CO
htm
DieBaukunßamNiedepMidn
Ceilcnklrclicn. Ehemalige Burg.
DieBaukunft
amNiederßhein
varrderJ^^yäl^iz^
von Richard Klaphecl^
.^-Cß R '^ n 1>>^
,^^'"7'-
^«^.. .--.-^
J
. **-
Abb. I. Schloß Bensberg. Fensterschmuck in einem der ehemaligen 1 ruppentürme.
Vgl. Abb. 3, 29. 35, 38 und Bd. I Abb. 346.
^0
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.
V. Jan Weilern.
1. Volkstümlichkeit in Düsseldorf (S. 1). — Das Reiterdenkmal und das Verhältnis Jan Wellems
zu Grupello (S. 3). — Legenden (S. 7). — Verhältnis zu den Künstlern (S. 9). — Armenische
Pläne (S. 10). — Düsseldorfer Oper (S. 12).
2. Düsseldorfer Schloß (S. 13). — Gemäldesammlung (S. 18). — Antikensammlung (S. 26). —
Ausbau der Stadt (S. 28). — Neues Schloßprojekt von Matteo di Alberti (S. 33). — Schloß
Bensberg (S. 35). — Karmelitessenkloster in Düsseldorf (S. 46). — Douvenhaus (S. 49). —
Bürgerliche Bauweise. Bebauung der Neußer Straße. Schloß Ehreshoven (S. 50). — Innen-
ausstattung der Bürgerhäuser (S. 55). — Marstall zu Düsseldorf (S. 58). — Jan Wellems Tod
und Bedeutung für Düsseldorf (S. 59).
VI. Das Jahrhundert Karl Theodors von der Pfalz -Sulzbach.
1 . Künstler und Kunstscimmlungen m Düsseldorf nach dem Heimgange Jan Wellems (S. 65). —
Die neue Kaserne und Maxkirche (S. 67). — Begeisterter Empfang Karl Theodors in Düssel-
dorf (S. 69). — Seine Anteilnahme am Ausbau der Stadt (S. 73). — Düsseldorfs Leiden im
Siebenjährigen Kriege (S. 74).
2. Johann Joseph Couven in Aachen (S. 77). — Abteigebäude zu Cornelimünster und sein Einfluß
(S. 78). — Laurenz Mefferdatis' Bauten in Aachen, Eupen usw. (S. 82). — Gilles Doyens und
Couvens Anteil an der Wiederherstellung des Aachener Rathauses (S. 83). — Wiederherstellung
des Aachener Münsters. Giovanni Battista Artari (S. 89). — Abteikirche zu Burtscheid (S. 91).
— Wespiensches Haus in Aachen (S. 94). — Gut Kalkhofen bei Aachen (S. 107). — Couvens
Gartenhäuser (S. 112). — Haus Fey in Aachen (S. 117). — Haus Heusch in Aachen und die
Post in Eupen (S. 120). — Haus Mennlcken und Haus Vercken in Eupen. Haus Vercken bei
Düren. Couvens Tätigkeit in Montjoie (S. 121). — Couvens Fabnkbauten. Haus Scheibler in
Montjoie. Haus „Zur Krön" und Haus Schumacher in Burtscheid (S. 128). — Couvens kirch-
liche Bautätigkeit (S. 134). — Gerichtshaus und Komödienhaus in Aachen (S. 139). — Haus
Cassalette (S. 141). — Schloß Jägerhof zu Düsseldorf und Couvens Tätigkeit in Maeseyck
(S. 143).
3. Nicolas de Pigage. Schloß Benrath (S. 150). — Hofgarten zu Düsseldorf (S. 172).
4. Jacob Couven. Bauten in Heinsberg (S. 175). — Apotheke in Aldenhoven (S. 176). — Neue
Redoute in Aachen (S. 177). — Wohnhäuser in Aachen und Umgebung (S. 183). — Gaginis
Stuckarbeiten auf Schloß Wissen und Schloß Waldburghausen und im Hause Mayer in Eupen
(S. 189). — Couvens Bauformen der Spätzeit (S. 192). — Baukunst im Herzogtum Jülich
(S. 198). - Marktplatz in Düren (S. 200).
5. Ausljaii von Düsseldorf (S. 202). - Schloß (S. 205). - Slattlialteipalais (S. 206). -- Wolin-
hausbau (S. 208). - Stadttore (S.2I0). - Düsseldorfer Karlstadt (S. 211). - Mülheim am
Rhein (S. 214). - Krefeld (S. 219). — Bautätigkeit am unteren Niederrhein (S. 223). —
Neuß (S. 233).
6. Köln. Engherzige Zunftverhältnisse (S. 234). — Einfluß belgischer Barockarchitektur (S. 236).
— Dekorative .'\rchitekturplastik. Franz van Helmonts Machabäer -Altar und Lauretanische
Kapelle (S. 237). — Italienische Einflüsse (S. 240). — Französische Einflüsse. Neues Stadl-
palais (S. 242). — Innenausstdttung des Klassizismus (S. 246). — Soziale Verhältnisse am
Ausgange des Jahrhunderts (S. 249).
7. Düsseldorf am Ausgange des Jahrhunderts. Der Jacobi-Kreis in Pempelfort (S. 251). Ideen
vom Weltbürgertum (S. 255). — Brand des Schlosses (S. 256). — Ende Karl Theodors (S. 257).
Das ausführliche Sach-, Orts- und Personen-Nachschlageverzeichnis, eine Zusammenstellung
der Literatur über die Baukunst am Niedenhein, eine Übersichtskarte, Ergänzungen und
Nachträge befinden sich am Ende des dritten Bandes.
Medaille zur Gründuiig der Kunstakademie
zu Düsseldorf von 1769.
Abb. 1 a. Neuß. Ehemaliges Observantenkloster.
Abh. 2. Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jiihch
Gründer der Düsseldorfer Kunslsammlungen.
id Be
und Der«;,
*^
-^r
^
Abb. 3. Schloß Bensberg. Bergisches Wappen aus einem der ehemaligen Treppentürme.
Vgl. Abb. I, 29, 35, 38 und Bd. I Abb. 346.
I.
Jan Weilern.
Jan Weilern nennen ihn die Düsseldorfer, den grünpatinierten kupfernen Potentaten hoch
zu Roß auf dem Marktplatz der Stadt (Abb. 4, 6). Johann Wilhelm, das ist ein ganz anderer.
Das war ja der Trottel, der die schöne und lebenslustige Jacobe von Baden heimgeführt, der
letzte Herzog aus dem alten Herrscherhause, der den ,,Düwel im Wammes" hatte (I, S. 1 96 ff.).
Der andere heißt Jan Weilern. Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jülich und Berg.
Oder besser „Onse Jan Wellem". Er ist die populärste Figur in Düsseldorf und derart
umgeben von Sage und Erzählung, daß die historische Gestalt nicht mehr recht durch-
schimmert. Man frage nur einmal die Düsseldorfer in der Altstadt, im ,,ürige Wellem", im
„Rosenkränzchen", im ,, Goldenen Kessel" oder in der ,, Wichsdos" : Wer ist Jan Wellem?
Der Kurfürst! Das muß halt genügen. Ein anderer meinte schon, der Große Kurfürst. Einmal
hörte ich, es sei der große Reitergeneral aus dem Dreißigjährigen Krieg, der die Düsseldorfer
Kunstakademie gegründet habe! ,,Jan van Werth!" rief ein anderer Fachmann der Düsseldorfer
Altstadt dazwischen. Ja, Jan Wellem, das Sinnbild der Stadt, das auf keiner Düsseldorfer Fest-
schrift fehlt, das der Kunsthandel en miniature vertreibt und das m Originalgröße in einer
1
Abb. 4. Jan Weilern. Medaille auf das Jahr 171
der Ernennung zum Reichsprovisor. Vgl. Abb. 5.
Kneipe der Friedrichstadt mitten durch das Orchester
reitet, wie auf dem Marktplatz unter Hökerweibern,
ist sogar mit den beiden Düsseldorfer Stadtheiligen
identifiziert worden. Mit dem heiligen Martin und
dem heiligen Sebastian. In dem Sankt-Martins-Zug
trägt man sein grünes Reiterbild herum, als Plastik
oder als großes Transparent. Jedes dritte Kind trägt
das Bild auf der bunten Papierlaterne. Und der Schluß
des Zuges ist stets eine Huldigung der Düsseldorfer
jüngsten Jugend vor dem Denkmal auf dem Markt.
Vor zwei, drei Jahrzehnten feierten die Sankt-Sebastian-
Schützenbrüder ihr, ich weiß nicht wieviel hundert-
jähriges, Jubiläum. Jan Wellem mußte natürlich vorne
an der Spitze den historischen Festzug einleiten.
Bilder gibt es genug von ihm im Historischen
Museum (Abb. 2). Aber der biedere Handwerksmeister Soundso, der Jan Wellem darstellen
sollte, hatte nicht allein Panzer, Krone und Schwert, nein auch Pferd, Hände und Gesicht
grün anstreichen lassen. Genau wie das Reiterdenkmal auf dem Marktplatz ausschaut. Denn
sonst hätten die Düsseldorfer ihren Stadtheiligen nicht wiedererkannt. Jan Wellems Gemahlin,
Anna Maria Luise von Toskana, durfte aber neben ihm ohne grünen Anstrich den Festzug
mitmachen.
Die politische Persönlichkeit des Kurfürsten ist bisher noch nicht ganz klar umschrieben
worden. Phantastereien, Klatsch und politische Stellungnahme haben ein ganz verzerrtes Bild
von ihm geschaffen. Bei den Schriftstellern des 18. Jahrhunderts, wie bei den Bearbeitern der
zeitgenössischen Quellen im 19. Jahrhundert, muß man bei der Beurteilung Jan Wellems immer
zuerst fragen, ob der Verfasser Pfälzer oder Jülich-Berger ist, d. h. Protestant oder Katholik.
Für den Pfälzer ist der Kurfürst der unduldsame Religionsfanatiker, für das Bergische Land
dagegen der in Glaubensdingen duldsame Landesherr. Man tut im übrigen gut, den Herzog
von Jülich und Berg ganz von dem Kurfürsten von der Pfalz zu trennen, um eine klare Vor-
stellung von Jan Wellem zu gewinnen*. Für unseren Zusammenhang kommen nur der Herzog
von Jülich und Berg und dessen künstlerische Bestrebungen in Frage. Da aber diese immer
noch nicht übersichtlich bearbeitet worden sind, wird meine Darstellung notgedrungen sich
damit begnügen müssen, ein skizzenhafter Versuch zu bleiben**.
* Vgl. Richard August Keller im Düsseldorfer Jahrbuch 1917, S. 89 ff., der hier zum erstenmal die Schwierigkeit
der wissenschaftlichen Behandlung Jin Wellems durch die bisherigen Bearbeiter darstellt. Eine k'uge Arbeit von program-
ma'.ischer Bedeutung. — Vgl. ferner Richard Klapheck: Johann Wilhelm von d r Pfalz. Legende und Geschichtsforschung.
Im Jubiläumswerk des Verlags M?rcus & Weber. Bonn 1918.
** Der nach dem Kriege von 1866 emsetzende Streit Düsseldorf contra München wegen der Besitzrechte an Jan Wellems
ehemaliger Düsseldorfer Gemäldesammlung, dem Kern der heutigen Münchener Alten Pinakothek, hat einen Wust sachlicher
Der Schöpfer des Reiterdenkmals auf dem Düsseldorfer Marktplatz Ist Gabriel Chevalier
de Grupello, wieder ein Schüler des Artus Quellinus. Er war zwar keineswegs so eigen-
artig schöpferisch wie sein großer Lehrmeister und kann auch mit den damals führenden
französischen und belgischen Bildhauern nicht auf denselben Nenner gebracht werden. Aber
er zählt dennoch zu den besten Meistern seines Jahrhunderts. Sem grandioses Reiterdenkmal
auf dem Marktplatz wird von zeitgenössischen deutschen Arbeiten nur von Schlüters Großem
Kurfürsten auf der Schloßbrücke zu Berlin übertroffen. Wiedemanns Reiterdenkmal für
August den Starken in der Neustadt zu Dresden kann dagegen mit Grupellos Jan Weilern
gar keinen Vergleich aufnehmen.
Das persönliche Verhältnis des Meisters zu seinem kurfürstlichen Herrn ist überaus cha-
rakteristisch für dessen künstlerische Bestrebungen am Düsseldorfer Hof. Und da Grupellos
Standbild auf dem Marktplatz neben einem Porträt und Porträtstatuen in der Kunstakademie
(Abb. 8, 1 1), dann Jan Wellems Sarkophag in St. Andreas (Abb. 60) die bedeutsamste künstlerisch
Torheiten gezeitigt (vgl. Düsseldorfer Anzeiger 1866. Nr. 163, 172, 183, 187, 189, 198, 209, 210, 21 1, 214, 262; 1867: Nr. 3, 30,
31,67,97,98, 102, 111, 112, 120, 126, 141, 145, 149, 156, 167, 182; 1868: Nr. 28. 136. 145, 191, 193, 196,208,219. - Düssel-
dorfer Zeitung 1867, Nr. 109. - Crefelder Zeitung 1866, Nr. 209; 1868, Nr. 136, 202). - Die närrischste Erscheinung voll der
konfusesten geschichtlichen Phantastereien war in diesen Debatten Hardung. (Vgl. A. V. Hardung: Zur Reklamation des
Düsseldorfer Bildergalerie-Hauptschatzes. Ein patriotischer Versuch als Aktenbeitrag. Düsseldorf 1868.) — Sachlicher waren
sein Gegner Schaumburg und Strauven. (Vgl. E. v. Schaumburg: Zur Charakterisierung Johann Wilhelms, Herzogs zu
Jülich-Berg, Kurfürsten von der Pfalz. Düsseldorf 1869, und Johann Wilhelm, Erbprinz und Pfalzgraf zu Neuburg, Regent
der Herzogtümer Jülich und Berg [1679—1690]. Düsseldorf 1873. — Strauven: Über künstlerisches Leben und Wirken in
Düsseldorf bis zur Düsseldorfer Malerschule unter Direktor Schadow. Düsseldorf 1862.) — Die weitere Galerieliteratur bei Paul
Giemen: Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Düsseldorf. Düsseldorf 1894. S. 19—21.
Von Wichtigkeit sind die Aufzeichnungen von Zeitgenossen, die die Sammlungen Jan Wellems selbst gesehen haben: Jan
van Gools ältestes Verzeichnis der Kunstwerke, Blainvilles und Uffenbachs Reisebeschreibungen und die Aufzeichnungen von
Jan Wellems Kabinettsekretär Raparini. (Vgl. Jan van Gool: De nieuwe Schouburg der Nederlandsche Konstschilderer en
Schilderessen. s'Gravenhage 1750—1753; — des Herrn von Blainville
Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland usw., übersetzt von
Johann Tobias Köhler. Lemgo 1764. L Band; — Herrn Zacharias
Conrad von Uffenbach Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen,
Holland und Engelland. III.Theil. Ulm 1754; — Raparini: Le portrait
du vrai merite dans la personne ser. de mons. l'electeur palat. Pracht-
handschrift im Besitz des Herrn Pflaum auf der Fahneburg bei Düssel-
dorf. Eine überaus wichtige Quelle, wenn auch mehr rhetorisch als sachlich
abgefaßt, über die Künstler Jan Wellems [mit Abbildungen].) Vgl. außer-
dem J. Th. Brosius: Juliae Montiumque comitum annales. Köln 1731.
Auf diesen Quellenschriften fußen mehr oder weniger alle Versuche,
über Jan Wellems Kunstunternehmungen zu arbeiten. Neue selbständige
und wertvolle Studien sind dagegen Theodor Levin: Beiträge zur Ge-
schichte der Kunstbestrebungen in dem Hause Pfalz-Neuburg. Aus dem
Königl. Bayer. Geheimen Staatsarchiv. Jahrbuch des Düsseldorfer Ge-
schichtsvereins X IX, XX, XX III. Dazu ergänzender Nachtrag Friedrich
Lau: Beiträge zur Geschichte der Kunstbestrebungen des Kurfürsten
Johann Wilhelm. Düsseldorfer Jahrbuch. Bd. XXVI. — Der Verfasser
der „Baukunst am Niederrhein" ist gemeinsam mit Hans Buchheit
und Richard Keller mit einer eingehenden, mehrbändigen Dar-
stellung über die Kunst am Hofe Jan Wellems beschäftigt.
Abb. 5. Medaille auf das Jahr 171 1
Abb. 4.
Rückseite zu
Abb. 6. Düsseldorf. Jan Welltins Kt-iUiildiiclbild auf dem Maiktplatz von Gabriel de Grupello. Vgl. Abb. 7.
interessante Erinnerung an den Kurfürsten in Düsseldorf ist, während das Schloß am
Burgplatz mit seiner überreichen Ausstattung längst nicht mehr steht, Jan Wellems Kunst-
sammlungen nach München und Schleißheim ausgewandert smd und des Kurfürsten grandioses
Jagdschloß zu Bensberg ebenfalls seiner herrlichen Schmuckstücke beraubt, im 19. Jahrhundert
dann brutal verschandelt worden ist, kann die , .Baukunst am Niederrhem", wenn auch in
groben Umrissen nur, die Tätigkeit des Hofbildhauers nicht ganz übergehen*.
Gabriel de Grupello, der bisher in der Kunstgeschichte vergessene Hofbildhauer Jan
Wellems, wurde am 22. Mai 1644 in Grammont oder Gerardsbergen in der Provinz Ost-
flandern als Sohn eines aus dem Mailändischen stammenden Kavalleriehauptmannes Bernardo
Grupello geboren. 1658 trat er als Lehrling des Quellinus in die Lukasgilde zu Antwerpen ein.
Er steht dort als Gabriel Reppeli eingetragen. Die Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts hat
aus ihm einen Crepello, Cripello, Cribello gemacht. Das Bayerische Nationalmuseum nennt
ihn Crebello. Studienjahre hatten ihn nach Paris geführt. In den siebziger Jahren war er
wieder in seiner Heimat tätig und arbeitete in Brüssel, wo von ihm noch die beiden schönen
Statuen der Diana und Aktäon und der Brunnen der Fischergilde im Museum und in der
Kirche Notre Dame des Victoires au Sablon der plastische Schmuck für das Mausoleum der
Grafen von Thurn und Taxis erhalten sind. Er war damals Hofbildhauer Karls IL von
Spanien. Am 3. Mai 1695 ernannte ihn Jan Weilern, Karls Schwager, zu seinem Hofstatuarius.
Grupello siedelte nach Düsseldorf über und führte aus der Flinger Straße Nr. 15 Maria
Anna, die Tochter des kurfürstlichen Rats und Advokaten Dr. Dautzenberg, heim.
Posuit Grata Civitas MDCCXI.
Basis Instaurata MDCCCXXX.
So steht auf dem Denkmalsockel auf dem Marktplatz eingeschrieben. Ein amüsanter
Irrtum von seiten der Stadt! Die „dankbare Vaterstadt" war Anno 1711 finanziell ein arm-
seliges Städtchen, das gar nicht die Kosten eines solchen Reiterdenkmals hätte aufbringen
können. Auch die Stände sind nicht etwa die Stifter des Monuments gewesen, die gerade
um die Zeit der Errichtung des Standbildes mit ihrem Landesherrn wegen dessen eigen-
mächtiger Geldausgaben ernste Differenzen hatten. Nein, Jan Wellem hat sich das Denkmal
selbst gesetzt! Der Sockel stammt freilich von der ,, dankbaren Vaterstadt", von einer Wieder-
* Die Biographie über den interessanten Bildhauer des Jan Weilern steht noch aus. Der Verfasser der „Baukunst am Nieder-
rhein" hofft, sie baldmöglichst im Zusammenhang mit den übrigen Künstlern Jan Wellems vorlegen zu können. Die beste
bisherige Darstellung findet sich bei Theodor Levin im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XIX, S. 165—193. —
Vgl. ferner an Quellenschriften: Arnoldus Houbraken: De groote Schouburgh der nederlandsche Konstschilders en Schil-
deressen. s Gravenhage 1733. — Philips Baert (Compte-rendu des seances de la commission royale d'histoire, tome XV, p. 173).
— Baron de Reiffenberg (Bulletin de l'Academie Royale de Belgique 1898, tome 13, I. part, p. 101). — Alex Pinchart
(Archives des arts etc., I. serie, I, p. 39). - - Edmond Marchai: Memoire sur la sculpture aux Pays-Bas pendant les XVII. et
XVIII. siecles (Memoires couronnes par l'Academie Royale 1878). — Raparini a. a. 0. — Vgl. ferner W. Smets im Taschen-
buch für Rheinreisende. Coblenz 1818. Der Verfasser war ein Urenkel Grupellos. — W. Herchenbach: Gabriel de Grupello.
Die Reiterstatue auf dem Gemüsemarkte. Grupellos Lehrling. Inventarien des Churfürsten. (Zeitschrift des Düsseldorfer
Geschichtsvereins 1882.) — Otto Teich: Gabriel Grupello, ein vergessener Bildhauer. Zeitschrift für bildende Kunst. 1914
S. 243. Keine selbständige Arbeit; sie ruht auf Levins Feststellungen.
Herstellung aus dem Jahre 1830. Seine bescheidenen, schlichten Formen geben dem Reiter-
standbild das günstige Relief. Aber Grupello hat sich den Sockel ganz anders gedacht,
nicht in der Nüchternheit der Metallkränze und Palmen, die der Bildhauer Kamberger ent-
worfen hat, sondern ähnlich den barock ausladenden Formen am Unterbau von Schlüters
Großem Kurfürsten zu Berlin. Eine im Kupferstichkabinett der Düsseldorfer Akademie erhaltene
Entwurfsskizze zeigt, was ihm vorgeschwebt (Abb. 7). Der Sockel sollte einen Brunnen dar-
stellen, vier breite halbkreisförmige Becken vor den als Nischen vertieften Wänden, an denen
Löwen, die vier Hauptlaster unterdrückend, angebracht waren. An den Ecken stiegen auf breiten
Voluten Rustikapfeiler auf. Auf den Voluten wie auf den Pfeilern waren Trophäen, Amo-
retten und andere freischwebende Figuren und Gruppen gedacht. Das Inventar der Kunst-
schätze vom Jahre 1716 führt unter anderem auf: ,,dle vier grose Löwen in Model, die vor die
Statua equestre auf dem Marck, welche Ihre Churfürstl. Durchlaucht seellgstens Andenckens
äuserst noch befohlen haben gegosen zu werden sambst der inscription umb den pedestahl,
welche vier Löwen untertrücken, die vier Hauptlaster Hofart, Geltz, Neldt und Fraes"*.
Diese Modelle wurden im Jahre 1744 an den vier Ecken des Weihers im neuen Hof garten
aufgestellt. ,,Aber es dauerte nicht lange, so fielen sie ganz auseinander," erzählt der da-
malige Kupferstecher Langenhöffel. Der Denkmalsockel woirde leider nicht mehr nach
Grupellos Plänen ausgeführt und blieb schmucklos, bis man ihm im Jahre 1830 die jetzige
Gestalt gab. — Grupello wird die Anregung zu dem
Reiterstandbild seinem Aufenthalt m Paris ver-
danken, wo sein Landsmann Martinus van den
Bogaard, der sich als Pariser Desjardins nannte, auf
der Place des Vlctoires Ludwig XIV. ein Monu-
ment errichtet hatte. Aber daneben kommt noch
eine Fülle anderer Entwürfe für Reiterdenkmäler
des Sonnenkönigs in Betracht. Die Revolution hat
Bogaards Standbild vernichtet. Eine veränderte
Wiederholung steht in Lyon. Das Pferd bäumt
sich hoch auf. Der wallende Schweif ist technisch
eine Stütze. Ähnlich v^oirde Wledemanns Denk-
mal für August den Starken In der Neustadt von
Dresden. Ähnlich dachte sich auch Grupello in
dem in der Düsseldorfer Akademie erhaltenen Ent-
\vurf seinen Jan Wellem. Nachher wurde der Kur-
fürst auf schreitendem Hengst dargestellt. Aber der
Abb. 7. Originalentwurf zu dem Reiterdenkmal auf dem
Marktplatz zu Düsseldorf von Grupello. Kupferstich-
kabinett der Kunstakademie zu Düsseldorf. Vgl. Abb. 6.
* „Inventarium über die bey Herrn Statuario undt Chevalier Gru-
pello Befindliche churfürstliche Bilder und sonst vom 13. Juli 1716."
Vgl. Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 1882. Nr. 3 ff.
Abb. 8. Jan Weilern. Porträtbüste von Grupello.
Kunstakademie zu Düsseldorf.
wallende breite Schweif mit seinen prächtigen
barocken Formenwellen, die so ausgezeichnet zu
der Allongeperücke und dem Embonpoint des
Reiters passen, wurde beibehalten (Abb. 6).
Und wie das Denkmal auf das Reiterstandbild
des französischen Sonnenkönigs zurückgeht, so war
dieser auch das große Vorbild für Jan Wellems
Lebensführung. Er hatte in der Jugend die Höfe
zu Cleve, Brüssel, Paris, Versailles, London, Flo-
renz und Wien besucht. Den größten Eindmck
brachte er vom Hofe Ludwigs XIV. mit. Er hielt
ihn fest wie ein Magnet, und Jan Weilern vergaß
vielleicht unter der blendenden Pracht von Ver-
sailles, daß gleichzeitig die Franzosen seine Heimat
brandschatzten. Er kam heim mit dem glänzen-
den Bild des Roi Soleil vor Augen. L'Etat c'est
moi! Dieses Selbstbewußtsein spricht aus allen
Bildern des Kurfürsten (Abb. 8, 1 1). Auch aus den
Gesten des Reiterdenkmals auf dem Marktplatz.
Der Chevalier de Blainville, der ehemalige Gesandt-
schaftssekretär der Generalstaaten am Spanischen Hof, weilte im Jahre 1705 auf einer Reise
in Düsseldorf und ward dem Kurfürsten vorgestellt. „Der Hof ist zahlereich und glänzend,
und man tut nichts ohne Pracht und Herrlichkeit," berichtet der Chevalier; „Bälle, Opera,
Comödien, Musikconcerte, Freudenfeste, alles ist herrlich, und alle diese Ergötzlichkelten
genossen wir fast alle Tage während des ganzen Monats, da wir uns hier aufhielten, mit.
Bey der Mahlzeit hatten die Hofdamen die Aufwartung, und wenn sie den Herrschaften den
Wein reichen, so gießen sie erstlich einige Tropfen auf den Credenzteller, kosten sie, und
geben ihn mit einer kleinen Knieverbeugung. ... Ich muß nicht vergessen anzuzeigen, daß
der Churfürst außer dem Oberhofmarschall und Oberkammerherrn an seinem Hofe noch
eine ziemliche Anzahl Kammerherren habe, die größtentheils Grafen oder Barons sind, welche
bey der Tafel die Aufwartung haben, bis der zweyte Gang aufgesetzet ist, nach welchem
jeder sich weg begeben kan. Dieses ist aber noch nicht alles. Wenn der Churfürst in die
Stadt fährt, so gehen sie zu Fuß vor seinem Wagen her, den die Leibwache unter Anführung
eines Capitainlieutenants mit geschultertem Gewehr beiderseits umgibt. Zwanzig Pagen in
ihrer Liverey sind unmittelbar vor dem Wagen und am Schlage ein halbes Dutzend Heiducken
und Schweizer mit Helleparden. Alles dieses Schaugepränge ist erstaunlich besonders bey
einem Fürsten anzusehen, dessen Vater, noch ehe er Churfürst ward, nichts als das Herzog-
thüm Neuburg besaß, welches eines von den kleinsten Fürstenthümern in Deutschland ist.
Abb. 9. Jan Weilern. Medaille von J. Seiter.
Vgl. Abb. 10.
Was mir am seltsamsten vorkommt, Ist, daß er
Leute von solchem Range, als die meisten seiner
Kammerherren sind, dergestalt erniedriget, daß sie
wie Lakaien, oder besser, wie Wachtelhunde, vor
seinem Wagen her und durch die Stadt traben
müssen, wo man bis über die Knöchel im Kot
gehet. Ich erinnere mich nicht, eine Sache dieses
gleichen an dem Hofe des größten Monarchen von
Europa gesehen zu haben."*
Aber es lag etwas sonderbar Zwiespältiges im
Wesen Jan Wellems. Er konnte zu seinen Düssel-
dorfer Bürgern freundlich, wohlwollend, herab-
lassend sein. Zweimal in jeder Woche stand jedem
Bittsteller sein Arbeltszimmer offen. Er liebte es,
dann Düsseldorfisch zu sprechen, liebte es, an den
Festen der Bürger teilzunehmen, am Vogelschießen
der Sankt- Sebastian -Schützenbrüder. So erzählt wenigstens die Tradition in Düsseldorf.
Den Schützen schenkte er eine Königskette mit seinem Wahlspruch: Dominus virtutum
nobiscum. Er soll selbst einmal die Schützenkönigswürde In Düsseldorf erhalten haben.
Und wenn der eitle Chevalier de Blalnville nicht geschwindelt hat, so hatte er für seine
Düsseldorferinnen ein ganz besonders warmes Herz. Diese landesväterliche Zuneigung Jan
Wellems erregte indes die Eifersucht der kinderlosen Kurfürstin, die „sich gar oft schimpf-
lichen Anfällen aussetzte, wenn sie demselben in der Nacht in einem Mantel verhüllet auf den
Straßen nachschleichet, um seine Liebeshändel auszuforschen. Man darf sich aber darüber
nicht wundern, weil sie in einem Lande erzogen worden, wo die Elfersucht bis zur Tolhelt
steiget, und alle Welt weiß, daß der Churfürst kein Feind von Liebeshändeln ist."
Jan Weilern konnte den unnahbaren Landesherrn ganz vergessen, wenn er abends allein,
ohne Gefolge, In bequemer Tracht über den Marktplatz In die Zollstraße einkehrte. In das
Haus Nr. 7, die alte Posthalterei und Weinstube der Familie Maurenbrecher, ,,In der Kanon",
so genannt nach dem Signet über der Haustür, einer Kanone in einem Medaillon. Es war
die ,, Zechstube" der Düsseldorfer Künstler. Jan Wellem ging hier zwanglos ein und aus, hatte
eigenen Sessel und Pokal und freute sich beim Dhroner, seinem Llebllngsweln, der tollen
Schnurren seiner Künstlerfreunde. Die Zahl der Meister, die in und außerhalb Düsseldorfs
in seinen Diensten standen, ist ganz erstaunlich groß. Die Architekten Matteo Graf de Albertl
aus Venedig, Domenico Martlnelli, Riva, Jacob du Bois, Paul Reiner, Michael Cagnon, Aloyslus
Bartolus; die Bildhauer Gabriel de Grupello, Michael Catelan, Heinrich Charasky, Benedetto
Antonuzzl, Philipp Macrander, Prockhoff oder Brolchhoven, Peter van den Branden, Grupellos
* Blainviile: Reisebeschreibung. I. S. 68 ff.
8
Gehilfe bei dem Reiterdenkmal des Kurfürsten ; die Maler Adrian van der Werff , Eglon van
der Neer, Johann Franz Douven, Jan Weenix, Anton Schoonians, Gottfried Schalcken, Johann
van Kessel, van der Meyn, Jan van Nikkelen, Wilhelm Trost, Antonio Belucci, Antonio Pelle-
grini, Domenico Zanetti, Antonio Bernardi, Antonio Milanese usw.; dann nicht zu vergessen
der berühmte Waffenschmied Hermann Bongard, und Peter Boy, der Goldschmied und Email-
maler, und noch viele andere mehr. Wer die Gunst des Kurfürsten hatte, wurde mit Gnaden-
beweisen überhäuft. Adrian van der Werff, den Jan Wellem nicht bewegen konnte, seinen
Wohnort Rotterdam mit Düsseldorf zu tauschen, wurde: ,,Mit Decret vom 15. Juni 1697, vom
10. eiusdem an zu rechnen, zum Kabinettsmaler angenommen. Er soll ein halbes Jahr für den
Kurfürsten, ein halbes Jahr für sich arbeiten, dahingegen 4000 holländische Fl. aus den Ur-
munder Zollgefällen erhalten." Außerdem aber zahlte noch Jan Wellem die gelieferten Bilder
fürstlich und erhöhte das Jahrgehalt auf 6000 Gulden. Anton Clemens Leunenschloß, ein
Düsseldorfer Kind, und den Maler Gerhard Karsch sandte er auf seine Kosten zur künstlerischen
Ausbildung nach Italien. Hermann Bongard, dem Waffenschmied, schenkte er aus eigenen
Mitteln einen Bauplatz an der Mühlenstraße. Jan van Nikkelen wurde Chevalier. Gabriel de
Grupello schenkte er das schöne, heute noch erhaltene Eckhaus der Zollstraße am Marktplatz,
das über dem Portal noch Büsten von Grupellos Hand aufweist (Abb. 57). Ja, Jan Wellem
übertrug seinem Liebling und Hofstatuarius sogar das heimgefallene Lehen Mertzenich. Diese
und andere Gunsterweisungen des Kurfürsten an seine Künstler erregten natürlich den Neid
und Widerspruch der von ihrem Landesherrn nicht immer gut behandelten adligen Kammer-
herren und Geheimen Räte. Der Kurfürstliche Lehensdirektor und Geheime Rat, ein Herr von
Palmers, glaubte, die Bedenken der Regierung, gegenüber einem so fürstlichen Gnadenbeweis
wie der Übertragung des Lehngutes Mertzenich an Grupello, dem Kurfürsten nicht vorenthalten
zu können. Aber er bekam eine köstliche Antwort.
Jan Wellem verfügte: ,,die separationem feudalium
ab allodialibus auffs förderlichste vornehmen zu
lassen und dem Chevalier de Grupello quo ad feu-
dalia zu dem würcklichen Genuss der ihme hierm-
falss zugewendter Churfürstl. Gnadt ohne längeren
Anstandt förder-sambst zu verhelfen." Und Jan
Wellem fügte eigenhändig noch hinzu: ,,Mir kommt
die Warheith zu sagen dess Lehensdirectons Pall-
mers Conduitte in dieser Lehensache sehr wTjnder-
lich, passionirt und suspect vor, massen ehe und
bevor ich dieser Lehen noch jemahlss gedacht
gehabt, meinem Cabinets Statuanus dem Chevalier
Grupello zu conferiren, sondern ess geheischen,
oder ich wöirde ess den Ober Hoff Marschallen Baron Abb. 10. Rückst lt. zu Abb. 9.
de Wanghen geben, oder sonsten etwahe einen auss den druntlgen Landen, so lang sage ich
hat ess beständig geheischen, Mertzenich sambt Hauss und Guth seye fällig ohne Contradiction,
jähe er Palmers hat mirs wohl 100 Mahl selber repetirt, anjetzo aber, dhae sie sehen, dass ichs
einem so unvergleichlichen Mann wie der Chevalier Grupello ist, seiner Meriten halber geben
will, fangt der Pallmers undt die übrigen Räte allerhandt dergleichen Chicanen an, indeme
sie ihme undt allen schönen freyen Künsten von Grund auss feindt seien und dass auss keiner
anderer Ursach, alss weilen sie solche schöne Sachen nicht verstehen und ein Hauffen
Esell undt Idioten seindt, welche lieber den gantzen Tag sauffen, spiehlen und tabaccieren,
alss sich auff solche tugendliche und schöne Wissenschaften zu begeben, Ihr aber, mein liebster
Hoff Cantzler, wohl wisset, dass solche grosse Künstler, wie der Chevalier Grupello
undt andere seindt, weith mehrers estimire und vorziehe alss alle dergleichen
Plackscheisser, alss habt Ihr dem Chevalier Grupello mordicus zu sousteniren und in die
Possession setzen zu helffen. Wenn ich hernacher hinunterkomme, so will ich schon weiters
in Sachen sehen, wass zu thuen ist, und ihme Grupello tam in utilitate quam honore eiligst
recht zu thuen. Unterdessen habt Ihr diese meine Formalia den Pallmers vorzulesen undt
respectiv dem Grupello zu bedeuten. '
Die Randglossen eines Friedrich des Großen könnten nicht urwüchsiger und deut-
licher sem!
Jan Wellems künstlerische Unternehmungen nahmen, wie seine politischen Bestrebungen,
allmählich einen phantastischen Charakter an. Er ist eben zeitlebens ein Phantast, ein Kind
gewesen. Kinderaugen sind es, die vom Denkmalsockel herab auf dem Marktplatz lachend
in die Ferne schweifen. „Es ist etwas ganz leichtes, daß jeder Schelm, der die Kühnheit hat,
es zu wagen, ihn zu allem, was er will, überreden kan, zumal in solchen Sachen, wo man ihm
einbildet, er trüge viel bey, den Glanz semer Hoheit zu zeigen: denn er ist bis zur Aus-
schweifung ehrgeizig," schreibt Herr von Blainville. Er wollte den Stein der Weisen finden
und fiel dabei manchem Scharlatan in die Hände. Da war der Graf della Torre, ein großer
„Entwurfsmacher und Fuchsschwänzef", der „aus der Churfürstlichen Casse ansehnliche
Geldsummen herauszuziehen" verstand. Aus Kupfer wollte er Gold machen, denn Gold,
viel Gold hatte Jan Weilern nötig. An goldenen Ketten schwebten in den Wolken seine
Prachtbrücken und Gärten der Semiramis. Luftschlösser plante er, daß Rom und Versailles
Augen machen sollten. Dieser kurfürstliche Peer Gynt:
Man hat ein Ziel, ganz ohne Frage.
Und dieses ist? Kaiser werden! Kaiser?
Jawohl! Und wo? In aller Welt! (Peer Cynt.)
In aller Weh. In einer phantastisch neuen Welt. Philipp Wilhelm, den Vater, hatte es
nach der Krone Polens, dann nach dem deutschen Kaiserdiadem gelüstet. Jan Wellem aber
hatte viel abenteuerlichere Pläne. Seine Schwäger, die drei mächtigsten Herren der Welt
neben der Allerchristlichsten Majestät, Leopold, der Deutsche Kaiser, Karl IL, König von
10
Spanien, und König Peter von Portugal, sie sollten
wissen, was er für ein Kerl war. Kaiser von Armenien
wollte er werden. Kaiser des Orients.
Israel Ory war mit anderen Armeniern nach Düssel-
dorf gekommen. Sie hatten von dem prachtliebenden
Jan Wellem gehört und trugen erst den Räten, dann
dem Kurfürsten ihre Pläne vor: Armenien schmachte
unter der Osmanenherrschaft. Die Freiheit des ritter-
lichen Gebirgslandes sei geknechtet. Wenn aber ein
Jan Wellem sich an die Spitze des Volkes stellte, so
würde man Ihm begeistert folgen und das Türkenjoch
abschütteln. Dann sei das romantische Bergland mit
seinen fruchtbaren Tälern sein eigen.
Kaiser von Armenien! Selbst dem phantastischen
Jan Wellem mag dieses Zukunftsbild, als 1697 Israel Ory
ihm zuerst davon erzählte, ein Wolkenkuckucksheim
gewesen sein. Seine lustigen Kinderaugen lächelten.
Man wußte doch auch damals schon, wie viel schlauer
der Armenier als Kaufmann ist, denn Griechen, Syrer
und Juden. Aber Ory schwelgte in bunten Bildern von
der Schönheit und dem Reichtum des Landes. Nur die
Ausgewanderten seiner Landsleute seien Handelsleute,
die Einheimischen dagegen das edelste und treuergebenste
Land- und Hirtenvolk von ritterlicher Hoheit der Ge-
sinnung. Jan Wellem ward gewonnen. Der Ehrgeiz der
Kurfürstin, mit Ihren Schwägerinnen gleichen Rang zu haben, förderte die Verhandlungen.
Jan Wellem sah sich an der Spitze seiner siegreichen Pfälzer und Jülich-Berger über Länder
und Meere ziehen, berufen, allen Kreuzzügen die Krone aufzusetzen. Wenn das christliche
Armenien von der Heidenknechtschaft befreit sei, wollte er die Türken für die römische
Kirche gewinnen.
Er sandte Ory mit Vollmachten In die Heimat. Die Großen des Landes wählten ihn feier-
lichst zu ihrem Kaiser und leisteten den Treueid. 1699 langte Ory wieder in Düsseldorf an.
Und nun arbeitete Jan Wellem seinen Siegeszug aus: Mit seinen niederrheinischen und pfäl-
zischen Truppen wollte er durch Polen und Rußland nach Armenien ziehen und dort sich
mit den Scharen der Freiheitskämpfer vereinigen. Der Papst gab dem Plane seinen Segen.
Auch aus Petersburg brachte Ory die Einwilligung Peters des Großen mit. Da vertagte der
Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahre 1701 die Ausführung des armenischen
Unternehmens. Jan Wellems Truppen mußten für den Kaiser kämpfen, und der Erbfolge-
k
' ^'>''
r
i
!■
-Ä^
m^^^^^m
l^^H^^^^^^^
Abb. II. Jan Wellem. Statuette von Grupello.
Kunstakademie zu Düsseldorf.
11
krieg reihte ein Jahr an das andere. Jan Wellems Gedanken hingen dennoch weiter an Orys
farbenprächtigen Bildern. Als endlich der Friede zu Rastatt im Jahre 1714 Ruhe brachte,
mußte der Kurfürst die Oberpfalz und die Grafschaft Cham herausgeben. Die Beziehungen
zu Armenien waren inzwischen zerrissen. Zwei Jahre später nahm Jan Weilern seine Träume
vom Kaiserreich des Orients mit in das Grab*.
Die orientalischen Pläne hatten Jan Wellem jeden Maßstab für die reale Wirklichkeit ge-
nommen. Ihm kam der Einfall, aus Düsseldorf um jeden Preis ein zweites Versailles zu machen.
In den Jahren 1679 — 1690, als er, noch zu Lebzeiten seines Vaters, die Regentschaft der nieder-
rheinischen Herzogtümer führte, hatte er Düsseldorf derart liebgewonnen, daß er später als
Kurfürst von der Pfalz für Heidelberg weniger Interesse zeigte. Er hatte wohl die Absicht
gehabt, das von den Franzosen zerstörte Heidelberg wieder aufzubauen und in der Ebene
ein groß angelegtes Residenzschloß zu errichten. Im Bayerischen Geheimen Staatsarchiv ist
eine ,,specificatione delli disegni fatti et che restano da farsi per il palazzo d'Eidelberg in
ordine alla pianta ideata per commando del ser!i^ Elettore Palatino" erhalten. Aber diese
Projekte scheiterten am Widerstand der Pfälzer. über seinen Düsseldorfer Plänen, das alte
Schloß, die Stadt und die Kunstsammlungen auszubauen, in Düsseldorf und Bensberg neue
Schlösser zu errichten und die jülichsche Landesburg Hambach der Zeit entsprechender um-
zugestalten, vergaß Jan Wellem das zerstörte Heidelberg.
Sein Düsseldorfer Lieblingskind war das kurfürstliche Opernhaus in der Mühlenstraße,
an jener Stelle, wo später, im Jahre 1766, die Residenz der Statthalter errichtet wurde
und wo heute das neue Justizgebäude steht. Die beiden Italiener Gorini und Gualardi
hatten im Inneren die reichen Stuckdekorationen geschaffen. Antonio Bernardi, Ingenieur
du theätre, toujours actif, toujours infatigable, avec une source d'invention mepuisable,
wie ihn Raparini, Jan Wellems Kabinettsekretär, nennt, entwarf die Theaterdekorationen.
Wir wissen sonst nichts von dem Bau der Oper und seiner Inneneinrichtung, wissen
aber wohl, daß Jan Wellem den Bau mit fürstlicher Freigebigkeit ausstattete. ,, Unter uns
gesagt," meinte emmal Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Herzogin von Orleans, in einem
Schreiben an ihre Schwester, die Raugräfin Louise, ,,der Kurfürst hätte besser getan, die
20000 Thaler anzuwenden, das Heidelberger Schloß wieder auszubauen, als vor eine opera.
Das ist nicht ä propos in jetziger Zeit." Ach was, ä propos oder nicht ä propos in jetziger Zeit.
Die Liebe zur Musik und zum Theater war Jan Wellems Erbteil seines Vaters und Großvaters.
Als er im Jahre 1689 Maria Anna Luise von Toscana, die Tochter Cosimos III. von Toskana,
in zweiter Ehe aus Florenz heimführte, hatte die italienische Oper seine ganze Liebe
gewonnen. Walter hat darüber ausführlich gehandelt**. Wenn in die kleine niederrheinische
Residenz der Karneval seinen Einzug hielt, dann waren italienische Sänger und Sängerinnen
* Joseph von Fink: Über die politischen Unterhandlungen des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz zur Befreiung
der Christenheit in Armenien vom Joche der Ungläubigen. München 1829.
** Walter: Geschichte des Theaters und der Musik am Kurpfälzischen Hof. 1898, — Vgl. dazu die ergänzenden Angaben
bei Levin im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XXIII. S. 96 ff.
12
, '!7y//|iui)bl.W/.Vör>:Jl)ui:Juvtllicl;cn/A;('/()i';//-^ ■\l)lo|!'.
unnuan mm jfilljcu iVi^ H'uvcs i'lnli berfiu l'oml't
♦ ^
)! \^ R r= P f
Abb. 12. Düsseldorf. Altes Schloß, Schnitt. Aufnahme vom Jahre 1756. Vgl. Abb. 13. 14 und Bd. 1 Abb. 193, 194, 199.
Links das Galeriegebäude. Vgl. Abb. 16 — 19.
Jan Wellems Gäste. Das Opernhaus In der Mühlenstraße sah die ganze Pracht der großen
italienischen Oper. Raparinis Operntexte vertonte der Abbate Moratelli, der „Kapell-
meister des Kurfürsten und Ehrenkaplan der Erzherzogin Maria Anna von Osterreich".
Baidassar i war als „Virtuoso Soprano" der Stern der Düsseldorfer Oper. Zum Karneval
des Jahres 1695 hatte Moratelli die Oper ,J1 fabro pittore" komponiert. Der Inhalt ist höchst
interessant: man unterhält sich über Bilder aus dem Besitz des Jan Weilern, über die Rubens
und andere Dinge. Die glanzvollste Aufführung sah die kurfürstliche Oper, als 1705 Karl III.
von Spanien in Düsseldorf weilte und ,,La Monarchia stabilita" aufgeführt wurde, eine Oper
mit zweiundzwanzigmahgem Szenenwechsel. Eine umfangreiche Maschinerie war dazu nötig.
Fortwährend wurde gezaubert. Schlachten wurden geschlagen. Ungeheuer schwebten in den
Lüften, Städte wurden belagert. Alles eigens zur Verherrlichung des königlichen Gastes. Auf
Moratelli folgte der Kapellmeister Wilderer. 171 1 war auch Haendel Gast bei Jan Weilern,
den er mit seinem Klavierspiel entzückte. Der Kurfürst hielt länger, als die Reise vorgesehen
hatte, den Künstler auf seinem Schloß und führte ihn durch die Sammlung wertvoller Musik-
instrumente. Weit und breit genossen Jan Wellems mmsikahsche Bestrebungen in der Musik-
welt hohes Ansehen. Arcangelo Corelli aus Rom widmete 1712 sein letztes Werk, die
,,Concerti grossi", dem kunstbegeisterten Kurfürsten am Niederrhein.
Und dann der Ausbau des alten Schlosses auf dem Burgplatz (Abb. 12 — 14).
Die große Explosion des Pulverturmes vom Jahre 1634 hatte das benachbarte alte Schloß
arg beschädigt. Wolfgang Wilhelms und Philipp Wilhelms Reparaturen hielten nur einige
13
Jahrzehnte vor. Jan Weilern mußte im Jahre 1696 ernstlich an größere Umbauten denken,
„weillen die Noth in mehr undt mehr erfordert, dass ich memen allhieigen Residenzbau, dessen
Baufälligkeit sich alle Tage mehrers hervorthuet, angreiffen lasse", wie er an den Reichs-
vizekanzler, den Grafen von Kaunitz, schrieb. Baumeister Riva erhielt den Auftrag, Pläne
für den Umbau zu entwerfen, und Jan Weilern bat den Grafen von Kaunitz, den Wiener
Baumeister Domenico Martinelli (1650 — 1718), den Erbauer des Lichtensteinschen
Majoratshauses in Wien (1699 — 1711), zu veranlassen, nach Düsseldorf zu kommen. Die
Baugeschichte des Düsseldorfer Schlosses ist — ich habe das oben schon einmal erwähnt —
nicht ganz geklärt. Wir wissen nichts Weiteres über die Tätigkeit der Martinelli, der zwischen
1699 und 1701 in Düsseldorf gewesen ist*, und Riva beim Umbau des Schlosses und wie
weit die Kolonnaden im Hof auf einen der Meister zurückzuführen sind (Abb. 12, 14). Nach
den Formen der Arkaden und Portale könnte man auch noch an einen anderen Baumeister
denken, auf den ich unten noch zurückkomme, Matteo Graf de Alberti.
Das Innere des Schlosses erhielt eine überreiche und prunkhafte Ausstattung aus-
gesuchter Kostbarkeiten. Blainville fand den ,, Gehörsaal mit den allerschönsten Tapeten
und den herrlichsten Malereyen reichlich verzieret. Die Tische, die Spiegelrahmen, Wand-,
Arm- und Kronenleuchter, und das Camin und alles andere Geräthe von dieser Art aus
purem Silber. In einer Ecke dieses Saales hänget ein großes Gemälde, welches den Chur-
fürsten in Lebensgröße zu Pferde vorstellet, von einem deutschen Maler, Namens Duben
(gemeint ist Johann Franz Douven), und in den Fensterfüllungen sind die vier Teile der Welt
mit ihren vornehmsten Städten statt der Einfassung von dem berühmten van Kessel aus
Antwerpen gemalet." In den angrenzenden Kabinetten waren die Fußböden aus ,, eingelegter
Arbelt von japanischem Holze mit Blumenwerk von Elfenbein, Messing, Schildkröten, Schalen
und anderen Zierrathen ausgeputzt. Die Decken dieser Zimmer, wovon man sehr viel Rühmens
macht, sind von einem jungen Frauenzimmer, der Jungfer Spielbergin, gemalet." Die Wände
der Privatgemächer des Kurfürsten schmückte eine Fülle ausgesuchter Kabinettstücke
niederländischer und italienischer Meister. Jan Wellems Sammelleidenschaft kannte keine
Grenzen. Die Utrechter Porzellansammlung von Schagen erwarb er für 10 000 Fl. Dem
Amsterdamer Goldschmied Walrave hatte er 20000 Fl. für Juwelen und Schmucksachen zu
zahlen. Weitere ,,KabinetsjubiHere" waren der kurpfälzische Hofkammerrat Giorgio Stella,
Simon Eckart und Johann Carmer. Neben dem alten Jägerhof in Pempelfort war in der
kurfürstlichen Edelsteinschleifmühle der Steinschneider Teck tätig. Von 1695 — 1698 war
auf dem Schlosse bei freiem Quartier und monatlich 50 Reichstalern eine Schar italienischer
Damastwirker unter der Leitung von Vido Tasso beschäftigt. Wilhelm Birth war ,,Chur-
pfälzischer Kunstschlosser". Carlo Bonaveri, Francesco Orsolini, Gonni, Guarlardi,
Antonio Rizzi, Bugliachi, Antonio Fabri u. a. m. waren Jan Wellems Kunststukkateure,
Elhoven und Leoni Elfenbeinschnitzer, Guidemon Guimet de Beaulie, Isaak Naville,
* Vgl. Lau im Düsseldorfer Jahrbuch 1913/14. S. 242.
14
, fill^cu. /V'/u■(/^l••.• xl)ur|ui-|ilul)eu.^t.*a\//^ ;\"t^li'|.^
ntxd) dtiu \ll)tw i'u |nml)t üurcl][fl)uil nu'i|cbcu ^cr^////^'//V
unoOfmV'i*ljtii|x
M fi ■ S B fi a.BB fiV|l\
UM y a y i —
HinHiumniitiHiHiiihiihiirmnuiniwmn' rwR^nT??,
I I 11 IIIIJ.III III
J I I I ÄA III II I I
!■ ■In ^ ^^^w
I»- s .. i 11 ■ i i I I ■ ■:
i
I
Abb. 13. Düsseldorf.- Altes Schloß. Ansicht der Uferlront vom Jah-e 17-:6. Vgl. Abb. 12, 14 unJ Bd. 1 Abb. 193, 194, 199
Abb. 14. Düsseldorf. Altes Schloß. Grundrißaufnahme vom Jahre 1756. Vgl. Abb. 12, 13 und Bd. I Abb. 193, 194. 199.
Rechts oben die Wache. Vgl. Abb. 15. — Rechts unten Hof der Galerie. Vgl. Abb. 16 — 19. 15
Abb. 15. Düsseldorf. Burgplatz mit der ehemaligen Wache; links der Galeriebau, hmter der Wache das Schloß.
Vgl. Abb. 12, 14, 16, 17
Laglsse, Bussat, Fürstenfeld, Dionysius de Four und Noel de Nou waren Hof-
uhrmacher. Ebenso kamen auch die Kunsthandwerker Isaak Guimon, Jacob Peravard,
Franciskus Guimon und andere aus Frankreich in die Düsseldorfer Residenz. Die
Zahl der Kunsthandwerker Jan Wellems ist ebenso erstaunlich groß wie die der Baumeister
und freien Künstler. Buckels, seinen Bibliothekar, sandte er nach Italien, um Werke des
Raimundus LuUus aufzufinden und zu erwerben*.
Wir müssen uns von Herrn Zacharias Conrad von Uffenbach, der um das Jahr 1711 in
Düsseldorf weilte, erzählen lassen, wie es in Jan Wellems Sammlungen aussah**. Er war
von Kabinett zu Kabinett gewandert. In der kurfürstlichen Bibliothek sah er Herrn
Le Roy, der ihm das Prunkstück, einen Horaz-Codex, zeigte, dann verschiedene Bände von
,,epistulis autographis eruditissimorum virorum" und ,, etliche sehr zierliche Brevina, darunter
* Vgl. zu Levins Beiträgen zu den Kunstbestrebungen usw. im Düsseldorfer Jahrbuch XIX, XX u. XXIII auch Friedrich
Lau: Beiträge zur Geschichte der Kunstbestrebungen des Kurfürsten Johann Wilhelm. Düsseldorfer Jahrbuch XXVI.
** Uffenbach a.a.O. III. S. 722-744.
16
war eins in Duodez, mit Silber beschlagen, in welchem viele schöne Mignaturfiguren, als
ich jemalen in dergleichen gesehen habe" usw. Andere Kabinette faßten die physikalischen,
optischen und mathematischen Instrumente, andere die Münz- und Medaillensammlungen.
Aber lassen wir Uffenbach darüber erzählen: „Zu den Medaillen sind zwey große und schöne
Cabinete gemacht, beyde von schwarz Ebenholz auswendig und mit Messing eingelegt, inwendig
aber sind Schubladen oder Bretter von Schildkrot und Elfenbein eingelegt, an dem, in welchem
die antiquen liegen, ist der Grund Schildkrot und die Blumen oder Laubwerk Elfenbein, an dem
andern aber, in welches die moderne kommen sollen, ist der Grund Elfenbem und das Laub-
werk hingegen Schildkrot. . . . Jedes dieser Cabinete soll achtzehnhundert Reichsthaler gekostet
haben." Ihr Verfertiger war der Kunstschreiner Anton Lautenschein. Jeder, der die kunst-
volle Arbeit sah, war entzückt. Uffenbach sah „zwanzig bis dreyssig antique Ringe, so der
Churfürst alle in Gold fassen lassen. Dabey lag neben der Harpocrates, welchen Herr Cuperus
in einem eigenen Tractate beschrieben Sonst stunden . . . allerhand Urnen, Vasen,
Utensilien, Götzen und dergleichen, deren eine ziemliche Anzahl". Sicherlich gehörten dieser
Sammlung auch die überaus wertvollen Miniatur-Medaillons an, die Peter Boy und Franz
Douven für Jan Weilern gearbeitet haben*. Der Kurfürst zeigte für die Vervollständigung
seiner Münzsammlung das lebhafteste Interesse. ,, Unter den vielen Medaillen der Antoninen,
die auf dem Revers die Inschrift ,Aeternitas imperii' tragen, fehlt uns nur die eine von Antoninus
Caracalla," schrieb er am 30. Juli 1707 an den Grafen Fede, seinen römischen Kunstlegaten.
,,Es wird Ihnen nicht schwer fallen, sie in einem der dortigen Cabinette aufzutreiben." Der
Kurfürst sah wie der echte Sammler auf wissenschaftliche Vollzähhgkeit. Daneben lag ihm die
künstlerische Hebung der heimischen Münztechnik am Herzen (Abb. 4, 5, 9, 10).
Wir müssen Uffenbach noch in die kurfürstliche Waffensammlung begleiten. Er ist be-
geistert. ,,Die beiden Cabinete sind obwohl gar klein, dennoch unvergleichlich. Ehe ich dahin
gienge, mußte ich meinen Degen nicht allein ablegen, sondern weil die Böden mit allerhand
Holz sehr schön eingelegt, auch polirt sind, mußte ich besondere Pantufflen, wie in Holland
gebräuchlich, über die Schuhe anziehen, wie auch Handschuhe, damit das Gewehr, welches
ich zuerst sah, nicht anliefe. Es war aber eine Flinte, ein Paar Pistolen und ein Degen, alles
von Stahl mit sehr viel erhabenen zarten Figuren, gewiß unvergleichlich gearbeitet und verguldet.
Sie sind allhier in Düsseldorf von einem Namens Hermann Bongard gemacht. Ich habe
dergleichen mein Lebtag nicht gesehen. Sonst war in diesen Cabineten ein ungemein schöner
Vorrath von kleinen, aber der schönsten Gemählden, worunter sehr viele von Breughel und
van der Werff . Auch war auf der Seite ein gläserner Schrank, in welchem allerhand künstliche
und kostbare Gefäße von Agat und dergleichen Materien." Hermann Bongard aus Süchteln,
der seit 1678 in Düsseldorf bis zu seinem Tode tätig war, ist heute von den Düsseldorfern
* Vgl. Hans Buchheit: Emailarbeiten von Peter Boy. Porträtminiaturen von J. F. van Douven. Ein Beitrag zur Ikono-
graphie des Hauses Witteisbach. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XXIII, S. 186 ff. u. Taf. I— V. — Die Arbeiten
sind heute, wie die meisten anderen Stücke der Düsseldorfer Schatzkammer, im Bayerischen Nationalmuseum.
3 17
längst vergessen und war doch einer der Größten seines Fachs gewesen! — Dann Jan
Wellems Gemäldesammlung. Von ihr erschöpfend zu reden, hieße ein eigenes großes Buch
schreiben. Eine Aufgabe, die im Zusammenhange mit den übrigen künstlerischen Unterneh-
mungen des Kurfürsten auch bald geleistet werden soll. Ich kann mich hier ganz kurz fassen.
Jan Wellems Bildersammlung bildet heute die Perlen der Münchener Alten Pinakothek.
Und was bleibt von dieser, wenn man sie herausnehmen wollte ? Eine Fassung, der doch die
glänzendsten Stücke fehlten. Denn auch viele der aus Mannheim nach München gelangten
Bilder hatte einst Jan Wellems Sammelleidenschaft für Düsseldorf erworben. ,,Ich weiß nicht,"
sagt Franz von Reber im Vorwort des Katalogs der Alten Pinakothek, ,,ob sonst jemals eine
Sammlung .... in ähnlicher Gewähltheit und Bedeutung zusammengestellt worden ist. In
Deutschland gewiß nicht. . . . Der Rubenssaal daselbst enthielt nicht weniger als 40, alle
Hauptwerke außer den bisher genannten unserer bekanntlich bedeutendsten Rubenssammlung
der Welt, von den 29 größeren Van Dyck, welche unser Van-Dyck-Saal bewahrt, stammen 1 7
aus Düsseldorf, ebenso drei der schönsten Snyders, die zwei Profanstücke von Jordaens, der
große G. de Crayer und die beiden Doufeet, die berühmte, aus sechs Stücken bestehende biblische
Abb. lo. Uüsseldorl. Blick in din Hof der ehemaligen Galerie. Zeichnung von Hildebiand. (Histor. Museum.)
Vgl. Abb. 12,14,15,17-19.
18
Serie von Rembrandt, wie dessen Selbstbildnis, der große Dou, das Bohnenfest von Metsu und
auserlesene Cabinetstücke der Holländer und Flamländer überhaupt. Und von den Italienern
außer Hauptwerken von Caracci, Domenichino und Reni, der Vesalius des Tintoretto, die
beiden Madonnen mit Heiligen und Donatoren von Palma Vecchio und Tizian, namentlich
auch die Heilige Familie von Andrea del Sarto und Raphaels Heilige Familie aus dem Hause
Canigiani. " Jan Weilern hat keine Verbindung unbenutzt gelassen, um diese grandiose Samm-
lung zu schaffen. Cosimo III. von Toskana zeigte sich in manchem wertvollen Stücke seinem
Schwiegersohne für politische Dienste erkenntlich. Ebenso der Kardinal Ottobono in Rom.
Cosimos Gesandter beim Heiligen Stuhl, der Abbate und spätere Graf Antonio Maria Fede, war
ununterbrochen für den Ausbau der Düsseldorfer Sammlungen tätig. Aus Madrid, den Kunst-
sammlungen des verwandten königlichen Hauses, wanderte manches kostbare Stück nach
Düsseldorf. Und ebenso die Schätze, die Kirchen und Schlösser im Lande bargen. So aus
Abb. 17. Düsseldorf. Burgplatz im Jahre 1859. Links der Galeriebau, rechts die Akademie, das ehemalige Schloß. Nach einer
Zeichnung von A. Frank. (Histor. Museum.) Vgl. Abb. 12, 14, 13, 16, 18, 19, 21, 22.
19
Abb. 18. Düsseldorf. Ehemaliger Galerlebau. Schnitt. Nach Nie. de Pigage, Catalogue raisonne.^Vgl. Abb. 12, 14, 16, 17, 19, 21, 22.
Früher statt der Statue des Kurfürsten in der Mitte des Hofes eine Fontäne. Vgl. Abb. 20.
