Die Bildhauerfamilie Döbel.
OCTl.S 1924
Inaugural-Dissertalion
zur
Erlangung der Doktorwürde
der
Hohen Philosophischen Fal<ultät
der
Königlichen Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr.
vorgelegt von
Herbert Straube.
Königsberg i. Pr.
Hartungsche Buchdruckerei.
1916.
Gedruckt mit Genehmigung der Philosophischen Fakultät
der Königlichen Albertus-Universität eu Königsberg i. Pr.
Referent: Geheimer Eegiei'ungsrat Prof. Dr. Haendcke.
Mit Genehmigung der Philosophischen Fakultät umfasst die vorliegende
Dissertation nur einen T«il der bei der Fakultät eingereichten Arbeit. Die
ganze Arbeit erscheint noch im Jahre 191() unter dem Titel „Die Bildhauer-
familie Döbel" in den Altpreussischen Monatsschriften in dem Verlage von
Ferd. Beyers Buchhandlung (Thomas & Oppermann) zu Königsberg 1. Pr.
Inhaltsübersicht.
Seite
Bisherige Forschungen über die Bildhauerfamilie Döbel 1 — 4
Das Loben Michael Döbels, d. J 5 — 50
Seine Lehrjahre 5—9
Michael als Preussischer Landbaumeister 9 — 26
als Grundbesitzer in Berlin 26 — 29
als kurfürstlicher Architekt in Bornim, Potsdam und anderen
Orten 30—37
Prozesse 37 — 41
Später© Lebensverhältnisse und Lebensende 42 — 50
JohannChristophDöbelsLeben . . . 50—55
In Königsberg 50 — 52
Sein Wirken in Berlin 52 — 55
—>-§-<••
Zu den Stipendiaten und Günstlingen des Grossen Kur-
fürsten gehörte auch der Bildhauer und Baumeister Michael Döbel,
ein geborener Schlesier, der vorübergehend in Ostpreussen wirkte,
vornehmlich aber in Berlin und Umgegend eine reiche Tätigkeit
entfaltete.
Und noch ein anderer Bildhauer dieses Namens lebte um
jene Zeit, der sich insbesondere in Ostpreussen durch geschnitzte
Kanzeln und Altäre einen Namen gemacht hat: Johann Christoph
Döbel. Ihre persönlichen Verhältnisse und ihre Stellung zueinan-
der sind bisher nicht geklärt worden, obwohl sie bei näherem Zu-
schauen lebhaftes Interesse erwecken mussten. über ein Jahr-
hundert bildete der alte Nicolai die Hauptquelle für alle, welche
sich über ,,die Döbels" orientieren wollten.^) Er berichtet: p. 44.
„Michel Däbeler (Döbeler, Döbell) Hofbildhauer. Arbeitete 1674
viel für den Kurfürsten, so dass er einen Befehl ausbrachte, dass
er von den andern Bildhauern Gesellen zur Kurfürstl. Arbeit
nehmen dürfte. Vermuthlich sind die halberhabene Arbeiten an
dem Theile des Stalles, den M. M. Smids gebauet hat, desgleichen
viele Zierrathen an den Decken des von Kurfürst Friedrich Wil-
lielni aufgeführten Theils des Schlosses an der Spreeseite, von ihm.
Er arbeitete auch zu Potsdam, Borne und Kaput. Er starb 1702."
1) Fiiedr. Nicolai, im Anhang zu seiner Beschreibung der Königl.
Residenzstädte Berlin und Potsdam, Berlin 1786 bei Friedr. Nicolai, der
den Nebentitel trägt: Nachrichten von den Baumeistern, Bildhauern etc.
vom 13. Jahrhundert bis jetzt. Nicolai hat die Berliner Archive
benutzt, vgl. in seinem ,, Anhang" etc. p. 66 zu Daniel Vading. Füssli (1806)
p. 251 u. 289 und Nagler (1836), p. 235 und 426 in ihren Künstlerlexika
sind von Nicolai abhängig. Nagler schreibt fälschlich Johann Christian
Döbel.
1
— 2 —
p. 81. ,,Joli. Christoph Döbel, Hofbildhauer und Landbau-
meister.^) Die Kanzel in der Parochialkirche") ist von ihm. 1690
verfertigte er eine neue Kanzel im Dom. Auch fing er den Altar
in der Nikolaikirche an, starb aber, ehe er ihn vollenden konnte,
im Jahr 1713."
Nach Nicolai müsste man diese beiden Döbels für Künstler
halten, welche ihren Wirkungskreis ausschliesslich in Berlin ge-
sucht und gefunden haben. Schon 1833 jedoch ist auf ihre Tätig-
keit im Herzogtum Preussen und dessen Hauptstadt Königsberg
hingewiesen. Ernst August Hagen, der damalige Dozent für
Kunstgeschichte an der Albertina, konnte in seiner Beschreibung
der Domkirche zu Königsberg ein Dokument aus dem Jahre 1664^)
beibringen, in welchem von einem Bildhauer Michael Döbel und
dessen ebenfalls bildhauerisch geschulten Kindern die Rede ist,
und zugleich in handschriftlichen Auszügen aus einer, wie er an-
nahm, verloren gegangenen Schrift'*) einen Bildhauer Johann
Döbel ermitteln, der zu Quednau in der Nähe von Königsberg eineii
Altaraufsatz gearbeitet haben sollte. Vermutlich durch die Über-
einstimmung der Yornamen wurde Hagen veranlasst, diese beiden
Königsberger Künstler mit den bei Nicolai genannten zu identifi-
1) Es sei gleich vorweg genommen, dass Johann Christopli Döbel nie
Hofbildhauer und Landbaumeister gewesen ist. Jedoch diese Hofämter
werden ihm zuerst von Nicolai, dann auch von Füssli, Nagler und Hagen
(a. a. O. p. 232 f.) zugelegt. Auch Gralland, „Der Grosse Kurfürst und
Moritz von Nassau", 1893, p. 228 und von Czihak in seinen „Königsberger
Stuckdecken",; p. 11 geben ihm diese Titel.
2) Nagler, a. a. O. p. 426 meint unter „Pfarrkirche" natürlich auch
die Parochialkirche.
3) Urkunde, die am 1. Juli 1664 von , .Bürgermeister und Rath der
Stadt Kneiphof Königsberg" ausgestellt A^iirde.
*) Johannes Storbeck, „templum Quedniaviense reparatum", Dantzig
bei Stolle 1689. In der Königsberger Königl. Bibliothek vorhanden. Hagen
bezieht sich auf Hennigs Auszüge aus ihr. Erst 1853 wurde ein Exemplar
der Storbeckschen Schrift von A. Meckelburg in der Wallenrodtschen
Bibliothek zu Königsberg aufgefunden. Vgl. Neue Preuss. Prov. Bl A. F.
Bd. IV, Heft 1, 1853, p. 1.
— 3 —
zieren. Er kombiniert einfach die Xicolaisehen Nachrichten mit
dem handschriftlichen Material, das er über die beiden Döbels
fand, ohne den Beweis zu liefern, dass es sich tatsächlich um die-
selben Personen handelt.
Die spätere Forschung sollte ihm freilich recht geben.
Adolf Bötticher, dem ersten Provinzialkonservator Ost-
preussens, gelang es dann noch einige andere Werke des oben er-
wähnten Johann Döbel in ostpreussischen Kirchen aufzuspüren,
nämlich in Laptau und Heiligelinde. Auch in den Kanzeln zu
Quednau und Cremitten glaubte er Arbeiten von ihm zu ent-
deckend)
Nicolai, Hagen und Bötticher haben auch das Material für
E. V. Czihak geliefert, der ihre Feststellungen in einem kurzen
Lebensabriss der Döbels zusammenfasst.-) Ihre Resultate werden
von ihm noch einmal zusammengestellt. Doch während Hagen
genau so wie Nicolai sich über das etwaige Verwandtschaftsver-
hältnis der beiden Künstler nicht weiter auslässt, identifiziert
V. Czihak ohne weiteres den Hofbildhauer Michael Däbeler der
Nicolaischen Nachrichten mit dem in jener Urkunde erwähnten
A'ater Michael D. und rechnet mit der gleichen Selbstverständlich-
keit den ..Hofbildliau3r lind Landbaumeister"' Joh. Christoph zu
dessen Kindern.^)
Dies ist ein Irrtum, den Czihak hätte vermeiden können, weil
bereits Galland 1893 einzelne nähere Angaben über Michael Döbel
machen konnte."^)
1) Vgl. Bötticher, Bau- und Kunstdenkmäler der Prov. Ostpr. 1898,
2. Aufl., I. p. 78 und 138: II, p. 63 und 123 ff.
-) Simon und E. v. Czihak, Königsberger Stuckdecken, 18139, p. 10 f.
3) Ebenda p. 4 und 10. — Adolf Bötticher, a. a. O. I^, p. 78 und
13S macht über die beiden Döbel ganz verkehrte Angaben; nach ihm ist
ebenfalls Michael D., der Berliner Hofbildhauer etc., identisch mit dem
Vater des Johann Christoph, ausserdem lässt er ihn 1713 sterben und
schreibt ihm auch Arbeiten zu, welche Joh. Christoph in Berlin ver-
fertigt hat.
*) ^S}- !)1^6i" Grosse Kurfürst und Moritz von Nassau", p. 228 f.
1*
— 4 —
Von einer Königsberger Tätigkeit der Döbels berichtet
Galland allerdings nichts, Joh. Christoph Döbel kann ihn im Rah-
men seiner Arbeit nicht weiter beschäftigen, und er hat sich auch
keine Mühe gegeben, den persönlichen bzw. verwandtschaftlichen
Verhältnissen beider Künstler zueinander nachzuforschen. Er
macht nur kurz darauf aufmerksam, dass man die beiden nicht
verwechseln dürfe. Über Michael Döbel allein verbreitet er sich,
und da interessieren vorerst folgende Feststellungen, die er einer
authentischen Quelle entnimmt^ : Michael Döbel (oder, wie er
schreibt. Döbeler) ist geboren im Jahre 1635, er hat 1665 geheiratet;
sein Vater hiess ebenso, wie er, Michael, und lebte gleichfalls als
Bildhauer in Königsberg.
1664 sollen nach jenem mehrfach genannten Dokument")
]\[ichael Döbel und seine Kinder ein Marmorgrabdenkmal gear-
beitet haben. Der bei Nicolai erwähnte Hofbildhauer und Land-
baumeister Michael Döbel hat jedoch erst 1665 geheiratet. Dem-
nach handelt es sich in jener Urkunde um seinen Vater, den Bild-
hauer Michael Döbel in Königsberg, und geholfen haben diesem
jene beiden, später in Berlin tätigen Michael und Johann
Döbel, welche mithin nur Brüder sein können. Dies ergibt sich
nicht allein als zwingende Schlussfolgerung, sondern es ist auch
möglich, aus urkundlichem Material den bis heute noch nicht er-
brachten positiven Beweis für die Tatsache zu führen.^)
Das künstlerisch bedeutendste Mitglied der Familie Döbel
war der junge Michael. Freilich müssen wir uns damit begnügen,
auf Grund handschriftlichen Materials darzulegen, welche Rolle
er im Berliner Kunstleben gespielt hat. Seine Werke sind bis auf
ganz spärliche Reste verloren gegangen.
1) Er nennt als Quellen: Königs „Collectaneen" und Jablonskis
Leichenpredigt auf unseren Michael Döbel. Die Angaben stimmen nicht
ganz. Wir kommen darauf noch zurück.
2) Vgl. p. 2, Anm. 3.
3) Vgl. p. K;, Anm. 1 und p. 21.
— 0
Johann^) Michael Döbel — so schreibt man ihn richtig — ")
wurde geboren zu Schweinitz in Schlesien^) am 25. Dezember
1635.^) Sein Vater Michael, ein Architekt und Bildhauer, war
verheiratet mit Eva Dietrich (Dietherich). Wann er mit seiner
1) Johann als zweiter Vorname ist urkundlich überliefert z. B. in
einem kurfürstl. Dekret vom 29. Mai 1698 (Geh. St. A. Rep. 9. C. 6.) und
in dem Pass für des Künstlers Sohn Justus David, ausgestellt am 16. Mai
1701 (Geh. St. A. Rep. 9. E. E. 16). Johann Michael lesen wir auch in
Jablonskis „Leich-Predigt" (p. 4) und Christophori Töpkens „Abdankung-
und Trostrede" (p. 31) auf den Künstler, beide gedruckt zu Berlin im
Jahre 1702 „mit Saalfeldischer Wittwe Schrifften", einzusehen in einem
Sammelbande der Danziger Stadtbibliothek. Auch Müller-Küster, Altes u.
Neues Berlin, Teil III, p. 292 schreibt richtig Johann Michael Döbel, lässt
den Künstler aber irrtümlich 1712 sterben, statt im Jahre 17C2.
-) In zwei Supplikationen von Ende März (?) 1667 und Ende August
1667 unterzeichnet sich der Künstler mit: Michael Döbel. In allen anderen
Schriftstücken bis nach seinem Tode wird er mit Döbel oder Döbell be-
zeichnet. Nur vorübergehend scheint er sich Däbeler genannt zu haben.
In einem Bittgesuche von Mitte Juni 1674 schreibt er sich so, und wird
in zwei kurfürstl. Dekreten bald darauf, vom 29. Juni und 14. Juli wiederum
Döbeler genannt.
3) Galland gibt auch Schweinitz als Geburtsort an, obwohl Jablonski
a. a. O. nichts davon sagt. Galland muss wohl auch Töpkens Predigt ein-
gesehen haben. Vgl. Seite 4 Anm. 1. — Unbegründet sind die Ver-
mutungen Hagens in seiner Beschreibung der Domkirche zu Königsberg,
p. 232, dass die Döbels eventuell aus dem Städtchen Döbeln in Sachsen
stammen könnten, sowie von Czihaks in seiner „Edelschmiedekunst" 1903
p, 18 f., dass der preussische Hofgoldschmied ^Michel Tölber, 1578 — 1584
in Königsberg, der Stammvater der Königsberger Bildhauerfamilie Döbel
sei. Dieselbe Vermutung hatte er bereits in seinen „Stuckdecken" p. 10
geäussert.
*) Gailand, a. a. 0. p. 228 und mit ihm Backschat, Hohenzollern-
Jahrb. 1912 p. 117, der in seinem allgemeinen Überblick über Döbels
Leben von Galland abhängig ist, schreiben fälschlich 25. Oktober. Der
25. Dezember wird sowohl in der em-ähnten Leichenpredigt Jablonskis
als auch in der Abdankungs- und Trostrede von Töpken als Geburtstag
angegeben. Töpken ist die beste Quelle für unseres Künstlers Jugend-
und Lehrjahre bis etwa 1664. Töpken gibt auch für die späteren Lebens-
jahre genauere Einzelheiten als Jablonski. Backschat, a. a. O. p. 117 nennt
übrigens den Geburtsort irrtümlich Schweidnitz, statt Schweinitz.
— () —
Familie nach Königsberg in Preiissen übersiedelte, steht nicht fest,
wahrscheinlich ist er um 1650 hier bereits tätig. Seinen Sohn
Michael bestimmte er zum eigenen Beruf, er weihte ihn selbst in
die Kunst ein und hatte Freude an seinem Sohn, weil dieser leicht
auffasste und grosse Geschicklichkeit an den Tag legte. Auch an-
dere Leute interessierten sich für den jungen Michael und sogar zu
Ohren des Grossen Kurfürsten kam das Gerücht von der ausser-
ordentlichen Begabung des Knaben. Seine Churfürstliche Durch-
läuchtigkeit überzeugte sich von der Richtigkeit des Gehörten,
und da ihm der Junge gefiel, gewährte er ihm, generös, wie er
allen Künstlern gegenüber sich zeigte, ein Reisestipendium. Er
Hess den etwa Zwanzigjährigen ^) 3 Jahre lang in der Welt sich
tummeln^): in Holland, Frankreich, Italien, Sizilien und Malta ist
1) Vgl. p. 7, Anm. 1,
2) Der Grosse Kurfürst hat noch viele andere aufstrebende Talente
in dieser Weise gefördert. Gewöhnlich setzte er ihnen ein Stipendium
von ICO Talern jährlich aus iind schickte sie zu tüchtigen Lehrern oder
in die Fremde nach berühmten Kunststätten. Holland und Italien wurden
bevorzugt. Einige Beispiele seien hier angeführt : Der Maler Johann Georg
Wolfgräber wird 1661 auf 3 Jahre nach Amsterdam, Herzogenbusch und
Antwerpen geschickt (vgl. Nicolai „Nachrichten . . ," p. 69. Galland ,,Der
Grosse Kurfürst", p. 78 ff.). Der Ingenieur Joachim Ernst Biesendorf bleibt
1666 auf des Kurfürsten Kosten zwei Jahre unterwegs und weilt auch eine
Zeitlang in Rom (Nicolai, a a. 0., p. 42). Der Historienmaler Johann Jakob
Rollos studiert in Holland und Paris, will dann über Bern nach Italien,
wird aber ,,ohnweit Murten auf der Strasse" wegen ,,lüderlicher Händel"
ermordet (Nicolai, a. a 0. p. 60 f.). Ein Sohn des kurf. Münzeisenschneiders
Gottfried Leygebe erhielt am 22. 1. 1680 dreihundert Taler für drei auf-
einanderfolgende Jahre zur Ausbildung in der Malerei (Galland a. a. 0.
p. 229). Der Landmesser Grünberg ,,ging um 1680 auf Kosten des Kur-
fürsten Friedrich Wilhelm nach Italien und Frankreich, um die Baukunst
in den besten Mustern zu studiren". (Vgl. Nicolai a. a. O. p. 89). 16 >1
wurden ferner Friedrich Christian Nuglisch und der Leibmohr der Kur-
fürstin Friedrich de Coussy zu dem aus Holland gebürtigen Stillebenmaler
Fromantiou auf drei Jahre, und zwar gegen ,, jährlich 100 Taler und
Speisungsgeld" in die Lehre geschickt. (Vgl, Galland a a. O. p. 224 )
Unter den gleichen Bedingungen wurde Christian Elster zu dem Hofmaler
und Prinzenlehrer van Langerveid auf drei Jahre in die Lehre gegeben.
er gewesen, ja sogar in dem ägyptischen Alexandria hielt er sich
über ein halbes Jahr auf, um seine Studien zu vervollkommnen.
