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Full text of "Die Baukunst am Nieder-Rhein"

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Ceilcnklrclicn.   Ehemalige  Burg. 


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von  Richard  Klaphecl^ 


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Abb.  I.    Schloß  Bensberg.    Fensterschmuck  in  einem  der  ehemaligen    1  ruppentürme. 

Vgl.  Abb.  3,  29.  35,  38  und  Bd.  I  Abb.  346. 


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Inhaltsverzeichnis  des  zweiten  Bandes. 


V.  Jan  Weilern. 


1.  Volkstümlichkeit  in  Düsseldorf  (S.  1).  —  Das  Reiterdenkmal  und  das  Verhältnis  Jan  Wellems 
zu  Grupello  (S.  3).  —  Legenden  (S.  7).  —  Verhältnis  zu  den  Künstlern  (S.  9).  —  Armenische 
Pläne  (S.  10).  —  Düsseldorfer  Oper  (S.  12). 

2.  Düsseldorfer  Schloß  (S.  13).  —  Gemäldesammlung  (S.  18).  —  Antikensammlung  (S.  26).  — 
Ausbau  der  Stadt  (S.  28).  —  Neues  Schloßprojekt  von  Matteo  di  Alberti  (S.  33).  —  Schloß 
Bensberg  (S.  35).  —  Karmelitessenkloster  in  Düsseldorf  (S.  46).  —  Douvenhaus  (S.  49).  — 
Bürgerliche  Bauweise.  Bebauung  der  Neußer  Straße.  Schloß  Ehreshoven  (S.  50).  —  Innen- 
ausstattung der  Bürgerhäuser  (S.  55).  —  Marstall  zu  Düsseldorf  (S.  58).  —  Jan  Wellems  Tod 
und  Bedeutung  für  Düsseldorf  (S.  59). 

VI.  Das  Jahrhundert  Karl  Theodors  von  der  Pfalz -Sulzbach. 

1 .  Künstler  und  Kunstscimmlungen  m  Düsseldorf  nach  dem  Heimgange  Jan  Wellems  (S.  65).  — 
Die  neue  Kaserne  und  Maxkirche  (S.  67).  —  Begeisterter  Empfang  Karl  Theodors  in  Düssel- 
dorf (S.  69).  —  Seine  Anteilnahme  am  Ausbau  der  Stadt  (S.  73).  —  Düsseldorfs  Leiden  im 
Siebenjährigen  Kriege  (S.  74). 

2.  Johann  Joseph  Couven  in  Aachen  (S.  77).  —  Abteigebäude  zu  Cornelimünster  und  sein  Einfluß 
(S.  78).  —  Laurenz  Mefferdatis'  Bauten  in  Aachen,  Eupen  usw.  (S.  82).  —  Gilles  Doyens  und 
Couvens  Anteil  an  der  Wiederherstellung  des  Aachener  Rathauses  (S.  83).  —  Wiederherstellung 
des  Aachener  Münsters.  Giovanni  Battista  Artari  (S.  89).  —  Abteikirche  zu  Burtscheid  (S.  91). 
—  Wespiensches  Haus  in  Aachen  (S.  94).  —  Gut  Kalkhofen  bei  Aachen  (S.  107).  —  Couvens 
Gartenhäuser  (S.  112).  —  Haus  Fey  in  Aachen  (S.  117).  —  Haus  Heusch  in  Aachen  und  die 
Post  in  Eupen  (S.  120).  —  Haus  Mennlcken  und  Haus  Vercken  in  Eupen.  Haus  Vercken  bei 
Düren.  Couvens  Tätigkeit  in  Montjoie  (S.  121).  —  Couvens  Fabnkbauten.  Haus  Scheibler  in 
Montjoie.  Haus  „Zur  Krön"  und  Haus  Schumacher  in  Burtscheid  (S.  128).  —  Couvens  kirch- 
liche Bautätigkeit  (S.  134).  —  Gerichtshaus  und  Komödienhaus  in  Aachen  (S.  139).  —  Haus 
Cassalette  (S.  141).  —  Schloß  Jägerhof  zu  Düsseldorf  und  Couvens  Tätigkeit  in  Maeseyck 
(S.  143). 

3.  Nicolas  de  Pigage.  Schloß  Benrath  (S.  150).  —  Hofgarten  zu  Düsseldorf  (S.  172). 

4.  Jacob  Couven.  Bauten  in  Heinsberg  (S.  175).  —  Apotheke  in  Aldenhoven  (S.  176).  —  Neue 
Redoute  in  Aachen  (S.  177).  —  Wohnhäuser  in  Aachen  und  Umgebung  (S.  183).  —  Gaginis 
Stuckarbeiten  auf  Schloß  Wissen  und  Schloß  Waldburghausen  und  im  Hause  Mayer  in  Eupen 
(S.  189).  —  Couvens  Bauformen  der  Spätzeit  (S.  192).  —  Baukunst  im  Herzogtum  Jülich 
(S.  198).  -  Marktplatz  in  Düren  (S.  200). 


5.  Ausljaii  von  Düsseldorf  (S.  202).  -  Schloß  (S.  205).  -  Slattlialteipalais  (S.  206).  --  Wolin- 
hausbau  (S.  208).  -  Stadttore  (S.2I0).  -  Düsseldorfer  Karlstadt  (S.  211).  -  Mülheim  am 
Rhein  (S.  214).  -  Krefeld  (S.  219).  —  Bautätigkeit  am  unteren  Niederrhein  (S.  223).  — 
Neuß  (S.  233). 

6.  Köln.  Engherzige  Zunftverhältnisse  (S.  234).  —  Einfluß  belgischer  Barockarchitektur  (S.  236). 
—  Dekorative  .'\rchitekturplastik.  Franz  van  Helmonts  Machabäer -Altar  und  Lauretanische 
Kapelle  (S.  237).  —  Italienische  Einflüsse  (S.  240).  —  Französische  Einflüsse.  Neues  Stadl- 
palais  (S.  242).  —  Innenausstdttung  des  Klassizismus  (S.  246).  —  Soziale  Verhältnisse  am 
Ausgange  des  Jahrhunderts  (S.  249). 

7.  Düsseldorf  am  Ausgange  des  Jahrhunderts.  Der  Jacobi-Kreis  in  Pempelfort  (S.  251).  Ideen 
vom  Weltbürgertum  (S.  255).  —  Brand  des  Schlosses  (S.  256).  —  Ende  Karl  Theodors  (S.  257). 

Das  ausführliche  Sach-,  Orts-  und  Personen-Nachschlageverzeichnis,  eine  Zusammenstellung 

der  Literatur  über  die  Baukunst  am  Niedenhein,   eine  Übersichtskarte,  Ergänzungen  und 

Nachträge  befinden  sich  am  Ende  des  dritten  Bandes. 


Medaille  zur  Gründuiig  der   Kunstakademie 
zu    Düsseldorf   von    1769. 


Abb.  1  a.   Neuß.   Ehemaliges  Observantenkloster. 


Abh.  2.    Johann  Wilhelm,  Kurfürst  von  der  Pfalz   und  Herzog  von  Jiihch 
Gründer  der  Düsseldorfer  Kunslsammlungen. 


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Abb.  3.   Schloß  Bensberg.   Bergisches  Wappen  aus  einem  der  ehemaligen  Treppentürme. 
Vgl.  Abb.  I,  29,  35,  38  und  Bd.  I  Abb.  346. 


I. 

Jan  Weilern. 

Jan  Weilern  nennen  ihn  die  Düsseldorfer,  den  grünpatinierten  kupfernen  Potentaten  hoch 
zu  Roß  auf  dem  Marktplatz  der  Stadt  (Abb.  4,  6).  Johann  Wilhelm,  das  ist  ein  ganz  anderer. 
Das  war  ja  der  Trottel,  der  die  schöne  und  lebenslustige  Jacobe  von  Baden  heimgeführt,  der 
letzte  Herzog  aus  dem  alten  Herrscherhause,  der  den  ,,Düwel  im  Wammes"  hatte  (I,  S.  1 96  ff.). 
Der  andere  heißt  Jan  Weilern.  Kurfürst  von  der  Pfalz  und  Herzog  von  Jülich  und  Berg. 
Oder  besser  „Onse  Jan  Wellem".  Er  ist  die  populärste  Figur  in  Düsseldorf  und  derart 
umgeben  von  Sage  und  Erzählung,  daß  die  historische  Gestalt  nicht  mehr  recht  durch- 
schimmert. Man  frage  nur  einmal  die  Düsseldorfer  in  der  Altstadt,  im  ,,ürige  Wellem",  im 
„Rosenkränzchen",  im  ,, Goldenen  Kessel"  oder  in  der  ,, Wichsdos" :  Wer  ist  Jan  Wellem? 
Der  Kurfürst!  Das  muß  halt  genügen.  Ein  anderer  meinte  schon,  der  Große  Kurfürst.  Einmal 
hörte  ich,  es  sei  der  große  Reitergeneral  aus  dem  Dreißigjährigen  Krieg,  der  die  Düsseldorfer 
Kunstakademie  gegründet  habe!  ,,Jan  van  Werth!"  rief  ein  anderer  Fachmann  der  Düsseldorfer 
Altstadt  dazwischen.  Ja,  Jan  Wellem,  das  Sinnbild  der  Stadt,  das  auf  keiner  Düsseldorfer  Fest- 
schrift fehlt,  das  der  Kunsthandel  en  miniature  vertreibt  und  das  m  Originalgröße  in  einer 


1 


Abb.  4.    Jan  Weilern.    Medaille  auf  das  Jahr  171 
der  Ernennung  zum  Reichsprovisor.  Vgl.  Abb.  5. 


Kneipe  der  Friedrichstadt  mitten  durch  das  Orchester 
reitet,  wie  auf  dem  Marktplatz  unter  Hökerweibern, 
ist  sogar  mit  den  beiden  Düsseldorfer  Stadtheiligen 
identifiziert  worden.  Mit  dem  heiligen  Martin  und 
dem  heiligen  Sebastian.  In  dem  Sankt-Martins-Zug 
trägt  man  sein  grünes  Reiterbild  herum,  als  Plastik 
oder  als  großes  Transparent.  Jedes  dritte  Kind  trägt 
das  Bild  auf  der  bunten  Papierlaterne.  Und  der  Schluß 
des  Zuges  ist  stets  eine  Huldigung  der  Düsseldorfer 
jüngsten  Jugend  vor  dem  Denkmal  auf  dem  Markt. 
Vor  zwei, drei  Jahrzehnten  feierten  die  Sankt-Sebastian- 
Schützenbrüder  ihr,  ich  weiß  nicht  wieviel  hundert- 
jähriges, Jubiläum.  Jan  Wellem  mußte  natürlich  vorne 
an  der  Spitze  den  historischen  Festzug  einleiten. 
Bilder  gibt  es  genug  von  ihm  im  Historischen 
Museum  (Abb.  2).  Aber  der  biedere  Handwerksmeister  Soundso,  der  Jan  Wellem  darstellen 
sollte,  hatte  nicht  allein  Panzer,  Krone  und  Schwert,  nein  auch  Pferd,  Hände  und  Gesicht 
grün  anstreichen  lassen.  Genau  wie  das  Reiterdenkmal  auf  dem  Marktplatz  ausschaut.  Denn 
sonst  hätten  die  Düsseldorfer  ihren  Stadtheiligen  nicht  wiedererkannt.  Jan  Wellems  Gemahlin, 
Anna  Maria  Luise  von  Toskana,  durfte  aber  neben  ihm  ohne  grünen  Anstrich  den  Festzug 
mitmachen. 

Die  politische  Persönlichkeit  des  Kurfürsten  ist  bisher  noch  nicht  ganz  klar  umschrieben 
worden.  Phantastereien,  Klatsch  und  politische  Stellungnahme  haben  ein  ganz  verzerrtes  Bild 
von  ihm  geschaffen.  Bei  den  Schriftstellern  des  18.  Jahrhunderts,  wie  bei  den  Bearbeitern  der 
zeitgenössischen  Quellen  im  19.  Jahrhundert,  muß  man  bei  der  Beurteilung  Jan  Wellems  immer 
zuerst  fragen,  ob  der  Verfasser  Pfälzer  oder  Jülich-Berger  ist,  d.  h.  Protestant  oder  Katholik. 
Für  den  Pfälzer  ist  der  Kurfürst  der  unduldsame  Religionsfanatiker,  für  das  Bergische  Land 
dagegen  der  in  Glaubensdingen  duldsame  Landesherr.  Man  tut  im  übrigen  gut,  den  Herzog 
von  Jülich  und  Berg  ganz  von  dem  Kurfürsten  von  der  Pfalz  zu  trennen,  um  eine  klare  Vor- 
stellung von  Jan  Wellem  zu  gewinnen*.  Für  unseren  Zusammenhang  kommen  nur  der  Herzog 
von  Jülich  und  Berg  und  dessen  künstlerische  Bestrebungen  in  Frage.  Da  aber  diese  immer 
noch  nicht  übersichtlich  bearbeitet  worden  sind,  wird  meine  Darstellung  notgedrungen  sich 
damit  begnügen  müssen,  ein  skizzenhafter  Versuch  zu  bleiben**. 


*  Vgl.  Richard  August  Keller  im  Düsseldorfer  Jahrbuch  1917,  S.  89  ff.,  der  hier  zum  erstenmal  die  Schwierigkeit 
der  wissenschaftlichen  Behandlung  Jin  Wellems  durch  die  bisherigen  Bearbeiter  darstellt.  Eine  k'uge  Arbeit  von  program- 
ma'.ischer  Bedeutung.  —  Vgl.  ferner  Richard  Klapheck:  Johann  Wilhelm  von  d  r  Pfalz.  Legende  und  Geschichtsforschung. 
Im  Jubiläumswerk  des  Verlags  M?rcus  &  Weber.    Bonn  1918. 

**  Der  nach  dem  Kriege  von  1866  emsetzende  Streit  Düsseldorf  contra  München  wegen  der  Besitzrechte  an  Jan  Wellems 
ehemaliger  Düsseldorfer  Gemäldesammlung,  dem  Kern  der  heutigen  Münchener  Alten  Pinakothek,  hat  einen  Wust  sachlicher 


Der  Schöpfer  des  Reiterdenkmals  auf  dem  Düsseldorfer  Marktplatz  Ist  Gabriel  Chevalier 
de  Grupello,  wieder  ein  Schüler  des  Artus  Quellinus.  Er  war  zwar  keineswegs  so  eigen- 
artig schöpferisch  wie  sein  großer  Lehrmeister  und  kann  auch  mit  den  damals  führenden 
französischen  und  belgischen  Bildhauern  nicht  auf  denselben  Nenner  gebracht  werden.  Aber 
er  zählt  dennoch  zu  den  besten  Meistern  seines  Jahrhunderts.  Sem  grandioses  Reiterdenkmal 
auf  dem  Marktplatz  wird  von  zeitgenössischen  deutschen  Arbeiten  nur  von  Schlüters  Großem 
Kurfürsten  auf  der  Schloßbrücke  zu  Berlin  übertroffen.  Wiedemanns  Reiterdenkmal  für 
August  den  Starken  in  der  Neustadt  zu  Dresden  kann  dagegen  mit  Grupellos  Jan  Weilern 
gar  keinen  Vergleich  aufnehmen. 

Das  persönliche  Verhältnis  des  Meisters  zu  seinem  kurfürstlichen  Herrn  ist  überaus  cha- 
rakteristisch für  dessen  künstlerische  Bestrebungen  am  Düsseldorfer  Hof.  Und  da  Grupellos 
Standbild  auf  dem  Marktplatz  neben  einem  Porträt  und  Porträtstatuen  in  der  Kunstakademie 
(Abb.  8, 1 1),  dann  Jan  Wellems  Sarkophag  in  St.  Andreas  (Abb.  60)  die  bedeutsamste  künstlerisch 


Torheiten  gezeitigt  (vgl.  Düsseldorfer  Anzeiger  1866.  Nr.  163,  172,  183,  187,  189,  198,  209,  210,  21 1,  214,  262;  1867:  Nr.  3,  30, 
31,67,97,98,  102,  111,  112,  120,  126,  141,  145,  149,  156,  167,  182;  1868:  Nr.  28.  136.  145,  191,  193,  196,208,219.  -  Düssel- 
dorfer Zeitung  1867,  Nr.  109.  -  Crefelder  Zeitung  1866,  Nr.  209;  1868,  Nr.  136,  202).  -  Die  närrischste  Erscheinung  voll  der 
konfusesten  geschichtlichen  Phantastereien  war  in  diesen  Debatten  Hardung.  (Vgl.  A.  V.  Hardung:  Zur  Reklamation  des 
Düsseldorfer  Bildergalerie-Hauptschatzes.  Ein  patriotischer  Versuch  als  Aktenbeitrag.  Düsseldorf  1868.)  —  Sachlicher  waren 
sein  Gegner  Schaumburg  und  Strauven.  (Vgl.  E.  v.  Schaumburg:  Zur  Charakterisierung  Johann  Wilhelms,  Herzogs  zu 
Jülich-Berg,  Kurfürsten  von  der  Pfalz.  Düsseldorf  1869,  und  Johann  Wilhelm,  Erbprinz  und  Pfalzgraf  zu  Neuburg,  Regent 
der  Herzogtümer  Jülich  und  Berg  [1679—1690].  Düsseldorf  1873.  —  Strauven:  Über  künstlerisches  Leben  und  Wirken  in 
Düsseldorf  bis  zur  Düsseldorfer  Malerschule  unter  Direktor  Schadow.  Düsseldorf  1862.)  —  Die  weitere  Galerieliteratur  bei  Paul 
Giemen:   Kunstdenkmäler  der  Stadt  und  des  Kreises  Düsseldorf.   Düsseldorf  1894.   S.  19—21. 

Von  Wichtigkeit  sind  die  Aufzeichnungen  von  Zeitgenossen,  die  die  Sammlungen  Jan  Wellems  selbst  gesehen  haben:  Jan 
van  Gools  ältestes  Verzeichnis  der  Kunstwerke,  Blainvilles  und  Uffenbachs  Reisebeschreibungen  und  die  Aufzeichnungen  von 
Jan  Wellems  Kabinettsekretär  Raparini.    (Vgl.  Jan  van  Gool:  De  nieuwe  Schouburg  der  Nederlandsche  Konstschilderer  en 
Schilderessen.  s'Gravenhage  1750—1753;  —  des  Herrn  von  Blainville 
Reisebeschreibung  durch  Holland,  Oberdeutschland  usw.,  übersetzt  von 
Johann  Tobias  Köhler.  Lemgo  1764.   L  Band;  —  Herrn  Zacharias 
Conrad  von  Uffenbach   Merkwürdige  Reisen  durch  Niedersachsen, 
Holland  und  Engelland.  III.Theil.  Ulm  1754;  —  Raparini:  Le  portrait 
du  vrai  merite  dans  la  personne  ser.  de  mons.  l'electeur  palat.  Pracht- 
handschrift im  Besitz  des  Herrn  Pflaum  auf  der  Fahneburg  bei  Düssel- 
dorf. Eine  überaus  wichtige  Quelle,  wenn  auch  mehr  rhetorisch  als  sachlich 
abgefaßt,  über  die  Künstler  Jan  Wellems  [mit  Abbildungen].)  Vgl.  außer- 
dem J.  Th.  Brosius:  Juliae  Montiumque  comitum  annales.  Köln  1731. 

Auf  diesen  Quellenschriften  fußen  mehr  oder  weniger  alle  Versuche, 
über  Jan  Wellems  Kunstunternehmungen  zu  arbeiten.  Neue  selbständige 
und  wertvolle  Studien  sind  dagegen  Theodor  Levin:  Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  Kunstbestrebungen  in  dem  Hause  Pfalz-Neuburg.  Aus  dem 
Königl.  Bayer.  Geheimen  Staatsarchiv.  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Ge- 
schichtsvereins X IX,  XX,  XX III.  Dazu  ergänzender  Nachtrag  Friedrich 
Lau:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kunstbestrebungen  des  Kurfürsten 
Johann  Wilhelm.  Düsseldorfer  Jahrbuch.  Bd.  XXVI.  —  Der  Verfasser 
der  „Baukunst  am  Niederrhein"  ist  gemeinsam  mit  Hans  Buchheit 
und  Richard  Keller  mit  einer  eingehenden,  mehrbändigen  Dar- 
stellung über  die  Kunst  am  Hofe  Jan  Wellems  beschäftigt. 


Abb.  5.    Medaille  auf  das  Jahr  171 1 
Abb.  4. 


Rückseite  zu 


Abb.  6.  Düsseldorf.  Jan  Welltins  Kt-iUiildiiclbild  auf  dem  Maiktplatz  von  Gabriel  de  Grupello.  Vgl.  Abb.  7. 


interessante  Erinnerung  an  den  Kurfürsten  in  Düsseldorf  ist,  während  das  Schloß  am 
Burgplatz  mit  seiner  überreichen  Ausstattung  längst  nicht  mehr  steht,  Jan  Wellems  Kunst- 
sammlungen nach  München  und  Schleißheim  ausgewandert  smd  und  des  Kurfürsten  grandioses 
Jagdschloß  zu  Bensberg  ebenfalls  seiner  herrlichen  Schmuckstücke  beraubt,  im  19.  Jahrhundert 
dann  brutal  verschandelt  worden  ist,  kann  die  , .Baukunst  am  Niederrhem",  wenn  auch  in 
groben  Umrissen  nur,  die  Tätigkeit  des  Hofbildhauers  nicht  ganz  übergehen*. 

Gabriel  de  Grupello,  der  bisher  in  der  Kunstgeschichte  vergessene  Hofbildhauer  Jan 
Wellems,  wurde  am  22.  Mai  1644  in  Grammont  oder  Gerardsbergen  in  der  Provinz  Ost- 
flandern als  Sohn  eines  aus  dem  Mailändischen  stammenden  Kavalleriehauptmannes  Bernardo 
Grupello  geboren.  1658  trat  er  als  Lehrling  des  Quellinus  in  die  Lukasgilde  zu  Antwerpen  ein. 
Er  steht  dort  als  Gabriel  Reppeli  eingetragen.  Die  Reiseliteratur  des  18.  Jahrhunderts  hat 
aus  ihm  einen  Crepello,  Cripello,  Cribello  gemacht.  Das  Bayerische  Nationalmuseum  nennt 
ihn  Crebello.  Studienjahre  hatten  ihn  nach  Paris  geführt.  In  den  siebziger  Jahren  war  er 
wieder  in  seiner  Heimat  tätig  und  arbeitete  in  Brüssel,  wo  von  ihm  noch  die  beiden  schönen 
Statuen  der  Diana  und  Aktäon  und  der  Brunnen  der  Fischergilde  im  Museum  und  in  der 
Kirche  Notre  Dame  des  Victoires  au  Sablon  der  plastische  Schmuck  für  das  Mausoleum  der 
Grafen  von  Thurn  und  Taxis  erhalten  sind.  Er  war  damals  Hofbildhauer  Karls  IL  von 
Spanien.  Am  3.  Mai  1695  ernannte  ihn  Jan  Weilern,  Karls  Schwager,  zu  seinem  Hofstatuarius. 
Grupello  siedelte  nach  Düsseldorf  über  und  führte  aus  der  Flinger  Straße  Nr.  15  Maria 
Anna,  die  Tochter  des  kurfürstlichen  Rats  und  Advokaten  Dr.  Dautzenberg,  heim. 

Posuit  Grata  Civitas  MDCCXI. 

Basis  Instaurata  MDCCCXXX. 
So  steht  auf  dem  Denkmalsockel  auf  dem  Marktplatz  eingeschrieben.  Ein  amüsanter 
Irrtum  von  seiten  der  Stadt!  Die  „dankbare  Vaterstadt"  war  Anno  1711  finanziell  ein  arm- 
seliges Städtchen,  das  gar  nicht  die  Kosten  eines  solchen  Reiterdenkmals  hätte  aufbringen 
können.  Auch  die  Stände  sind  nicht  etwa  die  Stifter  des  Monuments  gewesen,  die  gerade 
um  die  Zeit  der  Errichtung  des  Standbildes  mit  ihrem  Landesherrn  wegen  dessen  eigen- 
mächtiger Geldausgaben  ernste  Differenzen  hatten.  Nein,  Jan  Wellem  hat  sich  das  Denkmal 
selbst  gesetzt!    Der  Sockel  stammt  freilich  von  der  ,, dankbaren  Vaterstadt",  von  einer  Wieder- 

*  Die  Biographie  über  den  interessanten  Bildhauer  des  Jan  Weilern  steht  noch  aus.  Der  Verfasser  der  „Baukunst  am  Nieder- 
rhein" hofft,  sie  baldmöglichst  im  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Künstlern  Jan  Wellems  vorlegen  zu  können.  Die  beste 
bisherige  Darstellung  findet  sich  bei  Theodor  Levin  im  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  XIX,  S.  165—193.  — 
Vgl.  ferner  an  Quellenschriften:  Arnoldus  Houbraken:  De  groote  Schouburgh  der  nederlandsche  Konstschilders  en  Schil- 
deressen.  s  Gravenhage  1733.  —  Philips  Baert  (Compte-rendu  des  seances  de  la  commission  royale  d'histoire,  tome  XV,  p.  173). 
—  Baron  de  Reiffenberg  (Bulletin  de  l'Academie  Royale  de  Belgique  1898,  tome  13,  I.  part,  p.  101).  —  Alex  Pinchart 
(Archives  des  arts  etc.,  I.  serie,  I,  p.  39).  -  -  Edmond  Marchai:  Memoire  sur  la  sculpture  aux  Pays-Bas  pendant  les  XVII.  et 
XVIII.  siecles  (Memoires  couronnes  par  l'Academie  Royale  1878).  —  Raparini  a.  a.  0.  —  Vgl.  ferner  W.  Smets  im  Taschen- 
buch für  Rheinreisende.  Coblenz  1818.  Der  Verfasser  war  ein  Urenkel  Grupellos.  —  W.  Herchenbach:  Gabriel  de  Grupello. 
Die  Reiterstatue  auf  dem  Gemüsemarkte.  Grupellos  Lehrling.  Inventarien  des  Churfürsten.  (Zeitschrift  des  Düsseldorfer 
Geschichtsvereins  1882.)  —  Otto  Teich:  Gabriel  Grupello,  ein  vergessener  Bildhauer.  Zeitschrift  für  bildende  Kunst.  1914 
S.  243.    Keine  selbständige  Arbeit;  sie  ruht  auf  Levins  Feststellungen. 


Herstellung  aus  dem  Jahre  1830.  Seine  bescheidenen,  schlichten  Formen  geben  dem  Reiter- 
standbild das  günstige  Relief.  Aber  Grupello  hat  sich  den  Sockel  ganz  anders  gedacht, 
nicht  in  der  Nüchternheit  der  Metallkränze  und  Palmen,  die  der  Bildhauer  Kamberger  ent- 
worfen hat,  sondern  ähnlich  den  barock  ausladenden  Formen  am  Unterbau  von  Schlüters 
Großem  Kurfürsten  zu  Berlin.  Eine  im  Kupferstichkabinett  der  Düsseldorfer  Akademie  erhaltene 
Entwurfsskizze  zeigt,  was  ihm  vorgeschwebt  (Abb.  7).  Der  Sockel  sollte  einen  Brunnen  dar- 
stellen, vier  breite  halbkreisförmige  Becken  vor  den  als  Nischen  vertieften  Wänden,  an  denen 
Löwen,  die  vier  Hauptlaster  unterdrückend,  angebracht  waren.  An  den  Ecken  stiegen  auf  breiten 
Voluten  Rustikapfeiler  auf.  Auf  den  Voluten  wie  auf  den  Pfeilern  waren  Trophäen,  Amo- 
retten und  andere  freischwebende  Figuren  und  Gruppen  gedacht.  Das  Inventar  der  Kunst- 
schätze vom  Jahre  1716  führt  unter  anderem  auf:  ,,dle  vier  grose  Löwen  in  Model,  die  vor  die 
Statua  equestre  auf  dem  Marck,  welche  Ihre  Churfürstl.  Durchlaucht  seellgstens  Andenckens 
äuserst  noch  befohlen  haben  gegosen  zu  werden  sambst  der  inscription  umb  den  pedestahl, 
welche  vier  Löwen  untertrücken,  die  vier  Hauptlaster  Hofart,  Geltz,  Neldt  und  Fraes"*. 
Diese  Modelle  wurden  im  Jahre  1744  an  den  vier  Ecken  des  Weihers  im  neuen  Hof  garten 
aufgestellt.  ,,Aber  es  dauerte  nicht  lange,  so  fielen  sie  ganz  auseinander,"  erzählt  der  da- 
malige Kupferstecher  Langenhöffel.  Der  Denkmalsockel  woirde  leider  nicht  mehr  nach 
Grupellos  Plänen  ausgeführt  und  blieb  schmucklos,  bis  man  ihm  im  Jahre  1830  die  jetzige 

Gestalt  gab.  —  Grupello  wird  die  Anregung  zu  dem 
Reiterstandbild  seinem  Aufenthalt  m  Paris  ver- 
danken, wo  sein  Landsmann  Martinus  van  den 
Bogaard,  der  sich  als  Pariser  Desjardins  nannte,  auf 
der  Place  des  Vlctoires  Ludwig  XIV.  ein  Monu- 
ment errichtet  hatte.  Aber  daneben  kommt  noch 
eine  Fülle  anderer  Entwürfe  für  Reiterdenkmäler 
des  Sonnenkönigs  in  Betracht.  Die  Revolution  hat 
Bogaards  Standbild  vernichtet.  Eine  veränderte 
Wiederholung  steht  in  Lyon.  Das  Pferd  bäumt 
sich  hoch  auf.  Der  wallende  Schweif  ist  technisch 
eine  Stütze.  Ähnlich  v^oirde  Wledemanns  Denk- 
mal für  August  den  Starken  In  der  Neustadt  von 
Dresden.  Ähnlich  dachte  sich  auch  Grupello  in 
dem  in  der  Düsseldorfer  Akademie  erhaltenen  Ent- 
\vurf  seinen  Jan  Wellem.  Nachher  wurde  der  Kur- 
fürst auf  schreitendem  Hengst  dargestellt.  Aber  der 


Abb.  7.  Originalentwurf  zu  dem  Reiterdenkmal  auf  dem 
Marktplatz  zu  Düsseldorf  von  Grupello.  Kupferstich- 
kabinett  der  Kunstakademie  zu  Düsseldorf.  Vgl.  Abb.  6. 


*  „Inventarium  über  die  bey  Herrn  Statuario  undt  Chevalier  Gru- 
pello Befindliche  churfürstliche  Bilder  und  sonst  vom  13.  Juli  1716." 
Vgl.  Zeitschrift  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins.    1882.   Nr.  3  ff. 


Abb.  8.  Jan  Weilern.  Porträtbüste  von  Grupello. 
Kunstakademie  zu  Düsseldorf. 


wallende  breite  Schweif  mit  seinen  prächtigen 
barocken  Formenwellen,  die  so  ausgezeichnet  zu 
der  Allongeperücke  und  dem  Embonpoint  des 
Reiters  passen,  wurde  beibehalten  (Abb.  6). 

Und  wie  das  Denkmal  auf  das  Reiterstandbild 
des  französischen  Sonnenkönigs  zurückgeht,  so  war 
dieser  auch  das  große  Vorbild  für  Jan  Wellems 
Lebensführung.  Er  hatte  in  der  Jugend  die  Höfe 
zu  Cleve,  Brüssel,  Paris,  Versailles,  London,  Flo- 
renz und  Wien  besucht.  Den  größten  Eindmck 
brachte  er  vom  Hofe  Ludwigs  XIV.  mit.  Er  hielt 
ihn  fest  wie  ein  Magnet,  und  Jan  Weilern  vergaß 
vielleicht  unter  der  blendenden  Pracht  von  Ver- 
sailles, daß  gleichzeitig  die  Franzosen  seine  Heimat 
brandschatzten.  Er  kam  heim  mit  dem  glänzen- 
den Bild  des  Roi  Soleil  vor  Augen.  L'Etat  c'est 
moi!  Dieses  Selbstbewußtsein  spricht  aus  allen 
Bildern  des  Kurfürsten  (Abb.  8, 1 1).  Auch  aus  den 
Gesten  des  Reiterdenkmals  auf  dem  Marktplatz. 
Der  Chevalier  de  Blainville,  der  ehemalige  Gesandt- 
schaftssekretär der  Generalstaaten  am  Spanischen  Hof,  weilte  im  Jahre  1705  auf  einer  Reise 
in  Düsseldorf  und  ward  dem  Kurfürsten  vorgestellt.  „Der  Hof  ist  zahlereich  und  glänzend, 
und  man  tut  nichts  ohne  Pracht  und  Herrlichkeit,"  berichtet  der  Chevalier;  „Bälle,  Opera, 
Comödien,  Musikconcerte,  Freudenfeste,  alles  ist  herrlich,  und  alle  diese  Ergötzlichkelten 
genossen  wir  fast  alle  Tage  während  des  ganzen  Monats,  da  wir  uns  hier  aufhielten,  mit. 
Bey  der  Mahlzeit  hatten  die  Hofdamen  die  Aufwartung,  und  wenn  sie  den  Herrschaften  den 
Wein  reichen,  so  gießen  sie  erstlich  einige  Tropfen  auf  den  Credenzteller,  kosten  sie,  und 
geben  ihn  mit  einer  kleinen  Knieverbeugung.  ...  Ich  muß  nicht  vergessen  anzuzeigen,  daß 
der  Churfürst  außer  dem  Oberhofmarschall  und  Oberkammerherrn  an  seinem  Hofe  noch 
eine  ziemliche  Anzahl  Kammerherren  habe,  die  größtentheils  Grafen  oder  Barons  sind,  welche 
bey  der  Tafel  die  Aufwartung  haben,  bis  der  zweyte  Gang  aufgesetzet  ist,  nach  welchem 
jeder  sich  weg  begeben  kan.  Dieses  ist  aber  noch  nicht  alles.  Wenn  der  Churfürst  in  die 
Stadt  fährt,  so  gehen  sie  zu  Fuß  vor  seinem  Wagen  her,  den  die  Leibwache  unter  Anführung 
eines  Capitainlieutenants  mit  geschultertem  Gewehr  beiderseits  umgibt.  Zwanzig  Pagen  in 
ihrer  Liverey  sind  unmittelbar  vor  dem  Wagen  und  am  Schlage  ein  halbes  Dutzend  Heiducken 
und  Schweizer  mit  Helleparden.  Alles  dieses  Schaugepränge  ist  erstaunlich  besonders  bey 
einem  Fürsten  anzusehen,  dessen  Vater,  noch  ehe  er  Churfürst  ward,  nichts  als  das  Herzog- 
thüm  Neuburg  besaß,  welches  eines  von  den  kleinsten  Fürstenthümern  in  Deutschland  ist. 


Abb.  9.  Jan  Weilern.  Medaille  von  J.  Seiter. 
Vgl.  Abb.  10. 


Was  mir  am  seltsamsten  vorkommt,  Ist,  daß  er 
Leute  von  solchem  Range,  als  die  meisten  seiner 
Kammerherren  sind,  dergestalt  erniedriget,  daß  sie 
wie  Lakaien,  oder  besser,  wie  Wachtelhunde,  vor 
seinem  Wagen  her  und  durch  die  Stadt  traben 
müssen,  wo  man  bis  über  die  Knöchel  im  Kot 
gehet.  Ich  erinnere  mich  nicht,  eine  Sache  dieses 
gleichen  an  dem  Hofe  des  größten  Monarchen  von 
Europa  gesehen  zu  haben."* 

Aber  es  lag  etwas  sonderbar  Zwiespältiges  im 
Wesen  Jan  Wellems.  Er  konnte  zu  seinen  Düssel- 
dorfer Bürgern  freundlich,  wohlwollend,  herab- 
lassend sein.  Zweimal  in  jeder  Woche  stand  jedem 
Bittsteller  sein  Arbeltszimmer  offen.  Er  liebte  es, 
dann  Düsseldorfisch  zu  sprechen,  liebte  es,  an  den 
Festen  der  Bürger  teilzunehmen,  am  Vogelschießen 
der  Sankt- Sebastian -Schützenbrüder.  So  erzählt  wenigstens  die  Tradition  in  Düsseldorf. 
Den  Schützen  schenkte  er  eine  Königskette  mit  seinem  Wahlspruch:  Dominus  virtutum 
nobiscum.  Er  soll  selbst  einmal  die  Schützenkönigswürde  In  Düsseldorf  erhalten  haben. 
Und  wenn  der  eitle  Chevalier  de  Blalnville  nicht  geschwindelt  hat,  so  hatte  er  für  seine 
Düsseldorferinnen  ein  ganz  besonders  warmes  Herz.  Diese  landesväterliche  Zuneigung  Jan 
Wellems  erregte  indes  die  Eifersucht  der  kinderlosen  Kurfürstin,  die  „sich  gar  oft  schimpf- 
lichen Anfällen  aussetzte,  wenn  sie  demselben  in  der  Nacht  in  einem  Mantel  verhüllet  auf  den 
Straßen  nachschleichet,  um  seine  Liebeshändel  auszuforschen.  Man  darf  sich  aber  darüber 
nicht  wundern,  weil  sie  in  einem  Lande  erzogen  worden,  wo  die  Elfersucht  bis  zur  Tolhelt 
steiget,  und  alle  Welt  weiß,  daß  der  Churfürst  kein  Feind  von  Liebeshändeln  ist." 

Jan  Weilern  konnte  den  unnahbaren  Landesherrn  ganz  vergessen,  wenn  er  abends  allein, 
ohne  Gefolge,  In  bequemer  Tracht  über  den  Marktplatz  In  die  Zollstraße  einkehrte.  In  das 
Haus  Nr.  7,  die  alte  Posthalterei  und  Weinstube  der  Familie  Maurenbrecher,  ,,In  der  Kanon", 
so  genannt  nach  dem  Signet  über  der  Haustür,  einer  Kanone  in  einem  Medaillon.  Es  war 
die  ,, Zechstube"  der  Düsseldorfer  Künstler.  Jan  Wellem  ging  hier  zwanglos  ein  und  aus,  hatte 
eigenen  Sessel  und  Pokal  und  freute  sich  beim  Dhroner,  seinem  Llebllngsweln,  der  tollen 
Schnurren  seiner  Künstlerfreunde.  Die  Zahl  der  Meister,  die  in  und  außerhalb  Düsseldorfs 
in  seinen  Diensten  standen,  ist  ganz  erstaunlich  groß.  Die  Architekten  Matteo  Graf  de  Albertl 
aus  Venedig,  Domenico  Martlnelli,  Riva,  Jacob  du  Bois,  Paul  Reiner,  Michael  Cagnon,  Aloyslus 
Bartolus;  die  Bildhauer  Gabriel  de  Grupello,  Michael  Catelan,  Heinrich  Charasky,  Benedetto 
Antonuzzl,  Philipp  Macrander,  Prockhoff  oder  Brolchhoven,  Peter  van  den  Branden,  Grupellos 

*  Blainviile:  Reisebeschreibung.    I.   S.  68  ff. 


8 


Gehilfe  bei  dem  Reiterdenkmal  des  Kurfürsten ;  die  Maler  Adrian  van  der  Werff ,  Eglon  van 
der  Neer,  Johann  Franz  Douven,  Jan  Weenix,  Anton  Schoonians,  Gottfried  Schalcken,  Johann 
van  Kessel,  van  der  Meyn,  Jan  van  Nikkelen,  Wilhelm  Trost,  Antonio  Belucci,  Antonio  Pelle- 
grini,  Domenico  Zanetti,  Antonio  Bernardi,  Antonio  Milanese  usw.;  dann  nicht  zu  vergessen 
der  berühmte  Waffenschmied  Hermann  Bongard,  und  Peter  Boy,  der  Goldschmied  und  Email- 
maler, und  noch  viele  andere  mehr.  Wer  die  Gunst  des  Kurfürsten  hatte,  wurde  mit  Gnaden- 
beweisen überhäuft.  Adrian  van  der  Werff,  den  Jan  Wellem  nicht  bewegen  konnte,  seinen 
Wohnort  Rotterdam  mit  Düsseldorf  zu  tauschen,  wurde:  ,,Mit  Decret  vom  15.  Juni  1697,  vom 
10.  eiusdem  an  zu  rechnen,  zum  Kabinettsmaler  angenommen.  Er  soll  ein  halbes  Jahr  für  den 
Kurfürsten,  ein  halbes  Jahr  für  sich  arbeiten,  dahingegen  4000  holländische  Fl.  aus  den  Ur- 
munder  Zollgefällen  erhalten."  Außerdem  aber  zahlte  noch  Jan  Wellem  die  gelieferten  Bilder 
fürstlich  und  erhöhte  das  Jahrgehalt  auf  6000  Gulden.  Anton  Clemens  Leunenschloß,  ein 
Düsseldorfer  Kind,  und  den  Maler  Gerhard  Karsch  sandte  er  auf  seine  Kosten  zur  künstlerischen 
Ausbildung  nach  Italien.  Hermann  Bongard,  dem  Waffenschmied,  schenkte  er  aus  eigenen 
Mitteln  einen  Bauplatz  an  der  Mühlenstraße.  Jan  van  Nikkelen  wurde  Chevalier.  Gabriel  de 
Grupello  schenkte  er  das  schöne,  heute  noch  erhaltene  Eckhaus  der  Zollstraße  am  Marktplatz, 
das  über  dem  Portal  noch  Büsten  von  Grupellos  Hand  aufweist  (Abb.  57).  Ja,  Jan  Wellem 
übertrug  seinem  Liebling  und  Hofstatuarius  sogar  das  heimgefallene  Lehen  Mertzenich.  Diese 
und  andere  Gunsterweisungen  des  Kurfürsten  an  seine  Künstler  erregten  natürlich  den  Neid 
und  Widerspruch  der  von  ihrem  Landesherrn  nicht  immer  gut  behandelten  adligen  Kammer- 
herren und  Geheimen  Räte.  Der  Kurfürstliche  Lehensdirektor  und  Geheime  Rat,  ein  Herr  von 
Palmers,  glaubte,  die  Bedenken  der  Regierung,  gegenüber  einem  so  fürstlichen  Gnadenbeweis 
wie  der  Übertragung  des  Lehngutes  Mertzenich  an  Grupello,  dem  Kurfürsten  nicht  vorenthalten 
zu  können.  Aber  er  bekam  eine  köstliche  Antwort. 
Jan  Wellem  verfügte:  ,,die  separationem  feudalium 
ab  allodialibus  auffs  förderlichste  vornehmen  zu 
lassen  und  dem  Chevalier  de  Grupello  quo  ad  feu- 
dalia  zu  dem  würcklichen  Genuss  der  ihme  hierm- 
falss  zugewendter  Churfürstl.  Gnadt  ohne  längeren 
Anstandt  förder-sambst  zu  verhelfen."  Und  Jan 
Wellem  fügte  eigenhändig  noch  hinzu:  ,,Mir  kommt 
die  Warheith  zu  sagen  dess  Lehensdirectons  Pall- 
mers  Conduitte  in  dieser  Lehensache  sehr  wTjnder- 
lich,  passionirt  und  suspect  vor,  massen  ehe  und 
bevor  ich  dieser  Lehen  noch  jemahlss  gedacht 
gehabt,  meinem  Cabinets  Statuanus  dem  Chevalier 
Grupello  zu  conferiren,  sondern  ess  geheischen, 
oder  ich  wöirde  ess  den  Ober  Hoff  Marschallen  Baron  Abb.  10.  Rückst  lt.  zu  Abb.  9. 


de  Wanghen  geben,  oder  sonsten  etwahe  einen  auss  den  druntlgen  Landen,  so  lang  sage  ich 
hat  ess  beständig  geheischen,  Mertzenich  sambt  Hauss  und  Guth  seye  fällig  ohne  Contradiction, 
jähe  er  Palmers  hat  mirs  wohl  100  Mahl  selber  repetirt,  anjetzo  aber,  dhae  sie  sehen,  dass  ichs 
einem  so  unvergleichlichen  Mann  wie  der  Chevalier  Grupello  ist,  seiner  Meriten  halber  geben 
will,  fangt  der  Pallmers  undt  die  übrigen  Räte  allerhandt  dergleichen  Chicanen  an,  indeme 
sie  ihme  undt  allen  schönen  freyen  Künsten  von  Grund  auss  feindt  seien  und  dass  auss  keiner 
anderer  Ursach,  alss  weilen  sie  solche  schöne  Sachen  nicht  verstehen  und  ein  Hauffen 
Esell  undt  Idioten  seindt,  welche  lieber  den  gantzen  Tag  sauffen,  spiehlen  und  tabaccieren, 
alss  sich  auff  solche  tugendliche  und  schöne  Wissenschaften  zu  begeben,  Ihr  aber,  mein  liebster 
Hoff  Cantzler,  wohl  wisset,  dass  solche  grosse  Künstler,  wie  der  Chevalier  Grupello 
undt  andere  seindt,  weith  mehrers  estimire  und  vorziehe  alss  alle  dergleichen 
Plackscheisser,  alss  habt  Ihr  dem  Chevalier  Grupello  mordicus  zu  sousteniren  und  in  die 
Possession  setzen  zu  helffen.  Wenn  ich  hernacher  hinunterkomme,  so  will  ich  schon  weiters 
in  Sachen  sehen,  wass  zu  thuen  ist,  und  ihme  Grupello  tam  in  utilitate  quam  honore  eiligst 
recht  zu  thuen.  Unterdessen  habt  Ihr  diese  meine  Formalia  den  Pallmers  vorzulesen  undt 
respectiv  dem  Grupello  zu  bedeuten. ' 

Die  Randglossen  eines  Friedrich  des  Großen  könnten  nicht  urwüchsiger  und  deut- 
licher sem! 

Jan  Wellems  künstlerische  Unternehmungen  nahmen,  wie  seine  politischen  Bestrebungen, 
allmählich  einen  phantastischen  Charakter  an.  Er  ist  eben  zeitlebens  ein  Phantast,  ein  Kind 
gewesen.  Kinderaugen  sind  es,  die  vom  Denkmalsockel  herab  auf  dem  Marktplatz  lachend 
in  die  Ferne  schweifen.  „Es  ist  etwas  ganz  leichtes,  daß  jeder  Schelm,  der  die  Kühnheit  hat, 
es  zu  wagen,  ihn  zu  allem,  was  er  will,  überreden  kan,  zumal  in  solchen  Sachen,  wo  man  ihm 
einbildet,  er  trüge  viel  bey,  den  Glanz  semer  Hoheit  zu  zeigen:  denn  er  ist  bis  zur  Aus- 
schweifung ehrgeizig,"  schreibt  Herr  von  Blainville.  Er  wollte  den  Stein  der  Weisen  finden 
und  fiel  dabei  manchem  Scharlatan  in  die  Hände.  Da  war  der  Graf  della  Torre,  ein  großer 
„Entwurfsmacher  und  Fuchsschwänzef",  der  „aus  der  Churfürstlichen  Casse  ansehnliche 
Geldsummen  herauszuziehen"  verstand.  Aus  Kupfer  wollte  er  Gold  machen,  denn  Gold, 
viel  Gold  hatte  Jan  Weilern  nötig.  An  goldenen  Ketten  schwebten  in  den  Wolken  seine 
Prachtbrücken  und  Gärten  der  Semiramis.  Luftschlösser  plante  er,  daß  Rom  und  Versailles 
Augen  machen  sollten.     Dieser  kurfürstliche  Peer  Gynt: 

Man  hat  ein  Ziel,  ganz  ohne  Frage. 

Und  dieses  ist?    Kaiser  werden!    Kaiser? 

Jawohl!    Und  wo?    In  aller  Welt!  (Peer  Cynt.) 

In  aller  Weh.     In  einer  phantastisch  neuen  Welt.    Philipp  Wilhelm,  den  Vater,  hatte  es 

nach  der  Krone  Polens,  dann  nach  dem  deutschen  Kaiserdiadem  gelüstet.    Jan  Wellem  aber 

hatte  viel  abenteuerlichere  Pläne.     Seine  Schwäger,  die  drei  mächtigsten  Herren  der  Welt 

neben  der  Allerchristlichsten  Majestät,  Leopold,  der  Deutsche  Kaiser,  Karl  IL,  König  von 

10 


Spanien,  und  König  Peter  von  Portugal,  sie  sollten 
wissen,  was  er  für  ein  Kerl  war.  Kaiser  von  Armenien 
wollte  er  werden.    Kaiser  des  Orients. 

Israel  Ory  war  mit  anderen  Armeniern  nach  Düssel- 
dorf gekommen.  Sie  hatten  von  dem  prachtliebenden 
Jan  Wellem  gehört  und  trugen  erst  den  Räten,  dann 
dem  Kurfürsten  ihre  Pläne  vor:  Armenien  schmachte 
unter  der  Osmanenherrschaft.  Die  Freiheit  des  ritter- 
lichen Gebirgslandes  sei  geknechtet.  Wenn  aber  ein 
Jan  Wellem  sich  an  die  Spitze  des  Volkes  stellte,  so 
würde  man  Ihm  begeistert  folgen  und  das  Türkenjoch 
abschütteln.  Dann  sei  das  romantische  Bergland  mit 
seinen  fruchtbaren  Tälern  sein  eigen. 

Kaiser  von  Armenien!  Selbst  dem  phantastischen 
Jan  Wellem  mag  dieses  Zukunftsbild,  als  1697  Israel  Ory 
ihm  zuerst  davon  erzählte,  ein  Wolkenkuckucksheim 
gewesen  sein.  Seine  lustigen  Kinderaugen  lächelten. 
Man  wußte  doch  auch  damals  schon,  wie  viel  schlauer 
der  Armenier  als  Kaufmann  ist,  denn  Griechen,  Syrer 
und  Juden.  Aber  Ory  schwelgte  in  bunten  Bildern  von 
der  Schönheit  und  dem  Reichtum  des  Landes.  Nur  die 
Ausgewanderten  seiner  Landsleute  seien  Handelsleute, 
die  Einheimischen  dagegen  das  edelste  und  treuergebenste 
Land-  und  Hirtenvolk  von  ritterlicher  Hoheit  der  Ge- 
sinnung. Jan  Wellem  ward  gewonnen.  Der  Ehrgeiz  der 
Kurfürstin,  mit  Ihren  Schwägerinnen  gleichen  Rang  zu  haben,  förderte  die  Verhandlungen. 
Jan  Wellem  sah  sich  an  der  Spitze  seiner  siegreichen  Pfälzer  und  Jülich-Berger  über  Länder 
und  Meere  ziehen,  berufen,  allen  Kreuzzügen  die  Krone  aufzusetzen.  Wenn  das  christliche 
Armenien  von  der  Heidenknechtschaft  befreit  sei,  wollte  er  die  Türken  für  die  römische 
Kirche  gewinnen. 

Er  sandte  Ory  mit  Vollmachten  In  die  Heimat.  Die  Großen  des  Landes  wählten  ihn  feier- 
lichst zu  ihrem  Kaiser  und  leisteten  den  Treueid.  1699  langte  Ory  wieder  in  Düsseldorf  an. 
Und  nun  arbeitete  Jan  Wellem  seinen  Siegeszug  aus:  Mit  seinen  niederrheinischen  und  pfäl- 
zischen Truppen  wollte  er  durch  Polen  und  Rußland  nach  Armenien  ziehen  und  dort  sich 
mit  den  Scharen  der  Freiheitskämpfer  vereinigen.  Der  Papst  gab  dem  Plane  seinen  Segen. 
Auch  aus  Petersburg  brachte  Ory  die  Einwilligung  Peters  des  Großen  mit.  Da  vertagte  der 
Ausbruch  des  Spanischen  Erbfolgekrieges  im  Jahre  1701  die  Ausführung  des  armenischen 
Unternehmens.     Jan  Wellems  Truppen  mußten  für  den  Kaiser  kämpfen,  und  der  Erbfolge- 


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Abb.  II.    Jan  Wellem.    Statuette  von  Grupello. 
Kunstakademie  zu  Düsseldorf. 


11 


krieg  reihte  ein  Jahr  an  das  andere.  Jan  Wellems  Gedanken  hingen  dennoch  weiter  an  Orys 
farbenprächtigen  Bildern.  Als  endlich  der  Friede  zu  Rastatt  im  Jahre  1714  Ruhe  brachte, 
mußte  der  Kurfürst  die  Oberpfalz  und  die  Grafschaft  Cham  herausgeben.  Die  Beziehungen 
zu  Armenien  waren  inzwischen  zerrissen.  Zwei  Jahre  später  nahm  Jan  Weilern  seine  Träume 
vom  Kaiserreich  des  Orients  mit  in  das  Grab*. 

Die  orientalischen  Pläne  hatten  Jan  Wellem  jeden  Maßstab  für  die  reale  Wirklichkeit  ge- 
nommen. Ihm  kam  der  Einfall,  aus  Düsseldorf  um  jeden  Preis  ein  zweites  Versailles  zu  machen. 
In  den  Jahren  1679 — 1690,  als  er,  noch  zu  Lebzeiten  seines  Vaters,  die  Regentschaft  der  nieder- 
rheinischen  Herzogtümer  führte,  hatte  er  Düsseldorf  derart  liebgewonnen,  daß  er  später  als 
Kurfürst  von  der  Pfalz  für  Heidelberg  weniger  Interesse  zeigte.  Er  hatte  wohl  die  Absicht 
gehabt,  das  von  den  Franzosen  zerstörte  Heidelberg  wieder  aufzubauen  und  in  der  Ebene 
ein  groß  angelegtes  Residenzschloß  zu  errichten.  Im  Bayerischen  Geheimen  Staatsarchiv  ist 
eine  ,,specificatione  delli  disegni  fatti  et  che  restano  da  farsi  per  il  palazzo  d'Eidelberg  in 
ordine  alla  pianta  ideata  per  commando  del  ser!i^  Elettore  Palatino"  erhalten.  Aber  diese 
Projekte  scheiterten  am  Widerstand  der  Pfälzer.  über  seinen  Düsseldorfer  Plänen,  das  alte 
Schloß,  die  Stadt  und  die  Kunstsammlungen  auszubauen,  in  Düsseldorf  und  Bensberg  neue 
Schlösser  zu  errichten  und  die  jülichsche  Landesburg  Hambach  der  Zeit  entsprechender  um- 
zugestalten, vergaß  Jan  Wellem  das  zerstörte  Heidelberg. 

Sein  Düsseldorfer  Lieblingskind  war  das  kurfürstliche  Opernhaus  in  der  Mühlenstraße, 
an  jener  Stelle,  wo  später,  im  Jahre  1766,  die  Residenz  der  Statthalter  errichtet  wurde 
und  wo  heute  das  neue  Justizgebäude  steht.  Die  beiden  Italiener  Gorini  und  Gualardi 
hatten  im  Inneren  die  reichen  Stuckdekorationen  geschaffen.  Antonio  Bernardi,  Ingenieur 
du  theätre,  toujours  actif,  toujours  infatigable,  avec  une  source  d'invention  mepuisable, 
wie  ihn  Raparini,  Jan  Wellems  Kabinettsekretär,  nennt,  entwarf  die  Theaterdekorationen. 
Wir  wissen  sonst  nichts  von  dem  Bau  der  Oper  und  seiner  Inneneinrichtung,  wissen 
aber  wohl,  daß  Jan  Wellem  den  Bau  mit  fürstlicher  Freigebigkeit  ausstattete.  ,, Unter  uns 
gesagt,"  meinte  emmal  Elisabeth  Charlotte  von  der  Pfalz,  Herzogin  von  Orleans,  in  einem 
Schreiben  an  ihre  Schwester,  die  Raugräfin  Louise,  ,,der  Kurfürst  hätte  besser  getan,  die 
20000  Thaler  anzuwenden,  das  Heidelberger  Schloß  wieder  auszubauen,  als  vor  eine  opera. 
Das  ist  nicht  ä  propos  in  jetziger  Zeit."  Ach  was,  ä  propos  oder  nicht  ä  propos  in  jetziger  Zeit. 
Die  Liebe  zur  Musik  und  zum  Theater  war  Jan  Wellems  Erbteil  seines  Vaters  und  Großvaters. 
Als  er  im  Jahre  1689  Maria  Anna  Luise  von  Toscana,  die  Tochter  Cosimos  III.  von  Toskana, 
in  zweiter  Ehe  aus  Florenz  heimführte,  hatte  die  italienische  Oper  seine  ganze  Liebe 
gewonnen.  Walter  hat  darüber  ausführlich  gehandelt**.  Wenn  in  die  kleine  niederrheinische 
Residenz  der  Karneval  seinen  Einzug  hielt,  dann  waren  italienische  Sänger  und  Sängerinnen 

*  Joseph  von  Fink:  Über  die  politischen  Unterhandlungen  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  von  der  Pfalz  zur  Befreiung 
der  Christenheit  in  Armenien  vom  Joche  der  Ungläubigen.     München  1829. 

**  Walter:  Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik  am  Kurpfälzischen  Hof.  1898,   —   Vgl.  dazu  die  ergänzenden  Angaben 
bei  Levin  im  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  XXIII.  S.  96  ff. 

12 


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Abb.  12.  Düsseldorf.  Altes  Schloß,  Schnitt.  Aufnahme  vom  Jahre  1756.  Vgl.  Abb.  13.  14  und  Bd.  1  Abb.  193,  194,  199. 

Links  das  Galeriegebäude.  Vgl.  Abb.  16  —  19. 

Jan  Wellems  Gäste.  Das  Opernhaus  In  der  Mühlenstraße  sah  die  ganze  Pracht  der  großen 
italienischen  Oper.  Raparinis  Operntexte  vertonte  der  Abbate  Moratelli,  der  „Kapell- 
meister des  Kurfürsten  und  Ehrenkaplan  der  Erzherzogin  Maria  Anna  von  Osterreich". 
Baidassar i  war  als  „Virtuoso  Soprano"  der  Stern  der  Düsseldorfer  Oper.  Zum  Karneval 
des  Jahres  1695  hatte  Moratelli  die  Oper  ,J1  fabro  pittore"  komponiert.  Der  Inhalt  ist  höchst 
interessant:  man  unterhält  sich  über  Bilder  aus  dem  Besitz  des  Jan  Weilern,  über  die  Rubens 
und  andere  Dinge.  Die  glanzvollste  Aufführung  sah  die  kurfürstliche  Oper,  als  1705  Karl  III. 
von  Spanien  in  Düsseldorf  weilte  und  ,,La  Monarchia  stabilita"  aufgeführt  wurde,  eine  Oper 
mit  zweiundzwanzigmahgem  Szenenwechsel.  Eine  umfangreiche  Maschinerie  war  dazu  nötig. 
Fortwährend  wurde  gezaubert.  Schlachten  wurden  geschlagen.  Ungeheuer  schwebten  in  den 
Lüften,  Städte  wurden  belagert.  Alles  eigens  zur  Verherrlichung  des  königlichen  Gastes.  Auf 
Moratelli  folgte  der  Kapellmeister  Wilderer.  171 1  war  auch  Haendel  Gast  bei  Jan  Weilern, 
den  er  mit  seinem  Klavierspiel  entzückte.  Der  Kurfürst  hielt  länger,  als  die  Reise  vorgesehen 
hatte,  den  Künstler  auf  seinem  Schloß  und  führte  ihn  durch  die  Sammlung  wertvoller  Musik- 
instrumente. Weit  und  breit  genossen  Jan  Wellems  mmsikahsche  Bestrebungen  in  der  Musik- 
welt hohes  Ansehen.  Arcangelo  Corelli  aus  Rom  widmete  1712  sein  letztes  Werk,  die 
,,Concerti  grossi",  dem  kunstbegeisterten  Kurfürsten  am  Niederrhein. 

Und  dann  der  Ausbau  des  alten  Schlosses  auf  dem  Burgplatz  (Abb.  12 — 14). 

Die  große  Explosion  des  Pulverturmes  vom  Jahre  1634  hatte  das  benachbarte  alte  Schloß 
arg  beschädigt.    Wolfgang  Wilhelms  und  Philipp  Wilhelms  Reparaturen   hielten  nur   einige 


13 


Jahrzehnte  vor.  Jan  Weilern  mußte  im  Jahre  1696  ernstlich  an  größere  Umbauten  denken, 
„weillen  die  Noth  in  mehr  undt  mehr  erfordert,  dass  ich  memen  allhieigen  Residenzbau,  dessen 
Baufälligkeit  sich  alle  Tage  mehrers  hervorthuet,  angreiffen  lasse",  wie  er  an  den  Reichs- 
vizekanzler,  den  Grafen  von  Kaunitz,  schrieb.  Baumeister  Riva  erhielt  den  Auftrag,  Pläne 
für  den  Umbau  zu  entwerfen,  und  Jan  Weilern  bat  den  Grafen  von  Kaunitz,  den  Wiener 
Baumeister  Domenico  Martinelli  (1650 — 1718),  den  Erbauer  des  Lichtensteinschen 
Majoratshauses  in  Wien  (1699 — 1711),  zu  veranlassen,  nach  Düsseldorf  zu  kommen.  Die 
Baugeschichte  des  Düsseldorfer  Schlosses  ist  —  ich  habe  das  oben  schon  einmal  erwähnt  — 
nicht  ganz  geklärt.  Wir  wissen  nichts  Weiteres  über  die  Tätigkeit  der  Martinelli,  der  zwischen 
1699  und  1701  in  Düsseldorf  gewesen  ist*,  und  Riva  beim  Umbau  des  Schlosses  und  wie 
weit  die  Kolonnaden  im  Hof  auf  einen  der  Meister  zurückzuführen  sind  (Abb.  12,  14).  Nach 
den  Formen  der  Arkaden  und  Portale  könnte  man  auch  noch  an  einen  anderen  Baumeister 
denken,  auf  den  ich  unten  noch  zurückkomme,  Matteo  Graf  de  Alberti. 

Das  Innere  des  Schlosses  erhielt  eine  überreiche  und  prunkhafte  Ausstattung  aus- 
gesuchter Kostbarkeiten.  Blainville  fand  den  ,, Gehörsaal  mit  den  allerschönsten  Tapeten 
und  den  herrlichsten  Malereyen  reichlich  verzieret.  Die  Tische,  die  Spiegelrahmen,  Wand-, 
Arm-  und  Kronenleuchter,  und  das  Camin  und  alles  andere  Geräthe  von  dieser  Art  aus 
purem  Silber.  In  einer  Ecke  dieses  Saales  hänget  ein  großes  Gemälde,  welches  den  Chur- 
fürsten  in  Lebensgröße  zu  Pferde  vorstellet,  von  einem  deutschen  Maler,  Namens  Duben 
(gemeint  ist  Johann  Franz  Douven),  und  in  den  Fensterfüllungen  sind  die  vier  Teile  der  Welt 
mit  ihren  vornehmsten  Städten  statt  der  Einfassung  von  dem  berühmten  van  Kessel  aus 
Antwerpen  gemalet."  In  den  angrenzenden  Kabinetten  waren  die  Fußböden  aus  ,, eingelegter 
Arbelt  von  japanischem  Holze  mit  Blumenwerk  von  Elfenbein,  Messing,  Schildkröten,  Schalen 
und  anderen  Zierrathen  ausgeputzt.  Die  Decken  dieser  Zimmer,  wovon  man  sehr  viel  Rühmens 
macht,  sind  von  einem  jungen  Frauenzimmer,  der  Jungfer  Spielbergin,  gemalet."  Die  Wände 
der  Privatgemächer  des  Kurfürsten  schmückte  eine  Fülle  ausgesuchter  Kabinettstücke 
niederländischer  und  italienischer  Meister.  Jan  Wellems  Sammelleidenschaft  kannte  keine 
Grenzen.  Die  Utrechter  Porzellansammlung  von  Schagen  erwarb  er  für  10 000  Fl.  Dem 
Amsterdamer  Goldschmied  Walrave  hatte  er  20000  Fl.  für  Juwelen  und  Schmucksachen  zu 
zahlen.  Weitere  ,,KabinetsjubiHere"  waren  der  kurpfälzische  Hofkammerrat  Giorgio  Stella, 
Simon  Eckart  und  Johann  Carmer.  Neben  dem  alten  Jägerhof  in  Pempelfort  war  in  der 
kurfürstlichen  Edelsteinschleifmühle  der  Steinschneider  Teck  tätig.  Von  1695 — 1698  war 
auf  dem  Schlosse  bei  freiem  Quartier  und  monatlich  50  Reichstalern  eine  Schar  italienischer 
Damastwirker  unter  der  Leitung  von  Vido  Tasso  beschäftigt.  Wilhelm  Birth  war  ,,Chur- 
pfälzischer  Kunstschlosser".  Carlo  Bonaveri,  Francesco  Orsolini,  Gonni,  Guarlardi, 
Antonio  Rizzi,  Bugliachi,  Antonio  Fabri  u.  a.  m.  waren  Jan  Wellems  Kunststukkateure, 
Elhoven  und  Leoni  Elfenbeinschnitzer,  Guidemon  Guimet  de  Beaulie,  Isaak  Naville, 

*  Vgl.  Lau  im  Düsseldorfer  Jahrbuch  1913/14.  S.  242. 

14 


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Abb.  13.  Düsseldorf.-  Altes  Schloß.  Ansicht  der  Uferlront  vom  Jah-e  17-:6.  Vgl.  Abb.  12,  14  unJ  Bd.  1  Abb.  193,  194,  199 


Abb.  14.  Düsseldorf.  Altes  Schloß.  Grundrißaufnahme  vom  Jahre  1756.  Vgl.  Abb.  12,  13  und  Bd.  I  Abb.  193,  194.  199. 

Rechts  oben  die  Wache.  Vgl.  Abb.  15.  —  Rechts  unten  Hof  der  Galerie.  Vgl.  Abb.  16 — 19.  15 


Abb.  15.   Düsseldorf.  Burgplatz  mit  der  ehemaligen  Wache;  links  der  Galeriebau,  hmter  der  Wache  das  Schloß. 

Vgl.  Abb.  12,  14,  16,  17 

Laglsse,  Bussat,  Fürstenfeld,  Dionysius  de  Four  und  Noel  de  Nou  waren  Hof- 
uhrmacher. Ebenso  kamen  auch  die  Kunsthandwerker  Isaak  Guimon,  Jacob  Peravard, 
Franciskus  Guimon  und  andere  aus  Frankreich  in  die  Düsseldorfer  Residenz.  Die 
Zahl  der  Kunsthandwerker  Jan  Wellems  ist  ebenso  erstaunlich  groß  wie  die  der  Baumeister 
und  freien  Künstler.  Buckels,  seinen  Bibliothekar,  sandte  er  nach  Italien,  um  Werke  des 
Raimundus  LuUus  aufzufinden  und  zu  erwerben*. 

Wir  müssen  uns  von  Herrn  Zacharias  Conrad  von  Uffenbach,  der  um  das  Jahr  1711  in 
Düsseldorf  weilte,  erzählen  lassen,  wie  es  in  Jan  Wellems  Sammlungen  aussah**.  Er  war 
von  Kabinett  zu  Kabinett  gewandert.  In  der  kurfürstlichen  Bibliothek  sah  er  Herrn 
Le  Roy,  der  ihm  das  Prunkstück,  einen  Horaz-Codex,  zeigte,  dann  verschiedene  Bände  von 
,,epistulis  autographis  eruditissimorum  virorum"  und  ,, etliche  sehr  zierliche  Brevina,  darunter 

*  Vgl.  zu  Levins  Beiträgen  zu  den  Kunstbestrebungen  usw.  im  Düsseldorfer  Jahrbuch  XIX,  XX  u.  XXIII  auch  Friedrich 
Lau:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kunstbestrebungen  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm.     Düsseldorfer  Jahrbuch  XXVI. 
**  Uffenbach  a.a.O.  III.     S.  722-744. 


16 


war  eins  in  Duodez,  mit  Silber  beschlagen,  in  welchem  viele  schöne  Mignaturfiguren,  als 
ich  jemalen  in  dergleichen  gesehen  habe"  usw.  Andere  Kabinette  faßten  die  physikalischen, 
optischen  und  mathematischen  Instrumente,  andere  die  Münz-  und  Medaillensammlungen. 
Aber  lassen  wir  Uffenbach  darüber  erzählen:  „Zu  den  Medaillen  sind  zwey  große  und  schöne 
Cabinete  gemacht,  beyde  von  schwarz  Ebenholz  auswendig  und  mit  Messing  eingelegt,  inwendig 
aber  sind  Schubladen  oder  Bretter  von  Schildkrot  und  Elfenbein  eingelegt,  an  dem,  in  welchem 
die  antiquen  liegen,  ist  der  Grund  Schildkrot  und  die  Blumen  oder  Laubwerk  Elfenbein,  an  dem 
andern  aber,  in  welches  die  moderne  kommen  sollen,  ist  der  Grund  Elfenbem  und  das  Laub- 
werk hingegen  Schildkrot.  .  .  .  Jedes  dieser  Cabinete  soll  achtzehnhundert  Reichsthaler  gekostet 
haben."  Ihr  Verfertiger  war  der  Kunstschreiner  Anton  Lautenschein.  Jeder,  der  die  kunst- 
volle Arbeit  sah,  war  entzückt.  Uffenbach  sah  „zwanzig  bis  dreyssig  antique  Ringe,  so  der 
Churfürst  alle  in  Gold  fassen  lassen.    Dabey  lag  neben  der  Harpocrates,  welchen  Herr  Cuperus 

in  einem  eigenen  Tractate  beschrieben Sonst  stunden  .  .  .  allerhand  Urnen,  Vasen, 

Utensilien,  Götzen  und  dergleichen,  deren  eine  ziemliche  Anzahl".  Sicherlich  gehörten  dieser 
Sammlung  auch  die  überaus  wertvollen  Miniatur-Medaillons  an,  die  Peter  Boy  und  Franz 
Douven  für  Jan  Weilern  gearbeitet  haben*.  Der  Kurfürst  zeigte  für  die  Vervollständigung 
seiner  Münzsammlung  das  lebhafteste  Interesse.  ,, Unter  den  vielen  Medaillen  der  Antoninen, 
die  auf  dem  Revers  die  Inschrift  ,Aeternitas  imperii'  tragen,  fehlt  uns  nur  die  eine  von  Antoninus 
Caracalla,"  schrieb  er  am  30.  Juli  1707  an  den  Grafen  Fede,  seinen  römischen  Kunstlegaten. 
,,Es  wird  Ihnen  nicht  schwer  fallen,  sie  in  einem  der  dortigen  Cabinette  aufzutreiben."  Der 
Kurfürst  sah  wie  der  echte  Sammler  auf  wissenschaftliche  Vollzähhgkeit.  Daneben  lag  ihm  die 
künstlerische  Hebung  der  heimischen  Münztechnik  am  Herzen  (Abb.  4,  5,  9,  10). 

Wir  müssen  Uffenbach  noch  in  die  kurfürstliche  Waffensammlung  begleiten.  Er  ist  be- 
geistert. ,,Die  beiden  Cabinete  sind  obwohl  gar  klein,  dennoch  unvergleichlich.  Ehe  ich  dahin 
gienge,  mußte  ich  meinen  Degen  nicht  allein  ablegen,  sondern  weil  die  Böden  mit  allerhand 
Holz  sehr  schön  eingelegt,  auch  polirt  sind,  mußte  ich  besondere  Pantufflen,  wie  in  Holland 
gebräuchlich,  über  die  Schuhe  anziehen,  wie  auch  Handschuhe,  damit  das  Gewehr,  welches 
ich  zuerst  sah,  nicht  anliefe.  Es  war  aber  eine  Flinte,  ein  Paar  Pistolen  und  ein  Degen,  alles 
von  Stahl  mit  sehr  viel  erhabenen  zarten  Figuren,  gewiß  unvergleichlich  gearbeitet  und  verguldet. 
Sie  sind  allhier  in  Düsseldorf  von  einem  Namens  Hermann  Bongard  gemacht.  Ich  habe 
dergleichen  mein  Lebtag  nicht  gesehen.  Sonst  war  in  diesen  Cabineten  ein  ungemein  schöner 
Vorrath  von  kleinen,  aber  der  schönsten  Gemählden,  worunter  sehr  viele  von  Breughel  und 
van  der  Werff .  Auch  war  auf  der  Seite  ein  gläserner  Schrank,  in  welchem  allerhand  künstliche 
und  kostbare  Gefäße  von  Agat  und  dergleichen  Materien."  Hermann  Bongard  aus  Süchteln, 
der  seit  1678  in  Düsseldorf  bis  zu  seinem  Tode  tätig  war,  ist  heute  von  den  Düsseldorfern 


*  Vgl.  Hans  Buchheit:  Emailarbeiten  von  Peter  Boy.  Porträtminiaturen  von  J.  F.  van  Douven.  Ein  Beitrag  zur  Ikono- 
graphie des  Hauses  Witteisbach.  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  XXIII,  S.  186  ff.  u.  Taf.  I— V.  —  Die  Arbeiten 
sind  heute,  wie  die  meisten  anderen  Stücke  der  Düsseldorfer  Schatzkammer,  im  Bayerischen  Nationalmuseum. 

3  17 


längst  vergessen  und  war  doch  einer  der  Größten  seines  Fachs  gewesen!  —  Dann  Jan 
Wellems  Gemäldesammlung.  Von  ihr  erschöpfend  zu  reden,  hieße  ein  eigenes  großes  Buch 
schreiben.  Eine  Aufgabe,  die  im  Zusammenhange  mit  den  übrigen  künstlerischen  Unterneh- 
mungen des  Kurfürsten  auch  bald  geleistet  werden  soll.  Ich  kann  mich  hier  ganz  kurz  fassen. 
Jan  Wellems  Bildersammlung  bildet  heute  die  Perlen  der  Münchener  Alten  Pinakothek. 
Und  was  bleibt  von  dieser,  wenn  man  sie  herausnehmen  wollte  ?  Eine  Fassung,  der  doch  die 
glänzendsten  Stücke  fehlten.  Denn  auch  viele  der  aus  Mannheim  nach  München  gelangten 
Bilder  hatte  einst  Jan  Wellems  Sammelleidenschaft  für  Düsseldorf  erworben.  ,,Ich  weiß  nicht," 
sagt  Franz  von  Reber  im  Vorwort  des  Katalogs  der  Alten  Pinakothek,  ,,ob  sonst  jemals  eine 
Sammlung  ....  in  ähnlicher  Gewähltheit  und  Bedeutung  zusammengestellt  worden  ist.  In 
Deutschland  gewiß  nicht.  .  .  .  Der  Rubenssaal  daselbst  enthielt  nicht  weniger  als  40,  alle 
Hauptwerke  außer  den  bisher  genannten  unserer  bekanntlich  bedeutendsten  Rubenssammlung 
der  Welt,  von  den  29  größeren  Van  Dyck,  welche  unser  Van-Dyck-Saal  bewahrt,  stammen  1 7 
aus  Düsseldorf,  ebenso  drei  der  schönsten  Snyders,  die  zwei  Profanstücke  von  Jordaens,  der 
große  G.  de  Crayer  und  die  beiden  Doufeet,  die  berühmte,  aus  sechs  Stücken  bestehende  biblische 


Abb.  lo.  Uüsseldorl.  Blick  in  din  Hof  der  ehemaligen  Galerie.  Zeichnung  von  Hildebiand.  (Histor.  Museum.) 

Vgl.  Abb.  12,14,15,17-19. 


18 


Serie  von  Rembrandt,  wie  dessen  Selbstbildnis,  der  große  Dou,  das  Bohnenfest  von  Metsu  und 
auserlesene  Cabinetstücke  der  Holländer  und  Flamländer  überhaupt.  Und  von  den  Italienern 
außer  Hauptwerken  von  Caracci,  Domenichino  und  Reni,  der  Vesalius  des  Tintoretto,  die 
beiden  Madonnen  mit  Heiligen  und  Donatoren  von  Palma  Vecchio  und  Tizian,  namentlich 
auch  die  Heilige  Familie  von  Andrea  del  Sarto  und  Raphaels  Heilige  Familie  aus  dem  Hause 
Canigiani. "  Jan  Weilern  hat  keine  Verbindung  unbenutzt  gelassen,  um  diese  grandiose  Samm- 
lung zu  schaffen.  Cosimo  III.  von  Toskana  zeigte  sich  in  manchem  wertvollen  Stücke  seinem 
Schwiegersohne  für  politische  Dienste  erkenntlich.  Ebenso  der  Kardinal  Ottobono  in  Rom. 
Cosimos  Gesandter  beim  Heiligen  Stuhl,  der  Abbate  und  spätere  Graf  Antonio  Maria  Fede,  war 
ununterbrochen  für  den  Ausbau  der  Düsseldorfer  Sammlungen  tätig.  Aus  Madrid,  den  Kunst- 
sammlungen des  verwandten  königlichen  Hauses,  wanderte  manches  kostbare  Stück  nach 
Düsseldorf.    Und  ebenso  die  Schätze,  die  Kirchen  und  Schlösser  im  Lande  bargen.    So  aus 


Abb.  17.    Düsseldorf.   Burgplatz  im  Jahre  1859.    Links  der  Galeriebau,  rechts  die  Akademie,  das  ehemalige  Schloß.    Nach  einer 
Zeichnung  von  A.  Frank.  (Histor.  Museum.)  Vgl.  Abb.  12,  14,  13,  16,  18,  19,  21,  22. 

19 


Abb.  18.  Düsseldorf.  Ehemaliger  Galerlebau.  Schnitt.  Nach  Nie.  de  Pigage,  Catalogue  raisonne.^Vgl.  Abb.  12,  14,  16,  17,  19,  21,  22. 
Früher  statt  der  Statue  des  Kurfürsten  in  der  Mitte  des  Hofes  eine  Fontäne.  Vgl.  Abb.  20. 


I'landi  li.vn.Mi;Nr  r)i-;  i..\  (Jai.i.iuk  Kij.i  •loitM.F.  ijks  I.mmxai'x  aDi  .<ski.ixiiih 


Abb.  19.  Düsseldorf.  Ehemaliger  Galeriebau.  Grundriß.  Nach  Pigage.  Vgl.  Abb.  12,  14,  16-18,21,22. 


20 


der  Jesuitenkirche  zu  Neuburg  Rubens  großes  Jüngstes  Gericht.  In  den  Niederlanden  reiste 
Johann  Franz  Douven  für  seinen  kurfürstlichen  Herrn.  Der  1656  in  Roermond  geborene 
Maler,  der  nicht  weniger  denn  drei  Kaiser,  drei  Kaiserinnen,  fünf  Könige,  sieben  Königinnen 
porträtiert  hat,  war  Jan  Wellems  wichtigster  Mitarbeiter  an  der  Schöpfung  der  Düsseldorfer 
Sammlung.  Er  war  als  „Cammerdiener  und  Cabinetsmaler"  in  die  Dienste  des  Kurfürsten 
getreten  und  verpflichtete  bald  seinen  Herrn  derart,  daß  im  Jahre  1700  sein  Jahrgehalt  auf 
2500  Reichstaler  erhöht  wurde.  Aus  dem  Kammerdiener  wurde  ein  Ministre  des  beaux  arts. 
Ihm  war  die  Oberaufsicht  der  kurfürstlichen  Sammlungen  unterstellt. 

