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Full text of "Die altdeutschen Gläser: Beitrag zur Terminologie und Geschichte des Glases"

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Die 



altdeutschen Gläser. 



Beitrag zur 

Terminologie und Geschichte des Glases. 



Von 



Carl Friedrich, 

Bibliothekar des Bayrischen Gewerbemuseums. 



Herausgegeben 



vom 



Bayrischen Gewerbemuseum in Nürnberg. 



Nürnberg, 1884. 
Druck und Verlag von G. P. J. Bifeling (G. Dietz). 







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/^HARVARD 
FINE ARTS 
LIBRARY 
OCT 14 )968 

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Zur Einführung. 




AS Bayrische Gewerbemuseum veröffentlicht seit 
einer Reihe von Jahren Arbeiten über einzelne Ge- 
biete des Kunstgewerbes, wobei das Bestreben be- 
steht, sowohl die Formen und die Verzierungen, wie auch 
die technische Ausführung der Erzeugnisse zu berücksich- 
tigen. Dass auch die Geschichte nicht vernachlässigt werden 
kann, und dass diese in einzelnen Fällen sogar in den Vorder- 
grund treten muss, ist selbstverständlich, wenn nicht bereits 
gewonnene Resultate, die aus dem Benützen alter guter Ar- 
beiten hervorgegangen sind, durch Sprünge verloren gehen 
sollen. Das Werden und Entwickeln aus Vorhandenem ist 
für die Form und für die Technik gleichwichtig. Die vor- 
liegende Arbeit über altdeutsche Gläser berücksichtigt diese 
Gesichtspunkte und wird sicher dazu beitragen, freund- 
liche Theilnahme für die kunstgewerblichen Glaserzeugnisse 
zu wecken. 



Nürnberg, März 1884. 



V, Stegmann. 



Vorw^ort 




ER Verfasser hat über die altdeutschen Gläser und 
die damit zusammenhängenden Fragen in > Kunst 
und Ge werbe c, Zeitschrift zur Förderung deutscher 
Kunstindustrie, herausgegeben vom Bayrischen Ge- 
werbemuseum in Nürnberg-, femer im »Sprechsaal«, Organ der Por- 
zellan-, Glas- und Thonwaaren-Industrie in Coburg und endlich in 
der > Wartburg <, Organ des Münchener Alterthumsvereins, bereits 
mehrere Aufsätze veröffentlicht. Von vielen Seiten aufgefordert, 
diese zerstreuten Abhandlungen zu einem Ganzen zu verarbeiten, 
unternahm er die Abfassung des vorliegenden Buches. Hierbei 
zeigte sich aber bald, dass eine blosse Sammlung der bereits publi- 
cirten Artikel nicht nur des inneren Zusammenhanges, sondern auch 
eines allgemeinen Interesses entbehren würde. Dazu kam noch, 
dass durch Entdeckungen, so z. B. durch die glückliche Bestimmung 
des Alters der sogenannten Hedwigsbecher, durch die Definirung und 
Auffindung einiger Gläser »ä la fa^on de Damas,« durch die Ab- 

■ 

grenzung der Bedeutung von »verres de cristaU und »verres cristal- 
lins< u. s. w., die früher geäusserten Ansichten zum Theil umge- 
stossen und namentlich der Einfluss der byzantinischen Glasindu- 
strie auf die venetianische als beinahe null erwiesen wurde. Diese 



— VI — 

Gesichtspunkte forderten zu einer umfassenderen Arbeit auf, deren 
Resultat das hier vorgelegte Buch ist. 

Dieses Buch behandelt in einer Einleitung kurz die Ge- 
schichte der Hohlglasindustrie seit dem Beginne des Mittelalters 
und zwar zunächst den Stand der Glasindustrie in den nördlichen 
Ländern, die Entwicklung derselben in Venedig, den Einfluss der 
letzteren auf die erstere, das Selbständigbleiben der deutschen 
Gefassformen und den neuen Aufschwung, welcher von Böhmen 
ausging. Dieser orientierenden Einleitung glaubte der Verfasser 
eine ausführliche Behandlung der Oefen, des Schmelzens und Ver- 
arbeitens des Glases folgen lassen zu müssen. Die Wichtigkeit 
gerade dieses Abschnittes, welcher sich unter Anderem viel mit 
der Geschichte der Werkzeuge beschäftigt, wird erst voll zu 
Tage treten, wenn dem Verfasser einmal Gelegenheit gegeben 
sein wird, alle grösseren Glassammlungen Europa's eingehend 
studieren zu können. Es sei nur ein Moment herausgenommen. 
Unter den Venetianergläsern existiren viele, deren Boden, obwohl 
er mit der einfachen Auftreibscheere aufgetrieben ist, aussen herum 
kein abschliessendes Ränftchen hat. Von dieser Art besitzt die 
Mustersammlung des Bayrischen Gewerbemuseums eine ziemliche 
Anzahl, ebenso das Germanische Nationalmuseum und die Vene- 
tianergläser der Sammlung Slade, wenn sonst die Abbildungen in 
dem betreffenden Katalog genau sind, hatten zum weitaus gröss- 
ten Theile kein Ränftchen um die Bodenscheibe. Hatten etwa 
alle echten Venetianergläser seit dem i6. Jahrhundert kein solches 
Ränftchen? Oder stammen diese Gläser von Giuseppe Briati, 
welcher in Böhmen mit der Bodenscheere aufgetriebene Gläser- 
böden sah und daher die Böden seiner Gefässe mit der einfachen 
Auftreibscheere ebenso auftrieb? Jede Vermuthung ist einstweilen 
verfrüht; dazu sind die eingehendsten Studien und Vergleichungen 
HQthwendig, Es ist dieser Punkt nur desshalb hier angezogen 



— VII — 

worden, weil er zeigt, wie unerlässlich dem Archäologen das Stu- 
dium selbst der gewöhnlichsten Werkzeuge ist. Ein weiterer Ab- 
schnitt behandelt die altdeutschen Gefässformen , namentlich in 
Bezug auf die alten Bezeichnungen. Derselbe enthält über den 
Römer manches Neue, zeigt die Form des Spechters und Kraut- 
strunks auf und alle übrigen alten Geßtssnamen, soweit dies aus 
den erhaltenen Gläsern und Nachrichten möglich war. Der III. 
Abschnitt ist den Gläsern mit Emailmalerei gewidmet. Es wird 
in demselben nachgewiesen, dass diese Art des Gläserschmuckes 
nicht aus Byzanz, sondern aus dem sarazenischen Oriente nach 
dem Abendlande und zwar speciell nach Venedig kam, wo man 
sich anfangs bloss auf die Nachahmung der orientalischen Vor- 
bilder verlegte. Ein weiterer Abschnitt handelt von den Schaper- 
gläsern, blauen Gläsern, Kunckelgläsern und den Gläsern mit Gold-" 
schmuck, ein fünfter von den geschliffenen und geschnittenen 
Gläsern. Für diesen lagen gar keine Vorarbeiten vor. Gleichwohl 
ist es gelungen, nicht bloss den Gang der Glasschneiderei von den 
Sarazenen nach Venedig, sondern auch die Entwicklung der Technik 
selbst, bis Lehmann in Prag den heutigen Glasschneiderstuhl er- 
fand, klar aufzuzeigen und dürfte daher gerade dieser Abschnitt 
nicht zu den uninteressantesten des Buches gehören. Der VI. Ab- 
schnitt endlich handelt ausführlich von den Gläsern »k la fagon de 
Venise« und weist unter Anderem nach, dass man im 15., 16. 
und noch im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts unter »verres de 
cristal« nur die in Venedig hergestellten Krystallgläser verstand 
und mit »verres cristallins« alle Nachbildungen dieser venetiani- 
schen Krystallgläser in anderen Ländern bezeichnete. Soviel im 
Voraus von der Anlage und dem Inhalt des vorliegenden Buches. 
Dass sich dasselbe zunächst an die Fachgenossen, namentlich an 
die Museumsvorstände und Beamten wendet, braucht kaum eigens 
gesagt zu werden. Aber auch die Sammler und Antiquare wer- 



— VIII — 

den es nicht ohne Nutzen gebrauchen, ebenso die Freunde des 
Kunstgewerbes und der herrlichen Leistungen alter Zeit. Dabei 
ist indess die einfache Haltung der Diction sowie die zahlreichen 
Abbildungen darauf berechnet, dass auch die Glasmacher, Glas- 
schneider, Emailleure und wer sich sonstwie mit der Glasindustrie 
beschäftigt und dem es darum zu thun ist, wieder >Stil« in die 
Erzeugnisse der Gegenwart zu bringen oder auch nur die Ge- 
schichte seines Faches kennen zu lernen, das Buch ohne Schwie- 
rigkeit zu Rathe ziehen können. Möge dasselbe in dieser Hin- 
sicht den gewünschten Nutzen stiften, von den Fachgenossen aber 
mit Wohlwollen aufgenommen werden. 

Der Verfasser. 



Einleitung. 




ICHT einen Zweig des Kunstgewerbes gibt es wohl, 
aufweichen Italien in der Zeit der Renaissance einen 
grösseren Einfluss ausgeübt hätte als auf die Glas- 
industrie. Hier ist es speciell die Lagunenstadt Vene- 
dig oder vielmehr das nahe dabei auf der gleichnamigen Insel 
gelegene Muranö, welches die Glasindustrie ganz Europa's von 
Grund aus umgestaltete. 

Was die nördliche Glasindustrie anbelangt, so nimmt die- 
selbe bekatintlich erst am Beginne des i6. Jahrhunderts einen 
grösseren Anlauf zu künstlerischer Gestaltung und Ausschmückung 
ihrer Gefässe. Vordem begnügte sie sich mit der Herstellung 
gewöhnlicher Gebrauchsartikel, hauptsächlich von Fenstertafeln und 
kleinen Spiegeln. Aber auch die Hohlglasindustrie lag weder wäh- 
rend des früheren, noch während des späteren Mittelalters, wenn 
sie auch auf tiefer Stufe stand, doch nicht gänzlich brach; sie 
lieferte namentlich Gefasse für Apothekerwaaren und ordinäre 
Artikel für den gewöhnlichen Hausbedarf. Trotzdem aber hat Jules 
Labarte*) ohne Zweifel Unrecht, wenn er jedes Glasgefäss, das 
mittelalterliche Schriftstücke mit Bewunderung erwähnen, auf antiken 
oder byzantinischen Ursprung zurückzuführen sucht; denn derlei 
Bewunderungen sind sehr relativer Natur und dürfen durchaus 

*) Histoire des arts industriels au moyen-äge et ä l'^poque de la renais- 
sance. Tom. HI, p. 373. 

I 



— 2 — 

nicht mit dem Masstabe unseres heutigen Geschmackes gemessen 
werden. Überhaupt hat die Erzeugung von Hohlgläsern und selbst 
von Luxusgläsern, natürlich im Sinne der damaligen Zeit, seit 
dem Sturze des weströmischen Reiches im Abendlande niemals so 
gänzlich aufgehört, wie Labarte behauptet. Es ist keine Frage, dass 
in Folge der häufigen Einfalle der Barbaren in Italien während 
des fünften Jahrhunderts unter anderen auch viele Glaskünstler 
ihre Zuflucht, sei es in Konstantinopel oder sei es in Alexandrien, 
suchten, so dass das Abendland der besseren Kräfte verlustig ging. 
Aber es ist auf der anderen Seite ebenso gewiss, dass gerade jene 
Gewerbe, welche für den täglichen Bedarf arbeiteten, unter den 
Wirren und Schrecknissen der Völkerwanderung am wenigsten 
litten, da sie eben unentbehrlich waren. Daher ist ohne Zweifel 
die Annahme gerechtfertigt, dass von den schon im ersten Jahr- 
hundert n. Chr. in Spanien und Gallien entstandenen Glashütten ^ ) 
manche auch während und nach der Völkerwanderung fortdauerten 
und wenn sie sich auch nicht mehr auf der früheren Höhe und 
Leistungsfähigkeit zu erhalten vermochten, doch die gewöhnlichen 
Bedürfnisse der eingewanderten Stämme an Glas deckten. Es ist 
zunächst der Bischof Isidor von Sevilla (f 636), welcher uns hier- 
über den nöthigen Aufschluss gibt. Dieser Bischof sagt nämlich 
in seinen „Origines et Etymologiae", nachdem er zuVor die An- 
gaben des Plinius über das Glas excerpirt hatte, wörtlich also:^) 
„Einst wurde sowohl in Italien wie in Gallien und Spanien ein 
reines und weisses Glas erzeugt". Daraus, geht nicht hervor, dass 
damals in Italien, Gallien und Spanien gar kein Glas mehr gemacht 
wurde, wie Labarte und nach ihm Dr. Albert Hg 3) irrthümlich 
schliesst, sondern nur, dass man in den genannten Ländern in der 
ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts kein farblos durchsichtiges, kein 
Kry stallglas mehr herzustellen verstand. Die specielle Hervorhebung 



1) Plinius, Hist. Nat. lib. XXXVI, 194. 

2) Lib. XVI, c. XX : Oliüi fiebat et in Italia et per Gallias et Hispa- 
mam . , . vitrum purum et candidum. 

3) Die Glasindustrie, ihre Geschichte, gegenwärtige Entwicklung und Sta- 
tistik. In Gemeinschaft mit Dr. Albert II g und Wendelin Böheim, heraus- 
gegeben von L. Lobmeyr. Stuttgart, W. Spemann, 1874, S. 46. 



— 3 — 

dieser einen Glassorte gesteht stillschweigend zu, dass man dort 
farbiges, ambragelbes, grünes und ähnliches Glas noch gar wohl 
zu erzeugen wusste. Wie hätte dies auch anders sein können I 
Die Produkte aus Glas, welche seit alten Zeiten durch phönizische 
und römische Kaufleute bis nach England *) und an die nörd- 
lichen Küsten von Deutschland gebracht worden sind, hatten sich 
so sehr in die Lebensgewohnheiten der Barbaren verflochten, dass 
sie nicht so leicht mehr entbehrt werden konnten. Man findet 
daher auch häufig am Rheine roh geschnittene Gläser aus dem 
Ende des 5 . und zum Theil schon aus dem Anfange des 6. Jahr- 
hunderts, welche das Fortbestehen der Glasfabrikation nach dem 
Sturze des weströmischen Reiches augenscheinlich beweisen 2); noch 
mehr, sie beweisen sogar das Fortleben der Glasraffinerie, welche 
doch viel entbehrlicher gewesen wäre als die Glasmacherei selbst. 
Die letztere lieferte damals in Gallien noch ganz ordentliche Ar- 
beiten, wie man z. B. an einigen doppeltgehenkelten gläsernen 
Grabkelchen 3) mit angesetzten Knöpfen und anderen, in fränkisch- 
alemanischen Gräbern gefundenen Gläsern*) ersehen kann. 

Dass mit der Renaissance der Kunst, welche das Zeitalter 
Carls des Grossen bezeichnet, auch die Glasindustrie einen neuen 
Aufschwung nahm, lässt sich kaum in Abrede stellen. Es mögen 
dazu die in Folge des Bilderverbotes aus Konstantinopel nach 
Italien geflüchteten Künstler Einiges beigetragen haben. Wie dem 
aber auch sei, jedenfalls bezeugen gelegentliche Erwähnungen von 
Glasgefässen das Fortbestehen unserer Industrie im 9. Jahrhundert. 
So wird in der um 834 geschriebenen Chronik der Abtei von 
Fontanellum erzählt, dass im Jahre 823 Abt Ansigisus seinem 
Kloster zwei mit Gold verzierte Schalen und einen sehr schönen 
Humpen aus Glas geschenkt habe^). Ja damals war zur Her- 
stellung von kirchlichen Gebrauchsgegenständen eine thätige Glas- 

1) Strabo, IV, 192. 

2) Ernst aus'm Werth, Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden 
im Rheinlande, Heft LXIII, p. 99, Taf. IV u. V; Heft LXIX, S. 49, Täf. I-VI. 

3) Ernst aus'm Werth, Jahrbuch., a. a. O. Heft LXIV. p. 119, Taf. X. 
^) Lindenschmitt, die Alterthümer unserer heidn. Vorzeit, Bd. II u. III. 
^') Labarte, 1. c. III. p. 373: »cuppas vitreas auro omatas duas*; 

j^hanapum vitreum Optimum unum*. 

I* 



— 4 — 

Industrie unumgänglich nothwendig ; denn noch bediente man sich 
an vielen Orten gläserner Kelche und Patenen, bis dieselben im 
Jahre 813 durch das Concil zu Rheims feierlich verboten wurden * ). 
Aber selbst dieses kirchliche Verbot vermochte sie nicht sofort zu 
beseitigen; denn noch Thangmar erzählt uns im Leben des heil. 
Bernhard 2), dass dieser einen gläsernen Kelch habe machen lassen, 
und von Kaiser Heinrich II. hören wir, dass er einen Glaskelch an 
die Kirche des hl. Vitus in Verdun geschenkt habe 3). 

In der folgenden Zeit wurde unsere Industrie durch die 
Mönche, diese Pioniere der Cultur im frühen Mittelalter, fast in 
alle nördlichen Länder getrag;en. In Deutschland gingen in dieser 
Beziehung namentlich die Klöster St. Gallen, Reichenau, Fulda, 
Benedictbeuern, Tegemsee ruhmvoll voran. Die grosse Anzahl von 
Kirchen, deren Bau der fromme Eifer der massenhaft zum Chri- 
stenthum bekehrten Barbaren nothwendig machte, erforderten zum 
Verschlusse ihrer Fenster eine bedeutende Menge von Glastafeln, 
durch deren Erzeugung wenigstens der Schmelzprocess in Kennt- 
niss erhalten wurde; ja die grosse Nachfrage nach dem seit den 
Tagen des Gregor von Tours, des Fortunatus von Poitiers u. A. 
unaufhörlich hergestellten Fensterglase musste nach und nach auch 
Fortschritte und Erfindungen herbeiführen. In der That hören wir, 
dass bereits im Jahre 999 die Kirche der Abtei Tegernsee durch 
den Grafen Arnold mit gemalten Glasfenstern beschenkt wurde*). 
Aber auch Glasgefässe werden aus jener Zeit gelegentlich erwähnt. 
So sagt in der, im ersten Drittel des 1 1 . Jahrhunderts geschriebenen 
Fortsetzung der Geschichte St. Gallens der Mönch Ekkehard von 
den Glasgefässen, welche der im Jahre 890 zum Abt erhobene 
Salomon besessen hat, dass sie mehr bewundert worden seien, als 
selbst die Kunstwerke aus Gold und Silber^). 

') Siehe meinen Aufsatz : ^^Glaskelche und Glaspalenen*. (Wartburg, Organ 
des Münchener Alterthumsvereines, 1879, Nr. 8—10. 

2) c. 8. 

*^) Gest. episc. Verdun. Bei Pertz, Mon. Hist. Germ. IV., p. 49. 

*) Vgl. Dr. Sepp, Ursprung der Glasmalerkunst im Kloster Tegernsee. 
München und Leipzig, Hirth 1881. 

^) CasuumS. Galli continuatio auctore Ekkehardo IV., ap. Pertz, Monum. 
Germ. t. II, p. 84. 



— 5 - 

Im 12. Jahrhundert finden wir die Kenntniss der Glasfabri- 
kation bereits über ganz Europa verbreitet. In den dieser Zeit 
angehörigen Werken des Heraclius*) und Theophilus') werden 
Vorschriften zur Herstellung sowohl von Gefassen wie von Fen- 
Stern gegeben. Auch ist in ihnen eine Reihe von Recepten 
zur Erzeugung farbigen Glases sowie zur Bereitung künstlicher 
Steine enthalten. Theophilus lobt speciell die Geschicklichkeit der 
Franken im Glasfache. Immerhin mögen die damals im europäi- 
schen Abendlande erzeugten Glasgefasse kunstlos gewesen sein, 
gemacht aber wurden solche ohne Zweifel und zwar zu den ver- 
schiedensten Zwecken. So erfahren wir aus dem interessanten saty- 
rischen Gedichte des Nigel Wereker, »Brunellus« betitelt, aus dem 
Ende des 13. Jahrhunderts, dass ein Kaufmann aus London in 
Salerno gläserne Gefasse — vitrea vasa — für Apothekerwaaren 
feilhielt^). In der Kleider-Ordnung aus dem 28. Regierungsjahre 
Eduards I. von England, also aus dem Jahre 1300, werden zwei 
gläserne Nachttöpfe — urinalia vitrea — zum königlichen Ge- 
brauche erwähnt*). In England, wohin der Bischof Benedict bereits 
im 7. Jahrhundert geschickte Tafelglasmacher gebracht hat^), 
scheint diese Kunst von da an nicht mehr erloschen zu sein, wenn 
sie -auch ein ziemlich kümmerliches Leben fristete. Dort erfahren wir 
sogar die Namen einiger Glasmacher, eines Robert, Matthew, 
Henry mit dem jedesmaligen Zusatz »le Verrer«, welche am 
Ende des 13. Jahrhunderts in Colchester lebten und unter die vor- 
nehmsten Bürger der Stadt gehörten ß). Freilich diese und noch 
spätere Erwähnungen beziehen sich durchgehends auf das Fenster- 
glas; von der Ausübung der Gefasskunst hören wir in England 
vor dem 16. Jahrhundert nichts. 

1) Von den Farben und Künsten der Römer. Herausgegeben von Dr. 
Alb. Ilg. [IV. Band der .Quellenschriften zur Kunstgeschichte und Kunsttechnik*.] 

2) Schedula diversarum artium. Herausgegeben von Dr. Alb. Ilg. [VII Bd. 
der »Quellenschriften etc*]. 

3) Nesbytt. Preface zu: Catalogue of the Collection of glass formedby 

Felix Slade, p. XXXI. 

*) Nesbytt, 1. c. 

5) Nesbytt, 1. c. p. XXII. 

6) Nesbytt, 1. c. p. XXXII. 



— 6 — 

Etwas mehr Licht liegt über der spätmittelalterlichen Ge- 
schichte der Glasindustrie in Frankreich*). Schon am Ende des 
13. Jahrhunderts gab es dort nach der Kleider-Ordnung für Paris 
vom Jahre 1299 einige Bouteillenfabrikanten , wenn diese sonst 
in Glas gearbeitet haben 2). Weit interessanter ist das Patent, durch 
welches Humbert, Dauphin von Viennois, im Jahre 1338 einem 
gewissen Quionet, der im Besitze der Geheimnisse der Glasfabri- 
kation war, einen Theil des Forstes von Chamborant überliess, 
damit derselbe dort eine Glashütte errichten konnte. Hiefür musste 
sich aber Guionet verpflichten, dem Dauphin jährlich für seinen Haus- 
halt im Ganzen 31 51 verschiedene Gläser zu liefern und zwar: 
100 Dutzend Gläser in Glockenform, 12 Dutzend kleine trichter- 
förmige Gläser^), 20 Dutzend Humpen oder Becher mit Fuss, 
1 2 Dutzend Amphoren, 36 Dutzend Nachttöpfe, 1 2 Dutzend grosse 
Näpfe, 6 Dutzend Schüsseln, 6 Dutzend Schüsseln ohne Rand, 
12 Dutzend Töpfe, 12 Dutzend Kannen, 12 Dutzend kleine Ge- 
fasse, genannt »gottelles«, i Dutzend Salzgefässe, 20 Dutzend 
Lampen, 6 Dutzend Leuchter, i Dutzend weite Tassen, i Dutzend 
kleine Fälschen, ein grosses Schiff und sechs grosse Flaschen zum 
Transportiren des Weines^). Um solche Abgaben leisten zu können, 
muss Guionet in der That ein geschickter Glasmacher gewesen sein. 

Dass damals die Glasindustrie in Frankreich bereits einige 
Bedeutung hatte, geht auch daraus hervor, dass die Glasmacher 
als adelig anerkannt wurden und dieselben Rechte, Freiheiten und 
Privilegien wie die Edelgebornen genossen ^). Vielleicht war diese 
hohe Achtung, in welcher die Glasmacher standen, mit Ursache 

') Vgl. Le Vaillant de la Fieffe, Les Verreries de Normandie. 
Rouen 1873. — Turgan, Les grandes usines. Etudes industrielles en France et 
ä l'Etranger. Paris 1863 -—1868. — Beaupre, les Gentilshommes-Verriers de 
Lorraine. Nancy, 1847, ff« ^' A. 

2) Lab arte, 1. c. III, p. 374. 

^) Diese Gläser finden sich schon zur fränkisch- alamanischen Zeit überall 
in Europa. Einige Abbildungen siehe bei VioUet-Le-Duc, Dictionnaire rai- 
sonn^ du mobilier frangais, tom. II. p. 164 und bei Lindenschmitt, a. a. O. 

*) Legrand d'Aussy, Histoire de la vie privee des Fran^ais. Paris 
1782, t. IQ, p. 185, angeführt von Labarte und Nesbytt. 
■^) Labarte, 1. c. p. 375. 



— 7 — 

* 

Sache, dass unter Carl VI. (1380 — 1422) ein regeres Streben ent- 
stand und verschiedene Glasmacher, ein Guillaume (le voirrier), 
ein Jehan (le voirrier) aus dem Forste Dotte, die Glasmacher 
aus dem Forste von Chevreuze u. s. w.„ sich durch Überreichen 
ihrer Leistungen die Gunst des Königs zu gewinnen suchten, wie 
die königl. Rechnungen aus dem Ende des 14. Jahrhunderts aus- 
weisen ' ). Allein trotz alledem bedurfte die französische Glasindu- 
strie erst einer kräftigen Anregung von aussen, um sich auf eine 
höhere Stufe emporheben zu können. 

Am weitesten scheint im 14. Jahrhundert die flandrische 
Glasfabrikation vorgeschritten gewesen zu sein; denn man kann 
aus einigen Beschreibungen in alten Inventaren entnehmen, dass 
dort sogar wirkliche Luxusgläser erzeugt wurden. So liest man in 
dem Inventar Karls V. von Frankreich vom Jahre 1379: »Ung 
gobelet de voirre blant de Fl andres, garny d*argent«. Es war 
also ein Becher aus farblosem Glase, welcher für würdig gehalten 
worden war, in Silber gefasst zu werden. J. Houdoy^) vermuthet 
daher nicht mit Unrecht, dass unter den zahlreichen Gegenständen 
aus farblosem und farbigem Glase, welche in den Inventaren der 
burgundischen Herzoge, namentlich in jenem Karls des Kühnen 
vom Jahre 1477 aufgeführt werden, viele aus flandrischen Fabriken 
hervorgegangen sein mögen. Diese Vermuthung wird mehr als 
wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass die Zahlmeister, welche 
diese Inventare redigirt haben, an die Beschreibung fremder Gläser 
häufig die Herkunft derselben anfügten, wie z.B. »de Venise«, 
»ä la fagon de Damas«. Dies scheint nämlich anzudeuten, dass 
jene Gläser, bei welchen eine solche Angabe fehlt,- aus den hei- 
mischen Fabriken stammten. Eine solche Fabrik muss im 15. Jahr- 
hundert in Lille gestanden haben; denn man liest unter den Aus- 
gaben Philipps des Guten zur Dekorirung eines Saales im Stadt- 
hause zu Lille auch Zahlungen an einen gewissen Gossuin de 
Vieuglise, »maitre voirrier« zu Lille, und zwar für die Lieferung 
von Gläsern, welche mit dem Wappen des Herzogs und seinem 

^) Labarte, 1. c. p. 375. 

-) Verrerie ä la fagon de Venise. La fabrication flamande d'apr^s des 
documents inedits. Paris, Lüle, Bruxelles, p. 3. 



— 8 — 

Orden vom goldenen Vliesse, jedenfalls in Gold, geschmückt waren ; 
ferner für eine Fontaine aus Glas, welche in dem genannten Saale 
aufgestellt wurde, und endlich für vier gläserne Schüsseln*). 

Ich komme, freilich nur kurz, zu Deutschland zurück. Wie 
kaum anders zu erwarten, fliessen hier die Nachrichten über die 
spätmittelalterliche Glasindustrie sehr spärlich. Aber die gelegent- 
lichen Erwähnungen von Wald- und Feldglas, welche sich in den 
Urkunden finden, geben einen Fingerzeig, dass sich die damaligen 
Glashütten hauptsächlich in den waldreichen Gebirgsgegenden, im 
Spessart, Fichtelgebirge, Thüringer Walde, sächsischen Erzgebirge, 
Böhmerwalde u. s. w. befanden. Ich werde später auf alle diese 
Hütten zurückkommen. Ihre Produkte scheinen vor dem i6. Jahr- 
hundert im Allgemeinen von sehr gewöhnlicher Art sowohl in 
Bezug auf die Form wie hinsichtlich der Reinheit und Farbe der 
Masse gewesen zu sein. Flaschen und Trinkbecher finden sich in 
Manuscripten und in den ersten gedruckten Büchern abgebildet. 
So ist in dem »OrtusSanitatis«, welcher im Jahre 1511 in Venedig 
gedruckt wurde, der Artikel »Vinumc durch einen Holzschnitt 
illustrirt, welcher einen aus einem Glasbecher trinkenden Mann 
und eine vor ihm stehende Flasche zeigt. Dass diese Gef^sse 
Gläser sein sollen, geht aus dem starken Schatten hervor, durch 
welchen die Flüssigkeit angedeutet ist, und die Holzschnitte dieser 
Ausgabe scheinen deutschen Ursprungs zu sein 2). Die betreffende 
langhalsige Flasche ist nicht unelegant in der Form*, aber, wie 
schon Eingangs gesagt worden ist, ein regeres Streben nach künst- 
lerischer Schönheit der Produkte kommt in die Glasindustrie der 
nördlichen Länder erst am Beginne des 16. Jahrhunderts 3). 



*) Houdoy, 1. c. p. 4. 

2) Nesbytt, 1. c. p. XLV flf. 

3) Einen richtigen Begriff von der damaligen deutschen Glasindustrie 
wird freilich erst der bekommen, welcher die nachfolgenden Abschnitte liest. 



_ 9 — 

Damals stand die venetianische Glasindustrie bereits auf dem 
Gipfelpunkte ihres Ruhmes. Ihre Erzeugnisse wurden zu Wasser 
und zu Lande in die fernsten Gegenden verfrachtet und überall 
zu enormen Preisen abgesetzt. »Das venetianische Glas«, sagt um 
die Mitte des 1 6. Jahrhunderts der böhmische Pfarrer Mathesius ^ ), 
»ist heutzutage in aller Welt beschrien; denn da macht man die 
schönsten Trinkgeschirre, die klarsten Fensterscheiben, die hellsten 
Brillengläser, wie man auch Tafelglas da pressen soll, durch das 
man aus einem Gemache Alles auf der Gassen sehen kann<. 

Venedig zeichnete sich also damals in gleicher Weise durch 
sein Hohlglas wie durch seine Fensterscheiben und optischen 
Gläser aus; nur in der Spiegelfabrikation stand es hinter Deutsch- 
land und Flandern noch zurück. ^) Im Uebrigen aber rühmt der 
eben genannte Autor die venetianischen Glasmacher afs die sub- 
tilsten und künstlerischesten, die es gibt. Sie hatten, sagt er, 
Lust und Gefallen zu schönen und klaren Gläsern, die schlecht 
und zirkelrecht waren, und thaten sich namentlich durch die Accu- 
ratesse in ihren Arbeiten hervor, wie man an den Warzen und 
Böden ihrer Gefösse, an den Nabeln der Butzenscheiben und 
Anderem sehen konnte. Sie machten ganze Service, welche die 
grossen Herren um theures Geld erwarben, und fertigten aus Glas 
Schlösser, Häuser und Instrumente, die lieblich zu sehen und von 
subtilen Stimmen waren. Mathesius steht mit diesem Lobe nicht 
allein da. Alle Reisenden, welche Venedig besuchten, wie Ber- 
trandon de la Brocqui^re (1432), Bruder Felix Faber von Ulm 
(1484), William Wey (f 1474) sprechen ebenfalls voll Bewunde- 
rung von den venetianischen Glasmachern und ihren Produkten. 
Der Bologneser Mönch Leandro Alberti, welcher in der ersten 
Hälfte des 16. Jahrhunderts nach Murano kam, sagt, dass damals 
auf der Insel 24 Glashütten in Betrieb standen. Er beschreibt 
^eine gläserne Galeere von der Länge einer Elle mit vollständigem 
Takelwerk und eine Orgel, welche sehr melodiöse Töne von sich 
gab. Noch überschwänglicher ist das Lob, welches Marcantonio 

') Sarepta oder Bergpostill. Nürnberg, 1582. 15. Predigt: ,Vom Glass- 
machen.* 

^) J. Houdoy, 1. c, p. 4. 



— lO — 

Coccio Sabellico in seinem um 1495 geschriebenen Werke: 
»De situ Venetae urbis«, der Insel und ihren Glasmachern spendet. 
Er lobt zunächst das helle Krystallglas und erzählt, wie der 
rührige Geist der Leute niemals stille stand, sondern immer etwas 
Neues zu erfinden strebte, bis er es dahin brachte, dem Stoffe 
tausend Farben und unzählige Formen zu geben. Unter diesen 
Formen werden erwähnt: Becher, Schalen, Kannen, Becken, Krüge, 
Kandelaber, alle Arten von Thieren, Homer u.s.w. Alle menschlichen 
Wonnen, sagt er, würden aus dem Glasstoffe hergestellt und was 
nur immer das Auge der Sterblichen ergötzen könne ^ es gebe keinen 
kostbaren Stein, der nicht nachgeahmt würde, ja selbst die blu- 
migen Wiesen des Frühlings würden in Glaskugeln eingeschlossen * ). 
Es lohnt sich der Mühe, einen flüchtigen Blick auf die 
EntwickluSig der venetianischen Glasindustrie zu werfen, um zu 
sehen, wie sich dieselbe zu dieser Höhe emporschwang. Ihr 
Ursprung liegt im Dunkeln. Die einen glauben, sie sei von den 
vor Attila im 5. Jahrhundert aus dem Festlande nach den Lagu- 
nen Flüchtenden mitgebracht worden und folglich so alt wie die 
Stadt; Andere dagegen behaupten, sie sei erst in einer viel spä- 
teren Zeit von den Byzantinern erlernt worden. Vor dem 13. 
Jahrhundert fehlen alle Beweise dafür, dass in Venedig eine 
Glasindustrie von Bedeutung vorhanden war, mit Ausnahme der 
Mosaiken von Murano, Torcello und San Marco, von denen das 
in der Kirche des hl. Cyprian auf Murano 882 vollendet wurde. 
Diese können aber nur wenig in Betracht kommen, da es nicht 
ausgemacht ist, ob die Glaswürfel hiezu aus byzantinischen oder 
venetianischen Glashütten kamen. Jedenfalls kann im 11. Jahr- 
hundert die venetianische Glasindustrie noch nicht berühmt ge- 
wesen sein, da der Abt Desiderius von Monte Casino nicht nach 
Venedig, sondern nach Constantinopel um Mosaikarbeiter sandte. 
Allein es muss auf der anderen Seite auch eingeräumt werden, 
dass das gewaltige Unternehmen, das Innere des Markusdomes 
mit Glasmosaiken zu überziehen, jedenfalls epochemachend ge- 
wesen sein wird. Dasselbe konnte nicht verfehlen, einer etwa 
schon bestehenden Glasfabrikation die grösste Anregung zu geben 

J) Nesbytt, 1. c, p. XXXVHI. 



— II — 

oder, im Falle Venedig noch keine Glashütte besass, die Augen 
der anwesenden griechischen Künstler und Werkleute auf die 
zum Betrieb einer Glashütte günstige Lage der Stadt, welche 
feinen Sand und Seepflanzen, deren Asche das Alkali lieferte, in 
Ueberfluss hatte, zu lenken. 

Eine weitere Gelegenheit, sich die Kenntniss der von den 
griechischen Glaskünstlern geübten Techniken anzueignen^, soll 
den Venetianern die Eroberung Constantinopels im Jahre 1204 
geboten haben, was indess, wie sich später zeigen wird, als Irr- 
thum angesehen werden muss. Ein halbes Jahrhundert später 
(1268) bildeten die Glasmacher Venedigs bereits eine Zunft, 
welche an der bei der Wahl des Dogen Lorenzo Tiepolo veran- 
stalteten Prozession der Kaufleute theilnahm. Im Jahre 1283 
werden unter den Glasmachern >butteliarii< und »phyalarii« — 
Flaschenmacher — erwähnt. Diese scheinen den Anfang der >fab- 
briche di vassellani o recipiendi di vetro e cristallo«, die Fabri- 
ken von Krystallglasgefässen zu bezeichnen, welche sich fortan 
von jenen Hütten unterschieden, die der Kunst des Perlen- und 
Edelsteinmachens, der >arte del perlaio<, >arte del margaritaioc 
oblagen. Acht Jahre früher (1275) ist bereits durch ein Gesetz 
die Ausfuhr des Sandes und anderer zum Glasmachen nöthiger 
Substanzen aus Venedig verboten worden. Gegen das Ende des 
13. Jahrhunderts hin hatten sich die Glasfabriken in der Stadt 
so vermehrt, dass dieselbe fortwährend Feuersbrünsten ausgesetzt 
war. Ein Erlass des Grossen Rathes verbot daher im Jahre 1289 
jedem, der nicht Besitzer des betreffenden Hauses war, im Innern 
der Stadt eine Glashütte zu errichten. Aber auch diese Aus- 
nahme zu Gunsten der Hauseigenthümer wurde am 8. November 
1291 aufgehoben und verordnet, dass alle Glasfabriken, welche 
im Innern der Stadt existirten, abgerissen und vor die Stadt 
hinaus verlegt werden sollten. Dieser Erlass wurde zwar am 
II. August 1292 insoweit etwas gemildert, dass den Erzeugern 
von kleinen Glaswaaren, den iverixelli« oder den >fabbriche di 
conterie< gestattet wurde, ihre Werkstätten innerhalb der Stadt, 
aber 15 Schritte von den Häusern entfernt, zu errichten. Trotz- 
dem scheint derselbe den Grund zu dem Ruhme Murano's gelegt 



— 12 — 

ZU haben, wenn auch feststeht, dass auf dieser Insel schon im 
Jahre 1255 ^^^s gemacht worden ist. 

Wenn auch die »butteliariic und »phyalarii«, wie wir sahen, 
schon im 13. Jahrhundert auftraten, so scheint doch noch wäh- 
rend des ganzen 14. Jahrhunderts hauptsächlich die Herstellung 
von falschen Perlen, künstlichen Steinen und sonstigen Glas- 
kleinodien geblüht zu haben. Als Erfinder der falschen Perlen — 
. margarite — gelten Christoforo Briani und Domenico Miotti, 
welche sich zugleich auf die Nachahmung der edlen Steine ver- 
legten. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts scheinen diese Con- 
teriewaaren bereits einen bedeutenden Handelsartikel gebildet zu 
haben. So werden in dem Tarif, welchen Margaretha, Gräfin 
von Flandern, im Jahre 1252 für alle nach Damm, dem Hafen 
von Brügge, ijnportirten Güter erlassen hat, auch venetianische 
Glasringe erwähnt. Am meisten aber haben zur Ausbreitung des 
venetianischen Glashandels, wie Labarte mit Recht annimmt, die 
Beziehungen beigetragen, welche der berühmte Marco Polo wäh- 
rend seines Aufenthaltes im Innern Asiens, an den Ufern und 
auf den Inseln des indischen Oceans und im persischen Meer- 
busen angeknüpft hat. Als er im Jahre 1295 zurückkehrte, 
machte er seine Landsleute mit den Sitten der Völker bekannt, 
welche jene weiten Strecken bewohnten, und schilderte ihnen den 
speciellen Geschmack, den dieselben für Perlen, farbige Steine 
und Kleinodien jeder Art zur Schau trügen, indem sie damit sich 
und ihre Kleider zu schmücken liebten. Dies entflammte selbst- 
verständlich den Eifer für die Perlen- und Steinfabrikation und 
bald hernach unternahm der schon genannte Domenico Miotti 
mit grossem Erfolge eine Expedition nach Bassora. Es dauerte 
nicht lange und die venetianischen Glasperlen und Steine hatten 
Aegypten, Aethiopien, Abessynien, die Küsten von Westafrika, 
Centralasien, Indien bis gegen China hin erobert und trugen den 
Unternehmern und der Republik grosse Reichthümer ein. 

Man hat gedacht, dass durch diese gewinnbringenden Unter- 
nehmungen die Gefassbildnerei in ihrer Entwicklung etwas auf- 
gehalten worden sei, zumal bis jetzt kein einziges Glasgefäss aus 
Venedig, weder ein wirkliches noch ein beschriebenes bemerkt 



— 13 — 

worden ist, welches dem 13. oder 14. Jahrhundert angehörte. 
Daher hat Labarte die Vermuthung aufgestellt, dass die Glas- 
sachen, welche venetianische Schiffe im Jahre 1394 dem Herzog 
Philipp dem Guten von Burgund lieferten, byzantinische Arbeiten 
gewesen sein mögen. Allein das ist sicher ein grosser Irrthum, 
da die Byzantiner damals gewiss keine Bedeutung in der Glas- 
branche mehr hatten, wenn überhaupt je. Das Wenige, was sie 
zu leisten vermochten, hatten ihnen die Venetianer bei der Er- 
oberung Constantinopels im Jahre 1204 ohne Zweifel abgelernt, 
so dass sie im 14. Jahrhundert schwerlich mehr aus Byzanz Glas- 
gefässe zu beziehen brauchten. Doch das nebenbei. 

Der ausgebreitete Handel mit den Conteriewaaren hat die 
Gefässbildnerei nicht nur nicht aufgehalten, sondern sogar den 
Grund zur raschen Entwicklung derselben gelegt. Durch diese 
Handelsreisen haben nämlich die Venetianer die Bekanntschaft 
mit den sich seit den Tagen des Alterthums erhaltenen Glas- 
fabriken des Orients gemacht und deren Arbeitsweise und Tech- 
niken -kennen lernen. Während bis dahin die meisten Luxus- 
gläser aus dem Oriente bezogen worden waren, wurden diese 
seitdem in Venedig mit Erfolg nachgeahmt und alle jene, in den 
Inventaren erwähnten Gläser »ä la fagon de Damas< sind, wie ich 
später zeigen werde, venetianische Arbeiten. Der Orient mit 
seinen herrlichen Glasgefslssen, welche durch Emailmalerei oder 
Schliff verziert wurden, war in der That der beste Lehrmeister 
für Venedig. Unter seinem Einflüsse erhob sich hier die Glas- 
industrie bald zu solchem Ansehen, dass der Hohe Rath anfing, 
ihr sein specielles Augenmerk zuzuwenden. Schon am 22. Dez. 
1376 verordnete ein Erlass, dass die Kinder, welche aus der Ehe 
eines Adeligen mit der Tochter eines »vetrajoc — Glasmachers — 
hervorgingen, als adelig angesehen werden sollten, und am 15. 
März 1383 wurde eine Anzahl von Bestimmungen getroffen, 
welche den Zweck hatten, »dass die so vornehme Kunst in 
Murano sich aufrecht halte und fortbestehe«.') Auch das lebhaft 
erwachte Studium der Ueberreste des Alterthums wirkte zur Ent- 



');».. ut ars tarn nobilis stet et permaneat in loco Muriani,* 



— 14 — 

Wicklung der venetianischen Glasindustrie, wenigstens im 15. 
Jahrhundert fördernd mit. Im Jahre 1441 wurden die Statuten 
der Flaschenmacher — pbioleri — , der Hauptzunft der Glasmacher in 
Venedig, erneuert. Zu den hervorragendsten Mitgliedern dieser 
Zunft zählten damals Don Paolo Godi von Pergola und sein 
Schüler Angelo Beroviero. Des Letzteren Glashütte aufMurano 
hatte einen Engel als Schild. In der Grabschrift dieses, dem 
Ende des 15. Jahrhunderts angehörigen Künstlers in St. Stefano 
di Murano heisst es, dass ihm Alles offenbar war, was in der 
Glaskunst verborgen lag. Sein Schüler, ein gewisser Giorgio, mit 
dem Spottnamen il Ballerino, soll das Receptbuch seines Meisters 
copirt, einem anderen Meister verkauft und so sich die Mittel 
versdiafFt haben, skh in der Hütte des Letzteren selbständig 
niederzulassen. Er wurde das Haupt der Ballerini. Marino 
Beroviero, der Sohn des Angelo, wurde im Jahre 1468 Zunft- 
meister — gastaldo — der >phioleri<. Von ihm wird berichtet, dass 
ihm und seiner Familie der gewaltige Fortschritt, welchen die 
Glasfabrikation im 15. Jahrhundert auf Murano machte, zum 
grossen Theile zuzuschreiben sei. 

Mit dieser höheren Entwicklung der Glasindustrie gingen 
Hand in Hand die erneuerten und erweiterten Privilegien, welche 
der Grosse Rath den Glasmachern gewährte. Im Jahre 1445 ge- 
stattete er ihnen die Wahl eines Kanzlers — cancelliere pretorio — 
welchem die Gerichtsbarkeit auf Murano, und eines Delegirten bei 
der Regierung, welchem die den Handel interessirenden Ange- 
legenheiten oblagen. Im Jahre 1502 wurde der unter dem Namen 
>Statuto di Murano < bekannte Gesetzescodex, durch welchen der 
Insel Murano eine eigene civile, gerichtliche und administrative 
Verwaltung gegeben wurde, durch den Grossen Rath bestätigt. 
Die darin enthaltenen Bestimmungen blieben bis zum Untergange 
der Republik in Kraft. Dafür aber wurde jedem Glasmacher 
strengstens verboten, sich in der Fremde niederzulassen. Dieses 
Verbot scheint ziemlich weit zurückzureichen, wurde aber später 
als nicht ausreichend befunden, obwohl am 13. Febr. 1490 der 
Vorsitzende des Raths der Zehn die Oberaufsicht über die Fabri- 
ken Murano's übernommen und am 27. Okt. 1 547 der Rath sich 



— 15 — . 

die Sorge der Bewachung der Hütten vorbehalten hatte, um zu 
verhindern, dass die Kunst des Glasmachens in die Fremde »ver- 
schleppt« wtirde. Daher nahm die Staatsinquisition im 26. Artikel 
ihrer Statuten folgende Bestimmungen auf: »Wenn ein Arbeiter 
seine Kunst zum Schaden der Republik in ein fremdes Land 
trägt, soll ihm der Befehl zur Rückkehr zugehen^ gehorcht er 
nicht, sollen seine nächsten Verwandten eingekerkert werden; 
wenn er trotz der Einkerkerung seiner Verwandten trotzig in der 
Fremde bleiben will, wird man ihm einen Emissär, mit der Weisung 
nachsenden, ihn aus der Welt zu schaffen.« Und diess blieb 
kein todter Buchstabe, sondern es sind zwei Fälle constatirt, in 
denen wirklich fortgezogene Glaskünstler ermordet wurden. 

Doch ich kehre zu der Glas Fabrikation des 15. Jahrhunderts 
zurück. Allem Anscheine nach besass dieselbe damals ihre 
Hauptstärke in der Herstellung farbiger, namentlich grüner, blauer, 
purpurner , ambragelber , rubinrother und milchweisser Gläser, 
welche durch Emailmalerei und Vergoldung geschmückt wurden. 
Auch marmorirte und goldgesprengelte Gläser kannte man im 
15. Jahrhundert bereits. Hierin zeigt sich- hauptsächlich der 
orientalische Einfluss zur Wirkung gekommen. Diese Gläser sind 
auch noch massiver als jene des 16. Jahrhunderts. Einige sehr 
hübsche Beispiele sind in dem »Catalogue of the CoUection of 
glass formed by Felix Slade« abgebildet. *) 

Um 1463 werden die farblos durchsichtigen Gläser bereits 
in »cristallini« und in »comuni«, auch schlechtweg »vetro« genannt 
unterschieden. Die ersteren vervollkommnen sich bald so sehr 
dass sie schon gegen das Ende des 15., namentlich aber wäh 
rend des 16. Jahrhunderts den höchsten Ruhm Venedigs aus 
machten und fast in allen Ländern mit Gold aufgewogen wurden 
Von ihnen spricht bereits Marcantonio Coccio Sabellico im Jahre 
1495 und sie bildeten während des 16. und 17. Jahrhunderts 
das Ziel der nach venetianischer Art in den nördlichen Ländern 
errichteten Glasfabriken. Gleichzeitig mit ihnen, vielleicht schon 
etwas früher, blühten die Millefiori- oder Mosaikgläser, von 



p. 68-80 und plate XII, XUI,YIV. — Vgl. auch Labart ein, pLLXXII. 



. — i6 — 

denen der eben genannte Autor sagt, dass sie den Anschein 
geben, als ob die verschiedenen Blumen, mit welchen im Früh- 
ling die Wiesen besät sind, in sie eingeschlossen wären. Ebenso 
ist das craquelirte oder Eisblumenglas eine Erfindung des l6. 
Jahrhunderts. Dagegen lassen sich die geschnürlten Gläser, die 
verschiedenen Arten des »vetro ditrina<: das »vetro di filigrana«, 
das »vetro a ritorti« und das »vetro a reticelli« nicht vor der 
Mitte des i6. Jahrhunderts nachweisen, wie ich später zeigen 
werde, ja es ist nicht unmöglich, dass die Venetianer hiezu die 
Anregung von den Deutschen erhielten. 

-Im Jahre 1528 soll ein gewisser Andrea Vidaore die 
Kunst, Perlen mittels der Pfeife herzustellen, erfunden haben, 
während man vordem zu diesem Zwecke Stäbe gezogen hat, 
welche oft eine Länge von 30 Ellen hatten. Die nach der neuen 
Methode Arbeitenden erhielten den Namen »soffialume«, Lichter- 
bläser. Ungefähr 50 Jahre früher, im Jahre 1507, hatten zwei 
Einwohner von Murano, Andrea und Domenico Danzolo del 
Gallo die Spiegelfabrikation nach deutsch -flandrischem Muster 
eingeführt und hiezu ein ausschliessliches Privileg von 20 Jahren 
erhalten. ' ) Dieselbe vermehrte sich bald so sehr, dass sie selbst 
in Deutschland als Vorbild angesehen wurde. Viel hatte dazu 
ein gewisser Vincenzo Roder beigetragen. Im Jahre 1571 
bildeten die specchiaj schon eine Zunft mit eigenen Statuten und 
Privilegien. Damals also hatten sich die Venetianer aller Zweige 
der Glasindustrie bemächtigt, ja sie verstanden nach Mathesius 
auch Glastafeln von grosser Reinheit zupressen, d.h. zu giessen^ 
es geschieht demnach mit Unrecht, wenn diese Erfindung dem 
Franzosen Lucas de Nehou (1688) zugeschrieben wird. 

Im Laufe des 17. Jahrhunderts hielt sich die venetianische 
Glasindustrie in allen Zweigen auf der Höhe und setzte ihre Pro- 
dukte in allen Ländern zu enormen Preisen ab. Noch am Ende 
des 16. Jahrhunderts hatte die Glasmachergemeiode auf Murano 
das Recht erhalten, jährlich eine Anzahl von Medaillen prägen 
lassen zu dürfen, welche mit den Wappen des regierenden Dogen, 



') J. Hondoy, 1. c, p. 4. 



— 17 — 

der Zunft, des Podestä, des Kämmerers und der 4 Deputirten 
vonMurano versehen waren. Diese >oselle« wurden den Ortsbe- 
hörden und einigen höheren Behörden der Republik zum Ge- 
schenke gemacht. Wenn man ferner irgend einem Besucher ein 
Geschenk machen wollte, blies man eine solche Medaille in den 
Boden eines Gefässes ein und gab ihm dieses zum Andenken. Die erste 
dieser >oselle Muranese< stammt aus dem Jahre 1581*, von da 
an ist eine Lücke bis zum Jahre 1673; von 1673 bis 1796 ist 
die Reihenfolge ununterbrochen erhalten. 

Als im Jahre 1573 Heinrich III. von Frankreich nach Ve- 
nedig kam, verlieh er fast allen Glasmachermeistern den Adel. Die 
Glasmachergemeinde in Murano beschloss hierauf, nach dem Vorbilde 
des adeligen >Libro d'oro« ebenfalls ein goldenes Buch anzulegen, in 
welches die ursprünglichen Glasmacherfamilien eingeschrieben wer- 
den sollten. Diesen Beschluss bestätigte der Senat am 20. Aug. 
1602. Das betreffende Buch existirt noch. Man • liest darin 
folgende Namen als diejenigen der ersten Glasmacher: Muro, 
Seguso, Motta, Bigaglia, Miotto, Briani, Gazzabino, Vi- 
stosi und Ballerino. 

Im Laufe des 18. Jahrhunderts hat die Glasfabrikation von 
England, Frankreich, Deutschland und Böhmen erfolgreich mit 
der venetianischen zu concurriren begonnen und dieselbe schliess- 
lich ganz aus dem Felde geschlagen. Zwar gelang es einem 
Muranesen, Giuseppe Briati, sich drei Jahre in Böhmen aufzu- 
halten, die neuen Fabrikationsweisen kennen zu lernen und auf 
dieser Grundlage nochmals einen kurzen Aufschwung der Glas- 
industrie seiner Vaterstadt herbeizuführen. Mit seinem Tode aber 
(f 1772) und mit dem Falle der Republik verfiel die venetia- 
nische Glasindustrie, welche Jahrhunderte lang ein Gegenstand der 
Bewunderung von ganz Europa gewesen war, vollständig. 



— i8 — 

Der venetianischen Glasindustrie gebührt aber nicht allein 
der Rahm, Vorzügliches, ja in mancher Beziehung sogar das 
Höchste geleistet zu haben, sie hat auch die Glasindustrien der 
übrigen Länder wie ein Sauerteig durchdrungen und von Grund 
aus umgestaltet. Wohl hatte derRath der Zehn selbst bei Todes- 
strafe, ja sogar bei Strafe des Meuchelmordes jedes Verschleppen 
der »ars tam nobilisc aus Venedig zu verhindern gesucht; wohl 
sind Einige als Opfer dieses Gesetzes gefallen: aber der Drang 
nach Freiheit kennt kein Hindemiss. Daher vermochten all 
diese drakonischen und unmenschlichen Massregeln den Wander- 
trieb der venetianischen Glasmacher mit nichten einzudänmien. 
Ja es hat den Anschein, als ob gerade diese strengen Verbote es 
gewesen wären, welche die Glaskünstler Murano's zum Hinaus- 
tragen ihrer Kunst in alle Länder £uropa*s anspornten. Zunächst 
scheinen sich dieselben nach den grösseren Städten Italiens ge- 
wandt zu haben. Schon um die Mitte des 1 5. Jahrhunderts treffen 
wir einen geschickten Glasmacher aus Murano, Namens Angeli 
Borromeo, in Florenz. Derselbe scheint bis zum festgesetzten 
Termin die mit der Republik eingegangenen Verbindlichkeiten 
nicht gelöst zu haben; daher wurde ihm am 19. Okt. 1459 eine 
Verlängerung der Frist zugestanden. *) Sicher handelte es sich 
hier um die Errichtung einer Glashütte nach venetianischem 
Master. In der nämlichen Stadt wurden am l^nde des 16. Jahr- 
hunderts die berühmten Glasmacher Luna aus Venedig aufge- 
nommen. Aus einer vonj. Houdoy ^) publicirten Urkunde vom 
7. Januar 1623 erfahren wir, dass damals Florenz eine, Rom 
zwei, Neapel, Mailand, Verona je eine Glashütte nach dem Vor- 
bilde der venetianischen besassen. Manche dieser Fabriken, so- 
wie diejenigen zu Rimini und St. Giuliano reichen bis zum An- 
fange des 16. Jahrhunderts zurück. 

Aber nicht bloss nach den Städten Italiens brachten die 
venetianischen Glasmacher ihre Kunst; sie wanderten, zum Theil 
von den Fürsten gerufen, zum Theil wohl auch aus Furcht, er- 



') Labarte, 1. c. m., p. 381. 
2) L c, p. 54- 



— 19 — 

mordet zu werden, weit nach Norden, nach Frankreich, den Nieder- 
landen und bis in das Innerste von Deutschland, ja einer ist bis 
nach Persien gekommen^. Bald erschien es als Ehrenpflicht eines 
jeden Landes und Herrschers, sich eine Glashütte zu gründen, 
welche, von einem Venetianer Künstler geleitet, Gläser in der 
Art der venetianischen zu erzeugen strebte. Bekannt sind die 
Anstrengungen, welche in dieser Beziehung die Könige Frankreichs 
gemacht haben. So rief Heinrich II. einen Italiener, Namens 
Theseo Mutio, nach Frankreich und etablirte ihn zu Saint- 
Germain-en-Laye in der Absicht, dass durch Errichtung einer 
Glashütte nach venetianischem Muster dem Lande das Geld er- 
halten bliebe, das jährlich für Glaswaaren "nach Venedig wanderte. 
Diese Glashütte scheint indess nicht lange nach dem Tode Hein- 
rich*s II. wieder eingegangen zu sein. Aber Heinrich IV. erneuerte 
den Versuch und etablirte je eine Glashütte zu Paris und Nevers, 
von denen jene noch im Jahre 1623 bestand, wie aus der vorhin 
angeführten Urkunde hervorgeht. *)- Im Jahre 1598 erlaubte 
Heinrich IV. zwei adeligen Glasmachern, Vincent Busson und 
Thomas Bartholdus aus Mantua, sich in Rouen zu etabliren, 
und im Jahre 1605 gewährte er einem Frangois de Gar sonnet 
ebenfalls ein Privileg. Ludwig XIV. endlich suchte Frankreich 
mit der venetianischen Spiegelglasfabrikation zu beschenken und 
verlieh zu diesem Zwecke einem Nicolas du Noyer ein aus- 
schliessliches Privileg. Hand in Hand mit diesen von den Königen 
eingeleiteten Unternehmungen scheinen solche von Privaten ge- 
gangen zu sein; denn wir hören, dass zahlreiche Glashütten, welche 
venetianische Gläser imitirten, sich am Anfang ,des 17. Jahrhun- 
derts an der Grenze von Flandern, ferner zu Mdzi^res und in der 
Dauphind erhoben hatten. *) 

Einen weit glänzenderen Erfolg aber als in Frankreich 
hatten derartige Versuche in den Niederlanden. Hier ist schon 
unter Karl V. in Antwerpen eine Glashütte nach venetianischem 



') J. Houdoy, 1. c, p. 54. 

2) J, Houdoy, 1. c, Urkunden vom 26. Januar 1807; vom 7. Februar 
161 1; von 1618. 



2* 



— 20 — 

Muster eingerichtet und vom Kaiser mit weitgehenden Privilegien 
ausgerüstet worden. Diese liessen sich die Nachfolger des unbe- 
kannten Gründers, Ambrosio Mongarda, Philippo de Gri- 
dolphi und Ferren te Morron immer wieder erneuem und 
mehrfach erweitern. Im Jahre 1623 Hess sich ein venetianischer 
Edelmann aus der altberühmten Glasmacherfamilie der Miotti, der 
Hauptmann Antonio Miotti, von Philipp IV. ein ähnliches Pri- 
vileg geben und erbaute hierauf eine Glashütte in Brüssel und 
eine zweite in Namur. *) Beide standen im Jahre 1629 kalt. 
In Folge dessen erbat sich der damalige Eigenthümer der Ant- 
werpener Fabrik, Van Lemens, ein Privileg, welches ihn allein 
ermächtigte, in den Niederlanden Glashütten zu erbauen, welche 
sich mit der Nachahmung der Venetianergläser beschäftigten. Als 
er im Jahre 1642 dasselbe an einen Gillet Collinet verkaufen 
wollte, wurde es ihm entzogen und auf Giovanni Savonetti 
übertragen, welcher in dessen Genuss bis 1653 blieb. Damals 
wurde es zu Gunsten eines Francesco Savonetti erneuert. 
Bald darauf aber erscheint Van Lemens wieder als Inhaber des 
Privilegs, das er endlich 1658 auf Henry und Leonhard 
Bonhomme übertragen Hess. Mit den zwei zuletzt Genannten 
beginnen die einheimischen Glasmacher und wird der Zweck der 
Fabriken ein anderer. Neben diesen Hütten that sich ferner eine 
zu Lüttich errichtete eine Zeit lang durch die Schönheit ihrer 
Nahahmungen der Venetianergläser hervor.*) Seit Giovanni Sa- 
vonetti (1642) erzeugten diese Hütten auch venetianische Spiegel. 
Für den letzteren Zweig der Glasfabrikation Hess sich endlich im 
Jahre 1661 ein Josue Hennessel aus Lothringen ein Privileg 
geben. 

In den Niederlanden also blühten die Hütten nach venetia- 
nischem Muster über 1 50 Jahre. Von der eigentlichen Bedeutung 
dieser niederländischen Glasindustrie seit der Mitte des 16. Jahr- 
hunderts vermögen wir uns erst eine richtige Vorstellung zu 
machen, wenn wir bedenken, dass die dortigen Glaskünstler im 



') J. Houdoy, 1. c, Urkunde vom 4« Sept. 1629. 
2) J. Houdoy, 1. c, Urkunde vom 26. Jan. 1607. 



— 21 — 

Auslande ebenso gesucht waren wie die venetianischen. So be- 
rief beispielsweise um das Jahr 1567 die Königin Elisabeth von 
England den Anwerpener Jean Quarre mit mehreren anderen 
Glasmachern nach London behufs Anlage einer Glashütte. ') 
Diese wurde im Savoy-House am Strande errichtet. Einen zweiten 
Antwerpener Glaskünstler berief Herzog Albrecht V. von Bayern; 
von ihm wird später die Rede sein. 

In England wurden Gläser nach venetianischer Art zuerst 
in Crutched Friars gemacht und zwar durch einen Italiener, Namens 
Jacob Vessaline, welcher seine Hütte im Jahre 1557 aufge- 
richtet zu haben scheint.*) Zehn Jahre später berief, wie wir 
eben hörten, die Königin Elisabeth den Antwerpener Jean Q uarre, 
welcher indess keine Hohlglas-, sondern eine Spiegelglasfabrik 
angelegt hat. In dem nämlichen Jahre erhielten DoUyne und 
Carye von Antwerpen ein Privileg zum Glasmachen. Damit ver- 
sehen, schlössen sie einen Contract mit Thomas und Balthasar 
de Hamezel — wohl derselbe Familienname wie Hennezel — * 
welche in einer Glashütte in den Vogesen in Lothringen wohnten, 
dass sie, um Glas zu machen, nach London kommen sollten. 
Allein es ist nicht gesagt, ob diese Hennezel oder Hamezel nach 
venetianischer Art Glasgefässe oder bloss Fensterglas gemacht 
haben. Im Jahre 1589 suchte ein George Longe um ein Pri- 
vileg nach. In der betreffenden Eingabe wird gesagt, dass es 
damals 15 Glashütten in England gab. Diese sollten nachLonge's 
Ansicht auf zwei reducirt und andere in Irland gebaut werden. 
Im Jahre 1615 erhielt Sir Robert Maunsell ein Privileg zum 
Erzeugen und Handeln mit Glas. 1670 Hess der Herzog von 
Buckingham Werkleute aus Venedig kommen und etablirte sie zu 
Lambeth, wo sie eine Spiegelglasfabrik einrichteten. Endlich sind 
im Jahre 1860 zu Buckholt die Reste einer dem 16. Jahrhundert 
angehörigen Glashütte und dabei einige Produkte im Stile Mu- 
rano*s aufgefunden worden. ^) 



^) Labarte, 1. c. III, p. 398. 
2) Nesbytt, 1. c, p. XLIX. 
"') Nesbytt, l. c, p. L. 



— 22 — 

Etwas mehr wissen wir über die Bestrebungen, welche in 
Deutschland zur Einführung der venetianischen Glasindustrie unter- 
nommen wurden. Eines der interessantesten Documente ist in 
dieser Beziehung der bereits berührte Vertrag des bayerischen 
Herzogs Albrecht V. (15 50 — 1579) mit Bernhard Schwarz. ') 
Dieser Vertrag verpflichtete den Antwerpener Glasmacher, in 
Landshut an der Ringmauer einen Glasofen zu errichten und 
einen deutschen Arbeiter in seiner Kunst zu unterweisen. Damals 
bestanden, wie an anderen Orten Deutschlands, so auch im baye- 
rischen und Böhmerwalde schon viele Glashütten. Aber all diese 
Hütten waren nach der Aussage des Bernhard Schwarz schlecht 
und unschön gebaut und verschlangen unverhältniss massig viel 
Holz. Sie scheinen auch nur gewöhnliches Glas — »verres sim- 
ples ou ordinaires« oder »gros allemands< , wie die aus Deutsch- 
land, Böhmen, Lothringen u. s. w. nach den Niederlanden ge- 
brachten Gläser in den Urkunden heissen — erzeugt zu haben; 
denn sonst würde der Herzog schwerlich einen fremden Glas- 
macher gerufen haben. Leider fehlen uns urkundliche Nachrich- 
ten über dfen Erfolg, welchen Schwarz mit seinem Glasofen und 
der geplanten Schleiferei erzielte. Es hat zwar etwas Verlocken- 
des, die »feinen kleinen Trinkgläserlein«, aus denen man um das 
Jahr 1562, wie Mathesius berichtet, in München die frischen 
Weine aus Eppan zu trinken pflegte, mit dem durch Bernhard 
Schwarz herbeigeführten Aufschwung der bayerischen Glasfabri- 
kation in Verbindung zu bringen; allein es fehlt an sicheren Be- 
weisen hiefür. Ebenso kann die Zurückfiihrung einiger Gläser 
in Nymphenburg auf Schwarz einstweilen nur als Vermuthung gelten. 

Uebrigens wenn die Resultate des Bernhard Schwarz keine 
befriedigenden gewesen wären, dann hätte der Nachfolger Albrecht's, 
Wilhelm V. (1579 — 1597)» schwerlich abermals einen Fremden, 
den Italiener Giovanni Scarpaggiato, mit einigen, des Glas- 
scheiben- und Spiegelmachens kundigen Meistern kommen lassen 



') Dr. J. Stockbauer, Die Kunstbestrebungen am bayerischen Hofe 
unter Albrecht V. und Wilhelm V. [Quellenßchriften zur Kunstgeschichte, Bd. 
Vm, S. 129—132]. 



- 23 — 

und mit ihm am 5. Nov. 15 84 einen Vertrag abgeschlossen, 
durch welchen Scarpaggiato sich verpflichten musste, ein Schmelz- 
werk für Glasscheiben und Spiegel zu bauen, dasselbe in Schwung, 
d. h. in Betrieb zu bringen und sein Können »die Teutschen, so 
ihm arbeiten, zu lehren c^) 

Wie also Albrecht V. die Hohlglasindustrie in die Höhe 
zu bringen suchte, so Wilhelm V. die Tafel- und Spiegelglasfabri- 
kation. Die letztere war zwar ein halbes Jahrhundert früher in 
Deutschland und in den Niederlanden ziemlich hoch entwickelt, 
während sie in Venedig im Jahre 1 507 entweder noch ganz un- 
bekannt war oder doch erst im Keime lag. ^) Aber schon im 
Jahre 1 562 sagt Mathesius, dass zu Venedig die klarsten Fenster- 
scheiben erzeugt werden, und im Jahre 1584 mtissen die dortigen 
Glashütten auch in Bezug auf das Spiegelglas bereits Tüchtiges 
geleistet haben. Ja damals musste die von Andrea und Dome- 
nico Danzolo del Gallo im Jahre 1507 eingeführte Spiegel- 
glasfabrikation sich bereits zu bedeutender Höhe emporgeschwungen 
haben, da sie selbst in Deutschland als Vorbild angesehen wurde. 
Hier gab es wohl Gegenden, in denen die Spiegel- und Fenster- 
glasfabrikation fortblühte; in anderen aber lag sie arg darnieder. 
Es hatten z. B. die sogen. Waldscheiben ein so hässliches Aus- 
sehen, da^s ihre Einführung nach Nürnberg im Jahre 1 563 durch 
einen Erlass des Senates eigens verboten wurde. *) Der für den 
Wohlstand seines Landes besorgte Herzog suchte daher durch 
Einführung der venetianischen Arbeitsmethode die bayerische 
Tafel- und Spiegelglasfabrikation ebenso zu heben wie sein Vor- 
gänger die Hohlglasindustrie. Möglicherweise Hesse sich im 
bayerischen Walde die frühere Anwesenheit, italienischer Glas- 
macher durch verschiedene zurückgebliebene italienische Wörter, 
so z. B. Ribisl (ital. ribiso) für Johannisbeeren, Bambs (ital. bam- 



') Dr. J. Stockbauer, a. a. O. 

2) Sausay, La Verrerie depuis les temps les plus recul^s jusqu* k nos 
jours, p. 84. (La Biblioth^ue des MerveUIes.) 

3) Dr. J. Stockbauer, Nürnbergisches Handwerksrecht des XVL Jahr- 
hunderts. Herausgegeben vom Bayerischen Gewerbemuseum. Nürnberg, Kom'- 
sche Buchhandlung, 1879, S. 10. 



— 24 — 

bino) als Scheltwort gegen Kinder u. s. w. nachweisen. Doch 
genug hievon. 

Wie in Bayern, so wurde auch in den übrigen Gegenden 
Deutschlands im 1 6. Jahrhundert und zum Theil schon früher die 
venetiianische Art des Glasmachens eingeführt und so die ein- 
heimische Industrie wesentlich gefördert. Am frühesten scheint 
man in Wien in dieser Beziehung Versuche gemacht zu haben. 
So hören wir, dass im Jahre 1428 ein dort ansässiger Glaser 
Onofrius von Blondio aus Murano sein in der Kärtnerstrasse 
gelegenes Haus dem Herzog Albrecht versetzte, weil er von diesem, 
wie man wohl mit Recht glaubt, Geld zur Glasfabrikation vorge- 
schossen erhalten hatte.*) Im Jahre i486 sodann erbot sich ein 
gewisser Nicolaus Walch, d. h. der Wälsche, bei der Stadt 
Wien eine Glashütte zu errichten und in derselben allerlei Glas- 
werk, wie solches zu Venedig gemacht wird, zu Ehren und Nutzen 
der Stadt anzufertigen. Dieses Anerbieten nahm der Bürger- 
meister und der Stadtrath freundlich auf und erliess besagtem 
Nicolaus die Steuer auf 10 Jahre. Die beabsichtigte Glashütte 
erhob sich sodann wirklich im unteren Werd , der nach Einigen 
hievon den Namen Venedigerau erhalten haben soll, und war 
noch im Jahre 1563 im Gang. 2) Aehnliche Anlagen wurden in 
Wien selbst später noch vorgenommen. So gründete Kaiser Fer- 
dinand's I. Waldmeister Pithy eine venetianische Glasfabrik in 
Weidlingau bei Wien, welche indess bald wieder einging, und 
noch Kaiser Leopold I. Hess aus Venedig zwei Glasmacher kom- 
men, welche aber den vom Grossen Rathe nachgesandten Meuchel- 
mördern zum Opfer fielen. ^) 

In Nürnberg ferner bekamen zwei Hafner, Hanns Nickel 
und Oswald Reinhardt, welche in Venedig die Glasmacherei 
gesehen und gelernt zu haben scheinen oder diess doch vorgaben, 
im Jahre 1531 vom Rathe der Stadt eine Unterstützung von 50 fl. 



^) Alb. Ilg, Zur Geschichte der älteren Glasindustrie in Wien. (Mit- 
theilungen des k. k. österr. Museums für Kunst und Industrie, III. Bd., S. 247 flf.) 

2) Alb. Ilg, a. a. O. 

3) Labarte, I. c. HE, p. 381. 



— 25 — 

zum Zwecke der Einführung der venetianischen Glasfabrikation; 
ebenso zu dem gleichen Zwecke August in Hirschvogel, wel- 
cher für Oswald Reinhardt in das Geschäft eingetreten war.*) 
Ueber den Erfolg dieser Bestrebungen fehlen uns die Nachrichten. 
Dagegen hören wir, dass im Jahre 1607 in Köln sich eine Glas- 
hütte nach venetianischem Muster erhoben hat, welche die Vene- 
tianergläser so genau nachmachte, dass selbst die Glasmacher- 
meister nur mit grosser Mühe einen Unterschied zwischen den 
echten Venetianergläsern und ihren Nachahmungen entdecken 
konnten. Diese Fabrik hat aber bereits im Jahre 161 1 ihre Ar- 
beit wieder einstellen müssen.*) 

Gewiss sind auch in anderen Städten und Gegenden ahn- 
liehe Anstrengungen gemacht worden-, aber es sind die archiva- 
lischen Studien in dieser Beziehung noch zu wenig weit gediehen, 
so dass es hier damit sein Bewenden haben muss. Dagegen will 
ich in Bezug auf die Glasindustrie Schlesiens noch einige Worte 
sagen. Dass dieselbe ein hohes Alter hat, lässt sich nicht leug- 
nen, und wir werden später hören, dass dort um die Mitte des 
16. Jahrhunderts sogar »geschnürlte« Gläser oder Gläser mit 
incorporirtem Fadenschmucke gemacht wurden. Es besteht kaum 
ein Zweifel, dass dieses Aufblühen der schlesischen Glasindustrie 
durch den berühmten Begründer der Mineralogie und Hütten- 
kunde, durch Georg Agricola hervorgerufen wurde. Agricola, 
geb. zu Glauchau am 24. März 1490, gestorben zu Chemnitz am 
21. Nov. 1555, hatte sich mehrere Jahre in Venedig und auf 
Murano aufgehalten und die dortigen Hütteneinrichtungen studirt. 
Die gesammelten Erfahrungen, welche er in seinem Werke: »De 
re metallica« ^) theilweise der Oeffentlichkeit übergab, hat er sicher 



^) Des Johann Neudörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg, 
Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547 nebst 
der Fortsetzung des Andreas Gulden. Nach Handschriften und mit Anmerk- 
ungen herausgegeben von Dr. G. W. C. Lochner. (Quellenschriften zur Kunst- 
geschichte, Bd. X, S. 152 ff.) — Vgl. Anzeiger filr Kunde der deutschen Vor- 
zeit. Organ des germanischen Museums, 1877, Nr. 10, S. 291. 

2) J. Houdoy, 1. c. , Urkunde vom 16. Januar 1607 imd vom 5. Fe- 
bruar 161 1. 

3) c. xn. 



— 26 - 

auch zur Hebung der Glasindustrie Schlesiens verwerthet und 
daher datirt deren frühes Aufblühen. 