I'landi li.vn.Mi;Nr r)i-; i..\ (Jai.i.iuk Kij.i •loitM.F. ijks I.mmxai'x aDi .<ski.ixiiih
Abb. 19. Düsseldorf. Ehemaliger Galeriebau. Grundriß. Nach Pigage. Vgl. Abb. 12, 14, 16-18,21,22.
20
der Jesuitenkirche zu Neuburg Rubens großes Jüngstes Gericht. In den Niederlanden reiste
Johann Franz Douven für seinen kurfürstlichen Herrn. Der 1656 in Roermond geborene
Maler, der nicht weniger denn drei Kaiser, drei Kaiserinnen, fünf Könige, sieben Königinnen
porträtiert hat, war Jan Wellems wichtigster Mitarbeiter an der Schöpfung der Düsseldorfer
Sammlung. Er war als „Cammerdiener und Cabinetsmaler" in die Dienste des Kurfürsten
getreten und verpflichtete bald seinen Herrn derart, daß im Jahre 1700 sein Jahrgehalt auf
2500 Reichstaler erhöht wurde. Aus dem Kammerdiener wurde ein Ministre des beaux arts.
Ihm war die Oberaufsicht der kurfürstlichen Sammlungen unterstellt.
Das Schloß am Burgplatz glich bald einem gefüllten, unwohnlichen Magazin, das keinen
neuen Schatz mehr aufnehmen konnte; für den großen Rubens aus Neuburg war überhaupt
kein Platz zu schaffen gewesen. Das Bild mußte einstweilen bei den Kapuzinern untergebracht
werden. Jan Wellem konnte nicht mehr anders, er mußte für seme Kunstschätze emen Anbau
an das Schloß vornehmen und betraute damit Grupellos Gehilfen und Halbbruder, den
Bildhauer, Architekten und Ingenieur Jacobus du Bois* (Abb. 18). Er war im Jahre 1700
als Hofarchitekt und Ingenieur in die Dienste Jan Wellems getreten. Nach dem Tode des
Kurfürsten wurde er vom Hofe entlassen und starb 1722**. Raparini hat in seine Schrift
jedem der führenden Künstler am Hofe Jan Wellems eigenhändig eine Medaille eingezeichnet.
Die für Jacobus du Bois hat die Umschrift: ,,Insignis sculptor simul architectus es idem..
Laus duplici ex merito pulchra iterata placet." Eine andere Medaille zeigt den Durchschnitt
durch das neue Galeriegebäude. Als Uffenbach im Jahre 1711 in Düsseldorf weilte, war der
Bau noch nicht vollendet. ,,Die Galerie von Gemählden ist . . . oben auf dem dritten Stock
des Schlosses, und bestehet aus dreyen schmalen, auch nicht gar langen unterschlagenen
Gängen . . . Herr Friderici, ein Mahler, so darüber gesezt ist, führte mich . . . Zuletzt sah ich
das Kunsthaus selbst, so aber noch nicht fertig. Es stehet gleich vor dem Schloß, ist sehr groß,
und hoch von Backsteinen aufgeführt. Oben sollen die Antiquitäten und Medaillien, wie auch die
Mahlereyen kommen ; unten aber lauter große Statuen. . . Es sollen die Sachen (gemeint sind die
Kostbarkeiten der Kleinkunst), wie Herr Le Roy versicherte, wann sie in das Kunsthaus kommen,
alle zierlich und ordentlich auf Pyramiden gesezt werden, welches wohl höchstnötig ist."***
Im Jahre 1719, drei Jahre nach Jan Wellems Heimgang, erschien der erste Katalog der
Düsseldorfer Galerie. , .Ausführliche und gründliche Speculation derer vortrefflichen und
* „Mais ne vois je point ici se detacher de la statuaire, pour se porter a l'architecture, quitter le pesant ciseau pour traiter
la plume, certaine personne dont l'art a tout le solide qu'elle demande et le grave qu'exige cette illustre matrone de l'architecture?
erzählt Raparini von dem bisherigen Gehilfen Grupellos, der nun vor eine architektonische Aufgabe gestellt v/nd. „Tay veu
autre-fois cette meme personne d'une main hardie et heureuse trouver le tendre et le moilleux au milieu des marbres, dans la
celebre ecole de Monsieur Grupello, son demifrere, et lui preter son bras, pour lui aider ä faire eclorre glorieusement la forme, ä
tirer le delicat hors du rüde et du massif. et je Tay vü depuis d'une mam legere et non chancellante, conduire des lignes ä leur
centre, tracer des plantes de bätiments bien considerees et meurement etablies et sur ces memes plantes erriger des fajades Dien
ornees, poser ä cöte des profils, le tout avec proportion et regle — C'est Monsieur Du Boit."
** Vgl. Lau im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XXVI (1914). S. 244.
*** Uffenbach a. a. 0. III. S. 725, 729, 742.
21
unschätzbaren Gemählden, welche in der Galerie der Churfürstl. Residenz zu Düsseldorf in
grosser Menge anzutreffen seynd. " Er stammt von dem Maler Gerhard Karsch, den der
Kurfürst zum Galeriedirektor ernannt hatte. Sein Führer liest sich fieilich wie die „Fliegenden
Blätter". Gleich die Einleitung: „Wie hoch aber die Kunst zu unserer Zeiten beschätzt worden,
um Plinio mit seinen 35 Büchern das Maul zu stopffen, kan ich mit dem glorwürdigsten Kayser
Carlo V. wie auch Ludowico XIII. in Frankreich, welcher Raphaeli de Urbino dreyssig Thaler
vor ein Stück verehret, (unzahlbare andere zu geschweigen) klärlich genug beweisen. Daß
aber dieses hoch-flonrendes durchlauchtigstes Chur-Hauss Pfaltz keinen von diesen ein Haar
weichen wollen, zeiget an die unvergleichliche Quantität der kostbaresten und unschätzbaren
Gemähide usw." Noch philiströser und superlativer wird der Maulstopfer Karsch bei der
Beschreibung der einzelnen Bilder. Da heißt es: ,,Eine Kinder-Tödtung von der ersten Manier
gemahlet von Hannibal Carraci", ,,Ein schlaffender Cupido, wie ihme Spsiche die Gurgel
abschneiden will", ,,Eine Schweine- Jagd, allwo etliche Hunde verwundet und andere sich
unterstehen zu beissen", ,,Ein Silenus, wie er von Satyren und Bacchanten gantz besoffen
gefuhret wird", ,,Der verlohrne Sohn, welcher in dem Bordello mit Trincken und Caressiren
sich verfuhren lässt". Die Bilder sind ,,sehr natürlich, sehr rigoros, sehr kunstlich, sehr fleißig
gemahlet" oder ,, unvergleichlich inventiert", ,,sehr freundlich experimentirt" usw.
Nicolas de Pigage, der Baumeister des Benrather neuen Schlosses, gab im Jahre 1778
einen neuen Katalog der Düsseldorfer Gemäldegalerie heraus. Zwei Foliobände mit zahl-
reichen Kupferstichen*. Ein Prachtwerk, das bald Weltruf erlangte und uns genauer über
die Anlage des Galeriegebäudes und der einzelnen Kabinette unterrichtet (Abb. 18, 19, 21 , 22).
Der Galeriebau war indessen von Jan Wellem nur als ,, place ad Interim ä ses tableaux" gedacht,
„en attendant qu'il püt les placer d'une maniere plus convenable dans un vaste palais, qu'il
projettoit de bätir ä Dusseldorf et dont les plans encore subsistans, annoncent un edifice
des plus somptueux" (Pigage). (Vgl. Abb. 27.)
Der Galeriebau war eine dreiflügellge Anlage (Abb. 16 — 19). Davon ist heute nur noch
der eine Flügel zwischen Rathaus und Kunstgewerbeschule erhalten, der im Erdgeschoß unter
einem alten Deckengemälde von Zanetti die Anmeldung neu hinzugezogener Bürger entgegen-
nimmt, im oberen Geschoß die Schüler und Schülerinnen der Kunstgewerbeschule in die
Anfangsgründe der Zeichenkunst einführt. Hinter diesem alten Flügel der Galerie stand bis vor
kurzem auf dem Hof der Kunstgewerbeschule auf schlichtem Sockel das Denkmal Jan Wellems
mit Panzer und Purpurmantel. Die Linke pathetisch in die Seite gestemmt. Lorbeer im Haar.
Und schwärmensch wandern wieder die Augen der untersetzten Gestalt in die Ferne**. Eine
Arbeit Grupellos. Auch Pigage fand an dieser Stelle das Denkmal vor (Abb. 18, 19). Aber es
war erst wenige Jahre vorher zur Aufstellung gekommen. Wo es sich früher in Düsseldorf
* Nicolas de Pigage: Catalogue raisonne des tableaux de la Galerie Electorale de Düsseldorf. 1778. Edit. rev. et augm 1809
— Die Katalog- und Galerie-Literatur bei Giemen: Kunstdenkmäler des Kreises Düsseldorf. S. 19—21
** Giemen: Kunstdenkmäler des Kreises Düsseldorf. Abb. 21.
22
befand, kann ich nicht angeben. Es war
nach dem Tode Jan Wellems nach Mann-
helm gewandert, dann später gegen Gru-
pellos Fontäne wieder ausgetauscht worden.
„Eine grose Piramlde von Bruns gegosen
so auf dem Galleneplatz stehet worahn
die fontalne annoch nicht fertig sambt an-
gehörlgen Nymphen mit dem Acthäon undt
Diana", wie das Inventar vom Jahre 1716
angibt*. Es ist die seltsam überladen kom-
ponierte Allegorie, die heute den Mann-
helmer Paradeplatz schmückt (Abb. 20)**.
Auch das Standbild des Kurfürsten hat
später, vor wenigen Jahren erst, den histo-
rischen Boden des alten Galeriehofes ver-
lassen müssen und steht heute, leider so
ganz unter Ausschluß der Öffentlichkeit,
Im Garten des Jägerhofs. Nach dem Hof zu
Ist der alte Galerleflügel wie der einst
gegenüberliegende, der durch ein Treppen-
haus mit dem Schloß verbunden war (Abb.
19, 14), ganz schlicht. Nur der Mitteltrakt
der hufeisenförmigen Anlage hatte in der
Mittelachse einen vortretenden, mit einer
Attika bekrönten Risalit (Abb. 18, 19)***.
Der Mittelpunkt des Galeriegebäudes
war der Saal ,,dite Rubens' mit den großen
Bildern der Münchener Pinakothek (Abb.
21 , 22), um den sich die anderen Kabinette
gruppierten, wieder benannt nach den wich-
tigsten Melstemf . In den Sälen standen
kostbare Marmortische. Die Decken hatten
Abb. 20. Mannheim. Denkmal auf dem Paradeplatz. Ehemals im
Hofe des Düsseldorfer Galeriebaues. Vgl. Abb. 18, 19.
* Uffenbach sah bei seinem Besuch in Grupellos Gießhause „viele und große Figuren zu einem vortrefflichen Brunnen oder
Wasserwerk, so auf dem Platz bei dem Kunsthaus soll gesetzt werden .
** Vgl. Jos. Aug. Beringer: Gabriel von Grupello am Oberrhein. „Die Rheinlande." VII. 1907. Heft 5.
*** Vgl. das Bild des Galeriehofes von A. Achenbach in der Kunsthalle zu Düsseldorf.
t Die Darstellung bei Pigage wird nicht ganz mit der Aufstellung zur Zeit Jan Wellems übereinstimmen, da, durch
Abgang und Austausch mit Mannheim, im Jahre 1778 die Sammlung ein anderes Aussehen erhalten hatte, auch eine andere An-
ordnung und Numerierung. Das Verzeichnis bei Jan van Gool führt 339 Stücke auf, das von Collins (Catalogue des tableaux
23
ClX(^)i;iF.3VE Sai.LK IV.iMi.rc l'..,.,.l.
Abb. 21. Düsseldorf. Wand aus dem Rubenssaal des ehemaligen Galeriebaues. Nach Pigage. Vgl. Abb. 18, 19, 22.
die Zanetti, Pellegrini und andere Italiener ausgemalt. Das Treppenhaus am Ende des einen
Seitenflügels der Galerie Jan Wellems ,,adjutante di camera" Gerhard Joseph Karsch.
Aus dem um 1755 entstandenen Katalog des ,,Directeur" Collins erfahren wir auch, daß
eine Reihe Grupelloscher Arbeiten Türen und Treppenhaus der Galerie schmückten. ,,Au
bas de l'Escalier des Gallenes une Vierge, l'Enfant, Jesus et Saint Jean. En marbre blanc
de la gaiene electorale k Düsseldorf, ca. 1733) 293, Pigage 333. Für unsere Darstellung bleibt das indessen bedeutungslos. Vgl.
die wieder trefflichen Ausführungen von Theodor Levin: Schicksale der Galerie. Düsseldorfer Jahrbuch XXIII. S. 102 - 149.
24
r
ClXQUIExAlE SAIXE Troili.-mo Fa.aclc
'".■Trg?i7j:7iTCII-?*-^'^i'*i'*'fg^^iL"'^^^
Abb. 22. Düsseldorf. Wand aus dem Rubenssaal des ehemaligen Galeriebaues. Nach Pigage Vgl. Abb. 18, 19, 21.
sur son pied d'Estal." Diese Arbeiten sind leider verschwunden. ,,Une Galathee." Das wird
aller Wahrscheinlichkeit nach die schöne Galatea im Park zu Schwetzingen sein. „Des deux
cotes de la porte des Galleries les Bustes de l'Electeur Jean GuiUeaume et de l'Electnce. En
marbre blanc." Beide Arbeiten zieren heute den Festsaal der Düsseldorfer Kunstakademie.
„L'Electrice sous la figure de Providence." Ebenfalls heute in der Kunstakademie. „Junon
et Mercure," wieder Schwetzinger Plastiken. „Toutes ces rares et belies sculptures sont du
fameux Chevalier Grupello. Les Plafonds peints ä clair obscur, par Karsch representent le
25
Trlomphe des beaux arts." Karsch hat in seinem Katalog der Galerie die Bilder selbst be-
schrieben. Der Komik wegen bitte ich, auch diese Stelle hier anführen zu dürfen.
„Im ersten Eingang der Galerie vorhaupts an beyden Seiten der Tür, auf der rechten Seite
Theoria und Practica, so sich umarmen; auf der andere Seiten ist die triumphierende Mahler-
Kunst mit einem Lorber-Krantz in der Hand, samt der Bildhauer, Bau-Kunst und Poesie.
An der linken Seiten zwischen den Fenstern die triumphierende Minerva mit der Ignorance
unter den Füßen, hingegenüber ist Hercules Palatinus, so den Weg der Tugend nach dem
Monte Barnasso übersteiget, hingegen die Laster mit ihren Anhang verachtet. An der linken
Seiten aber, wo man die Stiegen heruntergehet, ist Hercules Palatinus, so den Bacchum und
Inertiam unter den Füßen haltet, den neidigen Geitz aber samt der Ignorantz mit dem Kolben
erschlägt, wovon die Unruhe des Hertzens, die Melancholie, die Sorg samt der Kunst Feinden,
auf einem Esel sitzend, mit einer Standart von zwey Eselsohren hinweg fliehen. In der Ober-
Decke oder Platfond ist der Rheinfluß und Arnus, so ihre Wasser mit dem Aganipede ver-
einigen und wird ein Fluß der Poesie daraus. Oben ist das Pferd Pegasus, so den Ursprung
vom Aganipede mit dem Fuß oder Huf verursachet. Das niedere kleine Platfond significirt die
Zeit, der die Hand gebunden, damit sie niemahlen dem kunst-liebenden Chur-Hause Pfaltz
Schaden zufügen können."
Armer Jan Weilern! Daß du einem so üblem Philister die Obhut deiner Kostbarkeiten
anvertrauen konntest, die eine unsagbare Liebe und Begeisterung für die Kunst in Düssel-
dorf zusammengetragen haben! Wie der Karsch von antiken Dingen redet, während Jan
Wellem seinem Düsseldorf einen Abglanz der Schönheit des Altertums bescheren wollte !
Das Erdgeschoß des Galeriegebäudes hatte er für die Aufstellung seiner Antiken bestimmt.
Zahlreiche Originalplastiken hat er zwar nicht erwerben können. Das interessanteste Stück
wird wohl die bekannte trunkene Alte gewesen sein, die heute die Münchener Glyptothek be-
sitzt. Was Jan Wellem aber aus Rom nicht an Originalen erhalten konnte, wollte er wenigstens
in Originalabgüssen besitzen. Das Studium der Kupferstiche nach antiken Plastiken konnte
ihm nicht genügen. Er wollte die vornehmsten Stücke plastisch und in Originalgröße um sich
versammelt sehen. Sein Vorhaben erregte am römischen Hof Verwunderung. Siebzehn der
ersten römischen Gipsgießer waren für den Kurfürsten tätig. Der Heilige Vater verfolgte die
Arbeiten mit lebhaftem Interesse und bat sich vom Grafen Fede hier und da einen Abguß
aus. Die Könige von Portugal und Preußen wollten sich ebensolche Sammlungen zulegen.
Der Herkules Farnese und die Farnesische Flora waren die ersten Abgüsse, die über Livorno,
Portugal und Holland aus Rom den Weg nach Düsseldorf fanden. Uffenbach sah sie bei
seinem Besuch in Düsseldorf. ,,Considerable Stücke. Die vornehmste waren ein Herkules
und eine Flora von ganz entsetzlicher Größe. Ferner waren sehr schön ein Centaurus, auf
welchem ein Cupido saß und ihn peitschte. Ferner ein Stück, so zwey Fechter, deren einer
den anderen zu Boden warf, vorstellte; ein tanzender Satyr." Bald folgten andere. Das
Resultat, für das Jan Wellem weder Geld noch Mühen scheute, ist für die Zeit als eine große
26
Tat anzusprechen und ist einer der wichtigsten Anreger des Klassizismus In Deutschland
geworden. Lessing und Herder, Goethe und Schiller waren begeistert von dieser Abguß-
sammlung. Sie sahen sie in Mannheim. Kurfürst Karl Theodor hatte sie in den Jahren 1753
und 1754 aus der niederrheinischen Residenz nach seiner pfälzischen schaffen lassen*.
Ein „Tempel durch die Gefühle, welche er von Menschengeist und Menschenfähigkeiten
gibt," schreibt Wielands Freundin Sophie von La Roche von Jan Wellems Abgußsammlung,
„wo nur Meisterstücke Schatten auf Meisterstücke warfen." Goethe eilte auf der Helmreise
von Straßburg nach Frankfurt im Jahre 1771 „mit größter Begierde, den Antikensaal zu sehen,
von dem man so viel Rühmens machte . . . Hier stand ich nun, den wunderbarsten Eindrücken
ausgesetzt . . . ein Wald von Statuen . . . eine ideale Volksgenossenschaft". Er erhielt zum
ersten Male einen ,, Vorgeschmack antiker Baukunst". Da war unter anderem auch ein Abguß
eines der Riesenkapitäle vom Pantheon in Rom. Goethes Straßburger Begeisterung für die
Manen Erwins von Steinbach und für die deutsche Gotik, sein „Glaube an die nordische
Baukunst fing beim Anblick jener so ungeheuren als eleganten Akanthusblätter etwas an zu
wanken". Schillers Worte, die er unter dem Pseudonym eines dänischen Reisenden in der
,, Rheinischen Thalia" über die Sammlung schrieb, sind das schönste Lobeslied, das jemals
Jan Wellem gesungen vrtirde. „Mein Herz ist davon erweitert. Ich fühle mich edler und
besser. . . . Empfangen von dem allmächtigen Wesen des griechischen Genius trittst du in
diesen Tempel der Kunst. Schon deine erste Überraschung hat etwas Ehrwürdiges, Heiliges.
Eine unsichtbare Hand scheint die Hülle der Vergangenheit vor deinem Auge wegzustrelfen,
zwei Jahrtausende versinken vor deinem Fußtritt. Du stehst auf einmal mitten Im schönen
lachenden Griechenland, wandelst unter Helden und Grazien und betest an, wie sie, vor
romantischen Göttern . . . Der Mensch brachte hier etwas zu Stande, das mehr ist, als er
selbst war, das an etwas größeres erinnert als seine Gattung. . . . Der kluge und patriotische
Kurfürst hatte die Abgüsse nicht deswegen mit so großem Aufwand gesammelt, um allenfalls
des kleinen Ruhmes teilhaftig zu werden, eine Seltenheit mehr zu besitzen, oder wie so viele
andere Fürsten, den durchziehenden Reisenden um ein Almosen von Bewoinderung anzu-
sprechen. Der Kunst selbst brachte er das Opfer!"
Beim Eintreffen der ersten Abgüsse nahmen Jan Wellems Pläne für die Antikensäle gleich
wieder phantastisch abenteuerliche Formen an. Er wollte für seine Düsseldorfer Plätze den
Reiter auf dem Kapitol, sogar — der Plan ist mehr denn grotesk zu nennen — die Triumph-
säule des Trajan besitzen! Die Abgüsse v/aren nämlich nicht aus üblichem Gips, sondern
aus wetterfestem ,,scagliola", aus Stuck, Marienglas, Leim mit Gips. Jan Wellem träumte
von einem Düsseldorf mit großen Foren, von griechischen Wandelhallen eingefaßt. Der Tod
hat auch diese Pläne nicht zur Ausführung gelangen lassen**.
* Einige Stücke blieben in Düsseldorf. Andere icamen später aus Mannheim wieder zurück. Man wird sie in der Abguß-
sammiung auf den Korridoren der Kunstakademie suchen dürfen.
** „Inventarium der Gypsfiguren" vom Jahre 1716. Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 1882. Nr. 4, S. 18 ff
27
Jan Wellem hatte eine rührende Liebe für Düsseldorf, und die Schönheiten von Neuburg
und Heidelberg haben ihn nicht auf längere Zeit \on seiner niederrheinischen Residenz fort-
locken können. Dabei war Düsseldorf, als er im Jahre 1679 als Regent seinen Einzug hielt,
noch immer ein recht unscheinbares Städtchen, obwohl Wolf gang Wilhelm durch den Bau
der Jesuitenkirche die Stadtansicht reicher belebt hatte (I. Abb. 212). Im Jahre 1658 zählte
Düsseldorf 14 768 Einwohner, und zwar 13 848 Katholiken und 920 Reformierte und Luthe-
raner*. Etwa zehn Jahre vorher hatte Merian die Stadtansicht vom Oberkasseler Rheinufer
aus gezeichnet (Abb. 23). Sie mag das Bild veranschaulichen, das Jan Wellem beim Antritt
seiner Regentschaft in Düsseldorf vorfand. St. Lambertus in der Altstadt rahmen links die
Kreuzbrüderkirche mit dem Ursulinerinnenkloster und rechts die Türme von St. Andreas
ein. Das dreitürmige Schloß, einst außerhalb der Stadt gelegen (I. Abb. 193), war im Laufe
der Jahrhunderte an Stelle von St. Lambertus der Mittelpunkt der Residenzstadt geworden.
Der eine Arm der Dussel, der seine Gräben speist, teilt Alt- und Neustadt. Und wo er den
Schloßgraben verläßt und Rheinluft atmet und sich dem Strome hingibt, weicht die Stadt-
mauer in einem Knick zurück. Zwischen Schloß und dem mächtigen Wehrturm am Zollturm
reckt bescheiden der Treppenturm vom Rathaus seine Haube empor. Der südliche Düsselarm
bringt eine neue Teilung in Stadtbild und Stadtplan. Sein unterer Lauf ist, so tief die Stadt
reicht, zu einem Hafen ausgebaut. An der Mündung streckt der Kran seinen eisernen Arm
aus. Und unter dem Schutz der Matthiasbastion der neuen Zitadelle liegen sicher die Schiffe
im Hafen. Auf der Bastion erhebt sich das Haus des Kriegskommissariats.
Ein Stadtplan, einige Jahrzehnte älter als Merlans Stadtansicht, zeigt die Ausdehnung
des damaligen Düsseldorf (.Abb. 24). Die Ritterstraße läuft hinter dem Wall bis zur Eis-
kellerbergbastion, nur auf einer Seite bebaut! Vom Eiskellerberg (l. in Abb. 24) zieht sich
die östliche Stadtbefestigung in der Richtung des heutigen Hindenburgwalls bis zur Flinger
Straße. Am Ende der Ratinger Straße führt eine Brücke aus dem Ratinger Tor (I) über den
Graben, ebenso aus dem Flinger Tor (II). Den Mühlenplatz, den heutigen Friedrichsplatz,
schützt die Mühlenbastion (2), das Flinger Tor die Flinger Bastion (3). Die heutige Wall-
straße war eine Gasse hinter den Wällen, die nach Süden die Stadt einschließen. Die Berger
Bastion (4) schützte das alte Berger Tor (III). Das Stadtbrückchen, die heutige Hafenstraße,
führt in die Zitadelle zur Bastion Diamantstein, zur Gouvernements- und der Matthiasbastion
(5, 6, 7). Rheintor (IV) und Zolltor (V) sind die Ausgänge aus der Stadt zum Rhein.
Unter Jan Wellem ziehen neue Orden in Düsseldorf ein. Die Zölestinerinnen bauen von
1688—1691 ihr Kloster, von 1699—1701 die Ordenskirche. Die Kapuziner erhalten 1706 ein
neues Heim. Jan Wellem hatte im Jahre 1707 aus der Abtei Orval in Luxemburg hervor-
gegangenen Zisterzienser-Mönchen das Kloster Düsseltal gebaut (Abb. 25). Die ansehnliche
Anlage ward 1714 zur Abtei erhoben. Von 1712 — 1716 war man am Bau des Karmelitessen-
* Ludwig Küpper: Geschichte der kathohschen Gemeinden Düsseldorfs. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvcreins
111 (1888). S. 91.
28
Abb. 23. Düsseldorf. Nach Merian. Vgl. Abb. 24.
Abb. 24. Düsseldorf. Stadtplan um 1620. Vgl. Abb. 26.
29
klosters tätig. Aber von allen diesen Anlagen sind heute nur noch das Ursulinenkloster und
die Kirche der Karmelitessen erhalten (Abb. 40).
Der Name der Karmelitessen ist in EHisseldorf ebenso populär geworden wie der Jan
Wellems. Und obwohl das Kloster im Jahre 1803 aufgehoben wurde und später ein anderer
Orden sich in den Räumen niederließ, lebt der Name der Karmelitessen in Düsseldorf weiter.
Kein Mensch redet von Maria-Theresien-Hospital. Das kennt man überhaupt nicht. Es heißt
wie zuvor Karmelitessenkloster. Und die frommen „Schwestern vom heiligen Kreuz", die
neuen Bewohner, Karmelitessen. Die Frömmigkeit und stete Hilfsbereitschaft der Karmeli-
tessen war sprichwörtlich geworden. „Wenn du durch Düsseldorf kommst, so gehe doch ein
Viertelstündchen ins Karmelitessenkloster und verlange mit der Priorin zu sprechen. Du wirst
hinter dem Stachelgitter, wo man Tiegertiere erwartet, die demütigste, erleuchtetste Kloster-
frau, ein Bild alter heiliger Zeit, erscheinen sehen," schreibt 1822 Clemens Brentano. Damals
war das Kloster schon aufgehoben und wartete, bis die letzten Bewohner ausstarben.
Das 1643 von Anna Maria von Knippenburg gegründete Kloster hatte in Jan Wellems
Schwester Eleonore Magdalena, der späteren Gemahlm von Kaiser Leopold, seme besondere
Gönnerin. Maria Anna, Herzogin von Sulzbach, war damals Priorin. Der Andrang zur Auf-
nahme in den strengen Orden blieb immer gleich stark. Auch eine Tochter Grupellos trat in
das Kloster em. Und der Meister verehrte ihm zwei wertvolle Kruzifixe eigener Hand. Das
Kloster war bald zu klein. Jan Wellem stiftete im Jahre 1706 Grund und Boden und hundert-
tausend Backsteine für emen Neubau und erschien selbst in Begleitung seiner Gemahlin und
des Prinzen von Sulzbach an der Spitze des Adels und der Bürgerschaft zur feierlichen Grund-
Abb. 25. Düsstldorf Lbenulige Eintahrt in das Klosttr Üusseltal
30
steinlegung. 1712 begann die Arbelt. 1714 stürzte die Kuppel der Kirche ein. Imfolgenden
Jcihre war die Kirche wieder hergestellt. Man begann mit dem Bau des Klosters.
Als Blainville im Jahre 1 705 in Düsseldorf weilte, war weder das Kloster Düsseltal, noch
der Neubau der Kapuziner und Karmelitessen schon in Angriff genommen. Das Innere der
Stadt sah noch recht wenig einladend aus. „Die meisten Häuser schlecht gebauet, die Straßen
übel gepflastert. Man kan weder Tragsessel noch Miethskutschen hier haben, welches für Fremde
eine große Beschwerlichkeit ist. Wir hatten viel Mühe, eine Herberge zu finden, und mußten
für eine sehr mittelmäßige ziemlich theuer bezahlen. Die Ursache davon ist, weil der Churfürst
von der Pfalz, seitdem sein Palast zu Heidelberg von den Franzosen zerstöret, seinen Hof hier
hält, und die Opera, die Comoedie und andere Lustbarkeiten, woran man hier einen Überfluß
hat, eine große Menge Standespersonen aus allen Gegenden von Deutschland hierher locken,
welche die Wirthshäuser anfüllen. Endlich stiegen wir vor einer Art eines kleinen Gefängnisses
ab, wo wir uns zusammen presseten, bis wir eine andere etwas bessere Wohnung finden
konnten, nachdem wir eine völlige Stunde auf den Straßen zugebracht hatten."
Aber zehn Jahre später konnte Erich Philipp Ploennies in seiner „Topographia Ducatus
Montanl" erzählen, daß die Stadt ,,mit schönen ansehnlichen Häusern geziret und vermehret,
da zuvor nur solche vorhanden, die denen Bürgern zwar genügsam, aber die Bediente, zumahl
die hohe, zu logiren allzuschlecht waren und weilen jetzige hohe Obrigkeit von einem solchen
erleuchteten Verstandt und Wissenschaft zu nennen, deren sie nicht eine genügsame Erkandtnuss
und Wissen hätte, so ist diese Stadt mit allerhandt Künstlern, so immer zu erdencken, angefüllt,
welches dann nicht nur die Stadt volkreich macht, sondern auch, daß solche von den Fremden
mehr besuchet wird, vieles contribuiret."
Die vornehmste Straße Düsseldorfs, die des Adels und der hohen Beamten, freilich auch
im Hause der „Stadt Venlo" (Nr. 30) die Geburtsstätte des weitbekannten und gerühmten
„Düsseldorfer Mostert"*, war die Ritterstraße. Bei der Pulverexplosion im Jahre 1634
standen hier nur wenige Häuser, und zwar nur an der einen bebauten Seite nach der Straße
Altestadt zu, ,, achter der Mauer am Pulverturm" genannt. Im Jahre 1684 ward beschlossen,
die Straße auszubauen. Gleichzeitig trat unter Friedrich Christian Freiherrn von Spee, Frei-
herrn von Nesselrode und Dr. jur. Contzen eine Kommission zusammen und beschloß, „daß
des Zuzuges der vielen Handelsleute wegen und zur mehren Sicherheit des Gewerbes den
Bürgern die Einquartierung zu entnehmen, für das Militär Baracken zu erbauen seien". Die
Folge war der spätere Bau der heute abgetragenen Reuterkaserne am Rhein hinter der
Ritterstraße. Das Haus Nr. 6 der nunmehr auszubauenden Straße errichtete im Jahre 1687
der Hofmaler Johann Spielberg; das Haus Nr. 10 der Vizekanzler Melchior Voetz. Sein und
seiner Gattin Wappen schmücken heute noch den stattlichen Bau, der in neuerer Zeit allgemein
als ,,Süße Ecke" bekannt ist. Den nächsten Bauplatz schenkte Jan Weilern im Jahre 1684
* Ferber: Historische Wanderungen usw. I. S. 2 ff. — Hans Müller-Schlösser: Das schöne alte Düsseldorf. Düssel-
dorf 1911. S. 68
31
den Ursulinerinnen. Im folgenden Jahre begann der Neubau des Klosters, 1702 der der Kloster-
kirche. Das Haus Nr. 16 bewohnte der General-Kriegs-Commissar und Marschall Friedrich
Christian Freiherr von Spee. Im Nachbarhaus Nr. 18 wohnten der Geheime Rat Dr. Bingen
und Franz Melchior Freiherr von Wiser; Nr. 26 der Geheime Rat von Ropertz usw. — Dann
Altestadt Nr. 6 der kaiserliche und königliche Kämmerer und kurpfälzische Generalleutnant
Jacob Graf von Hamilton; Ratinger Straße Nr. 3 der Oberjägermeister Johann Franz Frei-
herr von Weichs. Sein Wappen schmückt ebenfalls noch das Haus. Gegenüber der Kloster-
kirche der Karmelitessen hatte sich 1713 der „hochedle Herr Joannes Franciscus Douven
Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht hoffcammerrath und hoffmöhler" das stattliche Eckhaus
Stiftsplatz und Krämerstraße erbaut (Abb. 41). Das von Jan Wellem selbst erbaute Eckhaus
Marktplatz und Zollstraße hatte im Jahre 1 708 der Hofstatuarius Gabriel Chevalier de Grupello
zum Geschenk erhalten (Abb. 57) usw. usw.
Vor dem Nordflügel des Schlosses lag das Churfürstliche Knaben- und Pagenhaus, das
aber wohl noch aus der Zeit vor Jan Wellem stammen wird. Auf dem Grundstück des heutigen
Justizgebäudes standen das Haus des Rüstmeisters Hermann Bongard, die Oper, der alte Marstall
und dahinter der kurfürstliche ,, Tummelplatz". • — Das wären die wichtigsten Neuanlagen
in der Altstadt aus der Zeit Jan Wellems. Dazu kämen die neuen Häuser auf der Zitadelle.
Die heutige Zitadellstraße wird zwar erst im Jahre 1703 zum erstenmal als St .-Antonius-Straße
angeführt, muß aber nach der Ankerinschrift an einigen Häusern (Abb. 44) und nach dem
Stadtplan vom Jahre 1620 (Abb. 24) schon vorher teilweise bebaut gewesen sein.
Aber in diesem Düsseldorf ließen sich Jan Wellems Träume von antiken Foren mit Wandel-
hallen und Kolossalstatuen nicht verwirklichen. Er hätte wohl an den Ausbau des Burgplatzes
oder des Mühlenplatzes denken können. Aber nein, er dachte an eine Neustadt vor den Toren
Düsseldorfs. Schon Wolf gang Wilhelm hatte die Grenzen der Stadt durch die Anlage der
, .Extension" weiter hinausgeschoben. Es ist das Gelände zwischen der Zitadelle und der
heutigen Königsallee etwa; nach Süden begrenzt von der Linie der Haroldstraße. Das alte
Düsseldorf führte seinen Verteidigungsgürtel mit neuen Bastionen nach dem System Vauban
um die Extension herum (Abb. 26). Aber auch dieses größere Düsseldorf konnte Jan Wellem,
wie die Dimensionen eines Schloßprojektes ausweisen, das vom Rhein bis zu den östlichen
Befestigungen innerhalb der noch kaum bebauten Extension keinen Platz gehabt hätte, nicht
genügen. Jan Wellem wollte daher die Stadt nach Süden weiter ausbauen. ,,Vor einigen
Jahren", teilt Ploennies im Jahre 1715 mit, „ist diese Stadt vor der sogenannten Bergerpforten
aus gnädigster Befehl hoher Obrigkeit erweitert, denen so dahin bauen auf viele Jahre einige
Freiheit vergönnet." Der Kern dieser Neustadt ist die breite Neußer Straße, die der Stadtplan
vom Jahre 1764 mit stattlichen Neubauten und Gartenanlagen zeigt (Abb. 26). Es sind die,
wie Müntz, der Kriegs- und Domänenrat, im Jahre 1740 berichtet, „schönen neuen Palais,
welche aber abgelegen sind"*. Daneben war auch im Osten der Stadt vor den Toren eine
* Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XV (1900). S. 165 ff.
32
Reihe neuer Hof- und Gartenanlagen errichtet worden. Der vornehmste Bau der Neußer
Straße war das im Jahre 1710 von dem 1708 durch Jan Wellem erneuerten Hubertus-Orden
aufgeführte Hubertus-Stift (Abb. 46a).
Zur Bekrönung der Neustadt dachte der Kurfürst das neue Residenzschloß zu errichten.
Der Originalplan zu dem neuen Schloßbau, der das zerstörte Heidelberger Schloß
ersetzen sollte, ,,pour replanter Heidelberg", wie Raparini berichtet, ist das Grandioseste, was
Jan Wellem je vorgeschwebt hat. Er ist im Historischen Museum der Stadt Düsseldorf auf-
bewahrt und bedarf gar keiner Erläuterung (Abb. 27). In der Mitte die große Cour d'honneur,
umgeben von sieben weiteren Höfen. Der Mittelhof mit fünf Brunnenanlagen, im Sinne von
Jacques Androuet Du Cerceaus Idealprojekten in reicher symmetrischer Grundfigur entworfen.
Der nur bis zur Höhe des Erdgeschosses reichende, nach außen geschweifte Eingangstrakt,
oben zu beiden Seiten des Eingangspavillons mit einer Plattform. Auch m den Ecken des
Hofes waren oval geschweifte Trakte angelegt, hinter sich Zwickelhöfe bildend. Um den
ganzen Hof sollten im Erdgeschoß Wandelhallen laufen. Neben Du Cerceaus Idealprojekten
schwebten dem Baumeister die verschiedenen Entwürfe für den Louvre und die Tuilenen vor
Augen. Vor allem aber die Gartenfassade von Versailles: Jeder der beiden Seitenflügel der
Vorderfront des Düsseldorfer Schlosses sollte drei Risalitbauten erhalten, und zwar, wie in
Versailles, den mittleren breiter. Das Erdgeschoß gequadert, das Obergeschoß mit den
charakteristischen quadratischen Barockfenstern mit Ohren an den Ecken. Darüber als
Attika eine Balustrade mit Plastiken, Vasen oder Trophäen geschmückt. Aber der Düsseldorfer
Baumeister dachte
sich seinen Entwurf
noch weit großzügiger.
Die einzelnen Bauten
um ein Stockwerk
höher als in Versailles.
Die Risalite weiter
vorgezogen. Aus dem
ersten Stockwerk
sollte man eine große
Plattform betreten
können, die unten vor
dem Erdgeschoß auf
Arkaden ruht. Der
reichen Grundrißlinie
der Vorderfront ent-
sprechend waren auch
das Gitter und die Abb. 26. Düsseldorf. Stadtplan vom Jahre 1764. V^i. Abb. 24.
33
Böschungsmauern des Rheines geghedert. — Versailles sollte übertrotfen werden: Für das
Treppenhaus lag ein besonderes Projekt mit 158 Statuen von Antonio Bernardl vor. Raparini
erzählt von dem „modele d'un escaher roial pour le bätiment d'une nouvelle Residence,
qu'une fois qu'il soit mis en execution, il pourra etre mis au rang des anciennes merveilles
de l'Asie ä present detruites et ensevelies. Cet escalier est compose et bäti dune maniere,
qua de quel endroit qu'on regarde on voit dix branches du dit escaher. II tout ensemble
prend la forme octangulaire. Cet escaher est correspondant ä tous les rangs des Appartements
des Princes et est orne de 158 statues avec ses pledestals. Par le milieu du dit escalier il y a
le passage pour les carosses clnquante pieds de large. La hauteur est de deux cent et vint
quattre pieds, la largeur deux cent trente deux. La voute est de la hauteur cent et vint cinq
pieds, la largeur cent trente six."
Schon dieses Treppenhaus muß Erstaunen erregen, und der Vergleich mit den gewaltigen
Wunderbauten des Orients ist schon berechtigt. Aber es war nur ein Glied des phantastischen
Entwurfs. Die bebaute Fläche um die Höfe wäre viermal größer denn das Schloß zu Berlin
geworden! Hmter der neuen Düsseldorfer Residenz war noch ein Lustgarten im Stile
Lenotres geplant mit Wasserkünsten, Hallen und Terrassen. Und als Abschluß zunächst ein
Lusthaus. Ein Kuppelbau mit vier Eckpavillons auf einer breiten Terrasse, zu der weit aus-
ladende Treppen hinauf geleiten. Zu beiden Seiten vor einer architektonisch gegliederten
Kulisse je eine Brunnenanlage. Dann einstöckige Wandelhallen, deren eine Hälfte, wie der
Eingangsflügel vorne im Haupthof des Schlosses, wieder oval zum Lusthaus geschwungen
Hegt. Hinter dem Lusthaus dann als Abschluß der gesamten Anlage eine Baugruppe, die
wieder ein vollständiges Schloß für sich darstellt. Ein ovaler offener Mittelhot mit Zwickel-
höfen und zu Seiten je eine große quadratische Hofanlage*. An Einheitlichkeit der Symmetrie
und Großartigkeit des Entwurfs kann keiner der Schloßbaupläne des 17. und 18. Jahrhunderts
wetteifern. Ausgeführt, wäre Jan Wellems neuer Schloßbau in der Tat ein achtes Weltwunder
geworden. Es ist dieses Mal keine Übertreibung, wenn der sonst mehr rhetorisch denn sach-
liche Raparini um das von ihm gezeichnete Bild des Baumeisters, im Hinblick auf das Düssel-
dorfer Schloßprojekt die Umschrift setzte:
Septem prisca orbis miracula protulit aetas,
Octavum solus stueres Joanne lubente.
Der Baumeister war der schon erwähnte Matteo Graf de Alberti aus Venedig, ein
Bruder des Beichtvaters der Kurfürstin, der vielleicht die Berufung Matteos nach Düsseldorf
mit veranlaßt haben wird. Außer den Beiden nahmen auch noch die Brüder Sebastiano und
Nicola am Hofe Jan Wellems höhere Stellen ein. Ein fünfter Bruder, Giovanni, war diplo-
matischer Vertreter des Kaisers bei der Republik Venedig. Der einheimische jülich-bergische
Adel begegnete den italienischen Grafen und der Gunst, die das kurfürstliche Paar diesen
* Vgl. Paul Clemen im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1902, S. 181 — 187.
34
Mi
Alil). 27. Scliloßprojtkt des kurfürstlichen Oberbaudirektors
Nnch dem OriRinalplnn im Histoi
hias Grafen von Alberti für die Neiistaflt von Düsseldorf
•n Museum der SlaHt Düsseldorf;
entgegenbrachte, mit Neid und Intrigen. Man bezweifelte die Echtheit des Grafenwappens
und bezeichnete anfangs in amthchen Schriftstücken ihre Träger nur als einfache Edelmänner.
Matteo hatte in Paris studiert. Aus der Touraine hatte er seine Frau heimgeführt, und
oft reiste er zu Studienzwecken und geschäftehalber wieder nach Frankreich. Er versuchte
im Jahre 1698, Ludwig XIV. in Versailles und Fontainebleau für seine Erfindung zu inter-
essieren, „den nächst gelegenen Hafen zur Vereinigung zweier Meere zu vertiefen"*. 1706
war er kurpfälzischer Major, später Generaladjutant Jan Wellems, Generalwachtmeister und
Superintendant der kurfürstlichen Bauten. Raparini nennt ihn ,,castrorum praefectus et
supremus aedificiorum director" und ,,de l'ordre des citoyens, de qui le feu et la vivacited'in-
venter, de desseigner et d'orner, aiant charme l'esprit du Prince, a sfu dans la suite meriter,
et puis surmonter I'envie dune cour entiere, qui ne manque jamais de gens incompatibles
avec les gens de distinction et de mente". Matteo war Mitglied der von dem berühmten ,,Pere
Coronelly" gestifteten Akademie der Argonauten zu Paris und starb am 31. August 1715.
Wie das Kaiserreich im Orient, so blieben auch das Königsschloß zu Düsseldorf und die
neue Befestigungsanlage, die um die Neustadt gedacht war, ein unausführbarer Plan. Die
Finanzen des Landes waren zerrüttet. Schon im Jahre 1701 waren die Stände auseinander-
gegangen, ohne die verlangte Erhöhung der Landessteuern zu bewilligen. Jan Weilern drohte,
in Zukunft einfach ,, kraft Landesfürstlicher Gewalt und Autorität, ohne Landesstände mehr
darumb zu beschreiben und zu berathschlagen", die erforderlichen Summen jährlich ein-
treiben zu lassen. Zur Zeit des Schloßbauprojektes war der Konflikt am schärfsten zugespitzt.
Jan Wellem hatte ein geheimes Kriegskommissariat errichtet, das ohne jede Kontrolle der
Stände den größten Teil der Landeseinnahmen verschlang. In den Jahren 1704^1709 soll
der Kurfürst seinem Lande nicht weniger als acht Millionen Reichstaler Schulden aufgebürdet
haben, sagt man. Dabei ,, versicherte man uns," berichtet BlalnviUe, ,,daß der Churfürst in
Friedenszeiten ein jährliches Einkommen von drey Millionen Gulden habe, und daß es zu-
weilen auf viere steige". Die Stände hätten daher einfach mit dem besten Willen die nötigen
Mittel für den Schloßbau nicht aufbringen können.
Meister Matteo konnte aber, wenn auch in stark reduzierter Gestalt, an anderem Orte
seinen Schloßplan für Jan Wellem ausführen. Hoch oben auf den bewaldeten Höhen von
Bensberg, gegenüber der alten Burg der Grafen von Berg, die schon um die Mitte des 12. Jahr-
hunderts in das Land hinausragte. Der Bau hat eine bewegte Geschichte erlebt, ist oft belagert,
beschädigt, dann wieder verstärkt worden. Er war Sitz bergischer Burg- und Amtmänner
oder Witwensitz bergischer Gräfinnen und Herzoginnen. In der Geschichte von Kurköln
kehrt sein Name oft wieder. Es war ein Hauptwaffenplatz von Berg gegen den Kölner
Erzbischof. Der reiche Königsforst, der ihn umgibt, zog immer wieder den jagdliebenden
Landesfürsten zu der alten Bensberger Burg.
* „Per escavare il Porto piii vicino all' unione de due Mari." Die Sache ist nicht ganz klar. — Vgl. Levin a. a. 0., XX, S. 139.
35
Abb. 28. Schloß Bensberg; heutiger Zustand. Vgl. Abb. 29, 30, 34, 33.
Jan Weilern war der alte Bau Indes zu eng geworden ; er ließ durch Graf Albertl und seinen
Kanzler Johann Friedrich Grafen von Schaesberg westlich davon einen stattlichen Neubau
aufführen, der nach der Inschrift im Jahre 1710 vollendet war*.
Das kurfürstliche Schloß zu Bensberg ist eine mächtige symmetrische Anlage (Abb. 28
bis 35). Aber der heutige Zustand der Schloßanlage, der auf eine „Wiederherstellung" der
Jahre 1838 — 1842 zurückzuführen ist, einen unglücklichen Eingriff des 19. Jahrhunderts, gibt
von dem stolzen Jagdschloß Jan Wellems ein ganz verzerrtes Bild. Man vergleiche die Grund-
risse vor und nach der Wiederherstellung (Abb. 34, 35)! Zum Glück begegnet aber eine zeich-
nerische Darstellung des früheren Zustandes, die ich versucht habe (Abb. 29, 30), an der
Hand dieser Unterlagen keinen weiteren Schwierigkeiten, zumal der Eingriff des pietätlosen
Restaurators von 1 838 auch im Material deutlich zu erkennen ist : Der alte Bau war in Back-
stein aufgeführt, seine Ecken, Profile, Konsolen, Bogen, Fensterrahmen, Fortale, Balkone und
Säulen aus Haustein. Die Zutaten des Restaurators sind aber aus Bruchstein (Abb. 28).
Der Mittelbau wird von einem achtseitigen, kupfergedeckten und elegant gegliederten
Türmchen mit hohen runden Fensteröffnungen bekrönt, darüber je emem Ochsenauge. Um
die ovale Grundfläche läuft eine viereckige Steinbalustrade. An den Ecken tragen korinthische
Pilaster das stark verkröpfte Hauptgesims (Abb. 28). Die fünf Mittelachsen des Mittelbaues
lagen aber einst weiter zurück. Die perspektivische Wirkung war daher reicher (Abb. 29).
Säulen trugen damals vor den fünf Achsen einen Balkon, ähnlich denen an der Rückseite des
Schlosses (Abb. 31, 32, 33). Die gleichen Balkonanlagen hatte Meister Matteo für das Düssel-
dorfer Schloß vorgesehen (Abb. 27). Heute treten die zweiachsigen, mit Turmhauben
* Vincenz von Zuccamaglio: Geschichte und Beschreibung der Stadt und des Kreises Mülheim am Rhein, Köln 1846.
— Harleß i. d. Annalen des Vereins vom Niederrhein XXV. — Giemen: Kunstdenkmäler des Kreises Mülheim am Rhem.
Düsseldorf 1901. — Ausführlich mit der ehemaligen Innenausstattung in dem in Vorbereitung befindlichen Werk des Ver-
fassers über Jan Weilern.
36
bekrönten Seitenrisalite des Mittelbaues nur wenig vor und Hegen mit den fünf Mittelachsen
fast In einer Front (Abb. 28). Seltenflügel schließen rechtwinklig die Cour d'honneur. Den
zweimal zweiachsigen Treppentürmen an den Enden der Seitenflügel ward wieder eine mit
einer achteckigen Laterne bekrönte Haube aufgesetzt, entsprechend den Seitenrisahten am
Mittelbau (Abb. 29). Die so gebildete innere Cour d'honneur weitet sich zu einer Cour prin-
clpale aus, einer großen place d'armes, einem ausgedehnten Paradeplatz, auf den von dem
einstigen Balkon des Mitteltraktes herab Jan Wellem Heerschau halten konnte. Die seitlich
zurücktretenden Flügel, die die Cour prlncipale einrahmen, sind nur dreistöckig, also um
ein Geschoß geringer als der hufeisenförmige Hauptbau. Dreieck- und Flachbogenglebel
wechseln in ihrem Mittelgeschoß. Das Obergeschoß ist als Mezzanin angelegt. Das Erd-
geschoß mit reicher offener Bogen- und Pilasterarchitektur gegliedert (Abb. 30). Hier liefen
einst loggienartige Galerlen, die heute indessen vermauert smd, zu beiden Seiten des Hofes,
bogen dann auch in die äußeren, über die Breite der Flügelbauten in die Terrassen weiter
vorgezogenen Schmalseiten ein. Damit war indes die Anlage noch nicht vollendet. Wie uns
das Bild einer Medaille in Raparinis Handschrift und Weenlx' Darstellung zeigen, waren
noch zwei äußere und noch weiter ausladende Seitenflügel geplant, flach gedeckt und nur
Abb. 29. Schloß Bensberg. Wiederberstellungsversuch des ehemaligen Zustandes von Richard Klapheck. Vgl. Abb. 28, 30, 35.
37
^
^1
'*'■ 's i
38
einstöckig. Reich profiliert, mit Pilastern die Wände gegliedert und oben auf der Balustrade
mit Statuen geschmückt (Abb. 30). Ähnlich den Wandelhallen neben dem Lusthaus am Ende
des Gartens des Düsseldorfer Schloßprojektes (Abb. 27). Die Einfahrt in den Hof geht wie
bei diesem über einen geschweiften Terrassenbau.
Es ist eine echt französische Schloßanlage. Alberti war der gelehrige Schüler der großen
Franzosen Leveau und Hardouin-Mansart. Das Vorbild von Versailles ist auch bei dem Bens-
berger Schloß klar zu erkennen. Das Zurücktreten der Seitenbauten, um den Mittelbau nicht
zu verdecken, und die Kniestellung der Hofgebäude, um die Breitenwirkung der Hauptfassade
zu steigern. Schloß Bensberg steht damit übrigens nicht vereinsamt auf nordwestdeutschem
Boden. Schon in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts, von 1703 bis 1712, hatte Gottfried
Laurenz Pictorius für Friedrich Christian von Plettenberg, den Fürstbischof von Münster,
in Nordkirchen ein Chäteau ä la Versailles aufgeführt. Aber das Detail blieb münsterisch-
holländisch*, während Alberti auf Bensberg den Aufbau in seiner eigenen Heimatsprache der
italienischen Hochrenaissance gliederte. Man studiert das Detail am besten an der Rück-
front (Abb. 31 — 33). Die von Säulen getragenen seitlichen Balkone, das ehemalige, jetzt zum
Fenster umgewandelte Mittelportal, die reichgegliederten Gesimse, die Eckverklammerung,
die Fensterprofilierung und das von Steinkonsolen getragene Hauptgesims, das um den ganzen
Bau läuft. Die Hoffassaden zeigen die gleichen Detailformen.
Albertis Hauptmitarbeiter am Schloßbau zu Bensberg war Aloysius Bartolus oder
Bartoly aus Venedig**. Aber neben ihm benötigte der gräfliche Baumeister für den Ausbau
fast den ganzen Stab der kurfürstlichen Künstlerschaft. Grupello arbeitete Statuen. Vielleicht
waren sie, neben dem Garten, auch für den Schmuck der Außenflügel bestimmt. Das schon
erwähnte Inventar von 1716 führt unter anderem von Grupello auch auf: „Eine statua, die
unbefleckte Empfängnis ad 14 fuss hoch sambt der Welt Kuegel, welche zweymahl in Metall
gegossen werden sollen. Wovon eine vor die Newstatt von Düsseldorf auf den großen Platz
oder Marck stehen solte, die andere ebenso gross ad 42 fuss hoch undt zu Bensbergk im
Schlossplatz stehen solle." Für den Hauptbau schuf Grupello das große kurfürstliche Wappen
mit dem Pankopf, das 1721 am Mannheimer Schloß eine neue Heimat fand. Heinrich
Charasky, in der Bestallung vom Jahre 1692 durch Jan Wellem „ein so excellenter Künstler"
genannt, erhielt 1707 den Auftrag, ebenfalls Statuen für Schloß Bensberg zu liefern, die aber
erst nach der „perfection angebracht werden sollten". Und neben Grupello und Charasky
waren für den plastischen Schmuck der Treppenhäuser, Fassaden und Gärten noch
andere Bildhauer tätig. Die reichen Stuckarbeiten der Korridore und Säle lagen in den
Händen italienischer und französischer Künstler. Die französischen siedelten sich im nörd-
* Kerckerinck-Klapheck: Alt-Westfalen. S. XXIX u. Abb. 228-233.
** Über Bartolus berichtet Raparini: „Sur la connaissance qu'j'ay du merite du dit mons. Bartoly, et sur la certitude de ses
plus hauts progres lorsqu'il voudra agir emancipe de dirrection aiant Thonneur d'etre dans ce noble Service Electoral, dans lequel
il fait paraitre beaucoup de zele et de diligence, je mets ici son portrait.
39
liehen Teil des Dorfes Bensberg an, der heute noch den Namen Klein-Frankreich führt.
Antonio Pellegrini, Antonio Belucci und Domenichino Zanetti malten die Räume
aus. Jan Weenix schuf zwei Galerien mit Hirsch- und Saujagden. Goethe war begeistert
von diesen Bildern: „Was mich daselbst über die Maßen entzückte, waren die Wand-
verzierungen von Weenix. Wohlgeordnet lagen alle Tiere, welche die Jagd nur liefern kann,
rings umher wie auf dem Sockel einer Säulenhalle; über sie hinaus sah man in eine weite
Landschaft. Jene entlebten Geschöpfe zu beleben," liest man in ,Wahrheit und Dichtung',
,, hatte der außerordentliche Mann sein ganzes Talent erschöpft und in Darstellung des
mannigfachsten tierischen Uberkleides, der Borsten, der Haare, der Federn, des Geweihes, der
Klauen, sich der Natur gleichgestellt, in Absicht auf Wirkung sie übertroffen." Die Bilder
schmücken heute die Sammlungen auf Schloß Schleißheim und der alten Pinakothek zu
München. Schoonjans malte für Bensberg eine Folge von großen ,,Tableaux allegoriques
tires de la fable", wie Pigage angibt, und für einen der Hauptsäle Jan Wellems lebensgroßes
Reiterbild. Das imposante Bild ziert heute das Bayerische Armeemuseum zu München.
, .Dieses neue Schloß ist 1706 angefangen worden und nunmehro fast ganz ausgemacht,"
berichtet Ploennies. „Die Situation gedachten Schlosses, oder vielmehr der Prospect desselben,
ist ungemein schön, sintemahl mann von dar bis nacher Cöln, ja noch weit über Cöln in das
Cölnische Landt weit weg sehen kann, dann es liegt so hoch, dass man über alle herumbliegende
Waldungen, deren es viel da herumb hat, mit einem ungehinderten Gesicht frey weg siebet,
und ohnerachtet es so hoch gelegen, stehet es doch auf keiner Praecipice, sondern man kann
mit grossem gemach hinauf gehen, reiten und fahren ; die Grösse gedachten Schlosses ist auch
solcher Gestalt inacht genommen, daß es einem König nicht zu klein würde fallen darin zu
wohnen. Inwendig ist das Schloß aufs Schönste geziert, nicht allein mit Stuckaturarbeit, sondern
mit künstlichen Gemählten. Auswendig präsentiert es sich wegen seiner Grösse sehr ansehn-
lich, und ist alle Regularität, die in der Architektur zu observieren nöthig, daran gebraucht
worden. Man wird weit in Teutschland reisen, ehe man dergleichen zu sehen antreffen wird."
Und nicht weniger waren voll des Ruhmes über den Prachtbau und seine glänzende Innen-
ausstattung Johann Heinrich Merck in der „Malerischen Reise nach Koelln, Bensberg und
Düsseldorf" im „Teutschen Merkur" vom Jahre 1788 und Dielheim 1744 im „denkwürdigen
und nützhchen Rheinischen Antiquarius".
Auf die spätere Geschichte des stolzen Schloßbaues komm^e ich noch zurück. Ich möchte
hier nur noch einmal sein trauriges Schlußkapitel erwähnen, seine Umgestaltung zum König-
lich Preußischen Kadettenhaus durch den Garnisonbaudirektor Hauptmann Schnitzler in den
Jahren 1838 — 1842. Man hat wohl kaum ein zweites Denkmal unserer heimischen Ge-
schichte derart verschandelt wie Jan Wellems Jagdschloß zu Bensberg. Dabei betrugen die
Kosten der Entstellung nicht weniger denn 146450 Taler! Von den Änderungen am Außen-
bau war schon die Rede. Es wurden dabei nicht allein die schönen offenen Galerien der
Flügel der Cour principale zugemauert, sondern auch auf dem Nordflügel die innere Galerie
40
<S'.>^'Yy0^^:^^^SPiiB^^ H>«^^^
• "" vi'.ii-g
Abb. 31. Schloß Bensberg; Rückfront. Vgl. Abb. 32, 33, 34, 35.
41
42
43
mit Ihrem reichen Schmuck beseitigt und mit den angrenzenden Räumen zu einem Speisesaal
ausgebaut. Der Grundriß erhielt ein ganz verändertes Bild (Abb. 34, 35). Die Treppen-
türme wurden zu Wohnräumen hergerichtet und die Treppenhäuser verlegt, dabei natürlich
die Deckenmalerei der alten Treppen bis auf das Kuppelgemälde von Pellegrini (Abb. 37)
vernichtet. Auch die übrige Malerei wurde zum großen Teil abgeklopft und überstrichen!!
Die kostbaren Stukkaturen abgeschlagen. Die Marmorkamine aus den Haupträumen heraus-
gerissen, ebenso die Balkongitter! Die Kapelle wurde ganz abgetragen! Erst der verständnis-
volle Kommandeur der Kadettenanstalt, Oberstleutnant Schwarz, hat in den Jahren 1895
bis 1896 eine Wiederinstandsetzung der wenigen Reste des einstigen dekorativen Schmuckes
veranlaßt. Was heute auf Schloß Bensberg zu sehen ist, ist aber nur noch ein dürftiges
Überbleibsel der früheren prunkvollen Ausstattung.
Im südlichen Außenflügel der Cour principale zeigt die seit dem Schnitzlerschen Umbau
verschlossene Galerie noch den alten Schmuck (Abb. 36). über den Wandpfeilern steigen
acht stukkierte Gratgewölbe auf. Die Grate mit groß gelappten Akanthusblättern. In jedem
Gewölbe eine Vierpaßform. Und über den Türen Trophäeu, Büsten in römischer Tracht,
von Wild und Jagdzeug umkleidet. Ebenso ist in der Durchfahrt zwischen den Treppen-
türmen und den äußeren Galerieflügeln noch die
alte Stuckdecke zu sehen, über den wirkungs-
vollen Hausteinportalen sind wieder freimodellierte
Jagdszenen dargestellt, und in den Ecken halten
aufrecht auf den Hinterpranken stehende Löwen in
den Vordertatzen Laternen. Von den Treppentürmen
ist aber leider nur der Schmuck der Decke erhalten.
Im nördlichen der Sturz des Phaethon. Eine gran-
diose, flotte Malerei von Pellegrini (Abb. 37). In
kühner Verkürzung bäumt sich das Viergespann in
den Wolken auf, sich überschlagend, während hoch
oben Jupiter, von den Schwingen des Adlers durch
die Lüfte getragen, die Blitze auf den unglücklichen
Phaethon schleudert, der kopfüber aus dem Wagen
in die Tiefe stürzt. Die stumpfen Farbtöne sind
ausgezeichnet zueinander abgestimmt. Rotgelbe
Wolkenballen auf blauem Himmel und rotgelb der
Mantel des Phaethon. Aus der Mitte der seitlichen
Wände des Turmes schneiden Ochsenaugen in die
Kuppel ein (Abb. 37, 1). Darunter halten reich-
^ ,„„ , ,. ., , ,, 1 bewegte, schwebende Puttenpaare Medaillons mit
Ahb. 36. Schloß Bensberg; korriJor des südlichen r i • i i i wr J ^/r J" •
Seitenflügels. Vgl. Abb. 35 dem pfälzischen Löwen, dem Wappen der Medici,
44
Abb. 37. Schloß Bensberg. Deckengemälde im ehemaligen Treppenturm. Vgl. Abb. 1, 3, 29, 35, 38 und Bd. I, .^bb. 346.
der Kurfürstin und dem Reichsapfel unter dem Kurhut. Reichsapfel mit Kurhut war das
Wappen des Erztruchsessen des Reiches (Abb. 1, 3 und I. Abb. 346). Diese Würde war 1706
Jan Wellem zugefallen, als Kurfürst Maximilian von Bayern vom Kaiser in die Reichsacht
erklärt worden war. Der Friede zu Rastatt nahm aber wieder Jan Wellem das Erztruchsessen-
amt. In den Ecken der Kuppeln des Treppenturmes hat man in plastischer Stuckdekoration
die vier Weltteile dargestellt, lebensgroße Frauengestalten, umgeben von den Erzeugnissen
ihrer Länder, Putten und Symbolen vor einem ausgebreiteten Teppich (Abb. 38). Darüber
schwebt ein gemalter Adler. Der zurückgenommene Kopf hält Girlanden im Schnabel, die die
gefessehen Sklaven zu beiden Seiten der mit reichem Stuckrahmen umgebenen Ochsenaugen
aufnehmen. Im südlichen Treppenhaus hat Pellegrini den Sturz der Giganten dargestellt.