Architektur und Bildhauerkunst trieb er vornehmlich und nahm
auch jede sich bietende Gelegenheit zur praktischen Betätigung
wahr. Biese Studienreise ist, wie es nicht anders sein konnte, von
erheblichem Einfluss auf seine spätere künstlerische Tätigkeit ge-
wesen. Das beweisen schon di^ wenigen, uns erhaltenen Werke,
Xach Ablauf der 3 Jahre stellte er sich seinem hohen Gönner
wieder vor, um über seine Fortschritte Rechenschaft abzulegen und
zu zeigen, dass er das Vertrauen und die Erwartungen seines Herrn
nicht getäuscht habe. Die Prüfung lief wohl zur Zufriedenheit
des Kurfürsten ab. denn „alsofort" wird er von ihm als Architekt
und Bildhauer in seine Dienste übernommen und erfreut sich von
nun ab lange Jahre hindurch seiner ganz besonderen Gunst. Xur
gegen das Lebensende des Kurfürsten hin, also Ende der 80er
Jahre, scheint der Künstler etwas in Ungnade gefallen zu sein.
Seine Heimkehr von der grossen Reise mag in das Jahr
1658^) gefallen sein. 1664 ist er in Königsberg nachzuweisen: Er
war damals seinem Vater bei der Ausarbeitung des erwähnten
Marmordenkmals im Dom für den Ober-Regimentsrath und Kanz-
ler Johann von KosiJoth") behilflich. 1665 weilte er in Berlin und
heiratete dort — also mit 30 Jahren — die ..Jungfer Anna Maria
(Galland a. a. O. p. 231.) Auch der nachmalige Akademieprofessor Samuel
Theodor Guericke erhielt von April 1687 bis April 1688 ein kurf. Stipen-
dium und lernte bei dem Hofmaler Romandon (Galland a. a. O. p. 227).
Ueber dieses Thema vgl. auch König, „Versuch einer historischen Schilde-
rung Berlins", Teil 2, Berlin 1793, p. 487. Ferner D. Josef, „Forschungen
zur Geschichte von Künstlern des Grossen Kurfürsten", Berlin 1896 p. 18
und Galland, „HohenzoUern und Oranien" 1911, p. 147.
^) ,, alsofort" steht ausdrücklich bei Jablonski a. a. O. p. 5 und bei
Töpken a. a. O. p. 32. Da beide ausserdem angeben, dass Döbel, von da-
mals an gerechnet, 45 Jahre in kurfürstl. bzw. königl. Diensten ge-
standen habe, ergibt sich durch einfache ZurQckrechnung, wann er seine
Weltreise beendigt und wann er sie angetreten haben muss. Es wären
die Jahre 1658 und 1655.
2^) Vgl. p. 2, Anm. 3.
Villers seeligen Herrn Johann Arnold Villers, kurl'l. Brandenbur-
gischen Wohlbestallten Hof-Bildhauers in Berlin eheleibliche Toch-
ter".^) Zunächst jedoch kehrte er noch einmal nach Königsberg
zurück und bezog mit seiner Frau ein Häuslein auf dem katholi-
schen Kirchengrund am Sackheim.")
Es war eine schöne Zeit für unsern Künstler, die Zeit seiner
ersten Ehe, vielleicht die glücklichste seines Lebens; Jahre voll
reicher Arbeit und grosser Erfolge. Viele Jahre lang wurde er
ganz ausserordentlich von dem Grossen Kurfürsten begünstigt und
gefördert. Natürlich hing damit zusammen, dass er sich den Neid
und die Scheelsucht seiner lieben Mitmenschen zuzog. Gleich im
ersten Jahre seiner Ehe sollte er das merken: die Ehefrau des
Steinhauers Gallas konnte ihre Zunge nicht wahren und sprengte
gegen Döbel und sein junges Weib allerlei ,,iniurien" aus. Worin sie
bestanden, können wir nicht ermitteln. Genug, schon hier verwen-
det sich der Grosse Kurfürst energisch für seinen Schützling, in-
dem er erst einmal die preussiscbe Regierung und dann den „Raht
zu Königsberg Kniphoff" ausdrücklich ersucht, den Gallas gebüh-
rend zu bestrafen.^)
Gleich im nächsten Jahre ergab sieb für unsern Künstler
wieder die Notwendigkeit, den Beistand seines Herrn anzurufen.
Sein Häuslein gehörte zu der Freiheit Sackheim"^) und war bislang
1) Nicolai in seinem ,, Anhang" p. 67 gibt folgendes an: Johann
Arnold Villers, ein französischer Baumeister und Bildhauer, war in Kur-
fürstl. Diensten und ging 1668 mit Empfehlungsschreiben vom Kurfürsten
nach Bayern. In demselben wird bemerkt, dass er ,, seiner Kunst wohl
erfahren, auch gute Dienste allhier erwiesen habe".
2) Geheimes Staats - Archiv Berlin, Rep. 7. n. 32, Reskript vom 8. 2.
1667. — Die von mir benutzten Akten des G-eh. Staats-Archivs zu Berlin
sowie des Königl. Hausarchivs zu Charlottenburg sind zum grossen Teile
noch nicht veröffentlicht worden. Soweit sie bereits erwähnt oder abge-
druckt sind, habe ich in Anmerkungen darauf verwiesen.
3) Geh. St. A. Rep. 7 n. 64. J. (21. August 1665) und Rep. 7. n. 10-4 b
(17./27. Januar 16G6).
*) Im „erläuterten Preussen", Tomus I, Königsberg 1724, p. 675, wird
die Freiheit Sackheim als die „unstreitig allerälteste" bezeichnet.
— 9 —
von allen Steuern und sonstigen Abgaben verschont worden. Zu
Anfang des Jahres 1667 will man Döbel nun auch bei der Ver-
teilung der Steuern heranziehen. Kurz entschlossen schreibt er
eine supplicatio an den Kurfürsten, und darauf erhält die preussi-
sche Regierung aus Colin an der Spree den Bescheid, den Suppli-
canten, „wan er vorhin von allen oneribus befreyet, darbey zu
schützen. "0
Ganz besonders charakteristisch aber für das Wohlwollen
des Grossen Kurfürsten unserm Künstler gegenüber ist Döbels
Landbaumeisterkarriere: Als im Jahre 1667 in König.sberg das Amt
eines Baumeisters nach dem Tode Caspar Schröder;^-) frei wird, be-
kommt er die Stelle, hält sich dann für eine kurze Zeit in Preussen
auf, da seine Anwesenheit in seinem eigenen Interesse unbedingt
notsvendig wird, kehrt wieder nach Berlin zurück und lässt sich,
soviel wir wissen, nie mehr in Königsberg blicken. Mehrfach be-
schwert man sich deswegen bei dem Kurfürsten, aber Döbel bleibt
hartnäckig in Berlin und behält trotzdem sein Amt!
An der Hand der Archivakten können wir die Einzelheiten
seiner Baumeistertätigkeit verfolgen: Nachdem der bisherige
preussische Baumeister Caspar Schröder im Anfange des Jahres
1667 gestorben war, meldete sich Döbel sofort beim Kurfürsten auf
den vakanten Posten. Dass er aus des Kurfürsten Lande stamme
^) Galland, „Der Grosse Kurfürst " p. 228 erwähnt das Ee-
skript, schreibt aber irrtümlich statt „Döbeln bey der Exemtion von allen
beschwerden seines häusleins schützen" = „bey der ertheilten Exekution
zu schützen".
2) Höchstwahrscheinlich ist er identisch mit dem bei Galland, „Der
Grosse Kurfürst ....." p. 222 unter 58 a angeführten Landmesser und
Baumeister Caspar Schröter. Seine Bestallung erhielt dieser Schröter den
9. Juli 1664 als Nachfolger des Baumeisters Hans Wegner. Die Königs-
berger scheinen sich gegen seine Bestallung aufgelehnt zu haben. Vgl. das
Reskript vom 4./14. Juli 1666 : „Der neu angenommene Bau Meister Caspar
Schröter soll bey seinem Dienst gebührend geschützt werden, des alten
Bau Meisters hierauss expectirter Sohn aber soll sich in dieser Kunst zu
seiner künfftigen Beförderung noch besser qualificirt werden". Zitiert von
Galland a. a. 0. nach Königs Collectaneen, p. 222.
— 10 —
und ihm stets treu gedient habe, gebe ihm Hoffnung auf Ge-
währung seiner Bitte; vor allem aber der Umstand, dass er „sondere
Beliebung zu der Architektur" habe.-^)
Allem Anscheine nach hat er sich gleich damals wieder nach
Berlin begeben und sich persönlich beim Kurfürsten vorgestellt,
um seinem Gesuche grösseren Nachdruck zu verleihen. Jedenfalls
nimmt Friedrich Wilhelm gnädigst wahr, dass sein Bildhauer
Michael Döbel „über dieser wiszenschaft auch in der Architectur
erfahren sey", und überträgt ihm das erbetene Amt. Am 5. April
lässt er den Statthalter von Preussen, den Fürsten Radzivill,") und
die ,,edeln Rähte" der preussischen Regierung davon in Kenntnis
setzen^, und es beginnt jetzt eine seltsame Komödie, in der die
preussischen „Rähte" immer wieder vertröstet und hingehalten wer-
den. In demselben Anschreiben heisst es, der „gemelte" Döbel solle
„alsoforth introduciret" und das gewöhnliche Baumeistergehalt ihm
gegeben werden. Zum Schluss wird um Uebersendung seiner Be-
stallung zum Baumeister ersucht, zwecks „genehmhaltung" durch
den Kurfürsten.
Das ,, Projekt der vorigen Preuss. Bawmeister bestallung"
wird am 19. /29. April 1667 demzufolge nach Berlin gesandt.
Döbel bleibt aber in Berlin. Statt seiner geht am 10. Mai ein
neues kurfürstliches Rescript nach Königsberg ab, in dem der
preussischen Regierung mitgeteilt wird, dass Döbel vorläufig un-
abkömmlich sei und deshalb in Berlin vereidigt werden müsse.
Zu diesem Zwecke solle die für die preussischen Baumeister gel-
tende Eidesformel übersandt werden. Auch diesem kurfürstlichen
Wunsche kommt die preussische Regierung sofort nach, indem' sie
am 23. Mai/2. Juni die verlangte „formulam iuramenti" nebst
1) Geh. St. A. Rep. 7 Nr. 10b.
2) Radzivill seit 1657 Statthalter in Preussen. Vgl. Wiehert, Altpreuss.
Monatsschrift 24. Bd. 1887, p. 305. Die preuss. Regierung zu Königsberg
durfte nicht selbständig das Amt besetzen. Jede irgend wichtigere Ent-
scheidung in Verwaltungssachen wurde von Berlin eingeholt. Ebenda p. 306.
3) Geh. St A. Rep. 7. n. 10b; auch die folgenden, auf Döbels preuss.
Bauraeisterperiode bezüglichen Schreiben liegen in dieser Repositur.
— 1^ ^
einem Begleitschreiben absendet. luzwisclien, am 20. Mai, ist die
Bestallung Döbels zum preussischen Hoff Bawmeister ausgefertigt
worden.^) Eine ganze Reihe von Pflichten sind es, die ihm darin
auferlegt werden. Ihm wird die Aufsieht übertragen über alle
kurfürstlichen Gebäude im Herzogtum Preussen und dessen
Haupt- und Residenzstadt Königsberg; alle Neubauten und Re-
staurierungen hat er zu leiten und darauf zu achten, dass alles
möglichst sorgfältig, aber auch möglichst billig eingerichtet werde.
Und zwar besteht sein Amt nicht nur in der Begutachtung der
nötigen Bauten und dem Ausarbeiten der Pläne, sondern ihm fällt
auch zugleich die Oberaufsicht über das ,, Arbeits Volk" und die
Verantwortung für die Materialien zu. Er solle, „wenn er an-
wesend" in Königsberg sei, darauf achten, dass die Maurer, Zim-
mer] eute, Tischler etc., nicht trödeln. Widerspenstige dürfe er mit
Genehmigung des der preussischen Regierung zugeteilten Obristen
Burggrafen entlassen und dafür neue einstellen. Was die Bau-
materialien (Ziegel, Kalk, Holz, Eisen) angehe, so habe er jede
Woche die vom Bauschreiber aufgestellte Rechnung nachzuprüfen
und stricte darauf zu sehen, dass keine überflüssigen Anschaffun-
gen gemacht oder Fälschungen vorgenommen würden, und ferner
alljährlich der preussischen Regierung oder dem Kurfürsten selbst
einen Ueberschlag über alle voraussichtlichen Xeuausgaben und
Neuanschaffungen von Materialien einzureichen, damit alles bei-
zeiten beschafft werden könne. Jedenfalls dürfe nichts verschwen-
det werden, ja selbst die Materialien von abgebrochenen Bauten
dürften nicht an Fremde verschenkt, sondern nur zu kurfürst-
lichen Zwecken wieder verwendet werden.
Bei Amtsbauten im Lande habe er alles anzuordnen und im
Verein mit dem jedesmaligen Hauptmann oder Amtsherrn einen
genauen Kostenanschlag zu machen sowie nach Beendigung der
Mission an seine Behörde einen genauen Bericht einzusenden und
die ..Verdinge" zur Unterschrift vorzulegen.
1) Die Bestallungsurkunde liegt im Charlottenburger Hausarchiv unter
Rep. XX. Sie ist erwähnt bereits bei Backschat, HohenzoUernjahrbuch
1912, p. 118.
— 12 —
Schliesslich gehört zu seinen Pflichten noch die Aufsicht
über die Schiffbarmachung der preussischen Grewässer und die
„Waszer Grebeude". Die „Baggerey aufm Haberstroh und Deime"
untersteht ihm, und sobald „in den Ströhmen sich Neue Harken
sezen wollen", welche die Schiffahrt verhindern und bedrohen
könnten, so solle er sofort dem Übel nachspüren und schleunigst
seinen Bericht davon einsenden nebst Vorschlägen, wie man dem
Malheur abhelfen oder zuvorkommen könne.
Sein Baumeistergehalt beträgt 400 Mark jährlich ,,ausz dem
Zoll." Dazu kommen noch an barem Geld ,,ausz Unserer preussi-
schen Cammer und denen HofFambten" 30 M Fleischgeld und 48 oK
Kostgeld für einen Knecht^). Ferner ,,Eine Last Roggen, Eine
1) Eine für damalige Verhältnisse recht ansehnliche Summe. Döbel
erhielt damit an barem Geld ungefähr ebensoviel, wie die iuris consiilti,
die medici und philosophi der Königsberger Universität. Ein „Besoldungs-
Etat sämtlicher Churfürstl. Hofbedienten unter Churfürst Friedrich Wilhelm"
aus dem Jahre 1663 oder 64 ist von A. E. Hennig im Jahre 1791 veröffent-
licht worden, und zwar im „Preuss Archiv" 2. Jahrg., Bd. I u. II, p. lll ff.
176 ff., 364 ff. und 428 ff. Zusammen mit dem Münzinspektor (900 M.),
dem Münzmeister (1350 M.) und Münzwardein (1350 M.), wird da der Bau-
meister aufgeführt. Damals erhielt er 337 M. und dazu Naturalien. Er-
heblich grösser freilich waren die Gehälter, die der Grosse Kurfürst den
aus Holland verschriebenen Künstlern zahlen Hess, Vgl. darüber Nicolai,
in seinem „Anhang"; Galland in den Anmerkungen seines „Der Grosse
Kurfürst . . . .", sowie König, „Versuch einer Schilderung Berlins", 1793,
p. 437.
Wenn wir übrigens im Verfolg der Baumeisterangelegenheit Döbels
erfahren werden, dass der Künstler sich liartnäckig von Königsberg fern
hielt und sein dortiges Amt vernachlässigte, so ist damit noch nicht ge-
sagt, dass ihm die preussische Regierung ohne weiteres auch sein Gehalt
vorenthalten konnte: ich möchte im Gegenteil behaupten, dass Döbel
prompt seine Einkünfte aus Preussen bezog. Sonst würde er nicht im
Laufe der kommenden Jahre wiederholt darauf dringen, dass er sein Amt
behalte und „Von andern nicht darausz gedrenget werde" (Kurfürstl. De-
kret vom 8./18. August 1672, Rep. 7. n. 10b). — Ganz ohne Analogie ist
übrigens dies Missverhältnis zwischen Besoldung und Leistung nicht. Auch
Johann Gregor Memhardt bezog 1652 noch seine Haupteinkünfte aus Pillau,
wo er früher beamtet war („hat und behält seinen Unterhalt in der Pillau"),
— 13 —
Last Mehl, Zwey gemeine Hoffkleidung, Seclisz Achtel Holz,
2 Thonen grob-, Eine Thone Kleinsalz und zwey fette Schweine
Xebenst freyer Wohnung." Zum Schluss kommt noch folgender
Passus: „Wollen auch allen Unsern pr(eussischen) officieren und
bedienten, die Obieges zu verrechnen haben, hirmit Befehl er-
theilen sich danach zu richten u. Ihme Baumeistern solches alles
zu rechter Zeit abfolgen zu laszen, wen Er aber in Bausaehen so
woll an den Strohmen allsz auch in die Ambter verreiset, soll Ihme
täglich Ein Gulden poln. od. 30 Groschen zur Zehrung gegeben und
Er mit freyer führe fortgefordert werden.
Uhrkündtlich.
Colin, 20. May 1667."
Noch im Juni 1667 hält sich Döbel in Berlin auf; er denkt
vorläufig nicht daran, sein Amt in Königsberg anzutreten, reicht
jedoch im Anfange des Monats eine neue ,,supplication" ein, in der
er darauf hinweist, dass der Mühlenmeister in Königsberg allem
Vernehmen nach sich mit Abschiedsgedanken trage, und „ümb
combination desselben Dienstes mit dem seinen" bittet. Seine
Bittschrift wird vom Kurfürsten an die preussische Regierung re-
mittiert mit dem Ersuchen, einen Bericht darüber einzusenden, ob
die „resignation des Mühlenmeisters geschehen, auch ob des Bau-
meisters und Müllenmeisters Dienst combiniret werden könnten." ^)
Wie der verlangte Bericht seitens der preussischen Regierung aus-
gefallen ist, habe ich nicht feststellen können. Vermutlich nega-
tiv, denn die ganze Sache wird nach 5 Jahren noch einmal aufge-
rollt. Der Juni vergeht, auch der Juli und der grösste
obwohl er bereits zu Anfang des Jahres 1650 nach Berlin-Cölln berufen
war und von da ab dauernd dort blieb. Vgl. Galland, „Der Grosse Kur-
fürst", p. 213, sowie „HohenzoUern und Oranien" p. 35.
1) rUeses Stück liegt unter Rep. 7. n. 4. im Berliner Geheimen Staats-
Archiv. An sich war die Kombinierung beider Ämter schon möglich.