Es darf endlich nicht übersehen werden, dass Venedig einen 
gewaltigen indirekten Einfliiss durch seine Produkte, welche aller 
Orten verkauft wurden und somit geschmackbildend wirkten, auf 
die deutschen und überhaupt die nördlichen Glashütten ausübte. 
Schon im 1 3. Jahrhundert lässt sich der Handel mit venetianischen 
Glaswaaren nach dem Norden constatiren. Im 14. Jahrhundert 
hatte dieser Handel schon einen bedeutenden Umfang angenom- 
men. Wir können diess daraus ermessen, dass Andrea Zane 
und Jacopo Dandolo, Besitzer von zwei venetianischen Galee- 
ren, welche mit Glasgefassen und Schüsseln aus Thon beladen 
waren, nach London kamen und sich am 17. Sept. 1399 von 
Richard II. die Erlaubniss erbaten, ihre Waare an Bord der 
Galeeren abgabenfrei verkaufen zu dürfen.') Dass im Jahre 1394 
venetianische Schiffe dem Herzog von Burgund Philipp dem Guten 
Glaswaaren nach Flandern brachten, ist schon gesagt worden. In 
dem Inventar Karl's des Kühnen von Burgund wird eine grosse 
Anzahl von in Gold gefassten Bechern aus >Krystallglas€ 2) be- 
schrieben, welche insgesammt, wie sich später zeigen wird, aus 
Venedig stammten. Ausdrücklich ist die Herkunft beigeschrieben 
bei dem » jaspisfarbenen Humpen in Goldfassung von venetianischer 
Arbeit«.'*) Unter den Gegenständen femer, welche Maximilian 
von Oesterreich im Jahre 1480 den Bürgern von Brügge als Ga- 
rantie für ein Anlehen überlassen musste, figurirt »ein Topf aus 
venetianischem Glase, gelb und in Gold gefasst«.*) Venetianische 
Gläser mit Goldsprengelung waren femer auch die zwei kleinen 
Krüge aus blauem mit Gold ibepudertem Glase«, welche in der 
Kammer der Doniina Mylcentia Fastolf sich befanden, als im 
Jahre 1459 dieGüter Sir John Fastolfs inventarisirt wurden.^) 



n Nesbytt, 1. c, p. XXXVI. 
2) ,gobeletz de cristal garnis d'or.* 

•*) ,Ung hanap de jaspre garay d'or, h oeuvre de Venise*. 
*) L a b a r t e , 1. c. m, p. 386 : ,un pot de voirre de Venise, jaune, garny d'or.* 
•') Nerbytt, 1. c, p. XXXVII, Anm.: ,11 lyttyll ewers of blew glasse 
powdered with golde,* 



— 27 — 

In dem 1542 aufgestellten Inventar der Effekten König Hein- 
rich*s VIII. von England, welche sich im Westminster Palaste be- 
fanden, werden 450 Gegenstände aus Glas aufgezählt, welche so 
ziemlich alle aus Venedig stammten.*) Um 1562 schrieb Mathe- 
sius, dass das venetianische Glas in der ganzen Welt beschrien 
sei, und am 7. Januar 1623 stellt ein venetianischer Glaskünstler, 
Antonio Miotti, Philipp IV. vor, dass aus den Niederlanden 
allein jährlich 80,000 fl. für venetianische Glaswaaren ausser Land 
gehen. ^) Kurz, am Anfange des 16. Jahrhunderts zog sich über 
die nördlichen Länder, darunter auch über Deutschland, bezüglich 
der Glasindustrie der Einfluss Venedigs wie ein milder Thau hin, 
überall das technische Können erhöhend und die Formen ver- 
edelnd. Erst auf dieser Grundlage erblühte, namentlich in Deutsch- 
land, eine Glasindustrie, welche ein höheres Streben kannte und 
formschöne Produkte von exakter Arbeit zu erzeugen im Stande 
war. Damals erhoben sich imSpessart einige Glashütten, welche 
so feine Waare lieferten, dass Mathesius nicht anstand, dieselbe 
den Venetianer Arbeiten an die Seite zu stellen-, vor Allem zeich- 
neten sich diese Hütten durch ihre gestreiften und mit Rauten- 
mustern versehenen Spechter aus, wie wir später sehen werden. 



Aber so gross und nachhaltig der Einfluss Venedigs auf 
die deutsche Glasindustrie auch war, er musste sich doch alsbald 
auf die grössere Exaktheit und Accuratesse in der Arbeit, auf 
die bessere Anlage der Oefen und die vortheilhaftere Leitung der 
Schmelze beschränken. In Bezug auf die Formen der GefKsse 
blieben die deutschen Hütten fast ganz unabhängig; ja die Spes- 
sarter Hütten, welche vielleicht von venetianischen Arbeitern ge- 
leitet wurden und ähnliche Gläser wie zu Venedig herzustellen 



') Nesbytt, 1. c, p. XXXDC, 
2) Houdoy, 1. c, p. 54. 



I — 28 — 

begannen, hatten damit keinen Erfolg, sondern ihre Kunst musste, 
wie unser Autor bedauernd hinzufügt, alsbald dem Geschmacke 
von Land und Leuten Rechnung tragen. Auch sie mussten, ebenso 
wie die übrigen Fabriken Deutschlands, allerlei Knöpfe, Steine 
und Ringlein an die Gläser setzen, > damit dieselben etwas fester 
und beständiger wurden und von vollen und ungeschickten Leuten 
desto leichter in Fäusten behalten werden konnten <. Auf diese 
Weise wurden die >knortzigten und knöppfichten Gläser < allge- 
mein Mode, ohne dass sie der Einfluss Venedigs zu verdrängen 
vermocht hätte. 

Es besteht kaum ein Zweifel, dass diese letztere Gattung 
von Gläsern, welche indess schon in das früheste Mittelalter zurück- 
reicht, im i6. Jahrhundert hauptsächlich im Böhmerwalde, sowohl 
auf der böhmischen wie auf der bayerischen Seite, hergestellt 
wurden; denn es hätte sich bei der Verurtheilung derselben 
Mathesius schwerlich so sehr ereifert, wenn er nicht die Glas- 
macher aus Zarbath, die sich unter seinen Zuhörern befanden, 
damit hätte treffen wollen. Mathesius war ein Freund der > schönen 
und glatten Gläser«, aber ein abgesagter Feind allen Schmuckes 
derselben, gleichviel ob er angesetzt, gemalt oder gravirt war. 
Daher trägt er ein sichtliches Bedauern darüber zur Schau, dass 
die schönen und glatten venetianischen Gläser in Deutschland 
mittels des Diamanten mit allerlei Laub- und Zugwerk versehen 
wurden. Unser Autor sagt uns zwar nicht, wo solches geschah; 
aber der Zusammenhang, in welchem sich die betreffende Stelle 
findet, lässt vermuthen, dass diese Gravirung zunächst in Schlesien 
vorgenommen wurde, wie denn Schlesien überhaupt schon früh- 
zeitig eine hochentwickelte Glasindustrie besessen haben muss, 
welcher leider noch viel zu wenig nachgeforscht worden ist. 
Uebrigens ist bereits auch in dem oben angeführten Vortrage Al- 
brecht*s V. mit Bernhard Schwarz erwähnt worden, dass jährlich 
eine grosse Menge venetianischen Glases über Antwerpen nach 
Schwäbisch-Gemünd kam und dort geschliffen wurde. Man darf 
also annehmen, dass die sich in Deutschland findenden gravirten 
und geschliffenen Venetianergläser grossentheils erst hier rafünirt 
worden sind. 



— 29 — 

Das Gleiche gilt wohl auch von dem Bemalen der Gläser 
mit Emailfarben, welche, wie die Glasmalerei überhaupt, haupt- 
sächlich in Deutschland gepflegt wurde. Seit alten Zeiten malte 
man hier > grosser Herren Contrafactur und Wappen auf Scheiben, . 
welche man in die Fenster versetzte« ; ebenso haben bereits vor 
der Mitte des l6* Jahrhunderts einige Fabriken angefangen, >an 
die weissen Gläser Farben, allerlei Bildwerk und Sprüche im 
Kühlofen brennen zu lassen«. Vielleicht sind die Glashütten des 
Fichtelgebirges hierin vorangegangen^ denn der Umstand, dass 
man die bekannten bemalten Humpen, freilich erst in bedeutend 
späterer Zeit, allgemein als >Fichtelberger-Gläser«, als »Fichtel- 
gebirg*sche Willkommgläser« zu bezeichnen pflegte, auch wenn sie 
anderswo gemacht worden waren, könnte ein Beweis dafür sein, 
dass die ersten derartigen Gläser aus dem Fichtelgebirge als 
Aufsehen erregende Neuheit gekommen sind. Doch lässt sich 
einstweilen hierüber nichts Bestimmtes sagen. Ueberhaupt wurden 
die Gläser um die Mitte des i6. Jahrhunherts überall in Deutsch- 
land bemalt und zwar nicht bloss in den Glashütten selbst, son" 
dern auch in den Städten von wirklichen Künstlern. Doch mögen 
die »Fichtelberger Gläser« desshalb zu dem Rufe gekommen sein, 
weil sie etwa die ersten waren, welche gleich in der Fabrik und 
zwar fabriksmässig bemalt worden sind. 

Wir haben demnach bisher gesehen: erstens dass die mit 
Steinen u. s. w. besetzten Gläser namentlich durch die Hütten 
des Böhmerwaldes in Mode gebracht worden zu sein scheinen; 
zweitens dass die in gestreifte und mit Rautenmuster versehene 
Formen geblasenen Gläser hauptsächlich von den Spessarter Hüt- 
ten ausgingen; drittens dass man mit der Diamantspitze auf 
Gläser zu zeichnen zuerst in Schlesien angefangen haben mag, 
während das Schleifen seit alter Zeit in Schwäbisch-Gmünd be 
trieben wurde; viertens endlich dass die fabriksmässige Bemalung 
der Gläser zunächst im Fichtelgebirge aufgekommen zu sein 
scheint. 

Was nun die damals gebräuchlichen Gefassformen anbelangt, 
so haben sich dieselben, wie bereits gesagt worden ist, im Allgemei- 
nen vom venetianischen Einflüsse freigehalten. Wenn man die Fülle 



— 30 — 

altdeutscher Gläser durchmustert, dann wird man vor Allem zwei 
Grundformen entdecken, von denen aus sich alle Gefässe ent- 
wickelt haben. Diese zwei Grundformen sind der Cy lind er und 
die Kugel. In Venedig, wo man nur Wein trank, sehen wir 
eine andere Form in ewigen Variationen wiederkehren, nämlich 
das Kelchglas. Der deutsche Most und das Bier aber wären, 
in so kleinen Portionen genossen, wie sie ein Kelchglas darbot, 
nicht ausgiebig genug gewesen, zumal im i6. und 17. Jahrhundert, 
in jener Blüthezeit des deutschen Durstes. Damals hatten die 
Deutschen bekanntlich stets trockene Kehlen; man möchte glau- 
ben, dass sie schon mit einem grossen Durste auf die Welt 
kamen, und manche brachten es in der Kunst des Trinkens so- 
weit, dass sie, ohne abzusetzen oder Athem zu holen, 6 volle 
Mass in sich hinein rinnen lassen konnten. Für solche Trink- 
helden reichte kein Kelchglas hin; da musste ein mächtiger Cy- 
linder, ein Humpen von gewaltigem Umfange her. 

Diese Humpen nun, gewöhnlich Willkommen genannt, 
waren meistens bemalt und je nach der Darstellung auf ihrem 
Mantel heissen sie Reichshumpen oder Adlergläser, Kur- 
für&tenhumpen, Innungshumpen, Fichtelberger-Gläser. 
All diesen Gläsern liegt die cylindrische Form zu Grunde, bald 
rein, bald gegen die Mitte hin etwas anschwellend, bald nach 
oben zu etwas ausgeweitet, so dass die Gestalt einem abge- 
schnittenen, umgekehrten Kegel gleicht. Von dieser Form sind 
namentlich viele Becher. Aus dem Cylinder entwickelte sich 
auch, wie unten gezeigt werden wird, der Römer, dieses herr- 
lichste aller altdeutschen Trinkgläser mit seinem, einer geöffneten 
Beere gleichenden Kelche. 

Durch andere Veränderungen des Cylinders entstanden an- 
dere Formen. Man Hess z. B. den Cylinder gegen die Mitte hin 
etwas anschwellen, so dass er beinahe einem stehenden Fässchen 
glich, und setzte an dieses Glas ringsherum Knöpfe oder Steine 
an: es entstand, wie wir sehen werden, der sog. Krautstrunk. 
Wurde der Cylinder unten mit einer Bodenkugel versehen, welche 
hernach als Fuss aufgetrieben wurde , dann entstand ein schlankes 
Trinkgefass, der sog. Specht er, wie später gezeigt werden wird. 



— 31 — 

Wenn man um den Mantel dieses Spechters gleichweit von ein- 
ander entfernte Ringe anbrachte, dann erhielt man das sog. Pass- 
glas. Aus dem Cylinder entstand ferner auch das Bier glas» 
welches nur nach oben hin etwas eingezogen, mit einem Henkel 
und einem Bodenreiflein versehen wurde. Endlich muss hieher 
auch noch das liegende und stehende Fass gerechnet werden, 
obgleich beide in Formen geblasen wurden, welche nach der 
Mitte hin stark anschwollen. 

Die zweite Grundform der altdeutschen Gläser bildet die 
Kugel. Die Kugelform entsteht jedesmal, wenn man eine flüssige 
Glasmasse an der Pfeife ohne beengenden Model aufbläst. Hält 
man dabei die Pfeife nach unten und bläst die Masse unter 
leichtem Schwenken auf, dann entsteht die Flasche mit mehr 
oder minder langem Halse. Erweiterte man diese Flasche oben 
am Mundstück zu einer kleinen Trinkschale, dann erhielt man 
den sog. Angst er oder Kutrolf. Trieb man endlich den Hals 
der Flasche weiter auf und setzte einen Henkel an das Geföss, 
dann entstand der Krug. Hielt man aber die Pfeife mit dem 
flüssigen Glase beim Blasen aufwärts, dann erhielt man die ver- 
schiedenen schalenartigen Gefasse, als deren Repräsentant der 
Tümmler genannt werden mag. 

Der grösste Theil dieser Gefassformen ist echt deutsch; 
der venetianische Einfluss war in dieser Hinsicht gering, er hatte 
nur eine grössere Exaktheit und Accuratesse in der Arbeit zur 
Folge. Mächtiger gestaltete sich der Einfluss Venedigs in Bezug 
auf die 'Anlagen der Hütten und Oefen und in Bezug auf die 
Zusammensetzung des Gemenges und die Leitung der Schmelze, 
namentlich seitdem Georg Agricola seine Erfahrungen in Venedig 
und Murano über diesen Punkt seinen Landsleuten bekannt ge- 
macht hatte. Doch davon wird ein eigener Abschnitt handeln. 

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts treten die böhmischen 
Glashütten in den Vordergrund*, es kamen die vergoldeten, die 
geschliffenen und gravirten Gläser auf und drängten die glatten 
und bemalten allmählig zurück. In Bezug auf die Gefassformen 
dienten zwar jetzt die venetianischen Gläser als Vorbilder, aber 
die Produkte der böhmischen Glaskünstler fielen ungleich schwerer 



— 32 — 

und schwerfälliger aus. Gleichwohl wurden sie in kurzer Zeit in 
ganz Europa Mode, freilich nicht so sehr wegen ihrer Form als 
vielmehr wegen ihres mit dem Rade hergestellten Schmuckes und 
wegen ihrer Krystallreinheit. 

Man darf indess nicht glauben, dass alle Gläser, welche 
gemeinhin als böhmische bezeichnet werden, auch wirklich aus 
Böhmen stammen. Es ist allerdings merkwürdig, dass in Bayern, 
wo die Herzöge Albrecht V. und Wilhelm V. nicht etwa bloss 
aus einer vorübergehenden Laune, sondern in wohlerwogener und 
systematischer Weise die Glasindustrie zu fördern und mit der 
venetianischen auf gleiche Weise zu heben bemüht waren, auf 
einmal nichts mehr von einer Glasindustrie gehört wird. Die 
venetianische Art des Glasmachens, soweit diess die Zeit noch 
zuliess, das Schleifen, der Handel nach allen Welttheilen, lauter 
Dinge, deren Realisirung Bernhard Schwarz geplant hatte, ent- 
wickeln sich in Böhmen und zwar im grossartigsten Massstabe. 
Nun ist aber nicht anzunehmen, dass die bayerischen Glashütten 
hinter denen des Nachbarlandes zurückblieben oder ganz ein- 
gingen und erst in späterer Zeit von Böhmen aus wieder belebt 
wurden. Es ist zwar richtig, dass die Glasarbeiter beider Länder 
bis auf den heutigen Tag über den Gebirgskamm hinüber- und 
herüberwandem, und im bayerischen Walde gibt es einige Orts- 
und Hüttennamen, welche ohne Zweifel zur Bestätigung dieser 
Thatsache dienen. So ist die Tafelglasfabrik Riedelhütte, die 
man in neuerer Zeit, ich weiss nicht in Folge welcher Ideenasso- 
ciation der zuständigen Behörden, Rüdelhütte zu schreiben sich 
gewöhnt, von einem Herrn Riedel gegründet worden, ein Name, 
der sich unter den böhmischen Glashändlern des i8. Jahrhunderts 
häufig findet.*) Viel älter noch ist das Dorf Palmberg. Dass 
hier eine Glashütte gestanden, davon ist in der Bevölkerung jede 
Erinnerung geschwunden, und doch war dem so; denn beim Neu- 
bau des »Bartlhausesc kam man, wie mir gesagt wurde, auf die 
Reste einer Hütte und förderte, ausser einer Menge von Glas- 



*) Schebek, Böhmens Glasindustrie und Glashandel. Quellen zu ihrer 
Geschichte. Prag, Verlag der Handels- und Gewerbekammer 1878. 



— 33 — 

Scherben, namentlich Glasperlen zu Tage, welchen leider keine 
weitere Beachtung zu Theil wurde. Ohne Zweifel bestand dort 
eine »Paterlhütte« und der Gründer derselben war ein gewisser 
Palm oder Palme, welcher Name nun abermals mehrfach, selbst 
gegenwärtig noch unter den Glasmachern Böhmens vorkommt. 
Wie heutzutage, so wanderte also auch schon früher die Glas- 
macherbevölkerung hinüber und herüber und kamen somit die 
Bestrebungen der bayerischen Herzöge der böhmischen Glasindustrie 
wohl ebenso zu Statten wie der bayerischen. Dass aber die 
erstere auf Kosten der letzteren fast ganz allein genannt und in 
der Welt bekannt wurde, das hat seinen Grund zum grossen Theile 
darin, dass der Gebirgszug zwischen Böhmen und Bayern auch 
auf der bayerischen Seite, selbst noch in den gegenwärtigen Hand- 
büchern der Geographie Böhmerwald genannt wird. Auch 
Bernhard Schwarz sagte unter Anderem, dass die bayerischen 
Glashütten wegen ihres unschönen Aeusseren sich nicht in der 
Nähe der Städte, sondern im Böhmerwalde befänden. Die aus 
jenen Gegenden kommenden Waaren galten daher bis in die 
Neuzeit schlechtweg für böhmische Produkte. 

Es besteht aber kaum ein Zweifel, dass die böhmischen 
Handelsstationen viel Glas aus bayerischen Hütten führten- in 
Bezug auf das Tafelglas wird dies sogar bezeugt.^) Es wäre 
eine lohnende Aufgabe, eine Geschichte der bayerischen Glas- 
industrie in ähnlicher Weise zu schreiben, wie dies Schebek für 
Böhmen gethan hat. Auch hier Hesse sich eine Reihe von Ort- 
schaften zusammenstellen, in denen «früher Glashütten bestanden, 
sei es, dass sich die Erinnerung daran erhalten hat oder dass der 
Name, wie z. B. Althütte, Neuhütte u. s. w., darauf hinweist. 2) 
Vor Allem aber müssten die Tauf- und Todtenbücher der Pfar- 
reien . durchforscht werden. Ich bin überzeugt, dass sich hiedurch 
manche Aufschlüsse gewinnen Hessen. Im Uebrigen giebt es im 



^) Schebek, a. a. O., Einleitung, S. 5. 

2) Unter dem Lusen sollen vor Jahren mitten im Walde die' Holzhauer 
auf die Reste einer Glashütte gestossen sein. Auf dem Platze standen bereits 
wieder mächtige Bäume. 

3 



— 34 — 

bayerischen Walde Glashütten, so z. B. eine der Herren von 
Poschinger, die bereits seit der Mitte des l6. Jahrhunderts be- 
stehen. 

Doch um zurückzukommen. Die Ansicht, als sei Alles, was 
im 17. und 18. Jahrhundert, zumal an farblosem, geschliffenem 
oder gravirtem Glase producirt wurde, böhmischer Fabrikation, ist 
eine durchaus irrige. Es ist dies so wenig der Fall, dass Georg 
Franz Kreybich, welcher eine Beschreibung seiner Handelsreisen 
hinterlassen hat, noch im Jahre 1688 von den damals bestehenden 
sechs Londoner Glashütten behaupten musste, dass sie schöneres 
Glas erzeugten, als er aus Böhmen mitgebracht hatte. ^) Im Jahre 
1682 belud Kreybich in der Seewiesener Glashütte in Böhmen 
seinen Karren mit »schlechtem« Glas; »denn«, sagte er, >zur 
selben Zeit ward bei uns noch kein gutes Glas gemacht als nur 
Schockglas.« Dagegen konnte er im Jahre 1686 in den »Hünder- 
hütten« auf dem »Schreiberhau« in Schlesien »gutes« Glas ein- 
laden. *) Die schlesischen Hütten scheinen demnach am Ende 
des 17. Jahrhunderts den böhmischen überlegen gewesen zu sein. 
Wahrscheinlich war es Georg Agricola, welcher, wie schon oben 
gesagt wurde, den Aufschwung der schlesischen Glasindustrie 
während seines Aufenthaltes in Chemnitz hervorrief. 

Dass die im 17. Jahrhundert ins Leben gerufene kurfürst- 
liche Hütte auf der Pfaueninsel bei Potsdam, welche lange Zeit 
von Kunkel geleitet und später (1732) nach Zechlin ver- 
legt worden ist, den böhmischen Glashütten nichts nachstand, ist 
selbstverständlich, ja sie übertrafen diese sowohl in Bezug auf die 
Reinheit des Krystalls und die Schönheit der Gravirung. Der 
im Jahre 1736 in Deutschland reisende Dr. Pococke sagt von den 
Produkten dieser Hütte, einige seien so fein geschnitten gewesen, 
dass sie für £ 100 bis 150 verkauft wurden. Das Glas selbst 
in Bezug auf seine innere Qualität rühmt er als das beste der 
Welt. *) Von dem böhmischen Glase dagegen sagt unser Autor, 



1) Schebek, a. a. O., S. XXI. 

2) Schebek, a. a. O., S. XXH. 

3) Dr. Pococke, Travels II, p. 231. 



— 35 — 

dass es dielt und schwer und fast so gut wie das englische sei. 
Dieses böhmische Glas wurde in Breslau geschnitten, wenn es sich 
um Herstellung feinerer Gravirarbeit handelte. Die Hütten des 
bayerischen Waldes ferner, wie sie gegenwärtig dort bestehen, 
haben fast alle ein hohes Alter und beinahe durchgehends ist 
mit diesen Hütten seit alten Zeiten eine Vergolderei, eine Schlei- 
ferei oder wenigstens Glasschneiderei verbunden. Ohne Zweifel 
deckten diese Hütten den Bedarf des eigenen Landes oder doch 
der angrenzenden Provinzen. Wenn demnach die Provenienz 
eines Glases nicht feststeht, lässt sich durchaus nicht mit Sicher- 
heit bestimmen, ob es ein böhmisches, bayerisches, brandenburgi- 
sches oder dergl. Produkt sei. Daher haben in dem vorliegenden 
Werke die vergoldeten sowie die geschlififenen und gravi rten 
Gläser mit Recht Aufnahme gefunden, nm so mehr, als die aus 
den Hütten bezogenen Gläser häufig erst in Städten, wie Nürn- 
berg u. s. w. raffinirt worden sind. 

Im Uebrigen aber muss anerkannt werden, dass die böh- 
mische Glasindustrie ein hohes Alter hat. Sif beginnt im 15. 
Jahrhundert eine Rolle zu spielen. Im Jahre 1442 geschieht 
einer )Glashut in silva Daubitzi Erwähnung und 1443 errichtete 
Paul Schirmer eine Glashütte zu Steinschönau. Um dieselbe 
Zeit ist die angeblich erste böhmische Glasfabrik unter Peter 
Berka von Duba unter dem Tannenberg bei St. Georgenthal 
angelegt worden. Von da an entwickelte sich die böhmische 
Glasindustrie im engsten Zusammenhange mit der deutschen, bis 
sie am Ende des 17. Jahrhunderts den Weltmarkt eroberte. 




I. 

> I 

Die Oefen, das Schmelzen und Verarbeiten des 

Glases. 

I. Während des Mittelalters. 

EIM Studium der altdeutschen Gläser muss man vor 
Allem den Hütten, in welchen dieselben geschaffen wur- 
den, sein Augenmerk zuwenden. Es trifft sich dabei 
glücklich, dass wir über diese besser unterrichtet sind, als 
über jene. Bereits aus dem 1 2. Jahrhundert besitzen wir eine aus- 
führliche Beschreibung des Glasofens sowohl wie des ganzen 
Schmelzprocesses in der »Schedula diversarum artium« des deut- 
schen Mönches Theophilus. *) Seine Angaben wurden im 13. 
Jahrhundert von dem sog. Heraclius, wohl einem Italiener, theil- 
weise wiederholt und weiter ausgeführt. 2) Dadurch sind wir in 
der Lage, uns eine ziemlich genaue Vorstellung von den Glas- 
hütten des früheren Mittelalters, von ihrer Einrichtung und dem 
Schmelzprocesse zu machen. 

Ich will mich zunächst dem Ofen zuwenden. Ueber seine 
Anlage und Construction schreibt Theophilus hinlänglich aus- 
führlich ^); aber seine Schilderung scheint mir weder von dem 



^) Herausgegeben von Dr. Alb. II g. [VTE. Band der QueUenschriften 
für Kunstgeschichte und Kunsttechnik. 1874.] 

2) Herausgegeben von Dr. Alb. Hg. [IV. Bd. der Quellenschriften. 1873.] 

3) lib, U, I und 2. 



— 37 — 

Herausgeber noch von Dr. H. E. Benrath in einer hierauf bezüg- 
lichen verdienstvollen Abhandlung*) vollkommen richtig aufgefasst 
worden zu sein. Ich muss sie daher etwas eingehender behan- 
deln. Theophilus beginnt also: 

»Baue dir aus Steinen und Thon einen Ofen von 15 Fuss 
Länge und 10 Fuss Breite in folgender Weise: Zunächst führe 
auf beiden Seiten Grundmauern von je einem Fuss Stärke auf; 
dann stelle zwischen diesen aus Steinen und Thon eine feste und 
ebene Herdsohle her; diese theile in drei Drittel und führe dann 
eine Quermauer so auf, dass zwei Drittel der HerdsoMe auf die 
eine, das dritte auf die andere Seite der Quermauer zu liegen 
komme.*) 

Die Uebersetzung des letzten Satzes scheint auf den ersten 
Blick etwas , willkürlich zu sein ; aber sie gibt den Sinn der Worte 
des Theophilus vollständig getreu, wesshalb sie auch gewählt 
worden ist. Der Grundriss des von unserm Autor beschriebenen 
Ofens hatte demnach 15 Fuss in der Länge und 10 Fuss in der 
Breite. Da von der letzteren je ein Fuss auf die beiden Seiten- 
mauern kam, war die Herdsohle nur 8 Fuss breit. Diese Herd- 
sohle wurde nun durch eine, etwa i| Fuss dicke Quermauer **) 
in zwei Theile geschieden, von welchen der grössere zwei Drittel, 
der kleine ein Drittel der ganzen Fläche enthielt.; es war also 
der grössere Raum 10, der kleinere 5 Fuss lang. Zu dieser 
Länge muss aber noch beiderseits etwa i\ Fuss hinzugerechnet 
werden, da, wie wir gleich hören werden, auf jeder Stirnseite eben- 
falls eine Mauer von ungefähr i^ Fuss Dicke zu errichten war.*) 



•) ,Zur Kenntniss der Glastechnik der Vorfahren* im »Sprechsaal, Organ 
der Porzellan-, Glas- und Thonwaaren-Industrie*. Coburg 1879, Nr. 7. 

2) Postmodum compone furnum ex lapidibus et argiUa longitudine pedum 
XV et latitudine X, in hunc modiun. Primum pone fundamenta in utroque 
longitudinis latere spissitudine pedis unius, faciens larem in medio flrmum et 
aequalem lapidibus et argilla, dividens cum inter tres partes aequales, ita ut 
duae partes sint per se et tertia per se, divisa muro in latitudine posito. 

'^) Diese Dicke nehme ich an, weil die Quermauer zwei Gewölbe zu 
tragen hatte. 

^) Die Stirnmauern dürfen wohl etwas stärker angenommen werden, als 
die Seitenmauern. 



- 38 - 

Die Quermauer wird wohl auf der Fläche des grösseren Raumes 
gestanden haben, muss aber bei der Berechnung beide Male in 
Anschlag gebracht werden. Die grössere Herdsohle hatte also 
ohne die Mauern 8^ Fuss Länge und 8 Fuss Breite, mit den 
Mauern ii^ Fuss Länge und i8 Fuss Breite, war also nahezu 
quadratisch; die kleinere dagegen hielt ohne die Mauern 5 Fuss 
in der Länge und 8 Fuss in der Breite, mit den Mauern 8 Fuss 
in der Länge und 10 Fuss in der Breite, sie legte sich daher als 
ein oblonges Rechteck quer vor die grössere. 

Theophilus fahrt fort: »Hierauf führe auf jeder Stirnseite 
eine Mauer auf und mache in der Mitte einer jeden ein Loch, 
durch welches man Holz und Feuer hineinbringen könne; führe 
sodann auch auf den beiden Langseiten die Mauern ungefähr 4 
Fuss hoch empor und mache darüber abermals einen starken und 
vollständig ebenen Herd und lasse die Scheidemauer etwas dar- 
über emporragen. € >) 

Theophilus lässt zwar die Löcher an den beiden Stirnseiten 
zuvor machen und erst nachher ringsherum die Mauern aufführen; 
weil aber in Wirklichkeit Beides zu gleicher Zeit geschehen 
musste, hielt ich es des besseren Verständnisses halber in meiner 
Uebersetzung für geboten, die Sache umzukehren und zuvor an 
den Stirnseiten die Mauern aufführen zu lassen, da ohne diesel- 
ben keine Löcher ins Leere gemacht werden konnten. Der Sinn 
der Stelle ist einfach. Ueber der ersten Herdsohle wurde auf 
allen Seiten eine 4 Fuss hohe Mauer aufgeführt. Ueber diese 
Umfassungsmauer ist sodann ein zweiter Herd hergestellt worden, 
vielleicht dadurch, dass von einer Langseite zur andern dicht 
neben einander Eisenstangen gelegt und diese mit Steinen und 
Thon bedeckt wurden. Durch diese Ueberdeckung entstanden 
unterher zwei Kammern, zu deren jeder von der Stirnseite aus 
ein Loch ging, welches Holz und Feuer in dieselben einzufuhren 



') Dein de fac foramen in atraque fronte latitudinis, per quod possint 
ligna et ignis imponi, et aedificans murum in circuitu usque ad altitudi- 
nem (diese Lesart aus dem Codex der Leipziger Universitätsbibliothek ist 
ohne Zweifel die richtige) pene qnatuor pedum, fac iterum larem firmum et 
aeqnalem per omnia, et sine murum divisionis aliquantulum ascendere. 



— 39 — 

gestattete: diese Löcher waren die beiden Schürlöcher und die 
Kammern waren die Feuerungsräume. 

Nachdem also Theophilus hiemit die Anlage der Feuerungs- 
räume beschrieben hat, fährt er folgendermassen fort: »Hierauf 
setze den Aufbau der Mauern beim grösseren Räume fort und 
mache nach der Mitte des Herdes zu auf der einen Seite sowohl 
wie auf der anderen Langseite 4 Arbeitslöcher, vor welche (im 
Innern) die Häfen gestellt werden, und bringe zwei Löcher in 
der Mitte des Herdes selbst an, so dass die Flamme aus dem 
Heizungsraume heraufsteigen kann. Dann führe die Mauern auch 
auf den Querseiten auf, mache in jede eine viereckige Oeffnung 
von der Breite und Länge einer Spanne gegen die Arbeitslöcher 
hin. Durch diese Oeffnungen werden die Häfen, welche mit dem 
Gemenge gefüllt werden müssen, hinein- und herausgethan. Mache 
sodann auch in dem kleinen Räume ein Loch in den Herd nahe 
bei der Scheidemauer, ferner eine viereckige Oeffnung von dem 
Masse einer Spanne an der äusseren Stirnmauer * ) , durch welche 
das beim Arbeiten Nothwendige hineingethan und herausgenom- 
men werden kann.« ^) 

Diese Stelle lehrt uns über der Feuerungsanlage einen neuen 
Aufbau kennen, dessen Mauern etwa eine Höhe von 3 oder 4 
Fuss gehabt haben mögen. In diese Mauern wurden beim grösse- 
ren Räume auf jeder Langseite vier Werk- oder Arbeitslöcher 
gemacht. Femer erhielten die Stirnseite und die Scheidewand 
je eine viereckige Oeffnung. Durch die erstere wurden die vor- 
her mit dem Gemenge oder vielmehr mit der gefritteten Glas" 



1) Gegensatz: innere Stirnmauer, d. i. Scheidewand. 

2) Post quae fac in majori spatio quatuor foramina in imo latere longitu- 
dinis, et quatuor in altero per medium laris, in quibus ponantur vasa operis, 
duoque foramina in medio, per quae flamma possit ascendere, et aedificans mu- 
rum in circuitu, fac duas fenestras quadras longitudine et latitudine unius palmi, 
in utroque latere contra foramina unam, per quas vasa imponantur implenda 
cum his, quae in iUis mittuntur. Fac etiam in minori spatio foramen per me- 
dium laris juxta parietem medium, et fenestram ad mensuram palmi juxta parie- 
tem frontis exteiiorem, per quam possit imponi et assumi quod necessarium 
est operi. 



— 40 — 

masse gefüllten Häfen oder Tiegel eingetragen; die zweite da- 
gegen konnte keineswegs dem gleichen Zwecke dienen, obwohl 
dies Theophilus behauptet-, denn zu ihr konnte man nach Vollen- 
dung des Baues gar nicht mehr hin. Diese Oeffnung musste 
vielmehr dazu dienen, die Wärme aus dem grösseren Räume in 
den kleineren hinüberzuleiten. In den grösseren Raum aber ge- 
langte die Hitze aus dem Feuerungsraume dadurch, dass in dem 
zuletzt geschilderten Herd zwei Löcher angebracht wurden. Durch 
ein solches Loch wurde die Hitze auch in den kleineren Raum 
geführt, so dass dieser also nicht bloss aus dem grösseren, son- 
dern auch aus seiner eigenen Heizkammer den nöthigen Grad 
Wärme erhielt. Die viereckige Oeffnung, durch welche die ferti- 
gen Gläser in den kleineren Raum zum Abkühlen eingetragen 
wurden, befand sich an der Stirnseite, so dass man von beiden 
Seiten des Schmelzofens gleichweit zu ihr hatte. 

Endlich fiihrt Theophilus also fort: >Wenn du das Alles 
ausgeführt hast, dann mache die Scheidewand mit der Umfassungs- 
mauer (des grösseren Raumes) zu einem überwölbten Ofen, dessen 
Wölbung indess nur etwas über ^ Fuss beträgt, so dass du dar- 
über , einen vollständig ebenen Herd herstellen kannst. Um die- 
sen führe einen 3 Finger hohen Rand ringsherum, damit, was 
immer an Arbeitssachen oder Werkzeugen hinaufgethan wird, nicht 
herabfallen kann. < * ) 

Der eigentliche Schmelzraum wurde also überwölbt und 
zwar mit einem Tonnengewölbe; denn wörtlich heisst die Stelle 
unseres Gewährsmannes: > Verbinde die innere Scheidewand mit 
der äusseren Stirnmauer nach Art eines überwölbten Ofens«, d. h. 
mit andern Worten: > Schlage von der Scheidewand nach der 
Stirnmauer einen Bogen, der den Raum zu einem überwölbten 
Ofen macht.« Dieses Tonnengewölbe musste aber sehr flach ge- 



') Postquam haec ita ordinavens, fac parietem interiorem cum muro ex- 
teriori in similitudinem fornacis arcuarii, interius altitudine modico amplius pedis 
dimidii, ita ut superius larem facias aequalem per omnia, cum labro altitudine 
trium digitorum in circuitu posito, ut quicquid operis vel utensiliorum superponi- 
tur non possit cadere. Iste fumus dicitur clibanus operis. 



— 41 — 

halten sein, damit die Aussenseiten desselben leicht gleichmässig 
aufgefüllt und so ein ebener Herd über ihm hergestellt werden 
konnte. Es besteht kein Zweifel, dass die angegebene Höhe von 
^ Fuss sich nicht auf den ganzen Schmelzraum, sondern nur auf 
die flache Wölbung beziehen kann. Durch den Herd über dem 
Tonnengewölbe wurde der Schmelzofen vollendet. Derselbe war 
also nahezu quadratisch. Er bestand, um das Ganze nochmals 
kurz zu wiederholen, zunächst aus einer Feuerungsanlage, welche 
mit einem ebenen Herd überdeckt war. Dieser Herd hatte zwei 
Löcher, durch welche Flamme und Hitze in den eigentlichen Ofen 
hinaufdrangen und die Masse in den 8 Häfen zum Schmelzen 
brachten. Ueberdeckt war dieser letztere Raum durch ein flaches 
Gewölbe, welches aber oben zu einem ebenen Herde ausge- 
glichen war. 

Von dem kleineren Räume ist in diesem Kapitel nicht mehr 
weiter die Rede. Derselbe bildet aber, was bisher übersehen 
worden ist, den Inhalt des 2. Kapitels. Es heisst dort: > Mache 
auch den anderen Ofefn lO Fuss lang und 8 Fuss breit, 4 Fuss 
aber hoch. Hier mache an der Stirnseite ein Loch zum Ein- 
feuern und auf einer Langseite eine viereckige, einen Fuss grosse 
Oeffhung zum Eintragen und Herausnehmen dessen, was nöthig 
ist, und innerher einen festen und ebenen Herd. Dieser Ofen 
heisst Külilofen.< ^) 

Hiezu sind einige Bemerkungen nothwendig. Was vorerst 
die Massangabe betrifft, so stimmt dieselbe genau mit der im 
vorigen Kapitel angegebenen überein. Dort sahen wir, dass der 
kleinere Raum als Länge ein Drittel der ganzen Anlage, also 5 
Fuss erhielt. Hiebei ist weder die äussere Stirnmauer noch die 
Scheidewand in Anschlag gebracht, von denen jede etwa i| Fuss 
dick gewesen sein mochte. Diese hinzugerechnet, ergibt sich als 
Länge des kleineren Ofens 8 Fuss und seine Breite betrug mit 



') Fac et aliam fumum, longitudine pedum X et latitudine VIII, altitudine 
vero IV. Hinc facies in una fronte foramen ad imponenda ligna et ignem, et 
in latere ono fenestram pedis unius ad imponendam et ejiciendum quod neces- 
sarium fuerit, et larem interius firm um et aequalem. Iste furnus dicitur clibanus 
refrigerii. 



— 42 — 

den beiden Seitenmauern lo Fuss. Theophilus hat nnn im 2. 
Kapitel, wo er von dem kleineren Ofen allein spricht, das, was 
er und wir beim ganzen Bau als Breite nahmen, zur Länge ge- 
macht. Diese Länge beträgt nach ihm lo Fuss, was genauestens 
der früheren Breite entspricht. Was die Breite, als welche hier 
die frühere Länge figurirt, anbelangt, gibt unser Autor 8 Fuss 
an, was wiederum mit der vorhin erörterten Angabe überein- 
stimmt. Dass der Heizungsraum 4 Fuss hoch sein soll, ist auch 
bereits im i. Kapitel gesagt worden. Die Masse stimmen dem- 
nach beide Male vollkommen überein. 

Ferner ist zu bedenken, dass das, was vorhin als Seiten- 
mauer angegeben wurde, hier als Stirnmauer auftritt und umge- 
kehrt. In einer dieser Stimmauem musste ein Feuerungsloch 
angebracht werden, weil die aus dem Schmelzofen eindringende 
Wärme und die Flamme, welche ganz hinten bei der Scheide- 
mauer aus dem Feuerungsraume heraufkam, nicht für alle Fälle 
und Zwecke ausreichte. Ich brauche kaum zu erwähnen, dass 
Theophilus mit dieser Oeffnung nicht das Schürloch meinte, wel- 
ches in den Heizraum ging, sondern eine Oeffnung, welche in 
den Raum über dem zweiten Herde, also in den Kühlraum ging. 
Das geht auch aus der unmittelbar sich anschliessenden Bemer- 
kung hervor, dass nämlich auf jener Seite, welche wir früher als 
Stirnseite betrachteten und die jetzt als Langseite auftritt, eine 
viereckige Oeffnung angebracht werden musste, durch welche die 
fertigen Gläser in den Kühlofen geschafft werden konnten. Diese 
Oeffnung befand sich desshalb auf der genannten Seite, damit 
man von beiden Seiten des Schmelzofens gleichweit zu ihr hatte. 
Diese sämmtlichen Angaben mit Ausnahme jener, dass auf einer 
der Stirnseiten ein Feuerungsloch angebracht werden soll, sind 
aus dem vorigen Kapitel einfach wiederholt. Die Schliessimg 
des Raumes nach oben hin übergeht unser Autor auch hier, da 
dieselbe eben auf die gleiche Weise wie beim Schmelz- oder 
Werkofen erfolgte. Es wurde von der Scheidemauer nach der 
gegenüberliegenden Schlussmauer ein flacher Bogen geschlagen 
oder mit anderen Worten : der Kühlofen wurde mit einem Tonnen- 
gewölbe überwölbt, welches dem vorigen parallel lief. Dieses 



— 43 — 

Gewölbe wurde hierauf nach oben hin ausgeglichen und so ein 
ebener Herd hergestellt, wie aus dem 4. Kapitel des nämlichen 
Buches deutlich zu ersehen ist. Dort wird nämlich gesagt, dass 
das Frilten des Gemenges über der kteinereo Abtheilung des 
Ofens zu geschehen hat. Der kleinere oder KUhlofeo diente ohne 



Rg. I. 

Zweifel auch zum Antempem der Schmelztiegel. Den Durch- 
schnitt des ganzen Ofens mag die Skizze I der beigegebenen 

Abbildung (Fig. 1) veranschaulichen. 

Hören wir nun, was ungefähr ein Jahrhundert später der 
sog. Heraclius über den Ofenbau sagt.') Seine Schilderung ist, 

I) lib. in, c. vu. 



— 44 — 

weil aus verschiedenen Autoren compilirt, im Allgemeinen nicht 
so fachmännisch und verständlich wie jene des Theophitus. Schon 
das dem lO. Jahrhundert angehörige I. Buch des sog. Heraclius 
gibt im Ganzen und Grossen nur die Ergebnisse antiquarischer 
Studien. In Folge dessen konnte der Autor selbstverständlich 
von Irrthümern und falschen Auffassungen nicht frei bleiben. 
Auch im III. Buche scheint sich der dem 13. Jahrhundert ange- 
hörige Verfasser über die Künste seiner Zeit weniger durch Augen- 
schein, als durch Hörensagen unterrichtet zu haben. Dies gilt, 
wie von Anderem, so auch von seiner Beschreibung eines Glas- 
ofenbaues. Gleichwohl lässt sich aus seinen Worten ein kleiner 
Beitrag zur Kenntniss der damaligen Glasöfen gewinnen; sie 
müssen daher hier angeführt werden: >Baue dir<, sagt Heraclius, 
»einen Ofen aus Bruchsteinen und verbinde diese mit einem Thon, 
der mit Viehmist durchsetzt ist. Das Fundament desselben mache 
einen halben Ellbogen hoch und ganz eben*, diese Fläche lasse 
in der Mitte ohne Baumaterial, d. h. in der Mitte bringe nichts 
an, weil dort während der Arbeit stets Feuer unterhalten werden 
muss. Ueber diesem Fundamente des Ofens stelle drei Kammern, 
welche >Ärchae< genannt werden, mit Oeffnungen her. Die mitt- 
lere Kammer mache gross; in ihr sollen zwei Oeffnungen sein, 
die eine auf dieser, die zweite auf jener Seite. In diese Kammer 
stellt man und zwar vor die Mündung der Archa zwei wohlge- 
brannte. Töpfe, welche >mortariola« — Mörser — heissen; in 
diesen wird, wie gezeigt werden soll, die Asche oder der Sand 
geschmolzen und so das Glas erzeugt. Von den beiden anderen 
Kammern aber mache die eine zur Rechten, die andere zur Lin- 
ken der mittleren. Die erstere mache grösser als die letztere. 
In der linken Kammer glühe das Gemenge einen Tag und eine 
Nacht und zwar so, dass es beinahe flüssig wird. In dieser 
Kammer musst du auch deine Häfen vollends brennen, auf dass 
sie fest und hart genug seien zum Aufnehmen und Schmelzen des 
Glases und nicht brechen.« *) 



') Deinde facies fiirnum de petris argiUa linitis mixta de stercore jumen- 
torum. Fundamentum ejus altitudine dimidii cubiti totum planum facies; pro- 



— 45 — 

Nach dieser Schilderung sollte man meinen, dass die drei 
Kammern gleich unmittelbar über der Herdsohle errichtet worden 
seien. Das ist aber schon desshalb unmöglich, weil in diesem 
Falle gar kein Feuerungsraum vorhanden gewesen wäre. Ein 
zweiter Grund, warum diese Auffassung unzulässig ist^ liegt in den 
Worten des Heraclius selbst. Unser Autor sagt nämlich ausdrück- 
lich, dass auf der Herdsohle durchaus kein Baumaterial oder sonst 
etwas angebracht werden durfte; dieser Herd sollte durch die 
ganze Flucht des Ofens hin der Feuerung vorbehalten bleiben. 
Man muss sich daher in der Schilderung des Heraclius ergänzen, 
dass nach Vollendung der Herdsohle ringsherum die Mauern etwa 
4 Fuss hoch emporgeführt und darüber, wie beim Ofen desTheo- 
philus, ein zweiter Herd hergestellt wurde. Der so überdeckte 
Raum diente als Feuerungsanlage; man führte in denselben Holz 
und Feuer durch die an den Stirnseiten angebrachten Oeffnungen. ' ) 
Ueber dem zweiten Herde wurden sodann drei Kammern ange- 
legt. Die mittlere davon, in welche die Flamme aus der Feue- 
rungsanlage durch in der Herdsohle angebrachte Oeffnungen 
drang, hätte auf jeder Seite ein Arbeitsloch, vor welches ein Hafen 
zu stehen kam. Dies war somit der Werkofen. Links davon 
befand sich eine kleine Kammer. In derselben wurde das Ge- 
menge gefrittet. Da dies auf dem flachen Herde geschehen 
musste, konnte dieser höchstens eine Oefihung gegen den Feue- 
rungsraum herab und zwar nur an zurückgelegener Stelle haben; 



fundum furni dimittes sine materia, id est, in medio fumi nihil facies, quod in 
medio ejus ignis quando operatur semper faciendus est. Super fundamentum 
furni incipies facere tres mansiunculas, quae archae nominantur, in quibus erunt 
fenestrellae. Mediam archam magnam facies, in qua duae fenestrae erunt, una 
ex parte una, et alia ex parte altera. In istam archam intus ante os archae 
duas ollas optime coctas ponunt, quas mortariola vocant, in quibus cinis sive 
arena, ut dicetur, funditur, et vitrum efficitur. Alias autem archas facies unam 
a dextris mediae archae, et alteram a sinistris. lUam autem, quae est a dextris 
minorem facies illa quae a sinistris est. In archa sinistrae partis ima die et una 
nocte cinerem coques. In tantum vero coqui facies, ut similiter sit agglutinatus. 
In hac quoque archa mortariola tua penitus coqui facies, et ut firma sint et 
duriora ad vitrum sustinendum et coquendum, ne frangantur. 

') Dies hat schon Dr. Benrath a. a. O. ausgesprochen. 



- 46 - 

es drang übrigens in diesen Raum die Hitze auch aus dem Werk- 
ofen durch ein Loch in der Scheidemauer. Die dritte Kammer, 
welche sich rechts von dem Werkofen befand, diente ohne Zweifel 
als Kühlofen. Dieser erhielt seine Wärme durch ein in der 
Scheidewand gelassenes Loch aus dem Schmelzofen und durch ein 
in der Nähe der Scheidewand in der Herdsohle angebrachtes 
Loch aus dem Heizraume. 

Nach Heraclius hatten also die Glashütten des 13. Jahr- 
hunderts drei zusammenhängende Oefen: einen Schmelzofen, einen 
Frittofen und einen Kühlofen. Eine Durchschnittsansicht des 
ganzen Ofens ist in Fig. I unten zu sehen. Der von Theophilus 
im 12. Jahrhundert beschriebene Ofen bestand nur aus zwei 
Theilen: aus dem Schmelzofen und dem Kühlofen; als Frittstätte 
diente die obere Plattform. Die Häfen können bei der ersteren 
Anlage entweder im Kühlofen oder im Frittofen gebrannt worden 
sein. Diese beiden Ofenanlagen müssen also im Mittelalter neben 
einander bestanden haben') als einfache Fortsetzung der >con- 
tinui fornaces<, von welchen bereits Plinius spricht. 

Ueber die weiteren Hütteneinrichtungen erfahren wir wenig. 
Unser kundiger Mönch erzählt uns nur noch, dass zum Heizen 
des Schmelzofens »im Rauche vollkommen getrocknetes Buchen- 
holz < genommen werden soll.*) Da nun auch sonst das im 
Rauche getrocknete Holz erwähnt wird 3), hat Dr. Benrath mit 
Recht geschlossen, dass das in den Glashütten nothwendige Holz 
über den Oefen getrocknet wurde und hiezu unter dem Dache 
das Balkenwerk eingerichtet war. Noch heutzutage trocknet man 
in den Hütten des bayerischen Waldes das Holz unter dem Dache, 
auf der sog. Harsche unmittelbar über dem Ofen. Aehnliche 
Vorrichtungen müssen also schon im frühen Mittelalter vorhanden 
gewesen sein. Ebenso hat es bereits damals zum Mischen des 
Gemenges > reinliche Orte«, sog. Zurichtkammern gegeben.**) 



*) Die Oefen för Tafelglasfabrikation liegen ausserhalb meines Rahmens. 

2) lib. II, c. IV. u. xxm. 

3) lib. n, c. xin. 

^) Theophilus, 1. c. lib. H, c. IV. 






— 47 — 

Zu beiden Seiten des Schmelzofens befanden sich sodann 
die Werkstätten der Glasmacher, Der von Theophilus geschilderte 
Ofen erforderte acht solcher Werkstätten, welche den acht Häfen 
entsprachen; bei dem von Heraclius beschriebenen Ofen dagegen 
waren zunächst nur zwei Werkstätten nöthig, da derselbe auch 
nur zwei Häfen hatte. Diese Häfen müssen aber grösser ge- 
wesen sein als die von Theophilus gemeinten. Auch ist nicht 
anzunehmen, dass in der Werkstatt vor jedem Arbeitsloch nur 
ein einziger Glasmacher arbeitete ; es werden wohl zwei oder drei 
Glasmacher auf jeder Seite thätig gewesen sein, so dass also auch 
vor diesem Schmelzofen vier bis sechs Werkstätten nothwendig 
waren. Bevor aber die Glasmacher an ihre Arbeit gehen konn- 
ten, musste die Masse vom Schmelzer zusammengewogen und in 
einem langen Processe gereinigt worden sein. Hierüber haben 
wir wieder etwas ausfuhrlichere Nachrichten. 



> Willst du Glas machen«, sagt Theophilus*), > falle zuvor 
viel Buchenholz und lasse es dürr werden. Dann verbrenne es 
mitsammen auf einem sauberen Platze, sammle hierauf die Asche 
und achte sorgfaltig darauf, dass du keine Erde und Steine dar- 
unter bringst. € Als Hauptbestandtheil des Glases galt also da- 
mals die Asche; es scheint demnach, so schliesst Dr. H. E. Ben- 
rath mit Recht ^), die im Alterthume vorzugsweise angewendete 
Rohsoda — nitrum — durch die Pflanzenasche vollständig ver- 
drängt worden zu sein. Auch Heraclius sieht in der Asche den 
Hauptbestandtheil des Glases, wenn er schreibt 3): >Das Glas wird 
aus Asche gemacht und zwar aus der Asche des Farrenkrautes 
und der Faina, d. h. der kleinen Bäumchen, welche im Walde sind 
oder wachsen. Geholt wird das Farrenkraut vor dem Feste Johan- 
nis des Täufers; hierauf wird es bestens getrocknet, ins Feuer 
gebracht und in Asche verwandelt. Aehnlich wird auch die Asche 
der Faina durch das Feuer gewonnen. Nimm nun 2 Theile von 



1) lib. n, c. I. 2) a. a. O. Nr. 8. 3) Ub. ÜI, c. Vn. 



- 48 - 

der Farrenkrautasche und den dritten aus der Fainaasche und 
mische sie durch einander. < — Um jene Zeit sang auch Freidank : 

;»Gott hat erschaffen manchen Mann, 

Der Glas aus Asche machen kann, 

Und das Glas kann schöpfen, wie er will.*') 

Theophilus kennt indess auch den Sand als Bestandtheil des 
Glases, doch durfte dieser nur ein Drittel des Gemenges bilden. 
Er sagt 2): iNimm zwei Theile der oben besprochenen Aschen 
und den dritten aus Sand, welcher sorgsam von Erde und Stein- 
chen gereinigt ist, ihn findest du im Wasser; und dann vermenge 
Alles an einem sauberen Orte.< Dieser saubere Ort war^ wie 
bereits bemerkt worden ist, die heutige sog. > Zurichtkammer <• 
Auch bei Heraclius heisst das Gemenge einmal Sand. Dieses 
Gemenge wurde hierauf gefrittet. Theophilus beschreibt den be- 
treffenden Vorgang also: >Wenn du den Sand und die Asche 
lange und ordentlich gemischt hast, dann fasse davon mit einem 
eisernen Löffel (Kelle) und bringe es auf den oberen Herd über 
der kleineren Abtheilung des Ofens (d. h. über dem Kühlofen), 
damit es geglüht werde, und sobald es warm zu werden anfangt, 
durchkrüke es alsogleich, damit es nicht etwa von der Hitze des 
Feuers flüssig werde und sich zusammenballe, und so verfahre 
eine Nacht und einen Tag.c 

In dem von Heraclius beschriebenen Bau war für diesen 
Process, wie wir gehört haben, ein eigener Ofen vorgesehen, in 
welchem das Gemenge ebenfalls einen Tag und eine Nacht ge- 
glüht werden musste. Erst nachdem dies geschehen war, konnte 
das Gemenge in die Häfen des Schmelzofens gebracht und lauter 
geschmolzen werden. Heraclius sagt hierüber 3): >Wenn nun das 
ganze Gemenge sehr lange und bestens geglüht ist, dann schöpfe 
es mit einem eisernen Löffel (der Schöpfkelle) in deine Häfen 
und schmelze es so lange, bis es weiss wird.« Dasselbe berichtet 
Theophilus, wenn er schreibt*): > Schöpfe mit einem Löffel die 



') Diese Stelle ist meines Wissens zuerst von Dr. H. E. Benrath, 
^ Sprechsaal a. a. O. bemerkt worden. 

2) lib. n, c. IV. 3) lib. III, c. Vn. 4) Hb. II, c. V. 



— 49 — 

geglühte, sandvermischte Asche und füllfe damit am Abend alle 
Häfen an und schüre die ganze Nacht mit trockenem Holze, da- 
mit die aus der Asche und dem Sande flüssig hervorgegangene 
Glasmasse gänzlich geschmolzen werde, c 

Hiezu hat schon Dr. H. E. Benrath bemerkt, dass man 
unter dem guten Durchschmelzen das gegen das Ende der Schmelze 
nothwendige >Heissschüren< behufs der Läuterung mitverstehen 
könne; dagegen scheinen unsere beiden Gewährsmänner von dem 
sog. > Abgehenlassen«, das den zweiten Theil der Läuterung bil- 
det, noch keine Kenntniss gehabt zu haben. Diesem Umstände 
muss es wohl auch zugeschrieben werden, dass das alte Glas 
meist schlecht geläutert erscheint. 

Die Häfen nun, in welchen diese Schmelze und Läuterung 
vor sich ging, waren, wenigstens in dem Ofen des Theophilus, 
nicht entfernt so gross wie die in unseren heutigen Glashütten. 
Schon der Umstand, dass sie durch eine quadratische OefFnung 
von dem Masse einer Spanne eingetragen wurden, lässt sie mehr 
als Tiegel denn als Häfen im modernen Sinne des Wortes er- 
scheinen. Ihre Herstellung beschreibt Theophilus also*): >Nimm 
weissen Lehm, aus dem man Töpfe macht, trockne ihn aus und 
zermahle ihn fleissig. Giesse Wasser daran und rühre ihn tüchtig 
mit einem Holze und forme dann daraus deine Gefösse, welche 
oben weit, unten aber enge seien und um die Mündung einen 
kleinen, nach innen gebogenen Rand haben. Wenn sie getrocknet 
sind, fasse sie mit einer Zange und stelle sie in die Oeffnungen 
des glühenden Ofens, welche hiezu eingerichtet sind.« Da der 
von Heraclius beschriebene Ofen nur zwei Häfen hatte, müssen 
diese selbstverständlich etwas grösser gedacht werden. 

Wenn nun in diesen Häfen oder Tiegeln während der 
Nacht das Glas gehörig geläutert war, begannen die Glasmacher 
am Morgen dasselbe zu verarbeiten. Jeder von ihnen hatte vor 
seinem Arbeitsloche eine Werkstatt. Die wesentliche Einrichtung 
derselben wird wohl schon im frühen Mittelalter ungefähr die 
nämliche wie heute gewesen sein. Es war vor Allem ein Stuhl, 



i) lib. II, c. V. 



— 50 — 

der sog. Glasmacherstuhl, oder vielmehr eine Bank, bestehend aus 
einem einfachen Brette, angebracht, femer ein Ober- und ein 
Untertrog. Der letztere diente zur Aufnahme der abfallenden 
Scherben u. s. w., der erstere war mit Wasser gefüllt und diente 
zum Eintauchen der Hände und Werkzeuge. Dass dieser mit 
Wasser gefüllte Obertrog in den frühmittelalterlichen Hütten wirk- 
lich vorhanden war, bezeugen mehrere Stellen des Theophilus, so 
z. B. wenn er vorschreibt, das fertige Glas von der Pfeife mittels 
eines eingenetzten Holzes^ — cum humido ligno*), cum 
ligno aquae intincto^) — loszumachen. 

In den alten Werkstätten war ferner auch unmittelbar vor 
dem Arbeitsloche dieselbe Aufmauerung und Einrichtung wie heut- 
zutage. Sehr genau beschreibt diese Heraclius, wenn er sagt'): 
>Du machst nämlich daselbst (d. h. am Arbeitsloche) aus Mauer- 
werk eine Schutzwand, damit du nicht vom Feuer zu leiden hast. 
Auf diese Schutzwand legst du die eiserne Platte, welche Marmor 
genannt wird.« Es befand sich demnach unmittelbar vor dem 
Werkloch eine gemauerte Fläche, wie noch gegenwärtig, und auf 
dieser lag auch damals bereits die eiserne Platte. Der letzteren 
gedenkt auch Theophilus; er sagt*): >Habe auch einen ebenen 
Stein vor döm Arbeitsloche, über welchen du das glühende Glas 
leicht hinwälzest, damit es ringsum gleichmässig (von der Pfeife) 
weghängt.« Die betreffende Platte, welche, wie wir eben gehört, 
im 13. Jahrhundert aus Eisen war, bestand im 12. Jahrhundert 
noch aus Stein. Dieser Umstand erklärt die noch gegenwärtig 
übliche Benennung > Marbelplatte« — marmor ferri — ; es hat 
sich eben die uralte Bezeichnung, welche von einer Marmorplatte 
ausgegangen zu sein scheint, auch dann noch fortgesetzt, als man 
diese Platte weder aus Marmor noch aus sonst einem Steine, son- 
dern aus Eisen machte. 

Wenn nun der Glasmacher in der so eingerichteten Werk- 
stätte die Arbeit beginnen wollte, dann bedurfte er zunächst eines 
eisernen Rohres, der Pfeife, um sich zu jedem Stücke die nöthige 



1) lib. n, c. VI, XI. 2) lib. n, c. X. 3) lib. III, c. VII. 

^) lib. II, c. VI. 



— 51 — 

Quantität Glas aus dem im flammenden Ofen stehenden Hafen 
holen und dieses an ihr aufblasen zu können. Von ihr sagt 
Heraclius: >Wenn du aber Gefasse oder Tafeln machen willst, 
dann habe innen hohle eiserne Rohre von der Länge eines Ell- 
bogens oder länger oder kürzer, wie es dir erforderlich scheint, 
und an einem Ende des Rohres bringe ein kleines, innen hohles 
Holz mit einem äusserst kleinen Mundstück an, durch welches du 
bläst, wenn du irgend ein Gefäss machen willst.« 

Mit diesem Rohre also musste der Glasmacher die zum 
gewollten Gegenstande nöthige Glasmasse aus dem Hafen holen 
oder, wie der Hüttenausdruck gegenwärtig lautet, anfangen. 
> Tauche«, sagt Heraclius, > tauche die Pfeife in den Hafen, ziehe 
ein kleines Stück des teigähnlichen Glases heraus und drehe dabei 
die Pfeife in der Hand.« 

Das herausgenommene Glas musste dann gleich über die 
Marbelplatte hingewälzt werden, damit es gleichmässig von der 
Pfeife wegzuhängen kam. Hierauf blies der Glasmacher in die 
Pfeife und formte theils mit seinem Hauche, theils mit Instru- 
menten irgend ein Gefass. >In erster Morgenstunde«, sagt Theo- 
philus*), >nimm die eiserne Pfeife und . . . setze ihr Ende in 
einen der mit .Glas gefüllten Tiegel; wie sich nun das Glas 
daran anlegt, drehe die Pfeife in deiner Hand, bis sich rings um 
sie herum so viel zusammengeballt hat, als du willst; dann ziehe 
sie sogleich heraus tmd setze sie an deinen Mund und blase 
massig hinein, thue sie sofort wieder weg und halte sie an die 
Backe, damit du nicht etwa beim Athemholen die Hitze (die aus 
der Pfeife kommt) in deinen Mund ziehst . . . und so oft du mit 
Eile vielmals bläst , so oft entferne auch die Pfeife sogleich 
wieder vom Munde.« 

Demnach scheint es, dass man im 12. und 13. Jahrhundert 
für irgend ein Gefäss oder eine Glastafel nur einmal Glas anfing, 
dass man das sog. Kölbchen nicht kannte. In späterer Zeit 
verfuhren die Glasmacher also: Sie fassten zuerst nur sehr wenig 
Glas an die Pfeife, streiften dasselbe bis an den Rand gleich- 



1) lib. n, c. VI. 

4* 



— 52 — 

massig zurück und bliesen es zu einer kleinen Kugel auf. Diese 
Hessen sie sodann an der Pfeife bis zur Rothgluthhitze erkalten; 
hierauf tauchten sie damit abermals in den Hafen und fingen 
darüber ein grösseres Quantum Glas an, wie es eben der zu 
fertigende Gegenstand erheischte. So ist es bis auf den heutigen 
Tag geblieben. Bei kleineren Sachen, Fläschchen, Apotheker- 
waaren, Cylindern u. s. w. lässt man indess auch gegenwärtig das 
Kölbchen fort, da fUr diese gleich das erste Mal die nöthige 
Glasmasse gefasst werden kann; unmöglich aber ist dies bei den 
grossen Cylindern des Tafelglases. Demnach darf man aus dem 
Umstände, dass man im frühen Mittelalter kein Kölbchen her- 
stellte, den Schluss ziehen, dass man damals durchgehends nur 
Gegenstände von massiger Grösse fertigte. 

Ueber den weitern Fortgang der Arbeit berichtet Heraclius 
nur ganz kurz; er sagt: »Auf der Marmelplatte forme das Glas, 
welches du machst und gib ihm beliebige Gestalt, c Viel aus- 
führlicher und fachmännischer äussert sich Theophilus. Nachdem 
er gezeigt, wie das Glas anzufangen und aufzublasen ist, fahrt er 
fort^): >Du musst dann das ganze (aufgeblasene Glas) mit einem 
in Wasser getauchten Holze von der Pfeife abschlagen, aber es 
sogleich wieder mit einem erwärmten Rohre an seinem Boden 
anheften. Dann musst du das Gefass aufheben, in der Flamme 
erwärmen und mit einem runden Holze jene Oeffnung, von der 
du die Pfeife entfernt hast, erweitern, dort ein Mundstück bilden 
und beliebig gross machen. Femer musst du um das Rohr auch 
den Boden etwas erweitem, damit er unterher hohl sei. Wenn 
du Henkel an das Glas ansetzen willst, an welchen es hängen 
könne, nimm ein schlankes Rohr, tauche es mit der Spitze in 
den Glastiegel und, wenn etwas Glas daran hängt, ziehe es heraus 
und setze letzteres an das Gefäss, wo du willst, und wenn es haftet, 
erwärme es, damit es fester hafte. Forme aus diesen Henkeln, 
was du willst, halte aber inzwischen das Gefass an die Flamme, 
damit es warm bleibt, ohne jedoch flüssig zu werden. Nimm 
auch ein bischen Glas aus dem Ofen, so dass es einen Faden 

>) üb. n, c X. 



— 53 — 

nach sich zieht, setze diesen an das Glas an, wo du willst, und 
drehe dasselbe, aber bei der Flamme, damit der Faden hafte. < 

Diese Stelle zeigt, dass die Glasmacher des frühen Mittel- 
alters fast dieselben Manipulationen bei Herstellung eines Ge- 
fasses machten, wie die heutigen. Diese Manipulationen sind 
seitdem nur in einigen Beziehungen etwas einfacher geworden, 
was mit der Verbesserung und Vermehrung der Werkzeuge zu- 
sammenhängt. Was zunächst das Abschlagen des geblasenen 

m 

Stückes von der Pfeife anbelangt, so geschah dies damals mit 
einem eingenetzten hölzernen Werkzeug-, heutzutage thut man 
dies gewöhnlich mit dem Streicheisen oder auch mit dem Werk- 
zeuge, das man eben in der Hand hat; bei Flaschen und ähn- 
lichen kleinen Gegenständen lässt man nur mit der Hand oder 
mittels eines Instrumentes etwas Wasser vorne auf die Pfeife 
tropfen und schlägt mit dieser das Glas auf den Herd vor dem 
Arbeitsloche, so dass es abspringt. Dann nimmt man das sog. 
Hefteisen, an welchem sich ein vorne breit gedrückter gläserner 
> Nabele befindet, und fasst damit das Glas an der Bodenseite. 
Dieses Hefteisen kannte man schon im 12. Jahrhundert. Die 
Abschneid- und Auftreibscheere dagegen hat man damals noch 
nicht gekannt; denn Theophilus sagt nur, dass das geblasene Glas 
nach dem Anheften mittels eines runden, vorne jedenfalls gespitz- 
ten Holzes aufgetrieben wurde. Gegenwärtig treibt man Flaschen 
mit eigens dazu eingerichteten sog. Rollscheeren auf; bei grösse- 
ren Gegenständen aber wird zuvor mit der Abschneidscheere ein 
Stück von der Mündung ringsherum weggeschnitten, damit die 
Oeffnung weiter wird; dann wird diese mit der Auftreibscheere 
noch grösser gemacht und zum Schlüsse mit einem hölzernen 
Werkzeuge, dem sog. Plattholz vollendet. Von all diesen Werk- 
zeugen hatte man im 12. Jahrhundert noch keine Kenntniss, 
wenn man sonst annehmen darf, dass Theophilus als Fachmann 
und aus eigener Erfahrung spricht; ja nach diesem Autor hätte 
man die Fläschchen mit langem Halse gar nicht aufgetrieben und 
ohne Rand am Mundstück gelassen. Er sagt^): »Wenn du 



') lib. II, c. xn. 



— 54 — 

Fläschchen mit langem Halse herstellen willst, mache es also: 
Sobald du das heisse Glas als längliche Blase aufgeblasen hast, 
halte die Oeffiiung der Pfeife mit deinem Daumen zu, damit die 
Luft nicht etwa herausgeht, schwinge die Pfeife mit dem Glase 
daran über deinen Kopf hinweg, gleichsam als ob du sie weg- 
werfen wolltest, und sobald sich der Hals des Fläschchens in die 
Länge gezogen hat, hebe deine Hand in die Höhe und lasse die 
Pfeife mit dem unten daran befindlichen Gefasse hinabhängen, 
damit der Hals nicht krumm werde, und dann trenne die Flasche 
mit dem feuchten Holze ab und gib sie in den Rühlofen.< Ob 
hiemit unser Mönch die volle Wahrheit spricht, liesse sich nur 
an erhaltenen Flaschen aus jener Zeit controliren. 

Unklar ist femer auch, was Theophilus über das Erweitern 
des Bodens sagt, so dass derselbe unten hohl sei. "Eine derartige 
Bearbeitung konnte an einem Gefasse, das bereits am Hefteisen 
sass, nicht mehr vorgenommen werden- sie musste erfolgen, so 
lange das Gefass noch an der Pfeife hing. An der Pfeife musste 
das Gefass unten zunächst breit gedrückt werden, so dass ein 
ebener Boden entstand, und dieser Boden musste sodann mit 
einem spitzigen Instrumente etwas eingestochen werden. 

Ausser der Pfeife und dem Hefteisen ist noch ein drittes 
Rohr in den Glashütten nothwendig, nämlich das Bindeisen. 
Auch dieses kannte unser Mönch bereits, und schon damals diente 
dasselbe zum Ansetzen der Henkel und zum Anlegen von Fäden. 
Den Henkeln wurde verschiedene Gestalt gegeben hauptsächlich 
mit dem Henkelholze und wohl auch mit dem Zwick- oder 
Zwackeisen (Zange); denn die Kenntniss dieses Instrumentes 
darf sicherlich vorausgesetzt werden. 

Was die Verzierung der Gläser anbelangt, so wird ausser 
den Henkeln nur der Fadenschmuck erwähnt. Nach Theophilus 
pflegte man nämlich manche Gläser mit einem Faden zu über- 
spinnen und ihnen dadurch eine gefallige Decoration zu geben. 
Sonst aber wird, wie gesagt, keine Verzierung erwähnt, welche 
von dem Glasmacher selbst an den Gefässen angebracht worden 
wäre. Das ist Alles, was uns unsere beiden Gewährsmänner über 
die Arbeitsmethode berichten. 



- 55 - 

War ein Stück fertig, dann kam es in den Kühlofen. »Ist 
das Gefass oder der Becher, die flache Schale oder die Tasse«, 
sagt Heraclius*), »vollendet, dann bringe sie in die links ange- 
brachte Kammer, damit sie dort langsam auskühle.« Es war 
schwerlich der Glasmacher selbst, welcher die fertigen Gläser in 
den Kühlofen trug, sondern dieses Geschäft wird auch damals 
schon der »Eintrager« besorgt haben. Theophilus gedenkt des- 
selben da, wo er von dem Erzeugen der Glastafeln spricht. 
»Gieb«, sagt er dort*), »den fertigen Cylinder dem Knaben, 
welcher ein Holz durchschiebt und ihn in den Kühlöfen trägt, 
welcher nur massig erhitzt sein soll.« Da die damaligen Glas- 
macher so ziemlich allgemein Tafel- und Hohlglasmacher zugleich 
waren, dürfen wir getrost auch zum Eintragen der fertigen Ge- 
fasse einen Eintrager (Lehrling) annehmen, nur musste er hier 
in vielen Fällen statt des Holzes ein langes Eisenrohr, das sog. 
Eintrageisen, und eine lange eiserne Gabel haben. 

Die vorhin angeführte Stelle des Heraclius lehrt uns zu- 
gleich, dass man im 1 3. Jahrhundert hauptsächlich Trinkgeschirre 
aus Glas machte und zwar vor Allem Becher, Tassen und flache 
Schalen. Die letzteren erwähnt auch Wolfram von Eschenbach in 
seinem berühmten Epos Parzival (1200 — 1207), wenn er schreibt*): 

yinan tmoc von golde (ez was niht glas) 
ftir sie manegen tiwem (theaere) schal.* 

Der nämliche spricht auch von Parfümvasen aus Glas, wenn er 
von Lichtem erzählt in*): 

sehs glas lanc lüter wol getdn, 
dar inne baisam der wol bran. 

Einer solchen Vase mit Wohlgerüchen gedenkt auch Wirnt von 
Gravenberg im Heldengedicht »Wigalois« (1208 — 1210).^) Sehr 
häufig ist in den Dichtem die Rede von den Glasringen. Schon 
in der Einleitung haben wir gehört, dass die Gräfin Margarethe 
von Flandern im Jahre 1252 sich eine Kiste voll Glasringe 



J) lib. II, c. VII. [Vgl. Theophilus, Üb. n, c. X u. XI.] 

2) Üb. II, c. VI. 3) XVI, 232. 4) 1. c. V, 363. ö) Vers 10362. 



— 56 — 

bringen Hess. Nach Walter von der Vogelweide ^) und Gottfried 
von Strassburg*) waren diese Ringe nicht besonders geschätzt. 
Dass sie aber gleichwohl häufig hergestellt wurden, zeigt der 
Umstand, dass Theophilus ihrer Herstellung ein eigenes Kapitel 
widmet.^) Wenn fetner in den »Carmina burana« das Nacht- 
gestirn als »Dianae vitrea lampas« bezeichnet wird, mag darin 
eine Andeutung liegen, dass damals auch im Abendlande gläserne 
Lampen in Gebrauch waren.*) Dazu kamen, wie wir bereits 
aus Theophilus gehört haben, noch langhalsige Flaschen. Von 
den Bechern und Schalen erhielten manche Henkel. Von den 
Griechen speciell erzählt uns unser Autor ^): »Sie machen auch 
purpurne oder lichtblaue Becher und Schalen mit massig ausge- 
dehntem Halse und umgeben sie mit Fäden aus weissem Glase, 
aus welchem sie auch die Henkel ansetzen.« Angeeifert durch 
den Schriftsteller werden wohl auch die deutschen Hütten jener 
Zeit ähnliche Sachen zu erzeugen gesucht haben. Freilich in 
Bezug auf das Färben der Glasmasse waren diese so ziemlich 
aiif den Zufall angewiesen ; es gab nur für wenige Farben sichere 
Vorschriften. Höchst naiv klingt, was Theophilus z. B. über das 
safrangelbe Glas schreibt. »Solltest du«^ sagt er^), »irgendeinen 
Tiegel eine Safranfarbung annehmen sehen, dann lasse ihn bis 
zur dritten Stunde schmelzen und du wirst ein helles Safrangelb 
erhalten. Daraus fertige, soviel du willst, nach der oben ange- 
führten Regel. Wenn du aber willst, lasse den Tiegel bis zur 
sechsten Stunde schmelzen und du erhältst ein ins Röthliche 
spielendes safranfarbenes Glas. Auch daraus mache, was dir 
beliebt. < 

Ueber die Herstellung dieses Glases zeigt sich Heraclius 
besser unterrichtet, wenn er schreibt'): »Das safranfarbene Glas 
wird auf diese Weise erzeugt. Nimm die rohe Asche und bring 
sie in den Hafen und schmelze sie und zugleich mit ihr wirf 



1) Edit. Pfeiffer, 14, 24. 2) Tristan, V. 16874. ^) lib. II, c. XXX. 

