, welche alsdann durch Luftströmung weiter geführt werden können. 

Balmer und Fraentzel fanden in jedem Falle bei 120 Tu- 
berculösen Bacillen im Sputum, deren Menge mit Zunahme des Zer- 
störungsprocesses in der Lunge grösser wurde und sub finem vitae 
ihr Maximum erreichte. Am grössten und deutlichsten war die Sporen¬ 
bildung in allen schnell verlaufenden Fällen von Lungentuberculose 
mit Fieber, Nachtschweissen etc. 

y. Auf die extrauterine Infection durch den Coitus . 

Ob die Möglichkeit einer solchen, welche beim Menschen 
nicht bezweifelt wird (Cohnheim), auch bei Thieren anzuneh¬ 
men ist, lässt sich aus den vorhandenen Beobachtungen nicht 
ohne Weiteres folgern. Jedenfalls ist sie aber bei bestehender 
Urogenitaltuberculose, die namentlich bei Kühen gar nicht so 
selten ist, wohl im Auge zu behalten. 

In der thierärztlichen Literatur finden sich nur einzelne hierfür 
sprechende Beobachtungen aufgeführt. So ein Fall von Zippe lius 90 ) 
(Bd. XX, No. 23), welcher die Uebertragung vom Bullen auf 10 Kühe, 
und von Haarstick 46 ) (Bd. II, S. 99), welcher die Ansteckung von 
ca. 60 Kühen ganz gesunder Abstammung durch einen hochgradig 
tuberculösen Sprungbullen beobachtet haben will. 

<J. Auf die sog . constitutioneile Anlage , die Prädisposition . 
Dieselbe hat von jeher eine wichtige Rolle in der Aetiologie der 
Tuberculose gespielt und darf ihr Werth als solche trotz der 
bewiesenen Infectiosität derselben auch heute noch nicht zu ge¬ 
ring angeschlagen werden. Wie bei der Tuberculose des Men¬ 
schen hat man sich dieselbe auch speciell heim Rind etc. als 
eine locale Schwäche, eine abnorme Beschaffenheit einzelner 
Gewebe zu denken, welche das Eindringen des Tuberkelvirus 
und seine Weiterentwicklung in besonderer Weise begünstigt. 

Die Constitutionsanomalie kann ererbt oder erworben, indi¬ 
viduell oder Rageeigenthttmlichkeit sein. Alles, was den Orga¬ 
nismus schwächt, vermag eine solche Prädisposition bervorzu- 
rufen. Beschuldigt wird namentlich: 

a) Die extensive Ernährung mit wasserreichem 
Brüh- und Gesöttfutter, Wurzelwerk und Fabricationsrückständen 
(Schlämpe etc.). 

6 * 


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84 


I. JOHNE 


b) Dauernder Aufenthalt in schlecht ventilirten, 
heissen, dunstigen, überfüllten Stallungen, Mangel 
an Bewegung in frischer, reiner, sauerstoffreicher 
Luft — alles Momente, welche nicht nur die Anhäufung des 
von einzelnen tuberculösen Individuen exspirirten Virus in der 
Stallluft bedingen, sondern auch, wie schon S. 81 bemerkt, in 
Folge Abminderung der Athmungsenergie die zur Aufnahme des¬ 
selben nöthige kranke Beschaffenheit der Respirationsschleim¬ 
häute erzeugen. Feuchtigkeit und Wärme in Stallungen von der 
gerügten Beschaffenheit sind ja die besten Lebensbedingungen 
für in der Luft suspendirte Mikroorganismen und deren Keime; 
die Abschwächung der Lungenathmung schafft den zu ihrer 
Weiterentwicklung geeigneten Boden. Rechnet man hierzu noch 
die Einwirkung des in der Luft solcher schlecht ventilirten und 
in der Regel noch schlechter canalisirten Stallungen meist ausser¬ 
ordentlich reichlich angehäuften Ammoniaks, des Productes der 
Zersetzung fester und flüssiger Excrete der Stallthiere, auf die 
Respirationsschleimhaut und das Blut derselben, so drängt sich 
unabweisbar die Ueberzeugung auf, dass gerade diesem prädis- 
ponirenden Moment bei der Weiterverbreitung der Tuberculose 
ein ganz erheblicher Antbeil zufällt. Es darf unter solchen Ver¬ 
hältnissen nicht befremden, wenn unter allen Hausthiergattungen 
gerade das Rind es ist, welches bei der heutigen, sogen, rationel¬ 
len, reinen Stallfütterung am häufigsten an Tuberculose leidet. 

Z i p p e 1 i u s 9# ) (Bd. XX, S. 191) macht sehr treffend auf die That- 
sache aufmerksam, dass die Tuberculose beim Rind am häufigsten in 
engen, tiefen Thäiern und eng zusammen gebauten Orten, besonders 
aber in Stallungen vorkomme, die schlecht ventilirt seien. In neun 
Orten des Bezirks Odernburg, die hoch gelegen seien und nur 
ärmliche, aber luftige Stallungen aus Lehmfachwerk besässen, wäre 
unter 1637 Rindern seit 6 Jahren kein einziger Tuberculosefall vor¬ 
gekommen. 

c) Hochgesteigerte Stoffproduction an Milch und 
Kälbern. Der intensive landwirthschaftliche Betrieb arbeitet 
vor Allem auf die Zucht milchreicher Ragen hin. Er betrachtet 
die Kühe vielfach nur als Milchmaschinen, ohne dabei zugleich 
für eine naturgemässe Aufzucht und Haltung, und für öine sorg¬ 
fältige Auswahl möglichst gesunder Zuchtthiere in der wün¬ 
schenswerten Weise besorgt zu sein. Man züchtet einfach nach 
Leistung! 

Alle diese Dinge können, vom Standpunkt der Infections- 
lehre betrachtet, ferner nur noch als solche gewürdigt werden, 


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Geschichte der Tuberculose. 


85 


welche für sich allein die Tuberculose niemals zu erzeugen 
vermögen. Ohne gleichzeitige Mitwirkung des specifischen Tu¬ 
berkelbacillus kann nichts von alledem die Tuberculose hervor- 
rufen. Sie erzeugen aber eine Prädisposition, eine krankhafte 
Geneigtheit des Organismus, welche, wie schon gesagt, der In- 
fection und dem Fortschreiten der Krankheit Vorschub leisten. 


II. Die mit Berücksichtigung' dieser Infeetionswege 
zur Bekämpfung der Tuberculose unserer Hausthiere, speeiell 
des Bindes, nüthig erseheinenden Maassnahmen. 

a. Alle tuberculösen Thiere sind streng von der Zucht aus- 
suschliessen. Da die Diagnose intra vitam aber, wie schon er¬ 
wähnt, nicht immer möglich ist, so wtirde bei Durchführung 
dieser Maassregel der bei einer rationell durchgefUhrten Fleisch¬ 
beschau sich ergebende Sectionsbefund bei den einzelnen Rin¬ 
dern mit zu Grunde gelegt werden müssen. Stellt sich beim 
Schlachten einer Kuh, eventuell eines Schweines, heraus, dass 
solche tuberculös sind, so würde deren gesammte Nachkommen¬ 
schaft von der Zucht auszuschliessen sein. Eine vorhan¬ 
dene Urogenitaltuberculose beim männlichen Thier macht die¬ 
selbe Maassregel nothwendig. Wird ein geschlachtetes Kalb 
tuberculös gefunden, so muss mindestens die Mutter, streng 
genommen beide Eltern, dasselbe Schicksal treffen. 

(t. Alle nachweislich tuberculösen Thiere sind von den ge¬ 
sunden zu separiren und möglichst bald zu schlachten , da sie 
eine fortgesetzte Productionsstätte des Tuberkelgiftes bilden. 

y. Die Stellen im Stalle, an welchen sich die tuberculösen 
Thiere befunden haben, sind zu desinficiren. In welcher Weise 
diese Desinfection durchzuführen sein wird, darüber werden die 
noch anzustellenden Untersuchungen sichere Anhaltepunkte geben. 
Vorläufig dürfte sich mehrmalige gründliche Reinigung der Krip¬ 
pen und Raufen, sowie des Fussbodens und der Stallwand, so 
weit alle diese Dinge von Nasenschleim etc. besudelt werden 
konnten, mit 10 proc. Carboisäurelösung oder Sublimatlösung 
1: 5000 als rathsam erweisen. In wie weit auch durch Desin¬ 
fection der Stallluft eine Zerstörung der in derselben suspen- 
dirten Tuberkelbacillen und deren Sporen möglich sein dürfte, 
bleibt noch festzustellen. Jedenfalls kann diese Frage vor ex- 


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86 


I. JOHNE 


perimenteller Prüfung der Widerstandsfähigkeit des Virus gegen 
die verschiedenen Desinfectionsmittel nicht entschieden werden. 

6. Alte eine krankhafte Prädisposition erzeugende Momente 
sind möglichst zu beseitigen und ist für eine naturgemässe Hal¬ 
tung und Fütterung mit Vermeidung aller schwächenden Einflüsse 
zu sorgen. 

Neben entsprechenden Fiitterungs- und Zuchtverhältnissen, 
auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, würde vor 
Allem auch für eine gehörige Ventilation des Stalles zu 
sorgen sein. Diese verhütet nicht nur die Anhäufung des In- 
fectionsstoffes in der Stallluft, sondern erregt und begünstigt 
auch eine normale kräftige Athmung und eine normale Expecto- 
ration. Hierdurch bleiht die Schleimhaut der Luftwege gesund, 
der beste Schutz gegen die Infection durch die Athmungsluft. 
Viel Aufenthalt im Freien dürfte als wesentliches Präser¬ 
vativ nicht zu vergessen sein. 


Mit vorstehender Arbeit dürfte die in der Ueberschrift ge¬ 
stellte Aufgabe im Allgemeinen erfüllt sein. Vollständig zu lösen 
war Verfasser sie nicht im Stande, da die Tragweite der Koch’- 
schen Entdeckung zur Zeit noch nicht zu ermessen ist. An der 
Hand der Geschichte dürften sich aber diejenigen Directiven 
ergeben haben, denen entsprechend Medicinal- und Veterinär¬ 
polizei künftig zu handeln haben würden. 

Wenn auch bei der Besprechung dieser Gesichtspunkte fast 
ausschliesslich nur vom Rind und Schwein die Rede war, so be¬ 
darf es bei dem wiederholten Hinweis auf die Unität und Viru¬ 
lenz sämmtlicher bei Menschen und Thieren vorkommender tuber- 
culöser Processe doch wohl kaum noch eines besonderen Hin¬ 
weises darauf, dass alles, was Uber diesen Gegenstand gesagt 
worden ist, sich auch auf die übrigen, der Tuberculose unter¬ 
liegenden Hausthiere, namentlich auch auf Geflügel bezieht. 


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Geschichte der Tuberculose. 


87 


NACHTRAG. 


Nach beendetem Druck vorstehender Abhandlung erschien noch 
von Schottelius in Virchow’s Archiv ein Artikel: „Zur Kritik 
der Tuberculosen - Frage “. Derselbe beweist schlagend die Notwen¬ 
digkeit einer möglichst objectiven Zusammenstellung alles dessen, was 
bis jetzt auf dem Gebiete der Tuberculose geleistet worden ist, ein 
Zweck, den ja unter Anderem vorliegende Arbeit verfolgte. 

Wenn auch dieser Tendenz entsprechend von einer eingehenden 
Kritik der von Schottelius gelieferten abgesehen werden muss, 
so halte ich es doch für geboten, in diesem Nachtrag über deren 
Inhalt noch Folgendes zu bemerken: 

Die von Schottelius in klinischer, anatomischer und teilweise 
auch experimenteller Beziehung hinsichtlich der Natur der Perlsucht 
resp. Tuberculose des Rindes und der übrigen Thiere gezogenen 
Schlüsse, nach welchen diese keine echte, mit der des Menschen 
identische Tuberculose sein soll, beruhen grösstenteils auf unrich¬ 
tigen Voraussetzungen. Dies hier weiter auszuführen gestattet der 
Raum nicht. Jeder aufmerksame Leser wird das bei einem verglei¬ 
chenden Studium beider Arbeiten und der von mir angezogenen Lite¬ 
ratur ohne Schwierigkeit herausfinden. Was Schottelius über das 
primäre Auftreten der Rindstuberculose (von ihm ebenfalls ganz all¬ 
gemein als Perlsucht bezeichnet) an den serösen Häuten, über ihre 
Fieberlosigkeit und ihren ausnahmslos chronischen Verlauf, über die 
anatomischen Verhältnisse der Perlknoten und deren Wachstum, und 
endlich über die Gerlach’schen Fütterungsversuche schreibt, wider¬ 
spricht nahezu vollständig den wirklichen Thatsachen. 

Wenn Schottelius auf Grund einer solchen Beweisführung die 
Unität und Virulenz der menschlichen und tierischen Tuberculose 
negirt, wenn er die Uebertragbarkeit der Tuberculose vom Rind auf 
Menschen bezweifelt, weil nach von Reubold und Häcker (1. c. 
S. 136) angestellten Beobachtungen Menschen Jahre lang Fleisch tuber- 
culöser, resp. perlsüchtiger Rinder genossen hätten, ohne an Tuber¬ 
culose zu erkranken, wenn er ferner die Schädlichkeit der Milch 
tuberculöser Menschen und Thiere leugnet: so ist doch keiner seiner 
Einwände im Stande, die von mir auf Grund meiner Zusammenstellung 
ausgesprochene Ueberzeugung zu erschüttern, dass die Tuberculose 
der Menschen und der Thiere genetische und, mit geringen unwesent¬ 
lichen generellen Differenzen auch anatomisch gleiche Processe sind, 
dass somit die Möglichkeit einer Uebertragung der Tuberculose von 


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88 I. JOHNE, Geschichte der Tuberculose. 

Thier auf «Mensch durch Fleisch und Milchgenuss nicht länger be¬ 
zweifelt werden kann. Die von Reubold und Häcker an gestellten 
Versuche sind ftlr mich so lange bedeutungslos, als nicht der Nach¬ 
weis geliefert wird, dass 1. die consumirten Rinder auch wirklich an 
generalisirter, resp. an Tuberculose der Muskeln gelitten haben; 
2. dass die betreffenden Menschen auch die eigentlichen Tuberkel¬ 
massen, d. h. die Tuberkelknoten und käsig tuberculös degenerirten 
Lymphdrüsen — was doch sehr zu bezweifeln — mit verzehrt haben. 

Das, was Schottelius weiter über die ätiologische Bedeutung 
der Tuberkelbacillen und die geringe ätiologische Bedeutung derselben 
sagt, bedarf auf Grund der Koch’schen Veröffentlichungen hierüber 
gar keiner Widerlegung. Auch hinsichtlich des Verhältnisses der 
Bacillen zur angeborenen und erworbenen Disposition eröffnet seine 
Arbeit im Grunde genommen keine neuen Gesichtspunkte. 

Neu und höchst interessant erscheint dagegen der anatomische 
Nachweis, weshalb Carnivoren gegenüber der Inhalationstuberculose 
empfindlicher seien, als Herbivoren. Schottelius führt diese ver¬ 
schiedene Leichtigkeit, mit welcher in der Athmungsluft suspendirte 
Krankheitskeime das vulnerable Lungenparenchym bei den verschie¬ 
denen Thieren und beim Menschen treffen können, darauf zurück, 
dass z. B. beim Hund das eng verschmächtigte, zugespitzte periphere 
Ende des Bronchus an seiner Uebergangsstelle in das Infundibulum 
den Eintritt derselben in die Alveolen hindere; dass ausserdem beim 
Mensch und Hund die Musculatur der Bronchien stärker entwickelt 
sei, diese bei ersterem am peripheren Ende der Infundibularbronchien 
sogar zu einem Muskelringe anschwelle. Bei Kaninchen sei von alle¬ 
dem das Gegentheil der Fall. 

Wenn endlich Schottelius zum Schlüsse noch die Behauptung 
aufstellt, dass es eine infectiöse und eine nicht infectiöse Tuberculose 
gäbe, so geht aus meiner Arbeit zur Genüge hervor, dass ich unter 
Tuberculose eben nur die erstere Form verstanden haben will. Dass 
die dringende Nothwendigkeit vorhanden ist, durch eine präcisere 
Bezeichnung diese beiden Formen zu trennen, darin stimmt wohl 
jeder mit. Schottelius überein. 

J. 


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II. 

Kleinere Hittheilnngen. 


1. 

Melanosarcomatose und Melanämie bei Schimmeln. 

Von 

Dr. E. Semmer, 

Professor in Dorpat. 

I. Ein Schimmelwallach wurde im Jahre 1871 in der Klinik 
des Dorpater Veterinärinstituts wegen Lähmung des Hintertheiles 
getödtet. Bei der Section fand sich ein grosses Gonglomerat von 
Melanosarkomen an der unteren Fläche des Kreuzbeins, unter 
dem Stamm der hinteren Aorta, an der Theilung derselben und 
zwischen den Aesten auf der unteren Fläche des Beckens, bis 
zum Schweif, an den Aussenseiten des Beckens, besonders auf 
der rechten Seite um den N. ischiadicus herum. Ferner fanden 
sich melanotische Knoten im Bindegewebe und zwischen der 
Musculatur des Becken und der Oberschenkel, in der Leber, den 
Nieren, den Lunge, im Pericardium und Endocardium. Im Blute 
massenhafte Körnchen schwarzen Pigmentes (Melanämie). 

II. Im Jahre 1881 kam ein Schimmel mit einer kopfgrossen 
Geschwulst am After in die Klinik des Dorpater Veterinärinsti¬ 
tutes. Es wurde ein Einschnitt in dieselbe gemacht und ein 
kleines Stückchen zum Zwecke einer mikroskopischen Unter¬ 
suchung exstirpirt. Von der Einschnittsstelle an entwickelte sich 
bald eine phlegmonöse Entzündung, welche sich Uber Becken 
und Hinterschenkel erstreckte und dem Leben des Thieres ein 
Ende machte. 

Section. Am After eine kopfgrosse Geschwulst mit einer 
Ge8chwttrsfläche, die mit jauchigem Eiter bedeckt ist. Von der 
Geschwürsfläche an erstreckt sich eine sulzig-fibrinöse Infiltration 
des Bindegewebes zum Mittelfleisch, Hodens^ck, Präpution, der 


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II. Kleinere Mittheilungen. 


unteren Bauchwand bis zur Brust hin. Die Leistendrüsen ver- 
grössert, melanotisch. Im Becken fibrinöse Ausscheidungen und 
eine Menge knotenförmiger Neubildungen von Erbsen- bis Faust¬ 
grösse, theils grauweiss von Farbe, theils marmorirt, mit schwarz¬ 
grauen Flecken und Streifen durchsetzt. Ebensolche Knötchen 
befinden sich ausserhalb des Beckens, besonders um die grossen 
Gefäss- und Nervenstämme herum. Am Gekröse vier wallnuss¬ 
grosse knotenförmige Neubildungen, von welchen eine mit der 
Darmwand verwachsen. In den Nieren weissgelbe Streifen durch 
Infiltration mit sarcomatösen Elementen bedingt; in den Lungen 
einige kleine erbsengrosse Knötchen; im Herzmuskel ein wallnuss¬ 
grosser Knoten. Im Blute schwarzes Pigment. Alle Neubildun¬ 
gen bestehen aus bindegewebigem Stroma mit zahlreichen kleinen 
rundlichen, granulirten, lymphoiden Zellen und sind theilweise 
mit schwarzem Pigment infiltrirt. Die frischen kleinen Knötchen 
sind noch pigmentfrei, die grösseren grau marmorirt, die älteren 
mehr schwarz pigmentirt. Es handelt sich hier um eine primäre 
Sarkombildung mit späterem Uebergang der Sarkome in Mela¬ 
nosen durch Ablagerung schwarzen Pigments aus dem Blute. 


2 . 

Septisch typhöse Form des Rothlaufs der Schweine 
und deren Bacterien. 

Vqii demselben. 

Bei zwei auf dem Gute Rathshof bei Dorpat verendeten 
grossen Schweinen fand sich bei der gleich nach dem Tode vor¬ 
genommenen Section ein septischer Zustand vor. Der Dickdarm 


Fig. 1. 


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entzündet. Leber und Niere in fau¬ 
liger Zersetzung. Imbibitionen und 
Ekchymosen an verschiedenen Kör¬ 
perstellen. Die rothen Blutkörper¬ 
chen im Zerfall begriffen; im Blute 
Stab bacterien von verschiedener 
Länge; einige derselben sporenhal¬ 
tig (Fig. 1). 

Mit dem Blute dieser Schweine 
wurden zwei schwarze Kaninchen mit einer Impthadel an den 
Glutäen geimpft; ein weisses Kaninchen wurde mit dem Blute, 
nachdem dasselbe 10 Minuten lang auf 55° erwärmt worden, an 


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II. Kleinere Mittheilungen. 


91 


den Glutäen und am Ohr geimpft und einem Lamm 4 Ccm. da¬ 
von subcutan an den Glutäen beigebracht. 

Das eine schwarze Kaninchen starb 10 Tage nach der Im¬ 
pfung in Folge eines an der Impfstelle anfgetretenen taubenei¬ 
grossen Abscesses. Der Eiter dieses Abscesses erzeugte bei Wei¬ 
terimpfungen über eine ganze Reihe von Kaninchen eine con- 
tagiöse, unfehlbar tödtende Pyämie. 

Das geimpfte Schaf verendete drei Tage nach der Impfung 
bei starker Temperaturabnahme unter Dispnoe und Convulsionen. 

Section. Von der Impfstelle aus erstreckt sich eine blutig, 
sulzig-seröse Infiltration des subcutanen Bindegewebes an der 
Musculatur bis zum Euter und Knie und der Innenfläche des 
anderen Oberschenkels. Das Infiltrat enthält Stäbchenbacterien 
von ähnlicher Form wie beim Schwein. Dieselben sind ver¬ 
schieden lang, theils sporenhaltig, aber Fi g . 2. 

etwas kleiner als die bei den Schweinen , 

(Fig. 2). Darm braunroth entzündet. Le- / ^ 0 ^ 

ber und Nieren hyperämisch; Blutgefässe 00 / 0 / 

der Nieren erweitert; Epithel der Harn- x 0 / 0 / 

kanälchen feinkörnig getrübt. Auf dem 0 / g 0 0 i 

Herzen Fibringerinnsel; im Herzbeutel eine / 0 / 0 / o 

grosse Menge gelhlichen Transudates; im 
rechten Herzen schaumiges Blut; das Blut in der Farbe nicht 
verändert, nicht zersetzt, enthält keine Bacterien. Der Tod war 
hier in Folge der phlegmonösen Entzündung eingetreten, welche 
durch das bacterienhaltige, auf 55° erwärmte Schweineblut ver¬ 
ursacht wurde. Die Bacterien des Schweinetyphus waren somit 
durch Erwärmen auf 55° nicht getödtet, wohl aber modificirt 
worden. 


Mit dem hacterienhaltigen entzündlichen Exsudat vom Schen¬ 
kel des Schafes wurden zwei Kaninchen geimpft, eins am Ohr, 
das andere am Rücken; letzteres verendete nach drei Tagen. 

Section. Das subcutane Bindegewebe von der Impfstelle 
auf den Glutäen aus Uber den ganzen Rücken nnd die hinteren 
Extremitäten serös- blutig-sulzig infiltrirt. In dem Infiltrat rothe 
und farblose Blutkörperchen, bewegliche Mikrococcen und sehr 
zahlreiche Stabbacterien von verschiedener Länge, meist aber 
nicht länger als der Durchmesser eines rothen Blutkörperchens, 
viele noch kürzer und einzelne gegliedert, keine aber sporen- 


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92 


II. Kleinere Mitteilungen. 


haltig (Fig. 3). Die Grösse der Bacterien hatte progressiv vom 
Fig. 3 Schwein zum Schaf und vom Schaf zum 

/ 0 , Kaninchen abgenommen. Im Herzbeutel 
, / gelbliches, seröses Transsudat; an den 
s inneren Organen keine Veränderungen, im 
Blute keine Bacterien und kein Zerfall 
0 7 O j, der rothen Blutkörperchen. 


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3. 

Septicopyämie in Folge putrider Nabelentzttndung 
bei jungen Hunden. 

Von demselben. 


Bei zwei am 21. September 1S81 eingegangenen dänischen 
Doggenwelpen fand sich am Nabel eine eitrige Geschwttrsfläche. 
Bei einem war das Netz und die Leber eitrig infiltrirt, die Leber 
verfettet, das Epithel der Harnkanälchen feinkörnig getrttbt. Im 
Blute viele, grosse, farblose Blutkörperchen mit einem sehr 
grossen Kern, Mikrococcen und zahlreiche kleine Bacterien 
(Fig. 1), die rothen Blutkörperchen stechapfelförmig. 

Fig. 1. Fig. 2. 


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Beim zweiten Hunde war der Dünndarm entzündet; Leber 
und Nieren blass, gelbbraun, Leber verfettet, das Epithel der 
Harnkanälchen feinkörnig getrübt, die rothen Blutkörperchen 
stechapfelförmig, die farblosen vermehrt; im Serum Mikrococcen 
(Fig. 2). 

Der eine junge Hund hatte sich offenbar am Nabel mit fau¬ 
ligem Fleisch, welches der Mutter als Nahrung diente, inficirt 
und nachher den anderen angesteckt. Der Ausgang der putriden 
Nabelentzttndung war im ersten Falle Septicopyämie, im zweiten 
Pyämie. 

Dorpat, Juli 1882. 


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II. Kleinere Mittheilungen. 


93 


4. 

Ueber den Schwanz bei Säugethierembryonen. 

Von 

Dr. M. Braun 

(Dorpat). 

Vor Kurzem veröffentlichte ich im Archiv ihr Anatomie und 
Physiologie, Anatom. Abth. 1882, eine kleine Arbeit über Ent¬ 
wicklungsvorgänge am Schwanzende bei Säugethierembryonen, 
von der ich hier Einiges mittheilen möchte, um die Herren Thier¬ 
ärzte zu Beobachtungen an ausgewachsenen Hausthieren auf- 
zufordem, die sie leichter als ein Zoologe anzustellen in der 
Lage sind. 

Die Untersuchung, die ich Uber eine grössere Reihe von 
Säugethieremhryonen (Schaf, Rind, Schwein, Kaninchen, Maus 
Ratte, Katze, Hund und Elennthier) ausdehnen konnte, ergab, 
dass auf einem gewissen Stadium der Entwicklung bei jeder der 
genannten Arten der Schwanz aus zwei Abschnitten besteht, 
einem vorderen, wirbelhaltigen Theil und einem diesem hinten 
ansitzenden wirbellosen Theil. Letzterer ist immer kleiner als 
der erstere, doch gewöhnlich mit blossem Auge vollkommen zu 
erkennen und setzt sich meist deutlich ab, da er dünn ist. Wegen 
seiner übrigens variabelen Gestalt habe ich den hinteren Ab¬ 
schnitt des embryonalen Schwanzes »Schwanzfaden“ genannt, 
weil er meist wie ein kleiner Faden dem dickeren Schwanz an¬ 
hängt Nebenbei sei bemerkt, dass auch Vogelembryonen, be¬ 
sonders deutlich die Embryonen des Wellensittichs ein homologes 
Gebilde an der Schwanzspitze erkennen lassen, das ich jedoch 
früher seiner Gestalt wegen als„Schwanzknöpfchen“ (vergl. 
Entwicklungsgeschichte des Wellenpapageies etc. Wttrzb. 1881) 
bezeichnet habe. Auch der Mensch besitzt als Embryo an seinem 
Schwanz einen Schwanzfaden. Alle diese Bildungen sind vorüber¬ 
gehend, d. h. es geht allmählich der Schwanzfaden wie das 
Schwanzknötchen durch Resorptipn zu Grunde; das geschieht 
aber so unregelmässig, dass sich unter einer grösseren Zahl von 
älteren Embryonen immer einige finden, die ihren Schwanz noch 
besitzen, während die meisten ihn bereits verloren haben; mit¬ 
unter ist dieser abnorm lange erhalten gebliebene Schwanzfaden 
sogar gewachsen und so darf man die Vermuthung aussprechen, 
dass man in seltenen Fällen ihn sogar an ausgewachsenen Thie- 
ren finden wird, falls man nur eine genügend grosse Anzahl unter- 


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II. Kleinere Mittheilungen. 


sucht. Ich besitze solche hypertrophirte Schwanzfäden von Schaf- 
Hund- und Kaninchenembryonen, von erwachsenen Thieren kenne 
ich sie nicht, auch sind mir aus der Literatur Fälle nicht be¬ 
kannt. Anders liegt die Sache beim Menschen, hier führt man 
neuestens die am Erwachsenen sehr selten vorkommenden, so¬ 
genannten „weichen Schwänze“ auf Persistenz des Schwanzfadens 
zurück. Bei Thieren würden wir ein verschieden langes, in der 
verlängerten Axe des wirbelhaltigen Schwanzes liegendes Ge- 
websstück, das keinen Knochen enthält und wahrscheinlich ohne 
Haarwuchs ist, als persistirenden Schwanzfaden ansprechen müs¬ 
sen ; ich sage, der betreffende Theil würde wahrscheinlich ohne 
Haare sein, weil bei den von mir mikroskopisch untersuchten 
Fällen von hypertrophirten Schwanzfäden in der Epidermis der¬ 
selben keine Spur von Haaranlagen sich fanden, während solche 
ganz deutlich in der Epidermis des Schwanzes vorkamen, ja mit 
blossem Auge zu erkennen waren. 

Es wäre sehr interessant, auch bei Thieren Beispiele von 
weichen Schwänzen aufzufinden; vielleicht geben diese wenigen 
Worte Anlass zu eingehenderen Untersuchungen über die Schwanz¬ 
spitze bei erwachsenen Säugethieren. 

Dorpat, im September 1882. 


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III. 


Auszüge und Besprechungen. 


1. 

Schutzimpfung gegen Milzbrand. 

Die auf der Domaine Packisch im Kreise Liebenwerda fort¬ 
gesetzten Versuche mit der Schutzimpfung gegen den Milzbrand 
nach der Methode Pasteur’s haben bisher folgende Resultate 
ergeben:. 

Die zu den Impfversuchen verwendete Schafheerde, welche 
aus 256 Mutterschafen im Alter von 3—7 Jahren und 226 Läm¬ 
mern im Alter von 7—11 Wochen bestand, wurde in zwei fast 
gleiche Haufen getheilt, deren einer — aus 128 Mutterschafen 
und 123 Lämmern bestehend — von dem Assistenten Pasteur’s 
am 10. und 20. Mai v. J. mit der aus Paris bezogenen Impf¬ 
flüssigkeit geimpft worden ist. Der zur zweiten Impfung ver¬ 
wendete Impfstoff war nach der Mittheilung des erwähnten As¬ 
sistenten etwas schwächer in seiner Virulenz, als der bei den 
ersten Impfversuchen zur zweiten Schutzimpfung gebrauchte Stoff. 
Demgemäss ertrugen denn auch die obigen 128 Mutterschafe und 
123 Lämmer bis auf ein Mutterschaf, welches am 27. Mai am 
Impfmilzbrand einging, die beiden Schutzimpfungen ohne erheb¬ 
liche Störung ihres Wohlbefindens, während bei den am 9. Mai 
abgeschlossenen ersten Versuchen von 25 mit zweimaliger Schutz¬ 
impfung versehenen Schafen 3 Stück in Folge der zweiten Schutz¬ 
impfung eingegangen waren. Zur Prüfung der Schutzkraft der 
am 10. und 20. Mai ausgeführten Schutzimpfungen wurde am 
30. Mai 12 Mutterschafen und 12 Lämmern, welche die Schutz¬ 
impfungen erhalten, und 6 Mutterschafen und 6 Lämmern, welche 
nicht vorgeimpft waren, ungeschwächtes Milzbrandgift unter die 
Haut injicirt. In Folge dessen starben sämmtliche, nicht vorge¬ 
impften Thiere, aber auch von den zuvor mit der Schutzimpfung 


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96 


III. Auszüge und Besprechungen. 


versehenen Thieren gingen am 1. Juni ein Lamm und am 12. Juni 
ein zweites Lamm am Milzbrand ein. Bei den ersten Versuchen 
in Packi8ch hatten, wie früher berichtet worden, die mit zwei¬ 
maliger Schutzimpfung versehenen Schafe die spätere Injection 
des ungeschwächten Milzbrandgiftes ohne Verluste ertragen. Nach 
der Ernte sollten beide obenerwähnte Haufen von Schafen, so¬ 
wohl der mit der Schutzimpfung versehene, als auch der nicht 
vorgeimpfte, auf die mit Milzbrand inficirten Aecker der Domaine 
Packisch zur Waide aufgetrieben werden. Es wird sich dann 
herausstellen, ob und für welche Zeitdauer die Schutzimpfung 
auch gegen die Erkrankung an Milzbrand in Folge des Bewai- 
dens inficirter Aecker schützt. Die an Rindvieh vollzogenen 
Schutzimpfungen haben bisher ein vollkommen günstiges Resultat 
ergeben. Schliesslich ist noch besonders hervorzuheben, dass 
bei den Schutzimpfungen mit grosser Sorgfalt und Sachkenntnis 
verfahren werden muss, wenn erhebliche Verluste vermieden 
werden sollen, da bei unaufmerksamer Behandlung des Impf¬ 
stoffes die geimpften Thiere leicht an Septicämie oder anderen 
Krankheiten zu Grunde gehen. Ein ausführlicher Bericht wird 
veröffentlicht werden. B. 


2 . 

Zur Kenntniss der Trichinose. 

Nach der Mittheilung Gottlieb Merkel’s (Die mikrosko¬ 
pische Fleischbeschau in Nürnberg im Jahre 1880, Mittheilungen 
aus dem Verein für öffentl. Gesundheitspflege der Stadt Nürn¬ 
berg. IV. Heft. 1880. Nürnberg 1881. S. 35) fungirten daselbst 
als Mikroskopiker 32 Personen — darunter 6 Aerzte, 3 Apotheker, 
4 Chemiker, 13 Bader. Unter 46173 untersuchten Schweinen 
waren 33 Stück, also 1 auf 1100 trichinös. Die Schweine ge¬ 
hörten verschiedenen preussischen, bayerischen und mecklenbur¬ 
gischen Ra$en an und ergab sich, dass die bayerischen Schweine 
ebenso trichinös sind wie die norddeutschen. In 6 Fällen fand 
sich doppelte Invasion — abgestorbene und frische Einwande¬ 
rung — vor. — Sämmtliche trichinöse Schweine wurden unter 
polizeilicher Aufsicht mit Lauge übergossen und sofort ausge¬ 
schmolzen resp. verseift. — Dreimal wurden jedes Mal in den 
Augenmuskeln Rundwürmer von der Länge und Dicke weiblicher 
Darmtrichinen mit spitzen Kopfenden und Haftorganen am Hin- 
terleibsende aufgefunden, die gestreckt zwischen den Muskel- 


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III. Auszüge und Besprechungen. 97 

bündeln lagen und deren Species nicht näher bestimmt werden 
konnte. 

Von 111 im Jahre 1S80 dnrch die Mitglieder des Mikrosko- 
pikervereins untersuchten Ratten waren 16 = 14,4 Proc. tri¬ 
chinös. Davon stammten aus Schlächtereien 40, von welchen 
8 oder 20 Proc. trichinös waren, und aus Privathäusern 71, von 
welchen 8 = 11,2 Proc. trichinös waren. Von 6 Ratten aus einer 
Seifensiederei waren 2 trichinös. — Von 117 getödteten Katzen 
waren 4 oder 3,4 Proc. trichinös. 

Aus den Schlussfolgerungen des Verfassers ist Folgendes 
hervorzuheben: Die Trichinose der Schweine ist in Nürnberg viel 
häufiger, als man bisher annahm. Der Thatsache der zahlreichen 
Trichinenfunde gegenüber erschien es als dringendes Gebot der 
Sanitätspolizei, durch Einführung der obligatorischen mikrosko¬ 
pischen Fleischbeschau diejenigen Mitbürger vor Infection zu 
schützen, welche vermöge mangelnder Häuslichkeit auf kalte 
Fleischspeisen oder auf das, was ihnen im Wirthshause meist 
um theures Geld gereicht wird, angewiesen sind. — Die Erfah¬ 
rung hat gezeigt, dass die obligatorische Trichinenschau in Nürn¬ 
berg auch ohne Schlachthaus durcbzuführen war und dass we¬ 
sentliche Belästigungen des gewerbetreibenden oder fleischconsu- 
mirenden Publicums durch die Untersuchung nicht entstehen. 
Eine Ausdehnung der obligatorischen Trichinenschau zunächst 
auf das nördliche Bayern scheint dringend geboten. — Mit Rück¬ 
sicht auf die starke Trichinose der Ratten und Katzen muss der 
möglichsten Fernhaltung der kleinen Nager von Scblachtstellen 
und deren Abfällen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. 


In Bezug auf das Verhalten der Trichinen in den amerika¬ 
nischen Schinken ergab sich aus zahlreichen Untersuchungen der 
letzten Jahre, dass die Trichinen der amerikanischen Schinken 
regelmässig nicht mehr lebensfähig sind; ebenso fielen Ftttte- 
rungsversuche, die mit derartigem amerikanischen Fleische an 
verschiedenen Orten angestellt wurden, alle negativ aus. Paris 
allein importirte im Jahre 1880 circa 39 Millionen Kilogramm 
amerikanischen Schinken — ohne eine einzige Infection. 

Nach Belfield und Atwood betrug die Zahl der trichi¬ 
nösen Schweine in Chicago 

1866 = 2 : 100, 

1878 = 8 : 100. 

Jolvet fand in Boston in einem Schweinehofe von 51 Ratten 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 7 


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98 


III. Auszüge und Besprechungen. 


39 trichinös, in einem zweiten Hofe waren alle 40 untersuchten 
Ratten trichinös; dagegen waren in Pferdestallungen von 60 Rat¬ 
ten nur 6 trichinös. 

Lochner (Bayer, ärztl. Intelligenzblatt) berichtet einen Fall, 
wo 2 Menschen an Trichinose erkrankten, die von einer soge¬ 
nannten Extrawurst genossen hatten, die einen Tag geräuchert 
und dann im Kessel gesotten worden war — eine Thatsache, 
die gegen die Schutzkraft des Kochens, so weit dasselbe unge¬ 
nügend geschieht, spricht. Ferner berichtet Lochner über einen 
Fall, wo ein Mann an Trichinose erkrankte, der nur geräuchertes 
Schweinefleisch genossen hatte. 

Ueberblickt man die Erfahrungen der letzten Jahre, so er¬ 
gibt sich, dass die Trichinenepidemien in Deutschland sowohl 
an Zahl als auch an Heftigkeit abgenommen haben, und dieses 
günstige Resultat dürfte in erster Linie der obligatorischen Fleisch¬ 
beschau angerechnet werden. B. 


3. 

Rud. Leuckart, Zur Entwickelungsgeschichte des Leberegels. 

(Zoolog. Anzeiger 1881. Nr. 99.) 

Die Frage nach der Lebens- und Entwicklungsgeschichte 
des Di8tomum hepaticum hat bekanntlich den um die Kenntniss 
der menschlichen und thierischen Parasiten hochverdienten For¬ 
scher bereits seit vielen Jahren beschäftigt. Nach vielen frucht¬ 
losen Bemühungen gelang es demselben im Sommer 1879 eine 
Anzahl kleiner Lymnäen 1 ), die aus den Wasserbehältern des 

1) Die Familie der Limnaeidae (kleiner Wasserschnecken) ist folgender- 
maassen charakterisirt: Die Thiere leben im Wasser — die kleineren Arten 
freilich auch in den kleinsten Lachen sumpfiger oder auch nur feuchter 
Wiesen. Sie besitzen zwei dreieckig-lappige, oder auch pfriemenförmige, 
nicht einziehbare Fühler und unterscheiden sich dadurch von den Heliciden 
mit ihren vier einstülpbaren Fühlern. Die Gattung Limnaeus unterscheidet 
sich von den übrigen zur Familie gehörigen Gattungen (Planorbis, Physa, 
Aneglus etc.) durch ihr Gehäuse; dies ist dünnschalig rechts gewunden, 
d. h. wenn man zur Oeffnung in die Schale hineinsieht und sich in der¬ 
selben aufsteigend denkt, so hat man die Aussenwand stets zur Rechten. 
Die Schale ist bauchig bis spitz eiförmig, ja sogar thurmförmig. 

Limnaeus pereger und minutus sind beides kleine Formen mit 
thurmförmigem Gehäuse, dessen letzter — an der Oeffnung liegender — Um¬ 
gang meist stark aufgeblasen ist, so dass das Gehäuse von der Spitze zur 
Basis ziemlich gleichmässig anschwillt. — Als Träger der Distomenbrut sind 
vorläufig nicht nur die beiden genannten Formen, sondern alle kleinen Lim- 


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III. Aaszttge und Besprechungen. 


99 


Dresdener botanischen Gartens stammten, mit kleinen Schma¬ 
rotzern bedeckt zu finden, die mit Sicherheit auf die sie um¬ 
schwärmenden Embryonen des Distomum hepaticum zurückzu- 
ftthren waren. Sie fanden sich meist in der Tiefe der Athem- 
höhle, bald einzeln, bald in grösserer Menge nebeneinander und 
erschienen als kleine und scharf begrenzte flimmerlose Schläuche 
mit zwei mehr oder minder weit von einander abstehenden Augen¬ 
flecken und einem Kopfzäpfchen, mit Charakteren also, welche das 
Herkommen derselben ausser Zweifel setzten. In der Folge ge¬ 
lang es, viele Hunderte junger Lymnäen mit den Embryonen 
des Leberegels zu inficiren und deren weitere Entwicklung zu 
verfolgen. Je jünger die Schnecken waren, desto sicherer und 
massenhafter gelang die Infection; in Exemplaren von der Grösse 
eines Nadelkopfes fanden sich nicht selten mehrere Dutzende 
eingewanderter Embryonen, während halbwüchsige und ältere 
Thiere stets verschont blieben und auch die grösseren Jugend¬ 
formen sich der Mehrzahl nach immun erwiesen. — Im Weiteren 
beschreibt Leuckart die Veränderungen, die die flimmerhaar¬ 
tragenden Embryonen nach der Einwanderung durchmachen. Die 
Bedien liefern zuletzt vermuthlich eine Brut schwanzloser Disto- 
meen, die nicht ausschwärmen, .sondern an ihrer Muttqrstätte ver¬ 
harren und mit den Schnecken, welche sie beherbergen, an die 
definitiven Wirthe der Leberegel abgeliefert werden. 

Mit grösster Wahrscheinlichkeit sind also die bei uns ein¬ 
heimischen zwei kleinen Lymnäen (L. pereger und L. minutus), 
die als die Zwischenträger des Leberegels anzusehen sind, zwei 
Arten, die hinsichtlich ihres Vorkommens und ihrer Lebensweise 
mit einander grosse Aebnlichkeit haben. — Am Schlüsse ersucht 
L. um Uebersendung lebender und namentlich auch jugendlicher 
Exemplare von Lymnäus minutus und möglichst grosser Menge 
(vielleicht auch des Laiches), und endlich um Mittheilungen Uber 
frisch ausgebrochene Leberegelseuchen. B. 

naeusarten, wie auch Arten der anderen, der Familie der Limnaeidae ange¬ 
hörenden Gattungen anzusehen. Zum Inficiren tauchen nach Leuckart’s 
Versuchen nur ganz junge Exemplare. Dr. Spangenberg. 


7* 


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100 


III. Auszüge und Besprechungen. 


4. 

Thierseuchen in Dänemark im Jahre 1881. Aus dem Jahres¬ 
bericht des veterinären Gesundheitsrathes in Dänemark 1880. (Aars- 
beretning fra det veterinäre Sundheedsrat for 1880. Kjöbenhavn 
1882.) 

Rauchbrand kam in einer Rinderbesatzung auf Seeland, 
in einer auf Ftthnen und in einer in Jtttland vor. 

Milzbrand zeigte sich in drei Rinderbesatzungen auf See¬ 
land, in zwei auf Fühnen, und in vier in Jütland; in einer Be¬ 
satzung auf Seeland und in einer in Jtttland wurden zugleich 
andere Hausthiere angegriffen. Ferner kam Milzbrand in einer 
Schweinebesatzung auf Seeland und in einer auf Ftthnen vor. 

Rothlauf der Schweine kam weniger häufig vor, als in 
den fünf vorhergehenden Jahren. Im Ganzen sind von 34 Fällen 
Berichte gegeben, meist im südwestlichen Jtttland, mit einer 
Mortalität von 91 Proc. 

Räude beim Schafe kam nur in einigen Besatzungen in 
Jtttland vor. 

Rotz- und Wurmkrankheit kam weniger häufig vor, 
als in dem vorhergehenden Jahre. Von 36 erkrankten Pferden 
(25 auf Seeland, 1 auf Lodland, 7 auf Fühnen und 3 in Jtttland) 
wurden 33 erschlagen, 3 starben an der Krankheit. 

Rttckenmarkstyphus kam bei 24 Pferden vor (2 auf 
Seeland, 5 auf Lodland, 17 in Jtttland). 15 Pferde starben, 3 
wurden getödtet, 6 genasen. 

Hundswuth. Einige Fälle kamen auf Ftthnen vor. 

Bösartige Klauenseuche beim Schafe zeigte sich in 
einer Besatzung auf Seeland. 

Lungenseuche des Rindes zeigte sich in zwei Be¬ 
satzungen in der unmittelbaren Nähe von Kopenhagen. Durch 
Erschlagung sämmtlicher Thiere dieser Besatzung wurde die 
Seuche vollständig unterdrückt. Wie im vorhergehenden Jahre 
war die Seuche durch Rinder eingeschleppt, welche aus Schwe¬ 
den eingefllhrt waren. Obgleich man daselbst die Seuche nicht 
hat nachweisen können, wurde die Einfuhr von Rindern von 
Schweden nach Dänemark seit März 1881 verboten; im Sep¬ 
tember 1882 wurde die Einfuhr unter der Bedingung wieder er¬ 
laubt, dass die eingeftthrten Rinder an einem bestimmten Platze 
ausserhalb Kopenhagen ans Land gebracht werden und daselbst 
binnen 48 Stunden in einem zu errichtenden Schlachthause unter 
veterinärpolizeilicher Aufsicht geschlachtet werden. 


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III. Auszüge und Besprechungen. 


101 


Maalseache beim Pferde kam weniger häufig vor, als in 
den sechs vorhergehenden Jahren. Es wurden von 95 Fällen 
Berichte gegeben; eins der angegriffenen Pferde starb. 

Kuhpocken: 399 Erkrankungen in 57 Besatzungen (da¬ 
runter 49 im nordöstlichen Seeland); von diesen wurden ange¬ 
griffen im 


Januar 

2 ) 

April 

2 ! 

Juli 131 

October 


Februar 

2 6 

Mai 

4 17 

August 14 U 0 

November 


März 

2 j 

Juni 

11J 

Septemb. 3] 

Decemher 

2 f 


Druse: 3032 Erkrankungen wurden angemeldet mit einer 
Mortalität von 2,6 Proc. Auf Bornholm, wo die Krankheit in 
den vorhergehenden zwei Jahren nicht vorgekommen war, zeigte 
sie sich im Frühjahre, verbreitete sich im Laufe des Sommers 
und nahm im Herbst wieder ab. Es wurde vermuthet, dass die 
Krankheit durch eingeftthrte schwedische Pferde eingeschleppt 
war, welche zuerst davon angegriffen wurden. 

Influenza kam häufiger vor, als in den zwei vorhergehen¬ 
den Jahren: 482 Erkrankungen (davon 323 in der Umgegend 
von Kopenhagen); Mortalität 11,6 Proc. Krabbe. 


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IV. 

Bücheranzeigen. 


1. 

Dr. Ludwig v. Thanhofer, Prof, der Universität und Vetermärlehranstalt 
in Budapest, Ueber dieZuchtlähme. Nach eigenen pathologisch-histo¬ 
logischen Untersuchungen. Mit 12 grösstentheils colorirten Steindruck¬ 
tafeln. Herausgegeben vom königl. nngar. Ministerium für Ackerbau, In¬ 
dustrie u. Handel. Budapest 1882. 

Vorstehende vortreffliche Arbeit des rühmlichst bekannten Herrn 
Verfassers ist ein weiterer Beitrag über jene räthselhafte, bei uns 
fast gar nicht zur Beobachtung kommende Krankheit, die unter dem 
Namen Zuchtlähme der Pferde bekannt ist und die im Aufträge der 
ungarischen Regierung von einer Commission von Sachverständigen 
seit einer Reihe von Jahren nach ihrem Wesen eingehend studirt 
wird. Durch chemisch-physiologische, durch pathologisch-anatomische, 
durch Ansteckungsversuche etc. sucht diese Commission die Natur 
jener Krankheit zu ergründen. Vorliegende Arbeit bezieht sich auf 
die pathologische Anatomie und pathologische Histologie erwähnter 
Krankheit. Nach Thanhofer ist das vorwürfige Leiden in erster 
Linie ein Rückenmarksieiden (Myelitis haemorrhagica centralis, Syringo- 
myelitis oder Veränderungen der weissen Rückenmarkssubstanz), se- 
cundär stellen sich die Thalerflecke der Haut ein. Er hält das Leiden 
für ein specifisches, das nichts mit der sogenannten bösartigen Be¬ 
schälseuche zu thun hat. Bei dem Umstande, dass über die letzt¬ 
genannte Krankheit und die Zuchtlähme noch so viel dunkel, machen 
wir alle Collegen auf die vorliegende vortreffliche und reich-ausge¬ 
stattete Arbeit aufmerksam. F. 


2 . 

Mittheilungen aus der Universitäts-Augenklinik zu München. Heraus¬ 
gegeben von Prof. A. v. Rothmund und Docent Dr. 0. Eversbusch. 
1. Bd. München u. Leipzig, Druck u. Verlag von R. Oldenburg. 1882. 

Ein starker Band von 22 Druckbogen, mit 6 lithographirten 
Tafeln, der sehr interessante, theilweise ganz neue Aufschlüsse ge¬ 
währende Originalarbeiten enthält, nämlich von Eversbusch: Bei¬ 
träge zur Genese der Iriscysten; Klinisch-anatomische Beiträge zur 


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IV. Bücheranzeigen. 


103 


Teratologie und Embryologie des Glaskörpers; Bemerkungen über 
die Anwendung der Antiseptica in der Augenheilkunde; Die Hygiene 
der Augen (aus dem Nachlasse des verstorbenen Dr. phil. Schön- 
mann aus Dresden); von Dr. Herzog Carl Theodor in Bayern: 
Ueber einige anatomische Befunde bei der Myopie; von M. Harder: 
Zur Lehre vom Pterygium; von Prof. Dr. A. v. Rothmund: Ueber 
den Unterricht in der Ophthalmologie; vom vorigen und Evers- 
busch: Einrichtung der Klinik, hygienische Verhältnisse, klinische 
Statistik etc. 

Wir können allen jenen, die sich mit Augenheilkunde beschäf¬ 
tigen, vorliegendes Buch bestens empfehlen. Die Ausstattung ist eine 
sehr gute. F. 


Lehrbuch der Veterinär-Augenheilkunde von Fr. Blazekovic. Wien, 
Seidel u. Sohn. 1882. 

Wird seine Besprechung im nächsten Hefte der Zeitschrift für 
vergleichende Augenheilkunde finden. F. 


3. 

Traitd pratique de mardchalerie par L. Goyau, medecin vdtdrinaire 
a Paris. Mit 364 Holzschnitten. Paris, Bailliöre et fils, 19 rue Hautefeuille. 
1882. 

Ein 29 Druckbogen starker Band über Hufbeschlag. Verfasser 
behandelt in sehr anregender Weise die Anatomie, Physiologie und 
die Krankheiten des Hufes, gibt dann eine ausführliche Geschichte 
des alten und modernen Hufbeschlages, führt die Beschläge der ver¬ 
schiedenen Länder an, die Erfindungen verschiedener Meister, die 
Nachtheile des Beschlages, die Hygiene des Fusses etc. Am aus¬ 
führlichsten ist die Geschichte des Hufbeschlages, der französische 
und englische Beschlag behandelt, weniger ausführlich der deutsche. 
— Der Inhalt ist ein überaus reichhaltiger und gewinnt bedeutend 
an Werth durch die zahlreichen Holzschnitte. Alle jene, die sich 
über Hufbeschlag im Allgemeinen und besonders über den unserer 
westlichen Nachbarn interessiren, werden mit grosser Befriedigung 
das Buch lesen. F. 


4. 


Researches on the minute structure of the thvreoid gland: By E. Cresswell 
Baber, M. B. Lond. From the philosophical transactions of the royal 
society. Part IH. 181. 

Eine recht fleissige Arbeit über die Schilddrüse der Säuger, 
Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische. Von unseren Hausthieren 
wurde Katze, Hund, Pferd, Rind und Schaf zur Untersuchung herbei¬ 
gezogen. F. 


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104 


IV. Bücheranzeigen. 


5. 

Das organische Contagium der Schafpocken und die Mitigation der¬ 
selben nach Toussaint’s Manier. Inauguraldissertation von Hugo Carl Plaut. 
Leipzig, Druck von Metzger u. Wittig. 1*82. Aus dem Zürn’schen Labo¬ 
ratorium. Mit 9 photographischen Beilagen, Pockenbacterien unter ver¬ 
schiedenen Verhältnissen darstellend. 

Verfasser kommt in der interessanten Arbeit und auf Grund von 
Impfversuchen zu dem Schlüsse, dass durch das Toussaint’sche 
Mitigationsverfahren ein Weg gezeigt wird, wie „Schutzlämmerimpfun¬ 
gen“ gefahrlos vorgenommen werden können. Es handelt sich da¬ 
rum, die Pockenlymphe in nicht völlig sterilisirter Fleisch¬ 
brühe zu züchten, so zwar, dass neben dem Micrococc. variolae auch 
noch andere Spaltpilze in der Flüssigkeit Vorkommen. F. 


6 . 

Was hat der Landwirth gegenüber unserem Wissen über die Tuberculose 
desRindes (Perlsucht oder Franzosenkrankheit) zu beachten ? Von Prof. 
Johne, Dresden. Leipzig, Breitkopf u. Härtel. 1882. Preis 30 Pf. 

Das vorstehend zeitgemässe Thema bildete den Gegenstand eines 
Vortrages, den Verfasser am 7. Juni in der Generalversammlung des 
laridwirthschaftlichen Kreisvereins Leipzig hielt. In populärer, leicht 
verständlicher und kurzer Weise legt der Verfasser den gegenwär¬ 
tigen Standpunkt der Tuberculosefrage dar und gibt in bestimmter 
Weise die Maassregeln an, die der Landwirth zu treffen hat, um sich 
von dieser Krankheit frei zu machen. F. 


7. 

Experimenteller Beitrag zurLehre übereinigeContagien. Inaugural¬ 
dissertation von Gustav Grünwald. Dorpat, Schnakenburg 1882. 

Verfasser hat sich zunächst die Aufgabe gestellt, die Wirkung 
einer Reihe von Desinfectionsmitteln auf das Schafpockencontagium 
und auf das Pyämiecontagium zu erproben, und stellte zu diesem Zwecke 
zahlreiche Versuche an. Er fand z. B., dass unter anderen Chrom- 
Säure , Resorcin und Schwefelsäure in 2 ! /a procent., Carbolsäure in 
11 / 2 procent. Lösung auf das Schafpockencontagium wirkt; Chrom¬ 
säure in 1V 4 procent., Schwefelsäure und Carbolsäure in 5 /s procent. 
Lösung auf das Pyämiecontagium der Kaninchen desinficirend wirkt. 
In zweiter Linie unternahm er Mitigationsversuche äla Toussaint, 
aus welchen er den Schluss zieht, dass durch Culturen eine bedeu¬ 
tende Abschwächung des Pockencontagiums sich erzielen lässt. — 
Reichliche Literaturangaben sind den eigenen Versuchen vorangestellt. 

F. 


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IV. Bücheranzeigen. 


105 


8 . 

Ueber die Entwicklung des Hornhufes bei einigen Ungulaten. 
Inaugural-Dissertation vou Ludwig Kunsien. Dorpat, Schnakenburg. 
1882. Mit zwei Doppeltafeln von Zeichnungen. 

Eine sehr schätzenswerthe, fleissige Arbeit, welche die Entwick¬ 
lung der Schaf- und Rinderklauen und des Pferdehufes behandelt 
und auf welche wir alle Collegen besonders aufmerksam machen. 

F. 


9. 

Jacob Wirth’s erfahrener Rindvieharzt, oder leichtfassliche An¬ 
leitung, wie der Landmann die Krankheit seines Rindviehes richtig erkennen, 
leicht verhüten und heilen kann. 3. Auflage. Von Martin Strobel. Bern, 
Heuberger. 1883. Preis 3 M. ü0 Pf. 

Vorstehendes Buch behandelt auf 25 Druckbogen die anatomisch¬ 
physiologischen, die diätetischen Verhältnisse, die inneren und äusse¬ 
ren Krankheiten, sowie die Geburtshülfe des Rindes. Als Anhang 
bringt es seuchenpolizeiliche Gesetze oder Verordnungen der Schweiz 
und Frankreichs. Die Behandlung des Materiales ist eine übersicht¬ 
liche, die Sprache leicht fasslich und klar. In Bezug auf die The¬ 
rapie hat es Verfasser möglichst vermieden, eingreifendere arzneiliche 
Behandlungen anzuführen, vielmehr sich auf den Gebrauch von ein¬ 
fachen, in der Hand von Ungeübten ungefährlichen Mitteln beschränkt. 
Auf diese Weise dürfte das Buch, den Zweck, dem Landmann ein 
wirklicher Rathgeber zu sein, wirklich erfüllen. F. 


10 . 

Jahresbericht der königlichen Thierarzneischule zu Hanno¬ 
ver. Redigirt von Director Dammann. 14. Bericht. 1880—1882. Han¬ 
nover, Schmorl u. v. Seefeld. 1882. 

* Der vorliegende Bericht, welcher ausnahmsweise einen Zeitraum 
von IV 2 Jahren umfasst, ist besonders reichhaltig. Abgesehen von 
den geschäftlichen Berichten enthält er eine grosse Reihe guter und 
interessanter wissenschaftlicher Arbeiten, die zum grossen Theil äusser- 
liche und innerliche Krankheiten, physiologische oder diätetische Fra¬ 
gen (über natürliche und künstliche Ventilation in Stallgebäuden, 
Arnold) betrifft. Ein seltener Fall von multipler, verrucöser Ele¬ 
phantiasis beim Pferde (Lustig und Rabe) ist durch drei Licht¬ 
drucktafeln illustrirt. F. 


11 . 

Koch’s Veterinärkalender pro 1883. (Ausgabe für Deutschland). Ta¬ 
schenbuch für Thierärzte. Leipzig und Wien, Verlag von Moritz Perle’s 
Buchhandlung. Mit dem Portrait Pasteur’s. Preis 3 Mk. 60 Pf. 

Dieses handliche Büchlein bringt für diesmal eine Vermehrung 
der Arzneimittel, einen Artikel über „die Massage in der Thierheil- 


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106 


IV. Bücheranzeigen. 


künde “, drei Tabellen Über die Bestimmung des Zahnalters der Rinder 
und Pferde und eine Reihe anderer wichtiger Dinge, die man in einem 
Taschenbuche nachzuschlagen gewohnt ist. So unterliegt es keinem 
Zweifel, dass sich auch dieser 6. Jahrgang derselben Beliebtheit er¬ 
freuen wird, als die früheren. F. 


12 . 

Adam’s veterinärärztliches Taschenbuch für 1883. 22. Jahrgang. 
Würzburg, Rahel’sche Kunst- und Buchhandlung. 

Dieses beliebte Taschenbuch, das nunmehr schon seinen 22. Jahr¬ 
gang erlebt, erscheint auch diesmal mit reichem Inhalte. Bei seiner 
grossen Beliebtheit bedarf es keiner besonderen Empfehlung. F. 


i3. 

The journal of comparative medecine and surgery. A quarterly journal of 
the anatomy, pathology and therapeutics of the lower animals. New-York, 
L. Hyde & Co. No. 22 Union Square. 2 Dollars jährlich. 

Diese in vierteljährigen Heften erscheinende Zeitschrift ist den 
Interessen der Thierärzte und der vergleichenden Heilkunde gewidmet. 
Sie hat seit den zwei Jahren ihres Bestehens eine grosse Verbreitung 
gewonnen und ist besonders geeignet über amerikanische Verhältnisse, 
soweit sie den Thierarzt interessiren, Aufschluss zu geben. F. 


14. 

Handbuch der Anatomie der Hausthiere von Dr. Ludwig Franck, 
Director u. Prof, an der Central - Thierarzneischule in München. Zweite 
gänzlich umgearbeitete Auflage. I. Abtheilung. Stuttgart, Schickhardt u. 
Ebner. 1882. 

Die erste Abtheilung ist soeben erschienen. Die zweite wird 
im Verlaufe des nächsten Monates erscheinen. F. 


15. 

G. B. Ercolani, Deila polydactylia e della polimelia nell* nomo e nei ver- 
tebrati. Bologna, Gamberini e Parmeggiani 1882. 

Wir werden später diese interessante Arbeit, welche auch die 
überzähligen Zehen unserer Hausthiere in ausführlicher Weise be¬ 
handelt, im Auszüge bringen. F. 


16. 

Bericht über das Veterinärwesen im Königreich Sachsen für 
das Jahr 18S1. Herausgegeben von der königl- Commission für das Vete¬ 
rinärwesen. Dresden, Schönfeld’s Verlagsbuchhandlung. 1882. 

Der vorliegende Bericht ist ausserordentlich reichhaltig und in¬ 
teressant. Aus der amtlichen Abtheilung erwähnen wir, dass an Stelle 


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IV. Bücheranzeigen. 


107 


des verstorbenen langjährigen Vorsitzenden der Commission für Vete¬ 
rinärwesen, Geh.-Rath Just, der Geh.-Rath Eppendorf ernannt 
wurde. Als ausserordentliches Mitglied für dieselbe Commission wurde 
an Stelle des Hauptmanns v. Schimpff, der Major Kirchner er¬ 
nannt. — Von Prof. Dr. Siedamgrotzky und Dr. Johne folgen 
eine Reihe werthvoller Krankengeschichten. Director Leisering 
stellt aus den Berichten der Bezirks- und Privatthierärzte eine Reihe 
wichtiger und interessanter Auszüge zusammen. Im Anhänge werden 
höchst wichtige und schöne Untersuchungen aus der physiologischen 
Versuchsstation angeführt, die von El len b erg er und Hofmeister 
ausgeführt und in RolofFs Archiv zum Theil schon publicirt wurden. 
Sie beziehen sich zum grossen Theil auf die Speichelabsonderung 
beim Pferde. Den Schluss bildet der Nekrolog Haubner’s. Die 
Ausstattung ist eine gute und der ganze Jahresbericht äusserst em- 
pfehlenswerth. F. 


17. 

Die Seuchen und Heerdekrankheiten unserer Hausthiere, mit 
Rücksicht auf die Zoonosen des Menschen. Von Dr. H. Pütz, Professor 
der Veterinärwissenschaft an der Universität Halle a/S. II. Abtheilung, 
mit 16 in den Text gedruckten Holzschnitten. Stuttgart, Verlag von Fern. 
Enke. 1882. 

Die zweite Abtheilung und damit der Schluss dieses trefflichen 
Buches ist rasch der ersten gefolgt. Es umfasst im Ganzen 44 Druck¬ 
bogen. Während in der ersten Abtheilung namentlich die Invasions¬ 
krankheiten abgehandelt wurden, finden in der zweiten die Infections- 
krankheiten, sowie einige Nachträge ihre Besprechung. Es sind 30 
Seuchen und seuchenartige Krankheiten, die da ihre Erledigung fin¬ 
den. Es sind in dieser Abtheilung die wichtigsten unserer Thier¬ 
seuchen, wie Milzbrand, Rinderpest, Lungenseuche, Rotz etc. Es 
fanden die neuesten Untersuchungen, zum Theil im Nacfitrage, ihre 
gebührende Berücksichtigung, namentlich schenkte Verfasser den Impf¬ 
versuchen (Lungenseuche, Milzbrand, Hühnercholera etc.), die ja, wie 
es scheint, eine förmliche Umwälzung bei den Infectionskrankheiten 
unserer Hausthiere (und des Menschen!) hervorbringen werden, die 
ungetheilteste Aufmerksamkeit. Verf. hat aber nicht nur zusammen¬ 
getragen und kritisch gesichtet, sondern an den verschiedenen Stellen 
die Resultate eigener Versuche und Beobachtungen verwerthet. — 
Bei dem Umstande, dass es seit mehreren Decennien an einer speciell 
für thierärztliche Kreise bestimmten Seuchenlehre fehlte (nur die Röll- 
sche Seuchenlehre füllte diese Lücke seit vorigem Jahre), darf es 
wohl nicht als Redensart gelten, wenn hier ausgesprochen wird, dass 
sie bei allen Thierärzten eine hochwillkommene Aufnahme finden 
wird, die sie in so hohem Grade verdient. — Die Ausstattung i3t 
eine sehr gute. F. 


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108 


IV. Bücheranzeigen. 


18. 


Kurze Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse. Von 
Dr. Carl Arnold, Dirigent des chemischen Laboratoriums una Repetitor 
an der königl. Thierarzneischule zu Hannover. Verlag von Ludwig Ey. 
1882. Preis 2 Mk. 40 Pf. 

Angegebene Anleitung enthält in möglichster Kürze die wich¬ 
tigsten Reactionen der häufiger vorkommenden „Säuren und Basen“ 
und in sehr übersichtlicher Weise den systematischen Gang der „qua¬ 
litativen chemischen Analyse“; ferner ist aufgeführt der Nachweis 
anorganischer Stoffe in organischen Verbindungen, der Nachweis der 
Blausäure und die Ermittlung giftiger organischer Basen. 

Obiges Werkchen dürfte daher jedem Studirenden der Medicin 
und Thierheilkunde willkommen sein. Kl et er. 


19. 

Lewin, L. Dr., Docent an der Universität zu Berlin, Die Nebenwirkung der 
Arzneimittel. Pharmakologisch-klinisches Handbuch. Verlag von August 
Hirschwald, Berlin. 

Verfasser stellte sich bei Abfassung vorliegenden Handbuches 
die Aufgabe, eine Uebersicht über die zum Theil zerstreut an den 
verschiedensten Orten der medicinischen Literatur niedergelegten, zum 
Theil in den Lehrbüchern der Arzneikunde gar nicht oder nur ober¬ 
flächlich berücksichtigten Nebenwirkungen der Arzneimittel zu liefern, 
welche geeignet wäre, dem Arzte im concreten Falle Aufklärung 
über die Ursache der Abweichung von der typischen, normalen Wir¬ 
kung, sowie Fingerzeige für sein praktisches Eingreifen zu geben. 

Die Aufgabe, die sich Verfasser gestellt, eine vom didaktischen 
Standpunkte aus bearbeitete Zusammenstellung des bisher auf dem 
in Frage stehenden Gebiete bekannt Gewordenen zu liefern, kritisch 
zu beleuchten und durch eigene Erfahrungen zu vermehren, hat der¬ 
selbe unseres Erachtens glücklich gelöst. 

Wir wünschen dem Werke, welches zunächst *für den Menschen¬ 
arzt geschrieben ist, aber auch dem Thierarzte ein zweckmässiger 
und werthvoller Führer sein wird, die verdiente Verbreitung. 

W. 


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V. 

Verschiedenes. 


1. 

An die Vorstände der zoologischen Gärten. 

In dem pathologischen Institut der Universität Strassburg i./Els., 
welches unter Leitung des Professors v. Recklinghausen steht, 
ist jetzt eine Abtheilung für vergleichende pathologische Anatomie 
eingerichtet worden, weiche sich die Aufgabe gestellt hat, die Todes¬ 
ursache der in den zoologischen Gärten gestorbenen Thiere zu er¬ 
forschen. 

Ich habe mich früher am zoologischen Garfen zu Hamburg längere 
Zeit mit derartigen Untersuchungen beschäftigt und beabsichtige die¬ 
selben jetzt nach meiner erfolgten Versetzung nach Strassburg unter 
der bereitwilligst mir zugesagten Beihülfe des Herrn Prof. v. Reck¬ 
linghausen fortzusetzen. 

Da aber Strassburg keinen zoologischen Garten besitzt, so wende 
ich mich hiermit an die Vorstände der zoologischen Gärten mit der 
Bitte, mir die gestorbenen Thiere bald möglichst nach erfolgtem Tod 
zur Untersuchung zu übersenden. Ueber den Befund würde ich in 
dieser Zeitschrift und im „Zoologischen Garten“ Bericht erstatten 
und verweise ich an dieser Stelle auf meine „Beiträge zur verglei¬ 
chenden pathologischen Anatomie“, die 1872 bei Hirschwald in Berlin 
erschienen sind. Ich hebe noch besonders hervor, dass ausser Säuge- 
thieren auch noch Vögel, Reptilien und Fische willkommen sein wer¬ 
den. In erster Linie reflectire ich auf die Zusendung von Affen. 

Die Sendungen bitte ich franco unter meiner Adresse an das 
hiesige pathologische Institut richten zu wollen. 

Strassburg i./Els., den 5. November 1882. 

Dr. Paulicki, 
Oberstabs- und Regimentsarzt. 


2 . 

Aktinomycose. 

Von Prof. Dr. Johne in Dresden. 

Zur Entscheidung der Frage bezüglich der Identität des Acti- 
nomyces hominis und bovis und der Uebertragbarkeit der Aktinomy- 


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110 


V. Verschiedenes. 


cose vom Menschen auf Thiere wurden von mir, mit gütiger Unter¬ 
stützung der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden, in 
jüngster Zeit Uebertragungsversuche vom Menschen auf Thiere an- 
gestellt. 

Die mit intra vitam entnommenem und ganz frisch verimpftem 
Material bei einem Kalb und zwei Schweinen peritoneal und subcutan 
angesteliten Infectionsversuche sind (bei einer circa 180 tägigen Ver¬ 
suchsdauer) vollständig resultatlos verlaufen. Dieser Erfolg lässt die 
vollständige Identität von Actinomyces hominis und bovis etwas we¬ 
niger zweifellos als bisher und weitere Versuche in dieser Richtung 
wünschenswerth erscheinen. 

Näheres hierüber folgt in den Mittheilungen der obigen Ge¬ 
sellschaft. 


3. 

IV. internationaler thierärztlicher Congress 
in Brüssel (1883). ^ 

In seiner vierten Sitzung hat der dritte internationale thierärzt¬ 
liche Congress beschlossen, „dass im Jahre 1870 in Brüssel ein vierter 
internationaler Congress stattzufinden habe“. 

Umstände, die durch ein Circular vom 15. März 1870 zur Kennt- 
niss der Mitglieder dieser 3. internationalen Versammlung und durch 
die thierärztlichen Zeitschriften zur Kenntniss des Publicums gebracht 
wurden, haben das vom Züricher Congress gewählte Comitd verhin¬ 
dert, diesen Beschluss zur Ausführung zu bringen. 

Die nationale Versammlung der belgischen Thierärzte, welche 
im Jahre 1880 stattfand, hat beschlossen, diesen so lange aufgescho¬ 
benen vierten internationalen Congress bei Gelegenheit der Feier des 
fünfzigjährigen Bestehens der Brüsseler Thierarzneischule abzuhalten. 

Ein Ausschuss, bestehend aus zwei der Delegirten des Züricher 
Congresses (der dritte ist leider gestorben) und zwölf Civil- oder 
Militärthierärzten wurde mit den einleitenden Arbeiten des zu organi- 
sirenden Congresses betraut. 

Die Unterzeichneten, Präsident und Schriftführer dieses Aus¬ 
schusses, haben die Ehre, den Herren Collegen die Abhaltung dieses 
Congresses im Jahre 1883 hierdurch anzuzeigen und zugleich ihre 
Hoffnung auszusprechen, dass durch zahlreiche Theilnahme der Thier¬ 
ärzte aller Länder diese internationale Versammlung recht frucht¬ 
bringend sein möge. 

Zahlreiche belgische Thierärzte haben schon ihre Zustimmung 
zu diesem Congress gegeben und sich als Mitglieder desselben ein- 
schreiben lassen; sie haben sich ebenfalls verpflichtet, ausser dem 
Beitrag von 10 Franken (8 Mark), welcher von jedem Mitglied be¬ 
zahlt wird, die zur Deckung eines eventuellen Deficits nöthigen Sum¬ 
men zu entrichten. 

Der Beitrag von 8 Mark ist zahlbar vom Tage des Beitrittes 
als Mitglied des Congresses ab und von diesem Tage an erhält 


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V. Verschiedenes* 


111 


jedes Mitglied alle Drucksachen und sonstige Mitthei¬ 
lungen des Congresses. 

Alle Schriften, Drucksachen etc. sind franco an den Präsidenten 
des einleitenden Comitds zu senden unter der Adresse: Monsieur 
Thiernesse , directeur de VEcole de med. veterinaire et President du 
comite d’Organisation du Congres international de med. veterinaire 
a Cureghem (Bruxelles-Midi). 

Die Herren Collegen, welche eine oder die andere allgemeine 
oder international thierärztliche Frage in das Programm des Con¬ 
gresses aufgenommen zu sehen wünschen, sind gebeten, diese Frage 
binnen Kurzem an dieselbe Adresse zu senden. Alle eingesandten 
Fragen werden dem Comitö unterbreitet und dieses bestimmt bald 
möglichst die durch den Congress zu behandelnden Punkte. 

Durch die vorigen internationalen Congresse belehrt, hat das 
jetzige Comitö die Ernennung einer Specialcommission für jede der 
zu behandelnden Fragen beschlossen. Diese Commissionen, aus Thier¬ 
ärzten verschiedener Länder zusammengesetzt, werden beauftragt, die 
nöthigen Vorberichte über die verschiedenen, den Verhandlungen zu 
unterwerfenden Punkte auszuarbeiten und diese zeitig genug an die 
Adresse des Herrn Thiernesse zu senden, um den Druck und die 
zeitgemässe Vertheilung dieser Vorberichte zu erlauben. 

Für das einleitende Comitd: 

Dr. Wehenkel, A. Thiernesse, 

Secretair. Präsident. 


4. 

III. Sammlung 

eines Stammcapitals zur Begründnng einer Unterstützongskasse 
für die Hinterbliebenen deutscher Thierärzte. 

An Beiträgen gingen ferner ein: Vom Verein thüringischer Thier¬ 
ärzte durch Herrn Thierarzt Henkert in Erfurt 100 Mark, vom 
veterinärmedicinischen Verein im Grossherzogthum Hessen durch Herrn 
Stabsveterinär a. D. Zimmer in Darmstadt 100 Mark, von den Herren 
Einicke in Wreschen 6 M. (als 2. Beitrag), Niem ela in Ratibor 
6 M., Prof. Dr. Seifmann in Lemberg 8,70 M., Ulrich in Lauen¬ 
burg 10 M. — Zusammen 230 M. 70 Pf. 

Die Summe aller bis jetzt eingegangenen Beiträge beträgt 
1585 Mark 29 Pf. 

Indem den hochherzigen Gebern der wärmste Dank ausgespro¬ 
chen wird, kann nicht unterlassen werden, nochmals auf die hohe 
Bedeutung des zeitgemässen Unternehmens hinzuweisen mit der Bitte, 
sich durch recht zahlreiche Beiträge an diesem Werke uneigennütziger 
und wahrhafter Collegialität zu betheiligen. 

Hannover, dnn 22. September 1862. 

Dr. Dam mann. Geiss. 


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VI. 

Personalien. 


1. 

Ernst Friedrich (xurlt. 