Das  Schloß  am  Burgplatz  glich  bald  einem  gefüllten,  unwohnlichen  Magazin,  das  keinen 
neuen  Schatz  mehr  aufnehmen  konnte;  für  den  großen  Rubens  aus  Neuburg  war  überhaupt 
kein  Platz  zu  schaffen  gewesen.  Das  Bild  mußte  einstweilen  bei  den  Kapuzinern  untergebracht 
werden.  Jan  Wellem  konnte  nicht  mehr  anders,  er  mußte  für  seme  Kunstschätze  emen  Anbau 
an  das  Schloß  vornehmen  und  betraute  damit  Grupellos  Gehilfen  und  Halbbruder,  den 
Bildhauer,  Architekten  und  Ingenieur  Jacobus  du  Bois*  (Abb.  18).  Er  war  im  Jahre  1700 
als  Hofarchitekt  und  Ingenieur  in  die  Dienste  Jan  Wellems  getreten.  Nach  dem  Tode  des 
Kurfürsten  wurde  er  vom  Hofe  entlassen  und  starb  1722**.  Raparini  hat  in  seine  Schrift 
jedem  der  führenden  Künstler  am  Hofe  Jan  Wellems  eigenhändig  eine  Medaille  eingezeichnet. 
Die  für  Jacobus  du  Bois  hat  die  Umschrift:  ,,Insignis  sculptor  simul  architectus  es  idem.. 
Laus  duplici  ex  merito  pulchra  iterata  placet."  Eine  andere  Medaille  zeigt  den  Durchschnitt 
durch  das  neue  Galeriegebäude.  Als  Uffenbach  im  Jahre  1711  in  Düsseldorf  weilte,  war  der 
Bau  noch  nicht  vollendet.  ,,Die  Galerie  von  Gemählden  ist  .  .  .  oben  auf  dem  dritten  Stock 
des  Schlosses,  und  bestehet  aus  dreyen  schmalen,  auch  nicht  gar  langen  unterschlagenen 
Gängen  .  .  .  Herr  Friderici,  ein  Mahler,  so  darüber  gesezt  ist,  führte  mich  .  .  .  Zuletzt  sah  ich 
das  Kunsthaus  selbst,  so  aber  noch  nicht  fertig.  Es  stehet  gleich  vor  dem  Schloß,  ist  sehr  groß, 
und  hoch  von  Backsteinen  aufgeführt.  Oben  sollen  die  Antiquitäten  und  Medaillien,  wie  auch  die 
Mahlereyen  kommen ;  unten  aber  lauter  große  Statuen. . .  Es  sollen  die  Sachen  (gemeint  sind  die 
Kostbarkeiten  der  Kleinkunst),  wie  Herr  Le  Roy  versicherte,  wann  sie  in  das  Kunsthaus  kommen, 
alle  zierlich  und  ordentlich  auf  Pyramiden  gesezt  werden,  welches  wohl  höchstnötig  ist."*** 

Im  Jahre  1719,  drei  Jahre  nach  Jan  Wellems  Heimgang,  erschien  der  erste  Katalog  der 
Düsseldorfer  Galerie.     , .Ausführliche  und  gründliche  Speculation  derer  vortrefflichen  und 


*  „Mais  ne  vois  je  point  ici  se  detacher  de  la  statuaire,  pour  se  porter  a  l'architecture,  quitter  le  pesant  ciseau  pour  traiter 
la  plume,  certaine  personne  dont  l'art  a  tout  le  solide  qu'elle  demande  et  le  grave  qu'exige  cette  illustre  matrone  de  l'architecture? 
erzählt  Raparini  von  dem  bisherigen  Gehilfen  Grupellos,  der  nun  vor  eine  architektonische  Aufgabe  gestellt  v/nd.    „Tay  veu 
autre-fois  cette  meme  personne  d'une  main  hardie  et  heureuse  trouver  le  tendre  et  le  moilleux  au  milieu  des  marbres,  dans  la 
celebre  ecole  de  Monsieur  Grupello,  son  demifrere,  et  lui  preter  son  bras,  pour  lui  aider  ä  faire  eclorre  glorieusement  la  forme,  ä 
tirer  le  delicat  hors  du  rüde  et  du  massif.  et  je  Tay  vü  depuis  d'une  mam  legere  et  non  chancellante,  conduire  des  lignes  ä  leur 
centre,  tracer  des  plantes  de  bätiments  bien  considerees  et  meurement  etablies  et  sur  ces  memes  plantes  erriger  des  fajades  Dien 
ornees,  poser  ä  cöte  des  profils,  le  tout  avec  proportion  et  regle  —  C'est  Monsieur  Du  Boit." 
**  Vgl.  Lau  im  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  XXVI  (1914).     S.  244. 
***  Uffenbach  a.  a.  0.   III.     S.  725,  729,  742. 

21 


unschätzbaren  Gemählden,  welche  in  der  Galerie  der  Churfürstl.  Residenz  zu  Düsseldorf  in 
grosser  Menge  anzutreffen  seynd. "  Er  stammt  von  dem  Maler  Gerhard  Karsch,  den  der 
Kurfürst  zum  Galeriedirektor  ernannt  hatte.  Sein  Führer  liest  sich  fieilich  wie  die  „Fliegenden 
Blätter".  Gleich  die  Einleitung:  „Wie  hoch  aber  die  Kunst  zu  unserer  Zeiten  beschätzt  worden, 
um  Plinio  mit  seinen  35  Büchern  das  Maul  zu  stopffen,  kan  ich  mit  dem  glorwürdigsten  Kayser 
Carlo  V.  wie  auch  Ludowico  XIII.  in  Frankreich,  welcher  Raphaeli  de  Urbino  dreyssig  Thaler 
vor  ein  Stück  verehret,  (unzahlbare  andere  zu  geschweigen)  klärlich  genug  beweisen.  Daß 
aber  dieses  hoch-flonrendes  durchlauchtigstes  Chur-Hauss  Pfaltz  keinen  von  diesen  ein  Haar 
weichen  wollen,  zeiget  an  die  unvergleichliche  Quantität  der  kostbaresten  und  unschätzbaren 
Gemähide  usw."  Noch  philiströser  und  superlativer  wird  der  Maulstopfer  Karsch  bei  der 
Beschreibung  der  einzelnen  Bilder.  Da  heißt  es:  ,,Eine  Kinder-Tödtung  von  der  ersten  Manier 
gemahlet  von  Hannibal  Carraci",  ,,Ein  schlaffender  Cupido,  wie  ihme  Spsiche  die  Gurgel 
abschneiden  will",  ,,Eine  Schweine- Jagd,  allwo  etliche  Hunde  verwundet  und  andere  sich 
unterstehen  zu  beissen",  ,,Ein  Silenus,  wie  er  von  Satyren  und  Bacchanten  gantz  besoffen 
gefuhret  wird",  ,,Der  verlohrne  Sohn,  welcher  in  dem  Bordello  mit  Trincken  und  Caressiren 
sich  verfuhren  lässt".  Die  Bilder  sind  ,,sehr  natürlich,  sehr  rigoros,  sehr  kunstlich,  sehr  fleißig 
gemahlet"  oder  ,, unvergleichlich  inventiert",  ,,sehr  freundlich  experimentirt"  usw. 

Nicolas  de  Pigage,  der  Baumeister  des  Benrather  neuen  Schlosses,  gab  im  Jahre  1778 
einen  neuen  Katalog  der  Düsseldorfer  Gemäldegalerie  heraus.  Zwei  Foliobände  mit  zahl- 
reichen Kupferstichen*.  Ein  Prachtwerk,  das  bald  Weltruf  erlangte  und  uns  genauer  über 
die  Anlage  des  Galeriegebäudes  und  der  einzelnen  Kabinette  unterrichtet  (Abb.  18,  19,  21 ,  22). 
Der  Galeriebau  war  indessen  von  Jan  Wellem  nur  als  ,, place  ad  Interim  ä  ses  tableaux"  gedacht, 
„en  attendant  qu'il  püt  les  placer  d'une  maniere  plus  convenable  dans  un  vaste  palais,  qu'il 
projettoit  de  bätir  ä  Dusseldorf  et  dont  les  plans  encore  subsistans,  annoncent  un  edifice 
des  plus  somptueux"  (Pigage).     (Vgl.  Abb.  27.) 

Der  Galeriebau  war  eine  dreiflügellge  Anlage  (Abb.  16 — 19).  Davon  ist  heute  nur  noch 
der  eine  Flügel  zwischen  Rathaus  und  Kunstgewerbeschule  erhalten,  der  im  Erdgeschoß  unter 
einem  alten  Deckengemälde  von  Zanetti  die  Anmeldung  neu  hinzugezogener  Bürger  entgegen- 
nimmt, im  oberen  Geschoß  die  Schüler  und  Schülerinnen  der  Kunstgewerbeschule  in  die 
Anfangsgründe  der  Zeichenkunst  einführt.  Hinter  diesem  alten  Flügel  der  Galerie  stand  bis  vor 
kurzem  auf  dem  Hof  der  Kunstgewerbeschule  auf  schlichtem  Sockel  das  Denkmal  Jan  Wellems 
mit  Panzer  und  Purpurmantel.  Die  Linke  pathetisch  in  die  Seite  gestemmt.  Lorbeer  im  Haar. 
Und  schwärmensch  wandern  wieder  die  Augen  der  untersetzten  Gestalt  in  die  Ferne**.  Eine 
Arbeit  Grupellos.  Auch  Pigage  fand  an  dieser  Stelle  das  Denkmal  vor  (Abb.  18,  19).  Aber  es 
war  erst  wenige  Jahre  vorher  zur  Aufstellung  gekommen.    Wo  es  sich  früher  in  Düsseldorf 

*  Nicolas  de  Pigage:  Catalogue  raisonne  des  tableaux  de  la  Galerie  Electorale  de  Düsseldorf.  1778.  Edit.  rev.  et  augm    1809 
—  Die  Katalog-  und  Galerie-Literatur  bei  Giemen:  Kunstdenkmäler  des  Kreises  Düsseldorf.    S.  19—21 
**  Giemen:   Kunstdenkmäler  des   Kreises  Düsseldorf.  Abb.  21. 

22 


befand,  kann  ich  nicht  angeben.  Es  war 
nach  dem  Tode  Jan  Wellems  nach  Mann- 
helm gewandert,  dann  später  gegen  Gru- 
pellos  Fontäne  wieder  ausgetauscht  worden. 
„Eine  grose  Piramlde  von  Bruns  gegosen 
so  auf  dem  Galleneplatz  stehet  worahn 
die  fontalne  annoch  nicht  fertig  sambt  an- 
gehörlgen  Nymphen  mit  dem  Acthäon  undt 
Diana",  wie  das  Inventar  vom  Jahre  1716 
angibt*.  Es  ist  die  seltsam  überladen  kom- 
ponierte Allegorie,  die  heute  den  Mann- 
helmer  Paradeplatz  schmückt  (Abb.  20)**. 
Auch  das  Standbild  des  Kurfürsten  hat 
später,  vor  wenigen  Jahren  erst,  den  histo- 
rischen Boden  des  alten  Galeriehofes  ver- 
lassen müssen  und  steht  heute,  leider  so 
ganz  unter  Ausschluß  der  Öffentlichkeit, 
Im  Garten  des  Jägerhofs.  Nach  dem  Hof  zu 
Ist  der  alte  Galerleflügel  wie  der  einst 
gegenüberliegende,  der  durch  ein  Treppen- 
haus mit  dem  Schloß  verbunden  war  (Abb. 
19,  14),  ganz  schlicht.  Nur  der  Mitteltrakt 
der  hufeisenförmigen  Anlage  hatte  in  der 
Mittelachse  einen  vortretenden,  mit  einer 
Attika  bekrönten  Risalit  (Abb.  18,  19)***. 
Der  Mittelpunkt  des  Galeriegebäudes 
war  der  Saal  ,,dite  Rubens'  mit  den  großen 
Bildern  der  Münchener  Pinakothek  (Abb. 
21 ,  22),  um  den  sich  die  anderen  Kabinette 
gruppierten,  wieder  benannt  nach  den  wich- 
tigsten Melstemf .  In  den  Sälen  standen 
kostbare  Marmortische.  Die  Decken  hatten 


Abb.  20.  Mannheim.  Denkmal  auf  dem  Paradeplatz.  Ehemals  im 
Hofe  des  Düsseldorfer  Galeriebaues.  Vgl.  Abb.  18,  19. 


*  Uffenbach  sah  bei  seinem  Besuch  in  Grupellos  Gießhause  „viele  und  große  Figuren  zu  einem  vortrefflichen  Brunnen  oder 
Wasserwerk,  so  auf  dem  Platz  bei  dem  Kunsthaus  soll  gesetzt  werden   . 

**  Vgl.  Jos.  Aug.  Beringer:  Gabriel  von  Grupello  am  Oberrhein.     „Die  Rheinlande."     VII.     1907.     Heft  5. 
***  Vgl.  das  Bild  des  Galeriehofes  von  A.  Achenbach  in  der  Kunsthalle  zu  Düsseldorf. 

t  Die  Darstellung  bei  Pigage  wird  nicht  ganz  mit  der  Aufstellung  zur  Zeit  Jan  Wellems  übereinstimmen,  da,  durch 
Abgang  und  Austausch  mit  Mannheim,  im  Jahre  1778  die  Sammlung  ein  anderes  Aussehen  erhalten  hatte,  auch  eine  andere  An- 
ordnung und  Numerierung.     Das  Verzeichnis  bei  Jan  van  Gool  führt  339  Stücke  auf,  das  von  Collins  (Catalogue  des  tableaux 


23 


ClX(^)i;iF.3VE   Sai.LK   IV.iMi.rc  l'..,.,.l. 


Abb.  21.   Düsseldorf.   Wand  aus  dem  Rubenssaal  des  ehemaligen  Galeriebaues.    Nach  Pigage.   Vgl.  Abb.  18,  19,  22. 


die  Zanetti,  Pellegrini  und  andere  Italiener  ausgemalt.  Das  Treppenhaus  am  Ende  des  einen 
Seitenflügels  der  Galerie  Jan  Wellems  ,,adjutante  di  camera"  Gerhard  Joseph  Karsch. 
Aus  dem  um  1755  entstandenen  Katalog  des  ,,Directeur"  Collins  erfahren  wir  auch,  daß 
eine  Reihe  Grupelloscher  Arbeiten  Türen  und  Treppenhaus  der  Galerie  schmückten.  ,,Au 
bas  de  l'Escalier  des  Gallenes  une  Vierge,  l'Enfant,  Jesus  et  Saint  Jean.    En  marbre  blanc 

de  la  gaiene  electorale  k  Düsseldorf,  ca.  1733)  293,  Pigage  333.  Für  unsere  Darstellung  bleibt  das  indessen  bedeutungslos.  Vgl. 
die  wieder  trefflichen  Ausführungen  von  Theodor  Levin:  Schicksale  der  Galerie.   Düsseldorfer  Jahrbuch  XXIII.   S.  102  -  149. 


24 


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ClXQUIExAlE     SAIXE    Troili.-mo   Fa.aclc 


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Abb.  22.   Düsseldorf.   Wand  aus  dem  Rubenssaal  des  ehemaligen  Galeriebaues.    Nach  Pigage     Vgl.  Abb.  18,  19,  21. 

sur  son  pied  d'Estal."  Diese  Arbeiten  sind  leider  verschwunden.  ,,Une  Galathee."  Das  wird 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  schöne  Galatea  im  Park  zu  Schwetzingen  sein.  „Des  deux 
cotes  de  la  porte  des  Galleries  les  Bustes  de  l'Electeur  Jean  GuiUeaume  et  de  l'Electnce.  En 
marbre  blanc."  Beide  Arbeiten  zieren  heute  den  Festsaal  der  Düsseldorfer  Kunstakademie. 
„L'Electrice  sous  la  figure  de  Providence."  Ebenfalls  heute  in  der  Kunstakademie.  „Junon 
et  Mercure,"  wieder  Schwetzinger  Plastiken.  „Toutes  ces  rares  et  belies  sculptures  sont  du 
fameux  Chevalier  Grupello.    Les  Plafonds  peints  ä  clair  obscur,  par  Karsch  representent  le 


25 


Trlomphe  des  beaux  arts."  Karsch  hat  in  seinem  Katalog  der  Galerie  die  Bilder  selbst  be- 
schrieben.    Der  Komik  wegen  bitte  ich,  auch  diese  Stelle  hier  anführen  zu  dürfen. 

„Im  ersten  Eingang  der  Galerie  vorhaupts  an  beyden  Seiten  der  Tür,  auf  der  rechten  Seite 
Theoria  und  Practica,  so  sich  umarmen;  auf  der  andere  Seiten  ist  die  triumphierende  Mahler- 
Kunst  mit  einem  Lorber-Krantz  in  der  Hand,  samt  der  Bildhauer,  Bau-Kunst  und  Poesie. 
An  der  linken  Seiten  zwischen  den  Fenstern  die  triumphierende  Minerva  mit  der  Ignorance 
unter  den  Füßen,  hingegenüber  ist  Hercules  Palatinus,  so  den  Weg  der  Tugend  nach  dem 
Monte  Barnasso  übersteiget,  hingegen  die  Laster  mit  ihren  Anhang  verachtet.  An  der  linken 
Seiten  aber,  wo  man  die  Stiegen  heruntergehet,  ist  Hercules  Palatinus,  so  den  Bacchum  und 
Inertiam  unter  den  Füßen  haltet,  den  neidigen  Geitz  aber  samt  der  Ignorantz  mit  dem  Kolben 
erschlägt,  wovon  die  Unruhe  des  Hertzens,  die  Melancholie,  die  Sorg  samt  der  Kunst  Feinden, 
auf  einem  Esel  sitzend,  mit  einer  Standart  von  zwey  Eselsohren  hinweg  fliehen.  In  der  Ober- 
Decke  oder  Platfond  ist  der  Rheinfluß  und  Arnus,  so  ihre  Wasser  mit  dem  Aganipede  ver- 
einigen und  wird  ein  Fluß  der  Poesie  daraus.  Oben  ist  das  Pferd  Pegasus,  so  den  Ursprung 
vom  Aganipede  mit  dem  Fuß  oder  Huf  verursachet.  Das  niedere  kleine  Platfond  significirt  die 
Zeit,  der  die  Hand  gebunden,  damit  sie  niemahlen  dem  kunst-liebenden  Chur-Hause  Pfaltz 
Schaden  zufügen  können." 

Armer  Jan  Weilern!  Daß  du  einem  so  üblem  Philister  die  Obhut  deiner  Kostbarkeiten 
anvertrauen  konntest,  die  eine  unsagbare  Liebe  und  Begeisterung  für  die  Kunst  in  Düssel- 
dorf zusammengetragen  haben!  Wie  der  Karsch  von  antiken  Dingen  redet,  während  Jan 
Wellem  seinem  Düsseldorf  einen  Abglanz  der  Schönheit  des  Altertums  bescheren  wollte ! 
Das  Erdgeschoß  des  Galeriegebäudes  hatte  er  für  die  Aufstellung  seiner  Antiken  bestimmt. 
Zahlreiche  Originalplastiken  hat  er  zwar  nicht  erwerben  können.  Das  interessanteste  Stück 
wird  wohl  die  bekannte  trunkene  Alte  gewesen  sein,  die  heute  die  Münchener  Glyptothek  be- 
sitzt. Was  Jan  Wellem  aber  aus  Rom  nicht  an  Originalen  erhalten  konnte,  wollte  er  wenigstens 
in  Originalabgüssen  besitzen.  Das  Studium  der  Kupferstiche  nach  antiken  Plastiken  konnte 
ihm  nicht  genügen.  Er  wollte  die  vornehmsten  Stücke  plastisch  und  in  Originalgröße  um  sich 
versammelt  sehen.  Sein  Vorhaben  erregte  am  römischen  Hof  Verwunderung.  Siebzehn  der 
ersten  römischen  Gipsgießer  waren  für  den  Kurfürsten  tätig.  Der  Heilige  Vater  verfolgte  die 
Arbeiten  mit  lebhaftem  Interesse  und  bat  sich  vom  Grafen  Fede  hier  und  da  einen  Abguß 
aus.    Die  Könige  von  Portugal  und  Preußen  wollten  sich  ebensolche  Sammlungen  zulegen. 

Der  Herkules  Farnese  und  die  Farnesische  Flora  waren  die  ersten  Abgüsse,  die  über  Livorno, 
Portugal  und  Holland  aus  Rom  den  Weg  nach  Düsseldorf  fanden.  Uffenbach  sah  sie  bei 
seinem  Besuch  in  Düsseldorf.  ,,Considerable  Stücke.  Die  vornehmste  waren  ein  Herkules 
und  eine  Flora  von  ganz  entsetzlicher  Größe.  Ferner  waren  sehr  schön  ein  Centaurus,  auf 
welchem  ein  Cupido  saß  und  ihn  peitschte.  Ferner  ein  Stück,  so  zwey  Fechter,  deren  einer 
den  anderen  zu  Boden  warf,  vorstellte;  ein  tanzender  Satyr."  Bald  folgten  andere.  Das 
Resultat,  für  das  Jan  Wellem  weder  Geld  noch  Mühen  scheute,  ist  für  die  Zeit  als  eine  große 

26 


Tat  anzusprechen  und  ist  einer  der  wichtigsten  Anreger  des  Klassizismus  In  Deutschland 
geworden.  Lessing  und  Herder,  Goethe  und  Schiller  waren  begeistert  von  dieser  Abguß- 
sammlung. Sie  sahen  sie  in  Mannheim.  Kurfürst  Karl  Theodor  hatte  sie  in  den  Jahren  1753 
und  1754  aus  der  niederrheinischen  Residenz  nach  seiner  pfälzischen  schaffen  lassen*. 
Ein  „Tempel  durch  die  Gefühle,  welche  er  von  Menschengeist  und  Menschenfähigkeiten 
gibt,"  schreibt  Wielands  Freundin  Sophie  von  La  Roche  von  Jan  Wellems  Abgußsammlung, 
„wo  nur  Meisterstücke  Schatten  auf  Meisterstücke  warfen."  Goethe  eilte  auf  der  Helmreise 
von  Straßburg  nach  Frankfurt  im  Jahre  1771  „mit  größter  Begierde,  den  Antikensaal  zu  sehen, 
von  dem  man  so  viel  Rühmens  machte  .  .  .  Hier  stand  ich  nun,  den  wunderbarsten  Eindrücken 
ausgesetzt  .  .  .  ein  Wald  von  Statuen  .  .  .  eine  ideale  Volksgenossenschaft".  Er  erhielt  zum 
ersten  Male  einen  ,, Vorgeschmack  antiker  Baukunst".  Da  war  unter  anderem  auch  ein  Abguß 
eines  der  Riesenkapitäle  vom  Pantheon  in  Rom.  Goethes  Straßburger  Begeisterung  für  die 
Manen  Erwins  von  Steinbach  und  für  die  deutsche  Gotik,  sein  „Glaube  an  die  nordische 
Baukunst  fing  beim  Anblick  jener  so  ungeheuren  als  eleganten  Akanthusblätter  etwas  an  zu 
wanken".  Schillers  Worte,  die  er  unter  dem  Pseudonym  eines  dänischen  Reisenden  in  der 
,, Rheinischen  Thalia"  über  die  Sammlung  schrieb,  sind  das  schönste  Lobeslied,  das  jemals 
Jan  Wellem  gesungen  vrtirde.  „Mein  Herz  ist  davon  erweitert.  Ich  fühle  mich  edler  und 
besser.  .  .  .  Empfangen  von  dem  allmächtigen  Wesen  des  griechischen  Genius  trittst  du  in 
diesen  Tempel  der  Kunst.  Schon  deine  erste  Überraschung  hat  etwas  Ehrwürdiges,  Heiliges. 
Eine  unsichtbare  Hand  scheint  die  Hülle  der  Vergangenheit  vor  deinem  Auge  wegzustrelfen, 
zwei  Jahrtausende  versinken  vor  deinem  Fußtritt.  Du  stehst  auf  einmal  mitten  Im  schönen 
lachenden  Griechenland,  wandelst  unter  Helden  und  Grazien  und  betest  an,  wie  sie,  vor 
romantischen  Göttern  .  .  .  Der  Mensch  brachte  hier  etwas  zu  Stande,  das  mehr  ist,  als  er 
selbst  war,  das  an  etwas  größeres  erinnert  als  seine  Gattung.  .  .  .  Der  kluge  und  patriotische 
Kurfürst  hatte  die  Abgüsse  nicht  deswegen  mit  so  großem  Aufwand  gesammelt,  um  allenfalls 
des  kleinen  Ruhmes  teilhaftig  zu  werden,  eine  Seltenheit  mehr  zu  besitzen,  oder  wie  so  viele 
andere  Fürsten,  den  durchziehenden  Reisenden  um  ein  Almosen  von  Bewoinderung  anzu- 
sprechen.   Der  Kunst  selbst  brachte  er  das  Opfer!" 

Beim  Eintreffen  der  ersten  Abgüsse  nahmen  Jan  Wellems  Pläne  für  die  Antikensäle  gleich 
wieder  phantastisch  abenteuerliche  Formen  an.  Er  wollte  für  seine  Düsseldorfer  Plätze  den 
Reiter  auf  dem  Kapitol,  sogar  —  der  Plan  ist  mehr  denn  grotesk  zu  nennen  —  die  Triumph- 
säule des  Trajan  besitzen!  Die  Abgüsse  v/aren  nämlich  nicht  aus  üblichem  Gips,  sondern 
aus  wetterfestem  ,,scagliola",  aus  Stuck,  Marienglas,  Leim  mit  Gips.  Jan  Wellem  träumte 
von  einem  Düsseldorf  mit  großen  Foren,  von  griechischen  Wandelhallen  eingefaßt.  Der  Tod 
hat  auch  diese  Pläne  nicht  zur  Ausführung  gelangen  lassen**. 


*  Einige  Stücke  blieben  in  Düsseldorf.    Andere  icamen  später  aus  Mannheim  wieder  zurück.   Man  wird  sie  in  der  Abguß- 
sammiung  auf  den  Korridoren  der  Kunstakademie  suchen  dürfen. 

**  „Inventarium  der  Gypsfiguren"  vom  Jahre  1716.  Zeitschrift  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins.   1882.  Nr.  4,  S.  18  ff 

27 


Jan  Wellem  hatte  eine  rührende  Liebe  für  Düsseldorf,  und  die  Schönheiten  von  Neuburg 
und  Heidelberg  haben  ihn  nicht  auf  längere  Zeit  \on  seiner  niederrheinischen  Residenz  fort- 
locken können.  Dabei  war  Düsseldorf,  als  er  im  Jahre  1679  als  Regent  seinen  Einzug  hielt, 
noch  immer  ein  recht  unscheinbares  Städtchen,  obwohl  Wolf  gang  Wilhelm  durch  den  Bau 
der  Jesuitenkirche  die  Stadtansicht  reicher  belebt  hatte  (I.  Abb.  212).  Im  Jahre  1658  zählte 
Düsseldorf  14  768  Einwohner,  und  zwar  13  848  Katholiken  und  920  Reformierte  und  Luthe- 
raner*. Etwa  zehn  Jahre  vorher  hatte  Merian  die  Stadtansicht  vom  Oberkasseler  Rheinufer 
aus  gezeichnet  (Abb.  23).  Sie  mag  das  Bild  veranschaulichen,  das  Jan  Wellem  beim  Antritt 
seiner  Regentschaft  in  Düsseldorf  vorfand.  St.  Lambertus  in  der  Altstadt  rahmen  links  die 
Kreuzbrüderkirche  mit  dem  Ursulinerinnenkloster  und  rechts  die  Türme  von  St.  Andreas 
ein.  Das  dreitürmige  Schloß,  einst  außerhalb  der  Stadt  gelegen  (I.  Abb.  193),  war  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  an  Stelle  von  St.  Lambertus  der  Mittelpunkt  der  Residenzstadt  geworden. 
Der  eine  Arm  der  Dussel,  der  seine  Gräben  speist,  teilt  Alt-  und  Neustadt.  Und  wo  er  den 
Schloßgraben  verläßt  und  Rheinluft  atmet  und  sich  dem  Strome  hingibt,  weicht  die  Stadt- 
mauer in  einem  Knick  zurück.  Zwischen  Schloß  und  dem  mächtigen  Wehrturm  am  Zollturm 
reckt  bescheiden  der  Treppenturm  vom  Rathaus  seine  Haube  empor.  Der  südliche  Düsselarm 
bringt  eine  neue  Teilung  in  Stadtbild  und  Stadtplan.  Sein  unterer  Lauf  ist,  so  tief  die  Stadt 
reicht,  zu  einem  Hafen  ausgebaut.  An  der  Mündung  streckt  der  Kran  seinen  eisernen  Arm 
aus.  Und  unter  dem  Schutz  der  Matthiasbastion  der  neuen  Zitadelle  liegen  sicher  die  Schiffe 
im  Hafen.   Auf  der  Bastion  erhebt  sich  das  Haus  des  Kriegskommissariats. 

Ein  Stadtplan,  einige  Jahrzehnte  älter  als  Merlans  Stadtansicht,  zeigt  die  Ausdehnung 
des  damaligen  Düsseldorf  (.Abb.  24).  Die  Ritterstraße  läuft  hinter  dem  Wall  bis  zur  Eis- 
kellerbergbastion, nur  auf  einer  Seite  bebaut!  Vom  Eiskellerberg  (l.  in  Abb.  24)  zieht  sich 
die  östliche  Stadtbefestigung  in  der  Richtung  des  heutigen  Hindenburgwalls  bis  zur  Flinger 
Straße.  Am  Ende  der  Ratinger  Straße  führt  eine  Brücke  aus  dem  Ratinger  Tor  (I)  über  den 
Graben,  ebenso  aus  dem  Flinger  Tor  (II).  Den  Mühlenplatz,  den  heutigen  Friedrichsplatz, 
schützt  die  Mühlenbastion  (2),  das  Flinger  Tor  die  Flinger  Bastion  (3).  Die  heutige  Wall- 
straße war  eine  Gasse  hinter  den  Wällen,  die  nach  Süden  die  Stadt  einschließen.  Die  Berger 
Bastion  (4)  schützte  das  alte  Berger  Tor  (III).  Das  Stadtbrückchen,  die  heutige  Hafenstraße, 
führt  in  die  Zitadelle  zur  Bastion  Diamantstein,  zur  Gouvernements-  und  der  Matthiasbastion 
(5,  6,  7).    Rheintor  (IV)  und  Zolltor  (V)  sind  die  Ausgänge  aus  der  Stadt  zum  Rhein. 

Unter  Jan  Wellem  ziehen  neue  Orden  in  Düsseldorf  ein.  Die  Zölestinerinnen  bauen  von 
1688—1691  ihr  Kloster,  von  1699—1701  die  Ordenskirche.  Die  Kapuziner  erhalten  1706  ein 
neues  Heim.  Jan  Wellem  hatte  im  Jahre  1707  aus  der  Abtei  Orval  in  Luxemburg  hervor- 
gegangenen Zisterzienser-Mönchen  das  Kloster  Düsseltal  gebaut  (Abb.  25).  Die  ansehnliche 
Anlage  ward  1714  zur  Abtei  erhoben.    Von  1712 — 1716  war  man  am  Bau  des  Karmelitessen- 

*  Ludwig  Küpper:  Geschichte  der  kathohschen  Gemeinden  Düsseldorfs.    Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvcreins 

111  (1888).    S.  91. 

28 


Abb.  23.   Düsseldorf.   Nach  Merian.   Vgl.  Abb.  24. 


Abb.  24.   Düsseldorf.   Stadtplan  um   1620.   Vgl.  Abb.  26. 


29 


klosters  tätig.  Aber  von  allen  diesen  Anlagen  sind  heute  nur  noch  das  Ursulinenkloster  und 
die  Kirche  der  Karmelitessen  erhalten  (Abb.  40). 

Der  Name  der  Karmelitessen  ist  in  EHisseldorf  ebenso  populär  geworden  wie  der  Jan 
Wellems.  Und  obwohl  das  Kloster  im  Jahre  1803  aufgehoben  wurde  und  später  ein  anderer 
Orden  sich  in  den  Räumen  niederließ,  lebt  der  Name  der  Karmelitessen  in  Düsseldorf  weiter. 
Kein  Mensch  redet  von  Maria-Theresien-Hospital.  Das  kennt  man  überhaupt  nicht.  Es  heißt 
wie  zuvor  Karmelitessenkloster.  Und  die  frommen  „Schwestern  vom  heiligen  Kreuz",  die 
neuen  Bewohner,  Karmelitessen.  Die  Frömmigkeit  und  stete  Hilfsbereitschaft  der  Karmeli- 
tessen war  sprichwörtlich  geworden.  „Wenn  du  durch  Düsseldorf  kommst,  so  gehe  doch  ein 
Viertelstündchen  ins  Karmelitessenkloster  und  verlange  mit  der  Priorin  zu  sprechen.  Du  wirst 
hinter  dem  Stachelgitter,  wo  man  Tiegertiere  erwartet,  die  demütigste,  erleuchtetste  Kloster- 
frau, ein  Bild  alter  heiliger  Zeit,  erscheinen  sehen,"  schreibt  1822  Clemens  Brentano.  Damals 
war  das  Kloster  schon  aufgehoben  und  wartete,  bis  die  letzten  Bewohner  ausstarben. 

Das  1643  von  Anna  Maria  von  Knippenburg  gegründete  Kloster  hatte  in  Jan  Wellems 
Schwester  Eleonore  Magdalena,  der  späteren  Gemahlm  von  Kaiser  Leopold,  seme  besondere 
Gönnerin.  Maria  Anna,  Herzogin  von  Sulzbach,  war  damals  Priorin.  Der  Andrang  zur  Auf- 
nahme in  den  strengen  Orden  blieb  immer  gleich  stark.  Auch  eine  Tochter  Grupellos  trat  in 
das  Kloster  em.  Und  der  Meister  verehrte  ihm  zwei  wertvolle  Kruzifixe  eigener  Hand.  Das 
Kloster  war  bald  zu  klein.  Jan  Wellem  stiftete  im  Jahre  1706  Grund  und  Boden  und  hundert- 
tausend Backsteine  für  emen  Neubau  und  erschien  selbst  in  Begleitung  seiner  Gemahlin  und 
des  Prinzen  von  Sulzbach  an  der  Spitze  des  Adels  und  der  Bürgerschaft  zur  feierlichen  Grund- 


Abb.  25.    Düsstldorf     Lbenulige  Eintahrt   in  das   Klosttr  Üusseltal 


30 


steinlegung.  1712  begann  die  Arbelt.  1714  stürzte  die  Kuppel  der  Kirche  ein.  Imfolgenden 
Jcihre  war  die  Kirche  wieder  hergestellt.     Man  begann  mit  dem  Bau  des  Klosters. 

Als  Blainville  im  Jahre  1 705  in  Düsseldorf  weilte,  war  weder  das  Kloster  Düsseltal,  noch 
der  Neubau  der  Kapuziner  und  Karmelitessen  schon  in  Angriff  genommen.  Das  Innere  der 
Stadt  sah  noch  recht  wenig  einladend  aus.  „Die  meisten  Häuser  schlecht  gebauet,  die  Straßen 
übel  gepflastert.  Man  kan  weder  Tragsessel  noch  Miethskutschen  hier  haben,  welches  für  Fremde 
eine  große  Beschwerlichkeit  ist.  Wir  hatten  viel  Mühe,  eine  Herberge  zu  finden,  und  mußten 
für  eine  sehr  mittelmäßige  ziemlich  theuer  bezahlen.  Die  Ursache  davon  ist,  weil  der  Churfürst 
von  der  Pfalz,  seitdem  sein  Palast  zu  Heidelberg  von  den  Franzosen  zerstöret,  seinen  Hof  hier 
hält,  und  die  Opera,  die  Comoedie  und  andere  Lustbarkeiten,  woran  man  hier  einen  Überfluß 
hat,  eine  große  Menge  Standespersonen  aus  allen  Gegenden  von  Deutschland  hierher  locken, 
welche  die  Wirthshäuser  anfüllen.  Endlich  stiegen  wir  vor  einer  Art  eines  kleinen  Gefängnisses 
ab,  wo  wir  uns  zusammen  presseten,  bis  wir  eine  andere  etwas  bessere  Wohnung  finden 
konnten,  nachdem  wir  eine  völlige  Stunde  auf  den  Straßen  zugebracht  hatten." 

Aber  zehn  Jahre  später  konnte  Erich  Philipp  Ploennies  in  seiner  „Topographia  Ducatus 
Montanl"  erzählen,  daß  die  Stadt  ,,mit  schönen  ansehnlichen  Häusern  geziret  und  vermehret, 
da  zuvor  nur  solche  vorhanden,  die  denen  Bürgern  zwar  genügsam,  aber  die  Bediente,  zumahl 
die  hohe,  zu  logiren  allzuschlecht  waren  und  weilen  jetzige  hohe  Obrigkeit  von  einem  solchen 
erleuchteten  Verstandt  und  Wissenschaft  zu  nennen,  deren  sie  nicht  eine  genügsame  Erkandtnuss 
und  Wissen  hätte,  so  ist  diese  Stadt  mit  allerhandt  Künstlern,  so  immer  zu  erdencken,  angefüllt, 
welches  dann  nicht  nur  die  Stadt  volkreich  macht,  sondern  auch,  daß  solche  von  den  Fremden 
mehr  besuchet  wird,  vieles  contribuiret." 

Die  vornehmste  Straße  Düsseldorfs,  die  des  Adels  und  der  hohen  Beamten,  freilich  auch 
im  Hause  der  „Stadt  Venlo"  (Nr.  30)  die  Geburtsstätte  des  weitbekannten  und  gerühmten 
„Düsseldorfer  Mostert"*,  war  die  Ritterstraße.  Bei  der  Pulverexplosion  im  Jahre  1634 
standen  hier  nur  wenige  Häuser,  und  zwar  nur  an  der  einen  bebauten  Seite  nach  der  Straße 
Altestadt  zu,  ,, achter  der  Mauer  am  Pulverturm"  genannt.  Im  Jahre  1684  ward  beschlossen, 
die  Straße  auszubauen.  Gleichzeitig  trat  unter  Friedrich  Christian  Freiherrn  von  Spee,  Frei- 
herrn von  Nesselrode  und  Dr.  jur.  Contzen  eine  Kommission  zusammen  und  beschloß,  „daß 
des  Zuzuges  der  vielen  Handelsleute  wegen  und  zur  mehren  Sicherheit  des  Gewerbes  den 
Bürgern  die  Einquartierung  zu  entnehmen,  für  das  Militär  Baracken  zu  erbauen  seien".  Die 
Folge  war  der  spätere  Bau  der  heute  abgetragenen  Reuterkaserne  am  Rhein  hinter  der 
Ritterstraße.  Das  Haus  Nr.  6  der  nunmehr  auszubauenden  Straße  errichtete  im  Jahre  1687 
der  Hofmaler  Johann  Spielberg;  das  Haus  Nr.  10  der  Vizekanzler  Melchior  Voetz.  Sein  und 
seiner  Gattin  Wappen  schmücken  heute  noch  den  stattlichen  Bau,  der  in  neuerer  Zeit  allgemein 
als  ,,Süße  Ecke"  bekannt  ist.     Den  nächsten  Bauplatz  schenkte  Jan  Weilern  im  Jahre  1684 

*  Ferber:  Historische  Wanderungen  usw.  I.  S.  2  ff.  —  Hans  Müller-Schlösser:  Das  schöne  alte  Düsseldorf.  Düssel- 
dorf 1911.     S.  68 

31 


den  Ursulinerinnen.  Im  folgenden  Jahre  begann  der  Neubau  des  Klosters,  1702  der  der  Kloster- 
kirche. Das  Haus  Nr.  16  bewohnte  der  General-Kriegs-Commissar  und  Marschall  Friedrich 
Christian  Freiherr  von  Spee.  Im  Nachbarhaus  Nr.  18  wohnten  der  Geheime  Rat  Dr.  Bingen 
und  Franz  Melchior  Freiherr  von  Wiser;  Nr.  26  der  Geheime  Rat  von  Ropertz  usw.  —  Dann 
Altestadt  Nr.  6  der  kaiserliche  und  königliche  Kämmerer  und  kurpfälzische  Generalleutnant 
Jacob  Graf  von  Hamilton;  Ratinger  Straße  Nr.  3  der  Oberjägermeister  Johann  Franz  Frei- 
herr von  Weichs.  Sein  Wappen  schmückt  ebenfalls  noch  das  Haus.  Gegenüber  der  Kloster- 
kirche der  Karmelitessen  hatte  sich  1713  der  „hochedle  Herr  Joannes  Franciscus  Douven 
Ihrer  Churfürstlichen  Durchlaucht  hoffcammerrath  und  hoffmöhler"  das  stattliche  Eckhaus 
Stiftsplatz  und  Krämerstraße  erbaut  (Abb.  41).  Das  von  Jan  Wellem  selbst  erbaute  Eckhaus 
Marktplatz  und  Zollstraße  hatte  im  Jahre  1 708  der  Hofstatuarius  Gabriel  Chevalier  de  Grupello 
zum  Geschenk  erhalten  (Abb.  57)  usw.  usw. 

Vor  dem  Nordflügel  des  Schlosses  lag  das  Churfürstliche  Knaben-  und  Pagenhaus,  das 
aber  wohl  noch  aus  der  Zeit  vor  Jan  Wellem  stammen  wird.  Auf  dem  Grundstück  des  heutigen 
Justizgebäudes  standen  das  Haus  des  Rüstmeisters  Hermann  Bongard,  die  Oper,  der  alte  Marstall 
und  dahinter  der  kurfürstliche  ,, Tummelplatz".  • —  Das  wären  die  wichtigsten  Neuanlagen 
in  der  Altstadt  aus  der  Zeit  Jan  Wellems.  Dazu  kämen  die  neuen  Häuser  auf  der  Zitadelle. 
Die  heutige  Zitadellstraße  wird  zwar  erst  im  Jahre  1703  zum  erstenmal  als  St  .-Antonius-Straße 
angeführt,  muß  aber  nach  der  Ankerinschrift  an  einigen  Häusern  (Abb.  44)  und  nach  dem 
Stadtplan  vom  Jahre  1620  (Abb.  24)  schon  vorher  teilweise  bebaut  gewesen  sein. 

Aber  in  diesem  Düsseldorf  ließen  sich  Jan  Wellems  Träume  von  antiken  Foren  mit  Wandel- 
hallen und  Kolossalstatuen  nicht  verwirklichen.  Er  hätte  wohl  an  den  Ausbau  des  Burgplatzes 
oder  des  Mühlenplatzes  denken  können.  Aber  nein,  er  dachte  an  eine  Neustadt  vor  den  Toren 
Düsseldorfs.  Schon  Wolf  gang  Wilhelm  hatte  die  Grenzen  der  Stadt  durch  die  Anlage  der 
, .Extension"  weiter  hinausgeschoben.  Es  ist  das  Gelände  zwischen  der  Zitadelle  und  der 
heutigen  Königsallee  etwa;  nach  Süden  begrenzt  von  der  Linie  der  Haroldstraße.  Das  alte 
Düsseldorf  führte  seinen  Verteidigungsgürtel  mit  neuen  Bastionen  nach  dem  System  Vauban 
um  die  Extension  herum  (Abb.  26).  Aber  auch  dieses  größere  Düsseldorf  konnte  Jan  Wellem, 
wie  die  Dimensionen  eines  Schloßprojektes  ausweisen,  das  vom  Rhein  bis  zu  den  östlichen 
Befestigungen  innerhalb  der  noch  kaum  bebauten  Extension  keinen  Platz  gehabt  hätte,  nicht 
genügen.  Jan  Wellem  wollte  daher  die  Stadt  nach  Süden  weiter  ausbauen.  ,,Vor  einigen 
Jahren",  teilt  Ploennies  im  Jahre  1715  mit,  „ist  diese  Stadt  vor  der  sogenannten  Bergerpforten 
aus  gnädigster  Befehl  hoher  Obrigkeit  erweitert,  denen  so  dahin  bauen  auf  viele  Jahre  einige 
Freiheit  vergönnet."  Der  Kern  dieser  Neustadt  ist  die  breite  Neußer  Straße,  die  der  Stadtplan 
vom  Jahre  1764  mit  stattlichen  Neubauten  und  Gartenanlagen  zeigt  (Abb.  26).  Es  sind  die, 
wie  Müntz,  der  Kriegs- und  Domänenrat,  im  Jahre  1740  berichtet,  „schönen  neuen  Palais, 
welche  aber  abgelegen  sind"*.     Daneben  war  auch  im  Osten  der  Stadt  vor  den  Toren  eine 

*  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  XV  (1900).    S.  165  ff. 

32 


Reihe  neuer  Hof-  und  Gartenanlagen  errichtet  worden.  Der  vornehmste  Bau  der  Neußer 
Straße  war  das  im  Jahre  1710  von  dem  1708  durch  Jan  Wellem  erneuerten  Hubertus-Orden 
aufgeführte  Hubertus-Stift  (Abb.  46a). 

Zur  Bekrönung  der  Neustadt  dachte  der  Kurfürst  das  neue  Residenzschloß  zu  errichten. 

Der  Originalplan  zu  dem  neuen  Schloßbau,  der  das  zerstörte  Heidelberger  Schloß 
ersetzen  sollte,  ,,pour  replanter  Heidelberg",  wie  Raparini  berichtet,  ist  das  Grandioseste,  was 
Jan  Wellem  je  vorgeschwebt  hat.  Er  ist  im  Historischen  Museum  der  Stadt  Düsseldorf  auf- 
bewahrt und  bedarf  gar  keiner  Erläuterung  (Abb.  27).  In  der  Mitte  die  große  Cour  d'honneur, 
umgeben  von  sieben  weiteren  Höfen.  Der  Mittelhof  mit  fünf  Brunnenanlagen,  im  Sinne  von 
Jacques  Androuet  Du  Cerceaus  Idealprojekten  in  reicher  symmetrischer  Grundfigur  entworfen. 
Der  nur  bis  zur  Höhe  des  Erdgeschosses  reichende,  nach  außen  geschweifte  Eingangstrakt, 
oben  zu  beiden  Seiten  des  Eingangspavillons  mit  einer  Plattform.  Auch  m  den  Ecken  des 
Hofes  waren  oval  geschweifte  Trakte  angelegt,  hinter  sich  Zwickelhöfe  bildend.  Um  den 
ganzen  Hof  sollten  im  Erdgeschoß  Wandelhallen  laufen.  Neben  Du  Cerceaus  Idealprojekten 
schwebten  dem  Baumeister  die  verschiedenen  Entwürfe  für  den  Louvre  und  die  Tuilenen  vor 
Augen.  Vor  allem  aber  die  Gartenfassade  von  Versailles:  Jeder  der  beiden  Seitenflügel  der 
Vorderfront  des  Düsseldorfer  Schlosses  sollte  drei  Risalitbauten  erhalten,  und  zwar,  wie  in 
Versailles,  den  mittleren  breiter.  Das  Erdgeschoß  gequadert,  das  Obergeschoß  mit  den 
charakteristischen  quadratischen  Barockfenstern  mit  Ohren  an  den  Ecken.  Darüber  als 
Attika  eine  Balustrade  mit  Plastiken,  Vasen  oder  Trophäen  geschmückt.  Aber  der  Düsseldorfer 
Baumeister  dachte 
sich  seinen  Entwurf 
noch  weit  großzügiger. 
Die  einzelnen  Bauten 
um  ein  Stockwerk 
höher  als  in  Versailles. 
Die  Risalite  weiter 
vorgezogen.  Aus  dem 
ersten  Stockwerk 
sollte  man  eine  große 
Plattform  betreten 
können,  die  unten  vor 
dem  Erdgeschoß  auf 
Arkaden  ruht.  Der 
reichen  Grundrißlinie 
der  Vorderfront  ent- 
sprechend waren  auch 

das     Gitter     und      die  Abb.  26.    Düsseldorf.    Stadtplan   vom  Jahre   1764.   V^i.  Abb.  24. 


33 


Böschungsmauern  des  Rheines  geghedert.  —  Versailles  sollte  übertrotfen  werden:  Für  das 
Treppenhaus  lag  ein  besonderes  Projekt  mit  158  Statuen  von  Antonio  Bernardl  vor.  Raparini 
erzählt  von  dem  „modele  d'un  escaher  roial  pour  le  bätiment  d'une  nouvelle  Residence, 
qu'une  fois  qu'il  soit  mis  en  execution,  il  pourra  etre  mis  au  rang  des  anciennes  merveilles 
de  l'Asie  ä  present  detruites  et  ensevelies.  Cet  escalier  est  compose  et  bäti  dune  maniere, 
qua  de  quel  endroit  qu'on  regarde  on  voit  dix  branches  du  dit  escaher.  II  tout  ensemble 
prend  la  forme  octangulaire.  Cet  escaher  est  correspondant  ä  tous  les  rangs  des  Appartements 
des  Princes  et  est  orne  de  158  statues  avec  ses  pledestals.  Par  le  milieu  du  dit  escalier  il  y  a 
le  passage  pour  les  carosses  clnquante  pieds  de  large.  La  hauteur  est  de  deux  cent  et  vint 
quattre  pieds,  la  largeur  deux  cent  trente  deux.  La  voute  est  de  la  hauteur  cent  et  vint  cinq 
pieds,  la  largeur  cent  trente  six." 

Schon  dieses  Treppenhaus  muß  Erstaunen  erregen,  und  der  Vergleich  mit  den  gewaltigen 
Wunderbauten  des  Orients  ist  schon  berechtigt.  Aber  es  war  nur  ein  Glied  des  phantastischen 
Entwurfs.  Die  bebaute  Fläche  um  die  Höfe  wäre  viermal  größer  denn  das  Schloß  zu  Berlin 
geworden!  Hmter  der  neuen  Düsseldorfer  Residenz  war  noch  ein  Lustgarten  im  Stile 
Lenotres  geplant  mit  Wasserkünsten,  Hallen  und  Terrassen.  Und  als  Abschluß  zunächst  ein 
Lusthaus.  Ein  Kuppelbau  mit  vier  Eckpavillons  auf  einer  breiten  Terrasse,  zu  der  weit  aus- 
ladende Treppen  hinauf  geleiten.  Zu  beiden  Seiten  vor  einer  architektonisch  gegliederten 
Kulisse  je  eine  Brunnenanlage.  Dann  einstöckige  Wandelhallen,  deren  eine  Hälfte,  wie  der 
Eingangsflügel  vorne  im  Haupthof  des  Schlosses,  wieder  oval  zum  Lusthaus  geschwungen 
Hegt.  Hinter  dem  Lusthaus  dann  als  Abschluß  der  gesamten  Anlage  eine  Baugruppe,  die 
wieder  ein  vollständiges  Schloß  für  sich  darstellt.  Ein  ovaler  offener  Mittelhot  mit  Zwickel- 
höfen und  zu  Seiten  je  eine  große  quadratische  Hofanlage*.  An  Einheitlichkeit  der  Symmetrie 
und  Großartigkeit  des  Entwurfs  kann  keiner  der  Schloßbaupläne  des  17.  und  18.  Jahrhunderts 
wetteifern.  Ausgeführt,  wäre  Jan  Wellems  neuer  Schloßbau  in  der  Tat  ein  achtes  Weltwunder 
geworden.  Es  ist  dieses  Mal  keine  Übertreibung,  wenn  der  sonst  mehr  rhetorisch  denn  sach- 
liche Raparini  um  das  von  ihm  gezeichnete  Bild  des  Baumeisters,  im  Hinblick  auf  das  Düssel- 
dorfer Schloßprojekt  die  Umschrift  setzte: 

Septem  prisca  orbis  miracula  protulit  aetas, 
Octavum  solus  stueres  Joanne  lubente. 

Der  Baumeister  war  der  schon  erwähnte  Matteo  Graf  de  Alberti  aus  Venedig,  ein 
Bruder  des  Beichtvaters  der  Kurfürstin,  der  vielleicht  die  Berufung  Matteos  nach  Düsseldorf 
mit  veranlaßt  haben  wird.  Außer  den  Beiden  nahmen  auch  noch  die  Brüder  Sebastiano  und 
Nicola  am  Hofe  Jan  Wellems  höhere  Stellen  ein.  Ein  fünfter  Bruder,  Giovanni,  war  diplo- 
matischer Vertreter  des  Kaisers  bei  der  Republik  Venedig.  Der  einheimische  jülich-bergische 
Adel  begegnete  den  italienischen  Grafen  und  der  Gunst,  die  das  kurfürstliche  Paar  diesen 


*  Vgl.  Paul  Clemen  im  Jahrbuch   des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins    1902,  S.  181  —  187. 

34 


Mi 


Alil).  27.   Scliloßprojtkt  des  kurfürstlichen  Oberbaudirektors 
Nnch  dem  OriRinalplnn  im  Histoi 


hias  Grafen  von  Alberti   für  die  Neiistaflt   von   Düsseldorf 
•n  Museum  der  SlaHt  Düsseldorf; 


entgegenbrachte,  mit  Neid  und  Intrigen.    Man  bezweifelte  die  Echtheit  des  Grafenwappens 
und  bezeichnete  anfangs  in  amthchen  Schriftstücken  ihre  Träger  nur  als  einfache  Edelmänner. 

Matteo  hatte  in  Paris  studiert.  Aus  der  Touraine  hatte  er  seine  Frau  heimgeführt,  und 
oft  reiste  er  zu  Studienzwecken  und  geschäftehalber  wieder  nach  Frankreich.  Er  versuchte 
im  Jahre  1698,  Ludwig  XIV.  in  Versailles  und  Fontainebleau  für  seine  Erfindung  zu  inter- 
essieren, „den  nächst  gelegenen  Hafen  zur  Vereinigung  zweier  Meere  zu  vertiefen"*.  1706 
war  er  kurpfälzischer  Major,  später  Generaladjutant  Jan  Wellems,  Generalwachtmeister  und 
Superintendant  der  kurfürstlichen  Bauten.  Raparini  nennt  ihn  ,,castrorum  praefectus  et 
supremus  aedificiorum  director"  und  ,,de  l'ordre  des  citoyens,  de  qui  le  feu  et  la  vivacited'in- 
venter,  de  desseigner  et  d'orner,  aiant  charme  l'esprit  du  Prince,  a  sfu  dans  la  suite  meriter, 
et  puis  surmonter  I'envie  dune  cour  entiere,  qui  ne  manque  jamais  de  gens  incompatibles 
avec  les  gens  de  distinction  et  de  mente".  Matteo  war  Mitglied  der  von  dem  berühmten  ,,Pere 
Coronelly"  gestifteten  Akademie  der  Argonauten  zu  Paris  und  starb  am  31.  August  1715. 

Wie  das  Kaiserreich  im  Orient,  so  blieben  auch  das  Königsschloß  zu  Düsseldorf  und  die 
neue  Befestigungsanlage,  die  um  die  Neustadt  gedacht  war,  ein  unausführbarer  Plan.  Die 
Finanzen  des  Landes  waren  zerrüttet.  Schon  im  Jahre  1701  waren  die  Stände  auseinander- 
gegangen, ohne  die  verlangte  Erhöhung  der  Landessteuern  zu  bewilligen.  Jan  Weilern  drohte, 
in  Zukunft  einfach  ,, kraft  Landesfürstlicher  Gewalt  und  Autorität,  ohne  Landesstände  mehr 
darumb  zu  beschreiben  und  zu  berathschlagen",  die  erforderlichen  Summen  jährlich  ein- 
treiben zu  lassen.  Zur  Zeit  des  Schloßbauprojektes  war  der  Konflikt  am  schärfsten  zugespitzt. 
Jan  Wellem  hatte  ein  geheimes  Kriegskommissariat  errichtet,  das  ohne  jede  Kontrolle  der 
Stände  den  größten  Teil  der  Landeseinnahmen  verschlang.  In  den  Jahren  1704^1709  soll 
der  Kurfürst  seinem  Lande  nicht  weniger  als  acht  Millionen  Reichstaler  Schulden  aufgebürdet 
haben,  sagt  man.  Dabei  ,, versicherte  man  uns,"  berichtet  BlalnviUe,  ,,daß  der  Churfürst  in 
Friedenszeiten  ein  jährliches  Einkommen  von  drey  Millionen  Gulden  habe,  und  daß  es  zu- 
weilen auf  viere  steige".  Die  Stände  hätten  daher  einfach  mit  dem  besten  Willen  die  nötigen 
Mittel  für  den  Schloßbau  nicht  aufbringen  können. 

Meister  Matteo  konnte  aber,  wenn  auch  in  stark  reduzierter  Gestalt,  an  anderem  Orte 
seinen  Schloßplan  für  Jan  Wellem  ausführen.  Hoch  oben  auf  den  bewaldeten  Höhen  von 
Bensberg,  gegenüber  der  alten  Burg  der  Grafen  von  Berg,  die  schon  um  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts in  das  Land  hinausragte.  Der  Bau  hat  eine  bewegte  Geschichte  erlebt,  ist  oft  belagert, 
beschädigt,  dann  wieder  verstärkt  worden.  Er  war  Sitz  bergischer  Burg-  und  Amtmänner 
oder  Witwensitz  bergischer  Gräfinnen  und  Herzoginnen.  In  der  Geschichte  von  Kurköln 
kehrt  sein  Name  oft  wieder.  Es  war  ein  Hauptwaffenplatz  von  Berg  gegen  den  Kölner 
Erzbischof.  Der  reiche  Königsforst,  der  ihn  umgibt,  zog  immer  wieder  den  jagdliebenden 
Landesfürsten  zu  der  alten  Bensberger  Burg. 


*  „Per  escavare  il  Porto  piii  vicino  all'  unione  de  due  Mari."  Die  Sache  ist  nicht  ganz  klar.  —  Vgl.  Levin  a.  a.  0.,  XX,  S.  139. 

35 


Abb.  28.    Schloß  Bensberg;  heutiger  Zustand.    Vgl.  Abb.  29,  30,  34,  33. 

Jan  Weilern  war  der  alte  Bau  Indes  zu  eng  geworden  ;  er  ließ  durch  Graf  Albertl  und  seinen 
Kanzler  Johann  Friedrich  Grafen  von  Schaesberg  westlich  davon  einen  stattlichen  Neubau 
aufführen,  der  nach  der  Inschrift  im  Jahre  1710  vollendet  war*. 

Das  kurfürstliche  Schloß  zu  Bensberg  ist  eine  mächtige  symmetrische  Anlage  (Abb.  28 
bis  35).  Aber  der  heutige  Zustand  der  Schloßanlage,  der  auf  eine  „Wiederherstellung"  der 
Jahre  1838 — 1842  zurückzuführen  ist,  einen  unglücklichen  Eingriff  des  19.  Jahrhunderts,  gibt 
von  dem  stolzen  Jagdschloß  Jan  Wellems  ein  ganz  verzerrtes  Bild.  Man  vergleiche  die  Grund- 
risse vor  und  nach  der  Wiederherstellung  (Abb.  34,  35)!  Zum  Glück  begegnet  aber  eine  zeich- 
nerische Darstellung  des  früheren  Zustandes,  die  ich  versucht  habe  (Abb.  29,  30),  an  der 
Hand  dieser  Unterlagen  keinen  weiteren  Schwierigkeiten,  zumal  der  Eingriff  des  pietätlosen 
Restaurators  von  1 838  auch  im  Material  deutlich  zu  erkennen  ist :  Der  alte  Bau  war  in  Back- 
stein aufgeführt,  seine  Ecken,  Profile,  Konsolen,  Bogen,  Fensterrahmen,  Fortale,  Balkone  und 
Säulen  aus  Haustein.     Die  Zutaten  des  Restaurators  sind  aber  aus  Bruchstein  (Abb.  28). 

Der  Mittelbau  wird  von  einem  achtseitigen,  kupfergedeckten  und  elegant  gegliederten 
Türmchen  mit  hohen  runden  Fensteröffnungen  bekrönt,  darüber  je  emem  Ochsenauge.  Um 
die  ovale  Grundfläche  läuft  eine  viereckige  Steinbalustrade.  An  den  Ecken  tragen  korinthische 
Pilaster  das  stark  verkröpfte  Hauptgesims  (Abb.  28).  Die  fünf  Mittelachsen  des  Mittelbaues 
lagen  aber  einst  weiter  zurück.  Die  perspektivische  Wirkung  war  daher  reicher  (Abb.  29). 
Säulen  trugen  damals  vor  den  fünf  Achsen  einen  Balkon,  ähnlich  denen  an  der  Rückseite  des 
Schlosses  (Abb.  31,  32,  33).  Die  gleichen  Balkonanlagen  hatte  Meister  Matteo  für  das  Düssel- 
dorfer  Schloß    vorgesehen    (Abb.  27).     Heute    treten   die   zweiachsigen,    mit   Turmhauben 

*  Vincenz  von  Zuccamaglio:  Geschichte  und  Beschreibung  der  Stadt  und  des  Kreises  Mülheim  am  Rhein,  Köln  1846. 
—  Harleß  i.  d.  Annalen  des  Vereins  vom  Niederrhein  XXV.  —  Giemen:  Kunstdenkmäler  des  Kreises  Mülheim  am  Rhem. 
Düsseldorf  1901.  —  Ausführlich  mit  der  ehemaligen  Innenausstattung  in  dem  in  Vorbereitung  befindlichen  Werk  des  Ver- 
fassers über  Jan  Weilern. 


36 


bekrönten  Seitenrisalite  des  Mittelbaues  nur  wenig  vor  und  Hegen  mit  den  fünf  Mittelachsen 
fast  In  einer  Front  (Abb.  28).  Seltenflügel  schließen  rechtwinklig  die  Cour  d'honneur.  Den 
zweimal  zweiachsigen  Treppentürmen  an  den  Enden  der  Seitenflügel  ward  wieder  eine  mit 
einer  achteckigen  Laterne  bekrönte  Haube  aufgesetzt,  entsprechend  den  Seitenrisahten  am 
Mittelbau  (Abb.  29).  Die  so  gebildete  innere  Cour  d'honneur  weitet  sich  zu  einer  Cour  prin- 
clpale  aus,  einer  großen  place  d'armes,  einem  ausgedehnten  Paradeplatz,  auf  den  von  dem 
einstigen  Balkon  des  Mitteltraktes  herab  Jan  Wellem  Heerschau  halten  konnte.  Die  seitlich 
zurücktretenden  Flügel,  die  die  Cour  prlncipale  einrahmen,  sind  nur  dreistöckig,  also  um 
ein  Geschoß  geringer  als  der  hufeisenförmige  Hauptbau.  Dreieck-  und  Flachbogenglebel 
wechseln  in  ihrem  Mittelgeschoß.  Das  Obergeschoß  ist  als  Mezzanin  angelegt.  Das  Erd- 
geschoß mit  reicher  offener  Bogen-  und  Pilasterarchitektur  gegliedert  (Abb.  30).  Hier  liefen 
einst  loggienartige  Galerlen,  die  heute  indessen  vermauert  smd,  zu  beiden  Seiten  des  Hofes, 
bogen  dann  auch  in  die  äußeren,  über  die  Breite  der  Flügelbauten  in  die  Terrassen  weiter 
vorgezogenen  Schmalseiten  ein.  Damit  war  indes  die  Anlage  noch  nicht  vollendet.  Wie  uns 
das  Bild  einer  Medaille  in  Raparinis  Handschrift  und  Weenlx'  Darstellung  zeigen,  waren 
noch  zwei  äußere  und  noch  weiter  ausladende  Seitenflügel  geplant,  flach  gedeckt  und  nur 


Abb.  29.    Schloß  Bensberg.   Wiederberstellungsversuch  des  ehemaligen  Zustandes  von  Richard  Klapheck.   Vgl.  Abb.  28,  30,  35. 


37 


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38 


einstöckig.  Reich  profiliert,  mit  Pilastern  die  Wände  gegliedert  und  oben  auf  der  Balustrade 
mit  Statuen  geschmückt  (Abb.  30).  Ähnlich  den  Wandelhallen  neben  dem  Lusthaus  am  Ende 
des  Gartens  des  Düsseldorfer  Schloßprojektes  (Abb.  27).  Die  Einfahrt  in  den  Hof  geht  wie 
bei  diesem  über  einen  geschweiften  Terrassenbau. 

Es  ist  eine  echt  französische  Schloßanlage.  Alberti  war  der  gelehrige  Schüler  der  großen 
Franzosen  Leveau  und  Hardouin-Mansart.  Das  Vorbild  von  Versailles  ist  auch  bei  dem  Bens- 
berger  Schloß  klar  zu  erkennen.  Das  Zurücktreten  der  Seitenbauten,  um  den  Mittelbau  nicht 
zu  verdecken,  und  die  Kniestellung  der  Hofgebäude,  um  die  Breitenwirkung  der  Hauptfassade 
zu  steigern.  Schloß  Bensberg  steht  damit  übrigens  nicht  vereinsamt  auf  nordwestdeutschem 
Boden.  Schon  in  den  ersten  Jahren  des  18.  Jahrhunderts,  von  1703  bis  1712,  hatte  Gottfried 
Laurenz  Pictorius  für  Friedrich  Christian  von  Plettenberg,  den  Fürstbischof  von  Münster, 
in  Nordkirchen  ein  Chäteau  ä  la  Versailles  aufgeführt.  Aber  das  Detail  blieb  münsterisch- 
holländisch*,  während  Alberti  auf  Bensberg  den  Aufbau  in  seiner  eigenen  Heimatsprache  der 
italienischen  Hochrenaissance  gliederte.  Man  studiert  das  Detail  am  besten  an  der  Rück- 
front (Abb.  31 — 33).  Die  von  Säulen  getragenen  seitlichen  Balkone,  das  ehemalige,  jetzt  zum 
Fenster  umgewandelte  Mittelportal,  die  reichgegliederten  Gesimse,  die  Eckverklammerung, 
die  Fensterprofilierung  und  das  von  Steinkonsolen  getragene  Hauptgesims,  das  um  den  ganzen 
Bau  läuft.    Die  Hoffassaden  zeigen  die  gleichen  Detailformen. 

Albertis  Hauptmitarbeiter  am  Schloßbau  zu  Bensberg  war  Aloysius  Bartolus  oder 
Bartoly  aus  Venedig**.  Aber  neben  ihm  benötigte  der  gräfliche  Baumeister  für  den  Ausbau 
fast  den  ganzen  Stab  der  kurfürstlichen  Künstlerschaft.  Grupello  arbeitete  Statuen.  Vielleicht 
waren  sie,  neben  dem  Garten,  auch  für  den  Schmuck  der  Außenflügel  bestimmt.  Das  schon 
erwähnte  Inventar  von  1716  führt  unter  anderem  von  Grupello  auch  auf:  „Eine  statua,  die 
unbefleckte  Empfängnis  ad  14  fuss  hoch  sambt  der  Welt  Kuegel,  welche  zweymahl  in  Metall 
gegossen  werden  sollen.  Wovon  eine  vor  die  Newstatt  von  Düsseldorf  auf  den  großen  Platz 
oder  Marck  stehen  solte,  die  andere  ebenso  gross  ad  42  fuss  hoch  undt  zu  Bensbergk  im 
Schlossplatz  stehen  solle."  Für  den  Hauptbau  schuf  Grupello  das  große  kurfürstliche  Wappen 
mit  dem  Pankopf,  das  1721  am  Mannheimer  Schloß  eine  neue  Heimat  fand.  Heinrich 
Charasky,  in  der  Bestallung  vom  Jahre  1692  durch  Jan  Wellem  „ein  so  excellenter  Künstler" 
genannt,  erhielt  1707  den  Auftrag,  ebenfalls  Statuen  für  Schloß  Bensberg  zu  liefern,  die  aber 
erst  nach  der  „perfection  angebracht  werden  sollten".  Und  neben  Grupello  und  Charasky 
waren  für  den  plastischen  Schmuck  der  Treppenhäuser,  Fassaden  und  Gärten  noch 
andere  Bildhauer  tätig.  Die  reichen  Stuckarbeiten  der  Korridore  und  Säle  lagen  in  den 
Händen  italienischer  und  französischer  Künstler.    Die  französischen  siedelten  sich  im  nörd- 

*  Kerckerinck-Klapheck:  Alt-Westfalen.     S.  XXIX  u.  Abb.  228-233. 
**  Über  Bartolus  berichtet  Raparini:   „Sur  la  connaissance  qu'j'ay  du  merite  du  dit  mons.  Bartoly,  et  sur  la  certitude  de  ses 
plus  hauts  progres  lorsqu'il  voudra  agir  emancipe  de  dirrection  aiant  Thonneur  d'etre  dans  ce  noble  Service  Electoral,  dans  lequel 
il  fait  paraitre  beaucoup  de  zele  et  de  diligence,  je  mets  ici  son  portrait. 

39 


liehen  Teil  des  Dorfes  Bensberg  an,  der  heute  noch  den  Namen  Klein-Frankreich  führt. 
Antonio  Pellegrini,  Antonio  Belucci  und  Domenichino  Zanetti  malten  die  Räume 
aus.  Jan  Weenix  schuf  zwei  Galerien  mit  Hirsch-  und  Saujagden.  Goethe  war  begeistert 
von  diesen  Bildern:  „Was  mich  daselbst  über  die  Maßen  entzückte,  waren  die  Wand- 
verzierungen von  Weenix.  Wohlgeordnet  lagen  alle  Tiere,  welche  die  Jagd  nur  liefern  kann, 
rings  umher  wie  auf  dem  Sockel  einer  Säulenhalle;  über  sie  hinaus  sah  man  in  eine  weite 
Landschaft.  Jene  entlebten  Geschöpfe  zu  beleben,"  liest  man  in  ,Wahrheit  und  Dichtung', 
,, hatte  der  außerordentliche  Mann  sein  ganzes  Talent  erschöpft  und  in  Darstellung  des 
mannigfachsten  tierischen  Uberkleides,  der  Borsten,  der  Haare,  der  Federn,  des  Geweihes,  der 
Klauen,  sich  der  Natur  gleichgestellt,  in  Absicht  auf  Wirkung  sie  übertroffen."  Die  Bilder 
schmücken  heute  die  Sammlungen  auf  Schloß  Schleißheim  und  der  alten  Pinakothek  zu 
München.  Schoonjans  malte  für  Bensberg  eine  Folge  von  großen  ,,Tableaux  allegoriques 
tires  de  la  fable",  wie  Pigage  angibt,  und  für  einen  der  Hauptsäle  Jan  Wellems  lebensgroßes 
Reiterbild.     Das  imposante  Bild  ziert  heute  das  Bayerische  Armeemuseum  zu  München. 

, .Dieses  neue  Schloß  ist  1706  angefangen  worden  und  nunmehro  fast  ganz  ausgemacht," 
berichtet  Ploennies.  „Die  Situation  gedachten  Schlosses,  oder  vielmehr  der  Prospect  desselben, 
ist  ungemein  schön,  sintemahl  mann  von  dar  bis  nacher  Cöln,  ja  noch  weit  über  Cöln  in  das 
Cölnische  Landt  weit  weg  sehen  kann,  dann  es  liegt  so  hoch,  dass  man  über  alle  herumbliegende 
Waldungen,  deren  es  viel  da  herumb  hat,  mit  einem  ungehinderten  Gesicht  frey  weg  siebet, 
und  ohnerachtet  es  so  hoch  gelegen,  stehet  es  doch  auf  keiner  Praecipice,  sondern  man  kann 
mit  grossem  gemach  hinauf  gehen,  reiten  und  fahren ;  die  Grösse  gedachten  Schlosses  ist  auch 
solcher  Gestalt  inacht  genommen,  daß  es  einem  König  nicht  zu  klein  würde  fallen  darin  zu 
wohnen.  Inwendig  ist  das  Schloß  aufs  Schönste  geziert,  nicht  allein  mit  Stuckaturarbeit,  sondern 
mit  künstlichen  Gemählten.  Auswendig  präsentiert  es  sich  wegen  seiner  Grösse  sehr  ansehn- 
lich, und  ist  alle  Regularität,  die  in  der  Architektur  zu  observieren  nöthig,  daran  gebraucht 
worden.  Man  wird  weit  in  Teutschland  reisen,  ehe  man  dergleichen  zu  sehen  antreffen  wird." 
Und  nicht  weniger  waren  voll  des  Ruhmes  über  den  Prachtbau  und  seine  glänzende  Innen- 
ausstattung Johann  Heinrich  Merck  in  der  „Malerischen  Reise  nach  Koelln,  Bensberg  und 
Düsseldorf"  im  „Teutschen  Merkur"  vom  Jahre  1788  und  Dielheim  1744  im  „denkwürdigen 
und  nützhchen  Rheinischen  Antiquarius". 

Auf  die  spätere  Geschichte  des  stolzen  Schloßbaues  komm^e  ich  noch  zurück.  Ich  möchte 
hier  nur  noch  einmal  sein  trauriges  Schlußkapitel  erwähnen,  seine  Umgestaltung  zum  König- 
lich Preußischen  Kadettenhaus  durch  den  Garnisonbaudirektor  Hauptmann  Schnitzler  in  den 
Jahren  1838 — 1842.  Man  hat  wohl  kaum  ein  zweites  Denkmal  unserer  heimischen  Ge- 
schichte derart  verschandelt  wie  Jan  Wellems  Jagdschloß  zu  Bensberg.  Dabei  betrugen  die 
Kosten  der  Entstellung  nicht  weniger  denn  146450  Taler!  Von  den  Änderungen  am  Außen- 
bau war  schon  die  Rede.  Es  wurden  dabei  nicht  allein  die  schönen  offenen  Galerien  der 
Flügel  der  Cour  principale  zugemauert,  sondern  auch  auf  dem  Nordflügel  die  innere  Galerie 

40 


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Abb.  31.   Schloß  Bensberg;  Rückfront.   Vgl.  Abb.  32,  33,  34,  35. 


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42 


43 


mit  Ihrem  reichen  Schmuck  beseitigt  und  mit  den  angrenzenden  Räumen  zu  einem  Speisesaal 
ausgebaut.  Der  Grundriß  erhielt  ein  ganz  verändertes  Bild  (Abb.  34,  35).  Die  Treppen- 
türme wurden  zu  Wohnräumen  hergerichtet  und  die  Treppenhäuser  verlegt,  dabei  natürlich 
die  Deckenmalerei  der  alten  Treppen  bis  auf  das  Kuppelgemälde  von  Pellegrini  (Abb.  37) 
vernichtet.  Auch  die  übrige  Malerei  wurde  zum  großen  Teil  abgeklopft  und  überstrichen!! 
Die  kostbaren  Stukkaturen  abgeschlagen.  Die  Marmorkamine  aus  den  Haupträumen  heraus- 
gerissen, ebenso  die  Balkongitter!  Die  Kapelle  wurde  ganz  abgetragen!  Erst  der  verständnis- 
volle Kommandeur  der  Kadettenanstalt,  Oberstleutnant  Schwarz,  hat  in  den  Jahren  1895 
bis  1896  eine  Wiederinstandsetzung  der  wenigen  Reste  des  einstigen  dekorativen  Schmuckes 
veranlaßt.  Was  heute  auf  Schloß  Bensberg  zu  sehen  ist,  ist  aber  nur  noch  ein  dürftiges 
Überbleibsel  der  früheren  prunkvollen  Ausstattung. 

Im  südlichen  Außenflügel  der  Cour  principale  zeigt  die  seit  dem  Schnitzlerschen  Umbau 
verschlossene  Galerie  noch  den  alten  Schmuck  (Abb.  36).  über  den  Wandpfeilern  steigen 
acht  stukkierte  Gratgewölbe  auf.  Die  Grate  mit  groß  gelappten  Akanthusblättern.  In  jedem 
Gewölbe  eine  Vierpaßform.  Und  über  den  Türen  Trophäeu,  Büsten  in  römischer  Tracht, 
von  Wild  und  Jagdzeug  umkleidet.  Ebenso  ist  in  der  Durchfahrt  zwischen  den  Treppen- 
türmen und  den  äußeren  Galerieflügeln  noch  die 
alte  Stuckdecke  zu  sehen,  über  den  wirkungs- 
vollen Hausteinportalen  sind  wieder  freimodellierte 
Jagdszenen  dargestellt,  und  in  den  Ecken  halten 
aufrecht  auf  den  Hinterpranken  stehende  Löwen  in 
den  Vordertatzen  Laternen.  Von  den  Treppentürmen 
ist  aber  leider  nur  der  Schmuck  der  Decke  erhalten. 
Im  nördlichen  der  Sturz  des  Phaethon.  Eine  gran- 
diose, flotte  Malerei  von  Pellegrini  (Abb.  37).  In 
kühner  Verkürzung  bäumt  sich  das  Viergespann  in 
den  Wolken  auf,  sich  überschlagend,  während  hoch 
oben  Jupiter,  von  den  Schwingen  des  Adlers  durch 
die  Lüfte  getragen,  die  Blitze  auf  den  unglücklichen 
Phaethon  schleudert,  der  kopfüber  aus  dem  Wagen 
in  die  Tiefe  stürzt.  Die  stumpfen  Farbtöne  sind 
ausgezeichnet  zueinander  abgestimmt.  Rotgelbe 
Wolkenballen  auf  blauem  Himmel  und  rotgelb  der 
Mantel  des  Phaethon.  Aus  der  Mitte  der  seitlichen 
Wände  des  Turmes  schneiden  Ochsenaugen  in  die 
Kuppel  ein  (Abb.  37,  1).  Darunter  halten  reich- 
^    ,„„     ,         ,.     .,      ,         ,,  1         bewegte,    schwebende  Puttenpaare   Medaillons   mit 

Ahb.  36.   Schloß  Bensberg;  korriJor  des  südlichen  r  i    •      i  i  i  wr  J        ^/r   J"   • 

Seitenflügels.  Vgl.  Abb.  35  dem  pfälzischen  Löwen,  dem   Wappen  der  Medici, 


44 


Abb.  37.   Schloß  Bensberg.   Deckengemälde  im  ehemaligen  Treppenturm.   Vgl.  Abb.  1,  3,  29,  35,  38  und  Bd.  I,  .^bb.  346. 

der  Kurfürstin  und  dem  Reichsapfel  unter  dem  Kurhut.  Reichsapfel  mit  Kurhut  war  das 
Wappen  des  Erztruchsessen  des  Reiches  (Abb.  1,  3  und  I.  Abb.  346).  Diese  Würde  war  1706 
Jan  Wellem  zugefallen,  als  Kurfürst  Maximilian  von  Bayern  vom  Kaiser  in  die  Reichsacht 
erklärt  worden  war.  Der  Friede  zu  Rastatt  nahm  aber  wieder  Jan  Wellem  das  Erztruchsessen- 
amt.  In  den  Ecken  der  Kuppeln  des  Treppenturmes  hat  man  in  plastischer  Stuckdekoration 
die  vier  Weltteile  dargestellt,  lebensgroße  Frauengestalten,  umgeben  von  den  Erzeugnissen 
ihrer  Länder,  Putten  und  Symbolen  vor  einem  ausgebreiteten  Teppich  (Abb.  38).  Darüber 
schwebt  ein  gemalter  Adler.  Der  zurückgenommene  Kopf  hält  Girlanden  im  Schnabel,  die  die 
gefessehen  Sklaven  zu  beiden  Seiten  der  mit  reichem  Stuckrahmen  umgebenen  Ochsenaugen 
aufnehmen.  Im  südlichen  Treppenhaus  hat  Pellegrini  den  Sturz  der  Giganten  dargestellt. 
Die  Einrahmung  der  Ecken  und  Ochsenaugen  ist  ähnlich  der  vom  nördlichen  Treppenturm. 
Jan  Wellem  hatte  in  seinen  Diensten  eine  nur  allzu  vielsprachige  Künstlergesellschaft, 
Meister  vom  Niederrhein  und  aus  Süddeutschland,  Niederländer  und  Belgier,  Italiener  und 


45 


Abb.  38.    Schloß  Bensberg.    Eckdekoration  an  der  Decke  eines  der  ehemaligen  Treppcnlürme. 