4) Diese Stellen nebst einigen von dem Spiegelglas handelnden sind zu- 
erst von Dr. Alb. II g, Mittheilungen des k. k. Oesterr. Museums für Kunst 
und Industrie, Jahrg. Xin, S. 177 ff., bemerkt worden. 

5) üb. II, c. XIV. 6) lib. n, c. Vn. 7) 1. c. 



— 57 — 

einen kleinen Theil Sand hinein und, wenn ich recht berichtet 
bin, ein bischen pulverisirtes Kupfer, rühre Alles durcheinander 
und es wird sich ein safrangelbes Glas ergeben, das manCerasin 
nennt.« Heraclius scheint dieses Recept aus guter Quelle ge- 
schöpft zu haben. Interessant ist auch, was der nämliche Autor 
über die Herstellung des rothen Glases sagt. »Willst du aber«, 
heisst es an der vielcitirten Stelle, >dass das Gemenge roth werde, 
so hast du mit der nicht gut durchgebrannten Fritte also zu 
verfahren. Nimm Kupferfeile und brenne sie so lange, bis sie 
zu einem Pulver wird, und wirf sie dann in die Häfen, so wird 
sich daraus ein rothes Glas ergeben , welches man Galienum 
nennt.« Damit ist das blutrothe Glas, das Hämatinon der Alten 
gemeint ; es ist unser Kupferrubin, welcher somit den Glasmachern 
des 13. Jahrhunderts bereits bekannt war. ^) 

Ein weiteres Recept, das Heraclius mittheilt, behandelt das 
grüne Glas: »Grünes Glas«, sagt er, »bereite also: Thu von dem 
eben besprochenen Pulver aus gebranntem Kupfer soviel in den 
Hafen, als dir eVforderlich scheint, rühre die Masse um und sie 
wird grün werden.« Weniger sachlich ist das, was er über das 
purpurne und fleischfarbene Glas sagt. »Purpurnes und fleisch- 
farbenes Glas«, so lauten seine Worte, »werden wieder anders 
und zwar aus der Asche der Buche bereitet, welche wie die weisse 
Asche geglüht, dann in den Hafen gethan und so lange ge- 
schmolzen wird, bis es purpurne Färbung annimmt. Während 
des Schmelzens rühre sie häufig um, wie dies auch beim anderen 
Glase geschieht, wie ich schon oben gelehrt habe. Wenn du 
bemerkst, dass sie ins Purpurne überzugehen beginne, dann nimm 
davon, soviel du willst und fertige daraus, was dir gefällt, so lange 
bis du bemerkst, dass die Färbung blass werde. Aus diesem 
blassen Tone geht das Glas sodann in einen anderen über, wel- 
cher Membrum heisst.« Fehlt es schon diesem Recepte an that- 
sächlichen Angaben, so ist das, was Theophilus hierüber schreibt, 
wieder geradezu naiv: »Wenn du aber«, sagt er*), »gewahr wirst, 



*) Vgl Dr. Benrath, a. a. O. 1879 Nr. 9. 

2) lib. u, c. vni. 



- 58 - 

dass irgend ein Hafen ins Röthliche, welches der Fleischfarbe 
ähnlich ist, hinüberspielt, so soll dessen Glas für nackte Theile 
gebraucht werden; nimm^ davon, soviel du willst. Das Uebrige 
aber schmelze noch zwei Stunden, d. h. von der ersten bis zur 
dritten, und du erhälst eine leichte Purpurfarbe, und wenn du 
von der dritten bis zur sechsten Stunde abermals weiter schmel- 
zest, wird die Purpurfarbe roth und vollkommen.« 

Aus derlei unbestimmten Angaben ist kaum mehr zu ent- 
nehmen, als dass die deutschen Glasmacher resp. die Schmelzer 
des 12. und 13. Jahrhunderts in Bezug auf das Farbenglas so 
ziemlich auf den Zufall angewiesen waren. Was ihnen dieser 
versagte, das scheinen sie theils durch aus Venedig importirtes 
Rohglas, theils durch römische Glasscherben angestrebt zu haben. 
»Es findet siehe, sagt Theophilus * ), >in den alten Gebäuden der 
Heiden Glas von verschiedener Art in musivischer Arbeit, näm- 
lich weisses, schwarzes, grünes, safrangelbes, saphirblaues, rothes, 
purpurnes, und zwar nicht etwa durchsichtiges, sondern nach Art 
des Marmors dichtes, in Form von viereckigen Steinen, aus denen 
man die Electra (Emaile) an Gold, Silber und Kupfer macht . . . 
Es werden auch verschiedene Gefasse von denselben Farben ge- 
funden, welche die in dieser Arbeit sehr erfahrenen Franken 
sammeln. Diese_erschmelzen daraus in ihren Oefen ein saphirnes 
Glas, wobei sie ein wenig helles und weisses Glas hinzufügen, 
und machen daraus kostbare saphirne Tafeln, welche zu Fenstern 
sehr tauglich sind. Aehnlich machen sie es mit dem purpurnen 
und grünen Glase.« Die Franken, d. h. die jenseits des Rheines 
Wohnenden, erschmolzen sich also im 12. Jahrhundert ihr Saphir- 
glas aus antiken saphirnen, hellen und weissen Glaswürfeln und 
Gefössen, ihr grünes und ihr Purpurglas aus grünen und purpur- 
nen Glasfragmenten und Gefässen, die sie in den antiken Ge- 
bäuden fanden. Dass auf diese Weise unendlich viele antike 
Gläser und namentlich Mosaikböden zu Grunde gegangen sind, 
lässt sich denken; und doch werden selbst gegenwärtig noch ge- 
rade in der Rhein- und Moselgegend die meisten alten Glas- 



1) lib, II, c. xn. 



— 59 — 

gefässe gefunden. Dies lässt es uns ahnen, welcher Reichthum 
an antiken Gläsern uns dort erhalten geblieben wäre, wenn nicht 
die Barbarei des frühen, ja selbst noch des späteren Mittelalters 
dieselben grösstentheils vernichtet hätte. 

Die römischen Glaswürfel, aus welchen die Emailfarben 
hergestellt wurden, erwähnt auch Heraclius. iWenn jemand c, 
schreibt er^) im I. Buche, das aus dem lO. Jahrhundert stammt, 
»wenn jemand Gefasse mit Glasmasse bemalen will, so vermähle 
er römisches Glas tüchtig auf dem Marmor und male dann, 
sobald es wie Staub ist . . . auf die Gefässe des Töpfers.« 
An einer andern Stelle schreibt er also^): >Auf folgende Weise 
kannst du aus römischem Glase schöne, glänzende Steine aller 
Gattungen herstellen u. s. w.« Das römische Glas — >Roma- 
num vitrum« — war demnach seit dem lo. Jahrhundert ein 
»terminus technicus< und in den deutschen Glashütten ein wohl- 
bekannter Artikel, ebenso wie das jüdische Glas. ^) 

Wo man keiner antiken Scherben theilhaftig werden konnte, 
bezog man das farbige Rohglas von den Griechen. So erwähnt 
Theophilus da, wo er von der Bereitung der Emailfarben zum 
Bemalen der Fenstertafeln spricht, * ) ausdrücklich das griechische 
Saphirglas, und nach Heraclius scheint das Saphirpulver ein 
bekannter Handelsartikel gewesen zu sein, da er dasselbe ohne 
weitere Angabe mit seinem Bleiglas behufs Erzeugung von Email- 
farben zu mischen vorschreibt. **) An eben dieser Stelle gibt 
unser Autor auch ein interessantes Recept zur Herstellung von 
grünem Glase. Nachdem er zuvor angegeben, wie aus zwei 
Theilen Bleipulver und einem Theile Sand Glas gemacht werden 
könne, fährt er also fort: »Willst du aber, dass dieses Glas grün 
erscheine, dann nimm Messingfeile und gib davon, soviel als 
dir nöthig scheint, in das Bleiglas.« 

Neben den römischen und griechischen Glasscherben ist 
schon frühzeitig venetianisches Rohglas nach Deutschland ausge- 
führt worden. Aus diesen Glasbrocken, welche in Deutschland 



1) Hb. I, c. m. 2) lib. I, c. XIV. 3) Heraclius III, 49. 

4) lib. II, c. XIX. 5) Üb. m, c. vm. 



— 6o — 

möglicherweise für antik gehalten wurden, scheint man ein besse- 
res Glas als das einheimische erzeugt zu haben so zwar, dass 
die Venetianer sich bereits im Jahre 127S und neuerdings 1285 
veranlasst fanden, die Ausfuhr des Glases in Stücken zu ver- 
bieten. *) Noch interessanter ist ein Erlass vom 2. Juli 1345 
gegen die Glaserzeuger, weil dieselben »Körper aus Glas ganz 
ähnlich den Körpern aus Kryställ machten und diese an die 
Deutschen verkauften zum grossen Schaden der genannten Kunst, c ^) 
Die Glasmacher Venedigs scheinen also im 14. Jahrhundert ein 
förmliches Geschäft daraus gemacht zu haben, das geschmolzene 
Glas einfach zu Stücken zu verarbeiten und diese Stücke den 
Deutschen zu verkaufen, wodurch diese in den Stand gesetzt 
wurden, Gläser besserer Qualität zu erzeugen. 



2. Zur Zeit der Renaissance. 

Wenn wir um einige Jahrhunderte, ungefähr bis zum Be- 
ginne des 16. herabsteigen und wiederum einen Blick auf die 
damaligen Glashütten, deren Oefen und sonstigen Einrichtungen 
werfen, dann werden wir in Deutschland zunächst so ziemlich 
Alles noch in demselben Zustande finden wie im frühen Mittel- 
alter. Damals aber hatte die venetianische Glasindustrie bereits 
ihren Höhepunkt erreicht. Es konnte daher nicht ausbleiben, 
dass dieselbe alsbald auf die Glasindustrien aller Länder von ent- 
scheidendem Einflüsse wurde und gründliche Wandlung schuf. 
Dies ist in der That, wie wir bereits in der Einleitung ausführ- 
lich gehört haben, im Laufe des 16. Jahrhunderts geschehen. 
Wir besitzen in Bezug auf Deutschland aus jener Zeit hauptsäch- 
lich zwei Berichte, welche uns über den damaligen Stand der 



') B. .Cechetti, Cenni suUa storia dell' arte vetraria Muranese. Venezia 
1865. Besprochen in den ^^Mittheilungen des k. k. österreichischen Museums 
für Kunst und Industrie*. III. Band, S. 112. — Nesbytt, 1. c, p. XXXIV. 

'^) a » * faciunt corporalia de vitro similia corporalibus de cristallo et 
ipsa vendant Teotonicis quod in maximum prejudicium dicte artis redundat.* 



— 6i — 

Glasindustrie, namentlich in Bezug auf den Ofenbau und die 
Schmelze, in fachmännischer Weise aufklären. Der erste rührt 
von dem bekannten Begründer der wissenschaftlichen Mineralogie 
und Hüttenkunde, von Georg Agricola (1490 — 1555) her und 
der zweite von dem Pfarrer Johann Mathesius zu Joachimsthal in 
Böhmen (f 1565). Beide Männer waren nicht nur gründliche 
Gelehrte, sondern auch weit gereist. Agricola hatte sich zwei 
Jahre lang in Venedig und ein andermal längere Zeit auf Mu- 
rano aufgehalten, hat also hinlänglich Gelegenheit gehabt, die 
dortigen Hütteneinrichtungen neben den einheimischen schlesischen 
kennen zu lernen. Diese beiden Männer dürfen wir daher ge- 
trost zu Führern nehmen, wenn wir einen Einblick in die Glas- 
industrie des 16. und des folgenden Jahrhunderts gewinnen wollen. 
Hören wir also, was uns diese über den Ofenbau ihrer Zeit be- 
richten. Hierin müssen wir uns hauptsächlich an Agricola halten. 
In seinem Werke »De re metallica«*) erzählt dieser Autor zu- 
nächst, dass die Zahl der Oefen in den verschiedenen Hütten 
verschieden sei. Es gibt Glasmacher, sagt er, welche drei Oefen, 
andere, welche deren zwei, und wieder andere, welche nur einen 
besitzen. Diejenigen, fahrt er weiter, welche drei Oefen haben, 
schmelzen im ersten das Getaenge, im zweiten schmelzen sie das- 
selbe um und im dritten kühlen sie die gemachten Gläser. Den 
ersten Ofen nennt die Uebersetzung Schmelzofen; er entspricht 
dem Frittofen des Heraclius. Seine Gestalt glich einem Backofen 
und er musste gewölbt sein. Wie die aus der "Uebersetzung ent- 
nommene Abbildung (Fig. 2) zeigt, bestand er aus zwei Abthei- 
lungen, von denen die untere als Feuerherd, die obere als Fritt- 
stätte diente. Die letztere musste 6 Fuss lang, 4 Fuss breit und 
2 Fuss hoch sein. In ihr wurde das Gemenge bis zum begin- 
nenden Flüssigwerden geschmolzen; in ihr wurden auch die Häfen 
angetempert. In seiner Construction unterschied sich dieser Ofen 
von dem bei Heraclius beschriebenen nur dadurch wesentlich. 



•) Hb. XII. — Mir steht nur die i. J. 1557 zu Basel durch Jeronymus 
Froben und Niclausen Bischoff veranstaltete Uebersetzung zu Gebote, welche 
den Titel führt: »Vom Bergkwerck 12 Bücher.* 



— 62 — 

dasB er rund war und nicht mit dem Werkofen zusammenhing, 
sondern fiir sich stand. 

Der zweite Ofen, belehrt uns Agricola weiter, soll rund 
sein, 50 Fuss im Durchmesser haben und 8 Fuss hoch sein. Der 
grösseren Festigkeit halber soll er aussen mit 5 Bögen von ij 
Fuss Dicke umgeben sein. Auch dieser Ofen soll aus zwei Ge- 
wölben bestehen; das untere davon soll \\ Fuss dick sein und 
vorne ein enges Loch haben, durch welches das Holz auf den 



Fig. 8. 

Herd, den sein Boden bildet, eingeführt werden könne. Dieses 
Gewölbe soll sodann in der Mitte ein grosses Loch haben, damit 
durch dasselbe die Flamme in den oberen Raum dringen könne. 
In der Mauer dieser oberen Abtheilung sollen zwischen den Bö- 
gen acht Oeffnungen von der Grösse sein, dass durch sie die 
Häfen hinein und um das erwähnte Loch in der Mitte des Herdes 
gesetzt werden könne. Was die Häfen anbelangt, sollen die. 
selben 2 Zoll Wandstärke und eine Höhe von 2 Fuss, am Bauche 
einen Durchmesser von i| Fuss, am HaJse und Boden einen 



- 63 - 

solchen von i Fass haben. Die Häfen waren abo im i6. Jahr- 
hundert nicht mehr konisch, sondern bauchig und bereits von 
bedeutender Grösse. 

Im hinteren Theile dieses Ofens, fahrt Agricola fort, soll sich 
eine viereckige Oefihung befinden, welche eine Hand breit und 
hoch sein muss. Durch diese soll die Hitze in den angebauten 
dritten Ofen gelangen. Der letztere soll viereckig und zwar 8 
Fuss lang und 6 Fuss breit sein. Er soll wiederum aus zwei 
gewölbten Abtheilungen bestehen. An der Stirnseite der unteren 
soll eine Oeffiinng angebracht sein, durch welche die Scheiter 
auf den Herd des Bodens geschafft werden können. Zu beiden 
Seiten dieser Oefihung soll in der Mauerung zur Aufnahme langer 
irdener Töpfe je eine Nische sein von 4 Fuss Länge, 2 Fuss 
Höhe und i^ Fuss Breite. Das obere Gewölbe soll zwei Oeff- 
nungen, eine auf der rechten, die andere auf der linken Seite 
haben und diese Oeffiiungen sollen so gross sein, dass die eben 
genannten Töpfe, welche 3 Fuss lang, i^ Fuss tief und i Fuss 
am Boden breit sind, bequem durch sie eingeschoben werden 
können. In diese Töpfe kommen die gemachten Glaser, damit 
sie bei gelinder Wärme allmählig auskühlen, da sie sonst springen 
würden. Hernach müssen die Töpfe aus dem Kühlofen genom- 
men und in die vorhin geschilderten Nischen gethan werden, 
damit die Gefässe vollends abkühlen. (Fig. 3.) 

Der mit dem Kühlofen verbundene Schmelzofen des 16. 
Jahrhunderts unterscheidet sich also in mancher Beziehung von 
jenem des 12. Jahrhunderts. Abgesehen von einigen kleineren 
vortheilhafteren Einrichtungen, bekundet er einen wesentlichen 
Unterschied dadurch, dass bei ihm der viereckige Grundriss auf- 
gegeben und dafür ein kreisrunder gewählt ist. 

Was sodann jene Hütten betrifft, welche nur zwei Oefen 
hatten, so berichtet uns Agricola Folgendes: Diese Hütten, sagt 
er, fritten das Gemenge im ersten Ofen und schmelzen es im 
zweiten um und legen auch die gemachten Gläser an einen und 
denselben Ort, nämlich in den ersten oder Frittofen*, oder sie 
fritten und schmelzen das Gemenge im zweiten oder Schmelzofen 
und tragen die fertigen Gläser in den anderen Ofen, der dann 



- 64 - 

bloss KUhloren ist. Im ersteren Falle gibt es keinen eigenen 
Kühlofen (da dort auch gefrittet wird), und im zweiten keinen 
eigenen Schmelzofen (da in diesem dann ebenfalls zugleich ge- 
frittet wird). Dieser Schmelzofen unterscheidet sich auch von dem 
oben beschriebenen in seiner Einrichtung. Er ist zwar auch rund, 
aber sein Inneres ist 8 Fuss breit, 12 Fuss tief und besteht aus 
3 gewölbten Abtheilungen, von denen die untere von der des 
oben an zweiter Stelle beschriebenen Ofens nicht wesentlich ver- 



Fig. 3- 

schieden ist. In den Mauern der mittleren Abtheilungen sollen 
6 durch Bögen abgeschlossene Oeffhungen sein, welche, nachdem 
in sie die Häfen gesetzt worden sind, bis auf kleine Löcher mit 
Lehm verstrichen werden. Mitten im Gewölbe dieser zweiten 
Abtheilung ist ein viereckiges, eine Spanne langes und breites 
Loch angebracht, durch welches die Hitze in die oberste Kammer 
geht. Diese letztere dient als Kühlofen j sie muss daher hinten 
eine Oeffnung haben, damit durch dieselbe die Töpfe hineinge- 



-- 65 - 

tragen und in diese die fertigen Gläser zum Kühlen gethan werden 
können. An dieser Seite ist dann der Boden der Glashütte er- 
höht oder es ist dort eine Bank angebracht, damit die Glas- 
macher hinaufsteigen und so ihre Arbeiten bequemer ablegen 
können. (Fig. 4.) 

Es besteht kein Zweifel, dass eine so eingerichtete Glashütte 



Fig. 4. 

in praktischer Hinsicht weit hinter jener mit drei Oefen zurück- 
stand, wesshalb die letztere auch nach und nach den Sieg Über 
sie davontrug. In manchen Hütten fiel auch der zweite Ofen 
weg, so dass also nur einer übrig blieb. Dieser bestand dann 
ebenfalls aus drei Abtheilungen über einander, wie der eben be- 
schriebene. (Fig. 5.) 

Wir haben schon oben gehört, dass Bernhard Schwarz, jener 



~ 66 — 

Antwerpener Glasmacher, welchen Herzog Albrecht V. zur Hebung 
der bayerischen Glasindustrie gerufen hatte, über die Hütten des 
bayerischen Waldes äusserte, dass sie insgesammt schlecht und 
unschön gebaut wären und unverhältnissmässig viel HoU ver- 
schlängen. Leider fehlen uns die näheren Angaben, welchen Ofen 
Schwarz mit seinem Tadel treffen woUle, ob alle im Vorhergehen- 



Flg. 5. 

den geschilderten oder nur jene mit drei Abtheilungen. Welche 
verbesserte Construction er selbst im Auge hatte, wird uns eben- 
falls nicht gesagt. Allein aus dem Umstände, dass Agricola die 
muranesischen Oefen von Grund aus kannte, darf geschlossen wer- 
den, dass er deren Einrichtung bei seiner Schilderung berück- 
sichtigt hat. 

Wenden wir uns nun dem Gemenge zu und sehen, woraus 



- 67 - 

dasselbe in der in Rede stehenden Zeit zusammengesetzt wurde. 
Agricola sagt, dass das Glas »auss etlichen harten säfften und 
griess, oder auss sandt, mit gewalt des feurs, und subtiler kunst 
aussgetruckt wirt«. Es entsteht aber, föhrt er dann fort, aus ins 
Schmelzen gerathenen Steinen und harten Säften oder auch aus 
Säften anderer Körper, welche sich mit diesen durch natürliche 
Verwandtschaft verbinden.*) Von den schmelzbaren Steinen sind 
die weissen und durchsichtigen die besten, wesshalb man den 
Krystallen den ersten Platz einräumt. Den zweiten Platz weist 
man den Steinen an, welche, wenn sie auch nicht die Härte des 
Krystalles besitzen, doch weiss und durchsichtig wie dieser sind, 
den dritten endlich den weissen, aber undurchsichtigen Steinen. 
Diese alle aber müssen zuvor gebrannt, dann im Pochwerke ge- 
brochen und zerstossen werden, dass sie wie Sand werden. Letz- 
terer wird dann noch durch ein Sieb getrieben. Bietet sich aber 
dem Glasmacher ein derartiger Sand an Flussmündungen dar, 
dann wird ihm die Arbeit des Brennens und Zerpochens erspart. 

Was sodann die Säfte betrifft, so räumt man unter ihnen 
die erste Stelle der natürlichen Soda ein, die zweite dem weissen 
und durchsichtigen Steinsalz, die dritte dem Salze, das man aus 
Lauge bereitet, welche aus Anthyllisasche oder aus der Asche eines 
anderen Salzkrautes ausgezogen worden ist. Manche indess 
räumen diesem und nicht dem Bergsalz die zweite Stelle ein. 

Von dem aus den schmelzbaren Steinen oder aus den 
Flüssen gewonnenen Sande sollen nun zwei Theile genommen 
und mit einem Theile der natürlichen Soda oder des Steinsalzes 
oder des Laugensalzes gemischt und dazu ein kleines Stückchen 
Braunstein*) gegeben werden. Diejenigen aber, denen die an- 
geführten Säfte nicht zur Verfügung stehen, mengen zwei 
Theile der Asche verschiedener Eichenarten oder, wenn diese in 
der Umgebung nicht vorkommen, zwei Theile der Buchen- und 
Fichtenasche mit einem Theil Sand und geben etwas Salz, aus 



') Ichlialte mich hiebei zum Theil an die vonDr. Benrath im , Sprech- 
saal* 1882, Nr. 19 gegebene Uebersetzung , da mir der lateinische Text nicht 
vorliegt und die Baseler Uebersetzung nicht überall zuverlässig erscheint. 

2) Agricola hält, wie schon Plinius, den Braunstein für den Magnetstein. 

s* 



— 68 — 

salzhaltigem Quell- oder Seewasser gewonnen, und ein kleines 
Stück Braunstein zu. Diese gewinnen aber ein weniger weisses 
und durchsichtiges Glas. Die Asche wird aus alten Bäumen ge- 
wonnen, deren Stamm in einer Höhe von 6 Fuss gefallt und im 
Feuer zu Asche verbrannt wird. Dies geschieht im Winter, wenn 
lange kein Schneefall stattgefunden hat, oder im Sommer, wenip 
es nicht regnet, da der Regen der anderen Jahreszeiten die Asche 
mit der Erde vermengt und dieselbe verunreinigt. In diesen 
Jahreszeiten sollen eben diese Bäume in Stücke zerhauen, unter 
Dach verbrannt und so zu Asche gemacht werden. 

Aehnliches berichtet Mathesius ' ) über die Bestandtheile des 
Glasgemenges. Von den venetianischen Hütten sagt er: »Ihre 
eigne Sand haben hiezu die Venediger, unnd brennen ir eygne 
asch, und brauchen ire zusetz, und halten ir kunst heimlich. Ich 
höre sagen, man brenne asch auss schilfwurzel. Cardanus ^) 
schreibet, sie haben ir eigen erde die den sand leutere, damit 
sie auch das glass ferben, wie die zu Antdorf (Antwerpen) die 
laken brauchen, welchs die schönste rote färb ist ... . Sie 
sollen auch Sal gemmae, des durchsichtigen Saltzes neben dem 
steinsaltz, das man aus der erden grebt, zum zusatz brauchen 
neben dem sal chali. Sie brennen auch auss etlichen saltzkreutem 
als Anthyllis ire subtilere asche, darauss das glas heller und 
reiner wird.« 

»Nun«, fahrt er hierauf fort, »kommen wir zu den deutschen 
Glashütten. Etliche haben iren eignen sandt, die anderen pochen 
ir weiss quertz und kissling, und brauchen eichene, anhorn, bu- 
chene und tennene asch, kiferne asche unnd weidasche sol gut 
werck geben, ob sie wohl der fettigkeit halber nicht so gar weiss 
glass gibet. Man setzt auch unseres saltzs dem sande und asche 
zu, doch sol Polnisch steinsaltz nützlicher sein .... Man wil 
mich auch berichten, etliche sollen die farmen mit wurtzel mit 
al zu asche brennen und Weinstein zuschlagen « 



J) Sarepta oder BergpostiU. Sampt der Joachimsthalischen kurzen Chro- 
niken. Nürnberg 1562. 15. Predigt, S. 265 ff. 

2) Cardanus* Schriften stehen mir nicht zur Verfügung. 



- 69 - 

Das Glas wurde also im i6. Jahrhundert in Deutschland aus 
Quarz oder Sand und aus verschiedenen Aschen oder aus diesen 
gezogenen Salzen zusammengesetzt, wobei in vielen Fällen Koch- 
oder auch Steinsalz zugegeben wurde. Von der Nothwendigkeit 
eines Kalkzusatzes wusste man damals noch nichts; aber die be- 
nützten Aschen enthielten durchgehends so viel Kalk, als das 
Gemenge erforderte. Aus diesen Bestandtheilen, wozu manchmal 
nachhelfend ein Stückchen Braunstein kam, wurde zunächst das 
farblos durchsichtige Glas erzeugt. Man verstand aber damals 
bereits auch alle möglichen Farbengläser herzustellen. In Deutsch- 
land hat man nach Mathesius hauptsächlich grüne Gläser gemacht. 
:> Solche grüne färbe«, sagt er^), »machet man dem glass mit 
hammerschlag, wie sie auch rot und gelb glass mit braunstein 
und kupferschlag, und die braunen mostkreusslein ferben.« 

Aus einer Stelle des Agricola*) ersieht man ferner, dass 
man damals Gläser herzustellen verstand, welche dem Diamanten, 
Smaragde, Karfunkel, Amethyst, Hyacinth, Saphir, Obsidian und 
anderen einfarbigen Steinen, ja sogar solche, welche dem Opal 
und Jaspis glichen. Mathesius ferner erzählt uns, dass man in 
Venedig und Antwerpen rothes und ultramarines Schmelzglas von 
allerlei Nuancen erzeugte. Im Ganzen und Grossen aber fliessen 
über diesen Punkt die Quellen spärlich, da die damaligen Glas- 
macher ihre Geheimnisse nicht gerne verriethen. 

Was Venedig speciell anbelangt, so benützte man dort nach 
Biringuccio (1540)®) als Rohmaterialien Alkali und Kiesel. Jenes 
wurde von der Asche einer >herba calida<, welche aus Syrien 
oder aus der Nachbarschaft von Maguelonne in Südfrankreich 
bezogen wurde, oder aus der Asche des Farrens oder einer 
>uznea<, auch >ugnea< genannten Pflanze. Statt des weissen 
Kiesels bediente man sich auch eines feinkörnigen Sandes. Von 
diesem oder dem zerpochten Kiesel mussten zwei Theile, von dem 
Alkali ein Theil zum Gemenge genommen und demselben etwas 



1) a. a. O., S. 277. 

2) De natura fossilium, ed. Froben, Basel 1846, lib. V. 
^) Pirotechnia, 26, II. — Vgl. Nesbytt, 1. c. p. XLV. 



— 70 — 

Braunstein, welcher damals consequent mit dem Magneteisenstein 
verwechselt wurde, beigegeben werden. Dieses wurde dann ge- 
frittet und hierauf im Schmelzofen umgeschmolzen. Ganz Aehn- 
liches berichtet auch Garzoni in dem 64. Discorso seiner »Piazza 
universale« (1587). Nach ihm sind die aus dem Osten oder 
aus Syrien bezogenen Aschen die besten ; gleichwohl aber wurden 
auch jene aus Frankreich gebraucht. Interessant sind seine An- 
gaben über die Herstellung der Farbengläser. Er sagt nämlich, 
dass calcinirtes Eisen eine rothe, Zinn eine weisse, Kupfer eine 
grüne und Blei eine smaragdene Farbe gebe. Im 17. Jahrhundert 
verwendete man zur Glasschmelze in Venedig sowohl wie in den 
Niederlanden die Soda — barilla — aus Valencia in Spanien.^) 

War nun in einer Hütte, welche drei Oefen besass, das 
Gemenge fertig und genau zusammengewogen, dann kam das- 
selbe zunächst in den Frittofen und blieb dort so lange, bis es 
glühend und glasartig geworden war. Hierauf wurde es heraus- 
genommen und in Stücke zerschlagen (Fig. 2). War das ge- 
schehen, dann schürten die Gehilfen den zweiten oder Schmelz- 
ofen auf. Zu gleicher Zeit wärmten sie im Frittofen die Häfen > 
anfangs bei gelinder Temperatur, damit sie die Feuchtigkeit ver- 
loren, dann bei starker Hitze, damit sie gedörrt und roth wurden. 
Die Glasmacher öffneten hierauf den Frittofen, fassten die ge- 
brannten Häfen mit Zangen und setzten sie in den Schmelzofen 
vor die Arbeitslöcher. Hier wärmten sie dieselben weiter an, 
%llten sie mit den Frittestücken, versetzten dann die Oeffnungen 
mit Ziegeln und verschmierten sie mit Lehm bis auf zwei kleine 
Oeffnungen, durch deren eine sie in den Ofen schauen und den 
Fortgang der Schmelze beobachten konnten, während die andere 
zum Anwärmen der Pfeifen diente. Diese Pfeifen waren nämlich 
noth wendig, um Proben aus den Häfen nehmen zu können. 

War das geschehen, dann Hessen sie der Schmelze ihren 
Gang und je länger sie dieselbe fortsetzten, desto reiner und 
durchsichtiger, blasen- und fleckenloser wurde das Glas. Die- 
jenigen Glashütten mit zwei Oefen, welche das Gemenge nur eine 



^) J. Houdoy, 1. c. Urkunde vom 7. Januar 1623. 



— 71 — 

Nacht hindurch schmelzen Hessen und dann gleich verarbeiteten, 
lieferten daher ein weniger reines und durchsichtiges Glas als 
diejenigen, welche einen eigenen Frittofen besassen, und von den 
letzteren lieferten wiederum diejenigen das beste Glas, welche die 
Schmelze zwei Tage und zwei Nächte fortsetzten; denn die Güte 
des Glases, lügt Agricola mit Recht hinzu, hängt nicht nur von 
den Materialien, aus denen es hergestellt worden ist, sondern 
auch vom Schmelzen ab. Während der Dauer der Schmelze 
nahmen die Glasmacher häufig an ihren Pfeifen Proben aus den 
Häfen, bis sie an diesen ersahen, dass die Masse rein geworden. 

Die Glasmacher jener Hütten, welche nur zwei oder gar 
bloss einen Ofen hatten, warfen, sobald sie ihr Tagwerk voll- 
bracht hatten, das Gemenge in die ausgearbeiteten Häfen und 
Hessen es dort während der Nacht schmelzen, wobei die Schür- 
buben das Feuer mit gedörrtem Holze beständig unterhalten 
mussten. Am Morgen wurde die Galle abgeschöpft und die 
Ausarbeitung begonnen. Dass nach so kurzer Zeit die Glasmasse 
nicht besonders rein sein konnte, ist selbstverständlich. Vielleicht 
stammten die sog. Waldscheiben, welche so hässlich waren, dass 
z. B. in Nürnberg deren Einfuhr verboten wurde, aus derartigen 
Hütten mit einem Ofen. 

Ein Haupterforderniss während der Schmelze war das Hei- 
zen mif gedörrtem Holze, das mit lichter Flamme brannte und 
keinen Rauch gab. Auch Mathesius sagt: >Es sol aber das glas 
weisser und reiner werden, wenn man asch und saltz fleissig 
schmeltzet mit dürrem Holtz, denn grün Holtz und viel rauchs, 
sol das glas dunckler, unnd schwertzHchter machen, und wenn 
man die Materien offt abkület und lesst sie etlichs mal durchs 
fewr gehen, und streicht oder feimet* die Glassgallen und was 
mehr für unreinigkeit auff dem zulasnen (zerlassenen) Glass 
schwimmet, fleissig abe.< 

Schon aus den letzten Worten geht hervor, dass Mathesius 
das Umschmelzen kannte*, ja dieser Autor schreibt zur Erhaltung 
der besten Qualität des Glases, das »nicht blesicht, federicht, 
wölket, blettericht, steinig oder griesslich sein< soll, ein zwei- 
maliges Ausschöpfen und Abschränken in kaltem Wasser vor. 



— ^2 — 

Dabei musste die Masse häufig umgerührt und die Galle und 
andere Unreinigkeiten fleissig abgeschöpft werden. Dadurch war 
es auch den Hütten mit einem Ofen möglich, ein reines Glas zu 
erzeugen. 

War auf diese Weise das Glas geläutert und rein geschmol- 
zen, dann begann die eigentliche Arbeit des Glasmachens. Agri- 
cola beschreibt diese also: > Haben sich die Glasmacher überzeugt, 
dass die umgeschmolzenen Brocken (aus der Fritte) genügend 
rein geworden sind, dann senkt jeder von ihnen seine Pfeife in 
den Hafen und dreht sie langsam um ; dabei hängt sich das Glas, 
wie ein zäher Saft, in Kugelform an. Er nimmt aber nur soviel, 
als er zu dem herzustellenden Stücke braucht. Dieses Glas drückt 
er dann gegen die Marbelplatte und wälzt es über dieselbe hin 
und her, dass es sich vereinige. Er bläst hierauf in die Pfeife 
und treibt so das Glas wie eine Blase auf; so oft er aber in die 
Pfeife geblasen hat, und das muss er mehrmals thun, entfernt er 
dieselbe rasch vom Munde und drückt sie gegen den Backen, 
damit er die heisse Luft aus dem Rohr nicht einathmet. Macht 
er ein langes Glas, dann schwenkt er die Pfeife über den Kopf 
hinweg im Kreise herum oder er formt dies in einem kupfernen 
Model, und gestaltet es durch wiederholtes Anwärmen, Hinein- 
blasen, Drücken und Ausweiten zu Bechern und grösseren Ge- 
fässen oder fertigt nach seinem Belieben andere Gegenstände. 
Er drückt es auch wieder gegen die Marbelplatte nieder und 
macht hiedurch den Boden breiter, den er dann mit einem ande- 
ren Rohre einsticht. Hierauf beschneidet er die Ränder der . 
Oeffnung rund herum mit der Scheere, und setzt, wenn erforder- 
lich, Füsse und Henkel an; auch vergoldet er sein Werkstück 
und bemalt es mit mancherlei Farben, wenn es gewünscht wird. 
Zuletzt legt er es in den thönernen Topf, der sich im Kühlofen 
oder in der oberen Abtheilung des Schmelzofens befindet. Dort 
lässt er es kühlen. Wenn aber dieser Topf voll ist, dann streckt 
er ein breites Eisen unter denselben, hebt ihn mit diesem und 
dem linken Arme aus und setzt ihn in eine der beiden Nischen. « 
Es ist nothwendig, hiebei etwas zu verweilen und die damals ge- 
brauchten Werkzeuge genauer zu betrachten. Was zunächst die 



— 73 — 

Pfeife anbelangt, so war dieselbe nach Agricola aus Messing, 
Kupfer oder Eisen und 3 Fuss lang, also bedeutend länger als 
im 12. und 1 3. Jahrhundert. Der hölzerne Schaft daran ist aber, 
wie aus der obigen Abbildung zu ersehen ist, an der Stelle, wo 
hineingeblasen wird, noch nicht zugespitzt, sondern sehr breit. 
Heutzutage befindet sich dort eine Pippe aus Messing; diejenigen 
Glasmacher, welche Apothekerwaare etc. machen, bedienen sich 
bloss der Rohre ohne Holzschaft. 

Vor dem Arbeitsloche lag femer eine eiserne Platte und 
auf dem Boden davor befand sich eine viereckige Platte von 
ziemlicher Dicke. Diese war wohl, wie die unter dem Model 
liegende Platte unserer Hütten, aus feinem Thon. Die Schrift- 
steller nennen sowohl diese wie die vorhin genannte Eisenplatte 
Marbelplatte. Es ist daher sehr wohl möglich, dass von ihnen 
beide Platten gelegentlich, wohl schon zu des Heraclius' Zeiten, 
verwechselt wurden und dass der Name Marbelplatte im Grunde 
genommen nur der* letzteren zukäme. 

Einen Fortschritt gegen früher bezeichnet die Anwendung 
von Formen aus Kupfer, in welche die Gläser geblasen wurden; 
ja, aus Mathesius ') erfahren wir, dass man im 16. Jahrhundert 
sogar schon gemusterte Formen, gestreifte Modeln und solche mit 
einem Rautenmuster kannte. 

Die Abschneidscheere femer, welche im 12. und 13. Jahr- 
hundert noch nicht bekannt war, sehen wir im 16. ebenfalls be- 
reits in Gebrauch. Einige andere Werkzeuge lemen wir aus 
Mathesius kennen. Derselbe schildert die Arbeit des Glasmachers 
mit folgenden Worten: »Da nun das Glass rein undt lauter ist, 
so fehet man an zu arbeiten; der Meyster nimmt sein eyseme 
oder messinge pfeiffen, die er ein wennig erwarmen lesset, denn 
am kalten röhr hafit das glas nicht, damit reicht er durchs werg- 
loch in ofen, und fasset ein pellel glas an die pfeiffe, und drehet 
es umb, das es mnd wirdt, und wenn es an der luf!t erkaltet, 
so fert er damit wieder in ofen, das es wieder weich werde, und 
nachdem er ein gross glas machen wil, fasset er mehr glas dran, 



>) SU a. O. S. 277. 



— 74 - 

wie er denn offl zum dritten mal die pfeiffe einduncket.« Daraus 
ersieht man, dass es in den deutschen Hütten des i6. Jahrhun- 
derts bereits Sitte war, zuvor ein >Kölbchen< anzufangen und 
erst mit diesem sich aus dem Hafen die nöthige Masse zu holen. 

>Wenn er nun«, fahrt unser Autor fort, »glas genug an 
der pfeiifen hat, so streicht ers mit seinem streich- oder rühreysen 
bis zu ende der pfeifFen, und bleset das glass auff wie ein Sew- 
blase. Er muss aber das glas mit einem ödem auff bringen. 
Wenn aber das glas an der lufil gestehen wil, wermet ers wider 
abe, unnd bleset abermals drein, bis es so gross wird als ers 
haben wil.< Auch von diesem Streich- oder Rühreisen haben 
wir im 12. und 13. Jahrhundert keine Notiz gefunden, so dass 
es fraglich bleibt, ob es damals schon bekannt war. Die Glas- 
macher des 16. Jahrhunderts dagegen besassen dasselbe. Freilich 
hatte es damals noch nicht die Gestalt wie heute; es war noch 
keine breite, ebene Schaufel an einem spitzigen Stile, sondern ein 
einfaches Rohr; es war jenes Rohr, mit welchem nach Agricola 
auch die Böden der Gefässe eingestochen wurden. Heutzutage 
sticht man die Böden mit dem spitzen Stile des Streicheisens ein*^ 
die flache Schaufel aber benützt man zum Plattdrücken u. s. w. 
Zum Vorstreichen des Glases gebraucht man jetzt gewöhnlich das 
Zwackeisen. 

Mathesius beschreibt sodann die Herstellung eines Angsters 
und fahrt also fort: »Alsdann fasset er an sein bindeysen auch 
ein pelle oder klumpen glas, und leget bodenreiflein, stein und 
knöpff ans glas . . . Drauff schlegt ers abe von der pfeifFe, und 
holet ein new pellel oder petzel glas, und fasset das geschirr am 
boden an sein hefft- oder werckeysen, daran glühet ers wider, 
und stampffet es auff sein buchen stampfahn, so breit ers haben 
wil, und wenn ers wider abgewermet, und stein und ringel dran 
gelegt, und mit seim zwickeysen abgezwickt, ausskerbet und 
spitzig gezogen, . . . lest er das glas wider gar fewrrot im ofen 
werden, unnd drehet es mit seiner schere auss, und macht ein 
rand soweit ers haben wil, unnd stampet es auff den span, das 
der randt gleich werde.« In dieser Stelle sind fast alle Werk- 
zeuge genannt, welche auch heute noch und zwar zu den näm- 



- 75 — 

liehen Zwecken in Gebrauch sind. Es wird das Bindeisen, Heft- 
eisen, Zwickeisen, die Auftreibscheere genannt und unter dem 
buchenen Stampfahn ist wohl das heute sog. Walkholz gemeint; 
denn dieses wird auch jetzt noch, ausser zum Zusammenwalken 
der aus dem Hafen geholten Glasmasse, zum Ebendrücken der 
Mündung u. s. w. benützt. 

»Er lesset auchc, fährt Mathesius fort, »aufif seinem bein 
das glass am heffteysen, wie ein Drechsler umblauffen, dass es 
rundt und circkelrecht werde. Wenn es also gefertiget, lest er 
ein tröpfflein wasser auffs glass, da es an das heffteisen geköttet 
ist, fallen, und schlecht binden drauff, so springt das glass in den 
andern haffen im küloffen, da es bey temperirtem fewer abkülen 
muss.c Dieses Umlaufenlassen des Glases auf dem Kniee oder 
eigentlich auf dem Oberschenkel geschah und geschieht in der 
Regel beim Auftreiben des Gefösses. Der Glasmacher hat zu 
diesem Zwecke auf dem rechten Schenkel , über welchen das 
heisse Heft eisen hinläuft, ein gerundetes Holz, den sog. Sattel. 
Zum Auftreiben bediente man sich ausser der Auftreibspheere auch 
noch verschiedener hölzerner Werkzeuge, die im Grossen und 
Ganzen wohl den heutigen glichen. Das nämliche gilt in Bezug 
auf die Instrumente, deren man beim Anlegen der Henkel sich 
bediente. Dagegen finde ich die Bodenscheere nirgends ange- 
deutet und von den RoUscheeren hatte man ohne Zweifel keine 
Kenntniss. Die erstere scheint im Laufe des i8. Jahrhunderts 
erfunden worden zu sein ; die letztere war damals ebenfalls in ein- 
zelnen Gegenden bekannt, wie die mit vielen Wülsten und Astragalen 
versehenen hohen Füsse mancher Pokale beweisen (Fig. i8), 
scheint aber später, wenigstens in Deutschland, verloren gegangen 
und erst in unserem Jahrhundert wieder eingeführt worden zu 
sein und wird nun zu den verschiedensten Zwecken benützt. 
Eine Reihe der genannten Werkzeuge ist auf den beigegebenen 
Abbildungen zu sehen. 



Die im Vorhergehenden geschilderten Oefen haben sich 
noch lange nach dem Tode unserer Autoren erhalten. Ihrer 



- 76 - 

bediente sich nocli Kuockel, wie die seiner >Ars vitraria experi- 
mentalis« beigegebenen Abbildungen ersehen lassen. Einen 
wesentlichen Fortschritt bezeichnen dagegen die am Ende des 
vorigen Jahrhunderts im nördlichen Frankreich, namentlich in den 
Bouteiltenhütten des Languedoc gebräuchlichen Oefen dadurch, 
dass in ihnen das Brennmaterial nicht auf breiter, ebener Sohle, 
sondern auf einem Roste ruhte, unter welchem sich ein Aschen- 
falt befand. In der übrigen Eintheilung waren diese Oefen den 
vorigen gleich. ') 

Bald jedoch drängten die sog. deutschen Oefen alle übri- 
gen zurück. Diese waren nicht mehr rund, sondern, wie die des 
Theophilus, viereckig; zugleich war in ihnen der Feuerherd direct 
in den Schmelzraum verlegt, durch welchen hin er sich als ver- 
tiefter Canal erstreckte, der von zwei Seiten aus geheizt werden 
konnte. Links und rechts von dieser Schürgrube befanden sich 
die sog. Bänke, auf welchen die Häfen standen.^) Ueber die 
weiteren Veränderungen, welche der Glasofen durch die Stein- 
kohlenfeuerung und endlich durch die Einführung der Gasfeuerung 
erfuhr, verweise ich die geneigten Leser auf das in der vorletzten 
Anmerkung erwähnte lehrreiche Werk von Dr. H. E. Benrath') 
und auf Kannarsch*), da dieselben ausserhalb meines Rahmens 
liegen. 

I) Vgl. Dr. H. E. Benrath, Die Glasfabrikation. I. Liefg. Braun- 
schwMg, Friedrich Vieweg & Sohn 1875. 

-) VgL Dr. H. E. Benrath, a. a. O., S. 102 ff. 

^) a. a. O., S. 94-- 157- 

'} Geschichte der Technologie seit der Mitte des 18. Jahrhundetta, 
München 1873, R. 01denbourg,.S. 5a8. 



II. 



Die altdeutschen Gefassformen. 




I. Römer. 

ER Römer gehört unbedingt zu den edelsten Geföss- 
formen, die es gibt- namentlich hat er unter den Glä- 
sern an Schönheit kaum Seinesgleichen. Wir sind 
gewöhnt, ihn als Rheinweinglas mit Auszeichnung zu 
betrachten. Gleichwohl scheint seine Geburt nicht am Rheine gefeiert 
worden zu sein. Sagt uns doch noch um die Mitte des 1 6. Jahrhunderts 
der in solchen Dingen äusserst gut unterrichtete böhmische Pfar- 
rer Mathesius in seiner Predigt »vom Glasmachen« *), dass die 
Rheinländer, Schwaben und Franken ihre »möst und wein auss 
kreusslein (Thonkrüglein) trinken«. Da nun damals, wie sich 
zeigen wird, der Römer bereits existirte, so ist demnach seine 
Wiege weder am Rheine noch in Schwaben oder Franken zu 
suchen, sondern, wenn sie überhaupt in Deutschland stand, in 
den hüttenreichen Waldgegenden, zunächst also im Bayerischen 
und Böhmerwalde. Auf diese Gegenden weist uns Mathesius 
merkwürdigerweise auch, wo er von den grünen Weingläsern 
überhaupt spricht. Es ist nämlich bekannt, dass man das ganze 
Mittelalter hindurch den Wein aus grünen Gläsern zu trinken 
pflegte. Unser Pfarrer gibt uns auch den Grund hiefür an: »Weil 
aber«, sagt er, >das glass von natur weyss und plank ist, wenn 



^) Sarepta oder Bergpostül. Nürnberg 1562. 15. Predigt, 



- 78 - 

zumahl der sandt und die asche reyn und mit fleyss aussgesotten 
und abgefeymet ist , hat man in diesen landen gemeinigklich zu 
weyn grine gleser gemacht, darinn ein reberechter 
plankeweyn sehr schön und lieblich steht und dem weyn 
eine lustige Farbe gibt.« Nicht also, weil man, wie manche 
glauben, weisses Glas nicht so leicht herzustellen wusste, hat man 
im i6. Jahrhundert und schon früher grüne Weingläser gemacht, 
sondern aus ästhetischen Gründen und in zielbewusster Absicht, 
weil nämlich in grünen Gläsern »ein rebenrechter blanker Wein« 
sich sehr schön und lieblich ausnimmt und »eine lustige Farbe« 
erhält. 

Es darf nun hiebei keineswegs übersehen werden, dass unser 
Autor sagt, man habe grüne Weingläser »in diesen Landen« 
gemacht-, denn mit diesen Worten kann er, wie aus dem Zu- 
sammenhange hervorgeht, unmöglich Deutschland im Allgemeinen, 
im Gegensatz etwa zu Venedig und Antwerpen, meinen, sondern 
nur die um Böhmen herum liegenden Waldgegenden, von denen 
er auch sonst noch einmal spricht, also namentlich den Baye- 
rischen und Böhmerwald ; denn die Schwaben, Franken und Rhein- 
länder bedienten sich eben, wie wir bereits gehört, der Kreusslein. 
Ist nun hiedurch auch die Fabrikation der grünen Wein- 
gläser, wenigstens annähernd lokalisirt, so scheint dadurch für 
unseren Zweck vorderhand doch wenig erreicht-, denn der 
Gebrauch der grünen Gläser, sagt Wilh. Seibt*), beweist noch 
lange nicht den der Römer. Ich gebe dies gerne zu; aber Mathe- 
sius spricht eben auch nicht von grüneb Gläsern überhaupt, son- 
dern von grünen Weingläsern und da könnte wohl an den 
Römer zu denken sein; denn alle anderen altdeutschen Gefäss- 
formen, wie sie unser Autor aufzählt und wie sie auf uns ge- 
kommen sind, können nicht als Weingläser schlechtweg betrachtet 
werden. Es wäre auch sonderbar, wenn der über Alles sonst so 
ausführlich berichtende Pfarrer des Römers, der doch zu seiner 
Zeit sicher schon ein vielgebrauchtes Trinkglas war, mit keiner 



*) Studien zur Kunst- und Culturgeschichte. I. Frankfurt a. M. Hein- 
rich Keller, 1882. 



— 19 — 

Silbe Erwähnung thäte. Es müsste das um so mehr Wunder 
nehmen, als der Genannte gerade an den »schönen und glatten« 
sowie an den »gerieften Gläserne, wozu die Römer grossentheils 
gehörten, ein so grosses Gefallen fand. Oder hat Mathesius mit 
den »feinen kleinen Trinkgläserlein, aus denen man z. B. in 
München die frischen Weine aus Eppan zu trinken pflegte«, die 
formschönen Römer gemeint? Möglich ist dies immerhin, zur 
Gewissheit aber lässt sich diese Annahme nicht erheben. 

Man ist selbst über die Herkunft des Namens »Römer« bis 
jetzt noch lange nicht im Klaren. Einige haben gedacht, der- 
selbe stamme von dem im Mittelalter neben dem Reinfal und 
dem Malvasier vielgetrunkenen Romany her, welcher aus Romanee 
in Burgund im Departement Cöte-d'or kam. Aber abgesehen da- 
von, dass es hiefür nicht den Schein eines Beweises gibt, lässt 
sich auch nicht recht begreifen, warum bloss dieser eine Wein 
einem Glase den Namen gegeben haben sollte und nicht ebenso 
auch die anderen. Zudem haben wir von unserem Gewährsmann 
gehört, dass wenigstens die Rheinländer, Schwaben und Franken 
ihre Moste und Weine ohne Unterschied aus ein und derselben 
Gefässform tranken, aus den sog. Kreusslein aus Steinzeug, welche 
ihnen namentlich von den niederrheinischen Töpfern geliefert 
wurden. ^) Desshalb versuchten Andere die Herleitung des Namens 
»Römer« von dem englischen »room«, Raum, wonach unser Glas 
der Inbegriff des Geräumigen wäre, was ganz gewiss nicht der 
Fall ist, da es eben auch und zwar zumeist kleine Römer gab 
und die grossen Riesenrömer, wie deren das germanische Museum 
in Nürnberg einige besitzt, nicht aus der ersten Zeit stammen. 
Es stehen diesen übrigens die mächtigen Willkommen wenig oder 
gar nichts nach. Mir scheint ferner die Herleitung »rummer« 
von >room< schon sprachlich unmöglich, da das »u« in > rummer« 
kurz, >room< aber gedehnt ist. Wenn »rummer« nicht eine miss- 
verstandene Uebersetzung der deutschen Bezeichnung »Römer« 



') Vgl. Dornbusch, Die Kunstgilde der Töpfer in der abteilichen 
Stadt Siegburg und ihre Fabrikate. Cöln 1875. J« M. Heberle (H. Lempertz' 
Söhne). 



— 80 — 

wäre, die England über die Niederlande erhielt, möchte ich es 
eher von »rumc herleiten und zwar nicht von jenem irumc, welches 
das bekannte Getränke bedeutet, sondern von jenem »ramt, welches 
nach Webster »altmodisch, alt, übriggelassene heisst, mit welchem 
man auch alterthümliche Gebäudereste und in der Form > rummele 
Fragmente von Ziegeln und Mörtel benennt. Darnach hätte sich 
auch in der englischen Sprache die Erinnerung erhalten, dass 
unser Glas zunächst aus altrömischen Scherben erschmolzen wurde. 
Im Holländischen heisst das betreffende Glas jetzt » romer €*, im 
i6. Jahrhundert soll sich die Bezeichnung »roomer« finden. Diese 
heisst zu deutsch nichts Anderes als > Römer <-, wenn sie den 
Begriff des Räumlichen einschliessen sollte, dann müsste sie >rui- 
mer< lauten. 

Wieder Andere dachten an das mittellateinische W^ort >ro- 
marius<, römisch, so dass also Römer gleichbedeutend mit »römi- 
sches Glas< wäre. Da aber durchaus keine üntik-römischen Gläser 
dieser Art nachzuweisen sind, bezeichnet Wilh. Seibt diese Her- 
leitung als ganz unsicher; und doch scheint ihr ein Kömchen 
Wahrheit zu Grunde zu liegen, freilich nach einer anderen Seite 
hin, als man bisher gedacht hat. 

Es ist bekannt, dass man das ganze Mittelalter hindurch 
alte römische Glasscherben suchte, aufkaufte und mit zur Schmelze 
verwendete. Die aus diesen Scherben erschmolzene Glasmasse 
führte schon zur Zeit des sog. Heraclius, also im lo. Jahrhundert, 
den Namen »römisches Glas — vitrum Romanumc. Heraclius 
schreibt im III. Kapitel des I. Buches also: »Wenn jemand Ge- 
fasse mit Glasmasse bemalen will, so zerpoche er römisches 
Glas — vitrum Romanum — tüchtig auf dem Marmor, bis es 
zu Staub wird.€ Und im XIV. Kapitel des nämlichen Buches 
erzählt unser Autor, wie man aus römischem Glase — ex Ro- 
mano vitro — alle möglichen Edelsteine herzustellen vermöge. 
Noch interessanter ist, was Theophilus in seiner »Schedula diver- 
sarum artium« im 12. Jahrhundert über diesen Punkt schreibt. 
Er sagt*): »In den alten Gebäuden der Heiden findet man 



1) 1. c. lib. n, c. xn. 



— 8i — 

verschiedene Arten des Glases in musivischer Arbeit, nämlich 
weisses, schwarzes, grünes, safrangelbes, saphirnes, rothes, purpur- 
nes und zwar nicht durchsichtiges, sondern wie Marmor dichtes; 
es sind gleichsam viereckige Steinchen, aus denen die Schmelz- 
farben für Gold, Silber und Kupfer gemacht werden ... Es 
werden auch verschiedene Gefasse von denselben Farben gefun- 
den; diese sammeln die in solcher Arbeit besonders erfahrenen 
Franken und schmelzen daraus in ihren Oefen Saphirglas, wobei 
sie ein wenig helles und weisses Glas zusetzen. Daraus fertigen 
sie kostbare und für die Fenster sehr taugliche Tafeln. Auf ähn- 
liche Weise erzeugen sie 1auch purpurnes und grünes Glas.< 

Solches römisches Glas verwandte man noch im i6. Jahr- 
hundert mit zur Schmelze. So erzählt Mathesius'): >Viel kauffen 
alte Glasbrocken oder scherben aufif, daraus man in diesen weiden 
das schönste glas machet, c Damals also machte man in den 
deutschen Waldgegenden aus diesen alten Glasbrocken das schönste 
Glas. Eine andere Frage ist nun freilich die, ob die Käufer 
nicht häufig betrogen wurden und griechische und venetianische 
Scherben für altrömische geliefert erhielten. Von den Griechen 
ist in der That schon frühzeitig Rohglas, namentlich blaues, be- 
zogen worden. So erwähnt Theophilus^) ausdrücklich das »grie- 
chische Saphirglas — vitri saphiri graecic — als noth wendigen 
Bestandtheil der Farbe, mit welcher Glas bemalt wurde. In der 
Folgezeit gesellten sich den römischen und griechischen Scherben 
noch venetianische bei; ja in Venedig betrieb man bereits im 13. 
Jahrhundert die Herstellung von Rohglas für die deutschen Glas- 
hütten als eine Art Industrie. Schon i. J. 1275 und 1285 musste 
der Rath der Zehn die. Ausfuhr des Glases in (Roh) Stücken 
verbieten. Ein Erlass vom 2. Juli 1345 sodann richtet sich gegen 
die Glaserzeuger, weil dieselben »Körper aus Glas herstellten 
ganz so wie jene aus Krystall und diese an die Deutschen ver- 
kauften, was der genannten Kunst (in Venedig) zum grössten 
Nachtheil gereichte. < ^) Dass nun diese Glasbrocken von den 



J) a. a. O. S. 276. 2) lib. II, c. XIX. 

'^) Bß Cecchetti, Cenni sulla storia dell' arte vetraria Muranese. Ve- 

6 



- 82 - 

Zwischenhändlern häufig zur Erhöhung ihres Werthes für alt- 
römische ausgegeben wurden, darüber besteht kein Zweifel; es 
geht dies schon aus den Worten des Mathesius hervor, wenn er 
sagt, dass viele die alten »Glasbrocken« aufkauften; denn aus der 
Römerzeit gab es wohl Scherben, aber keine Glasbrocken. 

Wenn nun die auf diese Weise gewonnene Glasmasse schon 
im lo. Jahrhundert im Handel den Namen >Romanum vitrum« 
führte, dann wird sie überhaupt das ganze Mittelalter hindurch 
unter der Bezeichnung >Romanum< oder >Romarium vitrum« 
ebenso wie das > vitrum Judaicum < bekannt geblieben sein, da 
eben während dieser ganzen Zeit aus altrömischen Scherben und 
Mosaikwürfeln Glas erzeugt worden ist. 

Ich glaube nun kaum mehr auf ernstlichen Widerspruch zu 
stossen, wenn ich behaupte, dass die aus dieser Masse gefertigten 
Gläser ebenfalls unter der Bezeichnung >römisches Glas< in 
den Handel gingen, da dies auch heutzutage unter gleichen Ver- 
hältnissen nicht anders sein würde. 

Die mittelalterlichen Glasgefasse waren nun zum weitaus 
grössten Theile Trinkgläser und namentlich Weingläser. Da fer- 
ner die »römische Glasmasse < sowohl wegen ihrer Schönheit als 
wegen der Seltenheit der hiezu nothwendigen Scherben sehr kost- 
bar war, ist es selbstverständlich, dass man bei ihrer Verarbeitung 
die Masse möglichst antrug und während man aus dem heimi- 
schen Glase auch Apothekerwaaren , Flaschen , Nachttöpfe etc. 
fertigte, aus dieser nur kleine, hübsche und gefällige Formen 
herstellte. Diese nun wurden, um den Käufern in ihrem ganzen 
inneren Werthe klar zu sein, als »Romani« oder »Romarii« (sc. 
calices etc.) bezeichnet und hieraus hat sich der Name »Römer < 
entwickelt, wobei selbstverständlich der Gedanke an eine als Vor- 
bild gebrauchte altrömische Gefassform ausgeschlossen ist. Einige 
Verse aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts (i 619), welche Wilh. 
Seibt anfuhrt und die absichtlich das germanische Vaterland 



nezia 1865. — [Besprochen in den Mittheilungen des k. k. Osten*. Museums fiir 
Kunst und Industrie, Bd. III, S. 102 ff.] 



- 83 - 

neben dem Römer nennen, reihen sich meiner Beweisführung 
trefflich ein * ) : 

»Hiemit wil ich mein schrdben endo, 
Der dann noch wil mein Reimen schendn, 
Den raffe ich zu desen streit, 
Das er mir dan thu recht bescheyt, 
Den RÖhmer ich führ in der Hand, 
Germania war mein Vaterlant/ 

Noch interessanter ist eine Stelle in einer Urkunde vom 22. Dez. 
1653*); denn in dieser erscheint der Ausdruck > Römer« nicht 
als Bezeichnung einer Gefässform, sondern als Bezeichnung einer 
Glasmasse neben dem Krystallglas , dem krystallinischen und ge- 
wöhnlichen Glase. Die Schreibweise »reumers< statt > Römer < 
erklärt sich von selbst, da im Französischen eben unser ö nur 
durch eu gegeben werden kann. J. Houdoy, welcher die Ge- 
schichte der niederländischen Glasindustrie gründlichst studiert 
hat, bemerkt bei dieser Stelle, dass unter diesen >reumers< jeden- 
falls Gläser deutscher Fabrikation zu verstehen seien. Als Beleg 
hiefUr fiihrt er eine Stelle aus einem Inventar vom Jahre 1570 
an, in welcher von »einem grünen Römer« mit silbervergoldetem 
Fusse und eben solchem Deckel, geschmückt mit dem Wappen 
der Frau von Buren, die Rede ist. *) Das erste Römerglas also, 
das wir kennen lernen, war mit dem Wappen der Frau v. Büren, 
womit wohl das Büren in Westphalen gemeint ist, decorirt und 
hatte einen silbervergoldeten Fuss und einen Deckel, ebenfalls 
aus vergoldetem Silber; es war also eine deutsche Arbeit und 
hiess hier Römer, welches Wort der Franzose mit »rumer« 
übersetzte. 

Die deutsche Bezeichnung »Römer« kommt zum ersten Male 



^) Hymnus Bacchi, das ,ist des Weines , oder Gott Bacchi Lobgesang. 
Mit fleiss zusammenbracht und mit schönen Figuren gheziehret. Durch C. V. 
Pas, Kupferstecher und Burgher zu Utrecht. Anno 161 9. 

2) J. Houdoy, Verreries k la fagon de Venise. Paris, Lille, Bruxelles 
1^73) P* 29 u. 68: Aucunes sortes de verres, soit christal, christalin, reumers, 
gros verres. 

^) ,Un rumer vert encass^ en une pied dWgent dor6, et couvercle de 
meisme, armoye des armes de la dame de Buren.' 

6* 



\ 



- 84 - 

vor in dem Gedenkbuche des Hermann von Weinsberg, welches 
im Cölnischen Stadtarchive aufbewahrt wird.*) Der Genannte 
sagt nämlich in einem Berichte über die Art und Weise, wie man 
im Jahre 1589 in Cöln ein Festessen abzuhalten pflegte: »und 
alss man eirst klein glesser und pott neben den beirpotten und 
Wermut oder salben weinss potten ufifgesatzt, so setzst man zum 
gebrat uff jeden Dische 4 groisse roemer etliche mit gülden 
foissen.c Wie hier von 4 grossen Römern die Rede ist, so 
spricht auch der vorhin genannte Kupferstecher einmal von einem 
> grossen frischen Römer c, was jedoch keineswegs ausschliesst» 




Fig. 6. 

dass es auch kleine Römer gab. Ueberhaupt war die Form der- 
selben sehr verschiedener Art: da gab es grüne und solche von 
braungoldener Farbe mit einem Stich ins Olivengrüne, solche mit 
geripptem und andere mit glattem Kelche, wieder andere mit 
Deckel u. s. w. Die zuletzt angeführten Stellen zeigen uns ferner, 
dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Bezeichnung 
> Römer € schon gang und gebe war. Sicherlich aber ist eine 
lange Zeit der Entwicklung vorausgegangen, da solche Namen 
nicht mit einem Male fertig in die Welt zu springen und ihr 
Ding sofort streng abgegrenzt zu bezeichnen pflegen. 



n Bd. III, S. 154 unter 1589, den 15. Nov. [Vgl. J. B. Dornbusch 
a. a. O. S. 40.] 



- 85 — 

Aus dem Vorhergehenden ist femer ersichtlich, dass man 
unter >Römer< anfangs weniger eine bestimmte Form als viel- 
mehr jene Gläser meinte, welche aus dem sog. römischen Glase 
gefertigt worden waren. Sagt doch Hermann von Weinsberg, dass 
dnige der vier grossen Römer goldeneFUsse hatten, unddasGlei- 
che hörten wir von dem Römer der Frau von BUren. Wann und wo 
sich der Name >Römer< auf die bekannte Form beschränkte, diese 
Frage ist bisher unberücksichtigt geblieben, da es sich zunächst nur 
um die Herleitung des Namens handelte. Diese mag ihre Schwä- 
chen haben-, lächerlich aber kann sie nur ein Einfaltspinsel finden. 



Fig- 7- 
Was nun die Form des Römers anbelangt, so ist dieselbe 
augenscheinlich die des Kelches; sie hatte tausend Vorbilder, so- 
wohl in der Goldschmiedekunst wie namentlich unter den vene- 
tianischen Kelchgläsern. Unter diesen letzteren erwähne ich 
besonders den schönen grünen Kelch, der sich einst in der Glas- 
sammlung des Herrn Felix Slade befand und in dem Kataloge 
dieser Sammlung abgebildet ist.') Von diesem bis zu einem 
Römer ist der Weg in der That nicht weit. Aber auch die 
anderen venetianischen Weinkelche scheinen zu dem Römer in 

') Catalogue of the CoUection of glass fonned by Feta Slade 1871, 
PL XU. 



— S6 — 

naher Verwandtschaft zu stehen, indem sie sich wesentlich von 
ihm nur dadurch unterscheiden, dass sie einen geöffneten Blüthen- 
kelch in ihrer Schale nachahmen, während am Römer in seiner 
vollendeten Gestalt eine geöffnete Beere zum Ausdruck kommt. 
Dieser letztere Gedanke, so einfach er an sich ist, ist doch von 
eminent künstlerischer Bedeutung, wenn man sich desselben im 
i6. Jahrhundert vielleicht auch nicht bewusst war. Es lässt sich 
keine schönere Trinkgefassform für unseren Rheinwein finden als 
der Römer ist. Nicht derb und nicht überzierlich, hält er eine 




Fig. 8. 

goldene Mitte inne und seine gerundete Form, welche etwas mehr 
fassen kann als ein aufgeschlossener Blumenkelch, deutet an, dass 
man seinen Inhalt, wenn auch massig geniessen soll, doch nicht 
bloss zu schlürfen braucht. 

Wenn nun aber der Römer in den Kelchgläsern der Vene- 
tianer auch Vorbilder hatte, denen er im Laufe der Zeit sichtlich 
nachgestrebt hat, so ist er doch von einer ganz anderen Gefäss- 
form ausgegangen. Seine Urform war, wie bereits in der Ein- 
leitung gesagt wurde, ein cylindrisches Glas, das sich nur allmählig 



- 87 - 

ZU der herrlichen Form entwickelte. Die nächste Veränderung, 
welche an dem Cylinder vorgenommen wurde , tiestand darin, 
dass ungefähr in der halben Höhe desselben ein Reifchen henim- 
gelegt wurde, um die ungegliederte Fläche etwas zu beleben. 
Der damaligen Mode Rechnung tragend, setzte man sodann unter- 
halb des Reifchens mehrere Knöpfe oder Steine an, wodurch der 
Gegensatz zwischen der oberen und unteren Hälfte bereits etwas 
stärker hervortrat {Fig. 6). Dieser wurde noch grösser, als die 
untere Hälfte in Folge des herurogelegten Reifchens allmählig sich 



Fig. 9. 

einzuziehen anfing, während die obere über das Band heraus- 
quoll (Fig. 7).') Auf diese Weise entstand vom Bändchen auf- 
wärts eine breitere Schale und unterhalb des Bändchens eine Art 
Fuss, der aber noch immer Inhalt fasste. Von dieser Gattung 
sind auch mehrere Riesenröraer im germanischen Nationalmuseum, 
Wie an fast alle altdeutschen Gläser legte man alsbald auch an 
dieses ein Bodenreiflein an und stach den Boden etwas ein 

') Ans: Apieiger fiir Kunde der deutscher Vorieit. Orgao des germa- 
niscben Museums, 1S79, ä. 35. 



{Fig. 8). Dieses' Bodenreiflein wurde zunächst mit dem Zwack- 
eisen gekniffen, erhielt aber alsbald eine grössere Bedeutung und 
wurde schliesslich zum eigentlichen Fusse und gesponnen, wozu 
vielleicht die Goldschmiedekunst, welche die Römer anfangs mon- 
tirtc, den Anlass und das Motiv gegeben hat. Der frühere Fuss 
wurde in Folge dessen kurier und sank zu einem blossen Ver- 
mittlungsgliede zwischen der Schale und dem gesponnenen Fusse 
herab, fasste aber immer noch Inhalt {Fig. 9). Zuletzt hörte auch 
dies auf; das Mittelglied wurde ein Stück fUr sich, das zwar hohl 



Fig. 10. 

blieb, aber wie gegen unten, so auch nach oben hin abgeschlossen 
war: es war nur mehr ein Kölbchen, von dem aus das Spinnen 
des Fiisses begonnen wurde, während die Schale für sich gemacht 
und erst dem vollendeten Fusse aufgesetzt wurde. (Fig. 10.) 

Dieser Entwicklung des Römers blieb man sich bis zum 
Anfang unseres Jahrhunderts bewusst. An allen allen Römern 
findet sich das Bändchen mit gekniffenen Ornamenten da, wo der 
Kelch beginnt, um diesen nochmals fest zusammenzuschnüren, 
bevor er sich erweitert. Nie fehlt femer das Mittelstück zwischen 



Fus3 und Kelch, gleichviel ob es zum Kelche gehört oder selbst- 
sländig als Bindeglied auftritt (Fig. ii). Erst am Beginoe unseres 
Jahrhunderts geht dieses MittelstUck vollständig verloren, so dass 
Kelch undFuss unmittelbar aneinander rücken, was sich ungefähr so 
ausnimmt, als wenn man auf die menschlichen Beine unmittelbar 
den Kopf setzen würde. Gegenwärtig kehrt man jedoch zu der 
firttheren edlen Form zurück und vergisst auf dem MittelstUcke 
auch der Traubennuppen nicht, welche die Bestimmung des Glases 
zum Weingenusse sinnbilden mögen. 

Graviningen finden sich auf den alten Römern nur höchst 
selten aus dem einfachen Grunde, weil die Römer zum weitaus 



Fig. II. 

grössten Theile aus farbigem,"hellgrünem oder braungoldenem 
Glase bestanden, während die Gravirung sich mehr an farblos 
durchsichtigem Glase zu bethätigen pflegt. Von den zwei gra- 
virten Römern der Mustersammlung des Bayrischen Gewerbe- 
museums ist der eine (Fig. 8) weiss, der andere {Fig. 9) so hell- 
grün, dass er beinahe weiss genannt werden kann. 

Für die Fabrikation ist es von grossem Interesse zu sehen, 
wie unsere Vorfahren den Fuss des Römers gesponnen haben. 
Selbstverständlich hatten sie dazu einen Kern aus Holz oder viel- 
mehr aus Eisen, über welchen sie denselben von oben nach unten 
spannen, und zwar begann dieses Spinnen vom Mittelsttick aus. 



— 90 — 

d. h. man spann den Fuss nicht selbständig, um ihn dann an 
das Mittelstück anzusetzen, sondern derselbe wurde gleich an das 
Mittelstück angesponnen. Der Inhalt fassende Theil wurde zuvor 
fertig gestellt bis zum Abschneiden und Auftreiben; dieser Theil 
wurde sodann mit seinem unteren Ende an das obere Ende des 
Kernes gehalten und hierauf das Spinnen in der Weise begonnen, 
dass man, wie Fig. 9 und 10 zeigen, den Faden noch auf das 
Mittelstück selbst auftropfen Hess. Bestand das Mittelstück für 
sich, dann spann man den Fuss an dieses an und setzte hierauf 
das Ganze an den Kelch. In unserem Jahrhundert hat man den 
Fuss, statt ihn zu spinnen, in der Regel zuerst geblasen nnd dann 
bloss übersponnen, so dass derselbe also nicht mehr bloss aus 
einem spirallaufenden, sich eng aneinander schliessenden Faden 
besteht, sondern zunächst aus einer Glasschichte, welche die Unter- 
lage für den Faden bildet, der somit nur mehr Decoration ist. 
Dass dadurch der Fuss seine Elasticität vollständig eingebüsst hat, 
braucht kaum gesagt zu werden. Das Gleiche gilt von dem ge- 
gossenen Fusse, an welchem ohnehin der spirale Faden an den 
Formnähten unterbrochen erscheint. 

Was das Alter der Römer anbelangt, so gehören im Allge- 
meinen diejenigen, welche noch keinen gesponnenen Fuss haben, 
in denen also der Inhalt bis zum Boden hinabgeht, der 2. Hälfte 
des 16. Jahrhunderts an. Diejenigen Römer dagegen, welche 
bereits einen gesponnenen Fuss haben, an denen aber das Mittel- 
stück noch zum Kelche gehört und somit Inhalt fasst, müssen im 
Ganzen und Grossen dem 17. Jahrhundert zugeschrieben werden. 
Dem 18. Jahrhundert endlich gehören jene Römer an, an welchen 
das Mittelstück selbständig auftritt. Alle diese Stadien der Ent- 
wicklung sind an den beigegebenen Abbildungen deutlich zu er- 
sehen. Es wäre zu wünschen, dass die Glasfabrikanten sich an 
denselben ein Muster nehmen und die stilwidrigen Gebilde, welche 
zum Hohne der edelsten Gefässform, die es gibt, täglich entstehen, 
endlich vollständig verbannen möchten. Diese Verbannung wäre 
namentlich jenen Römergläsern zu wünschen, welche aus einem rosa- 
farbigen Kelche auf milchweissem Fusse, das Stilloseste, was es 
geben kann, bestehen. 



— 91 — 

2, Angster und Kutrolf. 

Der Name Ängste r bezeichnet nach Schmeller ^ ) eine hohe, 
enghalsige Trinkflasche; er stammt von dem mittellateinischen 
»angustrum<, lateinisch >angustus< (enge), und ist gleichbedeu- 
tend mit dem florentinischen >anguistara< oder »inguistara«. Die 
Bezeichnung trägt also lediglich der engen Ausgussröhre Rech- 
nung, heisst wörtlich: >ein Trinkgefass mit engem Halse. < Nach 
Grimm kommt der Ausdruck »Angster« zum* ersten Male im 
Kaufbeur. Inventar vom Jahre 1480 vor. Erwähnt wird diese 
Trinkflasche sodann in der Autobiographie des im Jahre 1499 zu 
Grenchen im Kanton Solothum geborenen Thomas Platter 2), wel- 
cher erzählt, dass er um das Jahr 1528 sich ein Fässlein Wein 
heimgethan habe, den er und seine Frau aus einem Angster und 
später aus einem Stiefel getrunken haben. Aus seinen Worten, 
dass in den Stiefel ein wenig mehr gegangen sei als in den 
Angster, ist ersichtlich, dass der letztere von nur massigem Um- 
fange gewesen sein muss. Dass der Hals dieser Trinkflasche 
sehr enge war, sagt uns femer indirect eine Stelle in Johannes 
Agricola's Sprüchwörtem^), in der es heisst: >Wer zu eilend in 
einn Angster schenkt, der schütt mehr darneben denn drein.« 
Grimmas Wörterbuch führt noch verschiedene andere Stellen an, 
in denen des Angsters gedacht wird. Mathesius, den ich schon 
oftmals genannt habe, rechnet in seiner Predigt > vom Glasmachen« 
den Angster zu den älteren deutschen Trinkgläsern; zugleich 
erzählt uns dieser Autor, dass um die Mitte des 16. Jahrhunderts 
der Hals des Angsters häufig bereits aus mehreren Röhrchen be- 
stand. >Wenn er« (der Glasmacher), sagt nämlich unser Pfarrer, 
> Angster mit zwey fachen rörlein machet, so zeucht er den ödem 
an sich, darnach schwenkt er's an der pfeife und gibt ihm seine 
Länge. Alsdann fasset er an sein bindeysen auch ein pelle oder 



li 79« — Vgl. Weigand, Deutsches Wörterbuch, I, S. 54. -—Ja- 
kob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. I. 