Am 13. August v. J. starb zu Berlin in fast vollendetem 88. Le¬ 
bensjahre der Nestor der deutschen thierärztlichen Professoren, der 
Geheime Medicinalrath, Professor und Director der königl. Thier¬ 
arzneischule zu Berlin. Wir entnehmen dem Nekrologe desselben, 
welchen ihm zwei seiner Schüler und spätere Collegen, Leisering 
und Müller, widmeten, in Kürze Folgendes: 

Ernst Friedrich Gurlt wurde am 13. October 1794 zu Drenkau 
in Schlesien als Sohn eines Amtmannes des Grafen von Schweinitz, 
als der Jüngste von 5 Geschwistern geboren. Er erhielt in dem ge¬ 
nannte Orten und nach der Versetzung seines Vaters in Dreban bei 
Steinau a./O. den gewöhnlichen Schulunterricht und eine weitere Aus¬ 
bildung bei den einschlägigen Pastoren. Im Jahre 1809 widmete er 
sich der Apothekerzunft und machte wegen der damaligen Kriegs¬ 
jahre, die auch den Ort Lüben, wo er in der Lehre war, nicht ver¬ 
schonten, eine sehr bewegte Zeit durch. Der Tod seines Vaters (1811), 
sowie die gemeine Gesinnung seines Principals trugen wesentlich dazu 
bei, dass seine Lehrzeit eine harte und wenig erfreuliche war. Im 
Herbst 1813 trat er freiwillig ins Militär ein, um seiner Militärpflicht 
zu genügen. Er wurde dem Feldlazareth auf dem Bürgerwerder zu 
Breslau als Apotheker überwiesen. Hier wurde er mit den meisten 
seiner Collegen vom Kriegstyphus ergriffen. Hier war es auch, wo 
ihm sein behandelnder Arzt zuredete, Medicin zu studiren. Obgleich 
Gurlt nur unbedeutende Mittel zu Gebote standen, ging er auf die¬ 
sen Rath ein und wurde im Herbst 1814, auch ohne Maturitätszeug- 
niss, weil damals für alle, welche im Militär gedient hatten, die Be¬ 
günstigung bestand, auch ohne solches Zeugniss die Universität mit 
allen Rechten der Studirenden besuchen zu dürfen, zur Universität 
zugelassen. Lateinisch und Griechisch studirte er nachträglich. — 
Er studirte bis 1815. Da kehrte Napoleon von Elba zurück und 
Gurlt trat wieder ins Militär ein. Er wurde einem fliegenden Feld¬ 
lazareth in Düsseldorf zugetheilt. Mit diesem Lazareth gelangte 
Gurlt nach Paris und le Mans. Im Jahre 1816 kehrte er an den 
Niederrhein zurück und verliess seine militärische Laufbahn, um im 
Sommersemester desselben' Jahres seine Studien an der Universität 


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VI. Personalien. 


113 


) 

Breslau fortzusetzen. Hier wirkte damals der Anatom Dr. Otto, 
der an dem jungen, strebsamen Gurlt Gefallen fand und ihn zu 
seinem Assistenten machte, in welcher Stellung er bis zu seiner am 
5. August 1819 erfolgten Promotion zur grössten Zufriedenheit Otto’s 
verblieb. Der Letztere war es auch, der Gurlt aufmunterte, noch 
Thierheilkunde zu studiren, um in Breslau Departementsthierarzt zu 
werden, sich als‘Privatdocent an der Universität zu habilitiren und 
bei ihm Prosector zu werden. Auf Verwenden Dr. Morgalla’s 
sollte Gurlt eine Summe von 400 Thaler jährlich erhalten, um nach 
erfolgter Approbation als praktischer Arzt in Berlin sich dem thier- 
ärztlichen Studium zu widmen. An der Berliner Thierarzneischule 
war damals gerade durch den Abgang Lorinser’s die Repetitor¬ 
stelle für Anatomie frei geworden, die Gurlt mit 400 Thlr. Diäten, 
freier Wohnung und freiem Brennholze zu Theil wurde. Im Mai 1820 
erhielt er die Approbation als praktischer Arzt. — An der Thierarznei¬ 
schule lehrte und lernte er, neben Prof. Reckleben, Anatomie der 
Hausthiere. Bei dem Mangel eines guten Handbuches der Anatomie der 
Haussäugethiere machte er sich daran, ein solches zu verfassen und 
schon im Winter 1820/21 veröffentlichte er den ersten Theil seiner 
vergleichenden Anatomie, dessen zweiten Theil er im Winter 1822 
vollendete. Es war dies die erste wissenschaftliche, deutsche Anato¬ 
mie, die, ohne sich an französische Vorbilder anzulehnen, unsere 
sämmtlichen Haussäugethiere berücksichtigte und die Nomenclatur der 
menschlichen Anatomie in consequenter Weise auch für unsere Haus¬ 
thiere zur Anwendung brachte. 

Vom Mai bis October 1821 machte er mit einer Unterstützung 
aus Staatsmitteln eine wissenschaftliche Reise durch Oesterreich, Un¬ 
garn, Bayern, Württemberg und Sachsen. — Neben der Anatomie 
hatte er auch Botanik übernommen und schrieb auch — anonym — 
über diesen Gegenstand auf Veranlassung des Ministeriums ein kleineres 
und ein grösseres Werk. 1825 wurde Gurlt zum Oberlehrer er¬ 
nannt mit einem Gehalte von 900 Thlr., freier Wohnung und freiem 
Brennholze; 1827 erhielt er den Titel Professor. Im Verlaufe der 
Zeit (von 1824 —1869) docirte Gurlt normale und pathologische 
Anatomie, Physiologie, Zoologie, Botanik, leitete die Präparirüburigen 
und Sectionen und botanischen Excursionen. Dabei fertigte er seine 
Vorlesungspräparate selbst an, sammelte nach jeder Richtung — wir 
erinnern nur an die reichhaltige Sammlung von Missbildungen, Epi¬ 
zoen und Entozoen, die Sammlung zur vergleichenden Anatomie der 
Wirbelthiere — und war noch vielfach literarisch thätig. So er¬ 
schienen 1835 „die anatomischen Abbildungen der Hausthiere u (150 
grosse Tafeln, die bei der zweiten Auflage 1848 durch 26 Tafeln 
ergänzt wurden). 1831/32 erschien sein Lehrbuch der pathologischen 
Veterinär-Anatomie, hierzu Nachträge 1849; 1837 sein Lehrbuch der 
Physiologie der Haussäugethiere; 1847 gemeinschaftlich mit Hert- 
wig die „chirurgische Anatomie und Operationslehre“. 1835 begrün¬ 
dete er ebenfalls gemeinschaftlich mit Hertwig das „Magazin für 
die gesammte Thierheilkunde“, die beste Zeitschrift ihrer Zeit in 
Deutschland. Damit ist jedoch Gurlt’s vielseitige Thätigkeit noch 

Deutsche Zeitschrift f. ThiermÄd.u.verg].Pathologie. IX. Bd. 8 


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114 


YI. Personalien. 


lange nicht erschöpft. Er wurde vielfach in Commissionen berufen. 
Lange Zeit war er Examinator in der Botanik für die Candidaten 
des Baufaches und Mitglied der medicinischen Oberexaminationscom- 
mission etc. Nach dem Abgänge des Geheimen Medicinalrathes AIbers 
wurde Gurlt 1849 zum technischen Director und neben ihm der 
spätere Geheime Regierungsrath Esse, unglückseligen Angedenkens, 
zum Verwaltungsdirector der Thierarzneischule ernannt. 

Am 20. Mai 1868 feierte Gurlt unter grossartiger Betheiligung 
sein 50 jähriges Dienstjubiläum. Damals lebten im preussischen Staate 
überhaupt nur noch 4 Thierärzte, die ihre Studien vor dem Eintritte 
Gurlt’s in die Berliner Thierarzneischule begonnen hatten. Am 
11. April 1870 wurde Gurlt, seiner Bitte entsprechend, der wohl¬ 
verdiente Ruhestand gewährt. 

Gurlt erfreute sich während seiner langen Thätigkeit einer fast 
ununterbrochenen Gesundheit und blieb bis in das hohe Alter ausser¬ 
ordentlich rüstig und erstaunlich arbeitsfähig. Die Pflichttreue, mit 
welcher er sein Amt verwaltete, war so gross, dass zufällige körper¬ 
liche Indispositionen, Katarrhe, Rheumatismen etc. für ihn ebenso¬ 
wenig einen Grund abgaben, seine Vorlesungen auszusetzen, als ein 
Regen oder Unwetter ihn zu bestimmen vermocht hätte, seine bota¬ 
nischen Excnrsionen zu unterbrechen. Seine geselligen Bedürfnisse 
waren dagegen gering; er lebte nur seiner Arbeit und seiner Familie. 
Wir glauben behaupten zu dürfen, dass er, abgesehen von dem Be¬ 
suche gelehrter Gesellschaften, wohl nur höchst ausnahmsweise Abends 
den Kreis seiner Familie verlassen hat; er liebte es, in demselben 
Clavier zu spielen und suchte körperliche Bewegung und Spazieren¬ 
gehen durch Billardspielen in seinem Hause zu ersetzen. Seine haupt¬ 
sächlichste Erholung fand er auf den Reisen, die er alljährlich mit 
den Seinigen während der grossen Ferien machte. Keinem seiner 
Collegen ist er gesellschaftlich näher getreten; er machte und empfing 
keine Besuche. War er durch die Verhältnisse gezwungen, grösseren 
Gesellschaften beizuwohnen, so zeigte er sich in diesen fast befangen, 
und derselbe Mann, der in seinen Vorlesungen, besonders wenn es 
sich um seine Lieblingsgegenstände handelte, mit Eifer und gut zu 
sprechen verstand, wäre kaum im Stande gewesen, auch nur die 
kürzeste Tischrede zu halten. — Da Gurlt in seinen Anordnungen 
kurz, bestimmt und sehr ernst war und in dem anatomischen Institute 
auf Ordnung hielt, so hielten ihn die Studirenden nicht selten für 
rücksichtslos und übermässig streng. Dies war er indess keineswegs; 
als Examinator war er sogar äusserst human und wohlwollend und 
nur gegen absolute Unwissenheit unerbittlich. 

Der Ernst, der Gurlt’s Leben umgab und nur in selteneren 
Fällen und solchen Personen gegenüber, denen er sein besonderes 
Wohlwollen zugewendet hatte, einer liebenswürdigen Freundlichkeit 
wich, ist wohl hauptsächlich auf seine unter Sorgen und Mühen durch¬ 
lebte Jugendzeit zurückzuführen. Betrachtet mah diese genauer, so 
ist Gurlt ein „seif-made man“ in des Wortes eigentlichster und voll¬ 
ständigster Bedeutung; einsam und alleift in der Welt dastehend, hat 
er mit Noth und Sorgen zu kämpfen gehabt und sich seine Steilung 


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Y. Personalien. 


115 


durch eisernen Fleiss errungen. Dies Ringen und Kämpfen liess an 
dem von Natur schon ernst angelegten Mann auch für die übrige 
Lebenszeit Spuren zurück; er wurde in hohem Grade zurückhaltend. 
Trotz einer gewissen gesellschaftlichen Unzugänglichkeit und mancher 
Eigentümlichkeiten im täglichen Verkehr hat er aber gewusst, sich 
die Liebe und Achtung seiner Collegen und Schüler zu erwerben 
und zu erhalten; sie kannten alle seine Pünktlichkeit und Zuverläs¬ 
sigkeit so genau, sie waren auf seine Thätigkeit und seinen wissen¬ 
schaftlichen Ruf so stolz und namentlich von seinem Billigkeits- und 
Gerechtigkeitsgefühl so fest überzeugt, dass sein ungeselliges Wesen 
niemals Anstoss erregte. Es war dies eben eine Gurlt’sche Eigen¬ 
tümlichkeit, die ihm Jedermann gern nachsah. 

Ganz besonders aber muss hier noch hervorgehoben werden seine 
grosse Wahrheitsliebe, sowohl im äusseren Verkehr als in seinen 
wissenschaftlichen Arbeiten. Gurlt mag nach den heutigen An¬ 
schauungen Manches unvollkommen beschrieben, nach den heutigen 
Anschauungen Manches falsch gedeutet haben, aber das, was er in 
seinen Beschreibungen über die von ihm untersuchten Gegenstände 
gesagt hat, ist wahr! Er würde sich nie gestattet haben, einer vor¬ 
gefassten Meinung zu Liebe Thatsächen zu entstellen oder zu ver¬ 
schweigen. Daher sind die Gurlt’schen Arbeiten auch so zuver¬ 
lässig und werden, so lange wir eine tbierärztliche Wissenschaft haben, 
ihren vollen Werth behalten, wie die echten Goldmünzen ihren Werth 
behalten, wenn auch ihr Gepräge und ihr äusseres Ansehen durch 
die Zeit gelitten hat. Alle seine Schüler werden dem „alten Gurlt“ 
— so hiess er schon vor 30 Jahren — ein ehrendes Andenken be¬ 
wahren. “ 

Gurlt lebte nach seiner Pensionirung noch eine Reihe von Jah¬ 
ren in ungetrübter Gesundheit und in gewohnter Weise fort. Bis 
zum Jahre 1874 führte er das von ihm und Hertwig begründete 
Magazin für Thierheilkunde fort. Erst im letzten halben Jahre seines 
Lebens konnte man eine sichtliche Abnahme seiner Körper- und 
Geisteskräfte constatiren. In den letzten Monaten war er an das 
Zimmer gefesselt, es stellten sich Circulationsstörungen und Dyspnoe 
ein und am 13. August 1882 starb er eines sanften Todes. Eine 
grosse Reihe von Auszeichnungen wurde ihm zu Theil; 24 gelehrte 
Gesellschaften hatten ihn zu ihrem Mitgliede ernannt. 

Mit Gurlt starb ein Anatom der alten Schule im besten Sinne 
des Wortes. Zuverlässig in seinen Aussprüchen, gewissenhaft, sauber 
und unermüdlich in seinen Arbeiten, sicherte er den letzteren einen 
Bestand, der lange nach seinem Tode noch fortdauern wird. Die 
Methoden der anatomischen Untersuchung, wie sie zu seiner Zeit geübt 
und gepflegt wurden und die in der Neuzeit, wie mir scheint, zu 
sehr auf Kosten der alles beherrschenden mikroskopischen Technik 
vernachlässigt werden, waren ihm alle zu eigen. Sie waren es auch, 
die ihm jeder Zeit einen weiten und vollen Ueberblick über das 
ganze Gebiet der Veterinäranatomie gestatteten. In seine Zeit fiel 
die Einführung der Mikroskopie in die Anatomie. Auch mit diesem 
Instrumente leistete er für seine Zeit Gutes, wie die Untersuchungen 

8 * 


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116 


VI. Personalien. 


über die Hautdrüsen unserer Hausthiero erwiesen, wenn er auch den 
raffinirten neueren Methoden, schon wegen Ueberladung mit Arbeiten, 
nicht folgen konnte. Möge ihm die Erde leicht sein! F. 


2 . 

f Franz Hartmann, 

Professor an der Thierarzneischule Bern. 

Kaum 5 Monate, nachdem der hochverdiente Director der Berner 
Thierarzneischule, Herr von Niederhäusern, zu Grabe gestiegen, ist 
der Tod schon wieder an einen Professor der gleichen Anstalt, an 
Herrn Franz Hart mann hinangetreten. 

Franz Hartmann ist geboren am 10. August 1838 in Warnitz 
in Pommern als Sohn des dortigen Pfarrers. Nach Absolvirung des 
städtischen Gymnasiums des benachbarten Stargard ging er nach 
Berlin, um sich da dem Studium der Thierheilkunde zu widmen. Nach 
vorzüglich bestandenem Staatsexamen liess er sich zur Ausübung der 
thierärztlichen Praxis in seiner Heimath nieder. In den Jahren 1870/71 
diente er in dem auf immer memörablen deutsch-französischen Kriege 
seinem Vater lande als praktischer Thierarzt. 

Bald nach seiner Heimkunft aus Frankreich wurde Hartmann 
auf Veranlassung seines alten Studienfreundes Metzdorf, nunmeh¬ 
rigen Professors der Anatomie der Berner Thierarzneischule, als Pro- 
sector an diese Anstalt berufen. Nach dem Wegzuge Metzdorf’s 
würde Hartmann, der sich in seinem neuen Wirkungskreise sehr 
vorteilhaft auszeichnete, die vacant gewordene Professur der Ana¬ 
tomie, sowie auch diejenige der Hufbeschlagslehre und des Exterieurs 
übertragen. Gleichzeitig leitete er die Präparirübungen. 

In dieser Stellung diente er der Schule als sehr gewissenhafter, 
treuer Lehrer bis zum Spätherbst des Jahres 1881, wo er in Folge 
Erkrankung anfangs den Unterricht nur zeitweise, von Neujahr an 
aber ganz aussetzen musste. 

Hartmann wurde von einem verhängnissvollen Magengeschwür 
befallen und litt in Folge dessen an öfterem Blutbrechen, gestörter 
Verdauung und Ernährung und an deshalb sich einstellender Anämie. 
Donnerstag den 13. Juli 1882 gegen Mittag starb dann Hartmann, 
der sich auf dem Wege der Besserung wähnte, nach langen Leiden 
plötzlich in Folge einer Magenperforation. 

Die Berner Thierarzneischule verliert in dem jung Verstorbenen 
— er war erst 44 Jahre alt — einen tüchtigen, wissenschaftlich und 
praktisch gebildeten, treuen Lehrer, seine Mitprofessoren, sowie auch 
die ihm näher, gestandenen Thierärzte einen biederen, offenen, treu¬ 
herzigen Collegen. Der Verstorbene, ohne nähere Familie, lebte so 
ganz seinem Berufe und der Wissenschaft. Sein so reich und tief 
angelegtes Gemüth, sein humanes edles Herz, sein treuer Sinn, seine 
lautere Seele, sein gerader Charakter, sein makelloses Leben, sein 
bescheidenes, liebevolles Benehmen im gesellschaftlichen Umgänge 
verschafften ihm die Freundschaft Aller, die ihm näher kamen. 


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VI. Personalien. 


117 


Wie er einerseits am frohen Feste ein stets gerne gesehener 
Genosse war, so hatte andererseits er für die Leiden der Nebenmen¬ 
schen ein warmfühlendes Herz; doch nie wusste seine Linke, was die 
Rechte gab. Hartmann hat manche Thräne des Unglückes getrock¬ 
net und mancher arme Mann wird über seinen zu frühen Tod trauern. 

Hartmann war auch mehrjähriger Actuar und eine Zeit lang 
Präsident der Gesellschaft der Bernschen Thierärzte gewesen. 

Das stattliche Leichengeleite, das seine Collegen der Thierarznei¬ 
schule und der Hochschule, die Comilitonen der Studentenschaft, zahl¬ 
reiche Thierärzte, der deutsche Hülfsverein, sowie sonstige Freunde 
zu seiner trauerigen Fahrt zur ewigen Ruhe nach dem Friedhofe von 
Bremgarten ihm gaben, zeigte so deutlich, welchen herben Verlust 
so Viele in dem Hinscheiden Hartmann’s erlitten. Nun ruht der 
Gute zur Seite des ihm nur eine kurze Spanne Zeit vorher heim- 
gegangenen, unvergesslichen v. Niederhäusern. Doch Hart- 
mann’s offenes, gerades, anspruchsloses, treuherziges, biederes We¬ 
sen wird seinen Mitprofessoren, seinen zahlreichen Schülern, Freunden 
und Bekannten in lieber Erinnerung bleiben. 

Die Erde sei ihm leicht! M. Strebel. 


3. 

Der seither bei dem bayer. Landgestüte aushülfsweise verwen¬ 
dete Veterinär Jacob Ferdinand- Thomann ist als Verweser des 
Landgestütsthierarztes berufen worden. 

Der 1. klinische Assistent der königl. Thierarzneischuie München, 
Eugen Fröhner, ist als Professor an die Thierarzneischuie Stuttgart 
berufen worden. 

Prof. Berdez in Bern ist zum Director der dortigen Thierarznei¬ 
schuie gewählt worden. 

Der Director und Professor des Dorpater Veterinärinstituts, wirkl. 
Staatsrath und Ritter Friedrich Unterberg er, ist krankheitshalber 
und seiner Bitte entsprechend pensionirt worden. An seine Stelle 
wurde Prof., Staatsrath und Ritter Casimir Raup ach zum Director 
des Dorpater Veterinärinstituts ernannt. 

Bezirksthierarzt Otto Koch wurde zum Gestütsdirector in Achsel¬ 
schwang (Bayern) ernannt. 


4. 

Auszeichnungen. 

Dem Prof. Dr. L. Förster an dem k. k. Thierarzneiinstitute 
in Wien wurde in Anerkennung seiner langjährigen ausgezeichneten 
Thätigkeit im Lehramte und auf wissenschaftlichem Gebiete der Titel 
und Rang eines Regierungsrathes verliehen. 

Dem Corpsrossarzte Gross beim V. Armeecorps und dem Ober¬ 
rossarzte Uhde beim westpreussischen Kürassierregiment Nr. 5 wurde 
der königl. Kronenorden 4. Klasse verliehen. 


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118 


VI. Personalien. 


Prof. Dr. Pflug und der grossherzogl. Kreisveterinärarzt Kolb 
zu Alsfeld erhielten für ihre Verdienste um die Landwirthschaft die 
landwirthsschaftliche Vereinsmedaille. 

B£la Tormay, Director der königl. Thierarzneischule zu Buda¬ 
pest, erhielt den eisernen Kronenorden 3. Klasse. 


5. 

Gestorben . 

Franz Hartmann, Prof, der Anatomie an der Thierarznei¬ 
schule zu Bern ist in seinem 43. Lebensjahre an einem perforiren- 
den Magengeschwüre gestorben. 

Prof. Camille Joseph Davaine, Mitglied der Academie der 
Medicin in Paris, der unabhängig von Brau eil die Milzbrandbacte- 
rien entdeckte, ist im 71. Lebensjahre gestorben. 

Dr. Postl, früherer Professor für Anatomie an der Münchener 
Thierarzneiscbule. 


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VII. 


Ueber Katalepsie. 

Von 

E. FrÖhner, 

Professor an der Thierarzneischule in Stuttgart. 

Die Angaben in der veterinärmedicinischen Literatur ttber 
Katalepsie bei unseren Hausthieren sind sehr spärliche; in den 
letzten Jahrzehnten fehlt, wie es scheint, eine Casuistik der 
Krankheit ganz, selbst die neueren Handbttcher der speciellen 
Pathologie und Therapie beschränken sich lediglich auf eine 
Wiedergabe älterer, bekannter Fälle und- Anschauungen. Es 
dürfte daher vielleicht der im Folgenden beschriebene, zur ge¬ 
nauen Beobachtung gelangte Fall von Katalepsie bei einem Hunde 
sowohl wegen seines vielgestaltigen, wechselreichen Symptomen- 
complexes, als auch besonders wegen der dabei ermöglichten 
Section des Cadavers einen kleinen Beitrag zur Kenntniss der 
Katalepsie bei unseren Hausthieren abgeben. 

Die Katalepsie oder Starrsucht (auch Steifsucht, wächserne 
Steifheit, Exstase, Katochus, Eclipsis genannt) stellt bekanntlich 
eine zu der Gruppe jener ausgebreiteten Neurosen mit bis jetzt 
unbekannter anatomischer Grundlage, wie Epilepsie, Eklampsie, 
Tetanus etc. gehörende Krampfform der nervösen Centralorgane 
dar, welche ihren Namen von der am meisten in die Augen 
springenden Steifheit, Starre der Muskel und Extremitäten er¬ 
halten hat. Die beim Menschen am häufigsten in Verbindung 
mit der Hysterie auftretende Neurose kann, wie es scheint, bei 
unseren Hausthieren sowohl als primäres, selbständiges, von an¬ 
deren Krankheiten unabhängiges Leiden — und es sind das die 
selteneren und wichtigeren Fälle — wie auch als secundäres im 
Gefolge anderer, besonders nervöser Krankheiten auftreten. In 
der Literatur finden sich von den erstgenannten, zu denen auch 
der im Folgenden näher zu beschreibende Fall gehört, nur ganz 
vereinzelte Angaben. 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX.B4. 9 


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120 


VII. FRÖHNER 


Ueber den ersten derartigen Fall berichtet Hering in seiner 
speciellen Pathologie und Therapie 1842 S. 496 bei einem Pferde, 
und ist derselbe fUr das Pferd bis jetzt auch der einzig beschrie¬ 
bene geblieben, denn der an derselben Stelle von Hofacker 
angeführte Fäll scheint mehr als Epilepsie denn als Katalepsie 
aufgefasst werden zu müssen. Der Fall Hering’s betraf ein 
Wagenpferd, das zu periodisch wiederkehrenden Zeiten 5—10 Mi¬ 
nuten, selten länger dauernde Anfälle in der Weise zeigte, dass 
es ganz bewusstlos, unbeweglich und starr wurde und daher weder 
von der Stelle zu bringen, noch umzuwenden war. 

Neben diesem führt Hering dann noch einen Fall von Kata¬ 
lepsie beim Hund von Lochner aus dem Jahre 1686 an (vergl. 
2. Auflage seiner speciellen Pathologie 1858 S. 597). 

Einen weiteren Fall von Katalepsie beschreibt Leisering 
bei einem Prairiewolfe im Magazin für Thierheilkunde von Gurlt 
und Hertwig 1848. XIV. Bd. S. 223 ff. Die Symptome hierbei 
bestanden nach undeutlichen prodromalen Erscheinungen zunächst 
in verminderter Fresslust, Unempfindlichkeit gegen äussere Beize, 
hochgradiger Abspannung, Schläfrigkeit, Bewegungslosigkeit und 
leichter Schwellung des Kopfes; das Schlingvermögen war noch 
vorhanden. Dabei verharrte das Thier in den ihm gegebenen, 
noch so widernatürlichen Stellungen und Lagen, wie bei der Toden- 
starre, stundenlang; der beschriebene Zustand selbst dauerte meh¬ 
rere Stunden, während welcher nur der noch fühlbare Puls und 
Herzschlag und die noch sichtbaren und vorhandenen Athemzüge 
auf ein lebendes Thier schliessen liessen, und ging sodann in 
den entgegengesetzten der Erschlaffung sämmtlicher Körpertheile 
über, auf welche nach 14 Stunden der Tod erfolgte. 

Die Section ergab ein negatives Besultat. 

Unter dem Namen Katalepsie beschreibt weiterhin Hertwig 
in seinem Buche: »Die Krankheiten der Hunde“, 2. Auflage 1880. 
S. 43 f. (1. Auflage 1853) »ein nervöses Leiden, welches sich da¬ 
durch charakterisirt, dass die Hunde dabei grösstentheils willen¬ 
los sind und nicht oder doch nicht vollständig und zu allen 
Zeiten das Vermögen besitzen, sich nach eigenem Gefallen in 
beliebige Stellung zu versetzen, oder sich von einem Orte zum 
andern zu bewegen. “ Indess ist diese Definition nicht prägnant 
genug, indem die angegebenen Erscheinungen, z. B. bei der Ohn¬ 
macht, in derselben Weise zu finden sind. An einer anderen 
Stelle nennt er dann als die wichtigste Krankheitserscheinung 
die, „dass die Patienten eine einmal eingenommene Stellung oder 


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Ueber Katalepsie. 


121 


Lage sehr lange, zuweilen durch mehrere Stunden behalten, sich 
auch künstliche Stellungen geben lassen und dieselben bisweilen 
durch eine halbe bis ganze Stunde unverändert behalten“. Als 
nebensächliche Symptome fährt er nur noch einen trüben, matten 
Blick, schwach verminderten Appetit und langsameres, unregel¬ 
mässiges Kauen auf und bemerkt dabei ausdrücklich, dass die 
Sinnesempfindlickkeit ungestört, der Appetit zu Nahrung und Ge¬ 
tränk vorhanden und auch hinsichtlich der Ausleerungen nichts 
Abnormes zu bemerken ist; von ausgeprägteren Störungen des 
Bewusstseins, sowie von einer eigentlichen Starre der Muskeln und 
Extremitäten, von welcher die Krankheit ihren Namen erhalten 
hat, berichtet Her Iw ig nichts. Ich hebe dies hervor, weil sich 
sowohl der gewöhnliche Begriff von Katalepsie, als auch beson¬ 
ders der später zu beschreibende Fall mit dem von Hertwig 
entworfenen Bilde der Katalepsie nicht ganz deckt. Circulations- 
und Respirationsapparat sind nach Hertwig ganz normal. Be¬ 
züglich der Dauer und Prognose der Krankheit gibt Hertwig 
an, dass sie meist plötzlich entstehe, aber durch zwei oder selbst 
durch mehrere Wochen fortdauere, für gewöhnlich nicht tödtlich 
sei, sondern höchstens in Folge eintretender Schwächezustände. 
Als Ursachen beschuldigt er Erkältungen, heftige psychische Er¬ 
regungen, schwer verdauliche Nahrung, Metastasen in Folge plötz¬ 
lich unterdrückter Flechten (!), therapeutisch empfiehlt er für den 
Anfang Drastica (Gummigutti, Crotonöl), späterhin erregende 
Mittel, so Kaffee, Kampher, selbst die Brechnuss. 

Die meisten, und wie es scheint, auf vielseitiger persönlicher 
Beobachtung beruhenden Erfahrungen über Katalepsie finden sich 
indess bei Spinola [vergl. sein Handbuch der speciellen Patho¬ 
logie und Therapie 2. Aufl. 1863, H. Bd. S. 606 ff. (1. Aufl. 1858)]. 
Seine Schilderung der Katalepsie unterscheidet sich von der Hert¬ 
wig’s in einigen sehr wesentlichen Punkten und es stimmt mit 
seiner Beschreibung auch der von mir beobachtete Fall viel besser 
überein. Die auffallendste Erscheinung bei der Katalepsie be¬ 
steht nach Spinola darin, dass die Hunde plötzlich „gleichsam 
wie bezaubert“ unbeweglich in derselben Stellung oder Lage ver¬ 
harren und weder durch Locken noch durch Drohungen zu be¬ 
wegen sind eine andere anzunehmen, dass man ihnen sogar ab¬ 
sichtlich jede beliebige Stellung und Lage geben könne. Die 
Pupille ist dabei unbeweglich, der Blick stier, Bewusstsein und 
Empfindung sind bald wenig, bald stark getrübt, bald ganz ge¬ 
schwunden. Circulations - und Respirationsapparat sollen wenig 

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VII. FRÖHNER 


verändert sein. Dagegen bezeichnet Spinola als eine beson¬ 
dere Eigentümlichkeit, dass mitunter die Muskeln mehr gespannt 
und hart, starrkrampfähnlich sich anjuhlen, mitunter dann wieder 
ganz erschlafft sind. Die Dauer der Anfälle beträgt nach ihm 
mehrere Minuten bis eine Stunde und länger; die Prognose soll 
im Ganzen nicht ungünstig sein. 

Nachdem ich so die in der Literatur enthaltenen wesent¬ 
lichsten Angaben aufgeführt habe, wende ich um zu dem in Rede 
stehenden Fall. 

Am 30. Januar d. J. überbrachte Herr Hofschauspieler Wall¬ 
bach einen schon länger in seinem Besitze befindlichen, dressirten, 
2jährigen, männlichen, schwarzen Dachshund mit rostfarbenen 
Abzeichen der Klinik der Stuttgarter Thierarzneischule mit dem 
Vorberichte, dass derselbe seit einigen Tagen eine Alteration des 
Appetits in der Weise zeige, dass die Fresslust bald darnieder¬ 
liege, bald sich in Form eines Heisshungers geltend mache, so 
dass der sonst wohlgezogene Hund unerlaubter Weise nach Speisen 
schnappe, die auf dem Tische stehen; ausserdem solle derselbe 
das eine Mal unruhig und aufgeregt umherlaufen, das andere Mal 
sich mit Vorliebe in dunkle Ecken verkriechen. Der Besitzer kam 
daher auf den Gedanken, ob der Hund nicht mit Bandwürmern 
behaftet sei und bat um die Einleitung einer Bandwurmkur. 

Die daraufhin unternommene Untersuchung ergab ein massig 
gut genährtes Thier der kleineren Ra<je von gracilem Körper¬ 
bau, dessen Haarkleid gut gepflegt, glatt anliegend und glänzend 
war. Die Schleimhäute des Auges waren von normaler, hellrosa- 
rother Farbe; die Temperatur über die Körperoberfläche war 
gleichmässig vertheilt. Die Pulsfrequenz des Thieres betrug 
90 Pulsschläge pro Minute, der Puls war kräftig, ziemlich gleich¬ 
mässig, dagegen unregelmässig und zwar nach dem 3. oder 
4. Schlage aussetzend, die Arterienwandungen waren mässig ge¬ 
spannt. Der Herzschlag war auf beiden Seiten deutlich fühlbar, 
links mehr als rechts, die Herztöne waren normal, die Körper¬ 
temperatur betrug 38,3° C. 

Die Futteraufhahme des Thieres war eine gute und es wur¬ 
den dabei keinerlei abnorme Erscheinungen wahrgenommen; da 
das Thier für die Bandwurmkur vorbereitet werden sollte, erhielt 
es diesen Tag nur V« Liter Milch. In der Maulhöhle war ausser 
einem leichten üblen Geruch nichts Krankhaftes wahrzunehmen, 
ebensowenig ergab die Untersuchung des Hinterleibes etwas Der¬ 
artiges; der durch Exploration gewonnene Koth war von grau- 


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Ueber Katalepsie. 


123 


weisslicher Farbe, ziemlich hart und Hess auf Brod- und Knochen- 
fUtterung schliessen. Proglottiden von Bandwürmern fanden sich 
nicht darin vor. Urin konnte an diesem ersten Tage keiner er¬ 
halten werden. 

Die Zahl der Athemzüge bei dem Thier belief sich auf 20 
pro Minute. Die Athmung geschah sehr ruhig und oberflächlich, 
die ausgeathmete Luft war weder höher temperirt, noch übel¬ 
riechend, die Nase feucht und kalt; Auscultation und Percussion 
der Brusthöhle ergaben nichts Abnormes. 

Desgleichen zeigten sich der Bewegungsapparat und die 
Psyche des Thieres frei von jeder auffälligen Erscheinung. Die 
Augen waren klar, ausdrucksvoll, der Blick lebhaft, die Pupille 
war von normaler Weite. 

Es liess sich also ansser einem unregelmässigen Puls, leicht 
üblem Geruch aus der Maulhöhle und einem harten Kothe nichts 
Abnormes bei dem Thier nachweisen, und auch die genannten 
Erscheinungen boten gar nichts Charakteristisches dar, da sie 
alle drei nur zu oft bei sonst ganz gesunden Hunden zu beob¬ 
achten sind. 

Ein ganz anderes Bild dagegen bot der folgende Tag. Als 
nämlich der Hundewärter in der Früh in den Stall trat, fand er 
das Thier in einer Ecke des Käfigs stehend, mit dem Schweif 
wedelnd, sonst regungslos; dasselbe veränderte auch auf Zurufe 
seine Stellung nicht, schien überhaupt jede Beziehung zur Aussen- 
welt verloren zu haben. Bei genauerer Untersuchung fielen zu¬ 
nächst einzelne Körpermuskeln, so besonders die der Kruppe, der 
Schulter- und Halsgegend, sowie des Kopfes durch ihre deutlich 
hervortretenden Contouren in die Augen; sie waren wie heraus- 
gemeisselt, dem Wachsmodell eines Muskelpräparates sehr ähnlich. 
Die so von einander abgegrenzten Muskelpartien fühlten sich prall 
und derb an, so dass man unwillkürlich an Muskelcontractionen 
vom Charakter des Starrkrampfs denken musste; daneben war 
eine ganz intensive Kaumuskelstarre ganz nach Art eines Trismus 
vorhanden, welche das Oeffnen der Maulspalte unmöglich machte 
und den Ausfluss einer reichlichen Menge von Speichel zur Folge 
hatte. Gab man nun aber dem Thiere eine andere Stellung, so 
behielt es dieselbe continuirlich bei, selbst dann, wenn sie noch so 
bizarr und unphysiologisch war, höchstens dass sich eine ganz 
unnatürliche Stellung nach dem Gesetze der Schwerkraft aus¬ 
glich; von Seiten des Thieres dagegen erfolgte dabei weder eine 
Aeusserung eines Willens, noch einer Vorstellung , überhaupt eines 


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VII. FRÖHNER 


Bewusstseins. Die einzige Bewegung des Thieres bestand in einem 
unausgesetzten Wedeln mit dem Schweife. 

Die Psyche des Thieres war in hohem Grade gestört. Ich 
kann den Totaleindruck, den das Thier auf den Zuschauer nach 
dieser Seite hin machte, nicht anders bezeichnen, als den eines 
verzückten, von der Aussenwelt entrückten Thieres; es war ein< 
Traumwachen, ein hypnotischer Zustand, der lebhajt an die Be¬ 
schreibungen des Somnambulismus beim Menschen erinnerte, ja den 
ich sogar für damit identisch erklären möchte. Dabei war der 
Blick des Thieres immer starr auf einen und denselben Punkt 
gerichtet, das Auge erschien schleierartig getrübt, die beiden 
Pupillen waren weit geöffnet. 

Die Sensibilität des Thieres war allenthalben sehr stark ver¬ 
mindert; wie die Muskelstarre selbst für das Thier nicht mit 
Schmerzgefühl verbunden war, so liess auch ein auf die contra- 
hirten Muskelpartien ausgeübter Druck keinerlei Reflexempfind¬ 
lichkeit wahmehmen. Die Haut war auf der ganzen Oberfläche 
des Körpers für Nadelstiche vollständig empfindungslos, desglei¬ 
chen die Schleimhäute der Maul- und Nasenhöhle; nur die Lid¬ 
bindehaut und die Conjunctiva corneae waren noch theilweise 
empfindlich, indess schien auch hier eine Verminderung der 
Reflexerregbarkeit vorhanden. Geruchs- und Gehörsempfindung 
schienen vollständig gelähmt, indem weder vorgehaltenes Fleisch, 
noch die verschiedensten Zurufe bemerkt wurden; ebenso war 
die Sehempfindung aufgehoben. 

Circulations- nnd Respirationsapparat Hessen nichts Abnormes 
erkennen, der Zustand war vielmehr derselbe, wie am Tage vor¬ 
her, 90 Pulsschläge, 38,5 Temperatur, 20 Athemzüge. 

Auch im Digestionsapparat fand sich mit Ausnahme der be¬ 
reits angeführten Salivation und des gehinderten Kauvermögens, 
sowie eines spärlich abgesetzten, übelriechenden, viele unver¬ 
daute Fetzen enthaltenden Kothes nichts Auffallendes. 

Die an diesem Tage eingeleitete Behandlung bestand in Ver¬ 
abreichung von Milch und Fleisch, Sorge für ruhigen Aufent¬ 
haltsort, Abhaltung aller äusseren Reize, sowie in der innerlichen 
Anwendung des Bromkaliums (3,0 auf dreimal in einstündigen 
Pausen). Der beschriebene Zustand dauerte bis zum Abend, volle 
12 Stunden. Erst dann war ein Nachlass sowohl der Muskel¬ 
starre als auch der psychischen Störungen wahrzunehmen, das 
Thier konnte wieder frei umherlaufen, folgte auf Zurufe und 
reagirte an allen Körpertheilen auf Nadelstiche. Bei noch theil- 


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Ueber Katalepsie. 


125 


weise bestehendem Trismus nahm das Thier. Futter in gehöriger 
Menge zu sich; die Abendtemperatur betrug 38,9°, die Puls¬ 
zahl 90, die der Athemztlge 25. 

Am dritten Tage hatte es den Anschein, als ob die Besse¬ 
rung andauern wollte. Die Steifheit in den Muskeln war bis 
auf geringgradig noch vorhandenen Trismus verschwunden, das 
Thier bewegte sich frei und lebhaft, auch war die Sensibilität 
der Haut vollständig erhalten und die Psyche ganz frei. Die 
Futteraufnahme war auch an diesem Tage trotz der geringen 
Spannung der Kaumuskeln eine gute, dagegen war der Kothab¬ 
satz sehr verzögert und der Koth sehr übelriechend. Die übrigen 
Organe waren durchwegs normal; die Temperatur betrug 38,1°, 
die Pulszahl 92, die der Athemzüge 24. 

Die Behandlung des Thieres war an diesem Tage dieselbe, 
nur wurde mit der Verabreichung des Bromkaliums ausgesetzt, 
weil die diesbezüglichen Erscheinungen nahezu ganz verschwun¬ 
den waren. Dagegen erhielt das Thier 0,2 Galomel mit Zucker, 
um damit die Coprostase zu beseitigen. Am Abend war der Zu¬ 
stand derselbe, wie am Morgen. Die Temperatur betrug 38,3°, 
die Pulszahl 90, Zahl der Athemzüge 20. 

Das Befinden des Thieres am vierten Tage war im Wesent¬ 
lichen dasselbe günstige, wie am vorhergehenden Tage. Mit Aus¬ 
nahme eines noch vorhandenen ganz leichten Trismus und dadurch 
veranlasster Salivation waren der Bewegungsapparat und auch 
die Psyche ganz frei. Die Temperatur betrug 38,3°, die Puls¬ 
zahl andauernd 90, die Zahl der Athemzüge 18. Die Futterauf¬ 
nahme dagegen war schlechter geworden und die Kothausschei¬ 
dung trotz des Calomels ganz sistirt. Der am Thermometer klebende 
Koth war sehr übelriechend, von weicher Consistenz. Die Blase 
des Thieres schien stark gefüllt, willkürlicher Absatz von Urin 
war bis jetzt noch nicht beobachtet worden, bei Druck auf die 
Blase von aussen erhielt man eine mässige Menge eines dunkel 
bierbraunen, diffus-getrübten fadenziehenden Urins von saurer Re- 
action. Das specifische Gewicht konnte leider nicht abgenommen 
werden, da die Menge des Harns dazu nicht reichte, indess schien 
es ziemlich hoch. Die chemische Untersuchung des Harns ergab 
einen sehr hohen Eiweissgehalt, das Eiweiss schied sich sowohl 
beim Kochen als bei der Hoppe-Seyler’schen Methode in 
dichten Flocken aus. Daneben enthielt der Harn viel Gallenfarb¬ 
stoffe und Indican. Die mikroskopische Untersuchung wies das 
Vorhandensein vieler Fetttröpfchen nach. 


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VII. FRÖHNER 


Behandlung dieselbe wie am 3. Tage, nur wurde das Calomel 
weggelassen; dagegen wurden, als gegen Abend wieder Erschei¬ 
nungen der Starrsucht auftraten, 2,0 Bromkalium verabreicht. 

Am 5 . Tage war wiederum eine ganz bedeutende Verschlim¬ 
merung im Befinden des Thieres eingetreten. Es zeigten sich 
nämlich wieder genau dieselben Erscheinungen der Starrsucht und 
dieselben Störungen der Psyche und Sensibilität , wie am 2 . Tage . 
Dazu kam noch eine diffuse, höhere Röthung der Lidbindehaut, 
Sinken der Temperatur auf 37,0, Steigen der Pulszahl auf 100. 
Der Puls selbst war sehr ungleichmässig und unregelmässig, 
schwächer als Tags zuvor und die Arterie nur sehr wenig ge¬ 
spannt. Der Herzschlag war auf beiden Seiten pochend fühlbar, 
die Herztöne sehr laut, aber normal. Die linke Pupille war sehr 
stark erweitert, das Auge getrübt und der Blick stier, dagegen 
war höchst auffallender Weise die rechte Pupille bis auf Steck - 
nadelkopfgrösse verengert . Die Futteraufnahme war ganz unter¬ 
drückt, das Schlingvermögen geschwunden, der Speichel floss in 
Strängen aus dem fest geschlossenen Maule. Kothabsatz bestand 
immer noch nicht , auch war kein Urin zu erhalten. Der Respi¬ 
rationsapparat Hess wie bisher nichts Abnormes erkennen, die 
Zahl der Athemzüge betrug 22. 

In Folge dieser Verschlimmerung wurde die Verabreichung 
von 4,0 Bromkalium (auf 4 mal) und wegen des noch immer 
unterdrückten Kothabsatzes die von weiteren 0,2 Calomel ange¬ 
ordnet, ausserdem wurde die Schleimhaut der Maulhöhle mit einer 
5proc. Kali chloricum-Lösung ausgespült. 

Am Abend hatte sich der Zustand noch mehr verschlimmert. 
Die Pupille rechts hatte sich zwar wieder erweitert (Dauer der 
Verengerung circa 12 Stunden), dagegen war die Körpertempe¬ 
ratur auf 36,6 0 gesunken , die Pulszahl betrug 100, die Zahl der 
Athemzüge 25. Futter aufzunehmen war das Thier nicht mehr 
im Stande. 

Am 6. Tag war die Starrsucht wieder verschwunden und 
hatte einer Erschlaffung sämmtlicher Muskeln Platz gemacht, da¬ 
gegen hatten die Störungen des Sensoriums zugenommen, das 
Thier lag in einem comatösen Zustand , war vollständig theil- 
nahmslos gegen seine Umgebung und unfähig, auf den Füssen zu 
stehen. Die Erweiterung der rechten Pupille dauerte auch an 
diesem Tage noch an, die Temperatur war wieder um etwas ge¬ 
stiegen (37,1°). Die Pulszahl betrug 126 pro Minute. Der Puls 
war sehr schwach und elend, fast unfühlbar. Die Futteraufnahme 


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Ueber Katalepsie. 


127 


war unmöglich, die Coprostase dauerte fort, dagegen war im 
Athmungsapparat immer noch nichts Krankhaftes mit Sicherheit 
nachzuweisen. 

ln Folge dieses Zustandes wurde bei der Behandlung zu er¬ 
regenden Mitteln gegriffen und dem Thiere zunächst 100,0 Kaffee- 
infhs (1:10) theelöffelweise eingegeben, indess war das Schling- 
vermögen dabei fast ganz aufgehoben. Daneben wurden behufs 
Erzielung von Kothabsatz öfters lauwarme Klystiere gesetzt und 
die Ausspülung der Maulhöhle mit der Lösung von Kali chloricum 
wiederholt. 

Am 7. Tage war das Befinden des Thieres derart, dass jede 
Hoffnung auf Besserung anfgegeben werden musste, das Thier 
lag in einem tiefen Sopor. Die Augen waren mit einem eitrigen 
Schleim verklebt. Die Myosis der rechten Pupille war wieder 
eingetreten. Die Temperatur betrug 35,2 °, die Pulszahl 125, der 
Puls war sehr schwach, fadenförmig. Koth wurde auch an diesem 
Tage keiner abgesetzt, es schien vielmehr eine vollständige Lähmung 
des Darmkanals und der Blase vorhanden zu sein. Die Zahl der 
Athemzüge betrug 25, die Auscultation und Percussion der Brust¬ 
höhle ergaben keine bestimmbaren Veränderungen in den Lungen. 

Mit der Behandlung des Thieres wurde nunmehr ausgesetzt; 
der Tod trat in der darauffolgenden Nacht ein. 

Wenn ich nun im Folgenden die im beschriebenen Verlauf 
der Krankheit auftretenden pathologischen Erscheinungen nach 
ihrer Dignität der Beibe nach aufzähle, so sind es meines Er¬ 
achtens in erster Linie die Motilitätsstörungen, welche die Auf¬ 
merksamkeit auf sich ziehen und die Grundlage des ganzen 
Krankheitsbildes darstellen. Und zwar sind es neben einigen 
wenigen Lähmungserseheinungen besonders Erregungszustände des 
Muskelsystems. Es gehört hierher das Starrwerden der willkür¬ 
lichen Muskeln nach Art einer tetanischen Contraction mit Auf¬ 
hebung sowohl der Einwirkung des Willens als der ßeflexerreg- 
barkeit, ein Krampfzustand, der fast über den ganzen Körper 
verbreitet war (vergl. sogar Trismus war vorhanden) und Bemis- 
sionen wie Becidive zeigte. Da die besprochenen Erscheinungen 
als Herdsymptome wohl kaum anfzufassen sein dürften, so bleibt 
nur die Möglichkeit, sie für eine verbreitete Neurose zu halten, 
welche mit dem Starrkrampf viel Aehnlichkeit zeigt. Indess hätte 
für letztere Krampfform die Krankheit nur dann gehalten werden 
können, wenn die genannten Erscheinungen die einzigen geblieben 


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VII. FRÖHNER 


wären; so aber musste der Gedanke an Starrkrampf, je mehr 
andere Symptome im Verlauf der Krankheit auftraten, immer 
unwahrscheinlicher werden. Auch wäre es abgesehen davon doch 
undenkbar, dass, wie schon Spinola hervorhebt, bei reinem Te¬ 
tanus in dieser Ausbreitung einem Thiere die allerverschiedensten 
Stellungen und Lagen beigebracht werden könnten, dass man 
z. B. den Hals und Kopf oder die Extremitäten nach einer be¬ 
liebigen Seite hin biegen könnte und dieselben dann in der neuen 
Lage verharren würden. Weiterhin bewies die gänzlich aufge¬ 
hobene Sensibilität der Haut und Schleimhäute und der höheren 
Sinnesorgane, dass im gegebenen Fall keine vermehrte Reflex¬ 
erregbarkeit, wie beim Tetanus, sondern im Gegentheil ein voll¬ 
ständiges Fehlen derselben anzunehmen war. Endlich ist es be¬ 
kannt, dass beim Starrkrampf die Psyche für gewöhnlich ganz 
frei ist; auch dürfte ein so rasches Verschwinden und Wieder¬ 
auftreten des Krampfes bei demselben wohl nie Vorkommen. — 
An Epilepsie oder Eklampsie zu denken, lag noch viel ferner. 

Dagegen stimmten die Erscheinungen sehr wohl mit der als 
Katalepsie bezeichneten, auf einer bis jetzt noch unerkannten 
Erkrankung des Gehirns und Rückenmarks beruhenden Krampf¬ 
form, in deren Symptomencomplex sich auch die anderen beob¬ 
achteten Erscheinungen wohl unterbringen lassen. 

Hierher gehören bezüglich der in erster Linie genannten 
Motilitätsstörungen noch gewisse Lähmungszustände des Muskel- 
systems, so die im Verlauf der Krankheit auftretende allgemeine 
Erschlaffung und Lähmung, die Lähmung des Darmkanals und 
der Blase und vielleicht die als Sympathicuslähmung aufzufas¬ 
sende Verengerung der rechten Pupille. 

An die Störungen der Motilität reihen sich in zweiter Linie 
die Störungen der Psyche. Dass bei Katalepsie das Bewusstsein 
gestört, die Augen trüb, der Blick stier sind, hebt schon Spinola 
hervor, er spricht bereits davon, dass die Hunde „wie verzaubert* 
sind. Bei der beschriebenen Krankheit kann man sogar die Ent¬ 
wicklung der sensoriellen Störungen verfolgen, wenn man als 
prodromale Erscheinungen die anamnestischen Angaben über un¬ 
lustiges Wesen, launenhafte, oft wechselnde Stimmung des Thieres 
in Betracht zieht. Das Wesen der beschriebenen psychischen Phä¬ 
nomene stehe ich nicht an als eine dem Hypnotismus des Men¬ 
schen identische Erscheinung aufzufassen, welche beim Menschen 
ein, wenn auch nicht gewöhnliches Theilsymptom der vielgestal¬ 
tigen Hysterie neben den ebenfalls selteneren kataleptischen und 


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Ueber Katalepsie. 


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anderen häufigeren, zum Theil auch im gegebenen Fall beobacht 
teten Symptomen ausmaebt. — Wie die Störungen der Motilität, 
bo traten auch die der Psyche in Anfällen von kürzerer oder 
längerer Dauer auf. 

Als nicht minder wichtige Krankheitsäusserungen reihen sich 
an die beiden vorher genannten die Störungen der Sensibilität. 
Mit Ausnahme der vielleicht im Prodromalstadium vorhandenen 
abnormen Liehtempfindlichkeit, welche sich darin ausspricht, dass 
das Thier mit Vorliebe dunkle Plätze aufsuchte, waren es wäh¬ 
rend des eigentlichen Verlaufs der Krankheit ausschliesslich Er¬ 
scheinungen der Anästhesie der verschiedenen sensiblen und sen¬ 
sitiven Organe. Dahin gehört vor Allem die GefUhlslähmung der 
Haut und Schleimhäute, sogar der Muskeln, in Folge deren bei 
dem Thier die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, nahezu ganz 
aufgehoben war, ferner die Lähmung der wichtigsten höheren 
Sinnesfunctionen, so der Verlust des Sehvermögens, des Geruchs, 
Gehörs, jedenfalls auch des Geschmacks und vielleicht eine An¬ 
ästhesie der Schleimhaut des Darms und der Harnblase mit con- 
secutiver Koth- und Harnretention. 

Die genannten drei Hauptgruppen von Symptomen sind für 
die Beurtbeilung der Krankheit wohl die wichtigsten. Die in 
anderen Organen auftretenden und durch die ersteren häufig be¬ 
dingten pathologischen Veränderungen dienen mehr oder weniger 
zur Vervollständigung des ungemein symptomenreiehen Krank¬ 
heitsbildes. So finden die Erscheinungen des Trismus, der Sali- 
vation, der verminderten resp. aufgehobenen Futteraufnahme, des 
verzögerten resp. aufgehobenen Koth- und Urinabsatzes ihre Er¬ 
klärung theils in Krampf- theils in Lähmungszuständen der be¬ 
treffenden Organe. Dass aber auch unabhängig davon Störungen 
der Futteraufnahme und Verdauung daneben herliefen, beweist der 
Umstand, dass nach Aussage des Eigentümers der Hund schon 
einige Tage vor der eigentlichen Erkankung eine Alteration des 
Appetits in der Weise zeigte, dass er bald einen Heisshunger, 
bald vollständige Appetitlosigkeit an den Tag legte. Auch deutet 
der Zustand des am 2. Tage der Krankheit abgesetzten Kothes 
auf eine sehr schlechte Verdauung von Seiten des Magens und 
Darmes, vielleicht selbst auf eine katarrhalische Affection des¬ 
selben hin. Jedenfalls verlief die Krankheit mit Erscheinungen 
sowohl der Dysphagie als auch der Dyspepsie. 

Von den pathologischen Bestandteilen des Urins kann das 
Eiweiss im vorliegenden Falle nur entweder auf eine Nieren- 


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VII. FRÖHNER 


erkrankung oder auf Störungen der Circnlation in der Art zurück- 
geführt werden, dass im Verlauf der Krankheit eine venöse 
Stauung im ganzen Körper (und die Section hat diese Annahme 
bestätigt), sowie damit einhergehend ein Sinken des arteriellen 
Blutdrucks mit Verminderung der Blutgescbwindigkeit in Folge 
der tetannsartigen Contractionen der Körpermuscnlatur eintrat. 
So findet man bekanntlich Eiweisshamen auch bei Tetanus, über¬ 
haupt nach allen Krampfzuständen (vergl. Senator: „Die Albu¬ 
minurie im gesunden und kranken Zustande“, 1882. S. 149 ff. und 
speciell Run eberg: „ Ueber die pathogenetischen Bedingungen der 
Albuminurie“, Deutsch. Archiv für klin. Med. XXIII. 1879. S. 41 ff., 
sowie meine Abhandlung über die Albuminurie bei den Hausthieren 
in He ring’s Repertorium 1881). Für eine Nierenerkrankung als 
Ursache der Albuminurie sprach während des Lebens kein klini¬ 
sches Symptom. 

Die schon während des Lebens beobachtete Lipurie besitzt 
wohl keinerlei wichtigere Bedeutung, danach Siedamgrotzky 
und Hofmeister (vergl. deren mikroskopische und chemische 
Diagnostik, S. 124) Fett beim Fleischfresser auch oft im normalen 
Zustand beobachtet wird. (Vergl. auch die ausführlichen Angaben 
über das Vorkommen von Fett im Harn bei Salkowski und 
Leube: Die Lehre vom Ham, Kapitel Lipurie. 1882. S. 408 ff.) 

Bezüglich des reichlichen Auftretens von Gallefarbstoffen im 
Ham möchte ich auf die an einer anderen Stelle dieser Zeit¬ 
schrift (VIH. Bd. 1. Heft. S. 69 f.) von mir entwickelte Ansicht hin- 
weisen, wonach dasselbe auf eine Verminderung des Blutdrucks 
im Körper zurückzuführen ist, und möchte besonders die Gleich¬ 
artigkeit der durch die Stärrsucht im beschriebenen Krankheits¬ 
fälle bedingten Circulationsverhältnisse mit dem an jener Stelle 
beschriebenen Falle von Auftreten von Gallefarbstoffen im Verein 
mit Eiweiss bei einem gefesselten Thiere hervorheben, eine Er¬ 
scheinung, die bezüglich des Eiweisses schon früher auch Litten 
bei seinen Versuchen wahrgenommen zu haben scheint (vgl. Ver¬ 
handlungen der Berl. med. Gesellschaft 1878 und Centralblatt für 
die med. Wissensch. 1880. S. 161 ff.). 

Der vermehrte lndicangehalt des Harns dürfte wohl auf die 
auch schon während des Lebens beobachtete Verstopfung im 
Verein mit gewissen Zersetzungsprocessen im Darmkanal nach 
dem Vorgang J a f f 6 ’s zurückzuführen sein (vgl. Centralblatt für 
die med. Wissenschaften. 1872. S. 2 u. S. 481 ff., sowie Virchow’s 
Arch. 70. Bd. 1877. S. 72 ff.). 


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Ueber Katalepsie. 


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Gar nicht erkrankt war im Anfang der Krankheit der Cir- 
culationsapparat, und es fehlte auch während des ganzen Verlaufs 
der Krankheit eine fieberhafte Erhöhung der Körpertemperatur. 
Dagegen traten in der zweiten Hälfte der Krankheit die Symptome 
einer venösen Hyperämie, sowie eines Sinkens des Blutdruckes im 
Körper deutlich hervor; darauf wiesen einerseits die diffuse höhere 
Böthung der sichtbaren Schleimhäute, andererseits der immer 
schwächer werdende Puls und die stark verminderte Arterien¬ 
spannung hin. 

Im Respirationsapparat war während des Lebens mit Sicher¬ 
heit nichts nachzuweisen. 

Während so fttr die klinischen Symptome der beschriebenen 
Krankheit ohne viel Zwang ein einheitliches Princip, nämlich das 
der Katalepsie, zu Grunde gelegt werden kann, liegen die Ver¬ 
hältnisse bei der Erklärung und Deutung der Sectionsergebnisse 
auf den ersten Anblick nicht so klar zu Tage. Um vorher, ehe ich 
auf dieselben näher eingehe, den Eindruck zu bezeichnen, wel¬ 
chen das Krankheitsbild während des Lebens bezüglich der Be- 
urtheilung der eventuellen Sectionsresultate machte, so möchte 
ich hervorheben, dass sich voraussichtlich in den nervösen Cen¬ 
tralorganen höchstens mikroskopische Veränderungen, und auch 
diese nur von der allerfeinsten Natur, vermuthen liessen, da bei 
dem periodischen, raschen Verschwinden, selbst der schwersten 
Krankheitssymptome, gröbere Veränderungen des Nervensystems 
undenkbar sind. Die Section hat diese Annahme auch bestätigt: 
Positive Veränderungen am Gehirn und Bückenmark waren nir¬ 
gends nachzuweisen. Dagegen ergab die Section neben immer¬ 
hin erklärbaren einzelne ganz auffällige, in ihrer Beziehung zur 
Katalepsie unerklärliche und daher als nebensächliche Compli- 
cationen zu bezeichnende Erscheinungen. Ich lasse bei der Wich¬ 
tigkeit des Falles und bei der Seltenheit genauer Sectionsdata 
bei der Katalepsie (ausser dem Fall Leise ring’s ist in der thier¬ 
ärztlichen Literatur meines Wissens kein zweiter verzeichnet) die 
Ergebnisse der unter Leitung des Herrn Professor Böckl vor¬ 
genommenen Section nach dem Sectionsprotokoll folgen. 

Sectionsprotokoll. 

Vornahme der Section am 6. Febr. 1883, Nachmittags 2 Uhr, 
12 Stunden nach dem natürlich erfolgten Tode. 

I. Aeussere Inspection des Cadavers: Die Schleimhäute er¬ 
scheinen blass, mit einem Stich ins gelbliche. Beide Augenlid- 


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VII. FRÖHNER 


spalten sind durch eingetrockneten eitrigen Schleim verschlossen. 
Aus der Präputialöffnung treten einige Tropfen gelblichen Eiters. 

II. Sectign des Cadavers. 

1. Nach Abnahme der Haut: Panniculus adiposns nicht ent¬ 
wickelt. Die Musculatur ist dunkel gefärbt. In den Hauptvenen¬ 
stämmen der Extremitäten und des Halses ist dnnkelrothes un¬ 
vollkommen geronnenes Blut enthalten. Die Musculatur an der 
oberen Fläche des Halses ist in einer Ausdehnung von 10 Cm., 
etwa zwischen dem ersten und siebenten Halswirbel blutig inßltrirt. 
Eine Gefässverletzung an dieser Stelle kann nicht nachgewiesen 
werden. Die mehr seitlich und nach unten gelegene Musculatur 
ist gelbgrau gefärbt, blutarm. 

2. Nach Oeffnung der Brusthöhle: Der Herzbeutel ist frei 
von Flüssigkeit. Das rechte Herz befindet sich im Erschlaffungs-, 
das linke im Contractionszustande. Im Herzen befinden sich bei¬ 
derseits speckhäutige Gerinnsel. Ein Zipfel der Tricuspidalis ist 
schwartig verdickt, unter dem Endocardium befinden sich hirse- 
bis hanfkorngrosse, graugelbe Knötchen in die Musculatur ein¬ 
gelagert. Derselbe Erfund ist auch unter dem Epicardium nach¬ 
weisbar. Die linke Herzwandung scheint etwas verdickt. Auf 
dem Durchschnitt zeigt das Myocardium zahlreiche, kleinere hä¬ 
morrhagische Herde. 

Am rechten hinteren Lungenlappen ist die untere und vordere 
Hälfte schwarzroth gefärbt, ebenso an dem rechten vorderen Lap¬ 
pen eine etwa thalergrosse Portion. Ebendaselbst ist das Lungen¬ 
gewebe hart und derb anzuftthlen und verdickt; an den übrigen 
Partien ist die Lunge normal roth gefärbt. Die Schnittflächen 
der erwähnten Herde zeigen eine tief schwarzrothe Färbung; das 
Gewebe fühlt sich derb an, ist ohne Luftgehalt (hämorrhagische 
Herde), der hintere Herd ist etwa hühnereigross, der vordere 
kastaniengross und scharf umschrieben. In den zutührenden Ar¬ 
terien der beschriebenen Lungeninfarcte sass je, ein grosser Em¬ 
bolus. Auf dem vorderen linken Lappen ist die Schnittfläche 
dunkelbraun, entsprechend dieser Stelle ist die Pleura mit einem 
zarten, ablösbaren, fibrinösen Häutchen überzogen. An den übri¬ 
gen Lappen ist mit Ausnahme von Emphysem nichts Besonderes 
wahrnehmbar, ln den Bronchien befindet sich eine dünnschlei¬ 
mige Masse von blutiger Färbung. Im Kehlkopf, sowie in der 
Luftröhre, desgleichen auch im Schlundkopfe und im Schlunde 
befindet sich ein zäher, bräunlicher, blutiger Schleim. 

3. Nach Oeffnung der Bauch- und Beckenhöhle: Bei Oeffnung 


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Ueber Katalepsie. 


138 


der Bauchhöhle fällt zunächst auf, dass eine ziemlich starke venöse 
Hyperämie der Baucheingeweide vorhanden ist. Der Magen ist 
ziemlich ausgedehnt und gefüllt mit hell-lehmfarbenem, dünn¬ 
breiigem, mit fetthaltigem Zellgewebe gemischtem, nach Koth 
riechendem Inhalte . Die Schleimhaut des Magens zeigt am Py- 
lorustheil ßeckige Hämorrhagien . Die Schleimhaut des Zwölf¬ 
fingerdarms zeigt in einer Ausdehnung von circa 10 Cm. circum - 
scripte Hämorrhagien . Der Dünndarm enthält in mässiger Menge 
eine rothbraune, zähschleimige Flüssigkeit; die Schleimhaut des 
Zwölffingerdarms ist sammetartig geschwellt, auch jene des Dick¬ 
darms zeigt eine ähnliche Rothe , wie die des Dünndarms. 

Die Leber ist hyperämisch , bietet aber sonst nichts Abnormes. 
Die Galle ist von schmutzig grüner Farbe und gallertartig ein¬ 
gedickt. Die Milz ist anämisch, im Uebrigen normal. 

Die Nieren sind hyperämisch , sonst makroskopisch normal. 

Die Harnblase ist stark gefüllt mit hell-orangefarbigem, trübem 
Ham von leicht fauligem Geruch ; die Schleimhaut derselben zeigt 
stärkere Röthung . 

4. Section des Kopfes: Die Nasenscheidewand ist nach rechts 
ziemlich stark eingedrückt (Asymmetrie), wodurch die rechten Con- 
chien bedeutend gedrückt, die rechte Nasenhöhle verengert, die 
linke dagegen erweitert worden ist. Die Schleimhaut beider Na¬ 
senhöhlen ist stark injicirt und mit einer blutig schleimigen Flüs¬ 
sigkeit bedeckt. 

5. Section der Himhöhle: An der Dura mater ist nichts Be¬ 
sonderes. Die Venen der Gehitmoberfläche sind stark injicirt , die 
Schnittflächen des Grosshirns erweisen sich wässrig glänzend, und 
sind die Querschnitte der Venen deutlich sichtbar. Das Grosshirn 
ist etwas weich, ebenso das Kleinhirn und das Bückenmark. In 
der Halsportion des Rückenmarks erscheint die graue Substanz 
allenthalben etwas gelblich. 

6. Mikroskopischer Befund: An den erwähnten Herden des 
Myocardiums ist neben leichter Hämorrhagie und Kemvermehrung 
im Interstitium eine trübe Schwellung und eine hochgradige Fett¬ 
degeneration, sowie wachsige Entartung eines Theils der Muskel¬ 
fasern vorhanden . Neben den makroskopisch erkennbaren Herden 
treten bei dieser Gelegenheit noch zahlreiche kleinste, nur mit be¬ 
waffnetem Auge erkennbare Herde auf, so dass hierdurch die ganze 
Wandung des linken Herzens und der Scheidewand erkrankt erscheint 
(parenchymatöse Myocarditis mit Ausgang in Fettdegeneration). 

Die Musculatur des Halses, sowohl die hämorrhagisch infiltrirte 


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134 


vn. FRÖHNER 


als auch die anämische , ist fast durchweg mehr oder weniger ver¬ 
fettet oder trübe geschwellt. Auch andere Stellen der Skeletmuscu- 
latur lassen in leichten Graden dieses Phänomen erkennen. 

Die Untersuchung des Rückenmarks führte zu keinem posi¬ 
tiven Ergebniss. 

In den Nieren zeigte die Mehrzahl der Harnkanälchen fettige 
Degeneration der Epithelien im vorgeschrittenen Stadium. Der 
Harn enthielt als körperliche Gebilde Fetttropfen in grosser Zahl, 
einige Eiterkörperchen (Präpntialblennorrhoe), Plattenepithelien 
und Spermatozoen. 

Wie zunächst ans dem Sectionsprotokoll hervorgeht, war 
eine anatomische Grundlage ftir die in Bede stehenden nervösen 
Symptome der Krankheit nicht zu finden, selbst die mikrosko¬ 
pische Untersuchung ergab ein lediglich negatives Besnltat. Be¬ 
züglich der anderen Symptome tritt nnn aber die Frage heran: 
Können dieselben mit den klinischen Erscheinungen der Katalepsie 
in Verbindung gebracht werden, oder sind sie als secnndäre, von 
der Katalepsie unabhängige Erscheinungen aufzufassen? 

Die wichtigsten pathologischen Veränderungen, welche die 
Section aufweist, sind zweifelsohne die makroskopischen und 
mikroskopischen Veränderungen an den einzelnen Muskeln. Dass 
dieselben mit den Erscheinungen im Leben, dass sie speciell mit 
den kataleptischen Symptomen in Zusammenhang gebracht wer¬ 
den müssen, dürfte wohl kaum in Abrede zn stellen sein. Sie 
besitzen viel Aehnlicbkeit mit den Muskelveränderungen, welche 
man bei an Starrkrampf verendeten Thieren antrifft und werden 
wohl auch dieselbe Pathogenese, wie dort, beanspruchen dürfen. 
Was so fürs Erste den mikroskopischen Befund der trüben Schwel¬ 
lung und fettigen Entartung der Musculatur des Skelets und des 
Herzens betrifft, so ist dieselbe ohne viel Schwierigkeit auf eine 
nutritive Beizung, verbanden mit Ernährungsstörungen der be¬ 
treffenden Theile in Folge excessiver Thätigkeit der musculösen 
Organe in directem Anschluss an die kataleptischen Erscheinungen 
zurückznfUhren. Auch die im Herzen und in der Skeletmusculatur 
auftretenden hämorrhagischen Herde finden ihre ungezwungene 
Erklärung in einer durch die Muskelstarre bedingten Verlang¬ 
samung und Stauung des venösen Blutstroms, die bei andauern¬ 
der Starre zur Hämorrhagie führen musste. 

Die diffuse parenchymatöse Myocarditis, verbunden mit wachsi¬ 
ger Entartung der Herzmuskeifasem, ist allerdings ein ausser- 


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Ueber Katalepsie. 


135 


ordentlich seltenes Phänomen, indess dürfte doch nicht geleugnet 
werden können, dass dieselbe sich von der trüben Schwellung 
and fettigen Entartung doch nnr quantitativ unterscheidet. Auf¬ 
fallend freilich bleiben diese Veränderungen in den verschiedenen 
musculösen Organen ihrer Intensität halber immer, da nach den 
Erscheinungen im Leben so hochgradige Veränderungen im Mus¬ 
kelsystem, besonders im Herzen, nicht wohl vermuthet werden 
konnten. 

Dass eine venöse Stauungshyperämie der Hinlerleibsorgane 
vorhanden sein musste, bewies schon während des Lebens das 
klinische Symptom der Albuminurie; die Beschaffenheit des Herz¬ 
muskels erklärt diese Stauungserscheinungen zur Genüge. Die 
Hämorrhagien im Magen und Darmkanal lassen sich auf diese 
Weise ebenfalls erklären. Der fettigen Degeneration der Nieren- 
epithelien ist eine wesentliche Bedeutung wohl kaum zuzusprechen. 
Die beiden, jedenfalls erst in den letzten Tagen aufgetretenen, 
klinisch nicht nachweisbaren hämorrhagischen Lungeninfarcte fin¬ 
den ihre Erklärung in der nachgewiesenen Embolie und der patho¬ 
logischen Veränderung der Tricuspidalis. 

Im Allgemeinen und grossen Ganzen stimmen also die Sections- 
erscheinungen mit den klinischen Erscheinungen während des Le¬ 
bens überein. Eine andere Frage ist die, ob sie sämmtliche einen 
für die Katalepsie wesentlichen Befand bilden, der Art, dass ohne 
sie die Katalepsie nicht gedacht werden könnte. Ich glaube, dass 
diese Frage zu verneinen ist, da, wie schon oben bemerkt, die 
eigentlichen Störungen bei dieser Krankbeit in bis jetzt noch nicht 
erkannten feinsten Veränderungen der centralen Nervenorgane zu 
suchen sein dürften, und die besonders im Muskelsystem aufge¬ 
tretenen Veränderungen jedenfalls nur Symptome einer tödtlich 
endenden Katalepsie sein können, während wir über die Grade 
der Muskelveränderung bei leichteren Fällen der Krankheit bis 
jetzt durch Sectionen nicht aufgeklärt sind. 

Um diesen Betrachtungen zum Schluss noch einige Bemer¬ 
kungen zunächst über die Dauer der kataleptischen Anfälle bei¬ 
zufügen, welche Hertwig auf zwei, selbst mehrere Wochen be¬ 
rechnet, während sie Spinola auf circa 1 Stunde und darüber 
angibt, so hält der beschriebene Fall zwischen beiden Angaben, 
nähert sich indess mehr den von Spinola und auch von Leise- 
ring aufgestellten Angaben, indem die Dauer der beiden im 
beschriebenen Krankheitsverlauf beobachteten Anfälle zwischen 
12 und 30 Stunden betrug. 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 10 


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136 


VII. FRÖHNER, Deber Katalepsie. 


Bezüglich der Prognose der Katalepsie kann aus diesen ver¬ 
einzelten Beobachtungen mit Sicherheit noch nichts geschlossen 
werden. Nimmt man indess den Fall Leisering’s hinzu, so 
dürfte dieselbe doch entgegen den Angaben von Hertwig und 
Spinola mindestens vorsichtig zu stellen sein. 

Ueber etwaige Ursachen war im vorliegenden Krankheitsfall 
nichts Sicheres zu eruiren; die Aetiologie der Krankheit wird 
wohl, wie die der Epilepsie oder des Starrkrampfes, noch lange 
eine dunkle bleiben. 

Ob endlich die von Hertwig anempfohlene Therapie die 
richtige ist, kann bis jetzt auch noch nicht entschieden werden; 
ob indess Kampher und Nux vomica bei der dem Starrkrampf 
sehr nahe verwandten Krampfform angezeigt sind, mag dahin¬ 
gestellt bleiben. Die im gegebenen Fall lediglich nach theoreti¬ 
schen Grundsätzen eingeleitete Behandlung mit Bromkalium schien 
vielleicht das erste Mal eine Wirkung ausgeübt zu haben, indess 
möchte ich es mit Sicherheit nicht behaupten. Indess glaube 
ich jedenfalls damit nichts geschadet zu haben und würde sie 
versuchsweise auch ein zweites Mal wieder in Anwendung bringen. 


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VIII. 


Ein Beitrag znr Kenntniss der Pachymeningitis spinalis 
beim Hnnde. 

Von 

Th. Kitt und A. Stoss, 

Prosector I. klin. Assistent 

an der kgl. Centr.-Thierarzneischule in München. 

In Folgendem haben wir es versucht, durch die Bekannt¬ 
gabe der klinischen Beobachtungen, sowie der Ergebnisse einer 
genauen pathologisch anatomischen und histologischen Unter¬ 
suchung, welche wir an einem mit Bewegungs- und Gefühls- 
lähmung der Nachhand behafteten Hunde anstellten, einen Beitrag 
zur Kenntniss der Erkrankungen des Nervenapparates, worüber 
Arbeiten in der veterinärmedicinischen Literatur nicht zu reich¬ 
lich vertreten sind, zu liefern. Herr Professor Friedberger hat 
in seiner bekannten Liberalität uns den betreffenden Hund aus 
der Klinik der Münchener Centr.-Thierarzneischule bereitwilligst 
zur Verfügung gestellt, wofür wir demselben an dieser Stelle 
unseren besten Dank aussprechen. 

Am 1. December vorigen Jahres wurde ein männlicher kurz¬ 
haariger schwarzer Pinscher, im Alter von 3 Jahren, zur Behand¬ 
lung übergeben. Anamnestisch konnte erhoben werden, dass der 
Zustand des Thieres bereits 3 Tage dauere, über Nacht ent¬ 
standen sei und sich eher verschlimmert, als gebessert habe. 

Vor circa einem Jahre soll das Thier ähnlich erkrankt ge¬ 
wesen sein, der Zustand sei aber vom Beginn der plötzlich ein¬ 
getretenen Erkrankung an allmählich in Heilung ttbergegangen. 

Das Thier zeigte einen mittelmässig guten Ernährungszustand, 
das Haarkleid ist glatt und glänzend, Uber die allgemeine Decke 
finden sich nirgends Spuren einer traumatischen Einwirkung; die 
sichtlichen Schleimhäute zeigen nichts Abnormes, Nase kühl und 
feucht. Die Mastdarmtemperatur beträgt 39,0° C., die Pulsfre¬ 
quenz 120 pro Minute. Der Puls ist klein, unregelmässig und un- 

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VIII. KITT u. STOSS 


gleichmässig. Die Herztöne zeigen, abgesehen von den dem Pulse 
entsprechenden Intervallen, in welchen sie hörbar werden, nichts 
Abnormes. Athemzttge vollführt das Thier etwa 20 pro Minute. 
Der Respirationsapparat, auseultatorisch und respiratorisch ge¬ 
prüft, erweist sich vollkommen normal. Die Futteraufnahme ist 
gut. Der Hinterleib aufgezogen, die Bauchdecken etwas gespannt, 
Druck auf dieselben ist für das Thier nicht schmerzhaft, hierbei 
entleert sich jedoch eine grössere Menge normalen Harnes. Will¬ 
kürlich erfolgend wurde der Koth und Urinabsatz nicht beob¬ 
achtet. Urin von weingelber Farbe, stark sauer, ohne Eiweiss. 
Die Gelenkswinkel der hinteren Extremitäten sind ad maximum 
geöffnet, die hinteren Gliedmassen in Bezug auf Motilität voll¬ 
ständig gelähmt. Das Thier schleift dieselben, indem es zur 
Vorwärtsbewegung nur die vorderen Fttsse benützt, auf dem 
Boden nach, wobei der Hinterleib in der Längsaxe bald mehr 
nach rechts, bald nach links auf die Seite gedreht wird. Die 
ganze Nachhand, insbesondere die distalen Partien fühlen sich 
kühl an, die Pulsation der Gruralis ist beiderseits deutlich fühl¬ 
bar, die Empfindlichkeit auf Nadelstiche fehlt bis zum letzten 
Lendenwirbel hinauf vollständig. 

Bei Anwendung eines schwachen Inductionsstromes zeigte die 
Musculatur der hinteren Extremitäten keine Reaction, dagegen 
stellten sich geringe Zuckungen ein bei Anwendung eines für 
den Menschen nicht mehr wohl erträglichen Stromes. Es ist 
auffallend, dass jedoch bei Anlegung der beiden Elektroden auf 
die Innenfläche der Schenkel eine Reaction, kenntlich an den 
Zuckungen der Adductoren, eintrat. Die psychischen Functionen 
des Thieres erwiesen sich vollkommen frei. 