Noch 1604 wurden sie ja beide zugleich von Johann Wegner verwaltet,
vgl. „preuss. Archiv", 2. Jahrg. Bd. I, 1791, p. 364 und p. 430. Doch man
kann es bogreifen, wenn die preussische Regierung sich abwartend verhielt,
um zunächst einmal zu erfahren, wie Michael Döbel sich anhissen würde.
— 14 —
Teil des August und Döbel reist immer noch nicht. Wir
erfahren auch, warum er solange säumt; ihm sind näm-
lich von seinem Herrn in Berlin einige Arbeiten über-
tragen worden. Schon Ende Mai ist davon die Rede und Anfangs
August wird ihm dann noch ein grösserer Auftrag zuteil, nämlich
die Herstellung einer ,, Pforte" und wahrscheinlich auch die Aus-
führung von Bildschnitzarbeiten an ihr. Von dem Umfang der
Arbeit können wir uns eine ungefähre Vorstellung machen, da wir
erfahren, dass in ca. 5 Wochen erst die eine Seite beendigt wurde.
„Maszen Ewr. Churfürstl. Durchl. auch augenscheinlich Sehen
werden, dass die Pforte in den 4 Wochen weill ich darbey gewesen,
zimblichen fortgekommen, wie woll es mir schwer ankömbt, weill
ich einen gesellen undt Jungen auff meine vnkosten dabey halte.
undt solte mancher kaum in ein Jahr, mir zwarten ohne rühm zue
melden, soviel verrichten. "^ Und noch ein anderer Umstand
dürfte ihn an Berlin gefesselt haben: es ist nämlich mit Sicherheit
anzunehmen, dass er wenigstens zu Anfang seiner Berliner Tätig-
keit im Atelier seines Schwiegervaters, des kurfürstlichen Bild-
hauers Villers, Beschäftigimg fand und nach dessen Übertritt in
bayerische Dienste, also im Jahre 1G68, dessen Privatkundschaft
ganz übernahm.
Döbel muss mit vieler Energie auf seine Karriere bedacht
gewesen sein. Mit grossem Pathos schreibt er in seiner Bewer-
bung um den preussischen Baumeisterdienst: ,, Weill dero Baw
Meister Caspar Schröder Todes verblichen, undt solche stelle doch
nothwendig durch einer tüchtigen Person, wiederümb versehen
werden, muss, . . ." Jetzt aber, da ihm die Stelle übertragen ist,
beeilt er sich gar nicht, in Königsberg nach dem Rechten zu sehen,
sondern zeigt sich bestrebt, von neuem persönlich Fühlung mit
dem Kurfürsten zu gewinnen. Bei den grossen Sorgen, die den
Herrscher ständig drücken, und der Menge berühmter ausländi-
scher Künstler, welche sich in der Nähe des Kurfürsten halten,
wahrlich keine leichte Aufgabe! Trotzdem gelingt ihm sein Plan:
1) Gesuch üübels vom Ende August (Rep. 7. n. 10b).
— 15 —
er erhält Aufträge für den Kurfürsten und führt sie aus — zu-
gleich jedoch äugt er ständig gen Osten, und lässt sich vermutlich
vom Yater und dem Bruder Johann öfters berichten, wde
es dort steht. Es ist dies aus dem ganzen, von Döbel in jener Zeit
beobachteten Verhalten zu entnehmen: Ah in Königsberg das
Gerücht geht von einer voraussichtlichen Abdankung des Mühlen-
meisters, bewirbt er sich, wie wir bereits erwähnten, sofort, ohne
volle Gewissheit zu haben, bei seinem Gönner um das Amt.
Desgleichen erhält er auch privatim Nachricht, als die
preussische Regierung, die bisher vergeblich auf ihn gewartet hat,
eine ihm kraft seiner Bestallung zustehende Befugnis jemand
anders kurzerhand übertragen will (August 1667 Rep. 7. n. 10b).
In Pillau scheint die Schiffahrt durch Untiefen gefährdet zu sein,
es muss also gebaggert werden — wofür Döbel von rechtswegen zu
sorgen hatte. Döbel lässt sich jedoch nicht blicken, folglich wird
die Baggerarbeit verdungen und einem Reflektanten bereits zur
Ausarbeitung eines „modeis" 10 Taler Yorschuss gegeben. Als unser
Künstler das erfuhr, sah er wohl ein, dass ihm sein schönes
preussisches Amt vielleicht doch trotz aller kurfürstlichen Gunst
aus den Händen gleiten könnte. Andererseits hatte er in Berlin
noch nicht so festen Fuss gefasst, um auf die einträgliche Bau-
meisterstelle verzichten zu können. Demnach entschloss er sich,
nach Preussen zu fahren und nach dem Rechten zu sehen; in einem
Gesuch an den Kurfürsten vom Ende August weist er auf die
Baggerangelegenheit hin. Der bereits erwähnte Techniker, dem die
Ausarbeitung des Modells übertragen wurde, ist in seinen Augen
natürlich unfähig, er könne das Modell nicht ,,werckstellig"
machen, „maszen Er kein fundament davon" habe. Ausserdem
weist er nachdrücklich darauf hin, dass ihm gemäss seiner Be-
stallung die ,.Baggarie" zukomme und bittet seinen hohen Gönner
dafür zu sorgen, dass ihm' ,,diszfalsz hirinne Keiner vergriff thun
möge."
Jetzt, da sein eigenes Interesse es erfordert, erinnert er sich
daran und hebt es hervor in demselben Gesuch, dass ,,die hochlöbl.
— 16 —
regierung begehret, dass ich hinein Kommen soll." Er bittet daher
um Urlaub und einen Pass, damit er ,,mit freyer Post" reisen
könne. Aus demselben Schreiben geht jedoch unverblümt hervor,
dass er gar nicht daran denkt, in Königsberg nun auch zu bleiben.
Vielmehr beabsichtigt er, nur seine Angelegenheit dort zu ordnen
und dann baldigst zurückzukehren, um die noch unvollendete
Pforte zu Ende zu führen und — ■ natürlich — zugleich neue Auf-
träge zu erhalten. Ja, auch den Bruder Johann^^ will er
gleich nach Berlin mitbringen, und bittet daher, den Pass so aus-
zustellen, dass sich die Vergünstigung der freien Fahrt auch auf
den Bruder erstrecke. Ganz offenbar werden seine Absichten aus
den Schlussworten des Gesuches: ,,vndt solte ja an der Pforte in
der wenigen Zeit, die ich von hir werde versäumung geschehen,
wer (de) ichs nach müglichkeit, wann ich Meinem Bruder mit hir
bringen werde, wieder fort zu setzen wiszen."
Wie nicht anders zu erwarten war, ist der Kurfürst damit
einverstanden, dass Döbel endlich sein Amt in Königsberg an-
tritt"), sonst wäre sein ganzer Baumeisterdienst ja vollends eine
Farce gewesen. Freilich in allem kann Friedrich Wilhelm seinen
Schützling nicht befriedigen; ohne weiteres mag er die preussische
Regierung nicht bestimmen, auf einmal nun sämtliche früheren
Pläne wegen der Baggerei in Pillau^) fallen zu lassen, und dem
Architekten Döbel den Ausbau des Schiffahrtsweges zu über-
tragen, wenn es auch in seiner Bestallung so bestimmt war. Zu-
mal da Döbel vorhin so lange gesäumt hat. Er überlässt also die
Entscheidung dem preussischen Statthalter und den Regierungs-
räten. Mit Hinzuziehung des kurfürstlichen ,,Rahts und Pfundt-
verwalters Johan Albrecht Heidekampfs und einiger darin er-
1) Dies ist die Stelle, aus der sein Verwandtschaftsverhältnis zu Jo-
hann Döbel klar hervorgeht.
~) Reskript vom 2. September 1G67 (Rep. 7. n. 10b).
3j Galland, „Der Grosse Kurfürst " p. 228 erwähnt dieses
kurfürstliche Reskript, datiert es jedoch vom 2. März statt vom 2. Sep-
tember und schreibt irrtümlich „Bestellung der Bagage in Port Pillau"
statt „Bestellung der Baggarie".
— 17 —
fahrner" sollten sie Döbel eiiifreliend wegen meiner Wasserbau-
kenntnisse ins Gebet nehmen und dann nach Berlin über den Aus-
gang der Prüfung berichten. Auch Döbels Gesuch um Erteilung
des Reisepasses für ihn und den Bruder wird nicht ohne weiteres
bewilligt. Statt dessen wird Preümel angewiesen, dem Künstler
„vierzigk Thaler zun rey.se kosten" auszuzahlen^), „welches ihme
künftig hiermit in Rechnung passiren soll."
Merkwürdig klingt es aber, wenn von der Auszahlung dieses
Reisegeldes auch in jenem letztgenannten Rescript an die preus.si-
sche Regierung die Rede ist: „Wier haben ihme zum rej'^segelde
allhier etwas auszahlen lassen deshalb ihm dort weiter nichts zu
reichen ist." Ich glaube, diese Bemerkung jedoch eher auf das
Konto der sparsamen Haushaltung und sorgfältigen Buchführung
der Regierung setzen zu müssen, als darauf, dass man Döbel nicht
recht hat trauen wollen.
Zugleich soll Döbel in Königsberg auf seinen Diensteid ver-
pflichtet werden; denn bisher ist seine Vereidigung noch nicht er-
folgt, obwohl bereits am 23. 5./2. Juni des Jahres die formula
iuramenti von Königsberg nach Berlin abgegangen war. Warum
diese Verzögerung stattfand, ist nicht klar.
Über den Verlauf und Ausgang dieser Reise nach Königs-
berg habe ich nichts erfahren können; auch nicht, wann er nun
endlich vereidigt wurde und ob man ihn für fähig gehalten hat,
die ,,Baggarie" zu leiten. Soviel steht nur fest, dass er sich in
Königsberg nicht lange aufgehalten hat, und dass die Baumeister-
stelle nach seinem x^bzuge recht lange verwaist blieb. Natürlich
ging bald alles drunter und drüber"); der einzige, der Döbel hätte
vertreten können, war der Mühlenmeister. Doch der war zu alt,
als dass er energisch hätte schaffen können. Schon Anfang Juni
1667 war ja von seiner voraussichtlichen resignation die Rede. So
musste denn der Bauschreiber vorhalten und sich um die .,vor-
1) Geh. St. A. Eeskript vom 2. September 1667.
-) Schreiben der Königsberger Regierung an den Kurfürsten vom
l'J./29. Juli 1672. Vgl. Geh. St. A. Rep. 7. n. 10b.
— 18 —
fallenden" Bauten kümmern, „so gut ers verstehet." Dabei hatte
er aber nun soviel „zuthun zulauffen und zu bestellen", dass er
Vi^ieder ganz in Rückstand kam mit seinen Rechnungen, und das
nicht nur Wochen, sondern ganze Jahre lang! Und trotzdem war
seine Mühe so ziemlich erfolglos. Vieles, was man selbst „an der
Resedentz" hätte neu bauen oder restaurieren müssen, musste
unterbleiben.
Döbel hatte also schlecht gehalten, wozu ihn seine Bestallung
verpflichtete; er blieb in Berlin und kümmerte sich um die ganzen
preussischen Bauverhältnisse gar nicht. Das geht so 5 Jahre hin-
durch. Da streiken die Königsberger. Zunächst wendet sich an-
fangs Juni 1672 ein „Gerichtes verwandter und Tischler aufen
Rosgarten" Peter Lembke mit Namen mit einer supplicatio an
den Grossen Kurfürsten und bittet, ihn „zum baug meister" in
Preussen bestellen zu wollen.
Darauf die lakonische Antwort nebst beigelegter supplicatio
an die preussische Regierung: Der Kurfürst erwarte von Statt-
halter und Räten „bericht und gutachten . . ., ob dergleichen be-
stallung nötig oder dienssamb" sei!^)
Der verlangte Bericht geht am 19. /29. Juli 1672 von Königs-
berg ab. Unumwunden erklären der Statthalter Herzog zu Croy
und seine Regierungsräte, dass es ,,woll Nötig (sei) ein tigtigeu
Bauerfarner Man dar zu bestellen", indem sie die oben geschil-
derten Misstände anführen. Auch in betreff des Lembke erstatten
sie gewissenhaften Bericht: wir erfahren, dass er sich nicht nur um
den Landbaumeisterdienst, sondern auch um eine Hoftischlerstelle
bewirbt. Wie weit seine architektonischen Kenntnisse reichten,
darüber könne man keine Auskunft geben; er sei ,, wegen solcher
wiszensachaft im bauen unbekant". Man könnte ihm freilich zur
Probe einen Bau in der Residenz, weil da ,, zubauen und zubessern
genug" sei, übergeben und dann ausführlich nach Berlin berichten.
Sonst sei er geschätzt als Bürger und hätte sich auch als Tischler
einen Namen gemacht — das Hoftischleramt könne ihm jedoch
1) Reskript vom 14. Juni 1672.
— 19 —
trotzdem nicht übergeben werden, weil „bereit einer ist der den
Namen des Hoff Tischlers, dauon aber nicht einige Bestallung hat,
sondern wasz er arbeitet, Er zahlet nimt."
Inzwischen hatte sich Lembke auf Veranlassung eines neuer-
lichen hurfürstlichen Rescriptes bereits nach Berlin aufgemacht —
oder zum mindesten war seine Reise dahin schon bestimmt, weil
er dort von dem ,,Churmärkischen Ingeneur undt Baumeister Jo-
hann Gregor Memhardten" in seinen architektonischen Kennt-
nissen geprüft werden sollte. Am 5. August vernimmt ihn Mem-
hardt auf kurfürstlichen Befehl zu Friedrichswerder-Berlin und
stellt ein Zeugnis aus, in dem er sieb sehr kurz und sehr zwei-
deutig ausdrückt: ,,undt habe uon ihm uernommen dass er in seiner
baugi^rofesion genügsame erfahrung habe undt wan solche obge-
dachte Stell ledig wehre, er zu solchen wercken wirdig genug ist
undt seibiege Baug profesion wol uer Sthet wor über er ein schritft-
]ich attestatum begehret welches ich auf begehren hie mitt
attestir."
Dieses obige ,,habe uon ihm uernommen" klingt sehr ver-
dächtig. Lembke scheint seine Fähigkeit mehr behauptet und
vielleicht durch klingende Gebühren nachdrücklich betont zu
haben — als eingehend geprüft worden zu sein.
Und was ist der Erfolg dieser Bemühungen Lembkes und
aller Vorstellungen der preussischen Regierung? — Döbel bittet
den Kurfürsten, von einer anderweitigen Besetzung des Bau-
meisteramtes abzusehen und bewirbt sich zugleich von neuem um
das Königsberger Mühlenmeisteramt (August 1672). Wir können
daraus ermessen, wie hoch er in der Gunst seines Herrn stand;
denn wenn seine Stellung weniger sicher gewiesen wäre, hätte er
solche zum mindesten überraschenden Anträge nicht stellen
können.
Er, der sich in 5 Jahren nur vorübergehend in Königsberg
hat blicken lassen, ohne sich um seine Baumeisterpflichten zu
kümmern, bewirbt sich um das Mühlenmeisteramt, ,, weilen die
anrichtunge und Verbesserunge der muhlen höchstnöthigk". —
2*
— 20 —
Und wieder werden ihm seine Wünsche erfüllt: am 8./18. August
1672 findet der Kurfürst es billig, ,,dass Er bey dem Bau-
meister-Dienst gelassen, und A^on anderen nicht darausz gedrenget
werde" — und ferner: ,,was den Muhlenmeister-Dienst betriff,
seynd Wir auch gnädigt zufrieden, dass Ihme derselbe zugeleget
werde, wann der jetzige solchem Diensthe nicht mehr vorzustehen
w^üsthe, oder dahin disponiret werden könthe, dass Er ihn guth-
willig abtrette. Wohin es dann Ew. Libden und ihr zurichten."
Wieder einmal ist für Döbel die Gefahr, das schöne Amt zu
verlieren, glücklich abgewendet; aber er zieht keine Lehren aus
den Ereignissen, sondern baut auf die Gunst seines Herrn und
bleibt in Berlin, wieder beinahe 4 Jahre lang. Und von neuem
wiederholt sich die Komödie: Peter Lembke bewirbt sich noch ein-
mal, die Regierung beschwert sich desgleichen nochmals, doch
noch immer werden beider Wünsche nicht erfüllt. Lembke ist in-
zwischen nicht untätig gewesen, er rühmt sich, weitere Fort-
schritte gemacht zu haben, um später dem Kurfürsten nützliche
Dienste leisten zu können, und soll tatsächlich in Soldau, Marien-
werder und Riesenburg sich betätigt haben, wodurch er seine Er-
fahrung in ,,Abriszen und Überschlagen von nötigen Materialien"
bereichern konnte. Und dann erheben sich wieder die alten Kla-
gen: in der Residenzstadt und an den ,,Ambts Heusern" im Lande,
„so wir besonders an den Grentzen, um selbe etzlicher maaszen
gegen einigen Anlauff Alles falles in defension zu bringen, be-
sichtigen laszen"^), seien viele Neubauten und Reparaturen not-
Avendig, ohne dass sich jemand darum kümmere. Bisher habe noch
der Holländische Mr: Jakob aushelfen können, aber nach seinem
Tode käme niemand in Betracht ,,alsz der alte Mühlen Meister, der
nunmehro fast betaget und unvermögend, auch nicht von der nö-
tigen Wiszenschafft, bey den Mühlen aber ohne das seines Wercks
gnug" habe.
1) Diesem Übel wäre auch bei Neubesetzung des Baumeisteramtes
kaum gesteuert worden. Der Grosse Kurfürst schien für die preussischen
festen Schlösser kein Geld übrig zu haben. Vgl. E. Wiehert, „Das Herzog-
tum Preussen "in Altpr. Monatsschrift, 24. Bd. (1887) p. 289.