Vgl.  Abb.  1,  3,  29,  35,  37  und  Bd.  I,  Abb.  346. 

Franzosen.  Ihr  Einfluß  auf  die  heimische  Wohnbautätigkeit  in  Düsseldorf  konnte  nicht  aus- 
bleiben. Wolfgang  Wilhelms  Jesuitenkirche  und  Philipp  Wilhelms  Schloßbau  zu  Benrath 
hatten  schon  eine  fremde  süddeutsch  -  italienische  Note  an  den  Niederrhein  getragen 
(I.  Abb.  212,  341,  342).  Aber  der  Wohnbau  und  das  gesamte  Stadtbild  hatten  ihren  einheit- 
lichen niederrheinischen  Charakter  behalten.  Unter  Jan  Wellem  wandeh  er  sich.  Wer 
aufmerksamen  Auges  auf  seinen  Wanderungen  durch  die  Altstadt  die  leider  nur  wenigen 
erhaltenen  Bauten  der  Zeit  studiert,  wird  leicht  die  Mannigfaltigkeit  der  Bauformen  gegenüber 
den  einheitlicheren  in  den  stromabwärts  gelegenen  Städten  feststellen  können.  Die  Alberti, 
Bartolus,  Riva,  Reiner,  Cagnon,  Martinelli,  du  Bois  usw.  haben  zwar  die  traditionellen  bau- 
künstlerischen Beziehungen  zum  unteren  Niederrhein  und  den  Niederlanden  nicht  gänzlich 
unterbinden  können.  Man  nehme  nur  die  schöne  Partie  am  Stiftsplatz  (Abb.  40,  41).  Ein 
echtes  niederländisch -niederrheinisches  Kirchplatzidyll.  Der  alte  Platz  um  St.  Lambertus 
mit  seinen  alten  Stiftshäuschen  (I.  Abb.  192,  198)  hätte  sich  kaum  einen  stimmungsvolleren 
Ausbau  denken  können.  Gibt  es  denn  etwas  Bescheideneres  als  den  alten  Klosterbau  der 
Karmelitessen,  einen  schlichten  Backsteinbau,  aber  mit  seinen  hell  leuchtenden  Haustein- 


46 


fensterrahmen  wieder  von  farbenfroher  Freundlichkeit  (Abb.  40).  Nur  der  Eingang  hatte 
sich  etwas  Schmuck  erlaubt.  Der  Türrahmen  hatte  hier  reichere  Profilierung  erhalten.  Das 
Oberlicht  ward  von  Voluten  eingefaßt,  ebenso  das  darüber  angebrachte  Wappen.  Sein  Rahmen 
reicht  bis  an  das  Fenster  im  ersten  Geschoß,  das  indes  wieder  ebenso  schmucklos  ist  wie 
seine  Nachbarn.  Eine  vornehm  zurückhaltende  Bescheidenheit,  wie  sie,  außer  in  den  Nieder- 
landen, sich  nur  noch  bei  den  gleichzeitigen  Backsteinbauten  im  Münsterlande  wiederfindet*. 
Diese  taktvolle  Zurückhaltung  des  Klosters  wollte  nicht  allein  auf  die  gegenüberliegende 
Kirche  des  heiligen  Lambertus  Rücksicht  nehmen,  sondern  war  auch  darauf  bedacht,  der 
Fassade  der  Klosterkirche  das  wirkungsvolle  Relief  zu  geben.  Das  Verhältnis  der  Bau- 
massen zueinander  ist  wundervoll!  Das  in  der  optischen  Verkürzung  allmähliche  Aufsteigen 
der  Profile  des  Klosters,  der  Querschiffe  und  der  Fassade  des  Kirchleins.  Die  Schmucklosig- 
keit des  Klosterbaues  ließ  mit  so  wenigen  Mitteln  die  Fassade  der  Kirche  zur  Geltung  kommen, 


Kerckerinck-Klapheck:  Alt-Westfalen.     Abb.  52-54,  61,  78.  82.  203. 


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Abb.  39.   Düsseldorf.   Haus  Douven,  Altestadt  Nr.  1;  Stuckdecke    Vgl.  Abb   41. 


47 


nämlich  das  Barockportal  mit  dem  Oberfenster  und  die  Seitennischen,  eingerahmt  von  hohen 
Backsteinpilastern,  die  über  dem  haustemernen  Hauptgesims  und  dem  Gebälk  emen  Flach- 
giebel tragen.    Darüber  ragt  das  Dach  mit  dem  Vierungstürmchen  hmaus. 

Die  Kirche  ist  kreuzförmig  angelegt  mit  gleich  kurzen  Armen;  die  seitlichen  abgerundet, 
über  den  flachen  Tonnen  der  Kreuzarme  steigt  die  flache  Vierungskuppel  auf.  Das  Innere 
zeigt  eine  stimmungsvolle  Raumgestaltung  und  Raumausstattung.  Antonio  Bernardi,  der 
kurfürstliche  Theatermaler,  hatte  die  Decke  mit  einer  Schemarchitektur  ausgemalt.  Der  Außen- 
bau der  Kirche  und  des  Klosters  hat  aber  mit  Jan  Wellems  italienischen  Künstlern  weiter 
nichts  zu  tun.  Die  Gliederung  des  Portals  mit  dem  Oberlicht  an  der  Fassade  der  Kirche  und 
die  zusammenfassende  architektonische  Hausteinumrahmung  erinnern  an  ein  Bürgerhaus  auf 
dem  Großen  Markt  zu  Cleve  (I.  Abb.  332).  Sie  zählt  ebenso  in  das  Kapitel  des  den  unteren 
Niederrhein  beherrschenden  holländischen  Klassizismus  wie  die  Pilasterarchitektur  der  Fassade. 

Man  könnte  noch  auf  das  Pfarrhaus  zu 
Rheinberg  vom  Jahre  1729  und  auf 
Jacob  Sprengers  Rathaus  zu  Geldern 
von  1724  verweisen  (I.  Abb.  334,  339). 
Aber  auch  die  Grundrißanlage  des  Kirch- 
leins ist  auf  den  Einfluß  des  holländischen 
Klassizismus  zurückzuführen.  Schon 
Hendrik  de  Keyzer  hatte  für  dieNoorder- 
kerk  in  Amsterdam,  die  in  den  Jahren 
1620 — 1623  Hendrik  Staets  ausführte, 
ein  griechisches  Kreuz  zugrunde  gelegt. 
Hendrik  Dankerts  „Architectura  Mo- 
derna" (1628)  entwickelte  die  Idee  des 
Zentralbaues  weiter.  Conraet  Roleffs 
Noorderkerk  zu  Groningen  (1660-1664), 
die  Oosterkerk  zu  Amsterdam,  Martin 
Fabers  Neue  Kirche  zu  Emden  (1643 
bis  1 648),  vor  allem  Arent  van  's  Grave- 
sandes  Mare  Kirche  zu  Leiden  (1639 
bis  1648)  könnten  noch  angeführt  wer- 
den. Der  Name  des  Baumeisters  der 
Kirche  der  Karmelitessen  zu  Düssel- 
dorf ist  leider  nicht  bekannt*. 


Abb.  40.  Düs 


der  Karmelitessen. 


*  Georg  Galland:  Geschichte  der  holländischen 
Baukunst  und  Bildnerei  usw.  Frankfurt  a.  M.  1890. 
S.  1 83, 289, 290, 3 1 1 . 3 1 2.  -  Wie  die  Pilasterarchitektur. 


48 


Das  der  Kloslerkirche  der  Karmelitessen  gegenüberliegende  Douvenhaus  an  der  Ecke 
der  Krämerstraße  atmet  die  gleiche  Ruhe  des  holländischen  Klassizismus  (Abb.  41).  Es  ist 
nur  recht  schade,  daß  der  Bau  später  verputzt  worden  ist.  Vor  einigen  Jahren  konnte  man 
den  ursprünglichen  Zustand  wenigstens  noch  an  der  seitlichen  Fassade  sehen :  die  Ecken  ge- 
quadert,  den  Sockel  und  die  Fensterrahmen  aus  Haustein,  den  Grund  sonst  aus  scharf  gefugten 
Backsteinlagen.  Der  moderne  Tünchermeister,  der  die  Fensterrahmen  dunkel  angelegt  hat, 
damit  sie  nicht  bei  ihrem  geringen  Relief  auf  dem  nunmehr  hellgrauen  Grund  verschwinden, 
hat  aber  den  eigentlichen  Witz  der  charakteristischen  Fassadengliederung  ganz  und  gar  miß- 
verstanden. Er  hätte,  wenn  er  schon  die  Backsteinflächen  zu  tünchen  hatte,  nicht  allein  die 
Eckverquaderung  ebenfalls  dunkel  tönen  müssen,  nein,  vor  allem  die  Pilaster  des  Zwischen- 
stückes über  der  Tür  und  unter  dem  darüber  gelegenen  Fenster  im  oberen  Geschoß.    Am 

so  beschäftigte  auch  die  kirchhche  Zentralanlage  des  holländischen  Klassizismus  am  Ausgange  des  17.  Jahrhunderts  den  führenden 
münsterländischen  Baumeister  Petrus  Pictorius.  Vgl.  Kerckerinck- Klapheck,  a.a.O.,  Abb.  199.  Es  handelt  sich  um 
dieselben  Beziehungen  wie  am  Niederrhein.    Vgl.  I.  Bd.,  S.  322,  323. 


■  ß-jDsmi. 


Abb.  41.    Düsseldorf.  Altestadt.    Rechts   Haus  Douven.   Vgl.  .Abb.  39 


49 


besten  hätte  er  das  ganze  Zwischenstück  dunkel  halten  sollen.  Denn  der  Reiz  bestand  doch 
gerade  darin,  daß  die  verkröpfte  und  nur  wenig  risalitartig  vorspringende  Türeinfassung  mit 
dem  besonders  hervorgehobenen  und  eigens  mit  einem  Flachgiebel  geschmückten  Mittelfenster 
eine  zusammenfassende  einheitliche  Rahmenkomposition  bildet,  wie  an  der  Fassade  der  Kloster- 
kirche und  an  dem  erwähnten  Haus  auf  dem  Großen  Markt  zu  Cleve  (I.  Abb.  332). 

Die  schräg  zur  Straße  im  Winkelpunkt  zweier  Bauflügel  angelegte  Kapelle  der  Karmelltessen 
ist  der  städtebaulich  wirkungsvolle  Abschluß  der  Krämerstraße  vom  Burgplatz  her.  Das  Gegen- 
stück ist  die  Baugruppe  an  der  Ecke  der  Flinger  Straße,  dort,  wo  die  Marktstraße  ausläuft 
(Abb.  43).  Das  zweite  Haus  Nr.  3,  Haus  Krischer,  mit  dem  hohen  rechteckigen  Aufbau, 
mit  einem  Flachgiebel  bekrönt,  und  die  Zwickel  mit  Voluten  und  ornamentalem  Zierat  ge- 
schmückt, könnte  an  den  Amsterdamer  Grachten  stehen.  Leider  hat  das  Haus  später  ein 
neues  Untergeschoß  erhalten;  nicht  weniger  schade  ist  es,  daß  die  Backsteinfassade  wieder 
nachträglich  verputzt  worden  ist.    Sie  wirkt  jetzt  flau.    Der  Eckbau  nebenan,  das  Haus  zum 

goldenen  Helm  genannt,  ebenfalls  mit  modernem 
Ladeneinbau,  hat  seinen  Giebel  mit  Amsterdamer 
Kränzen  der  Jacob  van  Kampen  und  Philipp  Ving- 
boons  geschmückt  (vgl.  I.Abb. 331).  Ebenso  unter 
den  von  Konsolen  getragenen  Fensterstürzen  das 
reizvolle  zweistöckige  Häuschen  Zitadellstraße 
Nr.  7  vom  Jahre  1684,  das  später  einen  anmutigen 
Mittelrisalit  erhalten  hat.  Einen  Erker,  unten  zu 
Seiten  der  Haustür  von  Pilastern  getragen  und 
oben  mit  einem  Giebelchen  bekrönt  (Abb.  44). 
Der  Schmuck  der  Girlanden  ist  bei  beiden  Bauten 
aber  nur  noch  ein  äußerer  Zusammenhang  mit 
dem  holländischen  Klassizismus.  Die  barocken 
Fensterrahmen  und  Profile,  die  Aufteilung  der 
Fassade  und  der  eigenartige  Giebel  zeigen  mehr 
verwandte  Züge  mit  den  Arbeiten,  die  sich  um 
Alberti  und  seinen  Kreis  sammeln. 

Ich  möchte  diesen  Meistern  auch  die  Bebauung 
der  Neußer  Straße  zuschreiben,  um  so  mehr, 
da  die  monumentale  Bekrönung  der  Neustadt,  das 
neue  Residenzschloß,  in  den  Händen  des  Ober- 
baudirektors lag.  Zu  beiden  Seiten  der  von  Baum- 
reihen begleiteten  Straße  waren  breite  und  hohe 
Fassaden  vorgesehen,  möglichst  mit  durchlaufen- 
Abb.  42.  Düsseldorf.  Marktstraße.  dem  Hauptgcslms  Und  gleichen  Stockwerkhöhen. 


50 


Die  hohen  rechteckigen  Fenster  des  ersten  Geschosses  von  schhchten,  nur  wenig  profiherten 
Rahmen  eingefaßt.  Als  Fensterbekrönung  eine  horizontal  überstehende  Deckplatte.  Die 
Fenster  des  Obergeschosses  meist  quadratisch  mit  barocken  Eselsohren  an  den  beiden  oberen 
oder  auch  an  allen  vier  Ecken  (Abb.  46  a).  Hier  und  da  hatte  das  Fenster  der  Hauptachse 
im  ersten  Geschoß  über  dem  Fortal  wohl  eine  andere  Giebelform  erhalten.  Sonst  aber  sollten 
die  einzelnen  Fassaden  möglichst  einheitlich  gestaltet  werden ;  in  dieser  Einheitlichkeit  schwebte 
Jan  Wellem  die  monumentale  Auffahrt  zur  neuen  Residenz  vor  Augen. 

Neben  dem  Entwurf  für  das  neue  Schloß  zu  Düsseldorf,  beziehungsweise  dem  ausgeführten 
Bau  zu  Bensberg,  hat  noch  ein  anderes  Schloß  nicht  unwesentlichen  Einfluß  auf  die  bürger- 
liche Baukunst  Düsseldorfs  gehabt,  und  zwar  der  vornehmste  Edelsitz  des  oberbergischen 
Landes,  Schloß  Ehreshoven*.  Seitdem  Wilhelm  von  Nesselrode  (f  1399)  Jutta,  die  Erb- 
tochter des  schon  im  Jahre  1313  auf  Ehreshoven  genannten  Geschlechtes  der  Herren  von 
Yrishove  oder  Irenshoven,  heimgeführt  hatte,  ist  der  Besitz  bis  heute  bei  den  Herren  und 
späteren  Reichsgrafen  vonNessel- 
rode  geblieben,  die  in  den  Tagen 
Jan  Wellems  und  Karl  Theodors 
von  der  Pfalz  in  der  bergischen 
Landeshauptstadt  einen  wichtigen 
politischen  Einfluß  hatten.  Ein 
Freiherr  von  Nesselrode  war,  wie 
wir  bereits  erfuhren,  im  Jahre 
1684  Mitglied  der  Kommission 
für  den  Ausbau  der  Ritterstraße 
in  Düsseldorf.  Das  Absteige- 
quartier der  Reichsgrafen  von 
Nesselrode  im  18.  Jahrhundert 
steht  heute  noch  in  der  Schul- 
straße am  Ausgange  der  Zitadell- 
straße. Unter  Karl  Theodor  war 
ein  Graf  Karl  Nesselrode  Minister . 

Philipp  Wilhelm  von  Nessel- 
rode,   seit    1668    vermählt    mit 

*  C lernen:  Kunstdenkmäler  der  Kreise 
Gummersbach,  Waldbroel  und  Wipperfürth. 
Bearbeitet  von  Edmund  Renard.  Dussel- 
dorf  1900.  S.  92  ff.  -  F.  W.  Bredt  und 
Bruno  Hirschfeld:  Oberbergische  Burgen 
und  Schlösser.  Mitteilungen  des  Rheinischen 
Vereins  für  Denkmalpflege  und  Heimat- 
schutz.   V     S.  270  ff. 


Abb. 43.  Düsseldorf.  Flinger Straße.  HausK 


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d  ,,Haus  zum  goldenen  Hein 


51 


Maria  Adriana  von  Leerodt,  Heß  gegen  Ausgang  des  17.  Jahrhunderts  Ehreshoven  ausbauen. 
Vielleicht  ist  es  derselbe,  der  1684  in  der  Düsseldorfer  Kommission  genannt  wird.  Das  alte, 
an  der  Rückfront  noch  erkennbare  Herrenhaus  aus  dem  1 6.  Jahrhundert  erhielt  eine  hufeisen- 
förmige Hofanlage.  Die  vierseitige  Vorburg  ist  aus  der  Hälfte  eines  auf  einer  Ecke  stehenden 
Sechsecks  konstruiert,  hat  in  dieser  Ecke,  genau  in  der  Achse  des  Hauptportals  vom  Herren- 
haus, das  Eingangstor,  während  Wehrtürme  mit  barocken  Hauben  die  beiden  anderen  Ecken 
schmücken*.  Für  unseren  Zusammenhang  ist  aber  die  interessante  Gesamtanlage  nicht  so 
wichtig  als  der  Schmuck  des  Giebels  und  der  beiden  seitlichen  Lukarnen  des  Herrenhauses 
(Abb.  45).  Der  flache  Giebelbogen  mit  den  Voluten  wurde  charakteristisch  für  eine  Reihe 
der  Düsseldorfer  Bürgerhäuser.  An  zwei  Bauten,  Neustraße  und  Marktstraße,  kehrt  sogar  die 
seltsame  Umrahmung  der  runden  Giebelfenster  wieder:  eine  einfache  runde  Deckplatte  als 
Giebelbekrönung;  der  Hausteinrahmen  unten  wie  zwei  Schleifenenden  auslaufend  (Abb.  42). 

Dabei  fällt  einem  noch  ein,  daß  die  nur 
wenig  geschwungene  Giebellinie  des 
Eingangstores  der  Vorburg  auf  Ehres- 
hoven an  die  vom  ,,Haus  zum  goldenen 
Helm"  in  Düsseldorf  erinnert. 

Der  Baumeister  des  stolzen  Edel- 
sitzes  ist  nicht  bekannt.  Bei  den  Be- 
ziehungen des  Geschlechtes  derer  von 
Nesselrode  zur  bergischen  Landeshaupt- 
stadt zweifle  ich  indessen  nicht,  ihn 
in  dem  Künstlerkreis  um  Jan  Weilern 
suchen  zu  müssen. 

Zwar  im  einzelnen  die  Tätigkeit 
der  Meister  bei  dem  Mangel  an  archi- 
valischen  und  monumentalen  Urkunden 
heute  genauer  zu  bestimmen,  wird  kaum 
möglich  sein.  Zusammenfassend  wissen 
wir  doch  leider  nur:  Alberti  hat  mit 
Hilfe  seines  Hauptmitarbeiters  Bartolus 
Schloß  Bensberg  erbaut  und  den  Entwurf 
für  das  beabsichtigte  neue  Düsseldorfer 
Residenzschloß    geschaffen.    Lediglich 


Abb,  44.    Düsseldorf.   Zitadellstraße  Nr.  7 


*  Ansicht  der  Rückfront  und  des  Eingangsiores 
beiCIemen-Renard  a.a.  0.,  Abb.  57,  und  Bredt- 
Hirschfeld.  Abb.  73.  —  Grundriß  bei  Clemen- 
Renard  Abb.  33;   bei  Bredt-Hirschfeld  Abb.  73. 


52 


Abb.  45.   Schloß  Ehreshoven.   Mittelstück  des  Herrenhauses. 


53 


Abb.  46.   Düsseldorf.   Stuckdecke  aus  dem  Hause  Scheidt -Weschpfennig,  Altestadt  Nr.  14. 

die  Vermutung,  nach  dem  Detail  der  Bauformen  und  der  Stellung  des  obersten  Baubeamten 
des  Landes,  läßt  darauf  schließen,  daß  Alberti  auch  an  dem  Ausbau  des  alten  Schlosses  und 
der  Neußer  Straße  beteiligt  war.  Von  Paul  Reiner,  Reynertz  oder  Reinerts  wissen  wir  nur, 
daß  er  in  der  Mühlenstraße  den  fürstlichen  Marstall  errichtet  hat.  Aber  der  Bau  ist  nicht 
mehr  erhalten.  Reiner  war  schon  im  Jahre  1672  in  den  Diensten  Philipp  Wilhelms  und  starb 
Ende  März  1693.  Der  Hofarchitekt  und  Ingenieur  Jacob  du  Bois  war  nach  Raparinis 
Angaben  der  Erbauer  des  Galeriegebäudes.  Dann  ist  nach  Ferbers  Quellenstudien  noch  die 
Arbeit  eines  vierten  Baumeisters  nachzuweisen:  Cagnon,  entweder  Michael  der  Vater  oder 
Constantin  der  Sohn,  hat  für  den  Kanzler  Friedrich  Grafen  von  Schaesberg  das  seinerzeit 
von  dem  Kriegskommissar  und  Marschall  Friedrich  Christian  Freiherrn  von  Spee  bewohnte 
Haus  Ritterstraße  Nr.  16  geschaffen*.  Es  steht  heute  noch  und  ist  mit  seinem  unverputzten 
Backsteingrund  und  den  gut  gezeichneten  Konsolen  der  Hausteinfensterbänke  und  Gebälke 
von  vornehm  schöner  Wirkung  und  einer  der  besten  Vertreter  des  neuen  Düsseldorf  Jan  Wellems. 

*  Raparini  nennt  die  Familie  Canon.  Michael  Cagnon  war  in  erster  Ehe  mit  Adriana  Jansen  vermählt,  gmg  dann  vor  1694 
mit  Sophia  Maria  Bast  eine  zweite  Ehe  ein.  Zu  der  Familie  des  Marschalls  von  Spee  unterhielt  er  gute  Beziehungen.  Die  Paten 
eines  seiner  Kinder  waren  Anna  Catharina  von  Loe  zu  Wissen,  Friedrich  von  Spees  Schwester,  Johann  Adrian  von  Loe  und  Friedrich 
von  Spee.  Vgl.  Ferber:  Historische  Wanderung  durch  die  alte  Stadt  Düsseldorf.  1889.  I.  S.  9.  —  Levin  a.  a.  0.,  XX.  S.  154  ff. 
-  Lau  a.a.'O.,  XXVI.     S.241. 


54 


Michael  Cagnon  war  als  Hofarchitekt  und  kurfürstlicher  Kammerrat  der  Vorgänger  von  Jacob 
du  Bois.  Er  wird  als  „Architectus  et  Ingenior"  oder  als  „Architecta  a  Machinis  bellicis"  und 
„S.  E.  P.  Architectus  Supremus  et  camerae  consiliarius"  angeführt.  Für  St.  Lambertus  hat  er 
den  Hochaltar  entworfen.  Er  starb  im  Jahre  1700.  Sein  Sohn  Constantin  ist  der  Erbauer  der 
ehemaligen  Kaserne  in  der  Extension  (Abb.  26). 

Das  ist  einstweilen  alles,  was  wir  urkundlich  über  die  Tätigkeit  der  Hofbaumeister  Jan 
Wellems  in  Düsseldorf  wissen,  über  die  zahlreichen  Kunsthandwerker  sind  wir  nicht  besser 
unterrichtet.  Es  fehlt  zudem  an  erhaltenen  Arbeiten.  Aus  dem  ganzen  17.  Jahrhundert  ist 
beispielsweise  nur  eine  reicher  geschmückte  Stuckdecke  erhalten:  Altestadt  Nr.  14,  in  dem 
früheren  Haus  der  Herren  von  Scheidt-Weschpfennig  (Abb.  46).  Der  reiche  Barockschmuck 
soll  schon,  wie  Ferber  angibt,  im  Jahre  1627  fertig  gewesen  sein*.  Weit  eleganter  ist  die  Stuck- 
decke im  Douvenhaus  aus  dem  zweiten  Jahrzehnt  des  18.  Jahrhunderts  (Abb.  39).  Nehmen  wir 
dazu  noch  die  wenigen  alten  Treppenhäuser,  so  wäre  das  alles,  was  uns  an  Arbeiten  der  Innen- 
ausstattung der  Bauten  aus  den  Tagen  Jan  Wellems  überkommen  ist  (Abb.  47 — 50). 

So  reich  indes  die  Innenausstattung  der  Neubauten  einst  gewesen  sein  mag,  im  Äußeren 
blieben  es  nur  schlichte  Anlagen.  Das  Bürgerhaus  hielt  lange  noch  seinen  alten  nordischen 
Giebel  bei.  Die  Bauten  der  Hofbeamten  und  des  Adels  suchten  in  den  engen  Straßen  inner- 
halb der  schmalen  Giebelreihenhäuser  durch  eine  breite,  architektonisch  gegliederte,  seitliche 
Toreinfahrt  zu  den  Ställen  im  Hinterhaus  den  Charakter  von  Hofanlagen  zu  bewahren.    Bei 


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Abb.  46  a.   Düsseldorf.   Hubertus -Stift.   Originalzeichnung  im  Historischen  Museum  der  Stadt  Düsseldorf. 


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Abb.  31.    Düsseldorf.   Giebelschmuck  am  ehemaligen  Marstall  des  Jägerhofes. 


ihrer  breiteren  Fassa- 
denentwicklung  trat 
der  Giebel  mehr  und 
mehr  zurück ;  und 
damit  auch  die  male- 
risch bewegte  Um- 
nßlinie.  Man  erzielte 
größere  Flächenwir- 
kung. Ihr  Reiz  liegt 
in  der  Aufteilung  der 
Fassade  und  in  der 
klaren  Zeichnung  der 
Profile.  Demgegen- 
über trat  auch  das 
Schmuckbedürfnis 
zurück.  Reichere  Gliederung  blieb  auf  das  Portal  beschränkt.  Die  Auslese  an  alten  Portalen 
ist  aber  ebenfalls  nur  noch  gering.  Das  Hubertus-Stift  zeigt  die  typische  barocke  Einrahmung 
mit  Eselsohren,  wie  an  den  Fenstern,  nur  den  Rahmen  reicher  profiliert  (Abb.  46  a).  Ein 
Haustürtyp,  der  noch  verschiedentlich  in  Düsseldorf  wiederkehrt*.  Eleganter  ist  das  Pilaster- 
portal  Neußer  Straße  Nr.  8  mit  plastischem  Schmuck  und  gegliederten  Konsolen,  die  einen 
verkröpften  Aufbau  tragen  (Abb.  56).  Das  reichste  Beispiel  ist  das  heute  zum  Fenster  um- 
gewandelte Portal  vom  Grupellohaus  am  Markt  (Abb.  57).  Vielleicht,  daß  der  Entwurf 
von  dem  Bildhauer  selbst  stammt.  Er,  der  in  allen  Techniken  zu  Haus  war,  der  Bronze- 
gießer, Marmorarbeiter,  Wachsmodelleur,  Holz-  und  Elfenbeinschnitzer,  der  scheinbar 
einen  großen  Schülerkreis  um  sich  versammelt  hat,  wird  auch  als  Ausgangspunkt  der 
reichen  Holzschnitzereien  an  Haustüren  und  Torbogenfüllungen  anzusprechen  sein.  In  die 
Haustüren  sind  Zickzackbänder  eingeschnitzt,  oben  ein  abwechslungsvoll  gearbeiteter  Ranken- 
fries, in  dessen  Mitte  Engel-  oder  Tierköpfe  oder  Symbole,  das  Ganze  von  einem  gedrehten 
Rundstab  eingerahmt  (Abb.  52 — 56)**.  Ganz  ausgezeichnet  sind  die  geschnitzten  Lünetten 
an  den  Portalen  Akademiestraße  Nr.  1  und  Neußer  Straße  Nr.  12  (Abb.  58,  59).  Das  Glanz- 
stück dieser  Schnitzerschule  sind  aber  die  Giebel  vom  ehemaligen  Marstall  des  Jagdschlosses 
Jägerhof  in  Pempelfort,  d.  h.  des  früheren  Schlosses.  Karl  Theodor  von  der  Pfalz  hat  es  um 
1750  abtragen  lassen,  einen  Neubau  aufgeführt  und  von  der  alten  Anlage  nur  den  sogenannten 
Marstall  behalten,  einen  langgestreckten,  einstöckigen  und  schlichten  Backsteinbau.  Aber 
die  Kunst  Grupellos  oder  seiner  Schule  hat  dem  Bau  drei  wunderbare  Dekorationsstücke 
gegeben,  holzgeschnitzte  große  Giebelreliefs,  Arbeiten  von  virtuosenhaftem  Können.     Ich 

*  Josef  Kleesattel:  Ah-Düsseldorf  im  Bilde.    Düsseldorf  1909.    Abb.  1 1,  23,  28,  30,  31,  38,  56,  60,  63.  66,  94. 
**  Weitere  Beispiele  vgl.  Kleesattel  a.  a.  0.    Abb.  1 1,  28.  30.  31,  33,  60,  65,  66,  92. 


38 


zeige  hier  den  mittleren  Giebel  (Abb.  51).  Hoch  oben  über  den  Alllancewappen  Jan  Wellems 
und  der  Anna  Maria  Luise  von  Toskana  der  Kurhut.  Darunter  das  Wappen  des  Erz- 
truchsessen,  umgeben  von  den  Ordensketten  des  Hubertusordens  und  des  Goldenen  Vlieses, 
von  Waffen,  Jagdzeug  und  breitlappigen  Akanthusranken.  Die  schmale  Inschrifttafel  unter 
dem  Orden  des  Goldenen  Vlieses  erzählt,  daß  Johann  Franz  von  Weichs,  der  Oberjäger- 
meister,  den  Bau  im  Jahre  1713  errichtet  hat*. 

AN°  MDCCXIII.    Supremo  Venatore 
Joan.  Franc.  L(iber)  B(aro)  De  Weichs. 

Der  Name  Marstall  stammt  aus  der  Franzosenzeit.  Man  hatte  damals  den  Bau  als 
Kasernements  des  Bourschelder  Regiments  eingerichtet.  Ursprünglich  war  es  das  „Chur- 
fürstlich  Jägerhaus  oder  Jagdzeughaus",  das  die  zu  Hofjagden  nötigen  Geräte  barg.  Vor 
einigen  Jahren  hat  das  Jagdzeughaus  durch  die  Aufteilung  des  Gartens  vom  Jägerhof  und 
die  Anlage  der  Couvenstraße  mehr  denn  die  Hälfte  seiner  Ausdehnung  opfern  müssen.  Als 
Orangerie  erhielt  es  einen  neuen  Beruf. 

Am  8.  Juni  1716  stand  Düsseldorf  trauernd  an  der  Bahre  seines  kurfürstlichen  Gönners. 
Grupello  entwarf  für  die  Gebeine  seines  Herrn  einen  bronzenen  Prachtsarkophag,  der  in  der 
Grabkapelle,  hinter  dem  Chor  von  St.  Andreas,  Aufstellung  fand  (Abb.  60).  Tiertatzen  sind 
seine  Füße.  Löwenköpfe  schmücken  die  Ecken.  Das  große  Bahrtuch  auf  der  Vorderseite  er- 
zählt in  einer  Inschrift  von  Jan  Wellems  Leben.  Drei  Medaillons  sind  an  dem  Sarkophagdeckel 
angebracht.  In  der  Mitte  das  Porträt  des  Kurfürsten,  Lorbeer  im  Haar;  links  sein  Wappen- 
schild, rechts  zwei  Schiffe,  die  mit  dem  Sturme  vor  einem  Leuchtturm  einer  Hafeneinfahrt 
kämpfen.    „Tandem  portus  post  vitae  procellas  obtentus"  liest  man  auf  ihrer  Umschrift**. 

Düsseldorf,  Kunst-  und  Gartenstadt,  hat  Jan  Wellem  vieles  zu  danken!  Dem  Gründer  der 
Pinakothek  und  Erweiterer  der  Stadt.  ,,Merito  Urbls  Ampllficatorl  Plnacothecae  Fundatori", 
wie  die  , .Grata  Civltas"  im  Jahre  1830  auf  seinen  Denkmalsockel  einmeißeln  ließ.  Aber  das 
Bewußtsein  der  künstlerischen  und  kulturellen  Bedeutung  des  Kurfürsten  ist  den  Düsseldorfern 
erst  recht  spät  gekommen.  Zu  Lebzeiten  stand  Jan  Wellem  in  Düsseldorf  eigentlich  ganz  allein. 
,,Der  grosse  Hof  aestlmire  nichts  als  Lustbarkeiten,"  meinte  einmal  Theodor  Hartsoecker,  der 
, .berühmte  Physikus  und  Mathematikus",  den  der  Kurfürst  nach  Düsseldorf  gezogen  hatte,  zu 
Uffenbach.  Die  breite  Menge  hatte  noch  weniger  Anteil  an  den  Bestrebungen  ihres  Kurfürsten, 
der  ihr  ,,zwar  ein  gnädiger  aber  auch  curiöser  Herr"  war.  Das  Interesse  der  Düsseldorfer  an 
Jan  Wellems  Kunstsammlungen  war  dasselbe,  wie  im  Jahrhundert  Wilhelms  des  Reichen  an 
Monheims  Gelehrtenschule  auf  dem  Stiftsplatz:  es  kamen  viele  Fremde  und  stiegen  in  den 
Gasthäusern  der  Stadt  ab.  Wirte,  Metzger  und  Bäcker  verdienten  einen  netten  Batzen. 
Gevatter  Schneider  und  Handschuhmacher  bekamen  auch  zu  tun,  denn  etwas  von  dem 
Glanz  der  kurfürstlichen  Hofhaltung  drang  auch  in  die  Kreise  der  Kleinbürger  ein. 


*  Walter  Jost:  Die  Schnitzwerke  am  Marstall  des  Jägerhofes  zu  Düsseldorf.     Düsseldorf  1895. 
**  Strauven,  Die  fürstlichen  Mausoleen  Düsseldorfs.    Düsseldorf  1880,  S.  35. 


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Aber  die  Kunst  gehörte  dem  Kurfürsten  ganz  allein.  Sie  war  ihm  nie  em  äußerhches 
Prunken.  Sie  war  für  ihn  aufrichtige  Herzenssache,  ein  Lebensbedürfnis.  Die  persönlichste 
Anteilnahme  begleitete  die  zahlreichen  Verhandlungen  zur  Erwerbung  neuer  Kostbarkeiten. 
Man  lese  nur  einmal  Jan  Wellems  großen  Briefwechsel  mit  seinen  Künstlern  und  Kunst- 
legaten in  Levins  hier  oft  erwähnten  Studien  nach. 

Ohne  Jan  Weilern  wäre  Düsseldorf  nie  EXisseldorf  geworden !  Ohne  Jan  Wellems  Kunst- 
sammlungen wäre  ein  Karl  Theodor,  der  meist  in  Mannheim  residierte,  nie  auf  den  Einfall 
gekommen,  seiner  abgelegenen  niederrheinischen  Residenz  eine  Kunstakademie  zu  stiften  und 
die  Karlstadt  ausbauen  zu  lassen,  deren  Rahmen  schon  Jan.Wellem  in  der  Extension  vorgezeichnet 
hatte.  Eines  zog  das  andere  nach  sich.  Der  neue  Jägerhof,  der  Hofgarten,  die  Residenz  der 
Statthalter  erstanden.  Und  vor  den  Toren  der  Stadt  das  neue  Lustschloß  Benrath.  Murat  und 
Napoleon,  später  die  Prinzen  von  Preußen  und  Hohenzollern  fühlten  sich  heimisch  im  Düssel- 
dorfer Jägerhof  und  auf  Seh  loß  Benrath.  Der  Hofgarten  dehnte  sich  im  1 9.  Jahrhundert  weiter  aus. 
Der  König  von  Preußen  erneuerte  die  Akademie.  —  Aber  ohne  Jan  Wellem,  nichts  von  alledem. 
Hätte  er  Heidelberg  wieder  aufgebaut  und  dort  sich  mit  seinen  Kunstschätzen  umgeben,  was 
wäre  aus  Düsseldorf  geworden  ?    Ein  Jülich,  ein  Neuwied  —  eine  vergessene  kleine  Residenz. 


Abb.  OO.    Düsseldorf.   Sarkophag  des  Kurlürsten  Johann  Wilhelm  in  St.  Andreas. 


64 


IL 

Das  Jahrhundert  Karl  Theodors  von  der  Pfalz-Sulzbach. 

L/er  Tod  Jan  Wellems  war  zunächst  ein  herber  Abschluß  der  glänzenden  Kunstunter- 
nehmungen In  Düsseldorf.  „Pnnceps  vere  Optimus,  qui  omnium  amorem,  venerationem, 
Lacrymas  jure  meritus,  extremum  sui  desiderium  reliquit."  —  Er  war  ein  wahrhaft  ausge- 
zeichneter Fürst,  den  alle  mit  Recht  liebten,  verehrten  und  nun  schwer  vermissen.  So  lauten 
die  Schlußworte,  die  Gabriel  de  Grupello  in  das  Bahrtuch  über  dem  Sarkophag  hatte  anbringen 
lassen  (Abb.  60).  Die  Wahrheit  dieser  Worte  hat  er  selbst  bald  bitter  erfahren  müssen.  Karl 
Philipp  (1716 — 1742),  Jan  Wellems  Nachfolger,  dachte  gar  nicht  daran,  den  Spuren  seines 
heimgegangenen  Bruders  zu  folgen.  Die  Künstler  hatten  von  ihm  nichts  zu  hoffen.  Grupello 
wurden  die  unvollendeten  Arbeiten  einfach  abgenommen.  Das  ,,Inventarium  über  die  bey 
Herrn  Statuario  undt  Chevalier  Grupello  Befindliche  churfürstliche  Bilder  und  sonst"  vom 
13.  Juh  1716  zählt  121  Stücke  auf*.  Für  neue  Aufträge  war  gar  keine  Aussicht  vorhanden. 
Drei  Jahre  blieb  der  Meister  noch  in  Düsseldorf,  dann  dachte  der  75  jährige  Greis  daran,  nach 
vierundzwanzigjährigem  Aufenthalt  in  der  Residenz  Jan  Wellems  wieder  in  die  Stadt  seiner 
ersten  Erfolge  zurückzukehren.  Er  hatte  sich  an  den  Conseiller  regent  du  Conseil  supreme 
des  Pays  Bas  in  Wien  gewandt  —  die  Niederlande  waren  seit  dem  Frieden  von  Utrecht  im 
Jahre  1713  unter  österreichische  Oberhoheit  gekommen  — ,  ihm,  dem  ehemaligen  Hofstatuarius 
Karls  II.  von  Spanien,  doch  nach  der  Übersiedelung  nach  Brüssel  den  Titel  eines  kaiserlichen 
Statuanus  und  Generaldirektors  der  Akademie  der  Wissenschaften  mit  den  entsprechenden 
Privilegien  zu  verleihen  und  die  Erlaubnis,  auf  einem  der  Plätze  der  Stadt  ein  Reiterdenkmal 
des  Kaisers  zu  errichten.  Grupello  berief  sich  darauf,  daß  er  den  Kaiser  seinerzeit  in  seinem 
Düsseldorfer  Hause  empfangen  und  eine  Büste  von  ihm  angefertigt  habe,  mit  welcher  dieser 
sehr  zufrieden  gewesen  sei.  Kaiser  Karl  VI.  verleiht  ihm  den  erbetenen  Titel.  Der  Künstler 
erhält  sogar  ,,ad  interim"  ein  Honorar  von  jährlich  zweihundert  Gulden,  um  die  Miete  seines 
neuen  Hauses  in  Brüssel  zahlen  zu  können,  ,,pour  louage  de  son  quartier".  Man  kann  aber 
einen  alten  Baum  nicht  verpflanzen.  Die  neue  Umgebung,  in  der  Grupello  fremd  geworden, 
sprach  ihn  nicht  mehr  an.  Zu  größeren  künstlerischen  Arbeiten  ist  er  nicht  mehr  gekommen. 
Schon  nach  sechs  Jahren  kehrte  er  Brüssel  wieder  den  Rücken  und  zog  nach  Schloß  Ehren- 
stein bei  Aachen  zu  seiner  Tochter  Adelgunde  Jakobine,  der  Gattin  des  k.  k.  Lehndirektors 
des  Landes  Herzogenrath,  Peter  Kaspar  Poyck.    Hier  starb  er,  86  jährig,  im  Jahre  1730. 

*  Zeitschrift  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  1882.   Nr.  3,  S    1!   ff. 
9  65 


Abb  61.  Düsseldorf,  Stuckdecke  im  ebemaligen  Winterrefektorium  des  Franziskanerklosters  neben  der  Maxkirche.  Vgl.  Abb.  62. 


Die  anderen  Künstler  Jan  Wellems  hatten  es  nicht  besser.  Karl  Philipp,  der  erst  in  vor- 
geschrittenem Alter  den  Kurfürstenstuhl  bestieg,  war  Soldat.  Er  hatte  in  den  Diensten  des 
Hauses  Österreich  gestanden.  Bei  ihm  hatte  man  zu  gehorchen.  Er  achtete  auf  Rang  und 
Stellung.  Die  Herren  vom  Hofe  unterstützten  ihn  darin,  den  Künstlern  wieder  ihre  gesell- 
schaftlichen Kreise  zu  ziehen.  Mit  den  lustigen  Abenden  ,,In  der  Kanon"  war  es  vorbei.  Em 
Jahr  nach  dem  Tode  des  kurfürstlichen  Mäzens  wurden,  wie  man  erzählt,  auf  einer  öffentlichen 
Auktion  dessen  Sessel  und  Pokal  aus  der  Zechstube  der  Künstler  meistbietend  versteigert. 
Freiherr  von  Diamantstein  erwarb  den  Sessel,  der  holländische  Gesandte  den  Prachtpokal, 
der  später  nach  dem  Haag  gekommen  sein  soll. 

So  groß  die  Liebe  Jan  Wellems  für  Düsseldorf  gewesen,  so  groß  Karl  Philipps  Gleichgültig- 
keit für  die  Residenz  am  Niederrhein.  Er  war  vorher  Statthaher  in  Innsbruck  gewesen  und 
konnte  keine  Liebe  für  die  niederrheinische  Ebene  haben.  Auch  politische  Momente  waren  für 
ihn  bestimmend.  Die  Pfalz  hatte  keine  landesständische  Verfassung  wie  die  niederrheinischen 


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Herzogtümer.  Das  sagte  Karl  Philipps  absolutistischem  Sinn  besser  zu.  Er  hat  das  Land  am 
Niederrhein  nie  betreten  und  bheb  In  der  Pfalz.  Heidelberg  konnte  Ihn  zwar  auf  die  Dauer 
auch  nicht  fesseln.  Er  begann  daher  im  Jahre  1720  In  Mannhelm  einen  neuen  großartigen 
Schloßbau  aufzuführen;  1730  folgt  der  Bau  des  Kaufhauses,  1733  die  Jesuitenkirche.  Die 
Sammlungen  Jan  Wellems  mußten  den  Schmuck  für  das  pfälzische  Kurfürstenschloß  liefern. 
Im  Jahre  1719  wurden  drei  Bilder  von  Adrian  van  der  Werff  angefordert;  1721  wurde 
Grupellos  Wappen  vom  Schloß  zu  Bensberg  verladen;  1730  wanderten  über  zweihundert  Bilder 
nach  Mannheim,  und  zwar  Jan  Wellems  Perlen  an  niederländischen  Kabinettstücken,  die 
Brouwer,  Dou,  Elsheimer,  Mleris,  Netscher,  Breughel  und  andere  mehr.  Es  Ist  der  Stamm 
der  später  erweiterten  Mannheimer  Galerie;  Im  Jahre  1738  wurde  Grupellos  Fontäne  mit  dem 
steinernen  Untergestell  aus  dem  Schloßhof  In  Düsseldorf  nach  Mannhelm  gesandt,  wo  sie  dann 
1743  unter  der  Leitung  des  Oberbaudirektors  Bibiena  von  dem  Bildhauer  P.  Egell  auf  dem 
Paradeplatz  aufgestellt  wurde,  über  700  Kübelpflanzen  wurden  zu  Schiff  nach  dem  kur- 
pfälzischen Lustschloß  Schwetzingen  gebracht,  außerdem  sechs  Statuen  von  Grupello  aus  dem 
Galerlegebäude*.  Selbst  Jan  Wellems  Reiterdenkmal  auf  dem  Marktplatz  soll  für  Mannheim 
bestimmt  gewesen  sein**.  Die  Düsseldorfer  Antikensammlung  bereicherte  aber  der  neue  Herr, 
indem  er,  wie  Langenhöffel,  der  Kupferstecher,  mitteilt,  ,, damit  sich  keine  fromme  Seele 
an  den  Nuditäten  der  Statuen  ärgern  möchte,  allen  von  Blech  gemachte  Blätter  vorbinden 
ließ"***.  Unter  Karl  Theodor,  Karl  Philipps  Nachfolger,  wanderte  auch  sie  nach  Mannhelm. 
Als  George  Forster  sich  im  Jahre  1790  in  Düsseldorf  nach  den  Formen  zu  den  antiken 
Abgüssen  Jan  Wellems  erkundigte,  erfuhr  er,  daß  man  sie  zerschlagen  hatte,  um  sie  zum 
Straßenbau  zu  verwenden"]". 

Man  darf  nach  diesen  Voraussetzungen  von  Karl  Philipp  für  Düsseldorfs  baukünstlerische 
Entwicklung  nichts  erwarten.  Er  selbst  hat  auch  keinen  neuen  Bau  aufführen  lassen,  sondern 
nur  in  der  Extension  die  schon  im  Jahre  1702  von  Constantln  Cagnon  begonnene 
Kaserne  vollendet  ff.  Der  Bau  steht  heute  nicht  mehr.  Man  nannte  ihn  in  seinen 
letzten  Jahrzehnten  allgemein  die  ,, Wanzenburg".  Nun,  die  Wanzenburg  war  mit  dem 
niedrigen  Wachtgebäude  aus  fünf  mit  Pilastern  geschmückten  Bogen  eine  sehr  ansprechende 
Baugruppe,  ganz  und  gar  nicht  das,  was  man  'm  19.  Jahrhundert  unter  „Kaserne"  verstand, 

*  Sillib:  Schloß  und  Garten  zu  Schwetzingen.  Heldelb:?rg  1907.  Jos.  Aug.  Beringer:  Gabriel  von  Grupello  am  Ober- 
rhein. „Die  Rheinlande"  1907.  S.  144  ff.  Derselbe:  Kurpfälzische  Kunst  und  Kultur  im  achtzehnten  Jahrhundert.  Freiburg 
i.Br.    1907. 

**  Der  Kriegs-  und  Domänenrat  Müntz  berichtet  in  seiner  Beschreibung  des  Herzogtums  Berg  vom  Jahre  1740,  einer  Hand- 
schrift im  Geheimen  Staatsarchiv  zu  Berlin:  ,,Die  große  Gallerie  mit  Schildereien  ist  noch  völlig  im  Stande,  das  Cabinet  mit 
Miniaturstücken  aber  sowohl  als  der  künstliche  metallene  Aufsatz  auf  der  Hoffontäne  vor  zwei  Jahren  nach  Mannheim  gebracht 
und  wird  gesagt,  daß  die  metallerne  Statue  des  vorigen  Kurfürsten  zu  Pferde,  welche  auf  dem  Markt  stehet,  gleichfalls  nach  Mann- 
heim soll  transportiret  werden." 

***  Vgl.  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins   1882. 
t  Forster:  Ansichten  vom  Niederrhein  I.   S.  250. 
tt   Kohz:  Geschichte  der   Infanterie-  und  Artillerie-Kaserne.     Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins   1883 

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d.h.  nüchterne  Verblendslciniohbaukasten.  Sie  wäre  in  ihrer  vornehmen  Aufteilung  und 
Gliederung  ein  glänzendes  Vorbild  für  die  neuen  Kasernen  gewesen,  die  richtige  „Kasernen" 
geworden  sind. 

Düsseldorf  hat  in  der  Regierungszeit  Karl  Philipps  nur  einen  Monumentalbau  erhalten. 
Im  Jahre  1736  die  Maxkirche,  die  ehemalige  Franziskanerkirche  in  der  Zitadelle  (Abb.  62). 
Die  Westfassade  ist  für  die  Hafenstraße  städtebaulich  eine  ausgezeichnete  Kulisse:  ein 
Backsteinbau  mit  zementierter  Einfassung  und  Pilastern.  über  dem  risalitartig  vortretenden 
Mittelstück  mit  flachem  Giebel  erhebt  sich  der  sechsseitige,  geschieferte,  schöne  Dach- 
reiter, In  einer  Nische  steht  über  dem  von  Säulen  eingefaßten  Portal  die  Statue  des 
heiligen  Franz.  Eine  geschweifte  Hausteinumrahmung  umgibt  das  darüber  rundbogig 
angebrachte  Fensterchen. 

Jahre  gingen  über  Düsseldorf  dahin.  Verrauscht  war  das  heitere  Leben  am  Hof,  die 
Fenster  des  Schlosses  waren  verhängt,  die  Oper  geschlossen.  Der  Adel  war  dem  Kurfürsten 
nach  Mannheim  gefolgt.  Die  Künstler  waren  ausgewandert.  Düsseldorf  war  eine  ver- 
lassene, tote  Residenz  geworden.  Die  Zeit  Jan  Wellems  rückte  mehr  und  mehr  in  weite 
Ferne,  und  wenn  der  Vater  seinem  Sohne  von  ihr  erzählte,  so  hörte  es  sich  wie  ein 
Märchen  an.  Endlich,  nach  vollen  dreißig  Jahren,  als  Karl  Philipp  sich  im  Jahre  1742  zu 
seinen  Vätern  versammelt  hatte,  zog  1746  in  die  niederrheinische  Residenz  wieder  der 
Herr  des  Landes  ein:  Kurfürst  Karl  Theodor  von  der  Pfalz  aus  dem  Hause  Sulzbach. 
Karl  Philipp  hatte  nur  eine  Tochter,  Elisabeth  Auguste,  die  sich  im  Jahre  1717  dem 
Erbprinzen  Joseph  Karl  von  Pfalz -Sulzbach  vermählt  hatte.  Sie  starb  bereits  im  Jahre 
1 728  und  hinterließ  nur  drei  Töchter.  Im  folgenden  Jahre  starb  ihr  Gatte.  Karl  Theodor, 
Joseph  Karls  jüngeren  Bruders  Sohn,  sollte  der  Erbe  Karl  Philipps  werden.  Preußen  ver- 
langte indessen  den  Besitz  von  Berg,  Kaiser  Karl  VI.  stand  auf  seiner  Seite.  Friedrich 
dem  Großen  war  aber  der  Besitz  von  Schlesien  wertvoller,  und  er  überließ  daher  Berg 
Karl  Theodor,  als  er  mit  Bayern,  Kurpfalz  und  Frankreich  das  Bündnis  gegen  das 
Haus  Habsburg  schloß. 

Düsseldorf  war  bei  der  Nachricht  vom  Nahen  des  neuen  I^ndesherrn  begeistert.  In  der 
„Kanon"  herrschte  festliche  Stimmung.  Man  glaubte  die  Zeit  Jan  Wellems  wiedergekommen, 
denn  dem  neuen  Herrn  ging  der  Ruf  voraus,  daß  er  die  schönen  Künste  und  Wissenschaften 
liebe.  Düsseldorf  bereitete  dem  Kurfürsten  einen  festlichen  Empfang,  der  vor  allem  in  den 
Veranstaltungen  der  alten  Künstlerzechstube  ,,In  der  Kanon"  beredten  Ausdruck  fand.  In 
der  Festbeschreibung  heißt  es: 

„Der  Posthalter  und  Wein-Händler  Maurenbrecher  in  dem  Maurenbrecher  oder  Canon 
auf  der  Zollstraße  hat  die  ergetzliche  Ankunft  der  höchsten  Landes-Herrschaften  durch  wohl- 
erleuchtete Vorstellungen  an  seiner  zur  Canon  genannten  Behausung  wenigstens  so  deutlich 
gefeyret,  als  die  feurige  Munde  von  100  Canonen  aus  ihrer  hertzlosen  harten  Bart  solches 
immer  aussprechen  könten.     Man  sähe  daselbst: 

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Abb.  62.  Düsseldorf.  Maxkirche.  Vgl.  Abb.  61 . 


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1.  Ihro  Churf.  Durchleucht  Höchsten  Nahmen  in  einem  Zuge  samt  einer  Chuikappe; 

worüber  folgende  Zeilen  zu  lesen  waren : 

Willkommen,  Holder  Fürst,  Churfürst  und  Freude-Führer! 
Beherrsch  uns  ewiglich.  Du  treuer  Herzens-Rührer! 
Durch  Deine  Gnad  und  Huld  ist  uns  heut  was  geschehen. 
Das  wir  schon  dreißig  Jahr  gehofft,  doch  nicht  gesehen. 

2.  Ihro  Durchleucht  der  Churfürstinne  Höchsten  Nahmen   in  einem  Zuge  samt  einem 
Churhut  und  den  darüber  stehenden  Reimen: 

Und  Du,  o  Churfürstin,  Du  Wunsch  von  allen  Frommen, 

Scy  tausend  —  tausendmahl,  gleich  wie  Dein  Herr,  willkommen! 

0  mögt  Dem  kleines  Aug  in  unsre  Herzen  sehn. 

Du  sagtest:  hier  ist  Treu:  hier  soll  mein  Tempel  stehn. 

Gott  woU  uns  unsern  Wunsch  in  Gnaden  bald  gewähren: 

Daß  unsre  Churfürstin  mag  einen  Prinz  gebähren. 

3.  Ein  Canon  bey  einer  zahlreichen  Gesellschaft,  so  einen  Becher  in  der  Hand  hat:  welcher 
bei  Aussprechung  folgender  darüber  stehenden  Worte  zu  frühe  loßbrennet: 

Wohlauf  ihr  Herrn,  es  gilt  jetzt  einen  vollen  Becher, 

Hut  ab:  wer  mit  mir  hat  denselben  treuen  Sinn, 

Accompagnirt  den  Knall  von  diesen  Maurenbrecher, 

Und  ruft:  der  Churfürst  leb  mit  seiner  Churfürstin! 

Dies  ist  der  schönste  Herbst  von  mehr  als  dreißig  Jahren : 

Er  lasset  nicht  allein  den  Churfürst  zu  uns  fahren: 

Es  schenkt  auch  solch  Gewächs  von  Rhein-  und  Mosel-Wein, 

Daß  Ganimedes  sagt,  es  müsse  Nectar  seyn. 

4.  Die  Stadt  Düsseldorf,  woraus  allerley  Standes-Menschen  dem  durch  die  Ehren-Pforte 
hereinfahrenden  Churfürstlichen  Wagen  entgegen  zu  eilen,  und  den  Weg  mit  Cräntzen  und 
Blumen  zu  bestreuen  schienen,  mit  der  Beyschnft: 

Du  Landes- Vatter  zieh  mit  stetem  Seegen  ein, 

Du  Landes-Mutter  muß  hier  stets  vergnüget  seyn. 

Frohlock  o  Düsseldorf,  o  Bürger  freue  Dich: 

Dein  Glückstern  geht  Dir  auf,  die  Zeit  verändert  sich: 

Man  hat  in  dreißig  Jahr  kein  Churfürst  hier  gesehen. 

Ich  mach  euch  hiermit  kund,  daß  es  heut  soll  geschehen. 

5.  Eine  in  einer  düstem  Gegend  herum  irrende  Menge  junger  Hünlein;  worauf  aus  einer 
schönen  Gegend  eine  Glück-Henne  kommt;  welche  mit  ausgebreiteten  Flügelen  die  Hünlcin 
unternehmen  will  und  die  gantze  Gegend  zu  erhellen  scheint,  mit  dieser  Beyschnft: 

Wan  uns  solche  Flügel  decken. 
Weichen  von  uns  alle  Schrecken ; 
Ja  es  wird  die  dunkle  Nacht 
Hell  gemacht. 

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Abb.  63.  Karl  Theodor,  Kurfürst  von  der  Pfalz,  Herzog  von  Jülich  und  Berg. 
Erbauer  von  Schloß  Benrath  und  des  Jägerhofs  zu  Düsseldorf.  Stifter  der  Düsseldorfer  Kunstakademie. 


71 


übrigens  waren  die  zehn  obere  Fensteren  selbigen  Hauses  mit  Tax-Säulen  durch  400 
Lampions  erleuchtet  usw." 

„Bevor  an  dem  Abende"  —  so  erzählt  die  Festbeschreibung  weiter  —  „die  Sonn,  als  die 
Zuschauerin  aller  gemachten  Veranstaltungen,  für  die  bevorstehende  Zusammenstimung  so 
vieler  tausend  Lichter  sich  gleichsam  auf  die  Seite  zöge  und  in  den  Schooß  des  atlantischen 
Meeres  sich  versenkete,  woirde  durch  den  Churf.  Hof-Furier  Herrn  Lieutenant  Görg  veran- 
staltet, daß  die  beiden  Quartier-Commissarien,  nemlich  Ihro  Churf.  Durchl.  Rath  Referendarius 
und  dahiesige  Haubt-  und  Criminal-Gerichts-Schöffen  Johann  Anton  Gesser  und  daselbstigen 
Magistrats-Altrath  Johann  Adolfen  Beuth  sich  fertig  zu  halten  hätten,  um  abends  8  Uhr  bey 
Hofe  zu  erscheinen,  woselbsten  aus  dem  Churfürsthchen  Marstalle  die  aufgesattelten  Pferde 
vorgefunden  werden  sollten."  Dann  setzte  sich  der  Festzug  in  Bewegung.  An  der  Spitze  zu 
Pferde  Gesser  und  Beuth  mit  den  Hoffurieren  und  Generaladjutanten.  Dann  der  Wagen 
des  kurfürstlichen  Paares,  begleitet  von  den  Stabsoffizieren  und  Kammerherren  zu  Pferde. 
In  ungefähr  hundert  Wagen  folgten  die  Conferential-Hof-Minister,  die  Hofdamen,  der  Adel 
und  die  fremdherrlichen  Gesandten.  In  den  Straßen  der  Stadt  waren  Triumphtore  errichtet 
worden.  Alle  Häuser  waren  festlich  geputzt  und  abends  von  Tausenden  und  aber  Tausenden 
Lichtern  erleuchtet.  Die  einzelnen  Bürgerhäuser  überboten  sich  im  Schmuck  der  Lichter, 
Transparente,  Inschriften  und  Girlanden. 

Nun  wirst  du,  Wehrte  Stadt,  in  alter  Blüte  leben: 
Dein  Vorig  Wohlergehen  wird  Dir  dein  Churfürst  geben; 
Drum  laß  Dein  Bürgerschaft  zur  Freude  seyn  bereit: 
Daß  Dir  jetzt  wiederkommt  die  alte  goldene  Zeit! 

las  man  beim  Kaufhändler  Lucas  Steinberg  in  der  Kurzen  Straße.   Alle  Transparente  wieder- 
holten, daß  nun  nach  dreißig  Jahren  endlich  für  Düsseldorf  eine  neue  Zeit  anbreche. 

Steh  auf.  Steh  auf,  betrübtes  Hertz: 
Das  Seufzen  und  der  lange  Schmertz 
Hat  ein  beglücktes  End  genommen. 
Dan  Theodor  ist  angekommen. 

hatte  der  Bürgermeister,  der  Hof  kammerrat  Pool,  an  seinem  Haus  in  der  Zollstraße  anbringen 

lassen. 

Es  war  dies  Land  vorhin  in  einer  trüben  Nacht; 
Jetzt  wird  es  eine  Wayd  der  Lust  zu  sem  beginnen : 
Da  solche  Fürsten  samt  so  großen  Prinzessinnen 
Durch  ihre  Gegenwart  es  gantz  beglückt  gemacht. 

stand  an  einem  anderen  Haus,  usw.* 

*  Die  oft  amüsanten  Transparcntinscliriften  bei  Ferbcr;  Historische  Wanderung  usw.     I.  S.  69,  70,  78,  92,  93,  95,  115,  116, 

II.    S.  8-10,  34,  39,  49,  55,  58,  59,  84,  87,  89. 
72 


Die  Düsseldorfer  wurden  nicht  enttäuscht.  Ihre  Stadt  hatte  wieder  einen  kurfürsthchcn 
Hof,  wenn  auch  nicht  dauernd,  denn  Karl  Theodor  residierte  doch  die  meiste  Zeit  wie  sein 
Vorgänger  in  Mannheim  oder  Schwetzingen.  Ein  Jan  Wellem  war  er  freilich  auch  nicht.  Er 
ließ,  wie  Karl  Philipp,  eine  Reihe  Kostbarkeiten  aus  den  Düsseldorfer  Sammlungen  nach 
Mannheim  schaffen.  Bilder,  dann  die  Schatzkammer,  die  Elfenbeinarbeiten,  die  kleinen 
Bronzen,  Uhren  usw.  Aber  er  sorgte  doch  dafür,  daß  Düsseldorf  aus  den  unter  Karl  Philipp 
nach  Mannheim  gebrachten  Sammlungen  entschädigt  wurde,  ebenso  wie  er  Grupellos  Statue 
des  Jan  Wellem  als  Ersatz  für  die  große  Fontäne  im  Düsseldorfer  Galeriehof  wieder  zurück- 
gab. Er  hatte  Verständnis  dafür,  daß  , .Unsere  zu  Düsseldorf  befindliche  Gallerie  von  solchem 
Werth  ist,  daß  deren  conservation  billiger  Dingen  allen  Betracht  verdienet"  und  hatte  es 
,,ggst  gut  gefunden",  wie  er  am  2.  August  1754  aus  Schwetzmgen  anordnet,  ,,den  königl. 
frantzöischen  Directeur  Colinze  eigents  von  Paris  anhero  zu  beschreiben,  und  solchem  den 
ggsten  Auftrag  zu  thuen  sich  nache  Düsseldorf  zu  begeben,  um  sämtliche  m  besagt  Unserer 
Gallerie  befindliche  Gemähide  in  Augenschein  zu  nehmen,  deren  Beschaffenheit  zu  exami- 
nieren, die  etwa  beschädigte  Sachen  herzustellen  und  vor  deren  und  sämtlicher  übrigen  Con- 
servation sowohl  dermahlen  zu  sorgen,  dann  auch  anzugeben,  wie  in  Zukunfft  erforderliche 
Absicht  zu  tragen".  Er  ordnete  weiter  an,  daß  ,,die  Gemähide  auf  eine  ganz  andere  Art  ran- 
giret  und  anders  nummerlret  werden  dörfften,  ein  ordentliches  Protocoll  darüber  zu  führen, 
damit  aus  dessen  Inhalt  die  vorgenohmene  Abänderung  ersehen  werden  möge,  wie  dan  nach 
solchem  Vorgange  Er  Direkteur  eine  ordentliche  beschriebene  Verzeichnuß  über  die  gantze 
Gallerie  nach  der  neueren  Einrichtung  machen  wird."  Im  Jahre  1778  erschien  auf  Karl 
Theodors  Kosten  der  Prachtkatalog  von  Nicolas  de  Pigage,  der  nicht  allein  in  seiner  äußeren 
Erscheinung,  sondern  auch  für  den  damaligen  Stand  kunstwissenschaftlicher  Forschung  eine 
Überraschung  ist. 

Schon  der  erste  Aufenthalt  des  Kurfürsten  in  Düsseldorf  hatte  allerlei  Baupläne  gezeitigt, 
die  der  Statthalter  der  niederrheinischen  Herzogtümer,  der  kunstverständige  und  unter- 
nehmungslustige Ludwig  Karl  Graf  von  Goltstein  zu  verwirklichen  hatte.  Düsseldorf 
hat  dem  Statthalter  viel  zu  danken.  Man  darf  ihn  vielleicht  als  den  Hauptanreger  der  neuen 
baukünstlenschen  Entwicklung,  die  nun  in  der  Stadt  einsetzt,  ansprechen.  Als  Karl  Theodor 
im  Jahre  1 755  zum  zweiten  Male  in  seiner  niederrheinischen  Residenz  weilte,  konnte  er  zu- 
nächst den  Ausbau  des  Rathauses  bewundern,  das  im  Jahre  1749  ein  stattlicheres  Gewand 
erhalten  hatte,  das  neue  Portal  mit  zierlicher  Rokokogliederung.  Darüber  den  schönen 
schmiedeeisernen  Balkon  mit  dem  von  Löwen  gehaltenen  Wappen  der  Stadt  und  dem  Mono- 
gramm C  T  und  E  A  —  Carl  Theodor  und  Elisabeth  Augusta  (I.  Abb.  195).  Das  neue 
Treppenhaus  mit  schmiedeeisernem  oder  aus  Holz  geschnitztem  Geländer  (Abb.  64  u.  I.  196). 
Anstoßend  an  das  Rathaus  war  die  kurfürstliche  Kanzlei  errichtet  worden  (I.  Abb.  195  u.  197). 
Ebenfalls  mit  einem  interessanten  Gitterwerk  über  dem  Portalfenster  mit  den  von  zweij 
Löwen     gehaltenen     und     von     Ranken    umgebenen     Allianzwappen     des     kurfürstlichen 

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</ 


Paares*.  Während  des  Düsseldorfer  Aufenthaltes  von  1755  konnte  Karl  Theodor  Nosthovens 
Arbeiten  am  alten  Schloß  und  Couvens  Tätigkeit  am  Neubau  des  Schlosses  Jägerhof  verfolgen. 
Im  selben  Jahr  wurden  Pigages  Baupläne  Rir  Schloß  Benrath  genehmigt.  Zwei  Jahre  später  unter- 
brach indessen  der  Siebenjährige  Krieg  die  hoffnungsvollen  Anfänge  emes  neuen  Düsseldorf. 
Karl  Theodor  stand  mit  Frankreich  auf  selten  Österreichs.  Düsseldorf  erhielt  eme  fran- 
zösische Besatzung.  Am  23.  Juni  schlug  Ferdinand  von  Braunschweig,  der  Verbündete  Friedrichs 
des  Großen,  mit  seinen  Hannoveranern  bei  Krefeld  die  Franzosen.  Drei  Tage  später  gab  er 
seinem  Generalmajor  von  Wangenheim  den  Befehl,  ,,mit  der  Beschießung  der  Stadt  Düssel- 
dorf den  Anfang  machen  zu  lassen,  wobei  Kanoniers  und  Bombardiers  sich  angelegen  sein 
müssen,  durch  Feuerkugeln  und  Bomben  die  Stadt  in  Brand  zu  bringen  und  solchen  durch 
beständiges  Schießen  zu  unterhalten,  damit  die  Stadt  zum  Löschen  kein  Mittel  finde,  mithin, 

um  sich  zu  retten,  gezwungen 
werden  möge,  zu  kapitulieren  . 
Am  28.  Juni  begann  das  Bombar- 
dement**. ,,Es  ist  leicht  zu  erraten," 
heißt  es  in  einem  Brief  eines  unbe- 

*  Später  wurde  die  Kanzlei  der  ,,aliergnädigst 
privilegierte  Tanzsaal",  war  dann  lange  Zeit  das 
Vereinslokal  vom  „Parlament"  oder  des  „Rathes 
der  Alten",  der  heutigen  Gesellschaft  Verem. 

**  Die  Stellung  der  {eindlichen  Truppen  ist 
in  einem  Stadtplan  vom  Jahre  1766  genau  an- 
gegeben. ,  Plan  du  Bombardement  de  Dusseldorff 
commence  le  28""^  Juin  1758.  F.  W.  de  Bawr, 
grave  sous  la  direction  de  J.  de  Schley  ä  la  Haye 
et  public  aux  depens  de  Pierre  Grosse  jun.  et 
David  Pinet  1766."  —  Abgebildet  im  Jahrbuch 
des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins,  Band  II, 
1887.  -  Vgl.  ebenda  S.  1-40,  Tönnics:  Die 
alliierten  Truppen  vor  und  m  Düsseldorf.  —  Der 
Stadtplan  enthält  folgende  Angaben:  M.  le  G.  de 
Wangenheim  entra  au  Camp  derriere  le  Village 
de  Heerden  (Hcerdl)  le  27  Juin  avcc  i  Batt.  de 
Halberstadt.  1  Batt.  de  Hanau,  1  Batt.  de  Bucke- 
bourg,  2  Esq.  de  Bock.  II  dctacha  en  meme 
temps  Ics  Troupes  legeres  de  Scheiter  a  la  rive 
droite  du  Rhln  pour  observer  la  garnison  de 
Dusseldorff.  Et  M.  le  G.  de  Bock  avec  1  Batt. 
de  Scheiter,  2  Esq.  de  Bock,  Ics  Husards  de 
Luckner  et  un  detachement  de  chasseurs  vers 
Nuys  (N^uß)  pour  occuper  Ics  passages  de  l'Erfft 
et  du  Rhin.  Le  27  l'on  Somma  la  Ville  et  ctablit 
deux  Batteries  entre  Ober  et  Nieder  Cassel  derriere 
le  Dicck  de  4  Mortiers  et  de  6  Canons  dont  on 
commcnca  Ic  Bombardement  le  28  de  Juin  et  la 
64.  DCsseldr.rl,  Rathaus.  Teil  der  Wcndeitrcppo.  \'gl.  I..-\bl>-  19>1')7.         garnison  capitula   lo  6  de   juillet. 


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kannten  französischen  Offiziers  aus  Deutz  vom  10.  Heumonds  1758,  ,, welche  Verheerung  eine 
solche  Belagerungsart  in  emer  Stadt  anrichten  mußte,  welche  eng  bebaut  war.  Schon  die  erste 
Kugel  schlug  in  ein  Haus  ein,  die  folgenden  zerschmetterten  einen  Turm,  regneten  auf  das 
Schloß,  legten  eine  ganze  Reihe  der  am  Rhein  gelegenen  Häuser  nieder  und  stifteten  bald 
hier,  bald  dort  Brand.  Die  lobenswerte  Umsicht  der  Soldaten  und  Einwohner  verhinderte 
indessen,  daß  er  um  sich  griff."  180  Häuser  wurden  mehr  oder  weniger  beschädigt.  Ein  von 
dem  Kommandanten  der  Stadt  an  das  Hoflager  zu  Mannheim  gesandter  Eilbote  brachte  am 
5.  Juli  die  Erlaubnis  des  Landesherrn,  Düsseldorf  gegen  freien  Abzug  der  Besatzung  dem 
Feinde  zu  übergeben.  Die  Gemäldegalerie  wanderte  nach  Mannheim.  Die  Verteidigung  der 
Stadt  war  aber  alles  andere  als  ein  Ruhmesblatt  in  der  Geschichte  des  pfälzisch -jülich- 
bergischen  Heeres,  denn,  wie  es  in  dem  angeführten  Brief  des  französischen  Offiziers  weiter 
heißt,  wurden  ,,10000  Mann,  teils  Franzosen,  teils  Pfälzer,  von  etlichen  hundert  Hannoveranern 

aus   einer  Festung   vertrieben",     f — ^ 

Aber  Düsseldorf  war  nach  der 
Rheinseite  zu  ungeschützt  und 
nur  zu  halten  gewesen,  wenn 
der  Ring  der  Befestigung  auf 
dem  anderen  Ufer  fortgesetzt 
worden  wäre.  Schon  am  10.  Au- 
gust räumten  die  Hannoveraner 
wieder  die  Stadt.  Die  Franzosen 
zogen  einige  Tage  später  in 
Düsseldorf  ein.  Aber  das  Kabi- 
nett zu  Versailles  bestimmte  nun, 
daß,  nachdem  der  pfälzische 
Kommandant  Graf  von  Issel- 
bach die  Festung  so  wenig 
rühmlich  verteidigt  hatte,  nur 
100  bis  150  pfälzische  Mann- 
schaften, und  zwar  lediglich  als 
Schloßwache,  in  Düsseldorf  mit 
einziehen  dürften.  Die  Stadt 
erhielt  einen  französischen  Kom- 
mandanten. Der  Kurfürst  pro- 
testierte und  drohte  mit  einer 
Klage  beim  Deutschen  Kaiser. 
Die  Franzosen  antworteten,  die 
Hilfsgelder    zu    kündigen    und  Abb.  h,.  -chloij  Btnrath.  Hau|>tireppc.  Vgl.  Abb.  150  im.i  I 


75 


blieben  bis  zum  Jahre  1762  in  EHisseldorf.  Die  Stadt  litt  unter  der  jahrelangen  fremden 
Besatzung,  den  EXirchmärschen,  Einquartierungen  und  Requisitionen.  Und  der  verbündete 
Franzose  betrug  sich  wie  in  Feindesland.  Im  Franziskanerkloster  neben  der  Maxkirche  hatte 
er  das  Militärlazarett  eingerichtet.  Das  Winterrefektorium  diente  als  Apotheke  (Abb.  61).  Als 
die  Franzosen  im  Jahre  1 762  Düsseldorf  räumten,  erhielt  Lambert  Krähe,  der  Maler,  von  der 
Hofkammer  den  Auftrag,  den  von  den  Franzosen  im  Kloster  angerichteten  Schaden  zu  beur- 
teilen. Sie  hatten  hier  gehaust  wie  die  Kosaken,  hatten  alle  Bilder  zerstört,  ,,indeme  an  deren 
vielen  theils  ein,  theils  gar  beyde  Augen  ausgestochen,  andere  die  Nasen  gleichfalls  abgeschnitten 
und  überandere  hier  und  da  falsche  Farben  gestrichen  und  alle  Bildnisse  muthwillig  beschädigt 
und  verdorben  worden  seien  usw."  An  einen  Wiederaufbau  der  beim  Bombardement  zerstörten 
Bauten  war,  solange  die  Franzosen  in  Düsseldorf  lagen,  natürlich  nicht  zu  denken.  Erst  als 
sie  abgezogen  waren,  konnten  die  unterbrochenen  Arbeiten  an  dem  beschädigten  Schloß,  am 
Jägerhof  und  in  Benrath  wieder  aufgenommen  werden.  Die  Bildergalerie  kam  nach  Düssel- 
dorf zurück.  Und  um  den  Einwohnern  den  Wiederaufbau  ihrer  zerstörten  Heimstätten  zu 
erleichtern,  dekretierte  Karl  Theodor  ,, wegen  des  letztherigen  Bombardements  denen  in  der 
Anlagh  bemerkten  und  an  ihren  steurbaren  Häussern  beschädigten  Einwohnern  einen  vierten 
Theil  der  Beschädigungsquanti  an  den  etwa  rückständigen  lauffenden  oder  künftigen  Stewren 
nachzulassen  mildest  bewogen  worden  seyndt".* 

Die  folgenden  zweiunddreißig  Friedensjahre  haben  nicht  allein  alle  Erinnerungen  an  das 
Bombardement  verwischt,  sondern  auch  die  Stadt  beträchtlich  erweitert.  Im  Mittelpunkt 
der  baukünstlerischen  Entwicklung  standen  die  beiden  führenden  Baumeister  Karl  Theodors, 
Johann  Joseph  Couven  und  Nicolas  de  Pigage. 


*  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  XIH.    1898.   S.  288.  —  Dort  Aufzählung  der  betreffenden  Häuser  und  ihrer 
damaligen  Bewohner. 


Abb.  65a.  Schloß  Amstenrade.  Gartenhaus. 

76 


Johann  Joseph  Couven  (1701  —  1763) 
spielt  In  der  Baugeschichte  der  Freien  Reichs- 
stadt Aachen  eine  überragende  und  führende 
Rolle.  Er  hat  aus  den  Trümmern  des  ver- 
heerenden Stadtbrandes  vom  Jahre  1 656  eine 
ganz  neue  Stadt  geschaffen  (vgl.  I.  S.  267). 
„Diese  Stadt  hat  sich  in  kurtze  Jahren  ge- 
waltig im  Herbauwen  angegriffen  —  notierte 
1749  der  Bürgermeistereidiener  Johannes 
Janssen  —  das  ich  von  mein  Gedenk  weiß, 
schier  halbe  Straßen  seind  erneuwert  worden, 
und  aus  alte  Baracken  von  Häusser  anjetzo 
schöneund  wohlgebaute  Wohnungen  gemacht 
sein  worden.  Wan  emer  aus  der  Stadt  wäre 
gewesen  bij  30  Jahr  oder  nur  25,  derselbe 
sollte  anjetzo  in  viele  Straßen  nicht  mehr 
bekennen*."  Was  Johann  Joseph  Couven  bei 
seinem  Tode  im  Jahre  1763  unvollendet  ließ, 
führte  sein  langjähriger  Mitarbeiter,  sein 
Sohn  Jacob,  der  erst  im  Jahre  1812  starb, 
weiter.  Die  Baugeschichte  der  Stadt  Aachen 
von  1730  bis  1812  ist  die  Künstlergeschichte 
der  beiden  Couven**. 