Bedauerlich ist es, dass gerade bei den Rüekenmarkskrank- 
heiten unserer Hausthiere die Diagnostik mit einer erheblichen 
Schwierigkeit zu kämpfen bat, mit dem Mangel jeder Mittheilung 
des subjectiven Gefühls eines Thieres. Alle Hauptsymptome, 
welche beim Menschen dadurch diagnostisch verwerthbar sind, 
dass wir Auskunft erhalten über Sitz und Art der Schmerzen, 
über locale Hyperästhesie der Haut, über Empfindungsqualität 
(Formication, Tastsinn, Muskelgefühl, Temperaturempfindung etc.), 
muss der Thierarzt zur Feststellung der Localisation eines solchen 
Leidens entbehren. 

Dessenungeachtet sind uns noch Symptome geblieben, welche 
eine Verlegung der Ursachen dieser Lähmungserscheinungen in 
das Lendenmark rechtfertigen. 


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Ein Beitrag zur Kenntniss der Facfaymeningitis spinalis beim Hunde. 139 

Die hochgradige Paraplegie and Anästhesie, mit ihrem Be¬ 
schränktbleiben anf die Nachhand, wenn auch die Abgrenzung 
nach vorne weniger scharf ansgeprägt blieb, die Lähmung der 
Blase und des Afters mit den Erscheinungen der Retention an¬ 
fänglich, später der Incontinenz, ferner das Sinken der elektri¬ 
schen Erregbarkeit, dies Alles deutete unzweifelhaft auf eine 
Compression des Rückenmarks, resp. seiner austretenden Nerven¬ 
wurzeln im Bereiche der Lendenwirbel, sei es nun, dass diese 
Compression auf entzündliche Vorgänge im Marke selbst oder 
seinen Häuten zurückgeführt werden muss, sei es, dass Neubil¬ 
dungen irgend welcher Art, die vielleicht schon früher bestan¬ 
den haben mögen, nun durch Wachsen und Umfangsvermehrung 
drückend auf das Centralorgan einwirkten oder den Nervenwur¬ 
zeln den Platz streitig machten. Nachdem der Anamnese zufolge 
die Möglichkeit einer traumatischen Einwirkung ausgeschlossen 
schien und auch das Untersuchungsresultat keine Anhaltspunkte 
für dieselbe bot, für die Causalindication deshalb auch keine 
Directiven gegeben werden konnten, so beschränkte sich die 
Therapie anfangs (bis zum 6. December) auf die Anwendung des 
Inductionsstromes, um die Nerven und Muskeln bis zu einer even¬ 
tuellen Besserung des Rückenmarkleidens reactionsfähig zu er¬ 
halten, resp. heranzubilden. Der Urin wurde künstlich entleert 
(durch mittelbaren Druck auf die Blase), die Fäces durch Seifen¬ 
wasserinfusionen und Digitalextraction zu entfernen gesucht. Der 
gleichen Absicht entsprechend, d. h. da es wünschenswerth er¬ 
schien, die Erhöhung der Reflexthätigkeit im Lendenmarke herbei- 
zuführen, kam vom 7. December ab das Strychninum nitricum sub- 
cutan zur Anwendung und zwar, entsprechend den Resultaten der 
Feser’schen Untersuchungen 1 ), wurde auf 1 Kgrm. Hund 0,1 Mgrm. 
verabreicht. Dies geschah und ist wohl am einfachsten zu be¬ 
werkstelligen, indem man in 100 Grm. destillirten Wassers 0,0 K. 
(K = die Einer des in Kilogramm ausgedrUckten Gewichts des 
Thieres) löst und hiervon 1 Ccm. injicirt. Im gegebenen Falle 
wurde, da der Hund 4 K. 300 Grm. wog, eine Lösung von 
0,043 : 100,0 verwendet. Das Thier blieb in seinem Befinden 
hiernach gleich. Am 7. December wurden 1V* Ccm. der Lösung, 
am 8. Decbr. 2 Ccm. und am 9. Decbr. 2'/j Ccm., also zuletzt 
0,25 Mgrm. pro K. Hund injicirt, und zwar ohne sichtbare Wirkung. 


1) Feser, Zar Dosirung des Strychninnitrats bei subcutaner und in¬ 
terner Anwendung. Archiv f(lr Thierheilkunde von Roloff. Berlin 1881. 


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140 


VIII. KITT u. STOSS 


Die mittlere Temperatur betrug nun 38,7 ® C., die Zahl der 
Pulse pro Minute 100, die der AthemzUge 18 — 20 pro Minute. 

Der Ernährungszustand ist trotz der noch immer guten Futter¬ 
aufnahme zurückgegangen, besonders erscheint die hintere Kör¬ 
perhälfte, deren Haarkleid auch glanzlos und gesträubt ist, mehr 
abzumagern. Die Lähmungserscheinungen sind gleichgeblieben, 
im Ganzen hatte sich daher die Prognose zu einer höchst un¬ 
günstigen gestaltet. Am 11. December erhielt Patient 3 Ccm. der 
Lösung, also 0,3 Mgrm. auf 1 K., d. i. 1,29 Mgrm. Strychn. nitric., 
worauf er deutliche Vergiftungserscheinungen zeigte. Die Athem- 
frequenz steigerte sich nämlich auf 30 Athemzüge pro Minute, 
desgleichen nahm die Pulsfrequenz bedeutend zu. Auf hervor¬ 
gerufene Geräusche traten tetanische Krämpfe über den ganzen 
Körper, selbst Uber die gelähmten Partien hin auf, während die 
Psyche noch vollständig frei blieb. Der gewonnene Harn reagirte 
sauer und enthielt zum ersten Male geringe Spuren von Eiweiss. 
Circa */« Stunden nach der Injection konnten keinerlei Vergif¬ 
tungserscheinungen mehr beobachtet werden. 

Es ist mithin interessant, dass unser Object eine subcutane 
Dosis von 0,25 Mgrm. Strychnin pro Kilo ohne allen Nachtheil 
und ohne Reaction vertragen hat, während, wie Prof. Feser 
angibt, gesunde Hunde bei einer solchen Dosis regelmässig von 
heftigen Krampfanfällen heimgesucht werden. 

Im weiteren Verlaufe der Behandlung wurde nur mehr der 
elektrische Strom angewandt. Am 17. December wurde das Thier 
auf Wunsch des Eigenthttmers getödtet. Die vor der Tödtung 
vorgenommene Untersuchung ergab Folgendes: 

Hochgradige Abmagerung der Nachhand, Schleimhäute blass, 
Nase kühl, aber trocken. Umgebung des Afters mit Koth be¬ 
sudelt, HinterfÜsse und Bauch mit Harn beschmutzt, welch letz¬ 
terer an den benannten Theilen bis zu zehnpfennigstttckgrosse 
Erosionen und am Penis tiefgreifenden geschwürigen Zerfall der 
Glans und des Präputiums verursacht hatte. Bewegungslähmung 
wie bei Beginn der Erkrankung. Die Empfindungslähmung hatte 
derart zugenommen, dass nahezu bis an die Mitte des Rückens 
vollständige Anästhesie bestand, eine gürtelförmige Abgrenzung, 
ebenso eine hyperästbetische Zone dagegen nicht constatirbar 
war, sondern die Reactionsfähigkeit nahm nach vorne allmählich 
zu und konnte erst von der Nackengegend an normales Empfin¬ 
dungsvermögen festgestellt werden (Rttckenmarksödem). Eine 
Steifigkeit der Wirbelsäule war in solchem hohen Grade gegeben, 


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Ein Beitrag zur Kenntniss der Pachymeningitis spinalis beim Hunde. 141 


dass bei Druck auf den Kopf des sich auf die gegrätschten Vor- 
derfüsse stützenden Thieres der Bumpf wie ein starrer Hebel 
um eine durch die Schulterblätter gedachte Axe gedreht wer¬ 
den konnte, beispielsweise wie wenn Jemand auf das eine Ende 
einer vierbeinigen hölzernen Bank oder eines Sägebockes drückt, 
damit das entgegengesetzte Ende sich von der Erde hebt. 

Die Section wurde unmittelbar nach dem in der Chloroform¬ 
narkose erfolgten Tode vorgenommen. Von den Erscheinungen, 
welche die Organe des Cadavers darboten, ist vor Allem eine 
colossale Atrophie der gemeinschaftlichen und besonderen Muskeln 
der hinteren Gliedmassen hervorzuheben. Fast alle am Becken¬ 
gürtel angebrachten Muskeln waren nicht nur auffallend dünn, 
theilweise normal braunroth, theilweise jedoch von einem schmutzig 
graurothem Tone, wie bereift, sondern die mikroskopische Be¬ 
trachtung der Muskelfragmente aus jenen livid grauen Partien 
zeigte uns die Muskelfasern in verschiedenen Involutionszuständen. 
Während in manchen eine Querstreifung sich noch erkennen liess 
und nur in unmittelbarer Nähe der Sarkolemmakerne feine stark 
lichtbrechende Körnchen eingelagert waren, boten andere das 
Bild feinstaubiger Trübung, so dass von der Längsstreifung noch 
schwache Andeutung, von der Querstreifung keine Spur mehr 
vorhanden war. 

Wie aus der Bekanntgabe des histologischen Befundes der 
Nachhandmuskeln ersichtlich, befanden sich die Muskelfasern erst 
im Initialstadium der degenerativen Atrophie und nur die ein¬ 
fache Atrophie war eine über alle Muskelgruppen des Hinter¬ 
körpers vollständig verbreitete. Und deshalb auch war weder 
die elektrische Untersuchung im Stande, eine bedeutendere Ent¬ 
artung nachzuweisen, noch konnte eine grössere anatomische Ver¬ 
änderung der centralen trophischen und motorischen Apparate, 
welche in den grauen Vordersäulen des Rückenmarks zu suchen 
sind, ins Auge fallen. 

Die Nerven, welche die Musculatur der hinteren Extremi¬ 
täten zu versorgen haben, antworteten auf grobe Beize (Zwicken 
mit Pincette und Scheere) mit Contractionen der Fussmuskeln, 
allerdings im Verhältniss zu einer Beaction, wie sie die gleichen 
Versuche an den Nerven der Vordergliedmassen des noch warmen 
Cadavers ergaben, erschienen die Muskelbewegungen schwächer 
als an diesen. Makroskopische Veränderungen und solche im 
histologischen Aufbau konnten an den Nerven nicht nachgewiesen 
werden. Ebensowenig boten Athmungs- und Circulationsorgane 


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142 


VIII. KITT u. STOSS 


und das Verdauungsrohr nebst seinen Anhangsdrttsen irgend nen¬ 
nenswerte pathologische Kennzeichen. Von den Hamorganen er¬ 
gab nur die Untersuchung der Blase und der Harnröhre etwas 
Positives, indem die schon im klinischen Theile erwähnte Com- 
plication des Leidens mit Blasenlähmung eine Stagnation des 
Harnes und damit eine katarrhalische Entzündung der Blasen¬ 
schleimhaut hervorrief, ausserdem Anätzungen, Entzündung und 
Geschwürsbildung auf der Schleimhaut der Harnröhre und auf 
der Eichel zur Entwicklung kamen. 

Die knöcherne Schädelkapsel, die Hüllen des Gehirns und 
letzteres selbst in allen seinen Theilen erwiesen sich, obwohl 
aufs Genaueste untersucht, normal. Während nun auch an den 
vorderen Partien des Bückgratskanales keine besondere Abwei¬ 
chung vom Normalen zu constatiren war, musste im hinteren 
Theile des Brustmarks eine Stauung der Cerebrospinalflüssigkeit 
angenommen werden, indem die harte Bückenmarkshaut prall 
gespannt hervortrat und eine erhebliche Menge jenes Liquors die 
unter ihr liegenden Bäume erfüllte. Jener, innerhalb der Len¬ 
denwirbel eingeschlossene Abschnitt liess sich nur sehr schwierig 
von der Knochenhöhle abnehmen, weil in einer Ausdehnung von 
3 j /2 Cm. auf der dorsalen Fläche der äussersten Membran eine 
röthlich-gelbe Wucherung eine ziemlich feste Verbindung mit dem 
Perioste der inneren Knochenwandung herstellte. Auch auf der 
ventralen Fläche der Dura, welche an diesen Stellen einen Stich 
ins Gelbrothe angenommen, hafteten rötbliche und weissgelbe, 
krümelige Auflagerungen, die sich mehr auf die rechte Seite 
herüberzogen, sich rauh befühlten und beim Ueberstreifen mit 
der Messerklinge einen unverkennbaren knirschenden Ton er¬ 
zeugten. Wie an Querschnitten erkennbar, betrug die Mächtig¬ 
keit dieser förmlichen Neomembran an der dicksten Stelle 2 Mm., 
und wir finden dieselbe aus mehreren Schichten zusammengesetzt. 

Nach aussen, mit der verdickten fibrösen Dura mater ver¬ 
schmolzen, ist überall sehr zellen- nnd gefässreiches, viel durch- 
fiochtenes Bindegewebe, in das sich inselförmig, aber durch die 
ganze Efflorescenz zerstreut eigenthttmlich homogene, nahezu 
knollige Massen in verschiedener Grösse eingelagert haben. Es 
scheinen dieselben, um so mehr als sie bei Hämatoxylintinction 
eine diffuse, manchmal feinkörnige Färbung annehmen, Herde 
darzustellen, in welchen auf dem Wege schleimiger Metamor¬ 
phose eine Auflösung des Bindegewebes oder überhaupt einer 
Intercellularsubstanz vor sich geht Weiter enthält die mittlere 


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Ein Beitrag zur Kenntniss der Pachymeningitis spinalis beim Hunde. 143 


Zone der gewucherten Membran in unverkennbarer Weise Knor¬ 
pelplättchen eingelagert, welche durch fibröse Züge vonein¬ 
ander geschieden eine fortschreitende Zellenbildung dadurch mani- 
festiren, dass neben den einzelnen sehr deutlichen Knorpelzellen 
ganze Zellennester vorgefunden werden, in einer Weise, dass 
entweder 2— 4 Knorpelzellen in eine gemeinsame Kapsel einge¬ 
schlossen sind, oder dass Gruppen von 5—20 Knorpelzellen dicht 
gedrängt bei einander stehen und erst um diese Aggregate herum 
die Ablagerung einer mächtigen, homogenen Grundsubstanz er¬ 
folgt ist. (Solche in die Rtlckenmarksbäute eingelagerte Knorpel¬ 
plättchen sind beim Menschen ein sehr häufiger Befund gerade 
am Lendentheil, in der Regel aber ohne alle klinische Bedeutung 1 ), 
bei Thieren scheinen sie unserem Wissen nach noch nicht be¬ 
kannt 2 ). Peripher gestattete die Anordnung der Faserzüge wie¬ 
derum eine Unterscheidung des Periostes von der Neubildung, 
und hier ist der Ort, wo die Oapillargefässe, welche Übrigens 
auch auf der inneren der Dura zunächst liegenden Schichte an¬ 
getroffen werden, eine ganz Übermässige Ausdehnung erfahren 
haben, wo dieselben als weite, sehr dünnwandige Maschenräume 
sich an der Peripherie, aber noch innerhalb des neugebildeten 
Gewebes fortziehen und von förmlichen Streifen ausgetretenen 
Blutes begleitet sind. Dieses extravasirte Blut ist theils als sol¬ 
ches noch zn erkennen, theils findet sich dessen Hämatin in 
Form kleiner rostrother und schwarzer grösserer Schollen und 
Klttmpchen in dem umliegenden Gewebe der dilatirten Capillar- 
uetze. Die abtretenden Nervenwurzeln, und zwar vorzugsweise 
die hinteren, soweit sie natürlich im Bereiche des Entzündungs¬ 
herdes liegen, sind in die Neubildung mit eingeschlossen. Ihr 
Querschnitt taucht daher zwischen Periost und Neubildung, um¬ 
geben nnd eingeengt von Knorpelplättchen und der telangiekta- 
tischen Schichte, auf, ohne dass ein völliges Fehlen, eine Atrophie 
der die Nervenwurzeln begleitenden Lymphscheiden constatirbar 
wäre. Dieselben sind wohl eingeschnürt, der Querschnitt der 
Nervenwurzel ist verschoben und lehnt sich dicht an die Neu¬ 
bildung, dagegen sind dennoch kleinere Spalträume vorhanden 
nnd ist ausser kleinen Pigmentablagerungen in der Nenroglia, von 

1) Näheres hierüber siehe Erb, Handbuch der Krankheiten des Nerven¬ 
systems. I. 2. Hälfte. S. 277 in Ziemssen’s Handb. d. spec. Path. u. Ther. 1876. 

2) Hingegen hat Prof. Dr. Bonnet (Jahresbericht der Münchener Thier¬ 
arzneischule 1880/81) das Vorkommen von Knochenplättchen bei Pachymenin¬ 
gitis als eine seltene Erscheinung beschrieben. 


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vm. KITT u. STOSS 


extravasirtem Blute herrührend, keine wesentliche Aenderung im 
Aufbau der Nerven ersichtlich. Eine Ablagerung von Krankheits- 
producten zwischen die weichen Häute und die Dura mater, welche 
von Bedeutung wäre, konnte nicht bemerkt werden; die harte 
Bückenmarkshaut war selbst von der Lendenanschwellung an bis 
ans Ende abzulösen, und auch histologisch waren Arachnoidea 
und Pia mater noch differencirbar. 

Bei den grossartigen Störungen des Bewegungs- und Em¬ 
pfindungslebens, wie sie das Thier uns zeigte, vermutheten wir 
eine ausgebreitete Betheiligung des Centralorgans selbst an patho¬ 
logischen Processen und unterstellten daher alle Abschnitte des 
Bückenmarks der mikroskopischen Analyse durch Anfertigung 
zahlreicher Querschnitte des in chromsaurem Ammoniak gehär¬ 
teten Organs mit nachfolgender Tinction durch Carmin, Indulin 
zur Erkennung der nervösen Elemente, durch Hämatoxylin, Dahlia 
und Bismarkbraun zur Eruirung der Kernvertheilung und Binde¬ 
substanzen. Bei all dem fanden wir weder am Hals- und Brust¬ 
mark, noch am Bücken- und Lendenmark bis zur äussersten Grenze 
im Kreuzbein unsere Speculationen auf Sklerosirungen oder über¬ 
haupt besondere Degeneration, welche sich anatomisch charakte- 
risiren Hesse, befriedigt. Sogar die Fortsätze der Pia mater, 
welche zwischen den Nervenbündeln in das Bückenmark herein¬ 
treten, boten keine erwähnenswerthe Verdickung. Eine besondere 
Vermehrung der schon normal im Centrainervenorgane vorhan¬ 
denen Wanderzellen oder gar eine an bestimmten Orten sich dar¬ 
bietende Häufung derartiger Elemente war nicht zugegen. Aller¬ 
dings sind z. B. eine Schwellung am Axencylinder oder einer 
Ganglienzelle oder Gerinnungsvorgänge an dem Inhalte der Mark¬ 
scheide, die während des Lebens bestanden haben und für das 
Zustandekommen von Neurosen allein schon hinreichen können, 
am anatomischen Präparate, wenn man skeptischen Gemüths ist, 
schwer nachzuweisen. Aufgefallen ist uns die Sparsamkeit, mit 
welcher Ganglienzellen in beiden Säulen vertheilt sind, während 
sie doch in den Vorderhömern zumal sonst sehr reichUch ange¬ 
troffen werden, ferner die Verschmächtigung oder ausgesprochene 
Kleinheit des Querschnittes der Nervenfasern sowohl in den Hin¬ 
tersträngen, wie in den comprimirten Nervenwurzeln. 

Die anatomische Diagnose würde demnach lauten: Circum- 
scripte Pachymeningitis externa chronica mit Bildung von Knor- 
peleinlagerungen im Lendentheile. 

Wir haben der klinischen Darstellung und der pathologischen 


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Ein Beitrag zur Kenntniss der Pachymeningitis spinalia beim Hunde. 145 

Ana tomie bei unseren Mittheilungen einen fast zu grossen Raum 
gewährt, allein die grosse Schwierigkeit, welche die Symptomato¬ 
logie der Rttckenmarkskrankheiten bietet und welche nur un¬ 
sichere und lückenhafte Ergebnisse trotz der zuverlässigen Arbei¬ 
ten mancher Autoren geliefert hat, weist darauf hin, dass neue 
Bereicherung unserer Kenntnisse nur dann zu erwarten ist, wenn 
viele und auch die minder interessanten Beispiele auf dem Wege 
der verbesserten klinischen und histologischen Untersuchung ihre 
Bearbeiter finden. Erst dann wird es vielleicht möglich sein, 
unseren Anschauungen über die Pathologie des Rückenmarks bei 
Hausthieren eine festere Grundlage zu geben, und geübtere For¬ 
scher mögen es dann versuchen, sichtend und klärend hier ein¬ 
zugreifen und eine Darstellung zu geben, welche von dem Prak¬ 
tiker als Anhaltspunkt benutzt werden kann. 

Schliesslich dürfte es noch von Wichtigkeit sein, auf die 
Verwendbarkeit der sogenannten Sehnenreflexe für die Dia¬ 
gnostik einer Spinalaffection aufmerksam zu machen. In der 
Menschenheilkunde hat die Verminderung, Aufhebung und die 
Steigerung der von den Sehnen her auszulösenden Reflexe bereits 
ihre Würdigung erfahren. Diese von Erb 1 ) und Westphal 2 ) 
erst am Menschen, dann von Schnitze und Fürbinger 3 ) am 
Kaninchen und Hunde demonstrirten Reflexe konnten wir bei 
letztgenanntem Thiere, sowie beim Pferde, wenn auch bei diesem 
die starke Reaction des Hautmuskels mit ins Gewicht fällt, resp. 
auseinandergehalten werden muss, mit Evidenz an den geraden 
Patellarsehnen zur Auslösung bringen und werden uns die Mühe 
geben, unter pathologischen Verhältnissen auf ihr Zustandekom¬ 
men und ihre Rolle zu den spinalen Erkrankungen in weiterer 
Folge Rücksicht zu nehmen. 

München im März 1883. 


1) E r b, Ueber Sehnenreflexe bei Gesunden und bei Rückenmarkskranken. 
Archiv f. Psych. u. Nervenkrankheiten. V. S. 792; ebenso Ziemssen’s Handbuch. 
11. Bd. 2. Hälfte. S.47. 1876. 

2) Westphal, Ueber einige Bewegungserscheinungen an gelähmten Glie¬ 
dern. Ibid. Archiv. V. S. 803. 1875. 

3) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. Nr. 45. 


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IX. 


Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milch- 
wirthschaft 

(Vortrag, gehalten im landwirthsehaftlichen Kreisverein Iserlohn.) 

Von 

Dr. Schmidt -Mülheim. 

Wie lange ist es her, meine Herren, dass man die Viehhaltung 
ziemlich allgemein nur Dungzwecke halber betrieb, dass man 
die Thiere im Sommer auf knapper Weide grasen liess und ihnen 
im Winter ein hauptsächlich ans Stroh bestehendes Futter gab, 
das gerade genügte, sie vor dem Verhungern zu schützen? Wie 
lange ist es her, dass man den Bau von Futterkräutern und Hack¬ 
früchten im Grossen betreibt und dass eine enorme Vermehrung 
von landwirtschaftlich- gewerblichen Anlagen eine gewaltige 
Menge von Stoffen liefert, welche, früher als bedeutungslose Ab¬ 
fälle bekannt, in Folge der Fortschritte auf dem Gebiete der 
Ernährungslehre als höchst werthvolle Futterstoffe sich erwiesen, 
die nunmehr mit grosser Vorliebe als wahre Kraftfuttermittel ver¬ 
abreicht werden? 

Nun, meine Herren, Sie alle wissen es; unter Ihren Augen 
hat sich dieser Wandel vollzogen, und nicht zum Mindesten ist er 
hervorgerufen durch den gewaltigen, immer noch zu wenig ge¬ 
würdigten Aufschwung der Milchwirthschaft. 

Wenn wir die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirt¬ 
schaft in kurzer Uebersicht betrachten wollen, so verdienen in 
allererster Linie die verbesserten Rahmgewinnungsmethoden ge¬ 
nannt zu werden. 'Gerade durch sie ist es möglich geworden, 
die entrahmte Milch, die früher ganz allgemein nur als Viehfutter 
oder zur Bereitung von schlechtem Wirthschaftskäse benutzt wurde, 
in einem vollständig süssen Zustande zu erhalten und sie so zu 
einem höchst werthvollen Artikel für die menschliche Ernährung 
zu stempeln. 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirtschaft. 147 


Das einfachste von diesen Aufrahnrangsverfahren ist das 
holsteinsche. Hier wird die Milch, ohne dass eine vorherige 
Abktthlung nöthig wäre, in grossen flachen Satten zur Aufrah¬ 
mung hingestellt. Die Satten sind entweder rund oder länglich 
viereckig, circa 10 Cm. tief, aus verzinntem Eisenblech oder auch 
aus Holz, und werden im Sommer mit circa 8, im Winter hin¬ 
gegen mit circa 15 Liter Milch beschickt. Im Sommer soll die 
Milch etwa 5—6, im Winter 8—9 Cm. hoch stehen. Diese Ge- 
fässe nun werden auf ein etwa 60 Cm. hohes Gestell zum Auf¬ 
rahmen hingesetzt. Der Aufrahmungsraum muss gut ventilirt sein 
und seine Temperatur soll circa 9—12° R. betragen. Die Milch 
bleibt höchstens 24 Stunden stehen, bis der Rahm mittelst eines 
flachen Löffels abgehoben wird. Diese Zeit, ja eine noch kür¬ 
zere, genügt vollständig zu einer guten Ausrahmung. Die alte 
Meinung, die bei uns auch noch fast überall zu finden ist, dass 
mit der längeren Dauer des Stehens der Milch die Rahmmenge 
wachse, ist völlig falsch. Der häufigste Fehler bei der Butter- 
production ist der, die Milch zu lange stehen zu lassen, bevor 
sie abgerahmt wird. Die hohe Entwicklung des Molkereiwesens 
in Schweden, Dänemark und anderen Ländern ist auf eine Ver¬ 
feinerung der Butter zurückzuführen, die gerade durch eine kür¬ 
zere Dauer des Aufrahmens erzielt wurde. 

Beim holsteinschen Verfahren gewinnt man neben einer vor¬ 
züglichen Butter eine noch mehr oder weniger süsse Magermilch, 
die aber ihrer geringen weiteren Haltbarkeit wegen — namentlich 
trifft das für den Sommer zu — weniger zum directen Verkauf 
als vielmehr zur Käsefabrication geeignet ist. Auch sehr vor¬ 
teilhaft ist unter Umständen die Verwertung der abgerahmten 
Milch zur Fütterung und Mästung der Kälber. Man gibt den 
Thieren in den ersten Lebenstagen nur volle Milch, weiterhin 
ein Gemenge von dieser und Magermilch, bis man dann zur aus¬ 
schliesslichen Verabreichung von Magermilch übergeht und die 
Kälber, circa 2 Monate alt, zu Schlachtzwecken verkauft. Die 
abgerahmte Milch soll sich bei diesem Verfahren mit 5 — 6 Pfg. 
pro Liter bezahlt machen. Das Verfahren ist zuerst in Schweden 
aufgekommen; bei uns hat sich eine Frau Beckhusen eingehen¬ 
der damit beschäftigt. Es dürfte sich besonders da empfehlen, 
wo wegen zu kleiner Quantitäten von Magermilch die Darstellung 
guten Käses mit nennenswerthen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. 

Das Swartz’scke Verfahren, von dem schwedischen Guts¬ 
besitzer Swartz erfunden, ist von dem eben beschriebenen total 


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148 


IX. SCHMIDT 


verschieden. Nicht flache Satten finden bei dieser Aufrahmungs- 
methode Anwendung, sondern ganz hohe ovale Wannen ans ver¬ 
zinntem Eisenblech, Gefässe, welche 30—50 Liter fassen und in 
denen die Milchsänle fast eine Höhe von l h Meter besitzt. Diese 
Milchwannen werden mit der kuhwarmen Milch in ein kaltes 
Bad, welches in einem eigens zu diesem Zwecke construirten 
Bassin bereitet ist, zur Aufrahmung gestellt. Es ist nun zweck¬ 
mässig, die Abkühlung der Milch möglichst schnell und möglichst 
stark zu bewirken, und deshalb unternimmt man die Kühlung 
mit Hülfe von Eis, und zwar rechnet man auf 1 Kgrm. Milch 
1 Kgrm. Eis.. Das Kühlwasser behält hierbei eine Temperatur 
von circa 4° R. und die Aufrahmung ist in 18—24 Stunden be¬ 
endigt. Sie sehen ein, dass bei diesem Verfahren die Tempe¬ 
ratur der Aussenluft nur von geringem Einflüsse auf die Ab¬ 
kühlung sein kann, alles ist vielmehr von dem Eisverbrauch 
abhängig und deshalb bedarf es beim Swartz’schen Verfahren 
durchaus nicht kühler Kellerräume, sondern leichte oberirdische 
Bauten sind völlig ausreichend. 

Nun, meine Herren, ist Eis nicht überall ein billig zu be¬ 
schaffender Artikel, wohl aber wird vielfach kühles Quellwasser 
angetroffen. Versuche mit diesem haben dargethan, dass messen¬ 
des Wasser sehr wohl an Stelle des Eises genommen werden kann 
und dass selbst eine Temperatur des Wassers von 8 —10° B. 
nicht störend wirkt. 

Es lässt sich nicht leugnen, dass das Swartz’sche Verfahren 
vor dem holsteinschen gewisse Vorzüge besitzt: 1. Es wird ein 
gleichmässigeres Fabrikat erhalten, weil das Aufrahmen unab¬ 
hängig von der Temperatur der Aussenluft erfolgt. 2. Die Mager¬ 
milch ist einer weniger schnellen Säuerung unterworfen als beim 
holsteinschen Verfahren. 3. Das Beschicken und Reinigen der 
Gefässe, sowie das Abrahmen ist beim Swartz’schen Verfahren 
wesentlich einfacher als beim holsteinschen. 4. Das Swartz’sche 
System erfordert einen weit kleineren Aufrahmungsraum als das 
holsteinsche. Denn picht in flachen Satten mit grosser Ober¬ 
fläche, sondern in tiefen, dicht nebeneinander stehenden Wannen 
wird es ausgeführt. 5. Das Swartz’sche Verfahren ist in leichten 
und billigen oberirdischen Fachwerkbauten ausführbar, wohin¬ 
gegen das holsteinsche Verfahren von der Temperatur der Aussen- 
luft abhängig ist und kühle und gleichmässig temperirte Räume 
erfordert. 

Das holsteinsche sowohl als das Swartz’sche Verfahren ver- 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirthschaft. 149 


dienen nun beide die weitgehendste Verbreitung in unserem Kreise. 
Wollen Sie mich fragen, unter welchen Umständen die Anwendung 
des holsteinschen, unter welchen die des Swartz’schen Systems 
angezeigt ist, so würde ich mich ganz allgemein so ausdrttcken: 
Das holsteinsche Verfahren eignet sich hauptsächlich für kleinere 
Betriebe, während die Swartz’scbe Methode sich für grössere 
Wirtschaften empfiehlt, vorausgesetzt natürlich, dass es diesen 
nicht an fliessendem Wasser oder an Eis fehlt. 

Geradezu revolutionär auf dem Gebiete der Milchwirthschaft 
aber ist das Centrifugalaufrahmungsverfahren geworden, ein Ver¬ 
fahren, welches allerdings einstweilen nur für grösste Betriebe 
geeignet scheint. 

Als Centrifugal- oder Schwungkraft bezeichnet man das Be¬ 
streben eines bewegten Körpers, seine Bewegung beizubehalten, 
also in gerader Linie fortzugehen. Diese Kraft ist es, welche 
die Gefahr des Umwerfens bewirkt, sobald ein Wagen im raschen 
Laufe um eine Ecke biegt, welche den Eisenbahntechniker ver¬ 
anlasst, den Schienen an der äusseren Seite von Curven eine 
höhere Lage zu geben, welche den Stein einer losgelassenen 
Schleuder vorwärts treibt. 

Bringen wir Milch in einen Behälter und bewegen, diesen 
mit grosser Schnelligkeit im Kreise, so werden die specifisch 
schwereren Milchtheilchen, also die wässerige Lösung von Ei- 
weiss, Milchzucker und Salzen in Folge der Schwungkraft das 
Bestreben zeigen, sich von der Axe, um welche die Bewegung 
erfolgt, zu entfernen, während die specifisch leichteren Theilchen, 
also hier das Fett, sich in entgegengesetzter Richtung ansammeln. 
Auf diesem Princip beruht die Construction der Milchcentrifugen. 

Dem Ingenieur Lefeldt zu Schöningen bei Braunschweig ge¬ 
bührt das Verdienst, die erste brauchbare Centrifuge construirt 
zu haben, und zwar geschah dieses im Jabre 1878. Heute bereits 
gibt es eine ganze Anzahl verschiedener Systeme; es sind näm¬ 
lich ausser der Lefeldt’schen Maschine im Gebrauche: die Centri- 
fuge von Fesca in Berlin, die Milchschälmaschine von Petersen 
in Oldenburg, der Separator von de Laval aus dem Bergedorfer 
Eisenwerk bei Hamburg. 

Lassen Sie uns kurz eine Skizze der Lefeldt’schen Maschine 
betrachten. Die Centrifuge Lefeldt’s repräsentirt eine Trommel, 
deren nach innen konisch vorgewölbter Boden nach unten in eine 
Axe ansläuft, welche durch einen Treibriemen in Rotation ver¬ 
setzt werden kann. Ueber der Centrifuge befindet sich ein Be- 


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150 


IX. SCHMIDT 


hälter, ans welchem die vorgewärmte Vollmilch — die Erfahrung 
hat nämlich gezeigt, dass das Centrifugiren der Milch am besten 
bei circa 30° R. geschieht — fortwährend in die Trommel ein¬ 
strömt. Hierbei passirt sie einen Metallcylinder, der als Milch- 
vertheiler wirkt, indem er bis ganz dicht an den Boden der 
Trommel reicht und ein gleichmässiges Ergiessen der Milch ans 
dem Inneren des Cylinders über den Boden der Trommel bewirkt. 
In dem Maasse, wie die Vollmilch in die Trommel einströmt, 
werden daher die specifisch schwereren Theilchen der Milch nach 
anssen gegen die Wand der Trommel geschleudert, während sich 
central der Rahm ansammelt. Nun ist oben am Deckel der Centn- 
fuge, und zwar in der Nähe des Mantels ein Röhrchen angebracht, 
nnd eine zweite nach anssen führende Oeffnung findet sich nach 
dem Centrum hin. Die äussere Oeffnnng lässt die Magermilch, 
die innere den Rahm abfliessen, nnd zwar in dem Maasse, in wel¬ 
chem das Nachfliessen der Vollmilch erfolgt. Dieses lässt sich 
dnrch einen Hahn regnliren. Die Maschine zeigt also einen con- 
tinuirlichen Betrieb nnd kann tagelang gebraucht werden, ohne 
angehalten zu werden. Die Trommel macht circa 4000 Um¬ 
drehungen in der Minute. 

Lefeldt liefert die Centrifuge in 3 Grössen; 

die kleinste entrahmt 150 Liter pro Stunde, 

* mittlere * 500 * * * 

* grosse * 1000 * * • 

Die kleine Maschine erfordert zum Betriebe eine, die mittlere 
zwei, die grosse drei Pferdekräfte. Zum Betriebe eignet sich am 
besten Dampfkraft. 

Der ausserordentliche Werth des Centrifugalverfahrens ist 
der, dass man bei seiner Anwendung eine sehr haltbare und da¬ 
bei äusserst wohlschmeckende Magermilch erhält. Ich möchte 
geradezu sagen: Wenn man den eigenen Wohlgeschmack der Kuh¬ 
milch kennen lernen will , so koste man abgerahmte Centrifugen- 
milch. Dieser reine Geschmack wird dadurch bedingt, dass alle 
die kleinen Schmutzpartikelchen, die beim Melken mit in die 
Milch hineingelangen und welche der Milch den sogenannten 
kuhigen Geschmack verleihen, beim Centrifugiren gegen die Wand 
der Trommel geschleudert werden und sich hier in Gestalt eines 
festen Belages ansammeln. 

Die abgerahmte Centrifugenmilch besitzt nun einen ausser¬ 
ordentlich hohen Nährwerth. Derselbe wird vielfach unterschätzt 
und selbst in Kreisen sonst aufgeklärter Aerzte stösst man oft- 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Michwirthschaft. 151 


mals auf vollständig irrige Ansichten. Haben wir es unlängst 
doch erst in Leipzig erlebt, dass auf Grund des Gutachtens eines 
dortigen Gelehrten eine Polizeibestimmung nur solche Magermilch 
zum Verkaufe zuliess, welche mindestens noch 1 Proc. Fett ent¬ 
hielt. Es widerspricht das so allen physiologischen Grundsätzen, 
dass man mit genau demselben Rechte verlangen könnte, andere 
eiweissreiche und fettarme Nahrungsmittel, Fische, Rauchfleisch, 
mageres Fleisch überhaupt, Magerkäse etc., von dem Verkaufe 
auszuschliessen. Derartige Bestimmungen legen den Centrifugen- 
betrieb lahm und schwächen damit, wie König treffend bemerkt, 
indirect die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Organismus 
gegen Krankheit und Siechthum. Denn nach dem übereinstim¬ 
menden Urtheile aller Physiologen und Aerzte ist diese Wider¬ 
standsfähigkeit im hohen Grade abhängig von einem guten Er¬ 
nährungszustände des Organismus, speciell von einem gewissen 
Eiweissvorrathe in den Organen. Nun ist, wie wir gleich sehen 
werden, abgerahmte Milch von sämmllicken eiweisshaltigen Nah¬ 
rungsmitteln das billigste. Dabei ist sie leicht verdaulich und 
wohlschmeckend; sie ist im wahren Sinne des Wortes ein kräf¬ 
tiges Volksnahrungsmittel. Kaufte der Arbeiter sich, sagt König 
sehr gut, an Stelle der unverhältnissmässig theueren Wurst 
oder an Stelle des gehaltlosen Gemüses, für welche Artikel das 
Geld fast geradezu fortgeworfen wird, gute Magermilch oder 
schmackhaften Magerkäse, wahrlich es würde seinem körperlichen 
wie geistigen Wohlbefinden zum grössten Vortheile gereichen. 

Vom chemisch-physiologischen Standpunkte aus unterschei¬ 
det sich die Magermilch von der Vollmilch nur durch einen ge¬ 
ringeren Fettgehalt, die ganzen übrigen werthvollen Nährstoffe, 
also Eiweisskörper, Milchzucker und Salze, sind vollzählig vor¬ 
handen. Nun gibt es in der Haushaltung kein theuereres Fett als 
das Butterfett; es wird weit über seinen Nährwerth hinaus be¬ 
zahlt und leistet dabei für die Ernährung nicht mehr als jedes 
andere Fett. Das Butterfett lässt sich daher durch billigere Fette, 
als da sind Speck, Schmalz, Oel etc., ersetzen. 1 Liter Mager¬ 
milch und 25 Grm. Schmalz leisten physiologisch dasselbe wie 
1 Liter Vollmilch. Nun kostet letzteres etwa 18 Pfg., während 
1 Liter wohlschmeckender Magermilch und 25 Grm. gutes billiges 
Fett sehr wohl für 10—12 Pfg. geliefert werden können. 

Es kann gar nicht genug betont werden, dass abgerahmte 
Milch nicht allein ihrer chemischen Zusammensetzung , sondern auch 
ihrer leichten Verdaulichkeit wegen eines der schätzbarsten und 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. II. Bd. 11 


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IX. SCHMIDT-MÜLHEIM 


billigsten Nahrungsmittel ist. König berechnet, dass nach den 
gegenwärtigen Markpreisen der gangbarsten Nahrungsmittel die 
Nährstoffe — also Eiweiss, Fett und Kohlehydrate — etwa in 
dem Verhältnisse von 5:3:1 bezahlt werden; d. h. also, 1 Kgrm. 
Eiweiss kostet 5 mal, 1 Kgrm. Fett 3 mal soviel als 1 Kgrm. von 
Kohlehydraten. Indem König nun dieses Verhältnis bei der 
Berechnung des Nährwerthes der wichtigsten Nahrungsmittel zu 
Grunde legt, kommt er zu folgenden Schlüssen: 


Zahlt man für so erhält man für 

1 Kgrm. 1 Mark Nährwertheinheiten 

Magermilch. 9 Pf. 2400 

Magerkäse . 82,7 * 2314 

Vollmilch. 15# 2133 

Speck ........ 172 # 1608 

Fettkäse.162 # 1432 

Schweinefleisch . 131 « 1401 

Kalbfleisch.112 = 1033 

Rindfleisch .128 * 911 

Eier. 200 * 497 


Es dürfte nunmehr am Platze sein, einiger Factoren zu ge¬ 
denken, welche fördernd auf die Hebung der Bulterfabrication 
eingewirkt haben. 

Während früher die Butter stets aus demselben Materiale, 
nämlich aus saurem Rahm, gewonnen wurde, verbuttert man in 
der Neuzeit auch süssen Rahm, ja es wird sogar die ganze Milch 
verarbeitet, ohne dass sie einer vorhergehenden Aufrahmung unter¬ 
worfen würde. 

Fleischmann bemerkt: So lange man der Fabrication von 
Dauerbutter keine besondere Aufmerksamkeit schenkte und der 
Butterhandel noch keine internationale Bedeutung angenommen 
hatte, pflegte man den Aufrahmungsprocess sehr lange auszu¬ 
dehnen und die Folge davon war die ausschliessliche Verarbei¬ 
tung von saurem Babm. Es hat sich so die Meinung ausge¬ 
bildet, saurer Kahm liefere die beste und meiste Butter. In 
Holstein indessen merkte man bald, dass die Säuerung nicht 
ohne Nachtheil einen gewissen mässigen Grad überschreiten darf 
und dass die Butter bei zu starker Säuerung einen sauren und 
alten Geschmack erhält. Es wurden deshalb besondere Rahm- 
ionnen construirt, in denen man den Rahm hinsichtlich seines 
Säuerungsgrades überwachte. 

Der Rahm sollte womöglich niemals länger als 24 Stunden 
stehen gelassen werden, man sollte also täglich buttem. Auch in 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirtschaft. 153 


kleineren Wirtschaften ist das in den meisten Fällen ausführbar, 
und hat man hier nicht die zum genügenden Füllen des Butter¬ 
fasses erforderliche Rahmmenge, so lässt sich das Fehlende durch 
zweckmässig vorbereitete Milch ersetzen. Die aus schwach an¬ 
gesäuertem Kahm gewonnene Butter besitzt ein eigenthümliches 
Aroma, welches sowohl der aus stark gesäuertem als auch der 
aus süssem Rahm gewonnenen Butter abgeht. 

Die Verarbeitung des süssen Rahmes ist von Schweden und 
Dänemark ausgegangen und besonders hat sich ein Herr Busk, 
der Inhaber eines grossen Butterexportgeschäftes in Kopenhagen, 
welches sogenannte präservirte, zum Export nach den Tropen be¬ 
stimmte Butter fabricirt, um die Verbreitung dieses Verfahrens 
bemüht. Es war nicht leicht, dieser Methode Eingang in die 
Praxis zu verschaffen, da der süsse Rahm, wird er ebenso be¬ 
arbeitet wie der saure, eine 5 — 7 Proc. geringere Ausbeute an 
Butter liefert. Es stellte sich heraus, dass der süsse Rahm, soll 
er eine gute Ausbeute ergeben, einer ganz anderen Behandlung 
bedarf als der saure. Die Temperatur des süssen Rahms darf 
9—12° R. nicht übersteigen und ausserdem muss er beim Buttern 
intensiver erschüttert werden als der saure Rahm. 

Was endlich das Verbuttern der ganzen Milch betrifft, so 
unterscheidet man zwei Arten des Milchbutterns: 

1. das Verbuttern angesäuerter Milch, 

2. * * süsser * 

Das letztere Verfahren steckt noch so ziemlich in den Kinder¬ 
schuhen, wohingegen das Verbuttern angesäuerter Milch bereits 
grössere Verbreitung gefunden hat, als es verdient. Das Ver¬ 
fahren hat den grossen Vortheil, dass der ganze Aufrahmungs- 
process umgangen wird, hingegen den Nachtheil, dass als Rück¬ 
stand angesäuerte Milch gewonnen wird, die sich nur gering 
verwerthen lässt; auch ist es als ein Nachtheil zu betrachten, 
dass das Buttern wegen der grossen Menge der zu erschüttern¬ 
den Flüssigkeit mit einem ungewöhnlichen Kraftaufwand ver¬ 
knüpft ist und gar nicht selten mehrere Stunden in Anspruch 
nimmt. Die Milch bringt man zunächst in grosse Gefässe und 
lässt sie darin bis zur schwachen Säuerung stehen. Alsdann ver¬ 
arbeitet man sie in dem sogenannten Regenwalder Butterfass , 
dessen Construction wir nicht eingehender betrachten können. 
Die Butterausbeute ist grösser als bei den anderen Methoden 
des Butterns, indessen ist diese Vermehrung nur scheinbar, denn 
sie beruht nicht auf einer grösseren Fettausbeute, sondern sie ist 

li* 


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154 


IX. SCHMIDT-MÜLHEIM 


auf eine erhebliche Beimengung von Käsestoff zurückzuführen. 
Die Butter ist dementsprechend nur von geringer Qualität und 
Haltbarkeit, denn eine grössere Beimengung von Käsestoff be¬ 
einträchtigt die Güte der Butter ganz ausserordentlich. Dieser 
Körper zersetzt sich nämlich und verleiht der Butter einen un¬ 
angenehmen und bitteren Geschmack. 

Nun, meine Herren, einige Worte über die Butterfässer. 
Die Zahl derselben ist Legion und bis in die Neuzeit hinein 
hat man nicht autgehört, seinen Scharfsinn an der Construction 
immer neuer Apparate zu erproben. Es würde mir leicht sein, 
Sie mit der Einrichtung von mehr als 100 verschiedenen Fässern 
bekannt zu machen, indessen will ich Ihre Geduld nicht auf die 
Probe stellen und mich damit begnügen, einige Worte über But¬ 
terfässer im Allgemeinen zu bringen, sowie einige bewährte 
Constructionen speciell namhaft zu machen, indem ich hierbei 
besonders die trefflichen Ausführungen Fleischmann’s be¬ 
rücksichtige. Es wird sehr häufig die Frage aufgeworfen: Welches 
Butterfass ist denn eigentlich das beste1 Nun, meine Herren, 
diese Frage in ihrer Allgemeinheit ist nicht zu beantworten, denn 
die Praxis stellt ganz verschiedene Anforderungen an die Butter¬ 
fässer, je nachdem sie für die Verarbeitung von saurem oder 
süssem Kahm oder für Milchbuttern bestimmt sind, je nachdem 
das Fass kleinen, mittleren oder grossen Betrieben dienen, je 
nachdem es durch Hand oder Maschinenbetrieb in Thätigkeit 
versetzt werden soll. Also die Anforderungen der Praxis sind 
vielseitig. Es ist nun Thatsache, dass kein Butterfass mit com- 
plicirter Einrichtung sich eine praktische Bedeutung zu ver¬ 
schaffen gewusst hat, es ist Thatsache, dass alle Butterfässer, 
welche wirklich gute Resultate liefern, nach einfachen alten Prin- 
cipien construirt sind. Man kann geradezu sagen: Das aller ein¬ 
fachste Butterfass ist das beste. Um die Bezeichnung einfach 
aber würdigen zu können, müssen wir wissen, welche Anforde¬ 
rungen die Praxis überhaupt an ein Butterfass stellt. 

Das sind nun folgende: 

1. Das Butterfass muss solid construirt und vollständig dicht 

sein; 

2. die Oeffnung zum Eingiessen des Kahms und zum Heraus¬ 
nehmen der Butter muss möglichst gross sein, sodass das Fass 
bequem gereinigt und gelüftet werden kann und kein Theil des¬ 
selben sich der reinigenden Hand entzieht; 

.3. das Fass muss mit einem einfachen guten Verschluss ver- 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirtschaft. 155 

sehen sein, der das Heransspritzen von Flüssigkeit vollständig 
verhindert; 

4. es muss bequem zn handhaben sein und sein Betrieb darf 
nicht unverhältnissmässiger Kraftanstrengung bedürfen; 

5. es ist im höchsten Grade wünschenswerte, dass sich an dem 
Fass ein ins Innere desselben führendes Thermometer zur Con- 
trole der Rahmwärme anbringen lässt. Denn die Temperatur des 
Rahms bleibt nie auf dem anfänglich vorhandenen Grade stehen, 
sondern wächst in Folge der heftigen Erschütterungen beim Buttern 
nicht unerheblich. Geht aber die Rahmwärme Uber eine gewisse 
Höhe hinaus, so wird der Butterungsprocess ausserordentlich ver¬ 
zögert, wenn nicht eine Abkühlung des Rahms vorgenommen wird. 

Bekanntlich unterscheidet man verschiedene Systeme von 
Butterfässern: 

Steht das Fass fest und, wird der Rahm mittelst eines ant- 
und abgehenden Stössers erschüttert, so spricht man von einem 
„ Stossbutterfass “, wird hingegen die Bewegung durch eine mit 
Schlägern versehene Welle ausgeführt, von einem „ Schlagbutter- 
fass u . Steht diese Welle senkrecht, so nennt man das Fass ein 
B Schlagbutterfass mit stehender Welle liegt sie wagerecht, ein 
„Schlagbutterfass mit liegender Welle u . Endlich hat man Butter¬ 
fässer, bei denen das Fass selbst in Bewegung versetzt wird, und 
zwar unterscheidet man nach der Art dieser Bewegung „ Roll¬ 
butterfässer u und „ Wiegenbutterfässer “. 

Die Stossbutterfässer zeichnen sich durch ausserordentliche 
Einfachheit, leichte Reinigung und Lüftung aus, ausserdem be¬ 
dürfen sie bei ihrer Handhabung keineswegs einer bestimmten 
Füllung, sondern die Menge des Butterungsmaterials kann inner¬ 
halb sehr weiter Grenzen schwanken. Aber des verhältnissmässig 
sehr grossen Kraftaufwandes bei ihrem Betriebe halber eignen 
sie sich nur für den Kleinbetrieb. Für diesen, aber auch für 
mittlere Betriebe ist das Lefeldtsehe Rollbutterfass sehr zweck¬ 
mässig und es erfreut sich in neuerer Zeit einer grossen Ver¬ 
breitung. Ein höchst zweckmässiges Instrument für mittlere und 
grosse Betriebe ist das kollsteinsche Butterfass ; es zählt zu den 
Schlagbutterfässern mit stehender Welle. Besonders empfehlens* 
werth ist die neuere Construction; hier findet sich an Stelle des 
etwas complicirten und schwer zu reinigenden Schlägerwerkes 
der älteren Fässer ein einfacher Flügelrahmen. 

Besprechen wir, meine Herrn, nunmehr einige Punkte, welche 
bei der Verarbeitung der rohen Butter zu beachten sind. 


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156 


IX. SCHMIDT-MÜLHEIM 


Butter ist niemals reines Butterfett, sondern sie enthält noch 
Wasser mit gelöstem Milchzucker, Käsestoff, Albumin etc. So¬ 
bald die mikroskopisch kleinen Milchkügelchen beim Buttern zu 
grösseren Klümpchen zusammenschiessen, so wird dabei stets 
eine gewisse Menge von Buttermilch mit eingeschlossen. Von 
der Menge und Beschaffenheit dieser eingeschlossenen Flüssig¬ 
keit nun ist die Güte der Butter im hohen Grade abhängig und 
es hat sich als durchaus nothwendig erwiesen, die Buttermilch 
möglichst vollständig aus der rohen Butter zu entfernen. Dieses 
bezwecken die drei Manupilationen des Wäschern, des Knetens 
und des Salzens. 

Was das Waschen betrifft, so wird viel gestritten über die 
Frage, ob dasselbe nothwendig sei oder nicht, und immer mehr 
vergrössert sich die Zahl derer, welche das Waschen nicht allein 
für völlig überflüssig, sondern sogar für schädlich erklären. Die¬ 
jenigen Substanzen nämlich, welche den feinen Wohlgeschmack 
der Butter bedingen, werden durch das Waschen zum Theil ent¬ 
fernt und es herrscht darüber völlige Einstimmigkeit, dass gut 
verarbeitete ungewaschene Butter unter sonst gleichen Verhält¬ 
nissen von feinerer Qualität ist als gewaschene. 

Das Waschen kann durch das Kneten mehr als vollständig 
ersetzt werden und von solcher Wichtigkeit ist diese Manipula¬ 
tion in der Neuzeit geworden, dass Fleischmann geradezu 
betont, durch das Kneten werde nicht allein die Haltbarkeit und 
das Aussehen, sondern sogar auch der Wohlgeschmack der Butter 
endgültig bestimmt. Es empfiehlt sich nun sehr, das Kneten 
nicht mit der Hand, sondern mittelst des amerikanischen Butter¬ 
knetbrettes zu bewirken. Auf einem Brett von circa 80 Cm. 
Länge und 40 Cm. Breite ist beiderseits, und zwar dicht am 
Bande, eine Leiste befestigt; zwischen diesen beiden Leisten wird 
die Butter ausgebreitet und nun mittelst einer mit Einbuchtungen 
versehenen Knetwalze tüchtig verarbeitet. Für grössere Betriebe 
leistet die gleichfalls aus Amerika stammende Butterknetmaschine 
mit rotirendem Tisch vorzügliche Dienste. Auf ihr kann man an 
einem Tage circa 2500 Kgrm. Butter fertig auskneten. 

Von Wichtigkeit ist auch das Salzen der Butter und mehr 
als einmal ist sonst tadellose Butter durch schlechtes Salzen 
noch verdorben worden. Das Salzen geschieht nicht allein mit 
Rücksicht auf unseren Geschmack, sondern es bezweckt vor allen 
Dingen eine vollständigere Entziehung der Buttermilch, als das 
durch Kneten allein möglich ist. Das Salz ist ein sehr hygro- 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirtschaft. 157 


skopischer Körper, d. h., das Salz äussert das Bestreben, mit 
grosser Begier Wasser anznziehen. Beim Salzen der Butter ziehen 
dementsprechend die einzelnen eingekneten Salzkörnchen aus 
ihrer ganzen Umgebung Flüssigkeit an, lösen sich in dieser auf 
nnd bilden so eine Unzahl grösserer Tröpfchen, welche ausser 
Salz noch alle Bestandteile der Buttermilch enthalten. .Diese 
Tropfen nun entfernt man durch abermaliges Kneten, welches 
am besten etwa 12 bis 24 Stunden nach dem gehörigen Ver¬ 
mengen des Salzes erfolgt. Man berechnet pr. Kgrm. Butter etwa 
20 bis 40 Grm. Salz. 

Von keineswegs untergeordneter Bedeutung ist übrigens die 
Beschaffenheit des Buttersalzes; sein Korn darf weder zu grob, 
noch zu fein sein. Sehr grosse Krystalle bilden zwar in der 
Bntter grosse Flttssigkeitstropfen, aber sie lösen sich nicht voll¬ 
ständig auf und ihre Reste machen sich dann beim Gennsse der 
Butter in unangenehmer Weise fühlbar. Sehr kleine Krystalle 
aber vertheilen sich in der Butter gar zu sehr und bilden kleine 
Flttssigkeitströpfchen, die sich schwer anskneten lassen nnd der 
Butter eine schmierige Consistenz verleihen. Ein vortreffliches 
Buttersalz ist das Lüneburger Salz. 

Meine Herren, der bereits etwas vorgerückten Stunde wegen 
kann ich der Verbesserungen auf den anderen Gebieten des Mol¬ 
kereiwesens -nur im Fluge gedenken. 

Was die Käserei betrifft, so sind hier ausserordentliche Er¬ 
folge zu verzeichnen, nnd man hat namentlich enorme Quantitäten 
von süsser Magermilch, die man mit Hülfe der verbesserten Auf¬ 
rahmungsmethoden erhielt, zur Fabrication vortrefflicher Mager¬ 
käse benutzt. Die Magerkäsefabrication hat niemals eine solche 
Ausdehnung wie heute gehabt und dennoch kann man behaupten, 
dass der Absatz guter Waare nicht mit Schwierigkeiten verknüpft 
ist. Fördernd hat hier hauptsächlich der Grossbetrieb gewirkt, 
da die Bereitung von gutem Magerkäse in kleineren Wirthschaf- 
ten mit kaum besiegbaren Schwierigkeiten zu kämpfen hat. 

Die Technik der Käserei wurde wesentlich verbessert durch 
die allgemeine Einführung von Labextraclen mit genau festge¬ 
stellter Wirksamkeit, denn erst hierdurch wurde es möglich, das 
Dicklegen der Milch mit einer früher nie gekannten Sicherheit 
zu beherrschen. Weitere erwähnenswerthe Fortschritte auf diesem 
Gebiete sind die allgemeine Einführung von Kesseln mit Dampf¬ 
heizung, von Quargmühlen, von Käsepressen etc. 

Auch hinsichtlich des Milchtransportes zu Verkaufsswecken 


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158 


IX. SCHMIDT-MÜLHEIM 


sind Verbesserungen eingeführt. Oer bedeutendste Fortschritt auf 
diesem Gebiete ist in der Gonstruction von Instrumenten zu er¬ 
blicken, welche der Milch ohne Beimengung von Chemikalien eine 
grössere Haltbarkeit zu geben bezwecken. Meine Herren, das 
freiwillige Gerinnen der Milch, das Sauerwerden, beruht auf einer 
Milcl)8äurebildung, welche unter dem Einflüsse eines in der Milch 
enthaltenen Fermentes erfolgt. Dieser Gährstoff wirkt auf den 
Milchzucker ein und verwandelt ihn in Milchsäure. Sind auch 
kleine Quantitäten von Milchsäure von keinem nennenswerthen 
Schaden, so wirkt doch diese Säure, ist sie erst in genügender 
Menge gebildet, wie jede andere Säure auf die Milch ein und 
bringt sie zum Gerinnen. Von sehr erheblichem Einflüsse auf 
die Wirksamkeit des Fermentes ist nun die Temperatur und wir 
können uns sehr leicht davon überzeugen, dass mit der Zunahme 
der Temperatur — innerhalb gewisser Grenzen wenigstens — 
das Milchsäureferment seine Thätigkeit bedeutend vermehrt. Da 
nun die kuhwarme Milch die beste Temperatur für die Einwir¬ 
kung des Fermentes besitzt und da diese Milch sich beim Stehen 
nur sehr langsam abkühlt, so hat man mit ausserordentlichem 
Erfolge eine künstliche Abkühlung der frischen kuhwarmen Milch 
vorgenommen. Durch sofortige Abkühlung der frischen Milch 
wird die Haltbarkeit derselben ganz ausserordentlich vermehrt. 
Von den vielen Milchkühlern ist besonders empfehlenswert!! der 
Patentkühler von Lawrence; er bringt die Milch in sehr kurzer 
Zeit nahezu auf die Temperatur des Ktthlwassers. 

Sodann führe ich an die Verbesserung der Transportgejasse. 
Die Gefässe sollen ausnahmslos so construirt sein, dass das hef¬ 
tige Schleudern der Milch gegen die Gefässwandungen, wodurch 
das sogenannte „Warmbuttern“ hervorgerufen wird, nach Mög¬ 
lichkeit vermieden wird. Weiter soll die Oeffnung der Transport- 
gefässe möglichst weit sein, damit sie sich leicht reinigen und 
lüften lassen. Auch höchst zweckmässige federnde Transport¬ 
wagen hat die Neuzeit geliefert. 

Am Schlüsse, meine Herren, noch einige Worte über die 
Entwicklung und den gegenwärtigen Stand des Molkereiwesens in 
Deutschland. Die Hebung des Molkereiwesens erhielt bei uns ihre 
wesentlichste Anregung von Benno Martiny. Sein 1871 her- 
ausgegebenes Werk: „Die Milch und ihre Verwerthung“, ist es auch 
jetzt längst überholt von dem trefflichen grossen Werke Fleisch¬ 
mann’s: „Das Molkereiwesen“ (Braunschweig 1876—79), hat 
wahrhaft befruchtend gewirkt und die von ihm im Jahre 1871 


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Ueber die Fortschritte auf dem Gebiete der Milchwirtbschaft. 159 


gegründete „Milchzeitung“ entfaltet eine änsserst segensreiche 
Thätigkeit. Im Jahre 1874 constituirte sich anf Martiny’s An¬ 
regung der „Internationale milchwirthschajlliche Verein“, ein Ver¬ 
ein, der die Bildung zahlreicher Localvereine znr Hebung der 
Milchwirthschaft veranlasste. Aensserst frachtbar wirkten auch 
die verschiedenen Molkereiausstellungen, von denen die bedeu¬ 
tendste im Jahre 1877 zu Hamburg stattfand. 

Im Jahre 1876 begann man damit, besondere milchwirth- 
schaftliche Versuchsstationen, besondere milchwirthschaßliche In¬ 
stitute, ins Leben zu rufen. Das erste dieser Institute wurde zu 
Raden in Mecklenburg-Schwerin gegründet und seine Leitung 
dem verdienstvollen Fleischmann anvertraut. Es folgten die 
in Verbindung mit landwirthschaftlichen Akademien errichteten 
milchwirthschaftlichen Institute zti Proskau in Oberschlesien und 
Kiel. Diese Institute beschäftigen sich mit Forschungen auf milch- 
wirthschaftlichem Gebiete, weiter aber findet man in ihnen Ge¬ 
legenheit, sich mit allen Einrichtungen der Praxis und allen Me¬ 
thoden der Verarbeitung der Milch vertraut zu machen. Es werden 
in ihnen Molkereicurse abgehalten, welche den älteren Land- 
wirthen Gelegenheit geben, sich mit den Fortschritten der Neu¬ 
zeit bekannt zu machen; es finden abdr auch Gurse zur Aus¬ 
bildung von Molkereipersonal statt. Neben diesen Instituten 
besitzen wir eine grössere Anzahl von Molkereischulen mit einer 
weniger umfassenden Thätigkeit. 

Meine Herren, seit Einführung der Gentrifugen sehen wir auf 
milchwirthschaftlichem Gebiete dasselbe, was früher im Betriebe 
der Brauereien und anderer Gewerbe zu bemerken war: Der Goss- 
betrieb nimmt mehr und mehr zu und versieht den Markt mit 
ebenso trefflichen als gleichmässigen Producten. Bereits in weni¬ 
gen Jahren sind in Norddeutschland allein an 200 Anlagen für 
milchwirthschaftlichen Grossbetrieb entstanden, Anlagen, von 
denen einzelne, z. B. die städtische Molkerei Magdeburg, täglich 
mehr als 10,000 Liter Milch verarbeiten. Für denjenigen, der 
die Entwicklung des Molkereiwesens mit offenem Auge verfolgt 
hat, kann es gar nicht zweifelhaft sein, dass dem milchwirth¬ 
schaftlichen Grossbetriebe die Zukunft gehört. 


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X. 

Zwei veterinärchinirgische Mittheilnngen. 

Von 

Professor Dr. Pütz 

in Halle a. d. S. 


1. Zur Therapie des Hufkrebses der Pferde. 

Bereits im Jahre 1880 habe ich S. 471 meines damals im 
Verlag von P. Parey in Berlin erschienenen Lehrbuches: „Die 
äusseren Krankheiten der landwirtschaftlichen Haussäugethiere, “ 
das Plumbum nitricum gegen Hufkrebs in die thierärztliche Praxis 
eingeführt. Am angegebenen Orte habe ich mein Urtheil Uber 
die Wirksamkeit in Rede stehenden Mittels aus nahe liegenden 
Gründen noch mit Vorsicht ausgesprochen, indem ich sagte: „Dies 
Mittel scheint, meinen seitherigen Erfahrungen gemäss, auch 1 ) 
gegen Hufkrebs recht wirksam zu sein. “ In einem Artikel „ Ueber 
Wesen und Behandlung des sogenannten Hufkrebses “ im Doppel¬ 
hefte 1 und 2 des VII. Jahrganges des Archivs für wissenschaft¬ 
liche und praktische Thierheilkunde habe ich S. 90 die Heilung 
zwei schwerer Fälle von Hufkrebs durch Plumbum nitricum mit- 
getheilt. Beide Heilungen können als radicale angesehen werden, 
da Recidive bis heute (15. Februar 1883) nicht eingetreten sind. 
Seither ist das Mittel von mir noch bei mehreren (zum Theil sehr 
schweren) Fällen von ausgebreitetem Hufkrebs mit vorzüglichem 
Erfolge angewandt worden, so dass ich jetzt keinen Anstand 
nehme, das Plumbum nitricum für das wirksamste aller von mir 
bis jetzt gegen Hufkrebs versuchten Mittel zu empfehlen. Ich 
beanstande diese Empfehlung gegenwärtig um so weniger, als 


1) Dasselbe ist in König’s Lehrbuch der speciellen Chirurgie des Men¬ 
schen, Berlin 1879. S.775, sowie in Husemann’s Materia medica, Berlin 1875. 
Band II. S. 510, gegen eine im Ganzen selten vorkommende Ulceration des 
Kapselbettes beim Menschen empfohlen. 


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Zwei veterinärchirurgische Mitteilungen. 


161 


auch von verschiedenen Collegen mir schriftliche und mündlich 
Mittheilnngen zngegangen sind, welche mit grösster Befriedigung 
über die Erfolge berichten, welche sie seither nach meiner Be¬ 
handlungsmethode gegen Hufkrebs erzielt haben. 

Die Heilung pflegt in überraschend kurzer Zeit zu erfolgen. 
So habe ich z. B. in neuester Zeit innerhalb circa 9 Wochen 
einen Hufkrebs geheilt, bei welchem fast die ganze Sohle, die 
beiden Seiten- und Trachtenwände bis zur Krone und der ganze 
Strahl erkrankt waren; letzterer hatte eine unförmliche Länge 
und Breite, der Huf an den Trachten ebenfalls eine dem entspre¬ 
chende Breite erlangt, ln Bede stehendes Pferde wurde am 
6. December 1882 operirt und am 11. Februar vollkommen be¬ 
schlagen entlassen. An dem wegen Hufkrebs behandelten Hufe 
war noch ein bedeutender Defect der Hornröhrchenschicht beider 
Seiten- und Trachtenwände vorhanden. Da indess die Homblätt- 
chenschicht schon seit mehreren Wochen wieder ersetzt und ganz 
trocken war, so wurde die Hornröhrchenschicht durch Defay’schen 
Hufkitt ergänzt. 

Ausser einer relativ hohen Sicherheit des Erfolges hat die 
Behandlung des Hufkrebses mit Plumbum nitricum auch noch 
die grossen Vorzüge der Billigkeit, der Einfachheit und leichteren 
Durchführbarkeit. Bei günstigen Verhältnissen des Bodens und 
der Localisation des Uebels etc. können die Patienten sogar wäh¬ 
rend der Cur zur Arbeit verwendet werden, wenn man den be¬ 
treffenden Huf mit einem passenden Deckeleisen versieht. Selbst¬ 
verständlich müssen die kranken Hufstellen nach Abnahme des 
Eisendeckels hinreichend zugänglich und nach Application der 
Verbandmittel und Wiederauflegen des Deckels gegen Schmutz 
etc. ein genügender Schutz gewährt sein. 

Die Behandlung wird durch gründliche Blosslegung aller un- 
terminirten Stellen und durch nachfolgende Reinigung der ent- 
blössten resp. der ulcerirenden Partien der Huflederhaut einge¬ 
leitet, wobei Verletzungen dieser möglichst zu vermeiden sind. 
Alsdann werden die kranken Stellen, je nach dem Grade der 
fungösen Natur der Geschwürsfläche, resp. nach der Ueppigkeit 
der vorhandenen Wucherungen, mehr oder weniger reichlich mit 
fein pulverisirtem Plumbum nitricum bedeckt, mit Flachs oder 
Jute verbunden und über diesen Verband ein passender Leder¬ 
schuh angezogen. Hierauf tritt alsbald eine auffallende Reini¬ 
gung der Geschwürsoberfläche ein; die üppigen Granulationen 
schrumpfen, indem noch eine mehr oder weniger starke Secre- 


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162 


X. PÜTZ 


tion an der Geschwürsoberfläche kürzere oder längere Zeit hin¬ 
durch fortbestehen bleibt. Sobald diese geebnet erscheint und 
ein frisches Ansehen hat, verbindet man zweckmässig ein oder 
einige Mal mit Tannin, um eine zu weit gehende Zerstörung durch 
das Plumbum nitricum zu verhindern. Damit das Tannin sich 
auf der Geschwürsoberfläche löst, befeuchtet man diese zweck¬ 
mässig mit etwas Spiritus. Statt des nicht billigen Tannins kann 
man auch eine concentrirte Lösung von Kupfer- oder Eisenvitriol 
und ähnlicher Metallsalze verwenden. Die Austrocknung resp. 
Erhärtung des neugebildeten Hornes wird durch reichlicheres 
Aufstreuen von Plumbum nitricum wesentlich beschleunigt. Wäh¬ 
rend der ganzen Dauer der Cur muss der kranke Huf vor Nässe 
und Schmutz möglichst bewahrt werden. 

In der ersten Zeit der Behandlung kann eine tägliche Er¬ 
neuerung des Verbandes nothwendig oder doch zweckmässig sein; 
alsbald aber genügt die Erneuerung am 2., 3., 4., 5. Tage u. s. f., 
wobei jedesmal die noch nicht ttberhomten Stellen der Hufleder¬ 
haut in schonender Weise von allen Zerfallsproducten sorgfältig 
und in schonender Weise befreit, alsdann mit Tannin oder Plum¬ 
bum nitricum bestreut und verbunden werden müssen. Ein eigent¬ 
licher Druckverband ist nicht erforderlich. 

In der im Jahre 1881 erschienenen 2. Auflage seiner spe- 
ciellen Arzneimittellehre hat Vogel S. 148—150 das Plumbum 
nitricum besprochen und dessen Wirkung bei hartnäckigem, ver¬ 
altetem Strahl- und Sohlenkrebs, wie überhaupt bei stark secer- 
nirenden und luxurirenden Wunden und Geschwüren etc. mit fol¬ 
genden Worten gerühmt: „Es übertrifft hier den Theer, das 
Kreosot, das Eisenchlorid, Bleiacetat, Kupfervitriol u. dergl. weit¬ 
aus und kann ihm an specifischer Wirksamkeit nur die Salpeter¬ 
säure selbst an die Seite gestellt werden. Schon nach 1—2 
Tagen hört fast jede Secretion und bald auch der käsige Zer¬ 
fall der Hornzellen auf und es bildet sich ein hellgrauer, kaut¬ 
schukähnlicher, immer trockner werdender Ueberzug, unter wel¬ 
chem sich in überraschend kurzer Zeit gesundes Narbenhorn 
nachschiebt. Weitere Erfahrungen fehlen zur Zeit noch und sind 
abzuwarten. “ 

Dem Schlusssätze gemäss scheint Vogel meine eingangs 
erwähnten Publicationen, welche etwa 1 Jahr älter sind, als seine 
bezüglichen Mittheilungen, nicht gekannt zu haben. Ob dies 
wirklich der Fall ist, mag hier unerörtert bleiben. Ich will je¬ 
doch nicht unterlassen zu bemerken, dass auch die Salpetersäure 


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Zwei veteräifchirurgische Mittheilungen. 


163 


bei Behandlung von Hnfkrebs das Plumbum nitricum nicht zu 
ersetzen vermag, wie Vogel zu glauben scheint. Ich bemerke 
nochmals ausdrücklich, dass ich eine sehr beträchtliche Anzahl 
der gegen in Rede stehendes Uebel gepriesenen Mittel während 
einer Reihe von Jahren geprüft, aber keines kennen gelernt habe, 
welches auch nur annähernd die Wirksamkeit des Plumbum nitri¬ 
cum gegen Hufkrebs erreicht. 

Im Uebrigen scheint Vogel meiner a. a. 0., sowie in Bd. VII 
des Jahrganges 1881 dieser Zeitschrift S. 216—223 näher be¬ 
gründeten Ansicht zu sein, dass dasselbe seinem Wesen nach in 
einem Ulcerationsprocesse der Huflederhaut besteht. 


2. Operative Heilung einer partiellen Nekrose des unteren 
Endes der Hufbeinbeugesehne mit oder ohne Affection des 
Hufgelenkes etc. 

Welcher einigermaassen erfahrene Thierarzt könnte und fürch¬ 
tete nicht jene Hufentzündung, welche in Folge von Nagel tri tten 
entsteht oder in Folge von vernachlässigten eiternden Steingallen 
u. dergl. sich auf die Hufbeinbeugesehne fortsetzt, zu einer aus- 
gebreiteteren Phlegmone des Strahlpolsters, zur Eiterung, Perfo¬ 
ration der äusseren Haut an der Krone, zur Hufknorpelerkran- 
kungen, Nekrose der Huf beinbeugesehne, zu Erkrankungen des 
Hnfgelenkes und nach langer vergeblicher Behandlung oft zum 
Tode führt. Auf S. 191 meines bereits vorhin erwähnten Buches 
über „Die äusseren Krankheiten der landwirtbschaftlichen Haus- 
säugethiere, Berlin 1880“ habe ich eine von französischen Thier¬ 
ärzten mehrfach mit gutem Erfolge ausgeführte Operation gegen 
dieses sonst so häufig unheilbare Uebel kurz angegeben. An 
dieser Stelle möchte ich nun auf Grund eigener Erfahrung diese 
Operation im gegebenen Falle nachdrücklichst empfehlen. 

Vor einigen Monaten wurden der hiesigen Veterinärklinik 
zwei mit chronischer eiteriger Hufentzündung behaftete, von Pri¬ 
vatthierärzten schon seit längerer Zeit erfolglos behandelte Pferde 
zugeführt. Das eine derselben war ein wenig werthvolles Thier 
und wurde ohne weitere Curversuche geschlachtet; das andere, 
ein erst vor Kurzem vom Eigenthümer für 900 Mark> angekauftes 
Pferd wurde in folgender Weise operirt: 

Nachdem die Sohle und der Strahl des Patienten ganz dünn 
geschnitten worden waren, wurde Patient niedergelegt und dar¬ 
nach das Sohlenhorn im Bereiche des Strahles, inclusive Eckstre- 


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164 X. PÜTZ, Zwei veterinärchirurgische Mittheilungen. 

ben, vollkommen entfernt. Um jede Blutung während der Ope¬ 
ration zu verhüten, legte ich über dem Fesselgelenke einen Es- 
march’schen Schlauch fest an. Nach Entferung der Hornsohle 
machte ich zu beiden Seiten des Fleischstrahles von der Strahlspitze 
aus Einschnitte und löste demnach den Strahl vom Strahlpolster 
so weit nach hinten los, dass jener zurückgeschlagen und das 
Strahlkissen bis auf die Hufbeinbeugesehne weggeschnitten wer¬ 
den konnte. Letztere war an ihrer inneren Seite in Grösse und 
Form einer plattgedrückten Saubohne nekrotisch. Diese Stelle 
wurde excidirt, gründlich desinficirt, die Wunde darnach mit 
Jodoform bestreut, mit Carboljute ausgeftillt und darnach der 
Strahl in seine frühere Lage gebracht. Ueber diesem und der 
ganzen Sohle wurde schliesslich ein antiseptischer Druckverband 
angelegt und der Patient entfesselt. 

Dieser erste Verband blieb 11 Tage lang unberührt und hätte 
noch länger ruhig liegen bleiben können, da Patient von Tag 
zu Tag den Fuss mehr benutzte und auch nicht die mindeste 
Störung in seinem Allgemeinbefinden erkennen liess. Ohne jede 
Unregelmässigkeit war die Heilung nach 6 Wochen eine so voll¬ 
kommene, dass das Pferd beschlagen und wieder zur Arbeit ver¬ 
wendet werden konnte. 

Als dasselbe der Veterinärklinik übergeben wurde, war eine 
Fistel an der inneren Trachte vorhanden, aus welcher nur we¬ 
nig, aber beständig etwas eiteriges Secret abfloss; die Krone, 
namentlich der innere Hufknorpel, war stark aufgetrieben und 
die Empfindlichkeit des Hufes so gross, dass das Thier auf 3 Bei¬ 
nen ging und kaum mit der Zehenspitze den Erdboden leise zu 
berühren wagte. Patient wurde am 16. December 1S82 von mir 
operirt und am 30. Januar 1883 vollkommen geheilt aus der hie¬ 
sigen Veterinärklinik entlassen. 


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XI. 

Angioma cavernosnm bei einem Pferde. 

Von 

Mag. W. Gutmann 

in Dorpat. 