2) Thomas Platter und Felix Platter, zwei Autobiographien. Heraus- 
gegeben von Dr. A. Fechter. Basel 1840, S. 68. 

•^) Frankfurt a. M., Egenolph's Erben 1570. 



— 92 — 

klumpen glas und leget bodenreiflein, stein und knöpff ans glas. « 
Einen ähnlichen Hals von mehreren gewundenen Röhrchen scheint 
auch Fischart*) im Auge zu haben, wenn er sagt: »Tringt ein- 
ander mit Krausen, vil krummer Angster bringt her, die kehret 
umb und machet sie lähr. < Die späteste Erwähnung des Angsters 
findet sich nach Wilh. Seibt*) in >Paul Jakob Marperger's . . . 
vollständigem Küch- und Kellerdiclionairumc *) Damals war 
aber die eigentliche Bedeutung des Namens > Angster« schon ver- 
loren gegangen \ denn Marperger erklärt ihn daraus , dass die 
betreffenden Gefässe »offt manchen, der sie voll eingeschenkt 
austrinken soll, Angst genug machen«. Unsere Antiquitätenhändler 
wussten bis vor Kurzem weder Zweck noch Namen des Angsters 
und nannten ihn daher wegen seiner zwiebelähnlichen Gestalt 
»Zwiebelglas«, ja die Venetianer verkaufen ihre modernen Nach- 
bildungen desselben als > Tulpengläser«. 

Was nun die Form des Angsters anbelangt, so gleicht der 
Bauch einer unten etwas platt gedrückten Kugel, hat also Aehn- 
lichkeit mit einer Zwiebel. Seit der Mitte des i6. Jahrhunderts 
wurde nach Mathesius an diese Kugel unten als Fuss ein Boden- 
reiflein angelegt; an sich nothwendig aber war dasselbe nicht, da 
der Angster, wenn seine Kugelform unten platt gedrückt und 
etwas eingestochen war, auch ohne Bodenreiflein stehen konnte. 
Für die Altersbestimmung eines Angsters ist indess das Boden- 
reiflein von Wichtigkeit: diejenigen Angster, an denen dasselbe 
fehlt, gehören im Allgemeinen der Zeit vor der Mitte des i6. 
Jährhunderts an; denn seit der Mitte dieses Jahrhunderts legte 
man, wie an alle übrigen Gefässe, so auch an die Angster Boden- 
reiflein an. 

Von dem kugelförmigen Bauche nun geht ein enger Hals 
in die Höhe, welcher in eine Trinkschale, später häufig in einen 
Römerkelch oder dergleichen mündet. Manchmal besteht der 
Hals aus zwei, drei und mehr, zuweilen sogar aus sechs in 
einander gewundenen Aussgussröhren. Da man aus den Angstem 



1) Geschichtklitterung. Neudruck von Scheible, S. 80. ^) a. a. O. 

3) Hamburg, Benjamin Schiller's seel. Wittwe. Anno 17 16, S. 425. 



— 93 — 

feinen Wein trank, hatte der enge Hals ursprünglich den Zweck 
das zu schnelle Verdunsten der Weinblume zu verhindern. Später 
jedoch, namentlich seit dem ausgehenden l6. Jahrhundert, wurde 
der Angster ein reines Vexirglas und es war eine Kunst und ver- 
ursachte > übersichtige Augen«, durch die verschiedenen in einan- 
dergeflochtenen Halsröhren den Wein in die Schale herauf zu be- 
kommen, zumal wenn diese Schale sich seitwärts nach dem Fusse 
zurücksenkte. 



Ein dem Angster ganz ähnliches Trinkglas war der Kutrolf 
(Gutterer, Kutter, Kiittorf, Kutrof). Georg Hennisch setzt in sei- 
nem Wörterbuche*) beide, den Angster und Kutrolf, als gleich- 
bedeutend und nennt sie >ein Glas mit einem dicken Bauch und 
engen Hals<. Auch Johann Rädlein ^) erklärt den einen Ausdruck 
durch den andern und hebt als charakteristische Eigenschaft beider 
Gläser den engen Hals hervor. Unter diesen Umständen ist es 
für' uns schwer, den Unterschied zwischen den zwei in Rede ste- 
henden Trinkflaschen, falls überhaupt einer bestand, zu erfassen. 
Fischart wirft in seiner >Geschichtklitterung<3) zwar einmal die 
Frage auf, was für ein Unterschied sei »zwischen Flasche, Ang- 
ster und Gutterufc; aber obwohl er > grosse c Verschiedenheiten 
findet, ist seine Erklärung doch zu wenig bestimmt, um sofort die 
richtige Vorstellung zu geben. Deutlich sind seine Worte nur in 
Bezug auf die Flasche, welche als »enggeseckelmeulet am Mund- 
port c bezeichnet wird. Die Flasche unterschied sich demnach von 
den Angstem und Kutrolfen dadurch, dass sie sich an der Mün- 
dung nicht zu einer Trinkschale erweiterte, sondern dort am eng- 
sten oder wenigstens sehr enge war. Von dem Gutteruf ferner 
sagt Fischart, dass er »enggeseckelmeulet am weydengewundenen 
Kranchshalssc sei. Dieser Kranzhals kann schwerlich etwas Ande- 



1) Teutscbe Sprach und Weisheit Thesaurus linguae et sapientiae ger- 
manicae. Pars prima. Augsburg, 1616: Gutterer. Citirt von Seibt, a. a. O. 

2) Europäischer Sprachschatz oder Wörterbuch der vornehmsten Sprachen 
in Europa. 3 Theile. Leipzig 171 1: Kutter. Citirt von Seibt, a. a. D. 

3) S. 176 (Neudruck von Scheible). 



— 94 — 

res sein als jenes Geflechte, jenes gekniffene Bändchen, welches 
sich an verschiedenen erhaltenen Trinkflaschen dort um den Hals 
legt, wo die Röhren aus dem Bauche sich erheben. An dieser Stelle 
war nach Fischart der Gutteruf oderKutrolf »enggeseckelneulet«. 
Er unterschied sich dadurch von der Flasche, deren Bauch nur 
allmählig in den Hals überging und die oben am engsten wurde, 
während der Hals des Kutrolf umgekehrt unten zusammengezogen 
war und sich oben in einen Kelch oder eine Trinkschale erwei- 
terte. Wodurch sich aber der Kutrolf vom Angster unterscheidet, 
wird aus Fischart nicht recht klar*, denn dieser sagt vom Angster 
nur, dass man aus ihm den Wein »mit engen Ängsten, wie die 
Balbierer ihr Spicanarden und Roswasser herausängstigen c musste. 
Wilhelm Seibt vermuthete, gestützt auf diese Stelle, >dass der 
Angster einen aus einer einzigen engeli und krummgebogenen 
Ausgussröhre bestehenden Hals hat, während der Hals des Kutrolfs 
gleich einem Weidengeflecht aus mehreren Röhren zusammengedreht 
ist<. Allein diese Vermutung ist nicht stichhaltig, da, wie wir be- 
reits gehört, Mathesius ausdrücklich von Ängstem >mit zweifachen 
Röhrlein < spricht. Ausserdem ist es wahrscheinlich, dass Fischart 
unter > weidengewundenem Kranzhals < nicht den aus Röhren besteh- 
enden Hals selbst gemeint hat, sondern wie wir gehört, das Ge- 
flecht, das sich da um den Hals legt, wo derselbe beginnt. Ich 
dachte früher, dass man Ängster diejenigen Trinkflaschen genannt 
habe, welche einen geraden Hals und eine horizontal stehende 
Schale gehabt haben, Kutrolf dagegen diejenigen, deren Hals ge- 
krümmt und deren Trinkschale gegen den Fuss zurückgeneigt war. 
Aber spräche dafür auch der Umstand, dass Mathesius in seiner 
Beschreibung der Herstellung des Angsters vop einem Krümmen 
der Röhrlein nichts erwähnt, so wird diese Vermuthung doch 
gleich wieder durch die bereits oben angeführte Stelle Fischart's 
widerlegt, welche ausdrücklich von > krummen Ängstern < spricht. 
Da man nach Fischart die krummen Ängster eigens umwenden 
musste, wenn man sie austrinken wollte, scheint das Verhältniss 
eher umgekehrt gewesen zu sein und der Kutrolf einen geraden 
Hals und eine horizontal stehende Schale gehabt zu haben, oder 
es bestand der einzige Unterschied zwischen den beiden Trink- 



— 95 — 

flaschen darin, dass der KutroU einen weidengewundenen Kranz- 
hals«, d. h. ein Geflecht um den Hals hatte da, wo derselbe be- 
gann der Angster aber nicht. Doch wie dem auch sei, im Grossen 
und Ganzen waren Angster und Kutrolf gleich. 

Herr Seiht ftihrt zum Schlüsse seiner Erörterung Über den 
Angsler und Kuterolf noch mehrere Holzschnitte und Handzeich- 
nuQgen an, auf welchen sich Abbildungen unserer Trinkflaschen 
finden. In Fig. 4 sind ebenfalls einige einfache Ängster in einem 
Behälter unten rechts zu sehen. Erhalten sind von . diesen alt- 
deutschen Vexirgläsem nicht gerade viele. Das germanische Natio- 



Fig. 12. 

nalmuseum in Nürnberg bewahrt ihrer drei mit schiefstehenden 
Trinkschalen und in der Mustersammlung des Bayrischen Gewerbe- 
museums befinden sich deren zwei. Von diesen ist das eine unbe- 
dingt eines der interessantesten und stammt zweifellos noch aus 
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Fig. 12), denn es hat 
weder ein Bodenreiflein noch angelegte Knöpfe und Steine, noch 
zweifache Röhrlein, sondern ist von ursprünglicher Einfachheit, so 
dass man es im Grunde genommen noch nicht als Vexirglas be- 
zeichnen darf. Das andere (Fig. 13) hat bereits eine schiefstehende 
Trinkschale und einen aus mehreren (5) Röhren zusammengefloch- 
tenen Hals nebst Bodenreiflein. 



- 96 - 

Hieher gehören auch mehrere Gläser, welche in dem >Cata- 
logue of the collection of glass formed by Felix Sl3ule< abgebildet 
sind. Sie werden dort als >bouquet!ers<, als Blumenvasen be- 
zeichnet, was jedoch unrichtig ist ; denn die schiefstehenden, ja 
vertilud gestellten Mundstücke dieser >Trinkflaschen< wären zu 
diesem Zwecke durchaus nicht geeignet gewesen. Kurz, es sind 
Ängster, wie wir sie bisher gesehen haben. Der interessanteste 
darunter ist jener in Gestalt einer Giraffe ohne Kopf, welche auf 
einer mit einem geluiiffenen Bändchen als Fuss versehenen Kugel 
steht. Der lange Hals ist spiralisch gerifil und die senkrecht ste- 



Fig. 13- 

hende Trinkschale hat nach oben eine Schnauze'). Eine zweite 
dieser Trinkflaschen*) hat einen schlanken graziösen Körper, wel- 
cher nach oben und unten in auf einander folgenden Wellen sich 
zuspitzt. Die mittelste dieser Wellen ist am breitesten ; an ihr be- 
finden sich zwei kleine Flügel aus blauem Glase. Der Fuss mit 
seiner flachen Bodenscheibe ist angesetzt. Das nach oben mit 



') 1- =■ P- 96, Nr. saa; abg. unter Fig. 134, p, 97, 
*) Al^b. unter Fig. 155, p, 97; Tejtt Nr. sa3, p. 96. 



— 97 — 

einer Schnauze versehene Mundstück ist senkrecht gestellt und das 
Ganze vertikal gerieft. Eine dritte hieher gehörige Trinkflasche 
hat einen spiral gerieften Kugelbauch, dessen Rippen sich in den 
schlanken Hals hinaufziehen, und einen eigenen Fuss. Das senk- 
recht stehende Mundstück hat nach oben ebenfalls eine Schnauze^). 
Sind diese Ängster venetianischen Ursprungs? Der erste, welcher 
eine Giraffe darstellt, scheint allerdings aus Venedig zu stammen. 
Allein es ist ebenso ^ gut möglich, dass alle drei von Italienern, 
welche sich im Norden angesiedelt hatten, nach deutschen Vor- 
bildern, aber mit etwas mehr Phantasie gemacht worden sind; 
denn im Allgemeinen muss der Angster als deutsche Gefassform 
betrachtet werden. 

3. Spechter. 

Ausser dem Römer und Angster gab es im 16. und in den 
folgenden Jahrhunderten noch eine grosse Menge anders geformter 
Trinkgläser. Ihre Zahl war so bedeutend, dass Mathesius an eine 
Aufzählung gar nicht denken mochte. >Wer kann aber<, sagte er, 
>allerley gattung und form der gleser erzelen? Die alten hatten 
ire hohen spechter, krautstrünck, engster, piergleser, teubelein, brü. 
derlein und feine kleine trinkgleserlein, alss da man die frischen 
Eppener etwan zu München auss pfleget zu trinken. Vor wenig 
Jarn hat sichs alles mit trinkgeschirm verkeret, wie zwar auch 
schier ein yeder seinem gefass ein sondern namen erdichtet«. 

Es ist sehr schwierig jedes der in dieser Stelle genannten 
Gefässe genau zu deflniren, da ältere Beschreibungen von ihnen 
fehlen. Mathesius selbst geht, abgesehen von dem bereits beschrie- 
benen Angster nur auf die Spechter etwas näher ein. Zu seiner 
Zeit und schon früher, sagt er, habe man >gar glatte, reyne und 
hohe und enge grüne spechter am Spessart gemachet, da gar kein 
ringel oder steyn an gewesen, one das etliche solche gleser gleich 
ir schattirung rauten oder Spiegel haben in einer eignen form be- 
kommen«. Diese Stelle ist von grosser Wichtigkeit. Wir erfahren 



•) Abgeb. unter Fig. 156, p. 97; Text p. 96, Nr. 523. 

7 



- 98 - 

durch sie, dass die Spechter in ihrer besseren Qualität um die 
Mitte des 1 6. Jahrhunderts imSpessart gemacht wurden. Vielleicht 
erklärt sich hiedurch auch der Name Spechter, welcher sich aus 
>Spessarter< Waare entwickelt haben mag. Die Spechter nun 
waren hoch und eng, zumeist aus grünem Glase; Ringlein oder 
Steine wurden an sie in der Regel nicht angesetzt, dagegen wur- 
den sie häufig ih Formen geblasen und erhielten so, ohne dass 
sie geschliffen oder Knöpfe an sie angesetzt . zu werden brauchten, 
ihre Schattirung oder Gliederung durch Rauten oder Spiegel. Was 
Mathesius unter dem letzten Worte versteht, geht aus einer andern 
Stelle hervor, in der es heisst: > Etliche haben auch ire form, dar- 
ein sie die glass stossen, dass sie striemicht und spieglicht werden«. 

Diese Form ist ein noch heutzutage vielgebrauchter eiserner 
Model, dessen Inneres aus scharfen, ziemlich weit vorstehenden 
vertikalen Rippen besteht. In diese Form hält man die an die 
Pfeife genommene, flüssige Glasmasse und bläst scharf hinein, dass 
sich die Form gut ausprägt, zieht die Pfeife etwas in die Höhe 
und stösst sie wieder nieder, was Mathesius Alles genauestens 
beobachtet hat. Den auf diese Weise erhaltenen Cylinder bear- 
beitet man sodann zu einem beliebigen Glase, wobei man die 
Streifen entweder gerade laufen lässt oder in spirale Richtung 
bringt. Die so gestreiften Gläser nun nennt Mathesius wegen der 
Lichtreflexe auf den gebrochenen Flächen spieglicht. In diesem 
Sinne ist auch das Wort Spiegel, das er in Bezug auf die in 
Formen geblasenen Spechter gebraucht, zu verstehen. Die Spechter 
hatten demnach häufig eiaen gerieften Körper gleich der Schale 
einer Melone oder ein Rautenornament und diese Spechter waren 
so trefflich gearbeitet, dass sie Mathesius den Venetianerarbeiten 
an die Seite stellt. 

Man ist nur zu gerne geneigt, die halbwegs hübschen Gläser, 
namentlich wenn sie leicht von Gewicht sind, auf venetianischen 
Ursprung zurückzuführen. Die eben angeführte Stelle aus Mathe- 
sius mahnt uns zur Vorsicht in dieser Beziehung, besonders wenn 
es sich um Gläser handelt, die in einen gestreiften, rautenförmig 
oder sonstwie gemusterten Model geblasen wurden. Rautenmuster 
haben wir bisher nur eines gesehen und zwar an einem sehr frühen 



- 99 — 

Römer (Fig. 7); geriefte Gläser dagegen befanden sich anter den 
bisher abgebildeten bereits mehrere ; unter anderen waren die bei- 
den Ängster (Fig. 12 u, 13) gestreift und trotzdem oder viel- 
mehr eben deswegen deutsche Arbeiten, wie ich überhaupt, im 
Gegensatze zu Herrn Seibt, glaube, dass die Angster grössten- 
theils deutschen Ursprungs sind, so zart und hübsch die Arbeit 
daran auch sein mag. In diesen gestreiften und mit Rautenmustern 
versehenen Sachen nun waren die Spessarter Glasmacher Meister. 
Auf sie darf man daher das Meiste, was von besserer Arbeit dieser 
Art aus dem 16. Jahrhundert erhalten ist, zurückfuhren. 

Doch um wieder auf die Spechter zurückzukommen , so 
scheinen sich ihrer ziemlich viele erhalten zu haben; aber man 
hat dieselben bisher unter den altdeutschen Gläsern nicht erkannt. 
Durch die oben angeführte Stelle des Mathesius wissen wir nun, 
dass die Spechter hoch und eng waren. Hohe und enge Trink- 
gläser gibt es aber unter den erhaltenen altdeutschen nur zwei 
und auch diese sind in der Form vollständig gleich, nur gehen 
um den Mantel des einen gleichweit von einander entfernte Ringe, 
welche dem andern fehlen. Das erstere dieser beiden Gläser ist 
längst bekannt; es ist, wie wir später sehen werden, das soge- 
nannte Passglas. Auf das zweite passt der Name von keinem 
altdeutschen Glase, mit Ausnahme des Spechters; dasselbe muss 
folglich auch der Spechter sein. Dass^ dem wirklich so ist, wird 
durch ein derartiges Glas in der Mustersammlung des Bayrischen 
Gewerbemuseums zur Evidenz erhoben, da es der Beschreibung 
des Mathesius genauestens entspricht. Das betreffende Glas ist 
hoch und schlank und hat, wie die Passgläser, einen aus einer 
Kugel aufgetriebenen Fuss. Der Model, in den es geblasen wurde, 
hatte in seinem Innern Vertiefungen, welche von einer viereckigen 
Basis ausgingen. Auf dem Mantel des Glases erscheinen daher 
diese Vertiefungen als Erhöhungen, welche sich auf viereckiger 
Grundform erheben und nach oben hin sich etwas abstumpfen, 
wodurch sehr hübsche Lichtrefiexe oder »Spiegel« entstehen. Diese 
»spieglichten« Verzierungen, welche in langsam ansteigender spi- 
raler Linie den Mantel des Gefasses umgeben und in vertikaler 
Richtung durch gerade Linien getrennt sind und so eine Art 

7* 



Rautenmuster in Relief bilden, geben dem Ganzen hinlänglich 
genügende Schattirung. Der Rand oben ist ungefähr 20 cm breit 
glatt gelassen; der Fuss ist gerade gerippt und sein Rand ist 
ziemlich weit aufgetrieben: kurz es ist ein im Spessart geroachter 
Spechter, genau so, wie derselbe von Mathesius beschrieben wird 
(Fig. 14). Dieser hier abbildlich miigetheilte Spechter rechtfertigt 
in der That das Lob, welches unser Pfarrer den Spessarter Glas- 
machern spendet. Freilich war es denselben nicht lange ver- 
gönnt, ihre Geschicklichkeit und ihren Kunstsinn frei zu bethä- 



Fig. 14. 

tigen ; sie mussten alsbald dem Geschmack von Land und Leuten 
Rechnung tragen. »Es hat sich*, sagt Mathesius bedauernd, >die 
kunst endtlich müssen nach dem Lande richten ; daher man aller- 
ley knöptr, steyn und ringlein an die gleser gesetzet, damit 
die gleser etwas fester und besteodiger und von vollen und 
ungeschickten leuten dest leichter köndten inn feusten behalten 
werden; daher die starken knortzigten und knöpRchten gleser 
inn brauch kommen sein«. Diesem Brauche mussten sich deutsche 



— lOI — 

seitdem auch die »schönen und glatten c Spechter fügen. Es sind 
daher die oft dunkelgrünen hohen cylindrischen Gläser mit ange- 
schmelzten Knöpfen und Buckeln keine Passgläser, wie Albert 
Ilg meint ^), da ihnen eben die Pässe fehlen, sondern zweifellos 
Spechter. Allerdings in der Form gleichen diese, wie bereits 

I 

gesagt, genau den Passgläsern; sie haben denselben aus einer 
Kugel aufgetriebenen Fuss, sind cylindrisch, hoch und schlank» 
Wegen des Mangels der Pässe aber können sie keine Passgläser 
sein, sondern nur Spechter. 

Trotz der Mode, an alle Gläser Knöpfe anzusetzen, gab es 
aber noch lange Zeit hindurch ganz glatte Spechter. An diesen 
wurde dann, um die ungegliederte Fläche einigermassen zu be- 
leben, Emailmalerei angewendet. Die Mustersammlung des Bay- 
rischen Gewerbemuseums besitzt fiinf derartiger, mit Wappen u. 
dgl. bemalter Spechter; einer derselben stammt aus dem Jahre 
1693 und zwar aus der »Hoff kellerey Dresden« ; ein zweiter trägt 
die frühe Jahreszahl 1594. Um andere Spechter wurde ein 
spirallaufender Faden mit gekniffenen Ornamenten gelegt, wieder 
andere endlich sind über den ganzen Mantel hin mittels der 
Diamantspitze mit Rankenwerk geschmückt, welches Köpfe und 
Figuren einschliesst. Die zwei schönsten Spechter, die ich kenne, 
sind jene zwei im Katalog der Slade'schen Glassammlung (Plate 
XXII) abgebildeten. Sie sind in Form, Farbe, Decoration und 
Grösse vollkommen gleich. Um jeden läuft oben und unten ein 
ziemlich breites Goldband; das obere ist beide Male zu einem 
Schuppenomamente ausgekratzt und jede Schuppe mit einem 
blauen Tupfen versehen. Auf der Vorderseite des einen Glases 
steht auf einer leicht angedeuteten grünen Landschaft ein Mann, 
welcher zwei blaue Blümchen in der Hand hält. Auf der Rück- 
seite befindet sich ein Allianzwappen und darüber die Worte: 
Jacob Braun. Das rechte der beiden Wappen ist in der That 
jenes des Jacob Braun von Nürnberg. Auf dem zweiten ist auf 
der Vorderseite von demselben Maler Jacob Braun's Frau darge- 
stellt*, sie hält in der Linken ein zierliches rothes Blümchen, 



^) Lübmeyr, a. a, ü., S. 109. 



— I02 — 

während sie selbst etwas dick gerathen ist. Auf der Rückseite 
befinden sich die gleichen Wappen wie vorhin. Die Füsse dieser 
beiden zusammengehörigen Gläser sind, wie bei allen Spechtem, 
aus einer Kugel aufgetrieben. In dem genannten Kataloge wer- 
den diese zweifellosen Spechter irrthümlich als >Wiederkom€ 
(Willkommen) aufgeführt. 

In der späteren Zeit hat man den aus einer Kugel aufge- 
triebenen Fuss fortgelassen und dafiir entweder ein Boden reiflein 
angelegt oder aus der an die Pfeife gefassten Glasmasse einen 
Fuss ausgeschieden. Der Körper wurde dann in der Regel mit 
Steinen oder Knöpfen dicht besetzt. Es dürfen also Gläser, wie 
das in dem vorhin genannten Kataloge ^ ) abgebildete, in ideellen 
Zusammenhang mit den Spechtem gebracht werden, selbst wenn 
sie diesen Namen nicht mehr getragen haben sollten. 



4. Passglas. 

Ein sehr häufig vorkommendes altdeutsches Trinkgefäss ist 
das Passglas. Dasselbe hatte eine hohe cylindrische Gestalt und 
einen einfachen, aus einer Kugel aufgetriebenen Fuss. Die Man- 
telfläche des Glases ist durch parallele horizontale Ringe oder 
auch bloss durch gleichweit von einander abstehende Ziffern in 
verschiedene Zonen oder Pässe eingetheilt (Fig. 1 5). Diese Ein- 
theilung gab Anlass zu der Benennung. >Die Passgläser <, sagt 
W. Seibt, »stammen ursprünglich aus den Niederlanden. Sie 
haben zuweilen inwendig einen senkrechten Masstab, viel häufiger 
aber, aussen um den Cylinder laufend, gleichweit von einander 
angebrachte Reife als Mass; denn schon mittelniederdeutsch ist 
das ,pas* soviel als Mass.c Aus diesem Grunde ist es unrichtig, 
wenn Dr. Albert Ilg sagt, dass das Passglas oft nichts als ein 
dunkelgrüner hoher > Cylinder mit aufgeschmelzten Knöpfen oder 
Buckeln f sei. Wenn die Pässe fehlen, ist. das Glas eben kein 



^) p. 148. Fig. 244: Cylindrisches Glas aus bläulich grüner Masse mit 
etwas vertretendem Boden und oben ausgebogenem Mundstück. Der ganze Kör- 
per ist über und über mit spitzigen Steinen besetzt. 



— I03 — 

Passglass mehr, sondern , wie wir bereits gesehen haben , ein 
Spechter. Der Zweck der Pässe wird durch folgende Inschrift, 
welche sich auf einem Passglass des 17. Jahrhunderts im öster- 
reichischen Museum befindet und die Dr. Albert Ilg mittheilt*), 
am besten erläutert: 

»Vivat. In gesundheit anser AUer Inssgemein 

Sollen die Päss ausgetrunken Sein 

War aber Seinen Pass nicht dreffen kan 

Der Soll den andern gleich auch-hahn. 

Nun So will Ich Sehen zu 

Dass Ich den Pass bescheidt auch thu 

Wie Es mein nachbar hadt gemacht. 

Da, hien will Ich auch Sein bedacht. Vivat.* 

Man muss sich nämlich vorstellen, dass das Passglas im 
Kreise der Zecher herumging oder auch, dass jeder sein eigenes 
Passglas hatte. Beim Trinken nun musste jeder genau den Inhalt 
innerhalb zweier Ringe leeren; gelang dies einem nicht, dann 
musste er zur Strafe gleich bis zum nächsten Ringe weiter trinken 
u. s. f. Diese Sitte hat sich in etwas veränderter und derber 
gewordenen Form bis auf den heutigen Tag, namentlich in Stu- 
dentenkreisen erhalten. Statt eines massig grossen Passes trinkt 
man sich jetzt einen Schoppen, ein Seidel, eine ganze Mass zu 
und ruinirt auf diese Weise seine Gesundheit. Von diesem Ge- 
sichtspunkte aus könnte die Wiedereinführung der Passgläser nur 
freudigst begrüsst werden. Mathematisch geschulte Köpfe würden 
sofort auch herausbringen, dass das Treffen eines Passes gar keine 
Schwierigkeit bietet. Da das Passglas cylindrisch ist, braucht 
man nur solange zu trinken, bis die Flüssigkeit die Diagonale 
vom I. bis zum 3. oder vom 2. bis zum 4. Passe bildet. 

Die Ringe nun sind gewöhnlich aufgemalt; doch gibt es 
auch Passgläser, an denen sie aus herumgelegten Glasßlden be- 
stehen. Zwei Beispiele der letzteren Art, an denen die Pässe 
durch gekniffene Bänder gebildet werden, besitzt das Bayrische 
Gewerbemuseum. An einem anderen Glase desselben Museums, 
welches aus dem Jahre 1696 stammt und mit dem kursächsischen 



*) Lo^Dmeyr, a. a. O., S. 109. 



— I04 — 

Wappen geschmflckt ist, sind die Pässe nicht durch Ringe, son- 
dern durch gleichweit von einander entfernte Ziffern bezeichnet. 
Sehr häufig ist zwischen dem i. und 3. Ringe irgend ein Karten- 
brief angebracht. So zeigt das abbildlich mitgetheilte Passglas 
einen Eichelunter, Über welchem steht: >Ich steche Dich.< Auf 
einem anderen Fassglase in der Mustersammlung des Bayrischen 
Gewerbemuseums nimmt dieselbe Stelle ein Grasunter ein, über 
welchem zu lesen ist: >Ich filrcht mich nicht.« 

Auch das Passglas hat in späterer Zeit den aus einer Kugel ' 
aufgetriebenen Fuss verloren, wie der Spechter. Eines der inte- 



Fig. 15. 

ressantesten Stttclce dieser Art ist ein Fassglas, welches zur Ver- 
herrlichung der Taufe des bayerischen Kronprinzen Maximilian 
Emanuel Ludwig Maria Joseph 1662 hergestellt worden ist. Das- 
selbe ist in 5 Zonen getheilt, in denen ein feierlicher Aufzug vor 
sich geht. Darunter ist folgende Inschrift angebracht: >Churfürst- 
hch Bayrisches Frewden-Fest. Bey den vergangenen Tauff-Cere- 
monien des Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn Herrn Maximilian 
Emanuel Ludwig Maria Joseph. Im Jahr 1662.*') Die Dar- 



') Abgeb. indem CatalogueoriheCoIlection ofSiAde, fig. *39, pl. r, p. 143. 



— lOS — 

Stellungen sind gemalt, und zwar sind sie »en grissaillec gemalt, 
wie die Beschreibung sagt. Darunter ist jene Art der Gläser- 
bemalung verstanden, welche Johann Schaper eingeführt hat. 
Unser Passglas ist also ein sog. Schaperglas. 



5. Krautstrunk, Fass, Tümmler, Handtummler, Schale, 
Brüder lein, Bierglas, Krug, Kanne, Flasche, Humpen, 

Becher, Magellel, Cholchel u. A. 

Ueber den Krautstrunk, welchen Mathesius ebenfalls zu den 
älteren deutschen Trinkgläsern rechnet, habe ich bisher keine 
geschichtlichen Nachrichten auffinden können. Seine Bestimmung 
ist indess nicht schwer; denn ohne Zweifel war es die Aehnlich- 
keit mit einem natürlichen Krautstrunk, d. h. mit einem abge- 
blätterten Kohlstengel, welche diesem Trinkglas den Namen ge- 
geben hat. Unter den erhaltenen altdeutschen Gläsern gibt es 
nun keines, das auf diese Aehnlichkeit mehr Anspruch erheben 
könnte, als jene nicht eben seltenen, meist dunkelgrünen Becher, 
deren Form sich gegen den Fuss sowohl wie gegen die Mündung 
hin etwas einzieht, dass sie ungefähr einem stehenden, oben ge- 
öffneten Fässchen gleicht. Der Boden ist einfach platt gedrückt, 
die Wandung an den älteren Exemplaren ziemlich stark und mit 
Knöpfen oder Steinen besetzt, welche die Ansätze der Kraut, 
blätter andeuten mögen und daher in der späteren Zeit eine 
eigenthümliche Breite erhielten. Solcher Becher besitzt das Ger- 
manische Nationalmuseum in Nürnberg zwei, welche ohne Zweifel 
in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, wenn nicht noch weiter, 
zurückreichen. Sie sind von massiger Grösse und handlich zum 
Gebrauche und entsprechen so der Angabe des Mathesius, der 
den Krautstrunk in Gegensatz zu dem übermässig grossen Will- 
kommen setzt. 

In späterer Zeit wurden die Krautstrünke etwas leichter, 
mitunter sogar zierlich gebildet; sie erhielten zugleich ein in 
der Regel gekniffenes Bodenreiflein als Fuss und oben ein eigenes 
halbkugelförmiges Mundstück. (Fig. 16.) Dadurch wurde dem 



— io6 — 

Krautstnink das Schwerfällige benommen und ihm dafür eine ge- 
wisse schwungvolle Elastizität verliehen. Auch von dieser hübsche- 
ren Gattung besitzt das Germanische Nationalmuseum einige 
Beispiele.*) Ueberhaupt sind die Krautstriinke nicht selten und 
finden sich deren in jeder grösseren Sammlung. 

Der Form nach verwandt mit dem Krautstrunk ist das Fass, 
namentlich wenn dasselbe stehend gedacht ist. Der grösste Theil 
der Fässer ist indess liegend gebildet. Ein sehr hübsches Bei- 
spiel eines solchen Fasses von ziemlicher Grösse besitzt das 
Germanische Nationalm useum. Dasselbe stammt wohl aus dem 



Fig. 16. 

17. Jahrhundert. Fässeraus Glas abergab es, abgesehen vomAlter- 
thum, schon viel früher. Wir haben bereits in der Einleitung 
gehört, dass der Glasmacher Guionet im Jahre 1338 sich ver- 
pflichten musste, dem Dauphin Humbert von Viennois jährlich 
nebst anderen Glassachen auch eine gewisse Anzahl von Fässern 
zu liefern. Der französische Ausdruck für Fass lautet bekanntlich 
ibarilt. Dieser Ausdruck ist von Wolfram von Eschenbach in 
seinem Epos Parzival ins Deutsche aufgenommen worden*): >mit 
win ein glesin barel.c Albert Ilg meim^), dass unter diesem 

') Der in Fig. iS abgebildete Trinkbecher befindet sich in der Muster- 
sammlung des Bayrischen Gewecbemuseums. 
>) Ml. 1179. 

>) Mittheilangen des k. k. Österreich. Museums fSr Kunst und Industrie, 
Jahrg. Xm, S. 177 ff. 



— I07 — 

>barel, auch parel ein flaschenähnlicher Behälter für Wein< 
gemeint sei. Allein es besteht kein Zweifel, dass Wolfram von 
Eschenbach »mit Wein ein gläsern fässelt meint; denn in dem 
oben erörterten Vertrag zwischen Guionet und Humbert werden 
die >barrils( (Fässer) eigens von den grossen Flaschen zum 
Transportiren des Weines — >six grandes bottes pour transporter 
du vin< — unterschieden. Bekannt ist auch das >glass wie ain 
vässlein gestalt, mit vier geschmellzten raiflent, das ein jeder, der 
nach Schloss Ambras kam, mit Wein gefüllt in einem Trunk 
austrinken musste, ' ) 



Fig. 17. 

Den Tümmler erwähnt der böhmische Pfarrer nicht; über- 
haupt scheinen die Nachrichten über ihn sehr spärlich zu sein. 
Dr. Friedrich Ludwig Karl Weigand') erklärt denselben als halb- 
kugelförmigen Becher ohne Fuss und Henkel oder eigentlich als 
einen >sich schwankend selbst bewegenden Becher; denn er 
richtet sich, zur Seite gelegt, von selbst wieder auf, wie das seine 
Form mit sich bringt«. Trefflich sind daher auf einem echten 
Tümmler vom Jahre 1650, den unsere Fig. 17 nach einer Imita- 
tion abbildlich gibt, folgende Verse angebracht: 
^Trinck mich auss uod löge mich oieder. 
Steh Ich auf, so fille mich wieder. 
Und Bringe mich Einen gattenn freindt hinnwieder.' 



') Lobmeyr, a, a. O., S. loS- 

~) Deutsches Wörterbuch. Giessen 187S, Ricker'bche Buchhandlung, S. 945. 



— io8 — 

Dagegen ist in dem Trinklied, welches Albert Ilg anführt * ), 
keinerlei Beziehung zu dem Tümmler zu erkennen, da darin nur 
dem Weine zugerufen wird, er solle sich tummeln, d. h. sich be- 
eilen, an den Mund des Zechers zu kommen. Ueberhaupt stammt 




Fig. i8. 

die Bezeichnung Tümmler nicht von dem Zeitwort >sich tummeln«, 
d. h. sich beeilen, sondern dieselbe ist nach Weigand ins Hoch- 



^) Lübmeyr, a. a. O., S, iio. 



I 



— 109 — 

deutsche erst nach der Mitte des i8. Jahrhunderts aufgenommen 
• worden und zwar aus dem gleichbedeutenden niederdeutschen: 
>Der Tümler<, was zu Hochdeutsch >Taumler< heisst. Dies be- 
stätigt auch die englische Bezeichnung »tumbler« von tumble 
(rollen, umdrehen); vor Allem aber wird die Herleitung des Tümm- 
lers von dem niederdeutschen »tumeln«, niederländischen »tuimeln«, 
unserem > taumeln c, durch die Form des Geßlsses gefordert, wel- 
ches, zur Seite gelegt, solange hin- und hertaumelt, bis es wieder 
auf dem Boden steht. 

Unter den Antiquaren cursirt auch die Bezeichnung Hand- 
tu mm 1er. Sie verstehen darunter ein mit einem Stile als 
Handhabe versehenes kelchartiges Weinglas ohne Fuss, so dass 
dasselbe auf die Mündung gestellt werden muss. Das Bayrische 
Gewerbemuseum besitzt ein derartiges Kelchglas von bedeutender 
Grösse, so dass es ein Mann auf einmal schwerlich austrinken 
konnte. Dasselbe scheint die Bestimmung gehabt zu haben, im 
Kreise der Zecher herumgegeben zu werden. Es hat, wie Fig. i8 
zeigt, auf der Handhabe einen sehr hübschen Messingaufsatz, 
dessen Schluss der auf der Weltkugel stehende Merkur bildet. 
Mit diesem ist das schon dem i8. Jahrhundert angehörige Glas 
47 cm hoch; die Breite der Mündung beträgt nicht ganz 14 cm. 
Ob die Bezeichnung Handtummler alt ist, weiss ich nicht anzugeben; 
bis jetzt habe ich sie nur aus dem Munde der Antiquare ver- 
nommen, die nicht immer eine sichere Gewähr sind. 

Verwandt mit dem Tümmler ist die Schale. In ihrer ein- 
fachsten Gestalt unterscheidet sie sich von ihm wesentlich nur 
dadurch, dass sie unten am Boden, gleichviel ob dieser rund ge- 
lassen oder platt gedrückt ist, dieselbe Stärke wie an der 
Wandung hat. Dagegen aber reicht ihr Alter beinahe bis zur Zeit 
der Enfindung der Pfeife zurück. Sie gehört zu den häufigsten 
Producten der Glasmacher des Alterthums, des Mittelalters und 
selbst der Neuzeit. Manchmal ist sie mit einem oder zwei Hen- 
keln versehen, um in gefülltem Zustande leichter an den Mund 
geführt werden zu können, und sehr häufig hat sie einen eigenen 
Fuss. Fig. 19 bildet eine solche doppelgehenkelte, in der Samm- 
lung des Bayrischen Gewerbemuseums sich befindende, sehr nied- 



— HO — 

liehe Trinkschale aus dem Jahre 1675 ab. Auf der Wandung 
derselben sieht man vorne und hinten in Emailmalerei zwi-> 
sehen Maiglöckchens trau s sehen einen Vogel auf einem Baum- 
stamm sitzen. Form und Schmuck der Schale sind gefällig. 

Zu den älteren deutschen Trinkgläsern gehören sodann auch 
die Brüderlein. Ich weiss nicht, ob, ausser Mathesius, sie sonst 
noch ein Autor erwähnt. Dem Namen nach müssen sie zwei 
oder drei zu einem Ganzen vereinigte Becher, wie deren auch 
aus Siegburger Steinzeug existiren, vorgestellt haben. Möglicher' 



big. ig. 

weise sind unter ihnen auch zwei zu einem Ganzen verbundene 
Flaschen gemeint, ähnlich den heutzutage gebräuchlichen Gläsern 
für Essig und Oel. Vielleicht findet sich irgend wo ein doppeltes 
altdeutsches Glas, dann ist die Frage gleich gelöst. Einstweiten 
aber müssen wir uns mit der AntUhrung des Namens begnügen. 
Das Bierglas ferner ist sich im Ganzen und Grossen bis 
auf unsere Tage gleich geblieben. Mathesius rechnet es ebenfalls 
zu den äheren deutschen Trinkgefässen und schon damals hatte 
es die noch heute übliche Gestalt. Freilich wusste man früher 
das Derbe der Form an sich mehr zu mildem als gegenwärtig, 
wo dieselbe alles Reizes baar geworden ist. Wie hübsch nimmt 



sich diesen plumpen modernen Produkten gegenüber dos braun- 
liche Bierglas mit dem trefTlichen Henkel aus der Mustersammlung 
des Bayrischen Gewerbemuseums aus, welches in Fig. 20 abge- 
bildet isti Das Glas ist von einer goldig schimmernden bräun- 
lichen Farbe und sehr leicht. Die Grösse des schön gebildeten 
Henkels ist auf ein bescheidenes Mass zuTÜckgefUhrt, drängt sich 
daher keineswegs vor und das unten angelegte Bodenreiflein gibt 
dem Gefässe einen ebenso kräftigen wie einfachen Fuss, der zu- 



Fig. 20. 

gleich einen richtigen Abschluss bildet. Die Wandung ist durch 
Malerei in wirksamster Weise gegliedert. Man sieht darauf einen 
Mann, welcher einer Dame einen Kelch darbietet, während diese 
ihm einen Kranz entgegenhält. Die Inschrift lautet: >Godt allein 
die ehr. 1657.* Um diese Scene herum sind Maiglöckchen, 
Edelweiss, Kornblumen, Nelken u. s. w. angebracht. Das Ganze 
kann als ein Muster eines hUbschen Bierglases gelten. Die ge- 
nannte Sammlung besitzt noch ein anderes Bierglas aus blauer 
Masse und von gleich schöner Form. 

Unter Krug versteht man gegenwärtig ein bauchiges Gefäss 



— 112 — 

mit Henkel, das je nach der Grösse Vorraths-, Schöpf- oder 
Trinkgeföss ist. Aehnlich verhielt es sich bereits im i6. Jahr- 
hundert. Auch damals scheint man unter Krug nur ein bauchi- 
ges gehenkeltes Gefäss verstanden zu haben, wie denn Krug 
überhaupt schon seiner Abstammung nach >ein gerundetes Gefäss« 
bezeichnet'), während man unter Kanne, welche Benennung 



Flg. 31. 

von dem lateinischen icanna« (Rohr) abgeleitet ist, meistens 
ein cylindrisches oder konisches Gefäss mit Henkel versteht. Das 
oben geschilderte Bierglas ist demnach nur eine Abart der Kanne. 
Ein prächtiges Beispiel einer reich mit Malerei, verzierten Kanne 
findet sich in dem >Catalogue of the Collection of glass formed 

I) Weigand, a. a. O., Bd. I, S. 1018. 



— 113 — 

by F. Slade (pl. XXI) abgebildet. Dieselbe stammt aus dem 
Jahre 1572 und gehört durch ihre Malerei zu den sog. Adler- 
gläsern, von welchen später die Rede sein wird. Häufiger als 
die Kannen scheinen die altdeutschen Krüge aus Glas zu sein. 
Das Bayrische Gewerbemuseum besitzt Beispiele von verschiede- 
nen Grössen. Sehr interessant ist ein kleines türkischblaues 
Krügchen, auf welchem, dem Henkel gegenüber, ein trefflich aus- 
geführtes Wappen und links und rechts davon Blumenschmuck 
angebracht ist. Die farblosen Krüge sind häufig von einer 
weniger eleganten Form und auch bereits aus späterer Zeit. Da- 
gegen gewährt ein tiefblaues Krüglein mit Emailmalerei und Zinn- 
beschlag (Fig. 21) einen reizenden Anblick. Es ist in Bezug auf 
die Gesammtform in der That ein Muster zu nennen und darf 
zur Nachahmung empfohlen werden. Um den schönen Bauch 
wird auf leicht angedeuteter Landschaft ein Hase und ein Fuchs 
von je einem Hunde gejagt. Genau das gleiche Krüglein ist in 
dem »Catalogue of the CoUection of Slade« abgebildet*); selbst 
das Beschläge aus Zinn und die Malerei, die Henkel- und Fuss- 
bildung sind an beiden Krüglein vollständig gleich; nur am Halse 
hat das letztere ein anderes Ornament und statt des von einem 
Hunde verfolgten Hasen befindet sich darauf ein Hirsch, welcher 
von einem Hunde gejagt wird. Femer ist es um zwei Jahre 
älter; denn es stammt aus dem Jahre 1595, während das im 
Bayrischen Gewerbemuseum auf dem ums Kennen schlankeren 
Bauch die Jahreszahl 1597 trägt. Diese beiden Krüglein müssen 
aus ein und derselben Glashütte, ja, wie die ganze Machart, na- 
mentlich des Henkels zeigt, aus der Hand eines und desselben 
Glasmachers und eines und desselben Malers hervorgegangen sein. 
Eines der häufigsten Glasgefässe ist die Flasche und das 
Flacon. Diese gehören überhaupt zu den ältesten und belieb- 
testen Gläsern, die es gibt. Soweit man die Gefässbildnerei zurück 
verfolgen kann, überall trifft man die Flasche und das Flacon 
und zwar sowohl mit kurzem wie mit langem Halse, mit rundem 
wie mit eckigem, in einen Model geblasenem Bauche, ohne Henkel 



») Fig. 234, p. 138; Nr. 732. 

8 



— 114 — 

und mit einem oder zwei Henkeln. Characteristisch für alle diese 
Arten ist der enge Hals, wie wir bereits aus Fischart gehört 
haben. Dieses häufige Vorkommen der Flasche aus Glas erklärt 
sich daraus, dass Stoff und Technik eben keine andere Form so 
sehr begünstigt. Die Flasche ist die Glasgefassform mit Aus- 
zeichnung und es gibt unter den Glasflaschen in der That vollen- 
dete Beispiele. Die Mustersammlung des Bayrischen Gewerbe- 
museums besitzt eine reiche Auswahl sowohl von Flacons wie 
von Flaschen. Da ist ein blaues, aus zwei Kugeln über einander 
bestehendes Flacon von 1733, welches mit einem zinnernen 
Schraubenmundstück versehen und mit einigen Ornamentbändern 
in Emailmalerei geschmückt ist. Die neckische Inschrift darauf 
heisst: >Lieb Du mich, Wen osterhas gar Sein.« Da ist ferner 
ein breit gedrücktes Flacon aus farblosem Glase, dessen unterer 
Theil in einem gerippten vergoldeten Messingbeschlag eingelassen 

m 

ist. Auf den beiden Seiten sind Darstellungen in Emailfarben 
angebracht und zwar einerseits ein Blümchen, andererseits ein 
Mann in einer Landschaft. Höchst interessant ist sodann ein 
viereckiges violettes Flacon mit Zinnverschluss, indem die gravir- 
ten Darstellungen darauf sehr tief gehalten und durch französische 
Inschriften erklärt sind. Was die Flaschen betrifft, erwähne ich 
an erster Stelle eine farblose, in einen viereckigen Model gebla- 
sene mit kurzem Halse. Sie ist mit Ornamenten und einer Dar- 
stellung in Schwarz (ä la Schaper) geschmückt. Die Farben sind 
nicht gut eingebrannt. Sehr hübsch ist sodann eine gehenkelte 
Flasche mit breitgedrücktem Bauche, wie die bekannten Pilger- 
flaschen. Die Seiten sind mit reicher Gravirung versehen. Eine 
eigene Art repräsentirt eine andere Flasche von vollständig koni- 
scher Form mit darüber gestürztem Becher. Am schönsten aber 
sind die Flaschen mit geripptem Kugelbauche. Da ist zunächst 
ein Fläschchen mit Bauch von gedrückter Kugelform. Dasselbe 
ist in einen Model mit Rautenmuster geblasen worden und darf 
daher für eine Spessarter Arbeit des 16. Jahrhunderts gehalten 
werden. Am Halse ziehen sich die Rauten selbstverständlich stark 
in die Länge (Fig. 22). Die Glasmasse ist farblos und wir 
wissen auch, dass im Spessart bereits im Jahre 1502 in einer 



dem Graren Reinhardt von Reineck zu Rappershom bei Fram- 
mersbach gehörigen HUIte weisses, d. h. farbloses Glas gemacht 
wurde. ') Noch drei andere Flaschen von der gleichen Masse 
und von ausgezeichneter Arbeit dürfen als Spessarter Fabrikat 
betrachtet werden. Da ist eine Flasche mit vertikal gestreiftem 
Kugelbauch und ziemlich langem, glattem Halse. Der Bauch ist 
unien etwas abgeplattet und eingestochen (Fig. 23). Die zweite 
Flasche hat ebenfalls einen vertikal gestreiften Kugelbauch; ihr 
Hals verjüngt sich etwas nach oben und wird da, wo er beginnt. 



Fig. 22. 

sowie oben am Mundstück von einem gekniffenen Bändchen um- 
geben, Sie ist daher etwas jünger als die vorige. Die dritte 
Flasche endlich ist ebenfalls in einen gestreiften Model geblasen 
worden. Die Riefen laufen am Kugelbauche vertikal, am Halse 
dagegen winden sie sich leicht nach rechts hinj das Mundstück 
erweitert sich leicht und unmittelbar darunter legt sich ein ge- 
kniffenes Bändchen um den Hals. 

') Lobmeyr, L c, S. III. 



— ii6 — 

Die Bezeichnung Humpen für ein grosses weites Trink- 
geschirr von meist cylindrischer Form ist erst um die Mitte des 
17. Jahrhunderts aufgekommen; trotzdem aber ist die Herkunft 
des Wortes nicht bekannt. Mit dem Namen Becher bezeichnet 
man seit Alters her alle mittelgrossen Trinkgeschirre, welche im 
Allgemeinen von cylindrischer Form^ nach oben hin aber häufig 
etwas ausgeschweift sind. Manchmal haben sie die Form eines 
Korbes. Welche Glasform als M agell el oder als Cholchel 





Fig. 23. 



bezeichnet wurde, ist mir nicht bekannt. Aus dem Vertrage Al- 
brecht's V. mit Bernhard Schwarz geht hervor, dass diese beiden 
Glasformen aus gemeinem, schlechtem Glase waren und ihrer zwei 
Glasmacher an einem Tage wenigstens 300 Stück machen konn- 
ten, von denen eines zu 2 kr. angeschlagen wurde. Die Bezeich- 
nungen: Warzengläser, Batzengläser, Spitzgläser u. s. w. 
sind neueren Datums und entweder von der Form oder dem 
Schmucke hergenommen. 



— 117 — 

Ausser den bisher namentlich aufgeführten Gläsern machten 
die früheren Glasmacher noch unzählige andere Gefässe. In den 
älteren Werken und Inventarien lesen wir von: Kelchen, Nä- 
pfen, Nachttöpfen, Schüsseln mit und ohne Rand, Salzfäs- 
sern, Lampen, Leuchtern, Becken, Töpfen, Sauci^ren, 
Körbchen, Weihwasserbehältern u. s. w. Kurz, es würde 
ins Unendliche gehen, alle Arten der damals gebräuchlichen Glas- 
gefasse aufführen zu wollen, und man würde hiebei um so weni- 
ger an ein Ziel kommen, als nach Mathesius jeder seinem Glase 
einen besonderen Namen erdichtete. 

6. Barocke Formen aus Glas. 

Noch ungleich grösser als die Zahl der eigentlichen Gefässe 
ist im i6. Jahrhundert jene der barocken Trinkgefässformen aus 
Glas. Ein Autor jener Zeit, der gegen die Völlerei eifernde 
Freund *) konnte nicht umhin, in die Klage auszubrechen: > Heu- 
tiges Tages trinken die Weltkinder und Trinkhelden aus Schiffen, 
Windmühlen, Laternen, Sackpfeifen, Schreibzeugen, Büchsen, Stie- 
feln, Krummhörnern, Weintrauben, Gockelhähnen, Affen, Pfauen, 
Mönchen, Pfaflfen, Nonnen, Bären, Löwen, Bauern, Hirschen, 
Schweinen, Käuzen, Schwänen, Sträussen, Elendfüssen und ande- 
ren ungewöhnlichen Trinkgeschirren, die der Teufel erdacht hat, 
mit grossem Missfallen Gottes im Himmel.« 

Allerdings sind hiemit vor Allem die Gefässe in Metall ge- 
meint*, aber man machte damals genau die gleichen Missgestalten 
für Trinkgefässe auch aus Glas und selbst schändlicheFormen 
waren nach dem Zeugnisse des Mathesius schon um die Mitte 
des i6. Jahrhunderts nicht unbeliebt. Der nämliche Autor er- 
zählt uns auch, dass man aus Glas sog. Narren machte, d. h. 
Narrenköpfe mit Ohren und Schellen, aus denen sich die Leute >zu 
Nabeln und Narren soffen. < In anderen Gefässen brachte man 
nach ihm ein Rädle in an, das beim Trinken umlief. Eben die- 
ser Idee entsprangen die Mühlen, von welchen Freund spricht. 



^) Vom Gesundheittrinken etc. etc. Siehe A. Berlepsch, Chronik der 
Gold- und Silberschmiedekunst. St. Gallen, Scheitlin und ZolUkofer. S. 159. 



— ii8 - 

die sog. Mühlenbecher, holländisch Molenbeker. Von die- 
sen seltsamen Gläsern existiren viele in den Niederlanden i). Es 
sind Homer von Filigranglas oder vielmehr von weissem Glase, 
welches mit farbigen Fäden geschmückt ist. Die Spitze dieser 
Hörner ist mit einer Silberfassung versehen, welche eine kleine 
Windmühle trägt. Wenn der Trinker sein Glas geleert hatte, 
musste er eine Probe von der Kraft seiner Lungen geben, da- 
durch dass er die Flügel der Mühle durch Hineinblasen in Be- 
wegung setzte. Diese schrieben sodann auf ein kleines, zu die- 
sem Zwecke angebrachtes Zifferblatt die mehr oder minder grosse 
Stärke, welche der blasende Trinker entfaltete. Der obere Theil 
des Glases, welcher bei der Mündung gravirt ist, ist hinter dieser 
Gravirung von einem dreifachen Ring aus einem blauen Faden 
zwischen zwei opakweissen umgeben. Von diesem Ringe gehen 
abwechselnd blaue und weisse Fäden bis zur Spitze des Hornes. 

Einen Stiefel aus Glas als Trinkgefass erwähnt, wie wir 
bereits gehört haben, Thomas Platter in seiner Selbstbiographie 
(1528) und auch Fischart spricht von »gestiffleten Krügen« ^). 
Beispiele davon haben sich mehrere erhalten. Wie der Stiefel, so 
wurde auch der Schuh als Vorbild für Trinkgefässe gebraucht. 

Hans von Schweinichen ferner erzählt von einem Schiff aus 
Glas, in welchem ihm der Willkommtrunk gereicht wurde (1575). 
Derartige Schiflfe aus Glas aber gab es schon viel früher. So 
werden in dem oben erörterten, dem Glasmacher Guionet 1338 
verliehenen Patent Schiffe erwähnt und zwar musste Guionet dem 
Dauphin unter Anderem jährlich ein grosses Schiff >une grande 
nef< liefern. In dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts 
ferner beschreibt der Bologneser Mönch Leandro Alberti 
eine vollständig aufgetakelte, i Elle lange Galeere aus Glas, 
welche er in Murano gesehen hatte ^). Ob diese letztere zum 
Trinken gehörte, ist nicht gesagt, scheint aber eher einen Tafel- 
aufsatz gebildet zu haben. Ein Trinkgefass aus Krystallglas in 
Form eines Schiffes befand sich dagegen auf Schloss Ambras. 



^) J. Houdoy, 1. c. p. 38 fr. 2) a. a. D. S. 142. 

3) Isole appartenenti all* Italia, ed. 1576, p. 95. 



— 119 - 

Dasselbe mussteo die Frauen und Jungfrauen in einem Trünke 
austrinken '). 

Mathesius erwähnt femer der Täublein aus Glas. Andere 
Thiere, wie Bären, Mäuse u. s. w. als Trinkgeasse sind im 
Germanischen Nationalmuseum zu sehen. Nach Marcantonio Cocdo 
Sabetlico ') machte man in Venedig alle Arten von Thieren — 
omnis generis animatia. Einen hübschen Vogel hat der Catalogue 
of the Collection of Slade abgebildet ^). Die Mustersammlung 



des Bayrischen Gewerbemuseums besitzt einige Trink- oder Oel- 
gefasse in Form von Hunden und Fischen von zweifellos deut- 
scher Arbeit. In eben dieser Sammlung befindet sich auch ein 
Trinkglas in Form einer langgekleideten Dame (Fig. 24) *). 



1) Lobmeyr, a. a. O. S. 105. ^) De situ Venetae Urbis (1495). 

^) p. 107, Fig. 183. 

-■) Eine ähnliche Dame siehe abgebildet im Catalogne of the Collection 

uf Slade, p. io3, Fig. 1Ö3. 



— I20 — 

Ein eigenthümliches Vexirglas beschreibt Mathesius also: 
»Man kann auch mit einem heissen eysen trinkgleser zuknicken, 
wie die fenstermacher ir taffelglass spalten , wenn sie das warme 
glass nass machen, dass sie sich auss einander dehnen lässt, 
und gleichwol, wenn man sie wieder niederlesset, wein halten.« 
Durch einen Artikel von mir im » Sprechsaal < ^) auf diese Stelle 
aufmerksam gemacht, stellten Villeroy, Boch, Karcher & Cie. in 
Wadgassen a. d. S. diese Art von dehnbaren Gläsern wieder 
her und schickten mir einige sehr gelungene Proben. Es sind 
dies Becher, in welche von oben bis ungefähr zur Mitte herunter 
eine' spirale Linie durch die ganze Wandung hindurch gesprengt 
ist, so dass sich die Glasringe >aus einander dehnen lassen«, das 
Glas aber gleichwohl eine Flüssigkeit zu fassen im Stande ist; 
nur muss man sich hüten beim Aufheben das Glas da zu neh- 
men, wo sich dasselbe aus einander ziehen lässt. Steht ein sol- 
cher Becher an einem Fenster, dann nimmt sich die spirale Linie 
wie ein feiner Silberfaden aus. Es existiren auch alte Exemplare 
dieses Vexirglases, darunter welche von bedeutender Höhe und un- 
glaublicher Elastizität. 

Hieher gehören auch gewisse Vexirkrüge. Aus diesen 
geht aus dem Innern vom Boden aufwärts ein Rohr aus Glas, 
welches aussen als Henkel benützt ist. Die Mündung dieses 
Rohres ist etwas auswärts gebogen; an derselben musste man mit 
dem Munde anziehen, dann lief der Inhalt des Kruges von selbst 
heraus, da das Rohr dort, wo es auf dem Boden im Innern auf- 
steht, mit einer kleinen Oeffnung versehen ist. Aussen ist dieses 
Rohr, bevor es ausmündet, mittels eines gekniffenen Bandes mit 
dem Bauche verbunden. Solche Bänder sind auch über die 
Mündung des Kruges gelegt, damit dort niemand trinken konnte 

(Fig. 25). 

In diese Reihe von Gläsern gehören auch die Fruchtschalen 
in Form von Kronen, ferner die gläsernen Pistolen und Trom- 
peten. In Bezug auf die letzteren sei an eine Stelle bei Mathesius 
erinnert, in welcher erzählt wird, dass man > subtilere und künst- 



') Organ der Porzellanr, Glas- und Thonwaaren-Industrie. Coburg. 



121 



lichere Arbeiter c nicht finde wie in Venedig, >wie man auch gle- 
seme Schlöser, Heuser und Instrumente allda machen solle, 
die lieblich zu sehen und von subtilen Stimmen sein sollen. < Der 
schon öfter genannte Bologneser Mönch Leandro Alberti sah in 
Murano eine Orgel aus Glas, welche sehr melodiöse Töne her- 
vorbrachte. Derartige Instrumente wurden aber auch in Deutsch- 
land gemacht, wie die Trompete in der Mustersammlung des Bay- 




^^ ^-t-^ 



Fig. 25. 



rischen Gewerbemuseums und jene im Germanischen Nationalmu- 
seum beweisen. 

Dass die von Freund erwähnten traubenartigen Trinkge- 
fasse auch in Glas gemacht wurden, bezeugt ein derartiges Glas, das 
sich früher in der Sammlung Slade befand ^ ). Die nämliche Samm- 



') Abgeb. im Catalogue etc., plate g, Fig. 149. 



lung bewahrte auch eine als Trinkgefäss benutzte Glocke aus 
Glas •). Derartige Glocken werden schon frühzeitig erwähnt, 
Guionet z. B, sollte dem Dauphin Hmnbert von Viennois seit 1338 
jährlich- lOO Dutzend glockenförmiger Gefässe liefern. Kurz, die 
Zahl dieser barocken Formen aus Glas, welche mit Ausnahme der 
Trompeten, Häuser und Schlösser, fast insgesammt als Trinkge- 
fasse benutzt wurden, ist eine ungeheure, so dass man, wollte 
man sie alle aufzählen, an kein Ende käme. Ein grosser Theil 
dieser bizarren Formen , namentlich die verschiedenen Thiere, 
Centauren , Tritonen scheint durch die Muranesen aufgekommen 
zu sein. Sie dienten im 15. und 16. Jahrhundert, wo sie auf 
Murano am gebräuchlichsten waren, zu alchymistischen und na- 
mentlich zu Destillationszwecken *). Auch die )Balbierer< wer- 
den sich ihrer zu ihren wohlriechenden Wassern bedient haben. 
In Deutschland aber, wo sie erst seit der Mitte des 16. Jahrhun- 
derts gebräuchlich waren, wurden sie hauptsächlich als Trinkge- 
fässe benützt. 



') Al^eb. im Catalogue elc, 
2) Labarte, L c. p. 384 



in. 



Gläser mit Emailmalerei. 




Entwicklung der Technik. 

IE ersten Spuren der Anwendung von Emailfarben zur 
Decorirung derGlasgefösse finden sich bereits imAlter- 
thume. Unter den sogenannten Goldgläsern*) gibt es 
nämlich mehrere , an welchen einzelne Gewandpartien, 
Bäume u. s. w. durch Schmelzfarben, wie roth, grün, blau, hervor- 
gehoben werden. So bildet Perret in seinem Katakombenwerke eine 
derartige Schale ab, an welcher die Tuniken der dargestellten Per- 
sonen mit Purpurstreifen verbrämt sind*). Auf einem zweiten hieher 
gehörigen Glase schwimmt das Schifflein des Jonas auf grünen Mee- 
reswogen*), auf einem dritten zeigt das Antlitz des den Gicht- 
brüchigen heilenden Erlösers Fleischfarbe*). Manchmal sind die 
betreffenden Stellen zuvor mittelst des Rades etwas vertieft und 
dann mit den Schmelzfarben ausgefüllt worden^). Boldetti, eine 
allerdings etwas unzuverlässige Autorität, erzählt ferner^), er habe 
im Cömeterium des hl. Calixtus in Rom eine ganze Schale ge- 
funden, auf deren Grund nicht mit Gold, sondern aus verschie- 



') Garrucci, Vetri ornati di figüre in oro trovati nei ' cimiteri di Roma. 
Roma 1858. 

2) Les Catacombes de Rome, T. IV, pl. 33, n. 114. 

3) 1. c. pl. 29, n. 76. *) 1. c. pl. 33, n. 102. 

^) Dr. Fr. X. Kraus, Die christliche Kunst in ihren frühesten Anfangen. 
Leipzig 1872, S. 137. 

6) Osservazioni sopra i cimiteri dei santi martiri ed antichi christiani 
di Roma. Roma 1720. 



— 124 — 

denen anderen Farben ein Kopf des Erlösers dargestellt war. Wie 
dem auch sei, es existirt in der That eine ziemliche Anzahl von 
antiken Gläsern, welche mit Emailfarben bemalt sind*) 

Diese Anfänge der Emailmalerei auf Glasgefässen scheinen 
am Ende des 3. oder im Laufe des 4. Jahrhunderts p. Chr. ge- 
macht worden zu sein. Ohne Zweifel wanderten sie mit den 
übrigen Techniken des Alterthums nach Constanjinopel und sie 
wurden sicher auch in Alexandrien nicht vergessen, sondern sorg- 
fältig weiter entwickelt. Gerade hier scheint diese Art der Glä- 
serverzierung zu der späteren Rolle, die sie unter den mohamme- 
danischen Herrschern im Oriente spielen sollte, vorbereitet worden 
zu sein. Allein auch die byzantinischen Hütten, sowohl jene zu 
Konstantinopel wie die in Thessalonich, mögen an ihr Gefallen 
gehabt haben, wenn dies auch aus der Schedula diversarum artium 
des Theophilus nicht mit absoluter Sicherheit geschlossen werden 
kann. Dieser Mönch erzählt nämlich, dass die Griechen ihre 
saphirblauen Schalen mit Gold zu verzieren pflegten und zwar auf 
zweierlei Art. Entweder, sagt er, nehmen sie ein Goldblatt, bil- 
den daraus menschliche Gestalten oder solche von Vögeln, Thieren 
oder Blattwerk, befestigen es danii auf der Schale, überstreichen 
es mit pulverisirtem Kry stallglas und brennen das Ganze ein 2). 
Oder sie nehmen gemahlenes Gold und Silber, machen daraus auf 
die Gefässe Kreise und in dieselben Bildnisse, Thiere und Vögel 
in abwechselnder Ausführung und überstreichen diese Darstellungen 
ebenfalls mit pulverisirtem 'Krystallglas. > Hierauf«, fährt er fort, 
»nehmen sie weisses, rothes und grünes Glas, welches zu den 
Electren verwendet wird, reiben ein jedes für sich auf einem Por- 
phyrsteine fleissig mit Wasser und damit malen sie sodann Blu- 
men und Verschlingungen und andere Kleinigkeiten, die sie wollen, 
in verschiedener Ausführung zwischen den Kreisen und Verschlin- 
gungen und einen Saum um den Rand. Und diese nicht etwa 
dünn aufgetragenen Farben brennen sie im Ofen in der Weise 



') W. Froehner, 1. c. p. XV ff. 

-) Theophilus, 1. c. lib. II. c. XIII. — Vergl. meinen Aufsatz : »Ueber 
die Goldgläser*. [Wartburg, Organ des Münchner Alterthumsvereins, Jahrg. 1876 
auf 1877, Nr. 9—10]. 



— 125 — 

ein, wie oben gezeigt worden ist^). Labarte^) hat dieser Stelle 
meines Erachtens eine falsche Deutung gegeben, indem er unter 
den >Graeci< sofort die byzantinischen Glashütten in Constantinopel 
und Thessalonich verstand. Wir wissen nicht, auf welchem Wege 
Theophilus seine Informationen erhielt. Möglicherwfeise waren es 
griechische Kaufleute, welche derartige Gläser nach dem Norden 
brachten. Theophilus hielt diese daher auch gleich für griechische 
Produkte, obwohl sie aus asiatischen oder alexandrinischen Fa- 
briken gekommen sein mögen. Uebrigens ist es durchaus nicht 
nothwendig, unter den Griechen des Theophilus die Byzantiner 
zu verstehen ; darunter können ebenso gut auch griechische Künstler 
in Alexandrien gemeint sein und in der That spricht Vieles hie- 
für, wie sich gleich zeigen wird. 

Im Oriente, namentlich in den Glashütten Phöniziens und 
in jenen Alexandriens, hat die Glasindustrie seit den Tagen des 
Alterthums fortgeblüht. Wissen wir doch, dass Petrus Damianus 
dem Kaiser Heinrich II. (i002 — 1024) aus einer Fabrik Alexan- 
driens ein Glas von wunderbarer Arbeit mitbrachte, welches dieser 
später dem Abte von Cluny schenkte^). Im 12. Jahrhundert waren 
nach Benjamin von Tudela in Antiochia lO und in Neu-Sur lOO 
jüdische Glasarbeiter thätig. Kurz, im Oriente hat die aus dem 
Alterthume stammende Glasindustrie durch die vordringenden Araber 
einen neuen Aufschwung, namentlich in Bezug auf die Emaillirung 
der Gefasse, genommen. Es ist wahr, Theophilus erwähnt nur die 
Griechen als Hersteller von bemalten Glasgefassen. Aber wären 
darunter wirklich die byzantinischen Hütten in Constantinopel 
gemeint, dann hätten diese nicht ein Gefass in dieser Technik 
hinterlassen -, denn so viele wir deren besitzen, alle tragen unzwei- 
felhaft den Stempel der arabischen Kunst an sich, ja der Beschrei- 
bung des Theophilus selbst scheinen nicht byzantinische, sondern 
arabische Arbeiten zu Grunde gelegen zu haben. Der Autor hat 
diese entweder aus byzantinischen Händen bekommen und sie 
daher, wie bereits gesagt worden ist, für Werke der Byzantiner 

>) I. c. tib. II, c. XIV. 2) 1. c. t. m, p. 369. 

^) B. Petri Damianl, Opera. Romae 1606, t. II, p. 218, citirt von 
Labarte. 



— 126 — 

gehalten oder aber er wusste, dass griechische Glasarbeiter in Ale 
xandrien thätig waren, und meint diese. Dass aber griechische Künstler 
in Alexandrien dem arabischen Einflüsse unterliegen mussten, ist 
selbstverständlich. In der That löst nur die Annahme, dass Ale- 
xandrien der Mittelpunkt der frühmittelalterlichen orientalischen 
Glasindustrie war, die vielen Räthsel und Schwierigkeiten, die 
sonst der Forschung entgegenstehen. Ich will dies an einem Bei- 
spiele zeigen. Im Schatze von S. Marco in Venedig befindet sich 
eine kleine Vase aus tiefbraunem, fast opakem Glase mit kugel- 
förmigem Bauche und sich nach oben erweiterndem Mundstück*). 
Der Körper ist geziert mit /Kreisen, welche Figuren einschliessen. 
Diese sind in einem blassen fleischfarbenen Email auf die Ober- 
fläche gemalt zugleich mit Ornamenten in Gold und Roth. Nach 
Nesbytt sind die bald halb bekleideten bald nackten Figuren augen- 
scheinlich Copien nach alten Originalen. Eine derselben scheint 
Jupiter auf dem Throne sitzend, begleitet von einer geflügelten 
Gestalt, vielleicht Merkur, darzustellen; eine zweite hält den Drei- 
zack. Die Kreise sind aus Rosetten von blauem, grünem und rothem 
Email gebildet und jeder von goldenen Linien umzogen. Ober 
und unter den Berührungspunkten der Kreise befinden sich klei- 
nere Runde von Gold, welche Büsten von Männern, deren Haar 
mit goldenen Bändern geschmückt ist, einschliessen. An der Aussen- 
seite des Mundstückes sieht man Rosetten zu je vier vereinigt 
und dazwischen goldenes, schnörkelartiges Blumenwerk. Wie man 
sieht, entspricht diese Ornamentation genau der Beschreibung des 
Theophilus; aber sie ist gleichwohl nicht in Constantinopel ent- 
standen; denn es läuft um den inneren Rand des Mundstückes 
und um den unteren Theil des Bauches eine Inschrift in kufischen 
Lettern. Bedenkt man nun, dass die Figuren in Zeichnung und 
Charakterisirung, die Rosetten und die Büsten innerhalb der Me- 
daillons genau mit den Darstellungen mehrerer für byzantinisch 
gehaltener Elfenbeinbüchsen aus dem ii. und 12. Jahrhundert 
übereinstimmen, so wird man mit Nesbytt zu dem Schlüsse kom. 
men, dass alle diese Gegenstände von einem Orte stammen müssen, 



>) Nesbytt, 1. c. p. XXIV, ff. 



— 127 — 

an welchem antike, byzantinische und arabische Kunst vereinigt war. 
Als dieser Ort kann aber nicht Constantinopel, sondern nur Ale- 
xandrien geltend gemacht werden. Hier waren seit Alters her 
griechische Arbeiter thätig; hier mögen viele der durch den Bil- 
derstreit aus Constantinopel vertriebenen byzantinischen Künstler 
Zuflucht gefunden haben; hier hatte das Alterthum seine schön- 
sten Werke errichtet, wie die begeisterte Beschreibung der Stadt 
des Achilles Tatius beweist; hier waren endlich die Araber herr- 
schend und prägten den künstlerischen Erzeugnissen ihren Cha- 
rakter auf. Wenn also den byzantinischen Glashütten die Kunst, 
Glasgefasse mit Emailfarben zu bemalen, auch nicht abgesprochen 
werden soll, so ist doch auf der anderen Seite gewiss, dass diese 
wenigstens seit der Mitte des 9. Jahrhunderts hinter den alexan- 
drinischen zurückstanden, denn weder hat sich ein byzantinisches 
Glas mit Emailmalerei irgendwo erhalten, noch wird ein solches 
in den alten Inventaren erwähnt oder beschrieben. Dagegen exi- 
stirt eine Reihe von solchen, welche in den alexandrinischen und 
den davon ausgegangenen Glashütten des Orients, als deren Glanz- 
punkt im 14. Jahrhundert Damaskus erscheint, entstanden sein 
müssen. Mehrere dieser Gläser reichen bis in das 10. Jahrhundert 
zurück. So besitzt der Schatz von S. Marco in Venedig ein Glas, 
welches laut der angebrachten arabischen Inschrift Eigenthum des 
Kalifen Aziz Billah, Herrschers von Aegypten und Syrien (975 — 996) 
war. Nach Deville*s^) geistreicher Vermuthung war dieses Glas ein 
Geschenk des Sohnes dieses Fürsten, welcher Patriarch von Ale- 
xandrien war, und seiner christlichen Gemalin, an seinen Vater. 
Aehnliche Gefasse mit kufischen Inschriften und Kalifennamen gibt 
es in mehreren Sammlungen, so eines mit dem Namen des ägyp- 
tischen Kalifen Al-Moazz (952 — 975) in der ehemaligen kaiserl. 
Bibliothek in Paris; so ein Becken und eine grosse Flasche im 
Besitze des Barons Lionel von Rothschild. Um die letztere läuft 
eine arabische Inschrift, welche den Namen des El Malek el Aschraf 
enthält, den verschiedene Sultane des 13. Jahrhunderts getragen 
haben 2). Labarte erwähnt ferner ein grosses gläsernes Becken 

*) Histoire de Part de la verrerie dans Tantiquit^. Paris 1873, p. 75. 
2) Nesbytt, 1. c. p. XXVIII. 



— 128 -■ 

von 37 cm Durchmesser im Hotel de Cluny in Paris, welches mit 
Zeichnungen in Gold und mit Medaillons und Inschriften in blauem 
£mail geschmückt ist. Dieses Glas muss ebenfalls aus einer ägyp- 
tischen, resp. alexandrinischen Glashütte hervorgegangen sein; 
denn die Inschriften tragen die Titel eines der Malek-Adel, welche 
in Aegypten von 1279 — 1294 regiert haben *). . 