Die Einrahmung der Ecken und Ochsenaugen ist ähnlich der vom nördlichen Treppenturm.
Jan Wellem hatte in seinen Diensten eine nur allzu vielsprachige Künstlergesellschaft,
Meister vom Niederrhein und aus Süddeutschland, Niederländer und Belgier, Italiener und
45
Abb. 38. Schloß Bensberg. Eckdekoration an der Decke eines der ehemaligen Treppcnlürme.
Vgl. Abb. 1, 3, 29, 35, 37 und Bd. I, Abb. 346.
Franzosen. Ihr Einfluß auf die heimische Wohnbautätigkeit in Düsseldorf konnte nicht aus-
bleiben. Wolfgang Wilhelms Jesuitenkirche und Philipp Wilhelms Schloßbau zu Benrath
hatten schon eine fremde süddeutsch - italienische Note an den Niederrhein getragen
(I. Abb. 212, 341, 342). Aber der Wohnbau und das gesamte Stadtbild hatten ihren einheit-
lichen niederrheinischen Charakter behalten. Unter Jan Wellem wandeh er sich. Wer
aufmerksamen Auges auf seinen Wanderungen durch die Altstadt die leider nur wenigen
erhaltenen Bauten der Zeit studiert, wird leicht die Mannigfaltigkeit der Bauformen gegenüber
den einheitlicheren in den stromabwärts gelegenen Städten feststellen können. Die Alberti,
Bartolus, Riva, Reiner, Cagnon, Martinelli, du Bois usw. haben zwar die traditionellen bau-
künstlerischen Beziehungen zum unteren Niederrhein und den Niederlanden nicht gänzlich
unterbinden können. Man nehme nur die schöne Partie am Stiftsplatz (Abb. 40, 41). Ein
echtes niederländisch -niederrheinisches Kirchplatzidyll. Der alte Platz um St. Lambertus
mit seinen alten Stiftshäuschen (I. Abb. 192, 198) hätte sich kaum einen stimmungsvolleren
Ausbau denken können. Gibt es denn etwas Bescheideneres als den alten Klosterbau der
Karmelitessen, einen schlichten Backsteinbau, aber mit seinen hell leuchtenden Haustein-
46
fensterrahmen wieder von farbenfroher Freundlichkeit (Abb. 40). Nur der Eingang hatte
sich etwas Schmuck erlaubt. Der Türrahmen hatte hier reichere Profilierung erhalten. Das
Oberlicht ward von Voluten eingefaßt, ebenso das darüber angebrachte Wappen. Sein Rahmen
reicht bis an das Fenster im ersten Geschoß, das indes wieder ebenso schmucklos ist wie
seine Nachbarn. Eine vornehm zurückhaltende Bescheidenheit, wie sie, außer in den Nieder-
landen, sich nur noch bei den gleichzeitigen Backsteinbauten im Münsterlande wiederfindet*.
Diese taktvolle Zurückhaltung des Klosters wollte nicht allein auf die gegenüberliegende
Kirche des heiligen Lambertus Rücksicht nehmen, sondern war auch darauf bedacht, der
Fassade der Klosterkirche das wirkungsvolle Relief zu geben. Das Verhältnis der Bau-
massen zueinander ist wundervoll! Das in der optischen Verkürzung allmähliche Aufsteigen
der Profile des Klosters, der Querschiffe und der Fassade des Kirchleins. Die Schmucklosig-
keit des Klosterbaues ließ mit so wenigen Mitteln die Fassade der Kirche zur Geltung kommen,
Kerckerinck-Klapheck: Alt-Westfalen. Abb. 52-54, 61, 78. 82. 203.
m
^Cv
Abb. 39. Düsseldorf. Haus Douven, Altestadt Nr. 1; Stuckdecke Vgl. Abb 41.
47
nämlich das Barockportal mit dem Oberfenster und die Seitennischen, eingerahmt von hohen
Backsteinpilastern, die über dem haustemernen Hauptgesims und dem Gebälk emen Flach-
giebel tragen. Darüber ragt das Dach mit dem Vierungstürmchen hmaus.
Die Kirche ist kreuzförmig angelegt mit gleich kurzen Armen; die seitlichen abgerundet,
über den flachen Tonnen der Kreuzarme steigt die flache Vierungskuppel auf. Das Innere
zeigt eine stimmungsvolle Raumgestaltung und Raumausstattung. Antonio Bernardi, der
kurfürstliche Theatermaler, hatte die Decke mit einer Schemarchitektur ausgemalt. Der Außen-
bau der Kirche und des Klosters hat aber mit Jan Wellems italienischen Künstlern weiter
nichts zu tun. Die Gliederung des Portals mit dem Oberlicht an der Fassade der Kirche und
die zusammenfassende architektonische Hausteinumrahmung erinnern an ein Bürgerhaus auf
dem Großen Markt zu Cleve (I. Abb. 332). Sie zählt ebenso in das Kapitel des den unteren
Niederrhein beherrschenden holländischen Klassizismus wie die Pilasterarchitektur der Fassade.
Man könnte noch auf das Pfarrhaus zu
Rheinberg vom Jahre 1729 und auf
Jacob Sprengers Rathaus zu Geldern
von 1724 verweisen (I. Abb. 334, 339).
Aber auch die Grundrißanlage des Kirch-
leins ist auf den Einfluß des holländischen
Klassizismus zurückzuführen. Schon
Hendrik de Keyzer hatte für dieNoorder-
kerk in Amsterdam, die in den Jahren
1620 — 1623 Hendrik Staets ausführte,
ein griechisches Kreuz zugrunde gelegt.
Hendrik Dankerts „Architectura Mo-
derna" (1628) entwickelte die Idee des
Zentralbaues weiter. Conraet Roleffs
Noorderkerk zu Groningen (1660-1664),
die Oosterkerk zu Amsterdam, Martin
Fabers Neue Kirche zu Emden (1643
bis 1 648), vor allem Arent van 's Grave-
sandes Mare Kirche zu Leiden (1639
bis 1648) könnten noch angeführt wer-
den. Der Name des Baumeisters der
Kirche der Karmelitessen zu Düssel-
dorf ist leider nicht bekannt*.
Abb. 40. Düs
der Karmelitessen.
* Georg Galland: Geschichte der holländischen
Baukunst und Bildnerei usw. Frankfurt a. M. 1890.
S. 1 83, 289, 290, 3 1 1 . 3 1 2. - Wie die Pilasterarchitektur.
48
Das der Kloslerkirche der Karmelitessen gegenüberliegende Douvenhaus an der Ecke
der Krämerstraße atmet die gleiche Ruhe des holländischen Klassizismus (Abb. 41). Es ist
nur recht schade, daß der Bau später verputzt worden ist. Vor einigen Jahren konnte man
den ursprünglichen Zustand wenigstens noch an der seitlichen Fassade sehen : die Ecken ge-
quadert, den Sockel und die Fensterrahmen aus Haustein, den Grund sonst aus scharf gefugten
Backsteinlagen. Der moderne Tünchermeister, der die Fensterrahmen dunkel angelegt hat,
damit sie nicht bei ihrem geringen Relief auf dem nunmehr hellgrauen Grund verschwinden,
hat aber den eigentlichen Witz der charakteristischen Fassadengliederung ganz und gar miß-
verstanden. Er hätte, wenn er schon die Backsteinflächen zu tünchen hatte, nicht allein die
Eckverquaderung ebenfalls dunkel tönen müssen, nein, vor allem die Pilaster des Zwischen-
stückes über der Tür und unter dem darüber gelegenen Fenster im oberen Geschoß. Am
so beschäftigte auch die kirchhche Zentralanlage des holländischen Klassizismus am Ausgange des 17. Jahrhunderts den führenden
münsterländischen Baumeister Petrus Pictorius. Vgl. Kerckerinck- Klapheck, a.a.O., Abb. 199. Es handelt sich um
dieselben Beziehungen wie am Niederrhein. Vgl. I. Bd., S. 322, 323.
■ ß-jDsmi.
Abb. 41. Düsseldorf. Altestadt. Rechts Haus Douven. Vgl. .Abb. 39
49
besten hätte er das ganze Zwischenstück dunkel halten sollen. Denn der Reiz bestand doch
gerade darin, daß die verkröpfte und nur wenig risalitartig vorspringende Türeinfassung mit
dem besonders hervorgehobenen und eigens mit einem Flachgiebel geschmückten Mittelfenster
eine zusammenfassende einheitliche Rahmenkomposition bildet, wie an der Fassade der Kloster-
kirche und an dem erwähnten Haus auf dem Großen Markt zu Cleve (I. Abb. 332).
Die schräg zur Straße im Winkelpunkt zweier Bauflügel angelegte Kapelle der Karmelltessen
ist der städtebaulich wirkungsvolle Abschluß der Krämerstraße vom Burgplatz her. Das Gegen-
stück ist die Baugruppe an der Ecke der Flinger Straße, dort, wo die Marktstraße ausläuft
(Abb. 43). Das zweite Haus Nr. 3, Haus Krischer, mit dem hohen rechteckigen Aufbau,
mit einem Flachgiebel bekrönt, und die Zwickel mit Voluten und ornamentalem Zierat ge-
schmückt, könnte an den Amsterdamer Grachten stehen. Leider hat das Haus später ein
neues Untergeschoß erhalten; nicht weniger schade ist es, daß die Backsteinfassade wieder
nachträglich verputzt worden ist. Sie wirkt jetzt flau. Der Eckbau nebenan, das Haus zum
goldenen Helm genannt, ebenfalls mit modernem
Ladeneinbau, hat seinen Giebel mit Amsterdamer
Kränzen der Jacob van Kampen und Philipp Ving-
boons geschmückt (vgl. I.Abb. 331). Ebenso unter
den von Konsolen getragenen Fensterstürzen das
reizvolle zweistöckige Häuschen Zitadellstraße
Nr. 7 vom Jahre 1684, das später einen anmutigen
Mittelrisalit erhalten hat. Einen Erker, unten zu
Seiten der Haustür von Pilastern getragen und
oben mit einem Giebelchen bekrönt (Abb. 44).
Der Schmuck der Girlanden ist bei beiden Bauten
aber nur noch ein äußerer Zusammenhang mit
dem holländischen Klassizismus. Die barocken
Fensterrahmen und Profile, die Aufteilung der
Fassade und der eigenartige Giebel zeigen mehr
verwandte Züge mit den Arbeiten, die sich um
Alberti und seinen Kreis sammeln.
Ich möchte diesen Meistern auch die Bebauung
der Neußer Straße zuschreiben, um so mehr,
da die monumentale Bekrönung der Neustadt, das
neue Residenzschloß, in den Händen des Ober-
baudirektors lag. Zu beiden Seiten der von Baum-
reihen begleiteten Straße waren breite und hohe
Fassaden vorgesehen, möglichst mit durchlaufen-
Abb. 42. Düsseldorf. Marktstraße. dem Hauptgcslms Und gleichen Stockwerkhöhen.
50
Die hohen rechteckigen Fenster des ersten Geschosses von schhchten, nur wenig profiherten
Rahmen eingefaßt. Als Fensterbekrönung eine horizontal überstehende Deckplatte. Die
Fenster des Obergeschosses meist quadratisch mit barocken Eselsohren an den beiden oberen
oder auch an allen vier Ecken (Abb. 46 a). Hier und da hatte das Fenster der Hauptachse
im ersten Geschoß über dem Fortal wohl eine andere Giebelform erhalten. Sonst aber sollten
die einzelnen Fassaden möglichst einheitlich gestaltet werden ; in dieser Einheitlichkeit schwebte
Jan Wellem die monumentale Auffahrt zur neuen Residenz vor Augen.
Neben dem Entwurf für das neue Schloß zu Düsseldorf, beziehungsweise dem ausgeführten
Bau zu Bensberg, hat noch ein anderes Schloß nicht unwesentlichen Einfluß auf die bürger-
liche Baukunst Düsseldorfs gehabt, und zwar der vornehmste Edelsitz des oberbergischen
Landes, Schloß Ehreshoven*. Seitdem Wilhelm von Nesselrode (f 1399) Jutta, die Erb-
tochter des schon im Jahre 1313 auf Ehreshoven genannten Geschlechtes der Herren von
Yrishove oder Irenshoven, heimgeführt hatte, ist der Besitz bis heute bei den Herren und
späteren Reichsgrafen vonNessel-
rode geblieben, die in den Tagen
Jan Wellems und Karl Theodors
von der Pfalz in der bergischen
Landeshauptstadt einen wichtigen
politischen Einfluß hatten. Ein
Freiherr von Nesselrode war, wie
wir bereits erfuhren, im Jahre
1684 Mitglied der Kommission
für den Ausbau der Ritterstraße
in Düsseldorf. Das Absteige-
quartier der Reichsgrafen von
Nesselrode im 18. Jahrhundert
steht heute noch in der Schul-
straße am Ausgange der Zitadell-
straße. Unter Karl Theodor war
ein Graf Karl Nesselrode Minister .
Philipp Wilhelm von Nessel-
rode, seit 1668 vermählt mit
* C lernen: Kunstdenkmäler der Kreise
Gummersbach, Waldbroel und Wipperfürth.
Bearbeitet von Edmund Renard. Dussel-
dorf 1900. S. 92 ff. - F. W. Bredt und
Bruno Hirschfeld: Oberbergische Burgen
und Schlösser. Mitteilungen des Rheinischen
Vereins für Denkmalpflege und Heimat-
schutz. V S. 270 ff.
Abb. 43. Düsseldorf. Flinger Straße. HausK
nscher un
d ,,Haus zum goldenen Hein
51
Maria Adriana von Leerodt, Heß gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts Ehreshoven ausbauen.
Vielleicht ist es derselbe, der 1684 in der Düsseldorfer Kommission genannt wird. Das alte,
an der Rückfront noch erkennbare Herrenhaus aus dem 1 6. Jahrhundert erhielt eine hufeisen-
förmige Hofanlage. Die vierseitige Vorburg ist aus der Hälfte eines auf einer Ecke stehenden
Sechsecks konstruiert, hat in dieser Ecke, genau in der Achse des Hauptportals vom Herren-
haus, das Eingangstor, während Wehrtürme mit barocken Hauben die beiden anderen Ecken
schmücken*. Für unseren Zusammenhang ist aber die interessante Gesamtanlage nicht so
wichtig als der Schmuck des Giebels und der beiden seitlichen Lukarnen des Herrenhauses
(Abb. 45). Der flache Giebelbogen mit den Voluten wurde charakteristisch für eine Reihe
der Düsseldorfer Bürgerhäuser. An zwei Bauten, Neustraße und Marktstraße, kehrt sogar die
seltsame Umrahmung der runden Giebelfenster wieder: eine einfache runde Deckplatte als
Giebelbekrönung; der Hausteinrahmen unten wie zwei Schleifenenden auslaufend (Abb. 42).
Dabei fällt einem noch ein, daß die nur
wenig geschwungene Giebellinie des
Eingangstores der Vorburg auf Ehres-
hoven an die vom ,,Haus zum goldenen
Helm" in Düsseldorf erinnert.
Der Baumeister des stolzen Edel-
sitzes ist nicht bekannt. Bei den Be-
ziehungen des Geschlechtes derer von
Nesselrode zur bergischen Landeshaupt-
stadt zweifle ich indessen nicht, ihn
in dem Künstlerkreis um Jan Weilern
suchen zu müssen.
Zwar im einzelnen die Tätigkeit
der Meister bei dem Mangel an archi-
valischen und monumentalen Urkunden
heute genauer zu bestimmen, wird kaum
möglich sein. Zusammenfassend wissen
wir doch leider nur: Alberti hat mit
Hilfe seines Hauptmitarbeiters Bartolus
Schloß Bensberg erbaut und den Entwurf
für das beabsichtigte neue Düsseldorfer
Residenzschloß geschaffen. Lediglich
Abb, 44. Düsseldorf. Zitadellstraße Nr. 7
* Ansicht der Rückfront und des Eingangsiores
beiCIemen-Renard a.a. 0., Abb. 57, und Bredt-
Hirschfeld. Abb. 73. — Grundriß bei Clemen-
Renard Abb. 33; bei Bredt-Hirschfeld Abb. 73.
52
Abb. 45. Schloß Ehreshoven. Mittelstück des Herrenhauses.
53
Abb. 46. Düsseldorf. Stuckdecke aus dem Hause Scheidt -Weschpfennig, Altestadt Nr. 14.
die Vermutung, nach dem Detail der Bauformen und der Stellung des obersten Baubeamten
des Landes, läßt darauf schließen, daß Alberti auch an dem Ausbau des alten Schlosses und
der Neußer Straße beteiligt war. Von Paul Reiner, Reynertz oder Reinerts wissen wir nur,
daß er in der Mühlenstraße den fürstlichen Marstall errichtet hat. Aber der Bau ist nicht
mehr erhalten. Reiner war schon im Jahre 1672 in den Diensten Philipp Wilhelms und starb
Ende März 1693. Der Hofarchitekt und Ingenieur Jacob du Bois war nach Raparinis
Angaben der Erbauer des Galeriegebäudes. Dann ist nach Ferbers Quellenstudien noch die
Arbeit eines vierten Baumeisters nachzuweisen: Cagnon, entweder Michael der Vater oder
Constantin der Sohn, hat für den Kanzler Friedrich Grafen von Schaesberg das seinerzeit
von dem Kriegskommissar und Marschall Friedrich Christian Freiherrn von Spee bewohnte
Haus Ritterstraße Nr. 16 geschaffen*. Es steht heute noch und ist mit seinem unverputzten
Backsteingrund und den gut gezeichneten Konsolen der Hausteinfensterbänke und Gebälke
von vornehm schöner Wirkung und einer der besten Vertreter des neuen Düsseldorf Jan Wellems.
* Raparini nennt die Familie Canon. Michael Cagnon war in erster Ehe mit Adriana Jansen vermählt, gmg dann vor 1694
mit Sophia Maria Bast eine zweite Ehe ein. Zu der Familie des Marschalls von Spee unterhielt er gute Beziehungen. Die Paten
eines seiner Kinder waren Anna Catharina von Loe zu Wissen, Friedrich von Spees Schwester, Johann Adrian von Loe und Friedrich
von Spee. Vgl. Ferber: Historische Wanderung durch die alte Stadt Düsseldorf. 1889. I. S. 9. — Levin a. a. 0., XX. S. 154 ff.
- Lau a.a.'O., XXVI. S.241.
54
Michael Cagnon war als Hofarchitekt und kurfürstlicher Kammerrat der Vorgänger von Jacob
du Bois. Er wird als „Architectus et Ingenior" oder als „Architecta a Machinis bellicis" und
„S. E. P. Architectus Supremus et camerae consiliarius" angeführt. Für St. Lambertus hat er
den Hochaltar entworfen. Er starb im Jahre 1700. Sein Sohn Constantin ist der Erbauer der
ehemaligen Kaserne in der Extension (Abb. 26).
Das ist einstweilen alles, was wir urkundlich über die Tätigkeit der Hofbaumeister Jan
Wellems in Düsseldorf wissen, über die zahlreichen Kunsthandwerker sind wir nicht besser
unterrichtet. Es fehlt zudem an erhaltenen Arbeiten. Aus dem ganzen 17. Jahrhundert ist
beispielsweise nur eine reicher geschmückte Stuckdecke erhalten: Altestadt Nr. 14, in dem
früheren Haus der Herren von Scheidt-Weschpfennig (Abb. 46). Der reiche Barockschmuck
soll schon, wie Ferber angibt, im Jahre 1627 fertig gewesen sein*. Weit eleganter ist die Stuck-
decke im Douvenhaus aus dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts (Abb. 39). Nehmen wir
dazu noch die wenigen alten Treppenhäuser, so wäre das alles, was uns an Arbeiten der Innen-
ausstattung der Bauten aus den Tagen Jan Wellems überkommen ist (Abb. 47 — 50).
So reich indes die Innenausstattung der Neubauten einst gewesen sein mag, im Äußeren
blieben es nur schlichte Anlagen. Das Bürgerhaus hielt lange noch seinen alten nordischen
Giebel bei. Die Bauten der Hofbeamten und des Adels suchten in den engen Straßen inner-
halb der schmalen Giebelreihenhäuser durch eine breite, architektonisch gegliederte, seitliche
Toreinfahrt zu den Ställen im Hinterhaus den Charakter von Hofanlagen zu bewahren. Bei
Ferbe
,0., I. S.24
-1
1^ -if ■<
w w tf-
-r
I I I I I I I I I ILI
Abb. 46 a. Düsseldorf. Hubertus -Stift. Originalzeichnung im Historischen Museum der Stadt Düsseldorf.
55
<
<
56
z
V
CS
tsl
Q
57
Abb. 31. Düsseldorf. Giebelschmuck am ehemaligen Marstall des Jägerhofes.
ihrer breiteren Fassa-
denentwicklung trat
der Giebel mehr und
mehr zurück ; und
damit auch die male-
risch bewegte Um-
nßlinie. Man erzielte
größere Flächenwir-
kung. Ihr Reiz liegt
in der Aufteilung der
Fassade und in der
klaren Zeichnung der
Profile. Demgegen-
über trat auch das
Schmuckbedürfnis
zurück. Reichere Gliederung blieb auf das Portal beschränkt. Die Auslese an alten Portalen
ist aber ebenfalls nur noch gering. Das Hubertus-Stift zeigt die typische barocke Einrahmung
mit Eselsohren, wie an den Fenstern, nur den Rahmen reicher profiliert (Abb. 46 a). Ein
Haustürtyp, der noch verschiedentlich in Düsseldorf wiederkehrt*. Eleganter ist das Pilaster-
portal Neußer Straße Nr. 8 mit plastischem Schmuck und gegliederten Konsolen, die einen
verkröpften Aufbau tragen (Abb. 56). Das reichste Beispiel ist das heute zum Fenster um-
gewandelte Portal vom Grupellohaus am Markt (Abb. 57). Vielleicht, daß der Entwurf
von dem Bildhauer selbst stammt. Er, der in allen Techniken zu Haus war, der Bronze-
gießer, Marmorarbeiter, Wachsmodelleur, Holz- und Elfenbeinschnitzer, der scheinbar
einen großen Schülerkreis um sich versammelt hat, wird auch als Ausgangspunkt der
reichen Holzschnitzereien an Haustüren und Torbogenfüllungen anzusprechen sein. In die
Haustüren sind Zickzackbänder eingeschnitzt, oben ein abwechslungsvoll gearbeiteter Ranken-
fries, in dessen Mitte Engel- oder Tierköpfe oder Symbole, das Ganze von einem gedrehten
Rundstab eingerahmt (Abb. 52 — 56)**. Ganz ausgezeichnet sind die geschnitzten Lünetten
an den Portalen Akademiestraße Nr. 1 und Neußer Straße Nr. 12 (Abb. 58, 59). Das Glanz-
stück dieser Schnitzerschule sind aber die Giebel vom ehemaligen Marstall des Jagdschlosses
Jägerhof in Pempelfort, d. h. des früheren Schlosses. Karl Theodor von der Pfalz hat es um
1750 abtragen lassen, einen Neubau aufgeführt und von der alten Anlage nur den sogenannten
Marstall behalten, einen langgestreckten, einstöckigen und schlichten Backsteinbau. Aber
die Kunst Grupellos oder seiner Schule hat dem Bau drei wunderbare Dekorationsstücke
gegeben, holzgeschnitzte große Giebelreliefs, Arbeiten von virtuosenhaftem Können. Ich
* Josef Kleesattel: Ah-Düsseldorf im Bilde. Düsseldorf 1909. Abb. 1 1, 23, 28, 30, 31, 38, 56, 60, 63. 66, 94.
** Weitere Beispiele vgl. Kleesattel a. a. 0. Abb. 1 1, 28. 30. 31, 33, 60, 65, 66, 92.
38
zeige hier den mittleren Giebel (Abb. 51). Hoch oben über den Alllancewappen Jan Wellems
und der Anna Maria Luise von Toskana der Kurhut. Darunter das Wappen des Erz-
truchsessen, umgeben von den Ordensketten des Hubertusordens und des Goldenen Vlieses,
von Waffen, Jagdzeug und breitlappigen Akanthusranken. Die schmale Inschrifttafel unter
dem Orden des Goldenen Vlieses erzählt, daß Johann Franz von Weichs, der Oberjäger-
meister, den Bau im Jahre 1713 errichtet hat*.
AN° MDCCXIII. Supremo Venatore
Joan. Franc. L(iber) B(aro) De Weichs.
Der Name Marstall stammt aus der Franzosenzeit. Man hatte damals den Bau als
Kasernements des Bourschelder Regiments eingerichtet. Ursprünglich war es das „Chur-
fürstlich Jägerhaus oder Jagdzeughaus", das die zu Hofjagden nötigen Geräte barg. Vor
einigen Jahren hat das Jagdzeughaus durch die Aufteilung des Gartens vom Jägerhof und
die Anlage der Couvenstraße mehr denn die Hälfte seiner Ausdehnung opfern müssen. Als
Orangerie erhielt es einen neuen Beruf.
Am 8. Juni 1716 stand Düsseldorf trauernd an der Bahre seines kurfürstlichen Gönners.
Grupello entwarf für die Gebeine seines Herrn einen bronzenen Prachtsarkophag, der in der
Grabkapelle, hinter dem Chor von St. Andreas, Aufstellung fand (Abb. 60). Tiertatzen sind
seine Füße. Löwenköpfe schmücken die Ecken. Das große Bahrtuch auf der Vorderseite er-
zählt in einer Inschrift von Jan Wellems Leben. Drei Medaillons sind an dem Sarkophagdeckel
angebracht. In der Mitte das Porträt des Kurfürsten, Lorbeer im Haar; links sein Wappen-
schild, rechts zwei Schiffe, die mit dem Sturme vor einem Leuchtturm einer Hafeneinfahrt
kämpfen. „Tandem portus post vitae procellas obtentus" liest man auf ihrer Umschrift**.
Düsseldorf, Kunst- und Gartenstadt, hat Jan Wellem vieles zu danken! Dem Gründer der
Pinakothek und Erweiterer der Stadt. ,,Merito Urbls Ampllficatorl Plnacothecae Fundatori",
wie die , .Grata Civltas" im Jahre 1830 auf seinen Denkmalsockel einmeißeln ließ. Aber das
Bewußtsein der künstlerischen und kulturellen Bedeutung des Kurfürsten ist den Düsseldorfern
erst recht spät gekommen. Zu Lebzeiten stand Jan Wellem in Düsseldorf eigentlich ganz allein.
,,Der grosse Hof aestlmire nichts als Lustbarkeiten," meinte einmal Theodor Hartsoecker, der
, .berühmte Physikus und Mathematikus", den der Kurfürst nach Düsseldorf gezogen hatte, zu
Uffenbach. Die breite Menge hatte noch weniger Anteil an den Bestrebungen ihres Kurfürsten,
der ihr ,,zwar ein gnädiger aber auch curiöser Herr" war. Das Interesse der Düsseldorfer an
Jan Wellems Kunstsammlungen war dasselbe, wie im Jahrhundert Wilhelms des Reichen an
Monheims Gelehrtenschule auf dem Stiftsplatz: es kamen viele Fremde und stiegen in den
Gasthäusern der Stadt ab. Wirte, Metzger und Bäcker verdienten einen netten Batzen.
Gevatter Schneider und Handschuhmacher bekamen auch zu tun, denn etwas von dem
Glanz der kurfürstlichen Hofhaltung drang auch in die Kreise der Kleinbürger ein.
* Walter Jost: Die Schnitzwerke am Marstall des Jägerhofes zu Düsseldorf. Düsseldorf 1895.
** Strauven, Die fürstlichen Mausoleen Düsseldorfs. Düsseldorf 1880, S. 35.
59
o;
<
60
2
C2
Q
<
-JS
61
z
ca
CS
D
:3
Q
<
62
:3
Q
.JQ
<
:3
Q
-Q
<
63
Aber die Kunst gehörte dem Kurfürsten ganz allein. Sie war ihm nie em äußerhches
Prunken. Sie war für ihn aufrichtige Herzenssache, ein Lebensbedürfnis. Die persönlichste
Anteilnahme begleitete die zahlreichen Verhandlungen zur Erwerbung neuer Kostbarkeiten.
Man lese nur einmal Jan Wellems großen Briefwechsel mit seinen Künstlern und Kunst-
legaten in Levins hier oft erwähnten Studien nach.
Ohne Jan Weilern wäre Düsseldorf nie EXisseldorf geworden ! Ohne Jan Wellems Kunst-
sammlungen wäre ein Karl Theodor, der meist in Mannheim residierte, nie auf den Einfall
gekommen, seiner abgelegenen niederrheinischen Residenz eine Kunstakademie zu stiften und
die Karlstadt ausbauen zu lassen, deren Rahmen schon Jan.Wellem in der Extension vorgezeichnet
hatte. Eines zog das andere nach sich. Der neue Jägerhof, der Hofgarten, die Residenz der
Statthalter erstanden. Und vor den Toren der Stadt das neue Lustschloß Benrath. Murat und
Napoleon, später die Prinzen von Preußen und Hohenzollern fühlten sich heimisch im Düssel-
dorfer Jägerhof und auf Seh loß Benrath. Der Hofgarten dehnte sich im 1 9. Jahrhundert weiter aus.
Der König von Preußen erneuerte die Akademie. — Aber ohne Jan Wellem, nichts von alledem.
Hätte er Heidelberg wieder aufgebaut und dort sich mit seinen Kunstschätzen umgeben, was
wäre aus Düsseldorf geworden ? Ein Jülich, ein Neuwied — eine vergessene kleine Residenz.
Abb. OO. Düsseldorf. Sarkophag des Kurlürsten Johann Wilhelm in St. Andreas.
64
IL
Das Jahrhundert Karl Theodors von der Pfalz-Sulzbach.
L/er Tod Jan Wellems war zunächst ein herber Abschluß der glänzenden Kunstunter-
nehmungen In Düsseldorf. „Pnnceps vere Optimus, qui omnium amorem, venerationem,
Lacrymas jure meritus, extremum sui desiderium reliquit." — Er war ein wahrhaft ausge-
zeichneter Fürst, den alle mit Recht liebten, verehrten und nun schwer vermissen. So lauten
die Schlußworte, die Gabriel de Grupello in das Bahrtuch über dem Sarkophag hatte anbringen
lassen (Abb. 60). Die Wahrheit dieser Worte hat er selbst bald bitter erfahren müssen. Karl
Philipp (1716 — 1742), Jan Wellems Nachfolger, dachte gar nicht daran, den Spuren seines
heimgegangenen Bruders zu folgen. Die Künstler hatten von ihm nichts zu hoffen. Grupello
wurden die unvollendeten Arbeiten einfach abgenommen. Das ,,Inventarium über die bey
Herrn Statuario undt Chevalier Grupello Befindliche churfürstliche Bilder und sonst" vom
13. Juh 1716 zählt 121 Stücke auf*. Für neue Aufträge war gar keine Aussicht vorhanden.
Drei Jahre blieb der Meister noch in Düsseldorf, dann dachte der 75 jährige Greis daran, nach
vierundzwanzigjährigem Aufenthalt in der Residenz Jan Wellems wieder in die Stadt seiner
ersten Erfolge zurückzukehren. Er hatte sich an den Conseiller regent du Conseil supreme
des Pays Bas in Wien gewandt — die Niederlande waren seit dem Frieden von Utrecht im
Jahre 1713 unter österreichische Oberhoheit gekommen — , ihm, dem ehemaligen Hofstatuarius
Karls II. von Spanien, doch nach der Übersiedelung nach Brüssel den Titel eines kaiserlichen
Statuanus und Generaldirektors der Akademie der Wissenschaften mit den entsprechenden
Privilegien zu verleihen und die Erlaubnis, auf einem der Plätze der Stadt ein Reiterdenkmal
des Kaisers zu errichten. Grupello berief sich darauf, daß er den Kaiser seinerzeit in seinem
Düsseldorfer Hause empfangen und eine Büste von ihm angefertigt habe, mit welcher dieser
sehr zufrieden gewesen sei. Kaiser Karl VI. verleiht ihm den erbetenen Titel. Der Künstler
erhält sogar ,,ad interim" ein Honorar von jährlich zweihundert Gulden, um die Miete seines
neuen Hauses in Brüssel zahlen zu können, ,,pour louage de son quartier". Man kann aber
einen alten Baum nicht verpflanzen. Die neue Umgebung, in der Grupello fremd geworden,
sprach ihn nicht mehr an. Zu größeren künstlerischen Arbeiten ist er nicht mehr gekommen.
Schon nach sechs Jahren kehrte er Brüssel wieder den Rücken und zog nach Schloß Ehren-
stein bei Aachen zu seiner Tochter Adelgunde Jakobine, der Gattin des k. k. Lehndirektors
des Landes Herzogenrath, Peter Kaspar Poyck. Hier starb er, 86 jährig, im Jahre 1730.
* Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1882. Nr. 3, S 1! ff.
9 65
Abb 61. Düsseldorf, Stuckdecke im ebemaligen Winterrefektorium des Franziskanerklosters neben der Maxkirche. Vgl. Abb. 62.
Die anderen Künstler Jan Wellems hatten es nicht besser. Karl Philipp, der erst in vor-
geschrittenem Alter den Kurfürstenstuhl bestieg, war Soldat. Er hatte in den Diensten des
Hauses Österreich gestanden. Bei ihm hatte man zu gehorchen. Er achtete auf Rang und
Stellung. Die Herren vom Hofe unterstützten ihn darin, den Künstlern wieder ihre gesell-
schaftlichen Kreise zu ziehen. Mit den lustigen Abenden ,,In der Kanon" war es vorbei. Em
Jahr nach dem Tode des kurfürstlichen Mäzens wurden, wie man erzählt, auf einer öffentlichen
Auktion dessen Sessel und Pokal aus der Zechstube der Künstler meistbietend versteigert.
Freiherr von Diamantstein erwarb den Sessel, der holländische Gesandte den Prachtpokal,
der später nach dem Haag gekommen sein soll.
So groß die Liebe Jan Wellems für Düsseldorf gewesen, so groß Karl Philipps Gleichgültig-
keit für die Residenz am Niederrhein. Er war vorher Statthaher in Innsbruck gewesen und
konnte keine Liebe für die niederrheinische Ebene haben. Auch politische Momente waren für
ihn bestimmend. Die Pfalz hatte keine landesständische Verfassung wie die niederrheinischen
66
Herzogtümer. Das sagte Karl Philipps absolutistischem Sinn besser zu. Er hat das Land am
Niederrhein nie betreten und bheb In der Pfalz. Heidelberg konnte Ihn zwar auf die Dauer
auch nicht fesseln. Er begann daher im Jahre 1720 In Mannhelm einen neuen großartigen
Schloßbau aufzuführen; 1730 folgt der Bau des Kaufhauses, 1733 die Jesuitenkirche. Die
Sammlungen Jan Wellems mußten den Schmuck für das pfälzische Kurfürstenschloß liefern.
Im Jahre 1719 wurden drei Bilder von Adrian van der Werff angefordert; 1721 wurde
Grupellos Wappen vom Schloß zu Bensberg verladen; 1730 wanderten über zweihundert Bilder
nach Mannheim, und zwar Jan Wellems Perlen an niederländischen Kabinettstücken, die
Brouwer, Dou, Elsheimer, Mleris, Netscher, Breughel und andere mehr. Es Ist der Stamm
der später erweiterten Mannheimer Galerie; Im Jahre 1738 wurde Grupellos Fontäne mit dem
steinernen Untergestell aus dem Schloßhof In Düsseldorf nach Mannhelm gesandt, wo sie dann
1743 unter der Leitung des Oberbaudirektors Bibiena von dem Bildhauer P. Egell auf dem
Paradeplatz aufgestellt wurde, über 700 Kübelpflanzen wurden zu Schiff nach dem kur-
pfälzischen Lustschloß Schwetzingen gebracht, außerdem sechs Statuen von Grupello aus dem
Galerlegebäude*. Selbst Jan Wellems Reiterdenkmal auf dem Marktplatz soll für Mannheim
bestimmt gewesen sein**. Die Düsseldorfer Antikensammlung bereicherte aber der neue Herr,
indem er, wie Langenhöffel, der Kupferstecher, mitteilt, ,, damit sich keine fromme Seele
an den Nuditäten der Statuen ärgern möchte, allen von Blech gemachte Blätter vorbinden
ließ"***. Unter Karl Theodor, Karl Philipps Nachfolger, wanderte auch sie nach Mannhelm.
Als George Forster sich im Jahre 1790 in Düsseldorf nach den Formen zu den antiken
Abgüssen Jan Wellems erkundigte, erfuhr er, daß man sie zerschlagen hatte, um sie zum
Straßenbau zu verwenden"]".
Man darf nach diesen Voraussetzungen von Karl Philipp für Düsseldorfs baukünstlerische
Entwicklung nichts erwarten. Er selbst hat auch keinen neuen Bau aufführen lassen, sondern
nur in der Extension die schon im Jahre 1702 von Constantln Cagnon begonnene
Kaserne vollendet ff. Der Bau steht heute nicht mehr. Man nannte ihn in seinen
letzten Jahrzehnten allgemein die ,, Wanzenburg". Nun, die Wanzenburg war mit dem
niedrigen Wachtgebäude aus fünf mit Pilastern geschmückten Bogen eine sehr ansprechende
Baugruppe, ganz und gar nicht das, was man 'm 19. Jahrhundert unter „Kaserne" verstand,
* Sillib: Schloß und Garten zu Schwetzingen. Heldelb:?rg 1907. Jos. Aug. Beringer: Gabriel von Grupello am Ober-
rhein. „Die Rheinlande" 1907. S. 144 ff. Derselbe: Kurpfälzische Kunst und Kultur im achtzehnten Jahrhundert. Freiburg
i.Br. 1907.
** Der Kriegs- und Domänenrat Müntz berichtet in seiner Beschreibung des Herzogtums Berg vom Jahre 1740, einer Hand-
schrift im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin: ,,Die große Gallerie mit Schildereien ist noch völlig im Stande, das Cabinet mit
Miniaturstücken aber sowohl als der künstliche metallene Aufsatz auf der Hoffontäne vor zwei Jahren nach Mannheim gebracht
und wird gesagt, daß die metallerne Statue des vorigen Kurfürsten zu Pferde, welche auf dem Markt stehet, gleichfalls nach Mann-
heim soll transportiret werden."
*** Vgl. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1882.
t Forster: Ansichten vom Niederrhein I. S. 250.
tt Kohz: Geschichte der Infanterie- und Artillerie-Kaserne. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins 1883
67
d.h. nüchterne Verblendslciniohbaukasten. Sie wäre in ihrer vornehmen Aufteilung und
Gliederung ein glänzendes Vorbild für die neuen Kasernen gewesen, die richtige „Kasernen"
geworden sind.
Düsseldorf hat in der Regierungszeit Karl Philipps nur einen Monumentalbau erhalten.
Im Jahre 1736 die Maxkirche, die ehemalige Franziskanerkirche in der Zitadelle (Abb. 62).
Die Westfassade ist für die Hafenstraße städtebaulich eine ausgezeichnete Kulisse: ein
Backsteinbau mit zementierter Einfassung und Pilastern. über dem risalitartig vortretenden
Mittelstück mit flachem Giebel erhebt sich der sechsseitige, geschieferte, schöne Dach-
reiter, In einer Nische steht über dem von Säulen eingefaßten Portal die Statue des
heiligen Franz. Eine geschweifte Hausteinumrahmung umgibt das darüber rundbogig
angebrachte Fensterchen.
Jahre gingen über Düsseldorf dahin. Verrauscht war das heitere Leben am Hof, die
Fenster des Schlosses waren verhängt, die Oper geschlossen. Der Adel war dem Kurfürsten
nach Mannheim gefolgt. Die Künstler waren ausgewandert. Düsseldorf war eine ver-
lassene, tote Residenz geworden. Die Zeit Jan Wellems rückte mehr und mehr in weite
Ferne, und wenn der Vater seinem Sohne von ihr erzählte, so hörte es sich wie ein
Märchen an. Endlich, nach vollen dreißig Jahren, als Karl Philipp sich im Jahre 1742 zu
seinen Vätern versammelt hatte, zog 1746 in die niederrheinische Residenz wieder der
Herr des Landes ein: Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz aus dem Hause Sulzbach.
Karl Philipp hatte nur eine Tochter, Elisabeth Auguste, die sich im Jahre 1717 dem
Erbprinzen Joseph Karl von Pfalz -Sulzbach vermählt hatte. Sie starb bereits im Jahre
1 728 und hinterließ nur drei Töchter. Im folgenden Jahre starb ihr Gatte. Karl Theodor,
Joseph Karls jüngeren Bruders Sohn, sollte der Erbe Karl Philipps werden. Preußen ver-
langte indessen den Besitz von Berg, Kaiser Karl VI. stand auf seiner Seite. Friedrich
dem Großen war aber der Besitz von Schlesien wertvoller, und er überließ daher Berg
Karl Theodor, als er mit Bayern, Kurpfalz und Frankreich das Bündnis gegen das
Haus Habsburg schloß.
Düsseldorf war bei der Nachricht vom Nahen des neuen I^ndesherrn begeistert. In der
„Kanon" herrschte festliche Stimmung. Man glaubte die Zeit Jan Wellems wiedergekommen,
denn dem neuen Herrn ging der Ruf voraus, daß er die schönen Künste und Wissenschaften
liebe. Düsseldorf bereitete dem Kurfürsten einen festlichen Empfang, der vor allem in den
Veranstaltungen der alten Künstlerzechstube ,,In der Kanon" beredten Ausdruck fand. In
der Festbeschreibung heißt es:
„Der Posthalter und Wein-Händler Maurenbrecher in dem Maurenbrecher oder Canon
auf der Zollstraße hat die ergetzliche Ankunft der höchsten Landes-Herrschaften durch wohl-
erleuchtete Vorstellungen an seiner zur Canon genannten Behausung wenigstens so deutlich
gefeyret, als die feurige Munde von 100 Canonen aus ihrer hertzlosen harten Bart solches
immer aussprechen könten. Man sähe daselbst:
68
Abb. 62. Düsseldorf. Maxkirche. Vgl. Abb. 61 .
69
1. Ihro Churf. Durchleucht Höchsten Nahmen in einem Zuge samt einer Chuikappe;
worüber folgende Zeilen zu lesen waren :
Willkommen, Holder Fürst, Churfürst und Freude-Führer!
Beherrsch uns ewiglich. Du treuer Herzens-Rührer!
Durch Deine Gnad und Huld ist uns heut was geschehen.
Das wir schon dreißig Jahr gehofft, doch nicht gesehen.
2. Ihro Durchleucht der Churfürstinne Höchsten Nahmen in einem Zuge samt einem
Churhut und den darüber stehenden Reimen:
Und Du, o Churfürstin, Du Wunsch von allen Frommen,
Scy tausend — tausendmahl, gleich wie Dein Herr, willkommen!
0 mögt Dem kleines Aug in unsre Herzen sehn.
Du sagtest: hier ist Treu: hier soll mein Tempel stehn.
Gott woU uns unsern Wunsch in Gnaden bald gewähren:
Daß unsre Churfürstin mag einen Prinz gebähren.
3. Ein Canon bey einer zahlreichen Gesellschaft, so einen Becher in der Hand hat: welcher
bei Aussprechung folgender darüber stehenden Worte zu frühe loßbrennet:
Wohlauf ihr Herrn, es gilt jetzt einen vollen Becher,
Hut ab: wer mit mir hat denselben treuen Sinn,
Accompagnirt den Knall von diesen Maurenbrecher,
Und ruft: der Churfürst leb mit seiner Churfürstin!
Dies ist der schönste Herbst von mehr als dreißig Jahren :
Er lasset nicht allein den Churfürst zu uns fahren:
Es schenkt auch solch Gewächs von Rhein- und Mosel-Wein,
Daß Ganimedes sagt, es müsse Nectar seyn.
4. Die Stadt Düsseldorf, woraus allerley Standes-Menschen dem durch die Ehren-Pforte
hereinfahrenden Churfürstlichen Wagen entgegen zu eilen, und den Weg mit Cräntzen und
Blumen zu bestreuen schienen, mit der Beyschnft:
Du Landes- Vatter zieh mit stetem Seegen ein,
Du Landes-Mutter muß hier stets vergnüget seyn.
Frohlock o Düsseldorf, o Bürger freue Dich:
Dein Glückstern geht Dir auf, die Zeit verändert sich:
Man hat in dreißig Jahr kein Churfürst hier gesehen.
Ich mach euch hiermit kund, daß es heut soll geschehen.
5. Eine in einer düstem Gegend herum irrende Menge junger Hünlein; worauf aus einer
schönen Gegend eine Glück-Henne kommt; welche mit ausgebreiteten Flügelen die Hünlcin
unternehmen will und die gantze Gegend zu erhellen scheint, mit dieser Beyschnft:
Wan uns solche Flügel decken.
Weichen von uns alle Schrecken ;
Ja es wird die dunkle Nacht
Hell gemacht.
70
Abb. 63. Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich und Berg.
Erbauer von Schloß Benrath und des Jägerhofs zu Düsseldorf. Stifter der Düsseldorfer Kunstakademie.
71
übrigens waren die zehn obere Fensteren selbigen Hauses mit Tax-Säulen durch 400
Lampions erleuchtet usw."
„Bevor an dem Abende" — so erzählt die Festbeschreibung weiter — „die Sonn, als die
Zuschauerin aller gemachten Veranstaltungen, für die bevorstehende Zusammenstimung so
vieler tausend Lichter sich gleichsam auf die Seite zöge und in den Schooß des atlantischen
Meeres sich versenkete, woirde durch den Churf. Hof-Furier Herrn Lieutenant Görg veran-
staltet, daß die beiden Quartier-Commissarien, nemlich Ihro Churf. Durchl. Rath Referendarius
und dahiesige Haubt- und Criminal-Gerichts-Schöffen Johann Anton Gesser und daselbstigen
Magistrats-Altrath Johann Adolfen Beuth sich fertig zu halten hätten, um abends 8 Uhr bey
Hofe zu erscheinen, woselbsten aus dem Churfürsthchen Marstalle die aufgesattelten Pferde
vorgefunden werden sollten." Dann setzte sich der Festzug in Bewegung. An der Spitze zu
Pferde Gesser und Beuth mit den Hoffurieren und Generaladjutanten. Dann der Wagen
des kurfürstlichen Paares, begleitet von den Stabsoffizieren und Kammerherren zu Pferde.
In ungefähr hundert Wagen folgten die Conferential-Hof-Minister, die Hofdamen, der Adel
und die fremdherrlichen Gesandten. In den Straßen der Stadt waren Triumphtore errichtet
worden. Alle Häuser waren festlich geputzt und abends von Tausenden und aber Tausenden
Lichtern erleuchtet. Die einzelnen Bürgerhäuser überboten sich im Schmuck der Lichter,
Transparente, Inschriften und Girlanden.
Nun wirst du, Wehrte Stadt, in alter Blüte leben:
Dein Vorig Wohlergehen wird Dir dein Churfürst geben;
Drum laß Dein Bürgerschaft zur Freude seyn bereit:
Daß Dir jetzt wiederkommt die alte goldene Zeit!
las man beim Kaufhändler Lucas Steinberg in der Kurzen Straße. Alle Transparente wieder-
holten, daß nun nach dreißig Jahren endlich für Düsseldorf eine neue Zeit anbreche.
Steh auf. Steh auf, betrübtes Hertz:
Das Seufzen und der lange Schmertz
Hat ein beglücktes End genommen.
Dan Theodor ist angekommen.
hatte der Bürgermeister, der Hof kammerrat Pool, an seinem Haus in der Zollstraße anbringen
lassen.
Es war dies Land vorhin in einer trüben Nacht;
Jetzt wird es eine Wayd der Lust zu sem beginnen :
Da solche Fürsten samt so großen Prinzessinnen
Durch ihre Gegenwart es gantz beglückt gemacht.
stand an einem anderen Haus, usw.*
* Die oft amüsanten Transparcntinscliriften bei Ferbcr; Historische Wanderung usw. I. S. 69, 70, 78, 92, 93, 95, 115, 116,
II. S. 8-10, 34, 39, 49, 55, 58, 59, 84, 87, 89.
72
Die Düsseldorfer wurden nicht enttäuscht. Ihre Stadt hatte wieder einen kurfürsthchcn
Hof, wenn auch nicht dauernd, denn Karl Theodor residierte doch die meiste Zeit wie sein
Vorgänger in Mannheim oder Schwetzingen. Ein Jan Wellem war er freilich auch nicht. Er
ließ, wie Karl Philipp, eine Reihe Kostbarkeiten aus den Düsseldorfer Sammlungen nach
Mannheim schaffen. Bilder, dann die Schatzkammer, die Elfenbeinarbeiten, die kleinen
Bronzen, Uhren usw. Aber er sorgte doch dafür, daß Düsseldorf aus den unter Karl Philipp
nach Mannheim gebrachten Sammlungen entschädigt wurde, ebenso wie er Grupellos Statue
des Jan Wellem als Ersatz für die große Fontäne im Düsseldorfer Galeriehof wieder zurück-
gab. Er hatte Verständnis dafür, daß , .Unsere zu Düsseldorf befindliche Gallerie von solchem
Werth ist, daß deren conservation billiger Dingen allen Betracht verdienet" und hatte es
,,ggst gut gefunden", wie er am 2. August 1754 aus Schwetzmgen anordnet, ,,den königl.
frantzöischen Directeur Colinze eigents von Paris anhero zu beschreiben, und solchem den
ggsten Auftrag zu thuen sich nache Düsseldorf zu begeben, um sämtliche m besagt Unserer
Gallerie befindliche Gemähide in Augenschein zu nehmen, deren Beschaffenheit zu exami-
nieren, die etwa beschädigte Sachen herzustellen und vor deren und sämtlicher übrigen Con-
servation sowohl dermahlen zu sorgen, dann auch anzugeben, wie in Zukunfft erforderliche
Absicht zu tragen". Er ordnete weiter an, daß ,,die Gemähide auf eine ganz andere Art ran-
giret und anders nummerlret werden dörfften, ein ordentliches Protocoll darüber zu führen,
damit aus dessen Inhalt die vorgenohmene Abänderung ersehen werden möge, wie dan nach
solchem Vorgange Er Direkteur eine ordentliche beschriebene Verzeichnuß über die gantze
Gallerie nach der neueren Einrichtung machen wird." Im Jahre 1778 erschien auf Karl
Theodors Kosten der Prachtkatalog von Nicolas de Pigage, der nicht allein in seiner äußeren
Erscheinung, sondern auch für den damaligen Stand kunstwissenschaftlicher Forschung eine
Überraschung ist.
Schon der erste Aufenthalt des Kurfürsten in Düsseldorf hatte allerlei Baupläne gezeitigt,
die der Statthalter der niederrheinischen Herzogtümer, der kunstverständige und unter-
nehmungslustige Ludwig Karl Graf von Goltstein zu verwirklichen hatte. Düsseldorf
hat dem Statthalter viel zu danken. Man darf ihn vielleicht als den Hauptanreger der neuen
baukünstlenschen Entwicklung, die nun in der Stadt einsetzt, ansprechen. Als Karl Theodor
im Jahre 1 755 zum zweiten Male in seiner niederrheinischen Residenz weilte, konnte er zu-
nächst den Ausbau des Rathauses bewundern, das im Jahre 1749 ein stattlicheres Gewand
erhalten hatte, das neue Portal mit zierlicher Rokokogliederung. Darüber den schönen
schmiedeeisernen Balkon mit dem von Löwen gehaltenen Wappen der Stadt und dem Mono-
gramm C T und E A — Carl Theodor und Elisabeth Augusta (I. Abb. 195). Das neue
Treppenhaus mit schmiedeeisernem oder aus Holz geschnitztem Geländer (Abb. 64 u. I. 196).
Anstoßend an das Rathaus war die kurfürstliche Kanzlei errichtet worden (I. Abb. 195 u. 197).
Ebenfalls mit einem interessanten Gitterwerk über dem Portalfenster mit den von zweij
Löwen gehaltenen und von Ranken umgebenen Allianzwappen des kurfürstlichen
10 73
</
Paares*. Während des Düsseldorfer Aufenthaltes von 1755 konnte Karl Theodor Nosthovens
Arbeiten am alten Schloß und Couvens Tätigkeit am Neubau des Schlosses Jägerhof verfolgen.
Im selben Jahr wurden Pigages Baupläne Rir Schloß Benrath genehmigt. Zwei Jahre später unter-
brach indessen der Siebenjährige Krieg die hoffnungsvollen Anfänge emes neuen Düsseldorf.
Karl Theodor stand mit Frankreich auf selten Österreichs. Düsseldorf erhielt eme fran-
zösische Besatzung. Am 23. Juni schlug Ferdinand von Braunschweig, der Verbündete Friedrichs
des Großen, mit seinen Hannoveranern bei Krefeld die Franzosen. Drei Tage später gab er
seinem Generalmajor von Wangenheim den Befehl, ,,mit der Beschießung der Stadt Düssel-
dorf den Anfang machen zu lassen, wobei Kanoniers und Bombardiers sich angelegen sein
müssen, durch Feuerkugeln und Bomben die Stadt in Brand zu bringen und solchen durch
beständiges Schießen zu unterhalten, damit die Stadt zum Löschen kein Mittel finde, mithin,
um sich zu retten, gezwungen
werden möge, zu kapitulieren .
Am 28. Juni begann das Bombar-
dement**. ,,Es ist leicht zu erraten,"
heißt es in einem Brief eines unbe-
* Später wurde die Kanzlei der ,,aliergnädigst
privilegierte Tanzsaal", war dann lange Zeit das
Vereinslokal vom „Parlament" oder des „Rathes
der Alten", der heutigen Gesellschaft Verem.
** Die Stellung der {eindlichen Truppen ist
in einem Stadtplan vom Jahre 1766 genau an-
gegeben. , Plan du Bombardement de Dusseldorff
commence le 28""^ Juin 1758. F. W. de Bawr,
grave sous la direction de J. de Schley ä la Haye
et public aux depens de Pierre Grosse jun. et
David Pinet 1766." — Abgebildet im Jahrbuch
des Düsseldorfer Geschichtsvereins, Band II,
1887. - Vgl. ebenda S. 1-40, Tönnics: Die
alliierten Truppen vor und m Düsseldorf. — Der
Stadtplan enthält folgende Angaben: M. le G. de
Wangenheim entra au Camp derriere le Village
de Heerden (Hcerdl) le 27 Juin avcc i Batt. de
Halberstadt. 1 Batt. de Hanau, 1 Batt. de Bucke-
bourg, 2 Esq. de Bock. II dctacha en meme
temps Ics Troupes legeres de Scheiter a la rive
droite du Rhln pour observer la garnison de
Dusseldorff. Et M. le G. de Bock avec 1 Batt.
de Scheiter, 2 Esq. de Bock, Ics Husards de
Luckner et un detachement de chasseurs vers
Nuys (N^uß) pour occuper Ics passages de l'Erfft
et du Rhin. Le 27 l'on Somma la Ville et ctablit
deux Batteries entre Ober et Nieder Cassel derriere
le Dicck de 4 Mortiers et de 6 Canons dont on
commcnca Ic Bombardement le 28 de Juin et la
64. DCsseldr.rl, Rathaus. Teil der Wcndeitrcppo. \'gl. I..-\bl>- 19>1')7. garnison capitula lo 6 de juillet.
74
kannten französischen Offiziers aus Deutz vom 10. Heumonds 1758, ,, welche Verheerung eine
solche Belagerungsart in emer Stadt anrichten mußte, welche eng bebaut war. Schon die erste
Kugel schlug in ein Haus ein, die folgenden zerschmetterten einen Turm, regneten auf das
Schloß, legten eine ganze Reihe der am Rhein gelegenen Häuser nieder und stifteten bald
hier, bald dort Brand. Die lobenswerte Umsicht der Soldaten und Einwohner verhinderte
indessen, daß er um sich griff." 180 Häuser wurden mehr oder weniger beschädigt. Ein von
dem Kommandanten der Stadt an das Hoflager zu Mannheim gesandter Eilbote brachte am
5. Juli die Erlaubnis des Landesherrn, Düsseldorf gegen freien Abzug der Besatzung dem
Feinde zu übergeben. Die Gemäldegalerie wanderte nach Mannheim. Die Verteidigung der
Stadt war aber alles andere als ein Ruhmesblatt in der Geschichte des pfälzisch -jülich-
bergischen Heeres, denn, wie es in dem angeführten Brief des französischen Offiziers weiter
heißt, wurden ,,10000 Mann, teils Franzosen, teils Pfälzer, von etlichen hundert Hannoveranern
aus einer Festung vertrieben", f — ^
Aber Düsseldorf war nach der
Rheinseite zu ungeschützt und
nur zu halten gewesen, wenn
der Ring der Befestigung auf
dem anderen Ufer fortgesetzt
worden wäre. Schon am 10. Au-
gust räumten die Hannoveraner
wieder die Stadt. Die Franzosen
zogen einige Tage später in
Düsseldorf ein. Aber das Kabi-
nett zu Versailles bestimmte nun,
daß, nachdem der pfälzische
Kommandant Graf von Issel-
bach die Festung so wenig
rühmlich verteidigt hatte, nur
100 bis 150 pfälzische Mann-
schaften, und zwar lediglich als
Schloßwache, in Düsseldorf mit
einziehen dürften. Die Stadt
erhielt einen französischen Kom-
mandanten. Der Kurfürst pro-
testierte und drohte mit einer
Klage beim Deutschen Kaiser.
Die Franzosen antworteten, die
Hilfsgelder zu kündigen und Abb. h,. -chloij Btnrath. Hau|>tireppc. Vgl. Abb. 150 im.i I
75
blieben bis zum Jahre 1762 in EHisseldorf. Die Stadt litt unter der jahrelangen fremden
Besatzung, den EXirchmärschen, Einquartierungen und Requisitionen. Und der verbündete
Franzose betrug sich wie in Feindesland. Im Franziskanerkloster neben der Maxkirche hatte
er das Militärlazarett eingerichtet. Das Winterrefektorium diente als Apotheke (Abb. 61). Als
die Franzosen im Jahre 1 762 Düsseldorf räumten, erhielt Lambert Krähe, der Maler, von der
Hofkammer den Auftrag, den von den Franzosen im Kloster angerichteten Schaden zu beur-
teilen. Sie hatten hier gehaust wie die Kosaken, hatten alle Bilder zerstört, ,,indeme an deren
vielen theils ein, theils gar beyde Augen ausgestochen, andere die Nasen gleichfalls abgeschnitten
und überandere hier und da falsche Farben gestrichen und alle Bildnisse muthwillig beschädigt
und verdorben worden seien usw." An einen Wiederaufbau der beim Bombardement zerstörten
Bauten war, solange die Franzosen in Düsseldorf lagen, natürlich nicht zu denken. Erst als
sie abgezogen waren, konnten die unterbrochenen Arbeiten an dem beschädigten Schloß, am
Jägerhof und in Benrath wieder aufgenommen werden. Die Bildergalerie kam nach Düssel-
dorf zurück. Und um den Einwohnern den Wiederaufbau ihrer zerstörten Heimstätten zu
erleichtern, dekretierte Karl Theodor ,, wegen des letztherigen Bombardements denen in der
Anlagh bemerkten und an ihren steurbaren Häussern beschädigten Einwohnern einen vierten
Theil der Beschädigungsquanti an den etwa rückständigen lauffenden oder künftigen Stewren
nachzulassen mildest bewogen worden seyndt".*
Die folgenden zweiunddreißig Friedensjahre haben nicht allein alle Erinnerungen an das
Bombardement verwischt, sondern auch die Stadt beträchtlich erweitert. Im Mittelpunkt
der baukünstlerischen Entwicklung standen die beiden führenden Baumeister Karl Theodors,
Johann Joseph Couven und Nicolas de Pigage.
* Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins XIH. 1898. S. 288. — Dort Aufzählung der betreffenden Häuser und ihrer
damaligen Bewohner.
Abb. 65a. Schloß Amstenrade. Gartenhaus.
76
Johann Joseph Couven (1701 — 1763)
spielt In der Baugeschichte der Freien Reichs-
stadt Aachen eine überragende und führende
Rolle. Er hat aus den Trümmern des ver-
heerenden Stadtbrandes vom Jahre 1 656 eine
ganz neue Stadt geschaffen (vgl. I. S. 267).
„Diese Stadt hat sich in kurtze Jahren ge-
waltig im Herbauwen angegriffen — notierte
1749 der Bürgermeistereidiener Johannes
Janssen — das ich von mein Gedenk weiß,
schier halbe Straßen seind erneuwert worden,
und aus alte Baracken von Häusser anjetzo
schöneund wohlgebaute Wohnungen gemacht
sein worden. Wan emer aus der Stadt wäre
gewesen bij 30 Jahr oder nur 25, derselbe
sollte anjetzo in viele Straßen nicht mehr
bekennen*." Was Johann Joseph Couven bei
seinem Tode im Jahre 1763 unvollendet ließ,
führte sein langjähriger Mitarbeiter, sein
Sohn Jacob, der erst im Jahre 1812 starb,
weiter. Die Baugeschichte der Stadt Aachen
von 1730 bis 1812 ist die Künstlergeschichte
der beiden Couven**.