Eine am 8. Sept. 1882 in die Klinik des Dorpater Veterinär¬ 
institutes geführte wohlgenährte, hellbraune, 3 \ -i Jahre alte Stute 
des Herrn M. zeigte an der rechten Schulter in der Höhe des 
vorderen Winkels des Schulterblattknorpels eine ziemlich scharf 
umschriebene faustgrosse Geschwulst, die keine Entzttndungs- 
symptome, wohl aber eine undeutliche Fluctuation wahrnehmen 
liess. Bei einer Probepunction mit einem runden Troicart ent¬ 
leerte sich eine nicht geringe Quantität Blut und die Geschwulst 
verkleinerte sich scheinbar, weshalb dieselbe für ein Hämatom 
erklärt wurde. Nach der Einreibung einer Cantharidensalbe, um 
eine Resorption zu erzielen, wurde dem Kutscher anbefohlen, die 
Patientin nach 8 Tagen wieder vorzuführen. 

Bei dem am 16. Sept. vorgestellten Thiere war keine Ab¬ 
nahme der Geschwulst bemerkbar. Sie erschien im Gegentheil 
grösser und die Fluctuation war etwas deutlicher. Nachdem mit 
einem spitzen Bistourri ein 4 Cm. langer Einschnitt in die Ge* 
schwulst gemacht war, entleerte sich in continuirlichem Strome 
hellrothes Blut in erschreckend grosser Quantität. In circa 5 Mi¬ 
nuten hatte das Thier etwa 3 Liter Blut verloren. Bei näherer 
Untersuchung mit dem Zeigefinger liess sich eine Höhle zwischen 
der Nackenportion des M. cucullaris und dem M. levator anguli 
scapulae constatiren. In derselben fühlte man zahlreiche, durch 
leicht zerreissbare Wände getrennte kleinere Hohlräume oder 
Kammern. Ferner fanden sich im vorderen unteren Theile der 
Höhle ziemlich grosse Fibringerinnsel, nach deren Entfernung zwei 
deutlich pulsirende, etwa federkieldicke Arterien fühlbar wurden, 


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166 


. XI. GÜTMANN 


die nach der Lage als Zweige der Arteria cervicis transversa 
angesprochen werden konnten. 

Beirats Blutstillung wurde ein Tampon aus Flachs in die 
Höhle geschoben und die Patientin in der Klinik behalten. — 
Da am Abend noch etwas Blut aus der Wunde tröpfelte, blieb 
der Tampon bis zum nächsten Tage sitzen. 

17. Sept. Die Umgebung der Wunde stark geschwollen, sehr 
empfindlich. Der Tampon entfernt, wonach sich eine ziemlich 
starke Blutung einstellt. Die Höhle mit einer concentrirten Alaun¬ 
lösung ausgespritzt und ein frischer mit Alaunlösung getränkter 
Flachstampon eingefUhrt. Der Appetit gut. Die Temperatur nicht 
gemessen, weil Patientin sich beunruhigt. 

18. Sept. Morgens. Die EntzUndungsgeschwulst in der Um¬ 
gebung der Wunde grösser, hart. Der Tampon entfernt. Eine 
Blutung stellt sich nicht ein. Der Appetit mittelmässig. Tem¬ 
peratur 38,7, Puls 40, Athmung 20. 

Abends. Das sich beim Drücken entleerende schmutzig roth- 
braune Wuudsecret schaumig, etwas übelriechend. Injection von 
Alaunlösung. 

19. Sept. Morgens. Die entzündliche Geschwulst sehr beträcht¬ 
lich, reicht nach oben bis zum Widerrist und nach unten bis zum 
Ellbogengelenk. Das schmutzig rothbraune schaumige Wundsecret 
sehr übelriechend. Der Appetit gering. Temperatur 39, Puls 42, 
Athemzüge 20. Die Höhle mit 5 proc. wässeriger Carbolsäure- 
lösung ausgespritzt. 

Abends. Patientin niedergeschlagen, frisst wenig und hält 
die rechte Vorderextremität fast beständig in der Flexionsstellung. 
Temperatur 38,9. 

Innerlich erhielt das Thier Camphora trita 4 Grm. mit Muci- 
lago gummi arabici (in 2 Gaben). Mittelst eines Irrigators wurde 
die Nacht hindurch sowohl die Wunde wie die Umgebung der¬ 
selben mit 3 proc. Carbolsäurelösung berieselt. 

20. Sept. Morgens. Die EntzUndungsgeschwulst hat sich ver- 
grössert. Sie reicht seitlich bis in die Gegend der 9.—10. Bippe 
und nach unten erstreckt sie sich bis zum Carpalgelenk. Zwi¬ 
schen den Vorderextremitäten ein starkes Oedem. Appetit fehlt. 
Puls schwach, kaum fühlbar, 62 in der Minute, Temperatur 39,9, 
Athmung 18. 

Das schmutzig braune, übelriechende Wundsecret entleert sich 
spärlich wegen starker Schwellung der Wundränder. Es wird die 
Wundöffnung um etwa 2 Cm. erweitert. 


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Angioma cavernosum bei einem Pferde. 


167 


Abends. Die Höhle mit einer 1 proc. wässerigen Lösnng von 
Kalinm hypermanganicum und nach einigen Stunden mit 1 proc. 
Kreosotlösung ausgespritzt. Temperatur 40. 

21 . Sept. Morgens. Appetit gar nicht vorhanden. Temp. 40. 
Der Puls fast unfühlbar (40). Das Athmen erschwert (24). Das 
Wundsecret spärlich, sehr übelriechend. Patientin liegt. Injection 
von Kreosotlösung. 

Tod um 272 Uhr Nachmittags. 

Die am 22 . Sept. vorgenommene Section ergab Folgendes: 

Die Venen des Unterhautbindegewebes, namentlich am Halse, 
mit dunklem Blut gefüllt. Das Unterhautbindegewebe der rechten 
Schulter und des M. cucullaris blutig infiltrirt, von schmutzig 
brauner Farbe, mürbe. Nach Durchschneidung des M. cucullaris 
präsentirt sich eine 10 Cm. im Durchmesser haltende, theilweise 
unter die Halspartien des M. serratus anticus major reichende 
Höhle, die ein Netzwerk ziemlich breiter bingewebiger Balken, 
welche kleinere Hohlräume oder Fächer umschliessen, enthält. 
Die Fächer sind verschieden gross, die grössten von etwa 1 V 2 Cm. 
im Durchmesser. Die in den Fächern sitzenden übelriechenden 
Blutgerinnsel beherbergen eine Masse von Mikrococcen, Strepto¬ 
coccen und Bacterien. Von dem unteren und hinteren Theile der 
Höhle lässt sich ein mit Blutgerinnsel angefUllter Kanal unter 
das Schulterblatt verfolgen. Nach Entfernung des Blutgerinnsels 
konnte bequem ein Finger in das Lumen desselben eingeführt 
werden. Dieser Kanal erweist sich als eine Vene. Der Levator 
anguli scapulae und der M. serratus anticus major blutig infiltrirt, 
missfarbig, mürbe. 

Brusthöhle. Die Lungen blutreich. Der Herzbeutel gefüllt 
mit röthlichem Transsudat. Das Herz von blasser Farbe, schlaff 
und fast blutleer. 

In der Bauchhöhle in reichUcher Menge gelbes Transsudat. 
Die Nieren von schmutzig brauner Farbe, weich. Die Milz ver- 
grössert, blutreich, mürbe. Die Leber gelbbraun, theilweise 
verfettet. 

In den Transsudaten und im Blute, namentlich der Leber, 
Milz und Nieren, Mikrococcen und Bacterien. 


Der vorliegende Fall lässt wohl annehmen, dass wir es hier 
mit einem arteriellen cavernösen Angiom zu thun gehabt haben. 
Dasselbe hatte, wie ich erst später vom Eigenthümer erfuhr, 
schon vom ersten Lebensjahre des Thieres fast in derselben Grösse 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 12 


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168 XI. GUTMANN, Angioma cavernosum bei einem Pferde. 

bestanden. Ans Zweigen der Art. cervicis transversa strömte das 
Blnt in die vom bindegewebigen Maschennetz umschlossenen 
Hohlräume, nach deren Passage es in die erweiterte Vene ab¬ 
floss. Nach dem Oeffnen der Geschwulst und der Tamponade 
mit Flachs trat Gerinnung des Blntes sowohl in den Hohlräumen 
wie auch in den zuführenden Arterienzweigen und der abführen¬ 
den Vene ein. Durch Ausspritzen Hessen sich die Gerinnsel aus 
den Räumen des Balkennetzwerkes nicht entfernen und beim Ver¬ 
such, dieselben mit dem Finger herauszuholen, trat Blutung ein. 
Die in der Luft schwebenden Fäulnissorganismen fanden nun in 
den festsitzenden Gerinnseln einen äusserst günstigen Boden zu 
ihrer Weiterentwicklung. Der letale Ausgang erklärt sich durch 
die Annahme einer Vergiftung mit Producten der Fäulnissorga¬ 
nismen (putride Intoxication). 



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XII. 


Der „doppelrotirende Hnftrepan“, seine Anwendung 
nnd praktische Bedeutung. 

Vom 

kk. Oberthierarzt Martinak* 

Lehrer an der Huf beschlagschule in Prag. 

(Hierzu Tafel I.) 

Wenn ich mit dem von mir constrairten Hufinstrumente vor 
die Oeffentlichkeit trete, so geschieht es nicht etwa in der Ab¬ 
sicht, die stattliche Zahl dieser Art Instrumente nnd sonstiger 
Mechanismen aus eitler Rücksicht blos zu vermehren, sondern, 
da mir dieses Instrument nicht ganz unzweckmässig zu sein 
schien, glaubte ich es der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten 
zu .sollen. 

Die leitende Idee bei der G'onstruction dieses Hufinstrumentes 
war in erster Richtung die, die bisher zur Feststellung von 
Hornspalten üblichen Verfahrungsweisen zu vereinfachen und 
thunlichst zu verbessern; wie weit mir dies gelungen, wolle aus 
dem Nachstehenden resultirt werden. 

Ungeachtet des anerkannten und nicht in Abrede zu stellen¬ 
den Werthes der zur Feststellung der Hornspalten bekannten 
Vorrichtungen, als der Eisenplättchen nach weil. Hartmann, 
Lehrer in Dresden, sowie des Apparates nach Mayer, Lehrer 
des Hufbeschlages an der königlichen Thierarzneischule zu Stutt¬ 
gart, endlich der Klammern (Agraffen) u. s. w., haben dennoch 
diese Mechanismen, wie Jedermann bekannt, den nicht geringen 
Nachtheil, dass derlei Pferde hierdurch selbst für den Laien in 
einer auffälligen und gewiss sehr unvorteilhaften Weise gekenn¬ 
zeichnet werden, was auch deren Anwendung bei Luxuspferden 
sehr im Wege steht, so dass sie mit Rücksicht dessen blos für 
den minderen Pferdestand einigen Werth haben. 

Abgesehen hiervon ist auch die Haltbarkeit dieser Mecha- 

12 * 


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170 


XII. MARTIN AK 


nismen trotz deren richtigen Anlage oft eine ungenügende. Diesen 
Uebelständen soll mein Verfahren begegnen und sich ausserdem 
hierdurch vorteilhaft gestalten, dass die klaffenden Hornspalt¬ 
ränder mittelst der in der Hornwand verdeckt angebrachten 
Schraube an einander gepresst werden, was besonders hei den 
Eisenplättchen nur bedingungsweise der Fall ist; wird beispiel¬ 
weise das Eisenplättchen hei Ochsenspalten im Momente der 
Entlastung des Hufes, sowie dies beim Stutzen des Fusses auf 
dem FeilbOcke zum Theil der Fall ist, angelegt, so wird die 
Spalte, da in diesem Momente der theilweisen Entlastung die 
Trachtenhornwandregionen entgegen der Belastung gegenseitig 
an einander rücken, sich somit der Medianlinie des Hufes nähern, 
erweitert und sodann in diesem Zustande durch das Eisenplätt¬ 
chen blos fixirt und nicht, wie dies in solchen Fällen angestrebt 
wird, an einander gepresst. 

Die Ausführung der Operation mittelst des doppelrotirenden 
Huftrepans (Fig. 1, Taf. I) wird auf folgende Art durchgeführt, 
und zwar wird der zu operirende Huf durch einen Gehülfen auf 
dem Feilbocke fixirt und hierauf zur Seite und zwar in mög¬ 
lichster Entfernung (Fig. 4a, Taf. I) der Hornspalte eine etwa 
2 —3 Mm. tiefe Oeffnung mittelst des Huftrepans gebohrt. 

Bei Ochsenspalten wird es ganz gleichgültig sein, ob die 
besagte Oeffnung links oder rechts zur Seite der Hornspalte aus¬ 
geführt wird, bei Trachtenspalten aber empfiehlt es sich, diese 
Oeffnung von der Seitenwandpartie aus anzubringen, weil da¬ 
selbst die Homwand entgegen der Trachte mächtiger ist und 
sich schliesslich die Operation von dieser Seite aus viel be¬ 
quemer als in der entgegengesetzten Richtung ausführen lässt. 

Die Zahl der bei einer Homspalte zur Feststellung derselben 
benöthigenden Schräubchen ergibt sich von selbst. Bei Seiten- 
und Trachtenhornspalten genügt wohl eine Schraube vollkommen, 
bei Ochsenspalten dagegen müssen zwei derselben angewendet 
werden, um die Spaltränder in ihrer ganzen Länge nach in einer 
unverschiebbaren Lage zu erhalten. 

Bei dem Gebrauche des doppelrotirenden Huftrepans hat 
man diesen an dem an dessen unterem Ende rotirend angebrach¬ 
ten Handgriffe mit der linken Hand zu fixiren und mit der rech¬ 
ten Hand das quergestellte und mit der Axe des Trepans in 
rotirender Verbindung stehende Heft zu fassen und unter massigem 
Druck mit der Hand, welche das Heft zur Rückdrehung nicht 
zu verlassen hat, Vierteldrehungen im Handgelenke auszuftthren. 


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Der „doppelrotirende Huftrepan“, seine Anwendung u. prakt. Bedeutung. 171 

Ist die Oeffnung auf diese Weise hergestellt, so wird zur 
Bildung der Seitenfurche (Fig. Ab, Taf. I) geschritten, zu welchem 
Zwecke der stumpfe senkrechte Zangenschenkel der Furchen¬ 
zange (Fig. 2b, Taf. I) in die besagte Oeffnung angesetzt und 
der das Rinnenmesserchen tragende Zangenschenkel (Fig. 2a, 
Taf. I) in eine zur Bildung der möglichst horizontal herzustel¬ 
lenden Furche geeignete Stellung gebracht und hierauf die Hand¬ 
schenkel der mehrerwähnten Zange unter einem mässigen Drucke 
derselben gegen den Huf zusammengepresst; bei einem richtigen 
Gebrauche dieses Instrumentes gelingt es auch stets, diese für 
den Ansatz des Drillbohrers und der Schraube nöthige Furche 
durch das einmalige Einzwecken mit der Zange herzustellen, 
selten und da speciell nur bei harten Hufen wird ein wieder¬ 
holter Ansatz mit derselben nöthig, um die hinreichende Tiefe 
dieser Furche zu erzielen; nach dieser Procedur wird die Oeff¬ 
nung für das einzufiihrende Schräubchen (Fig. 3, Taf. I) mittelst 
des Drillbohrers (Fig. 5, Taf. I) hergestellt. Die Länge derselben 
hat genau der Schraube zu entsprechen. 

Sollte das Pferd, wie es vorzukommen pflegt, während des 
Bohrens den auf dem Feilbocke fixirten Huf von diesem entziehen, 
so bleibt der feine Bohrer in dem Bohrkanälchen stecken und 
wird leicht mittelst einer Zange herausgezogen. 

Die Tiefe und Richtung des fttr die Schraube bestimmten 
Lagers ergibt sich aus der Dicke und der grösseren oder ge¬ 
ringeren Convexität der Hornwand selbst; eine Gefahr der Ver¬ 
letzung der Fleischwand bleibt auf Grund der von mir bei der¬ 
artigen Operationen an lebenden Objecten genommenen Erfahrung 
ganz ausgeschlossen. 

Als Grundsatz gilt, möglichst in die Tiefe, somit an die zähe 
Hornwandschicht vorzudringen, da dies wie gesagt ganz ohne 
Gefahr ist, und hierdurch die Haltbarkeit der Schraube wesent¬ 
lich erhöht wird und deren etwaiger Druck auf die Fleischwand 
nicht zu befürchten steht; keinesfalls darf die Schraube so ober¬ 
flächlich in die Hornwand versetzt werden, dass sie sich nach 
ihrer Anlage an der Oberfläche derselben durch Ausbuchtung 
des Hornes wahrnehmbar macht. 

Den Schlussact der besprochenen Operation bildet die Ein¬ 
führung der Schraube (Fig. Ab, Taf. I), von welcher, was deren 
Länge betrifft, 4 Gattungen erforderlich sind, und zwar Gattung 1 • 
24 Mm., 2: 28 Mm., 3: 32 Mm., 4: 36 Mm. 

Nach der so bewirkten Manipulation wird die Oeffnung an 


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XII. MARTIN AK 


der Hornwand entweder mit Hufkitt oder der Defay’schen Horn¬ 
masse ausgeflillt. 

Ungünstige Ereignisse sind mir bei dieser Operation nicht 
begegnet und dürfte dieselbe überall mit gleich günstigem Er¬ 
folge angewendet werden. 

Ausser zur Feststellung von Hornspalten kann der doppel- 
rotirende Huftrepan vortheilhaft zur Entleerung von Eiter im 
Hufe, sowie zur Operation von Tragrand- und bei nur einiger 
Vertrautheit in dem Umgänge mit dem Instrumente auch bei 
Kronenspalten verwendet werden; in diesem Falle wird das 
Männchen der grössten Gattung (Nr. 3) des Trepans an der 
Hornspalte, und zwar etwa 10—12 Mm. vom Kronenrande ent¬ 
fernt, somit unterhalb der Kronenfurche an der vollen Dicke der 
Hornwand angesetzt und eine etwa 2—3 Mm. tiefe Oeffnung ge¬ 
bohrt (Fig. 4c, Taf. I). Hierauf wird das Männchen des Trepans 
mit dem flachen Bohrer gewechselt und die Bohrung bei durch¬ 
dringenden Hornspalten möglichst nahe an die Fleischwand, ohne 
aber diese blosszulegen, fortgesetzt; auf diese Weise bleibt in 
der runden Oeffnung nur eine dünne Hornschichte und auf dem 
Kronenrande der die Kronenrinne bildende Theil der Hornwand zu 
beseitigen übrig; dies geschieht mit dem Brenneisen (Fig. 6, Taf. I), 
dessen rundgeformtes Ende für die Oeffnung und der schwänz- 
chenförmige Fortsatz für das Kronenwandborn bestimmt ist. 

Bei dem Gebrauche des Brenneisens sind mit demselben, 
nachdem es in die Bohröffnung eingeführt wurde, halbe Drehun¬ 
gen nach links und rechts auszuführen, um das Kronenwandhorn 
in Halbmondsform zu zerstören, beziehungsweise die Homspalte 
zu beseitigen. 

Bei stark klaffenden Hornspalten, wo ein Ansatz des Trepans 
unmöglich ist, habe ich an der zu trepanirenden Stelle mit dem 
Brenneisen vorgebrannt und mir hierdurch ein für den Trepan 
günstiges Lager geschaffen und hierauf die Operation in der be¬ 
kannten Weise durchgeführt. 

Nach Abnahme des ersten Verbandes, was in 5—6 Tagen 
der Fall ist, wird die Brandkruste mittelst des Hufmessers ab¬ 
gelöst und ein trockener Wergverband erneuert angelegt, der 
in etwa 5 Tagen ganz beseitigt und die Operationsstelle mit 
dem Hufkitte ausgefüllt werden kann. 

Was die Dauerhaftigkeit des besprochenen Instrumentes an¬ 
betrifft, so lässt dieselbe ob der hierorts mit demselben durch 
37 Scholaren vorgenommenen zahlreichen Operationen an todten 


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Der „doppelrotirende Huftrepan“, seine Anwendung u. prakt. Bedeutung. 173 

Hufen und lebenden Objecten nichts zu wünschen übrig, sowie 
auch der Kostenpreis der gesammten Instrumente von 10 fl. ö. W. 
als ein mässiger bezeichnet werden kann. 


Ausser den genannten Instrumenten übersandte Herr Ober¬ 
thierarzt Martinak einen von ihm construirten Expanseur an 
die Redaction. 

Der in Fig. 7, Taf. I abgebildete Expanseur dient als Er¬ 
satz des Defay’schen Dilatators. Der Expanseur unterscheidet 
sich von dem Dilatator hauptsächlich dadurch, dass die Hand¬ 
habe nicht in der gleichen Richtung mit den Seitentheilen und 
Backen liegt, sondern senkrecht zu diesen steht, wodurch eine 
genauere und bequemere Handhabung des Instrumentes möglich 
ist, als das beim Defay’schen Dilatator der Fall. Einen weiteren 
Unterschied bilden die beiden Seitentheile (Fig. 7 e u. /, Taf. I), 
indem dieselben durch 2 Fixationsschienen (b u. c) in der Lage 
gehalten werden. Die Schraube k ist an einem Ende mit einem 
vierfach durchbohrten Knopfe (a) versehen, der zur Aufnahme 
des Hebels dient, während die beiden Enden der Schrauben- 
spindel durch 2 Nuthen derart mit der Hülse d und dem Seiten- 
theil f in Verbindung stehen, dass sich die Schraube ungehin¬ 
dert darin bewegen kann. Im Seitentheile e befindet sich die 
Schraubenmutter. 


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XIII. 

Amyloide Infiltration bei der Tnbercnlose des Geflügels. 

Von 

Th. Kitt, 

Frosector an der kgl. Thierarzneischule in München. 

Bei unseren Hausthieren wird die amyloide Degeneration 
als ein seltenes Vorkommen betrachtet und es sind demgemäss 
auch in der Veterinärliteratur nur wenige Fälle dieser Gewebs¬ 
veränderung verzeichnet. Unter den Repräsentanten der Vogel¬ 
welt, welche auf den Namen Hausthier theilweise Anspruch 
machen, theilweise nur in gezähmter oder halbwilder Form dem 
Menschen näher treten, ist jene Erscheinung hingegen bei Weitem 
häufiger, wenngleich nur Wenige darauf geachtet und Wenige 
darüber berichtet haben. 

So ist von Röll Amyloidentartung bei Fasanen und von 
Paulicki') ein solcher Fall bei der Baumente constatirt worden. 
In einer interessanten Abhandlung erstattete weiter Prof. Fried¬ 
berger 1 2 ) Bericht über eine Massenerkrankung unter den Fasa¬ 
nen, bei welcher die pathologischen Veränderungen in Leber, 
Milz und Darm als ausgebreitete Amyloiddegeneration mit den 
gewöhnlichen Complicationen der Ausdruck einer allgemeinen 
Ernährungsstörung waren. 

Ich möchte dieser letzten Anschauungsweise dadurch Nach¬ 
druck verleihen, dass ich mir erlaube, von einigen Fällen amy- 
loider Degeneration, welche ich bei Hühnern beobachtete, einen 
besonders charakteristischen auszuwählen, um das Augenmerk, 
oder besser gesagt, die Richtung, in der eine Wachsentartung 
zu suchen ist, auf jene beim Geflügel so häufigen dyskrasischen 
Zustände zu lenken, welche mit der Tuberculose zusammenge- 

1) Vgl. Magazin f. d. gesammte Thierheilkunde von Gurlt & Hertwig. 
38. Jahrg. 8. Heft. Berlin 1872. 

2) Zeitschrift für praktische Veterinär-Wissenschaften von D. H. Pütz. 
IV. Jahrg. 1874. Nr. 6. S. 177. 


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Amyloide Infiltration bei der Tubercnlose des Geflügels. 175 

worfen oder als lymphosarcomatöse Bildungen (Roloff) aufge¬ 
fasst worden sind. 

Ich habe also nur die Absicht, zu zeigen, dass beim Haus¬ 
geflügel eine Cachexie, welche mit der Production von Geschwül¬ 
sten, Eiterungen und Verkäsungsherden einhergeht, ähnlich wie 
beim Menschen, Veränderungen mit sich bringt, die zur Abspal¬ 
tung eines Eiweisskörpers in den betroffenen Organen Veranlas¬ 
sung geben, der die Eigenthümlichkeiten des Amyloids besitzt. 
Damit ist nicht gesagt, dass bei jeder derartigen, chronischen, 
dem Geflügel in dieser Form eigentümlichen Tuberculose der 
fragliche Infiltrationszustand eintreten müsse, es gibt auch sicher¬ 
lich genug Fälle, bei denen die Bedingungen zur Entwicklung 
der Amyloidmassen nicht vorhanden sind. 

Das Object, welches die speckige Entartung in so hohem 
Grade darbot, ist ein gewöhnliches Huhn, dessen Cadaver mir 
durch die Güte des Herrn Bezirksthierarztes Drechsler dahier 
zur Verfügung gestellt wurde. Der Körper dieses Thieres war 
sehr abgemagert, die Muscnlatur ausserordentlich blass. Im 
Bauchluftsacke fand sich ein 3 Gm. grosser, käsiger, hellgelber, 
elastisch weicher Knoten von unregelmässiger, zackiger Form 
vor. Die hauptsächlichsten Veränderungen wiesen Leber, Muskel, 
Magen und Milz auf. Das ganze Leberparenchym war so brüchig, 
dass es eigentlich nur eine bröslige, körnige Masse darstellte, in 
der das Drüsengewebe undeutlich in Form blassgelber Züge er¬ 
kennbar war, zwischen welchen reichlichst runde, hirsekom- und 
darunter grosse Knötchen von gelblichem, glänzend durchschei¬ 
nendem Aussehen zerstreut standen. Der Muskelmagen erschien 
durch eine nach vorn gerichtete Neubildung im Umfange von 
4—5 Cm. vergrössert. Dieser Tumor ragte als rundlicher, von 
einer glasig gequollenen und mit Fettgewebe durchsetzten Mem¬ 
bran überzogener Knollen hervor. Ein zweiter, etwa haselnuss¬ 
grosser Knollen sass dicht über der erwähnten Neubildung 
genau an der Grenze des Vor- und Muskelmagens. Ein Durch¬ 
schnitt der Magenwandung zeigte, dass die Muscnlatur in der 
hinteren Hälfte in einer Ausdehnung von 2 Gm. noch erhalten 
war, äusserlich blass braunroth, und soweit sehnig, bläulich 
schimmernd sich anscheinend normal erwies, in der vorderen 
Partie hingegen nur auf einen ‘/* Gm. breiten, peripheren Saum 
sich beschränkte. An Stelle des Muskels fand sich hier ein im 
Ganzen gelbröthliches, jedoch hyalin durchscheinendes Gewebe, 
welches so die ganze vordere Halbkugel des Magens einnahm. 


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176 


XHI. KITT 


Mitten aus diesem Gewebe heraus und in demselben wurzelnd 
erhob sich die erwähnte, taubeneigrosse Geschwulst, sowie der 
kleinere Knoten. Jener frei in die Bauchhöhle ragende Theil 
beider Knoten war auf dem Durchschnitte buttergelb, der in das 
gelbrothe Gewebe der Magenwandung eingewurzelte Zapfen gran- 
weisslich, die gelbe Partie deutlich geschichtet In der Peripherie 
der gelbröthlichen Grundmasse fanden sich noch Muskeltheile in 
Linsengrösse eingesprengt, die Grundmasse selbst zeigte zahl¬ 
reiche, punktförmige, auch 2—3 Mm. im Durchmesser haltende 
verkäste Zerfallsherde, welche, kenntlich an ihrer weissgelben 
Färbung, Uber die Schnittfläche schwach promenirend sich härter 
als die Umgebung anfühlen Hessen, im Gentrum dagegen Er¬ 
weichung und daher schmierige Beschaffenheit zu erkennen gaben. 
Die Membran, welche die Neubildung ttberzog, ist die fortgesetzte, 
in die Dicke gewucherte und glasig verquollene Serosa des Magens. 
Auch die Milz erschien vergrössert und statt des normalen Ge¬ 
webes traf ich eine aus unzähligen glasig durchscheinenden Kör¬ 
nern (den amyloid entarteten Follikeln) gebildete Masse als ihren 
Hauptbestandteil an, und der bei einer gleichartigen Erkrankung 
in der humanen Pathologie gebräuchliche Name „ Sagomilz “ würde 
den Zustand auch hier treffend charakterisiren. 

Bei der mikroskopischen Prüfung des Lebergewebes und der 
in ihm enthaltenen Knötchen wurde mir auf die Anwendung der 
violetten Anilinfarben hin sofort klar, dass wir es mit einer aus¬ 
gebreiteten, amyloiden Degeneration zu thun haben. Wohl an 
den meisten Stellen fand ich die centralen Partien der das Paren¬ 
chym durchsetzenden Knötchen als einen intensiv rothen Klum¬ 
pen, dessen Zusammensetzung aus geformten Elementen sich 
schwer bestimmen liess. Die Leberzellstränge waren in Folge 
einer ähnlichen, aber nicht so markanten ßöthung sichtbar, trotz¬ 
dem die einzelnen Zellen gequollen, nicht scharf contourirt, son¬ 
dern von verschiedener Grösse und Abrundung beisammen stan¬ 
den. Das Bindegewebe im Gebiete der Pfortadercapillaren hatte 
an der Infiltration noch nicht theilgenommen, weshalb die blau¬ 
gefärbten Fasern und Zellkerne desselben durch den Gegensatz 
der Farbe hervortraten. Solches Verhalten bewiesen die mit 
Metylviolett tingirten Schnitte der gehärteten Leber. Theile dieses 
Organs, welche früher im frischen Zustande untersucht wurden, 
boten ZeUen dar, welche eine mehr oder weniger vollständige 
fettige Metamorphose eingegangen haben, eine Structurverände- 
rung, die in ihrer einfachen Form als fettige Infiltration beim 


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Amyloide Infiltration bei der. Tuberculose des Geflügels. 


177 


Geflügel nahezu physiologisch vorkommt. Anderseits waren Zel¬ 
len zngegen,, welche unter Einbusse jeder scharfen Begrenzung, 
in der Form höchst variabel, durchwegs als kernlose, stark licht¬ 
brechende Massen, vielfach mit einander verklebt, kaum mehr zu 
erkennen waren. Daneben fanden sich Aggregate von Fetttröpf¬ 
chen, theilweise als Körnchenkugeln zusammengehalten, theilweise 
im Zerfall zu Detritus. Das frische Lebergewebe, unter Zusatz 
einer schwach gelben, wässerigen Jodlösung zerzupft, nahm 
nach dem Verlaufe weniger Minuten eine schön rothe Färbung 
an, welche wiederum an den knotigen Einlagerungen, die bei 
schwacher Vergrösserung in toto sichtbar waren, die tiefste 
Nuance des Weinroths darbot. 

Die für das Amyloid charakteristische Reaction mittelst Jod 
und Metylviolett ist, wie ersichtlich, an der erwähnten Leber 
eingetreten; ich würde aber dennoch Bedenken haben, mit der 
Diagnose Amyloiddegeneration gleich fertig zu sein, wenn nicht 
auch die ungefärbten frischen Lebertheile jene eigenthümlichen 
hyalinen Massen gezeigt hätten und weiter, wenn nicht die 
Magenwandung in gleicher Weise verändert gewesen wäre. Denn 
einmal färben sich Zellen, welche einen höheren Gehalt von 
Glykogen besitzen, ebenfalls mit Jod mahagonibraun bis dunkel- 
roth und zweitens nimmt das Fett und solche Zellen, welche 
Fettkömer beherbergen, öfters einen violettrotben Farbenton bei 
Verwendung basischer Anilinfarbstoffe an. 

Was den Zusatz von Schwefelsäure zur Jodlösung betrifft, 
welcher Mischung Viele den Vorzug geben, weil eine Abstufung 
der schon vorher durch Jod erzielten rothen Farbe in Violett 
oder Blau eintreten soll, so ist dergleichen mit Vorsicht aufzu¬ 
nehmen, denn, wie ich gesehen habe, tritt wohl eine Aenderung 
der Farbe ins Blaugrüne auf, es ist dies aber sicherlich nur die 
Folge der Einwirkung von Schwefelsäure auf organische Stoffe 
überhaupt; ausserdem habe ich versuchsweise auf dem Object¬ 
träger öftere Male verdünnte Jodlösung, Glycerin und Schwefel¬ 
säure zusammengebracht und aus dem gelben Gemisch die schön¬ 
sten röthlichen, violetten und blauen Töne hervorgehen sehen. 

Sehr prägnant ist aber die Färbungsdifferenz an jenen Schnit¬ 
ten zu Stande gekommen, welche der erkrankten Magenwandung 
und der aus ihr hervorgewucherten Neubildung entnommen waren. 
Die erwähnte röthlich- gelbe Grundmasse war aus einem sehr 
dicht gefügten grobfaserigen Bindegewebe der Hauptsache nach 
aufgebaut, dem in Unmasse sehr kleine Rundzellen und kurze 


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178 


XIII. KITT 


Spindelzellen mit distincter Kernfärbung eingelagert -waren; das 
Ganze erinnerte sehr an den Typus des Narbengewebes. Jene 
kleinen Kundzellen batten sich an dem peripheren Rande der in 
die Grundmasse eingestreuten Zerfallsherde so massig aufgehäuft, 
dass sie um den centralen, mit Detritus und glänzenden Schollen 
gefällten Raum derselben eine Art Hof oder Saum herstellten. 
Gegen die schön blau tingirte Grundmasse mit ihren Kernen 
und Zellen differencirte sich in schönster Weise der Gefässver- 
lauf und die von der Entartung ergriffenen Partien der Binde¬ 
substanz. So präsentirten sich die quergeschnittenen Arterien als 
breite hell- oder dunkelrothe Ringe, oft vereinzelt in der blauen 
Grundmasse, oft durch Zttge von ebenfalls roth tingirtem Binde¬ 
gewebe begleitet. Diese letzteren Elemente hatten die bei der 
Wachsentartung stereotype Verunstaltung durch Zunahme der 
Dicke und Aufquellung. Die Gefässe zeigten, wo sie der Länge 
nach getroffen waren, förmliche varicöse Auftreibungen. 

In der Magenwandung hatte, wie ersichtlich, die Amyloid¬ 
degeneration keine grossen Fortschritte gemacht und war auf die 
Bindesubstanzen beschränkt geblieben, denn auch die Drttsen- 
schichte des Magens blieb völlig intact. In der Leber hingegen 
waren unzweifelhaft die Drttsenzellen selbst an der Erkrankung 
betheiligt und, wie ich glaube, primär, denn nur die Leberzell¬ 
balken schienen mir verändert, nicht aber der Pfortaderbezirk. 
Was nun diese zwei Momente anlangt, ob das Bindegewebe oder 
die Abkömmlinge des Entoderms allein oder vorwiegend von 
der Degeneration befallen werden, oder ob beide zugleich ver- 
quellen, so ist bezüglich der gleichen Erkrankung beim Menschen 
gerade in letzter Zeit vielfach hin- und hergestritten worden. 

Eberth 1 ), der auf Grund eines reichlichen Materials der 
Amyloidfrage näher getreten ist, will den Nachweis beibringen, 
dass kein anderes Gewebe als die Bindesubstanz dem Process 
der Amyloiddegeneration unterliege, während Kyber 2 ), ebenfalls 
auf zahlreichen Beobachtungen fassend, die Verbreitung jener 
Veränderung auf die verschiedensten Gewebe darzuthun versucht. 
Den letzteren Standpunkt vertritt auch Böttcher 3 ) mit Entschie¬ 
denheit, wenn er behauptet, dass die Leberzellen für sich er¬ 
kranken können, und diese Auffassung scheint mir nach dem 
Befunde bei Geflägellebem unwiderleglich. 

1) Vgl. Virchow’s Archiv. 80. Bd. S. 138. 1880. 

2) Ebendaselbst. 81. Bd. 1880. 

3) Vgl. Zur Amyloidfrage. Ebendaselbst. 84. Bd. 1881. 


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Amyloide Infiltration bei der Tuberculose des Geflügels. 179 

Nach Rindfleisch und Orth zeigt sich die Amyloidin¬ 
filtration zuerst im Gebiete der Leberarterie und ihrer Capillaren, 
also in der mittleren, intermediären Zone des einzelnen Läpp¬ 
chens, von wo aus der Process auf die Leberzellen fortschreitet, 
dann den Bezirk der Lebervenen vollständig erfüllt und erst 
zuletzt die äussere Zone, das Gebiet der Pfortaderäste, betritt. 

Um die Frage, in welches Gebiet die schon eingangs be¬ 
sprochenen, verkäsenden Geschwulstformen des Geflügels gehören, 
endgültig zu entscheiden, habe ich nach der bekannten Ehr lieh - 
schen Modification >) der Untersuchungsweise auf Tuberkelbacillen 
das neugebildete Gewebe in der Magenwandung des bezeichneten 
Huhnes geprüft und glaube darin sicher zu sein, es dürften jene 
Tumoren, wie bisher aus dem makroskopischen Befunde fast 
immer gemuthmaasst wurde, als echte tuberculöse Processe be¬ 
zeichnet werden. An dem specifischen Verhalten gegen die Koch- 
Ehrlich’sche Färbungsmethode erkannte ich an allen Schnitten 
die durch ihre Kleinheit, Standort und Gruppirung charakterisir- 
ten Bacillen der Tuberculose, welche so intensiv tingirt 
waren, dass sie bereits mit 360facher Vergrösserung deutlich 
sichtbar wurden. 

Erwähnen möchte ich noch, dass bei diesem Huhn das 
spärlich vorhandene Fettgewebe, welches gallertähnliche, durch¬ 
sichtige Beschaffenheit angenommen hatte, im Zustande schlei¬ 
miger Metamorphose anzutreffen war. 

München, im Februar 1883. 


1) Näheres darüber siehe: Mikroskopische Technik von Dr. Carl Fried¬ 
länder. Kassel und Berlin. Verlag von Th. Fischer. 1882. 


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XIV. 

Tracheitis verrucosa verminosa der Hönde. 

Von 

Professor Dr. C. Rabe 

in Hannover. 

(Hierzu Tafel II.) 

Im zweiten Doppelheft des achten Bandes dieser Zeitschrift, 
S. 223 macht Herr Professor Blnmberg in Kasan Mittheilnng 
über einen bisher unbekannt gewesenen Rundwnrm, welcher in 
warzenartigen Knoten der Tracheal- und Bronchialschleimhaut des 
Hundes von ihm gefunden worden ist. Vor längerer Zeit habe 
auch ich Gelegenheit gehabt, einige denselben Gegenstand be¬ 
treffende Beobachtungen zu machen, die ich aber ihrer Unvoll¬ 
ständigkeit wegen bisher nicht veröffentlichen mochte. 

Da jedoch die Blumberg’schen Befunde in manchen Punkten 
von mir ergänzt, in anderen vollkommen bestätigt werden kön¬ 
nen, will ich nicht länger zögern, auch meine hierher gehörigen 
Wahrnehmungen zu publiciren. 

Die Tracheitis verrucosa verminosa wurde von mir zweimal, 
und zwar bei Windhunden, beobachtet. 

Die erste Beobachtung stammt aus dem Jahre 1877 und be¬ 
trifft einen einjährigen, unlängst aus England eingeführten Wind¬ 
hund, der am 24. Februar wegen Staupe dem Spital für kleine 
Hausthiere Übergeben wurde und am 1. März daselbst starb 
(Nr. 191, 1877). Der Krankenbogen referirt über den bei „ner¬ 
vöser Staupe “ gewöhnlichen Befund und enthält die Angabe, dass 
die Thätigkeit des Respirationsapparates keinerlei Störungen er¬ 
kennen liess. Es waren 14 Athemzüge pro Minute von normalem 
Typus zu zählen. Percussion und Auscultation der Brustwan¬ 
dungen lieferten normale Ergebnisse. 

Das Thier starb, nachdem die Zahl der Athemzüge am 
28. Februar bereits auf 5 pro Minute heruntergegangen und die 
Mastdarmtemperatur auf 40,5° C. gestiegen war, am 1. März im 
Koma. 

Bei der Section fanden sich auf der Trachealschleimhaut in 


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Tracheitis verrucosa verminosa der Hunde. 


181 


nächster Nähe der Bifurcation drei warzenartige Knötchen von 
Form und Grösse einer Kaffeebohne, die mit breiter, aber etwas 
eingeschnürter Basis pilzförmig der Schleimhaut fest aufsassen. 
Die Schleimhaut in der Umgebung dieser drei grössten warzigen 
Auswüchse ist noch mit zahlreichen kleineren besetzt und finden 
sich solche von Hanfkorn- bis Pfefferkorngrösse auch reichlich 
in den Anfangstheilen der Hauptbronchien. 

Die Tracheal- und Broncbialschleimhaut ist überall intensiv 
geröthet und mit zähem Schleim bedeckt. 

Die Lungen, bis auf den linken hinteren Lappen, der grau- 
roth und milzartig dicht, auch sehr succulent ist, sind lufthaltig 
und weich elastisch. Bei genauerer Besichtigung werden in allen 
Knötchen ganz dicht unter der übrigens glatten Oberfläche zahl¬ 
reiche weisse fadenartige Würmer wahrgenommen, deren schlin- 
genartige und wellige Windungen durch die äusserste Schicht 
der Warzen und Wärzchen hindurch schimmern. 

Nach vielfachen vergeblichen Bemühungen gelang es schliess¬ 
lich, zwei vollständige Exemplare des Fadenwurmes, die in den 
Knötchen ausserordentlich fest hafteten, aus denselben zu isoliren. 

Die erhaltenen Individuen waren Weibchen und auch alle 
Bruchstücke, die Geschlechtsmerkmale besassen, entstammten 
ebensolchen. 

Ich beschränke mich darauf, die damals notirten Maasse 
mitzutheilen: Länge der ganzen Würmer 13—15 Mm., Dicke 
0,275 Mm. Die grössten im Fruchthälter befindlichen Eier waren 
0,132 Mm. lang und 0,082 Mm. breit. Die Embryonen, die in 
einzelnen Schlingen des Uterus sich vorfanden, waren 0,166 Mm. 
lang und 0,013 Mm. dick. Männliche Individuen konnten nicht 
aufgefunden werden. 

Zum zweiten Male beobachtete ich die Wurmknoten gleich¬ 
falls in der Luftröhre eines (weiblichen) Windspieles, welches 
am 11. Juni 1881 dem Spitale für kleine Hausthiere übergeben 
und am 12. desselben Monats getödtet wurde (Nr. 450 d. Journals). 

Bei diesem Thiere hatte der Eigenthümer seit längerer Zeit 
einen sehr hartnäckigen Husten wahrgenommen. 

Durch Auscultation wurde lautes Bronchialathmen und un¬ 
deutliches Knisterrasseln constatirt; ausserdem war ein giemen- 
des Geräusch mit Unterbrechungen hörbar. Zahl der Respira¬ 
tionen 36 pro Minute, Inspiration verzögert, Exspiration stossweise, 
Temperatur in ano 39,5° C. 

Bei der Section fanden sich auf der Schleimhaut der Trachea 


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182 


XIV. RABE 


and der Bronchien zahlreiche warzenartige graurothe und ziem¬ 
lich feste Knötchen von Hirsekorn- bis Kirschkerngrösse. Die 
grössten Knötchen sitzen in der nächsten Nähe der Luftröhren¬ 
gabelang. Von hier aus sind dieselben, indem sie allmählich klei¬ 
ner werden, bis tief in beide Hauptbronchien hinein und nach 
aufwärts bis zur Mitte der Trachea zu constatiren. 

Eine genauere Betrachtung ergibt, dass haarartige Würm¬ 
chen aus den Knoten, deren Oberfläche etwas buckelig erscheint, 
hervorragen. Vielfach gewundene und schleifenförmig gebogene 
Würmer schimmern weisslich durch die äusserste Schicht der 
Knoten hindurch und an Durchschnitten wird ersichtlich, dass 
das weiche und zähe fibröse Gewebe derselben mit diesen Para¬ 
siten dicht durchfilzt ist. An anderen Stellen stecken die letzteren 
mit dem einen Körperende in feinen Oeffnungen der Tracheal- 
schleimhaut [Ausführungsgänge der traubigen Drüsen], während 
der längere Rest des Warmkörpers auf der Oberfläche der Schleim¬ 
haut liegt. 

Die durch einzelne Würmer zugestopften Drüsenausführungs¬ 
gänge sind von einer ganz kleinen wallartigen Anschwellung des 
Schleimhautgewebes umgeben. 

Im Lungenparenchym sind viele graue Knötchen von der 
Grösse eines feinen Sandkörnchens enthalten, welche am häufig¬ 
sten dicht unter der Pleura sich vorfinden. 

Die Isolirung unbeschädigter Wurmexemplare aus den Luft¬ 
röhrenknoten gelingt auch dieses Mal nur selten, da die Thiere 
sehr fest in -der Schleimhaut stecken und bei stärkerem Anziehen 
meist abreissen. Die vollständigen Individuen und die Bruch¬ 
stücke gehören sämmtlich dem weiblichen Geschlecht an. 

Von den ersteren habe ich folgende Merkmale feststellen 
können: Drehrunder, fadenförmiger, weisslicher Wurm, £>, 9 bis 
12 Mm. lang und 0,15—0,27 Mm. dick; vereinzelt kommen auch 
Exemplare vor, die etwas länger und dicker sind. Das vordere 
und hintere Körperende verjüngen sich nur wenig und ganz all¬ 
mählich, Kopfende abgestutzt, 0,1 Mm. breit; das hintere Körper¬ 
ende hat, von der Seite gesehen, fast die Form der bekannten 
hakenförmigen Champagnerbrecher. 

Die Cuticula lässt bei stärkerer Vergrösserung eine leicht 
wellige, sehr feine longitudinale oder im Zickzack verlaufende 
Streifung erkennen. Der Hautmuskelschlauch besitzt ringartig 
den ganzen Körper umschliessende, etwa 0,02 Mm. breite Ver¬ 
dickungen, die in reglmässigen Abständen auf einander folgen. 


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Tracheitis verrucosa verminosa der Hunde. 


183 


Kopf vom Körper nicht abgesetzt. Der wie eine Papille 
aas dem vorderen Körperende hervorragende Anfangstheil des 
Pharynx ist von 2—3 ringförmigen und concentrisch gelagerten 
Falten (Lippen) des Leibeswandorgans amgeben, die bei ver¬ 
schiedenen Exemplaren verschiedene Höhe haben und nicht im¬ 
mer gleich deutlich erscheinen, ln der Nähe des Mondes ein 
grösseres solides und weiter nach rückwärts zwei kleinere ring¬ 
förmige Wärzchen. 

Pharynx flaschenförmig, sehr dickwandig, 0,250 Mm. lang. 
In der Leibeshöhle liegen neben dem Pharynx zwei Organe von 
der Form eines langgezogenen Beutels. Dieselben sind etwas 
länger als der Schlundkopf, lassen einen feinkörnigen Inhalt er¬ 
kennen, haben aber nicht wie jener, eine musculöse Wandung, 
dagegen stülpt die Cuticula sich in dieselben hinein und kleidet 
sie vollkommen aus. 

Der Darmkanal macht nur vereinzelte, schwach wellige Bie¬ 
gungen, verläuft übrigens aber in gestreckter Sichtung bis zum 
hinteren Körperende und endigt hier dicht unter und vor der 
Schwanzspitze. Der mittlere Durchmesser des Darmkanals, wel¬ 
cher unmittelbar vor dem engen After eine ampullenartige Er¬ 
weiterung hat, beträgt 0,14 Mm. (am plattgedrückten Wurm ge¬ 
messen). Der Inhalt des Darmes ist gelblich braun und reichlich 
mit glänzenden feinen Körnchen und Tröpfen gemengt. Das 
weibliche Genitalrohr besteht aus mehreren schleifenartig in ein¬ 
ander übergehenden Lagen von wechselnder Weite, die von einem 
Leibesende in meist gestreckter Richtung zum anderen verlaufen 
und nur ganz vereinzelte, schräge, pfropfenzieherartige Windun¬ 
gen bilden. Der ganze Genitaltractus ist bei den kleineren Weib¬ 
chen erfüllt mit Eiern in allen möglichen Entwicklungsstadien. 
Die grössten Eier sind 0,08 Mm. lang und 0,05—0,06 Mm. breit. 
Ausserdem sind hier in den mittleren Theilen des Uterus zahl¬ 
reiche Embryonen sichtbar, dieselben sind entweder ringförmig 
oder spiralig zusammengerollt. Der Uterus der grösseren Weib¬ 
chen ist ganz mit Embryonen angefüllt, welche alle von einem 
sehr durchsichtigen und feinen Eihäutchen allseitig bedeckt sind. 
Die Länge dieser Embryonen, die in grosser Anzahl aus den 
Bruchstücken dieser Parasiten frei werden, beträgt 0,230 Mm., 
ihre Dicke 0,015 Mm. 

Der Genitalkanal endet unmittelbar vor dem After mit enger 
Scheide, in welche, ebenso wie in jenen, die Cuticula von aussen 
her sich einschlägt. 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 13 


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184 XIV. BABE, Tracheitis verrucosa verminosa der Hunde. 

Wie bereits erwähnt, wurden männliche Individuen in der 
Trachea und in den Bronchien beide Male vergeblich gesucht, 
vielmehr erst im zweiten Falle in den submiliaren Knötchen 
innerhalb des Lungenparenchyms ganz vereinzelt entdeckt. Die¬ 
selben sind 5 Mm. lang, am hinteren Körperende stumpf abge¬ 
rundet. Dicht vor letzterem findet sich an der Bauchseite die 
Geschlechtsöffhung. Diese führt zu einer in der Leibeshöhle ge¬ 
legenen Scheide, in der zwei am hinteren Ende etwas nach ab¬ 
wärts gekrümmte Spicula sichtbar sind. 

Manche grössere Knötchen in der Lunge enthielten auch ein 
oder mehrere Weibchen. 

Der von Blumberg und mir entdeckte Bundwurm gehört, 
wie ich annehme, keiner bis jetzt bekannten Art an, am näch¬ 
sten verwandt scheint er den Filarien zu sein. 

Es würde mich freuen, wenn die, diesem Berichte beige¬ 
gebene von mir nach der Natur entworfenen Abbildungen von 
Kennern der Helminthologie für ausreichend befunden werden 
sollten, um darnach die Einreihung des neuen Parasiten in das 
zoologische System vorzunehmen. 


Erklärungen der Abbildungen. 

Fig. 1. Kopf eines vollständig entwickelten Weibchens (gezeichnet bei 
Hartnack, Obj. 7, Oc. UI). 

a. Pharynx; b. Vorderende des Darmkanals; c. zum Digestionsapparat 
gehörige Drüsen (?); d. Mundkapsel. 

Fig. 2. Schwanzende eines weiblichen Wurms von der Seite gesehen. 
a. Darm; b. Uterus; c. After; «(.Vagina; e. Hautmuskelschlauch mit 
dem Profil der ringförmigen Verdickungen; bei f sind an der ab¬ 
gehobenen Culicula die longitudinalen Streifen sichtbar. 

Fig. 3. Embryo. 

Fig. 4. Schwanzende eines männlichen Wurms. 
a. Spicula. 


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XV. 

Bericht über die im Jahre 1882 veröffentlichten Arbeiten über: 

Die Krankheiten der Vögel. 

Von 

Prof. Dr. Zürn 

in Leipzig. 

(Ein Auszug hiervon erscheint im thierärztlichen Jahresbericht von 
' Schütz und Ellenberger.) 


1) Griffith, Ein sicheres Vorbeugemittel gegen Hühnercholera. Amerikan. 

Acker- und Gartenbauzeitung. Dec. 1882. 

2) Megnin, Abhandl. über einige kleinere Helminthen. (Koch’s Revue, 

1882. S. 49 etc.) 

3) Nörner, Krätzmilbe der Hühner (Dermatoryktes mutans). Wien 1882. 

4) Nörner, Syringophilus bipectinatus. (Oesterr. Vierteljahrschr. f. wis- 

sensch. Veterin. 1882.) 

5) Nörner, Analges minor, eine neue Milbe im Innern der Federspulen 

der Hühner. (Verhandl. d. k. k. zool.-bot. Gesellsch. in Wien 1882.) 

6) Pauly, Krankheits- und Sectionsberichte über Geflügel und Kaninchen. 

Nr. 1654—1906. (Geflügelzeitung, allgemeine, Wien 1882, früher österr.- 
ungar. Blätter für Geflügel- und Kaninchenzucht; Redaction: Nowotny.) 

7) Russ, Krankheiten der Papageien (Russ, Die sprechenden Papageien, 

Berlin 1882, S. 75—97). 

8) v. Tresckow, Krankheiten des Hausgeflügels und deren Heilung. Kai¬ 

serslautern 1882. 

9) Weiskopf, Medullarsarkom bei einem Huhn (Adam, Wochenschr. für 

Viehzucht und Thierheilkunde 1882, S. 209). 

10) Zürn, Die Krankheiten des Hausgeflügels. Mit 76 lllustr. Weimar. 1882. 

11) Zürn, 492 Krankheits- und Sectionsberichte, Vögel betreffend./ (Dres¬ 

dener Blätter für Geflügelzucht, 1882. Red. B. Fleck.) 


I. Seuchen. Infectionskrankheiten. 

Das epizootische Gefltigeltyphoid (Geflügelpest, Ge- 
fltigelcholera). 

Pauly (6) und Zürn (10 und 11) trugen durch eine sehr 

13* 


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186 


XV. ZÜRN 


grosse Zahl von Sectionsberichten wie Beobachtungen dieser dem 
Geflügel so verderblichen Krankheit zur genaueren Kenntniss 
derselben bei. Zunächst constatiren sie, dass diese Seuche bei 
allen Arten des Hausgeflügels Vorkommen kann, insbesondere 
auch bei den Tauben. Pauly (6, S. 56) berichtet über an 
der Centralthierarzneischule in München angestellte Impf- und 
Fütterungsversuche, vorgenommen mit Blut und Herzstücken eines 
am Typhoid verendeten Geflügelstückes an zwei gesunden Hüh¬ 
nern. Das mit Herzstücken gefütterte Thier starb schon am 
zweiten Tage nach der Infection, nachdem es etwa 30 Stunden 
nach der Impfung sich typhoidkrank gezeigt hatte; das zweite 
Versuchsthier, durch eine minimale Verletzung der Hornhaut des 
linken Auges geimpft, erkrankte wiederum nach zwei Tagen und 
starb rasch. Mit Recht sagt Pauly: „Aus diesen Versuchen 
könne man ableiten, mit welcher Heftigkeit das Typhoid in we¬ 
nig Tagen in einer Geflügelschaar um sich greifen muss, wenn 
Thiere auf einen engen Raum beschränkt sind, wo sie einander 
inficiren müssen, weil die Besudelung des Futters mit den Ex¬ 
crementen der Kranken gar nicht zu vermeiden ist.“ Dass die 
Krankheit nicht immer so schnell nach der Infection zum Aus¬ 
bruch kommt, sondern oft erst bis zum 11. Tag, wie aus eben¬ 
falls in München angestellten Versuchen hervorgeht, und dass 
sie nicht immer den sehr acuten Verlauf einhält, sondern auch 
bis zu drei Wochen und länger dauert, hat Zürn (10 und 11) 
angegeben. 

Verzehren des mit dem Contagium vivum des Typhoides 
(feinkörniger Micrococcus) verunreinigten Futters ist wahrschein¬ 
lich die hauptsächlichste Verbreitungsquelle der Seuche. 

Klinische Erscheinungen. Beiden hyperacut verlaufen¬ 
den Fällen gehen kaum deutlich wahrnehmbare Krankheitserschei¬ 
nungen dem fast plötzlich eintretenden Tod des am Typhoid er¬ 
krankten Thieres vorher, höchstens durchfällige Ausleerungen, 
welche aber nichts Charakteristisches haben. Der Besitzer der 
schnell der Seuche zum Opfer gefallenen Geflügelstücke wähnt die¬ 
selben durch irgend einen Feind vergiftet! Die Kennzeichen des 
Typhoides sind: Sichisoliren der Kranken von den Gesunden, Hin¬ 
fälligkeit; die Kranken sitzen traurig am Boden mit gesträubten 
Federn, fressen meist wenig oder nichts (doch kann Fresslust noch 
kurze Zeit vor dem Tode vorhanden sein), wohl aber zeigen sie 
Durst; die Augen der Patienten thränen; glasiger Schleim fliesst 
aus dem Schnabel; der After ist etwas vorgetrieben, oft blauroth; 


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J 



Die Krankheiten der Vögel. 


187 


dttnne, anfangs weingelbe, endlich grünliche oder chocoladefar- 
bige, znweilen blutige, diarrhöische Excremente werden ansge¬ 
leert, die die um den Cloakenwulst sitzenden Federn arg be¬ 
schmutzen and verkleben; der erschöpfende Durchfall bringt 
Kräfteverfall, so dass die Kranken taumeln oder sogenannte 
Beinschwäcbe beobachten lassen; Erbrechen wird zuweilen wahr¬ 
genommen; rasches und erschwerteres Athmen fehlen fast nie; 
da fast stets in den vorderen Atbmungswegen, besonders in der 
Luftröhre, mindestens Katarrh sich eingestellt hat, hört man meist 
Rasselgeräusche. Der Tod tritt gewöhnlich unter Convulsionen 
(Rückenkrampf) ein; nicht selten stossen die Sterbenden einen 
heiseren Schrei aus. Selten sind bei stattgehabter Gehirnblutung, 
bei Erguss von Blut in die Maschenräume des knöchernen Schä¬ 
deldaches, an den Kranken Verdrehungen des Halses und Kopfes 
(häufiger bei Tauben als Hühnern) zu beobachten. Kamm und 
Kehllappen aller Typhoidkranken blauroth. 

Sectionserscheinungen. Cadaver zeigt meist starke 
Todtenstarre. Bei schnell verlaufendem Typhoid Körper in gutem 
Ernährungszustand; bei langsam verlaufendem: Abmagerung. Um¬ 
gebung des Afters blauroth. Schleimhaut des Rachens und der 
Speiseröhre geröthet oder cyanotisch, mit glasigem Schleim be¬ 
deckt; Trachealschleimhaut meist mehr oder weniger entzündet, 
seltener fehlen alle krankhaften Erscheinungen in der Trachea. In 
den Lungen Hyperämie (oft kleine Blutungen) oder Pneumonie mit 
Hepatisation (gelb), oder croupöse Lungenentzündung, oder Lun¬ 
genödem; nur ausnahmsweise findet sich nichts Krankhaftes in der 
Lunge. Peri-, Epi-, Endocarditis, oder ein oder das andere. Meist 
Trübung des Pericards und des Epicardium, kleine Ekchymosen 
unter dem Epicardium. Vorkammern meist mit dunklem geron¬ 
nenem Blute gefüllt; Ueberfüllung der oberflächlich am Körper 
gelegenen Venen mit dunklem Blut. Fleckige Blutungen unter 
der Cuticula des Muskelmagens sind in der Regel aufzufinden, 
können jedoch fehlen. Darmwandung geschwellt; Darmserosa 
zeigt stark injicirte Gefässe auf; mehr oder weniger hochgradige 
Darmentzündung mit punktförmigen Blutungen in die Mucosa, 
oder mit erheblicheren Darmblutungen. Wo starke Blutung im 
Darm, da Hydrämie und Blutarmuth im Allgemeinen. Fehlt die 
Darmentzündung in den Dünndärmen, so findet sie sich in den 
Blinddärmen oder im ausführenden Darm, oder ist durch einen 
Darmkatarrh vertreten. Darminhalt dünnflüssig, schleimig-eiterig 
mit eingesprengtem Blut, oder chocoladefarbig oder als ziemlich 


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188 


XV. ZÜRN 


reines Blnt sich ausweisend. Im Dünndarm oft Prominiren der 
Follikel, auch wohl Exulcerationen derselben, sowie linsengrosse 
diphtheritische Verschorfungen. Milz meist klein, hyperämisch. 
Nieren meist geschwellt, mit Blut überfüllt. Leber oft geschwellt, 
die Substanz mürbe, selten miliare oder submiliare Eiterherde 
eingesprengt; bei sehr langdauerndem Verlauf fettige Degene¬ 
ration der Leber. — Blutungen im Schädeldach, am Gehirn sel¬ 
tener. Das Blut enthält einen feinkörnigen Micrococcus und eine 
grosse Zahl kleiner ungefärbter Blutzellen. 

Behandlungsverfahren nach Zürn. Die gesunden 
Geflügelstücke sind von den Kranken zu separiren; die letzteren 
durch besonderes Pflegepersonal, das zu den gesunden Vögeln 
nicht gehen darf, zu warten. Die Fress- und Saufgeschirre so¬ 
wie die Ställe sind öfters gründlich zu reinigen (mit heisser 
Lauge auszuscheuern) und durch Nachsoheuern mit 5 —lOproc. 
Garbolsäure- oder Eisenvitriollösung, oder mit der zu Desinfec- 
tionszwecken in Brauereien und Brennereien gebrauchten Lösung 
doppeltschwefligsauren Kalkes (1:5 Wasser) zu desinficiren. Auch 
die Laufräume, wenn solche klein und eingegittert, müssen des- 
inficirt werden (Uebergiessen des Bodens mit genannten Mitteln 
mittelst einer mit Brause versehenen Giesskanne). Der Koth 
der gesunden und kranken Thiere ist täglich ein- oder zweimal 
zu sammeln und zu vernichten, am besten zu verbrennen. Kräf¬ 
tiges Futter: Gerste, Weizen, Fleischabfälle, Würmer, von Zeit 
zu Zeit etwas Hanf, zu geben ist zweckmässig. Die Kranken 
werden mit in Pillenform gebrachtem Eisenvitriol (täglich ein- 
bis dreimal für Tauben 0,3, für Hühner 0,6, für Gänse 0,6 
bis 0,12, für Puten 0,12 bis 0,18 Grm. pro dosi) behandelt. Wäh¬ 
rend der Dauer der Behandlung bekommen kranke wie gesunde 
Vögel eines Geflügelhofes lediglich eine '/2 proc. wässerige Eisen¬ 
vitriollösung als Saufen, abgesehen vom gesunden Wassergeflügel 
natürlich. — Die Entwicklung von Chlordämpfen in Ställen, wo 
typhoidkrankes Geflügel sich aufhielt, scheint nicht oder nur 
wenig wirksam zu sein; die Entwicklung schwefligsaurer Dämpfe 
ist eher am Platze, wenn man das oben erwähnte Desinfections- 
verfahren verstärken will. 

Ueber den Werth der Impfungen bei dem Typhoid des Ge¬ 
flügels nach Pasteur’s Manier sind die Meinungen noch contro- 
vers. Thatsächlich richtig scheint zu sein, dass Impfung mit 
Material aus älteren Culturen der Mikroorganismen des Typhoids 


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Die Kr&nkheitep der Vögel. 


189 


zu weniger oder weniger heftigen Erkrankungen der Impflinge 
führt, als wenn mit frischeren Culturen Impfung vorgenommen 
wird. Ob die auf Htthnerbouillon cultivirten Mikroorganismen 
nur durch den Einfluss des „Luftsauerstoffes“ mitigirt werden, 
oder noch durch andere Verhältnisse (z. B. dadurch, dass nicht 
vollkommen sterilisirte Fleischbrühe zur Ernährungsflttssigkeit ge¬ 
nommen wurde und nun die specifiscben Mikroorganismen im 
Kampf um das Dasein mit anderen Spaltpilzen an Lebensenergie 
verloren), muss für jetzt dahingestellt bleiben. 

Griffith (1) impft zunächst ein Huhn mit Blut eines am 
Typhoid erkrankten Geflügelstückes. Nach 8 Tagen tödtet er 
den Impfling durch Verbluten, fängt das Blut in einem Gefässe 
auf und trocknet - es. Mit diesem getrockneten Blut fuhrt er nun 
Schutz- oder Nothimpfungen aus. Jedes Huhn, das geimpft wer¬ 
den soll, wird mit einer Nadel am Schenkel ein wenig geritzt, so 
dass ein wenig Blut aus der Wunde tritt; dann wird ein kleines 
Stück reines Papier, das nass gemacht und mit ein wenig ge¬ 
trocknetem Blut versehen wurde, auf die Stelle, wo der Hautriss 
angebracht wurde, aufgeklebt, womit der Impfact als geschehen 
angesehen wird. — Griffith behauptet, er habe auf 19 ver¬ 
schiedenen Höfen, woselbst die Hühnercholera schlimm herrschte, 
geimpft und immer einige gewöhnliche Hühner ungeimpft ge¬ 
lassen; die letzteren starben sämmtlicb, während von 2000 Ge¬ 
impften nur 11 Stück verendet sein sollen. 


Die diphtheritisch-croupöse Schleimhautentzün¬ 
dung des Geflügels (Diphtheritis; Croup; vulgär: bösartige 
Augenkrankheit, Augenschnupfen, ansteckender Schnupfen, Botz, 
Niese, Schnörchel, Schwamm, Chanker, Mundfäule, gelbe Mund¬ 
fäule, Schnipp, gelbe Knöpfchen, Schwämmchen; Pocken und 
Krebs ist der Volksausdruck für Gregarinenepitheliome; Geflttgel- 
seuche) ist, nach dem Typhoid, die häutigst vorkommende und 
gefährlichste Geflügelseuche, gegen welche unsere harten Land- 
htthner sich am widerstandsfähigsten erweisen, während alles 
feinere und zartere Geflügel leicht ergriffen wird. Uncontrolirte 
Geflügelausstellungen, Unreellitäten der Geflügelhändler, Import 
kranker Thiere aus dem Auslande sind die hauptsächlichen Be¬ 
zugsquellen dieser Krankheit. Pauly (6, S. 118, 292, 352, 408, 
430) unterscheidet eine echte (durch Spaltpilze erzeugte) diph- 
theritisch croupöse Schleimhautenzttndung und eine 
solche, welche durch Gregarinen hervorgerufen wird. Zürn 


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XV. ZÜRN 


(10, S. 104—117 und S. 138—147, ferner 11, S. 33, 76, 111, 112, 
193, 215, 224, 225, 234, 235, 245, 255, 264, 273, 281, 345, 369, 
376, 385, 410, 425, 433, 441, 449, 464) unterscheidet eine durch 
Spaltpilze und eine durch Gregarinen verursachte croupös-diphtbe- 
ritische Schleimhäutentzttndung des Geflttgels, aber auch eine 
durch Cercomonaden verursachte, die er bei Tauben fand, 
während sie von Rivolta (Rivolta und Delperato, L’Orni- 
tojatria, 1880) bei Hübnern entdeckt wurde. Rivolta nannte 
die Cercomonade Gercomonas gallinarum und gibt von ihr an, 
dass sie eine pseudocroupöse Entzündung hervorrufe. In der 
That ist die durch sie erzeugte Entzündung nur gering, die Be¬ 
lagmassen auf den erkrankten Schleimhautstellen sind nur wenig 
adhärent, gallertig, gelblich, leicht zerfliessend. — Bei dieser 
Krankheit hat man immer daran zn denken, dass alle Vögel auf 
Reize, die ihre Schleimhaut treffen, mit exsudativen Entzündungs¬ 
processen zu antworten pflegen. — Je nachdem diese oder jene 
Schleimhaut getroffen wird, ist Stomatitis, Laryngitis, Rhinitis, 
Conjunctivitis, Bronchitis, Enteritis etc. vorwiegend zu beobach¬ 
ten; siedeln sich Pso-rospermien oder Gregarinen auf den 
Schwellkörpem des Kopfes (Kamm, Kehllappen) oder auf der 
Haut an, so entstehen die warzenartigen Wucherungen, welche 
die Wissenschaft Gregarinenepitheliome nennt, die der 
Geflügelzüchter mit dem Namen „Pocken oder Krebs“ belegt, 
v. Tresckow(8), welcher die in Rede stehende Krankheit als 
„Hühnerseuche, Hühnerkrankheit, Hühnertyphus“ 
bezeichnet, beobachtete 83 Fälle; von den 83 kranken Hühnern 
starben 51, 32 genasen. Von denen, welche verloren gingen, 
starben 11 in der ersten, 5 in der zweiten, 19 in der dritten, 
2 in der vierten Woche ihres Krankseins, 14 nach vier Wochen. 
Bei 51 Sectionen fand sich diphtberitisch - croupöser Belag auf 
den Kopfschleimhäuten bis zum oberen Kehlkopf bei 31 Proc., 
solcher' bis in die feinsten Bronchien bei 18 Proc., Lungenent¬ 
zündung bei 14 Proc., Conjunctivis diphtheritischer Art bei 37 Proc., 
Entzündung der Thränendrüse bei (wohl der Schleimhaut der In- 
fraorbitalzelle ? d. Ref.) bei 29 Proc., Vergrösserung der Leber und 
Gallenblase bei 16 Proc., Geschwüre im Darm bei 25 Proc., Ent¬ 
zündung der Gehirnhäute bei 1 Proc., Magenerweichung bei 1 Proc. 

Zürn (11, S. 377) schildert die Krankheit und das dabei 
einzuhaltende Behandlungsverfahren kurz und in populärer Weise 
wie folgt: Wenn diese Krankheit rechtzeitig erkannt wird, 
d. h. dann, wenn nur ein oder wenig Geflügelstücke 


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Die Krankheiten der Vögel. 


191 


davon befallen, so hat dieselbe nur wenig zu bedeu¬ 
ten. Wer den kleinen Verlust gut tragen kann, der thut am 
besten, die ersterkrankten Thiere sofort zu schlachten, die Ca- 
daver zu verbrennen, dann die Ställe und Laufräume, in welchen 
die Kranken sich aufgehalten haben, gründlich und wieder¬ 
holt zureinigen, auszuscheuem und mit 5—lOproc. Carbolsäure- 
lösung, oder mit Sublimatlösung (1 : 500), oder mit 5proc. Ver¬ 
dünnung der zu Brennereizwecken käuflich zu habenden dop¬ 
pelschwefelsauren Kalklösung (saurer schwefligsaurer Kalk in 
concentrirter Lösung von 11 0 Bm.) zu desinficiren. Die übrig 
gebliebenen Thiere sind gut zu beaufsichtigen, öfters zu unter¬ 
suchen ; wenn sich eins erkrankt oder der Krankheit verdächtig 
zeigt, so ist es zunächst in einem besonderen Stall — wo möglich 
mit Laufraum — unterzubringen, d. h. streng von dem übrigen 
Geflügel zu separiren und von einem besonderen Wärter zu be¬ 
handeln und zu verpflegen. Will man die ersterkrankten Thiere 
nicht tödten, so müssen sie sofort von dem übrigen Geflügel 
separirt werden. 

Folgende Formen zeichnen die in Rede stehende Gefltigel- 
krankheit aus. 

1. Die Maul - und Gaumenschleimhautentzündung. Kennzei¬ 
chen. An und unter der Zunge, am Gaumen, innen am Backen: 
gelbe, auf der entzündeten Schleimhaut festsitzende, Belagmassen. 
Der Krankheitsprocess geht gern auf die Schnabelwinkel, von 
da auf Kamm, Kehl- und Ohrlappen und unbefiederte Kopfstellen 
über, nimmt aber dann die Gestalt warzenförmiger Wucherungen 
(Pocken, Warzen, Krebswucherungen gewöhnlich genannt), von 
der Grösse eines Mohnsamenkorns bis zu der einer kleinen Kar¬ 
toffel an. Fressen und Schlucken der Kranken nur im geringen 
Grade gehindert. Traurigsein. 

2 . Die croupös - diphtheritische Entzündung des Rachens , 
Schlund köpf es, der Speiseröhre, der Luftröhre und des oberen 
Kehlkopfes , der Bronchien und der Luftsäcke. Kennzeichen: 
Traurigsein und Hinfälligkeit; erschwertes und beschleunigtes 
Athmen, öfteres Oeffnen des Schnabels, der schliesslich immer 
aufgesperrt gehalten wird; singenden Ton oder Schnarchen lässt 
der kranke Vogel hören; endlich sehr angestrengtes Athmen, 
Japsen, Schnappen nach Luft, Erstickungszufälle, schliesslich Er¬ 
stickungstod. 

Nebenbei oft Husten, Auspusten dicken, gelben, unangenehm 
süsslich riechenden Schleimes, oftes Schlenkern mit dem Kopfe. 


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XV. ZÜRN 


Gelbe Belagmassen auf den Schleimhäuten der erwähnten, vom 
dem Krankheitsprocess heimgesuchten Theile. 

3. Die Nasenschleimhautentzündung. Kennzeichen. Schlen¬ 
kern mit dem Kopf, Ausscbleudern von Schleim aus den Nasen¬ 
löchern; gelbgrUner, dicker Schleim dringt aus den Nasenlöchern 
und trocknet zu Krusten ein, welche diese Oeffnungen verstopfen.. 
Oft erkranken die mit den Nasenhöhlen in Zusammenhang stehen¬ 
den Unteraugenhöhlenzellen. Ist dies der Fall, so findet sich 
eine beulenartige Auftreibung am Kopfe, unter dem Auge, nach 
dem Schnabel des Vogels zu, gewöhnlich nur auf einer Kopf¬ 
seite, selten auf beiden. Diese beulenartige Geschwulst bricht 
zuweilen von selbst auf und entleert sich dann dicker, übel¬ 
riechender, grüngelber Schleim und findet man die Höhle von 
gelben Croupmassen ausgefüllt. Die Nasenschleimhautentzündung 
kommt in der Kegel vereint mit den unter 1 und 2 geschilderten 
Krankheitszuständen vor. 

4. Die Augenbindehautentzündung (Augenschnupfen, bösartige 
Augenkrankheit). Kennzeichen. Lichtscheu, oftes Schliessen 
der Augen, Augenblinzeln; Augenlider geschwollen und vermehrt 
warm; Augenbindehaut geröthet und aufgedunsen, Ausfluss einer 
klebrigen, dicken Flüssigkeit aus der Augenspalte, Verkleben der 
Augenlidränder und Bildung von gelben Grindern auf den Augen¬ 
lidern. Zuletzt Ansammlung von fast trockenen, krümeligen 
gelben Croupmassen unter den Lidern, besonders im vorderen 
Augenwinkel, an der Nickhaut stark angehäuft; das Auge dann 
erheblich geschwollen, oft der Augapfel aus seiner Lage gedrängt 
oder durch Druck der angesammelten käsigen Massen verklei¬ 
nert. Die durchsichtige Hornhaut zuweilen trübe, oder mit Ge¬ 
schwüren besetzt. 

o. Die Darmentzündung; sie folgt in der Kegel anderen 
croupös - diphtheritischen Schleimhautentzündungszuständen als 
secundäres Uebel nach, bei Wassergeflügel und bei Truthühnern 
scheint sie auch als selbständiges Uebel aufzutreten. Kennzei¬ 
chen. Stark in die Augen fallende Traurigkeit und grosse Mat¬ 
tigkeit; die Kranken sondern sich von ihren Kameraden ab und 
setzen sich an dunkle Stellen. Durchfall; anfangs breiige mit 
Schleim gemengte Kothmassen, später sehr dünnflüssiger, mit 
Blut oder blutigem Eiter gemischter Koth, der sehr stinkt, werden 
abgesetzt, dadurch der hochgradige Verfall der Kräfte, die Ab¬ 
stumpfung und Gefühllosigkeit, welche die Patienten beobachten 
lassen, berbeigefUbrt. Wenn heftiger Durchfall eintritt, so lässt 


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Die Krankheiten der Vögel. 


193 


.der Tod in der Regel nicht lange anf sich warten; zuweilen hört 
der Durchfall plötzlich auf, um einer starken Verstopfung Platz 
zu machen; dann findet man in der Regel die Blinddärme und 
den Mastdarm der crepirten Thiere bei deren Section vollständig 
ausgefallt mit gelben, geschichteten, auf der oft geschwungen, 
immer stark aufgelockerten und entzündeten Schleimhaut der er¬ 
wähnten Darmtheile fest aufsitzenden Groupmassen. 

Die Krankheit verläuft meist in 14—20 Tagen, dauert aber 
auch 2—3 Monate. Oft glaubt man die Patienten geheilt, da 
stellt sich ein Rttckfall ein. Besonders häufig ist, dass die crou- 
pös-diphtheritischen Zustände im Rachen, in der Nase, an den 
Augen geheilt erscheinen und plötzlich die Darmentzündung, die 
häufig tödtet, als Folgettbel auftritt. 

Behandlung. Separiren der Kranken von den Gesunden 
oder umgekehrt. Desinfection der Ställe, beides in strengster 
Weise durchgeführt. Die Kranken müssen trockene und warme, 
doch mit guter Athmungsluft versehene Aufenthaltsräume bekom¬ 
men. Jeden Tag ist der Koth der Patienten zu sammeln und 
zu verbrennen, oder tief in die Erde zu graben, nachdem er mit 
Oarbolsäure Ubergossen wurde. 