Noch zahlreicher sind derartige orientalische Arbeiten aus 
dem 14. Jahrhundert. An diesen erscheinen Inschriften in brei- 
ten Zügen, Vögel, Thiere und Ungeheuer als beliebte und manig- 
fach variirte Ornamentmotive. Die Umrisse sind gewöhnlich mit 
rothem Email gezogen, die Räume dazwischen häufig vergoldet. 
Die Emaile bilden manchmal den Grund, manchmal die Orna- 
mente. Die angewandten Farben sind blau, grün, gelb, roth, 
blassroth und weiss. Unter diesen Produkten der orientalischen 
Glasindustrie des 14. Jahrhunderts sind besonders die Lampen zu 
erwähnen, welche in den Moscheen aufgehangen wurden. Solche 
Lampen finden sich noch in der Moschee des Sultans Hassan 
(1447 — 61) zu Kairo. Eine mit dem Namen dieses Herrschers 
geschmückte Lampe besitzt die Sammlung Mr. Magniac's; eine 
andere mit dem Namen des Emirs Sheikhoo, der eine Moschee 
zu Kairo 1355 gebaut hat, befand sich früher in der Sammlung 
Slade ^); wieder andere sind zur Zeit des Mohammed ben Ka- 
laoun (1293 — 2341) und seiner Nachfolger gemacht worden 3). 

Aus eben dieser Zeit wird auch die prachtvolle Lampe 
stammen, welche Erzherzog Rainer dem Oesterreichischen Museum 
* in Wien geschenkt hat. Sie ist in Roth, Weiss und Blau bemalt, 
trägt aber keine kufischen Inschriften *). Mit solchen sind dage- 
gen zwei hieher gehörige Gefässe im Domschatz von St. Stephan 
in Wien geschmückt, von denen das eine einer Pilgerflasche gleicht, 
während das andere schlanker ist und mehr die Gestalt einer 



') Labarte, 1. c. p. 372. 

2) Abgeb. in Catalogue of the CoUection of Slade, pl. VIII, Nr. 333. 
'0 Nesbytt, 1. c. p. XXVIII. 

^) Abgeb. in: Kunsthi&lorische Bilderbogen, Leipzig, Seemann, N. 146, 4. 
— Vgl. Lobmeyer, Die Glasindustrie etc. S. 49. 



— 129 — 

Caraffe hat. Auf dem ersten ist eine Falkenjagd und eine Garten- 
scene mit Musikanten dargestellt. Die Dekoration ist in prachtvoll 
leuchtenden Farben, in Gold» Roth, Blau, Gelb, Grün und Weiss 
gehalten. Die eine Inschrift lautet in vielen Wiederholungen: es 
Suitin, der Sultan, die andere: elcälim, der Weise. Einige herr- 
liche Gläser dieser Art, darunter eine Flasche mit arabischen In- 
schriften besass früher die Sammlung Slade ^). 

Nesbytt ^) nennt ferner einen Becher im Museum der Bres- 
lauer Universität, welcher mit dem Namen der Königin Elisabeth 
von Ungarn (f 1231) in Verbindung gebracht wird. Es ist ein 
Trinkbecher ohne Fuss von massiger Grösse und sein einziges 
Ornament sind Linien von rothem Email, welche Arabeskenmuster 
bilden. Da ich weder das Glas noch eine Abbildung davon ge- 
sehen habe, wage ich nicht zu entscheiden, ob es wirklich eine 
orientalische Arbeit oder bloss die venetianische Nachbildung einer 
solchen aus dem 14. Jahrhundert ist. Unzweifelhaft orientalisch 
ist dagegen das sog. »Glas Karls des Grossen c, welches aus der 
Abtei Chateaudun in das Museum in Chartres gekommen ist; 
denn dieses trägt arabische Inschriften ^), Ob aber das »Glück 
von Edenhall < , so heisst nämlich ein in der Familie Musgrave 
von Edenhall bewahrter Becher mit feiner Emaillirung in arabi- 
schen Mustern, wirklich orientalisch ist, muss ich, da ich das Glas 
selbst nicht sah und die Abbildung und Beschreibung in Lyson's 
Cumberland (p. CCIX) mir nicht zur Verfügung steht, unent- 
schieden lassen. Dieses Glas ist in einem dem 15. Jahrhundert 
angehörigen Fehälter aus gepresstem Leder eingeschlossen. Ein 
anderes hieher gehöriges Glas, welches sich in einem ähnlichen 
Behälter befindet, wird im Museum zu Douai aufbewahrt. 

Damals galt im Abendlande Damascus für den Hauptsitz der 
Fabrikation dieser Gläser. Dort hatte die Glasindustrie im Laufe 
des 14. Jahrhunderts in der That einen grossen Aufschwung ge- 
nommen. Als aber Timur Bey i. J. 1402 die Stadt eroberte, führte 
er Seidenweber und Männer, welche Bogen, Gläser und Thon- 
waaren machten, mit sich nach Samarkand. Dies scheint ^ der 



') Abgebildet in: Catalogue of the Collection of Slade. pl. IX, N. 334. 
2) 1. c. p. XXIX, «^) Abgeb. in: Revue arch^ologique, Tom. XIV, pl. 308. 

9 



— I30 — 

Glasindustrie in Damascus den Todesstoss gegeben zu haben ^), 
während von den in Samarkand durch die mitgenommenen Glas- 
macher errichteten Hütten behauptet wird, dass sie das beste Glas 
in der Welt erzeugt hätten. 

Die emaillirten Glasgefässe des Orients nun waren im 14. 
Jahrhundert im Abendlande sehr geschätzt; denn wir finden sie 
in den Inventaren der damaligen Fürsten aufgeführt und zwar als 
Werke von Damascus — >ouvrages de Damas.« So werden in 
dem Inventar des Herzogs von Anjou vom Jahre 1360 erwähnt: 
>zwei Flacon aus Glas in Blau mit verschiedenen Dingen von 
damascenischer Arbeit, deren Henkel und Hals von der gleichen 
Art sind; ein anderes Flacon von Glas in Azur gemacht in da- 
mascenischer Arbeit, dessen Fassung von ähnlicher Art ist *). . .< 

Bald nach 1360 hat man, ohne Zweifel in Venedig, ange- 
fangen, diese louvrages de Damas« nachzumachen. Solcher Glä- 
ser ä la fagon de Damas werden mehrere in den Inventaren 
erwähnt. Man hat bisher fälschlich geglaubt, es seien darunter 
wirkliche Damascener Gläser zu verstehen; aber dies verbieten 
schon die in den betreffenden Beschreibungen gewählten Ausdrücke. 
So werden in dem Inventar KarFs V. von Frankreich vom Jahre 
1379 erwähnt: >Drei Topfe von rothem Glase in der Art der 
damascenischen;< — »ein grosses Glas, aussen nach der Art der 
damascenischen bearbeitet ;< — >ein anderes kleines Glas, äus- 
serlich nach Art der damascenischen mit Bildern bemalt;« — 
>ein sehr kleiner Humpen aus Glas in der Art der damasceni- 
schen;« — »ein flaches Becken aus Glas, in der Art der damas- 
cenischen bemalt;« — > eine Lampe von Glas, gearbeitet nach Art 
der damascenischen, ohne Fassung;«^) — »eine Schale von Glas, 
bemalt nach maurischer Art« *). 



J) Nesbytt, 1. c. p. XXIX. 

2) ,Deus flascons de voirre, ouvrez d'azur k plusleurs diverses choses 
de l'ouvrage de Damas, dont les anses et le col sont de mesmes*^; ^uu 
autre flascon de voirre, ouvre d'azur de l'ouvrage de Damas, dont la gami- 
son est semblable fagon . . . ' 

3) Lab arte, 1. c. p. 369: ^Troys potz de voirre rouge k la fagon 
de Damas; — ung grand voirre ouvre a la fagon de Damas par de- 



— 131 — 

Aus diesen Anführungen lernen wir zwei Arten von Nach- 
bildungen der Damascener Gläser kennen; die einen werden be- 
zeichnet als »ouvres ä la fagon de Damas,« die anderen als 
>peints ä la fagon de Damas.< Diese letztere Phrase wird manch- 
mal umschrieben durch: >ouvres ä la fa^on de Damas par de- 
hors< oder »ouvr^s par dehors ä ymages ä la fagon de Da- 
mas.« Gerade diese letzteren Ausdrücke sind es, welche mich 
zur Entdeckung einiger erhaltener Gläser dieser Art geführt haben. 
Dadurch nämlich, dass in dem genannten Inventar einige Gläser 
als bloss >äusserlich, bloss auf der Oberfläche mit Bildern nach 
damascenischer Art gemalte bezeichnet werden, ist ein Finger- 
zeig gegeben, dass der Grund, auf dem diese Malereien ange- 
bracht waren, dass also das Glas selbst nicht den Eindruck eines 
damascenischen machte. Jene Gläser dagegen, von denen es heisst, 
sie seien >in der Art der Damascener gearbeitet», gewährten durch- 
aus das Ansehen damascenischer Werke. Eines von diesen wird 
als >rouge< (roth) bezeichnet und echte Damascener Gläser wer- 
den als blau geschildert. Blau oder roth sind in der That die 
meisten erhaltenen emaillirten Gläser des Orients oder sie bestehen 
zum mindesten aus Farbenglas. Wenn nun ein Glas geschildert 
wird als nur Ȋusserlich nach damascenischer Art ^mit Figuren 
bemalt«, so scheint dabei vorausgesetzt, dass das Glas selbst nicht 
aus einer farbigen , sondern aus einer farblosen Masse bestand. 
Wie, gibt es unter den erhaltenen Gläsern, welche arabischen 
Ursprungs zu sein scheinen, wirklich solche, die aus farblosem 
Glase bestehen und so meine Beweisführung unantastbar machen? 
Gewiss, es existiren ihrer einige. So ging aus der Sammlung des 
Fürsten SoltykofF in die des Barons Gustav von Rothschild eine 
grosse Flasche mit langem Halse aus ungefärbtem Glas über, 
deren vergoldete und emaillirte Omamentation auf den ersten An- 
blick arabischen Character zeigt , ohne aber kufische Lettern zu 



hors; — ung autre voirre ouvr6 par dehors k ymages h la fagon de 
Damas; — ung tr^s petit hanap de voirre en fagon de Damas; — ung 
bassin plat de voirre paint ä la fagon de Damas; — une lampe de voirre 
ouvr^ en fagon de Damas sans aucune gamison.* 

^) Nesbytt, I.e. p. XXIX: une coupe de voirre peint k la Morisquö. 

9* 



— 13^ — 

tragen *). Auch die Ornamentation in Gold und Emailfarben, 
wenn auch im Allgemeinen von arabischem Character, hat im Ver- 
gleich mit den echten orientalischen Gläsern etwas Fremdartiges. 
Dies ist bereits Herrn Labarte aufgefallen. Derselbe schreibt da- 
her die Flasche byzantinischer Fabrikation zu und findet die Deco- 
ration in vollständiger Uebereinstimmung mit den oben angeführten 
Worten des Theophilus, ohne zu bemerken, dass Theophilus die 
Griechen nur saphirblaue Schalen mit Emailmalerei verzieren 
lässt. Von ähnlicher Art ist ein grosses Becken von 3 5 cm Durch- 
messer im H6tel de Cluny zu Paris. Auch dieses hält Labarte 
fiir byzantinisch, obwohl es der Katalog der genannten Sammlung 
bereits als venetianische Arbeit erkannt hatte. Derartige Gläser 
also gehören zu denen, welche als >paints k la fagon de Damas 
par dehors« geschildert werden. 

Nach Erlangung dieses Resultates will ich einen Augenblick 
stehen bleiben. Schon in der Einleitung haben wir gesehen, dass 
die Venetianer im 13. und 14. Jahrhundert grossartige Handels- 
beziehungen mit dem Oriente angeknüpft haben und dass hiezu 
die Reisen des berühmten Polo und gleich darauf die von Do- 
menico Miotti geleitete Expedition nach Bassora am meisten bei- 
getragen haben. Ohne Zweifel war es dieser intime Handelsver- 
kehr mit dem Oriente, welcher die Venetianer auf die Idee brachte, 
die emaillirten Gläser von Damascus nachzuahmen und so jene 
Werke ä la fagon de Damas und ä la Morisque zu schaffen ^). 
Aber schon in diesen ersten Produkten, welche am Ende des 
14. Jahrhunderts entstanden sind, zeigten die Venetianer hin und 
wieder ihre Vorliebe für das farblose Glas, welches später ihren 
Weltruf begründete. Dass sie aber damals bereits farbloses, ja 
sogar Krystallglas herzustellen vermochten, beweist das oben an- 
geführte interessante Verbot der Ausfuhr der Krystallglasbrocken 
vom Jahre 1345. Ja gerade zu der Zeit, in welcher unsere Gläser 



*) Abgeb. bei Lab arte, 1. c, pl. LXXI; Text p. 373. 

2) Die Unterscheidung der maurischen von der damascenischen Decora- 
tionsweise zeigt augenscheinlich, dass unter den Gläsern j,a la fagon de Damas*' 
keine maurischen etc. Werke zu verstehen sind. 



— 133 — 

aufkommen, lebte in Venedig ein Alberto Scivabriga cristal- 
larius, und 1370 ein Karamigo di S. Zulian cristallaio. 

Die Emailmalerei also bethätigten die Venetianer zunächst 
in der Nachahmung der bemalten Gläser von Damascus, mit de- 
ren Herstellung sie in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts be- 
kannt geworden sind. Im Laufe des 15. Jahrhunderts emanci- 
pirten sich die muranesischen Hütten von der Befolgung der 
Emaillirweise der orientalischen Vorbilder und wurden nach 
und nach selbständig. Aus dieser Zeit ungefähr 1440 stammt 
eine vergoldete und emaillirte blaue Schale im Correr - Museum 
zu Venedig. Ein Fussbecher aus smaragdgrünem Glase, welcher 
in die letzte Zeit des 15- Jahrhunderts gesetzt wird, befand sich 
früher in der Sammlung Slade *). Wie auf vielen anderen ähn- 
lichen Gläsern sieht man darauf in Medaillons eingeschlossen die 
Brustbilder eines jungen Mannes und einer Frau: es ist eine sog 
coppa nuziale. Aus einer ähnlichen Zeit stammt auch der blaue 
Becher derselben Sammlung, welcher mit dem Triumphe der Venus 
geschmückt ist*). Etwas früher, gleichsam den Uebergang von 
den Gläsern ä la fagön de Damas zu den selbständigen Arbeiten 
bildend, sind jene Gläser, welche mit einem Schuppenmuster in 
Emailfarben geziert sind. Die Schuppen sind in verschiedenen 
Farben gehalten und manchmal Hühnerfedern nicht unähnlich. 
Hervorstehende Theile sind dabei effectvoU vergoldet. Diese Ver- 
goldung namentlich ist es , welche beweist , dass die Venetianer 
mit den Produkten der ägyptischen und damascener Hütten be- 
kannt waren. Als im 16. Jahrhundert die Fabrikate Murano's 
statt der früheren massiven Gestalt äusserst leichte und elegante 
Formen annahmen, vertrugen sie die Hitze des Emaillirofens nicht 
mehr* das Emailliren beschränkte sich daher seitdem auf Tassen, 
Schalen und Salzfässer. An Stelle der Porträte und ausgefiihrte- 
rer Scenen traten jetzt hauptsächlich Wappenschilder, der Löwe 



') Abgebildet in dem Catalogue of the Collection of Slade, pl. XII. 

Vgl. p. xxxvn. 

2) Abgeb. in dem Catalogue of the Collection of Slade, pl. XIU. 



— 134 — 

von S. Marco oder nur Blumen und Punkte '). Das Gold spielt 
in diesen Produkten nicht mehr die frühere Bedeutung. 

Von Venedig aus hat sich die Emaillirkunst auf Glasge fas- 
sen nach Frankreich verbreitet. Es war, wie wir bereits gehört 
haben, Heinrich II., welcher die venetianische Art der Glasfabri- 
kation in seinem Lande einzubürgern suchte und zu diesem Be- 
hufe den Italiener Theseo Mutio in Saint- Germain -en-Laye eta- 
blirte. In dem Inventar nun , welches nach Heinrich's Tode im 
Jahre 1560 aufgestellt wurde, werden einige Glasgefasse aufge- 
führt, welche nach Labarte's Vermuthung aus der Hütte des Mutio 
hervorgegangen sein mögen. Ohne Zweifel ist diese Annahme 
berechtigt hinsichtlich der kleinen Vase »de cristallin blanc«, 
wie aus den Anführungen des VI. Abschnittes hervorgehen wird; 
aber auch das 'auf violettem Grunde weiss emaillirte Glas — 
ung voere d'dmail blanc sur fond violet — mag denselben Ur- 
sprung haben. Dass man damals in Frankreich in der That 
emaillirte Glasgefasse herstellte, ist durch einige erhaltene Gläser 
bezeugt. Das wichtigste derselben ist ein Fussbecher aus gelb- 
lichem Glase, welcher sich in der Sammlung Slade befand ^). 
Darauf ist ein Mann dargestellt, welcher einer Dame ein Bouquet 
mit den auf einer Bandrolle zu lesenden Worten: »Je suis ä vous<, 
darreicht. Sie antwortet ihm : »Mon euer av^s« und übergibt ihm 
ihr mit einem Vorhängeschloss versehenes Herz. In einem drit- 
ten Felde findet sich ein Bock, welcher an der Mündung eines 
enghalsigen Gefässes leckt. Um den Rand läuft die Inschrift: 
»Je suis ä vous. Jehan Boucau et Antoynete Bouc<. Auf diesen 
Namen Bouc-au spielt die Darstellung des Bockes und der Wasser- 
flasche ohne Zweifel an. Das Glas stammt, nach den Costümen 
zu schliessen, aus der i. Hälfte des 16. Jahrhunderts und wird 
mit Recht der bis in das 13. Jahrhundert zurückreichenden pro- 
vengalischen Glasfabrikation zugeschrieben, da dort in der That 
eine Familie Boucault existirte; Form und Behandlung des Glases 



*) Nesbytt, 1. c. p. XLIÜ. 

2) Abgebildet in dem ,Catalogue of the CoUection of Slade*, pl. XX; 
p. 136, Fig. 232, No. 824. — Lab arte, 1. c. p. 395. 



— 135 — 

zeigen venetiani sehen Einfluss an. Aehnliche Gefslsse sind noch 
mehrere bemerkt worden. Einige derselben bildet Benjamin Fil- 
lon ab.*) Das eine davon war für die Familie Pineau von La 
Rochelle gemacht. Auf dem anderen sieht man drei Männer in 
Waffenrüstung und die Inschrift: »En la sevur de ton visaige tu 
mangeras le pain.€ Ein sehr feines Trinkglas enthält die email- 
lirten Worte: »A bon vin ne fault point anseigne«; ein anderes 
im Museum zu Poitiers hat eine unleserliche französische Inschrift.^) 
Ein weiteres hieher gehöriges Glas besitzt Herr Davilliers. Dar- 
auf sieht man die Profilbüste einer Frau mit einem Wappen und 
einem Sprüchbande, auf welchem geschrieben steht: »Sur toute 
cohuse« (chose). Endlich befindet sich eines im Museum zu 
Poitiers; darauf ist folgende Inschrift in Relief angebracht: »Vous 
savez bien que je seap tout. c ^) Volcyr de Serouville spricht in 
seiner 1530 in Paris gedruckten >Cronique abregde Par petis 
vers huytains des Empereurs etc.< von Bildern, Porträts, Figuren 
und Wappen, welche man in bunten Farben auf Glas herge- 
stellt habe.*) 

Im Jahre 1603 gründete Heinrich IV. Glasfabriken zu Paris 
und Nevers. Aus diesen stammen nach Labarte zwei Gläser, 
welche einst Jean d'Huyvetter besass. Diese beiden Stücke sind 
aus Opalglas und mit Emailmalereien geschmückt. Auf dem 
Bauche der Kanne ist ein Bäcker vor seinem Backtrog dargestellt 
mit der Inschrift: »Vive la belle que mon coeur aisme.« Das 
Becken trägt dieselbe Inschrift mit der Jahreszahl 1625. Im 
Jahre 1598 ferner hatte Heinrich IV. einem Vincent Busson und 
Thomas Bartholus aus Mantua erlaubt, sich in Rouen niederzu- 
lassen und dort »verres de cristal, verres dores, esmaulx etc. < 
zu erzeugen. Wie die Gläser selbst, so zeigen auch die directen 
Bemühungen der Könige den engen Zusammenhang, in welchem 
die französische Glasindustrie zur venetianischen stand. 



i) L'Art de Terre chez les Poitevins, suivi d'une etude sur l'anciennete 
de la fabrication de verre en Poitou. Paris 1864, p. 206. 

2) Nesbytt, 1. c, p. XLVI. 

3) Catalogue of the Collection of Slade, p. 136. 
"*) Lobmeyr, a. a. O., S. 117. 



— 136 — 

In Flandern haben wir bereits mehrere »verri^res armoriees 
des armes du duc (Philippe-le-Bon) et de son ordre de la toison 
d'or< aus dem 15. Jahrhundert kennen gelernt. Ob diese Wap- 
pen und der Orden vom goldenen Vliesse schon venetianischen 
Einfluss voraussetzen, lässt sich nicht nachweisen. Dagegen haben 
wir oben gesehen, dass Alles, was im 16. und 17. Jahrhundert 
in den Niederlanden an Glas erzeugt wurde, mit der venetiani- 
schen Glasindustrie in innigstem Zusammenhange stand. Dies 
gilt selbstverständlich auch von den mit Emailmalerei verzierten 
Gläsern, deren mehrere existiren, wie J. Houdoy nachgewiesen 
hat.*). So besitzt ihrer das Hotel de Cluny gegen 17. Ein 90 
cm hohes Glas derselben Herkunft befindet sich^in Lille; es ist, 
wie ein ganz gleiches, aber kleineres im Hotel Cluny, geschmückt 
mit Blümchen in blauer Masse. Ein cylindrisches Glas, das sich 
oben etwas erweitert, besitzt das Museum zu Oudenarde; dasselbe 
stammt aus dem Jahre .1602 und ist mit Emailmalerei geschmückt. 
Auf der einen Seite sieht man einen Maiglöckchenstock, auf der 
anderen einen jungen Mann in reichem Wamms, welchem eine 
Dame auf den Knieen sitzt. Eine grosse Zahl der aus den 
niederländischen Ateliers hervorgegangenen Gläser gilt fUr vene- 
tianisch. So hat J. Houdoy im Musee de la porte de Hai 
zu 'Btüssel ein Glas mit dem Wappen von Antwerpen be- 
merkt, welches früher als venetianische Arbeit galt, das aber ohne 
Zw-eifel aus der Antwerpener Hütte stammt. Das älteste nieder- 
ländische Glas mit Emailmalerei, abgesehen von den in den 
Rechnungen Philipp's des Guten erwähnten, ist das. in einem 
Inventar vom Jahre 1569 aufgeführte: »Ung hault verre de cristal 
d'Anvers, ayant le piet et le couvercle d'argent dore par dedans, 
armoye des armes de Molenbais, mis en une custode, pesant avec 
le verre III mars V Estrelins.< 2). Endlich sei erwähnt, dass 
Mathesius der Hütte von Antdorf (Antwerpen) nachrühmt, dass 
sie zugleich mit den venetianischen »das schöneste schmelzglas, 
als ritzkle (roth)'), ultramarin von allerley färben, das die gold- 



*) 1. c, p. 34 ff. 2) j, Houdoy, I. c, p. 34. 

3) Dieses Ritzkle bedeutet jene Farbe, welche das Gold zeigt, wenn 



— 137 — 

schmid gebrauchen«, also die Emailfarben, deren sich in gleicher 
Weise auch die Glasmaler bedienen konnten, herzustellen ver- 
mochten. 

Ich komme endlich zu Deutschland. Wann hier die Email- 
malerei auf Glasgefässen den Anfang nahm, ist nicht bekannt. 
Wir wissen auch nicht, ob diese Technik aus Venedig eingeführt 
wurde oder ob sie hier bereits im Mittelalter in Uebung war, 
indem ja die Deutschen als Erfinder der Glasmalerei überhaupt 
gelten^), und im 12. Jahrhundert Theophilus von dem Bemalen 
des Glases als einer gewöhnlichen Technik spricht. ^) Auffallend 
ist es jedenfalls, dass der sonst so gut unterrichtete Mathesius, 
WO immer er von den venetianischen Glashütten spricht, nicht mit 
einer Silbe der Emailmalerei gedenkt. Es geht daraus hervor, 
dass in Murano um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Email- 
malerei ihre Rolle bereits ausgespielt hatte; denn Mathesius wusste 
davon so wenig, dass er die Erßndung derselben auf Glas- 
gef£lssen den Deutschen zuschreibt. Er sagt nämlich da, wo er 
von den deutschen Glashütten handelt, u. A. Folgendes: >Nach- 
malss hat fürwitz immer ein newes über das ander erdacht, 
etliche haben an die weyssen gleser färben, allerley 
bildwerck, und Sprüche im küloffen brennen lassen, wie 
man auch grosser Herrn contrafactur und wappen auff 
scheyben gemalet, die man in die Fenster versetzet.« 
Leider verschweigt unser Pfarrer, wo in den deutschen Landen 
der > Fürwitz« zum ersten Mal auf diese Idee kam. Doch wie 
dem auch jsei, so viel ist durch die angeführte Stelle ausgemacht, 
dass das Bemalen der Glasgef^lsse mit Emailfarben um die Mitte 
des 16. Jahrhunderts in Deutschland längst bekannt war. Das 
älteste emaillirte Glas in der Mustersammlung des Bayrischen 
Gewerbemuseums trägt die Jahreszahl 1556 und das älteste datirte 



darauf das Licht durch Obsidianglas fKUt. In dem Wörterverzeichnisse zu Georg 
Agricola, ,De natura fossiliuin, Ed. Proben, Basel 1546*, wird es also erklärt: 
Vitrum quo tingitur aurum rubro colore. 

') Vgl. Dr. Sepp, Ursprung der Glasmalerkunst im Kloster Tegernsee. 
München und Leipzig, Hirth 1880. 

2) Üb. II, c. XIX ff. 



— 138 - 

Überhaupt stammt aus dem Jahre 1547* Noch früher scheint das 
echte sog. Lutherglas in der Stadtbibliothek in Nürnberg zu sein. 
Dieses soll nämlich Luther 1 546 seinem Fretmde Jonas geschenkt 
haben, als er bei ihm, auf der letzten Reise nach Eisleben be- 
griffen, in Halle einkehrte. Darauf sieht man die Brustbilder von 
Luther und Jonas und dabei die Anfangsbuchstaben der Namen, 
bei jenem D. M. L., bei diesem D. I. I. Um den Rand läuft 
folgende laleinische Inschrift: 

yDat vitrum vitro Jonae vitram ipse Luthenis, 
Ut vitro firagili simUem se noscat uterque*, 

welche unterher deutsch übersetzt ist, wie folgt: 

^Dem alten Dr. Jonas bringt Dr. Luther ein schön Glas; 

Das lehret sie alle beide fein, dass sie gebrechliche Glaser sein.*') 

.2. Fichtelberger Gläser. 

Unter den bemalten Gläsern gibt es eine Anzahl, welche 
unter dem Namen >Fichtelberger Gläserc bekannt sind. Die- 
selben«, sagt Friedrich Leist*), >sind von einem weissen, nicht 
sonderlich feinen Glase; die Form ist eine ganz gewöhnliche, 
nach oben etwas ausbiegend, ohne den geringsten künstlerischen 
Zug; die Grösse bewegt sich von der eines Branntweingläschens 
bis zu der eines Masspokales, diese letzteren sind reine Cylinder. < 
Es ist wohl möglich, dass Mathesius mit den > Etlichen, welche 
an die weissen Gläser Farben u. s. w. einbrennen lassen c, die 
Glashütten des Fichtelgebirges im Auge hatte; denn es ist kaum 
ein Zufall, dass die eigentlichen > Fichtelberger Gläser« in der 
That aus weissem, d. h. farblosem Glase bestehen und so die 
Worte des Mathesius bis ins Einzelne rechtfertigen. Stimmt doch 
selbst der Umstand, dass »man grosser Herren Contrafactur und 
Wappen auf Scheiben gemalet, die man in die Fenster versetzet« ; 
denn in Bischofsgrün sind viele derartige Fensterscheiben gemalt 



1) Abgebildet in der lUustrirten Zeitung, Leipzig 1883, Nr. 2103 (20. 
Okt.), S. XXV. 

2) Friedr. Lei st. Die Fichtelberger Gläser [Kunst und Gewerbe, 1873, 

Nr. 40, S. 315]. 



— 139 — 

worden; leider sind die am Anfange unseres Jahrhunderts in 
Wunsiedel und Bischofsgrün noch vorhandenen seitdem verschwun- 
den, nur in der Bernecker Pfarrkirche befindet sich noch eine 
solche Scheibe, welche aber schon aus sehr später Zeit, aus dem 
Jahre 1696 stammt. ^ ) 

Demnach darf man, wie schon oben gesagt wurde, mit eini- 
ger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass unter den Glashütten jene 
des Fichtelgebirges, namentlich jene in Bischofsgrün, in Deutsch- 
land die ersten waren, welche die Gläser mit Emailfarben fabriks- 
mässig bemalten.^) Dafür spricht auch der Umstand, dass man 
späterhin die bekannten humpenartigen Glasgefässe mit Email- 
malerei allgemein als >Fichtelberger Gläser« bezeichnete, wenn 
sie auch anderswo gemacht waren; denn daraus dürfte hervor- 
gehen, dass die ersten derartigen Gläser aus dem Fichtelgebirge 
als Aufsehen erregende Neuheit gekommen sind. Und als man 
bald darauf in allen Hütten Deutschlands die Gläser in ähnlicher 
Weise zu bemalen begann, suchten die Fichtelberger Glasmacher 
ihren Produkten den Stempel der Echtheit und Priorität dadurch 
zu wahren, dass sie auf dieselben den zweithöchsten Berg ihres 
Gebirges, nämlich den Ochsenkopf, darstellten. 

Der merkwürdig frühe Aufschwung der Glashütten des bayri- 
schen Fichtelgebirges wird auf venetianischen Einfluss zurückge- 
führt. Es soll nämlich das Sagenreiche Gebirge schon im 14. 
und 15. Jahrhundert von goldsuchenden Venetianem, welche vom 
Volke »Wahlen«, d. h. Wälsche genannt wurden, durchforscht 
worden sein und diesen mögen die dortigen Glashütten in der 
That ihre Entstehung verdanken. Die urkundlichen Nachrichten 
reichen indess nicht so weit zurück, sondern beginnen erst mit 
dem Anfange des 17. Jahrhunderts. Nach Friedrich Leist kann 
aus einem Eintrage in den Bischofsgrüner Kirchenbüchern ge- 
folgert werden, dass im Jahre 1601 in Bischofsgrün ein Glasmaler 
Lorenz Glaser lebte-, im Jahre 16 li sodann wird ebendort ein 



') Friedr, List, a. a. O. 

^) Einzelne Gläser sind längst von wirklichen Künstlern bemalt und die 
Farben darauf eingebrannt worden. 



— 140 — 

Glasmaler Elias Wanderer erwähnt und am 3. Sept. 161 3 Hess 
ein Christoph Hock, Maler und Knopfmacher (Paterimacher) ein 
Kind taufen. Hieraus lässt sich jedoch keineswegs schliessen, dass 
erst mit Beginn des 17. Jahrhunderts im Fichtelgebirge Glas- 
hütten entstanden; denn auch die Siegburger Steinzeugfabrikation, 
um ein Beispiel aus einem anderen Gebiete anzuführen, kann 
urkundlich nur bis zum Jahre 1429 zurückgeführt werden, und 
doch hat dieselbe ein bedeutend höheres Alter. 

Was nun die »Fichtelberger Gläser« anbelangt, so spielen 
auf denen des 17. Jahrhunderts figürliche Darstellungen die Haupt- 
rolle. Gewöhnlich sieht man, sagt Friedrich Leist, einen >jungen 
Mann in der bekannten Tracht des dreissigjährigen Krieges auf 
der einen Seite und Blumenschmuck auf der anderen. Hier ist 
die Zeichnung noch möglichst correct, die Auffassung und Dar- 
stellung der Figur eine frische und flotte; die Blumen sind streng 
stilisirt, das grelle Colorit zeigt keinen Schatten. Auch allego- 
rische Figuren oder Abbildungen ganzer Familien kommen vor, 
hin und wieder sogar Begebenheiten des alltäglichen Lebens, 
wirkliche Genrebilder, c ') Allein derartige Gläser wurden bald 
überall in Deutschland gemacht, so dass man sie nicht sammt 
und sonders den Glashütten des Fichtelgebirges zuschreiben kann. 
Es ist femer auch die Behauptung Ilg's, dass die Fichtelberger 
Gläser imit viel blasseren, dick aufgesetzten Farben bemalt sind 
als die anderen gleichzeitigen deutschen Werke« 2), nicht so all- 
gemein richtig; denn es gibt echte Fichtelberger Gläser, welche 
das Gegentheil beweisen. Im Allgemeinen darf man daher einst- 
weilen nur jene , welche unzweifelhaft aus dem Fichtelgebirge 
stammen, als Fichtelberger Gläser bezeichnen. Es sind dies 
Gläser der 2. Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts, welche das 
Symbol des Fichtelgebirges an sich tragen, nämlich einen dicht- 
bewaldeten Berg, an dessen beiden Seiten sich die Köpfe der 
Thiere des Gebirges befinden, während dem Fusse die vier Flüsse: 
Main, Eger, Naab und Saale entströmen. Auf der Spitze befindet 
sich ein Ochsenkopf, um den zweithöchsten Berg des Gebirges, 



') a. a. O. ^) Lobmeyr, a. a. O., S. 107. 



— 141 — 

den Ochsenkopf, zu bezeichnen (Fig. 26). Manchmal ist um den 
Berg eine goldene Kette mit goldenem Schlosse gezogen, welche 
das Geheimniss volle des Gebirges andeuten soll. Die Inschriften, 
deren Friedrich Leist und Albert Ilg mehrere publicirt haben, 
besingen grösstentheils die Schönheit und die fabelhaften Schätze 
des Gebirges. Auf dem abbildlich mitgetheilten liest man: 



.Des füchtelberges Ruhm ist weit und breit bcLnod, 
er naUt zwar frembden mehr als eignen Vatterland; 
doch bleibt dem Lande was von ihme noch verliehen: 
an Eisen, Grtz und holCz thut man viel von ihm ziehen.' 

Auf der Rückseite befindet sich das Allianzwappen von Branden- 
burg und Württemberg; zu beiden Seiten desselben stehen die 
Worte: >Vivat Brandenburg und Würthenberger Hauss, Gott Lass 
sie leben Anno 1 748.1 Endlich lauf) ganz unten tim den 
Humpen folgende Inschrift: 



— 142 — 
3- Willkommen und Becher. 

Weitaus am zahlreichsten sind unter den bemalten Gläsern 
die »Willkommen«. Mit diesem Namen scheint man ursprüng- 
lich jedes Gefass bezeichnet zu haben, in -welchem man einem 
Gaste den ersten, also den Willkoiiimtrunk reichte; denn Hans 
von Schweinichen, ein tüchtiger Trinkheld, nennt in der Erzählung 
von dem Gastmahl, welches Max Fugger in Augsburg im Jahre 
1575 dem Herzog Heinrich XI. von Liegnitz gab, sogar ein 
Schiff aus venetianischem Glase einen Willkommen ^ ), und in dem 
Dictionarium latinogermanicum [Tiguri 1556, Bl. 597 a] und in 
der Umarbeitung dieses Werkes vom Jahre 1561^) kommt der 
Willkomm als ein unten spitzes Trinkgeschirr vor, das unaus- 
getrunken nicht hingestellt werden kann. Femer war der Will- 
komm nicht an das Glas gebunden, sondern er hestand auch aus 
anderen Stoffen, wie z. B. aus Sflber. 3) Die Willkommen aus 
Glas kamen nicht viel vor der Mitte des 16. Jahrhunderts auf, 
wie uns Mathesius ausdrücklich versichert, wenn er nach Her- 
zählung der früheren Trinkgefässe also fortfahrt: »nun macht man 
die unfletigen grossen willkommen, narrengleser, die 
man kaumet aufheben kann.« Daraus geht zugleich hervor, 
dass die Grösse eine characteristische Eigenschaft der Willkommen 
war, sowie dass dieselben damals bereits stehen konnten. Seit 
dieser Zeit ist für sie überhaupt die cylindrische oder wenigstens 
konische Form typisch geworden; ebenso wurde seitdem der 
grösste Theil derselben durch mehr oder minder gelungene Male- 
reien verziert. 

Manche dieser Willkommen mögen aus den Glashütten in 
Bischofsgrün am Fusse des Ochsenkopfes hervorgegangen sein. 



1) Leben des schlesischen Kitters Hans von Schweinichen. Herausgege- 
ben von Prof. Büsching, Leipzig 1833, I, S. 157. 

2) Die Teutsch Sprach, dem ABC nach ordentlich gestellt und mit 
gutem Latein fleissig und eigentlich vertolmetscht , dergleichen bisshärr nie ge- 
sähen, durch Josua Maaler Burger zu Zürich. Tiguri i56i,Bl. 500a — ange- 
führt von W. Seibt, a. a. O. 

^) W. Seibt, a. a. O., S. 50. 



m 



Tafel I. Reichshumpen. 



— 145 — 

Man pflegt auch im Allgemeinen von >Fichtelgebirg'schen Will- 
kommgläsern« zu sprechen. Da aber derartige Gläser auch tiber- 
all sonst gemacht wurden, lässt sich eine Ausscheidung nach 
dieser Richtung nicht gut bewerkstelligen. Ich lasse daher die 
Willkommen und Trinkhumpen dieser Art nach den Darstellungen 
geordnet folgen und ftige hier zugleich alle mehr oder minder 
cylindrischen oder konischen Becher mit ähnlichen Darstellungen an. 

a. Adlergläser oder Reichshumpen. 

Adlergläser oder Reichs humpen nennt man jene Will- 
kommen, welche mit einem Doppeladler bemalt sind, von dessen 
Flügeln die Wappen der verschiedenen Stände, Länder, Städte ^ 
und Burgen des Reiches ausgehen (Tafel i); an seltenen Pracht- 
stücken trägt der Adler auch noch ein Krucifix auf der Brust. 
Auf die Bemalung dieser Humpen wurde, wenigstens im i6. und 
17. Jahrhundert, grosse Sorgfalt verwendet; manche derselben sind 
in der That von hohem künstlerischen Werthe. Wie an allen 
bemalten Gläsern, besteht auch an ihnen die Malerei in aufge- 
setzten und dann eingebrannten, aber nicht durchsichtigen Email- 
farben. Das älteste der bis jetzt bekannten Adlergläser befindet 
sich in Laxenburg im sog. Speisesaale der Franzensburg; dasselbe 
trägt nämlich die Jahreszahl 1547^); die grosse Mehrzahl ist in- 
dess nicht älter als das 1 7. Jahrhundert. Im Allgemeinen müssen 
daher die Reichshumpen, welche Jahreszahlen wie 1572, 1578, 
1586, 1590 tragen, also diejenigen, welche noch aus der 2. 
Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen, als frühe Beispiele ange- 
sehen werden. Dass der Gebrauch dieser Humpen nicht aus- 
schliesslich auf die hohen und höchsten Personen des Reiches 
beschränkt war, wird durch ein Adlerglas des österreichischen 
Museums von 1679 bewiesen; denn dasselbe diente laut Inschrift 
als Zunftbecher 2). 

Um den Rand dieser Humpen läuft in der Regel eine In- 
schrift, wie z. B. »Das heilige römische Reich mit sammt seinen 



') Lobmeyr, a. a. O., S. 106. ^) Lobmeyer, a. a. O. S. 166. 

10 



146 — 



Gliedern« oder iGottbehüt und erhalt das heilige römische Reich 
mit sammt seinen Gliedern und allen zugleich< u. s. w., und manche 
sind mit einem Deckel versehen, wie z. B- der Prachthumpen vom 
Jahre 1 671, welchen unsere Tafel I abbildet. Die von den Schwingen 
des Adlers ausgehenden Wappen sind bei allen Reichshumpen 
gleich^und, wie folgt, benannt: 

1. 4 Vicari: Braband, N. Sachsen, Westerreich, Schlessi. 

2. 4 Lantgraven: During, Edelsass, Hessen, Leuchtenberg. 

3. 4 Graven: Cleve, Saphoy, Schwartzburg, Cilli. 

4. 4 Ritter: Anndelaw, Weissenbach, Fraanberg, Strundeck. 

5. 4 Dorfer: Bamberg, Ulm, Hagenaw, Sletstat. 

6. 4 Birg: Magdaburg, Lutzelburg, Rotenburg, Aldenburg. 

7. 4 Baurn: Cöln, Regensburg, Cosenitz, Saltzburg. 

8. 4 Stett: Augspurg, Metz, Ach, Lübeck. 

9. 4 Semver Frein: Luntburg, Wasserburg, Thussis, Alwalden. 

10. 4 Burggraven: Maidburg, Nürnberg, Remeck, Stramberg. 

11. 4 Marggrafen: Merchern, Brandenburg, Meichssen, Baden. 

12. 4 Sevl: Braunschweig, Baiern, Schwaben, Lutring. 

Auf der Rückseite dieser Humpen sind in der Regel Blu- 
men meistens Maiglöckchen oder Kornblumen angebracht; doch 
finden sich auch welche, auf deren Rückseite ein Kreuz mit 
Schlange daran zu sehen ist. Manchmal endlich ist die Form 
dieser Adlergläser nicht die eines cylindrischen Humpens, sondern 
jene eines mächtigen Pokals. Ein hübsches Beispiel dieser letz- 
teren Art besitzt die Mustersammlung des Bayrischen Gewerbe- 
museums. An demselben ist der Fuss bis zum Knaufe herauf weg- 
gebrochen und durch einen Holzfuss ersetzt. Eine hieher gehörige 
Trinkkanne , welche Nesbytt abbildet, ist schon oben erwähnt 
worden. 



b. Kurfürstengläser, Kurfürsten-, Apostel- und andere 

Service. 

Kurfürstengläser nennt man jene Willkommen, auf deren 

Mantelfläche die kaiserliche Majestät, umgeben von den sieben 

Kurfürsten, dargestellt ist. Dieselben sind entweder sitzend oder 

zu Pferde. Im letzteren Falle sind sie in der Regel auf zwei Zonen 



Tafel II. Kurfürstenhumpen. 



— T49 

vertheilt, wobei dann der Kaiser und die drei geistlichen Kur- 
fürsten in der oberen und die vier weltlichen Kurfürsten in der 
unteren ihren Platz haben (Tafel II). Manchmal geben gereiinte 
Inschriften über jeden der Dargestellten nähere Auskunft; so sind 
auf zwei hieher gehörigen Humpen des Bayrischen Gewerbe- 
museums folgende drei Strophen angebracht: 

;^Also in all Ihren Ornat 
Sitzt keisserliche maystat 
Sampt den sieben churfürsten gut, 
Wie denn ein jeder sitzen thut 
Ihn churfürstlicher kleidung fein 
mit ahnzeigung des amptes sein*. 

,Der König in Behm der ist 
des reichs' ertzschenk zu aller frist; 
hernach der pfaltzgraf bei den rein 
Des reichs truchsess thut sein, 
der Hertzog zu Sachsen geboren 
ist des reichs marschalch auserkoren 
der margraf von brandenburg gut 
des reichs ertzkammerer sein thut*. 

J^er ertzbischof zu mentz bekant 
ist cantzler in dem deitschen lant, 
So ist bischof von köln gleich 
auch cantzler in ganz Frankreich, 
Darnach der ertzbischof zu trier 
ist cantzler im welschen Refier*. 

Hin und wieder scheinen »Kurfürstenservice«, wenn der 
Ausdruck erlaubt ist, hergestellt worden zu sein. Man ' erinnert 
sich hiebei einer Stelle des Mathesius, in welcher gesagt wird, dass 
man in Venedig >eine gantze gleseme Credentz oder Tresier, des 
sich grosse Herrn viel gestehen (kosten) lassen«, gemacht habe. 
Diese Sitte, ganze Trinkservice herzustellen, hat sich bald auch 
nach Deutschland verpflanzt. Es gibt u. A. eine Reihe von Bechern, 
die nur mit einem einzigen Kurfürstenbilde, oder bloss mit der 
Kaisergestalt versehen sind. Ohne Zweifel gehörten 8 solcher Becher, 
von denen 7 mit je einem Kurfürsten und der 8. mit dem Kai- 
serbilde geschmückt waren, zu einem Ganzen zusammen. Das 
Bayrische Gewerbemuseum besitzt mehrere derartige Becher, so 



— ISO — 

einen mit dem Reiterbilde des PfaJzgrafen bei Rhein vom Jahre 
IÖ34, einen anderen mit dem Kurfürsten von Cöln zu Pferde 
U.S.W. In eben dieser Sammlung befindet sich ein farbloser Trink- 
becher von 1645, welcher beweist, dass man damals nicht blos 
Apostelkrüge, sondern auch »Apostelservice» gemacht hat. Auf 
dem betreffenden Becher stehtnämlich folgende Inschrift: no. ich 
glaub ann deoD heilligeo geist, eine heilige christliche Kirche. 
l645<; daneben ist laut Beischrift S.Simon dargestellt. Der Becher 
gehörte demnach unzweifelhaft zu einem grösseren Service; auf 
den einzelnen Gläsern dieses Services war je ein Apostel und ein 



ETfr***^. 



Fig. 27. 



Satz des christlichen Glaubensbekenntnisses angebracht. Die alt- 
deutschen Zecher sassen demnach bald mit den Aposlelü, bald mit 
Kaiser und Kurfürsten zu Tische. Unsere Fig. 27 gibt einen rei- 
zenden kleinen Becher in natürlicher Grösse wieder, einen soge- 
nannten ungarischen Krönungsbecher, auf dessen Rückseite: »Vivat 
Josephus* zu lesen ist; derselbe gehörte ohne Frage zu einem 
grösseren Service. Das Gleiche gilt von dem hübschen Becher, 
welcher in Fig. 28 zu sehen ist. Er ist mit zwei ^grünen Laub- 
kränzen geschmückt und trägt um das Wappen, welches die Vor- 
derseite einnimmt, die Buchstaben: J. W. V. A, 



151 



c. Innungshumpen uod Zunflbecher. 
Besonders zahlreich sind jene Humpen und Becher, auf wel- 
chen irgend ein Gewerbe verherrlicht wird. Seit der Mitte des 
ly. Jahrhunderts haben nämlich die Glasmaler durch Anbringung 
der Zunftwappen und ähnlicher Darstellungen ihren Produkten 
einen grösseren und leichteren Absatz in den Kreisen der Gewerbe- 
treibenden zu Verschaffen gesucht. Allerlei ainnige Sprüche sollten 
zur Förderung dieses Zweckes beitragen. So wurde das Handwerk 
der Schneider, Töpfer, Schmiede, Bäcker, Gärtner, Metzger, Schu- 
ster, Kürschner und viele andere auf den Gläsern gefeiert. Dass 



Fig. a8. 

in jener Blüthezeit des deutschen Durstes auch der Brauerei nicht 
vergessen wurde, ist selbstverständlich. Auf einem hieher gehörigen 
Becher des Bayrischen Gewerbemuseums sieht man vorne das 
Wappen der Bierbrauer und rückwärts liest man folgende stolze 
Inschrift in schlechten Versen: 

^Im Lpbeii bamburg (Gambrinus] ward ich genaDd, 

ein könig in persin und brabanC, 

bab aas der gersten molss gemacht 

und das bihr breuen erst erdachl, 

also die brauet können sE^en, 

das sie ein könig zum meisCer haben, 

nim kom ein ander Handwerk her 

und zeige der gleicher oihöber mehr. Anno 1719*. 



— 152 — 

Fast jede grössere Sammlung besitzt eine Anzahl derartiger 
Humpen; von denen des Bayrischen Gewerbemuseums stammen 
5 aus der 2. Hälfte des 17., 7 aus der i. ^Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts und einer aus dem Jahre 1789. Die Farben sind auf 
diesen späten Humpen im Allgemeinen viel blasser als auf den 
früheren. Das Glas selbst hat selten mehr jenen warmen, bald 
gelblichen bald grünlichen Ton wie früher; die farblos durch- 
sichtige Masse nimmt immermehr überhand. Es verhält sich eben 
mit den Gläsern ebenso, wie mit allen der Mode unterworfenen 
Dingen. So lange die höheren Kreise Gefallen fanden an den 
mit Emailfarben bemalten Humpen, beschäftigten sich mit deren 
Herstellung oft tüchtige Künstler. Als sich aber die Mode den 
geschliffenen und gravirten Krystallgläsern zuwandte, fanden die 
bemalten Humpen nur mehr in den Kreisen der Handwerker 
Absatz. Diese waren selbstverständlich nicht in der Lage, hohe 
Preise zu zahlen, und so verfiel die Emailmalerei nach und nach 
und hörte gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts hin fast ganz 
auf, wenigstens schuf sie seit dieser Zeit nichts Erhebliches mehr. 
In Bezug auf Böhmen schreibt ein Autor um das Jahr 1830: *) 
>Die Glasmalerei war damals (Ende des 18. Jahrhunderts) einfach; 
man verdünnte die Farben mit Wasser und trug sie so auf das 
Glas. Das Glas musste dann noch einmal auf der Glashütte 
behandelt werden, damit die Farben fest eingebrannt blieben, 
wobei viel Sprung entstand. Man nannte diese Maler Wasserglas- 
maler. Später kam es von dieser Malerei ganz ab und es ent- 
stand die feine Glasmalerei und Glasvergoldung, wo ein jeder 
Glasmaler und Glasvergolder in seiner Wohnung einen dazu ein- 
gerichteten Ofen hat, worin er die Farben und Vergoldung dem 
Glase einbrennt, die daher Brennöfen heissen.< Ein anderer 
Autor sagt um dieselbe Zeit 2), dass >man bei der früher üblichen 
sogenannten Kleckmalerei die Farben massiv aufs Glas auftrug, 
so dass man die Glasgemälde und ihren Umfang eben so gut 
mit dem Gefühle als mit den Augen bemerken konnte.« 



I) Schebek, Böhmens Glasindustrie und Glashandel. Quellen zu ihrer 
Geschichte. Prag 1878, S. 64. -) Schebek, a. a. O. S. 19. 



— 153 — 

Wenn somit die Malereien an diesen späten Gläsern weder 
in technischer noch in künstlerischer Beziehung von besonderem 
Interesse sind, so enthalten die Darstellungen und die Inschriften 
doch so viel Witz und Humor, dass man gerne etwas bei ihnen 
verweilt. Da besitzt die Mustersammlung des Bayrischen Ge- 
werbemuseums einen Schneiderhumpen aus dem Jahre 1738. 
Wegen der besonderen Grösse des Gefösses fand es der Maler 
für nothwendig, darauf das Lob der Massigkeit in folgenden 
Versen zu singen: 

;,Es bleibt die Massigkeit dass Kleinoth edler Sinnen, 
sie fähret alles aus mit rühm und mit bedacht, 
sie kann in allen thun den besten Preis gewinnen, 
Drum wird sie ider Zeit geliebet und geacht.* 

Aber diese Begeisterung für die Massigkeit scheint bei den 
ehrsamen Besitzern des Humpens nicht in Fleisch und Blut ge- 
sessen zu haben; denn sie Hessen gleich daneben noch folgende 
Verslein anbringen: 

»Auss grossen gläsern Schmäckts den Schneydem allen gutt, 
drum Trinken sie hier nicht aus dem Fingerhut, 
imd dieses wollen wir noch nicht so bald verschweeren, 
Weil es noch alle Zeit kan lust und Freud ge(wejhren. 

Es geh unss allen wohl/ 

Auf einem gewaltigen Humpen der Hammerschmiede von 
1673 steht nicht mit Unrecht: 

;^Wer mich auss Trinkt zu ihter zeidt, 
dem gesegnes die heilige Dreyfaltigkeidt/ 

Ein verliebtes Bäckerpaar Hess seinem Trinkhumpen ( 1 706) 
folgende Worte einbrennen: 

yLieb haben in ehren^ 

kan uns beyden niemand wehren*, 

und ein Töpfer rief seiner Geliebten zu (1733): 

yMein Schatz lieb du mich, 
gleich wie ich dich.* 

Weniger schwärmerisch war der Hutmacher, welcher auf 
seinem Trinkglas folgende Devise anbringen Hess: 

,lieb habenn unndt nicht geniesen, ♦ 

Möchte woll einnen andern verdriesen * 



— 154 — 

Von Stolz und Selbstgefühl des Besitzers zeigen folgende 
Verse auf einem Schreinerhumpen (1696); 

«Kunst, witz and fleiss, 

wer dass find und weiss, 

dem bringt's Nutz und Preyss/ 

Auf einem Bäckerglase vom Jahre 1696 steht zu lesen: 

;»Ein Handwerck Gottes ortnung ist. 
treib es nur fleissig, lieber Christ 
und bet darbei andächtiglich, 
Gott will dich segnen müdiglich/ 

Erfüllt von seinem Berufe war ein Töpfer in Greiffenberg, 
welcher 1657 ^^^ seinem Trinkglase diese Verse anbringen liess: 

,Ich bin ein Topffer, dass ist war, 
anss thon mach ich so mancherley Wahr, 
krüge, tiegel, topile und Schieseln fein, 
dass braucht man als in gemein.* 

Die Metzger dagegen haben sich auf einem Humpen von 
1697 durch folgende Inschrift als gewissenhafte Trinker verewigt: 

,Wir Schlachten (Schlichter) schlagen Todt, vergissen manches Blut, 
vergissen Wenig Bier, Weil das Unss Schmäcket gutt. 
So geh Unss allen wohl. 
Trincket mitt freuden.* 

Manchmal machten sich die Glasmaler auch lustig über ir- 
gend ein Gewerbe. Sehr interessant ist in dieser Beziehung ein 
Spotthumpen auf die Schneider in der Mustersammlung des Bay- 
rischen Gewerbemuseums vom Jahre 17 14. Darauf sind zwei Dar- 
stellungen angebracht: auf der Vorderseite sieht man den Schneider 
vor einem Tische stehen, links und rechts davon, auf Sesseln 
sitzend, einen Geisbock und einen Hasen. Ueber dem Schneider 
stehen die Worte: >Ist es vergont?«; über dem Hasen, welcher 
zunächst antwortet: »vor mir alle Zeit«, und über dem Geisbock: 
»vor mir auch, Herr Vettere. Auf der Rückseite gerathen eben 
der Bock und der mit einem Schwerte bewaffnete Hase an ein- 
ander* vor ihnen steht der Schneider mit der Scheere und ruft 
ihnen zu; > Kamerathen, haltet Friede f. 



— 155 — 

d. Gläser mit Darstellungen aus dem täglichen Leben 
und solche mit allegorischen Bildern. 

Eine grosse Anzahl von Willkommen und Bechern, nament- 
lich des 17. Jahrhunderts, ist mit Scenen geschmückt, welche dem 
täglichen Leben entnommen sind. Auch bei diesen entfaltet sich 
nicht selten ein naturfrischer Humor und Witz; sie sind daher in 
kulturhistorischer Beziehung von Interesse. So liest man auf einem 
Becher von 1674, auf welchem eine Bärenjagd dargestellt ist, 
folgende Inschriften: 

,Mitt freuden dran, 
Mitt geluck davon* 

und: 

;»Aaff Reiner Heidt ondt zardter Erdt, 
Hatt mir Gott of!l mein Beth bescherdt.* 

Auf einem anderen Becher von 1689 befindet sich ein Lie- 
bespaar unter einem Baume vor einem Haus: die Schöne scheint 
etwas spröde gewesen zu sein, daher die Inschrift: 

^lAb haben ohne Dank 

Macht mir Zeit und Weille lang.* 

Das Seitenstück dazu bildet ein konischer Becher, auf wel- 
chem eine sittsame Dame dargestellt ist, wie die Inschrift: 

^Zucht, Ehr und Tugent 
Ziert wohl die Jugend* 

hinlänglich bezeugt. 

£in ander Mal sieht man ein Wirthshaus und dabei die 
Inschrift: 

,In diesen hauss 

trinken wir unss einen Rausch*, 

wobei der betreffende sich mit der ganzen Welt identificirte. 
Wieder ein ander Mal macht ein Narr schlechte Witze über ein 
Haus, in welchem Alles liebte: 

,1. Die Hennen und der Hahn, 

2. Das weib und der mann, 

3. Die Docher und der mich (Michel), 

4. sprach der nar, das spil lob ich*. 



- 156 - 

Entsprechende Scenen erläutern diese Inschrißen. Auf diese 
Weise haben alle Seiten des alltäglichen Lebens durch die Glas- 
maler ihre mehr oder minder gelungene Verherrlichung gefunden. 
Verschiedene altdeutsche Willkommen sind ferner mit alle- 
gorischen Darstellungen geschmückt, deren Sinn oß schwer zu 
enträthseln ist. So besitzt die Mustersammlung des Bayrischen 
Gewerbemtiseums einen Humpen von i6oS, auf dessen Vorder- 
seite man innerhalb eines Lorbeerkranzes auf bläulichen Wellen 
eine auf einem geflügelten Todtenkopfe stehende weibliche Gestalt 
sieht, welche, in der Rechten eine Waage, in der Linken einen 
Lorbeersweig haltend, dem Lande zutreibt, wo sich eine grosse 
blaue Beere befindet. Aehnliche Darstellungen finden sich noch Öfter. 




IV. 
Einige Spezialitäten. 

I. Schapergläser, 

IT der Emaillirung der vorhin namhaft gemachten 
Gläser beschäftigten sich namentlich in der ersten 
Zeit zum Theil bedeutende Maler. In der That darf 
der Schmuck von manchen der bemalten Humpen 
einen gewissen künstlerischen Werth beanspruchen. Es ist sehr 
wahrscheinlich, dass bereits der vielseitige Augustin Hirsch- 
vogel (1488 — c. 1553) sich mit dem Emailliren gläserner Ge- 
fasse beschäftigt hat. Johann Neudörfer ^) und nach ihm Johann 
Gabriel Doppelmayr ^) nennen ihn einen Glasmaler und sagen 
von ihm, dass er, wie sein Bruder Veit und sein Vater glei- 
chen Namens, im Emailliren eine grosse Fertigkeit besessen, ja 
im Glasmalen beide übertrofifen habe, da ihm im Brennen be- 
sondere Vortheile bekannt gewesen seien ^). Dass sich diese 
seine Kunst nicht auf Glasscheiben beschränkt hat, geht aus sei- 
nen Bestrebungen hervor, die venetianische Art des Glasmachens 



') Nachrichten von Künstlern und Werkleuten. Herausgegeben von Dr. 
G. W. K. Lochner. Quellenschriften zur Kunstgeschichte, Bd. 10, Wien, 1875. 
S. 175. 

^) Historische Nachricht von den Nümbergischen Mathematicis und 
Künstlern. Nürnberg 1730. S. 199. 

3) Vgl. R. von Retberg, Nürnbergs Kunstleben in seinen Denkmalen 
dargestellt. Stuttgart, Ebner & Seubert 1854, S. 137. 



- 158 - 

in Nürnberg einzuführen '). In einem hierauf bezüglichen Ver- 
trage zwischen dem Hafner Hanns Nickel und Augustin Hirschvogel 
vom 15. Mai 1532 wird ausdrücklich erwähnt, dass Hirschvogel 
zum Zwecke des geplanten Glasmachens »das gemele, färb und 
das holz auf sein costen dargeben < solle. Hirschvogel musste 
demnach zur Erzeugung des Farbenglases die Färbemittel (>farb<) 
liefern und zugleich für die fertigen Produkte > das gemele«, d.h. 
wohl, er musste diese emailliren. 

Gewiss haben auch andere Glasmaler ihre Kunst nicht bloss 
auf Glastafeln beschränkt, sondern auch auf das Hohlglas über- 
tragen. Ich darf daher an dieser Stelle wohl auch Georg Gut- 
tenberger (f 1670) nennen, von welchem Doppelmayr rühmt 2), 
dass er sich durch seine Kunst bei vielen beliebt gemacht und 
namentlich im Unterrichten von Schülern, wie z. B. des Johann 
Ludwig Faber, sich bewährt habe. Ebenso darf hier des Glas- 
malers Georg Strauch (f 1675) gedacht werden^), da derselbe 
sich besonders im Emailliren ausgezeichnet hat. Bekannt ist fer- 
ner, dass Kaiser Ferdinand I. durch den Nürnberger Maler Al- 
brecht Glockendon im Jahre 1553 vier Wappen auf zwei Trink- 
gläser malen und einbrennen Hess. Diese zwei Gläser wurden 
sodann durch den Wiener Goldschmied M. Kessler in Silber ge- 
fasst und von dem Kaiser den Augsburger Kaufleuten Wolf Paller 
und Conraden Herbsten verehrt. Glockendon bekam für setn^e 
Arbeit 238 fl. *) 

Der bedeutendste von allen Malern aber, welche ihre Kunst 
den Trinkgläsern zu gute kommen Hessen, war Johann Schaper. 
Von ihm sagt Doppelmayr ^), dass er >äuf die Trink - Gläser .. . 
gar delicat mahlte, und hernach mit gutem Vortheil solche schön 
brannte, dahero auch dergleichen Stücke, zumahlen da es ihme 



1) Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Organ des Germanischen 
Nationalmuseums. 1877, No. 10, S. 191 ff. — Joh. Neudörfer's Nachrichten von 
Künstlern und Werkleuten. Herausgegeben von Dr. G. V. K. Lochner, a. 
a. O. S. 152 ff. 2) a. a. O. S. 233. ^) Doppelmayr, a. a. O. S 233. 

*) Lochner, Neudörfer*s Nachrichten, a. a. O. S. 230. — Vgl. Lob- 
mayr, a. a. O. S, iio. '') a. a. O. S. 233. 



— 159 - 

bishero fast Niemand hierinnen gleich gethan, annoch von denen 
Kunst-Liebenden sehr ästimiret werden <. 

Johann Schaper, auch Schapper geschrieben, wurde zu Har- 
burg, einem an der Elbe nicht weit von Hamburg gelegenen Orte 
am Anfange des 17. Jahrhunderts* geboren. Seit 1640 lebte er 
in Nürnberg und starb daselbst am 3. Februar 1670. »Er be- 
malte < , sagt Dr. G. K. Nagler >), »gläserne Trinkgefässe und 
Prachtgeräthe , und lieferte in dieser Art sehr schöne Arbeiten 
von wirklich künstlerischer Bedeutung. In der Kunstkammer zu 
Berlin sind von ihm eine Reihe sehr anmuthig bemalter Gläser 
mit Landschaften, Figuren und Wappen, theils in bunten Farben, 
theils monochrom gehalten, in schönem Sepiaton der Farbe«. Diese 
hat Franz Kugler mit grosser Liebe studiert und beschrieben *). 
Am seltensten sind von Schaper die mit bunten Farben bemalten 
Gläser; die monochrom, in bräunlichem oder auf schwarzem Tone 
gehaltenen dagegen sind ziemlich käufig und sie sind es zunächst, 
an welche man bei der Bezeichnung >Schapergläser« denkt. 
Schaper hat seine Arbeiten nur ausnahmsweise mit seinem, aus den 
beiden Anfangsbuchstaben seines Namens zusammengezogenen Mo- 
nogramme bezeichnet; noch seltener aber findet sich der volle 
Name und ist derselbe sodann mikroskopisch klein ausgefallen, 
dass man ihn mit unbewaffnetem Auge schwerlich erkennen kann. 

Schaper hatte einige Schüler und Nachahmer, welche die 
eigenthümliche Art der Gläserbemalung ihres Meisters fortsetzten. 
In der Kgl. Kunstkammer zu Berlin befindet sich ein Glas, wel- 
ches mit: »Joh. Keyll (f.) 1675« gezeichnet, und ein zweites, 
auf welchem >Nr. 9. Herman Benchert f. anno i6yS.< zu lesen 
ist 3). Zwei Gläser mit dem Monogramme des ersteren befan- 
den sich auch in der Sammlung Rolas du Rosey^). Die be- 
treffenden Arbeiten, so tüchtig sie auch waren, erreichten aber 
die Feinheit der besten von Schaper's Hand nicht. Wie lange sich 
diese Art der Verzierung auf Gläsern erhalten hat, lässt sich nicht 



') Neues allgemeines Künstlerlexikon. 15. Bd. S. 144. 

2) Beschreibung der Kgl. Kunstkammer zu Berlin. S. 273. 

3) Fr. Kugler, a. a. O. S. 273. ^) Seibt, a. a. O. S. 59. 



— i6o — 

bestimmt angeben; jedenfalls unrichtig ist es aber, wenn Kugler 
sagt: »Mit der späteren Zeit des siebzehnten Jahrhunderts ver- 
schwindet die Mode der Malerei auf den Glasgefässen , und es 
tritt Schleifarbeit an deren Stellet; denn die Bemalung der Glflser 
im Allgemeinen dauerte noch Jas ganze i8. Jahrhundert hindurch 
und die Bemalung von Glasgefässen in der Manier Schaper's blühte 
noch in der ersten Hälfte des i8. Jahrhunderts, wie ein sehr 
hübscher Becher dieser Art in der Mustersammlung des Bayrischen 
Gewerbemuseums vom Jahre 1720 bezeugt. 

Da nun die Schüler und Nachahmer Schaper's mitunter ganz 
tüchtige Arbeiten hinterlassen haben , ist es da , wo der Name 



"^-^ 






oder das Monogramm fehlt, sehr schwer zu entscheiden, ob das 
betreffende Stück aus der Hand Schaper's hervorgegangen ist oder 
nicht; andrerseits ist es nicht immer zulässig, die minder ge- 
lungenen Werke Schaper einfach abzusprechen, da auch er hin 
und wieder Gläser >in der kälteren schwarzen Farbe und ohne 
hervorsfechend geistreiche Ausführung* gemalt hat. Freilich an- 
dere Arbeiten SchaperS sind so delicat, dass sie sich als wahre 
Kunstwerke darstellein' Unter den hieher gehörigen 9 Gläsern 
des Bayrischen Gewerbemuseums befinden sich mehrere, welche 
eines Schapers wohl würdig sind. Besonders hübsch ist die Ma- 
lerei an einem sehr leichten cylindrischen Becher, welcher auf 



— i6i — 

drei Kugeln ruht; sie ist in schönem bräunlichen Tone gehalten. 
Auf der Vorderseite sieht man in trefflicher Ausführung das Wap- 
pen des Stiftes St. Lambrecht und das Hauswappen eines Abtes 
dieses Klosters; auf der Rückseite ist eine Siegestrophäe darge- 
stellt. Auf einem anderen cylindrischen, auf drei Kugeln ruhenden 
Becher mit Deckel aus sehr leichtem Glase ist die Malerei poly- 
chrom; die angewendeten Farben sind schwarz» weiss, blau, roth 
und gelb; wieder an anderen Bechern ist der Mantel zuvor zwölf- oder 
mehrseitig geschliffen worden, bevor die Malerei angebracht wurde. 
Unter diesen ist der in Fig. 29 abgebildete der schönste und 
sicher aus der Hand Schapers hervorgegangen. Die Darstellung 
zieht sich um das ganze Glas herum. Man sieht im Vordergrunde 
einer Seestadt eine prächtige römische Ruine; der Hafen und das 
weite Meer wimmeln von Segelschiffen und Barken, darüber ein 
Schwärm von Möven. Am Ufer sitzen angelnde Fischer und gehen 
Leute auf und ab. Den Vordergrund nimmt eine derbe Gärtnerin 
mit einem Rechen Über der Schulter ein; ihr kommt ein ebenso 
derber Mann entgegen. Zeichnung und Ausführung sind vorzüglich. 

2. Blaue Gläser. 

Im Allgemeinen pflegt man die farbigen Gläser, mit Aus- 
nahme der grünen und gelben, der venetianischen Fabrikation zuzu. 
schreiben. Auf diese Weise sind bisher der deutschen Glasindu- 
strie manche ihrer schönsten Produkte entzogen worden. Es be- 
steht nunmehr kein Zweifel, dass auch diese ganz ausgezeichnete 
Farbengläser erzeugt hat und zwar schon in sehr früher Zeit. Ihre 
Hauptstärke bildete allerdings das gelbe und das grüne Glas. Aus 
dem letzteren bestehen nicht nur die Römer, sondern auch eine 
grosse Anzahl anderer Gefasse, wie Becher und Humpen, und 
selbst das farblose Glas hat in manchen Gegenden durchweg einen 
Stich in's Grünliche. Mindestens eben so alt wie das grüne Glas 
ist das gelbe; denn man hat zu Nordendorf gelbe Gläser des früh- 
esten Mittelalters gefunden und später hatten die farblosen Gläser 
einiger Fabriken nicht selten einen gelblichen Hauch. 

Wenn die Angaben des Theophilus über die Erzeugung der 
Farbengläser unbestimmt, ja häufig geradezu naiv sind, so darf uns 

II 



— l62 — 

das nicht irre machen; denn damals galt die Geheimhaltung der 
Recepte als erste Pflicht. Es ist schon viel, dass unser Mönch 
überhaupt im Detail von der Herstellung der Farbengläser spricht 
und unter diesen das safrangelbe, fleischfarbene, purpurne u. s. w. 
erwähnt. Gewiss war der Zufall häufig ein ausschlaggebender Factor ; 
aber man wusste sich, wie schon oben gesagt wurde, theilweise 
dadurch zu helfen, dass man die Masse mittels der in den antik- 
römischen Gebäuden gefundenen Mosaikwürfel oder mittels des 
von den Griechen oder Venetianem bezogenen Rohglases färbte. 
Es fehlte übrigens doch nicht gänzlich an zuverlässigen Recepten 
schon in dieser frühen Zeit des Mittelalters; denn Heraclius sagt 
ganz richtig, dass das rothe Glas durch Kupferfeile (Kupferrubin) 
und das grüne durch Messingfeile erzielt werde. 

Das Nämliche berichtet im i6. Jahrhundert Mathesius, wenn 
er sagt, dass man das Glas mit Hammerschlag grün färbe, roth 
und gelb aber mit Braunstein und Kupferschlag. Von anderen 
Farben erwähnt Mathesius nur noch das Beinglas, dessen sich die 
Schlesier zu ihren geschnürlten Gläsern bedienten, ohne aber Näheres 
darüber anzugeben. Georg Agricola, welcher erzählt, dass man 
damals Gläser herzustellen verstanden habe, welche dem Diamanten, 
Smaragde, Karfunkel, Amethyst, Hyacinth, Saphir, Obsidian und 
anderen einfarbigen Steinen, ja sogar dem Opal und Jaspis gli- 
chen, meint jedenfalls zunächst die venetianischen Glashütten. Im 
Ganzen und Grossen also wissen wir über die deutschen Farben- 
gläser des 1 6. und der ersten Hälfte des 1 7. Jahrhunderts beinahe 
noch weniger als Über jene des frühen Mittelalters; kein Wunder 
also, wenn dieselben grösstentheils venetianischer Fabrikation zuge- 
schrieben werden. Aber es existiren aus der genannten Zeit zwei- 
fellos deutsche Farbengläser, namentlich solche von dunkelblauer 
Farbe. Es muss damals irgendwo in Deutschland eine Fabrik be* 
standen haben, die sich hauptsächlich auf die Herstellung blauer 
Gläser verlegte und hierin wirklich Ausgezeichnetes leistete. Die 
betreffenden Produkte thun sich durch grosse Leichtigkeit der 
Masse, durch eine brillante dunkelblaue Farbe und durch ebenso 
elegante wie delicat gearbeitete Formen hervor, so dass sich einem 
die Vermuthung aufdrängt, eingewanderte Glaskünstler aus Vene- 



— i63 — 

dig seien die Verfertiger gewesen. Ein anderes charakteristisches 
Merkmal dieser Gläsergruppe liegt darin, dass die Masse bei allen 
stark steinig ist. 

Ihre deutsche Herkunft wird durch den Emailschmuck, der 
auf einigen angebracht ist, bis zur Evidenz erwiesen. So besitzt 
das Bayrische Gewerbemuseum ein reizendes, oben in Fig. 2 1 abge- 
bildetes Krüglein dieser Art. Um den Bauch desselben sieht man 
eine leicht angedeutete Landschaft, genau so wie auf jenen mäch- 
tigen Humpen, auf welchen die Kurfürsten zu Pferd dargestellt 
sind. In dieser Landschaft wird ein Fuchs und ein Hase von je 
einem Hunde gejagt. Dabei befindet sich die Jahreszahl 1597. 
Der Hals ist mit senkrechten Strichen in Grün, Blau und Weiss 
decorirt und mehrere Bänder aus weissen Perlen vollenden den 
Schmuck. Ein genau gleiches Krüglein besass einst die Sammlung 
Slade in London ; dasselbe trägt aber eine frühere Jahreszahl, näm- 
lich 1595. Das Bayrische Gewerbemuseum erwarb ferner zugleich 
mit obigem Krüglein eine Kanne mit reizendem Emailschmuck 
aus Blumen werk, der ganz die gleichen Farben aufweist wie jener 
an den beiden Krüglein. Auch die blaue Farbe der Masse ist von 
derselben Nuance wie an diesen und die Henkel sind an allen 
drei Gläsern so vollkommen gleich, dass über ihre gemeinsame 
Herkunft kein Zweifel bestehen kann. Verschiedene andere Gegen- 
stände aus derselben Glasmasse und von der nämlichen Machart, 
wie z. B. niedliche Schalen mit Schlangenbändchen um die Mitte, 
flache Schalen auf hohem Fusse, müssen demnach ebenfalls der 
deutschen Glasindustrie zurückgegeben werden; 

Es fragt sich nun, wo in Deutschland die betreffende Fabrik 
gestanden haben mag. Hierüber geben unsere Nachrichten nicht 
die leiseste Andeutung. Die Untersuchung muss sich daher ledig- 
lich an den Emailschmuck halten und diesen in Vergleich mit 
anderen Gläsern bringen. Ich thue das um so lieber, als sich hier- 
aus für die altdeutsche Glasindustrie, namentlich für die Email- 
malerei einige wichtige Ergebnisse gewinnen lassen. 

An unseren blauen Gläsern sind die Farben satt und von 

grosser Frische, ohne aber grell zu sein weder an sich noch in 

ihrer Harmonie. An allen findet man ein sehr reines Weiss, ein 

II» 



— 1 64 — 

schönes, beinahe dem Golde gleichkommendes Gelb, ein kräftiges 
Braunroth und ein lichtes Himmelblau. Die Umrisse bei den 
Thieren sind schwarz, ebenso die Schattirungsstriche. Die gleichen 
Farben finden sich fast auf allen emaillirten Gläsern, aber selten 
von dieser eigenthümlichen Nuance und noch seltener von der 
gleichen Frische. Dass zwischen unseren Gläsern und den Fich- 
telbergergläsern ein unleugbarer Unterschied besteht, sieht man 
auf den ersten Blick. An den letzteren sind nämlich die auch 
etwas weniger dick aufgetragenen Farben nicht frisch genug, son- 
dern eher von mattem,, fast ausgetrocknetem Ansehen. Die Fich- 
telgebirg'schen Glasmaler bekunden ferner nirgends das künst- 
lerische Geschick*, welches in dem Emailschmuck der in Rede ste- 
henden Kanne zu Tage tritt. Aus den Hütten des Fichtelgebirges 
also kann dieselbe nicht stammen. 