Die Familie Couven entstammt einem
Adelsgeschlecht aus Clermont bei Herve in
der Provinz Lüttich, das aber schon im 16. Jahrhundert in Aachen ansässig war. Im Jahre 1659
hatte sich der Kaiser bei dem Rat der Stadt für einen Jacob Couven verwandt, daß dieser von
den übhchen städtischen Lasten befreit würde. Johann Jacob Couven (1656-1740), scheinbar
ein Sohn Jacobs, war Stadtarchitekt und erster Sekretär der Freien Reichsstadt. Weiteres ist
von ihm nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, daß er am Wiederaufbau der Stadt nach dem
großen Brande nicht unbeteiligt war. Sein Sohn ist unser Johann Joseph Couven. Er wird
Aachen. Klosterplatz Nr. 13
* V. Fürth: Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizierfamilien, Bd III, S. 176.
** Von den beiden Couven sind 720 Originalzeichnungen erhalten, davon 630 im Besitz der Familie des Bürgermeisters
Klausener in Burtscheid, die übrigen im Museum und im Hochbauamt der Stadt Aachen. Teilweise veröffentlicht bei Joseph
Buchkremer: „Die Architekten Johann Joseph Couven und Jacob Couven". Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. 1895.
Bd. XVII, S. 89—206 u. Abb. I —92. Es ist sehr schade, daß das wertvolle Material so unter Ausschluß der Öffentlichkeit erschienen
ist! — Vgl. ferner Rhoen: „Der Stadtbaumelster J. J. Couven, Vater und Sohn". Aachen 1883. Abdruck aus dem „Echo der
Gegenwart" 1885, Nr. 109 I u. 1 10 II.— Pick: „Zur Geschichte der Aachener Architektenfamilie Couven" Aachener Volkszeitung
1885. Nr. 145, 146 u. 204.
77
die ersten architektonischen Anregungen wohl dem Vater zu verdanken haben. Aber neben
diesem waren in Aachen noch andere Baumeister tätig. Der epochemachende Autschwung
der Heilquellen hatte eine Reihe Architekten angezogen, die Gilles Doyen, Laurenz Meffer-
datis, Johann Baptist Artari u. a. Sie wie der unter dem Abt von Suys seit 1720 unweit
Aachen begonnene Neubau des prachtvollen Abteigebäudes zu Cornelimünster sind auf den
jungen Couven nicht ohne Einfluß geblieben.
Die alte, vom heiligen Benedikt von Aniane unter dem Schutz Ludwigs des Frommen im
Jahre 814 gegründete Abtei der Benediktiner zu Cornelimünster kann auf eine große,
reiche und oft bewegte Geschichte zurückbhcken. Während des Frühmittelalters stand sie
unter der besonderen Gunst der deutschen Könige. Ludwig der Deutsche schenkte ihr 842
das alte Gut Gressenich. 881 zerstörten zwar die Normannen das Kloster, aber aus der Asche
stieg bald, beschenkt durch kaiserliche Huld, ein neuer Bau auf. Und der Einfluß des
Klosters wuchs mehr und mehr. Es hatte freie Abtwahl, eigene Münze und vollständige
Immunität. Seme Besitzungen dehnten
sich bis an den Obeirhein und in die
Niederlande aus. Im Jahre 1310 haben
die Aachener Bürger, da das Kloster im
Streit der Stadt mit dem Grafen von
Jülich Partei für den Jülicher genommen
hatte, Brand an die Abtei gelegt. Der
Reichtum des Klosters führte wieder
einen Neubau auf. Abt Heinrich von
Binsfeld (1491—1531) schuf den statt-
lichen, schweren Bruchsteintorbau, der
in seiner kraftvollen Gedrungenheit an
mittelalterliche Stadttore erinnert. Zwei
wuchtige Dreivierteltürme, die den
Eingang des Mittelbaues schützen. Abt
Hoen von Cartils legte im Jahre 1682
vor den Torbau eine kleinere Außen-
anlage und schuf einen Vorhof mit zwei
Rundtürmen an den Ecken der Ein-
gangsmauer (Abb. 68). über dem rund-
bogigen Portal faßt ein Giebelaufbau das
Wappen des damaligen Abtes. Der Abt
von Neuhof-Ley schmückte im Jahre
1 706 die alte gotische Abteikirche, deren
Abb. 67. Cornelimünster. Comclluskapclle vTiTi Jahre 1705 und Chor der . . , i» • r\ I
Abte.k.rche. \gl, .Abb. 68, 69, 72. Ausdehnungund Ausstattung ein Uenk-
78
mal der großen Bedeutung des Klosters ist, nut der Corneliuskapelle. Es ist ein seltsamer
Bau (Abb. 67). Nicht übermäßig glücklich m semen Verhältnissen. Ein Backsteinbau mit
Hausteineckverklammerung, Hausteingesimsen und Fensterrahmen. Die Kuhaugen im Ober-
geschoß, welche die nach außen verdeckte Kuppel beleuchten, haben rechteckige Einfassung
erhalten. Die Kapelle würde mit ihrer Laterne weit besser wirken, wenn auch außen die
Linien der Kuppel zur Geltung kämen*. Unter dem Abt Hyacinth Alphons von Suys, als
das Kloster auf der Höhe seines Glanzes war und der Abt käuflich von Karl Philipp von der
Pfalz die Vogteirechte über Cornelimünster erwerben konnte, begann in den Jahren 1720
bis 1728 der stattliche Neubau der Abtei (Abb. 69 u. 72), den der Abt von Sickingen (1745
bis 1764) vollendete. Dann aber ging es bald bergab mit dem Kloster. Das luxuriöse Leben
der Abte häufte die Schuldenlast. Im Jahre 1802 wurde es aufgehoben, ward eine Zeitlang
Tuchfabrik, bis im Jahre 1876 die
preußische Regierung den Bau als
Lehrerseminar einrichtete.
Die ehemalige Abtei ist huf-
eisenförmig um eine Cour d hon-
neur angelegt (Abb. 72). Das drei-
achsige Mittelrisalit des Mittel-
baues ragt mit emem besonderen
Stockwerk und einem Dreiecks-
giebel über die Seitenachsen hinaus
und ist von Eckquadern eingefaßt.
Die Fensterbänke laufen als Hori-
zontalbänder über die Fassaden
sämtlicher Flügel. An den Enden
der Seitentrakte von je dreizehn
Achsen sind die drei letzten pa-
villonartig ausgebaut. Die ver-
schiedenen Fenster- und Dach-
formen zeigen, daß die ganze An-
lage nicht gleichzeitig entstanden
* Vgl. den Schnitt der Kapelle Abb. 37 bei
Clenien: ,, Kunstdenkmäler der Rheinprovinz",
IX. Bd., II. Teil. Die Kunstdenkmälerder Land-
kreise Aachen undEupen. Bearbeitet von Heri-
bert Reiners. Düsseldorf 1912; Abb. 57:
Grundriß der Tore; Abb. 59: Geometrische
Ansicht des Innentores ; Abb. 56: Grundriß
der Abtei.
Abb. 68. Cornehmünster. .'Xiiiknljrhau der .Abtei vom Jalire 1682. \'gl. .\bb.72.
79
80
11
81
ist. An der Außenseite des nördlichen Seitenflügels haben sechs Fenster reiche, in der
Zeichnung abwechslungsvolle schmiedeeiserne Gitterkästen erhalten (Abb. 69), Arbeiten von
großem Reiz, die in ähnlicher Ausführung auch an einem Bürgerhause in der Trierer Straße
wiederkehren (Abb. 70). Auch die Einfassung der Haustür dort erinnert an die Fenster-
formen des Abteigebäudes. Das Bürgerhaus Klosterstraße Nr. 13 in Aachen hat einen ver-
wandten Gitterkasten (Abb. 66). In der Zeichnung einfacher, aber nicht weniger reizvoll.
Und mit einem ähnlichen Giebelaufbau wie bei den Gittern in Cornelimünster. Von dem
Baumeister der Abtei und den Künstlern, die die Innenräume schmückten*, wissen wir
leider nichts.
Engere Beziehungen als zu dem Bau der neuen Abtei in Cornelimünster wird Johann
Joseph Couven in seiner Jugend zu Laurenz Meff erdatis, dem vielbeschäftigten Kirchen-
baumeister von St. Peter zu Aachen und den Pfarrkirchen zuEupen(1721 — 1724), Würselen
(1725) und Kirchrath bei Herzogenrath, gehabt haben**. Unter den erhaltenen Plänen und
Zeichnungen Couvens kehren zahlreiche Pausen nach Mefferdatis' Bauten wieder. Teilweise
mögen es Studienarbeiten sein ; teilweise aber hatte der jüngere Baumeister die Nachzeichnungen
nötig, da er die Innenausstattung auszuführen
hatte. Die Künstlerpersönlichkeit des italie-
nischen Meisters ist nicht ganz klar um-
schrieben. Couvens Name und spätere große
Tätigkeit haben die Erinnerung an ihn fast
in Vergessenheit gebracht. Das Städtische
Archiv zu Aachen bewahrt unter dem Titel
,,Architectura von Couven" einen Band On-
ginalzeichnungen. In Wirklichkeit sind es
Arbeiten von Mefferdatis.
Der Italiener war in Couvens Jugendzeit
i der führende Baumeister m Aachen, als der
wachsende Zustrom von Fremden zu den
I Heilquellen und der Aufschwung des Wohl-
standes der Stadt nach repräsentativeren
Badehäusern verlangten. In der Komphaus-
badstraße steht noch von ihm der große Bau
des Corneliusbades (Abb. 71). Ein Doppel-
haus. Jeder Teil hat die drei Mittelachsen
* Taf. IV u. V und Abb. 61 , 62 bei Clemen-Reiners
a.a.O.
** Vgl. Clemen-Reiners a.a.O., Abb. 156-158: Pfarr-
.\bb. 71. .Aachen. Coineliiisbad von I^iirenz Mefferdatis
kirclie zu Würselen; Abb. 161-
St. Nikolauskirclie m Evipen.
164 und Taf. VI 11 u. IX:
82
wieder risalitartig vorgezogen und mit einem Giebel bekrönt. Über dem Portal des Erd-
geschosses schwebt ein schmiedeeiserner Balkon. Das Verhältnis der Fenster Im Hauptstock-
werk zu denen im Erd- und Obergeschoß, und vor allem die hohen Fensterglebel, die man
am liebsten ganz missen möchte, sind nicht sehr glücklich. Das HauptprofU Ist zu mager
ausgefallen. Der breite, hohe Bau verlangt nach einem ausdrucksvolleren Gebälk. Couven
verdankt diesem sonst stattlichen ersten Repräsentanten einer monumentaleren Baugesinnung
nach dem Stadtbrande allerlei Anregung. Aber seine Bauten wurden im Detail Interessanter
und in der Aufteilung glücklicher.
Seine erste nachweislich ausführende architektonische Tätigkeit bezieht sich auf den
Umbau des Rathauses in Aachen. Man hoffte damals, daß der geplante europäische
Kongreß hier stattfinden würde. Der Rat der Stadt beschloß daher, zum feierlichen Empfang
der Fürsten und fremdherrlichen Gesandten am 10. Juli 1727, ,,das inwendige corpo des
rathhausses nach dem von maistre Gilles Doyen eingerichteten plan oder desseln mit allem
möglichen ohne zeit verlierung zu aptieren. Und weilen denen zeitlichen herren baumelstern
dies alles allein zu observiren, allzu beschwerhch befunden worden, also ist denenselben zu
desto schleunichere fortsetzung dieses gar keinen Verzug erleidenden werks der herr werk-
r~
Abb, 7J. Lornelmiunsltr. Neubau der Ablei. I7jij 17J8. Vgl, Abb. 68. ö9.
83
r-
:, '^1
S>M^
Abb. 73. Aachen. Ongmalzeichnung von Johann Joseph Couven für die neue Freitreppe am Rathaus. Vgl. .Abb. 74.
melster Jacob Niclass hiermit adjungiert worden, und solches gegen erkenthchkeit." Schon
nach zwei Tagen findet der Rat es „nicht allein dienlich, sondern auch höchst nöthig die
zum Ingang des rathhausses von erwehnten maistre Gilles designirte trappe nach seinem
abriss verfertigen zu lassen, mithin auch zum prospect der herren gesandten zwey balcons
ane rathhauss nach dem Mark zu, wofern ein solches practicabel, zu machen*. " Gilles Doyen
stammt aus Lüttich, wo er am 22. September 1703 m die Maurerzunft aufgenommen war.
Vorher war auch der ,, Stadtmaurermeister" Mefferdatis am Rathausbau beschäftigt. Genaueres
wissen wir freilich von seiner Tätigkeit nicht, überhaupt ist die ganze Geschichte des Rathaus-
umbaues nicht ganz klar. Obwohl Doyens Projekt ,,ohne zeit verlierung" ausgeführt werden
sollte, fand die Grundsteinlegung zur neuen Treppe erst im folgenden Jahre statt. Auf einer
Zeichnung der Freitreppe steht ,,Jo Joseph Couven Jnvenit et Dehneavit 1727" (Abb. 73).
In seinen hinterlassenen Entwürfen ist ferner In zwei Varianten das Projekt für den Umbau
der Fassade erhalten (Abb. 74). Der eine Entwurf wurde später auch ausgeführt**. Vielleicht
stand der damals erst fünfundzwanzigjährige Couven im Dienste Doyens. Wahrscheinlicher
aber ist, daß der Einfluß des Stadtarchitekten und ersten Sekretärs der Freien Reichsstadt
Johann Jacob Couven seinem Sohne Johann Joseph einen Teil der Umbauarbelten zukommen
ließ, daß also Doyen und Johann Joseph Couven nebeneinander arbeiteten. Nach den erhaltenen
* Zustand vor dem Jahre 1727: Abb. 3, 6, 8, 9 u.Taf. 1 —4 bei Richard Pick u. Joseph Laurent: ,,Das Rathaus zu Aachen".
Aachen 1914.
** Ansicht der Rathausfassade nach dem Umbau von 1727 bei Pick-Laurent a. a. 0., Taf. 6, 7, 1 1 u. Abb. 20, 25, 42, 43. —
Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz VII, Heft 3, Abb. 49, S. 239. — Dieses der Stadt
.Aachen gewidmete Heft mit Aufsätzen von Eduard Adenaw: ,, Aachener Bauweise , von Hermann Schweitzer: ,, Innenräume
im Aachener Bürgerhaus", von Albert Huyskcn: „.'\lt-.'\achen im Bilde", wäre auch sonst für die Zeit der beiden Couven zu
benutzen.
84
Zeichnungen darf man aber die Treppenanlage und den Umbau der Fassade als Couvens
Arbeiten ansprechen. Wir erfahren auch aus den Ratsbeschlüssen vom 21. August 1731, daß
„dem herrn Josepho Couven seine rechnung wegen der am rathhauss gethaner architecture
mit 2400 gülden Aix abzuführen". Doyen erhielt dagegen für die Zeit vom 4. Dezember 1728
bis 25. Februar 1730 weit mehr, nämlich 9600 Aachener Gulden. Was er dafür geleistet, ist
unbekannt. Wir wissen nur noch, daß Couven aus Cornelimünster zur Ausführung seiner
Entwürfe Steinhauer kommen ließ: Heinrich Degra schuf für 1350 Aachener Gulden vier
große Fenster, eine Anzahl ,,Basement- und Wallstücke" und das Portal; und Johann
Wilhelm van der Banck für 22 Reichstaler das „Laubwerk an elf Steinpilastern".
Der Einfall, die alte gotische Fassade des Rathauses in den Formen des Regencestils zu
schmücken, war nicht sehr glücklich. Es ist halt schwer, so verschiedene Stilformen auf einen
gemeinsamen Nenner zu bringen. Die gegebenen Verhältnisse der Fassade gestatteten zudem
keine freie Entfaltung. Nur die Mittelachse gab Couven größere Freiheit. Hier faßte er das
Portal mit den beiden Seitenfenstern zu einer wirkungsvollen Gruppe zusammen, über welcher
der Aachener Doppeladler schwebt, über der Fassade läuft eine Balustrade. Die breite Frei-
treppe, die , .Royal Stiege", war indes von großer Wirkung (Abb. 73, 74)*. Vor dem Portal
verbreitert sich die Plattform bogenförmig nach außen. Vasen schmücken die Postamente.
Gußeiserne Gitter gliedern die Brüstungen; Fenster- und Blendrahmen den Blausteinunterbau.
Auf dem Marktplatz baute Couven später dann den Karlsbrunnen aus und zu beiden Seiten neue
kleinere Fontänen**. Sie wie die Freitreppe und der Schmuck der Fassade sind bei den ver-
schiedenen Restaurationen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder beseitigt worden.
* Grundriß bei Buchkremer a. a. 0., Abb 2.
** Abb. 5 u. 6 bei Buchkremer a. a. 0. — ALb. 49 i. d. Mitteil, des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege u. Heimatschutz
VII. S. 239.
wnsnsiHSMsiSESsii^^ir^
%^ IS F-
mm iwwii, mm
:<^^
Abb. 74. Aachen. Rathaus. Entwurf von J. J. Couven für die
Wiederherstellung der Fassade. Vgl. Abb. 73.
85
o
M
Qi • =
-c 03
^
8^)
>
<
87
Nach der Vollendung der AuBenarbeiten wurde auch das Innere umgebaut. Couven hatte
einen ganzen Stab von Mitarbeitern zur Seite. Die „Gipsarbeiter" Carlo Ludovico Castelli
und Vasalli, die Maler Johann Chrysanth Bollenrath aus Aachen, Peter Eigen aus
Köln, Peter Zieger aus Bonn, ein „Möhler en fresco", Jacob Bommertz, Jean Wenick
oder Weninx, Pier Delloy, Pierre Bourgois. Der Kunstschreiner Jacob de Reux aus
Lüttich schuf die Holzvertäfelung, der Bildhauer Bartholomäus Mignon das „Paneelwerk",
Bernhard van Kerckhove „geschnittene Pilaster", Jean Antoine Larmoyer die „Sculp-
turie", Simon Pirott „bey gezeigten ohnnachlässigen eyffer ansehenliche tüchtige schreiners-
arbeit". Neben Meister Pirott waren auch Caspar Gobels, Servatius Klever und Peter
Wolf f in Aachen ansässige Kunst-
schreiner. Im Jahre 1735 waren
die Arbeiten des Umbaues voll-
endet. Die Wiederherstellungs-
arbeiten des 19. Jahrhunderts
haben aber die Innenausstattung
nur in drei Räumen des Erd-
geschosses weiterbestehen lassen,
im Weißen Saal (Abb. 79), im
Amtszimmer und im Vorzimmer
des Oberbürgermeisters (Abb. 77).
Die entsprechenden Räume im
anderen Flügel des Erdgeschosses,
das Arbeitszimmer des ersten Bei-
geordneten und dessen Vorzim-
mer, haben ihre heutige Innen-
ausstattung erst in den beiden
letzten Jahrzehnten erhalten. Das
Zimmer des Beigeordneten wurde
mit den Resten der Wandver-
täfelung aus dem Kaisersaal be-
kleidet (Abb. 76). Das Vorzimmer
nahm seine Ausstattung aus der
vor einigen Jahren abgebrochenen
Kreuzkirche (Abb. 75). Reich-
geschnitzte Tür- und Wandver-
kleidung und das Chorgestühl.
Mobiliar aus der Couvenzeit
Vgl. .Abb. 75 77 ward zur Ergänzung der Innen-
88
einrichtung erworben, darunter ausgezeichnete Stücke, so daß die neu ausgestatteten Räume
recht einheithch wirken*.
Aber eines fehlt den neuen Räumen : die farbige Ausstattung der Decke, die im Zimmer
und Vorzimmer des Oberbürgermeisters noch erhalten ist (Abb. 77). Bis zum Gewölbe-
anfang haben die Wände Holzvertäfelung, die in den Ecken die auslaufenden Gewölbegrate
rundbogig verschalen. An einer Schmalseite steht ein Holzkamin. Die Schildbogenf lachen
über der Holzverkleidung hat Johann Chrysanth Bollenrath mit großen allegorischen
Darstellungen ausgemalt und die Gewölbezwickel mit den Bildnissen römischer Kaiser und
mit lateinischen Sprüchen**. Bollenrath aus Münstereifel war in jungen Jahren nach Aachen
gekommen, wo er schon in den Jahren 1718 — 1719 bei der Ausmalung von St. Peter Be-
schäftigung fand und später für Couven tätig war. Er starb im Jahre 1776***. Wandver-
kleidung und Wandbemalung der Rathausräume sind sehr fein zueinander abgestimmt, und
die Gliederung der Holzvertäfelung ist von vornehmer Wirkung.
Der anstoßende Weiße Saal (Abb. 79) ist ganz anderen Charakters und von einer anderen
Klangfarbe. Auf den hellstukkierten Wänden ist das Relief der Sockelrahmen, Türleisten und
Orncimentenranken vergoldet. In den Schildbogen rahmt über gewundenem Sockel ein
baldachinartiger Aufbau die Büsten römischer Kaiser ein. Putten auf Postamenten halten
Kränze. Ein barockes Muschel- und Netzwerk verschalt die auslaufenden Gewölbegrate,
und ein reiches Rankenwerk belebt die Gewölbefelder. Couven hatte bei der Ausstattung des
Weißen Saales vielleicht am wenigsten Einfluß. Carlo Ludovico Castelli hat die Arbeit
entworfen. Sie stand damals nicht allein in Aachen. Ein anderer Italiener hatte in den Jahren
1720 — 1730 den ehrwürdigsten Bau der Stadt, Karls des Großen Pfalzkapelle, im Innern mit
Stuckdekorationen geschmückt: Giovanni Battista Artari.
Im Jahre 1624 war der Blitz in das Aachener Münster eingeschlagen. Der Stadtbrand
von 1656 hatte das Balkenwerk über der Kuppel vernichtet. Sechs Jahre später führte man
die neue barocke äußere Kuppel auf. Diese Ereignisse hatten auch im Inneren den alten Mosaik-
schmuck der Kuppel und die Wandmalereien in Mitleidenschaft gezogen, so daß man im Jahre
1719 an eine neue Innenausstattung denken mußte. Artari ließ die Reste der Mosaik abschlagen
und schuf im Laufe der folgenden Jahre, unterstützt von mehreren Gehilfen, unter denen
vielleicht auch Castelli und Vasalli waren, eine prachtvolle Stuckdekoration (Abb. 80)f . Die
Gewölbe und Bogen der Umgänge erhielten große Rahmen und Rosetten. Die Gesimse
wurden verstärkt, um einen reicheren Licht- und Schattengegensatz zu erzielen, über den
Erdgeschoßbogen halten Putten Medaillons. In den Zwickeln thronen auf Wolken die Evange-
listen und Kirchenväter mit ihren Attributen. Die übrigen Mauerflächen der unteren Bogen-
* Genaue Detailaufnahmen bei Pick-Laurent a.a.O.. Abb. 49-34, 58, 39. 62 u. Taf. 13-17, 20.
** Pick-Laurent a.a.O., S.69.
*** Pick: „Aus Aachens Vergangenheit", S. 523 ff
t Dttml.iufn,,l.men Abb. 172-178 u. Taf. V hei Karl Faymonville: „Der Dom 7U Aachen". München 1909. S. 377 ff
12 89
.\LLi. 80. Aachen. Das Münster mit den tliemaligen Stuckdekoratiunen von Juliaiia Iwplist Ai l.u
90
Stellungen wurden mit Rosetten belebt. In der Höhe der Säulenarkaden des Obergeschosses
standen vor den Pfeilern auf Sockeln lebensgroße Figuren, Christus und andere Personen der
Passionsgeschichte. Die Flächen der Pfeiler unter den Figuren schmückte Artari mit Medaillons
und Ornamenten; über ihnen mit lang herunterhängenden Fruchtkränzen. Pflanzen und
Muscheln rahmten die oberen Bogen und Fenster ein. Auf dem Kuppelgesims saßen allerlei
Figuren, auf deren Schultern die prachtvolle Kuppeldekoration ruhte, eine Mittelrosette, von
der aus strahlenförmig nach den acht Bogen hin Kartuschenwerk angebracht war. Um den
malerischen Reichtum noch zu heben, wurden die Flächen zwischen der Mittelrosette und
den strahlenförmigen Kartuschen mit blauen und goldenen Mosaikpasten ausgefüllt und die
Kapitale vergoldet. Das Innere war in einen Prunkbau verwandelt worden. Die Stuck-
dekorationen paßten sich weit besser den großen Bogenstellungen an als den schmalen
Fenstern am Rathause (Abb. 74). Der Purismus der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts hat
leider alles wieder beseitigt.
Die neue Abtei zu Cornelimünster, Mefferdatis' Arbeiten, Artaris Schmuck im Innern des
Aachener Münsters und die unter seinem Einfluß stehende Tätigkeit Castellis am Rathaus-
umbau, dann die heimische Backsteinarchitektur mit Blausteineinfassung, die in dem Tor-
gebäude der Abtei zu Burtscheid einen charakteristischen Vertreter hatte (I . Abb. 281 ), das waren
für Couven die Voraussetzungen, als er im Jahre 1735 den ersten Monumentalauftrag erhielt:
die reichsunmittelbare Äbtissin der Zisterzienserinnen zu Burtscheid, Margaretha von Renesse
und von Wüstenrath, übertrug ihm den Neubau der Abteikirche. Wenn er nichts anderes
geschaffen hätte, so würde dieser Bau genügen, ihm einen geachteten Platz in der Geschichte
der Baukunst am Niederrhein zu sichern. Vom Burtscheider Hügel herab beherrscht die Abtei-
kirche die steil zu ihren Füßen abfallende Hauptstraße (Abb. 81). Die Situation und die Fülle
schmalbrüstiger Bürgerhäuser geben dem Bauwerk die großartige monumentale Wirkung.
Es ist ein achteckiger Kuppelbau auf quadratischem Unterbau, das Innere, der Kuppel ent-
sprechend, oktogonal (Abb. 82). Nach Osten lehnt sich das Chor, nach Westen in gleicher
Ausdehnung das Langhaus an den Mittelbau an, nur mit dem Unterschied, daß das Chor mit
einer runden Nische schließt, während das Langhaus eckig seinen Rahmen zieht, um Platz für
den Turm zu lassen, der vor seiner Schmalfront aufragt. Hinter der Kirche breitet sich südlich
die Abtei aus. (Vgl. I. Abb. 281, 286.)
Pilaster gliedern die Mauerflächen und tragen das Hauptgesims, das um den ganzen Bau,
auch um den Turm, läuft. Zwischen ihnen sind die Fenster angebracht. Am Chor und Lang-
haus zweistöckig. Am Mittelbau rahmen Doppelpilaster mit einem Giebelaufbau je ein großes
Fenster ein. Die herausragende Kuppel setzt diese Pilasterarchitektur in ihrem Unterbau
fort. Aber statt der Pilaster an den abgerundeten Ecken unten ist hier über einer verkröpften
Steinbrüstung ein Fenster angebracht worden. Das gibt die geschickte Überleitung vom Quadrat
in das Achteck (Abb. 82). Die Dächer des Chors und des Langhauses schneiden, mansarden-
förmig ausgebildet, in den Kuppelunterbau ein. Nach außen hat Couven sie abgewalmt und
91
Al,h.81. Aachen -Burtsdieid. Hauptstraße. Im Hintergrunde die Abteikirche. (Vgl. Abb. 82.) Rechts im Vordergrund Haus
„O.c Krön" (vgl. Abb. 126, 128 und I. 283) und Eingang zum „Haus Schumaclicr". (\'gl. .Üb. 78, 119, 122, 127, 129 )
92
Abb. ö2. AatlHii-BuilscIicid. Abteikirche
Johann Jost'pli CoLivt.'n. \ gl. .Abb. öl .
auf den Dachspitzen je einen zierlich gegliederten Dachreiter angebracht. Der auf dem Lang-
haus ist die geschickte Vermittlung zwischen Kuppel und Turm, In dieser Zusammenstellung
liegt ein Hauptreiz der günstigen Wirkung der Silhouette für die Hauptstraße (Abb. 81).
Die mit Luken und Mansarden belebte Kuppel bleibt das vorherrschende Motiv, unbeein-
trächtigt durch den Turm mit seiner originellen Haube. Anderseits wird der Turm mit seinen
abgeschrägten Ecken nicht von der Kuppel erdrückt. Pilaster gliedern auch das Innere der
Kirche und schaffen einen Raum von großer und klarer Wirkung. Tonnen mit Stichkappen
wölben Chor und Langhaus ein. In den vier Ecken des Mittelbaues haben Statuen in Nischen
Aufstellung gefunden, über dem stark ausladenden Gebälk steigt die aus Holz gezimmerte
Kuppel auf.
Im Laufe der Jahrzehnte sind die Backsteine braunschwarz und der Blaustem der Profile
und Fensterrahmen außen blendend weiß geworden. Dazu tritt die Patina der Kuppel, um
das farbige Bild zu vervollständigen.
Aus dem barocken Monumentalkünstler wurde später der elegante Wohnhausbaukünstler, der
aus den ruhig vornehmen Formen des Stiles Regence sich eine eigene Architektursprache schuf.
93
Im Jahre der Vollendung der Abteiklrchc
zu Burtscheld, 1736, erhielt Couven von dem
damaligen Bürgermeister von Aachen, Herrn
von Wespien, den Auftrag, in der Klein-
marschierstraße ein Wohnhaus zu errichten.
Bei dem Reichtum des Bauherrn konnte er
aus dem vollen heraus wirtschaften. Der Auf-
trag muß ihn gefesselt haben. Jedes Detail
des Außen- und Innenbaues ward von ihm
selbst entworfen*.
Die drei Mittelachsen der Fassade sind
wieder zusammengefaßt und etwas vorge-
zogen, oben mit einem geschweiften Giebel
abgeschlossen, der im Scheitel zwischen zwei
Schnecken als Schlußstein eine Maske zeigt.
Putten halten im Giebelfeld die Wappen von
Herrn und Frau von Wespien (Abb. 84).
über dem Giebelschlußstein schwebte einst
die 3,50 Meter hohe vergoldete Bronzefigur
eines Merkurs. Nach dieser Plastik ward das
Haus auch wohl ,,Im gülden Mann" genannt.
Das Erdgeschoß ist ganz aus Haustein. Der
obere Bau aber, von der Eckverklammerung,
den Profilen und Fensterrahmen abgesehen,
aus Backstein. Selbst bei den Schornsteinen
mag Couven nicht auf den reizvollen Gegen-
satz von Backsteinflächen und Haustein-
cinfassung verzichten. Er erinnert bei dem Hause Wespien wie bei der Abteikirche in Burt-
scheld an die beiden münsterischen Baumeister Gottfried Laurenz Pictonus, vor allem an
Johann Conrad Schlaun**. Aber sein Temperament war beweglicher und äußert sich auch
in den reicheren Einzelheiten. Zunächst bei den Fensterrahmen. Ein Schlußstein verbindet
den gebogenen Fenstersturz mit der Archltravleiste. In der fein profilierten giebelartigen
Verdachung der Fenster des Hauptgeschosses ist eine Muschel angebracht. An ihre Stelle
ist im oberen Stockwerk ein einfaches ausladendes Gesimsstück getreten. Die Mansarden-
fenster zeigen ebenfalls eine originelle Einfassung. Seitlich am Fuße breite Schnecken, oben
Abb. 83. .Aachen. Haus Wespien. Haustür. Vgl. .Abb. 84.
* Max Schmid: „Ein Aachener Patrizierhaus des 18. Jahrhunderts". Julius Hoffmann, Stuttgart 1900. Mit 44 Licht-
drucktafeln.
♦* Vgl. Kerckerinck-Klapheck: „Alt-Westfalen". Abb. 215— 225, 228-233, 256 -264, 268 ~273 u. f.
94
schmälere. Das reiche Giebelgesims hat mi Scheitel als Schlußstein einen schneckenförmigen
Überhang. Man vergleiche diese Details und das Verhältnis der einzelnen Geschosse und
Dekorationsstücke mit Mefferdatis' Corneliusbad (Abb. 71).
Der Hauptschmuck der Fassade Ist die Mittelachse. Unten die Prachttür mit großem, reich
verziertem Rahmen (Abb. 83). Im Oberlicht um die Laterne geschwungene Stäbe mit kleinen
Blättchen an den Enden. Die Hausteinpilaster der Türumrahmung sind schräg vor die Fassade
gestellt. Durch die ebenfalls diagonal auskragenden Konsolen oben und den Schlußstein über
dem Türrahmen erhält die Balkonplatte eine bewegte Linienführung von malerischer Wirkung
trotz des an sich geringen Reliefs. Das außerordentlich schöne Balkongitter Ist geschickt mit
dem Türrahmen zusammenkomponiert. Alles ist auf perspektivische Täuschung berechnet.
Der Balkon, der scheinbar eine beträchtliche Tiefe hat, kann in Wirklichkeit kaum zwei Per-
sonen fassen. Und wie das Balkonfenster, so hat auch das darüber gelegene einen besonderen
Giebel erhalten (Abb. 84). Alle Details der Fassade besitzen bereits die charakteristischen
Formen Couvens, die nun allenthalben an seinen zahlreichen Arbeiten wiederkehren.
Und nun das Innere! Große Rahmen
aus Stuck, mit der freien Hand aufgetragen,
gliedern die Wände, Türen und Decken
(Abb. 88). Schmiedeeiserne Gitter begleiten
den Lauf der Treppe (Abb. 86, 87) ; .Arbeiten
von woinderbarer Schönheit und Phantasie.
Nichts von Schablone. Immer neue Motive.
Ein fabelhafter Reichtum an naturalistischen
Blattformen und omamentalen Linien. Und
trotz des Abwechslungsreichen ein stimmungs-
voller, ruhiger Einklang mit dem Schmuck
der Wände, Decken und Türen*. Breite
Hohlkehlen, mit Putten, Muscheln, Frucht-
körben und geschwungenen Leisten ge-
schmückt, führen aus den Wänden in die
Decke des Treppenhauses über (Abb. 85).
Hier hat Johann Chrysanth Bollenrath
ein großes allegorisches Gemälde angebracht,
die ,, Aufnahme des Erbauers der Stadt Rom,
des Romulus, In den Olymp". ,,Ut Romulus
immortalitate donatur" steht auf dem Spruch-
band. Zeus, auf den Wolken thronend, mit
* Originalzelchnung der Decke bei Biichkremer a.a.O.,
Taf. III.
.\bl). 84- .\aclicn. Haus Wespien von J. J. Coiiven.
Vgl.Abb. 83. 85-92.
95
I
<
3
O
U
<
96
V,
iL
•a<
nj — :
<
!=%,
13
•.^■'^»_
H
J«
^ --; O
5* . «J
UJ
— ^ J3
C •
<
97
dem blitzetragenden Adler, reicht Romulus das
Zepter, während ein Putto den Gründer Roms
mit Lorbeer bekränzt. Em anderer Putto trägt
Zirkel und Winkelmaß. Auf den Wolken liegen
Bücher, Palette mit Pinsel und der Plan des Hauses
Wespien. Man versteht, wer mit dieser Allegorie
der Aufnahme des Erbauers von Rom in den Olymp
gemeint ist — Couven oder Wespien. Das gut in
den Deckenrahmen komponierte Bild wirkt in der
klar umrissenen Silhouette der Figuren durch das
ganze Treppenhaus.
Das alles war aber nur ein Vortakt zu der
prachtvollen Schönheit der Räume. Rechts vom
Eingang liegt der sog. kleine Gobelinsaal (Abb.
89, 90). Sein Hauptschmuck sind Brüsseler Wand-
teppiche. Sie sind signiert B. v B. P. V. D. B.
oder E. V. D. B., auch F. V. D. B. oder B. V. D. B.
— B. ¥ B. ist das seit 1527 vorgeschriebene Er-
kennungszeichen der Brüsseler Teppichwirker.
Das ,,roodschildecken over weder zyden hebbende
een B". Van der Borcht war die berühmte Teppichwirkerfamilie mit Franz, der 1727 Doyen
der Brüsseler Gobelinfabnkanten war, und Peter, der im Jahre 1742 privilegiert wurde. Der
Maler de Haas hat für die Firma manchen Entwurf geliefert. An einem Warenballen eines
Wandteppichs im Hause Wespien steht ein D. H. Vielleicht geht die Arbeit auf de Haas
zurück. Die sechs Gobelins des kleinen Saales stellen Szenen aus dem Leben Moses' dar.
An der Südwand zu beiden Seiten eines Kamins links den Zug durch das Rote Meer, rechts
die Mannalese (Abb. 90). An der Nordwand zu beiden Seiten einer reichen Holztür links den
Bau der Stiftshütte, rechts die Kundschafter aus dem Morgenlande. An der Ostwand, eben-
falls von einer Tür getrennt, Moses, Wasser aus dem Felsen schlagend, und die Auffindung
des Mosesknaben (Abb. 89). Die großfigurigen Bilder sind, losgelöst von Raum und Rahmen,
für sich betrachtet, glänzende Kompositionen von großem Geschick, durch den Gegensatz der
Farbe und die Linienführung die Hauptfiguren in klar umrissenen Silhouetten aus der Dar-
stellung heraushebend. Couven tat noch ein übriges, um die Bilder in ihrer Wirkung zu
steigern. Er schuf um sie die prachtvolle Holzumkleidung, die Türen, Kamine, Holzrahmen,
die Wandverkleidung, Beleuchtungskörper und Stuckdecke.
Die Einzelheiten sind so zueinander gestimmt, daß trotz des Reichtums alles harmonisch
und organisch wirkt. Jedes Detail hat für die Raumgestaltung wie Raumausstattung eine
Bedeutung. Die Bilder der Ostwand sind in einer Diagonale aufgebaut (Abb. 89). Bei dem
I C t i i 1, 5„,
Abb. 88. Aachen. Haus Wespien vcn J. J. Couven.
Scbnitt. Vgl. Abb. 84-87, 92.
98
Bilde links, „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen", gleitet das Auge über den Rücken und
den Kopf des Kindes, der Mutter, des Trinkenden und des Wasserträgers hinauf in die Linie
des Korbbogens der Tür und über den Kopf und die Armbewegung der einen Dienerin und
der ägyptischen Prinzessin hinunter zu dem Mosesknaben bei dem rechten Wandteppich.
Der Schlußstein des Türbogens ist der Scheitel verschiedener Kurven. Hier begegnen sich
auch die Linien aus der Muschel der 70 Zentimeter hohen Holzverkleidung des Bildrahmen-
sockels unten links über den auf dem Boden stehenden Kessel, den von der Frau gehaltenen,
über Schulter und Kopf des Schreitenden hinauf und über die Hand der einen Begleiterin, die
rechte Hand der ägyptischen Königstochter wieder hinunter zu der Muschel rechts; oder Hnks
von der Bergeslinie und dem Kopf des zuschauenden Mannes über die eine Hand der Schirm-
trägerin rechts in die Ecke des Wandteppichs. Genau über der Muschel im Scheitel des Tür-
bogens ist als Schlußstein eines reichen Rokokorahmens für das Bild der Supraporte, ,, Moses,
die Gesetztafeln empfangend", zwischen zwei schneckenförmig auslaufenden Linien unter
einem Korb eine Maske angebracht. Hier ist ein zweiter Scheitelpunkt der Wandaufteilung,
der die höher gelegenen Kurven der Bildkomposition faßt und die Gestalten Moses' und seines
Begleiters durch den Schirm rechts und die Waldkulisse ausbalanciert. Dabei sind die beiden
Bilder in sich ebenso abgeschlossene Kompositionen wie der Türrahmen und seine Füllungen.
Die aufsteigenden Haupthnien kehren wieder in sich zurück. Die Muschel der unteren Holz-
verkleidung gehört zur Bildkomposition. Die Darstellungen auf dem Wandteppich beschreiben
dieselbe aufsteigende Kurve, während ihre Ruhepunkte in den ausladenden Eckkurven des
Rahmens liegen. Girlanden schmücken die Seitenrahmen. Auch sie sind als Schmuck nicht
Selbstzweck, sondern wie die untere Holzverkleidung Kompositionsglieder der Wandaufteilung
und führen die Bewegungslinien aus den beiden Bildern weiter zu den Darstellungen auf den
Nachbarwänden (Abb. 90). Die Stuckdekorationen über den Türen und dem Kamin geben
der Raumgestaltung nach oben in der Decke den einheitlichen Abschluß, und der Kronleuchter
wirkt wie ein Schlußstein, wie der Kulminationspunkt des Raumes. Anderseits findet die
einzelne Wandaufteilung in den abgerundeten Ecklisenen mit reich geschnitztem Kapital- und
Sockelschmuck ihren architektonischen Abschluß. Die Rahmen unter den Teppichen ent-
sprechen genau der Supraporte. Die unteren Türfüllungen sind ähnliche Figuren zu den
Wandbilderrahmen. Der Mittelpunkt der Wandkomposition sind die oberen Türfüllungen.
So stehen Bilder, Rahmen wie Ornament im Dienste eines architektonischen Gedankens.
Sie sind Architektur.
Interessanter noch ist die Aufteilung der Hauptwand an der Südseite (Abb. 90). Der
Spiegelrahmen über dem Kamin ist eine Kompositionsnotwendigkeit. Und wunderbar klingen
die Linien seiner oberen Rahmenleiste in den Figuren an der Innenecke der beiden Bilder
und der Muschel der Holzverkleidung aus. Wieder sind alle Bewegungslinien so angeordnet,
daß das Auge hinaufgleiten soll zu dem Bild über dem Spiegel, „Moses am brennenden
Dornbusch". Die reiche Ornamentik der Einrahmung bedarf keiner weiteren Erklärung. Der
99
100
101
Abb. 91. Aachen. Haus Wespien von J. J. Couven. Eßzimmer im Erdgeschoß
Kaminvorsatz, eine prachtvolle Schmiedearbeit, muß aber besonders hervorgehoben werden.
Wie die Linien und Flächen emheitlich zuemander komponiert sind, so auch die warmen
Farbtöne der Bilder zu der dunklen Einrahmung. Nur eins stört : der kalte Ton des Marmor-
kamins. Er ist später erst in die Komposition hineingeraten. Er war ehemals auch dunkel
gehalten. Künstlerisch ist das Zimmer die beste Leistung des Hauses.
Hinter dem kleinen Gobelinsaal liegt das Speisezimmer (Abb. 91). Hell und licht
gehalten. In den Masken und Füllungen des Gobelinsaales traten noch barocke Elemente
des Stiles Louis XIV. auf. Barock ist eben auch die Darslellung der Wandteppiche. Der
Speisesaal ist aber ein glänzender Vertreter des Style Regence. Die Linien und Farbtöne
sind viel zarter und eleganter. In den naturalistischen Formen des Spiegelrahmens kommt
leise auch das Rokoko zu Wort. Aber alle Rahmen sind noch symmetrisch gezeichnet und
wissen noch nichts von dem Regellos-Phantastischen des späteren Rokokos. Die Aufteilung
der Kaminwandseite ist wieder von wohl ausgeglichenen Verhältnissen erfüllt.
Im oberen Geschoß ist der große Gobelinsaal (Abb. 92). An den Schmalseiten über
einem Kamin die Porträts des Hausherrn und der Hausfrau. Wandteppiche stellen über einer
wieder 70 Zentimeter hohen Holzverkleidung die fünf Weltteile dar: Europa als Karneval in
102
k. '"^B
Abb. 92. Aachen. Haus \'vcsp!en von J J. Couven. Grober Gobehnsjal im ersten Stock. Vgl. Abb- 83.
Rom; Asien in einem Festzug emer orientalischen Fürstin; Amerika in der Huldigung eines
Indianerfürsten; Australien, europäische Kaufleute Waren verladen lassend; Afrika mit land-
schaftlichen Szenen. Wunderbare Teppichwirkereien des Hauses van der Borcht. An der
Westseite haben die Fensterbänke und Fensterpfeiler reizvolle Holzverkleidung mit reichem
Rahmenv^'erk erhalten. Vor jedem Pfeiler schwebt ein Rokoko-Konsolentischchen.
Der Ausbau des Hauses nahm viele Jahre in Anspruch. Unter dem Giebel der Fassade
liest man die Jahreszahl 1737. Nach Bollenraths Bilderinschriften war die Ausmalung des
Treppenhauses im Jahre 1739 vollendet, die Wandbilder und der große Saal 1742. Die
Porträts des Hausherrn und der Hausfrau dort über den Kaminen werden noch später
angefertigt worden sein.
Johann von Wespien war im Jahre 1687 in Aachen als Sohn eines Tuchfabrikanten geboren.
Durch seinen Reichtum und Einfluß wurde er im Jahre 1 756 Bürgermeister der Freien Reichs-
stadt. Zwei Jahre später wurde er wiedergewählt, starb aber im folgenden Jahre im Amte.
In Aachen hat sich die Erzählung gebildet, daß seine Künstliche zu seinem finanziellen Ruin
geführt habe. ,,He es af wie der Wespäng", ist ein Aachener Sprichwort. Aber als im Jahre
1768 seine Gattin Anna Maria geborene Schmitz kinderlos starb, hinterließ sie immer noch
103
ein so bedeutendes Barvermögen, daß, abgesehen von anderen Stiftungen, ihre letzten Be-
stimmungen allein für die Errichtung eines Spitals mit Kapelle ein Kapital von 100 000 Reichs-
talern mit mehreren Grundstücken anweisen konnten. Das Wohnhaus in der Kleinmarschier-
straße erbte Wespiens Patenkmd, Frau von Wespiens Vetter Johann Kaspar Strauch. Strauchs
Erben verkauften den Besitz an den Tuchfabrikanten Martin Bernhard Schlösser. Im Jahre
1826 kam er an Karl Christian Joseph Degive, 1844 an die Familie van Gülpen. Eduard van
Gülpen starb 1882, seine Witwe im Jahre 1900.
Die letzten Tage des Hauses Wespien sind für den Aachener wie für die ganze Rhein-
provinz heute eine bittere Erinnerung. Der 5. bis 9. Oktober 1901. Vom 5. ab sah das Haus
viele geladene fremde Gäste. Sie kamen meist zum erstenmal und waren eigens gebeten
worden. Nicht jeder durfte in diesen Tagen die Prachträume betreten und durch das Treppen-
haus wandeln. ,,Nur den mit Katalogen versehenen Personen ist der Zutritt gestattet", hieß
es in der Einladung, dem mit zahlreichen Bildern ausgestatteten Auktionskatalog des Hauses
J. M. Heberle, Köln. Es war eine Einladung zur Vorbesichtigung der Innenausstattung,
bevor am 9. Oktober alles, was das Haus enthielt, Stuckdecken, Türen, Balkongitter, Fenster-
läden, Kamine, Supraporten, Wandteppiche, Deckengemälde, Treppengeländer, Bilder, Be-
leuchtungskörper, kurzum alles bis auf das nackte Skelett ,,erbteilungshalber" öffentlich ver-
steigert wurde. Welch edler Geist ward hier zerstört, daß selbst sein Totengräber ihm eine
Träne nachweinen mußte: ,,Ein hochbedeutendes und wohl einzig dastehendes Denkmal
deutscher Kunst hätte als Ganzes erhalten werden können und müssen ! ! Gewaltsam soll nun
zerrissen werden, was ein nie vergessener Aachener Architekt, unterstützt von einem kunst-
sinnigen und fast verschwenderisch prunkliebenden Mann, als das bedeutendste seiner Werke
und unstreitig das beste, was er überhaupt ausführte, errichtet hat, das an Schönheit der
Ausstattung und künstlerischer Vollendung der Dekoration mit den Prachtbauten der Fürsten
wetteifernde Haus." So sagt trauernd selbst die Einleitung des Versteigerungskatalogs! Die
Museen in Köln und Nürnberg haben sich wenigstens noch zusammenhängende Zimmer-
bilder gesichert. Das Museum zu Aachen erwarb aber, ich glaube, nichts als das Balkon-
gitter. Alles andere ward in alle Winde zerstreut. Zum Teil nach England! So geschehen
im Jahre 1901! Nicht etwa im Jahre 1870 oder 1880!
Das Denkmal, das ein gottbegnadeter Meister als das reichste, was ihm zu leisten möglich,
für eine Familie geschaffen hat, gehört nicht dieser mehr allein, es gehört der Stadt und der
engeren Heimat. Die Stadt Aachen, stolz auf ihren großen Sohn und die glänzende baugeschicht-
liche Entwicklung aus dem letzten Jahrhundert ihrer reichsfreien Herrlichkeit, und die Provinz,
die Wiege der Denkmalspflege unseres Vaterlandes, hätten niemals dulden dürfen, daß ein so
herrlicher künstlerischer Organismus wie das Haus Wespien zerstört wurde ! Selbst wenn die
Rheinlande noch ein zweites Haus Wespien gehabt hätten. Aber wir haben kein zweites Beispiel,
das in gleich reicher Weise die dekorativen Künste, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe, ein-
geladen hätte, die Tonart des äußeren Hauses in so wunderbaren Rhythmen fortzuführen und ein
104
Abb. 93. Gut Kalkofen bei Aachen von J. J. Couven. Einfahrt. Vgl. Abb. 94—97.
14
105
Abb. 94- Gut Kalkofen bei Aachen von J. J. Couven. Stall- und Okonomiegebäude. Vgl. anschließend rechts Abb. 95.
Kunstwerk zu schaffen, das bis in jede Einzelheit von Harmonie erfüllt ist. Es ist ein Bau
gewesen, an dem die Gegenwart alles hätte lernen können und gerade das, was ihr fehlt: Haus,
Raumgestaltung und Raumausstattung auf eine gleiche Klangfarbe abzustimmen. Es war ein
Musterbeispiel des Regencestiles auf nordwestdeutschem Boden.
Nachdem das Innere des Hauses zerstört, hat man auch noch das Äußere grauenhaft
verschandelt. Ein Anstrich hatte vorher schon den farbig schönen Gegensatz von Backstein-
flächen und Hausteineinrahmung verdeckt. Das Erdgeschoß nahm nun Läden für ein
Emaileimcrgeschäft auf. In die Straßenecke wurde eine Tür eingebrochen, die alte Tür
und die Fensterrahmen für große Geschäftsschaufenster herausgeschlagen. Aber die , .Pietät"
sorgte doch dafür, daß die Erinnerung an den kunstliebenden einstigen Bürgermeister der
Freien Reichsstadt Aachen welterlebte und hat in taumelnden, torkelnden Buchstaben des
schwindsüchtigen Jugendstiles in einem Spruchband über der neuen Emaileimerladentür die
Worte angebracht: ,,Wespiensches Haus". Die wahre Selbstironie !
Ein besseres Schicksal hat vor den Toren der Stadt ein anderer Bau gehabt, den Couven
später, so etwa um 1750, für Herrn von Wespien ausgeführt hat und von dem zahlreiche
106
Abb. 95. Cut Kalkofen bei Aachen von J. J. Couven. Innere Ansicht. Vgl. anschließend links Abb. 94.
Dazu Abb. 96 und 97. Vgl. Außenansicht Abb. 93.
Entwürfe und Detailzeichnungen noch erhalten sind: das Gut Kalkofen. Kein Neubau,
ein Umbau nur. Alt werden die beiden äußeren Bruchsteinwände neben dem Torturm sem
(Abb. 93). Couven nahm ihnen die alten schmalen Fensterkreuze und Schießscharten und
setzte neue breitere Fensterrahmen ein. Das war ein Eingriff wie bei dem Herrenhaus der
Deutsch -Ordens -Kommende zu Siersdorf (I. Abb. 168, 169). Der Torturm mag vielleicht
in seinem Kern auch alt sein und war bis dahin in den Formen schlichter. Couven gab
ihm die charakteristische Gestalt (Abb. 93). Die Ecken des Bruchsteinbaues wurden exakt
gequadert. Das breite Portal mit dem Fenster darüber und hoch oben der Nische für eine
Madonnenstatue wurde von einem durchlaufenden reichen Rahmen eingefaßt. Die Achse
erinnert an die Gliederung über dem Turmportal an der Abteikirche zu Burtscheid (Abb. 82).
Damit nun das Relief der Fenster-, Nischen- und Portalrahmen sich besser abhebt, ist der
Putz der von einem Blendrahmen umzogenen Fläche zwischen den Eckquadern dunkler im
Ton gehalten. Ein üppiger, barock gebrochener Giebel umgibt die Uhr über dem ausladenden
Hauptgesims am Fuß der Kuppelhaube und führt zu dem offenen Dachreiter, einer zier-
lichen Laterne, über.
Vielleicht wird ursprünglich die Anlage von Kalkofen die gewesen sein, daß beide Flügel
neben dem Torturm mit rechtwinklig dazu gelagerten Querbauten den Wirtschaftshof gebildet
haben. Das Herrenhaus lag dann in der Torturm-Achse weiter zurück. Also eine regelmäßige
107
108
109
Abb. 98. Aachen. Onginalzeichnung von J.J.Couven für die Pavillons und Cartengitter im ehemaligen Hause Mantels (vgl
Abb. 99), heute „Kerslenscher Pavillon" genannt, auf dem Lousberg. Vgl. Abb. 100 und 101.
Anlage, wie sie uns im vorausgegangenen Jahrhundert im Lande Limburg- Jülich verschiedent-
lich begegnet ist. Von dem vermutlich einstigen Herrenhaus ist aber keine Spur erhalten.
Couven schuf nun am Ende des einen Eingangsflügels einen neuen zweistöckigen Wohnhausbcu
mit Mansardendach und richtete diesen Neubau mit dem anstoßenden Eingangsflügel, der
nach dem Hof zu ebenfalls eine Backsteinwand erhielt, als Herrenhaus ein (Abb. 95 — 97).
Zwischen den Bossenpfeilern mit Vasenschmuck auf breit auskragenden Deckplatten betritt
man durch die oben nach innen geschwoingene Gittertür den Wohnhaushof, den nach der
Tordurchfahrt eine Mauer (Abb. 95), nach dem rückwärts gelegenen Garten ein Gitter
abschließen (Abb. 96). Das Verhältnis von Neubau, Eingangsflügel und Torturm erinnert
an die Silhouette der Abteikirche zu Burtscheid (Abb. 82). Aber da das „Langhaus" größer
angelegt, mußte der Torturm höher hinausgezogen werden, um dem rechtwinkligen Wohnhaus-
bau die Balance zu halten. Aber noch aus einem anderen Grunde hat der Torturm den
Hauptakzent erhalten : er hat zwischen Herrenhaushof und Wirtschaftshof zu vermitteln, wo
man für den Wohnhausneubau mit dem herausragenden Mansardendach ein Gegengewicht
schaffen mußte; und zwar ein ebenfalls über die Dächer des Eingangsflügels hinausragendes
Querhaus (Abb. 94). Es hat nach dem Hof zu gar keine Fensteröffnung, nur die auf dunklem
Backsteingrund helleuchtende breite Türeinfassung. Große rechteckige Blenden gliedern die
Wände. Das Mittelstück, oben mit einem Giebel bekrönt, ist risalitartig vorgezogen. Seine
Blendgliederung muß sich nach unten der Linie des Türrahmens anpassen. Es ist ein wunder-
bares Musterbeispiel für die Gliederung eines Backsteinbaues, diese Scheune, die in der
prächtigen Aufteilung eine vornehme Ruhe atmet. Auf beiden Höfen hat das 19. Jahrhundert
Schuppen errichtet (Abb. 94, 95). Uns trennt doch in der Tat ein tiefer Abgrund noch von
jener großen Baukultur des 1 8. Jahrhunderts, welche in den Verhältnissen ihrer Baumassen und
der Aufteilung der Wände so klangvoll ausgeglichen und welcher Sachlichkeit des Schaffens
und Wohnbedürfnis das oberste Gesetz baukünstlerischen Gestaltens war! Sachlichkeit paart
10
sich mit organischer Belebung jeden Details. Man beachte, welchen Auftrag der kleine
Schornstein über dem Eingangsflügel zwischen Torturm und dem neuen Wohnbau hat, aus
welchem Grunde der Turm höher gezogen wurde und eine Dachhaube mit Laterne erhielt
(Abb. 95) und warum, scheinbar unmotiviert, Schneckengiebel und Haupttür des neuen Wohn-
baues verschiedene Achsen haben. Aus Gründen des Gleichgewichtes und des Zusammen-
klingens der Gesamtkomposition (Abb. 95, 97). Man versuche, den Giebel, der übrigens
wieder lebhaft an den vom Aachener Haus Wespien erinnert (Abb. 84), zuzudecken. Es
fehlt sofort ein Teil der wohl abgewogenen Verhältnisse der Hofkomposition.
Das Haus Wespien machte in Aachen Schule und begründete den Ruf Johann Joseph
Couvens als Wohnhausbaumeister. Als der Außenbau vollendet war, übertrug ihm die Familie
Mantels den Entwurf zu einem Neubau am Annuntiatenbach Nr. 20 (Abb. 99). Die Original-
zeichnung Ist noch erhalten*. Der Bau kam aber leider nicht zur Ausführung und wäre
Buchkremer a. a. 0., Abb. 17.
Abb. 99. Aachen. Originalzeichnung von J. J. Couven für das Haus Mantels am Annuntiatenbach 20. Vgl. Abb. 98.
Abb. 100. Aachen. Kerstenscher Pavillon von J. J. Couven; heute auf dem Lousberg. Vgl. Abb. 98.
ein noch interessanteres Werk als Haus Wespien geworden. Es war breiter in der Front,
hatte neun Fensterachsen. Die fünf mittleren waren als Risalit mit einem Giebel behandelt,
die vier seitlichen über dem Erdgeschoß mit einer Pilasterarchitektur gegliedert. Das einzige,
was zur Ausführung gelangte, war das Gartenhäuschen. Es ist im Jahre 1906 von der Stadt
Aachen erworben und in den Anlagen auf dem Lousberg aufgestellt worden : der Kerstensche
Pavillon, genannt nach dem letzten Besitzer. Man mag an dem reizvollen Häuschen er-
kennen, was Couven für die Innenausstattung des Wohnhauses vorgeschwebt hat (Abb. 100).
Es faßt einen Saal, 8 4,5 m groß, der trotz der wieder glänzenden Ausstattung einen wohn-
lichen, traulichen Eindruck macht. In der Höhe der Fenster an der Gartenseite ist der Sockel
mit reicher Holzverkleidung getäfelt, deren Muster auch die Schlagläden schmücken. Vor den
Fensterpfeilern hängen wieder Rokoko- Konsoltischchen. Darüber sind hohe Spiegel mit einer
bemalten Supraporte eingelassen. An der gegenüberliegenden Seite, die sich einst an die
Gartenmauer anlegte, unterbricht ein eleganter Marmorkamin mit holzgeschnitztem Aufsatz
und einem allegorischen Gemälde die Vertäfelung. An den Schmalseiten des Pavillons hegt
die Eingangstür mit reich durchbrochenem, geschnitztem Oberlicht. Zu beiden Seiten sind
zwei kleinere Türen mit Supraporten angebracht. Die eine öffnet sich in einen Wandschrank,
die andere zur Treppe, die in das Mansarden- und Kellergeschoß leitet. Aus einer Hohlkehle,
112
mit Rokoko-Stuckrahmen und Ranken geschmückt, entwickelt sich die flache Decke. Und
auch sie hat eine allegorische Darstellung erhalten. Die hinenausstattung ist ganz im
Geschmack des Hauses Wespien. Aber die reichere Linienführung zeigt, daß die Anlage
jüngeren Datums ist. Couven entfernt sich immer mehr vom Style Regence zum Rokoko.
Aus dem tiefer gelegenen Hof zwischen Haus und Garten führt eine Treppe mit zwölf
Stufen in das Gartenhaus hinauf. Und nach dem Hof zu schließt eine Brüstungsmauer in
derselben Höhe wie der Treppenaufgang zum Pavillon den Garten. Ein reiches Gitterwerk
läuft über diese Brüstungsmauer (Abb.98, 101). Graziös in der Zeichnung. Der Originalentwurf
war noch reizvoller mit klarerer Betonung des Torgitters und interessanterer Gliederung der
Sockelmauer. Auch für den Pavillon war außen eine reichere Gliederung vorgesehen, nach
der Gartenschmalseite eine von zwei Säulen und zwei Pilastern getragene Vorhalle*. Vor
die Brüstungsmauer legt sich im Hof eine bequeme Doppeltreppe. Vor ihrer oval nach vorn
ausgebauten Plattform vor dem Torgitter ist zwischen den geschweift ausladenden Treppen-
läufen ein Brünnlein angebracht (Abb. 98). Ein dreipaßförmiges Becken, in das hinein eine
von Ranken umgebene Maske aus der Brüstung der Plattform ihr Wasser plätschert**.
In Couvens hinterlassenen Zeichnungen findet sich noch eine Fülle interessanter und
eigenartiger Gartenhausentwürfe (Abb. 102 — 106). An Ort und Stelle erhalten ist aber nur
* Originalentwurf der Gesamtanlage bei Buchkremer a.a.O., Abb. 21, 22, 24.
** Grundriß der Brunnen- und Treppenanlage bei Buchkremer a.a.O., Abb. 23.
Abb. 101 . Aachen. Gartengitter vom Kerstenschen Pavillon von J. J. Couven; heute auf dem Lousberg. Vgl. Abb. '
15
i. 100
113
<ä»'^
^
y
Abb. 102. Originalzeichnung von J. J. Couven für den
Pavillon in Nuellens Hotel in Aachen. Vgl. Abb. 106.
Abb. 103. Entwurf für einen Gartenpavillon
von J. J. Couven.
Abb. 104 Entwurf für einen Gartenpavillon von J. J. Couven. Vgl. Abb. 105
14
Abb. 105. Entwurf für einen Gartenpavillon von J. J. Couven. Vgl. dazu
Grundriß Abb. 104.
Abb. 106. .ViJ.cn. Garten in Nuellens Hotel. Vgl. Abb. 102
115
noch der Pavillon im Garten von Nuellens Hotel am heutigen Friedrich -Wilhelm -Platz
(Abb. 102 und 106). In der äußeren Gestalt von anmutig-reizvoller Emzelgliederung der
abgerundeten Eckverquaderung, der Profile, Fensterrahmen und Fenstergiebel und der reichen
Kartusche über der risalitartig entwickelten Eingangsachse. Der anstoßende Hinterflügel des
Hauses, das Couven für den Bürgermeister Gerlach Mauw entworfen hat, öffnete sich ehemals
in offenen Säulenstellungen zum Garten.