Die  Familie  Couven  entstammt  einem 
Adelsgeschlecht  aus  Clermont  bei  Herve  in 
der  Provinz  Lüttich,  das  aber  schon  im  16.  Jahrhundert  in  Aachen  ansässig  war.  Im  Jahre  1659 
hatte  sich  der  Kaiser  bei  dem  Rat  der  Stadt  für  einen  Jacob  Couven  verwandt,  daß  dieser  von 
den  übhchen  städtischen  Lasten  befreit  würde.  Johann  Jacob  Couven  (1656-1740),  scheinbar 
ein  Sohn  Jacobs,  war  Stadtarchitekt  und  erster  Sekretär  der  Freien  Reichsstadt.  Weiteres  ist 
von  ihm  nicht  bekannt.  Es  ist  aber  anzunehmen,  daß  er  am  Wiederaufbau  der  Stadt  nach  dem 
großen  Brande  nicht  unbeteiligt  war.  Sein  Sohn  ist  unser  Johann  Joseph  Couven.  Er  wird 


Aachen.  Klosterplatz  Nr.  13 


*  V.  Fürth:  Beiträge  und  Material  zur  Geschichte  der  Aachener  Patrizierfamilien,  Bd   III,  S.  176. 

**  Von  den  beiden  Couven  sind  720  Originalzeichnungen  erhalten,  davon  630  im  Besitz  der  Familie  des  Bürgermeisters 
Klausener  in  Burtscheid,  die  übrigen  im  Museum  und  im  Hochbauamt  der  Stadt  Aachen.  Teilweise  veröffentlicht  bei  Joseph 
Buchkremer:  „Die  Architekten  Johann  Joseph  Couven  und  Jacob  Couven".  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins.  1895. 
Bd.  XVII,  S.  89—206  u.  Abb.  I  —92.  Es  ist  sehr  schade,  daß  das  wertvolle  Material  so  unter  Ausschluß  der  Öffentlichkeit  erschienen 
ist!  —  Vgl.  ferner  Rhoen:  „Der  Stadtbaumelster  J.  J.  Couven,  Vater  und  Sohn".  Aachen  1883.  Abdruck  aus  dem  „Echo  der 
Gegenwart"  1885,  Nr.  109  I  u.  1 10  II.—  Pick:  „Zur  Geschichte  der  Aachener  Architektenfamilie  Couven"  Aachener  Volkszeitung 
1885.  Nr.  145,  146  u.  204. 


77 


die  ersten  architektonischen  Anregungen  wohl  dem  Vater  zu  verdanken  haben.  Aber  neben 
diesem  waren  in  Aachen  noch  andere  Baumeister  tätig.  Der  epochemachende  Autschwung 
der  Heilquellen  hatte  eine  Reihe  Architekten  angezogen,  die  Gilles  Doyen,  Laurenz  Meffer- 
datis,  Johann  Baptist  Artari  u.  a.  Sie  wie  der  unter  dem  Abt  von  Suys  seit  1720  unweit 
Aachen  begonnene  Neubau  des  prachtvollen  Abteigebäudes  zu  Cornelimünster  sind  auf  den 
jungen  Couven  nicht  ohne  Einfluß  geblieben. 

Die  alte,  vom  heiligen  Benedikt  von  Aniane  unter  dem  Schutz  Ludwigs  des  Frommen  im 
Jahre  814  gegründete  Abtei  der  Benediktiner  zu  Cornelimünster  kann  auf  eine  große, 
reiche  und  oft  bewegte  Geschichte  zurückbhcken.  Während  des  Frühmittelalters  stand  sie 
unter  der  besonderen  Gunst  der  deutschen  Könige.  Ludwig  der  Deutsche  schenkte  ihr  842 
das  alte  Gut  Gressenich.  881  zerstörten  zwar  die  Normannen  das  Kloster,  aber  aus  der  Asche 
stieg  bald,  beschenkt  durch  kaiserliche  Huld,  ein  neuer  Bau  auf.  Und  der  Einfluß  des 
Klosters  wuchs  mehr  und  mehr.     Es  hatte  freie  Abtwahl,  eigene  Münze  und  vollständige 

Immunität.  Seme  Besitzungen  dehnten 
sich  bis  an  den  Obeirhein  und  in  die 
Niederlande  aus.  Im  Jahre  1310  haben 
die  Aachener  Bürger,  da  das  Kloster  im 
Streit  der  Stadt  mit  dem  Grafen  von 
Jülich  Partei  für  den  Jülicher  genommen 
hatte,  Brand  an  die  Abtei  gelegt.  Der 
Reichtum  des  Klosters  führte  wieder 
einen  Neubau  auf.  Abt  Heinrich  von 
Binsfeld  (1491—1531)  schuf  den  statt- 
lichen, schweren  Bruchsteintorbau,  der 
in  seiner  kraftvollen  Gedrungenheit  an 
mittelalterliche  Stadttore  erinnert.  Zwei 
wuchtige  Dreivierteltürme,  die  den 
Eingang  des  Mittelbaues  schützen.  Abt 
Hoen  von  Cartils  legte  im  Jahre  1682 
vor  den  Torbau  eine  kleinere  Außen- 
anlage und  schuf  einen  Vorhof  mit  zwei 
Rundtürmen  an  den  Ecken  der  Ein- 
gangsmauer (Abb.  68).  über  dem  rund- 
bogigen  Portal  faßt  ein  Giebelaufbau  das 
Wappen  des  damaligen  Abtes.  Der  Abt 
von  Neuhof-Ley  schmückte  im  Jahre 
1 706  die  alte  gotische  Abteikirche,  deren 

Abb.  67.  Cornelimünster.  Comclluskapclle  vTiTi  Jahre  1705  und  Chor  der        .         .    ,  i»  •     r\      I 

Abte.k.rche.  \gl,  .Abb.  68,  69, 72.  Ausdehnungund  Ausstattung  ein  Uenk- 


78 


mal  der  großen  Bedeutung  des  Klosters  ist,  nut  der  Corneliuskapelle.  Es  ist  ein  seltsamer 
Bau  (Abb.  67).  Nicht  übermäßig  glücklich  m  semen  Verhältnissen.  Ein  Backsteinbau  mit 
Hausteineckverklammerung,  Hausteingesimsen  und  Fensterrahmen.  Die  Kuhaugen  im  Ober- 
geschoß, welche  die  nach  außen  verdeckte  Kuppel  beleuchten,  haben  rechteckige  Einfassung 
erhalten.  Die  Kapelle  würde  mit  ihrer  Laterne  weit  besser  wirken,  wenn  auch  außen  die 
Linien  der  Kuppel  zur  Geltung  kämen*.  Unter  dem  Abt  Hyacinth  Alphons  von  Suys,  als 
das  Kloster  auf  der  Höhe  seines  Glanzes  war  und  der  Abt  käuflich  von  Karl  Philipp  von  der 
Pfalz  die  Vogteirechte  über  Cornelimünster  erwerben  konnte,  begann  in  den  Jahren  1720 
bis  1728  der  stattliche  Neubau  der  Abtei  (Abb.  69  u.  72),  den  der  Abt  von  Sickingen  (1745 
bis  1764)  vollendete.  Dann  aber  ging  es  bald  bergab  mit  dem  Kloster.  Das  luxuriöse  Leben 
der  Abte  häufte  die  Schuldenlast.  Im  Jahre  1802  wurde  es  aufgehoben,  ward  eine  Zeitlang 
Tuchfabrik,  bis  im  Jahre  1876  die 
preußische  Regierung  den  Bau  als 
Lehrerseminar  einrichtete. 

Die  ehemalige  Abtei  ist  huf- 
eisenförmig um  eine  Cour  d  hon- 
neur  angelegt  (Abb.  72).  Das  drei- 
achsige Mittelrisalit  des  Mittel- 
baues ragt  mit  emem  besonderen 
Stockwerk  und  einem  Dreiecks- 
giebel  über  die  Seitenachsen  hinaus 
und  ist  von  Eckquadern  eingefaßt. 
Die  Fensterbänke  laufen  als  Hori- 
zontalbänder über  die  Fassaden 
sämtlicher  Flügel.  An  den  Enden 
der  Seitentrakte  von  je  dreizehn 
Achsen  sind  die  drei  letzten  pa- 
villonartig ausgebaut.  Die  ver- 
schiedenen Fenster-  und  Dach- 
formen zeigen,  daß  die  ganze  An- 
lage nicht  gleichzeitig  entstanden 


*  Vgl.  den  Schnitt  der  Kapelle  Abb.  37  bei 
Clenien: ,, Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz", 
IX. Bd.,  II. Teil.  Die Kunstdenkmälerder Land- 
kreise Aachen  undEupen.  Bearbeitet  von  Heri- 
bert Reiners.  Düsseldorf  1912;  Abb.  57: 
Grundriß  der  Tore;  Abb.  59:  Geometrische 
Ansicht  des  Innentores ;  Abb.  56:  Grundriß 
der  Abtei. 


Abb.  68.  Cornehmünster.  .'Xiiiknljrhau  der  .Abtei  vom  Jalire  1682.  \'gl.  .\bb.72. 


79 


80 


11 


81 


ist.  An  der  Außenseite  des  nördlichen  Seitenflügels  haben  sechs  Fenster  reiche,  in  der 
Zeichnung  abwechslungsvolle  schmiedeeiserne  Gitterkästen  erhalten  (Abb.  69),  Arbeiten  von 
großem  Reiz,  die  in  ähnlicher  Ausführung  auch  an  einem  Bürgerhause  in  der  Trierer  Straße 
wiederkehren  (Abb.  70).  Auch  die  Einfassung  der  Haustür  dort  erinnert  an  die  Fenster- 
formen des  Abteigebäudes.  Das  Bürgerhaus  Klosterstraße  Nr.  13  in  Aachen  hat  einen  ver- 
wandten Gitterkasten  (Abb.  66).  In  der  Zeichnung  einfacher,  aber  nicht  weniger  reizvoll. 
Und  mit  einem  ähnlichen  Giebelaufbau  wie  bei  den  Gittern  in  Cornelimünster.  Von  dem 
Baumeister  der  Abtei  und  den  Künstlern,  die  die  Innenräume  schmückten*,  wissen  wir 
leider  nichts. 

Engere  Beziehungen  als  zu  dem  Bau  der  neuen  Abtei  in  Cornelimünster  wird  Johann 
Joseph  Couven  in  seiner  Jugend  zu  Laurenz  Meff erdatis,  dem  vielbeschäftigten  Kirchen- 
baumeister von  St.  Peter  zu  Aachen  und  den  Pfarrkirchen  zuEupen(1721 — 1724),  Würselen 
(1725)  und  Kirchrath  bei  Herzogenrath,  gehabt  haben**.  Unter  den  erhaltenen  Plänen  und 
Zeichnungen  Couvens  kehren  zahlreiche  Pausen  nach  Mefferdatis'  Bauten  wieder.  Teilweise 
mögen  es  Studienarbeiten  sein ;  teilweise  aber  hatte  der  jüngere  Baumeister  die  Nachzeichnungen 

nötig,  da  er  die  Innenausstattung  auszuführen 
hatte.  Die  Künstlerpersönlichkeit  des  italie- 
nischen Meisters  ist  nicht  ganz  klar  um- 
schrieben. Couvens  Name  und  spätere  große 
Tätigkeit  haben  die  Erinnerung  an  ihn  fast 
in  Vergessenheit  gebracht.  Das  Städtische 
Archiv  zu  Aachen  bewahrt  unter  dem  Titel 
,,Architectura  von  Couven"  einen  Band  On- 
ginalzeichnungen.  In  Wirklichkeit  sind  es 
Arbeiten  von  Mefferdatis. 

Der  Italiener  war  in  Couvens  Jugendzeit 
i  der  führende  Baumeister  m  Aachen,  als  der 
wachsende  Zustrom  von  Fremden  zu  den 
I  Heilquellen  und  der  Aufschwung  des  Wohl- 
standes der  Stadt  nach  repräsentativeren 
Badehäusern  verlangten.  In  der  Komphaus- 
badstraße  steht  noch  von  ihm  der  große  Bau 
des  Corneliusbades  (Abb. 71).  Ein  Doppel- 
haus.    Jeder  Teil  hat  die  drei  Mittelachsen 

*  Taf.  IV  u.  V  und  Abb.  61 ,  62  bei  Clemen-Reiners 
a.a.O. 

**  Vgl.  Clemen-Reiners  a.a.O.,  Abb.  156-158:  Pfarr- 


.\bb.  71.  .Aachen.  Coineliiisbad  von  I^iirenz  Mefferdatis 


kirclie   zu   Würselen;   Abb.  161- 
St.  Nikolauskirclie  m  Evipen. 


164  und  Taf.  VI  11   u.  IX: 


82 


wieder  risalitartig  vorgezogen  und  mit  einem  Giebel  bekrönt.  Über  dem  Portal  des  Erd- 
geschosses schwebt  ein  schmiedeeiserner  Balkon.  Das  Verhältnis  der  Fenster  Im  Hauptstock- 
werk zu  denen  im  Erd-  und  Obergeschoß,  und  vor  allem  die  hohen  Fensterglebel,  die  man 
am  liebsten  ganz  missen  möchte,  sind  nicht  sehr  glücklich.  Das  HauptprofU  Ist  zu  mager 
ausgefallen.  Der  breite,  hohe  Bau  verlangt  nach  einem  ausdrucksvolleren  Gebälk.  Couven 
verdankt  diesem  sonst  stattlichen  ersten  Repräsentanten  einer  monumentaleren  Baugesinnung 
nach  dem  Stadtbrande  allerlei  Anregung.  Aber  seine  Bauten  wurden  im  Detail  Interessanter 
und  in  der  Aufteilung  glücklicher. 

Seine  erste  nachweislich  ausführende  architektonische  Tätigkeit  bezieht  sich  auf  den 
Umbau  des  Rathauses  in  Aachen.  Man  hoffte  damals,  daß  der  geplante  europäische 
Kongreß  hier  stattfinden  würde.  Der  Rat  der  Stadt  beschloß  daher,  zum  feierlichen  Empfang 
der  Fürsten  und  fremdherrlichen  Gesandten  am  10.  Juli  1727,  ,,das  inwendige  corpo  des 
rathhausses  nach  dem  von  maistre  Gilles  Doyen  eingerichteten  plan  oder  desseln  mit  allem 
möglichen  ohne  zeit  verlierung  zu  aptieren.  Und  weilen  denen  zeitlichen  herren  baumelstern 
dies  alles  allein  zu  observiren,  allzu  beschwerhch  befunden  worden,  also  ist  denenselben  zu 
desto  schleunichere  fortsetzung  dieses  gar  keinen  Verzug  erleidenden  werks  der  herr  werk- 


r~ 


Abb,  7J.   Lornelmiunsltr.  Neubau  der  Ablei.   I7jij      17J8.  Vgl,  Abb.  68.  ö9. 


83 


r- 


:,    '^1 


S>M^ 


Abb.  73.  Aachen.  Ongmalzeichnung  von  Johann  Joseph  Couven  für  die  neue  Freitreppe  am  Rathaus.  Vgl.  .Abb.  74. 

melster  Jacob  Niclass  hiermit  adjungiert  worden,  und  solches  gegen  erkenthchkeit."  Schon 
nach  zwei  Tagen  findet  der  Rat  es  „nicht  allein  dienlich,  sondern  auch  höchst  nöthig  die 
zum  Ingang  des  rathhausses  von  erwehnten  maistre  Gilles  designirte  trappe  nach  seinem 
abriss  verfertigen  zu  lassen,  mithin  auch  zum  prospect  der  herren  gesandten  zwey  balcons 
ane  rathhauss  nach  dem  Mark  zu,  wofern  ein  solches  practicabel,  zu  machen*.  "  Gilles  Doyen 
stammt  aus  Lüttich,  wo  er  am  22.  September  1703  m  die  Maurerzunft  aufgenommen  war. 
Vorher  war  auch  der  ,, Stadtmaurermeister"  Mefferdatis  am  Rathausbau  beschäftigt.  Genaueres 
wissen  wir  freilich  von  seiner  Tätigkeit  nicht,  überhaupt  ist  die  ganze  Geschichte  des  Rathaus- 
umbaues nicht  ganz  klar.  Obwohl  Doyens  Projekt  ,,ohne  zeit  verlierung"  ausgeführt  werden 
sollte,  fand  die  Grundsteinlegung  zur  neuen  Treppe  erst  im  folgenden  Jahre  statt.  Auf  einer 
Zeichnung  der  Freitreppe  steht  ,,Jo  Joseph  Couven  Jnvenit  et  Dehneavit  1727"  (Abb.  73). 
In  seinen  hinterlassenen  Entwürfen  ist  ferner  In  zwei  Varianten  das  Projekt  für  den  Umbau 
der  Fassade  erhalten  (Abb.  74).  Der  eine  Entwurf  wurde  später  auch  ausgeführt**.  Vielleicht 
stand  der  damals  erst  fünfundzwanzigjährige  Couven  im  Dienste  Doyens.  Wahrscheinlicher 
aber  ist,  daß  der  Einfluß  des  Stadtarchitekten  und  ersten  Sekretärs  der  Freien  Reichsstadt 
Johann  Jacob  Couven  seinem  Sohne  Johann  Joseph  einen  Teil  der  Umbauarbelten  zukommen 
ließ,  daß  also  Doyen  und  Johann  Joseph  Couven  nebeneinander  arbeiteten.  Nach  den  erhaltenen 

*  Zustand  vor  dem  Jahre  1727:  Abb. 3, 6, 8, 9  u.Taf.  1  —4  bei  Richard  Pick  u.  Joseph  Laurent:  ,,Das  Rathaus  zu  Aachen". 
Aachen   1914. 

**  Ansicht  der  Rathausfassade  nach  dem  Umbau  von  1727  bei  Pick-Laurent  a.  a.  0.,  Taf.  6,  7,  1 1  u.  Abb.  20,  25,  42,  43.  — 
Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  und  Heimatschutz  VII,  Heft  3,  Abb.  49,  S.  239.  —  Dieses  der  Stadt 
.Aachen  gewidmete  Heft  mit  Aufsätzen  von  Eduard  Adenaw:  ,, Aachener  Bauweise  ,  von  Hermann  Schweitzer:  ,, Innenräume 
im  Aachener  Bürgerhaus",  von  Albert  Huyskcn:  „.'\lt-.'\achen  im  Bilde",  wäre  auch  sonst  für  die  Zeit  der  beiden  Couven  zu 
benutzen. 


84 


Zeichnungen  darf  man  aber  die  Treppenanlage  und  den  Umbau  der  Fassade  als  Couvens 
Arbeiten  ansprechen.  Wir  erfahren  auch  aus  den  Ratsbeschlüssen  vom  21.  August  1731,  daß 
„dem  herrn  Josepho  Couven  seine  rechnung  wegen  der  am  rathhauss  gethaner  architecture 
mit  2400  gülden  Aix  abzuführen".  Doyen  erhielt  dagegen  für  die  Zeit  vom  4.  Dezember  1728 
bis  25.  Februar  1730  weit  mehr,  nämlich  9600  Aachener  Gulden.  Was  er  dafür  geleistet,  ist 
unbekannt.  Wir  wissen  nur  noch,  daß  Couven  aus  Cornelimünster  zur  Ausführung  seiner 
Entwürfe  Steinhauer  kommen  ließ:  Heinrich  Degra  schuf  für  1350  Aachener  Gulden  vier 
große  Fenster,  eine  Anzahl  ,,Basement-  und  Wallstücke"  und  das  Portal;  und  Johann 
Wilhelm  van  der  Banck  für  22  Reichstaler  das  „Laubwerk  an  elf  Steinpilastern". 

Der  Einfall,  die  alte  gotische  Fassade  des  Rathauses  in  den  Formen  des  Regencestils  zu 
schmücken,  war  nicht  sehr  glücklich.  Es  ist  halt  schwer,  so  verschiedene  Stilformen  auf  einen 
gemeinsamen  Nenner  zu  bringen.  Die  gegebenen  Verhältnisse  der  Fassade  gestatteten  zudem 
keine  freie  Entfaltung.  Nur  die  Mittelachse  gab  Couven  größere  Freiheit.  Hier  faßte  er  das 
Portal  mit  den  beiden  Seitenfenstern  zu  einer  wirkungsvollen  Gruppe  zusammen,  über  welcher 
der  Aachener  Doppeladler  schwebt,  über  der  Fassade  läuft  eine  Balustrade.  Die  breite  Frei- 
treppe, die  , .Royal  Stiege",  war  indes  von  großer  Wirkung  (Abb.  73,  74)*.  Vor  dem  Portal 
verbreitert  sich  die  Plattform  bogenförmig  nach  außen.  Vasen  schmücken  die  Postamente. 
Gußeiserne  Gitter  gliedern  die  Brüstungen;  Fenster-  und  Blendrahmen  den  Blausteinunterbau. 
Auf  dem  Marktplatz  baute  Couven  später  dann  den  Karlsbrunnen  aus  und  zu  beiden  Seiten  neue 
kleinere  Fontänen**.  Sie  wie  die  Freitreppe  und  der  Schmuck  der  Fassade  sind  bei  den  ver- 
schiedenen Restaurationen  in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  wieder  beseitigt  worden. 

*  Grundriß  bei  Buchkremer  a.  a.  0.,  Abb   2. 
**  Abb.  5  u.  6  bei  Buchkremer  a.  a.  0.  —  ALb.  49  i.  d.  Mitteil,  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  u.  Heimatschutz 
VII.  S.  239. 


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Abb.  74.    Aachen.    Rathaus.   Entwurf  von  J.  J.  Couven  für  die 
Wiederherstellung  der  Fassade.  Vgl.  Abb.  73. 


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Nach  der  Vollendung  der  AuBenarbeiten  wurde  auch  das  Innere  umgebaut.  Couven  hatte 
einen  ganzen  Stab  von  Mitarbeitern  zur  Seite.  Die  „Gipsarbeiter"  Carlo  Ludovico  Castelli 
und  Vasalli,  die  Maler  Johann  Chrysanth  Bollenrath  aus  Aachen,  Peter  Eigen  aus 
Köln,  Peter  Zieger  aus  Bonn,  ein  „Möhler  en  fresco",  Jacob  Bommertz,  Jean  Wenick 
oder  Weninx,  Pier  Delloy,  Pierre  Bourgois.  Der  Kunstschreiner  Jacob  de  Reux  aus 
Lüttich  schuf  die  Holzvertäfelung,  der  Bildhauer  Bartholomäus  Mignon  das  „Paneelwerk", 
Bernhard  van  Kerckhove  „geschnittene  Pilaster",  Jean  Antoine  Larmoyer  die  „Sculp- 
turie",  Simon  Pirott  „bey  gezeigten  ohnnachlässigen  eyffer  ansehenliche  tüchtige  schreiners- 
arbeit".    Neben  Meister  Pirott  waren  auch  Caspar  Gobels,  Servatius  Klever  und  Peter 

Wolf  f  in  Aachen  ansässige  Kunst- 
schreiner. Im  Jahre  1735  waren 
die  Arbeiten  des  Umbaues  voll- 
endet. Die  Wiederherstellungs- 
arbeiten des  19.  Jahrhunderts 
haben  aber  die  Innenausstattung 
nur  in  drei  Räumen  des  Erd- 
geschosses weiterbestehen  lassen, 
im  Weißen  Saal  (Abb.  79),  im 
Amtszimmer  und  im  Vorzimmer 
des  Oberbürgermeisters  (Abb. 77). 
Die  entsprechenden  Räume  im 
anderen  Flügel  des  Erdgeschosses, 
das  Arbeitszimmer  des  ersten  Bei- 
geordneten und  dessen  Vorzim- 
mer, haben  ihre  heutige  Innen- 
ausstattung erst  in  den  beiden 
letzten  Jahrzehnten  erhalten.  Das 
Zimmer  des  Beigeordneten  wurde 
mit  den  Resten  der  Wandver- 
täfelung aus  dem  Kaisersaal  be- 
kleidet (Abb.  76).  Das  Vorzimmer 
nahm  seine  Ausstattung  aus  der 
vor  einigen  Jahren  abgebrochenen 
Kreuzkirche  (Abb.  75).  Reich- 
geschnitzte Tür-  und  Wandver- 
kleidung und  das  Chorgestühl. 
Mobiliar  aus  der  Couvenzeit 
Vgl.  .Abb.  75    77  ward  zur  Ergänzung  der  Innen- 


88 


einrichtung  erworben,  darunter  ausgezeichnete  Stücke,  so  daß  die  neu  ausgestatteten  Räume 
recht  einheithch  wirken*. 

Aber  eines  fehlt  den  neuen  Räumen :  die  farbige  Ausstattung  der  Decke,  die  im  Zimmer 
und  Vorzimmer  des  Oberbürgermeisters  noch  erhalten  ist  (Abb.  77).  Bis  zum  Gewölbe- 
anfang haben  die  Wände  Holzvertäfelung,  die  in  den  Ecken  die  auslaufenden  Gewölbegrate 
rundbogig  verschalen.  An  einer  Schmalseite  steht  ein  Holzkamin.  Die  Schildbogenf lachen 
über  der  Holzverkleidung  hat  Johann  Chrysanth  Bollenrath  mit  großen  allegorischen 
Darstellungen  ausgemalt  und  die  Gewölbezwickel  mit  den  Bildnissen  römischer  Kaiser  und 
mit  lateinischen  Sprüchen**.  Bollenrath  aus  Münstereifel  war  in  jungen  Jahren  nach  Aachen 
gekommen,  wo  er  schon  in  den  Jahren  1718 — 1719  bei  der  Ausmalung  von  St.  Peter  Be- 
schäftigung fand  und  später  für  Couven  tätig  war.  Er  starb  im  Jahre  1776***.  Wandver- 
kleidung und  Wandbemalung  der  Rathausräume  sind  sehr  fein  zueinander  abgestimmt,  und 
die  Gliederung  der  Holzvertäfelung  ist  von  vornehmer  Wirkung. 

Der  anstoßende  Weiße  Saal  (Abb.  79)  ist  ganz  anderen  Charakters  und  von  einer  anderen 
Klangfarbe.  Auf  den  hellstukkierten  Wänden  ist  das  Relief  der  Sockelrahmen,  Türleisten  und 
Orncimentenranken  vergoldet.  In  den  Schildbogen  rahmt  über  gewundenem  Sockel  ein 
baldachinartiger  Aufbau  die  Büsten  römischer  Kaiser  ein.  Putten  auf  Postamenten  halten 
Kränze.  Ein  barockes  Muschel-  und  Netzwerk  verschalt  die  auslaufenden  Gewölbegrate, 
und  ein  reiches  Rankenwerk  belebt  die  Gewölbefelder.  Couven  hatte  bei  der  Ausstattung  des 
Weißen  Saales  vielleicht  am  wenigsten  Einfluß.  Carlo  Ludovico  Castelli  hat  die  Arbeit 
entworfen.  Sie  stand  damals  nicht  allein  in  Aachen.  Ein  anderer  Italiener  hatte  in  den  Jahren 
1720 — 1730  den  ehrwürdigsten  Bau  der  Stadt,  Karls  des  Großen  Pfalzkapelle,  im  Innern  mit 
Stuckdekorationen  geschmückt:  Giovanni  Battista  Artari. 

Im  Jahre  1624  war  der  Blitz  in  das  Aachener  Münster  eingeschlagen.  Der  Stadtbrand 
von  1656  hatte  das  Balkenwerk  über  der  Kuppel  vernichtet.  Sechs  Jahre  später  führte  man 
die  neue  barocke  äußere  Kuppel  auf.  Diese  Ereignisse  hatten  auch  im  Inneren  den  alten  Mosaik- 
schmuck der  Kuppel  und  die  Wandmalereien  in  Mitleidenschaft  gezogen,  so  daß  man  im  Jahre 
1719  an  eine  neue  Innenausstattung  denken  mußte.  Artari  ließ  die  Reste  der  Mosaik  abschlagen 
und  schuf  im  Laufe  der  folgenden  Jahre,  unterstützt  von  mehreren  Gehilfen,  unter  denen 
vielleicht  auch  Castelli  und  Vasalli  waren,  eine  prachtvolle  Stuckdekoration  (Abb.  80)f .  Die 
Gewölbe  und  Bogen  der  Umgänge  erhielten  große  Rahmen  und  Rosetten.  Die  Gesimse 
wurden  verstärkt,  um  einen  reicheren  Licht-  und  Schattengegensatz  zu  erzielen,  über  den 
Erdgeschoßbogen  halten  Putten  Medaillons.  In  den  Zwickeln  thronen  auf  Wolken  die  Evange- 
listen und  Kirchenväter  mit  ihren  Attributen.    Die  übrigen  Mauerflächen  der  unteren  Bogen- 


*  Genaue  Detailaufnahmen  bei  Pick-Laurent  a.a.O..  Abb.  49-34,  58,  39.  62  u.  Taf.  13-17,  20. 
**  Pick-Laurent  a.a.O.,  S.69. 
***  Pick:  „Aus  Aachens  Vergangenheit",  S.  523  ff 

t  Dttml.iufn,,l.men  Abb.  172-178  u.  Taf.  V  hei  Karl  Faymonville:  „Der  Dom  7U  Aachen".    München  1909.  S.  377  ff 

12  89 


.\LLi.  80.  Aachen.  Das  Münster  mit  den  tliemaligen  Stuckdekoratiunen  von  Juliaiia  Iwplist  Ai  l.u 


90 


Stellungen  wurden  mit  Rosetten  belebt.  In  der  Höhe  der  Säulenarkaden  des  Obergeschosses 
standen  vor  den  Pfeilern  auf  Sockeln  lebensgroße  Figuren,  Christus  und  andere  Personen  der 
Passionsgeschichte.  Die  Flächen  der  Pfeiler  unter  den  Figuren  schmückte  Artari  mit  Medaillons 
und  Ornamenten;  über  ihnen  mit  lang  herunterhängenden  Fruchtkränzen.  Pflanzen  und 
Muscheln  rahmten  die  oberen  Bogen  und  Fenster  ein.  Auf  dem  Kuppelgesims  saßen  allerlei 
Figuren,  auf  deren  Schultern  die  prachtvolle  Kuppeldekoration  ruhte,  eine  Mittelrosette,  von 
der  aus  strahlenförmig  nach  den  acht  Bogen  hin  Kartuschenwerk  angebracht  war.  Um  den 
malerischen  Reichtum  noch  zu  heben,  wurden  die  Flächen  zwischen  der  Mittelrosette  und 
den  strahlenförmigen  Kartuschen  mit  blauen  und  goldenen  Mosaikpasten  ausgefüllt  und  die 
Kapitale  vergoldet.  Das  Innere  war  in  einen  Prunkbau  verwandelt  worden.  Die  Stuck- 
dekorationen paßten  sich  weit  besser  den  großen  Bogenstellungen  an  als  den  schmalen 
Fenstern  am  Rathause  (Abb.  74).  Der  Purismus  der  siebziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  hat 
leider  alles  wieder  beseitigt. 

Die  neue  Abtei  zu  Cornelimünster,  Mefferdatis'  Arbeiten,  Artaris  Schmuck  im  Innern  des 
Aachener  Münsters  und  die  unter  seinem  Einfluß  stehende  Tätigkeit  Castellis  am  Rathaus- 
umbau, dann  die  heimische  Backsteinarchitektur  mit  Blausteineinfassung,  die  in  dem  Tor- 
gebäude der  Abtei  zu  Burtscheid  einen  charakteristischen  Vertreter  hatte  (I .  Abb.  281 ),  das  waren 
für  Couven  die  Voraussetzungen,  als  er  im  Jahre  1735  den  ersten  Monumentalauftrag  erhielt: 
die  reichsunmittelbare  Äbtissin  der  Zisterzienserinnen  zu  Burtscheid,  Margaretha  von  Renesse 
und  von  Wüstenrath,  übertrug  ihm  den  Neubau  der  Abteikirche.  Wenn  er  nichts  anderes 
geschaffen  hätte,  so  würde  dieser  Bau  genügen,  ihm  einen  geachteten  Platz  in  der  Geschichte 
der  Baukunst  am  Niederrhein  zu  sichern.  Vom  Burtscheider  Hügel  herab  beherrscht  die  Abtei- 
kirche die  steil  zu  ihren  Füßen  abfallende  Hauptstraße  (Abb.  81).  Die  Situation  und  die  Fülle 
schmalbrüstiger  Bürgerhäuser  geben  dem  Bauwerk  die  großartige  monumentale  Wirkung. 
Es  ist  ein  achteckiger  Kuppelbau  auf  quadratischem  Unterbau,  das  Innere,  der  Kuppel  ent- 
sprechend, oktogonal  (Abb.  82).  Nach  Osten  lehnt  sich  das  Chor,  nach  Westen  in  gleicher 
Ausdehnung  das  Langhaus  an  den  Mittelbau  an,  nur  mit  dem  Unterschied,  daß  das  Chor  mit 
einer  runden  Nische  schließt,  während  das  Langhaus  eckig  seinen  Rahmen  zieht,  um  Platz  für 
den  Turm  zu  lassen,  der  vor  seiner  Schmalfront  aufragt.  Hinter  der  Kirche  breitet  sich  südlich 
die  Abtei  aus.    (Vgl.  I.  Abb.  281,  286.) 

Pilaster  gliedern  die  Mauerflächen  und  tragen  das  Hauptgesims,  das  um  den  ganzen  Bau, 
auch  um  den  Turm,  läuft.  Zwischen  ihnen  sind  die  Fenster  angebracht.  Am  Chor  und  Lang- 
haus zweistöckig.  Am  Mittelbau  rahmen  Doppelpilaster  mit  einem  Giebelaufbau  je  ein  großes 
Fenster  ein.  Die  herausragende  Kuppel  setzt  diese  Pilasterarchitektur  in  ihrem  Unterbau 
fort.  Aber  statt  der  Pilaster  an  den  abgerundeten  Ecken  unten  ist  hier  über  einer  verkröpften 
Steinbrüstung  ein  Fenster  angebracht  worden.  Das  gibt  die  geschickte  Überleitung  vom  Quadrat 
in  das  Achteck  (Abb.  82).  Die  Dächer  des  Chors  und  des  Langhauses  schneiden,  mansarden- 
förmig  ausgebildet,  in  den  Kuppelunterbau  ein.    Nach  außen  hat  Couven  sie  abgewalmt  und 

91 


Al,h.81.    Aachen -Burtsdieid.    Hauptstraße.    Im  Hintergrunde  die  Abteikirche.    (Vgl.  Abb.  82.)    Rechts  im  Vordergrund  Haus 
„O.c  Krön"  (vgl.  Abb.  126,  128  und  I.  283)  und  Eingang  zum  „Haus  Schumaclicr".  (\'gl.  .Üb.  78,  119,  122,  127,  129  ) 

92 


Abb.  ö2.   AatlHii-BuilscIicid.  Abteikirche 


Johann   Jost'pli  CoLivt.'n.  \  gl.  .Abb.  öl  . 


auf  den  Dachspitzen  je  einen  zierlich  gegliederten  Dachreiter  angebracht.  Der  auf  dem  Lang- 
haus ist  die  geschickte  Vermittlung  zwischen  Kuppel  und  Turm,  In  dieser  Zusammenstellung 
liegt  ein  Hauptreiz  der  günstigen  Wirkung  der  Silhouette  für  die  Hauptstraße  (Abb.  81). 
Die  mit  Luken  und  Mansarden  belebte  Kuppel  bleibt  das  vorherrschende  Motiv,  unbeein- 
trächtigt durch  den  Turm  mit  seiner  originellen  Haube.  Anderseits  wird  der  Turm  mit  seinen 
abgeschrägten  Ecken  nicht  von  der  Kuppel  erdrückt.  Pilaster  gliedern  auch  das  Innere  der 
Kirche  und  schaffen  einen  Raum  von  großer  und  klarer  Wirkung.  Tonnen  mit  Stichkappen 
wölben  Chor  und  Langhaus  ein.  In  den  vier  Ecken  des  Mittelbaues  haben  Statuen  in  Nischen 
Aufstellung  gefunden,  über  dem  stark  ausladenden  Gebälk  steigt  die  aus  Holz  gezimmerte 
Kuppel  auf. 

Im  Laufe  der  Jahrzehnte  sind  die  Backsteine  braunschwarz  und  der  Blaustem  der  Profile 
und  Fensterrahmen  außen  blendend  weiß  geworden.  Dazu  tritt  die  Patina  der  Kuppel,  um 
das  farbige  Bild  zu  vervollständigen. 

Aus  dem  barocken  Monumentalkünstler  wurde  später  der  elegante  Wohnhausbaukünstler,  der 
aus  den  ruhig  vornehmen  Formen  des  Stiles  Regence  sich  eine  eigene  Architektursprache  schuf. 


93 


Im  Jahre  der  Vollendung  der  Abteiklrchc 
zu  Burtscheld,  1736,  erhielt  Couven  von  dem 
damaligen  Bürgermeister  von  Aachen,  Herrn 
von  Wespien,  den  Auftrag,  in  der  Klein- 
marschierstraße ein  Wohnhaus  zu  errichten. 
Bei  dem  Reichtum  des  Bauherrn  konnte  er 
aus  dem  vollen  heraus  wirtschaften.  Der  Auf- 
trag muß  ihn  gefesselt  haben.  Jedes  Detail 
des  Außen-  und  Innenbaues  ward  von  ihm 
selbst  entworfen*. 

Die  drei  Mittelachsen  der  Fassade  sind 
wieder  zusammengefaßt  und  etwas  vorge- 
zogen, oben  mit  einem  geschweiften  Giebel 
abgeschlossen,  der  im  Scheitel  zwischen  zwei 
Schnecken  als  Schlußstein  eine  Maske  zeigt. 
Putten  halten  im  Giebelfeld  die  Wappen  von 
Herrn  und  Frau  von  Wespien  (Abb.  84). 
über  dem  Giebelschlußstein  schwebte  einst 
die  3,50  Meter  hohe  vergoldete  Bronzefigur 
eines  Merkurs.  Nach  dieser  Plastik  ward  das 
Haus  auch  wohl  ,,Im  gülden  Mann"  genannt. 
Das  Erdgeschoß  ist  ganz  aus  Haustein.  Der 
obere  Bau  aber,  von  der  Eckverklammerung, 
den  Profilen  und  Fensterrahmen  abgesehen, 
aus  Backstein.  Selbst  bei  den  Schornsteinen 
mag  Couven  nicht  auf  den  reizvollen  Gegen- 
satz von  Backsteinflächen  und  Haustein- 
cinfassung  verzichten.  Er  erinnert  bei  dem  Hause  Wespien  wie  bei  der  Abteikirche  in  Burt- 
scheld  an  die  beiden  münsterischen  Baumeister  Gottfried  Laurenz  Pictonus,  vor  allem  an 
Johann  Conrad  Schlaun**.  Aber  sein  Temperament  war  beweglicher  und  äußert  sich  auch 
in  den  reicheren  Einzelheiten.  Zunächst  bei  den  Fensterrahmen.  Ein  Schlußstein  verbindet 
den  gebogenen  Fenstersturz  mit  der  Archltravleiste.  In  der  fein  profilierten  giebelartigen 
Verdachung  der  Fenster  des  Hauptgeschosses  ist  eine  Muschel  angebracht.  An  ihre  Stelle 
ist  im  oberen  Stockwerk  ein  einfaches  ausladendes  Gesimsstück  getreten.  Die  Mansarden- 
fenster zeigen  ebenfalls  eine  originelle  Einfassung.    Seitlich  am  Fuße  breite  Schnecken,  oben 


Abb.  83.  .Aachen.  Haus  Wespien.  Haustür.  Vgl.  .Abb.  84. 


*  Max  Schmid:    „Ein  Aachener  Patrizierhaus  des   18.  Jahrhunderts".    Julius  Hoffmann,  Stuttgart   1900.    Mit  44  Licht- 
drucktafeln. 

♦*  Vgl.  Kerckerinck-Klapheck:  „Alt-Westfalen".  Abb.  215— 225,  228-233,  256    -264,  268  ~273  u.  f. 


94 


schmälere.  Das  reiche  Giebelgesims  hat  mi  Scheitel  als  Schlußstein  einen  schneckenförmigen 
Überhang.  Man  vergleiche  diese  Details  und  das  Verhältnis  der  einzelnen  Geschosse  und 
Dekorationsstücke  mit  Mefferdatis'  Corneliusbad  (Abb.  71). 

Der  Hauptschmuck  der  Fassade  Ist  die  Mittelachse.  Unten  die  Prachttür  mit  großem,  reich 
verziertem  Rahmen  (Abb.  83).  Im  Oberlicht  um  die  Laterne  geschwungene  Stäbe  mit  kleinen 
Blättchen  an  den  Enden.  Die  Hausteinpilaster  der  Türumrahmung  sind  schräg  vor  die  Fassade 
gestellt.  Durch  die  ebenfalls  diagonal  auskragenden  Konsolen  oben  und  den  Schlußstein  über 
dem  Türrahmen  erhält  die  Balkonplatte  eine  bewegte  Linienführung  von  malerischer  Wirkung 
trotz  des  an  sich  geringen  Reliefs.  Das  außerordentlich  schöne  Balkongitter  Ist  geschickt  mit 
dem  Türrahmen  zusammenkomponiert.  Alles  ist  auf  perspektivische  Täuschung  berechnet. 
Der  Balkon,  der  scheinbar  eine  beträchtliche  Tiefe  hat,  kann  in  Wirklichkeit  kaum  zwei  Per- 
sonen fassen.  Und  wie  das  Balkonfenster,  so  hat  auch  das  darüber  gelegene  einen  besonderen 
Giebel  erhalten  (Abb.  84).  Alle  Details  der  Fassade  besitzen  bereits  die  charakteristischen 
Formen  Couvens,  die  nun  allenthalben  an  seinen  zahlreichen  Arbeiten  wiederkehren. 

Und  nun  das  Innere!  Große  Rahmen 
aus  Stuck,  mit  der  freien  Hand  aufgetragen, 
gliedern  die  Wände,  Türen  und  Decken 
(Abb.  88).  Schmiedeeiserne  Gitter  begleiten 
den  Lauf  der  Treppe  (Abb.  86,  87) ;  .Arbeiten 
von  woinderbarer  Schönheit  und  Phantasie. 
Nichts  von  Schablone.  Immer  neue  Motive. 
Ein  fabelhafter  Reichtum  an  naturalistischen 
Blattformen  und  omamentalen  Linien.  Und 
trotz  des  Abwechslungsreichen  ein  stimmungs- 
voller, ruhiger  Einklang  mit  dem  Schmuck 
der  Wände,  Decken  und  Türen*.  Breite 
Hohlkehlen,  mit  Putten,  Muscheln,  Frucht- 
körben und  geschwungenen  Leisten  ge- 
schmückt, führen  aus  den  Wänden  in  die 
Decke  des  Treppenhauses  über  (Abb.  85). 
Hier  hat  Johann  Chrysanth  Bollenrath 
ein  großes  allegorisches  Gemälde  angebracht, 
die  ,, Aufnahme  des  Erbauers  der  Stadt  Rom, 
des  Romulus,  In  den  Olymp".  ,,Ut  Romulus 
immortalitate  donatur"  steht  auf  dem  Spruch- 
band.   Zeus,  auf  den  Wolken  thronend,  mit 


*  Originalzelchnung  der  Decke  bei  Biichkremer  a.a.O., 
Taf.  III. 


.\bl).  84-  .\aclicn.  Haus  Wespien  von  J.  J.  Coiiven. 
Vgl.Abb.  83.  85-92. 


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97 


dem  blitzetragenden  Adler,  reicht  Romulus  das 
Zepter,  während  ein  Putto  den  Gründer  Roms 
mit  Lorbeer  bekränzt.  Em  anderer  Putto  trägt 
Zirkel  und  Winkelmaß.  Auf  den  Wolken  liegen 
Bücher,  Palette  mit  Pinsel  und  der  Plan  des  Hauses 
Wespien.  Man  versteht,  wer  mit  dieser  Allegorie 
der  Aufnahme  des  Erbauers  von  Rom  in  den  Olymp 
gemeint  ist  —  Couven  oder  Wespien.  Das  gut  in 
den  Deckenrahmen  komponierte  Bild  wirkt  in  der 
klar  umrissenen  Silhouette  der  Figuren  durch  das 
ganze  Treppenhaus. 

Das  alles  war  aber  nur  ein  Vortakt  zu  der 
prachtvollen  Schönheit  der  Räume.  Rechts  vom 
Eingang  liegt  der  sog.  kleine  Gobelinsaal  (Abb. 
89, 90).  Sein  Hauptschmuck  sind  Brüsseler  Wand- 
teppiche. Sie  sind  signiert  B.  v  B.  P.  V.  D.  B. 
oder  E.  V.  D.  B.,  auch  F.  V.  D.  B.  oder  B.  V.  D.  B. 
—  B.  ¥  B.  ist  das  seit  1527  vorgeschriebene  Er- 
kennungszeichen der  Brüsseler  Teppichwirker. 
Das  ,,roodschildecken  over  weder  zyden  hebbende 
een  B".  Van  der  Borcht  war  die  berühmte  Teppichwirkerfamilie  mit  Franz,  der  1727  Doyen 
der  Brüsseler  Gobelinfabnkanten  war,  und  Peter,  der  im  Jahre  1742  privilegiert  wurde.  Der 
Maler  de  Haas  hat  für  die  Firma  manchen  Entwurf  geliefert.  An  einem  Warenballen  eines 
Wandteppichs  im  Hause  Wespien  steht  ein  D.  H.  Vielleicht  geht  die  Arbeit  auf  de  Haas 
zurück.  Die  sechs  Gobelins  des  kleinen  Saales  stellen  Szenen  aus  dem  Leben  Moses'  dar. 
An  der  Südwand  zu  beiden  Seiten  eines  Kamins  links  den  Zug  durch  das  Rote  Meer,  rechts 
die  Mannalese  (Abb.  90).  An  der  Nordwand  zu  beiden  Seiten  einer  reichen  Holztür  links  den 
Bau  der  Stiftshütte,  rechts  die  Kundschafter  aus  dem  Morgenlande.  An  der  Ostwand,  eben- 
falls von  einer  Tür  getrennt,  Moses,  Wasser  aus  dem  Felsen  schlagend,  und  die  Auffindung 
des  Mosesknaben  (Abb.  89).  Die  großfigurigen  Bilder  sind,  losgelöst  von  Raum  und  Rahmen, 
für  sich  betrachtet,  glänzende  Kompositionen  von  großem  Geschick,  durch  den  Gegensatz  der 
Farbe  und  die  Linienführung  die  Hauptfiguren  in  klar  umrissenen  Silhouetten  aus  der  Dar- 
stellung heraushebend.  Couven  tat  noch  ein  übriges,  um  die  Bilder  in  ihrer  Wirkung  zu 
steigern.  Er  schuf  um  sie  die  prachtvolle  Holzumkleidung,  die  Türen,  Kamine,  Holzrahmen, 
die  Wandverkleidung,  Beleuchtungskörper  und  Stuckdecke. 

Die  Einzelheiten  sind  so  zueinander  gestimmt,  daß  trotz  des  Reichtums  alles  harmonisch 
und  organisch  wirkt.  Jedes  Detail  hat  für  die  Raumgestaltung  wie  Raumausstattung  eine 
Bedeutung.    Die  Bilder  der  Ostwand  sind  in  einer  Diagonale  aufgebaut  (Abb.  89).    Bei  dem 


I     C      t      i      i      1,      5„, 

Abb.  88.  Aachen.  Haus  Wespien  vcn  J.  J.  Couven. 
Scbnitt.  Vgl.  Abb.  84-87,  92. 


98 


Bilde  links,  „Moses  schlägt  Wasser  aus  dem  Felsen",  gleitet  das  Auge  über  den  Rücken  und 
den  Kopf  des  Kindes,  der  Mutter,  des  Trinkenden  und  des  Wasserträgers  hinauf  in  die  Linie 
des  Korbbogens  der  Tür  und  über  den  Kopf  und  die  Armbewegung  der  einen  Dienerin  und 
der  ägyptischen  Prinzessin  hinunter  zu  dem  Mosesknaben  bei  dem  rechten  Wandteppich. 
Der  Schlußstein  des  Türbogens  ist  der  Scheitel  verschiedener  Kurven.  Hier  begegnen  sich 
auch  die  Linien  aus  der  Muschel  der  70  Zentimeter  hohen  Holzverkleidung  des  Bildrahmen- 
sockels unten  links  über  den  auf  dem  Boden  stehenden  Kessel,  den  von  der  Frau  gehaltenen, 
über  Schulter  und  Kopf  des  Schreitenden  hinauf  und  über  die  Hand  der  einen  Begleiterin,  die 
rechte  Hand  der  ägyptischen  Königstochter  wieder  hinunter  zu  der  Muschel  rechts;  oder  Hnks 
von  der  Bergeslinie  und  dem  Kopf  des  zuschauenden  Mannes  über  die  eine  Hand  der  Schirm- 
trägerin rechts  in  die  Ecke  des  Wandteppichs.  Genau  über  der  Muschel  im  Scheitel  des  Tür- 
bogens ist  als  Schlußstein  eines  reichen  Rokokorahmens  für  das  Bild  der  Supraporte,  ,, Moses, 
die  Gesetztafeln  empfangend",  zwischen  zwei  schneckenförmig  auslaufenden  Linien  unter 
einem  Korb  eine  Maske  angebracht.  Hier  ist  ein  zweiter  Scheitelpunkt  der  Wandaufteilung, 
der  die  höher  gelegenen  Kurven  der  Bildkomposition  faßt  und  die  Gestalten  Moses'  und  seines 
Begleiters  durch  den  Schirm  rechts  und  die  Waldkulisse  ausbalanciert.  Dabei  sind  die  beiden 
Bilder  in  sich  ebenso  abgeschlossene  Kompositionen  wie  der  Türrahmen  und  seine  Füllungen. 
Die  aufsteigenden  Haupthnien  kehren  wieder  in  sich  zurück.  Die  Muschel  der  unteren  Holz- 
verkleidung gehört  zur  Bildkomposition.  Die  Darstellungen  auf  dem  Wandteppich  beschreiben 
dieselbe  aufsteigende  Kurve,  während  ihre  Ruhepunkte  in  den  ausladenden  Eckkurven  des 
Rahmens  liegen.  Girlanden  schmücken  die  Seitenrahmen.  Auch  sie  sind  als  Schmuck  nicht 
Selbstzweck,  sondern  wie  die  untere  Holzverkleidung  Kompositionsglieder  der  Wandaufteilung 
und  führen  die  Bewegungslinien  aus  den  beiden  Bildern  weiter  zu  den  Darstellungen  auf  den 
Nachbarwänden  (Abb.  90).  Die  Stuckdekorationen  über  den  Türen  und  dem  Kamin  geben 
der  Raumgestaltung  nach  oben  in  der  Decke  den  einheitlichen  Abschluß,  und  der  Kronleuchter 
wirkt  wie  ein  Schlußstein,  wie  der  Kulminationspunkt  des  Raumes.  Anderseits  findet  die 
einzelne  Wandaufteilung  in  den  abgerundeten  Ecklisenen  mit  reich  geschnitztem  Kapital-  und 
Sockelschmuck  ihren  architektonischen  Abschluß.  Die  Rahmen  unter  den  Teppichen  ent- 
sprechen genau  der  Supraporte.  Die  unteren  Türfüllungen  sind  ähnliche  Figuren  zu  den 
Wandbilderrahmen.  Der  Mittelpunkt  der  Wandkomposition  sind  die  oberen  Türfüllungen. 
So  stehen  Bilder,  Rahmen  wie  Ornament  im  Dienste  eines  architektonischen  Gedankens. 
Sie  sind  Architektur. 

Interessanter  noch  ist  die  Aufteilung  der  Hauptwand  an  der  Südseite  (Abb.  90).  Der 
Spiegelrahmen  über  dem  Kamin  ist  eine  Kompositionsnotwendigkeit.  Und  wunderbar  klingen 
die  Linien  seiner  oberen  Rahmenleiste  in  den  Figuren  an  der  Innenecke  der  beiden  Bilder 
und  der  Muschel  der  Holzverkleidung  aus.  Wieder  sind  alle  Bewegungslinien  so  angeordnet, 
daß  das  Auge  hinaufgleiten  soll  zu  dem  Bild  über  dem  Spiegel,  „Moses  am  brennenden 
Dornbusch".   Die  reiche  Ornamentik  der  Einrahmung  bedarf  keiner  weiteren  Erklärung.   Der 

99 


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Abb.  91.   Aachen.   Haus  Wespien  von  J.  J.  Couven.   Eßzimmer  im  Erdgeschoß 

Kaminvorsatz,  eine  prachtvolle  Schmiedearbeit,  muß  aber  besonders  hervorgehoben  werden. 
Wie  die  Linien  und  Flächen  emheitlich  zuemander  komponiert  sind,  so  auch  die  warmen 
Farbtöne  der  Bilder  zu  der  dunklen  Einrahmung.  Nur  eins  stört :  der  kalte  Ton  des  Marmor- 
kamins. Er  ist  später  erst  in  die  Komposition  hineingeraten.  Er  war  ehemals  auch  dunkel 
gehalten.     Künstlerisch  ist  das  Zimmer  die  beste  Leistung  des  Hauses. 

Hinter  dem  kleinen  Gobelinsaal  liegt  das  Speisezimmer  (Abb.  91).  Hell  und  licht 
gehalten.  In  den  Masken  und  Füllungen  des  Gobelinsaales  traten  noch  barocke  Elemente 
des  Stiles  Louis  XIV.  auf.  Barock  ist  eben  auch  die  Darslellung  der  Wandteppiche.  Der 
Speisesaal  ist  aber  ein  glänzender  Vertreter  des  Style  Regence.  Die  Linien  und  Farbtöne 
sind  viel  zarter  und  eleganter.  In  den  naturalistischen  Formen  des  Spiegelrahmens  kommt 
leise  auch  das  Rokoko  zu  Wort.  Aber  alle  Rahmen  sind  noch  symmetrisch  gezeichnet  und 
wissen  noch  nichts  von  dem  Regellos-Phantastischen  des  späteren  Rokokos.  Die  Aufteilung 
der  Kaminwandseite  ist  wieder  von  wohl  ausgeglichenen  Verhältnissen  erfüllt. 

Im  oberen  Geschoß  ist  der  große  Gobelinsaal  (Abb.  92).  An  den  Schmalseiten  über 
einem  Kamin  die  Porträts  des  Hausherrn  und  der  Hausfrau.  Wandteppiche  stellen  über  einer 
wieder  70  Zentimeter  hohen  Holzverkleidung  die  fünf  Weltteile  dar:    Europa  als  Karneval  in 


102 


k.    '"^B 


Abb.  92.  Aachen.    Haus   \'vcsp!en  von  J   J.  Couven.   Grober  Gobehnsjal  im  ersten  Stock.   Vgl.  Abb-  83. 

Rom;  Asien  in  einem  Festzug  emer  orientalischen  Fürstin;  Amerika  in  der  Huldigung  eines 
Indianerfürsten;  Australien,  europäische  Kaufleute  Waren  verladen  lassend;  Afrika  mit  land- 
schaftlichen Szenen.  Wunderbare  Teppichwirkereien  des  Hauses  van  der  Borcht.  An  der 
Westseite  haben  die  Fensterbänke  und  Fensterpfeiler  reizvolle  Holzverkleidung  mit  reichem 
Rahmenv^'erk  erhalten.  Vor  jedem  Pfeiler  schwebt  ein  Rokoko-Konsolentischchen. 

Der  Ausbau  des  Hauses  nahm  viele  Jahre  in  Anspruch.  Unter  dem  Giebel  der  Fassade 
liest  man  die  Jahreszahl  1737.  Nach  Bollenraths  Bilderinschriften  war  die  Ausmalung  des 
Treppenhauses  im  Jahre  1739  vollendet,  die  Wandbilder  und  der  große  Saal  1742.  Die 
Porträts  des  Hausherrn  und  der  Hausfrau  dort  über  den  Kaminen  werden  noch  später 
angefertigt  worden  sein. 

Johann  von  Wespien  war  im  Jahre  1687  in  Aachen  als  Sohn  eines  Tuchfabrikanten  geboren. 
Durch  seinen  Reichtum  und  Einfluß  wurde  er  im  Jahre  1 756  Bürgermeister  der  Freien  Reichs- 
stadt. Zwei  Jahre  später  wurde  er  wiedergewählt,  starb  aber  im  folgenden  Jahre  im  Amte. 
In  Aachen  hat  sich  die  Erzählung  gebildet,  daß  seine  Künstliche  zu  seinem  finanziellen  Ruin 
geführt  habe.  ,,He  es  af  wie  der  Wespäng",  ist  ein  Aachener  Sprichwort.  Aber  als  im  Jahre 
1768  seine  Gattin  Anna  Maria  geborene  Schmitz  kinderlos  starb,  hinterließ  sie  immer  noch 


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ein  so  bedeutendes  Barvermögen,  daß,  abgesehen  von  anderen  Stiftungen,  ihre  letzten  Be- 
stimmungen allein  für  die  Errichtung  eines  Spitals  mit  Kapelle  ein  Kapital  von  100  000  Reichs- 
talern mit  mehreren  Grundstücken  anweisen  konnten.  Das  Wohnhaus  in  der  Kleinmarschier- 
straße erbte  Wespiens  Patenkmd,  Frau  von  Wespiens  Vetter  Johann  Kaspar  Strauch.  Strauchs 
Erben  verkauften  den  Besitz  an  den  Tuchfabrikanten  Martin  Bernhard  Schlösser.  Im  Jahre 
1826  kam  er  an  Karl  Christian  Joseph  Degive,  1844  an  die  Familie  van  Gülpen.  Eduard  van 
Gülpen  starb  1882,  seine  Witwe  im  Jahre  1900. 

Die  letzten  Tage  des  Hauses  Wespien  sind  für  den  Aachener  wie  für  die  ganze  Rhein- 
provinz heute  eine  bittere  Erinnerung.  Der  5.  bis  9.  Oktober  1901.  Vom  5.  ab  sah  das  Haus 
viele  geladene  fremde  Gäste.  Sie  kamen  meist  zum  erstenmal  und  waren  eigens  gebeten 
worden.  Nicht  jeder  durfte  in  diesen  Tagen  die  Prachträume  betreten  und  durch  das  Treppen- 
haus wandeln.  ,,Nur  den  mit  Katalogen  versehenen  Personen  ist  der  Zutritt  gestattet",  hieß 
es  in  der  Einladung,  dem  mit  zahlreichen  Bildern  ausgestatteten  Auktionskatalog  des  Hauses 
J.  M.  Heberle,  Köln.  Es  war  eine  Einladung  zur  Vorbesichtigung  der  Innenausstattung, 
bevor  am  9.  Oktober  alles,  was  das  Haus  enthielt,  Stuckdecken,  Türen,  Balkongitter,  Fenster- 
läden, Kamine,  Supraporten,  Wandteppiche,  Deckengemälde,  Treppengeländer,  Bilder,  Be- 
leuchtungskörper, kurzum  alles  bis  auf  das  nackte  Skelett  ,,erbteilungshalber"  öffentlich  ver- 
steigert wurde.  Welch  edler  Geist  ward  hier  zerstört,  daß  selbst  sein  Totengräber  ihm  eine 
Träne  nachweinen  mußte:  ,,Ein  hochbedeutendes  und  wohl  einzig  dastehendes  Denkmal 
deutscher  Kunst  hätte  als  Ganzes  erhalten  werden  können  und  müssen ! !  Gewaltsam  soll  nun 
zerrissen  werden,  was  ein  nie  vergessener  Aachener  Architekt,  unterstützt  von  einem  kunst- 
sinnigen und  fast  verschwenderisch  prunkliebenden  Mann,  als  das  bedeutendste  seiner  Werke 
und  unstreitig  das  beste,  was  er  überhaupt  ausführte,  errichtet  hat,  das  an  Schönheit  der 
Ausstattung  und  künstlerischer  Vollendung  der  Dekoration  mit  den  Prachtbauten  der  Fürsten 
wetteifernde  Haus."  So  sagt  trauernd  selbst  die  Einleitung  des  Versteigerungskatalogs!  Die 
Museen  in  Köln  und  Nürnberg  haben  sich  wenigstens  noch  zusammenhängende  Zimmer- 
bilder  gesichert.  Das  Museum  zu  Aachen  erwarb  aber,  ich  glaube,  nichts  als  das  Balkon- 
gitter. Alles  andere  ward  in  alle  Winde  zerstreut.  Zum  Teil  nach  England!  So  geschehen 
im  Jahre  1901!     Nicht  etwa  im  Jahre  1870  oder  1880! 

Das  Denkmal,  das  ein  gottbegnadeter  Meister  als  das  reichste,  was  ihm  zu  leisten  möglich, 
für  eine  Familie  geschaffen  hat,  gehört  nicht  dieser  mehr  allein,  es  gehört  der  Stadt  und  der 
engeren  Heimat.  Die  Stadt  Aachen,  stolz  auf  ihren  großen  Sohn  und  die  glänzende  baugeschicht- 
liche  Entwicklung  aus  dem  letzten  Jahrhundert  ihrer  reichsfreien  Herrlichkeit,  und  die  Provinz, 
die  Wiege  der  Denkmalspflege  unseres  Vaterlandes,  hätten  niemals  dulden  dürfen,  daß  ein  so 
herrlicher  künstlerischer  Organismus  wie  das  Haus  Wespien  zerstört  wurde !  Selbst  wenn  die 
Rheinlande  noch  ein  zweites  Haus  Wespien  gehabt  hätten.  Aber  wir  haben  kein  zweites  Beispiel, 
das  in  gleich  reicher  Weise  die  dekorativen  Künste,  Malerei,  Plastik  und  Kunstgewerbe,  ein- 
geladen hätte,  die  Tonart  des  äußeren  Hauses  in  so  wunderbaren  Rhythmen  fortzuführen  und  ein 

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Abb.  93.   Gut  Kalkofen  bei  Aachen  von  J.  J.  Couven.  Einfahrt.  Vgl.  Abb.  94—97. 


14 


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Abb.  94-  Gut  Kalkofen  bei  Aachen  von  J.  J.  Couven.  Stall-  und  Okonomiegebäude.  Vgl.  anschließend  rechts  Abb.  95. 

Kunstwerk  zu  schaffen,  das  bis  in  jede  Einzelheit  von  Harmonie  erfüllt  ist.  Es  ist  ein  Bau 
gewesen,  an  dem  die  Gegenwart  alles  hätte  lernen  können  und  gerade  das,  was  ihr  fehlt:  Haus, 
Raumgestaltung  und  Raumausstattung  auf  eine  gleiche  Klangfarbe  abzustimmen.  Es  war  ein 
Musterbeispiel  des  Regencestiles  auf  nordwestdeutschem  Boden. 

Nachdem  das  Innere  des  Hauses  zerstört,  hat  man  auch  noch  das  Äußere  grauenhaft 
verschandelt.  Ein  Anstrich  hatte  vorher  schon  den  farbig  schönen  Gegensatz  von  Backstein- 
flächen und  Hausteineinrahmung  verdeckt.  Das  Erdgeschoß  nahm  nun  Läden  für  ein 
Emaileimcrgeschäft  auf.  In  die  Straßenecke  wurde  eine  Tür  eingebrochen,  die  alte  Tür 
und  die  Fensterrahmen  für  große  Geschäftsschaufenster  herausgeschlagen.  Aber  die  , .Pietät" 
sorgte  doch  dafür,  daß  die  Erinnerung  an  den  kunstliebenden  einstigen  Bürgermeister  der 
Freien  Reichsstadt  Aachen  welterlebte  und  hat  in  taumelnden,  torkelnden  Buchstaben  des 
schwindsüchtigen  Jugendstiles  in  einem  Spruchband  über  der  neuen  Emaileimerladentür  die 
Worte  angebracht:  ,,Wespiensches  Haus".     Die  wahre  Selbstironie ! 

Ein  besseres  Schicksal  hat  vor  den  Toren  der  Stadt  ein  anderer  Bau  gehabt,  den  Couven 
später,  so  etwa  um  1750,  für  Herrn  von  Wespien  ausgeführt  hat  und  von  dem  zahlreiche 


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Abb.  95.  Cut  Kalkofen  bei  Aachen  von  J.  J.  Couven.   Innere  Ansicht.  Vgl.  anschließend  links  Abb.  94. 
Dazu  Abb.  96  und  97.  Vgl.  Außenansicht  Abb.  93. 

Entwürfe  und  Detailzeichnungen  noch  erhalten  sind:  das  Gut  Kalkofen.  Kein  Neubau, 
ein  Umbau  nur.  Alt  werden  die  beiden  äußeren  Bruchsteinwände  neben  dem  Torturm  sem 
(Abb.  93).  Couven  nahm  ihnen  die  alten  schmalen  Fensterkreuze  und  Schießscharten  und 
setzte  neue  breitere  Fensterrahmen  ein.  Das  war  ein  Eingriff  wie  bei  dem  Herrenhaus  der 
Deutsch -Ordens -Kommende  zu  Siersdorf  (I.  Abb.  168,  169).  Der  Torturm  mag  vielleicht 
in  seinem  Kern  auch  alt  sein  und  war  bis  dahin  in  den  Formen  schlichter.  Couven  gab 
ihm  die  charakteristische  Gestalt  (Abb.  93).  Die  Ecken  des  Bruchsteinbaues  wurden  exakt 
gequadert.  Das  breite  Portal  mit  dem  Fenster  darüber  und  hoch  oben  der  Nische  für  eine 
Madonnenstatue  wurde  von  einem  durchlaufenden  reichen  Rahmen  eingefaßt.  Die  Achse 
erinnert  an  die  Gliederung  über  dem  Turmportal  an  der  Abteikirche  zu  Burtscheid  (Abb.  82). 
Damit  nun  das  Relief  der  Fenster-,  Nischen-  und  Portalrahmen  sich  besser  abhebt,  ist  der 
Putz  der  von  einem  Blendrahmen  umzogenen  Fläche  zwischen  den  Eckquadern  dunkler  im 
Ton  gehalten.  Ein  üppiger,  barock  gebrochener  Giebel  umgibt  die  Uhr  über  dem  ausladenden 
Hauptgesims  am  Fuß  der  Kuppelhaube  und  führt  zu  dem  offenen  Dachreiter,  einer  zier- 
lichen Laterne,  über. 

Vielleicht  wird  ursprünglich  die  Anlage  von  Kalkofen  die  gewesen  sein,  daß  beide  Flügel 
neben  dem  Torturm  mit  rechtwinklig  dazu  gelagerten  Querbauten  den  Wirtschaftshof  gebildet 
haben.  Das  Herrenhaus  lag  dann  in  der  Torturm-Achse  weiter  zurück.  Also  eine  regelmäßige 


107 


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Abb.  98.  Aachen.  Onginalzeichnung  von  J.J.Couven  für  die  Pavillons  und  Cartengitter  im  ehemaligen  Hause  Mantels  (vgl 
Abb.  99),  heute  „Kerslenscher  Pavillon"  genannt,  auf  dem  Lousberg.  Vgl.  Abb.  100  und  101. 

Anlage,  wie  sie  uns  im  vorausgegangenen  Jahrhundert  im  Lande  Limburg- Jülich  verschiedent- 
lich begegnet  ist.  Von  dem  vermutlich  einstigen  Herrenhaus  ist  aber  keine  Spur  erhalten. 
Couven  schuf  nun  am  Ende  des  einen  Eingangsflügels  einen  neuen  zweistöckigen  Wohnhausbcu 
mit  Mansardendach  und  richtete  diesen  Neubau  mit  dem  anstoßenden  Eingangsflügel,  der 
nach  dem  Hof  zu  ebenfalls  eine  Backsteinwand  erhielt,  als  Herrenhaus  ein  (Abb.  95 — 97). 
Zwischen  den  Bossenpfeilern  mit  Vasenschmuck  auf  breit  auskragenden  Deckplatten  betritt 
man  durch  die  oben  nach  innen  geschwoingene  Gittertür  den  Wohnhaushof,  den  nach  der 
Tordurchfahrt  eine  Mauer  (Abb.  95),  nach  dem  rückwärts  gelegenen  Garten  ein  Gitter 
abschließen  (Abb.  96).  Das  Verhältnis  von  Neubau,  Eingangsflügel  und  Torturm  erinnert 
an  die  Silhouette  der  Abteikirche  zu  Burtscheid  (Abb.  82).  Aber  da  das  „Langhaus"  größer 
angelegt,  mußte  der  Torturm  höher  hinausgezogen  werden,  um  dem  rechtwinkligen  Wohnhaus- 
bau die  Balance  zu  halten.  Aber  noch  aus  einem  anderen  Grunde  hat  der  Torturm  den 
Hauptakzent  erhalten :  er  hat  zwischen  Herrenhaushof  und  Wirtschaftshof  zu  vermitteln,  wo 
man  für  den  Wohnhausneubau  mit  dem  herausragenden  Mansardendach  ein  Gegengewicht 
schaffen  mußte;  und  zwar  ein  ebenfalls  über  die  Dächer  des  Eingangsflügels  hinausragendes 
Querhaus  (Abb.  94).  Es  hat  nach  dem  Hof  zu  gar  keine  Fensteröffnung,  nur  die  auf  dunklem 
Backsteingrund  helleuchtende  breite  Türeinfassung.  Große  rechteckige  Blenden  gliedern  die 
Wände.  Das  Mittelstück,  oben  mit  einem  Giebel  bekrönt,  ist  risalitartig  vorgezogen.  Seine 
Blendgliederung  muß  sich  nach  unten  der  Linie  des  Türrahmens  anpassen.  Es  ist  ein  wunder- 
bares Musterbeispiel  für  die  Gliederung  eines  Backsteinbaues,  diese  Scheune,  die  in  der 
prächtigen  Aufteilung  eine  vornehme  Ruhe  atmet.  Auf  beiden  Höfen  hat  das  19.  Jahrhundert 
Schuppen  errichtet  (Abb.  94,  95).  Uns  trennt  doch  in  der  Tat  ein  tiefer  Abgrund  noch  von 
jener  großen  Baukultur  des  1 8.  Jahrhunderts,  welche  in  den  Verhältnissen  ihrer  Baumassen  und 
der  Aufteilung  der  Wände  so  klangvoll  ausgeglichen  und  welcher  Sachlichkeit  des  Schaffens 
und  Wohnbedürfnis  das  oberste  Gesetz  baukünstlerischen  Gestaltens  war!    Sachlichkeit  paart 


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sich  mit  organischer  Belebung  jeden  Details.  Man  beachte,  welchen  Auftrag  der  kleine 
Schornstein  über  dem  Eingangsflügel  zwischen  Torturm  und  dem  neuen  Wohnbau  hat,  aus 
welchem  Grunde  der  Turm  höher  gezogen  wurde  und  eine  Dachhaube  mit  Laterne  erhielt 
(Abb.  95)  und  warum,  scheinbar  unmotiviert,  Schneckengiebel  und  Haupttür  des  neuen  Wohn- 
baues verschiedene  Achsen  haben.  Aus  Gründen  des  Gleichgewichtes  und  des  Zusammen- 
klingens der  Gesamtkomposition  (Abb.  95,  97).  Man  versuche,  den  Giebel,  der  übrigens 
wieder  lebhaft  an  den  vom  Aachener  Haus  Wespien  erinnert  (Abb.  84),  zuzudecken.  Es 
fehlt  sofort  ein  Teil  der  wohl  abgewogenen  Verhältnisse  der  Hofkomposition. 

Das  Haus  Wespien  machte  in  Aachen  Schule  und  begründete  den  Ruf  Johann  Joseph 
Couvens  als  Wohnhausbaumeister.  Als  der  Außenbau  vollendet  war,  übertrug  ihm  die  Familie 
Mantels  den  Entwurf  zu  einem  Neubau  am  Annuntiatenbach  Nr.  20  (Abb.  99).  Die  Original- 
zeichnung Ist  noch  erhalten*.    Der  Bau  kam  aber  leider  nicht  zur  Ausführung  und  wäre 


Buchkremer  a.  a.  0.,  Abb.  17. 


Abb.  99.  Aachen.  Originalzeichnung  von  J.  J.  Couven  für  das  Haus  Mantels  am  Annuntiatenbach  20.  Vgl.  Abb.  98. 


Abb.  100.  Aachen.  Kerstenscher  Pavillon  von  J.  J.  Couven;  heute  auf  dem  Lousberg.  Vgl.  Abb.  98. 

ein  noch  interessanteres  Werk  als  Haus  Wespien  geworden.  Es  war  breiter  in  der  Front, 
hatte  neun  Fensterachsen.  Die  fünf  mittleren  waren  als  Risalit  mit  einem  Giebel  behandelt, 
die  vier  seitlichen  über  dem  Erdgeschoß  mit  einer  Pilasterarchitektur  gegliedert.  Das  einzige, 
was  zur  Ausführung  gelangte,  war  das  Gartenhäuschen.  Es  ist  im  Jahre  1906  von  der  Stadt 
Aachen  erworben  und  in  den  Anlagen  auf  dem  Lousberg  aufgestellt  worden :  der  Kerstensche 
Pavillon,  genannt  nach  dem  letzten  Besitzer.  Man  mag  an  dem  reizvollen  Häuschen  er- 
kennen, was  Couven  für  die  Innenausstattung  des  Wohnhauses  vorgeschwebt  hat  (Abb.  100). 
Es  faßt  einen  Saal,  8  4,5  m  groß,  der  trotz  der  wieder  glänzenden  Ausstattung  einen  wohn- 
lichen, traulichen  Eindruck  macht.  In  der  Höhe  der  Fenster  an  der  Gartenseite  ist  der  Sockel 
mit  reicher  Holzverkleidung  getäfelt,  deren  Muster  auch  die  Schlagläden  schmücken.  Vor  den 
Fensterpfeilern  hängen  wieder  Rokoko- Konsoltischchen.  Darüber  sind  hohe  Spiegel  mit  einer 
bemalten  Supraporte  eingelassen.  An  der  gegenüberliegenden  Seite,  die  sich  einst  an  die 
Gartenmauer  anlegte,  unterbricht  ein  eleganter  Marmorkamin  mit  holzgeschnitztem  Aufsatz 
und  einem  allegorischen  Gemälde  die  Vertäfelung.  An  den  Schmalseiten  des  Pavillons  hegt 
die  Eingangstür  mit  reich  durchbrochenem,  geschnitztem  Oberlicht.  Zu  beiden  Seiten  sind 
zwei  kleinere  Türen  mit  Supraporten  angebracht.  Die  eine  öffnet  sich  in  einen  Wandschrank, 
die  andere  zur  Treppe,  die  in  das  Mansarden-  und  Kellergeschoß  leitet.    Aus  einer  Hohlkehle, 


112 


mit  Rokoko-Stuckrahmen  und  Ranken  geschmückt,  entwickelt  sich  die  flache  Decke.  Und 
auch  sie  hat  eine  allegorische  Darstellung  erhalten.  Die  hinenausstattung  ist  ganz  im 
Geschmack  des  Hauses  Wespien.  Aber  die  reichere  Linienführung  zeigt,  daß  die  Anlage 
jüngeren  Datums  ist.    Couven  entfernt  sich  immer  mehr  vom  Style  Regence  zum  Rokoko. 

Aus  dem  tiefer  gelegenen  Hof  zwischen  Haus  und  Garten  führt  eine  Treppe  mit  zwölf 
Stufen  in  das  Gartenhaus  hinauf.  Und  nach  dem  Hof  zu  schließt  eine  Brüstungsmauer  in 
derselben  Höhe  wie  der  Treppenaufgang  zum  Pavillon  den  Garten.  Ein  reiches  Gitterwerk 
läuft  über  diese  Brüstungsmauer  (Abb.98, 101).  Graziös  in  der  Zeichnung.  Der  Originalentwurf 
war  noch  reizvoller  mit  klarerer  Betonung  des  Torgitters  und  interessanterer  Gliederung  der 
Sockelmauer.  Auch  für  den  Pavillon  war  außen  eine  reichere  Gliederung  vorgesehen,  nach 
der  Gartenschmalseite  eine  von  zwei  Säulen  und  zwei  Pilastern  getragene  Vorhalle*.  Vor 
die  Brüstungsmauer  legt  sich  im  Hof  eine  bequeme  Doppeltreppe.  Vor  ihrer  oval  nach  vorn 
ausgebauten  Plattform  vor  dem  Torgitter  ist  zwischen  den  geschweift  ausladenden  Treppen- 
läufen ein  Brünnlein  angebracht  (Abb.  98).  Ein  dreipaßförmiges  Becken,  in  das  hinein  eine 
von  Ranken  umgebene  Maske  aus  der  Brüstung  der  Plattform  ihr  Wasser  plätschert**. 

In  Couvens  hinterlassenen  Zeichnungen  findet  sich  noch  eine  Fülle  interessanter  und 
eigenartiger  Gartenhausentwürfe  (Abb.  102 — 106).     An  Ort  und  Stelle  erhalten  ist  aber  nur 

*  Originalentwurf  der  Gesamtanlage  bei  Buchkremer  a.a.O.,  Abb. 21,  22,  24. 
**  Grundriß  der  Brunnen-  und  Treppenanlage  bei  Buchkremer  a.a.O.,  Abb.  23. 


Abb.  101 .  Aachen.  Gartengitter  vom  Kerstenschen  Pavillon  von  J.  J.  Couven;  heute  auf  dem  Lousberg.  Vgl.  Abb.  ' 


15 


i.  100 

113 


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Abb.  102.  Originalzeichnung  von  J.  J.  Couven  für  den 
Pavillon  in  Nuellens  Hotel  in  Aachen.   Vgl.  Abb.  106. 


Abb.  103.   Entwurf  für  einen  Gartenpavillon 
von  J.  J.  Couven. 


Abb.  104     Entwurf  für  einen  Gartenpavillon  von  J.  J.  Couven.  Vgl.  Abb.  105 


14 


Abb.  105.  Entwurf  für  einen  Gartenpavillon  von  J.  J.  Couven.  Vgl.  dazu 
Grundriß  Abb.  104. 


Abb.  106.  .ViJ.cn.  Garten  in  Nuellens  Hotel.  Vgl.  Abb.  102 


115 


noch  der  Pavillon  im  Garten  von  Nuellens  Hotel  am  heutigen  Friedrich -Wilhelm -Platz 
(Abb.  102  und  106).  In  der  äußeren  Gestalt  von  anmutig-reizvoller  Emzelgliederung  der 
abgerundeten  Eckverquaderung,  der  Profile,  Fensterrahmen  und  Fenstergiebel  und  der  reichen 
Kartusche  über  der  risalitartig  entwickelten  Eingangsachse.  Der  anstoßende  Hinterflügel  des 
Hauses,  das  Couven  für  den  Bürgermeister  Gerlach  Mauw  entworfen  hat,  öffnete  sich  ehemals 
in  offenen  Säulenstellungen  zum  Garten. 