Eine zweite Gruppe von emaillirten Glasgefässen bilden die- 
jenigen, an denen die weisse Farbe den Gesammteindruck beherrscht, 
manchmal neben den schwarzen Umriss- und Schraffirungslinien 
ganz allein angewendet ist. Von dieser Art befindet sich in der 
Mustersammlung des Bayrischen Gewerbemuseums ein cylindrischer 
Humpen, auf welchem innerhalb eines Lorbeerkranzes das Brust- 
bild Kaiser Joseph's I. dargestellt ist. Dass diese hier nicht in 
Betracht kommen können, ist selbstverständlich. 

Unsere blauen Gläser gehören zu jenen, die sich an die 
venetianischen Vorbilder anlehnten und daher namentlich reich 
mit Perlenschnüren und anderen geschmackvollen Ornamentbän- 
dern geschmückt sind. Unter diesen findet sich eine ganze Reihe, 
welche direct die venetianischen Muster nachahmten. So ist z. B. 
auf den Kurfürsten- und Reichshumpen häufig das sich auf vene- 
tianischen Gläsern so oft wiederholende Ornamentband aus golde- 
nen, opakweiss umsäumten und in der Mitte mit einem farbigen 
Tupfen besetzten Schuppen angebracht. Und gerade diese kunst- 
volleren Gläser weisen im Allgemeinen die gleichen Farbennuancen, 
denselben Auftrag und dieselbe Frische der Farben auf wie un- 
sere blauen Gläser, so dass ein näherer Zusammenhang dieser 
beiden Gläsergruppen angenommen werden darf. So ist z. B. 
auf der Rückseite der Kurfürstenhumpen ein Bouquet aus Mai- 



- i6s - 

glöckchen dargestellt, das direct an den Blumenschmuck unserer 
Kanne erinnert. Und merkwürdigerweise sind gerade diese Gläser 
mit besseren Malereien selten aus farblosem, sondern meistens 
aus einem herrlich leuchtenden gelben und nur vereinzelt aus 
grünem Glase. Die Fabrik also, welche sie herstellte, muss in 
der Erzeugung des Farbenglases einige Tüchtigkeit besessen 
haben. Leider fehlen alle Nachrichten darüber, wo diese Fabrik 
gestanden und wo ihre Produkte emaillirt wurden. Aber das 
darf als ausgemacht gelten, dass dieses Emailliren nicht in der 
Fabrik selbst und fabriksmässig geschah, wie in den Hütten des 
Fichtelgebirges und des Thüringer Waldes, sondern in den Städten 
und von wirklichen Künstlern vorgenommen wurde ; denn den 
handwerksmässig geschulten Malern entlegener Hütten^ konnten 
derartige Arbeiten unmöglich glücken, da ihnen die Anregung, 
namentlich aber die Vorbilder fehlten. Selten, wenn überhaupt 
je, werden diesen Venetianergläser zugekommen sein. Die be- 
treffenden Hütten arbeiteten auch nicht für die vornehmen Leute, 
sondern fiir die Kreise der Bürger und Handwerker; denn jene 
pflegten ihren Bedarf an Gläsern aus Venedig zu decken; nur 
mit Emailmalerei Hessen sie manchmal deutsche Gläser durch 
wirkliche Künstler schmücken. So Hess z. B., wie wir bereits 
gehört haben, Ferdinand I. durch den bekannten Maler Albrecht 
Glockendon im Jahre 1553 auf zwei Gläser vier Wappen malen, 
um diese hernach Augsburger Kaufherren zu verehren. Gewiss 
suchten die Fabriken derartige mustergiltige Leistungen nachzu- 
ahmen; aber diese Nachbildungen blieben weit hinter den Vor- 
bildern zurück. Im AUgemeinen darf also angenommen werden, 
dass die Gläser mit besseren Malereien in den Städten emailHrt 
worden sind. 

Ich muss hier eine kleine Abschweifung machen. Nach 
Georg Agricola und Mathesius wendeten die deutschen Glashütten 
gar verschiedene Rohmaterialien an, wie sie ihnen eben die Lage 
ihrer Fabrik an die Hand gab, und erhielten demgemäss Gläser, 
welche selbst bei angestrebter Farblosigkeit bedeutend abweichende 
Nuancen aufweisen. So gibt es eine grosse Anzahl von farblosen 
Gläsern, die einen Stich ins Bräunliche haben. Es sind dies die 



— i66 — 

Gläser jener Fabriken, welche entweder von venetianischen Künst- 
lern geleitet wurden oder doch die Venetianer nachahmten ; denn 
auch das venetianische Glas hat nicht selten diesen Stich ins 
Bräunliche. Auffallender ist dieser in der Regel bei den Gläsern 
der Spessarter Hütten, wenn diesen mitunter auch ein ganz farb- 
loses Glas gelungen ist. Fast alle Gefösse, die in einen Model 
mit Rautenmuster geblasen sind und die nach Mathesius den 
Spessarter Hütten zugehören , zeigen diese bräunliche Nuance. 
Das grüne Glas der Spessarter, von welchem Mathesius ebenfalls 
spricht, neigt ins Gelbliche hinüber und zeichnet sich durch grosse 
Weichheit des Tones aus. 

Von mitunter greller Wirkung, aber echt deutsch ist jenes 
farblose Glas, welches einen Stich ins Grünliche hat. Von dieser 
Art sind die meisten Fichtelgebirgischen und Thüringergläser. 
Die Hütten des bayrischen und Böhmerwaldes haben zumeist 
ganz grünes Glas erzeugt und sich mit dem Ansetzen von Knöpfen 
und Ringen an ihre Gefasse begnügt. Das Emailliren kam dort 
sicher erst sehr spät auf. 

Wie die bräunlichen und grünlichen Gläser, so dürfen auch 
die gelbleuchtenden zu einer Gruppe vereinigt und einer be- 
stimmten Gegend oder Fabrik zuerkannt werden; aber welcher? 
Diese gelblichen Gläser sind meistens in künstlerischer Weise 
emaillirt; die betreffende Hütle muss also in der Nähe einer Stadt 
gestanden haben. Etwa in der Nähe von Augsburg oder Nürn- 
berg? Ich denke nicht; denn in diesen Städten sind wohl Gläser 
emaillirt worden, aber das Emailliren bildete dort keinen spe- 
ciellen Kunstzweig, soweit es sich auf Glasgefasse beschränkte. 
Das letztere scheint dagegen in Dresden in ausgedehntem Masse 
der Fall gewesen zu sein; denn es existiren viele Gläser mit der 
Aufschrift: >Hofkellerey Dresden c, welche ohne Zweifel in der 
genannten Stadt mit dem kursächsischen oder sächsisch-polnischen 
Wappen, mit den schönen grünen Laubkränzen u. s. w. bemalt 
worden sind. Sie stammen allerdings erst aus den letzten Jahr- 
zehnten des 17. Jahrhunderts, also aus jener Zeit, in der man in 
Deutschland aller Orten nur mehr krystallreines Glas herzustellen 
suchte und musste, um von der Concurrenz nicht erdrückt zu 



— 1 67 — 

werden. Daher ist die noch immer steinige Masse dieser Gläser 
ziemlich farblos und scheint in Folge dessen mit den gelblichen 
in keinerlei Beziehung zu stehen. Dagegen haben diese Gläser 
in ihrem malerischen Schmucke eine auflallende Verwandtschaft 
mit jenen gelblichen Kurfürsten- und Reichshumpen. Wir sehen 
wiederum denselben etwas dicken Farbenauftrag und dieselbe 
Frische der Farben, namentlich des Rothbraun und des eigen- 
thümlichen Grün. Zugleich finden wir wieder jene Vorliebe für zier- 
liche Ornamentbänder (Fig. 28). Die Mode hatte sich in der Zwischen- 
zeit etwas geändert, die Technik und deren Hilfsmittel sind die- 
selben geblieben. Ich trage daher kein Bedenken, den grössten 
Theil der künstlerisch emaillirten Gläser unserer Vorfahren den 
Glasemailleuren Dresdens zuzuschreiben, unter ihnen auch unsere 
blauen Gläser. 

Nun erhebt sich die Frage, woher die Emailleure Dresdens 
ihren Bedarf an Rohgläsern deckten? Hierauf dürfte die Antwort 
nicht mehr schwer fallen: es geschah aus den schlesischen Hütten, 
von deren einer am Ende des 17. Jahrhunderts der böhmische 
Glashändler Kreybich behauptete, dass sie viel schöneres Glas 
erzeugte als die böhmischen Hütten. Den Schlesiern rühmt ferner 
Mathesius die Erfindung der geschnürlten Gläser nach. In Schle- 
sien wirkte und lebte endlich Georg Agricola, der Begründer der 
Hüttenkunde, der sich mehrere Jahre in Venedig und auf Murano 
aufgehalten hat. Es ist gar nicht anders denkbar, als dass dieser 
gelehrte und erfahrene Mann die schlesische Glasindustrie mit 
seinen Kenntnissen bestens unterstützte und so deren frühzeitige 
Blüthe herbeiführte. Namentlich scheint er es gewesen zu sein, 
der die dortigen Glasmacher mit den Färbemitteln vertraut machte. 
Ich wenigstens weiss vor Kunckel keinen Mann ausser Agricola, 
welcher dergleichen hätte ins Werk setzen und so die Erzeugung 
jener gelben sowohl wie namentlich unserer blauen Gläser er- 
möglichen können. 

Doch wie dem auch sei, soviel ist gewiss, dass unsere 
blauen Gläser und die gelbleuchtenden aus einer und derselben 
Fabrik hervorgegangen sind. Dies wird bewiesen durch das schon 
oben (Fig. 20) abgebildete Bierglas aus leuchtendem gelben Glase 



— i68 — 

in der Mustersammlung des Bayrischen Gewerbemuseums. An 
diesem ist nämlich der Henkel genau wie an der blauen Kanne 
und an dem Krüglein; die Henkel dieser drei Gefässe müssen 
von Gliedern der nämlichen Glasmacherfamilie angesetzt worden 
sein und überhaupt ist die Arbeit an allen dreien vollkommen 
gleich und vorzüglich. Diese dunkelblauen Gläser gehören dem- 
nach zu den besten Erzeugnissen der altdeutschen Glasindustrie 
vor Kunckel. 

3. Kunckelgläser. 

Eine eigene Art unter den älteren Gläsern bilden die 
Kunckel'schen Rubingläser, welche gewöhnlich schlechtweg 
als Kunckelgläser bezeichnet werden. Johann Kunckel gilt 
nämlich als der Erfinder des Rubinglases. Er ward 1630 zu 
Hütten, einem Dorfe bei Schleswig geboren, wurde ohne gelehrte 
Vorbildung Apotheker, studirte aber in Wittenberg nachträglich 
Chemie und trat dann in den Dienst des Herzogs Franz Karl 
von Lauenburg. Bald drang sein Adeptenruf zu den Ohren des 
Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen, welcher ihn denn auch 
zu seinem Kammerdiener und zugleich zum Director seines che* 
mischen Laboratoriums ernannte. Kunckel's Ruf wurde noch 
grösser, als er im Jahre 1677 in Wittenberg vor einem zahlreichen 
Auditorium Vorlesungen über Chemie hielt. In Folge dessen be- 
rief ihn der grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm nach Berlin als 
geheimen Kammerdiener, stellte ihm mehrere Glashütten zur Ver- 
fügung und errichtete ihm ein eigenes Laboratorium auf der 
Pfaueninsel bei Potsdam. Freilich mit dem Goldmachen, wofür 
Kunckel zunächst engagirt war, hatte es seine Wege; aber er 
erwarb sich die Zufriedenheit des Kurfürsten durch die Erfindung 
des Rubin- und Smaragdglases. Er musste alljährlich an die kur- 
fürstliche Kellerei Krystall- und andere Gläser im Betrage von 
50 Thalern abliefern und für die von dem Kurfürsten gegründete 
brandenburgisch - afrikanische Handelscompagnie die Glasperlen 
fabriciren, gegen welche von den Wilden Elfenbein, Ebenholz und 
Spezereien eingetauscht wurden. Nach dem. Tode seines hohen 
Gönners folgte Kunckel einem Rufe des Königs Karl XI. von 



— i6g — 

Schweden nach Stockholm und starb dortselbst, als Bergrath und 
mit dem Zunamen von Löwenstern geadelt, im Jahre 1702. 

Johann Kunckel war ein vielkundiger Mann. Um die Glas- 
industrie hat er sich unstreitig grosse Verdienste erworben. Zwar 
die Erfindung des Rubin- und Smaragdglases wird ihm nicht ohne 
Weiteres zugestanden. Das Geheimniss der Erzeugung des Sma- 
ragdglases war in der That schon im Alterthume bekannt und jenes 
des Rubinglases, wenigstens des Kupferrubins haben die Glasmaler 
des Mittelalters besessen. *) Kunckel's Verdienst scheint sich dem- 
nach auf die Wiederentdeckung des Rubin- und Smaragdglases zu be- 
schränken oder auf die Erfindung einer leichteren Herstellungsart, 
nämlich durch Goldpurpur, statt durch Kupfer feile; namentlich 
aber scheint er mir der erste gewesen zu sein, welcher das Rubin- 
glas in die Hohlglasindustrie einführte, welcher aus Rubinglas 
Gefässe und nicht blos Emailfarben herstellte. Was man auch 
sagen mag, man wird kein einziges Gefäss aus Rubinglas, es wäre 
denn ein antikes, vor Kunckel nachweisen können. Mit Recht 
tragen daher die betreffenden Gläser den Namen KunckeFs. Da- 
durch aber, dass Andreas Cassius zu Leyden zuerst das Verfah- 
ren, durch welches der zur Erzeugung des Rubinglases nöthige 
Goldpurpur hergestellt wird, öffentlich bekannt gemacht hat 2), 
wäre Kunckel bald um sein ganzes Verdienst gekommen; und 
doch hatte er, wie schon G. K. W. Seibt**) bemerkt hat, bereits 
mehrere Jahre seinen Goldpurpur praktisch zur Erzeugung von 
Rubinglas angewendet, bevor dem Cassius die Herstellung seines 
Präparates gelang (1683). Dieses führt daher mit Unrecht den 
Namen > Goldpurpur des Cassius c. Es ist zwar gesagt worden, 
dass schon des Cassius Vater den Goldpurpur durch Versetzung 
einer Lösung von Gold in Königswasser mit einer Lösung von 
Zinn in Königswasser hergestellt, und dass sein Sohn diese Er- 



') Vergl. Theophil US, Diverserum artium schedula. Herausgegeben 
von Dr. Albert Hg. [Quellenschriften zur Kunstgeschichte, Band 7.] Lib. II, 
c. VIII. 

2) Cogitata de auro et admiranda ejus natura. Hamburg 1685. 

3) a. a, O., S. 61. -=- Vgl. Karl Karmarsch, Geschichte der Tech- 
nologie seit der Mitte des 1 8. Jahrhunderts. München, R. Oldenbourg 1872. S. 526. 



— I/o — 

iindung in dem genannten Werke sich unrechtmässiger Weise zu- 
geschrieben habe. Aber selbst wenn sich das wirklich so verhält, 
so ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass auch Kunckel den Gold- 
purpur unabhängig von Cassius erfunden habe. Doch wie dem 
auch sei, Kunckel war derjenige, welcher von dem Goldpurpur 
zuerst einen praktischen Gebrauch machte und damit die nach 
ihm benannten Rubingläser herstellte. 

Ein noch grösseres Verdienst erwarb sich Kunckel um die 
Glasfabrikation seiner Zeit durch die Herausgabe der >Ars vitra- 
ria experimentalis oder vollkommene Glasmacherkunst, c ^ ) Dieses 
Werk gibt den Tractat des Florentiners Antonio Neri über die 
Glasmacherkunst sammt den Anmerkungen des Engländers Chri- 
stoph Merret zu demselben in deutscher Uebersetzung, vermehrt 
und vervollständigt durch viele Erläuterungen und einen II. Theil 
von Kunckel selbst. Freilich theilt Kunckel nicht alle seine Er- 
fahrungen mit. In Bezug auf das Rubinglas begnügt er sich mit 
der Bemerkung, dass dasselbe noch viel zu rar sei, um allgemein 
bekannt gemacht zu werden. Trotzdem erwarb sich das Werk 
durch die Menge der mitgelheilteti Recepte, Rathschläge und 
Beobachtungen unter den Zeitgenossen ein grosses Ansehen und 
blieb bis in unser Jahrhundert herein der gelehrte Rathgeber des 
Glasmachers und Glasfabrikanten. 

Ich will mich nun zu den Kunckel'schen Rubingläsern wen- 
den. Dieselben sind ziemlich schwer, weil sie viel Goldkalk ent- 
halten, und tragen hiedurch jenem Stilgesetze, dass ein dunkles 
Glas stärker gebildet sein müsse als das farblos durchsichtige, 
vollauf Rechnung. Dem entsprechend ist auch die Form der 
Becher, Flaschen, Pokale, Schalen, Schüsseln eine etwas derbe, 
ohne indess unschön zu sein; sie ist im Gegentheil höchst charak- 
teristisch nicht bloss für jene Zeit, sondern auch für den Stoff 
(Fig. 30). Damit das herrliche Feuer des Rubinglases noch 
wirkungsvoller leuchtete, fagonnirte man die betreffenden Produkte 
häufig mittels des Rades. Prachtexemplare wurden sodann in 
vergoldetes Silber gefasst, mit Filigranarbeit und selbst mit Edel- 



^) Frankfurt und Leipzig, gedruckt bei Christoph Günthern, Leipzig 1679. 



— 171 — 

steinen verziert. Die Fa,brikation von Rubin glas scheint noch 
lange nach Kunckel's Weggang in den Potsdamer Glashütten, ja 
selbst noch, nachdem diese im Jahre 1732 nach Zechlin über- 
gesiedelt waren, fortgesetzt worden zu sein; denn ohne Zweifel 
meint Dr. Poccocke, welcher i. J. 1736 bemerkte, dass zu Zechlin 
Trinkgläser um £ lOO — 150 gekauft würden'), die kostbaren, 



Fig. 3°- 

durch Schliff verschönerten Rubingläser mit. Auch diese späteren 
Gefässe bezeichnet man durchgehends als Kunckelg läser. Das 
hübsche Krüglein, welches in Fig. 30 zu sehen ist, besitzt das 
Bayrische Gewerbemuseum. Es ist in einfacher, aber gelungener 
Weise in Messing gefasst und auf dem Deckel befindet sich ein 



1) Lobmeyr, a. a. O., S. 136.. 



— 172 — 

männliches Brustbild in Messingguss; das sanfte Feuer der Farbe 
kommt in der glatten Rundung des Bauches vorzüglich zur 
Geltung. 

4. Gläser mit Goldschmuck. 

Das Gold ist schon seit den ältesten Zeiten zur Verzierung 
des Glases angewendet worden. Unter den erhaltenen antiken 
Gelassen befinden sich verschiedene, welche eingebrannten Gold- 
schmuck zeigen. ') Eine besondere Specialität der altrömischen 
Glasindustrie bildeten die sog. Goldgläser, d. h. Schalen, deren 
Böden eine Darstellung in Gold zwischen zwei äusserst dünnen 
Glasschichten enthalten. ^) Diese Art von Glas Verzierung ist zwar 
nach dem Untergange des weströmischen Reiches im Abendlande 
verloren gegangen; dagegen blieb das Gold zu partieller Deco- 
rirung der Glasgefasse das ganze Mittelalter hindurch in Anwen- 
dung. 3) Mit richtigem Verständniss beschränkte man damals und 
noch im 16. und 17. Jahrhundert dieser Verwendung von Gold 
auf ein sehr geringes Mass. Man begnügte sich, ein oder zwei 
Bänder aus Gold um den Mantel eines Cylinders zu legen und 
in die farbige Decoration eines Gefässes fügte man nur da Gold 
ein, wo es unbedingt nothwendig war. Ausserordentlich effectvoU 
verwendeten die Orientalen das Gold an ihren emaillirten Gläsern, 
an welchen sich die Venetianer mit grossem Erfolge gebildet 
haben. Die spätere Zeit, namentlich seitdem die böhmischen 
Hütten den Weltmarkt erobert hatten, war nicht so glücklich und 
bescheiden. Jetzt überzog man die Gläser ganz und gar mit 
Gold. Dadurch bekamen dieselben zwar einen gewissen, sofort 
sich aufdrängenden prächtigen Schimmer, büssten aber viel von 
der wahren und bleibenden Schönheit ein. Dies gilt namentlich 
von jenen Gläsern mit Zwischenvergoldung. Bei ihnen ist die 
Vergoldung gewöhnlich über den ganzen Mantel des Gefässes hin 



') W. Fro ebner, La verrerie antique. Description de la collection 
Charvet. Le Pecq. 1879, p. ^o^« 

-) Vgl. meinen Aufsatz: ,Die Technik der Goldgläser* in der Zeitschrift 
des Münchener Kunstgewerbevereins, 1879, Nr. 11 u. 12. 

3) Theopilus, 1. c. lib. II, c. ;CI1I, XIV, XVI. 



— 173 - 

verbreitet; daher hätte man die Fläche zum mindesten in ununter- 
brochener Rundung fortlaufen lassen müssen. Allein die Zeit 
nahm keinen Anstoss daran, wenn diese Mantelfläche sechs-, acht-, 
zehn-, zwölfeckig u. s. w. facettirt und so die Darstellung immer 
wieder durch scharfe Kanten unterbrochen wurde. Man schreibt 
diese Gläser gewöhnlich böhmischer Fabrikation zu und nennt 
sie daher schlechtweg »böhmische Goldgläser f. Allein ähnliche 
Gläser wurden wenigstens im 17. Jahrhundert, auch anderwärts 
in Deutschland gemacht. Doch gebührt den Böhmen das Ver- 
dienst, dieselben durch ihre Handelsstationen in der weiten Welt 
bekannt gemacht zu haben. ^) 

£s ist nothwendig, bezüglich dieses Punktes die oben be- 
sprochene >Ars vitraria« Johann Kunckel's zu Rathe zu ziehen, 
welches Werk bekanntlich für das 17. und 18. Jahrhundert die- 
selbe Bedeutung hat, wie des Presbyters Theophilus »Schedula 
diversarum artium< für das frühe Mittelalter oder wie Agricola's 
Schriften und des böhmischen Pfarrers Mathesius Predigt »vom 
Glasmachen < für das 16. Jahrhundert. Kunckel gibt im II. Theile 
seiner »Vollständigen Glasmacherkunst« vom XI. Kapitel an eine 
ganze Reihe von Recepten über das Vergolden des Glases. Frei- 
lich sind dieselben für unsere Zeit von keiner praktischen Be- 
deutung mehr. Dagegen sind sie von grossem Interesse für die 
aus jener Zeit stammenden vergoldeten Gläser. Ich will daher 
eines der in Rede stehenden Recepte hier folgen lassen. Im 
XXI. Kapitel beschreibt Kunckel »eine andere Verguldung, die 
einschmelzt«: »Nimm Gummi arabicum«, sagt er, »und ein wenig 
Borrax, zerlasse es in so viel reinem Wasser als nur von nöthen, 
lasse es über Nacht stehen; streiche das Glas damit an, oder 
schreib damit mit einem Pinsel, oder neugeschnittenen Feder was 
und wie du willt, lege alsdann das Gold darauff, lass es drucken 
werden, gradire hernach darin nach deinen Gefallen; man kann 
allerhand schöne Figuren darein zeichnen oder gradiren, lege es 



') lieber diese vergleiche Dr. Edmund Schebek's ausgezeichnetes 
Werk: ^Böhmens Glasindustrie und Glashandel. Quellen zu ihrer Geschichte.* 
• Prag, Verlag der Handels- und Gewerbekammer 1878. 8'\ 



— 174 — 

hernach in einen Ofen und lass es wohl heiss werden, so geht es 
nimmermehr ab.« 

In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts sind demnach nicht 
bloss in Böhmen, sondern auch in den kurfürstlichen Hütten bei 
Potsdam und gewiss auch noch anderwärts vergoldete Gläser her- 
gestellt worden. 

Eine eigene Art dieser vergoldeten Gläser bildeten diejeni- 
gen, an welchen die Vergoldung ein zuvor mit dem Rade einge- 
schnittenes Muster deckt. >Indem man« , sagt F. S. Zahn *), 
»die mittels des Schnittes und der Gravirung vertieften Muster 
mit Firniss bekleisterte und mit geschlagenen Goldblättchen be- 
legte, wurde der Uebergang zur Blattvergoldung bewerkstelligt. 
Jetzt ist man davon ganz abgekommen. Ehedem aber ging viel 
Glas mit solchem Goldschnitt nach Portugal, Spanien und nach 
dem Abfall der Colonien nach Mexico, c Die betreffenden Gläser 
stammen zum weitaus grössten Theile aus dem 18. Jahrhundert. 
Die Mustersammlung des Bayrischen Gewerbemuseums besitzt ihrer 
mehrere, unter Anderem zwei vollständige Service. Es ist sicher, 
dass dieser Goldschmuck dadurch, dass er in Folge des Vor- 
schliffes etwas vertieft liegt, eine prächtige Wirkung ausübt. Zu- 
gleich verbindet sich mit dieser Verzierungsmethode der Vortheil, 
dass das Gold fester haftet und dem Abreiben weniger ausge- 
setzt ist. 

Eine zweite Spezialität unter den vergoldeten Gläsern bilden 
jene mit Zwischenvergoldung. Wie schon oben gesagt wurde, 
werden dieselben insgesammt böhmischer Fabrikation zugeschrie- 
ben. Allein wie die Gläser mit einfacher Vergoldung, so wurden 
die mit Zwischen Vergoldung , wenn man sonst den Worten Kun- 
ckel's ein Gewicht beilegen darf, auch anderwärts, namentlich in 
den Potsdamer Hütten, hergestellt. Kunckel beschreibt im >II. Theil 
der Vollständigen Glasmacherkunst < die betrefi'ende Technik also: 
> XXVII. Ein sonderliches curieuses Trinkglas zu machen. Nimm 
zwey glatte Gläser, welqhe sich gerade in einander fügen, welche 
auch, sonderlich was die Höhe betrifft, also beschaffen seyn, dass 



^) Schebek, a. a. O. S. 135. 



- 175 — 

das innere Glas dem euseren ja nicht an der Höhe vorgehe, son- 
dern beyde gleich hoch seyn; mahle das grössere inwendig mit 
Oehlfarben nach Edelgestein -Art auffs beste als du kanst; lass es 
trocken werden, alsdann reisse mit einer spitzigen Gradirnadel 
hin und wieder Aederlein oder was du wilt darein. Ferner schwäncke 
altes Leinöhl darinn herumb, lasse es wieder wohl heraus lauffen 
und umgestürzt fest trocken werden; wenn es demnach ein wenig 
klebrigt ist, so lege Blättlein von Gold oder Metall hinein, drücke 
sie mit einer Baumwollen inwendig an, und lass es folgends 
wohl austrucknen , so scheinen die gerissenen Aederlein goldreich 
heraus. Indessen nimm * das andere oder kleinere Glas, streich 
es auch vermittelst eines Pinsels mit alten klaren Leinöhl oder 
einen reinen Firniss auffs dünnste an, und belege es über und 
über mit geschlagenen Gold oder Metall, so siehet es von in- 
wendig einen vergoldeten Becherlein gleich, lasse es auch trocken 
werden und setze sie in einander (es müssen auch die Gläser 
also eingerichtet sein, dass sie in der Mitten, wann sie in einan- 
der gesetzt, keinen oder wenig Raum haben, damit sie nicht gar 
zu dick scheinen). Ferner pulverisire reine Kreiden, mache solche 
mit rechten Lacc-Firniss zu einen Teig, verkütte damit oben den 
Rand der zwey Gläser fein glatt, auff dass mans nicht erkennen 
kan, dass es 2 Gläser seyn, welches sich denn gar wohl thun 
lasset; laisse es trocken werden, wanns wohl trocken, Überstreichs 
wieder mit einen Penselein lautern Lacc-Firniss, lass wieder trock- 
nen, poliers hernach mit Bimsstein; Streichs wieder mit lautern 
Fümiss an, und wanns schier trocken, so lege geschwind Blättlein 
von Gold daraufF, alsdenn noch einmahl oder 3. mit Lacc-Fürniss 
angestrichen, so kan das Gold nimmermehr abgehen. Wann man 
anstatt der Farben. und Mahlwercks nur alt Leinöhl in das grös- 
sere Glas giesset, solches wieder ausleeret und austropffen lasset, 
hernach des Hautschen Streuglantz darein streuet, von allerley Co- 
leuren, und dennoch das inwendige Glas verguldet, so kommet es 
noch schöner. Man kans auff allerley Arten bemahlen und be- 
legen, nach eines jeden selbst Belieben und Gefallen, es hat auch, 
wann es recht gemacht, ein sehr feines und ergötzliches Ansehen. < 
Ein genau nach diesem Verfahren hergestelltes Glas kenne 



- 176 - 

ich nun allerdings nicht; wohl aber sieht man an allen hieher 
gehörigen Bechern, Flaschen u. s. w. , dass ihr Goldschmuck auf 
eine ganz ähnliche Weise angebracht worden ist. Die meisten 
dieser Doppelgläser sind zuvor durch Schlilf genauestens in ein- 
ander gepasst worden, so dass man die Zusammensetzung kaum 
gewahr wird. Sie sind, soviele ich ihrer zu sehen bekam, an der 
Aussenseite durchweg eckig geschliffen und zwar reicht das innere 



F'g- 3'- 

Glas Über das äussere um einige Centimeter empor und tritt dort 
soweit heraus, dass sein Mantel genau die Fortsetiung von jenem 
des äusseren Glases zu sein scheint. An diesem äusseren Glase 
ist femer am Boden eine medaillonartige Vertiefung ausgeschlif- 
fen, in welche ein farbiges, meist rothes rundes Glasstück mit 
einer nach innen gekehrten Darstellung in Gold eingesetzt er- 
scheint. Der Goldschmuck zwischen den zwei Glasschichten am 



— "^n -^ 

Mantel solcher Becher besteht in Landschaften und ähnlichen 
Darstellungen. Die Mustersammlung des Bayrischen Gewerbemu- 
seums besitzt vier solcher Becher mit Zwischenvergoldung , von 
denen einer in Fig. 3 1 zu sehen ist. Die Wirkung dieser Gläser 
mit ihren feinen, zwischen spiegelndes Krystallglas eingeschlosse- 
nen Golddarstellungen muss eine prächtige genannt werden. 

Näher stehen dem von Kunckel angegebenen Verfahren jene 
seltenen Stücke, meist Flaschen, an welche unten am Boden eine 
Kappe , oben ein Ring und in der Mitte des Mantels Medail- 
lons angeschliffen sind. Diese Ringe, Kappen und Medaillons 
sind in die zuvor vertieft geschliffenen Stellen des Gefasses so 
genau eingefügt, dass man die Zusammensetzung auf den ersten 
Blick gar nicht gewahr wird. Bevor sie aber an ihre Stelle ka- 
men, sind sie auf der Innenseite mit Golddarstellungen versehen 
worden. Ueber diese hat man sodann eine leichte Schichte rothen 
Farbstoffes, wie es scheint Drachenblut, gezogen, so dass die Gold- 
darstellung, von aussen gesehen, wie auf rothleuchtendem Hinter- 
grunde erschien. Hierauf legte man über die ganze vertieft ge- 
schliffene Stelle des Glases auch ein Goldblatt, überzog dasselbe 
ebenfalls mit rothem Farbstoff, strich endlich über diesen eine 
Schicht von harzigem Kitt, vielleicht Mastix, und nun wurde der 
Ring, die Kappe oder das Medaillon eingesetzt und verbanden sich 
dieselben in Folge des Kittes fest mit dem Gefässe. Besah man 
dieses von aussen, dann zeigten sich überall, wo ein Ring, ein 
Medaillon oder dgl. eingesetzt worden war, eine prächtige Gold- 
darstellung auf rother Folie; auf der Innenseite des Gefasses sah 
man an eben diesen Stellen eine ungegliederte Goldfläche, wie an 
den von Kunckel beschriebenen Gläsern. Von diesen seltenen 
Gefässen besitzt die Mustersammlung des Bayrischen Gewerbe- 
museums drei Stücke, zwei Flaschen und einen Deckelpokal. Die 
beiden Flaschen sind nur in der Grösse verschieden; sie haben 
einen glatten Bauch, welcher von dem flachen Boden aus sich 
langsam erweitert und dann in einem scharfen Winkel zum Halse 
sich einzieht. An den Boden ist in der vorhin geschilderten Weise 
eine Kappe angeschliffen, welche nach unten auf rothem Grunde 
die Darstellung eines weitschichtigen Schlosses und da, wo sie 

12 



- 178 - 

Über den Mantel heraufreicht, einige Omamentbänder zeigt. Die 
Unterschrift, welche den Namen des Schlosses angab, ist nicht 
mehr zu lesen, da die Kappe etwas gedreht worden ist. Auf der 
Vorderseite des Mantels ist sodann ein Medaillon eingeschliffen, 
nnter welchem ein Wappen (Doppeladler über einem zugebunde- 
nen Beutel) dargestellt ist. Da femer, wo der Bauch am breite- 
sten ist, bevor er in den Hals übergeht, ist ein Glasring herum- 
gelegt, durch den man wiederum einige Omamentbänder in Gold 
auf rothem Grunde sieht; das Gleiche ist oben am Mundstück 
der Fall. Der Pokal ist auf Taf. HE. zu sehen. Seinen Kelch 
überzieht ein reiches, reizend gravirtes Rankenwerk , welches an 
Berain erinnert. Dasselbe schliesst vier Medaillons ein, welche 
in die geschliffenen Vertiefungen eingesetzt worden sind, nach- 
dem zuYor auf rothem Grunde eine Golddarstellung auf ihnen 
angebracht war. Die Darstellungen geben die vier Jahreszeiten 
wieder und zwar bezeichnet ein Knabe in blumen- und blüthen- 
reicher Landschaft, ein Blumenstöckchen in der Hand haltend 
den Frühling; ein anderer Knabe, mit der Sichel im Kornfeld 
stehend, den Sommer; den Herbst sinnbildet der Weingott und 
der Winter ist dargestellt durch einen am wärmenden Feuer 
stehenden Mann, welcher ein Gefass in der Hand hält, aus dem 
Ranch aufsteigt. 




Tafel HL Prachtpokal mit eingesetzten Medaillons. 



V. 



Geschliffene und geschnittene Gläser. 




I. Die Glasschneiderei bis zum Ausgange des 

Mittelalters. 

IE Glyptik in Glas ist so alt wie das Glas selbst. Ihre 
höchste Ausbildung hat die betreffende Technik in der 
römischen Kaiserzeit erhalten. Die vasa diatreta und 
die kostbaren Überfanggläser bleiben für alle Zeiten 
die sprechendsten Beweise hiefiir. Aber auf dieser Höhe hat sich 
unsere Technik nicht lange zu halten vermocht. Noch vor dem 
Sturze des weströmischen Reiches trat ein bemerkbarer Verfall 
ein, welcher sich namentlich in der Rohheit der durch das Schleif- 
rad dargestellten vertieften Figuren kundgibt. Ganz erloschen aber 
ist sie selbst im Abendlande nicht zugleich mit dem Falle des 
weströmischen Reiches. In einzelnen Gegenden, sogar am Rheine 
scheinen sich Spuren davon erhalten zu haben. Die geschnittenen 
Schalen, Flaschen, Becher und Kelche, welche hier noch während 
der merovingischen Zeit hergestellt wurden, sind freilich von einer 
unbeschreiblichen Barbarei. Trotzdem hören wir noch im 7. Jahr- 
hundert von einem berühmten Steinschneider, dem hl. Eligius 
(588 — 663). Von ihm sagten die Goldschmiede des 8. Jahrhun- 
derts, dass es schwerlich einen Mann gäbe, welcher, so geschickt 
er in jeder Art von Arbeit wäre, den Eligius als Steinschneider 
und Fasser von edlen Steinen auch nur entfernt erreichte^ denn, 
fahren sie «fort, diese Künste hat man schon seit einer Reihe von 
Jahren zu üben aufgehört*). Im 8. Jahrhundert lag also im Abend- 



') Gesta Dagoberti c. XX, ap. Duchesne, Hist. franc. script. t. 
P* 57S) citirt von Lab arte, Histoire des arts industriels, t. I, p. 247. 



— I82 — 

lande die Stein- und Glasschneidekunst brach; währenddes J.Jahr- 
hunderts aber blühte sie noch unter den* kunstreichen Händen des 
mit seinem Rufe das ganze Zeitalter ausfüllenden Eligius. Wir 
dürfen annehmen, dass seine Geschicklichkeit wenigstens auf seine 
unmittelbaren Schüler, namentlich auf den Sachsen Thillo über- 
gegangen ist; denn £ligius suchte das Aufblühen und Fortleben 
der Künste auf alle mögliche Weise zu fordern. Er baute zu 
diesem Behufe im Jahre 631 zu Solemniac ein Kloster und ver- 
einigte in demselben sehr viele, in den verschiedenen Künsten 
erfahrene Mönche; Thillo, sein Schüler, wurde der zweite Abt 
dieses Klosters. Hier mag es vor Allem gewesen sein, wo die 
Stein- und Glasschneidekunst in den rauhen Zeiten der zweiten 
Hälfte des 7. Jahrhunderts noch einige Pflege fand. Wir besitzen 
in der That eine Glasgemme aus dieser Zeit, welche noch mittels 




Fig- 32. 

des Rades mit einer Darstellung versehen worden ist (Fig. 32). 
Man hat diese Gemme bisher für einen Abraxas gehalten, da man 
die verschiedenen darauf dargestellten Figuren und Zeichen nicht 
zu erklären wusste. Man sieht nämlich ein Kind auf einem 
Lföwen über einen Leichnam hinreiten und eine weibliche mit 
dem Turban bedeckte Gestalt, welche die Linke an den Mund 
hält, verfolgen. Vor dem Kinde sieht man ein Brustbild mit Strah- 
lenkrone, die Personifikation der Sonne und hinter demselben ein 
zweites Brustbild mit der Mondsichel auf dem Haupte, die Per- 
sonification des Mondes. Im Felde umher sind acht Sterne verstreut 
und hinter dem Löwen ist noch ein unkenntlicher Gegenstand, viel- 
leicht eine Schildkröte, sichtbar. Diese auf den ersten Blick son- 
derbaren Zeichen sind weiter nichts als eine höchst naive Illustra- 
tion zu Psalm 8, Vers 3 ff.: >Aus dem Munde der jungen. Kinder 
und Säuglinge hast Du eine Macht (Löwe) zugerichtet um Deiner 



:^ 




Tafel IV. 
Frühmittelalterliche Glasgemmen. 



- i85 - 

Feinde willen, damit Du vertilgest den Feind (weibliche Gestalt 
— Personification des Unglaubens) und die Rachgierigen (Leich- 
nam). Denn ich werde sehen die Himmel (Sonne), Deiner 
Finger Werk, den Mond und die Sterne, die Du bereitest . . . 
Alles hast Du unter seine Füsse gethan . . . Die Fische im Meere 
und was im Meere geht (Schildkröte)*. Der Künstler hat ein- 
fach einige Worte aus dem Psalm herausgegriffen und jedes durch 
ein Bild veranschaulicht. Diese Illustrationsmethode gehört dem 

7. und 8. Jahrhundert an*). Weil aber unsere Gemme noch mit- 
tels des Rades mit der erörterten Darstellung versehen worden 
ist, muss sie dem 7. Jahrhundert zugewiesen werden; denn im 

8. Jahrhundert war diese Technik, wie wir bereits gehört haben, 
vollständig erloschen. Damals hatte man keine Kenntniss des Rades 
mehr. Als daher irgend ein Mönch auf Glassteine Illustrationen 
zu dem Buche Hiob graviren wollte, sah er sich gezwungen, sich 
hiezu eines blos ritzenden Instrumentes zu bedienen. Die betref- 
fenden Gemmen, deren man bis jetzt 20 kennt und in denen man 
prähistorische Erzeugnisse und Gott weiss was Alles gesehen hat, 
sind auch darnach ausgefallen. Des hohen Interesses wegen, wel- 
ches sie sowohl durch ihr Alter wie durch ihre Technik und in 
archäologischer Beziehung haben, sind ihrer auf Tafel IV neun 
zur Abbildung gebracht worden. Sie enthalten alle, wie gesagt, 
Illustrationen zu dem Buche Hiob. Die eine mit vier Figuren 
zeigt den Hiob und seine 4rei Freunde und illustrirt den Vers 4 
des 3. Kapitels: j Derselbe Tag müsse finster sein (daher die 
Sterne), und Gott von oben herab müsse nicht nach ihm fragen, 
sein Glanz (Kreuz) müsse über ihm leuchten« 2). Von den übrigen 
haben die einen eine, die anderen zwei, die übrigen drei Figuren 
nämlich entweder den Hiob allein oder mit einem Freunde oder 
endlich mit deren zwei. Die letzteren enthalten eine Illustration 
zu Vers 32 und 33 des 15. Kapitels: »Er wird ein Ende nehmen, 
wenn es ihm uneben ist und sein Zweig wird nicht grünen. Er 
wird abgerissen werden wie eine unzeitige Traube vom Weinstock 

1) Siehe meinen Aufsatz über .Einige mittelalterliche Glasgemmen*. 
[Wartburg, Organ des Münchner Alterthums Vereines, 1884, Nr. 1 — 4]. 

2) Siehe meinen eben citirten Aufsatz. 



— i86 — 

und wie einOelbaum seine Blüthe abwirft«. Von dieser Darstel- 
lung sind die ein- und zweifigurigen Gemmen nur Abbreviaturen. 
Die Technik ist eine rohe, welche nur unvollkommene Ritzinstru- 
mente zur Verfügung hatte, das Rad aber nicht mehr kannte. 

Dagegen mag in der karolingischen Epoche, welche über- 
haupt eine Art Renaissance der antiken Cultur und Künste be- 
deutet, die Glyptik in Stein und Glas mittels des Rades nicht 
ganz brach gelegen haben. Vielleicht haben zu ihrem Aufleben die 
um die Mitte des 9. Jahrhunderts in Folge des Bilderstreites aus 
Constantinopel nach Italien und überhaupt nach dem Abendlande 
entflohenen Künstler Einiges beigetragen. In der That existiren 
aus jener Zeit mehrere Denkmäler, welche abendländischen Ur- 
sprungs zu sein scheinen. So befindet sich in dem prachtvollen 
Altarkreuze im Schatze zu Aachen, welches den Namen Lothar- 
kreuz fuhrt, die in Krystall geschnittene Gemme des Siegelringes 
Kaiser Lothar's I. (841 — 855) mit der Büste des Kaisers und der 
Umschrift + XPE ADIVVA HLOTARIVM REG +i). Die Sti- 
lisirung der Buchstaben passt vollständig für die Zeit des genannten 
Herrschers. Die Gemme beweist demnach, dass um die Mitte des 
9. Jahrhunderts die Glyptik in Krystall und somit auch jene in 
Glas von sehr befähigter Künstlerhand mit grosser Geschicklichkeit 
geübt wurde. Das britische Museum in London bewahrt femer 
eine Schale aus Bergkrystall, welche laut Inschrift auf Befehl 
Lothar's, Königs der Franken, hergestellt worden ist. Darauf ist 
die Geschichte der keuschen Susanna, erklärt durch lateinische 
Inschriften, eingeschnitten 2). Wir haben somit ein zweites, aus der 
Hand eines abendländischen Künstlers hervorgegangenes Beispiel, 
welches die Uebung der Skulptur in harten Steinen im 9. Jahr- 
hundert beweist. 

Gleich darauf aber scheint jede Spur der Stein- und Glas- 
schneidekunst in Italien sowohl wie in den nördlichen Ländern 
verloren gegangen zu sein. Zwar im 10. Jahrhundert spricht der 



') Dr. Fr. Bock, Ueber die Bergkrystall-Skulpturen des Mittelalters. 
[Mittheilungen des k. k. Österreich. Mus. für Kunst und Industrie, Bd. I, S. 118]. 

-) Erwähnt von Barbet de Jouy, Les gerames et joyaux de la cou- 
j-onne au Muse? du Louvre. Paris, Techener, jjnie Ijyraison, PI. IV. 



- i87 - 

sogenannte Heraclius, wie es scheint, ein Italiener von Nation, von 
den in Rede stehenden Techniken mit spezieller Beziehung auf 
das Glas. Aber die eine Stelle, in welcher er, Worte des römischen 
Polyhistors Plinius übersetzend, sagt*), > das Glas werde theils ge- 
blasen, theils am Drehrade geschliffen, theils nach Art des 
Silbers ciselirtc, wiederholt nur eine Thatsache, welche fiir das 
Alterthum Geltung hatte, und die zweite, welche ausführlich von 
der Skulptur des Glases handelt^), ist reiner Humbug. Hera- 
clius räth nämlich den Glassculpteuren, fette Regenwürraer zu 
suchen, sodann Essig zu nehmen und das warme Blut eines grossen 
Bockes, der während einer kurzen Frist unter ein festes Dach 
eingeschlossen und mit Epheu gefüttert wurde, mit diesen beiden 
Flüssigkeiten die Regenwürmer zu begiessen und mit der erhal- 
tenen Mischung sodsyin das Glas zu bestreichen, um demselben 
auf diese Weise die zu grosse Sprödigkeit und Härte zu benehmen. 
Mittels eines harten Steines, welcher Pyrit genannt werde, Hesse 
sich das Glas hierauf leicht schneiden. 

Dieses Recept ist, wie gesagt, so wenig ernst. zu nehmen, 
dass daraus nicht einmal auf Uebung der Glassculptur in Italien 
und somit wohl auch in den nördlichen Ländern im lo. Jahr- 
hundert geschlossen werden kann. Freilich das brittische Museum 
in London besitzt eine etwa aus dem Anfang des ii. Jahrhun- 
derts stammende Tafel aus Bergkrystall , auf welcher die Haupt- 
momente aus dem Leben und Leiden Christi in vielen Scenen 
dargestellt sind. '^) Wenn dies wirklich eine abendländische Arbeit 
wäre, dann stünde die Uebung der Glyptik in Stein und Glas im 
lO. Jahrhundert fest; aber diese interessante Tafel steht so. ver- 
einzelt da, dass man besser thut, sie für ein orientalisches Werk 
zu halten. Das Gleiche gilt sicher von der Kry stallschale des 
Kaisers Heinrich II. (i002 — 1024) in der Reichen Kapelle in 
München. 

Im 1 2. Jahrhundert handelt von unserer Technik der deutsche 
Mönch Theophilus. Er gibt beinahe dasselbe Verfahren an, wie 



1) 1. c. lib. III. c. V (13. Jahrb.). 2) 1. c, Hb. I, c. IV. (10. Jahrb.), 
^) Pr. Bock, a. a. O,, S. 119, 



^ i88 — 

Heraclius. >Wenn du den Krystall schneiden willst«, sagt er^), 
)»nimm einen Bock von zwei oder drei Jahren, binde ihm die 
Füsse, schneide ihm in der Herzgegend zwischen Brust und Bauch 
eine Oeffnung und lege den Krystall hinein, so dass er in dem 
Blute desselben liegt, bis er warm wird. Dann nimm ihn so- 
gleich heraus und schneide darein, was du willst, solange jene 
Wärme andauert*, wenn er zu erkalten und hart zu werden an- 
fängt, lege ihn abermals in das Blut des Bockes und nachdem er 
erwärmt ist, nimm ihn wieder heraus und schneide darein und so 
fahre fort, bis du die Sculptur fertig hast. Zum Schlüsse erwärme 
ihn, nimm ihn heraus und reibe ihn mit reinem wollenen Lappen, 
auf dass du ihm mit demselben Blute den Glanz gibst.« 

Das zum Schneiden nothwendige Werkzeug erwähnt Theo- 
philus nicht und überhaupt ist sein ganzes Verfahren noch sinn- 
loser als das von Heraclius angegebene. Wir sehen somit, dass 
bei den Schriftstellern des lo. und 12. Jahrhunderts die Kenntniss 
der Glas- und Steinglyptik vollständig verschwunden ist und daher 
abendländische Werke aus dieser Zeit schwerlich existiren können. 
Man hat gedacht, Theophilus schreibe im Vorworte zum I. Buche 
die Beinsculptur und Gemmenschneiderei Italien zu. Allein 
dies beruht auf einem Missverständniss; denn Theophilus sagt 
nur, dass man aus seinem Buche lernen könne: >was nur immer 
unter den verschiedenen Gefässen und unter den Gemmen und Stein- 
sculpturen das hiedurch berühmte Italien durch Gold und Silber ver- 
ziert. < ^) Theophilus meint damit ohne Zweifel das Fassender bezoge- 
nen Gefösse und Sculpturen. Woher aber entlehnten die beiden Autoren 
jene Märchen? Haben sie vielleicht durch die Erdichtung derselben 
ihre Unkenntniss verbergen wollen? Oder banden die allein des 
Besitzes unserer Technik sich erfreuenden Künstler den Schrift- 
stellern derartige Bären auf? Oder waren es die byzantinischen 
Künstler, welche die Abendländer auf diese Weise utzten? Dass 



') 1. c. üb. III, c. XCIV: De poliendis gemmis. 

2) ,Quicquid in vasorum diversitate, seu gemmarum, ossiumve sculptura 
auro et argento inclyta Italic deqorat.* 



— 1 89 — 

es den beiden Schriftstellern um ihre Sache ernst war, zeigt die 
Ausführlichkeit, mit der sie von derselben berichten. Eher könnte 
man sich der Meinung zuneigen, dass eine geringe Zahl von Stein- 
schneidern im Abendlande absichtlich Fabeln über die Herstellung 
ihrer Werke verbreiteten, einerseits um diese im Werthe zu lieben, 
andererseits um die Technik nicht allgemein zu machen. Allein 
auch hiefür fehlt jeder Anhaltspunkt. Noch weniger können die 
Byzantiner als Verbreiter dieser Märchen angesehen werden; denn 
wenn auch unsere Techniken in Constantinopel mindestens bis 
zum Bilderstreite fortgeblüht haben mögen, so war der Einfluss 
der byzantinischen Künstler auf die deutschen und überhaupt die 
abendländischen durchaus nicht von so durchgreifender Bedeutung, 
wie manche zu glauben scheinen, weder in technischer noch in 
künstlerischer Beziehung. Vor Allem gilt dies in den verschiede- 
nen Branchen der Glasindustrie, in welcher sie, abgesehen von 
der Herstellung der Glasmosaikwürfel, nichts Nennenswerthes ge- 
leistet haben. Nirgends ist in den Inventaren des Mittelalters 
von byzantinischen Gläsern die Rede. Labarte ^) führt eine Stelle 
aus Constantinus Porphyrogennetus *) an, in welcher bei der Auf- 
zählung der Geschenke, die Kaiser Romanus Lecapenus an Hugo, 
König von Italien i. J. 926 schickte, auch Gefässe aus Glas- 
neben Onyxschalen erwähnt werden, und Clavijo sagt in der Er- 
zählung von seiner Gesandtschaft an Timur Bey (1403— 1406), 
dass in der Kirche des hl. Johannes des Täufers zu Constantinopel 
viele Glaslampen hingen. Das ist Alles, was zu Gunsten der 
byzantinischen Hohlglasfabrikation angeführt werden kann. Aber 
es bleibt eine offene Frage, ob namentlich unter diesen Glas- 
lampen wirklich byzantinische Arbeiten vermuthet werden dürfen, 
ob dieselben nicht vielmehr als aus dem Oriente bezogen be- 
trachtet werden müssen. Hiefür spricht wenigstens der Vorrath 
der Denkmäler; denn unter diesen findet sich nicht ein einziges, 
welches mit einiger Wahrscheinlichkeit auf byzantinischen Ursprung 
zurückgeführt werden könnte. Nesbytt hat dies zwar an fünf 
geschliffenen Gläsern im Schatze von S. Marco in Venedig ver- 



^) 1. c, p. 368. '^) De ceremon. aulae Byzant., p. 661. 



— igo — 

sucht; allein es ist ihm nicht gelungen; die betreffenden Gläser 
sind zweifellos orientalischer Herkunft. Dies beweist mehr als 
alles Andere die Masse des Glases. Wie nämlich an allen Gläsern 
von zweifellos orientalischer Fabrikation die Farben zwar schön, 
die Masse aber schlecht geläutert und von unzähligen Bläschen 
durchsetzt ist, so an den fünf geschnittenen grünlichen Gläsern 
im Schatze von S. Marco. Die orientalische Herkunft dieser 
Gläser beweist auch die sehr dicke Wandung, welche die nach 
Ueberzierlichem strebenden Byzantiner niemals gemacht haben 
würden. Endlich weist die Art und Weise der Sculptur un- 
zweifelhaft auf den Orient, wie wir sehen werden. Die Byzan- 
tiner also konnten den Abendländern nicht geben, was sie selbst 
nicht hatten. Aber man wird mir die verschiedenen Stellen des 
Theophilus entgegenhalten, in welchen dieser von griechischer 
Glasfabrikation spricht. Ich habe schon bei den emaillirten Glä- 
sern gezeigt, dass Theophilus, wenn er sah oder hörte, dass grie- 
chische Handelsleute diese und jene Gläser nach dem Abendlande 
brachten, leicht glauben konnte, die Griechen seien auch die 
Fabrikanten, während diese doch die betreffenden Waaren aus dem 
Oriente bezogen. Andererseits liegt durchaus kein Grund vor, 
unter den Griechen des Theophilus mir nichts dir nichts die 
Glasmacher von Constantinopel und Thessalonich zu verstehen; 
denn auch in Alexandrien und in den Hütten Phöniziens hat sich 
mit der Glasfabrikation ohne Zweifel auch die griechische Arbeiter- 
schaft erhalten und vielleicht hat auch der Bilderstreit die wenigen 
Hohlglaskünstler Constantinopels nach Alexandrien getrieben. Wie 
dem auch sei, soviel ist gewiss, dass Constantinopel in einer Ge- 
schichte der Hohlglasindustrie nur sehr wenig, nach dem Bilder- 
streite gar nicht mehr in Betracht kommt. 

Wir müssen daher der Herkunft obiger Märchen, die sich 
allerdings bis auf Plinius zurückverfolgen lassen^), nach einer 
anderen Seite hin auf die Spur 2u kommen suchen. Unter den 
verschiedenen erhaltenen Gegenständen aus Bergkrystall und Glas 
befindet sich eine Anzahl mit kufischen Lettern, wie wir deren 



Heraclius, 1. c. Hb. I, c. VI. — Plinius, Proem. XXXVH, 4. 



— 191 " 

bereits auch auf mehreren emaillirten Gläsern haben kennen 
lernen. So ist die Kanzel des Domes zu Aachen mit einer der- 
artigen Schale und Untertasse geschmückt*); so bewahrt der 
Schatz von S. Marco in Venedig, das South Kensington Museum 
in London und andere Sammlungen verschiedene Gegenstände 
dieser Art. Sie sind alle sculptirt und zwar mit denselben Deco- 
rationsmotiven wie die Teppiche und Stoffe sarazenischen und 
orientalischen Ursprungs, welche auf die abendländische Kunst 
einen so grossen und nachhaltigen Einfluss ausgeübt haben; sie 
tragen denselben Stilcharacter wie die bereits geschilderten Gläser 
mit Emailmalerei, als deren Ausgangspunkt wir Alexandrien er- 
kannt haben. 

Ich komme also zu folgendem Schlüsse: Seit dem Ende des 
9. Jahrhunderts ist es wahrscheinlich, dass im Abendlande die 
Glyptik in Stein und Glas nicht mehr fortgeübt wurde; seitdem 
trifft man im Abendlande hin und wieder geschnittene Krystall- 
und Glasgefässe mit kufischen Inschriften: was ist natürlicher als 
die Annahme, dass man von da an den Bedarf an diesen Dingen 
aus dem Oriente, von den Sarazenen bezogen habe? Diese An- 
nahme wird durch eine kleine Notiz aus dem 13. Jahrhundert 
zur evidenten Thatsache erhoben. 

Ich habe vorhin der Herkunft der von Theophilus und 
Heraclius in Betreff unserer Techniken vorgebrachten Märchen 
auf die Spur zu kommen gesucht. Nun habe ich diese Spur in 
einer Stelle des Heraclius glücklich gefunden. Dieser Auior 
schreibt nämlich im III. Buche Folgendes^): »Die Sarazenen 
brennen die Euter der Ziege heftig mit der scharfen Brennessel 
und streichen sie mit den Händen, damit die Milch in sie ein- 
schiesse. Darauf wird die Milch in ein Gefäss gemolken und 
das Glas sammt dem Eisen, womit dasselbe geschnitten werden 
soll, eine Nacht darein gelegt. [In dieser Milch wird das Eisen 
gehärtet, aber auch im Harn eines kleinen rothhaarigen Mädchens, 



*) Abgeb. bei Dr. Bock, Karl's des Grossen Pfalzkapelle und ihre 
Schätze. 

2) c. DC: Qaomodo inciditur vitnim et alii lapides. 



— 192 — 

den man vor Sonnenuntergang gewonnen hat.] Die Milch aber 
soll, wenn nöthig, auf denselben Wärmegrad gebracht werden, 
den sie beim Melken hatte, und darin ist das Glas stets warm 
zu machen [bis es weich ist] und so sich schneiden lässt. Und 
so auch die übrigen Steine. [Die Ziege muss aber mit Epheu 
gefüttert werden.«] 

Wir haben also die Quelle, aus welcher die albernen und 
doch äusserst spitzfindig erdachten, auf den Angaben des Flinius 
weiterbauenden Märchen betreffs der Stein- und Glasglyptik im 
Mittelalter geflossen sind. Es waren die Sarazenen, worunter 
nicht etwa bloss die in Unteritalien und Sicilien, sondern dem 
damaligen Sprachgebrauche gemäss überhaupt alle Moslims von 
den Säulen des Hercules bis nach Indien gemeint sind, es waren 
die Sarazenen, welche den nördlichen Völkern derartige Bären 
aufbanden. Sie suchten dadurch zweierlei zu erreichen: einmal 
sollten die übrigen Völker weit ab von dem eigentlichen Processe 
unserer Techniken geführt werden, und zweitens sollten die sculp- 
tirten Steine und Gläser einen um so höheren Werth bekommen. 
Es liegt System in den Erdichtungen, welche die Sarazenen unter 
das Volk brachten. Sie erfanden Recepte, welche den Leuten 
von damals nicht ganz unmöglich erschienen, deren Ausführung 
aber entweder so kostspielig oder mit so vielen Schwierigkeiten 
verbunden war, dass man sie. lieber bleiben Hess. Wer hätte 
denn die Mittel besessen, um so viel Böcke abschlachten zu kön- 
nen, als ein einziger Stein, ein einziges Glas, um immer wieder 
erwärmt werden zu können, erfordert hätte? Wer hätte den Epheu 
aufgebracht, um alle diese Böcke zu nähren? Derartige Recepte 
schlössen von vornherein den Versuch aus. Andere sollten die 
Leute ordentlich auf den Leim führen, so z. B. wenn vorge- 
schrieben wurde, das Euter einer Ziege mit Brennesseln einzu- 
reiben. Gewiss eine solche Ziege wäre dem Krepiren nahe ge- 
kommen und der Betreffende würde von weiteren Versuchen 
abgestanden sein. Auf diese Weise also suchten die Sarazenen 
die Techniken geheim zu halten, und dass sie dies thaten, ist 
ein Beweis, dass sie seit dem 10. Jahrhundert allein in deren 
Besitze waren. 



— 193 — 

Der Mittelpunkt der damaligen Hohlglasfabrikation war 
anfangs Alexandrien, später Damaskus, wie Constantinopel jener 
der Glasmosaikwürfel. In Alexandrien und später in den Hütten 
von Damascus entstand, wie wir gehört haben, eine grosse Anzahl 
herrlich emaillirter Glasgefässc. Nach Alexandrien und überhaupt 
nach den sarazenischen Glasfabriken, vielleicht auch nach den 
altberühmten Schleifereien Alabanda's^), weisen uns auch die ge- 
schnittenen Gläser, Krystalle und Steine. Aus diesen Gegenden 
stammen auch die fünf oben angeführten Gläser im Schatze von 
S. Marco in Venedig. An dem einen derselben ist mit dem 
Schleifrade die Oberfläche so entfernt worden, dass nur kleine 
wegstehende Zapfen davon zurückgeblieben sind. Im Besitze des 
Dr. Bock befindet sich eine Art Drachenkopf aus Bergkrystall. 
An diesem ist die weit herausgereckte Zunge ebenfalls in der 
Weise bearbeitet, dass von ihr kleine Zäpfchen wegstehen. Dieser 
Drachenkopf nun ist unzweifelhaft eine sarazenische, ich meine 
nicht unteritalische, sondern morgenländische Arbeit aus dem lo. 
bis 12. Jahrhundert. Man sieht daran auf der oberen Seite ein 
Thiermotiv, genau wie auf den sarazenischen Geweben jener Zeit: 
es sind zwei mit den Schnäbeln an einander stossende Vögel 
und da, wo deren Flügel aufhören, zwei sich zugewendete Löwen- 
köpfe. Auf der unteren Seite des Kopfes sieht man ein Orna- 
ment aus Ranken. Das Ganze ist von derber, aber sicherer Aus- 
führung und von effectvoller Wirkung. Das in Rede stehende 
Glas im Schatze von S. Marco ist daher gleichfalls eine saraze- 
nische Arbeit. Wie an diesem die Zapfen, so sind an einem 
zweiten auf dieselbe Art emporstehende Kreise hergestellt worden. 
Ein drittes Glas zeigt die rohe Gestalt eines liegenden Leoparden, 
von dem die Umrisse und die Flecken emporstehen, ebenso wie 
an dem Krystalle des Herrn Dr. Bock die Umrisse und Augen 
der Thiere. Es besteht kein Zweifel, sie sind insgesammt sara- 
zenische Arbeiten aus der Zeit vom lo. bis 12. Jahrhundert. Aus 
einer ähnlichen Zeit stammt auch ein blaugrünes Glas im Schatze 
von S. Marco in Venedig. Dasselbe ist funfseitig, hat auf jeder 



I) Plinius, Nat. Hist., XXXVH, 92. 

13 



— 194 — 

Seite die sculptirte Gestalt eines Hasen und auf dem Boden vier 
arabische Zeichen, welche nach Montfaugon *) »Gott dem Er- 
schaffer« bedeuten. Die Fassung besteht aus mit Zellenemail ge- 
schmücktem Filigran. Eine alte Tradition behauptet, dass dieses 
Glas im Jahre 1470 als Geschenk eines persischen Königs nach 
Venedig gekommen. Diese Tradition mag wohl recht haben, 
wenn auch die Glasfassung viel älter und nicht persisch ist; denn 
der betreffende König oder vielmehr einer seiner Ahnen kann 
das Glas von einem sarazenischen Fürsten erhalten haben. Im 
Uebrigen mag diese% Beispiel genügen, die letzten Zweifel zu be- 
seitigen, dass alle derartig geschnittenen Gläser und Krystalle 
sarazenischen Ursprungs sind. 

Nun nochmals eine Bemerkung über die seit Labarte in der 
Geschichte aller Zweige des Kunstgewerbes übermässig grassirende 
byzantinische Frage. Wären die Byzantiner in der That bis zum 
Ende des 14. Jahrhunderts die alleinigen Hersteller von Luxus- 
gläsern gewesen, wie Labarte behauptet 2), dann würden sich die 
betreffenden Techniken in Constantinopel sicher bis zur Erobe- 
rung der Stadt durch die Türken im Jahre 1453 erhalten haben. 
Da ferner die Moslims sowohl in Alexandrien wie in Phönizien 
die altberühmten Glasindustrien nicht nur nicht vernichtet, Son- 
dern sorgfältigst gefördert und einer neuen Entwicklung entge- 
gengeführt haben , so hätten sie das Gleiche ohne Zweifel auch 
in Constantinopel gethan, wenn sie dort eine Hohlglasindustrie 
von irgend welcher Bedeutung angetroffen hätten. Aber es ist 
von einer solchen auch nach 145 3 nichts bekannt geworden. 
Nach alle dem haben wir uns den Stand der Hohlglasindustrie 
während des Mittelalters also vorzustellen: In dem von Con- 
stantin zur Hauptstadt des östlichen Reiches erhobenen Constan- 
tinopel scheint anfangs auch die Hohlglasindustrie gepflegt wor- 
den zu sein. Durch den Bilderstreit aber ist dieselbe aller Wahr- 
scheinlichkeit nach vollständig vernichtet worden, indem die Glas- 
schneider und Emailleure auswanderten und vielleicht in den be- 



J) Diarium Italicum, angefahrt von Nesbytt, 1. c. p. XXVIII. 
2) 1. c. p. 377. 






— 195 — 

rühmten Hütten Alexandriens eine Unterkunft fanden; denn ale- 
xandrinischen und überhaupt sarazenischen Ursprungs sind alle 
emaillirten und geschnittenen Gläser, welche vom lO. bis 15. Jahr- 
hundert nach dem Abendlande kamen. Die betreffenden griechi- 
schen und sarazenischen Künstler suchten sich die Geheimnisse 
ihrer Techniken dadurch zu bewahren, dass sie über dieselben 
allerlei Märchen unter die Leute brachten. Allein dies scheint 
ihnen über das 13. Jahrhundert hinaus nicht lange gelungen zu 
sein , sondern die seitdem mit dem ganzen Oriente in Handels- 
verbindungen stehenden Venetianer haben nicht bloss orientalische 
Gläser nach dem Abendlande verhandelt, sondern auch die zu 
ihrer Herstellung nöthigen Techniken heimgebracht und selbst 
auszuüben gelernt. Die vier aus dem 14. Jahrhundert stammen- 
den sog. Hedwigsbecher mögen als Beweis dienen. Es sind 
das äusserst interessante, auf metallenen Füssen befestigte Becher 
aus Glas , welche mittels des Rades sculpirt worden sind. Man 
sieht darauf einzelne Flächen schräg nach innen geschliffen, so 
dass die streng stilisirten Gestalten von Löwen, Greifen und Adlern 
von der ursprünglichen Oberfläche stehen geblieben sind. Eine 
Art von Modellirung zeigen einzelne eingeschnittene Strichgrup- 
pen an. Bis auf diese letzteren ist die Behandlung genauestens 
den oben besprochenen sarazenischen Arbeiten gleich, so dass sie 
ganz gut aus dem Oriente stammen könnten. Wenn dies gleich- 
wohl nicht zugegeben werden kann, so sind hiefür, wie sich zei- 
gen wird, andere Gründe massgebend. Die allgemeine Annahme 
bezeichnete, fussend auf einer alten Tradition, diese Becher bis- 
her als einstiges Besitzthum der hl. Hedwig (f 1243)*, man nannte 
sie daher gewöhnlich schlechtweg Hedwigsbecher; aber mit 
Unrecht, wie sich zeigen wird. Sie sind durch Alter und Technik 
so hoch interessant, dass sie in der That eine ausführliche Be- 
sprechung verdienen *)» 

Wie gesagt, kennt man bis jetzt vier solche Hedwigsbecher. 
Zwei davon befinden sich im Museum zu Breslau. Von diesen 



') Vgl. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Organ des Germa- 
manischen Nationalmuseums 1877, S. 227 ff. 

13* 



- 196 - 

ist der eioe von gchwereni, gelblichem, blasen reichem Glase, etwa 
7" hoch und unten mit einem silbernen Rande versehen, der auT 
den Schultern von drei Engeln aus demselben Metalle ruht. Diese 
Fassung stammt aus der Zeit vom 14. bis 15. Jahrhundert. Die 
Figuration an dem Glase selbst hat zwar zwischen zwei Löwen 
einerseits ein steifes romanisches Blattomament , andrerseits ein 
unten abgerundetes, schildartiges Viereck, darüber einen Stern in 
einer querliegenden Mondsichel, ist aber trotzdem, wie sich zei- 
gen wird , mit der Fassung gleichzeitig und nicht fiüher. Die- 
ser Becher befand sich seil uralten Zeiten im Rathsarchive zu 



Fig- 33- 
Breslau und wird jetzt im Museum dortselbst aufbewahrt ■). — Der 
zweite derartige Becher des eben genannten Museums befand sich 
frilber im MatthiasstJfle-, ihn hat der Baumeister Bartholomäus 
Mandel (1567 — 82) neu fassen lassen. 

Ein dritter ähnlicher Becher wird im Domschatze zu Krakau 
aufbewahrt. Darauf sieht man einen Adler mit ausgebreiteten 
Flügeln und zwei sich ihm von beiden Seiten nähernde Löwen. 
Er ist in einen silbernen Fuss gefasst, welcher nach Director Dr. 
A. Essenwein seine Bestimmung als Messkelch zu dienen, anzeigt. 

') Abgebildet und beschrieben von Fuchs, Romanische und gothische 
StUproben ans Breslau und Trebniti, S. ii, 13 und Fig. 16. 



— 197 — 

Ueber die früheren Schicksale dieses Bechers weiss man nur, dass 
ihn im Jahre 1641 Sigismund Porembski der Kirche der hl. Hedwig 
zu Krakau weihte. Als diese gegen das Ende des vorigen Jahr- 
hunderts aufgehoben wurde, kam er in den Domschatz '). 

Den vierten Becher dieser Gattung erwarb i. J. 1877 das 
Germanische Nationalmuseum in Nürnberg *). Derselbe hat eine 
hohe gothische Fassung, aber nur aus vergoldetem Kupfer. Der 
Becher selbst (Fig. 33) ist mit der Darstellung zweier Löwen und 
eines Greifen geschmückt, welche einander folgen. Er hat eine 
Höhe von 9,5 cm und einen oberen Durchmesser von 9,2 cm. Die 
Glasmasse ist nach Director Dr. Essenwein etwas gelber als bei 
den übrigen, sie spielt mehr ins Braune als ins Grüne und ist 
etwas reiner. Es ist bereits oben gezeigt worden, dass man da- 
mals gerade die verschiedenen Nuancen des Gelb im Abendlande 
herzustellen verstand. Schon die zu Nordendorf und in anderen 
Gräbern gefundenen Gläser haben zahlreiche Beispiele aus dieser 
Masse an den Tag gefördert. Es darf indess hier nicht ver- 
schwiegen werden, dass die Dicke der Wandung genau den sara- 
zenischen Beispielen dieser Art entspricht, was aber darin seinen 
Grund hat, dass eben sarazenische Vorbilder nachgebildet und 
zwar zum Behufe des späteren Schleifens nachgebildet wurden. 

Ein fünfter Hedwigsbecher ist nur aus einem Briefe des 
Breslauer Bischofs, Erzherzogs Karl (1608 — 24) an den Herzog 
von Brieg (1609 — 39) bekannt. Dieser Bischof holte sich näm- 
lich in dem besagten Briefe vom 2. Februar 16 14 von dem Her- 
zoge nachträglich Bewilligung ein, weil er ein angeblich aus dem 
Besitze der hl. Hedwig stammendes Glas aus dessen Schloss Ohlau 
habe mitgehen lassen. Eine weitere Stelle, in welcher von einem 
sechsten sog. Hedwigsbecher die Rede ist, hat man zwar mehr- 
fach angemerkt, aber niemals auf ihren Inhalt geachtet. Sie be- 
findet sich in dem Inventar Karl's des Kühnen von Burgund 
(1467 — 1477) u^d lautet: >ung voirre taille d'un esgle, d'un 



') Abgeb. im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, a. a. O. 
S. 228—230. 

2) Abgeb. im A n z c i g e r , a. a. O. S. 23 1 —232 ; darnach unsere Figur 33. 



— 198 — 

griffon et d'une double couronne garay d'argent,< d. h. »ein mit 
einem Adler, einem Greifen und einer doppelten Krone sculptir- 
tes Glas in silberner Fassung < ^). Dass darin eines der in Rede 
stehenden Gläser gemeint ist, braucht kaum eigens gesagt zu wer- 
den. Und gerade diese Stelle ist es, welche uns über das Alter 
der betreffenden Gläser und einige andere Fragen den lange ver- 
missten Aufschluss gibt. 

Bisher ist die Hedwigstradition nirgends angefochten worden. 
Das Alter der Becher schien dieser Tradition keineswegs zu wi- 
dersprechen. Ich selbst setzte dieselben früher mindestens bis in 
die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück; denn^ damals, sagte 
ich mir, war die Mode, die Thiergestalten, welche man auf den 
aus Sicilien bezogenen Teppichen fortwährend vor Augen hatte, 
auf alle möglichen Geräthe ebenso wie auf die Glieder der Ar- 
chitektur zu übertragen, am stärksten. Allein die zwingende Be- 
weiskraft der aus dem Inventar Karl's des Kühnen angeführten 
Stelle hat mich eines Besseren belehrt. So altehrwürdig die Hed- 
wigstradition auch sein mag, vor der Kritik kann sie ferner nicht 
mehr bestehen. An dem Glase des Herzogs Karl des Kühnen 
war nämlich ausser einem Adler und einem Greifen eine zwei- 
fache Krone skulptirt und diese ist für die Zeitbestimmung mass- 
gebend; denn die zweifache Krone hat erst Papst Bonifaz VIII. 
(1294 — 1303) eingeführt 2). Folglich kann ein damit geschmück- 
tes Glas nicht vor diesem Papste, resp. nicht vor 1298 entstan- 
den sein. Die zweifache Krone trugen aber die Päpste nur bis 
zu Urban V. (1362 — 1370), da dieser einen dritten Reifen hin- 
zufügte und somit der Schöpfer der dreifachen Krone war ^). 
Daraus geht hervor, dass das in Rede stehende Glas zwischen 
1298 und c. 1370 entstanden sein muss. 



^) Inventaire de Charles le T^m^raire, nis. des archives de Lille publik 
par M. de Laborde, Les Ducs de Bourgogne, t. II, n. 2753. — Lab arte) 
1. c. p. 375. — 

2) Dr. Carl Haas, Geschichte der Päpste nach den Ergebnissen der 
neuesten Forschungen. Tübingen 1860, G. Laupp'sche Buchhandlung, S. 417. 

^) Dr. Carl Haas, a. a. O. S. 464. 



— 199 — 

Man hat behauptet, dass die sogenapnten Hedwigs- 
becher nicht abendländischen, sondern arabischen oder sara- 
zenischen Ursprungs seien. Dagegen hat schon Director Dr. 
Essenwein eingewendet, dass diese Annahme wegen der über 
den Löwen angebrachten Schilächen nicht wohl möglich sei. An 
den orientalischen Gläsern und Krystallen dieser Art fehlen ferner 
auch die kleinen Querstrichelchen, welche an den sogenannten 
Hedwigsbechern als eine Art Schattirung eingeschnitten sind. Durch 
die zweifache päpstliche Krone auf dem Glase Karl's des Kühnen 
endlich ist die abendländische Herkunft unserer Gläser ein für 
alle Male entschieden. Dagegen kann aber nicht geleugnet werden, 
dass unsere Becher sich direct an orientalische Vorbilder anlehnten. 