— 21 —
Bitter sprechen beide sich über Dübel aus; die Regierung: es
sei „eine Zeithero, in welcher man auff einen gewiszcn Michel
Döbel . . . gewartet, der aber nicht kommen, noch zu kommen, wie
berichtet werden will, Sinnes (sei)". Und Lembke nimmt kein
Blatt vor den Mund: Es sei „bloss allein Michel Döbell . . . (der)
noch ao: 72, dass ich ihme nicht fürgezogen werden möchte, pro-
testiret haben soll: / bisz dahero im wege gestanden, dass zu
würcklichen Diensten mich rieht weiter offeriren können; nun
aber Döbel auch de ao: 72 noch bis^i hieher sich nicht eingestellet,
und dergestalt der Preuss. Baumeister bey ihme geleichsam in
keinem werth, und dessen selbst sich verlustig machet" . . ,
Er bittet also — zugleicli mit dem Hinweis, dass sein Vater
lange Zeit das Hoftischleramt hat versehen dürfen — nunmehr um
Verleihung des Baumeisteramtes, und sein Gresuch wird mit dem
bereits erwähnten Begleit- und Befürwortungsschreiben der
preussischen Regierung am 30. Mai/9. Juni 1676 an den Kur-
fürsten abgesandt. ,,Bei aller nötige Reserve" und wie es heisst —
,,ohn einziges maaszgeben" — weisen Statthalter und Räte dennoch
zum Schluss darauf hin, dass die Neubesetzung der Baumeister-
stelle notwendig sei. Lembke selbst reist wieder nach Berlin, um
persönlich dies Schreiben zu überreichen. Und der Erfolg?
Michael Döbel, der, wie wir unten sehen werden, inzwischen in
Berlin eine feste Position sich geschaffen hat und des Kurfürsten
volle Zufriedenheit besitzt, kommt den Königsbergern zuvor und
setzt es bei diesem durch, dass ihm sein Amt in Preussen nicht ge-
nommen wird, „sondern seinem Bruder Joh. Döbeln interims-
weise — und bisz Er selber wieder da kommet zu versehen aufge-
tragen werden möge." So heisst es. in einem Rescript vom 12. Juni.
Dem Bruder Johann solle auch — und das ist die Hauptsache —
bisz zur „Wiederkunft" Michaels das festgesetzte Gehalt ausgezahlt
werden.
Das Geld bleibt also in der Familie! Dies Rescript ging, wie
schon erwähnt ist, am 12. Juni von Berlin ab, bevor jene beiden
Anschreiben seitens der preussischen Regierung und des Gerichts-
— 22 —
verwandten und Tischlers Lembke vom Rossgarten an den Grossen
Kiirfürten gelangen konnten. Michael Döbel zeigt sich also
wieder einmal über die Königsberger Strömungen und Absichteü
trefflich unterrichtet. Er ist der preussischen Regierung zuvor-
gekommen und hat wieder gewonnenes Spiel. In einem neuen
Rescript vom 11. Juli 1676 heisst es kurz und bündig: . . . „Nuhn
zweihfelen wir nicht es werde Ew. Libden und Euch seith deme
zukommen seyn, wesgestalth wir Einen, nahmens Döbel (Johann!
12. Juni 1676) zum Baumeister in Preussen auff gewisse masse er-
nandt, und bestellet; wobey es auch dane billig sein bewenden hatt,
also dass Ew. Libden und ihr dasjenige, was wir deszfals jungsthin
rescribiret haben, der gebühr zu beobachten wissen werden."
Höchst merkwürdig ist dann der Schluss des Rescripts:
,, weilen aber Vor Erwehnter Lembken ein guthes Zeugnis hatt,
und wir ihn dannenhero anderweith gnädigst gerne befordert
wissen wolthen, alsz haben Ew. Libden und ihr dahin zu sehen,
dass wann sich etwa ein ihm anständlicher Dienst eröffnet, er
dazue A'^or andern befordert, und entzwischen, wo es nöthig unl
Er Dienste leisthen könne gebrauchet werden möge. Gestalth
wir dann Ew. Libden und euren ferneren Vorschlagk und guth-
achten, wie derselbe hiernechst zu accomodiren seyn möchte, ge-
werthigen wollen . . . ."
Johann Döbel ist doch, wie es in dem letzten Rescript selbst
betont wird, gewissermassen zum Landbaumeister bestellt, ist dem-
nach verpflichtet, alle amtlichen Bauten in Preussen zu besorgen.
Man könnte also sagen, dieser letzte Passus betreffs etwaiger Ver-
wendung und Heranziehung des Lembke sei nur eine Vertröstung
und Abspeisung des so wenig erfolgreichen Baumeisterkandidaten.
Doch die Sache scheint anders zu liegen: schon der aus-
drückliche Befehl am Schlüsse des kurfürstlichen Schreibens vom
12. Juni ,,und demselben (= Johann Döbel) dasjenige, w^as desz-
falls verordnet (= Baumeistergehalt), richtigk reichen zu laszen",
legt die Vermutung nahe, dass man in Berlin nicht allzu grosse
Erwartungen in betreff der Baumeisterfähigkeit des Johann Döbel
— 23 —
gehegt hat und wohl schon befürchtete, man würde ihm infolge-
dessen nicht ohne weiteres das gewöhnliche Gehalt auszahlen.
Johann Döbel scheint also nur eine Art Strohmann vorge-
stellt zu haben und pro forma zum Landbaumeister ernannt zu
sein, um die Königsberger etwas zu beruhigen; immer noch wird
zugleich mit der Möglichkeit gerechnet, dass Michael Döbel einst
mal in Königsberg seine Tätigkeit aufnehmen werde.
Und Lembke darf derweil — falls Johann Döbel versagen
sollte — denn nichts anderes bedeutet dieser Zusatz „entzwischen,
wo es nöhtig und Er Dienste leisthen könne" — natürlich bei
besonderer Vergütung dieser Dienste seitens der Regierung, nicht
etwa seitens Johann* Döbels — seine architektonischen Kennt-
nisse nach Belieben verwerten.
Hier lassen uns die Akten im Stich, und wir erfahren nicht,
wie im einzelnen Döbels Lage zu den Königsbergern sich ge-
staltete. Wie lange sein Bruder Johann ihn vertreten musste,
wann er selbst und wie oft er späterhin seinen Weg nach der
preussischen Residenzstadt genommen hat • — wdr wissen es nicht.
Jedenfalls war Döbel, als er 1676 beantragte, seinen Bruder
als Vertreter zu bestellen, bereits entschlossen, seinen festen Wohn-
sitz in Berlin beizubehalten. Zu jener Zeit hätte er den Verlust
des preussischen Baumeisterpostens sicher schon verschmerzen
können. Denn er entfaltete damals in Berlin bereits eine ren'he
Tätigkeit; er war inzwischen zum Churf. Hofbildhauer bestellt^),
ja es eröffneten sich ihm dort noch ganz andere Aussichten; er
durfte hoffen, eine glänzende Karriere in der Hauptstadt zu
machen: Am 14. Juni 1676^) wird ihm nämlich, vorläufig in Ver-
tretung des ,, General Quartiermeister-Lieutenant Blesendorff" die
Aufsicht über die Bauten in Potsdam und Bornim übertragen! —
Doch davon werden w'ir später noch hören.
M Vgl. p. 43, Anm. 5.
-) Also zwei Tage, nachdem sein Bruder Johann zu seinem Vertreter
in Preussen bestellt war.
— 24 —
Für unsere heutigen Begriffe bleibt Döbels Verhalten gegen-
über den Königsbergern im höchsten Grade merkwürdig. Man
kann es nicht ohne weiteres verstehen, wie es ihm auf die Dauer
gelingen konnte, die Königsberger Regierung hinzuziehen, immer
von neuem mit leeren Versprechungen abzuspeisen und trotzdem
sein Amt zu behaupten. Dass er sich der besonderen Gnade und
eines aussergewöhnlichen Wohlwollens seitens des Kurfürten er-
freuen konnte, haben wir freilich genugsam erfahren. Unzweifel-
haft geht das hervor aus indirekten Bemerkungen über seine Tätig-
keit und an einer Stelle sehen wir es klar bezeugt: ,,Wann wir
dann seiner noch Zur Zeith nicht entbehren können, und an seinen
Verrichtungen ein gnädigstes Vergnügen tragen . . ." Trotzdem
hätte ihn diese gnädige Gesinnung des Kurfürsten bei normalen
Umständen nicht ermutigen können, nur die materiellen Vorteile
des ihm übertragenen Amtes wahrzunehmen. Vielmehr liegen die
bestimmenden Gründe tiefer: man hat sie zu suchen in dem ge-
spannten Verhältnisse, das zwischen dem Herzogtum Preussen und
dessen Oberherrn seit den x\.uf rühr jähren bestand^) — • und ausser-
dem in dem Erzübel, an dem die brandenburgisch-preussischeu
Lande damals krankten und unter dem der Grosse Kurfürst auch
stets zu leiden hatte, nämlich in der drückenden Geldnot"). Döbel
1) Wie unerbittlich und gross der Groll des Kurfürsten gegen die
Königsberger und speziell gegen die Urheber des Aufruhrs war, bezeugt sein
ungemein hartes Vorgehen gegen den Königsberger Schöffenmeister Rohde
(1662) und v. Kalckstein (1672). Vgl. Prutz, preuss. Geschichte 1900 p. 87
und 96 ff.
2) Die vielen Künstler, welche in Hofdiensten standen, konnten
nicht immer regelmässig in ihren Geldforderungen vom Grossen Kurfürsten
befriedigt werden. Nur einige Beispiele seien herausgegriffen: Dem Hof-
maler Wilhelm van Honthorst blieb der Grosse Kurfürst 13 Jahre lang
eine grössere Summe schuldig. Erst 1666, kurz nach dem Tode des Künst-
lers, wird den Erben der Rest der Schuld, 2000 Taler, ausgezahlt (vgl.
Galland, „Der Grosse Kurfürst . . . ." p. 209). 1673 ferner wird der Rat
Heidekampf angewiesen, die von dem Hofmaler Willing als rückständige
Besoldung geforderten 450 Taler allmählich abzuzahlen (vgl. Galland a. a.
O. p. 223). Auch der kurfürstl. Münzeisenschneider Gottfried Leygebe er-
— 25 —
halle 1G67 nun einmal das wohldolierte preussisclie Landbau-
meisteramt erhalten; anstalt umgehend heimzureisen, benulzt er
gleich die Möglichkeil, in Berlin Verbindungen anzuknüpfen, und
macht sich einen Monat später so nützlich, dass der Kurfürst ihn
vorerst nicht fortlässl, sondern die Eidesformel aus Königsberg
lierbeslellt, um den neuen Baumeister in Berlin zu verpflichten.
Im August führt er einen grösseren Auftrag aus — und darf dann
nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Königsberg dauernd
in der brandenburgischen Hauptstadt bleiben.
hielt seine 400 Taler Gehalt nicht regelmässig. Das erwähnt Nicolai in
seinem „Anhang . ..." p. 52 mit dem Zusatz: „Doch bekam seine Wittwe
nach seinem Tode (im Jahre 1683) endlich den Rückstand". — Im übrigen
wären alle Künstler sofort befriedigt worden, wenn es nach dem Wunsche
des Grossen Kurfürsten gegangen wäre. Aber die Verwalter der ver-
schiedenen Kassen konnten oder wollten oft nicht zahlen, so dass ihr kur-
fürstl. Gebieter bisweilen sehr energisch auftreten musste. Bezeichnend
ist folgendes Schreiben an die Amtskammer zu Colin an der Spree (datiert
zu Cleve den 24. Oktober 1648): .,Es hatt bei Unss Vnser Hoffmahler Zu
Berlin Michell Conradt Hirte abermahl Unterthänigst beklaget, dass er auf
Vnser unterschiedlich rausgeschickte befehliche weder seine Jährliche
Hausmiethe, noch nachstellige besoldung erlangen können, Derohalb er
nicht allein gezwungen worden, Unsere nötige arbeith liegen Zu lassen,
besonders auch seinen abschied bey Vnss in Unterthänigkeith Zu begehren.
Nuhn gereichett Vnss Zu gantz Ungnedig misfall, dass ihr Vnsere Ver-
schiedentlich deshalb ergangene befehliche so gar hindengesetzet Vnd dar-
auf so wenig pariret. Woll auch derohalb solch einen ungehorsamb nicht
allein gebührendermaassen hiemit Verwiesen, besonders auch nochmalss
alles ernstes anbefohlen haben, solche unfelbahre anstalt zu machen, da-
mitt gemelter Vnser Hoffmahler so woll seine noch ständige Hausmiete
alss restir. besoldung alsofort ausgezahlet, Vnd wol fürtre Vnseie arbeith
ligen Zu lassen nicht Veranlasset werden möge. Dass ist Vnsere ernste
Willensmeinung. Vndt seindt auch sonst mitt gnaden gewogen." Zit. nach
Galland „Der Grosse Kurfürst " p. 206. p. 232 führt Galland ferner
ein ähnliches Reskript betreffs des „Porzellan Bäckers" Pieter Fransz van
der Lee an: der Kurfürst an den Bau- und Amtsschreiber zu Potsdam
(Wrangeisberg 14./24. November 1678): „Wir vernehmen ungnädig, dass Du
dich weigerst die dem p. van der Ley assignirte wöchentliche unter-
haltsgelder auszuzahlen . . . ., so befehlen Wir Dir hiemit in allem
ernste . . . unweisrerlich auszuzahlen .... widrigen falles wir etc."
— 26 —
Für tüeliiioe und gei^eliicktc Künstler, wie Döbel, hatte dir
Grosse Kurfürst immer Verwendung, bei seinem stets regen künst-
lerischen Interesse gab es immer neue Aufträge auszuführen für
Maler, Architekten und Bildhauer — und Döbel drängte nicht auf
Zahlung, er erhielt ja von Preussen her das jährliche Gehalt,
welches ihn zu kurfürstlichen Diensten verpflichtete. Unter diesen
Umständen erscheint es begreiflich, dass man an höchster Stelle
ein Auge zudrückte und der Absicht Döbels, in Berlin sich eine
sichere Existenz zu gründen, nichts in den Weg legte. Ihm wurde
sogar im Jahre 1673 auf Grund eines kurfürstlichen Dekrets ein
Stück Land in Berlin zum Anbau eines Hauses überlassen, ohne
dass seine Beziehungen zu Königsberg sich irgendwie änderten.
Die preussische Regierung durfte zahlen und wurde auf bessere
Zeiten vertröstet.
1673 erwarb Döbel in Berlin Eigentum an Grund und Boden,
und auch dabei zeigte er eine glückliche Hand und feines Verständ-
nis, seine Chancen gut auszunützen: erstens verursacht ihm dieser
Neuerwerb keine Kosten — ihm wird nämlich das Stück Land vom
Kurfürsten geschenkt — und ausserdem erwirbt er sich zugleich
ganz bedeutende persönliche Vorteile. Weil der geschenkte Boden
zu einer sog. ,, Freiheit" gehörte, wurde Döbel als Mitbewohner die-
ser Freiheit von allen bürgerlichen Lasten befreit und erlangte
ferner Gewerbefreiheit. Der ihm zugewiesene Platz lag mit einigen
anderen ähnlichen in unmittelbarer Nähe des Berliner Schlosses,
und zwar westlich von diesem, ungefähr da, w^o heute das National-
denkmal steht.^)
Schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts war • — so erfahren
wir durch Clauswitz') — zwischen dem westlichen Teile des
Schlosses und dem westlichen Spreearme die alte cöllnische Stadt-
mauer verschwunden, das Land dazwischen lag verödet da und
Avurde von einem breiten Graben durchschnitten, der von den Wer-
derschen Mühlen ausging und bei einem Turme an der nordwest-
1) Vgl. Galland, „Hohenzollern und Oranien" p. 239 Anm 1.
2) Mitteilungen d. Vereins f. Gesch. Berlins, 1892, Nr. 7 p. 57 f.
liehen Ecke des Schlosses endigte. Um das Jahr 1670 wurde auf
Veranlassung der Kurfürstin Dorothee die Frage erörtert, wie man
den öden Platz durch etwaige Häuserbauten verschönern könnte;
der Kurfürst fasste die Idee auf. Hess einen dem Flussufer parallel
laufenden Streifen Landes parzellieren und beauftragte seinen In-
genieur Memhardt, die Verteilung und Bebauung der einzelnen
Stellen zu überwachen. Die Baustellen wurden unentgeltlich an
Beamte, Künstler und Handwerker des Grossen Kurfürsten abge-
geben — so z. B. an den Hofzimmermann Reichmann, den Stein-
metzen Schlundt. an den kurfürstlichen Futtermeister und an den
Mundschenk Eltester — jedoch nur unter der strengen Bedingung,
nach einem vorgeschriebenen Modell zu bauen, andernfalls sollten
sie der Stelle verlustig gehen. ,, Wahrscheinlich wurden die
kleinen Häuser im Ziegelrohbau nach holländischem Geschmack
hergestellt" — schreibt Clauswitz.
Ein Plan der ganzen Anlage von des Oberbaudirektor Biese n-
dorffs^) Hand ist noch vorhanden-") Er ist freilich ganz skizzen-
haft gehalten, zeigt aber deutlich, wie die kleinen Häuser lagen
und bezeichnet genau die Döbel zugewiesene Stelle. Sie ist von
den anderen Stellen durch einen kleineu Zwischenraum getrennt,
weil nach einer von Blesendorff beigefügten Bemerkung, hier die
Aussicht vom Schlosse nach dem Wasser freibleiben sollte.
Am 4. Juni 1672'^) Hess der Grosse Kurfürst bekanntgeben,
dass alle die, welchen er freie Baustellen an der Spree hinter der
Wasserkunst verliehen habe, mit dem Magistrat auf dem Fried-
richs Werder nichts zu tun haben sollten, sondern ..sambt ihren
1) Ueber den Kriegsingenieur Joachim Ernst Blesendorff vgl. Gal-
land, ,,Hohenzollern und Oranien" p 236 ff.
-) Als Erläuterung gezeichiiet auf die Beantwortung eines kurfürstl.
Dekrets vom 15. August 1673 (Geh. St. A. Rep. 21 Nr. 191b). Dies Dekret
betrifft gerade Döbel und wird noch besprochen werden. Ein etwas korri-
gierter Abdruck des Planes nebst Text findet sich bei Galland, ,,Hohen-
zollern und Oranien" p. 239.
3) Vgl. Geh. St. A 21. Nr. 191 b. Der Text ist bereits von Claus-
witz a. a O. p. 58 wiedergegeben.