Was  für  Münster  in  Westfalen  der  Stiftsadel,  das  waren  für  Aachen  die  Tuchfabnkanten- 
geschlcchter.  Und  was  ein  Johann  Joseph  Couven  und  sein  Sohn  Jacob  für  die  Loevenich, 
Grand  Ry,  Ludcwigs,  Wes])ien,  Klausener,  Görtz,  Fey,  Mauw,  Scheibler  u.  a.  geschaffen, 
bleibt  kaum  zurück  hinter  dem,  was  in  Münster  ein  Gottfried  Laurenz  Pictorius  und  vor 
allem  Johann  Conrad  Schlaun  für  die  glänzenden  Namen  der  Landsberg,  Beverförde,  Galen, 
Merveldt,  Ketteier,  Korff-Schmiesing  und  Droste-Vischering  errichtet  haben.  Couvens 
Tätigkeit  erstreckte  sich  weit  über  Aachen  hinaus.  Die  Freie  Reichsstadt  war  der  Vorort  der 
Industriestädte  Burtscheid,  Eupen,  Montjoie,  Malmedy  und  Verviers  geworden.  Im  Aachener 
Gewandhaus  kamen  die  Fabrikate  zusammen,  wurden  hier  geprüft  und,  wie  das  Reglement 
der  Aachener  Tuchhalle  vom  Jahre  1713  bestimmte,  alles  ,,was  ansonsten  anhero  zum  feilen 


SSEsaffii  'i  I 


Ahh   107.  Aaclien.  Vorgebäude  vom  Hause  Fey  im  Seilgraben.  \'gl.  Abb.  108 


116 


Verkauf  gebracht"*.  In  den  Aachener  Hauptstraßen  errichteten  die  Palrizierfamilien,  wie  in 
Münster  der  Stiftsadel,  Höfe,  Cours  d'honneur.  Im  Seilgraben  entstand  das  Haus  Fey  mit 
einem  Binnen-  und  Außenhof  (Abb.  108).  Das  schmale  Grundstück  erlaubte  es  nicht,  die 
äußeren  stark  verjüngten  Seitenflügel  bis  an  die  Straße  auszuziehen.  Couven  setzte  daher 
neben  das  Straßentor  schmucke  Pavillons  (Abb.  107).  Es  handelt  sich  auch  hier  nicht  um 
einen  völligen  Neubau.  Den  rechten  Flügel  hatte  bereits  im  Jahre  1640  der  Bürgermeister  von 
Oliva  aufführen  lassen.  Die  Oliva  haben  später  die  Besitzung  an  die  Grand  Ry  verkauft,  von 
denen  sie  Andreas  Ludewigs  und  Clara  Becker  im  Jahre  1740  erwarben.  Bald  darauf  baute 
Couven  das  Haus  aus.  Er  komponierte  gegenüber  dem  alten  Olivaflügel  einen  entsprechend 
schlichten  Seitentrakt.  Um  so  wirkungsvoller  woirde  in  dieser  anspruchslosen  Einfassung  der 
Mittelbau  mit  dem  prächtigen  Balkongitter  (Abb.  108).  Auch  die  Seitenfenster  neben  der 
Balkonachse  erhielten  reichere  Rahmen  und  das  Dachgeschoß  Mansarden.  Vasen  auf  Posta- 
menten  akzentuieren  die  Ecken  der ^ 

Grundrißanlage  der  beiden  Höfe, 
deren  Hauptreiz  in  dem  Reichtum 
der  perspektivischen  Wirkung  hegt. 
Die  Hauptachse  wird  in  den  Garten 
fortgeführt.  Der  Mitteltür  entspricht 
die  gleich  reich  im  Oberlicht  ausge- 
stattete Gartentür  (Abb.  112).  Eine 
bequeme  Treppe  führt  aus  dem  ge- 
pflasterten Hof  zu  der  ersten  Garten- 
terrasse. Und  eine  Brüstungsmauer 
schließt  auch  hier  wieder  den  dahinter 
gelegenen  Garten  ab,  in  den  hinauf 
vor  dem  Pfeilerportal  eine  Freitreppe 
führt.  Im  Innern  des  Hauses  ist  der 
Kamin  des  Hauptraumes  ausgezeichnet 
zu  der  stuckierten  Balkendecke  kom- 
poniert (Abb.  109).  Im  Mittelfeld 
thront  über  der  Feuerstelle  in  den 
Wolken  die  heilige  Familie.  Engels- 
köpfe leiten  geschickt  in  die  Hohl- 
kehlen der  Decke  über .  Die  Arbeit  wird 


*  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für 
Denkmalpflege  und  Heimatschutz  IV,  S.  7.  Ge- 
schichtliche Industriebauten  I.  Max  Schmid: 
„Aachen  und  d:e  benachbarten  Eifclstädte   . 


Abb.  108.  Aachen.  Haus  Fey  im  Seilgraben;  Hof  nach  der  Straße. 
Vgl.  Abb.  107,109,112. 


117 


18 


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119 


kaum  von  Couven  selbst  entworfen  worden  und  voraussichtlich  auf  einen  der  zahlreich  damals 
in  Aachen  und  übrigens  auch  sonst  in  den  Rheinlanden  tätigen  Italiener  zurückzuführen  sein. 
Die  Hofanlage  Haus  Heusch,  Jacobstraße  Nr.  35,  wird  ebenfalls  nur  einen  Couvenschen 
Umbau  darstellen  (Abb.  117,  118).  Das  Gelände  ist  relativ  breiter  als  bei  Haus  Fey.  Die 
Seitentrakte  können  daher  auch  breiter  und  bis  zur  Straße  entwickelt  werden.  Mauerzüge 
rahmen  wieder  das  Hofportal  ein.  Die  Hoffassaden  sind  schmucklos,  die  einzige  Dekoration 
ist  das  schöne  Balkongitter  über  dem  reicher  gegliederten  Eingang  (Abb.  118). 

Auch  in  dem  benachbarten  Eupen  hat  die  damals  aufblühende  Tuchindustrie  noch  eine 
Reihe  Denkmäler  der  führenden  Patriziergeschlechter  hinterlassen.  Das  stattlichste  ist  der 
Hof  der  Familie  Grand  Ry,   die  heutige  Kaiserliche  Post  (Abb.  111),   eine  dreiflügelige 

Backsteinanlage.  Sie  ist,  Gott  sei  Dank,  nicht 
nachträglich  verputzt  worden  und  in  der 
farbigen  Schönheit  der  exakten  Eckquade- 
rung,  der  hellen  Fensterrahmen  und  Profile 
noch  erhalten.  Es  ist  ein  Neubau  aus  einem 
Guß  und  gibt  daher  auch  eine  bessere  Vor- 
stellung von  Couvens  Hofkompositionen. 
Gut  ist  der  Übergang  vom  Hauptprofil  zum 
Mansardendach.  Bei  der  Umgestaltung  zum 
Postamt  im  Jahre  1889  konnte  die  Innen- 
einrichtung nicht  erhalten  werden.  Der 
Mittelbau  erhielt  eine  eingeschossige  Vor- 
halle vor  seiner  Front.  Dabei  fiel  natürlich 
das  Portal  mit  dem  schmiedeeisernen  Balkon. 
Der  Oberbau  blieb  außen  indessen  unver- 
ändert. Pilaster  rahmen  die  Mittelachse  ein 
und  tragen  den  vor  das  Mansardengeschoß 
gelegten  Giebel.  Von  großer  Schönheit  ist 
die  nach  der  Straße  den  Hof  abschließende 
geschweifte  Backsteinmauer  mit  Vasen  auf 
ihren  Hausteinpostamenten.  Der  Einfluß  des 
Frangois  Blondel  macht  sich  bemerkbar.  Die 
Linien  der  Grundrißanlage  werden  male- 
rischer. An  Stelle  der  Ecken  treten  Kurven. 
Die  an  das  Haus  Grand  Ry  anstoßenden 
Nebenbauten  faßten  einst  die  Fabrikräume 
,.       ,        ,,,  ,         I      r-  (.Abb.  111).     Auch  um  den  Hof  des  Hauses 

Vgl.  Abb.  109.  Wespien  in  Aachen  lagen  einst  die  Wespien- 


Abb.  112.    ,WlRn 


120 


sehen  Tuchfabriken.  Die  Famihc  Grand  Ry  besaß  aber  in  Eupen  noch  andere  Fabrikbauten, 
so  das  jetzt  der  Famihe  Mennicken  gehörige  Haus  Wirtplatz  Nr.  3  vom  Jahre  1744,  eine 
große  Hofanlage,  die  ebenfalls  von  Couven  stammt  und  1786  von  Wilhelm  Scheibler  in 
Montjoie  von  den  Grand  Ry  erworben  wurde,  1803  an  das  Haus  Bock  &  Koenen,  dann  an 
Jean  Fremery  überging*;  außerdem  am  Markt  das  Haus  Wild  mit  einer  im  Aufbau  wirkungs- 
vollen viergeschossigen  Dachanlage  für  das  Tuchlager**. 

Im  Jahre  1752  errichtete  Couven  für  die  Familie  Vercken  in  Eupen  ein  neues  Wohnhaus 
mit  anschließendem  Fabrikgebäude.  Im  19.  Jahrhundert  ging  es  an  die  Familien  Otzen  und 
Jeghers  über.  1856  kauften  es  die  Franziskanerinnen  und  bauten  auf  den  Fabrikflügel  em 
neues  Stockwerk  auf  (Abb.  1 14,  1 16).  Der  alte  Eingang  wurde  vermauert  und  an  seiner  Stelle 
eine  moderne  Statue  des  heiligen  Franz  in  eine  Nische  gestellt.  Sonst  ist  der  alte  Außenbau 
gut  erhalten  und  ein  glänzendes  Beispiel  für  das,  was  mit  dem  Wespienschen  Hause  zugrunde 
ging.  Das  Untergeschoß  ganz  in  Haustein,  die  beiden  oberen  Geschosse  in  Backstein,  in 
deren  Fläche  die  Hausteinfensterrahmen  lose  eingesetzt  sind.  Der  farbige  Gegensatz  hebt  das 
Hauptstockwerk,  das  jedem  Fenster  schöne  schmiedeeiserne  Brüstungsgitter  gegeben  hat,  günstig 
hervor.  Die  Mittelachse  wird  durch  die  Pilasterstellung  besonders  betont  und  oben  von  einem 
seltsam  kapriziösen  Giebel  geschlossen.  Das  Fenster  des  Hauptgeschosses  hat  über  seinem 
reichen  Oberlicht  einen  besonderen  Giebel  erhalten  und  hob  sich  einst  noch  besser  ab,  als  es 
das  breite  Balkongitter  mit  der  Jahreszahl  1752  schmückte.  Es  ist  das  Gitter,  das  heute  auf 
ebener  Erde  die  Statuennische  umgibt.  Von  sehr  schöner  Gliederung  ist  das  Hauptgesims 
und  seine  Verkröpfung  über  den  Kapitalen  der  Pilaster  und  die  Eckverquademng,  die  beim 
Hause  Wesplen  durch  den  Anstrich  ganz  wirkungslos  geworden  ist.  Das  Innere  zeigt  noch 
das  alte  geräumige  Treppenhaus  und  prachtvoll  stuckierte  Räume. 

Durch  die  schmiedeeiserne  Gittertür  mit  dem  oval  geschwungenen  oberen  Abschluß  gelangt 
man  in  den  Hof  der  Fabrik.  Pfeiler,  mit  breiter  Deckplatte  und  einer  Urne  geschmückt,  rahmen 
das  Gitter  ein  (Abb.  114).  Die  gleichen  Urnen  kehren  am  Eingang  zum  Hause  Vercken 
bei  Düren  wieder  (Abb.  1 13).  Die  Brücke  ladet  vor  dem  Tor  halbkreisförmig  zu  beiden  Seiten 
aus.  Dort,  wo  der  Bogen  die  Hofmauer  trifft,  ragt  je  ein  kleinerer  Pfeiler  auf,  ebenfalls  mit 
einer  Urne  geziert.  Es  entsteht  eine  Einfahrtskomposition  wie  beim  Hause  Grand  Ry  in  Eupen 
(Abb.  111).  Das  entgegenkommende,  elegante  Jahrhundert  des  Rokoko  bedarf  nicht  mehr  der 
abweisenden  Tore.  Die  am  Hause  Fey  und  Heusch  in  Aachen  werden  sicherlich  noch  von 
dem  älteren  Bau  stammen  und  nicht  von  dem  Couvenschen  Umbau  (Abb.  107,  117). 

Selbst  in  die  romantischen  Eifelstädte  rief  man  Couven  zu  neuen  Fabrikanlagen.  Er  mußte 
sich  hier  einer  anders  gearteten  heimischen  Bauweise  anpassen.  Das  Land  ist  arm  an  Sand 
zur  Mörtelbereitung  und  magerem  Ton  zur  Backsteinherstellung.    Die  Feuchtigkeit  der  Täler 

*  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  und  Heimatschutz  IV,  S.  13,  Abb.  4.  —  Clemen-Reiners 
a.a.O.,  Abb.  176  u.  177. 

**  Clemen-Reiners  a.  a.  0.,  Abb.  181. 

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verbüt  zudem  den  dünnwandigen  Backsteinbau.  Man  benutzte  den  heimischen  Bruchstein 
oder  noch  häufiger  das  Holz  der  reichen  Waldungen  (Abb.  123).  Wie  im  Bergischen  Lande 
bedeckte  man  die  Fachwerkbauten  mit  Schiefer  (Abb.  121,  124).  Couven  hat  in  Montjoie 
um  1750  für  Johann  Heinrich  Scheibler  ein  Wohn-  und  Fabrikgebäude  geschaffen.  Der 
Bauherr  starb  noch  vor  der  Vollendung.  Die  beiden  Söhne  teilten  sich  in  das  Haus,  das  nun 
zwei  Türen  und  zwei  getrennte  Treppenhäuser  erhielt  (Abb.  121,  125).  Die  eine  Hälfte  ist 
nach  dem  Signet  im  Oberlicht  das  ,,Haus  zum  Pelikan",  die  andere  das  ,,Haus  zum  goldenen 
Helm".  Neben  den  beiden  Wohnhäusern  faßt  das  großräumige  Doppelhaus  noch  Fabrik, 
Lager  und  Kontore.  Zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  war  das  Haus  wieder  in  einer  Hand. 
Das  Haus  zum  Pelikan  wurde  als  Fabrik,  das  Haus  zum  goldenen  Helm  als  Wohnhaus 
benutzt.  Hier  ist  der  große  Festsaal  mit  der  berühmten,  reich  geschnitzten  Treppe.  Im 
Treppengeländer  des  Pelikan  ist  in  einundzwanzig  Reliefs  die  Tuchfabrikation  dargestellt.  Viel- 
leicht war  demnach  dieser  Teil  des  Doppelhauses  von  Anfang  an  als  Geschäftshaus  gedacht. 

Welch  ein  Fabrikantenstolz  In  diesem  monumentalen  Bau,  der  an  drei  Straßen  aufragt! 
(Abb.  121 ,  125.)  Vor  allem  in  dem  mächtigen  vierstöckigen  Warenspeicher  des  Dachgeschosses, 
das  nach  allen  vier  Fronten  des  Hauses  über  dem  breiten  Hauptgesims  einen  eindrucksvollen 
großen  Giebel  gezeichnet  hat.  Die  wohlerhaltene  kleine  Sprossenteilung  der  Fenster  ist  ein 
glänzender  Maßstab  für  die  Größe  des  Hauses.  Wie  am  unteren  Niederrhein  bedingte  auch  hier 
die  feuchte  Witterung  den  Gebrauch  der  Schiebefenster.  Der  farbige  Effekt  ist  beim  Schiefer- 
haus im  Grunde  derselbe  wie  bei  dem  Backsteinbau.  Auf  dem  dunklen  Grunde  leuchten  die 
hellen  Fenster-  und  Türrahmen  mit  ihrem  reichen  Oberlicht  und  die  Eckverquaderung. 

Die  oben  schon  erwähnte  und  bereits  im  Jahre  1645  genannte  Tuchfabrik  „Zur  Krön" 
in  der  Hauptstraße  zu  Burtscheid  (Abb. 81  u.LAbb.283)  ging  1728  in  den  Besitz  der  Familie 
Loevenich  über.  Bei  dem  damaligen  Aufschwung  des  Aachener  Tuchhandels  war  die  alte 
Anlage  bald  zu  klein.  Hinter  dem  Hof  wurde  ein  Neubau  aufgeführt,  der  im  Jahre  1768  noch 
einen  wesentlichen  Ausbau  erfuhr.  Der  alte  Bau  war  nunmehr  ganz  vom  Fabrikbetrieb  ent- 
lastet. Der  Grundriß  in  Abb.  126  zeigt  die  einzelnen  Bauperioden.  Damit  die  Arbeiter  nicht 
mehr  die  Diele  des  alten  Hauses  zu  passieren  hatten,  legte  man  seitlich  durch  die  nördliche 
Fensterachse  einen  besonderen  Zugang  zur  Fabrik,  der  auch  hier  seitlich  weiter  in  den  zweiten 
Hof  führt,  wo  die  Tuchrahmen  ausgelegt  wurden.  Dahinter  der  Garten.  Bei  dem  abfallenden 
Gelände  der  Hauptstraße  läuft  dieser  Gang  in  den  Höfen  über  Terrassen.  Ebenso  bedingte 
das  abfallende  Gelände  die  Anlage  der  Freitreppe  im  ersten  Hof  und  der  Gartenterrasse  im 
zweiten.  Der  Verbindungsflügel  vom  alten  Bau  und  der  neuen  Fabrik,  gegenüber  dem  Lauf  gang 
im  vorderen  Hof,  sollte  die  Gesellschaftsräume  mit  dem  großen  Saal  fassen  und  erhielt  unter 
einem  kleinen,  anmutigen  Pavillon  neben  der  Freitreppe  der  Fabrikfront  einen  eigenen  Zugang 
aus  dem  Hof  wie  aus  der  Fabrik  (Abb.  128).  Das  Dach  des  Zwischenflügels  diente  als  Lager- 
raum. Heute  benutzt  man  indessen  den  ganzen  Seitenflügel  zu  Fabrikzwecken.  Aber  an  dem 
Schmuck  der  Räume  ist  die  einstige  Bestimmung  noch  zu  erkennen. 

128 


Abb.  125.   Montjoie.    Haus  Scheibler  von  J.  J.Couven.   Vgl.  Abb.  121. 


17 


129 


Abb.  126.  Aachen-Burtscheid.   Haus  „Die  Krön".  Vgl.  Abb.  128  und  1.  Abb.  283. 


130 


Die  beiden  Höfe  der  Fabrikanlage  sind  von  großer  malerischer  Schönheit,  vor  allem  der 
erste  mit  der  breit  ausladenden  Doppeltreppe,  dem  schmiedeeisernen  Gitter,  der  Gliederung 
der  Kellertür,  des  Fabrikeingangs,  des  Treppenpavillons  in  der  Ecke  und  des  seitlich  höher 
gelegenen  Lauf  ganges  (Abb.  1 28).  Ein  beschämendes  Musterbeispiel  für  das  1 9.  Jahrhundert,  dem 
der  Begriff  der  Kaserne,  der  Scheune  und  der  Fabrik  Dinge  außerhalb  des  baukünstlerischen 
Schaffens,  Aufgaben  des  „Bautechnikers"  waren.    Wenn  wir  heute  den  schönen  Hof  nicht 
gleich  als  Fabrikhof  ansprechen,  so  liegt  das  daran,  daß  wir  noch  immer  die  Architekturform 
auf  ihre  dekorativen  Äußerlichkeiten  beurteilen  und  nicht  aus  ihrer  aus  der  grundrißlichen 
Anlage  sich  ergebenden  Zweckmäßigkeit.     Und  lediglich  aus  Gründen  des  Zweckes  ergab 
sich  die  Anlage  des  Pavillons  und  der  Freitreppe.     Ein  höher  entwickelter  Geschmack  gab 
der  Sach-  und  Zweckform  die  schöne  äußere  Gestaltung  und  Gliederung,  brachte  die  einzelnen 
Teile,  Pavillon,  Zwischenbau  und  Fabrikfront,  in  wohlabgewogene  Verhältnisse.    Wie  wenig 
dabei  diese  Zeit  nötig  hatte,  um  sich  mit  Schönheit  zu  umgeben!  Das  18.  Jahrhundert  gab  der 
Treppe  die  bequeme,  einladende  Form,  den  Türen  ein  gefälliges,  schlichtes  Profil,  den  Ecken 
Hausteinquaderung,  dem  Türbogen  einen  einfachen  Schlußstein,  betonte  durch  Pilaster  den 
Zusammenhang  der  drei  Mittelachsen  mit  der  Treppe  —  das  war  alles!    Die  alten  Fabrik- 
anlagen werden  wie  das  Bürger-  und  Bauernhaus  immer  seltener.    Es  ist  an  der  Zeit,  diese 
Dinge  vor  ihrem  Verfall  und  Abbruch  als  vorbildliche  Grundriß-  und  Kompositionstypen 
zu  Scimmeln!! 

Es  würde  den  Rahmen  dieses  Buches  sprengen,  wollte  ich  aller  Bauten  gedenken,  die  Couven, 
Vater  und  Sohn,  und  die  zahlreichen  Mitarbeiter  in  und  um  Aachen  geschaffen  haben.  Man 
überschlage  nur  einmal  die  Aufstellung  seiner  und  seiner  Werkstatt  Tätigkeit  bei  Buchkremer*. 
Sie  führt  aus  Aachen  und  Burtscheid  nach  Cornelimünster,  Düsseldorf,  Eupen,  Eys  bei  Simpel- 
veld,  Geilenkirchen,  Gülpen  bei  Weylre,  Heinsberg,  Houthem  bei  Valkenburg,  Kirchrath  bei 
Herzogenrath,  Kohlscheid,  Lemiers  bei  Vaels,  Lüttich,  Maeseyck,  Montjoie,  Münsterbilsen, 
Neuß,  Niespert  bei  Eupen,  Schieiden,  Simpelveld,  Vaels,  Vaelsbruch,  Weiden,  Wickrath, 
Wlssem,  Würselen.    Damit  ist  vielleicht  die  Liste  noch  nicht  geschlossen. 

Es  seien  in  Aachen  nur  noch  wenige  Wohnhäuser  angeführt.  Im  Jahre  1749  baute  Couven 
für  Mathieu  Lognay,  den  Minister-Residenten  Friedrichs  des  Großen,  das  umfangreiche  Ge- 
bäude Alexanderstraße  36,  das  jetzige  Hotel  zur  kaiserlichen  Krone,  mit  prachtvollen 
Räumen  im  Mittelbau  nach  dem  Garten  zu.  Das  reizvolle  Eckhaus  am  Hühnermarkt  mit  dem 
doppelten  Dachgeschoß,  aber  leider  später  eingebauten  Läden  im  Untergeschoß,  wird  auch 
auf  den  Meister  oder  seine  Werkstatt  zurückzuführen  sein  (Abb.  115).  Dann  das  neben  der 
„Krön"  in  der  Hauptstraße  zu  Burtscheid  hinter  einem  Hof  an  der  Straße  gelegene  Haus 
Schumacher  (Abb.  122,  127).  Efeu  hat  die  Fassade  überwuchert,  und  gegen  den  dunkel- 
grünen Grund  leuchten  wieder  die  hellen  Fensterrahmen.  Es  ist  em  Umbau  eines  älteren 
Hauses  und  wird  im  Jahre  1735  „im  Bau"  erwähnt.    Sein  Hauptschmuck  ist  die  zweiarmige 

*  Alphabetisch  nach  Städten  und  Straßen  geordnet  bei  Buchkremer  a.  a.  0.,  S.  192—197 

131 


132 


Abb.  128.   Aachen -Burtscheid.   Erster  Hof  im  Haus  „Die  Krön".  Vgl.  Abb.  126. 


133 


Freitreppe  mit  dem  schönen  Geländer  und  der  Haustür  (Abb.  127).  An  der  Vorderseite  der 
Treppe  ist  zwischen  den  Läufen  wieder  em  Brünnlein  angebracht.  Die  Steinemfassung  der 
Tür  ist  architektonischer  komponiert  als  sonst  bei  Couvens  Bauten  und  hat  regelrechte  Pilaster- 
stellung  erhalten.  Der  Rahmen  der  reichgeschnitzten  Holztür  ist  ringsum  ornamentiert  und 
auch  die  Füllung  in  der  Mitte  durch  ein  reiches  Ornament  geschmückt.  Die  Hoftür  ist  ein- 
facher gehalten  (Abb.  1 19).  Statt  des  geschnitzten  Rahmenwerkes  ein  geschnörkeltes  Stabwerk 
wie  im  Oberlicht.  Eine  Zusammenstellung  von  Couvenschen  Türen  würde  eme  Mustersamm- 
lung von  Ornamentformen  vom  Stile  der  Regence  bis  zum  Klassizismus  ergeben.  Hier  sei 
nur  noch  das  reiche  Kirchenportal  in  der  Annastraße  genannt  (Abb.  120). 

Das  Innere  des  Hauses  Schumacher  hat  durch  den  Couvenschen  Ausbau  ebenfalls  eine 
neue  Ausstattung  erhalten  (Abb.  78,  129);  der  frühen  Zeit  entsprechend  noch  in  den  schlichten 
Formen  der  Regence  wie  bei  der  Innenausstattung  des  Aachener  Rathauses  (Abb.  75 — 77). 
über  der  Sockelholzverkleidung  ist  die  Wandtapete  von  Holzrahmen  eingefaßt.  Sehr  schön 
ist  der  Kamin  mit  dem  Aufbau  und  dem  Feuergitter  (Abb.  129).  Die  Fülle  der  auf  Couvens 
Entwürfe  zurückzuführenden  Möbelstücke  ist  gar  nicht  aufzuzählen.  Sie  gehen  allgemein  als 
„Lütticher  Aibeit",  Glas-  und  Eckschränke,  Sekretäre,  Standuhren,  Kamine,  Kleiderschränke 
usw.  Sie  finden  sich  in  der  ganzen  Aachener  Gegend  und  sind  gesuchte  Sammelstücke 
geworden.  Das  städtische  Museum  und  das  Rathaus  bewahren  noch  einige  ausgesuchte 
Exemplare,  ebenso  die  Privatsammlungen  Thome,  Vendel,  Wangemann  u.  a.  Teilweise  kamen 
wohl  Couvens  Mitarbeiter  aus  Lüttich,  wie  Hubert  Hyard,  der  den  Altar  in  der  Pfarrkirche 
zu  Eupen  gearbeitet  hat*,  Jacob  de  Reux,  Bartholomäus  Mignon,  Jean  Antoine 
Larmoyer  und  andere  Mitarbeiter  Couvens  am  Rathaus.  Aber  daneben  hatte  der  Meister 
seinen  Stamm  Aachener  Arbeiter,  Simon  Pirott,  Caspar  Gobels,  Servatius  Klever, 
Peter  Wolff  usw. 

Das  Bild  von  Couvens  vielseitigem  Schaffen  wäre  unvollständig,  wollte  man  nicht  m 
wenigen  Worten  seiner  kirchlichen  Bautätigkeit  gedenken,  seiner  Altäre,  Kanzeln,  Beicht- 
stühle usw.  in  St.  Peter  und  der  Kirche  des  Josephinischen  Institutes  und  der  Heiligen  Kreuz- 
kirche zu  Aachen,  den  Kirchen  zu  Eupen,  Vaels,  Richrath,  Würselen,  Cornelimünster  usw. 
Die  Betrachtung  dieser  Dinge  liegt  eigentlich  außerhalb  des  Rahmens  dieses  Buches.  Ich 
möchte  aber  dennoch  zwei  Kirchenschöpfungen  des  Aachener  Meisters  hier  nicht  übergehen : 
die  Kapelle  zu  Nispert  bei  Eupen  und  die  Ungarische  Kapelle  am  Münster  zu  Aachen. 

Der  Färbereibesitzer  Goertz  hat  im  Jahre  1748,  anschließend  an  sein  Wohnhaus  und  seine 
Fabrik  in  Nispert,  eine  Hauskapelle  errichten  lassen  (Abb.  130,  132).  Couven  soll  auch  das 
Wohnhaus  errichtet  haben**.  Die  Geschichte  ist  mir  nicht  ganz  klar;  ich  denke  mehr  an 
einen  Umbau,  denn  die  Kapelle  schneidet  mit  ihrem  Walmdach  recht  seltsam  in  das  anliegende 
Haus  ein.    In  der  Ausstattung  der  Innenräume  des  Wohnhauses,  den  Girlanden  und  den  mit 

*  Clemen-Reiners  a.a.O.,  Taf.VIII. 
**  Clemen-Reiners  a.  a.  0.,  S.  213.  —  Buchkremer  a.  a.  0.,  S.  136. 

134 


Putten  geschmückten  Medaillons  an  dem  schönen  Kaminaufbau,  den  Bildertapeten  über  der 
schlichten  Sockelholzverkleidung,  möchte  ich  mehr  die  Hand  des  jüngeren  Couven,  Jakob 
Couven,  vermuten  (Abb.  110). 

Die  Kapelle  ist  ein  rechteckiger  Bau  mit  anliegender  Chornische  und  im  Innern  durch 
Pilaster  gegliedert*.  Am  Altar  hängen  die  Wappen  der  Herren  Goertz  und  von  Wesplen.  Sie 
waren  Verwandte,  und  Herr  von 
Wesplen,  dessen  Wappen  auch 
an  verschiedenen  Stücken  der 
Innenausstattung  der  Kirche 
des  Josephlnischen  Institutes  in 
Aachen  glänzt,  hat  die  Kosten 
für  die  Fassade  der  Kapelle  in 
Nlspert  bestritten.  Die  Fassade 
ist  offenbar  Fragment  geblieben. 
Der  Originalentwurf**  sah  in 
den  Medaillons  zwischen  den 
Seitenpfeilern  Porträtreliefs  vor 
und  die  Pilaster  reicher  geglie- 
dert (Abb.  130).  Hoch  oben 
über  dem  Fenster  die  Wappen 
Goertz -Wespien.  Ebenso  sollte 
das  Portal  reicher  profiliert  sein. 
Vasen  sollten  den  Giebel  zieren 
und  eine  plastische  Gruppe  der 
Taufe  Christi  einrahmen.  Ein 
zweiter  Entwurf  dachte  sich  zu 
beiden  Selten  von  Portal  und 
Fenster  über  einem  kassettlerten 
Sockel  Doppelpilaster  und  Vasen 
auf  dem  Mansardendach  (Abb.  1 30). 

Im  selben  Jahre  der  Fertig- 
stellung der  Goertzschen  Kapelle 
In  Nlspert  schloß  Couven  mit 
dem  kaiserlichen  Generalfeld- 
wachtmeister Emmerich  Morocz 

*  Clemen-Reiners,  Abb.  170. 
**  Buchkremer  a.a.O..  Abb.  63.   — 
Dazu  Grundriß  Abb.  62.  Abb.  129.   .Aazhen- Burtscheid.   Haus  Schumacher.  Vgl.  Abb.  78,  119,  122,  127. 


135 


Abb.  130.   Originalentwurf  von  J.  J.  Couvcn  für  die  Kapelle  am 
Hause  Goertz  in  Nispert  bei  Eupen.  Vgl.  Abb.  132. 


136 


Abb.  131.  Originalentwurf  von   J.  J.  Couven  für  die  Ungarische 
Kapelle  am  Münster  zu  Aaclien.  Vgl.  Abb.  133. 


18 


137 


als  Vertreter  des  Grafen  von  Batthyany  einen  Vertrag  für  den  Neubau  der  Ungarischen 
Kapelle  am  Münster  zu  Aachen*.  Die  alte,  von  König  Ludwig  I.  von  Ungarn  im  Jahre 
1367  erbaute  Kapelle,  die  bei  den  alle  sieben  Jahre  stattfindenden  Pilgerzügen  der  Ungarn 
für  deren  besonderen  Gottesdienst  bestimmt  w^ar,  war  baufällig  geworden.  Die  Entwürfe  für 
Couvens  Neubau  sind  ebenfalls  noch  erhalten**  (Abb.  131).  Er  hatte  die  alten  Fundamente 
der  gotischen  Vorgängerin  beibehalten,  ein  Rechteck  mit  drei  Seiten  eines  Achtecks  als  Chor. 
Außen  war  der  Bau  in  den  anspruchslosen  Regencestilformen  gegliedert,  im  Innern  aber  reich 
ausgestattet.  Couven  hat  mit  der  Arbeit  Unglück  gehabt.  Die  massive  Steinkuppel  lastete 
zu  sehr  auf  den  dünnen  Wandungen,  so  daß  man  schon  1 755  gezwungen  war,  den  Bau  nieder- 
zulegen. Man  berief  den  Mailänder  Baumeister  Moretti  und  betraute  ihn  mit  einem  Neubau. 
Im  Jahre  1 767  fand  die  Einweihung  statt ;  es  handelt  sich  um  die  heute  noch  stehende  Kapelle, 
die  nunmehr,  da  ein  Erlaß  der  österreichischen  Regierung  schon  im  Jahre  1 776  den  Ungarn 
die  Pilgerreise  verboten  hatte,  als  Schatzkammer  dient.  Das  Innere  ist  kreisrund,  das  Äußere 
ein  Quadrat  mit  abgeschrägten  Ecken  (Abb.  133).  Doppelpilaster  auf  hohem  Sockel  rahmen 
die  Fenster  ein.  Über  dem  stark  verkröpften  Gesims  steigt  die  achtseitige  Kuppel  auf.  Das 
Wappen  von  Ungarn  schmückt  an  der  Hauptseite  den  Bau.    Es  ist  doch  recht  schade,  daß 

*  Vertrag  mitgeteilt  bei  Buchkremer  a.a.O.,  S.  197  bis  205. 
•*  Buchkremer  a.a.O.,  Abb.  64  bis  68. 


Abb.  132.   Nispert  bei  Eupen.   Haus  Goerlz  mit  Hauskapelle.  Vgl.  Abb.  130  und  110. 


138 


Couvens  Kapelle  wieder  beseitigt  werden  mußte.    Sie  paßte  sich  dem  Münster  und  dessen 
gotischem  Kapellenkranz  weit  besser  an. 

Couvens  reiche  Bautätigkeit  und  sorgfältige  Detailzeichnung  für  jedes  Stück  der  Aus- 
stattung, der  Möbel-,  Stuck-,  Stein-,  Holz-  und  Metallarbeiten,  bildeten  ein  künstlerisch  ge- 
hobenes Handwerk  heran.  Er  war  der  Lehrmeister  der  Aachener  Zünfte  geworden.  Der  Rat 
der  Freien  Reichsstadt  erkannte  schon  im  Jahre  1 739  seine  Verdienste  an,  ,,dass  derselbe  hiessigem 
publico  sowohl  als  denen  privatis,  in  specie  denen  zunften  mit  seiner  architecture  kunst  grossen 
beystand  leiste  und  mit  gutten  anweisungen  an  band  gehe".  Es  wird  ihm  daher  ,, einer  jähr- 
licher haussheuer  eine  jährliche  zulag  von  60  Rthlr.  courant  mit  dem  praedicat  als  stadt- 
architect  hochgunstig  gestattet".  Bald  darauf  wurde  er,  wie  einst  sein  Vater,  Sekretär  der 
Freien  Reichsstadt  und  war  in  allen  architektonischen  Fragen  der  ausschlaggebende  Ratgeber 
der  Stadt.  Die  Haupttätigkeit  in  dieser  Eigenschaft  war  die  Bebauung  der  Westseite  des  Chorus- 
platzes zwischen  Münsterturm  und  Marktplatzturm  des  Rathauses.  Ungefähr  in  der  Mitte 
stand  das  Haus  der  Hutmacherzunft.  Der  Rat  wollte  den  Bau  für  die  Festlichkeiten  des 
Gesandtenkongresses  als  Komödienhaus  umbauen  lassen.  Gleichzeitig  beschloß  man,  die 
anstoßend  gelegene  ,,Acht",  das  Gerichtshaus 
der  Schöffen,  an  jener  Stelle,  die  heute  den 
Klosterplatz  mit  dem  Chorusplatz  verbindet, 
neuzubauen .  Außerdem  entwarf  Couven  die 
zwischen  Münster  und  Acht  gelegenen  Häuser 
der  Stiftskapläne  und  zwischen  Komödien- 
haus und  Rathaus  den  schmäleren  und  zu- 
rücktretenden Verbindungstrakt  durch  den 
Marktturm  zum  Marktplatz  (Abb.  134,  135). 

Die  Abb.  134,  135  nach  Couvens  Origi- 
nalplänen erläutern  die  Anlage:  a  ist  der 
Gerichtssaal,  ist  neun  Meter  breit  und  nimmt 
die  ganze  Tiefe  der  Acht  ein  (zwölf  Meter). 
Im  Hintergrunde  führt  eine  Doppeltreppe  zur 
Tribüne  des  Vogtmajors  und  der  Schöffen. 
Der  Raum  b  führt  zu  den  angrenzenden 
Stiftshäusern  und  ist  vom  Chorusplatz  zu- 
gänglich ;  ebenso  das  Vestibül  d.  Durch  das 
Treppenhaus  im  Hintergrund  von  d  gelangt 
man  in  die  über  der  Acht  gelegenen  Räume, 
einen  Schulraum  und  Wohnungen,  und 
gegenüber  in  die  13,5  Meter  tiefe  Bühne  des      .,,   ,,,    .    ,       ,,      •   ■    t'     n        m--  mi     .. 

,  .  Abb.  133.  Aachen.  Ungansche  Kapelle  am  Munster,  von  Moretti. 

Komödienhauses,  für  die  Couvens  Entwurf  Vgl.  Abb.  131. 


139 


Abb.  134.  J.  J.Couven.    Originalentwurf  der  Fassade  der  ehemaligen  „Acht" 
auf  dem  Chorusplatz  zu  Aachen.  Vgl.  Grundriß  und  Schnitt  Abb.  135. 


Abb.  135.  J.  J.Couven.  Schnitt   und  Grundriß  der  ehemaligen  „Acht"  und  des   Theaters  auf  dem  Chorusplatz  zu  Aachen 

Vgl.  Fassade  der  „Acht"  Abb.  134. 


140 


auch  die  nach  dem  Hintergrund  sich  verjüngende  Aufstellung  der  Kulissen  angibt.  Es  folgt 
nach  dem  Rathaus  zu  der  etwa  18  Meter  tiefe  Zuschauerraum,  über  den  Sitzplätzen  des 
Parterres  und  den  beiden  von  Logen  eingefaßten  oberen  Rängen,  geschmückt  mit  Girlanden 
und  Kartuschen,  unterbricht  ein  offener  ovaler  Tambour  die  flache  Decke.  Schmale  Korridore 
laufen  um  den  Zuschauerraum,  zugänglich  aus  den  offenen  Hallen  im  Erdgeschoß  und  dem 
Treppenhaus  in  der  nordwestlichen  Ecke  des  Hauses.  Vom  Marktplatz  konnte  man  den 
Zuschauerraum  durch  den  Verbindungsgang  betreten;  und  da  der  Markt  höher  liegt  als 
das  Münster,  ohne  besondere  Treppenanlage.  Der  Unterschied  des  Geländes  von  Markt  und 
Chorusplatz  wurde  durch  die  offenen  Hallen  im  Erdgeschoß  des  Komödienhauses  ausgeglichen. 
Couvens  Pläne  für  das  Komödienhaus  mögen  uns  auch  eine  etwaige  Vorstellung  von  den 
übrigen  nicht  mehr  erhaltenen  Theateranlagen  —  ich  denke  dabei  hauptsächlich  an  die  kur- 
fürstliche Oper  in  Düsseldorf  —  vermitteln.  Sein  Aachener  Theater  faßte  etwa  560  Sitzplätze, 
wurde  1748  begonnen  und  war  im  Jahre  1751  vollendet. 

Die  Stiftshäuser  und  der  Verbindungsgang  zum  Marktplatz  waren  niedriger.  Die  Acht 
und  das  Komödienhaus  dazwischen  hatten  gemeinsames  Walmdach  und  mit  den  Seitenbauten 
durchlaufende  Profile.  Da  neben  dem  Eingang  in  die  Acht  noch  zwei  weitere  Zugänge,  zu  den 
Stiftshäusern  und  zum  Bühnenhaus,  geplant  waren,  hatte  Couven  hierhin  den  Hauptakzent 
der  Gesamtanlage  in  einer  repräsentativen  Fassade  vorgesehen  (Abb.  134)  und  die  Acht  mit 
ihren  drei  Achsen  neben  dem  Eingang  als  Risalit  mit  Eckverquaderung  und  Pilastern  gegliedert, 
über  diesen  Pilastern  rahmen  Bogen  mit  reicher  Schlußsteinverzierung  die  Fenster  ein,  die 
eigene  Brüstungsgitter  erhielten.  Das  wieder  höher  gezogene  Fenster  über  dem  Eingang 
schneidet  in  den  Giebel  ein.  Das  Hauptprofil  begleitet  sein  Bogenrund. —  Im  Jahre  1893  mußte 
die  ganze  Anlage  fallen.  Man  mußte  erstens  eine  Verbindung  zwischen  Chorus-  und  Kloster- 
platz schaffen,  und  dann  verlangte  das  Rathaus  nach  einem  Erweiterungsbau.  Schade  ist  es 
aber  doch  um  die  einheitliche  Gestaltung!  Haus  Cassalette,  Peterstraße  44,  mag  in  seinen 
Baudetails  die  Erinnerung  an  die  ehemalige  Gliederung  der  Acht  wachhalten  (Abb.  136). 

Die  Stelle  eines  Stadtbaumeisters  war  mit  repräsentativen  Verpflichtungen  verbunden. 
Kam  hoher  Besuch,  so  waren  die  beiden  Couven  die  Führer  durch  die  Sehenswürdigkeiten 
der  Stadt.  ,,Das  war  nach  altem  Gebrauch  das  Recht  und  Vortheil  für  den  zeitlichen  Bau- 
meister," liest  man  in  den  Aufzeichnungen  eines  Zeitgenossen,  ,,aber  die  damaligen,  welche 
sich  diesen  Vortheil  hätten  benutzen  sollen,  waren  nicht  gewant  genug,  mit  einem  Monarchen 
umzugehen  und  Fragen  von  Ursprung  und  Herkommen  beantworten  zu  können."*  Jacob 
Couven  hatte  sogar  einmal  Kaiser  Joseph  II.  durch  Aachen  führen  müssen  und  dafür  zur 
Erinnerung  von  ihm  eine  mit  Diamanten  besetzte  goldene  Uhr  und  eine  goldene  Kette  erhalten. 

Der  Besuch  der  Fürsten  und  fremdherrlichen  Gesandten  brachte  Couven  allerlei  wertvolle 
Verbindungen.  Der  Fürstbischof  Karl  Theodor  von  Lüttich  aus  dem  Hause  Bayern  ernannte 
ihn  zum  ,, Architekten  des  Fürstbischofs  von  Lüttich"  und  beauftragte  ihn  im  Jahre  1752 

•  Fürth  a.a.O.  III.  S.  552. 

141 


Abb.  136.  Aachen,  Peterstraße  44.   Haus  Cassalette  von  J.  J.  Couven. 


142 


mit  dem  Neubau  eines  Jagdschlosses  bei  Maeseyck.  Für  den  Kanzler  von  Lüttich,  den  Grafen 
Horlon,  entwarf  er  ein  Wohnhaus.  Unter  der  Herrschaft  der  Antoinette  Gräfin  von  Eltz- 
Kempenich,  Äbtissin  des  adeligen  Damenstiftes  Münsterbilsen  bei  Hasselt  und  Houthem  bei 
Valkenburg,  schuf  er  in  den  Jahren  1757  bis  1759  neue  stattliche  Abteigebäude.  Auch  Karl 
Theodor  von  der  Pfalz  war  im  Jahre  1747  längere  Zeit  in  Aachen.  Die  Begegnung  mit  Couven 
hatte  zur  Folge,  daß  der  Kurfürst  nach  seiner  Heimkehr  aus  Schwetzingen  am  26.  August  1 748 
den  Befehl  zum  Neubau  des  Jägerhofes  in  Düsseldorf  gab  und  den  Aachener  Stadtbaumeister 
mit  Plänen  betraute.  In  den  fünfziger  Jahren  verhandelt  man  über  verschiedene  Entwürfe. 
1763  ist  der  Neubau  vollendet.  Für  Karl  Theodors  Statthalter,  den  Grafen  Goltstein,  baut  er 
im  Jahre  1754  das  Stammschloß  Breill  bei  Geilenkirchen  aus;  für  dessen  Verwandten,  den 
Grafen  Quad  auf  Wickrath,  um  1760  einen  stattlichen  Schloßbau.  Wir  müssen  diese  Schloß- 
projekte im  Zusammenhang  behandeln. 

Für  den  Neubau  des  Jägerhofes  in  Düsseldorf  liegen  vier  Entwürfe  vor.  Der  erste,  vom 
Künstler  selbst  ,,premier  projet"  bezeichnet,  vom  Jahre  1751  (Abb.  138),  ist  auf  das  engste 
verwandt  mit  dem  Jagdschloß  des  Fürstbischofs  Karl  Theodor  von  Lüttich  in  Maeseyck 
(Abb.  137.  Die  Revolutionssoldaten  haben  diesen  Bau,  der  einst  auf  dem  Marktplatz  der  Stadt 
stand,  im  Jahre  1798  bis  auf  die  Fundamente  zerstört.)*  Couven  war  als  Mitarbeiter  für  den 
Neubau  zu  Düsseldorf  der  Ingenieurhauptmann  van  Dawen  beigegeben  worden**.  Man 
wird  van  Dawens  Mitarbeit  aber  lediglich  als  die  eines  technischen,  mit  den  gegebenen  ört- 
lichen Verhältnissen  vertrauten  Beamten  aufzufassen  haben,  der  Couven  bei  der  Aufstellung 
der  Situationspläne  und  der  Besprechung  des  Bauprogramms  behilflich  war.  Der  erste  Ent- 
wurf wurde  indessen  vom  Kurfürsten  „wegen  Kostspieligkeit  verworfen",  und  der  Oberbau- 
direktor Nicolas  de  Pigage  beauftragt,  neue  Pläne  anzufertigen.  Es  kann  sich  indessen  hier 
nicht  um  eigene  neue  Entwürfe  handeln,  sondern  lediglich  um  Abänderungsvorschläge,  denn 
die  späteren  Projekte  Couvens  sind  nichts  als  Variationen  des  ersten,  das  bereits  alle  grundriß- 
lichen Eigentümlichkelten  des  ausgeführten  Schlößchens  enthält  (Abb.  139 — 141).  Pigage,  der 
Baumeister  von  Mannhelm  und  Schwetzingen,  redet  eine  viel  gewähltere  Sprache  denn  Couven. 
Seine  Abänderungsvorschläge  für  den  Jägerhof  können  nur  unbedeutend  gewesen  sein. 

Der  zweite  Entwurf  Couvens,  eine  flüchtige  Überarbeitung  des  ersten,  sucht  dessen  zu 
kostspielige  Ausführung  zu  vereinfachen.     Der  Bau  wird  zweigeschossig,  nur  der  Mittelbau 

*  Jos.  Gielen:  „Quelques  notices  sur  la  ville  de  Maeseyck.  Annales  de  la  societe  d'archeologie  de  Bruxelles."  Vol.  VI  (1892). 
—  Couven  muß  auch  sonst  noch  in  Maeseyck  beschäftigt  worden  sein.  Unter  seinen  hinterlassenen  Zeichnungen  ist  ein  „Plan  von 
Maeseyck,  die  Gegend  an  die  Maaspfort  1752"  erhalten  (Buchkremer  a.a.O.,  S.  151).  Ich  kenne  die  Zeichnung  wie  die  Stadt 
Maeseyck  selbst  nicht,  kann  daher  nur  vermuten,  daß  der  Aachener  Baumeister  mit  einer  Stadtplanregulierung  beauftragt  war. 
Eine  andere  Couvensche  Zeichnung  gibt  die  genaue  Aufnahme  der  Umgebung  des  „Grand  Couvent  de  Maeseyck".  Couvens 
Tätigkeit  im  Dienste  Karl  Theodors  von  Lüttich  und  des  Lüttichschen  Kanzlers  Grafen  von  Horion  müßte  an  der  Hand  der  noch 
vorhandenen  Zeichnungen  noch  genauer  untersucht  werden.  Für  das  Schloß  in  Maeseyck  liegen  drei  verschiedene  Entwürfe 
vor,  für  das  Haus  des  Grafen  Horion  in  Lüttich  zwei  Zeichnungen.  Ob  das  Haus  des  Kanzlers  in  Lüttich  noch  steht,  kann  ich 
auch  nicht  angeben.  —  **  Jost:  „Die  Schnitzwerke  am  Marstall  des  Jägerhofes  zu  Düsseldorf".  Festgabe  des  Düsseldorfer 
Geschichtsvereins  1 895,  Anm.  1 . 

143 


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Abb.  137.  J.  J.  Couven.  Enlwurf  für  ein  Jagdschloß  in  Maeseyck  für 
Karl  Theodor.  Fürstbischof  von  Lüttich.  1752.  Vgl.  Abb.  138-144. 


Abb.  138.  J.J. Couven.  Erster  Entwurf  für  das  Schloß  Jägerhof  in  Düsseldorf.  1751 

Vgl.  Abb.  139-144 


144 


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Abb.  139.   J.  J.Couven.  Ausgeführter  Entwurf  für  Schloß  Jägerhof  in  Düsseldorf. 


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19 


145 


bleibt  dreigeschossig,  behält  auch  sein  Mansardendach,  während  der  übrige  Bau  sich  mit 
geradlinigen  Formen  begnügen  muß.  Die  vorspringenden  Eckrisalite  werden  vereinfacht.  Eme 
wesentliche  Änderung  des  GesamtentwTirfs  besteht  aber  darin,  daß  Couven  die  in  der  Nähe 
fließende  Dussel  an  der  Vorderfassade  des  Baues  vorbeileitet.  Eine  gewölbte  Brücke  führt 
über  den  Bach  in  das  Haus,  dessen  Mittelbau  im  Untergeschoß  als  freie  Durchfahrt  gedacht 
ist.  Damit  war  aber  auch  eine  wesentliche  Verschiebung  der  grundrißlichen  Anordnung  ver- 
knüpft. Ein  dritter  Entwurf  ist  die  nochmalige  Überarbeitung  des  zweiten.  Der  vierte  wurde 
ausgeführt.  Das  Projekt  der  Umlegung  des  Düsselbaches  ist  aufgegeben  worden,  der  Grundriß 
des  ersten  Entwurfs  wieder  aufgenommen  (Abb.  139,  140). 

Der  vorspringende  Mittelbau  ist  dreigeschossig,  sein  mit  dem  Allianzwappen  des  Kur- 
fürsten und  der  Kurfürstin  geschmücktes  Mansardendach  ragt  über  das  mit  Mansarden 
und  Dachluken  belebte  Walmdach  des  zweigeschossigen  Hauptbaues  hinaus.  Das  bedingt 
die  malerische  Silhouette  des  Hauses.  Die  Seitenrisalite,  die  auf  den  beanstandeten  zu  großen 
Vorsprung,  die  abgeschrägten  Ecken  und  den  eigenen  Fenster-  und  Flächenschmuck  vom 
ersten  Entwurf  (Abb.  137)  im  Interesse  des  Mittelbaues  verzichten  mußten,  haben  aber  wie 
dieser  besondere  Eckquaderung  und  ein  besonderes  Mansardendach  erhalten.  Das  Haupt- 
gesims wie  die  Dachprofile  laufen  auch  um  den  Mittelbau.  Vasen  zieren  die  Dachspitzen  der 
drei  Risalite.  Der  Mittelbau  sitzt  außerordentlich  glücklich  in  seinen  Verhältnissen  zwischen 
den  Eckrisaliten. 


Abb.  141.  Düsseldorf.  Schloß  Jägerhof  mit  den  neuen  Seitenflügeln  von  Schnitzler  vom  Jahre   1845. 


146 


Abb.  142.  J.  J.  Couven.   Entwurf  eines  Lustschlosses  für  Kurfürst  Karl  Theodor  von  der  Pfalz.    Für  Düsseldorf? 

Nach  altem  CouvenscKen  Rezept  haben  die  Fenster  des  ersten  Stockwerks  eigene  Formen 
erhalten.  Das  Mittelfenster  den  üblichen  schmiedeeisernen  Balkon,  dazu  noch  Pilaster- 
einrahmung.  Die  Gartenfassade  des  Mittelbaues  hat  statt  des  Allianzwappens  die  uns  aus 
den  übrigen  Couvenschen  Arbeiten  bekannte  Giebelform  (Abb.  143). 

Couven  hat  das  Thema  der  Fassade  und  des  Grundrisses  vom  Jägerhof  noch  verschiedent- 
lich variiert*.  Emer  der  erhaltenen  Entwürfe  ist  besonders  mteressant  (Abb.  142).  Aus  dem 
Allianzwappen  mit  dem  Kurhut,  an  derselben  Stelle  wie  am  Jägerhof,  könnte  man  schließen, 
daß  es  sich  wieder  um  ein  Projekt  für  Karl  Theodor  von  der  Pfalz  handelt.  „Projete  par 
J.  J.  Couven  Architect  selon  les  mesures  prescrits"  steht  unter  dem  Entwurf.  Also  kein 
Phantasieprojekt.  Die  Situation  für  den  Schloßbau  wird  ganz  genau  angegeben:  eine  fünfzig 
Meter  hohe  Anhöhe.  Die  Ähnlichkeit  mit  den  Entwürfen  für  den  Jägerhof  ist  derart  frappant, 
daß  man  hier  in  der  Tat  jenes  erste  Couvensche  Projekt  vermuten  könnte,  das  Karl  Theodor 
der  Kosten  wegen  ablehnen  mußte.  Man  könnte  aber  auch  an  einen  Entwurf  für  die  Resi- 
denz des  Statthalters  Grafen  Goltstein  denken.  Der  dreigeschossige  Bau  ist  flach  gedeckt. 
Statuen  und  Vasen  zieren  seine  Attika.  Hinter  dem  von  hegenden  Gestalten  eingerahmten 
Allianzwappen  des  Mittelbaues  steigt  über  einem  Unterbau  eine  Plattform  auf,  eingefaßt  von 
reichem  Gitterwerk;  auf  dieser  Plattform  dann  ein  achteckiger  Aufbau  in  Gestalt  einer  Laterne. 
Auf  seiner  Dachspitze  schwebt  eine  weibliche  Gestalt.  Zu  beiden  Seiten  des  Hauptbaues  sind 
niedrigere  Häuschen,  Stallungen,  Remisen,  Gärtner-  oder  Jägerhäuser.  In  ihrer  Mittelachse 
eine  Brunnenanlage,  seitlich  dazu  Statuen  in  Nischen. 

*  Vgl.  Abb.  69  bis  80  bei  Buchkremer  a.a.O. 


147 


Eine  Reihe  Zeichnungen  in  Couvens  Nachlaß  sind  ebenfalls  mit  Allianzwappen  und  Kur- 
hut geschmückt.  Es  hegt  nahe,  m  ihnen  wieder  Entwürfe  für  Karl  Theodor  von  der  Pfalz 
zu  vermuten.  Aber  da  weitere  Angaben  fehlen,  ist  es  nicht  einfach,  die  einzelnen  Bauaufgaben 
genauer  nachzuweisen.  Nur  wissen  wir,  daß  die  kurpfälzischen  Bauten  in  Heinsberg  auf  ihn 
zurückzuführen  sind.  Seine  Tätigkeit  im  Dienste  der  Familie  des  Statthalters  bezieht  sich  nur 
auf  Umbauten  auf  dem  Stammschloß  Brei  11  bei  Geilenkirchen  im  Jahre  1754*.  Inzwischen 
haben  spätere  Änderungen  Couvens  Spuren  wieder  verwischt.  Auf  dem  Wirtschaftshof  sind 
nur  noch  die  Portale  mit  den  Allianzwappen  Goltstein  - Schaesberg  und  Goltstein-Quad 
erhalten.  Weit  reicher  aber  war  das  einstige  Gartenportal,  die  kleinen  Gartenhäuschen  und 
Springbrunnen  in  dem  von  Couven  entworfenen  neuen  Garten. 

Auch  Couvens  große  Schloßanlage  für  den  Grafen  Quad  zu  Wickrath,  den  Schwager 
und  Vetter  des  Statthalters,  ist  nicht  mehr  erhalten**.  Graf  Otto  II.  hatte  1794  vor  den 
Franzosen  fliehen  müssen,  die  den  Bau  als  französisches  Staatseigentum  erklärten.  1816  wurde 
es  preußisches  Staatseigentum,  1818  dann  als  Kaserne  eingerichtet,  1859  wegen  Baufälligkeit 
abgetragen.  Nur  der  Schmuck  vor  der  Freitreppe  blieb  erhalten.  Bekleidete  Sphinxe  mit 
Panzer,  Löwenschweif,  Fruchtkörben  und  mit  niedlichen  Putten. 

Das  vierstöckige  Gebäude  ist  schematischer  entworfen  als  Couvens  Anlagen  in  Düsseldorf 
und  Maeseyck  und  entbehrt  auch  deren  reizvollere  Gliederung.  An  Stelle  der  malerischen 
Kurven  ist  die  stumpfe  Ecke  getreten,  an  Stelle  des  Walmdaches  das  Satteldach.  Nur  der 
Mittelbau  zeigt  noch  die  gebrochene  Dachform.  Sie  ist  bedingt  durch  den  prächtigen  Giebel- 
und  Wappenaufbau  und  die  Laterne  hoch  oben.  Buchkremers  Vermutung,  daß  Johann  Josefs 
Sohn  Jacob  auf  die  Gestaltung  des  Wickrather  Schlosses  wesentlichen  Einfluß  hatte,  mag 
schon  zutreffen. 

Die  Vorburg  ist  noch  erhalten  und  dient  als  Landesgestüt. 

Der  Jägerhof  zu  Düsseldorf  hat  später  zu  beiden  Seiten  der  Vorderfront  kleinere  Pavillons 
erhalten.  Es  entstand  ein  Vorhof,  den  ein  ausladendes  Gitter  abschloß.  Der  Stadtplan  vom 
Jahre  1809  und  eine  Aufnahme  des  Düsseldorfer  Architekten  C.  J.  Schnitzler  zeigen  den 
veränderten  Zustand  (Abb.  140).  Ich  weiß  nicht  genau,  wann  und  von  wem  die  beiden  Vor- 
bauten geschaffen  wurden.  Als  in  den  zwanziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  der  Jägerhof 
Residenz  eines  preußischen  Prinzen  wurde,  war  das  Lustschlößchen  für  eine  Hofhaltung  zu 
klein.  Schnitzler  baute  an  Stelle  der  seitlichen,  selbständigen  Pavillons  breite,  mit  dem  Haupt- 
hau verbundene  Flügel  (Abb.  141).  Der  Charakter  der  alten  Anlage  als  Lusthaus  war  damit 
verändert.  Aus  der  ,,Maison  de  plaisance"  war  ein  Chäteau  geworden.  Schnitzler  hatte  sich 
mit  dem  Ausbau  taktvoll  der  Couvenschen  Formensprache  angepaßt  und  untergeordnet.  Und 
die  Gesamtanlage  war,  abgesehen  von  dem  törichten  Rasenkotelett  und  dem  unschönen  Vorbau 


*  Abb.  38  bei  Biichkremer  a.a.O.  —  Vgl.  Giemen:  „Kunstdenkmäler  der  Kreise  Erkelenz  und  Gcllonkirchcn".  Bearbeitet 
von  Edmund  Renard.    Düsseldorf   1904.  S.  131   bis   135.    Lagcplan  Abb. 85. 

**  Clemcn:  „Kunstdenkmälcr  des  Kreises  Grevenbroich".    Düsseldorf   1897,  S.  73  bis  77. 

148 


vor  dein  Portal,  nicht  wirkungslos 
(Abb.  141).  Im  Jahre  1910  ging  der 
Jägerhof  aus  dem  Besitz  der  Krone 
Preußen  in  den  der  Stadt  Düsseldorf 
über.  Er  wurde  Wohnung  des  Ober- 
bürgermeisters. Der  Jahrzehnte  un- 
bewohnte und  auch  vernachlässigte 
Bau  mußte  für  moderne  Wohnbedürf- 
nisse umgestaltet  werden.  Man  ließ 
die  beiden  Schnitzlerschen  Seiten- 
bauten abtragen.  Ob  das  nötig  war, 
weiß  ich  nicht.  Ich  bin  über  die 
technischen  Voraussetzungen  nicht 
unterrichtet  .WilhelmKreis  entwarf 
das  neue  Gitter.  Hubert  Netzer 
schmückte  die  Steinpostamente  mit 
reizvollen  Putten.  Man  wollte  den 
einstigen  Zustand  wiedergewinnen. 
Aber  die  innere  Umgestaltung,  die  in 
keiner  Beziehung  mehr  zum  Außen- 
bau steht,  hat  den  eigentlichen  Kern, 
den  Charakter  von  Couvens  Jägerhof 
ganz  und  gar  geändert!  Der  alte  Mittelbau 
mit  dem  ovalen  Vestibül  und  der  dahinter 
gelegenen  rechteckigen  ,,Salle  ä  l'itahenne 
mit  ausgekurvten  Ecken  besteht  nicht  mehr. 
Garderobe  und  Toiletten  haben  den  ovalen 
Rahmen  des  Vestibüls  gesprengt.  Eine  neue 
Treppe  im  Gartensaal  hat  dessen  Raumver- 
hältnisse seltsam  verändert.  Ich  zeige  hier  den 
alten  Grundriß  (Abb.  144).  Man  wird  sich  mit 
dessen  klarer  Aufteilung  der  um  den  Mittel- 
bau sich  gruppierenden  Räume  im  heutigen 
Jägerhof  nicht  mehr  zurechtfinden.  Ich  will 
mdes  die  Schwierigkeit  nicht  leugnen,  die  einer 


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143.    Düsseldorf,    jägcrliof,  Rückansiclit;  heutiger  Zustand. 

Vgl.  Abb.  139-141. 


Abb.  144.    Düsseldorf.   Jägerhof;  ehemaliger  Grundriß. 
Vgl.  Abb.  139-141,  143. 


Umgestaltung  einer  ,,Maison  de  plaisance"  in  ein  modernen  Wohnbedürfnissen  angepaßtes 
Stadthaus  begegnet.  Aber  beim  Jägerhofe  hätte  nur  etwas  baugeschichtliche  Pietät  den 
Mittelbau  erhalten  müssen! 


149 


Abb.  145.   Schloß  Bcnratli.   Supraporte  aus  dem  runden  Gartensaal.   Vgl.  Abb.  162. 


Gleichzeitig,  während  Johann  Joseph  Couven  mit  dem  Bau  des  Jägerhofes  zu  Düsseldorf 
beschäftigt  war,  entstand  in  dem  benachbarten  Benrath  das  neue  Lustschloß.  Der  Jägerhof 
war  nicht  als  eigentliche  fürstliche  Residenz  bestimmt  gewesen,  nur  als  Lusthaus  für  Nach- 
mittagspartien und  als  Jagdhaus  für  den  Pempelforter  Wildpark.  Es  hat  Karl  Theodor  bei 
seinen  seltenen  Besuchen  am  Niederrhein  ein  wenig  für  die  glänzenden  Residenzen  in  der 
Pfalz,  für  Mannheim  und  Schwetzingen,  entschädigen  sollen.  Denn  die  alte  Grafenburg  in 
der  Stadt  auf  dem  Burgplatz  ohne  Park  und  irgendwelche  Grünanlage  hat  ihn  trotz  Nost- 
hofens  Ausbau  auf  die  Dauer  kaum  fesseln  können.  Die  anderen  niederrheinischen  Landes- 
burgen, Burg  an  der  Wupper,  Hambach  und  Bensberg,  lagen  zu  weit  ab.  Bensberg  mit  seiner 
barocken  Pracht  entsprach  bei  dem  Mangel  eines  größeren  Gartens  ebenfalls  zu  wenig  der 
neuen  Zeit  der  „fetes  champetres"  und  Schäferspiele,  die  in  behaglichen  Lusthäusern  ihrer 
Bequemlichkeit  lebte  und  sich  in  Gärten  erging.  Man  denke  an  Karl  Theodors  Park  in 
Schwetzingen!  Am  meisten  mag  noch  das  Schloß  Philipp  Wilhelms  zu  Benrath  den  Kurfürsten 
angezogen  haben,  aber  dieses  war  inzwischen  baufällig  geworden.  Nosthofen  hat  im  Jahre  1753 
einen  Plan  für  eine  Instandsetzung  entwerfen  müssen.  Zwei  Jahre  später  entschloß  sich  Karl 
Theodor  zu  einem  Neubau.  Er  war  als  Witwensitz  der  Kurfürstin  gedacht.  Aber  sie  starb 
vor  ihrem  Gemahl. 

Ein  günstiges  Geschick  hat  dafür  gesorgt,  daß  das  Lustschloß  zu  Benrath  nicht  dem 
üblichen  Schicksal  der  rheinischen  Landesschlösser  im  19.  Jahrhundert  verfiel,  weder  Straf- 
anstalt noch  Kaserne  oder  Verwaltungsgebäude  wurde.  Das  für  Düsseldorf  verhängnisvolle 
Jahr  1794,  dem  die  alte  Burg  zum  Opfer  fiel,  ist  an  Benrath  vorübergegangen.  Im  folgenden 
Jahrhundert  war  es  von  Zeit  zu  Zeit  bewohnt.  Von  1804  bis  1806  residierte  hier  der  Statt- 
halter für  Jülich  und  Berg,  Herzog  Wilhelm  von  Bayern;  von  1806  bis  1808  Joachim  Murat, 

150 


der  Großherzog  von  Berg.  Im  Jahre  1811  hat  das  Schloß  Napoleon  und  Maria  Luise  zu  vorüber- 
gehendem Besuch  aufgenommen,  später  Friedrich  Wilhelm  IV.  von  Preußen.  Von  1821  bis 
1848  war  es  von  Zeit  zu  Zeit  der  Sommeraufenthalt  des  im  Düsseldorfer  Jägerhofe  residierenden 
Prinzen  Friedrich  von  Preußen,  von  1842  bis  1870  des  ebenfalls  dort  wohnenden  Fürsten  Anton 
von  Hohenzollern.  Während  der  rheinischen  Kaisermanöver  in  den  Jahren  1877  und  1884 
hat  Wilhelm  der  Große  in  Benrath  Quartier  genommen.  Der  Aufenthalt  dieser  fürstlichen 
Bewohner  ist  aber  ohne  irgend  nennenswerte  Änderung  für  das  Schloß  geblieben.  Im  Jahre 
1911  ging  es  in  den  Besitz  der  Gemeinde  Benrath  über,  die  den  Bau  pietätvollst  pflegt*. 
Der  Baumeister  von  Benrath  war  Nicolas  de  Pigage  (1723 — 1796).  Er  wird  als  „Inten- 
dant über  die  Garten-  und  Wasserkünste"  ungefähr  um  dieselbe  Zeit  wie  Couven  in  die  Dienste 
Karl  Theodors  getreten  sein:  um  1748.  Im  Jahre  1752  ernannte  ihn  das  Vertrauen  seines 
Landesherrn  zum  ,, Ersten  Architekten  und  Generaldirektor  der  Gebäude  und  Gärten  des 

*  Julius  Michael:  Das  Schloß  zu  Benrath  am  Rhein.  Deutsche  Bauzeitung  XLVI.  1912.  —  Edmund  Renard:  Das  Neue 
Schloß  zu  Benrath.  Jahresgabe  des  Deutschen  Vereins  für  Kunstwissenschaft.  Insel-Verlag  Leipzig  1913.  Eme  kluge  und  glänzend 
ausgestattete  .Arbeit.    Dort  ausführliche  Literaturangabe  über  den  Baumeister,  seme  Mitarbeiter  und  die  Geschichte  des  Bauwerks. 


Abb.  146.   Schloß  Benrath;  Seitenansicht.   Vgl.  Abb.  147. 


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Abb.  149.   Schloß  Benrath;  Gartenfront.    Nach  eniem  Gemälde  von  Heinrich  Hermanns.    Vgl.  Abb.  14Ö. 


Abb.  130.  Schloß  Benrath;  Grundriß  des  Erdgeschosses.   Vgl.  Abb.  132. 


154 


Kurfürsten  Karl  Theodor".  Er  war  Mitglied  der  Pariser  und  der  San-Luca-Akademie  zu  Rom 
und  kam  aus  dem  mteressanten  Künstlerkreis,  den  Herzog  Leopold  I.  von  Lothringen 
(1679 — 1729)  und  dessen  zweiter  Nachfolger  Stanislaus  Leszmsky  (1736 — 1766)  m  Lüneville 
und  Nanzig,  den  beiden  lothringischen  Landeshauptstädten,  um  sich  gezogen  hatten.  Lothringen 
war  unter  Leopold  L  schon  vollständig  französiert.  Wenn  seine  Hofbaumeister  nicht  aus  Paris 
kamen,  so  schielten  sie  doch  stets  nach  der  französischen  Hauptstadt  hinüber*.  Jules  Hardouin- 
Mansart  entwarf  im  Jahre  1702  für  Lüneville  und  Nanzig  Schloßprojekte.  Sein  Schüler  Ger- 
main Boffrand  (1667 — 1754)  war  am  Hofe  Leopolds  der  führende  Architekt  und  baute  das 
nicht  mehr  vorhandene  Palais  in  Nanzig  (1717),  das  Palais  Cräon  ebendort,  Schloß  Malgrange, 
das  Schloß  und  die  Kirche  St.  Jacques  in  Lüneville  (1702 — 1706),  dann  in  den  Vogesen  sein 
eigenes  Schloß  Thuillieres.  Emmanuel  Here  (1705 — 1763)  hat  unter  Stanislaus  Leszmsky 
das  neue  Nanzig  geschaffen.  Anselm  Pigage  war  ebenfalls  lothringischer  Hofbaumeister  und 
wohnte,  als  ihm  im  Jahre  1723  sein  Sohn  Nicolas  geboren  wurde,  in  Lüneville.  über  seine 
baukünstlensche  Tätigkeit  wissen  wir  weiter  nichts.  Er  wie  Here  werden  Nicolas  die  ersten 
baukünstlenschen  Anregungen  gegeben  haben.  Später  wandte  er  sich  nach  Paris.  Was  ihn 
dort,  abgesehen  von  der  reichen  architektonischen  Tätigkeit  an  den  Höfen  der  Prinzen  könig- 
lichen Geblüts  und  des  Adels,  studienhalber  angelockt  haben  mag,  war  die  Schule  von  Jacques 
Fran^ois  Blondel  (1705 — 1774).  Es  war  eine  Privatschule,  doch  wenn  man  will,  auch  die  erste 
Technische  Hochschule.  Ihr  Einfluß  reichte  weit  über  die  Grenzen  Frankreichs  hinaus  und 
ist  für  die  bauliche  Entwicklung  in  Deutschland  von  größter  Wichtigkeit  gewesen.  Frangois 
Cuvilhes  der  Jüngere,  Simon  Louis  Du  Ry,  Karl  von  Gontard,  A.  F.  von  Kesslau,  C.  A.  von 
Lespilliez,  Heinrich  Roth,  Vallenan  Funck  und  viele  andere  Baumeister  waren  einst  Blondeis 
Schüler.  Andere,  die  nicht  seine  unmittelbaren  Schüler  gewesen,  gerieten  dennoch  bald 
unter  seinen  Einfluß.  So  Johann  Joseph  Couven  in  Aachen  und  Johann  Konrad  Schlaun 
in  Münster  i.  W.  durch  die  kunstschriftstellerische  Tätigkeit  des  französischen  Meisters**. 
Couvens  Haus  Wespien  in  Aachen  war  im  Grundriß  noch  ohne  eigentlichen  Witz***.  In 
den  späteren  Bauten,  den  Häusern  Fey  in  Aachen,  Vercken  und  Grand  Ry  in  Eupen,  lernen 
wir  indessen  den  geistreichen  Grundrißler  kennen,  der  sich  an  französischen  Vorbildern 
geschult  hat.  Sein  Düsseldorfer  Jägerschloß  ist  die  erste  ,,Maison  de  plaisance"  mit  dem 
ovalen  Vestibül  und  dem  Gartensaal,  um  die  sich  symmetrisch  die  anderen  Räume  gruppieren 
(Abb.  144).  Pigage  hat  diesem  durch  Blondel  und  seinen  Kreis  verbreiteten  Haustyp  in  Benrath 
m  einer  überaus  genialen  Raumausnutzung  die  interessanteste  Grundrißlösung  auf  deutschem 
Boden  gegeben^ . 


*  Cornelius  Gurlitt:  , .Geschichte  des  Barockstils,  des  Rokoko  und  des  Klassizismus  in  Belgien,  Holland,  Frankreich  und 
England."    Stuttgart.    1888.   S.  266  bis  274. 

**  ,,De  la  distnbution  des  maisons  de  plaisance."    1737  u.  1738.  —  ,,Architecture  fran<;oise."     1750  bis  1754.  —  ,, Discours 
de  la  necessite  de  l'etude  de  l'architecture."   1754.  —   „Cours  de  l'architecture."     1771    bis  1777. 
***  Schmid:  „Haus  Wespien".     Abb.  1. 

t  Vgl.  die  verschiedenen  Vorprojekte  bei  Renard  a.  a.  0.,  Abb.  17  bis  21. 

155 


Das  bescheidene  Häuschen  am  Weiher  im  Park  ist  der  entzückendste  Betrug,  den  man 
sich  denken  kann  (Abb.  146  168),  denn  wieviel  Räume  sein  Inneres  birgt,  wird  kaum  jemand 
ahnen  können,  der  zum  erstenmal  das  Schloß  aufsucht.  Man  rechne  einmal  aus :  Jede  Fenster- 
achse an  den  beiden  Langseiten,  vom  Vestibül  und  Gartensaal  des  an  der  Vorder-  wie  an  der 
Gartenfront  vorspringenden  Mittelbaus  abgesehen,  denn  die  fassen  je  drei  Fensterachsen, 
wird  einem  Zimmer  entsprechen.  Dazu  kommt  an  den  Schmalseiten  noch  ein  besonderer 
Raum;  macht  im  Erdgeschoß  16  Zimmer.  Im  Dachgeschoß  wird  man  wohl  zwei  Räume 
mehr  ausrechnen  können.  Im  ganzen  also  etwa  fünfundzwanzig.  In  Wirklichkeit  faßt  der  Bau 
neben  sieben  Treppen  und  den  Korridoren  an  achtzig  Zimmer!  Er  ist  nur  nach  der  Garten- 
seite zweigeschossig  (Abb.  156);  im  Mittelbau,  vom  runden  Gartensaal  abgesehen,  dreistöckig 
(Abb.  155);  die  Fensterachsen  der  Räume  II  und  12  in  Abb.  150  sind  vierstöckig.  Neben 
dem  Vestibül  (Abb.  150,  Nr.  1)  liegen  vor  dem  runden  Gartensaal  (Nr.  3)  zwei  Binnenhöfe 
(Nr.  2),  um  die  sich  der  Bau  ebenfalls  in  vier  Geschossen  aufbaut  (Abb.  153).  Die  ver- 
schiedenen Schnitte  (Abb.  153 — 156)  mögen  die  seltsame  Anlage  illustrieren.  Aber  ganz  klar 
wird  einem  erst  der  Bauorganismus,  wenn  man  stundenlang  in  ihm  treppauf,  treppab  herum- 
gewandert ist.  Ein  erster  Besuch  verwirrt  aber  selbst  den  erfahrensten  Grundrißler.  Man 
mag  diese  komplizierte  Anlage  in  ihrer  äußersten  Raumausnutzung  fast  als  Künstelei,  als 
Spielerei  ansprechen,   wenn  sie  nicht  rein  praktischen  Erwägungen  ihre  Gestalt  verdankte. 

Das  Schloß  war  für  den  Sommeraufenthalt  eines  fürstlichen  Paares  mit  kleinem  Gefolge 
und  Dienerschaft  für  die  nächste  Aufwartung  gedacht.  Daher  die  rein  symmetrische  Aufteilung 
im  Grundriß.  In  den  beiden  Winkeln  der  gemeinsamen  Repräsentationsräume,  d.  h.  zwischen 
dem  Vestibül  (Nr.  1),  dem  Gartensaal  (Nr.  3)  und  den  beiden  Audienz-  oder  Gesellschafts- 
sälen (Nr.  4),  auf  der  einen  Seite  das  Quartier  des  Fürsten,  auf  der  anderen  das  der  Fürstin 
(Nr.  5 — 10).  Aus  den  beiden  Sälen  (Nr.  4)  zu  Seiten  des  runden  Gartensaales  gelangt  man 
in  die  Schlafgemächer  (Nr.  5)  und  in  das  nach  der  Eingangsfront  gelegene  Wohnzimmer 
(Nr.  10).  Alle  diese  Räume  sind  gleich  hoch  und  entsprechen  den  äußeren  Fensterrahmen 
des  Erdgeschosses  (Abb.  149,  151).  Nur  der  Gartensaal  schneidet  mit  seiner  gewölbten 
Kassettendecke  in  den  Dachstuhl  ein.  Ein  Belvedere,  ein  laternenartiger,  mit  ovalen  Fenstern 
geschmückter  Aufbau  mit  einer  Plattform,  ragt  noch  über  das  Dach  hinaus  (Abb.  148,  149, 
154  —  156).  Alle  anderen  Räume  im  Erdgeschoß  sind  niedriger  angelegt.  Die  Räume  1 1  und  12 
reichen  in  der  Höhe  nur  bis  zu  zwei  Drittel  der  Fensteröffnung,  während  das  obere  Drittel 
ein  Zwischengeschoß  beleuchten  muß.  Die  Anlage  dieser  Räume  entspricht  genau  denjenigen, 
die  sich  um  die  beiden  Lichthöfe  (Nr.  2)  lagern,  den  Räumen  6-9  und  den  korrespondierenden 
Zwischengeschoßräumen  (Abb.  153). 