Arzneiliche Behandlung. Leichtere Fälle dieser Krank¬ 
heit heilt die gütige Mutter Natur oft allein; daher ist es auch 
zu erklären, wie behauptet werden konnte, man könne das Uebel 
mit Citronensaft, mit schwachen Garbolsäure- oder Salicylsäure- 
lösungen, mit Glycerin, mit Essig, durch Verfüttern von Zwiebeln 
und Knoblauch etc. beseitigen. Gar oft werden auch nur Schein¬ 
heilungen erzielt, Rückfälle der schwersten Art folgen später,; 
endlich werden gewöhnliche katarrhalische Zustände mit dieser 
diphtheritisch-croupösen Schleimhautentzündung verwechselt und 
dann können auch sehr einfache Mittel Hülfe bringen. Der schwe¬ 
reren Formen dieser Krankheit wird man durch die erwähnten 
Mittel nicht Herr, und wer will heim Beginn des Uebels ent¬ 
scheiden, ob ein leichter oder schlimmerer Fall vorliegt? 

Ich empfehle eine Mischung, hergestellt aus einer Abkochung 
der Blätter des Wallnusses (15 Grm. auf 1 Liter Wasser; durch¬ 
zuseihen), und zwar von ihr 150 Grm., welcher zugesetzt wird 
20 Grm. reines Glycerin, 5 Grm. chlorsaures Kali, 0,5 Grm. Sali¬ 
zylsäure in 15 Grm. rectif. Spiritus gelöst. Von dieser Mischung 
ist dem kranken Geflttgelstück, wenn es ein grosses ist, täglich 
ein- bis zweimal je ein Kaffee- bis Esslöffel voll, einem kleineren 
Vogel von der Grösse einer Taube l k bis 'jt Kaffeelöffel voll 


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194 


XV. ZÜRN 


einzugeben. Mit derselben Mischung bepinselt man täglich zwei- 
bis dreimal die mit gelben Belagmassen versehenen Schleimhaut¬ 
stellen, so weit sie zugänglich sind, wäscht damit die erkrankten 
Augen, oder applicirt die Mischung in die kranken Augen, in 
den Bachen, in die Nasenlöcher etc. mittelst einer Siebspritze 
oder eines Sprayapparates. Wird der Sprühregen 2—3 Minuten 
lang in den Rachen angewendet, so ist ein extraes Eingeben der 
Mischung meist nicht nöthig, oder kann auf kleinere und nur 
einmal täglich zu verabreichende Gabe beschränkt werden. 

Zum Bepinseln sehr dicker, hartnäckig festsitzender Belag¬ 
massen, ferner der am Kamm, Kehl- und Ohrlappen, an den 
Augen- und Schnabelwarzen, sich einstellenden warzenartigen 
Wucherungen (Pocken, Epitheliome) kann eine Mischung aus 
2 Grm. Buchenholztheerkreosot, 5 Grm. Borsäure, 15 Grm. Spi¬ 
ritus, 20 Grm. Glycerin, 160 Grm. destillirten Wassers oft mit 
grossem Nutzen gebraucht werden. Diese Mischung einzugeben 
darf man jedoch nicht Wagen. Bemerkt sei noch, dass man 
die gelben Belagmassen im Maul, Rachen, in der Gaumenspalte, 
an der Zunge, am Kehlkopf etc. zwar mit stumpfem Holzspatel 
vorsichtig abzuschaben versuchen, nie aber gewaltsam ab- 
reissen soll. Es darf beim Wegnehmen dieser Croupmassen 
nie bluten. 

Bei Darmentzündungen diphtheritisch-croupöser Natur nützt 
das Eingeben der erstgenannten Mischung, auch manchmal (na¬ 
mentlich bei Gänsen und Enten) das kaffeelöffelweise Eingeben 
gleicher Theile Wasser und Glycerin, täglich zwei- bis dreimal, 
endlich auch das Eingeben von Pillen, die aus Eisenvitriolpulver, 
Butter und Weissbrodkrumen hergestellt wurden (und zwar für 
Tauben auf die Gabe 3—6 Centigrm., für Hühner 6—12 Centigrm., 
für Gänse 6, 12 bis 20 Centigrm. Eisenvitriol, täglich zweimal). 
Der Darmentzündung halber, welche den übrigen diphtheritisch- 
croupösen Krankheitszuständen folgt, soll nie nur eine örtliche 
Behandlung des Rachens etc. statthaben. Bei Augenerkrankungen 
sind die Krusten auf den Augenlidern zu erweichen und fortzuneh¬ 
men, die gelben Massen, welche unter den Augenlidern sitzen, vor¬ 
sichtig auszudrücken oder auszulöffeln, dann die Bindehäute des 
Auges mit 3proc. Alaun- oder Kupfervitriollösung, oder mit Chlor¬ 
wasser oder mit der oben angeführten, ersterwähnten Mischung 
zu bepinseln öder zu waschen, oder mit zugespitztem Kupfer¬ 
vitriolstift zu bestreichen. Kühlen der Augen mit kaltem Wasser 
unterstützt diese Behandlung. Geschwülste über der Unteraugen- 


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Die Krankheiten der Vögel. 


195 


höhlenzelle sind aufznschneiden, die käsigen Massen sind auszu¬ 
löffeln, der Grund mit der aus Buchenholztheer, Borsäure, Spi¬ 
ritus, Glycerin und Wasser bestehenden Mischung oder mit starker 
Carbolsäurelösung zu ätzen. 1 ) ,, 

Russ (7) gibt an, dass bei Papageien sowohl die diphthe- 
ritisch-croupöse Schleimhautentzündung vorkommt, als auch eine 
seuchenhafte Krankheit, welche die grösste Aehnlichkeit mit dem 
Geflügeltyphoid hat (S. 83) und mit dem Namen Blutvergiftung 
(Sepsis, Hungertyphus) belegt wird. 

Pauly (6) beobachtete öfter eine infectiöse Erkrankung der. 
Wellensittiche. Die Kranken fielen fast plötzlich von der Sitz¬ 
stange, nachdem sie 2—3 Tage nicht ganz munter gewesen waren, 
um sofort zu sterben, oder sie lagen einige Minuten in den hef¬ 
tigsten Krämpfen am Boden der Vogelstube, um dann wieder zu 
sich zu kommen; während der Krämpfe floss ein wenig Blut aus 
dem Schnabel; doch blieben auch diejenigen, welche mehrfach 
solche Anfälle tiberstanden, nicht am Leben. Bei der Section 
fanden sich die Schädelknochen der gestorbenen Sittiche, beson¬ 
ders in der Stirngegend, mit Blut durchtränkt; Bluterguss in der 
Nase, in der Schnabelhöhle; Gehirn mit Blut überfüllt; Lungen¬ 
hyperämie oder Lungenentzündung; nur zuweilen Darmkatarrh. 
Die Krankheit kam in überfüllten Vogelstuben häufig vor. Trans- 
locirung der kranken Vögel in ein anderes Local, Vermeidung 
einer Uebervölkerung desselben, Desinfection des Bodens etc. der 
Vogelstube, der Sauf- und Fressgeschirre, Käfige etc. konnte Hülfe 
bringen. 

Die Tuberculose ist eine der am häufigsten zu beobach¬ 
tenden Krankheiten des Geflügels. Sowohl Pauly (6) als Zürn 
(10 und 11) bringen mehrfach Krankheits- wie Sections berichte 
von tuberculösen Vögeln. Leber und Milz sind die hauptsäch- 

1) Pauly (6) empfiehlt ausser Separation der gesunden von den kranken 
Geflügelstücken, ausser Desinfection der Ställe etc. hauptsächlich Glycerin 
und Wasser (ana), zum Bepinseln der erkrankten Schleimhautstellen und auch 
zum Eingeben zu verwenden, v. Tresckow (8) empfiehlt Reinigung der er¬ 
krankten Stellen, Bepinseln mit Höllensteinlösung (unter Benutzung eines 
Kameelhaarpinsels) oder mit Carbolsäurelösung, oder mit einem Gemisch von 
Rosenhonig 30 Grm., Salzsäure 4 Tropfen, Borax 1 Grm., in leichteren Fällen 
letzteres; bei Conjunctivitis eine Lösung von chlorsaurem Kali oder Kupfer¬ 
vitriol; bei Erstickungszufällen soll die Tracheotomie gemacht werden; bei 
Bronchitis öftere Inhalationen von Lösungen chlorsauren Kalis (10 : 200) oder 
4—5 proc. Carbollösung, neben Eingeben von Pillen, die aus Salmiak und 
Süssholzextract gefertigt sind. 


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XV. ZÜRN 


lichsten Organe, welche von Tuberkeln besetzt werden. In den 
Lungen findet man sie seltener; nur ein Fall von hochgradiger. 
Lungentuberculose bei einer Taube ist von Zürn (11, S. 457) 
beschrieben. Beim starken Durchsetztsein der Leber mit Tuber¬ 
keln kommt' es leicht zu Gefässanätzungen und Rupturen und 
daraus resultirender Verblutung. Luftsäcke, Mesenterium, Magen, 
Darm, Peritoneum, Pankreas, Eierstock, Eileiter und Nieren so-: 
wie die Lymphdrüsen des Halses können Sitz der tuberculösen 
Processe sein. Die Tuberkel können miliar oder submiliar an 
.Grösse sein, aber auch Geschwülste bis zu Wallnussgrösse vor¬ 
stellen. Namentlich die unter und auf den serösen Häuten sitzen¬ 
den Tuberkeln erreichen nicht selten eine besondere Grösse, kön¬ 
nen auch gestielt sein, wie Pauly (6) nachwies. In mais¬ 
korngrossen, gelben, ziemlich harten, tuberculösen Geschwülsten 
des Mesenterium und Peritoneum eines Huhnes fand Zürn (11, 
S. 5 und 33) Blutextravasate und in diesen grössere Mengen der- 
kleinen Eier des Distomum ovatum. Ausserdem konnten in den 
Tuberkelgeschwttlsten des Hausgeflügels vielfach Mikroorganis¬ 
men (Bacillen, Mikrococcen und Reihen von solchen), die sich 
auf die K och-Ehrlich’sche Färbemethode specifisch färbten, 
nachgewiesen werden. Die makroskopische Beschaffenheit der 
grösseren TuberkelgeschWülste haben wohl Zürn veranlasst, für 
solche die von Paulicki (Beiträge zur vergleichenden pathol. 
Anatomie. Berlin 1878) vorgeschlagene Bezeichnung „Skle- 
rome“ zu wählen, während Roloff (Magazin für Thierheilkunde 
1868) von multiplen „Lymphosarkomen“ sprach, wenn er 
solche grosse Tuberkelgescbwülste bei Vögeln fand, Rivolta 
(L’Ornitojatria, 1880) aber den Ausdruck „Sarcoma tubercu- 
loso“ wählt. Interessant ist der von Pauly (6) und Zürn (11) 
gebrachte Nachweis, dass Knochentuberculose beim Haus¬ 
geflügel nicht selten ist und dass namentlich jene periarthritischen 
Processe der Arm und Handknochen der Tauben, welche vom 
Züchter als „Flügelgicht“ angesprochen werden, auf tuber- 
culösem Boden stehen. 

Die Tuberculose der Vögel ist unheilbar, die Disposition zu 
ihr ist vererbbar, wie Pauly besonders nachweist (die nächsten 
Verwandten tuberculöser Vögel sind deshalb von der Zucht aus- 
zuschliessen), die Ausleerungen kranker Vögel können für gesunde 
Infectionsquellen abgeben (deshalb Stalldesinfectionen, vielleicht 
mit Sublimatlösungen?). 

Die Diagnose der Tuberculose der Vögel ist nicht: 




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Die Krankheiten der Vögel. 


197 


leicht. Pauly gibt als hauptsächlichste klinische Erscheinungen 
an: „ Abmagem bei bestem Futter und grösster Fresslust; niedrige 
Körpertemperatur; Kamm und Kehllappen blass (weisse Flecken 
auf solchen und ödematöse Schwellungen, Anm. des Ref.), blut¬ 
leer; Schleimhaut der Schnabelhöhle ebenfalls blass und blutleer; 
gewöhnlich Durchfall vorhanden. Im Futter sind die Kranken 
sehr wählerisch, zeigen Heisshunger nach Fleisch und haben zu¬ 
weilen capriciöse Gelüste nach bestimmten, aussergewöhnlichen 
Nahrungsmitteln; bei Darmtuberculose (namentlich Exulceratio- 
nen) Brechen oder Brechneigung. Verlauf langsam, kann viele 
Monate in Anspruch nehmen. Die Patienten verlieren oft so sehr 
die Kräfte, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen zu erhalten 
vermögen, sondern lahm gehen oder gar auf den Sprunggelenken 
rutschen und dem Laien für fussleidend gelten.“ 


H. Epi- und Entozoen der Vögel. 

Zürn (10) hat in seinem Buche (S. 4—91) alles Bekannte 
über diese Parasiten zusammengestellt. Auf diese Abhandlung 
muss einfach verwiesen werden. Da der praktische Thierarzt 
aber öfters um Rath gefragt wird, was bei den so häufig und 
zahlreichen Epizoen des Hausgeflügels, bei den Federlingen und 
Milben zu thun sei, so sei hier hervorgehoben: Der schädigendste 
und gefährlichste Hautparasit für Hühner und Tauben ist die 
Vogelmilbe (Dermanyssus avium). Da diese Parasiten nur des 
Nachts auf Raub ausgehen und ihr Blutsaugegeschäft betreiben, 
so würden vorbeugend wirken gegen die Gefahren, welche Vogel¬ 
milben bringen, Sitzstangen in den Geflügelställen, welche von 
starken Eisendrähten, die oben mit Vogelleim bestrichen sind und 
von der Stalldecke herabgehen, unten aber in Ringen endigen, 
gehalten werden, so zwar, dass sie 7* Meter nach allen Richtun¬ 
gen von den Wänden abstehen. Genügende Reinigung der Ställe, 
öfteres Tünchen derselben, öfteres Ausstreuen von Kalkstaub auf 
die Stallfussböden, Desinfection des Holzwerkes im Stall mit ver¬ 
dünntem Benzin, Carbollösung u. dergl. können ebenfalls prophy¬ 
laktisch wirken; Staubbäder (Sand und gesiebte Asche) dürfen 
dem Geflügel niemals fehlen, wenn Ungeziefer auf ihm nicht 
überhand nehmen soll. Die gewöhnlichen Federlinge werden 
vertrieben durch Einreiben von einem Gemisch ätherischen Anis¬ 
öles und Rüböles (1:5—10), auch wohl durch Einstäuben von 


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XV. ZÜRN 


frischem Insectenpulver zwischen die Federn der Vögel, oder 
durch Waschungen mit Decocten des Insectenpulvers. 

Kalkbeine, Elephantiasis der Hühner ist ein Ana¬ 
logon der Fussräude unserer Haussäugethiere. Starke Schuppen- 
und Borkenbildung, Abgehobensein der Fussepidermisschilder 
charakterisiren besonders diesen Ausschlag neben dem vorhande¬ 
nen Juckgeftihl, auf welches die leidenden Thiere durch Scheuem 
Nagen etc. reagiren. Ursache des Uebels ist jene Milbe, welche 
Sarcoptes mutans oder Dermatoryctes mutans oder Knemido- 
koptes viviparus genannt worden ist. 

Pauly (6, S. 193), Zürn (11, S. 23 und 148, sowie 10, 
S. 55), Nörner (3) berichten über diese Milbe und den durch 
sie hervorgerufenen Hautausschlag, der am besten durch Auf¬ 
weichen der Borken (mittelst Vaseline oder Seifenbäder), Ab¬ 
heben derselben, Einreiben von mit Spiritus verdünntem Peru¬ 
balsam oder mit einem Gemisch von Petroleum und Fett (1:10), 
später Aufstreichen eines milden Fettes beseitigt wird. Pro¬ 
phylaxe: Stalldesinfection unter Zuhülfenahme von Benzin. 

Nörner (4) veröffentlichte eine werthvolle Arbeit über die 
in den Federspulen vorkommenden, von Heller in Kiel ent¬ 
deckten Milben, welche Syringophilus bipectinatus genannt wer¬ 
den. Diese Arbeit ist eine rein zoologische. 

Derselbe Autor (5) fand eine neue, in Federspulen und 
zwischen den Federn der Hühner parasitirende Milbe, Analges 
minor genannt. Sie wird wie folgt beschrieben: 

„ Thiere von minimaler Grösse. Körperform bei beiden Ge¬ 
schlechtern gleich; hinteres Leibesende abgerundet, borstentra¬ 
gend; Abdomen jederseits mit zwei länglichen Excretionstaschen, 
deren Ausführungsgänge auf der Dorsalseite münden. Thoracal- 
gliedmassen randständig; Abdominalgliedmassen bauchständig. 
Füsse schmal, fünfgliederig, behaart. Am Ende jedes Tarsus 
kleine kurzgestielte, tellerförmige Haftscheibe. Drittes Fusspaar 
des ausgebildeten Männchens enorm verdickt, in eine Kralle endi¬ 
gend, gleichsam mit Haftscheibe. Trochanter desselben auf der 
inneren Seite zwei kleine fingerförmige Fortsätze. Männchen mit 
kleinen Copulationsnäpfen und genitalem Chitingertist, Weibchen 
ohne ein solches. Weibliche Geburtsöffnung in Form einer Quer¬ 
spalte, mit stark gefalteten Seitenrändern, zwischen den hinteren 
Extremitäten. Kopf vom Rumpfe deutlich abgegrenzt, mit drei 
Kieferpaaren und kleinen zweigliederigen Palpen. 

Eier länglich, oval, ohne Befestigungsapparat. Zwei Larven- 


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Die Krankheiten der Vögel. 


199 


formen. Erste vierftissig, sehr lang gestreckt, sackförmig; Hinter¬ 
leib abgerundet, borstentragend. Dicht an dem kleinen Kopfe 
zwei Paar kurze, stummelförmige, fünfgliederige Ftisse, der Haft¬ 
scheiben und Borsten entbehrend. Am Anfang des letzten Leibes¬ 
drittel an Stelle von Füssen vier kleine ringförmige Erhaben¬ 
heiten. Zweite Larvenform sechsftissig. Diese und die achtbeinige 
Nymphenform analog dem ausgewachsenen Thiere. 

Die Farbe von Analges minor ist weisslichgrau. 

Was die Grössen Verhältnisse anbelangt, so gestalten sich 
dieselben für diese Milbe folgendermaassen: 


J, Länge 0,270—0,305 Mm. (im Mittel 0,290 Mm.), Breite 0,078—0,090 Mm. 

S, Länge. 0,330—0,351 - - 0,090—0,114 * 

Nymphe, Länge. 0,210—0,264 - - 0,060—0,075 * 

Sechsbeinige Larve, Länge . 0,138—0,192 = * 0,060—0,067 ** 

Vierbeinige Larve, Länge . . 0,288—0,302 ** = 0,057—0,060 * 

Eier, Länge. 0,126—0,139 - - 0,043—0,053 * 


(Eine in Häutung befindliche sechsbeinige Larve erreichte die colossale 
Länge von 0,258 Mm., die Breite betrug 0,070 Mm.)“ 

Zürn (11) erwähnt mehrfach die Unterhautbindegewebs- 
milben, welche bei Hühnern häufig (bei 70Proc. aller Hühner) 
Vorkommen, und um deren Willen das Fleisch geschlachteter 
Hühner oft genug beanstandet wird. Diese Milben, früher als 
Sarcoptes cysticola, neuerer Zeit als Laminosioptes gallinarum 
M6gnin oder Epidermoptes bifurcatus Rivolta bezeichnet, ver¬ 
kalken sehr rasch und bilden Concretionen von der Grösse eines 
Hirsekornes bis Kanariensamens; selten werden solche so gross 
wie Weizenkörner. Die verkalkten Milben sind schon für Ty¬ 
rosin, Guanin und Gott weis für welche Concremente ausgegeben, 
ja sogar für Tuberkeln angesprochen worden. In den stark ver¬ 
kalkten Concretionen findet man, selbst nach Anwendung von 
Säuren, nicht mehr die Milben oder Bruchtheile von solchen; 
will man sie in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien finden, 
so hat man ein grösseres Stück Unterhautbindegewebe auf dem 
Objectträger auezubreiten, worauf man unter mittelstarken mikro¬ 
skopischen Systemen die Milben, welche klein sind, und ihre 
nach und nach sich steigernden Einkapselungsstadien auffinden 
wird. Die Parasiten scheinen ihren Wirthen keinen erheblichen 
Schaden zu bringen, sind auch am lebenden Huhn kaum zu 
diagnosticiren. 

Auch der Luftsackmilben (Cytoleichus sarcoptoides) ge¬ 
denkt Zürn (11, S. 449, 481); diese rufen oft Entzündungszu¬ 
stände in Luftröhre, Bronchien und Luftsäcken der Hühner her- 

Dentsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX.Bd. 14 


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200 


XV. ZÜRN 


vor und sind, wenn ihr Vorhandensein erkannt wird, durch In- 
halirenlassen von Theerwasser- oder Theerdämpfen am besten 
zu tödten. Beschleunigtes und erschwertes Athmen bei sonstigem 
Muntersein und Ungeschädigter Fresslust, zuweilen ein Ausstossen 
eines Tones, als wenn ein fremder Körper in den oberen Kehl¬ 
kopf des Huhnes gelangt wäre (Jib) charakterisiren allein das 
Vorhandensein der Milben bei ihrem Wirthe. 

Dermesdes lardarius greift lebende junge Tauben an 
und bohrt sich in deren Haut und Fleisch. Vergl. Zürn (11, S. 235.) 

Heterakis maculosa, der Taubenspulwurm, vernichtet 
oft ganze Taubenhaltungen, sucht auch besonders die zarteren 
und feineren Taubenragen auf. Pauly (6, S. 118) und Zürn (10, 
und 11, S. 56, 226) berichten über diesen Rundwurm, der oft zu 
400—500 Stück in dem Darm einer Taube vorkommt. Bestätigt 
wird, was seinerzeit Unterberger (Oesterr. Vierteljahrschr. f. 
Veterinärk. *1868) von diesem Parasiten erforschte. Interessant 
bleibt es, dass die Eier vom Heterakis mac., von einer gesunden 
Taube aufgenommen, zur directen Infection Veranlassung geben, 
dass die Embryonen dieses Rundwurmes nicht einen Zwischen- 
wirth zu passiren haben. Vorbeugend wirkt vorzugsweise alles, 
was verhindert, dass gesunde Tauben nicht den mit Heterakis- 
eiern reichlich durchsetzten Koth kranker Tauben zugleich mit 
ihrem Futter aufzupicken Gelegenheit haben. 

Trichosoma tenuissimum wird nach Pauly und Zürn 
häufig genug Erzeuger schwerer Darmkatarrhe und daraus resul- 
tirender Anämie und Abzehrung. 

Heterakis inflexa, ein bei Hühnern häufiger Eingeweide¬ 
wurm, erzeugt ebenfalls Dartiakatarrhe und Abzehrung. Hühner, 
die diesen Parasiten beherbergen, zeigen nach Zürn (11, S. 473) 
Durst, Durchfall, Abmagerung. 

Gegen die Rundwürmer des Darmes bei Geflügel braucht 
Zürn (10 und 11) Arecanuss (Kücken 0,5 Grm., Vögeln in der 
Grösse einer Taube 1 Grm., Hühnern bis 3 Grm., Puten jedoch 
nur 1—2 Grm.), jenes vorzügliche Band- und Rundwurm treibende 
Mittel, welches auch bei Säugethieren, besonders Hunden, mit so 
grossem Erfolg gegeben wird. Pauly scheint Santonin bei rund¬ 
wurmkranken Vögeln zu benutzen, von dem Tauben, nach An¬ 
gaben des genannten Autor, enorm grosse Dosen vertragen sollen. 

Ein sehr gefährlicher Eingeweidewurm, namentlich für junge 
Hühner und Fasanen, ist der schon im Jahre 1797 entdeckte 
gepaarte Luftröhrenwurm (Syngamus trachealis, Sclero- 


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Die Krankheiten der Vögel. 


201 


stoma syngamus) über welchen Zürn (10, S. 38 und 49, sowie 
11, S. 204, 329 mit Abbildung der Entozoe) mehrfach berichtet. 
Dieser Parasit wohnt in der Luftröhre der Hühner, Fasanen, 
Puten, Pfauen, Enten, Gänse, Rebhühner, Störche, Elstern, Krähen, 
Spechte, Meiseij, Staare, Schwalben, Drosseln, Amseln, Cardinäle, 
Webervögel, Rothkelchen, Kanarienvögel. Die von ihm befalle¬ 
nen Vögel lassen ausser Husten ein öfter geschehendes Aufsperren 
und darauf folgendes Schliessen des Schnabels, ferner ein starkes 
in die Höherecken des Kopfes beobachten; sie werden schnell 
blutarm und gehen so in dem Ernährungszustand zurück, dass 
man acht Wochen alte Kücken in der Grösse vier Wochen alter 
vorfindet, und dies ist ganz natürlich, da der gepaarte Luftröhren¬ 
wurm (Männchen 4—5 Mm., Weibchen 12—13 Mm. lang; beide 
meist in der Copulation vorzufinden) ein Blutsauger ärgster Art 
ist. Das Husten der kranken Vögel geschieht in eigentümlicher 
Weise, wobei der Kopf oft hin und her geschleudert wird; schlei¬ 
mige Massen, die eine Menge der 0,11 Mm. langen, elliptischen, 
doch fast cylindrischen Syngamuseier enthalten, werden ausge¬ 
hustet, meist aber sofort wieder aufgepickt und so wird wieder 
für weitere Selbstinfection Sorge getragen. Dass Athemnoth, oftes 
und weites Aufsperren des Schnabels, ein nach Luft Schnappen 
(Japsen) kundgegeben wird von den Patienten, ist leicht zu be¬ 
greifen, da die Syngamen auf der Schleimhaut der Trachea sich 
festsaugen, entzündliche Schwellung derselben bedingen, aber 
selbst auch, wenn in grösserer Zahl vorhanden, durch Verstopfung 
des Trachealumen Athmungsbeschwerden bis zur Erstickungs¬ 
gefahr hervorrufen müssen. Die Infection der Vögel geschieht 
lediglich durch Verzehren von Futter, welches mit Syngamus- 
eiern, die von Vögeln, welche in ihrem Innern Luftröhren Würmer 
beherbergen, ausgehustet oder mit dem Koth abgesetzt wurden, 
verunreinigt worden ist. Vernichtung der Syngamen, Zerstörung 
der in Ställen und Laufräumen des Geflügels verstreuten Eier 
dieses Parasiten ist Hauptaufgabe der Prophylaxis. Durch inner¬ 
lich zu gebende Arzneien ist der Luftröhrenwurm nicht oder nur 
selten aus der Luftröhre der Vögel zu vertreiben. Zwar hat man 
Knoblauch und Asa foetida (unter das Futter gegeben) und Sali- 
cylsäure ins Saufen neuerdings von Frankreich aus empfohlen, 
allein es hilft solches meist so wenig, wie das häufig empfohlene 
Umdrehen einer in Terpenthinöl oder in verdünntes Benzin ge¬ 
tauchten Feder, die man vorsichtig durch den oberen Kehlkopf 
in die Luftröhre des Patienten einen Moment lang einführt. Am 

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XV. ZÜRN 


besten nützt nach Zürn das Einathmenlassen der Dämpfe eines 
2—5proc. kreosot- oder theerhaltenden Wassers, welches durch 
glühenden Draht umgerührt wird; sonst Tracheotomie. Ein 
Herr E. W. Sch. macht in den Dresdener Blättern für Geflügel¬ 
zucht (1882, S. 287) bekannt, dass die Diagnose über den Sitz 
der Syngamen in der Trachea eines Huhnes sehr erleichtert 
werde, wenn man dasselbe mit dem Daumen und Zeigefinger 
der einen Hand am unteren Schnabel anfasst, wobei die Zunge 
etwas hervorgezogen und festgehalten werden muss, und es dann 
mit etwas ausgedehntem Halse gegen das Licht der Sonne (oder 
ein angebranntes Licht) hält. Haut und Trachea sind, besonders 
bei Kücken, so durchsichtig, dass der Sitz der Luftröhrenwtirmer 
erkannt werden kann. Sch. heilte von 13 mit Syngamus behaf¬ 
teten Kücken 11 dadurch, dass er mittelst eines dünnen Stroh¬ 
halmes einige Tropfen einer 8—lOproc. alkoholischen Sali- 
cylsäurelösung vorsichtig durch den oberen Kehlkopf in die 
Luftröhre der Patienten laufen liess. Die Würmer wurden sofort 
getödtet, dann durch Husten ausgestossen, oft 3—4 Paare auf 
einmal. Die behandelten Vögel erlitten durch die Behandlung 
keinen anderen Nachtheil, als dass sie 1—2 Tage nach derselben 
noch etwas Husten hören Hessen. 

Dass die angebliche Trichine in der Magenwand der Hühner, 
welche Bakody gefunden hat, wahrscheinlich eine Filarienlarve 
ist, hat Zürn, Leuckart’s Angaben folgend (10, S. 49), an¬ 
gegeben. Mögnin (2) widerlegt die von Rivolta undDelpe- 
rato ausgesprochene Ansicht, dass es Htihnertrichinen gebe. Im 
intervisceralen und im subcutanen Zellgewebe eines Machetes 
fand Mögnin eine Menge kleiner brauner, eiförmiger Cysten, 
welche einen winzigen, geschlechtslosen Rundwurm von 2 Mm. 
Länge und 0,10 Mm. Breite enthielten, die der genannte Autor 
für eine Dispharaguslarve zu halten und sie für identisch anzu¬ 
sehen mit der von Rivolta und Delperato bei Hühnern ge¬ 
fundenen sogenannten Trichine (Tr. papillosa) sich berechtigt hält. 


m. Epiphyten. Entophyten. 

Die Favuskrankheit (weisser Kamm, Hühnergrind), welche 
von Gerl ach (Virchow’s Archiv. XVI. 1859) entdeckt wurde, 
ist von Pauly (6, S. 107, 207, 325) beobachtet worden. Bei 
einem Huhn, bei welchem der Hautausschlag sich nicht, wie ge¬ 
wöhnlich hur auf Kamm, Kehllappen, Ohrlappen und Kopfhaut 




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JDie Krankheiten der Vögel. 


203 


erstreckte, sondern sich auf die Haut des Rumpfes weiter ver¬ 
breitet hatte, wurde ein auffallend schimmeliger Geruch des 
Thieres wahrgenommen. Zürn (10, S. 135; 11, S. 385) rühmt 
Einreiben der doppelschwefelsauren Kalklösung (s. oben) auf die 
favuskranken Stellen, zugleich empfiehlt er dasselbe Mittel zur 
Desinfection der Ställe, in welchen favuskranke Hühner sich auf¬ 
gehalten haben. 

Soor auf der Schleimhaut der Speiseröhre und des Kropfes 
der Hühner beschreibt Zürn (10, S. 130 und 11, S. 5, 473); es sei 
massenhaft das Oidium albicans vorzufinden. Die daran leiden¬ 
den Vögel magern ab, obschon sie sehr gefrässig sind, lassen 
oft einen saueren Geruch wahrnehmen, haben meist einen auf¬ 
getriebenen Kropf und sitzen traurig da (wenn es nicht Fütte¬ 
rungszeit ist, wo sie sich sehr lebendig zeigen), in allen Ecken 
und Winkeln herum hockend. lOproc. Boraxlösung, esslöffel¬ 
weise eingegeben, bringt manchmal Heilung. Eberth’s Beob¬ 
achtung über das Vorkommen des Soor bei Hühnern (Virchow’s 
Archiv. XIH. Bd.) ist sonach bestätigt worden. 

Mykosen der Luftwege bei Vögeln sind von Pauly (6), 
Russ(7), Zürn (10 und 11) mehrfach beobachtet worden. Letz¬ 
terer fand Mykose der Lungen und Luftzellen, dnrch Aspergillus 
niger hervorgerufen bei einem Gimpel und einem Huhn; Mykose 
der Luftzellen durch Aspergillus glaucus bei einer Ente; eine 
Bronchopneumonie bei einem exotischen Finken durch feine Mycel- 
fäden ohne Conidien oder sonstige Fruchtform erzeugt. Inhaliren- 
lassen (festes Arzneiglas, in welches die heissen Flüssigkeiten 
gethan werden, wird dem Patienten so unter den Schnabel ge¬ 
halten, dass er die Dämpfe einathmen muss) von Theerwasser- 
dämpfen, Theerdämpfen, Dämpfen einer Mischung von Jodtinctur 
und Wasser (ana) sind am Platze, müssen aber vorsichtig ange¬ 
wendet werden. 


IV. Die übrigen Krankheiten der Vögel. 

Von Interesse für die pathologische Anatomie dürften fol¬ 
gende von Zürn (11) beobachtete Fälle sein: Verkrümmung der 
Rückenwirbelsäule, Fehlen der rechten Lunge und der rechten 
Niere bei einem jungen Huhne; der rechte Hauptbronchus ver¬ 
kümmert, endete im Brustluftsack (S. 417). Echte Invagination 
des Dünndarms bei einem Huhne (S. 172). Dilatation des Drtisen- 
und des Muskelmagens bei einem Huhn; der Drüsenmagen war 


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204 


XV. ZÜRN 


90 Mm. lang und hatte einen grössten Umfang von 108 Mm., der 
eigentliche Magen 87 Mm. lang, 140 Mm. Umfang aufzeigend; 
die Krankheit war durch gieriges Fressen und durch förmliches 
Einpressen von Futterstoffen in die ausgeweiteten Verdauungs¬ 
organe hervorgerufen worden (S. 88). Wirkliche Dilatation des 
Dünndarms fand sich bei einem Huhn, das sich und anderen 
Hühnern Federn ausgezupft und verzehrt hatte (S. 44). Unge¬ 
wöhnliche Dilatation der rechten Herzhälfte bei einem Cochin- 
buhn; in dem besonders erweiterten Atrium ein 91 Grm. schwerer 
Klumpen geronnenen Blutes; Atrioventricularöffnung durchgängig 
für einen Mannsdaumen, Ringmuskelklappe atrophirt; Erguss von 
bedeutender Quantität gelblichen, gallertige Massen haltenden 
Serums in Bauchhöhle und Herzbeutel (S. 56). Bei dem Huhn 
eines Restaurateurs wurde eine 324 Grm. schwere Speckleber 
gefunden; dieselbe reichte beinahe von der Herzspitze bis zum 
Ende der Beckenhöhle, war 17 Cm. lang, besass einen stärksten 
Umfang von 24 Cm. (S. 324). Bei einer an Darmkatarrh leidenden 
Taube fand sich nach deren Tode auch das Pankreas ungemein 
vergrössert und mit einer Anzahl erbsen- bis bohnengrosser, mit 
nur wenig getrübter Flüssigkeit versehener Cysten behaftet auf 
(S. 297). 

Ueber erworbene und angeborene Schnabelmissbildun¬ 
gen der Vögel handelt ein grösserer, mit Illustrationen ver¬ 
sehener, Artikel Zürn’s (11, S. 109). Das Vorkommen von Krebs¬ 
geschwülsten bei Vögeln ist mehrfach erwähnt (S. 14,24,281,298, 
438); unter diesen auch ein enormer Ovarialkrebs. Von malignen 
Geschwülsten beschreibt Pauly (6) einen Epithelialkrebs unter 
der Haut eines Huhnes (multipel); bei demselben Thiere eine 
165 Grm. schwere Leber mit Krebsknoten bis zur Kirschengrösse; 
anstatt Eierstock eine 96 Grm. schwere Krebsgeschwulst; Darm, 
Bauch- und Brustfell mit zahlreichen grösseren und kleineren 
Knoten besetzt; die Milz zeigt kleinste Knötchen auf; grosse 
Krebsgeschwulst am Kreuz, welche als primärer Herd angespro¬ 
chen werden musste (S. 134). Ferner bei einem Vogel Medullar- 
krebs am Magen, Vormagen und in der Haut, ausgezeichnet durch 
hanfkorn- bis haselnussgrosse Knoten (S. 159); diffuse Rundzellen¬ 
sarkome der Leber (S. 207); Sarkome (S. 417); Leberkrebs bei 
einem Huhn (S. 263). Multiple Medullarcarcinome bei einem Huhn 
fand Weiskopf (9). 

Eingeweidegicht beobachtete Pauly (6) bei einem Huhn; 
in diesem Falle zeigten sich die Harnsäureablagerungen in Lunge, 


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Die Krankheiten der Vögel. 


205 


Leber, Milz, Darm, Brust- und Bauchfell, während Muskeln, Kno¬ 
chen und Gelenke frei von solchen waren (S. 263). Ein anderer 
Fall betraf einen Fasan, bei dem die Harnsäureablagerungen in 
fast sämmtlichen Organen stattgehabt hatten, besonders auf den 
serösen Häuten (S. 278). Es wurde empfohlen, die nächsten Ver¬ 
wandten dieser Thiere von der Zucht auszuschliessen, da die 
Disposition zur Gicht vererbe. Darmgicht bei einem Huhn be¬ 
schreibt Zürn (11, S. 273); derselbe Autor betont, dass Gicht 
an den Gelenken der Arm- und Fussknochen bei Vögeln zwar 
vorkommt, dass aber in den meisten Fällen der sogenannten 
Flügel- und Beingicht, die besonders bei Tauben häufig 
beobachtet wird, tuberculöse Processe vorliegen. Bei veritabler 
Gicht (S. 112, 204, 369, 481) der Knochen und Gelenke hat er 
früher örtlich Wärme zunächst angewendet, meist in der Form 
warmer Sandbäder, hat es aber später für vortheilhaft gefunden, 
die frisch entstandenen, noch heissen und bei der Berührung 
schmerzenden Geschwülste zu kühlen (Lehmanstriche, Wergum¬ 
wicklung und Anfeuchten mit Bleiessig und Wasser), später, wenn 
vermehrte Wärme und Schmerz verschwunden, von der Jodoform¬ 
salbe (1: 50) Gebrauch zu machen, auch innerlich Tinct. Golchici 
(2—4 Tropfen täglich) zu geben. 

Von mehr praktischem Interesse sind folgende Krankheits¬ 
zustände: 

Die Darmkatarrhe des Junggeflügels; sie entstehen durch 
ungeeignete Diät (unverdauliches Futter, wie Eierkäse, frisches 
Brot, Fleischmehl, sauer gewordenes Weichfutter) oder durch 
Erkältung. Wenn die Darmkatarrhe unter vielen Stücken der 
Geflügelaufzucht Vorkommen, scheinen sie gern infectiös zu wer¬ 
den. Leichtes gut verdauliches Futter, besonders Hanf, in Roth- 
wein getauchte Brocken altbackner Semmel oder in solchem ein- 
geweichte Körner, manchmal zum Anfang der Cur ein Abführ¬ 
mittel (Ricinusöl), Warmhalten, penible Reinigung der Ställe, 
Fress- und Saufgeräthe, unter Umständen Desinfection bringen 
Hülfe (vergl. Zürn 11, S. 385, 409, 464). 

In Folge übermässiger Gefrässigkeit kommt es oft zum so¬ 
genannten harten Kropf, d. h. zur vollen Unverdaulichkeit im 
Kropf bei Hühnern und Tauben. Zürn (11, S. 473) beobachtete 
bei einem Huhn einen Kropf, der nebst Inhalt, welcher aus 
Futter, Sand, Steinchen und Erde bestand, nicht weniger als 
1348 Grm., also 2 Pfund und 348 Grm. wog. Gegen den harten 
Kropf wird Kneten des geschwollenen Kropfes, stündliches Ein- 


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XV. ZÜRN 


geben von Pfeffermiinzthee mit 1—2 Tropfen Salzsäure, oder der 
Kropfschnitt angewendet, Uber dessen zweckmässige Ausfüh¬ 
rung v. Tresckow (8, S. 65) und Zürn (10, S. 174) schreiben. 
Diese Operation ist bei Hübnern meist von günstigem Erfolg, bei 
Tauben hingegen von letalem Ausgang begleitet. 

Eierstocks- und Eileiterentzündungen kommen na¬ 
mentlich bei Hübnern, die viele und grosse Eier legen, und zu 
Beginn der Legeperiode, sehr häufig vor. Sowohl beiPauly(6) 
als bei Zürn (11) sind in dieser Beziehung eine Menge von 
Sections- und Krankheitsberichten zu finden. Das Legen von 
ganz weichschaligen Eiern (Fliess- oder Flösseiern) oder abnor¬ 
men Eiern zeigt in der Regel Eileiterentzündung an. Die soge¬ 
nannten Flösseier werden zwar auch producirt, wenn Hühner 
übermässig und mit zu proteinreicher Nahrung gefüttert werden, 
oder wenn einzelne Hühner vom Hahn bezüglich geschlechtlicher 
Cohabitation bevorzugt werden, oder wenn der Nahrung der zum 
Eischalenaufbau nothwendige Kalk fehlt, immer aber scheinen 
Reizungszustände der Eileiterschleimhaut statt zu haben. Isoliren 
des Patienten in einen kühlen, halbdunklen, ruhigen Raum, 
knappe Fütterung, besonders Entziehung allzu eiweissreicher Nah¬ 
rung, gebrannte Austerschalen oder Schlemmkreide und dergl. 
unter das Weichfutter, Einspritzungen von Schleim und schwachen 
Alaunlösungen können gegen Eileiterentzündung und gegen das 
Legen der Flösseier Hülfe bringen. 

Bei nicht Offensein der Abdominalöffnung des Eileiters kommt 
es nicht selten vor, dass ein Dotterfollikel platzt, der Dotter in 
die Bauchhöhle fällt und dadurch Anlass zur Bauchfellentzün¬ 
dung etc. gegeben wird (P a u 1 y 6, S. 180, 207). 

Mit chronischer Ovariumkrankheit behaftete Hühner zeigen 
häufig das auf, was der Züchter das „Foppen“ nennt. Sie gehen 
zu Neste, als ob sie legen wollen, erheben sich nach einiger Zeit 
wieder und gackern dann, als wenn sie gelegt hätten, was nie¬ 
mals der Fall ist (vergl. Zürn 11, S. 371). 

Rupturen des Eileiters sind nicht selten und brauchen keines¬ 
wegs zum Tode zu führen. Eier treten in die Bauchhöhle aus 
und können nicht geboren werden (vergl. Zürn 11); es werden 
solche auch zuweilen, wenn auch selten, nicht schädigend und 
werden mit Bindegewebe umhüllt oder förmlich eingekapselt, 
während die Eileiterwunde heilt, und später kann das Thier wie¬ 
der Eier legen. 

Eine äussere Krankheit, die nicht selten vorkommt bei schwe- 


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Die Krankheiten der Vögel. 


207 


ren Hühnern und auf Erkältung sowie auf mechanische Insulte 
zurttckgeflihrt werden muss (Sitzen auf schmalen, scharfkanti¬ 
gen und eckigen Stangen, harter Fussboden, Kies in den Lauf¬ 
räumen) ist die Fusssohlengeschwulst (Bomblefoot von den Eng¬ 
ländern genannt). Es ist das eine Periarthritis, die zunächst 
die um das Mittelfussgelenk sitzenden Weichtbeile angeht, aber 
auch auf Bänder, Sehnen und deren Scheiden, Gelenkknorpel 
und Knochen übergreift. Unter Fieber entsteht diese anfangs 
heisse und schmerzende Geschwulst, die nach 36 bis 48 Stun¬ 
den weich wird und zu fluctuiren beginnt. Oeffnet man sie 
jetzt, so fliesst eine gelbe, oft klare, manchmal mit Eiter oder 
Blut gemischte Flüssigkeit aus. Wartet man mehrere Tage, ehe 
man die Geschwulst aufscbneidet, so findet sich als Inhalt eine 
dicke, gallertige, oder eine mehr feste, käsige gelbe Masse. Ne¬ 
krose der Bänder, Sehnen, Knochen kann Folge dieser Peri¬ 
arthritis sein. Zürn (11, S. 225) räth anfangs zu kühlen, später 
Jodoformsalbe einzureiben, die Geschwulst nur zu öffnen, wenn 
es unbedingt nöthig ist, dann den Inhalt vorsichtig auszulöffeln, 
bei etwaigen Blutungen die blutstillende Watte einzulegen, sonst 
aber warme Fussbäder so oft wie möglich vorzunehmen und 
Wachssalbe in den Hohlraum einzubringen und auch mit Wachs¬ 
salbe und Leinwandstreifen zu verbinden. Pauly(6, 
S. 44) empfiehlt die Geschwulst, wenn sie fluctuirt, zu öffnen, 
nach und nach den Inhalt auszulöffeln, täglich lauwarme Fuss¬ 
bäder mit Chamillenthee zu machen und zur Ausfüllung der Ge- 
schwnlsthöhle und zum Bestreichen des unteren Endes des zum 
Verband dienenden Leinwandstreifens eine Salbe, welche zusam¬ 
mengesetzt ist aus 1 Theil ungewässerter Butter, */4 Gewichts- 
theil rohem Wachs, l k Gewichtstheil Tannenpech (im Wasserbad 
zusammengeschmolzen), zu verwenden. 

Pauly (6) beobachtete auch bei einer Drossel ein Gelenk¬ 
leiden an beiden Füssen, welches er als Arthritis deformans 
bezeichnet und als durch unzweckmässigen Käfig hervorgerufen 
ansieht. 


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XVI. 

Kleinere Hittheilnngen. 


Odontologische Notizen. 

Von 

Prosector Th. Kitt. 

Man trifft bei der Musterung der Zahnformeln, wie sie für die 
verschiedenen Säugethierklassqp aufgestellt worden sind, öfters 
abweichende Angaben, welche darin ihren Grund haben, dass 
ein oder mehrere Zähne, in der Regel sind es Prämolaren, hin¬ 
fällig geworden sind und daher bei der Feststellung des Zahn¬ 
typus nicht mit gerechnet wurden. So ist es dem vierten Prä¬ 
molar des Pferdes ergangen, der oftmals ausfällt, oft nur in einer 
Kieferhälfte, in einem Kiefer, oder auch in beiden vorkommt. 

Wenn wir die Genealogie des betreffenden Thieres jedoch 
verfolgen, so erhellt immer, dass mit der progressiven Entwick¬ 
lung des Individuums eine Reduction des jeweiligen Zahnes in 
der Anpassung an die äusseren Verhältnisse stattgefunden hat. 

Nehring bajt in letzter Zeit gelegentlich eines in der Gesell¬ 
schaft naturforschender Freunde zu Berlin (am 16. Mai 1882) (siehe 
deren Sitzungsbericht Nr. 5) gehaltenen Vortrags einige Ganis- 
schädel vorgelegt, welche eine geringere Zahl von Zähnen auf¬ 
zuweisen hatten, als es die gültige Zahnformel ^iyCypym 
bestimmt. 

Ohne diesem Forscher, der uns die nähere Erklärung dieses 
Mangels noch schuldig geblieben, vorgreifen zu wollen, möchte 
ich nun die Zahl solcher Angaben vermehren helfen, indem ich 
einige Beobachtungen an dem Gebisse diverser, in der anatomi¬ 
schen Sammlung der Münchener Thierarzneischule befindlicher 
Schädel mittheilen werde. 

An einer grösseren Anzahl Hundeschädel vermochte ich näm- 


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XVI. Kleinere Mittheilungen 


209 


lieb zu constatiren, dass, während die grösseren Ragen dieses 
Hausthieres, ähnlich den wilden Caniden, die volle typische Be¬ 
zahnung tragen, die kleineren Culturragen (Wachtelhunde, 
Bologneser, Rattenfänger) durch den Mangel des letzten 
Molaris im Hinterkiefer gekennzeichnet sind. 

Weniger bekannt dürfte die Reduction des Prämolar 3 
bei Schafen sein, von denen mir drei Exemplare, ein männ¬ 
liches und ein weibliches bayerisches Landschaf und eine Haid- 
schnucke (sämmtlich ausgewachsen) aufstiessen. Letztere hat im 
Vorderkiefer noch einen linsengrossen P3 rechterseits, links je¬ 
doch findet sich nur Pi und P2 ; an Stelle des P3 ist der Kiefer¬ 
knochen glattrandig, ohne die geringste Spur des einstigen Da¬ 
seins eines Zahnes. Im Hinterkiefer fehlt beiderseits P3 und ist 
wiederum der Knochenrand vollständig eben und ohne lacnnäre 
Defecte. Der Widder hat im Vorderkiefer noch die typische Zahl 
von 3 Prämolaren, im Hinterkiefer fehlt jedesmal der vorderste 
Prämolar, gleichfalls ohne dass die Andeutung seines ehemaligen 
Vorhandenseins bestände. An dem dritten, weiblichen, Schädel 
fehlt ebenfalls P3, aber nur im Vorderkiefer beiderseits, im Hinter¬ 
kiefer bestand die gewöhnliche Zahnformel, der P3 beider Aeste 
war jedoch nur einwurzelig und entsprechend die Alveole in 
Gestalt einer kleinen Lücke vorhanden, während sonst der normal 
zweiwurzelige Zahn auch zwei Gruben in Anspruch nimmt. 

Jedenfalls Interesse und entschieden wissenschaftliche Be¬ 
deutung fordert das Verhalten der beiden Pi des Vorderkiefers 
an diesem Objecte heraus, denn beide haben so zutreffend das 
Gepräge eines Molarzahnes, dass ich anfangs mit Befrem¬ 
den 4 Molaren statt 3 abzählte. 

Es ist charakteristisch für die artiodactylen Ungulaten, dass 
die Prämolaren sich in der Grösse und Form wesentlich von den 
Molaren unterscheiden (Cuvier und Owen) und bei den Rumi- 
nantien sind erstere derart reducirt, dass man sagen kann, in 
dem Prämolar ist die ganze hintere Zahnhälfte des Molaren ver¬ 
loren gegangen, oder mit der vorderen verschmolzen worden. 
Diese Concentration des Zahnes lässt sich bis auf die ältesten 
fossilen Thiere, bis hinauf zum Ersatzgebiss des Anoplotherium 
verfolgen. Nun hat Rütimeyer 1 ) nachgewiesen, dass einzelne 
Wiederkäuer, insbesondere Moschus aquaticus, in ihrem Milch- 


l) Beiträge zur KenntuUs der fossilen Pferde und zur vergleichenden 
Odontographie der Hufthiere überhaupt. Verh. d. anthr. Gesellsch. Basel. III. 


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210 


XVI. Kleinere Mittheilungen. 


gebiss Rückerinnerungen an eine frühere Stammform zeigen, in¬ 
dem die Milchprämolaren in ihrer Form den Molaren ähnlich 
sind, so zwar, dass bei dem genannten Thiere der hinterste Milch¬ 
prämolar vollkommen einem Molarzahn entspricht, mit dem klei¬ 
nen, wie er angibt, wichtigen Unterschiede, dass er auf dem 
vorderen Querjoch einen kleinen Zwischenhügel besitzt. 

Es ist nun gewiss als eine Seltenheit zu betrachten, dass ein 
in der Entwicklungsreihe ziemlich entfernt stehendes Thier, unser 
zahmes Schaf, eine solche Memoration an frühere Formen, hier in 
so ausgeprägter Weise darbietet, indem nämlich die Aebnlichkeit 
des Pi beiderseits, und zwar so exquisit und gleichmässig mit 
dem Typus eines Molarzahnes sich kundgibt, dass zwei vollstän¬ 
dige Halbmonde, ein gleich grosses Vor- und Nachjoch an einem 
Ersatzprämolar aufgetreten sind. Die Pi des Oberkiefers 
beim Schafe bilden sonst nur einen geschlossenen Halbmond. 

Eine Reduction des P 3 im Hinterkiefer beobachtete ich auch 
an zwei Rindsschädeln der Brachycerosra^e, wobei eine Kinn¬ 
lade nicht die geringste Alveolenbildung vor dem vorderen Rande 
des P 2 zeigte, am zweiten Exemplare eine seichte Usur die Stelle 
des verloren gegangenen Zahnes kennzeichnete. 

Ein merkwürdiges Beispiel überzähliger Zähne gibt der Hin¬ 
terkiefer eines Kalbes. Hinter den Incisivis 4 findet sich, be¬ 
sonders deutlich bei jungen Thieren, der Alveolarrand auf 1 bis 
1V 2 Cm. fortgesetzt, und selbst bei alten Schädeln ist hinter 
jedem Incisivus 4 der Alveolarrand zu einer, am macerirten Kno¬ 
chen nicht glatten, sondern spongiös erscheinenden Kante ausge¬ 
zogen. An dieser Stelle sitzt bei diesem etwa 4 Wochen alten 
Kalbe ein ganz wie der Incisivus 4 geformter, fast ebenso grosser 
fünfter Zahn jederseits, der vollständig, wie die übrigen Schnei¬ 
dezähne, in einer Alveole befestigt und am Halse mit Zahnfleisch 
umkleidet ist. 


2 . 

Miliartuberculose bei einer perlsüchtigen Kuh. 

Von 

Dr. Schmidt-Mülheim, 

Kreisthierarzt in Iserlohn. 

So weit mir bekannt, ist in der Literatur bisher kein Fall 
von wahrer Miliartuberculose beim Rinde verzeichnet. Der nach- 


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^XVI. Kleinere Mittheilungen. 


211 


folgende Obductionsbericht bringt einen solchen und bezieht sich 
auf eine Kuh, die unter den Erscheinungen der Perlsucht er¬ 
krankte und verendete. Das Thier gehörte dem gemischten Land¬ 
schlage (holl. Kreuzung) an und war 6 Jahre alt. In einer Zeit, 
die voll von den Entdeckungen Koch’s ist, könnte es nahe liegen, 
das gleichzeitige Vorkommen von Perlsucht und Miliartuberculose 
als Beweis für die Identität beider Krankheiten zu betrachten. 
Ich bitte jedoch, den Befund rein objectiv als einen Beitrag zur 
Kenntniss der Krankheiten des Rindes auffassen zu wollen. 

Obductionsbefund. Das Thier ist zum Skelet abge¬ 
magert. 

In der Bauchhöhle findet sich ein sehr massiges Quantum 
einer röthlichen Flüssigkeit vor, welche frei von Gerinnseln ist. 
Parietales und viscerales Blatt des Bauchfelles zeigen sich mit 
äusserst zahlreichen Knoten und Knötchen förmlich tibersät, welche 
meistens deutlich abgeplattet erscheinen, einen aschgrauen Far¬ 
benton besitzen und in ihrem Umfange zwischen der Grösse einer 
Linse und derjenigen eines kleinen Apfels schwanken. Die grös¬ 
seren Neubildungen sind vom Bauchfell abgeschntirt und verbin¬ 
den vielfach durch starke Bindegewebsfäden die serösen Ueber- 
züge benachbarter Organe mit einander. Auf der Schnittfläche der 
Knoten treten gelbgefärbte, mörtelartige Einlagerungen hervor, 
welche sich mit der Messerspitze ausheben lassen. Sehr umfang¬ 
reich ist diese Verkäsung in den grösseren Neubildungen nach¬ 
zuweisen. 

Der Dünndarm lässt zahlreiche, mehr oder weniger scharf 
abgegrenzte Stellen von 10 —15 Cm. Länge dadurch sofort in 
die Augen springen, dass die Darmwandung hier vielfach einge¬ 
schnürt erscheint und Hunderte von gelben Knötchen zeigt, welche 
durch die Serosa hindurch schimmern. Diese Knötchen umgeben 
gleichmässig die ganze Darmwandung und haben ihren Sitz vor¬ 
züglich in der Mucosa und Submucosa. Sie liegen sehr dicht 
neben einander, besitzen die Grösse einer Linse und bergen in 
ihrem Inneren einen mehr flüssigen als trockenen Brei. Die Mu¬ 
cosa zeigt an diesen Stellen mehrfach geschwürige Defecte, und 
narbige Veränderungen der Darmoberfläche geben Kunde von 
früher stattgefundenen geschwürigen Zerstörungen. Die Mesen- 
terialdrtisen des Dünndarms repräsentiren einen langen Strang 
von der Dicke einer starken Faust. Sie sind dabei ungemein 
derb und setzen dem Durchschneiden erheblichen Widerstand 
entgegen. Auf der Schnittfläche zeigen sie kleinere und grössere 


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212 


XVI. Kleinere Mittheilungen. 


käsige Herde, die mit nennenswerthen Mengen von kalkigen Ein¬ 
lagerungen versehen sind. 

Der seröse Ueberzug der Leber trägt Hunderte von linsen- 
bis wallnussgrossen Knötchen, durch welche das genannte Organ 
zahlreiche Verwachsungen mit der Nachbarschaft eingegangen 
ist. Besonders umfangreich ist diese Verwachsung mit dem Cen¬ 
trum tendineum, welches mit perlstichtigen Neubildungen völlig 
ttbersät erscheint. Auch die Serosa der Milz weist zahlreiche 
Knoten und Knötchen auf. 

Die Brusthöhle birgt eine kleine Menge einer röthlichen 
Flüssigkeit. Die Pleura trägt in ihrem ganzen Umfange zahl¬ 
reiche Neubildungen. Besonders häufig erscheinen wallnussgrosse 
Knoten, welche durch mächtig entwickelte Bindegewebsfäden das 
Lungenfell mit dem Rippenfell und mit dem serösen Ueberzuge 
des Zwerchfells verbinden. Die Knoten, welche sich übrigens 
auch am Mediastinum in grösserer Anzahl vorfinden, sind unge¬ 
mein fest und derb, und ihre Schnittfläche gibt Kunde von nen¬ 
nenswerthen Verkäsungen. 

Die linke Lunge lässt beim Ueberstreichen mit der Hand 
viele in der Tiefe gelegene Knoten von derber Consistenz erken¬ 
nen. Dieselben treten häufiger in dem hinteren Lungenlappen 
auf, lassen sich vereinzelt jedoch auch in den oberen Abschnitten 
des vorderen Lungenlappens nach weisen, während der untere 
Theil des letztgenannten Lappens ungemein zahlreiche steckna¬ 
delkopfgrosse Knötchen durchftihlen lässt. 

Die in der Tiefe liegenden grösseren Knoten erscheinen bis 
zur Grösse einer kleinen Kartoffel und grenzen sich durch mässig* 
stark entwickelte Bindegewebskapseln von der gesunden Nach¬ 
barschaft ab. Sie bergen einen trockenen gelben Mörtel, dem 
nicht unerhebliche Kalkeinlagerungen beigemengt sind. Beson¬ 
ders umfangreich in dieser Weise verändert zeigt sich das äusserste 
Ende des hinteren Lungenlappens. 

Der untere Theil des vorderen Lungenlappens ist mit vielen 
Tausenden von stecknadelkopfgrossen, halbdurchscheinenden, 
grauweissen Knötchen gleichmässig durchsetzt. Dieselben er¬ 
scheinen scharf begrenzt und haben ihren Sitz im interstitiellen 
Gewebe. Die Knötchen zeigen alle das gleiche Entwicklungs¬ 
stadium sowie eine auffallende Uebereinstimmung in der Grösse. 
Sie besitzen eine mässig derbe Consistenz. 

Ganz ebenso verändert erscheint die rechte Lunge, doch ist 
hier ein noch grösserer Theil der unteren Lungenabschnitte mit 


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XVI. Kleinere Mittheilungen. 


213 


unzählbaren miliaren Knötchen gleichmässig durchsetzt. Auch 
heben sich dieselben von der lebhaft roth gefärbten Lungen¬ 
substanz stärker ab, als in der blutarmen Lunge der anderen 
Seite. 

Die bronchialen Lymphdrtisen sind sehr stark vergrössert 
und in ähnlicher Weise verändert wie die Mesenterialdrüsen. 

Die nicht aufgezählten Organe sind frei von nennenswerthen 
pathologischen Veränderungen. 


3. 

Ein neuer Zuchterfolg in dem Hausthiergarten des 
landwirthschaftlichen Instituts der Universität 

Halle. 

• Von 

Prof. Dr. Julius Kühn. 

Nachdem die Möglichkeit einer erfolgreichen Paarung von 
dem Gayal Indiens und den europäischen Rinderragen in unserem 
Hausthiergarten durch die Geburt von 5 männlichen und 4 weib¬ 
lichen, vortrefflich gedeihenden Bastarden erwiesen worden war, 
galt es noch festzustellen, ob auch mit dem in Asien und Afrika 
als Hausrind gehaltenen Zebu ein gleiches Resultat zu gewinnen 
sei. Dies ist nun ebenfalls gelungen. Es wurde am 29. December 
einBastard vom Gayalbullen und einer Kuh der lang- 
hörnigen afrikanischen Zeburage geboren. Diese unter 
dem Namen Sanga oder Sankä bekannte Zeburage ist noch 
gegenwärtig im Sudan, in Abessinien und den Gallaländern all¬ 
gemein verbreitet, ward früher aber auch in Egypten gezüchtet 
und gehört zu den ältesten Rinderra<jen, deren Formen, wie die 
Abbildungen auf altegyptiscben Denkmälern zeigen, seit Jahr¬ 
tausenden sich gleich geblieben sind und die insbesondere durch 
lange, balbmond- oder leierförmig aufstrebende, bei Stieren wie 
Kühen gleich mächtig entwickelte Hörner sich auszeichnet. Aus 
ihr wurde von den alten Egyptern der Apisstier gewählt. Ein 
Apisschädel aus den Gräbern von Sakära, dem alten Memphis, 
welchen unser landwirtschaftliches Institut der Güte des in Cairo 
verstorbenen Dr. Reil verdankt, zeigt ganz dieselbe Horrfform, 
wie die Sangakuh, welche den Gayalbastard geboren hat. Der¬ 
selbe ist weiblichen Geschlechts und wog bei der Geburt 21,5 Kilo 
oder genau V 20 des Gewichtes der Mutter. Diese ist roth und 


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214 


XVI. Kleinere Mittheilungen. 


weiss gefleckt, während das Ealb grösstentheils eine gleichmässig 
hellrothbraune Farbe zeigt; nur der Bauch, die innere Seite der 
Schenkel und die Fesseln sind weiss gefärbt. An den Vorder- 
füssen finden sich tiber den Klauen und am Fesselgelenk noch 
einige kleine schwarze Abzeichen. Der für die Zebus charak¬ 
teristische Höcker am Widerrist ist nur ganz leicht und bei Wei¬ 
tem weniger angedeutet, als es bei einem, von derselben Kuh 
früher geborenen, reinblütigem Kalbe der Fall war. Der Bastard 
stand schon 22 Minuten nach der Geburt auf und versuchte zu 
saugen; er ist lebhaft' in seinen Bewegungen und lässt eine gute 
Entwicklung erwarten. Da noch eine zweite, ebenfalls aus dem 
Sudan direct importirte Sangakuh von demselben Bullen tragend 
ist, so wird es voraussichtlich möglich sein, auch die Fortpflan¬ 
zungsfähigkeit dieser Art von Bastarden unter sich zu prüfen. 
— Uebrigens zeigt der Umstand, dass der in Hinterindien noch 
wild vorkommende Gayal und die in der tropischen Zone Afrikas 
verbreiteten, künstlichen Einflüssen so gut wie nicht unterwor¬ 
fenen Sangas hier im Norden bei ausschliesslicher Stallhaltung 
sich fruchtbar zu paaren vermögen, wie wenig die äusseren Ver¬ 
hältnisse, Klima, Ernährungs- und Haltungsweise die Fortpflan¬ 
zungsfähigkeit der Thiere bedingen. Wenn daher Darwin 
darauf hinweist, dass bedeutende Veränderungen der äusseren 
Verhältnisse die Organismen, „welche lange Zeit an gewisse 
gleichförmige Lebensbedingungen im Naturzustände gewöhnt wa¬ 
ren“, in Bezug auf ihre Fruchtbarkeit oft ungünstig beeinflussen, 
während solche Rasen der Hausthiere, die „häufig neuen und 
nicht gleichförmigen Bedingungen ausgesetzt worden sind“, völlig 
fruchtbar seien, so wird dieser Gegensatz in unserem Falle nicht 
bestätigt. Derselbe zeigt vielmehr, dass auch Thiere, der primi¬ 
tivsten Formen, die viele Jahrtausende hindurch gleichförmigen 
Lebensbedingungen unterworfen waren, bei angemessener Behand¬ 
lung in ihrer Fruchtbarkeit ungeschwächt sich erweisen können, 
selbst wenn sie in Verhältnisse versetzt wurden, die von denen 
ihrer Heimath in extremster Weise abweichend sind. 

Halle a/S., den 31. December 1882. 


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XVI. Kleinere Mittheilungen. 


215 


4. 

Ueber Milben. 

Von 

Prof. Dr. Zürn. 

Die Zeitschrift „Thierarzt“ bringt in Nr. 12 des Jahrgangs 
1882 eine, angeblich den Mittheilungen aus der thierärztlichen 
Praxis in Preussen 1880/1881 entnommene Notiz, nach welcher 
Kreisthierarzt Möllinger in der Rindslaus eine Milbe ent¬ 
deckt habe, welche weder zu Dermatocoptes noch zu Dermato¬ 
phagus gehörte. Dr. Haller in Bern habe diese Milbe als Sym- 
biotes spathifer (sic!!) festgestellt. Diese Milbe soll von M6gnin 
zuerst beschrieben worden sein und ein Männchen- und 
zwei Weibchenformen besitzen. 

Der sogenannte Symbiotes spathifer ist nichts Ande¬ 
res, als Dermatophagus bovis. Mögnin nannte früher 
diese Milbe Symbiotes spathiferus oder Symbiote spathifere, nie¬ 
mals aber — so weit mir bekannt — Symbiotes spathifer. Jetzt 
bezeichnet Mägnin den Parasiten als Choriopte spathifere oder 
Chorioptes spathiferus und in seinem Werke: „Les parasites 
et les maladies parasitaires“, S. 200, gibt er an: »Syn¬ 
onymie. Sarcoptes bovis (?) (Hering), Symbiotes bovis (Ger- 
lach), Dermatophagus bovis (Fürstenberg), Symbiotes spathi¬ 
ferus (M egnin). 

Was die beiden Weibchenformen anlangt, so unterscheidet 
Mägnin allerdings eine Femelle ovigöre und eine Jeune 
femelle puböre, wie er auch die sechsfüssige Larve von 
der achtfÜS8igen Nymphe trennt. Wir Deutschen erkennen der¬ 
artige Unterscheidungen nicht an, sondern beschreiben nur die 
verschiedenen Entwicklungsstadien, die mit Häutungsprocessen 
der Thiere Hand in Hand zu gehen pflegen. Von zwei Weibchen¬ 
formen sprechen wir nicht; was Megnin „Femelle ovigöre“ 
nennt, ist das, was Fürstenberg als reifes Weibchen be¬ 
schrieben hat. 


Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 15 


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XVII. 

Auszüge und Besprechungen. 


1. 

Ueber die Milzbrandimpfung. Eine Entgegnung auf den von 
Pasteur in Genf gehaltenen Vortrag. Von Dr. R. Koch, Geh. 
Regierungsrath. Kassel und Berlin, Verlag von Theodor Fischer. 
1882. 

Vorliegende Schrift enthält die ausführliche Entgegnung 
Koch’s auf die Angriffe, welche derselbe von Pasteur auf 
dem im September 1881 abgehaltenen internationalen hygieni¬ 
schen Congress zu Genf erfuhr, und bezeichnet zugleich die Stel¬ 
lung, welche der bekannte deutsche Bacterienforscher des kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes gegenüber den Arbeiten des in der Neu¬ 
zeit so gefeierten französischen Gelehrten auf dem Gebiete der 
Erforschung der Infectionskrankheiten einnimmt. Ein näheres 
Eingehen auf den Inhalt dieser Schrift erscheint wünschenswerte 

Koch hebt in derselben zunächst hervor, dass der von 
Pasteur über die Abschwächung der Ansteckungsstoflfe ange- 
ktindigte Vortrag ausser einer Mittheilung über einen von dem¬ 
selben beim typhösen Fieber des Pferdes neu entdeckten Para¬ 
siten nur längst Bekanntes über Hühnercbolera und die Nouvelle 
maladie de la rage, sowie ganz werthlose Angaben darüber ent¬ 
halten habe, wie viel Tausende von Thieren bis jetzt der Milz¬ 
brand-Präventivimpfung unterworfen worden seien. Wissenschaft¬ 
lich verwerthbare Mittheilungen über letzteres Verfahren und die 
hierauf erreichte Widerstandsfähigkeit der Thiere gegen die na¬ 
türliche Infection habe derselbe aber nicht gebracht. 

Koch beginnt seine Widerlegung vor Allem mit einer Dar¬ 
legung der tiefgreifenden Unterschiede in den von ihm und 
Pasteur befolgten Methoden bei der Erforschung der Infections¬ 
krankheiten. Er meine den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass 
eine Infectionskrankheit parasitärer Natur sei, nur dadurch führen 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


217 


zu können, dass er sich vor allen Dingen erst durch sorgfältige 
anatomische und mikroskopische Untersuchungen (vergl. S. 4 n. 5) 
über das constante Vorkommen von Parasiten in den erkrankten 
Organen Gewissheit verschaffe. Könne er sich hiervon über¬ 
zeugen, dann trenne er die Parasiten durch fortgesetzte Reincul- 
turen von allen ihren ursprünglich noch anhaftenden Bestand¬ 
teilen des kranken Körpers und impfe sie zur Ermittelung ihrer 
pathogenen Natur wenn möglich auf dieselbe Thierspecies oder 
auf eine solche zurück, bei welcher dieselbe Krankheit erfah- 
rungsgemäss vorkomme. 

Pasteur setze hingegen bei allen Infectionskrankheiten die 
Anwesenheit von Mikroorganismen im Körper als selbstverständ¬ 
lich voraus und scheine deren Nachweis und die Orientirung über 
ihre Verbreitung im Organismus für überflüssig zu halten. Er 
verwende zu seinen Impfungen auch jedes beliebige Thier, meist 
Kaninchen, gleichviel, ob die zu untersuchende Krankheit bei 
demselben überhaupt je beobachtet worden, dasselbe also für die¬ 
selben empfänglich ist oder nicht. 

So werde es erklärlich, dass Pasteur auf solchen Arbeits¬ 
gebieten, auf welchen er das Terrain schon mehr oder weniger 
geebnet gefunden — z. B. Milzbrand und Hühnercholera — Er¬ 
folge zu verzeichnen gehabt habe. Jede neue Frage indess, an 
die er herangetreten, habe die Schwächen seiner Methode so¬ 
fort in eclatanter Weise bewiesen. So sei auch die von ihm 
beschriebene Nouvelle maladie de la rage und der vom Pferd 
auf das Kaninchen übertragbare Typhus nichts weiter, als die 
längst bekannte Kaninchensepticämie. 

Im ersteren Falle habe Pasteur, statt vorher die Sublin- 
gualis des betreffenden, an Babies Gestorbenen sorgfältig auf das 
Vorhandensein specifischer Mikroorganismen zu untersuchen, ohne 
Weiteres den Speichel der betreffenden Leiche zu seinen Impf¬ 
versuchen verwendet. Er habe dabei ferner den unbegreiflichen 
Missgriff gethan, zu letzteren an Stelle der notorisch für Wuth 
empfänglichen Hunde Kaninchen zu verwenden. Zwar seien die 
mit dem Speichel inficirten Kaninchen zu Grunde gegangen; die 
Krankheitsberichte und die Gestalt der im Blute der Impfthiere 
gefundenen, sehr kleinen, etwas länglichen und in der Mitte 
schwach eingeschnürten, einer 8 sehr ähnlichen Mikroben be¬ 
wiesen indess, dass dieser Parasit kein anderer, als der von Coze 
und Feltz, Davaine und Gaffky beschriebene der Kaninchen¬ 
septicämie sei. Diese wäre bei Kaninchen durch Impfung mit 

15* 


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218 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


den verschiedensten, in Zersetzung begriffenen Substanzen, zu 
denen doch wohl auch der Speichel einer Leiche gerechnet wer¬ 
den müsse, leicht zu erzeugen. Ja Sternberg sei es sogar ge¬ 
lungen, dieselbe durch seinen eigenen, bei vollkommener Gesund¬ 
heit secemirten und frisch verimpften Speichel hervorzurufen; 
immer habe er auch hier jene 8-förmigen Mikroben im Cadaver- 
blut vorgefunden. 

Ganz ebenso verhalte es sich mit den Bacillen des sogenann¬ 
ten Pferdetyphus. Ohne jede gründliche mikroskopische Unter¬ 
suchung der Cadavertheile habe Pasteur einfach mit dem Na¬ 
senschleim eines verendeten Pferdes geimpft, der ohne Zweifel, 
wie im vorigen Falle der Speichel, mit verschiedenen Bacterien- 
formen verunreinigt gewesen sein müsse. Wiederum seien zu 
den Impfungen nur Kaninchen verwendet worden, von denen 
kein Mensch wisse, ob und in welcher Weise sie am sogenannten 
typhösen Fieber des Pferdes erkranken könnten; aber jeder Ex¬ 
perimentator wisse, dass dieselben auf Impfung mit in Zersetzung 
befindlichen organischen Flüssigkeiten stets mit Septicämie ant¬ 
worteten. Koch zweifelt daher keinen Augenblick daran, dass 
auch diese Kaninchen wegen der charakteristischen Form der 
Mikroben „en huit“ und des binnen 24 Stunden letal verlaufen¬ 
den Impfresultates an der gewöhnlichen Kaninchensepticämie ge¬ 
storben seien. 

Nach solchen Erfahrungen bedauere er, die mikroskopischen 
Leistungen und die Impfmethode Pasteur’s nach wie vor für 
unvollkommen erklären zu müssen, um so mehr, als dieser durch 
die Art und Weise, wie der genannte Forscher seine Untersu¬ 
chungen publicire, die Kritik herausfordere. Wer von der wissen¬ 
schaftlichen Welt Glauben und Vertrauen beanspruche, der habe 
die Pflicht, die von ihm befolgten Methoden so zu veröffentlichen, 
dass Jeder in den Stand gesetzt werde, die Angaben zu prüfen. 
Dieser Verpflichtung sei Pasteur hinsichtlich der Methode zur 
Abschwächung des Virus bei der Hühnercholera erst auf ent¬ 
schiedenes Drängen Colin’s nachgekommen. Die Methode zur 
Abschwächung des Milzbrandvirus sei dagegen bis jetzt von ihm 
erst in einer Weise veröffentlicht, die jede Nachprüfung unmög¬ 
lich mache, während Toussaint und Chaveau dieselbe ohne 
jeden Rückhalt veröffentlicht hätten. 

Diesen allgemeinen Bemerkungen folgt die Erörterung der 
zwischen dem Verf. und Pasteur hinsichtlich der Milzbrand¬ 
ätiologie und Milzbrandimpfung vorhandenen Differenzen. 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


219 


Hinsichtlich der Milzbrandätiologie wahrt Koch zunächst 
seine Prioritätsrechte. Seine ersten Publicationen über Milzbrand¬ 
sporen und ihre ätiologische Bedeutung seien im Jahre 1876, die 
von Pastenr dagegen ein Jahr später erschienen. 

Er widerlegt dann weiter die bekannte Pastenr'sehe An¬ 
sicht, dass Vögel wegen der hohen Temperatur ihres Blutes im¬ 
mun gegen Milzbrand seien, aber durch permanente Abkühlung 
um einige Centigrade für denselben empfänglich gemacht werden 
könnten, z. B. Hühner, die man auf ein Brett genagelt in kaltes 
Wasser tauche. Koch bezweifelt zwar nicht das Thatsächliche 
dieser Experimente, deutet sie aber anders. Abgesehen davon, 
dass schon Den der’s Versuche direct gegen die von Pasteur 
angenommene Immunität der Hühner sprächen und er selbst ge¬ 
funden habe, dass bei Sperlingen, trotz deren hohen Bluttempe¬ 
ratur die Impfung sogar ausnahmslos hafte, stellten auch die 
erwähnten Pasteur'sehen Versuche so schwere Eingriffe in die 
Lebensbedingungen der Hühner dar, dass deren Lebensenergie 
geschwächt und hierdurch wohl eine grössere Empfänglichkeit 
für Milzbrand hervorgerufen werden könne. Auch bei der Prä¬ 
ventivimpfung der Schafe hätte man beobachten können, dass 
gewöhnlich die schwächlichen Thiere starben, ohne dass vorher 
eine Abkühlung stattgefunden hätte. 1 ) 

Hinsichtlich des Zustandekommens der natürli¬ 
chen Infection bleibt Koch aufsfeinem früheren Standpunkte 
stehen und begründet diesen durch weitere, hochinteressante 
Versuche. 

Pasteur vertritt bekanntlich die Ansicht, dass die in den 
verscharrten Milzbrandcadavern gebildeten Sporen durch Regen¬ 
würmer an die Erdoberfläche gebracht würden und mit dem 
Staube auf die Futterpflanzen gelangten. Wenn durch* deren 
Genuss eine Infection stattfinden solle, müssten diese stachelig 
sein und eine Verletzung in der Maulhöhle hervorrufen. Immer 
fänden sich als Beweis für diesen Infectionsweg bei den an spon¬ 
tanem Milzbrand gestorbenen Thieren die zunächst liegenden Un- 
terkieferdrttsen geschwollen. 