Was für Münster in Westfalen der Stiftsadel, das waren für Aachen die Tuchfabnkanten-
geschlcchter. Und was ein Johann Joseph Couven und sein Sohn Jacob für die Loevenich,
Grand Ry, Ludcwigs, Wes])ien, Klausener, Görtz, Fey, Mauw, Scheibler u. a. geschaffen,
bleibt kaum zurück hinter dem, was in Münster ein Gottfried Laurenz Pictorius und vor
allem Johann Conrad Schlaun für die glänzenden Namen der Landsberg, Beverförde, Galen,
Merveldt, Ketteier, Korff-Schmiesing und Droste-Vischering errichtet haben. Couvens
Tätigkeit erstreckte sich weit über Aachen hinaus. Die Freie Reichsstadt war der Vorort der
Industriestädte Burtscheid, Eupen, Montjoie, Malmedy und Verviers geworden. Im Aachener
Gewandhaus kamen die Fabrikate zusammen, wurden hier geprüft und, wie das Reglement
der Aachener Tuchhalle vom Jahre 1713 bestimmte, alles ,,was ansonsten anhero zum feilen
SSEsaffii 'i I
Ahh 107. Aaclien. Vorgebäude vom Hause Fey im Seilgraben. \'gl. Abb. 108
116
Verkauf gebracht"*. In den Aachener Hauptstraßen errichteten die Palrizierfamilien, wie in
Münster der Stiftsadel, Höfe, Cours d'honneur. Im Seilgraben entstand das Haus Fey mit
einem Binnen- und Außenhof (Abb. 108). Das schmale Grundstück erlaubte es nicht, die
äußeren stark verjüngten Seitenflügel bis an die Straße auszuziehen. Couven setzte daher
neben das Straßentor schmucke Pavillons (Abb. 107). Es handelt sich auch hier nicht um
einen völligen Neubau. Den rechten Flügel hatte bereits im Jahre 1640 der Bürgermeister von
Oliva aufführen lassen. Die Oliva haben später die Besitzung an die Grand Ry verkauft, von
denen sie Andreas Ludewigs und Clara Becker im Jahre 1740 erwarben. Bald darauf baute
Couven das Haus aus. Er komponierte gegenüber dem alten Olivaflügel einen entsprechend
schlichten Seitentrakt. Um so wirkungsvoller woirde in dieser anspruchslosen Einfassung der
Mittelbau mit dem prächtigen Balkongitter (Abb. 108). Auch die Seitenfenster neben der
Balkonachse erhielten reichere Rahmen und das Dachgeschoß Mansarden. Vasen auf Posta-
menten akzentuieren die Ecken der ^
Grundrißanlage der beiden Höfe,
deren Hauptreiz in dem Reichtum
der perspektivischen Wirkung hegt.
Die Hauptachse wird in den Garten
fortgeführt. Der Mitteltür entspricht
die gleich reich im Oberlicht ausge-
stattete Gartentür (Abb. 112). Eine
bequeme Treppe führt aus dem ge-
pflasterten Hof zu der ersten Garten-
terrasse. Und eine Brüstungsmauer
schließt auch hier wieder den dahinter
gelegenen Garten ab, in den hinauf
vor dem Pfeilerportal eine Freitreppe
führt. Im Innern des Hauses ist der
Kamin des Hauptraumes ausgezeichnet
zu der stuckierten Balkendecke kom-
poniert (Abb. 109). Im Mittelfeld
thront über der Feuerstelle in den
Wolken die heilige Familie. Engels-
köpfe leiten geschickt in die Hohl-
kehlen der Decke über . Die Arbeit wird
* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für
Denkmalpflege und Heimatschutz IV, S. 7. Ge-
schichtliche Industriebauten I. Max Schmid:
„Aachen und d:e benachbarten Eifclstädte .
Abb. 108. Aachen. Haus Fey im Seilgraben; Hof nach der Straße.
Vgl. Abb. 107,109,112.
117
18
o
VC
a
s
-0
<
119
kaum von Couven selbst entworfen worden und voraussichtlich auf einen der zahlreich damals
in Aachen und übrigens auch sonst in den Rheinlanden tätigen Italiener zurückzuführen sein.
Die Hofanlage Haus Heusch, Jacobstraße Nr. 35, wird ebenfalls nur einen Couvenschen
Umbau darstellen (Abb. 117, 118). Das Gelände ist relativ breiter als bei Haus Fey. Die
Seitentrakte können daher auch breiter und bis zur Straße entwickelt werden. Mauerzüge
rahmen wieder das Hofportal ein. Die Hoffassaden sind schmucklos, die einzige Dekoration
ist das schöne Balkongitter über dem reicher gegliederten Eingang (Abb. 118).
Auch in dem benachbarten Eupen hat die damals aufblühende Tuchindustrie noch eine
Reihe Denkmäler der führenden Patriziergeschlechter hinterlassen. Das stattlichste ist der
Hof der Familie Grand Ry, die heutige Kaiserliche Post (Abb. 111), eine dreiflügelige
Backsteinanlage. Sie ist, Gott sei Dank, nicht
nachträglich verputzt worden und in der
farbigen Schönheit der exakten Eckquade-
rung, der hellen Fensterrahmen und Profile
noch erhalten. Es ist ein Neubau aus einem
Guß und gibt daher auch eine bessere Vor-
stellung von Couvens Hofkompositionen.
Gut ist der Übergang vom Hauptprofil zum
Mansardendach. Bei der Umgestaltung zum
Postamt im Jahre 1889 konnte die Innen-
einrichtung nicht erhalten werden. Der
Mittelbau erhielt eine eingeschossige Vor-
halle vor seiner Front. Dabei fiel natürlich
das Portal mit dem schmiedeeisernen Balkon.
Der Oberbau blieb außen indessen unver-
ändert. Pilaster rahmen die Mittelachse ein
und tragen den vor das Mansardengeschoß
gelegten Giebel. Von großer Schönheit ist
die nach der Straße den Hof abschließende
geschweifte Backsteinmauer mit Vasen auf
ihren Hausteinpostamenten. Der Einfluß des
Frangois Blondel macht sich bemerkbar. Die
Linien der Grundrißanlage werden male-
rischer. An Stelle der Ecken treten Kurven.
Die an das Haus Grand Ry anstoßenden
Nebenbauten faßten einst die Fabrikräume
,. , ,,, , I r- (.Abb. 111). Auch um den Hof des Hauses
Vgl. Abb. 109. Wespien in Aachen lagen einst die Wespien-
Abb. 112. ,WlRn
120
sehen Tuchfabriken. Die Famihc Grand Ry besaß aber in Eupen noch andere Fabrikbauten,
so das jetzt der Famihe Mennicken gehörige Haus Wirtplatz Nr. 3 vom Jahre 1744, eine
große Hofanlage, die ebenfalls von Couven stammt und 1786 von Wilhelm Scheibler in
Montjoie von den Grand Ry erworben wurde, 1803 an das Haus Bock & Koenen, dann an
Jean Fremery überging*; außerdem am Markt das Haus Wild mit einer im Aufbau wirkungs-
vollen viergeschossigen Dachanlage für das Tuchlager**.
Im Jahre 1752 errichtete Couven für die Familie Vercken in Eupen ein neues Wohnhaus
mit anschließendem Fabrikgebäude. Im 19. Jahrhundert ging es an die Familien Otzen und
Jeghers über. 1856 kauften es die Franziskanerinnen und bauten auf den Fabrikflügel em
neues Stockwerk auf (Abb. 1 14, 1 16). Der alte Eingang wurde vermauert und an seiner Stelle
eine moderne Statue des heiligen Franz in eine Nische gestellt. Sonst ist der alte Außenbau
gut erhalten und ein glänzendes Beispiel für das, was mit dem Wespienschen Hause zugrunde
ging. Das Untergeschoß ganz in Haustein, die beiden oberen Geschosse in Backstein, in
deren Fläche die Hausteinfensterrahmen lose eingesetzt sind. Der farbige Gegensatz hebt das
Hauptstockwerk, das jedem Fenster schöne schmiedeeiserne Brüstungsgitter gegeben hat, günstig
hervor. Die Mittelachse wird durch die Pilasterstellung besonders betont und oben von einem
seltsam kapriziösen Giebel geschlossen. Das Fenster des Hauptgeschosses hat über seinem
reichen Oberlicht einen besonderen Giebel erhalten und hob sich einst noch besser ab, als es
das breite Balkongitter mit der Jahreszahl 1752 schmückte. Es ist das Gitter, das heute auf
ebener Erde die Statuennische umgibt. Von sehr schöner Gliederung ist das Hauptgesims
und seine Verkröpfung über den Kapitalen der Pilaster und die Eckverquademng, die beim
Hause Wesplen durch den Anstrich ganz wirkungslos geworden ist. Das Innere zeigt noch
das alte geräumige Treppenhaus und prachtvoll stuckierte Räume.
Durch die schmiedeeiserne Gittertür mit dem oval geschwungenen oberen Abschluß gelangt
man in den Hof der Fabrik. Pfeiler, mit breiter Deckplatte und einer Urne geschmückt, rahmen
das Gitter ein (Abb. 114). Die gleichen Urnen kehren am Eingang zum Hause Vercken
bei Düren wieder (Abb. 1 13). Die Brücke ladet vor dem Tor halbkreisförmig zu beiden Seiten
aus. Dort, wo der Bogen die Hofmauer trifft, ragt je ein kleinerer Pfeiler auf, ebenfalls mit
einer Urne geziert. Es entsteht eine Einfahrtskomposition wie beim Hause Grand Ry in Eupen
(Abb. 111). Das entgegenkommende, elegante Jahrhundert des Rokoko bedarf nicht mehr der
abweisenden Tore. Die am Hause Fey und Heusch in Aachen werden sicherlich noch von
dem älteren Bau stammen und nicht von dem Couvenschen Umbau (Abb. 107, 117).
Selbst in die romantischen Eifelstädte rief man Couven zu neuen Fabrikanlagen. Er mußte
sich hier einer anders gearteten heimischen Bauweise anpassen. Das Land ist arm an Sand
zur Mörtelbereitung und magerem Ton zur Backsteinherstellung. Die Feuchtigkeit der Täler
* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz IV, S. 13, Abb. 4. — Clemen-Reiners
a.a.O., Abb. 176 u. 177.
** Clemen-Reiners a. a. 0., Abb. 181.
16 121
<
«iW^
122
-Q
<
123
124
125
126
w^:h
127
verbüt zudem den dünnwandigen Backsteinbau. Man benutzte den heimischen Bruchstein
oder noch häufiger das Holz der reichen Waldungen (Abb. 123). Wie im Bergischen Lande
bedeckte man die Fachwerkbauten mit Schiefer (Abb. 121, 124). Couven hat in Montjoie
um 1750 für Johann Heinrich Scheibler ein Wohn- und Fabrikgebäude geschaffen. Der
Bauherr starb noch vor der Vollendung. Die beiden Söhne teilten sich in das Haus, das nun
zwei Türen und zwei getrennte Treppenhäuser erhielt (Abb. 121, 125). Die eine Hälfte ist
nach dem Signet im Oberlicht das ,,Haus zum Pelikan", die andere das ,,Haus zum goldenen
Helm". Neben den beiden Wohnhäusern faßt das großräumige Doppelhaus noch Fabrik,
Lager und Kontore. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war das Haus wieder in einer Hand.
Das Haus zum Pelikan wurde als Fabrik, das Haus zum goldenen Helm als Wohnhaus
benutzt. Hier ist der große Festsaal mit der berühmten, reich geschnitzten Treppe. Im
Treppengeländer des Pelikan ist in einundzwanzig Reliefs die Tuchfabrikation dargestellt. Viel-
leicht war demnach dieser Teil des Doppelhauses von Anfang an als Geschäftshaus gedacht.
Welch ein Fabrikantenstolz In diesem monumentalen Bau, der an drei Straßen aufragt!
(Abb. 121 , 125.) Vor allem in dem mächtigen vierstöckigen Warenspeicher des Dachgeschosses,
das nach allen vier Fronten des Hauses über dem breiten Hauptgesims einen eindrucksvollen
großen Giebel gezeichnet hat. Die wohlerhaltene kleine Sprossenteilung der Fenster ist ein
glänzender Maßstab für die Größe des Hauses. Wie am unteren Niederrhein bedingte auch hier
die feuchte Witterung den Gebrauch der Schiebefenster. Der farbige Effekt ist beim Schiefer-
haus im Grunde derselbe wie bei dem Backsteinbau. Auf dem dunklen Grunde leuchten die
hellen Fenster- und Türrahmen mit ihrem reichen Oberlicht und die Eckverquaderung.
Die oben schon erwähnte und bereits im Jahre 1645 genannte Tuchfabrik „Zur Krön"
in der Hauptstraße zu Burtscheid (Abb. 81 u.LAbb.283) ging 1728 in den Besitz der Familie
Loevenich über. Bei dem damaligen Aufschwung des Aachener Tuchhandels war die alte
Anlage bald zu klein. Hinter dem Hof wurde ein Neubau aufgeführt, der im Jahre 1768 noch
einen wesentlichen Ausbau erfuhr. Der alte Bau war nunmehr ganz vom Fabrikbetrieb ent-
lastet. Der Grundriß in Abb. 126 zeigt die einzelnen Bauperioden. Damit die Arbeiter nicht
mehr die Diele des alten Hauses zu passieren hatten, legte man seitlich durch die nördliche
Fensterachse einen besonderen Zugang zur Fabrik, der auch hier seitlich weiter in den zweiten
Hof führt, wo die Tuchrahmen ausgelegt wurden. Dahinter der Garten. Bei dem abfallenden
Gelände der Hauptstraße läuft dieser Gang in den Höfen über Terrassen. Ebenso bedingte
das abfallende Gelände die Anlage der Freitreppe im ersten Hof und der Gartenterrasse im
zweiten. Der Verbindungsflügel vom alten Bau und der neuen Fabrik, gegenüber dem Lauf gang
im vorderen Hof, sollte die Gesellschaftsräume mit dem großen Saal fassen und erhielt unter
einem kleinen, anmutigen Pavillon neben der Freitreppe der Fabrikfront einen eigenen Zugang
aus dem Hof wie aus der Fabrik (Abb. 128). Das Dach des Zwischenflügels diente als Lager-
raum. Heute benutzt man indessen den ganzen Seitenflügel zu Fabrikzwecken. Aber an dem
Schmuck der Räume ist die einstige Bestimmung noch zu erkennen.
128
Abb. 125. Montjoie. Haus Scheibler von J. J.Couven. Vgl. Abb. 121.
17
129
Abb. 126. Aachen-Burtscheid. Haus „Die Krön". Vgl. Abb. 128 und 1. Abb. 283.
130
Die beiden Höfe der Fabrikanlage sind von großer malerischer Schönheit, vor allem der
erste mit der breit ausladenden Doppeltreppe, dem schmiedeeisernen Gitter, der Gliederung
der Kellertür, des Fabrikeingangs, des Treppenpavillons in der Ecke und des seitlich höher
gelegenen Lauf ganges (Abb. 1 28). Ein beschämendes Musterbeispiel für das 1 9. Jahrhundert, dem
der Begriff der Kaserne, der Scheune und der Fabrik Dinge außerhalb des baukünstlerischen
Schaffens, Aufgaben des „Bautechnikers" waren. Wenn wir heute den schönen Hof nicht
gleich als Fabrikhof ansprechen, so liegt das daran, daß wir noch immer die Architekturform
auf ihre dekorativen Äußerlichkeiten beurteilen und nicht aus ihrer aus der grundrißlichen
Anlage sich ergebenden Zweckmäßigkeit. Und lediglich aus Gründen des Zweckes ergab
sich die Anlage des Pavillons und der Freitreppe. Ein höher entwickelter Geschmack gab
der Sach- und Zweckform die schöne äußere Gestaltung und Gliederung, brachte die einzelnen
Teile, Pavillon, Zwischenbau und Fabrikfront, in wohlabgewogene Verhältnisse. Wie wenig
dabei diese Zeit nötig hatte, um sich mit Schönheit zu umgeben! Das 18. Jahrhundert gab der
Treppe die bequeme, einladende Form, den Türen ein gefälliges, schlichtes Profil, den Ecken
Hausteinquaderung, dem Türbogen einen einfachen Schlußstein, betonte durch Pilaster den
Zusammenhang der drei Mittelachsen mit der Treppe — das war alles! Die alten Fabrik-
anlagen werden wie das Bürger- und Bauernhaus immer seltener. Es ist an der Zeit, diese
Dinge vor ihrem Verfall und Abbruch als vorbildliche Grundriß- und Kompositionstypen
zu Scimmeln!!
Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, wollte ich aller Bauten gedenken, die Couven,
Vater und Sohn, und die zahlreichen Mitarbeiter in und um Aachen geschaffen haben. Man
überschlage nur einmal die Aufstellung seiner und seiner Werkstatt Tätigkeit bei Buchkremer*.
Sie führt aus Aachen und Burtscheid nach Cornelimünster, Düsseldorf, Eupen, Eys bei Simpel-
veld, Geilenkirchen, Gülpen bei Weylre, Heinsberg, Houthem bei Valkenburg, Kirchrath bei
Herzogenrath, Kohlscheid, Lemiers bei Vaels, Lüttich, Maeseyck, Montjoie, Münsterbilsen,
Neuß, Niespert bei Eupen, Schieiden, Simpelveld, Vaels, Vaelsbruch, Weiden, Wickrath,
Wlssem, Würselen. Damit ist vielleicht die Liste noch nicht geschlossen.
Es seien in Aachen nur noch wenige Wohnhäuser angeführt. Im Jahre 1749 baute Couven
für Mathieu Lognay, den Minister-Residenten Friedrichs des Großen, das umfangreiche Ge-
bäude Alexanderstraße 36, das jetzige Hotel zur kaiserlichen Krone, mit prachtvollen
Räumen im Mittelbau nach dem Garten zu. Das reizvolle Eckhaus am Hühnermarkt mit dem
doppelten Dachgeschoß, aber leider später eingebauten Läden im Untergeschoß, wird auch
auf den Meister oder seine Werkstatt zurückzuführen sein (Abb. 115). Dann das neben der
„Krön" in der Hauptstraße zu Burtscheid hinter einem Hof an der Straße gelegene Haus
Schumacher (Abb. 122, 127). Efeu hat die Fassade überwuchert, und gegen den dunkel-
grünen Grund leuchten wieder die hellen Fensterrahmen. Es ist em Umbau eines älteren
Hauses und wird im Jahre 1735 „im Bau" erwähnt. Sein Hauptschmuck ist die zweiarmige
* Alphabetisch nach Städten und Straßen geordnet bei Buchkremer a. a. 0., S. 192—197
131
132
Abb. 128. Aachen -Burtscheid. Erster Hof im Haus „Die Krön". Vgl. Abb. 126.
133
Freitreppe mit dem schönen Geländer und der Haustür (Abb. 127). An der Vorderseite der
Treppe ist zwischen den Läufen wieder em Brünnlein angebracht. Die Steinemfassung der
Tür ist architektonischer komponiert als sonst bei Couvens Bauten und hat regelrechte Pilaster-
stellung erhalten. Der Rahmen der reichgeschnitzten Holztür ist ringsum ornamentiert und
auch die Füllung in der Mitte durch ein reiches Ornament geschmückt. Die Hoftür ist ein-
facher gehalten (Abb. 1 19). Statt des geschnitzten Rahmenwerkes ein geschnörkeltes Stabwerk
wie im Oberlicht. Eine Zusammenstellung von Couvenschen Türen würde eme Mustersamm-
lung von Ornamentformen vom Stile der Regence bis zum Klassizismus ergeben. Hier sei
nur noch das reiche Kirchenportal in der Annastraße genannt (Abb. 120).
Das Innere des Hauses Schumacher hat durch den Couvenschen Ausbau ebenfalls eine
neue Ausstattung erhalten (Abb. 78, 129); der frühen Zeit entsprechend noch in den schlichten
Formen der Regence wie bei der Innenausstattung des Aachener Rathauses (Abb. 75 — 77).
über der Sockelholzverkleidung ist die Wandtapete von Holzrahmen eingefaßt. Sehr schön
ist der Kamin mit dem Aufbau und dem Feuergitter (Abb. 129). Die Fülle der auf Couvens
Entwürfe zurückzuführenden Möbelstücke ist gar nicht aufzuzählen. Sie gehen allgemein als
„Lütticher Aibeit", Glas- und Eckschränke, Sekretäre, Standuhren, Kamine, Kleiderschränke
usw. Sie finden sich in der ganzen Aachener Gegend und sind gesuchte Sammelstücke
geworden. Das städtische Museum und das Rathaus bewahren noch einige ausgesuchte
Exemplare, ebenso die Privatsammlungen Thome, Vendel, Wangemann u. a. Teilweise kamen
wohl Couvens Mitarbeiter aus Lüttich, wie Hubert Hyard, der den Altar in der Pfarrkirche
zu Eupen gearbeitet hat*, Jacob de Reux, Bartholomäus Mignon, Jean Antoine
Larmoyer und andere Mitarbeiter Couvens am Rathaus. Aber daneben hatte der Meister
seinen Stamm Aachener Arbeiter, Simon Pirott, Caspar Gobels, Servatius Klever,
Peter Wolff usw.
Das Bild von Couvens vielseitigem Schaffen wäre unvollständig, wollte man nicht m
wenigen Worten seiner kirchlichen Bautätigkeit gedenken, seiner Altäre, Kanzeln, Beicht-
stühle usw. in St. Peter und der Kirche des Josephinischen Institutes und der Heiligen Kreuz-
kirche zu Aachen, den Kirchen zu Eupen, Vaels, Richrath, Würselen, Cornelimünster usw.
Die Betrachtung dieser Dinge liegt eigentlich außerhalb des Rahmens dieses Buches. Ich
möchte aber dennoch zwei Kirchenschöpfungen des Aachener Meisters hier nicht übergehen :
die Kapelle zu Nispert bei Eupen und die Ungarische Kapelle am Münster zu Aachen.
Der Färbereibesitzer Goertz hat im Jahre 1748, anschließend an sein Wohnhaus und seine
Fabrik in Nispert, eine Hauskapelle errichten lassen (Abb. 130, 132). Couven soll auch das
Wohnhaus errichtet haben**. Die Geschichte ist mir nicht ganz klar; ich denke mehr an
einen Umbau, denn die Kapelle schneidet mit ihrem Walmdach recht seltsam in das anliegende
Haus ein. In der Ausstattung der Innenräume des Wohnhauses, den Girlanden und den mit
* Clemen-Reiners a.a.O., Taf.VIII.
** Clemen-Reiners a. a. 0., S. 213. — Buchkremer a. a. 0., S. 136.
134
Putten geschmückten Medaillons an dem schönen Kaminaufbau, den Bildertapeten über der
schlichten Sockelholzverkleidung, möchte ich mehr die Hand des jüngeren Couven, Jakob
Couven, vermuten (Abb. 110).
Die Kapelle ist ein rechteckiger Bau mit anliegender Chornische und im Innern durch
Pilaster gegliedert*. Am Altar hängen die Wappen der Herren Goertz und von Wesplen. Sie
waren Verwandte, und Herr von
Wesplen, dessen Wappen auch
an verschiedenen Stücken der
Innenausstattung der Kirche
des Josephlnischen Institutes in
Aachen glänzt, hat die Kosten
für die Fassade der Kapelle in
Nlspert bestritten. Die Fassade
ist offenbar Fragment geblieben.
Der Originalentwurf** sah in
den Medaillons zwischen den
Seitenpfeilern Porträtreliefs vor
und die Pilaster reicher geglie-
dert (Abb. 130). Hoch oben
über dem Fenster die Wappen
Goertz -Wespien. Ebenso sollte
das Portal reicher profiliert sein.
Vasen sollten den Giebel zieren
und eine plastische Gruppe der
Taufe Christi einrahmen. Ein
zweiter Entwurf dachte sich zu
beiden Selten von Portal und
Fenster über einem kassettlerten
Sockel Doppelpilaster und Vasen
auf dem Mansardendach (Abb. 1 30).
Im selben Jahre der Fertig-
stellung der Goertzschen Kapelle
In Nlspert schloß Couven mit
dem kaiserlichen Generalfeld-
wachtmeister Emmerich Morocz
* Clemen-Reiners, Abb. 170.
** Buchkremer a.a.O.. Abb. 63. —
Dazu Grundriß Abb. 62. Abb. 129. .Aazhen- Burtscheid. Haus Schumacher. Vgl. Abb. 78, 119, 122, 127.
135
Abb. 130. Originalentwurf von J. J. Couvcn für die Kapelle am
Hause Goertz in Nispert bei Eupen. Vgl. Abb. 132.
136
Abb. 131. Originalentwurf von J. J. Couven für die Ungarische
Kapelle am Münster zu Aaclien. Vgl. Abb. 133.
18
137
als Vertreter des Grafen von Batthyany einen Vertrag für den Neubau der Ungarischen
Kapelle am Münster zu Aachen*. Die alte, von König Ludwig I. von Ungarn im Jahre
1367 erbaute Kapelle, die bei den alle sieben Jahre stattfindenden Pilgerzügen der Ungarn
für deren besonderen Gottesdienst bestimmt w^ar, war baufällig geworden. Die Entwürfe für
Couvens Neubau sind ebenfalls noch erhalten** (Abb. 131). Er hatte die alten Fundamente
der gotischen Vorgängerin beibehalten, ein Rechteck mit drei Seiten eines Achtecks als Chor.
Außen war der Bau in den anspruchslosen Regencestilformen gegliedert, im Innern aber reich
ausgestattet. Couven hat mit der Arbeit Unglück gehabt. Die massive Steinkuppel lastete
zu sehr auf den dünnen Wandungen, so daß man schon 1 755 gezwungen war, den Bau nieder-
zulegen. Man berief den Mailänder Baumeister Moretti und betraute ihn mit einem Neubau.
Im Jahre 1 767 fand die Einweihung statt ; es handelt sich um die heute noch stehende Kapelle,
die nunmehr, da ein Erlaß der österreichischen Regierung schon im Jahre 1 776 den Ungarn
die Pilgerreise verboten hatte, als Schatzkammer dient. Das Innere ist kreisrund, das Äußere
ein Quadrat mit abgeschrägten Ecken (Abb. 133). Doppelpilaster auf hohem Sockel rahmen
die Fenster ein. Über dem stark verkröpften Gesims steigt die achtseitige Kuppel auf. Das
Wappen von Ungarn schmückt an der Hauptseite den Bau. Es ist doch recht schade, daß
* Vertrag mitgeteilt bei Buchkremer a.a.O., S. 197 bis 205.
•* Buchkremer a.a.O., Abb. 64 bis 68.
Abb. 132. Nispert bei Eupen. Haus Goerlz mit Hauskapelle. Vgl. Abb. 130 und 110.
138
Couvens Kapelle wieder beseitigt werden mußte. Sie paßte sich dem Münster und dessen
gotischem Kapellenkranz weit besser an.
Couvens reiche Bautätigkeit und sorgfältige Detailzeichnung für jedes Stück der Aus-
stattung, der Möbel-, Stuck-, Stein-, Holz- und Metallarbeiten, bildeten ein künstlerisch ge-
hobenes Handwerk heran. Er war der Lehrmeister der Aachener Zünfte geworden. Der Rat
der Freien Reichsstadt erkannte schon im Jahre 1 739 seine Verdienste an, ,,dass derselbe hiessigem
publico sowohl als denen privatis, in specie denen zunften mit seiner architecture kunst grossen
beystand leiste und mit gutten anweisungen an band gehe". Es wird ihm daher ,, einer jähr-
licher haussheuer eine jährliche zulag von 60 Rthlr. courant mit dem praedicat als stadt-
architect hochgunstig gestattet". Bald darauf wurde er, wie einst sein Vater, Sekretär der
Freien Reichsstadt und war in allen architektonischen Fragen der ausschlaggebende Ratgeber
der Stadt. Die Haupttätigkeit in dieser Eigenschaft war die Bebauung der Westseite des Chorus-
platzes zwischen Münsterturm und Marktplatzturm des Rathauses. Ungefähr in der Mitte
stand das Haus der Hutmacherzunft. Der Rat wollte den Bau für die Festlichkeiten des
Gesandtenkongresses als Komödienhaus umbauen lassen. Gleichzeitig beschloß man, die
anstoßend gelegene ,,Acht", das Gerichtshaus
der Schöffen, an jener Stelle, die heute den
Klosterplatz mit dem Chorusplatz verbindet,
neuzubauen . Außerdem entwarf Couven die
zwischen Münster und Acht gelegenen Häuser
der Stiftskapläne und zwischen Komödien-
haus und Rathaus den schmäleren und zu-
rücktretenden Verbindungstrakt durch den
Marktturm zum Marktplatz (Abb. 134, 135).
Die Abb. 134, 135 nach Couvens Origi-
nalplänen erläutern die Anlage: a ist der
Gerichtssaal, ist neun Meter breit und nimmt
die ganze Tiefe der Acht ein (zwölf Meter).
Im Hintergrunde führt eine Doppeltreppe zur
Tribüne des Vogtmajors und der Schöffen.
Der Raum b führt zu den angrenzenden
Stiftshäusern und ist vom Chorusplatz zu-
gänglich ; ebenso das Vestibül d. Durch das
Treppenhaus im Hintergrund von d gelangt
man in die über der Acht gelegenen Räume,
einen Schulraum und Wohnungen, und
gegenüber in die 13,5 Meter tiefe Bühne des .,, ,,, . , ,, • ■ t' n m-- mi ..
, . Abb. 133. Aachen. Ungansche Kapelle am Munster, von Moretti.
Komödienhauses, für die Couvens Entwurf Vgl. Abb. 131.
139
Abb. 134. J. J.Couven. Originalentwurf der Fassade der ehemaligen „Acht"
auf dem Chorusplatz zu Aachen. Vgl. Grundriß und Schnitt Abb. 135.
Abb. 135. J. J.Couven. Schnitt und Grundriß der ehemaligen „Acht" und des Theaters auf dem Chorusplatz zu Aachen
Vgl. Fassade der „Acht" Abb. 134.
140
auch die nach dem Hintergrund sich verjüngende Aufstellung der Kulissen angibt. Es folgt
nach dem Rathaus zu der etwa 18 Meter tiefe Zuschauerraum, über den Sitzplätzen des
Parterres und den beiden von Logen eingefaßten oberen Rängen, geschmückt mit Girlanden
und Kartuschen, unterbricht ein offener ovaler Tambour die flache Decke. Schmale Korridore
laufen um den Zuschauerraum, zugänglich aus den offenen Hallen im Erdgeschoß und dem
Treppenhaus in der nordwestlichen Ecke des Hauses. Vom Marktplatz konnte man den
Zuschauerraum durch den Verbindungsgang betreten; und da der Markt höher liegt als
das Münster, ohne besondere Treppenanlage. Der Unterschied des Geländes von Markt und
Chorusplatz wurde durch die offenen Hallen im Erdgeschoß des Komödienhauses ausgeglichen.
Couvens Pläne für das Komödienhaus mögen uns auch eine etwaige Vorstellung von den
übrigen nicht mehr erhaltenen Theateranlagen — ich denke dabei hauptsächlich an die kur-
fürstliche Oper in Düsseldorf — vermitteln. Sein Aachener Theater faßte etwa 560 Sitzplätze,
wurde 1748 begonnen und war im Jahre 1751 vollendet.
Die Stiftshäuser und der Verbindungsgang zum Marktplatz waren niedriger. Die Acht
und das Komödienhaus dazwischen hatten gemeinsames Walmdach und mit den Seitenbauten
durchlaufende Profile. Da neben dem Eingang in die Acht noch zwei weitere Zugänge, zu den
Stiftshäusern und zum Bühnenhaus, geplant waren, hatte Couven hierhin den Hauptakzent
der Gesamtanlage in einer repräsentativen Fassade vorgesehen (Abb. 134) und die Acht mit
ihren drei Achsen neben dem Eingang als Risalit mit Eckverquaderung und Pilastern gegliedert,
über diesen Pilastern rahmen Bogen mit reicher Schlußsteinverzierung die Fenster ein, die
eigene Brüstungsgitter erhielten. Das wieder höher gezogene Fenster über dem Eingang
schneidet in den Giebel ein. Das Hauptprofil begleitet sein Bogenrund. — Im Jahre 1893 mußte
die ganze Anlage fallen. Man mußte erstens eine Verbindung zwischen Chorus- und Kloster-
platz schaffen, und dann verlangte das Rathaus nach einem Erweiterungsbau. Schade ist es
aber doch um die einheitliche Gestaltung! Haus Cassalette, Peterstraße 44, mag in seinen
Baudetails die Erinnerung an die ehemalige Gliederung der Acht wachhalten (Abb. 136).
Die Stelle eines Stadtbaumeisters war mit repräsentativen Verpflichtungen verbunden.
Kam hoher Besuch, so waren die beiden Couven die Führer durch die Sehenswürdigkeiten
der Stadt. ,,Das war nach altem Gebrauch das Recht und Vortheil für den zeitlichen Bau-
meister," liest man in den Aufzeichnungen eines Zeitgenossen, ,,aber die damaligen, welche
sich diesen Vortheil hätten benutzen sollen, waren nicht gewant genug, mit einem Monarchen
umzugehen und Fragen von Ursprung und Herkommen beantworten zu können."* Jacob
Couven hatte sogar einmal Kaiser Joseph II. durch Aachen führen müssen und dafür zur
Erinnerung von ihm eine mit Diamanten besetzte goldene Uhr und eine goldene Kette erhalten.
Der Besuch der Fürsten und fremdherrlichen Gesandten brachte Couven allerlei wertvolle
Verbindungen. Der Fürstbischof Karl Theodor von Lüttich aus dem Hause Bayern ernannte
ihn zum ,, Architekten des Fürstbischofs von Lüttich" und beauftragte ihn im Jahre 1752
• Fürth a.a.O. III. S. 552.
141
Abb. 136. Aachen, Peterstraße 44. Haus Cassalette von J. J. Couven.
142
mit dem Neubau eines Jagdschlosses bei Maeseyck. Für den Kanzler von Lüttich, den Grafen
Horlon, entwarf er ein Wohnhaus. Unter der Herrschaft der Antoinette Gräfin von Eltz-
Kempenich, Äbtissin des adeligen Damenstiftes Münsterbilsen bei Hasselt und Houthem bei
Valkenburg, schuf er in den Jahren 1757 bis 1759 neue stattliche Abteigebäude. Auch Karl
Theodor von der Pfalz war im Jahre 1747 längere Zeit in Aachen. Die Begegnung mit Couven
hatte zur Folge, daß der Kurfürst nach seiner Heimkehr aus Schwetzingen am 26. August 1 748
den Befehl zum Neubau des Jägerhofes in Düsseldorf gab und den Aachener Stadtbaumeister
mit Plänen betraute. In den fünfziger Jahren verhandelt man über verschiedene Entwürfe.
1763 ist der Neubau vollendet. Für Karl Theodors Statthalter, den Grafen Goltstein, baut er
im Jahre 1754 das Stammschloß Breill bei Geilenkirchen aus; für dessen Verwandten, den
Grafen Quad auf Wickrath, um 1760 einen stattlichen Schloßbau. Wir müssen diese Schloß-
projekte im Zusammenhang behandeln.
Für den Neubau des Jägerhofes in Düsseldorf liegen vier Entwürfe vor. Der erste, vom
Künstler selbst ,,premier projet" bezeichnet, vom Jahre 1751 (Abb. 138), ist auf das engste
verwandt mit dem Jagdschloß des Fürstbischofs Karl Theodor von Lüttich in Maeseyck
(Abb. 137. Die Revolutionssoldaten haben diesen Bau, der einst auf dem Marktplatz der Stadt
stand, im Jahre 1798 bis auf die Fundamente zerstört.)* Couven war als Mitarbeiter für den
Neubau zu Düsseldorf der Ingenieurhauptmann van Dawen beigegeben worden**. Man
wird van Dawens Mitarbeit aber lediglich als die eines technischen, mit den gegebenen ört-
lichen Verhältnissen vertrauten Beamten aufzufassen haben, der Couven bei der Aufstellung
der Situationspläne und der Besprechung des Bauprogramms behilflich war. Der erste Ent-
wurf wurde indessen vom Kurfürsten „wegen Kostspieligkeit verworfen", und der Oberbau-
direktor Nicolas de Pigage beauftragt, neue Pläne anzufertigen. Es kann sich indessen hier
nicht um eigene neue Entwürfe handeln, sondern lediglich um Abänderungsvorschläge, denn
die späteren Projekte Couvens sind nichts als Variationen des ersten, das bereits alle grundriß-
lichen Eigentümlichkelten des ausgeführten Schlößchens enthält (Abb. 139 — 141). Pigage, der
Baumeister von Mannhelm und Schwetzingen, redet eine viel gewähltere Sprache denn Couven.
Seine Abänderungsvorschläge für den Jägerhof können nur unbedeutend gewesen sein.
Der zweite Entwurf Couvens, eine flüchtige Überarbeitung des ersten, sucht dessen zu
kostspielige Ausführung zu vereinfachen. Der Bau wird zweigeschossig, nur der Mittelbau
* Jos. Gielen: „Quelques notices sur la ville de Maeseyck. Annales de la societe d'archeologie de Bruxelles." Vol. VI (1892).
— Couven muß auch sonst noch in Maeseyck beschäftigt worden sein. Unter seinen hinterlassenen Zeichnungen ist ein „Plan von
Maeseyck, die Gegend an die Maaspfort 1752" erhalten (Buchkremer a.a.O., S. 151). Ich kenne die Zeichnung wie die Stadt
Maeseyck selbst nicht, kann daher nur vermuten, daß der Aachener Baumeister mit einer Stadtplanregulierung beauftragt war.
Eine andere Couvensche Zeichnung gibt die genaue Aufnahme der Umgebung des „Grand Couvent de Maeseyck". Couvens
Tätigkeit im Dienste Karl Theodors von Lüttich und des Lüttichschen Kanzlers Grafen von Horion müßte an der Hand der noch
vorhandenen Zeichnungen noch genauer untersucht werden. Für das Schloß in Maeseyck liegen drei verschiedene Entwürfe
vor, für das Haus des Grafen Horion in Lüttich zwei Zeichnungen. Ob das Haus des Kanzlers in Lüttich noch steht, kann ich
auch nicht angeben. — ** Jost: „Die Schnitzwerke am Marstall des Jägerhofes zu Düsseldorf". Festgabe des Düsseldorfer
Geschichtsvereins 1 895, Anm. 1 .
143
üBmi&&iMmnlM
Abb. 137. J. J. Couven. Enlwurf für ein Jagdschloß in Maeseyck für
Karl Theodor. Fürstbischof von Lüttich. 1752. Vgl. Abb. 138-144.
Abb. 138. J.J. Couven. Erster Entwurf für das Schloß Jägerhof in Düsseldorf. 1751
Vgl. Abb. 139-144
144
5ä^
I
^-^^,'.ji?^
-I 1_
Abb. 139. J. J.Couven. Ausgeführter Entwurf für Schloß Jägerhof in Düsseldorf.
■J^
— >' I .ML — -P^ ♦
fifiritilitr itr^i ,i ite itr iiiii
lili
l w'^ Ä Ell
10 fl
m
n 11 |t II
in r Hh
i H T ÜH '> tlH
^.„l^^'f^.^.L.•-^n„J ../f'^^^^7'
M Ü^M Ml
ill
iHB
, ,, . T 1 ' '^
D n n
V/'V'/// /'/\ I ''//f/'/n,'////'/ ■',■ ■■,i(j,>/r/
.AM». i-:U. L'u^-^Lldcrl. ^elilulj ,k.gLrhol. .\dji ciaer .Aulnaimic iou .ArJiilckt .■Jtlinilzler um lo4
19
145
bleibt dreigeschossig, behält auch sein Mansardendach, während der übrige Bau sich mit
geradlinigen Formen begnügen muß. Die vorspringenden Eckrisalite werden vereinfacht. Eme
wesentliche Änderung des GesamtentwTirfs besteht aber darin, daß Couven die in der Nähe
fließende Dussel an der Vorderfassade des Baues vorbeileitet. Eine gewölbte Brücke führt
über den Bach in das Haus, dessen Mittelbau im Untergeschoß als freie Durchfahrt gedacht
ist. Damit war aber auch eine wesentliche Verschiebung der grundrißlichen Anordnung ver-
knüpft. Ein dritter Entwurf ist die nochmalige Überarbeitung des zweiten. Der vierte wurde
ausgeführt. Das Projekt der Umlegung des Düsselbaches ist aufgegeben worden, der Grundriß
des ersten Entwurfs wieder aufgenommen (Abb. 139, 140).
Der vorspringende Mittelbau ist dreigeschossig, sein mit dem Allianzwappen des Kur-
fürsten und der Kurfürstin geschmücktes Mansardendach ragt über das mit Mansarden
und Dachluken belebte Walmdach des zweigeschossigen Hauptbaues hinaus. Das bedingt
die malerische Silhouette des Hauses. Die Seitenrisalite, die auf den beanstandeten zu großen
Vorsprung, die abgeschrägten Ecken und den eigenen Fenster- und Flächenschmuck vom
ersten Entwurf (Abb. 137) im Interesse des Mittelbaues verzichten mußten, haben aber wie
dieser besondere Eckquaderung und ein besonderes Mansardendach erhalten. Das Haupt-
gesims wie die Dachprofile laufen auch um den Mittelbau. Vasen zieren die Dachspitzen der
drei Risalite. Der Mittelbau sitzt außerordentlich glücklich in seinen Verhältnissen zwischen
den Eckrisaliten.
Abb. 141. Düsseldorf. Schloß Jägerhof mit den neuen Seitenflügeln von Schnitzler vom Jahre 1845.
146
Abb. 142. J. J. Couven. Entwurf eines Lustschlosses für Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz. Für Düsseldorf?
Nach altem CouvenscKen Rezept haben die Fenster des ersten Stockwerks eigene Formen
erhalten. Das Mittelfenster den üblichen schmiedeeisernen Balkon, dazu noch Pilaster-
einrahmung. Die Gartenfassade des Mittelbaues hat statt des Allianzwappens die uns aus
den übrigen Couvenschen Arbeiten bekannte Giebelform (Abb. 143).
Couven hat das Thema der Fassade und des Grundrisses vom Jägerhof noch verschiedent-
lich variiert*. Emer der erhaltenen Entwürfe ist besonders mteressant (Abb. 142). Aus dem
Allianzwappen mit dem Kurhut, an derselben Stelle wie am Jägerhof, könnte man schließen,
daß es sich wieder um ein Projekt für Karl Theodor von der Pfalz handelt. „Projete par
J. J. Couven Architect selon les mesures prescrits" steht unter dem Entwurf. Also kein
Phantasieprojekt. Die Situation für den Schloßbau wird ganz genau angegeben: eine fünfzig
Meter hohe Anhöhe. Die Ähnlichkeit mit den Entwürfen für den Jägerhof ist derart frappant,
daß man hier in der Tat jenes erste Couvensche Projekt vermuten könnte, das Karl Theodor
der Kosten wegen ablehnen mußte. Man könnte aber auch an einen Entwurf für die Resi-
denz des Statthalters Grafen Goltstein denken. Der dreigeschossige Bau ist flach gedeckt.
Statuen und Vasen zieren seine Attika. Hinter dem von hegenden Gestalten eingerahmten
Allianzwappen des Mittelbaues steigt über einem Unterbau eine Plattform auf, eingefaßt von
reichem Gitterwerk; auf dieser Plattform dann ein achteckiger Aufbau in Gestalt einer Laterne.
Auf seiner Dachspitze schwebt eine weibliche Gestalt. Zu beiden Seiten des Hauptbaues sind
niedrigere Häuschen, Stallungen, Remisen, Gärtner- oder Jägerhäuser. In ihrer Mittelachse
eine Brunnenanlage, seitlich dazu Statuen in Nischen.
* Vgl. Abb. 69 bis 80 bei Buchkremer a.a.O.
147
Eine Reihe Zeichnungen in Couvens Nachlaß sind ebenfalls mit Allianzwappen und Kur-
hut geschmückt. Es hegt nahe, m ihnen wieder Entwürfe für Karl Theodor von der Pfalz
zu vermuten. Aber da weitere Angaben fehlen, ist es nicht einfach, die einzelnen Bauaufgaben
genauer nachzuweisen. Nur wissen wir, daß die kurpfälzischen Bauten in Heinsberg auf ihn
zurückzuführen sind. Seine Tätigkeit im Dienste der Familie des Statthalters bezieht sich nur
auf Umbauten auf dem Stammschloß Brei 11 bei Geilenkirchen im Jahre 1754*. Inzwischen
haben spätere Änderungen Couvens Spuren wieder verwischt. Auf dem Wirtschaftshof sind
nur noch die Portale mit den Allianzwappen Goltstein - Schaesberg und Goltstein-Quad
erhalten. Weit reicher aber war das einstige Gartenportal, die kleinen Gartenhäuschen und
Springbrunnen in dem von Couven entworfenen neuen Garten.
Auch Couvens große Schloßanlage für den Grafen Quad zu Wickrath, den Schwager
und Vetter des Statthalters, ist nicht mehr erhalten**. Graf Otto II. hatte 1794 vor den
Franzosen fliehen müssen, die den Bau als französisches Staatseigentum erklärten. 1816 wurde
es preußisches Staatseigentum, 1818 dann als Kaserne eingerichtet, 1859 wegen Baufälligkeit
abgetragen. Nur der Schmuck vor der Freitreppe blieb erhalten. Bekleidete Sphinxe mit
Panzer, Löwenschweif, Fruchtkörben und mit niedlichen Putten.
Das vierstöckige Gebäude ist schematischer entworfen als Couvens Anlagen in Düsseldorf
und Maeseyck und entbehrt auch deren reizvollere Gliederung. An Stelle der malerischen
Kurven ist die stumpfe Ecke getreten, an Stelle des Walmdaches das Satteldach. Nur der
Mittelbau zeigt noch die gebrochene Dachform. Sie ist bedingt durch den prächtigen Giebel-
und Wappenaufbau und die Laterne hoch oben. Buchkremers Vermutung, daß Johann Josefs
Sohn Jacob auf die Gestaltung des Wickrather Schlosses wesentlichen Einfluß hatte, mag
schon zutreffen.
Die Vorburg ist noch erhalten und dient als Landesgestüt.
Der Jägerhof zu Düsseldorf hat später zu beiden Seiten der Vorderfront kleinere Pavillons
erhalten. Es entstand ein Vorhof, den ein ausladendes Gitter abschloß. Der Stadtplan vom
Jahre 1809 und eine Aufnahme des Düsseldorfer Architekten C. J. Schnitzler zeigen den
veränderten Zustand (Abb. 140). Ich weiß nicht genau, wann und von wem die beiden Vor-
bauten geschaffen wurden. Als in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Jägerhof
Residenz eines preußischen Prinzen wurde, war das Lustschlößchen für eine Hofhaltung zu
klein. Schnitzler baute an Stelle der seitlichen, selbständigen Pavillons breite, mit dem Haupt-
hau verbundene Flügel (Abb. 141). Der Charakter der alten Anlage als Lusthaus war damit
verändert. Aus der ,,Maison de plaisance" war ein Chäteau geworden. Schnitzler hatte sich
mit dem Ausbau taktvoll der Couvenschen Formensprache angepaßt und untergeordnet. Und
die Gesamtanlage war, abgesehen von dem törichten Rasenkotelett und dem unschönen Vorbau
* Abb. 38 bei Biichkremer a.a.O. — Vgl. Giemen: „Kunstdenkmäler der Kreise Erkelenz und Gcllonkirchcn". Bearbeitet
von Edmund Renard. Düsseldorf 1904. S. 131 bis 135. Lagcplan Abb. 85.
** Clemcn: „Kunstdenkmälcr des Kreises Grevenbroich". Düsseldorf 1897, S. 73 bis 77.
148
vor dein Portal, nicht wirkungslos
(Abb. 141). Im Jahre 1910 ging der
Jägerhof aus dem Besitz der Krone
Preußen in den der Stadt Düsseldorf
über. Er wurde Wohnung des Ober-
bürgermeisters. Der Jahrzehnte un-
bewohnte und auch vernachlässigte
Bau mußte für moderne Wohnbedürf-
nisse umgestaltet werden. Man ließ
die beiden Schnitzlerschen Seiten-
bauten abtragen. Ob das nötig war,
weiß ich nicht. Ich bin über die
technischen Voraussetzungen nicht
unterrichtet .WilhelmKreis entwarf
das neue Gitter. Hubert Netzer
schmückte die Steinpostamente mit
reizvollen Putten. Man wollte den
einstigen Zustand wiedergewinnen.
Aber die innere Umgestaltung, die in
keiner Beziehung mehr zum Außen-
bau steht, hat den eigentlichen Kern,
den Charakter von Couvens Jägerhof
ganz und gar geändert! Der alte Mittelbau
mit dem ovalen Vestibül und der dahinter
gelegenen rechteckigen ,,Salle ä l'itahenne
mit ausgekurvten Ecken besteht nicht mehr.
Garderobe und Toiletten haben den ovalen
Rahmen des Vestibüls gesprengt. Eine neue
Treppe im Gartensaal hat dessen Raumver-
hältnisse seltsam verändert. Ich zeige hier den
alten Grundriß (Abb. 144). Man wird sich mit
dessen klarer Aufteilung der um den Mittel-
bau sich gruppierenden Räume im heutigen
Jägerhof nicht mehr zurechtfinden. Ich will
mdes die Schwierigkeit nicht leugnen, die einer
Alib
143. Düsseldorf, jägcrliof, Rückansiclit; heutiger Zustand.
Vgl. Abb. 139-141.
Abb. 144. Düsseldorf. Jägerhof; ehemaliger Grundriß.
Vgl. Abb. 139-141, 143.
Umgestaltung einer ,,Maison de plaisance" in ein modernen Wohnbedürfnissen angepaßtes
Stadthaus begegnet. Aber beim Jägerhofe hätte nur etwas baugeschichtliche Pietät den
Mittelbau erhalten müssen!
149
Abb. 145. Schloß Bcnratli. Supraporte aus dem runden Gartensaal. Vgl. Abb. 162.
Gleichzeitig, während Johann Joseph Couven mit dem Bau des Jägerhofes zu Düsseldorf
beschäftigt war, entstand in dem benachbarten Benrath das neue Lustschloß. Der Jägerhof
war nicht als eigentliche fürstliche Residenz bestimmt gewesen, nur als Lusthaus für Nach-
mittagspartien und als Jagdhaus für den Pempelforter Wildpark. Es hat Karl Theodor bei
seinen seltenen Besuchen am Niederrhein ein wenig für die glänzenden Residenzen in der
Pfalz, für Mannheim und Schwetzingen, entschädigen sollen. Denn die alte Grafenburg in
der Stadt auf dem Burgplatz ohne Park und irgendwelche Grünanlage hat ihn trotz Nost-
hofens Ausbau auf die Dauer kaum fesseln können. Die anderen niederrheinischen Landes-
burgen, Burg an der Wupper, Hambach und Bensberg, lagen zu weit ab. Bensberg mit seiner
barocken Pracht entsprach bei dem Mangel eines größeren Gartens ebenfalls zu wenig der
neuen Zeit der „fetes champetres" und Schäferspiele, die in behaglichen Lusthäusern ihrer
Bequemlichkeit lebte und sich in Gärten erging. Man denke an Karl Theodors Park in
Schwetzingen! Am meisten mag noch das Schloß Philipp Wilhelms zu Benrath den Kurfürsten
angezogen haben, aber dieses war inzwischen baufällig geworden. Nosthofen hat im Jahre 1753
einen Plan für eine Instandsetzung entwerfen müssen. Zwei Jahre später entschloß sich Karl
Theodor zu einem Neubau. Er war als Witwensitz der Kurfürstin gedacht. Aber sie starb
vor ihrem Gemahl.
Ein günstiges Geschick hat dafür gesorgt, daß das Lustschloß zu Benrath nicht dem
üblichen Schicksal der rheinischen Landesschlösser im 19. Jahrhundert verfiel, weder Straf-
anstalt noch Kaserne oder Verwaltungsgebäude wurde. Das für Düsseldorf verhängnisvolle
Jahr 1794, dem die alte Burg zum Opfer fiel, ist an Benrath vorübergegangen. Im folgenden
Jahrhundert war es von Zeit zu Zeit bewohnt. Von 1804 bis 1806 residierte hier der Statt-
halter für Jülich und Berg, Herzog Wilhelm von Bayern; von 1806 bis 1808 Joachim Murat,
150
der Großherzog von Berg. Im Jahre 1811 hat das Schloß Napoleon und Maria Luise zu vorüber-
gehendem Besuch aufgenommen, später Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Von 1821 bis
1848 war es von Zeit zu Zeit der Sommeraufenthalt des im Düsseldorfer Jägerhofe residierenden
Prinzen Friedrich von Preußen, von 1842 bis 1870 des ebenfalls dort wohnenden Fürsten Anton
von Hohenzollern. Während der rheinischen Kaisermanöver in den Jahren 1877 und 1884
hat Wilhelm der Große in Benrath Quartier genommen. Der Aufenthalt dieser fürstlichen
Bewohner ist aber ohne irgend nennenswerte Änderung für das Schloß geblieben. Im Jahre
1911 ging es in den Besitz der Gemeinde Benrath über, die den Bau pietätvollst pflegt*.
Der Baumeister von Benrath war Nicolas de Pigage (1723 — 1796). Er wird als „Inten-
dant über die Garten- und Wasserkünste" ungefähr um dieselbe Zeit wie Couven in die Dienste
Karl Theodors getreten sein: um 1748. Im Jahre 1752 ernannte ihn das Vertrauen seines
Landesherrn zum ,, Ersten Architekten und Generaldirektor der Gebäude und Gärten des
* Julius Michael: Das Schloß zu Benrath am Rhein. Deutsche Bauzeitung XLVI. 1912. — Edmund Renard: Das Neue
Schloß zu Benrath. Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Insel-Verlag Leipzig 1913. Eme kluge und glänzend
ausgestattete .Arbeit. Dort ausführliche Literaturangabe über den Baumeister, seme Mitarbeiter und die Geschichte des Bauwerks.
Abb. 146. Schloß Benrath; Seitenansicht. Vgl. Abb. 147.
151
152
-Q
<
>
o
>
CO
20
153
Abb. 149. Schloß Benrath; Gartenfront. Nach eniem Gemälde von Heinrich Hermanns. Vgl. Abb. 14Ö.
Abb. 130. Schloß Benrath; Grundriß des Erdgeschosses. Vgl. Abb. 132.
154
Kurfürsten Karl Theodor". Er war Mitglied der Pariser und der San-Luca-Akademie zu Rom
und kam aus dem mteressanten Künstlerkreis, den Herzog Leopold I. von Lothringen
(1679 — 1729) und dessen zweiter Nachfolger Stanislaus Leszmsky (1736 — 1766) m Lüneville
und Nanzig, den beiden lothringischen Landeshauptstädten, um sich gezogen hatten. Lothringen
war unter Leopold L schon vollständig französiert. Wenn seine Hofbaumeister nicht aus Paris
kamen, so schielten sie doch stets nach der französischen Hauptstadt hinüber*. Jules Hardouin-
Mansart entwarf im Jahre 1702 für Lüneville und Nanzig Schloßprojekte. Sein Schüler Ger-
main Boffrand (1667 — 1754) war am Hofe Leopolds der führende Architekt und baute das
nicht mehr vorhandene Palais in Nanzig (1717), das Palais Cräon ebendort, Schloß Malgrange,
das Schloß und die Kirche St. Jacques in Lüneville (1702 — 1706), dann in den Vogesen sein
eigenes Schloß Thuillieres. Emmanuel Here (1705 — 1763) hat unter Stanislaus Leszmsky
das neue Nanzig geschaffen. Anselm Pigage war ebenfalls lothringischer Hofbaumeister und
wohnte, als ihm im Jahre 1723 sein Sohn Nicolas geboren wurde, in Lüneville. über seine
baukünstlensche Tätigkeit wissen wir weiter nichts. Er wie Here werden Nicolas die ersten
baukünstlenschen Anregungen gegeben haben. Später wandte er sich nach Paris. Was ihn
dort, abgesehen von der reichen architektonischen Tätigkeit an den Höfen der Prinzen könig-
lichen Geblüts und des Adels, studienhalber angelockt haben mag, war die Schule von Jacques
Fran^ois Blondel (1705 — 1774). Es war eine Privatschule, doch wenn man will, auch die erste
Technische Hochschule. Ihr Einfluß reichte weit über die Grenzen Frankreichs hinaus und
ist für die bauliche Entwicklung in Deutschland von größter Wichtigkeit gewesen. Frangois
Cuvilhes der Jüngere, Simon Louis Du Ry, Karl von Gontard, A. F. von Kesslau, C. A. von
Lespilliez, Heinrich Roth, Vallenan Funck und viele andere Baumeister waren einst Blondeis
Schüler. Andere, die nicht seine unmittelbaren Schüler gewesen, gerieten dennoch bald
unter seinen Einfluß. So Johann Joseph Couven in Aachen und Johann Konrad Schlaun
in Münster i. W. durch die kunstschriftstellerische Tätigkeit des französischen Meisters**.
Couvens Haus Wespien in Aachen war im Grundriß noch ohne eigentlichen Witz***. In
den späteren Bauten, den Häusern Fey in Aachen, Vercken und Grand Ry in Eupen, lernen
wir indessen den geistreichen Grundrißler kennen, der sich an französischen Vorbildern
geschult hat. Sein Düsseldorfer Jägerschloß ist die erste ,,Maison de plaisance" mit dem
ovalen Vestibül und dem Gartensaal, um die sich symmetrisch die anderen Räume gruppieren
(Abb. 144). Pigage hat diesem durch Blondel und seinen Kreis verbreiteten Haustyp in Benrath
m einer überaus genialen Raumausnutzung die interessanteste Grundrißlösung auf deutschem
Boden gegeben^ .
* Cornelius Gurlitt: , .Geschichte des Barockstils, des Rokoko und des Klassizismus in Belgien, Holland, Frankreich und
England." Stuttgart. 1888. S. 266 bis 274.
** ,,De la distnbution des maisons de plaisance." 1737 u. 1738. — ,,Architecture fran<;oise." 1750 bis 1754. — ,, Discours
de la necessite de l'etude de l'architecture." 1754. — „Cours de l'architecture." 1771 bis 1777.
*** Schmid: „Haus Wespien". Abb. 1.
t Vgl. die verschiedenen Vorprojekte bei Renard a. a. 0., Abb. 17 bis 21.
155
Das bescheidene Häuschen am Weiher im Park ist der entzückendste Betrug, den man
sich denken kann (Abb. 146 168), denn wieviel Räume sein Inneres birgt, wird kaum jemand
ahnen können, der zum erstenmal das Schloß aufsucht. Man rechne einmal aus : Jede Fenster-
achse an den beiden Langseiten, vom Vestibül und Gartensaal des an der Vorder- wie an der
Gartenfront vorspringenden Mittelbaus abgesehen, denn die fassen je drei Fensterachsen,
wird einem Zimmer entsprechen. Dazu kommt an den Schmalseiten noch ein besonderer
Raum; macht im Erdgeschoß 16 Zimmer. Im Dachgeschoß wird man wohl zwei Räume
mehr ausrechnen können. Im ganzen also etwa fünfundzwanzig. In Wirklichkeit faßt der Bau
neben sieben Treppen und den Korridoren an achtzig Zimmer! Er ist nur nach der Garten-
seite zweigeschossig (Abb. 156); im Mittelbau, vom runden Gartensaal abgesehen, dreistöckig
(Abb. 155); die Fensterachsen der Räume II und 12 in Abb. 150 sind vierstöckig. Neben
dem Vestibül (Abb. 150, Nr. 1) liegen vor dem runden Gartensaal (Nr. 3) zwei Binnenhöfe
(Nr. 2), um die sich der Bau ebenfalls in vier Geschossen aufbaut (Abb. 153). Die ver-
schiedenen Schnitte (Abb. 153 — 156) mögen die seltsame Anlage illustrieren. Aber ganz klar
wird einem erst der Bauorganismus, wenn man stundenlang in ihm treppauf, treppab herum-
gewandert ist. Ein erster Besuch verwirrt aber selbst den erfahrensten Grundrißler. Man
mag diese komplizierte Anlage in ihrer äußersten Raumausnutzung fast als Künstelei, als
Spielerei ansprechen, wenn sie nicht rein praktischen Erwägungen ihre Gestalt verdankte.
Das Schloß war für den Sommeraufenthalt eines fürstlichen Paares mit kleinem Gefolge
und Dienerschaft für die nächste Aufwartung gedacht. Daher die rein symmetrische Aufteilung
im Grundriß. In den beiden Winkeln der gemeinsamen Repräsentationsräume, d. h. zwischen
dem Vestibül (Nr. 1), dem Gartensaal (Nr. 3) und den beiden Audienz- oder Gesellschafts-
sälen (Nr. 4), auf der einen Seite das Quartier des Fürsten, auf der anderen das der Fürstin
(Nr. 5 — 10). Aus den beiden Sälen (Nr. 4) zu Seiten des runden Gartensaales gelangt man
in die Schlafgemächer (Nr. 5) und in das nach der Eingangsfront gelegene Wohnzimmer
(Nr. 10). Alle diese Räume sind gleich hoch und entsprechen den äußeren Fensterrahmen
des Erdgeschosses (Abb. 149, 151). Nur der Gartensaal schneidet mit seiner gewölbten
Kassettendecke in den Dachstuhl ein. Ein Belvedere, ein laternenartiger, mit ovalen Fenstern
geschmückter Aufbau mit einer Plattform, ragt noch über das Dach hinaus (Abb. 148, 149,
154 — 156). Alle anderen Räume im Erdgeschoß sind niedriger angelegt. Die Räume 1 1 und 12
reichen in der Höhe nur bis zu zwei Drittel der Fensteröffnung, während das obere Drittel
ein Zwischengeschoß beleuchten muß. Die Anlage dieser Räume entspricht genau denjenigen,
die sich um die beiden Lichthöfe (Nr. 2) lagern, den Räumen 6-9 und den korrespondierenden
Zwischengeschoßräumen (Abb. 153).