Nach  dem  Binnenhof  öffnet  das  Schlafgemach  sich  in  ein  ,,chambre  d'alcove"  oder  ,,chambre 
de  lit"  (Nr.  6).  Die  ,,ruelles"  zu  beiden  Seiten,  die  Nebengemächer,  sind  zu  ovalen  Kabinetten 
ausgebildet  (Nr.  7).  Das  eine  führt  in  das  Toilettenzimmer  mit  anschließendem  Abortraum 
(Nr.  9),  das  andere  zum  Badezimmer  (Nr.  8).    Die  Zugänge  zu  den  ovalen  Kabinetten  (Nr.  7) 

156 


Abb.  131.    Schloß  Benrath;  Vorderansicht.    Nach  einem  Gemälde  von  Hemnch  Hermanns.    \  gl.  .Abb.  147  und  168. 


Abb.  152.   Schloß  Benralh;  Grundriß  dos  Obergeschosses.    Vgl.  Abb.  130. 


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und  ihren  Nebenräumen  aus  dem  Schlafgemach  (Nr.  5)  smd  Geheimtüren,  damit  die  ge- 
schlossene Raumwirkung  des  Schlafgemachs  nicht  gestört  wird  (Abb.  159).  Nr.  11  ist  das 
Zimmer  des  Kammerdieners  bzw.  der  Kammerfrau.  In  dem  Mauerstück  zwischen  dem  ovalen 
Seitenkabinett  (Nr.  7)  und  dem  Wohnzimmer  (Nr.  10)  führt  eine  Treppe  aus  dem  Kammer- 
dienerzimmer  in  die  über  den  Räumen  1 1  und  6 — 9  in  einem  Zwischenbau  um  den  Lichthof 
angebrachten  Dienstbotenräume  und  ein  Korridor  in  das  Toilettezimmer  (Nr.  9).  Die  Diener- 
schaft hatte  also,  ohne  die  Herrschaftsräume  und  das  herrschaftliche  Treppenhaus  benutzen 
zu  müssen,  eigene  Verkehrsmögiichkeit  zur  Bedienung  des  fürstlichen  Paares.  Ihre  Räume 
liegen  ganz  verborgen.  Für  die  Entresolzimmer  der  Vorderfront  war  in  dem  Mauerstück 
zwischen  Vestibül  (Nr.  1)  und  dem  Vorzimmer  (Nr.  12)  auf  dem  linken  Flügel  noch  eine 
Geheimtreppe  angebracht,  der  auf  dem  anderen  Flügel  in  halber  Höhe  des  Haupttreppenhauses 
ebenfalls  ein  verborgener  Zugang  entsprach.  Wandschränke  in  den  gegenüber  oder  seitlich 
hegenden  Ecken  der  Treppenzugänge  tragen  noch  besonders  zur  Täuschung  des  fremden 
Besuchers  über  den  Reichtum  der  Raumausnutzung  bei*. 

Das  herrschaftliche  Treppenhaus  (Nr.  13)  führt  in  das  Mansardengeschoß  (Abb.  65). 
über  dem  vorderen  Teil  des  Vestibüls  liegt  die  Kapelle  (Nr.  14).  über  den  fürstlichen  Schlaf- 
gemächern (Nr.  5)  hegen  Gesellschaftsräume  für  das  Gefolge  (Nr.  1 5).  Dazwischen  vier  Quartiere 
für  Kammerherren  und  Hofdamen,  bestehend  je  aus  einem  Wohnraum  (Nr.  16),  einem  Schlaf- 
zimmer (Nr.  1 7)  und  einem  Kabi- 
nett (Nr.  18).  Man  ist  auch  hier 
über  die  Raumausnutzung  und 
die  bequemen  Verbindungsmög- 
lichkeiten für  die  Bedienung  über- 
rascht. Der  Raum  Nr.  19  ist  für 
die  Dienerschaft,  und  von  hier 
aus  führen  neben  dem  Alkoven 
Gänge  in  die  Schlafzimmer, 
dann  Treppen  hinunter  in  das 
Zwischengeschoß,  ferner  ein  Gang 

*  Es  ist  recht  schade,  daß  das  vortreffhchc 
Werk  von  Renard  nicht  einen  Grundriß  der 
Zwischengeschosse  bringt.  Sehr  zweckmäßig 
wäre  es  auch  gewesen,  wenn  man  neben  dem 
Hauptlängenschnitt  (Abb.  133)  noch  eine  Fülle 
anderer  gegeben  und  diese  zum  Autklappen 
übereinander  gelegt  hätte,  d.  h.  ähnlich  jenen 
anatomischen  Darstellungen,  bei  denen  man 
zuerst  die  Epidermis,  dann  die  Muskeln  und 
Gewebe  bis  auf  den  Brustkorb  und  bis  auf 
die  Wirbelsäule  und  Schulterblätter  aiif- 
Abb.  157.   Schloß  Benrath.   Ovales  Kabinelt  Nr.  7  im  Grundriß  Abb.  150.  klappen  kann. 


160 


zu  den  nach  der  Vorderfront  gelegenen  Räumen  und  dem  Gesellschaftssaal  (Nr.  15).  Die 
Haupttreppe  bleibt  also  auch  hier  für  die  Kammerherren  und  Hofdamen  reserviert.  Zwischen 
den  beiden  Lichthöfen  sind  vor  der  Gartensaalkuppel  weitere  Dienerzimmer  angebracht  mit 
einem  Korridor  zu  den  Geheimtreppen  und  einem  Treppenzugang  zum  Belvedere. 

Die  Kriegsjahre  von  1 757  und  1 758  hatten  den  ruhigen  Fortgang  des  Ausbaues  am  Ben- 
rather Schloß  unterbrochen.  Arbeiten  in  Mannheim  und  Schwetzingen  und  Studienreisen 
nach  Frankreich  und  Italien  riefen  zudem  den  Baumeister  oft  von  seinem  Werk  zu  Benrath 
fort,  so  daß  der  Ausbau  des  Schlosses  volle  zwanzig  Jahre  in  Anspruch  nahm.  Inzwischen 
hatte  sich  der  Geschmack  der  Zeit  gewandelt.  Der  Innenausbau  zeigt  deutlichst  diese  Änderung. 
Schloß  Benrath  ist,  wie  Robert  Dohme  einmal  meint,  „ein  für  die  Entwicklungsgeschichte 
besonders  wichtiger  Bau,  weil  sich  in  ihm  die  ersten  Regungen  der  Wandlung  des  Geschmacks 
in  Deutschland  zeigen.  Die  innere  Ausstattung  ist  ein  ungemein  graziöses  Zwischenglied 
zwischen  Rokoko  und  Klassizismus"*. 

Als  Pigage  um  1760  die  Ausstattung  der  beiden  Langsäle  (Abb.  161)  mit  den  anschließenden 
Schlaf gemächern  (Abb.  159)  entwarf,  begannen  für  das  in  Frankreich  schon  ausgelebte  Rokoko 
in  Deutschland  durch  den  eindringenden  jugendlicheren  Klassizismus  schwere  Nachhut- 
gefechte; und  wenige  Jahre  später  liegt  die  liebenswürdigste  aller  Stilformen  in  ihren  letzten 
Zügen.  Wohl  ist  in  den  Benrather  Räumen  noch  die  breite  Hohlkehle  des  sterbenden  Stiles 
bei  den  Decken  beibehalten  wor- 
den und  die  Tür  von  Blenden 
mit  Hohlkehlen  und  Goldrahmen 
eingefaßt.  Auch  der  Farbton  der 
Räume  atmet  noch  Rokoko.  In 
den  beiden  Sälen  ein  Mattrosa, 
zu  welchem  das  Deckengemälde 
von  Lambert  Krähe  (1712  bis 
1790)  wirkungsvoll  abgestimmt 
ist.  In  dem  einen  Saal,  in  drei 
Rundfelder  aufgeteilt,  Zeus  und 
Athena,  auf  Wolken  thronend, 
als  Beschützer  der  Landwirt- 
schaft und  des  Gartenbaues, 
umgeben  von  Putten**;  in  dem 
anderen  Apollo  mit  den  Musen 


*  Dohme:  „Geschichte  der  deutschen 
Baukunst".    Berlin  1887.     S.  414. 

•*  Abb.  39  u.  Taf.  XVII  bei  Renard 
n.  I.  0. 


Abb.  138.   Schloß  Benrath.  Kabinett  Nr.  18  im  Obergeschoß  ,\l,l 


21 


161 


Abb.  159.   Schloß  Benrath.   Schlafzimmer.   Nr.  5  in  Abb.  150. 


162 


(Abb.  161)*.  An  sich  keine  glänzenden  Arbeiten,  aber  ausgezeichnet  in  der  zarten  Ton- 
anpassung zur  farbigen  Raumstimmung.  Die  Bilder  der  Supraporten  von  Franz  Anton 
Leydensdorff  (1721 — 1795)  mögen,  für  sich  betrachtet,  interessanter  sein,  fügen  sich  aber 
dem  Gesamtton  der  Farbengebung  nicht  so  vorteilhaft  an.  Besser  wohl  in  den  Schlafräumen, 
die  eben  auch  stärkere  Farbtöne  aufweisen  (Abb.  159).  Ein  kräftiges  Mattblau  und  Mattgrün 
der  Wandbespannung,  von  Goldrahmen  eingefaßt.  Sonst  aber  tritt  das  Rokoko  mit  seinen 
Muschel-  und  Schnörkelformen  bescheiden  zurück.  Rosetten,  Girlanden  und  Netzwerk 
schmücken  die  Decken  von  Meister  Giuseppe  Antonio  Albuzlo  (t  1776).  Die  geradlinige 
Aufteilung  der  Wand-  und  Türgliederung,  die  von  den  Holzbildhauern  Johann  Matthäus 
van  den  Branden  (1716—1788)  und  Augustin  Egell  (*  1728)  nach  Pigages  Entwürfen 
stam.mt,  mutet  geradezu  wie  ein  Nachleben  oder  Wiederaufleben  des  Stiles  Regence  an**. 
Albuzio,  van  den  Branden  und  Egell  waren  auch  an  den  Bauten  von  Pigage  in  Mannheim 
mittätig  und  machten  nun  dessen  Stilwandlung  mit.  Als  im  Jahre  1767  der  Kuppelsaal 
vollendet,  ist  das  Rokoko  tot  (Abb.  162).  Das  Innere  des  Pantheon  zu  Rom  und  der  Poseidon- 
tempel zu  Paestum  in  Süditalien  waren  neu  entdeckt  worden.  Die  Ausgrabungen  von  Her- 
kulanum  kamen  hinzu.  Man  bedarf  jetzt  keiner  Anleihen  bei  der  Kunst  der  Regence  oder 
des  Barocks  mehr.  Man  greift  direkt  auf  antike  Vorbilder  für  das  Detail  zurück.  Acht 
Pilasterpaare  rahmen  Türen  und  Spiegel  ein.  Medaillons  und  Dreifüße  schmücken  die  Türen. 
Putten  halten  m  den  Tür-  und 
Splegellünetten  Medaillons  mit 
den  Porträts  oder  Initialen  des 
Herrscherpaares.  Rosetten  zieren 
die  Kassettendecke,  die  nach 
oben  zum  Belvedere  geöffnet  ist, 
so  daß  dessen  Deckenmalerei 
durchschimmert.  Jagdhunde 
beleben  die  Lünettenzwickel ; 
Jagdtrophäen  die  oberen  Flächen 
zwischen  den  Pilasterpaaren  ; 
Putten,  die  Beleuchtungskörper 
tragen,  die  unteren  Flächen.  Em 
zierlicher  Perlstab  gliedert  die 
Gesimse.  Als  letzte  Arbeit  wurde 
das  Vestibül  ausgestattet  (Abb.  163). 


*  Originalzeiclinung  der  Deckenmalerei. 
Taf.  V  bei  Renard  a.  a.  O. 

**  Vgl.  die  Ausführungen   bei  Renard 
a.  a.  0.  S.  40  bis  47. 


Abb.  lüU.   bchioiJ  Benratii.    kabinott  im  Ubcrg-jscholi. 


163 


Abb.  161.   Schloß  Benrath.    Langsaal  mit  Blick  in  den  Gartensaal.   Nr.  4  und  3  in  Abb.  130.   Vgl.  Abb.  162. 


164 


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Ahb.  162.   Schloß  Benrath.   Gartensaal.   Nr.  3  in  Abb.  150.   Vgl.  Abb.  145. 


165 


ALb.  163.  Schloß  Benrath.  Vestibül.   Nr.  I  in  Abb.  130. 


165 


Im  Gegensatz  zum  Kuppelsaal  etwas  nüchtern.  Girlanden  zieren  die  Lünetten  über  den  Türen 
und  die  Hohlkehlen  der  Decke;  Stuckreliefs,  die  vier  Jahreszeiten  darstellend,  die  Wandfelder. 
Von  großer  Schönheit  ist  die  Girlandenrosette  der  Decke. 

Wichtiger  und  interessanter  als  der  Reichtum  des  dekorativen  Details  sind  die  über- 
raschend schönen  Raumverhältnisse,  das  klangvolle  Abstimmen  der  verschiedenen  Zimmer- 
höhen zur  Ausdehnung,  vom  breiten  und  hohen  Kuppelsaal,  den  Langsälen,  Schlaf-  und 
Wohnräumen  und  Vestibül  bis  zu  den  ovalen  Kabinetten  und  vor  allem  den  Mansardenräumen. 
Die  Baukunst  am  Niederrhein  hat  nichts  Behaglicheres  schaffen  können  als  die  Zimmer  des 
Benrather  Dachgeschosses  (Abb.  158,  160,  164).  Drei  Meter  hoch  nur  sind  die  Räume,  für  die 
die  ovalen  Mansardenfenster  vollauf  genügen,  ja  die  Wohnlichkeit  noch  erhöhen.  ,,Der  fried- 
liche Reiz,  der  über  diesen  Zimmerchen  des  Obergeschosses  ausgebreitet  liegt,"  meint  Renard, 
„die  Ausgeglichenheit  der  Erscheinung,  die  künstlerische  Zurückhaltung  in  dem  Schmuck, 
verbunden  mit  äußerster  Solidität,  die  fast  allein  hier  zu  Worte  kommt,  geben  uns  gerade  heute 


Abb.  164.    Schloß  Bcnrath.    Sthlolikapelle.    Nr.  14  In  Abb.  132.  Vgl.  Abb.  155. 


167 


Abb.  165.    Schloß  Benrath.   Situationsplan  von  Schloß  und  Park. 
Vgl.  die  .Anlage  des  ahen  Schlosses  I,  Abb.  341  und  342. 


168 


soviel,  weil  hier  schon  In  den  Anfängen  des  Aufklärungszeltalters  die  modernen  Ideale  bürger- 
licher Baukunst  so  fest  umschrieben  vor  Augen  liegen.  Ähnliche  Räume  von  sorgfältiger  und 
einfachster,  materialechter  Durchführung  sind  äußerst  selten."  Die  Kapellenanlage  im  Man- 
sardengeschoß mit  den  verglasten  Logen  oben  für  die  Dienerschaft  ist  eine  der  originellsten 
Schöpfungen  des  ganzen  Jahrhunderts  (Abb.  155,  164).  Dabei  ein  Raum  von  höchst  intimer 
Wirkung.     Man  glaubt,  im  Salon  eines  Dampfschiffes  zu  sein. 

Zum  Lusthaus  des  18.  Jahrhunderts  gehört  der  Garten  (Abb.  165).  Den  beiden  Alkoven  der 
fürstlichen  Schlafzimmer  gegenüber  öffnet  sich  die  Tür  des  pavillonartigen  Vorbaues  (Abb.  146). 
Stufen  führen  von  einer  eingefriedigten  Terrasse  hinunter  in  einen  Privatgarten,  im  Osten  in  den 
,,Jardln  de  l'Electrice",  im  Westen  In  den  ,,Jardin  de  l'Electeur".  Der  Garten  der  Kurfürstin 
hat  ein  von  Baumgängen  eingefaßtes  vertieftes  Parterre  und  als  Abschluß  in  der  hinteren  Hälfte 
eine  Kaskadenanlage  (Abb.  165).  Auch  der  gegenüberliegende  Garten  des  Kurfürsten  war  einst 
regelmäßig  entworfen  und  hatte,  wie  eine  Aufnahme  aus  dem  18.  Jahrhundert  zeigt,  in  der  Mitte 
ein  schmales,  vertieftes  Wasserbassin,  von  Beeten  umgeben;  dahinter  Rabatten.  Maximilian 
Friedrich  Weyhe  (1775 — 1846),  der  Schöpfer  des  neuen  Düsseldorfer  Hofgartens,  hat  in  den 
Jahren  1804 — 1806  dem  Garten  des  Kurfürsten  mit  seltenen  Baumarten  und  Gewächsen  die 
heute  noch  vorhandene  stimmungsvolle  Umgestaltung  einer  englischen  Anlage  gegeben.  Die 
beiden  Privatgärten,  durch  Gitter  und  reizvolle  Schilderhäuschen  (Abb.  166)  und  breite  Baum- 
alleen vom  Hauptteil  des  Schloßparks  getrennt,  sollten  dessen  fehlendes  Parterre  ersetzen.  Eines- 
teils war  bei  der  gegebenen  Situation  des  vom  ehemaligen  Lustschlosse  Philipp  Wilhelms 
vorhandenen  alten  schmalen  Wasserspiegels  für  ein  Parterre  hinter  der  Gartenfront  des  neuen 
Lusthauses  kein  Platz  vorhanden*,  dann  aber  hätte  die  geringe  Höhe  des  Schlosses  auch  eine 
solche  Anlage  kaum  erlaubt,  wenn  es  mit  dem  Wasserspiegel  eine  geschlossene  Bildkomposition 
eingehen  wollte.  Die  Terrasse  mit  den  breit  ausladenden  Treppenstufen,  davor  Statuen,  malerisch 
von  Rosen  überwuchert,  auf  den  beiden  nicht  großen  Rasenteppichen  leiten  auf  das  geschickteste 
vom  Schloß  zum  Weiher  über.  Man  übersieht  ihn  ohne  allzu  starke  Überschneidung  von  der 
Terrasse  aus,  ebenso  wie  die  Gartenfront  des  Schlosses  vom  Ende  des  langen  Spiegels  aus 
in  dem  Bilde  zur  Geltung  kommt.  Der  Weiher  verlangte  Rücksichtnahme  und  bedingte  als 
das  zuerst  Gegebene  die  Höhenverhältnisse  des  Schlosses.  Das  Wasser  ist  der  stimmungs- 
vollste Teil  der  Gartenschöpfungen  des  18.  Jahrhunderts.  Es  hatte  auch,  als  es  beim  alten 
Wasserkastell  in  der  Hauptsache  rein  praktischen  Anforderungen  der  Verteidigung  zu  dienen 
hatte,  für  die  Bildwirkung  des  Hauses  einen  gewissen  Kompositionsakzent.  Für  das  18.  Jahr- 
hundert war  es  die  Seele  des  Gartens. 

Pigages  Benrather  Gartenbilder  zeigen  dasselbe  ausgeprägte  Raumgefühl,  dieselben  ge- 
schickt abgewogenen  Verhältnisse  wie  die  Innenräume  des  Schlosses:  ob  Ich  vom  Ende  der 
über  600  Meter  tiefen  Wasserachse  aus,  auf  beiden  Seiten  von  Baumreihen  flankiert,  das 


*  Vgl.  die  Ansichten  vom  alten  Lustschloß  im  ersten  Band,  Abb.  341,  342. 

22  169 


Auge  über  die  54  Meter  breite  Gartenfront  schweifen  lasse,  für  die  von  diesem  Standpunkt 
aus  das  Belvedere  optisch  für  die  Höhenentwicklung  notwendig  ist,  oder  aus  den  beiden 
200 :  70  Meter  großen  Privatgärten  das  geschlossene  Bild  mit  den  Seitenpavillons  des  Schlosses 
als  Abschlußkulisse  bewundere.  Den  alten  Wildpark  aus  der  Zeit  Philipp  Wilhelms,  dessen 
Hauptachse  über  die  früheren  Weiherwandelhallen  und  mitten  durch  die  Untergebäude  östlich 
vom  Weiher  führt  (I,  Abb.  341),  schloß  Pigage  quadratisch  ein  und  zog  um  ihn  das  Wasser  des 
Itterbaches,  den  er  in  den  Urdenbach  abfließen  ließ  und  der  auch  die  beiden  an  der  Vorder- 
und  Gartenfront  gelegenen  Weiher  und  die  Bassins  der  Privatgärten  speist.  Im  Kellergeschoß 
des  Schlosses  begegnen  sich  die  vier  Kanalverbindungen*.  Im  Mittelpunkte  des  quadratischen 
Parks,  im  großen  Stern,  treffen  die  acht  Kreuz-  und  Diagonalwege,  mit  durchlaufendem  Rasen- 
teppich in  der  Mitte,  zusammen.  Konzentrisch  um  den  großen  Stern  ist  der  Kreisweg  gezogen. 
Der  über  360000  Quadratmeter  große  Park  erscheint  sehr  selbständig  gegenüber  dem  Lust- 
schloß, dessen  Mittelbau  außer  der  Wasserachse  nur  noch  den  einen  Diagonalweg  auf  etwa 
100  Meter  beherrscht.  Es  galt,  den  anderen  Hauptwegen  ebenfalls  „points  de  vue"  zu  geben. 
Der  vom  Schloß  auslaufende  eine  Diagonalweg  endigt  am  Rhein  an  einem  erhöhten  Rondell, 
einem  von  Baumgruppen  umstandenen  Aussichtspunkt  über  die  Rheinlandschaft;  die  Gegen- 
diagonale an  der  Nordwestecke  an  einem  Staubecken.  Ihm  gegenüber  wird  an  der  Südostecke, 
am  Ende  des  langen  Spiegels,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  irgendein  architektonischer  Ab- 
schluß projektiert  gewesen  sein.  Renards  Annahme,  die  in  einer  Zeichnung  Pigages  für  eine 
Gloriette  den  Entwurf  für  das  „point  de  vue"  an  dieser  Stelle  vermutet,  hat  viel  für  sich 
(Abb.  258).     Die  zwischen  den  acht  Hauptwegen  gelegenen  Felder  sind  mit  geometrischen 

Wegebildern  aufgeteilt.  Die 
Nordsüdallee  ließ  der  Baumeister 
an  einer  ovalen,  von  einer 
breiten  Baumallee  eingefaßten 
Rennbahn  endigen.  Aber  mehr 
architektonische  Eingriffe  waren 
bei  der  großen  Ausdehnung  des 
alten  Wildparkes,  der  umfang- 
reicher ist  als  alle  heutigen  Grün- 
anlagen der  Stadt  Düsseldorf 
zusammen,  nicht  mögl'ch.  Man 
mußte,  da  eine  dominierende 
Monumentalarchitektur  nicht  als 
beherrschender    Ausgangspunkt 


AI.!..   l((i.    S.hiüß  Bfiiiatli.    Sclilklal.aus  in,  Park.    \'gl.  .\l,b.  140  und    151. 


*  Vgl.  den  sehr  interessanten  Grundriß 
des  Kellergeschosses   bei   Renard   a.  a.  0  , 

Abb.  21. 


170 


für  den  Park  vorhanden  war,  Natur  Natur  sein  lassen  und  bahnte  daher  malerische  Schlangen- 
wege durch  das  Gehölz. 

An  der  Vorderfront  rahmen  zwei  dreiseitige  Kavalierhäuser,  nach  dem  elf  Morgen  großen 
runden  Weiher  oval  gezogen,  das  Lustschloß  ein  (Abb.  165,  168).  An  ihrem  Ende  steht  ]e  ein 
Torhaus  (Abb.  167).  Diese  Flügelbauten  sind  ganz  schlicht;  ein  einfaches  Mansardendach,  nur 
an  den  Kopfenden  mit  vorspringenden  Risaliten  belebt.  Die  Torhäuschen,  die  den  Besucher 
zuerst  begrüßen,  haben  etwas  reichere  architektonische  Gliederung  erhalten,  und  zwar  schon  ganz 
klassizistisch,  während  die  Rahmen  der  Mansardenfenster  am  Hauptbau  noch  Rokokoformen 
schmücken.  Mitten  in  den  gebogenen  Fassaden  der  Kavalierhäuser  führt  ein  Hausteinportal  in 
den  Hof  mit  anmutigem,  offenem,  von  hohen  Holzpfosten  getragenem  Umgang  (Abb.  256),  um 
den  in  jedem  der  beiden  Häuser  sich  nicht  weniger  denn  90  Räume  sammeln*.  Der  nach 
dem  Weiher  gewandte  Teil  der  dreiseitigen  Bauten  bestand  aus  drei  Zimmerquartieren  für 
hohen  Besuch.  In  dem  abgewandten  Flügel  waren  Wohnräume  für  das  Gefolge.  In  der  Ecke, 
der  Tordurchfahrt  gegenüber,  lag  in  dem  einen  Kavaherhaus  die  Küche,  in  dem  anderen  eine 
Kapelle.  Die  Dienerschaft  wohnte  in  den  Mansarden.  Und  wie  das  Wasser  aus  beiden 
Teichen  und  den  Bassins  der  Privatgärten  sich  unter  dem  Hauptbau  der  Schloßanlage  begegnet, 
so  hatte  man  auch  die  Seitenbauten  mit  dem  Hauptbau  durch  unterirdische  Gänge  verbunden**. 

Pigage  brachte  das  Motiv  der  oval  geführten  Kavalierhäuser  aus  Schwetzingen  mit,  wo  er, 
nachdem  Galli  Bibiena  im  Jahre  1748  an  das  alte  Schloß  das  nördliche  Zirkelhaus  und 
Raballiati  in  den  Jahren  1753  bis  1755  das  südliche  aufgeführt,  den  herrlichen  Park  geschaffen 
hatte***.    In  Benrath  waren  aber  die  äußeren  Verhältnisse  des  Hauptbaues  schlichter.   Bei  der 

anspruchslosen   Gliederung    der     ^ ^ 

Kavalierhäuser  bedurfte  es  in- 
dessen keines  besonderen  dekora- 
tiven Reichtums,  um  das  Lust- 
schloß aus  der  mehrflügeligen 
Anlage  hervorzuheben.  Pigage 
gab  dem  Bau  ein  eigenartiges 
Dachprofil,  den  Dachfenstern 
einen  reicheren  Rahmen,  den 
Fensterbogen     des     Unterbaues 

*  Grundriß  der  Kavalierhäuser  Abb.  23 
bei  Renard  a.  a.  0. 

**  Vgl.  den  Grundriß  des  Kellergeschosses 
bei  Renard  a.a.O.,  Abb.  21. 

***  R.  Sillib:  „Schloß  und  Garten  zu 
Schwetzingen"  Heidelberg  1907.  —  Jos. 
Aug.  Beringer:  „Kurpfälzische  Kunst  und 
Kultur  im  achtzehnten  Jahrhundert"  Frei- 
burg i,  B.    1907.  Abb.  167.   Schloß  Benrath.   Seitliche  Auß.-nbauten.   Vgl.  Abb.  168. 


171 


Girlanden.  Sonst  blieb  alles  schmucklos,  nur  daß  die  vier  Pavillonrisalite  durch  Eckverquaderung 
architektonisch  hervorgehoben  wurden.  Bei  den  Seitenpavillons  liegen  die  Fenster  in  tiefen 
Muschelnischen.  Die  einrahmenden  Außenflächen  der  Nischen  sind  oval  gezogen  und  gequadert 
(Abb.  146,  147).  Büsten  auf  schön  gezeichneten  Sockeln  zu  beiden  Seiten  der  Tür.  Darüber 
in  einem  Flachrelief  Puttenszenen  von  Peter  Anton  von  Verschaffelt  (1710 — 1793). 
Ebenso  im  Giebel  über  dem  Haupteingang.  Putten  machen  sich  an  der  Uhr  über  diesem 
Giebel  zu  schaffen;  andere  winden  Kränze  um  die  Urnen  zu  Seiten  des  Giebels  (Abb.  147). 
Den  dreiseitig  vorspringenden  Pavillon  der  Gartenfront  schmückte  Verschaffelt  mit  emer  Diana, 
Putten  und  Hunden  auf  einer  Hirschjagd  (Abb.  148,  149).  Um  aber  dem  schlichten  Bau 
gegenüber  den  Kavalierhäusern  noch  ein  besonderes  Relief  zu  geben,  setzte  Pigage  ihn  auf 
einen  niedrigen  Sockel,  dessen  Plattform  vor  dem  Vestibül  in  einer  breit  auslaufenden  Frei- 
treppe hinunter  zum  Weiher  führt.  Für  die  Wagenauffahrt  waren  zu  beiden  Seiten  Rampen 
angebracht,  die  vier  bergische  Löwen  bewachen  (Abb.  147,  151).  Es  ist  dieselbe  bewundemngs- 
würdige  Überleitung  wie  auf  der  Gartenfront  aus  dem  runden  Saal  und  von  der  Plattform 
hinunter  zum  Garten  (Abb.  149).  Baumkulissen  füllen  die  Zwischenräume  zu  den  Seitenbauten 
(Abb.  168).  Die  ganze  Anlage  um  den  runden  Weiher  atmet  in  ihrer  abgerundeten  Geschlossen- 
heit eine  feierliche  Ruhe. 

Nicolas  de  Pigage  hat  am  Niederrhein  noch  eine  zweite  Gartenanlage  schaffen  dürfen. 
Als  Johann  Joseph  Couven  im  Jahre  1 763  starb,  fehhe  seinem  Jägerhof  noch  die  nötige  garten- 
architektonische Auffahrt  von  Düsseldorf  her.  Graf  Goltstein  beauftragte  daher  Pigage,  „zu 
mehrerer  Verschönerung  und  Ansehen"  der  Residenzstadt  einen  Plan  für  eine  öffentliche 
Promenade  zum  Jägerhof  zu   entwerfen*.     Karl  Theodor  genehmigte  im  Jahre  1769   den 


*  Dr.  0.  R.  Redlich,  Fr.  Hlllebrecht  u.  Wesener:  „Der  Hofgarten  zu  Düsseldorf  und  der  Schloßpark  zu  Benrath". 
Herausgegeben  vom  Düsseldorfer  Geschlchlsvercin.     Ed.  Lintz,  Düsseldorf.     1893. 


Abb.  16Ö.   Schloß  Benrath.   Gesamtansicht  der  Vorderfront.   Vgl.  Abb.  167,  Hl,  147 


172 


Entwurf.  Aus  Schwetzingen  kamen  Gärtner.  Das  alte  wellige  Terrain  vor  dem  Jägerhof 
mußte  geebnet,  Hecken  und  Strauchwerk  beseitigt  werden.  Aus  Holland  bezog  man  Bäume. 
So  entstand  der  alte  Hofgarten  zu  Düsseldorf,  dessen  Anlage  schon  im  folgenden  Jahre 
in  ihren  Hauptzügen  fertig  war.  Vom  Mittelbau  des  Jägerhofes  lief  die  breite  Doppelallee 
zu  dem  vom  nördlichen  Düsselarm  gespeisten  Bassin  (Abb.  169,  213).  Neben  dem  eigens 
angelegten  Düsselkanal  am  heutigen  Goltsteinparterre  lief  eine  zweite  Allee,  die  man  später  als 
den  bevorzugten  abendlichen 
Aufenthalt  an  dem  stillen  gerad- 
linigen Wasserzug  die ,, Seufzer- 
allee" nannte.  Eine  dritte  Allee 
suchte  vom  Mittelbau  des  Jäger- 
hofes aus  eine  Verbindung  zum 
Ratinger  Tor.  Aber  einstweilen 
mußte  sie  an  der  Ecke  der 
heutigen  Kaiserstraße  vor  den 
Festungswerken  der  Stadt  Halt 
machen.  Die  Felder  zwischen 
den  drei  Alleen  wurden  mit 
Bäumen  bepflanzt  und,  soweit 
das  möglich,  zu  beiden  Seiten 
der  Mittelallee  die  gleichen 
Wegebilder  angelegt.  In  den 
Alleen  sah  man  Steinbänke.  In 
den  Sonntagsnachmittagsstun- 
den von  5  bis  8  Uhr  veran- 
staltete der  Hofgärtner  Johann 
Christian  Behrens,  der  nebenbei 
für  die  Bürger  der  Stadt  eine 
Weinschenke  unterhielt,  vor 
seinem  Haus  im  Hofgarten 
Konzerte.  Es  war  das  Eckhaus 
Jägerhof-  und  Kaiserstraße 
Der  Hofbaumeister  R.  Flügel 
hatte  es  1770  errichtet.  Zehn 
Jahre  später  war  eine  Ver- 
größerung nötig,  da  der  Bau 
für  Bälle  und  sonstige  Ge- 
sellschaften   zu    klein    geworden  Abb.  169.   Dusseldorf.   Hofgarten;  Blick  aus  der  rlauptaü-c  am  ücn  Jägerhof. 


173 


war.  Pigage  entwarf  einen  Plan  für  den  Ausbau.  Baumeister  Peter  Köhler  führte  ihn  aus. 
Im  Jahre  1794  sprengten  die  Franzosen  das  Hofgartenhaus.  1802  führte  der  Hofbaumeister 
Huschberger  einen  Neubau  auf,  der  heute  noch  erhalten  ist  (Abb.  170  u.  255). 

Der  Hofgarten  war  die  beliebte  Erholungsstätte  der  Düsseldorfer  vor  den  Toren  der  Stadt. 
Der  Statthalter  wie  die  Bürgerschaft  verfolgten  den  weiteren  Ausbau  mit  lebhaftem  Interesse. 
Man  schmückte  den  Garten  mit  Statuen.  Professor  Bäumgen  von  der  Akademie  erhielt  im 
Jahre  1774  für  450  Taler  den  Auftrag,  die  für  den  Sockel  von  Grupellos  Reiterdenkmal  auf 
dem  Marktplatz  bestimmten  Eckfiguren,  die  bei  dem  Tode  des  kurfürstlichen  Hofstatuanus 
noch  nicht  gegossen  waren,  zu  reparieren  und  gleichzeitig  mit  zwei  Vasen  um  das  Wasser- 
bassin am  Ende  der  Hauptallee  aufzustellen.  Was  aus  den  Figuren  später  wurde,  haben  wir 
schon  gehört  (vgl.  S.  6).  über  das  Schicksal  der  anderen  Arbeiten,  die  Bäumgen  für  den 
Schmuck  des  Hofgartens  geschaffen  hat,  wissen  wir  nichts.  Es  waren  zwei  Alabasterbüsten, 
Herkules  und  Omphale,  auf  steinernem  Sockelunterbau,  dann  1777  zwölf  Kinderstatuen  für 
das  Bassin,  die  Monate  darstellend  —  der  Preis  betrug  100  Taler  — ,  ferner  die  Statue  der 
Göttin  Hebe  für  den  Rasenplatz  und  zwölf  mythologische  Köpfe  mit  Lorbeergehängen  an  den 
Sockeln  für  die  große  Allee.  Friedrich  Schaarschmidt  hat  auf  zwei  Figuren  in  einem  dem 
Hofgarten  benachbarten  Privatgarten  aufmerksam  gemacht,  in  welchen  er  Arbeiten  von 
Bäumgens  Hand  vermutet*.  Ich  selbst  habe  keine  klare  Vorstellung  vom  Schaffen  dieses 
Düsseldorfer  Bildhauers  und  lasse  mich  daher  gerne  von  dem  um  die  Geschichte  der  Düssel- 
dorfer Kunst  verdienstlichen  Schaarschmidt  belehren,  der  in  den  an  und  für  sich  künstlerisch 
nicht  übermäßig  hoch  zu  bewertenden  Plastiken  Arbeiten  aus  dem  Hofgarten  wiedererkennen 
möchte.  Ist  dem  so,  dann  sollte  man  die  beiden  Statuen  auch  wieder  für  den  Hofgarten 
zu  erwerben  suchen! 

Die  Hauptallee  verlangte  nach  einem  architektonischen  Abschluß.  Meister  Eisermann 
erhielt  im  Jahre  1779  den  Auftrag,  „um  an  der  Seite  der  Landskron  (also  an  dem  Teich  an 
der  „Goldenen  Brücke"  im  späteren  neuen  Hofgarten)  die  Promenade  zu  schließen",  einen 
chinesischen  Pavillon  mit  Seitenwerk  und  Nischen  zu  errichten.  Es  war  ein  quadratischer 
Bau  von  24  rheinischen  Fuß  Länge  und  13  Fuß  Höhe  und  hatte  einen  laternenartigen  Aufsatz. 
Sechszehn  kupferne  Glocken  und  Tiere  schmückten  das  Dach.  Joseph  Feldmüller  hat  im 
Inneren  die  Decke  mit  chinesischen  Vögeln  und  Drachen  ausgemalt.  1780  war  der  Bau 
vollendet.  Eisermann  erhielt  418  Taler  für  seine  Arbeit.  Heute  ist  jede  Spur  der  Anlage  ver- 
wischt. Und  es  liegt  nahe,  anzunehmen,  daß  sie  im  Jahre  1794  gleichzeitig  mit  dem  Hof- 
gartenhaus den  Franzosen  zum  Opfer  gefallen  ist. 


*  Schaarschmidt:  „Zur  Geschichte  der  Düsseldorfer  Kunst".    S.  24 


174 


Im  Herzogtum  Jülich  blieb  die  Bautätigkeit  mehr  oder  weniger  von  der  Freien  Reichs- 
stadt Aachen  abhängig,  wo  Jacob  Couven  (1735  bis  1812)  nach  dem  Heimgange  seines 
Vaters  Johann  Joseph  Couven  dessen  Baugeschäfte  weiterführte  und  auch  im  Jahre  1771  das 
Amt  emes  Ratssekretärs  erbte,  das  nun  m  dritter  Generation  bei  der  Familie  Couven  war.  Und 
wie  der  Vater,  der  übrigens  trotz  seiner  großen  Tätigkeit  sich  nicht  besonders  guter  materieller 
Verhältnisse  zu  erfreuen  hatte  und  sich  oft  wegen  Geldunterstützung  an  den  Rat  wandte, 
so  fand  auch  der  Sohn  von  Zeit  zu  Zeit  in  den  Nachbarstädten  Bauaufträge.  Vor  allem  in 
Heinsberg,  wo  er  im  Jahre  1774  das  Prämonstratenserkloster  (Abb.  172,  173),  an- 
schließend daran  einen  anderen  Bau  aufführte,  der  heute  als  Amtsgericht  dient  (Abb.  172), 
im  Jahre  1775  dann  das  Pfarrhaus  am  Innentor  (vgl.  I,  Abb.  71).  Aber  auch  sonst  findet 
man  in  Heinsberg  noch  Spuren  Couvenscher  Tätigkeit.  Das  alte,  im  Jahre  1140  durch 
Goswin  II.  von  Heinsberg  gegründete  Prämonstratenserkloster  hatte  unter  dem  besonderen 
Schutze  der  Herren  von  Heinsberg,  aus  dessen  Hause  viele  Mitglieder  in  den  Orden  ein- 
traten, bald  eine  große  Blüte  erlangt.  Bis  zum  Jahre  1479  war  es  ein  Doppelkloster,  seitdem 
ein  adliges  Frauenstift  des  Ordens. 


Abb.  170.    DiisäciJuil.    1  iul gärtnerhaus  im  alten  llulga/lcn.    \  gl.  .'iLL.  Jj3. 


175 


Couvens  Klosterneubau,  eine  nicht  ganz  ausgeführte  vierflügehge  Binnenhofanlage,  hat 
nach  der  Hauptstraße  durch  die  beiden  vorspringenden  Seitenflügel  einen  kleinen  Hof 
erhalten,  den  ein  Gitterwerk  abschließt.  Die  Seitenbauten  sind  ganz  schlicht,  haben  Walm- 
dach, Stichbogenfenster,  die  Kanten  gequadert  und  an  der  Straßenecke  eine  Madonnenstatue. 
Der  Mittelbau  ist  reicher.  Den  Mittelrisalit  hat  Couven  mit  Lisenen  eingefaßt  und  mit 
einem  geschwungenen  Giebel  geschlossen.  Die  Haustür  hat  ein  reich  gegliedertes  Rokoko- 
oberlicht erhalten  mit  dem  Auge  Gottes  und  dem  Inschriftband  ,,Omnia  Videt  Oculus  Jllius". 
Nicht  weniger  reizvoll  sind  das  Balkongitter  und  das  Oberlicht  der  Balkontür.  Amtsgericht 
und  Pfarrhaus  sind  einfacher  gehalten.  Im  Jahre  1801  wurde  das  Kloster  aufgehoben;  1802 
die  Kirche  abgetragen,  das  Kloster  aufgeteilt  und  verkauft. 

Ebenso  glaube  ich  in  der  Apotheke  zu  Aldenhoven  bei  Jülich  eine  Arbeit  von  Jacob 
Couven  erkennen  zu  dürfen  (Abb.  171).    Der  Bau  stammt  aus  dem  Jahre  1774  und  ist  von 
dem  Kaufmann  Blees  errichtet  worden.    Die  Fenster  wie  der  Giebel  sind  echt  Couvenscher' 
Linienführung.    Das  Haus  sitzt  städtebaulich  ganz  außerordentlich  gut  am  Ende  der  Haupt- 
straße an  der  spitzwinkligen  Ecke  zweier  Straßenzüge.    Der  Giebelrisalit  mit  den  drei  Mittel- 


Abb.  171.    Aldcnliovcn.    Apotlutl^e;  von  Jacob  Couven. 


176 


achsen  und  die  beiden  etwas  zurückliegenden  Außenachsen  unter  dem  Mansardendach  sind 
nach  der  Hauptstraße  orientiert.  Die  beiden  noch  weiter  zurückliegenden  Seitenflügel  mit 
den  einstöckigen  Hintergebäuden  passen  sich  in  Anlage  und  Aufbau  den  beiden  emmündenden 
Seitenstraßen  an. 

In  Aachen  selbst  hatte  Jacob  Couven  bis  dahin  seit  dem  Tode  seines  Vaters  nur  un- 
bedeutende Arbeiten  auszuführen  gehabt,  bis  ihm  im  Jahre  1782  der  Auftrag  zu  einem 
Monumentalbau  wurde.  An  Stelle  der  städtischen  Buchdruckerei  in  der  Komphausbadstraße 
sollte  die  Neue  Redoute  errichtet  werden.     Es  ist  das  heutige  Alte  Kurhaus. 

Der  Bau  könnte  noch  von  Meister  Johann  Josef  stammen  (Abb.  176, 180).  Jacob  Couven 
hat  die  Fassade  mit  ererbten  Formen  aufgeteilt  und  gegliedert.  Die  drei  Mittelachsen  werden 
wieder  als  Risalit  zusammengefaßt  und  oben  mit  emem  gebrochenen  Giebel  wie  beim  Hause 
Wespien  bekrönt  (Abb.  84).  Auch  die  Dachfenster,  das  Hauptgesims  und  die  abgerundete 
Eckquaderung    kehren    am    Wespienschen    Hause   wieder.     Die    Fensterformen    mit    ihren 


Abb.  172.    Heinsberg.   Prämonstratenserkioster.    Links  anschließend  Amtsgericht.   Beide  von  Jacob  Couven. 

Vgl.  Abb.  173  U.I.Abb.  71. 


23 


177 


Abb.  173.    Heinsberg.   Mittelstück  des  ehemaligen  Piämonstratenserklosters.    Vgl.  Abb.  172. 


178 


Abb.  1/4.    Cortenbach.   Neues  Herrenhaus.    Vgl.  Untergebäude,  L.Abb.  J18. 


Aijij.  1/3.   ILiua  Lk.M.iibcig  üi-i  .Adtiien  von  Jacob  Couven. 


179 


Abb.  176.   Aachen.   Originalentwurf  von  Jacob  Couven  für  die  alte  Kurhaus-Rückfront.   Vgl.  Abb.  177 — 180  und  192. 
Bei  der  Ausführung  wurden  die  Arkaden  der  Hoffront  geschlossen. 

Brüstungsgittern  sind  uns  von  Johann  Josef  Couvens  „Acht"  auf  dem  Chorusplatze  her 
bekannt  (Abb.  134).  Die  Rückfront  des  Kurhauses  entspricht  der  Vorder fassade,  nur  daß 
das  untere  Geschoß  sich  nicht  in  Arkaden  öffnet,  daß  der  Giebel  des  Mittelbaues  eckig  ist, 
der  breite  Balkon  fortgefallen  und  zwischen  den  drei  Mittelfenstern  des  Hauptstockwerkes 
Konsolen  zur  Aufnahme  von  Statuen  angebracht  worden  sind  (Abb.  176).  Aber  das  Detail 
des  Bauwerks,  dem  Johann  Josef  Couvens  ,,Acht"  am  nächsten  steht,  hat  nicht  mehr  die 
eleganten  Regence-  und  Rokokoformen,  sondern  die  strengeren  Architekturteile  des  Klassi- 
zismus. Die  beiden  Adler  und  Palmen  in  den  Giebelfeldern,  die  Zeichnung  der  Balkon- 
und  Brüstungsgitter,  die  architektonischeren  Schlußsteine  der  Fensterbogen,  an  Stelle  der 
frei  ornamentierten  Formen  des  malerisch  Unsymmetrischen  des  Rokoko  an  der  ,,Acht" 
und  dem  Hause  Cassalette  (Abb.  136),  und  die  Dekorationen  der  Blendfelder  zwischen  den 
beiden  oberen  Stockwerken  charakterisieren  deutlich  die  neue  Stilform. 

Noch  deutlicher  die  Innenarchitektur.  Durch  die  niedrige  offene  Vorhalle  des  Mittel- 
baues betritt  man  rechts  das  Treppenhaus,  einfach  gehalten,  aber  mit  geistreichen  Stuck- 
dekorationen an  Wänden  und  Decke.  Das  Treppenhaus  geleitet  direkt  in  den  Großen  Saal, 
der  beide  Oberstockwerke  des  Mittelbaues  einnimmt  (Abb.  1 77, 1 78).  Ein  Festsaal,  23  X 1 2  Meter 


180 


Abb.  177.   .Aachen.   .Mtcs  Kurhaus.   Großer  Saal  von  Jacob  Couven.   Vgl.  .Abb.  176,  178, 


groß,  feierlich  monumental  in  den  Gesamtverhältnissen  der  schönen  Raumwirkung  wie  in  der 
Einzelbehandlung.  Der  Originalentwurf  zum  Großen  Saal  ist  noch  erhalten*.  Doppelpilaster 
rahmen  Fenster,  Türen  und  Wandnischen  ein  und  tragen  das  reich  gegliederte  Gebälk.  Eme 
breite  Hohlkehle  führt  von  hier  zu  der  flachen  Decke  über.  Die  Stichkappen  der  oberen  Fenster, 
die  der  äußeren  Fassade  entsprechen,  unterbrechen  malerisch  die  rund  gezogenen  Flächen. 
Durch  die  Schmalseiten  flutet  das  Licht  in  den  Saal.  Ihre  architektonische  Wandaufteilung 
wiederholt  sich  an  den  Langseiten,  nur  daß  hier  statt  der  Fenster  drei  Eingänge  und  zwei 
Nischen,  für  die  einst  Statuen  bestimmt  waren,  von  Doppelpilastern  eingefaßt  werden.  Die 
beiden  Mitteltüren  sind  breiter  angelegt.  Karyatiden  rahmen  sie  ein  und  helfen  das  Gebälk 
tragen.  Putten  schmücken  die  Türlünetten,  und  das  Rund  der  Tür-  und  Nischenbögen  ver- 
goldete Kränze.  Das  ist  neben  den  vergoldeten  Kapitalen  der  Doppelpilaster  der  wesentliche 
Schmuck  der  klaren  architektonischen  Wandgliederung.  Reicher  dagegen  der  Oberbauschmuck, 
über  den  Nischen  sind  mythologische  stuckierte  Szenen  für  Jupiter,  Juno,  Ceres  und  Pluto 
angebracht,    über  den  Haupteingängen  Vasen  mit  Fruchtgehängen.   Wo  das  Rund  der  Hohl- 

*  Vgl.  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  XVII,  Taf.  VIII. 


181 


kehle  in  die  flache  Decke  übergeht,  hängen  Girlanden.  Zwei  große  ovale  Bilder,  allegorische 
Darstellungen  von  Wein  und  Gesang,  schmücken  die  Decke.  Putten  sitzen  in  den  vier  Ecken 
auf  ornamentalen  Schlußstücken  und  halten  Medaillons.  Die  Mitte  der  Decke  ziert  eine  Rosette. 
Embleme  und  Ranken  begleiten  ihren  Rahmen. 

Dieser  Festsaal  ist  die  bedeutendste  und  schönste  Arbeit  von  Jacob  Couven.  Der  Meister 
zeigt  sich  hier  ganz  selbständig  seinem  großen  Vater  gegenüber.  Ebenso  in  dem  Kleinen 
Saal  (Abb.  192).  In  Farbe  wie  in  Aufteilung  ein  reizvoller  Raum  des  Stiles  Louis  XVI. 
Glattes  Rahmenwerk.  In  den  Supraporten  symmetrisch  angeordnete  Kränze.  Der  Lesesaal 
war  die  letzte  Arbeit,  die  der  Baumeister  am  Kurhause  auszuführen  hatte  (Abb.  179).  Er 
ist  noch  ruhiger  gehalten  als  der  Kleine  Saal  und  erinnert  in  seinen  dekorativen  Formen 
etwas  an  das  Vestibül  von  Schloß  Benrath  (Abb.  163).  Große  Wandfelder  mit  flachen  Stuck- 
ornamenten, von  schlichten  Rahmen  eingefaßt,  über  der  Kaminnische,  den  Türen  und  in 
den  Hohlkehlen  wieder  Gehänge. 


Das  Aachener  Badeleben  blühte.     Könige, 


l/ö.  Aachen.  Altes  Kurhaus.  Großer  Saal  von  Jacob  Couven 

Vgl.  Abb.  176,  177,  180. 


Fürsten,  der  Adel  und  reiche  Kaufherren  aus 
aller  Herren  Länder  kamen  zu  den  Schwefel- 
quellen der  Karlstadt.  Man  mußte  für  sie 
Zerstreuungen  und  Vergnügungen  schaffen. 
So  entstanden  die  Neue  Redoute,  daneben 
neue  Badehäuser  und  Hotels.  Der  Fremden- 
verkehr und  der  Aufschwoing  der  heimischen 
Tuchfabrikation  brachten  neuen  Wohlstand. 
Die  Fabrikantengeschlechter  ließen  sich  statt- 
liche Patrizierhäuser  aufführen.  Die  kleinen 
Bürger  geschmackvolle  Neubauten.  Jacob 
Couven  konnte  so  in  dem  neuen  Aachen 
vollenden,  was  sein  Vater  vor  ihm  so  glän- 
zend begonnen  hatte;  und  bald  gab  es  in 
Aachen  keine  Straße  mehr,  die  nicht  wenig- 
stens einen  Couvenschen  Bau  hätte  auf- 
weisen können.  Aber  wie  bei  dem  Vater, 
so  kann  ich  auch  bei  dem  Sohne  nicht  alle 
Bauten,  die  er  in  und  um  Aachen  geschaffen 
hat,  hier  aufführen .  Es  muß  das  Aufgabe  einer 
eigenen  Darstellung  über  die  beiden  Couven 
bleiben.  Im  übrigen  ist  der  Name  Couven 
ein  Sammelbegriff  geworden.  Eine  Anzahl 
kleinerer  Baumeister  übernahm  einfach  die 
Formen  der  beiden  großen  Aachener  Meister. 


182 


Im  Jahre  1788  baute  Jacob  Couven  für  die  Familie  Pastor  das  Haus  Eckenberg  bei 
Burtscheid  (Abb.  175).  Die  breite  Auffahrt  endigt  vor  dem  von  einem  hohen  gebrochenen 
Giebel  bekrönten  Mittelbau.  Eine  breit  ausladende  Freitreppe  führt  über  die  beiden  Flügel 
der  anschließenden  Doppeltreppe  hinauf  zu  der  Plattform  vor  den  drei  Eingängen  der  Vorhalle. 
Von  der  einstigen  Inneneinrichtung  des  stattlichen  Patrizierhauses  ist,  wie  bei  den  meisten 
der  übrigen  Bauten  von  Jacob  Couven,  nichts  mehr  erhalten.  Die  Formen  des  Mittelbaues 
unter  dem  Giebel  erinnern  an  die  vom  Kurhause  (Abb.  180).  Noch  mehr  die  am  Hause 
Beissel,  Jacobstraße  Nr.  112  (Abb.  183).  An  Stelle  des  gebrochenen  Giebels  ist  aber  eine 
klassizistischere  Form  getreten,  ebenso  an  dem  Mittelbau  des  Hofgebäudes  Kleinköln- 
straße Nr.  18  (Abb.  187).  Die  Hauptfenster  am  Hause  Beissel  sind  in  den  Einzelheiten 
strenger  gezeichnet.  An  Stelle  der  Stichbogen  und  Kurven  ein  horizontaler  Fensterarchitrav. 
Diese  schhchten  Fensterrahmen  kehren  auch  am  Hause  Theissen  auf  dem  Klosterplatz 
wieder  (Abb.  186).     Die  letzten  Ausgänge  des  lustig-launigen  Rokoko  sind  verklungen. 

Alle  diese  Bauten  haben  noch  das  gebrochene  Mansardendach.  Aber  auch  das  schwindet. 
Am  Hauptmann,  dem  kleinen  Platz,  wo  Alexander-  und  Sandkaulstraße  sich  begrüßen  und 
vereint  als  Großkölnstraße  ihren  Weg  fortsetzen,  steht  ein  Backsteinbau  mit  klassizistischem 
Giebel  vor  einem  niedrigen  Satteldach  mit  abgewalmten  Seitenflächen  (Abb.  181).  Das 
Nachbarhaus  hat  auf  eine  klar  gezeichnete  Dachform  ganz  verzichtet  und  ein  breites  aus- 
ladendes Gebälk  um  seine  Stirn  gezogen.  Mit 
diesem  klar  betonten  Hauptgesims  endigt  von 
nun  ab  der  Aufbau  der  Fassade  bei  den  klassi- 
zistischen Bauten.  Als  ältestes  Aachener 
Beispiel  der  späteren  Couvenzeit  könnte  man 
Haus  Wirtz,  Jacobstraße  Nr.  16,  anführen, 
das,  nach  den  barocken  Formen  des  Balkons 
und  den  Rokokoschlußsteinen  der  Stich- 
bogenfenster zu  urteilen,  vielleicht  noch  von 
dem  älteren  Couven  oder  spätestens  aus  den 
sechziger  Jahren  von  Meister  Jacob  stammt 
(Abb.  182).  Bei  dem  Haus  der  ,, Erholung", 
Friedrich -Wilhelm -Platz  Nr.  7,  das  unfehl- 
bar von  Jacob  Couven  herrührt,  tritt  die 
Dachform  hinter  das  reichgegliederte  Haupt- 
gesims zurück  (Abb.  185).  Man  vergleiche 
den  Bau  etwa  mit  dem  Jägerhof  zu  Düssel- 
dorf (Abb.  143).  Das  Mittelfenster  des  Haupt- 
geschosses wird  auch  hier  von  Pilastern  flan- 
kiert.    Aber  alle  gebogenen  Linien  sind  bei  .\ll,  l,  -.   Aachen.  Altes  Kurhaus.  Lesesaal. 


183 


184 


24 


185 


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187 


dem  jüngeren  Hause  bis  auf  das 
Mittelfenster  geradliniggestreckt. 
Die  Horizontalgesimse  sind  kräf- 
tiger betont  und  reicher  gezeich- 
net. Schön  sind  die  ornamentalen 
Rankenfnese  in  den  Gebälken 
und  die  klassizistischen  Figuren 
zu  beiden  Seiten  des  oberen 
Mittelfensters.  Bei  dem  Komp- 
hausbad  (Abb.  184)  tritt  das 
stark  entwickelte  Abschlußgebälk 
noch  deutlicher  in  die  Erschei- 
nung. Das  Dach  tritt  ganz  zu- 
rück. Der  Bau  atmet  eine  vor- 
nehme Ruhe.  Der  Vergleich  mit 
dem  benachbarten  Corneliusbad 
ist  nicht  uninteressant  (Abb.  71). 
Jacob  Couven  hatte  für  den 
dekorativen  Innenschmuck  der 
Räume  an  Wänden  und  Decken 
einen  eminent  geschickten  Mit- 
arbeiter, den  italienischen  Stuck- 
künstler G  a  g  i  n  i .  Die  Mitarbeit 
dieses  Meisters  an  den  Sälen  des 
Kurhauses  ist  zwar  urkundlich 
nicht  bezeugt,  ergibt  sich  in- 
dessen aus  anderen  Arbeiten, 
die  inschriftlich  den  Künstler 
anführen.  So  in  Eupen  die 
Stuckdekorationen  mit  mytho- 
logischen Szenen  im  Hause  Ka- 
perberg Nr.  13,  „Gagini  sculpsit 
1782";  dann  in  dem  Hauptsaal 
des  Hofgebäudes  Komphausbad- 
straßeNr.  31  prachtvolle  allego- 
rische Stuckszenen  der  Lebens- 
geschichte des  Menschen  vom 
Jahre  1794.     Ferner  die  Deko- 


Abb.  189.  Eupen,  Klötzerbahn  25,  Haus  Gescbwister  Mayer.  Vgl.  Abb.  191,  193. 

189 


rationen  im  Hause  Mayer,  Klötzerbahn  Nr.  25,  In  Eupen  von  1801  (Abb.  189,  191,  193)  und 
im  großen  Saal  auf  Schloß  Waldburghaus  in  Kettenis  im  Kreise  Eupen  von  1805  (Abb.  190). 
Jacob  Couven  hat  wie  sein  Vater  alle  dekorativen  Ausschmückungsstücke  der  Innen- 
architektur selbst  entworfen.  Gagini  führte  sie  nur  aus.  Neben  den  Wand-  und  Decken- 
dekorationen im  Kurhause  zu  Aachen  dürfte  man  auch  die  Ausführung  des  Salons  auf  Schloß 
Wissen  bei  Weeze  im  Kreise  Geldern  Couven  und  Gagiiu  zuschreiben  (Abb.  188;  vgl.  1.  Bd., 

Abb.  128, 130).  Franz  Karl  Frei- 
herr  von  Loe  und  seine  Gattin 
Alexandrine  Gräfin  von  Horion 
haben  im  Jahre  1770  Schloß 
Wissen  umbauen  lassen.  Gräfin 
Honon  war  die  Tochter  des 
Kanzlers  von  Lüttich,  für  den 
Johann  Joseph  Couven  m  Lüttich 
ein  Wohnhaus  errichtet  hatte 
(vgl. S.  143).  Kanneherte jonische 
Pilaster  rahm.en  die  rechteckigen 
hohen  Wandfelder  des  Wissener 
[Saales  ein.  Medaillons  mit  land- 
Ischaftlichen  Szenen,  von  Gir- 
ilanden  umgeben,  hängen  an 
Schnüren  in  den  einzelnen  Wand- 
feldern. Der  Wissener  Salon  mit 
seiner  alten  Einrichtung  ist  von 
vornehmer  Raumwirkung. 

Die  späteren  Arbeiten  Gaginis 
in  Eupen  und  auf  Waldburghaus 
sind  eigene  Erfindung  des  itahe- 
nischen  Meisters.  Statt  der  In- 
schrift ,,Gagini  sculpsit"  liest 
man  ausdrücklich :  ,,Gagini  in- 
venit  sculpsit". 

Der  Wandschmuck  im  Hause 
Mayer  in  Eupen  ist  von  außer- 
ordentlichem Reiz.  Es  ist  ein 
letzter  und  überaus  delikater 
Ausläufer  der  italienischen  Re- 
AHi.  190.  Schloß  Waldburgliaus  bei  Kettenis  (Eupen).  Großer  Saal  naissance  -  Groteskcndekoration. 


190 


Vor  allem  In  dem  einen  einheitlich  behandelten  Saal  (Abb.  191,  193).  über  einem  Sockel 
teilen  Pilaster,  mit  Fruchtschnüren  verziert,  die  Wände  auf,  die  oben  ein  zierlich  gezeichneter 
Eierstab  abschließt.  Die  einzelnen  Wandfelder,  ebenso  wie  die  Pilaster  von  Perlstäben  ein- 
gefaßt, enthalten  allerliebste  Stuckszenen.  Brunnen  mit  Putten  und  Vögeln,  auf  einem  Ranken- 
unterbau ruhend.  Oder  phantastische  architektonische  Aufbauten :  statt  Säulen  Stengel,  statt 
Sockel  Ranken,  statt  Balken  Kränze,  die  von  Vase  zu  Vase  gewunden  oder  von  Putten  oder 
Vögeln  gehalten  werden.  Tolle  Einfälle  einer  heiteren  Phantasie,  aber  von  ausgeprägtem 
Raumsinn,  denn  ein  stark  entwickeltes  architektonisches  Empfinden  ordnet  den  Reichtum 
der  Formen.    In  einem  der  anderen  Räume  steht  ein  ähnlich  behandelter  Kamm  (Abb.  189). 

Nicht  weniger  reizvoll,  aber 
feierlicher  im  Aufbau  ist  der 
große  Saal  auf  Schloß  Wald- 
burghaus bei  Kettenis  im 
Kreise  Eupen  (Abb.  190).  über 
den  Türen  Stuckreliefs.  In  der 
Mitte  der  Wand,  eingerahmt  von 
Pilastern  mit  Fruchtgehängen, 
die  überlebensgroße  Gestalt  der 
Diana.  In  der  Mitte  der  Decke 
hält,  in  den  Wolken  schwebend, 
ein  Adler  den  Kronleuchter. 
Schloß  Waldburghaus  war  im 
Jahre  1 773  von  den  Herren  von 
Waldburghaus  an  die  Herren 
von  Royer  zu  Merols  gekommen, 
drei  Jahre  später  an  Herrn  von 
Hodiamont,  der  einen  Neubau 
aufführen  ließ.  Gaginis  Arbeiten 
stammen  aber  erst  aus  dem 
Jahre  1805. 

Das  Lebenswerk  der  beiden 
Couven  führt  eine  lückenlose 
Entwicklungsgeschichte  der  Bau- 
kunst des  18.  Jahrhunderts  vor. 
Bis  in  die  dreißiger  Jahre  reden 
bei  Johann  Joseph  Couven  noch 
viele  Anklänge  an   das  Barock 

mit.  Man  nehme  die  Abteikirche  Abb.  191.   Eupen,  Klötzerbalm  25,  Haus  Mayer.  Vgl.  Abb.  189  und  193. 


191 


zu  Burtscheid  mit  ihrer  dominierenden  Kuppel  (Abb.  82)  und  die  Freitreppe  am  Aachener 
Rathaus  (Abb.  73).  Das  Wespiensche  Haus  ist  ein  interessanter  Vertreter  der  Regence,  jenes 
liebenswürdigen  und  zierlichen  übergangsstiles  vom  Barock  zum  Rokoko  (Abb.  84  u.  f.).  In 
den  vierziger  und  fünfziger  Jahren  ist  Johann  Josef  Couven  Rokokokünstler.  Seme  stark  aus- 
geprägte Neigung  zum  Symmetrischen  in  allen  dekorativen  Dmgen  läßt  aber  immer  nur  ein 
recht  zahmes  Rokoko  aufkommen.  Jacob  Couvens  Kurhaus  hat  Johann  Josefs  Rokoko  formen 
mit  den  schematischeren  des  Stiles  Louis  XVI.  vertauscht  (Abb.  176  ff.).  Dann  folgen  alle 
jene  Stilabarten,  für  die  wir  leider  nur  den  Sammelbegriff  Klassizismus  haben.  Das  Hotel 
Weber  in  Burtscheid  ist  ein  freierer,  bürgerlicher  Klassizismus  (Abb.  198).  Das  Haus  ,,Zum 
Großen  Kardinal",  Alexanderstraße  Nr.  12,  benutzt  strengere  Formen  (Abb.  199).  Vor- 
bildlich ist  hier  übrigens  die  Geschäftsreklame  im  Oberlicht  der  Haustür,  eine  Zigarre,  von 
Ranken  umgeben.  Es  folgt  dann  der  Ägyptizismus,  jener  seltsame  Einschlag  ägyptischer  Formen 
nach  Bonapartes  Ägyptenexpedition.  In  der  Rennbahn  Nr.  1  in  Aachen  und  Ratinger 
Straße  Nr.  15  in  Düsseldorf  hätten  wir  zwei  freiHch  harmlose  Vertreter  dieser  Stilform 


ALb.  192.   Aachen.  Altes  Kurhaus.   Kleiner  Saal.   Vgl.  Abb.  176  — 18Ü. 


192 


(Abb.  200,  201).  Das  charakteristische  Beispiel  steht  im  Kreuzgang  von  St.  Maria  im 
Kapitol  zu  Köln.  Em  Grabstem  mit  echt  ägyptischen  Rundstäben  profiliert.  Oben  als 
Abschluß  die  hohe  Hohlkehle  mit  der  geflügelten  Sonnenscheibe.  Auch  das  Empire  kommt 
noch  im  Werke  Jacob  Couvens  vor.  Statt  Gobehns  hebte  man  es  damals,  die  Wände  mit 
Pariser  Tapeten  mit  landschaftlichen  Szenen  zu  schmücken.  Das  Benartsche  Haus  in  der 
Adalbertstraße  zu  Aachen  zeigt  noch  ein  solches  Vedutenzimmer  (Abb.  202).  Aber  das  neue 
Aachen  hat  leider  soviele  Bauten  der  beiden  Couven  beseitigt.  Als  Jacob  im  Jahre  1812 
starb,  muß  die  einstige  Freie  Reichsstadt  eine  der  vornehmsten  Städte  im  nordwestlichen 
Deutschland  gewesen  sein.  Am  Niederrhein  stand  sie  an  erster  Stelle.  Das  mittelalterliche 
Köln  konnte  mit  der  modernen  Stadt  keinen  Vergleich  wagen.  Und  auch  Düsseldorf  hatte 
damals  in  seinen  Häusern  keinen  so  großen  künstlerischen  Reichtum  wie  Aachen. 

Was  wir  sonst  noch  aus  dem  Jahrhundert  Karl  Theodors  im  Lande  Aachen -Jülich  an 
Bauwerken  heute  hätten,  ist  bald  aufgezählt 


Abb.  193.   Eupen,  Klötzerbahn  25,  Haus  Mayer.   Vgl.  Abb.  189  und  19 


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Abb.  202.   Aachen.   Haus  Bt-nait.  Atlalln-itslialje. 


In  Astenet  im  Kreise  Eupen  stammt  das  Torgebäude  von  Haus  Thor  von  emem  Neu- 
bau der  Familie  Heyendal  aus  dem  Jahre  1733  und  zeigt  jene  charakteristische  barocke  Linien- 
führung des  Giebelrahmens  über  der  Tordurchfahrt,  die  Johann  Josef  Couven  nicht  unähnlich 
bei  seinen  verschiedenen  Bauten  anwandte  (Abb.  196).  Noch  origineller  ist  der  durchbrochene 
Giebel  am  Torhaus  von  Burg  Gladbach  bei  Düren  von  1741  (Abb.  197).  Auf  Gladbach 
saßen  einst  die  mit  den  Grafen  von  Jülich  stammverwandten  Herren  von  Gladbach.  Später 
war  es  als  jülichsches  Lehen  im  Besitz  der  Herren  von  Dollendorf,  der  Grafen  von  Moers, 
der  Herren  von  Palandt,  1723  dann  des  nachmaligen  Staatsministers  Franz  Caspar  Graf  von 
Hillesheim,  von  dem  der  Neubau  von  1741  stammt.  Am  Torhaus  der  Vorburg  ist  sein  und 
seiner  Gattin,  einer  Gräfin  von  Hatzfeld,  Wappen  angebracht.  Nach  dem  Aussterben  der 
Hillesheim  zog  Karl  Theodor  im  Jahre  1786  Gladbach  als  erledigtes  jühchsches  Lehen  ein 
und  gab  es  seiner  natürlichen  Tochter,  der  Gräfin  Karolina  von  Parkstein. 

Das  18.  Jahrhundert  hat  übrigens  auf  den  jülichschen  Edelsitzen  eine  Reihe  neuer 
Vorburgen  errichtet  oder  umgebaut.  Von  der  stattlichen  Anlage  auf  Schloß  Palandt  bei 
Weisweiler  im  Kreise  Düren  war  im  ersten  Bande  schon  die  Rede  (vgl.  dort  Abb.  319  u.  320). 


198 


Weiter  wäre  die  Vorburg  der  Frenzer  Burg  bei  Düren  anzuführen*.  Dann  als  eines  der 
stattlichsten  Untergebäude  der  Remisenbau  auf  Schloß  Rurich  von  1788.  Der  damalige 
Besitzer  Hermann  Philipp  von  Hompesch  hatte  in  den  Jahren  1755  bis  1790  an  Stelle  der  alten 
Burg  eine  ausgedehnte  Neuanlage  geplant,  die  aber  nicht  ganz  zur  Ausführung  gekommen 
ist**.  Das  zweigeschossige  Rokokoherrenhaus  von  1 780  mit  Mansardendach  mit  Mittel-  und 
Eckrisaliten  ist  im  Jahre  1870  stark  verändert  worden.  Das  Remisenhaus  mit  dem  interessanten 
Toraufbau  im  Mitteltrakt  der  dreiflügeligen  Anlage  ist  aber  im  wesentlichen  erhalten.  Das 
Erdgeschoß  des  Mittelbaues  faßt  eine  große  räumige  Halle  für  Wagen. 

Von  neuen  Herrenhausanlagen  wäre  der  Neubau  auf  Cortenbach  bei  Heerlen  zu  er- 
wähnen (vgl.  I.Bd.,  Abb.  318),  der  übrigens  wieder  ein  Beleg  für  die  nahe  Verwandtschaft 
der  Aachener,  Jülicher,  Lütticher  und  Limburger  Bauweise  ist  (Abb.  174).  In  Stolberg 
Haus  Rosenthal,  eine  dreiflügelige  Hofanlage  der  Familie  Schleicher  (Abb.  194).  Haus 
Zweibrüggen  bei  Freienberg  im  Kreise  Geilenkirchen,  im  Jahre  1788  von  Josef  Anton  von 
Negn  zu  Brunsum  erbaut,  ist  eine  Art  ,,maison  de  plaisance",  aber  mit  vorgezogenen  Seiten- 
trakten (Abb.  203)***. 

Der  Umbau  auf  Haus  Linzenich  bei  Jülich  stammt  aus  dem  Jahre  1782  (Abb.  195)f, 
Schloß  Rahe  in  Laurensberg  bei  Aachen  von  I787tt.  Das  stattliche  Schloß  Contzen 
im  Kreise  Eupen  ist  1746  von  Graf  Heinrich  von  Harscamp  erbaut,  im  19.  Jahrhundert 
dann  nicht  unwesentlich  verändert  wordenfff.  Wohl  erhalten  ist  indessen  noch  Schloß 
Müddersheim  bei  Düren,  ein  reizvolles 
Herrenhaus  des  Freiherrn  Rudolf  Adolf  von 
Geyr  aus  dem  Jahre  1720*f. 

Es  bleibt  noch  die  Stadt  Düren  mit  einer 
nicht  uninteressanten  eigenen  Entwicklung 
bürgerlicher  Bauweise  übrig.  Die  Stadt  hatte 
unter  den  Wirren  des  17.  Jahrhunderts  arg 
gelitten,  und  erst  allmählich  begann  im  fol- 
genden   Jahrhundert   ein    neuer  Aufschwung 


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*  Clemen:  Kunstdenkmäler  des  Kreises  Düren.  Bearbeitet 
von  Hartmann  und  Renard.    Düsseldorf   1910.    Abb.  80. 

**  Clemen:     Kunstdenkmäler    der    Kreise    Erkelenz    und 
Geilenkirchen.  Bearbeitet  von  Renard.  Düsseldorf  1904.  Abb.  62. 
***  Situationspläne    Abb.   89,     Kunstdenkmäler    der    Kreise 
Erkelenz  und  Geilenkirchen. 

f  Situationsplan   und  weitere  Ansichten:    Kunstdenkmäler 
des  Kreises  Jülich,  Abb.  118  bis  120. 

ff  Kunstdenkmäler  des  Landkreises  Aachen.   Bearbeitet  von 
Heribert  Reiners.     Düsseldorf   1912.     Abb.  119  u.  120. 

fff  Kunstdenkmäler    des    Kreises    Eupen.      Bearbeitet    von 
Reiners.     Düsseldorf  1912.     Abb.  211:  Situationsplan. 

*f  Vgl.  Kunstdenkmäler  des  Kreises  Düren.    Bearbeitet  von 
Hartmann  und  Renard.    Düsseldorf  1910.    Abb.  133. 


Abb.  203.  Haus  Zweibrüggen  bei  Freienberg  (Geilenkirchen). 


199 


Die  Magistratsverordnung  von  1718  gewährte  jedem,  der  einen  massiven  Steinbau  aufführte, 
gewisse  Befreiungen  von  den  öffentlichen  Lasten.  Das  Strohdach  ward  verboten.  Die  Bauten, 
die  nun  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  entstanden,  sind  eine  Nachblüte  der  reichen 
malerischen  Renaissancebauten  der  Stadt  mit  barock  gezeichneten  Giebelformen,  die  noch 
verhähnismäßig  lange  beibehalten  wurden,  bis  die  reicheren  Bauten  nicht  mehr  die  Schmal- 
seite, sondern  die  Langseite  in  die  Straßenfront  stellten*.  Für  den  alten  dekorativen  Giebel 
war  nun  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  kein  Platz  mehr  vorhanden.  Die  breiten  drei- 
stöckigen Patrizierhäuser  schließen  ihre  Fassaden  mit  einem  ausladenden  Hauptgesims.  An 
Stelle  des  Giebels  tritt  das  hohe  Mansardendach.  Nicht  mehr  der  Schmuck  der  Giebel  und 
Portale  ist  das  Entscheidende,  sondern  die  gut  abgewogenen  Verhältnisse  der  einzelnen  Stock- 
werke zueinander.    Der  Stil  Louis  XVL  und  der  Klassizismus  geben  den  breiten  Fenstern 

*  Vgl.  Abb.  61   bis  63  in  den  „Kunstdenkmäiern  des  Kreises  Düren". 


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Abb.  204.    Düren.   Marktplatz;  links  in  der  Mitte  das  Rathaus. 


200 


Stichbögen  und  Fensterbänke  oder  auch  rechteckige  oder  oben  rundbogig  geschlossene 
Rahmen. 

Auf  dem  Marktplatz  stehen  die  alten  und  neuen  Bauten  des  18.  Jahrhunderts  neben- 
einander und  rahmen  den  die  Nachbarschaft  überragenden  Rathausbau  ein  (Abb.  204).  Er 
war  nach  dem  Brande  vom  Jahre  1543  neu  aufgeführt  worden.  Ein  Ziegelrohbau  mit  Haustein- 
fensterkreuzen, im  Erdgeschoß  eine  offene  Halle,  hoch  oben  auf  dem  steilen  Dach  der 
geschieferte  hölzerne  schlanke  Dachreiter  mit  offener  Laterne.  Die  neue  stattliche  Umgebung 
war  1788  d'e  Veranlassung  zu  einem  Umbau  des  Rathauses.  Eine  breite  hohe  Attika  drängt 
seitdem  das  steile  Dach  zurück.  Die  alten  Fensterkreuze  hat  man  beseitigt  und  zeitentsprechende 
neue  Rahmen  eingesetzt.  Die  Backsteinfläche  verputzt.  Die  Kanten  verquadert.  Die  Haustein- 
profile schärfer  herausgezogen.  Die  Mittelachse  tritt  etwas  vor,  von  gequaderten  Lisenen 
eingefaßt.  Ein  Balkon  schmückt  das  Hauptfenster.  Und  über  die  Attika  hinaus  wächst  der 
Rahmen  für  die  Uhr  mit  dem  ovalen  Giebel. 

Der  Marktplatz  ist,  bis  auf  die  wenigen  Dissonanzen  aus  der  Zeit  um  1890,  noch  gut 
erhalten  und  eines  der  besten  Platz-  und  Straßenbilder  aus  dem  18.  Jahrhundert*. 

*  Vgl.  Werner  Schürmann:  „Städtebauliches  über  den  Dürener  Marktplatz".  Mit  Abbildungen.  Im  „Niederrhein", 
illustrierte  Halbnionatschrift  des  „Bundes  Niederrhein".    Düsseldorf  1913,  Heft  5. 


Abb.  205.   Düsseldorf.   Nesselroder  Hof. 


26 


201 


L)er  Schloßbau  zu  Benrath  und  der  Jägerhof  wurden  für  Düsseldorf  der  Ausgang  einer 
regen  baukünstlerischen  Tätigkeit,  die  noch  über  die  langjährige  Regierungszeit  Karl  Theodors 
hinaus  anhielt.  Couven  wie  Pigage  hatten  aber  persönlich  weiter  keinen  unmittelbaren  Einfluß 
auf  den  Ausbau  der  Stadt.  Johann  Josef  Couven  starb  1763,  ein  Jahr  nach  dem  Abzug  der 
Franzosen  aus  Düsseldorf.  Ob  sein  Sohn  Jakob,  der  langjährige  Mitarbeiter,  sich  in  der  jülich- 
bergischen  Landeshauptstadt  nach  dem  Heimgange  des  Vaters  betätigen  konnte,  wissen  wir 
nicht,  ist  auch  an  der  Hand  der  aus  der  Zeit  Karl  Theodors  in  Düsseldorf  erhaltenen  Bauwerke 
schwer  nur  zu  beantworten.  Wohl  war  Jakob  Couven  auf  Schloß  Wickrath  und  im  jülichschen 
Heinsberg  mit  Bauaufträgen  beschäftigt,  und  die  Arbeiten  des  Vaters  am  Jägerhof  waren  noch 
nicht  ganz  vollendet.  Man  könnte  glauben,  daß  hier  dem  Sohn  und  Mitarbeiter  die  Fertig- 
stellung übertragen  worden  sei.  Giuseppe  Antonio  Albuzio  führte  die  Stuckdecken  aus.  Aus 
der  langjährigen  Tätigkeit  des  italienischen  Meisters  unter  der  Leitung  des  Oberbaudirektors 
Pigage  in  Mannheim,  Schwetzingen  und  Benrath  darf  man  indessen  annehmen,  auch  die  amtliche 
Stellung  von  Pigage  und  seine  Tätigkeit  in  dem  benachbarten  Benrath  erlauben  den  Schluß, 
daß  dem  Oberbaudirektor  neben  der  Anlage  des  Hofgartens  auch  die  Vollendung  des  Jäger- 
hofes übertragen  wurde.  Es  handelte  sich  aber  scheinbar  nur  um  die  Innenausstattung  und 
den  hinter  dem  Schloß  gelegenen  Garten. 