Nach Koch verhält sich die Sache durchaus anders. Ein- 


1) Koch befindet sich hier im directen Widerspruch mit Rosenberg 
(vergl. Med. Centralbl. 1882. S. 115), welcher die allerdings schwer erklärbare 
Beobachtung gemacht haben will, dass die Abschwächung der Thiere ihre 
Widerstandsfähigkeit gegen Impfungen, allerdings mit septischem Gifte, erhöhe. 

J. 


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220 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


mal können sich nach seinen Beobachtungen die Milzbrandbacillen 
auch unabhängig vom Thierkörper auf abgestorbenen Pflanzen¬ 
resten vermehren und Sporen bilden. Sie leben daher vermuth- 
lich in sumpfigen Gegenden an der Erdoberfläche. Dadurch werde 
es erklärlich, dass sehr häufig Thiere an Stellen inficirt werden 
könnten, wo niemals ein Milzbrandcadaver verscharrt worden sei. 
Schon hiermit wlirde die Thätigkeit der Regenwtlrmer bei der 
Verbreitung des Milzbrandes Überflüssig, deren Bedeutung Koch 
aber auch noch zwei weitere Gründe entgegenstellt. Zunächst 
die niedrige Bodentemperatur mancher Länder, in denen der 
Milzbrand erhebliche Verheerungen anrichte, z. B. in Sibirien. 
Weiter sprächen nach ihm dagegen die Resultate seiner eigenen 
Versuche *), welche er mit Regenwürmern in einem Erdkasten 
angestellt habe, dessen Inhalt zahlreiche Milzbrandsporen ent¬ 
halten hätte. 

Auch hinsichtlich des Infectionsmodus beim sponta¬ 
nen Milzbrand habe er auf Grund seiner Versuche eine durch¬ 
aus abweichende Ansicht. 

Mehrere Schafe, die mit weichem Heu gefüttert worden 
seien, hätten in einem Stück einer ausgehöhlten, vorsichtig in 
das Maul gesteckten Kartoffel (wodurch der von Pasteur an¬ 
genommene Infectionsweg vollständig ausgeschlossen gewesen sei) 
theils frische Milz eines an Milzbrand gestorbenen Meerschwein¬ 
chens — die nur Bacillen enthielt —, theils in Sporenbildung 
begriffene, auf gekochten Kartoffeln gezüchtete Milzbrandbacillen 
erhalten. Die erstere Abtheilung sei gesund geblieben, die Schafe 
der letzteren wären nach wenig Tagen sämmtlich am Milzbrand 
gefallen. 

Denselben tödtlichen Ausgang nahm der Versuch, wenn er 
mit über ein Jahr altem, trocken aufbewahrtem, sporenhaltigem 
Material wiederholt wurde. Da die natürliche Infection vom 
Darme aus gewöhnlich nur durch eine sehr geringe Zahl von 
Sporen zu Stande kommen werde, welche sich mit dem Staube 
auf den Futterpflanzen abgelagert hätten, so wurde der Versuch 
noch in folgender, diesen natürlichen Verhältnissen möglichst an¬ 
gepassten Weise modificirt. 

Zehn Schafe erhielten täglich ein Kartoffelstuck, in welches 
ein kaum 1 Gm. langes, ein Jahr vorher nur mit wenig Milz¬ 
brandsporen imprägnirtes und trocken anfbewahrt gewesenes 


1) Vergl. Mittheilungen des Reichsgesundheitsamtes pro 1881. 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


221 


Seidenfädchen eingeklemmt war. Zwei gleich gehaltene und 
gefütterte Gontrolschafe erhielten keine solchen. Am 5., 6., 11. 
und 19. Tage der Fütterung (länger wurde diese nicht fortgesetzt) 
starb je eins, also 4 Schafe; beide Controlthiere blieben gesund. 

Aus diesem Versuche folgert Koch, dass die natürliche In- 
fection durch mit dem Futter aufgenommene Milzbrandsporen 
vom Darme aus erfolge. Die Milzbrandbacillen gingen höchst¬ 
wahrscheinlich in dem saueren Mageninhalt zu Grunde, während 
die Sporen unbeschädigt in den Darm gelangten und in dessen 
alkalischem Inhalte zu Bacillen auswüchsen, welche dann in die 
Schleimhaut des Darmes — nach den mikroskopischen Unter¬ 
suchungen wahrscheinlich durch die Lymphfollikel und Peyer¬ 
sehen Drüsen — einzudringen vermöchten. 

Die Thatsache, dass mit dem ein Jahr lang trocken auf be¬ 
wahrten Kothe von mit Milzbrandsporen gefütterten Schafen noch 
erfolgreiche Impfungen vorgenommen worden seien, beweise aber 
auch zugleich, dass nicht alle gefütterten Sporen im Darme aus¬ 
wüchsen, sondern dass ein grosser Theil derselben unverändert 
den Darm passire. 

Ganz entgegen den Pasteur’schen Angaben habe aber auch 
weiter die Section der an spontanem und an Impfmilzbrand ge¬ 
fallenen Schafe dargethan, dass sich die Anschwellung der Lymph- 
drttsen weniger nach der Infectionsstelle, als nach den subcutanen 
Sugillationen richtete, welche bei milzbrandkranken Schafen nie 
fehlten. Da diese aber ihren Sitz am häufigsten in dem lockeren 
Zellgewebe des Halses hätten, so seien auch, gleichviel, ob der 
Milzbrand durch Fütterung, oder durch Impfung am Hinterschen¬ 
kel entstanden wäre, immer die am Brusteingange liegenden 
Di'üsen am häufigsten, demnächst die Achsel- und Kieferdrüsen 
am meisten geschwollen. 

Bezüglich der Abschwächung des Milzbrandvirus und der da¬ 
mit zu erzielenden Immunität erkennt Koch zwar an, dass es 
Pasteur gelungen sei, die Milzbrandbacillen in ihrer Wirkung, 
so zu mildern, dass die einer zweimaligen Schutzimpfung mit 
einem stark abgeschwächten premier vaccin und einem weniger 
abgeschwächten deuxieme vaccin unterworfenen Schafe nicht nur 
diese, sondern auch die spätere Infection mit dem stärksten Milz¬ 
brandgift Uberstanden hätten. Er deckt aber auch zugleich die 
Schwächen dieser Präventivimpfung bis zu einem Grade auf, 
der wohl geeignet sein dürfte, die an dieselbe geknüpften, hoch¬ 
gespannten Erwartungen etwas herabzustimmen. 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


Zunächst constatirt Koch auf Grund der von Löffler im 
Laboratorium des Reichsgesundheitsamtes ausgeftlhrten Versuche, 
dass es in der That eine Reihe von Bacterienkrankheiten gäbe, 
deren einmaliges Ueberstehen das befallene Individuum für die 
Zukunft immun gegen dieselbe Krankheit mache. Umgekehrt 
gäbe es aber auch nicht wenige Bacterienkrankheiten, bei denen 
dies nicht der Fall sei. Löffler habe bei dieser Gelegenheit 
zugleich auf einige beim Menschen vorkommende, erwiesener- 
maassen durch Bacterien bedingte Infectionskrankheiten (Erysi- 
pelas, Gonorrhoe, Recurrens) hingewiesen, welche denselben wie¬ 
derholt befallen könnten. Dies sei ferner bei der Tuherculose der 
Fall und scheine auch bei Lepra zuzutreffen. 

Schon aus diesen Thatsachen gehe hervor, dass Pasteur’s 
Bestreben, aus seinen bei Bühnercholera und Milzbrand ge¬ 
wonnenen Erfahrungen ein allgemeines, bei allen Infectionskrank¬ 
heiten gültiges Gesetz zu formuliren, als mit den Erfahrungen 
der medicinischen Wissenschaft nicht im Einklänge stehend, zu- 
rückzuweisen sei. Es müsse das um so mehr geschehen, als auf 
Grund seiner Versuche und der anderer Experimentatoren das 
Pasteur’sche Immunitätsgesetz nicht einmal für den Milzbrand 
im vollen Umfange aufrecht erhalten werden könne. 

Hinsichtlich des Milzbrandes beim Menschen sei namentlich 
auf die Beobachtungen von J. de Jarnowsky hinzuweisen, 
der unter 50 von ihm behandelten Milzbrandkranken 2 erwähne, 
von denen der eine im Laufe von 2 Jahren zweimal, der andere 
innerhalb 3 Jahren dreimal am Milzbrand erkrankt sei. Ferner 
habe Löffler schon gefunden, dass Mäusen, Ratten, Meerschwein¬ 
chen und Kaninchen keine Immunität gegen Milzbrand zu ertheilen 
sei. Zu denselben Resultaten sei Gotti, Guillebeau, Klein 
und er selbst bei den Versuchen mit echtem, von Pasteur direct 
bezogenem Vaccin gekommen. Sämmtliche hiermit präventiv ge¬ 
impfte Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse seien der nach¬ 
träglichen Impfung mit Milzbrandblut erlegen. Auch seien in der 
Sitzung der Soci6t6 de med. v6t. vom 8. Juni 1882 viele bei der 
Pferdeimpfung eingetretene Misserfolge zur Sprache gekommen. 

Eine ausgesprochene, durch Präventivimpfung erzielte Immu¬ 
nität sei bisher nur bei Schafen und Rindern zu erlangen ge¬ 
wesen. Diese praktisch schon im weiten Umfange stattgefundene 
Präventivimpfung solle nach Pasteur’s Angabe gefahrlos sein 
und sicheren und lang andauernden Schutz gewähren. Da nun 
die ganze Immunitätsfrage augenblicklich in diesem Punkte gipfle, 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


223 


so hat sich Koch, unterstützt von Löffler und Gaffky, durch 
im Keicbsgesundheitsaint angestellte Versuche selbst von der 
Richtigkeit desselben zu überzeugen versucht, auch alle übrigen 
bisher nach dieser Richtung hin vorliegenden Resultate einer 
kritischen Prüfung unterworfen. 

Bei den mangelhaften Angaben, welche Pasteur über die 
Herstellung des Vaccins, namentlich des deuxifeme vaccin 
gemacht, hat Koch zu folgendem Verfahren gegriffen. • 

In einem Thermostat (Brütofen), der wochenlang ohne die 
geringsten Schwankungen eine gleichmässige Temperatur be¬ 
wahrte, wurden bei einer Temperatur von + 42,5° C. (Pasteur 
gibt + 42 bis 43° C. an) in kleinen, circa 20° enthaltenden Kölb¬ 
chen in neutralisirter Hühnerbrühe die Milzbrandbacterien unter 
Beobachtung aller Cautelen cultivirt. Alle 2 Tage wurden ferner 
mit dem Inhalt eines Kölbchens Mäuse, erwachsene Meerschwein¬ 
chen oder starke Kaninchen geimpft. Im Anfänge starben alle 
Impflinge. Nach mehreren Tagen begann aber zunächst die 
Impfung bei Karfinchen unsicher zu wirken, noch später auch 
bei Meerschweinchen und schliesslich konnten auch Mäuse ohne 
alle Gefahr geimpft werden. Die Zeit, in welcher die Abmin¬ 
derung der Infectiosität ein trat, war aber keine ganz gleichmäs¬ 
sige. Sie differirte nicht nur bei verschiedenen Gläsern desselben 
Versuches, sondern war vor Allem von der Versuchstemperatur 
abhängig. Je näher letztere an 43° kam, um so schneller trat 
erstere ein und war eventuell in 6 Tagen beendet, beanspruchte 
bei 42 0 aber selbst eine Dauer bis zu 30 Tagen. Längeres Auf¬ 
bewahren des Vaccins bei Zimmertemperatur zerstörte sogar die 
Virulenz desselben nach und nach vollständig, ohne dass aber 
hierdurch die morphologischen Eigenschaften der Milzbrandba¬ 
cillen abgeändert wurden. 

Nach Koch’s Erfahrungen soll nun diejenige Cultur, welche 
Mäuse tödte, aber für Meerschweinchen und Kaninchen unschäd¬ 
lich sei, den besten Stoff für die erste Impfung, diejenige aber, 
welche Meerschweinchen sicher, grosse Kaninchen aber nicht mehr 
mit Sicherheit tödte, den besten Stoff zur zweiten Impfung geben. 

Pasteur scheine diese Kennzeichen der Abschwächung nicht 
zu kennen, da sonst nicht so bedeutende Schwankungen in der 
Wirkung seines Vaccins Vorkommen dürften, wie sie thatsächlich 
vorkämen. So hätte man beispielsweise in Ungarn laut eines 
Berichtes der Wiener landwirthschaftlichen Zeitung 22 Schafe 
sofort mit deuxi&ne vaccin geimpft, ohne dass sie, wie dies nach 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


Pasteur’s Angaben hätte der Fall sein müssen, erkrankt wären. 
Manche Misserfolge des Pasteur’schen Vaccins, die namentlich 
bei Pferden beobachtet worden wären, dürften auch auf die Ver¬ 
unreinigung des ersteren durch fremde Bacterienformen, unter 
denen sich wohl auch septisch wirkende eingeschlichen haben 
möchten, zurückzuftihren sein. 

Theils mit selbst dargestelltem, theils mit direct von Pasteur 
bezogenem Impfstoff sind nun von Koch genau nach Pasteur’s 
Vorschrift verschiedene Versuche anSchafen angestellt wor¬ 
den. Diese sollen die Impfung mit premter vaccin fast ohne 
jede Reaction ertragen haben, an der mit deuxtäme vaccin hin¬ 
gegen eine Anzahl von Thieren gestorben sein, deren Procentsatz 
den Verlusten in Kapuvar und Packisch entsprochen habe. 
In ersterem Orte seien von 50 Schafen 5, in letzterem von 25 
3 nach der zweiten Impfung am Milzbrand gestorben. Aehnliche 
Resultate hätten auch die zahlreichen anderen Orts ausgeführten 
Impfungen ergeben, so dass die Application des deuxi&me vaccin 
im Durchschnitt 10 —15 Proc. Verlust ergäbe. Der Versuch 
Pasteur’s, diese ungewöhnlich hohen Verluste auf Rechnung 
einer grösseren Empfänglichkeit der hiesigen Schafe zu setzen, 
werde dadurch widerlegt, dass auch aus Frankreich neuerdings 
von Mathieu (Soci6t6 centr. de m6d. v6terin. am 13. Juli) Impf¬ 
versuche mit grossen Verlusten berichtet worden seien. 

Höchst beachtenswerth sind die nun folgenden Mittheilungen 
Koch’s über die Resultate der von ihm und Anderen vorgenom¬ 
menen Controlimpfungen. 

Von sechs durch Koch mit Pasteur’chem Vaccin vor- 
schriftsmässig präventiv geimpften Schafen sei bei der Control¬ 
impfung mit ungeschwächtem Milzbrandgift eins, von zwei mit 
selbstbereitetem Vaccin geimpften keins an Milzbrand gestorben. 
Bei der Controlimpfung in Packisch sei von 22 keins, in Kapuvar 
von 24 Thieren nur eins milzbrandig geworden. 

Koch erklärt das ungünstigere Resultat seiner eigenen Ver¬ 
suche dadurch, dass er zur Controlimpfung Milzbrandblut aus 
dortiger Gegend verwendet habe, während die Controlimpfungen 
in Packisch und Kapuvar mit einem von Pasteur aus Paris 
geschickten Milzbrandstoflf bewirkt worden wären, der weniger 
virulent gewesen zu sein scheine. 

Diese Vermuthung werde einerseits bestätigt durch die zahl¬ 
reichen, nicht einwurfsfreien Controlimpfungen, welche in Frank¬ 
reich vorgenommen wurden, andererseits durch die gleichen 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


225 


Misserfolge, wenn man, wie er, zur Controlimpfung direct Milz¬ 
brandblut verwendet habe. 

So seien von Saake auf der Domaine Salzdahlum 82 Schafe 
mit Pasteur’schem Vaccin genau nach Vorschrift geimpft wor¬ 
den, drei davon seien sogar, was für eine besondere Stärke des¬ 
selben spräche, der zweiten Impfung erlegen. Trotz alledem 
seien von 10 präventiv geimpften Schafen bei der Controlimpfung 
mit Milzbrandblut 2 an Milzbrand gestorben. — Bassi in Turin 
habe bei 6 präventiv geimpften Schafen die Controlimpfung mit 
von Pasteur hierzu gesendetem virulenten Stoff vorgenommen; 
davon sei keins gestorben. Von 6 anderen in gleicher Weise 
präventiv geimpften Schafen seien aber 2 gestorben, als.man sie 
mit frischem Milzbrandblut geimpft habe. 

Koch folgert nun mit Recht, dass, wenn schon die mit einem 
kräftigen deuxi&ne vaccin geimpften Schafe der Impfung mit 
unabgeschwächtem Virus in verhältnissmässig nicht geringer Zahl 
dem Milzbrand erlägen, die Verimpfung eines schwächeren deu- 
xteme vaccin, welches bei der zweiten Impfung noch weniger 
Schafe tödte, auch einen noch weit geringeren Schutz gegen die 
Infection mit unabgeschwächtem Milzbrandvirus verleihen werde. 

Thatsächlich sei nun aber von Pasteur, um die Verluste 
bei der zweiten Impfung möglichst zu beschränken, ein sehr 
schwaches deuxifeme vaccin abgegeben worden. Hierdurch er¬ 
klärten sich auch die vielen Tausende von gelungenen, nicht durch 
einwurfsfreie Controlimpfungen geprüften Präventivimpfungen in 
Frankreich, welche nach Pasteur mit nur 3 pro mille Verlust 
angeführt worden seien. Der für den zweiten Versuch in Packisch 
verwendete Impfstoff wäre von Pasteur ausdrücklich für weni¬ 
ger wirksam erklärt, und sei bei der zweiten Impfung von 251 
Schafen daher auch nur eins an Milzbrand verloren worden. 

Ja Pasteur selbst habe auch, als man ihn in der Sitzung 
der Societ. centr. de med. vet. vom 8. Juni 1882 wegen einer 
Anzahl solcher Misserfolge interpellirt habe, zugegeben, dass 
nicht nur diese, sondern noch viele andere bekannt 
geworden wären. Der Grund liege darin, dass die im Laufe 
des Winters bis Ende März von ihm gelieferten Vaccins (hierher 
gehört also auch das erwähnte zweite, für Packisch gelieferte) 
zu schwach gewesen seien. Koch betont nun aber weiter, 
dass diese Erklärung für die verschiedenen Misserfolge durchaus 
nicht als zutreffend gelten könne, da der nach Ende März 1882 
von Pasteur gelieferte Impfstoff noch unzuverlässiger gewirkt 


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226 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


habe. Einestheils sprächen hierfür schon die erwähnten nach 
dieser Zeit von Bassi und Saake gemachten Erfahrungen. 
Ferner sei auch die Ende April in Beauchery bei 296 Läm¬ 
mern mit nur einem Stück Verlust ausgeftihrte zweite Impfung 
offenbar mit viel zu schwachem deuxi&ne vaccin ausgeführt wor¬ 
den, denn vom 22.—24. Juni seien noch 4 der Impflinge, von 
80 nicht geimpften Contolthieren keins am spontanen Milzbrand 
gefallen. 

Anderentheils aber habe man am 18. April 1882 in Montpathier 
220 Hammel mit premier vaccin geimpft und hierauf 9 Thiere, 
und nach einer am 29. April wiederholten Impfung mit dem¬ 
selben nochmals 7 Hammel an Milzbrand verloren. Der am 
17. Mai mit deuxi&me vaccin ausgeführten Impfung sei ein Ham¬ 
mel erlegen, trotz der dreifachen Impfung seien aber vom 11. 
bis 13. Juni noch 6 Hammel am spontanen Milzbrand verendet. 
Ja als man am 17. Juni dieses Misserfolges halber die zweite 
Impfung wiederholt habe, seien nochmals 5 Hammel am Milz¬ 
brand gestorben. — Aehnlich in Pakisch, wo der Impfverlust 
in der ersten Versuchsreihe 12 Proc. betragen habe, in der zweiten, 
mit dem von Pasteur selbst als schwächer bezeichneten Vaccin 
ausgeftthrten gleich Null war. 

Alle diese Resultate hätten nun wohl Pasteur selbst die 
Ueberzeugung aufgedrängt, dass ein kräftiger, möglichsten Schutz 
verleihender Impfstoff sehr viele Impfverluste veranlasse, ein mil¬ 
der wirkender hingegen nicht genügenden Schutz verleihe. Um 
auch aus dieser Verlegenheit zu kommen und die Abgabe eines 
milderen deuxfeme vaccin zu rechtfertigen, habe er bei der oben 
genannten Gelegenheit zugleich erklärt, dass es gar nicht nöthig 
wäre, die Schafe mit einem so kräftigen und grosse Verluste be¬ 
dingenden Vaccin zu behandeln. Denn der Impfmilzbrand, d. h. 
die künstliche Infection, sei viel gefährlicher, als die natürliche 
Infection, gegen welche schon die Einimpfung eines schwächeren 
Vaccins genüge. 

Auch diese durchaus willkürliche Behauptung konnte Koch 
widerlegen. Von 8 durch ihn präventiv geimpften Versuchsschäfen 
sei eines in Folge der Controlimpfung mit spontanem Milzbrand 
gestorben. Trotzdem man nun hätte erwarten sollen', dass die 
überlebenden 7 präventiv und einmal mit spontanem Milzbrand 
geimpften Thiere nunmehr das Maximum der Immunität hätten 
erreicht haben, sollen, seien jedoch noch 2 der dreimal geimpften 
und ein nicht geimpftes Schaf, als er demselben auf Kartoffeln 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


227 


gezüchtete Milzbrandsporen mit letzteren verabreichte, sie also 
einer quasi natürlichen Infection aussetzte, an Milzbrand gestorben. 

Auf Grund dieses Versuches zweifelt Koch nicht daran, 
dass durch Fütterung von Milzbrandsporen die nach Pasteur’s 
Verfahren nur zweimal präventiv geimpften Schafe sämmtlich 
oder doch zum grössten Theil mit Milzbrand zu inficiren und zu 
tödten sein würden. Ein sicherer Schutz gegen die spontane 
Infection mit Milzbrand würde einen Impfverlust von 20 Proc. 
erfordern. 

Uebrigens gelange man zu demselben Schluss, wenn man 
seine Versuche mit den von Pasteur’s eigenem Assistenten in 
Kapuvar und Packisch vorgenommenen vergleiche. Auch hier¬ 
bei ergebe sich, dass zwar die präventiv geimpften Schafe gegen 
den von Pasteur zur Controlimpfung aus Paris geschickten 
virulenten Stoff, nicht aber gegen die natürliche Infection auf 
Milzbrandweiden immun geworden seien, wohin man sie mit nicht 
geimpften Thieren gebracht habe. Trotzdem die Infection hierbei 
vielfach vom Zufall abhänge und eigentlich nur Fütterungsver¬ 
suche die erlangte Immunität zu beweisen geeignet sein würden, 
hätte das Resultat, wie nachstehende Tabelle lehrt, doch ent¬ 
schieden gegen die Pasteur’sche Theorie gesprochen. 



Der natürlichen In- 

Es starben an Milzbrand | 

bß 

0 


Ort 

fection auf der Weide 
waren gleichzeitig 
ausgesetzt an Schafen 

Geimpfte 

Nicht¬ 

geimpfte 

0 
S £ 

i-h a 
-1 0 

Bemerkungen 

Milz- 

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0 

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03 M 

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Milz- 

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Cd r- 

0 .s 


Geimpfte 

Nicht¬ 

geimpfte 

in 

0 

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0 cd 
cd 

fl W 
c3 

u 

0 

cd 

0 es 
cd u 

0« 

0 

*03 

tsj 


Kapuvar . . . 

254 

220 

2 = 
0,8 ®/o 

3 

4 = 
1,8 °/o 

1 

10 


Packisch . . . 

268 

231 

4 = 

1,6 °/o 

2 

8 - 
3,4 °/o 

— 

2—3 


Beauchery . . 

296 

80 

4 = 
1,3 °/o 

— 

- . 

— 

3 


Montpathier . 

203 

— 

6 = 
2,9% 

— 

— 

— 

! 1 

Nach 3 malig. 
Impfung. 


Ausserdem sei in Packisch auch von 83 präventiv geimpften 

Rindern 1 Stück am spontanen Milzbrand gefallen. 

Wenn Pasteur, wie aus seinen eigenen Aussagen zu 
schliessen sei, auch noch mehr solcher Misserfolge bekannt sein 
würden, so seien die obigen doch die einzigen, die bis jetzt zur 


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228 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


öffentlichen Kenntniss gekommen, oder wenigstens in wissen¬ 
schaftlich verwerthbarer Weise publicirt worden seien. Auffällig 
und mit den von ihm an die Spitze seines Genfer Vortrages ge¬ 
stellten Worten („Nous avons tous une passion supörieure, la 
passion de v6rit6“) nicht vereinbar sei jedenfalls die von Pasteur 
befolgte Taktik, diese Misserfolge in demselben vollständig todt- 
geschwiegen zu haben; sie müsse von der Wissenschaft mit Ent¬ 
schiedenheit zurückgewiesen werden. 

Sein Gesammturtheil über den Werth der Pasteur¬ 
schen Präventivimpfung gibt Koch in folgender Weise ab. 

D \e Milzbrandbacillen können zwar durch eine eigentüm¬ 
liche Behandlung abgeschwächt und als Impfstoff gegen virulen¬ 
tere Stoffe, als sie in diesem Zustande selbst sind, verwertet 
werden. Die Immunität ist aber nicht bei allen Thieren zu er¬ 
reichen, sondern das Pasteur’sche Verfahren anscheinend nur 
bei Schafen und Rindern anzuwenden. Eine zur vollständigen 
Immunität gegen die natürliche Infection führende Präventivim¬ 
pfung bedingt aber bedeutende Verluste; je geringer dieselben 
sind, um so geringer ist auch der damit erzielte Schutz. Da nun 
ausserdem Pasteur selbst annimmt, dass der Impfschutz nur 
für die Dauer von circa 1 Jahr genüge, so würden die Verluste 
durch die Impfung grösser sein als die, welche der spontane 
Milzbrand selbst in den intensivsten Milzbranddistricten hervor¬ 
zurufen pflege. Ausserdem ist noch wohl zu beachten, dass nicht 
nur das deuxteme vaccin, welches Schafe tödte, auch für den 
Menschen nicht ganz ungefährlich sein kann, sondern dass auch 
die der Impfung zum Opfer fallenden Schafe die Möglichkeit einer 
Infection für Menschen und Thiere vervielfältigt. Die Milzbrand¬ 
präventivimpfung Pasteur’s ist mit der Schutzimpfung der Schat- 
pocken in Parallele zu stellen, die man trotz ihrer notorischen 
Schutzkraft verboten habe, weil gerade durch sie die Schafpocken 
unterhalten und verbreitet werden. 

„Die Pasteur’scbe Präventivimpfung ist demnach wegen 
des unzulänglichen Schutzes, welchen sie gegen die natürliche 
Infection gewährt, wegen der kurzen Dauer ihrer schützenden 
Wirkung und wegen der Gefahren, welche sie für Menschen und 
nicht geimpfte Thiere bedingt, als praktisch verwerthbar nicht 
zu bezeichnen.“ 

Trotz dieses ablehnenden Urtheils constatirt Koch 1 ) doch 

1) Ganz so ungünstig wie Koch die Gesammtresultate der Milzbrand¬ 
impfung schildert, scheinen dieselben indess nach neueren Berichten doch 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


229 


weiter, dass aus dem Paste urschen Impfverfahren die für die 
Wissenschaft sehr wichtige Thatsache resultire, dass die Milz¬ 
brandbacillen abgeschwächt und als Impfstoff benützt werden 
können. Dieser Erfolg sei allerdings schon vor Pasteur von 
Toussaint durch Erwärmen von Milzbrandblut auf 55° C. und 
Zusatz von 1 Proc. Carbolsäure zu erreichen gestrebt worden. 
Zwischen beiden Verfahren existire aber der wichtige Unter¬ 
schied, dass letzterer die Abschwächung des Virus durch Entfer¬ 
nung oder Tödtung der Bacillen, Pasteur hingegen nur eine 
Abschwächung derselben und eine Uebertragung ihrer vermin¬ 
derten Virulenz auf die Nachkommen zu erreichen gesucht habe. 

Hierdurch hätte Pasteur zuerst den exacten und voltständig 
einwurfsfreien Nachweis geliefert , dass eine pathogene Bacterien - 
art unter ganz bestimmten Bedingungen ihre pathogenen Eigen - 

nicht zu sein. Namentlich läuten die letzten Mittheilungen, welche Prof. 
Azary in Budapest über die in Ungarn vorgenommenen Impfungen gibt 
(vergl. diese Zeitschrift VIII. Bd. S. 277) etwas günstiger. 

In Ozara sind beispielsweise vom 11. December 1881 bis 1. April 1882 
10000 Stück Schafe geimpft worden. Hiervon gingen 3 Wochen nach der 
zweiten Impfung nur 3 Stück an Milzbrand ein. Bis Ende August 1882 sollen 
weitere Verluste weder an den Folgen der Impfung noch am spontanen Milz¬ 
brand vorgekommen sein. In früheren Jahren hingegen machte der Verlust 
✓um diese Zeit 500—600 Stück aus. 

In Kapuvar hingegen betrug die Differenz zwischen den Verlusten an 
spontanem Milzbrand vom 21. Juni bis 1. August 1882 bei den Geimpften 
1,6 Proc., bei den Ungeimpften 0,95 Proc., was entschieden zu Ungunsten der 
Impfung spricht. 

Mit dem Koch’schen Resumd stimmen weiter nicht ganz die Procent¬ 
sätze überein, welche sich nach einem von Prof. Siedamgrotzky am 
27. Januar d. J. in der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden 
gehaltenen Vortrag aus den bisher ausserhalb Frankreich vorgenommenen 
Impfversuchen herausrechnen lassen sollen. Nach Siedamgrotzky stellt 
sich das Gesammtresultat, wie folgt. 

I. In 20 Versuchen wurden primitiv geimpft: 

Mit premier vaccin . . 2543 Schafe, wovon 16 starben = 0,6 Proc. Verlust 

* deuxieme vaccin . 2527 * - 61 * = 2,4 * _ - 

Summa: 3 Proc. Impfverl. 

II. Der Controlimpfung wurden unterworfen: 

1. Mit Pasteur’s virus, le plus virulent vaccin, in 8 Versuchen 

a) 136 geimpfte Schafe, wovon 7 starben = 5 Proc. Verlust 

b) 125 nichtgeimpfte ** -115 * =92- * 

2. Mit Müzbrandblut in 11 Versuchen 

a) 61 geimpfte Schafe, wovon 19 starben = 31 Proc. Verlust 

b) 17nichtgeimpfte * * 17 starben = 100 = = 


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230 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


schäften verlieren kann, ohne dass sie eine morphologische Ver¬ 
änderung erfahret) 

Was endlich die von Pasteur gegebene wissenschaftliche 
Erklärung seines Abschwächungsverfahrens und die hierbei dem 
Luftsauerstoff zugeschriebene Hauptrolle anbelangt, so ist Koch 
abweichender Ansicht. Er glaubt, dass hierbei mehr die höhere 
Temperatur und ausserdem eigenthümliche, beim Stoffwechsel 
der Bacterien entstehende Producte in Frage kämen. 

Für die abschwächende Wirkung der höheren Temperaturen 
auf Milzbrandbacillen spreche einmal die schon oben erwähnte 
Beobachtung, dass die Abschwächung sich um so rascher voll¬ 
ziehe, je höher die Temperatur steige, Beobachtungen, wie sie 
beim Milzbrand auch von Toussaint und Chauveau gemacht 
worden wären. Eine gleiche Schlussfolgerung gestatteten auch 
die Versuche von Arloing, Thomas und Carvenin mit den 
Sporen der Rauschbrandbacillen, ferner ’die von Feltz mit denen 
vom Bacillus butyricus, wobei die Einwirkung des Sauerstoffes 
vollständig ausgeschlossen werden müsse. 

Hinsichtlich der Producte des Bacterienstoffwechsels habe 
Toussaint schon die abschwächende Wirkung eines desselben, 
des Phenols, praktisch nachgewiesen. 1 2 ) Ebenso wie dieses wür¬ 
den aber auch noch andere beim Wachsthum und der Vermehrung 
der Bacterien entstehende Stoffe schwächend und das Wachsthum 
derselben hindernd auf die Bacterien einwirken. Je langsamer 
bei geringen Temperaturgraden die Abschwächung der Milzbrand¬ 
bacillen vor sich gehe, um so mehr müsste sich daneben die ab¬ 
schwächende Wirkung ihrer Stoffwechselproducte geltend machen. 

Der von Pasteur für seine Abschwächungstheorie ange¬ 
führte Umstand, dass Milzbrandbacillen bei Sauerstoffabschluss 
auf 42—43° erwärmt, ihre Virulenz behielten, erklärt sich nach 
Koch dadurch, dass bei Sauerstoffentziehung kein Wachsthum 
der Milzbrandbacillen, also auch keine Bildung jener abschwä¬ 
chenden Stoffwechselproducte erfolge. 

Ganz schlagend sei aber die abschwächende Wirkung des 
Sauerstoffes durch folgende Beobachtung widerlegt. Werde ein 
Vaccin in nicht zu langen Zwischenräumen fortgesetzt in eine 

1) Dieser Nachweis wurde übrigens schon vor Pasteur und Toussaint 

durch Nägeli und Büchner geliefert. L. Franck. 

2) Die abschwächende, resp. sogar bacterientödtende Wirkung der aro¬ 
matischen Fäulnissproducte (Scatol, Rydrozimmetäure, Indol, Kreosol, Phenil- 
essigsäure, Phenol) ist wohl zuerst von Wernich (Virch. Arch. 78. Bd.) 
nachgewiesen worden. 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


231 


neue Nährflüssigkeit übertragen, so behalte er die ihm eigen¬ 
tümliche Virulenz bei. Belasse man ihn aber in derselben, so 
sinke die Virulenz mehr und mehr, vorausgesetzt, dass es nicht 
zur Sporenbildung gekommen sei. Dieser verschiedene Effect 
werde erzielt, trotzdem in beiden Versuchen der Sauerstoff unge¬ 
störten Zutritt habe. Hier könne die Abschwächung des Vaccins 
absolut nicht auf diesen, sondern nur auf die in der nicht erneuten 
Nährflüssigkeit sich anhäufenden Stoffwechselproducte geschoben 
werden, mit welchen die Bacillen fortwährend contact bleiben. 

Zum Schluss hält es Koch noch unter Hinweis auf eine 
schon früher in den Mittheilungen des k. Gesundheitsamtes (S. 74) 
enthaltene, nicht misszuverstehende Bemerkung für nöthig, zu 
erklären, dass er durchaus nicht, wie vielfach irrthtimlich ange¬ 
nommen, ein principieller Gegner der Umzüchtung pathogener 
Organismen sei, dass er aber bei der ausserordentlichen Trag¬ 
weite einer solchen Thatsache exacte Beweise für dieselbe ver¬ 
lange. Für die Umzüchtung der Milzbrandbacillen halte er die¬ 
selben jetzt für erbracht. Von einem allgemeinen Gesetz der 
Abschwächung pathogener Mikroorganismen könne man aber nicht 
eher sprechen, bis es gelungen sei, eine grössere Zahl derselben 
umzuzüchten. Es sei allerdings zu wünschen, dass sich die auf 
diesem Gebiet arbeitenden Forscher in Zukunft einer grösseren 
Objectivität befleissigen und mit mehr Selbstkritik zu Werke 
gehen möchten. 

Auch sei es, und diesem Wunsche darf man sich vollbe¬ 
rechtigt anschliessen, nach den bisherigen Erfahrungen dringend 
zu widerrathen, die wissenschaftlichen Ergebnisse zu voreilig in 
die Praxis zu übertragen. Die von Pasteur gegen Htihner- 
cholera und Milzbrand empfohlene Präventivimpfung habe we¬ 
nigstens vorläufig praktisch verwerthbare Resultate nicht aufzu¬ 
weisen. Wenn Pasteur auf dem Genfer Congress als zweiter 
Jenner gefeiert worden wäre, so sei dies wohl offenbar verfrüht 
geschehen. 

Koch endet seine neueste, trotz ihrer polemischen Form 
wieder so vieles hochwichtige Neue enthaltende Arbeit mit der 
Behauptung, dass die Präventivimpfung mit abgeschwächten In- 
fectionsstoffen in Wahrheit erst dann Triumphe feiern könne, 
wenn die Abschwächung der den Menschen unmittelbar angehen¬ 
den Bacterien, so weit sie jetzt sicher als Ursache ansteckender 
Krankheiten bekannt seien (Tuberculose, Lepra, Abdominaltyphus, 
Erysipelas, Recurrens) und ihre Verwandlung in schützende Impf- 

Deutsche Zeitschrift f.Thiermed.n. vergl. Pathologie. IX. Bd. 16 


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232 


v 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 

stoflfe gelungen sein werde. Wir können dieser Behauptung nur 
im Allgemeinen zustimmen. Vom thierärztlichen und national¬ 
ökonomischen Standpunkte dürften für uns die grössten Triumphe 
der Präventivimpfung in der wirksamen Bekämpfung der furcht¬ 
barsten Geissei unserer Viehzucht, der Rinderpest, bedingungs¬ 
weise auch der Lungenseuche, liegen. 1 ) Johne. 


2 . 

Mittkeilungen aus der pharmakologischen Abtheilung 
des Dorpater Veterinärinstituts . 

Von 

Prof. E. Semmer. 

Experimenteller Beitrag zur Lehre über einige Conta- 
gien. Von Gustav Grünwald. 2 ) 

Von G. Grtinwald wurde im Dorpater Veterinärinstitut die 
Wirkung einer Reihe antiseptischer Mittel auf das Contagium der 
Schafpocken und der contagiösen Pyämie der Kaninchen geprüft 
Beide Krankheiten werden durch niedere Organismen aus der 
Gruppe der Mikrococcen Verursacht. 

Chauveau 3 ) hatte nachgewiesen, dass die obersten Schich¬ 
ten mit Wasser vermengter Pockenlymphe unwirksam sind, wäh¬ 
rend die zu Boden gesunkenen festen Partikelchen stets Pocken 
erzeugten; Keber 4 ) constatirte in der Pockenlymphe die Gegen¬ 
wart kleiner Moleküle, die er für Träger des Contagiums hält. 

Coze und Felz 5 ) constatirten in dem Pockeneiter und im 
Blute Pockenkranker Mikrococcen. 

1) In Nr. 5, I. Bd. S. 34 der „Fortschritte d. Med.“ findet sich übrigens 
die Mittheilung, dass Pasteur in der Revue scientifique einen Artikel als 
Antwort auf die oben referirte Arbeit von Koch veröffentlicht habe. Ohne 
neue Gesichtspunkte in derselben zu Felde zu führen, betone er besonders 
die Verdienste, welche er sich seit Decennien um die Lehre der Mikroorga¬ 
nismen erworben habe. Die Redaction der „Fortschritte“ bemerkt hierzu, 
dass Pasteur, welcher seine genialen, bahnbrechenden Arbeiten lange Jahre 
gegen die heftigsten Angriffe der bedeutendsten Chemiker Frankreichs und 
Deutschlands vertheidigen musste, diesen Hinweis nicht nöthig gehabt hätte. 

J. 

2) Inauguraldissertation. Dorpat 1882. 

3) Nature de virus vaccin. Comptes rend. de l’Acad. des Sciences. 1868. 

4) Ueber die mikroskopischen Bestandtheüe der Pockenlymphe. Vir- 
chow’s Archiv. 42. Bd. 1868. 

5) Recherches experimentales sur la presence des infusoires et l’etat 
du sang dans les maladies infectieuses. Gazette med. de Strassbourg. 1866. 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


233 


Ebenso stellten Hallier nnd Zürn 1 ) das constante Vor¬ 
kommen Ton Mikrococcen in der Lymphe der Schafpocken fest. 
Hallier leitet dieselben von der auf Lolium perenm wuchern¬ 
den Pleospora herbarum ab. 

Klebs 2 ) fand in den Pockenpusteln kleine glänzende Körn¬ 
chen, oft reihenweise zu mehreren vereinigt, und erklärte die¬ 
selben ihr pflanzliche Gebilde und Träger des Contaginms. 

Auch Luginbtthl 3 ) und Erismann 4 ) halten die Mikro¬ 
coccen der Variola für Träger und Verbreiter des Contagiums. 

Nach Weigert 5 ) unterscheiden sich die in den Pocken¬ 
pusteln vorhandenen Mikrococcen durch ihre gleichmässige Form 
und Färbung durch Hämatoxilin von Detritusmassen. Weigert 
fand Mikrococcencolonien in der Leber, Milz, den Nieren und 
Lymphdrüsen. ln der Umgebung der Mikrococcenanhäufungen 
tritt bald eine regressive Metamorphose der Zellen ein. Wenn 
in der Umgebung dieser Herde eine entzündliche Reaction ein- 
tritt, so vergleicht Weigert dieselben mit der Pockeneruption 
auf der Haut. 

Cohn 6 ) erklärt die frei in der Pockenlymphe schwimmenden 
kleinen kugeligen Körperchen für Kugelbacterien aus der Gruppe 
der Schizomyceten und hält sie für Vermittler des Contagiums. 

Zülzer 7 ) leitet die Pockenkrankheit von Bacterien ab, die 
er in dem Lumen und den Wandungen der Hautgefässe in grossen 
Massen vorfand. 

Toussaint 8 ), E. Semmer 9 ) und C. Raupach cultivirten 
die Schafpockenmikroben in Kaninchen- und Schafbouillon und 
erzeugten damit abortive Pocken, die nicht in Eiterung über¬ 
gingen. 

Nach den neueren Forschungsresultaten steht es fest, dass 

1) Hallier, Farasitologische Untersuchungen. 1868. 

2) Klebs, Handbuch der pathologischen Anatomie. S. 40. 

3) Der Micrococcus der Variola. Verband), der Würzburger med. Ge¬ 
sellschaft. IV. Bd. Heft 2 u. 3. 

4) Zur Anatomie der Variola haemorrhag. Sitzungsbericht der kaiserl. 
Akademie. Wien 1868. 68. Bd. Abtheil. II. 

5) Anatomische Beiträge zur'Lehre von den Pocken. Centralblatt der 
medic. Wissenschaft. 1871. Nr. 59. 

6) Virchow’s Archiv 1872. 55. Bd. S. 229. 

7) Beiträge zur Pathologie und Therapie der Variola. Berliner klin. 
Wochenschrift 1872. Nr. 51. 

8) Revue v6terinaire. Toulouse, Avril 1881. 

9) Beibag zur Lehre von der Immunität und Mitigation. Zeitschrift 
für Thiermedicin und vergleichende Pathologie 1881. 

16 * 


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234 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


auch die Pyämie zu den durch Schizomyceten verursachten In- 
fectionskrankheiten gehört. 

Roser 7 ) erklärte schon 1845 die Pyämie für eine contagiöse 
zymotische Krankheit, die durch ein besonderes Miasma ver¬ 
anlasst wird und von der Septicämie zu trennen ist. 

Stromeyer 1 2 ) nimmt bei der Pyämie ein flüchtiges Conta- 
gium an; dasselbe haftet aber auch an festen Körpern, wie Ver- 
bandstücken u. dergl. 

Nach Guerin 3 ), Chassaignac und Litzmann 4 ) kann 
das pyämische Puerperalfieber durch Aerzte und Hebammen 
verschleppt werden. Dasselbe behaupten Semmelweiss 5 ), 
Skoda, Simpson 6 7 8 9 10 11 12 ) u. A. 

Rindfleisch 7 ) wies schon 1866 in metastatischen Eiter¬ 
herden zahlreiche niedere Organismen nach. 

Recklinghausen 8 ) fand in den multiplen metastatischen 
Herden bei Pyämie und Puerperalfieber Anhäufungen niederer 
Organismen, die er für Mikrococcen hält. 

Nach Birch - Hirschfeld 9 ) verursacht pyämischer, an 
Kugelbacterien reicher Eiter subcutan beigebracht in 7—24 Ta¬ 
gen den Tod bei Kaninchen, was bei gewöhnlichem Eiter nicht 
der Fall ist. An den Injectionsstellen entsteht Vereiterung und 
im Eiter, Blut, in der Leber, Milz und den Nieren lassen sich 
zahlreiche Mikrococcen nachweisen. 

Waldeyer 10 ) fand bei der Pyämie zahlreiche Mikrococcen 
in der Leber, den Nieren, Lungen, dem Herzbeutel und anderen 
Organen und hält die Mikrococcen für die Ursache der Krankheit. 

Nach Burdon-Sanderson u ) sind die pyämischen Eiter¬ 
körperchen ungleich undeutlich contourirt, stachelig granulirt, mit 
Kugelbacterien durchsetzt. 

Vogt t2 ) fand in einem metastatischen Eiterherd eines leben- 


1) Die specifische Natur der Pyämie. Archiv für Heilk. 1860. Heftl. 

2) Stricker, Vorlesungen über allgemeine Pathologie. 1877. 

3) Schmidt’s Jahrbücher 1859. 101. Bd. S. 116. 

4) Das Kindbettfieber in nosologischer Beziehung. 

5) Die Aetiologie, der Begriff u. die Prophylaxis d. Kindbettfiebers. 1861. 

6) Edingborgh mouthly Journal 1850. 

7) Handbuch der pathologischen Gewebelehre. S. 204. 

8) Schmidt’s Jahrbücher 1872. 155 Bd. S. 97. 

9) Centralblatt für medicin. Wissensch. 1873. S. 569. 

10) Schmidt’s Jahrbücher 1872. 155. Bd. S. 97. 

11) Uhle und Wagner, Handbuch der allgem. Pathol. 1876. S. 820. 

12) Medicin. Centralblatt 1872. Nr. 44. 


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XVH. Auszüge und Besprechungen. 


235 


den Pyämischen massenhaft Monaden mit lebhafter vitaler Be¬ 
wegung und vereinzelte auch im Blute. 

Hueter 1 ) lässt die Pyämie durch Monaden entstehen. 

Koch' 2 ) erzeugte Pyämie bei Kaninchen durch Subcutan- 
injection einiger Tropfen Wasser, in dem ein Stückchen Mause¬ 
fell einige Tage macerirt hatte. Das Thier ging 105 Stunden 
nach der Injection zu Grunde. An der Injectionsstelle fand sich 
eiterige Infiltration; Peritoneum und Baucheingeweide mit fibri- 
nösen Massen überzogen; Milz vergrössert; Leber grau marmorirt, 
mit keilförmigen Herden durchsetzt; in den Lungen erbsengrosse 
Infarcte. Einige Tropfen Blut aus dem Herzen dieses, einem 
anderen Kaninchen subcutan beigebracht, tödteten dasselbe in 
40 Stunden. Durch weitere Impfversuche constatirte Koch, dass 
7io Tropfen pyämischen Blutes genügt, um Kaninchen in 125 
Stunden zu tödten. In allen Fällen lassen sich, namentlich in 
den veränderten Körpertheilen, zahlreiche Mikrococcen nachwei- 
sen; besonders sind dieselben in den Nierenglomerulis angehäuft. 

E. Semmer 3 ) erzeugte contagiöse Pyämie bei Kaninchen 
durch Subcutaninjection auf 55° erwärmten Milzbrandblutes. Der 
an der Impfstelle gebildete Eiter hatte eminent contagiöse Eigen¬ 
schaften. Durch Verimpfung der geringsten Mengen davon wurde 
bei Kaninchen ausnahmslos der Tod durch Pyämie in 1—3 Tagen 
verursacht. An der Impfstelle fand sich an Mikrococcen sehr 
reicher Eiter. In der Leber aus farblosen Blutkörperchen be¬ 
stehende Zellenherde; Leberzellen und Epithel der Harnkanäl¬ 
chen feinkörnig getrübt; in den Harnkanälchen Detritus und Fett¬ 
körnchen; die Nierenglomernli enthalten viel farblose Blutkörper¬ 
chen. Die rothen Blutkörper stechapfelförmig, mit Mikrococcen 
besetzt; im Blutserum, in, der Leber und den Nieren grosse 
Mengen von Mikrococcen. Die Krankheit führt weder zur Auf¬ 
lösung der Blutkörperchen, Transsudaten und Imbibitionen, noch 
zu schneller Fäulniss der Gadaver, wie die Septicämie. Metastasen 
und Infarcte sind dabei nicht wesentlich. An Contagiosität und 
Malignität steht die Pyämie der Kaninchen der Septicämie und 
dem Milzbrand nicht nach. 

1) Schmidt’s Jahrbücher 1874. 164. Bd. S. 217. 

2) Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. 
Leipzig 1878. 

3) Die contagiöse Pyämie der Kaninchen. Centralblatt für med. Wis¬ 
senschaft. 1881. Nr. 41. 


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236 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


Von Grün wald wurden zu seinen Experimenten die Schaf¬ 
pocken nnd die contagiöse Pyämie der Kaninchen deswegen aas¬ 
gewählt, weil keine Impfang dieser Krankheiten anf Thiere, die 
sie noch nicht ttberstanden, fehlschlägt and somit ganz zweifel¬ 
lose Resultate bei der Prüfung der Wirkung der Antiseptica and 
Desinficientia anf diese Contagien zu erwarten waren. 

Es wurden in ihrer Wirkung auf genannte Contagien geprüft: 
Chlorzink, Chromsäure, Chinin, Resorcin, schwefligsaures Natron, 
übermangansaures Kali, Tannin, Eisenchlorid, Borsäure, Holz¬ 
essig, Terpenthinöl, Kochsalz, Aetzkali, Schwefelsäure, Carbol- 
säure, Theerwasser und Benzin. Die genannten Mittel kamen 
in verschieden starken wässerigen Lösungen zur Anwendung. Um 
eine stärkere Chininlösung zu erhalten, wurden derselben einige 
Tropfen Schwefelsäure zugefügt. Terpenthinöl und Benzin wur¬ 
den rein nnd unverdünnt angewandt 

Das Desinfectionsverfahren bei den Schafpocken bestand da¬ 
rin, dass je ein Tropfen wirksamer Pockenlymphe mit einem 
gleich grossen Tropfen der desinficirenden Solution zusammen¬ 
gemischt wurde; mit dieser Mischung wurden gesunde Schafe 
an der unteren Fläche des Schwanzes subcutan geimpft. 

Bei der contagiösen Pyämie der Kaninchen wurde ein hirse¬ 
korngrosses Stückchen eiterig infiltrirten Unterhautbindegewebes 
auf ein Objectgläschen gebracht, mit Nadeln sorgfältig zerzupft 
und darauf mit der zu prüfenden antiseptischen Flüssigkeit über¬ 
gossen und etwa eine halbe Stunde in Berührung gelassen. Da¬ 
rauf wurde ein kleines Stückchen des so behandelten mit pyämi¬ 
schem Eiter infiltrirten Bindegewebes gesunden Kaninchen an 
den Glutäen subcutan beigebracht. 

Die bei den Operationen verwandten Instrumente wurden 
vor jedesmaliger Anwendung sorgfältig desinficirt. Sobald nach 
der Impfung eine bedeutendere Temperatursteigerung eintrat, 
wurden die Verdächtigen gleich aus der gesunden Heerde aus¬ 
geschieden, um eine natürliche Ansteckung zu verhüten. 

Die Resultate der Prüfungen waren kurz zusammengefasst 
folgende: 

Das Schafpockencontagium wird vernichtet von 


Tannin .... 

. in 10 procent. Lösung 

Kali hypermangan. 

*10 * * 

Eisenchlorid . . . 

. * 10 

Holzessig .... 

. * 10 * * 

Aetzkali .... 

, * 10 * * 


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XVII. Auszüge und Besprechungen. 


237 


Chlorzink.in 5 procent. Lösung 

Chromsäure.* 2 V 2 * * 

Resorcin.* 2 V 2 * * 

Schwefelsäure . . . . * 2 1 /2 * * 

Carbolsäure.* IV 4 * * 

Chinin ....-...*5 * * 

Terpenthinöl.rein. 

Concentrirtes Theerwasser in 3facher Verdünnung. 

Das Pyämiecontagium wird vernichtet von 


Chinin 

Resorcin . . 
Holzessig 
Chromsäure 
Schwefelsäure 
Carbolsäure . 


in 5 procent. Lösung 

* 5 * * 

*5 * ^ 

* 1V4 * - * 

* 5 /s * # 

* 5 /l6 # * 


Unwirksam auf das Schafpockencontagium ist: 

Schwefligsaures Natron in 10 procent. Lösung 

Borsäure.* 5 * * 

Concentrirte Kochsalzlösung. 

Unwirksam aufs Pyämiecontagium ist: 

Tannin.in 10 procent. Lösung 

Schwefligsaures Natron * 10 * * 

Kali hypermangan. . . * 10 * * 

Eisenchlorid . ... * 10 * * 

Chlorzink.* 10 * # 

Borsäure.* 5 * * 


Concentrirte Kochsalzlösung. 

Terpenthinöl rein. Benzin rein. 

Daraus geht hervor, dass nur die Carbolsäure und Schwefel* 
säure auf beide Contagien in stärkeren Verdünnungen sich wirk¬ 
sam erwiesen. 

Schwefligsaures Natron, Borsäure und Kochsalz waren auf 
beide Contagien unwirksam. 

Die übrigen Mittel verhalten sich sehr verschieden gegen 
beide Contagien. 

Lösungen von Tannin, Kali hypermangan., Eisenchlorid, 
Chlorzink und Terpenthinöl, welche das Schafpockencontagium 
vernichten, erweisen sich unwirksam auf das Pyämiecontagium. 

Es folgt hieraus, dass sich die verschiedenen Contagien sehr 
verschieden gegen die einzelnen Antiseptica und Desinficientia 
verhalten. 


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238 


XVII. Auszüge und Besprechungen. 


Ausser den vorliegenden Prüfungen mit Desinficientia in 
ihrer Wirkung auf das Contagium der Schafpocken und Pyämie 
liegen in der Literatur noch solche vor betreffend den Milzbrand, 
die Septicämie, die Cholera, das Erysipel und die Kuhpocken. 

In ihrer Wirkung auf den Milzbrand sind geprüft worden: Aetz- 
kali und -Natron, Ammoniak, Schwefelsäure, Salzsäure, Chrom¬ 
säure, Kieselsäure, Salicylsäure, Osmiumsäure, Pikrinsäure, Car- 
bolsäure, Borsäure, Benzoesäure, Weinessig, Chlornatrium, Chlor¬ 
calcium, Chlorzink, Sublimat, Chlor, Jod, Kali hypermanganicum, 
Brom, Aether, Terpenthinöl, Eukalyptöl, Kampher, ätherische 
Oele. 

Auf die Septicämie: Aetzkali und-Natron, Salzsäure, Salpe¬ 
tersäure, Schwefelsäure, arsenige Säure, Carbolsäure, Chlorkalk, 
Sublimat, Chloralhydrat, Alkohol, carbolsaures Natron, Argentum 
nitr., Plumbum acet., Eisenvitriol, Kupfervitriol, Jodtinctur, Thy¬ 
mol, benzoesaures Natron. 

Auf die Cholera: Kampher, Carbolsäure, Calomel, Chloral¬ 
hydrat, Chlorwasser, Chinin, Eisenvitriol, Nux vomica, Opium, 
Salpetersäure, Schwefelsäure, Tannin, Chloroform, Theer. 

Auf das Erysipel: Carbolsäure, Sublimat, Höllenstein, Kupfer¬ 
vitriol, Aetzkali, Aetznatron, Chlornatron und Chinin. 

Auf die Kuhpocken: Chlor, Carbolsäure, borsaures Chinin, 
Kali hypermangan., Eisenalaun, Kupferalaun, Salicylsäure, schwef¬ 
lige Säure, Terpenthin. 

Von all den genannten Mitteln haben sich am meisten be¬ 
währt: 

Gegen den Milzbrand Sublimat in Lösungen von 1 :1000 
bis 1: 1000000, Jod 1 :5000 bis 12000, Brom 1 :1500, ätherische 
Oele 1: 33000 bis 70000. 

Gegen Septicämie Jod 1 :5000 bis 10000, Chromsäure und 
Kali hypermangan. 1: 3000, Sublimat 1: 400. 

Gegen die Cholera Salzsäure (1:1800), Schwefelsäure und 
Salpetersäure (1:240). 

Leider hat sich Sublimat, der die Contagien in sehr verdünn¬ 
ten Lösungen energisch zerstört, bei innerlicher Anwendung nicht 
bewährt. Die Antiseptica und Desinficientia wirken demnach 
nicht nur verschieden auf die verschiedenen Contagien, sondern 
auch verschieden, je nachdem ob sje äusserlich oder innerlich 
angewandt werden. 

Dorpat, August 1882. 


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XVIII. 

Das Vogelei. 1 ) 

Von 

Prof. Dr. Bonnet. 

Hochverehrliche Versammlung! 

Bietet es uns schon einen hohen Reiz, mit dem zergliedern¬ 
den Messer in den complicirten und wundervollen Aufbau irgend 
eines Geschöpfes .einzudringen und einen Blick in die Wechsel¬ 
beziehungen der Organe und ihre Bedeutung für das Leben zu 
thun, so wächst doch unser Interesse noch um Vieles von dem 
Augenblicke an, wo wir die Frage aufwerfen: Wie hat sich denn 
das Alles gebildet, welche Massen wurden bei der Entwicklung 
zum Aufbau des so vollkommenen Organismus verwendet, welche 
Stadien und Formen hat er bei seiner Entwicklung durchlaufen? 

Gerade dadurch, dass weitaus in der Mehrzahl der Fälle ein 
grösserer oder geringerer Theil der Entwicklung sich vor dem 
neugierigen Auge des Menschen verborgen vollzieht, hat das plötz¬ 
liche Hereintreten des jungen Thieres ins Erdenleben etwas Un¬ 
vermitteltes, Ueberraschendes, Geheimnissvolles. Dies wird mir 
gewiss Jeder zugeben, der nach der kurzen Zeit von 3 Wochen 
das altkluge und gewandte Küchlein mit lebhafter Energie sein 
Gefängniss sprengen sieht und der nun auf einmal Leben und 
Bewegung da erblickt, wo wir sonst in den bekannten Theilen 
des Hühnereies Formen und Stoffe vor uns haben, die zunächst 
weder nach Bau, noch chemischer Zusammensetzung in Zusammen¬ 
hang mit dem fertigen Küchlein zu stehen, ja sogar noch oben¬ 
drein völlig leblos und todt scheinen. 

In der ganzen Reihe der höheren Wirbelthiere findet sich 
aber keine bequemere Gelegenheit, die Geheimnisse ihrer Ent- 


1) Vortrag, gehalten im bayerischen Verein für Geflügelzucht in München. 

Deutsche Zeitschriftf. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 17 


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240 


XYin. BONNET 


Wicklung zu belauschen, als gerade bei den Vögeln, wo die Grösse 
des Eies, die Leichtigkeit seiner Beschaffung und die Möglich¬ 
keit der künstlichen Bebrütung jedes beliebige Entwicklungssta¬ 
dium zu untersuchen erlaubt. So kam es denn, dass seit vor mehr 
als 2000 Jahren der Vater der Naturgeschichte und berühmte 
Erzieher Alexanders des Grossen, Aristoteles, seine ersten Er¬ 
fahrungen über einen werdenden Organismus an Hühnereiern sam¬ 
melte, jahrjährlich enorme Mengen wissenschaftlichen Zwecken 
geopfert werden, namentlich seit sich herausgestellt hat, dass die 
Grundzüge der Entwicklung beim Vogel, Säugethier und Men¬ 
schen die gleichen sind. Damit trat natürlich das Vogelei sofort 
in die Lücke für das viel schwerer zu beschaffende mikrosko¬ 
pisch kleine und ausserordentlich leicht verletzliche Säugerei, 
und man darf wohl sagen, dass wir von keinem Thier die auf¬ 
einanderfolgenden Acte der Entwicklung so genau kennen, wie 
beim Hühnchen, dass bei keinem auch der Aufbau des Eies selbst, 
die Bedeutung seiner einzelnen Theile für den werdenden Vogel 
in gleicher Weise mit berücksichtigt wurde. 

Die bei diesen Studien gemachten Erfahrungen haben aber 
weit über die rein theoretischen Kreise hinaus ihren Wellenschlag 
geworfen und haben ein lebhaftes Interesse bei gebildeten Laien, 
Naturfreunden und namentlich Züchtern erregt. Sie alle wollen 
heute nicht nur allein den fertigen Organismus, mit welchem sie 
sich aus diesen oder jenen Gründen beschäftigen, kennen lernen, 
sondern auch die verschlungenen Wege, auf welchen die Natur 
ihre Werke zu Stande bringt. 

Diese Gesichtspunkte veranlassten mich zur Wahl meines 
heutigen Themas, welches, die eigentlichen Entwicklungsvorgänge 
einstweilen nicht berücksichtigend, das Vogelei, speciell das 
Hühnerei, und die Bedeutung seiner einzelnen Theile für den 
werdenden Vogel umfasst. Freilich verhehle ich mir nicht, dass 
es eigentlich ein kühnes Beginnen ist, für die Schilderung eines 
Gebildes Aufmerksamkeit zu verlangen, das Jedem vollauf be¬ 
kannt ist, das unseren fleissigen Hausfrauen tagtäglich durch die 
Hände geht, das fast stündlich zu Tausenden ohne weitere Re¬ 
flexion zertrümmert und als wichtiges Nahrungsmittel verwendet 
wird. Und doch ergibt sich vielleicht da und dort Gelegenheit 
zur Beleuchtung nicht uninteressanter, möglicherweise sogar neuer 
Punkte. 

Bei einer vergleichenden Betrachtung der Fortpflanzung 
der Vögel mit der der übrigen Wirbelthiere fällt uns sofort auf, 


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Das Vogelei. 


241 


dass dieselbe nur durch abgelegte Eier stattfindet. Wäh¬ 
rend bei Fischen, Amphibien nnd Reptilien auch lebendig ge¬ 
bärende Formen Vorkommen, während die Säugethiere und der 
Mensch nur lebendige Junge gebären, sind die Vögel nur eier¬ 
legend. Freilich sind da und dort Angaben gemacht worden, 
dass im Leibe des Muttervogels eine mehr oder minder zur Form¬ 
ausbildung des Jungen führende Entwicklung des Eies beobachtet 
worden sei. Diese Erzählungen sind aber alle entweder unwahr, 
oder falsch gedeutete Thatsachen, indem es sich bei ihnen um 
einen pathologischen Befund, um sogenannte Federgeschwttlste, 
wie sie namentlich am Eierstocke Vorkommen, bandelt. Solche 
haben aber mit der Entwicklung eines Küchleins ganz und gar 
nichts zu thun. Zweifellos hängt die ausnahmslos präcisirte Art 
der Fortpflanzung durch nach und nach abgelegte Eier mit der 
Eigentümlichkeit der Bewegung des Vogels zusammen, in dessen 
ganzem anatomischen Aufbau uns wie in einem Schiff die grösste 
Oekonomie in der Ausnützung des Raumes entgegentritt. Und 
haben wir denn nicht in fast allen Vögeln mit nur wenigen Aus¬ 
nahmen ein Schiff der Lüfte oder des Wassers vor uns, das durch 
jede andauernde grössere Belastung und Volumenszunahme in 
seinen Bewegungen wesentlich gehemmt würde? Auch in der 
Eiablage tritt uns beim Vogel, wohl durch dieselben Gründe be¬ 
stimmt, die Thatsache vor Augen, dass nicht wie bei Fischen, 
Amphibien und Reptilien und den mehrgebärenden Säugern die 
ganze Menge der Eier auf einmal oder nahezu gleichzeitig ab¬ 
gelegt wird, vielmehr legt die Mutter nach und nach, eines nach 
dem anderen, ohne durch die einzelnen Eier zu sehr belastet zu 
werden, ihr Gelege ab. 

Nicht minder tritt uns aber auch in der Anatomie der eibil¬ 
denden Theile, der Eierstöcke, und ihrer ausfuhrenden Wege, der 
Eileiter, diese auf Raumersparnis gerichtete Tendenz entgegen. 
Bei allen Vögeln kommt nur der linke Eierstock und Eileiter aus 
paariger Anlage zur Entwicklung, während der rechte Eierstock 
und Eileiter schwindet. Oeffnen wir ein ausgewachsenes Huhn 
während der Legeperiode, so fällt uns nach Beseitigung der Ge¬ 
därme und der Leber ein unter den Lungen dicht an der Wirbel¬ 
säule liegendes traubiges Organ, der Eierstock, auf, dessen ein¬ 
zelne Beeren, die Eisäckchen, Eier von recht verschiedener 
Grösse und Farbe bergen. Die grösseren derselben bis zum Aus- 
maasse einer Dotterkugel oder des Eigelbes eines gelegten Eies 
sind von einer feinen gefässhaltigen Haut überzogen. Sie hängen 

n* 


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242 


XVIII. .BONNET 


wie Beeren durch einen Stiel mit dem Eierstocke zusammen. 
Eine ebensolche Hülle umschliesst neben den kleineren nur erbsen- 
bis hanf korngrossen auch noch eine Menge kaum sichtbarer neben 
völlig mikroskopischen Eisäckchen, wie die genauere mikrosko¬ 
pische Untersuchung ergibt. 

Um nun die Bildung des Eies kennen zu lernen, müssen 
wir den Eierstock eines noch jungen, nicht legefähigen Huhnes 
untersuchen. Ein nach geeigneter Vorbehandlung des Eierstocks 
durch denselben gelegter feiner Schnitt zeigt dann bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung im eigentlichen Gewebe des Eierstocks 
eingelagert eine Menge rundlicher kleiner, kugelförmiger Gebilde 
von wechselnder Grösse, in deren Mitte sich immer ein rundes 
kleines Bläschen befindet. Dies sind die noch unreifen Eier, deren 
jedes einer sogenannten Zelle entspricht. Seit den bahnbrechen¬ 
den Untersuchungen von Schleiden und Schwann wissen wir 
nämlich, dass Thiere und Pflanzen, desgleichen der Mensch aus 
kleinen kernhaltigen belebten Kügelchen oder Bläschen aus ei¬ 
weissartiger Substanz, aus Zellen, sich auf bauen, die durch Thei- 
lung aus der Eizelle hervorgehend, sich vermehren und nachträg¬ 
lich ihre kugelförmige Gestalt vielfach ändernd, als Spindeln, 
Fasern, Scheiben u. s. w. die verschiedenen mehr oder minder 
complicirten Organismen aufbauen. Nicht lange verweilen nun 
diejenigen Vogeleier in diesem mikroskopisch kleinen Zustand. 
Indem sie aus den sie umspinnenden Blutgefässen des Eisäck¬ 
chens Stoffe in ihren Leib aufnehmen, die sie zu den sogenannten 
Dotterkörnem umbilden, wird nicht nur ihr Leib vergrössert, 
sondern auch durch die Ablagerung der massenhaften Dotter¬ 
körner im Centrum wird die Hauptmasse des ursprünglichen Ei¬ 
leibes mit dem in ihm suspendirten Bläschen mehr und mehr an 
die Eiperipherie gedrängt. Der ganze neu hinzukommende und 
rasch fortwachsende, aus Dotterkörnem bestehende Theil erhält 
allmählich eine mehr gelbe Farbe, er wird mit einem Wort zum 
EidotteroderEigelb. Die Intensität der Farbe des Eigelbes, 
welche vom schwach Gelblichen bis Orangeroth, ja bei manchen 
Vögeln bis ins Grünliche schwankt, ist von der Beschaffenheit 
der Nahrang abhängig. 

Schälen wir uns nun aus einem Eisäckchen eines Legehuhnes 
den Inhalt des Eierstockseies vorsichtig aus, so sehen wir, dass 
er vollständig dem Dotter des gelegten Eies entspricht, indem er 
eine rundliche, gelbe, von einer Dotterhaut überzogene Kugel dar¬ 
stellt, auf deren Oberfläche eine kreisrunde ca. 3 Mm. im Durch- 


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Das Vogelei. 


243 


messer haltende weisse Scheibe za sehen ist, die sogenannte 
Narbe oder Hahnentritt, besser Keimscheibe. Schneidet man 
eine solche Dotterkngel nach vorhergegangener Härtung in Al¬ 
kohol oder nach dem Sieden durch, so findet man, dass von 
dieser Keimscheibe aus eine helle, am gesottenen Ei gewöhnlich 
grau erscheinende Rindenschicht die Dotterkugel äusserlich 
überzieht, während sich unter der Keimscheibe ein flaschen¬ 
artiger Pfropf ins Dotterinnere einsenkt, der ebenfalls aus weicher 
weisser Dottermasse besteht. Auf seinem trichterförmig erwei¬ 
terten Theil liegt die Keimscheibe auf. In dieser soeben dem 
Eisäckchen entnommenen Dotterkngel haben wir das eigent¬ 
liche Ei des Vogels vor uns. Alles andere, was wir ausser 
demselben am gelegten Ei noch bemerken, sind nachträglich 
noch hinzugekommene, secundäre Hüllen. Wie gelangt'nun das 
Eierstocksei aus dem allseitig geschlossenen Eisäckchen nach 
aussen? Wo erhält es seine weiteren Umhüllungen? 

Bei einer genaueren Betrachtung der grösseren reiferen Ei¬ 
säckchen fällt uns eine, ihre grösste Wölbung bogenförmig um¬ 
greifende, gefässlose Stelle auf, die, weil weniger gut ernährt 
als die übrigen Theile des Eisäckchens, dem wachsenden an¬ 
drängenden Dotter nur bis za einem gewissen Orade Stand zu 
halten vermag, dann aber einreisst und den Dotter aus dem 
elastischen eingerissenen Säckchen austreten lässt. Dieser würde 
nun einfach in die Bauchhöhle fallen, wenn nicht schon vor dem 
Einreissen der Eileiter zu seiner Aufnahme bereit wäre. Die¬ 
ser, ein ziemlich langer, darmähnlicher, gewundener Schlauch 
von hirnmarkähnlicher Farbe ist durch ein Gekröse an der Wir¬ 
belsäule befestigt. Sein unteres Ende mündet gemeinschaftlich 
mit dem Mastdarm in die Gloake, sein oberes dagegen stellt 
einen freien, dünnen, häutigen Trichter dar, der stets das Ei¬ 
säckchen schon umfasst hält, ehe es einreisst. Mit saugenden 
Bewegungen hilft er das Eisäckchen sprengen und schlürft den 
austretenden Dotter sofort ein. Durch das Zusammenzieben der 
musculösen Eileiterwand wird dann der Dotter allmählich weiter 
geschafft, nachdem schon im oberen Eileiterabschnitt die Be¬ 
fruchtung stattgefunden hat, indem die dort möglicherweise 
vorhandenen Samenfäden in die noch nackte Dotterkngel ein- 
dringen. Durch schraubenförmige Bewegungen des Eileiters wird 
nun der Dotter fortwährend um seine Axe rotirt und nach ab¬ 
wärts geschafft. Das Eileiterinnere ist mit einer weichen, blut¬ 
reichen Schleimhaut austapezirt, auf welche jetzt die Dotterkngel 


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244 


XV1I1. BONNET 


wie ein Reiz einwirkt und ihre Blntflille noch erhöht. Dabei 
schwitzt ans Tausenden von kleinen Drttschen das sogenannte 
Ei erklär oder Eiweiss aus und wird vom Dotter wie Schnee¬ 
lagen von einer Lawine abgeblättert. So sehen wir den in den 
oberen Regionen noch von einer geringen Eiweissmenge um¬ 
hüllten Dotter nach und nach von dicken Eiweissmassen umhüllt 
werden, wobei die aufgelagerten Schichten ebenfalls mit der 
Dotterkugel rotirend nach oben und unten in zwei zipfelförmige 
strickartig gedrehte Fortsätze ausgezogen werden. In etwas mehr 
als 3 Stunden passirt der Dotter die oberen ca. 25 Gm. langen 
zwei Dritttheile des Eileiters, dann werden etwas langsamer, 
ebenfalls in ca. 3 Stunden, der weitere 10 Cm. lange Eileiterab¬ 
schnitt durchwandert, wobei durch eine eigenthümliche Art von 
Eintrocknung der Eiweissoberfläche die Ausbildung einer der¬ 
ben, weissen, lederartigen Schalenhaut erfolgt. Dies geschieht 
durch die Eigenschaft des Eiweisses, da rasch zu gerinnen, wo 
es an einen anderen Körper grenzt. 

In diesem Zustande hat das Vogelei eine grosse Aehnlich- 
keit mit dem Ei der Reptilien, z. B. der Schildkröten, nur ist 
bei letzteren die der Schalenhaut des Vogels entsprechende Hülle 
viel dicker. Ehe das Vogelei gelegt wird, muss es noch mit 
einer festen Hülle versehen werden, die seinen zarten Inhalt 
wie ein schützendes Gehäuse aufzunehmen und sicherer'als die 
schwache Schalenhaut zu bergen vermag. Im letzten untersten 
Abschnitt des Eileiters, in dem sogenannten Eihälter, sehen wir 
zu diesem Zwecke das Ei auffallend lange, 12—18—24 Stun¬ 
den, verweilen. Hier haben wir die Werkstatt vor uns, wo dies 
schützende schmuckvolle Gehäuse, die Wiege des jungen Hühn¬ 
chens, gebildet wird. Die Scbleimhautauskleidung des Eihälters 
ist nämlich mit zahlreichen zipfel- oder zottenartigen Erhaben¬ 
heiten versehen, aus denen sich eine kalkmilchartige Flüssigkeit 
ergiesst. Zuerst findet man der Schalenhaut nur einzelne Kalk- 
krystalle aufgelagert, die, sich in kurzer Zeit mehrend, endlich 
die blendend weisse oder bei manchen Htthnerarten schwach 
gelblich oder bräunlich gefärbte glatte elegante Schale des 
Eies bilden. Nach ihrer Vollendung wird das Ei meist mit 
dem spitzen, seltener mit dem stumpfen Ende voran gelegt 
Wer hat nicht schon die einfache und ebenso gefällige Form, 
die Eleganz und Reinlichkeit des Gebildes bewundert, in wel¬ 
chem das sich entwickelnde Vögelchen nicht nur Schutz, son¬ 
dern auch Speisevorrath und die zur Athmung nöthige Luft 


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Das Vogelei. 


245 


findet, in dem es wie in weichen Kissen rnht, sei es, dass seine 
kleine Wiege das kaum über erbsengrosse Ausmaass eines Ko¬ 
librieies oder das gewaltige, mannskopfgrosse eines Straussen- 
eies erreicht. 

Im Anschluss an diese Schilderung der Bildung der einzel¬ 
nen Eitheile ergibt sich die beste Gelegenheit zur Besprechung 
sonst schwer verständlicher, mitunter vorkommenderEinschlüsse 
von fremden Körpern im Ei. Die anatomischen Beziehungen 
der Eileiteröffnung zur Gloake erklären es, wie dann und wann 
entweder aus dem Darm, oder von aussen her in die Gloake 
gelangte, fremde oder todte Körper von dieser aus in den Ei¬ 
leiter sich verirren können, in welchem man sie oft ziemlich 
weit bis in die Nähe seiner Mitte vorgedrungen finden kann. 
Wird nun ein vom Eierstock abgelöster Dotter mit Eiweiss um¬ 
hüllt, so werden selbstverständlich auch die im zähen Eiweiss 
eingebackenen Fremdkörper mit eingeschlossen, um nachträglich 
im Eihälter auch noch von der Kalkschale umkapselt zu werden. 
So hat man in gänzlich unverletzten Eiern Theile von In¬ 
sekten, Maikäferbeine, Steinchen, Sandkörner, kleine 
Federchen, Rosshaare, ja sogar einmal (Prof. Dr. Leuckart 
in Leipzig) eine Kaffeebohne gefunden. Dass die gegebene 
Deutung der Art ihres Einschlusses wirklich richtig ist, beweist 
eine von Panceri an einem Straussenei gemachte Beobachtung, 
wo die mikroskopische Untersuchung zahlreicher im Eiweiss, in 
der Schale und an der Dotteroberfläche befindlicher Flecken er¬ 
gab, dass sie zum Theil aus feinen Körnchen gelben Kiesel¬ 
sandes, wie er in der afrikanischen Wüste vorkommt, bestan¬ 
den. Diese Sandpartikel waren zweifellos bei der Begattung in 
die Cloake und von da in den Eileiter gelangt. Ausserdem be¬ 
standen die beschriebenen Flecken noch aus reichlichen Schim¬ 
melfäden. Spalt- und Schimmelpilze sind ebenfalls sehr 
häufig in Eiern mit gänzlich unverletzter Schale gefunden wor¬ 
den und die Art ihres Einschlusses wird ebenfalls durch die 
mikroskopische Untersuchung der Gloaken und Eileiterschleim¬ 
haut fasslich. Fast bei jedem Huhn findet man nämlich auf 
ersteren zahlreiche Spaltpilze und Schimmelsporen, deren Menge, 
je weiter in den Eileiter hinein, abnimmt. Je weiter sie im 
Eileiter Vorkommen, um so eher werden sie ins Eiweiss mit 
eingeschlossen werden können und zur Verderbniss der Eier Ver¬ 
anlassung geben. Finden sie sich dagegen nur im untersten 
Eileiterabschnitt, wo die Kalkschalenbildung erfolgt oder schon 


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246 


XVIII. BONNET 


vollendet ist, so werden sie keine verderblichen Folgen änssern 
können. Viel grösseres Aufsehen als die erwähnten Fremdkörper- 
und Pflanzeneinschlüsse machten aber stets die allerdings selte¬ 
nen, in Hühnereiern gefundenen thierischen Schmarotzer. 
Zum Glück stellt sich heraus, dass der grösste Theil der in 
Hühnereiern vorkommenden „Rundwürmer“ nur Eiweissge¬ 
rinnsel sind, während das Vorkommen von den dem Huhne 
eigenen Spulwürmern (Heteracis inflexa) in Eiern zu nicht 
minderen Raritäten gehört, als der Einschluss eines im Eileiter 
des Huhnes lebenden Saugwurms oder seiner Eier, des Disto- 
mum ovatum. Früher konnte man sich das Vorkommen solcher 
lebender Organismen im Ei nur durch die freie Entstehung der¬ 
selben aus Eiweiss etc. denken, jetzt wissen wir, dass diese 
Schmarotzer vom Darm in die Gloake und den Eileiter verirrt, 
dann im Ei incarcerirt werden können. Kleine bis haselnuss¬ 
grosse Blutgerinnsel, wie man sie manchmal in Eiern findet, 
entstammen entweder einer Blutung aus dem Eierstock beim 
Einreissen der Eisäckchen oder Blutungen aus der Eileiter¬ 
schleimhaut. 