Nach dem Binnenhof öffnet das Schlafgemach sich in ein ,,chambre d'alcove" oder ,,chambre
de lit" (Nr. 6). Die ,,ruelles" zu beiden Seiten, die Nebengemächer, sind zu ovalen Kabinetten
ausgebildet (Nr. 7). Das eine führt in das Toilettenzimmer mit anschließendem Abortraum
(Nr. 9), das andere zum Badezimmer (Nr. 8). Die Zugänge zu den ovalen Kabinetten (Nr. 7)
156
Abb. 131. Schloß Benrath; Vorderansicht. Nach einem Gemälde von Hemnch Hermanns. \ gl. .Abb. 147 und 168.
Abb. 152. Schloß Benralh; Grundriß dos Obergeschosses. Vgl. Abb. 130.
157
<
o
IX
-5 O
oa
W3
' 1
3L -'
.t;--^ !
r 1
1 Ii
i
1
i
i..
<
J3
<
CA
CO -J3
:3
Q
-^ Ol
_£3 a,
<v5
E 2
3 «
•n j:
-o c
ca
<
S8
TD
-n
C
3
v
C':>
:3
lr^
Q
_n
3
_Q
-r
c
s
y.
a:
Da
G O
oa
-T3 ^
- Q
3 'S
■ OJ
|.E
:(T3 tJfi
^ 3
U C
3 g
■= ö
pa
J3
<
159
und ihren Nebenräumen aus dem Schlafgemach (Nr. 5) smd Geheimtüren, damit die ge-
schlossene Raumwirkung des Schlafgemachs nicht gestört wird (Abb. 159). Nr. 11 ist das
Zimmer des Kammerdieners bzw. der Kammerfrau. In dem Mauerstück zwischen dem ovalen
Seitenkabinett (Nr. 7) und dem Wohnzimmer (Nr. 10) führt eine Treppe aus dem Kammer-
dienerzimmer in die über den Räumen 1 1 und 6 — 9 in einem Zwischenbau um den Lichthof
angebrachten Dienstbotenräume und ein Korridor in das Toilettezimmer (Nr. 9). Die Diener-
schaft hatte also, ohne die Herrschaftsräume und das herrschaftliche Treppenhaus benutzen
zu müssen, eigene Verkehrsmögiichkeit zur Bedienung des fürstlichen Paares. Ihre Räume
liegen ganz verborgen. Für die Entresolzimmer der Vorderfront war in dem Mauerstück
zwischen Vestibül (Nr. 1) und dem Vorzimmer (Nr. 12) auf dem linken Flügel noch eine
Geheimtreppe angebracht, der auf dem anderen Flügel in halber Höhe des Haupttreppenhauses
ebenfalls ein verborgener Zugang entsprach. Wandschränke in den gegenüber oder seitlich
hegenden Ecken der Treppenzugänge tragen noch besonders zur Täuschung des fremden
Besuchers über den Reichtum der Raumausnutzung bei*.
Das herrschaftliche Treppenhaus (Nr. 13) führt in das Mansardengeschoß (Abb. 65).
über dem vorderen Teil des Vestibüls liegt die Kapelle (Nr. 14). über den fürstlichen Schlaf-
gemächern (Nr. 5) hegen Gesellschaftsräume für das Gefolge (Nr. 1 5). Dazwischen vier Quartiere
für Kammerherren und Hofdamen, bestehend je aus einem Wohnraum (Nr. 16), einem Schlaf-
zimmer (Nr. 1 7) und einem Kabi-
nett (Nr. 18). Man ist auch hier
über die Raumausnutzung und
die bequemen Verbindungsmög-
lichkeiten für die Bedienung über-
rascht. Der Raum Nr. 19 ist für
die Dienerschaft, und von hier
aus führen neben dem Alkoven
Gänge in die Schlafzimmer,
dann Treppen hinunter in das
Zwischengeschoß, ferner ein Gang
* Es ist recht schade, daß das vortreffhchc
Werk von Renard nicht einen Grundriß der
Zwischengeschosse bringt. Sehr zweckmäßig
wäre es auch gewesen, wenn man neben dem
Hauptlängenschnitt (Abb. 133) noch eine Fülle
anderer gegeben und diese zum Autklappen
übereinander gelegt hätte, d. h. ähnlich jenen
anatomischen Darstellungen, bei denen man
zuerst die Epidermis, dann die Muskeln und
Gewebe bis auf den Brustkorb und bis auf
die Wirbelsäule und Schulterblätter aiif-
Abb. 157. Schloß Benrath. Ovales Kabinelt Nr. 7 im Grundriß Abb. 150. klappen kann.
160
zu den nach der Vorderfront gelegenen Räumen und dem Gesellschaftssaal (Nr. 15). Die
Haupttreppe bleibt also auch hier für die Kammerherren und Hofdamen reserviert. Zwischen
den beiden Lichthöfen sind vor der Gartensaalkuppel weitere Dienerzimmer angebracht mit
einem Korridor zu den Geheimtreppen und einem Treppenzugang zum Belvedere.
Die Kriegsjahre von 1 757 und 1 758 hatten den ruhigen Fortgang des Ausbaues am Ben-
rather Schloß unterbrochen. Arbeiten in Mannheim und Schwetzingen und Studienreisen
nach Frankreich und Italien riefen zudem den Baumeister oft von seinem Werk zu Benrath
fort, so daß der Ausbau des Schlosses volle zwanzig Jahre in Anspruch nahm. Inzwischen
hatte sich der Geschmack der Zeit gewandelt. Der Innenausbau zeigt deutlichst diese Änderung.
Schloß Benrath ist, wie Robert Dohme einmal meint, „ein für die Entwicklungsgeschichte
besonders wichtiger Bau, weil sich in ihm die ersten Regungen der Wandlung des Geschmacks
in Deutschland zeigen. Die innere Ausstattung ist ein ungemein graziöses Zwischenglied
zwischen Rokoko und Klassizismus"*.
Als Pigage um 1760 die Ausstattung der beiden Langsäle (Abb. 161) mit den anschließenden
Schlaf gemächern (Abb. 159) entwarf, begannen für das in Frankreich schon ausgelebte Rokoko
in Deutschland durch den eindringenden jugendlicheren Klassizismus schwere Nachhut-
gefechte; und wenige Jahre später liegt die liebenswürdigste aller Stilformen in ihren letzten
Zügen. Wohl ist in den Benrather Räumen noch die breite Hohlkehle des sterbenden Stiles
bei den Decken beibehalten wor-
den und die Tür von Blenden
mit Hohlkehlen und Goldrahmen
eingefaßt. Auch der Farbton der
Räume atmet noch Rokoko. In
den beiden Sälen ein Mattrosa,
zu welchem das Deckengemälde
von Lambert Krähe (1712 bis
1790) wirkungsvoll abgestimmt
ist. In dem einen Saal, in drei
Rundfelder aufgeteilt, Zeus und
Athena, auf Wolken thronend,
als Beschützer der Landwirt-
schaft und des Gartenbaues,
umgeben von Putten**; in dem
anderen Apollo mit den Musen
* Dohme: „Geschichte der deutschen
Baukunst". Berlin 1887. S. 414.
•* Abb. 39 u. Taf. XVII bei Renard
n. I. 0.
Abb. 138. Schloß Benrath. Kabinett Nr. 18 im Obergeschoß ,\l,l
21
161
Abb. 159. Schloß Benrath. Schlafzimmer. Nr. 5 in Abb. 150.
162
(Abb. 161)*. An sich keine glänzenden Arbeiten, aber ausgezeichnet in der zarten Ton-
anpassung zur farbigen Raumstimmung. Die Bilder der Supraporten von Franz Anton
Leydensdorff (1721 — 1795) mögen, für sich betrachtet, interessanter sein, fügen sich aber
dem Gesamtton der Farbengebung nicht so vorteilhaft an. Besser wohl in den Schlafräumen,
die eben auch stärkere Farbtöne aufweisen (Abb. 159). Ein kräftiges Mattblau und Mattgrün
der Wandbespannung, von Goldrahmen eingefaßt. Sonst aber tritt das Rokoko mit seinen
Muschel- und Schnörkelformen bescheiden zurück. Rosetten, Girlanden und Netzwerk
schmücken die Decken von Meister Giuseppe Antonio Albuzlo (t 1776). Die geradlinige
Aufteilung der Wand- und Türgliederung, die von den Holzbildhauern Johann Matthäus
van den Branden (1716—1788) und Augustin Egell (* 1728) nach Pigages Entwürfen
stam.mt, mutet geradezu wie ein Nachleben oder Wiederaufleben des Stiles Regence an**.
Albuzio, van den Branden und Egell waren auch an den Bauten von Pigage in Mannheim
mittätig und machten nun dessen Stilwandlung mit. Als im Jahre 1767 der Kuppelsaal
vollendet, ist das Rokoko tot (Abb. 162). Das Innere des Pantheon zu Rom und der Poseidon-
tempel zu Paestum in Süditalien waren neu entdeckt worden. Die Ausgrabungen von Her-
kulanum kamen hinzu. Man bedarf jetzt keiner Anleihen bei der Kunst der Regence oder
des Barocks mehr. Man greift direkt auf antike Vorbilder für das Detail zurück. Acht
Pilasterpaare rahmen Türen und Spiegel ein. Medaillons und Dreifüße schmücken die Türen.
Putten halten m den Tür- und
Splegellünetten Medaillons mit
den Porträts oder Initialen des
Herrscherpaares. Rosetten zieren
die Kassettendecke, die nach
oben zum Belvedere geöffnet ist,
so daß dessen Deckenmalerei
durchschimmert. Jagdhunde
beleben die Lünettenzwickel ;
Jagdtrophäen die oberen Flächen
zwischen den Pilasterpaaren ;
Putten, die Beleuchtungskörper
tragen, die unteren Flächen. Em
zierlicher Perlstab gliedert die
Gesimse. Als letzte Arbeit wurde
das Vestibül ausgestattet (Abb. 163).
* Originalzeiclinung der Deckenmalerei.
Taf. V bei Renard a. a. O.
** Vgl. die Ausführungen bei Renard
a. a. 0. S. 40 bis 47.
Abb. lüU. bchioiJ Benratii. kabinott im Ubcrg-jscholi.
163
Abb. 161. Schloß Benrath. Langsaal mit Blick in den Gartensaal. Nr. 4 und 3 in Abb. 130. Vgl. Abb. 162.
164
hf^
^ "•:
"Pi
^€)
-,c
/~v * ^ L," ^ •,-, -^ ^ ri -sn ip> C»-<«\ "«^ • , > ^^
^ /^ ^^ ^ "^ "^ '^ ■■■'^ '^' ^ ^ ' t=^'
Ahb. 162. Schloß Benrath. Gartensaal. Nr. 3 in Abb. 150. Vgl. Abb. 145.
165
ALb. 163. Schloß Benrath. Vestibül. Nr. I in Abb. 130.
165
Im Gegensatz zum Kuppelsaal etwas nüchtern. Girlanden zieren die Lünetten über den Türen
und die Hohlkehlen der Decke; Stuckreliefs, die vier Jahreszeiten darstellend, die Wandfelder.
Von großer Schönheit ist die Girlandenrosette der Decke.
Wichtiger und interessanter als der Reichtum des dekorativen Details sind die über-
raschend schönen Raumverhältnisse, das klangvolle Abstimmen der verschiedenen Zimmer-
höhen zur Ausdehnung, vom breiten und hohen Kuppelsaal, den Langsälen, Schlaf- und
Wohnräumen und Vestibül bis zu den ovalen Kabinetten und vor allem den Mansardenräumen.
Die Baukunst am Niederrhein hat nichts Behaglicheres schaffen können als die Zimmer des
Benrather Dachgeschosses (Abb. 158, 160, 164). Drei Meter hoch nur sind die Räume, für die
die ovalen Mansardenfenster vollauf genügen, ja die Wohnlichkeit noch erhöhen. ,,Der fried-
liche Reiz, der über diesen Zimmerchen des Obergeschosses ausgebreitet liegt," meint Renard,
„die Ausgeglichenheit der Erscheinung, die künstlerische Zurückhaltung in dem Schmuck,
verbunden mit äußerster Solidität, die fast allein hier zu Worte kommt, geben uns gerade heute
Abb. 164. Schloß Bcnrath. Sthlolikapelle. Nr. 14 In Abb. 132. Vgl. Abb. 155.
167
Abb. 165. Schloß Benrath. Situationsplan von Schloß und Park.
Vgl. die .Anlage des ahen Schlosses I, Abb. 341 und 342.
168
soviel, weil hier schon In den Anfängen des Aufklärungszeltalters die modernen Ideale bürger-
licher Baukunst so fest umschrieben vor Augen liegen. Ähnliche Räume von sorgfältiger und
einfachster, materialechter Durchführung sind äußerst selten." Die Kapellenanlage im Man-
sardengeschoß mit den verglasten Logen oben für die Dienerschaft ist eine der originellsten
Schöpfungen des ganzen Jahrhunderts (Abb. 155, 164). Dabei ein Raum von höchst intimer
Wirkung. Man glaubt, im Salon eines Dampfschiffes zu sein.
Zum Lusthaus des 18. Jahrhunderts gehört der Garten (Abb. 165). Den beiden Alkoven der
fürstlichen Schlafzimmer gegenüber öffnet sich die Tür des pavillonartigen Vorbaues (Abb. 146).
Stufen führen von einer eingefriedigten Terrasse hinunter in einen Privatgarten, im Osten in den
,,Jardln de l'Electrice", im Westen In den ,,Jardin de l'Electeur". Der Garten der Kurfürstin
hat ein von Baumgängen eingefaßtes vertieftes Parterre und als Abschluß in der hinteren Hälfte
eine Kaskadenanlage (Abb. 165). Auch der gegenüberliegende Garten des Kurfürsten war einst
regelmäßig entworfen und hatte, wie eine Aufnahme aus dem 18. Jahrhundert zeigt, in der Mitte
ein schmales, vertieftes Wasserbassin, von Beeten umgeben; dahinter Rabatten. Maximilian
Friedrich Weyhe (1775 — 1846), der Schöpfer des neuen Düsseldorfer Hofgartens, hat in den
Jahren 1804 — 1806 dem Garten des Kurfürsten mit seltenen Baumarten und Gewächsen die
heute noch vorhandene stimmungsvolle Umgestaltung einer englischen Anlage gegeben. Die
beiden Privatgärten, durch Gitter und reizvolle Schilderhäuschen (Abb. 166) und breite Baum-
alleen vom Hauptteil des Schloßparks getrennt, sollten dessen fehlendes Parterre ersetzen. Eines-
teils war bei der gegebenen Situation des vom ehemaligen Lustschlosse Philipp Wilhelms
vorhandenen alten schmalen Wasserspiegels für ein Parterre hinter der Gartenfront des neuen
Lusthauses kein Platz vorhanden*, dann aber hätte die geringe Höhe des Schlosses auch eine
solche Anlage kaum erlaubt, wenn es mit dem Wasserspiegel eine geschlossene Bildkomposition
eingehen wollte. Die Terrasse mit den breit ausladenden Treppenstufen, davor Statuen, malerisch
von Rosen überwuchert, auf den beiden nicht großen Rasenteppichen leiten auf das geschickteste
vom Schloß zum Weiher über. Man übersieht ihn ohne allzu starke Überschneidung von der
Terrasse aus, ebenso wie die Gartenfront des Schlosses vom Ende des langen Spiegels aus
in dem Bilde zur Geltung kommt. Der Weiher verlangte Rücksichtnahme und bedingte als
das zuerst Gegebene die Höhenverhältnisse des Schlosses. Das Wasser ist der stimmungs-
vollste Teil der Gartenschöpfungen des 18. Jahrhunderts. Es hatte auch, als es beim alten
Wasserkastell in der Hauptsache rein praktischen Anforderungen der Verteidigung zu dienen
hatte, für die Bildwirkung des Hauses einen gewissen Kompositionsakzent. Für das 18. Jahr-
hundert war es die Seele des Gartens.
Pigages Benrather Gartenbilder zeigen dasselbe ausgeprägte Raumgefühl, dieselben ge-
schickt abgewogenen Verhältnisse wie die Innenräume des Schlosses: ob Ich vom Ende der
über 600 Meter tiefen Wasserachse aus, auf beiden Seiten von Baumreihen flankiert, das
* Vgl. die Ansichten vom alten Lustschloß im ersten Band, Abb. 341, 342.
22 169
Auge über die 54 Meter breite Gartenfront schweifen lasse, für die von diesem Standpunkt
aus das Belvedere optisch für die Höhenentwicklung notwendig ist, oder aus den beiden
200 : 70 Meter großen Privatgärten das geschlossene Bild mit den Seitenpavillons des Schlosses
als Abschlußkulisse bewundere. Den alten Wildpark aus der Zeit Philipp Wilhelms, dessen
Hauptachse über die früheren Weiherwandelhallen und mitten durch die Untergebäude östlich
vom Weiher führt (I, Abb. 341), schloß Pigage quadratisch ein und zog um ihn das Wasser des
Itterbaches, den er in den Urdenbach abfließen ließ und der auch die beiden an der Vorder-
und Gartenfront gelegenen Weiher und die Bassins der Privatgärten speist. Im Kellergeschoß
des Schlosses begegnen sich die vier Kanalverbindungen*. Im Mittelpunkte des quadratischen
Parks, im großen Stern, treffen die acht Kreuz- und Diagonalwege, mit durchlaufendem Rasen-
teppich in der Mitte, zusammen. Konzentrisch um den großen Stern ist der Kreisweg gezogen.
Der über 360000 Quadratmeter große Park erscheint sehr selbständig gegenüber dem Lust-
schloß, dessen Mittelbau außer der Wasserachse nur noch den einen Diagonalweg auf etwa
100 Meter beherrscht. Es galt, den anderen Hauptwegen ebenfalls „points de vue" zu geben.
Der vom Schloß auslaufende eine Diagonalweg endigt am Rhein an einem erhöhten Rondell,
einem von Baumgruppen umstandenen Aussichtspunkt über die Rheinlandschaft; die Gegen-
diagonale an der Nordwestecke an einem Staubecken. Ihm gegenüber wird an der Südostecke,
am Ende des langen Spiegels, aller Wahrscheinlichkeit nach irgendein architektonischer Ab-
schluß projektiert gewesen sein. Renards Annahme, die in einer Zeichnung Pigages für eine
Gloriette den Entwurf für das „point de vue" an dieser Stelle vermutet, hat viel für sich
(Abb. 258). Die zwischen den acht Hauptwegen gelegenen Felder sind mit geometrischen
Wegebildern aufgeteilt. Die
Nordsüdallee ließ der Baumeister
an einer ovalen, von einer
breiten Baumallee eingefaßten
Rennbahn endigen. Aber mehr
architektonische Eingriffe waren
bei der großen Ausdehnung des
alten Wildparkes, der umfang-
reicher ist als alle heutigen Grün-
anlagen der Stadt Düsseldorf
zusammen, nicht mögl'ch. Man
mußte, da eine dominierende
Monumentalarchitektur nicht als
beherrschender Ausgangspunkt
AI.!.. l((i. S.hiüß Bfiiiatli. Sclilklal.aus in, Park. \'gl. .\l,b. 140 und 151.
* Vgl. den sehr interessanten Grundriß
des Kellergeschosses bei Renard a. a. 0 ,
Abb. 21.
170
für den Park vorhanden war, Natur Natur sein lassen und bahnte daher malerische Schlangen-
wege durch das Gehölz.
An der Vorderfront rahmen zwei dreiseitige Kavalierhäuser, nach dem elf Morgen großen
runden Weiher oval gezogen, das Lustschloß ein (Abb. 165, 168). An ihrem Ende steht ]e ein
Torhaus (Abb. 167). Diese Flügelbauten sind ganz schlicht; ein einfaches Mansardendach, nur
an den Kopfenden mit vorspringenden Risaliten belebt. Die Torhäuschen, die den Besucher
zuerst begrüßen, haben etwas reichere architektonische Gliederung erhalten, und zwar schon ganz
klassizistisch, während die Rahmen der Mansardenfenster am Hauptbau noch Rokokoformen
schmücken. Mitten in den gebogenen Fassaden der Kavalierhäuser führt ein Hausteinportal in
den Hof mit anmutigem, offenem, von hohen Holzpfosten getragenem Umgang (Abb. 256), um
den in jedem der beiden Häuser sich nicht weniger denn 90 Räume sammeln*. Der nach
dem Weiher gewandte Teil der dreiseitigen Bauten bestand aus drei Zimmerquartieren für
hohen Besuch. In dem abgewandten Flügel waren Wohnräume für das Gefolge. In der Ecke,
der Tordurchfahrt gegenüber, lag in dem einen Kavaherhaus die Küche, in dem anderen eine
Kapelle. Die Dienerschaft wohnte in den Mansarden. Und wie das Wasser aus beiden
Teichen und den Bassins der Privatgärten sich unter dem Hauptbau der Schloßanlage begegnet,
so hatte man auch die Seitenbauten mit dem Hauptbau durch unterirdische Gänge verbunden**.
Pigage brachte das Motiv der oval geführten Kavalierhäuser aus Schwetzingen mit, wo er,
nachdem Galli Bibiena im Jahre 1748 an das alte Schloß das nördliche Zirkelhaus und
Raballiati in den Jahren 1753 bis 1755 das südliche aufgeführt, den herrlichen Park geschaffen
hatte***. In Benrath waren aber die äußeren Verhältnisse des Hauptbaues schlichter. Bei der
anspruchslosen Gliederung der ^ ^
Kavalierhäuser bedurfte es in-
dessen keines besonderen dekora-
tiven Reichtums, um das Lust-
schloß aus der mehrflügeligen
Anlage hervorzuheben. Pigage
gab dem Bau ein eigenartiges
Dachprofil, den Dachfenstern
einen reicheren Rahmen, den
Fensterbogen des Unterbaues
* Grundriß der Kavalierhäuser Abb. 23
bei Renard a. a. 0.
** Vgl. den Grundriß des Kellergeschosses
bei Renard a.a.O., Abb. 21.
*** R. Sillib: „Schloß und Garten zu
Schwetzingen" Heidelberg 1907. — Jos.
Aug. Beringer: „Kurpfälzische Kunst und
Kultur im achtzehnten Jahrhundert" Frei-
burg i, B. 1907. Abb. 167. Schloß Benrath. Seitliche Auß.-nbauten. Vgl. Abb. 168.
171
Girlanden. Sonst blieb alles schmucklos, nur daß die vier Pavillonrisalite durch Eckverquaderung
architektonisch hervorgehoben wurden. Bei den Seitenpavillons liegen die Fenster in tiefen
Muschelnischen. Die einrahmenden Außenflächen der Nischen sind oval gezogen und gequadert
(Abb. 146, 147). Büsten auf schön gezeichneten Sockeln zu beiden Seiten der Tür. Darüber
in einem Flachrelief Puttenszenen von Peter Anton von Verschaffelt (1710 — 1793).
Ebenso im Giebel über dem Haupteingang. Putten machen sich an der Uhr über diesem
Giebel zu schaffen; andere winden Kränze um die Urnen zu Seiten des Giebels (Abb. 147).
Den dreiseitig vorspringenden Pavillon der Gartenfront schmückte Verschaffelt mit emer Diana,
Putten und Hunden auf einer Hirschjagd (Abb. 148, 149). Um aber dem schlichten Bau
gegenüber den Kavalierhäusern noch ein besonderes Relief zu geben, setzte Pigage ihn auf
einen niedrigen Sockel, dessen Plattform vor dem Vestibül in einer breit auslaufenden Frei-
treppe hinunter zum Weiher führt. Für die Wagenauffahrt waren zu beiden Seiten Rampen
angebracht, die vier bergische Löwen bewachen (Abb. 147, 151). Es ist dieselbe bewundemngs-
würdige Überleitung wie auf der Gartenfront aus dem runden Saal und von der Plattform
hinunter zum Garten (Abb. 149). Baumkulissen füllen die Zwischenräume zu den Seitenbauten
(Abb. 168). Die ganze Anlage um den runden Weiher atmet in ihrer abgerundeten Geschlossen-
heit eine feierliche Ruhe.
Nicolas de Pigage hat am Niederrhein noch eine zweite Gartenanlage schaffen dürfen.
Als Johann Joseph Couven im Jahre 1 763 starb, fehhe seinem Jägerhof noch die nötige garten-
architektonische Auffahrt von Düsseldorf her. Graf Goltstein beauftragte daher Pigage, „zu
mehrerer Verschönerung und Ansehen" der Residenzstadt einen Plan für eine öffentliche
Promenade zum Jägerhof zu entwerfen*. Karl Theodor genehmigte im Jahre 1769 den
* Dr. 0. R. Redlich, Fr. Hlllebrecht u. Wesener: „Der Hofgarten zu Düsseldorf und der Schloßpark zu Benrath".
Herausgegeben vom Düsseldorfer Geschlchlsvercin. Ed. Lintz, Düsseldorf. 1893.
Abb. 16Ö. Schloß Benrath. Gesamtansicht der Vorderfront. Vgl. Abb. 167, Hl, 147
172
Entwurf. Aus Schwetzingen kamen Gärtner. Das alte wellige Terrain vor dem Jägerhof
mußte geebnet, Hecken und Strauchwerk beseitigt werden. Aus Holland bezog man Bäume.
So entstand der alte Hofgarten zu Düsseldorf, dessen Anlage schon im folgenden Jahre
in ihren Hauptzügen fertig war. Vom Mittelbau des Jägerhofes lief die breite Doppelallee
zu dem vom nördlichen Düsselarm gespeisten Bassin (Abb. 169, 213). Neben dem eigens
angelegten Düsselkanal am heutigen Goltsteinparterre lief eine zweite Allee, die man später als
den bevorzugten abendlichen
Aufenthalt an dem stillen gerad-
linigen Wasserzug die ,, Seufzer-
allee" nannte. Eine dritte Allee
suchte vom Mittelbau des Jäger-
hofes aus eine Verbindung zum
Ratinger Tor. Aber einstweilen
mußte sie an der Ecke der
heutigen Kaiserstraße vor den
Festungswerken der Stadt Halt
machen. Die Felder zwischen
den drei Alleen wurden mit
Bäumen bepflanzt und, soweit
das möglich, zu beiden Seiten
der Mittelallee die gleichen
Wegebilder angelegt. In den
Alleen sah man Steinbänke. In
den Sonntagsnachmittagsstun-
den von 5 bis 8 Uhr veran-
staltete der Hofgärtner Johann
Christian Behrens, der nebenbei
für die Bürger der Stadt eine
Weinschenke unterhielt, vor
seinem Haus im Hofgarten
Konzerte. Es war das Eckhaus
Jägerhof- und Kaiserstraße
Der Hofbaumeister R. Flügel
hatte es 1770 errichtet. Zehn
Jahre später war eine Ver-
größerung nötig, da der Bau
für Bälle und sonstige Ge-
sellschaften zu klein geworden Abb. 169. Dusseldorf. Hofgarten; Blick aus der rlauptaü-c am ücn Jägerhof.
173
war. Pigage entwarf einen Plan für den Ausbau. Baumeister Peter Köhler führte ihn aus.
Im Jahre 1794 sprengten die Franzosen das Hofgartenhaus. 1802 führte der Hofbaumeister
Huschberger einen Neubau auf, der heute noch erhalten ist (Abb. 170 u. 255).
Der Hofgarten war die beliebte Erholungsstätte der Düsseldorfer vor den Toren der Stadt.
Der Statthalter wie die Bürgerschaft verfolgten den weiteren Ausbau mit lebhaftem Interesse.
Man schmückte den Garten mit Statuen. Professor Bäumgen von der Akademie erhielt im
Jahre 1774 für 450 Taler den Auftrag, die für den Sockel von Grupellos Reiterdenkmal auf
dem Marktplatz bestimmten Eckfiguren, die bei dem Tode des kurfürstlichen Hofstatuanus
noch nicht gegossen waren, zu reparieren und gleichzeitig mit zwei Vasen um das Wasser-
bassin am Ende der Hauptallee aufzustellen. Was aus den Figuren später wurde, haben wir
schon gehört (vgl. S. 6). über das Schicksal der anderen Arbeiten, die Bäumgen für den
Schmuck des Hofgartens geschaffen hat, wissen wir nichts. Es waren zwei Alabasterbüsten,
Herkules und Omphale, auf steinernem Sockelunterbau, dann 1777 zwölf Kinderstatuen für
das Bassin, die Monate darstellend — der Preis betrug 100 Taler — , ferner die Statue der
Göttin Hebe für den Rasenplatz und zwölf mythologische Köpfe mit Lorbeergehängen an den
Sockeln für die große Allee. Friedrich Schaarschmidt hat auf zwei Figuren in einem dem
Hofgarten benachbarten Privatgarten aufmerksam gemacht, in welchen er Arbeiten von
Bäumgens Hand vermutet*. Ich selbst habe keine klare Vorstellung vom Schaffen dieses
Düsseldorfer Bildhauers und lasse mich daher gerne von dem um die Geschichte der Düssel-
dorfer Kunst verdienstlichen Schaarschmidt belehren, der in den an und für sich künstlerisch
nicht übermäßig hoch zu bewertenden Plastiken Arbeiten aus dem Hofgarten wiedererkennen
möchte. Ist dem so, dann sollte man die beiden Statuen auch wieder für den Hofgarten
zu erwerben suchen!
Die Hauptallee verlangte nach einem architektonischen Abschluß. Meister Eisermann
erhielt im Jahre 1779 den Auftrag, „um an der Seite der Landskron (also an dem Teich an
der „Goldenen Brücke" im späteren neuen Hofgarten) die Promenade zu schließen", einen
chinesischen Pavillon mit Seitenwerk und Nischen zu errichten. Es war ein quadratischer
Bau von 24 rheinischen Fuß Länge und 13 Fuß Höhe und hatte einen laternenartigen Aufsatz.
Sechszehn kupferne Glocken und Tiere schmückten das Dach. Joseph Feldmüller hat im
Inneren die Decke mit chinesischen Vögeln und Drachen ausgemalt. 1780 war der Bau
vollendet. Eisermann erhielt 418 Taler für seine Arbeit. Heute ist jede Spur der Anlage ver-
wischt. Und es liegt nahe, anzunehmen, daß sie im Jahre 1794 gleichzeitig mit dem Hof-
gartenhaus den Franzosen zum Opfer gefallen ist.
* Schaarschmidt: „Zur Geschichte der Düsseldorfer Kunst". S. 24
174
Im Herzogtum Jülich blieb die Bautätigkeit mehr oder weniger von der Freien Reichs-
stadt Aachen abhängig, wo Jacob Couven (1735 bis 1812) nach dem Heimgange seines
Vaters Johann Joseph Couven dessen Baugeschäfte weiterführte und auch im Jahre 1771 das
Amt emes Ratssekretärs erbte, das nun m dritter Generation bei der Familie Couven war. Und
wie der Vater, der übrigens trotz seiner großen Tätigkeit sich nicht besonders guter materieller
Verhältnisse zu erfreuen hatte und sich oft wegen Geldunterstützung an den Rat wandte,
so fand auch der Sohn von Zeit zu Zeit in den Nachbarstädten Bauaufträge. Vor allem in
Heinsberg, wo er im Jahre 1774 das Prämonstratenserkloster (Abb. 172, 173), an-
schließend daran einen anderen Bau aufführte, der heute als Amtsgericht dient (Abb. 172),
im Jahre 1775 dann das Pfarrhaus am Innentor (vgl. I, Abb. 71). Aber auch sonst findet
man in Heinsberg noch Spuren Couvenscher Tätigkeit. Das alte, im Jahre 1140 durch
Goswin II. von Heinsberg gegründete Prämonstratenserkloster hatte unter dem besonderen
Schutze der Herren von Heinsberg, aus dessen Hause viele Mitglieder in den Orden ein-
traten, bald eine große Blüte erlangt. Bis zum Jahre 1479 war es ein Doppelkloster, seitdem
ein adliges Frauenstift des Ordens.
Abb. 170. DiisäciJuil. 1 iul gärtnerhaus im alten llulga/lcn. \ gl. .'iLL. Jj3.
175
Couvens Klosterneubau, eine nicht ganz ausgeführte vierflügehge Binnenhofanlage, hat
nach der Hauptstraße durch die beiden vorspringenden Seitenflügel einen kleinen Hof
erhalten, den ein Gitterwerk abschließt. Die Seitenbauten sind ganz schlicht, haben Walm-
dach, Stichbogenfenster, die Kanten gequadert und an der Straßenecke eine Madonnenstatue.
Der Mittelbau ist reicher. Den Mittelrisalit hat Couven mit Lisenen eingefaßt und mit
einem geschwungenen Giebel geschlossen. Die Haustür hat ein reich gegliedertes Rokoko-
oberlicht erhalten mit dem Auge Gottes und dem Inschriftband ,,Omnia Videt Oculus Jllius".
Nicht weniger reizvoll sind das Balkongitter und das Oberlicht der Balkontür. Amtsgericht
und Pfarrhaus sind einfacher gehalten. Im Jahre 1801 wurde das Kloster aufgehoben; 1802
die Kirche abgetragen, das Kloster aufgeteilt und verkauft.
Ebenso glaube ich in der Apotheke zu Aldenhoven bei Jülich eine Arbeit von Jacob
Couven erkennen zu dürfen (Abb. 171). Der Bau stammt aus dem Jahre 1774 und ist von
dem Kaufmann Blees errichtet worden. Die Fenster wie der Giebel sind echt Couvenscher'
Linienführung. Das Haus sitzt städtebaulich ganz außerordentlich gut am Ende der Haupt-
straße an der spitzwinkligen Ecke zweier Straßenzüge. Der Giebelrisalit mit den drei Mittel-
Abb. 171. Aldcnliovcn. Apotlutl^e; von Jacob Couven.
176
achsen und die beiden etwas zurückliegenden Außenachsen unter dem Mansardendach sind
nach der Hauptstraße orientiert. Die beiden noch weiter zurückliegenden Seitenflügel mit
den einstöckigen Hintergebäuden passen sich in Anlage und Aufbau den beiden emmündenden
Seitenstraßen an.
In Aachen selbst hatte Jacob Couven bis dahin seit dem Tode seines Vaters nur un-
bedeutende Arbeiten auszuführen gehabt, bis ihm im Jahre 1782 der Auftrag zu einem
Monumentalbau wurde. An Stelle der städtischen Buchdruckerei in der Komphausbadstraße
sollte die Neue Redoute errichtet werden. Es ist das heutige Alte Kurhaus.
Der Bau könnte noch von Meister Johann Josef stammen (Abb. 176, 180). Jacob Couven
hat die Fassade mit ererbten Formen aufgeteilt und gegliedert. Die drei Mittelachsen werden
wieder als Risalit zusammengefaßt und oben mit emem gebrochenen Giebel wie beim Hause
Wespien bekrönt (Abb. 84). Auch die Dachfenster, das Hauptgesims und die abgerundete
Eckquaderung kehren am Wespienschen Hause wieder. Die Fensterformen mit ihren
Abb. 172. Heinsberg. Prämonstratenserkioster. Links anschließend Amtsgericht. Beide von Jacob Couven.
Vgl. Abb. 173 U.I.Abb. 71.
23
177
Abb. 173. Heinsberg. Mittelstück des ehemaligen Piämonstratenserklosters. Vgl. Abb. 172.
178
Abb. 1/4. Cortenbach. Neues Herrenhaus. Vgl. Untergebäude, L.Abb. J18.
Aijij. 1/3. ILiua Lk.M.iibcig üi-i .Adtiien von Jacob Couven.
179
Abb. 176. Aachen. Originalentwurf von Jacob Couven für die alte Kurhaus-Rückfront. Vgl. Abb. 177 — 180 und 192.
Bei der Ausführung wurden die Arkaden der Hoffront geschlossen.
Brüstungsgittern sind uns von Johann Josef Couvens „Acht" auf dem Chorusplatze her
bekannt (Abb. 134). Die Rückfront des Kurhauses entspricht der Vorder fassade, nur daß
das untere Geschoß sich nicht in Arkaden öffnet, daß der Giebel des Mittelbaues eckig ist,
der breite Balkon fortgefallen und zwischen den drei Mittelfenstern des Hauptstockwerkes
Konsolen zur Aufnahme von Statuen angebracht worden sind (Abb. 176). Aber das Detail
des Bauwerks, dem Johann Josef Couvens ,,Acht" am nächsten steht, hat nicht mehr die
eleganten Regence- und Rokokoformen, sondern die strengeren Architekturteile des Klassi-
zismus. Die beiden Adler und Palmen in den Giebelfeldern, die Zeichnung der Balkon-
und Brüstungsgitter, die architektonischeren Schlußsteine der Fensterbogen, an Stelle der
frei ornamentierten Formen des malerisch Unsymmetrischen des Rokoko an der ,,Acht"
und dem Hause Cassalette (Abb. 136), und die Dekorationen der Blendfelder zwischen den
beiden oberen Stockwerken charakterisieren deutlich die neue Stilform.
Noch deutlicher die Innenarchitektur. Durch die niedrige offene Vorhalle des Mittel-
baues betritt man rechts das Treppenhaus, einfach gehalten, aber mit geistreichen Stuck-
dekorationen an Wänden und Decke. Das Treppenhaus geleitet direkt in den Großen Saal,
der beide Oberstockwerke des Mittelbaues einnimmt (Abb. 1 77, 1 78). Ein Festsaal, 23 X 1 2 Meter
180
Abb. 177. .Aachen. .Mtcs Kurhaus. Großer Saal von Jacob Couven. Vgl. .Abb. 176, 178,
groß, feierlich monumental in den Gesamtverhältnissen der schönen Raumwirkung wie in der
Einzelbehandlung. Der Originalentwurf zum Großen Saal ist noch erhalten*. Doppelpilaster
rahmen Fenster, Türen und Wandnischen ein und tragen das reich gegliederte Gebälk. Eme
breite Hohlkehle führt von hier zu der flachen Decke über. Die Stichkappen der oberen Fenster,
die der äußeren Fassade entsprechen, unterbrechen malerisch die rund gezogenen Flächen.
Durch die Schmalseiten flutet das Licht in den Saal. Ihre architektonische Wandaufteilung
wiederholt sich an den Langseiten, nur daß hier statt der Fenster drei Eingänge und zwei
Nischen, für die einst Statuen bestimmt waren, von Doppelpilastern eingefaßt werden. Die
beiden Mitteltüren sind breiter angelegt. Karyatiden rahmen sie ein und helfen das Gebälk
tragen. Putten schmücken die Türlünetten, und das Rund der Tür- und Nischenbögen ver-
goldete Kränze. Das ist neben den vergoldeten Kapitalen der Doppelpilaster der wesentliche
Schmuck der klaren architektonischen Wandgliederung. Reicher dagegen der Oberbauschmuck,
über den Nischen sind mythologische stuckierte Szenen für Jupiter, Juno, Ceres und Pluto
angebracht, über den Haupteingängen Vasen mit Fruchtgehängen. Wo das Rund der Hohl-
* Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. XVII, Taf. VIII.
181
kehle in die flache Decke übergeht, hängen Girlanden. Zwei große ovale Bilder, allegorische
Darstellungen von Wein und Gesang, schmücken die Decke. Putten sitzen in den vier Ecken
auf ornamentalen Schlußstücken und halten Medaillons. Die Mitte der Decke ziert eine Rosette.
Embleme und Ranken begleiten ihren Rahmen.
Dieser Festsaal ist die bedeutendste und schönste Arbeit von Jacob Couven. Der Meister
zeigt sich hier ganz selbständig seinem großen Vater gegenüber. Ebenso in dem Kleinen
Saal (Abb. 192). In Farbe wie in Aufteilung ein reizvoller Raum des Stiles Louis XVI.
Glattes Rahmenwerk. In den Supraporten symmetrisch angeordnete Kränze. Der Lesesaal
war die letzte Arbeit, die der Baumeister am Kurhause auszuführen hatte (Abb. 179). Er
ist noch ruhiger gehalten als der Kleine Saal und erinnert in seinen dekorativen Formen
etwas an das Vestibül von Schloß Benrath (Abb. 163). Große Wandfelder mit flachen Stuck-
ornamenten, von schlichten Rahmen eingefaßt, über der Kaminnische, den Türen und in
den Hohlkehlen wieder Gehänge.
Das Aachener Badeleben blühte. Könige,
l/ö. Aachen. Altes Kurhaus. Großer Saal von Jacob Couven
Vgl. Abb. 176, 177, 180.
Fürsten, der Adel und reiche Kaufherren aus
aller Herren Länder kamen zu den Schwefel-
quellen der Karlstadt. Man mußte für sie
Zerstreuungen und Vergnügungen schaffen.
So entstanden die Neue Redoute, daneben
neue Badehäuser und Hotels. Der Fremden-
verkehr und der Aufschwoing der heimischen
Tuchfabrikation brachten neuen Wohlstand.
Die Fabrikantengeschlechter ließen sich statt-
liche Patrizierhäuser aufführen. Die kleinen
Bürger geschmackvolle Neubauten. Jacob
Couven konnte so in dem neuen Aachen
vollenden, was sein Vater vor ihm so glän-
zend begonnen hatte; und bald gab es in
Aachen keine Straße mehr, die nicht wenig-
stens einen Couvenschen Bau hätte auf-
weisen können. Aber wie bei dem Vater,
so kann ich auch bei dem Sohne nicht alle
Bauten, die er in und um Aachen geschaffen
hat, hier aufführen . Es muß das Aufgabe einer
eigenen Darstellung über die beiden Couven
bleiben. Im übrigen ist der Name Couven
ein Sammelbegriff geworden. Eine Anzahl
kleinerer Baumeister übernahm einfach die
Formen der beiden großen Aachener Meister.
182
Im Jahre 1788 baute Jacob Couven für die Familie Pastor das Haus Eckenberg bei
Burtscheid (Abb. 175). Die breite Auffahrt endigt vor dem von einem hohen gebrochenen
Giebel bekrönten Mittelbau. Eine breit ausladende Freitreppe führt über die beiden Flügel
der anschließenden Doppeltreppe hinauf zu der Plattform vor den drei Eingängen der Vorhalle.
Von der einstigen Inneneinrichtung des stattlichen Patrizierhauses ist, wie bei den meisten
der übrigen Bauten von Jacob Couven, nichts mehr erhalten. Die Formen des Mittelbaues
unter dem Giebel erinnern an die vom Kurhause (Abb. 180). Noch mehr die am Hause
Beissel, Jacobstraße Nr. 112 (Abb. 183). An Stelle des gebrochenen Giebels ist aber eine
klassizistischere Form getreten, ebenso an dem Mittelbau des Hofgebäudes Kleinköln-
straße Nr. 18 (Abb. 187). Die Hauptfenster am Hause Beissel sind in den Einzelheiten
strenger gezeichnet. An Stelle der Stichbogen und Kurven ein horizontaler Fensterarchitrav.
Diese schhchten Fensterrahmen kehren auch am Hause Theissen auf dem Klosterplatz
wieder (Abb. 186). Die letzten Ausgänge des lustig-launigen Rokoko sind verklungen.
Alle diese Bauten haben noch das gebrochene Mansardendach. Aber auch das schwindet.
Am Hauptmann, dem kleinen Platz, wo Alexander- und Sandkaulstraße sich begrüßen und
vereint als Großkölnstraße ihren Weg fortsetzen, steht ein Backsteinbau mit klassizistischem
Giebel vor einem niedrigen Satteldach mit abgewalmten Seitenflächen (Abb. 181). Das
Nachbarhaus hat auf eine klar gezeichnete Dachform ganz verzichtet und ein breites aus-
ladendes Gebälk um seine Stirn gezogen. Mit
diesem klar betonten Hauptgesims endigt von
nun ab der Aufbau der Fassade bei den klassi-
zistischen Bauten. Als ältestes Aachener
Beispiel der späteren Couvenzeit könnte man
Haus Wirtz, Jacobstraße Nr. 16, anführen,
das, nach den barocken Formen des Balkons
und den Rokokoschlußsteinen der Stich-
bogenfenster zu urteilen, vielleicht noch von
dem älteren Couven oder spätestens aus den
sechziger Jahren von Meister Jacob stammt
(Abb. 182). Bei dem Haus der ,, Erholung",
Friedrich -Wilhelm -Platz Nr. 7, das unfehl-
bar von Jacob Couven herrührt, tritt die
Dachform hinter das reichgegliederte Haupt-
gesims zurück (Abb. 185). Man vergleiche
den Bau etwa mit dem Jägerhof zu Düssel-
dorf (Abb. 143). Das Mittelfenster des Haupt-
geschosses wird auch hier von Pilastern flan-
kiert. Aber alle gebogenen Linien sind bei .\ll, l, -. Aachen. Altes Kurhaus. Lesesaal.
183
184
24
185
186
X
od
\»\'« 2
■l«lÜ|
-Q
<
i
187
dem jüngeren Hause bis auf das
Mittelfenster geradliniggestreckt.
Die Horizontalgesimse sind kräf-
tiger betont und reicher gezeich-
net. Schön sind die ornamentalen
Rankenfnese in den Gebälken
und die klassizistischen Figuren
zu beiden Seiten des oberen
Mittelfensters. Bei dem Komp-
hausbad (Abb. 184) tritt das
stark entwickelte Abschlußgebälk
noch deutlicher in die Erschei-
nung. Das Dach tritt ganz zu-
rück. Der Bau atmet eine vor-
nehme Ruhe. Der Vergleich mit
dem benachbarten Corneliusbad
ist nicht uninteressant (Abb. 71).
Jacob Couven hatte für den
dekorativen Innenschmuck der
Räume an Wänden und Decken
einen eminent geschickten Mit-
arbeiter, den italienischen Stuck-
künstler G a g i n i . Die Mitarbeit
dieses Meisters an den Sälen des
Kurhauses ist zwar urkundlich
nicht bezeugt, ergibt sich in-
dessen aus anderen Arbeiten,
die inschriftlich den Künstler
anführen. So in Eupen die
Stuckdekorationen mit mytho-
logischen Szenen im Hause Ka-
perberg Nr. 13, „Gagini sculpsit
1782"; dann in dem Hauptsaal
des Hofgebäudes Komphausbad-
straßeNr. 31 prachtvolle allego-
rische Stuckszenen der Lebens-
geschichte des Menschen vom
Jahre 1794. Ferner die Deko-
Abb. 189. Eupen, Klötzerbahn 25, Haus Gescbwister Mayer. Vgl. Abb. 191, 193.
189
rationen im Hause Mayer, Klötzerbahn Nr. 25, In Eupen von 1801 (Abb. 189, 191, 193) und
im großen Saal auf Schloß Waldburghaus in Kettenis im Kreise Eupen von 1805 (Abb. 190).
Jacob Couven hat wie sein Vater alle dekorativen Ausschmückungsstücke der Innen-
architektur selbst entworfen. Gagini führte sie nur aus. Neben den Wand- und Decken-
dekorationen im Kurhause zu Aachen dürfte man auch die Ausführung des Salons auf Schloß
Wissen bei Weeze im Kreise Geldern Couven und Gagiiu zuschreiben (Abb. 188; vgl. 1. Bd.,
Abb. 128, 130). Franz Karl Frei-
herr von Loe und seine Gattin
Alexandrine Gräfin von Horion
haben im Jahre 1770 Schloß
Wissen umbauen lassen. Gräfin
Honon war die Tochter des
Kanzlers von Lüttich, für den
Johann Joseph Couven m Lüttich
ein Wohnhaus errichtet hatte
(vgl. S. 143). Kanneherte jonische
Pilaster rahm.en die rechteckigen
hohen Wandfelder des Wissener
[Saales ein. Medaillons mit land-
Ischaftlichen Szenen, von Gir-
ilanden umgeben, hängen an
Schnüren in den einzelnen Wand-
feldern. Der Wissener Salon mit
seiner alten Einrichtung ist von
vornehmer Raumwirkung.
Die späteren Arbeiten Gaginis
in Eupen und auf Waldburghaus
sind eigene Erfindung des itahe-
nischen Meisters. Statt der In-
schrift ,,Gagini sculpsit" liest
man ausdrücklich : ,,Gagini in-
venit sculpsit".
Der Wandschmuck im Hause
Mayer in Eupen ist von außer-
ordentlichem Reiz. Es ist ein
letzter und überaus delikater
Ausläufer der italienischen Re-
AHi. 190. Schloß Waldburgliaus bei Kettenis (Eupen). Großer Saal naissance - Groteskcndekoration.
190
Vor allem In dem einen einheitlich behandelten Saal (Abb. 191, 193). über einem Sockel
teilen Pilaster, mit Fruchtschnüren verziert, die Wände auf, die oben ein zierlich gezeichneter
Eierstab abschließt. Die einzelnen Wandfelder, ebenso wie die Pilaster von Perlstäben ein-
gefaßt, enthalten allerliebste Stuckszenen. Brunnen mit Putten und Vögeln, auf einem Ranken-
unterbau ruhend. Oder phantastische architektonische Aufbauten : statt Säulen Stengel, statt
Sockel Ranken, statt Balken Kränze, die von Vase zu Vase gewunden oder von Putten oder
Vögeln gehalten werden. Tolle Einfälle einer heiteren Phantasie, aber von ausgeprägtem
Raumsinn, denn ein stark entwickeltes architektonisches Empfinden ordnet den Reichtum
der Formen. In einem der anderen Räume steht ein ähnlich behandelter Kamm (Abb. 189).
Nicht weniger reizvoll, aber
feierlicher im Aufbau ist der
große Saal auf Schloß Wald-
burghaus bei Kettenis im
Kreise Eupen (Abb. 190). über
den Türen Stuckreliefs. In der
Mitte der Wand, eingerahmt von
Pilastern mit Fruchtgehängen,
die überlebensgroße Gestalt der
Diana. In der Mitte der Decke
hält, in den Wolken schwebend,
ein Adler den Kronleuchter.
Schloß Waldburghaus war im
Jahre 1 773 von den Herren von
Waldburghaus an die Herren
von Royer zu Merols gekommen,
drei Jahre später an Herrn von
Hodiamont, der einen Neubau
aufführen ließ. Gaginis Arbeiten
stammen aber erst aus dem
Jahre 1805.
Das Lebenswerk der beiden
Couven führt eine lückenlose
Entwicklungsgeschichte der Bau-
kunst des 18. Jahrhunderts vor.
Bis in die dreißiger Jahre reden
bei Johann Joseph Couven noch
viele Anklänge an das Barock
mit. Man nehme die Abteikirche Abb. 191. Eupen, Klötzerbalm 25, Haus Mayer. Vgl. Abb. 189 und 193.
191
zu Burtscheid mit ihrer dominierenden Kuppel (Abb. 82) und die Freitreppe am Aachener
Rathaus (Abb. 73). Das Wespiensche Haus ist ein interessanter Vertreter der Regence, jenes
liebenswürdigen und zierlichen übergangsstiles vom Barock zum Rokoko (Abb. 84 u. f.). In
den vierziger und fünfziger Jahren ist Johann Josef Couven Rokokokünstler. Seme stark aus-
geprägte Neigung zum Symmetrischen in allen dekorativen Dmgen läßt aber immer nur ein
recht zahmes Rokoko aufkommen. Jacob Couvens Kurhaus hat Johann Josefs Rokoko formen
mit den schematischeren des Stiles Louis XVI. vertauscht (Abb. 176 ff.). Dann folgen alle
jene Stilabarten, für die wir leider nur den Sammelbegriff Klassizismus haben. Das Hotel
Weber in Burtscheid ist ein freierer, bürgerlicher Klassizismus (Abb. 198). Das Haus ,,Zum
Großen Kardinal", Alexanderstraße Nr. 12, benutzt strengere Formen (Abb. 199). Vor-
bildlich ist hier übrigens die Geschäftsreklame im Oberlicht der Haustür, eine Zigarre, von
Ranken umgeben. Es folgt dann der Ägyptizismus, jener seltsame Einschlag ägyptischer Formen
nach Bonapartes Ägyptenexpedition. In der Rennbahn Nr. 1 in Aachen und Ratinger
Straße Nr. 15 in Düsseldorf hätten wir zwei freiHch harmlose Vertreter dieser Stilform
ALb. 192. Aachen. Altes Kurhaus. Kleiner Saal. Vgl. Abb. 176 — 18Ü.
192
(Abb. 200, 201). Das charakteristische Beispiel steht im Kreuzgang von St. Maria im
Kapitol zu Köln. Em Grabstem mit echt ägyptischen Rundstäben profiliert. Oben als
Abschluß die hohe Hohlkehle mit der geflügelten Sonnenscheibe. Auch das Empire kommt
noch im Werke Jacob Couvens vor. Statt Gobehns hebte man es damals, die Wände mit
Pariser Tapeten mit landschaftlichen Szenen zu schmücken. Das Benartsche Haus in der
Adalbertstraße zu Aachen zeigt noch ein solches Vedutenzimmer (Abb. 202). Aber das neue
Aachen hat leider soviele Bauten der beiden Couven beseitigt. Als Jacob im Jahre 1812
starb, muß die einstige Freie Reichsstadt eine der vornehmsten Städte im nordwestlichen
Deutschland gewesen sein. Am Niederrhein stand sie an erster Stelle. Das mittelalterliche
Köln konnte mit der modernen Stadt keinen Vergleich wagen. Und auch Düsseldorf hatte
damals in seinen Häusern keinen so großen künstlerischen Reichtum wie Aachen.
Was wir sonst noch aus dem Jahrhundert Karl Theodors im Lande Aachen -Jülich an
Bauwerken heute hätten, ist bald aufgezählt
Abb. 193. Eupen, Klötzerbahn 25, Haus Mayer. Vgl. Abb. 189 und 19
25
193
u
-J
<
<
194
<
o
H
195
■-3
i^
a
3
<
Da
c
<
196
<
er
:3
Q
197
Abb. 202. Aachen. Haus Bt-nait. Atlalln-itslialje.
In Astenet im Kreise Eupen stammt das Torgebäude von Haus Thor von emem Neu-
bau der Familie Heyendal aus dem Jahre 1733 und zeigt jene charakteristische barocke Linien-
führung des Giebelrahmens über der Tordurchfahrt, die Johann Josef Couven nicht unähnlich
bei seinen verschiedenen Bauten anwandte (Abb. 196). Noch origineller ist der durchbrochene
Giebel am Torhaus von Burg Gladbach bei Düren von 1741 (Abb. 197). Auf Gladbach
saßen einst die mit den Grafen von Jülich stammverwandten Herren von Gladbach. Später
war es als jülichsches Lehen im Besitz der Herren von Dollendorf, der Grafen von Moers,
der Herren von Palandt, 1723 dann des nachmaligen Staatsministers Franz Caspar Graf von
Hillesheim, von dem der Neubau von 1741 stammt. Am Torhaus der Vorburg ist sein und
seiner Gattin, einer Gräfin von Hatzfeld, Wappen angebracht. Nach dem Aussterben der
Hillesheim zog Karl Theodor im Jahre 1786 Gladbach als erledigtes jühchsches Lehen ein
und gab es seiner natürlichen Tochter, der Gräfin Karolina von Parkstein.
Das 18. Jahrhundert hat übrigens auf den jülichschen Edelsitzen eine Reihe neuer
Vorburgen errichtet oder umgebaut. Von der stattlichen Anlage auf Schloß Palandt bei
Weisweiler im Kreise Düren war im ersten Bande schon die Rede (vgl. dort Abb. 319 u. 320).
198
Weiter wäre die Vorburg der Frenzer Burg bei Düren anzuführen*. Dann als eines der
stattlichsten Untergebäude der Remisenbau auf Schloß Rurich von 1788. Der damalige
Besitzer Hermann Philipp von Hompesch hatte in den Jahren 1755 bis 1790 an Stelle der alten
Burg eine ausgedehnte Neuanlage geplant, die aber nicht ganz zur Ausführung gekommen
ist**. Das zweigeschossige Rokokoherrenhaus von 1 780 mit Mansardendach mit Mittel- und
Eckrisaliten ist im Jahre 1870 stark verändert worden. Das Remisenhaus mit dem interessanten
Toraufbau im Mitteltrakt der dreiflügeligen Anlage ist aber im wesentlichen erhalten. Das
Erdgeschoß des Mittelbaues faßt eine große räumige Halle für Wagen.
Von neuen Herrenhausanlagen wäre der Neubau auf Cortenbach bei Heerlen zu er-
wähnen (vgl. I.Bd., Abb. 318), der übrigens wieder ein Beleg für die nahe Verwandtschaft
der Aachener, Jülicher, Lütticher und Limburger Bauweise ist (Abb. 174). In Stolberg
Haus Rosenthal, eine dreiflügelige Hofanlage der Familie Schleicher (Abb. 194). Haus
Zweibrüggen bei Freienberg im Kreise Geilenkirchen, im Jahre 1788 von Josef Anton von
Negn zu Brunsum erbaut, ist eine Art ,,maison de plaisance", aber mit vorgezogenen Seiten-
trakten (Abb. 203)***.
Der Umbau auf Haus Linzenich bei Jülich stammt aus dem Jahre 1782 (Abb. 195)f,
Schloß Rahe in Laurensberg bei Aachen von I787tt. Das stattliche Schloß Contzen
im Kreise Eupen ist 1746 von Graf Heinrich von Harscamp erbaut, im 19. Jahrhundert
dann nicht unwesentlich verändert wordenfff. Wohl erhalten ist indessen noch Schloß
Müddersheim bei Düren, ein reizvolles
Herrenhaus des Freiherrn Rudolf Adolf von
Geyr aus dem Jahre 1720*f.
Es bleibt noch die Stadt Düren mit einer
nicht uninteressanten eigenen Entwicklung
bürgerlicher Bauweise übrig. Die Stadt hatte
unter den Wirren des 17. Jahrhunderts arg
gelitten, und erst allmählich begann im fol-
genden Jahrhundert ein neuer Aufschwung
-«I'
,K
•I
Sl
* Clemen: Kunstdenkmäler des Kreises Düren. Bearbeitet
von Hartmann und Renard. Düsseldorf 1910. Abb. 80.
** Clemen: Kunstdenkmäler der Kreise Erkelenz und
Geilenkirchen. Bearbeitet von Renard. Düsseldorf 1904. Abb. 62.
*** Situationspläne Abb. 89, Kunstdenkmäler der Kreise
Erkelenz und Geilenkirchen.
f Situationsplan und weitere Ansichten: Kunstdenkmäler
des Kreises Jülich, Abb. 118 bis 120.
ff Kunstdenkmäler des Landkreises Aachen. Bearbeitet von
Heribert Reiners. Düsseldorf 1912. Abb. 119 u. 120.
fff Kunstdenkmäler des Kreises Eupen. Bearbeitet von
Reiners. Düsseldorf 1912. Abb. 211: Situationsplan.
*f Vgl. Kunstdenkmäler des Kreises Düren. Bearbeitet von
Hartmann und Renard. Düsseldorf 1910. Abb. 133.
Abb. 203. Haus Zweibrüggen bei Freienberg (Geilenkirchen).
199
Die Magistratsverordnung von 1718 gewährte jedem, der einen massiven Steinbau aufführte,
gewisse Befreiungen von den öffentlichen Lasten. Das Strohdach ward verboten. Die Bauten,
die nun in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden, sind eine Nachblüte der reichen
malerischen Renaissancebauten der Stadt mit barock gezeichneten Giebelformen, die noch
verhähnismäßig lange beibehalten wurden, bis die reicheren Bauten nicht mehr die Schmal-
seite, sondern die Langseite in die Straßenfront stellten*. Für den alten dekorativen Giebel
war nun in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kein Platz mehr vorhanden. Die breiten drei-
stöckigen Patrizierhäuser schließen ihre Fassaden mit einem ausladenden Hauptgesims. An
Stelle des Giebels tritt das hohe Mansardendach. Nicht mehr der Schmuck der Giebel und
Portale ist das Entscheidende, sondern die gut abgewogenen Verhältnisse der einzelnen Stock-
werke zueinander. Der Stil Louis XVL und der Klassizismus geben den breiten Fenstern
* Vgl. Abb. 61 bis 63 in den „Kunstdenkmäiern des Kreises Düren".
SS?*affeiESi3
Abb. 204. Düren. Marktplatz; links in der Mitte das Rathaus.
200
Stichbögen und Fensterbänke oder auch rechteckige oder oben rundbogig geschlossene
Rahmen.
Auf dem Marktplatz stehen die alten und neuen Bauten des 18. Jahrhunderts neben-
einander und rahmen den die Nachbarschaft überragenden Rathausbau ein (Abb. 204). Er
war nach dem Brande vom Jahre 1543 neu aufgeführt worden. Ein Ziegelrohbau mit Haustein-
fensterkreuzen, im Erdgeschoß eine offene Halle, hoch oben auf dem steilen Dach der
geschieferte hölzerne schlanke Dachreiter mit offener Laterne. Die neue stattliche Umgebung
war 1788 d'e Veranlassung zu einem Umbau des Rathauses. Eine breite hohe Attika drängt
seitdem das steile Dach zurück. Die alten Fensterkreuze hat man beseitigt und zeitentsprechende
neue Rahmen eingesetzt. Die Backsteinfläche verputzt. Die Kanten verquadert. Die Haustein-
profile schärfer herausgezogen. Die Mittelachse tritt etwas vor, von gequaderten Lisenen
eingefaßt. Ein Balkon schmückt das Hauptfenster. Und über die Attika hinaus wächst der
Rahmen für die Uhr mit dem ovalen Giebel.
Der Marktplatz ist, bis auf die wenigen Dissonanzen aus der Zeit um 1890, noch gut
erhalten und eines der besten Platz- und Straßenbilder aus dem 18. Jahrhundert*.
* Vgl. Werner Schürmann: „Städtebauliches über den Dürener Marktplatz". Mit Abbildungen. Im „Niederrhein",
illustrierte Halbnionatschrift des „Bundes Niederrhein". Düsseldorf 1913, Heft 5.
Abb. 205. Düsseldorf. Nesselroder Hof.