Damit  wäre  aber  die  unmittelbar  persönliche  Anteilnahme  des  Oberbaudirektors  am  Ausbau 

von  Düsseldorf  scheinbar  er- 
schöpft. Das  kurfürstliche  Amt 
des  höchsten  Baubeamten  nahm 
zu  sehr  seine  ganze  Tätigkeit  in 
Anspruch.  Es  ist  ihm  daher 
auch  nicht  wieder  vergönnt  ge- 
wesen, weder  Aufgaben  wie  die 
Innendekoration  des  Mann- 
heimer Schlosses,  den  Galerie- 
flügel  mit  der  Bibliothek  und 
den  Privatgemächern  der  Kur- 
fürstin, noch  Arbeiten  wie  den 
Tanzsaal  im  südlichen  Zirkel- 
haus in  Schwetzingen,  noch  ein 
Schloß  Benrath,  das  seine  reifste 
Arbeit  bleibt,  auszuführen.  Zwar 
haben  noch  zwei  Bauaufgaben 
den  Meister  in  späteren  Jahren 

_      beschäftigt:  ein  Entwurf  für  die 

Abb.  20b.  Düsseldorf.  Ehemaliges  Rhemtor.  Paulskirche  Und  der  heute  nicht 


n,. 


202 


mehr  vorhandene  Russische  Hof  in  Frankfurt  a.  M.  Ich  habe  von  beiden  Arbeiten  keine 
Vorstellung.  Nach  Vollendung  von  Schloß  Benrath  blieb  Pigage  bis  zu  seinem  Tode  im 
Jahre  1796  in  kurpfälzischen  Diensten  und  verlebte  seine  letzten  Jahre  als  Hofmann  und 
Oberbaudirektor  im  Sommer  auf  Schloß  Schwetzingen,  im  Winter  im  Mannheimer  Residenz- 
schloß. Auch  seinen  Hauptmitarbeiter  auf  Benrath,  Peter  Anton  Verschaffeh,  den  Baumeister 
der  Hofkirche  in  Oggersheim,  des  Zeughauses  und  des  Palais  Bretzenheim  in  Mannheim,  rief 
kein  Bauauftrag  mehr  an  den  Niederrhein  zurück*. 

Es  hat  im  übrigen  den  Eindruck,  als  ob  die  Düsseldorfer  Hofkammer  die  Tätigkeit  des  kur- 
pfälzischen Oberbaudirektors  am  liebsten  auf  die  Pfalz  beschränkt  sah  und  am  Niederrhein 
mehr  die  einheimischen  Kräfte  bevorzugte.  Sie  scheint  schon  damals,  als  Pigage  den  Auftrag 
erhielt,  Couvens  Pläne  für  den  Jägerhof  zu  überarbeiten,  sich  auf  die  Seite  des  Aachener  Bau- 
meisters gestellt  zu  haben.  Auch  das  Hofgartenhaus  baute  nicht  er,  sondern  der  Düsseldorfer 
Hofbaumeister  Flügel  (Abb.  170,  255).  Um  den  Erweiterungsbau  von  1780  bewarben  sich  die 
heimischen  Meister  Peter  Köhler,  Kees  oder  Kaes,  Wauters,  Erb,  Nolden  und  Schaefer.  Ja,  die 
Düsseldorfer  Hofkammer  konnte  dem  Oberbaudirektor  sehr  energisch  kommen.  Der  Hofbau- 
meister Kaes  hatte  um  das  Jahr  1766  einen  Plan  für  das  Palais  des  Statthalters  entworfen.  Auf 
Befehl  des  Kurfürsten  sollten  die  Arbeiten 
Pigage  zur  Korrektur  unterbreitet  werden. 
Aber  die  Düsseldorf  er  Hof  kammer  erklärte  ganz 
einfach,  der  Oberbaudirektor  könne  dann  auch 
die  Detailzeichnungen  und  die  Kontrakte  mit 
den  Handw-erkern  in  der  Pfalz  machen  lassen. 
Sie  könne  auf  keinen  Fall  unter  den  geforder- 
ten Voraussetzungen  eine  Garantie  für  die 
rechtzeitige  Fertigstellung  des  Bauwerks  über- 
nehmen. Der  Erfolg  war :  Der  jülich-bergische 
Hofbaumeis  ter  Kaes  führte  den  Bau  nach  seinen 
Plänen  ohne  weitere  Korrektur  des  kurpfälzi- 
schen Oberbaudirektors  aus  (Abb.  208-210). 

Die  Baumeister  des  neuen  Düsseldorf  nach 
dem  Bombardement  von  1758  waren  Nost- 
hofen,  Kaes,  Flügel,  Wauters,  Peter 
Köhler,  in  späterer  Zeit  dann  Husch- 
berger,  Erb  und  Schaefer.  Daneben 
bleibt  aber  die  Frage  offen,  ob  nicht  Peter 


*  Josef  August  Beringer:  Peter  A.  von  Verschaffelt. 
Sein  Leben  und  sein  Werk.  Studien  zur  Deutschen  Kunst- 
geschichte Nr.  40.     Heitz  u.  Mündel,  Straßburg. 


Abb.  207.   Du,,rlk 


Vgl.  Abb.  214. 


1  eldseite. 


203 


Abb.  208.   Düsseldorf.    Baudetails  der  ehemaligen  Slalthalterresidenz.  Vgl.  Abb.  209,  210. 
Aufnahme  der  Architektur -Abteilung  der  Kunstakademie  zu  Düsseldorf. 


Josef  Krähe  (1758 — 1840),  der  Sohn  des  Düsseldorfer  Akademiedirektors,  der  interessante 
Klassizist,  der  allerdings  von  1786  bis  etwa  gegen  1800  in  Koblenz  in  kurtrierischen  Diensten 
tätig  war,  dann  nach  Braunschweig  übersiedelte,  auch  in  Düsseldorf  beschäftigt  war.  Ich 
komme  darauf  noch  einmal  zurück.  Von  den  übrigen  Düsseldorfer  Baumeistern  ist  ein  ganz 
klares  Bild  nicht  zu  entwerfen.  Wir  wissen  nur,  daß  Nosthofen  das  alte  Schloß  auf  dem 
Burgplatz  ausgebaut  hat  und  daß  Kaes  der  Erbauer  der  Statthalterresidenz  war. 

Vom  ehemaligen  Schloß  ist  aus  dem  Jahre  1756  eine  Zeichnung  der  Rheinansicht  und 
ein  Schnitt  durch  den  Hof  erhalten  (Abb.  12,  13).  Nosthofen  hat  die  alte  Brustwehr  am 
Dach  entfernen  lassen  und  an  deren  Stelle  über  den  gotischen  Bogenstellungen  ein  viertes 
Geschoß  angebracht*.  Die  Fensteröffnungen  hat  er  mit  neuen  Rahmen  vergrößert.  Zwei 
Aktenstücke  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  vom  Jahre  1794,  von  Hofbaumeister  Wauters 
verfaßt,  enthalten  genaue  Angaben  über  die  Bestimmung  der  einzelnen  Räume  und  deren 
Ausstattung**.  An  einer  Grundrißaufnahme,  ebenfalls  aus  dem  Jahre  1756,  kann  man  die 
Angaben  genauer  verfolgen  (Abb.  14). 

Der  älteste  Teil  des  Schlosses,  der  nach  dem  Rhein  zu  gelegene  Westflügel,  war  der  eigent- 
liche fürstliche  Wohnbau.  Hier  waren  die  Audienz-  und  Gesellschaftszimmer,  der  Rittersaal, 
der  Wintergarten,  das  Spiegelkabinett  und  die  Garderobe  der  Kurfürstin  usw.  Die  Hof- 
damen und  Kavaliere  bewohnten  den  dritten  und  vierten  Stock.  Im  ersten  Geschoß  gelangte 
man  aus  dem  Hauptbau  in  den  im  Südflügel  gelegenen  Speisesaal,  im  gegenüber  gelegenen 
Flügel  in  die  Schloßkapelle,  die  für  die  Dienerschaft  oben  eine  Galerie  hatte  (Abb.  12). 
Die  Sakristei  lag  in  dem  runden  Eckturm.  In  den  oberen  Stockwerken  der  beiden  Seiten- 
flügel waren  die  Quartiere  für  fürstlichen  Besuch.  Im  Erdgeschoß  des  Südflügels  waren 
die  Hofkammer  und  die  Kanzlei,  im  Nordflügel  unter  der  Kapelle  die  Kameralregistratur, 
im  runden  Eckturm  unter  der  Sakristei  das  Landesarchiv  und  die  Landrentmeisterei.  Zwischen 
den  beiden  Außentürmen  lief  der  schmale  sogenannte  , .Schlange  Fleugel,  welcher  der 
Seuten  Fleugel  an  dem  Norten  Fleugel  verbunden  hat  und  wo  unten  die  Garde  Corps  und 
Schweisser  (Schweitzer)  Wache  sich  befunden  hat,  auch  die  Trappe  zu  der  Ober  Etage,  in 
dieser  war  einer  durchgehender  Gank  zu  sechs  Zimmer,  welche  zu  Cession  (Session)  und 
Registratur  von  Forst  und  Jagd  abtiret  war".  Vielleicht  stammt  diese  Einteilung  des  Schlosses 
noch  von  dem  Umbau  unter  Jan  Wellem.  Karl  Philipp  hatte  aber  die  besten  Stücke  der 
Innenausstattung  fortschaffen  lassen.  Das  Bombardement  von  1758  hatte  außerdem  dem 
Schloßbau  mitgespielt.  Der  Statthalter  mußte  daher  für  den  Kurfürsten  das  Innere  teilweise 
ganz  neu  einrichten  lassen.  Die  fürstlichen  Gemächer  Verden  mit  kostbaren  Wandteppichen 
von  Hautelisse  (Otalist)  geschmückt,  flandrischen  und  französischen  Arbeiten,  Darstellungen  aus 

*  Ansicht  des  Schlosses  vor  dem  Umbau,  eine  Tuschzeichnung  im  Historischen  Museum  der  Stadt  Düsseldorf.  Abgebildet 
in  „Düsseldorf  im  Wandel  der  Zeiten"  von  Freunden  der  Heimatgeschichte.     Düsseldorf  1910,  5.22. 

**  Inventar  des  Düsseldorfer  Schlosses  vom  Jahre  1794.  —  Beschädigung  des  Schlosses  und  anderer  fiskalischer  Gebäude 
durch  das  Bombardement  von  1794.  —  Mitgeteilt  durch  Otto  R.  Redlich  im  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins  X.  1895. 
S.  85-114 

205 


'iffm 1 1 1 1 1 1 k — t — t — b.  "■" 

Abb.  209.   Düsseldorf.   Ehemalige  Statthalterresidenz.   Vgl.  Abb.  208  und  210. 
Aufnahme  der  Architektur- Abteilung  der  Kunstakademie  zu  Düsseldorf. 

der  Geschichte  Josefs,  Simsons,  Alexanders  des  Großen,  Telemachs,  Jagdstücke  und  Land- 
schaftsbilder. Der  Speisesaal  war  ,,tapezirt  mit  Otalist  representirend  die  Geschichten  des 
ersten  Königs  in  Frankreich  Clodoväi".  Der  Audienzsaal  und  die  zugehörige  Antichambre 
war  „tapezirt  mit  Otalist  representirend  deren  Götter  Festin"  usw.  ,, Hinter  dem  Spiegel 
Cabinette  der  durchlauchtigsten  Frau  Churfürstin  ist  eine  kleine  Retirade,  welche  mit  seiden 
Brocadelle  tapezirt  ist."  Ebenso  die  ,,bey  Seite  des  Cabinets  höchst  gedachter  Frau  Churfürstin 
Garde-Robe".  Andere  Räume  waren  mit  ,,Boserie",  mit  gemaltem  Atlas,  mit  grünem,  rotem, 
gelbem  und  karmoisinem  Damast  oder  geblümter  Chiamose  bekleidet.  Die  Schlafzimmer, 
die  keine  Wandteppiche  erhalten  hatten,  waren  , .tapezirt  mit  rotem  Sammet  und  alle  Näthe 
mit  goldenen  Borten  besetzt  wie  auch  das  Bett".  Auf  dem  Damengang  standen  ,,14  marmor- 
steinerne Tische  mit  eingelegten  Füssen  und  mit  Messing  beschlagen,  so  von  der  Gallene  nach 
den  Schloßzimmern  in  Sicherheit  gebracht  worden,  worunter  sich  zwei  befinden  mit  Landkarte 
bezeichnet".  In  der  Mitte  des  Rittersaales  stand  ein  großer  ,, Tisch  mit  Bildhauerarbeit" ;  und 
um  das  große  Reiterbild  Jan  Wellems  von  Johann  Franz  Douven  schmückten  51  andere  Bilder 
die  Wände  des  Saales. 

Wie  das  kurfürstliche  Schloß,  so  ist  auch  leider  das  Statthalterpalais,  allgemein  Residenz 
genannt,  nicht  mehr  erhalten  (Abb.  210).  Es  hat  im  Jahre  1912  dem  Neubau  des  Justizgebäudes 
weichen  müssen.  Glücklicherweise  hat  aber  die  Architekturabteilung  der  Kunstgewerbe- 
schule zu  Düsseldorf  vor  dem  Abbruch  den  Bau  und  seme  Details  maßstäblich  auftragen 
lassen  (Abb.  208,  209).  Er  hatte  zu  beiden  Seiten  der  Tordurchfahrt,  über  der,  in  das  Dach- 
geschoß einschneidend,  ein  Giebel  mit  springenden  Pferden,  dem  Kurhut,  den  Initialen  des 
Kurfürstenpaares  und  der  Jahreszahl  1766  angebracht  war,  sieben  Fensterachsen.  Der  lang- 
gestreckte Bau  verlangte  nach  einer  inneren  Gliederung.  Baumeister  Kaes  faßte  je  fünf  Fenster- 


206 


achsen  zusammen,  zog  die  beiden  seitlichen  Achsengruppen,  durch  Eckquader  besonders 
betont,  etwas  vor  die  Mittelgruppe  und  gab  den  Mittelfenstern  beider  Seitengruppen  im 
Erdgeschoß  eine  reichere  Umrahmung.  Das  rhythmische  Verhältnis  dieser  Rahmen  zum 
Torrisalit  ist  ausgezeichnet.  Ihr  Scheitelpunkt  hegt  in  der  Verlängerung  der  Giebellinien. 
Sonst  ist  der  Bau,  von  der  Tordurchfahrt  und  dem  Schmuck  des  darüber  angebrachten 
Fensters  abgesehen,  ganz  schlicht,  und  die  Fenstergliederung  von  einer  zurückhaltenden  Vor- 
nehmheit. Kaes  hatte  auf  den  gegenüberliegenden  Bau  des  Jesuitenkollegiums  Rücksicht  zu 
nehmen  (I,  Abb.  212).  Ihm  und  dem  Statthalter  schwebte  offenbar  ein  Gegenstück  zur 
Neußer  Straße  vor  Augen.  Dort  die  monumentale  Auffahrt  zu  dem  von  Jan  Wellem  geplanten 
kurfürstlichen  Neuen  Schloß,  hier  zur  alten  Burg. 

Um  den  Bau  des  vornehmen  Statthalterhauses  sammelte  sich  in  Düsseldorf  eine  Reihe 
anderer  Neubauten  des  Adels,  der  Hofbeamten  und  Patrizier.  Die  Stadt  erhielt  allmählich  ein 
ganz  neues  Aussehen,  ,,]ene  bescheidenen,  in  guten  Verhältnissen,  doch  arm  an  Schmuck,  in 


Abb.  2i0.   Dusseldorf.   Ehemalige  Statthalterresidenz  in  der  Mühlenstraße.    Vgl.  .4bb.  208,  203. 


207 


geraden  Straßenlinien  sich  aufbauenden  Bürgerhäuser,  die  in  vollem  Gegensatz  zu  dem  alten 
Giebelhaus  und  der  gotischen  Höhenentfaltung  deutscher  Barockkunst  stehen",  wie  Cornelius 
Gurlitts  , .Geschichte  des  Barockstils  in  Deutschland"  im  Jahre  1889  notierte.  Heute  ist  freilich 
von  diesen  bescheidenen  Häusern  des  18.  Jahrhunderts  in  Düsseldorf  nicht  viel  mehr  zu  sehen, 
in  einigen  Jahren  vielleicht  überhaupt  nichts  mehr.  Wohl  hier  und  da,  von  moderner  Nachbar- 
schaft umgeben,  ein  einzelnes  Haus.  Aber  darin  besteht  nicht  der  Reiz,  sondern  in  der 
Gesamtwirkung  des  Straßenbildes,  so  wie  etwa  vor  zwanzig  Jahren  die  Zitadellstraße  noch 
ausschaute  mit  den  Häusern  der  Grafen  von  Diamantstein,  von  Velbrück,  von  Hompesch, 
von  Nesselrode  (Abb.  205),  von  Spee  (Abb.  211),  von  Gohstein,  der  Herren  von  Daniels, 
von  Pfeilsticker  (Abb.  212)  usw.  Es  war  die  Straße  der  hohen  Hofbeamten  und  der  Absteige- 
quartiere des  Adels.  Die  außen  schmucklosen  Häuser  mit  dem  traulichen  Mansardendach 
und  den  hohen  Schlagläden   sind  im  Innern  von  einer  überraschend  klugen  Anordnung  der 


Abb.  211.   Düsseldorf.   Zitadellstraße  Nr.  14  (Haus  Graf  Spee). 
Aufnahme  der  Architektur -Abteilung  der  Kunstakademie  zu  Düsseldorf. 


208 


Räume.  Zwischen  Vorder-  und  Hinterhaus  rahmen  niedrigere  Seltenflügel  den  Binnenhof 
ein.  Aus  der  Zeit  Jan  Wellems  lebte  noch  die  Holzschnitzerschule  fort,  die  die  Treppenhäuser 
und  Türen  verzierte.  Das  18.  Jahrhundert  ist  das  Jahrhundert  der  eleganten  Treppe.  An- 
fänglich zeigen  die  Treppenpfosten  noch  reichen  barocken  Schmuck.  Dann  wird  der  Lauf 
geschmeidiger.  Jede  Ecke  weicht  einer  bequemen  Rundung.  Den  Pfosten  am  Treppen- 
aufgang schmückt  ein  Delphin  oder  ein  Schwan.  An  Stelle  dieser  noch  immer  barocken 
Formen  treten  später  die  schlichteren  des  Klassizismus.  Das  Jacobihaus,  der  heutige  Mal- 
kasten, damals  noch  vor  der  Stadt  gelegen,  hat  eines  der  schönsten  klassizistischen  Treppen- 
häuser in  Düsseldorf  (Abb.  215).  Ein  eigentliches  Rokoko  kennt  aber  die  Baukoinst  am 
Niederrhein  kaum,  und  die  wenigen 
Vertreter  bleiben  Ausnahmeerschei- 
nungen. Das  hat  verschiedene  Gründe. 
Zunächst  war  die  Bautätigkeit  während 
der  Blüte  des  Rokoko  durch  Kriegs- 
wirren und  politische  Verhältnisse 
unterbunden.  Als  ruhigere  Tage  kamen, 
übte  die  Inneneinrichtung  von  Schloß 
Benrath  mit  Ihren  ruhigen  klaren  For- 
men auf  den  ganzen  Charakter  der 
bürgerlichen  Wohnbaukunst  einen 
starken  Einfluß  aus.  Aber  auch  sonst 
hätte  der  Schnörkelstil  wie  in  Holland 
und  im  Münsterlande,  so  auch  am 
Niederrhein,  schwer  heimisch  werden 
können,  denn  seine  Formen  lassen  sich 
mit  den  großen  Flächen  des  Backsteins 
und  mit  dem  Charakter  der  Landschaft 
und  der  Bewohner  kaum  auf  einen 
gemeinsamen  Nenner  bringen.  Auf  den 
Stil  der  Regence  folgt  am  Niederrhein 
gleich  der  Klassizismus.  Die  schöne 
Füllung  der  Tür  an  dem  von  Pf  eilsticker- 
schen  oder  von  Hagenschen  Hause  Zita- 
dellstraße Nr.  17  weiß  nichts  von  dem 
Unsymmetrisch-Launenhaften  des  Ro- 
koko (Abb. 21 2).  Was  zeitig  darauf  folgt, 
wie  beispielsweise  das  Portal  der  Statt- 
halterresldenz(Abb.209),  ist  ganz  schlicht. 


Abb.  212.   Düsseldorf.   Zitadellstraße  Nr.  17  (Haus  Pfeilsticker). 


27 


209 


Die  Zitadellstraße  sollte  eine  einheitliche  Raumwirkung  erhalten.  Man  schloß  daher  die 
eine  Schmalseite  an  der  Schulstraße  mit  der  Fassade  des  Nesselrodeschen  Hauses  (Abb.  205), 
die  gegenüberliegende  mit  dem  Berger  Tor  (Abb.  214).  Das  Tor,  das  von  einem  Neubau 
des  18.  Jahrhunderts  stammt,  ist  nach  der  Stadtseite  zu  ein  schlichter  Backsteinbau  mit  großen  | 
Hausteinfensterrahmen,  schaut  friedlich  drein  wie  das  Binnentor  zu  Heinsberg,  das  ebenfalls 
als  Wohnbau  diente  (I,  Abb.  70, 71).  über  dem  Torbogen  sind  als  Schlußstein  ein  Löwenkopf 
und  eine  behelmte  Kriegermaske  angebracht.  Doppelkonsolen  tragen  die  breiten  Pilaster  im 
Obergeschoß.  Das  Hauptgesims  ladet  rundbogig,  in  das  Dach  einschneidend,  aus,  um  den 
beiden  vom  Kurhut  bekrönten  Kartuschen  mit  den  Initialen  des  Kurfürstenpaares  in  dem 
durchbrochenen  Fenstergiebel  Platz  zu  lassen.  Breite  barocke  Kriegstrophäen  rahmen  in  male- 
rischem Durcheinander  das  Mittelfenster  ein.  Der  Baumeister  des  reizvollen  Tores  ist  nicht 
bekannt.  Der  dekorative  Schmuck  stammt  von  Meister  Balthasar  Spaeth.  Zwischen  den 
beiden  Pilastern  lief  unter  dem  Fenster  die  Inschrifttafel:  Raedificatum  MDCCLI.  Zu  beiden 
Seiten  des  eigentlichen  Torbaues  schlössen  sich  Wohnflügel  von  je  drei  Fensterachsen  an. 
Nach  der  Feldseite  schaute  das  Tor  in  seiner  kraftvolleren  Gliedemng  und  dem  schweren 
Material  freilich  weniger  friedlich  aus  (Abb.  207).  Die  Seitenflügel  treten  zurück.  Zwei  starke, 
mit  bossenartigen  Querbändern  durchzogene  Pilaster  aus  riesigen  Trachytquadern  tragen  den 
schweren  Architrav  mit  dem  Giebelaufbau,  über  dem  Torbogen  stand  das  bergische  Wappen, 
über  den  Giebel  ragte  noch  eine  Attika  hinaus.  Ein  Löwenkopf  und  Löwenklauen  hielten 
ein  plastisch  gearbeitetes  Tuch  mit  dem  Chronikon. 

Im  Innern  erweiterte  sich  die  mit  flachen  Tonnen  überspannte  Durchfahrt  in  der  Mitte 
zu  einem  runden  kuppelartigen  Raum  mit  Schießscharten  an  den  Seiten.    Nicht  unähnlich 

war  die  Anlage  im 
Innern  bei  dem  Ber- 
liner Tor  in  Wesel 
(I,  Abb.  337).  über 
der  runden  Durch- 
fahrt lag  ein  zemen- 
tierter Hof.  Von  hier 
gelangte  man  zu  den 
Gefängniszellen. 

Das  Jahr  1787 
brachte  Düsseldorf 
das  wichtige  und 
folgenreiche  Ereignis 
seiner  städtebau- 
...   T,,    T-v..    ij   f  c   j   1  IL     x-ini.    •.  j     A    L     !•■      j    L'   1  .  j.  liehen  Entwicklung: 

Abb.  213.   Dusseldorf.   Stadtplan  vom  Jahre  17%  mit  den  Ausbauplanen  der  Karlstadt.  »       i 

Vgl.  Abb.  26  und  24.  Durch   den   Ausbau 


210 


der  Festungswerke  der  Extension  waren  die  alten  Fortifikationen  zwischen  der  Flinger  Bastion 
und  der  ursprünglichen  Berger  Pforte  überflüssig  geworden  (Abb.  26).  Karl  Theodor  ließ 
sie  schleifen.  Artillerie-  und  Ingenieuroffiziere  entwarfen  für  das  Gebiet  der  Extension  einen 
Bebauungsplan  (Abb.  213).  Die  Karlstadt  entstand;  der  Karlplatz  mit  den  rechteckigen 
Häuserblocks  der  parallel  laufenden  Kasernen-,  Hohe-,  Bilker-  und  Poststraße  und  den  (^er- 
straßen  Benrather-  und  Bastionstraße.  Auf  den  zugefüllten  Gräben  wurden  die  Graben-  und 
Mittelstraße  angelegt.  Wer  in  ,,dahiesiger  künftigen  neuen  Carls-Stadt"  bauen  wollte,  hatte 
,, zwanzig  jähnge  vollkommene  Steuerfreyheit  mit  dem  ausdrücklichen  Beding  jedoch  .  .  .  daß 
jeder  Baulustige  schuldig  und  gehalten  seye,  den  ihme  zum  bebauen  angewiesenen  Platz, 
unter  Verlust  desselben,  also  fort  zu  bearbeiten,  die  Fundamente  und  Kellere  noch  vor  Ende 
des  Julius  1 788  der  vorgeschriebenen  Strassenhöhe  gleich  auszuführen ;  das  völlige  Gebäude 
aber  in  Zeit  von  drei  Jahren,  vom  Tage  der  geschehenen  Anweisung  zu  rechnen,  darzustellen, 


.  iüu.  ^  1  1.    L'^i; 


loi,  i.a..o.....  Vgl.  Abi..  207. 


211 


und  den  District  an  der  Strassen  durch  die  Front  des  Gebäudes  vollständig  auszufüllen, 
keineswegs  aber  einigen  Raum  daselbst  leer  zu  lassen,  und  durch  Hinsetzung  einer  blossen 
Mauer  die  Gassen  zu  verunzieren".  Ferner  waren  ,,auf  den  Gassen  keine  liegende  Keller- 
thüren  gestattet,  so  dann  dass  von  jedem  Baulustigen  vor  seinem  Hause  an  statt  eines  Paves 
bis  an  die  Kandel  oder  Gosse  steinerne  Platten  angelegt  werden  sollten". 

Und  nun  beginnt  eine  rege  Bautätigkeit.  Georg  Forster  war  1790,  als  er  in  Düsseldorf 
weilte,  begeistert:  ,, Welch  ein  Unterschied  zwischen  Kölln  und  diesem  netten,  reinlichen, 
wohlhabenden  Düsseldorf!"  ruft  er  aus.  „Eine  wohlgebaute  Stadt,  schöne  massive  Häuser, 
gerade  und  helle  Straßen,  thätige,  wohlgekleidete  Einwohner,  wie  erheitert  das  nicht  dem 

Reisenden  das  Herz!  Vor  zwei 
Jahren  ließ  der  Kurfürst  einen 
Theil  der  Festungswerke  demo- 
lieren und  erlaubte  seinen  Unter- 
thanen  auf  dem  Platze  zu  bauen. 
Jetzt  steht  schon  eine  ganz  neue 
Stadt  von  mehreren  langen,  nach 
der  Schnur  gezogenen  Straßen 
da ;  man  wetteifert  miteinander, 
wer  sein  Haus  am  schönsten,  am 
bequemsten  bauen  soll ;  die  an- 
gelegten Kapitalien  belaufen  sich  ] 
auf  sehr  beträchtliche  Summen, 
und  in  wenigen  Jahren  wird 
Düsseldorf  noch  einmal  so  groß 
als  es  war,  und  um  vieles  präch- 
tiger seyn."*  Imfolgenden  Jahre 
zählte  die  Karlstadt  bereits  86 
Neubauten.  Dann  aber  ließ  all- 
mählich der  Baueifer  etwas  nach . 
,,Da  verschiedene  Baulustige  in 
der  Carlstadt  ihre  vorlängst  ge- 
nommene Bauplätze  unbebauet 
liegen  oder  dieselben  nur  mit 
einer  Mauer  abschließen  lassen," 
führt  eine  Verordnung  der  Re- 
gierung vom  Jahre   1794  aus, 


Abb.  213.   Düsseldorf.   Jacobihaus  (Malkasten);  Treppenhaus, 


*   Georg  Forster:    Ansichten  vom 
Niederrhein  usw.   Berlin  1791.    I.   S.  106. 


212 


„Se.  Churfürstliche  EXirchlaucht  aber  diesem,  der  Carlstadt  zur  Unzierde  gereichenden  Un- 
weesens  länger  zuzusehen  gnädigst  nicht  gemeinet  sind,  mithin  beschlossen  haben  und  wollen, 
daß  inner  14  Tagen  auf  sothanen  Plätzen  mit  wirklichen  Bauen  der  Anfang  gemacht  und 
darüber  die  Bescheinigung  zur  Kommission  eingebracht  werde,  unter  dem  Nachtheil,  dass 
nach  deren  fruchtloser  Verstreichung  die  dem  säumigen  gegebene  Konzession  sofort  ein- 
gezogen und  dessen  Platz  anderwärts  vergeben  werden  solle."  Die  Ereignisse  desselben 
Jahres  unterbrachen  indessen  die  Weiterarbeiten.  Der  größte  Teil  des  Ausbaues  der  Karlstadt 
fällt  daher  erst  in  den  Anfang  des  folgenden  Jahrhunderts.  Ich  komme  darauf  noch  ein- 
gehend im  dritten  Bande  zurück. 

Forster  war  aber  nicht  allein  über  die  rege  Bautätigkeit  und  den  Wohlstand  Düsseldorfs 
überrascht,  sondern  auch,  ,,wie  sich  in  den  Herzogthümern  Jülich  und  Berg  so  große  Reich- 
thümer  häuften,  wie  die  Bevölkerung  daselbst  so  stark,  und  der  Wohlstand  der  Einwohner 
gleichwohl  so  allgemein  ward,  daß  die  kleineren  Städtchen  nicht  minder  wohlhabend  sind 
als  die  Hauptstadt;  dass  der  Anbau  auf  dem  platten  Lande  denselben  Geist  der  guten  Wirtschaft, 
denselben  Fleiss  zeigt  wie  die  Fabriken ;  dass  man  hier  so  leicht  den  Weg  zu  einer  glücklichen 
Existenz  finden  lernte,  der  anderwärts  so  schwer  zu  treffen  scheint".  —  ,,Die  Kunst  besteht 
darin,  dass  der  Regent  sich  der  verderblichen  Spiegelfechterei,  die  man  gewöhnlich  regieren 
nennt,  zur  rechten  Zeit  zu  enthalten  wisse  und  sein  Volk  mit  den  gepriesenen  Regentenkünsten 
verschone" ;  daß  er  es  verstehe,  ,,die  Hindernisse  aus  dem  Wege  zu  räumen,  welche  der  freien, 
unbedingten  Thätigkeit  eines  jeden  Bürgers  im  Staate  entgegenstehen.  Die  Einsicht  des  Regenten 
sei  noch  so  vortrefflich;  sobald  er  nach  derselben  versucht,  die  Menschen  auf  einem  Wege, 
den  sie  selbst  nicht  wählten,  vor  sich  hinzutreiben:  sobald  erfährt  er  auch,  daß  die  eigenen 
Lebenskräfte  in  seiner  Staatsmaschine  stocken  oder  schlafen.  .  .  .  Durch  die  ins  Unendliche 
vervielfältigten  Gesetze  und  landesherrlichen  Verordnungen,  so  gut  es  oft  damit  gemeint  seyn 
mag,  und  durch  jene  von  Schmeichlern  und  Parasiten  so  gepriesene  Kleingeisterei  der  Fürsten, 
die  mit  unermüdeter  Sorgfalt  in  eines  jeden  Bürgers  Topf  gucken  oder  gar  sich  um  seine  Privat- 
meinungen und  Gedanken  bekümmern,  richten  die  Regenten  allmählig,  ohne  es  selbst  zu 
wollen,  ihre  Staaten  zu  Grunde,  indem  sie  die  freie  Betriebsamkeit  des  Bürgers  hemmen,  mit 
welcher  zugleich  die  Entwicklung  aller  Geistesfähigkeiten  aufhört." 

Georg  Forster,  der  Weltreisebegleiter  von  James  Cook,  gibt  hier  eine  treffliche  Charakteristik 
Karl  Theodors.  Dieser  Fürst  ist  sicherlich  keine  starke  und  große  Natur  gewesen.  In  der 
Pfalz  wie  in  dem  ihm  im  Jahre  1778  zugefallenen  Kurbayern  hat  er  wenig  Liebe  hinterlassen. 
Aber  die  niederrheinischen  Herzogtümer  haben  seinen  volkswirtschaftlichen  Bestrebungen 
eine  dankbare  Erinnerung  bewahrt.  Man  darf  sagen,  daß  in  keinem  anderen  Staate  damals 
der  Landesfürst  von  einer  gleichen  volkswirtschaftlichen  Fürsorge  erfüllt  war  wie  in  Jülich  und 
Berg.  Karl  Theodor  woUte  über  die  „freie  Betriebsamkeit  des  Bürgers",  in  der  er  die  treibenden 
wirtschaftlichen  Kräfte  seiner  eigenen  Staatsmaschine  erkannte,  genau  unterrichtet  sein,  über 
die  Eisenhämmer  und  Schleifmühlen  in  Radevormwald,  Cronenberg,  Hückeswagen,  Wipper- 
fürth, die  Waffenschmieden  in  Solingen,  die  Wollentuchmanufakturen  in  Lennep  und  Lüttring- 
hausen, die  Tuch-,  Strumpf-,  Band-  und  Seidenfabriken  in  Elberfeld  und  sonst  im  Wuppertal 

213 


wurden  statistische  Erhebungen  angestellt.  Erlasse  sollten  den  freien  Verkehr  heben.  Vor  allem 
sollte  das  Geld  schneller  im  Lande  umlaufen.  Damit  nicht  genug:  Karl  Theodor  besuchte 
selbst  die  Fabriken  seines  Landes.  Als  er  im  Jahre  1767  in  Solingen  weilte,  verehrte  ihm  die 
Stadt  vier  große  Jagdbilder  von  Franz  Snyders.  Das  war  keine  äußere  Huldigungsgabe,  sondern 
eine  Dankesäußerung  der  aufblühenden  Industriestadt  an  den  volkswirtschaftlich  verständigen 
Landesherrn.  Handel  und  Verkehr  nahmen  einen  regen  Aufschwoing.  Fremdes  Geld  kam 
ins  Land.  In  den  bergischen  Fabrikstädten  entwickelte  sich  ein  wohlhabendes  Patriziat,  das 
stattliche  neue  Wohnbauten  aufführte  und  in  den  behaglichen  Gemächern  von  Schloß  Benrath 
das  Ideal  bürgerlicher  Baukunst  sah*. 

In  Mülheim  am  Rhein  saßen  die  Andreae,  Mühling,  Köster,  Rhodius,  Bertoldi  und 
andere  Patrizier-  und  Fabrikantengeschlechter,  die  teilweise  heute  noch  der  Mittelpunkt  der 
gewerblichen  Regsamkeit  der  Stadt  geblieben  sind**.    Unter  Jan  Weilern  war  der  Ort  noch 

*  B.  Schönneshöfer:  Geschichte  des  Bergischen  Landes.  Eiberfeid  1895.  —  F.  J.  Lipowsky:  Kurfürst  Karl  Theodor 
von  der  Pfalz-Bayern.  1828.  -  Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins  XVIII  (1882),  S.  I  ff;  XXVII  (1891),  S.  107  ff.; 
XXXIX  (1905),  S.  180  ff. 

**  V.  von  Zuccamaglio:  Geschichte  und  Beschreibung  der  Stadt  und  des  Kreises  Mülheim  am  Rhein.  Köln  1846.  — 
Bendel:  Die  Stadt  Mülheim  am  Rhein.  1913.—  H.Vogts:  Alte  Wohnungskunst  in  Mülheim  am  Rhein.  Mitteilungen  des  Rhein. 
Vereins  für  Denkmalpflege  und  Heimatschutz  VIII  (1914),  S.  145  ff.  Eine  fleißige  .\rchivarbeit  mit  eigenen  maßstäblichen 
Aufnahmen  der  Bauten. 


Abb.  216.  Mülheim  am  Rhein.  Katholisches  Pfarrhaus;  Blick  auf  die  Clemenskirche  und  Haus  „Zum  Pelikan"  auf  der  Freiheit. 


214 


ein  unscheinbares  Nest,  noch  das  alte  „schönste  Dorf  seit  Menschengedenken",  wie  die 
Koelhoffsche  ,, Chronica  van  der  hilhgen  Stat  van  Coellen"  es  1499  nannte.  Die  Versuche 
der  Grafen  und  Herzöge  von  Berg,  hier  einen  befestigten  Platz  zu  schaffen,  scheiterten  immer 
an  dem  Widerstände  von  Kurköln  und  der  Freien  Reichsstadt.  In  den  Jahren  1286  und  1417 
mußten  die  Verteidigungsanlagen  geschleift  werden.  Wilhelm  der  Reiche  hat  dann  im 
16.  Jahrhundert  den  Ort  durch  Johannes  Pasqualini  neu  befestigen  lassen.  Der  Kurfürst  von 
Brandenburg  und  der  Pfalzgraf  von  Neuburg,  die  beiden  ,, Possedlerenden"  von  Cleve,  Jülich 
und  Berg,  hatten  ihn  durch  ein  System  rechteckiger  Plätze  und  Straßenanlagen  beträchtlich 
vergrößert.  Man  hatte  sogar  mit  dem  Bau  eines  landesherrlichen  Schlosses  begonnen.  Als  aber 
zwischen  den  Possedierenden  der  Streit  ausbrach,  zerstörten  die  Liga,  zu  der  der  Neuburger 
übergetreten  war,  Spanien,  Kurköln  und  die  Reichsstadt  Köln  die  Neustadt  Wilhelms  des 
Reichen  und  die  Extension  der  Possedierenden  derart,  daß  selbst  die  Fundamente,  des 
angefangenen  Schlosses  gesprengt  wurden.  Mülheim  war  wieder  das  alte  Dorf,  zwei  Straßen 
nur,  Freiheit-  und  Taubenstraße  mit  ihren  Querstraßen,  Buchheimer-  und  Stöckerstraße.  So 
übernahm  Jan  Wellem  den  Ort.  ,, Mulheim  am  Rhein  trachtet  einigen  Handel  zu  treiben," 
schreibt  1715  Ploennies,  ,, wegen  der  nah  bey  gelegenen  Stadt  Cöln  aber  kann  solcher  Ort 
damit  nicht  wohl  fortkommen;  der  Ort  ist  ganz  offen,  bestehet  darneben  beynah  nur  aus 
einer  langen  Strassen." 

Aber  dasselbe  Köln,  das  eifersüchtig  darüber  wachte,  daß  auf  bergischem  Gebiet  am  anderen 
Rheinufer  keine  Nebenbuhlerin  seines  Handels  erstand,  wurde  selbst  der  Pate  des  Wohlstandes 
von  Mülheim.  Christoph  Andreae,  Dietrich  Köster,  Gottfried  Mühling  und  andere  kölnische 
Fabrikanten  hatten  wegen  ihres  protestantischen  Glaubens  die  Heimat  verlassen  müssen.  Jan 
Wellem,  der  Verfolger  der  Protestanten  in  der  Pfalz,  war  viel  zu  klug,  als  daß  er  nicht  die  aus 
Köln  vertriebenen  Industriellen  in  Mülheim  mit  offenen  Armen  aufgenommen  hätte.  Er 
bewilligte  ihnen  ,, freies  Commercium"  und  Handelsprlvileglen  und  legte  damit  den  Grund 
zu  einer  glücklichen  Entwicklung  der  Stadt.  Schon  1729  konnte  der  Hof  kammerrat  Wülfing 
berichten,  daß  „die  Freyhelt  oder  der  Markt  Flecken  Mülheim  ...  in  der  Länge  weitwendig 
mit  prächtigen  Häusern  erbauet,  und  einer  feinen  Stadt  ähnlich"  sei.  ,,Allhier  gibt  es  viele 
vornehme  Kauff-  und  Handelsleute,  so  mit  Seiden  in  frembde  Länder  eine  stattliche  Handlung 
treiben,  wie  auch  Frucht- und  Wein-Händler."*  Aber  den  eigentlichen  Aufschwung  Mülheims 
brachten  erst  die  Tage  Karl  Theodors.  Um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  entstand  eine 
Reihe  stattlicher  Neubauten,  so  im  Jahre  1752  das  Pfarrhaus  Freiheit  Nr.  51  und  vier 
Jahre  später  das  Nachbarhaus  ,,Zum  goldenen  Pelikan"  der  Fruchthändlerfamilie  Josias 
Klein  (Abb.  216).  Zwischen  den  beiden  Wohnhäusern  schaut  man  durch  die  Gasse  auf  das 
Chor  der  Clemenskirche  mit  seinem  Kalvarlenberg.  Der  Kirchturm  rückt  seine  barocke  Haube 
über  das  Dach  des  Pfarrhauses  hinaus.     Diese  Wohnhäuser  sind  ganz  schlicht,  zweistöckig 


*  Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins.     Bd.  19. 

215 


mit  einem  Mansardendach.  Als  Schmuck  nur  ein  dekorativer  Schlußstein  in  den  Tür-  und 
Fensterbögen  der  mittleren  Achse,  die  durch  Lisenen  und  ein  größeres  Mansardenfenster 
noch  hervorgehoben  wird.  Und  an  der  Ecke  des  Pfarrhauses  grüßt  eine  Madonnenstatue  freund- 
lich herunter  auf  die,  welche  den  Weg  zum  Kalvarlenberg  suchen.  Aber  die  Wirren  des  Sieben- 
jährigen Krieges  unterbrachen,  wie  m  Düsseldorf,  die  hoffnungsvollen  Anfänge  einer  neuen 
Stadt,  und  erst  nach  Friedensschluß  konnten  die  Arbeiten  wieder  aufgenommen  werden.  Im 
Jahre  1765  wurde  die  Wallstraße  bebaut.  Christoph  Andreae,  der  Enkel  des  von  Jan  Wellem 
aufgenommenen  Emigranten,  errichtete  hier  eine  neue  Seidenfabrik;  Hermann  Klein  ein  neues 
Wohnhaus ;  die  Reformierte  Gemeinde  im  Jahre  1 767  ihr  neues  Gotteshaus  mit  der  Pfarrei ;  in  der- 
selben Straße  ferner  1 770  die  Familie  Rhodius  ihr  neues  Wohnhaus,  das  spätere  Rathaus.  Andere 
Neubauten  reihten  sich  an,  auf  der  Wallstraße  wie  auf  der  Freiheit  und  der  Buchheimer  Straße. 
Der  stattlichste  Wohnhausneubau  dieser  Epoche  ist  der  sog.  Bärenhof  an  der  Buch- 
heimer Straße,  das  Haus  des  Zollpächters,  Seidenfabrikanten  und  Weinhändlers  Karl  Joseph 
Zacharlas  Bertoldl*.  Bertoldl  war  damals  der  geistige  Mittelpunkt  Mülheims,  war  der 
Gründer  der  Lateinschule  und  des  Lyzeums.  Kam  Karl  Theodor  nach  Mülheim,  so  stieg  er 
im  Bärenhof  ab.  über  der  Tür  zum  großen  Saal  hatte  der  Bauherr  das  Wappen  des  Kur- 
fürsten angebracht  und  mitten  auf  der  Stuckdecke,  von  Genien  umgeben,  das  Porträtmedaillon 

des  Kurfürstenpaares.  Pllaster  teilen  die  Wände 
auf,  tragen  das  klassizistisch  gezeichnete  Decken- 
gesims und  rahmen  Ofennische  und  Spiegel  ein, 
über  denen  Stuckreliefs  antiker  Gottheiten  sind. 
Dieselbe  strenge  architektonische  Wandgliederung 
kehrt  auch  im  Treppenhaus  und  in  den  übrigen 
Wohnräumen  wieder.  Ehemals  umgaben  zwei- 
hundert Morgen  Land  noch  die  Besitzung,  und 
an  den  Wohnbau  schlössen  sich  zu  beiden  Seiten 
Wirtschafts-  und  Stallgebäude  an.  Dahinter  der 
große  Garten.  Heute  ist  nur  noch  der  Mittelbau 
erhalten.  Er  ist  reicher  gegliedert  als  die  älteren 
Bauten  an  der  Gasse  zur  Clemenskirche. 

Bertoldl  besaß  neben  dem  Bärenhof  noch  zwei 
andere  Bauten  in  Mülheim:  den  Zollhof  an  der 
Freiheit,  ebenfalls  mit  einem  prächtigausgestatteten 
Saal,  der  1804  den  Besuch  des  damaligen  Regenten 


Abb.  217.  Mülheim  am  Rhein;  Freiheit  Nr.  40. 


*  Vgl.  Grundriß,  geometrische  Aufnahme  der  Fassade  und 
Schnitte  durch  Treppenfiur,  Speisezimmer  und  Saal  bei  Hans  Vogts 
in  den  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  und 
Heimatschutz  VIII  (1914).  S.  152.  154.  155,  158. 


216 


des  Herzogtums  Berg,  Herzog  Wilhelm  von  Bayern  und  Gemahlin  empfing;  dann  das  Haus 
zum  Goldenen  Lämmchen,  ebenfalls  an  der  Freiheit.  Dieser  Bau  ist  älteren  Datums, 
stammt  scheinbar  noch  aus  der  Zeit  Jan  Wellems.  Aber  Zacharias  Bertoldi  gab  ihm  das 
stattliche  neue  Portal  (Abb.  218).  Die  schöne  klassizistische,  mit  Porträtmedaillons  gezierte 
Holztür  und  der  Vase  im  Oberlicht,  die  breite,  mit  Akanthusblättern  geschmückte  Kehle  des 
Hausteinrahmens,  welchen  Pilaster  mit  reichen  Kapitalen  einfassen,  über  den  Kapitalen  auf 
der  ausladenden  Deckplatte  je  eine  Vase  und  auf  dem  Gebälk  ein  Putto  mit  einem  Lämmchen. 
Nicht  unähnlich  ist  die  Gliederung  der  Haustür  und  ihrer  architektonischen  Umrahmung  an 
dem  benachbarten  Hause  Andreae,  das  sonst  in  seiner  Anlage  und  Innenausstattung  weit 
schlichter  und  bürgerlicher  ist  als  Bertoldis  Bärenhof  (Abb.  217). 

Einst  hatten  die  hinter  den  Patrizier- 
häusern gelegenen  Gärten  noch  reizvolle 
Gartenhäuschen.  Das  stattlichste,  das 
von  Haus  Andreae,  ist  noch  erhalten 
(Abb.  219).  Ein  reizvoll  achteckiges 
HäuschenmiteinemMansardengeschoß, 
mit  großen  Rokokofensterrahmen  und 
einem  reichgegliederten  Oberlicht  über 
der  Tür,  Dieses  Gartenhaus  ließe  sich 
in  seiner  barock -malerischen  Emzel- 
gliederung  in  das  Kapitel  der  bergischen 
Bauweise  einreihen,  wenn  auch  nur  das 
Mansardengeschoß  geschiefert  ist.  Das 
Bergische  Land  hat  heute  noch  zahl- 
reiche solcher  Gartenhäuschen.  Wenn 
aber  von  dem  des  Hauses  Andreae  ab- 
gesehen wird,  so  hätte  Mülheim  am 
Rhein  sonst  weiter  keinerlei  baukünst- 
lerische Beziehungen  zum  Bergischen 
Lande  aufzuweisen.  Auch  nach  dem 
benachbarten  Köln  lassen  sich  keine 
künstlerischen  Verbindungen  schaffen. 
Die  Mülheimer  Baumeister  sahen  den 
Ausgang  ihrer  Tätigkeit  in  der  regen 
Bauentwicklung  unter  dem  Statthalter 
Grafen  Goltstein  in  Düsseldorf. 

Hans  Vogts  hat  einige  der  Mül- 
heimer Baumeister  aus  den  Akten  fest-      Abb  218.  Mülheim  am  Rhein.  Haus  „Zum  Lämmchen",  Freiheit  Nr. 36. 


28 


217 


stellen  können.  Das  Pfarrhaus  der  Clemenskirche  und  das  Haus  zum  Goldenen  Pelikan 
(Abb.  216)  stammen  von  Zimmermeister  Bongard  „anscheinend  unter  Aufsicht  des  kurfürst- 
lichen Baumeisters  Nosthöffer".  Das  letztere  mag  möglich  sein,  aber  von  Nosthofens  Tätig- 
keit fehlt  uns  eine  klar  umschriebene  Vorstellung.  Haus  Klein  in  der  Wallstraße  geht  auf 
den  Baumelster  Seydel  zurück,  die  Reformierte  Kirche  auf  einen  Entwurf  von  Hellwig. 
Vogts  vermutet,  daß  man  den  Baumeister  Hellwig  auch  als  den  Erbauer  der  Häuser 
Bertoldi  und  Andreae,  die  beide  wohl  von  einer  Hand  stammen  werden,  in  Erwägung  ziehen 
könnte.  Diese  Annahme  klingt  nicht  unwahrschemlich.  An  der  Einfriedigung  der  Reformierten 
Kirche  kehren  dieselben  Vasen  wie  an  den  Stuckdecken  der  beiden  Häuser  wieder.  Daß  das 
Portal  zum  Goldenen  Lämmchen  ebenfalls  auf  denselben  Meister  zurückzuführen  ist,  liegt 
sehr  nahe.  Vogts  denkt  außer  an  Hellwig  noch  an  Pigage.  Auf  jeden  Fall  war  die  Innenaus- 
stattung zu  Benrath  von  größtem  Einfluß.  Die  privaten  Beziehungen  der  Andreae  und  Bertoldi 
zu  Karl  Theodor  verdichteten  diese  Zusammenhänge.  Vielleicht  hat  einer  der  zahlreichen 
Mitarbeiter  des  italienischen  Stuckkünstlers  Albuzio  in  Benrath  später  die  Mülheimer  Stuck- 
arbeiten ausgeführt.    Vielleicht  ist  auch  Hellwig  früher  auf  Benrath  tätig  gewesen. 

Was  die  Andreae,  Mühling,  Bertoldi,  Rhodius  usw.  für  Mülheim,  das  waren  die  Fabrikanten- 
und  Handelsherrengeschlechter  von  Carnap,  de  Weerth,  Frowein,  von  der  Heydt  und  Aders 
für  Elberfeld.  Auch  diese  Stadt  war  unter  Jan  Wellem  noch  ein  unscheinbarer  Ort.  Der 
große  Brand  vom  Jahre  1687  hatte  das  ganze  Städtchen  bis  auf  das  letzte  Haus  niedergelegt. 

Viele  wanderten  aus.  Besondere  Privilegien  Jan 
Wellems  sollten  Elberfelds  Wiederaufbau  fördern. 
Aber  im  Jahre  1708  zählte  man  erst  3000  Ein- 
wohner, d.  h.  weniger  als  vor  dem  Brande.  Unter 
Karl  Theodors  Fürsorge  setzte  dann  eine  rege  Ent- 
wicklung ein.  Das  Jahr  1787  zählte  10000  Ein- 
wohner mit  tausenden  neuer  Wohnstätten.  Ein 
Jahr  nach  Karl  Theodors  Tode,  1800,  hatte  der 
Ort  schon  1 2  000  Einwohner. 

Das  Wuppertal  hatte  zum  Schloßbau  zu  Ben- 
rath eine  direkte  Beziehung.  Eberhard  Haar- 
mann d.  J.  aus  Hagen,  der  für  die  Fabrikanten- 
familien eine  große  Bautätigkeit  entwickelte,  war 
vorher,  wie  die  Tradition  erzählt,  emer  der  Mit- 
arbeiter  von   Pigage    in    Benrath*.      In    Barmen 

*  Monatshefte  des  Bergischen  Geschichtsvereins  XIV,  S.  16.  — 
Rudolf  Minder  er:  Bergische  Schieferhäuser.   Frankfurt  am  Main 
1896-1897.  -  Otto  Schell:  Altbergische  Häuser  in  Wort  und 
Bild.    Barmen  1907.  —    Bergische   Bauweise.    Ernst   Wasmuth, 
Abb.  219.  Mülheim  a.Rh.  Freiheit  Nr. 40.  Gartenhaus.         Berlin  1908. 


218 


werden  ihm  allein  sechs  Bauten  zugeschrieben,  an  denen  man,  wie  in  Benrath,  den  Übergang 
vom  Rokoko  zum  Klassizismus  verfolgen  kann.  Es  sind  charakteristische  heimische  Schiefer- 
häuser. Aber  auch  der  Haustein-  und  Putzbau,  der  nun  allmählich  den  altheimischen  Schiefer- 
hausbau verdrängt,  hält  diese  Beziehung  zu  Schloß  Benrath  wach:  in  Elberfeld  das  Haus 
Aders  vom  Jahre  1 754,  das  Carnapsche  Haus  am  Mäuerchen  vom  Jahre  1 787,  Haus  Lehbach 
und  Haus  Kunz  in  der  Aue,  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  das  Haus  von  der  Heydt  am 
Mäuerchen;  in  Solingen  Haus  Klauberg  von  1786;  in  Barmen  das  als  Privathaus  erbaute 
Rathaus  von  1799*.  Aber  diese  Bauten  liegen  bereits  außerhalb  des  Gebietes  der  „Baukunst 
am  Niederrhein". 

Wie  Mülheim  am  Rhein,  so  verdankt  auch  Krefeld  seinen  industriellen  Aufschwung  im 
18.  Jahrhundert  der  Ansiedlung  der  aus  den  benachbarten  Territorien  vertriebenen  Refor- 
mierten, Mennoniten  und  Separatisten.  Vor  allem  fanden  unter  der  unduldsamen  Regierung 
Wolfgang  Wilhelms  und  Philipp  Wilhelms  viele  Nichtkatholiken  aus  den  Herzogtümern  Jülich 
und  Berg  in  Krefeld  eine  neue  Heimat.  Seiden-  und  Samtmanufakturen  begründeten  den  Wohl- 
stand und  bald  den  Weltruf  der  Stadt.  Die  eingewanderte  Familie  von  der  Leyen  war  die  Haupt- 
förderin der  neuen  Industrie.  Das  alte  Krefeld  um  die  Kirche  und  den  kleinen  Marktplatz, 
den  Schwanenmarkt  an  der  Hauptstraße,  der  Hochstraße,  konnte  die  Zahl  der  eingewanderten 
neuen  Bürger  bald  nicht  mehr  fassen  (Abb.  220).  Man  mußte  im  Jahre  1692  die  Stadt  zunächst 
nach  Osten  erweitern  und  nannte  den  Hauptstraßenzug  der  Erweiterung  zu  Ehren  Wilhelms 
von  Oranien,  des  englischen  Königs,  der  1678  das  benachbarte  Krakau  hatte  schleifen  lassen 
und  damit  Krefeld  von  dem  alten  Raubritternest  vor  seinen  Toren  befreit  hatte  (I,  S.  66 — 69), 
Königstraße.  Aber  schon  im  Jahre  1711  war  auch  nach  Süden  eine  Erweiterung  nötig  geworden. 
Hoch-  und  König- 
straße woirden  ver- 
längert .  Vor  der  Alt- 
stadt breitete  sich 
im  Lauf  der  Hoch- 
straße ein  neuer 
Marktplatz  aus. 
Dieses  neue  Krefeld 
reichte  indessen  bei 


*  Schoenfelder:  Die 
Entwicklung  des  Stein- 
baues in  Elberfeld  von 
seinen  ersten  Anfängen  bis 
zur  Fertigstellung  des  alten 
Rathauses.  Mitteilungen 
des  Rheinischen  Vereins 
für  Denkmalpflege  und 
Heimatschutz  IV,  S.  74  ff. 


Abb,  220.    Krefeld.   Stadtplan.    Der  alte?  Stadtkern  dunkel  angelegt. 
Von  links, nach  rechts:   Süden  —  Norden. 


219 


der  schnellen  Entwicklung  der  helmischen  Seiden-  und  Samtindustrie  und  dem  Zustrom  der 
Fremden  kaum  dreißig  Jahre  aus.  1739  mußte  man  die  Hoch-  und  Königstraße  auch  nach 
Norden  ausbauen.  Die  Verlängerung  der  Hochstraße  ist  die  Friedrichstraße.  Der  Bau  der 
katholischen  Kirche  des  heiligen  Dionysius  machte  im  Jahre  1 752  eine  Erweiterung  der  Stadt 
nach  Westen  nötig.  Eine  sechste  Erweiterung  zog  1806  die  Nordgrenze  über  den  Friedrich- 
platz hinaus.  Krefeld  hat  so  im  Laufe  des  18.  Jahrhunderts  seine  bebaute  Fläche  um  mehr 
denn  das  Sechsfache  vergrößert.  Eine  beispiellose  Entwicklung  für  das  Land  am  Niederrhein. 
Der  Ausbau  der  Stadt  als  einheitlicher  Organismus  ist  künstlerisch  nicht  uninteressant. 
Die  Verlängerungen  der  Altstadthauptstraße  laufen  schnurgerade  in  die  südliche  und  nörd- 
liche Neustadt  über.  Alle  Nebenstraßen  sind  parallel  angelegt  und  werden  von  den  Quer- 
straßen rechtwinklig  geschnitten,  so  daß  die  ganze  Stadt  von  rechteckigen  Häuserblocks  und 
Straßenzügen  aufgeteilt  wird;  wie  in  Mannheim  und  Neuwied,  das  übrigens  ebenfalls  seine 
Bauentwicklung  im  18.  Jahrhundert  eingewanderten  Reformierten,  Mennoniten  und  Separatisten 

verdankt,  und  andere  fürstliche  Neu- 
stadtgründungen. Aber  man  kann  bei 
Mannhelm  wie  bei  Neuwied  kaum  von 
künstlerisch  Interessanten  Entwürfen 
reden.  Es  ist  Schema.  Den  recht- 
eckigen Häuserblocks  fehlt  es  an 
Höhen-  und  Ausstrahlungspunkten, 
welche  die  Stadtpläne  von  Erlangen 
und  Karlsruhe  so  reizvoll  beleben. 
Die  Karlstadt  zu  Düsseldorf  hat  we- 
nigstens den  Vorteil,  daß  sich  die 
Neustadt  den  Altstadtstraßenzügen 
bequem  anzupassen  wußte  (Abb.  213). 
Der  Ausbau  von  Krefeld  ist  indessen 
künstlerisch  unvergleichlich  interessan- 
ter (Abb.  220).  Man  unterscheidet 
zwischen  breiten  Verkehrstraßen  und 
schmäleren  Wohnstraßen  und  hat  den 
Hauptstraßenzügen  einen  monumen- 
talen Bildabschluß  gegeben :  der  Rhein- 
straße in  der  Dionysiuskirche,  der 
Wilhelmstraße  in  dem  stattlichen] 
Portikus  des  Mittelbaues  vom  Hause 
Aku  991   v'  ( ij  u       7     u   j"  r  I    c  •  j  ■  u      wriui        P        von  der  Leyen,  dem  heutigen  Rathause. 

Abb. zzl.  Krefeld.  Haus  „Zum  Heyd  ,  Lcke  rnednch- u.  Wilhelmstraße.  _  _         _ 

Vgl .  gegenüberliegendes  Eckhaus  Abb.  222  und  Stadtplan  Abb.  220.  Dort,  WO  Wilhelm-  Und  Friedrichstraßc 


220 


sich  begegnen,  ist  das  Herz  der  Neustadt,  von  dem  aus  das  Verkehrsleben  durch  d-e  vier 
breiten  Straßenzüge  pulsiert.  Die  Straßenecken  der  Kreuzung  haben  daher  eine  monumentale 
Ausgestaltung  erhalten.  An  der  einen  Ecke  steht  das  Haus  Heydweiler,  heute  im  Besitz 
der  Familie  von  Beckerath  (Abb.  221).  Die  drei  Mittelachsen  risalitartig  zusammengefaßt, 
vorgezogen  und  mit  einem  Giebel  bekrönt  mit  dem  Wappen  der  Heydweiler,  einem  Ritter 
auf  einem  getöteten  Drachen  und  der  Inschrift  ,,Zum  Heyd".  Dahinter  ragt  das  mächtige 
Mansardendach  auf.  Dem  Heydweilerschen  Haus  gegenüber  steht  der  Bau,  den  einst  Johann 
von  der  Leyen  als  Stadtpalais  errichtete,  bevor  die  Familie  am  Ende  der  Wilhelmstraße  den 
stattlichen  Neubau  mit  den  Kolonnaden  aufführen  ließ.  Das  Eckhaus  an  der  Friedrichstraße 
heißt  jetzt  allgemein  das  Flohsche  Haus  (Abb.  222).  Es  ist  im  Detail  das  vornehmste 
der  Krefelder  Patrizierhäuser,  über  den  Fenstern  schweben  Girlanden,  und  über  dem  Ein- 
gang, von  drei  Konsolen  getragen,  ein  geschweifter  Balkon  mit  schönem  Rokokogitter,  in  der 
Mitte  das  Wappen  der  Familie  Floh,  über  dem  schmalen  Mittelrisalit  auf  dem  Dachgesims 
eine  Trophäe.  Das  Flohsche  Wappen  m 
einer  Kartusche,  von  einer  Krone  bedeckt 
und  umgeben  von  derben  Kränzen  und 
Festons.  Wie  bei  dem  Haus  „Zum  Heyd" 
führt  seitlich  ein  Portal  in  den  Hof,  den 
wieder  niedrigere  Flügel  einrahmen. 

Für  die  beiden  anderen  Ecken  an  der 
Kreuzung  von  Friedrich-  und  Wilhelm- 
straße waren  ähnliche  Monumentalakzente 
vorgesehen;  und  von  hier  aus  reihten  sich, 
möglichst  mit  gemeinsamem  Hauptprofil 
—  die  Häuser  der  Hauptstraße  waren  meist 
dreigeschossig,  die  der  Nebenstraßen  zwei- 
geschossig — ,  schlichte  Bürgerhäuser  anein- 
ander, sparsam  im  dekorativen  Schmuck, 
bis  zum  Friedrichsplatz,  der  als  Tor  in  die 
Neustadt  eine  reichere  Gestaltung  erhielt; 
an  beiden  Straßenecken  je  wieder  ein  statt- 
liches Patrizierhaus.  Das  Scheiblersche 
Haus,  fünf  zu  zehn  Achsen  (Abb.  223). 
Die  vier  Mittelachsen  an  der  Friedrich- 
straße haben  ihre  Fenster  reicher  gegliedert 
und  einen  gemeinsamen  Giebel  mit  zier- 
lichen Ranken  um  die  Rundfenster  erhalten.      Abb.  222.  Krefeld.   Flohsches  Haus,  Ecke  Friedrich-  u.  Wilhelm- 

Die    dreiachsigen   Seitenflügel    neben    dem      ^'^^ß«-     Vgl.   gegenüberliegendes   Haus  Abb.  221    und  Stadtplan 

Abb.  220. 


--^JKa 


221 


Giebelnsalit  haben  je  einen  eigenen  Eingang.  Die  kleinen  Butzenscheiben  der  Schiebefenster 
tragen  als  Maßstab  nicht  wenig  zu  dem  monumentalen  Eindruck  des  stattlichen  Hauses  bei. 
An  der  gegenüberliegenden  Ecke  steht  das  Jörgensche  Haus  (Abb. 224).  Imposanter  noch. 
Das  Erdgeschoß  rustiziert.  Die  beiden  Obergeschosse  von  durchlaufenden  Pilastern  zusammen- 
gefaßt. Darüber  ein  antikisierender  Architrav  mit  einem  Giebel.  Der  Bau  wird  wahrscheinlich 
erst  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  errichtet  worden  sein. 

Vor  dem  Stadttor,  heute  indessen  innerhalb  der  Stadt,  wäre  dann  noch  ein  Herrenhaus 
des  18.  Jahrhunderts  zu  erwähnen.  Das  neue  Haus  Krakau,  das  auf  den  Fundamenten  der 
geschleiften  Burg  errichtet  worden  ist  (vgl.  I,  S.  66  ff.).  Der  villenartige  Hauptbau,  das 
sogenannte  ,,Hohe  Haus",  einstöckig  mit  einem  Mansardendach  (Abb.  225).  Dazu  das  male- 
rische Torgebäude,  ebenfalls  einstöckig  mit  einem  Mansardendach  (Abb.  226).  In  der  Mitte 
ragt  der  zweistöckige  Torturm  mit  seiner  lustigen  Laterne  über  den  Bau  hinaus.  An  den  Ecken 
der  beiden  fünf  achsigen  Seitenflügel  sind  Pavillons  angebracht. 

über  die  Krefelder  Baumeister  des  18.  Jahrhunderts  sind  wir  leider  gar  nicht  unterrichtet. 
Bei  der  Einheitlichkeit  des  Ausbaues  der  Stadt  zu  einem  künstlerischen  Organismus  sind  aber 


Abb.  2li.    Krdcld.   Scheiblersches   Haus,   Ecke  f-iicdnclistraße  und   Fiadiiclii>Litz. 
Vgl.  gegenüberliegendes  Eckhaus  Abb.  224   und  Stadtplan  Abb.  220. 


222 


die  einzelnen  Bauten  unter  sich  in  der  Gesamtanlage  wie  in  der  Einzelbehandlung  sehr  ver- 
schieden. Die  geographische  Lage  des  damals  schon  zu  Preußen  zählenden,  da  zur  Grafschaft 
Mors  gehörenden  Krefelds,  der  Zustrom  aus  den  Nachbarterritorien,  JüHch  und  Berg  an  erster 
Stelle  zu  erwähnen,  dann  die  weit  hinausführenden  Handelsbeziehungen  haben  den  Bauten 
der  Stadt  so  verschiedenen  Charakter  gegeben.  In  der  Hauptsache  liegt  aber  das  künstlerische 
Schwergewicht  Krefelds  am  unteren  Niederrhein.  Die  Schiebefenster  mit  den  kleinen  Butzen- 
scheiben kehren  an  Privathäusern  in  Orsoy,  Emmerich,  Wesel  und  Rheinberg  wieder 
(Abb.  227,  231,  239,  240).  Dem  Niederrhein  fehlte  seit  dem  Tode  Friedrichs  I.  von  Preußen 
zwar  ein  eigentliches  Kunstzentrum.  Cleve  hatte  seine  Bedeutung  verloren.  Hier  wie  im 
Lande  war  es  künstlerisch  still  geworden.  Und  wo  die  Zeit  dann  und  wann  neue  Aufgaben 
stellte,  lebten  die  alten  Beziehungen  zu  den  Niederlanden  weiter.  Da  ist  in  Dinslaken  das 
Pfarrhaus  (Abb.  231).  Eine  Hofanlage  mit  einrahmenden  Seitenflügeln.  Aber  ganz  schlicht. 
Dann  das  ebenfalls  schmucklose  neue  Herrenhaus  auf  Boetzelaer,  aber  dennoch  von  eigen- 
artigem Reiz  (Abb.  228).  Die  sonderbaren  Fensterrahmen  der  Dachfenster  sind  uns  schon 
an  dem  Hause  Krakau  in  Krefeld  begegnet  (Abb.  225,  226).    Schloß  Diersfordt  bei  Wesel 


Abb.  224.   Krefeld.    Jorgensches   Haus,  Ecke   f-nedrichstraße  und   Friedrichplatz. 
Vgl.  gegenüberliegendes  Eckhaus  Abb    223  und  Stadtplan  Abb.  220. 


223 


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Abb.  229.    Emmerich.    .Am  Geistmarkt.    Vgl.  Abb.  233. 


Abb.  230.    Haus  Bock  bei  Pattern  (Kreis  Jülich). 


226 


Abb.  231.    Dinslaken.   Pfarrhaus. 


alIj.  jij.  SlIiIui;  Diusiüidt  ijLi  Wcici. 


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231 


hat  damals  eine  neue  Türumrahmung  und  neue  Treppengeländer  erhalten,  deren  Form  wir 
häufig  in  den  Niederlanden  wieder  antreffen  (Abb.  232). 

Das  gebrochene  Mansardendach  ist  am  unteren  Niederrhein  selten.  Das  schöne  Eck- 
haus am  Marktplatz  zu  Rheinberg,  dessen  vortreffliche  Wirkung  in  den  letzten  Jahren  ein 
Ladeneinbau  gänzlich  zerstört  hat,  ist  geradezu  eine  Ausnahme  (Abb.  227).  Dann  Haus 
Schmithaus  bei  Cleve,  halbwegs  zum  Rheinübergang  nach  Emmerich  (Abb.  242).  Ein 
überaus  reizvoller  Sonderling  im  Cleverland,  von  einer  Eleganz,  die  dem  Lande  sonst  ganz 
fremd  ist.    In  der  Mitte  der  zweistöckige  Pavillon  mit  dem  geschwungenen  Dachprofil.    Am 

-      ,     Mittelfenster  des  Oberstocks  em  Balkon 

und  über  dem  Fenster,  m  die  Dach- 
kuppel einschneidend,  ein  Giebelchen. 
Einstöckige  Flügel  mit  Mansarden- 
dächern rahmen  seitlich  den  mittleren 
Pavillon  ein.  Ihre  äußeren  Achsen  haben 
Quadereinfassung  und  einen  flachen 
Rundgiebel  erhalten.  Em  scharmantes 
Häuschen.  Geheimnisvoll  aus  dem  Grün 
an  der  Landstraße  plötzlich  auftauchend. 
Das  Titelbild  zu  einer  galanten  Erzäh- 
lung aus  dem  liebenswürdig  heiteren, 
amourösen  Jahrhundert  des  Rokoko. 
Aber  den  Inhalt  des  Buches  kenne  ich 
leider  nicht.  Ich  habe  von  der  Geschichte 
dieses  Hauses  nichts  erfahren  können. 
Die  übrigen  Bauten  am  unteren 
!  Niederrhein  haben  keine  ähnHch  ein- 
schmeichelnde Silhouette.  Teils  blieb 
der  Backsteingiebel  noch  lange  erhalten. 
Meist  aber  schloß  die  Fassade  scharf 
mit  einem  Gebälkstück  ab  dort,  wo  die 
Dachschrägebegann(Abb.228,239,240). 
Die  Silhouette  des  Daches  trat  jetzt  mehr 
und  mehr  zurück.  Der  einzige  Schmuck 
war  der  Türrahmen  mit  seinem  Ober- 
licht. Die  zahlreichen  Beispiele  sind 
echt  holländisch.  In  Wassenberg  die 
Rokokogliederung  der  Kirchentür  (Abb. 
236)  oder  in  Cleve  eine  strengere  archi- 


Abb.  241.   Neuß.   Rathaus.   Vgl.  Abb.  243. 


232 


tektonische  Einfassung  (Abb.  235).  Meist  ist  das  Oberlicht  mit  schmiedeeisernem  Stabwerk 
geschmückt,  verschnörkelt  wie  die  Anfangsbuchstaben  einer  hochwichtigen  Urkunde  der 
Zeit.  Das  Monogramm  des  Hausherrn  und  die  Jahreszahl  von  Linienranken  umgeben.  Cleve, 
Emmerich,  Wesel  und  andere  Orte  haben  noch  eine  Reihe  solcher  Oberlichter  (Abb.  229, 
231 — 236).  Dann  Neuß  (Abb.  234).  Die  traditionellen  Beziehungen  seines  Bürgerhauses  zum 
unteren  Niederrhein  blieben  auch  im  18.  Jahrhundert  bestehen.  Von  Düsseldorf,  von  der 
anderen  Rheinseite  schien  aber  keinerlei  Anregung  die  kurkölnische  Stadt  erreicht  zu  haben. 
Es  ging  immer  mehr  mit  ihr  an  Bedeutung  und  Einfluß  bergab  (vgl.  I,  S.  85).  Was  das 
18.  Jahrhundert  in  Neuß  geschaffen,  sind  meist  harmlose  Bürgerhäuser.  Der  einzige  größere 
Auftrag  war  der  Ausbau  der  Rathausfassade  (Abb.  241).  Der  Bau  selbst  stammt  aus  den 
Jahren  1 634  bis  1 638.  Aus  dieser  Zeit  sind  an  dem  Außenbau  noch  die  beiden  Ecktürmchen 
und  die  getreppten  Brandgiebel  zu  sehen.  Baumeister  C.  Hermkes  hat  gegen  Ende  des 
Jahrhunderts  die  Fassade  klassizistisch  umgebaut,  die  Einteilung  indessen  beibehalten.  Das 
Vorbild  war  Amsterdam  mit  Campens  Rathaus  und  Vingboons  Trippenhuis.  Auch  das  Innere 
des  Neußer  Rathauses  hat  damals  neue  Türen  und  Treppen  erhalten  (Abb.  243). 


Abb.  242.    Haus  Schmithaus  an  der  Clever -Emmencher  Landstraße. 


30 


233 


L/iisseldorf  und  Aachen  waren  im  18.  Jahrhundert  die  beiden  künstlerischen  Ausstrahlungs- 
punkte für  das  Land  am  Niederrhem.  Düsseldorf  als  Residenzstadt  für  das  Bergische  Land, 
Aachen  als  blühender  Industrieort  und  viel  besuchter  internationaler  Badeplatz  für  das  Land 
Jülich.  Fremde  Einflüsse  haben  zwar  auch  in  diesen  beiden  Orten  auf  die  heimische  Bau- 
weise stark  eingewirkt.  Das  Ergebnis  war  aber  ein  Durchdringen  heimischer  Bauweise  und 
moderner  Wohnbedürfnisse  und  Formen.  Erst  der  Klassizismus  war  das  Ende  des  heimischen 
Backsteinbaues. 

Wesentlich  anders  lagen  die  Verhältnisse  im  18.  Jahrhundert  in  der  Freien  Reichsstadt 
Köln.  Der  starke  künstlerische  Einfluß  Belgiens  hatte  schon  gegen  Ausgang  des  17.  Jahr- 
hunderts die  kölnische  Eigenart  des  Bürgerhauses  mehr  und  mehr  verdrängt.     Auswärtige 

Meister  kamen.  Die  einheimischen  nahmen 
ihre  Formen  und  Bauweise  auf.  Auf  den 
Einfluß  Belgiens  folgte  der  Italiens  und  Frank- 
reichs. Man  mag  diese  Tatsache  des  Aus- 
sterbens stadtkölnischer  Eigenart  in  der  Bau- 
kunst als  ein  äußeres  Zeichen  des  immer 
mehr  schwindenden  Einflusses  der  Freien 
Reichsstadt  in  der  Politik  wie  im  internatio- 
nalen Großhandel  ansprechen.  Der  klein- 
lichen Wirtschaftspolitik  entsprach  das  von 
Neid  und  Mißgunst  erfüllte  kleinliche  Zunft- 
wesen, das  jedes  frische  Leben  zu  unterdrücken 
suchte.  Hugo  Rathgens  hat  an  der  Hand  der 
Zunftakten  und  Ratsprotokolle  im  Stadtarchiv 
zu  Köln  über  die  Schwierigkeiten  berichtet, 
die  die  Zünfte  dem  trefflichen  Bildhauer 
Johann  Franz  van  Helmont,  dem  Meister  des 
Machabäer-Altars  in  St.  Andreas  und  der 
Lauretanischen  Kapelle  in  St.  Maria  in  der 
Kupfergasse,  bereitet  haben*.  Seine  Mit- 
teilungen sind  überaus  interessante  Belege 
für  den  kleinlichen  Geist,  der  durch  Quali- 
fikationsstreitigkeiten  alles  über  das  Hand- 
werkliche Hinausgehende  zu  unterbinden 
suchte.  Aber  das  war  bereits  Kölner  Tradition 
geworden.    Wir  entsinnen  uns  doch,  welche 

*  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmal- 
Abb.  243.    Neuß.    Rathhaus.    Vgl.  Abb.  241.  pflege  und  Heimatschutz.   V.   S.  64  ff. 


234 


Schikanen  im  16.  Jahrhundert  ein  Wilhelm  Vernukken  in  Köln  von  Seiten  der  Kölner  Zunft- 
meister auszustehen  gehabt  hat,  welche  nörgelnde  Kritik  man  an  seiner  Rathausvorhalle  übte, 
so  daß  er  schließlich  frohen  Herzens  der  Stadt  den  Rücken  kehrte  (vgl.  1,  S.  174  ff.). 

Helmont  machte  ganz  ähnliche  Erfahrungen.  Als  er  im  Jahre  1715  bei  dem  Rat  der  Stadt 
auf  Grund  von  ,, Proben  im  Zeichnen  und  Bildhauerkunst"  um  die  Meisterschaft  einkam,  v^urde 
das  Gesuch  zur  Begutachtung  den  Zünften  weitergegeben,  die  es  ablehnten.  Drei  Jahre  später 
kam  Helmont  von  neuem  bei  dem  Rat  ein.  Das  Steinmetzenamt  sollte  entscheiden,  ob  der 
Künstler  ,,zum  Bildhauen  in  Steinwerk  privative  berechtigt,  im  übrigen  aber  den  Gaffel- 
herren (d.  s.  die  Zunftvorsteher)  aufgetragen  sein,  des  Helmont  quahfikatlon  weiter  zu  unter- 
suchen undt  demnächst  zu  schließlicher  lesolution  über  die  gebettene  Meisterschaft  ihr 
sentlmentum  zu  erstatten".  Damals  arbeitete  Helmont  an  seinem  Machabäer-Altar  (Abb.  246). 
Man  konnte  ihm  nur  schwer  die  Meisterschaft  nicht  anerkennen.  ,,In  Ansehung  seiner 
Erfahrung"  wurde  ihm  daher  ,,das  Recht  zur  Meisterschaft  einwendens  ungehindert  in  Gnaden 
geschenket".  Aber  die  Frage,  ob  er  sich  ,,als  ein  in  Holz  und  Stein  arbeitender  Bildhauer" 
bei  der  Steinmetzen-  oder  Schreinerzunft  einzuschreiben  habe,  behielt  sich  der  Rat  noch  vor 
zu  entscheiden.  Das  Steinmetzenamt  protestierte  und  beantragte,  Helmont  jedes  Arbeiten 
In  Marmor  zu  untersagen.  Der  Rat  stellte  sich  aber  auf  Selten  des  Künstlers.  Der  Neid  der 
Zunftmeister  ging  indes  so  weit,  daß  sie  im  Jahre  1720  gewaltsam  in  Helmonts  Haus  in  der 
Streitgasse  eindrangen  und  die  ,,für  sichere  Herren  verfertigte  Marmelsteine"  einfach  mit 
fortschleppten.  Der  Rat  erhebt  auf  Helmonts  Eingabe  zunächst  vergeblich  Einspruch  gegen 
diese  Vorgänge.  Helmont  muß  von  neuem  beim  Rat  der  Stadt  wegen  der  Steine  elnkommen 
und  erhält  schließlich  denn  auch  die  Erlaubnis,  neben  Arbeiten  in  Holz  auch  „Bilder  und 
Laubwerk  in  allerhandt  Steinwerk"  bearbeiten  zu  dürfen,  architektonische  Arbeiten  aber  nur 
in  Marmor.  Außerdem  sollte  er  „des  Mauerwerks  sich  zu  enthalten  schuldig  sein".  Trotz 
der  großen  künstlerischen  Erfolge  wollte  aber  die  Schreinerzunft  selbst  noch  im  Jahre  1728 
die  bei  ihm  verbrachte  Zeit  den  Lehrlingen  und  Gehilfen  für  die  Frist  zur  Erlangung  der 
Meisterschaft  nicht  anerkennen.     Das  sind  Dokumente  der  übelsten  Spießerei! 