Auch die als Raritäten bekannten Missbildungen von 
Hühnereiern erklären sich sehr einfach im Anschluss an die Bil¬ 
dungsgeschichte des Eies und seiner Hüllen. Bekanntlich findet 
man nicht allzu selten zwei Dotter in einer Schale, ja es gibt 
Hennen, hei denen solche doppeldotterige Eier als Regel gelegt 
werden. Es sind dann nämlich zwei in kurzen Zeitintervallen 
vom Eierstock losgelöste Dotter in eine Eiweissmasse und Schale 
eingeschloBsen worden. Seltener sind die sogenannten Wind¬ 
eier, Hahnen- oder Basiliskeneier, wie sie auch im 
Volksmunde heissen. Sie sind auffallend klein, oft nur gut hasel¬ 
nussgross und enthalten nur Eiweiss, keinen Dotter. Da sie meist 
bei krankhaften Processen im Eileiter in der Weise entstehen, 
dass ein Eiweissgerinnsel allein in den Eibälter gerätb und dort 
seine Kalkscbale bekommt, so ist die Beschaffenheit des Ei- 
weisses in solchen Eiern meist eine alterirte. Man findet in ihnen 
oft einen wurmartig geschlängelten dichteren Strang — den „Ba¬ 
silisken.“ Dass diese Eier nicht von Hähnen gelegt werden, ist 
wohl eben so selbstverständlich, als dass der „Basilisk“ nur in 
der erregten Phantasie des entsetzten Beobachters existirt. Als 
ebenfalls krankhafte Producte sind ferner die sogenanntenFliess- 
eier zu nennen, d. h. schalenlose oder nur mit sehr dttnner 
Schale versehene Eier, wie solches namentlich bei Hühnern und 


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Das Vogelei. 


247 


Tauben in Folge von Eileiterentzttndungen oder Mangel von kalk¬ 
reicher Nabrang vorkommt. 

Aach Abweichungen von der normalen Form finden 
sich in den mannigfachsten Variationen. Man kennt bimförmige, 
spindelförmige, walzenförmige, kagel- and nierenförmige Diffor- 
mitäten der Schale; mitunter sind die Schalen bisqnitförmig ein- 
geschnttrt, mitunter ist ein Ende spitz ausgezogen, gerade oder 
gebogen, so dass das Ei an eine Retorte erinnert. Oft ist der 
Fortsatz schraubenförmig gewunden, oft liegen Dotter und Ei- 
weiss gesondert, nur durch einen dünnen Eiweissstiel verbunden, 
in zwei durch eine Einschnürung getrennten Abteilungen des 
Eies. Namentlich Eier mit mangelhaftem Kalkttberzug liefern 
wegen ihrer Nachgiebigkeit ganz unglaubliche Formen. 

Bei Tauben, Hühnern und Enten kommen dann mitunter 
durch ihre GrOsse auffallende Doppeleier vor. Zerbricht man 
die äussere meist wohlgebildete Schale, so findet man in etwas 
Eiweiss eingeschlossen ein zweites ganz normales Ei mit Schale, 
Eiweiss und Dotter. Solche Eier können aber nicht nur in ein¬ 
ander, sondern auch nacheinander gefunden werden. Wäh¬ 
rend sie in letzterem Falle durch Berührung der noch weichen 
Enden durch die sich bildenden Schalen einfach verklebt wur¬ 
den, musste, im Falle ein Ei das andere einschliesst, ein schon 
im Eihälter befindliches normales Ei in die hoher gelegenen Ei- 
leitertheile binaufsteigen und sich so aufs Neue mit Eiweiss und 
dann mit einer Ealkschale umgeben. 

Nach einem Princip erfolgt der Aufbau des Eies bei allen 
VOgeln, sowohl der Form als auch dem Verhältnis seiner Grosse 
zum Mutterthier nach. Bei allem Wechsel an Grosse besitzt das 
Ei meist- Vio des Gewichtes der Mutter. Bartgeier, Adler, 
Kuckucke legen sehr kleine, Lummen, Alken, Sturmvogel sehr 
grosse Eier. Eine noch viel grossere Abwechselung, als in der 
Form, zeigt sieb aber in der Farbe der Eier, die keineswegs 
auf das anspruchslose Weiss oder Gelbliche des Hühnereies be¬ 
schränkt ist. Sehr häufig erregt vielmehr die ausserordentlich zarte 
and zierliche Bemalung der kleinen Vogelwiege unsere vollste 
Bewunderung. Aufs Kunstvollste ist das Ei entweder mit einem 
gleichmässig grünlichen, bläulichen oder bräunlichen Grundton 
allein betüncht ‘), oder es finden sich auf diesem noch kleine Flecke, 

1) Vollständig schwarze Eier kennt man als Seltenheiten bei Enten, 
namentlich bei der dunkelgrünen Art der Hausente. Mitunter zeigen solche 
Eier auch nur einen bräunlichen Ton oder schwarze Sprenkelung. 


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248 


XVIII. BONNET 


Strichei und Schnörkel aufgetragen, die bei manchen Vögeln, 
z. B. der Zippammer, den Eindruck machen, als wäre irgend 
ein schützender Spruch mit geheimnisvoller und abenteuerlicher 
Schrift auf das Ei gekritzelt worden. 

Aber nicht als eitel Tand oder überflüssigen farbigen Zie- 
rath dürfen wir diese oft so bewundernswerthen Färbungen an- 
sehen, bestimmt, nur ein menschliches Auge zu erfreuen, wir 
müssen vielmehr in ihnen einen sehr wichtigen, für die Existenz 
des Eies und die gesicherte Entwicklung des Vögelchens oft un¬ 
entbehrlichen Schutzapparat bewundern. Ordnet man näm¬ 
lich die Eier nach Farben und wirft dabei einen Blick auf die 
Brutpflege der Vogelart, welcher sie entstammen, und auf den 
Ort, wo sie abgelegt werden, so wird klar, dass die Färbungen 
in eclatanter Weise der Umgebung angepasst sind, dass das Ei 
durch sie oft sehr schwer sichtbar und so den Nachstellungen 
seiner zahlreichen Feinde in wirksamster Weise entzogen wird. 
Ich würde, um diese längst betonte und bekannte Thatsache im 
Detail zu beweisen, viel weiter in die Brutpflege und den Nest¬ 
bau der Vögel eingehen müssen, als der Bahmen meiner heutigen 
Aufgabe gestattet, und will also nur in aller Kürze betonen, dass 
die weisse Schalenfarbe vorwiegend bei Hühnervögeln, Raub¬ 
vögeln, Höhlenbrütern und Frachtvögeln verbreitet ist, also fast 
durchweg bei Vögeln, die ihre Eier an verborgenen, oft gänzlich 
unzugänglichen Orten oder in einem völlig abgeschlossenen Neste 
ablegen. Es sind also ihre Nachkommen schon an und für sich 
weniger den spürenden Augen ihrer Feinde ausgesetzt, als z. B. 
bei den Erdbrütern. Gerade die Eier dieser letzteren oder der 
in offene Nester legenden Baumbrttter liefern den lehrreichsten 
Beweis, welch ein Schutz in der Farbe der Eier liegt. Ich erin¬ 
nere hier nur an die Eier der Kibitze, der Seeschwalben, Strand¬ 
reiter, Schnepfen, der Falken, der Häher und anderer, die ge¬ 
radezu in überraschender Weise an die Farbe ihrer Umgebung 
angepasst sind. Freilich lassen sich spärliche Ausnahmen fin¬ 
den, die aber die Regel bestätigen, statt sie zu erschüttern. 
Wo und wie, so fragen wir unwillkürlich, wird denn das Ei 
mit dieser wichtigen Bemalung ausgestattet? 

Der vergleichende Blick des Naturkundigen findet bald, dass 
die auf den Grundton aufgetragenen Zeichnungen stets in schwärz¬ 
licher, brauner, rostfarbener, rötblicher, gelblicher oder grünlicher 
Färbung wiederkebren, in Farbennuancen, die ihm als die ver¬ 
schiedenen Modificationen des rothen Blutfarbstoffes oder 


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Das Yogelei. 


249 


. der mit demselben nahe verwandten Gallenfarbstoffe be¬ 
kannt sind. Damit ist aber auch ein Anhaltspunkt ttber das 
Zustandekommen dieser Verzierungen gegeben. Während wir 
nämlich die uniforme Färbung der Eischalen von Farbstoffen 
herleiten müssen, die in ziemlicher Verdünnung der Kalkmilch 
vor der Schalenbildung beigemischt werden, stammen die inten¬ 
siver gefärbten fleckigen Zeichnungen von kleinen Blutergüssen 
oder Abdrücken der strotzend gefüllten Blutgefässe der Eileiter¬ 
schleimhaut auf die fertige Schale her. 

So sehen wir, wie so häufig in der Natur gerade die schein¬ 
bar unbedeutendsten und zufälligsten Processe zu den weittragend¬ 
sten Folgen ausgenutzt werden: mit dem aus kleinen Eileiter¬ 
blutungen abstammenden Farbstoff verziert die Vogelmutter die 
Wiege ihres Lieblings zur Sicherung der Erhaltung ihrer Art. 

Aber nicht nur der Form und Farbe, auch der nicht minder 
wichtigen Structur der Eischale müssen wir unsere Aufmerk¬ 
samkeit widmen. Trotz ihrer scheinbaren Sprödigkeit und Zer¬ 
brechlichkeit besitzt die Eischale eine bedeutende Elasticität 
und Festigkeit; so ist es bekanntlich dem kräftigsten Mann 
unmöglich, ein unverletztes mit stumpfem und spitzem Pol senk¬ 
recht zu den beiden Handtellern gestelltes Ei frei zu zerdrücken, 
ja Landois will sogar gesehen haben, wie ein Windmüller Eier 
aus dem Windmühlenfenster auf den Basen warf, von dem sie 
hoch aufschnellten, ohne zu zerbrechen. 

Eine bekannte Thatsache ist ferner, dass jedes Ei einige Zeit 
nach dem Legen an Gewicht abnimmt. Zertrümmert man ein 
frisch gelegtes Ei, so füllt sein Inhalt die Schale fast völlig aus, 
zerbricht man das Ei dagegen längere Zeit nach dem Legen, so 
fällt uns jedesmal ein am stumpfen Ende durch Auseinander¬ 
weichen der beiden Blätter der Schalenhaut gebildeter lufthaltiger 
Raum, die sogenannte Luftkammer, auf. Dieselbe bildet sich, 
indem das durch Wasserverdunstung schrumpfende Eiweiss das 
innere Blatt der Schalenhaut nachzieht. Eine solche Wasserver¬ 
dunstung hat aber auf den ersten Blick bei der scheinbar un¬ 
durchgängigen Schale etwas sehr Ueberraschendes. Hält man nun 
ein Stück Schale nach Entfernung der ihr anhaftenden Schalenhaut 
gegen das Licht, so nimmt man alsbald hellere durchsichtigere 
und dünnere, mit dickeren undurchsichtigen abwechselnde Stellen 
wahr, die schon auf eine eigenthümliche Structur hinweisen, und 
betrachtet man vollends senkrechte Schliffe einer Eischale durch 
ein Vergrö8sernngsglas, so zeigt sich, dass dieselbe mit einer 


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250 


XVIII. BONNET 


Menge feiner, verästelter nnd auf Aussen- und Innenfläche offen 
mundender Kanälchen versehen ist, die einen Luftaustausch 
zwischen dem Eiinnern und der umgebenden Luft gestatten. Sie 
sind gleichsam mikroskopisch kleine Fensterchen, durch welche 
das Ei ventilirt wird. Wie wichtig eine solche Ventilation 
fttr die weitere Entwicklung bei der BebrUtung ist, lässt sich ein¬ 
fach dadurch nachweisen, dass lackirte Eier durch die Verstopfung 
ihrer Poren nur so lange entwicklungsfähig sind, als die in der 
Luftkammer vorhandene Reserveluft vom Embryo noch nicht aut- 
gezehrt ist. Nach ihrem Verbrauch stirbt das Ei ab. Schabt 
man aber an irgend einer Stelle den Lackttberzug ab, so ist die 
Ventilation und damit auch die weitere Entwicklung selbst noch 
nach monatelangem Liegen wieder ermöglicht. Der brütende 
Vogel hilft denn auch dieser Lüftung des Eies durch häufiges 
Aufstehen, sowie durch Umwälzung der Eier stets nach. Diese 
Tausende von offen stehenden Fensterchen haben aber auch ihre 
gefährliche Seite für den Eiinhalt. 

Liegen nämlich die Eier in sehr trockener und warmer Luft, 
wie z. B. im Hochsommer in Dachkammern, so kann der ganze 
Inhalt vertrocknen. An feuchteren und kühleren Aufbewah¬ 
rungsorten ist diese Gefahr durch den normalen Feuchtigkeits¬ 
gehalt der Luft beseitigt. Dieselbe Vertrocknungsgefahr schliesst 
auch jede noch so minimale Verletzung der Schale in sich. Durch 
dieselbe können aber auch die mikroskospisch kleinen, zu Millionen 
in der Luft herumschwebenden Fäulnisspilze oder ihre Sporen, 
sowie Schimmel ins Eiinnere gelangen und ihre verbängniss- 
volle Thätigkeit entfalten. Jedes von diesen befallene Ei verdirbt. 
Unter normalen Verhältnissen scheinen die Pilze nicht oder nur 
sehr selten durch die Poren ins Ei gelangen zu können. Alle die 
kleinen Fensterchen haben nämlich eine Art Läden, die in be¬ 
stimmten Fällen das Eindringen schädlicher Substanzen ins Ei 
verhindern können. Die Poren sind sämmtlich mit einer quell¬ 
baren Substanz austapezirt, die, wenn das Ei mit schädlichen 
Substanzen, z. B. Wasser, in Berührung kommt, quillt und die 
Poren wie durch Pfröpfe abschliesst. So erklärt es sich beispiels¬ 
weise, wie in ein hart gesottenes Ei, dessen Eiweiss doch stark 
geschrumpft ist, kein Wasser eindringt, und wie selbst beim fau¬ 
lenden Ei die eingeschlossenen Gase unter hohem Druck bleiben, 
da eine bei der Fäulniss sich bildende, wahrscheinlich ölige Sub¬ 
stanz auf die Schalenporen verschliessend wirkt. Erst bei unsanfter 
Berührung platzt die Schale oft mit lautem Knalle und durch die 


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Das Vogelei. 251 

plötzlich entweichenden Gase wird der Übelriechende Inhalt oft 
weit umhergespritzt. 

Im Anschluss an diese Ventilationsvorrichtungen muss noch 
die eigentümliche Lage des Dotters im gelegten Ei erwähnt 
werden. Im Eiweisse, wie in einem weichen elastischen Kissen, 
das nebenbei noch als schlechter Wärmeleiter den Dotter vor allzu 
raschen Temperaturschwankungen und Erschütterungen sichert, 
liegt die Dotterkugel eingebettet. Durch zwei strangartige, gegen 
den stumpfen und spitzen Eipol hin frei verlaufende, mit der 
Dotteroberfläche, aber verklebte Gebilde, die sogenannten Hagel¬ 
schnüre, wird dieselbe in der Mitte des Eiweisses schwimmend 
erhalten. Diese Hagelschnüre sind, wie schon gezeigt worden, 
als zipfelförmige, strickförmig gedrehte Eiweissmassen durch die 
Rotation des Dotters im Eileiter gebildet worden. Sie sind nicht, 
wie man früher glaubte, als Saugfransen aufzufassen, die nach 
Art eines Dochtes das Eiweiss bei der Bebrütung als Nahrungs¬ 
stoff in die Dotterkugel einleiten, sondern dienen nur als elastische 
Pnffer, welche die Lage des Dotters in der Mitte des Eiweisses 
sichern helfen. Unter allen Verhältnissen nun, sei es, dass wir 
die Dotterkugel allein oder mit dem gesammten Eierklar aus der 
Schale entleeren und in Wasser giessen, wendet der Dotter, ebenso 
wie im eröffneten Ei, seine Keimscheibe nach oben. Im un- 
eröffneten Ei aber schwimmt er auch stets, nur von einer ganz 
dünnen Eiwdissschicht bedeckt, der oberen Schalenwand und da¬ 
mit den ventilirenden Luftströmen am nächsten. Dies ist eine 
für die Entwicklung ausserordentlich wichtige und im Bau der 
Dotterkugel begründete Thatsache. Jeder Schnitt durch eine hart 
gesottene Dotterkugel erklärt uns dies Verhalten. Der flaschen¬ 
förmige, im Dotterinnern vorhandene weisse Dotterpfropf 
ist nämlich specifisch schwerer als die ihn umgebende gelbe 
Dottermasse, und so kommt es, dass die dem trichterförmigen 
Hals des Pfropfes aufliegende Keimscheibe stets wie eine Marke 
auf der schwimmenden Dotterkugel nach oben sieht und der Luft, 
sowie dem möglicherweise, wenn auch nur in sehr geringem Grade 
einfallenden Licht zugekehrt ist. Ohne Licht, Luft, Feuchtigkeit 
und Wärme gibt es aber keine organische Entwicklung. 

Gerade die bis jetzt nur im Vorbeigehen erwähnte Keim- 
scheibe ist aber der von allen im Ei vorhandenen Theilen der 
zukunftsreichste. In diesem am gelegten Hühnerei 3,5—4 Mm. 
im Durchmesser-haltenden kleinen Scheibchen schlummern die 
geheimnissvollen Kräfte, die bei entsprechender Temperatur zur 


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252 


XVIII. BONNET, Das Vogelei. 


Entwicklung des Küchleins führen. Das ganze übrige, so com- 
plicirt und wunderbar aufgebaute Ei ist nur seinetwegen da, ihm 
als Wiege und Vorrathshaus zugleich Schutz und Nahrung liefernd. 
Die ganze übrige gelbe Dotterkugel ist nämlich nichts als ein 
Speisevorrath, den der mütterliche Organismus dem Keime 
mitgibt, dass er von demselben während seiner Entwicklung zehre, 
bis das junge Vögelchen entweder nach dem Ausschlüpfen noch 
als Nesthocker von seinen Eltern ernährt werden kann, oder als 
Nestflüchter sofort selbst seine Nahrung zu suchen im Stande ist. 
Man hat deshalb mit ßecht den gelben Dotter als „Nahrungs¬ 
dotter“ der Keimscheibe oder „Bildungsdotter“ gegenüber¬ 
gestellt. Auch das Eierklar hat dann noch neben seiner physi¬ 
kalischen Bedeutung als elastisches, den Keim vor Erschütterung 
schützendes Kissen sicher die Bedeutung eines ^ahrungsstoffes. 
Vor Allem dürfte es durch seinen hohen Wassergehalt eine wich¬ 
tige Rolle spielen, während die Schalenhäute und Schale nur 
Schutzhüllen und die Luftkammer ein Athemreservoir mit 
Reserveluft darstellt, wenn die Poren der Schale vorübergehend 
nicht passirbar sein sollten. Aus dieser Luftkammer nimmt auch 
bekanntlich das fertige Hühnchen die Luft für seine ersten Athem- 
züge, nachdem sich die Lungenathmung eingeleitet bat und ehe 
es aus seinem zersprengten Gefängniss den ersten Schritt macht 
hinaus in die Welt. 


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XIX. 

Thoracopagus beim Kalb. 

Von 

Dr. Paulicki, 

Oberstabs- und Regimentsarzt in Strassburg i. E. 

Herr Professor v. Recklinghausen hat die Freundlich¬ 
keit gehabt, mir ein in der Sammlung des hiesigen pathologischen 
Instituts befindliches, aus der französischen Zeit stammendes Prä¬ 
parat zur Beschreibung zu überlassen. Ich erfülle zunächst die 
angenehme Pflicht, Herrn v. Recklinghausen hierfür meinen 
wärmsten Dank öffentlich auszusprechen. 

Das in Rede stehende Präparat stellt das Skelet einer tbie- 
rischen Doppelmissbildung dar. Auf dem Holzschnitt (S. 254) 
habe ich eine Abbildung des betreffenden Skelets in V« der natür¬ 
lichen Grösse gegeben. Ein Blick auf die Abbildung lehrt uns, 
dass es sich um zwei Körper eines Säugethiers handelt, die eine 
gemeinschaftliche Brusthöhle besitzen, dass also ein Thoracopagus 
vorliegt. Um uns über die Bezeichnung der einzelnen Tbeile des 
Skelets zu verständigen, müssen wir erwähnen, dass das Präparat 
nicht in senkrechter Stellung, wie es in der Abbildung der Fall 
ist, sondern in horizontaler Stellung zu denken ist, dass wir also 
einen oberen und unteren Körper mit vorderen und hinteren Ex¬ 
tremitäten und nicht einen rechten und linken Körper mit oberen 
und unteren Extremitäten zu unterscheiden haben. Das Skelet 
ist nicht vollständig. Es fehlen die beiden Schädel, sowie sämmt- 
liche Knochen der vorderen und hinteren Extremitäten mit Aus¬ 
nahme der beiden Becken. 

An dem Präparat, so wie es uns vorliegt, sind die beiden 
Körper in senkrechter Stellung, das Kopfende der beiden Wirbel¬ 
säulen nach oben und die Schwänze nach unten gerichtet, an einer 
eisernen Stange, die auf einem Brett befestigt ist, aufgehängt. 


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254 


XIX. PAULICKI 


leb bemühte mich nun zunächst festzustellen, wo das Prä¬ 
parat herstammt, ob die Weichtheile dieser Missbildung in der 
Sammlung des hiesigen pathologischen Instituts sieb vorfinden 



und welcher Thierspecies das in Rede stehende Präparat ange¬ 
hört. Das Präparat trägt weder eine Bezeichnung, noch eine 
Nummer. Vergeblich versuchte ich, aus den im hiesigen patho- 


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Thoracopagus im Kalb. 


255 


logischen Institut befindlichen schriftlichen Aufzeichnungen und 
Abbildungen etwas über das Präparat zu erfahren. Ich schlug 
nun den im Jahre 1837 im Druck erschienenen, von Ehr mann 
heraasgegebenen Catalog des hiesigen anatomischen Museums 
nach und fand auf Seite 187 unter No. 2939 ein Präparat ange¬ 
geben mit der Bezeichnung „Squelette de deux veaux unis par 
le thorax“. No. 2947 trägt die Bezeichnung „Coeur unique de 
deux veaux räunis par le Sterne “. Hierauf liess ich mir sämmt- 
liche in hiesiger Bibliothek vorhandene Werke der beiden früheren 
hiesigen Professoren der pathologischen Anatomie, Lobstein und 
Ehrmann, auf das Lesezimmer bringen, um zu sehen, ob von 
denselben vielleicht irgend etwas Uber das in Rede stehende 
Skelet veröffentlicht worden sei. Das Einzige, was diese Nach¬ 
forschungen ergaben, ist, dass das in Rede stehende Skelet aller 
Wahrscheinlichkeit nach bereits im Jahre 1820 der hiesigen Samm¬ 
lung angehört hat Der älteste Catalog der hiesigen anatomischen 
Sammlung, der mir Vorgelegen hat, ist im Jahre 1820 erschienen 
and von Lobstein herausgegeben. Auf Seite 141 unter No. 1126 
findet sich hier wieder die Bezeichnung „ Squelette de deux veaux 
nnis par le thorax“, während 1130 wieder „Coeur unique de deux 
veaux par le Sterne“ lautet. Ich glaube nun mit grosser Wahr¬ 
scheinlichkeit annehmen zu dürfen, dass das uns beschäftigende 
Skelet bereits im Jabre 1820 der hiesigen anatomischen Samm¬ 
lung angehört hat. Es ist möglich, dass das oben erwähnte Herz 
dieser Missbildung angehört hat und dass von den Weichtheilen 
derselben Überhaupt nur das Herz aufbewahrt worden ist. In- 
dess findet sich darüber keine Notiz vor. Auch passt die Be¬ 
zeichnung „ reunis par le steme “ auf das vorliegende Skelet nicht. 
Aus diesem Grunde werde ich von einer Beschreibung des Herzens 
Abstand nehmen. 

Die Feststellung der Frage, welcher Thierspecies das in Rede 
stehende Skelet angehört, stiess bei dem Fehlen beider Schädel 
und sämmtlicher Extremitäten auf einige Schwierigkeit. Wenn 
man das Skelet in aufrechter Stellung betrachtet, wie es die Ab¬ 
bildung wiedergibt, so wird man zugeben müssen, das auf den 
ersten Blick an eine Doppelmissbildung bei einem geschwänzten 
Affen gedacht werden kann. Eine Vergleichung mit einer An¬ 
zahl normaler Skelete von Affen und Haussäugethieren, deren 
Benutzung ich der Freundlichkeit der Professoren Waldeyer 
and Oscar Schmidt verdanke, hat jedoch ergeben, dass das 
fragliche Skelet einem Kalb angehört. Die sehr stark entwickelten 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 18 


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256 


XIX. PAUL1CKI 


Dornfortsätze der Brustwirbel, sowie die Formverhältnisse der 
Becken und der Wirbel Hessen keinen Zweifel darüber, dass das 
Skelet einem Affen nicht angehört haben kann. Aach sprach 
folgender Umstand hiergegen. Wtlrde das Skelet einem Affen 
angehört haben, so musste es sich um ausgewachsene oder min¬ 
destens längere Zeit am Leben gewesene Thiere gehandelt haben. 
Nun ist es aber kaum anzunehmen, dass eine derartige Missbil¬ 
dung beim Affen eine längere Lebensfähigkeit zugelassen haben 
würde. Auch wäre eine derartige Missbildung bei einem Affen 
etwas so Unerhörtes gewesen, dass eine Beschreibung derselben 
wohl sicher in die Oeflfentlichkeit gelangt wäre, während Miss¬ 
bildungen bei Haussäugethieren doch im Allgemeinen gerade keine 
Seltenheit sind. 

Wenden wir uns jetzt zu einer Beschreibung des uns be¬ 
schäftigenden Skelets. 

Das Skelet besteht aus zwei vollständigen, einander direct 
gegenüber gestellten, gleichgeformten Wirbelsäulen, aus vier ein¬ 
ander gleichen Seihen von Rippen und aus zwei einander gegen¬ 
über gestellten, gleich grossen Brustbeinen. Jede Rippe beschreibt 
somit annähernd den vierten Theil eines Kreises. Der eine Kör¬ 
per steht, wie dies auch aus der Abbildung ersichtlich ist, um 
einige Centimeter tiefer als der andere. Man kann wohl an¬ 
nehmen, dass ursprünglich beide Körper in gleicher Höhe zu 
einander gestanden haben und dass erst später an dem bereits 
fertigen Präparate der eine Körper sich gesenkt hat. An dem 
einen Körper sind mehrere Dornfortsätze mit einander verschmol¬ 
zen. Wir wollen diesen Körper als den oberen und den anderen 
als den unteren bezeichnen. Die Gesammtlänge der Wirbelsäulen 
beträgt 76 Cm. An jedem Körper sind vorhanden: 7 Halswirbel, 
13 Brustwirbel, 6 Lendenwirbel und 23 Kreuz- und Schwanz¬ 
wirbel. Die Rippenknorpel der wahren und falschen Rippen sind 
in eingetrocknetem Zustand vorhanden. Auch die Rippen sind 
mit den Wirbelsäulen durch die eingetrockneten Gelenkkapseln 
verbunden. Weiterhin sind die einzelnen Wirbelkörper durch 
die eingetrockneten Zwischen wirbelbänder vereinigt. Durch den 
Rückenmarkskanal beider Wirbelsäulen sind, um dem Ganzen 
den nöthigen Halt zu geben, runde hölzerne Stangen durchge¬ 
führt. Die beiden Becken sind ebenfalls durch die eingetrock¬ 
neten natürlichen Bänderapparate mit den Wirbelsäulen vereinigt. 
An sämmtlichen Wirbeln ist die Vereinigung des Körpers mit 
dem Bogen durch eine senkrecht, etwas gezackt verlaufende 


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Tboracopagus im Kalb. 


257 


Linie ersichtlich. Hieraus, sowie aas der Grösse des Skelets 
ist man za dem Schiass berechtigt, dass es sich am ein bald 
nach der Gebart verendetes Doppelkalb gebandelt hat. Das 
Skelet ist im Ganzen gat erhalten. Nor finden sich an dem 
unteren Körper einige Querfortsätze der Lendenwirbelsäule abge¬ 
brochen. Am oberen Körper sind die Dornfortsätze des 1., 2. 
and 3. Brustwirbels ^asammengeflossen za einer Knochenplatte, 
in der man in der Nähe der Wirbelkörper noch die Grenze der 
einzelnen Dornfortsätze durch Binnen angedeutet findet. In der 
Mitte zeigt die Knochenplatte eine sichelförmige Perforation, ent¬ 
sprechend dem Zwischenraum zwischen Dornfortsatz des 1. und 
2. Brustwirbels. An der Spitze sind jedoch die 3 Dornfortsätze 
so zu einer 2'/2 Cm. hohen Knochenplatte zusammengeflossen, 
dass von einer Trennung der einzelnen Dornfortsätze nichts mehr 
zu sehen ist. Weiterhin sind ebenfalls an dem oberen Individuum 
die Dornfortsätze des 8. und 9. Brustwirbels zusammengeflossen. 
Der gemeinschaftliche Dornfortsatz erscheint an der Spitze etwas 
verbreitert. An der Wurzel ist das Zusammenflüssen aus 2 Dorn¬ 
fortsätzen durch eine Binne angedeutet. Die Brustbeine sind 17 Cm. 
lang; noch erkennbare Binnen und Leisten, die quer und schräg 
verlaufen, deuten ihr Entstehen aus früher getrennten Abtheilun¬ 
gen an. Die erste Bippe ist 16'/2 Cm. lang, der Atlas zeigt deut¬ 
liche Gelenkflächen. 


■ IS* 


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XX. 


Ein fünfbeiniger Frosch. 

Von 

Dr. Paulicki, 

Oberstabs- und Regimentsarzt in Strassburg i. E. 

Auf nachstehendem Holzschnitt gebe ich die Abbildung eines 
fUnfbeinigen Frosches, der sich als Spirituspräparat in der Samm¬ 
lung des pathologischen Instituts zu Strassburg befindet. Der 



Frosch wurde anfangs der 70 er Jahre in der Umgebung Strass- 
burgs eingefangen und an Herrn Professor von Reckling¬ 
hausen abgegeben. Ich hoffe die Erlaubniss zu erhalten, eine 


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XX. PAULICK1, Ein fünfbeiniger Frosch. 


2b» 


Untersuchung desselben vornehmen zu dürfen und behalte mir 
in diesem Falle für eine andere Gelegenheit eine genauere Mit¬ 
theilung des Verhaltens der überzähligen Skelettheile, Muskeln, 
Gefässe und Nerven vor. Der Frosch, der etwa 3 Wochen lang 
am Leben blieb, konnte das überzählige Bein bewegen. Der Ober¬ 
schenkelknochen desselben ist bedeutend verkürzt und nach ab¬ 
wärts gebogen. 


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XXI. 


Zur vergleichenden pathologischen Anatomie und 
Aetiologie der Mastitis. 

Von 

Dr. med. Carl Schlftsser, 

approb. Arzt aas Mönchen. 

(Aus dem pathologischen Institut des Herrn Prof. Dr. Bölling er zu München.) 

Die Symptome, den Verlauf und die Therapie der Mastitis 
findet man in allen, selbst den ältesten Lehrbüchern der patho¬ 
logischen Anatomie, der Chirurgie und Geburtshfilfe auf das Ge¬ 
naueste beschrieben. Um so unbestimmter und oft gänzlich feh¬ 
lend sind die Angaben über Ursache, Entstehung und histologi¬ 
sches Bild der Krankheit. 

Früher stand es allgemein fest, dass die Mastitis in weitaus 
den meisten Fällen durch Unterbrechung des Säugegeschäftes 
mit folgender Milchstauung entstehe, und wurde nur für verein¬ 
zelte Fälle ein mechanischer Insult als Ursache zugegeben. Ich 
unterlasse es, hierbei auch die ganz veralteten Anschauungen 
näher zu erörtern, welche als Ursachen der Mastitis Erkältungen, 
Diätfehler, Gemütsbewegungen etc. annehmen, sowie den Blon¬ 
dinen eine besondere Disposition zu dieser Erkrankung zuschrie¬ 
ben, und gehe sogleich zu der Darstellung der jetzt herrschenden 
Ansichten. 

Alle neueren Beobachter constatiren einen directen Zusam¬ 
menhang zwischen den Wunden und Schrunden an der Brust¬ 
warze und der Entstehung der Mastitis beim menschlichen Weibe, 
und hat diese Anschauung eine dreifache Deutung erhalten. 

Die erste Ansicht auf der alten Theorie der Milch¬ 
stauung, welche nur insofern angepasst ist, als weniger die 
Unterbrechung des Säugegeschäftes, als vielmehr der durch die 
Schrunden an der Warze gegebene Verschluss der Milch¬ 
ausführungsgänge Galaktostase und Mastitis hervorrufen soll. 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie a. Aetiologie der Mastitis. 261 


Es findet diese Ansicht ihre Vertreter in Veit 1 )» Sichert 2 ), 
Klob 3 ), Schroeder 4 ) und Scanzoni 5 ). Ich citire die hierher 
gehörenden Worte der beiden letzteren Antoren. Schroeder 
sagt: „Gewöhnlich entsteht die eiterige Entzündung der Brust¬ 
drüse im Anschluss an die kleinen Schrunden an den Warzen, 
indem durch den gebildeten Schorf die Ausführungsgänge ein¬ 
zelner Drüsenlappen verschlossen werden. Hierdurch staut sich 
das Secret, die Milchgänge und Drüsenbläschen erweitern sich, 
entzünden sich und in ihrer Wand beginnt die Eiterung. Seltener 
entsteht sie, wenn nach der plötzlichen Absetzung des Kindes 
die Milch in der Brust sich stark anhäuft.“ Scanzoni sagt: 
„Als dieser Entzündung in der Mehrzahl der Fälle zu Grunde 
liegende Ursache müssen wir alle jene Umstände beschuldigen, 
welche der regelmässigen Entleerung der Milchgänge hindernd 
in den Weg treten. Deshalb ist die Mastitis eine so häufige 
Plage jener Frauen, welche das Selbststillen ihres Kindes ent¬ 
weder ganz unterlassen, oder als allzu plötzlich aus was immer 
für einer Ursache unterbrechen; ferner bei solchen, wo die 
geringe Entwicklung der Brustwarzen, die auf denselben sich 
bildenden Excoriationen und Geschwüre das Lactatiousgeschäft 
ungewöhnlich 'schmerzhaft für die Mutter und beschwerlich für 
den Neugeborenen machen. Als nächste Folge der unvollkom¬ 
menen Milchentleerung und der übermässigen Anhäufung dieses 
Secretes in den Milchgängen beobachtet man eine congestive 
Anschwellung der Brüste; und wird diese nicht rechtzeitig durch 
die Entleerung der angehäuften Milch beseitigt, so bedingt die 
fortbestehende Hyperämie die in ihrem anatomischen Charakter 
oben geschilderte Exsudation mit all ihren unangenehmen Aus¬ 
gängen. Unstreitig ist dies die allerhäufigste Entstehungsweise 
des in Bede stehenden Leidens, wobei jedoch keineswegs be¬ 
hauptet werden soll, dass ihm zuweilen nicht auch äussere schäd¬ 
liche Einflüsse, Traumen, Verkältungen etc., zu Grunde liegen 
können. “ 

Eine zweite Ansicht besteht in der Annahme einer In- 
fection von den Warzeuschrunden aus durch die Milchausfüh- 


1) Virchow, Pathol. u. Therap. VI. Bd. 2. S. 383. 

2) Förster, Pathol. Anatomie. (Siebe rt) 

3) Klob, Pathol. Anat. der weibl. Sexualorgane. S. 511. 

. 4) Schroeder, Geburtshillfe. S. 806. 

5) Scanzoni, Lehrb. der Krankh. d. weibl. Sexualorgane. S. 544. — 
Scanzoni, Krankh. der weibl. Brüste. S. 124. 


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XXI. SCHLÖSSER 


rangsgänge and einer directen Einwirkung der entzttndangs- 
erregenden Ursachen auf die Drüsensubstanz, wonach also die 
Mastitis als parenchymatöser Process aufzufassen wäre. 
Es ist diese Ansicht von Klebs 1 2 3 4 ) und Franck 2 ) ausgesprochen 
worden. 

Eine ..ähnliche Ansicht, nur etwas sehr allgemein gehalten, 
spricht Velpeau 3 ) aus, er sagt: „Mille causes pouvant troubler 
la fluidite, la liquiditö du lait-le lait s’altöre change de consistance 
et de näture; un travail chimique s’ötablit aussitöt entre ses divers 
Elements; il n’est bientöt plus pour la mamelle q’un corps ötranger 
— les conduits lactes peuvent perdre patience: alors l’inflamma- 
tion gagne la glande et prend vite les carractöres de l’inflam- 
mation parenchymateuse. “ 

Eine dritte Anschauung nimmt ebenfalls eine Infec- 
tion von den Schrunden der Warze aus an, lässt dieselbe 
jedoch durch dieLymphgefässe vor sich gehen. Diese ätio¬ 
logische Auffassung, durch welche also der Process durch eine 
Art Lymphangoitis der Mamma Charakterisirt ist, wird 
durch Nölaton 4 ), König 5 ) und Billroth 6 ) vertreten und hat 
letzterer Autor zugleich die Histologie der Mastitis genauer be¬ 
sprochen, weshalb ich seine Ansicht kurz widergeben will: „ Die 
Milchstauung als Ursache ist nicht ganz zu verwerfen, aber wegen 
der vielen Fälle von Unterbrechung des Säugens ohne folgende 
Mastitis auszuschliessen. Die Mastitis entsteht wahrscheinlich in 
Folge von Warzenexcoriationen, und zwar entweder durch die 
Milchgänge oder durch die Lympbgefässe fortgeleitet; ersteres 
hat weniger Wahrscheinlichkeit, da die Bacterien keine Bewe¬ 
gung haben und dem Secretionsstrom entgegen wohl nicht Vor¬ 
dringen können, sie müssten denn die Milch durch fermentative 
Eigenschaft verändern, dass sie phlogogen wirkt.“ Billroth 
gibt nun die Abbildung eines Präparates und sagt dazu: „Die 
Acini sind umgeben und verdeckt durch kleinzellige Infiltration. 
Die Epithelien scheinen keinen Antheil an der Zellbildung zu 
nehmen, man kann nicht erkennen, was aus ihnen wird; schliess- 


1) Klebs, Pathol. Anat. II. Bd. S. 1169. 

2) Franck, Handb. der tbierärztl. Geburtsh. S. 548. 

3) Velpeau, Traite des mal. du sein. p. 74. — Velpeau, Des absc6s 
du sein. Bull, ther. 1851. 

4) Nölaton, Revue m6dic-chirurgicale de Paris. Tome 13. p. 168. 

. 5) König, Lehrb. d. speciell. Chirurgie. I. Bd. S. 652. 

6) Billroth, Krankheiten d. Brüste. Deutsche Chirurgie. S. 15. 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 263 


lieh scheinen sie mit der Wandung der Drttsenbeeren und dem 
infiltrirten Zwischengewebe zu zerfallen. Man hat hiervon den 
Eindruck, dass der phlogogene Reiz von den Orttsenacinis aus¬ 
gehen muss.“ Billroth fuhrt nun einen Fall von künstlich mit 
Hindurchziehen eines wollenen Bandes durch die Mamma einer 
nicht säugenden HUndin erzeugter Mastitis an und bemerkt dazu: 
„Auch hier sind hauptsächlich die Acini und ihre nächste Um¬ 
gebung kleinzellig infiltrit, also müssen wohl die die Läppchen 
umspinnenden Lymph- und Blutgefässe die Uebertragungswege 
sein.“ 

Die Deutung der Mastitis als einer interstitiellen Ent¬ 
zündung gibt auch Rindfleisch ‘), allerdings bedingungsweise, 
mit den Wörtchen „dürfte wohl“ und bemerkt dazu, dass die 
Histologie der Mastitis noch so gut wie gar nicht bekannt sei. 

Eine Infection durch die MilcbgäDge und die Lymphgefässe 
gemeinsam nimmt Spiegelberg 1 2 ) an. 

Dies sind, in Kürze wiedergegeben, die Anschauungen über 
die Pathogenese der Mastitis, wie sie in der Literatur nieder¬ 
gelegt sind. 

Der Grund, warum bei den meisten Autoren über die Ent¬ 
stehung und die Histologie der Mastitis so verschiedenartige An¬ 
gaben, und diese meist nur vermuthungsweise gegeben sind, liegt 
offenbar in der Schwierigkeit, ein Präparat von einer möglichst 
frisch damit befallenen Mamma zu erhalten. Aus diesem Grund 
und in der Ueberzeugung, dass diese Krankheit bei unseren 
Haussieren und bei dem Menschen, was ihre Aetiologie sowohl, 
als ihre Anatomie und ihren Verlauf betrifft, gänzlich überein¬ 
stimmend sich verhält, habe ich auf Veranlassung und unter Lei¬ 
tung des Herrn Prof. Bollinger die anatomischen Verhältnisse 
der MastitiB bei der Kuh untersucht und glaube mich aus 
folgenden Gründen berechtigt, das hier erhaltene Resultat direct 
auf die Mastitis beim menschlichen Weibe zu übertragen. 

Der histologische Bau und die Function der Mamma des 
Menschen und des Rindes sind gleich. Auch bei der Kuh ent¬ 
steht die Mastitis nach Angabe sämmtlicher Autoren vorzüglich 
während der Zeit der Lactation. Die neueren Autoren, welche 
die Mastitis beim Rind beschreiben, haben auch hier einen ursäch¬ 
lichen Zusammenhang mit Schrunden und Wunden an der Zitze 


1) Rindfleisch, Lehrb. d. pathol. Gewebelehre. S. 483. 

2) Spiegelberg, Lehrb. d. Geburtshülfe. S. 702. 


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XXI. SCHLÖSSER 


gefunden. Der Verlauf und der Ausgang der Mastitis ist 
beim Menschen und Rind derselbe. Von den meisten Autoren 
über Mastitis beim Menschen sind Versuche an Thieren als 
gültiges Beweismaterial aufgeführt und angenommen worden. 

Das Material, welches mir als Grundlage meiner Arbeit dient, 
betrifft im Ganzen 10 Fälle. Es waren hiervon 6 Fälle Von 
Mastitis der Kuh in der Sammlung des pathologischen Institutes 
zu München als Spirituspräparate aufbewahrt; 3 Fälle von frisch 
mit Mastitis befallenem Euter erhielt ich aus dem hiesigen Schlacht¬ 
hause und den letzten Fall, mit dem scharfen Löffel entfernte 
Gewebspartien einer vereiternden menschlichen Mamma, verdanke 
ich der Güte des Herrn Privatdocenten Dr. Herzog. Von diesen 
10 Fällen sind zwei, nämlich ein Fall von gangränöser — und 
einer von tuberculöser Mastitis, als nicht zum vorliegenden Thema 
gehörig, auszuschliessen, so dass also noch 8 Fälle restiren. Es 
möchte vielleicht erscheinen, als ob diese Zahl zu gering sei, 
um daraus einen sicheren Schluss auf das Wesen der Mastitis 
zu ziehen, jedoch mache ich darauf aufmerksam, dass bei der 
Mastitis niemals die ganze Drüse oder auch nur ein grösserer 
Abschnitt gleichmässig befallen wird, sondern der Process kriecht 
langsam von einem Drttsenläppchen auf das andere fort, so dass 
man besonders bei frischen Fällen an ein und demselben Prä¬ 
parat alle Stadien der Mastitis von der geringen kleinzelligen 
Infiltration bis zum fertigen kleinen Abscess studiren kann. 

Bevor ich an die Beschreibung meiner Präparate gehe, 
möchte ich noch mit einigen Worten den normalen Bau der 
Mamma des Menschen und des Rindes schildern. 
Beiderseits ist die Mamma eine zusammengesetzte acinöse Drüse, 
welche ans baumförmig verzweigten Ausftthrungsgängen und an 
denselben ansitzenden Drüsenbläschen, den Acinis, besteht Die 
Acini sind mit einem der structurlosen Basalmembran aufsitzen¬ 
den kubischen Epithel, die Ausführungsgänge mit Cylinderepithel 
bekleidet Beim Rind ist das Euter in vier einzelne Drttsen- 
complexe (Viertel) getbeilt und münden die Ausführungsgänge 
je eines Viertels in einen gemeinschaftlichen Raum, die Milch- 
cisteme, welch letztere ihren Ausführungsgang an dem Strich- 
kanal, der an der Spitze der Zitze endigt, findet Beim Menschen 
enden die Milchausführungsgänge, 15 — 2o an Zahl, jeder für 
sich auf der Brustwarze aus und bildet jeder Ausführungsgang 
mit seinen aufsitzenden primären, secundären und tertiären Drü¬ 
senläppchen eine gesonderte Drüsenpartie. Die Milchgänge com- 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 265 

municiren weder beim Menschen, noch beim Rind (vor ihrer Ein¬ 
mündung in die Cisterne) mit einander. Das Drüsengewebe, 
das Parenchym, wird von einem für die Läppchen stärker ent¬ 
wickelten, für die Acini feineren, bindegewebigen Stützreti- 
cnlum, dem Interstitinm, gehalten. In letzterem verlaufen die 
Blut- und Lympgefässe, welche so angeordnet sind, dass 
zunächst ein Lymphcapillarnetz und um dasselbe herum ein Blut- 
capillametz jeden Acinus umspinnt. Bei dem Menschen scheint 
das interstitielle Bindegewebe immer auf Kosten des Drüsen¬ 
parenchyms etwas stärker entwickelt zu sein, was sich durch 
die meist lange dauernde Functionsunthätigkeit erklärt. Leider 
war es mir nicht möglich, über den klinischen Verlauf, Uber 
Beginn und die Dauer meiner Fälle etwas Näheres zu erfahren 
und kann ich daher nur das makroskopische Bild, welches sich 
mir beim Empfang derselben darbot, schildern. 

Anatomische Schilderung. 

Zwei frisch aus dem Schlachthaus erhaltene Fälle, bei wel¬ 
chen die Erkrankung je ein Viertel des Euters betraf, waren, 
wie ich später aus den mikroskopischen Präparaten erkennen 
konnte, beide nur ganz kurze Zeit von der Erkrankung befallen. 
Anf dem Durchschnitt zeigte sich das Gewebe von granröthlicher 
Farbe, die Ausftthrungsgänge und die angeschnittenen Drüsen¬ 
läppchen waren strotzend mit flockiger, dickflüssiger, graulich 
gefärbter Milch erfüllt. Die innere Fläche der Milchgänge zeigte 
starke (katarrhalische) Röthung. Die sogleich untersuchte Milch 
enthielt neben Fetttröpfchen, Caseingerinnsel, einzelnen Epithe- 
lien und weissen Blutzellen in einem Falle geringe Mengen, im 
anderen eine überaus grosse Anzahl von Bacterien. Die übri¬ 
gen Präparate waren sämmtlich in Alkohol aufbewahrt und ist 
makroskopisch an denselben ausser grösseren und kleineren, im¬ 
mer von derbem Bindegewebe umgebenen Abscessen nichts zu 
sehen. 

Nur zwei Fälle möchte ich noch hervorheben, nämlich einen 
Fall von chronischer und einen von gangränöser Mastitis. 

Während gewöhnlich bei chronischer Mastitis makroskopisch 
ansser der derben Consistenz, geringem Milch- und Saftgehalt 
and einigen grösseren Abscessen nichts zu bemerken ist, haben 
wir hier einen, nur mehr in den Milchgängen sich abspielenden 
Krankheitsprocess. Die ganze Drüse ist vergrössert und von 
einer derben, an einigen Stellen bis zu 3 Cm. dicken Bindege- 


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XXI. SCHLÖSSER 


websschichte umschlossen. Das Drttsengewebe ist ebenfalls von 
derben, breiten Bindegewebszllgen durchsetzt, in welchen kleine, 
atrophische, durch ihre etwas röthliche Farbe unterscheidbare 
Drüsenläppchen liegen. Auf dem Durchschnitt erscheint das Prä¬ 
parat in ziemlich regelmässigen Abständen durchlöchert und er¬ 
weisen sich bei Untersuchung mit der Sonde diese Löcher als 
colossal ausgedehnte, mit Eiter erfüllte Milchgänge. Es bietet 
somit dieses Präparat das Bild eines chronischen und eiterigen 
(specifischen) Katarrhs. (Hierzu Fig. IV.) 

Der zweite Fall von gangränöser Mastitis erscheint mir 
deshalb erwähnenswerth, weil in den Lehrbüchern der Thier¬ 
heilkunde bei der Kuh der Ausgang in Brand als etwas verhält- 
nissmässig Seltenes angegeben wird. Das ganze Viertel ist blau¬ 
schwarz, missfarbig. Auf dem Durchschnitt finden sich grössere 
und kleinere, mit Brandjauche erfüllte Abscesse. Die über diesem 
Viertel liegende Hautdecke, sowie der dazu gehörige Strich ist 
stark ödematös infiltrirt. Leider konnte ich über die Entstehung 
der Krankheit nichts erfahren. Ich vermuthe, dass vielleicht 
eine Infection mit Maul- und Klauenseuche vorliegt. 

Von den besprochenen 8 Fällen habe ich etwas über 50 
mikroskopische Schnitte gefertigt und will ich dieselben in Kürze 
beschreiben. Wie ich schon oben erwähnt habe, sind in ein und 
demselben Präparate von Mastitis die verschiedensten Stadien 
derselben vertreten, jedoch gilt dies nur für die relativ frischen 
Fälle und so lange sich die Krankheit noch in ihrer Entwicklung 
befindet; sobald der Process in ein chronisches Stadium oder in 
das Stadium der Rückbildung getreten ist, trifft der Satz nicht 
mehr zu und haben wir alsdann überall dasselbe Bild. Das 
erstere fand ich bei fünf meiner Fälle, das letztere bei dreien 
und ist es mir daher nicht möglich, die Beschreibung der Schnitte 
für jeden einzelnen Fall zu geben; ebenso würde es zu weit 
führen, wenn ich die sämmtlichen 50 Schnitte, jeden einzeln, 
besprechen wollte, ich habe deshalb dieselben in Gruppen ab- 
getheilt und diese Gruppen wieder nach der zunehmenden Inten¬ 
sität und Dauer des Krankheitsprocesses geordnet. 

Mikroskopischer Befund. 

1. Acute Mastitis. 

I. Gruppe. Acini ausgedehnt, meist ohne Inhalt, Epithel schwächer. 
Spärliche Caseingerinnsel. In einigen Acinis Lamellen oder 
Fäden, welche in dem betreffenden Acinus parallel liegen 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 267 

(Faltungen der structurlosen Membran ?). An einigen Stellen 
scheinen die ein Läppchen bildenden Acini mit jetzt heraus¬ 
gefallenen Eiterkörperchen angeflillt zu sein und findet sich 
auch in dem, die betreffenden Acini umspinnenden Binde¬ 
gewebe geringe kleinzellige Infiltration. 

II. Gruppe. Acini weit, mit niederem Epithel besetzt. Die meisten 

Acini mit feinkörniger, Eiterkörperchen und Fett enthalten¬ 
der Masse erfüllt. Spärliche Caseingerinnsel. Das Intersti- 
tium frei von Infiltration. 

III. Gruppe. Acini ausgedehnt, mit körniger Masse erfüllt, welche 
sich, frisch untersucht, als aus Fetttröpfchen, Epithelien, weis- 
sen Blutkörperchen und zahllosen Bacterien bestehend erwies. 
Keine Caseingerinnsel. Einige Läppchen zeigen im peri- 
acinösen Bindegewebe geringes, kleinzelliges Infiltrat. 

IV. Gruppe. Acini klein, meist ohne Inhalt. Spärliche Casein¬ 

gerinnsel. Das intralobuläre Bindegewebe der meisten Läpp¬ 
chen mehr oder weniger kleinzellig infiltrirt. Das perilobu¬ 
läre Bindegewebe frei von Infiltration, jedoch sehr zellenreich. 
(Hierzu Fig. I, S. 268.) 

V. Gruppe. Acini klein, zum Theil mit Eiterzellen, Epithelien 

und Fett erfüllt. Wenig Caseingerinnsel. Ueberall klein¬ 
zellige Infiltration. Die in den Präparaten befindlichen Ans- 
führungsgänge stark ausgedehnt. Interstitielles Bindegewebe 
vermehrt. 

VI. Gruppe. Acini weit, mit Eiterkörperchen, Caseingerinnseln, 

Epithelien und Fett erfüllt. Drüsenläppchen überall stark 
kleinzellig infiltrirt. Bindegewebe wenig vermehrt. In der 
Mitte eines Präparates ein sehr stark ausgedehnter Milchgang 
— Retentionscyste. 

VII. Gruppe. Acini klein, ohne Inhalt. Drüsenläppchen sehr stark 
kleinzellig infiltrirt. Bei einigen sind die Acini mit ihren 
Epithelien im massenhaften Infiltrat untergegangen. Inter¬ 
stitielles Gewebe hypertrophisch, mit vielen jungen Binde¬ 
gewebszellen und Fett. Milchgänge stark ausgedehnt, mit 
Eiter erfüllt, die Wandung kleinzellig infiltrirt. (Hierzu Fig. II, 
S. 269.) 

VIII. Gruppe. An Stelle der Drüsenläppchen kleinzellige Massen, 
die nur noch durch die Bindegewebsscheiden, welche früher 
einen Lobulus umspannen, zusammengehalten Werden und 
demnach einen Lobulus repräsentiren. Die Epithelien sind 
ganz im Infiltrat untergegangen. Ein einziges Läppchen noch 


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XXI. SCHLÖSSER 


frei, and wie einige Gaseingerinnsel darin Termathen lassen, 
noch in Secretionsthätigkeit. 

IX. Gruppe. Zahlreiche Abscesse, von denen znm Theil nnr mehr 
die dicke, derbe Bindegewebswandung zu sehen ist, wäh¬ 
rend der Eiter heraasgefallen. An einigen Stellen noch atro¬ 
phische Reste des Bindegewebes. 

Fig. I. 



Fall von acuter Mastitis der Kuh. Präparat aus der Gruppe IY. Mikrotom¬ 
schnitt. Färbung mit Hämatoxylin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. In 
dem nach links liegenden Abschnitt eines Drüsenläppchens a beginnende klein¬ 
zellige Infiltration. Bei dem in der Mitte liegenden Drüsenläppchen b überall 
massige kleinzellige Infiltration des intralobulären resp. periacinösen Bindege¬ 
webes und ist auf der rechten Seite des Läppchens die Form der in Zerstörung 
befindlichen Acini nur sehr schwach durch das massenhafte Bundzellenin¬ 
filtrat zu erkennen. Unten im Läppchen liegt ein tief violettroth gefärbtes 
Caseingerinnsel c. Im interlobulären Bindegewebe d durch zahlreiche Spin¬ 
delzellen documentirte Bindegewebsneubildung. 

Yergrösserung =* Seibert S. II. 0. II. 


Die bis jetzt beschriebenen neun Gruppen sind aus Schnitten 
meiner fünf Fälle Yon acuter Mastitis beim Rind zusammenge¬ 
stellt; die folgenden sind drei Fälle Yon chronischer Mastitis und 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 269 


kann ich dieselben ans oben angeführtem Grunde, indem ich 
sie als zehnte Grnppe aufftlhre, jeden Fall für sich beschreiben. 

Fig. IL 



klm wmm 

*• ' '>*'«** o. t* vH* i'/'VViW 0*V,V.Vi**/*Ä'i»sV»| 


Fall von acuter Mastitis der Kuh. Präparat aus der Gruppe VII. Mikro¬ 
tomschnitt, Färbung mit Hämatoxylin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. 
Partie eines sehr stark infiltrirten Drüsenläppchens bei stärkerer Vergrösse- 
rung. Hartnack S. 7. 0. III. Die meisten Acini sind im massenhaften In- 
filtat untergegangen und zeugen nur mehr verschiedene, in der oberen Hälfte 
des Bildes iip Infiltrat liegende Acinusepithelien von ihrer früheren Anwe¬ 
senheit. Einige Acini a noch in ihrer Form erkennbar, jedoch in Verödung 
befindlich. Nach rechts und unten Einleitung zur Abscessbildung b. Die 
Rundzellen sind in der Zeichnung etwas zu klein ausgefallen. 


2. Chronische Mastitis. 

X. Gruppe. 1. Gewebsfetzen aus einer menschlichen 
Mamma mit chronischen Abscessen. Die Stellen der 
Drüsenlobuli durch kleinzelliges Infiltrat, in welchem sich 
viele Epithelien befinden, markirt. Bindegewebe stark hyper¬ 
trophisch. Einige erhaltene Ausführungsgänge mit Epithel 
ausgekleidet. 

2. Chronische Mastitis der Kuh. Sehr viel Binde¬ 
gewebe, kleine atrophische Drüsenläppchen mit hohem cylin- 


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XXI. SCHLÖSSER 


drischem Epithel. Acini ohne Inhalt. Einige Lobnli sind 
noch stark kleinzellig infiltrirt. In der Mitte der Präparate 
ein Abscess. Die Blutcapillaren sind an einigen Stellen 
noch mit Blutkörperchen gefüllt. Im Bindegewebe viele 
Zellen. (Hierzu Fig. III.) 

Fig. III. 



Mikrotomschnitt aus einer eirrhotisch, atrophischen Stelle bei chronischer 
Mastitis der Kuh. Gruppe X, 2. Hartnack S. 4. 0. III. Färbung mit Häma- 
toxylin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. In massenhaft entwickeltem, zahl¬ 
reichem Bindegewebe viel grössere und kleinere Stellen a mit kleinzelliger 
Infiltration, welche wohl den Ort anzeigen, an dem früher ein Drüsenacinus 
sich befand. Die vorhandenen Acini klein, atrophisch, vom Bindegewebe 
comprimirt. Die Epithelien sind in der Zeichnung etwas schwächer ausgefallen, 
sie sind in Wirklichkeit cylindriseh, was uns darauf hinfuhren dürfte, dass 
wir hier keine Acini mehr vor uns haben, sondern zumeist kleinere Milch¬ 
gänge 6, während die Acini schon grösstentheils zerstört sind. Zwischen den 
zusammengedrückten Resten der Milchgänge erscheint das Bindegewebe reicher 
an Rundzellen, als an den übrigen Stellen. 


3. Chronische Mastitis der Kuh. Massenhaft ent¬ 
wickeltes, zellreiches Bindegewebe, in welchem sich verein¬ 
zelte, ganz kleine Drüsenläppchen mit schwächerem Epithel 
befinden. Milchgänge weit ausgedehnt, mit Eiter erfüllt und 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 271 


rund umschlossen von derbem, ringförmigem Bindegewebe. 
Das Epithel derselben zu Grunde gegangen. (Hierzu Fig. IV.) 

Fig. IV. 



Fall von chronischer Mastitis der Kuh. Gruppe X, 3. Makroskopisches 
Bild eines Durchschnittes in natürlicher Grösse. Querschnitte von aus-, 
gedehnten, mit Eiter erfüllten Milchgängen a mit ulcerirten Wandungen 
und umgeben von derben Bindegewebsringen. Die Hauptmasse des Mamma¬ 
parenchyms grobkörnig granulirt. Atrophische, nach rechts kaum mehr 
vom Interstitium differenzirbare Drüsenläppchen, welche von dicken, 
derben Bindegewebszügen umgeben und eingeschnürt sind. Ausgang in 
Girrhose mit fortbestehender, chronischer, ulceröser Entzündung der 
Milchgänge. 

Bei den in der Beschreibung gebrauchten Ausdrücken: kleine, 
grosse und weite Acini, habe ich die Grösse und Weite der Acini 
einer in Lactation befindlichen, nicht pathologisch veränderten 
Mamma als Norm angenommen. Die Gebilde, welche ich als 
Caseingerinnsel bezeichnet habe, sind verschieden grosse, aus 
homogener Masse zusammengeballte Körper, welche sich mit 
Hämatoxylin röthlich färben. Ihre Grösse entspricht gewöhnlich 
dem Lumen des Acinus, in welchem sie liegen. Dass es Casein¬ 
gerinnsel sind, kann ich mit Bestimmtheit nicht behaupten. Die¬ 
selben finden sich in den mikroskopischen Präparaten einer nor¬ 
malen Mamma am häufigsten und verschwinden mit zunehmender 
Krankheit. 

Deutsche Zeitschrift f.Thiermed.u. vergl. Pathologie. IX. Bd. 19 


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272 


XXI. SCHLÖSSER 


Wie schon oben angegeben, geht die jetzt allgemein herr¬ 
schende Ansicht dahin, dass die Mastitis beim menschlichen Weibe 
mit den Schrunden der Warze in ursächlichem Zusammenhänge 
steht und ist in einer statistischen Zusammenstellung von Kehrer 1 ) 
der Nachweis geliefert, dass 25 Proc. aller Fälle von Warzen- 
excoriationen Mastitis zur Folge haben. Der Anschauung, als 
ob die Mastitis lediglich dadurch entstände, dass die Warzen¬ 
schrunden die Milchausführungsgänge verschliessen und somit ein 
rein mechanisches Hinderniss für das Ausfliessen der Milch bil¬ 
den, kann ich mich nicht anschliessen; ich pflichte einer anderen 
Ansicht bei und nehme an, dass der ursächliche Zusam¬ 
menhang zwischen Warzenschrunden und Mastitis in 
einer Infection besteht. Was nun zunächst die Infection be¬ 
trifft, so will ich zwar nicht behaupten, dass sie die einzige Ur¬ 
sache für Mastitis ist, denn ich kann mir eine Entzündung der 
Drüse in Folge eines Traumas sehr wohl denken, jedoch bin 
ich der UeberzeuguDg, dass die Infection für die überwiegende 
Mehrzahl der Fälle zutrifft und die vielbeschuldigte Milch- 
stauung keine Ursache für Mastitis sein kann. Letztere An¬ 
schauung hat zwar, wie ich oben zeigte, noch in der jüngsten 
Zeit gewichtige Vertreter gefunden, dürfte sich aber doch bei 
genauerer Betrachtung als unhaltbar herausstellen. Es sind vor 
Allem die zahlreichen Fälle in Rechnung zu ziehen, in welchen, 
was auch die Ursache sei, das Säugen plötzlich unter¬ 
brochen wird, ohne dass hierdurch Mastitis entsteht; ferner ist 
zu bedenken, dass ja doch ein durch Galaktostase hervorgebrachter 
Reiz nicht nur auf einen Theil der Drüse allein, sondern auf 
alle Drüsen in allen ihren Theilen wirkt und somit auch in 
allen Drttsentheilen Mastitis hervorrufen müsste. Dem wider¬ 
spricht jedoch die Erfahrung gänzlich, denn es wird in allen 
Abhandlungen über Mastitis übereinstimmend angegeben, dass 
die Entzündung äusserst selten beide Brüste betrifft 
und auch nicht die Entzündung einer ganzen Mamma, sondern 
die Erkrankung irgend eines Segmentes die Regel bildet. Da¬ 
gegen sprechen auch einige von Franck 2 ) beobachtete Fälle. 
Bei drei Kühen war der Stricbkanal eines Viertels in Folge von 
Euterentzttndung verwachsen. In der nächsten Lactationsperiode 
schwollen nun zwar die betreffenden Viertel durch die aufge- 


1) Kehrer, Beiträge zur Geburtskunde. 1879. II. Bd. 

2) Franck, Handb. d. thierärztl. Geburtshülfe. S. 557. 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 27$ 


staute Milch bedeutend an, jedoch entstand keine Mastitis und 
im Verlauf von 8 Tagen kehrten die betreffenden Mammae wieder 
auf ihr altes Volumen zurück. Dasselbe zeigen Versuche von 
Kehrer, welcher bei Kaninchen vor der Geburt die Mammae 
dick mit Collodium überzog und dann bei eintretender Lactation 
die gleiche Beobachtung machte. 

Für eine Infection dagegen spricht sehr deutlich die Art 
und Weise, wie die Mastitis bei Thieren auftritt. Franck (1. c.), 
dem ich mich hierin gänzlich anschliesse, sagt: „Bei Thieren, 
deren Milchgänge vor ihrer Ausmündung in einen gemeinschaft¬ 
lichen Milchbehälter münden (Pferd, Wiederkäuer, Schwein etc.), 
erkrankt fast ausnahmslos jene Drüsenpartie, deren Milchgänge in 
den gemeinschaftlichen Behälter führen, wie dies auch bei künst¬ 
lichen Injectionsversuchen stattfindet, also bei der Kuh und Stute 
mindestens ein Viertel des ganzen Euters. Es erklärt sich diese 
Thatsache sehr einfach durch die Annahme, dass der Infections- 
stoff zunächst in den gemeinschaftlichen Milchbehälter gelangt 
und von da aus in die sämmtlicken in ihn einmündenden Milch¬ 
gänge eindringt. Ganz anders verhalten sich die Entzündungen 
bei jenen Thieren, deren Milchdrüse nach anderem Typus gebaut 
ist, nämlich beim Hunde, der Katze und dem menschlichen Weibe. 
Bei diesen findet sich kein gemeinschaftlicher Milchbehälter, es 
mündet bei ihnen vielmehr jeder Milchgang für sich an der Spitze 
der Saugwarze aus. Es erkrankt hier fast niemals primär der 
ganze Drtisencomplex, sondern immer nur der zu einem (oder 
einigen) Milchgang gehörige Drüsentheil. Bei diesen Thieren 
sind bekanntermaassen die partiellen Euterentzündungen die" ge¬ 
wöhnlichen.“ Dass eine Infection durch septische Stoffe an einer 
unverletzten Mamma überhaupt stattfinden kann, hat ebenfalls 
Franck durch sehr interessante Versuche mit Einspritzung 
von Mastitiseiter in den Zitzenkanal von Kühen bewiesen. 
Es entstand darnach binnen 24 Stunden die heftigste Euterent- 
ztindung des betreffenden Viertels. 

Es fragt sich nun: Was ist das inficirende Agens 
und wie hat man sich den Vorgang der Infection zu 
denken? Das inficirende Agens besteht jedenfalls aus Bacte- 
rien und zwar aus den gewöhnlichen Stäbchenbacterien, deren 
Anwesenheit in dem Inhalt der Acini und Milchgänge meiner 
frisch untersuchten Fälle gewiss keine zufällige war. Wenn 
Billroth meint, die Bacterien könnten dem Secretionsstrom 
entgegen nicht eindringen, weil sie keine Eigenbewegung haben, 

19* 


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XXI. SCHLOSSER 


so glaube ich, dass der Secretionsstrom wohl nicht zu allen Zeiten 
gleich stark ist und vielleicht auch hier und da ganz sistirt, 
ausserdem können ja auch wohl durch Druck auf das Organ 
von verschiedenen Seiten Ortsveränderungen in der Milchsäule 
entstehen und die Bacterien auf diese Weise weiter befördert wer¬ 
den. Jedenfalls, sei dem wie ihm wolle, konnte ich die Bacte¬ 
rien in allen Theilen der entzündlichen Organe nachweisen und 
muss sie daher auch als Infectionsträger beschuldigen. Als be¬ 
günstigende Momente wirken beim Binde, bei dem die 
Mastitis zweifellos häufiger als beim Weibe vorkommt, jedenfalls 
die übermässige Inanspruchnahme der Milchdrüse, so¬ 
wie die constante Berührung der Zitzen mit dem Stall¬ 
boden und dem Dunge, die septische Stoffe fortwährend in 
überreicher Menge bergen (Bollinger). 

Als Weg für die Infection betrachte ich die Milch und die 
Milcbgänge, und spricht hierfür nicht allein der Umstand, dass 
die Mastitis fast nur während der Lactation vorkommt, 
sondern auch die Thatsache, dass die Veränderung in der 
Milch die erste Erscheinung bei Mastitis ist und die 
in der Thierheilkunde mit Erfolg gebrauchte Therapie des voll¬ 
ständigen und oft wiederholten Ausmelkens. Ich führe hier an, 
was Franck 1 ) über die Veränderungen der Milch schreibt: 
„ Dieselbe ist geronnen und zerfällt demnach in einen festen Theil, 
der hauptsächlich aus Käsestoff besteht, und in einen flüssigen 
Theil. Der erstere verstopft öfters feinere Milchgänge, den Strich¬ 
kanal und häuft sich in den weiteren Milchgängen und in der 
Milchcisteme in grösseren Mengen an. Diese bröckelige, oft mehr 
eiterähnliche Masse, wie sie ausgemolken wird, ist nur zum Theil 
als veränderte Milch aufzufassen, zum grossen Theil ist sie ein 
Transsudat aus dem Blute. Es gebt dies schon aus der chemi¬ 
schen Analyse hervor. Es enthält nämlich dieses veränderte 
Secret im Ganzen nur wenig Oasein, Milchzucker und Fett, da¬ 
gegen viel Wasser und rohes Albumin. Die mikroskopische 
Untersuchung ergibt körnige Ausscheidung von Gasein, ver¬ 
einzelte Butterkörperchen, Epithelien der Milchgänge, des Strich¬ 
kanales und der Drüsenbläschen und in überwiegender Menge 
Eiterkörperchen. Zwischen den geformten Bestandtheilen und 
die Zellen bedeckend wimmelt es von Mikrococcen und Bacte¬ 
rien.“ Wie oben erwähnt, verstopft die geronnene Milch die 


1) Franck, Handb. d. thierärztl. Geburtshülfe. S. 551. 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 275 


Ausfülirungsgänge, dabei dauert jedoch die Secretion der Drüse 
noch einige Zeit fort und wird die frisch secernirte Milch durch 
die fermentative Wirkung der Bacterien ebenfalls wieder ver¬ 
ändert, so dass das ganze Organ, resp. eine zu einem Milchaus- 
fitthrungsgang gehörige Drüsenpartie von umgewandelter, mit 
Bacterien durchsetzter Milch erfüllt ist. Dass diese Milch 
quasi einen Fremdkörper (corps ätranger, Velpeau) für die 
damit erfüllte Drüsenpartie bildet und auf das umgebende Drüsen- 
gewebe phlogogen wirkt, kann nicht Wunder nehmen. Man sollte 
nun glauben, dass die phlogogene Einwirkung sich zunächst bei 
den Epithelien geltend macht und ist dies auch von Franck 1 ) 
angegeben worden. Ich habe dies nicht finden können; bei den 
von mir untersuchten Fällen sind stets die Epithelien der sich 
am längsten erhaltende Theil im ganzen Drüsenläppchen. Feinere 
mit dem Mikroskop nicht sichtbare Veränderungen mögen ja wohl 
in denselben vor sich gehen, aber eine sichtbare Veränderung 
erleiden sie dabei nicht; sie färben sich, wie die normalen Epi¬ 
thelien, zeigen ausser öfters vorkommenden Fetttröpfchen, welche 
ja eine physiologische Secretionserscheinung sind, keinerlei Inhalt 
im Protoplasma und überziehen ohne Unterbrechung die ganze 
innere Wand der Acini. Ich kann nur, wie Billroth 2 ), sagen, 
ich weiss nicht, was aus ihnen wird; zuletzt scheinen sie mit der 
ganzen Drüsenbeere im kleinzelligen Infiltrat unterzugehen. Viel¬ 
mehr richtet sich die phlogogene Wirkung der Milch 
zunächst auf das periacinöse Bindegewebe mit seinen 
Lymph- und Blutcapillametzen und bewirkt hier eine Auswande¬ 
rung von weissen Blutkörperchen sowohl in das periacinöse Bin¬ 
degewebe, als in das Lumen der Acini. Diese Auswanderung 
wird immer massenhafter, bis wir, wie ich oben geschildert, den 
fertigen Abscess haben, jedoch scheint sich nach meinen Prä¬ 
paraten der Process lange Zeit im intralobulären Binde¬ 
gewebe abzuspielen, so dass aus je einem tertiären infiltrirten 
Drüsenläppchen ein primärer Abscess entsteht, welcher seine 
Wandung in dem umspinnenden Bindegewebe des zu Grunde ge¬ 
gangenen DrUsenläppchens findet Hand in Hand mit dieser 
Auswanderung von Blutzellen etablirt sich im Interstitium der 
primären und secundären Drüsenlobuli eine lebhafte Bindegewebs¬ 
neubildung, die sich sowohl durch absolute Vermehrung des Binde- 


1) Franck, Handb. d. thier&rztl. Geburtshülfe. S. 550. 

2) Billroth, Krankheiten der Brüste, deutsche Chirurgie. S. 17. 


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276 


XXI. SCHLÖSSER 


gewebes, als durch dessen grossen Zellenreichthum documentirt 
und entstehen hieraus die derben, schon makroskopisch sicht¬ 
baren und fühlbaren Abscesswandungen. Bei längerer Dauer des 
Leidens können sich verschiedene kleine Abscesse zu grösseren 
vereinigen und bekommen wir sodann das bekannte Bild eines 
oder mehrerer Brustdrüsenabscesse mit ihren zerklüfteten Wan¬ 
dungen und prominirenden nekrotischen Gewebsfetzen. 

Diese Abscesse verheilen nun entweder, und wir haben als 
Ausgang der Krankheit eine Girrhose der Mamma (dies wird wohl 
das Gewöhnliche sein), oder es bleibt, während das eigentliche 
Drüsengewebe grösstentheils im wuchernden Bindegewebe unter¬ 
gegangen ist, ein chronischer, ulceröser Katarrh der 
Milchgänge zurück, wie an dem Fall, dessen Abbildung ich 
in Fig. IV gegeben habe, deutlich zu sehen ist. 

Sobald die Krankheit einmal in das Stadium der Absce- 
dirung getreten ist, ist es klar, dass sie sich nicht mehr auf 
die ursprünglich ergriffene Drüsenpartie und die Milchgänge als 
Verbreitungswege beschränkt, sondern auch durch die Lymph- 
gefässe auf zunächst liegende Drüsentheile übergeht und hier 
Metastasen bildet. Hierbei verändert sich dann natürlich auch 
das mikroskopische Bild insofern, als nicht mehr das intralobu¬ 
läre und interalveoläre Bindegewebe den Hauptsitz des Processes 
bildet, sondern ebenso auch das perilobuläre Bindegewebe mit 
ergriffen wird, und haben wir sodann dasselbe Bild, wie es eine 
Phlegmone der Mamma in Folge von Erysipel darbietet. 

Ich denke mir nun auf Grund vorliegender Befunde den 
Anfang und Verlauf der Mastitis folgendermaassen: 

Die Mastitis steht in nächstem Zusammenhang mit Wunden 
und Schrunden der Warze oder Zitze und erfolgt von hier aus 
durch Vermittelung der in den Milcbgängen stehenden Milchsäule 
eine Infection. Das inficirende Element sind Spaltpilze, welche 
durch fermentative Wirkung die Milch verändern, welch letztere 
wieder in ihrer Veränderung phlogogen auf das umgebende Drü¬ 
sengewebe wirkt. Es erfolgt hierauf bei fortwirkendem Reiz 
immer stärker werdende Auswanderung von weissen Blutkörper¬ 
chen, sowohl in das intralobuläre und interacinöse Bindegewebe, 
als in das Lumen der Drüsenacini, bis ein jedes Drüsenläppcben 
nur mehr aus einem grossen rundzelligen Infiltrate, in welchem 
die Epithelien untergegangen sind, besteht, und wird diese klein¬ 
zellige Masse, resp. der beginnende Abscess von dem inzwischen 
durch Bindegewebsneubildung verstärkten perilobulären Binde- 


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Zur vergleichenden patholog. Anatomie u. Aetiologie der Mastitis. 277 

gewebe in der Form des früheren Drtisenläppchens gehalten. 
Hierauf folgt centrale Erweichung des Infiltrates und Abscedirung. 
Von nun ab tritt der Process in ein chronisches Stadium, und je 
länger die Eiterung,und die Krankheit dauert, desto vollständiger 
wird die Atrophie des eigentlichen Drüsengewebes und um so 
mehr hypertrophirt das eigentliche Bindegewebe auf Kosten des 
letzteren. Alle diese Vorgänge folgen nur dann auf einander, wenn 
nicht zuvor die Heilung, welche ja wohl in jedem der angeführten 
Stadien ein treten kann, erfolgt. 

Die meisten Autoren sprechen von einer parenchymatö¬ 
sen und einer interstitiellen Mastitis und scheiden diese 
beiden Formen streng von einander. Nach meinen Befunden er¬ 
scheint jedoch eine derartige Differenzirung nicht berechtigt und 
dürfte für die Entzündung der in Lactation befindlichen Brust¬ 
drüse die Bezeichnung „puerperale Mastitis“ (Billroth) 
oder „Mastitis lactantium“, oder, wenn dieselbe lange dauert, 
„chronische Mastitis“ zutreffend sein. Auch könnte man, wenn 
man die Ursache und das Wesen der Krankheit charakterisiren 
will, noch „infectiös“ oder „interstitiell“ hinzufügen, jedoch nie¬ 
mals „parenchymatös“, denn das Parenchynl ist, wie ich oben 
gezeigt habe, nicht erkrankt, sondern spielt sich der ganze Krank- 
heitsprocess lediglich im Interstitium ab. 

Es erübrigt noch der pathogenen Bedeutung der 
Milch, welche aus einer mit puerperaler Mastitis erkrankten 
Drüse stammt, zu gedenken. Es ist nämlich derartige Milch be¬ 
sonders für Säuglinge in hohem Grade gefährlich und können, 
ebenso wie bekanntermaassen das Gift von Maul- und Klauen¬ 
seuche durch die Milch erkrankter Kühe auf den Menschen über¬ 
zugehen vermag, die infectiösen Stoffe des Secretes einer ent¬ 
zündeten Milchdrüse schwere Formen von Gastroenteritis und 
Tod bedingen. 

Auch möchte ich noch auf die zwar bekannte, aber, wie es 
scheint, immer noch nicht genügend gewürdigte prophylaktische 
Therapie der Mastitis beim Menschen hinweisen und dürfte bei 
rationeller Behandlung der ungünstig geformten und besonders 
zarten Brustwarzen während der Schwangerschaft und bei ent¬ 
sprechender Reinhaltung mit Anwendung der Antisepsis bei den 
einmal entstandenen Schrunden die Zahl der Erkrankungen an 
Mastitis bedeutend reducirt werden. 

Was die Art und Weise der Behandlung betrifft, verweise 
ich auf alle neueren Lehrbücher der Geburtshtilfe und de Par- 


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278 XXI. SCHLÖSSER, Anatomie und Aetiologie der Mastitis. 

thologie des Wochenbettes, in welchen dieselbe erschöpfend be¬ 
handelt ist. 

Zum Schluss ergreife ich mit Vergnügen die Gelegenheit, 
meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Bollinger, für die 
Anregung und Unterstützung bei dieser Arbeit auch an dieser 
Stelle meinen besten Dank auszusprechen. 


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XXII. 

Kleinere Mittheilnngen. 


1. 

Beitrag zur Casuistik der Tubo-Ovarialcysten 
beim Pferde. 

Von 

Georg Schneidemühl 

in Hannover. 

So weit bis jetzt die Untersuchungen reichen, nimmt man 
an, dass sich das Ovarium vorne und innen vom Wolff'sehen 
Körper aus der sogenannten Keimdrüse entwickelt. Die letztere 
ist schon frühzeitig — beim Kaninchen am 14. Tage — als (halb¬ 
mondförmige) Anhäufung von Epithelzellen zu beiden Seiten der 
Wirbelsäule zu erkennen. Jedoch ist aus der frühesten Zeit der 
Anlage noch nicht zu ersehen, ob die männliche oder weibliche 
Keimdrüse daraus entstehen wird. Erst gegen Ende des zweiten 
Monats sieht man beim Menschen das Organ breiter und kürzer 
sich entwickeln, wenn daraus die Testes, dagegen mehr länglich 
wachsen, wenn die Ovarien zur Entstehung kommen sollen. Die 
Tuben dagegen entwickeln sich aus derselben Anlage, wie der 
Uterus, nämlich aus den sogenannten Mü 11 er’schen Gängen. 
Dieselben entstehen einige Zeit nach der Urnierenanlage in der 
ganzen Länge neben dem Wolff’schen Körper. 

Die beim ausgebildeten Thiere vorhandene Trennung des 
eibildenden von dem eiführenden Organe würde deshalb bereits 
in der schon von Anfang an statthabenden gesonderten Anlage 
ihre vollständige Erklärung finden. Trotzdem ist die Continuität 
beider Organe zuweilen hergestellt, ohne dass man bisher eine 
physiologische Erklärung dafür zu geben wusste. 1 ) Nicht weniger 

1) Hensen, Die Physiologie der Zeugung. Hermann’s Handbuch d. 
Physiologie. VI. Bd. 2. Theil. S. 62. 


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280 


XXII. Kleinere Mittheilungen. 


dunkel in Bezug auf ihre Entstehung sind die unter pathologi¬ 
schen Verhältnissen vorkommenden Communicationen der ge¬ 
nannten Organe des weiblichen Genitalapparates. 

Insbesondere sieht man bei cystischen Degenerationen eine 
unmittelbare Verbindung des Eierstocks mit dem Eileiter zur 
Entstehung kommen. Derartige Fälle sind, so weit ich aus der 
Literatur feststellen konnte, zuerst von Richard 1 ) beim Men¬ 
schen beschrieben und von diesem Beobachter Tubo-Ovarial- 
cysten genannt worden. Es finden sich bei dieser Erkrankung 
des Menschen meist einkammerige Cysten von geringer Grösse 
vor, welche theils vom Ovarium, theils von der Tube gebildet 
werden. Die eingetretene einfache Höhlung liess dann noch durch 
eine Einschnürung an der betreffenden Stelle deutlich erkennen, 
wo die Verwachsung beider Organe sich befindet. Der betreffen¬ 
den Stelle entsprechend sieht man dann die Fimbrien an der 
Aussenseite in innigster Verbindung mit den Wandungen der 
Cyste. Die Tube, welche den bedeutend kleineren Theil der 
Cyste bildet, ist dann meistens nur im äusseren Drittel, seltener 
der ganzen Länge nach dilatirt. Neben Richard, der 11 Fälle 
gesehen haben will, hat auch Rokitansky 2 ) zwei beschrieben. 
Ferner wird von Hennig 3 ) ein Fall von doppelseitiger Tubo- 
Ovarialcyste mitgetheilt. In einem von Hildebrandt 4 ) erwähn¬ 
ten Falle erreichte die Cyste den Umfang einer hochschwangeren 
Gebärmutter und enthielt 15 Liter Flüssigkeit. 

Bei Thieren habe ich in der mir zugängigen Literatur keinen 
derartigen Fall beschrieben gefunden, was sicherlich nicht aus- 
schliesst, dass solche Veränderungen schon öfters zur Beobach¬ 
tung gekommen sein dürften. 

Mit Rücksicht auf das im Ganzen seltene Vorkommen dieser 
Affectionen und bei dem Interesse, das vielleicht die Genese 
derselben bieten könnte, hielt ich es für zweckmässig, einen 
solchen Fall beim Pferde, welchen ich im verflossenen Winter 
im anatomischen Institut hiesiger Thierarzneischule bei einem 
Anatomiepferde zu beobachten Gelegenheit hatte, zu veröffent¬ 
lichen. 


1) Richard, Observations dekystes tubo-ovariens. Bull. g6n.de th^rap. 
52. Bd. 1857. p. 152. 

2) Allgem. Wiener med. Ztg. 1859. Nr. 35. 

3) Monatsschrift für Geburtskde. 1862. XXI. S. 128. 

4) Hildebrandt, Die neue gynäkologische V niversitätsklinik zu Königs¬ 
berg. Leipzig 1875. S. 109. 


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XXII. Kleinere Mittheilungen. 


281 


Im Begriff, die Exenteration des Harn- und Geschlechts¬ 
apparates ausführen zu lassen, zeigte' sich am linken Eierstock 
und dem dazu gehörigen Eileiter folgende Veränderung. Das 
ganze Ovarium war in eine einzige birnäbnlich gestaltete Blase 
umgewandelt, deren Wände durch Flüssigkeit stark gespannt 
waren. Der Längenumfang derselben betrug 26 Cm., während 
der grösste Querumfang 18 Cm. ergab. An dem medial gelege¬ 
nen Theil verjüngte sich dieselbe allmählich und zeigte aussen 
an der Stelle, wo normal etwa das Ostium abdominale des Ei¬ 
leiters zu suchen »ist, eine ganz schwach ausgeprägte Einschnü¬ 
rung. Der Umfang dieser Stelle betrug etwa 3V2 Cm. Von hier 
an setzte sich dann die blasige Erweiterung unmittelbar auf die 



Tube fort, wobei der Umfang des erweiterten Eileiters ziemlich 
schnell wieder zunahm, um etwa 9 Cm. von der Einmündung in 
das Uterushorn die normale Weite wieder anzunehmen. Der am 
stärksten erweiterte Abschnitt der Tube hatte einen Umfang von 
4 Cm. Eine in gerader Richtung verlaufende Erweiterung des 
Oviducts war durch die bekanntlich normal schon vorhandene 
Verbindung desselben mit den ihn einschliessenden Blättern des 
Bauchfells, welche in ihrer Ausdehnung kürzer sind, als die Länge 
des Eileiters, nicht möglich. Vielmehr lag derselbe in allmählich 
bis zur Stärke eines Daumens ausgedehnten Windungen zwischen 
den genannten Abtheilungen des Peritonäums eingebettet. Die 
Wände des letzten Theiles der Tube, in der Nähe des Ueber- 
ganges in das Uterushom fühlten sich derb und fest an gegen¬ 
über der sehr dünnen und glatten Wand des übrigen cystisch 
erweiterten Abschnittes und des Ovariums dieser Seite. Eine 
Communication des Eileiters mit dem Uterushorn war nicht nach- 


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282 


XXII. Kleinere Mittheilungen. 


zuweisen, vielmehr war das letztere von durchaus normaler Be¬ 
schaffenheit. Ebenso konnte an sämmtlichen übrigen Theilen 
der inneren Geschlechtsorgane, wie insbesondere an dem Ovarium 
und der Tuba der anderen Seite keine Spur makroskopisch 
wahrnehmbarer Veränderung nachgewiesen werden. 

Eine mit Rücksicht auf den abnormen Befund vorgenommene 
Inspection der übrigen Eingeweide, speciell des Bauchfelles, auf 
das Vorhandensein etwaiger Verwachsungen etc. fiel negativ aus. 

Hierauf wurde vorsichtig die Abtrennung des die Tubo- 
Ovarialcyste umkleidenden Bauchfelles vorgenommen, was der 
meist nur sehr lockeren Verbindung mit den Wandungen wegen 
mit Leichtigkeit bis auf einen circa 4 Cm. betragenden Abschnitt 
des Ovariums ausgeführt werden konnte. An der genannten 
Stelle, welche sich kurz vor Einmündung des Eileiters in den 
Eierstock vorfand, war die Verbindung so innig, dass eine Tren¬ 
nung ohne Verletzung der Wand nicht gut möglich war. Es 
wurde deshalb das Bauchfell an dieser Stelle etwas von der 
Cystenwand entfernt abgeschnitten. Ferner wurde die Verbin¬ 
dung mit dem Uterushorn erhalten und dieses 8 Cm. von dem 
Ostium uterinum entfernt vom Uterus abgeschnitten. Nach Ent¬ 
fernung des Bauchfelles war es möglich, die ganze Länge des 
Eileiters festzustellen. Dieselbe betrug von jener oben erwähn¬ 
ten Einschnürung in der Nähe des Ovariums bis zur Einmün¬ 
dungsstelle in das Uterushom 40V* Cm. 

Hierauf wurde das Präparat einige Zeit in Müll er'sehe 
Flüssigkeit und darauf in Alkohol gelegt, um später die histo¬ 
logische Einrichtung der Wand auf Schnittpräparaten untersuchen 
zu können. 

Bei dem zu diesem Zwecke vorgenommenen Aufschneidep 
des Präparates ergab sich Folgendes: Die Cyste war mit einer 
klaren hellgelben Flüssigkeit angefüllt, deren nähere Untersu¬ 
chung nicht zur Ausführung kam. Die innere Wand der Cyste 
war vollständig glatt; an derjenigen Stelle, wo wegen der ver¬ 
änderten Dimensionen der Beginn der Tuba angenommen werden 
musste, konnte bis auf eine leichte Verminderung des Dicken¬ 
durchmessers der Wand da, wo sich aussen eine kleine Ein¬ 
schnürung gezeigt hatte, nichts weiter wahrgenommen werden, 
was auf eine ursprüngliche Trennung beider Theile — Ovarium 
und Tuba — hätte schliessen lassen können. Vielmehr ging die 
glatte, mattglänzende Beschaffenheit der Innenseite der Wand des 
Eierstockes direct in die des Eileiters über. An dem in das 


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XXII. Kleinere Mittheilungen. 


283 


Uterusborn übergebenden Theil der Tuba konnte eine Freilegung 
des Lumens nicht ausgeführt werden, da die Wände hier in einer 
Ausdehnung von circa 3 Cm. vollständig mit einander verwach¬ 
sen waren. 

Auf Schnitten durch die in obiger Weise gehärtete Wand 
zeigte sich dieselbe aus festen, vielfach in Bündeln unter einander 
sich kreuzenden Bindegewebsfasern bestehend, deren Festigkeit 
durch zahlreich eingelagerte elastische Fasern noch erhöht wurde. 
An der äusseren Seite waren ab und zu Cylinderzellen, die sich 
auf Zupfpräparaten noch besser präsentirten, in grösseren oder 
kleineren Haufen nachzuweisen, jedenfalls noch von dem peri¬ 
tonealen Ueberzug herrührend. 

Es fragt sich nun, wie ist diese Veränderung an dem Ova- 
num und der Tuba zur Entstehung gekommen? 

Leider war es nicht möglich, Näheres über das hierbei 
nicht unwichtige Vorleben des Pferdes zu erfahren, da das Thier 
von einem Rossscblächter aufgekauft war. Wohl aber konnte 
festgestellt werden, dass das Pferd in den wenigen Tagen,, 
welche es kurz vor seiner Verwendung in den hiesigen Ställen 
zugehracht, keine irgendwie auffälligen Erscheinungen gezeigt 
hatte. 

Sehen wir uns in der Literatur nach der bisherigen Auffas¬ 
sung über die Genese solcher Cysten um, so nimmt Richard 
an, dass bei Gelegenheit der Reifung eines Follikels die Tuba 
mit dem Ovarium verlöthet, der Follikel erst dilatirt und dann 
geborsten sei. Auch Rokitansky nimmt eine primäre, mit 
den Vorgängen der Ausstossung des Eies und Aufnahme dessel¬ 
ben durch die Tuba resultirende Communication mit dem Tubar- 
kanal an. Dem gegenüber bemerkt Veit, dass die Anlöthung 
der Tuba an das Ovarium, weil dem Process der Ausstossung 
des Eies physiologischer Weise nicht zukommend, der Berstung 
der ovariellen Cyste vorangegangen sein muss, und dass sich die 
Bildung der Tuho-Ovarialcysten wohl am besten durch die An¬ 
nahme eines Katarrhs der Tube und Follikel erkläre. Darnach 
würde ein Katarrh des Eileiters zur circumscripten Peritonitis 
und Verlöthung der Tuben führen; der Katarrh eines einzelnen 
Follikels zur Dilatation desselben, durch dessen zufällige Berstung 
in die Tuba die Tubo-Ovarialcyste hergestellt ist. Mit dieser 
Auffassung würde dann auch die Doppelseitigkeit der Verwach¬ 
sung in den Fällen von Rokitansky und Hennig ihre Erklä¬ 
rung finden, zumal in dem Falle von Hennig gleichzeitig auch 


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284 XXII. Kleinere Mittheilungen. 

eine doppelseitige Tubo-Ovarialcyste durch den Process herbei- 
geftthrt war. 

Anders liegen nun die Verhältnisse in unserem Falle. Hier 
war zunächst keine Spur einer vorangegangenen mehr oder we¬ 
niger circumscripten Peritonitis zu erkennen und eine solche fttr 
den ganz kleinen, wenige Centimeter betragenden Bezirk zu sub- 
stituiren, wo eine Verwachsung des Bauchfelles mit der Wand 
der Tube bestand, nämlich dort, wo dieselbe in das Ovarium über¬ 
ging, dürfte gegenüber der erwähnten lockeren Verbindung des 
grössten übrigen Theiles doch nicht gut zulässig sein. Ferner war 
auch eine stattgekabte Verdickung der Cystenwand als Zeichen 
einer vorangegangenen, länger bestandenen Entzündung nicht zu 
constatiren, vielmehr war die Wand sehr dünn, wenn auch ziem¬ 
lich fest und derb. Auch eine Erkrankung des anderen Eier¬ 
stockes und zugehörigen Eileiters, wie der anliegenden Organe, 
musste ausgeschlossen werden. Eine weitere Communication der 
Tubarcyste mit dem Uterus, wie in den Fällen von Hennig und 
Hildebrandt, wo durch den so herbeigeführten permanenten 
Abfluss der Cystenflüssigkeit durch den Uterus — Hydrops 
ovariorum profluens — eine spätere Erschlaffung der Cyste 
eingetreten war, konnte gleichfalls nicht nachgewiesen werden, 
da eine Communication mit dem Uterushorn durch Verwachsung 
des letzten Tubenabschnittes ausgeschlossen war und deshalb die 
Cyste gespannte Wandungen durch den hohen Flüssigkeitsgebalt 
zeigte. 

Deshalb dürfte es nicht ganz leicht sein, die ganze Verän¬ 
derung lediglich auf Processe zurückzuführen, welche extrauterin 
zur Entstehung gekommen sind. Vielleicht aber findet sich eine 
Erklärung, wenn man Störungen schon im intrauterinen Leben 
annimmt, welche zur Bildung der Tubo-Ovarialcyste in diesem 
Falle geffihrt haben. 

Wir haben oben bereits erwähnt, dass nach der herrschen¬ 
den Ansicht Eileiter und Ovarium getrennt von einander zur Ent¬ 
wicklung kommen. Diese Auffassung ist besonders von Born- 
haupt, Gasser und Sernoff nach ihren Untersuchungen beim 
Hühnchen, von M. Braun nach seinen Untersuchungen bei den 
Reptilien ausgesprochen und auch durch die Untersuchungen 
Kölliker’s 1 ) gestützt worden. Dagegen sagt Waldeyer 2 ) 

1) Kölliker, Entwicklungsgesetz d. Menschen und d. höheren Thiere. 
2. Aufl. 1879. S. 978. 

2) Waldeyer, Eierstock und Ei. Leipzig 1870. 


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XXII. Kleinere Mittheilungen. 


285: 


über die Entwicklung der genannten Organe, dass vor und nach 
innen vom Wolff'sehen Körper im Mesoderm die längliche her¬ 
vortretende Keimdrüse entstehe, welche bei beiden Geschlechtern 
ursprünglich gleich ist. Ausserdem bildet sich parallel dem 
Wolff’schen Gange ein Kanal, der abwärts ebenfalls in den 
Sinus urogenitalis mündet, der Müll er'sehe Gang. Die Keim¬ 
drüse erscheint zuerst als eine längliche Hervorragung und ist 
von hohen Epithelien der Mittelplatten, dem Keimepithel Wal¬ 
deyer’s, überkleidet. Der Müller'sehe Gang entsteht anfangs 
als lineare Furche im Keimepithel, die sich dann tiefer einsenkt 
und sich zu einem anfangs soliden Strang abschnürt, der später 
hohl wird. Die obere Oeffnung des Ganges öffnet sich frei in 
die Bauchhöhle; die unteren Enden beider Gänge verschmelzen 
eine Strecke weit. 

Diese Angaben von Waldeyer werden auch von Foster 
und Balfour 1 ) bestätigt, welche gegen Ende .des vierten Tages 
beim Hühnchen an der Aussenseite des vom W ol ff'sehen Körper 
gebildeten Vorsprunges eine Rinne bemerkten, die gleich unter¬ 
halb des Wolff’schen Ganges durch Einsenkung des Keimepi¬ 
thels entsteht. Diese Furche wird dann tiefer, ihre Wälle wölben 
sich gegen einander und verwachsen. So entsteht eine Röhre, 
die sich vom Keimepithel ablöst — der Müll er'sehe Gang. 
Endlich sagt auch Kölliker, dass nach den Untersuchungen 
Bornhaupt’s etc. die Angaben Waldeyer’s zwar als nicht 
vollkommen zutreffend erachtet werden können, dennoch scheinen 
die nicht seltenen mehrfachen Tubenmündungen beim Menschen 
zu Gunsten von Waldeyer’s Aufstellung zu sprechen. 

Demnach würde neben den oben angeführten Momenten, 
welche zur Entstehung der Tubo - Ovarialcysten Veranlassung 
geben könnten, auch die Ansicht Berechtigung haben können, 
welche entwicklungsgeschichtliche Störungen als Ausgangspunkt 
annimmt. Unter Zugrundelegung der Anschauung Waldeyer’s 
über die Entwicklung der in Betracht kommenden Organe wäre 
leicht denkbar, dass gelegentlich keine freie Bauchöffnung an 
der Tuba entsteht, sondern diese innerhalb des Eierstockes endigt, 
oder dass schon um dieselbe Zeit eine vollständige Vereinigung 
derselben mit der Oberfläche des Ovarium eintritt, so dass die 
Fimbriae tubae vollständig fehlen. 

Durch dieses Vitium primae formationis würde dann einmal 

1) Foster u. Balfour, Grundzüge der Entwicklungsgeschichte der 
Thiere. Leipzig 1876. S. 160 u. 161. 


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286 


XXII. Kleinere Mittbeilungen. 


die Erklärung gefunden sein für das beobachtete Vorkommen 
einer Verbindung des Eileiters mit der Tuba, wie auch anderer¬ 
seits der Boden geschaffen sein, um bei Erkrankungen des Ova- 
riums, die zur Cystenbildung führen, die Tubo-Ovarialcysten zur 
Entstehung zu bringen. Es würde somit die Störung bei der 
ersten Anlage der genannten Organe erst durch spätere, vielleicht 
erst zur Zeit der Pubertät eintretende Erkrankung derselben zur 
Tubo-Ovarialcyste führen können, ohne dass zur letzteren erst 
eine, die Verwachsung des Eierstockes mit dem Eileiter veran¬ 
lassende Peritonitis vorangegangen zu sein braucht. Ohne in der 
Lage zu sein, die ßichtigkeit unserer Auffassung in allen Punkten 
durch weitere Thatsachen belegen zu können, würden wir mit 
derselben zunächst im Stande sein, eine Erklärung für den Be¬ 
fund in unserem Falle zu finden, wo weder eine vorangegangene 
Peritonitis, noch beiderseitige Erkrankung der betreffenden Or¬ 
gane, noch irgend welche anderen krankhaften Veränderungen 
nachzuweisen waren. 

Vielleicht gibt aber die Mittheilung dieses Falles zur Ver¬ 
öffentlichung ähnlicher Veranlassung, um durch weiteres Material 
die Entstehungsgeschichte der Tubo-Ovarialcysten dieser Art klar 
zu legen. 


2 . 

Weitere Resultate über die Natur und Wirkung des 
in den schädlichen Lupinen enthaltenen Stoffes. 

Von 

Carl Arnold und Georg Schneidemühl 

in Hannover. 

Bei den weiter angestellten Versuchen zur Feststellung der 
Natur des die Lupinose erzeugenden Giftes, und der Art und 
des Weges desselben im thierischen Organismus, sind wir zu 
folgendem Resultate gelangt. Ueber das Nähere verweisen wir 
auf die in dem demnächst erscheinenden Jahresbericht hiesiger 
Thierarzneischule erfolgenden ausführlichen Mittheilungen. 

1. Die Trennung des die Lupinose erzeugenden chemischen 
Stoffes von den meisten ihn begleitenden anderen Verbindungen 
lässt sich auf folgende Art erreichen: Die fein gemahlenen Lu¬ 
pinen werden mit 1 x ji Proc. wasserfreie Soda enthaltendem 
Wasser von 40—50° C. zu einem dünnen Brei angerührt und 


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XXII. Kleinere Mittheilungen. 


287 


nach zweitägigem Stehen ansgepresst. Die gewonnene Flüssig¬ 
keit wird anf dem Wasserbade bei einer tiO° C. nicht überschrei¬ 
tenden Temperatur abgedampft, nach dem Erkalten mit Essig¬ 
säure, bis keine Fällung mehr erfolgt, versetzt, das ausgeschiedene 
Legumin abfiltrirt, hierauf der essigsauren Flüssigkeit Bleiacetat- 
lösung zugesetzt, vom Niederschlage abfiltrirt*), das Filtrat mit 
Schwefelwasserstoffgas gesättigt und das abgeschiedene Schwe¬ 
felblei durch Filtration entfernt. Alsdann wird das Filtrat bei 
40—50® C. zur Consistenz eines dünnen Extractes eingedampft 
und in das 10—15 fache Volumen Alkohol von 98 Proc. gegossen. 
Der nach 24 Stunden erhaltene Niederschlag wird gesammelt 
und zwischen Filtrirpapier getrocknet. Die so erhaltene braune 
glänzende, harzartige Masse besitzt die oben besprochene schäd¬ 
liche Wirkung in solchem Maasse, dass bereits 3—5 Grm. bei 
Hunden genügten, um ausgeprägte Lupinose zu erhalten. 

2. Als der Weg, auf dem das Gift zur Wirkung gelangt, 
müssen die Blutbahnen angesehen werden. Eine primäre Er¬ 
krankung des Darmkanales, resp. Duodenums und Gallenganges, 
von wo aus die weiteren Erkrankungen in der Leber, speciell 
der Icterus eingeleitet werden, ist, wie dies bereits Prof. Schütz 
näher ausführt, nicht Vorbedingung für den Process in der Leber. 
Nach unseren Versuchen nehmen wir an, dass »der Giftstoff, ähn¬ 
lich anderen chemischen Stoffen, in die Blutbahnen gelangt, in 
erster Linie direct auf die Leber wirkt, wobei wir dahingestellt 
lassen, ob die langsame Blutströmung in diesem Organe, oder 
die physiologisch-chemischen Vorgänge die Entfaltung der Wir¬ 
kung begünstigen. Mit der intensiven (fast ätzenden) Wirkung 
des Giftes und dem schnell tödtlich werdenden Verlauf der Krank¬ 
heit bei Einführung des Giftes direct in die Bauchhöhle oder 
unter die Haut finden wir das bisher und von Neuem geprüfte 
chemische Verhalten des Stoffes vollständig in Einklang. Wir 
wissen, dass das Gift in alkalischen Flüssigkeiten in seiner Wir¬ 
kung erhöht, dagegen in sauren in dieser beeinträchtigt wird. 
Demnach ist einzusehen, dass das von der Haut oder den serösen 
Häuten sogleich in das alkalische Blut gelangte Gift von hier aus 
energischer und schneller wirken wird, als der beim Passiren 

1) Der entstandene Niederschlag enthält bereits einen Theil der schäd¬ 
lichen Substanz, wie directe Versuche zeigten. Der giftige Körper ist näm¬ 
lich durch Bleiacetat fällbar, befindet sich aber dennoch zum grössten Theil 
im Fütrate der Bleifällung, da die Verbindung des Giftstoffes mit Blei im 
vorhandenen Natriumacetat leicht löslich ist. 

Deutsche Zeitschrift f. Thiermed. u. vergl. Pathologie. IX.Bd. 20 


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288 


XXII. Kleinere Mittheilungen. 


des sauer reagirenden Darmes in der Wirkung geschwächte Gift¬ 
stoff. Ferner leuchtet ein, dass der in den Darmkanal einge- 
ftihrte und von hier aus in das alkalische Blut gelangende giftige 
Körper der Lupinen die charakteristischen Erscheinungen an der 
Leber und später an der Niere etc. hervorrufen, den Magen und 
Darm selbst aber, wo ja die Wirkung, wenn nicht gehoben, so 
doch erheblich geschwächt wird, fast intact lassen wird. Es 
liegt nahe, hier die Ansicht aufzustellen , dass Verletzungen in 
der Maul- und Rachenhöhle , wie auch anderen Stellen der Ver¬ 
dauungswege, wodurch der directe Eintritt des Giftes in die Blut¬ 
bahn möglich wird, die Wirkung des Giftes bei der Fütterung der 
schädlichen Lupinen erheblich beschleunigen und verstärken können. 

3. Die Versuche über das chemische Verhalten des Körpers 
geben auch dem Gedanken Berechtigung, dass durch zweck¬ 
mässigen Zusatz einer Säure zum Tränkwasser vielleicht die 
Möglichkeit gegeben wäre, bei der Fütterung schädlicher Lupi¬ 
nen deren Wirkung zu schwächen oder aufzuheben. Allerdings 
darf dabei nicht übersehen werden, dass das alkalische Blut 
immerhin noch im Stande sein kann, die schädliche Wirkung 
von Neuem herbeizufttbren. 

4. Unter den klinischen Erscheinungen der Krankheit bei 
Hunden heben wir die im Laufe derselben fast regelmässig be¬ 
obachtete Schwäche in den Hintergliedmassen hervor, die, wie 
wir bei mikroskopischer Untersuchung der Muskeln fanden, auf 
einer mit körnigem Zerfall einhergehenden Veränderung der be¬ 
treffenden Muskeln beruht. Wird der Giftstoff in kleinen Portionen 
und allmählich verabreicht, so erholen sich die Thiere nach den 
ersten Krankheitserscheinungen wieder, obwohl der Process in 
der Leber seinen Fortgang nimmt. Ferner scheinen einzelne 
Thiere eine bestimmte Widerstandsfähigkeit unter den genannten 
Umständen zu erlangen, welche sie befähigt, recht grosse Dosen 
des Giftes später ohne erhebliche äussere Reaction zu ertragen. 

5. Was den pathologisch - anatomischen Verlauf betrifft, so 
locaUsirt sich der Process, wie erwähnt, in erster Linie in der 
Leber, wo zuerst Anfüllung der Zellen mit kleinen Körnchen 
eintritt, denen sich bei längerer Dauer der Krankheit Fettkörn¬ 
chen und Fetttropfen zugesellen. Hat die Krankheit sehr lange 
bestanden, bei Hunden nach 8—10 Tagen nach Einführung grös¬ 
serer Dosen des Giftes, so sieht man eine vollständige Umwand¬ 
lung des Zellleibes in Fetttropfen erfolgen. Nicht minder werden 
auch die Gallengänge ergriffen, die anfänglich mit Zellen stark 


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XXII. Kleinere Mittheilungen. 


289 


gefüllt, später mehr mit Zerfallsproducten verstopft sind. Ebenso 
tritt im weiteren Verlaufe der Krankheit eine Nephritis paren- 
chymatosa ein. Diese Befunde bestätigen, was Prof. Schütz 1 ) 
bereits ausführlich mitgetheilt hat. 


Wir gedenken fortan den giftigen Stoff der schädlichen Lu¬ 
pinen mit „Lupinotoxin“ zu bezeichnen, da der seiner Zeit 
von Kühn vorgeschlagene Namen „Ictrogen“ als nicht charak¬ 
teristisch angesehen werden kann und ferner der sichtbare Icterus 
keine constante Erscheinung der Lupinose ist. 

Die Mittheilungen der Ergebnisse über die weitere Isolirung, 
chemische Eigenschaft und chemische Zusammensetzung des Lu- 
pinotoxins werden bald nachfolgen. Wir werden alsdann gern 
bereit sein, den betreffenden Instituten Präparate des Lupino- 
toxins zur Verfügung zu stellen. 

Hannover, königl. Thierarzneischule, Ende März 1883. 


3. 

Rudimente des vorderen Endes der Müller’schen 
Gänge beim frisch geborenen Hengstfohlen. 

Von 

L. Franek. 

Bei den zahlreichen Cadavern frisch geborener Fohlen, die 
ich jährlich zu anatomischen Zwecken verwende, fand ich, dass 
fast durchgehends beim ausgetragenen Hengstfohlen noch Reste 
vom vorderen Ende des Müller’schen Ganges deutlich nach¬ 
weisbar sind. Es findet sich nämlich am vorderen Ende des 
Hodens ein etwa linsengrosses, gekraustes röthliches Körperchen, 
das der Bauchöffhung und den Fransen des Eileiters der Stute 
und damit dem Vorderende der Müller’schen Gänge homolog 
ist. An der lateralen Seite des Hodens und etwas unter dem 
Nebenhoden zieht sieh von jenem Körperchen ein weisslicher 
Streifen nach rückwärts, biegt sich am Ende des Hodens au die 
mediale Seite des Mesorchiums zum Anfänge des Samenleiters 
und erlischt allmählich. Es stellt dieser Faserzug offenbar einen 
Best vom vorderen Theile des Müller’schen Ganges dar und 
man könnte ihn, da man ja auch von einem männlichen Uterus 
spricht, als verkümmerten männlichen Eileiter bezeichnen. 

1) Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilkunde. IX. Bd. 1. u. 2. Heft. 


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XXIII. 

Auszüge und Besprechungen. 


l. 

Demme, R., Uebertragung der Maul* und Klauense uche 
auf den Säugling durch den Genuss der Milch eines 
erkrankten Thieres. (Neunzehnter medic. Bericht über die 
Thätigkeit des Huner’schen Einderspitales in Bern im Laufe des 
Jahres 1881 . S. 81 . Bern 1882 .) 

Demme berichtet über eine schwere Erkrankung bei zwei 
Kindern, verursacht durch den Genuss der Milch, die von einer 
maul- und klauenseuchekranken Ziege stammte. Die Zwillings¬ 
kinder Stöcker wurden auf einem in der Nähe von Bern liegenden 
Heimwesen mit Ziegenmilch mit bestem Erfolge aufgefüttert. 
Nach Ablauf von drei Wochen beobachtete man bei einem der 
Kinder Verlust des Appetites, Erbrechen, Schlingbeschwerden, 
Erhöhung der Anustemperatur bis zu 39,5 und am folgenden Tage 
(10. Mai 1881) eine Bläscheneruption auf der ganzen Mundschleim¬ 
haut, namentlich dem harten Gaumen, dem Boden der Mund¬ 
höhle und an den Lippen. Auch auf den sichtbaren Theilen der 
Nasenschleimhaut fanden sich zahlreiche ähnliche Blasen von 
Hirsekorn- his Erbsengrösse, mit einer grünlichgelben Flüssigkeit 
gefüllt. Am folgenden Tage war die Mehrzahl der kleinen Bläs¬ 
chen geplatzt und es zeigten sich oberflächliche Geschwüre, stär¬ 
kere Speichel- und Schleimsecretion, Krustenbildung und mässi- 
ges Fieber. Patient lag theilnahmslos meist in leichtem Sopor 
im Bettchen. Am 13. Mai Nasenbluten und profuse Diarrhoe, 
Koma, Temperatursteigerung auf 41,2, Tod. — Bei der Section 
konnte nur die Bauchhöhle untersucht werden. Die Leber war 
brüchig, die Milz vergrössert, Nieren geschwellt. Schleimhaut 
des Dünndarmes leicht hyperämisch, Follikel geschwellt, stellen¬ 
weise geplatzt, keine Ulcerationen. Mesenterialdrüsen geschwellt 
und hyperämisch. 


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XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


291 


Am 10. Mai war auch das andere Zwillingskind, ein Mäd¬ 
chen, unter denselben Erscheinungen, jedoch bedeutend leichter, 
erkrankt. Es fand sich geringe Angina, auf der Mundschleimhaut 
einige wenige zerstreute Bläschen, Speichel- und Schleimabson¬ 
derung vermehrt, Temperatursteigerung bis auf 38,8. Heilung 
ohne weitere Störung und ohne besondere Schädigung der Er¬ 
nährung nach Ablauf von 5 Tagen. 

Es konnte nun sicher constatirt werden, dass die Ziege, 
deren frisch gemolkene und ungekochte Milch von den beiden 
Kindern genossen wurde, alle Symptome der Maul- und Klauen¬ 
seuche mit Localisationen auf der Maulschleimhaut, an den Klauen 
und an den Euterzitzen zeigte. Dabei bestand verminderte Fress¬ 
lust und etwas verminderte Milchsecretion. Nach 17 tägiger Dauer 
der Krankheit war die Ziege wieder genesen. — Weitere Nach¬ 
forschungen ergaben, dass unter dem Viehstande des ursprüng¬ 
lichen Besitzers der Ziege unzweifelhafte Fälle von Maul- und 
Klauenseuche bei Rindern kurz nach dem Verkaufe der Ziege 
an die Stocker’schen Eheleute vorgekommen waren. — Auch die 
Mutter der Kinder, die ebenfalls im Kaffee geringe Mengen un¬ 
gekochter Milch derselben Ziege genossen hatte, liess während 
der Krankheit des Knaben Niklaus ebenfalls eine beschränkte 
Bläschenbildung auf der Mundschleimhaut mit leichtem Fieber, 
Mattigkeit und Abgeschlagenheit der Glieder wahrnehmen. 

Offenbar wurde hier in sämmtlichen drei Erkrankungsfällen 
die Uebertragung durch die Milch vermittelt; die Incubations- 
dauer betrug bei dem Knaben 3—5, bei dem Mädchen 6—7 Tage. 


Im Anschlüsse an die vorstehende Mittheilung Demme’s 
berichtet Sanitätsrath Dr. Wilkau er 1 ) in Eisenach über vier 
Fälle von eigenthümlichen Warzenbildungen an den Händen, die 
er auf. einem Gute bei Eisenach bei weiblichen Individuen, die 
sich mit Melken der Kühe abgaben, constatirte. Obwohl Allge¬ 
meinerscheinungen bei den befallenen Patienten fehlten und auch 
Maul- und Klauenseuche bei den betreffenden Kühen mit Sicher¬ 
heit nicht constatirt werden konnte, so nimmt W i 1 k a u e r doch 
eine Uebertragung von Maul- und Klauenseuche bei dem Melk¬ 
geschäfte an — nach der Meinung des Referenten ohne zwingende 
Gründe. Eher dürfte hier ein anderweitiger infectiöser Ausschlag 
Vorgelegen haben. B. 

1) Correspondenzblätter des allg. ärztl. Vereins v. Thüringen. Nr. 10. 1882. 


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292 


XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


2 . 

Fleischvergiftung in Oberlangenhard-Zell und in Rykon-Zell 
(Canton Zürich). Correspondenzblatt für schweizer Aerzte. Nr. 22. 
1882 und Blätter für Gesundheitspflege. 1882. 

Ende Juni 1882 erkrankten in oben genannten Orten zwei 
Familien von je vier Personen unter den Erscheinungen heftiger 
Magen- und Darmentzündung. Alle Patienten lagen 2—3 Wochen 
krank; das jüngste Kind (2 Jahre alt) einer Familie ist am achten 
Tage unter Convulsionen gestorben. Die amtliche Untersuchung 
ergab mit Sicherheit, dass bei beiden Familien Ursache der Er¬ 
krankung der Genuss von Fleisch war, welches von einem offen¬ 
bar an Krankheit zu Grunde gegangenen Kalbe herrührte. Von 
diesem Fleische war unter der Hand an jene Familien verkauft 
worden. 

Auf Grund der gerichtlichen Untersuchung wurde der Be¬ 
sitzer des kranken Kalbes mit einer Geldbusse, der Verkäufer des 
Fleisches mit 2 Monaten Gefängniss bestraft; nur wenig fehlte, so 
wären Beide gänzlich freigesprochen worden. So lässt man Leute, 
die crepirte Kälber als Speise verkaufen und dadurch Menschen¬ 
leben zu Grunde richten, mitleidig laufen, damit sie, der gelinden 
Strafe spottend, ihr verhängnisvolles Treiben von Neuem be¬ 
ginnen. B. 


3. 

Ueber die Wirkung einiger Antiseptica auf das Milzbrandcontagium. 

Von Hugo Warrikow. Inaugural-Dissertation. Dorpat 1883. 

Warrikow wendete eine Reihe von Desinfectionsmitteln 
auf Milzbrandbacillen an und kam zu etwas anderen Resultaten, 
was den Grad der Verdünnung anbelangt, als andere Forscher. 
Nach ihm wurden Milzbrandbacillen zerstört durch Jod 1: 56000 
(wässerige Lösung); Sublimat 1:20000; Salzsäure 1:600; Kali 
hypermang. 1:400; Essigsäure 1:400; Carbolsäure 1:100; Al¬ 
kohol 40°; reines Terpenthinöl, Terperthinwasser, Kalkwasser; 
concentrirte Kochsalzlösung in 20 Tagen. 

Unwirksam blieben: Unterschwefligsaures Natron 20 Proc.; 
arsenige Säure *) (gesättigte Lösung), Petroleum. 

1) B|uchner sprach neuerlich die Ansicht aus, dass länger fortgesetzte 
Darreichung von kleinen Arsenikgaben einen Zustand im Körper schaffen 
würde, der ihn mehr oder weniger immun für Infectionskrankheiten, beson¬ 
ders für nicht acut verlaufende, wie z. B. Rotz, Tuberculose, machen würde. 


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XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


293 


Bei dieser Gelegenheit dürfte doch daran erinnert werden, 
dass der innerliche Gebrauch von DesinfectionsmitteJn bei Infec- 
tionskrankheiten bisher den gewünschten Erfolg nicht hatte, ja 
dass die meisten Mittel beim innerlichen Gebrauche mehr scha¬ 
deten, als nützten. Es ist dies begreiflich, wenn man bedenkt, 
dass durch jene Mittel die Widerstandsfähigkeit der den thieri- 
schen Körper bildenden Zellenmasse noch mehr herabgesetzt wird, 
als den pathogenen Pilzen geschadet. Ebenso hat offenbar die 
directe Desinfection des Bodens, oder von Zwischenträgern, so¬ 
bald es sich um eine grössere Ausdehnung handelt, mit Desin- 
fectionsmitteln ihre sehr schwache Seite und ist ihr Nutzen jeden¬ 
falls ein sehr zweifelhafter. Die Zukunft wird sicher daran 
denken müssen, bei der Desinfection von Grund und Boden und 
ähnlichen Dingen die Verhältnisse in demselben derart zu ändern, 
dass sich eben die Bedingungen zur Erzeugung oder Vermehrung 
von pathogenen Pilzen nicht mehr gegeben finden. Wie z. B. in 
faulenden Flüssigkeiten Milzbrandbacillen (nicht deren Spo¬ 
ren) rascher und sicherer zu Grunde gehen, wie durch manche 
Desinfectionsmittel, so wird es wohl auch gelingen, durch ge¬ 
eignete Drainage, besondere Düngung, Berieselung oder dergl. 
Zustände im Boden zu schaffen, die der Entwicklung pathogener 
Pilze ungünstig sind, oder sie gänzlich hindern. Wir müssen 
die Bacillen indirect bekämpfen und müssen den 
Stier nicht bei den Hörnern packen wollen. 

Franck. 


4. 

Der Milzbrand, seine Entstehung und Bekämpfung. Im Aufträge 
des deutschen Landwifthschaftsraths verfasst von Dr. Roloff, 
Geh. Medicinalrath, Director an der königl. Thierarzneischule in 
Berlin. Berlin, Verlag von Paul Parey. Preis 1 Mark. 


Es hat nun Warrikow, obgleich vom Milzbrände als höchst acut verlau¬ 
fende Infectionskrankheit sich nicht viel erwarten liess, zwei Kaninchen 
14 Tage hindurch mit je täglich 7120 Grm. arseniger Säure gefüttert und dann 
mit frischem Milzbrandblute geimpft. Beide starben nach 24 Stunden an 
Milzbrand. Auch ich habe zwei Schafe 6 Wochen hindurch mit je 0,01 Grm. 
arseniger Säure täglich gefüttert und dann mit 1 Jahr alten Milzbrandsporen 
geimpft. Sie starben am zweiten Tage an typischem Milzbrand. Diese 
Fälle beweisen allerdings noch nichts Entscheidendes für Büchner’s An¬ 
sicht und müssen zunächst einmal Versuche mit chronischen Infectionskrank- 
heiten gemacht werden, wozu sich besonders die Tuberculose eignen dürfte. 

Franck. 


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XXUI. Auszüge und Besprechungen. 


Es ist dies eine kurze populäre Darstellung des Milzbrandes, 
seiner Zeichen, Ursachen, Verbreitung und Bekämpfung, die wir 
bestens empfehlen können. Franck. 


5. 

Der Hufschmied, Zeitschrift fttr das ganze Hufbeschlagwesen. 
Redigirt unter Mitwirkung hervorragender Fachgenossen von A. 
Lungwitz, Beschlaglehrer und Vorstand der Lehrschmiede an 
der königl. Thierarzneischule in Dresden. I. Jahrgang. 1883. Ver¬ 
lag: Schönfeld’s Verlagsbuchhandlung, Dresden. 

Diese Zeitschrift erscheint monatlich je 1 Bogen stark und 
kostet jährlich nur 3 Mark. Sie bezweckt, zunächst die Schmiede, 
dann aber auch Alle, die sich um den Hufbeschlag interessiren, 
mit den Neuerungen, Verbesserungen und Erfindungen in dem 
bezüglichen Fache vertraut zu machen. Man muss sich eigent¬ 
lich wundern, dass nicht schon längst eine ähnliche Zeitschrift 
begründet wurde. Ein BedUrfniss dafür existirt thatsächlich und 
so wird denn zweifellos das Unternehmen, das uns sehr sympa¬ 
thisch ist, eine gute Zukunft haben, um -so mehr, als der Name 
des Redacteurs die Garantie bietet, dass die Zeitschrift nur Tüch¬ 
tiges bringen wird. _ Franck. 


6 . 

The quaterly journal of veterinary Science in India and army animal 
management. Edited by Charles Steel (Bomby army). Super¬ 
intendent army veterinary school, Poona. Assisted byFred Smith, 
v. s. 12th. royal lancers & John Henry Steel, v. s. D/D, royal 
artillery, H. S. F. Bangalore. Druck u. Verlag bei Stephenson 
& Co. 12, South Parade. October 1882. Preis 3 Rupien (nahezu 
6 Mark). 

Es liegt uns das erste (October 1882) und zweite Heft (Ja¬ 
nuar 1883) dieser Zeitschrift vor, die einen Umfang von fast 
24 Druckbogen (Octavformat) einnehmen. Wir ersehen daraus, 
dass es vorzugsweise die ungünstigen Standesverhältnisse der 
Militärveterinäre Indiens sind, die zur Herausgabe vorliegender 
Zeitschrift führten. Eine Besserung der bezüglichen Verhältnisse 
soll hierdurch angebahnt werden. Es beklagen sich die Militär¬ 
veterinäre (Veterinärofficiere) Indiens bitter über die ungenü¬ 
gende Anzahl (einige 60 für ganz Indien, das so gross als 
ganz Europa ist), über die unzulängliche Bezahlung, Uber schlechte 
Behandlung und Zurücksetzung, über eine unzweckmässige Ein- 


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XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


295 


richtung and Mangel an Anerkennung für treue Pflichterfüllung. 
Der Inhalt der ersten zwei Hefte ist äusserst reichhaltig. Wir 
lernen da Krankheiten und Seuchen bei Kameelen und Elephanten 
kennen, bekommen Vorstellungen über die Zustände des Veteri¬ 
närwesens in Indien, bekommen von Thierarzneischulen dortselbst 
erzählt (zu Lahore, Madras, Armeeveterinärschule zu Poona), die 
uns zum Theil nicht einmal dem Namen nach bekannt waren. 

Der Druck ist deutlich und gut, das Papier sehr stark. Die 
künstlerischen Beilagen (Holzschnitte) sind nicht im Texte, son¬ 
dern auf eigenen Blättern an der bezüglichen Stelle eingeheftet. 

Franck. 


7. 

Die Entwickelung des Militär-Veterinärwesens in Württemberg. Ein 
Beitrag zur Geschichte und Statistik. Unter Benutzung der Acten 
des königl. Kriegsministeriums heransgegeben von L. Hoffmann, 
Oberrossarzt im 2. königl. wtirttemb. Feldartillerie - Reg. Nr. 29. 
Ludwigsburg, Selbstverlag des Verfassers; zu beziehen in der Buch¬ 
druckerei von Greiner u. Ungeheuer. 1883. 

Eine recht interessante, 76 Octavseiten starke Brochure, die 
sich über das württembergische Militärveterinärwesen und nament¬ 
lich auch über die wichtigsten Pferdekrankheiten, ihre frühere 
Behandlung, Zu- und Abnahme, Wesensänderung u. dergl. ver¬ 
breitet. Namentlich für unsere Collegen beim Militär dürfte 
dieses Schriftchen ein vielseitiges Interesse darbieten. 

Franck. 


8 . 

Kranken- und Geschäftstagebuch für Thierärzte. Von 
C. Bauwerker, Bezirksthierarzt in Kaiserslautern. Zweite ver¬ 
besserte Auflage. Druck und Verlag von C. Thieme in Kirch¬ 
heimbolanden. 

Schon in der ersten Auflage hatte sich dieses Tagebuch 
einer sehr guten Aufnahme und starken Verbreitung unter den 
Thierärzten zu erfreuen. Die Möglichkeit der ebenso einfachen 
und wenig zeitraubenden, wie dabei doch exacten und übersicht¬ 
lichen Buchführung haben dasselbe als ausserordentlich zweck¬ 
mässig schätzen gelernt. 

Nachdem der Herr Verfasser nicht versäumte, die zweite 
Auflage durch Vermehrung der zu benützenden Zeichen etc. so 
viel wie thunlich zu verbessern und zu erweitern, so können wir 


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296 


XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


nicht umhin, den Herren Collegen dieses Tagebuch wiederholt 
aufs Beste zu empfehlen. Friedberger. 


9. 

Ueber Ursprung und Lebenserscheinungen der tbierischen Organis¬ 
men. Lösung des Problems tiber das ursprüngliche Entstehen 
organischen Lebens in unorganisirter Materie. Von L. Philipp. 
Leipzig, E. Günther’s Verlag. 1883. 

Ein 12 Druckbogen 8° starkes Buch, Nr. 14 der „Darwinisti¬ 
schen Schriften“, liegt uns von L. Philipp vor. Verfasser er¬ 
geht sich alle Seiten des Bandes hindurch in naturphilosophischen 
Speculationen, die an manchen Stellen geistreich und fesselnd 
geschrieben, uns aber sehr langathmig erschienen sind. Die 
Grundgedanken der ganzen Abhandlung finden in der Ableitung 
des Organischen vom Mechanischen ihren Ausdruck, indem der 
Antor bemüht ist, eine neue Theorie für die Entstehung der Lebe¬ 
wesen aufzustellen, und sich daher auf einem Gebiete bewegt, 
welches aus Mangel au handgreiflichem Material zu sophistischen 
Betrachtungen anlockt und daher immer seine Liebhaber findet. 
Wenn auch die Frage der Urzeugung durch derartige Anschau¬ 
ungen nicht gelöst erscheint, so sind die vielen Data, welche 
Verfasser aus allen möglichen Zweigen der Naturwissenschaft zur 
Begründung seiner Entstehungsidee anzieht, sicherlich von In¬ 
teresse. Kitt. 


10 . 

Deila polydactvlia e polymelia nell’ nomo e nei vertebrati. Memoria 
del Prof. Giambettista Ercolani. Separatabdruck aus den Me- 
morie dell’ Academia delle Zcienze dell’ Istituto di Bologna. Serie IV. 
Band III. 1882. 

In gewohnter trefflicher und genauer Ausführung hat Er¬ 
colani ein Werk geschaffen, das an der Hand einer Fülle von 
Beispielen die Gründe für jene Missbildungen, die als Polydaktylie 
und Polymelie bezeichnet werden, anführen soll. Bei der Reich¬ 
haltigkeit dieser Schrift (sie umfasst 100 Seiten gross 2°) ist es 
schwer, einen" Auszug davon zu bringen. Im I. Capitel wird die 
Polydaktylie im Besonderen, zunächst beim Menschen, dann bei 
den Säugethieren (Equiden, Schweinen, Wiederkäuern, Fleisch¬ 
fressern) abgehandelt. Das II. Capitel macht uns mit der Melo- 
melie beim Menschen und den Vertebraten bekannt, deren Be- 


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XXIII. Auszüge und Besprechungen.. 


297 


sprechung in einzelnen Abschnitten über Rudimentärmelomelie, 
über solche der vorderen und der hinteren Glieder erfolgt. Das 
III. Gapitel bringt die genannten Missbildungen bei Vögeln und 
das IV. bei Reptilien nebst vollständig analogen Beispielen an 
den Bewegungsorganen der Fische zur Mittheilung. Indem In¬ 
teressenten für die Abweichungen der Polymelie bei den verschie¬ 
denen Thieren auf die Details im Originale verwiesen werden 
müssen, mag es hier vielleicht am Platze sein, einige kurze No¬ 
tizen zu geben. 

Nachdem bereits seit den ältesten Zeiten überzählige Zehen 
bei Pferden durch Valerius Maximus und Suetorius, sowie 
durch Aldrovand bekannt sind, haben Wehenkel, Corne- 
vin in der Neuzeit viele solche Fälle gesammelt, ebenso hat 
Gurlt 14 Beispiele aufgeführt. Die Mehrzahl dieser Fälle be¬ 
zieht sich auf überzählige Zehen an den vorderen Extremitäten, 
und wie dies bekanntlich sehr häufig beobachtet werden kann, 
hatten die Afterzehen ihren Sitz auf der medialen Seite des 
Fusses. Cornevin sah dies 37 mal unter 49 Beispielen. Auch 
von Marsh liegen instructive Berichte hierüber vor. 

Ercolani beschreibt seinerseits ein Vorkommniss am rech¬ 
ten Vorderfusse eines jungen Pferdes. 

Ulna, Radius und die proximale Reihe der Carpalien waren 
normal, die distale Reihe war nur von 2 Knochen hergestellt. 
Ein Metacarpale 3 repräsentirte sich nur als viereckiges Kno- 
chenstück von 3 Cm. Länge. Ausser diesem rudimentären Meta¬ 
carpale des 3. Fingers bestanden noch zwei,, ein laterales und 
mediales, von denen jedes schlecht gestaltete Zehenglieder trug. 
Verf. kommt auf die verschiedenen Ansichten der Veterinärana¬ 
tomen zu sprechen, welche dahin gingen, dass die Einen den 
Fuss des Pferdes aus der Verschmelzung des 3. und 4. Fingers 
entstanden dächten, Andere, und diese mit Recht, die einzelnen 
Glieder für Theile des 3. Fingers ansehen. Die Paläontologie 
hat ja hauptsächlich den Nachweis für die letztere Anschauung 
erbracht. Ercolani neigt sogar bezüglich seines Falles zur 
Ansicht, dass derselbe als unvollständiger Atavismus aufzufassen 
sei, weil eben das sonst mächtige Schienbein der 3. Zehe sehr 
unentwickelt geblieben ist. Bezüglich der Missbildungen an den 
Extremitäten der Wiederkäuer weist die Literatur spärliche No¬ 
tizen auf. Verf. beschreibt mehrere interessante Fälle von Mehr- 
zehigkeit, von den einfachsten bis zu den complicirtesten Formen, 
wobei die Extremität 3, 4 und 5 Zehen mit und ohne Verdop- 


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XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


pelung der Metacarpalien, selbst Spaltung in 5 Mittelhand- and 
Fassknochen besass. 

Fleischfresser zeichnen sich sehr hänfig durch den Besitz 
von 1—2 überzähligen Krallen aus (bei uns bekannt als Huber¬ 
tusklaue), welches Vorkommniss nicht etwa als Atavismus, son¬ 
dern wirklich als eine excessive Bildung aufgefasst werden muss. 

Ercolani hat gegen 25 Fälle von Polydaktylie bei Schwei¬ 
nen zusammengestellt, aus denen hervorgeht, dass diese Miss¬ 
bildung fast ausnahmslos an den vorderen Extremitäten zur Schau 
getragen wird. Die Ueberzahl an Zehen ist hier ebenfalls sehr 
häufig und beläuft sich auf ein Mehr von 1—6 Gliedern, mit 
entsprechender Theilnahme der Mittelhandknochen und einem 
sehr variablen Verhalten der Handwurzelknochen. 

Es scheint, dass selbst bei normalem Zustande die Hand¬ 
wurzelknochen des Schweines in der Zahlentwicklung individuell 
verschieden sind (vielleicht nach der Abkunftrage); so beobachtete 
Verfasser abwechselnd 3 und 4 Knochen in der unteren Reihe 
des Carpus. 

Vorzugsweise ist darauf aufmerksam zu machen, dass in 
Ercolani’s Werke durch die getreuliche Zusammenstellung der 
deutschen, französischen und italienischen Literatur auf dem Ge¬ 
biete der Missgeburten das Studium dieses interessanten Kapitels 
der Veterinärpathologie sehr gefördert worden ist. Kitt. 


11 . 

Die Formveränderungen des Pferdehufes bei Einwirkung der Last mit 
besonderem Bezug auf die Ausdehnungstheorie. Von F. Peters, 
Oherrossarzt am grossherzoglichen Marstall zu Schwerin. Berlin, 
bei Paul Parey. 1883. 

In vorliegender Arbeit hat sich der Herr Verfasser zunächst 
die Aufgabe gestellt, den dunkeln Punkt in der Ausdehnungs¬ 
theorie des Hufes, nämlich die Art und Weise der Hufbeinsen¬ 
kung auf Grund angestellter Versuche näher festzustellen und ist 
hierdurch zu dem Resultate gelangt, dass beim abstemmenden 
Fasse (Hufbeinbeugevoraction nach Lechner) (?) die Beuge¬ 
sehne am stärksten gestreckt ist und die Trachten und der Strahl 
die allerstärkste Belastung in diesem Momente erfahren; hierbei 
werden durch den senkrecht auf die schmalen Seitenflächen der 
Blättchenschichte der Seitentrachtenwand einfallenden Druck die 
freien, aufrecht stehenden Ränder der Blätter umgelegt, ähnlich 
wie die Blätter eines Buches. Durch diese Umbiegung tritt eine 


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XXIII. Auszüge und Besprechungen. 


299 


Verlängerungsfähigkeit der Blättcbenscbichte ein und ermöglicht 
deshalb die Verschiebbarkeit von Hufbein und Horn wand. Ansser 
der Verlängernngsfähigkeit der Blattschichte kommt für die Sen¬ 
kung des Hnfbeines noch die Elasticität des Kronrandes und das 
Stratum vasculosum der Fleischwand in Betracht. Verfasser ge¬ 
langt deshalb zu dem Schlüsse: 

1. Dass das Hufbein und die anhängenden Seitenknorpel 
mit dem Strahlbein innerhalb des Hornschuhes Bewegungen aus¬ 
führen, in dem sie sich kreisförmig um die festgestellte Hufbein¬ 
spitze drehen. 

2. Dass dieses Ergebniss nur für den Fuss, der eine bewegte 
Last zu stützen hat, Gültigkeit hat, nicht aber für den still¬ 
stehenden Fuss. 

Hiermit wäre das Thema erschöpft, würden nicht die oben 
angeführten Versuche einerseits noch zur Entdeckung bisher un¬ 
bekannter Erscheinungen am Hufe geführt haben, andererseits 
muss, wenn die Voraussetzung richtig ist, dass die Ausdehnung 
im Momente der Hufbeinbeugevoraction stattfindet, auch der 
Zweck und Nutzen des Hufmechanismus eine bedeutende Aende- 
rung erfahren, und gelangt Verfasser zu folgendem Resumä: 

3. Die elastische Wand wird durch die Blättchenschichte 
gezwungen, diese Bewegungen mitzumachen und verändert hier¬ 
mit die Seitenansicht des Hufes in der Art, dass der Kronrand 
sich nach rückwärts oberhalb der Stützfläche verschiebt und 
gleichzeitig sich derselben nähert. Also eine Verminderung der 
Höhe des Hufsockels. 

4. Die Verminderung der Höhe ist verbunden mit einer Ver¬ 
breiterung des Quermessers des Hufes. Sowohl am Kronen- wie 
am Tragrande wird seitlich so viel Baum wieder gewonnen, 
als durch Reduction der Höhe verloren gegangen ist. Die Ver¬ 
breiterung kommt dadurch zu Stande, dass die Seitenwände, in 
einen hohen Grad elastischer Spannung versetzt, nach aussen 
weichen, dass die Trachtenwände dem Drucke des Hufbeines 
und der Seitenknorpel nach aussen Folge leisten. 

5. Der hintere Theil des Sohlengewölbes flacht sich unter 
dem Drucke der Last ab und gleicht ebenfalls durch seitliche 
Verschiebung der angrenzenden Wandtheile die Raumbewegungen 
aus, welche der Druck von oben erzeugt hat. 

6. Die Mechanik des Hufes verrichtet ein Stück Muskel- 
nnd Sehnenarbeit und gibt den ersten Anstoss zur Beugung des 
Hufgelenkes. 


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300 XX11I. Auszüge und Besprechungen. — XXIV. Verschiedenes. 

Im folgenden Kapitel kommt der Verfasser noch auf die 
Anforderungen an den Beschlag and kann aber trotz der neuen 
Theorie keine besseren Grundsätze aufstellen. Bezüglich der 
blank gescheuerten Reib- oder' Schliffflächen an den Stangen¬ 
enden alter Eisen erklärt Verfasser die Entstehung derselben auf 
Grund der elastischen Verbiegung der Wand. Dieselbe gibt den 
Anstoss zu einer Bewegung des Tragrandes auf seine Stützfläche 
in der Richtung von hinten nach vom und umgekehrt. In dieser 
Richtung findet bei jedem Fusssatz ein Scheuem der Endpunkte 
aller mit der Eisenfläche in Berührung stehenden Horafasern statt. 

Am Schlüsse der Abhandlung werden die Krankheiten des 
Hufes vom Standpunkte der neuen Theorie aus besprochen. Die 
Hufbeinsenkung bildet auch hier den Mittelpunkt der Erschei¬ 
nungen, denn wo eine Senkung desselben verhindert wird, tritt 
auch keine Bewegung der Wand ein und hierdurch die bekannten 
Folgezustände. Wird der Hemmungsapparat (Sohle) geschwächt, 
so werden die Senkungen des Hufbeines zu stark, da der notb- 
wendige Widerstand, besonders im Bereiche der Huf beinäste, 
fehlt. Die Senkung des Hufbeines wird eine excessive und der 
Ausgangspunkt für die grösste Zahl der Hufkrankheiten. Gr. 


XXIV. 

Verschiedenes. 

1. 

Thierärztlicher Congress zu Brüssel . 

Der IV. internationale Congress wird am 10. September 1. Jahres 
in Brüssel eröffnet (vergl. S. 110 d. Bandes). 

Das Programm der Verhandlungen ist folgendes: 

I. Sind die Beschlüsse und Wünsche, welche in Hinsicht de* 
thierärztlichen Unterrichtes vom Züricher Congress festgesetzt wur¬ 
den, in einer oder der anderen Hinsicht abzuändern und welches* 
sind in diesem Falle die einzubringenden Abänderungen? 

Grundsätze und Wünsche des dritten thierärzt¬ 
lichen Congresses in Bezug auf das Unterrichtswesen: 
1 . Zum Studium der Thierarzneiwissenschaft bedarf es keiner ge¬ 
ringeren Vorbildung als zu demjenigen der Medicin. Es ist deshalb 
dahin zu streben, dass zum Eintritt in die thierärztlichen Bildungs¬ 
anstalten Universitätsreife gefordert werde. Da dieses Ziel zur Zeit 
aus vielen Gründen noch nicht erreichbar ist, so wird als Minimum 
der Vorbildung (das alle Thierarzneischulen fordern sollten) festge¬ 
stellt die Summe der Kenntnisse der vorletzten Klasse der Gymnasien, 
welche zur Universitätsreife bringen. Personen, die ein Gymnasium 


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XXIV. Verschiedenes. 


301 


nicht besucht haben, müssen sich über eine entsprechende Bildung 
ausweisen. 2. Zur Ausbildung eines Thierarztes ist mindestens ein 
dreijähriges Studium nothwendig. Die Patentirung verschiedener Ab¬ 
stufungen von Thierärzten, nach dem Grad ihrer Ausbildung, ist 
verwerflich. 3. Die Thierarzneischulen können selbständige Anstalten 
sein oder mit anderen höheren Lehranstalten verbunden werden; 
jedoch soll die Veterinärmedicin selbständig gelehrt werden. Die 
Einrichtung einzelner Universitäten , wo ein Lehrer der Thierheil¬ 
kunde diese Wissenschaft lehrt und Thierärzte ausbildet, ist verwerf¬ 
lich; sie ist absolut ungenügend. 4. Nur bei einer zweckmässigen 
Organisation des Veterinärwesens wird eine derartige nothwendige 
Organisation der Thierarzneischulen strenge gefordert werden können. 

II. In welchem Punkte lässt die jetzige Organisation des Thier¬ 
arzneiwesens zu wünschen übrig, sowohl in Bezug auf innere Orga¬ 
nisation als auf internationale Verbindungen? 

Grundsätze und Wünsche des dritten internatio¬ 
nalen thierärztlichen Congresses über Organisation 
des Veterinärwesens: 1. Die Ausübung der Thierheilkunde 
wird durch ein Gesetz geregelt. 2. Die Thierheilkunde ist ein selbst¬ 
ständiger Zweig der Sanitätsverwaltung. 3. Bei den Unter-, Mittel¬ 
und Centralbehörden ist die Vertretung der Thierheilkunde durch 
eigene Sachverständige nothwendig. 4. Zur Ausübung der Thier¬ 
heilkunde sind nur diejenigen berechtigt, welche die vorschriftsmässi- 
gen Studien an einer öffentlichen Thierarzneischule absolvirt und 
durch Examen sich das Diplom (Charakter) als Thierarzt erworben 
haben. Diese allein sind berechtigt, den Titel Thierarzt zu führen. 

5 . Private können sich eines jeden Thierarztes als sachverständigen 
Zeugen bedienen; die Gerichtsbehörden sollen jedoch gegebenen Falles 
nur den amtlich bestellten Veterinär als Sachverständigen beiziehen. 

6 . In veterinärpolizeilichen Angelegenheiten haben sich die Verwal¬ 
tungsbehörden nur in Ausnahmsfällen anderer als der amtlichen Sach¬ 
verständigen zu bedienen. 7. Allen Thierärzten ist das Recht des 
Selbstdispensirens der Arzneimittel unter angemessener Controle für 
den Umfang der eigenen Praxis einzuräumen. 8. Der Ausdruck 
„Sachverständiger“ ist in thierärztlichen Angelegenheiten dahin zu 
verstehen, dass dies lediglich die patentirten Thierärzte betreffe. 

III. Welches sind die Kennzeichen der Differentialdiagnose der 
ansteckenden Lungenseuche und welches sind die Mittel, die Ent¬ 
wicklung und die Verbreitung dieser Krankheit zu verhindern? 

IV. Welches ist der Einfluss der Vererbung und der Contagio- 
sität auf die Verbreitung der Perlsucht und welches sind die zu 
benützenden Vorsichtsmaassregeln zur Verhinderung der schädlichen 
Wirkungen, welche der Gebrauch von Milch oder Fleisch von perl¬ 
süchtigen Thieren nach sich ziehen könnte? 


2 . 

Zur gefälligen Beachtung! Ich besitze noch je 30 Ex¬ 
emplare des Vet.-Med.-Wesen8 Bayerns 1875 und 1876, und je 


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302 


XXIV. Verschiedenes. — XXV. Personalien. 


50 Exemplare des Vet.-Med.-Wesens Deutschlands 1880, 1881 und 
1882. Die darin enthaltenen Verordnungen und Gesetze sind noch 
gültig und deshalb die Bücher nicht entwerthet. Ich gebe die¬ 
selben um die Hälfte des Preises, somit pro Jahrgang um 2 Mark 
ab und den Erlös hieraus gleichtheilig den Vereinen zur Unter-. 
Stützung von Hinterbliebenen deutscher, bezw. bayerischer Thier¬ 
ärzte. Die Herren Collegen haben hierdurch Gelegenheit, die Bücher 
wohlfeil zu kaufen und hierbei ein gutes Werk zum Besten der 
Unterstützungsvereine zu üben. Ich ersuche um baldgefällige Be¬ 
stellung per Postkarte, worauf sofort die Sendung des Gewünschten 
durch Postnachnahme erfolgt. 

Landsberg a. Lech, Bayern. H. Bürchner, 

Bezirksthierarzt. 


3. 

Anfragen neueren Datums veranlassen mich zu der wiederholten 
Erklärung, dass nur Nr. 1—3 des Centralblattes für Vet.-Wissen¬ 
schaften, im Verlage von Dege u. Haenel, Jena 1882 (jetzt wieder 
in Leipzig), unter meiner Redaction entstanden sind. Seitdem stehe 
ich zur fragl. Firma nur noch in dem Verhältnisse eines unbefrie¬ 
digten Gläubigers. Wer nach mir die Redaction fragl. Zeitschrift 
besorgt hat, weiss ich nicht. Ich kenne nicht einmal den Inhalt der 
nach Nr. 3 erschienenen Fortsetzungen, da mir keine dieser zuge¬ 
schickt worden, noch sonstwo zu Gesicht gekommen ist. 

Prof. Dr. Pütz. 


XXV. 

Personalien. 

Todesfälle. 

Prof. Dr. F. Lundberg, Director der Thierarzneischule in 
Stockholm, ist gestorben. 

Prof. Jeeteles in Wien (bekannt durch seine Schriften über 
Domestication der Hausthiere und über die Abstammung des Hundes) 
ist gestorben. 

Prof. Dr. Andreas Bruckmtiller an dem k. k. Militär-Thier¬ 
arzneiinstitute in Wien ist am 15. April in seinem 60. Lebensjahre 
gestorben. Bruckmüller absolvirte 1850 die Wiener Thierarznei¬ 
schule, 1853 wurde er als Professor für pathologische Anatomie an 
der genannten Anstalt angestellt, welcher Stelle er 30 Jahre lang 
Vorstand. Er veröffentlichte während seiner langen und segensreichen 
Lehrtätigkeit eine Reihe kleinerer und grösserer Schriften. Unter 
letzteren hat sein Lehrbuch der pathologischen Anatomie die weiteste 
Verbreitung gefunden. Er war von seinen Collegen des Inn- und 
Auslandes hochgeachtet und geehrt; die Wissenschaft verliert an ihm 
einen tüchtigen Mitarbeiter. Seiner segensreichen vielseitigen Wirk- 


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XXV. Personalien. 


303 


samkeit wurde auch die äussere, so wohlverdiente Anerkennung zu 
Theil; so erhielt er im Jahre 1873 das Ritterkreuz des k. k. öster¬ 
reichischen Franz-Josephsordens und wurde.im Jahre 1879 zum k. k. 
Regierungsrathe ernannt. — Möge ihm die Erde leicht sein! 

Prof. Masow am American Veterinary College New-York ist 
gestorben. 

Der berühmte Pathologe Davaine, mit Braueil der erste Ent¬ 
decker der Milzbrandbacillen, ist zu Paris, 71 Jahre alt, gestorben. 


Pensionirungen. 

Zuverlässigen Nachrichten nach hat Prof. Dr. Carsten Harms 
wegen andauernder Krankheit um seine Pensionirung nachgesucht. 

Der Director und Professor an dem königl. Thierarzneiinstitute 
zu Dorpat, Fr. Unterberger, ist in den Ruhestand getreten und 
an seine Stelle Professor und Staatsrath Casimir Raup ach zum 
Director ernannt worden. 

Thiernesse und Görard, Professoren an der Thierarznei¬ 
schule zu Brüssel, wurden in den Ruhestand versetzt. 


Auszeichnungen und Beförderungen. 

Dem Prof. Dr. Carsten Harms in Hannover (Thierarzneischule) 
ist der königl. Kronenorden IV. Klasse verliehen worden. 

. Prof. Begemann an der königl. Thierarzneischule zu Hannover 
erhielt den rothen Adlerorden IV. Klasse. 

A. Zündel, Strassburg, erhielt das Ritterkreuz des Luxemburg- 
schen Ordens der Eichenkrone. 

Die Stelle eines Vorstandes der königl. Thierarzneischule zu 
Stuttgart wurde dem Verweser derselben, Prof. Fricker, unter der 
Verleihung des Titels eines Directors mit dem Range auf der IV. Stufe 
der Rangordnung übertragen. 

Prof. Dr. Wehenkel wurde zum Director der Thierarzneischule 
zu Brüssel ernannt. 

Regierungsrath Prof. Dr. Franz Müller wurde für die nächsten 
drei Jahre abermals zum Director der k. k. Wiener Thierarzneischule 
gewählt und diese Wahl vom Kaiser bestätigt. 

Prof. Dr. Bayer an der k. k. Thierarzneischule wurde zum 
Docenten der Thierheilkunde an der Hochschule für Bodencultur in 
Wien ernannt. 

Reserve-Oberarzt Dr. Storch wurde zum Assistenten der de- 
scriptiven und pathologischen Anatomie am k. k. Militärinstitute zu 
Wien ernannt. 

Prosector Dt. Flesch in Würzburg wurde zum ordentlichen 
Professor der Anatomie an der Thierarzneischule zu Bern ernannt. 

Director Wirtz in Utrecht ist von der dortigen Universität 
zum Doctor medicinae h. c. ernannt worden. 


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304 


XXVI. Briefkasten. — Berichtigungen. 


XXVI. 

• • 

Briefkasten. 

Von dem königl. Bezirksthierarzte N. in N. wird mir heute be¬ 
züglich der Stelle im Handbuche der gerichtlichen Thierheilkunde 
vonGerlach, Berlin 1862, S. 445: „Hat die Kuh bei dem Verkäufer 
gekalbt, so ist die Gebärmutterentzündung bis zum Besitz des Ver¬ 
käufers zurück zu datiren , wenn die Uebemahme nicht bald nach 
dem Kalben, sondern erst am 3. Tage oder später stattgefunden hat, u 
auf welche ich mich in einem von mir schriftlich abgegebenen Gut¬ 
achten bezogen, erwidert, dass diese hier angeführte G e r 1 a c h’sche 
Behauptung unrichtig, überhaupt das in Rede stehende Handbuch 
Gerlach’s nicht mehr maassgebend sei. Von allgemeinem Interesse 
dürfte also die Beantwortung folgender Fragen sein: 

1. Hat Ger lach in oben erwähnter Stelle seines Handbuches 
Recht? 

2. Ist das Handbuch noch so weit maassgebend, dass man sich 
mit Erfolg auf dasselbe beziehen kann? • 

3. Gibt es in Bezug auf gerichtliche Thierheilkunde eine andere 
resp. bessere Literatur, als das in Rede stehende Handbuch 
Gerlach’s, und im Bejahungsfälle, wie heisst diese Literatur? 

Die Redaction hat die Beantwortung obiger Fragen Herrn Prof. 
Hahn übergeben, der uns Folgendes schrieb: 

ad 1. Gerlach hat in der angezogenen Stelle Recht. 

ad 2. Das Ger lach’sche Handbuch ist nicht als veraltet zu 
erkennen, sondern bleibt noch maassgebend. 

ad 3. An Stelle von Gerlach’s Handbuch ist bisher ein bes¬ 
seres nicht erschienen. 


* Berichtigungen (VIH. Bd.). 

S. 179, Z. 22 u. 23 v. u. lies räumlichen statt nämlichen. 

S. 179, Z. 22 v. u. lies Erweiterung statt Entwicklung. 

S. 181, Z. 19 v. o. lies räumlich statt nämlich. 

S. 181, Z. 21 v. o. lies räumlich statt nämlich. 

S. 184, Z. 16 v. o. lies am belasteten statt unbelasteten. 

S. 188, Z. 10 v. u. lies pto stat sito. 

S. 189, Z. 16 v. u. lies von Pferden m i t statt von Pferden von. 

S. 191, Z. 18 v. u. lies derselben statt desselben. 

S. 193, Z. 12 v. o. lies dass statt das. 

S. 195, Z. 16 v. u. lies abgedachte statt abgedrehte. 

S. 198, Z. 15 v. o. lies nur statt und. 

S. 198, Z. 3 v. u. lies Drehen statt Dehnen. 


Druck von J. B. HirschfeId in Leiptig. 



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CaJJ Number: 


N? 854722 


Deutsche Zeitschrift 
für Thiermedizin 
und vergleichende 
Pathologie. 


HEALTH 

SCIENCES 

LIBRARY 


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UNIVERSITY OF CALIFORNIA 
DAVIS 


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