Wir haben oben bei den emaillirten Gläsern gesehen, dass 
in dem Inventar des Herzogs von Anjou vom Jahre 1360 noch 
Gläser >de Touvrage de Damas«, also solche, die aus Damaskus 
stammten, aufgeführt werden. Dagegen figuriren in dem Inventar 
Karl's V. von 1379 nur mehr Gläser >ä la fagon de Damas«. 
In der Zeit, also zwischen 1360 und 1379 muss in Europa die 
Nachahmung der orientalischen, speciell der damals am meisten 
bewunderten Damascener Gläser aufgekommen sein. Diese Nach- 
ahmungen beschränkten sich nicht auf die emaillirten Gefösse, sie 
umfassten auch die geschnittenen Gläser, wie die in Rede steh- 
enden Becher bezeugen. Ohne Zweifel waren es abermals die 
Venetianer, welche diese Imitationen herstellten ; denn nur in Ve- 
nedig war damals die Glasindustrie bereits so hoch entwickelt und 
nur Venedig hatte so viele Beziehungen zum Oriente, dass es sich 
die dort geübten Techniken aneignen konnte. Ja, ihre venetianische 
Herkunft wird direct dadurch bewiesen, dass der Becher Karl's 
des Kühnen nebst anderen Gläsern unter der allgemeinen Bezeich- 
nung »gobeletz de cristal« aufgeführt wird; denn unter »verres 
de cristal« verstand man im 15., 16. und noch im ersten Viertel 
des 17. Jahrhunderts, wie sich im VI. Abschnitt zeigen wird, nur 
in Venedig gemachte Krystallgläser. 

Unsere Becher dürfen daher künftighin nicht mehr als Hed- 
wigsbecher bezeichnet werden, sondern als ein Theil jener Gläser, 
welche als »ouvres k la fagon de Damas« beschrieben werden; 



— 200 — 

sie bilden ein Gegenstück zu den oben erörterten »voirres paints 
ä la fagon de Damas«. Da diese erst seit 1360 aufkamen, können 
auch die sogenannten Hedwigsbecher nicht früher fallen; sie sind 
insgesammt erst seit dem Beginne der sechziger Jahre des 14. Jahr- 
hunderts entstanden. Eines der frühesten war ohne Zweifel jenes 
im Besitze des Herzogs Karl des Kühnen; denn dieses muss noch 
bevor Urban V. (1362 — 1370) die dreifache Krone einführte, ge- 
macht worden sein. Aber auch nicht viel früher; denn Karl der 
Kühne hatte das Glas jedenfalls als Familienerbstück von dem 
Stifter seines Hauses, Philipp dem Kühnen, erhalten. Philipp der 
Kühne, der jüngste Sohn des Königs Johann des Guten von Frank- 
reich, ist aber von diesem erst im Jahre 1363 mit dem Herzog- 
thum Burgund belehnt worden. Demnach wird das Glas Karl's 
des Kühnen >ouvre ä la fa^on de Damas« aus den ersten sech- 
ziger Jahren des 14. Jahrhunderts, aus den ersten Regierungsjahren 
Philipp's des Kühnen,, bald nach 1 363 stammen und war vielleicht 
ein Geschenk des damals regierenden Papstes, bevor er die drei- 
fache Krone eingeführt hat. Die übrigen hieher gehörigen Gläser 
müssen allgemein der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zuge- 
schrieben werden; denn aus dieser Zeit stammen auch die noch 
ursprünglichen Fassungen des einen Breslauer und des Krakauer 
Glases, welche, wie jene des Glases Karl's des Kühnen, ebenfalls 
aus Silber sind. Die hl. Hedwig konnte demnach kein derartiges 
Glas besessen haben. Die Bezeichnung Hedwigsbecher muss daher 
aufgegeben werden. Zum Schlüsse will ich noch bemerken, dass 
unsere Gläser auch nach Heraclius nicht schon aus dem 13. Jahr- 
hundert sein können ; denn damals schrieb dieser Autor die Glyptik 
in Stein und Glas noch ausschliesslich den Sarazenen zu. Ich 
glaube, die Frage über die sogenannten Hedwigsbecher hiemit end- 
giltig gelöst und für sie die wahre Bezeichnung als Gläser »ouvres 
ä la fagon de Damas« gefunden zu haben. 

Die durch die Venetianer aus dem Oriente um 1360 geholte 
Technik der Glyptik in Stein und Glas scheint sich von da an 
rasch verbreitet zu haben; denn wir hören, dass unter den Künst- 
lern, welche sich um 1390 am Hofe der Königin Elisabeth zu 
Königgrätz in Böhmen niederliessen, eigens Glasschneider, ge- 



— 201 — 

nannt werden'). Jedenfalls waren dies Künstler, welche in ähn- 
licher Weise arbeiteten, wie die Hersteller der Ȋ la fa^on de 
Daraas« geschnittenen Gläser, also Glasschleiferei und Schneiderei 
mit einander verbanden. In Nürnberg endlich erhielten bald nach 
1373 die dortigen Tafelschneider und alle übrigen Steinschneider 
eine Zunftordnung. 

2. Die Glasschleiferei bis zum Ausgan ge des Mittelalters. 

Auch der Glasschliff reicht bis tief in das Alterthum zurück. 
Schon damals übte man auf Gläsern und Steinen den Facetten- 
und Kugelschliff, wie ich demnächst in einer Geschichte der Glas- 
raffinerie ausführlicher zeigen werde. Die Schleiftechnik scheint 
auch im Abendlande während des Mittelalters niemals gänzlich 
verloren gegangen zu sein. Sie war fortwährend ein Bedürfniss, 
da man seit dem Falle des weströmischen Reiches niemals auf- 
gehört hat, Schwertknöpfe, Gewandnadeln und andere Schmuck- 
stücke mit tafelförmig geschliffenen oder mit durch Schliff gerun- 
deten farbigen Gläsern und edlen Steinen zu zieren. Die Edel- 
steine, die echten sowohl wie die künstlichen, waren seit den 
Tagen des Alterthums die beliebtesten Schmuckgegenstände für 
Kleider, Reliquiarien, Kreuze, Kronen, Kelche und sonstige Ge- 
räthe, und dass die Kenntniss davon nicht verloren ging, dafür 
sorgten von Zeit zu Zeit unterrichtete Schriftsteller. Schon am 
Anfange des 7. Jahrhunderts hat Bischof Isidor von Sevilla (f 636) 
in seinen »Origines et Etymologiae« die Edelsteine in Anlehnung 
an Plinius eingehend besprochen. Im 11. Jahrhundert schrieben 
über den gleichen Gegenstand Psellos und der Bischof Marbodus 
und suchten ihren Zeitgenossen die geheimnissvollen Kräfte und 
wunderbaren Eigenschaften der Edelsteine geläufig zu machen. 
Sie erreichten in der That, was sie wollten^ denn seitdem er- 
wachten alle die alten Fabeln über die Edelsteine wieder. So 
sollte der Diamant im Stande sein, Dämonen, ein damals häufiges 
Uebel, auszutreiben, der Amethyst sollte vor Trunkenheit bewahren, 
der Hyacinth Schlaf bereiten und ausserdem Reichthum und Weis- 



') Schebeck, a. a. O., S. 8. 



— 202 — 

heit gewähren u. s. w. Man fing an, viel über ihre Entstehung zu 
fabeln und die seltsamsten und verkehrtesten Ansichten und Be- 
schreibungen von ihnen zu verbreiten. Namentlich wurde ihnen 
ein merkwürdiger Einfluss auf Gesundheit und Schönheit, auf 
Reichthum und Glück zugeschrieben. So sollte der Rubin gegen 
Pest und Gift, der Smaragd gegen Epilepsie und andere gegen 
andere Leiden schützen. Das Smaragdpulver war eine beliebte 
Medicin und es gab im Mittelalter eigene Exlelsteindoctoren wie 
unsere Homöopathen. Blan trug die Edelsteine als Amulette und 
brachte sie in Beziehung zu den Planeten, Sternbildern und Jah- 
reszeiten und unterschied Gesundheits-, Monats- und Zodiakalsteine. 
Auch die 12 Apostel wurden sinnbildlich durch Eldelsteine dar- 
gestellt und in späterer Zeit erfand man aus den Anfangsbuch- 
staben der E^el- und Halbedelsteine ein Alphabet, aus welchem 
ganze Namen zusammengesetzt wurden^). 

Diese Methode, welche im ii. Jahrhundert bereits begann, 
musste die Techniken des Schleifens, Polirens und Durchbohrens 
der Steine wesentlich fördern. In der That wurden dieselben schon 
im 12. Jahrhundert ziemlich schwunghaft betrieben, und Theophi- 
lus, welcher in Bezug auf die Glyptik in Stein und Glas nur Mär- 
chen vorzubringen wusste, spricht über das Schleifen, Poliren und 
Durchbohren als Fachmann, und, wie es scheint, aus eigener Er- 
fahrung. >Der Krystall<, sagt er*), »wird auf folgende Art ge- 
schliffen und polirt. Nimm die Mischung, welche Tenax heisst 
und von welcher oben (lib. III. c. LVIII) die Rede war, nähere 
sie dem Feuer, bis sie flüssig wird und befestige hicmit den Kry- 
stall an ein langes Holz, das ihm an Dicke gleich ist. Wenn er 
ausgekühlt ist, reibe ihn unter beständigem Zugiessen von Wasser 
mit beiden Händen auf einem sandigen, harten Steine, bis er die 
Form annimmt, welche Du ihm geben willst; dann ebenso auf 
einem anderen Steine von gleicher Art, nur etwas feiner und glätter, 
bis er ganz und gar eben ist. Nun nimm eine flache Bleitafel, 
lege darauf feuchte Ziegelerde, welche Du mit Speichel auf einem 

I) Karl Emil Kluge, Handbuch der Edelsteinkunde fiir Mineralogen, 
Steinschneider und Juweliere. Leipzig, Brockhaus 1860. 

2) üb. m, c. XCIV. 



— 203 — 

harten Steine anreiben musst, und polire damit den Krystall, bis 
er Glanz annimmt. Zum Sclriusse aber bringe auf eine weder ge- 
schwärzte noch geölte Bockshaut, welche auf ein Holz gespannt 
und unten mit Nägeln befestigt ist, die feuchte Mischung der mit 
Speichel angemachten Ziegelerde und reibe damit den Krystall, 
bis er ganz leuchtend wird.< 

Das sind Worte eines Fachmannes, der die primitive Tech- 
nik seiner Zeit genauestens kannte. In ähnlicher Weise spricht 
Theophilus von dem Durchbohren des Krystalles, was um so inter- 
essanter ist, als sich so bearbeitete Knöpfe an Crucifixen etc. bis 
auf unsere Zeit erhalten haben. »Wenn Du aber«, sagte er, >Knöpfe 
aus Krystall machen willst, welche an Bischofsstäben oder Cande- 
labem angebracht werden können, durchbohre sie auf folgende 
Weise: Mache Dir zwei Hämmer von der Dicke des kleinen Fin- 
gers und ungefähr eine Spanne lang, an beiden Enden sehr dünn 
und gut gestählt. Wenn Du den Knopf geformt hast, mache in 
einem Holze ein Loch, so dass derselbe bis zur Hälfte darin 
liegen könne und befestige ihn mit Wachs in eben diesem Holze, 
damit er haften bleibe; nimm hierauf den einen Hammer und 
schlage damit leicht auf die Mitte des Knopfes immer auf die- 
selbe Stelle, bis Du ein kleines Loch fertig hast und erweitere die 
Oeffnung dadurch, dass Du in dieser Weise auf die Mitte fort- 
schlägst und ringsherum sorgfältig ausbrichst. Wenn Du so fort- 
während bis zum Mittelpunkt des Knopfes gelangt bist, wende 
diesen um und verfahre auf der anderen Seite ebenso. Hast Du 
ihn durchbohrt, so hämmere Dir ein Stück Kupfer von der Länge 
eines Fusses und rund, und zwar so, dass es durch das Loch hin- 
durchgethan werden kann; nimm rauhen, mit Wasser vermengten 
Sand, thue ihn in das Loch und feile mit der Kupferstange. Wenn 
Du aber das Loch ein wenig erweitert hast, dann hämmere Dir 
eine andere dickere Kupferstange und feile damit auf ähnliche 
Weise; und wenn es die Arbeit erfordert, nimm eine noch grös- 
sere dritte Kupferstange. Hast Du die Oeffnung soweit gemacht, 
als Du willst, dann zerpoche behutsam einen sandigen Stein, gib' 
ihn in die Oeffnung und feile mit einer neuen Kupferstange, bis 
sie glatt ist. Dann nimm eine ebenfalls runde Bleistange, gieb in 



— 204 — 

die Oeffnung den mit Speichel angeriebenen Ziegelstaub und po- 
lire sie inwendig und den Knopf auswendig, wie oben gezeigt 
wurde. Der ganz reine, völlig abgerundete und polirte Krystall 
zieht, wenn man ihn mit Wasser oder Speichel beleuchtet und 
dem klaren Sonnenlichte aussetzt, das Feuer sehr schnell an, so 
dass der Glanz in ihm zittert, wenn eine Anlockung für das Licht, 
welche man Tinktur nennt, untergelegt ist.« 

Ferner verstand man den Krystall und die edlen Steine im 
12. Jahrhundert zu zersägen. »Wenn du den Krystall«, sagt 
unser Autor, > zersägen willst, dann schlage vier hölzerne Nägel 
auf einem Schemel ein; so dass zwischen ihnen der Krystall fest 
liege. Diese Nägel sollen so stehen, dass die zwei oberen und 
die zwei unteren so nahe bei einander sind, dass die Säge zwischen 
ihnen gerade hindurch gezogen werden und nach keiner Seite 
entweichen kann. Hierauf setze die eiserne Säge an, streue 
rauhen, mit Wasser vermengten Sand darauf und stelle zwei Leute 
hin, welche die Säge ziehen und den mit Wasser angemachten 
Sand ohne Unterlass darauf geben. Dies geschehe solange, bis 
der Krystall in zwei Theile zersägt ist, welche du schleifen und 
poliren sollst wie oben.c 

>Auf dieselbe Weise wie der Krystall c, heisst es weiter, 
> werden auch zersägt, geschliffen und polirt der Onyx, Beryll, 
Smaragd, Jaspis, Chalcedon und die übrigen kostbaren Steine. 
Man macht auch aus den Theilchen des Krystalles ein sehr feines 
Pulver, welches, mit Wasser vermischt, auf ein ebenes Brett von 
Lindenholz gelegt wird, und darauf schleift und polirt man die 
Steine ebenfalls. Der Hyacinth, welcher härter ist, wird auf 
folgende Art geschliffen. Es gibt einen Stein, welcher Schmirgel 
heisst-, dieser wird zerkleinert, bis er dem Sande gleicht, und, 
mit Wasser vermischt, auf eine ebene Kupfertafel gebracht; 
der Hyacinth wird nun darüber hin geschliffen und erhält so 
seine Gestalt. Die Flüssigkeit aber, welche abfliesst, fangt man 
sorgfältig in einem reinen Becken auf itnd wenn sie die Nacht 
über stand, wird am folgenden Tage das Wasser ganz abgegossen 
und das Pulver getrocknet und hierauf, eingefeuchtet mit Speichel, 
auf eine ebene Tafel von Lindenholz gebracht und damit der 



— 205 — 

Hyacinth polirtJ) Auf dieselbe Weise wie der Krystall werden 
auch die gläsernen Steine geschliffen und polirt.< 

Muss man sich nicht billig wundern über die Menge tech- 
nischer Hilfsmittel, welche den Schleifern des 12. Jahrhunderts 
zu Gebote standen? Wer mag diesen klaren und fachmännischen 
Worten gegenüber noch behaupten, dass die geschliffenen Steine 
schon vollendet aus dem Oriente bezogen wurden? Von dem 
Zersägen des Krystalles spricht übrigens bereits im 10. Jahrhun- 
dert der sog. Heraclius als von einer Technik, die zu seiner 
Zeit in Italien geübt wurde*); aber er mengt in sein Recept 
Wahres und Falsches, so dass davon Abstand genommen werden 
kann. Heraclius beschreibt auch das Poliren der Edelsteine 3); 
er schreibt vor, den Stein mit etwas Wasser über ein Stück Mar- 
mor mit leichter Handführung hinzureiben, und behauptet, dass 
auf diese Weise die härteren Steine einen schöneren Glanz be. 
kommen. Doch ich komme zum Glase zurück. Die künstlichen 
Steine aus Glas wurden nach Theophilus auf dieselbe Weise ge- 
schliffen und polirt wie der Krystall. Dass man solche künst- 
liche Steine in der That schon im 10. Jahrhundert herstellte, 
lehrt uns Heraclius, welcher diese Steine aus altem, römischem 
Glase zu machen vorschreibt.*) 

Ueber die weitere Entwicklung dieser Techniken in Bezug 
auf das Glas fehlen uns die Nachrichten; nur über den Fortbe- 
stand der Steinschleiferei erhalten wir hie und da eine kurze 
Notiz. So erfahren wir, dass sich im Jahre 1296 in Paris eine 
Steinschleiferzunft bildete. Ungefähr ein Jahrhundert später, im 
Jahre 1373, gab es in Nürnberg schon Diamantpolirer. Im Jahre 
1434 lehrte Guttenberg dem Andreas Dritzehen in Strassburg 
das Steinschleifen und im Jahre 1456 soll Ludwig van Berquen 
aus Brügge die übrigens in Indien längst bekannte Kunst, den 
Diamanten mit seinem eigenen Staube zu poliren, erfunden haben. 
Im Jahre 1590 kam der Franzose Claudius de la Croix nach 



') Von da bis zum Poliren des Diamanten mit seinem eigenen Staube 
war nur mehr ein kleiner Schritt und man muss sich wundern, dass dieser nicht 
schon im 12. Jahrhundert gemacht wurde. 

2) lib. I, c. XU. 3) lib. I, c. X. 4) lib. I, c. XIV. 



— 206 — 

Nürnberg und führte dort namentlich den Schliff der Rosettenform 
für Granaten ein. *) 

Unter diesen Umständen ist es nicht anders zu erwarten, 
als dass sich auch die Glasschleiferei in entsprechender Weise 
entwickelte. Der erste Fortschritt in der Technik wurde noch im 
13. Jahrhundert gemacht, wie uns eine merkwürdige Stelle des 
diesem Jahrhundert angehörigen III. Buches des Heraclius lehrt. ^) 
iNimmc, sagt unser Autor, iden Stein, der Emantes genannt 
wird, und nicht allzu hart sei, auch nicht geädert, sondern über- 
aus flach und hell, gehe damit zur Mühle [d. h. zum Schleif- 
steine] des Schmiedes und ebne ihn, wie dir beliebt. Sobald 
es dir genug zu sein scheint, ebne ihn noch leicht auf einem 
Ziegel, dann noch einmal, auf dass er milder werde, mit dem 
Wetzsteine; endlich auf der Bleiplatte, um ihn zu poliren. Femer 
wieder auf Kuhleder, an der Seite, wo die Haare sassen, das 
aber völlig glatt und rein sein muss; auf diesem glätte ihn noch 
einmal besser. Hierauf poliere ihn von Neuem auf einem sehr 
geglätteten Holze, welches Zitterpappel oder Pappel genannt 
wird, aufs beste und vielmals. € Daraus geht hervor, dass man 
bereits im 13. Jahrhundert eine Maschinerie gekannt und in der 
Steinschleiferei, wenn auch nur zum rohen Vorschliff verwendet 
hat, bei welcher die Schleifscheibe wie ein Mühlrad umgetrieben 
wurde: es war der Vorrichtung der Schmiede zum Schleifen ihrer 
Gegenstände ähnlich, also jedenfalls ein Schleifstein, welcher 
durch Menschenhände oder Wasserkräfte umgetrieben wurde. 

3. Die Schleiftechnik seit dem Mittelalter. 

Die Keime zur Entwicklung der Schleiftechnik, welche im 
12. und 13. Jahrhundert bereits vorhanden waren, starben in den 
folgenden Jahrhunderten nicht ab, sondern entfalteten sich immer 
schöner und reicher. Schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts 
war es nicht mehr nöthig, den an einem Holzstabe festgemachten 



1) Karl Emil Kluge, a. a. O., S. 82. 

^ lib. m, c. XII: Quomodo politor lapis et dens animalis. 



— 207 — 

Stein über die Schleifplatten hin- und herzureiben, bis er die 
gewünschte Gestalt annahm , sondern man konnte ihn damals 
bereits auf von Menschenhänden oder von Wasser umgetriebenen 
Schleifsteinen vollständig schleifen. Zurückverfolgen können wir 
diesen Fortschritt bis zum Jahre 1454 und zwar in Idar und 
Oberstein. Dort existirten seit dem genannten Jahre nachweislich 
Achatschleifereien und. zwar wurden die Achate auf riesigen, vom 
Wasser umgetriebenen Schleifsteinen geschliffen. Nach G. Lange*) 
war diese Art und Weise des Schlei fens nur in den Gebirgs- 
thälern des Hunsrucks heimisch und anderswo unbekannt, >wess- 
halb die Schleifer ihr Geheimniss ängstlich hüteten und selbst die 
Regierungen jener Gegenden zum Zwecke der Geheimhaltung 
Verordnungen trafen«. Recht lange scheint ihnen -dies jedoch 
nicht geglückt zu sein, wie wir gleich sehen werden. 

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts haben wir urkundliche 
Nachrichten, welche die hohe Blüthe der Schleiferei und zwar 
speziell der Glasschleiferei, namentlich in Deutschland bezeugen. 
Von grösstem Interesse ist in dieser Beziehung der schon mehr- 
fach erwähnte Vertrag, welchen der bayrische Herzog Albrecht V. 
(1550 — ^579) ^\^ ^^™ Glasmacher Bernhard Schwarz aus Ant- 
werpen geschlossen hat. In diesem Vertrage wird nämlich er- 
zählt, dass alljährlich von den Antwerpener Kaufleuten viel ge- 
zogenes Glas aus Venedig bezogen und nach Schwäbisch- 
Gmünd gesandt wurde. Daselbst, stellt Bernhard Schwarz dem 
Herzoge vor, haben die von Gmünd Schleifmühlen aufge- 
richtet, dort wird sämmtliche Waare geschliffen, geht so 
nach Antwerpen zurück, um nach Indien verführt zu werden. 

Ueber eben diesen Punkt berichtete der Stadtschultheiss 
Kohn in Schwäbisch-Gmünd Herrn Dr. Stockbauer Folgendes: 
»In hiesiger Stadt wurde schon im 16. Jahrhundert, wie historisch 
nachweisbar ist (?), die Achat- und Glasschleiferei in ausgedehn- 
tem Masse betrieben. Die Gmünder standen damals und bis auf 
die neueste Zeit in lebhaftem Handelsverkehr mit den Städten 



') Die Halbedelsteine aus der Familie der Quarze und die Geschichte 
der Achatindustrie. R. Voigtländer, Kreuznach 1868, S. 48. 



— 2o8 — 

Livorno, Genua, Mailand und Venedig. Ohne Zweifel Hessen die 
Venetianer in Gmünd auch hier (?) Gläser schleifen, um sie über 
Antwerpen auf den Weltmarkt zu bringen. Eigentliche Urkunden 
stehen mir hierüber keine zu Gebote, allein es ist das notorisch, 
es beruht auf Tradition und man weiss es gar nicht anders. 
Graündner Handlungshäuser hatten noch im vorigen Jahrhundert 
in den Niederlanden Zweigniederlassungen.« 

Da diese Tradition durch die Angaben des in Rede stehen- 
den Vertrages vollauf bestätigt wird, mag sie immerhin einigen 
Werth beanspruchen ; . ich werde daher nochmals darauf zurück- 
kommen und wende mich daher wieder dem Vertrage zu. Aus 
demselben ergibt sich, dass die Schleifereien und zwar speciell 
die Glasschleifereien in Schwäbisch • Gmünd allen übrigen in 
Deutschland, Italien und den Niederlanden, wenn dort überhaupt 
welche bestanden, weit überlegen sein mussten; denn sonst wür- 
den sich die Antwerpener Kaufherren ohne Zweifel die Kosten 
der Hinsendung ihrer aus Venedig bezogenen Glaswaaren nach 
Schwäbisch-Gmünd und des Rücktransportes nach Antwerpen er- 
spart haben. Die dadurch entstandenen Mehrausgaben mussten 
durch anderweitige Vortheile, durch bessere oder billigere Arbeit 
wieder ausgeglichen werden. Die Schleifmühlen in Schwäbisch- 
Gmünd standen demnach auf der Höhe der Zeit, sie hatten nach 
damaligen Begriffen einen Weltruf. In Schwäbisch-Gmünd hatte 
sich um die Mitte des i6. Jahrhunderts die Glasschleiferei bereits 
zu einer bedeutenden Industrie entwickelt. Ihrer gedachte sich 
auch Bernhard Schwarz zum Schleifen seines »Zogen Werkes« zu 
bedienen, welches er in der bei Landshut zu errichtenden Glas- 
hütte erzeugen würde; doch trug er sich auch mit dem Gedanken, 
in Landshut selbst, also in unmittelbarer Nähe der geplanten 
Glashütte, Schleifmühlen aufzurichten. Wie weit diese Projekte 
realisirt wurden, ist nicht bekannt. Es wird auch nicht gesagt, 
wie diese Schleifmühlen beschaffen >^aren, ob blos auf mit der 
Hand gedrehten Scheiben geschliffen wurde oder ob dies auf von 
Wasser umgetriebenen Schleifsteinen geschah. Der Ausdruck 
> Schleifmühle« scheint auf das Letztere hinzuweisen. 



— 209 — 

Aus dem Berichte des Stadtschultheisses Kohn von Schwä- 
bisch- Gmünd haben wir vorhin gehört, dass in der genannten 
Stadt nicht bloss Glas, sondern auch Achate geschliffen wurden. 
Diese Nachricht zwingt uns, die Schleifmühlen von Schwäbisch- 
Gmünd in Zusammenhang mit jenen zu Idar und Oberstein zu 
bringen; denn die Gmündner waren in diesem Falle wegen Be- 
zugs der Rohsteine auf einen regen Verkehr mit dem Obersteiner 
und Idar kreis angewiesen. Nichts erscheint daher natürlicher, 
als dass von jener Gegend zugleich mit den Achatsteinen auch 
die Einrichtung der Schleifmühlen, ja die ganze Industrie nach 
Schwäbisch-Gmünd kam, sei es durch Arbeiter von dort oder durch 
Gmündner Kaufleute. Die Gmündner Schleifmühlen hatten daher 
jedenfalls die gleiche Einrichtung wie jene in Idar und Oberstein, 
d. h. sie hatten grosse, vom Wasser umgetriebene Schleifsteine, 
wie sie noch jetzt gebräuchlich sind. 

Eine andere Frage ist nun die, welche Gläser um die Mitte 
des i6. Jahrhunderts in Schwäbisch-Gmünd geschliffen wurden. 
Hierauf gibt uns Bernhard Schwarz die Antwort. Aus seiner 
Angabe nämlich, dass die geschliffene Waare nach Indien verführt 
wurde, geht hervor, dass er mit -seinem > Zogen Werke Perlen, 
künstliche Edelsteine, kurz die Conteriewaaren im Auge hatte. 
Dies beweist auch der Ausdruck »Zogen oder gezogenes Werk«; 
denn die Schmucksteine und dergleichen Dinge wurden aus 
Stäbchen hergestellt, welche nach Biringuccio oft 30 Ellen lang 
gezogen wurden.*) Die Schleiftnühlen in Schwäbisch-Gmünd be- 
schäftigten sich demnach mit der Raffinerie der Conteriewaaren. 
Den Schliff als Schmuck der Glasgefässe kannte man noch nicht. 
Dagegen war damals die sog. Grossschleiferei in Idar und Ober- 
stein und jedenfalls auch in Schwäbisch-Gmünd schon sehr hoch 
entwickelt, wie man aus den ganz aus edlen Steinen geschnittenen 
Gefässen, aus den Onyx- und Krystallgefässen jener Zeit, welche 
mit grosser Virtuosität ausgehöhlt und geschliffen sind, ersehen kann. 
Zur Decoration von Glasgefässen wurde der Schliff, nachdem 
er in Venedig längst zum Schmucke der gläsernen Spiegelrahmen 



^) Pirotechnia, lib. IT, angeführt von Nesbytt, 1. c, p. XLI. 

14 



— 2IO — 

Verwendung gefunden hatte, erst gegen das Ende des 17. Jahr- 
hunderts hm herbeigezogen. Damals fing man nämlich in Böh- 
men an, runde und ovale Vertiefungen sog. Kugeln in die Ober- 
fläche der Gläser einzuschleifen. Die betreffenden Arbeiter hiessen 
und heissen noch heutzutage Kugler und ihre Technik Kugel- 
schliff. ^) Daneben kannte man auch bereits den Facetten- 
schliff; die mit seiner Herstellung beschäftigten Arbeiter wurden 
Eckigreiber genannt. Ausserdem gab es am Ende des 17. 

• 

Jahrhunderts, wenigstens in Böhmen, schon eigene Polirer. In 
allen diesen Techniken sind gegenwärtig grosse Fortschritte ge- 
macht worden, welche ihre Höhe im sog. Brillantschliff erreicht 
haben. Für gewöhnlich aber beschränkt sich der Schliff an Ge- 
fassen auf kleine Correcturen der Glasmacherarbeit am Fusse, an 
der Mündtmg, auf die Vorbereitung Hir den Schnitt u. s. w., 
und das ist gewiss nicht vom Uebel. Zum Schlüsse sei jedoch 
bemerkt, dass häufig die Ausdrücke Glasschleiferei und Glas- 
schneiderei für einander gebraucht werden. 

4. Die Glasschneiderei seit dem Ausgang des 

Mittelalters. 

Was die Stein- und Glasschneiderei als einen besonderen, 
von der Stein- und Glasschleiferei verschiedenen Zweig anbelangt, 
so nimmt man gewöhnlich an, dass in dieser Beziehung die 
byzantinischen Künstler, welche in Folge der Eroberung Constan- 
tinopels durch die Türken im Jahre 1453 nach dem Abendlande 
auswanderten, einen grossen Aufschwung und zwar zunächst in 
Italien herbeiführten. Allein die Byzantiner haben, wie bereits 
gezeigt worden ist, selbst wenn sie im Besitze der Technik waren, 
hierin nichts Besonderes geleistet. Diese haben die Venetianer 
vielmehr in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts vom Oriente 
überkommen, und seitdem entwickelte sich dieselbe in Italien so 
rasch, dass sie um 1 500 bereits die wunderbarsten Werke schaffen 
konnte. Was speciell die Krystallschneiderei betrifft, so ist diese 



1) Schebek, a. a. O., S. 64, 13$. 



— 211 — 

ohne Zweifel den Sarazenen abgesehen worden. Die Haupt- 
ursache, warum sich dieselbe in Italien so rasch auf eine so hohe 
Stufe hob, liegt namentlich darin, dass die Mode sich mit aller 
Macht den Gelassen aus Bergkrystall zuwandte, um so in allen 
Dingen das Alterthum zu imitiren. Wem es nur halbwegs die 
Mittel erlaubten, der suchte sich in den Besitz geschnittener 
Krystallgeschirre zu setzen. Wie weit man den Luxus in dieser 
Beziehung trieb, das können wir heutzutage noch in den Schatz- 
kammern der kunstsinnigen Fürsten jener Zeit in Wien, München, 
Dresden, Hannover u. s. w. sehen. Diese Liebhaberei der Grossen 
zog alsbald ttlchtige Künstler heran und förderte die Technik 
durch die Aufgaben, die sie ihr stellte, von selbst. Nach ein- 
ander traten in Italien und Deutschland Krystallschneider auf, 
deren Namen zu grosser Berühmtheit gelangten. Unter ihnen 
ist an erster Stelle Valerio Belli (1479 — 1546), gewöhnlich 
Valerio Vicentino genannt, hervorzuheben.*) Zu seinen vor- 
züglichsten Werken gehört eine Krystallkassette, welche er für Papst 
Clemens VIII. gefertigt und auf deren einzelnen Tafeln er das 
Leiden Christi mit bewunderungswürdigem Fleisse geschnitten 
hatte. Clemens schenkte diese Kassette an Franz I. von Frank- 
reich. Gegenwärtig befindet sich dieselbe in den Uffizien zu 
Florenz.*) Ein berühmter Krystall- und Edelsteinschneider war 
auch Johann Bernardi (f 1555), von seinem Geburtsorte Bo- 
^ognese genannt; ferner Domenico de' Camei, Anichini, 
Caraglio, Francia, Caradossa und viele andere hochbedeu- 
tende Künstler, und seitdem blieben Rom, Florenz und Neapel 
die hohen Schulen der Steinschneidekunst bis in die neueste Zeit. 
Aber auch in Deutschland wurde seit dem Beginne des 
16. Jahrhunderts die Steinschneidekunst geübt, besonders in Nürn- 
berg. Bekannt sind Hans Neuburger (1458), Daniel Engel- 
hard (f 1552), Lucas Kilian, der deutsche Pyrgoteles genannt. 



1) Dr. G. K. Na gier, Neues allgemeines Künstlerlexikon. 

-) Ueber das Krystallgefass dieses Künstlers in der Kunstkammer zu 
Berlin siehe Kugler, Beschreibung der in der k. Kunstkammer zu Berlin vor- 
handenen Kunstsammlung. Berlin 1838, Karl Hejrmann, S. 127 Anm. 

14» 



— 212 — 

Georg Höfl^r (1572 — 1632), Erhard Dorsch (1649— 1712), 
Johann Christoph Dorsch (1680 — 1732) und seine Tochter 
Susanne Marie Dorsch (1701 — 1765), alle in Nürnberg; ferner 
Philipp Christoph von Becker (167S — 1743) aus Coblenz, 
Gottfried Kraft ans Danzig, Joh. Lorenz Natter aus Biberach 
(1705 — 1765) und viele andere. Zur Hebung dieser Kunst in 
Deutschland haben die Fürsten viel beigetragen, dadurch dass sie 
tüchtige Künstler aus Italien kommen Hessen. So berief beispiels- 
weise Kaiser Rudolph II. die Brüder Girolamo und Caspare 
Miseroni von Mailand nach Prag und ernannte sie dort zu seinen 
Hofedelsteinschneidern. Von dem ersteren soll unter Anderem 
ein zwei Ellen hoher prächtiger Pokal aus Tiroler Bergkrystall in 
Form einer Pyramide geschnitten worden sein. Auch mancher 
der vorhin genannten Künstler mag in Krystall und Glas ge- 
schnitten haben* von Johann Christoph Dorsch ist sogar be- 
kannt, dass er sich mit Glasschleifen beschäftigt hat. ^ ) Es gab 
aber seit dem Ende des 16. Jahrhunderts auch Künstler, welche 
sich fast ausschliesslich der Glasschneiderei widmeten. An erster 
Stelle ist hier Caspar Lehmann^) zu nennen. Ihm wird sogar 
die Erfindung der Glas- und Krystallschneiderei zugeschrieben. 
Ist nun dies auch unrichtig, so muss Lehmann doch die Technik 
irgendwie verbessert oder ein neues Verfahren eingeführt haben, 
da er von Kaiser Rudolph II., in dessen Dienst er zu Prag von 
1590 — 1609 stand, zum >Cammer-Edelstein- und Glasschneider« 
ernannt wurde und am 10. März 1609 ein Privileg für seine 
Erfindung erhielt. In dem betreffenden Diplom heisst es unter 
Anderem 3): >Und thun kund jedermänniglich , dass uns Unser 
Cammer-Edelgestein- und Glasschneider, Caspar Lehmann, gehor- 
samst zu erkennen geben, was massen er nun, von etlichen Jahren 



1) Von dem Kupferstecher und Kunstverleger Martin Engelbrecht 
in Nürnberg (f 1756) bildet J. C. Wessely, Das Ornament und die Kunst- 
industrie in ihrer geschichtlichen Entwicklung auf dem Gebiete des Kunstdrucks. 
Berlin, Nicolai'sche Verlagsbuchhandlung 1877— 1878. Bd. III, Blatt 221 den 
Entwurf zu einem Essig- und Oelgefasse mit Facettenschliff ab. 

2) Doppelmayr, a. a. O., S. 201. — Nagler, a. a. O., VII, S. 401. 

3) Sandrart, Der Teutschen Academie zweiter Theil, III. Buch, S. 345. 



— 213 — 

hero, mit grosser Bemühung, fleissigem {Nachsinnen und nicht 
geringem Unkosten, die Kunst und Arbeit des Glasschnei- 
dens erfunden, und ins Werk gerichtet etc., und darum ihme 
unserm Cammer-Edelstein- und Glasschneider Caspar Lehmann, 
diese besondere Gnade gethan, und Freyheit gegeben; thun ihme 
auch solche hiemit wissentlich, in Kraft dieses Briefes, also und 
dergestalt, dass er obbemeldte seine neu-erfundene Kunst und 
Arbeit allenthalben frey und ungehindert machen, üben und trei- 
ben, und keiner, wer der auch seye, ihme solche Kunst und Arbeit, 
ohne sein Bewilligen und Zugeben, nachmachen, treiben, feil 
haben oder verkauffen solle noch möge. Und gebieten darauf 
allen und jeden Churfürsten, Fürsten etc., und sonsten allen an- 
dern unsern und des Reichs, auch unserer Königreiche erblichen 
Fürstenthum und Lande Unterthanen und Getreuen, in was Wür- 
den, Stand oder Wesen die seyen, ernstlich und festiglich mit 
diesem Brief, und wollen, dass Sie mehrgedachten unsern Cammer- 
Edelgestein- und Glasschneidern, Caspar Lehmann bey diesem 
unserm Kayserl. Privilegio, festiglich handhaben, auch den oder 
diejenigen, so sich in Ihren Landen, Oberkeiten und Gebieten, 
demselben zuwider zu handeln unterstehen würden, auf des Er- 
finders oder seines Gevollmächtigten Ansuchen und Begehren, zu 
gebührender Strafe anhalten, und * sich keineswegs waigem , als 
lieb einem jeden sei , unsere Kayserl. Majest. Ungnade und 
Straffe, und dazu ein Poen, nämlich zwanzig Mark löhtiges Golds, 
zu vermeiden etc.« 

Worin diese Erfindung bestanden haben soll, ist nicht ge- 
sagt. Dass Lehmann seit den Tagen des Alterthums der erste 
gewesen sei, welcher sich wieder des Rades bediente, ist undenk- 
bar, da dasselbe die Italiener längst zur Herstellung ihrer schwung- 
vollen Ornamente auf Krystallge fassen anwandten und vor ihnen 
schon die Sarazenen; ja das Rad zum Schneiden von Glas und 
edlen Steinen war während des ganzen Mittelalters im Oriente be- 
kannt. Der Umstand aber, dass Zacharias Beizer^), ein gleich- 
tüchtiger Krystallschneider , welcher um 1590 mit Lehmann zu- 



1) Vgl. Nagler, I, S. 399. 



— 214 — 

sammen in Frag arbeitete, gegen das Privilegium seines Kame- 
raden nichts einzuwenden hatte, wenn er sonst noch am Leben 
war, bezeugt, dass Lehmann in der That eine weittragende Er- 
findung gemacht hatte. Sandrart gibt uns eine Andeutung, worin 
diese bestanden hat, wenn er von den Rädern sagt, dass sie 
früher zum Umdrehen Radzieher und Gehilfen erforderten. Da 
diese Gehilfen und Radzieher bald hernach als selbständig ge- 
wordene Glasschneider erscheinen, welche nach Sandrart das Ge- 
schlecht der >Stimplerc begründeten, so ergibt sich, dass man 
inzwischen die Glasschneidemaschine auf eine einfachere und be- 
quemere Weise in Gang zu bringen gelernt hatte, so dass eben 



Fig. 34. 

jene Gehilfen entbehrlich waren. Dies war nur dadurch möglich, 
dass das Schwungrad verkleinert und an die Stelle der Kurbel 
zum Drehen eine einfache Vorrichtung angebracht wurde, welche 
das Rad mittels Fusstritt in Umlauf zu setzen ermöglichte. Der 
Erfinder dieser Fusstrittvorrichtung nun muss Lehmann gewesen 
sein, da seit ihm die Gehilfen entbehrlich waren, da seine Gehil- 
fen sich nach Sandrart selbständig gemacht haben und die Glas- 
schneiderei auf eigene Faust, wenn auch nur als Stümper, be- 
trieben. Lehmann mag zu dieser epochemachenden Neuerung 
durch die Erfindung des Spinnrads, welche um 1530, also etwa 



— 215 — 

50 — 6o Jahre zuvor erfolgt war, geführt worden sein. Diese 
Neuerung ist für so wichtig gehalten worden, dass man den Ur- 
heber derselben schlechtweg als Erfinder der Stein- und Glas- 
schneidekunst bezeichnete. Man möchte beinahe sagen mit Recht. 
Denn erst jetzt war eine künstlerisch feine Durchführung der 
gravirten Darstellungen ermöglicht. Die so vervollkommnete 
Maschine (Fig. 34) ') hat sich seitdem nicht mehr wesentlich ge- 
ändert; nur die Werkzeuge, Räder etc. sind von Lehmann's 
Nachfolgern noch verbessert worden. 

Was nun die Arbeiten Lehmann's und Belzer's in Glas und 
Krystall anbelangt, so nennt Sandrart dieselben so vortrefflich 
und kunstreich I dass sie »von allen Kunstverständigen höchlich 
bewundert und gelobet werden, c £s existiren deren welche in 
den Kunstkammem von Wien und München. Lehmann und Bei- 
zer haben Prag zum Hauptort der Glasschneiderei gemacht. Sie 
mussten für ihre Arbeiten ein schönes Krystallglas haben und so 
wirkten sie auch auf die böhmischen Glashütten und spornten 
dieselben an, sich die Erzeugung eines farblosen, dem Krystalle 
möglichst ähnlichen Glases angelegen sein zu lassen. Dies ge- 
lang auch in der Folge und dadurch wurde der böhmischen Glas- 
industrie die glänzende Rolle vorbereitet, die sie im 18. Jahrhun- 
dert spielen sollte. Die von Lehmann gemachte Erfindung hat 
die Glasschneiderei unendlich vereinfacht-, die Technik wurde in 
Folge dessen bald populär und es stand nicht lange an, so mach- 
ten die geschnittenen Gläser den bemalten erfolgreich Concurrenz, 
um sie schliesslich ganz zu verdrängen. 

Lehmann hatte einen Schüler aus Nürnberg, Georg Schwan- 
hardt'mit Namen (1601 — 1667) ^)- Dieser blieb bei seinem 
Meister bis zu dessen Tode (1622); er erbte daher auch dessen 
Nachlassenschaft und das ihm von Rudolph II. ertheilte Privileg, 
welches die folgenden Kaiser >noch mehrers extendirt, und auf 



>) Aus P. N. Sprengel's Handwerke und Künste in Tabellen, fortgesetzt 
von O. L. Hartwig. 10. Sammlung. Berlin[^i773, Taf. V. 

2) Doppelmayr, S. 231. — Lochner, a. a. O. S. 209. — Rett- 
berg, a. a. O. S. 182. — Sandrart, a. a. O. S. 346. 



— 2l6 — 

seine, Schwanhardt's beede Söhne, Heinrich und Georgen conti- 
nuirt< haben. Schwanhardt verdiente diese Berücksichtigung in 
der That, da er die Technik des Glasschneidens verschiedentlich 
verbessert und namentlich das helle und blanke Schneiden zu 
grösserer Vollendung gebracht hatte. Gleichwohl, fiigt Sandrart 
hinzu, »ist ihm und seinen Vorgängern, wegen der allzu starken 
und rauhen Werkzeuge, deren sie sich gebraucht, die Lindigkeit 
und Lieblichkeit zu exprimiren unmöglich gewesen, massen an den 
vorhandenen grossen und schweren Instrumenten und Rädern 
wozu sie Gehilfen und Radzieher, (von denen hernach das noch 
grassirende Unkraut der Stimpler entsprossen), gebrauchen müssen ' ), 
zu verwundern ist, dass sie noch so viel, als sie gethan, prästiren 
können, c Zur Zeit Sandrart's (1675) war es in dieser Beziehung 
bereits anders. Damals hatte man ausser der Maschinerie mit 
Fussbetrieb auch schon bessere Werkzeuge, kleinere Räder u. s. w.; 
denn Sandrart erzählt weiter, dass man durch üeissiges Nachden- 
ken bequemere und schicklichere Instrumente erfunden habe, so 
>dass das jetzige Glasschneiden gegen der ersten harten Arbeit, 
als ein Lustspiel zu achten, auch alle Natur gemässe Lindigkeit 
und Emollition, es sei in Bildern, Thieren, Gewächsen, Land- 
schaften, Contrafäten und andern, da man nur Verstand und Fleiss 
anwenden will, leichtlich herauszubringen ist.< Bei diesem Vor- 
theil, meint Sandrart weiter, hätten die Glasschneider seiner Zeit 
Besseres leisten können , wenn sie mehr auf Zeichnen und Aus- 
wandern, als auf junges Verheirathen und nachher »in der Küchel 
arbeiten« bedacht gewesen wären. 

Nach dem Tode seines Meisters kehrte Schwanhardt nach 
Nürnberg, wo bereits vor ihm ein gewisser Hans Wessler^) 
die Glasschneiderei eingeführt hatte, zurück und betrieb seine 
Kunst alldort mit vielem Eifer, indem er allerhand Embleme, 
Landschaften, Blumen und groteske Dinge sehr nett auf die Glä- 
ser schnitt. Dadurch gelangte er in hohen Ruf und erwarb sich 
die Gunst vieler grosser Herren, namentlich des damaligen Kur- 



') Das gilt nur von der ersteren Zeit ihrer Thätigkeit. 
^) Lochner, a. a. O. S. 204. 



— 217 — 

fürsten von Mainz und Bischofs zu Wtirzburg Johann Philipp, so- 
wie des Bischofs von Bamberg Melchior Otto. Im Jahre 1652 
ging er auf den Wunsch Kaiser Ferdinand's III. auf einige Zeit 
nach Prag, um allerhand Zeichnungen zu Gläsern, d. h. zu Gra- 
virungen auf Gläsern zu machen , und im folgenden Jahre nach 
Regensburg, wo er den Kaiser im Zeichnen auf Gläser mittels der 
Diamantspitze unterrichtete. Aus Dankbarkeit erwies ihm der 
Kaiser verschiedene hohe Ehren und ernannte ihn zu seinem Kunst- 
factor. Er starb am 3. April 1667. 

Von seinen Söhnen hat sich namentlich der ältere, Hein- 
rich*), im Glasschneiden hervorgethan, ja seinen Vater noch weit 
übertroffen, da er sich auf verschiedenen Academien im Zeichnen 
eine grössere Fertigkeit angeeignet hatte. »Dieser Schwanhardt«, 
sagt Sandrart, »hat allerhand Landschaften und ganze Städten, 
unter anderm auch die Stadt Nürnberg auf Glass, ganz correct 
an der Proportion, und erkenntlich, nach der Perspectiv hinein 
weichend, gleich den gemahlten, zuwegen gebracht, und hierinn 
alle, so vor ihm gewesen, weit überstiegen. < Ausserdem rühmt 
Doppelmayr von ihm, dass er Schriften, besonders lateinische auf 
italienische Manier mit schönem Zugwerk auf Glas zu schneiden 
pflegte und hierin so Ausgezeichnetes leistete, dass er es den be- 
sten Schreibkünstlern, die dergleichen mit der Feder auf dem 
Papier darstellten, zuvorthat. 

Nach dem Jahre 1680 erfand er durch einen Zufall die 
Kunst, auf Glas zu ätzen. Es tropfte ihm nämlich einmal Scheide- 
wasser auf seine Brille und da sah er zu seinem Erstaunen, dass 
dieselbe dadurch ganz matt wurde. Er stellte nun Versuche an 
und brachte die Glasätzerei bald zu grosser Vollkommenheit. Seit- 
dem ätzte er Menschenbilder, theils nackt, theils bekleidet, und 
allerlei Thiere, Blumen und Kräuter auf Glas und brachte es im 
Erheben dieser Gebilde zu Reliefs sehr weit , so dass Sandrart 
voll des höchsten Lobes ist. Er starb am 2. October 1693. 

Sein Bruder, Georg Schwanhardt der jüngere, hat eben- 



') Doppelmayr, S. 249. — Lochner, S. 210. — Rettberg, 
S. 181. — Sandrart, S. 346. 



falls bei seinem Vater das Glasschneiden gelernt und es hierin 
zu einem tüchtigen Künstler gebracht; aber eine langwierige Glle- 
derkrankheit hinderte ihn, sein Talent vollständig auszunUtEen. 
Er sUrb am 4. Februar 1676 '). 

Wie die Söhne des älteren Schwanhardt, so zeichneten sicli 
auch dessen drei Töchter Sophia (t 1657), Susanna (f 1658) 
und Maria (f 1658) im Glasschneiden aus; sie schnitten nament- 
lich Blumen und Laubwerk äusserst zierlich auf die Gläser und 
fanden damit vielen Beifall. Der Boden Nürnbergs scheint fttr die 



Fig. 35- 
Glasschneiderei ^überhaupt besonders günstig gewesen zu sein; 
denn es gab dort , ausser den Schwanhardts , noch verschiedene 
andere Künstler dieses Faches. So erwähnt Doppelmayr einen 
sonst unbekannten Stephan Schmidt als Glasschneider zu Nürn- 
berg. Bei ihm lernte Hermann Schwinger (1640 — 1683) '), 
welcher indess seinen Meister übertraf, Er schnitt auf die Glä- 
ser >mehrentheils schöne Landschaften mit einem angeneh- 

. - Sandrart, S. 347 



— 219 — 

men Baumschlag und machte sich hiedurch bei vielen beliebt. 
Von ihm befand sich ein Becher in der Sammlung Slade*). Da- 
rauf ist auf einer Seite der traubenbekränzte, auf einem Fasse 
sitzende Bacchus darstellt als Sinnbild des Herbstes, In seiner 
Nähe befindet sich als Sinnbild des Sommers Ceres, welcher ein 
Knabe Wein einschenkt. Auf der andern Seite tragen zwei Kna- 
ben einen Becher und eine Traube. Die Inschriften lauten: »Der 
Busse Trauben SaSt Freud und Ergötzung schafft« und »Hermann 
Schwinger Cristallschneider zu Nürnberg. < Etwas später zeich- 



nete sich in Nürnberg der Goldschmied Johann Heel {1637 — 
1709)*) durch seine figuralen Reliefs auf Glasgetässen aus. 

Nicht weniger angelegen liess man sich das Glasschneiden 
am Wiener Hofe sein. Dort arbeitete unter Ferdinand III. ein 
iUrstlich holsteinischer Glasschneider Paul Struden. Ihm Hess 
der Kaiser einmal fiir geschnittene Flaschen 900 fl. ausfolgen »). 

Im 18. Jahrhundert ging die Kunst der Glasschneiderei 
keineswegs zurück; noch immer fanden sich tüchtige Künstler, 



') Catalogue of the Colkction of Glass formed by Fei. Slade, p. 150, 
No. 883. *) Doppelmayr, S. 262. ■>} Lobmeyt, ». a. O. S. 130. 



— 220 — 

welche sich in dieser Technik besonders auszeichneten. Bekannt 
ist ein gewisser Recknagel, welcher in Glas so leicht stach wie 
in Silber oder Kupfer; er arbeitete um 1710 in Berlin '). Eben- 
dort schnitten einige Jahrzehnte später der aus Prag gebürtige 
Gottfried Spiller und Schurich treffliche Landschaften, Blu- 
men u. s. w. in Krystall und Glas ^). Der erstere scheint einen 
Sohn Anton Spill er gehabt zu haben. Dieser kunstreiche 
Glasschneider kam aus Böhmen nach Berlin und Hess sich dort 




Fig. 37. 



nieder. Er »wusste auf Krystallgläser die zierlichsten Landschaf- 
ten, Bataillen, Historien, Blumen und dergleichen, flach und er- 
haben zu schneiden, dass man nichts Schöneres sehen konnte. 
Auch werden solche von ihm gefertigte Gläser noch immer in 



') Dr. Fr. Trautmann, Kunst und Kunstgewerbe vom frühesten Mit- 
telalter bis Ende des 18. Jahrhunderts. Nördlingen , Beck'sche Buchhandlung 



i869.^|S. 113. 



-) Traut mann, a. a. O. S. 113. 



Berlin hochgehalten < •). Die nämliche Quelle erzählt, dass der 
Vater des Kupferstechers und Zeichners Michael Key! in Nürn- 
berg Krystall- und Glasschneider war*). Vielleicht ist dies jener 
Johann Keyl, den wir bereits oben als Schüler oder Nachahmer 
des Schaper haben kennen lernen, oder vielmehr der Sohn dieses 
Johann Keyl, da der genannte Michael Keyl, der in diesem Falle 
der £Qkel des Johann wäre, erst am 26. Febr. 1722 geboren wurde. 
In Regensburg ätzte J. Martin Teuber um 1720 Figuren 
in Krystall und auf Gefässe aus Achat '). Michael Vais in Des- 



FLg. 38- 

sau schnitt u. A. auch in Glas. Sein Schüler Aaron Wolf arbeitete 
an verschiedenen Orten, namentlich im Toscanischen ; er schnitt 
trefflich sowohl in feine Steine wie in Glas und Krystall *). 

Weniger in künstlerischer als vielmehr in industrieller Be- 
ziehung wurde die von Lehmann verbesserte Technik des Glas- 

') Nachrichten von Künstlern un<i Kunstsachen, I^pzig, Jo- 
hann Paul Kraiiss, Wien 1768. I, S. 84. 

') Nachrichten von Künstlern and Knnstsachen, I, S. I30. 

3) Trautmann, a. a. O. S. 113. ') Trautmann, a. a. O. S. 114. 



Schneidens in Böhmen ausgebeutet. Einige rührige Männer eig- 
neten sich die neue Erfindung rasch an , schliffen und gravirten 
die Gläser und handehen mit denselben durch alle Länder Europas. 
Da diese Technik noch neu war, fanden ihre Produkte überall 
reissenden Absatz und der Ruf der böhmischen Glasindustrie war 
in kurzer Zeit begründet. Von grossem Interesse ist tn dieser 
Beziehung das Manuscript, welches Georg Franz Kreybtch 
hinterlassen hat '). Dieser Kreybich wurde am 17. April 1662 
zu Steinschönau in Böhmen geboren und widmete sich anfänglich 
der Glasschneiderei, welche ja damals, wie wir gehört haben, auf 
eine ziemlich hohe Stufe geführt worden war. Da er aber schon 
im 20. Lebensjahre in das Wanderleben des Glashandels hinein- 



^S- 39- 

gezogen wurde, hat er es in jener Kunst gewiss nicht sonderlich 
weit gebracht und Sandrart würde nicht angestanden haben, ihn 
unter die >StimpIer< einzureihen, welche sich aus den Gehilfen 
. Lehmanns , die zunächst nur das grosse Rad zu drehen hatten, 
entwickelt haben. Aber Eines kann dem Kreybich nicht abge- 
sprochen werden , dass er nämlich mit kaufmännischem Blicke 
sofort begriff, wie sich die so unerwartet rasch entwickelte Glas- 
schneiderei aus einer reinen Kunst zur Industrie machen und 
wirthschaftlich ausnützen lasse. Er kaufte sich zu Hause einen 



') Dr. Eduard Schebek, Böhmens Glasmdustrie ond Gkshandel. Quel- 
len zu ihrer Geschichte. Prag 1878, Verlag der HajideU- und Gewerbekammer 
S. XDC ff. 



— 223 — 

Karren voll Glas und trat im Jahre 1682 seine erste Geschäfts- 
reise durch Bayern , das Salzburgische , Kärnthen , Krain nach 
Laibach an , wo das mitgeführte Glas geschnitten und verkauft 
wurde. Auf seiner Rückreise trat er als Glasschneider in Graz 
bei einer Wittfrau auf ein halbes Jahr in Arbeit; in einer Glas- 
hütte in Mähren blieb er fast anderthalb Jahre in Arbeit und 
wurde dann zu Kreibitz, wo sich bereits 1669 eine Glasschneider- 
zunft gebildet hatte, Meister. Immer sein Schneidzeug bei sich 
führend, unternahm Kreybich im Ganzen 29 ausgedehnte Ge- 
schäftsreisen, von denen er die ersten 15 in dem erwähnten 
Manuscript beschrieben hat. Im Jahre 1688 kam er nach Lon- 
don, konnte dort aber 6 Wochen lang kein Geschäft machen, da 
die sechs Londoner Glashütten, welche wie wir gesehen haben, ihre 
Entstehung niederländischen und italienischen Arbeitern verdank- 
ten, besseres Glas erzeugten, als er bei sich hatte; allein da seine 
Gläser geschliffen, geschnitten und bemalt waren, fanden dieselben 
in der Folge reissenden Absatz. Der Schliff und Schnitt waren 
es hauptsächlich, welche dem böhmischen Glase den Weltmarkt 
erobern halfen; denn die geschliffenen Gläser, abgesehen von den 
eigentlichen Kunstwerken dieser Art, waren damals noch neu und 
selten. Noch im Jahre 1686 sagt Kreybich, dass es in Böhmen 
noch keine Eckigreiber (Fa^onniers) und nur wenig Glasschneider 
gab. Im Jahre 1719 aber waren die geschnittenen und geschlif- 
fenen Gläser ein allerwärts gesuchter Modeartikel geworden , so 
dass man sich bei den Glasschneidern, Kuglem und Polirern in 
Winterberg förmlich um die Waare riss. Damals gab es bereits 
hinlänglich viele Glasschneider. Abgesehen von der schon er- 
wähnten Zunft zu Kreibitz, bestand seit 1683 auch eine Innung 
der Herrschaft. Btirgsteiner Glasschneider; ihre Bildung hatte Jo- 
hann Kaspar Kittel, welcher selbst Glasschneider war, zum 
grossen Aerger seiner Vettern Samuel und Daniel Heltzel 
erwirkt. Im Jahre 1694 bildete sich auch zu Steinschönau eine 
mit Privilegien ausgerüstete Glasschneider-Innung. Kurz, die Glas- 
schneidierei erblühte in kurzer Zeit zu einer bedeutenden Industrie. 
Es gab zwar auch unter den böhmischen Glasschneidern wirkliche 
Künstler, wie z. B. Franz Weidlich, Joseph Zappe, Joseph 



— 224 — 

Ziegler, Florian Wander, Wenzel Klemm, Christian Greu- 
ner, Joseph Frietz u. s. w. *). Im Grossen und Ganzen aber 
liegt seit Beginn des i8. Jahrhunderts der Schwerpunkt der böh- 
mischen Glasschneiderei und Schleiferei nach der industriellen 
Seite hin, obwohl die erstere fortwährend den Character eines 
Kunstgewerbes beibehielt; nur gegen das Ende des i8. Jahrhun- 
derts ging sie etwas zurück. Damals beschränkte sich die ganze 
Glasschneiderei auf > Kränzchen, die mit kupfernen Rädchen mit- 
tels des Schmirgel eingeschnitten wurden« 2). Gegenwärtig hat 
sich die Glasschneiderei in Böhmen wieder erhoben, ja sie hat 
sich dort geradezu zur höchsten Stufe der Vollendung aufge- 
schwungen. Im vorigen Jahrhundert aber wurden die besseren 
Glasschneiderarbeiten in Breslau, und namentlich in der von Pots- 
dam nach Zechlin übergesiedelten Glashütte hergestellt, wie wir 
schon oben aus Dr. Pococke gehört haben. Damals war die 
Glasschneiderei bereits auch in den anderen Ländern, in den 
Niederlanden, England, Frankreich und Italien eingebürgert. Spe- 
ziell in Venedig zeichnete sich um 17 70 Giovantonio Caraffa 
aus Brescia durch die grossen Gefässe in geschnittenem Glase 
aus, welche er für den Dogenpalast machte. 

Aeltere geschnittene Arbeiten besitzt jede grössere Sammlung. 
Von jenen des Bayrischen Gewerbemuseums sind auf Tafel V 
einige gelungene Beispiele zu sehen. Einen Prachtpokal der ge- 
nannten Sammlung gibt die obige Tafel III wieder. Die De- 
corationsmotive an denselben sind theils im Geschmacke Jean 
Berain's, theils aus einem Werke entnommen, welches den Titel 
führt: »Neues Groteschkenwerk, gestochen von L. Beger, Verlag 
von J. C. Weigel in Leipzig«. Von den diesem Abschnitte im 
Texte beigegebenen Abbildungen stellt Fig. 35 eine 12 cm hohe 
Blumenschale aus dem 17. Jahrhundert und Fig. 36 und 37 die 
dieser Blumenschale eingeschnittenen Verzierungen dar. Das Ori- 
ginal davon befindet sich im Schlosse Favorite bei Baden-Baden. 
Das nämliche Schloss bewahrt auch den 1 2 cm hohen , ebenfalls 



') Vgl. Gottfried Joh. Dlabacz, Künstlerlexikon für Böhmen. Prag 
iSi5> 3 Bde. ^) Schebek, a. a. O. S. 64. 



Tafel V. Geschnittene Gläser. 



~ 227 — 

aus dem 17. Jahrhundert stammenden Becher mit Deckel, von 
welchem Fig. 38 die Form und Fig. 39 die eingeschnittene Ver- 
zierung wiedergibt. 

4. Die mit der Diamantenspitze gravirten Gläser. 

Eine eigene Art der Glasraffinerie ist die Gravi rung 
mittels der Diamantspitze. Dieselbe kam um die Mitte des 
16. Jahrhunderts und zwar, wie es scheint, in Deutschland auf. 
Mathesius erzählt uns nämlich in unmittelbarem Anschlüsse an die 
in Schlesien gemachte Erfindung der geschnürlten Gläser, dass 
man zu seiner Zeit angefangen habe, »auff die schönen und 
glatten Venedischen gleser mit Demand allerley laubwexk 
und schöne züge zu reissenc Man kann daraus schliessen, 
dass diese Gravirung der importirten venetianischen Gläser zu- 
nächst in Schlesien vorgenommen wurde. 

Was die weitere Geschichte dieser Art der Glasraffinerie 
anbelangt, haben wir bereits gehört, dass Georg Schwanhardt 
sich in derselben auszeichnete und i. J. 1653 i^^ch Regensburg 
berufen wurde, um dort Kaiser Ferdinand III. in dieser Kunst 
zu unterrichten. Aus dem 17. und 18. Jahrhundert existiren 
viele Gläser, welche mit der Diamantspitze geschnitten sind. 
Unter anderen kenne ich einen Spechter, welcher am ganzen 
Körper mit Laubwerk überzogen ist, in das verschiedene Köpfe 
hineincomponirt sind. Die Ausführung scheint in Deutschland 
regelmässig in Strichmanier geschehen zu sein. 

Ihre höchste Ausbildung erreichte diese Technik im 18. 
Jahrhundert in Holland. Dort zeichnete sich namentlich der 
Kunstliebhaber Frans Greenwood in der Gravirung der Gläser 
mittels der Diamantspitze aus. Er arbeitete mit solcher Feinheit 
und Delicatesse, dass seine Bilder nur wie an die Gläser hinge- 
haucht erscheinen. In der Mustersammlung des Bayrischen Ge- 
werbemuseums befindet sich ein Kelchglas, auf welchem an dor- 
nigem Stile eine prächtige Rose, umflattert von einem Schmetter- 
ling, mittels der Diamantspitze gezeichnet ist. Auf der Rückseite 
desselben liest man: »GeeneRozen zonderdoornen«, und darunter: 

15* 



— 228 — 

»F. Green WO od fect. 1746'* Die ausserordentliche Leichtigkeit, mit 
welcher dieser Künstler seine Darstellungen hinwarf, lässt seine 
Arbeiten leicht erkennen. Dieselben sind zudem, nicht wie die 
deutschen in Strich , sondern in Punktmanier hergestellt und in 
Folge dessen von zartestem, duftigstem Ansehen. In der ge- 
nannten Sammlung befinden sich noch mehrere derartige Kelch- 
gläser, welche ohne Zweifel von Greenwood herrühren, wenn sie 
auch nicht mit seinem Namen gezeichnet sind. Auf einem sieht 
man in eminenter Ausführung auf leichtem Gewölke einen Genius 
mit abwärts gekehrtem Füllhorn und den Amor mit einem Pfeil - 
bündel zu einer reizenden Gruppe vereinigt, welche durch die 
farblos durchsichtige Umgebung noch gewinnt. Auf einem ande- 
ren sieht man in einer leise angedeuteten Landschaft zwei Männer, 
von denen der eine einen Korb auf dem Rücken trägt, während 
der andere den seinen neben sich auf den Boden gesetzt hat 
und dem Freunde ein Flacon reicht, das wohl als mit Schnaps 
gefüllt zu denken ist; darüber steht: »Vriendschap«. Zeichnung 
und Ausfuhrung sind gleich vorzüglich. 

Auf einem dritten Kelchglase ist mit der Diamantspitze 
ein Ornamentband dargestellt, von welchem viele Guirlanden 
herabhängen-, darüber befinden sich in allerlei Rankenwerk meh- 
rere Genien, welche den Frieden, die Freiheit, die Freude, das 
Vergnügen und die Freundschaft darstellen sollen. Der eine der- 
selben hält ein Sträusschen in die Höhe, es ist die iVreedec; 
ein zweiter hat einen Hut vor sich liegen und schlägt seine 
Augen sinnend zu Boden, die >Vryheid<; ein dritter hält eine 
Wage, es ist die »Vreugdec; ein vierter riecht an eine Blume, 
er sinnbildet das >Vergenoeging«; von den zwei letzten hält der 
eine ein Kelchglas, nach welchem der andere langt: sie stellen 
die »Vriendschap« dar. Diese, namentlich in der Ausführung vor- 
züglichen Bildchen rühren jedenfalls von der Hand Greenwood's 
her. Das Gleiche gilt endlich von dem Brustbilde des »Henrik 
Hooft Damielsz, Burgemeester der Stad Amsterdam«, welches auf 
einem vierten Kelchglase zu sehen ist. 

Auf einem fünften Kelchglase derselben Sammlung sieht 
man einen Vogelkäfig mit einem Insassen; davor befindet sich 



— 229 — 

auf der einen Seite eine Katze, welche begierig nach dem Käfig 
schaut; über ihr schwebt ein freier Vogel, Auf der anderen 
sieht man einen Knaben mit Pfeilbogen und hinter ihm eine 
Art Wasserjungfer Ueber dem ganzen steht auf einem Spruch- 
band: iPlus sur que libre.« Auf der Rückseite des Glases sind 
Bäume angebracht und auf dem Fusse steht: >J. Ch. De Boese- 
lager. Ao. 1750c, worunter wohl der KUnstler zu verstehen ist. 
Die Ausfuhrung ist weniger gut, wie an den bisherigen, obgleich 
der Name des Künstlers auf Holland weist. 

Unzweifelhaft deutschen Ursprungs ist das sechste Kelch- 
glas der genannten Sammlung, auf welchem sich das preussische 
Ktinigswappen in Stridimanier ausgeführt zeigt. Es darf wohl 
angenommen werden, dass manche der oben genannten Glas- 
schneider sich gelegentlich der Diamantspitze bedienten; leider 
aber fehlen durchgehends genauere Angaben hierüber. 

Das Aetzen auf Glas, um auch hierüber einige Worte zu 
sagen, ist, wie wir bereiu gehört haben, von Heinrich Schwan- 
hardt erfunden worden. Dasselbe erlangte aber erst eine grössere 
Bedeutung, als Scheele die Flusssäure entdeckte.') Diese wird 
seitdem zum Mattätzen ganzer Flächen und zum Einätzen radirter 
Zeichnungen oder Schriften in das blanke Glas angewendet; je- 
doch geschieht dies mehr bei Glastafeln als beim Hohlglase. 
Das Gleiche gilt von dem erst neuestens erfundenen Sandge- 
bläse, s) 



') Kaimarsch, Geschichte der Technologie seit der Mitte des 18. 
Jahrhundert. München, Oldenboni^ 1872, S. 536. 

3) J. B. Miller, Die Verziening derGl&ser durch den Sandstrahl. Wien, 
Pest, Leipzig, A. Hartleben 188a. 



VI. 
Gläser k la fe^on de Venise. 

Verres de cristal und verres cristallins. 

INE eigene, freilich äusserst schwer zu bestimmende 
Gattung altdeutscher Gläser bilden jene >it la fagon 
de Venisec. Schon in der Einleitung haben wir die 
Bestrebungen kennen lernen , welche Fürsten und 
Städte Deutschlands zur Einführung der venetianischen Art des 
Glasbildens im Laufe des i6. und noch im 17. Jahrhundert ge- 
macht haben. Dort haben wir aber zugleich gesehen, dass alle 
diese Bemühungen, selbst wetln sie darauf abgezielt hätten, die 
einheimischen Gefässformen nicht zu verdrängen vermocht hatten. 
Wohl war die venetianische Glasbildnerei der damaligen Zeit, 
hauptsächlich in den höheren Kreisen, der Inbegriff alles Kunst- 
schönen, das sich in Glas Überhaupt erreichen lasse ; sie vertrat 
ungefähr das, was wir gegenwärtig mit > Kunstgewerbe« in der 
Hohlglasindustrte zu bezeichnen pflegen. Aber diese venetianische 
Glasbildnerei wurde nicht als Sauerteig benützt, welcher die hei- 
mische Industrie durchdringen sollte, man war es hinlänglich 
zufrieden, wenn die gerufenen Glasmacher gelungene Nachbil- 
dungen der Venetianergläser herzustellen vermochten, so dass der 
theuere Import aus Venedig wenigstens theil weise entbehrlich 
wurde. Wie hoch sich dieser belief, das zeigt eine Urkunde vom 
Jahre 1623'), in welcher gesagt wird, dass aus den Niederlanden 



') J. Hou doy, Veireries ä la fason de Venise. La fabricalion flamande 
d'aprb des documents iD^diU. Paris, Lille, Braxelles 1873, p. 54. 



— 23T — 

allein jährlich 8o,000 fl. für Glaswaaren nach Venedig wanderten, 
obwohl dort die Glashütte in Antwerpen schon seit mehr als 
einem Jahrhundert sich auf die Nachahmung der Venetianergläser 
geworfen hatte. 

Wenn nun der grosse Nutzen, den die zur Einführung der 
venetianischen Glasbildnerei unternommenen Bestrebungen im 
Allgemeinen zur Folge hatten, auch nicht geläugnet werden soll, 
wenn hier, wie oben, sogar gerne zugegeben wird, dass dieselben 
eine vortheilhaftere Leitung der Schmelze, eine bessere Einrich- 
tung des Ofens, eine grössere Accuratesse in der Arbeit und 
selbst einen feineren Geschmack herbeiführten, und namentlich 
das helle und reine Krystallglas als erstrebenswerthes Ziel er- 
scheinen Hessen, so ist doch ebenso gewiss, dass mit dem Tode 
oder Weggange der aus Venedig gerufenen Arbeiter die betreffen- 
den Hütten sich nicht mehr auf der alten Höhe erhalten konnten, 
da zur systematischen Heranbildung eines tüchtigen Glasmacher- 
nachwuchses wenig oder gar nichts gethan wurde. Der bayerische 
Herzog Albrecht V. hatte zwar eine solche Erziehung heimischer 
Arbeiter ins Auge gefasst , seine edle Absicht scheint aber nicht 
verwirklicht worden zu sein. Es lag ja im Interesse der Gerufe- 
nen, ihre Geheimnisse, wenigstens in Bezug auf die Schmelze, 
nicht preiszugeben, so dass die von ihnen abgerichteten Arbeiter, 
wenn sie noch so geschickt wurden, doch immer unselbständig 
und auf ihre Lehrer angewiesen blieben. Wie gering der Erfolg 
in den meisten Fällen war, das ersieht man am deutlichsten aus 
der Geschichte der niederländischen Glasindustrie. Obwohl dort 
über 1 50 Jahre lang ein italienischer Glasmacher auf den anderen 
folgte, stand die Glasindustrie am Ende des 17. Jahrhunderts, 
als Venedig keine Kräfte mehr abzulassen hatte, doch auf keiner 
höheren Stufe, als sie wahrscheinlich auch ohne diese Anstreng- 
ungen gekommen wäre. Wohl Hess sich 1648 Giovanni Savo- 
netti eilt ausschliessliches Privileg geben, durch welches nicht 
bloss die Einfuhr der deutschen, böhmischen, lothringischen und 
französischen Gläser, sondern auch jene der venetianischen streng- 
stens verboten wurde; wohl Hessen sich dieses Privileg 1653 
Francesco Savonetti und 1658 Henry und Ldonard Bon- 



I 



— 232 — 

homme erneuern und, wo möglich, noch verschärfen: aber wie 
damals die venetianische Glasindustrie selbst rasch dem Verfalle 
entgegentrieb , so vermochte auch die niederländische nichts 
Nennenswerthes mehr zu leisten. Hiefür ist nichts bezeichnender 
als der Umstand, dass es nicht die Niederlande waren, von wel- 
chen ein neuer Aufschwung der Glasindustrie ausging, wie man 
hätte erwarten sollen, sondern Böhmen, wohin, soviel man weiss, 
gar keine Venetianer gerufen worden sind. Kurz, die nach dem 
Norden verpflanzte Glasbildnerei Venedigs blieb neben der hei- 
mischen fortwährend ein fremdes Element. Ihr kam es lediglich 
darauf an, die Venetianergläser nachzubilden und so zu 
verhindern, dass jährlich ungeheure Summen hiefür ausser Land 
gingen. 

Diesen Zweck, lediglich Gläser >ä la fagon de Venise< 
herzustellen, welcher allen im Norden nach venetianischem Muster 
errichteten Glasfabriken, soviel wir ihrer in der Einleitung haben 
kennen lernen, gemeinsam war, ersieht man am deutlichsten aus 
den von J, Houdoy über, die zu Antwerpen und Brüssel von 
Venetianem erbauten und geleiteten Glashütten veröffentlichten 
Urkunden. Bei ihnen müssen wir daher einen Augenblick ver- 
weilen. Gleich in der ersten dieser Urkunden*) heisst es, dass 
Philippo de Gridolphi, welcher die Wittwe des Ambrosio 
Mongarda geheirathet hatte, Krystallgläser nach venetiani- 
scherArtzu machen fortfahren dürfe. ^) Zugleich wurde in derselben 
die Einfuhr der genannten, auf diese Weise nachgemachten 
Krystallgläser^), sowie die Herstellung solcher Nachahmungen 
strengstens untersagt bei Strafe der Confiscation und ausserdem 
bei einer Geldbusse von 6 fl für jedes Stück. 

In der Urkunde vom 14. März 1600, durch welche dem 
Gridolphi das vorige Privileg verlängert wurde, ist der Import von 
allen nach venetianischer Art gemachten Gläsern*) neuer- 
dings verboten; dagegen blieb die Einfuhr der einfachen oder ge- 



^) J. Houdoy, 1. c, Urkunde vom 7. Jan. 1599. 