26
201
L)er Schloßbau zu Benrath und der Jägerhof wurden für Düsseldorf der Ausgang einer
regen baukünstlerischen Tätigkeit, die noch über die langjährige Regierungszeit Karl Theodors
hinaus anhielt. Couven wie Pigage hatten aber persönlich weiter keinen unmittelbaren Einfluß
auf den Ausbau der Stadt. Johann Josef Couven starb 1763, ein Jahr nach dem Abzug der
Franzosen aus Düsseldorf. Ob sein Sohn Jakob, der langjährige Mitarbeiter, sich in der jülich-
bergischen Landeshauptstadt nach dem Heimgange des Vaters betätigen konnte, wissen wir
nicht, ist auch an der Hand der aus der Zeit Karl Theodors in Düsseldorf erhaltenen Bauwerke
schwer nur zu beantworten. Wohl war Jakob Couven auf Schloß Wickrath und im jülichschen
Heinsberg mit Bauaufträgen beschäftigt, und die Arbeiten des Vaters am Jägerhof waren noch
nicht ganz vollendet. Man könnte glauben, daß hier dem Sohn und Mitarbeiter die Fertig-
stellung übertragen worden sei. Giuseppe Antonio Albuzio führte die Stuckdecken aus. Aus
der langjährigen Tätigkeit des italienischen Meisters unter der Leitung des Oberbaudirektors
Pigage in Mannheim, Schwetzingen und Benrath darf man indessen annehmen, auch die amtliche
Stellung von Pigage und seine Tätigkeit in dem benachbarten Benrath erlauben den Schluß,
daß dem Oberbaudirektor neben der Anlage des Hofgartens auch die Vollendung des Jäger-
hofes übertragen wurde. Es handelte sich aber scheinbar nur um die Innenausstattung und
den hinter dem Schloß gelegenen Garten.
Damit wäre aber die unmittelbar persönliche Anteilnahme des Oberbaudirektors am Ausbau
von Düsseldorf scheinbar er-
schöpft. Das kurfürstliche Amt
des höchsten Baubeamten nahm
zu sehr seine ganze Tätigkeit in
Anspruch. Es ist ihm daher
auch nicht wieder vergönnt ge-
wesen, weder Aufgaben wie die
Innendekoration des Mann-
heimer Schlosses, den Galerie-
flügel mit der Bibliothek und
den Privatgemächern der Kur-
fürstin, noch Arbeiten wie den
Tanzsaal im südlichen Zirkel-
haus in Schwetzingen, noch ein
Schloß Benrath, das seine reifste
Arbeit bleibt, auszuführen. Zwar
haben noch zwei Bauaufgaben
den Meister in späteren Jahren
_ beschäftigt: ein Entwurf für die
Abb. 20b. Düsseldorf. Ehemaliges Rhemtor. Paulskirche Und der heute nicht
n,.
202
mehr vorhandene Russische Hof in Frankfurt a. M. Ich habe von beiden Arbeiten keine
Vorstellung. Nach Vollendung von Schloß Benrath blieb Pigage bis zu seinem Tode im
Jahre 1796 in kurpfälzischen Diensten und verlebte seine letzten Jahre als Hofmann und
Oberbaudirektor im Sommer auf Schloß Schwetzingen, im Winter im Mannheimer Residenz-
schloß. Auch seinen Hauptmitarbeiter auf Benrath, Peter Anton Verschaffeh, den Baumeister
der Hofkirche in Oggersheim, des Zeughauses und des Palais Bretzenheim in Mannheim, rief
kein Bauauftrag mehr an den Niederrhein zurück*.
Es hat im übrigen den Eindruck, als ob die Düsseldorfer Hofkammer die Tätigkeit des kur-
pfälzischen Oberbaudirektors am liebsten auf die Pfalz beschränkt sah und am Niederrhein
mehr die einheimischen Kräfte bevorzugte. Sie scheint schon damals, als Pigage den Auftrag
erhielt, Couvens Pläne für den Jägerhof zu überarbeiten, sich auf die Seite des Aachener Bau-
meisters gestellt zu haben. Auch das Hofgartenhaus baute nicht er, sondern der Düsseldorfer
Hofbaumeister Flügel (Abb. 170, 255). Um den Erweiterungsbau von 1780 bewarben sich die
heimischen Meister Peter Köhler, Kees oder Kaes, Wauters, Erb, Nolden und Schaefer. Ja, die
Düsseldorfer Hofkammer konnte dem Oberbaudirektor sehr energisch kommen. Der Hofbau-
meister Kaes hatte um das Jahr 1766 einen Plan für das Palais des Statthalters entworfen. Auf
Befehl des Kurfürsten sollten die Arbeiten
Pigage zur Korrektur unterbreitet werden.
Aber die Düsseldorf er Hof kammer erklärte ganz
einfach, der Oberbaudirektor könne dann auch
die Detailzeichnungen und die Kontrakte mit
den Handw-erkern in der Pfalz machen lassen.
Sie könne auf keinen Fall unter den geforder-
ten Voraussetzungen eine Garantie für die
rechtzeitige Fertigstellung des Bauwerks über-
nehmen. Der Erfolg war : Der jülich-bergische
Hofbaumeis ter Kaes führte den Bau nach seinen
Plänen ohne weitere Korrektur des kurpfälzi-
schen Oberbaudirektors aus (Abb. 208-210).
Die Baumeister des neuen Düsseldorf nach
dem Bombardement von 1758 waren Nost-
hofen, Kaes, Flügel, Wauters, Peter
Köhler, in späterer Zeit dann Husch-
berger, Erb und Schaefer. Daneben
bleibt aber die Frage offen, ob nicht Peter
* Josef August Beringer: Peter A. von Verschaffelt.
Sein Leben und sein Werk. Studien zur Deutschen Kunst-
geschichte Nr. 40. Heitz u. Mündel, Straßburg.
Abb. 207. Du,,rlk
Vgl. Abb. 214.
1 eldseite.
203
Abb. 208. Düsseldorf. Baudetails der ehemaligen Slalthalterresidenz. Vgl. Abb. 209, 210.
Aufnahme der Architektur -Abteilung der Kunstakademie zu Düsseldorf.
Josef Krähe (1758 — 1840), der Sohn des Düsseldorfer Akademiedirektors, der interessante
Klassizist, der allerdings von 1786 bis etwa gegen 1800 in Koblenz in kurtrierischen Diensten
tätig war, dann nach Braunschweig übersiedelte, auch in Düsseldorf beschäftigt war. Ich
komme darauf noch einmal zurück. Von den übrigen Düsseldorfer Baumeistern ist ein ganz
klares Bild nicht zu entwerfen. Wir wissen nur, daß Nosthofen das alte Schloß auf dem
Burgplatz ausgebaut hat und daß Kaes der Erbauer der Statthalterresidenz war.
Vom ehemaligen Schloß ist aus dem Jahre 1756 eine Zeichnung der Rheinansicht und
ein Schnitt durch den Hof erhalten (Abb. 12, 13). Nosthofen hat die alte Brustwehr am
Dach entfernen lassen und an deren Stelle über den gotischen Bogenstellungen ein viertes
Geschoß angebracht*. Die Fensteröffnungen hat er mit neuen Rahmen vergrößert. Zwei
Aktenstücke im Staatsarchiv zu Düsseldorf vom Jahre 1794, von Hofbaumeister Wauters
verfaßt, enthalten genaue Angaben über die Bestimmung der einzelnen Räume und deren
Ausstattung**. An einer Grundrißaufnahme, ebenfalls aus dem Jahre 1756, kann man die
Angaben genauer verfolgen (Abb. 14).
Der älteste Teil des Schlosses, der nach dem Rhein zu gelegene Westflügel, war der eigent-
liche fürstliche Wohnbau. Hier waren die Audienz- und Gesellschaftszimmer, der Rittersaal,
der Wintergarten, das Spiegelkabinett und die Garderobe der Kurfürstin usw. Die Hof-
damen und Kavaliere bewohnten den dritten und vierten Stock. Im ersten Geschoß gelangte
man aus dem Hauptbau in den im Südflügel gelegenen Speisesaal, im gegenüber gelegenen
Flügel in die Schloßkapelle, die für die Dienerschaft oben eine Galerie hatte (Abb. 12).
Die Sakristei lag in dem runden Eckturm. In den oberen Stockwerken der beiden Seiten-
flügel waren die Quartiere für fürstlichen Besuch. Im Erdgeschoß des Südflügels waren
die Hofkammer und die Kanzlei, im Nordflügel unter der Kapelle die Kameralregistratur,
im runden Eckturm unter der Sakristei das Landesarchiv und die Landrentmeisterei. Zwischen
den beiden Außentürmen lief der schmale sogenannte , .Schlange Fleugel, welcher der
Seuten Fleugel an dem Norten Fleugel verbunden hat und wo unten die Garde Corps und
Schweisser (Schweitzer) Wache sich befunden hat, auch die Trappe zu der Ober Etage, in
dieser war einer durchgehender Gank zu sechs Zimmer, welche zu Cession (Session) und
Registratur von Forst und Jagd abtiret war". Vielleicht stammt diese Einteilung des Schlosses
noch von dem Umbau unter Jan Wellem. Karl Philipp hatte aber die besten Stücke der
Innenausstattung fortschaffen lassen. Das Bombardement von 1758 hatte außerdem dem
Schloßbau mitgespielt. Der Statthalter mußte daher für den Kurfürsten das Innere teilweise
ganz neu einrichten lassen. Die fürstlichen Gemächer Verden mit kostbaren Wandteppichen
von Hautelisse (Otalist) geschmückt, flandrischen und französischen Arbeiten, Darstellungen aus
* Ansicht des Schlosses vor dem Umbau, eine Tuschzeichnung im Historischen Museum der Stadt Düsseldorf. Abgebildet
in „Düsseldorf im Wandel der Zeiten" von Freunden der Heimatgeschichte. Düsseldorf 1910, 5.22.
** Inventar des Düsseldorfer Schlosses vom Jahre 1794. — Beschädigung des Schlosses und anderer fiskalischer Gebäude
durch das Bombardement von 1794. — Mitgeteilt durch Otto R. Redlich im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins X. 1895.
S. 85-114
205
'iffm 1 1 1 1 1 1 k — t — t — b. "■"
Abb. 209. Düsseldorf. Ehemalige Statthalterresidenz. Vgl. Abb. 208 und 210.
Aufnahme der Architektur- Abteilung der Kunstakademie zu Düsseldorf.
der Geschichte Josefs, Simsons, Alexanders des Großen, Telemachs, Jagdstücke und Land-
schaftsbilder. Der Speisesaal war ,,tapezirt mit Otalist representirend die Geschichten des
ersten Königs in Frankreich Clodoväi". Der Audienzsaal und die zugehörige Antichambre
war „tapezirt mit Otalist representirend deren Götter Festin" usw. ,, Hinter dem Spiegel
Cabinette der durchlauchtigsten Frau Churfürstin ist eine kleine Retirade, welche mit seiden
Brocadelle tapezirt ist." Ebenso die ,,bey Seite des Cabinets höchst gedachter Frau Churfürstin
Garde-Robe". Andere Räume waren mit ,,Boserie", mit gemaltem Atlas, mit grünem, rotem,
gelbem und karmoisinem Damast oder geblümter Chiamose bekleidet. Die Schlafzimmer,
die keine Wandteppiche erhalten hatten, waren , .tapezirt mit rotem Sammet und alle Näthe
mit goldenen Borten besetzt wie auch das Bett". Auf dem Damengang standen ,,14 marmor-
steinerne Tische mit eingelegten Füssen und mit Messing beschlagen, so von der Gallene nach
den Schloßzimmern in Sicherheit gebracht worden, worunter sich zwei befinden mit Landkarte
bezeichnet". In der Mitte des Rittersaales stand ein großer ,, Tisch mit Bildhauerarbeit" ; und
um das große Reiterbild Jan Wellems von Johann Franz Douven schmückten 51 andere Bilder
die Wände des Saales.
Wie das kurfürstliche Schloß, so ist auch leider das Statthalterpalais, allgemein Residenz
genannt, nicht mehr erhalten (Abb. 210). Es hat im Jahre 1912 dem Neubau des Justizgebäudes
weichen müssen. Glücklicherweise hat aber die Architekturabteilung der Kunstgewerbe-
schule zu Düsseldorf vor dem Abbruch den Bau und seme Details maßstäblich auftragen
lassen (Abb. 208, 209). Er hatte zu beiden Seiten der Tordurchfahrt, über der, in das Dach-
geschoß einschneidend, ein Giebel mit springenden Pferden, dem Kurhut, den Initialen des
Kurfürstenpaares und der Jahreszahl 1766 angebracht war, sieben Fensterachsen. Der lang-
gestreckte Bau verlangte nach einer inneren Gliederung. Baumeister Kaes faßte je fünf Fenster-
206
achsen zusammen, zog die beiden seitlichen Achsengruppen, durch Eckquader besonders
betont, etwas vor die Mittelgruppe und gab den Mittelfenstern beider Seitengruppen im
Erdgeschoß eine reichere Umrahmung. Das rhythmische Verhältnis dieser Rahmen zum
Torrisalit ist ausgezeichnet. Ihr Scheitelpunkt hegt in der Verlängerung der Giebellinien.
Sonst ist der Bau, von der Tordurchfahrt und dem Schmuck des darüber angebrachten
Fensters abgesehen, ganz schlicht, und die Fenstergliederung von einer zurückhaltenden Vor-
nehmheit. Kaes hatte auf den gegenüberliegenden Bau des Jesuitenkollegiums Rücksicht zu
nehmen (I, Abb. 212). Ihm und dem Statthalter schwebte offenbar ein Gegenstück zur
Neußer Straße vor Augen. Dort die monumentale Auffahrt zu dem von Jan Wellem geplanten
kurfürstlichen Neuen Schloß, hier zur alten Burg.
Um den Bau des vornehmen Statthalterhauses sammelte sich in Düsseldorf eine Reihe
anderer Neubauten des Adels, der Hofbeamten und Patrizier. Die Stadt erhielt allmählich ein
ganz neues Aussehen, ,,]ene bescheidenen, in guten Verhältnissen, doch arm an Schmuck, in
Abb. 2i0. Dusseldorf. Ehemalige Statthalterresidenz in der Mühlenstraße. Vgl. .4bb. 208, 203.
207
geraden Straßenlinien sich aufbauenden Bürgerhäuser, die in vollem Gegensatz zu dem alten
Giebelhaus und der gotischen Höhenentfaltung deutscher Barockkunst stehen", wie Cornelius
Gurlitts , .Geschichte des Barockstils in Deutschland" im Jahre 1889 notierte. Heute ist freilich
von diesen bescheidenen Häusern des 18. Jahrhunderts in Düsseldorf nicht viel mehr zu sehen,
in einigen Jahren vielleicht überhaupt nichts mehr. Wohl hier und da, von moderner Nachbar-
schaft umgeben, ein einzelnes Haus. Aber darin besteht nicht der Reiz, sondern in der
Gesamtwirkung des Straßenbildes, so wie etwa vor zwanzig Jahren die Zitadellstraße noch
ausschaute mit den Häusern der Grafen von Diamantstein, von Velbrück, von Hompesch,
von Nesselrode (Abb. 205), von Spee (Abb. 211), von Gohstein, der Herren von Daniels,
von Pfeilsticker (Abb. 212) usw. Es war die Straße der hohen Hofbeamten und der Absteige-
quartiere des Adels. Die außen schmucklosen Häuser mit dem traulichen Mansardendach
und den hohen Schlagläden sind im Innern von einer überraschend klugen Anordnung der
Abb. 211. Düsseldorf. Zitadellstraße Nr. 14 (Haus Graf Spee).
Aufnahme der Architektur -Abteilung der Kunstakademie zu Düsseldorf.
208
Räume. Zwischen Vorder- und Hinterhaus rahmen niedrigere Seltenflügel den Binnenhof
ein. Aus der Zeit Jan Wellems lebte noch die Holzschnitzerschule fort, die die Treppenhäuser
und Türen verzierte. Das 18. Jahrhundert ist das Jahrhundert der eleganten Treppe. An-
fänglich zeigen die Treppenpfosten noch reichen barocken Schmuck. Dann wird der Lauf
geschmeidiger. Jede Ecke weicht einer bequemen Rundung. Den Pfosten am Treppen-
aufgang schmückt ein Delphin oder ein Schwan. An Stelle dieser noch immer barocken
Formen treten später die schlichteren des Klassizismus. Das Jacobihaus, der heutige Mal-
kasten, damals noch vor der Stadt gelegen, hat eines der schönsten klassizistischen Treppen-
häuser in Düsseldorf (Abb. 215). Ein eigentliches Rokoko kennt aber die Baukoinst am
Niederrhein kaum, und die wenigen
Vertreter bleiben Ausnahmeerschei-
nungen. Das hat verschiedene Gründe.
Zunächst war die Bautätigkeit während
der Blüte des Rokoko durch Kriegs-
wirren und politische Verhältnisse
unterbunden. Als ruhigere Tage kamen,
übte die Inneneinrichtung von Schloß
Benrath mit Ihren ruhigen klaren For-
men auf den ganzen Charakter der
bürgerlichen Wohnbaukunst einen
starken Einfluß aus. Aber auch sonst
hätte der Schnörkelstil wie in Holland
und im Münsterlande, so auch am
Niederrhein, schwer heimisch werden
können, denn seine Formen lassen sich
mit den großen Flächen des Backsteins
und mit dem Charakter der Landschaft
und der Bewohner kaum auf einen
gemeinsamen Nenner bringen. Auf den
Stil der Regence folgt am Niederrhein
gleich der Klassizismus. Die schöne
Füllung der Tür an dem von Pf eilsticker-
schen oder von Hagenschen Hause Zita-
dellstraße Nr. 17 weiß nichts von dem
Unsymmetrisch-Launenhaften des Ro-
koko (Abb. 21 2). Was zeitig darauf folgt,
wie beispielsweise das Portal der Statt-
halterresldenz(Abb.209), ist ganz schlicht.
Abb. 212. Düsseldorf. Zitadellstraße Nr. 17 (Haus Pfeilsticker).
27
209
Die Zitadellstraße sollte eine einheitliche Raumwirkung erhalten. Man schloß daher die
eine Schmalseite an der Schulstraße mit der Fassade des Nesselrodeschen Hauses (Abb. 205),
die gegenüberliegende mit dem Berger Tor (Abb. 214). Das Tor, das von einem Neubau
des 18. Jahrhunderts stammt, ist nach der Stadtseite zu ein schlichter Backsteinbau mit großen |
Hausteinfensterrahmen, schaut friedlich drein wie das Binnentor zu Heinsberg, das ebenfalls
als Wohnbau diente (I, Abb. 70, 71). über dem Torbogen sind als Schlußstein ein Löwenkopf
und eine behelmte Kriegermaske angebracht. Doppelkonsolen tragen die breiten Pilaster im
Obergeschoß. Das Hauptgesims ladet rundbogig, in das Dach einschneidend, aus, um den
beiden vom Kurhut bekrönten Kartuschen mit den Initialen des Kurfürstenpaares in dem
durchbrochenen Fenstergiebel Platz zu lassen. Breite barocke Kriegstrophäen rahmen in male-
rischem Durcheinander das Mittelfenster ein. Der Baumeister des reizvollen Tores ist nicht
bekannt. Der dekorative Schmuck stammt von Meister Balthasar Spaeth. Zwischen den
beiden Pilastern lief unter dem Fenster die Inschrifttafel: Raedificatum MDCCLI. Zu beiden
Seiten des eigentlichen Torbaues schlössen sich Wohnflügel von je drei Fensterachsen an.
Nach der Feldseite schaute das Tor in seiner kraftvolleren Gliedemng und dem schweren
Material freilich weniger friedlich aus (Abb. 207). Die Seitenflügel treten zurück. Zwei starke,
mit bossenartigen Querbändern durchzogene Pilaster aus riesigen Trachytquadern tragen den
schweren Architrav mit dem Giebelaufbau, über dem Torbogen stand das bergische Wappen,
über den Giebel ragte noch eine Attika hinaus. Ein Löwenkopf und Löwenklauen hielten
ein plastisch gearbeitetes Tuch mit dem Chronikon.
Im Innern erweiterte sich die mit flachen Tonnen überspannte Durchfahrt in der Mitte
zu einem runden kuppelartigen Raum mit Schießscharten an den Seiten. Nicht unähnlich
war die Anlage im
Innern bei dem Ber-
liner Tor in Wesel
(I, Abb. 337). über
der runden Durch-
fahrt lag ein zemen-
tierter Hof. Von hier
gelangte man zu den
Gefängniszellen.
Das Jahr 1787
brachte Düsseldorf
das wichtige und
folgenreiche Ereignis
seiner städtebau-
... T,, T-v.. ij f c j 1 IL x-ini. •. j A L !•■ j L' 1 . j. liehen Entwicklung:
Abb. 213. Dusseldorf. Stadtplan vom Jahre 17% mit den Ausbauplanen der Karlstadt. » i
Vgl. Abb. 26 und 24. Durch den Ausbau
210
der Festungswerke der Extension waren die alten Fortifikationen zwischen der Flinger Bastion
und der ursprünglichen Berger Pforte überflüssig geworden (Abb. 26). Karl Theodor ließ
sie schleifen. Artillerie- und Ingenieuroffiziere entwarfen für das Gebiet der Extension einen
Bebauungsplan (Abb. 213). Die Karlstadt entstand; der Karlplatz mit den rechteckigen
Häuserblocks der parallel laufenden Kasernen-, Hohe-, Bilker- und Poststraße und den (^er-
straßen Benrather- und Bastionstraße. Auf den zugefüllten Gräben wurden die Graben- und
Mittelstraße angelegt. Wer in ,,dahiesiger künftigen neuen Carls-Stadt" bauen wollte, hatte
,, zwanzig jähnge vollkommene Steuerfreyheit mit dem ausdrücklichen Beding jedoch . . . daß
jeder Baulustige schuldig und gehalten seye, den ihme zum bebauen angewiesenen Platz,
unter Verlust desselben, also fort zu bearbeiten, die Fundamente und Kellere noch vor Ende
des Julius 1 788 der vorgeschriebenen Strassenhöhe gleich auszuführen ; das völlige Gebäude
aber in Zeit von drei Jahren, vom Tage der geschehenen Anweisung zu rechnen, darzustellen,
. iüu. ^ 1 1. L'^i;
loi, i.a..o..... Vgl. Abi.. 207.
211
und den District an der Strassen durch die Front des Gebäudes vollständig auszufüllen,
keineswegs aber einigen Raum daselbst leer zu lassen, und durch Hinsetzung einer blossen
Mauer die Gassen zu verunzieren". Ferner waren ,,auf den Gassen keine liegende Keller-
thüren gestattet, so dann dass von jedem Baulustigen vor seinem Hause an statt eines Paves
bis an die Kandel oder Gosse steinerne Platten angelegt werden sollten".
Und nun beginnt eine rege Bautätigkeit. Georg Forster war 1790, als er in Düsseldorf
weilte, begeistert: ,, Welch ein Unterschied zwischen Kölln und diesem netten, reinlichen,
wohlhabenden Düsseldorf!" ruft er aus. „Eine wohlgebaute Stadt, schöne massive Häuser,
gerade und helle Straßen, thätige, wohlgekleidete Einwohner, wie erheitert das nicht dem
Reisenden das Herz! Vor zwei
Jahren ließ der Kurfürst einen
Theil der Festungswerke demo-
lieren und erlaubte seinen Unter-
thanen auf dem Platze zu bauen.
Jetzt steht schon eine ganz neue
Stadt von mehreren langen, nach
der Schnur gezogenen Straßen
da ; man wetteifert miteinander,
wer sein Haus am schönsten, am
bequemsten bauen soll ; die an-
gelegten Kapitalien belaufen sich ]
auf sehr beträchtliche Summen,
und in wenigen Jahren wird
Düsseldorf noch einmal so groß
als es war, und um vieles präch-
tiger seyn."* Imfolgenden Jahre
zählte die Karlstadt bereits 86
Neubauten. Dann aber ließ all-
mählich der Baueifer etwas nach .
,,Da verschiedene Baulustige in
der Carlstadt ihre vorlängst ge-
nommene Bauplätze unbebauet
liegen oder dieselben nur mit
einer Mauer abschließen lassen,"
führt eine Verordnung der Re-
gierung vom Jahre 1794 aus,
Abb. 213. Düsseldorf. Jacobihaus (Malkasten); Treppenhaus,
* Georg Forster: Ansichten vom
Niederrhein usw. Berlin 1791. I. S. 106.
212
„Se. Churfürstliche EXirchlaucht aber diesem, der Carlstadt zur Unzierde gereichenden Un-
weesens länger zuzusehen gnädigst nicht gemeinet sind, mithin beschlossen haben und wollen,
daß inner 14 Tagen auf sothanen Plätzen mit wirklichen Bauen der Anfang gemacht und
darüber die Bescheinigung zur Kommission eingebracht werde, unter dem Nachtheil, dass
nach deren fruchtloser Verstreichung die dem säumigen gegebene Konzession sofort ein-
gezogen und dessen Platz anderwärts vergeben werden solle." Die Ereignisse desselben
Jahres unterbrachen indessen die Weiterarbeiten. Der größte Teil des Ausbaues der Karlstadt
fällt daher erst in den Anfang des folgenden Jahrhunderts. Ich komme darauf noch ein-
gehend im dritten Bande zurück.
Forster war aber nicht allein über die rege Bautätigkeit und den Wohlstand Düsseldorfs
überrascht, sondern auch, ,,wie sich in den Herzogthümern Jülich und Berg so große Reich-
thümer häuften, wie die Bevölkerung daselbst so stark, und der Wohlstand der Einwohner
gleichwohl so allgemein ward, daß die kleineren Städtchen nicht minder wohlhabend sind
als die Hauptstadt; dass der Anbau auf dem platten Lande denselben Geist der guten Wirtschaft,
denselben Fleiss zeigt wie die Fabriken ; dass man hier so leicht den Weg zu einer glücklichen
Existenz finden lernte, der anderwärts so schwer zu treffen scheint". — ,,Die Kunst besteht
darin, dass der Regent sich der verderblichen Spiegelfechterei, die man gewöhnlich regieren
nennt, zur rechten Zeit zu enthalten wisse und sein Volk mit den gepriesenen Regentenkünsten
verschone" ; daß er es verstehe, ,,die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, welche der freien,
unbedingten Thätigkeit eines jeden Bürgers im Staate entgegenstehen. Die Einsicht des Regenten
sei noch so vortrefflich; sobald er nach derselben versucht, die Menschen auf einem Wege,
den sie selbst nicht wählten, vor sich hinzutreiben: sobald erfährt er auch, daß die eigenen
Lebenskräfte in seiner Staatsmaschine stocken oder schlafen. . . . Durch die ins Unendliche
vervielfältigten Gesetze und landesherrlichen Verordnungen, so gut es oft damit gemeint seyn
mag, und durch jene von Schmeichlern und Parasiten so gepriesene Kleingeisterei der Fürsten,
die mit unermüdeter Sorgfalt in eines jeden Bürgers Topf gucken oder gar sich um seine Privat-
meinungen und Gedanken bekümmern, richten die Regenten allmählig, ohne es selbst zu
wollen, ihre Staaten zu Grunde, indem sie die freie Betriebsamkeit des Bürgers hemmen, mit
welcher zugleich die Entwicklung aller Geistesfähigkeiten aufhört."
Georg Forster, der Weltreisebegleiter von James Cook, gibt hier eine treffliche Charakteristik
Karl Theodors. Dieser Fürst ist sicherlich keine starke und große Natur gewesen. In der
Pfalz wie in dem ihm im Jahre 1778 zugefallenen Kurbayern hat er wenig Liebe hinterlassen.
Aber die niederrheinischen Herzogtümer haben seinen volkswirtschaftlichen Bestrebungen
eine dankbare Erinnerung bewahrt. Man darf sagen, daß in keinem anderen Staate damals
der Landesfürst von einer gleichen volkswirtschaftlichen Fürsorge erfüllt war wie in Jülich und
Berg. Karl Theodor woUte über die „freie Betriebsamkeit des Bürgers", in der er die treibenden
wirtschaftlichen Kräfte seiner eigenen Staatsmaschine erkannte, genau unterrichtet sein, über
die Eisenhämmer und Schleifmühlen in Radevormwald, Cronenberg, Hückeswagen, Wipper-
fürth, die Waffenschmieden in Solingen, die Wollentuchmanufakturen in Lennep und Lüttring-
hausen, die Tuch-, Strumpf-, Band- und Seidenfabriken in Elberfeld und sonst im Wuppertal
213
wurden statistische Erhebungen angestellt. Erlasse sollten den freien Verkehr heben. Vor allem
sollte das Geld schneller im Lande umlaufen. Damit nicht genug: Karl Theodor besuchte
selbst die Fabriken seines Landes. Als er im Jahre 1767 in Solingen weilte, verehrte ihm die
Stadt vier große Jagdbilder von Franz Snyders. Das war keine äußere Huldigungsgabe, sondern
eine Dankesäußerung der aufblühenden Industriestadt an den volkswirtschaftlich verständigen
Landesherrn. Handel und Verkehr nahmen einen regen Aufschwoing. Fremdes Geld kam
ins Land. In den bergischen Fabrikstädten entwickelte sich ein wohlhabendes Patriziat, das
stattliche neue Wohnbauten aufführte und in den behaglichen Gemächern von Schloß Benrath
das Ideal bürgerlicher Baukunst sah*.
In Mülheim am Rhein saßen die Andreae, Mühling, Köster, Rhodius, Bertoldi und
andere Patrizier- und Fabrikantengeschlechter, die teilweise heute noch der Mittelpunkt der
gewerblichen Regsamkeit der Stadt geblieben sind**. Unter Jan Weilern war der Ort noch
* B. Schönneshöfer: Geschichte des Bergischen Landes. Eiberfeid 1895. — F. J. Lipowsky: Kurfürst Karl Theodor
von der Pfalz-Bayern. 1828. - Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins XVIII (1882), S. I ff; XXVII (1891), S. 107 ff.;
XXXIX (1905), S. 180 ff.
** V. von Zuccamaglio: Geschichte und Beschreibung der Stadt und des Kreises Mülheim am Rhein. Köln 1846. —
Bendel: Die Stadt Mülheim am Rhein. 1913.— H.Vogts: Alte Wohnungskunst in Mülheim am Rhein. Mitteilungen des Rhein.
Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz VIII (1914), S. 145 ff. Eine fleißige .\rchivarbeit mit eigenen maßstäblichen
Aufnahmen der Bauten.
Abb. 216. Mülheim am Rhein. Katholisches Pfarrhaus; Blick auf die Clemenskirche und Haus „Zum Pelikan" auf der Freiheit.
214
ein unscheinbares Nest, noch das alte „schönste Dorf seit Menschengedenken", wie die
Koelhoffsche ,, Chronica van der hilhgen Stat van Coellen" es 1499 nannte. Die Versuche
der Grafen und Herzöge von Berg, hier einen befestigten Platz zu schaffen, scheiterten immer
an dem Widerstände von Kurköln und der Freien Reichsstadt. In den Jahren 1286 und 1417
mußten die Verteidigungsanlagen geschleift werden. Wilhelm der Reiche hat dann im
16. Jahrhundert den Ort durch Johannes Pasqualini neu befestigen lassen. Der Kurfürst von
Brandenburg und der Pfalzgraf von Neuburg, die beiden ,, Possedlerenden" von Cleve, Jülich
und Berg, hatten ihn durch ein System rechteckiger Plätze und Straßenanlagen beträchtlich
vergrößert. Man hatte sogar mit dem Bau eines landesherrlichen Schlosses begonnen. Als aber
zwischen den Possedierenden der Streit ausbrach, zerstörten die Liga, zu der der Neuburger
übergetreten war, Spanien, Kurköln und die Reichsstadt Köln die Neustadt Wilhelms des
Reichen und die Extension der Possedierenden derart, daß selbst die Fundamente, des
angefangenen Schlosses gesprengt wurden. Mülheim war wieder das alte Dorf, zwei Straßen
nur, Freiheit- und Taubenstraße mit ihren Querstraßen, Buchheimer- und Stöckerstraße. So
übernahm Jan Wellem den Ort. ,, Mulheim am Rhein trachtet einigen Handel zu treiben,"
schreibt 1715 Ploennies, ,, wegen der nah bey gelegenen Stadt Cöln aber kann solcher Ort
damit nicht wohl fortkommen; der Ort ist ganz offen, bestehet darneben beynah nur aus
einer langen Strassen."
Aber dasselbe Köln, das eifersüchtig darüber wachte, daß auf bergischem Gebiet am anderen
Rheinufer keine Nebenbuhlerin seines Handels erstand, wurde selbst der Pate des Wohlstandes
von Mülheim. Christoph Andreae, Dietrich Köster, Gottfried Mühling und andere kölnische
Fabrikanten hatten wegen ihres protestantischen Glaubens die Heimat verlassen müssen. Jan
Wellem, der Verfolger der Protestanten in der Pfalz, war viel zu klug, als daß er nicht die aus
Köln vertriebenen Industriellen in Mülheim mit offenen Armen aufgenommen hätte. Er
bewilligte ihnen ,, freies Commercium" und Handelsprlvileglen und legte damit den Grund
zu einer glücklichen Entwicklung der Stadt. Schon 1729 konnte der Hof kammerrat Wülfing
berichten, daß „die Freyhelt oder der Markt Flecken Mülheim ... in der Länge weitwendig
mit prächtigen Häusern erbauet, und einer feinen Stadt ähnlich" sei. ,,Allhier gibt es viele
vornehme Kauff- und Handelsleute, so mit Seiden in frembde Länder eine stattliche Handlung
treiben, wie auch Frucht- und Wein-Händler."* Aber den eigentlichen Aufschwung Mülheims
brachten erst die Tage Karl Theodors. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstand eine
Reihe stattlicher Neubauten, so im Jahre 1752 das Pfarrhaus Freiheit Nr. 51 und vier
Jahre später das Nachbarhaus ,,Zum goldenen Pelikan" der Fruchthändlerfamilie Josias
Klein (Abb. 216). Zwischen den beiden Wohnhäusern schaut man durch die Gasse auf das
Chor der Clemenskirche mit seinem Kalvarlenberg. Der Kirchturm rückt seine barocke Haube
über das Dach des Pfarrhauses hinaus. Diese Wohnhäuser sind ganz schlicht, zweistöckig
* Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins. Bd. 19.
215
mit einem Mansardendach. Als Schmuck nur ein dekorativer Schlußstein in den Tür- und
Fensterbögen der mittleren Achse, die durch Lisenen und ein größeres Mansardenfenster
noch hervorgehoben wird. Und an der Ecke des Pfarrhauses grüßt eine Madonnenstatue freund-
lich herunter auf die, welche den Weg zum Kalvarlenberg suchen. Aber die Wirren des Sieben-
jährigen Krieges unterbrachen, wie m Düsseldorf, die hoffnungsvollen Anfänge einer neuen
Stadt, und erst nach Friedensschluß konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Im
Jahre 1765 wurde die Wallstraße bebaut. Christoph Andreae, der Enkel des von Jan Wellem
aufgenommenen Emigranten, errichtete hier eine neue Seidenfabrik; Hermann Klein ein neues
Wohnhaus ; die Reformierte Gemeinde im Jahre 1 767 ihr neues Gotteshaus mit der Pfarrei ; in der-
selben Straße ferner 1 770 die Familie Rhodius ihr neues Wohnhaus, das spätere Rathaus. Andere
Neubauten reihten sich an, auf der Wallstraße wie auf der Freiheit und der Buchheimer Straße.
Der stattlichste Wohnhausneubau dieser Epoche ist der sog. Bärenhof an der Buch-
heimer Straße, das Haus des Zollpächters, Seidenfabrikanten und Weinhändlers Karl Joseph
Zacharlas Bertoldl*. Bertoldl war damals der geistige Mittelpunkt Mülheims, war der
Gründer der Lateinschule und des Lyzeums. Kam Karl Theodor nach Mülheim, so stieg er
im Bärenhof ab. über der Tür zum großen Saal hatte der Bauherr das Wappen des Kur-
fürsten angebracht und mitten auf der Stuckdecke, von Genien umgeben, das Porträtmedaillon
des Kurfürstenpaares. Pllaster teilen die Wände
auf, tragen das klassizistisch gezeichnete Decken-
gesims und rahmen Ofennische und Spiegel ein,
über denen Stuckreliefs antiker Gottheiten sind.
Dieselbe strenge architektonische Wandgliederung
kehrt auch im Treppenhaus und in den übrigen
Wohnräumen wieder. Ehemals umgaben zwei-
hundert Morgen Land noch die Besitzung, und
an den Wohnbau schlössen sich zu beiden Seiten
Wirtschafts- und Stallgebäude an. Dahinter der
große Garten. Heute ist nur noch der Mittelbau
erhalten. Er ist reicher gegliedert als die älteren
Bauten an der Gasse zur Clemenskirche.
Bertoldl besaß neben dem Bärenhof noch zwei
andere Bauten in Mülheim: den Zollhof an der
Freiheit, ebenfalls mit einem prächtigausgestatteten
Saal, der 1804 den Besuch des damaligen Regenten
Abb. 217. Mülheim am Rhein; Freiheit Nr. 40.
* Vgl. Grundriß, geometrische Aufnahme der Fassade und
Schnitte durch Treppenfiur, Speisezimmer und Saal bei Hans Vogts
in den Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und
Heimatschutz VIII (1914). S. 152. 154. 155, 158.
216
des Herzogtums Berg, Herzog Wilhelm von Bayern und Gemahlin empfing; dann das Haus
zum Goldenen Lämmchen, ebenfalls an der Freiheit. Dieser Bau ist älteren Datums,
stammt scheinbar noch aus der Zeit Jan Wellems. Aber Zacharias Bertoldi gab ihm das
stattliche neue Portal (Abb. 218). Die schöne klassizistische, mit Porträtmedaillons gezierte
Holztür und der Vase im Oberlicht, die breite, mit Akanthusblättern geschmückte Kehle des
Hausteinrahmens, welchen Pilaster mit reichen Kapitalen einfassen, über den Kapitalen auf
der ausladenden Deckplatte je eine Vase und auf dem Gebälk ein Putto mit einem Lämmchen.
Nicht unähnlich ist die Gliederung der Haustür und ihrer architektonischen Umrahmung an
dem benachbarten Hause Andreae, das sonst in seiner Anlage und Innenausstattung weit
schlichter und bürgerlicher ist als Bertoldis Bärenhof (Abb. 217).
Einst hatten die hinter den Patrizier-
häusern gelegenen Gärten noch reizvolle
Gartenhäuschen. Das stattlichste, das
von Haus Andreae, ist noch erhalten
(Abb. 219). Ein reizvoll achteckiges
HäuschenmiteinemMansardengeschoß,
mit großen Rokokofensterrahmen und
einem reichgegliederten Oberlicht über
der Tür, Dieses Gartenhaus ließe sich
in seiner barock -malerischen Emzel-
gliederung in das Kapitel der bergischen
Bauweise einreihen, wenn auch nur das
Mansardengeschoß geschiefert ist. Das
Bergische Land hat heute noch zahl-
reiche solcher Gartenhäuschen. Wenn
aber von dem des Hauses Andreae ab-
gesehen wird, so hätte Mülheim am
Rhein sonst weiter keinerlei baukünst-
lerische Beziehungen zum Bergischen
Lande aufzuweisen. Auch nach dem
benachbarten Köln lassen sich keine
künstlerischen Verbindungen schaffen.
Die Mülheimer Baumeister sahen den
Ausgang ihrer Tätigkeit in der regen
Bauentwicklung unter dem Statthalter
Grafen Goltstein in Düsseldorf.
Hans Vogts hat einige der Mül-
heimer Baumeister aus den Akten fest- Abb 218. Mülheim am Rhein. Haus „Zum Lämmchen", Freiheit Nr. 36.
28
217
stellen können. Das Pfarrhaus der Clemenskirche und das Haus zum Goldenen Pelikan
(Abb. 216) stammen von Zimmermeister Bongard „anscheinend unter Aufsicht des kurfürst-
lichen Baumeisters Nosthöffer". Das letztere mag möglich sein, aber von Nosthofens Tätig-
keit fehlt uns eine klar umschriebene Vorstellung. Haus Klein in der Wallstraße geht auf
den Baumelster Seydel zurück, die Reformierte Kirche auf einen Entwurf von Hellwig.
Vogts vermutet, daß man den Baumeister Hellwig auch als den Erbauer der Häuser
Bertoldi und Andreae, die beide wohl von einer Hand stammen werden, in Erwägung ziehen
könnte. Diese Annahme klingt nicht unwahrschemlich. An der Einfriedigung der Reformierten
Kirche kehren dieselben Vasen wie an den Stuckdecken der beiden Häuser wieder. Daß das
Portal zum Goldenen Lämmchen ebenfalls auf denselben Meister zurückzuführen ist, liegt
sehr nahe. Vogts denkt außer an Hellwig noch an Pigage. Auf jeden Fall war die Innenaus-
stattung zu Benrath von größtem Einfluß. Die privaten Beziehungen der Andreae und Bertoldi
zu Karl Theodor verdichteten diese Zusammenhänge. Vielleicht hat einer der zahlreichen
Mitarbeiter des italienischen Stuckkünstlers Albuzio in Benrath später die Mülheimer Stuck-
arbeiten ausgeführt. Vielleicht ist auch Hellwig früher auf Benrath tätig gewesen.
Was die Andreae, Mühling, Bertoldi, Rhodius usw. für Mülheim, das waren die Fabrikanten-
und Handelsherrengeschlechter von Carnap, de Weerth, Frowein, von der Heydt und Aders
für Elberfeld. Auch diese Stadt war unter Jan Wellem noch ein unscheinbarer Ort. Der
große Brand vom Jahre 1687 hatte das ganze Städtchen bis auf das letzte Haus niedergelegt.
Viele wanderten aus. Besondere Privilegien Jan
Wellems sollten Elberfelds Wiederaufbau fördern.
Aber im Jahre 1708 zählte man erst 3000 Ein-
wohner, d. h. weniger als vor dem Brande. Unter
Karl Theodors Fürsorge setzte dann eine rege Ent-
wicklung ein. Das Jahr 1787 zählte 10000 Ein-
wohner mit tausenden neuer Wohnstätten. Ein
Jahr nach Karl Theodors Tode, 1800, hatte der
Ort schon 1 2 000 Einwohner.
Das Wuppertal hatte zum Schloßbau zu Ben-
rath eine direkte Beziehung. Eberhard Haar-
mann d. J. aus Hagen, der für die Fabrikanten-
familien eine große Bautätigkeit entwickelte, war
vorher, wie die Tradition erzählt, emer der Mit-
arbeiter von Pigage in Benrath*. In Barmen
* Monatshefte des Bergischen Geschichtsvereins XIV, S. 16. —
Rudolf Minder er: Bergische Schieferhäuser. Frankfurt am Main
1896-1897. - Otto Schell: Altbergische Häuser in Wort und
Bild. Barmen 1907. — Bergische Bauweise. Ernst Wasmuth,
Abb. 219. Mülheim a.Rh. Freiheit Nr. 40. Gartenhaus. Berlin 1908.
218
werden ihm allein sechs Bauten zugeschrieben, an denen man, wie in Benrath, den Übergang
vom Rokoko zum Klassizismus verfolgen kann. Es sind charakteristische heimische Schiefer-
häuser. Aber auch der Haustein- und Putzbau, der nun allmählich den altheimischen Schiefer-
hausbau verdrängt, hält diese Beziehung zu Schloß Benrath wach: in Elberfeld das Haus
Aders vom Jahre 1 754, das Carnapsche Haus am Mäuerchen vom Jahre 1 787, Haus Lehbach
und Haus Kunz in der Aue, um die Wende des Jahrhunderts das Haus von der Heydt am
Mäuerchen; in Solingen Haus Klauberg von 1786; in Barmen das als Privathaus erbaute
Rathaus von 1799*. Aber diese Bauten liegen bereits außerhalb des Gebietes der „Baukunst
am Niederrhein".
Wie Mülheim am Rhein, so verdankt auch Krefeld seinen industriellen Aufschwung im
18. Jahrhundert der Ansiedlung der aus den benachbarten Territorien vertriebenen Refor-
mierten, Mennoniten und Separatisten. Vor allem fanden unter der unduldsamen Regierung
Wolfgang Wilhelms und Philipp Wilhelms viele Nichtkatholiken aus den Herzogtümern Jülich
und Berg in Krefeld eine neue Heimat. Seiden- und Samtmanufakturen begründeten den Wohl-
stand und bald den Weltruf der Stadt. Die eingewanderte Familie von der Leyen war die Haupt-
förderin der neuen Industrie. Das alte Krefeld um die Kirche und den kleinen Marktplatz,
den Schwanenmarkt an der Hauptstraße, der Hochstraße, konnte die Zahl der eingewanderten
neuen Bürger bald nicht mehr fassen (Abb. 220). Man mußte im Jahre 1692 die Stadt zunächst
nach Osten erweitern und nannte den Hauptstraßenzug der Erweiterung zu Ehren Wilhelms
von Oranien, des englischen Königs, der 1678 das benachbarte Krakau hatte schleifen lassen
und damit Krefeld von dem alten Raubritternest vor seinen Toren befreit hatte (I, S. 66 — 69),
Königstraße. Aber schon im Jahre 1711 war auch nach Süden eine Erweiterung nötig geworden.
Hoch- und König-
straße woirden ver-
längert . Vor der Alt-
stadt breitete sich
im Lauf der Hoch-
straße ein neuer
Marktplatz aus.
Dieses neue Krefeld
reichte indessen bei
* Schoenfelder: Die
Entwicklung des Stein-
baues in Elberfeld von
seinen ersten Anfängen bis
zur Fertigstellung des alten
Rathauses. Mitteilungen
des Rheinischen Vereins
für Denkmalpflege und
Heimatschutz IV, S. 74 ff.
Abb, 220. Krefeld. Stadtplan. Der alte? Stadtkern dunkel angelegt.
Von links, nach rechts: Süden — Norden.
219
der schnellen Entwicklung der helmischen Seiden- und Samtindustrie und dem Zustrom der
Fremden kaum dreißig Jahre aus. 1739 mußte man die Hoch- und Königstraße auch nach
Norden ausbauen. Die Verlängerung der Hochstraße ist die Friedrichstraße. Der Bau der
katholischen Kirche des heiligen Dionysius machte im Jahre 1 752 eine Erweiterung der Stadt
nach Westen nötig. Eine sechste Erweiterung zog 1806 die Nordgrenze über den Friedrich-
platz hinaus. Krefeld hat so im Laufe des 18. Jahrhunderts seine bebaute Fläche um mehr
denn das Sechsfache vergrößert. Eine beispiellose Entwicklung für das Land am Niederrhein.
Der Ausbau der Stadt als einheitlicher Organismus ist künstlerisch nicht uninteressant.
Die Verlängerungen der Altstadthauptstraße laufen schnurgerade in die südliche und nörd-
liche Neustadt über. Alle Nebenstraßen sind parallel angelegt und werden von den Quer-
straßen rechtwinklig geschnitten, so daß die ganze Stadt von rechteckigen Häuserblocks und
Straßenzügen aufgeteilt wird; wie in Mannheim und Neuwied, das übrigens ebenfalls seine
Bauentwicklung im 18. Jahrhundert eingewanderten Reformierten, Mennoniten und Separatisten
verdankt, und andere fürstliche Neu-
stadtgründungen. Aber man kann bei
Mannhelm wie bei Neuwied kaum von
künstlerisch Interessanten Entwürfen
reden. Es ist Schema. Den recht-
eckigen Häuserblocks fehlt es an
Höhen- und Ausstrahlungspunkten,
welche die Stadtpläne von Erlangen
und Karlsruhe so reizvoll beleben.
Die Karlstadt zu Düsseldorf hat we-
nigstens den Vorteil, daß sich die
Neustadt den Altstadtstraßenzügen
bequem anzupassen wußte (Abb. 213).
Der Ausbau von Krefeld ist indessen
künstlerisch unvergleichlich interessan-
ter (Abb. 220). Man unterscheidet
zwischen breiten Verkehrstraßen und
schmäleren Wohnstraßen und hat den
Hauptstraßenzügen einen monumen-
talen Bildabschluß gegeben : der Rhein-
straße in der Dionysiuskirche, der
Wilhelmstraße in dem stattlichen]
Portikus des Mittelbaues vom Hause
Aku 991 v' ( ij u 7 u j" r I c • j ■ u wriui P von der Leyen, dem heutigen Rathause.
Abb. zzl. Krefeld. Haus „Zum Heyd , Lcke rnednch- u. Wilhelmstraße. _ _ _
Vgl . gegenüberliegendes Eckhaus Abb. 222 und Stadtplan Abb. 220. Dort, WO Wilhelm- Und Friedrichstraßc
220
sich begegnen, ist das Herz der Neustadt, von dem aus das Verkehrsleben durch d-e vier
breiten Straßenzüge pulsiert. Die Straßenecken der Kreuzung haben daher eine monumentale
Ausgestaltung erhalten. An der einen Ecke steht das Haus Heydweiler, heute im Besitz
der Familie von Beckerath (Abb. 221). Die drei Mittelachsen risalitartig zusammengefaßt,
vorgezogen und mit einem Giebel bekrönt mit dem Wappen der Heydweiler, einem Ritter
auf einem getöteten Drachen und der Inschrift ,,Zum Heyd". Dahinter ragt das mächtige
Mansardendach auf. Dem Heydweilerschen Haus gegenüber steht der Bau, den einst Johann
von der Leyen als Stadtpalais errichtete, bevor die Familie am Ende der Wilhelmstraße den
stattlichen Neubau mit den Kolonnaden aufführen ließ. Das Eckhaus an der Friedrichstraße
heißt jetzt allgemein das Flohsche Haus (Abb. 222). Es ist im Detail das vornehmste
der Krefelder Patrizierhäuser, über den Fenstern schweben Girlanden, und über dem Ein-
gang, von drei Konsolen getragen, ein geschweifter Balkon mit schönem Rokokogitter, in der
Mitte das Wappen der Familie Floh, über dem schmalen Mittelrisalit auf dem Dachgesims
eine Trophäe. Das Flohsche Wappen m
einer Kartusche, von einer Krone bedeckt
und umgeben von derben Kränzen und
Festons. Wie bei dem Haus „Zum Heyd"
führt seitlich ein Portal in den Hof, den
wieder niedrigere Flügel einrahmen.
Für die beiden anderen Ecken an der
Kreuzung von Friedrich- und Wilhelm-
straße waren ähnliche Monumentalakzente
vorgesehen; und von hier aus reihten sich,
möglichst mit gemeinsamem Hauptprofil
— die Häuser der Hauptstraße waren meist
dreigeschossig, die der Nebenstraßen zwei-
geschossig — , schlichte Bürgerhäuser anein-
ander, sparsam im dekorativen Schmuck,
bis zum Friedrichsplatz, der als Tor in die
Neustadt eine reichere Gestaltung erhielt;
an beiden Straßenecken je wieder ein statt-
liches Patrizierhaus. Das Scheiblersche
Haus, fünf zu zehn Achsen (Abb. 223).
Die vier Mittelachsen an der Friedrich-
straße haben ihre Fenster reicher gegliedert
und einen gemeinsamen Giebel mit zier-
lichen Ranken um die Rundfenster erhalten. Abb. 222. Krefeld. Flohsches Haus, Ecke Friedrich- u. Wilhelm-
Die dreiachsigen Seitenflügel neben dem ^'^^ß«- Vgl. gegenüberliegendes Haus Abb. 221 und Stadtplan
Abb. 220.
--^JKa
221
Giebelnsalit haben je einen eigenen Eingang. Die kleinen Butzenscheiben der Schiebefenster
tragen als Maßstab nicht wenig zu dem monumentalen Eindruck des stattlichen Hauses bei.
An der gegenüberliegenden Ecke steht das Jörgensche Haus (Abb. 224). Imposanter noch.
Das Erdgeschoß rustiziert. Die beiden Obergeschosse von durchlaufenden Pilastern zusammen-
gefaßt. Darüber ein antikisierender Architrav mit einem Giebel. Der Bau wird wahrscheinlich
erst im Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet worden sein.
Vor dem Stadttor, heute indessen innerhalb der Stadt, wäre dann noch ein Herrenhaus
des 18. Jahrhunderts zu erwähnen. Das neue Haus Krakau, das auf den Fundamenten der
geschleiften Burg errichtet worden ist (vgl. I, S. 66 ff.). Der villenartige Hauptbau, das
sogenannte ,,Hohe Haus", einstöckig mit einem Mansardendach (Abb. 225). Dazu das male-
rische Torgebäude, ebenfalls einstöckig mit einem Mansardendach (Abb. 226). In der Mitte
ragt der zweistöckige Torturm mit seiner lustigen Laterne über den Bau hinaus. An den Ecken
der beiden fünf achsigen Seitenflügel sind Pavillons angebracht.
über die Krefelder Baumeister des 18. Jahrhunderts sind wir leider gar nicht unterrichtet.
Bei der Einheitlichkeit des Ausbaues der Stadt zu einem künstlerischen Organismus sind aber
Abb. 2li. Krdcld. Scheiblersches Haus, Ecke f-iicdnclistraße und Fiadiiclii>Litz.
Vgl. gegenüberliegendes Eckhaus Abb. 224 und Stadtplan Abb. 220.
222
die einzelnen Bauten unter sich in der Gesamtanlage wie in der Einzelbehandlung sehr ver-
schieden. Die geographische Lage des damals schon zu Preußen zählenden, da zur Grafschaft
Mors gehörenden Krefelds, der Zustrom aus den Nachbarterritorien, JüHch und Berg an erster
Stelle zu erwähnen, dann die weit hinausführenden Handelsbeziehungen haben den Bauten
der Stadt so verschiedenen Charakter gegeben. In der Hauptsache liegt aber das künstlerische
Schwergewicht Krefelds am unteren Niederrhein. Die Schiebefenster mit den kleinen Butzen-
scheiben kehren an Privathäusern in Orsoy, Emmerich, Wesel und Rheinberg wieder
(Abb. 227, 231, 239, 240). Dem Niederrhein fehlte seit dem Tode Friedrichs I. von Preußen
zwar ein eigentliches Kunstzentrum. Cleve hatte seine Bedeutung verloren. Hier wie im
Lande war es künstlerisch still geworden. Und wo die Zeit dann und wann neue Aufgaben
stellte, lebten die alten Beziehungen zu den Niederlanden weiter. Da ist in Dinslaken das
Pfarrhaus (Abb. 231). Eine Hofanlage mit einrahmenden Seitenflügeln. Aber ganz schlicht.
Dann das ebenfalls schmucklose neue Herrenhaus auf Boetzelaer, aber dennoch von eigen-
artigem Reiz (Abb. 228). Die sonderbaren Fensterrahmen der Dachfenster sind uns schon
an dem Hause Krakau in Krefeld begegnet (Abb. 225, 226). Schloß Diersfordt bei Wesel
Abb. 224. Krefeld. Jorgensches Haus, Ecke f-nedrichstraße und Friedrichplatz.
Vgl. gegenüberliegendes Eckhaus Abb 223 und Stadtplan Abb. 220.
223
_Q
<
<
224
29
225
Abb. 229. Emmerich. .Am Geistmarkt. Vgl. Abb. 233.
Abb. 230. Haus Bock bei Pattern (Kreis Jülich).
226
Abb. 231. Dinslaken. Pfarrhaus.
alIj. jij. SlIiIui; Diusiüidt ijLi Wcici.
227
o
228
u
<
229
230
<
^—"=1
y \
X i
//
(t
lam
-O
<
>
<
231
hat damals eine neue Türumrahmung und neue Treppengeländer erhalten, deren Form wir
häufig in den Niederlanden wieder antreffen (Abb. 232).
Das gebrochene Mansardendach ist am unteren Niederrhein selten. Das schöne Eck-
haus am Marktplatz zu Rheinberg, dessen vortreffliche Wirkung in den letzten Jahren ein
Ladeneinbau gänzlich zerstört hat, ist geradezu eine Ausnahme (Abb. 227). Dann Haus
Schmithaus bei Cleve, halbwegs zum Rheinübergang nach Emmerich (Abb. 242). Ein
überaus reizvoller Sonderling im Cleverland, von einer Eleganz, die dem Lande sonst ganz
fremd ist. In der Mitte der zweistöckige Pavillon mit dem geschwungenen Dachprofil. Am
- , Mittelfenster des Oberstocks em Balkon
und über dem Fenster, m die Dach-
kuppel einschneidend, ein Giebelchen.
Einstöckige Flügel mit Mansarden-
dächern rahmen seitlich den mittleren
Pavillon ein. Ihre äußeren Achsen haben
Quadereinfassung und einen flachen
Rundgiebel erhalten. Em scharmantes
Häuschen. Geheimnisvoll aus dem Grün
an der Landstraße plötzlich auftauchend.
Das Titelbild zu einer galanten Erzäh-
lung aus dem liebenswürdig heiteren,
amourösen Jahrhundert des Rokoko.
Aber den Inhalt des Buches kenne ich
leider nicht. Ich habe von der Geschichte
dieses Hauses nichts erfahren können.
Die übrigen Bauten am unteren
! Niederrhein haben keine ähnHch ein-
schmeichelnde Silhouette. Teils blieb
der Backsteingiebel noch lange erhalten.
Meist aber schloß die Fassade scharf
mit einem Gebälkstück ab dort, wo die
Dachschrägebegann(Abb.228,239,240).
Die Silhouette des Daches trat jetzt mehr
und mehr zurück. Der einzige Schmuck
war der Türrahmen mit seinem Ober-
licht. Die zahlreichen Beispiele sind
echt holländisch. In Wassenberg die
Rokokogliederung der Kirchentür (Abb.
236) oder in Cleve eine strengere archi-
Abb. 241. Neuß. Rathaus. Vgl. Abb. 243.
232
tektonische Einfassung (Abb. 235). Meist ist das Oberlicht mit schmiedeeisernem Stabwerk
geschmückt, verschnörkelt wie die Anfangsbuchstaben einer hochwichtigen Urkunde der
Zeit. Das Monogramm des Hausherrn und die Jahreszahl von Linienranken umgeben. Cleve,
Emmerich, Wesel und andere Orte haben noch eine Reihe solcher Oberlichter (Abb. 229,
231 — 236). Dann Neuß (Abb. 234). Die traditionellen Beziehungen seines Bürgerhauses zum
unteren Niederrhein blieben auch im 18. Jahrhundert bestehen. Von Düsseldorf, von der
anderen Rheinseite schien aber keinerlei Anregung die kurkölnische Stadt erreicht zu haben.
Es ging immer mehr mit ihr an Bedeutung und Einfluß bergab (vgl. I, S. 85). Was das
18. Jahrhundert in Neuß geschaffen, sind meist harmlose Bürgerhäuser. Der einzige größere
Auftrag war der Ausbau der Rathausfassade (Abb. 241). Der Bau selbst stammt aus den
Jahren 1 634 bis 1 638. Aus dieser Zeit sind an dem Außenbau noch die beiden Ecktürmchen
und die getreppten Brandgiebel zu sehen. Baumeister C. Hermkes hat gegen Ende des
Jahrhunderts die Fassade klassizistisch umgebaut, die Einteilung indessen beibehalten. Das
Vorbild war Amsterdam mit Campens Rathaus und Vingboons Trippenhuis. Auch das Innere
des Neußer Rathauses hat damals neue Türen und Treppen erhalten (Abb. 243).
Abb. 242. Haus Schmithaus an der Clever -Emmencher Landstraße.
30
233
L/iisseldorf und Aachen waren im 18. Jahrhundert die beiden künstlerischen Ausstrahlungs-
punkte für das Land am Niederrhem. Düsseldorf als Residenzstadt für das Bergische Land,
Aachen als blühender Industrieort und viel besuchter internationaler Badeplatz für das Land
Jülich. Fremde Einflüsse haben zwar auch in diesen beiden Orten auf die heimische Bau-
weise stark eingewirkt. Das Ergebnis war aber ein Durchdringen heimischer Bauweise und
moderner Wohnbedürfnisse und Formen. Erst der Klassizismus war das Ende des heimischen
Backsteinbaues.
Wesentlich anders lagen die Verhältnisse im 18. Jahrhundert in der Freien Reichsstadt
Köln. Der starke künstlerische Einfluß Belgiens hatte schon gegen Ausgang des 17. Jahr-
hunderts die kölnische Eigenart des Bürgerhauses mehr und mehr verdrängt. Auswärtige
Meister kamen. Die einheimischen nahmen
ihre Formen und Bauweise auf. Auf den
Einfluß Belgiens folgte der Italiens und Frank-
reichs. Man mag diese Tatsache des Aus-
sterbens stadtkölnischer Eigenart in der Bau-
kunst als ein äußeres Zeichen des immer
mehr schwindenden Einflusses der Freien
Reichsstadt in der Politik wie im internatio-
nalen Großhandel ansprechen. Der klein-
lichen Wirtschaftspolitik entsprach das von
Neid und Mißgunst erfüllte kleinliche Zunft-
wesen, das jedes frische Leben zu unterdrücken
suchte. Hugo Rathgens hat an der Hand der
Zunftakten und Ratsprotokolle im Stadtarchiv
zu Köln über die Schwierigkeiten berichtet,
die die Zünfte dem trefflichen Bildhauer
Johann Franz van Helmont, dem Meister des
Machabäer-Altars in St. Andreas und der
Lauretanischen Kapelle in St. Maria in der
Kupfergasse, bereitet haben*. Seine Mit-
teilungen sind überaus interessante Belege
für den kleinlichen Geist, der durch Quali-
fikationsstreitigkeiten alles über das Hand-
werkliche Hinausgehende zu unterbinden
suchte. Aber das war bereits Kölner Tradition
geworden. Wir entsinnen uns doch, welche
* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmal-
Abb. 243. Neuß. Rathhaus. Vgl. Abb. 241. pflege und Heimatschutz. V. S. 64 ff.
234
Schikanen im 16. Jahrhundert ein Wilhelm Vernukken in Köln von Seiten der Kölner Zunft-
meister auszustehen gehabt hat, welche nörgelnde Kritik man an seiner Rathausvorhalle übte,
so daß er schließlich frohen Herzens der Stadt den Rücken kehrte (vgl. 1, S. 174 ff.).
Helmont machte ganz ähnliche Erfahrungen. Als er im Jahre 1715 bei dem Rat der Stadt
auf Grund von ,, Proben im Zeichnen und Bildhauerkunst" um die Meisterschaft einkam, v^urde
das Gesuch zur Begutachtung den Zünften weitergegeben, die es ablehnten. Drei Jahre später
kam Helmont von neuem bei dem Rat ein. Das Steinmetzenamt sollte entscheiden, ob der
Künstler ,,zum Bildhauen in Steinwerk privative berechtigt, im übrigen aber den Gaffel-
herren (d. s. die Zunftvorsteher) aufgetragen sein, des Helmont quahfikatlon weiter zu unter-
suchen undt demnächst zu schließlicher lesolution über die gebettene Meisterschaft ihr
sentlmentum zu erstatten". Damals arbeitete Helmont an seinem Machabäer-Altar (Abb. 246).