— 28 —
Nachkommen und Einwohnern solcher Häusern" unter Jurisdiktion
des Hausvogtes stehen sollten. Um die Mitte des Jahres 1673 be-
wirbt sich dann Döbel um Belassung einer Baustelle in jener Ge-
gend und in einem Dekret vom 15. August 1673^) wird Blesendorff
beauftragt, dem Döbel die erbetene Stelle ,, anzuweisen und abzu-
messen", falls sie noch nicht anderweitig vergeben sei. Blesen-
dorff gibt darauf das erwähnte Gutachten ab, in welchem sich auch
jene Bemerkung findet: ,,. . undt soll das gesiebte Von dem
schlosthor nach dem Waszer offen, und Unbebawet bleiben." Und
am 22. Dezember 1673 wird die Schenkungsurkunde an Döbel aus-
gefertigt:') ,, Urkunden hiermit, dass Wir Unserm Baumeister und
Bildhauer Michel Döbell eine Baustelle auf dem Friederichs Werder
am Waszer bey der Mülen gegen dem Schloszthor über nach der
Mülen zu drey ruthen breit und vier Ruthen lang von der gleichen
breite wie die andern albereits seind, zumeszen laszen. Und thun
Wir (ihm) und seinen Erben solche Stelle hiermit und in Krafft
dieses gnädigst schencken und verehren, also und dergestalt, dass
er dieselbe bebauen, auch nach seinen gefallen bewohnen, nahrung
darinnen treiben, und damit alsz seinem eigenthum schalten und
walten möge, dahingegen soll er schuldig seyn, für solcher Bau-
stelle vor iedweder Quadrat ruhte drey Groschen zum jährlichen
grundzinsz zuentrichten, welcher grundzinsz dan ein Jahr nach
der Zumeszung angehen soU."^) — Döbel siedelte sich jedoch nicht
an, er zog vielmehr wiederum die Sache einige Jahre hin und ver-
kaufte dann 1678 die ihm verliehene Freistelle an einen kurfürst-
lichen Kammerdiener für 50 Dukaten.^) Gewohnt hat er also nie-
mals in jener Schlossfreiheit am Friedrichs-Werder. Wir können
überhaupt nicht mit Sicherheit feststellen, wo er in Berlin ansässig
1) Erwähnt bei Galland, a a. O. p. 238.
2) Geh. St. A. Rep. 21. Nr. 191b.
3) Die Bewohner der Schlossfreiheit wurden zwar von allen bürger-
lichen Lasten befreit, nicht siber von der staatlichen Abgabe. Vgl. Claus-
witz, a. a. O. p. 58.
*) Clauhwitz a. a. O. p. 58. Einen archivalischen Beleg dafür habe
ich nicht gefunden.
— 29 —
gewesen ist. Einige Berechtigung hat nur die Annahme, dass er
zunächst in der alten Königsstadt gewohnt hat, weil er am 7. Ok-
tober 1669 zu St. Marien einen Sohn (MicTiael) hat taufen lassen. ^
1681, also drei Jahre nachdem er seinen Platz auf der Schloss-
freiheit verkauft hat, trägt er sich mit einem neuen Bauplan, und
zwar bittet er den Kurfürsten, ihm „das Aeusserste Thor Hausz
nach dem Friedrichswerder, so vor dem Gertrautschen thor ist",
frei zu überlassen. Das Torhaus sollte nämlich abgebrochen wer-
den, weil die Strasse verlegt Avurde. Falls ihm der Platz frei über-
lassen würde, wollte Döbel gemäss seinem Gesuch ,,ein anständt-
liches gebeüde dahin setzen." Unter dieser besonderen Bedingung
wurde am 15. Januar 1681 dem Gesuch stattgegeben:") Die
Stelle sollte ihm und den Seinen ,,Erb- und eigenthümblich"
gehören und er durfte auch „damit alsz seinem eigenthumb schal-
then und walthen". Aus demselben Dekret ersehen wir ferner,
dass Döbel zugleich um ein Stückchen Land nebenbei, gewisser-
massen zur Abrundung des von ihm gewünschten Besitztums ge-
beten hatte. Mit Bezug darauf heisst es zum Schlüsse des Schrei-
bens: ,,Was den dabey gebethenen platz anbelanget, haben Höchst-
Ermelthe Seine Churfl. Durchl. dero HofF-Baumeistern, Michel
Matthies Schmidten anbefohlen, den orth zu besichtigen, und so
Viele es sich w-ill thuen lassen, ihm davon zum platze anzuweysen."
Ueber den weiteren Verlauf der Angelegenheit kann man nichts
feststellen. Ja, wir wissen nicht einmal, ob Döbel sich nun dort am
Gertrautentor ansässig gemacht hat oder ebenso geschickt, wie
früher, die Klausel verwertete, dass er ,, damit alsz seinem eigen-
thumb schalthen und walthen" dürfe, — und den Platz weiter ver-
kaufte.3)
ij Vgl. Galland, „Der Grosse Kurfürst . ." p. 228.
2) Geh. St. A. Rep. 21 Nr. 191b.
3) Im Kurmärkischen Registraturbuch des Berliner Geh. Staats- Archivs
findet sich noch folgender Hinweis: „Zuraeszung der platze für Döbeln
und Sigismund Ulitsch" 16. Mai (1681). Rep. 21 Nr. 191. — Das betr.
Aktenstück v\ar jedoch nicht auffindbar, so dass nicht einmal er-sichtlich
ist, ob unser Döbel gemeint ist.
— 30 —
In den Jahren 1674 bis etwa 1078 sehen wir Döbel auf der
Höhe seines Schaffens oder richtiger gesagt: in dieser Zeit strahlt
[lim die Sonne der kurfürstlichen Gnade am hellsten. Während
1 V früher nur mit Einzelaufträgen von selten des Kurfürsten be-
dacht wurde, eröffnet sicli ihm jetzt eine umfassendere zusammen-
hängende Tätigkeit, ihm fiel nämlicli ein sehr bedeutender Anteil
an dem architektonischen Ausbau und bildnerischen Schmuck des
kurfürstlichen sog. Lusthauses zu Bornim bei Potsdam zu. Hier-
bei bewährte er sich dann so, dass man ihm in den letzten Jahren
die selbständige Leitung des Baues überliess. Ueber die Ent-
stehung des Lustschlösschens sind wir seit 1912 durch Friedrich
Backschat eingehend unterrichtet.^) Hier sei nur angeführt, was
aus den — teilweise noch — vorhandenen Bauakten betreffs des
Lusthauses zu Bornim über Döbels Tätigkeit daselbst hervorgeht:
Es ist unmöglich, im einzelnen sein Wirken zu verfolgen, weil das
archivalische Material zu lückenhaft ist, wie es denn auch Back-
schat nicht gelungen ist, das Lusthaus in seinem architektonischen
Aufbau und künstlerischem Schmuck vor unseren Augen klar ent-
stehen zu lassen. Selbst wenn' man daran ginge, die Bornimschen
Bauakten noch besser auszunutzen, als Backschat es getan hat,
müsste man letzten Endes doch auf die wenigen erhaltenen Ab-
bildungen und Stiche zurückgehen, um sich ein Bild von dem
Schlössehen machen zu können. Trotz seiner Lücken aber erweist
das Material zur Genüge, welche Rolle Döbel bei dem Bau
gespielt hat, und nach Einsicht der Akten erscheint die Ver-
mutung B ackschats berechtigt, „dass Michael Döbel .... der
Erbauer der ganzen Anlage ist".") Bezeichnend ist schon, dass
seit Oktober 1G74 drei Jahre hindurch immer nur sein Name
auftaucht bei Erörterung von architektonischen Fragen und Bild-
hauerarbeiten: So liest man z. B. in einem Baubericht vom
^) Backschat, Das kurfürstl. Lusthaus Bornim, im 16. Bande des
,,Hohenzollern-Jahrbuches" p. 102 — 127.
-0 a. a. 0. p. 117.
— 31 -
)o.l2S. Oktober 1074 an den Kurfürsten:') Vndt erwartet
n^an E. Cluirll. Durehl. gnädigste resolution, wie der hinterste giebel
verfertiget werden soll, dann Döbel bericlitet, das E. Cliurfl.
Durehl. Ihn aufF holländische arth haben wollen, deszhalber eine
Zeichnung dauvon gemacht, welche vor einiger Zeit Blesendorfen
zugeschicket worden" .... Ferner heisst es gleich im Anschluss
daran: ,,^^'as an .^tein arbeit seith E. Churfl. Durehl. abwesen-
heit gemachet dauon ist D ö b e 1 s aufsatz hiebey gefügt') vndt mit
dem Alphabeth in dem kupferstück des gemelten hauses gezeichnet,
zu anbringung der stueffen undt der vbrigen werckstücken zu den
bildern, wirdt gleich itzo ein Schiff nach Magdeburg abgeschicket,
Doferne Döbel fertig werden kan, sollen die stueffen noch vor
winters geleget vndt die gallere j-en mit den Schwedisclien steinen
oder fliesen gedecket werden, Esz seint schon 400. eilen Schwe-
dische fliesen angeschaffet, vnd erwarten derer noch mehr,
So balt der Bawmeister zu Cüstrin die noch ermangelnde schwarze
dachsteine schicken wirdt, soll das hinterste ende am Lusthause
vollents zugedecket, vndt darauff das grosze gewölbe inwendig ge-
schloszen werden, weillen Döbel die 4. Pfeiller von den werck-
stücken alle fertig gemachet hat." Aus einem anderen Bericht vom
14. April 1675 vernimmt man wiederum: ..dabey hatt Döbel die
Bildthawer arbeit zum theil continuiret undt noch 7. statuainen so
zur gallerie des Bornimbschen Lusthauses gehören, seit unser
letzt überschickten relation verfertiget", und im Verlaufe des-
selben Berichtes an den Kurfürsten: „Bitten also nochmahls gantz
unterthänigst uns mit einer schleunigen gemeszenen Instruction
zu versehen, In specie auch gnädigste ordre zuertheilen, ob D ö -
bell mit der Bildthawer arbeit fortfahren soll, weilln esz sehr
schwer zugehen möchte, zu seiner Zahlung zugelangen." Im No-
vember 1677 ist sodann zweimal die Rede von ,,D ö b e 1 s z leüthen,
1) Die sämtlichen, das Schlösschen Bornim betreffenden Bauakten
liegen im Berliner Geh. Staats-Archiv unter Eep. 21. N. 123.
2) Nach einer Mitteilung des Geh. Staats-Archivs zu Berlin lag dieser
Döbeische Aufsatz nicht mehr den Akten bei.
— 32 —
alsz Bildthauer- und Steinmezer gesellen", welche Lolm erhalten
sollen lind auch wirklich 84 Thaler 3 Groschen bekommen. Zu-
gleich werden „wegen Pirnische Steine Döbeln gezahlet . . .
14 Thaler 20 Grroschen". Ferner heisst es am 4. November 1677:
„Am Lusthause zu Bornimb sind die Beyden Schorsteine richtig,
undt auf den einen Schornstein ist dasz eisern Sprengkwerck mit
dem Churhuth undt Scepter auch aufgesezet, dasz andere Sprengk-
werck hat der Mahler unter bänden und wirdt morgen wan Döbel
von Berlin konibt auch aufgebracht werden." Und schliess-
lich noch im selben Bericht: „An dem Cabineth im lustgarthen
weilen dasz Dach und Sparwerk D ö b e 1 s z Bericht nach ge-
endert werden muss, Kan daran iezo nichts gefertiget werden, son-
dern muss bisz zum Künfftigen Frühejahr in seinem Stande also
verbleiben."
Man sieht, Döbel wusste sich bei dem Bornimschen Bau un-
entbehrlich zu machen, und findet es jetzt erklärlich, wenn es in
dem bereits erwähnten kurfürstlichen Dekret an die preussische
Regierung vom 12. Juni 1676 heisst: ,,Wann Wir dann seiner
(Döbels) noch zur Zeit'h nicht entbehren können, und an seinen
Verrichtungen ein gnädigstes Vergnügen tragen." Jedenfalls ent-
wickelte er eine erstaunliche Vielseitigkeit. Der Entwurf zu dem
ganzen Gebäude scheint freilich von fremder Hand herzurühren.^)
Aber sonst ist Dobel die treibende Kraft bei dem Ganzen, wenig-
stens von der Zeit ab, da sein Name zum ersten Male in den Bau-
akten auftaucht, d. h. seit Oktober 1676, e r, und nicht Blesendorff,
der nominell bis Mitte Juni 1676 die Oberleitung auszuüben hatte.
Wenn wir noch einmal die Hauptpunkte zusammenfassen wollen:
Der Grosse Kurfürst will den Giebel im Osten des Gebäudes, an
der Hinterfront, anders, auf holländische Art nämlich, ausgeführt
haben: Döbel ist gleich informiert, eher als die Herren von Börstel
und Amtsrat Michael Matthiasz — d. h. die beiden Leute, welche
damals über die Fortschritte im Bau ständig an den Kurfürsten zu
berichten hatten. Ein neuer Beweis, dass unser Künstler stets
1) Vgl. auch Backschat a. a. O. p. 117.
— 33 —
eine gewisse Fühlung zu seinem Herrn und Gönner aufrecht zu er-
iialten wusste. Und Döbel zeigt sich während dieser Bautätigkeit
nicht nur vertraut mit den Intentionen des Kurfürsten, sondern er
führt diese Intentionen auch persönlich aus. So zeichnet er z. B.
den neuen Entwurf für den oben genannten Giebel.
Über den Stand der Arbeiten gibt er fachmännischen Auf-
schltiss. welcher dem allgemeiner gehaltenen Bericht der Herren
von Börstel und Michael Matthiasz beigefügt wird.^) Sein Gut-
achten wird bei notwendigen bauliclien Veränderungen eingeholt.
Ausserdem fällt ihm aber auch die Ausführung der archi-
tektonischen und bildnerischen Arbeiten zu. Mit seinen Ge-
sellen und Leuten führt er Arbeiten aussen und innen im Gebäude,
desgleichen an den Galerien aus: Stufen, Pfeiler und Galerien wer-
den speziell angeführt als sein Werk, aber man dürfte nicht fehl-
gehen, wenn man sämtliche Bildhauer- und Steinmetzarbeit ihm
und seinen Gesellen zuschreibt.
Kein Wunder also, dass der Grosse Kiirfürst diesem anstelli-
gen Künstler, der im Grunde bereits die Seele des Unternehmens
war, die Oberleitung über den Bau übertrug, als Blesendorff selbst
ins Feld nach Pommern ziehen musste. Und nicht nur die Ober-
leitung des Baues in Bornim, sondern auch die in Potsdam, ferner
die Aufsicht über bildnerische und architektonische Arbeiten an
der „fortification" und am Schlossbau zu Colin an der Spree und
über die Glashütte zu Drewitz: Wie Döbel allen diesen Anforde-
rungen gerecht wurde, dafür ist kein Zeugnis erhalten. Einzig das
Dekret hat sich gefunden, in dem alle jene Aufträge an Döbel ent-
halten sind; es sei daher vollständig hier mitgeteilt: „Nachdem
Wir Unsern Ober Director aller Fortificationen und bauen Blesen-
dorff alsz General Quartiermeister Lieutenant in Uuserm Kriegs-
dienste zu gebrauchen haben und denselben mit unsz ins Feldt zu
gehen beordert und daher nöhtig ist, Jemandem aufFzutragen, der
inmittelst und in abwesenheit dessen zu Potztam und Bornim auf
1) Vjl;L den oben erwähnten leider verlorenen Aufsatz Döbels.
3
— 34 —
den bau achtung geben; Alsz haben Wir dir^) solches auftragen
wollen und befehlen Dir hiemit gnädigst, nach der von Gedachtem
Blesendorff dir gegebenen Instruction und andeutung auf den baw
an beyden örtern gute Aufsicht zu haben, alles derselben gemaesz
lleissig und wohl verfertigen zu lassen auch zum öfftern unter-
thänigst zu berichten, welcher gestalt und wie weit die arbeit fort-
gesetzet und da etwas nöhtig, od (er) mangel vorfället mit dem
Ambtschreiber zu communiciereu und nebst demselben davon
bericht zu überschreiben. Gestalt er dann auch acht haben sol
dasz die neue Pforte an der fortification alliier vom Hoff Steinmetzer
recht und nach gegebenen leisten und zierrathen gemachet werde
wie denn auch am Schloszbaw, wo es nöhtig seyn wird, A-^orsorge
zu tragen und aufs neue Stockwerck bey der Waschbank dahin zu
sehen hat, dass die Stockwercker gleich dem, da Unsere Hertz-
geliebte Gemahlin logirt, gleich hoch aufgeführet und mit eben
dergleichen Fensterzargen versehen werden und in allem einerley
zierrath haben möge; Ingleichen solstu auch bisweilen auff die
Glasehütte nach Drewitz reisen und was du etwa zu aufnehmen der-
selben gut findest, mit oberwehntem Unsern ambtschreiber über-
legen, den Tafel Ofen, auf die art, wie dir schon angedeutet, ver-
endern und gute Strenk Steine von Thon darein machen lassen.
Und damit du solche Reisen iedes mahls verrichten kanst. So hastu
wegen der fuhr bey gehenden Pasz zu empfangen."
Seyndt etc.
Geben Cöln etc. den 14ten Juny 1G76.")
Eine Menge Aufgaben verschiedenster Art harrten also Dö-
bels, als er Blesendorffs Vertretung übernahm; nicht aufgezählt ist
aber unter ihnen die Aufsicht über die nach Backschat^) ,,in der
^) Wie bereits Galland, „HohenzoUern und Oranien" p. 240 bemerkt,
gebraucht Blesendorff in seinem Entwurf zu diesem kurf. Dekret wieder-
holt die Anrede „Er", während der Grosse Kurfürst daraus „Du" machte.
-) Schon erwähnt bei Galland, „Der Grosse Kurfürst . . ." p. 229
und „HohenzoUern und Oranien" p. 2J0.
3) a. a. O. p. 118.
— 35 —
zeitgenössischen Literatur so bewunderten Grotten und Wasser-
künste, für welche Springquellen am Xordabhange des Weinberges
(Zacheisberge) das Wasser lieferten". Es handelte sich um eine
Fontäne, die man in den 70er Jahren erneut herzustellen versuchte.
1677 Hess Döbel in dem grossen Gang im Garten bei dem „weichen
Wetter" (Mitte November)^) Röhren legen, so „weit zum künftigen
anderweitigen waszerwerg solche zureichen wollen". „Die Wasser-
künste und Grotten", so schreibt Backscbat, „müssen ziemlich zahl-
reich gewesen sein, denn es war für sie ein besonderer Grottmeister
angestellt, welcher zu des Grossen Kurfürsten Zeiten anfänglich
200 Taler erhielt. Später wurden noch 100 Taler aus den Pots-
damer Baugeldern zu seiner Besoldung dazugelegt."
Wie Döbel in diesem Falle als Wasserbautechniker sich be-
tätigt hat, so dürfen wir auch annehmen, dass er in gleicher Weise
den anderen oben genannten Aufgaben sämtlich gerecht zu werden
sich bemüht hat und nicht etwa dieses ihm übertragene Amt ebenso
leicht nahm, wie den Königsberger Baumeisterdienst.
Im Verlaufe seiner Bautätigkeit zu Potsdam und Bornim er-
hielt Döbel übrigens auf seine Bitte eine Gehaltszulage. Das er-
weist ein kurfürstliches Dekret vom 6. Mai 1676:"-) „S. Churfl.
Durchl. . . . haben diesem gehorsambsten suchen in gnaden de-
feriret. und Supplikanten an stath der 2 Rthl. Kopf-Geld, so Er
ausz den Potstamschen Bau-Geldern haben sollen, wöchentlich drey
Rthlr. Kopfgeld ausz den Hoifstathes-Geldern zu erheben gnädigst
zugeleget: Befehlen demnach dero p. Michel Matthias hiemit in
gnaden, sich darnach zu achten, und demselben solche drey Rthlr.
Kopfgeld ausz den Hofstathes-Geldern ä dato an wöchentlich ausz-
zuzahlen."
Dass Döbel damals viele kurfürstliche Aufträge zu bewälti-
gen hatte und wahrscheinlich infolge seiner guten Leistungen sich
des besonderen Wohlwollens seines Herrn erfreute, bezeugt
1) Ich zitiere hier ganz nach Backschat, weil ich das betreffende
Aktenstück von Mitte November 1677 nicht eingesehen habe.
2^ Charlottenburger Haus-Archiv, XX = Geh. St. A. Rep. 9. E. n. 13.
3*
— 36 —
schliesslich auch jenes schon Nicolai, zum mindesten dem Inhalte
nach, bekannte Reskript vom 29. Juni 1674, wonach ihm das Recht
zugestanden wurde, nötigenfalls zur Ausführung kurfürstlicher
ArlDciten Gesellen aus fremden Werkstätten in Anspruch nehmen
zu dürfen. Gewiss eine seltene Bevorzugung, zumal in jenen Zei-
ten der Zunftbeschränkungen. ■^)
Das denkwürdige Reskript sei hier wiedergegeben.^)
,, Demnach S.er Churfl. Durchl. zu Brandenburg etc. Dero
Bildhauer Michel Döbeler unterthänigst zu vernehmen gegeben,'^)
was gestalt theils gesellen sich sehr übel anlieszen^) u. wans ihnen
gefiehle aus der churfl. arbeit zu andern Meistern alhier in arbeit
träten, dahero, u. damit S.er Churfl. Durchl. arbeit nicht Verhindert
und liegen bleiben müsste, er unterthänigst gebeten, in gnaden zu
verordnen, dass wie es an anderen Orten gebreuchlich, an des Lan-
desherrn arbeit die gesellen auch wol gar die Meistern mit arbeiten
helffen müssten, also ihm auch hierunter an Hand gegangen wer-
^) Vgl. Simon und \. Czihak, Königsberger Stuckdecken p. 10. Zwei
ähnliche Fälle fand ich gelegentlich unter Archivakten: 1) als im Jahre
1678 dem Kurfürsten zur Feier der Heimkehr aus siegreichem Feldzuge
in Berlin eine Ehrenpforte errichtet werden soll, müssen dem Herrn
Martitius „Künstler und Handwerker so nötig" beim raschen Aufbau der
Pforte zur Hand gehen (Geh. St. A. Rep. 21. N. 2'ib.) 2) mussten „die
Herren Hof- und Academiemaler . . . dem Herrn Schlüter zu Handgehen
bei den Plafondarbeiten im kgl. Schloss" — als er diese während der
Krönvingsreise Friedrichs I. nach Königsberg möglichst beschleunigen soll.
Charl. Haus-Archiv, Rep. 14. F., 11. Dezember 1700 und 7. Februar 1701.
2) Vgl. Geh. St. A. 9. E. 16.
3) Das zugrunde liegende Supplikat Döbels ist auch erhalten (Geh.
St. A. 9. E. 16.); die wesentlichen Punkte werden jedoch in dem Erlass
M'iederholt.
4) Die Hofkünstler haben damals anscheinend oft Är^er an ihren
Gesellen erleben müssen. In der Bestallungsurkunde des Johann van der
Ley (Colin a. d. Spree 29. Januar 165Si heisst es ausdrücklich: „ . . . wie
denn Höchstermelter S. Ch. D, Befehl hiemit an dieselben gesellen ergehet,
das sie Ihine Johann van der Ley als Ihrem Meister unwidersprechlich
pariren undt folgen, Die es aber nicht zu thun gesinnen, die Churf. Arbeit
meiden sollen . . . ." Vgl. Galland, „Der Grosse Kurfürst". . . p. 23!.
— 37 —
den müsste. Solchem nach Verstattung S.er Churfl. Durchl. dass
dero Bildhauer, Döbeler, so offt es nötig sejm wird, hiesige Bild-
hauer gesellen zur Hilffe hinwegzunehmen und zu der Churfl. Herr-
schafft arbeit gegen das gewöhnliche Lohn zu gebrauchen befugt
seyn solle, Gestalt Sie dan denen Magistraten u. Gerichten dero
hiesigen Residentz Stätte hiermit gnädigst befehlen, mehr besagten
Döbeler hierbey gebürend zu schützen."
Noch in anderer Hinsicht ist dieses Dekret charakteristisch,
noch von einer anderen Seite zeigt es den Meister Döbel: es muss
nämlich unser Befremden erregen, wenn er in dem vorhergehenden
Supplikat hervorhebt, ..Gestalt Ihre Churfürstliche Durchleucbtig-
keit ein höhers zum wochenlohn geben als andere" — und trotz-
dem sich beklagen muss, „welcher gestalt theils gesellen, sich sehr
schlimm anlassen und wanns Ihnen gefällt aus Ihrer Churfürst-
lichen Durchläucbtigkeit arbeit zu andern Meistern alliier in arbeit
treten".
Zwei Möglichkeiten gibt es: entweder war der kurfürst-
liche Dienst für die Bildhauergesellen doch nicht so vorteilhaft
und lohnend, wie Döbel es hinstellt, oder — es lag an dem Meister
selbst: er mag seine Leute über Gebühr zur Arbeit herangezogen,
wenn nicht gar ausgenutzt haben, oder sich sonstwie als unbe-
quemen, unangenehmen Vorgesetzten gezeigt haben. Man müsste
die Sache dahingestellt sein lassen, wenn nicht gelegentliche archi-
valische Belegstellen für die zweite Vermutung sprächen. Sie
setzen uns nämlich davon in Kenntnis, dass Döbel wiederholt in
Streitsachen gegen Untergebene und Kollegen verwickelt wurde,
bei denen er nicht gerade in günstigem Lichte erscheint.
Den ersten dieser Prozesse führt er gegen seinen Gesellen
Jacob Jacobsen von der Bruch. Ein Dekret vom. 14. Juni 1674^ —
also 14 Tage, bevor jene denkwürdige Verfügung betreffs der Ge-
sellenarbeit erlassen wurde — besagt, dass der erwähnte Geselle in
Haft genommen ist, weil er Döbel in gröblicher Weise beleidigt
und bedroht habe. V. d. Bruch soll deswegen durch den Hausvogt
1) Geh. St. A. Rep. 9. D. 4. c.
— 38 -
bestraft werden oder wenigstens ,,satisfaction tun". Ob Döbel
seinem Gesellen irgendwie Anlass zu der ,,ihm zugefügten harten
Beschimpfung" gegeben hat, wird nicht gesagt. Aber so ganz ein-
wandfrei scheint des Meisters Verhalten auch nicht gewesen zu
sein, weil bereits 5 Tage später als Antwort auf ein supplicatum des
inhaftierten Gesellen ein neuerliches Dekret an den Hausvogt\)
ergeht, den von der Bruch gegen Stellung einer Kaution von
200 Talern aus der Haft zu entlassen und ,,daruff ihn mit seiner
nothurfft zu hören" sowie einen Bericht darüber einzusenden. Wie
die streitige Sache auslief, erfahren wir nicht. Wir dürfen jedoch
annehmen — wie schon erwähnt wurde — dass Döbel den Auftritt
mit seinem Gesellen selbst verschuldet hat, weil auch einen ganzen
Monat später die anfangs so energisch geforderte Bestrafung v. d.
Bruchs nicht erfolgt ist. Jedoch der Meister beruhigt sich nicht,
sondern bittet in einem Supplikat wieder um Genugtuung und er-
reicht wenigstens, dass in einem Dekret vom 14. Juli') die Herren
,,Grumbkaw, D. Mieg und der Hausvogt Sperkhan" aufgefordert
werden, noch einmal die Sache zu untersuchen: „Wir committiren
euch darauf gdst., die parten förderlichst vor euch zu bescheiden,
die Sache zu hören und darinnen der Billigkeit nach zu verabschei-
den, unsz auch davon Unsere relation abzustatten."
Weitere Nachrichten in dieser Sache fehlen. Ein ungünsti-
ges Licht wirft folgendes Dekret vom 4. Oktober 1682^) auf den
Meister: ,,S. Churfl. Durchl. zu Brandenburg etc. befehlen hieruff
dem beklagten Döbeln in gnaden und alles ernstes den Supplicanteu
(nämlich den Sttickateur Anthon Bellon) an seiner reise Keines-
wegs zu hindern, Wegen deszelben Sohnes aber und wasz es damit
für eine Bewandnisz habe, zu fernerer Verordnung eliists zu Be-
richten."
1) Geh. St. A. 9. E. 16. — Bereits wiedergegebea bei Galland, „Der
Grosse Kurfürst . . . ." p. 229, freilich in etwas vom archivalischen Texte
abweichendem Wortlaut. Weswegen v. d. Bruch verhaftet wurde, gibt
Galland nicht an, weil ihm das Dekret vom 14. Juni nicht bekannt ist.
2) Geh. St. A. Rep. 9. E. 16. — Vgl. Galland, a. a. O. p. 228 f.
3) Geh. St. A. Rep. 9. E. 10. — Abgedr. bei Galland a. a. O. p. 232 f.
— 39 —
Xocli iu einer anderen Sache war sein Verhalten zu tadeln:
in einem Dekret vom 29. 11. 1687^) wurden nämlich der Oberjäger-
meister von Lüderitz und der Oberingenieur Nering aufgefordert,
..mit Zu Ziehung des Bildhauers von Amsterdam Eggers zu unter-
suchen, ob er Debel dessen geständig, so er Supplicanten (nämlich
den Bildhauer Jeremias Süssmer) beschuldiget und wieder seine
gesellen gesprochen".
Schon aus diesen knappen Hinweisen kann man ersehen, dass
Döbel nicht gerade ein bequemer Meister und Vorgesetzter ge-
wesen ist, sondern bisweilen rigoros vorgehen konnte, wahrschein-
lich, um den persönlichen Vorteil besser wahrzunehmen.
Freilich muss man mit den damaligen Zeitumständen rech-
nen, wenn man solche Vorfälle gerecht beurteilen will. Man muss
in Erwägung ziehen, dass eine grosse Menge ausländischer und ein-
heimischer Künstler, auch ohne besondere Einladung des Kur-
fürsten, nach Berlin strebten, alle natürlich in der Hoffnung, gut
zu verdienen und, wenn möglich, des Kurfürsten Aufmerksamkeit
zu erregen. Xun wurden aber die versprochenen Gehälter und Ent-
schädigungen durchaus nicht so prompt ausgezahlt wegen der da-
maligen Geldnöte und vielfach drohenden Kriegsgefahren.") Die
grossen und die kleinen Künstler konnten oft nur sehr schwer be-
friedigt werden, und da nimmt es denn kein Wunder, wenn die
Gesellen widerspenstig und die Meister wiederum nervös wurden.
Erwägt man daneben, dass dazumal in allen Betrieben der
Brotneid und damit natürlich die üblichen Verleumdungen und
Zänkereien viel elementarer und uuverhüllter als heutzutage zum
Ausdruck kamen, dass Intriguen und Günstlingswirtschaft bis in
die höchsten Kreise hinein herrschten,^) dann kommt man von
1) Geh. St. A. Rep. 9. E. 16. — Text schon bei Galland a. a. 0.
p. 234. Vgl. auch Galland, Rep. f. Kunst\viss. 1891, p. 95. — Das Dekret
wird aucli erwähnt bei D. Joseph, Forschungen zur Geschichte von Künstlern
des Grossen Kurfürsten, 1896 p. 4ri.
2) Vgl. p. 24, Anm. 2.
3) Vgl. König, Versuch einer Schilderung Berlins, Teil II, 1793 p. 439.
— 40 —
selbst zu einer anderen Beurteilung solcher Streitfälle. Michael
Döbel braucht durchaus nicht als ein aussergewöhnlich unverträg-
licher Mensch angesehen zu werden. Er war vielmehr ein Kind
seiner Zeit, er musste sich seiner Haut wehren und in der damals
üblichen Weise um seine Stellung kämpfen.
Mit diesen allgemeinen Feststellungen müssen wir uns be-
gnügen; im einzelnen Recht und Unrecht abzuwägen ist unmög-
lich, weil das archivalische Material nicht hinreicht.
Einige weitere Streitfälle, in die Döbel verwickelt war, seien
hier der Vollständigkeit halber erwähnt.
Ganz unklar ist der Gregenstand der Untersuchung in den fol-
genden beiden Dekreten: Ende des Jahres 1686 schwebt eine Sache
zwischen dem ,,preussischen Baumeister Michel Döbeln und dem
Marmorier Raming nebst des Planteurs zu Bornim Praeceptoren".
Die ,,Justitzfakultät zu Frankfurt" wird am 2. November ersucht,
ihr Gutachten abzugeben, weil „diesz Verbrechen nach Verdienst
bestraffet" werden soll.^)
Und in einem Dekret vom i August ^^Q^'-") i?Seine Churf.
Durchl. . . . befehlen dero Bildhauer Döbeln hiermit in gn(a)d(en),
Von dieser Sachen wahren beschaffenheit seinen unterthänigsten
bericht zu ferner Verordnung abzustatten, auch dieses Supplicat
(von dem sich beklagenden Christian Cronen) zugleich wieder mit
einzusenden."
Um Geldsachen handelt es sich zweimal: 1668 beanspruchte
Döbel von einem gewissen Morisseau 100 Taler, anscheinend mit
Recht, denn dieser musste die Summe, bevor er eine Reise antrat,
in der Hausvogtei deponieren, und Döbel durfte sie zufolge eines
Dekrets vom 25. Juli 1668^) abheben. Jedoch endgültig war die
1) Geh. St. A. Rep. 9. D. 4c.
2) Geh. St. A. Rep. 9. E. 16. — Abgedr. bereits bei Galland, „Der
Grosse Kurfürst . . ." p. 229, mit etwas anderem Wortlaut. Joh. Christoph
Döbel kann nicht gemeint sein - wie Galland es dahinstellt — weil er
damals noch in Königsberg beschäftigt war. Vgl. darüber unten p. 52.
3) Geh. St. A. Rep. 9. D. n. 4.
— 41 —
Sache noch nicht entschieden, weil Döbel vor Auszahlung der
100 Taler Kaution stellen musste. Man rechnete damit, dass
Morisseau nach seiner Rückkehr gegen Döbel einen Prozess an-
strengen würde und möglichenfalls gewinnen könnte.
Im Jahre 1698 klagte Döbel eine Wechselforderung von
1000 Talern gegen den Apotheker Gerhard Vermehrer zu Colin
a. d. Spree ein. Durch vier kurfürstliche Dekrete^) an den Ma-
gistrat zu Colin werden wir einigermassen über die Sachlage orien-
tiert:
Vermehrer war in Geldschwierigkeiten und kam in einem
Supplikat an den Kurfürsten um Gewährung eines Moratoriums
ein. Auf eine kurfürstliche Anfrage vom 15. März 1698 inbetretf
des „Kreditwesens" Vermehrers erhielt man ungünstige Auskunft,
so dass am 29. März verfügt wurde, das Moratorium sei — „zu-
mahlen wider wechsell-Briefe" — nicht zu gewähren. Döbel über-
sah wahrscheinlich die Sachlage und wandte sich in zwei Bitt-
schreiben an den Kurfürsten Friedrich III., ihm zu der ausstehen-
den Wechselforderung von 1000 Talern zu verhelfen, iim 29. Mai
und 8. Juni des Jahres ergehen dann auch zwei Dekrete an den
CöUner Magistrat, dem Supplikanten Döbel ,,nach Anweisung des
Wechsellrechts zu seiner Befriedigung zu verhelffen".")
1) Sämtlich im Geh. St A. Rep. 9. C. 6.
2) Ausser dem Zusammenhange seien liier noch zwei Kriminalsachen
beigefügt, in die Döbel hineingezogen wurde: Im März 1690 wendet er
sich in einer Diebstahlssache an den Kurftirsten Friedrich III. Er führt
„wegen Verschiedener Ihm entwendeter Sachen Klage" und erreicht es, dass
gemäss kurfürstl. Dekrets vom 26. März des Jahres (Charl. Haus-Arch.
Rep. XX. = Geh. St. A. 9. E. 16) der Hausvogt Conicerus und der adiunctus
fisci Duhram beordert werden, in der Wohnung des Supplikanten die
Sache zu untersuchen und „unterthänigsten Bericht abzustatten." — Im
Kurmärkischen Registraturbuch des Geh. St. A. Berlin findet sich aus
dem Jahre 1685 folgender Passus : „Mich. : Döbels Lehriung, Hansz
Christoff Krausen Schandthat in pö. stupri violenti." Rep. 49. 9. Vol. A.
23. — Das Aktenstück selbst ist nicht vorhanden; wahrscheinlich ist es
kassiert worden.
— 42 —
Über seine künstlerische Tätigkeit nach Vollendung des
Bornimschen Baues gibt es nur ganz wenige archivalische Nach-
richten: Am 22. November des Jahres 1678 wurden ihm ,,zu
fortsetzung seiner arbeit" an einer Ehrenpforte in Berlin 10 Tal er
ausgezahlt.^) Nachdem der Grosse Kurfürst erfolgreich in Pom-
mern gekämpft hatte, regte nämlich Schwerin am 28. Oktober des
erwähnten Jahres von Landsberg aus") bei den Berliner kurfürst-
lichen Geheimräten an, dem Herrscher zur Feier seiner Rückkehr
aus dem Feldzuge eine Ehrenpforte zu errichten, wie es bereits
im Vorjahre nach der Eroberung Stettins geschehen sei. Man griff
den Gedanken auf und der kurfürstl. Rat Martitz wurde, wie schon
im A^orjahre, so auch diesmal, mit der Ausführung des Planes
h-eauftragt.^) Die Kosten sollten von den kurfürstlichen Bedien-
ten und Eximierten aufgebracht werden, das Material wurde von
der Amtskammer geliefert und die kurfürstl. Künstlei* und Hand-
werker wurden angehalten, dem Bauleiter Martitz zur Hand zu
gehen. Döbel gehörte sowohl zu den mitwirkenden Künstlern als
auch zu den beisteuernden Eximierten, und zwar entfiel auf ihn
hierbei eine Quote von 2 Talern.-^)
Nähere Angaben über die Bauart der Pforte fehlen. Es sei
nur noch erwähnt, dass die Ehrenpforte 1679 auf allerhöchsten Be-
fehl abgebrochen werden musste, weil man sie in Bürgerkreisen als
Verkehrshindernis empfand.^)
Im November 1678 — als ihm die 10 Taler für
seine Tätigkeit an der Ehrenpforte zugeschrieben wurden,
wird Döbel als ,,preusz. Land- und Baumeister" angeführt.
Wie stand es nun mit seiner preussischen Baumeisterlaufbahn? —
Die direkten archivalischen Nachrichten darüber brechen mit dem
1) Geh. St. A. Rep. 21. n. 2-4b. (Aktenstück über Ehrenpforte) p. 17. —
Auf Döbels Beteiligung am Ausbau dieser Ehrenpforte hat mich Herr
Prof. Dr. Galland, der inzwischen verstorben ist, aufmerksam gemacht.
-) ebenda p. 2.
3) ebenda p. 4.
*) ebenda p. 27.
6) Geh. St. A. Rep. 21. n. 24b.
— 43 —
Jahre 1076 plötzlich ab — wenigstens soweit es mir bekannt ge-
worden ist.^) Jedoch es gibt untrügliche Belege dafür, dass dem
Künstler Titel und Einkommen eines preussischen Baumeisters bis
zu seinem Tode, also bis zum Jahre 1702 verblieben. Denn noch
am 2. Xovember 1686") in einem kurfürstl. Dekret wird er als
„Unser Preusz. Baumeister" bezeichnet und auch ein Jahr vor
seinem Tode ist ganz offiziell die Rede von ,,Joh. Michel Döbelin
als Unserm Königl. Preuszischen Landbaumeister u. Hoffbild-
hauern".^) Seinem Bruder Johann Christoph war das preussische
Baumeisteramt nur vertretungsweise „bisz zu seiner (Michaels)
uiederkunft" übertragen worden.^) Ausser zum preussischen Bau-
meister war Döbel übrigens im Laufe der Jahre auch zum Hofbild-
hauer ernannt worden,^) und in diesem Amte wurde er auch von
dem neuen Kurfürsten im Jahre 1689 bestätigt. lieber eineinhalb
Jahre verflossen jedoch nach dem Tode des Grossen Kurfürsten bis
dessen Nachfolger ,,den gewesenen Hoffbildhauer Michel Döbeln"
als solchen in seine Dienste übernahm.
In der neuen Bestalluugsurkunde^) wird von dem Künstler
verlangt, dass er ,, alles was Sie (= Seine kurfürstl. Durchl.) ihn an
Bildhauer-arbeit zu verfertigen anbefehlen werden, auf das aller-
fleissigste und nach seiner besten wiszenschaft und Kunst sauber,
1) Vgl. p. 23.
2) Geh. St. A. Rep. 9. D. 4c.
3) Rep. 9. E. E. 16.
*) Vgl. p 21.
5) Die Bestallungsurkunde scheint nicht erhalten zu sein, jedenfalls
unterzeichnet sich Döbel in einem Supplikat an den Grossen Kurfürsten
von Mitte Juni 1674 (vgl. Seite 36, Anm. 3) = Michael Däbeler Hoff-
bildhauer. Vgl. auch Geh. St. A. Rep. 7 n. 10b. Das Drekret vom
12. Juni 1676.
6) Charl. Haus-Arch. Rep. XX (= Geh. St. A. Rep. 9. E. 16). Zu-
erst erwähnt bei Dohme, Kgl. Schloss Berlin, 1876, p 19, dann auch bei
Galland, „Der Grosse Kurfürst . . ." p. 228 (jedoch irrtümlich als vom
2. Oktober 1689 datiert) und bei Simon — v. Czihak, Kbg. Stuckdecken,
1899, p. 10. — Eine neue Bestallungsurkunde des Künstlers zum preuss.
Baumeister habe ich nicht ermitteln können.
— 44 —
und zierlich sobald als möglich verfertigen solle, welche seine
arbeit Sie ihm allemahl nach billigmässig preisz bezahlen laszen,
auch über das nebst der freien Wohnung noch jährlich zwey-
liundert Rth. von dero p. Oberlicent zahlen laszen wollen, maszen
Sie demselben hirmit gnädigst befehlen, ihm solche 200 Thaler^)
quartaliter mit 50 Thalern gegen quittung zu bezahlen, und damitt
den anfang von Trinitatis bisz Crucis 1688 zu machen. Jedoch
dasz er zuvor die Verordneten marine-Gelder") desfals erlege.
Urkundl. Colin 2. Dec. 1689."
Im Verhältnis zu anderen Künstlern am brandenburgischen
Hofe und insbesondere den holländischen erhielt Döbel gerade
nicht viel Gehalt. Doch durch seine rege Tätigkeit verstand er es,
wie wir noch erfahren werden, eine ganze Menge Geld nebenher zu
verdienen. So erhielt er bereits kurz nach seiner neuen Bestallung
.,vor verfertigthe Arbeit an seiner Churfl. Durchl, neuen Cohr, in
dem Duhm, besage verordtnung, vom 20. Decembr: 1689'^) 245
R,eichsthaler".
Im Anschluss an die erwähnte Arbeit am neuen Domchor fiel
ihm sodann die Aufgabe zu, eine neue Domkanzel zu bauen. Durch
irgendwelche Zwischenfälle verzögerte sich diese Arbeit bis in den
Mai des Jahres 1690 hinein, und das wäre für den Künstler
beinahe verhängnisvoll geworden. Denn der Kurfürst ist
über die Verzögerung höchst ungehalten und lässt am -^ Mai
1690 von Königsberg aus an den ,, Stadthalter" und die Räte zu
1) Nach Einführung der Accise war bei allen Bestallungen das
Naturaldeputat abgeschafft worden. Galland, „Der Grosse Kurfürst ..."
p. 196 Anm. 3.
2) Die sog. Marinegelder musste ein jeder, der eine kurfürstl. Be-
gnadigung, Bestallung etc. erhielt, seit 1686 entrichten. Das Edikt darüber
soll nach Ausweis des kurmärkischen Registraturbuches im Geh. St. A.
unter Rep. 9. C. n. 1. liegen. Döbel hatte für 200 Rthlr. ganze 21 Taler
zu entrichten, und zwar tat er es bereits am 11. Dezember 16S9 (vgl.
Charl. Haus-Arch. Rep. XX j.
3) Geh. Arch. d. Kriegsministeriums, General-Militär-Kasse 71, 1, p.
218; erwähnt bei Joseph, a. a. 0. p. 44.
— 45 —
Berlin schreiben.^) er vernehme ,,mit sonderbahrem misfallen, dass
an der Neuen Cantzell, so aldort im Thumb (Dom) gesetzet werden
soll, (am Rande: ..von dem Bildhauer Döbeln") bisher sehr wenig
gearbeitet worden, Esz haben auch solchem nach Ew. Ld.
{= Liebden) und Ihr ged**"" Döbel vorzu fordern, Ihm diese seine
Xachlässigkeit scharf zu verweisen, und ihm danebst bej' Verlust
seines Dienstes, und anderer exemplarischen BestrafFung anzu-
befehlen, dass er die arbeit in gedachter Cantzell aller möglichkeit
nach beschleunigen, und dieselbe aufs förderlichste zur perfection
bringen solle, maszen wir dan bey Unserer ankunfFt aldort deshalb
genaue Xachfrag thun. und dem Befinden nach solche Verfügung
machen wurden, dass er diese seine fahrläszigkeit wurde zu be-
reuen haben." Döbel wurde dementsprechend in Berlin vermahnt;
er entschuldigte sich umgehend, suchte die Verzögerung zu be-
gründen und damit hatte die Sache wohl ihr Bewenden.
Weitere archivalische Nachrichten über sein Wirken sind
mir nicht bekannt. ") Xur soviel steht fest, wenn wir den Angaben
seiner beiden Kinder erster Ehe^) und der Pastoren folgen wollen,
welche ihm Leichenpredigt und Abdankungs- und Trostpredigt
hielten,"*) — dass Döbel bis an sein Lebensende eine umfangreiche
und einbringende Tätigkeit entfaltete. „Nach einer bemüheten
Jugend war er arbeitssam bis in sein hohes Alter. Man wird ihm
1) Geh. St. A. Eep. 2. n. 2-1.
-) Urkundlich scheint allerdings noch überliefert zu sein, dass
Diibel mit dem kurfürstlichen Baumeister und Hofbildliauer Dieussart, mit
einem Quellinus und anderen Künstlern zusammen an der inneren Ein-
richtung und Ausschmückung des königl. Stadtschlosses zu Potsdam ge-
arbeitet hat (vgl. V. Engelcken, im 9. Jahrg. d. „Bär" p. 103 1. Engelcken
spricht von ,.höchst dürftigen Nachrichten" die darüber erhalten seien,
gibt aber die Quelle nicht an.
3) In ihrem Bittgesuch vom 19. Okt. ITüi an den König, (Charl.
Haus-Arch. Rep. XL = Geh. St. A. 9. E. 16).
^) Vgl. Seite 5, Anm. 1. Die beiden Gedächtnisreden sind übrigens
auch bei Müller-Küster „Altes u. Neues Berlin" \1'41, im ersten Teile
p 180 u. 188 unter den hinterlassenen Schriften der beichn I'rediger an-
geführt.
— 46 —
wol wenig müssig oder den Ergetzungen nachgehen gesehen haben.
A'^ielmehr war seine ordentliche Beschaff tigung zugleich seine Lust
und ergetzte er sich darin wann er etwas sinnreiches zur Ehre
seiner Kunst zum Vergnügen seines allergnädigsten Herrn, auch
sonst zum Dienst seines Nechsten erfunden und ausgearbeitet
hatte."^)
Als Architekt scheint er in Berlin grossen Ruf besessen zu
haben; so heisst es z. B. in der Leichenpredigt (p. 5): „Manchen
schönen Riss (hat er) verfertiget, manche bequeme Wohnung an-
gegeben, manch prächtiges Gebäu aufgeführet", und in der Ab-
dankungsrede wiederum (p. 31) wird gesprochen von ,, künstlich
angeordneten Gehauen und Kunstreichen Bildnissen", die man täg-
lich bewundern könne. Man erfährt von ,,viehlfeltigen Bezahlun-
gen Vor Kostbahre Arbeit So wohl hier in Berlin zu, Borne Caput
und andere Königl. Heuser". Mit vielen Gesellen habe er gear-
beitet, und zwar nicht nur für die allerhöchsten Herrschaften, son-
dern auch für ,, andere Vornehme Grawen und Herrn". ,, Bezah-
lung und Bestallungen (seien ihm) Bald ausz der Rentey Bald ausz
der Baue Casse Bald ausz der Krieges Casse und Schartol gelder
gezahlet worden."") So erscheint es glaublich, wenn die erwähnten
Kinder aus seiner ersten Ehe behaupten, dasis ihr Vater „bey ab-
sterben Unser Seel. Mutter (vor 1678) bisz Absterben seiner ein
Ver Miigener Mann gewehsen So viel Menschen so zu der Zeit mit
Ihm umb gegangen erkennen müszen."^)
Wie schon nebenher erwähnt ist, war Michael Döbel zweimal
verheiratet, nämlich zuerst mit Anna Maria Villers, seit 1665. Sie
1) Vgf. Jablonski, a. a. O. p. 25.
2) Bittschrift vom 19. 10. 1703 (Charl. Haus-Arch. Rep. XI).
3) Unter diesen Umständen konnte er leichthin jenem Apotheker
Vermehrer ein Darlehen von 1000 Talern geben. Vgl. oben p. 41. —
Auch der Schlesier Gottfried Bartsch, seit 1674 Hofkupferstecher (vgl.
Nicolai a. a. O. p. 42), welcher nach Galland nur ein „mittelmässiger
Kupferstecher" gewesen ist, soll, als er 1686 aus dem kurfürstl. Dienst
trat, dank seiner künstlerischen Fruchtbarkeit ein Vermögen besessen
haben. Vgl. Galland, „Der Grosse Kurfürst ..." p. 227 f.
— 4:1 —
starb in den 70er Jahren, nachdem sie ihm 5 Söhne und 2 Töchter
geschenkt hatte.^) Am 18. Xovember 1678 vermählte er sich dann
mit der jüngsten Tochter des ,,Churfl. Brandenburgischen Ge-
heimbten Cantzelej'-Secretarii" Gabriel Colombel (Coulombeil),
namens Anna.") Ein Sohn und zwei Töchter entstammten dieser
Ehe, nämlich Justus David, Anna Charlotte und Eleonora Louisa.'')
Justus David gewinnt für uns greifbare Gestalt durch einige archi-
valische Nachrichten: einmal weist der alte Döbel in einem Suppli-
kat vom 9. Juli 1696"^) an den Kurfürsten darauf hin, dass sein
..Jüngster Sohn bisz dato zur Schulen .... in seinen studiis der-
gestald provicirt" habe, dass er „ihn auf zu rathen seiner praecep-
torum auxiliante Deo bald nacher Franckfurt seine studia zu pro-
seqviren senden wolte". Schon am 20. Juni") des Jahres und
früher war er au zuständiger Stelle (bei zwei Exzellenzen) um
Freitisch und Stipendium für seinen Sohn eingekommen, jetzt
wendet er sich mit derselben Bitte an den Kurfürsten Friedrich IIT.
(,.. . . mir alsz Dero alten Diener die hohe Gnade zu erw^eisen . . .'")
und versichert dabei: ..es wird mein Sohn seine studia mit solcher
gebührenden diligence abwarten, damit er dermahl eins dieser
hohen Gnade halber Ew. Churf. Durchl. ein qualificirtes Subjectum
wird darstellen köuen." Darauf wird ihm noch an demselben Tage
der kurze Bescheid, dass das in Betracht kommende Stipendium
noch nicht vakant sei. und er wird auf den 6. Februar des kom-
^) Nur zwei von diesen Kindern überlebten den Vater: Philipp
Gottlieb und Eva Maria, die Frau des Hof-Tapezierers (oder wie sie selbst
in dem erwähnten Bittgesuch vom 19. Okt. 1703 schreibt: „Königl. Bett-
meisters zu Potstam") Anton Biet.
2) Jablonski a. a. O. p. 5. und Töpken a. a. O. p. 33. Galland, „Der
Grosse Kurfürst . . ." p. 228 schreibt fälschlich Anna Gabriela, und mit
ihm auch Backschat, a. a O. p. 118. Der Vorname des Vaters Colombel
hat vermutlich diesen Irrtum veranlasst. — Aus erster Ehe stammten ferner
zwei Töchter und nicht drei, wie Galland und Backschat meinen.
3) Töpken, a. a. O. p. 33.
*) Geh. St. A. Rep. 51. Xr. 53. p. 4 (Duplikate
5) Ebenda p. 2.
— 48 —
menden Jahres vertröstet.^) Jiistus David seheint tatsächlich ein
brauchbarer Mensch geworden zu sein, denn noch als Student
wurde er vom Vater in besonderem Auftrage nach ,,Holl- undt
Engellandt" geschickt. Am 16. Mai 1701 wurde ihm jedenfalls
im Namen des ersten Königs von Preussen ein Pass für das In- und
Ausland ausgestellt.")
Ein Jahr darauf starb Michael Döbel, vermutlich nach län-
gerer Krankheit, und zwar ,,den 8. Augusti, Dienstags Morgens
zwischen 9 und 10 Uhr dieses 1702. Jahres, im 67. Jahr seines
Alters."^) Schon immer soll er „embsig in seinem Christenthum"
gewesen sein, wie Jablonski (p. 25) es rühmend hervorhebt: Er
,,dienete Gott daheim mit den Seinigen, und wohnete auch mit den-
selben dem öffentlichen Gottesdienst fleissig bey". So starb er
auch als frommer Christ, nachdem er ,,auf seinem Siech-Bett lie-
gend" gebeichtet und sich von Jablonski durch das Wort Gottes
hatte trösten lassen.
Unter zahlreicher Beteiligung selbst sehr hoher Herren"^)
fand das Leichenbegängnis am 11. August statt. Herr Christo-
phorus Töpken, königlicher Prediger am Dom, hielt vor dem auf-
gebahrten Sarge *^) die Abdankungs- und Trostrede, darauf wurde
die Leiche ,,im Gewölbe in der Neuen Kirchen in Berlin", der
jetzigen Parochialkirche,^) beigesetzt. Am folgenden Sonntag, den
13. August, gedachte ferner der reformierte Bischof Jablonski')
1) Ebenda p. 3.
2) Geh St. A. Rep. 9. E. E. 16.
3) Vgl. Töpken, a a. 0. p. 33. — Wenige Stunden nach Döbels Ab-
leben übrigens bewarb sich schon der Bildhauer Gottlieb Herfort um die
erledigte Hofbildhauerstelle ! (Charl. Haus- Arch. Rep. XX = Geh. St. A . 9. E.IG.J.
4) Töpken a. a. O. p. 33.
5} Töpken p. 31.
6) Dass die hier sog. „"Neue Kirche" identiscli ist mit der heutigen
Parochialkirche geht z. B. aus Christoph Pitzlers Reysebeschreibung vom
Jahre 1695 (Manuskript d, Bibl. d. Charl. Hochschule) p. 568 hervor. Dort
ist nämlich die Rede von der „Neuen Kirche" in der Klostergasse.
7) Nach Schwebel, im „Bär" 1877 p. 202 war Jablonski an der
Parochialkirche tätig.
— 49 —
beim Gottesdienst in der Parochialkirclie des „Weiland Edlen,
Gross-Achtbaren und Kunstreichen Herrn Johann Michael Döbel"
in läng-erer Rede.
Durch ein Dekret vom 17. August 1702') wurde bestimmt,
dass der Witwe Döbels ..nicht allein die freye wohnung auf Ein
Jahr gelaszen, sondern Ihr auch ausser dem quartal, in welchen
ihr Ehemann verstorben, das darauffolgende gnaden quartal ge-
reichet werden solle".
Dass dem in seinem Berufsleben so tätigen und erfolgreichen
Künstler ein glückliches Lebensende beschert gewesen ist,, müssen
wir füglich bezweifeln. Jedenfalls scheint seine zweite Frau sich
mit ihren Stiefkindern nicht gut gestanden zu haben, und schon
bei Lebzeiten Döbels nur allzusehr auf die Bevorzugung der leib-
lichen Kinder und auf ihren eigenen Vorteil ausgegangen zu sein.
Der Künstler erfüllte wahrscheinlich nur einen speziellen Wunsch
seiner Frau, wenn er am 17. Juni 1690 die Erklärung abgab,') dass
er nicht Erbe der ersten Frau geworden sei und zugleich damals
eine ,, Spezifikation ihrer Verlassenschaft" abgab. Ferner erfahren
wir von einer am 17. April 1697 aufgestellten Spezifikation der Ge-
schenke, welche die Witwe ,,von Ihrem verstorbenen Mann ....
bekommen" hatte. ^) Man erfährt auch sonst, dass Döbels zweite
Frau sich beizeiten einen erheblichen Teil der zu erwartenden Erb-
schaft zu sichern gesucht hatte. Solange der Hausherr lebte,
scheint wenigstens nach aussenhin der Friede in der Familie
gewahrt zu sein, nach seinem Tode kam es aber zu Zwistigkeiten
zwischen Stiefmutter und Stiefkindern und bald entstand ein
Prozess, der über 10 Jahre währte. Wenn man den Angaben der
Kinder erster Ehe, die sie in einer an den König gerichteten Be-
schwerde und Bittschrift machten,"^) glauben kann, so muss die
1) Geh. St. A. Rep. 9. D. 6.
2) Vgl. das Kammergerichts-Gutachten vom 22. Mai 1713 S. 2. Geh.
Sr. A. Rep. 9. y. 2.
3) Ebendort S 2, 3.
1) 19. Okt. 1703 im Charl. Haus-Arch. Rep. XI.
4
— 50 —
Stiefmutter in ganz unerhörter Weise gegen jene vorgegangen sein.
Sie beklagen sich, dass die Witwe „Vor gibet als sie demselben
(Michael Döbel) geheyrahtet habe sie bey ihm nichts gefunden
und er ein armer Mann gewehsen zu geschweigen do er gestorben
hat sie nicht mehr an Bahrschafft ad inventary gebracht Als
6 Groschen so er noch bey sich in seinen Hosen getragen." Das
sind ganz offenbare Unwahrheiten, und einen noch bedenklicheren
Eindruck von dem Vorgehen der Witwe erhalten wir, wenn es in
demselben Supplikat weiter heisst, dass sie ,,Vor der inventur alle
Callender wohr in der Seelen Vatter alle Äuszgaben und ein
nahmen Von Jahre zu Jahre Ver zeichnet alle zerrissen" habe,
wahrscheinlich um die Grösse der Einkünfte zu verschleiern. Nur
noch einige Blätter („Stücke") habe man retten können. Die
Stiefkinder baten demnach den König, ,,vor eine Billige gebühr" in
den Büchern der ,,Hof renthey, Schatul, Kriegs- und Bau-Casse"
nachschlagen und aus ihnen einen extract in betreff der von Döbel
abgehobenen ,, Besoldungen und arbeiths-Geldern" machen zu
lassen. Diese Bitte wurde ihnen von Könige gewährt*), und sie
klagten nun beide gegen die Stiefmutter auf Herausgabe ihres
Erbteils. Der Prozess wurde von beiden Parteien mit grosser
Hartnäckigkeit und mit wechselndem Glück geführt und dauerte
über zehn Jahre. lieber den endgültigen Ausgang der Streitsache
sind wir nicht unterrichtet, da die Aktenstücke nicht vollständig
vorliegen.")
Während über Michael Döbel in verhältnismässiger Reich-
haltigkeit archivalische Nachrichten vorliegen, sind sie in bezug
auf seinen Bruder Johann Christoph wenig ergibig. Der Grund
für diese Tatsache ist darin zu suchen, dass es diesem trotz melir-
1; Königl. Dekret vom 16. (?) Oktober 1703, Charl. Haus-Arch. Rep. XI.
2) ca. 30 Seiten (Dekrete, Gutachten, Bittschriften), die im Kgl. Geh.
Staatsarchiv zu Berlin unter Rep. 9. y. 2. und 9. y. 8. aufbewahrt sind,
konnte ich einsehen.
— 51 —
faclier Beniühuiigeii nicht gelang, dauernde Beziehungen zum kur-
fürstlichen bzw. königlichen Hof anzuknüpfen.') Es ist nicht ein-
mal überliefert, ob er jünger oder älter als Michael gewesen ist.
Lediglich aus dem Umstände, dass er im Jahre 1713") in voller,
tatkrcäftiger Ausübung seines Bildhauerberufes vom Tode über-
rascht wurde, können wir den Schluss ziehen, dass er nicht etwa
vor 1635, d. h. vor dem Geburtsjahre Michaels, das Licht der Welt
erblickt hat. Er dürfte also jünger gewesen sein als Michael. Für
diese Annahme spricht auch der Umstand, dass er hinter Michael
zurücktritt und dass der vom Kurfürsten so sehr begünstigte
filtere Bruder es sich angelegen sein lässt, für das Fortkommen
Johanns zu sorgen. Wenn irgend möglich, wollte er ihn in Hof-
diensten unterbringen. Schon um die Mitte des Jahres 1667 trägt
sich Michael mit dem Gedanken, Johann zur Unterstützung bei den
ihm vom Kurfürsten übertragenen Arbeiten nach Berlin zu neh-
men.^) Diesmal schlug sein Plan aus unbekannten Gründen fehl.
1) Seit Nicolai (a. a. O. p. 81) hat man Johann Christoph Döbel bis
in die letzte Zeit hinein stets als Hofbildhauer und Landbaumeister be-
zeichnet. Ich muss ihm, wie schon erwähnt, diese Titel absprechen. In
Hofkreisen hat man wohl von ihm gehört als dem Bruder des grossen
Michael; gelegentlich hat er auch etwas für den königlichen Hof liefern
dürfen. So findet man z. B. in den „Hoffstaatsrechnungen über Einnahme
und Ausgabe", aus dem Rechnungsjahre 1705/6 p. 155 folgende Ein-
tragung: „Dem Bildhauer Johann Döbel vor verfertigte Arbeit in der
Hoff Conditorey laut Dekret vom 12ten May 1706: 30 Thaler" (Charl. Haus-
Arch. Rep. XII B.). Im übrigen ist er jedoch jenen Kreisen fremd ge-
blieben. In den Registratur- Registern des Berliner Geh. Staats-Arch. vom
Ende der 90er Jahre des 17. Jahrhunderts bis 1715 ist von einer Bestallung
Johann Christoph Ds. zum Hofbeamten nicht die Rede, auch in den
Berliner Adressbüchern aus jener Zeit (einzusehen im Märkischen Museum l,
die ein genaues Verzeichnis der königl. Hofangestellten geben, findet sich
Döbel nicht. Vgl. auch „Bär" 1881, p. 270 f.
-) Das Todesjahr ist nur von Nicolai überliefert, es liegt jedoch
kein zwingender Grund vor, an der Richtigkeit dieser Nachricht zu zweifeln.
Müller-Küster a a. 0. p. 237 geben kein besonderes Jahr an.
3j Vgl. p. Ki.
52
Im Juni 1676 gelaug es Michael jedoch, das Dekret zu .erwirken/)
,,dass der Baumeister-Dienst in Preussen Zeith seiner abwesenheit
nicht vergeben, sondern seinem Bruder Joh. Döbeln interims-weise
und' bisz Er selber wieder da kommet zu versehen aufgetragen
werden möge".'^) Auch das einem preussischen Baumeister zu-
kommende Grehalt wurde Johann Döbel bewilligt. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach aber hat Johann Christoph nicht lange den
Dienst eines preussischen Baumeisters versehen. Bis 1698^) kön-
nen wir ihn in Ostpreussen verfolgen, und zwar schafft er einige
nennenswerte Altäre und Kanzeln, über welche noch berich-
tet werden soll. Wahrscheinlich noch vor dem Ableben seines
Bruders siedelte er dann nach Berlin über. 1702 jedenfalls arbeitet
er an einer Kanzel für die neu erbaute reformierte Parochial-
kirche.'^) Aus eigenen Mitteln stiftete er dieses Werk der Kirche. '^)
Vermutlich wollte er damit beim Könige, der sich für den Aufbau
der Kirche sehr interessierte,*^) und bei den Bürgern für seine
Kunst werben. Denn seine Position w^ar in Berlin durchaus nicht
gesichert, und um vieles w^eniger noch in den späteren Jahren, als
sein Bruder nicht mehr lebte und er auf sich allein angewiesen war.
«■
1) Vgl. p. 21.
2) Geh. Staats- Arch. Rep. 7. n. 10b.
3) Im Jahre 1698 verspricht Döbel zwei Altäre für die Heiligelinde
zu liefern. Vgl. Kolberg, in Zs. f. d. Gesch. u. Altertumsk. Ermlands, Bd.
III, 1866 p. 114.
'^) Die „Glieder zur Neuen Pfarr Kirche" berichten am 20. 12. 1702
an den König unter anderem auch, dass „die Cantzel weder an Bildlhauer,
noch Tischler-arbeit nicht Vollendet" sei. Geh. St. Arch. Rep. 47. B. 4a.
Text schon abgedr. bei Joseph, Die Parochialkirclie in Berlin, 1894.
5) Einen archivalischen Beleg habe ich nicht dafür gefunden. Vgl.
jedoch Müller-Küster, Altes u. neues Berlin, 1737, p. 20O: Die Kirche
„hat an der Ost-Seiten eine von Bildhauer- und Tischler-Arbeit gar zierlich
verfertigte Cantzel, welche der Bildhauer Döbel gemacht und der Kirche
geschencket." — Michael D. kann nicht gemeint sein, weil er bereits am
8. August 1702 starb, während die Kanzel am 20. 12. noch nicht vollendet
war. (Vgl. Anm. 4.j
^) Das Herrscherhaus gehörte auch der reformierten Kirche an.
- 53 —
Ja, aus den wenigen erhaltenen Nachrichten dürfen wir entnehmen,
dass es ihm bis zu seinem Lebensende nicht gelingen wollte, festen
Fuss in der Landeshauptstadt zu fassen. Anscheinend hat er zu
etwas gewaltsamen Mitteln gegriffen, um seine Erzeugnisse unter-
zubringen.
Zu Anfang des Jahres 1713 wendet er sich an den König mit
der Bitte, die Bezahlung eines von ihm gelieferten Services^) ver-
anlassen zu wollen. Zum zweiten Male bereits, und wieder um-
sonst, „Weilen der supplicant zur Verfertigung der specificirten
Arbeith keine ordre gehabt, und Er deszhalb bereits hiebevor ab-
gewiesen worden, zugeschweigen, dass solche nicht die helffte des
dafür angesetzten preyszes Werth ist; So findet auch anitzo sein
Suchen nicht stat" (8. April 1713).^) Der Hofstaatskassierer hatte
vorher sein Gutachten über diese Sache abgeben müssen, und er
berichtet (6. April 1713): ,,Ich habe "von dem Servis 1 stük auf
der Conferenz Stube produciret, und gibt der Augenschein, dass ein
stük nicht fünff Thaler Bildhauer und Versilberung werth, und
auch zu schaffen sey." Im selben Jahre, kurz vorher, war es
zwischen Döbel und der Berliner Tischlerzunft zu einem Streit ge-
kommen. Der Künstler hatte nämlich einen Altar und eine Kan-
zel, und zwar anscheinend etwas sehr schreinermässig verfertigt.
Jedenfalls wandten sich die Berliner Tischler gegen ihn, indem sie
auf ihre Privilegien pochten und insbesondere auf eine von Schlü-
ter am 11. Juli 1705 ausgegebene Deklaration: ,,Es werden auch
selbige (Altäre und Kanzeln) auf verschiedene Art verfertiget, der-
gestalt nemlich, dass einige von blossem Schnitzwerck, andere aber
von geleimten Brettern, mit einigen ausgeschnietztcn Bildern ver-
1) Dass Döbel nicht nur als Holzschnitzer, sondern auch als Gold-
schmied sich betätigte, scheint eine Aufzeichnung in den Registratur-
Registern des Geh. Staats-Archivs Berlin zu bestätigen; es heisst da
„Döbler Johann Michael (wohl nur irrtümlich statt Christoph), c. (contra)
Rhoden in pö (puncto) 2 silbernen Dosen. D. 8. octob. (1711) Rep. 9
y. 2. — Das Aktenstück ist vermutlich kassiert worden.
2; Die wenigen Aktenstücke über diese Angelegenheit liegen unter
Rep. 9. E. 16 im Geh. St. Arch.
— 54 —
zieret. Die erstere können die Bildhauer arbeiten, die letztere aber
nemlich von geleimten Brettern, gehören den Tischlern."^) Auf
ein entsprechendes Supplikat Döbels in dieser Sache erging im
Namen des Königs an den Magistrat zu Berlin am 2. Februar 1713
ein Dekret:'^) „Die Arbeith quae: (stionis) durch Kunstverstän-
dige in augenschein nehmen zulaszen, und auf derselben rapport
die Sache rechtlich zu entscheiden." — Ueber den Ausgang der
Sache erfahren wir nichts.
Noch kurz vor seinem Tode gelang es Johann Döbel mit
einiger Mühe ein Altarwerk unterzubringen, das er ohne besonderen
Auftrag in Arbeit genommen hatte. Wir erfahren darüber in
Müller-Küster (a. a. 0. p. 237), dass es Döbel nach einigen vergeb-
lichen A^ersuchen schliesslicli doch glückte, den „Praepositum" und
die Oberkirchenvorsteher der Berliner Nicolaikirche für seine Pläne
zu interessieren. Wahrscheinlich, weil er verhältnismässig gün-
stige Bedingungen stellte, wurde ihm der Altarbau übertragen.
Nachdem einige zugebörige Stücke bereits vollendet waren, wurde
Döbel vom Tode überrascht. Seine Witwe trat an Stelle des Ver-
storbenen in den Contract ein, die Oberleitung jedoch wurde dem
„Königl. Preuss. Hof-Mahler Rector und Professor der Königl.
Kunst-Akademie Sam. Theod. Gericke"'^) übertragen, welcher
,, einen Riss verfertigen, und den gantzen Bau des Altars ordnen
und dirigiren" sollte.
Wie weit es möglich ist, Döbels Anteil an dem teilweise heute
noch bestehenden Altar der Nicolaikirche festzustellen, darüber
wird bei Besprechung seiner Werke noch die Rede sein. Hier sei
nur noch erwähnt, dass im September des Jahres 1715 der Witwe
1) Gegen Ende des 17. Jahrhunderts, sonderten sich auch in Königs-
berg die Bildhauer von den Tischlern ab und bildeten eine eigene Ge-
werkschaft. Vgl. V. Czihak, Königsberger Stuckdecken, p. 10.
2) In diesem Dekret heisst es übrigens: „auf Jacob Döbels, Bild-
hauers in Berlin supplicat " Unstreitig ist aber unser Johann gemeint.
Die drei Blätter betr. dieser Angelegenheit liegen unter Rep. 9. E. 16. im
Geh. St. Arch.
3) Ueber Gericke, vgl. Galland, „Hohenzollern und Uranien" p 147.
Oü
des 1713 verstorbenen Johann Döbel von der Xicolaikirchengemeinde
406 Taler als Abschlagszahlung für den Altarbau ausgehändigt
wurden.^)
Allem Anscheine nach hat das Leben diesem jüngeren
Döbel nicht das beschert, was er für sich zu erhoffen berechtigt
war. Fraglos war er in seiner ostpreussischen Heimat einer der
geschicktesten Künstler, namentlich auf dem Gebiete der Holz-
schnitzerei, doch trotz bedeutender Aufträge sehnte er sich aus den
heimischen Verhältnissen heraus. War es der Ehrgeiz, es dem
Bruder gleich zu tun — war es die Missgunst seiner Königsberger
Mitbürger und Kollegen, welche auf die Döbels wahrscheinlich
nicht gut zu sprechen waren? — Wir wissen es nicht. Schwer
muss es für ihn zu tragen gewesen sein, dass er in Berlin anstatt
des erhofften glänzenden Fortkommens — anscheinend — nur
Gleichgültigkeit, wenn nicht offensichtlich ablehnendes Verhalten
bei seinen Mitbürgern sowie bei Hofe fand. Vielleicht wäre es ihm
jedoch mit der Zeit gelungen, seiner Persönlichkeit und seiner
Kunst den Weg zu bahnen, wenn er nicht durch den Tod abberufen
wäre.
h Diesen Vermerk habe ich entdeckt beim Durchsehen der Kirchen-
bücher der Xicolaikirche (über St. Nicolai und St. Marien wurde damals
gemeinsam „von Joh. Michael Helwigen beyder Kirchen Verordneten Vor-
steher'' Buch geführt;.
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Niederlande, Franck Reich und Italien etc. . . . (1695). — Manu-
skript in der Bibliothek der Technischen Hochschule zu Char-
lottenburg.
-excxs-
Lebenslauf.
Am 7. Juni 1887 bin ich, Johannes Nathanael Herbert
Straube, als Sohn des Taubstummenlehrers Bernhard Straube
und seiner Ehefrau Minna, geb. Triebel, zu Angerburg in Ost-
preussen geboren. Von Ostern 1894 ab besuchte ich das König-
liche Friedrichskollegium zu Königsberg i. Pr. und verliess es
Ostern 1905 mit dem Zeugnis der Reife. Fünf Jahre studierte
ich klassische und deutsche Philologie und beschäftigte mich
dann, meiner Neigung folgend, ausschliesslich mit kunst-
historischen Studien. Anfang November 1914 trat ich als Kriegs-
freiwilliger ins Heer ein, erlitt im Dienst einige Unfälle und
wurde im Oktober 1915 als feld- und garnisondienstunfähig
entlassen. Das Rigorosum bestand ich im Juli 1915.
Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit und dauernde
Förderung verdanke ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn
Geheimen Regierungsrat Haendcke. Besonders verpflichtet
fühle ich mich auch Herrn Prof. Dr. Ulbrich, dem Leiter des
Königsberger Kunstgewerbemuseums, den Verwaltungen des
Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin, des dortigen Hohen-
zoUernmuseums und vor allem des Märkischen Museums — sowie
den Herren von den Königlichen Greheimen Staatsarchiven zu
Berlin und Königsberg i. Pr., den Stadtarcliiven daselbst, vom
Königl, Hausarchiv zu Charlottenburg und vom Geh. Archiv
des Kriegsministeriums.
Allen anderen Gönnern und Förderern meiner Arbeit sei
im Stillen gedankt!