^) , ... de faire voires de cristal k la faQon de Venise.* 

^) «... des dits voires de cristal, ainsy contrefaicts.* 

**) , ... de tous voires contrefsUcts ä la fagon de Venise.* 



— 233 — 

wohnlichen Gläser aus Böhmen , Deutschland , Frankreich und 
Lothringen ' ) gestattet. Diese Urkunde ist insofeme von beson- 
derem Interesse» als wir aus ihr entnehmen können, dass >voires 
ä la fagon de Venisec und >voires cristallinsc nur zwei verschie- 
dene Bezeichnungen einer und derselben Sache sind; denn die 
Glashütte zu Antwerpen, welche weiter nichts als Gläser >ä la 
fagon de Venise< erzeugte, wird darin kurzweg >foumaise des voi- 
res de cristallins« genannt.*) Dagegen werden die echten Ve- 
netianergläser zum Unterschiede durchweg als >voires de cristaU 
oder »verres de cristal fins< ') bezeichnet. Wo also in den In- 
ventaren und Urkunden ohne nähere Bezeichnung von »voires 
cristallins< oder »voires de cristallinc die Rede ist, haben wir 
sofort an Nachahmungen der Venetianergläser zu denken; wo 
dagegen »voires de cristal« oder »verres de cristal fins« erwähnt 
werden, sind echte Venetianergläser gemeint. Wir werden dieser 
Unterscheidung öfter begegnen. 

In der Urkunde vom 26. Jan. 1607 wird zunächst ausgeführt, 
dass jede Einfuhr der auf venetianische Art nachgemachten 
Gläser*) verboten sei und dass Niemand die Gläser aus Krystall 
nach venetianischer Art nachmachen könne bei Strafe der Confiscation 
der genannten Gläser und sechs Karlsgulden Hir jedes dieser so 
nachgemachten, in unser Land gebrachten oder verkauften, von 
welcher Form oder Weisse sie auch sein mögen. ^) Aus den 
ersten Worten dieser Stelle ersieht man abermals, dass »voires 
de cristal « gleichbedeutend ist mit »Venetianergläser«. Die Nach- 
ahmung dieser Krystallgläser, selbst wenn sie nicht ganz rein in 



1) yVoires simples ou ordinaires de Boheme, Allemagne, France et 
Lorraihe.* 

2) Vgl. auch die Urkunde von 1807: ,1a fournaise des voires de cristal- 
lins*; jene von 1605: «la fournaise aux voires de cristallin* etc. 

3) Urkunde vom 7. Jan. 1623. 

*) , . . . des voires contretaicts k la fagon de Venise.* 
•^) ;» . . . ne pourrait faire les voires de cristal ni les contrefaire h la fagon 
de Venise . . . sous peine de confiscation des dits voires et de six florins ca- 
rolus pour chacun d'iceux, ainsi contrefaicts, apportes ou vendus en nos dits 
pays, de quelque fagon on blancheur ils pouroient estre.* 



— 234 — 

der Farbe und von einer anderen Form als die venetianischen 
gewesen wären, war Niemand ausser Gridolphi gestattet. Aber- 
das dem Letzteren ertheilte Privileg wurde gleichwohl umgangen. 
Es hatten sich nämlich an der Grenze der Niederlande, zu Cöln, 
zuMezi^res und selbst in Lütt ich ebenfalls Glashütten erhoben, 
in denen man die genannten Venetianergläser so genau nach- 
machte, dass nur mit Mühe die Glasmachermeister einen Unter- 
schied entdecken konnten. *) Diese so vollendeten Nachbildungen 
nun brachten die Kaufleute als echte Venetianergläser, deren 
Einfuhr, wie wir gehört haben, fortwährend gestattet war, nach 
den Niederlanden und verkauften sie dort zu hohen Preisen» 
indem sie dieselben für weit hergebrachte Stücke aus erlesenem 
Krystall ausgaben. 2) Dadurch bereicherten sich die Kaufleute, 
schadeten aber der Antwerpener Fabrik so bedeutend, dass sich 
Gridolphi gezwungen sah, mit dem Hoflieferanten Jehan Bruyninck 
um Abbestellung dieses Uebelstandes einzukommen, zumal man 
ihm sogar seine Glasmacher abwendig zu machen gesucht hatte. 
Auf das hin erhielten Gridolphi und Bruyninck das ausschliessliche 
Recht, echte Krystallgläser aus Venedig einzuführen und Niemand 
sonst durfte künftighin solche von dorther kommen lassen. Ausser- 
dem wurde das frühere Privilegium bezüglich der Nachahmung 
dieser Krystallgläser, also bezüglich der Herstellung der >voires 
cristallinsc erneuert. Durch diese Massregel sind die Glashütten 
an der Grenze gezwungen worden, ihre Arbeit einzustellen, wie 
die Urkunde vom 5. Febr. 161 1 mit Befriedigung konstatirt. In 
derselben heisst es nämlich, dass »die Oefen, welche andere an 
den Grenzen unseres Landes, so zu Cöln, Lüttich und Mezi^res 
haben errichten wollen, in Rauch aufgegangen sind«. ^) Die Fabrik 
von Antwerpen dagegen hob sich so, dass sie seit 16 18 für den 
Genuss des Privilegiums jährlich 600 fl. an den Staat zahlen konnte. 



^) j,...ou l'on pratique de contrefaire les dits voires de Venise sy ponc- 
tuellement, qu'ä grande peine les maistres scauroient juger de la 
difference.* 

3) jp . . . espfeces de cristal eslit amen^s de loing.* 

•i) , . . . qu'aultres ont voulu eriger hs fronti^res de nos pays de par dega 
{sicomme k Cologne, Li^ge et Maziferes sont alle en fumee.* 



— 235 — 

Bald darauf trat ein Umschwung ein. Bisher galten alle 
KrystaJlgläser, welche nicht direct aus Venedig stammten, für 
minderwerthig, für >voires cristallins«, so gelungen sie auch sein 
mochten. Im Jahre 1623 aber machte ein venetianischer Edel- 
mann aus der altberühmten Glasmacherfamilie der Miotti, der 
Hauptmann Antonio Miotti eine Eingabe an Philipp IV., in 
welcher er behauptet, dass er die Gläser, Gefässe, Schalen und 
Tassen aus feinem venetianischen Krystall in allen Farben zum 
Wein- und Biertrinken zu machen verstehe*) und zwar von der- 
selben Güte, Vollendung und Materie, wie sie im genannten Ve- 
nedig gemacht werden. 2) Er würde sich, fährt er fort, hiezu 
der Soda von Valencia in Spanien bedienen und sein Glas würde 
»parfaict et real et non contrafaict< und dazu um ein 
Drittel billiger sein. Miotti war also der erste, welcher sich zu- 
traute, nicht bloss Nachbildungen, sondern echte Venetianergläser 
machen zu können. Er erhielt auch das verlangte Privileg auf 
12 Jahre und das Recht, alle feinen, fremden und eingeführten 
Gläser aus Krystall, welche in die Niederlande eingeführt würden, 
confisciren zu dürfen.^) Dadurch war in der That auch der 
Import der echten Venetianergläser, der iverres de cristal fins« 
verboten. Deshalb hiessen die von ihm gebauten Fabriken in 
Brüssel und Namur auch nicht mehr »fournaises aux verres 
cristallins<, sondern >manufactures des voires cristallins et 
christal«.^) Dieselben konnten sich indess nicht lange halten 
wegen der grossen Anzahl von Gläsern, welche aus Frankreich 
und Deutschland eingeführt wurden. 0) Sie standen daher im 
Jahre 1629 beide kalt. Da kam ein gewisser Van Lemens, 
welcher damals zugleich Besitzer der Antwerpener Fabrik gewor- 
den war, um ein weittragendes Privileg ein, welches ihm auch 



') ,. . .les verres, vases, couppes ettasses de fin cristal deVenise, de toutes 
sortes de couleurs ä boires vins et biferes.* 

2) j, ... de la m^me bonte, perfection et mati^re comme se fönt audit Venise.* 

3) , . , . touttes verres de cristal fins estrangers et contrefaicts.* 

4) Urkunde vom 4. Sept. 1629. 

^) ,...ä cause d'un grand nombre de voires qui entrent de Frans et d'Al- 
lemagne.* 



— 236 — 

auf 15 Jahre gewährt wurde. Durch dasselbe erhielt er das 
Recht, ausser den bereits bestehenden Glashütten noch andere zu 
erbauen und Krystall-, krystallinische und andere Gläser zu 
machen, welche einfach Gläser oder >vetro< im Italienischen 
heissen, sowie Spiegel mit dem Verbote, dass kein anderer sie 
machen noch nachmachen könne. >) Van Lemens war also 
damals in den Niederlanden allein berechtigt, Glas zu machen. 
Er allein durfte die von Miotti eingeführten echten Venetianer- 
gläser, die >voires de christal« machen. Deshalb wurden alle 
fremden Gläser aus Krystall, welche denen von Venedig nachge- 
macht waren ^), so nachgemacht nämlich, wie es Miotti projectirt 
hatte, verboten. Dagegen musste sich Van Lemens verpflichten, 
diese echten Krystallgläser von derselben Qualität, Wesenheit und 
Ciüte wie die von Venedig^) zu machen; denn nur dadurch 
konnte das Verbot der Einfuhr der echten Venetianergläser ge- 
rechtfertigt werden. Van Lemens war ferner auch allein befugt, 
die früheren Nachahmungen der Venetianergläser, welche zum 
Unterschiede von diesen »voires cristallins< hiessen, auf seinen 
Hütten fortzusetzen; er musste aber versprechen, diese von der 
nämlichen »bont€, qualit^ et essencec zu machen wie die vorge- 
legten Muster. Dafür wurde die Einfuhr »der krystallinischen 
Gläser aus Frankreich, Deutschland, Böhmen, Lothringen und an- 
deren Ländern f verboten^), so dass also Van Lemens auch in 
dieser Beziehung ohne Concurrenz blieb. Derselbe war auch 
eingekommen, das gewöhnliche Glas, welche man im Italienischen 
»vetro« nannte, allein herstellen zu dürfen, was ihm indess nicht 
gewährt worden zu sein scheint. In dem in Rede stehenden 
Privileg war endlich auch der Preis bestimmt, welchen er fdr 
das Hundert Krystallgläser und für das Hundert krystaUinischer 



^) »* « «vks voures de christal et cristaDuis et auhres, qvi siiii{»lcnient s*iq>pd* 
lent xhMres oa tetio en itaKen et des miroirs» avecq intcrdictk» qfn'anam aaltre 
ne k« ^ |H>ttnrii lute nj contreftdie.* 

-) ». . »K^K Yv^ies estFttQgeis de dutstal« oontiefiucts i cenx de Vcnisc.* 

^^"^ ». « «de U M^Me <|«ilite« essence et bontc de ccnx de Vcntse.* 

^^ ,. . .des crisiaUiKS dtt {avs de Fnace et dWDenagiie, BoImk. Lonane 



— 237 — 

Gläser nehmen sollte. Derselbe betrug für die letzteren 15 fl. 
und dürfte für die ersteren 25 fl. nicht überschreiten. Dieses 
weittragende Privileg, welches uns Van Lernens als einen specu- 
lativen, aber selbstsüchtigen Geschäftsmann kennen lehrt, wurde 
ihm 1634 verlängert. Als er es aber 1642 an einen gewissen 
Gilles Colinet verkaufen wollte, wurde es ihm entzogen und 
auf den muranesischen Edelmann Giovanni Savonetti über- 
tragen. Savonetti, der schon unter Van Lernens Hüttendirector 
gewesen und desshalb von Venedig aus unter Einziehung seiner 
Güter mit der Verbannung bestraft worden zu sein scheint, erhielt 
dadurch das Recht, >alle Arten von Gläsern, Gelassen, Schalen , 
Tassen, Spiegeln in Nachahmung derjenigen von Venedig und im 
Allgemeinen alle anderen Werke von Krystall und Krystallin, 
selbst auch die Gläser, die man im Italienischen vetro nennt <, 
zu erzeugen.') Die Einfuhr > aller fremden Gläser aus Krystall, 
welche denen von Venedig nachgemacht sind, und der krystalli- 
nischen, die aus Deutschland, Frankreich, Böhmen, Lothringen, 
dem Lande von Lüttich und allen anderen kämen«, wurde aber- 
mals verboten.^) Eine Erläuterung dieses Privilegs vom 17. Juli 
1648 sagt, dass durch dasselbe schlechtweg »toutes sortes de ver- 
res estrangers« in die Niederlande einzuführen untersagt sei, und 
nochmals, dass bis zum Jahre 1660 die Einfuhr aller Sorten von 
Gläsern, von welchem Lande oder welcher Composition sie seien, 
ungeachtet dass sie aus Asche oder anderen Materien beständen, 
selbst das deutsche Schockglas, ohne auch die Krystallgläser von 
Venedig auszunehmen^), verboten sei bei Strafe der Confiscation 
und einer Geldbusse von 3 fl. für jedes Stück. Für dieses abso- 
lute Verbot aller fremden Gläser musste sich Savonetti abermals 



') ,... toutes sortes de verres, vases, couppes, tasses, miroirs ä rimitation 
de ceux de Venise...et g6n6ralament tous aultres ouvraiges de cristal et cristal- 
lin, meme aussy les verres, qu'on appelle en Italien vetro.* 

2) ,. . .de tous voires estrangers de cristal contrefaicts k ceulx de Veniseet 
de cristallins venans d'AUemagne, France, Boheme, Lorraine, pays de Lifege et 
tous aultres. 

■*) ,...de toutes sortes de verres de quelque pays ou composition que ce 
soit, non obstant quHls seroient de cendre ou d'autres mat^riaux, mesmes les 
grog allemands, sans en excepter aussi les verres ou cristal de Venise.* 



— 238 — 

verpflichten, seine Krystallgläser von derselben Qualität, Wesen- 
heit und Güte wie die venetianischen , und die krystallinischen 
und anderen von der Güte, Qualität und Wesenheit der vorzu- 
legenden Muster^) herzustellen. Im Jahre 1653 wurde dieses 
Privileg auf Francesco Savonetti übertragen. Kurz darauf 
erscheint aber Van Lernens wieder als Besitzer desselben. Von 
diesem ging es 1658 an Henry und Leonard Bonhomme 
über. Weil aber Van Lemens einem gewissen Nico laus Coli- 
net, vielleicht einen Sohn des oben genannten, ebenfalls den 
Genuss des Privilegs erlaubt und dieser zu dem Behufe in Lüttich 
eine Hütte gebaut hatte, beschwerten sich die beiden Bonhomme 
und erwirkten das Verbot der Lütticher Hütte. 

Durch die in den letzten Privilegien enthaltene Erweiterung 
des Programmes trat der ursprüngliche Zweck der Nachahmung 
der Venetianergläser vollständig in den Hintergrund, ja er er- 
scheint seit 1659 überhaupt aus den Augen verloren worden zu 
sein; denn seit dem genannten Jahre hiessen die beiden Bon- 
homme ihre Fabrik nicht mehr >fournaise aux voires cristallins«, 
auch nicht mehr »manufacture des voires cristallins et cristal«, son- 
dern ganz allgemein »Manufactur von Kunst- oder Luxusgläsern c *). 
Den Anstoss hiezu hat, wie wir gehört haben, AntonioMiottii623 
gegeben. Dieser wollte nominell nicht mehr »voires cristallins«, son- 
dern > voires de cristal«, also echte Venetianergläser machen. Seit 
Miotti also muss man bei den niederländischen Gläsern zwei Arten 
von Nachahmungen der Venetianergläser unterscheiden. Die ursprüng- 
liche Art, welcher man zum Unterschiede von den Venetianer Kry- 
stallgläsern den Namen »verres cristallins« gegeben hatte, war seit- 
dem so häufig geworden, dass man dabei an eine directe Nach- 
ahmung von Venetianerglas nicht mehr dachte, sondern einfach 
»cristallins d'Allemagne, de France, de Boheme, de Lorraine etc.« 
zu sagen, pflegte. Die neuere Art strebte dahin, den Venetianer- 
gläsern so vollkommen zu gleichen , dass gar kein Unterschied 



') j,. . .de la mesme qualite, essence et bont^ de ceux de Venise et ceux 
de cristallin et autres susdits des bonte , qualite et essence des verres quUl 
en aura present^.* 

2) ^Manufacture des verres fins.* » 



— 239 — 

mehr zu entdecken wäre. Dazu waren selbstverständlich geeig- 
nete Rohmaterialien erforderlich. Miotti wollte sich zu diesem 
Zwecke der Barilla (Soda) aus Valencia in Spanien bedienen. 
Allein schon vor ihm gab es, wie wir gehört haben, an der Grenze 
der Niederlande , in Mdzi^res und Cöln , sowie in Lüttich Glas- 
hütten, welche die venetianischen Krystallgläser so genau nach- 
machten, dass selbst damals die Glasmachermeister nur mit gros- 
ser Mühe einen Unterschied zwischen den echten , aus Venedig 
bezogenen und den nachgeahmten entdecken konnten. Für uns 
bietet eine solche Unterscheidung noch mehr Schwierigkeiten. 

Es handelt sich hier zunächst um die Krystallgläser. 
Die den nördlichen Industrien als Vorbilder vorschwebenden Ve- 
netianergläser dieser Art heissen stets, wie wir gehört haben, 
»verres de crystalf. Die nach ihnen in Deutschland, Frankreich, 
den Niederlanden u. s. w. hergestellten heissen >verres de cristal 
ä la fäQon de Venise« oder »verres cristallins<. In diesen ver- 
schiedenen Bezeichnungen liegt ein Unterschied zwischen beiden 
deutlich ausgedrückt. Die Nachahmungen schienen nicht würdig, 
einfach als > verres de cristal < bezeichnet zu werden, sie waren 
nur »verres cristallins. « 

Worin liegt nun dieser Unterschied? Die oben besprochenen, 
dem Miotti, Van Lemens, Savonnetti u. s. w. ertheilten Pri- 
vilegien liefern uns einige Anhaltspunkte. Die Genannten hatten 
nämlich durchgesetzt, dass in den Niederlanden auch die Einführ 
der echten Venetianergläser verboten wurde; denn sie wollten 
dieselben selbst erzeugen und nicht mehr, wie bis dahin, blosse 
Nachbildungen von ihnen liefern. Sie verpflichteten sich daher, 
in ihren Fabriken > verres de cristal de la mÄme bonte, qualite 
et essence, comme se fönt ä Venise« machen zu lassen. Daraus 
geht hervor, dass sich bis dahin die Venetianergläser vor ihren 
Nachahmungen durch ihre > bonte, qualitd et essence« ausgezeichnet 
haben. Der Ausdruck > bonte« bezeichnet die innere Güte der Gläser, 
welche sich in der richtigen Abkühlung und in Folge dessen in 
der Haltbarkeit, aber auch in der Gebrauchs fahigkeit kundgibt. 
Unter > qualite«, wofür einmal »perfection« steht, ist der künstlerische 
W.erth in Bezug auf die Formen, auf die Accuratesse und Sub- 



— 240 — 

tilität der Arbeit zu verstehen. Die »essence« endlich, wofür ein- 
mal »materiaux« steht, bedeutet die innere Beschaffenheit, die che- 
mische Zusammensetzung oder mit anderen Worten die Leichtig- 
keit, Reinheit und Weisse des Krystallglases. In diesen drei 
Punkten standen die Nachahmungen hinter den Vorbildern zurück. 
Die >verres cristallins« waren wohl farblos; aber ihre Masse war 
jedenfalls nicht so rein und gut geläutert wie die der >verres de 
cristaU aus Venedig. Es fanden sich in ihnen Bläschen, Stein, 
chen und andere kleine Unvollkommenheiten. Auch hatten sie 
wohl häufig einen Stich ins Bräunliche oder Gelbliche. Dies 
geht schon aus der Urkunde vom 26. Januar 1307 hervor, in 
welcher die fremden Imitationen der Venetianergläser, >de quelque 
fagon oublancheur qu*ils pouraient estre< verboten wurden. Auch 
sonst ersieht man aus den Urkunden, dass die Nachahmungen 
von anderer Composition waren, als die Venetianergläser. Ausser- 
dem war die Arbeit an den Imitationen, wenn auch noch so 
tüchtig, doch nicht so vollendet und von solcher Feinheit und 
Accuratesse wie an den Venetianergläsern; man spürt die Hand 
der minderen Künstler^ denen zudem die tägliche Anregung fehlte, 
welche die Glasmacher Venedigs so geschickt gemacht hatte. 
Andrerseits Hessen im Norden auch die Rohmaterialien häufig zu 
wünschen übrig. Heutzutage würden wir die Nachahmungen halb- 
feine, die echten feine Krystallgläser nennen. 

Aus alle dem ergibt sich, dass wir kein Glas, welches sei- 
ner Form nach auf den ersten Blick an Venedig erinnert, für 
wirklich venetianisch halten dürfen , wenn es nicht in j<cder Be- 
ziehung vollendet, wenn es nicht von ausgezeichneter >bonte, 
qualite et essence < ist. Im Gegentheile, alle sog. Venetianer- 
gläser, welche in einem dieser drei Punkte etwas zu wünschen 
übrig lassen, sind entweder niederländische oder franzö- 
sische oder deutsche Fabrikate. Und das braucht uns nach 
dem Vorausgegangenen durchaus nicht Wunder zu nehmen; denn 
in diesen Ländern wurden Nachahmungen von Venetianergläsern, 
wurden die >verres cristallins« während des 16. und 17. Jahrhun- 
derts, wie -sich denken lässt, in ungeheurer Menge hergestellt. 
Namentlich waren es die Deutschen und Franzosen, welche die 



— 241 — 

Niederlande mit derartigen Produkten förmlich tiberschwemmten. 
In keiner der von J. Houdoy publicirten Urkunden ist davon die 
Rede, dass die niederländischen Gläser >ä la fagon de Venise< 
nach Deutschland oder Frankreich verkauft worden wären , son- 
dern umgekehrt, in den Niederlanden fürchtete man die deutsche 
und französische Concurrenz so sehr, dass man die Einfuhr der 
»verres cristallins< aus diesen Ländern immer und immer wieder 
unter den strengsten Strafen untersagte. Und trotzdem hat der 
Import derartiger Gläser die entsprechenden Glasfabriken in den 
Niederlanden mehrmals zum Einstellen ihrer Arbeit gezwungen. 
Es darf daher angenommen werden, dass alle in Deutschland sich 
findenden »verres cristallins« in der That auch hier gemacht wor- 
den sind. Ihre Zahl ist unter den erhaltenen sog. Venetianer- 
gläsern grösser, als man denkt. 

Es gab aber unter den Gläsern »ä la fagon de Venise< 
noch eine zweite Art, welche sich schwieriger von den echten 
Venetianergläsern unterscheiden lässt, eine Art von Krystallglä- 
sern, welche schon zur Zeit ihrer Herstellung nicht mehr als 
Nachahmungen der venetianischen gelten wollten, sondern den 
Anspruch erhoben, selber > verres de cristal< zu sein. Alle Glas- 
fabrikanten, welche sich seit Antonio Miotti (1623) Privilegien 
geben Hessen, erwirkten das Verbot der Einfuhr der echten Vene- 
tianergläser, welche bis dahin gestattet war, dadurch, dass sie sich 
verpflichteten, echte > verres de cristal« von derselben ibonte, 
qualite et essence« wie die Venetianer zu machen. Miotti wollte 
sich zu diesem Zwecke der Soda von Valencia in Spanien bedienen. 
Daraus geht hervor, dass die niederländischen Glasfabrikanten ihre 
Hoffnung zur Erreichung ihres Zieles auf die Verwendung besserer 
Rohmaterialien setzten. Sie strebten also zunächst, die > essence« 
die innere Beschaffenheit ihrer Gläser, die Reinheit und Farblosig- 
keit, sowie die Leichtigkeit derselben zu erhöhen. Vor den Nie- 
derländern haben aber schon verschiedene Fabriken an der Grenze, 
namentlich jene zu M^zi^res und Cöln, die > verres de Venise sy 
ponctuellement qu'ä grande peine les maistres scauroient juger 
de la difFerence«, nachzumachen verstanden ^). Wenn man also 

1] J. Houdoy, 1. c. Urkunde vom 26. Januar 1607. 

16 



— 242 — 

schon damals den Unterschied zwischen den echten Venetianer- 
gläsem und ihren Nachahmungen kaum zu entdecken vermochte, 
so wird dies für uns noch schwieriger sein. Zugleich aber wer- 
den wir hiedurch gewarnt, jedes Glas und wenn es noch so ge- 
lungen ist, für eine venetianische Arbeit zu halten. Wo eine ur- 
kundliche Beglaubigung fehlt, werden wir gut thun, falls keine 
anderen zwingenden Gründe vorliegen, das betreffende Glas der 
Industrie des Landes zuzuschreiben, in welchem es sich findet; 
und als echte Venetianergläser darf nur jene Gruppe von Gläsern 
ausgeschieden werden, welche in aller und jeder Hinsicht vollendet 
sind. Dass eine solche Gruppe von echten Venetianer gläsern auch 
in Deutschland existirt, kann nicht bezweifelt werden. Aber es 
sind ihrer nicht so gar viele; denn die echten Venetianergläser 
waren so theuer, dass nur reiche Leute, vor Allem die Fürsten 
sich den Luxus derselben gestatten konnten. Wären diese echten 
Venetianergläser von ihren Nachahmungen getrennt, dann würden 
ihre Vorzüge erst zu Tage treten und wir würden einsehen, dass 
der grosse Ruhm, in welchem Murano's Glasindustrie bei den 
Zeitgenossen stand, kein leerer war. So aber sind sie durch- 
gehends mit ihren Imitationen zusammengestellt. Unter diese 
müssen zunächst alle jene Gläser gerechnet werden, an welchen 
irgendwie Subtilität und Accuratesse der Arbeit vermisst wird, 
also hauptsächlich diejenigen mit einseitigem Boden, die in Form 
und Arbeit etwas derben, die in ihrer Gliederung unproportionir- 
ten, die schlecht aufgetriebenen, die in Folge nachlässiger Abküh- 
lung krumm und schief gezogenen, kurz alle die, an welchen die 
A.rbeit nicht vollends als Beherrscherin des Stoffes erscheint. Man 
braucht bei der Ausscheidung dieser Gläser nicht engherzig zu 
sein und alle halbwegs gut gearbeiteten Stücke den Venetianem 
zu belassen; denn auch in den nördlichen Ländern waren es zum 
grossen Theil venetianische Glasmacher , welche diese Nachbil- 
dungen herstellten, und wenn es auch nicht eben die bebten Glas- 
künstler waren, welche Murano und Venedig verliessen,' so müssen 
es doch immerhin tüchtige Leute gewesen sein, welche Fabriken 
ins Leben. rufen und mit Erfolg fortführen konnten. Freilich um 
vollendete Arbeiten liefern zu können, müssen auch die Gehilfen 



— 243 — 

beinahe auf der gleichen Stufe wie die Meister stehen; hierin 
wurden die ausgewanderten Muranesen nicht selten im Stiche 
gelassen. 

Den einheimischen Fabriken müssen ferner auch diejenigen 
Gläser zugetheilt werden, welche zu wenig >blancheur€ besitzen, 
d. h. welche nicht weiss und farblos genug sind, und alle die- 
jenigen, deren Masse nicht gut geläutert, nicht rein genug, son- 
dern von Striemen, Schlacken, Blasen, Steinchen u. s. w. durch- 
zogen ist, und endlich alle diejenigen, deren Gewicht nicht den 
Eindruck grösster Leichtigkeit macht, denen irgendwie etwas 
Schweres anhaftet. Scheidet man in den Sammlungen die sog. 
Venetianergläser nach diesen Gesichtspunkten aus, dann wird sich 
überall eine erkleckliche Anzahl von Gläsern >ä la fagon de Ve- 
nise< ergeben, selbst wenn man hiebei nicht allzu rigoros vorgeht. 

Freilich bis dies einmal geschieht, wird noch eine gefaume 
Zeit vergehen, da nur wenige Gelehrte im Stande sind, die ange- 
deuteten technischen Gesichtspunkte richtig zu würdigen. Dagegen 
werden die vorausgehenden Erörterungen genügen, dass künftighin 
alle in den Urkunden, Inventaren u. s. w. als »verres cristallins< 
bezeichneten Gläser sofort als Nachahmungen der venetianischen 
Krystallgläser erkannt werden. Ich will nur ein Beispiel anCUhren. 
Labarte, nachdem er erzählt hat, dass König Heinrich 11. von 
Frankreich den italienischen Glasmacher Theseo Mutio zu Saint- 
Germain-en-Layen etablirte, vermuthet *), dass einige Gläser, welche 
in dem nach dem Tode Heinrich's IL 1560 aufgestellten Inventar 
beschrieben sind, aus dieser Fabrik hervorgegangen sein mögen. 
Unter diesen Gläsern figurirt eine kleine Vase >de cristallin 
blanc garny d'argent dor^«. Diese muss aus einer nichtvenetia- 
nischen Fabrik hervorgegangen sein und war, wie der Ausdruck 
» cristallin < zeigt, in der That eine Nachahmung des venetiani- 
schen Krystallglases. Sie mag daher sehr wohl aus der Fabrik 
von Saint - Germain -en-Laye hervorgegangen sein. Wenn ferner 
Volcyr de Serouville im 4. Kapitel seiner 1530 in Paris gedruckten 
>Cronicque abregde Par petis vers huytains des Empereurs etc.c ') 



») 1. c. tom. III. p. 398. 2j Lobmeyr, 1. c. a. a. O. S. 113. 

l6» 



— 244 — 

von feinem Glase >en la semblance de cristallins< spricht, so 
meint er hiemit wiederum Nachahmungen der venetianischen Kry- 
stallgläser, die ja in Lothringen sehr häufig hergestellt, wie die 
von J. Houdoy veröffentlichten Urkunden beweisen. 

Zum Schlüsse sei hier noch bemerkt, dass man im i6. und 
17. Jahrhundert unter »verres de cristal« nicht bloss die farblos 
durchsichtigen Gläser, welche dem Krystalle glichen, verstanden 
hat, sondern alle durchsichtigen, aus Soda, Potasche und Kalk 
erschmolzenen Gläser, gleichviel ob sie gefärbt oder ungefärbt 
waren. Dies geht aus dem Privilegium hervor, welches sich An- 
tonio Miotti am 7. Januar 1623 hat geben lassen'). In dem- 
selben heisst es nämlich, dass Miotti die Fähigkeit besitze, die 
Gläser, Vasen, Schalen und Tassen >de fin cristal de Venise de 
toutes sortes de couleurs« herzustellen. In dem Inventar Karl's 
des Kühnen (1467— 1477) ^^^ ferner unter dem Titel: »gobeletz 
de cristal garnis d'orc eine grosse Anzahl farbiger Gläser be- 
schrieben, darunter namentlich: >ung hanap de jaspre garny 
d'or, ä Oeuvre de Venise« ^). Wenn also in den Urkunden von 
der Nachahmung der venetianischen Krystallgläser die Rede ist, so 
dürfen die farbigen Gläser mitverstanden werden. Dass diese in 
den nach venetianischem Muster eingerichteten Hütten der nörd- 
lichen Länder wirklich nachgeahmt wurden, wird uns aber auch 
durch directe Nachrichten bezeugt. So wollte Bernhard Schwarz 
in der bei Landshut zu errichtenden Fabrik >Krystallglas auf 
allerlei Sorg, dazu aus dem reinsten und besten Zeug sammt an- 
deren vielen künstlichen Sachen machen, so zu Murano bei Ve- 
nedig gemacht werden, es sei von was Farben es wolle;< 
und in dem Vertrage zwischen dem Hafner Hanns Nicki und 
Augustin Hirschvogel vom 15. Mai 1532 wird ausdrücklich er- 
wähnt, dass Hirschvogel zum Zwecke der Glasbildnerei nach ve- 
netianischem Muster »das gemele, färb und das Holz auf sein 
costen dargeben < sollte. Aus alle dem geht hervor, dass die in 
Rede stehenden Glashütten auch farbige Gläser erzeugten, diese 
folglich durchaus nicht alle venetianischen Ursprungs sind. Wenn 



1) J. Houdoy, 1. c. 2) Labarte, 1. c. p. 386. 



— 245 — 

daher in dem Inventar Heinrich's II. von Frankreich vom Jahre 
1560 zwei Ge fasse »de voere retirans ä agathec erwähnt wer- 
den, so können diese sehr wohl aus der Glashütte hervorgegan- 
gen sein, welche der genannte König durch Theseo Mutio in 
Saint-Germain-en-Laye hat errichten lassen. 

2. Gläser mit incorporirtem Fadenschmucke. 

Wie die Krystallgläser, die farbigen, emaillirten und ver- 
goldeten Gläser aus Venedig, so wurden auch die mit incorpo- 
rirtem Fadenschmucke, wurde auch das >vetro di trina<, wie die 
Venetianer sagten , in den nördlichen Ländern nachgeahmt. 
Schriftliche Nachrichten haben wir hierüber allerdings fast keine. 
In dem Vertrage, welchen der bayerische Herzog Albrecht V. 
mit Bernhard Schwarz geschlossen hat, könnte davon die Rede 
sein. Schwarz verspricht nämlich darin dem Herzog, ausser 
Krystall- und Farbenglas, auch »Zogen Werkt von allerlei Farben 
zu machen. In Murano, fugt er hinzu, wird jährlich in allerlei 
Farben viel hundert gezogenes Werk gemacht, welches nach 
Indien verführt wird. Unter diesem > Zogen Werk« könnten wohl 
die Gläser gemeint sein, welche mit incorporirtem Fadenschmucke 
versehen sind, da bei der Herstellung derselben in der That ein 
Ziehen der Masse vorkommt. Allein der Umstand, dass diese 
»gezogenen Arbeiten < , nachdem sie zuvor in Schwäbisch-Gmünd 
geschliffen worden waren, nach Indien exportirt wurden, deutet 
an, dass Bernhard Schwarz die Produktion von Kugeln, Perlen, 
Ring- und Schmucksteinen, kurz der Conteriewaaren im Auge 
hatte. Diese Dinge wurden nach Biringuccio aus Stäben gebildet, 
welche oft 30 Ellen lang und so dünn gezogen wurden, dass sie 
das Ansehen einer Schnur hatten. 

Wie dem auch sei, die Herstellung von Gläsern mit incor- 
porirtem Fadenschmucke wurde in den nördlichen Ländern gleich- 
wohl geübt. Es geht dies schon daraus hervor, dass in den 
Niederlanden noch im 18. Jahrhundert die Füsse der Weinkelche 
innerher mit gewundenen farbigen Fäden verziert wurden. Hierin 
zeigt sich ein Nachklang der damals bereits ausser Mode gekom- 



— 246 — 

menen Technik. Dass in den von J. Houdoy veröffentlichten 
Urkunden auch nicht einmal von dem ivetro di trina< die Rede 
ist, könnte allerdings auffallend erscheinen; allein da die >ge- 
schnürlten« Gläser durchgehends aus Kryslallglas bestehen, so 
dürfen sie seit der Mitte des l6. Jahrhunderts überall mitver- 



Fig. 40. 

Standen werden, wo von diesem die Sprache ist, Uebrigens exi- 
stiren in den Niederlanden nach Houdoy noch viele »verres au 
moulint, sog. Molenbeker (Mühlenbecher), deren Homer aus Fili- 
granglas bestehen. Dadurch ist die Nachahmung des >vetro di 
trinai in den Niederlanden erwiesen. 

Was Deutschland anbelangt, besitzt die Mustersammlung des 



— 247 — 

Bayrischen Gewerbemuseums,- ausser einigen anderen, ein hieher 
gehöriges Glas von hohem Interesse. Es ist ein Becher aus 
farblosem Glase, welcher mit milchweissen Fäden geziert ist. 
Derselbe erweitert sich stark nach oben, ist 19 cm hoch und 
12,2 cm breit. Da, wo der ziemlich weit ausladende Fuss anhebt, 
ist der Becher am Ende des vorigen Jahrhunderts gebrochen, 
aber durch einen Metallring, von dem auf entgegengesetzten Seiten 
Je eine Palmette aufsteigt, wieder benutzbar gemacht worden (Fig. 40). 
Auf der Vorderseite umschliesst ein blauer Streifen , auf welchem 
die Worte: >Honi: soit: Qui: Mal:y:Pense:« (Schande dem, der 
schlecht d^n denkt), ausgekratzt sind, das kursächsische Wappen. 
Oberhalb befindet sich der Kurhut und um das Ganze läuft die 
Inschrift: »B6i Einweihung des Neuerbauten Schiesshauses. Anno 
1676.« Darüber stehen die Buchstaben: I. G. D. A. H. Z. S. I. 
C. V. B. C., welche vermuthlich den Schenker dieses Schützenpreises 
bezeichnen und als solchen den joh. Georg. Dom. Altenb. Henneb. 
Zeitz. Saxon. Juel. Clev. Westphal. Berg. Coburg. (?) nennen. Auf 
der Rückseite sieht man eine Scheibe, in deren schwarzem Punkte 
ein Pfeil steckt; darüber steht: >Haubtschiessen,< darunter: >zu 
Dressden«. Ich habe früher gedacht, die deutschen Inschriften 
seien von einer anderen Hand als das Wappen, der Becher mit 
dem gemalten Wappen demnach von auswärts, von Venedig be- 
zogen worden. Seitdem aber habe ich mich an mehreren , aus 
der >Hofkellerey zu Dressden« stammenden Bechern und Hum- 
pen, welche in Bezug auf die Behandlung und die satten Farben 
genau das gleiche Wappen an sich tragen, vollständig vom Gegen- 
theil überzeugt: Das Wappen ist in Dresden gemalt worden, wo 
im 17. Jahrhundert diese Art der Gläserverzierung besonders ge- 
blüht hat. Die gesammte Malerei auf dem Becher rührt ferner 
von einer und derselben Hand her, wie die absulute Gleichheit 
des Farbenauftrags, die Farben selbst und Anderes dergleichen 
zur Evidenz darthun. Der Becher selbst endlich stammt nicht 
aus Venedig, sondern ist eine deutsche Arbeit. Es geht dies aus 
verschiedenen Gründen unleugbar hervor. Vor Allem ist die 
Glasmacherarbeit nicht so vollendet wie an den venetianischen 
Gläsern; schon die Gesammtform ist etwas gedrungen, namentlich 



— 248 — 

lässt das Auftreiben des Kelches, worin die Venetianer gerade 
die höchste Meisterschaft zur Schau tragen, so dass man sich vor 
ihren Kelchen des Gedankens nicht erwehren kann, es sei von 
dem Fusse eine Explosion ausgegangen, welche in ihren Begren- 
zungslinien plötzlich erstarrt sei, Vieles zu wünschen übrig; denn 
seine Wandung ist uneben und oben sogar in unschöner Weise 
wieder etwas eingezogen. An dem Fusse ferner ist das abschlies- 
sende Bändchen durch ungeschicktes Hineinstossen der Auftreib- 
scheere in die Bodenkugel nach unten gebogen, statt wie ge- 
wöhnlich, nach oben. Der Fadenschmuck endlich entbehrt jeg- 
licher Feinheit. Es sind weisse Fäden aus Bein-, Milch- oder 
Opalglas, bald ein breiter, bald ihrer mehrere sehr dünn gezogene, 
welche aber nicht gedreht, sondern neben einander gestellt und 
so zu einem Ganzen vereinigt sind. Diese umgeben das Glas in 
vertikaler Richtung, unregelmässig und völlig kunstlos angeordnet: 
kurz das Glas ist eine deutsche Arbeit aus der Zeit des Kurfür- 
sten Johann Georg II. von Sachsen, welche, so wenig gelungen 
der Fadenschmuck auch ist, doch den Beweis liefert, dass man 
die geschnürlten Gläser auch in Deutschland nachzumachen ge- 
strebt hat. 

Das in Rede stehende Glas ist in Dresden bemalt und von 
dem sächsischen Kurfürsten als Schützenpreis gegeben worden. 
Dies legt den Schluss nahe, dass auch die Glasfabrik, aus welcher 
der Becher selbst hervorging, in Sachsen oder doch in der Nähe 
gestanden haben möge. Vielleicht ist eine Stelle des Mathesius 
geeignet, das nöthige Licht in die Sache zu werfen. Dieser oft 
genannte Pfarrer schrieb nämlich um 1562, also loo Jahre vor 
unserem Becher: »Jetzt werden die weyssen gleser gemein, 
darauff gleich weysse feden von weysser färbe getragen, 
die man in der Slesing machen solle.« Ich habe diese 
Stelle früher in sachlichen Zusammenhang mit dem vorausgehen- 
den Satze gebracht und geglaubt, dass hier von Fenstergläsern 
die Rede sei , obwohl ich mir von keiner derartigen Fenstertafel 
je gehört zu haben bewusst war. Durch genaueres Studium der 
Schreibweise des Mathesius sehe ich aber jetzt ein, dass ich mich 
im Irrthum befunden habe, nicht als ob ich die in den ange- 



— 249 — 

führten Worten gemeinte Technik nicht verstanden hätte, sondern 
in Bezug auf die Gegenstände , auf welchen diese angewendet 
wurde. Diese Gegenstände sind keine Fenstertafeln, sondern 
Gl asge fasse. Es bezeugt dies der unmittelbare Anschluss fol- 
gender Worte an obigen Satz: »Wie man yetzt auff die schönen 
und glatten Venedischen gleser mit Demand allerley laubwerck 
und schöne ztige reisset«, worunter ebenfalls Gefasse gemeint sind. 
Also der incorporirie Fadenschmuck an Gefässen oder genauer 
gesprochen die Gläser »di vetro di trina< waren in Schlesien bereits 
um die Mitte des i6. Jahrhunderts bekannt, vielleicht früher als 
in Venedig. ÖJ In diesem Falle verhielte es sich mit den geschnürl- 
ten Gläsern ähnlich wie mit den Spdegeln, deren Fabrikation eben- 
falls erst (1507) aus Deutschland nach Venedig gekommen, dort 
aber in kurzer Zeit so unendlich vervollkommnet worden ist, 
dass sie schon nach einem halben Jahrhundert selbst in Deutsch- 
land .als Vorbild erschien. Ich bin geneigt, das Gleiche von den 
geschnürlten Gläsern zu glauben* denn diese treten in Venedig 
erst gegen das Ende des 16. und namentlich im 17. Jahrhundert 
auf. Labarte ^) und Andere glauben zwar, diese Technik sei aus 
Byzanz nach der Lagunenstadt gekommen , und scheinen diese 
Ansicht auf eine Stelle des Theophilus zu stützen, welche be- 
weisen soll, dass die Byzantiner des 12. Jahrhunderts geschnürlte 
Gläser zu machen verstanden. Die betreffende Stelle ist ohne 
Zweifel die folgende: »Sie, die Griechen, machen auch purpurne 
oder lichtblaue Becher und Schalen mit massig ausgedehntem 
Halse und umgeben dieselben mit Fäden aus weissem Glase, aus 
welchem sie auch die Henkel ansetzen. Auch aus anderen Far- 
ben fertigen sie nach ihrem Belieben verschiedene Arbeiten« 2). 
Dass in diesen Worten nicht im Entferntesten von einem den 
Gläsern incorporirten Fadenschmucke die Rede ist, sieht man auf 



^) 1. c. p. 369, wo er von ;pOrnaments en filigranes de v^re* bei den 
Griechen spricht. 

2) ,Faciunt quoque scyphos ex purpura sive levi saphiro et fialas medi- 
ocriter extento collo circumdantes filis ex albo vitro factis, ex eodem ansas 
imponentes. Ex aliis etiam coloribus variant diversa opera sua pro libitu suo,* 



— 250 — 

den ersten Blick'). Theophilus erzählt nur, dass die Griechen 
ihre purpurnen und saphimen Schalen mit einem weissen Glas- 
faden umspannen, diesen an die fertig geblasenen Ge fasse an- 
legten. Dies geht schon daraus klar hervor, dass sie an das 
Gefäss, nachdem sie es mit weissem Glase umsponnen hatten, aus 
demselben Glase Henkel ansetzten. Wer sieht ferner nicht ein, 
dass die Venetianer, wenn sie hierin Nachahmer der Griechen 
gewesen wären, diese auch in Bezug auf die Farben ihrer ge- 
schnürlten Gläser nachgeahmt hätten? In diesem Falle würden 
die Venetianer ohne Zweifel auch farbiges Glas, purpurnes oder 
saphimes, als Bindemittel ihres opakweissen oder farbigen Faden- 
schmuckes gewählt haben. Das ist aber keineswegs geschehen, 
sondern die geschnürlten Gläser der Venetianer bestehen durch- 
gehends aus Krystallglas. Wie stimmt hiezu die Nachricht des 
Mathesius? > Jetzt werden die weyssen (d. h. farblosen) gleser ge- 
meyn, draufF gleich weysse feden von weysser (d. h. opaker) 
färbe getragen« sind. Also gleich, wie die Gläser gemacht wur- 
den, sah man darauf opakweisse Fäden getragen, Fäden, die in 
Folf e dessen dem Glase incorporirt sein mussten. Mathesius spricht 
also von den sog. Gläsern »di vetro di trina« und behauptet von 
diesen, dass sie zu seiner Zeit in Schlesien gemacht wurden. 
Man könnte sich geneigt fühlen, den Georg Agricola, welcher den 
Glasfabriken Schlesiens sicherlich viel genützt hat, als denjenigen 
anzusehen, welcher diese Technik aus Murano in seine Heimath 
gebracht habe. Allein es ist bisher kein Beweis hiefür beige- 
bracht worden, dass die Venetianer vor der Mitte des i6. Jahr- 
hunderts derartige Gläser gemacht haben. Nesbytt führt zwar 
eine Stelle aus der im Jahre 1540 gedruckten Pirotechnia 2) des 
Biringuccio an, in welcher von den geschnürlten Gläsern die 
Rede sein soll ^). Allein der Autor spricht nur von den Enden 



*) Auf S. 383 hat auch Lab arte diese Stelle richtig verstanden. 

2) lib. II, c. XUI. 

^) ^risguardinsi ancho non solo le cose picchole ma le grandi che fan 
di vetro biaucho o d'altri colori, che paiano intessuti di vimine con quanta 
egualitä e giustezza di t ermini con coloro eparii locati.* 



— 251 — 

der Glasstäbe, welche mit so grosser Gleichmässigkeit und Richtig- 
keit gesetzt waren, dass er die betreffenden Arbeiten als etwas 
Grosses betrachtete. Folglich meint der Autor nicht das »vetro 
di trina< , sondern die Millefiorigläser. Dass die geschnürlten 
Gläser damals noch nicht gemacht wurden, das zeigt u. A. auch 
das im Jahre 1543 aufgenommene Inventar der Effecten König 
Heinrich*s VIII. von England, welche im Westminster Palaste der 
Obhut Sir Anthony Denny's anvertraut waren. In diesem Inven- 
tar werden 450 Glasgegenstände aufgeführt, welche fast alle 
aus Venedig stammten, und unter diesen 450 Gegenständen 
findet sich nicht einer, welcher mit incorporirtem Fadenschmucke 
versehen gewesen wäre. Zwar Nesbytt fand darunter einige Stücke, 
welche nach ihm aus >vetro di trina< bestanden, nämlich ein 
Becken und einen Krug, verschiedene Näpfe, Becher und ein 
Körbchen mit Ohrhenkeln, von denen es heisst, dass sie »of 
diaper work of sundry fashions« waren. Nun heisst aber »diaper« 
>geblümt, marmorirt, gestickt«; die betreffenden Gläser waren also 
>von geblümter, marmorirter oder gestickter Arbeit in den mannig- 
faltigsten Arten. € Es ist klar, dass darunter nur Millefiorigläser 
und solche aus marmorirtem Glase, dessen Kenntniss die Vene- 
tianer bereits im 15. Jahrhundert besassen, verstanden werden 
können. Bis jetzt also fehlt jeder Beweis, dass die Venetianer 
vor der Mitte des 16. Jahrhunderts reticulirte, Filigran- und an- 
dere geschnürlte Gläser hergestellt haben. Es liegt sonach der 
Gedanke nahe, dass die Deutschen, resp. die Schlesier hierin 
vorausgegangen sind und dass die Venetianer erst von ihnen die- 
ses unendlich variable Motif der Gläserverzierung erhalten haben. 
Tüchtig geschult, wie sie sich in der Jahrhunderte langen Her- 
stellung der Millefiorigläser hatten, und begabt mit einem hohen 
künstlerischen Verständniss, begriffen die Venetianer sofort den 
hohen Werth dieser Neuheit und ihre weit vorgeschrittene Tech- 
nik schuf bald die wunderbarsten Combinationen und Muster, so 
dass sie damit .die Augen der ganzen Welt auf sich lenkten und 
niemand mehr der Schlesier als Erfinder gedachte. Diese fuhren 
zwar fort, in der ursprünglich einfachen Weise geschnürlte Gläser 
zu machen, konnten aber mit der raschen Entwicklung, welche 



— 252 — 

die Technik in Venedig erfuhr, nicht gleichen Schritt halten und 
wären sicher für alle Zeiten um ihren Ruhm gekommen, wenn uns 
nicht Mathesius die interessante Notiz hinterlassen hätte. Merk- 
würdig 1 Oder ist es nicht ein seltsames Spiel des Zufalls, dass, 
nachdem im Laufe des vorigen Jahrhunderts die Technik der 
reticulirten Gläser verloren gegangen war, dieselbe wieder in 
Schlesien und zwar durch den Direktor Pohl der Josephinenhtitte 
bei Warmbrunn 1843 erfunden wurde? *) 

Ich komme nun wieder zu dem in Fig. 40 abbildlich ge- 
gebenen Glase zurück. Dasselbe zeigt, dass die Schlesier, denen 
es zugeschrieben werden darf, von der Mitte des 16. Jahrhunderts 
bis zum Jahre 1678 in der von ihnen erfundenen Technik der 
geschnürlten Gläser keine wesentlichen Fortschritte gemacht haben, 
sondern auf der ursprünglichen Stufe stehen geblieben sind. In 
anderen, unter venetianischem Einflüsse stehenden Hütten dagegen 
wird man auch besseres geleistet haben. So führt nach August 
Demmin*) Beckmann in seiner Geschichte Dessau's >Krystallgläser, 
Nipptische, Filigrangegenstände und vielfarbige Blumen c an (Bd. 
II. und III. S. 68). Da aber Demmin den Zusammenhang die- 
ser Stelle nicht angibt und mir selbst das genannte Werk nicht 
zur Verftigung steht, vermag ich hieraus keine weiteren Schlüsse 
zu ziehen. Demmin selbst ist in allen seinen Angaben höchst 
unzuverlässig, namentlich da er keine Quellen anführt. Ich weiss 
daher nicht zu sagen, welchen Werth seine Angaben über die 
Glashütten in Dessau und Emde haben. Doch um denen, welche 
hierüber etwas Näheres wissen, Gelegenheit zu geben, dieselben 
zu bestätigen oder zu berichtigen, wiederhole ich sie hier. Demmin 
erzählt, dass Johann Georg II., Fürst zu Anhalt-Dessau, im 
Jahre 1669 zu Dessau auf dem Schlosse Oranienburg eine Glas- 
hütte ins Leben gerufen und im Jahre 1679 den Muraneser Glas> 



Uelter iHe verschiedenen Techniken der geschnürlten Gläser siehe: 
1>T, IL E, Benr^sith. Die Glasfabrikation. Brauoschweig, 1S75. Friedrich 
Vicweg ;!t Sohn S» 35a ff. — Lab arte. 1. c 4, IIL p. 387 ff. — Catadi^ne 
of ihc Ci>Uection v>f giass fornie^i by Felix Slade, p. 114 ff. 

^^ Keraiuik-StiKUen. Merte Folge. Das Glas, dessen Geschichte und 
\\\tVuc:j«c. Icuo^iij. ThcvKlor ThonKv> iSSj. S. 59. 



— 253 — 

macher Marin etti von Wien und einen andern italienischen 
Glasmacher LudovicoSavonelli*)habe kommen lassen, umdieVer- 
fertigung der >geblasenen und gekniffenen« Gläser, die doch 
in Deutschland schon seit Jahrhunderten nichts Neues mehr waren, 
einzuführen. Die Glashütte soll bis l686 bestanden haben und 
ausser Anderem auch viele Flügelgläser gemacht haben. Das 
Gleiche behauptet Demmin von der Hütte in Emde, ohne irgend 
etwas zur Stütze dieser Behauptung anzuführen. Noch windiger 
aber ist folgender Kraftspruch von ihm, dass sämmtliche Flügel- 
gläser in Deutschland gemacht worden seien. Dass in Dessau 
solche gemacht wurden, ist möglich, wenn dort wirklich venetiani- 
sche Arbeiter thätig waren. Sehr zweifelhaft ist dies aber schon 
von der Hütte in Emde, da diese nach Demmin's Angabe erst 
um 1757 arbeitete. Damals waren die venetianischen Glasmacher, 
wie wir oben gehört haben, bereits so weit zurükgekommen, dass 
sie sich durch das Studium der böhmischen Glasindustrie fördern 
mussten •, sie konnten daher schwerlich an Emde tüchtige Künstler 
ablassen. Aber Demmin's Behauptung trägt einen Widerspruch 
in sich selbst. Es sind nach ihm venetianische Arbeiter, 
welche in Dessau die Fitigelgläser hergestellt haben sollen, und 
nicht die deutschen Glasmacher. Wenn nun die Venetianer diese 
Kunst nach Deutschland mitbrachten, werden sie dieselbe dann 
nicht zuvor in Murano erlernt und geübt haben? Doch genug 
von Demmin und seinem Werkchen. Flügelgläser sind in Deutsch- 
land jedenfalls ebenso nachgemacht worden wie die geschnürlten 
Gläser, anfangs von den eingewanderten Italienern und hernach 
von den durch diese abgerichteten Arbeitern. 

Bei Albert Ilg liest map, dass der schon oft genannte 
Bernhard Schwarz, dessen bei Landshut errichtete Glashütte 
bis 1580 gestanden haben soll, unter Anderm Millefiorigläser und 
»vasi a reticelli«, »welche jedoch nicht so leicht sind als die 
venetianischen,« erzeugt habe. 2) Worauf sich diese Behauptung 



') Einen Savonetti lernten wir in den Niederlanden kennen; vielleicht 
soll auch hier statt Savonelli Savonetti geschrieben werden. 
2) Lobraeyr, a. a. O. S. iii. 



- 254 — 

stützt, konnte ich nicht finden. Soviel ich mich erinnere, hat sich 
der derzeitige Bürgermeister von Landshut, Dr. Gehring, einst mit 
der von Schwarz in Landshut gegründeten Hütte beschäftigt; aber 
derselbe konnte mir auf meine schriftliche Anft-age gar nicht 
sagen, wo seine Resultate gedruckt worden sind. Ich glaube, es 
fehlt Allem, was über die wirkliche Erbauung der Landshuter 
Hütte und deren Arbeiten verbreitet wurde, Hand und Fuss, es 
ist Alles nur Phantasie. Ilg behauptet femer auch von dem oben 
genannteD Scarpoggiato, welchen Wilhelm V. von Bayern zur 
Errichtung einer Spiegel- und Tafetglashütte berufen hat, dass er 
3vasi a ritorti und vasi a reticelli bunt und weiss< herzustellen 
verstanden habe. In Dr. Stockbauer's > Kunslbestrebungen am 
bayerischen Hofe u. s. w,«,') auf welche Ilg verweist, ist davon 
mit keiner Silbe die Rede. Die Sache bedarf also noch einer 
weiteren Aufklärung. 

I) ,. ü. O. 



Anhang. 



I. Die soziale Stellung der früheren Glaskilnstler. 



^V^ 



mu 



IE Glaskünstler galten zu allen Zeiten für Leute, die 
etwas Besonderes verstehen, etwas, das dem Gold- 
machen in nichts nachsteht. Waren doch in den 
ältesten Zeiten ihre Produkte den Edelsteinen gleich 
geschätzt und so hoch gewerthet, dass sich nur die Könige in 
deren Besitz setzen konnten. Als die Herstellungs- und Verar- 
beitungsprocesse sich vervollkommneten, wurde das Glas allerdings 
billiger, und vollends, als die ordinäre farblose Masse autkam. 
Nichts destoweniger genossen die Glasmacher und Glaskünstler 
überhaupt selbst noch in der römischen Kaiserzeit ein hohes 
Ansehen, wie aus dem Interesse hervorgeht, welches die damaligen 
Schriftsteller diesem Industriezweige zuwandten, und aus der Be- 
wunderung, die sie den betreffenden Erzeugnissen nicht selten 
spendeten. Ja damals wurde das Glasmacherhandwerk so geehrt, 
dass sogar die Kaiser selbst sich herabliessen, dasselbe gelegent- 
lich zu treiben, und den Glasmachern die Steuern und Abgaben 
erliessen. Als aber das römisciie Reich unter den wuchtigen 
Schlägen der Germanen zusammenbrach und in den stürmischen 
Zeiten des frühen Mittelalters nur das Kriegshandwerk ein Recht 
auf das Leben gewährte, m'ussten diejenigen, welche den Künsten 
des Friedens obliegen wollten, hinter den festen Mauern der sich 
Überall erhebenden Klöster Schutz und Zuflucht suchen. Auf diese 
Weise kam die Ausübung aller Künste und Handwerke in die 



— 256 — 

thätigen Hände der Mönche, die den Regeln des Ordens ohne Unter- 
schied der Person unterworfen waren. Die ersten Keime eines bür- 
gerlichen Handwerks entstanden wohl mit der Gründung starker Bur- 
gen und Städte durch Heinrich I. (919 — 936) und seine Nachfolger; 
aber dasselbe erstarkte erst Jahrhunderte später so, dass die Concur- 
renz der Mönche überwunden werden konnte. So scheint die Glas- 
macherei, welche sich damals hauptsächlich auf die Herstellung klei- 
ner Spiegel und farbiger Tafeln für die Glasmalereien der Kirchenfen- 
ster beschränkte, ohne dass jedoch die Gefässbildnerei ganz brach ge- 
legen wäre, noch im 12. Jahrhundert ziemlich ausschliesslich in den 
Klöstern geübt worden zu sefn, wie es denn auch ein Mönch ist, der 
uns über die technischen Glasprocesse jener Zeit berichtet. Wenn sich 
in den drei folgenden Jahrhunderten in den nördlichen Ländern auch 
manche von den Mönchen unabhängige Glasfabrik erhob, die soziale 
Lage der Glasmacher dürfte sich schwerlich von jener der übrigen 
Handwerker damaliger Zeit wesentlich unterschieden haben. Erst im 
16. Jahrhundert erhalten diesen gegenüber die Glasmacher eine 
Ausnahmestellung. 

Die Vorkämpfer in dieser Beziehung waren die Glasmacher 
von Venedig resp. Murano. Diese wussten die Bedeutung, welche 
ihre Hütten allmählig erlangt hatten und den Nutzen und reichen 
Gewinn, den sie der Republik brachten, auch zu ihrem Vortheil 
klug auszubeuten, so dass sie bald als wirkliche Künstler angesehen 
wurden und hohes Ansehen genossen. Schon im Jahre 1383 
trug der grosse Rath von Venedig kein Bedenken mehr, das 
Glasmacherhandwerk als eine vornehme Kunst — ars tam 
nobilis — zu bezeichnen, und bald gewährte er den Ausübern 
desselben nach einander weitgehende Rechte und Privilegien. 
So verlieh er den grösstentheils aus Glasmachern bestehenden 
Einwohnern von Murano seit dem 13. Jahrhundert das Bürger- 
recht von Venedig, wodurch diese zu den höchsten Aemtem des 
Staates befähigt wurden. Im Jahre 1445 gab er ihnen das Recht, 
sich emen Kanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit auf Murano 
und einen Delegirten bei der Regierung von Venedig zu wählen, 
welcher die den Handel interessirenden Angelegenheiten zu be- 
sorgen hatte. Der unter dem Namen >Statuto di Murano« bekannte 



— 257 — 

Codex, welcher im Jahre 1 502 vom Senate genehmigt wurde und 
bis zum Ende der Republik in Rechtskraft blieb, enthält eine der 
Insel speziell eigenthümliche civile, gerichtliche und administrative 
Gesetzgebung. Ferner konnten die Patrizier Venedigs die Töchter 
der muranesischen Glasmacher heirathen, ohne dass die aus einer 
solchen Ehe hervorgehenden Kinder des Adels verlustig wurden, 
gewiss eine grosse Gunst in damaliger Zeit. Als König Hein- 
rich III. von Frankreich im Jahre 1573 nach der Lagunenstadt 
kam, erhob er in einem Anfall von seltsamer Grossmuth die haupt- 
sächlichsten Glasmacher vonMurano in den Adelsstand. EinErlass 
der Gemeindeverwaltung von Murano bestimmte in Folge dessen, 
dass ein goldenes Buch, ähnlich dem >Libro d'oro« des Adels 
von Venedig, aufgelegt und darein die ursprünglichen, nunmehr 
geadelten Glasmacherfamilien von Murano eingeschrieben werden 
sollten. Neidlos bestätigte diesen Erlass der Senat am 16. August 
1602. Dieses goldene Buch existirt noch heutzutage, wie wir 
schon in der Einleitung gehört haben. 

Die Glasmacher, welche seitdem trotz der strengsten Ver- 
bote in die nördlichen Länder wanderten, nannten sich regel- 
mässig Edelleute, und der Schutz und die Privilegien, welche 
ihnen seitens aller Fürsten zuTheil wurden, haben ihre Bedeutung 
noch gehoben. Bald waren es nicht mehr die venetianischen 
Glaskünstler allein, welche sich eines solchen Ansehens erfreuten; 
auch die einheimischen Glasmacher wurden, in Frankreich wenig- 
stens, als adelig anerkannt, da die Könige auf diese Weise die 
Glasfabrikation anspornen wollten. Schon am Ende des 14. Jahr- 
hunderts genossen sie dort alle Rechte, Privilegien und Freiheiten 
des Geburtsadels und waren namentlich von der Kleiderordnung 
und allen den sonstigen Handwerkern auferlegten Abgaben befreit. 
So erkannte König Karl VI. auf die Bitte Philippon Bertrand*s, 
Glasmadiermeisters im Parc de Mouchamp in der Vendee, durch 
Patentbrief vom 24. Januar 1399 das Recht an, welches dieser 
adelige Glasmacher hatte, nicht mit den Nichtadeligen den land- 
läufigen Kleiderordnungen und Herdsteuern unterworfen zu werden. *) 



Lab arte, 1. c. T. III. p. 365. 

17 



— 258 — 

Hiedurch wurde wohl der Grund zu dem späteren Glauben gelegt, 
dass das Glasmachen an sich und überhaupt adle, ein Glaube, 
welcher einfach thöricht ist; denn nicht die Glasfabrikation allein 
erfreute sich im Laufe der Geschichte einer derartigen Begün- 
stigung, noch verschiedenen andern Handwerken widerfuhr das 
Gleiche. Ich erinnere nur an die italienische Fayence-Industrie 
und an die Drechslerei. Was jene betrifft, so fanden es ver- 
schiedene Adelige nicht unter ihrer Würde, Fayencen zu machen. 
So war Maestro Giorgio Andreoli, welcher die Fabrik von Gubbio 
längere Zeit leitete, vom Adel; denn er setzte seinem Namen das 
Wörtchen don vor. Piccolpasso ferner, Fabrikant zu Castel- 
Durante, nannte sich cavaliere ; ja in Ferrara war selbst der Herzog 
Alfonso I. ein Töpfer. In noch höherem Ansehen stand im 
17. Jahrhundert die Drechslerei; denn selbst Könige und Kaiser 
wussten sich keine angenehmere Unterhaltung in den Mussestunden, 
als an der Drehbank zu arbeiten. Immerhin mögen es sich die 
genannten Handwerke zur Ehre schätzen, unter ihren Arbeitern 
so erlauchte Persönlichkeiten zu finden ; dass aber der Adel dieser 
auch auf die andern übergehe, wird im Ernste Niemand glauben, 
auch nicht unter den Glasmachern', wenn diese in früheren Zeiten 
auch eine bevorzugte Stellung hatten. Im Allgemeinen war die 
Sachlage vielmehr die: Das Glasmachen an sich adelte nicht, 
wenn auch viele Glasmacher in den Adelsstand erhoben wurden, 
sondern dasselbe entadelte nicht, wenn sich Adelige damit be- 
schäftigten. Bei den damals herrschenden Vorurtheilen war dies 
ein grosser Vortheil für viele verarmte Edelleute, denen auf diese 
Weise Gelegenheit geboten war, sich auf anständige Art ihr Brod 
zu verdienen. So entstanden die »gentilshommes verriers< in 
Frankreich, deren Lebensweise Le Vaillant de la FiefFe so nett 
geschildert hat.*) Dieselbedauerte bis zur französischen Revolution. 
So theilt Henry Delange, der Herausgeber des >Recueil des^faiences 
italiennes,< eine hochinteressante Anekdote, wie er sagt, mit, die aber 
vollauf das Gepräge der Wirklichkeit trägt. Ein Abkömmling einer 



1) Les verreries de la Normandie. Les gentilshommes et artistes verriers. 
Ronen 1873. — EinenAuszug davon gabDr.H.E.Benrath, Sprechsaal i875,Nr.5o. 



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alten Glasmacherfamilie, Herr de la Roche, Domherr zu Autun, 
erzählte ihm nämlich Folgendes: »Mein Vater, welcher am Hofe 
war<, sagt der genannte Domherr, »besuchte eines Tages seinen 
Bruder, der eine grosse Glashütte betrieb. Es war lange her, 
dass sie sich nicht mehr gesehen hatten. Mein Onkel empfing 
natürlich seinen Bruder; aber bevor er ihn in die Glashütte führte, 
in welcher eben gearbeitet wurde, sagte er zu ihm: » >Ich mache 
Dich darauf aufmerksam, allen Glasmachern viel Rücksicht zu er- 
weisen, wenn Du durch sie hindurchgehst; denn diese Leute, 
welche Du zur Hälfte nackt und triefend von Schweiss sehen 
wirst, sind lauter arme Edelleute aus der Provinz.« < Trotz sei- 
nes Staunens hielt sich mein Vater an diese Weisung und war 
selbst gegen den geringsten Arbeiter möglichst liebenswürdig. 
Beim Herausgehen sagte mein Onkel zu meinem Vater: » »Das 
ist noch nicht Alles; es ist in der Glasfabrik Sitte, dass am Samstag 
nach der Bezahlung alle gemeinsam soupiren. Natürlich nimmst 
Du an diesem Mahle Theil und ich ersuche Dich, zuvor Toilette 
zu machen.«« Das Souper fand in einem grossen Saale des 
Schlosses statt, in welchem mein Onkel wohnte, und als mein 
Vater eintrat, waren die Glasmacher bereits versammelt; aber es 
waren nicht mehr die Leute , welche er einige Tage zuvor ge- 
sehen hatte; sie waren alle in Hoftracht, den Degen an der Seite, 
die Kleider mit Borten besetzt, und mehrere trugen an den Man- 
schetten und am Halse kostbare Spitzen. Das Mahl verlief heiter; 
die geistreiche und angeregte Unterhaltung erging sich über die 
Zeitereignisse. < 

Gewiss waren das auf der Höhe der Zeit stehende Arbeiter. 
Schade, dass wir über die socialen Verhältnisse der deutschen 
Glasmacher nicht ebenso unterrichtet sind. An manchen Plätzen 
hat sich zwar noch die Erinnerung erhalten, dass die Glasmacher 
als Künstler früher einen Degen tragen durften, dass ihnen aber 
wegen der vielen Raufhändel dieses Recht am Anfange unseres 
Jahrhunderts genommen wurde. Damals hätte auch von einem 
gewöhnlichen Landrichter ein Glasmacher nicht .gerichtet werden 
können, da dieser sich jährlich höher gestanden habe als jener. 
Ich weiss nicht , wie viel Wahres an diesem und ähnlichen Ge- 

I7» 



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rüchten ist. Möglicherweise sind sie noch ein Ueberbleibsel der 
Privilegien, welche die Kaiserin Maria Theresia den Glasmachern 
gegeben haben soll; aber auch über diese ist mir nichts Näheres 
bekannt und O. L. Hartwig, der Fortsetzer von >Sprengers Hand- 
werke und Künste in Tabellen« >), sagt nur, dass die Glasmacher 
in der Brandenburg unter sich zünftig waren. Auch die Glas- 
schleifer und Glasschneider waren, wie wir bereits oben gehört 
haben, aller Orten in Zünfte vereinigt, obwohl sie sich zu den 
Künstlern rechneten. Ihre Lehrlinge mussten im 1 8. Jahrhundert 
sechs Jahre lernen und ein angehender Meister musste in Berlin 
einen Pokal mit vertieften Figuren verzieren *). Das ist Alles, 
was ich über die deutschen Glaskünstler- Verhältnisse finden konnte. 

2. Die internationale Bedeutung der altdeutschen 

Glasindustrie. 

Die Bedeutung der deutschen Hohlglasfabrikation in der 
Glasindustrie überhaupt ist lange verkannt worden, aber mit gros- 
sem Unrecht; denn selbst wenn dieselbe weiter nichts als die 
herrliche Form des Römers geschaffen hätte, dürfte sie sich keck 
an die Seite der Glasindustrien aller anderen Länder, sogar Ve- 
nedigs stellen. Eine neue Form zu erfinden, die sich im Wechsel 
der Zeiten erhält und unvergänglich bleibt, ist nämlich nichts 
Geringes-, es ist vielmehr das Höchste, was eine Industrie zu lei- 
sten vermag. In dieser Hinsicht steht selbst die venetianische 
Glasindustrie der deutschen nicht voran; denn sie hat nur eine 
einzige Gefässform von bleibender Dauer, nämlich das Kelchglas, 
geschaffen, allerdings in tausenderlei Variationen bis hinauf zum 
mächtigen Deckelpokale. Die deutsche Glasindustrie aber hat 
ausser dem Römer noch zwei andere unvergängliche Formen in 
das Dasein gerufen, das Bierglas und den cylindrischen Hum- 
pen, der sich als Becher fortwährend erhält, wenn er auch in 
Schönheit dem Römer nicht gleichkommt. Alle übrigen Gefäss- 
formen sind nichts Neues; sie sind entweder direct aus dem Alter- 



1) Zehnte Sammlung. Berlin 173, S. 309. -) Hartwig, a.a.O. S. 340. 



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thume überkommen, wie z. B. die verschiedenen Schalen, oder 
sie sind erst über den Orient in vollendeter Gestalt in das Abend- 
land gelangt, wie z. B. die Flasche. Auch die Krug form 
wurzelt bereits im Alterthume. Allerdings erhielt sie ihre Vol- 
lendung erst in der Zeit der Renaissance , damals aber weniger 
in den Glashütten als in den Werkstätten der Goldschmiede und 
Töpfer. Doch auch die Glasmacher bemächtigten sich ihrer und 
es dürfte schwerlich einen formschöneren Glaskrug geben als den 
oben unter Fig. 21 abgebildeten, welcher aus einer deutschen 
Hütte hervorgegangen ist. Dieser herrliche Krug verdiente zum 
unübertrefflichen Vorbild für alle Krüge in Glas gestempelt zu 
werden. 

In Bezug auf die Gefassformen also kann sich die altdeutsche 
Glasindustrie kühn neben die venetianische stellen, von jener der 
übrigen Länder gar nicht zu reden. Das Gleiche gilt hinsicht- 
lich der Einführung neuer technischer Prozesse zum Verzieren 
der Gläser. Hierin haben die Venetianer nichts Neues aufge- 
bracht; denn das Emailliren erhielten sie vom Alterthume aus 
der Hand der Orientalen und auch der, in der Zeit vor dem 
17. Jahrhundert ohnehin sehr beschränkte angesetzte Schmuck 
war schon im Alterthume auf das Höchste ausgebildet. Immer- 
hin aber gebührt ihnen das Verdienst, diese Verzierungsarten in 
geläuterter Gestalt wiederum im Abendlande eingeführt zu haben. 
Die deutsche Glasindustrie kann sich dagegen rühmen, dass sie 
die Gravirung der Gläser seit den Tagen des Alterthums zuerst 
wieder aufgenommen und zur höchsten Vollendung gebradit hat. 
Sie war es auch, der die Erfindung der Gläser mit incorporirtem 
Fadenschmucke zugehört, wenn sie in der Erzeugung und künst- 
lerischen Gestaltung derselben auch bald von den Venetianern 
unendlich überholt worden ist. Auch die gerieften Gläser sind 
von der deutschen Glasindustrie zuerst wieder in Schwung ge- 
bracht worden, und die Verschmelzung des Emailschmuckes mit 
den nicht ganz farblosen Gläsern ist so harmonisch, wie niemals 
wieder seither. 

Die Stilgesetze des Glases sind bereits im Alterthume in der 
Praxis aufgestellt worden, sowohl fUr die farbigen als wie auch für die 



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farblosen Gläser. Die ersteren bildete während des Mittelalters 
der Orient weiter, die letzteren ergriff später die venetianische 
Glasindustrie und stellte sie der staunenden Welt bis in die klein- 
sten Details klar vor Augen. Die deutsche Glasindustrie schlug 
einen Mittelweg ein und suchte für jenes Glas, das zugleich farbig 
und durchsichtig ist , die richtigen Formen auf. Wie sehr ihr 
dies geglückt ist, zeigen die oben erörterten Gefässe. Ich könnte 
noch dieses und jenes zu Gunsten der altdeutschen Glasindustrie 
anführen , so z. B. die originelle Ausprägung der Eroailmalerei 
auf den Adlergläsem und Kurfllrstenhumpen u, s. w. Aber ich 
glaube, dass das Gesagte hinreicht, sie als jeder anderen, selbst 
der venetiani sehen Glasindustrie ebenbürtig erscheinen zu lassen. 
Zu ihr muss die Gegenwart zurückkehren, wenn sie es wieder zu 
Selbständigkeit und Originalität, zu ureignem kräftigen Leben 
bringen will. 



Inhaltsverzeichniss. 



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Seite 
Zur Einführung IJI 

Vorwort . y 

Einleitung i 

I. Die Öfen, das Schmelzen und Verarbeiten des Glases 36 

1. während des Mittelalters 36 

2. zur Zeit der Renaissance 60 

II. Die altdeutschen Gefassformen 77 

1. Römer , 77 

2. Angster und Kutrolf 91 

3. Spechter 97 

4. Passglas 102 

5. Krautstrunk, Fass, Tümmler, Handtummler, Schale, Brüderlein, 
Bierglas, Krug, Kanne, Flasche, Humpen, Becher, Magellel u. A. 105 

6. Barocke Formen aus Glas 117 

in. Die Gläser mit Emailmalerei 123 

1. Entwicklung der Technik 123 

2. Fichtelberger Gläser 138 

3. Willkommen und Becher 142 

a. Adlergläser oder Reichshumpen 145 

b. Kurfürstengläser, Kurfürsten-, Apostel- und andere Service 146 

c. Innungshumpen und Zunftbecher 151 

d. Gläser mit Darstellungen aus dem täglichen Leben und 
solche mit allegorischen Bildern 155 

IV. Einige Spezialitäten 157 

1. Schapergläser 157 

2. Blaue Gläser 161 

3. Kunckelgläser 168 

4. Gläser mit Goldschmuck 172 




— 204 — 

Seite 
V. GeschlifTene und geschnittene Gläser ...i8i 

1. Die Glasschneiderei bis zum Ausgange des Mittelalten . . . . i8l 

2. Die Glasschleiferei bis zum Ausgange des Mittelalters . . '. 201 

3. Die Schleiftechnik seit dem Mittelalter 206 

4. Die Glasschneiderei seit dem Ausgange des , Mittelalters . .210 

5. Die mit der Diamantspitze gravirten Gläser 227 

VI. Gläser k la fagon de Venise 230 

1. Verres de cristal und verres cristallins 230 

2. Gläser mit incorporirtem Fadenschmucke 245 

Anhang: i. Die sociale Stellung der früheren Glaskünstler 255 

2. Die internationale Bedeutung der altdeutschen Glasindustrie . 260 



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