Köln  war  schon  lange  nicht  mehr  kurfürstliche  Residenz,  und  damit  entbehrte  die  alternde 
Stadt  gerade  das  wesentliche  Moment  baukünstlerischen  Aufschwunges  für  das  18.  Jahr- 
hundert gegenüber  Städten  wie  Düsseldorf,  Münster,  Bonn  und  Brühl,  Trier  und  Koblenz. 
Ihr  fehlten  ein  Jan  Wellem  und  Karl  Theodor,  ein  Josef  Clemens  und  Clemens  August.  Unter 
dem  behäbig  dahinlebenden  Patriziat  fehlte  es  an  Kunstmäzenen.  Der  letzte  Jabach  aus  der 
großen  Kölner  Mäzenatenfamilie,  die  in  ihrem  stattlichen  Wohnhause  in  der  Sterngasse  in  der 
Hauskapelle  Dürers  sog.  Jabachschen  Altar  besaßen,  die  bei  Rubens  das  große  Altarbild  der 
Kreuzigung  Petrl  für  die  Peterskirche  bestellte,  die  sich  von  Ludwigs  XIV.  Lieblingsmaler 
Charles  Lebrun  in  einem  großen  Familienbild  darstellen  ließ,  deren  Stammhaus  mit  seiner 
prachtvollen  Inneneinrichtung  und  den  Kunstsammlungen  Goethe  im  Jahre  1774  und  dann 
bei  seinem  späteren  Besuch  im  Jahre  1815  begeisterte,  starb   1754.     ,,Wenn  man  von  der 

235 


Kunstgeschichte  einer  Stadt  reden  darf,  dann  endigt  diejenige  Kölns  mit  dem  Ausgange  dieses 
stolzen  Mäzenatentums.  Es  ist,  als  wolle  das  glänzende  Schauspiel  einer  so  vornehmen  Kunst- 
pflege die  unbarmherzige  geschichtliche  Wahrheit  von  dem  Niedergange  der  stolzen  Stadt 
des  Mittelalters  in  letzter  Stunde  noch  Lügen  strafen."* 

über  den  Einfluß  belgischer  Barockarchitektur  und  Dekoration  in  Köln,  über  die  Jesuiten- 
kirche und  andere  kirchliche  Schöpfungen  und  Profanbauten  war  schon  im  ersten  Bande  kurz 
die  Rede  (vgl.  I,  S.  264).     Die  wichtigsten  Bauten  sind  schnell  aufgezählt**. 

Der  älteste  belgisch-barocke  Profanbau  in  Köln  war  die  Domdechanei  des  Dom- 
dechanten  Franz  Egon  von  Fürstenberg  am  römischen  Nordtor  aus  den  Jahren  1657  und  1658. 
Erhalten  ist  von  der  stattlichen  Anlage  aber  nur  eine  alte  Aufnahme  des  Portalbaues  (Abb.  245). 
Den  flachen  Segmentbogen,  den  über  dem  Tordurchgang  Pilaster  tragen,  schmückt  das 
Fürstenbergische  Wappen.  Als  Bekrönung  des  Portals  ist  ein  springendes  Pferd  aufgestellt. 
An  Stelle  der  Kreuzfenster  sind  barocke  Fensterrahmen  getreten,  in  regelmäßiger  Achsen- 
aufteilung zueinander  angeordnet.  Diese  syinmetrische  Aufteilung  ist  eines  der  charakteristi- 
schen Momente,  die  die  alte  Kölner  Bauweise  mit  ihren  malerisch  unregelmäßigen,  sich 
lediglich  aus  der  inneren  Anordnung  ergebenden  Aufteilung  der  Fassade  ablösen.  Das  Haus 
zum  Goldenen  Bär,  Severinstraße  Nr.  18,  vom  Jahre  1676  ist  wegen  der  alten  spätgotischen 
Fensterrahmen  ein  besonders  interessantes  Beispiel***.  Der  Bau  stammt  von  Meister  Hein- 
rich Deutz.  Der  unterbrochene,  geschweifte  Barockgiebel  geht  auf  die  Jesuitenkirche  zurück. 
(I,  Abb.  186).  Noch  konsequenter  ist  die  symmetrische  Aufteilung  mit  ihren  guten  Verhält- 
nissen bei  dem  Hause  zum  Maul- 
beerbaum vom  Jahre  1697  (vgl. 

I.  Abb.  273). 

Der  Einfluß  belgischer  Barock- 
architektur hält  in  Köln  noch  in 
den  ersten  Jahrzehnten  des  fol- 
genden Jahrhunderts  an  und  hat 

*  Renard:  Köln.  (Seemanns  Berühmte 
Kunststätten.)     Leipzig  1907.    S.  191. 

*  *  Düsseldorf  und  Aachen  gegenüber  kann 
ich  mich  bei  der  Aufzählung  der  Kölner  Bauten 
knapper  fassen,  da  wir  die  in  der  , .Baukunst 
am  Niederrhein"  schon  oft  angeführte  aus- 
gezeichnete Darstellung  von  Hans  Vogts 
über  „Das  Kölner  Wohnhaus  bis  zum  An- 
fang des  19.  Jahrhunderts"  (Köln  1914)  be- 
sitzen, während  das  Düsseldorfer  und  Aachener 
Wohnhaus  bisher  noch  gar  nicht  übersichtlich 
bearbeitet  worden  ist.  Ich  verweise  auch  an 
dieser  Stelle  noch  einmal  auf  die  fleißige 
Materialsammlung  bei  Vogts. 
Abb.  244.    Köln.    Ehemaliges  Canto-Haus.   Vgl.  Abb.  J47.  ***  Vgl.  Renard  a.  a.  0..  Abb.  169. 


236 


hier  im  Jahre  1710  den  umfangreichsten  privaten  Wohnbau  der  Stadt  geschaffen,  der  den 
Gesamtvorrat  der  städtischen  Ziegelwerke  aufgezehrt  hat.  Es  ist  das  sog.  Canto-Haus,  das 
Haus  des  Geldwechslers  Lambert  Canto  an  der  Pfaffengasse.  Es  ist  ein  nachgeborener  Bruder 
der  Fürstenbergischen  Domdechanei,  aber  weit  stattlicher.  Er  war  wohlhabender  und  hat  auch 
eine  bessere  Karriere  gemacht,  denn  später  wurde  der  Bau  die  Residenz  des  päpstlichen  Nuntius 
(Abb.  244).  Zu  beiden  Seiten  des  Portals  gliedern  Keilsteinfenster  die  Backsteinflächen  der 
Fassade.  Nach  dem  Hof  zu  öffnet  der  Torbau  sich  in  breiten  Arkaden,  mit  Stuckornamenten 
in  den  Bogen  (Abb.  247).  Der  stolze  Bau  ist  leider,  wie  der  Portalbau  der  Domdechanei, 
nicht  mehr  erhalten. 

Neben  diesen  Bauten  wäre  noch  eine  Anzahl  anderer  aufzuführen*.    Im  ganzen  bleibt  die 
heutige  Auslese  indes  gering.    Das  19.  Jahrhundert  hat  nur  allzu  radikal  mit  den  Anlagen  des 

17.  und  18.  Jahrhunderts  in  Köln  aufgeräumt,  und  der  Stilpurismus  mit  den  zahlreichen 
barocken  Kanzeln  und  Altären. 
Um  das  reiche  Bild  von  der  Be- 
deutung des  belgischen  Barock- 
einflusses wenigstens  einiger- 
maßen anzudeuten,  müßte  man 
schon  die  Hauptstücke  der  deko- 
rativen Architektur  anführen.  Da- 
mals, um  die  Wende  des  17.  und 

18.  Jahrhunderts,  lebten  in  Köln 
die  niederländischen  Bildhauer 
und  Maler  Johann  Franz  van 
Helmont  aus  Nordbrabant,  Gel- 
dorp  Gortzius,  Toussaint 
und  Johann  van  Damm  aus 
Antwerpen,  Martin  Vinx  aus 
Mecheln  und  andere  mehr.  Hel- 
mont scheint  der  bedeutendste 
unter  ihnen  gewesen  zu  sein. 
Seine  beiden  hervorragendsten 
Kölner  Arbeiten,  der  Machabäer- 
Altar  in  St.  Andreas  und  die  Lau- 
retanische  Kapelle  in  St.  Maria 
in  der  Kupfergasse,  sind  noch 
erhalten. 


*  Vgl.  Vogts  a.a.O.,  S.40I  ff. 


Abb.  245.    Köln.   Ehemalige  Domdechanei. 


237 


Abb.  24(j.   Kühl.   St. -Andreas-Kirche.   Machabäer- Altar. 


238 


Der  Machabäer-Altar,  um  1717  für  den  Chor  der  Machabäerkirche  verfertigt,  nach 
dem  Abbruch  dieser  Kirche  im  Jahre  1808  im  südlichen  Querarm  von  St.  Andreas  auf- 
gestellt, ist  eine  grandiose  Arbeit  von  virtuosem  Können  (Abb.  246).  Die  heutige  Aufstellung 
ist  außerordentlich  günstig  und  umgibt  den  herrlichen  Altar  mit  der  Fülle  des  durch  die  bunt 
verglasten  hohen  Fenster  eindringenden,  gedämpften  Tageslichtes.  In  der  Mitte  der  mit 
Pilastern  gegliederten  Nische  steht,  umgeben  von  schwebenden  Putten,  Salome  mit  ihren 
drei  jüngsten  Söhnen.  Die  vier  älteren  stehen  außerhalb  der  Nische.  Ausgezeichnete  Gestalten, 
vornehm  in  der  Haltung  und  ohne  barocke  Übertreibung  in  den  Gewandfalten  wie  in  der 
Bewegung,  über  dem  gebrochenen  Giebel,  den  gewundene  Säulen  tragen,  während  auf  glatten 
Säulen  seitlich  davon  die  Gebälkfortsetzungen  ruhen,  sind  allegorische  Gestalten  des  Glaubens 
mit  ihren  Attributen  angebracht.  Zwischen  ihnen,  in  den  Wolken  schwebend  und  von  Engeln 
umgeben,  der  heilige  Benediktus.  Hoch  oben  dann  Gott  Vater.  Der  architektonische  Aufbau 
zeigt  dieselbe  klangvolle  Schönheit  wie  die  einzelnen  Gestalten,  über  die  beiden  zu  äußerst 
stehenden  Figuren  der  ältesten  Söhne  der  Salome,  die  übrigens  mit  ihren  Lanzen  den  seit- 
lichen Abschluß  des  Altarbaues  wirkungsvoll  betonen,  gleitet  das  Auge  hinauf  zu  dem  Giebel: 
von  der  statuarischen  Ruhe  zu  einem  bewegten  malerischen  Barock.  Dem  Reichtum  der 
Darstellung  in  der  Nische  und  über  dem  Gebälk  entsprechen  die  gewundenen  Säulen  und 
verkröpften  und  unterbrochenen  Gebälke,  gegenüber  den  glatten  Säulen,  die  zu  den  seitlichen 
Figuren  überleiten.  Eine  Brüstung  mit  kunstvollen  Schnitzereien  schließt  den  Aufbau  nach 
dem  Kircheninneren  ab. 

Helmont  stammt  wie  Grupello  in  Düsseldorf  aus  dem  Kreise  um  Artus  Quellinus  und 
Rombout  Verhulst.  Grupello  ist 
er  m  vielem  vielleicht  noch  über- 
legen. Die  Vornehmheit  seiner 
Gestalten  kommt  an  Schönheit 
der  Linie  und  Haltung  den  besten 
Arbeiten  des  Quellinus  nahe. 
Neben  dem  Machabäer  -  Altar 
hat  Helmont  in  Köln  für  St. 
Johann  Baptist  eine  Kanzel 
und  für  St.  Kolumba  einen 
Hochaltar  geschaffen*.  Die 
Lorettokapelle  in  St.  Maria 
in  der  Kupfergasse  ist  eben- 
falls eine  fabelhafteSchnitzarbeit. 


*  Mittellungen  des  Rheinischen  Vereins 
für  Denkmalpflege  und  Heimatschutz.  Jahr- 
gang V.     Heft  I.    Taf.  IV  und  Abb.  37. 


Abb.  247.    Köln.    Hof  des  ehemaligen  Canto-Hauses.   Vgl.  .Abb.  244. 


239 


Die  Kapelle  ist  mit  großer  Geschicklichkeit  in  den  schmalen  Kirchenraum  hineinkomponiert 
worden  (Abb.  248).  Die  eine  Seite  lehnt  sich  an  die  äußere  Kirchenwand  der  Portalseite.  Die 
drei  anderen  sind  auf  das  reichste  geschmückt.  Doppelpilaster,  zwischen  denen  Fruchtgehänge 
schweben,  rahmen  geschnitzte  Szenen  ein.  An  der  nach  dem  Altar  gewandten  Seite  die 
Madonna  auf  Wolken  mit  dem  Christusknaben.  Darüber,  von  Engeln  getragen,  das  Wappen 
der  Stifter,  des  Grafen  Johann  von  Oxenstiema  und  seiner  Gattin,  der  Gräfin  Anna  Elisabeth 
von  Limburg-Stymm.  Unten  der  heilige  Ignatius  von  Loyola  und  der  heilige  Franz  Xaver. 
An  den  Seitenflächen  große  Holzreliefs  der  Anbetung  der  Hirten  und  der  Weisen  aus  dem 
Morgenlande*. 

Die  Tätigkeit  der  italienischen  Meister  Henrico  Zuccali  und  Antonio  Riva  m  Bonn  im 
Dienste  des  Kölner  Kurfürsten  am  Bau  des  Residenzschlosses  und  des  Matteo  di  Alberti  mit 
seinen  zahlreichen  Mitarbeitern  am  Hof  zu  Düsseldorf  und  Bensberg  konnte  schließlich  trotz 
der  langjährigen  engen  Beziehungen  der  Freien  Reichsstadt  zu  Belgien  auf  die  Bautätigkeit 
Kölns  nicht  ohne  Einfluß  bleiben.  Die  Ursulinerinnenkirche  in  der  Machabäerstraße 
soll  nach  den  Angaben  von  Mering  und  Reichart  von  den  ,, Meistern  von  Schloß  Bensberg" 
stammen.  Georg  Dehio  nennt  als  Baumeister  direkt  Matteo  di  Alberti**.  Ich  kenne  die 
Unterlagen  der  beiden  Angaben  nicht.  Die  Turmhauben  an  den  Ecken  seitlich  des  die  Fassade 
bekrönenden  Segmentbogens  erinnern  allerdings  an  die  Turmhauben  von  Schloß  Bensberg*** 
(Abb.  29).  Echt  italienisch  ist  ferner,  im  Gegensatze  zu  den  belgisch  barocken  Kirchenfassaden 
des  17.  Jahrhunderts  in  Köln,  etwa  St.  Maria  in  der  Schnurgasse,  die  klare  Aufteilung  der 
Fassade  der  Ursulinerinnenkirche  mit  durchlaufenden  Pilastern  nnd  das  einschiffige  Tonnen- 
gewölbe des  Inneren.  Nach  Vogts  soll  die  an  den  Kölner  Rat  eingesandte  Entwurfsskizze  der 
Kirche  von  einem  „Rekommanditionsschreiber"  des  Kölner  Kurfürsten  stammenf.  Von  den 
Bonner  Meistern  finden  wir  später  im  Dienste  des  Düsseldorfer  Hofes  Antonio  Riva  wieder. 
Vielleicht  käme  auch  er  neben  Matteo  di  Alberti  als  Baumeister  der  Ursulinerinnenkirche  zu 
Köln  in  Frage.     Der  Bau  ist  in  den  Jahren  1709  und  1712  errichtet  worden. 

Eine  direkte  Beziehung  zu  den  im  Dienste  der  bergischen  Regierung  stehenden  Baumeistern 
gab  der  Neubau  des  bergischen  Hofkammerpräsidenten  Grafen  von  Nesselrode -Ehreshoven 
auf  dem  Neumarkt.  Es  ist  das  vornehme  Haus,  das  nach  seinem  späteren  Besitzer,  dem  Grafen 
von  Manderscheid-Blankenheim,  allgemein  als  Manderscheid-Blankenheimscher  Hof 
bekannt  war.  Die  Originalzeichnung  der  Fassade  ist  im  Historischen  Museum  der  Stadt  Köln 
noch  erhalten  und  unterscheidet  sich  nur  wenig  von  der  späteren  Ausführungff.  über  dem 
rustizierten  Erdgeschoß  teilen  durchlaufende  jonische  Pilaster  die  beiden  siebenachsigen  Ober- 


*  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  und  Heimatschutz.  Jahrgang  V.   Heft  I.  S.  78u.79.  Abb.  41  u.42. 
**  F.  V.  Mering  u.  Reichart:  Bischöfe  und  Erzbischöfe  von  Köln.  Köln  1844.  —  Georg  Dehio:  Handbuch  der  deutschen 
Kunstdenkmäler.    Berlin  1912.    Band  V.     S.  290. 

***  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  und  Heimatschutz.   VIII.  S.  171.   Abb.  88  und  89. 

t  Vogts  a.a.O..  S.407. 
tt  Vgl.  Vogts  a.a.O.,  Abb.  138.  -  Renard  a.a.O.  Abb.  174 

240 


Abb.  248.   Köln.   St.  Maria  in  der  Kupfergasse.   Lorettokapelle. 


31 


74! 


geschosse  auf.  Mittelachse  und  äußere  Scitenachsen  sind  ein  wenig  risalitartig  vorgezogen, 
über  der  Mittelachse  in  dem  abschließenden  Segmentbogen  das  Wappen  des  Bauherrn.  Das 
Detail  der  Fensterrahmen  mit  ihren  Konsolen  und  der  Profile  war  in  der  klassischen  Durch- 
arbeitung der  Formen  die  Veranlassung,  daß  man  bisher  den  Bau  stets  für  eine  weit  spätere 
Schöpfung  aus  den  siebziger  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  hielt.  Der  entwerfende  Baumeister 
ist  nicht  bekannt.  Alberti,  Bartolus,  Riva  und  die  anderen  führenden  Baumeister  am  Hofe 
Jan  Wellems  waren  zur  Zeit  der  Erbauung  des  Nesselroder  Hofes  zu  Köln  nicht  mehr  unter 
den  Lebenden.  Von  den  unter  Karl  Philipp  in  bergischen  Diensten  tätigen  Architekten  wissen 
wir  nichts  Bestimmtes.  Ausgeführt  wurde  der  Bau  von  dem  Kölner  Baumeister  Nikolas 
Krakamp.  Er  steht  leider  seit  einigen  Jahren  auch  nicht  mehr,  nachdem  er  in  den  letzten 
Jahrzehnten  als  Offizierkasino  gedient  hat. 

Um  diesen  stattlichen  Bau  als  Ausgangspunkt  sammelt  sich  noch  eine  Reihe  anderer  Herren- 
häuser, so  das  Haus  Unter  Goldschmidt  Nr.  5  u.  a.*.  Dann  die  Häuser  der  aus  Kölner 
Patriziat  hervorgegangenen  Adelsgeschlechter  der  Herren  und  Freiherren  von  Groote,  von 
Mylius,  von  Mering,  von  Beywegh,  von  Mülheim,  von  Zum  Busch,  von  Kempis,  von  Geyr  u.  a. 
Aber  diese  späteren  Bauten  zählen  schon  zu  der  letzten  Phase  der  Wandlung  Kölner  Baukunst 
im   18.  Jahrhundert.     Es  sind  französische  Stadtpalais. 

Beim  Ausbau  des  Bonner  Residenzschlosses  waren  auf  die  Italiener  Zuccali  und  Riva  die 
französischen  Meister  Robert  de  Cotte  und  Michael  Leveilly  gefolgt,  wie  am  Düsseldorfer 
Hofe  auf  den  Venetianer  Alberti  der  Lothringer  Pigage.  Robert  de  Cotte  hat  Zuccalis  italienische 
Quattro-Torre-Anlage  mit  dem  von  Arkaden  aufgeteilten  Binnenhof  nach  dem  Hofgarten  zu  in 
eine  französische  Cour  d'honneur  umgewandelt.  Auch  Albertis  Schloßbau  zu  Bensberg  zeigt 
diese  seltsame  Mischung  italienischer  und  französischer  Formen.  Robert  de  Cottes  Schloß 
zu  Poppeisdorf  ist  dagegen  eine  der  zahlreichen  französischen  Idealarchitekturen,  die  seit  den 
Entwürfen  der  Du  Cerceau  aus  dem  16.  Jahrhundert  die  französischen  Baumeister  immer 
wieder  beschäftigt  haben**.  Mit  dem  kurkölnischen  Residenzschloß  zu  Brühl  werden  die  bau- 
künstlerischen Beziehungen  zu  Italien  noch  mehr  gelöst.  Die  Italiener  (Castelli,  Morsegno, 
Artari  u.  a.)  kommen  nur  noch  als  Stukkateure  und  Schmuckkünstler  vor.  Die  eigentliche 
baukünstlerische  Leitung  lag  in  den  Händen  von  Franzosen,  der  Robert  de  Cotte,  Fran^ois 
Cuvillies  und  Michael  Leveilly.  An  Stelle  eines  italienischen  Binnenhofes  ist  von  Anfang  an 
eine  Cour  d'honneur  entworfen  worden.  Nach  dem  Vorbilde  von  Versailles  hat  der  voll- 
kommen französisch  angelegte  Park  ebenfalls  sein  Grand  und  Petit  Trianon  erhalten,  die  Lust- 
schlösser Entenfang  und  Falkenlust.  Diese  glänzende  Residenz  mit  ihrer  prachtvollen  Aus- 
stattung und  die  zahlreichen  französischen  Meister  im  Dienste  des  Kölner  Kurfürsten  und 
die  von  diesen  mehr  oder  weniger  abhängigen  deutschen  Mitarbeiter  gewannen  Einfluß  in  Köln. 

*  Vgl.  Vogts  a.  a.  0.,  Abb.  139,  140  und  S.  409  bis  4!  1 . 
**  Die  Schlösser  Bonn  und  Poppeisdorf  bei  Clemen:   Kunstdenkmäler  des  Stadt-  und  Landkreises  Bonn.    Düsseldorf  1905, 
Abb.  96  ff.,   158  ff. 

242 


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243 


Der  erste  Vermittler  zu  Schloß  Brühl  war  der  westfälische  Baumeister  Johann  Konrad 
Schlaun.  Von  ihm  stammt  aus  den  Jahren  1725  bis  1728  der  Rohbau  des  Schlosses.  In  den 
folgenden  Jahren  beschäftigte  ihn  in  Köln  bis  1731  der  Neubau  des  Jesuiten-Gymnasiums 
in  der  Marzellenstraße.     Der  Bau  hat  in  den  letzten  Jahren  beseitigt  werden  müssen*. 

Schlauns  Mitarbeiter  waren  Jakob  Bourscheid  und  Adam  Dechen.  Sie  wie  die 
anderen  heimischen  Meister,  die  Krakamp,  Göbbels  usw.  nahmen  die  neuen  Formen  auf. 
Nikolas  Krakamp,  der  im  Jahre  1728  das  Haus  Nesselrode  auf  dem  Neumarkt  ausgeführt 
hat,  baute  1752  das  Haus  von  Groote,  Glockengasse  Nr.  3,  1754  das  Haus  von  Geyr, 
Breite  Straße  Nr.  92,  in  der  Weberstraße  das  Palais  des  Oberjägermeisters  von  Weichs. 
Von  Heinrich  Nikolas  Krakamp  stammen  die  Häuser  von  Mülheim  in  der  Gereon- 
straße Nr.  12  und  von  Monschau,  Severinstraße  Nr.  218.  Von  Adam  Dechen  das  Haus 
der  Grafen  Fugger  in  der  Trankgasse  vom  Jahre  1726  und  das  Haus  Wichterich  von 
1 730,  ebenfalls  für  die  Fugger  usw.  Aber  man  wird  gut  tun,  diese  einheimischen  Meister 
nicht  als  die  entwerfenden  Künstler,  sondern,  wie  Nikolas  Krakamp  beim  Hause  Nesselrode, 
lediglich  als  ausführende  örtliche  Bauleiter  anzusprechen.  Man  möchte  eher  an  die  Bonner 
und  Brühler  Hofbaumeister  denken,  an  die  Roth,  Dupuis,  Hauberat,  Leveilly  u.  a.  Leider 
sind  von  den  seit  den  fünfziger  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  zahlreich  entstandenen  Kölner 
Stadtpalais  heute  nur  noch  das  Haus  der  Herren  von  Mülheim,  das  heutige  Erzbischöfliche 
Palais,  und  das  Haus  der  Herren  von  Monschau  erhalten. 

Der  vornehmste  Bau  dieser  Gruppe  der  Kölner  Stadtpalais  war  das  Haus  der  Herren 
von  Geyr,  Breite  Straße  Nr.  92,  das  vor  einigen  Jahren  mit  seiner  gesamten  kostbaren  Aus- 
stattung und  seiner  Gartenanlage  an  Ort  und  Stelle  abgetragen  worden  ist  (Abb.  250.  249). 
Im  Grundriß  eine  echt  französische  Anlage**.  Frangois  Cuvillies  Jagdschloß  Falkenlust  im 
Brühler  Park  von  1730***  und  Heinrich  Roths  einstiges  Jagdschloß  Herzogsfreuden,  Joie  le 
Duc,  bei  Röttgen  im  Kottenforst  bei  Bonn  von  1754t  und  andere  Anlagen  des  kurkölnischen 
Adels,  die  sich  um  die  landesherrlichen  Schlösser  zu  Bonn  und  Brühl  sammeln  und  nach 
Blondels  Wohnhaustyp  der  Maison  de  plaisance  entworfen  sind,  wurden  vorbildlich  für  die 
Kölner  Stadtpalais,  wenn  auch  hier  und  da  alte  Kölner  Baueigenarten  in  der  Anlage  Ver- 
änderungen und  Abweichungen  durchsetzten.  Vestibül  und  Gartensaal,  der  mit  drei  Seiten 
eines  Achtecks  risalitartig  über  die  Gartenfront  hinausragt,  bilden,  wie  bei  den  Maisons  de 
plaisance,  auch  bei  dem  Hause  von  Geyr  die  Hauptachse,  und  die  anderen  Räume  gruppieren 
sich,  wenn  eben  möglich,  symmetrisch  um  diese  (Abb.  249).  Ein  wenig  zurückliegend  reihen 
sich  an  die  siebenachsige  Vorderfront  des  Herrenhauses  seitlich  noch  je  vier  Fensterachsen  an, 

*  Vgl.  Edmund  Renard:  Die  Bauten  der  Kurfürsten  Joseph  Clemens  und  Clemens  August  von  Köln.    Bonner  Jahrbücher 
1896.   —   Heinrich   Hartmann:  Johann   Konrad  Schlaun.     Münster   1910.   —    Hans  Vogts:  Die  Bauten  des  Gymnasiums 
Tricoronatum.     Festschrift  des  Marzellen-Gymnasiums.     Köln   19H. 
**  Abb.  16  bei  Vogts,  a.a.  O. 
***  Renard:  Die  Bauten  der  Kurfürsten  usw.    Abb.  19.  —  Felix  Dechant:  Das  Jagdschloß  Falkenlust.      Aachen  1901. 
Taf.  I,   II. 

f  Renard  a.a.O.,  Abb. 47.  —  Clemen:  Kunstdenkmäler  des  Stadt-  und  Landkreises  Bonn,  Abb.  229  ff. 

244 


und  ihre  beiden  äußeren  an  jeder  Seite  sind  der  Abschluß  der  beiden  Seitenflügel  für  Stallung, 
Bedienung  und  Wirtschaftsräume,  die  nach  dem  Hof  zu  das  Herrenhaus  in  der  Tiefe  um  das 
Doppelte  überragen.  Ein  geschwungenes  Mauer-  und  Gitterwerk  schließt  den  Hof.  Dahinter 
dann  der  französische  Garten  mit  dem  langen,  schmalen,  grünen  Teppich,  zu  beiden  Seiten 
von  Alleen  begleitet*.  Für  die  Wageneinfahrt  in  den  Hof  war  zwischen  Herrenhaus  und  dem 
rechten  Seitenflügel  im  Erdgeschoß  der  Vorderfront  eine  breite  Durchfahrt  angebracht. 

In  der  vornehm  zurückhaltenden  Schlichtheit  der  Fassade  erlänzte  der  Schmuck  der  Mittel- 
achse (Abb.  250).  Rokokoformen 
zierten  die  Tür-  und  Fenster- 
schlußsteine und  die  Pilaster  der 
beiden  Stockwerke ;  ein  kapriziös 
gezeichnetes  Oberlicht  den  Ein- 
gang; ein  reizvolles  Gitterwerk 
den  Balkon ;  Putten  auf  den 
Pilastern  des  Hauptstockwerks 
rahmten  das  Wappen  des  Bau- 
herrn Josef  Balthasar  von  Geyr 
und  dessen  Gattin  Agnes  Aegidia 
von  Fays  -  Adnmont  ein.  Von 
entsprechendem  Reichtum  war 
die  Ausstattung  des  Gartensaales 
mit  seiner  kostbaren  Wandbeklei- 
dung. Sie  ist  später  in  das  Kölner 
Kunstgewerbemuseum  gelangt 
(Abb.249).  Vier  wertvolle  Teppich- 
wirkereien mit  Parklandschaften, 
über  den  Türen  und  dem  Kamin- 
spiegel  Schäferszenen  in  reicher 
Rokokoumrahmung.  Ein  Zettel 
auf  der  Rückseite  der  Gobelins 
erzählt  uns  von  der  Herkunft  der 
Arbeiten :  „Dieses Zimmer",  heißt 
es,  ,, wurde  mit  Tapisserien  aus- 
gestattet und  vollendet  Ende  März 
1765.  Ich  hatte dieHautelisse  her- 
stellen lassen  in  der  königlichen 


*  Situationsplan    bei    Vogts    a.  a.  0., 
Abb.  37. 


Abb.  230.   Köln.  Ehemaliges  Haus  v.  Geyr,  Breite  Straße  92.   Vgl.  Abb.  249. 


245 


Fabrik  von  Aubusson  In  Frankreich  von  einem  Meister  Fouriere.  Gott  bewahre  sie  vor  allem 
Unheil  und  bösen  Zufällen." 

Ähnlich  in  der  Anlage  und  wieder  nach  der  Rückfront  mit  einem  vorgezogenen  Garten- 
saal sind  die  Häuser  von  Mülheim  vom  Jahre  1758  und  von  Monschau  von  1769.  Aber  die 
schlichteren  Gliederungen  des  Klassizismus  haben  die  heiteren  Schmuckformen  des  Rokoko 
verdrängt.  Das  Haus  Mülheim  hat  übrigens  nicht,  wie  das  Haus  Geyr,  Wohnbau  und 
Wirtschaftsflügel  zu  einer  gemeinsamen  Hofkomposition  vereinigt,  sondern  hat  eine  eigene 
„basse  cour",  einen  getrennten  Wirtschaftshof*.  Zu  beiden  Seiten  des  Haupteinganges  halten 
gewundene  Schlangen  die  Leuchterlaternen.  Schlichte,  unten  vorgebauchte  Gitter  schliefen 
die  Erdgeschoßfenster  ab  (Abb.  253). 

Bei  dem  anderen  von  Heinrich  Nlkolas  Krakamp  ausgeführten  Hause,  dem  für  die  Herren 
von  Monschau,  ist  der  Name  des  entwerfenden  Baumeisters  bekannt.  Es  ist  der  Karmeliter- 
pater Leopold  de  Santo  Josefo**.  Wieder  ist  alle  reichere  Gliederung  auf  die  Mittelachse 
konzentriert.  Karyatiden  tragen  den  Balkon.  Ranken  rahmen  die  Balkontür  ein,  und  ein  reicher 
Giebelaufbau  mit  dem  Wappen  des  Bauherrn  bekrönt  den  Schmuck  der  Mittelachse  (Abb.  252). 

Mit  dem  Auftreten  des  Klassizismus  schwanden  auch  in  Köln  die  reichen  bunten  Wand- 
teppiche. An  ihre  Stelle  traten  Papiertapeten,  meist  mit  römischen  Veduten,  z.  B.  im 
Hause  Peters  am  Marienplatz  (Abb.  251).  Franz  Josef  Manskirch  (1770  bis  1821)  war 
ein  Kölner  Spezialist  für  dergleichen  Wanddekorationen,  entweder  auf  Papier  oder  Leinewand. 
Landschaften  oder  Veduten  mit  figürlicher  Staffage,  die  aber  nicht  mehr  so  streng  architektonisch 
dem  Wandrahmen  angepaßt  sind  wie  die  Wandteppiche,  sondern  als  kleinere  Darstellungen, 
in  schmale  Leisten  gefaßt,  die  Wand  beleben.  Als  Wand-  und  Flächenschmuck  im  Sinne  der 
geschlossenen  Raum-  und  Wandgestaltung  sind  die  Relief tapeten  aus  dem  Schmitzschen 
Hause  auf  dem  Laurentzplatz  aus  der  Zeit  der  Wende  des  18.  zum  19.  Jahrhundert  das 
Richtigere***:  Auf  hellgrünem  Grund  die  klar  gezeichneten  Umrißbilder  der  antiken  Götter- 
weh und  Allegorien.  Wie  die  Überlieferung  des  Hauses  erzählt,  soll  der  alte  Kanonikus  Wallraf 
diese  Tapeten  aus  Paris  mitgebracht  haben. 

Die  schlichten  mageren  Formen  des  Klassizismus  begleiteten  den  Ausbau  der  Stadt  Köln 
in  das  neue  Jahrhundert  hinein.  Aber  so  weit  einheimische  Baumeister  unabhängig  waren 
von  kurkölnischen  Hofarchitekten,  rettete  sich  noch  manche  stadtkölnische  Eigenart  in  die 
neue  Zeit  hinein.  Viele  der  Häuser  zählen  nur  drei  Achsen.  Die  breit  gelagerte  klassizistische 
Fassade  ließ  sich  hier  nicht  ohne  weiteres  übertragen.  Volutengiebel  und  Kranenbalken 
wurden  noch  oft  beibehalten,  oder  der  untere  Teil  des  Satteldachgiebels  durch  sog.  Flabes- 
mauern  verdeckt,  über  die  dann  die  Giebelspitze  hinausragt.  Der  Hauptschmuck  der  schmalen 
Bürgerhäuser  war  das  Portal  mit  oft  allerliebsten  Gliederungen  und  Oberhchtern.    Das  neue 

*  Situationsplan  bei  Vogts  a.a.O.,  Abb.  38. 
**  F.  Kreuter:  Wanderungen  durch  das  mittelalterliche  Köln.    Köln  um  1840.  —  Vgl.  dazu  Merlo  a.a.O.,  Sp.37l  unter 
Benedikt  Josef  Matthaei. 

***  Vgl.  Mitteilungen  des  Rheinischen  Vereins  für  Denkmalpflege  und  Hemialschutz.    V.    Heft   I.  Taf.  VI. 

246 


Abb.  251.   Köln.   Haus  Peters,  Marienplatz  24. 


247 


Stadthaus  hat  eine  Reihe  dieser  Türrahmen  aUer  Bürgerhäuser,  die  ihm  geopfert  werden 
mußten,  bei  sich  wieder  aufgenommen,  so  von  dem  Haus  ,,Zum  Pfauen"  an  der  Sandbahn 
Nr.  12  das  reizvolle  Portal,  das  heute  in  der  Großen  Sandkaul  steht  (Abb.  254). 

Aber  auch  in  der  grundnßlichen  Anlage  größerer  Bürgerhäuser,  die  nicht  den  Gedanken 
eines  Stadtpalais  mit  Gartensaal  und  Vestibül  als  Mittelachse  entwickelten,  blieb  manche 
niederrheinisch-kölnische  Baugewohnheit  beibehalten,  vor  allem,  wenn  Wohnhaus  und  Kauf- 
mannsräume in  einem  Bau  vereinigt  waren.  Severinstraße  Nr.  2  1  4  war  das  Haus  des  Holz- 
händlers und  Brückenzollpächters  Jacob  Fuchs  vom  Jahre  1769.  Das  Tagebuch  des  Sohnes 
des  Erbauers  beschreibt  uns  eingehend  das  stattliche  Haus  mit  seiner  noch  heute  vorhandenen 
schönen  Ausstattung*:  ,,.  .  .An  der  Erde  ein  schönes  großes  Vorhaus,  rechts  beim  Herein- 
kommen zwei  hochgestochene,  schön  tapezierte  Zimmer  mit  eichenen  Lamperien.  Links 
etwas  tiefer  eine  majestätisch  italienische  Treppe  bis  auf  die  Speicher,  wodurch  man  von 
unten  herauf  das  innere  Dach  sehen  kann.  Unter  dieser  Treppe  sind  Speisevorratskammern 
angebracht.  Gartenwärts  ein  großer  Saal  neben  der  Treppe  mit  schönem  französischen,  mit 
Kupferplatten  unten  und  seitwärts  belegtem  Kamin  von  Marmor.    Die  Wände  sind  bemalt 

mit  meines  Vaters  Holzhandels-  und 
Floßgeschichte.  Neben  demselben  ein 
Gang,  der  zum  Garten  führt,  daneben 
ein  recht  nettes  Domestikenzimmer 
mit  einem  Eingange  in  die  demselben 
zur  Seite  gelegene  große  Küche.  Neben 
der  Küche  folgte  ein  escalier  de  robe 
von  Stein,  der  bis  zum  ersten  Stock 
des  Haupthauses  und  auf  die  Zimmer 
des  Nebenhauses  führte**."  ,,Im 
ersten  Stock  fand  sich  ein  durchaus 
heller,  ganz  breiter  und  mit  dem 
schönsten  holländischen  Bord  belegter 
Gang,  auf  welchen  alle  rechts  und 
links  befindhchen  Zimmer  ausgingen. 
Straßenwärts  betrat  man  einen  großen 
Saal  in  Gips  mit  den  kunstreichsten 
basreliefs,  mit  schönem  Frankfurter 
Spiegel,  mit  einer  reichen  Lamperie 
und   mit   den   modernsten   Gardinen 


Abb.  252.   Köln.   Haus  von  Monschau,  Severinstraße  218. 


*  Vogts,  a.a.O.   Abb.  132-155. 
**  Vgl.  dazu  Grundriß  und  Schnitte  bei  Vogts 
a.a.O.,  Abb.  152  und  154. 


248 


versehen."  „Die  Borde  des  Bodens,  alle  in  Holland  geschnitten,  hatten  eine  ungewöhnliche 
Breite  und  die  ganze  Länge  des  Saales.  Links  beim  Hereinkommen  fand  sich  ein  Kabinett, 
worin  die  Gipswände  grün  gestrichen,  und  ein  Altkof,  mit  zwei  Glastüren  befaßt.  Rechts 
des  Saales  kam  man  in  ein  großes  Zimmer,  dessen  Wände  von  Gipsmarmor  und  unter 
dessen  Plafond  rundum  eine  prächtige  Girlande  von  Früchten,  mit  Blumen  durchwunden, 
alles  von  Gips.  Auch  hier  war  das  Gebunn,  die  Lamperien,  Spiegel  und  Vorhänge  wie  im 
Saal.  Gartenwärts  gab  es  zwei  nebeneinander  gelegene  große  Schlafzimmer  mit  wirklich 
prächtigen  Betten,  Spiegeln  und  Vorhängen.  Zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Stock  war 
ober  dem  Domestikenzimmer  eine  Hangstube,  die  sehr  angenehm  war,  weil  man  von  da  aus 
das  ganze  Haus  und  auch  den  Garten  übersehen  konnte.  Neben  dieser  Hangstube  über  der 
Küche  her  wars  Comptoir.  .  .  .  Die  Speicher,  deren  drei  übereinander  waren.  Hier  ließen 
sich  2000  Malter  Korns  aufspeichern.  War  er  leer,  dann  brauchten  wir  ihn  als  Tanzsaal.  .  .  ." 
Aber  man  darf  aus  dieser  Beschreibung  des  stattlichen  Bürgerhauses  keine  allzu  weiten 
Schlüsse  auf  die  Bautätigkeit  und  die  Wohnkultur  der  alternden  Freien  Reichsstadt  ziehen, 
die  sich  am  Ausgange  des  18.  Jahrhunderts  keineswegs  mit  den  aufblühenden  Städten  Düssel- 
dorf und  Aachen  vergleichen  konnte.  Ein  gewisser  Wohlstand  herrschte  zwar  noch  immer. 
Aber  das  geistige,  soziale,  politische  und  sittliche  Leben  war  verrottet.  Man  muß  in  der  gerade 
um  die  Wende  des  Jahrhunderts  beliebten  Rheinreiseliteratur  nachblättern.  Frankfurt  und 
Mainz  sind  dem  Reisenden  heitere  blühende  Handelsstädte,  Koblenz,  Ehrenbreitstein,  Engers, 
Neuwied  und  Bonn  freundliche  Residenzen.  •  Köln  dagegen,  die  , .schlimmste  Pfaffenstadt" 
an  der  ganzen  ,, Pfaffenstraße",  ist  die  allgemeine  Enttäuschung  der  Rheinreisenden.  ,,Wie 
wenig  stimmt  das  Innere  dieser  weitläufigen,  aber  halb  entvölkerten  Stadt  mit  dem  viel  ver- 
sprechenden Anblick  von  der  Flußseite  überein,"  schreibt  George  Forster  nach  seinem 
Besuche  vom  Jahre  1789.  Die  Reisenden  klagen  über  schlechtes  Pflaster,  schmale  und 
schmutzige  Gassen,  alte  Häuser  und  über  die 
Menge  von  Tagedieben  und  ,, Scharen  von  ^  4Jt  jj 
zerlumpten  Bettlern",  die  Forster  auf  allen  *^^ 
Straßen  herumschleichen  sah.  Als  besonderes 
Charakteristikum  Kölns  erwähnt  er  den  Brauch 
der  Kölner  Bettler  und  Eckensteher,  daß  sie 
,,ihre  Plätze  an  den  Kirchentüren  erblich 
hinterlassen  oder  zum  Heiratsgut  ihrer  Töchter 
schlagen".  Dann  weiter:  ,, Diese  zahlreiche 
Bande  von  Sitten-  und  gewissenlosen  Bettlern, 
die  auf  Kosten  der  arbeitenden  Klassen  leben, 
geben  den  Ton  an.  Der  Magistrat,  der  den 
Protestanten     bereits    freie    Religionsübung  auu  9^^    i^  i     u  \a-\u-     r         .   n    19 

^  =  Abb.  ZD:>.   Köln.   Haus  von  Mülheim,  Ijereonstraue  \l. 

innerhalb    der    Stadtmauern    beWilhgt    hatte,  Heute  Erzbischöfliche  Residenz. 


249 


mußte  seine  Erlaubnis  wieder  zurücknehmen,  weil  der  Aberglaube  des  Pöbels  mit  Aufruhr, 
Mord  und  Brand  drohte.  Dieser  Pöbel,  der  beinahe  die  Hälfte  der  Einwohner,  also  einen 
Haufen  von  20000  Menschen  ausmacht,  hat  eine  Energie,  die  nur  einer  besseren  Lenkung 
bedürfte,  um  Köln  wieder  einiges  Ansehen  zu  bringen."  Aber  ,,die  Geistlichen  aller  Orden, 
die  hier  auf  allen  Wegen  wimmeln",  wissen  sich  der  Menge  zu  bedienen:  ,,Die  Bettlerordeii 
sind  ihre  Miliz,  die  sie  am  Seil  des  schwärzesten  Aberglaubens  führen,  durch  kärglich  ge- 
fpendete  Lebensmittel  in  Sold  halten  und  gegen  den  Magistrat  aufwiegeln,  so  bald  er  ihren 
Absichten  zuwider  handelt."  Das  katholische  Rom  ist  für  Forster  die  Stadt  heiterer  Freude, 
Köln  dagegen  die  Stadt  ,,schwarzlallichten  Fanatismus",  denn  ,, nirgends  erscheint  der  Aber- 
glaube in  einer  so  schauderhaften  Gestalt  als  in  Köln".  Das  sind  in  der  Tat  düstere  Bilder, 
das  ,, sichere  Zeichen  eines  zerrütteten,  schlecht  eingerichteten,  kranken  Staates",  der  überreif 
zum  Sterben  seiner  politischen  Selbständigkeit  geworden  war. 


Abb.  254.   Köln.  Tür  vom  Haus  „Zum  Pfauen".   Ehemals  Sandbahn  Nr.  12. 
Jetzt  eingebaut  in  das  neue  Stadthaus  in  der  Großen  Sandkaul 


250 


„Uas  finstere,  traurige  Kölln  haben  wir  recht  gern  verlassen." 
Forster  kam  nach  Düsseldorh  „Welch  ein  himmelweiter  Unterschied  zwischen  Kölln 
und  diesem  netten,  reinlichen,  wohlhabenden  Düsseldorf!"  Was  ihn  hier  entzückte,  war  nicht 
allein  die  ,, wohlgebaute  Stadt,  die  schönen  Häuser,  die  graden  und  hellen  Straßen,  die  thätigen 
und  w^ohlgekleideten  Einwohner,  der  Wohlstand,  der  Geist  der  guten  Wirtschaft  und  das 
Geheimnis  der  guten  Staatsverwaltung".  Was  ihn  in  erster  Linie  anzog,  war  Jan  Wellems 
Kunstgalerie  und  das  rege  geistig -gesellige  Leben  der  Stadt.  Man  kann  sie  gar  nicht  alle 
aufzählen,  die  Fürsten,  Künstler,  Dichter  und  Gelehrten,  die  eigens  der  Galerie  wegen  nach 
Düsseldorf  kamen  oder  hier  im  ,,Hof  von  Holland"  in  der  Altestadt  Nr.  17  oder  im  ,,Zwei- 
brücker  Hof"  in  der  Bolkerstraße  Nr.  28  ihre  Reise  unterbrachen.  Die  vornehmsten  Namen 
finden  wir  in  den  ,,zu  des  Publici  besten  und  jedermanns  deuthcher  Nachricht"  gegründeten 
,,Gulich  Bergischen  Wöchentlichen  Nachrichten"  und  in  der  ,, Stadt  Düsseldorfer  Post- 
zeitung" angegeben:  den  König  von  Schweden,  den  Kurfürsten  von  Köln,  den  Landgrafen 
von  Hessen-Kassel,  den  Fürstbischof  von  Osnabilick,  Heinrich  von  Preußen,  Ferdinand  von 
Osterreich,  Paul  von  Rußland  usw.  Aber  noch  klangvoller  sind  jene  Namen,  die  m  dem  gast- 
freien Hause  in  Pempelfort  neben  dem  Jägerhof  abstiegen,  bei  Fritz  Jacobi,  dem  Kaufmann 
und  Philosophen  und  späteren  Staatsrat  (Abb.  215).  Diderot  suchte  hier,  nachdem  er  seine 
Enzyklopädie  vollendet  hatte,  im  Jahre  1773  Ruhe  und  Erholung.  Das  nächste  Jahr  sah  den 
damals  erst  fünfundzwanzigjähngen  Goethe  im  Jacobi-Haus,  dem  ,, angenehmsten  und  heitersten 
Aufenthalt,  wo  ein  geräumiges  Wohngebäude,  an  weite,  wohlunterhaltende  Gärten  stoßend,  einen 
sinnigen  und  sittigen  Kreis  versammelte.  Die  Familienmitglieder  waren  zahlreich,  und  an 
Fremden  fehlte  es  nie,  die  sich  in  diesen  reichlichen  und  angenehmen  Verhältnissen  gar  wohl 
gefielen.  Die  schöne  Ruhe,  Behaglichkeit  und  Beharrlichkeit,  welche  den  Hauptcharakter 
dieses  Familienvereins  bezeichneten,  belebten  sich  gar  bald  vor  dem  Auge  des  Gastes,  indem 
er  wohl  merken  konnte,  daß  ein  weiter  Wirkungskreis  von  hier  ausging  und  anderwärts  ein- 
griff". So  Goethe  m  ,, Dichtung  und  Wahrheit".  Da  war  Frau  Betty,  die  Hausfrau,  ,,ohne 
eine  Spur  von  Sentimentalität  richtig  fühlend,  sich  munter  ausdrückend,  eine  herrliche  Nieder- 
länderin, die  ohne  Ausdruck  von  Sinnlichkeit  durch  ihr  tüchtiges  Wesen  an  die  Rubensschen 
Frauen  erinnerte".  ,,L'aimable  et  seduisante  Musarion",  wie  Wieland  sie  nannte.  Dann  das 
,, Tantchen",  Demoiselle  Fahimer,  die  ,, durch  die  große  Zartheit  ihres  Gemüts,  durch  die 
ungemeine  Bildung  des  Geistes  ein  Zeugnis  von  dem  Wert  der  Gesellschaft  gab".  Lotte  und 
Lene,  die  beiden  Schwestern,  bewirteten  die  Gäste.  Herder,  der  im  Jahre  1792  Gast  im 
Jacobi-Hause  war,  rühmt  den  ausgezeichneten  Kuchen,  ,,den  ihm  die  Frau  Doktorin  Lena 
gebacken".  Aus  dem  gastfreien  Hause,  wo  Frau  Bettys  Hände  über  die  Tasten  des  Spinetts 
hin  und  her  streiften,  klang  verträumt  eine  Melodie  hinüber  zu  den  Männern  im  Garten  am 
runden  Tisch.  Da  saßen  Fritz  der  Philosoph,  Johann  Georg  der  Dichter,  sein  Bruder,  dann 
die  zahlreichen  Gäste,  die  1774  in  Pempelfort  waren,  Goethe,  Jung  Stilling,  Vater  Lavater 
und  der  brave  Basedow,  ,,Prophete  links,  Prophete  rechts".    Man  machte  Ausflüge,  besuchte 

251 


die  Freunde  der  Nachbarschaft.  Das  sind 
Erinnerungen,  die  Goethe  noch  im  hohen 
Aher  lebendig  gebheben  sind.  ,,Eine  solche 
reine  Geistesverwandtschaft  war  mir  neu  und 
erregte  ein  leidenschaftliches  Verlangen  ferne- 
rer Mitteilungen.  Nachts,  als  wir  uns  schon 
getrennt  und  in  die  Schlafzimmer  zurück- 
gezogen hatten,  suchte  ich  ihn,  Jacobi,  noch- 
mals auf.  Der  Mondschein  zitterte  über  dem 
breiten  Rhein,  und  wir  am  Fenster  stehend, 
schwelgten  in  der  Fülle  des  Hin-  und  Wider- 
gebens,  das  in  jener  Zeit  der  Entfaltung  so 
reichlich  aufquillt." 

Achtzehn  Jahre  später  weilte  Goethe  auf 
der  Heimreise  von  der  ,, Kampagne  in  Frank- 
reich" wieder  bei  Jacobi.  Haus  und  Garten 
waren  inzwischen  umgestaltet  und  ausgebaut 
worden  ,,Ein  freistehendes  Haus,"  schreibt 
Goethe,  ,,in  der  Nachbarschaft  von  weit- 
läufigen wohlgehaltenen  Gärten,  im  Sommer 
ein  Paradies,  auch  imWinter  höchst  erfreulich. 
Jeder  Sonnenblick  ward  in  reinlicher,  freier 
Umgebung  genossen,  abends  oder  bei  un- 
günstigem Wetter  zog  man  sich  gern  in  die 
schönen  großen  Zimmer  zurück,  die  behaglich  ohne  Prunk  ausgestattet,  eine  würdige  Szene 
jeder  geistreichen  Unterhaltung  darboten.  Ein  großes  Speisezimmer,  zahlreicher  Familie  und 
nie  fehlenden  Gästen  geräumig,  heiter  und  bequem,  lud  an  eine  lange  Tafel,  wo  es  nicht  an 
wünschenswerten  Speisen  fehlte.  Hier  fand  man  sich  zusammen,  der  Hauswirt  immer  munter 
und  aufregend,  die  Schwestern  wohlwollend  und  einsichtig,  der  Sohn  ernst  und  hoffnungsvoll, 
die  Tochter  wohlgebildet,  tüchtig,  treuherzig  und  liebenswürdig.  Heinse,  mit  zur  Familie  gehörig, 
verstand,  Scherze  jeder  Art  zu  erwidern.  Es  gab  Abende,  wo  man  nicht  aus  dem  Lachen  kam. 
In  dem  nicht  weit  entfernten  Düsseldorf  wurden  fleißige  Besuche  gemacht  bei  Freunden,  die 
zu  dem  Pempelf orter  Zirkel  gehörten.  Auf  der  Gallene  war  die  gewöhnliche  Zusammenkunft." 
Und  neben  Diderot,  Goethe,  Heinse,  Herder,  Lavater,  Forster  und  Basedow  waren  es 
noch  viele  andere  der  klangvollsten  Namen,  die  Fritz  Jacobi  in  seinem  ,,gastfreiesten  aller 
Häuser"  oft  wochenlang  zu  fesseln  verstand:  Wilhelm  und  Alexander  von  Humboldt,  dann 
seine  ,, geliebte  Amalie",  die  Fürstin  Gallitzin  mit  ihrem  Münsteraner  Freundeskreise,  den 
Hemsterhuys,  Buchholz,  Dohm,  Hamann,  den  ,,Magus  des  Nordens",  Graf  Friedrich  Leopold 


Abb.  255.   Düsseldorf.   Hofgärtnerhaus  im  alten  Hofgarten. 
Vgl.  Abb.  170. 


252 


von  Stolberg,  und  den  Minister  Ferdinand  von  Fürstenberg.  Die  Freunde  von  Sickingen 
und  von  Gleichen,  den  Grafen  von  Windisch-Graetz  u.a.  m.;  und  die  Düsseldorfer  Freunde, 
den  Statthalter  Grafen  von  Goltstein,  den  Kanzler  Grafen  von  Nesselrode-Ehreshoven,  den 
Staatsminister  von  Hompesch,  die  beiden  Gräfinnen  Luise  und  Sophie  von  Hatzfeld,  Iffland, 
den  Schauspielerfürsten,  und  die  Professoren  der  Kunstakademie,  der  juristischen  und  medizi- 
nischen Fakultät  usw.  Mit  Le  Sage  und  Durand,  mit  Sophie  von  La  Roche  und  Wieland, 
der  auf  Veranlassung  des  Hauses  Jacobi  den  „Teutschen  Merkur"  herausgab,  mit  Vater  Gleim, 
Klopstock,  Lessing,  Claudius,  Julie  von  Reventlow,  Jerusalem,  Elise  Reimarus,  von  Hippel, 
Freiherrn  von  Dahlberg,  Graf  Friedrich  Stadion,  Moeser,  Fichte,  Lichtenberg,  Spittler,  Garve, 
Schiller,  der  Jacobi  bat,  Mitarbeiter  an  seinen  „Hören"  zu  sein,  Rehberg,  Feder,  Schlosser, 
La  Harpe  und  anderen  stand  Jacobi  in  dauerndem  Briefwechsel.  Besuche  befestigten  diese 
freundschaftlichen  Beziehungen.  So  hatten  Jan  Wellems  Gemäldegalerie  und  der  Jacobische 
Freundeskreis  Düsseldorf  zu  einem  Vorort  deutschen  Geisteslebens  gemacht.  Man  lese  in 
Jacobis  Briefen  und  in  den  Aufzeichnungen  der  Zeitgenossen,  welche  Fäden  damals  in  Pempel- 
fort  zusammenliefen  und  durch  die  „Iris",  Jacobis  Zeitschrift,  über  das  Land  hinaus  weiter- 
gesponnen wurden.  Goethe  war  Mitarbeiter  der  „Iris".  Wilhelm  Heinse  hat  sie  jahrelang 
redigiert.  Hier  und  in  den  in  Wielands  ,,Teutschem  Merkur"  veröffentlichten  Briefen  ist 
Heinse  der  feinsinnige  und  begeisterte  Interpret  der  Kunstsammlungen  Jan  Wellems*. 

Jacobis  Freundschaft  mit  dem  Statthalter  und  dem  Staatsminister  und  die  amtliche 
Stellung  bei  der  jülich-bergischen  Regierung  gewannen  nicht  unwesentlichen  Einfluß  auf  das 
geistige  und  politische  Leben 
im  Lande.  Als  Hofkammerrat 
konnte  der  ehemalige  Kaufmann, 
der  sich  als  Staatsbeamter  be- 
sonders dem  Zollwesen  zu  wid- 
men hatte,  seine  volkswirtschaft- 
lichen Kenntnisse  und  Erfah- 
rungen vortrefflich  verwerten.  Er 
nahm  es  ernst  mit  seiner  Stellung, 
bereiste  die  industriellen  Werke 
und  schrieb  eigens  eine  Abhand- 
lung über  die  gewerblichen  Ver- 
hältnisse des  Landes.  Forsters 
begeistertes  Lob  von  dem  Geist 
der  , .guten  Wirtschaft,  die 
Hemmnisse   aus  dem  Wege  zu 

*  E.V.  Schaumburg:  JacobisiGarten 
zu  Pempelfort.    Aachen  1873. 


Abb.  256.  Schloß  Benrath.   Hof  der  Seitenflügel.  Vgl.  Abb.  165.  168. 


253 


räumen,  welche  der  freien,  unbedingten  Tätigkeit  eines  jeden  Bürgers  im  Staate  entgegen- 
stehen", gilt  zu  nicht  geringem  Teil  Jacobis  verwaltungstechnischen  Verdiensten.  Er  haßte 
als  Kaufmann  den  unkaufmännischen  bureaukratischen  Verwaltungsbetrieb  der  Juristen,  der 
, .durch  die  ins  Unendliche  vervielfältigten  Gesetze  und  landesherrlichen  Verordnungen  die 
freie  Betriebsamkeit  des  Bürgers  hemmen".  Selbst  wenn  es  ihn  die  Stellung  kosten  sollte, 
hielt  er  mit  seiner  Meinung  nicht  zurück.  Als  im  Jahre  1777  Jülich-Berg  mit  Kur-Bayern 
vereinigt  wurde,  als  Karl  Theodor  seine  Residenz  von  Mannheim  nach  München  verlegte  und 
der  Staatsminister  von  Hompesch  nach  dort  berufen  wurde,  folgte  bald  darauf  auch  als 
Geheimer  Rat  und  Ministenal-Referent  für  das  gesamte  Zollwesen  Fritz  Jacobi.  Aus  dem 
blühenden  Jülich -bergischen  Handels-  und  Industrieland  kam  er  mitten  in  eine  Feudal- 
bureaukratie  und  nahm  bald  mit  ihr  den  Kampf  auf.  Als  man  schließlich  von  München  aus 
in  Jülich  und  Berg  das  bayerische  Mauth- System  einführen  wollte,  in  welchem  Jacobi  mit 
Recht  eine  Hemmung  des  freien  Verkehrs  sah,  wandte  er  sich,  als  alle  Vorstellung  nichts  half, 
an  die  Bevölkerung:  In  den  ,, Bayerischen  Beiträgen  zur  Literatur"  veröffentlichte  er  einen 
geharnischten  Aufsatz  ,, Gegen  die  beliebte  Thorheit  der  Leitung  des  Handels  durch  Auflagen 
und  Verbote".  An  dem  alternden  Karl  Theodor  hatte  er  aber  keine  Stütze  mehr  im  Kampfe 
gegen  die  Bureaukratie,  die  sich  stärker  erwies  als  er.  Nach  wenigen  Monaten  ward  er  wieder 
nach  Düsseldorf  ungnädig  entlassen. 

Neben  den  Bemühungen,  Handel  und  Wandel  in  Jülich  und  Berg  zu  heben,  galt  es  auch, 
Mißbräuche  auf  dem  Gebiete  der  Rechtspflege  zu  beseitigen.  Im  Jahre  1769  erhielt  Düssel- 
tiorf  eine  juristische  Fakultät.  Professor  Camphausen  las  Institutionen,  Professor  Dewies 
kanonisches  und  Lehns-Recht,  Professor  Henoumont  Pandekten.  Die  neue  Fakultät  stand  mit 
der  zu  Heidelberg  im  gleichen  Rang:  acht  Semester  Heidelberg  und  acht  Semester  Düsseldorf 
verlangte  man  von  nun  ab  für  jeden  Staatsbeamten.  Für  eine  bessere  Vorbildung  der  Mediziner 
wurde  eine  anatomische  Lehranstalt  mit  einem  Theater  eingerichtet;  und  für  die  allgemeine 
geistige  Weiterbildung  im  Jahre  1770  die  Landesbibliothek  gegründet,  die  heutige  Düsseldorfer 
Stadtbibliothek.  Sie  ward  von  Anfang  an  reichlich  mit  Geldmitteln  bedacht.  Um  aber  den 
Ausbau  zu  beschleunigen,  hatte  jeder  Staatsbeamte  bei  seinem  Dienstantritt  eine  Abgabe 
zu  leisten  oder  ein  noch  nicht  vorhandenes  Werk  zu  stiften. 

Und  wie  die  Landesbibliothek  heute  noch  ein  Ruhmestitel  der  Stadt  Düsseldorf  ist,  so 
auch  eine  andere  Stiftung  derselben  Jahre:  die  Kunstakademie.  Der  Statthalter  freilich  wollte 
anfangs  von  einer  Staatsakademie  nicht  viel  wissen,  und  es  bedurfte  der  zähen  Energie  des 
Galeriedirektors  und  Malers  Lambert  Krähe,  seine  Akademiepläne  für  die  bisher  von  ihm 
privatim  geleitete  Zeichenschule  durchzusetzen.  Der  zielbewußte  Krähe  verstand  es  meister- 
haft, den  Widerstand  des  Statthalters  zu  überwinden.  Georg  Christoph  Wächter  und  Anton 
Schäffer  konnten  zur  Erinnerung  an  die  Akademiegründung  schon  im  Jahre  1 769  Medaillen 
schlagen.  Hof  rat  Jäger,  der  erste  Sekretär  und  interessierte  Mitarbeiter  Krahes,  arbeitete 
im    Jahre    1774    die    Statuten    aus.     Professoren    wurden    berufen    und    deren    Uniformen 

254 


bestimmt.  Auswärtige  Künstler  mit  guten  Namen  wurden  zu  außerordentlichen  Mitgliedern 
ernannt.  Krahes  große  Kupferstich-  und  Handzeichnungssammlung  wurde  vom  Staate  als 
Unterrichtsmaterial  für  die  neue  Kunstakademie  erworben.  Im  folgenden  Jahre  1775  hatte 
Krähe  als  „wirklicher  Direktor  der  Kurfürstlichen  Maler-,  Bildhauer-  und  Baukunst-Akademie" 
seine  ehrgeizigen  Pläne  verwirklicht*. 

Ein  feierlicher,  goldener  Glanz  lag  über  der  niederrheinischen  Residenz  mit  ihrem 
blühenden  Handel  und  regen  geistigen  und  künstlerischen  Leben  ausgebreitet,  als  das  letzte 
Jahrzehnt  des  Jahrhunderts  aufzog.  Wie  fernes,  unheilverkündendes  Wetterleuchten  zuckte 
es  am  westlichen  Himmel.  Eine  nervöse  Unruhe  durchlief  die  sonst  friedliche  Residenz.  In 
den  Bürgerkneipen  wie  in  dem  Pempelforter  Kreis  verfolgte  man  gespannt  die  Vorgänge  in 
Frankreich.  Und  es  war  nicht  allein  die  Bourgeoisie,  die  mit  den  freiheitlichen  Ideen  des 
Westens  sympathisierte.  Die  Egalität  mit  ihren  Genossinnen  Fraternität  und  Libertät  hatten 
teilweise  die  Köpfe  der  guten  Düsseldorfer  derart  verwirrt,  daß  ein  Graf  Nesselrode-Ehres- 
hoven,  der  Arzt  Dr.  Varnhagen,  der  Schwiegervater  der  Rahel,  und  ein  Freiherr  von  Leerodt 
nach  Paris  eilten,  um  Nationalgardist  zu  werden.  ,,Was  mir  auffiel,"  schreibt  Goethe  nach 
seinem  Düsseldorfer  Besuch  von  1792,  ,,war,  daß  ein  gewisser  Freiheitssinn,  ein  Streben 
nach  Demokratie  sich  in  die  hohen  Stände  verbreitet  hatte.  Man  schien  nicht  zu  fühlen,  was 
alles  erst  zu  verlieren  sei,  um  zu  irgend  einer  Art  zweideutigen  Gewinnes  zu  gelangen.  Lafayettes 
und  Mirabeaus  Büste,  von  Houdon  sehr  natürlich  und  ähnlich  gebildet,  sah  ich  hier  göttlich 
verehrt.  Einige  waren  selbst  nach  Paris  gewesen,  hatten  die  bedeutenden  Männer  reden  hören, 
handeln  sehen  und  waren,  leider  nach  deutscher  Art  und  Weise,  zur  Nachahmung  aufgeregt 
worden,  und  das  gerade  zu  einer  Zeit,  wo  die  Sorge  um  das  linke  Rheinufer  sich  in  Furcht 
verwandelte."  Das  ,,9a  ira"  sandte  seine  Boten  voraus.  Emigranten  füllten  die  jülich-bergische 
Residenz.  Im  ,, Bayerischen  Hof"  auf  dem  Marktplatz  waren  abgestiegen  Prinz  Xaver  von 
Sachsen,  Graf  und  Gräfin  von  Artois,  die  Prinzessin  von  Nassau,  der  Erzbischof  von  Reims, 
der  Fürstbischof  von  Lüttich  und  viele  andere.  „Selbst  die  Brüder  des  Königs  von  Frankreich 
kamen  an.  Man  eilte  sie  zu  sehen.  Ich  traf  sie  auf  der  Gallerie,"  berichtet  Goethe  weiter. 
Düsseldorf  zählte  im  Dezember  1792  nicht  weniger  denn  fünfhundert  geflüchtete  französische 
Familien.  Das  Wohnungselend  nahm  tagtäglich  zu.  Stallungen  für  die  Pferde  waren  für  keinen 
Preis  mehr  zu  haben.  Mancher  mußte  unter  freiem  Himmel  in  seinem  Wagen,  mancher  sogar 
schutzlos  auf  der  Gasse  übernachten.  Schließlich  war  der  Magistrat,  um  dem  Wohnungs-  und 
Lebensmittelelend  zu  steuern,  gezwungen,  bei  strenger  Strafe  zu  verbieten,  daß  die  Bürger 
noch  irgendeinen  Emigranten  aufnehmen  würden. 

Es  kam  das  verhängnisvolle  Jahr  von  1794.  Die  Österreicher  hatten  die  Maaslinie  gegen 
die  Revolutionsheere  nicht  behaupten  können.    Jülich  wurde  infolgedessen  aufgegeben.    Man 

*  J.  J.  Seoul:  Die  Düsseldorfer  Malerschule  oder  auch  Kunstakademie.  Düsseldorf  1837.  —  Ludwig  Bund:  Die  Semie- 
Sekularfeier  der  Kgl.  Kunst-Akademie  zu  Düsstldorf.  Düsseldorf  1870.  —  Richard  Klapheck:  Geschichte  der  Kunst-Akademie 
zu  Düsseldorf.  Erster  Teil.   Vorgeschichte  der  Neugründung.  Düsseldorf  1919. 

255 


zog  sich  über  den  Rhein  zurück.  Die  Gefahr  rückte  immer  näher  an  Düsseldorf  heran.  Fritz 
Jacobi,  der  schon  1793  in  Aachen  das  Treiben  der  Sanskulotten  kennen  gelernt  hatte,  gab  im 
September  1794  seinen  Pempelforter  Sitz  auf  und  ging  zu  auswärtigen  Freunden.  Die  bergische 
Regierung  zog  sich  nach  Barmen  zurück.  Die  Gemäldesammlung  wurde  mit  den  Kassen 
und  dem  Landesarchiv  nach  Osnabrück  geschafft.  Das  Bergische  Land,  abgeschnitten  von 
der  jülichschen  Kornkammer,  litt  entsetzlich  unter  dem  unaufhörlichen  Zustrom  der  öster- 
reichischen Truppen.  Man  stand  direkt  vor  einer  Hungersnot.  Den  Bauern  hatte  man  die 
Pferde  abgenommen.  Die  Saaten  wurden  nicht  mehr  bestellt.  Die  Waldungen  waren 
abgeholzt.  Jan  Wellems  herrliches  Jagdschloß  Bensberg  war  kaiserliches  Lazarett  geworden. 
Die  Gemälde  und  Wertsachen  hatte  man  zwar  noch  frühzeitig  entfernen  können.  Gott  sei 
Dank,  denn  die  Österreicher  hausten  in  den  Prunkräumen  geradezu  wie  in  Feindesland  und 
benutzten  einen  Brand  zum  Plündern*. 

Währenddessen  mckten  die  Revolutionsheere  unaufhaltsam  an  den  Niederrhein.  Am 
6.  Oktober  1794  zog  eine  Kölner  Abordnung  dem  Revolutionsgeneral  Championet  entgegen 
und  übergab  ihm  die  Schlüssel  der  Freien  Reichsstadt,  die  bisher  noch  nie  in  ihrer  mhmvollen 
langen  Geschichte  einem  Feinde  kapituliert  hatte.  Die  Österreicher  hatten  vorsichtigerweise 
einen  Tag  zuvor  die  Stadt  geräumt  und  sich  auf  das  andere  Ufer  zurückgezogen.    Derselbe 

*  Otto  R.  Redlich:  Düsseldorf  und  das  Herzogtum  Berg  nach  dem  Rückzug  der  Österreicher  aus  Belgien  1794  und  1795. 
Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins.     Band  X.     S.  1   bis  125. 


Abb.  257.    Düsseldorf.    Das  alte  Schloß   nach  dem  letzten  Brande  vom  Jahre   1873. 


256 


Tag  brachte  über  Düsseldorf  aber  ein  noch  größeres  Unglück.  Hier  hatte  der  österreichische 
Kommandant  von  Kerpen,  gegen  den  Willen  des  pfälzischen  Kommandanten  de  la  Motte, 
am  Abend  einige  Schüsse  nach  Oberkassel  hinübergesandt,  wo  die  Franzosen  den  Freiheits- 
baum aufgerichtet  hatten.  Man  blieb  indes  die  Antwort  nicht  schuldig.  Es  folgte  eine 
Schreckensnacht.  Ein  Feuerregen  prasselte  über  die  Stadt  nieder.  Der  Stadtkommandant 
de  la  Motte  verlor  den  Kopf.  Das  Schloß  stand  schon  nach  einigen  Schüssen  in  Flammen. 
„Man  soll  es  brennen  lassen,"  gab  er  auf  die  Meldung  zurück.  Der  nördliche  und  östliche  Flügel 
fielen  zusammen.  Vom  westlichen  und  südlichen  blieben  nur  die  kahlen  Mauern  und  Gewölbe, 
während  die  kostbare  Einrichtung  mit  den  Gemälden  ausbrannte.  Das  Schloß  war  derart 
mitgenommen,  daß  Hofbaumeister  Huschberger,  der  einen  Bericht  über  den  Zustand  nach 
dem  Brande  einzureichen  hatte,  meinte,  man  solle  am  besten  die  Ruine  einfach  ganz  beseitigen 
und  für  den  Kurfürsten  einen  Neubau  aufführen  lassen.  Ebenso  waren  der  Marstall,  das 
Zölestinerinnenkloster  und  noch  viele  andere  Häuser  ein  Raub  der  Flammen  geworden.  An 
Löschen  dachte  kein  Mensch,  und  am  wenigsten  die  österreichische  und  pfälzische  Besatzung, 
die  im  Gegenteil  die  Verwirrung  der  Nacht  zum  Plündern  benutzte.  Morgens  um  sieben  Uhr 
hatten  die  pfälzischen  Truppen  die  Stadt  verlassen,  Kassen,  Magazine  und  Requisiten  zurück- 
lassend, die  den  in  Düsseldorf  verbliebenen  Österreichern  in  die  Hände  fielen.  Die  Preisgabe 
der  niederrheinischen  Residenz  durch  die  pfälzischen  Truppen  reiht  sich  würdig  an  die  ebenso- 
wenig ruhmvolle  vom  Jahre  1758  (vgl.  S.  75).  Und  wie  damals  die  verbündeten  Franzosen 
den  Pfälzern  nicht  gestatteten,  Düsseldorf  wieder  zu  besetzen,  nachdem  die  Gefahr  vorüber 
war,  so  dieses  Mal  die  verbündeten  Österreicher.  Erst  im  folgenden  Jahr,  als  die  Österreicher 
zum  größten  Teil  abgezogen  waren,  durften  die  Pfälzer  am  14.  April  wieder  in  Düsseldorf 
einmarschieren.  Aber  schon  am  6.  September  mußte  der  Kommandant  die  Stadt  mit  der 
gesamten  Artillerie,  den  Magazinen  und  der  Munition  den  Franzosen  übergeben.  Der  Bauer 
kam  aus  dem  Regen  in  die  Traufe.  Die  Franzosen  hausten  noch  schlimmer  als  die  Kaiserlichen. 

Das  Schicksal  der  linksseitigen  Rheinlande  war  im  Jahre  1795  besiegelt:  Preußen  hatte 
im  Friedensschluß  zu  Basel  mit  Frankreich  in  einer  geheimen  Abmachung  in  die  Abtretung 
der  Länder  links  vom  Rhein  eingewilligt  und  daß  bis  zur  endgültigen  Regelung  mit  Kaiser 
und  Reich  die  Gebiete  von  den  Franzosen  besetzt  bleiben  sollten.  Dieselbe  geheime  Ab- 
machung traf  Österreich  zwei  Jahre  später  Im  Friedensschluß  mit  Frankreich  zu  Campo  Formio 
1797.  Das  heraufziehende  neue  Jahrhundert  bestätigte  die  undeutschen  preußischen  und 
österreichischen  Abmachungen  zur  Wahrung  eigener  Hausinteressen :  Kaiser  und  Reich 
willigten  im  Frieden  zu  Luneville  im  Februar  1801  in  die  Abtretung  der  linksrheinischen 
deutschen  Länder  an  Frankreich  ein.  Cleve,  Jülich  und  Kurköln  hatten  als  selbständige  Staaten 
aufgehört. 

Karl  Theodor  hat  diese  letzten  öffentlichen  Übereinkommen  im  Frieden  von  Luneville 
nicht  mehr  erlebt.  Bevor  das  alte  Jahrhundert  zur  Neige  gegangen,  hatte  er  die  Augen  geschlossen. 
Seine   letzten   Lebensjahre   waren   nicht   mehr  schön.     Der  Abschied   von   dem   idyllischen 

257 


Schwetzingen  und  dem  schöngeistigen  Mannheim  war  ihm  schwer  geworden,  und  in  München 
konnte  er  nicht  heimisch  werden.  Fremd  und  wankelmütig  in  allen  Dingen  der  Politik,  hat 
er  es  im  Alter  auch  nicht  mehr  verstanden,  sich  die  Herzen  der  Münchener  zu  gewinnen. 
Aus  dem  jugendlichen  begeisterten  Mäzen  war  in  der  neuen  Umgebung  ein  müder,  unent- 
schlossener Greis  geworden,  zugänglich  allen  Intrigen.  Er  war  ebenso  schwach  Osterreich 
und  Frankreich  gegenüber,  wie  den  politischen  Mißständen  in  seinen  eigenen  Ländern.  Das 
fünfzigjährige  Nebeneinander  mit  einer  Frau,  die  er  nicht  hebte  und  die  ihm  auch  keine  Erben 
geschenkt  hat,  hatte  ihn  immer  mehr  in  die  Arme  seiner  zahlreichen  Mätressen  geführt  und 
ihn  im  Alter  einsam  gemacht.  Der  kränkelnde  Kurfürst  saß  mit  einigen  Freunden  und 
Freundinnen  an  einem  Abend  des  Jahres  1799  zusammen  beim  Kartenspiel,  als  ihn  der  Schlag 
rührte.  Das  Gerücht  vom  Heimgange  des  Landesherrn  lief  bald  durch  die  bayerische  Residenz. 
Dicht  gedrängt  staute  sich  die  Menge  vor  dem  Schloß.  Als  man  ihr  vom  Balkon  herunter 
die  Trauerkunde  mitteilte,  brach  sie  in  Jubelgeheul  aus,  das  sich  durch  die  Stille  der  Nacht 
und  die  Stadt  fortpflanzte. 

Die  niederrheinischen  Herzogtümer,  deren  industrieller  Entwicklung  Karl  Theodor  einst 
so  viel  Verständnis  entgegengebracht,  nahmen  die  Trauerbotschaft  indes  mit  dankbareren 
Erinnerungen  auf.  Aber  die  politischen  Verhältnisse,  die  Sorge  um  die  Zukunft,  waren  nicht 
dazu  angetan,  den  Heimgang  des  abwesenden  Landesherrn  zu  einem  Ereignis  werden  zu  lassen. 


ENDE  DES  ZWEITEN  BANDES. 


Abb.  238.    Nicolas  de  Pigage.    Entwurf  zu  einer  Gloriette  am  Ende  des  langen  Wasserspiegels  im  Park  zu  Benrath. 

Vgl.  Abb.  165. 


258 


Gedruckt  von  A.  Bagel  in  Düsseldorf. 
Verlegt  vom  Kunst-Verein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen. 


NA     Klapheck,  Richard 

1079      Die  Baukunst  am  Nieder- 

Bd.2 


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