Man konnte ihm nur schwer die Meisterschaft nicht anerkennen. ,,In Ansehung seiner
Erfahrung" wurde ihm daher ,,das Recht zur Meisterschaft einwendens ungehindert in Gnaden
geschenket". Aber die Frage, ob er sich ,,als ein in Holz und Stein arbeitender Bildhauer"
bei der Steinmetzen- oder Schreinerzunft einzuschreiben habe, behielt sich der Rat noch vor
zu entscheiden. Das Steinmetzenamt protestierte und beantragte, Helmont jedes Arbeiten
In Marmor zu untersagen. Der Rat stellte sich aber auf Selten des Künstlers. Der Neid der
Zunftmeister ging indes so weit, daß sie im Jahre 1720 gewaltsam in Helmonts Haus in der
Streitgasse eindrangen und die ,,für sichere Herren verfertigte Marmelsteine" einfach mit
fortschleppten. Der Rat erhebt auf Helmonts Eingabe zunächst vergeblich Einspruch gegen
diese Vorgänge. Helmont muß von neuem beim Rat der Stadt wegen der Steine elnkommen
und erhält schließlich denn auch die Erlaubnis, neben Arbeiten in Holz auch „Bilder und
Laubwerk in allerhandt Steinwerk" bearbeiten zu dürfen, architektonische Arbeiten aber nur
in Marmor. Außerdem sollte er „des Mauerwerks sich zu enthalten schuldig sein". Trotz
der großen künstlerischen Erfolge wollte aber die Schreinerzunft selbst noch im Jahre 1728
die bei ihm verbrachte Zeit den Lehrlingen und Gehilfen für die Frist zur Erlangung der
Meisterschaft nicht anerkennen. Das sind Dokumente der übelsten Spießerei!
Köln war schon lange nicht mehr kurfürstliche Residenz, und damit entbehrte die alternde
Stadt gerade das wesentliche Moment baukünstlerischen Aufschwunges für das 18. Jahr-
hundert gegenüber Städten wie Düsseldorf, Münster, Bonn und Brühl, Trier und Koblenz.
Ihr fehlten ein Jan Wellem und Karl Theodor, ein Josef Clemens und Clemens August. Unter
dem behäbig dahinlebenden Patriziat fehlte es an Kunstmäzenen. Der letzte Jabach aus der
großen Kölner Mäzenatenfamilie, die in ihrem stattlichen Wohnhause in der Sterngasse in der
Hauskapelle Dürers sog. Jabachschen Altar besaßen, die bei Rubens das große Altarbild der
Kreuzigung Petrl für die Peterskirche bestellte, die sich von Ludwigs XIV. Lieblingsmaler
Charles Lebrun in einem großen Familienbild darstellen ließ, deren Stammhaus mit seiner
prachtvollen Inneneinrichtung und den Kunstsammlungen Goethe im Jahre 1774 und dann
bei seinem späteren Besuch im Jahre 1815 begeisterte, starb 1754. ,,Wenn man von der
235
Kunstgeschichte einer Stadt reden darf, dann endigt diejenige Kölns mit dem Ausgange dieses
stolzen Mäzenatentums. Es ist, als wolle das glänzende Schauspiel einer so vornehmen Kunst-
pflege die unbarmherzige geschichtliche Wahrheit von dem Niedergange der stolzen Stadt
des Mittelalters in letzter Stunde noch Lügen strafen."*
über den Einfluß belgischer Barockarchitektur und Dekoration in Köln, über die Jesuiten-
kirche und andere kirchliche Schöpfungen und Profanbauten war schon im ersten Bande kurz
die Rede (vgl. I, S. 264). Die wichtigsten Bauten sind schnell aufgezählt**.
Der älteste belgisch-barocke Profanbau in Köln war die Domdechanei des Dom-
dechanten Franz Egon von Fürstenberg am römischen Nordtor aus den Jahren 1657 und 1658.
Erhalten ist von der stattlichen Anlage aber nur eine alte Aufnahme des Portalbaues (Abb. 245).
Den flachen Segmentbogen, den über dem Tordurchgang Pilaster tragen, schmückt das
Fürstenbergische Wappen. Als Bekrönung des Portals ist ein springendes Pferd aufgestellt.
An Stelle der Kreuzfenster sind barocke Fensterrahmen getreten, in regelmäßiger Achsen-
aufteilung zueinander angeordnet. Diese syinmetrische Aufteilung ist eines der charakteristi-
schen Momente, die die alte Kölner Bauweise mit ihren malerisch unregelmäßigen, sich
lediglich aus der inneren Anordnung ergebenden Aufteilung der Fassade ablösen. Das Haus
zum Goldenen Bär, Severinstraße Nr. 18, vom Jahre 1676 ist wegen der alten spätgotischen
Fensterrahmen ein besonders interessantes Beispiel***. Der Bau stammt von Meister Hein-
rich Deutz. Der unterbrochene, geschweifte Barockgiebel geht auf die Jesuitenkirche zurück.
(I, Abb. 186). Noch konsequenter ist die symmetrische Aufteilung mit ihren guten Verhält-
nissen bei dem Hause zum Maul-
beerbaum vom Jahre 1697 (vgl.
I. Abb. 273).
Der Einfluß belgischer Barock-
architektur hält in Köln noch in
den ersten Jahrzehnten des fol-
genden Jahrhunderts an und hat
* Renard: Köln. (Seemanns Berühmte
Kunststätten.) Leipzig 1907. S. 191.
* * Düsseldorf und Aachen gegenüber kann
ich mich bei der Aufzählung der Kölner Bauten
knapper fassen, da wir die in der , .Baukunst
am Niederrhein" schon oft angeführte aus-
gezeichnete Darstellung von Hans Vogts
über „Das Kölner Wohnhaus bis zum An-
fang des 19. Jahrhunderts" (Köln 1914) be-
sitzen, während das Düsseldorfer und Aachener
Wohnhaus bisher noch gar nicht übersichtlich
bearbeitet worden ist. Ich verweise auch an
dieser Stelle noch einmal auf die fleißige
Materialsammlung bei Vogts.
Abb. 244. Köln. Ehemaliges Canto-Haus. Vgl. Abb. J47. *** Vgl. Renard a. a. 0.. Abb. 169.
236
hier im Jahre 1710 den umfangreichsten privaten Wohnbau der Stadt geschaffen, der den
Gesamtvorrat der städtischen Ziegelwerke aufgezehrt hat. Es ist das sog. Canto-Haus, das
Haus des Geldwechslers Lambert Canto an der Pfaffengasse. Es ist ein nachgeborener Bruder
der Fürstenbergischen Domdechanei, aber weit stattlicher. Er war wohlhabender und hat auch
eine bessere Karriere gemacht, denn später wurde der Bau die Residenz des päpstlichen Nuntius
(Abb. 244). Zu beiden Seiten des Portals gliedern Keilsteinfenster die Backsteinflächen der
Fassade. Nach dem Hof zu öffnet der Torbau sich in breiten Arkaden, mit Stuckornamenten
in den Bogen (Abb. 247). Der stolze Bau ist leider, wie der Portalbau der Domdechanei,
nicht mehr erhalten.
Neben diesen Bauten wäre noch eine Anzahl anderer aufzuführen*. Im ganzen bleibt die
heutige Auslese indes gering. Das 19. Jahrhundert hat nur allzu radikal mit den Anlagen des
17. und 18. Jahrhunderts in Köln aufgeräumt, und der Stilpurismus mit den zahlreichen
barocken Kanzeln und Altären.
Um das reiche Bild von der Be-
deutung des belgischen Barock-
einflusses wenigstens einiger-
maßen anzudeuten, müßte man
schon die Hauptstücke der deko-
rativen Architektur anführen. Da-
mals, um die Wende des 17. und
18. Jahrhunderts, lebten in Köln
die niederländischen Bildhauer
und Maler Johann Franz van
Helmont aus Nordbrabant, Gel-
dorp Gortzius, Toussaint
und Johann van Damm aus
Antwerpen, Martin Vinx aus
Mecheln und andere mehr. Hel-
mont scheint der bedeutendste
unter ihnen gewesen zu sein.
Seine beiden hervorragendsten
Kölner Arbeiten, der Machabäer-
Altar in St. Andreas und die Lau-
retanische Kapelle in St. Maria
in der Kupfergasse, sind noch
erhalten.
* Vgl. Vogts a.a.O., S.40I ff.
Abb. 245. Köln. Ehemalige Domdechanei.
237
Abb. 24(j. Kühl. St. -Andreas-Kirche. Machabäer- Altar.
238
Der Machabäer-Altar, um 1717 für den Chor der Machabäerkirche verfertigt, nach
dem Abbruch dieser Kirche im Jahre 1808 im südlichen Querarm von St. Andreas auf-
gestellt, ist eine grandiose Arbeit von virtuosem Können (Abb. 246). Die heutige Aufstellung
ist außerordentlich günstig und umgibt den herrlichen Altar mit der Fülle des durch die bunt
verglasten hohen Fenster eindringenden, gedämpften Tageslichtes. In der Mitte der mit
Pilastern gegliederten Nische steht, umgeben von schwebenden Putten, Salome mit ihren
drei jüngsten Söhnen. Die vier älteren stehen außerhalb der Nische. Ausgezeichnete Gestalten,
vornehm in der Haltung und ohne barocke Übertreibung in den Gewandfalten wie in der
Bewegung, über dem gebrochenen Giebel, den gewundene Säulen tragen, während auf glatten
Säulen seitlich davon die Gebälkfortsetzungen ruhen, sind allegorische Gestalten des Glaubens
mit ihren Attributen angebracht. Zwischen ihnen, in den Wolken schwebend und von Engeln
umgeben, der heilige Benediktus. Hoch oben dann Gott Vater. Der architektonische Aufbau
zeigt dieselbe klangvolle Schönheit wie die einzelnen Gestalten, über die beiden zu äußerst
stehenden Figuren der ältesten Söhne der Salome, die übrigens mit ihren Lanzen den seit-
lichen Abschluß des Altarbaues wirkungsvoll betonen, gleitet das Auge hinauf zu dem Giebel:
von der statuarischen Ruhe zu einem bewegten malerischen Barock. Dem Reichtum der
Darstellung in der Nische und über dem Gebälk entsprechen die gewundenen Säulen und
verkröpften und unterbrochenen Gebälke, gegenüber den glatten Säulen, die zu den seitlichen
Figuren überleiten. Eine Brüstung mit kunstvollen Schnitzereien schließt den Aufbau nach
dem Kircheninneren ab.
Helmont stammt wie Grupello in Düsseldorf aus dem Kreise um Artus Quellinus und
Rombout Verhulst. Grupello ist
er m vielem vielleicht noch über-
legen. Die Vornehmheit seiner
Gestalten kommt an Schönheit
der Linie und Haltung den besten
Arbeiten des Quellinus nahe.
Neben dem Machabäer - Altar
hat Helmont in Köln für St.
Johann Baptist eine Kanzel
und für St. Kolumba einen
Hochaltar geschaffen*. Die
Lorettokapelle in St. Maria
in der Kupfergasse ist eben-
falls eine fabelhafteSchnitzarbeit.
* Mittellungen des Rheinischen Vereins
für Denkmalpflege und Heimatschutz. Jahr-
gang V. Heft I. Taf. IV und Abb. 37.
Abb. 247. Köln. Hof des ehemaligen Canto-Hauses. Vgl. .Abb. 244.
239
Die Kapelle ist mit großer Geschicklichkeit in den schmalen Kirchenraum hineinkomponiert
worden (Abb. 248). Die eine Seite lehnt sich an die äußere Kirchenwand der Portalseite. Die
drei anderen sind auf das reichste geschmückt. Doppelpilaster, zwischen denen Fruchtgehänge
schweben, rahmen geschnitzte Szenen ein. An der nach dem Altar gewandten Seite die
Madonna auf Wolken mit dem Christusknaben. Darüber, von Engeln getragen, das Wappen
der Stifter, des Grafen Johann von Oxenstiema und seiner Gattin, der Gräfin Anna Elisabeth
von Limburg-Stymm. Unten der heilige Ignatius von Loyola und der heilige Franz Xaver.
An den Seitenflächen große Holzreliefs der Anbetung der Hirten und der Weisen aus dem
Morgenlande*.
Die Tätigkeit der italienischen Meister Henrico Zuccali und Antonio Riva m Bonn im
Dienste des Kölner Kurfürsten am Bau des Residenzschlosses und des Matteo di Alberti mit
seinen zahlreichen Mitarbeitern am Hof zu Düsseldorf und Bensberg konnte schließlich trotz
der langjährigen engen Beziehungen der Freien Reichsstadt zu Belgien auf die Bautätigkeit
Kölns nicht ohne Einfluß bleiben. Die Ursulinerinnenkirche in der Machabäerstraße
soll nach den Angaben von Mering und Reichart von den ,, Meistern von Schloß Bensberg"
stammen. Georg Dehio nennt als Baumeister direkt Matteo di Alberti**. Ich kenne die
Unterlagen der beiden Angaben nicht. Die Turmhauben an den Ecken seitlich des die Fassade
bekrönenden Segmentbogens erinnern allerdings an die Turmhauben von Schloß Bensberg***
(Abb. 29). Echt italienisch ist ferner, im Gegensatze zu den belgisch barocken Kirchenfassaden
des 17. Jahrhunderts in Köln, etwa St. Maria in der Schnurgasse, die klare Aufteilung der
Fassade der Ursulinerinnenkirche mit durchlaufenden Pilastern nnd das einschiffige Tonnen-
gewölbe des Inneren. Nach Vogts soll die an den Kölner Rat eingesandte Entwurfsskizze der
Kirche von einem „Rekommanditionsschreiber" des Kölner Kurfürsten stammenf. Von den
Bonner Meistern finden wir später im Dienste des Düsseldorfer Hofes Antonio Riva wieder.
Vielleicht käme auch er neben Matteo di Alberti als Baumeister der Ursulinerinnenkirche zu
Köln in Frage. Der Bau ist in den Jahren 1709 und 1712 errichtet worden.
Eine direkte Beziehung zu den im Dienste der bergischen Regierung stehenden Baumeistern
gab der Neubau des bergischen Hofkammerpräsidenten Grafen von Nesselrode -Ehreshoven
auf dem Neumarkt. Es ist das vornehme Haus, das nach seinem späteren Besitzer, dem Grafen
von Manderscheid-Blankenheim, allgemein als Manderscheid-Blankenheimscher Hof
bekannt war. Die Originalzeichnung der Fassade ist im Historischen Museum der Stadt Köln
noch erhalten und unterscheidet sich nur wenig von der späteren Ausführungff. über dem
rustizierten Erdgeschoß teilen durchlaufende jonische Pilaster die beiden siebenachsigen Ober-
* Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. Jahrgang V. Heft I. S. 78u.79. Abb. 41 u.42.
** F. V. Mering u. Reichart: Bischöfe und Erzbischöfe von Köln. Köln 1844. — Georg Dehio: Handbuch der deutschen
Kunstdenkmäler. Berlin 1912. Band V. S. 290.
*** Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz. VIII. S. 171. Abb. 88 und 89.
t Vogts a.a.O.. S.407.
tt Vgl. Vogts a.a.O., Abb. 138. - Renard a.a.O. Abb. 174
240
Abb. 248. Köln. St. Maria in der Kupfergasse. Lorettokapelle.
31
74!
geschosse auf. Mittelachse und äußere Scitenachsen sind ein wenig risalitartig vorgezogen,
über der Mittelachse in dem abschließenden Segmentbogen das Wappen des Bauherrn. Das
Detail der Fensterrahmen mit ihren Konsolen und der Profile war in der klassischen Durch-
arbeitung der Formen die Veranlassung, daß man bisher den Bau stets für eine weit spätere
Schöpfung aus den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts hielt. Der entwerfende Baumeister
ist nicht bekannt. Alberti, Bartolus, Riva und die anderen führenden Baumeister am Hofe
Jan Wellems waren zur Zeit der Erbauung des Nesselroder Hofes zu Köln nicht mehr unter
den Lebenden. Von den unter Karl Philipp in bergischen Diensten tätigen Architekten wissen
wir nichts Bestimmtes. Ausgeführt wurde der Bau von dem Kölner Baumeister Nikolas
Krakamp. Er steht leider seit einigen Jahren auch nicht mehr, nachdem er in den letzten
Jahrzehnten als Offizierkasino gedient hat.
Um diesen stattlichen Bau als Ausgangspunkt sammelt sich noch eine Reihe anderer Herren-
häuser, so das Haus Unter Goldschmidt Nr. 5 u. a.*. Dann die Häuser der aus Kölner
Patriziat hervorgegangenen Adelsgeschlechter der Herren und Freiherren von Groote, von
Mylius, von Mering, von Beywegh, von Mülheim, von Zum Busch, von Kempis, von Geyr u. a.
Aber diese späteren Bauten zählen schon zu der letzten Phase der Wandlung Kölner Baukunst
im 18. Jahrhundert. Es sind französische Stadtpalais.
Beim Ausbau des Bonner Residenzschlosses waren auf die Italiener Zuccali und Riva die
französischen Meister Robert de Cotte und Michael Leveilly gefolgt, wie am Düsseldorfer
Hofe auf den Venetianer Alberti der Lothringer Pigage. Robert de Cotte hat Zuccalis italienische
Quattro-Torre-Anlage mit dem von Arkaden aufgeteilten Binnenhof nach dem Hofgarten zu in
eine französische Cour d'honneur umgewandelt. Auch Albertis Schloßbau zu Bensberg zeigt
diese seltsame Mischung italienischer und französischer Formen. Robert de Cottes Schloß
zu Poppeisdorf ist dagegen eine der zahlreichen französischen Idealarchitekturen, die seit den
Entwürfen der Du Cerceau aus dem 16. Jahrhundert die französischen Baumeister immer
wieder beschäftigt haben**. Mit dem kurkölnischen Residenzschloß zu Brühl werden die bau-
künstlerischen Beziehungen zu Italien noch mehr gelöst. Die Italiener (Castelli, Morsegno,
Artari u. a.) kommen nur noch als Stukkateure und Schmuckkünstler vor. Die eigentliche
baukünstlerische Leitung lag in den Händen von Franzosen, der Robert de Cotte, Fran^ois
Cuvillies und Michael Leveilly. An Stelle eines italienischen Binnenhofes ist von Anfang an
eine Cour d'honneur entworfen worden. Nach dem Vorbilde von Versailles hat der voll-
kommen französisch angelegte Park ebenfalls sein Grand und Petit Trianon erhalten, die Lust-
schlösser Entenfang und Falkenlust. Diese glänzende Residenz mit ihrer prachtvollen Aus-
stattung und die zahlreichen französischen Meister im Dienste des Kölner Kurfürsten und
die von diesen mehr oder weniger abhängigen deutschen Mitarbeiter gewannen Einfluß in Köln.
* Vgl. Vogts a. a. 0., Abb. 139, 140 und S. 409 bis 4! 1 .
** Die Schlösser Bonn und Poppeisdorf bei Clemen: Kunstdenkmäler des Stadt- und Landkreises Bonn. Düsseldorf 1905,
Abb. 96 ff., 158 ff.
242
<
>
03
o
a
:^
u3
<
31«
243
Der erste Vermittler zu Schloß Brühl war der westfälische Baumeister Johann Konrad
Schlaun. Von ihm stammt aus den Jahren 1725 bis 1728 der Rohbau des Schlosses. In den
folgenden Jahren beschäftigte ihn in Köln bis 1731 der Neubau des Jesuiten-Gymnasiums
in der Marzellenstraße. Der Bau hat in den letzten Jahren beseitigt werden müssen*.
Schlauns Mitarbeiter waren Jakob Bourscheid und Adam Dechen. Sie wie die
anderen heimischen Meister, die Krakamp, Göbbels usw. nahmen die neuen Formen auf.
Nikolas Krakamp, der im Jahre 1728 das Haus Nesselrode auf dem Neumarkt ausgeführt
hat, baute 1752 das Haus von Groote, Glockengasse Nr. 3, 1754 das Haus von Geyr,
Breite Straße Nr. 92, in der Weberstraße das Palais des Oberjägermeisters von Weichs.
Von Heinrich Nikolas Krakamp stammen die Häuser von Mülheim in der Gereon-
straße Nr. 12 und von Monschau, Severinstraße Nr. 218. Von Adam Dechen das Haus
der Grafen Fugger in der Trankgasse vom Jahre 1726 und das Haus Wichterich von
1 730, ebenfalls für die Fugger usw. Aber man wird gut tun, diese einheimischen Meister
nicht als die entwerfenden Künstler, sondern, wie Nikolas Krakamp beim Hause Nesselrode,
lediglich als ausführende örtliche Bauleiter anzusprechen. Man möchte eher an die Bonner
und Brühler Hofbaumeister denken, an die Roth, Dupuis, Hauberat, Leveilly u. a. Leider
sind von den seit den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts zahlreich entstandenen Kölner
Stadtpalais heute nur noch das Haus der Herren von Mülheim, das heutige Erzbischöfliche
Palais, und das Haus der Herren von Monschau erhalten.
Der vornehmste Bau dieser Gruppe der Kölner Stadtpalais war das Haus der Herren
von Geyr, Breite Straße Nr. 92, das vor einigen Jahren mit seiner gesamten kostbaren Aus-
stattung und seiner Gartenanlage an Ort und Stelle abgetragen worden ist (Abb. 250. 249).
Im Grundriß eine echt französische Anlage**. Frangois Cuvillies Jagdschloß Falkenlust im
Brühler Park von 1730*** und Heinrich Roths einstiges Jagdschloß Herzogsfreuden, Joie le
Duc, bei Röttgen im Kottenforst bei Bonn von 1754t und andere Anlagen des kurkölnischen
Adels, die sich um die landesherrlichen Schlösser zu Bonn und Brühl sammeln und nach
Blondels Wohnhaustyp der Maison de plaisance entworfen sind, wurden vorbildlich für die
Kölner Stadtpalais, wenn auch hier und da alte Kölner Baueigenarten in der Anlage Ver-
änderungen und Abweichungen durchsetzten. Vestibül und Gartensaal, der mit drei Seiten
eines Achtecks risalitartig über die Gartenfront hinausragt, bilden, wie bei den Maisons de
plaisance, auch bei dem Hause von Geyr die Hauptachse, und die anderen Räume gruppieren
sich, wenn eben möglich, symmetrisch um diese (Abb. 249). Ein wenig zurückliegend reihen
sich an die siebenachsige Vorderfront des Herrenhauses seitlich noch je vier Fensterachsen an,
* Vgl. Edmund Renard: Die Bauten der Kurfürsten Joseph Clemens und Clemens August von Köln. Bonner Jahrbücher
1896. — Heinrich Hartmann: Johann Konrad Schlaun. Münster 1910. — Hans Vogts: Die Bauten des Gymnasiums
Tricoronatum. Festschrift des Marzellen-Gymnasiums. Köln 19H.
** Abb. 16 bei Vogts, a.a. O.
*** Renard: Die Bauten der Kurfürsten usw. Abb. 19. — Felix Dechant: Das Jagdschloß Falkenlust. Aachen 1901.
Taf. I, II.
f Renard a.a.O., Abb. 47. — Clemen: Kunstdenkmäler des Stadt- und Landkreises Bonn, Abb. 229 ff.
244
und ihre beiden äußeren an jeder Seite sind der Abschluß der beiden Seitenflügel für Stallung,
Bedienung und Wirtschaftsräume, die nach dem Hof zu das Herrenhaus in der Tiefe um das
Doppelte überragen. Ein geschwungenes Mauer- und Gitterwerk schließt den Hof. Dahinter
dann der französische Garten mit dem langen, schmalen, grünen Teppich, zu beiden Seiten
von Alleen begleitet*. Für die Wageneinfahrt in den Hof war zwischen Herrenhaus und dem
rechten Seitenflügel im Erdgeschoß der Vorderfront eine breite Durchfahrt angebracht.
In der vornehm zurückhaltenden Schlichtheit der Fassade erlänzte der Schmuck der Mittel-
achse (Abb. 250). Rokokoformen
zierten die Tür- und Fenster-
schlußsteine und die Pilaster der
beiden Stockwerke ; ein kapriziös
gezeichnetes Oberlicht den Ein-
gang; ein reizvolles Gitterwerk
den Balkon ; Putten auf den
Pilastern des Hauptstockwerks
rahmten das Wappen des Bau-
herrn Josef Balthasar von Geyr
und dessen Gattin Agnes Aegidia
von Fays - Adnmont ein. Von
entsprechendem Reichtum war
die Ausstattung des Gartensaales
mit seiner kostbaren Wandbeklei-
dung. Sie ist später in das Kölner
Kunstgewerbemuseum gelangt
(Abb.249). Vier wertvolle Teppich-
wirkereien mit Parklandschaften,
über den Türen und dem Kamin-
spiegel Schäferszenen in reicher
Rokokoumrahmung. Ein Zettel
auf der Rückseite der Gobelins
erzählt uns von der Herkunft der
Arbeiten : „Dieses Zimmer", heißt
es, ,, wurde mit Tapisserien aus-
gestattet und vollendet Ende März
1765. Ich hatte dieHautelisse her-
stellen lassen in der königlichen
* Situationsplan bei Vogts a. a. 0.,
Abb. 37.
Abb. 230. Köln. Ehemaliges Haus v. Geyr, Breite Straße 92. Vgl. Abb. 249.
245
Fabrik von Aubusson In Frankreich von einem Meister Fouriere. Gott bewahre sie vor allem
Unheil und bösen Zufällen."
Ähnlich in der Anlage und wieder nach der Rückfront mit einem vorgezogenen Garten-
saal sind die Häuser von Mülheim vom Jahre 1758 und von Monschau von 1769. Aber die
schlichteren Gliederungen des Klassizismus haben die heiteren Schmuckformen des Rokoko
verdrängt. Das Haus Mülheim hat übrigens nicht, wie das Haus Geyr, Wohnbau und
Wirtschaftsflügel zu einer gemeinsamen Hofkomposition vereinigt, sondern hat eine eigene
„basse cour", einen getrennten Wirtschaftshof*. Zu beiden Seiten des Haupteinganges halten
gewundene Schlangen die Leuchterlaternen. Schlichte, unten vorgebauchte Gitter schliefen
die Erdgeschoßfenster ab (Abb. 253).
Bei dem anderen von Heinrich Nlkolas Krakamp ausgeführten Hause, dem für die Herren
von Monschau, ist der Name des entwerfenden Baumeisters bekannt. Es ist der Karmeliter-
pater Leopold de Santo Josefo**. Wieder ist alle reichere Gliederung auf die Mittelachse
konzentriert. Karyatiden tragen den Balkon. Ranken rahmen die Balkontür ein, und ein reicher
Giebelaufbau mit dem Wappen des Bauherrn bekrönt den Schmuck der Mittelachse (Abb. 252).
Mit dem Auftreten des Klassizismus schwanden auch in Köln die reichen bunten Wand-
teppiche. An ihre Stelle traten Papiertapeten, meist mit römischen Veduten, z. B. im
Hause Peters am Marienplatz (Abb. 251). Franz Josef Manskirch (1770 bis 1821) war
ein Kölner Spezialist für dergleichen Wanddekorationen, entweder auf Papier oder Leinewand.
Landschaften oder Veduten mit figürlicher Staffage, die aber nicht mehr so streng architektonisch
dem Wandrahmen angepaßt sind wie die Wandteppiche, sondern als kleinere Darstellungen,
in schmale Leisten gefaßt, die Wand beleben. Als Wand- und Flächenschmuck im Sinne der
geschlossenen Raum- und Wandgestaltung sind die Relief tapeten aus dem Schmitzschen
Hause auf dem Laurentzplatz aus der Zeit der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert das
Richtigere***: Auf hellgrünem Grund die klar gezeichneten Umrißbilder der antiken Götter-
weh und Allegorien. Wie die Überlieferung des Hauses erzählt, soll der alte Kanonikus Wallraf
diese Tapeten aus Paris mitgebracht haben.
Die schlichten mageren Formen des Klassizismus begleiteten den Ausbau der Stadt Köln
in das neue Jahrhundert hinein. Aber so weit einheimische Baumeister unabhängig waren
von kurkölnischen Hofarchitekten, rettete sich noch manche stadtkölnische Eigenart in die
neue Zeit hinein. Viele der Häuser zählen nur drei Achsen. Die breit gelagerte klassizistische
Fassade ließ sich hier nicht ohne weiteres übertragen. Volutengiebel und Kranenbalken
wurden noch oft beibehalten, oder der untere Teil des Satteldachgiebels durch sog. Flabes-
mauern verdeckt, über die dann die Giebelspitze hinausragt. Der Hauptschmuck der schmalen
Bürgerhäuser war das Portal mit oft allerliebsten Gliederungen und Oberhchtern. Das neue
* Situationsplan bei Vogts a.a.O., Abb. 38.
** F. Kreuter: Wanderungen durch das mittelalterliche Köln. Köln um 1840. — Vgl. dazu Merlo a.a.O., Sp.37l unter
Benedikt Josef Matthaei.
*** Vgl. Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Hemialschutz. V. Heft I. Taf. VI.
246
Abb. 251. Köln. Haus Peters, Marienplatz 24.
247
Stadthaus hat eine Reihe dieser Türrahmen aUer Bürgerhäuser, die ihm geopfert werden
mußten, bei sich wieder aufgenommen, so von dem Haus ,,Zum Pfauen" an der Sandbahn
Nr. 12 das reizvolle Portal, das heute in der Großen Sandkaul steht (Abb. 254).
Aber auch in der grundnßlichen Anlage größerer Bürgerhäuser, die nicht den Gedanken
eines Stadtpalais mit Gartensaal und Vestibül als Mittelachse entwickelten, blieb manche
niederrheinisch-kölnische Baugewohnheit beibehalten, vor allem, wenn Wohnhaus und Kauf-
mannsräume in einem Bau vereinigt waren. Severinstraße Nr. 2 1 4 war das Haus des Holz-
händlers und Brückenzollpächters Jacob Fuchs vom Jahre 1769. Das Tagebuch des Sohnes
des Erbauers beschreibt uns eingehend das stattliche Haus mit seiner noch heute vorhandenen
schönen Ausstattung*: ,,. . .An der Erde ein schönes großes Vorhaus, rechts beim Herein-
kommen zwei hochgestochene, schön tapezierte Zimmer mit eichenen Lamperien. Links
etwas tiefer eine majestätisch italienische Treppe bis auf die Speicher, wodurch man von
unten herauf das innere Dach sehen kann. Unter dieser Treppe sind Speisevorratskammern
angebracht. Gartenwärts ein großer Saal neben der Treppe mit schönem französischen, mit
Kupferplatten unten und seitwärts belegtem Kamin von Marmor. Die Wände sind bemalt
mit meines Vaters Holzhandels- und
Floßgeschichte. Neben demselben ein
Gang, der zum Garten führt, daneben
ein recht nettes Domestikenzimmer
mit einem Eingange in die demselben
zur Seite gelegene große Küche. Neben
der Küche folgte ein escalier de robe
von Stein, der bis zum ersten Stock
des Haupthauses und auf die Zimmer
des Nebenhauses führte**." ,,Im
ersten Stock fand sich ein durchaus
heller, ganz breiter und mit dem
schönsten holländischen Bord belegter
Gang, auf welchen alle rechts und
links befindhchen Zimmer ausgingen.
Straßenwärts betrat man einen großen
Saal in Gips mit den kunstreichsten
basreliefs, mit schönem Frankfurter
Spiegel, mit einer reichen Lamperie
und mit den modernsten Gardinen
Abb. 252. Köln. Haus von Monschau, Severinstraße 218.
* Vogts, a.a.O. Abb. 132-155.
** Vgl. dazu Grundriß und Schnitte bei Vogts
a.a.O., Abb. 152 und 154.
248
versehen." „Die Borde des Bodens, alle in Holland geschnitten, hatten eine ungewöhnliche
Breite und die ganze Länge des Saales. Links beim Hereinkommen fand sich ein Kabinett,
worin die Gipswände grün gestrichen, und ein Altkof, mit zwei Glastüren befaßt. Rechts
des Saales kam man in ein großes Zimmer, dessen Wände von Gipsmarmor und unter
dessen Plafond rundum eine prächtige Girlande von Früchten, mit Blumen durchwunden,
alles von Gips. Auch hier war das Gebunn, die Lamperien, Spiegel und Vorhänge wie im
Saal. Gartenwärts gab es zwei nebeneinander gelegene große Schlafzimmer mit wirklich
prächtigen Betten, Spiegeln und Vorhängen. Zwischen dem ersten und zweiten Stock war
ober dem Domestikenzimmer eine Hangstube, die sehr angenehm war, weil man von da aus
das ganze Haus und auch den Garten übersehen konnte. Neben dieser Hangstube über der
Küche her wars Comptoir. . . . Die Speicher, deren drei übereinander waren. Hier ließen
sich 2000 Malter Korns aufspeichern. War er leer, dann brauchten wir ihn als Tanzsaal. . . ."
Aber man darf aus dieser Beschreibung des stattlichen Bürgerhauses keine allzu weiten
Schlüsse auf die Bautätigkeit und die Wohnkultur der alternden Freien Reichsstadt ziehen,
die sich am Ausgange des 18. Jahrhunderts keineswegs mit den aufblühenden Städten Düssel-
dorf und Aachen vergleichen konnte. Ein gewisser Wohlstand herrschte zwar noch immer.
Aber das geistige, soziale, politische und sittliche Leben war verrottet. Man muß in der gerade
um die Wende des Jahrhunderts beliebten Rheinreiseliteratur nachblättern. Frankfurt und
Mainz sind dem Reisenden heitere blühende Handelsstädte, Koblenz, Ehrenbreitstein, Engers,
Neuwied und Bonn freundliche Residenzen. • Köln dagegen, die , .schlimmste Pfaffenstadt"
an der ganzen ,, Pfaffenstraße", ist die allgemeine Enttäuschung der Rheinreisenden. ,,Wie
wenig stimmt das Innere dieser weitläufigen, aber halb entvölkerten Stadt mit dem viel ver-
sprechenden Anblick von der Flußseite überein," schreibt George Forster nach seinem
Besuche vom Jahre 1789. Die Reisenden klagen über schlechtes Pflaster, schmale und
schmutzige Gassen, alte Häuser und über die
Menge von Tagedieben und ,, Scharen von ^ 4Jt jj
zerlumpten Bettlern", die Forster auf allen *^^
Straßen herumschleichen sah. Als besonderes
Charakteristikum Kölns erwähnt er den Brauch
der Kölner Bettler und Eckensteher, daß sie
,,ihre Plätze an den Kirchentüren erblich
hinterlassen oder zum Heiratsgut ihrer Töchter
schlagen". Dann weiter: ,, Diese zahlreiche
Bande von Sitten- und gewissenlosen Bettlern,
die auf Kosten der arbeitenden Klassen leben,
geben den Ton an. Der Magistrat, der den
Protestanten bereits freie Religionsübung auu 9^^ i^ i u \a-\u- r . n 19
^ = Abb. ZD:>. Köln. Haus von Mülheim, Ijereonstraue \l.
innerhalb der Stadtmauern beWilhgt hatte, Heute Erzbischöfliche Residenz.
249
mußte seine Erlaubnis wieder zurücknehmen, weil der Aberglaube des Pöbels mit Aufruhr,
Mord und Brand drohte. Dieser Pöbel, der beinahe die Hälfte der Einwohner, also einen
Haufen von 20000 Menschen ausmacht, hat eine Energie, die nur einer besseren Lenkung
bedürfte, um Köln wieder einiges Ansehen zu bringen." Aber ,,die Geistlichen aller Orden,
die hier auf allen Wegen wimmeln", wissen sich der Menge zu bedienen: ,,Die Bettlerordeii
sind ihre Miliz, die sie am Seil des schwärzesten Aberglaubens führen, durch kärglich ge-
fpendete Lebensmittel in Sold halten und gegen den Magistrat aufwiegeln, so bald er ihren
Absichten zuwider handelt." Das katholische Rom ist für Forster die Stadt heiterer Freude,
Köln dagegen die Stadt ,,schwarzlallichten Fanatismus", denn ,, nirgends erscheint der Aber-
glaube in einer so schauderhaften Gestalt als in Köln". Das sind in der Tat düstere Bilder,
das ,, sichere Zeichen eines zerrütteten, schlecht eingerichteten, kranken Staates", der überreif
zum Sterben seiner politischen Selbständigkeit geworden war.
Abb. 254. Köln. Tür vom Haus „Zum Pfauen". Ehemals Sandbahn Nr. 12.
Jetzt eingebaut in das neue Stadthaus in der Großen Sandkaul
250
„Uas finstere, traurige Kölln haben wir recht gern verlassen."
Forster kam nach Düsseldorh „Welch ein himmelweiter Unterschied zwischen Kölln
und diesem netten, reinlichen, wohlhabenden Düsseldorf!" Was ihn hier entzückte, war nicht
allein die ,, wohlgebaute Stadt, die schönen Häuser, die graden und hellen Straßen, die thätigen
und w^ohlgekleideten Einwohner, der Wohlstand, der Geist der guten Wirtschaft und das
Geheimnis der guten Staatsverwaltung". Was ihn in erster Linie anzog, war Jan Wellems
Kunstgalerie und das rege geistig -gesellige Leben der Stadt. Man kann sie gar nicht alle
aufzählen, die Fürsten, Künstler, Dichter und Gelehrten, die eigens der Galerie wegen nach
Düsseldorf kamen oder hier im ,,Hof von Holland" in der Altestadt Nr. 17 oder im ,,Zwei-
brücker Hof" in der Bolkerstraße Nr. 28 ihre Reise unterbrachen. Die vornehmsten Namen
finden wir in den ,,zu des Publici besten und jedermanns deuthcher Nachricht" gegründeten
,,Gulich Bergischen Wöchentlichen Nachrichten" und in der ,, Stadt Düsseldorfer Post-
zeitung" angegeben: den König von Schweden, den Kurfürsten von Köln, den Landgrafen
von Hessen-Kassel, den Fürstbischof von Osnabilick, Heinrich von Preußen, Ferdinand von
Osterreich, Paul von Rußland usw. Aber noch klangvoller sind jene Namen, die m dem gast-
freien Hause in Pempelfort neben dem Jägerhof abstiegen, bei Fritz Jacobi, dem Kaufmann
und Philosophen und späteren Staatsrat (Abb. 215). Diderot suchte hier, nachdem er seine
Enzyklopädie vollendet hatte, im Jahre 1773 Ruhe und Erholung. Das nächste Jahr sah den
damals erst fünfundzwanzigjähngen Goethe im Jacobi-Haus, dem ,, angenehmsten und heitersten
Aufenthalt, wo ein geräumiges Wohngebäude, an weite, wohlunterhaltende Gärten stoßend, einen
sinnigen und sittigen Kreis versammelte. Die Familienmitglieder waren zahlreich, und an
Fremden fehlte es nie, die sich in diesen reichlichen und angenehmen Verhältnissen gar wohl
gefielen. Die schöne Ruhe, Behaglichkeit und Beharrlichkeit, welche den Hauptcharakter
dieses Familienvereins bezeichneten, belebten sich gar bald vor dem Auge des Gastes, indem
er wohl merken konnte, daß ein weiter Wirkungskreis von hier ausging und anderwärts ein-
griff". So Goethe m ,, Dichtung und Wahrheit". Da war Frau Betty, die Hausfrau, ,,ohne
eine Spur von Sentimentalität richtig fühlend, sich munter ausdrückend, eine herrliche Nieder-
länderin, die ohne Ausdruck von Sinnlichkeit durch ihr tüchtiges Wesen an die Rubensschen
Frauen erinnerte". ,,L'aimable et seduisante Musarion", wie Wieland sie nannte. Dann das
,, Tantchen", Demoiselle Fahimer, die ,, durch die große Zartheit ihres Gemüts, durch die
ungemeine Bildung des Geistes ein Zeugnis von dem Wert der Gesellschaft gab". Lotte und
Lene, die beiden Schwestern, bewirteten die Gäste. Herder, der im Jahre 1792 Gast im
Jacobi-Hause war, rühmt den ausgezeichneten Kuchen, ,,den ihm die Frau Doktorin Lena
gebacken". Aus dem gastfreien Hause, wo Frau Bettys Hände über die Tasten des Spinetts
hin und her streiften, klang verträumt eine Melodie hinüber zu den Männern im Garten am
runden Tisch. Da saßen Fritz der Philosoph, Johann Georg der Dichter, sein Bruder, dann
die zahlreichen Gäste, die 1774 in Pempelfort waren, Goethe, Jung Stilling, Vater Lavater
und der brave Basedow, ,,Prophete links, Prophete rechts". Man machte Ausflüge, besuchte
251
die Freunde der Nachbarschaft. Das sind
Erinnerungen, die Goethe noch im hohen
Aher lebendig gebheben sind. ,,Eine solche
reine Geistesverwandtschaft war mir neu und
erregte ein leidenschaftliches Verlangen ferne-
rer Mitteilungen. Nachts, als wir uns schon
getrennt und in die Schlafzimmer zurück-
gezogen hatten, suchte ich ihn, Jacobi, noch-
mals auf. Der Mondschein zitterte über dem
breiten Rhein, und wir am Fenster stehend,
schwelgten in der Fülle des Hin- und Wider-
gebens, das in jener Zeit der Entfaltung so
reichlich aufquillt."
Achtzehn Jahre später weilte Goethe auf
der Heimreise von der ,, Kampagne in Frank-
reich" wieder bei Jacobi. Haus und Garten
waren inzwischen umgestaltet und ausgebaut
worden ,,Ein freistehendes Haus," schreibt
Goethe, ,,in der Nachbarschaft von weit-
läufigen wohlgehaltenen Gärten, im Sommer
ein Paradies, auch imWinter höchst erfreulich.
Jeder Sonnenblick ward in reinlicher, freier
Umgebung genossen, abends oder bei un-
günstigem Wetter zog man sich gern in die
schönen großen Zimmer zurück, die behaglich ohne Prunk ausgestattet, eine würdige Szene
jeder geistreichen Unterhaltung darboten. Ein großes Speisezimmer, zahlreicher Familie und
nie fehlenden Gästen geräumig, heiter und bequem, lud an eine lange Tafel, wo es nicht an
wünschenswerten Speisen fehlte. Hier fand man sich zusammen, der Hauswirt immer munter
und aufregend, die Schwestern wohlwollend und einsichtig, der Sohn ernst und hoffnungsvoll,
die Tochter wohlgebildet, tüchtig, treuherzig und liebenswürdig. Heinse, mit zur Familie gehörig,
verstand, Scherze jeder Art zu erwidern. Es gab Abende, wo man nicht aus dem Lachen kam.
In dem nicht weit entfernten Düsseldorf wurden fleißige Besuche gemacht bei Freunden, die
zu dem Pempelf orter Zirkel gehörten. Auf der Gallene war die gewöhnliche Zusammenkunft."
Und neben Diderot, Goethe, Heinse, Herder, Lavater, Forster und Basedow waren es
noch viele andere der klangvollsten Namen, die Fritz Jacobi in seinem ,,gastfreiesten aller
Häuser" oft wochenlang zu fesseln verstand: Wilhelm und Alexander von Humboldt, dann
seine ,, geliebte Amalie", die Fürstin Gallitzin mit ihrem Münsteraner Freundeskreise, den
Hemsterhuys, Buchholz, Dohm, Hamann, den ,,Magus des Nordens", Graf Friedrich Leopold
Abb. 255. Düsseldorf. Hofgärtnerhaus im alten Hofgarten.
Vgl. Abb. 170.
252
von Stolberg, und den Minister Ferdinand von Fürstenberg. Die Freunde von Sickingen
und von Gleichen, den Grafen von Windisch-Graetz u.a. m.; und die Düsseldorfer Freunde,
den Statthalter Grafen von Goltstein, den Kanzler Grafen von Nesselrode-Ehreshoven, den
Staatsminister von Hompesch, die beiden Gräfinnen Luise und Sophie von Hatzfeld, Iffland,
den Schauspielerfürsten, und die Professoren der Kunstakademie, der juristischen und medizi-
nischen Fakultät usw. Mit Le Sage und Durand, mit Sophie von La Roche und Wieland,
der auf Veranlassung des Hauses Jacobi den „Teutschen Merkur" herausgab, mit Vater Gleim,
Klopstock, Lessing, Claudius, Julie von Reventlow, Jerusalem, Elise Reimarus, von Hippel,
Freiherrn von Dahlberg, Graf Friedrich Stadion, Moeser, Fichte, Lichtenberg, Spittler, Garve,
Schiller, der Jacobi bat, Mitarbeiter an seinen „Hören" zu sein, Rehberg, Feder, Schlosser,
La Harpe und anderen stand Jacobi in dauerndem Briefwechsel. Besuche befestigten diese
freundschaftlichen Beziehungen. So hatten Jan Wellems Gemäldegalerie und der Jacobische
Freundeskreis Düsseldorf zu einem Vorort deutschen Geisteslebens gemacht. Man lese in
Jacobis Briefen und in den Aufzeichnungen der Zeitgenossen, welche Fäden damals in Pempel-
fort zusammenliefen und durch die „Iris", Jacobis Zeitschrift, über das Land hinaus weiter-
gesponnen wurden. Goethe war Mitarbeiter der „Iris". Wilhelm Heinse hat sie jahrelang
redigiert. Hier und in den in Wielands ,,Teutschem Merkur" veröffentlichten Briefen ist
Heinse der feinsinnige und begeisterte Interpret der Kunstsammlungen Jan Wellems*.
Jacobis Freundschaft mit dem Statthalter und dem Staatsminister und die amtliche
Stellung bei der jülich-bergischen Regierung gewannen nicht unwesentlichen Einfluß auf das
geistige und politische Leben
im Lande. Als Hofkammerrat
konnte der ehemalige Kaufmann,
der sich als Staatsbeamter be-
sonders dem Zollwesen zu wid-
men hatte, seine volkswirtschaft-
lichen Kenntnisse und Erfah-
rungen vortrefflich verwerten. Er
nahm es ernst mit seiner Stellung,
bereiste die industriellen Werke
und schrieb eigens eine Abhand-
lung über die gewerblichen Ver-
hältnisse des Landes. Forsters
begeistertes Lob von dem Geist
der , .guten Wirtschaft, die
Hemmnisse aus dem Wege zu
* E.V. Schaumburg: JacobisiGarten
zu Pempelfort. Aachen 1873.
Abb. 256. Schloß Benrath. Hof der Seitenflügel. Vgl. Abb. 165. 168.
253
räumen, welche der freien, unbedingten Tätigkeit eines jeden Bürgers im Staate entgegen-
stehen", gilt zu nicht geringem Teil Jacobis verwaltungstechnischen Verdiensten. Er haßte
als Kaufmann den unkaufmännischen bureaukratischen Verwaltungsbetrieb der Juristen, der
, .durch die ins Unendliche vervielfältigten Gesetze und landesherrlichen Verordnungen die
freie Betriebsamkeit des Bürgers hemmen". Selbst wenn es ihn die Stellung kosten sollte,
hielt er mit seiner Meinung nicht zurück. Als im Jahre 1777 Jülich-Berg mit Kur-Bayern
vereinigt wurde, als Karl Theodor seine Residenz von Mannheim nach München verlegte und
der Staatsminister von Hompesch nach dort berufen wurde, folgte bald darauf auch als
Geheimer Rat und Ministenal-Referent für das gesamte Zollwesen Fritz Jacobi. Aus dem
blühenden Jülich -bergischen Handels- und Industrieland kam er mitten in eine Feudal-
bureaukratie und nahm bald mit ihr den Kampf auf. Als man schließlich von München aus
in Jülich und Berg das bayerische Mauth- System einführen wollte, in welchem Jacobi mit
Recht eine Hemmung des freien Verkehrs sah, wandte er sich, als alle Vorstellung nichts half,
an die Bevölkerung: In den ,, Bayerischen Beiträgen zur Literatur" veröffentlichte er einen
geharnischten Aufsatz ,, Gegen die beliebte Thorheit der Leitung des Handels durch Auflagen
und Verbote". An dem alternden Karl Theodor hatte er aber keine Stütze mehr im Kampfe
gegen die Bureaukratie, die sich stärker erwies als er. Nach wenigen Monaten ward er wieder
nach Düsseldorf ungnädig entlassen.
Neben den Bemühungen, Handel und Wandel in Jülich und Berg zu heben, galt es auch,
Mißbräuche auf dem Gebiete der Rechtspflege zu beseitigen. Im Jahre 1769 erhielt Düssel-
tiorf eine juristische Fakultät. Professor Camphausen las Institutionen, Professor Dewies
kanonisches und Lehns-Recht, Professor Henoumont Pandekten. Die neue Fakultät stand mit
der zu Heidelberg im gleichen Rang: acht Semester Heidelberg und acht Semester Düsseldorf
verlangte man von nun ab für jeden Staatsbeamten. Für eine bessere Vorbildung der Mediziner
wurde eine anatomische Lehranstalt mit einem Theater eingerichtet; und für die allgemeine
geistige Weiterbildung im Jahre 1770 die Landesbibliothek gegründet, die heutige Düsseldorfer
Stadtbibliothek. Sie ward von Anfang an reichlich mit Geldmitteln bedacht. Um aber den
Ausbau zu beschleunigen, hatte jeder Staatsbeamte bei seinem Dienstantritt eine Abgabe
zu leisten oder ein noch nicht vorhandenes Werk zu stiften.
Und wie die Landesbibliothek heute noch ein Ruhmestitel der Stadt Düsseldorf ist, so
auch eine andere Stiftung derselben Jahre: die Kunstakademie. Der Statthalter freilich wollte
anfangs von einer Staatsakademie nicht viel wissen, und es bedurfte der zähen Energie des
Galeriedirektors und Malers Lambert Krähe, seine Akademiepläne für die bisher von ihm
privatim geleitete Zeichenschule durchzusetzen. Der zielbewußte Krähe verstand es meister-
haft, den Widerstand des Statthalters zu überwinden. Georg Christoph Wächter und Anton
Schäffer konnten zur Erinnerung an die Akademiegründung schon im Jahre 1 769 Medaillen
schlagen. Hof rat Jäger, der erste Sekretär und interessierte Mitarbeiter Krahes, arbeitete
im Jahre 1774 die Statuten aus. Professoren wurden berufen und deren Uniformen
254
bestimmt. Auswärtige Künstler mit guten Namen wurden zu außerordentlichen Mitgliedern
ernannt. Krahes große Kupferstich- und Handzeichnungssammlung wurde vom Staate als
Unterrichtsmaterial für die neue Kunstakademie erworben. Im folgenden Jahre 1775 hatte
Krähe als „wirklicher Direktor der Kurfürstlichen Maler-, Bildhauer- und Baukunst-Akademie"
seine ehrgeizigen Pläne verwirklicht*.
Ein feierlicher, goldener Glanz lag über der niederrheinischen Residenz mit ihrem
blühenden Handel und regen geistigen und künstlerischen Leben ausgebreitet, als das letzte
Jahrzehnt des Jahrhunderts aufzog. Wie fernes, unheilverkündendes Wetterleuchten zuckte
es am westlichen Himmel. Eine nervöse Unruhe durchlief die sonst friedliche Residenz. In
den Bürgerkneipen wie in dem Pempelforter Kreis verfolgte man gespannt die Vorgänge in
Frankreich. Und es war nicht allein die Bourgeoisie, die mit den freiheitlichen Ideen des
Westens sympathisierte. Die Egalität mit ihren Genossinnen Fraternität und Libertät hatten
teilweise die Köpfe der guten Düsseldorfer derart verwirrt, daß ein Graf Nesselrode-Ehres-
hoven, der Arzt Dr. Varnhagen, der Schwiegervater der Rahel, und ein Freiherr von Leerodt
nach Paris eilten, um Nationalgardist zu werden. ,,Was mir auffiel," schreibt Goethe nach
seinem Düsseldorfer Besuch von 1792, ,,war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein Streben
nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte. Man schien nicht zu fühlen, was
alles erst zu verlieren sei, um zu irgend einer Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen. Lafayettes
und Mirabeaus Büste, von Houdon sehr natürlich und ähnlich gebildet, sah ich hier göttlich
verehrt. Einige waren selbst nach Paris gewesen, hatten die bedeutenden Männer reden hören,
handeln sehen und waren, leider nach deutscher Art und Weise, zur Nachahmung aufgeregt
worden, und das gerade zu einer Zeit, wo die Sorge um das linke Rheinufer sich in Furcht
verwandelte." Das ,,9a ira" sandte seine Boten voraus. Emigranten füllten die jülich-bergische
Residenz. Im ,, Bayerischen Hof" auf dem Marktplatz waren abgestiegen Prinz Xaver von
Sachsen, Graf und Gräfin von Artois, die Prinzessin von Nassau, der Erzbischof von Reims,
der Fürstbischof von Lüttich und viele andere. „Selbst die Brüder des Königs von Frankreich
kamen an. Man eilte sie zu sehen. Ich traf sie auf der Gallerie," berichtet Goethe weiter.
Düsseldorf zählte im Dezember 1792 nicht weniger denn fünfhundert geflüchtete französische
Familien. Das Wohnungselend nahm tagtäglich zu. Stallungen für die Pferde waren für keinen
Preis mehr zu haben. Mancher mußte unter freiem Himmel in seinem Wagen, mancher sogar
schutzlos auf der Gasse übernachten. Schließlich war der Magistrat, um dem Wohnungs- und
Lebensmittelelend zu steuern, gezwungen, bei strenger Strafe zu verbieten, daß die Bürger
noch irgendeinen Emigranten aufnehmen würden.
Es kam das verhängnisvolle Jahr von 1794. Die Österreicher hatten die Maaslinie gegen
die Revolutionsheere nicht behaupten können. Jülich wurde infolgedessen aufgegeben. Man
* J. J. Seoul: Die Düsseldorfer Malerschule oder auch Kunstakademie. Düsseldorf 1837. — Ludwig Bund: Die Semie-
Sekularfeier der Kgl. Kunst-Akademie zu Düsstldorf. Düsseldorf 1870. — Richard Klapheck: Geschichte der Kunst-Akademie
zu Düsseldorf. Erster Teil. Vorgeschichte der Neugründung. Düsseldorf 1919.
255
zog sich über den Rhein zurück. Die Gefahr rückte immer näher an Düsseldorf heran. Fritz
Jacobi, der schon 1793 in Aachen das Treiben der Sanskulotten kennen gelernt hatte, gab im
September 1794 seinen Pempelforter Sitz auf und ging zu auswärtigen Freunden. Die bergische
Regierung zog sich nach Barmen zurück. Die Gemäldesammlung wurde mit den Kassen
und dem Landesarchiv nach Osnabrück geschafft. Das Bergische Land, abgeschnitten von
der jülichschen Kornkammer, litt entsetzlich unter dem unaufhörlichen Zustrom der öster-
reichischen Truppen. Man stand direkt vor einer Hungersnot. Den Bauern hatte man die
Pferde abgenommen. Die Saaten wurden nicht mehr bestellt. Die Waldungen waren
abgeholzt. Jan Wellems herrliches Jagdschloß Bensberg war kaiserliches Lazarett geworden.
Die Gemälde und Wertsachen hatte man zwar noch frühzeitig entfernen können. Gott sei
Dank, denn die Österreicher hausten in den Prunkräumen geradezu wie in Feindesland und
benutzten einen Brand zum Plündern*.
Währenddessen mckten die Revolutionsheere unaufhaltsam an den Niederrhein. Am
6. Oktober 1794 zog eine Kölner Abordnung dem Revolutionsgeneral Championet entgegen
und übergab ihm die Schlüssel der Freien Reichsstadt, die bisher noch nie in ihrer mhmvollen
langen Geschichte einem Feinde kapituliert hatte. Die Österreicher hatten vorsichtigerweise
einen Tag zuvor die Stadt geräumt und sich auf das andere Ufer zurückgezogen. Derselbe
* Otto R. Redlich: Düsseldorf und das Herzogtum Berg nach dem Rückzug der Österreicher aus Belgien 1794 und 1795.
Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. Band X. S. 1 bis 125.
Abb. 257. Düsseldorf. Das alte Schloß nach dem letzten Brande vom Jahre 1873.
256
Tag brachte über Düsseldorf aber ein noch größeres Unglück. Hier hatte der österreichische
Kommandant von Kerpen, gegen den Willen des pfälzischen Kommandanten de la Motte,
am Abend einige Schüsse nach Oberkassel hinübergesandt, wo die Franzosen den Freiheits-
baum aufgerichtet hatten. Man blieb indes die Antwort nicht schuldig. Es folgte eine
Schreckensnacht. Ein Feuerregen prasselte über die Stadt nieder. Der Stadtkommandant
de la Motte verlor den Kopf. Das Schloß stand schon nach einigen Schüssen in Flammen.
„Man soll es brennen lassen," gab er auf die Meldung zurück. Der nördliche und östliche Flügel
fielen zusammen. Vom westlichen und südlichen blieben nur die kahlen Mauern und Gewölbe,
während die kostbare Einrichtung mit den Gemälden ausbrannte. Das Schloß war derart
mitgenommen, daß Hofbaumeister Huschberger, der einen Bericht über den Zustand nach
dem Brande einzureichen hatte, meinte, man solle am besten die Ruine einfach ganz beseitigen
und für den Kurfürsten einen Neubau aufführen lassen. Ebenso waren der Marstall, das
Zölestinerinnenkloster und noch viele andere Häuser ein Raub der Flammen geworden. An
Löschen dachte kein Mensch, und am wenigsten die österreichische und pfälzische Besatzung,
die im Gegenteil die Verwirrung der Nacht zum Plündern benutzte. Morgens um sieben Uhr
hatten die pfälzischen Truppen die Stadt verlassen, Kassen, Magazine und Requisiten zurück-
lassend, die den in Düsseldorf verbliebenen Österreichern in die Hände fielen. Die Preisgabe
der niederrheinischen Residenz durch die pfälzischen Truppen reiht sich würdig an die ebenso-
wenig ruhmvolle vom Jahre 1758 (vgl. S. 75). Und wie damals die verbündeten Franzosen
den Pfälzern nicht gestatteten, Düsseldorf wieder zu besetzen, nachdem die Gefahr vorüber
war, so dieses Mal die verbündeten Österreicher. Erst im folgenden Jahr, als die Österreicher
zum größten Teil abgezogen waren, durften die Pfälzer am 14. April wieder in Düsseldorf
einmarschieren. Aber schon am 6. September mußte der Kommandant die Stadt mit der
gesamten Artillerie, den Magazinen und der Munition den Franzosen übergeben. Der Bauer
kam aus dem Regen in die Traufe. Die Franzosen hausten noch schlimmer als die Kaiserlichen.
Das Schicksal der linksseitigen Rheinlande war im Jahre 1795 besiegelt: Preußen hatte
im Friedensschluß zu Basel mit Frankreich in einer geheimen Abmachung in die Abtretung
der Länder links vom Rhein eingewilligt und daß bis zur endgültigen Regelung mit Kaiser
und Reich die Gebiete von den Franzosen besetzt bleiben sollten. Dieselbe geheime Ab-
machung traf Österreich zwei Jahre später Im Friedensschluß mit Frankreich zu Campo Formio
1797. Das heraufziehende neue Jahrhundert bestätigte die undeutschen preußischen und
österreichischen Abmachungen zur Wahrung eigener Hausinteressen : Kaiser und Reich
willigten im Frieden zu Luneville im Februar 1801 in die Abtretung der linksrheinischen
deutschen Länder an Frankreich ein. Cleve, Jülich und Kurköln hatten als selbständige Staaten
aufgehört.
Karl Theodor hat diese letzten öffentlichen Übereinkommen im Frieden von Luneville
nicht mehr erlebt. Bevor das alte Jahrhundert zur Neige gegangen, hatte er die Augen geschlossen.
Seine letzten Lebensjahre waren nicht mehr schön. Der Abschied von dem idyllischen
257
Schwetzingen und dem schöngeistigen Mannheim war ihm schwer geworden, und in München
konnte er nicht heimisch werden. Fremd und wankelmütig in allen Dingen der Politik, hat
er es im Alter auch nicht mehr verstanden, sich die Herzen der Münchener zu gewinnen.
Aus dem jugendlichen begeisterten Mäzen war in der neuen Umgebung ein müder, unent-
schlossener Greis geworden, zugänglich allen Intrigen. Er war ebenso schwach Osterreich
und Frankreich gegenüber, wie den politischen Mißständen in seinen eigenen Ländern. Das
fünfzigjährige Nebeneinander mit einer Frau, die er nicht hebte und die ihm auch keine Erben
geschenkt hat, hatte ihn immer mehr in die Arme seiner zahlreichen Mätressen geführt und
ihn im Alter einsam gemacht. Der kränkelnde Kurfürst saß mit einigen Freunden und
Freundinnen an einem Abend des Jahres 1799 zusammen beim Kartenspiel, als ihn der Schlag
rührte. Das Gerücht vom Heimgange des Landesherrn lief bald durch die bayerische Residenz.
Dicht gedrängt staute sich die Menge vor dem Schloß. Als man ihr vom Balkon herunter
die Trauerkunde mitteilte, brach sie in Jubelgeheul aus, das sich durch die Stille der Nacht
und die Stadt fortpflanzte.
Die niederrheinischen Herzogtümer, deren industrieller Entwicklung Karl Theodor einst
so viel Verständnis entgegengebracht, nahmen die Trauerbotschaft indes mit dankbareren
Erinnerungen auf. Aber die politischen Verhältnisse, die Sorge um die Zukunft, waren nicht
dazu angetan, den Heimgang des abwesenden Landesherrn zu einem Ereignis werden zu lassen.
ENDE DES ZWEITEN BANDES.
Abb. 238. Nicolas de Pigage. Entwurf zu einer Gloriette am Ende des langen Wasserspiegels im Park zu Benrath.
Vgl. Abb. 165.
258
Gedruckt von A. Bagel in Düsseldorf.
Verlegt vom Kunst-Verein für die Rheinlande und Westfalen.
NA Klapheck, Richard
1079 Die Baukunst am Nieder-
Bd.2
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKE
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY