ii
5?
,1.
'the search for truth even unto its innermost parts"
In Honor of
Dr. Abram Sachar
Given by
A Group of Friends
Brandeis University National Women's Committee
C-12/7-76/5M
¥
^Uf^: VV
1
DIE COMPOSITION
DES l___^i
HEXATEÜCHS UND DER HISTORISCHEN BÜCHER
DES ALTEN TESTAMENTS.
VON
J. WELLHAÜSEK
DRITTE AUFLAGE.
BERLIN.
DRÜCK UND VERLAG VON GEORG REIMER.
1899.
Digitized by the Internet Archive
in 2011 with funding from
Boston Library Consortium Member Libraries
http://www.archive.org/details/diecompositionde1484well
WILLIAM ROBERTSON SMITH
t 31. MÄRZ 1894.
GEWIDMET.
718602
Ich stelle hier die Untersuchungen zusammen, die ich 1876.77
in den Jalu'büchern für Deutsche Theologie XXI 392 — 450.
531_602. XXII 407—479 und 1878 in der vierten Auflage von
Bleeks Einleitung 181 — 267 zuerst veröffentlicht habe. Um die
Diskussion nicht unverständlich zu machen, die sich daran geknüpft
hat, di'ucke ich sie wörtlich ab, mit Angabe der Seitenzalilen der
ursprünglichen Publikationsstellen. Es soll also damit nicht gesagt
sein, dass ich nichts zu verändern fände. Nachträge habe ich in
einen Anhang verwiesen.
Die Composition des Hexateiichs.
Das Thema bedarf keines Vorwortes, nur über die angewandte XXI
Signirung der Quellen habe ich mich zu verantworten. Ich habe 392
mich nicht an Dillmann angeschlossen, denn wenn er die s. g.
Grundschiift (älterer Elohist, Buch der Ursprünge) mit A, den
Elohisten (s. g. jüngerer E.) mit B, den Jahvisten mit C bezeichnet,
so ist darin ein stillschweigendes Praejudiz über die Altersfolge
der Quellen eingeschlossen, welches diese Bezeichnung von vorn-
herein verhindert, allgemein gebraucht zu werden. So wie Dill-
mann selbst sich nicht bei den Zeichen seines Vorgängers Schultz
beruhigt, sondern dessen B zu C, C zu B macht, so wii'd ein
anderer Dillmanns C zu A und A zu C machen wollen; dies
Princip ist also unpraktisch und richtet Verwirrung an. Ich habe
für die s, g. Grundschrift das Zeichen Q gewählt, als Abküi'zung
für Vierbundesbuch (quatuor), welchen Namen ich als den
passendsten für sie vorschlage; den anderweitigen vom letzten
Wellha Ilsen, Comp. d. Hexateuchs. 3, Aufl. 1
2 Die Genesis.
Redactor (R) damit vereinigten Stoff insgesamt (= das jeliovistisclie
Geschichtsbuch) habe ich JE bezeichnet und darin den Jahvisten
und Elohisten als J und E unterschieden. Mein Verhältnis zu den
Yorgängern wii'd aus der Abhandlung selbst sich ergeben, an dieser
Stelle bemerke ich bloss, dass meine Untersuchungen, die ich für
die Genesis im Winter 1872/73 und für den übrigen Pentateuch
im Winter 1874/75 gefülu-t habe, abgeschlossen vorlagen, als die
sorgfältige Scluift Kaysers über das vorexilische Buch der israelitischen
Urgeschichte und Dillmanns gediegener Commentar über die Genesis
erscliienen und mii* zu Gesicht kamen.
I. Die Genesis.
Die Urgeschichte der Menschheit. Gen. 1 — 11.
Die Quelle Q wird übereinstimmend folgendermassen aus-
geschieden: a) Geschichte des Himmels und der Erde 1, 1 — 2, 4a.
b) Geschichte Adams Kap. 5 (ausg. v. 29). c) Geschichte Noahs 6,
9—22. 7, 11—8, 5 (ausg. 7, 12. 16 c. 17. 22 s. 8, 2 b). 8, 13—19.
9, 1—17. 9, 28 s. d) Geschichte der Söhne Noahs Kap. 10 (mit
393 bedeutenden Ausnahmen), Geschichte Sems 11, 10 — 26 und Ge-
schichte Therahs 11, 17 — 32 (ausg. v. 29). Dies ist ein voll-
ständiger, klarer und geschlossener Zusammenhang, erhalten bis
auf die Titel der einzelnen Abschnitte.
Was übrig bleibt (JE), das darf seit Hupfeld als anerkannt
gelten, sind nicht einzelne lose Geschichten und Zusätze, die in
den Zusammenhang von Q ergänzend eingefügt sind und erst da-
durch Halt gewonnen haben, sondern ein anderAveitiger, selbst-
ständiger Erzählüngsfaden, der von dritter Hand init Q zusammen-
gearbeitet ist. Aber dieser Faden wird einesteils von R nicht so
intact gelassen wie Q und ist auf der anderen Seite an sich selbst
nicht so glatt und einfach wie Q, sondern von complicii'terer Be-
schaffenheit.
1. Die Tätigkeit des Redactors besteht vornehmlich in der
geschickten Ineinanderschiebung der Quellen, wobei er iln-en Inlialt
möglichst unverküi'zt, den Wortlaut und die Ordnung der Erzählung
möglichst unverändert lässt. Aber nicht immer kann er so ohne
eigene Eingriffe verfahi-en. Zuweilen macht er Zusätze, etwa um
einen Widerspruch zu beseitigen oder einen Spalt zu verdecken,
z. B. Gen. 7, 6 — 9. Ein ander Mal nimmt er eine Verstellung in
1-11. 3
der einen Quelle vor, um sie dem Zusammenhange der anderen
anzupassen, z. B. 7, 16c: und Jahve schloss hinter ihm zu,
was in JE ursprünglich etwa hinter 7, 7 stand, wegen der Zu-
sammenarbeitung mit Q aber unmöglich vor v. 13 ss. gebracht
werden konnte. Endlich — und das ist die Hauptsache — hat R
auch allerlei Verkürzungen und Auslassungen vorgenommen. Wie
seine Eingriffe in Gen. 1 — 11 überhaupt auf Kosten von JE
geschehen — Q wird zu Grunde gelegt, JE ihi' eingepasst — , so
betreffen auch die Auslassungen meist diese Quelle.
Die Hauptstücke der Erzälilung folgen Gen. 1—11 in JE eben
so auf einander wie in Q: drei Epochen vermittelt durch zwei
Übergangsperioden. Also a) der Anfang der Weltgeschichte, b)
von Adam bis Noah, c) die Sündflut, d) von Noah bis Abraham,
wozu dann als dritte Epoche, die aber über Kap. 1 — 11 schon
hinaus fällt, die Berufung Abrahams kommt. Das erste Stück nun
ist in vollem Umfang aus JE mitgeteilt 2, 4b — 3, 24; aber bereits im
zweiten fehlt gegenwärtig der Übergang auf Noah, der doch
in JE ebensowol der Held der Sündflut ist wie in Q. Neben der
Genealogie 4, 16 — 22, die auf Lamech und seine drei Söhne aus-
läuft, muss noch eine andere in JE gestanden haben, die von Adam
auf Noah und seine drei Söhne fülute und durch Kap. 5 (aus Q) 394
verdrängt wurde. Der Schluss derselben ist uns in 5, 29, ein-
gesprengt in Q, erhalten, der Anfang vielleicht in den Versen 4, 25 s.,
die man gegenwärtig dem U zuschi'eibt, die aber, wenn sie auch
von anderer Vorstellung und Sprache ausgehn als 4, 16 — 24, doch
sehr wol zu JE gehören können. Daraus dass R, um von 4, 24
zu 5, 1 einen Übergang zu gewinnen, zu einem ähnlichen Einsatz
gezwungen worden wäre, folgt nicht, dass er 4, 25 s. nicht schon
vorfand; er wüi'de nicht über das Notwendige hinausgegangen
sein, nicht die Etymologie und nicht das merkwüi'dige „iste coepit
invocare nomen Domini" hinzugefügt haben. Bedeutende Einbussen
hat der Zusammenhang von JE auch im di'itten Stück erlitten.
Die beiden zunächst auf einander folgenden Abschnitte aus JE 6,
1 — 8 und 7, 1 — 5 schliessen nicht zusammen; ausgelassen ist in
der Mitte die Eröffnung über das drohende Strafgericht an Noah,
wovon 6, 8 nur noch der Ansatz zu erkennen ist, und der Bau
der Arche — natüi'lich weil beides inzwischen aus Q mitgeteilt
worden war 6, 9 — 22. Nach 7, 1 — 5 trifft man erst 8, 6 — 12
wieder auf ein solides Stück von JE, dazwischen sind zwar manche
4 Die Genesis.
Fragmente daraus hie und da eingestreut, aus denen sich aber
schwerlich das Ganze reconstruiren lässt. „Und Noah tat ganz wie
ihm Jahve geboten (7, 5), und Noah ging mit seinen Söhnen,
seinem Weibe und seiner Söhne Weibern hinein in die Arche vor
dem Wasser der Flut (v. 7), und Jahve schloss hinter ihm zu
(v. 16 c). Und nach sieben Tagen kam das Wasser der Flut auf
Erden (v. 10), und der Regen trat ein auf Erden vierzig Tage und
vierzig Nächte (v. 12), und die Flut war vierzig Tage auf Erden,
und das Wasser stieg und hob die Arche auf, dass sie vom Boden
sich erhob (v. 17). Alles was Lebensodem in der Nase hatte, von
allen Wesen des Festlandes, kam um (v. 22). Und er tilgte alle
Existenz auf dem Lande vom Menschen an bis zu den Tieren und
Wüi-mern und den Vögeln des Himmels, und sie wurden von der
Erde getilgt, und nur Noah blieb übrig mit denen in der Arche
(v. 23). Und nach vierzig Tagen (8, 6 a) da hörte der Regen vom
Himmel auf (v. 2b), und Noah öffnete u. s. w. (v. 6ss.)^)" Dies
genügt zwar sachlich, aber nicht formell, z. B. hat der Satz 7, 23
kein Subject. Zwischen 8, 6 — 12 und dem nächsten jehovistischen
395 Stück 8, 20 — 22 fehlt jedenfalls die Nachi'icht vom Auszug aus
der Arche, die aus Q gegeben wird. Zur Annahme aller dieser
Lücken zwingt der Zusammenhang. Es gibt aber auch episodische
Züge, die unbeschadet des Zusammenhanges felilen können, und
auch Auslassungen von dergleichen Angaben in JE werden, in
Collisionsfällen mit Q, vorgekommen sein; sie sind nur nicht nach-
weisbar. Wahi'scheinlich ist z. B., dass nicht blos in Q, sondern
auch in JE, einer Schi'ift, die in den Localitäten viel genauer ist,
der Ort angegeben war, wo die Arche landete.
Dem vierten Hauptstück von Q, den Tholedoth b'ne Noah,
entspricht in JE zunächst der Abschnitt 9, 18 — 27, der nur, weil
Noah hier noch am Leben ist, vor 9, 28 s. treten und also in dem
Titel Tholedoth Noah aufgenommen werden musste. Weiter aber
gab es, wie in Q, auch in JE an dieser Stelle eine Völkertafel,
aus welcher nicht bloss 10, 8 — 12, sondern noch manche andere
Bruchstücke in Kap. 10 erhalten sind. Ich werde das etwas
ausfüMicher nachweisen müssen.
Folgendes ist das sehr hervortretende Schema, in welches Q
den ethnologischen Stoff im Kap. 10 einordnet:
^) Allerlei wird hiervon noch dem Redactor zuzuschreiben sein, besonders
in V. 7. 10 b. 12 a., auch Teile von v. 23, vgl. 6, 7.
Kap. 1-11. 5
Dies sind die Tholedoth der Söhne Noahs, Sem, Harn und
Japlieth . . . V. 1.
a. Söhne Japheths: . . . v. 2ss. Dies sind die Söhne
Japheths*), von denen die Inseln der Völker ausgebreitet sind, in
ihi'en Ländern, je nach ihren Sprachen, nach ihren Arten, in ilii*en
Völkern, v. 5.
b. Söhne Harns: . . . v. 6ss. Dies sind die Söhne Harns,
nach ihren Arten, nach ilu'en Zungen, in ihren Ländern, in ihren
Völkern, v. 20.
c. Söhne Sems: . . . v. 22ss. Dies sind die Söhne Sems,
nach ihi-en Arten, nach iluen Zungen, in ihren Ländern, nach
ihi'en Völkern, v. 31.
Dies sind die Geschlechter der Söhne Noahs, nach ihi'er
Abstammung, in ihi'en Völkern, und von ihnen sind die
Völker auf Erden ausgebreitet nach der Sündflut. v. 32.
In dieses Schema von Q passt nun, auch abgesehen von 10,
8 — 12, nicht ^ alles, was gegenwärtig in Kap. 10 enthalten ist.
Wenn man das Übrige vergleicht, so ist v. 22 darauf berechnet, 396
die di'itte Abteilung in Q zu eröffnen, und duldet den v. 21 nicht
vor sich. Es sind vielmehr v. 21 und v. 22 zwei einander aus-
schliessende Parallelen, beides Köpfe des folgenden Abschnittes;
man darf sie nicht hinter einander, sondern nur neben einander
stellen.
In V. 21 ist Eber so sehr* der wichtigste unter den Söhnen
Sems, dass er sogar gleichbedeutend mit Sem selber ist und sich
ähnlich zu ihm verhält wie Machir zu Manasse. Dagegen v. 22.
23 tritt Eber nicht bloss nicht unter den übrigen Söhnen Sems
hervor, sondern er wii-d nicht einmal dazu gezählt; nach 11, 14
(Q) ist er erst sein LTrenkel.
Diese Beobachtung führt weiter dazu, v. 21 unmittelbar mit
V. 25 SS. zu verbinden, wo Sem eben so wie dort weiter nichts als
die Gesamtheit der Söhne Ebers ist. „Sem aber hatte auch Nach-
kommen, er ist der Vater aller Söhne Ebers, der ältere Bruder
Japheths. Und dem Eber wm^len zwei Söhne geboren, der eine
hiess Phaleg und der andere Joktan .... (v. 21. 25 — 30)." Nach
Q hat Eber hier gar nichts zu tun, er gehört nicht in die Genea-
^) Diese Worte sind am Anfang von v. 5 herzustellen, sowol nach der
Ähnlichkeit des Schemas, als um das Misverständnis zu verhüten, dass bloss
von den zuletzt aufgeführten Söhnen Javans hier die Rede sein sollte.
ß Die Genesis.
logie der Gojim (v. 5. 32), sondern als Mittelglied in die Israels.
Zu Q gehört nur v. 22. 23; v. 24 aber ist eine Naht des R
(materiell aus 11, 14 entnommen), welche ihrerseits auch wieder
die Tatsache zweier verschiedenen Lappen beweist.
Nunmehr kann ich mich auch auf den Widerspruch berufen,
in welchem 10, 25—30 imzweifelhaft zu v. 7 (=Q) stehn: hier
werden die südarabischen Stämme von Kus, dort von Eber abge-
leitet. Weiter auf die Differenz der Sprache. Durch "1^^ Dirb.
ib^ "inV^ werden v. 21. 25 eben so sehr untereinander verbunden,
wie von Q geschieden, welche Quelle nie diese Ausdrücke gebraucht,
vielmelii' stets iJil v. 2. 3. 6. 7. 20. 22. 23. Ebenso ist ib' (v. 26)
zwar wol dem R zuzutrauen, der Vorstellungen und Ausdrücke
beider Quellen kennt und verbindet, aber Q gebraucht beständig
dafüi' l^b)n. Von allen Seiten bestätigt sich das Ergebnis, dass
im Verzeichnis der Söhne Sems 10, 22. 23 = Q; 10, 21. 25—30 =
JE; 10, 24 = R.
Nicht anders steht die Sache bei den Söhnen Hams v. 6 — 20.
Nur V. 6. 7. 20 gehören zu Q, v. 8 — 19 dagegen zu JE. Von
V. 8 — 12 wii'd das allgemein zugegeben — in welcher Verbindung
soll aber dies Stück gestanden haben.^ Mit 11, 1 — 9 es in Zu-
sammenhang zu bringen, ist unmöglich. Vielmehr ist 10, 13 — 19
397 die formelle Fortsetzung von 10, 8—12; vgl. "ib"» tnD) v. 8,
"ib^ Dni5?21 V. 13, lb^ )l?iD1 V. 15, gegen •':m v. 6. 7. 20 (Q).
Beachtenswert ist auch die Parallele des Schlusses v. 19 mit v. 30,
der Ausdruck IKD: v. 18 (gegen "i1£)J 10, 5. 32) und riDND. v. 19.
— Nur der erste Abschnitt 10, 2 — 4 ist bloss aus Q erhalten.
Dass aber Japheth auch in JE nicht fehlte, erhellt aus v. 21 und
besonders aus 9, 18s. Denn diese Averse, die in den Zusammenhang
von Q nicht passen und durch die Sprache (vergl. 9, 19 mit
10, 5. 32) von ihr sich scheiden, sind nicht anders zu verstehn wie
als Anfang der jehovist. Völkertafel ^), an sie schloss sich möglicher-
weise der zweite Teil von 10, 1; vergl. 10, 21. 25.
Es liegt somit in Kap. 10 eine Parallele aus Q und JE vor.
Q ist im Schema und wol auch im Inhalt vollständig erhalten,
V. 1—5. 6. 7. 20. 22. 23. 31. 32. Für Sem scheint auch JE
vollständig erhalten v. 21. 25—30, mit Anfangs- und Schlussformel
V. 21. 30; bei Ham fehlt der Anfang, der ähnlich wie v. 21
1) Über das Verhältnis von 9, 20—27 zu 9, 18 s. s. unten.
Kap. 1—11. 7
gelautet haben wird, da der Scliluss v. 19 dem v. 30 analog ist;
Japheth ist gänzlich fortgefallen. Der Redactor hat nicht bloss weg-
geschnitten, sondern auch zugesetzt. Wir erkannten bereits v. 24
als Naht von seiner Hand, vielleicht gehn die AVorte v. 14 „de
quibus egressi sunt Philisthim" auch auf ihn zurück, wenn sie nicht
worauf ihre Stellung führt, blosse Randglosse sind. Es wäre mög-
lich, dass R z. B. v. 16 — 18 noch diesen oder jenen Namen
zugesetzt hätte, um die Zahl der Namen auf siebzig zu bringen —
wenn nur das Factum, dass hier siebzig Völker aufgezählt sind,
sicher wäre.
Die Genealogie der Heiden Gen. 10 hat die der Söhne Abra-
hams Gen. 11 zur notwendigen Ergänzung. In 12, 1 setzt JE
voraus, dass man wisse, wer Abraham sei und woher er stamme,
muss also zwischen ihm und Eber einen Zusammenhang hergestellt
haben; mit anderen Worten — ein Analogen von 11, 10 ss. ist
auch füi' JE imentb ehrlich. Eine positive Spur, dass ein solches
vorhanden gewesen, ist in 10, 25 enthalten: Eber hat zwei Söhne,
Phaleg und Joktan. Phaleg ist der wichtigere ; wenn nun 10, 26 — 30
nur Joktan abgehandelt wird, so erklärt sich das nur daraus, dass
eben Phaleg zur Fortfühi'ung der Hauptlinie (auf Abraham) auf-
gehoben wii'd. Will man Vermutungen über den Inhalt der jehovist.
Genealogie aufstellen, so ist jedenfalls sicher, dass sie von Sem auf
Eber Phaleg überging und die zwei Glieder Ai'paksad Selah nicht 398
hatte. Sie scheint siebengliedrig gewesen zu sein; in diesem Falle
würde Naher der Grossvater zu streichen sein, der in JE unbekannt
ist. Ein Rest der jehovist. Nachrichten über Abrahams Herkunft
ist wol 11, 29^).
2. Der Zusammenhang, der auf diese Weise füi- JE hergestellt;
wii'd, ist zwar wol ein lückenloser und vollständiger, aber kein
gradläufiger und einfacher. JE ist nicht wie Q ein Werk einheit-
licher Conception, sondern durch mehr als eine Phase und mehr-
als eine Hand gegangen, ehe es seine gegenwärtige Gestalt erlangte.
An sich schliessen allerdings heterogene Bestandteile die Einheit
und Ursprünglichkeit eines schriftlichen Zusammenhanges nicht
0 Daraufführt die Redeweise HjÖ'' ''^i^l HD^D "»^N pH H^? ^gl- 10? 21.
22, 21. Milka ist für JE wichtig und wird in Q nie erwähnt. Auch Jiska
kommt jedenfalls in Q nicht vor, während man das für JE nicht behaupten
kann, dessen ursprüngliche Bestandteile uns keineswegs vollständig mitgeteilt
sind. In Q folgte ursp. 11, 28. 31s.; v. 30 stand vor 16, 3.
3 Die Genesis.
aus; es ist möglich, class schon die erste Aufzeichnung der münd-
lichen Tradition allerlei in Verbindung brachte, was in keiner
innerlichen Verwandtschaft stand. Die Überlieferung im Volks-
mund kennt nur einzelne Geschichten, die wol aus gleichem Vor-
stellungskreise erwachsen, aber doch nicht zum Plan eines Ganzen
geordnet sind; erst wer die einzelnen Erzählungen aufschi*eibt,
bringt auch Plan und Zusammenhang hinein — es ist nun denk-
bar, dass die einzelnen Stücke der Ordnung, in die sie gebracht
werden, sich nicht alle auch innerlich fügen. Aber mit dieser Er-
klärung kommt man füi' die inneren Disharmonien der Erzählung
in JE nicht aus, sie betreffen grossenteils schon Zusammenhänge,
keine einzelne Geschichten.
Es lässt sich namentlich eine Schicht in JE erkennen und
scheiden, welche von der Sündflut und von Noah nichts weiss.
Hierzu gehört jedenfalls Gen. 2. 3. Gen. 4, 16—24. Gen. 11, 1—9,
vielleicht noch weniges Andere. Ich werde zunächst zu zeigen ver-
suchen, dass Gen. 2 — 4 ursprünglich ohne 4, 1 — 16 a und ohne
4, 26 s. 5, 29 existii-te.
Wähi'end 4, 1 — 15^) Kain Ackermann gewesen, nun aber
399 wie Adam aus dem Garten zum Acker, so er weiter vom Acker
zur Wüste fortgeflucht ist (^D"i^<^ )D miN* v. 11, trotz v. 18 von
Wenigen ganz verstanden) und dort ein wildes Nomadenleben fühi't,
ist und bleibt erv. 16 ss., was er nach dem Vorhergehenden auf-
hören soll zu sein, wii*d der erste Städtebauer und der Vater der
sesshaften Kultur. Der Widerspruch ist fundamental und betrifft
die ganze Anschauung, v. 16 ss. hat v. 1 — 15 nicht zur Voraus-
setzung. Umgekehrt hängt v. 1—15 auf allen Punkten von v. 16 ss.
ab und ist aus dort gegebenen Motiven entsponnen, namentlich
aus dem Liede Lamechs von der Blutrache. Kain erschien darin
als notorischer Totschläger, an wem anders konnte er seinen Blut-
durst auslassen, als an seinem Bruder? Abel der Hii*t ist eine Re-
miniscenz an Jabal den Hirten, den Bruder Thubal-Kains 4, 20.
Die Strafe des Brudermordes v. 11 s. 14 hat ihi'en Anhalt teils in
der bestimmten Angabe, dass Kain in Nod wohnt, d. i. in dem
Lande, wo man als nad lebt, unstet und flüchtig, teils in der all-
^) Die Abgrenzung ist an beiden Endpunkten nicht ganz genau, 4, 16 a
gehört noch zu 4, 1 — 15, andererseits sind in 4, 1 Bestandteile benutzt, die
ursprünglich zu 4, 16—24 gehörten und nach dem Muster von 4, 17 auszu-
scheiden sind.
Kap. 1—11. 9
gemeinen Vorstellung, dass der Parricida flüchtig wii'd, von den
Furien verfolgt, nirgends vor der Blutrache sicher — obwol dann
auch seine Tötung wieder gerächt wird (v. 13 — 15, deutlich Aus-
legung von V. 24 mit irriger passiver Auffassung des Reflexivums
Dp'*). Der eigentliche Grundtrieb der ganzen Neubildung ist viel-
leicht, wie Ewald vermutet, ein gewisses lokales Misverständnis
der alten Elemente. In 4, 16 ss. wohnt Kain im fernen Osten in
einer Gegend, die offenbar den Israeliten wildfremd ist, und baut
dort eine Stadt, die gleichfalls über den geographischen Horizont
der Hebräer hinausliegt. In 4, 1 — 15 ist .die Wüste, welcher
appellative Begriff dem Eigennamen Nod untergelegt wird, gegen-
wärtig Kains Heimat, ursprünglich aber wohnte er aber im Lande-
Schon aus dem allgemeinen Gegensatz merkt man, dass dem Er-
zähler Verhältnisse seiner Zeit vorschweben. In der Adama ist es
sicher, ausserhalb derselben, d. h. in der von Räubern durchzogenen
Wüste, kann einen jeder tot schlagen; nur die Blutrache, zwar an
sich grässlich aber doch ein göttliches Institut für* die Wüste,
sichert vor gänzlicher Ausrottung. Aber der Gegensatz ist gar
nicht so ganz allgemein, unwillküi'lich schiebt sich dem Begriffe
der Adama das heilige Land unter, wo Jahve wohnt; indem Kain
aus dem Lande vertrieben wird, wii*d er auch vom Angesicht
Jahves vertrieben, was sich nur nach Massgabe von 1. Sam. 26,
19. Gen. 46, 4 verstehn lässt. Wenn nun die Adama Palästina
ist, so wü'd dadurch auch die Wüste bestimmt, es ist die dem
Alten Testament fast allein bekannte im Süden Judäas. Da 400
wohnte ein alter Nomadenstamm Kain: ohne Frage hat der Er-
zähler von 4, 1 — 15 diesen mit dem Urvater der Menscheit zu-
sammengeworfen; sehr gegen die Meinung der älteren Tradition').
Wie zu 4, 16 — 24 verhält sich 4, 1 — 15 auch zu Kap. 2 und
3; 4, 1 — 15 hat zwar viel mit Kap. 2. 3 zu tun, aber Kap. 2. 3
nichts mit Kap. 4, 1 — 15. Das folgt vor allem aus 4, 7 vgl. mit
1) Ich behaupte nicht, dass der Name des Nomadenstammes mit dem des
Urvaters überhaupt nichts gemein habe. Die Namen Gen. 4. 5 kehren mehr-
fach in späteren Gentilicien wieder, ausser Kain noch Jered und Henoch. Ver-
wandt sind auch Mehalelel und Jehalelel, Methuselah und Suthela. Am leich-
testen würde sich das erklären, wenn Henoch u. s. w. verklungene Gottesnamen
wären. Denn häufig tragen Personen, Völker und Städte den Namen ihres
Gottes. Assur ist die Stadt, das Volk und der Gott. Wie die Assurith der
Asera, so entspricht Assur dem Äser. Ein anderer israelitischer Stamm, der
wie ein Gott heisst, ist Gad. Auch Edom ist eine Gottheit^ vgl. Obed-Edom.
10 I^ie Genesis.
3, 16, der Vf. von 3, 16 kann nicht sein eigenes Wort in ganz anderem
Sinne, als er es gemeint hat, citiren, es ist geschmacklos das anzu-
nehmen. Ausserdem heisst mn in Kap. 2. 3 vielmehi* nt^'Nnamd
es bedurfte einer künstlichen Klammer, um diese Kapp, mit 4,
1 — 15 zu verbinden, nämlich des Einsatzes 3, 20. Man denkt sich
nach 3, 17 — 19 den Menschen betrübt und niedergeschmettert da-
stehn, erwartend, was Gott weiter mit ihm handeln werde v. 21 — 24;
statt dessen nimmt er inzwischen Gelegenheit, sein Weib Eva zu
nennen, wozu an dieser Stelle wirklich kein Anlass vorlag, wenn
es nicht eben die Absicht eines Bearbeiters war, das Stück 4, 1 — 15
vorzubereiten. Also: Kap. 2s. 4, 16b — 24 bestanden ursprünglich
ohne 4, 1 — 16a, aber dieses Stück setzt seinerseits die beiden
anderen und zwar verbunden voraus; 4, 16 ss. ist die alte Fort-
setzung zu Kap. 2. 3, die mit dem Sündenfall begonnene Kultur
macht hier weitere Fortscliiitte.
Mit 4, 1 — 15 hängt die zweite Genealogie in JE, die von
Adam auf Noah fülii-te und jetzt nur restweise erhalten ist, genau
zusammen; Kain, der Brudermörder, konnte nicht der Stammvater
Noahs und des ganzen gegenwärtigen Menschengeschlechtes werden,
wenn nicht jedes gesunde Gefühl tödlich verletzt werden sollte.
Dass 4, 25s. und 5, 29 mit 4, 16 — 24 eigentlich nichts zu schaffen
hat, ist übrigens ohnehin klar und anerkannt: letztere Genealogie
beabsichtigt nicht einen Seitenzweig, sondern den ganzen Stamm
dazustellen, eben so wie die identische in Q (Kap. 5).
401 Wie nun damit die äussere Brücke abgebrochen wird, welche
Gen. 4, 16 — 24 mit der Geschichte von Noah und der grossen Flut
verbindet, so herrscht auch nicht der mindeste innere Zusammen-
hang zwischen den beiden Stücken. Vielmehr widerspricht 4, 16 — 24
dem Kap. 6ss. Erzählten. Statt Noah: Sem Ham Japheth erscheint
hier Lamech: Jabal Jubal Thubal. Dabei dann noch die
höchst charakteristische Verschiedenheit, dass Sem Ham Japheth
die Menschen nach Völkern, Jabal Jubal Thubal nach Ständen
einteilt. Und unstreitig ist in Kap. 4, 16 ss. die Meinung, die Genesis
der gegenwärtigen Kultur zu erzählen, nicht der verschollenen,
die durch die Sündflut begraben wurde. Thubal -Kain ist der
Vater der gegenwärtigen Schmiede, nicht der vorsündflutlichen ,
Jubal der der gegenwärtigen Hirten: darum stehn sie auch am
Ende der Genealogie und eröffnen die zweite Periode, die mit der
Sem Ham Japheths parallel ist.
Kap. 1—11. 11
Auf das schönste wird das Gefundene betsätigt durch 11, 1 — 9.
Diese Erzählung hat zwar ähnliche Absicht und Bedeutung wie
Kap. 10, ist aber nicht die Fortsetzung dieses Kapitels und hängt vor
allem mit Kap. 6 — 9 auf keine Weise zusammen. Nach Kap. 10 sind
wir, wenn wir die oben füi* JE angesprochenen Stücke in Betracht
ziehen^), schon so weit, dass die Erde von sekr verschiedenen
Völkern und Zungen eingenommen wird; nun werden wir plötzlich
11, 1 in eine Zeit zurückversetzt, wo alle Welt Eine Sprache und Eine
Zunge war. War das etwa die Zeit, als Noahs Familie noch die ein-
zige Bevölkerung der Erde ausmachte? mit anderen Worten: geht
Kap. 11, 1 — 9 hinter Kap. 10 zurück und schliesst an Kap. 6 — 9?
Offenbar nicht, alle Welt 11, 1 ist nicht Sem Ham und Japheth,
und die Menschenmenge, die, um sich durch künstliche Mittel zu
concentriren, eine Stadt baut und einen Turm, und die dann in
verschiedene Yölker gespalten wird, besteht aus melir als einer
Familie. Es liegt eine ganz andere Anschauungsweise vor, als sich
aus den Prämissen von Kap. 6 — 9 ergeben würde; der Erzähler weiss
nichts von der Sündflut, die von aller Welt nur die Familie
Noahs übrig gelassen hat. Oder hat man 11, 1 an einen Zeitpunkt
zu setzen, der so weit nach der Flut fällt, dass inzwischen aus der
Familie wieder ein grosses Volk erwachsen ist? Anschluss an die 402
Vorstellung von Noah und seinen drei Söhnen wird dadurch doch
nicht erreicht. Denn wenn die letzteren sich hinterdrein zu einer
Familie vereinigen und daraus weiter ein einheitliches Volk ent-
steht, welches dann durch höhere Gewalt plötzlich in mehi^ere
Sprachen geklüftet wii-d, so ist die ganze Bedeutung von Sem Ham
und Japheth, als Teilungsprincip der Völkerwelt, aufgehoben. Die
Teilung der Völker geht Gen. 6 — 10 auf genealogischem, natüi'-
lichem Wege vor, Gen. 11 auf übernatüi'lichem Wege durch un-
mittelbares Eingreifen Gottes.
Die Fortsetzung von Kap. 6 — 10 kann Gen. 11, 1 — 9 nicht sein,
dagegen selii' wol die von Gen. 2 — 4, und mit der Möglichkeit ist
in diesem Fall, da Kap. 11, 1 — 9 jedenfalls in einem grösseren
Zusammenhang gestanden hat, auch die Tatsächlichkeit erwiesen.
An Gen. 2. 3 erinnert der ganze den Stoff beherrschende Gedanke;
die Verse, die die Pointe aussprechen, 11, 6 und 3, 22 haben
0 Aber auch, wenn man bloss 10, 8 — 12 zu JE weist, stellt sich die
Sache nicht anders. Man muss mehr als ein Auge zudrücken, um 11, 1 — 9
als Fortsetzung von 10, 8 — 12 betrachten zu können.
12 Die Genesis.
in Inhalt und Form ein unverkennbar gleiches Gepräge^). Mit
Gen. 4, 16 — 24 hat 11, 1 — 9 vor allem das fehlende Wissen um
die Sündflut gemein. Ausserdem ist bereits bemerkt, das Lamechs
drei Söhne nicht drei verschiedene Völker oder Rassen, sondern
drei verschiedene Stände darstellen, notwendigerweise des selben
Volkes, denn kein Volk besteht aus lauter Musikern oder Schmie-
den — dies liefert die Prämisse zu 11, 1: siehe Ein Volk, und
alle haben Eine Sprache. Endlich mache ich aufmerksam auf die
Worte 11, 2 da sie aufbrachen aus Osten; denn anders kann
man CHpD DiJt'jÜ nicht verstehn. Der Schauplatz von Kap. 6 — 9
ist jedenfalls nicht östlich von Babylon. Dagegen ist Eden im
fernen Osten gedacht, das Land Nod mit der Stadt Henoch in nächster
Nähe davon; von diesem Osten aufbrechend kommen die Men-
schen 11, 2 nach der babylonischen Ebene.
Dass auch ohne die Flut eine gute Folge zwischen den drei
Stücken Kap. 2. 3, Kap. 4, 16—24, Kap. 11, 1—9 herrscht, braucht
403 kaum nachgewiesen zu werden. Es sind die drei Stationen auf dem
Wege, den das Menschengeschlecht in der Kultur vorwärts und in
der Gottesfurcht rückwärts schreitet ^). Dem entspricht ein lokaler
Fortschi'itt von Osten nach Westen, Eden Nod Babel sind die drei
Urheimaten ^der idealen, vorgeschichtlichen, und urgeschichtlichen
Menschheit. — Es wäre möglich, dass das gegenwärtig nur als
stark überarbeitetes Fragment erhaltene Stück 6, 1 — 4 einst vor
11, 1 — 9 und im Zusammenhang damit gestanden hätte; ebenso
ist es auch denkbar, dass Teile von Kap. 10 ursprünglich hinter
11, 1 — 9 gefolgt wären, aber nachweisen lässt sich beides nicht.
3. In der Sündflutgeschichte selber (Kap. 6 — 10) scheint eine
zweite Hand von der ersten unterschieden werden zu können. Ein
Nachtrag in JE ist jedenfalls die Geschichte 9, 20^ — 27. Vergleicht
man v. 25 ss. mit v. 24, so sind hier die drei Söhne Noahs:
1) Siehe, der Mensch ist wie unser einer geworden zu wissen Gutes und
Böses, und nun, dass er nicht seine Hand ausstrecke und nehme auch vom
Baume des Lebens und esse und lebe ewiglich 3, 22. Siehe, Ein Volk und
alle haben sie Eine Sprache, und dies ist nur der Anfang ihres Tuns, und
nun, es wird ihnen nichts zu schwer sein, was sie sich unterfangen; auf,
lasst uns herniederfahren und ihre Sprache verwirren 11, 6. T6 OeTov ttöEv
^axi cp^ovepdv.
2) Ganz anders Gen. 4, 2 — 15. Hier geht die Sünde nicht mit steigender
Kultur Hand in Hand, sondern Kain sinkt zurück in die Unkultur. Auch
Habel der Hirt, vor Jabal, dem Vater der Hirten, befremdet.
1-11. 13
Sem Japheth' Kanaan, in dieser Reihenfolge. Das ist eine cleut-
siclie Differenz gegen 9, 18s. und den Tenor von JE. Dass v. 22
"•UN cn und V. 18 jy^D ""ÜN N'IH cm eingesetzt ist, kann zur Ver-
selbigung Kanaans und Harns nichts helfen; es bleibt dabei, dass
V. 24 — 27 Kanaan der Bruder Sems und Japheths und der jüngste
Sohn Noahs ^st, und dass darnach auch v. 22 s. von ihm und nicht
von Harn die Rede ist. Die Abweichung von der herrschenden
Vorstellung beruht übrigens nicht bloss auf dem verschiedenen Na-
men des einen Sohnes. Wie es scheint, wohnen in 9, 20 — 27 die
drei Noachiden alle in Palästina; Kanaan ist die vorisraelitische
Bevölkerung, Sem^), der Herr Kanaans und Verehrer Jahves, ist
Israel selber, Japheth, gleiclifalls Herr Kanaans und inmitten Sems
wohnend, kann eigentlich nur die Philister bezeichnen — womit
natürlich ilii'em pelasgischen oder indoeuropäischen Ursprung nicht
das Wort geredet sein soll. — Ein fernerer Nachtrag scheint in
10, 16 — 18 a anerkannt werden zu müssen. Die Grenze des Ka-
naaniters wird v. 19 so angegeben: von Sidon bis Gaza, von da
bis zum Toten Meere, von da bis nach Dan, der bekannten Grenz-
stadt im Norden (statt V^b Hess nz*b oder D^^., wie die Con-
sonanten Dl^^ richtig auszusprechen sind, Lokalformen von t^*lb). 404
Die sämtlichen Völker nun in v. 17 und v. 18 a fallen nördlich
über diese Grenze hinaus und stehn hier also schwerlich von
Haus aus; durch v. 17 und v. 18a wird aber auch dem v. 16
präjudicirt. — Ebenfalls ein ursprünglich fremdes Element, aber
ganz anderer Natur, gleichsam ein unverdauter Brocken ist 6, 1 — 4,
am Schluss stark glossirt (v. 3b. v. 4). Nicht das sündliche Ver-
derben der Menschheit, sondern eine Verrückung der Weltordnung
und ihi'er Grenzen, welche Schuld der Dämonen ist, veranlasst hier
das göttliche Strafgericht. Noch andere Spuren ungleichartiger Be-
standteile kommen in der Flutgeschichte von JE vor, z. B. der
Rabe neben der Taube. Ursprünglich waren das jedenfalls sich
ausschliessende Variationen der selben Erzälilung, es ist aber mög-
lich, dass sie schon bei der ersten Aufzeichnung der mündlichen
Überlieferung zusammengestellt wurden.
Das Endergebnis ist: JE hat eine in mehi-eren Stadien verlau-
fene Geschichte hinter sich und ist das Product eines länojeren
^) Vielleicht bedeutet Qi^ ij^ eigentlich nichts weiteres als die herr-
schende Klasse im Gegensatz zu den Ureinwohnern, welche lob. 30, 8 1^21 ^j^
Q]i; genannt werden. Vgl. den Namen der Arier.
14 Die Genesis.
scliriftlichen Processes. Als ursprünglicher Kern lässt sich Kap. 2. 3'.
Kap. 4, 16 — 24. Kap. 11, 1 — 9 ansehen. Hiermit ward dann die
Erzählung von der Flut verbunden Kap. 6 — 10, von einem Bearbeiter,
der sie wol schon schriftlich vorfand, möglicher-, jedoch nicht
walii'scheinlicher weise im Zusammenhange eines grösseren Ge-
schichtswerkes. Diesem Bearbeiter wii'd man zugleich die Ein-
setzung einiger von den kleineren Stücken zuschreiben müssen, die
nie literarisch selbständig, sondern immer nur wie Parasiten auf
fremdem Stamm existirt haben, jedenfalls von 4, 25 s. 5, 29. 4,
1 — 15. 10, 16 — 18 a. Andere „Ergänzungen" hat man keinen
Grund, ihm ab- oder zuzusprechen; sie mögen zu anderen Zeiten
von anderer Hand eingetragen sein. Das Einzelne lässt sich nicht
ausmachen, aber die Hauptsache steht fest: es hat nicht bloss ein
Zusammenarbeiten grosser Zusammenhänge stattgefunden, sondern
in diese Zusammenhänge, sei es vor, oder mit, oder nach ihi-er
Vereinigung, sind vielfach kleinere unselbständige Stücke auf-
genommen worden, teils melir gelehrten und theoretischen, teils
auch volkstümlichen Ursprungs. Denn die mündliche Überliefe-
rung, nachdem sie einmal auf Scliiift gebracht war, stand doch
nicht plötzlich still, sondern entwickelte sich, nunmehr in Wechsel-
wirkung mit der Schrift, noch weiter und nahm auch ganz neue
Stoffe von aussen auf, die dann demnächst wiederum literarisch
fixirt wurden.
Aber festhalten muss man, dass die Schrift JE bereits den literarischen
Process, aus dem sie hervorging, hinter sich hatte und abgeschlossen
405 vorlag, als sie durch den letzten Redactor (R) mit Q verbunden
wurde. Im Vergleich zu Q ist JE als ein Ganzes, als eine Einheit
zu behandeln, Q ward nicht mit einer der früheren Ausgaben oder
gar den ursprünglichen Quellen von JE zusammengearbeitet, sondern
mit der Ausgabe letzter Hand. Alle Teile von JE, so verschiedener
Herkunft sie sind, haften doch viel fester unter sich zusammen,
als mit Q, sind durch Vorstellungen Ausdrücke und Stil unter
sich verwandt und von Q geschieden. Darum ist es auch in der
Natur der Sache begründet, dass man zuerst nur zwei Fäden der
Erzählung in Gen. 1 — 11 erkannt hat, Q und JE, und erst all-
mählich auch in JE selbst ein complicirtes Gespinnst zu erkennen
beginnt. Man hat alle Ursache, diese Zwieteilung festzuhalten,
auch nachdem sich ergeben hat, dass JE nicht in dem Sinne wie
Q ein einheitliches Werk ist.
Kap. 12—26. 15
Abraham und Isaak. Gen. 12 — 26.
Der Urgeschichte der Menschheit würde genau genommen die Erz-
vätersage als Ganzes zur Seite gesetzt werden müssen, aber dadurch
entstünde eine zu ungleichmässige Verteilung des Stoffs. Abraham
alleine zu behandeln empfiehlt sich nicht, weil sich die Kritik der
Yei'^leichung des Kap. 26 mit Kap. 21 und Kap. 12 nicht entschlagen
kann; doch kommt Isaak hier nur als kinderloser Mann in Betracht,
die Geschichte von Esau und Jakob gehört in das nächste Kapitel.
1. In Q wird die Patriarchengeschichte im Vergleich zu der
Urgeschichte sehr stiefmütterlich behandelt. Am meisten wii'd
noch über Abraham erzählt, als den eigentlichen Repräsentanten
der Periode und Contrahenten des ihr entsprechenden Bundes,
aber im Vergleich zu JE ist auch das nur recht düiitig. Es ver-
bot sich daher für den Redactor ganz von selbst, die Quelle Q
liier eben so zu Grunde zu legen wie Kap. 1 — 11, doch scheint er
sie fast ganz unverkürzt, wenn auch mit z. T. etwas verrenkten
Gliedern, mitgeteilt zu haben. Zu Anfang felilt die Überschrift dies
sind die Tholedoth Abrahams und darnach vielleicht der Befehl
auszuwandern, der aus JE 12, 1 — 4a gegeben wird. Dann folgen 12,
4b. 5. 13, 6. IIb. 12. 19, 29. 11, 30. 16, 3. 15. 16. 17, 1—27. 21, 2b.
3—5. 23, 1—20. 25, 7— IIa. 12—17. Nöldeke macht auf eine Lücke
aufmerksam, Q habe ohne Zweifel anLot, der ja anundfüi'sich keineBe-
deutung habe, auch die beiden Völker Mo ab und Ammon angeschlossen.
Früher wies man dem Vierbundsbuche noch mehrere grosse 406
Stücke aus der Geschichte Abrahams zu, namentlich Kap. 20 — 22,
weil darin der Gottesname Elohim vorherrscht. Aber abgesehen
hiervon haben sie, wie Hupfeld zur Anerkennung gebracht hat,
nichts mit Q gemein. Nach Q ist Ismael |bei Isaaks Geburt 14 Jalii*
alt, bei seiner Entwöhnung also, die di'ei Jaln- später anzusetzen
ist, 17 Jalu' — nun denke man sich in 21, 9ss den Ismael als
17jährigen Menschen! Er ist vielmehr ein spielendes Kind (pr\)iD
V. 9, meist misverstanden) , wii'd seiner Mutter auf die Schulter
gelegt (v. 14: r\üD^ bv GK^ ib^n HNI), und in der Verzweiflung
von ihr abgeworfen (v. 15) kann er sich selbst gar nicht helfen.
Gleiche Unzuträglichkeiten, die bereits Isaak Peyrerius bemerkt
hat, ergeben sich, wenn man versucht Kap. 20 in den Zusammen-
hang von Q aufzunehmen. Hat man nun ein Recht, diese Kapitel
zu JE zu rechnen? In Stoff, Vorstellungen und Sprache sind sie
jedenfalls dieser Traditionsschicht durchaus homogen, wie schon
16 Die Genesis.
ein oberflächlicher Vergleich zwischen Kap. 20. 21 und Kap. 26. 16
lehi't. Aber wie allseitig zugestanden wird, kann der Haupterzähler
in JE, dem Kap. 12. 13. 16. 18. 19. 24. 26 a potiori angehören, die Ka-
pitel 20 — 22 nicht verfasst haben; er kann sie auch nicht, wie
Nöldeke meint (a. 0. p. 23) vorgefunden und benutzt, in sein Werk auf-
genommen haben. Denn er hätte dann doch seine eigene Erzählung,
die er ja als Autor und Concipient frei zu gestalten die Macht hatte, mit
Rücksicht auf die aufzunehmenden fremden Stücke eimichten müssen,
so dass diese hineinpassten; aber ganz das Gegenteil ist der Fall. Ein
schlechterer Platz Hesse sich für Kap. 20, um es dem Faden von JE
einzufügen, kaum ausfindig machen als seine jetzige Stelle hinter
Kap. 18s.; ärger können sich keine Pendants stossen und im Wege
stehn, als Kap. 21, 9ss. und Kap. 16; seltsamer könnte der jeho-
vistische Haupterzäliler nicht verfahi'en, als dass er beinah alle
Geschichten, die er einem fremden Werke entlehnt, vorher oder
nachher noch einmal in ausführlichster Weise frei mit seinen
eigenen Worten berichtet^). Aber doch hat Nöldeke im Grunde
nicht so unrecht. Die Kapitel 20 — 22 sind in der Tat zunächst
in den Zusammenhang der durch Kap. 16. 18s. 24. 26 re-
präsentirten Quelle aufgenommen und damit, bereits ehe Q hin-
407 zutrat, zu einem Werke verbunden worden, freilieh nicht von dem
ursprünglichen Erzähler von Kap. 16 ss. selber, sondern von der
Hand eines Dritten, der auf diese Weise der Compilator von JE
wurde. JE ist hier aus zwei parallelen und von einander un-
abhängigen Erzählern zusammengewirkt, die man nach den von
ihnen gebrauchten Gottesnamen passend den Elohisten (Kap. 20 — 22)
und den Jahvisten (z. B. Kap. 16. 18 s.) nennen und mit E und J
bezeichnen kann. Wie wir die Composition mit JE signiren, so
können wir den Componenten als den Jehovisten bezeichnen, da
ja Jehovi die Consonanten von Jahve mit den Vocalen von Elohim
vereinigt. Der Name passt auch darum, weil der Jahvist (J) von
dem Zusammenarbeiter zu Grunde gelegt, der Elohist (E) ein-
gearbeitet ist. Indem ich mich anschicke, diese Behauptungen näher
zu begründen, werde ich zunächst versuchen, sowol in E als in J
Spuren von Überarbeitung nachzuweisen, die z. T. direct dem Zwecke
dienen, eine Zusammenstellung der beiden Quellen zu ermöglichen.
1) Nur die Geburt Isaaks berichtet er allerdings nicht, aber da wider-
spricht der von anderweit hergenommene Bericht mehrfach seiner eigenen An-
kündigung.
Kap. 12-26. 17
2. Die bisher für den Elohisten angesprochenen Stücke sind
Kap. 20. 21. 22, mit Ausnahme der zu Q gehörigen Reste 21,
2 b — 5 '). Dass diese Kapitel sui generis sind, geht einesteils
daraus hervor, dass sie weder dem Vierbundesbuche, noch dem
Jahvisten, der Hauptquelle von JE, angehören; andererseits werden
sie auch durch gemeinschaftliche positive Eigenschaften verbunden.
Ausser dem Namen Elohim füi- Jahve und Ama für Schiphcha
kommt in dieser Hinsicht Folgendes vorzugsweise in Betracht.
Gott erscheint des Nachts im Traume, um Befehl zu geben 20, 3.
6. 21, 12 (wegen v. 14). 22, 1 (wegen v. 3); der den Befehl
erhalten hat, steht des Morgens früh auf, ihn auszurichten 20, 8.
21, 14. 22, 3. Der Engel Gottes begegnet dem Menschen nicht,
wie beim Jahvisten, sondern er ruft vom Himmel 21, 17. 22, 11.
Die Scene, d. i. der Ort wo Abraham wolmt, ist nicht Hebron,
sondern Beerseba; schon Kap. 20, obwol da der Name noch nicht
genannt werden kann, der erst 21, 31 gegeben wii'd, und auch
Kap. 22. Die einzelnen Abschnitte der Erzählung werden
durch ziemlich lockere Verbindungsformeln an einander gereiht,
N\in ny:i ^n^) 21, 22 und nb^n Dn3."in nn^s %t'i 22, l. 20 vgl.
15, 1. 39, 7. 40, 1. 48, 1, sonst recht selten. Obwol allerdings
jetzt hinter Kap. 20 der Faden abreisst, indem Kap. 21 Voraus- 495
Setzungen macht, die zwischen Kap. 20 und 21 (d. h. aus E)
nicht mitgeteilt sind, ist es doch nicht zweifelhaft, dass E
ursprünglich einen füi' sich bestehenden Zusammenhang dargestellt
und nur durch den Bearbeiter verschiedene Glieder desselben ein-
gebüsst hat. Es gibt keinen anderen Grund, warum der Bearbeiter
Kap. 20 und Kap. 21. 22 so zusammenstellt, als weil er sie eben
in einer eigenen, selbständigen Scln^ift zusammen vorfand.
Ein positives Eingreifen des Compilators in diese Stücke zeigt
sich zunächst 20, 18, in einem glossatorischen Zusatz, der sich
durch den Namen mn'» verrät. Dieser Gottesname lässt auch 21, 1
die fremde Hand erkennen. Dem Jahvisten, d. i. dem Verfasser
von Kap. 18s., gehört der Vers schwerlich an, er hat mit dem
ganzen Bericht über Isaaks Geburt nichts zu tun, da nach seiner
Ankündigung 18, 14 dabei ein abermaliger Besuch Jahves und
zwar in Hebron, nicht in Beerseba, zu erwarten ist. Man wird
also 21, 1 besser der driten Hand zuschreiben, welche den von iln:
^) 21, 2 a gehört wegen T>Jpl^ (v. 7) schwerlich zu Q; wenigstens sind
dann Bestandteile von E und Q darin verschmolzen.
Well hausen. Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 2
18 Die Genesis.
verschuldeten Riss zwischen Kap. 20 und Kap. 21 an den Rändern
(20, 18. 21, 1) etwas ausputzt: möglicherweise mit Benutzung elo-
histischen Materials, vgl. 21, 1 mit 30, 22. Ex. 2, 27 s. Der Name ''^^
mn^ erscheint wieder 21, 33; auch hier hilft er uns auf die Spur
einer Überarbeitung. In v. 32 heisst es am Schluss: „Abimelech
und sein Hauptmann Phichol standen auf und kehi'ten um in das
Land der Philister." Aber der Elohist lässt Abraham und Abi-
melech in Kap. 20 an dem selben Orte wohnen, dem nachmaligen
Beerseba, und auch 21, 22 ist dies die Meinung; hier dagegen
scheint es, als ob sie nicht einmal in dem selben Lande wohnten.
Auch fällt der Ausdi'uck Land der Philister an sich auf, bis
dahin ist er nirgends gebraucht. Vergleichen wir dagegen die
Parallele aus J Kap. 26, so heisst dort Abimelech von vornlierein
der König der Philister, und da 26, 23 erzählt wird, dass er von
anderswoher zu Abraham gekommen sei, so versteht es sich, dass
er 26, 26 wieder fortgeht; in Kap. 26 wohnen sie eben nicht am
selben Orte. Also geht 21, 32b auf einen Bearbeiter zurück, der
von Kap. 26 entnommene Voraussetzungen auf Kap. 21 übertrug.
Die Probe für die Richtigkeit dieser Beobachtung ist, dass erst
nach dem Wegfall von v. 32 b der folgende Vers sein notwendiges
Subjekt bekommt. „Darum nannte er den Namen des Ortes Beer-
seba, weil sie dort geschworen und einen Bund geschlossen hatten
in Beerseba. Und er pflanzte eine Tamariske in Beerseba und rief
409 dort den Namen Eis des Alten an." Der Ausdruck Land der Philister
macht auch v. 34 verdächtig, der sonst gleichgiltigen Inhalts ist.
Sehr deutlich zeigt sich die überarbeitende Hand des Jeho-
visten in 22, 1 — 19, wie u. a. Nöldeke gesehen hat. Vor allem
ist V. 15 — 18 sein Zusatz, ohne Originalität, voll von Reminiscenzen
(sogar '•'' DNi), erkenntlich schon an dem P'Jli' v. 15, welches an
Jos. 5, 2 n^:tJ' und an 1. Sam. 11, 14 ^m^ erinnert. Der Jeho-
vist ist auch v. 11 — 14 tätig gewesen, aber nur in' geringfügigen
Änderungen. Denn der Inhalt ist ganz elohistisch, vgl. v. 11 mit
21, 17 und dagegen 16, 7. 18, Iss. 19, Iss. aus J, ferner v. 14 mit
V. 8, wo der Name durch nN*T> D^"lb^* vorbereitet wird. Die wich-
tigste Änderung ist durch sehr zarte Mittel bewii'kt und lässt sich
nur ahnen. Sie besteht in dem Verwischen der Lokalität, wo die
Scene spielt, deren genaue Bezeichnung sonst bei den Patriarchen-
geschichten eine Hauptsache ist. Nach der jüdischen Tradition
soll es Jerusalem gewesen sein, aber das ist wegen v. 4 nicht die
Kap. 12-26. 19
ursprüngliche Meinung. Nach der samaritanischen der Garizim.
Das wüi'de passen, Sichern ist etwa drei Tagereisen von Beerseba
entfernt, die hohen Berge, zwischen denen es liegt, kann man von
weitem sehen, nach einer jahvistischen Parallele baut Abraham zu
Sichern einen Altar vb^ nxijn "'"'b 12, 7. Jedoch hat vermutlich
schon der Bearbeiter Jerusalem zum Schauplatz machen wollen;
in V. 14b scheint diese Meinung zu Grunde zu liegen und eben so
in der Erweiterung v. 15 — 18: handelte es sich um die Inau-
gurirung des heiligsten Ortes, so war es billig die Yerheissung hier
in feierlicher Weise zu wiederholen. Mit dieser Tendenz hängt
dann auch wol der Name rTi^lcn zusammen. Zwar ist das keine
du'ekte Bezeichnung des Tempelberges, denn der hat in der alten
Zeit nie so geheissen, und wenn die Späteren ihn Moria nannten,
so geschah das auf Grund der traditionellen Deutung unserer Stelle.
Aber schon um die Entstehung dieser ziemlich alten Deutung
(2. Chr. 3, 1) zu erklären, wird man doch annehmen müssen, dass
ein indii'ekter Hinweis auf die Tenne Araunas, wo auch David den
Engel sah, mit nnr^n gegeben werden sollte. Der Elohist hat
sicher nicht rT'n^n gescliiieben, er muss v. 2 einen Landesnamen
genannt haben, denn er will nicht den bestimmten Punkt angeben,
den Gott ^delmehr näherer Bestimmung vorbehält, sondern die
allgemeine Sphäre zur vorläufigen Orientirung Abrahams — es
muss also auch eine bekannte Gegend gewesen sein, vielleicht
Cl^n |**1X, wo Sichem lag^). Die Lesung rmcn machte vor 410
allem das Nomen proprium unkenntlich und gestattete eine auf
V. 14 n^^T' mn'» bezügliche appellative Auffassung des Wortes,
welche die Deutung auf Jerusalem zwar nicht forderte, aber offen
hielt. Die Rücksicht auf diese Etymologie von Moria scheint auch
der Grund sein, warum der Bearbeiter den Gottesnamen in
V. 11 — 13 beharrlich in Jahve corrigirte.
Spuren dieser selben überarbeitenden Hand lassen sich nun
auch in J erkennen; insbesondere lässt es sich wahrscheinlich
machen, dass in Kap. 16 und 26, 13 ss. Zusätze angebracht sind
in der Absicht, diese Erzählungen mit den Parallelen aus E
(Kap. 21) einigermassen verträglich zu machen. In Kap. 16
rühi-en v. 8 — 10 vom Jehovisten her. Der 10. Vers ist von Einem
^ Die Correktur nmDn würde sich schon deshalb in einer ganz ver-
kehrten Richtung bewegen, weil kein Ort, sondern ein Land hier angegeben
werden soll.
2*
20 I)ie Genesis,
gesclu'ieben, der den Vers 11 bereits kannte; diese Ordnung ist ganz
unnatüi'lich und schwerlich aus der ursprünglichen Conception ent-
sprungen. Der 9. Vers giebt der Magd den Rat: i::;nn, dagegen
V. 11 heisst es: Jahve hat auf dein ""JV gehört, d. h. er will dich
davon befreien. Nach v. 8 — 10 soll Hagar zu Hause gehn, also
auch dort gebären und ihr Kind aufziehen; aber v. 11. 12 gehn
von der Anschauung aus, dass Ismael in der Wüste und fern von
Abraham aufwächst. Es wäre doch der Mühe wert gewesen zu
berichten, dass Hagar, dem Befehl v. 8 — 10 folgend, wirklich zu
iln-er Herrin zurückgekehi't sei — das geschieht indes v. llss.
keineswegs. Dazu erwäge man die stilistische Form: und er
sprach, v. 8, und der Engel des Herrn sprach zu ihr, v. 9,
und der Engel des Herrn sprach zu ihr, v. 10, und der
Engel des Herrn sprach zu ihr, v. 11. So hat der Jahvist,
der beste Erzähler in der ganzen Bibel, nicht geschrieben. Ich
glaube also: nach J blieb Hagar in der Wüste und genas bei dem
Brunnen Lachai Roi eines Knaben, des Wüstensohnes Ismael. Den
Schluss machte vielleicht 25, 18 „und er wohnte von Havila
(im 0.) bis nach Sur (im W.^)". Die Verse 16, 8—10 aber sind
vom Jehovisten eingesetzt, um die späterhin aus E zu erzählende
Austreibung Ismaels aus dem Vaterhause (21, 9ss.) zu ermöglichen.
— In Kap. 26 zeigt sich Rücksichtnahme auf die elohistische
Parallele 21, 22 ss. in v. 18 und v. 15. Beide Verse unterbrechen
411 den originalen Zusammenhang und widersprechen ihm. Denn 26,
19 SS. nennt Isaak die Brunnen zum ersten Male, nach Ver-
anlassungen die sich eben in dem Augenblicke darboten; er gräbt
sie also auch zum ersten Male; seine Knechte „entdecken" das Wasser
V. 19. Es steht nicht im Einklänge damit, wenn es v. 18 heisst:
„Isaak grub die Wasserbrunnen wieder auf, die man in seines
Vaters Abraham Tagen gegraben hatte und die die Philister nach
Abrahams Tode verschüttet hatten, und er legte ihnen die selben
Namen bei, wie sein Vater sie genannt hatte." Besonders beim
Schluss, der von dem Brunnen bei Beerseba handelt v. 23 — 33,
ist es klar, dass der Erzäliler gar keine Ahnung davon hat, dass
diese ganze Geschichte sich auch schon an dem selben Orte
zwischen Abraham und dem Philisterfürsten abgespielt habe.
Auch bemerke man, dass es im Gegensatz zu v. 18 den Geraritern
'Js bv miCK n3Na /
Kap. 12—26. 21
in V. 19 SS. gar nicht einfällt, die Brunnen Isaaks zu verschütten,
sondern sie wollen sie selber haben. Nach alle dem ist der
18. Vers ein auf 21, 22 s. bezugnehmender harmonistischer Ein-
satz, der auf eine ziemlich kindliche Weise die Brunnen Abrahams
durch Zuschütten aus der Welt schaffen will, damit sie Isaak noch
einmal graben kann. Mit v. 18 fällt natürlich auch v. 15, dieser
Vers scheint noch später eingesetzt zu sein, da v. 18 ihn nicht
voraussetzt, sondern seinen Inhalt wiederholt.
Zu diesen Spuren, welche beweisen, dass E und J gemein-
schaftlich von dritter Hand zusammengefügt und überarbeitet sind,
füge ich ein letztes Beispiel hinzu, wo möglicherweise ein gewisses
Ineinander von E und J zu constatiren ist, nämlich Kap. 15. Der
Zusammenhang dieses Kapitels ist brüchig und zwar lässt sich eine
Hauptfuge wahi'nehmen zwischen v. 1 — 6 und v. 7 — 21. In
V. 1 — 6 ist es Nacht — vgl. die Sterne v. 5, das Gesicht v. 1,
wenn auch die Form des Traumes sich wenig fühlbar macht; da-
gegen ist es V. 7 SS. zuerst Tag, dann wird es dunkel v. 12 und
endlich tritt die Nacht ein v. 17. Während man bei v. 1 — 6 zur
Not noch die Form der Vision (v. 1) festhalten kann, ist das
V. 7 — 21 völlig unmöglich. Damit hängt ein Unterschied der
Offenbarungsweise zusammen, v. 1 — 6 ist sie ziemlich vermittelt,
V. 16. 18 von handgreiflicher Unmittelbarkeit. Am stärksten fällt
die Discrepanz auf beim Übergänge v. 6: v. 7. 8. Nachdem in
V. 6 Abrahams Glaube belobt und ihm hoch angerechnet worden
ist, lässt er sich v. 8, auf eine weitere Verheissung Gottes, also
vernehmen: „Woran soll ich das merken, dass ich das Land in
Besitz nehmen werde?" Dabei ist auch auf den verschiedenen
Gebrauch von 1^*1'' v. 7s. und v. 3s. Gewicht zu legen. Es scheint, 412
dass in v. 1 — 6 ein durch den Jehovisten überarbeitetes Stück von
E vorliege. Dafür spricht negativ, dass der Jahvist, Kap. 24, den
Namen des Eliezer nicht kennt, so wenig wie den der Amme
Rebekkas, den gleichfalls der Elohist nennt; positiv, dass die Offen-
barung durch ein Nachtgesicht geschieht und dass die Ubergangs-
formel nb^H D''*l^"in "^n^ gebraucht wird. Weitergehend könnte
man versuchen, v. 7 — 21 füi' J in Anspruch zu nehmen. Jedoch
ist das nur mit starken Einschi'änkungen möglich. V. 7 müsste
stark überarbeitet sein, "»^N und Ur Kasdim sind nicht jahvistisch.
V. 13 — 16 ist eine Art Incubation, die auf alle Fälle dem ur-
sprünglichen Zusammenhang fremd ist. Es ist eine Clausel, die
22 Die Genesis.
eigentlich nur nach v. 17. 18 Sinn hat und die dort gegebene
bestimmte Verheissung des Landes Kanaan antecipirt. Zunächst
muss doch, auch nach v. 8, das Versprechen selbst gewähi'leistet
werden, darnach versteht sich erst der Zusatz, dass es aber nicht
sehr bald, sondern erst nach langer Zeit in Erfüllung gehn werde,
wenn nämlich die Schuld der gegenwärtigen Bewohner des Landes
reif sei. Die Ausleger haben denn auch gewöhnlich den Sinn der
Worte V. 13 bis 16 gar nicht recht verstanden und nicht gemerkt,
dass hier eine Einschränkung zu v. 17 s. gegeben werden solle.
Zusatz wird ebenfalls v. 19 — 21 sein, aber gleichgiltiger und
unschuldiger Natur. Was übrig bleibt, könnte- dem Jahvisten an-
gehören (vgl. 15, 18 mit 24, 7) und wüixle sich in diesem Fall
an 13, 18 anschliessend). Nachdem Abraham in Hebron das Ziel
seiner Wanderschaft erreicht und dort einen Altar gebaut hat,
wüitIo ganz passend diese Hauptstätte durch eine göttliche Er-
scheinung eingeweiht werden, die ihm den einstigen Besitz des
ganzen heiligen Landes, in dem er eben festen Fuss gefasst hat,
gewähideistet. Diese Yerheissung wüi'de zugleich die in Kap, 16.
18s. nachfolgende bedingen und veranlassen, so dass 15, 7 ss. auch
nach der Seite hin ausgezeichneten Anschluss in J hätte. Mit
völliger Zuversicht wüi'de ich die beiden Hälften von Kap. 15 an
E und J verteilen, wenn ich in der überarbeitenden Hand den
Jehovisten erkennen könnte. Aber v. 13 — 16 und v. 7 verrät in
Sprachgebrauch (ti^on, n^-lIO nrL''li^) und Vorstellung (Ur Kasdim)
Verwandtschaft mit dem Vierbundesbuch.
413 3. In der Hauptsache ist JE eine Composition aus diesen
beiden parallelen Geschichtsbüchern. Dabei ist J zu Grunde gelegt
und aus E das mitgeteilt, was sich in J entweder überhaupt nicht
oder nicht so fand. Die Stücke Kap. 20 — 22, die zum grossen Teile
in J wiederkehi'en, verdanken ihre vollständige Aufnahme haupt-
sächlich dem Umstände, dass sie in E von Abraham statt wie in
J von Isaak erzählt wurden — zum Glück für uns, denn nament-
lich aus diesen Erzählungen ersehen wir, wie ungemein ähnlich
die beiden Geschichtsbücher gewesen sein müssen. Mit diesen
beiden einfachen Factoren kommt man aber auch hier nicht zur
^) Nur der tiefe Schlaf v. 12 passt nicht zu v. 17. 18, aber auch nicht
einmal recht zu v. 12 b, dagegen wol zu v. 13 — 16. Übrigens spricht für J
auch die genaue Angabe der Tageszeit, die eins der charakteristischen Merk-
male ist.
Kap. 12—26. 23
Erklärung von JE aus; man muss auch hier jenen Trieb der Wuche-
rung zu Hilfe nehmen, vermöge dessen der Stamm, oder besser ein
Stamm, in verschiedenen Phasen einzelne neue Schösse trieb. Ich
werde dies zu erweisen suchen, indem ich die einzelnen Kap. von
Gen. 12 an der Reihe nach durchgehe. Dabei werde ich zugleich
Anlass nehmen, auf Lücken des Zusammenhanges in JE aufmerksam
zu machen, die sich am Schlüsse des Abschnittes fühlbar machen.
In Kap. 12 ist die Erzählung von der Wanderung nach Ägypten,
V. 10 — 20, ein späterer Einsatz. Ich schliesse das zunächst daraus,
dass die Bezugnahme darauf in 26, 1 — 5 nicht vom Jahvisten
selbst herrührt, sondern wie auch z. B. Delitzsch anerkennt, dort
von späterer Hand nachgetragen ist. Es folgt aber auch aus inneren
Gründen. In 12, 10 — 20 ist Abraham allein, im Zusammenhang
des Jahvisten aber ist Lot noch bei ihm. Schon in alter Zeit ist
diese Unebenheit empfunden worden, und ein grosser Teil der
griechischen Bibelhandschriften setzt darum v. 20 die Worte zu:
xal AwT [ist' ccüTou. Wichtiger ist Folgendes. Wie vor 12, 10 — 20,
so befinden wii* uns auch hinterher in Kap. 13 in Bethel, und dort
in Bethel trennen sich Abraham und Lot. Hätte 12, 10 — 20 ur-
sprünglich hier gestanden, so wäre gar kein Grund gewesen, den
Abraham statt nach seinem dauernden Aufenthaltsorte in Hebron
wieder nach Bethel zurückwandern zu lassen; die Trennung von
Lot konnte eben so gut hier wie dort vor sich gehn. Bloss um
Anschluss an die Erzählung des Jahvisten zu erreichen, der zwischen
12, 8 und 13, 4 den Schauplatz nicht verändert, muss Abraham
wieder zurück nach Bethel und sich dort von seinem Bruder
scheiden. In 13, 4 sind wir genau so weit wie in 12, 8, und selbst
die Worte von 12, 8 werden 13, 4 wiederholt. Der Jahvist liess
Abraham gradeswegs über Sichern und Bethel nach Hebron wandern,
er hatte auch in diesem Fall keine Dublette, sondern erzählte die 414
Gefähi'dung der Stammmutter nur einmal und zwar von Isaaks Weib,
Kap. 26. In den Yersen 12, 9. 13, 1. 3. 4 ist die Naht zu erkennen,
wodui'ch der Einsatz dem ursprünglichen Bestände aufgeheftet wurde.
Gründe, die, von einer allgemeinen Anschauung hergenommen,
Wenige überzeugen werden, bewegen mich, auch 13, 14 — 17 für
einen späteren Nachtrag anzusehen. Es ist durchaus nicht Sitte
des echten Jahvisten, Gott so ohne weiteres zu den Erzvätern reden
zu lassen, er erzählt stets bestimmt eine Theophanie an einem ge-
nau angegebenen Orte, der aber durch die Erscheinung dann füi'
24 Die Genesis.
alle Zeiten geheiligt wird. Dagegen haben wir ein Analogen zu
13, 14 — 17 in 22, 15 — 18 von der Hand des Jehovisten, der solche
Reden Gottes aus dem Stegreif einstreut und dabei alles Gewicht
auf den Inhalt legt, ohne die Form und den Ort der Erscheinung
besonders hervorzuheben. Ferner hegt der Jahvist gar nicht die
Vorstellung, dass Abraham halb nomadisch das heilige Land durch-
wandert; er lässt ihn vielmehr auf dem nächsten Wege über Sichem
und Bethel nach Hebron gelangen. In Hebron bleibt er bis an
seinen Tod, dort wohnt er Kap. 16 und Kap. 18s., dort wohnt er auch
Kap. 24 — erst Isaak verlegt 24,62.25,11b seinen Sitz nach dem
Negeb. Nur wenn man den Jahvisten mit dem Elohisten combinirt,
der Beerseba an Stelle Hebrons setzt, erscheint Abrahams Wohnort
schwankend; man wird es also 13, 14 — 17 mit dem Zusammenarbeiter
von J und E zu tun haben, der wol 12, 10 — 20 gleichfalls schon vor
Augen hatte. Yielleicht ist endlich noch darauf aufmerksam zu
machen, dass man von Bethel aus wol die Aussicht auf die Jordansaue
hat 13, 10, aber kein Panorama über das ganze Land v. 14 — 17.
Kapitel 14 steht zwar ohne Frage nach 13, 18 und vor Kap. 15 — 19
an seinem notwendigen Platze und kann nirgend anders eingeordnet
werden. Aber im Zusammenhang einer fortlaufenden Quelle steht
es nicht, es gehört weder zu Q noch zu J oder zu E. Mit E hat
man es wol in Verbindung bringen wollen, aber gerade für diese
Quelle ist Abraham am wenigsten Kriegsmann, vielmehr „Muslim"
(Kap. 22. 15, 6) und Prophet (Kap. 20). Auch steht dem Elohisten die
Verherrlichung Jerusalems 14 17 — 24 ganz und gar nicht an. Es
wird freilich trotz Ps. 76, 3 und trotzdem dass das mi^ pDV v. 17
in der Nähe Jerusalems lag (2. Sam. 18, 18), behauptet, Salem sei
nicht Jerusalem, sondern ein beliebiger obscurer Ort. Aber die
415 Zehntenabgabe Abrahams an Salem ist doch gewiss analog zu be-
urteilen, wie die Zehntenabgabe Jakobs an Bethel; wie Jakob dort
den an den Reichstempel von Bethel steuernden Israeliten das
Vorbild giebt, so Abraham hier den an das salomonische Heiligtum
steuernden Judäern. Melchisedek, der Vorgänger Adonisedeks
Jos. 10, 1, ist König und Priester des höchsten Gottes zu Jerusalem;
wo nicht, so hat das Zehnten Abrahams überhaupt keinen Sinn.
Da nun aber der Elohist, wie vorläufig als anerkannt gelten mag,
kein Judäer ist, so wird ihm, wie gesagt, der Bericht nicht zu-
zutrauen sein, dass der älteste Erzvater dem judäischen Central-
heiligtum die heiligen Abgaben entrichtet habe. Allem Anschein
Kap. 12-26. 25
nach ist Kap. 14 erst in die letzte Ausgabe der Genesis eingeschoben
worden. Denn auch dem Jehovisten, dem Yerarbeiter von J und
E, kann es nicht zugewiesen werden, weil dieser seine Ergänzungen
immer recht fest mit dem Zusammenhang verkittet und sich
ausserdem von der Anschauungsweise seiner Quellen niemals weit
entfernt. Dazu kommt, dass das fragliche Stück einige Bekannt-
schaft mit der Sprache von Q verrät, vgl. I^IDI und t^'^J v. 21.
Am meisten Wahi'scheinlichkeit hat es darum für sich, dass der
Endredactor der Genesis, der JE und Q zusammenfügte, diese nach
vorn und hinten verbindungslose Erzählung aufgenommen habe,
auf die man das von Melchisedek gesagte Wort: aTraimp ajirjtüip
a^EvsaXo^Tixo? mit gleichem Recht anwenden kann.
Über Kap. 15 und 16 ist bereits gehandelt, über Kap. 17 nichts
zu bemerken. In Kap. 18 und 19 lassen sich wiederum Spuren einer
vermehrten Ausgabe von J entdecken. Ich denke wenigstens, dass
ursprünglich 18, 22 a und 18, 33 b an einander schlössen, in folgender
Weise: „und die Männer wendeten sich von dannen und gingen
nach Sodom, und Abraham kehrte zurück an seinen Ort". Was
zwischen diesen beiden Sätzen steht, zeigt am Anfang und am Ende
die Fuge. Nach v. 22 a gehn die Männer fort nach Sodom, die
Männer, die nach v. 2. 3 Jahve selbst sind, unter denen er mindestens
inbegriffen ist. Nach v. 22b. 23 ss. aber ist Jahve doch nicht fort-
gegangen, während hinwiederum andi-erseits gar nicht ausdrücklich
gesagt worden, er sei dageblieben — was doch der Mühe wert war,
zu bemerken. In 19, Iss. wii'd allerdings von den zwei Engeln
geredet, die nach Sodom gekommen seien, es ist also die Meinung,
Gott selbst sei zurückgeblieben. Aber diese beiden Engel stimmen
sehr wenig zum Ganzen. Vielleicht kennt der Jahvist überhaupt
keine pluralischen COxb^j jedenfalls aber steht der Artunterschied 416
Jahve selbst, zwei Engel in auffallendem Kontrast zu der un-
unterschiedenen Verschwommenheit, in welcher das Verhältnis der
Männer (sie) zu Jahve nicht bloss 18, Iss., sondern auch 19, 17 ss.
erscheint. Und was das Wichtigste ist, so sagt nicht bloss 18, 21
Jahve: ich will hinab nach Sodom, sondern offenbar ist er auch
19, 17 ss. wirklich selbst mit unter „den Männern", obwol sein
nachträgliches Hinzukommen zu den zwei Engeln von 19, 1 nirgend
berichtet wird. Die Worte 19, 21 kann nur Jahve sagen, in dem
Gespräch 19, 17 ss. tritt eben so wie in dem 18, Iss. stets wieder
eine singularische Hauptperson als allein redend und allein an-
26 Die Genesis.
geredet aus dem scheinbaren Plural der Männer hervor. Aus alle
dem folgt, dass die beiden Engel in Kap. 19 später eingetragen sind,
und da sich kein anderer Grund hiezu denken lässt, als die nach
18, 22b — 33a zu machenden Voraussetzungen, so folgt weiter, dass
die Voraussetzungen dieses Stückes dem echten Zusammenhang
widersprechen, dasselbe also die Zutat einer späteren Hand ist.
Man bemerke, dass Jahve den Beschluss, die sündigen Städte zu
verderben, der 18, 23 ss. bereits als gefasst gilt und den Anlass der
Verhandlung bildet, in 18, 20s. überhaupt gar noch nicht ausge-
sprochen, sondern nur gesagt hat: „es ist ein Gerücht über Sodom
und Gomorrha, dass ihre Sünde gross, dass sie sehr schwer sei^);
ich will doch hinabgehn und sehen, ob sie wii'klich, wie das Ge-
rücht, das zu mir gelangt ist, sagt, ganz so getan haben, oder
erkennen ob es nicht so ist" — so vorsichtig und unanstössig wie
möglich. Ich wage auch darauf hinzuweisen, dass der sonst über-
all in Kap. 18. 19 herrschende sein* naive Verkekr der Erzväter mit
Gott in 18, 22 — 33 plötzlich aufhört; während Abraham 18, 8 dem
Jahve ein Kalb schlachtet und ihm Käse und Milch vorsetzt, fühlt
er 18, 23 ss. mit einem Mal den Abstand der Kreatur von dem
Schöpfer: ach siehe, ich habe mich unterwunden mit Jahve zu
reden, wiewol ich Staub und Asche bin.
Ist das fragliche Stück ein Einsatz, so lässt sich ein Motiv
dafür leicht finden. Es ist aus einer Stimmung erwachsen , die
schweren Anstoss daran nahm, dass eine ganze Stadt oder Gegend
mit einem Male untergegangen war: da musste doch Gott auch Un-
schuldige unter der Masse mit fortgerafft haben. Bekanntlich be-
herrschte diese Stimmung das jüdische Volk in der Zeit, als Jeremias
417 und Ezechiel weissagten und das Buch lob entstand — aus dieser
Zeit scheint somit 18, 22b — 33a zu stammen. Vergl. Hier. 5, 1.
Es scheint, dass der Text des Jahvisten in Kap. 18. 19 noch
durch einzelne kleinere Eingriffe alterirt worden sei, z. B. ist
19, 23 — 26 schwerlich im Fluss der ursprünglichen Conception so
geschi'ieben. Die Verse 18, 17 — 19 weisen in "»JX und jV^';) myr»
"ILJ'N verdächtigen Sprachgebrauch auf und sind im Inhalt verwandt
mit 13, 14 — 17. 22, 15 — 18; vor dem neuen Ansatz 18, 20 entbehrt
man sie nicht. Dagegen hat man keinen Grund, das Stück
19, 30 — 38 dem Jahvisten abzusprechen. Er kann doch unmöglich
^) Streich das ) vor DPlNtSrij sprich v. 21 ^^j
i
Kap. 12—26. 27
den Lot in Zoar lassen; die Flucht nach Zoar ist ja nur eine Di-
gression, die erklären soll, wie es komme, dass jene kleine Land-
zunge, die eigentlich auch zum Gebiet der Hapheka gehört, vom
Untergange ausgenommen sei; das Endziel fiii' Lot ist notwen-
digerweise das Gebii'ge Moab 19, 30. Ferner würden die Töchter
Lots nicht so viel vorher erwähnt sein, wenn hinterdrein nichts
von ihnen zu erzählen gewesen wäre; und auch der Tod des Wei-
bes bereitet die Geschichte 19, 30 ss vor. Moralische Bedenken
sind keine kritischen.
Demnächst folgen die elohistischen Stücke Kap. 20 — 22. Zu E
rechne ich auch das Verzeichnis der Nahoriden 22, 20 — 24. Von
Q wii'd es durch Vorstellung (Kemuel, Vater Arams) und Sprache
(IT) ausgeschlossen; wenn nicht bestimmt zu E, gehört es doch
jedenfalls zu JE, als Vorbereitung für Isaaks Heirat mit der Re-
bekka Kap. 24. Im Folgenden ist der Zusammenhang von JE durch
R mehrfach unterbrochen und verrenkt. Da Kap. 24 Saras Tod
zum notwendigen Motiv hat, so muss JE jedenfalls eine Erzählung
darüber enthalten haben, die gegenwärtig durch Q Kap. 23 ver-
di'ängt ist. Darnach wird 25, 1 — 6 gefolgt sein, ein Stück, das so
wenig wie 22, 20 — 24 aus Q stammen kann, sowol wegen Seba
und Dedan, als auch wegen "lb''0- Es scheint, dass 24, 36 auf
25, 5s. zurückblickt. An 25, 5 schloss sich möglicherweise 25, IIb,
vielleicht aber auch an 24, 67. Hinter 25, 1 — 6 hat Kap. 24 in JE
seine richtige Stelle. Hier vermisst man die Nachricht von Abra-
hams Tode. Natüiiich hat JE sie enthalten, natüiiich aber musste
R sie streichen, wenn er sie aus Q geben wollte. Es fi'agt sich
nur: wo stand die betreffende Angabe in JE? Ohne Zweifel in 418
Kap. 24. Der Knecht verlässt Abraham offenbar auf dem Toten-
bette, er kommt zurück und von Abraham ist keine Rede mehr.
Er muss inzwischen gestorben und dies auch dem Leser irgendwo
mitgeteilt sein, am besten hinter v. 62, um zu motiviren, dass
der Knecht nicht zu seinem Auftraggeber znrückkehi't, sondern
dii'ekt zu Isaak geht^ nicht nach Hebron, sondern nach Lachai Roi.
Die Angabe v. 62 hätte kaum einen Sinn, wenn Isaak an seines
Vaters Ort geblieben wäre, wenn damit nicht eine Verlegung
') Dass Abraham nach Saras Tode (?) noch eine Frau nimmt, ist in JE
durchaus nicht weniger auffallend als in Q. Ursprünglich freilich ist Ketura
wol nur eine andere Version der mündlichen Überlieferung für Hagar. —
Über 25, 18 s. vgl. p. 20.
28 Die Genesis.
seines Wohnsitzes nach dem Tode Abrahams ausgedrückt sein
sollte, die in des Knechtes Abwesenheit erfolgt ist. Vielleicht
darf man zu behaupten wagen, dass 1?0N v. 67 eine Korrektur des
R für ursprüngliches VHN* ist. Das ist klar: stand T^ÜN da, so war
R, der den Tod Abrahams erst 25, 8 aus Q erzählen wollte, ge-
zwungen, es wegzuschaffen. Dass aber in der Tat in 24, 67 eine
spätere Hand bestrebt gewesen ist, Isaaks Mutter Sara einzu-
schmuggeln, folgt evident aus ICN D^'t^' nbn^ri. Die Form nbnxn
verträgt keinen Genitiv hinter sich, 1DN* n*lt^ ist hier jedenfalls
nachgetragen. Dies giebt aber zugleich eine Präjudiz gegen 1CN
am Schluss ab. Auf Kap. 24 ist nach der ursprünglichen Ordnung
von JE Kap. 26 (excl. 34s. aus Q) gefolgt. Denn die Geschichte
26, 1 — ^,11, wo Isaak sein Weib für seine Schwester ausgiebt, wird
gradezu absurd, wenn Rebekka bereits Mutter zweier Söhne ist
und noch dazu erwachsener Männer; sie ist nur vor 25, 19 — 34
verständlich. Weist man ihr und ihrer Fortsetzung bis 26, 33
diesen Platz an, so fällt auch Licht auf die „Befragung Jahves"
25, 22s. Dann ist nämlich eben vorher (26, 23 — 33) die durch
eine Theophanie veranlasste Stiftung des Heiligtums von Beerseba
durch Isaak erzählt; nun können die Leser, für die der Erzähler
schi'eibt, die häufig genug selbst in Beerseba das Orakel befragt
haben werden, wissen, wo Rebekka den göttlichen Bescheid holte.
Andererseits tritt auch Kap. 27 in die ihm angemessene Verbindung,
es ist die unmittelbare Fortsetzung von 25, 19 — 34 und hat mit
dem jetzt zunächst vorhergehenden Stück gar nichts zu tun. Auf
diese Weise an den richtigen Ort versetzt^) bildet Kap. 26 den
wahren Abschluss des Lebens Isaaks in JE, von nun ab treten
seine Söhne an seine Stelle. Was die Herkunft der Bestandteile
419 in JE betrifft, so stammt Kap. 24 und Kap. 26^), anerkannter-
massen aus J. Das Verzeichnis 22, 20 — 24 wird man wegen der
Übergangsformel 22, 20 wol zu E zu rechnen haben, über 25, 1 — 6
lässt sich nichts entscheiden.
Fassen wir am Ende noch einmal zusammen, was die Unter-
^) R war gezwungen, Kap. 26 umzustellen , weil er die Angaben aus Q
25, 19 s. 26 an der Spitze des Abschnitts Isaak mitteilen und diesen die ent-
sprechenden Notizen aus JE an die Seite setzen musste.
2) Über 26, 2-5 und '-^n 'in lIl'PD v. 1 s. oben p. 23, über v. 15
und V. 18 p. 20. Wie man trotz Kap. 21 hier Bestandteile aus E vermuten
kann, ist nicht recht begreiflich.
Kap. 12-26. 29
suchung des zweiten Abschnitts der Genesis gelehrt hat, so ist das
Ergebnis entsprechend dem für Kap. 1 — 11 gefundenen, aber nicht
genau das selbe. Denn man hat gar keine positiven Gründe,
irgend ein Stück von Kap. 1 — 11 aus E herzuleiten. Obwol JE
auch dort noch anderweitige Bestandteile neben J enthält, so ist
doch E in keinem derselben zu erkennen, sondern tritt erst seit
der Geschichte Abrahams als neuer und von da ab ununterbroche-
ner Zufluss ein. Dieser Unterschied hebt indessen die wesentliche
Gleichartigkeit von JE in den beiden Abschnitten nicht auf. Na-
mentlich hat auch in Gen. 12 ss. noch, wie wir gesehen haben,
der Wucherungstrieb gewaltet und allerlei Neubildungen angesetzt.
Einer dieser Zusätze (Kap. 14) kann freilich erst in die letzte Aus-
gabe der Genesis hineingeraten sein, die meisten werden jedoch
vom Jehovisten herstammen, der J und E zu JE verwob. Ein
Nachtrag ist sogar wol schon in J eingesetzt, ehe diese Quelle
mit E verwoben wurde, nämlich 12, lOss. Denn warum nimmt
der Interpolator A^on 26, 2 — 5 nicht auf das näher liegende und
sehr viel stärkere Analogon Kap. 20 Bezug, sondern auf Kap. 12,
10 SS? Es kann kaum einen anderen Grund dafüi* geben, als weil
er zwar wol schon 12, 10 ss, aber noch nicht Kap. 20 mit J ver-
bunden vorfand. Es scheint darnach, dess ehe E in extenso auf-
genommen wurde, eine oder die andere Geschichte aus dieser Quelle
oder aus der ihr entsprechenden Yolkstradition einzeln ihren Weg
in eine Ausgabe von J fand, und dass 12, 10 ss. hiervon ein Bei-
spiel ist. Nicht unmöglich ist es, dass auch E dem Jehovisten
nicht melir in der primären Ausgabe vorgelegen hat, z. B. scheint
Kap. 20 Spuren von Überarbeitung zu tragen, die gleichwol dem
Verf. von v. 18 bereits bekannt waren.
Dass JE gegenüber Q eine Einheit bildet, und dass der Jeho-
vist von dem letzten Redaktor der Genesis, der die Compilation
des Jehovisten mit dem Vierbundesbuche vereinigte, zu unterschei-
den ist, habe ich zwar nicht direkt, aber indirekt, wie mich dünkt, 420
hinlänglich gezeigt. Der strikte Beweis wird im nächsten Ab-
sclmitte geliefert werden.
Jakob und Esau. Gen. 27 — 36.
Unter diesem Titel fasse ich die folgenden Erzählungen bis Kap.
36 und 38 zusammen, zerlege aber das Ganze in fünf Abschnitte,
die ich einzeln auf ihre literarische Beschaffenheit untersuche:
30 Die Genesis.
1. Jakobs Jugend im Elternhause 25, 19 — 28, 22; excl.
26, 1 — 33. Der skelettartige Bericht von Q ist folgendermassen
auszuscheiden: 25, 19. 20 ... v. 26c. 26, 34. 35. 27, 46. 28, 1—9.
Zwischen 25, 19 und v. 20 hat Q möglicherweise die Heirat Isaaks
mit Rebekka erzählt, zwischen 25, 20 und v. 26 c jedenfalls die
Geburt der Söhne, nach 20jähriger Unfruchtbarkeit der Mutter.
Die beiden Fäden, aus denen JE zusammengewirkt ist, reissen
hier nicht ab, sondern setzen sich fort, aber in so enger Verschlin-
gung, dass an eine reinliche Sonderung durchweg nicht zu denken
ist. Am besten gelingt die Scheidung in 28, 10 — 22. Im Ganzen
heisst Gott hier Elohim, nur in v. 13 — 16 Jahve. Dadurch auf-
merksam gemacht hat bereits Hupfeld erkannt, dass v. 13 — 16
auch sachlich den Zusammenhang des Elohisten unterbrechen.
Wozu sind Engel und Leiter überhaupt da, wenn, wie es v. 13
heisst, Jahve vbv steht und direkt zu Jakob spricht? Die Engel
sollen doch nicht bloss tanzen, sondern die Offenbarung vermit-
teln — das tun sie aber v. 13 — 16 eben nicht. Lässt man die
Yerse aus und verbindet v. 12 mit v. 17, so gewinnen Leiter und
Engel auf der Stelle eine Bedeutung und zwar eine höchst ori-
ginelle. „Ihn träumte, da war eine Leiter, die stand auf der
Erde und ihi'e Spitze rührte an den Himmel, und siehe, die Engel
Gottes stiegen daran auf und nieder. Und er füi'chtete sich^) und
sprach: wie schauerlich ist diese Stätte, dies ist nichts anderes
als ein Haus Gottes und dies ist das Tor des Himmels." Nicht
eine hinzukommende inhaltliche Offenbarung, sondern die Leiter
selbst ist jetzt das Wichtige. Sie steht an dieser Stätte nicht bloss
in diesem Augenblick, sondern immer und gleichsam von Natur;
Bethel — das erkennt Jakob daraus — ist ein Ort, wo Himmel
und Erde sich berühren, wo die Engel auf- und niedersteigen, um
den an diesem Tore von Gott gestifteten Verkelu' zwischen Him-
421 mel und Erde zu vermitteln. Hingegen ist v. 13 — 16 von einer
einzelnen Theophanie bestimmten Inhalts die Rede, wodurch der
heilige Ort ein für allemal eingeweiht wird, vgl. 12, 7. 26, 24ss.
Jos. 5, 13—15. 2. Sam. 24, 16—18. Das vbv v. .13 bezieht sich
■Buf Jakob, wie die Sprache rät, denn auf der Leiter müsste
"lli'N"] hv heissen, und wie der Sinn fordert, denn im Himmel oben
auf der Leiter stehend müsste Jahve laut rufen, wie es sonst beim
^ Vp"»iT hat man auch für E zu ergänzen, es konnte nicht zweimal ge-
geben werden.
Kap. 27—36. 31
Elohisten auch geschieht 21, 17. 22, 11. Es unterscheidet den
Jahvisten, dass er Gott nicht vom Himmel aus und durch aller-
hand Vermittlungen mit den Menschen verkehren, sondern ihn
dii'ekt zur Erde herniederfahren lässt. Ein sprachliches Kenn-
zeichen: CN "lt^^X IV v. 15 vgl. mit DN IV 24, 19. Das J auch
hier durchaus selbständig erzählt, nicht etwa E ergänzt, sondern
von dritter Hand damit zusammengearbeitet ist, brauche ich wol
kaum zu zeigen; gegen Nöldekes Annahme sprechen in der Tat
ganz die gleichen Gründe, welche die Tuchsche Ergänzungshypo-
these unmöglich machen. Aber ich will auf ein paar formelle
Unterscliiede des Jahvisten 28, 13 — 16 und des Jeho^dsten auf-
merksam machen. Der Jehovist zählt die Himmelsgegenden 13, 14
in folgender Ordnung auf: Norden Süden Osten Westen, der Jah-
vist 28,14: Westen Osten Norden Süden. Zum Subjekt von "I21:1j
macht der Jehovist pwXn '•''i: bj 22, 18. 18, 18, der Jah\äst bj
HDINH mnDlJ^D 28, 14. 12, 3: vielleicht ein nicht bloss formeller,
sondern ein höchst bedeutender sachlicher Unterschied. Der Jeho-
vist scheint ferner zu verstehn: durch Israel (den Samen Abra-
hams) sollen alle Völker der Erde gesegnet werden ^), während der
Jahvist meint: mit Abraham sollen sich segnen alle Geschlechter
des Landes. Man muss allerdings dann annehmen, dass "jy"lT:i"l
28, 14 eine jehovistische Zutat sei, aber diese Annahme hat nichts
Schwieriges. Denn einerseits wird auf alle Fälle der, welcher J
und E hier zusammensetzte, auch von seinem Eigenen etwas daran
gegeben haben, und andererseits macht wirklich "]y*n:n 28, 14 an
dieser Stelle ganz den Eindruck des Nachtrags.
Es scheint, dass auch in v. 17 — 22 E nicht ganz rein vor-
liegt. V. 19 ist im Vergleich zu v. 22 eine Dublette, und da
V. 22 jedenfalls elohistisch ist, so stammt v. 19 wol aus anderer 422
Quelle, und zwar ist v. 19 a aus J, dagegen v. 19 b Glosse, vielleicht
des Jehovisten. Olme Zweifel hat endlich der Jehovist in v. 21
die Worte 0^17X7 '•'p mn'' eingeschoben, der ursprüngliche Text von
E lautet: „wenn . . . ich wolhehalten in meines Vaters Haus
zurückkehre, so soll dieser Stein, den ich als Malstein aufgerichtet
habe, ein Gotteshaus werden." Er bestinmit durch das Mal vor-
läufig die Stelle, wo später das Haus errichtet werden soll.
^) Nach Analogie von 22, 18 wird man auch 18, 18 das ^^ nicht auf
Abraham, sondern auf ^))^)) "»i; beziehen und dann jedenfalls das Verbum
passivisch nehmen müssen.
32
Die Genesis.
Wir haben also in 28, 10 — 22 ein fast vollständiges Stück
aus E, zugleicli ein grosses Fragment aus J, welches beweist, dass
J die selbe Erzählung enthalten hat und zwar an der selben Stelle,
vgl. V. 15 mit V. 20s. Yon hier aber folgt durch Rückschluss,
dass sowol E wie J auch die Veranlassung der Flucht Jakobs
berichtet haben, ohne die sie selbst ja unmotivirt und unverständ-
lich wäre. In beiden Quellen muss notwendiger weise eine Geschichte
wie Kap. 27 gestanden haben, auch wegen Kap. 32. Freilich ist
es darum nicht nötig, dass der Jehovist Teile von beiden aufge-
nommen und in Kap. 27 mitgeteilt habe; wegen der grossen Ähn-
lichkeit von E und J kann denkbarer weise eine Prämisse füi- J
aus E und für E aus J gegeben werden. Aber es finden sich in
der Tat Spuren eines doppelten Fadens in Kap. 27, die sich nur
deshalb schwer erkennen lassen, weil der Gottesname sehr selten
vorkommt und so das Hauptkriterium mangelt. V. 44s.: „bis dass
der Grimm deines Bruders sich wendet, bis der Zorn deines Bruders
sich von dir wendet" ist unmöglich weder Glosse noch Erweiterung
eines Bearbeiters, sondern Dublette. Eine grössere liegt v. 33 — 38
vor und zwar nach den Worten und Isaak bekam einen grossen
Schrecken.
V. 33. 34.
und sprach: wer ist
denn der, der dasWild-
pret gejagt und es mir
gebracht hat, und ich
ass von allem, ehe du
kamst, und segnete ihn
auch? Und es geschah
da Esau die Worte
seines Vaters hörte,
weinte er laut und
423 bitterlich und sprach:
segne auch mich
mein Vater.
Wer diese beiden
V. 36—38.
und sprach: dein Bruder ist mit List ge-
kommen und hat deinen Segen genommen.
Da sprach Esau: hat man ihn doch Jakob
genannt, und er hat mich nun zweimal
betrogen! meine Erstgeburt hat er genom-
men und nun auch meinen Segen. Und
er sprach: hast du mir nicht einen Segen
vorbehalten? Und Isaak sprach: siehe ich
habe ihn dir zum Herrn gesetzt, und alle
seine Brüder habe ich ihm zu Knechten
gegeben und ihn mit Korn und Wein ge-
stärkt — was soll ich dir tun, mein
Sohn? Und Esau sprach zu seinem Vater:
hast du denn nur einen Segen? segne
auch mich mein Vater! Und er hub
seine Stimme auf und weinte.
Stellen aufmerksam vergleicht, wird finden,
Kap. 27-36. 33
dass sie nicht hinter einander, sondern neben einander gehören.
Insonderheit ist v. 35 und 36 nicht ein Schritt vorwärts ül^er v. 34
hinaus, sondern ein Schritt rückwärts hinter v. 34 zurück; v. 34
steht mit v. 38 auf gleicher Stufe. Unverändert hat der Jehovist
allerdings den zwiefachen Text hier nicht mitgeteilt, sondern zwischen
V. 33 und V. 34 etwas ausgelassen, was er vollständiger aus der
andern Quelle geben wollte. Einiges mag er auch von dem Sei-
nigen hinzugefügt haben.
In V. 20 — 30 ist zwar eine reinliche Scheidung der zwei zu
vermutenden Quellen nicht durchzuführen, aber es lässt sich auch
hier die Brüchigkeit des Zusammenhangs aufzeigen. Man ist nämlich
V. 23 schon ebenso weit wie v. 27 a (vgl. das in^l^""! als Schiuss-
resultat^) hier wie dort), wälu'end v. 24 keineswegs da fortfährt
wo V. 23 aufgehört hat, sondern hinter v. 21 zurückspringt. „Ein
ungeübter Erzähler kann wol falsch anlegen, einzelnen Teilen eine
unrechte Stelle anweisen, er kann das was vorausgehn sollte
nachbringen, er kann Nebenumstände w^eitläufig und mit einem
grossen Aufwand von Worten erzählen und Hauptsachen nur bei-
läufig erwähnen und nur anwinken, er kann Kleinigkeiten als
wichtig und wichtige Dinge als unbedeutend darstellen, aber den
Leser, wenn er ihn ein Stück vorwärts gefülu't hat, wieder rück-
wärts führen, wieder an den ersten Standpunkt stellen und von
neuem ausgehn lassen — dies kann auch der unwissendste und
ungeübteste nicht." Um das Verhältnis von 27, 23 zu 27,27a
näher zu erkennen, beachte man, dass nach 27, 23 v. 21s. Isaak
den] Jakob betastet und sich durch die mit Fell überzogenen Arme
trügen lässt, dagegen 27, 27a v. 26 ihn küsst um ihn zu riechen, 424
und durch den Duft der Kleider getäuscht wird. Endlich ist auf
V. 30 zu verweisen:
Und es geschah, da Isaak
vollendet hatte zu segnen den
Jakob
Und es geschah, da Jakob
kaum von Isaak fortgegangen
war
kam Esau heim von der Jagd,
Es hat keinen Wert die Sache weiter zu verfolgen. Das Dass
der Zusammensetzung ist klar, das Wie nicht zu ermitteln. Nicht
einmal, ob der Zusammenhang vorwiegend aus J und E gegeben
') Ewald, Composition der Genesis p. 157.
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl.
34 I>ie Genesis.
wird, lässt sich mit Sicherheit erkennen. Dass auf E nichts führe,
ist, auch wenn man von sprachlicher Beobachtung des Einzelnen
ausgeht, unrichtig. Es kommen mehrere nicht jahvistische Ausdrücke
vor, ausserdem vgl. D^■lvN^ 27, 36 (mn'' v. 20. 27) and besonders
die Art der Anrede 27, 1: „und er sprach zu ihm: mein Sohn!
und er sprach zu ihm: hier bin ich! und er sprach zu ihm so
und so", wovon sich in J kein Beispiel findet, wol aber in E
22, 2. 7. 11. 31, 11.
Unsere rückwärts schi-eitende Untersuchung endigt bei der
Pericope 25 19 — 34, welche mit Ausnahme von v. 19 s. v. 26 c
zu JE gehört. Sie kann in zwei Hälften zerlegt werden, die Geburt
und das Erwachsen der Zwillinge (bis v. 28) , und Esaus Preisgabe
der Erstgeburt an Jakob v. 29 — 34. Man hat geglaubt, diese
letztere Geschichte einem anderen Erzähler zuweisen zu müssen
als dem, der die Erlistung des Segens in Kap. 27 berichtet; man
hat gesagt, Kap. 27 stamme aus J, also 25, 29 — 34 aus E. Aber
wenn dem wirklich so wäre, so käme man doch mit 25, 29 — 34
als Vorbereitung für 28, 10 ss. nicht aus; es müsste nun doch
noch auch in E ursprünglich eine Geschichte gefolgt sein, welche
wie Kap. 27 den Ausbruch der Feindschaft zwischen den Brüdern
enthielt und damit die Flucht Jakobs motivirte. Natüi'lich liegt
die Sache genau eben so, wenn man umgekehrt 25, 29 — 34 an J
und Kap. 27 an E verteilen wollte: ersteres Stück, so wie es ge-
schi'ieben vorliegt, ist in keinem Falle ein Ersatz, sondern immer
nur eine Vorstufe des letzteren, und wenn auch Kap. 27 vielleicht
für sich bestehn kann, so hat doch jedenfalls der, welcher Kap. 25
die beginnende Spannung zwischen den Brüdern andeutet, hinterher
auch die Entzweiung selber berichtet, ohne welche alles Folgende
in der Luft schwebt. Es ist also das Princip unrichtig, dass, wenn
Kap. 27 aus einer Quelle stamme, dann 25, 29 — 34 aus der an-
deren stammen müsse. Richtig ist nur, dass in der mündlichen
425 Überlieferung die Erlistung der HID:! und die Erlistung der
nD*]'2. ursprünglich blosse Varianten gewesen sind.
Mir scheint, dass 25, 30 — 34 aus J herrühre, wegen iDJN
V. 30. 32 und '•JtO^y^n v. 30 vgl. TX''D:in 24^ 17. Das Vorangehende
wird dem Inhalte nach sowol von J als auch von E vorausgesetzt,
ohne dass daraus folgt, dass der Jehovist auch seine beiden Quellen
hier reden lässt. Jedenfalls rührt v. 21 — 23 aus J her, dagegen
V. 24s. vielleicht aus E, wenigstens wol nicht aus der Quelle,
Kap. 27—36. 35
die in v. 30 den Namen Edom anders, als es v. 25 (''JD"X) ge-
schieht, erklärt und ebenso 27, 36 den Namen Jakob mit Rücksicht
auf 25, 31 — 34 anders, als wie er 25, 26 gedeutet wird.
Das Endergebnis ist, dass JE zwar auch in diesem Abschnitt
aus J und E bestehn muss, dass aber eine durchgeführte Scheidung
unmöglich ist. Positiv ausgedrückt besagt dies, dass J und E fast
unauflöslich eng mit einander verbunden sind, zu einem Werke
von wirklich beinah einheitlichem Charakter. Nur wo die ver-
scliiedenen Gottesnamen ein auffallendes Kriterium an die Hand
geben, gelingt es die doppelte Strömung klarer zu erkennen.
Darnach ist es nun aber vollkommen unwidersprechlich — und
insofern sind unsere Kapitel besonders lehrreich — , dass J und E
in ganz anderer Weise mit einander verbunden sind als mit Q,
folglich auch von anderer Hand und in früherer Zeit. Erst ward
durch den Jehovisten JE componirt, darnach entstand durch die
Zusammenfügung von JE und Q von Seiten eines späteren Redaktors
die Genesis in iln-er gegenwärtigen Gestalt.
2. Jakob bei Laban 29, 1 — 30, 24. Eine Naclnicht über
Jakobs Doppelehe und Kindersegen in Mesopotamien wird zwar
auch in Q gestanden haben, ist uns aber von R nicht mitgeteilt.
Höchstens könnten 29, 24 und v. 29 Spuren von Q sein, diese
Yerse sind wenigstens dem Zusammenhange sein* lose an wenig
schicklicher Stelle aufgetragen, und 30, 3ss. 30, 9ss. verstehn sich
eben so gut ohne sie. Stilistisch erinnern sie an Q 16, 3 c, freilich
ist das selbe auch bei 29, 28b der Fall.
In JE ist der Bericht über Jakobs Aufnahme bei Laban nur
aus einer Quelle mitgeteilt 29, 1 — 14 a. Es scheint der Eloliist zu
sein. Gewiss hat auch der Jahvist die Ankunft in Mesopotamien
erzählt, aber schwerlich hat er dabei die Brunnenscene , die er
ja eben erst an dem selben Orte bei einer ähnlichen Gelegenheit
hatte spielen lassen (Kap. 24), hier schon so ausführlich wieder-
holt. Der Brunnen wird auch Kap. 24 anders beschi'ieben als 426
Kap. 29, hier liegt ein schwerer Stein darauf, dort offenbar nicht,
und dadurch ändert sich die Scenerie überhaupt etwas. Ebenso
zeigt der Sprachgebrauch 29, 1 — 14 zwar im Ganzen grosse Ver-
wandtschaft mit J, aber daneben Fremdartiges. J sagt nicht Harran,
sondern Stadt Nahors, nicht D"ip ''JD. pX, sondern Dnn: D^S*
und der wundersame Ausdruck er hub seine Füsse auf ist
gleichfalls nicht jahvistisch.
3*
36 Die Genesis.
Auch 29, 14b— 30^) stammt hauptsächlich aus E (p-irti'D),
doch fliesst gegen den Schluss J ein, denn n"T'2D. niiy^ v. 26 ist
jahvistisch (19, 31, ss.), elohistisch rÖTj^ nriOp v. 16—18. Dann
aber folgt in der Geburtgeschichte der Kinder Jakobs (29, 30 bis
30, 24) ein ganz merkwürdiges Stück Mosaik aus J und E. Der
Wechsel der Gottesnamen in diesem Stücke hat sogar Keil Sorge
gemacht, doch erklärt er ihn nicht aus dem Wechsel der Quellen,
sondern aus dem besseren oder schlechteren Zustande der beiden
Frauen; Elohim sei nur der Gott der Vorsehung, Jahve der Ver-
heissung — wogegen schon Delitzsch eingewandt hat, dass die Gottes-
namen nicht bloss im Munde der Frauen, sondern auch des Er-
zählers alterniren 29, 31. 30, 18. 22. Ausser den doppelten
Gottesnamen sind die doppelten Etymologien ein auffallender
Beweis für die Duplicität der Quellen. Bei Joseph treffen beide
Merkmale zusammen: „fortgenommen hat (^tJ^s) Elohim meine
Schmach! gebe mir (PiO^) Jahve noch einen Sohn!" — 30, 23
aus E, V. 24 aus J. Konsequenterweise werden dann auch die
übrigen doppelten Etymologien an J und E zu verteilen sein. Bei
Zebuion 30, 20: „geschenkt hat ("IUI) mir Elohim ein schönes
Geschenk" — aus E; „nun wohnt (^3.1) mein Mann mir bei"
— aus J. Bei Issachar: ich habe dich gedungen (l^i^ mit Objekt
l^'\s) für die Alraunen meines Sohnes" — 30, 16 aus J; „Elohim hat
mir Lohn ("^^ti') gegeben, dafür dass ich meinen Mann (p'*i\) meiner
Magd gegeben hatte" — v. 18 aus E; zwei ganz verschiedene
Deutungen, obschon mit Benutzung der gleichen Elemente t^\S
und IDli'. Bei den übrigen Kindern finden sich keine doppelten
Etymologien, nur bei Buben könnte die Sache zweifelhaft sein. —
Durchzuführen ist die Trennung in folgender Weise:
29, 31—35 aus J.
30, 1—8 wesentlich aus E, vgl. wrib^ v. 2. Der Inhalt von
427 29, 31 — 35 wird hier vorausgesetzt, muss also ganz ähnlich auch
in E erzählt sein — wie ja von vornherein zu vermuten ist, dass
beide Quellen die Geburtsgeschichte vollständig werden berichtet
haben. Nicht elohistisch ist HJQD n:rLNl v. 3, vgl. 16, 2; ferner
scheint vPll PHDii^ r\rh'2. in v. 7 Nachtrag zu sein.
30, 9—16 aus J. Vgl. nibü niüV V. 9 mit 29, 35 und das
regelmässige nriDl^ v. 9. 10. 12, nie n^N. Insonderheit muss v. 14 — 16
^) V. 14b ist schlecht mit v. 14a zu einem Verse verbunden; er eröffnet
den folgenden Absatz. Übrigens nehme ich v. 24 und v. 29 hier aus.
Kap. 27—36. 37
deshalb zu J gehören, weil v. 17 s. aus E stammt. Der Verfolg
des jahvistischen Fadens 30, 14 — 16 wird nicht mitgeteilt, lässt
sich aber nach den Prämissen erraten. In J muss gestanden haben,
]) dass Lea in Folge des erkauften Concubitus ein Kind bekam,
welches sie nach dem v. 16 angegebenen Anlass („ich habe meinen
Mann gedungen") Is-sachar nannte, 2) dass Rahel in Folge der ihr
abgetretenen Alraunen fruchtbar wurde.
30, 17 — 24 wesentlich aus E. Aus J nur die zweite Etymo-
logie Zebuions und Josephs, v. 20 b und v. 24. Zu v. 20b vgl.
die sehr ähnliche Wendung 29, 34 aus J. Fast alle Etymologien
des Jahvisten sind von der Eifersucht der Weiber hergenommen.
Es zeigt sich hier, wie ungemein ähnlich die beiden in JE
verquickten Geschichtsbücher gewesen sein müssen. Jahvist, Elohist,
Jahvist, Elohist — und dennoch keine auffallende Fuge, sondern
ganz erträglicher Schluss, und das bei einer offenbar gar nicht
notwendig durch die Sache gegebenen Anordnung des Stoffes; denn
es liesse sich wol denken, dass z. B. einer den Joseph zum Erst-
geborenen gemacht hätte. Auch die Namensdeutungen, so künstlich
sie sind, scheinen meist die selben in J und E gewesen zu sein;
denn sonst wüi'de der Jehovist wol nicht bloss für die drei letzten
Fälle eine doppelte Etymologie mitgeteilt haben. Diese enge Ver-
wandtschaft, die es in den meisten Fällen erlaubte, die eine Quelle
die Stelle der anderen vertreten zu lassen, ist offenbar füi* den
Jehovisten der Anlass gewesen, J und E zu einem einheitlichen
Werk zu verschmelzen, wie sie denn auf der anderen Seite auch
die Glätte des Gusses erklärt.
3. Jakobs Rückkehr 30, 25—31, 54. Ein Rest von Q ist
13, 18 (mit Ausnahme von in^pD-bD'PN :n3^l), sonst JE.
Auch hier ist JE wieder aus J und E zusammengesetzt. Dies
zeigt sich zunächst bei dem ersten Stück über den Heerdenreichtum
Jakobs 30, 25 — 31, 16. Hauptsächlich aus E stammt 31, 1 — 16,
vgl. Elohim v. 7. 9. 11. 13. 16, die Offenbarung im Traume v. 11,
die vorläufige Anrede ebendort. Nur einiges wenige ist dem
elohistischen Zusammenhange fremd. V. 1 ist ein Pendant zu v. 2, 428
worauf der Elohist v. 4s. keine Rücksicht nimmt. V. 3 ist nicht
aus E, vgl. V. 13, bes. mbvj und mbiD px- Endlich ist v. 12
ein nachträgliches Einschiebsel. Die Worte ^NH"'!! b^n ""DiX v. 13
müssen, wie immer, die Rede Gottes eröffnen und dulden v. 12
nicht vor sich, der sich auch durch seinen Inhalt hier unmöglich
38 Die Genesis.
macht. Denn wie können zwei so gänzlich ungleichartige Offen-
barungen in dieser Weise zusammen gekuppelt werden? zumal da
es kaum denkbar ist, dass sie gleichzeitig ergangen sind, vielmehr
wenigstens einige Monate, nach der Darstellung des Elohisten
31, 41 sogar Jahre dazwischen liegen. Mit v. 12 fällt natürlich
V. 10 ebenfalls, womit übrigens nur ein Stein des Anstosses be-
seitigt wird. Yon diesen nicht zu E gehörigen Bestandteilen kann
31, 1 und V. 3 (vgl. 32, 10) zu J gerechnet werden; v. 10 und
12 sind unsicheren Ursprungs.
Das eben behandelte Stück aus E setzt eine Erzählung voraus,
wonach Laban dem Jakob zuerst einen Lohn festsetzte und ihn
dann immer wieder änderte, ohne dadurch jedoch dem Eidam
Schaden tun zu können. Denn wenn er sprach: die gespren-
kelten sollten dein Lohn sein, so warfen alle Tiere gesprenkelte
Lämmer, und wenn er sagte: die gestreiften sollen dein Lohn sein,
so wm'den lauter gestreifte geworfen, 31, 7s. Diese Prämissen
werden von der gegenwärtig voraufgehenden Erzählung nicht ge-
liefert; von einer zehnmaligen Umänderung des ausgemachten
Lohnes ist 30, 25 — 43 nicht die Rede, und z. B. 30, 35. 39, wo
die gesprenkelten und gestreiften Lämmer zusammengefasst werden,
lässt sich mit 31, 8, wo sie unterschieden werden, durchaus nicht
in Verhältnis bringen. Daraus hat bereits Hupfeld geschlossen,
dass in 30, 25 ss. der Jahvist erzähle, vgl. den Gottesnamen
V. 27. 30. Indes ist der Tenor des Jahvisten hier vielfach durch
eingeschobene Fragmente aus E unterbrochen, die namentlich in
der zweiten Hälfte des Stückes leicht erkennbar sind. Obwol
kein Ausleger es bemerkt, ist es doch klar, dass v. 32 — 34 dem
Zusammenhange, in den sie gezwängt sind, total widersprechen.
Nachdem Jakob 30, 31 gegen eine zukünftige Bedingung für den
Augenblick auf jeden Lohn verzichtet hat, heisst es v. 32s.
weiter, alle schwarzen Schafe und bunten Ziegen, die heute unter
der Heerde vorhanden seien, sollen Jakobs Lohn sein, morgen
möge Laban selbst unter den auf diese Weise ausgeschiedenen
Tieren Jakobs nachsehen, ob das geringste andersfarbige Stück
mit dazwischen gekommen. Darauf geht Laban v. 34 ein — aber
429 dann reisst der angesponnene Faden plötzlich wieder ab. Denn
V. 35 ist es nicht Jakob, der, wie vorhin ausgemacht, seinen auf
der Stelle zu zahlenden Lohn aus der Heerde absondert, sondern
Laban sucht die Schafe aus, die nach v. 32s. dem Jakob gehören
Kap. 27-36. 39
sollen, nicht etwa um sie seinem Eidam zu geben, sondern damit
seine Söhne sie weiden sollen. Die einfarbigen Tiere bleiben unter
der Hut Jakobs, und was nun von ihnen bunt fallen würde, das
soll Jakobs Lohn sein: damit das aber auf keine Weine möglich
wird, lässt Laban einen Zwischenraum von drei Tagereisen zwischen
den bunten Tieren seiner Söhne und den einfarbigen Jakobs. Der
Widerspruch der Verse 32 — 34 zu Vorhergehendem und Folgendem
ist somit ein ganz completer; er hat es verschuldet, dass die Aus-
leger die ganze Stelle nicht recht verstanden haben. Darf man
den Einschub zu E rechnen, so würde sich unter Benutzung von
31, 7 s. Folgendes als die elohistische Darstellung ergeben. Zuerst
bedingt sich Jakob die gegenwärtig in der Heerde vorhandenen
schwarzen Schafe und bunten Ziegen aus. Laban bewilligt ihm
diesen Lohn; als er aber am anderen Morgen nachsieht, da ist es
ihm zu viel und er hält nicht Wort. Statt dessen wird ausgemacht:
was künftig von einfarbigen Tieren gesprenkelt ("ip:i) fällt, soll
Jakob haben. Es fallen lauter gesprenkelte Lämmer — Laban
ändert seinen Kontrakt wieder: nur die gestreiften Lämmer (ClpJ^)
sollen Jakob gehören. Da werden lauter gestreifte Junge geworfen:
Laban sieht, mit wem er es zu tun hat, er ist nicht mehr gegen
Jakob wie vordem. Diese Vorstellung muss man sich nach 30,
32 — 34, 37, 7. 8 von der Erzählung in E machen.
Die in J ist einfacher. Der Jehovist lässt den Lohn nicht
„zehnmal" verändern, sondern von vornherein wird ausgemacht:
alle bunten Lämmer, die von einfarbigen Tieren fallen, soll Jakob
haben. Zu dem Zweck scheidet Laban alle bunten Tiere aus und
hält sie von den einfarbigen möglichst fern. Aber Jakob wirkt so
auf die Imagination der Muttertiere, dass sie glauben, von bunten
Böcken besprungen zu werden. Er lässt nämlich die Böcke zu,
während die Schafe trinken, so. dass sie sich im Wasser spiegeln.
Das Wasser aber giebt ihr Bild nicht getreu, sondern durch die
darin liegenden geschälten Stäbe gestreift und bunt; so sehen also
die Mutterschafe und trinken sie das bunte Bild. Den neueren
Auslegern ist der Sachverhalt nicht klar geworden, übrigens finden
sich auch einzelne störende Glossen in dem jahvistischen Texte.
Folgendes ist der ursprüngliche Wortlaut: „LTnd er legte die ab-
geschälten Stäbe in die Tränkrinnen '), den Schafen in den Blick, 430
0 mnt^6 jxiin i^nn nii'x c^n mnpii^D. v. 38 ist Glosse zu
ClOniÜj die 7XHn nD^ib von seiner Verbindung losreisst. — j^x^n IDPiil
40 I^ie Genesis.
und sie wurden besprungen wenn sie zur Tränke kamen. Und
sie warfen gestreifte, gefleckte und gesprenkelte Lämmer, und diese
Lämmer sonderte Jakob ab und legte sich selbst Heerden an
und tat sie nicht zu dem Vieh Labans. L^nd immer, wenn^die
Schafe, die Frühlingslämmer warfen, besprungen wurden, dann* tat
Jakob die Stäbe vor den Blick der Schafe in die Rinnen, dass sie
über den Stäben besprungen wurden; wenn sie aber Spätlinge
warfen, dann tat er sie nicht hinein, und so bekam Laban alle
Herbstlämmer und Jakob alle Frühlingslämmer." V. 38 — 42.
Ganz schier ist der Text von J auch in 30, 25 — 31 nicht; als
AViederholungen fallen auf v. 28 : „bestimme mir deinen Lohn, ich
will ihn geben" vgl. v. 31 : „was soll ich dir geben", ferner v. 26
-j'imny '^t^'N ^mD.y-ni< nv'^ nn.s und v. 29 "j\n-!2.y ^^i< nvT npN*.
Wie beide Quellen des Jehovisten berichtet haben, auf welche
Weise Jakob zu einem Herdem-eichtum kam, so haben sie auch
beide seine heimliche Flucht von Laban und das feindliche Zu-
sammentreffen und den friedlichen Abschied von Eidam und Schwäher
auf dem Gebirge Gilead erzählt 31, 17 — 54. In der Hauptsache setzt
sich hier der elohistische Zusammenhang von 31, 2 — 16 her fort; vgl.
C^'^bN V. 24. 42, den Traum v. 24, zugleich die stilistische Ähnlichkeit
dieses Yerses mit 20, 3, ferner die nicht jahvistischen Ausdrücke:
nnDx V. 33, ^j^yn nn^ v. 35s., c^v;: ^-n v. 35 gegen 18, li.
Aber namentlich gegen Ende finden sich sehr bedeutende
Stücke von J eingesprengt. „Die Erzählung über die Bund-
schliessung V. 45 — 54", sagt Dillmann mit Recht, „in sich unzu-
sammenhängend und voll von Doppelangaben, ist sicher das Er-
gebnis einer Zusammenarbeitung mehrerer Berichte." Ehe jedoch
die beiden Fäden, die hier mutmasslich verschlungen sind, ent-
wirrt werden können, bedarf es der Reinigung des Textes von
431 einigen Zusätzen und Glossen, die weder aus E noch aus J, eher
vielleicht, wenigstens zum Teil, von dem Jehovisten stammen
können. In v. 45 und v. 46 ist ÜpJ?'' als falsches Explicitum^)
m /pOn"bN V- 39 ist nach nint^'b 1ND.D. Hj^n""! V. 38 nicht mehr möglich,
vielleicht Dublette aus E. — In v. 40 trennt der mittlere Satz die zusammen-
gehörigen äusseren Glieder und bringt eine fremde Vorstellung in das Ganze:
„er richtet den Blick der Tiere (der weissen, die er hütete) auf alle bunten
und schwarzen Tiere unter der (davon getrennten) Herde Labans" — eine
einfachere Analogie des vom Jahvisten erzählten Kunstgriffs, vielleicht aus E.
1) Wellhausen, Text der Bb. Samuelis p. 22. Vgl. Astruc, conjectures
p. 365, und Ilgen, Urkunden p. 189.
Kap. 27—36. 41
zu streichen, denn Laban ist das Subjekt. Sowol v. 48 als v. 51
erklärt Laban die Bedeutung des Walles, bez. des Males, was
voraussetzt, dass er sie gemacht hat und also weiss, was er damit
will; V. 51 sagt Laban sogar ausdrücklich Tl''"!'' "lli'N*- Weiter ist
der ganze v. 47 eine Glosse und Produkt einer sein* überflüssigen
Gelehrsamkeit. Er greift dem v. 48 vor und steht in der Sept.
an anderer Stelle, ausserdem ist es gerade Laban und nicht Jakob,
der nach dem Contexte dem Gebirge den Namen Gilead gibt, und
dem unwillküi'lichen Eindi'uck, den man aus der ganzen Genesis
gewinnt, widerspricht es total, dass Nahors und Abrahams Enkel,
beides Söhne Ebers, eine verschiedene Sprache sollten geredet
haben — vgl. die Namen der Kinder Kap. 30s., welche in J und
E gleichmässig von den Müttern, den Töchtern Labans, und im
Lande Mesopotamien gegeben werden und doch gut hebräisch sind.
Am stärksten sind wahrscheinlich v. 48 — 50 glossirt. Die paren-
thetischen Einsätze lassen sich leicht aus der ursprünglichen Kon-
struktion erkennen: „dieser Wall sei Zeuge zwischen mii' und dir
(darum nannte er ihn Gilead) und die Warte (weil er sprach:
Jahve halte Wache zwischen uns beiden, wenn wir einander ver-
borgen sind), dass du meine Töchter nicht bedrücken und keine
fremden Weiber zu ihnen hinzunehmen wollest (kein Mensch ist
bei uns, Gott sei Zeuge zwischen mii' und dir)." Dass die beiden
die Konstruktion verwirrenden Deutungen von Gilead und Mispha
interpolirt sind, ist deutlich; bei dem diitten von mir in Klam-
mern gesetzten Satz könnte man zweifeln, mir scheint er indessen
nicht von dem herzurühren, der schrieb: „dieser Wall sei Zeuge",
sondern ein Kind des selben oder eines verwandten Geistes zu sein,
wie dessen, der v. 49 Mispha erklärt hat. Endlich ist v. 53 \lbvS
DH^ÜX ein sehr überflüssiger und wolfeiler Nachtrag.
Für die Scheidung des doppelten Berichtes, der nach dieser
Säuberung des Textes übrig bleibt, kommen zunächst in Betracht
die identischen Angaben v. 46: sie assen dort auf dem Wall,
V. 44: sie assen auf dem Berge. Das sind natüi'lich nicht zwei
verschiedene Mahlzeiten aus der selben Quelle, sondern die selbe
Mahlzeit aus zwei verschiedenen Quellen. Zu jeder Mahlzeit ge-
hört eine Bundschliessung ^) : in der Tat haben wir deren zwei, 432
^) Dass der Inhalt des Bundes v. 48—50 erst nach der Bundesmahlzeit
T. 46 angegeben wird, ist für die hebräische Erzählungsweise gar nichts be-
sonders Auffallendes.
42 Die Genesis.
und wenn offenbar v. 51 — 53 mit v. 54 zu verbinden ist, so ge-
hört V. 48 — 50 zu V. 46. Hier verpflichtet Laban den Eidam,
seine Weiber in Ehren zu halten und keine fremden hinzuzunehmen;
dort verpflichten sie sich gegenseitig, den Gebirgswall als Grenze
zwischen Aram und Israel zu respektiren. Eine weitere sachliche
Differenz wage ich durch die Vermutung zu statuiren, dass wie
V. 46 jedenfalls die Prämisse zu v. 48 — 50 ist, so v. 45 die Prä-
misse zu V. 51 — 54. Daraus wüi'de folgen, dass in v. 48 — 50
ursprünglich bloss von dem Wall, in v. 51 — 54 bloss von dem
Malstein als Zeugen die Rede war, und dass erst der Jehovist die
beiden „Zeugen" vereinigt und zusammen geworfen hat. Dass
HDliCm (= n-^-^iün^) v. 49 dem Satze v. 48a, wo nur b:n als
Zeuge erscheint, übel nachhinkt, ist zweifellos. Dass umgekehrt
der Wall in v. 51 eingetragen ist, ist allerdings bloss eine kühne
Vermutung, doch ich wag^ sie. Der Malstein und der Wall haben
V. 51s., wie mir scheint, nicht einerlei Bedeutung, jener wird neu
errichtet und ist Zeuge, dieser ist längst vorhanden und ist Grenze.
Ich glaube sonach, dass der ursprüngliche Text vor der Bearbei-
tung durch den Jehovist en also lautete: „siehe der Malstein, den
ich gelegt habe, ist zwischen mir und dir Zeuge, dass ich diesen
Wall nicht nach dir zu überschreiten will, und dass du nicht
diesen Wall nach mir zu überschreiten wollest." Ich streiche ZAveimal
nin 'p:»"! und am Schlüsse nN*]n HD-li^n und verweise noch auf die
auffällige Ungleichheit mit v. 51 : Hin bjH, aber nicht HIlliDn
433 Der ausführlichere Bericht v. 45. 51 — 54 stammt wol aus
E, die kürzere Variante v. 46. 48 a. 50 a. aus J. Auch im Vorher-
gehenden finden sich hie und da Varianten aus J eingetragen.
Vgl. V. 23b mit v. 25a und dabei die sprachliche Differenz p:i"T'l
und j'l^*''! (J); ferner v. 26 mit v. 27 und dabei die Differenz nj;im
^:iD.b n.S (E V. 20) und "»n.S :i::im; endlich V. 38—40 mit v. 41 ss.
^) HDliDn tQuss nach dem Vorangehenden bekannt sein; da dort nur
von einer HD-iiD die Rede ist, so muss HDi^On als gleichwertig mit HÜiiDn
gelten. Nun erklärt sich die merkwürdige Aussprache MacaTjtfa in der Sept. als
Kombination der Konsonanten des einen mit den Vokalen des anderen Wortes
Die Stadt in Gilead, deren Heiligkeit (Dt. 4, 43. Jos. 20, 8. 21, 38. Jud. 11, 11)
Jakob hier begründet, hiess ursprünglich nD-l^^rij und erst als dieser Name in
Übeln Geruch kam, änderte man ihn in der Bibel in nCi^^n? ohne jedoch
die alte Ausspsache aus dem Volksmunde (Maaarjcpct) verdrängen zu können.
Der Samaritaner liesst übrigens noch an unserer Stelle HIliiDn-
Kap. 27—36. 43
(E). Man könnte vielleicht noch mehreres auftreiben, doch es
frommt zu nichts.
4. Begegnung mit Esau B2, 1 — 33, 17. Von Q keine
Spur. JE erscheint überall als enger Zusammenhang, man hat den
Eindruck, als ob der Jehovist hier nur einer einzigen Quelle folge.
Man wird sich darum wol über den müssigen Scharfsinn wundern,
dem es dennoch gelingt, hier J und E zu scheiden. Mii* fällt zu-
nächst auf, dass die Worte v. 14a und er blieb dort in jener
Nacht am Schlussvon v. 22 zurückkehi-en und er blieb in jener
Nacht in Mahane, die Erzählung langt hier wieder auf dem
Punkte an, den sie bereits dort erreicht hatte: sollte etwa v. 14b
bis 22 mit v. 4 — 14a in Parallele zu setzen sein? Weiter bemerke
ich Folgendes. In v. 1 — 3 wird Mahanaim nicht als Dual aufge-
fasst; dem Jakob begegnet das Heer Gottes, nicht etwa zwei
Abteilungen desselben^). Anders 32, 8s. 11 — da gilt der Name
offenbar als Dual und wird davon abgeleitet, dass Jakob sein Lager
an dieser Stelle in zwei Hälften geteilt habe. Diese abweichende
Etymologie wird zwar gegenwärtig nur angedeutet, aber da das Dl!^
in V. 14 eine nahe liegende Beziehung vermissen lässt, so wii'd
wol eine ursprünglich vorhandene Angabe darum bekam der
Ort den Namen Mahanaim, worauf D*^ zurück geht, von dem
Jehovisten ausgelassen sein als unverträglich mit v. 3. Dahingegen
bildet nun der selbe Punkt, in dem v. 1 — 3 und v. 4 — 14a sich
scheiden, das Band zwischen v. 1 — 3 und v. 14b — 22; denn wie
n^n^n in der bereits erwähnten Doppelangabe beweist, ist hier die
dualische Auffassung ganz unbekannt. Es scheint sich also zu be- 434
stätigen, dass v. 15b — 22, zusammenhängend mit v. 1 — 3, von
anderer Hand herrühi'en als v. 4 — 14a, und dass folgende Varianten
vorliegen :
^) Grammatisch ist diese Auffassung (nicht als Dual) ohne Zweifel die
richtige, weil n^nO ßiit D''J^^D abwechselt v. 22. 2. Sam. 2, 8; vgl. ähnlich
nO*j (DD"!) uiid DinDI- Die Endung aim ist in solchen Fällen eine ara-
maisirende Lokalendung, gleichbedeutend mit am; die moab. Städte, die in
der Bibel auf aim auslauten, sind auf der Mesainschrift mit am auszusprechen.
Vgl. Ephraim, Misraim, Jeruschalaim, Schomrain, Bahrain, die
aram. Partikel ]^^^^; und andere Beispiele in meiner Diss. de gentibus et fam.
Judaeis. Gott. 1870. p. 37.
44
Die Genesis.
32, 4— 14a.
Nach der Trennung von sei-
nem Schwäher nimmt Jakob Be-
dacht auf die Begegnung mit
Esaii und schickt Boten ins Land
Seil", um sich bei ihm anzu-
melden. Die Boten kehren
zurück mit dem schlimmen Be-
scheid, Esau komme ihm mit
400Mann entgegen. Gegen nächt-
lichen Überfall des Ganzen si-
chert sich darauf Jakob durch
Zwieteilung seines Heeres und
übernachtet so : darum nennt man
die Stätte Mahanaim.
32, 1—3. 14b— 22.
Nach der Trennung von sei-
nem Schwäher begegnet Jakob
den Engeln Gottes, einem ganzen
Heere, und nennt darnach den
Ort Mahane. Von hier schickt
er dem Esau Boten entgegen
ins Feld Edom, mit reichen
Geschenken, um ihn zu be-
sänftigen und für sich zu gewin-
nen. Die Geschenke gehn ein-
zeln in verschiedenen Abteilun-
gen vor ihm auf; er selbst bleibt
die Nacht in Mahane.
Was aus J und was aus E stamme, ist leicht zu sehen, vgl.
insbesondere die Engel Gottes v. 2 mit 28, 12. Zu welcher
Quelle gehört nun aber die Fortsetzung 32, 23 — 33? Gott wird
V, 29 und V. 31 Elohim genannt, aber, wie Hupfeld richtig erinnert,
tut dieser Name hier nichts zur Sache, da er nicht vom Erzähler
selbst, sondern von „dem Manne" und nach dessen Beispiel von
Jakob gebraucht wird, und zwar rein appellativisch und unbestimmt;
denn „der Mann" will nicht sagen, wie er heisst, und w^endet v. 29
D\"l/N* nur im generellen Gegensatze zu DIN auf sich an (= mit
Göttern und Menschen hast du gekämpft). Auf J weist der ganze
Charakter der Erzählung; der Elohist, der Gott im Traum erscheinen
und aus dem Himmel rufen lässt und auch dann etwa noch den
Engel oder die Engel als Mittler einschiebt, kann eine solche leib-
haftige Theophanie nicht berichtet haben, dagegen Avird man an
15, 17s. und an Kap. 18. 19 erinnert, auch durch den Ausdi'uck
l^^iN* (Kap. 18s. D''l^*JN) und durch die öftere Angabe der Tages-
zeit (15, 12. 17. 18, 1. 19, 1. 15. 23. 43, IIb. 44, 3). Dazu kommt,
dass der frühe Aufbruch, noch vor Ende der Nacht, nur durch
V. 4 — 14a (J) motivirt ist; nach v. 14b-^22 (E) braucht sich
Jakob gar nicht vor dem nächtlichen Überfall Esaus zu fürchten.
Wir werden denn auch im Verfolg sehen, dass der Elohist den
Namen Phanuel in der Tat ganz anders und seinem Charakter ent-
435 sprechender deutet, und dass, sobald es aus Redaktionsgründen
Kap. 27—36. 45
angellt, nämlich nach 35, 10, nicht in E, sondern in J der Name
Israel für Jakob erscheint.
Auch in 33, 1 — 17 ist noch der Jahvist am Worte. Sprachliche
Merkmale sind mriDl^ (nie mnOvS*), "inpnn v. 4 gegen ib p'2.n aus
E 29, 3, bes. mpt^-"! im Kai mit Akk. gegen )b pr^'J"'! im Fiel mit
b bei E 29, 13. 31, 28. 32, 1. Ein sachliches Merkmal: die 400
Mann aus 32, 7 erscheinen hier wieder^). Aber in den Tenor von
J sind einzelne Züge aus E eingesprengt, erkennbar an CHvN*
V. 5. 10. 11. Da n3n?2n vD v. 9 nach v. 6s. notwendig dies grosse
Heer ist, das dem erstaunten Esau jetzt in drei Haufen entgegen-
kommt, so nähme, wenn v. 10s. die Fortsetzung von v. 9 wäre,
Esau dem Bruder seinen ganzen Besitz ab. Da dies aber nicht
die Meinung ist, so hat v. 10 s. seine Främissen anderswo als in
dem Zusammenhange, in dem es jetzt steht, nämlich in 32, 14 bis
22, wonach Jakob seinem Bruder einen Teil seiner Herde als Ge-
schenk entgegen gesandt hat. Bemerkenswert ist noch, dass mit
D^rh^ ^J5 nvN"12 33, 10 offenbar eine Etymologie von SnIJ^-) beab-
sichtigt ist; unsre beiden Verse bestätigen also nachträglich das
l^ereits gefundene Resultat, dass 32, 14 — 22 aus E, dagegen 32,
23 — 33 nicht aus E herrühren.
Jakobs Reise durch das Land Kanaan 33, 18—35, 29.
Aus Q stammt 35, 9—15 (my v. 9 von R) v. 22c— 29. Fraglich
ist die Abkunft von Kap. 34. Zunächst indes ist zu constatiren,
dass auch hier kein einfacher Bericht vorliegt, wie namentlich am
Schluss erhellt. In v. 26 ist erzählt worden, dass Simeon und
Le^d, nachdem sie Hamor und "Sichem ermordet hatten, mit Dina
abgezogen seien. Nachdem sie nun aber abgezogen sind, kommen
sie V. 27 über die Erschlagenen und plündern die Stadt — das
ist unmöglich die Fortsetzung von INii""!- Dabei fällt noch ein
anderer Widerspruch auf. In v. 26 sind Simeon und Levi Subject,
in V. 27 — 29 alle Söhne Jakobs, die Kinder Israels, wie wir sagen
') Allerdings wird das Lager 32, 4 ss. in zwei, 33, 1 ss. in drei Teile ge-
teilt, aber das begründet keine Diiferenz. Die Etymologie zwang, in Mahanaim
zwei Lager zu machen, dann aber bricht das Heer im Ganzen wieder auf über
die Furt des Jabbok und wird nun anders eingeteilt.
^) Vielleicht ist die Tatsache für die Religionsgeschichte nicht ganz
gleichgiltig, dass der Gott in J, der in Phanuel auf Jakob trifft, in E Esau ist,
und dass nach beiden Quellen in Phanuel die Begegnung mit Esau stattfindet.
Nach Obed-Edom zu schliessen, könnte Edom ein Gottesname gewesen sein.
46 Die Genesis.
436 würden. IlüOofxevoüC oe xai tou? Ixspou? «iSsXcpoi)? ttjv Trpot^iv «üiaiv
sTTißorjö^aai mi ttjv ttoXiv IxTiop^^^ofai erzählt zwar Theodotus, aber
im Text findet sich kein solcher Übergang. Mit v. 26 stimmt wieder
V. 30s., wo Israel in corpore nichts zu tun haben will mit der
Tat zweier seiner Glieder. Dahingegen tut sich eine Spur der
in V. 27 — 29 herrschenden Vorstelluno- in v. 25 auf. Denn es
ist doch eine offenbare Unvernunft, dass zwei Individuen eine
Stadt erobern und ilu'e Bewohner niedermachen; vielmehr sind in
diesem Verse die zwei Berichte verschmolzen:
Und am dritten Tage nach der Und Simeon und Levi, die
Beschneidung nahmen die Sölme Brüder der Dina, nahmen jeder
Jakobs ihr Schwert und dran- sein Schwert und kamen in die
gen in die Stadt und erwürgten Stadt und (v. 26) erwüi'gten
alles Männliche und (v. 27) ka- den Hamor und seinen Sohn
men über die Erschlagenen u. s. w. u. s. w.
Nachdem der doppelte Faden in v. 25 — 31 aufgedeckt ist,
lässt er sich durch das ganze Kapitel verfolgen. Der eine Erzähler
hält sich streng innerhalb des idyllischen Rahmens der Familien-
geschichte, in der sonstigen Weise der Genesis: Simeon und Levi
nehmen an Sichem Rache für die ihrer Schwester angetane Ge-
walt, indem sie ihn in seines Vaters Hause überfallen und töten.
Der andere Erzähler geht zwar von der selben Geschichte aus,
greift aber alsbald über in die wirklichen späteren Verhältnisse, die
das historische Substrat dieser Geschichte sein mögen; er lässt sehr
deutlich durchscheinen, halb und halb schon v. 2 durch VINH N"":^!
dass es sich um völkerrechtliche Beziehungen der Bne Israel und
der Bne Hamor handelt, deren Hauptort Sichem ist. Beachtens-
wert ist namentlich nDl-^Ü v. 13: nicht gegen den Willen der
Übrigen begehen Simeon und Levi auf eigene Hand den Verrat,
sondern die Gesamtheit Jakobs hat gleich beim Abschluss des Ver-
trags die Tücke im Sinn, sie geben sich den Schein, auf die von
Hamor nachgesuchte Volksgemeinschaft einzugehn, aber von vorn-
herein in trügerischer Absicht, nämlich um die Beschnittenen im
Wundfieber zu überfallen und mit leichter Mühe zu bewältigen.
Deshalb kann auch der Vater hier nicht wie v. 30s. erklären, er
habe mit der Sache nichts zu tun, von dem massgebenden na-
tionalen Gesichtspunkt aus gilt sie sogar als lobenswert. Es handelt
sich hier eben nicht um Sichem und Dina, sondern um Gesamt-
Israel und Gesamt-Hamor; der romantische Anlass ist völlige Neben-
Kap. 27—36. 47
Sache und wird v. 9s. v. 14 — 17 nur berührt. Dieser zweite Be-
richt ist der Hauptbericht. Der andere ist bruchstückweise ein- 437
gearbeitet v. 3. 11s. 19. 25s. 30s. und lässt sich annähernd,
wie folgt, reconstruiren. Sichern, ein Privatmann, verliebt sich
in Jakobs Tochter, verlockt sie v. 3 und schwächt sie.^) Dann
geht er zu ihrem Vater und ihren Brüdern mit der Bitte um nachträg-
liche Sanction, er sei erbötig alles für das Mädchen zu geben
V. 11s. Was ihm als Kaufpreis auferlegt wird, ist nicht zu er-
mitteln, jedenfalls nicht die Beschneidung. Der Jüngling zögert
nicht, das Bedungene zu leisten; als nun aber niemand an etwas
Arges denkt, dringen Simeon und Levi unvermutet in Sichems
Haus, erschlagen ihn und führen ihre Schwester fort v. 25 s. —
zu Jakobs grossem Unwillen v. 30 s. Man achte darauf, dass
V. 3 dem v. 2 den Platz streitig macht, dass in v. 11s nicht
Hamor, sondern Sichern, der nach v. 6 gar nicht mitgeht, redet
und zwar so, dass der Inhalt der folgenden Antwort v. 13 — 17
durchaus nicht auf seine ganz specielle Anfrage, sondern nur auf
den Antrag Hamors v. 8 — 10 passt, man bemerke, dass in v. 19
allein dem Verliebten eine Bedingung („Kaufpreis, Geschenk oder
Gabe" nach v. 12) auferlegt ist, die demgemäss auch nur er allein
und nicht das ganze Volk Hamors erfüllt. Man vergleiche endlich
vn-.x rpn. hzD -in.D3 Nim v. 19 mit y\i<n ^^\l^: v. 2, nnyj v. 3. 12 ■
mit mb'' V. 4, ir^c: paim v. 3 mit )W^: np\^n v. 8.
Die eingesprengte Quelle, zu der teilweise auch v. 7 gehört,
ist J (vgl. DD^rya jn wNlJOX V. 11 mit 33, 10. 30, 27 und 49, 5)
wo Simeon und Levi allein und gegen den Willen Israels die
Schandtat begehn; die andere ^uf keinen Fall Q, aber auch viel-
leicht nicht E, der abweichenden Sprache wegen. Indes muss E
nach 48, 22 allerdings die Eroberung Sichems erzählt und sie nicht
zwei Gliedern, sondern der Gesamtheit Israels oder Jakob selber
beigelegt haben. Aus der Lücke, welche sonst zwischen 33, 20
und 35, 1 entstehn würde, ist ferner zu schliessen, dass E eine
Geschichte wie Kap. 34 eben an dieser Stelle hatte und damit
den Aufbruch von Sichem motivirte, vgl. 35, 5. Nämlich der
Bericht von Jakobs Reise durchs Land Kanaan, 33, 18 — 20.
^) Ich stelle H^y^l aus v. 2 hinter v. 3. Denn der Haupterzähler sagt
NflDIO und verbraucht das Verbalsuffix überhaupt selten und gerade in v. 2
nicht. Stand n^yi ursprünglich hinter v. 3, so war es für den Redigenten
eine complete Notwendigkeit es umzustellen.
48 Die Genesis.
438 Kap. 35, deren Route durch die heiligen Stätten bestimmt wird,
die er berühren muss, stammt wesentlich aus E; vgl. insbes. 35,
1_8, ferner El 33, 20. 35, 7 (21, 33) und die charakteristischen
Malsteine 33, 20^). 35, 20 (31, 45. 28, 18). Nur 33, 19 (J) wider-
spricht der Vorstellung des Elohisten und v. 18 scheint -von der
Hand des letzten Redaktors beriilu"t (35, 9). Ebenso finden sich
in Kap. 35 eine Anzahl Überarbeitungen und Glossen, z. B. in
V. 2. V. 19: auch v. 21 und 22 sind wol nicht aus E, letzterer
Vers eine historische Erklärung von 49, 4 (J), erster er eine An-
spielung auf Jerusalem enthaltend, für welche Stadt nxbno
"ny b"i;iDb ein verschämter Ausdi'uck zu sein scheint. Vgl. auch
Israel und dazu das p. 45 Bemerkte.
5. Judas Blutschande mit der Thamar. Geschlechts-
register Esaus Kap. 38. Kap. 36. Da Kap. 39 die unmittelbare
Fortsetzung von Kap. 37 ist, so kann Kap. 38 erst von späterer
Hand hinter Kap. 37 gestellt sein, vielleicht mit Rücksicht darauf,
dass in Kap. 37 Juda noch bei seinen Brüdern ist, in Kap. 38 da-
gegen sich von ihnen geschieden hat. Einstimmig sclii'eibt man
das Kapitel dem Jahvisten zu. Freilich steht es nicht recht im
historischen Zusammenhang; die Absonderung Judas von seinen
Brüdern, die der ursprünglichen Absicht nach doch wol als
bleibend, als Vorbild der geschichtlichen Separatstellung des Stam-
mes zu denken ist, hat hinterher gar keine Folge; schon Kap. 37
und weiter Kap. 42 ss. erscheint Juda in J beständig als das Haupt
und der Sprecher seiner Brüder. An sich betrachtet ist die Ge-
schichte ein Analogon zu der von Simeon und Levi und zu der
von Rüben, und hat neben diesen seine erträglichste Stelle. Als-
bald nach Jakobs Heimkehr ist nicht mehr von ihm, sondern von
seinen Söhnen die Rede, von Rüben, Simeon, Levi, Juda, Joseph.
Kap. 36^) steht an seiner richtigen Stelle: nach Isaaks Tode
trennen sich seine Söhne, und da künftig nur von Jakob die Rede
ist, so ist eine Orientirung darüber, was aus Esau geworden sei,
zum Scliluss durchaus am Platze. Von vornherein ist man geneigt,
0 nH]^ ist hier neben ^j^iT deutlich Korrektur von n^liO^ wie HDiiD
31, 48. Die Verwandlung der Eiche von Mamre (Gen. 18, 4 y^il, Deut 21,
30, Sept. überall) in die Eichen von Mamre hat ähnliche Gründe. Ich ver-
mute, dass auch Gen. 21, 33 einst der Malstein neben der Tamariske nicht
gefehlt hat.
2) wozu 37, 1 (Q) hinzuzurechnen.
Kap. 27—36. 49
das ganze Stück zu Q zu weisen, vgl. 25, 12 ss. nach 25, 8ss.
Aber keinesfalls gehört das Verzeichnis der edoniit. Könige 36, 439
31 — 39 zu Q, denn diese Quelle hält viel zu streng ihren
archaistischen Standpunkt inne und hat ausserdem zu wenig ol:>-
jectives historisches Interesse, als dass man ihr die unverholene
Bezugnahme auf die israel. Königszeit v. 31 und z. B. die Notiz
„der Midian schlug auf dem Felde von Moab" v. 35 zutrauen
könnte. Weiter sind gewichtige Zweifel gegen die Herkunft des
Horiten-Registers v. 20 — 30 aus Q erhoben worden. Solche Züge
wie „das ist der Ana, der die warmen Quellen in der Wüste fand,
als er seines Vaters Esel hütete" halben im ganzen Vierbundesbuch
nicht ihresgleichen, wälii'end sie sich dagegen in JE überall ein-
gestreut finden.
Nun aber ist die Form des Verzeichnisses v. 20 — 28: 29. 30
der des vorhergehenden v. 9 — 14: 15 — 19 so ähnlich, dass man
sie nicht gut aus verschiedenen Quellen ableiten kann. Dazu
kommt noch Folgendes. Ist zwischen 36, 40 — 43 und v. 9 — 19
zu wählen, so fällt es schwer sich für die Zugehörigkeit des ersteren
und gegen die des letzteren Stücks zu Q zu entscheiden; denn
cnDt^n cr^üpüb Dnnsti'Db v. 40 und cnin.x pN:i Dnaii'ob v. 43
reden zu deutlich, deutlicher als das leicht dem Redaktor zuzu-
trauende nnbin nb><^ v. 9. Und da nun V. 9 — 19 auf v. 1^5
fussen, so wüi'de, wenn mrklich 36, 40 — 43 in mwersöhnlichem
Streit mit v. 9 — 19 stehn, auch v. 1 — 5 Q abzusprechen sein.
Zur Gewissheit gelangen wii' durch Herbeiziehung von 26, 34s.
28, 8s. Die hier gegebenen Nachrichten über Esaus Ehen werden
allgemein aus Q hergeleitet; wenn aber ein Widerspruch flagrant
ist, so ist es der, in welchem sie zu den 36, 1 — 5. 9 — 19 ent-
haltenen Angaben über die Weiber Esaus stehn. „Zu Fehlern
der Abschreiber seine Zuflucht zu nehmen, wie Einige getan haben,
ist ein walii*es Wagestück, weil man nicht einsieht, wie ein Ab-
schreiber Felller dieser Art begelm und z. B. niV füi* nD'^'D.
schreiben konnte." Nöldeke meint, der Verfasser von Q habe hier
verschiedene Quellen benutzt. Leicht gesagt; aber dieser Verfasser
war kein Kompilator, und wie sollte er den offensten Widerspruch,
der in der ganzen Genesis vorliegt, in sein sonst so streng einheit-
liches Werk aufgenommen haben? Man erwäge, dass in Q selbst
die unverträglichen Angaben dicht auf einander gefolgt sein müssen,
dass ausserdem sich nicht beiläufig und unwillküi'lich den drei
Well hausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 4
50 l^ie Genesis.
früheren Namen drei andere unterschieben, sondern dass die
Heiratsgeschichte ausdrücklich und in voller Ausführlichkeit wieder-
holt wird. Schon die Wiederholung an sich würde bei einer erst
440 eben erwähnten Tatsache in der selben Quelle kaum erklärlich
sein, geschweige die Wiederholung mit so unverdeckten Differenzen.
Ich scheue mich nicht die Alternative auszusprechen: entweder ist
die ganze Literarkritik der biblischen Geschichtsbücher bodenlos
und nichtig, oder Gen. 26, 34 s. 28, 8 s. stammt aus anderer Quelle
als Gen. 36, 1—5. 9—19.
Füi- intakte Bestandteile von Q kann ich ausser 36, 40 — 43
nur V. 6 ansehen. Den grössten Teil des Stoffes hat der Re-
daktor anderswoher entlehnt, ihn aber in eine Form gegossen, die
der von Q nachgebildet war, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass
auch einzelne stoffliche Elemente von Q mit aufgenommen wurden.
'^ Nur 36, 31 — 39 scheint unverändert aus JE erhalten zu sein.
Am Schluss des dritten Abschnittes angelangt brauche ich
wol nicht noch besonders hervorzuheben, dass es eben so irrig ist
anzunehmen, dass der Elohist einen Bestandteil des Jahvisten bilde
und von diesem selbst in sein Buch recipirt sei, wie zu meinen,
dass der Elohist und der Jahvist nicht in nähere Verbindung zu
einander gebracht seien als zu dem Yierbundesbuche. Es ist hier
recht deutlich geworden, dass Dillmann Recht hat, J und E von
einander unabhängig zu machen, aber Unrecht, J und E und Q
gleichzeitig von dem selben Redaktor zusammenarbeiten zu lassen,
und dass auf der anderen Seite Nöldeke Recht hat, E -h J gegen-
über von Q als relative Einheit anzusehen, aber Unrecht, den Jah-
visten selbst zum erweiternden Bearbeiter des Elohisten zu machen.
Auffallend ist, dass die kleineren Zuflüsse, die ausser den beiden
grossen und zusammenhängenden Strömungen in JE Gen. 1 — 26
sich nicht selten bemerklich machten, seitdem aufzuhören scheinen.
Nur bei dem Gebet Gen. 32, 10 — 13 könnte man die ursprüngliche
Zugehörigkeit zu J bezweifeln; der ganze Ton ist vielmehr' der des
Jehovisten, dem dann auch 31, 3 zuzuschreiben wäre; ausserdem
ist die Herkunft von Kap. 34. 36 und 38 nicht in jeder Be-
ziehung klar.
Joseph und seine Brüder. Gen. 37 — 50.
In diesem eng zusammenhängenden Abschnitte (Kap. 37.
Kap. 39 — 50) sind von Q ebenfalls nur einige Reste erhalten. Zu-
Kap. 37—50. 51
erst die Überschrift 37, 2: dies sind die Tholedotli Jakobs. Die
Angaben über Josephs Alter in diesem Verse und in 41, 46. 50, 26
rechnen manche Kritiker nicht zu Q. Aber die Unvereinbarkeit
derselben mit 46, 8 — 27 trägt nichts aus, da dieses Verzeichnis
so wie so den historischen Rahmen der Genesis sprengt. Gewiss
scheint, dass die Worte „Joseph war siebzehn Jahi-e alt" 37, 2 441
nicht von dem Erzähler herrühren, welcher hinterdrein sagt, „er
war aber noch jung" ; etwas Positives wage ich nicht zu behaupten.
Unzweifelhaft ist in 46, 6 s. Q zu erkennen, weniger sicher in
V. 8 — 27. Zwar das Material zu dieser namentlichen Aufzählung
der siebzig Seelen ist aus Q entnommen, aber es scheint eine
spätere Hand zu sein, welche für die allgemeine Angabe Exod. 1
an dieser Stelle die Einzelposten nachgewiesen hat, nicht ohne sich
dadurch in unauflösliche Schwierigkeiten zu verwickeln. Weiter
setzt sich Q fort in 47, 5 — 11, ausgen. v. 6 b. Der vollständigere
Text ist in der Sept. erhalten, welche 47, 5. 6 so liest: sTtts 6s
Oapao) T(5 'ItuarjCp KaTor/sixcoactv sv -/-(j r'sasjjf si 8s imax'q oxt siViv
SV auxoXg avops? ouvaiot, xaiaair^Gov auxou? ap)(ovia? twv s[jlü)V
xxr^vojv. ' HXöov ÖS si? AquiTTOV TTpöi; 'Ia)a7]cp 'laxojß xocl oi üiol auioa*
xal tJxougs Oapacb ßacriXsu? Ab(6r,zoo. xal sTtts Oapao) irpo? 'Ia)öy]cp
Xs^wv '0 TcatT^p aou xal oi dSsXcpoi aou -^xaai Tipo? ai- i3oü tj -j'^
Ari'UTTTOu svavTiov aoü saxiv, sv x"^ ßsXxicxTj ^fj xaxoixiaov xov Traxspa
aou xal xou? dSsXcpou? aou. Wie man sieht, stellt die Sept. den
masorethischen v. 6 b. unmittelbar hinter v. 4, mit der Einleitung
P)t5rS nV^.B "ION""!. Dann folgt in ihr ein Plus: bi< HDnii^ IXÜ'»!
'O 'O nyiD l?Dti^''1 ^"»JD-I D.py^ f]t)V, darauf v. 5 und 6 a wie im
MT. Was nun zunächst das Plus betrifft, so bringt es in starken
Konflikt mit dem voraufgehenden Bericht, wonach die Söhne
Jakobs längst in Ägypten angekommen und sogar schon dem
Könige vorgestellt sind; es ist darum sehr begreiflich, dass der
MT. es ausliess, dagegen völlig undenkbar, dass die Sept. es will-
kürlich zusetzte. Was ferner die Umstellung von v. 6 b angeht,
so passt nur dieser Vers als Antwort auf v. 4, nicht aber v. 5. 6 a.
Denn wenn die Brüder die Steppe Gosen zur Weide füi' ilu' Vieh
verlangen, so ist es töricht von Pharao gehandelt, ihnen statt
dessen „das beste Land" zu geben; VINfl :itO"'Ound (t^:i V"]N ist
zweierlei. Ausserdem ist der nächstliegende Sinn von v. 5: ich
höre, dein Vater und deine Brüder sind zu dir gekommen — so
aber kann der König nach v. 4 nicht sprechen. Man hat also zu
4*
52 T)ie Genesis.
urteilen, dass die Sept. hier den älteren Text bietet, in welchem
das Geschiebe der verschiedenen historischen Schichten noch deut-
licher und krasser hervortritt, und dass unser jetziger hebräischer
Text aus einer Applanirung der Unebenheiten des älteren Wort-
gefüges entstanden ist, welche sich demnach bis in ziemlich späte
442 Zeiten (300 a. Ch.) fortsetzte^). Dass v. 6b zum Vorhergehenden,
d. i. zu JE gehört, dagegen v. 5. 6 a zum Folgenden, d. i. zu Q,
bedarf dann weiter keines Beweises. An 47, 11 scheint sich v. 27 b
und V. 28 zu schliessen. Endlich werden noch 48, 3 — 7. 49, 29 bis
33. 50, 12s. einstimmig dem Yierbundesbuche zugewiesen, obwol
man über 48, 7 Zweifel hegen und andererseits auch 49, 28 hinzu-
ziehen könnte.
Die Hauptquelle ist auch für diesen letzten Abschnitt der Ge-
nesis JE. Es ist zu vermuten, dass dies Werk hier wie sonst aus
J und E zusammengesetzt sei; unsere früheren Ergebnisse drängen
auf diese Annahme und würden erschüttert werden, wäre sie nicht
erweisbar. Ich halte das Beginnen, „diese fliessende Erzählung
von Joseph nach Quellen zerstückeln zu wollen", nicht füi* ver-
fehlt, sondern füi' so notwendig, wie überhaupt die Dekomposition
der Genesis. Vgl. die Wette Beiträge II 146 ss.
Der sachliche Zusammenhang des 37. Kap. wüi"de allerdings
kaum Veranlassung zur Scheidung zweier Fäden geben, wäre nicht
der Schluss v. 25 — 36, wozu noch 39, 1 hinzuzunehmen ist. Da
fallen nämlich folgende Varianten auf: 1) 37, 36 = 39, 1. DassPoti-
phar der Trabantenoberst Einschub des Vorarbeiters ist, er-
hellt aus dem folgenden ""IKD tS^''^^ was als Apposition dazu völlig
sinnlos ist. Beim Elohisten kommt Joseph von vornherein zum
Gefängnisvogt 37, 36, beim Jahvisten zunächst zu einem Privat-
mann 39, 1. 2) Da 37, 36 Midianiter, 39, 1 Ismaeliter den Joseph
verkaufen, so führt dies Merkmal weiter darauf, 37, 25 = v. 28a
zu setzen, zumal da auch die indeterminirten „midianitischen
Männer" v. 28 auf die vorher bereits erwähnten Ismaeliter gar
keine Rücksicht nehmen. 3) Die Verse 29. 30 machen ganz an-
dere Voraussetzungen, als wie sie im Vorhergehenden mitgeteilt
sind. Die Brüder haben hier den Joseph zwar auch in die Grube
geworfen, sind dann aber weitergezogen, und ohne ihr Wissen
■') Vgl. ausser Geigers Urschrift und Poppers Stiftshütte: Kuenen,
Godsdienst II 263 und WeUh., Text der Bb. Samuelis p. XL
Kap. 37—50. 53
haben Midianiter ihn gestohlen; Rüben entdeckt es, keiner weiss,
wo er geblieben. Nach diesen Merkmalen haben wir in 37, 25 bis
39, 1 in der Hauptsache J und darin eingesprengt Bruchstücke aus
E, nämlich v. 28 — 30') v. 36 und einzelnes andere in v. 32. 34.
35. Sachlich ist E daran zu erkennen, dass die Midianiter den 44.-
Joseph stehlen 40, 15.'^Die jahvistische Sprachfarbe des Ganzen
bezeugen vor allem die steten Verbalsufüxe, ferner 37, 25 vgl. mit
33, 1. 18, 2, die Doppelfrage 37, 32 vgl. mit 18, 21, und das
stehende "imn nach Ägypten, wofüi' E N"":!:! sagt.
Das Stück 37, 12 — 24 enthält die Vorbereitung zu v. 25ss.
und ist weder für E noch füi' J entbehi'lich. Allerdings lässt sich
allein hieraus noch kein sicherer Schluss auf die zusammengesetzte
Natur von 37, 12 — 24 machen; es ergiebt sich jedoch ein gewisses
Vorurteil dafür und dies Vorurteil wii'd durch faktische Spuren
der Doppelheit bestätigt. Der Schriftsteller, dem der Zusammen-
hang im Ganzen angehört, erzählt v. 13. 14: „Da sprach Israel zu
Joseph: weiden nicht deine Brüder in Sichem? wolan ich will
dich zu ihnen senden .... Und er sandte ihn vom Tale Hebron,
und er kam nach Sichem." Eingeschoben ist: „und er sprach zu
ihm: hier bin ich; und er sprach: geh, erkundige dich nach dem
Befinden deiner Brüder und der Herde und bring mir Bescheid."
Das ""^Jn )b ^r2i<^) V. 13 passt nicht auf das Voraufgegangene,
sondern setzt voraus: „und Jakob sprach zu Joseph: mein
Sohn, und er sprach zu ihm: hier bin ich." 22,2.7.11. 27,1.
31, 11. Der Einschub stammt aus E, denn nur hier findet sich
diese weitläufige Art der Am-ede; also ist der Haupterzäliler der
Jahvist, den auch Israel, Hebron und die Verbalsuffixe verraten.
Ein weiteres Bruchstück aus E ist der 18. Vers, der einerseits
hinter CNiiu)''! v. 17 zurückgeht, andererseits über v. 19s. vorgreift
und sich durch das doppelte ^^^? als nicht jahvistisch zu erkennen
giebt. Ferner gehört jedenfalls v. 22 dem Verf. von v. 29. 30 an,
d. h. dem Elohisten; ob auch v. 21, ist fraglich — Rüben spricht
dafür, anderes dagegen. Der Schluss von v. 21 hat keinen Platz
neben dem Anfang von V..22, und die Sprache ist verschieden
(IHN V. 22). Ausserdem genügt v. 20 nicht als Voraussetzung zu
V. 26, denn hier liegt Joseph nicht erschlagen, sondern lebendig
^) V. 28 indes nur teilweise: und es zogen Midianiter vorbei, Kaufleute,
die zogen , , , den Joseph aus der Grube . . . und brachten ihn nach Ägypten.
54 Die Genesis.
in der Cistcrne, der erste Vorschlag v. 20 muss also auch in J
geändert und ein milderer acceptirt sein. Mich dünkt darnach,
dass V. 21 ein unvollständiges jahvistisches Analogon zu v. 22
und möglicherweise Rüben Korrektur füi' Juda ist. Wahrscheinlich
liegt dann dem Vorschlage v. 21 einfach das Motiv zu Grunde,
das Blut zu bedecken, d. h. Joseph ohne Blutvergiessen umzubringen,
nicht wie v. 22 die heimliche Absicht, ihn zu retten, s. v. 26.
444 Es lassen sich endlich auch in v. 23. 24 Dubletten entdecken, die
ich indessen nicht erwähne. Ich bemerke nur noch, dass die nach
V. 29s. in E enthaltene Angabe, dass die Brüder, nachdem sie
den Joseph in die Grube geworfen, sich von dem Schauplatz des
A^erbrechens entfernten, aus Rücksicht auf J v. 25 ss. auf jeden
Fall ausgelassen werden musste.
Der Anfang des Kapitels, v. 2b — 11, ist hauptsächlich dem
Elohisten entnommen, weil dieser wol die Träume, seine Lieblings-
materie, ausfühiiicher behandelte als der Jahvist, der sie freilich
nach V. 19s. auch erzählt haben muss. Vgl. v. 3 CJp] )D. wie
21, 2 gegen ü^:p'l lb^ 44, 20 in J, ferner D^b^ njPD wie v. 23. 32
gegen einfaches HiHD in J, vor allem das stete IHN v. 4. 5. 8. 9,
nie ein Verbalsuffix, in äusserst auffallendem Unterschiede gegen
V. 12 ss. Einiges Jahvistische mag eingestreut sein, doch sehen
i^D.iN ""'^'j n^b) "i::! nxi nnb^ ^::i pn* v. 2 und i^n.s b^) v^.^ ^n* p^t)"»!
V. 10 eher wie Zusätze einer späteren Hand aus.
Josephs Schicksale in Ägypten bis zu seiner Erhebung hat
der Jehovist vorwiegend aus E gegeben. Zwar 39, 1 stammt aus
J, diese Quelle setzt sich weiter bis v. 5 fort und erscheint wieder
V. 20 — 23; aber die Mitte v. 6 — 19 ist auch in Kap. 39 elohistisch.
A"gl. n^^D n=}^i ":xn hd"" 39, 6 mit 29, 17, nb^n c^n-^n pas \ti
V. 7 mit 15, 1. 22, 1. 20. 39, 7. 40, 1. 48, 1, D^nb^b v. 9 und
\S"1 V. 14. Für J ist charakteristisch, dass Joseph zuerst Sklave
eines gewöhnlichen Ägypters wird, und von diesem dem königlichen
Gefängnis übergeben, in die Gewalt des Kerkermeisters übergeht,
dessen Name nicht genannt wird, so wenig wie der des ersten
Herrn. Übrigens mag der Jehovist in v. 2 — 5. v. 20 — 23 ein-
zelnes aus E, ebenso in v. 6 — 19 einzelnes aus J haben unterlaufen
lassen. Der Ausdi'uck in^nil IHN* l^pDH v. 5 verrät eine andere
Hand als IH^D. bv imps"'! v. 4; n^D. jnj ^'^ bj v. 4 findet sich
wieder v. 8; H^b'i^ü ist v. 2 in anderer Weise gebraucht wie v. 3
und V. 23. Eine deutliche Dublette findet sich am Schlüsse von
Kap. 37-50. 55
V. 10, die Reihenfolge der beiden Infinitive müsste sonst wenigstens
umgekehrt sein. Endlich scheint der Jehovist in v. 23 die Aus-
drücke beider Quellen zu einem ziemlich unklaren Satze gemischt
zu haben, nit'Nn. ist elohistisch v. 9. 21, 17.
Dass Kap. 40 aus E stamme, ist allerseits anerkannt. Joseph
ist hier nicht an die arabischen Händler verkauft, sondern von
ihnen gestohlen v. 15, sein Herr ist wie 37, 36 der Trabantenoberst
und hat selbst das Gefängnis unter sich v. 3. Vgl. ausserdem
die geläuterte religiöse Vorstellung v. 8 (41, 15s.), die C^t)''"lcJ 445
V. 2 (37, 36), C^nb^ V. 8, n^NH 'in 'N ^"l''^ v. 1, die Vermeidung
des Verbalsuffixes v. 3. 4. 6. 8. 11. 15. 17. 19, ^J^n ^D^nn v. 9. 16
(41, 17. 22). Einige Spuren von J finden sich indessen auch hier
und sind leicht erkennbar. In v. 1 sind die Worte cn^C— \X'c:n
nicht bloss vor v. 2 überflüssig, sondern auch vom gewöhnlichen
Sprachgebrauch abweichend. In v. 2 heisst es, wie in der Regel,
'ün "it^s \xn -1^' und nyic, dagegen v. 1 einfach npiT^n, HDNn
und CiJID "]bD, ebenso wie v. 5 b in einem gleichfalls ganz über-
flüssigen Satze'). Auch v. 3b ist CtT 'N "> \N 'D "intiH nin b^ ein
dem Zusammenhang fremdes Mmium und geht von der Vorstellung
aus, dass das Gefängnis nicht im Hause von Josephs eigentlichem
Herrn sei; vgl. den v. 5b wiederkehrenden Ausdruck IHÖD r)"":!
mit ^^:-tx n'in. ^.ü^'D V. 4. 7. Auch durch den Vergleich mit 39,
20 — 23 bestätigt es sich, dass v. 1 (ausgen. die Überleitungsformel),
V. 3 b und v. 5 b aus J eingetragen sind.
Kap. 41 hängt eng mit Kap. 40 zusammen, vor allem sachlich,
aber auch in den Ausdrücken und Vorstellungen. Kein Zweifel,
dass wii' den Elohisten hier vor uns haben, der sich am besten
auf Traumgeschichten versteht. Spuren von Überfüllung finden
sich V. 30s. V. 33—36. v. 48s. v. 54—57; statt cnn nii'N* v. 56
ist ein von l'^Z' abzuleitendes Wort, welches Kornmagazin bedeutet,
zu lesen.
In dem folgenden Stück über die Begegnung Josephs mit
seinen Brüdern ist Kap. 42 zunächst noch im ganzen Fortsetzung
von E, wie man aus v. 21ss. v. 37 und aus den Ausdrücken
"lDl^'D V. 17 int) V.34 und anderen Merkmalen erkennt. Aber
1) Dagegen hat es in v. 13 mit dem nicht als Titel, sondern als Satz-
prädikat auftretenden }r\p\^12 andere Bewandtnis. In v. 14, wo der Zusam-
menhang brüchig zu sein scheint, wird er hergestellt durch "]X statt i^-
56 Die Genesis.
von Kap. 43 an kommt J wieder zu Worte. Die unter sich über-
einstimmenden Referate 43, 5 — 7. 44, 18 ss. setzen zwar eine
ähnliche Geschichte voraus, wie die Kap. 42 erzählte, aber doch
eine ganz andere Version derselben. In Kap. 42 will Joseph die
Brüder durch Zurückbehaltung Simeons zwingen, auf alle Fälle
Aviederzukommen, sei es mit, sei es ohne Benjamin; nach Kap. 43s.
dagegen verbietet er ihnen die Wiederkunft, wenn nicht Benjamin
dabei sei. Damit hängt zusammen, dass die Brüder Kap. 42 als
Kundschafter behandelt, anfangs sämtlich gefangen gesetzt und
dann nur auf Kaution zu dem Zwecke freigegeben werden, um
446 Benjamin zu holen und dadurch die Waliidieit ihrer Aussagen zu
bestätigen,. dass sie hinwiederum Kap. 43s. nicht der moralischen
Verpflichtung wegen, um sich zu legitimiren und den Simeon zu
lösen, nach Ägypten zurückgehn, sondern warten bis das Korn
alle ist und der Hunger sie zwingt^). Der Vorwurf, sie seien
Kundschafter, ist den Brüdern nach 43, 5 — 7. 44, 18 ss. gar nicht
gemacht worden, nicht der hat sie dazu veranlasst, dem Joseph,
so wie es Kap. 42 geschieht, auseinanderzusetzen, wer und woher
sie wu'klich seien und dabei unwillkürlich auch Benjamins Er-
wähnung zu tun, sondern Joseph hat sie geradezu gefragt: lebt
euer Vater noch, habt ihr noch einen Bruder? und dann ge-
boten, dass sie nicht ohne diesen ihm unter die Augen treten
sollten; sein Verfahren, Kap. 42 durchaus motivh't, ist 43, 7 Israel
und den Brüdern ziemlich unbegreiflich.
Kap. 43 s. ist also nicht die Fortsetzung von E Kap. 42,
sondern von einem Parallelbericht aus J, der mit Hilfe einiger
Fragmente in Kap. 42 selbst noch ziemlich gut zu reconstruiren
ist. Die Brüder kommen vor Joseph und kaufen Korn, sagend sie
seien aus Kanaan. „Und Joseph fragte sie: lebt euer Vater noch?
habt ihr noch einen Bruder? und sie sprachen zu ihm: wir haben
noch einen alten Vater und es ist noch ein unerwachsener Alters-
sohn da und sein Bruder ist tot, und er ist allein von seiner Mutter
übrig geblieben, und sein Vater hat ihn lieb. Und Joseph sprach :
bringt ihn her zu mir, ich will meine Augen auf ihn richten. Sie
sagten: nein Herr, der Knabe kann seinen Vater nicht verlassen?
sonst stirbt der. Er aber gab ihnen die Versicherung: wenn euer
jüngster Bruder nicht mit euch herabkommt, so werdet ihr nicht
') Vgl. de Wette II, 150 und Ilgen z. d. St.
Kap. 37—50. 57
vor mich gelassen werden." 43, 7. 44, 20 — 2o. 43, 3. Darauf
entlässt Joseph die sämtlichen Brüder, Simeon eingeschlossen,
mit dem Korn, nachdem er ihnen ihr Geld hat in die Säcke legen
lassen. Auf dem Heimwege übernachten sie unterwegs in einer
Herberge. „Da öffnete einer seinen Sack, um seinem Esel Futter
zu geben, und er sah sein Geld olien im Sack liegen und sprach
zu seinen Brüdern: mein Geld ist wieder da, es liegt oben in
meinem Sack! Da öffneten auch die anderen ihre Säcke und siehe
eines jeden Geld lag in seinem Sack, ihrer aller Geld vollwichtig.
Und sie sahen sich erschreckt einander an und sagten: was hat
uns Gott da getan!" 43, 21s. 42, 27s. Es stand in 42, 27s.
ursprünglich das, was 43, 21 referirt wdrd, vergl. die Ausdiiicke
nnn^vS, jlba und NIDÖ.'O. Der Haupterzähler in Kap. 42 lässt die 447
Scene erst v. 35 spielen, nachdem die Reisenden nach Hause ge-
kommen sind; da sie v. 25 eine besondere mii mit auf den Weg
bekommen haben, brauchen sie ihre Säcke nicht früher auf-
zumachen. Um nicht in offenen Widerspruch hiermit zu geraten,
hat der Bearbeiter den 43, 21 vorausgesetzten Zug fortgelassen,
dass nachdem erst der eine Bruder die beum-uhigende Entdeckung
gemacht, nun auch die anderen gleich in der Herberge nachsehen.
Aber nur so erklärt sich, warum sie alle entsetzt einander an-
blicken, und auch ohne dies ist es recht unnatüi-lich, dass sie
trotz der Aufregung mit der allgemeinen Öffnung der Säcke
w^arten bis sie zu Hause sind, zumal da wenn der eine futtert,
auch die andern futtern mussten. Freilich ist in das jahvistische
Sprachkolorit der beiden Yerse einzelnes Fremdartige hineingetragen,
Avas der Bearbeiter teils aus seinem Eigenen teils aus E genommen
hat. Auf 42, 27. 28=43, 21s. folgt dann die Rückkeln* zu
Israel, dem Bericht über das Vorgefallene erstattet wird 44, 24, und
daran schliesst sich Kap. 43 und 44. Doch ist nach Massgabe von
44, 29 der Vers 42, 38 mit einer aus 44, 26 zu entlehnenden vor-
hergehenden Motivirung zwischen 43, 1 . 2 und 43, 3 einzuschieben,
etwa so: 43, 1. 2. 44, 26. 42, 38. 43, 3. Auf 42, 37 ist v. 38 nicht
die Antwort, denn mit 42, 37 sind wir gerade so w^eit wie mit
43, 8 — 10; wie hier Juda, so übernimmt dort Rüben die Bürg-
schaft, und auf seinen Antrag wird ursprünglich Jakob in E un-
gefähr ebenso eingegangen sein, wie 43, llss. in J auf den Judas.
Die Scheidung Kap. 42 =E, Kap. 43. 44= J versteht sich hier
wie sonst nur a potiori. Ich habe bereits meine Meinung gesagt,
58 Die Genesis.
dass 42, 27s. v. 38 Bruchstücke aus J seien; ähnlich finden sich
zu Anfang des Kapitels mehrfache Einträge aus dieser Quelle.
Die Ausdrücke )1t)N IJNnp'' ]£) v. 4 (v. 38. 44, 29), CDX ^)n^\2^^^
Hiinx V. () (dagegen 48, 12) sind specifisch jahvistisch. In Kap. 43
stammt v. 14 aus E, wegen Simeons, wegen der Beziehung auf
42, 36, wegen des Gottesnamen El und wegen ""^N- Ebenso ist der
Schluss von 43, 23 pr^l^TiN cnbx XH^I ein Zusatz aus E, der an
dieser Stelle keineswegs passend steht; denn die Brüder stehn hier
ja noch ni^H nPD d. h. draussen vor dem Hause und gehn erst
V. 24 hinein. Dagegen ist allerdings Kap. 44 rein jahvistisch und
zeigt überall die charakteristischen Ausdrücke und Wendungen
von J. In V. 16 ist rnin\ der erst v. 18 herantritt, falsches
Explicitum, man muss lesen TiDN""!; in v. 30 ist das erste 1tJ'^:i
in ili^DJ zu ändern.
448 In Kap. 45, 1 — 46, 5 hält sich der Jehovist wieder vorzugs-
Aveise an E. Für die erste Hälfte des Abschnittes bis 45, 15 ist
die Sprache der Beweis, vgl. D%lbN v. 5. 7. 8. 9, DD^j""^:! "IH'' v. 5
wie 31, 35, b pii'J^l v. 15 wie 32, J. 29, 13. Bei der zweiten
Hälfte treffen sachliche und sprachliche Gründe zusammen. Das
jahvistische Stück 46, 31 ss. weiss nichts von dem Anerbieten
Pharaos 45, 16 ss.; dort wird die Ankunft der Brüder ihm als
etwas ganz Neues gemeldet, zu welcher er hier selbst Veranlassung
und Befehl gegeben hat. In sprachlicher Hinsicht vgl. ^^^ Ijyü
CDliPD. 45, 17 mit n?2n hv "OüV^) 44, 13, ]11D 45. 23 mit NiDtJD
24, 25. 42, 27. 43, 24, auch die -|1lb n-llJ 45, 21. 42, 25.
Doch sind auch hier dem Zusammenhange von E einzelne
Züge aus J beigemischt, welche namentlich gegen Schluss des Ab-
schnittes kenntlicher hervortreten. Warum setzt sich Israel nicht
gleich beim Aufbruch von Hebron auf den Wagen, warum erst
unterwegs in Beerseba? Pharao wollte ihn doch wol von seinem
Wohnorte abholen lassen? Wahrscheinlich lässt der Verfasser von
V. 5, d. i. der Erzähler von Kap. 45, also der Elohist, den Jakob
in Beerseba wohnen, eben so wie schon den Abraham Kap. 20
bis 22. Dann gehört v. 1, wo Israel anderswo, vielleicht in Hebron
(37, 14), siedelt und Beerseba vielmehr als die besondere Stätte
Isaaks gilt, dem Jahvisten an, der nach 46, 31 ss. von dem Ab-
holen durch Pharao nichts weiss. Auch durch die Sprache verrät
sich hier J, denn E sagt Jakob und nur bi^^\^^^ ""^^.^ dagegen J
seit 35, 21 Israel. Wenn dieser Name auch 46, 2 in einem durchaus
Kap. 37—50. 59
elohistischen Verse erscheint, so ist er hier wol erst durch den
Becarbeiter hineingekommen; denn der Satz: Gott sprach zu Israel:
Jakob ! entstammt keiner einheitlichen und natüi'lichen Konception.
Zu J ist ferner 45, 28 und Einzelnes aus 46, 3 s. zu weisen,
ausserdem im Anfange des Abschnittes pDxnn 45, 1 (43, 31),
\-iN cn-120 V. 4s., endlich v. 10 (46, 28. 32) und v. 13s. (46,
29 inin).
Auf 46, 5 folgt in JE 46, 28—47, 4 und 47, 6b. Hier ist
J nicht zu verkennen, als unterscheidende Merkmale hebe ich her-
vor das Ignoriren des in 45, 17 ss. Berichteten, die Bedeutung
Judas und im Gegensatz zu dem grossartigen Anerbieten 45, 19
das bescheidene Bittgesuch um das Land Gosen, ausserdem in sprach-
licher Hinsicht bN1l^^ CV^n, i:my:c, inyrL- in 46, 28 stört der
Satz ]w: ni»nN* IND."»!» er ist wol zu v. 29 zu ziehen. Für n"l\"lb
wii-d nach v. 29 l'heraot zu lesen und Joseph als vSubjekt dieses
Infinitivs zu denken sein. — Das eigentümliche Stück 47, 13 — 26 449
fügt sich an dieser Stelle weder in den Zusammenhang von E
noch von J. Man könnte annehmen, dass es ursprünglich in einer
Parallele zu Kap. 41 seinen Platz gehabt hätte. Der jahvistische
Faden wird von v. 6 b her wieder aufgenommen in v. 27 a und
setzt sich demnächst in 47, 29 — 31 fort, vgl. besonders v. 29:
Die Herkunft von v. 12 ist ungewiss, vgl. 50, 21 (E).
Es gibt kaum eine Stelle der Genesis, wo die Schichtung der
Quellen handgreiflicher walu'zunehmen ist, als der Schluss des 47.
und der Begimi des 48. Kapitels: in 47, 28 ein Anfang, in 47, 29
noch einmal ein Anfang, in 48, 1 zum dritten Male ein Anfang
immer der selben Geschichte. Da 47, 28 = Q, 47, 29 — 31 = J,
so ist 48, 1 = E, was durch die Einleitungsformel rhi<n '"H 'vS TiiT
bestätigt wii'd. Sieht man von v. 3 — 7 (Q) ab, so zeigt Kap. 48
auch im Verfolg überall die Eigentümlichkeit von E '). Schon das
könnte man dahin rechnen, dass Joseph den Segen, d. h. die Erst-
geburt, empfängt; indessen ist es nicht so sicher, dass in J nicht
das selbe der Fall war, denn 47, 29 — 31 ist unvollständig, und
wenn man vielleicht von einer Parteinahme der einen Quelle für
Rüben, der anderen für* Juda reden kann, so ist dabei doch Joseph
stets ausser dem Spiele und für ihn das Interesse beider Quellen
0 [Vgl. aber Karl Budde in Stades Ztschr. 1883 p. 56 ss.].
50 t)ie Genesis.
gleich gross. Unbedingt aber widerspricht v. 22 der jahvistischen
Aversion in Kap. 34; denn darnach ist von einer Eroi)erung der
Stadt Hamors durch Gesamtisrael gar nicht die Rede, sondern
nur von der Ermordung des Mannes der Dina durch Simeon und
Jievi. Dagegen stimmt v. 22 sachlich zu der anderen Aversion in
Kap. 34, wonach Gesamtisrael die Stadt Sichem überfällt und
ihre Bevölkerung niedermacht. Als sprachliche Merkmale von E
treten hervor DTI^N* v. 9. 11. 15. 20. 21, der häufige Gebrauch von
nx statt des Verbalsufffxes v. 10. 11. 12. 15. 16. 17. 21, pii^»: und
p^n mit b V. 10 wie 29, 13, n^inx VBi<b innt^"" V. 12 statt c:9X
HHIkS- Auffallend ist nur der durchgehende Gebrauch von Israel;
der Bearbeiter scheint den bisherigen Unterschied zwischen J und
E von jetzt ab nicht mehr conservirt zu haben.
Der s. g. Segen Jakobs 49, 1 — 27 — wozu v. 28 gehört, ist
zweifelhaft — stammt zwar sicher aus JE und sicher nicht aus
E; ob aber darum aus J, ist deshalb nicht so ganz gewiss, weil
der Zusammenhang ihn nicht stützt, denn Kap. 50 schliesst eher an
450 Kap. 47 an. Es scheint allerdings, als ob der Jahvist in Kap. 34
und 35, 22 auf 49, 4 — 7 Bezug nehme, und es stimmt zu seiner
anderweitigen Tendenz, dass er bei Rüben Simeon und Levi, den
drei ältesten Söhnen Leas, einen Grund findet, weshalb sie das
Erstgeburtsrecht verwirkt haben, damit es dann auf Juda übertragen
Av erden könne: Juda und Joseph sind bei ihm die Erstgeborenen
der beiden Hälften Israels. Am Ende ist es bei einem solchen
Liede nicht zu verlangen, dass es sich strenge in den Zusammen-
hang füge, zumal wenn der Erzähler es nicht selbst gemacht,
sondern bereits fertig vorgefunden hat.
In Kap. 50 gehört v. 15 — 26 unwidersprechlich zu E, vgl.
V. 19 s. 24 s. Ebenso ist es klar, dass v. 4 — 11. 14 dem Verfasser
von 47, 29 — 31, also J, angehören. Freilich stimmt der Inhalt
von 50, 5 nicht zu cniüp^ ""jn^l^pl 47, 30, man wird zu der
Annahme gezwungen, dass der ursprüngliche Wortlaut von 47, 30
vom Redaktor der Genesis mit Rücksicht auf Q 48, 7. 49, 30s.
geändert worden ist, vgl. Kayser a. 0. p. 35. Über die Herkunft
der Verse 50, 1 — 3, wozu noch )r\^D'2. ''D'' nnyi v. 4 zu rechnen
ist, lässt sich keine so bestimmte Entscheidung treffen.
Die Untersuchung dieses vierten und letzten Teils der Genesis
hat die bisher gewonnenen Resultate der Kritik lediglich bestätigt.
J und E sind zuvörderst eng mit einander, darauf JE mit Q ver-
Exod. 1—11. • 61
bunden. Einen Bestandteil von J bildet E hier so wenig wie
sonst; eher Hesse sich, da J hier vergleichsweise trümmerhafter als
E erhalten ist, das Umgekehrte denken, obwol auch das nicht
richtig ist, denn beide Quellen erzählen selbständig die selbe Ge-
schichte in verschiedenen Aversionen. Natürlich ist darum nicht
ausgeschlossen, dass der ältere der beiden Erzähler den jüngeren
gekannt und benutzt hat; aber die Zusammenschiebung der zwei
so sehr ähnlichen Geschichtsbücher ist das Werk eines Dritten,
den wir den Jehovisten oenannt haben.
II. Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Dass Q und JE sich über die Genesis hinaus, bis ins Buch XXL
Josua fortsetzen, ist eine ausgemachte Sache ^). Ebenso steht es 531
fest, dass JE auch in Exodus und den folgenden Büchern ein
durchaus selbständiges Geschichtswerk und nicht etwa eine Ergän-
zung von Q ist. Dies ist hier sogar ungleich deutlicher als in der
Genesis. Das jehovistische Geschichtsbuch wird nicht nur nicht
unvollständig und zusammenhanglos, nachdem Q herausgenommen,
sondern erst dadurch schliessen sich die total auseinandergerissenen
Glieder seiner Erzählung zu einem schönen Ganzen an einander;
vgl. Exod. 24. Kap. 32—34. Num. 10, 29 u. s. w. Wäre die
literarische Kritik statt von der Genesis von Exodus und Numeri
ausgegangen, so hätte die s. g. Ergänzungshypothese nie entstehn
können. Schliesslich wird auch die Erwartung berechtigt sein,
dass sich die Composition von JE von Exod. 1 an nicht plötzlich
ändern werde, zumal jedenfalls Gen. 50 weder den Abschluss von
J, noch von E bilden kann. Ob sich die Erwartung bestätigt,
muss die Untersuchung lelu'en.
Israel in Ägypten. Exodus 1 — 11.
1. Man kann diesen Abschnitt in zwei Hälften zerlegen, deren
erste wesentlich die Berufung Moses enthält 1, 1 — 7, 7, die zweite
die ägyptischen Plagen 7, 8 — 11, 10. In der ersten Hälfte gehört
zu Q: aus Kap. 1 die Verse 1 — 5. 7 (mit Ausnahme von IZLIi?
IDiJi?-'! vgl. V. 9. 20) 13. 14 (mit Ausnahme der 2. Hälfte 532
^) Ein für allemal sei bemerkt, dass ich in der Bestimmung von Q (Knobei
und) Nöldeke folge.
62 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
von V. 14 a und Voranstellung von 14 b); aus Kap. 2 die Verse
23 — 25 (von in^N'"'! 23 an, vgl. zum ersten Teil des Verses Sept.
4, 18); endlich das geschlossene Stück 6, 2 — 7, 7. Zwischen 2, 25
und 6, 2 scheint keine Lücke zu sein, denn 6, 4. 5 greift auf 2, 24
zurück, und ausserdem deckt sich 6, 2ss. inhaltlich so vollkom-
men mit dem jehovistischen Stücke, welches gleich auf 2, 25 folgt,
dass ihm von Rechts wegen durchaus der selbe Platz zukommt.
Die Erwartung, den Mose erst eingefülu't zu sehen, ehe er, wie
6, 2 geschieht, als bekannte Person auftritt, ist bei Q nicht be-
rechtig-t. Doch ist es möglich, dass die Familiennachrichten über
Mose und Aharon, welche sich gegenwärtig 6, 16ss. finden, in Q
ursprünglich vor 6, 2 standen. Jedenfalls hat Kayser darin Recht,
dass das Stück 6, 13 — 28 an seinem jetzigen Ort und in seinem
gegenwärtigen Umfange ein ungeschickter Nachtrag ist, eine Er-
weiterung von Q durch spätere Hand. In v. 29. 30 wird der Fa-
den da wieder aufgenommen, wo er v. 12. 13 fallen gelassen war.
Aus dem zweiten Teil unseres Abschnitts ist für Q in An-
spruch zu nehmen 1) 7, 8 — 13 Verwandlung von Aharons Stabe
in eine Schlange, 2) 7, 19. 20a. 21c. 22. 23^) Verwandlung des
Wassers in Blut, 3)8, 1—3. IIb Frösche, 4)8,12—15 Mücken,
5) 9, 8 — 12 Pestbeulen an Menschen und Vieh. Die ägyptischen
„Plagen" fallen in Q eigentlich weniger unter den Gesichtspunkt
der Strafen, als der Zeichen und Machtbeweise, in denen Jahve
und Pharao durch ihre Vertreter concurriren; die drei ersten
Wunder machen die ägyptischen Priester nach, das vierte über-
steigt ihre Kräfte, das fünfte trifft sie selber. Darum fällt auch
die Verwandlung des Stabes in die Schlange, die in JE von den
Plagen unterschieden wird, in Q völlig damit zusammen. Sonst
ist in sachlicher Hinsicht charakteristisch, dass die Forderung an
Pharao einfach auf völlige Loslassung Israels aus Ägypten ge-
richtet ist, und dass der göttliche Befehl durch Mose an Aharon
ergeht, welcher letztere mit seinem Stabe das Zeichen verrichtet:
nur das letzte und höchste wird Mose vorbehalten 9, 8 — 12. In
formeller Hinsicht macht sich das Überwieo-en des Schemas über
den besonderen Inhalt der Erzählung bemerklich. „Jahve sprach
533 zu Mose: sprich zu Aharon: streck deinen Stab aus und tu da-
0 V. 20 b. 21a. b. = v. 17. 18; an v. 21b schHesst immittelbar v. 24,
seinerseits im Widerspruch zu v. 19 befindlich.
Exodus 1—11. 63
mit das und das, damit werde Und sie taten so (wie
Jahve befohlen) und Aharon streckte den Stab aus und tat das
und das und es ward. Und die ägyptischen Priester taten ebenso
durch ihre Zauberei und Aber Pharaos Herz verstockte
sich und er hörte nicht auf sie so wie Jahve gesagt hatte." Befehl
und Ausführung werden dabei stets in gleicher Umständlichkeit und
mit den selben Worten wiederholt. An Einzelheiten bemerke [""^n
7,9, l^n und p~!l 9, 8, und den reichlichen Gebrauch von b'D.
2. Die Plagen in JE, um das hier gleich anzuschliessen, sind
folgende: 1) die Verwandlung des Wassers in Blut 7, 14 — 18.
20 b. 21 a. b. 24. 2) die Frösche 7, 25—29. 8, 4—10. IIa.
3) das Geschmeiss 8, 16—28. 4) die Yiehpest 9, 1—7. 5) der
Hagel 9, 13 — 35. 6) die Heuschrecken 10, 1 — 20. 7) die Finsternis
10, 21 — 29. Die ersten vier entsprechen in Inhalt und Reihen-
folge den Zeichen in Q (nach Abzug des Eiiileitungswunders, wel-
ches in JE, wie gesagt, nicht in eine Reihe mit den anderen ge-
stellt wird), nur tritt an die Stelle der Mücken das Geschmeiss,
und an die Stelle der Pestbeulen an Mensch und Yieh das Vieh-
sterben. Sachliche Unterschiede: vor jeder Plage wird immer erst
die Forderung an Pharao wiederholt, und zwar darauf beschränkt,
dass er die Hebräer in die Wüste ziehen lasse, um dort ein Fest
zu feiern; für den Weigerungsfall wird zugleich die neue Plage im
voraus angekündigt. Mose ist der Thaumaturg, nicht Aharon, und
wenn von einem Wunderstabe die Rede ist, so ist es der Stab
Moses. Formell ist beachtenswert, was schon dem Samaritaner
auffiel, dass immer bloss der Befehl Jahves an Mose, den Pharao
zu bedrohen, berichtet, die Ausführung desselben aber verschwie-
gen und als selbstverständlich vorausgesetzt wird — vgl. dagegen
z. B. 7, 9. 10. Alle diese Merkmale sind der Erzählung von Q
fremd und vereinigen sich zur Charakteristik von JE. Sieht man
aber näher zu, so fügen sie sich doch nicht zu Zügen eines ein-
heitlichen Bildes zusammen, sondern lassen noch weiter die Phy-
siognomie zweier verschiedener Quellen erkennen, aus denen JE
auch hier ebenso wie in der Genesis zusammengeflossen ist.
In den meisten Stücken hat der Jehovist seine beiden Vor-
lagen eng mit einander verwoben, eine Ausnahme bilden jedoch
Nr. 3 und 4 einerseits und Nr. 7 andererseits, wahrscheinlich weil
hier keine Pendants aus der parallelen Quelle vorhanden waren.
Der wichtigste Unterschied ist der, dass in dem einen Bericht 534
64 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Mose die Plagen mit seinem Stabe lierwinkt, dagegen in dem an-
deren vom Stabe Kloses gar nicht die Rede ist, sondern Jalive
allein und unmittelbar die Wunder A^drkt^). Damit hängt eng
zusammen, dass dort die Ankündigung der Plagen in der Regel
fehlt, die hier jedesmal ihrem wirklichen Eintritt A^orausgeht. Denn
wenn Mose sie selbst zu Wege bringt, so kann kein Zweifel ent-
stehn, woher sie rülu'en; wenn sie dagegen ohne sein Zutun
hereinbrechen, so muss er sie vorher ankündigen, damit man sehe,
sie kommen nicht von ungefähr, sondern von Jahve. Aus dem
selben Grunde wii-d in diesem zweiten Fall gewöhnlich ein Termin
füi* die Erfüllung der Drohung gesetzt und hervorgehoben, dass die
Plagen, Avie sie auf Moses Ansage kommen, so auf sein Gebet
weichen. Das sind lauter Garantien für die Urheberschaft des
Gottes, in dessen Namen Mose auftritt — Garantien, die natürlich
überflüssig sind, wenn er handgreiflich die Wunder selbst verrichtet.
Der Hauptbericht ist der zuletzt charakterisirte, in welchem
Mose die Strafe nicht ausfülii't, sondern nur androht. Der Anfang
derselben ist fast überall heil und unvermischt erhalten und darum
das wesentlichste Kennzeichen, A^gl. 7, 14 — 18. 7, 25 — 29. 8,
16—19. 9, 1—5. 9, 13—19. 10, 1—6. „Und Jahve sprach zu
Mose: mach dich morgen früh auf und tritt vor Pharao, siehe er
geht hinaus an das Wasser. Und sprich zu ihm: so spricht Jahve
der Hebräer Gott: lass mein Yolk ziehen, dass es mir diene; denn
wenn du dich dessen weigerst, so " Es folgt die genaue
Ansagung des kommenden Ereignisses, dabei Avird immer Jalwe
allein als handelnde Person in Aussicht genommen und vom Stabe
Moses ist keine Rede. Nur 7, 14 — 18 Avüi'de eine Ausnalmie
machen. Aber liier ist in v. 17 der Stab ohne ZAveifel von
anderswo eingetragen; denn nach Analogie A^on 7, 28 siehe ich
schlage, 8, 17 siehe ich lasse los, 9, 3 siehe die Hand
Jahves, 9,18 siehe ich lasse regnen, 10, 4 siehe ich bringe
muss auch 7, 17 das Subjekt ^D3X nach n^n A^on Jahve und A^on
keinem andern A^erstanden werden, um so mehr, da ja Jahve aus-
drücklich als die redende Person bezeichnet ist und das kurz vor-
hergehende ^^N sich unmöglich auf Mose beziehen lässt. Positiv
535 wird das Ergebnis, dass "i:ii HLOD^ nicht die ursprüngliche Fort-
^) Nur hier sind die Plagen eigentl. Strafen, dort wie in Q auch mehr
Wunder, Beglaubigungszeichen Moses vor Pharao.
Exodus 1—11. 65
Setzung von njü ""DIS n:n sein kann, bestätigt durch die Worte
V. 25 1N\'n DN mn'' mDn '•"inx- Darnach ist man nun überhaupt
berechtigt, die Abweichungen von 7, 14—18 gegen die übrigen
fünf Parallelen daraus zu erklären, dass in diesem ersten Fall der
Hauptbericht nicht rein vorliegt, sondern mit dem anderen ver-
schmolzen ist, der hier zu Anfang gleichfalls einen ausfühiiichen
Befelil Jahves an Mose der Ausfülu*ung vorhergehn Hess. Freilich
darf man fi'agen, ob die Worte v. 17b nicht vielmehr eigentlich von
Mose an Pharao gesprochen werden und nicht von Jahve an Mose.
Die Bestellung des göttlichen Befehls durch Mose zu erzählen?
wird in J — es sei erlaubt, den Hauptbericht vorgreiflich so zu
bezeichnen — nicht für nötig gehalten^), es folgt ^delmehr sogleich
der wirkliche Vollzug der Strafe. Gemäss der Ankündigung er-
wartet man, dass Jahve dii-ekt und mit eigener Hand den Schlag
fühi-t. Dies gesclüeht auch wii'klich in Nr. 3 und Nr. 4, vgl. 8, 20
und 9, 6. In Nr. 2 ist J an der betreffenden Stelle durch Q (8,
1 — 3) verdi'ängt, in Nr. 1, wie wir gesehen haben, ausserdem noch
mit der zweiten Quelle des Jeho^dsten versetzt (7, 20b. 21 ab. 24).
Dies letztere ist ebenso der Fall in Nr. 5 und 6. Während in
der Ansage 9, 13 — 21 der Stab Moses nicht erwähnt wird, er-
scheint er dagegen in der Ausführung v. 22 ss. Man sieht aber
hier der Erzählung an, dass sie überfüllt und in Unordnung ist.
In V. 23 heisst es erst, „Jahve gab Hagel" und gleich darauf wieder
„Jahve Hess Hagel regnen," und in v. 24 unterbrechen die Worte
"imn "jinn nnpbPD '\l^^) die notwendige Verbindung zwischen %"l''1
1*0. und "IwXD ":iD auf störende Weise. Nach v. 18 ist J aus
V. ^2 — 24 folgendermassen auszuschälen : „und am folgenden Tage,
da liess Jahve Hagel regnen über alles Ei-aut des Feldes in Agyp-
tenland, und es ward ein sehr schwerer Hagel, desgleichen nicht
gewesen war in Ägypten, seit es einem Volke gehörte." Ebenso
ist auch in Nr. 6 der Stab Moses 10,12ss., von dem in der
vorausgescliickten Drohung so wenig wie sonst die Rede ist, in J
erst von anderswo eingedi'ungen. Denn dem erhobenen Stabe hat
nicht Jahve Folge zu leisten, sondern die Heuschrecken (gegen 536
^) Nur 10, 1 SS. macht eine Ausnahme, aber hier ist gewiss nicht das Ur-
sprüngliche bewahrt. Denn in v. 1.2 hat Jahve noch nichts aufgetragen, son-
dern bloss Vorbereitungen dazu gemacht, es fehlt der ganze Inhalt seines Wortes.
Wellhau3en, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 5
13. Und Jalive führte einen
Ostwind über das Land, jenen
ganzen Tag und die ganze Nacht ;
als der Morgen kam, hatte der
Ostwind die Heuschrecke her-
getragen. Und sie lagerte in
dem ganzen Gebiet Ägyptens,
in schwerer Menge, wie nie zu-
vor gewesen und künftig nie sein
wird.
66 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
V. 13'), und sie dürfen den Mose nicht bis zum folgenden Tage
warten lassen, sondern müssen gleich kommen. Man hat dem-
gemäss zu scheiden:
12. Und Jahve sprach zu
Mose: streck deine Hand aus
über Ägyptenland, dass die Heu-
schrecke heraufkomme und alles
Kraut des Landes fresse, alles
was der Hagel übrig gelassen hat.
13. Da streckte Mose seinen
Stab aus über Ägyptenland, 14.
und die Heuschrecke kam herauf
über ganz Ägyptenland.
Auch in v. 15 ist die Doppelheit in den Ausdrücken kaum
zu verkennen, vgl. pvS*n at^y imd hinterdrein n^^Wn D.!^y; ^n ns
und dann "J^pD. p"T'- Endlich ist noch die unverhältnismässige Länge
von Nr. 5 und 6 im Vergleich zu den übrigen Stücken von JE
hervorzuheben.
Durch einen glücklichen Umstand trifft es sich, dass die zweite
Quelle des Jehovisten, von der sich bisher nur eben die Spur ver-
folgen Hess, zuletzt rein und nicht mit J vermengt erscheint, näm-
lich in 10, 21 — 27 (ägyptische Finsternis). Gänzlich fehlt liier die
Drohung, die in J Tags zuvor an Pharao ergeht und regelmässig
die ganze erste Hälfte jedes Stückes einnimmt; vielmehr tritt,
nachdem die vorhergehende Plage den König nicht erweicht hat,
die neue gleich wirklich selber ein, vgl. v. 21 zu v. 20. Mose
erhebt seinen Stab, dann tritt spontan die Finsternis ein, ohne dass
Jahve als handelndes Subjekt eingemischt wird. Sie dauert ihre ge-
messene Zeit, w^eicht nicht auf Moses Füi'bitte. Auch scheint es,
dass Pharao hier nicht sein in der Not gegebenes Versprechen
hinterher wieder bricht, sondern niemals die Forderungen Moses
in ihrem vollen Umfange bewilligt. Kurz, der regelmässige und
charakteristische Bau der Stücke in J wird hier vermisst, wenn
auch die sachliche Ähnlichkeit gross genug ist. Ich mache noch
aufmerksam auf die Schlussformel 10, 27. Es gibt nämlich in JE
zwei Varianten derselben, die eine lautet: und Pharao T^DH sein
^) 9, 23 liegt die Sache anders, H^p JH^ mn'' ist so verblasst wie Zsu?
Ost, vgl. Gen. 19, 24. Lam. 3, 66.
Exodus 1—11. 67
Herz und entliess Dyn nicht, die andere: und Jahve pin 537
das Herz Pharaos (resp. intrans. Pharaos Herz pin) und er
entliess die bx*i:^"> ij^ nicht. Jene erscheint vollständig in
Nr. 3 und 4 (8, 28 und 9, 7), also in den beiden rein aus J
mitgeteilten Stücken, ferner zum Teil in Nr. 2 (8,11 mit Q zu-
sammen) und Nr. 5 (9, 34). In Nr 5 ist die zweite Variante da-
mit verbunden 9, 35, und diese erscheint rein in 10, 20. 27
vgl. 11, 10.
Ich nenne den Hauptbericht J, setze ihn also gleich mit dem
Jalmsten der Genesis. Zum Teil schon deshalb, weil es eben der
Hauptbericht ist, weiter wegen der geschickten Verumständung
z. B. in der Angabe, Pharao sei des Morgens am Wasser zu treffen,
wegen der lebendigen dramatischen Erzählung, und auch darum,
weil hier inclusive der Tötung der Erstgeburt der Plagen sieben
sind. An Einzelheiten kommt in Betracht das Land Gosen 8, 18.
9, 26, welches in der Genesis nur in J vorkommt; ferner die Zeit-
angaben ^pD.^ 7, 15. 8, 16, namentlich in der Konstruktion 10, 13
Nl^i Dnpn nm n^n npD.n vgl. Gen. 19, 23 und 44, 3, endlich der
Gebrauch von ITiyn, HIl^H ^.t^'i; (gegen pvXH '])) und ^n:i (=Land).
Den zweiten Bericht in JE wüi'de man dann E nennen dürfen.
Er steht sachlich und spraclilich näher zu Q, ein Verhältnis,
welches sich gleicherweise in der Genesis constatken lässt.
Auf eine genaue Scheidung von J und E in Nr. 1. 2. (?). 5. 6
wird man besser verzichten. Der Jehovist hat, wie es scheint,
nicht bloss den Bestand von E sein- stark angetastet, sondern auch
J mit eigenen Zutaten erweitert. Es ist schon bemerkt, dass
das Ausfallen des Befehls 10, 1. 2, statt dessen dann gegen die
sonstige Sitte die Ausführung berichtet wird v. 3ss., schwerlich
ursprünglich ist; J wird hier in v. 1 — 3 das selbe gehabt haben
wie z. B. 9, 1, das Übrige ist Zusatz des Jehovisten, erkennbar
auch an '»miLDn ""Jli^ O — in J verstockt immer Pharao selber sein
Herz — und an dem gänzlich schiefen Du in v. 2. Auch 9, 14
ist eine Variation des Jehovisten auf Grund von 9, 15, sie stört
die Konstruktion und verwischt den hypothetischen Sinn des
Ganzen'). Noch andere Breiten, Übergänge der Erzählung in
1) 9, 15 s. „Denn ich hätte schon meine Hand ausgestreckt und dich
und dein Volk mit der Pest geschlagen, dass du verschwunden wärest vom
Erdboden, aber um deswillen habe ich dich gefristet . . . ." nny ""D hat hier
ß3 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
538 Predigt scheinen mir auf die überarbeitende Hand zumckzugehn,
namentlich auch die Formel n)r\'' ""JX "»D JJin, ""^ÜD 1\S* ""D 'P» worin
das vom Sprachgebrauch in J abweichende iJX häufig ist. Ich
halte es endlich nicht für unmöglich, dass Aharon an den Stellen,
wo er neben Mose in J auftritt, erst durch den Jehovisten herein-
gebracht ist. Der Befehl Jahves, vor Pharao zu treten, ergeht
nämlich in J immer an Mose allein 7, 14. 26. 8, 16. 9, 1. 13. 10, 1;
nur im weiteren Verlauf erscheint daneben viermal Aharon, nämlich
immer in dem Falle, wenn Pharao in der Not Mose und Aharon
holen lässt, um ihi'e Füi-bitte in Anspruch zu nehmen. Merkwüi-diger-
weise aber wird liinterher wieder Aharon völlig ignorirt, Mose
antwortet allein, redet nur in seinem, nicht zugleich in Aharons
Namen (8, 5. 22. 25. 9, 29), und obwol er selbander gekommen,
geht er doch im Singular wieder fort und bittet im Singular
8, 8. 26. 9, 33. 10, 18. Unter diesen Umständen ist auch der
Wechsel des Numerus nTi^m • • • N*J N*'ti^ 10, 17 verdächtig genug.
Es scheint, als ob der Jehovist grade bei der Füi'bitte die Assistenz
Aharons für angemessen gehalten habe.
Das Ende der Verhandlungen mit Pharao ist 10, 28 — 11, 10.
Da 10, 27 Schlussformel ist, so ist v. 28 s. nicht Fortsetzung des
unmittelbar vorangehenden Berichts, sondern stammt aus J, vgl.
Gen. 2, 17. Die beiden Verse sind mit dem Stück 10, 1 — 20 zu
verbinden, dessen jahvistischer Abschluss gegenwärtig durch v. 20
verdi'ängt ist. Die Fortsetzung der Rede Moses an Pharao 10, 29
ist 11, 4—8 (vgl. 10, 29 mit 11, 8); sehr- übel drängt sich 11,
1 — 3 dazwischen, wie bereits Knobel empfunden hat. Vgl. den
jahvistischen Sprachgebrauch v. 6 (9, 18. 10, 14), v. 7 (8, 18. 9,
4). Demgemäss wäre 11, 1 — 3 = E. Die letzten beiden Verse
des Kap. 11 rechnet man gewöhnlich zu Q, und allerdings lassen
DD^bx yDl^"» V. 9 und jnnNI Ht^C v. 10 auf diese Quelle schliessen.
Man versteht nur nicht recht, wie der 9. Vers hierher gehören und
mit V. 10 verbunden sein kann; denn V^^^ ist Futurum.
3. Wenden wir uns nun zu JE Kap. 1 — 5, so ist die Tat-
sache, dass hier zwei Quellen benutzt sind, ziemlich anerkannt,
aber über ilu'e Ausscheidung ist man keineswegs einig. In Kap. 1,
wo V. 6. 8 — 12. 15 — 22 und einige Worte aus v. 7 und 14a zu
den selben Sinn wie nach y). In v. 14 ist die Auflösung dieser Partikel in
nj^in DySÜ ebenso aus Misverständnis entsprungen, wie das Participium
rh\i/ statt des hypothet. Perfectums.
Exodus 1 — 11. 69
JE gehören, ist J zu erkennen in v. 6, )r2)iV^i irL^"""! v. 7, v. 8—10;
vgl. n^N^^pn V. 10, und V. 9 mit Gen. 11, 6 s. Dahingegen ist der
Sprachgebrauch von v. 11s. eigentümlich abweichend, vgl. die
D^'öD n::' statt der Ct^:: und das Yerbum y)p in der Bedeutung 539
Angst haben. Man wird diese letzteren beiden Yerse wol zu E
rechnen müssen, ebenso auch v. 15 — 21, wegen C\"lb^< und weil
die Namen der Hebammen genannt werden. Nur der zweite
Teil von v. 20, der die Verbindung zwischen v. 20 a und v. 21
unterbricht, wird wegen Oli^l n:i*i (v. 7. 9) zu J gehören, ebenso
V. 22, eine Variante zu v. 15 — 21, wahrscheinlich^^auch die in Q
eingesprengten Worte rnt^:i mny b^ni C'':i:ibn.1 "l^nn, da die
Vorstellung in E v. 1 1 eine etwas andere ist.
In Kap. 2, welches mit Ausnahme von v. 23b. c. 24s. ganz
zu JE gehört, ist die Scheidung nicht durchzufüliren, wenngleich
die Geburt und Flucht Moses sowol in J als in E erzählt sein
wird. Der Satz v. 6 „und sie sah den Kleinen und siehe es war
ein weinender Knabe" ist schwerlich aus Einer Feder geflossen.
In dem selben Verse fallen die Worte vbv tenm wegen ihrer
Stellung vor dem folgenden Satz auf, welcher letztere sich am
natürlichsten an "I^^ITN i<"ir)1 ^) anschliessen wüi-de. Vermutlich
ist ferner die Namengebung 2, 10 alsbald nach der Rettung erfolgt,
nicht erst, nachdem der Knabe gross geworden, wie es denn
schwerlich die selbe Hand ist, die in v. 11 nt^'D b"n und in
V. 10 "l^\1 bl^^) geschrieben hat. Vielleicht also — zumal wenn
nach V. Is. Mose als erstes Kind der Ehe gilt — ist in den
Hauptbericht ein anderer eingearbeitet, der nichts von Moses
Schwester weiss, sondern einfach erzählt : „und siehe ein weinender
Knabe und sie erbarmte sich seiner v. 6 (und nahm ihn auf), und
er ward ihr Sohn und sie nannte ihn Mose, weil sie ihn aus dem
Wasser gezogen hatte v. 10." Endlich scheint es, dass v. 15 eine
andere Motivii'ung der Flucht Moses enthält als v. 13s., und
dass in dem selben Verse die beiden Schlussätze keinen fort-
laufenden Faden darstellen. V. 11 — 22 gehört im Ganzen zu J,
vgl. )D.S V. 14 mit Gen. 28, 16 und C^tOHl v. 16 mit Gen. 30, 38;
V. 1 — 10 im Ganzen zu E ("lb> ^0^<). Ob der Name Reguel aus J
^) inx*im ist eine Correctur, um n/\1"n^< fortzuschaffen, vergl. Sept.
Im MT blieb beides nebeneinander stehn.
70 I^ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
herkommt, bezweifle ich^). J nannte ursprünglich vielleicht überhaupt
keinen Namen; Jethro scheint erst jehovistisch zu sein, vgl. zu Kap. 18.
540 In Kap. 3 passt der mit Q 6, 2ss. parallele Passus, worin
Gott seinen Namen Jahve offenbart, nämlich v. 10 — 15, ohne
Zweifel nicht für J, sondern nur für* E. Wirklich erscheint hier
überall im Munde des Erzählers D^rh^ v. 11. 12. 13. 14. 15,
wähi'end von nun ab dies Kriterium füi* längere Zeit aufhört,
freilich wol mehr durch Schuld des Bearbeiters, als nach der
Absicht des Elohisten selber, der nach wie vor für gewöhnlich den
allgemeinen Namen gebraucht zu haben scheint^). Auch in 3, 1 — 9
finden sich von E zerstreute Spuren, so in v. 4 der Satz nach
dem Athnach mit dem charakteristischen Am-uf im Vokativ (vor
der eig. Anrede) und mit der Antwort "»jjn, vgl. ausserdem Elohim
nach dem kurz vorhergehenden Jahve. Daran schliesst sich v. 6
(D%1 aNH) und V. 9. Übrigens liegt hier vorzugsweise J zu Grunde
(vgl. V. 8), ebenso wieder in 3, 16 — 4, 17, obgleich auch da Mo-
tive aus E einfliessen, z. B. 3, 21s. (11, 1 — 3). 4, 17. Man muss
jedoch beachten: bei solchen Reden Jahves verfährt der Jehovist
freier als sonst und componirt, unter Benutzung seiner Vorlagen,
ziemlich selbständig. Bestimmt auf J führen 3, 16 — 18 (vgl. v. 18
CV2^ m'^W -|-n mit 8, 23 und Dnnyn 'N* mit 7, 16. 9, 1. 13. 10, 3)
und namentlich 4, 1 — 9. Denn hier werden die Zeichen, die Mose
tut, von den ägyptischen Plagen — die nachher Jahve allein be-
wirkt — unterschieden; sie geschehen nicht vor Pharao, sondern
vor dem israelitischen Volke, um die Gesandten Jahves bei diesem
zu beglaubigen (4, 30); dabei spielt der Stab als Medium
überhaupt keine Rolle und fehlt bei den beiden letzten Zeichen
gänzlich. Eine ganz andere Vorstellung, die nach dem, was wii'
über Kap. 7 — 10 erkannt haben, sicher auf E fülu't, findet sich
4, 21. 17. Hier sind wie in Q die Zeichen, die Mose verrichten
soll, eben die Plagen, er tut sie vor Pharao, nicht vor dem Volke,
der Stab ist bei allem das notwendige Vehikel.
^) Schwerlich ist der Vater Hobabs Num. 10, 29 der Priester von Midian
mit seinen sieben Töchtern Exod. 2, 16 ss.
2) In V. 14 am Schluss ist HTIN eigentlich nicht mehr passend, Jahve
selbst nennt sich mit Recht 6 wv in 1. Person, für andere aber ist er 6 cov in
3. Person, also niH"'- Auf die Frage, wie sein Name sei, antwortet Gott: „Bin
— sintemal ich bin. So sollst du zu Israel sagen: Ist hat mich zu euch ge-
sandt." So nach Ibn Ezra.
Exodus 1—11. 71
Hat man bei 3, 1—4, 17 die Empfindung, ein Stück aus
Einem Guss vor sicli zu haben, so macht sich umgekehrt bei
4, 18 ss. der zusammengesetzte Charakter sehi- bemerklich. Offen-
bar ist weder 4, 19 die Fortsetzung von 4, 18, noch v. 21 von
V. 20, noch V. 27 von v. 24 — 26. Sehen wir vorläufig ab von 541
V. 27 — 29, so ist für J in Anspruch zu nehmen v. 18. 20. 24. 25
und zwar deshalb, weil Mose hier Weib und Kind mit nimmt und
nur einen Sohn (1:33. v. 20) hat, gegen E 18, 2ss. Zu E gehört
dann v. 19. 21 — 23 vgl. bes. v. 21. Man könnte denken, dies
Stück knüpfe, alles dazwischen Liegende überschlagend, direkt an
JE 2, 23. Bei näherer Überlegung erhellt aber, dass 4, 19. 21
doch nicht die erste Offenbarung Jahves an Mose sein kann,
sondern eine frühere inhaltreichere voraufgegangen sein muss. Es
scheint also, dass in E der Auftrag, Israel zu befreien, nicht wie
in J ohne weiteres zusammen fiel mit dem Befehl nach Ägypten
zurückzukehi'en; erst etwas später bei einem bestimmten näheren
Anlass wird diese praktische Konsequenz gezogen. Darnach ist die
Richtigkeit der gegenwärtigen Stellung des ersten Satzes von 2, 23
zu beanstanden (vgl. Sept. 4, 19), möglicherweise hat sich der
Jehovist um J's willen eine Umstellung erlaubt. Die Hand des
Jehovisten ist ebenfalls bei der Placirung des letzten Satzes von
4, 20 tätig gewesen, der nicht zu J, sondern zu E gehört, und
desgleichen vielleicht bei einigen Redewendungen von v. 22 s. —
Was 4, 27 — 31 betrifft, so ist der pragmatische Zusammenhang
des Stückes in seiner gegenwärtigen Gestalt nicht zu leugnen.
Deutlich nun stammt v. 29 — 31 aus J, wegen der Rückbeziehung
auf 3, 16 und wegen v. 30: er tat die Zeichen vor dem Volk.
Andererseits steht v. 27 nicht in Yerbinduno; mit J v. 18. 20.
24 — 26, denn in diesen Versen ist Mose schon weiter als am Berge
Gottes, wo Aharon ihn treffen soll. Wie also? soll man v. 27 zu
E weisen? Dazu sind v. 27 — 31 zu gleichartig und geschlossen.
Ich glaube, dass Aharon hier ebenso wie in JE Kap. 7 — 10 erst
durch den Jehovisten — wenn auch vielleicht auf Grundlage von
E — eingefülii't und gleich dem Mose einer früheren Anwesen-
heit auf dem Horeb gewürdigt worden ist. In J hat Mose zu
dem Volk geredet und die Zeichen getan — das erheischt 4,
1 — 9^). Der Jahvist weiss nichts von Moses mangelnder Redefähig-
^) vielleicht besser 4, 1—12, denn streng genommen schHessen v. 10—12
72 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
keit, er lässt ihn sogar vor Pharao in Kap. 7 — 11 ausschliesslich
das Wort führen. Auch in 5, 1 ss. ist das pluralische Subjekt ur-
542 sprünglich nicht Mose und Aharon, sondern nach 3, 18 vgl. mit
5, 3 notwendigerweise Mose und die Aeltesten.
5, 1 — 6, 1 ist wol im Ganzen aus J entlehnt, vgl. v. 3 mit
3, 18. 8, 23. 7, 16. 9, 1. 13. 10, 3 und die ü^'m: (gegen 1, 11).
Doch fällt n^rPTD V. 8 gegen pH v. 18 auf und hie und da eine
Abundanz der Rede, z. B. v. 4. 5.
Man sieht: so wenig sich in JE Ex. 1 — 11 die Scheidung ins
Einzelne hinein durchfühi-en lässt, so ist doch die Tatsache evi-
dent, dass dies Geschichtswerk auch hier wie in der Genesis aus
J und E zusammengesetzt ist, durch die Hand eine Bearbeiters,
der viel freier mit seiner Vorlage verfuhi* und sie dadurch viel
mehr zu einem Ganzen verschmolz, als es der letzte Redaktor toit
Q und JE getan hat.
Der Auszug und die Ankunft am Sinai. Exod. 12 — 18.
1. Die Paschanacht 12, 1—13, 16. Aus Q: 12, 1—21. 28.
37a. 40s. 43—51. 13, 1. 2. Nicht v. 21—23, denn diese Yerse
sind unabtrennbar von v. 24 — 27, und trotz aller Ähnlichkeit
differiren sie von Q in Sachen und Ausdrücken; vgl. v. 21 die
Ältesten, das Zusammenfallen von Nehmen und Schlachten des
Opfers, bei dem das einjährige Alter nicht hervorgehoben wii-d
(gegen v. 3. 6), v. 22 den Satz: „und nelimt ein Bund Ysop und
taucht es in die Blutschüssel und berührt damit" gegen v. 7. Auch
nicht V. 42, denn die Yigiliennacht ist nicht das Pascha des Yier-
bundesbuchs. Andererseits ist es ebenso wenig zu rechtfertigen,
wenn Kayser v. 11 — 13 zu JE ziehen will, denn dort ist die ängst-
liche Eile nicht als Ritus befohlen, sondern geschichtlich veranlasst
und hat seine Stelle nicht beim Pascha, sondern bei den Mazzen
(Deut. 16, 3), ferner ist der Ausdruck D''tODti^ nur bei Ezecliiel und.
in Q gebräuchlich und endlich scheint HTIt^rD v. 13 Abstractum,
dagegen v. 23 Concretum zu sein. Auch v. 37 a gehört der Form
nach zu Q, obwol in JE an dieser Stelle eine ähnliche Nachricht
gestanden haben muss. Es ist übrigens, was wh- als Q bezeichnen,
hier schwerlich ein schriftstellerisches Ganzes von einheitlicher Con-
und Y. 13 SS. einander aus, so dass v. 10 — 12 besser noch als zum Vorher-
gehenden (zu J) gehölig zu betrachten sind.
Exodus 12—18. 73
ception, dennoch aber JE gegenüber als Einheit zu betrachten, mit
durchaus gleichen Ausdrücken, Vorstellungen, gesetzlichen Institu-
tionen. Dabei beruhigen wir uns vor der Hand.
In JE ist 12, 29—39. 42 die Fortsetzung von 11, 4—8. Wenn
aber dort vorzugsweise J zu Grunde gelegt ist, so hier E. Denn
während 10, 29. 11,8 ausdrücklich gesagt ist, Mose werde nicht wie-
der vor Pharao erscheinen, sondern dieser selbst mit all seinen Knech- 543
ten sich zu ihm bemühen, lässt Pharao 12,31 in totalem Wider-
spruch dazu Mose und Aharon zu sich rufen. Auf E weisen auch
die Ausdrücke, wenigstens von v. 31 an, vgl. v. 32 mit 10, 24. 9,
ferner cnn.:i und ^\D v. 37, endlich 't^^ '';)p wofür J einfach bi<^^^
sagt, V. 31. 35. 37. Doch wii-d daneben noch J benutzt sein, na-
mentlich V. 29s.: in v. 30a wii'd der Ansatz dazu gemacht, den
Pharao und seine Knechte zu Mose „herabgehn" zu lassen.
Schon der dii'ekte Anschluss von 12, 29 an 11, 8 beweist, dass
12, 21 — 27, wenn es überhaupt zu JE gehört, doch jedenfalls ein
jüngerer Zusatz zu der Erzählung der ursprünglichen Quellen ist.
Das Gleiche erhellt daraus, dass hier (wie in Q) die V er Scho-
nung Israels von Seiten des Würgengels als das der Feier zu
Grunde liegende Faktum betrachtet wii-d. In J und E wii-d daran
nicht gedacht, dass die Plage auch Israel hätte treffen können^),
es gilt als selbstverständliche und an keine weitere Bedingung ge-
knüpfte Voraussetzung, dass „Gott einen Unterschied macht", aller
Nachdruck ruht auf dem tötlichen Schlage der starken Hand selbst,
dieser Schlag und nicht die Verschonung davon wii'd gefeiert. So
auch 13, 3 — 16. Indessen gehört dies letztere Stück trotzdem
nicht zu dem älteren Bestände von JE, sondern geht ebenso wie
12, 21 — 27 auf eine spätere, wenn auch nicht die gleiche Hand
zurück. Denn ursprünglich muss auf das Stück 12, 29 — 42 (excl.
V. 40s.) alsbald 13, 17 ss. gefolgt sein. Eine unschicklichere
Stelle für die Predigt, welche Mose 13, 3 — 16 hält „Gedenket an
den heutigen Tag u. s. w." — wobei er Kap. 14 beständig ante-
cipirt — lässt sich nicht denken, zumal wenn der Auszug wirk-
lich in der Verwirrung und Eile vor sich gegangen ist, wie vorher
und nachher berichtet wird; den ursprünglichen Erzählern, denen
die Sache doch einigermassen in der Vorstellung lebendig und
0 Nach J wohnt Israel gar nicht unter den Ägyptern, sondern für sich
im Lande Gosen. A-uch der Schlusssatz in 12, 22 stimmt nicht zu den son-
stigen Voraussetzungen, wol aber mit Num. 33, 3 nöDH mPiOD-
74 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
gegenwärtig gewesen sein muss, kann man ein so völliges Heraus-
fallen aus der Situation nicht zutrauen. Man beachte ausserdem die
Ausdrücke Dnny n"»D. V. 3. 14, ni'D.V "iny in gottesdienstlichem Sinne
V. 5, -^Plirn und ^:\l^ V. 12, D^Din Y. 12. 15, 1^ p]n V. 3. 14. 16
statt npin "^^ ni^'pn mit ausgelassenem Objekt und mit Subjekt
Pharao statt III^TN IHD oder ID.'i^'nN plPI (gewöhnlich mit Jahve
544 als Subjekt). Weiter den predigenden Ton, der den Älteren völ-
lig fremd ist; endlich die Stufe der Religiosität, die hier herrscht
nnd sich z. B. v. 9. 10 sehi* deutlich ausspricht. Es ist ungefälii*
die deuteronomische , auf der jedenfalls die Autoren, welche uns
von den Patriarchen erzählen, wie sie Steine und Altäre aufrich-
ten, heilige Bäume pflanzen und Brunnen graben, nicht stehn.
An das Deuteronomium (Deut. 6. 7. Jos. 4) erinnern auch die Aus-
drücke und Wendungen, und die Verordnung 13, 6 entspricht ganz
derjenigen in Deut. 16, 8, im Gegensatz einerseits zu Exod. 12, 16,
andererseits zu 23, 15. 34, 18 ^).
Der Verfasser von 13, 3 — 16 ist, wenn nicht der Jehovist
selber, ein deuteronomistischer Bearbeiter desselben. Er ist sowol
in manchen charakteristischen Ausdrücken abhängig von den jeho-
vistischen Quellen, als auch in den Elementen selber, die seiner
ermahnenden Rede zu Grunde liegen und das einzig Inhaltliche
darin bilden. Diese Elemente sind v. 6s. und v. 12s., und sie
sind im Ganzen wörtlich entnomm^li aus 34, 18 — 20. Bemerkens-
w^erte Unterschiede sind nur einmal der Zusatz v. 6 „am 7. Tage
ist ein Fest Jahves", sodann die Verschärfung v. 7: „nichts Sau-
res und Säuerndes soll sich bei dir finden in deinem ganzen Ge-
biet," endlich v. 12 das 'T'nyn- Diese Unterschiede teilt unser
Stück mit dem Deuteronomium (16, 8. 4), "'.''D.yn speciell mit den
Schriftstellern des siebenten Jahrhunderts und des Exils. — Hin-
gegen ist 12, 21 — 27 schwerlich dem Jehovisten zuzuschreiben.
Das Redenhalten an das Volk und der Ton erimiern zwar an 13, 3ss.,
vgl. 12, 24 — 27 mit 13, 5. 8. 10, 14s., aber schon in diesen Ver-
sen differiren die Ausdrücke sehr merklich, und schwerlich hat
1) Nunmehr kann man sagen, dass nach der Überlieferuirg der Quellen
von JE das Fest nicht durch den Auszug, sondern eher der Auszug durch das
Fest veranlasst worden ist, s. 5, 1. 3. 8, 21 ss. 10, 8 s. 24 ss., womit zusam-
menhängt 11, 2 s. 12, 35 s. (Knobel zu 3, 22 und Hos. 2, 15.) Bloss die
Mazzen werden 12, 34 geschichtlich erklärt, ausserdem v. 42 die Vigiliennacht
zum Andenken an den nächtlichen Auszug.
Exodus 12—18. 75
das Paschaopfer 12, 27, um deswillen Israel vom Wm*gengel ge-
schont wurde, Platz neben der Erstgeburt von Rindern und Scha-
fen, die dargebracht wird, weil Jahve alle Erstgeburt Ägyptens
tötete und mit gewaltiger Hand sein Volk ausführte 13, 15. Man
wird 12, 21—27 entweder für einen späteren Zusatz zu JE halten
müssen, oder aber füi* einen Anhang unbekannten Ursprungs zu Q:
es steht in der Mitte zwischen beiden, in Form und Ton etwas
mehr auf selten des Jehovisten, in der Sache fast ganz auf selten 545
von Q. Doch ist neben den bereits oben angemerkten Nuancen
noch vorzuheben, dass in Q das Benetzen der Tüi-pfosten mit
dem Lammblute als etwas nur einmal zu bestimmtem Zweck in
Ägypten Geschehenes angesehen wird^), dahingegen in v. 21 — 27
als ein alljährlich zu wiederholender ständiger Ritus.
2. Der Übergang durch das Schilfmeer 13, 17 — 15, 21.
Nach Knobel scheidet Nöldeke füi- Q aus: 13, 20. 14, 1—4. 8. 9.
lO(Schluss). 15—18. 21 (a+d). 22. 23. 26. 27 a. 28. 29. Mich
dünkt, hier sei zu viel für Q in Anspruch genommen. Zunächst
spricht schon die Redensart Jahve verhärtete Plxaraos Herz
(v. 3. 4. 8. 17), auf die sich Nöldeke beruft, mehr für den Verf.
von 10, 19. 27, als für Q, wo es gewöhnlich neutral heisst: Pha-
raos Herz blieb hart. Das würde freilich wenig ins Gewicht
fallen, wenn nicht an den di-ei Stellen, wo jene Redensart er-
scheint, regelmässig noch andere Bedenken sich erhöben. V. 3. 4
sind weder sachlich noch formell eine gute Fortsetzung dessen, was
Mose zu Israel sagen soll, vielmeln- schliesst ]D It^'yi'I am Schluss
von V. 4 unmittelbar an v. 2 an. In v. 8,s. fällt die Dublette
auf: „Pharao setzte hinter den Kindern Israel her .... die Ägyp-
ter setzten hinter ihnen her"; mit v. 8b. nach dem Athnach
scheint neu angesetzt zu werden. Das schwerste Bedenken erhebt
sich bei v. 16 ss. Den Stab Moses aus späterer Überar-
beitung zu erklären und sich dafür auf v. 21. 26s. zu berufen,
geht nicht an. Vergleicht man nämlich 8, 2 mit 8, 13, oder 9, 22
mit 9, 23, oder 10, 12 mit 10, 13, oder 17, 9 mit 17, 11s., oder
Jos. 8, 18 mit V. 19, so ist unwidersprechlich, dass zwischen 14, 16
und 14, 21. 26 s. durchaus keine Differenz besteht, sondern auch
in den letzteren Versen der Stab in der Hand Moses vorausgesetzt
wird (ebenso wie 10, 21, vgl. 4, 17, wo das ein für allemal gesagt
0 Vgl. b. Sanheclrin 15 b. Wäbner, Antiq. 1606-
76 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
ist). Schliesslich ist es doch auch ein wunderbarer Umstand, dass
von V. 15 an kaum ein einziger füi- Q charakteristischer Ausdruck
(z. B. rnj7 btlp) vorkommt und dass Aharon so gänzlich zurück-
tritt, der in Q bisher stets das Subjekt von TT» LD"»! gewesen ist.
Mit Sicherheit ist aus Q ausser 13, 20^) nur abzuleiten: 14,
546 1. 2. V. 4: ]D It^V^I» v. 8b. 9 (mit Ausn. der D^"l■^l? und >? bv
n"1''nn trennenden Worte), v. 10: """»-^x "i 'n ippi^il, v. 16 (mit_
Ausn. von "»Sx pyi^P n^). Von da ab verliert sich die Spur dieser
Quelle (v. 28?). Das, was man sonst noch dazu gerechnet hat,
aus ihr abzuleiten, dazu ist man darum gekommen, weil man
immer nur von der Entgegensetzung zweier Quellen ausging. Es
sind aber drei, die jehovistische Erzählung ist, wie das jehovistische
Geschichtsbuch überhaupt, aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt,
welche sich sogar noch aus dem zu Gunsten von Q verstümmelten
Reste desselben erkennen lassen. Denn wie lässt sich das Ver-
hältnis von V. 19a zu v. 19b anders erklären? Die Stellen, die
man fälschlich zu Q gewiesen hat, rüln*en aus E her. Der Stab
Moses ist dafüi- entscheidend, vgl. p. 64ss. 70; die Ausdrücke
stimmen wenigstens, wenn sie auch nicht beweisend sind. Die
Scheidung^ zwischen J und E trifft von v. 21 an zusammen mit
Knebels Scheidung der „GrundscMft" und des Jehovisten. Der
Unterschied der beiden Quellen gestaltet sich hier genau ebenso
wie bei den Plagen: in J führt Jahve durch elementare Gewalt
das Wunder herbei, in E Mose durch das Aufheben seines Stabes."
Es hängt damit zusammen, dass die Sache dort viel natürlicher
zugeht, wie hier. „Jahve liess das Meer durch einen starken Ost-
wind, der die ganze Nacht wehte, schwinden und machte es trocken
(v. 21) — die Hebräer zogen durch, die Ägypter liinterdrein ; am
jenseitigen Ufer gerieten sie an einander — ; und gegen die Morgen-
wache kehrte sich Jahve zu des Ägypters Heer in der Feuer-
und Wolkensäule und bestüi-zte des Ägypters Heer (v. 24) und
hemmte das Rad seiner Wagen und liess ihn in das Unwegsame
geraten. Da sprach der Ägypter: ich will fliehen vor Israel, denn
Jahve streitet für sie gegen Ägypten (v. 25). Aber das Meer kehrte
zurück gegen Morgen zu seinem gewöhnlichen Stande, und die
Ägypter flohen ihm entgegen und Jahve schüttelte sie mitten in
^) Dieser Vers gehört nicht zu JE, denn hier heisst D^^? (O^wfji) viel-
mehr cn£>3 mit dem ägyptischen Artikel,
Exodus 12—18. 77
das Meer (v. 27). An jenem Tage half u. s. w. (v. 30. 31)." In
E erhebt Mose den Stab, da spaltet sich das Meer; die Israeliten
gehn liindurch; als sie drüben sind, erhebt Mose wieder die Hand,
da stüi'zen die Wassermauern über den verfolgenden Ägyptern
zusammen. Beachtenswert ist, dass diese Yorstellung der Sache
übereinstimmt mit dem Liede 15, 8. Vor v. 21 ist die Zerlegung
von JE nicht so sicher zu bewerkstelligen. Zu E gehören v. 3. 4
(excl. p )^V^) ) 7. 8a. ib'ini . . t)1Ö bj in v. 9, Anfang von v. 10,
"»bx pV)ir\ HD in V. 15, v. 16—18. 19a und vielleicht der Schluss-
satz von V. 20. Zwischen v. 10 und v. 15 muss erzählt sein, 547
dass Mose, bedrängt von seinen Landsleuten, verzweifelnd zu Gott
schrie (17, 4). Zu J gehören v. 5. 6, ^^^D • • • • 'D njm in v. 10,
V. 11—14. 19b. 20. In v. 20 ist der Text entstellt, es muss hier
der Übergang von Nacht zu Tag gemacht werden, etwa so:
nb^^bn PN* (pyn) nx^l "]t^'n \"T'V Formelle Kriterien: füi-E der häufige
Gebrauch von ^NntJ^i "»J:!, nyns; für J bi^')W\ D^^^ü (singularisch).
In 13, 17 — 22 scheint der Jehovist ebenso wie in 12, 29 — 42
vorzugsweise E zu Grunde gelegt zu haben (excl. v. 21s.=J),
vgl. D^nb^ V. 17s., und v. 19 mit Gen. 50, 24. Auch das Fest-
lied in Kap. 15 könnte man, wegen 15, 8 und weil 15, 19 mit 14,
23. 29 stimmt, versucht sein zu E zu weisen. Dagegen aber spricht
15, 17 die Erwähnung Jerusalems; das Lied muss also erst vom
Jehovisten aufgenommen sein, wenn es nicht vielleicht am Schluss
von späterer Hand erweitert ist.
3. Der Zug durch die Wüste und die Ankunft am
Sinai. Kap. 15, 22 — 18, 27. Zu Q rechnet man zunächst 15, 22.
23. 27. Zugegeben, dass Q diese Stationen enthalten hat —
ebenso gewiss hat sie auch JE enthalten, denn wenn Elim hier
gegenwärtig nicht mehr anderweit nachweisbar ist, so steht die
Sache füi- Q mit Jam Suph nicht anders. Mit welchem Rechte nun
macht man JE hier unvollständig, um Q vollständig zu machen?
Nach dem Zusammenhange hat doch JE das nächste Recht auf
diese Yerse, v. 22b. und v. 23 stehn in ganz deutlicher Beziehung
zu V. 24ss.^). Es müssten sehr bedeutende formelle Gründe für
Q sprechen, um die Herausreissung zu rechtfertigen. Aber gerade
das Gegenteil ist der Fall. In v. 22 ist n\L/D VD^) dieser Quelle
fremd, ebenso wie b^^ltJ^"» (statt dessen '"> ""^^ oder'") r^in), in v. 23
1) vgl. Kayser p. 50. Zu 15, 25 vgl. Jos. 24, 25.
78 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
fehlt das charakteristische p IVt)''! an der Spitze. Desgleichen in
V. 27, im letzteren Verse passt auch der episodische Inhalt ^del
eher zu JE als zu Q. Mit Num. 33 richtet man nichts aus, wenn
man nicht vorher den Nachweis liefert, dass es unmöglich oder
unwahrscheinlich sei, dass der Verfasser dieses Katalogs jünger sei
als JE. — Weiter soll nach Nöldeke ganz Kap. 16 aus Q stammen,
nur dass man vielleicht einige kleine Zusätze anzunehmen habe^).
548 Die Zusätze sind jedoch so klein nicht. Wenn v. 9ss. aus Q
herrühren, so v. 4 — 8 sicher nicht, denn unleugbar wissen wir
aus V. 4 — 8 schon alles, was wir erst aus v. 9ss. erfahren sollen.
Ähnlich wie v. 4 — 8 zwischen Q v. 1 — 3 und v. 9ss., drängen
sich V. 27—30 zwischen Q v. 22—26 und 31ss. In v. 24 bis 26
ist es bereits längst Sabbath, also ist v. 27, wo der siebente Tag
erst angeht, davon nicht die Fortsetzung: hinwiederum giebt es
V. 31 für das Sufi&xum in )ü\L^ keine Beziehung in v. 27 — 30, somit
schliesst v. 31 an 26. Weiter. Wie finden die identischen Angaben
V. 15 und 31, 35a und 35b neben einander Platz? wie vertragen
sich die Widersprüche, dass nach v. 21 das Manna bei der Hitze
schmolz und dass es v. 23 verkocht und verbacken wurde? dass nach
V. 16a. 18c — 21 jeder nach seinem Bedürfnis (l^DX ""S^) sammelte,
dahingegen nach v. 16b. 17. 18a. b. jeder immer genau ein Omer?
Dazu vgl. messen v. 5 b^2r] 19 "110, aufheben 19s. ^imn 23s.
n^:n, Gewürm 20 D^vb)r\ 24 HD! (überh. v. 20 mit v. 24), dop-
pelte Portion 29 D'^CV nrh 22 nJli^D on^, ein Wechsel der Aus-
drücke, der aus der Spracharmut von Q nicht erklärt werden kann.
Zu Q gehört 16, 1—3. v. 9— 13a .... 16b— 18 (bis
zum Athnach). 22 — 26. 31 — 34. 35a. Der Faden ist vollständig,
nur zwischen v. 13 a und 16 b gelingt die Scheidung nicht;
jedoch muss man festhalten, dass v. 15 und z. T. v. 14 nicht
gleichen Ursprungs mit v. 31 sein kann und dass der Satz
V. 16 a durch ]'?D^ ""©b von 16 b — 18 getrennt und mit 19—21
verbunden wird. Der Rest stammt aus JE, mit Ausnahme je-
doch von V. 36, einer späteren Glosse, und von v. 6 — 8, einem
Zusatz des letzten Redactors, der bezweckt die Differenzen zwischen
JE und Q zu Gunsten der letzteren Quelle auszugleichen: dort ist
^) Die Prolepsis 16, 33 s. ist übrigens nicht anstössiger als ^Hi^iin 12, 17.
Gegen de Wette, Beiträge II. 223.
Exodus 12—18. 79
nämlich v. 4 nur von Brot^), hier v. 12s. von Fleisch und Brot
die Rede. Also v. 4 s. 13— 16 a (mit Ausn.), )^pb I^DN ^sb t^\x
in V. 18. V. 19—21. 27—30. 35 b = JE. Der bedeutendste sach-
liche Unterschied gegen den sonst sehr ähnlichen Bericht aus Q
ist der zweimalige Ungehorsam des Volkes gegen den göttlichen
Befehl. Der Jehovist scheint ziemlich selbständig mit seinen A^or-
lagen zu verfahren und fand z. B. schwerlich den Sabbath darin
vor. Die Thora v. 4 ist nicht das Sabbathsgebot, sondern die be-
stimmte Weisung, nicht mehr als das tägliche Brot, )^V'2. DT» ^^"I, 549
zu sammeln, es wird auf v. 20 Bezug genommen. Der Ton in
V. 27 — 30 erinnert an das Deuteronomium , und man fragt, woher
denn die "»mim "»HliiO dem Yolke bekannt sein sollen? Auch in
15, 22 — 27 scheint der Jehovist (Deuteronomist?) v. 26 frei zu-
gesetzt zu haben, der Yers führt den unverständlichen Schlusssatz
in V. 25 aus. Aber in ganz schiefer Weise, denn in v. 25 wird
der Brunnen geheilt (s. den betr. Ausdruck 2 Reg. 2, 22. Ezech.
47, 8. 11), nicht Israel. AVelche Quelle übrigens in JE 15, 22—26
und Kap. 16 zu Grunde liegt, wage ich nicht zu bestimmen.
In Kap. 17 und 18 gehört nur ein Yers zu Q, nämlich 17, 1.
Wenn Kayser dies nicht anerkennen will, so ignorirt er den Aus-
druck "i 'n. nn]) hD. Der letzte Satz CVn .... p^^l ist allerdings
auszunehmen (cyn), auch nach 17, 8 befinden wir uns in Raphidim.
JE enthält in Kap. 17. 18 drei Geschichten: 17, 2 — 7 Massa und
Meriba, 17, 8 — 16 Kampf mit Amalek zu Raphidim, 18, 1 — 27
Besuch Jethros im hebräischen Lager. Widerwillig entdecke ich
in 17, 2 — 7 Spuren der Brüchigkeit Denn es wäre sehr wünschens-
wert, wenn man diese Erzählung der einen und die parallele
Num. 20, 2 SS. der anderen Quelle des Jehovisten zuweisen könnte ^).
Aber vgl. 17, 2 mit v. 3:
*) Das Fleisch kommt in JE erst Num 11.
^) Deut. 33,8 werden Massa und Meriba — zwei verschiedene Orte? —
auf eine dritte und ganz abweichende Art gedeutet: Jahve erprobte den Mose in
Massa, stritt für ihn (Is. 1, 17) zu Meriba. Nach dem Zusammenhang kann
n^^ und n^*! hier nur im guten Sinn gebraucht sein. Man sieht, wie weiter
nichts fest steht als die Namen der Quellorte und wie die Geschichten nur Er-
klärungen derselben sind. Das eigentliche Deut, erwähnt nur Massa 6, 16. 9,
22 und scheint die Version Ex. 17 im Auge zu haben. Aus der Reihenfolge
Deut. 9, 22 darf man schwerlich Schlüsse ziehen. Wenn Hieronymus Exod. 17, 7
Meriba auslässt, so hat er dies sicher auf eigene Hand getan, um nicht mit
Num. 20 in Kollision zu geraten. Meriba ist sonst immer Kades.
80 I^ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Da litt das Volk Durst nach
Wasser und das Volk murrte
gegen Mose und sprach: warum
hast du mich heraufgeführt aus
Ägypten, mich und meine Kinder
und mein Vieh vor Durst zu
töten?
Da hatte das Volk kein Wasser
zu trinken, und das Volk zankte
mit Mose und sie sprachen: gebt
uns Wasser zu trinken! und
Mose sprach zu ihnen: was zankt
iln* mit mir! was versucht ihr
den Jahve!
Worauf bezieht sich ferner D^' v. 6? und wie verhält sich der
Fels am Horeb zu dem Hügel bei Raphidim v. 8 s.? Ich weiss
550 keine Antwort auf diese Fragen. Auch in Bezug auf 17, 8 — 16
weiss ich nicht, ob der beim Quellenfinden sachlich notwendige
Stab Moses beweisend ist für den gleichen Ursprung dieses und des
vorhergehenden Stückes. Derselbe schliesst allerdings Q bestimmt
aus, und erweckt ein Vorurteil für E, kommt aber, wenngleich
in viel geringerer Bedeutung, auch in J vor Exod. 4, 1 ss., so dass
er zwischen J und E kein sicheres Kriterium bildet. Die Aus-
drücke "i:i:i und V:hr\ erscheinen wieder 32, 18, ebenfalls in einer
Erzählung wo Mose und Josua die Hauptpersonen sind. Am Schluss
ist V. 15 s. eine wenig entsprechende Ausführung des Befehls v. 14,
obwol der Zweck des Buchs und des Altars der selbe ist.
Kap. 18 ist ein im Ganzen heiles Stück aus E. Besonders
gilt dies füi- 18, 13—27, vgl. U^rh^ v. 15. 16. 19 (ter). 21. 23
und die Parallele Num. 11, 16 s. 24 — 30. Darnach auch füi- 18,
1—12, vgl. den Widerspruch von 18, 2—6 gegen 4, 20. 24—26.
2, 22. Aber in dieser ersten Hälfte des Kapitels befremdet der
ganz unmotivirte und gegenüber 18, 13 ss. sehr auffallende Wechsel
der Gottesnamen. Desgleichen die Namen nn"» und ]'>"1D jriD,
während es von v. 13 ab immer nur heisst Hli^D |Pin. Ferner ist
in V. 10 deutlich ein Duplum zu erkennen: „der euch gerettet hat
aus der Hand Ägyptens und Pharaos, der das Volk gerettet hat
unter der Hand Ägyptens weg." Ebenso v. 1: „Jethro hörte, was
El oh im Mose und Israel getan habe, dass Jahve Israel aus
Ägypten geführt habe (wo Elohim und Jahve bestätigend hinzu-
tritt)." Darnach wird man geneigt, auch v. 8 für zusammengesetzt
zu halten, zumal der ganze Passus v. 8 — 10 an Überfüllung leidet.
Es scheint somit, dass der Jehovist in 18, 1 — 12 den Bericht von
E mit anderswoher entlehnten Zügen versetzt hat. Auf seine persön-
liche Rechnung kommt wol das harmonistische nTllbt^' *int< v. 2,
auch hat er die Etymologie von Gerson entweder hier nach 2, 22
Exodus 19— Numeri 10. 81
oder wahrscheinlicher dort nach unserer Stelle eingesetzt. — Es ist,
mit Rücksicht besonders auf v. 13 — 27, bezweifelt worden, ob
Kap. 18 hier an seiner richtigen Stelle stehe. Nun ist freilich der
Zusammenhang hier überall nur ein ganz äusserlicher, lokaler, die
Stücke sind sehr lose an einander gereiht, und es macht innerlich
kaum einen unterschied, ob die (auch in ihrem Inhalt grossenteils
sehr ähnlichen) Geschichten des Wüstenzugs Exod. 17 oder Num. 20,
Exod. 16. 18 oder Num. 11 erzählt werden. Aber es scheint doch,
dass in Kap. 18 die Israeliten nicht erst frisch vor dem Berge
Gottes ankommen, sondern schon länger dort lagern v. 5. 12. 13 ss.
Auch sollte man meinen, es sei natüidicher, wenn die Anstellung 551
der Beamten auf die Gesetzgebung^) folge, als umgekehrt.
Die Gesetzgebung und der Aufenthalt am Sinai.
Ex. 19— Num. 10.
1. War bisher in der Erzählung von Genesis und Exodus,
trotz ihrem complicirten Charakter, doch ein natürlicher Gang, ein
angemessener Fortschritt leidlich zu verfolgen, so wird das von jetzt
ab anders, und zwar deshalb, weil das Vierbundesbuch, dessen dünner
historischer Faden bisher ohne merkliche Störung in dem kompakteren
Gewebe des jehovistischen Geschichtsbuchs mit unterlaufen konnte,
nunmehr in sein eigentliches Element, die Gesetzgebung, eintritt
und dadurch so kolossal anschwillt, dass es eigentlich ein Ding der
Unmöglichkeit war, seitdem die Verschmelzung von Q und JE noch
weiter fortzusetzen. „Durch eine höchst traurige, unbegreifliche
Redaktion werden diese vier letzten Bücher Moses ganz ungeniess-
bar. Den Gang der Geschichte sehen wir überall gehemmt durch
eingeschaltete zahllose Gesetze, von deren grösstem Teile man nicht
einsehen kann, warum sie hier angeführt und eingeschaltet werden."
Indessen giebt es, um sich in diesem Labyrinth zu finden, ein ein-
faches und im Ganzen richtiges Mittel, nämlich „sorgfältig zu sondern,
was eigentliche Erzählung ist von dem, was gelehret und geboten
wii'd." Anerkanntermassen gehört die Masse des gesetzlichen Stoffes
zu Einer Schicht, zu Q im engeren oder weiteren Sinne, nämlich
Exod. 25, 1—31, 17. Kap. 35—40. Lev. 1—27. Num. 1, 1—10,28.
1) Die TTl^lim D^lvJ^ ""pn sind zwar y. 16. 20 keine fertigen Gesetze,
sondern die bei den jedesmaligen Anlässen stets neu geschöpften Rechtsent-
scheidungen (v. 19), aber sie scheinen doch die Unterweisung Moses auf dem
Sinai und seinen Verkehr daselbst mit Gott schon vorauszusetzen.
Well hau seil, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. Q
82 I^ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Hiervon werden wir also absehen und zu untersuchen bleibt dann
nur noch übrig Exod. 19—24. 31, 17—34, 35. Num. 10, 29 ss. ').
Es wird hier Folgendes berichtet. Am Sinai angelangt, wird
Israel zunächst durch Mose auf die bevorstehende Theophanie vor-
bereitet, darnach fährt Jahve unter Donner und Blitz nieder auf
den heiligen Berg und verkündet dem Volke mit lauter Stimme
552 die Zehn Gebote 19, 1 — 20, 18. Erschreckt bitten sie, Mose möge
für etwaige weitere Offenbarung die Vermittlung übernehmen. Das
geschieht, Mose allein naht sich Gotte, welcher ihm die Gesetze zu
Av eiterer Publicirung mitteilt 20, 19 — 23, 33. Alle die Worte und
Rechte, die er empfangen, legt Mose nun dem Volke vor und ver-
pflichtet dasselbe in aller Form auf den Codex, worin er sie ver-
zeichnet hat. Danach 'geht er in Josuas Begleitung wieder hinauf
zu Jahve, und verweilt dort vierzig Tage. Jahve redet mit ihm
und giebt ihm zum Schluss die zwei Tafeln des Zeugnisses Kap. 24.
31, 18. Während der langen Abwesenheit ihres Führers haben
sich die Israeliten unten das goldene Kalb gemacht; darüber er-
grimmt, zerschmettert Mose die Gesetzestafeln und vernichtet das
Idol, dann aber bittet er wiederum bei Jahve für Israel. Davon
indes, dass das Volk bei ihm am Sinai bleibe, will dieser nichts
wissen; es müsse fort von der heiligen Stätte. Doch soll die Lade
und die Stiftshütte ihm die unmittelbare Gegenwart Gottes ersetzen
Kap. 32. 33. Mose erhält nun noch eine Offenbarung, es werden
ihm abermals Worte mitgeteilt, welche Jahve dem Volk befiehlt;
abermals bleibt er vierzig Tage bei Gott, um die zehn Worte auf
steinerne Tafeln zu schreiben Kap. 34. Demnächst brechen die
Israeliten auf vom Sinai, nunmehr von der Lade Jahves geführt
Num. 10.
Ein naturgemäss fortschreitender Zusammenhang lässt sich hier
nicht einmal im Ganzen und Grossen erkennen. Nach der Ver-
kündigung des Dekalogs verweilt Mose ein erstes, ein zweites, ein
diittes Mal bei Jalive auf dem Sinai, immer zu dem -gleichen
Zweck, gesetzliche Mitteilungen von ihm entgegen zu nehmen.
Offenbar ist, nach dem ersten Male 20, 21. 24, 3, die Aufzeichnung
aller Worte und Rechte Jahves in ein Buch und die kontraktliche
Verpflichtung des Volkes darauf ursprünglich gemeint als der förm-
^) mit dem Vorbehalt, dass vielleicht auch hier sich noch kleinere Stücke
aus Q finden, auf die wir zum Schlüsse zurückkommen werden.
Exodus 19— Numeri 10. 83
liehe Abschluss der Gesetzgebung 24, 3 — 8; gegenwärtig aber ist
es ein blosses Intermezzo. Denn kaum ist die Feierlichkeit vor-
über, so geht Mose (mit Josua) wieder hinauf zu Gott und ver-
weilt dort lange Zeit, während welcher Gott nochmals zu ihm
redet, jedenfalls Worte gesetzlichen Inhalts. Endlich finden wir
Mose Kap. 34 zum dritten Mal eine lange Weile auf dem heiligen
Berge, zum dritten Mal empfängt er hier Worte und schi'eibt sie
auf zwei Steintafeln v. 27 s. Dieser letzte Aufenthalt bei Jahve
wird freilich durch den Zweck motivii-t, die zerbrochenen ersten
Tafeln wieder herzustellen — aber konnte Mose das nicht ebenso
gut unten besorgen, da ihm Jahve ja doch auf dem Berge nicht
das bereits frülier Mitgeteilte noch einmal diktirt, sondern ganz 553
Neues gebietet? Und warum zeigt sich erst das dritte Mal der
Abglanz Jahves auf dem Angesicht Moses? Oline Zweifel stehn
alle diese drei Aufenthalte Moses auf dem Sinai, wälii'end deren
er längere Zeit intim mit Gott verkelii't und Weisungen empfängt,
eigentlich auf gleicher Linie; keiner setzt ursprünglich einen, ge-
schweige zwei andere voraus, ilu^e Aufeinanderfolge ist unpragma-
tisch im höchsten Grade, ilu'e gegenseitige Beziehung völlig künst-
lich. Geht man nun weiter in die Einzelheiten ein, so steigert
sich noch die Verwirrung. In Kap. 19 steigt Mose stets den Sinai
auf und ab — keine Kleinigkeit: man alint nicht zu welchem
Zwecke. In Kap. 24 am Anfang und Schluss ist es kaum möglich,
sich zu Orientiren, auch Kap. 33 hinterlässt vorzugsweise den Ein-
di'uck der Confusion. Wenn irgendwo, so ermöglicht hier nur die
kritische Analyse ein Sachverständnis, freilich gerade hier eine
sehr schwierige und bisher kaum angegriffene Arbeit. Ich will
versuchen, die Erzählungsfäden zu entmrren, ohne mich dabei vor
der Hand viel um die Durchfülii'ung der bisherigen Quellenschei-
dung zu kümmern.
2. Ich setze an bei Kap. 34. Zu dem Befehl vom Sinai auf-
zubrechen 33, Iss. ist der wirkliche Aufbruch Num. 10, 29 die
wahre Fortsetzung. Dieser Sachverhalt wird nun durch das Da-
zwischentreten von Kap. 34 ganz unklar: es kann unmöglich hier
seine richtige Stelle haben. Wer versteht den Übergang von 33,
1 — 11 auf Kap. 34? und wie entspricht der Ankündigung 33, 17 — 23
die folgende Ausführung? ist das weiter nichts, als die Erfüllung
der etwas neugierigen Bitte: lass mich deine Herrlichkeit schauen?
Man betrachte einmal näher den Inhalt des 34. Kapitels. „Sei be-
6*
84 I^ie Erzählung- der ülirigen Bücher des Ilexateuchs.
reit morgen früli und komm herauf auf den Bersi Sinai und stell
dich mir dort auf dem Gipfel des Berges. Und niemand gehe mit
dir herauf und soll auch niemand sich sehen lassen am ganzen Berge,
auch die Schafe und Rinder sollen nicht gegen den Berg zu weiden."
Ist das nicht der erste derartige Befehl an Mose, eine einfachere
imd kürzere, aber deutliche Parallele zu Kap. 19? wozu sonst an
dieser Stelle die Vorbereitungen v. 4? „Da machte sich Mose früh
am andern Tage auf imd stieg auf den Bercj Sinai mit den Tafeln
in der Hand, und Jahve fuhr hernieder im Gewölk und stellte
sich dort neben ilm imd er rief den Namen Jahves an." Aber
Jahve ist ja längst oben? was soll es, dass er erst jetzt hernieder-
fährt? Kaim man zweifeln, dass 34, 5 mit 19, 18. 20 völlig auf
gleicher Linie steht? Als ob vorher noch gar nichts dergleichen
554 geschehen wäre, heisst es dann weiter v. 10. 11: „ich bin im Be-
griff, einen Bund zu schliessen, halte, was ich dir heute befehle"
— von einer Restam'ation, ^vie man sie nach Kap. 32 s. erwartet,
ist nicht entfernt die Rede, wie denn auch gleich darauf nicht die
alten, sondern andere und bisher noch nicht dagewesene zehn Worte
geoftenbart und von Mose auf die Tafeln geschrieben werden. Wenig-
stens ist es nicht abzusehen, worauf sonst „diese Worte" v. 27
sich beziehen können, als auf die eben vorher von Jahve verkün-
deten^). In jedem Punkte bestätigt sich der genaue Parallelismus
unseres Kapitels mit Ex. 19. 20: es will nicht die dritte, sondern
die erste und einzige Gottesoffenbarung am Sinai erzählen.
Die Verbindung von Kap. 34 mit dem Vorhergehenden ist da-
dm*ch ermöglicht, dass Mose die Tafeln, die ihm 31, 18 gegeben
sind, zerbricht und nun also neue empfangen soll. Gerade aber
in diesem Punkte, bei den TafeLü, zeigt sich die Fuge. Sie sind
in Kap. 34 nicht die Copie der früheren, sondern andere, von Moses
Hand gehauen und gescluieben, nicht vom Finger Gottes. Sie
heissen auch anders, nicht jD.N HFib, sondern D''J2.X "h. Jene Ver-
mittlung ist also die Idee eines Harmonisten. In Kap. 34 ist die
Hauptnaht zu erkennen in den Worten n"i:i*^' — D''Jt^N"lD v. 1,
welche in eklatantem Widerspruch stelm zu v. 27 und sich auf
die Vorstellung 31, 18 gründen^). Sonst hat der Bearbeiter sich
^) Vgl. Goethes zwo bibhsche Fragen: erste Frage: Was stund auf den
Tafeln des Bundes?
2) Vgl. noch die 40 Tage 34, 27, die zu denen 24, 18 in gar keine Be-
ziehung gesetzt sind.
Exodus 19— Numeri 10. 85
in Kap. 34 weniger mit Redigiren abgegeben, als vielmehr mit Ein-
fügung erbaulicher Zusätze. Nicht in dem Dekalog v. 14 — 26
selber, denn obwol derselbe die gewiss einst deutlich erkennbare
Zehnzahl der Worte jetzt nur verdeckt in vermehrter Ausgabe auf-
w^eist^), so scheint doch diese Erweiterung alt zu sein. Dahin- 555
gegen in v. 6 — 9. Die Bezugnahme auf den Sündenfall des Yolks,
also die Hand des Harmonisten, ist hier unschwer zu erkennen,
und es zeigt sich denn auch, dass weder v. 9 mit dem Folgenden,
noch V. 6 mit dem Vorhergehenden den gehörigen Anschluss hat.
Der 10. Yers entspricht keineswegs als Antwort der Bitte Moses
in V. 9, und was v. 6 betrifft, so deckt sich TiJD bv '''' *!D.J^^1 nicht
mit D^ )DV ^KiP"'] V. 5. Eine Theophanie als Einführung des gött-
lichen Redners ist allerdings zwischen v. 5 und v. 10 ganz am
Orte, aber wenn die ursprüngliche Erzählung eine solche enthielt,
so ist es doch nicht die, welche wir jetzt hier finden. Diese
letztere ist wol erst erzeugt durch die Absicht, das zu naive und
darum anstössige Jahve stellte sich dort zu Mose hin v. 5
authentisch zu erklären, und' dabei lief das Misverständnis unter,
') Lehrreich ist, dass 34, 24 in 23, 17—19 fehlt. Die 10 Gebote sind:
1. Du sollst keinen anderen Gott anbeten. 2. Gussgötter sollst du dir nicht
machen. 3. Das Mazzothfest sollst du feiern. 4. Alle Erstgeburt ist mein.
5. Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebten Tage ruhen. 6. Dreimal im
Jahre sollen alle deine Männer (?) vor mir erscheinen. 7. Du sollst nicht mit
Saurem das Blut meines Opfers vermischen (?). 8. Das Fett meines Festes
soll nicht bis zum anderen Morgen übrig bleiben. 9. Das Beste der ersten
Feldfrüchte sollst du ins Haus Jahves deines Gottes bringen. 10. Du sollst
das Böckchen nicht in der Milch seiner Mutter kochen." V. 22 gehört nicht
an seine jetzige Stelle (gegen Goethe a. 0.); der ältere Wortlaut von Nr. 8 ist
23, 18 erhalten. Die ersten beiden Gebote sind die selben wie Exod. 20, das
zweite hat jedoch hier eine weit beschränktere Fassung. Wie Exod. 20, 25 nicht
die Altäre überhaupt, sondern nur gewisse künstliche Altäre verboten werden,
so hier nur die Gussbilder, nicht Bilder und Symbole überhaupt. Statt der
sittlichen Gebote, die Exod. 20 die Hauptsache sind, erscheinen Kap. 34 lauter
Opfer- und Festgesetze; es hängt damit zusammen, dass dort der Einzelne,
hier das Volk angeredet ist, denn der Kultus ist Sache der Gesamtheit, die
Moral des Einzelnen. — Wir wissen aus Amos und namentlich aus Hosea,
welche ungemeine Wichtigkeit die Feste für das alte Volk hatten und wie in
ihrer Feier eigentlich die ganze Religion aufging. Sehr merkwürdig, dass
Exod. 20 nur der Sabbath und kein einziges Fest geboten wird. Gegen den
unsrigen bezeichnet dieser erste Dekalog einen äusserst bedeutenden Fortr
schritt: er verhält sich zu ihm wie Arnos zu seinen Zeitgenossen.
85 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
als sei nicht Mose, sondern Jahve das Subjekt von mni Cl^'D. N''ip''V
Der Vf. von v. 6—9 ist natürlich der von 33, 12—23. Auf ihn
muss auch sehr Vieles in 34, 10 — 13 zurückgeführt werden. Es
liegt auf der Hand, dass die Verse 12. 13 sich gründen auf v. 15.
16, den Inhalt derselben, eine Erklärung des v. 14, unpassender
Weise vorwegnehmen und ihn dazu in einer Weise verstehn, die
gCAviss nicht der ursprünglichen Absicht entspricht, nämlich in deu-
teronomischem Sinne, als abzweckend auf lokale Einheit des Kul-
tus, vgl. Deut. 7, 5. 12, 3. 2 Reg. 23, 12 — 15. Wir haben hier
den Jeho^dsten, dessen (?) Verwandtschaft mit dem Deuteronomium
wir bereits öfter Gelegenheit gehabt zu constatiren. In v. 10 fühi't
auf ihn das Wort ^^^^^ welches keine seiner Quellen gebraucht, in
V. 11 wol die Aufzählung der sechs Völker, welche wenigstens
bisher, wie ich jetzt sehe, fast immer nur an überarbeiteten Stellen
556 vorgekommen ist. Von der ursprünglichen Erzählung hat der Jeho-
vist die Bundschliessung, die hier Mose als Vertreter Israels voll-
zogen haben muss, ausgelassen und ausserdem den Schluss nach
V. 28. Denn 34, 29 — 35 ist nicht die Fortsetzung des Vorher-
gehenden, wie vorläufig aus mpn Pnb v. 29, mv^ C\s*t!On v. 31
erhellen möge.
3. Sondern wir nun Kap. 34 ab und untersuchen das Übrige,
so lassen sich hier zwei Berichte ziemlich gut unterscheiden. Zu-
erst 19, 10—19 vgl. mit 19, 20—25. Nachdem Jahve bereits
längst auf den Sinai herabgestiegen, wird dies v. 20 als etwas
Neues berichtet. Nachdem bereits längest der Befehl, den Sinai
durch Einhegung (blü: Ezech. 40, 11) füi' jedermann unnahbar zu
machen, gegeben und ausgeführt ist, wird er v. 21 s. noch ein-
mal wiederholt; der Einsatz des Verarbeiters v. 23, statt über
diese Schwierigkeit hinweg zu helfen, macht nur darauf aufmerk-
sam. Als die bedeutendste sachliche Verschiedenheit hebe ich
hervor, dass nach 19, 10 — 19 Mose während der Theophanie unten
beim Volk ist und Gott mit lauter Stimme zu ganz Israel redet,
während er nach der Meinung von v. 20 — 25 bei Jahve sich be-
findet, der von vornherein ihm allein sich mitteilt. Versucht
man, diese beiden Versionen weiter zu verfolgen, so ist zunächst
klar, dass der Dekalog zu Nr. 1 gehört, da derselbe dem Volke
nicht erst durch Mose, sondern unmittelbar von Gott selbst ver-
kündet wird. Was auf den Dekalog folgt, das s. g. Bundesbuch,
weist die herrschende Meinung ebenfalls zu dem Faden von Nr. 1,
Exodus 19— Numeri 10. 37
und unleugbar ist 20, 18 — 22 der Übergang von den Geboten, die
Gott unmittelbar, zu denen, die er an und durch den Mittler er-
gelm lässt, sehr geschickt und natürlich gemacht. Die weitere
Fortsetzung würde dann 24, 3 — 8 sein, der notwendige Schluss
des Bundesbuchs Kap. 21 — 23. Dies Stück wird denn auch regel-
mässig zu Nr. 1 gerechnet und darnach also 19, 10 — 19. Kap. 20 — 23.
24, 3 — 8 als Ein Zusammenhamg angesehen. Aber zwei Bedenken
erheben sich hiergegen. Erstens kann das Stück 24, 3 — 8, in so
enger Beziehung es einerseits zu Kap. 21 — 23 steht, andererseits doch
nicht mit dem Dekaloge in Verbindung gesetzt werden. Auf diesen
verpflichtet sich nämlich das Volk hier nicht, sondern nur auf das
was Mose ihnen kund getan und aufgeschrieben hat v. 3. 4.
Obwol die Worte Jahves von den Rechten unterschieden werden,
so erlaubt doch das CV^ "1?l5^1 nicht, darunter den Kap. 20 bereits
in so viel eindringlicherer Weise publicirten Dekalog zu verstehn —
andererseits ist es aber unnatürlich bis zur Unmöglichkeit, dass
jener, wenn er vorhanden war, nicht mit beschworen wurde. Da 557
nun auch v. 3 s. 7 ausdrücklich hervorgehoben wird, alle bisher
gegebenen Worte und Rechte Jahves seien den Israeliten mitge-
teilt und von ihnen feierlich anerkannt, so bleibt einzig übrig, dass
24, 3—8 den Dekalog nicht kennt. Zweitens erhebt sich gegen
die Herleitung von Zehngöbot und Bundesbuch aus der selben
Scln-ift das Bedenken, dass die Erzählung vom goldenen Kalbe
(und ihre Vorbereitung 24, 12 — 15), welche sicherlich nicht zu
24, 3 — 8 die Fortsetzung ist ^) und mit dem Bundesbuch nichts zu
tun hat, ihrer Grundlage nach scheint elohistisch zu sein und den
gleichfalls elohistischen Dekalog vorauszusetzen'). Man wird also
genötigt, das Bundesbuch von dem Dekalog zu trennen und es
mit der Kap. 19, 20 — 25 aufgewiesenen zweiten Version der Gesetz-
gebung auf Sinai zu verbinden. Gemäss dem Befehl 19, 24 —
^) Vielmehr sind 24, 1, 2. 9 — 11, die mit y. 3—8 und dem Bundesbuch
nichts zu tun haben, in Zusammenhang gesetzt mit 24, 1'2 ss., also auch mit
Kap. 32. Vgl. das p. 88s. Bemerkte.
^) Dadurch qualificirt sich erst der Abfall, und man wird auch nach Ana-
logie von Kap. 34 berechtigt sein anzunehmen, dass ein Dekalog und zwar
der von Exod. 20 auf den beiden Tafeln 24, 12. 31, 18 geschrieben stand.
Übrigens vgl. 32, 18 'n^;i und li^'pn in Verbindung mit Mose und Josua,
auch D'in^N* 31, 18. 32, 16, b^^r\l/^ ^Jn 32, 20 (nicht in J). In 24, 14 ist
das Personal das gleiche wie 17, 8. 10 und Mose wird hier grade so als viel-
beschäftigter Richter angesehen wie in Kap. 18, 13 ss.
gg Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
WOZU sonst die Ausführung vermisst würde — naht sich Mose in
das Dunkel und empfängt die Worte und Rechte, die er dann dem
Volk A^erkündigt, sie aufschreibt und beschwören lässt. Der Über-
gang 20, 21 s. kann dann erst von redigirender Hand herstammen.
Ich mache darauf aufmerksam, dass man v. 19 nach dem, was gegen-
wärtig folgt, erwarten wüi'de: Gott rede mit dir, aber nicht mit
uns — wie Deut. 5, 24. Wenn es nun in der Tat heisst: rede
mit uns, so wird eine alsbaldige Fortsetzung der Rede Gottes
nicht in Aussicht genommen und der Gegensatz ist nicht der zwi-
schen Exod. 20 und Exod. 21 — 23, sondern zwischen der einma-
ligen Gesetzgebung am Sinai direkt durch Gott und der ganzen
folgenden Leitung des Volks durch Mose und seine Nachfolger.
Man wird Exod. 19,20—25 . . . 20,23—26. Kap. 21— 23.
24, 3 — 8 für J in Anspruch nehmen dürfen. Der Bericht ist voll-
ständig bis auf den Übergang von 19, 25 auf 20, 23, in welchem
gestanden haben muss, dass Mose, nachdem er dem Volke den Zu-
558 tritt zum Berge und das Zuschauen streng untersagt, einsam zu
Jahve wieder emporgestiegen, älmlich wie 20, 21. Heikliger ist
es, den auf elohistischer Grundlage beruhenden Rest 19, 10 — 19
20, 1—19 . . . 24, 1. 2. 9-140- ... 31, 18, Kap. 32 unter
einen Hut zu bringen. Mit dem Dekalog hat hier die eigentliche
Gesetzgebung auf Sinai ein Ende. Mose wird dann, um noch
weitere Mitteilungen zu empfangen — nicht bloss um die Tafeln
abzuholen — hinaufberufen zu Gott, aber diese werden nicht auch
publicirt, es handelt sich vielmehr um einen Privatunterricht, der
ihn befähigt, so oft es nötig, statt Gottes zu reden zu dem Volke
20, 19, und die Thora als lebendige Potenz in ihn hineinlegt —
die 40 Tage sind hier gewissermassen die Lehrzeit des Jüngers bei
dem Meister. Dies im ümriss der Zusammenhang, der nach der
wahrscheinlich richtigen Auffassung des Deuteronomiums getragen
ist von dem Gegensatz der thora explicita und implicita. Aber
wie gliedern sich die 70 Ältesten 24, 1. 2. 8 — 11 da hinein? In
Kap. 32 wird nirgend an sie gedacht, dass sie auf halber Höhe des
Berges warten, und schon 24, 12 ss. sind sie vergessen; denn wie
Nöldeke zeigt ist 1DN D^JplH 'P5^1 vermutlich harmonistische Cor-
rectur für 1DN* cyn bx. Aharon und Hur können doch nur den
Israeliten als interimistische Richter gesetzt werden, nicht den
1) ausserdem 24, 15 inn~bN H^'D ^J?""! und 24, 18 von "inn'bx 'pyi an.
Exodus 19— Numeri 10. 89
70 Ältesten, als ob es wahrscheinlicli wäre, dass unter ihnen
Streitigkeiten ausbrächen. Auch mit 20, 19 oder 20, 20 hat 24, 1
schlechten Anschluss, dagegen 24, 12 sehr guten. Ich glaube also,
dass 24, 1.2. 9 — 11 ein Einschiebsel ist. Aber in E, nicht in J
oder JE. Die Situation ist 24, 1 s. die von 20, 20, nicht die von
24, 3 — 8, Mose befindet sich noch bei dem Volke unten am Berge.
Die Klammer 24, 2 nimmt Rücksicht auf 24, 12, nicht auf 24,
3 — 8. Die Sprachfarbe v. 8 — 11, obwol in v. 10 an Q und
Ezechiel erinnernd, ist jedenfalls eher elohistisch als jahvistisch,
vgl. DM^PN und nin V. 11 mit 18, 21, überhaupt v. 11 mit
18, 12.
4. Die beiden Berichte, die wir eben in grossen Zügen aus-
zuscheiden versucht haben, sind nun aber vom Jehovisten stark
überarbeitet. Ich will das zunächst für die gesetzlichen Stücke
nachweisen, Exod. 19 — 23. Einige Stellen des Dekalogs sind deute-
ronomisch gefärbt, so "jn^t^*!! ^>^'^ "[i: v. 10, cnn.y n^nD v. 2 und
ganz V. 6 (besonders auffallend "ȟriN). Es hat also wol eine 559
Rückströmung aus Deut. 5 in Exod. 20 stattgefunden: der Jehovist(?)
hat deuteronomische Zusätze nachgetragen. Die Motivirung des
Sabbathgebots in v. 11 rührt erst vom letzten Redaktor des Pent.
her, der Q und JE verbunden hat. Denn sie ist aus Q entlehnt,
d. i. aus einer Quelle, aus der Exod. 20 jedenfalls nicht stammt;
sie ist ausserdem vom Vf. des Deut, nicht vorgefunden, da dieser
sich bei dem Text der zehn Worte wol Zusätze, aber keine ein-
zige Auslassung^) gestattet. Im Bundesbuche scheinen die Rechte,
die sich, materiell und formell als bedingte Sätze leicht unter-
scheidbar, von 21, 11 — 22, 16 erstrecken, ganz intakt erhalten zu
sein. Von den Worten (24, 3) gilt nicht das Gleiche. Eigen-
tümlich ist die Erscheinung, dass wähi'end sonst überall der Sin-
gular Du in der Am-ede gebraucht wird, in dem Stück 22, 17 — 30
einzelne Ihr auftauchen und zwar in sehr abrupter Weise. Ich
glaube, dass der Plural hier als Leitfaden benutzt werden kann,
um jehovistische Zutaten zu entdecken. Er kommt zuerst vor
^) Ich erlaube mir zu bemerken, dass das apriorische und consequente
Vorziehen des Exodustextes unverständig ist. Das ) vor njIDPl vD v. 4 ist
falsch, da sich "^t^N auf n^ICsH bezieht und dies Wort, ein Genitiv zum vor-
angehenden st. estr., nichts bedeutet, was mit vöD zu coordiniren wäre. In
V. 15 ist "Ipt^ ly eine blosse Erklärung von ^W ly? auch v. 7 steht ^W
in diesem Sinn.
90 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateiichs.
V. 20 — 23. Hier ist einmal deutlich, class IHN v. 22 sich auf den
"i:: zurückliezieht, also der Yers nicht v. 20 b. 21, sondern nur
V. 20 a voraussetzt, sodann, dass die Drohung in v. 23 ein Mmium
ist nach der vorhergegangenen in v. 22 (= 26). Wieder erscheint
der Plural im Schluss von v. 24, in einer verschärfenden Glosse
zu ntt'JD ib nTH Na Dann noch einmal in v. 30: heilige Männer
sollt ihr mir sein und kein zerrissenes Fleisch essen. Der hier
ausgesprochene allgemeine Grundsatz passt nach meinem Gefühle
nicht zum Geiste des Bundesbuchs und das Verbot der HDIÜ ent-
spricht nicht ganz den Verordnungen 21, 34. 35. 22, 10. 12. Auch
in 23, 1 — 16 kommt an zwei Stellen das Ihr vor, v. 9b und 13.
Offenbar stammt v. 9 b von der selben Hand wie 22, 20b und
enthält ein deuteronomisches Motiv; v. 13 aber ist eine predigt-
artige Mahnung, wie sie die Späteren lieben. Nach alle dem stehe ich
nicht an, auch 20, 23 den Plural als Zeichen späteren Zusatzes zu
560 beurteilen, zumal das Bilderverbot gerade den Späteren sehr am
Herzen lag (Deut. 4).
Einige andere Erweiterungen und Änderungen, die sich im
Bundesbuche nachweisen lassen, sind vielleicht schon vorjehovistisch.
Aus Kap. 34 ist angehängt 23, 17 — 19, denn dass diese Verse hier
nicht ursprünglich stehn, erhellt aus der Vergleichung von v. 17
mit 14, V. 19b mit 22, 28')- Ferner ist das Sprichwort 23, 8 b
eingeschoben, denn wenn der Satz yrÖD N/ n:i v. 9 hier nach
22, 20 überhaupt eine Stelle haben soll, so muss er mit v. 7 und
8 a eng verbunden sein, damit man merke, dass speciell von Be-
di'ückung vor Gericht die Rede sei. Die schönen Verse 23, 4. 5
unterbrechen den materiellen Zusammenhang von v. 1 — 3 und
V. 6 — 9 und sind wol nachgetragen. Endlich möchte ich be-
zweifeln, ob es der ursprünglichen Anordnung entspricht, dass ein
Teil der Worte den Rechten vorangeht , ein Teil ihnen folgt —
von Natur gehört wie das jus so auch das fas zusammen, 20,
24 — 26 mit 22, 17 ss. Das darf man behaupten, wenn man auch
sonst keine grossen Ansprüche an die Redaktion eines morgenlän-
dischen Gesetzbuchs — welche übria'ens in diesem Fall keineswesfs
confus ist — stellen will. Der feierliche Schluss des Ganzen 23,
20 — 33 gehört zwar nicht zu dem Codex selber, ist aber doch
') Vermutlich ist schon die vorhergehende Festgesetzgebung des Bundes-
buchs in 23, 15 überarbeitet, vgl. bes. "[n""!^ "ll^ND und den schlechten An-
schluss von Y. 16.
Exodus 19— Numeri 10. 91
jedenfalls nicht Zutat des Jeliovisten, sondern stammt aus J und
macht das Gesetzbuch erst zum nnü 15t) geeignet. Nur zwei
grössere Zusätze hat der Jehovist sich erlaubt. Einmal v. 31b.
32. 32. Diese Verse sind eine Korrektur von v. 28 — 30 und stehn
in einem ähnlichen Widerspruch zu ihnen, wie Jud. 3, 1. 2 zu
2, 2. 3. Beachtenswert ist insonderheit, dass im Gegensatz zu
V. 31b— 33 in v. 28—30 Jahve das Subjekt von t^nji ist: es steht
dies eben nur in seiner Macht und nicht in der der Israeliten,
kann also diesen weder als Pflicht zugemutet noch im Unterlassungs-
falle als Schuld zugerechnet werden. Der zweite Zusatz ist
V. 22b — 25a. Denn es ist kein Platz für das Gebot in dieser Yer-
heissung, und durch die Einschieb ung desselben kommt es völlig in
Vergessenheit, dass die Sätze v. 26 ss. hier nicht als kategorische,
sondern nur als bedingte Aussagen, als Apodoses zu v. 22 a einen
Sinn haben. An dem Inhalte von v. 23 — 25 ist zudem nichts 561
verloren, es sind die gewöhnlichen Wendungen des Jeliovisten.
Wichtiger füi' die Durchführung der kritischen Analyse, aber
auch schwieriger ist es, in den gescliichtlichen Stücken den Bear-
beiter auszumitteln. In Kap. 19, welches von Dt^ pPI v. 2 an zu
JE gehört, ist der Jehovist sehr frei mit seinen Quellen umgegangen,
namentlich scheint der Anfang v. 3 — 9 mehr oder weniger seine
Composition zu sein (n'?:it) nur im Deut.), obwol vielleicht für die
Vorstellung, dass schon vor der erfolgten Gesetzgebung das Volk
zum Gehorsam darauf verpflichtet wurde, E zu Grunde liegt. Der
9. Vers fügt sich nicht und scheint ein Fragment aus anderer
Quelle, am Schluss desselben wird v. 8 wieder aufgenommen. In
V. 10 — 19 und V. 20—25 lassen sich im Ganzen und Grossen E
und J unterscheiden. Als harmonistischen Zusatz haben wir bereits
V. 23 erkannt, mit dem natüidich v. 24 gleich zu beurteilen ist:
bezeichnenderweise finden wir hier wieder Aharon dem Mose bei-
gesellt. Dass bei dem Übergange vom Dekalog auf das Bundes-
buch der Jehovist die Hand im Spiele habe, ist oben ausführlich
nachgewiesen, desgleichen über Kap. 24 das Nötige gesagt. Sehr
stark ist wie Kap. 34, so auch Kap. 32 und 33 überarbeitet. Mit
Recht hält man 32, 9—14 füi' einen Einsatz des Jehovisten, denn
nach 32, 30 hat Mose nicht im voraus Jahves Vergebung füi* den
Abfall des Volkes eingeholt '). An dem Inhalte der betreffenden
^) Wenn es sicher wäre, dass 31, 18 zu E gehörte, so würde man mit
Knobel 32, 7 — 14 als eingeschoben betrachten müssen, denn nach 31, 18 war
92 Die Erzählung der übrigen Bücher des Ilexateuchs.
Verse ist wenig verloren, sie liefern einmal wieder eine Probe von
der erbaulichen Redseligkeit des Jeliovisten. Als einen weiteren
Zusatz sieht Nöldeke v. 26 — 28 an. Nimmt man jedoch diese
Verse heraus, so hat v. 25 keine Consequenz und v. 29 wird ganz
unverständlich; denn daran ist nicht zu denken, dass v. 29 der
Nachsatz zu v. 25 sein könne. Man müsste also das ganze Stück
V. 21 — 29 für einen Nachtrag erklären. Innere Gründe giebt es
dafür eiß-entlich nicht, deim wenn „die Erzähluncr vom goldenen
562 Kalbe keine andere Bedeutung, hat als die, den officiellen Cultus
des Eeichs Ephraim entschieden zu verdammen", so braucht man
in dieser Präfiguration späterer Verhältnisse wol auch an den
Leviten als Eiferern für den alten einfachen Gottesdienst keinen
Anstoss zu nehmen, obwol allerdings der Gegensatz von Aharon
und Le^d einigermassen befremdet. Doch können andere Ursachen
gegen v. 21 — 29 A^erdacht erregen. Nämlich die Verse 30 — 35
wissen nichts davon, dass der Abfall bereits in so grausamer Weise
bestraft worden ist (v. 28), und ebenso lässt v. 20 eine andere
Fortsetzung erwarten als v. 21 ss.: man wünscht zu wissen, wie
denn der Trank dem Volke bekam. Nun ist eine solche Angabe
aber auch v. 30 — 34 nicht enthalten, erst der 35. Vers, der jeden-
falls an seiner jetzigen Stelle ganz verloren steht, würde als Con-
sequenz von V. 20 nicht unpassend sein. Hierdurch ^^iii-de man
also schliesslich dazu getrieben, auch v. 30 — 34 für ein Supplement
zu halten, jedoch füi' ein älteres als v. 7 — 14 und v. 21 — 29.
Die imiere Natur des Inhalts dieser Verse setzt dem nichts ent-
gegen, nur erhebt sich das Bedenken, dass dann gar zu wenig füi*
den ursprünglichen Bericht der Quelle übrig bleibt (32, 1 — 6.
15—21. 35).
Kap. 33 wird die vorhergehende Geschichte fortgesetzt und zwar
in folgender Weise. Das goldene Kalb ist der Grund, warum Gott
die Israeliten bei sich, in seiner unmittelbaren Nähe, nicht länger
dulden kann. Der Sinai ist hier als der eigentliche Wohnsitz
Gottes gedacht (vgl. 19, 4^bN* CDHN* ND.N*1), und der Aufenthalt des
Volks daselbst wird nicht von vornherein als ein zeitweiliger von
der Verkehr Gottes mit Mose zu Ende und ward nicht durch ein ausserordent-
liches Ereignis abgebrochen. Aber allerlei Anzeichen weisen darauf hin, dass
der Vers zu Q gehört, obwol jedenfalls auch in E gestanden hat, dass Mose
die Tafeln empfing und dass Gott mit ihm während der 40 Tage redete. Vgl.
31, 18 mit 32, 16.
Exodus 19— Numeri 10. 93
kurzer Dauer vorgestellt, sondern als ein bleibender. Es ist eine
Strafe, dass sie fortgeschickt werden, und als schwere Strafe wird
es auch reuig von ihnen empfunden. Aber ihre Trauer vermag
keine Änderung des Beschlusses zu bewirken, nur einen Ersatz
seiner wahren Gegenwart giebt Jahve ihnen mit, das ist die Lade
in dem Ohel Moed. Ohne Zweifel ist die Herrichtung der Lade
und des Zeltes — welches ohne sie keine Bedeutung hat — einst
zwischen 33, 6 und 33, 7 erzählt worden, gegenwärtig klafft zwi-
schen diesen beiden Versen eine sehr fühlbare Lücke. Man er-
fährt nicht, wozu der Schmuck v. 6 verwandt wird, und errät es
nur aus Kap. 35, man weiss nicht, woher das Zelt v. 7 mit einem
Male da ist. Da die Beschreibung des Heiligtums in extenso aus
Q mitgeteilt wird, so ist der Grund der Auslassung klar. Hat nun
also die Stiftung der Lade wii*klicli hier gestanden^), so ist die- 56^
selbe deshalb an diesen Ort und Zeitpunkt verlegt, weil das echte
Symbol dem falschen entgegengesetzt werden sollte. Durch das
Gussbild, das sie sich gemacht, haben die Israeliten den Beweis ge-
geben, dass sie für die unmittelbare Nähe der Gottheit nicht reif
sind, sie kommen ohne eine sinnliche Eepräsentation derselben
nicht aus, darum giebt ihnen Jahve die Lade statt des Kalbes.
Auch daraus, dass zu beiden das selbige Material, der abgerissene
Schmuck, verwandt wird, ersieht man, dass eine solche Gegen-
überstellung des selbstgewählten und des gottgegebenen Heiligtums
beabsichtigt ist.
Die genaue und innerliche Beziehung, in welcher der Befehl
zum Aufbruch und die Stiftung des wahren Heiligtums zu der Er-
zählung vom goldenen Kalbe steht, ist gewöhnlich nicht verstanden.
Und das ist kein Wunder. Denn abgesehen von der Bresche,
welche der letzte Redaktor des Pentateuchs mit Rücksicht auf Q
in den Zusammenhang von JE gebrochen hat 33, 6. 7, hat auch
der Jehovist das Seinige getan, den ursprünglichen Sinn der Fort-
setzung von Kap. 32 zu verwischen. Weniger dadurch, dass er
Fragmente aus J eingearbeitet hat^), als dadurch dass er zwischen
^) Ob die Lade nach der Meinung unseres Erzählers neue Gesetzestafeln
enthält oder ob dieselben zerbrochen geblieben, kann nicht ausgemacht werden.
Mir scheint das letztere wahrscheinlicher.
2) Sofern 33, 1 — 11 das 32. Kap. fortsetzt, stammt es aus E, wo der
Horeb, wie vielleicht im Reiche Israel überhaupt 1. Reg. 19, als der Berg
Gottes par excellence gilt; vgl. "i ij3n v. 5. 6. In J wird der Abzug vom
94 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateiichs.
Exod. 33, 1 — 11 und dem unmittelbar daran scliliessenden Stücke
Num. 10, 33 SS. einmal den Anhang Kap. 34, sodann aber auch
die zweiteilige Rede 33, 12 — 33 eingesetzt hat. Denn diese ist
564 wesentlich seine Komposition, mag er auch vielleicht zum ersten
Teile einige Motive aus J entlehnt haben. Mit 33, 12 — 16 blickt
er zurück auf v. 1 — 11 und beseitigt den Anstoss, den die Judäer
an der Vorstellung nehmen mussten, dass Jahve noch immer per-
sönlich auf dem Sinai und nur durch Vertretung im heiligen Lande
wohne'). Mit 33, 17 — 23 blickt er vor auf Kap. 34 und baut
dazu die Brücke; die Stelle hängt zusammen mit und ab von
34, 6. 7, und wie diese letzteren Verse aus 34, 5 durch Korrektur
und Misverständnis entstanden sind, ist bereits oben p. 85. 86
nachgewiesen.
5. Überschauen wir noch einmal die Ergebnisse der müh-
samen und verwickelten Untersuchung. Der Jehovist^) ist hier
mehr als Redaktor, er kann als der eigentliche Verfasser des Ab-
schnittes von der Gesetzgebung auf Sinai gelten. Während er
sonst ganz hinter seinen Quellen zurücktritt, teilt er sie zwar auch
hier grossenteils wörtlich mit, aber doch so, dass er sie nur als
Sinai gleich bei der Gesetzgebung ins Auge gefasst 23, 20 ss. und keines-
wegs als Strafe, wie denn das Land, wo Milch und Honig fliesst, von vorn-
herein als Ziel der Wanderung gilt. Natürlich aber ist der Befehl zum Auf-
bruch auch in J vorhanden gewesen und ich vermute, dass sich Teile davon
in jehovistischer Bearbeitung 33, 1. 2. v. 3 (bis zum Athnach) erhalten haben;
denn wenn Jahve sagt: führe das Volk in ein Land, wo Milch und
Honig fliesst, so ist das nicht im Zorn geäussert, keine harte Rede. Was
in E hier gestanden haben mag, kann man etwa aus 32, 34 entnehmen. Als
Fortsetzung von J 33, 1. 3a kann man v. 12. 14 ansehen: v. 12 schlägt auf
V. 1 zurück. Gewiss hat auch J die Lade gekannt und deren Entstehung be-
richtet; ob ebenso das Zelt, ist eine andere Frage. — Josua als Tempelwächter
erinnert ganz an Samuel, der im Hause Gottes schläft; das Zelt steht ausser-
halb des Lagers, wie die älteren Heiligtümer ausserhalb der Städte. In Q in-
nerhalb, wie der Tempel zu Jerusalem.
^) Sicherlich hat 33, 15 Bezug auf die aus 32, 34. 33, 3 zu erschliessende
Meinung von 33, 5 — 11; D''JD heisst hier im Gegensatz zu "]Nv^ = selbst,
persönlich. Mose ruht nicht, bis Jahve verspricht, den Sinai zu. verlassen und
nach Kanaan überzusiedeln. „Wenn du nicht selbst mit gehn willst, so führe
uns nicht von der Stelle."
^) Dessen Geistesverwandtschaft mit dem Deuteronomium tritt wiederum
auffallend hervor — wenn nicht ausser ihm noch ein Deuteronomist anzuneh-
men ist.
i
Exodus 19— Numeri 10. 95
Material zu dem eigenen Ban l)enutzt. Eine ähnliche Steigerung
seiner selbständigen schriftstellerischen Tätigkeit lässt sich auch
an anderen Stellen constatiren, wo der Stoff sein Interesse in
hervorragendem Maasse in Anspruch nimmt, z. B. bei der Geschichte
Abrahams und bei der Berufung IMoses. Es versteht sich, dass
es bei so bewandten Umständen äusserst schwierig wird, aus dem
einheitlichen Gewirke die differenten Fäden zu erkennen und jeden
in seinem eigentümlichen Zusammenhange zu verfolgen. Ausser
den Berichten der beiden fortlaufenden Quellen E und J habe ich
einen diitten völlig selbständigen Bericht in Kap. 34 nachweisen
zu können geglaubt, so dass also drei verschiedene Erzählungen
des Vorgangs und di-ei verschiedene Aufzeiclinungen des Inhalts
der Gesetzgebung vorlägen, der Dekalog in E, das Bundesbuch in J,
das Goethesche Zweitafelgesetz in Exod. 34. Die drei Versionen
lassen sich nach ilu'en hauptsächlichen Unterschieden etwa so
charakterisiren. In E erfolgt die Verpflichtung des Volks und die
Bundschliessung gleich zu Anfang, und erst nachdem die Huldigung
zuvor eingeholt ist, sclii-eitet Gott zur Verkündigung seines Willens
(19, 3 — 19). In majestätischer Theophanie offenbart er vom Berge 565
herab dem unter Moses Fühi'ung unten versammelten Volk die
zehn Gebote, dass alle hören und sich entsetzen. Als die göttliche
Stimme pausirt, erklären sie, es bedürfe dieser entsetzlich ein-
dringlichen Unmittelbarkeit der Rede Gottes nicht mein-, das Wort
Moses genüge und werde Gehorsam finden. Nach einiger Zeit
empfängt dann Mose Befehl, auf den Berg hinauf zu kommen, teils
um die Tafeln zu empfangen, auf denen inzwischen der Dekalog
verzeichnet worden ist, teils um durch einen vierzigtägigen intimen
Verkehr mit Gott die Fähigkeit zu erhalten, an Gottes statt zu
reden mit dem Volke, als das Urbild der Priester und Propheten
mit dem Quell der Weisung und des Wortes begabt zu werden.
Inzwischen ist unten das goldene Kalb gegossen worden; Mose, wie
er den Abfall gewahr wird, zerschmettert im Zorn die Tafeln, Gott
will das Volk nicht länger bei sich dulden, lässt sich aber durch
die Reue desselben bewegen, ihm statt des schlechten das rechte
Heiligtum zu geben. Darauf erfolgt der Aufbruch vom Horeb
Exod. 20, 1—20 ... 24, 12—14 ... 31, 18. Kap. 32. 33, 1—11.
Num. 10, 33. — In J ist die Offenbarung, wie sonst immer, so
auch hier individuell und ergeht selbst in diesem Ausnahmefall
nicht an ein ganzes Volk. Mose geht allein auf den Berg und nur
96 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
ihm verkündet Jahve die Bedingungen des Bundes, die Worte und
Rechte, die er hernach weiter dem Volke mitteilt und in die feier-
lich zu beschwörende magna charta der Theokratie verzeichnet.
Damit ist der Zweck des Aufenthalts am Sinai erreicht, und der
Aufbruch erfolgt, ohne dass dazu ein ausserordentliches Ereignis
Veranlassung gäbe. Exod. 19, 20—25 ... 20, 23 ss. Kap. 21—23.
24, 3—8, 33, 1 . . . Die dritte Version Exod. 34 steht teils auf
Seite von E, teils auf Seite von J. Äusserlich erinnert Manches
an E, so die zwei Tafeln, die zehn Worte, die 40 Tage. Aber die
Tafeln sind nicht von Gott, sondern von Mose geschrieben, und
wie das Bundeslnich Aufzeichnung dessen, was Jahve dem Mose,
nicht was er dem Volke mitgeteilt. Denn darin zeigt sich die inner-
liche Verwandtschaft von Kap. 34 mit J: der Gedanke einer allge-
meinen Offenbarung an das ganze Volk liegt fern, Offenbarung
empfängt nur Mose, wenn auch ihr Inhalt zu öffentlicher Mit-
teilung bestimmt ist. Mose scheint hier sogar auch den Bund namens
des Volkes abzuschliessen, obwol das nicht mehr ganz deutlich ist.
— Was die den drei Erzählungen entsprechenden theokratischen
Grundgesetze betrifft, so stehn sich Exod. 20 und Exod. 34 am
566 schi'offsten gegenüber, dort sind die Gebote fast nur moralisch, hier
ausschliesslich ritual. Das Bundesbuch, dem die Rechte ganz
eigentümlich sind, vereinigt in den Worten beide Elemente. Hin-
sichtlich des Kultus steht es auf der selben Stufe wie Exod. 34, die
Moral ist concreter, casuistischer als in Exod. 20, und von einer
auffallend menschlichen, edel natürlichen Haltung.
Zum Schluss noch ein Wort über den mutmasslichen Gang der
Erzählung von Q. Ausser den grossen gesetzlichen Stücken, die
wir gleich Anfangs abgeschieden haben, scheinen noch einige
kleinere zu dieser Quelle zu gehören, die im Zusammenhange von
JE nicht wol unterzubringen sind. Jedenfalls 19, 1. 2 a, so jedoch,
dass V. 1 ein nicht zu dem ursprünglichen Bestände gehöriger
Nachtrag ist , ein nicht ganz durchgeführter Ansatz zur genauen
Bestimmung der Zeit im Sinne von Q, vgl. ähnlich 1. Sam. 13, 1.
2. Sam. 2, 10. Vielleicht ist der beabsichtigte Tag wirklich der
öOste nach dem 15. Msan, also etwa der 7te des dritten Monats,
wie die rabbinische Tradition aimimmt. Was in 19, 2 nach dem
Athnach folgt, gehört zu JE, Q sagt nicht ^Nnb'"' irpl. — Nöldeke
vermutet ferner in 24, 14 — 18 ein Fragment aus Q; so viel ich
sehe, mit Recht. Auszuschliessen ist jedoch der Anfang von v. 15
1
Exodus 19— Numeri 10. 97
"inn-bx 'r2 by^l und das Ende von v. 18 von nnri'bl^ bp^l an.
Ich glaube endlich 34, 29 — 35 noch für diese Schiift ansprechen
zu düi'fen, wenngleich v. 33 — 35 vielleicht ein apokiyphes An-
hängsel ist. Vgl. bvS'^l^*'' ^jn-^Dl innx und ni^n C\s*^':n; ferner
würden die niyn HPi'P geltend zu machen sein, wenn diese nicht
auch 31, 18. 32, 15 erschienen. Doch ist es nicht unmöglich, dass
31, 18 eine aus Q entnommene Angabe ist, vgl. inx in"? in^DZ
^j^t» nnn mit 34, 29. 32. 33. 34. 35. Das vereinzelte myn in
32, 15 wüi-de sich dann wol ohne Schwierigkeit aus späterer Re-
daktion erklären. Nicht leicht ist es zu sagen, ob Kap. 25 — 31
da, wo es steht, seine richtige Stelle hat oder erst hinter Kap. 34
kommen muss, ob Mose hier noch auf dem Berge Sinai oder be-
reits wieder unten im Lager ist. Knobel zu Exod. 25, 9 entscheidet
sich füi' die letztere Anahme und kann sich dafüi' namentlich
auf 26, 30 nnn n\S"in "llJ^vS und ferner vielleicht auf nnn 25, 40
berufen. Dagegen aber spricht 25, 9 "[HIN* H^slD '':iN "ll^N, wo das
Participium nur als Futurum instans erklärt werden kann, und
das zweimalige ybi^ |nJS y^L^^ niyn 25, 16. 21 — denn die Eduth
hier nicht von dem Zweitafelgesetz zu verstehn, scheint mir mein*
als bedenklich. Da mm hieraus folgt, dass die Situtation von dem
Schriftsteller selbst nicht consequent inne gehalten worden ist, so 567
muss entscheidendes Gewicht auf die Stellung gelegt werden, die
der Redaktor dem in Rede stehenden Absclmitt angewiesen hat.
Darnach befindet sich Mose hier auf dem Bereje und Gott redet
zu ihm dort eben die Worte, auf welche 31, 18. 34, 32 Bezug ge-
nommen wii'd. — Also gestaltet sich der Bericht von Q wie folgt.
Nachdem die Kinder Israel von Raphidim in der Wüste Sinai an-
gelangt sind, wii'd Mose hinauf berufen auf den Berg und empfängt
dort genaue Mitteilungen über die Einrichtung des Heiligtums und
des Kultus, ausserdem die Tafeln des Zeugnisses, die er in die
Bundeslade legen soll, deren Inhalt übrigens als bekannt vor-
ausgesetzt wii'd. Wie er herabkommt, strahlt sein Antlitz vom
Widerschein der Herrlichkeit Jahves, so dass Aharon und die
Füi'sten der Gemeinde erst auf seinen beruhigenden Zuruf sich ihm
zu nähern wagen. Darauf teilt er dem Volke alles, was Jahve
ihm auf Sinai befohlen habe, mit. So parallel dieser Bericht
auch im Allg. den übrigen ist, so merkwüi'dig ist der Unterschied,
dass die Offenbarung Gottes auf dem Sinai nur das Heiligtum und
den Kultus betrifft. Auch in JE wird allerdings das Heiligi:um
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs. 3, Aufl. 7
98 t)ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
noch am Sinai gestiftet, aber — erst nach dem Sündenfalle Israels,
als ein Zugeständnis an die Schwachheit des Volks. Die Kirchen-
väter, die von Quellenscheidung nichts wussten, combiniren in
feinfühliger Weise die Versionen und fassen die Gebote des Levi-
ticus als Strafe für das goldene Kalb auf, Constitut. Apost. 6, 20.
Hieron. in Ezech. 20. Chrys. hom. 17 in Act. 7. Vgl. H. Grotius
annot. in Exod. 15, 26 und Spencer III. 2 de rat. et orig. sacrific. 1, 3.
Der Zug vom Sinai in das Ostjordanland Num. 10 — 21.
Auch hier sondere ich die Gesetze, welche insgesamt zu der
gleichen literarischen Schicht gehören, im voraus ab und verfolge
bloss den geschichtlichen Faden. Von einem solchen kann man
freilich vielerwärts kaum reden, besonders sind die Erzählungen,
mit denen der Wüstenzug ausgefüllt wird, nur lose aneinander ge-
reiht, wie wir es ähnlich schon Exod. 16 ss. fanden. Auch die
lokale Situtation derselben ist teilweise vage genug, wenn nicht der
Ort durch seinen Namen für den Inhalt der Historie wichtig ist.
1. Statt der kurzen Angabe in Q, die Israeliten haben nach
einjälnigem Aufenthalt den Sinai verlassen und sich seitdem in
der Wüste Pharan aufgehalten Num. 10, 11s., enthält JE einige
Begebenheiten, die sich auf dem Wege vom Sinai bis nach Kades
568 auf verschiedenen namhaft gemachten Stationen zutrugen Num. 10,
29 SS. Kap. 11. 12. Dass hier verschiedenartige Geschichten zu-
sammengeflossen sind, lässt sich unschwer zeigen. Obwol der
Aufbruch vom Sinai notwendig auf den betreffenden Befehl Exod.
33 folgen muss, so entbelu't doch die besondere Art und Weise,
wie derselbe in Num. 10, 29 — 32 eingeleitet mrd, jeglicher nach-
weisbaren Verbindung mit dem Vorhergehenden. Von Hobab ist
Exod. 18 nicht die Rede gewesen; der Name Reguel erscheint zwar
Exod. 2, aber an verspäteter Stelle und nur als der eines Vaters von
sieben Töchtern. Auch nach hinten fehlt dem Stücke der Anschluss,
denn 10, 33 ist nicht die Antwort auf die Bitte v. 32. Ähnlich
zusammenhanglos ist auch 10, 33b — 36. Denn wäre 10, 33 b die
natüidiche Fortsetzung von v. 33 a, so müsste hier D''^'' r\V^7\Z''
fehlen. Soll man nun annehmen, die beiden Worte seien in
V. 33a durch ein Versehen aus v. 33b eingeschlichen? Eher ver-
hält sich die Sache umgekete, denn wenn die Lade dem Heere
drei Tagereisen voraus schwebte, so war sie als Wegweiserin un-
brauchbar, da niemand sie sah. Wenn aber an dem Wortlaut von
Numeri 10—21. 99
V. 33a niclits zu ändern ist, so kann der Sinn nur sein: nachdem
sie drei Tage gewandert waren — und dazu ist erst 11, 1 oder
11, 4 die tatsächliche Fortsetzung. Ich sage 11, 1 oder 11, 4.
Nämlich 11, 1 — 3 steht mit dem Folgenden nicht im Zusammen-
hang, mit V. 4 verändert sich plötzlich der Schauplatz, wir befin-
den uns hier nicht mehr in Thabera, sondern in Kibroth ha-Thaawa
und zwar ohne jede Überleitung. Wenn man darum sich nicht
zu der Annahme entschliessen mag, die beiden verschiedenen
Namen bezeichnen den gleichen Ort, so muss man anerkennen,
dass zwischen 11, 1 — 3 und 11, 4ss. kein wahi-er Nexus bestehe.
Seinerseits ist abermals nicht einmal das Stück 11, 4 — 34 eine
natürliche Einheit, sondern eine höchst künstliche Verflechtung
zweier Bestandteile, die nichts mit einander zu tun haben. Wie
kann der Hunger des Volkes in Mose den Wunsch erwecken, Mit-
arbeiter für seine öffentliche Tätigkeit zu haben! die schafften
auch kein Fleisch und es kam doch darauf an, die erste Not zu
kehi'en. Lediglich aus Anlass einer viel zu besclu'änkten Deutung
der Verse 11, 11. 12 scheint die Erzählung von den 70 Ältesten
(v. 14 — 17. 24b — 29) liier eingeschaltet zu sein; und wie äusser-
lich dies geschehen, kann der Scenenwechsel v. 24. 31 lelu'en.
Was endlich Kap. 12 betrifft, so mag der neidische Ausbruch
Aharons und Miriams gegen Mose mit der Einsetzung der Siebzig
in Beziehung stehn sollen, bei welcher Gelegenheit Mose ja tut, 569
als sei er der alleinige Leiter und Fülu^er. Zwar wird in v. 1
eine andere Veranlassung angegeben, aber im Widerspruch gegen die
viel sachgemässere des v. 2^). Dass der Unwille des Geschwister-
paares erst auf der nächsten Station ausbricht, tut dem statuirten
Zusammenhange keinen Eintrag. Denn der Inhalt von Kap. 12
ist gegen den Ort Haseroth indifferent und es wird zufällig gekommen
sein, dass dies der Schauplatz geworden ist. Aus v. 15 erhellt nur,
dass das Volk auf der Wanderung begriffen und noch nicht in
Kades angelangt ist.
Zusammenhänge aufzufinden mit den frülier vom Jehovisten zu
Grunde gelegten Quellen, ist hier schwierig. Die Wachteln sind
eine Ergänzung des Manna, der betr. Bericht scheint auf Exod. 16
^) Y. Ib ist apokryph. Den Anstoss an der fremden Frau Moses hat erst
eine sehr späte Zeit nehmen können. Den älteren Quellen fällt es nicht ein
Sippora als Kuschitin anzusehen und sie betrachten Moses Verschwägerung
mit dem Priester vom Sinai als eine hohe Ehre.
100 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
zurückzublicken (11, 6) und aus der Hauptquelle (d. i. J) entlehnt
zu sein. Jedoch findet sich einio-es Andersarti<i;e aufo-etrao-en. Zu-
nächst passt die Beschreibung des Manna v. 7 — 9 nach v. 6, wo
dasselbe als etwas längst Bekanntes gilt, nicht an diese Stelle, wie
sie denn auch diejenige von Exod. 16 teils ignorirt, teils damit
streitet (11, 8 vgl. mit Exod. 16, 21). Ferner entspricht die An-
kündigung V. 18 SS. wenig den Tatsachen, wie sie v. 30 ss. erzählt
werden. Nicht erst am folgenden Tage (v. 18) kommen dort
die Wachteln (v. 32), von Heiligung des Volks ist keine Rede,
und statt dass das begehrte Fleisch durch langes Essen zum Ekel
würde (v. 20), straft plötzliches Sterben die gefrässige Gier.
Yielleicht stehn die Verse 18 ss. in Verbindung mit den Worten
und Jahves Zorn entbrannte sehr, die sich v. 10 verloren
und abgerissen genug ausnehmen-, die Antwort auf Moses Klage
V. 11 — 13 würde dann erst v. 23 folgen und daran sich v. 30ss.
anschliessen. Wie dem auch sei, man darf wol annehmen, dass
neben J noch eine andere Quelle über Manna und Wachteln be-
richtete und dass der Jehovist auch diese in ziemlich freier Weise
benutzt. Ohne Zweifel gehörte die wunderbare Speisung Israels
in der Wüste zum Hauptstrome der Tradition und fehlte nicht
leicht in irgend einer Aufzeichnung derselben. Anders steht es
mit den Perikopen von den 70 Ältesten und vom Aussatze
Miriams, das sind möglicherweise Nebenzuflüsse. Die erste ist ein
570 Pendant zu Exod. 18 und eine blosse Variante von Exod. 24, 1.
9 — 11, an welcher letzteren Stelle die Siebzig dadurch, dass sie
mit auf den hl. Berg gehn, in eine höhere Sphäre erhoben und
dem Mose selber angenähert werden^). Die zweite ist, wie Vor-
stellungen und Sprache (nt).SJ recipi) beweisen, jedenfalls von der
selben Hand bearbeitet. Nach meinem Dafüi'halten ist es die des
Jehovisten, dem ich auch Exod. 33, 8 — 11 in seiner gegenwärtigen
Form zuschreibe^). Den Stoff zu beiden Geschichten mag er schon
vorgefunden haben; doch ist auch der zu specifisch prophetisch,
zu wenig volkstümlich, um alt zu sein. Noch dem Jesaia würde
der Gedanke, dass die büi'gerlichen Beamten vom Geiste der
') Hat der Ausdruck b)i^ H, 17. 25 Bezug auf die "> "»^il^N*?
2) Die Stiftshütte wird Num. 10, 33 — 36 nicht erwähnt und ist dort schwer
lieh als Obdach der ruhenden Lade zu suppliren.
Numeri 10—21. 101
Weissagung müssen berührt sein, schwerlich gekommen sein; Saiü
aber ist eine Ausnahme, wie das Sprichwort lehrt.
2. Aus der Erzählung über die Kundschafter Kap. 13. 14 weist
Nöldeke zu Q: 13, 1 — 17a. 21. 25s. (mit Ausnahmen) 32 (bis
Nin ) 14, 1 — 10 (mit grösseren Ausnahmen) 26 — 38 (ausg. v. 31).
Knobel und Kayser ziehen die Grenzen dieser Quelle in Kap. 14
etwas enger. Anzuerkennen ist, dass 14, 3. 4 = JE, demgemäss
auch Einiges aus v. 1. 2 (s. den Wechsel von Gemeinde und
Volk V. 1), ebenso v. 8. 9. Was 14, 26 — 38 anlangt, so lässt
sich hier v. 31 (=Deut. 1, 39) nicht ausheben, ohne dass zugleich
die Umgebung hinten und vorn mitfällt. Denn in v. 30 versteht
sich das nachdrückliche C^^$ nur aus dem Gegensatz DDDLD v. 31 ^),
dasselbe gilt A^on D^^s v. 32, und dieser letztere Vers ist wiederum
schlecht von v. 33 zu trennen: die 40 Jahre beweisen jedenfalls
nicht für Q, da sie ein ganz fester Zug der Überlieferung sind.
Also ist Q hier einzuschränken auf v. 26 — 29. 34 — 36, die
Integrität von v. 27. 28 ist noch dazu nicht zweifelsfrei. Der
Bericht, im Ganzen dem andern parallel (wie lange 14, 27 = wie
lange 14, 11), zeichnet sich dadurch aus, dass die Kundschafter,
zu denen ausser Kaleb auch Josua gerechnet wii-d, nicht von Kades,
sondern von der Wüste Pharan ausgesandt werden, dass sie nicht
bloss bis Hebron, sondern bis zum Libanon kommen, und dass sie
das Land nicht als uneinnehmbar, sondern als wenig begehrens-
wert schildern.
Was übrig bleibt, 13, 17 b— 24 (ausg. v. 21). 27—33 (ausg. 571
V. 32). 14, 3. 4. 8. 9. 11—25. 30—33. 39—45, ist „weder
vollständig, noch aus einem Gusse." Der Anfang (vor 13, 17b)
lässt sich einigermassen aus Deut. 1, 19 — 23 (vgl. Num. 14, 40
mit Deut. 1, 20s.) ergänzen; in Num. 12, 16 mag gestanden haben
und sie kamen nach Kades füi': und lagerten in der W.
Pharan, welche Worte weder aus Q noch aus JE herrühren können.
Die Lücke vor 13, 30ss., wo Kaleb das Volk beruhigt, ehe es zu
schreien angefangen, ist nur eine scheinbare; in Waln-heit hat bloss
eine Umstellung aus Redaktionsrücksichten stattgefunden, 13, 30 ss.
ist parallel mit 14, 5ss. und gehört an die selbe Stelle des Zu-
sammenhanges. Der Übergang von 13, 24 auf v. 27 ist aus den
^) """li Tli^l^i ist ezeclüelisch. Kaleb und Josua erscheinen in Q in um-
gekehrter Reihenfolge (Kayser). Vgl. indes Num. 26, 65.
102 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
in V. 26 erhaltenen Bruchstücken (nach Kades . . . . und
zeigten ihnen die Frucht des Landes) leicht zu ergänzen.
Mehr Schwierigkeiten als die Lückenhaftigkeit macht die Duplicität
von JE, die von Anfang an hervortritt. Die fast identischen Ein-
gänge von 13, 19 und v. 20 können nicht von der gleichen Hand
herrühren. Yermutlich ist ferner und sie kamen zum Trau ben-
bach V. 23 eine Dublette zu und sie kamen nach Hebron
v: 22, da v. 24 wünschen lässt, dass der betreffende Name noch
nicht genannt sei. In v. 31 — 33 bedienen sich die Berichterstatter
mehrfach anderer Ausdrücke wie v. 27 — 29, bemerkenswert ist
bes. py; ^^n. (ohne Artikel) v. 33 statt pjyn n^b'' v. 28. 22.
Ebenso macht sich in Kap. 14 eine Yerschiedenartigkeit der Be-
standteile von JE fühlbar. Doch sind die Zusätze, mit denen hier
der Hauptbericht (J) bereichert ist, hauptsächlich vom Jehovisten
selber verfasst; so ist namentlich die grosse Rede v. 11 — 25 eine
freie Ausführung desselben auf Grund eines ursprünglich gewiss sehr
kurzen Kerns, vgl. Ex. 32, 12. 34, 6 s. Ezech. 20. Einiges andere
scheint indessen aus einer zweiten Quelle entnommen, z. B. v. 2 a. 3
imd die Rede v. 30 — 33, welche nach v. 11 — 24 post festum kommt.
Hier weichen sowol einzelne Ausdrücke von J ab, als auch die
Vorstellung v. 30, dass Josua mit zu den Kundschaftern gehört
habe^). Besondere Schwierigkeiten verursacht v. 25. Aus J kann
er nicht stammen, denn nach dieser Quelle bleiben die Israeliten
572 in Kades wohnen und bringen dort den grössten Teil der 40 Jahre
zu. An einen Zusatz des Jehovisten zu denken, verbietet der con-
crete Lihalt von v. 25b und die Erwähnung in Deut. 1, 40. Viel-
leicht war der Vers, worauf Deut. 1, 39. 40ss. fülii't, ursprünglich
der Schluss zu v. 30 — 33; zu dieser Version würde dann auch
V. 39 — 45 gehören. Vgl. b^n^i iJD. v. 39, wie v. 2 a — gegen
^N*!'^''' in dem Parallelbericht aus J Num. 21, 1 — 3.
3. In der Geschichte von der Rotte Korah Num. 16 ist eben-
falls Q mit JE verworren, aber die Scheidung ist schwierig und man
kommt nicht duiTh, wenn man nicht drei Versionen anerkennt.
Gehn wir von der zweiten Hälfte der Pericope aus, von v. 16 — 35.
Wenn v. 16 — 22 zu Q gehören, so stammen v. 23 — 27 anderswo-
1) wenn es nicht vorsichtiger ist, anzunehmen, dass die betreffenden Worte
V. 30 Glosse sind. Auch das Deuteronomium weiss mir von Kaleb als Kund-
schafter. Vgl. dagegen Num. 32, 8 ss.
i
Numeri 10—21. 103
her, da wir uns hier nicht mehr vor der Stiftshütte, sondern allent-
halben vor der Wohnung der Aufrührerischen befinden. Wenn
V. 35 zu Q gehört, so werden v. 28 — 34 aus dieser Quelle ausge-
schlossen, denn hier sind die Übeltäter bereits von der Erde ver-
schlungen, die V. 35 noch verbrannt werden sollen. Mithin stammt
ganz V. 23 — 34 aus JE. Es geht nicht an, v. 23 und den Anfang
von V. 24 durch einen recht kühnen Schnitt füi* Q zu retten, da
myn wegen v. 26 nichts beweist, im Übrigen v. 24 sich mit
V. 27 deckt und v. 23 dadurch, dass die Anrede an Mose allein
ergeht, sich him*eichend von v. 20 unterscheidet. Aber wahrhaft
einheitlich ist darum das Stück doch nicht. Einiges erinnert stark
an J, so das Auftreten Moses inmitten der Ältesten, ferner *^N*J,
n^^"I^^ ni^D- Daneben findet sich jedoch allerlei Ab av eichendes,
z. B. ^t:^ l^'l:D1, ^^.is- Am meisten fällt als eine innerliche Ver-
schiedenheit auf, dass in v. 25. 27b nur von Dathan und Abiram,
in V. 32 nur von Korah, in v. 24. 27 a von allen dreien zusammen
die Rede ist. Nöldeke freilich, von der Ansicht ausgehend, dass
Korah füi' Q, Dathan und Abiram für JE charakteristisch seien,
hält sämtliche Erwähnungen Korahs in v. 23 — 34 füi* harmonis-
tische Einsätze des letzten Redaktors. Aber regelmässig, wo Ko-
rah allein oder vor Dathan und Abii'am genannt wird, kommen
andere Eigentünilichkeiten hinzu, welche diese Stellen von ihrer
Umgebung unterscheiden und unmöglich auch auf Rechnung des
Redaktors gesetzt werden können. Was v. 32 betrifft, so vgl.
ausser t^nr-n den ganzen Satz 'D'DN* Y'^^n nnsm mit HDINM nnHSl
"D"nN V. 30 und beachte dies Duplum: und der Boden spaltete
sich unter ihnen, und die Erde öffnete ihr Maul. In v. 24. 27a
fällt der singularische Mischkan Korahs D. u. A. gegen die plu- 573
ralischen Ohalim Dathans und Abirams v. 26 — 27 b auf, und
dass nach diesem Merkmal der überfüllte Text sich in zwei unge-
fähr- parallele Hälften teilen lässt. Die Annahme wird unvermeid-
lich sein, dass der Jehovist mit der Hauptquelle J, welche Dathan
und Abiram als Häupter des Aufstandes angab, eine andere ver-
arbeitete, welche Korah angab. Und zwar Korah allein. Wo Da-
than und Abiram ihm folgen, sind sie vom Jehovisten aus J nach-
getragen. Das folgt aus v. 32 und aus dem Singular pWD, ne-
benbei auch aus der Yoranstellung Korahs. Die beiden Bestand-
teile von JE lassen sich in v. 23 — 34 noch ungefähr von einander
sondern. Zu J gehört sicher v. 25. 27 b. 30. 31b. 33a, zu der
X04 I^ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
zweiten Quelle sicher v. 23s. 27a 32. 33b. 34. Einige Ver-
sprengungen lassen sich noch entdecken, so DDLDI v. 27 b, was nach
DrT'iD.I überflüssig ist. Ob auch der Anfang von v. 30 aus der an-
deren Quelle in J eingetragen ist? J gebraucht t<"lD. nicht, aber
jedenfalls hat das Wort hier nicht den selben Sinn wie in Gen. 1,
sondern tritt einfach als Nebenform von N7S auf, womit es auch
etymologisch zusammenhängen mag. Die Herkunft von v. 28. 29.
31 a möge dahin gestellt bleiben, v. 26 rührt wol vom Jehovisten
her, mit Ausnahme der Worte r{''\Vr] bx "lÜT'l, die zu v. 27 zu
ziehen sind.
Die drei Versionen lassen sich nun auch in der ersten Hälfte
des Kapitels verfolgen. Abgesehen von den verworrenen ersten
zwei Versen weist man hier gewöhnlich v. 3 — 11 zu Q, v. 12 — 15
zu JE. Aber schon Nöldeke hat empfunden, dass Mose in v. 8
nicht fortfährt zu reden, sondern neu anhebt, dass also v. 8 — 11
keine glatte Fortsetzung des Vorhergehenden sind. In der Tat fin-
den sich denn auch ganz beträchtliche sachliche Unterschiede zwi-
schen V. 3 — 5 und V. 8 — 11. In v. 3 — 5 sind es Laien, welche
die Heiligkeit der ganzen Gemeinde geltend machen gegen die Be-
vorrechtung Einzelner, sie eifern nicht für Levi gegen Aharon, son-
dern füi' das allgemeine Priesterrecht gegenüber jedwedem Klerus.
In V. 8 — 11 sind es Leviten, die unzufrieden mit ilu'en bisherigen
Privilegien noch mehr verlangen, sie eifern nicht füi' die Gemeinde,
sondern füi' ihren Stand und beanspruchen als niederer Klerus
Gleichstellung mit dem hohen. Besonders lehiTeich ist der Ver-
gleich von 3.npn in v. 5 und v. 9. 10. Die „Näherung" der Auf-
ständischen ist V. 9. 10 bereits Tatsache de iure et facto, nach
V. 5 ist sie eben der Gegenstand des Streites. Durch v. 6. 7 wird
574 die Kluft zwischen v. 3 — 5 und v. 8 — 11 zwar überbrückt, aber
nicht weggeschafft. Diese Verse sind eine Naht des letzten Re-
daktors, der überall zu Gunsten von Q harmonisirt. Den letzten
Satz von v. 7 itb ''3Ü D27 Hl hat er möglicherweise aus v. 3 hier-
her versetzt, so dass das dortige DD^ n") noch die Spur der ur-
sprünglichen Stelle verriete. Jedenfalls: standen die Worte einst
in V. 3, so dass also Mose und Aharon damit von den Anführern
angeredet wurden, so blieb dem Redaktor kaum etwas anderes
übrig, als sie so zu versetzen, dass die Aufständischen selbst unter
den Söhnen Levis zu verstehn waren.
Also stammt nur v. 8—11 aus Q, v. 3 — 5 aber aus der zwei-
Numeri 10—21. 105
ten Quelle des Jehovisten, die wii' in v. 23 — 34 nachgewiesen
haben. Dieser letzteren scheint noch v. 15 a entnommen zu sein,
dahingegen v. 12 — 14. 15 b zu J zu gehören. In v. 1. 2 werden
sämtliche drei Versionen zusammengeworfen sein.
Von grossem Interesse ist die Vergleichung des Inhalts der
di-ei verschiedenen Berichte, die allerdings nur fragmentarisch er-
erhalten sind, dennoch aber ihre Pointen noch ganz gut erkennen
lassen. Folgendes ist die Darstellung 1) von J. Die Rubeniten
Dathan und Abiram, vornehme Männer des erstgeborenen Stammes,
wollen sich den Mann nicht als Fühi'er gefallen lassen, der sich so
wenig als solcher bewährt hat, und empören sich gegen seine Herr-
schaft V. 13, gegen sein Richtertum v. 15b. Citii't von Mose
wollen sie nicht kommen und so ojeht er selbst, in Bedeitunsj der
Altesten, zu ihren Zelten. Ein Gottesgericht entscheidet zu seinen
Gunsten, der Boden spaltet sich unter den Füssen der Übeltäter,
sie fahren lebendig zur Hölle. Daran reiht sich 2) die andere
Version in JE. Korah, ein weltliches Stammhaupt, und andere
mit ihm treten ein füi' das priesterliche Recht aller Israeliten und
opponii-en gegen dessen Beschränkung auf die Sölme Levis d. i.
Mose und Aharon. Sie üben ihr vermeintliches Recht auch prak-
tisch aus, indem sie ein Opfer darbringen v. 15 a. Aber die Strafe
bleibt nicht aus. Vor den Augen von ganz Israel, das sich auf
Gottes Gebot rings von der Wolmung Korahs abgesondert hat, tut
die Erde ihi' Maul auf und verschlingt sie. Endlich erzählt 3) Q
den Vorgang so. Korah, ein Le^dt, und zweihundertfunfzig Standes-
genossen mit ihm erheben sich gegen Aharon und verlangen die
Gleichstellung des niederen Klerus mit dem höheren. Mt dem
Küsterdienst nicht zufrieden, begehren sie auch das Priestertum.
Um die Probe zu machen, ob Jahve sie dazu zulassen will, er-
scheinen die elu'geizigen Neider mit Pfannen vor der Stiftshütte
und bringen das Räucheropf^r dar, aber nachdem sie es angezündet 575
haben, frisst sie das heilige Feuer.
Wie der Redaktor des Pentateuchs dazu hätte kommen können,
den ersten und dritten Bericht zusammen zu schweissen, die nichts
mit einander zu tun haben, ist ein Rätsel, welches Nöldeke und
Kayser gestellt, aber zu beantworten nicht versucht haben. Es löst
sich dmTli den in der Mitte liegenden zweiten Bericht, der sich
auf der einen Seite mit J, auf der anderen mit Q berührt. Er
deckt sich mit J dariii, dass der Aufstand von Laien ausgeht und
][06 I^ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
dass die Schuldigen in ihrer Wohnung von der Erde verschlungen
werden. Er differirt darin, dass der Aufstand nicht gegen Mose
allein, als politischen Führer, sondern gegen Mose und Aharon, als
Inhaber des Priestertums gerichtet ist (womit zusammenhängt, dass
die Empörer ein Opfer darbringen), und dass statt der Rubeniten
Dathan und Abiram der Judäer^) Korah als Rädelsführer genannt
wird. Gerade in diesen Differenzpunkten nähert er sich Q. Auch
in Q handelt es sich um Opposition gegen die geistliche Präroga-
tive (Aharons) und sie geht von Korah aus, aber in der selben
Richtung wie der zweite Bericht entfernt sich der dritte noch weiter
vom ersten. In Nr. 1 ist von einem geistlichen Stande keine Rede,
sondern nur von dem hervorragenden Einflüsse einer ausserordent-
lichen Persönlichkeit auf das gemeine Wesen, wogegen die Oppo-
sition sich regt. In Nr. 2 haben wir ein entstehendes Erbpriester-
tum, das aber noch starke Widersprüche von Seiten der dadurch
ausgeschlossenen Laien findet. In Nr. 3 ist der Klerus eine unbe-
strittene Tatsache, aber innerhalb desselben hat sich eine Scheidung
von Priesteradel und gemeinen Leviten angebahnt, die noch kein
fait accompli ist, sondern lebhafte Proteste hervorruft. In Nr. 1
wird Mose angefochten, wegen seiner persönlichen Stellung, in
Nr. 2 Mose und Aharon, Avegen ihrer kastenartigen Erhebung
über die Laien, in Nr. 3 Aharon, wegen seiner Erhebung über
die übrigen Leviten. Das gleiche Verhältnis zeigt sich darin, dass,
M^ährend in Nr. 1 das Opferbringen für die Aufrührerischen nicht
das verbotene Gut ist, wonach sie streben, sie in Nr. 2 zwar eine
576 Mincha darbringen, aber noch nicht eben bei dieser Gelegenheit
untergehn, dagegen in Nr. 3 die Consequenz gezogen wird, dass
sie, mitten im Räuchern begriffen, vor der Stiftshütte vom heiligen
Feuer verzehi't werden.
4. In der Analyse der ebenfalls complicirten Erzählung vom
LTrsprung der Quelle zu Kades 20, 1 — 13 hat Knobel das Richtige
getroffen. Der Anfang stammt aus Q. Nach dieser Quelle haben
wii' uns bisher noch nicht in Kades, sondern in der Wüste Pharan,
der Gegend der 40 jährigen Wanderung, befunden und gelangen erst
^) Dass Korah in v. 3 — 5 kein Levit ist, ist gewiss. Es kann also, so
weit unsere Kenntnisse reichen, nur das judäische Geschlecht Korah in Be-
tracht kommen. Dies wird darum besonders wahrscheinlich, weil Rüben auch
sonst mit Juda wechselt. Hier aber, wo es sich um einen begangenen Frevel
handelt, nennt J Ruhen und die andere Quelle Juda.
Numeri 10—21. 107
jetzt in die Wüste Sin nach Kades, wahrscheinlich am Anfang des
40. Jahi'es (20, 22 ss.) — das Datum v. la ist vielleicht aus
harmonistischen Gründen verstümmelt (Nöldeke). Ausser v. la
gehören noch v. 2. 3 b. (nach dem Athnach) und 6 zu Q, wol
auch V. 12. Alles Übrige stammt aus JE. Was speciell v. 7 — 13
betrifft, so ist der Stab hier überall der des Mose, dieser nimmt
ihn V. 8. 9, erhebt ihn und schlägt damit v. 11, offenbar aber
gehört er dem, der ihn führt. Aharon ist möglicherweise v. 8
und 10 bloss eingeschoben; wenigstens fällt der Plural immer
sogleich wieder in den Singular zurück, v. 10 in höchst auffallender
Weise. Dass der Stab hier wie in Q im Heiligtum aufbewahrt
wird, kann nicht befremden; das war späterhin der Platz der Ee-
liquien, von wo sie der Priester zu Silo oder zu Jerusalem heraus-
holte. Will man indessen in den betr. Worten v. 8 einen Ein-
fluss aus Q sehen, so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Nur
ist festzuhalten, dass das Stück im Ganzen einer anderen Quelle
entstammt, wie ja auch Q anerkannter massen hier einen verschie-
denen Bericht voraussetzt, in welchem die Widerspenstigkeit nicht
auf Seiten der Gemeinde, sondern ihrer Füln-er ist (20, 24. 27, 14).
— Der Ausdruck cn^ym n'^r^'n v. 8. 11 verbindet die Yerse 7—13
mit 4. 5. Was also nicht aus Q stammt, gehört zusammen und
ist ein einheitliches Stück von JE, und zwar nicht entlehnt aus J
— dagegen spricht my, *ii^:i, hnp und nebenbei der Stab Moses
— , sondern aus der Vorlage, welche der Jeho^dst auch Kap. 13 s.
Kap. 16 neben J benutzt hat. Wie in Q scheinen auch hier die
Israeliten jetzt zuerst nach Kades zu gelangen; wenigstens hat es
keinen Sinn, w^enn die Öffnung der Quelle daselbst erst an das
Ende eines langen Aufenthaltes daselbst fiele, und nach 14, 25 gelm
sie ja wirklich, nachdem sie die Kundschafter von einem nicht
mein' zu bestimmenden Orte aus abgesandt haben, wieder zurück
nach Süden und verbringen die vierzig Strafjahre wandernd in der
Wüste am Schilfmeer. Dagegen hat J das Volk walu'scheinlich 577
lange Jalu'e in Kades wohnen lassen, nämlich die ganze Zeit von
der Aussendung der Kundschafter an bis zum Aufbruch nach dem
Ostjordanlande. Dies darf man wol aus Jud. 11, 16s. und aus
Deut. 1, 46 schliessen') und vielleicht auch annehmen, dass die
Worte und das Volk blieb in Kades Num. 20, 1 ein ver-
^) In Jud. 11 gehören die Worte i^*"i''P2L '"> Üt^"*! v. 17 vielmehr an den
108 I^ie Erzählung der übrigen Bücher des Hexateiichs.
sprengter und verstümmelter Rest des Berichts aus J sind. Kades
scheint füi* eine Gestalt der Tradition, die in J zu Grunde gelegen
hat, gegenwärtig aber durch anderweitige Berichte ganz verwischt
ist, als langjähriges Standlager der Hebräer sehr grosse Bedeutung
gehabt und als Ort der Gesetzgebung vielleicht mit dem Sinai
selbst concurrrirt zu haben. Man könnte sogar versucht sein zu
glauben, dass die ursprüngliche Gestalt dieser Überlieferung die
Digression nach dem Sinai gar nicht kennt, sondern das Volk
vom Schilfmeer direkt nach Kades gelangen lässt, und sich dafür
auf Jud. 11 und auf die Stellung der Geschichte Exod. 17 berufen,
die doch wol in Kades spielt. Aus Jud. 5 Deut. 33 folgt über
den Sinai als Berg der Gesetzgebung gar nichts.
Von Kades aus erfolgt übereinstimmend nach allen Berichten
der Aufbruch ins Ostjordanland 20, 14 — 22, 1. Zu Q rechnet
man mit Sicherheit 20, 22 — 29, weniger sicher den Anfang von
21, 4 und 21, 10. 11. Yon Schwierigkeiten mit den Nachbar-
völkern scheint dieser Bericht nichts zu wissen, er behandelt das
Terrain wie tabula rasa. Die Israeliten ziehen von Kades direkt
nach Osten durch Edom ') und lassen sich ungestört in den Arboth
Moab nieder. Der Bericht von JE ist nicht ganz aus einem Gusse,
J liegt zu Grunde, ist aber überarbeitet und vermehrt. Wie die
auffallende singularische Behandlung der Yölkernamen beweist (vgl.
Exod. 14), sind die beiden Hauptstücke 20, 14—21. 21, 21—31
aus J, wenn auch vielleicht vom Jehovisten überarbeitet. Was
aber in JE dazwischen liegt, scheint ziemlich buntscheckig zu sein.
An ganz unpassender Stelle steht 21, 1 — 3, ein Seitenstück aus J
578 zu 14, 40 — 45, mit einem die Folgezeit antecipirenden Schluss
V. 3=Jud. 1, 17. Der v. 4 schliesst mit ?)it» C^ "|m an 20, 21.
Die Geschichte von der ehernen Schlange ist gegen die Sitte in
J nicht lokalisirt und bietet keinen Anknüpfungspunkt für das
Dti'D V. 12. Das Stationenverzeichnis selber (v. 12 — 20) führt
uns über die Situation, wie sie v. 21 ss. vorausgesetzt wird, zu
weit hinaus; in v. 20 befinden wir uns schon mitten im Gebiet
Schluss von v. 16. In Deut. 1 steht die Yersion 1, 46 im schroffen und un-
vermittelten Widerspruch zu der anderen herrschenden 1, 40. 2, 1.
^) S. Knobel über die Lage des Berges Hör. Wie Moses und Miriams
Grab muss das Aharons an der Grenze Israels gelegen haben. Etwas an-
deres kann auch die Grenze Edoms im Munde eines hebräischen Erzählers
nicht bedeuten, als die Grenze Edoms gegen Israel.
Numeri 10—21. 109
Sihons, an dessen Grenzen wir v. 21 erst anlangen. Was ur-
sprünglich zwischen 20, 21 und 21, 21 gestanden haben mag, kann
man notdüi-ftig aus Jud. 11, 18 erschliessen. Füi- einen späteren
Anhang an J muss ich endlich 21, 32 — 35 ansehen. Nach v. 31
bleibt Israel im Lande des Amoriters wohnen, in 22, 2 ist von
der Unterwerfung des Königs von Basan keine Rede, ebenso wenig
Jud. 11, 22. Auch unterscheidet sich die Sprache in 21, 32 — 35
in charakteristischer Weise von der des vorhergehenden Stückes;
vgl. z. B. in.s* ID^T V. 35 mit IHD^I v. 24.
Israel im Lande zwischen Arnon und Jabbok.
Num. 22 — Deut. 34.
1. Der Segen Bileams Num. 22 — 24 ist zwar rein aus JE,
aber darum doch kein Werk einheitlicher Conception. Am deut-
lichsten empfindet man den Widerspruch des Stücks 22, 22 — 34^)
zu seiner Ums^ebuno'. Gott hat dem Bileam vorher ausdrücklich
erlaubt und befohlen, sich mit den Boten auf den Weg zu Balak
zu machen: wie kann er denn v. 22 darüber ergrimmen, dass
Bileam den Befehl ausfüln-t? Offenbar steht v. 22 ss. mit dem
Vorhergehenden nicht im Zusammenhang, wie denn auch in v. 34,
wo doch dringende Veranlassung gewesen wäre, von v. 20 keine
Notiz genommen wii'd. Erst v. 35 sind wir wieder so weit, wie
wir 20. 21 schon gewesen waren. Doch ist dieser Vers nicht
die echte Fortsetzung von v. 22 — 34, sondern wegen seiner wört-
lichen Übereinstimmung mit V. 20. 21b. ein Zusatz des Jehovisten,
wodurch er wieder Anschluss sucht mit dem Faden, den er v. 20
hatte fallen lassen. In v. 22 — 34 geht Bileam auch gar nicht zu-
sammen mit anderen, sondern offenbar alleine; er hat die Boten
Balaks ablehnend beschieden, sich dann aber doch ihnen nach auf
den Weg gemacht. Ferner ist es noch sein- zweifelhaft, ob in der 579
ursprünglichen Version der Seher trotz dem Widerstreben der Eselin
dennoch schliesslich weiter ritt. Ich glaube, er kehrte um; darauf
erschien Balak persönlich bei ihm v. 37, und mit diesem erliielt
er Erlaubnis zu gelm und ging v. 39. Die Vv. 37 und 39 scheiaen
Reste der walu-en Fortsetzung des Berichtes zu sein, aus dem
V. 21a. 22 — 34 entnommen sind.
^) Aus dem Folgenden wird sich ergeben, dass v, 21b zu 20, 21a zu 22
zu ziehen ist.
110 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Dieser Bericht ist der von J, dagegen der andere, wonach Gott
Bileam auf die zweite Botschaft mitgehn heisst, der von E. Der
Wechsel der Gottesnamen gibt dafür einen Fingerzeig, obwol er
nicht ganz rein erhalten ist. In v. 22 muss urspr. Jahve ge-
standen haben, Elohim ist eine Nachwirkung aus dem Vorher-
gehenden; umgekehrt giebt in v. 19 und 8 Jahve Anlass zu Zwei-
feln. Der Jehovist hält sich in der Erzählung des 22. Kapitels,
abgesehen von der Episode v. 22 — 34, vorzugsweise an E; ausser
V. 37 und 39 lässt sich nur in v. 18 mit Sicherheit ein Frag-
ment aus J erkennen (denn hier kommt zu Jahve mein Gott
der Ausdruck dieKnechteBalaks hinzu) und ferner in v. 2 — 5
ein mixtum compositum aus beiden Quellen. Denn v. 3 a ist
= 3 b, der letzte Satz von v. 4 setzt den v. 2 nicht voraus, in
V. 5 ist u X"lp7 'V "2. V"1Jn eine sehr fremdartige Apposition und
es steigt der Verdacht auf, dass wol die Söhne Ammon gemeint
sein möchten. Die Ausdi'ücke VIp (sich fürchten Exod. 1, 12)
'"> 'Jn V. 3, bnp V. 4 weisen auf E ; die Ältesten Midians beruhen
wol auf einem Einfluss aus Q, s. zu Kap. 25.
Kap. 23 und Kap. 24 glaube ich ebenfalls an J und E ver-
teilen zu müssen. In 24, 2 gewinnt man durchaus den Eindruck,
als sehe Bileam hier zum ersten Mal herab auf das am Fuss des
Gebirges lagernde Israel, nach Kap. 23 hat er aber den selben An-
blick schon zweimal gehabt und z. B. 23, 10 gesagt: wer misst
den Staub Jakobs und wer zählt ^) den vierten Teil Israels! Ferner
könnte man es wol verstehn, wenn der Seher beim dritten und
vierten Spruch sich vorzustellen unterliesse, nachdem er es beim
ersten und zweiten getan hatte; dass er es aber gerade umgekehrt
macht, dass mit anderen Worten die Einführung 24, 3s. 24, lös.
580 erst an dritter und vierter Stelle gegeben wii'd, das ist auf keine
Weise zu verstehn. Endlich darf man den Schriftsteller, der
23, 21. 22. 24 geschrieben hat, nicht zum Plagiator an sich selber
machen und ihm auch die Autorschaft von 24, 7 — 9 zutrauen.
Aus alle dem geht hervor, dass die Verbindung der Kapp. 23 und
24 erst von dritter Hand nachträglich bewirkt ist. Dabei ist an-
^) 1D^ '^12 ■ Die Aussprache der Konsonanten scheint hier öfters mislungen.
In 23, 20 ist -["im erste P. Sing, des Impf, mit Vau cons. In ji^H DPti'
steckt W (= Iti'^^) und eine Form von DH- Das im gleichen Zusammenhang
vorkommende 7DJ ist Niphal von 77D und hat D''3^y als Genitiv.
Numeri 22 — Deiiteronomium 34. Hl
zuerkennen, dass sie sehr gut gelungen ist. Die Erzählung na-
mentlich scheint ganz aus einem Guss und ist wol auch wirklich
vom Jehovisten neu gegossen worden. Hier erkennt man nur im
Übergange von Kap. 23 auf Kap. 24 die Fuge. Nämlich nach 23,
14 befinden wir uns auf der Spitze des Phisga, in v. 27 sollen wil-
den Ort verändern und werden nun auf die Spitze des Berges ver-
setzt, der über dem Jeschimon emporragt. Das ist aber nach 21,
20 eben doch wieder der Phisga, Pheor ist nur ein anderer Name
dafüi'. Daraus wird deutlich, dass 23, 26 — 24, 1 grösstenteils eine
Naht ist, wie denn auch das Altarbauen und Opferbringen für
Kap. 24 ganz überflüssig ist, wo im Unterschiede gegen Kap. 23
der Geist Gottes ohne solche Zaubermittel über den Seher kommt.
Die Prophetien selbst hat der Jeho\dst wol unangetastet ge-
lassen, doch scheint 24, 20 — 24 seine Erweiterung zu sein und ebenso
23, 23 auf seine Hand zurückzugehn. Denn dieser Yers zerreisst
den durch 24, 7 — 9 gesicherten Zusammenhang von v. 21. 22. 24
und bringt einen ganz fremdartigen Ton hinein, er ist Interpreta-
ment von v. 21 und aus Misverständnis von )1N entstanden. —
Wenn es übrigens fest steht, dass Kap. 23 und Kap. 24 verschiedener
Herkunft sind, so ist es keine Frage, dass Kap. 23 aus J stammt;
vgl. die ans Heidnische streifende Präparation zur Weissagung und
den Ausdruck „ Jahve begegnet einem" (Exod. 5, 3. 3, 18).
Kap. 25 ist hier noch anzuschliessen , weil es nach seinem
Hauptteile ursprünglich mit einer Erzählung über Bileam in Be-
ziehung stand. Es gehört ganz zu Q, ausser v. 1 — 5. Diese Aus-
nahme aber ist eine ganz entschiedene, 25, 1 — 5 ist nicht etwa
eine starke Überarbeitung von Q (wofür- Nöldeke es ausgiebt,
ohne einen Kern von Q aufzuweisen und ohne begreiflich zu
machen, warum die Überarbeitung mit v. 5 abbricht), sondern
ein völlig selbständiges und eigenartiges Fragment aus JE; vgl. den
bestimmten Ort Sittim statt der allgemeinen Angabe Arboth Moab
in Q. Der Anfang der Hauptquelle ist verloren, man kann ihn
etwa folgendermassen aus den Prämissen der Fortsetzung und aus
31, 8. 16. Jos. 13, 22 ergänzen. Die Ältesten Midians sind, mit
Wahi'sagerlohn in der Hand, zu Bileam gegangen, um sich bei ihm 581
Rats zu erholen, was gegen die Eindringlinge zu machen sei. Er
hat ein Mittel angegeben, der Gefahr die Spitze abzubrechen: die
Midianiter sollen den Israeliten ilu'e Töchter zu Weibern geben
und so das heilige Volk seiner Stärke berauben, deren Geheimnis
112 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
seine Absonderung ist. Die Midianiter sind Bileams Rate gefolgt,
es ist ihnen gelungen, manche Israeliten durch die Reize ihrer
Weiber zu bestricken (31, 16), eine schwere Plage ist in Folge
dessen von Jahve über das untreue Yolk verhängt. An diesem
Punkte setzt das uns erhaltene Stück ein und zwar mit dem Be-
richte, auf welche Weise der Plage durch das Verdienst des Erb-
priesters Pinehas Einhalt getan worden sei 25, 6ss. Unter den
Unterschieden dieser Erzählung gegen die in JE 25, 1 — 5 ist als
der wichtigste der hervorzuheben, dass die Verschuldung Israels,
als deren intellektueller Urheber Bileam erscheint, nicht darin be-
steht, dass sie sich mit dem heidnischen Götzen, sondern darin,
dass sie sich mit den fremden Weibern einlassen. Es scheint
allerdings, dass hie und da die jehovistische Reminiscenz mechanisch
die Erzählung von Q beeinflusse (v. 18. 31, 16), doch weiss man
nicht recht, was mit "ll^D IUI an diesen Stellen gemeint sein soll,
und das ist auf alle Fälle sicher, dass die Hurerei in Q nicht ein
begleitendes Moment, sondern die Hauptsache ist und nicht wegen
ihrer Verbindung mit Baalsdienst, sondern an sich, als das Ein-
führen ausländischer Frauen in das Israel. Lager (v. 6), getadelt
wird. Dass übrigens die so auseinandergehenden Versionen dennoch
aus gemeinsamer Wurzel erwachsen sind, macht Bileam, Pheor und
die Zweideutigkeit der Ausdrücke "i;^liJ auf der einen und n^l auf
der anderen Seite probabeP).
2. Moses letzte Verordnungen und Tod. Grösstenteils aus
Q, wenn man vom Deuteronomium absieht. Den Faden zu ent-
decken ist nicht ganz leicht, auch abgesehen von den gar nicht
mit der geschichtlichen Situation in Beziehung stehenden Stücken
Num. 28 — 30. Kap. 33. Nur scheinbaren Anlass zu Bedenken
giebt die Stellung von Num. 27. Man könnte meinen, zwischen
den Befehl 27, 12 ss. und dessen Ausfühi'ung dürfe sich nicht so
viel eindrängen'''), und 27, 1 — 11 habe erst hinter den allgemeine-
ren Anweisungen Kap. 32. 34. 35 seinen Platz, unmittelbar vor
582 36, 1 SS. Aber 1) Kap. 27, 1 — 11 schliesst sich an die Zählung
Kap. 26 an, deren Zweck aus v. 52 — 56 erhellt, die Bitte der
Töchter Zelophchads ist so wenig verfrüht wie die der 2V2 Stämme
1) Ein Anhang zu Kap. 25, ganz in der Art von Q gehalten, ist das 31.
Kapitel, über dessen Stelle im Zusammenhang alsbald weiter zu reden sein wird.
2) Klostermann, Stud. und Krit. 1871 p. 256.
Numeri 22 — Deiiteronomium 34. 113
Kap. 32. 2). Der Befehl zu sterben ergeht deshalb so iinverhältnis-
mässig früh, weil er die Veranlassung abgiebt, den Josua einzu-
setzen, vor der Einsetzung Josuas aber die Anweisungen über die
Yerteilung des Landes in Q nicht gegeben werden können. 3) Die
sehr weitläufige Wiederaufnahme des Num. 27, 12 gegebenen Be-
fehls in Q Deut. 32, 48 ss. lässt vermuten, dass man ihn in-
zwischen wegen beträchtlicher Einschiebungen halb vergessen hat;
auch das ausdrückliche eodem die Deut. 32, 48 würde unmittelbar
nach Num. 27, 23 nicht verständlich sein, erklärt sich aber sehr
gut nach dem Dazwischentreten der Gesetzgebung in den Arboth
Moab (Num. 36, 13), aus dem Bestreben, trotzdem die zeitliche
Einheit zu wahren. Dagegen scheint mir Num. 31, der Krieg gegen
die Midianiter, nicht hergehörig. Ich zweifle natürlich keinen
Augenblick daran, dass dieses Kapitel durchaus im Geiste und in
der Manier von Q und nach den geschichtlichen Voraussetzungen
dieser Quelle abgefasst ist, und gestehe auch das zu, dass der Ver-
fasser dasselbe auf die Stelle berechnet hat, an der es jetzt steht,
hinter Kap. 26 und Kap. 27 (vgl 31, 1. 2). Aber gerade diese
Stelle würde der originale Autor von Q der Erzählung schwerlich
angewiesen haben. Wer 27, 12 — 23 schrieb, konnte die Aus-
nahme 31, 2 unmöglich im Sinn haben, die gerade so gut und
viel besser vorher, gleich nach Kap. 25, abzumachen gewesen
wäre. Alles Übrige betrifft die künftigen Verhältnisse der An-
siedlung, worüber Mose seinen letzten Willen ausspricht und Elea-
zar und Josua zu Executoren ernennt, es fällt in den Rahmen
eines einzigen Tages Deut. 32, 28. Auch die Zählung Num. 26
zweckt ausgesprochener massen auf die Verteilung des Landes an
die kleineren und grösseren Geschlechter und nicht auf den Krieg
(Kap. 31) ab.
Nicht rein aus Q geflossen ist Kap. 32. Nöldeke glaubt, es
sei hier nicht ein zweiter selbständiger Bericht hinzugekommen,
sondern es liege nur eine redaktionelle Erweiterung von Q vor.
Aber diese Ansicht ist nicht haltbar, wie ich zunächst für v. 1 — 32
versuchen will darzutun. Was v. 1 — 15 betrifft, so kann man
nur sagen, dass an wenigen Stellen Vorstellungen von Q einge-
tragen seien, aber nicht, dass diese Quelle hier zu Grunde liege.
Wenn ferner v. 16 — 19 für Q nicht wol zu entbehi-en sind (excl.
z. T. V. 17), so scheinen diese Verse aber auch eben ursprünglich
den Anfang der Rede der ostjordan. Stämme enthalten zu sollen.
Well hausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 8
114" Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
583 wenigstens erklärt sich vb^ I^Tl v. 16 nicht ganz gut, nachdem
das Gespräch längst im Gange ist. Was endlich v. 20 — 32 angeht,
so mache ich aufmerksam auf den Parallelismus von v. 20 — 27 mit
V. 28 — 32, welcher besonders auffallend wird durch die völlig
gleiche Zwieteilung beider Stücke: v. 28 — 30 könnte man zur Not,
trotzdem darin nur v. 21 — 23 wiederholt wird, als den bekräfti-
genden Schluss der vorhergehenden Verhandlung ansehen, aber die
beiden folgenden Yerse 31. 32, die in jeder Hinsicht mit v. 25. 26
auf gleicher Linie stehn, machen das sehr- unwahrscheinlich. Im
Wesentlichen hat Knobel das Rechte gesehen, wenn er v. 16 — 19.
24 (= V. 16). 28—30 zu Q weist, nur hätte er v. 31. 32 noch
hinzufügen müssen.
V. 1—15 .... V. 20—27 = JE. Eine Spur dieser Quelle
findet sich auch in v. 17 (ü'^t^^DPl) und verrät, dass der jetzt fehlende
Übergang von v. 15 auf v. 20 noch dem Redaktor vorlag, der
einzelne Elemente davon in den Ersatz aus Q v. 16| — 19 ein-
arbeitete. Die sachliche Ähnlichkeit der beiden Berichte — man
darf vielleicht den Unterschied konstatiren, dass die betreffenden
Stämme in Q von vornherein und aus freien Stücken zur Vorhut
des Heeres sich anbieten, in JE moralisch dazu gezwungen werden
— erschwert die Scheidung, braucht jedoch übrigens nicht zu be-
fremden. Wol aber bedarf die auffallende Verwandtschaft der
Sprachfarbe der Erklärung. Man kami einmal an Überarbeitung
durch den Redaktor denken, der Vorstellungen und Ausdrücke des
Vierbundesbuchs, das er ja in der Tat zur Grundschrift macht
(Gen. 7, 8. 9), in den anderen Bericht eingetragen haben mag.
Denn überall findet sich nicht etwa Q von JE, sondern umgekehrt
JE von Q inficirt. Aber die Hauptsache wird sein, dass die Quelle
selbst, aus der v. 1 — 16. 20 — 27 mitgeteilt sind, in Form und
Inhalt dem Vierbundesbuch sich nähert. Es wird die gleiche sein,
aus welcher der Jehovist in Kap. 13. 14. Kap. 16 neben J, in
20, 1 — 11 allein geschöpft hat, und deren sprachliche und sach-
liche Berührungspunkte mit Q bereits öfter Gelegenheit war her-
vorzuheben. Sie nimmt eine Mittelstellung zwischen J und Q ein
und ist am nächsten mit der Darstellung des Deuteronomisten (Deut.
1 — 4) verwandt, den man in v. 6 — 15 glaubt selbst reden zu hören.
Auch beim Deuteronomisten nimmt die Tradition eine entschiedene
Wendung zu der Form, die in Q ausgeprägt vorliegt.
Unter den bisher von der Untersuchung ausgeschlossenen Versen
Numeri 22 — Deiiteronomium 34. 115
33 — 42 gehört sicher v. 40, den Nölcleke der „ Grundschrift ^^
zuweist, nicht zu Q. Denn in dieser Quelle ist Machii- nicht Name 584
der ostjordanischen Hälfte von Manasse. Dahingegen wird man
nicht umliin können, v. 33, der ohnehin als Abschluss von v. 28 — 32
kaum entbehi'lich ist, zu Q zu rechnen, da Num. 34, 14. 15
vorausgesetzt wird, dass neben Rüben und Gad auch halb Manasse
schon durch Mose sein Erbteil angewiesen erhalten habe. Darin,
dass in v. 29 halb Manasse fehlt, hat man vielleicht einen unwill-
kürlichen Einfluss von JE zu sehen ^). Denn da, nach meiner
Meinung, ganz v. 34 — 42, anerkanntermassen aber v. 39. 41. 42
zu JE gehören, so folgt, dass nach dieser Version bloss Rüben
und Gad von Mose ihr Erbteil erhalten, dass aber die Landschaft
Basan von einzelnen Geschlechtern Manasses auf eigene Faust
occupirt wird; in Wirklichkeit lange nach ]\Iose, vielleicht auch
nach der Meinung des Schriftstellers, der in diesem Fall die Folge-
zeit hier antecipirt. Y. 40 ist ein Yersuch, das eigenmächtige
Verfahren zu legalisii'en, ein Übergang zu Q. Zu v. 34 — 38
vergleiche das sein- verschiedene Verzeichnis in Q Jos. 13, 15 — 28.
Die Anweisungen, die Mose vor seinem Tode noch über das
Westjordanland giebt (Kap. 33, 50 — 36, 13), lassen in 33, 50 — 56
ein fremdes Element in Q erkennen. Aber dasselbe scheint von
dem Verfasser von Q in den Zusammenhang seines Werks aufge-
nommen zu sein, denn kein anderer als er hat die Einführung
V. 50. 51 geschrieben, ebenso den zum übrigen Inhalt gar nicht
sein- passenden v. 54. Mit dieser Version verhält es sich also
Avol ähnlich, wie mit dem bekannten grossen Abschnitt am Ende
des Leviticus, den der Vf. des Vierbundesbuchs gleichfalls seinem
Werke einverleibt hat. Beachtung verdient, dass zwei auffallende
Wörter in Levit. 26, nämlich ^''Dt^*D und r\ü'2.' an unserer Stelle
wiederkelu'en.
Zum Schlüsse spielt JE wieder stärker ein, namentlich in
Deut. 34. Hier ist Q nur in v. 1 a und 8. 9 (7 a?) zu erkennen;
übrigens sprechen sämtliche Ausdrücke und Vorstellungen, aus denen
man überhaupt etwas schliessen kann, gegen Q und für* JE, bez.
für den deuteronom. Bearbeiter von JE. So, um nur einiges zu
erwähnen, das Haupt des Phisga über Jericho v. 1, das west-
1) Älmlich wird man die Erwähnimg von Sihon und Og Jos. 13 zu er-
klären haben.
8*
'IIQ Die Erzä|ilimg der übrigen Bücher des Hexateiichs.
liclie Meer v. 2, die Palmenstadt v. 3, das Tal in Moab gegen
Beth-Plieor y. 6, das geheimnisvolle Begräbnis v. 6, die km'zen
585 kernigen Wendungen v. 5 C^"» ^? hv^ und v. 7b. Ob die Altersan-
gabe V. 7 a nur in Q enthalten gewesen sein kann, wii'd darnach
wenigstens fraglich. Yon Kap. 34 rückwärts gehend, darf man nach
V. 5 schliessen, dass auch in JE der Befehl an Mose ergangen ist,
sich zum Sterben anzuschicken. Schrader und Klostermann haben
Recht, Deut. 31, 14—22') (und folgerecht das Lied Kap. 32) für
JE in Anspruch zu nehmen, eine genaue Parallele zu Q Num. 27, 12 — 23.
Deut. 32, 48—52. Wie Deut. 31, 14—22 mit dem Werke des
Deuteronomisten verschlungen ist, soll hier nicht untersucht
werden. Deut. 33 steht ausserhalb aller Verbindung.
Erwähnenswert ist, dass seit dem Segen Bileams J plötzlich
abbricht. Nur in Num. 25, 1 — 5, und Deut. 34 könnte man viel-
leicht einige Spuren dieses herrlichen Erzählungsbuches finden
wollen, z. B. 34, 7 b.
Die Eroberung und Verteilung Kanaans unter Josua.
Jos. 1—24.
1. Wenn ich das Buch Josua hier anschliesse, so soll damit
zunächst nur behauptet sein, dass es, im Unterschied zu Judicum
Samuelis und Regum, ein den Pentateuch auf allen Punkten voraus-
setzender Anhang zu demselben sei, nicht, dass darin ganz das
gleiche Material in der gleichen Weise verarbeitet vorliege. Ein
Teil der Quellen, bes. E in der Bearbeitung des Jehovisten, wird
sich hier fortsetzen, aber allgemein kann die überall in unserem
Buch zu Grunde liegende Vorstellung nicht geherrscht haben, dass
Josua an der Spitze des gesamten Israels gestanden; wenn z. B. in
J Josua überhaupt vorgekommen ist, so hat er gewiss nur als der
Fühi'er Josephs (einschl. Benjamins) gegolten ^). Dass die Bear-
^) V. 23 ist Rede Jahves mit Josua, die etwas post festum kommt.
2) Jud. 1, ein, wie es scheint, uns nur sehr mit Auswahl und in Resten
mitgeteilter Bericht, weiss nichts von Josua, sondern schliesst (quoad rem) an
den Pentateuch an; die ersichtlich vom Bearbeiter (Jos. 1, 1) herrührende Über-
gangsformel müsste sachgemässer heissen: und nach dem Tode Moses.
Die Ansiedlung vollzieht sich nach allen Berichten an drei Punkten und in
drei Absätzen. In dem zuerst eroberten Ostjordanland lässt der damals mäch-
tigste Stamm, Rüben, sich nieder. Von da geht, in Anlehnung an Rüben, die
Eroberung des Landes Ephraim durch Joseph aus. Ganz selbständig agirt
Josiia 1—24. 117
beitung der Vorlagen hier stärker hervortritt und eine viel ausge- 586
sprochenere Färbung hat als im Pentateuch, ist längst empfunden
worden. Wenn vollends mit der Thora Moses 8, 31 nicht bloss
das Deuteronomium, sondern alle fünf Bücher Moses gemeint
sein sollten (anders 24, 26), so wäre es entschieden, dass das
Buch Josua in seiner gegenwärtigen Gestalt nur als An-
hang nicht aber als Abschluss des Pentat euchs angesehen werden
dürfte.
Jos. 1 ist rein deuteronomistisch, d. h. von dem Schriftsteller,
der das deuteron. Gesetz in die Geschichte eingefügt und die Ge-
schichte nachdem deuteron. Gesetz bearbeitet hat, von dem Deu-
ter onomisten, wie man ihn im Unterschied von dem Autor des
eigentlichen Deut, bezeichnen kann. Ygl. Kuenen, Onderzoek^ I.
p. 184 n. 3, Hollenberg, Stud. und Krit. 1874 p. 473—478. Dass ^
nicht der Vf. des Deut, auch Jos. 1 verfasst habe, folgert H. mit
Recht aus der Yergleichung von Jos. 1, 3 — 5 mit Deut. 11, 24s.
„Est ist schwer glaublich, dass ein Schriftsteller selbst sich auf diese
Weise ausschreiben sollte, zumal dann nicht, wenn er die Worte
zuerst in einem ganz anderen Zusammenhange und an eine andere
Adresse hatte sprechen lassen. Der Vf. von Jos. 1 hat sogar irr-
tümlich geglaubt, in der von ihm benutzten Stelle rede Gott, dem
Vf. des Deut, wäre ein solcher Irrtum schwerlich entschlüpft. Es
liegt also hier deutlich die Benutzung der deuteron. Schrift von
Seiten eines anderen Vf. vor."
Mit der Eroberung Jerichos (Kap. 2 — 6) beginnt die Erzählung
von JE; vgl. Sittim 2, 1, nicht Arboth Moab wie in Q und Deu-
teronomium. In der Geschichte von den Kundschaftern Kap. 2
scheint der Jehovist nur Einer Vorlage zu folgen; denn die unbe-
trächtlichen Inconcinnitäten, die besonders in den Zeitangaben zu
Anfang des Kap. vorkommen, rechtfertigen nicht die Annahme
mehrerer Quellen; v. 4a ist vielleicht eine vorgreifende Glosse. In
V. 10. 11 haben Kuenen und Hollenberg Spuren des Deuterono-
misten erkannt, im Ganzen aber ist die Rede Rahabs, in der sie
tut, „als habe sie den ganzen Pentateuch gelesen," jehovistisch,
s. 9, 9 — 11. 24. Verwickelter ist die Erzählung vom Übergang über
wieder Juda, unklar von wo aus. Die übrigen Stämme schliessen sich an,
können aber z. T. nicht zu festen Sitzen gelangen. Das Bewusstsein, dass
nicht Gesamtisrael auf einmal, sondern zuerst Rüben, dann Juda und Joseph
Fuss fa-ssten, ist selbst im B. Josua noch nicht verloschen; vgl. 18, 2 ss.
118 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
den Jordan Kap. 3. 4. Nach 3, 1 bleiben die Hebräer nur noch
eine Nacht jenseits des Jordans, dem entsprechend sagt Josua v. 5,
morgen solle der Übergang stattfinden. Was aber zwischen v. 1
und 5 steht, fügt sich diesem Termine nicht, die drei Tage
V. 2 rechnen von 1, 11 an. Was auf v. 5 zunächst folgt, gehört
zu V. 2 — 4, der Befehl v. 6 ist durch v. 3. 4 vorbereitet, und die
587 Eröffnung v. 7. 8. verträgt sich wenigstens recht wol damit, während
sie im Vergleich zu v. 5 post festum kommt. Also wären v. 1.
5. auf die eine und v. 2 — 4. 6 — 8 auf die andere Seite zu
stellen. In 3, 9 — 17 könnte man wegen „der Priester, der Träger
der Lade" die Fortsetzung von v. 2 — 4. 6 — 8 zu erkennen geneigt
sein. Aber in letzteren Versen heisst die Lade regelmässig die
Lade des Bundes (Jahves) v. 3. 6. 8, in v. 9ss. niemals, wenn
man genauer zusieht. Denn dass in v. 14 n''~^.D.n hinter ]n,iSn ein-
geschoben ist, beweist der Artikel des Status constr., und wenn
der ebenfalls sprachwidrige Ausdruck i:n jnN' v. 11 mit dem fast
ganz entsprechenden in v. 13 verglichen und in Betracht gezogen
wird, dass, wie bes. die Sept. lehrt, die spätere Tendenz dahin
geht, die Lade des Bundes zu bevorzugen, so wii*d derselbe nicht
etwa durch Streichung des letzten Genetivs, sondern durch Ver-
wandlung von H'^'llin in mn"' zu corrigiren sein. Erweist sich nun
in diesem wichtigen Punkte der Sprachgebrauch in v. 9 — 17 als
constant verschieden von dem in v. 2 — 4. 6 — 8, so werden wir
genötigt, die ersteren Verse mit v. 1. 5. zu verbinden. Dafür
spricht auch der Umstand, dass v. 9—17 wenigstens im Kern füi*
den pragmatischen Fortschritt notwendig sind: nun aber sind
V. 2—4. 6—8 deuteronomistisch (vgl. 1, 10s. 1, 5. Deut. 2, 25),
dagegen v. 1. 5 jehovistisch (s. Sittim v. 1 und vgl. v. 5 mit
Exod. 19, 10s. Num. 11, 18. Jos. 7, 13), also vermutlich dem eigent-
lichen Faden der Erzählung integrirend. Dass eine deuterono-
mistische Überarbeitung von v. 9 — 17 stattgehabt hat, ist möglich
und wahrscheinlich ; dadurch wird u. a. die ursprüngliche Verbin-
dung von V. 5 mit 9 oder (da dieser Vers selber einen deuter.
Anflug in DD^I^N aufweist und sehr überflüssig ist) mit v. 10 un-
kenntlich gemacht sein. Doch glaube ich nicht, dass auch die
Priester, als Träger der Lade erst auf Eintragung des Deuterono-
misten beruhen.
Ist aber 3, 10 — 17 in sich einheitlich? Mit Rücksicht auf die
Isolii'ung von v. 12 und die augenscheinliche Überfüllung von
Josiia 1—24. 119
V. 15. 16 wird man diese Frage kaum bejahen können, um so we-
niger, da die Fortsetzung 4, Iss. noch deutlichere Merkmale der
Zusammensetzung an sich trägt, die ich darum zunächst ana-
lysiren will. Nur scheinbar schliesst sich hier v. 4 an v. 1 — 3
an; denn nach y. 1 — 3 müssten die zwölf Träger erst ausgewählt
werden, die in v. 4 als- längst bestellt gelten (vgl. 3, 12.) Die
wahre Fortsetzung von v. 3 ist v. 8, wie die völlig übereinstimmende
Sprache beweist. Nun ist in v. 8 zwar wol von den zwölf Steinen 588
die Rede, aber als das Subjekt der Verba erscheinen hier nicht
wie in v. 3 die zwölf Träger, zondern einfach die Kinder Israel.
Genau die selben Yerba in genau der selben Reihenfolge wiederholen
sich V. 3 und v. 8 — sollte die A^erschiedenheit des Subjekts etwas
Ursprüngliches sein? Vielmehr sind auch in v. 3 ursprünglich
durchweg schlechthin die Israeliten angeredet (CDOy, ^j''bn), v. 2
und die drei ersten Worte von v. 3 sind ein redaktioneller Aus-
gleichungsversuch; in der Quelle Nr. 1 (= v. 1. 3. 8) gab es keine
besonders erwähnten zwölf Träger, sondern nur in Nr. 2 (:= 4, 4 — 7.
3, 12). Weiter fördert uns v. 9, ein Pendant zu v. 8 und darum
nicht mit diesem Yerse, sondern mit 4, 4 — 7 zu verbinden. In
Nr. 1 werden die Steine auf dem Lande an der Stelle, wo das
Volk nach dem Übergange das erste Nachtlager macht, aufge-
richtet, in Nr. 2 mitten im Jordan selbst. Nun geht erst das Ver-
ständnis von 4, 5 auf; die Worte sind vor dem Über gange
gesprochen, die Träger sollen beim Aufbruch die Steine vom Ost-
ufer mitnehmen, mit ihnen vor der Lade herziehen und sie dann
V. 9 im Bette des Jordans an dem Stande der Priester auf-
stellen'). Wähi'end wir uns nach Nr. 1 längst am anderen Ufer
und im Quartier befinden, stehn wir in Nr. 2 v. 4s. noch vor
dem Durchgang, v. 9 sind wir mitten darin begriffen — evident
wird dieser Sachverhalt dadurch bestätigt, dass in v. 10 am
Schluss „das Yolk eilt hinüberzugehn", und dass erst mit v. IIa
der Punkt erreicht wird, auf dem wii' in Nr. 1 bereits 4, 1 ange-
langt waren (vgl. ^i:n 3, 17. 4, 1 mit üVn 4, 10s.).
Einige Grundzüge zur Charakteristik der beiden Versionen sind
damit angegeben, auf eine durchgeführte Scheidung verzichte ich,
^) Wie der Vergleich mit y. 8 lehrt, ist der Ausdruck 'H '1 ÜiiD in v. 3
aus Nr. 2 eingetragen. Möglich, dass Lade und Priester in Nr. 1 ursprünglich
überhaupt nicht Yorkamen; für Nr. 2 sind sie wesentlich. Tgl. zu Kap. 6.
120 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
weil die Bearbeitung zu stark eingegriffen und die Glieder nicht
immer in der Reihenfolge ihres ursprünglichen Zusammenhangs ge-
lassen hat. In 3, 10 — 17 gehören zu Nr. 2 ausser v. 12 noch die
Hälften von v. 15 und 16. Als Fortsetzung von 4, IIa ist nicht
V. IIb, sondern v. 15 — 18 anzusehen (= Nr. 2); v. IIb ist eine
Yorausnahme des ursprünglichen Nachsatzes, die aus dem Grunde
eingesetzt worden ist, weil die grosse Parenthese v. 12 — 14 die Ver-
bindung von V. IIb und 15 unterbrach. Diese Parenthese selbst
589 ist deuteronomistisch, ebenso wie v. 20 — 24 und vielleicht auch
V. 6. 7. — Mit Q hängt zusammen 4, 19; ob aber dieser Vers
Fragment einer einst vollständigen Erzählung ist, ist sehr die
Frage, nnyn V. 16 beweist nicht den aus anderen Gründen un-
möglichen Ursprung des Yerses aus Q, sondern nur, dass ein an
den Sprachgebrauch von Q gewöhnter letzter Redaktor hier tätig
gewesen ist.
Der Faden der Erzählung läuft über 5, 1 (vgl. zu 9, 1) weiter auf
Kap. 6, inzwischen werden an einem passenden Ruhepunkte drei bloss
durch den Ort zusammengehaltene Geschichten eingesetzt. — über
5, 2 — 9 (gleichartig mit der Tradition von JE) hat Hollenberg
a. 0. 493s. gut gehandelt und gezeigt, dass der ursprüngliche
Text bestehe aus v. 2. 3. 8. 9. Die Beschneidung ist bisher bei
den Ägyptern üblich, bei den Israeliten unbekannt gewesen, wes-
halb diese von jenen geschmäht werden. Diese Tradition steht
zwar mit Exod. 4 im Einklang, aber im Widerspruch zu der ge-
wöhnlichen Annahme (Gen. 17. Kap. 34) und wird daher v. 4 — 7
authentisch interpretirt ; mit der Glosse hängt n''3l^' • • • D.^l^'l v. 2
zusammen^). Die Sept. sprach Üti^l, fand also n^J^' nicht vor und
in der Tat fehlt ix Ssuispou in dem wichtigen Cod. 108 und im
Yaticanus. Ygl. übrigens Sept. 24,31. — Die Yerse 5, 10 — 12
hängen zusammen mit 4, 19 und mit Q. Da man von der Frucht
des Landes nicht essen darf, ohne die Erstlingsgarbe dargebracht zu
haben, so war es ^eine Notwendigkeit, dass die Israeliten gerade zu
Ostern in Kanaan einrückten; vgl. 3, 15. 4, 18. 1. Chr. 12, 15. —
Y. 13 — 15 (gleichartig mit JE) enthalten eine Theophanie, welche
die Heiligkeit der Bama von Gilgal inaugurirt und darum keines-
wegs so zwecklos ist, wie man gemeint hat.
J) Mit dieser Art harmonistischer Yerdopplimg vgl. das p. 18 zu V^.'^^Z'
Gen. 22, 15 Gesagte und nicht minder die Erörterung zu 1, Sam, 11, 12 — 14
(t^nn^) im Text der Bücher Samuelis.
Josua 1—24. - 121
Dass die Erzählung von Kap. 6 verworren ist, betrachte ich
als zugestanden. Ich scheide den einfachsten Bericht so aus.
Josua erhält Befehl, die Stadt Jericho sieben Tage lang umziehen
zu lassen (v. 3. 4 z. T.) und weist das Volk demgemäss an, ihm
strenges Schweigen einschärfend, bis er zu lärmen gebiete v. 10.
Sie tun das den ersten Tag und die folgenden (v. 11. 14), bis am
siebten Josua zum Sturm auffordert (v. 15 a. 16 b. 17 — 19).
Da erhebt das Yolk das Kampfgeschrei und stösst in die
Posaune (v. 20 Anf.), die Stadt fällt. Ich fusse auf den beiden
ersten Sätzen von v. 20. Das Yolk blässt hier die Posaune, und 590
zwar nachdem oder indem es den Kriegsruf erhebt; das Posaunen-
blasen ist ein Teil des Hurrah, nicht das Signal dazu. Dadurch
entsteht eine innere Beziehung zu v. 10: bei den Umzügen herrscht
tiefe Stille, bis Josua sagt ly^in^ nicht: bis die Priester das Zeichen
blasen. Zu v. 10 gesellt sich unmittelbar v. 16b und mittelbar,
da V. 12. 13 durch Priester und Posaunen ausgeschlossen werden,
V. 14. 15 a und v. 11 — wo wegen der folgenden pluralischen
Yerba und wegen der Analogie von v. 14 12.0^1 zu lesen und die
Lade Jahves als redaktioneller Einsatz zu betrachten ist. Teile
von V. 3. 4 und vielleicht von v. 7 bilden den Anfang dieser
Yersion, bei deren Ausscheidung man zu berücksichtigen hat, dass
ihr die sieben Priester mit Posaunen, die Lade und der ganze com-
plicirte Zug fremd sind. Sie redet nur vom Yolk und Josua; am
siebten Tage, scheint es, lässt sie nicht anders wie an den sechs
vorhergehenden Tagen die Stadt nur einmal umziehen, s. t^^Sii^OD
Hin V. 15 und CV "iy V. 10.
Daneben existii-t ein Bericht Nr. 2, dessen Selbständigkeit sich
abgesehen von v. 20 besonders aus der Stellung von v. 12. 13
zwischen v. 11 und v. 14 ergiebt. In v. 12 s. handelt es sich in
Wahrheit um der ersten Umzug, demi nur bei diesem rechtfertigt
sich die Umständlichkeit der Angaben^); wir haben hier also eine
ganz auf eigenen Füssen stehende Parallele zu v. 11, welche diesen
Yers von seiner wahren Fortsetzung v. 14 trennt. Nach Nr. 2 soll
der Zug so zusammengesetzt sein: 1) die Yorhut (hier aber keines-
1) Nach der jetzigen Textredaktion sollen v. 12. 13 auf den zweiten Um-
zug bezogen und mit y. 14 verbunden werden. Dies hängt damit zusammen,
dass die Yerse 8. 9, die nur als Befehl einen Sinn geben, jetzt so gewendet
sind, dass sie die erstmalige Ausführung des Befehls erzählen.
122 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
wegs = die 272 Stämme), 2) sieben Priester mit Posaunen, 3) die
Lade, 4) das übrige Heer. Das Signal geben die Priester durcb
das Blasen der Posaunen, beim siebten Umzüge, ursprünglich wol
des ersten Tages ^) ; dann erfolgt das Kriegsgeschrei. Die Ordnung
des Zusammenhangs lässt sich ungefähr so herstellen. Zuerst die
Anweisung Josuas durch Jahve v. 3 — 5 z. T. Sodann der nötige
Unterricht an die Priester, in deren Hand hier ja das Signalgeben
gelegt wii*d v. 6. Dann der Befehl ans Volk, betreffend die An-
591 Ordnung des Zuges v. 7 — 9. (Da v. 7 für sich völlig fragmentarisch
ist, so muss sich in v. 8. 9 ursprünglich der Befehl fortsetzen
und die Ausführung desselben erst v. 12. 13 berichtet werden.
Der erste Satz von v. 8, der in Sept. fehlt, ist später zugesetzt,
wol auch der mit v. 7 identische Teil von v. 9). Darauf, am
folgenden Tage, die Ausführung des Befehls v. 12. 13, wozu aus
V. 15 □^C^yD V^^ zu ziehen ist — v. 15b ist redaktionelle Glosse.
Endlich der Erfolg, v. 16a und v. 20 von ^Dt^^ ^n^) an.
In diese zweite Version ist dadurch Verwirrung gekommen,
dass die Posaunen von vornherein geblasen und dazu dem ganzen
Heere gegeben werden. Wie sollen dann bei dem allgemeinen
Lärmen die Priester noch iln* Signal zur LTnterscheidung und zur
Geltung bringen! Einzig die Priester dürfen in Nr. 2 Posaunen
führen und blasen müssen sie erst beim letzten Umzüge — vorher
tragen sie sie nur (c\Xl^'J v. 6. 8. 13). Die dem widersprechenden
Angaben in v. 8. 9. 13 sind als Zusätze anzusehen und entstanden
entweder aus naiver Freude am Fortissimo oder aus zufälligeren
Anlässen. — In Nr. 1 halte ich die Vorbereitung auf Achan und
die Rücksichtnahme auf Rahab füi* Einsätze des Jehovisten. Aber
der Bann selbst und der Schatz Jahves sind alt und stammen aus
der Vorlage (= v. 17 a 19. 21. 24). Als ein harmonistisches
Produkt des Schi'iftstellers, der Nr. 1 und Nr. 2 verband, sehe ich
die Angaben an, wonach die Stadt an den sechs ersten Tagen je
einmal und am siebten Tage siebenmal umkreist wurde.
Kap. 7 enthält die vom Jehovisten, der v. 7 — 13 unverkennbar
ist, dem Zusammenhang seiner Quellen eingefügte Erzählung über
Achans Diebstahl. Sie ist ganz aus einem Guss, einige scheinbare
Wiederholungen fallen weniger der literarischen, als der Textkritik
^) Auf diese Weise wurde gegen Nr. 1 die Sabbathsordnung aufrecht er-
halten.
Josua 1—24. 123
anheim. So ist v. 2 'p^^*n'':iS DIp^O Glosse, die Sept. fand weder
sie vor, noch ihre Y eranhissung , nämlich die Verdrehung des
Gotteshauses in ein Teufelshaus. Ausserdem giebt es \. 24 und
V. 25 beträchtliche Zusätze. Der MT. ist zu verstehn: „Josua
nahm den Achan und die gestohlenen Sachen und seine Söhne
und Töchter und sein Vieh und sein Zelt und all seine Habe,
(Josua) and ganz Israel mit ihm und sie führten sie hinauf zum
Tal Achor .... und steinigten ihn (den Achan) und verbrannten
sie (die gestohlenen Sachen) und steinigten sie (die Söhne, Töchter,
Tiere)." Aber die Worte )t2V b^^^'' bj) v. 24 können nicht von
Haus aus so weit von yt^ini getrennt gewesen sein, sondern müssen
unmittelbar hinter FHl gestanden haben. AVar nun v. 24 bloss von
Achan die Rede — ebenso wie v. 26 bloss über ihm der Hügel 592
aufgerichtet wird — , so wird man den Schluss von v. 25 (i:n 1S"ll^''l)
für späteren (und zwar in zwei Absätzen erfolgten) Einsatz und
den Plural CP^J v. 24 für Korrektur halten dürfen. Das Verbrennen
beruht auf v. 15, aber v. 14. 15 unterliegen selber dem Verdacht,
den allgemeinen Befehl v. 13 ex eventu (nach v. 16 ss.) zu specia-
lisiren.
In der Erzählung von der Zerstörung Ais stösst man in 8, 12.
13 auf die Reste eines von dem massgebenden stark -verschiedenen
Berichts. Hier ordnet Josua erst, nachdem er und ganz Israel vor
Ai angelangt sind, den Hinterhalt an, schickt ihn nicht schon von
Gilgal in der Nacht voraus, ehe er selbst am anderen Morgen mit
dem Hauptheere folgt. Da die Stärke des Detachements in v. 12.
statt auf 30000 auf 5000 Mann angegeben wird, so scheint dies
der einfachere und der primäre Bericht (Nr. 1) zu sein'), wozu
stimmt, dass er auch der kürzere ist. Im Vorhergehenden gehört
V. 3a dazu, wo Josua im Widerspruch zu v. 3b — 11 gleich mit
gesamter Macht von Gilgal aufbricht. Zwischen v. 3 a und v. 12.
^) An gegenseitige Unabhängigkeit ist niclit zu denken. In v. 9. 11
lagert der Hinterlialt zwischen Bethel und Ai westlich vonAi, Josua und das
Volk nördlich von Ai, durch ein Tal davon getrennt, in v. 12. 13 finden sich
genau die selben Angaben, nur dass Josua im Tal selber übernachtet. Be-
sonders schlagend würde der Vergleich des letzten Satzes von v. 9 mit dem
von V. 13 sein, die Worte sind die selben, nur dass sie v. 9 bedeuten, Josua
sei die Nacht noch in Gilgal geblieben, v. 13, er habe sie vor Ai zugebracht.
Aber die Wiederholung am Schluss von v. 13 beruht wol auf Versehen, zu
ÜV poy vgl. -pn pbn 1. Reg. 21, 23. IL 9, 36.
124 t)ie Erzählimg der übrigen Bücher des Hexateiichs.
13 fehlt nichts Wesentliches, dagegen ist es nicht möglich, diesen
Faden in v. 14 — 29 weiter zu verfolgen. Eine Spur desselben
verrät sich vielleicht in i:il lu^Tl^""! v. 14; denn nach dem Haupt-
bericht (Nr. 2) scheint selbigen Tages, an dem die Israeliten etwa
nachmittags ankommen, der Kampf loszugehn, „sobald der König
von Ai ihrer ansichtig ward." Die Sache wüi'de noch klarer sein,
wenn man "lyiD^ nach 2. Sam. 24, 15 als einen Terminus für die
Yesper verstehn und demgemäss 'IL^V PID?^ lesen darf. Eine wei-
tere Spur könnte man in v. 20 vgl. mit v. 21 finden, unzweifel-
haft wird wenigstens v. 20 c in dem folgenden Verse nicht voraus-
gesetzt. Durchschlagendere Ergebnisse wüi'de die Verwertung der
Beobachtung haben, dass dem Hinterhalt in der Anweisung v. 4 — 8
593 das (doch auf Verabredung beruhende) Zeichen nicht mitgeteilt
wird, worauf er v. 18. 19 nach der gegenwärtigen Gestalt der Er-
zählung losbricht, dass ferner in v. 26, einem verloren stehenden
Fragment, das Hochheben der Lanze gar nicht zum Signal dient,
und das dies endlich auch der Natur der Sache nach schwer
möglich ist. Hiernach scheinen in der Tat v. 18. 26 Reste von
Nr. 1 zu sein. Die Lanze Josuas nimmt hier die selbe Stelle ein
wie der Stab Moses, auch die Ausdrücke erinnern an E. Das
"jT" m^jü V. 20 ist dann dem Zusammenarbeiter von Nr. 1 und 2
zuzuschreiben, durch den die sakramentale Handlung zu einem
überflüssigen und wenig zweckmässigen Zeichen herab gedi'ückt
wurde. — Beachtung verdient, dass die Sept. die aus der Verbin-
dung der zwei verschiedenen Versionen entstandenen Anstösse fast
alle beseitigt hat. So fehlen v. 12. 13, ebenso in v. 14 die beiden
widersprechenden Zeitbestimmungen, ferner in v. 20 der letzte
Satz, endlich ganz v. 26. Ein ähnliches Verfahren der Sept. (oder
iln-es Textes) lässt sich auch sonst im Buche Josua nachweisen.
Dem MT. auf der anderen Seite lässt sich kein besseres Zeugnis
ausstellen, als dass er die literarische Analyse in solchem Umfange
und in solcher Genauigkeit möglich macht.
In dem an sehr unpassender Stelle eingefügten Stücke 8, 30
bis 35 tritt der Deuteronomist deutlich hervor, dessen überarbeitende
Hand übrigens auch in Kap. 6 und 8 in kleinen Zusätzen gelegent-
lich zu erkennen ist, z. B. 6, 2. 8, 1 und z. T. 8, 29. Zu dem,
was Hollenberg p. 478 — 481 ausgeführt hat, füge ich nur hinzu,
dass der griechische Text noch zu verraten scheint, dass 9, 1. 2
ui'sprüngiich unmittelbar auf 8, 29 folgte, übrigens ist dieser
Josua 1—24. 125
Übergang selber, herrührend von dem Yerf. von 2, 9 s. 6, 27. 5,
1, durchaus sekundären Ursprungs; die Allgemeinheit der Aussage,
conform der Vorstellung, dass Josua das ganze Land erobert und
den neun Stämmen zu Füssen gelegt habe, steht ebenso wie 5, 1
in einem seltsamen Misverhältnis zu der folgenden sehr lokalen
Affäre, die dadurch eingeleitet wird.
Aus 9, 2 — 27 hat man für Q abzuscheiden v. 17 — 21 und
V. 15 c (bis zum Athnach). Als einen deuteronomistischen Nachtrag
sieht Hollenberg v. 22 — 27 an, aber diese Yerse setzen vielmehr'
V. 16 fort, wie Nöldeke richtig angiebt: es fehlt dazwischen nur
die Nachlicht, auf die v. 26 sich bezieht. Deuteronomistisch ist
die nach v. 23 von dem Fragsteller gar nicht erwartete Antwort
V. 24. 25, jedoch nicht deshalb, weil hier der nur im Deuterono-
mium sich findende Befehl zur Yertilcruno; der Einwohner des
Landes vorausgesetzt wird, sondern deswegen, weil die sprachlichen 594
Wendungen v. 24 und die Übereinstimmung von v. 25 mit
Hierem. 26, 14 darauf führen. In v. 27 rühi't die Apposition
"•'N* D'IpD^■^^^ von dem Deuteronomisten, der Zusatz ) nivh vom
letzten Redaktor her.
In dem Reste hat Hollenberg p. 496 zwei Bestandteile unter-
schieden. Es ist nicht zu verkennen, dass v. 8. 9 von frischem
anhebt, als wäre v. 6. 7 nicht vorhergegangen. Zudem verhandelt
hier Josua, dort der Israel. Mann. Vgl. v. 7, woraus zu
schliessen, dass entweder der Anfang von v. 6 eigentlich zu v. 8
gehört, oder dass Josua daselbst vom Harmonisten nachgetragen
worden. Da nun v. 8 von v. 9 — 11 nicht wol zu trennen ist,
V. 12 — 14 dagegen hinter dem offenbaren Abscliluss am Ende von
V. 11 neu ansetzen, so erblickt Hollenberg in den letzteren Versen
die Fortsetzung von v. 6. 7, wozu er dann auch v. 4. 5 hinzu-
nimmt. Es entsteht dadurch ein nahezu vollständiger Zusammen-
hang, bis auf den mangelnden Schluss, denn mit v. 14 kann die
Sache nicht abgetan sein. Die Nichterwähnung Josuas und die
frappante Singularconstruktion in v. 6. 7 führen auf J als Quelle
dieser Version. Der zweite jehovistische Bericht, der von v. 15
an, wie es scheint, ausschliesslich befolgt wird, nähert sich an Q:
ein ähnliches Verhältnis der drei Bestandteile wie Num. 16. Vgl.
V. 16 nach drei Tagen mit v. 17 am dritten Tage, und
namentlich die Knechte der Gemeinde mit den Knechten
des Hauses resp. Altars Jahves (gegen Ez. 44).
126 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Die Befreiung Gibeons von der Belagerung 10, 1—15 ist eine
geschlossene jeliovistisclie Erzählung, allerdings mit einzelnen späteren
Zusätzen, die aber keinen zweiten Faden darstellen. Deuterono-
mistisch sind in v. 1 der Satz A^on "^t^ND bis HD'pdS ferner ganz
V. 8, nach Hollenberg auch v. 12—14. Gewiss sind diese letzten
Yerse Nachtrag und ohne Zweifel führen einige Wendungen auf
den Deuteronomisten, aber derselbe ist doch nicht als der eigent-
liche Verfasser anzusehen. Denn v. 13b und v. 14a sehen ihm
gar nicht ähnlich, zu geschweigen von 'N "»i;! C)p^ "ly, was man nach
Streichung der eingeschobenen Präterita mit zum Liede rechnen
kann.
Mit 10, 15 ist die Verfolgung abgeschlossen, nach wol voll-
brachter Sache kehrt Josua mit dem Heer zurück in das Lager
nach Gilgal. Daraus folgt evident, dass v. 16 — 27 später angehängt
sind, um die in dem älteren Berichte verabsäumte Erwürgung der
fünf Könige nachzuholen, in einer ähnlichen Tendenz, wie sie die
595 tyrannenhasserischen Zusätze in 10, 1. 6, 2 verfolgen. Der Deute-
ronomist scheint diesen Nachtrag schon vorgefunden und nur hie
und da (10, 27) überarbeitet zu haben. — Ein zweiter Anhang
ist V. 28 — 43. Die in der Höhle von Makkeda begrabenen Könige
w^erden hier noch einmal umgebracht, ursprünglich nach v. 42
ausser Adonibezek wol alle, nicht bloss der von Hebron. Hollen-
bergs Einwand gegen Nöldeke trifft nicht (a. 0. p. 499), ohne
die Inconsequenz der Redaktoren stünde es füi* die Kritik schlimm.
Zu 10, 1—15 verhält sich 10, 28—43 ähnlich wie 11, 10—20 zu
11, 1 — 9, und wie dort, so tritt auch hier die Hand des Deutero-
nomisten so hervor, dass man diesen als den eigentlichen Ver-
fasser ansehen darf. Es erhellt dies namentlich aus v. 40 — 43,
einem Schluss, der nicht bloss äusserlich angehängt ist, sondern
aus den Einzelposten die von diesen selbst vorgesehene Summe
zieht. Wenn Nöldeke meint, die eigentliche Quelle sei Q, so findet
sich nicht ein einziger dafür bezeichnender Ausdruck, und bei der
stereotypen Sprache dieser Schrift genügt das zur Widerlegung.
Die in v. 28 — 43 herrschende Vorstellung, wonach Josua ganz
Kanaan zur tabula rasa macht, um es dann herrenlos und menschen-
leer der Verlosung zu unterbreiten, findet sich nicht bloss in Q,
sondern auch sonst, namentlich beim Deuteronomisten. Diesem ist
es sogar ein Hauptzweck, die beschränkteren Angaben seiner
Quellen so zu erweitern, dass daraus die volle Erfüllung der Ver-
Josua 1—24. 127
heissung, d. h. die totale Eroberung des Landes durch Josua und
die Säuberung desselben von den alten Bewohnern hervorgehe,
vgl. 21, 43 — 45. So ist in dem Kern von Kap. 10 nur die Ent-
setzung Gibeons erzählt, daraus wird dann in der deuteronomistischen
Schicht, die sich daran setzt, die Einnahme und Pacificirung des
ganzen Judas. Ähnlich werden in Kap. 11 die bescheideneren
Grenzen, in denen sich nach der älteren Tradition die kriegerische
Tätigkeit Josuas hält, durch die deuteronomistische Bearbeitung ins
Allgemeine erweitert.
Der Kern von Kap. 11 ist in v. 1 — 9 enthalten. Josua kommt
darnach dem Angriffe der vier Könige des Nordens, die sich wider
ilm verbündet haben, durch einen plötzlichen Überfall ihres Lagers
bei der Quelle von Maron zuvor, verfolgt den Sieg aber nicht weiter,
als dass er die Rosse entsehnt und die Wagen verbrennt, und kehrt
dami zurück, walu"scheinlich nach dem m'sprünglichen Bericht ins
Lager zu Gilgal v. 10. Dem Abschlagen der Angreifer lässt der
Deuteronomist, der schon in v. 2. 3 die älteren Angaben verall-
gemeinert hat, die Eroberung des gesamten Nordens folgen v. 10 — 15, 596
so dass nun ganz Kanaan den Israeliten zu Füssen liegt v. 16 — 20.
Zu V. 16 — 20 ist vielleicht der Schluss von v. 23 hinzuzunehmen,
im Übrigen sind die Verse 21 — 23 ein Anhang von noch späterem
Ursprung.
Über die Herkunft von Kap. 12 entscheidet natüidich nicht
die bloss aus Eigemiamen und Zahlwörtern bestehende Tabelle
V. 9 SS., sondern die Einleitung v. 1 — 8. Diese weist nirgends eine
Spur von Q auf, dagegen viele Merkmale des Deuteronomisten,
s. Höllenberg p. 499 s. Man hat keinen Grund, ihn nicht für den
Verfasser des ganzen Kapitels anzusehen. Aus einer der ursprüng-
lichen Quellen des Jehovisten ist dasselbe jedenfalls nicht entlehnt,
denn diesen ist die Vorstellung von Josua als Besieger von dreissig
Königen fremd. Nach 24, 12 (Sept.) schlägt er zwei Könige der
Amoriter, nach Kap. 6 — 11 nimmt er Jericho und Ai mit Gewalt,
Gibeon durch Vertrag ein, befreit letztere Stadt von den fünf süd-
lichen und überwindet dann noch die vier nördlichen Könige.
2. Wähi'end die Erzählung über die Kriege Josuas höchstens
verlorene Spuren von Q aufweist, wird uns die Verteilung der
Stamm gebiete vorzugsweise aus dieser Quelle mitgeteilt. Man
rechnet zu iln* 13, 15 — 14, 5. Kap. 15 (ausg. v. 13 — 19 und einiges
andere) 16, 1—8. 17, 1—10. 18, 1. 11--25. Kap. 19 (ausg. v. 49.
128 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
50) Kap. 20 (ausser einigen Zusätzen) Kap. 21. 22, 9—34. Die
Einzelheiten der Ausscheidung seien zunächst dahingestellt. Zweifel-
haft ist die Natur des einleitenden Stückes 13, 15 — 33; es ist
zwar durchaus in Anlehnung an Q geschrieben, jedoch avoI von
sekundärer Hand; s. v. 21. 30 — 33 und vgl. ausserdem 14, 3, welcher
Yers nicht gut auf etwas ganz frisch Erzähltes hinweisen kann.
Fraglich ist ferner, ob der Zusammenhang von Q, dessen wesent-
liche A'^ollständigkeit unbestreitbar ist, ganz in der ursprünglichen
Ordnung vorliegt. Es scheint eine kleine Umstellung stattgefunden
zu haben und dadurch die Vorstellung über den ganzen Hergang
bedeutend modificirt zu sein. Der Yers 18, 1 muss seinen Platz
vor 14, 1 — 5 gehabt haben. Denn nur an dieser Stelle hat der
Satz „das Land lag ihnen unterworfen zu Füssen" in Q
einen Sinn, und wie 19, 51 die allgemeine, nicht etwa bloss für
Kap. 18. 19, sondern füi* Kap. 14 — 19 giltige Unterscluift ist, so
entspricht ilu' 18, 1 und 14, 1 als allgemeine Überschrift. Warum
sollte auch, da ja in Q Juda Manasse und Ephraim gleichfalls ilu*
597 Erbteil durch das Los angewiesen bekommen, bloss für die übrigen
sieben Stämme hervorgehoben werden, dass ihre Lose an heiliger
Stätte geworfen seien? Vielmehr geht die Verlosung in Q, da sie
das unterschiedslose Verfahren ist, von vornherein vor dem hl. Zelte
in Silo vor sich, und 18, 1 ist eigentlich die Einleitung zu 14,
1 — 5. Aus dieser Annahme fliesst freilich die Konsequenz, dass
die Numerii'ung der Lose in Kap. 19 überall nicht zu Q gehöre;
diese Konsequenz hat aber auch mehr für als gegen sich. Es
findet sich nämlich grade in den Einleitungsformeln mehrfach eine
Doppelheit des Ausdrucks, die kaum aus irgend einer schrift-
stellerischen Absicht oder Gewohnheit zu begreifen ist. Wozu,
nachdem ])V'0\L>'h gesagt ist 19, 1, noch 'Ei^ 'ü n^^üb hinterdrein?
Ähnlich V. 17. 32. Man kann das nur aus mechanischer Ver-
bindung zweier Quellen erklären. Wenn dieselbe in anderen
Fällen (v. 10. 24. 40) nicht so ungeschickt vollzogen ist, so kann
das nicht befremden; wol aber ist es auffallend, dass 18, 11, an
der ersten und markirtesten Stelle, die Ordinalzalil fehlt; hier haben
wir noch die originale Einleitungsformel von Q in ihrer einfachen
Gestalt. In Q wurden die drei ersten und die sieben folgenden
Stämme ganz auf gleicher Linie und in ununterbrochener Reihe
behandelt; wenn die Lose Nummern erhalten hätten, so würde das
Benjamins als das vierte bezeichnet worden sein.
Josua 1—24. 129
Der Zweck der Umsetzung von 18, 1 ist, Anschluss an die
jeliovistische Tradition zu gewinnen. Nach der ursprünglichen Form
dieser letzteren nelnnen Juda und Joseph ihr Land vorab in Besitz,
nach Anweisung, nicht nach dem Lose; das Ülnigbleibende wird
hernach von Silo aus (nach einer anderen Version vielleicht von
Sichem aus, siehe die charakteristische Korrektur der Sept. zu 24,
1. 25) unter die anderen Stämme verlost. Die jehovistische Tra-
dition steht völlig selbständig und unabhängig nel3en der des Yier-
bundesbuchs. Sie ist freilich nur in Resten erhalten, aber diese sind
eben als Fragmente keine Ergänzungen. Grossenteils vertragen sie
sich auch nicht mit dem Hauptbericht. Z. B. steht es in völligem
Widerspruch zu dem letzteren, wenn in 17, 14 — 18 Ephraim und
Manasse als Stamm Joseph zusammen nur Ein Stammgebiet be-
kommen. Es gelingt leider nicht, den jehovistischen Bericht zu
reconstruiren, doch will ich versuchen, seine Teile zu sammeln und,
so gut es geht, zusammenzusetzen.
Derselbe ist auch liier bereits deuteronomistisch überarbeitet ge-
wesen, als er von dem letzten Redaktor mit Q A^erbunden wurde.
Wie Hollenberg p. 500 nachweist, rührt der grösste Teil von 13,
1 — 14 vom Deuteronomisten her, vielleicht nur v. 1 und 7 nicht; 598
doch scheinen die 972 Stämme in v. 7 bedenklich und ich be-
zweifle, dass 13, 1 an diese Stelle gehört. Auch 14, 6 — 15 ist ganz
deuteronomistisch, eine vorbereitende Sanktion des Faktums 15,
13 — 19; s. Hollenberg p. 501s. Bemerkenswerter Weise wird 14, 6
besonders hervorgehoben, Gilgal sei die Scene gewesen: zum Be-
weise, dass der Yf. den jehovistischen Zusammenhang voraussetzt^).
In Kap. 15 lassen sich ausser v. 13 — 19 nur wenige Spuren
von JE erkennen. Jenes eine Stück setzt aber nach '"> "2. "jinn v. 13
voraus, dass vorher auch in JE das Gebiet Judas beschiieben worden
war. Zwei Reste dieser Besclu'eibung sind uns noch erhalten.
Erstens der Scliluss von v. 4: das soll euch die Südgrenze
sein, in Q werden die Judäer nicht angeredet. Zweitens die Unter-
schrift in V. 12b, welche mit Q v. 20 (= v. 1) kollidü't, natür-
lich nachdem v. 13 — 19 ausgehoben sind. Dass in JE gieiclifalls
ein Verzeichnis der judäischen Städte — wenn auch gewiss nur der
bedeutenderen — auf die Beschreibung des judäischen Gebiets ge-
folgt ist, darf man wol aus v. 63 schliessen, der am besten als
') Übrigens ein Grund mehr für die Umstellung von 18, 1.
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs, 3. Aufl. 9
ISO Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexateuchs.
Anhang zu einem solchen zu verstehn^^ist , vgl. 17, 12. 16, 10 mit
17, 11. 16, 9. Indessen wage ich nicht, /T-nua in v. 29. 45. 47
als Spur von JE anzusehen.
Bemerkenswert ausführlich, obwol nicht vollständig, ist die
jehovistische Beschreibung des Gebiets und der Städte Josephs er-
halten. Aus Q stammt nur der kleinere Teil von Kap. 16. 17
(wenigstens nach meiner Meinung, die ich jetzt zunächst begründen
will), und noch dazu ist diese nicht unversehrt und in der ur-
sprünglichen Ordnung belassen. Was sollen 17, la die Worte „denn
er ist der Erstgeborene Josephs" anders begründen, als dass
Manasse mit Recht zuerst aufgeführt werde? Es muss also in Q —
denn vgl. 17, la mit 15, 1. 20. 16, 8 — Ephraim erst hinter Ma-
nasse gefolgt sein, wie 14, 4. Weiter gehört von Ephraim zu Q nur
16, 4 — 8. Denn in v. 1 — 3 gilt das Los^) der Söhne Josephs
als eines, wie 17, 14 — 18, dagegen wird 14, 4. Gen. 48, 5 in
Q ausdrücklich hervorgehoben, Manasse und Ephraim seien als zwei
Stämme zu zählen und darnach wird in der Tat 16, 8. 17, 1 ver-
fahren. Zudem wird die Grenze 16, 1 — 3 in v. 4ss. noch ein-
599 mal wiederholt, ohne Frage nicht von dem selben Verfasser^). Der
- Anfang fehlt vor 16, 4 und ist nach 15, 1. 17, 1. u. s. w. zu er-
gänzen. Der Schluss ist vorhanden in 16, 8; schon dadurch werden
V. 9. 10 von Q ausgeschlossen. In Kap. 17 ist umgekelu't von
Manasse der Anfang erhalten v. la, aber der Schluss fehlt hinter
17, 9; denn von v. 10 a oder v. 10 b an wird nur jehovistischer
Zusammenhang gegeben. Was zwischen v. 1 und v. 9 steht, rührt
übrigens auch nicht alles aus Q her. In v. 5 (wozu v. 6 eine
Glosse) befremdet der Ausdruck (bün) und die von Knobel nicht
beseitigte Inconvenienz mit v. 2, der 8. Yers trennt v. 7 und v. 9
auf üble Weise, in v. 9 selber gehört zusammen die Grenze
geht südlich herab bis zum Bache Kana, was nördlich
vom Bach, ist Manasses Gebiet, dazwischen sind die Worte
') D. i. hier das Gebiet. Das ist auch eine Abweichung von Q, steht
aber im Einklang mit 18, 14, wo b^)^ == 7D.n-
2) Die Ähnlichkeit der geograph. Ausdrücke ist dem nicht entgegen zu
halten, denn einmal hat diese beit t. t. nicht viel zu besagen und sodann ist
es ohnehin sicher, dass der jüngere Autor den älteren benutzt und ausge-
schrieben hat. Eür die Priorität kommt in Betracht, dass die Grenze zwischen
Ephraim und Manasse auch in Q entweder gar nicht oder beinahe gar nicht
anffeffeben wird.
Josua 1—24. 131
diese Städte geliören Ephraim unter den Städten Manasses
ein fremdartiger Einsatz, verwandten Inhalts mit v. 8.
Fiü- JE bleibt somit übrig: 16, 1—3. 9. 10. 17, 5. 8. 9
(diese Städte in Manasse gehören Ephraim) 10b. 11 — 18. Ein
vollständiger Zusammenhang ist dies nicht. Z. B. sieht der jeho-
vistische Satz in 17, 9 auf eine längere Aufzählung von Städten
Ephraims in Manasse zurück, von der jetzt nur die Notiz v. 8
übrig ist, die an En Tappuach v. 7 angeknüpft werden konnte.
Auch 16, 10 setzt um so wahrscheinlicher ein vorausgegangenes
ephraim. Stadtregister voraus, als das gegenwärtige Fehlen eines
solchen höchst befremdlich und nur durch absichtliche Fortlassung
eines samariterfeindlichen Redaktors zu erklären ist. Zusammen-
hanglos steht ferner 16, 9, indes scheint dieser Yers erst aus 17, 8.
9 entlehnt und vom letzten Redaktor als Nachtrag an Q 16, 4 — 8
angehängt zu sein. Trotz ihres fragmentarischen Charakters kann
man sich doch wol noch eine Vorstellung der jehovistischen Landes-
beschreibung machen. Die beiden Hälften von Joseph erhalten
nur Ein Stammland, dessen Grenzen zu Anfang angegeben werden
(16, 1—3, der Norden fehlt gegenwärtig). In diesem Lande erhält
Ephraim wir wissen nicht wie viele und Manasse zehn Anteile
(„Messschnüi'e" 17, 5). Ephraims bedeutendere Städte werden auf-
gezählt und daran wird eine Restriktion geknüpft 16, 10. Sodann
wird Manasses Gebiet besprochen und gesagt, einige wichtige 600
Städte darin seien eplu'aimitisch, seinerseits aber greife auch Ma-
nasse nach Norden über in das Gebiet Äsers und Zebuions und
besitze dort mehrere der wichtigsten Städte, deren Bevölkerung jedoch
kanaanitisch sei 17, 5. 8 — 13. Ein Nachtrag ist 17, 14 — 18, in
etwas verworrener (doppelter?) Gestalt überliefert und nicht ganz
durchsichtig. Es ist auffallend, wie kraus hier die Gebiete durch-
einander gehn, so dass sie eigentlich weniger durch bestimmte
Linien, als durch Städte (Dnyb 18, 9) sich begrenzen lassen. Offen-
bar aber entspricht dies der krausen Wirklichkeit.
Der jehovistische Faden setzt sich fort mit 18, 2 — 10. Nach-
dem die beiden Hauptstämme längst sich niedergelassen haben,
säumen die übrigen noch, bis Josua sie treibt, ihm eine Übersicht
des noch restir enden Landes zu verschaffen, und darnach dann
jedem einzelnen durch das Los die Gegend zuweist, die er sich er-
kämpfen soll. Die Zeit ist inzwischen vorgerückt 18, 3, auch der
Ort hat sich verändert, das Lager befindet sich nicht mehr in Gilgal
9*
132 Die Erzählung der übrigen Bücher des Hexatenchs.
14, 6, sondern in Silo 18, 9: der betreffende Ül^ergang ist aber
ausgelassen und durch Q 18, 1 ersetzt. Vielleicht stand ursprüng-
lich 13, 1. 7 an dieser Stelle, sicher wird das übrig gebliebene
Land in 13, 2ss. falsch gedeutet. In 18, 7, aber auch nur in
diesem Verse, erkennt Hollenberg p. 501 die Hand des Deutero-
noinisten, der überall die drittehalb Stämme und die Leviten nachträgt.
Gemäss 18, 2 — 10 müssen nun auch die Gebiete der sieben
kleineren Stämme sämtlich in JE beschrieben worden sein, ent-
sprechend dem Sepher, welches Josua hatte aufnehmen lassen.
Spuren dieser Beschreibung sind, wie eben gezeigt ist, namentlich
in den Eingangsformeln erhalten. Im Übrigen muss dieselbe der
von Q, wie nicht anders möglich, so ähnlich gewesen sein, dass
nur selten Anlass war, die Angaben der beiden Quellen neben ein-
ander mitzuteilen. Indes mögen einige Schwierigkeiten, die das Ver-
ständnis der Grenzen macht, von geographischen Dubletten her-
rühren; ausserdem mögen ein paar Aufzählungen von Städtenamen
in Kap. 19, welche sich in die zu Grunde gelegte Form der Grenz-
bestimmung aus Q gar nicht fügen wollen, von dem letzten Redaktor
aus JE nachgetragen sein, z. B. v. 15. 24b. 25a. 28. 30. 35—38,
denn nach 18, 9 wurde grade in JE das Gebiet nach Städten be-
schrieben-^). Den Schluss der jehovistischen Geographie bilden die
601 Verse 19, 49. 50, wo jedoch Avahrscheinlich eine Notiz, welche
24, 33 vorbereitet, ausgelassen ist, weil sie der späteren Vor-
stellung fremdartig und widersprechend war. Dazu kommt dann
noch 21, 43—45.
Kap. 20. 21 enthalten ausser 21, 43 — 45 nichts vom Jehovisten
oder Deuteronomisten. Von diesem letzteren insbesondere rühren
die deuteronomistisch klingenden Zusätze in Kap. 20 nicht her,
sondern, wie Hollenberg (der Charakter der alex. Übersetzung des
Buchs Josua, Mors 1876, p. 15) gezeigt hat, sind sie sehr späten
Ursprungs. In der Sept. fehlt nyi ""bD.!! v. 3, und die Verse 4 — 6
gänzlich, mit Ausnahme der Worte tDDti^D''^"n"b ncy "ly. Die Sept.
enthält mit andern Worten die sämtlichen „deuteron." Ergänzungen
nicht, natüidich nicht weil sie Quellenkritik getrieben hat, sondern
weil dieselben jüngeren Datums sind als die hebräische Vorlage der
Sept. Vgl. Kayser p. 147 s. — In Kap. 22 gehört v. 1 — 8 jeden-
"^) Auf die Summen ist übrigens bei der Quellenkritik kein Gewicht zu
legen, sie sind späteren Ursprungs und erst der gegenwärtigen Textgestalt
beigefügt. — 19, 47 ist jedenfalls auch nicht aus Q.
Josiia 1—24. 133
falls nicht zu Q. V. 1 — ß stammen vom Deuteronomisten, v. 8
aus einer Quelle des Jehovisten. In der Mitte ist v. 7 a Glosse,
V. 7 b der Übergang von v. 6 auf 8 : „und als Josua sie entliess
und segnete, da sagte er ihnen auch noch". Von v. 9 an lässt
sich nirgend mehr eine Spur des Deuteronomisten erkennen, die
Vorstellungen und Ausdrücke sind hier rein die von Q.
Dagegen ist Kap. 23 von Anfang bis zu Ende eine Komposi-
tion des Deuteronomisten, s. Hollenberg Stud. und Krit. p. 481 ss.,
der auch die ergänzende Rücksichtnahme auf Kap. 24 nachweist.
Dies letzte Kapitel fand der Deuteronomist im jehov. Geschichts-
buche vor, die Quelle charakterisirt sich nach Hollenberg a. 0.
als E. Sprachlich durch nh^n C'^O.in^S, Elohim v. 1, mit plural.
Adjektiv V. 19. Gen. 20, 13, Götter der Fremde v. 20. 23. Gen.
35, 2, Schwert und Bogen v. 12. Gen. 48, 22; inhaltlich durch
die Eiche bei Sichem Gen. 35, 4, durch die Bestattung der Gebeine
Josephs Gen. 50, 24s., durch die Vorstellung, in der Familie der
Erzväter sei Vielgötterei vorgekommen v. 14. Gen. 25, 2 — 4. Frei-
lich ist E, wie gewöhnlich, überarbeitet. Als deuteron. Zusätze
sind zu erkennen die Worte N'^.p''^ bis mtOt^'^PI in v. 1 (=2d, 2)
ferner ganz v. 13 (Deut. 6, 10), endlich der in Sept. und Jud. 2, 6
unmittelbar auf v. 28 folgende v. 31 (wegen der Anschauung, dass
die Generation Josuas noch bundestreu gewesen, dann aber der
grosse Abfall erfolgt sei). Noch späteren Ursprungs ist wol v. 26a,
dagegen sind v. 9. 10 füi* den Zusammenhang wichtig und nicht
von Deut. 23, 5. 6 abhängig. Jehovistische Zutaten sind in v. 11 602
die sieben Völker^), in v. 12 der Anfang von nbl^'Nl bis CD^3?C,
endlich in v. 17 — 19 allerlei Retouchen, z. B. ] CD^H'^DTiis* v. 18.
der Satz nach dem Athnach v. 19.
Das Kapitel ist sein- wichtig für die Reconstruktion von E, so-
wol im Einzelnen, was die Reklamation bestimmter Stücke des
Hexateuchs für diese Quelle betrifft (wie Gen. 33, 19. Deut. 31,
14 — 22), als auch namentlich im Allgemeinen, was den Inhalt und
Charakter derselben überhaupt angeht. Sie hat enthalten: die Ge-
schichte der Erzväter, die Einwanderung Israels in Ägypten, die-
^) Die sieben Völker haben in v. 11 gar keinen Platz, der Anfang von
V. 12 aber bezieht sich durch Cm?< auf die Aufzählung derselben zurück und
ist also gleichfalls jehovistisch. Für „zwei Könige der Amoriter" liest die
Sept. richtig zwölf, Amoriter ist in E der allgemeine Name der Urbevölke-
rung, wie bei Arnos. Darum ist auch in v. 18 \ □'•D^H vD H^^ spätere Zutat.
134 I^ie Gesetzgebung.
Plagen, den Durchzug durchs Scbilfmeer, den langjährigen Aufent-
halt in der Wüste, die Eroberung des östlichen Amoriterlandes,
die Vereitlung der feindlichen Absicht Balaks und Bileams, die
Einnahme Jerichos, die Vertreibung von im Ganzen zwölf Königen der
westlichen Amoriter, endlich die Verteilung des gewonnenen Lan-
des, wobei Josua und Eleazar besonders l^edacht werden. Also um-
fasste E den ganzen historischen Stoff des Pentateuchs (wenigstens^-
von der Erzvätergeschichte an) und des Buches Josua: für das letz-
tere scheint es die eigentliche Hauptquelle zu sein. Als charakte-
ristische Eigentümlichkeiten treten hervor: 1. der Name Amoriter
als Generalbezeichnung der früheren Bevölkerung Palästinas. 2.
Sichem als heiliQ;e Versammluno-sstätte. 3. Josua als zweiter Mose
(v. 25, vgl. Deut. 27. Jos. 8). 4. Aharon neben Mose wie Eleazar
neben Josua (v. 5. 33). 5. das Interesse für Joseph (v. 32) und
die Lokalitäten in Ephraim (v. 30. 33). 6. die Altersangabe 24, 29.
7. das starke Bewusstsein von der Einzigartigkeit der Religion
Israels im Vergleich zu den übrigen gleichzeitigen und älteren Re-
ligionsstufen, der ausgeprägte Begriff des Heidentums,, den z. B.
J gar nicht kennt. 8. die Umdeutung der Masseba im Tempel-
bezirk von Sichem in ein Erinnerungszeichen.
Die Untersuchung des Erzählungsstoffes im Hexateuch ist da-
mit abgeschlossen und es bleibt nur noch übrig, die grossen gesetz-
lichen Corpora einer literarischen Analyse zu unterwerfen.
III. Die grossen Oesetzeskörper des Pentateuchs
hinsichtlich ihrer inneren Struktur und ihrer
Yerhindung mit der Erzählung.
XXII Wir haben bisher bloss den Erzählungsfaden verfolgt und die
407 ilm unterbrechenden grossen Gesetzsammlungen ausgeschieden, ge-
genwärtig ist es die Absicht, die letzteren auf ihren literarischen
Charakter zu untersuchen. Wir beginnen mit dem Priestercodex,
wie man kurz die Gruppe von Gesetzen bezeichnen kann, deren
Kern der Leviticus ist, zu der ausserdem die zweite Hälfte des
Buches Exodus von Kap. 25 an (ausgenommen Kap. 32 — 34) und
der sämtliche gesetzliche und historisch-gesetzliche Stoff des Buches
Numeri gehört. Dies ist anerkanntermassen eine gleichartige Stufe
der Gesetzgebung, die sich von der jehovistischen (Exod. 20 — 23.'
Exodus 25 — Leviticns 16. 135
Kap. 24) lind deuteronomischen unterscheidet, und durcli Inhalt
und Sprache el)enso wie durch direkte Beziehungen mit Q in
engster Verbindung steht. Aber die materielle Gleichartigkeit
bedeutet nicht systematische Einheit. Der Priestercodex in seiner
gegenwärtigen Form und Grösse weist nicht die planvolle Gliederung
und strenge Construktion auf, wodurch sich Q auszeichnet, es ist
ein Conglomerat, worin sich an einen ursprünglichen Kern (=Q) 408
andere Schichten in gleichartiger Krystallisation angesetzt haben.
Es wird jetzt die Aufgabe sein, dem literarischen Process, worin
die Schichtung der Gesetzesmasse des mittleren Pentateuchs ent-
standen ist, nachzuspüi'en. Vgl. de Wette, Beiträge II 273 ss.,
und Kuenen, Th. Tijdschrift 1870, 487 ss. 395 s.
Die Einrichtung des Priesterdienstes der Stiftshütte.
Exod. 25— Lev. 16.
1. Das erste grosse Stück des Priestercodex läuft von Exod.
25 bis Lev. 10. Hier wird es leicht zugegeben werden, dass Lev.
1 — 7 den Zusammenhang zwischen Exod. 40 und Lev. 8 in einer
jedenfalls Von dem Verfasser von Exod. 40 nicht vorgesehenen
Weise trennt, s. Ewald, Geschichte des Volkes Israels (3. Ausg.)
I 141. Nachdem die Arbeiten für das Heiligtum beendigt und
abgeliefert sind, wird 40, 1 — 15 befohlen, erstens das Tabernakel
mit seinen Geräten aufzustellen, zweitens es zu salben und die
Priester einzuweihen; beides soll am 1. Tage des 1. Monats (des
2. Jahres) geschehen. Es heisst dann weiter, Mose habe alles
getan, was ihm aufgetragen. In Wirklichkeit aber besorgt er am
1. Tage des 1. Monats bloss die Aufrichtung der Hütte 40, 17 — 38,
dagegen folgt die Einweihung der Hütte und der Priester erst
Lev. 8. Diese Trennung der zwei zusammengehörigen Teile in
der Ausführung entspricht nicht ihrer sachlichen und zeitlichen
Verbindung in dem Befehl: dem Verfasser von 40, 1 — 15 muss
Exod. 40 und Lev. 8 in unmittelbarer Folge und ohne Dazwischen-
treten von Lev. 1 — 7 vor Augen gestanden haben.
Die Veranlassung, weshalb Lev. 1 — 7 hier eingedrungen ist,
ist leicht zu finden. Da Lev. 8 die ersten Opfer dargebracht
wurden, so schienen die allgemeinen Opferregeln vorher ihren Ort
zu haben. Hätte aber der Verfasser von Exod. 29 Lev. 8 selbige
vorausgesetzt, so hätte er nicht nötig gehabt, noch einmal in
solcher Ausführlichkeit das Verfahren anzustehen : in historischer
136 I^iö Gesetzgebung.
Form gehalten ist Exod. 29. Lev. 8 — 10 ein Pendant zu Lev. 1 — 7,
das nur nicht ganz so vollständig ist. Vgl. das Sündopfer Exod.
29, 10—14. Lev. 9, 8—11. v. 15, das Brandopfer Exod. 29, 15—18.
Lev. 9, 12—14. v. 16, das Dankopfer Exod. 29, 19—28. 31—34.
Lev. 9, 18—21 und das Thamid Exod. 29, 38—43; ferner die
Mincha beim Dankopfer Exod. 29, 2 s. 23 s. und beim Brandopfer
409 Lev. 9, 4. 16. 10, 12 s., endlich den Anteil der Priester Exod.
■ 29, 27 s. Lev. 9, 21. 10, 12—20 und der Darbringer Exod. 29, 31—34.
Was die Reihenfolge der Opfer betrifft, so erhält man darüber
sogar ausschliesslich aus Exod. 29. Lev. 9 Auskunft, wie überhaupt
hier in Folge der gewählten historischen Einkleidung ein Adel an-
schaulicheres Bild des wirklichen Herganges bei einem grossen
Opferfeste gegeben wird. Trotz aller Gleichartigkeit herrscht
übrigens keine volle Übereinstimmung in den beiden Opferord-
nungen. Ich will nur auf einen Punkt aufmerksam machen,
nämlich auf die Differenz in dem Sündopferritus, von der schon
der Nachtrao- Lev. 10, 16 — 20 Akt g;enommen hat. In Lev. 4
wird das Blut beim gewöhnlichen Sündopfer an die Hörner des
Brandopferaltars gestrichen, dagegen beim Sündopfer des Hohen-
priesters und des Volkes in das Innere der Hütte gebracht, an
den Vorhang gesprengt und an die Hörner des Räucheraltars
gestrichen. Dieser Unterschied wird Exod. 29 und Lev. 9 nicht
gemacht, vielmehr wird 29, 12. 9, 9. 15 auch beim Sündopfer des
Hohenpriesters und des Volkes das Blut nur an den Opferaltar
gestrichen. Es ist dies aber hier offenbar der solenne Ritus,
denn es hat keinen Sinn anzunehmen, bei der Einweihung der
Hütte sei ausnahmsweise drei Male eine weniger feierliche Form
beliebt worden, und ausserdem wird 29, 14. 9, 11. 15 das Fleisch
grade so draussen vor dem Lager verbrannt, wie es nach Lev. 4
nur bei den heiligsten Sündopfern geschieht, deren Blut in das
Innere der Hütte gekommen ist^). Also eine unleugbare und
unauflösbare Differenz. Lev. 4 geht einen Schritt über Exod. 29.
Lev. 9 hinaus, die Steigerung erscheint auch darin, dass hier als
Sündopfer des Volkes ein Farre gefordert wird, während Lev. 9
(vgl. Kap. 16) nur ein Ziegenbock. Schliesslich scheint es nach
der Unterschrift 7, 38, als ob die Überschrift 1, 1 erst später zu-
1) Dies der Anlass der Korrektur 10, 16 — 20, welche auf dem Boden von
Lev. 4 steht. Gegen Kuenen.
Exodus 25 — Leviticiis 16. 137
gesetzt worden sei, um Lev. 1—7 in die Stiftshüttengesetzgebung
einzufügen; jedoch wird die letztere sachlich vorausgesetzt.
Was übrig bleibt, ist eine zusammenhängende Gottesdienstordnung
in historischer Form, zerfallend in die Anweisung Exod. 25 — 31 und in
die Ausführung Kap. 35 — 40. Lev. 8 — 10. Man hathier unleugbar den
Eindruck pragmatischer Consequenz, gut in einander greifender Glieder.
Dennoch ist das Ganze, literarisch betrachtet, nicht aus Einem Guss.
2. In der Anweisung, mit der wir die Untersuchung beginnen, 410
ist alles, was hinter Kap. 25 — 29 folgt, ein Nachtrag von späterer
Hand. Zuerst wird da Befehl und Vorschrift gegeben, 30, 1 — 10,
einen goldenen Räucheraltar zu machen. Man hat sich von jeher
den Kopf darüber zerbrochen, warum erst an dieser Stelle, warum
getrennt von den übrigen Geräten des inneren Heiligtums, warum
sogar nach der Verordnung über den Priesterornat und die Inau-
guration des Gottesdienstes. Der Grund, warum der Verfasser von
Kap. 25 SS. an der Stelle, wo er die innere Einrichtung der Hütte,
bestehend in Lade und Kapporeth, Tisch und Leuchter, besclii'eibt,
den goldenen Räucheraltar nicht mit aufführt, ist der, dass er von
letzterem nichts weiss. Vergessen kann er ihn nicht haben — so
bleibt keine weitere Möglichkeit, alle sonstigen Erklärungen sind
vergeblich. Insbesondere ist es verkehrt, den Anstoss dadurch zu
beseitigen oder zu applaniren, dass man ihn auf gleiche Stufe mit
anderen angeblichen Wunderlichkeiten der Anordnung setzt, z. B.
damit, dass die Geräte des Tabernakels Kap. 25 vor diesem selber
Kap. 26 angeordnet werden. Dies ist ganz sachgemäss, im Befehl
kommt erst der Zweck und dann das Mittel, in der Ausführung
umgekehi't erst das Mittel und dann der Zweck. Ebenso ist es
durchaus nicht auffallend, wenn untergeordnete Apparate wie die
Schlachttische oder das Waschbecken, die keine Bedeutung füi* den
eigentlichen Kultus haben, entweder überhaupt nicht aufgeführt
oder nachgetragen werden. Das lässt sich damit gar nicht ver-
gleichen, dass das wichtigste Gerät des Heiligen an der Stelle, wo
es notwendig hingehört, übergangen wird.
Die Tragweite meiner Aufstellung erfordert es, sie eingehender
zu begründen. Ezechiel unterscheidet nicht zwischen dem Tisch
und dem Altar im Naos, sondern setzt beides gleich. Denn er sagt
41, 21s.: „vor dem Adyton stand etwas, aussehend wie ein
hölzerner Altar, drei Ellen hoch, zwei Ellen lang und breit, und
hatte vorstehende Ecken, und sein Gestell und seine Wände
138 üie Gesetzgebung.
waren von Holz: das ist der Tisch, der vor Jalive stellt." Dem
entsprechend bezeichnet er den Dienst der Priester im inneren
Heiligtum als den Dienst am Tisch 44, 16. Tisch ist der Name,
Altar der Zweck. Entsprechend nennt Maleachi umgekehrt den
s. g. Brandopferaltar Tisch.
Im Priestercodex selber erscheint der Räucheraltar nur in ge-
wissen Stücken, fehlt aber in anderen, wo man ihn erwarten muss.
Es ist bereits darauf hinojewiesen, dass der Eitus des feierlichsten
Sündopfers zwar in Lev. 4 am goldenen Altar, in Exod. 29. Lev. 8. 9.
411 aber ohne denselben vor sich geht. Auffallender noch ist, dass in
Stellen, wo es sich um das feierlichste Räucheropfer handelt, von
dem betreffenden Altar keine Spur zu entdecken ist. So nament-
lich in Lev. 16. Um im Heiligtum zu räuchern, nimmt Aharon
eine Pfanne, füllt sie mit Kohlen vom Brandopferaltar — so
richtig Ibn Ezra, vgl. v. 12 mit v. 18 — 20 — und tut im Adyton
den Weihrauch darauf. Ebenso wird Lev. 10, Iss. Num. 16 und
17 auf Pfannen geräuchert, deren jeder Priester eine besitzt. Die
Kohlen werden vom Brandopferaltar genommen Num. 17, 11, der
mit den Pfannen der Korahiten überzogen ist v. 3. 4"^). Nämlich
der Altar schlechthin ist überall der Hauptaltar. Der Name
Brandopferaltar kommt erst in den Partien vor, die den Räucher-
altar voraussetzen (ausser dem Pentateuch nur in der Chronik), in
den älteren Partien heisst es einfach der Altar; z. B. Exod. 27,
wo es doch besonders nötig gewesen wäre, die nähere Bestimmung
hinzuzufügen — vgl. dagegen die Parallele 38, Iss.
Dass 1 Reg. 7, 48 goldener Altar und goldener Tisch unter-
schieden werden, muss ich anerkennen. Aber der Text dieses Ka-
pitels ist corrupt und interpolirt. In dem angeführten Verse ist
das Schlusswort nnt jedenfalls unecht, denn man kann zwar wol
einen vergoldeten Tisch einen goldenen Tisch nennen, aber nicht
sagen: er machte den Tisch aus Gold, für: er überzog ihn
mit Gold. Wahrscheinlich ist ausserdem pvli^n'nxi Interpolation,
da 6, 20. 22 nur von der Verfertigung des goldenen Altars die Rede
ist. Was wir gewöhnlich den goldenen Tisch nennen, sah nach
Ezech. 41, 21 aus wie ein Altar und kann demgemäss hier der
goldene Altar genannt werden. Selbst im nachexilischen Tempel
^) Wer das Feuer anders woher nimmt, ist des Todes Ley. 10, 1 ss. Ganz
richtig yerstelm diese Stelle Aphraates p. 62 und Georgias Syncellus.
Exodus 25 — Leviticus 16. 139
scheint es einen besonderen Räucheraltar neben dem Tisch nicht
gegeben zu haben. Allerdings wird 1 Macc. 1, 21. 4, 49 erzählt,
er sei mit den übrigen Geräten des Heiligtums von Antiochns IV.
fortgeschleppt und beim Tempelweihfest neu gemacht. Aber dieser
mehr in' Bausch und Bogen gehaltenen Angabe tritt die sichere
Tatsache gegenüber, dass die Römer bei der Zerstörung Jerusalems
nur Tisch und Leuchter vorgefunden und erbeutet halben. Und
höchst bemerkenswert ist es, dass in der Sept. die Stelle Exod. 37,
25 — 29 fehlt, der Räucheraltar also zwar wol befohlen, aber nicht
ausgeführt wii*d. Unter diesen Umständen ist endlich auch die 412
schwankende Ortsangal^e Exod. 30, 6 und der vermeintliche Irrtum
des Verfassers des Hebräerbriefes wichtig und begreiflich.
Das gewonnene Resultat ist zugleich ein kritisches Princip von
einschneidenden Konsequenzen. Die genuine Gesetzgebung von Q,
zu der jedenfalls Exod. 25 ss. schon wegen der historischen Form
gehört, kennt den Räucheraltar nicht. Alle Stücke, in denen der-
selbe integrii-end vorkommt, gehören einer sekundären Schicht an,
ebenso alle die, in denen der Hauptaltar nicht einfach HUl^n,
sondern il'lVi^ riüi^ genannt wird. Lassen wir indessen die Conse-
quenzen vorläufig auf sich beruhen und fahren fort in der Prüfung
von Exod. 30.
Es folgt hier v. 11 — 16 die Verordnung der Kopfsteuer für die
Aboda. Wenn es darin zu Anfang heisst: „wenn du die Summe
der Kinder Israel aufnehmen wii'st nach ihren Gemusterten, so
sollen sie jeder ein Sühnegeld geben," so wird damit verwiesen
auf eine künftige Musterung und zwar auf die, welche Num. 1
vorgenommen wird. Das konnte nun aber nm* ein Späterer tun,
dem Num. 1 fertig vorlag, nicht der ursprüngliche Verfasser, der
jenes Kap. noch gar nicht gescMeben hatte und es also auch
nicht voraussetzen konnte; er hätte mindestens den Befehl l^erichten
müssen, dass die Musterung angestellt werden solle, ehe er davon
als von einer bekanntlich demnächst eintretenden Tatsache in einem
Nebensatze redete. Die Konsequenz ist ebenso notwendig, wie die
Prämisse sicher.
Ein ferneres wichtiges Merkmal für den sekundären Charakter
von Kap. 30 tritt in der Verordnung über das Salböl hervor v. 22
bis 33. Hier wird nämlich in v. 30 befohlen, nicht bloss Aharon
(= der Hohepriester), sondern auch seine Söhne (= die gewöhn-
lichen Priester) sollen gesalbt werden. Anderswo jedoch zeichnet
140 Die Gesetzgebimg.
die Salbung den obersten Priester vor den Amtsgenossen aus, s.
Knobel zu Lev. 8, 10 — 12. So vor allen Dingen in der Ordinations-
ceremonie Exod. 29, auf die natürlich das grösste Gewicht zu legen
ist; vgl. V. 7 mit 8. 9 (Lev. 8, 12 mit v. 13) und ausserdem
V. 29s., wo die Salbung ebenso wie die Anlegung des heiligen
Ornats (Num. 20, 26. 28) die Succession zum Hohenpriestertum
bedeutet. Gleicherweise aber auch Lev. 4, 3. 5. 16. 6, 13. 15. 16,
32. 21, 10. 12. Num. 35, 25; besonders deutlich spricht der Name
der gesalbte Priester = der Hohepriester, vgl. Dan. 9, 25s.
2 Macc. 1, 10. Dagegen stimmen mit der Exod. 30, 30 herrschen-
den Anschauung überein die Stellen Exod. 28, 41. 30, 30. 40, 15.
413 Lev. 7, 36. 10, 7. Num. 3, 3. Dass hier ein Widerspruch vorliegt,
ist unzweifelhaft; dass es ein bewusster ist, geht aus Exod. 40, 15
hervor: du sollst sie (= die gewöhnlichen Priester) salben,
wie du ihren Yater gesalbt hast. Es fragt sich nun, was das
Ursprüngliche ist. Sehen wir uns die Stellen näher an, welche
die Salbung auch auf die Söhne Aharons ausdehnen, so greift
Exod. 28, 41 inhaltlich dem 29. Kapitel vor und steht formell in
einem schiefen Verhältnis zu v. 40, als sei dort nicht bloss von
Aharons Söhnen, sondern zugleich von ihm selber die Rede, was
nicht der Fall ist und nach v. 39 auch nicht der Fall sein kann.
Lev. 7, 36 ist eine simple Glosse, beruhend auf Mis Verständnis des
Wortes nnii-D V. 35, welches Salbung gedeutet wird, während es
Anteil heisst. Lev. 10, 7 bezieht sich zurück auf den Befehl
8, 35, wonach die Priester nach der Weihe sich für eine gewisse
Zeit von der Stiftshütte nicht entfernen sollen, aber jener Befehl
gilt nur für die ersten sieben Tage nach der Weihe, und da diese
bereits 9, 1 und mithin erst recht 10, 1 — 5 abgelaufen sind, so
erhellt, dass die Verse 10, 6. 7 aus dem chronologischen Rahmen
herausfallen und erst später angehängt sind. Noch deutlicher ist
es endlich, dass der Zusammenhang, in dem Num. 3, 3 vorkommt,
nämlich Num. 3, 1 — 13, nicht ursprünglich an seine gegenwärtige
Stelle gehört, sondern ein Nachtrag ist, der weder von 3, 14 ss.
noch insbesondere von 3, 40 ss. vorauso-esetzt wird. Es bleiben
also übrig Exod. 30, 30 und Exod. 40, 15. Was die letztere Stelle
betrifft, so verrät sie eben dadurch weil sie sagt, die Söhne sollen
gesalbt werden wie der Vater gesalbt worden sei, dass die Salbung
des Vaters das Primäre (schon Perfekte?) und die der Söhne etwas
Hinzugefügtes ist. Das Urteil über Exod. 30, 30 ergiebt sich dar-
Exodus 25 — Leviticus 16. 141
nach von selbst; der Vers beweist, dass das Stück v. 22 — 33 einer
sekundären Schicht im Priestercodex angehört, wofür die Aus-
dehnung der Salbung Merkmal ist, welche nach der ursprünglichen
Bedeutung des Ritus offenbar ebenso wie der Purpur den Priester-
könig auszeichnet^).
Nachdem diese drei wichtigen Punkte, jeder füi* sich in unab- 414
hängiger Untersuchung, festgestellt worden sind, genügt es für das
Übrige die Consequenzen des Zusammenhanges zu ziehen. In der
Eröffnung über die Berufung Bezalels 31, 1 — 11 erscheint der
Raucher- und der Brandopferaltar, desgleichen wird die Yer-
ordnung über das Salböl vorausgesetzt. Den Stücken 30, 17 — 21.
V. 34 — 38 wird durch ihre Umgebung präjudicirt. Das eherne
Becken ist zwar auf keine Weise so zu beurteilen wie der goldene
Altar, es hat notwendigerweise existirt und muss auch dem Ver-
fasser von Exod. 25 ss. bekannt gewesen sein. Er hat es aber
nicht mit in die göttliche Anweisung aufgenommen, weil es kein
heiliges, sondern ein ganz untergeordnetes^) Gerät ist, wie die
Schlachttische, von denen er auch schweigt. Die Verordnung über
das Räucherwerk lässt in v. 36 Bekanntschaft mit dem goldenen
Altar durchblicken und steht mit der vorhergehenden über das
Salböl auf einer Stufe. Was endlich die Einschärfung des Sabbaths
betrifft 31, 12 — 17, so wird auch diese durch den Zusammenhang
mit fortgerissen, zumal da ausserdem die Sprache zwar von Q ab-
hängt, aber nicht völlig damit übereinstimmt. Vgl. "»nnm^^ v. 13,
den Sabbath b^n und rWL^V v. 14. 16, i^d:) von Gott gesagt v. 17.
3. Nachdem die Anweisung über die Einrichtung des Heilig-
tums geprüft und Kap. 30. 31 als späterer Anhang erkannt ist^),
ist damit zugleich ein Massstab zur Beurteilung der Ausführung
gewonnen. Untersuchen wir zunächst Exod. 35 — 39. Dass dieser
^) Weiter kann man nun auch zweifeln, ob die Salbung des Zeltes und
der heiligen Geräte, wie sie in der jüngeren Schicht Exod. 30, 22 — 33 vorge-
schrieben wird, wenigstens sachlich mit der älteren Vorstellung übereinstimmt.
Sie wird allerdings Lev. 8, 10 s. ausgeführt, aber Exod. 29, 7 nicht befohlen,
und bei der vollkommenen Gleichheit von Exod. 29 und Lev, 8 ist das ein sehr
bedenklicher Umstand bei einem so wichtigen Ritus.
^) Seinem Zwecke nach. Hatte es eine Bedeutung, so hing sie von dem
künstlerischen Wert ab.
^) Einige unbedeutende Zusätze mögen auch in Kap. 25 — 29 vorkommen,
z. B. 27, 20 s. 28, 13. 14. 41—43. 29, 35—37. Gegen das Alter von 29,
38 — 46 bringt Kuenen Godsdienst II 270 s. nicht unbegründete Bedenken vor.
142 I^i® Gesetzgebung.
Absclinitt eine blosse Wiederholung von Exod. 25 — 28 ist, in melir
nieclianisclier Ordnung, ist längst aufgefallen und dazu benutzt
worden, ihn für eine Kopie des Originals zu erklären. Est-il pro-
bable, sagt Munck (Palestine, p. 129), que le meme auteur ait
ecrit deux fois de suite tous ces longs details, en changeant seule-
ment la fonnule „et tu feras" en „et on fit?" Nöldeke aber stellt
die Gegenfrage, welcher Spätere wol ein Interesse daran gehabt
habe, dies alles nachzutragen, traut also „die unbeschreibliche
Pedanterie" lieber dem A^erfasser von Q selber zu, der allein eine
415 solche Originalität sich habe erlauben können. Tatsache ist jeden-
falls, dass der fragliche Absclmitt inhaltlich ganz und gar be-
deutungslos ist, dass er nicht vermisst würde, wenn er fehlte. Dar-
aus folgt wenigstens die Möglichkeit späterer Einsetzung; allerdings
muss aber noch eine Instanz dazukommen, um den Beweis der
Möglichkeit zum Beweis der Wirklichkeit zu ergänzen. Diese Er-
gänzung nun hat uns bereits die frühere Untersuchung an die
Hand gegeben. Wii* haben gefunden, dass die Verordnungen Exod.
Kap. 30. 31 von zweiter Hand stammen und nicht zu dem ur-
sprünglichen Stock gehören. In der Ausführung aber werden sie
überall als integrirende Bestandteile der Stiftshüttengesetzgebung
angesehen und behandelt. Im engen Anschluss an Kap. 31 wird
hier mit der Einschärfung des Sabbathgebots und der Ernennung
Bezalels begonnen (Kap. 35), der Räucheraltar wird stets unter
den heiligen Geräten mit aufgeführt, der eigentliche Altar in Folge
dessen immer durch die Bezeichnung Brandopferaltar unterschieden.
Mithin sind die Kapitel 35 — 39 nicht älter, wahrscheinlich sogar
jünger als Kap. 30. 31 und rüln-en in jedem Falle nicht von
dem eigentlichen und ersten Autor her, der Kap. 25 — 29 ver-
fasst hat.
Was von Exod. 35 — 39 gilt, gilt auch, obwol nicht ohne
Unterschiede, von Kap. 40 und Lev. 8. In Betreff von Exod. 40
vgl. man den Räucheraltar v. 5. 26, den Brandopferaltar v. 6 — 29,
die Salbung des Zeltes und der sämtlichen Priester v. 15, und
beachte ausserdem, dass die Befehle v. 1 — 16 einzeln bereits alle
schon einmal gegeben sind und dass in der Ausführung v. 17 ss.
diejenigen Angaben, nach denen gleich jetzt der Kultus im Taber-
nakel in regelrechten Gang gebracht wird, wie z. B. v. 27. 29, der
nachfolgenden Einweihung desselben, wie sie Exod. 29 vorgeschrieben
und Lev. 8 vollzogen wird, und dem ersten ordentlichen Opfer
Exodus 25 — Leviticus 16. 143
Lev. 9 in sehr störender Weise vorgreifen. Bei dem zweiten hier
zu untersuchenden Stücke, Lev. 8, steht die Sache allerdings etwas
anders. Der Zusammenhang zwischen Exod. 40 und Lev. 8 scheint
mir einseitig zu sein, der Yerf. des ersteren Stückes hat sicher das
letztere vor Augen gehabt und will es als die zweite Hälfte zu
40, 17 SS. aufgefasst wissen^), aber das Umgekehrte ist nicht der
Fall. Also Exod. 40 entscheidet nicht schon über Lev. 8. Be-
denken gegen dies letztere Kapitel entstehn jedoch aus der Yer- 416
gleichung von Exod. 29. Schon früher ist darauf hingewiesen, dass
in Lev. 8, 10 s. Hütte und Geräte gesalbt werden, wovon Exod. 29
nichts geboten ist. Ebenso wenig steht dort etwas von Entsündigen
des Altars (abgesehen von dem Nachtrage 29, 36), wovon Lev. 8,
15 geredet wird. Beide Punkte sind aber weder zufällig noch un-
bedeutend, die Übertragung der eigentlich nur auf Personen an-
wendbaren heiligen Handlungen auf neutrale Objekte — denn die
s. g. Olsteine darf man nicht vergleichen, bei denen es sich um
ein Ölopfer handelt — ist die äusserste Consequenz der Mechani-
sirung des Begriffs der Heiligkeit (Ezech. 43, 26). Hinzu kommen
noch zwei andere lediglich formale, gieichwol nicht auflösbare
Differenzen. Bei der Aufzählung der auf den Altar gelangenden
Teile des Brandopfers kommt Lev. 8, 20 zu Kopf und Gliedern
der "IID hinzu, abgesehen von Bauch und Knöcheln. Derselbe fehlt
Exod. 29, 17, und dass dies etwas auf sich hat, ergiebt sich daraus,
dass er Lev. 9, 13, in einem unzweifelhaft primären Stücke, auch
nicht vorkommt, wol aber Lev. 1, 8 in einem sekundären. Ähnlich
ist wol die Differenz zwischen Exod. 29, 8 und Lev. 8, 16 zu be-
urteilen, vgl. Lev. 3, 3. 9. 14. Endlich wird zu den zu räuchernden
Teilen des Dankopfers in Lev. 8, 26 ein Mazzenkuchen, dagegen
Exod. 29, 23 ein Laib Brod dargebracht. Der Unterschied betrifft
nicht die Sache, aber doch ist die Ersetzung des ungenauen Aus-
drucks durch den bestimmten Lev. 8, 26 deshalb von Bedeutung,
weil nach älterer Sitte in der Tat die Opferteile des Dankopfers
auf gesäuertem Brode'^) dargebracht wurden, eine Sitte, die später
1) Nach Exocl. 40, 2. 17 werden darum die sieben Tage der Weihe Lev. 8
und der achte, an dem zum ersten Male Aharon rite fungirt, von 1. Nisan
an gerechnet, Jos. Ant. 3, 201. Darauf bezieht sich Meg. Thaanith No. 1,
wie ich richtig gemutmasst habe, Pharis. und Sadd. p. 59.
2) Auch Mincha genannt, aber Thenupha. Die eigentliche Mincha wird
ursprünglich bloss für die Brandopfer vorgeschrieben.
144 Die Gesetzgebung.
abgeschafft werden sollte — ■vgl. den Fortschritt von Lev. 7, 13
(23, 17. Arnos 4, 5) zu 7, 12. Nach alle dem glaube ich an-
nehmen zu dürfen, dass auch Lev. 8 nicht zu dem ursprünglichen
Bestände der Stiftshüttengesetzgebung gehört. Es fehlen allerdings
die gewissesten Zeichen dafür, der Brandopfer- und Räucheraltar ; doch
lässt sich dies teils aus dem engen Anschluss an Exod. 29 erklären,
teils daraus, dass Lev. 8, obwol es auch sekundär ist, darum doch
mit Exod. 35 — 40 nicht ganz auf gleicher Linie steht.
Überhaupt denke ich nicht daran, Exod. 30. 31. Kap. 35 — 40.
Lev. 8 deshalb, weil sie im Vergleich zu Exod. 25 — 29 posthum
417 sind, in einen Topf zu werfen-^). Mir ist aber hier die Aus-
scheidung des originalen Kerns die Hauptsache. Zu diesem gehört
bloss Exod 25 — 29 und Lev. 9, inzwischen hat in Q nur noch die
Nachricht gestanden, dass, nachdem Jahve die Anweisung über die
Einrichtung des Kultus vollendet und die beiden Tafeln des Zeug-
nisses übergeben hatte, Mose herabstieg vom Berge und tat, wie
er geheissen war. Die Zeitbestimmung Lev. 9, 1 fordert nicht not-
wendig das voraufgehende Kapitel zu ihrer Beziehung, sondern ist
vollkommen verständlich nach Exod. 29, 38, obwol es mir wahr-
scheinlicher ist, dass in der zwischen Exod. 29 und Lev. 9 anzu-
nehmenden summarischenn Nachricht über die A'oUziehung der auf
dem Sinai erhaltenen Befehle durch Mose die Angabe enthalten
war, dass nach der Einweihung die Priester sieben Tage im Heilig-
tum consignirt blieben. Gegen den Einwand, dass Lev. 9 nur als
Fortsetzung von Lev. 8 Sinn habe, könnte man den Umstand halten,
dass in Kap. 8 das Altarfeuer bereits sieben Tage brennt, ehe es
9, 24 am achten herabkommt. Die Inconcinnität bleibt indes,
auch wenn man Lev. 9, 24 mit Exod. 29, vielleicht sogar mit den
voraufgehenden Versen des selben Kapitels vergleicht, mit v. 10.
13. 14. 17. 20 — wenigstens wenn ^,^lDpr\ seinen vollen Sinn
hier behalten hat. In jedem Falle also kommt die Angabe
9, 24 post föstum und ist als Instanz gegen Lev. 8 nicht zu
gebrauchen.
Zu ähnlichen Resultaten über Exod. 35 — 40. Lev. 8 ist auf
ganz anderem Wege gelangt Julius Popper, der biblische Bericht
über die Stiftshütte (Leipz. 1862). Er geht davon aus, dass jene
1) Auch Lev. 1 — 7 sind nicht gleichmässiger und einheitlicher Conception,
sondern es sind ältere Stücke von einem jüngeren Verfasser benutzt. Darauf
einzugehn ist indessen hier nicht nötig.
Exodus 25 — Leviticiis Iß. 145
Kapitel im Ganzen eine mechanische Kopie des voraufgegangenen
Originals seien, findet dann aljer doch sachliche und formelle Dif-
ferenzen, welche die Verschiedenheit des Kopisten von dem Autor
verraten. An sachlichen Unterschieden kommen folgende Punkte
in Betracht, die ich an Poppers Stelle hervorgehoben haben wüi'de.
1. Das Gebot, die Arbeiten am Sabbath ruhen zu lassen, 31, 12ss.,
wird 35, 3 dahin verschärft: ihr sollt am Sabbath kein Feuer
brennen an all euren Wohnorten. Dieser Zusatz ist darum nicht ori-
ginal, weil es sich nach der ursprünglichen Absicht nicht um die
Sabbathsruhe im allgemeinen, sondern speciell um die Einstellung
auch der Arbeiten am Tabernakel am 7. Tage handelt. 2. In 41 8
35, 18 wird die Mechanik des Zeltes durch Pflöcke und besonders
durch Spannseile vervollständigt (ebenso 39, 40 und Num. 4),
welche in der Anweisung nicht erwähnt und schwerlich still-
schweigend supponirt werden: wenigstens bei dem Holzgerüste des
eigentlichen Tabernakels sind sie kaum angebracht. 3. Nur 38, 8
kommt die Angabe vor, das eherne Waschbecken sei aus den
Metallspiegeln der Tempelmägde gemacht. Trotz Sept. 38, 22
(= Num. 17, 3 s.) hat Popper Recht, dieselbe haggadisch zu
nennen. 4. Die Stelle 38, 21 — 31, die in noch auffallenderer
Weise als die entsprechende 30, 11 — 16 den Anfang des Buches
Numeri als bekannt voraussetzt, misversteht zugleich den Zweck
der Kopfsteuer. Sie sei zum Bau der Stiftshütte verwandt und
alles dazu nötige Silber daraus bestritten, wie rechnungsmässig
bewiesen wird. Wozu dann aber 25, 3. 35, 5. 24 das Silber?
und soll nicht der Bau ledidich aus freien Gaben bestritten werden?
Es handelt sich um falsche Auffassung der Worte "lyiD SlX n"ID.y hv
30, 16. Diese bedeuten da nicht „zur Verfertigung der Stifts-
hütte", sondern für den Gottesdienst in der Stiftshütte Neh.
10, 33. 2. Chron. 24, 6'). Darnach wäre also der halbe Sekel
zum Unterhalt des regelmässigen Kultus bestimmt, namentlich
wol zur Bestreitung des Thamid. 5. Für eine Glosse zu ni^nn nt^'yo
Exod. 28, 7 hält Popper mit Recht die technische Beschreibung
der Goldfädenfabrikation 39, 3.
Das Hauptgewicht legt er auf die sprachlichen Verschieden-
heiten, die zwar an sich geringfügig sind, dadurch aber allerdings
an Bedeutung gewinnen, dass sie mit Varianten übereinstimmen,
^) S. Haneberg, Die religiös. Altertümer der Bibel, 2. Aufl. § 461. Yergl.
Pharis. und Sadd. p. 59.
Wellhausen, Comp. d. Hexateiichs. 3. Aufl. \Q
146 I^iß Gesetzgebung.
Av eiche der Samaritaner schon Exod. 25 ss. gegen den MT auf-
weist '). Die gemeinschaftliche Wurzel jener Verschiedenheiten und
dieser Varianten erblickt Popper in dem Sprachgebrauch einer späteren
Zeit, welcher im MT bloss auf die damals entstandenen Zusätze
gewirkt habe, im Samaritaner aber auch in den älteren Text
hineincorrigirt sei. Diese Betrachtungsweise scheint mir haltbarer
419 als die Nöldekes, welcher sagt: wenn der Samaritaner die vorher-
gehenden Stellen nach den folgenden corrigire, so sei das eben ein
Zeichen, dass jene Lesarten alt seien. Meinte denn der Samari-
taner, der Befehl müsse sich nach der Ausführung richten? AVenn
Nöldeke ferner einwendet, ein Ergänzer würde sich wol gehütet
haben, leichtsinnig die Sprache seiner Vorlage zu ändern, die er
sonst so streng beibehalte, so redet Popper gar nicht von leicht-
sinnigen, sondern von unwillküidichen unbedeutenden Änderungen
die gewissermassen in der Luft lagen. Endlich ist es eine petitio
principii, zu sagen, dass so radicale (??) Veränderungen im Penta-
teuch unbegreiflich seien zu einer Zeit, welcher der Sprachsinn ver-
loren gegangen^) u. s. w. Lidessen darin muss ich doch Nöldeke
Recht geben, dass jene paar Differenzen zu schwach sind, um das
Gewicht der Consequenzen zu tragen, die an sie gehängt werden:
als Hauptargument hätte Popper sie nicht benutzen clüi^fen.
Der gelehrte Rabbiner richtet endlich noch die Aufmerksam-
keit auf den Text der Sept. Exod. 35 ss. und meint denselben als
eine frühere Stufe in dem Process des Wachstums ansehen zu müssen,
dessen Endresultat der masor ethische Text der betreffenden Kapitel
sei. Diese Meinung ist nicht erweisbar ^), wenn auch zugegeben
werden muss, dass fast in allen Fällen, wo ein solches Schwanken
des Textes vorkommt, man es mit jüngeren Abschnitten zu tun
hat. Li Poppers Stelle wüi'de ich bei der Vergleichuiig der Sept.
1) Statt nnnj^ b^ n*i^X, ITiX ^N* i^\S Exod. 25ss. helsstesKap. 35ss.
regelmässig nnx b.S DPivS*, inX bx "IRvS- Statt n"i:in 26,4. 10 niüHD
36, 11. 17. Statt ]l^^,p Dnt^'y 26,18. 19 s. D''t^1p "V 36, 23. 24. 26. Noch
einige andere Beobachtungen ähnlicher Art a. 0. p. 84 ss. Vgl. Kuenen
Godsd. IL 265.
'^) Was für eines Sprachsinnes bedarf es, um nach Exod. 25 ss. die Kopie
Exod. 35 SS. zu verfertigen? Niclit einmal zur Abfassung von Exod. 25 ss. ist
viel Sprachsinn erforderlich, jedenfalls nicht mehr als z. B. der Verfasser der
Chronik hatte.
3) Beachte, dass 39, 1 des MT (== 39, 12 Sept.) auch in Sept. hinter
38, 31 (= 39, 10 s.) steht, obwol der Vers konsequent hinter 36, 8 (Sept.)
Exodus 25 — Leviticus 16. 147
den Nachdruck darauf gelegt haben, dass die Kap. 35 ss. einen
anderen Vertenten halben als Kap. 25 ss. (a. 0. p. 173). Bei der
völligen Gleichheit des Inhalts der beiden Abschnitte ist das sehr
verwunderlich und am ersten daraus zu begreifen, dass der Yertent
von Kap. 25 ss. eben Kap. 35 ss. noch nicht vorfand; zumal dann
im Leviticus die Übersetzungsmanier wieder in das alte Fahrwasser
einlenkt. Ähnlich liegt die Sache bei Num. 4, sie zu verfolgen
Mäirde hier zu weit fülu"en.
4. Wii' gehn in der Untersuchung des Priestercodex weiter 420
und prüfen Lev. 10, einen von Kap. 9 abhängigen Anhang. Es ist
oben gezeigt (p. 140), dass v. 6. 7 von späterer Hand stammen, weil
hier die sieben Tage Exod. 29, 30. 37. Lev. 8, 33 noch laufen, die
in Wahrheit bereits 9, 1 vorüber sind. Yon v. 6. 7 hangen wie-
derum die Verse 8 — 11 ab, ein Nachtrag zum Nachtrag, mit der
bisher unerhörten Einleitung: und Jahve sprach zu Aharon (Num.
18). Ebenfalls ist früher schon die Posthumität von v. 16 — 20
nachgewiesen, p. 136. Nach Lev. 9, 15 hat Aharon den Sünd-
opferbock ebenso behandelt wie den Sündopferfarren , d. h. ihn
verbrannt. Dies entsprach der Verordnung Lev. 4 nicht, wonach
bloss die Tiere zu verbrennen sind, deren Blut in das Heilige ge-
kommen und an den Räucheraltar gesprengt ist — was Lev. 9 nicht
der Fall^). Es ist also das Stück 10, 16 — 20 eine Korrectur des
Verfahrens in Lev. 9 auf Grund der Regeln des Opfercodex Kap.
1 — 7. Als primär können demnach in Kap. 10 nur gelten v. 1 — 5
und V. 12 — ^15. In Bezug auf letztere Verse ist darauf auf-
merksam zu machen, dass sie von den in Kap. 1 — 7 gegebenen
Verordnungen nichts zu wissen scheinen.
Wie eine unmittelbare Fortsetzung von 10, 1 — 5. 12 — 15 giebt
sich durch die Einleitung Kap. 16, welches die Gottesdienstordnung
der Stiftshütte (Exod. 25 — Lev. 10) durch die Anweisung über den
Gebrauch des Debir ergänzt und abschliesst. Das Stück weiss
nichts vom Räucheraltar und nennt allein Aharon den gesalbten
Priester (v. 32) — Merkmale der Zugehörigkeit zum ursprüng-
stehn müsste; ebenso, dass 38, 21—23 des MT (= 37, 19—21 Sept.) hinter
38, 20 (= 37, 18) auch in Sept. steht, obwol er als zum Folgenden gehörig
vor 39, 1 (Sept.) stehn müsste.
^) Der Sündopferfarre Lev. 9 konnte in keinem Falle dem Priester zufallen,
weil er von diesem selber bezahlt wurde.
10*
148 I^iö Gesetzgebung.
liehen Bestände von Q, zu denen noch die Einfassung in den histo-
rischen Rahmen hinzukommt (v. 1 s.) ^).
Inhaltlich passen freilich auch Kap. 11 — 15 so ziemlich an die
Stelle, wo sie stehn, nach der Einrichtung des Heiligtums und
der Eröffnung des Dienstes daran 15, 31 vgl. 10, Q'"*), vor der
Anordnung über die Generalsühne für alle Befleckungen und Ver-
stösse 16, 16. Aber ob der Yerf., der 16, 1 an Kap. 10 anschloss,
inzwischen Kap. 11 — 15 eingeschoben hat? und ob die Prolepse
des technischen Lagerbegriffs (als des Kreises zum Centrum der
421 Hütte), wie sie Kap. 13 — 15 vorkommt, dem Yerf. von Num. Iss.
zugeschrieben werden darf? Zu ZAveifeln veranlasst auch das häu-
fige nmn n.si 11, 46. 12,7. 13, 59. 14, 2. 32.54. 15, 32, ferner
der eigentümliche Ton von 15, 31, ebenso die Eingangsformel 11, 1.
13, 1. 14, 33. 15, 1, wenn man sie mit 16, 1 zusammenhält: das
Ergehn der Rede Gottes an zwei Personen zugleich ist jedenfalls
das minder ursprüngliche und eine psychologisch unerklärbare Vor-
stellung. Doch entscheide ich nicht und bemerke nur das, dass
sich innerhalb der Gruppe der Reinigkeitsgesetze selber einige
Nachträge erkennen lassen. In Kap. 11 ist v. 24 — 40 ein Einsatz,
der es nicht mit dem Essen, sondern mit dem Berühren unreiner
Tiere zu tun hat und sich ferner dadurch unterscheidet, dass es
für yp\l^ ist es euch einfach heisst N*DtO ist es euch, und dass
der Aufzählung der verunreinigenden Fälle die strafgesetzliche
Wirkung auf die betreffende Person hinzugefügt wird. Den Faden
von V. 23 nimmt erst v. 41 wieder auf (^DN% Vp^) und fügt dem
r]iyn y^r^ v. 20—23 das yi^n yi^' bei; auch die Unterschrift
V. 46s. ignorirt den Inhalt von v. 24 — 40 und berücksichtigt
bloss die vier Abteilungen der nicht zu essenden Tiere v. 2 — 8.
9 — 12. 13 — 23. 41s. Das 12. Kapitel ist schon durch seine
Stellung verdächtig, denn stofflich ist es eine Unterabteilung von
Kap. 15; die Posteriorität wird klar durch 12, 2 vgl. 15, 19, dem
Verfasser von Kap. 12 hat Kap. 15 bereits fertig vorgelegen. Die
Thora des Aussatzes Kap. 13. 14 wird durch eine Generalunterschrift
und durch mehrfache Rückbezüge der späteren auf die früheren
Teile zusammengehalten. Indessen kann man kaum zweifeln, dass
') [Vgl. aber Benzmger in Stades Ztschr. 1889 p. 65 ss.].
''^) Die 7 Tage der Reinigung des Aussätzigen etc. vor seiner Reception
zum Mitglied der Gemeinde sind analog den 7 Tagen der Vorbereitung vor
der Priesterweihe. Ezech. 43, 25. 44, 26. Auch übrigens herrscht Analogie.
Exodus 25 — Leviticiis 16. 149
das Gesetz über den Häiiserfrass 14, 33 ss. nicht bloss sachlich,
sondern auch literarisch jüngeren Datums ist. Nur so erklärt sich
seine Stellung, hinter 14, 1 — 32 statt hinter 13, 47 — 59, und
seine neue Eingangsformel 14, 33 s., worin noch die Besonderheit
auffällt: ich gebe die Plage des Aussatzes. Das sachlich bei
weitem älteste Stück des Ganzen ist natüi'lich 13, 1 — 46, welches
sich auch stilistisch durch den regelmässigen Ansatz T 0"iN v. 2.
9. 18. 24. 29. 38 und ferner durch das Fehlen des sonst überall in
Kap. 11 — 15 Constanten nmn HNl auszeichnet.
Also Exod. 25 — Lev. 16 ist zwar alles Priestercodex, aber
nicht alles Q. Die No.vellen liegen nur in der Sphäre von Q und
entstammen dem selben Boden, sind aber verschiedenen und meistens
oder auch sämtlich jüngeren Ursprungs. Anders steht die Sache
im folgenden Abschnitt, Lev. 17 — 26, wo eine kleine Gesetzsamm-
lung, die allem Anschein nach älter als Q ist, nicht in Q, aber in 422
den Priestercodex hineingearbeitet ist.
Die Gesetzsammlung Lev. 17 — 26.
Über diese Kapitel ist viel verhandelt worden. Bei Kap. 18.
bis 20 hat zuerst Ewald die sprachlichen Eigentümlichkeiten waln--
genommen und sie daraus erklärt, dass der Verfasser (von Q) hier
stärker als sonst sehr alte Quellen benutze. Knobel dehnte diese
Beobachtungen weiter aus, z. B. auf Kap. 17. 26, gab aber die
betreffenden Stücke für jehovistisch aus und verleibte sie seinem
Kriegsbuche ein. In dem Festgesetze Kap. 23 hatte bereits viel
früher George grössere Partien erkannt, die sich fremdartig gegen
ihi*e Umgebung abhoben; seine Resultate, die übrigens nicht die
verdiente Beachtung fanden, wurden von Hupfeld erneuert. Zu-
sammenfassend hat endlich Graf zu zeigen versucht, dass Kap. 18
bis 26 eine ältere Sammlung von Aufsätzen sei, die der Verfasser
von Q aufgenommen und durchgearbeitet habe. In seinen Spuren
sind Kuenen und neuerdinöjs Kavser weiter ö'esano'en, welcher
letztere das nicht unverdiente Unglück gehabt hat, die Funde
Georges und Hupfelds noch einmal zu finden.
Auf Grund dieser Verhandlungen ist meine Meinung folgende.
Die Kapitel Lev. 17 — 26 gehören sicher nicht zu dem jehovisti-
schen Geschichtsbuche, sondern ihrer vorwiegenden Art nach zum
Priestercodex. Aber im Vergleich zu Q und den darauf fussenden
Novellen haben sie doch viele hier stärker dort schwächer hervor-
150 I^ie Gesetzgebung.
tretende Eigenheiten, wodurch sie sich dem Deuteronomium und
dem Ezechiel nähern. Es scheint hier in der Tat eine ältere selb-
ständige Gesetzsammlung in den Priestercodex aufgenommen zu sein,
welche dabei aber an manchen Stellen stark überarbeitet und zwar
zumeist materiell ergänzt wurde. Eine Sammlung, nicht einzelne
Stücke. Denn ein ziemlich manierirter religiös-paränetischer Ton,
der gar nicht mit Q stimmt, durchzieht das Ganze und kommt
namentlich auch in der Schlussrede Kap. 26 zum Ausdruck. Der
Verfasser des kleinen Corpus hat zum Teil auf Grund älterer Vor-
lagen gearbeitet, und so erklärt sich das Verhältnis von Kap. 18
zu Kap. 20. Zur Begründung Folgendes.
Lev. 17 vergleicht sich mit Deut. 12; dies Gesetz verlangt eben-
falls die Centralish'ung des Opferdienstes, hält aber trotzdem die
Forderung aufrecht, dass alle Schlachtung Opfer sein müsse. Vier
Absätze werden eingeleitet durch die Formel „jedermann vom Hause
Israel und den darunter weilenden Fremden", in der einmal die
423 Fremden ausbleiben, ohne dass dies einen Unterschied macht. Sach-
lich sehi' in einander fliessend lassen sie sich a potiori so characte-
risiren: v. 3 — 7 Verbot zu schlachten, ohne zu opfern; v. 8. 9
Verbot, die Opfer einem anderen Gott und an einem anderen Orte
darzubringen als dem Jahve bei seiner Wohnung; v. 10 — 12 Ver-
bot, das Fleisch im Blute zu essen; v. 13 — 16 Verhalten bei nicht
opferbarem, jedoch zu essen erlaubtem Fleische, wozu auch, mit
einer kleinen Beschränkung, Nebela und Terepha gehört.
Die grosse formelle und sachliche Ähnlichkeit von Lev. 17 mit
Q liegt auf der Hand '), dennoch ist es kein Stück daraus und
keine simple Novelle dazu. Sonst wäre die Stellung ebenso un-
verständlich wie die durchgehende Wiederholung längst gegebener
Verordnungen, s. Knobel p. 495. Der Opferdienst und der Ort des-
selben steht anderswo überall an der Spitze, so im Deut. Kap. 12,
im Bundeshuch Exod. 20, 24 — 26, im Ezechiel Kap. 40 ss. Vor
allem aber beginnt Q selber damit, in der allerausführlichsten
Weise. Denn die Voranstellung der Stiftshütte Exod. 25 ss. hat
doch den Sinn, dass, um dem Kultus den Boden zu verschaffen,
zuerst das rechte wahre und einige Heiligtum da sein müsse; in
^) Z. B. die stete Aiisdelmimg der Gesetzgebung auf die Gerim — was
auf eine gemeinsame Situation, aus der beide Codices hervorgegangen sind,
,schliessen lässt, nämlich auf das Vorwiegen der Religion über die Nationalität,
vgl. Lev. 24, 22,
Leviticus 17—26. 151
die Beschreibung desselben wird die des Opferdienstes hineinge-
flochten, und nirgends wird späterhin bei einer rituellen Handlung
unterlassen zu bemerken, sie müsse vor dem Tabernakel geschehen.
Es ist ein höchst verwunderlicher Irrtum, zu meinen, dass abge-
sehen von Lev. 17 im Priestercodex von Einheit des Cultusortes
nichts zu finden sei; die Stiftshütte ist ja doch die Basis des
Ganzen, ohne welche es zusammenbräche, und sie hat keine andere
Bedeutung als die eines Gesetzes der Ivultuseinheit in historischer
Form. Was soll also Lev. 17, 1 — 9 in Q, sowol überhaupt, als
auch besonders an dieser vStelle?
Hinzukommt, dass, sofern dies Gesetz wirklich etwas Neues
bringt, es mit Q (und den Novellen) nicht im Einklang steht. Dies
ist besonders hinsichtlich der Forderung der Fall, dass jede
Schlachtung Opfer sein müsse. Q lässt die Patriarchen nicht opfern,
gestattet aber die Schlachtung ganz ausdrücklich in den noachi-
schen Geboten, welche vielfach an Lev. 17 erinnern. Im Gegen-
satz zu Sabbath und Beschneidung haben nun zwar diese Gebote 424
ihre bleibende Geltung mehr füi* die übrige Welt als für Israel;
aber die Erlaubnis, Tiere ohne Opfer zu schlachten — von der
das ältere Heidentum keinen Gebrauch gemacht hat — soll ohne
Zweifel auch für den jMosaismus in Kraft bleiben. Denn nur so
ist der Charakter des Opferdienstes in Q zu begreifen: die abstrakt
gottesdienstlichen Opfer, von deren Fleisch nichts für den Dar-
bringer selbst abfällt, herrschen einseitig vor, das s. g. Dankopfer
und die dazu gehörige Opfermahlzeit tritt ganz zurück — was auf
Grund von Lev. 17 nicht hätte geschehen können und selbst im
Deuteronomium noch nicht geschehen ist, wo vielmehr noch immer
das gemeinschaftliche Essen und sich Freuen vor Jahve als die
Hauptsache beim Opfer gilt. Dass im Priestercodex nicht jede
Schlachtung Dankopfer ist, geht auch daraus hervor, dass von dem
letzteren Keule und Brust an den Priester abgegeben werden sollen
— das konnte doch in jenem Falle unmöglich verlangt werden,
wie denn auch Lev. 17 davon keine Rede ist. Unleugbar wii"d die
Schlachtung endlich in Lev. 7, 22 — 27 als ein profaner Akt vor-
ausgesetzt, der an jeder Stelle verrichtet werden kann und mit
dem Altardienst nichts meln^ zu tun hat.
Auf eine weitere sachliche Differenz hat schon Knobel hinge-
Aviesen, nämlich auf die Motivirung der gebotenen Massregel durch
den Götzendienst 17, 7, eine Rücksicht, die dem Priestercodex ferne,
152 Die Gesetzgebung,
dagegen dem Deuteronomium nahe liegt, namentlich wenn unter
den Seirim nach 2. Chron. 11, 15 die Gottheiten der Bamoth zu
verstehn sind, vgl. Lev. 26, 30. Auf einige Abweichungen des
Ausdi'ucks hat gleichfalls Knobel aufmerksam gemacht, dahin ge-
hören die Wendungen in v. 7. 10 und die Einleitungsformel v. 3.
8. 10. 13. Die Ähnlichkeiten überwiegen hier freilich, aber es
findet dabei gewöhnlich entweder ein quantitativer oder auch ein
bedeutsamer qualitativer Unterschied statt. Beides trifft zusammen
bei der bekannten Phrase n^r2p2 X^"^^ '^'^^n nnirJV Sie kommt in
Q seltener vor als in Lev. 17 ss., immer aber in dieser Form mit
i^t:! als passivem Subjekt; in Lev. 17 ss. dagegen ist ihre Form
freier, und sie bekommt dadurch ein ganz anderes Leben, dass
zuweilen die aktive Konstruktion „ich richte mein Angesicht gegen
ihn und rotte ihn aus von seinen Verwandten" den Sinn der
passiven erklärt 17, 10. 20, 3. 5. Nie tritt inmitten eines Gesetzes
des eigentlichen Priestercodex das göttliche Ich so hervor. Be-
achtung verdient noch, dass Lev. 17 sowol in seinen Ähnlichkeiten
mit Q als in seinen Abweichungen davon mit den folgenden
Kapiteln zusammentrifft.
425 Die Hand desjenigen, der unsere Sammlung in den Priester-
codex aufgenommen hat, ist in der Überschrift 17, 1. 2 erkennbar,
die zu dem Inhalt des Kapitels nicht passt, welcher bloss an das
Volk und nicht an die Priester gerichtet ist. Ferner ist in v. 4
eins von beiden überflüssig und störend, entweder "ylC SlN nPD b^
oder mn^ ]D\^'r2 IjDS. Die Entscheidung fällt gegen den ersteren
Ausdruck, der der gewöhnliche ist, aber in Kap. 18 — 26 nur ein-
mal in einer Interpolation vorkommt. Darnach wird man geneigt,
denselben auch in v. 6 und v. 9 für Korrektur des Überarbeiters
zu halten, vgl. 19, 21. 22. Ob dieser noch sonst eingegriffen hat,
muss dahin gestellt bleiben.
In Kap. 18 unterscheidet sich die eigentliche Materie v. 6 — 23,
welche meist ganz trocken aufgezeichnet ist (bes. v. 7 — 17), von
der paränetischen Einfassung am Anfang und Schluss, deren Ton
an das Deuteronomium anklingt. Dort geht die singularische, hier
die pluralische Anrede durch. Den materiellen Kern fand der
Verfasser grösstenteils schon schriftlich oder mündlich fixirt vor,
vgl. zu Kap. 20; die Einfassung hat er selber concipirt und da-
durch dem Gesetz eine geschichtliche Situation gegeben, die sein
eigenes Zeitalter verrät. Es heisst v. 3: ihr sollt es nicht machen
Leviticus 17—26. 153
wie die Ägypter, in deren Lande ihr gewohnt habt, und auch nicht
wie die Kanaaniter, in deren Land ich euch bringen werde —
und übereinstimmend damit v. 24: verunreinigt euch nicht mit
solchen Greueln, wie die Völker, die ich vor euch vertreiben
werde. Dagegen v. 25: das Land hat seine alten Bewohner aus -
gespieen — v. 27. 28: alle diese Greuel haben die Völker geübt,
welche vor euch waren, hütet euch, dass das Land nicht auch
euch ausspeie, wie es das Volk vor euch ausgespieen hat —
ähnlich v. 30. Da bricht die wirkliche Zeit des Verfassers, wo man
mit der Exilirung gar wol vertraut war, deutlich durch; aber schon
an sich giebt das ganze Motiv etwas zu denken. Vgl. 20, 23 s.
26, 33 SS.
Die LTnterschiede von Kap. 18 gegen Q sind allgemein aner-
kannt. Man beachte namentlich die jener Schrift völlig fremde
Formulirung der Gesetze in der singularischen Anrede an das Volk
V. 7 — 23. Auch die Einfassung v. 1 — 5. 24 — 30 hat zw^ar manches,
was an das Deuteronomium, aber nichts, was an Q erinnert; hier
(und V. 20 — 23) finden sich im Gegenteil die durchgehenden Eigen-
tümlichkeiten des Corpus am meisten vereinigt. Nicht einmal von
einer nachträo-lichen Überarbeituns; im Sinne des Priestercodex
lässt sich in Kap. 18 eine Spur auffinden.
Das 19. Kapitel lässt sich in drei Teile zerlegen. Erstens 426
V. 2—8. An der Spitze steht der Befehl „Mutter und Vater zu
füi'chten" und Jahves Sabbathe zu halten, dann folgen andere Ge-
bote kultischen Inhalts für das Volk. Also ein Analogen der
s. g. ersten Tafel des Dekalogs, es fehlt nur das „du sollst den
Namen Jahves nicht zur Lüge aussprechen", vielleicht weil der
falsche Schwur ausschliesslich unter den Gesichtspunkt der Schä-
digung des Nächsten gestellt und so zu sagen das dritte mit dem
neunten Gebote combinirt ist, v. 12. Anrede mit Ihr; der eigen-
tümliche Ton des Verfassers tritt hervor, namentlich am Anfang
und am Ende. — Zweitens v. 9 — 22. Dieser Absatz enthält bis
V. 18 ausschliesslich Gebote betreffend die Pflichten gegen den
Nächsten, nur v. 19 — 22 fallen nicht unter diese Kategorie. Hier
sind nun v. 21. 22 Interpolation des von Q ausgehenden Uber-
arbeiters, als solche kenntlich fast an jedem einzelnen Worte: es
genüge, dass das Heiligtum sonst nie in diesen Kapiteln Ohel
Moed heisst, sondern immer Mi q das ch, und dass das Schuldopfer
22, 14 völlig unbekannt ist. Die beiden vorhergehenden Verse sind
154 Die Gesetzgebung.
ein älterer und authentischer Anhang zu v. 9 — 18, sich unter-
scheidend V. 19 durch die besondere Einleitung, v. 20 durch den
Mangel der Anrede (wie im Bundesbuch die Rechte gegenüber
den Worten). A potiori wird man trotz v. 19 — 22 sagen können,
dass der zweite Absatz der zweiten Tafel des Dekalogs entspricht'):
eine offenbar beabsichtigte Zwieteilung. Der Verfasser hat hier
gewiss öfter, als es sich nachweisen lässt, den Wortlaut älterer
Quellen beibehalten, aus denen er zusammenstellte; er hat sich,
wie es scheint, auch da, wo er umschmolz oder selbständig ge-
staltete, ihrem Stile conformirt. Daher im Gegensatze zu v. 2
bis 8 und zu v. 23 — 37 das durchgehende Du in der Anrede; die
Ihr sind vereinzelt und kommen ausser in v. 11 und an dessen
unmittelbaren Grenzen bloss in v. 9 und v. 19 vor, mehr als
einmal in Collision mit dem Contexte. — Drittens v. 23 — 37.
Anderweitige religiöse (v. 23 — 32) und moralische (v. 33—37) Ge-
bote, eine Art Nachtrag zu den beiden vorhergehenden Teilen, mit
einem besonderen Eingange. Ihr geht durch. Du findet sich v. 27.
29. 32, in drei kurzen Sätzen, die wahrscheinlich bereits geprägt
vorlagen, wie der Yergleich von v. 34 mit v. 18 lehrt. Der Ver-
427 fasser bewegt sich hier viel freier als v. 9 — 22, seine Manier tritt
stark hervor, stärker noch als v. 2 — 8. Was zunächst v. 33 — 37
betrifft, so liest sich dies wie ein Stück aus dem Deuteronomium,
mit einer starken Beimischung von Ezechiel; das merkwürdige
nniL^'-O V. 35 findet sich ausser 1. Chron. 23, 29 nur Ezech. 4, 11.
16, und V. 36 stimmt wörtlich mit Ezech. 45, 10. In v. 34 ist
"]1CD lS PÜHNi der Form nach aus v. 18 wiederholt, jedoch mit
einer interessanten Erweiterung des Sinnes, sofern der ältere Spruch,
dessen originale Form der Schriftsteller v. 18 mitgeteilt hat, unter
dem Nächsten den Volksgenossen versteht, er selbst aber den
Fremden') mit einschliesst und das Gebot der Liebe auch auf diesen
ausdehnt (wie 24, 22). Was sodann v. 23 — 32 anlangt, so scheint
hier ebenfalls mit wenigen Ausnahmen überall freie Composition
des Verfassers vorzuliegen. Das Trauerverbot v. 27. 28, welches
in anderer Form im Deuteronomium vorliegt, war zur Zeit Jeremias
(16, 6) noch nicht wirksam; die Übertragung des Begriffs der
Vorhaut auf die Bäume ist moderne Abstraktion; auf die v. 26. 30
J) „Das fehlende Verbot des Ehebruchs ist Kap, 18 und 20 zu ausführ-
lichen Gesetzen gegen die Unzucht erweitert." Graf, Geschichtl. Bücher p. 78.
-) Vgl. über die Bedeutung von -]^ 25, 35 und dagegen auch 25, 45. 47,
Leviticus 17 — 26. 155
wiederholten Gebote legt Ezechiel besonderes Gewicht und bei
letzterem tritt auch ?]''t»in für r]t)X auf, wie y. 25.
Dass Kap. 19 nicht aus Q stammt, bekundet nicht bloss die
Sprache (Du, Ihr), sondern auch der Inhalt (u. a. das starke Her-
vortreten des Ackerbaues). In beider Hinsicht zeigt sich dagegen
Verwandtschaft mit den alten Debarim in Exodus; das ist der
Grund, Avarum Knobel die Kapitel Lev. 17 — 20 zu JE gewiesen hat.
Richtiger wird man sagen, dass unser Schriftsteller — unleugbar
ein Epigone — den Dekalog und das Bundesbuch gekannt und
benutzt hat, aber auf einer fortgeschrittenen Stufe steht, die mit
der cleuteronomischen wesentlich übereinkommt. Vgl. das zu v. 23
bis 37 Bemerkte und weiter zu 24, 15 — 23. Auf den Redaktor
des Priester codex ist, wie gezeigt, v. 21. 22 zurückzuführen,
vielleicht auch die Formulirung der Überschrift in v. 1. 2 a, aber
auf keinen Fall, wie Kayser will (das vorexil. Buch p. 69), v. 5 — 8.
Lehrreich für* das literarische Verfaliren des Autors von Lev.
17 — 26 ist das Verhältnis des 20. zum 18. Kapitel. Die Hand,
welche 20, 2. 3. 5 oder 20, 22 s. geschrieben hat, ist die gleiche,
welche 17, 3. 8. 10. 13 oder 18, 24ss. geschrieben hat, d. i. die
des Gesamtverfassers. Aber ihrem ursprünglichen Kerne nach sind
die Gesetze Kap. 18 und Kap. 20 zwar wol aus der gleichen, zum
Teil schon formell fixirten (18, 21s. = 20, 13ss.) Tradition ge- -428
schöpft, unmöglich aber von dem selben Originalverfasser hinter
einander niedergeschrieben, vielmehr erst von der Hand eines
Dritten in dieser Weise bearbeitet und zusammengestellt^). Denn
ursprünglich sind es einander ausschliessende Parallelen, nicht aber
zusammenschliessende Hälften eines Ganzen. Man sagt zwar,
Kap. 18 enthalte die Verbote, Kap. 20 die Straf bestimmungen —
doch damit kann höchstens der Compilator vor sich selber die Zu-
sammenstellung der beiden Aufsätze gerechtfertigt und demgemäss
V. 6 und V. 27 (abgesehen von v. 2) hinzugefügt haben, um auch
auf Kap. 19 einige Rücksicht zu nehmen. Hingegen füi- die eigent-
liche Hauptmaterie des Kap. 20, nämlich für v. 9 — 21, lässt sich
nicht auf diese Weise neben dem 18. Kapitel Raum gewinnen. Vgl.
Graf p. 76. 77, ausserdem ein paar auffallende formelle Differenzen
in der Fassung gleichartiger Gebote 18, 17. 20, 14. 18, 19. 20, 18,
und besonders das durchgehende Fehlen der Anrede in Kap. 20.
^) der übrigens seinen Quellen der Zeit, dem Geiste und der Sprache
nach sehr nahe stand.
156 Die Gesetzgebung.
Eigene Zutaten des Verfassers der Sammlung sind hier wie
sonst namentlich der Schluss v. 21 — 27 und der Anfang v. 1 — 9.
Der letztere indessen ist etwas . complicirterer Natur. Nämlich
\. 4. 5 ist eine Glosse zu v. 2. 3 — in v. 2 wird die Tötung des
Verbrechers dem Volke zur Pflicht gemacht, in v. 3 wird sie Gott
A^orbehalten; diese Difterenz Avird nun v. 4. 5 so ausgeglichen,
dass, wenn das Volk seine Pflicht nicht tue, dann Gott direkt
einschreiten werde. Schwierig ist es nun aber zu sagen, ob der
Widerspruch von v. 2 und v. 3 ein ernsthafter ist, oder ob der
Autor gar kein Gewicht auf die Straf bestimmungen legt und sorg-
los auch solche mit einander verbindet, die sich ausschli essen.
Mir scheint eher das Letztere der Fall zu sein, denn auch in
dem Hauptteil v. 9 — 21 w^erden unterschiedslos göttliche und
menschliche Strafen angedroht, freilich nicht für das selbe Vergehen.
Für- das Verhältnis zu JE kommt v. 24 VJ'^lI) nbn PÜl^) in
Betracht, für das zum Deuteronomium 20, 20, wo ebenso wie 18,
14 das Levirat verboten wird, füi* das zum Priestercodex 20, 18,
wo der Tod auf ein Vergehen gesetzt wird, welches 15, 24 mit
einer achttägigen Unreinheit gebüsst wird. Erwähnung verdient noch,
429 dass 20, 15 auf ein Gesetz über reine und unreine Tiere zurück-
gesehen wird, welches hier vielleicht einst gestanden hat, aber von
dem letzten Redaktor mit Rücksicht auf Lev. 11 ausgelassen ist.
AVenn es für Kap. 18 — 20 zugestanden ist, dass sie erst nach-
träglich in den Priestercodex aufgenommen sind, ursprünglich aber
einer selbständigen Sammlung angehörten, so bedarf dies für Kap.
21. 22 noch weiteren Beweises. Es ist gewiss, dass diese Gesetze
durch ihre Materie (Priester, Opfer) und ihre hierokratische An-
schauung (hervorragende Stellung des heiligen Klerus, Holier-
priester, das Heiligtum als Mittelpunkt der Theokratie) mit dem
Priestercodex nahe verwandt sind. Ebenso durch ihre Sprache,
soweit sie mit dem Kultus und dessen Kunstausdrücken zusammen-
hängt. Viel weiter reicht aber die Verwandtschaft auf dem letzteren
Gebiete nicht. So lautet z. B. 21, 8: du sollst den Priester heilig
halten, denn das Brod deines Gottes bringt er dar, heilig sei er
dir, denn ich bin heilig. Wo findet es sich in Q, dass über die
Priester in dritter Person gehandelt wird in einem Gesetze, das sie
1) Mit gleichem Rechte wie diese Worte darf man auch 19, 15 oder 24,
17 — 21 streichen. Gegen Nöldeke,
Leviticus 17—26. 157
selber betrifft?') dass dagegen das Volk angeredet wii'd und zwar
in 2. Sing.? wo ist dort schlechtweg von dem Priester die Rede,
wenn damit nicht ein einzelner, sondern der ganze Stand gemeint
wird? Phrasen ferner wie 21, 6. 11. 15. 23. 22, 9. 15. 16. 31— 33
führen so entschieden auf den Verfasser von Lev. 17 ss. und von
Q ab, dass man sich wundern muss, wie man sie für irrelevant
hat halten können. Auch in Einzelheiten unterscheidet sich der
Ausdi'uck von Q. Dahin gehört cnbx Urh 21, 6. 8. 17. 21. 22.
22, 25, eine höchst charakteristische Bezeichnung der Opfer, die
bisher nii'gends vorgekommen ist und auch später nur Num. 28, 2
sich findet. Ferner die schwankende Benennung der Priester, die
bald Brüder, bald Same, bald Söhne Aharons^) heissen: in Q sind
diese Verhältnisse völlig fest und starr ebenso wie der ihnen ent-
sprechende Sprachgebrauch. Endlich das constante Fehlen des
1V^,D 'pnx, auch an Stellen, wo dasselbe in Q unvermeidlich ge-
wesen wäre — statt dessen heisst es, wie in Kap. 19 und 20,
immer ^L'npnn, nach einer unbestimmteren und laxeren Vorstellung 430
des mosaischen Instituts. Man sieht, die äusseren Unterschiede
fühi-en schliesslich auf innere zurück; die Dinge sind hier noch
nicht soweit und so fest entwickelt wie in Q. Das zeigt sich noch
deutlicher in Fokendem.
Wenn jemand eine heilige Abgabe unrechtmässiger Weise ver-
zehrt hat, heisst es 22, 15, so soll er zur Strafe sie erstatten und
ein Fünfteil dazu legen. Im Priestercodex wird ausserdem noch
ein Schuldopfer gefordert Lev. 5, 15. 16: davon ist hier keine
Rede^). Auch 22, 17 ss. wird auf Sund- und Schuldopfer gar keine
Rücksicht genommen: dies hätte aber notwendiger Weise geschehen
müssen, wenn sie von solcher Wichtigkeit und Ausdehnung gewesen
wären wie im Priestercodex. Vgl. zu 19, 21 s. Vielleicht darf
man hinzufügen, dass der Unterschied von hochheiligen und heiligen
Abgaben hier höchstens erst im Werden ist. Nach dem Priester-
codex überlässt Gott die ihm zur Verfügung stehenden Opfer und
^) Vgl. die Discrepanz zwischen der im Stil von Q gehaltenen Überschrift
V. 1 zu dem Anfang des eigentlichen Gesetzes TiDJ?^ NCtO"" X7 t^'5i>
^) So jedoch nur in den Überschriften, deren Originalität öfters zu
Zweifeln Anlass giebt. Die Anrede passt nicht nur nicht 21, 1, sondern auch
nicht V. 17. Nach v. 21 scheint "ly^lO corrigirt aus l^Hi^ V)]^-» eben um
der Anrede der Überschrift zu genügen.
3) Lev. 27, 13. 15. 19 u. s. w. sind natürlich ungleichartige Fälle.
158 Die Gesetzgebung.
Gaben, wenn er sie nicht allein geniesst, entweder vollständig oder
teilweise dem Priester; im ersteren Falle heissen sie Qodascliim,
- von denen nichts auf den Altar gelangt, im letzteren Qodsche Qoda-
schim, von denen etwas auf den Altar gelangt, der Rest aber (li^xn ]D
Num. 18, 9) dem Priester zufällt. Zu den Qodaschim gehören
Erstgeburten, Erstlinge, Zehnten u. s. w., zu den Qodsche Qodaschim
Schaubrode, Mincha, namentlich aber die Schuld- und Sündopfer.
Die Brand- und Dankopfer fallen überhaupt nicht unter diese Be-
trachtuno'sweise , weil sie teils vollständig^ verbrannt und also
menschlichem Genüsse überhaupt entzogen werden, teils im Besitz
des Darbringers verbleiben; abgesehen von gewissen Stücken, die
vom Dankopferfleisch abgegeben werden und vollständig dem Priester
zufallen, also Qodaschim sind. Praktisch ist der Unterschied inso-
fern, als die hochheiligen Gefälle nur von den Männern aus Aharons
Geschlecht und zwar bei dem Altare, die heiligen dagegen von
männlichen und weiblichen Angehörigen an jedem reinen Orte ver-
zehrt werden durften; levitische Reinheit der Geniessenden wird
beidemal gefordert. Yergl eicht man hiermit die Bestimmungen
unseres Kapitels, so ist dort von den Qodaschim und ihrem Genuss
ausführlich die Rede 22, 1 — 16; derselbe steht allen reinen zum
Hause des Priesters gehörigen Personen zu, auch den Sklaven, die
im Priestercodex nicht mit einbegriffen werden. Aber zwischen
Qodascliim und Qodsche Qodaschim wird, praktisch wenigstens,
431 nicht unterscliieden. Selbst wenn man das Lechem Elohim 21,
16 — 24 mit Qodsche Qodaschim gleichsetzt, so gewinnt man da-
durch nichts; denn 21, 16 — 24 wird vom Darbringen des Lechem
Elohim gehandelt, hingegen 22, 1 — 16 vom Essen der Qodaschim
— der Gegensatz findet also nicht statt zwischen Lechem Elohim
(z= Qodsche Qodaschim) und Qodaschim, sondern zwischen Dar-
bringen an Gott und Essen der Priester; und aus der für sich
betrachteten Darstellung kann man nur den Eindruck gewinnen,
dass im Ganzen und Grossen der selbe Gegenstand Lechem
Elohim heisst, sofern er auf Gottes Altar und Tisch kommt, und
Qodaschim, sofern er Eigentum des Priesters wird. Übrigens 'würde
auch die Bezeichnung Lechem Elohim auf die Qodsche Qodaschim
möglichst schlecht passen. Denn die letzteren bestelm vorzugs-
weise in den Schuld- und Sündopfern, von diesen aber geniesst
Gott nie das eigentlich Essbare, es sind keine Essopfer. Dagegen
fallen Brand- und Dankopfer nach 22, 25 unter den Begriff des
Leviticus 17—26. 159
Lechem Eloliim: diese sind hinwiederum nicht Qodsche Qodaschim.
Mit andern Worten finden die ausgebihleten Begriffe des Priester-
codex in Lev. 21. 22 noch keine Anwendung. Wenn 21, 22 das
„Brod Gottes" sowol Hochheiliges als Heiliges umfasst, so ist das
materiell gewissermassen richtig, aber formell ist dieser Unterschied
dem originalen Verfasser imbewusst und die l:)etreffenden Worte,
die indessen meine Beweisführung nicht stören, sind nachgetragen.
Also verhalten sich diese beiden Ivapitel zum Priestercodex
wie eine Vorstufe. Ilii'e Zugehörigkeit zu Kap. iTss. folgt aus
dem Sprachgebrauch, teilweise auch aus den Ideen, z. B. der pro-
noncirten Hervorhebung der Heiligkeit des Tempels. Der A^erfasser
hat auch hier vielleicht manchmal älteres Material benutzt; so heben
sich z. B.- die Verse 21, 5. 6 durch die pluralische Konstruction
ziemlich schroff von v. 2 — 4 und von 7. 8 ab '). Deutlich ist in
22, 27 — 29 die Beziehung auf die Gesetzgebung von JE, die hier
modificirt wird. Vgl. v. 27 mit Exod. 22, 29, V. 28 mit Exod.
23, 19 und v. 29 mit Exod. 23, 18; denn die Thoda ist allem
Anschein nach die Hagiga und füi* die gewöhnlichen Dankopfer gilt
die Bestimmung 19, 6.
In Kap. 23 trägt allerdings die grössere Hälfte der Verord-
nungen den reinen Charakter der grossen priesterlichen Gesetz-
gebung an sich, aber die andere Hälfte weicht davon ab. Was 23,
9 — 22 betrifft, so lässt sich die besondere Überschrift, die aller-
dings zunächst deshalb auffällt, weil ja hier auch noch von Ostern 432
gehandelt wii'd, damit rechtfertigen, dass die Darbringung der Ger-
stengabe als ein Voractus zu Pfingsten aufgefasst und darum von
dem IMazzoth- Paschafeste getrennt wird. Aber mit Recht stösst
sich George^) an dem mi^'n r\T\DD in v. 11. Wie lässt sich
das mit dem Vorhergehenden in Verbindung bringen? was ist mit
dem Sabbath gemeint? Hitzig behauptet, das Pascha v. 5 sei der
14. Msan, der immer auf den Sabbath gefallen sei, da das Kirchen-
jahr stets mit dem Sonntag begonnen habe. Allerdings wird der
Terminus PD-l^Tl Hino Jos. 5, 11 aufgefasst als ric)5n"D, aber nicht
deshalb, weil das Pascha stets auf den Sonnabend traf. Denn
wäre dies der Fall, so müsste notwendig der 14. Nisau, als Sabbath,
ein voller Feiertag sein; aber das Pascha beschränkt sich, wie
^) In V. 7 muss offenbar der Singnilar HD'' gelesen werden.
-) Die älteren jüdischen Feste (Berlin 1835) p. 122 ss.
160 I^ie Gesetzgebimg.
ausdrückli eil hervorgehoben wml, auf den Abend des 14., und der
erste Feiertag ist der 15., der auf Pascha folgende Tag'). Viel-
mehr ist in Jos. 5 der Sabbath A^on Lev. 23,11 einfach uneigent-
lich genommen und auf Pascha gedeutet. Analog deutete ihn
die sehr alte Tradition der Juden auf den ersten Festtag, mit dem
selben Rechte. Denn willkürlich sind beide Erklärungen, schon
ihi*e gleiche Möglichkeit macht sie unmöglich. Es sind ja in v. 5
bis 8 drei heilige Termine in der Osterwoche hervorgehoben, der
14. , 15. und 22. des ersten Monats — welcher soll nun mit Hül^'n
V. 11 gemeint sein? Das hätte doch gesagt werden müssen! Ferner
wird PD-t^ sonst nirgends allgemein für Festtag gebraucht, und
für unsere Stelle speziell wird diese Bedeutung durch v. 16 un-
möglich gemacht. Dort nämlich kann PÜl^'n nincc, weil gar kein
Festtag in der Nähe ist, auf keine Weise anders verstanden werden
als von dem auf den eigentlichen Sabbath folgenden Tage;
dazu zwingt auch v. 15, mag man nun die niHÜli^' V^.^' als Wochen
oder Salibathe verstehn. Natürlich aber kann man den identischen
Ausdrücken v. 11 und 16 nicht verschiedenen Sinn unterlegen.
Durch die Beibehaltung der wirklichen Bedeutung des Sabbaths
V. 16 gewinnt man endlich noch den Vorteil, dass man nun nicht
die PiDD-t^' V. 15 im Sinne von ni^nt^ zu nehmen braucht, und
dass der Parallelismus des Jobeljahrs zur Pentekoste klar hervor-
tritt, vgl. zu 25, 8 SS.
433 Wenn dem so ist, so existirt keine rücksichtnehmende Ver-
bindung von V. 9 ss. mit dem Vorhergehenden, und dann ist der
Sabbath v. 11 rein nach den Voraussetzungen von v. 10 zu ver-
stehn, nämlich als der nächste Sabbath nach dem Beginn des
Gerstenschnittes. Ostern fällt auf den Anfang der Ernte, nicht auf
einen fixen Termin. Genau so verhält sich die Sache — bei allen
Festen — in der Gesetzgebung von JE und im Deuteronomium.
Insbesondere wird Deut. 16, 9 Pfingsten angesetzt „sieben Wochen
nach dem Anhieb der Sichel in das Kornfeld" , grade wie in un-
serem Gesetze (und mit der selben Formel "|b P5:t)n); nur ist in
diesem der Wochentag des Oster- und Pfingstfestes fixirt (= Sonn-
tag). Aber dies ist eine unbedeutende Differenz dem gegenüber,
1) Die s. g. heilige Tagesreclmung ist hier nicht befolgt, der Abend ge-
hört zum vorhergehenden und nicht zum folgenden Morgen. Meine Darstellung
in Pharis. u. Sadd. p. 59 s. ist confus und falsch. Vgl. Berach. 8b (oben)
zu Lev. 23, 32.
LeviticiLS 17—26. 161
dass der Monatstag nicht fixirt ist. Durch diesen letzteren Punkt
scheidet sich das Gesetz Lev. 23, 9 — 22 von der Gesetzgebung
des Priestercodex, wo die Feste sämtlich auf ein bestimmtes un-
wandelbares Datum fallen; und dieser Unterschied ist kein neben-
sächlicher, sondern ein principieller und hängt mit einer Verände-
rung des Wesens der Feste zusammen. Denn dadurch, dass sie
in ihren Terminen sich richten nach dem Stande der Ernte, charak-
terisiren sie sich eben als Erntefeste, wälu'end dieser Charakter da-
durch verwischt wird, dass sie von dem Wechsel der Erntezeit
unabhängig und vom Monde abhängig gemacht w^ erden. Gen. 1, 14.
Man entdeckt in der Tat, dass in Lev. 23, 1 — 8 und v. 22 — 38
die Feste ihre Ratio nur in dem unmotivirten Willen Gottes haben
und in gar keiner Beziehung zum natüidichen Leben stehn, dass
hingegen v. 9 — 22 der Landbau als Basis derselben deutlich her-
vortritt.
Noch weitere Gründe macht George geltend p. 127, um die
Sonderstellung von Lev. 23, 9 — 22 zu erweisen. „Alle anderen
Stücke unsers Kapitels zeigen eine gewisse Conformität in den
Ausdrücken und Redensarten, die immer wiederkehren, und ebenso
auch in der Anordnung der einzelnen Elemente der Festfeier —
dies zeigt sich hier weit weniger. Während es sonst nur auf die
Bestimmung der Feste, der Feiertage, und ilu'er allgemeinen Be-
deutung ankommt, aber nichts von bestimmten Opfern erwähnt
wird, die an ihnen gesetzlich w^aren, werden dieselben hier aus-
einandergesetzt und erscheinen fast als die Hauptsache." Wie richtig
und wie wichtig in der Tat diese letztere Beobachtung ist, leln."t der
Yergleich von Num. 28 s. Denn dies Gesetz, welches im übrigen
Lev. 23 offenbar voraussetzt und ergänzt, nimmt sonderbarerweise
gerade auf v. 9 — 22 gar keine Rücksicht und collidirt damit. Ygl.
George p. 147, und Hupfeld, de primitiva et vera festorum apud 434
Hebraeos ratione II 3 ss.
Auf gleicher Linie mit 23, 9 — 22 steht nun aber auch die
Verordnung über das Herbstfest v. 39 — 44. Auch dies Stück hat
zuerst George abgeschieden p. 142 ss. , aber Hupfeld gebührt das
Verdienst, den Zusammenhang mit v. 9 — 22 erkannt zu haben.
„V. 37 s. ist ganz deutlich eine Schlussformel, die notwendig am
Ende dieser ganzen Zusammenstellung gestanden haben muss." Was
folgt, V. 39 — 44, stammt anderswoher. Es ist aber nicht einfach
eine ergänzende Glosse, denn „es würde selbst hinreichen für die
Wellhausen, Comp. d. Hexateuclis. 3. Aufl. H
162 T)ie Gesetzgebung.
Darstellung unseres Festes, indem es das A^orlier Gesagte völlig
wiederholt und noch wichtige Einzelheiten über die Bedeutung und
den besonderen Ritus des Festes hinzufügt." Es finden sich auch
kleine Differenzen gegen A^ 33 — 38. In v. 40. 41 wird zweimal
die Festdauer auf sieben Tage angegeben wie Deut. 16, 13. Das
steht nicht im Einklang mit v. 36, wonach noch der achte Tag
gefeiert wird und zwar ebenso sehr wie der erste. Allerdings
währt nun v. 34 das Sukkothfest ebenfalls sieben Tage, und an-
dererseits werden v. 39 der erste und achte Tag als Hauptfest-
tage zusammengestellt. Aber während es nicht auffällt, dass in
V. 34 zunächst die Dauer des eigentlichen Laubhüttenfestes auf
sieben Tage angegeben und dann zum Schluss in einem expressen
Zusätze ein mehi' selbständiges Nachfest, eine eintägige Azereth^),
angehängt wird, so befremdet es dagegen, dass in v. 39 gleich an
der Spitze, jedoch ziemlich nebenbei, von einem ersten und achten
Tage des siebentägigen Festes die Rede ist, hinterher aber der
achte Tag völlig ignorirt wIitI. Und da wir nun aus dem Ver-
gleich von 1 Reg. 8, 66 mit 2 Chron. 7, 9 wissen, dass die Laub-
hütten zunächst in der Tat nur eine Woche hindurch begangen
wurden und dass später ein achter Feiertag hinzukam (Neh. 8, 18),
so werden wir um so geneigter sein, diese Differenz auch zwischen
Lev. 23, 39—44 (Num. 29, 35) und v. 34—38 anzuerkennen.
Man wird dann den letzten Satz v. 39 (liinter dem Athnach) als
Interpolation des Redaktors des Priestercodex anzusehen haben.
Derselbe hat wol auch das fixe Datum in v. 39 hinzugefügt, denn
das passt nicht zu der folgenden Bestimmung „wenn ihr den Er-
trag des Feldes eingebracht habt" und auch nicht zu der allge-
435 meinen Angabe v. 41 „im siebenten Monate". Das Fest v. 39 ss.
steht deutlich in Verbindung . mit der Lese, wie in JE und im
Deuteronomium. Es wird noch nicht, wie v. 34 P.Otjn ;in5 sondern
einfach mn'> :in genannt, wie im Buch der Könige. Nur der Ritus
der Laubhütten, der v. 34 ss. durch den Namen — bei dem vielleicht
auch der Gedanke an die PIDIlt^mit einspielte Jud. 9, 48 s. — vor-
ausgesetzt wird, wii'd v. 42 — 44 behandelt; in einem Nachtrage, in
welchem zu der natürlichen Seite des Festes eine historische hin-
zutritt.
^) So ist Pfingsten die Azereth zu Ostern, das Sclilussfest des sieben-
wöchentlichen tempus clausum, das zwischen Anfang und Ende der Kornernte
liesft.
Leviticiis 17—26. 163
Füi- die Yerbinclung von v. 39 — 44 (oder wenigstens v. 39 — 41)
mit V. 9 — 22 spricht der gleiche Griindcharakter der Feste als Ernte-
feste; die dem entsprechende Bedeutsamkeit der Riten, die deutliche
Correlation von Schnitt und Lese am Anfang und am Ende der
beiden Hauptjalu'eszeiten. Gemeindeopfer werden allerdings füi- das
Lesefest in v. 39 ss nicht gefordert, sondern nur private Opfermahl-
zeiten, '•'• ^^^^ cnriD^i^l. wie im Deuteronomium. Für die Zuge-
hörigkeit beider Stücke zu dem Corpus Lev. 17 ss. lässt sich geltend
machen vor allem das Verhältnis zu JE, zum Deuteronomium und
zum Priestercodex, sodann der Acker- und Obstbau als Basis des
Lebens und des Gottesdienstes (vgl. 19, 9. 10. 19. 23 und die hervor-
tretende religiöse Bedeutung des Landes in den Drohungen von
Kap. 18. 20), endlich die formelle Ähnlichkeit zwischen 23, 10
und 19, 23 (^"INrrbN 1is*D.n ^D, häufig im Deuteronomium),
zwischen 23, 22 und 19, 9. 10, zwischen 23, 39 und 19, 9
(DD*ll4pD.5 DDDbNÜ). Übrigens lassen sich in Kap. 23 die Stücke
V. 1 — 8. 23 — 38 natürlich nicht als Ergänzungen betrachten, sondern
sie bilden ein eben so vollständiges und auf sich beruhendes Ganze
wie V. 9 — 22. 39 — 44. Es sind also zwei Festgesetze hier zu-
sammengestellt und zwar von einem Redaktor, der seinerseits von
den Voraussetzungen des Priestercodex ausgeht, wie die Interpo-
lationen in V. 39 beweisen, welche mit denen in 21, 22. 19, 21.
22 sich vergleichen lassen.
In Kap. 24 ist v. 1 — 9 zweifelsohne eine Novelle zu Q, welche
in dieser Schrift selber ilii'en Platz bei der Beschreibung der Stifts-
hütte hätte haben müssen. Ihre jetzige Stellung ist mir nur dann
begreiflich, wenn hier ursprünglich eine der Sammlung Lev. 17ss.
entsprechende Verordnung gleichen Inhalts (= der Thamid-Gottes-
dienst im Gegensatz zum extraordinären Kap. 23) stand, die durch
den letzten Bearbeiter durch eine neue dem Priestercodex völlig
conforme ersetzt wurde. Auch die Historie v. 10 — 14. 23 ist ganz
unverkennbar im Stil von Q gehalten, sie ist aber erst aus dem
Gesetze v. 15 — 22, welches sie in einen geschichtlichen Rahmen 436
fasst, entnommen, genau in der Weise, wie Lukas es mit den evan-
gelischen Reden zu machen pflegt. Das Gesetz seinerseits (v. 15 — 22)
hat weder mit der vorausgehenden Geschichte, noch mit dem
Priestercodex überhaupt etwas zu tun. Es kann von keinem anderen
Verfasser stammen als von dem, welchem wir die Sammlung Lev.
17 SS. verdanken. Noch klarer als sonst liegt hier die Bezugnahme
11*
Iß4 I^iö Gesetzgebimg.
auf das jehovistisclie Bunclesbuch zu Tage, dessen Verordnungen
zum Teil wiederum einen anderen Sinn bekommen, wie z. B. die
dort sehr beschränkt geltende Talio in v. 20 zu einem ganz allge-
meinen Strafgrundsatz erhoben wird. Vergleiche ferner "»D t^''N ^''^^
V. 15, r\'>üV V. 19, namentlich aber v. 22 mit 19, 34s. Dass der
priesterliche Bearbeiter aus den mannigfachen Geboten von v.
15 — 22 nur das eine, welches auf Kultus und Religion sich bezieht,
herausgegriffen und dazu eine Geschichte gemacht hat, ist nicht
bloss für ihn bezeichnend, sondern auch für die Grundlage, von
der er ausging.
Gleicher Art wie die bisherigen Kapitel ist im Ganzen und
Grossen auch Kap. 25'). Was zunächst v. 1 — 7 betrifft, so ist
dies Stück mit 23 , 9 — 22 nächstverwandt , sowol nach der Form
(25, 1 : 8= 23, 9s. : 15) als nach dem Inhalt (Religion des Land-
baues). In beider Hinsicht scheidet es sich hingegen vom Priester-
codex. Während dieser bis zuletzt (Arboth Moab) die Form der
Wüstengesetzgebung einhält, setzt unsere Verordnung über das
Sabbathjahr offen den Ackerbau voraus. Ihre Sprache ist originell,
kaum ein Wort kommt vor, welches an Q erinnert^), HDN heisst
es V. 6 und nicht nnsi^> das Volk wird im Singular angeredet.
Noch ein Grund gegen die Herleitung aus Q ist, dass sich 25, 1 — 7
sichtlich gründet auf das jehovistische Gebot Exod. 23, 10. 11,
welches hier ebenso wie in den ähnlichen früher von uns beobach-
teten Fällen eine andere Wendung bekommt und zwar dadurch,
dass zum Object des Liegenlassens nicht wie Exod. 23, 11 die
Ernte, sondern der Boden selbst gemacht wii'd.
Zweifelhafter ist die Entscheidung über v. 8 — 18 (Jobeljahr)
oder besser über v. 8—13. Denn in v. 14 — 18 drängt sich die
Manier der vorhergehenden Kapitel so stark wie irgendwo auf, jedes
einzelne Wort von v. 17. 18 ist ein Beweis für den A^erfasser von
437 Kap. 17 SS. Dahingegen stehn die Verse 8 — 13 dem Priester codex
nahe, nicht bloss durch Einzelheiten ("im?- Exod. 30, 23), sondern
auch durch den weitläufigen Stil, der sich überall breit macht.
Freilich fussen sie andererseits ganz auf v. 1 — 7, scheinen im Folgen-
den vorausgesetzt zu werden, und sind — was das wichtigste
ist — der nicht dem Priestercodex entstammenden Verordnung
^) Vgl. Hupfeld, de primitiva etc. part. III.
^) pnüU' nUl^ collidirt v. 4 mit ii^ HÜli^ und ist wol eingearbeitet.
Leviticus 17— 2ß. 165
Über die Pentekoste 23, 15 ss. nacligebüdet. Darauf führt nämlich
sowol der gleiche Eingang 25, 8. 23, 15, als auch der Parallelis-
mus der Sache. Wie der 50. Tag nach den 7 einfachen Sabbathen
als Schlussfest der 49 Tage gefeiert wird, so das 50. Jahr nach
den 7 Jahrsabbathen ^) als Schlussfest (gleichsam Azereth) der
49 Jahre. Sonach wird man gedrängt, für v. 8 — 14 eine ältere
Grundlage anzunehmen, welche überarbeitet ist von dem Eedaktor,
der die Sammlung Lev. 17 ss. in den Priestercodex aufgenommen
hat. Dies Sachverhältnis lässt sich namentlich an v. 9 aufzeigen,
indem hier der hinter dem Athnach folgende Satz deutlich Inter-
polation ist. Ist es "etwa glaublich, dass das Ausposaunen, des
Jobeljalu'es deshalb am 10. des 7. Monats stattfand, weil auf diesen
Tag das Kippur fiel? Es scheint im Gegenteil dieser Lärm mit
der Idee des Sühnfestes gar nicht recht zu stimmen und eher an-
zudeuten, dass der 10. Thisri nach der Voraussetzung der originalen
Gestalt von v. 9 noch nicht mit einer so ganz andersartigen Feier
besetzt war. Er kann hier nur als Neujahr gelten (vgl. Lev. 23,
24 die Bedeutung des Anblasens), wie Ezech. 40, 1: zu Neujahr,
am 10. des Monats, t^nter den vier Jahresanfängen, welche m. Rosch
hassch. 1, 1 aufgefühi't werden, fällt der vierte nach Hillel und
Schammai auf den 15. Schebat; es gilt also nicht für notwendig,
dass der Beginn des Jahres mit dem des Monats zusammenfällt.
Die nächstfolgenden Verse 19 — 22 greifen in einer auffallenden
Weise zurück, sie handeln nicht, wie man erwartet, vom Jobeljahr,
sondern stelin — stillschweigend — noch beim Sabbathjahr. Von
einigen Kritikern werden sie für einen Nachtrag gehalten, aber
daraus erklärt sich ihre Stellung nicht. I^nd das ist das einzige
an ihnen, was einer Erklärung bedarf. Denn übrigens sind sie voll-
kommen in der deuteronomistischen Art der Kapitel 17 ss. gehalten 433
und bereits von dem Verfasser des Kap. 26 vorgefunden, vgl. 26, 10
mit 25, 22. Es ist also wol besser anzunehmen, dass diese Verse
zufällig an einen falschen Ort geraten sind und eigentlich hinter
V. 7 gehören,
Nach Ausscheidung von v. 19 — 22 hat man v. 23 als Schluss
von V. 9 — 18 anzusehen und den neuen Absatz, der bis v. 28 geht.
^) Die 7 Wochensabbathe (Luc. 6, 1) hatten ebendadiirch, dass sie die Ernte
unterbrachen, eine besondere Ähnlichkeit mit den Jahrsabbathen, die den
Ackerbau überhaupt unterbrachen. Vgl. Exod. 34, 21. Überall ausserhalb des
Priestereodex hat der Sabbath eine nahe Beziehung zum Ackerbau.
166 Die Gesetzgebung.
mit V. 24 zu beginnen. Im 50. Jahre fällt ohne weiteres aller
verpfändete Grundbesitz an den Eigentümer zurück v. 9 — 18. 23,
aber auch vorher ist jederzeit die Einlösung gestattet und geboten
V. 24 — 28. Vgl. das ähnliche Verhältnis von v. 47 ss. zu v. 39 ss.
Die Ausdrücke und Wendungen sind hier im ganzen die des Priester-
codex, doch kommt die Wurzel TjO in demselben nicht vor (abge-
sehen von Kap. 27, dessen Sprache von den vorhergehenden Stücken
beherrscht wird), und auf diejenigen Berülu'ungen ist kein Gewicht
zu legen, die zugleich Übereinstimmungen mit Ezechiel sind, z. B.
niriN und "1D?2D- Aber man kann doch nicht umhin, mindestens
eine starke Überarbeitung des Absatzes im Sinn und Stil des Priester-
codex anzunehmen. Zum Eingange von v. 24 vgl. v. 35. 39. 47.
Die folgenden Verse machen Voraussetzungen, die an dieser
Stelle völlig unverständlich sind. Weder nach Lev. 17 ss., noch
nach dem Priestercodex überhaupt haben wir bisher etwas von den
Leviten erfakren. Wir wissen gar nicht, wer sie sind, und nun
werden sie plötzlich v. 32. 33 als bekannt behandelt, ebenso ihre
Städte und Weideplätze. Der Absatz v. 29 — 34 ist jedenfalls später
eingetragen. Dazu passt auch sein Inhalt; denn er bringt eine
Ausnahme zu der Regel des Jobel nach, und zwar zu Gunsten
städtischen Besitzes, an den bisher nirgend gedacht ist.
In V. 35 — 38 bemerken wir wieder die unverfälschte Art des
Verfassers von Kap. 17 ss., der mehr Verwandtschaft mit dem
Deuteronomium als mit Q hat. Dagegen in v. 39 — 46 und auch
V. 47 — 55 hat eine Überarbeitung stattgefunden, zu deren Spuren
ich indessen das Wort "{"1D nicht rechne, welches hier und im
Ezechiel häufig, im Priestercodex selten ist. Übrigens vergleiche
die singulare Anrede an das Volk und zwar durch das göttliche
Ich; ^nb^n nN*l''1 V. 43; HöN; nt^*■D. ^^\^i Sätze wie v. 42 und
55; die Verwandtschaft der Materie mit Exod. 21 und Deut. 15.
Abermals bricht dann in 26, 1. 2, welche Verse man besser mit
Kap. 25 als mit Kap. 26 verbindet, der Ton des ursprünglichen
Autors wieder ganz rein durch. Er scheut sich nicht, wenn auch
439 an unpassender Stelle, auf seine Lieblingsgebote zurückzukommen:
das Heiligtum darf nicht entweiht, die Sabbathe müssen streng
gehalten werden, 19, 3 s. 30. 20, 3. 21, 23. Zu n^ZWü s. Num.
33, 52 und dazu p. 115.
Es befremdet, dass in Kap. 25 das Sabbathjalii' so kurz (v. 2
bis 7), das Jobel so ausfülniich behandelt wird. Das ist gar kein
Leviticiis 17—26. 167
Verhältnis, denn jenes ist praktisch viel wichtiger und ül^erdies in
der übrigen Literatur des A. T. (Exod. 23. Deut. 15. Hier. 34.
Ezech. 46, 17. Neh. 10, 32) allein bezeugt. Nur im Priestercodex
wird umgekehi't das Jobel hie und da, dagegen das Sabbatlijahr
nie berücksichtigt. Da nun Lev. 26, welches deutlich an Kap. 25
anknüpft, in diesem letzteren Kapitel nur von Sabbathjahi-en etwas
gefunden zu haben scheint, so könnte man vermuten, dass das
Jobel in dem gegenwärtigen Texte des Kap. 25 überall erst auf
die Überarbeitung zurückzufühi'en wäre und dass dort ursprünglich
die Functionen desselben, wenn auch nicht in so ausgebildeter
Form, vielmehr- vom Sabbathjahre ausgesagt gewesen wären. Sicher
sind dieselben erst dem letzteren entlehnt und dann erweitert.
Die Freilassung des hebräischen Knechts hatte ursprünglich im
7. Jahre des Kaufes, dann im 7. Jahre schlechthin zu geschehen;
in Lev. 25, 40 ist sie auf das 50. Jahr verlegt. Analog ist das
andere Element des Jobel, der Rückfall des verpfändeten Grund-
besitzes an den Erbeigentümer, erst erwachsen aus dem Schulden-
erlass, der Deut. 15 für das Sabbatjahi- gefordert wird; offenbar
hängt beides wenigstens sachlich auf das engste zusammen, wie
Lev. 25, 23 SS. zeigt. Dazu halte man nun noch, dass, wie oben
gezeigt, das Jobel eine auf das Sabbathjahr aufgebaute künstliche
Nachahmung des Wochenfestes ist, und dass sein Name 1"1"1"! (25,
10) bei Jeremias, wo er 34, 17 ganz in der gleichen Phrase vor-
kommt, vielmehr das Sabbathjahr bedeutet '). Wenn also die Ver-
mutung, dass ursprünglich Lev. 25 nicht bloss in v. 2 — 7 vom
Sabbathjahre handelte, nicht aus der Luft gegriffen ist, so würde
sich plötzlich die sonderbare Stellung von v. 19 — 22 sehr einfach
erklären. Genau genommen lässt auch v. 23 s. die Beziehung auf
die vorherstehenden Verordnungen vermissen.
Über 26, 3 — 46 s. Kuenen, Godsdienst 11 92. Jedenfalls ist
diese Rede mit specieller Absicht auf das Nächstvorhergehende
geschrieben. Fasst man sie nicht als Schlussrede auf wie Exod. 23, 440
20 — 33. Deut. 28, so ist ihre Stellung, an einem beliebigen Orte
des Priestercodex, ganz unbegreiflich. Sie knüpft denn auch sicht-
^) Nach Hier. 34, 17 hat sich auch das Verständnis von Ezech. 46, 17
zu richten: das vom Könige einem Diener gegebene Grundstück bleibt nur
bis zum Sabbathjahre in dessen Besitz. — Möglich, dass Exod. 23 die Brache
noch nicht in einem festen siebenten Jahre für alle Grundstücke gemeinsam
stattfindet.
][ßg Die Gesetzgebung.
lieh an die Gesetze Kap. 17 — 25 an. Das Land und der Ackerbau
haben hier die selbe fundamentale Bedeutung füi- die Religion wie
Kap. 19. 23. 25, die Drohung des Ausspeiens Kap. 18. 20 wird hier
ausfüluiicher wiederholt, das einzige namhaft gemachte Gebot ist
das der Brache des 7. Jahres 26, 34. Mit der für den Verfasser
von Kap. 17ss. so charakteristischen, wenn auch nicht in so
stereotyper Form gebrauchten Wendung ^r\)'^r^ HNI )2hr\ Tpnn CX
PiOtrn beginnt die Rede, etwas abgewandelt kehi*t dieselbe v. 15.
43 wieder. Hierzu kommt die Untersclnift 26, 46, welche augen-
scheinlich ein Corpus von „Sätzen, Rechten und Weisungen" ab-
schliesst. Auf dem Berge Sinai, wie 25, 1.
Wenn die Absicht von Lev. 26, zu Kap. 17 — 25 den Schluss
zu bilden, unbestreitbar ist, so liegt es am nächsten, den Verfasser
jener Sammlung auch für den Verfasser der Rede anzusehen.
Nun meint aber Nöldeke, die Sprache von Lev. 26 weiche dazu
zu sehr von Kap. 17 — 25 ab. Jedoch muss er selber einige und
zwar gewichtige Berührungen zugeben^), — andererseits lassen
sich auch bei einzelnen der früheren Kapitel seltene und originelle
Worte zusammenstellen, wenn auch in geringerem Umfange. Was
wirklich von Differenzen bleibt, erklärt sich genügend aus dem
ITnterschied des Stoffes: bisher Gesetze in sachgemäss trockener,
jetzt Prophetie in poetisch-pathetischer Rede. Dort tritt die Sub-
jectivität des Verfassers meistens hinter dem Objekt, das er öfters
sogar geformt vorgefunden hat, zurück; hier kann sie sich frei
äussern. Es ist billig, das nicht zu übersehen. Der apriorischen
Wahrscheinlichkeit, dass Kap. 26 nicht bloss an Kap. 17 — 25 an-
geleimt ist, sondern dazu gehört, muss mit stärkeren Gegengründen
begegnet werden, als Nöldeke sie vorgebracht hat.
In zwei Hauptpunkten möchte ich die Gleichheit von Lev. 17
bis 25 und Kap. 26 noch etwas näher begründen. Jene Gesetze
berühren sich in auffallendem Masse nach Tendenz und Sprache
mit dem Propheten Ezechiel. Die Meinung Grafs, dass derselbe
der Autor sei, ist freilich von Nöldeke und Kuenen hinlänglich
widerlegt; aber die Hauptsache bleibt, nämlich die nahe Verwandt-
441 Schaft^). Um diese nun richtig zu würdigen, muss daneben fest-
^) Die Erwähnung der Bamoth, Gillulim und Hammanim ist eher eine Be-
rührung als eine Differenz.
^) Kayser a. a. 0., p. 177—179. Ich hebe noch hervor die durch Jahves
Wohnung bewirkte Heiligkeit des Landes, welche zu respectiren die Beligion
Leviticus 17— 2fi. 169
gehalten werden, 1) dass diese Gesetze durchweg — und zwar aus-
gesprochenermassen — auf den jehovistischen fussen^), 2) dass sie
selbige etwa in der Art modificiren, wie es im Deuteronomium ge-
schieht, mit welchem Buche sie überhaupt in einem fast ebenso
engen Verhältnis stehn wie mit Ezechiel"), 3) dass sie vom Deu-
teronomium zum Priestercodex hinneigen, in welchen sie, über-
arbeitet und mit anderen Elementen versetzt, samt und sonders
aufgenommen sind.
Ebenso ausgesprochen ist nun aber die Verwandtschaft des
26. Kap. mit Ezechiel vgl. v. 11. 15. 19. 26. 30. 33 und vor allem
V. 39. Der dem mörderischen Schwerte der Feinde entgang-ene
Rest des Volkes schmachtet im Exil, nnter dem Druck des ver-
gangenen Unglücks und der gegenwärtigen Leiden. „Und die
Übrigen von euch verfaulen in ihrer Sündenschuld in den
Ländern eurer Feinde, und auch in der Sündenschuld ihrer Väter
verfaulen sie — dann gestehn sie ihre und ihrer Väter Sünde
ein IT. s. w." Bei Ezechiel erfolgt dies Eingeständnis wirklich von
Seiten seiner Mitverbannten. Sie sprechen 33, 10: „misere Misse-
taten und Sünden lasten auf uns und wir verfaulen darin und
können nicht aufleben." Ähnlich droht 24, 23 der Prophet, er
werde in seiner dumpfen Trauer über den Tod seines Weibes das
Vorbild des Volkes sein: „ihr werdet nicht weinen imd klagen,
ihr werdet verfaulen in eurer Sündenschuld." IMeugbar
eine sehr significante Parallele. Auch die begleitenden Erschei-
nungen, die wir neben der ezechielischen Färbung bei den vorher-
gehenden Gesetzen constatirt haben ^), fehlen in unserer Rede nicht.
der Bewohner ist. Das Land Jahves ist wichtiger als das Volk Jahves; es
ist, als ob er das Land nnd nicht das Volk erwählt hätte.
^) Vgl. meine Bemerkungen zu Kap. 18 — 20. Kap. 22. 23. 24. 25. Kayser,
p. 67. Wie man das hat übersehen oder in Abrede stellen können, ist mir
platterdings unbegreiflich.
2) Vgl. besonders die Auswahl der Materien und beachte dabei, dass in
Kap. 20 auch wol einst ein Gesetz über Rein oder Unrein gestanden hat. Da-
neben die Paränesen und die dabei gebrauchten Wendungen, z. B. der Hinweis
auf die Ausführung aus Ägypten, wo die Israeliten Knechte und Fremdlinge
gewesen seien.
2) Auf Nöldeke haben einzelne seltsame und öfters wiederkehrende Aus-
drücke des Kap. 26 einen so starken Eindruck gemacht, dass er darnach die
Sprache überhaupt für sehr originell hält, während sie überall an Reminis-
cenzen sich anlehnt.
170 I^ie Gesetzgebimg.
442 1) Wenn sicli von einem Einfluss der jeliovisti sehen Gesetzgebung
(abgesehen davon, dass Exod. 23, 20ss. das Muster wie zu Deut.
28, so zu Lev. 26 geAvesen ist) natürlicli hier nichts spüren lässt,
so wird dies dadurch compensirt, dass der Einfluss der Propheten
um so deutlicher ist, auch der älteren, wie des Arnos v. 31. So
wenig wie das Buch Ezechiels, ist unser Kapitel denkbar ohne
die Grundlage der vorhergehenden prophetischen und prophetisch-
geschichtlichen Literatur. 2) Was das Yerhältnis zum Deilterono-
mium betrifft, so ist die Ähnlichkeit von Lev. 26 mit Deut. 28
sehr gross, nicht bloss im Stoff, sondern auch in dem Princip der
Anlage. Lexikalische Berührungen giebt es zwar nicht viele, aber
die wenigen sind gewichtig. Die Ausdrücke 26, 16 kehren im
A. T. nur Deut. 28 (v. 22. 65) wieder, ebenso auch C^Jl^N"! v. 46
in dieser Bedeutung nur Deut. 19, 14 und in der späteren Lite-
ratur (Isa. 61, 4). Der Tropus ^nyn Dn.n^ v. 41 kommt im Ge-
setz gleichfalls nur an einer Stelle des Deuteronomium noch ein-
mal vor, ausserdem in der gleichzeitigen oder etwas späteren
prophetischen Literatur Ezech. 44, 7. 9. Hierem. 4, 4. 9, 24. 25.
Anklänge an Jeremias finden sich noch mehrere, meist jedoch un-
bestimmtere. Hervorzuheben ist die Beziehung von Hierem. 16, 18
einerseits zu v. 30, andererseits zu v. 18 unseres Kapitels. Hier
wird die Sünde siebenfach, bei Jeremias wird sie doppelt bestraft.
So auch Isa. 40, 2. 61, 7: mit diesem Propheten hat Lev. 26 ferner
den auffallenden Gebrauch von niJ"! (mit Sünde oder Schuld als
Objekt) gemeinsam. Stünde unser Kapitel nicht im Leviticus, so
wüi'de man es ohne Zweifel füi* eine Reproduktion zum geringsten
Teil der älteren, zum grössten Teil der jeremianisch-ezechielischen
Weissagungen halten. 3) Mit dem Priestercodex berührt sich
Lev. 26 in nn.m HiD v. 9, nnü cpn V. 9, n"inn, "»^si (nie ^d:n)?
in der übertriebenen Anwendung der Akkusativpartikel und Ver-
meidung der Yerbalsuffixe, in der Vorliebe für das allgemeine jHJ
statt speciellerer Yerba v. 11. 17. 31.
Der andere Punkt, w^orin ich Kap. 26 mit Kap. 17 — 25 ver-
gleiche, betrifft die reale historische Situation. In Kap. 26 scheint
sie klar durch, es ist die des Exils und zwar des babylonischen.
Man hofft freilich mit dem assyrischen auszukommen, aber wo
steckt die Verwandtschaft unserer Rede mit dem alten ächten
Jesaias? Wähi'end zu Ezechiels Zeit nachweislich solche Gedanken
Gefühle und Ausdi-ücke herrschten, wie sie hier vorliegen, wird es
Leviticus 17—26. 171
schwierig sein zu zeigen, dass Samariens Fall diese Art von De- 443
pression in Jerusalem hervorbrachte — denn ausserhalb Jerusalems
ist Lev. 26 nicht geschrieben, da die Einheit des Kultus voraus-
gesetzt wird. Mir scheint es sogar gewiss, dass der Verfasser von
Lev. 26 entweder gegen Ende des babylonischen Exils oder nach
demselben lebte, weil er nämlich zum Schluss die Restitution in
Aussicht nimmt. Bei Propheten wie Jeremias und Ezechiel hat
eine solche Ausschau in die fröhliche Zukunft Sinn, hier aber
widerspricht sie dem Zwecke der Drohung und scheint am natür-
lichsten durch den Zufall, d. h. durch die Wirklichkeit sich zu er-
klären. Indessen braucht darauf kein Gewicht gelegt zu werden,
sondern nur auf den exilischen Ursprung des Kapitels im allge-
meinen. In dieser Hinsicht mache ich noch aufmerksam auf
2. Chron. 36, 22 (3 Esdr. 1, 55), wo Lev. 26, 34 citii-t wird als
ein Wort des Propheten Jeremias: dies ist, cum grano salis ver-
standen, ein richtiger und unbefangener Eindi'uck von der Sachlage.
Wäre nun Lev. 17 — 25 nicht in den Priestercodex aufgenommen,
welcher bekanntlich nach der übereinstimmenden Annahme aller
Einleitungen in das A. T. lange vor dem Exil fertig gewesen sein
muss, so sprächen innere und sachliche Gründe nicht dagegen,
diesen Gesetzen die gleiche Abfassungszeit zu geben wie der dazu
gehörigen Schlussrede. Die Centralisation des Kultus, die Polemik
gegen Seirim (= Bamoth) und Bilderdienst führen uns auf die
Zeit des Königs Josia. Die durch das Deuteronomium geschaffenen
Zustände werden als gesetzlich vorausgesetzt, die Verordnungen
des Bundesbuches in deuteronomischem Sinn verstanden. Das
"I^D^ 1''!iyn ist vor Jeremias Zeit als Volkssitte nirgends nach-
weisbar, spielt dann aber bei ihm und Ezechiel eine grosse Rolle;
die Wertlegung auf exakte Sabbathfeier findet sich Isa. 56 ss. und
bei andern Schiiftstellern des Exils, von Jeremias an. Unter die
Zeit des Deuteronomiums hinab scheint das Verbot der Schwager-
ehe in Lev. 18. 20 zu führen; denn diese ist jedenfalls Volks-
tradition, die vom Deuteronomium noch aufrecht erhalten, hier
beseitigt wird — auffallenderweise in einer wenig polemisch ge-
haltenen Form. Unter die Zeit Jeremias führen die Trauerverbote,
an welche dieses Propheten Seele (Kap. 16) noch nicht denkt. Das
Exil selbst wird, wenn auch natürlich nicht so ausfühilich wie
Lev. 26, doch in nicht misverständlicher Weise am Ende von
Kap. 18 und Kap. 20 gedroht, und überall abstrahirt schon der
172 I^ie Gesetz gebuno-.
Gedanke der Theokratie von der notwendigen Zugehörigkeit des
444 Volkes zum heiligen Lande und der heiligen Wohnung. Israel
und die Kanaaniter Averden nicht eben verschieden beurteilt, vgl.
Ezech. 16.
Ich will hier die für unübersteiglich geltenden literarischen
Schwierigkeiten nicht leichtsinnig übersteigen und darum, unter
Hervorhebung der literarischen und sachlichen Gleichartigkeit von
Lev. 17 — 25 und Lev. 26, es dahingestellt sein lassen, was daraus
zu folgern ist. Nur das bemerke ich noch, einmal dass „das
unbeschnittene Herz" seine Genesis bei Jeremias hat und sowol
Deut. 10 als auch Lev. 26 als fertiger und bekannter Terminus
übernommen ist, sodann, dass Ezechiel die bezeichnende Phrase
verfaulen in der Sündenschuld nicht aus Lev. 26, sondern
aus dem Volksmunde entlehnt hat, endlich, dass die Berührungen
von Kap. 17 — 26 mit Ezechiel nicht für sich stehn und also nicht
aus einer individuellen Vorliebe dieses Propheten grade für dies
kleine Corpus zu erklären, sondern auf einen allgemeineren Boden
zu stellen sind.
Das 27. Kapitel ist mit Recht zum Leviticus gezogen, es will
nach V. 34 auch noch zu den Befehlen auf dem Berge Sinai ge-
hören, kommt aber freilich hinter 26, 46 nach Toresschluss. Es
ist ganz und gar in der Weise des Priestercodex gehalten und
stammt wol von der Hand dessen, der Lev. 17 — 26 in diesen auf-
nahm. Eine sprachliche Reminiscenz ist "JO v. 8, deutlicher jedoch
die inhaltliche Anknüpfung. Die Verordnungen über die Qodaschim,
hauptsächlich über die gelobten und lösbaren, enthalten gewisser-
massen einen kasuistischen Kommentar zu Kap. 22, mit besonderer
Berücksichtigung des Einflusses des Jobeljahres (Kap. 25) auf die
Lösung. Als Anhang werden zum Schluss die festen Angaben der
Priester behandelt, Erstgeburten (nicht Erstlinge), Zehnten von Feld
und Herde. Über das Verhältnis zu Num. 18 s. Kuenen a. 0. IL 268.
Das Lager und die Leviten. Die Gesetzgebung in den
Arboth Moab. Num. 1—10. 15—19. 26—36.
Der Leviticus trägt seinen Namen insofern unpassend, als
darin von Leviten nicht die Rede ist. Das erste Hauptstück des
Gesetzes in Q (Exod. 25 — Lev. 16) hat es zu tun mit der Grün-
dung des Fundaments, das ist die Stiftshütte und das Priestertum
und der auf beiden ruhende Kultus. Daran schliesst sich nun
Numeri 1—10. 173
zweitens: das Lager und die Leviten, der Mittelpunkt von
Num. 1 — 19, JE abgerechnet. Das Lager ist die äussere Peripherie
der Hütte, die Leviten ein concentrischer innerer Eing; nur in
Beziehung zu jenem Centruni der Theokratie haben Volk und Le-
viten Bedeutung. Die letzteren sind hier nicht der natürliche I^nter- 445
grund, woraus Aharon als Spitze hervorwächst, sondern nachträglich,
nachdem das Priestertum längst besteht, werden sie als Abgabe
an Aharon von den Laien bezahlt. Ihre Stellung in der Hierokratie
nimmt das Hauptinteresse dieser Kapitel in Anspruch, das auch
Kap. 16 — 18 wieder durchbricht, nachdem schon der mit JE gleich-
laufende geschichtliche Faden in Q wieder aufgenommen ist.
Hineingestreut in diese Hauptmaterie finden sich andere Ge-
setze, die nichts oder nur wenig damit zu tun haben, obwol sie
die Art und Sprache des Priestercodex unverkennbar zeigen — eine
Erscheinung, die dem Buch Numeri eigentümlich ist. So begegnet
mitten zwischen der Schwingung der Leviten Kap. 8 und der An-
weisung über den Aufbruch des Lagers 9, 15 ss. eine Verordnung
über die nachträgliche Feier des Osterfestes 9, 1 — 14. Erst ein
Jahr später, als das Hauptgesetz Exod. 12 gegeben war, machte
ein zufälliger Anlass diesen Zusatz nötig, welcher also ganz ab-
sichtlich hier steht, weil die Anordnung des Priestercodex nicht
bloss sachlich, sondern zugleich historisch -clironistisch sein soll.
Ähnlich verhält es sich mit Kap. 5. 6. 15. 19; nicht aus sachlichen,
sondern aus occasionellen Gründen ist die Stellung dieser Stücke
zu erklären, es ist eine beabsichtigte Unordnung. Man darf z. B.
Kap. 19 nicht verrücken, denn der Priester Eleazar vertritt hier
schon seinen Vater, der bald darauf stirbt. Daraus folgt indessen
nicht, dass diese Kapitel, in ihrer Planlosigkeit, aus dem Plan des
Autors von Q entsprungen sind. Es hat etwas Widersinniges, an-
zunehmen, dass er von vornherein, gleich bei der ersten Ausgabe
seines Werkes, etwas sollte an den verkeilten Ort gestellt haben,
um der historischen Zufälligkeit den gebülii'enden Tribut zu bringen,
die allerdings die gesetzgeberische Tätigkeit des wirklichen Mose
ganz und gar bedingen musste.
Die Gebote Kap. 5. 6 sind sämtlich allein an Mose geredet
und ausser 6, 22—27 für das Volk bestimmt. 1) 5, 1 — 4. Da die
Verordnung den Lagerbegriff voraussetzt, so steht sie hier ganz
passend, passender als ilii'es Orts Lev. 11 — 15. Gonorrhoe und Be-
rühi'ung einer Leiche werden 5, 2 auf die gleiche Stufe gestellt mit
174 Die Gesetzgebimg.
dem Aussatz und haben die selbe Wirkung der Verbannung aus
dem Lager; dies widerspricht den Bestimmungen von Lev. 15 (vgl.
13, 46) und von Num. 19. Die Rabbiner haben sich dadurch ge-
holfen, dass sie den Begriff des Lagers für den Aussätzigen ganz
44G anders fassten als füi* den Samenflüssigen und Leichenbefleckten, s.
Raschi zu Num. 5, 2. Was der Yerf. realiter unter n3n?3 5, 2 ver-
standen hat, ist unklar; nach b. Baba kamma 82b durfte in Jeru-
salem keine Leiche über Nacht bleiben. — 2) 5, 5 — 10 Defrauda-
tion, freiwillig eingestanden, soll erstattet und ein Fünfteil darauf
gegeben werden , natürlich an den Beschädigten. Ist aber dieser
ohne Erben gestorben, so fällt das Erstattete dem Priester zu; ab-
gesehen von dem Sühnwidder, der in jedem Falle an diesen zu ent-
richten ist. In der Sache herrscht hier zwar insofern Überein-
stimmung mit Lev. 5 (gegen 22, 14), als ausser der gesteigerten Restitu-
tion auch noch ein Opfer zu bringen ist; aber abweichend ist, dass
dieses Opfer nicht DiS^isN sondern CIDIDn b\s* heisst, und dass mit
Cti'N* vielmehr die dem betrogenen Eigentümer zu bezahlende Schuld
bezeichnet wird. Auffallend ist ferner, dass nicht das Heiligtum
oder die Priesterschaft, sondern der fungirende Priester die Ab-
gaben empfängt v. 8, der, dem sie der Darbringer geben will, wie
V. 9. 10 als allgemein giltiger Grundsatz ausgesprochen wird. —
3) 5, 11 — 31. Die Behandlung der des Ehebruchs verdächtigen
Frau. Eigentümlich ist ])V mDV2 v. 15 (Ezech. 21, 28. 29. 29,
16), das heilige Wasser v. 17, und im Ritus der Mincha v. 25 s.,
der übrigens nach Lev. 2 sich richtet, die nur hier vorkommende
Thenupha. Zur Sache vgl. Globus 1872 p. 138 ss., 1875 p. 285.
— 4) 6, 1 — 21. Die Verpflichtungen des Nazir v. 1 — 8, Unter-
brechung seines Gelübdes durch zufällige Berührung einer Leiche
V. 9—12, Ceremonie der Auf lobung v. 13 — 20. Der Eingang 6,
1. 2 hat die Form von 5, 5s. In v. 9 wird die Reinigung von
der Leichenberührung als bekannt vorausgesetzt, aber weder mit
5, 1 — 4 noch mit Kap. 19 herrscht innere Verbindung: denn von
dem Aschenwasser ist in unserem Kapitel, vom Taubenopfer Num.
19 nicht die Rede. Vielmehr ist der Ritus 6, 9 — 11 auf Lev. 14,
9. 15, 14s. 30 gegründet, auch n"nn PN^T 6, 13. 21 (5, 29) kommt
ausser Lev. 6. 7 nur in Lev. 11—15 vor, "^'»in Lev. 15, 31. Ebenso
wie die Wiederaufnahme des Aussätzigen Lev. 14 ist die des Nazir
zum freien Mitgliede der Gemeinde eine abgeschwächte Kopie der
Priesterweihe Exod. 29, vgl. Num. 6, 15 mit Exod. 29, 2. 3 — nur
Numeri 1—10. 15—19. 175
wird 6, 15 sonderbarer weise noch eine Minclia obendrein gefordert.
— 5) 6, 22 — 27. Der Priestersegen. Man hätte ihn Lev. 9, 23
(üyri'HN 1D?'!'''!) erwarten sollen. — Über 8, 1 — 4, welches auch
hierher gehört, ist weiter nichts zu bemerken; vgl. Lev. 24, 1 — 4.
In Betreff von Num. 9, 1 — 14 hat zwar Nöldeke Recht, dass das
Datum (Paschamonat des 2. Jahres) mit der Sache zusammenhängt; 447
dass es aber darum nicht dem von 1, 1 widerspricht, vermag ich
nicht einzusehen. Die Gleichartigkeit mit Q ist hier so wenig wie
sonst gleichbedeutend mit ursprünglicher organischer Zugehörigkeit.
Sonderbar ist die Konstruktion v. 1 — 3, es scheint, als wäre v. 2
von Haus aus nicht Befehl, sondern einfache Erzählung und y\l/])^^
Präteritum gewesen. In 9, 6 wird ebenso wie 6, 9 ein Gesetz über
die Verunreinigung durch Leichen vorausgesetzt.
Kapitel 15 (an Mose) scheint von dem Bearbeiter (nicht von
dem Autor) der Sammlung Lev. 17 — 26 verfasst, denn es finden
sich bemerkenswerte Reminiscenzen und Ähnlichkeiten. Die Er-
zählungen Num. 15, 32—36 und Lev. 24, 10—14. 23 sind völlig
über den selben Leisten Q;eschlao;en, auch darin, dass sie den g-esetz-
liehen Tenor zu unterbrechen scheinen und doch zugleich ein fol-
gendes Gesetz motiviren; denn die Zizith sollen nicht zum wenigsten
an das Sabbathgebot erinnern. Weiter vergleiche den im Deute-
ronomium gewöhnlichen Eingang Num. 15, 2. 18 mit Lev. 19, 23.
23, 10. 25, 2 (in Q erst Num. 34, 2), ferner Num. 15, 3 mit Lev.
22, 21 und beachte den „jeho\dstischen" (Knobel) Ton in v. 31,
die Paränese v. 40 s. und die materielle Verwandtschaft von v. 37 — 41
mit Deut. 22, 12^). — Kap. 19 (geredet an Mose und Aliaron)
zerfällt in v. 1 — 13 und 14 — 22. Die Ceremonie v. 1 — 13 ist der
von Lev. 14, Iss. analog, an die Stelle des Vogels — die Araber
stellten so das Leben oder die Seele dar — tritt die Asche von
der roten Kuh, an arische Reinigungsmittel erinnernd. Aber von
aller Analogie abweichend und höchst auffallend ist es, dass hier
bei der Wiederaufnahme in das Lager kein Opfer verlangt wird, s.
zu 6, 1 — 21. Eigentümliche Ausdrücke und Wendungen sind HNiOn
v. 9, mj ^D Y. 9. 13, „die Wohnung Jahves hat er verum-einigt
^) Teile: a) 15, 2—16. Neder und Nedaba als die beiden ünterarteii des
Dankopfers wechseln mit Neder und Schelem v. 8. b) 15, 17 — 21. Darf y. 20
a. E. übersetzt werden: als Abgabe von der Tenne (Sept. Exod. 22, 28) sollt
ihr sie erheben? c) 15, 22—31. Dies einen Nachtrag zu Lev. 4 zu nennen,
ist ein eigentümliches Deutsch, d) 15, 32 — 36. e) 15, 37 — 41.
176 I^ie Gesetzgebung.
und seine Seele werde ausgerottet aus Israel" v. 13 vgl. 20. Zu
dem Hauptgesetze ist v. 14 — 22 eine authentische Erläuterung, mit
seltsamem Hebräisch beginnend. Die Technik des Reinigungsver-
448 fahrens war dort als bekannt genommen, diese wird nun hier nach-
träglich, in einer ausführlichen Wiederholung, genau angegeben.
Versteht man nach v. 12, der Um^eine solle sich selber sprengen,
so sprengt ihn nach v. 19 ein anderer.
Wir kommen nun zurück auf das Hauptthema von Num. 1 ss.
Zuerst die Musterung und Gliederung des Volkes nach 12 Stämmen
unter 12 Füi'sten und die Anordnung des die Hütte umgebenden,
in vier Quartiere geteilten Lagers Kap. 1. 2 (Am^ede 1, 1 an Mose,
1, 3 und 2, 1 kommt Aharon hinzu). Der genaue Anschluss an
die Stiftshüttengesetzgebung und an den historischen Rahmen
ist unverkennbar, daraus folgt die Zugehörigkeit zu Q. Schon der
Verfasser von Exod. 30, 11 — 16 hat unsere Kapitel im engen Zu-
sammenhange mit Exod. 25 — 29. Lev. 9, 16 vorgefunden. Jedoch
scheint es, dass Num. 1, 17 — 47 secundär sei. Denn 1, 48 — 54
lässt sich nicht verstehn, wenn die Zählung bereits erfolgt ist,
und dass nicht diese Verse auf späterem Nachtrag beruhen, folgt
aus der Rückbeziehung darauf 2, 33 (wie Jahve dem Mose befahl).
Ausserdem weicht die Aufzählung der Stämme in 1, 20 — 43 von
der in v. 5 — 14 ab und richtet sich nach der Anordnung derselben
im Lager Kap. 2; dies ist gegen die Natur der Sache und lässt
sich nur bei einem Epigonen erklären, dem Kap. 2 schon fertig
vorlag. Endlich wird der Inhalt von 1, 20 — 43 in Kap. 2 noch
einmal ganz umständlich wiederholt, daher die Collision von 2, 32
mit 1, 44. 46 und von 2, 33 mit 1, 47. Die Aii.gleichheit von
1, 17 — 47 mit Q beweist nichts, da nichts leichter ist, als mit
gegebenen Elementen die Weise von Q, wie sie etwa Gen. 5 her-
vortritt, nachzuahmen.
Es folgt in Kap. 3. 4 die Bestellung der Leviten, ein mit dem
vorigen eng zusammengehöriges Thema. Auch hier ist zu dem
ursprünglichen Bestände eine jüngere Schicht hinzugekommen. Ver-
gleichen wii- Kap. 4 und 3, 14 — 39. In beiden handelt es sich
einmal um den Dienst (müy), sodann um die Musterung imp^)
der drei Levitengeschlechter. Nach Kap. 4 (an Mose und Aharon
V. 1. 17. 34, dagegen 21) haben die Kehathiten die heiligsten
Geräte zu besorgen. Lade, Tisch, Leuchter und die beiden Altäre,
unter der speciellsten Aufsicht des Hohenpriesters (Aharon-Eleazar)
Numeri 1—10. 177
selber v. 4 — 20; die Gersoniten das Zeug der Hütte und des
Hofes, unter der Aufsicht Ithamars y. 21 — 28; die Merariten
die Holzgerüste, ebenfalls unter der Aufsicht Ithamars v. 29 — 33
— die ersten zählen 2750 Mann im dienstpflichtigen Alter von 30
bis 50 Jahren, die zweiten 2630, die diitten 3200, alle zusammen
8580 Mann v. 34—49. Nach 3, 14—39 (an Mose in der Wüste 449
Sinai) hat es Gerson zu tun mit dem Zeuge, Kehath mit den
heiligsten Geräten, Merari mit dem Holzwerk des Tabernakels;
der erste zählt 7500 Mitglieder männlichen Geschlechts, von 1 Monat
alten an gerechnet, der zweite 8 300, der dritte 6200, insgesamt
22000 Mifglieder. Es steht noch allerlei anderes in 3, 14 — 39,
aber zugleich der ganze Inhalt von Kap. 4 in vollständiger Analogie.
Die Verteilung des Dienstes an die drei Levitengeschlechter ist
beideroiis materiell ganz gleich — so sein-, dass die Spannseile
nach dem Muster von 3, 26. 37 auch in 4, 26. 32 sowol Gerson
als Merari zugewiesen werden; nur ist die Ausführung 4, 1 — 33
weitläufiger, kleinlicher, systematischer. Bei der Musterung werden
in Kap. 3 sämtliche männliche Leviten, dagegen in Kap. 4 nur
die dienstpflichtigen in Anschlag gebracht. Um diesen Unterschied
noch anzubringen hätte aber doch der originale Autor nicht auch
den Dienst in der grössten Ausfühi-lichkeit wiederholt. Vielmehr
ist Kap. 4 eine secundäre und fortentwickelnde Ausführung auf
Grund von 3, 14 — 39, die Unterschiede sind Korrekturen. Die
Zählung der Leviten wird bloss aus dem Grunde auf das dienst-
pflichtige Alter besclu'änkt, um eine vollständige Analogie mit der
Zählung des Kriegsvolkes Kap. 1. 2 zu erhalten, wie denn sogar
der Ausdi'uck ND.lib is*lL 4, 3. 35. 39. 43 von dort herüber genommen
wird. Gegen die in Kap. 3 eingehaltene natüi4iche Ordnung wird
Kehath vorangestellt, weil Aharon dazu gehört; bis zur Absurdität
werden die Vorsichtsmassregeln übertrieben, dass die unglücklichen
(4, 18) Leviten ja nicht etwa mit dem Heiligen in direkte Berührung
kommen, und zu dem Ende Bundeslade, Tisch, Leuchter, Altäre
von Aharon und seinen Söhnen eigenhändig eingewickelt — wobei
die Freihaltung der Ringe für die Tragstangen einige Schwierigkeiten
verursachen musste.
Zu 3, 14—39 ist V. 40—51 der richtige Schluss. An Stelle
des (dadurch abgelösten) Opfers aller männlichen Erstgeborenen
wird der Stamm Levi dem Heiligtum und den Priestern als Abgabe
von Seiten des Volkes dargebracht. Vergleicht man nun 3, 5 — 13,
Wellhau sen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 12
178 I^ie Gesetzgebung.
SO spielt das Yerhältnis, welches wir zwischen 3, 14 ss. und Kap. 4
gefunden haben, noch einmal zwischen 3, 5 — 13 und 3, 14 — 51.
Das erste Stück ist die Grundlage, das zweite die künstliche
systematische Ausarbeitung; vergleiche v. 10 mit 38, v. 12 mit 41.
Man beachte : v. 5 ss. und v. 14 ss. verhalten sich nicht einfach
wie Befehl und Vollzug, sondern beidemale befiehlt Jahve und
450 zwar ganz das selbe (v. 14 s. 40 ss.). Aber während in v. 5 — 13
nur eben die Idee in schicklicher Allgemeinheit ausgesprochen
wird, der Stamm Levi solle dem Heiligtum geschenkt und als
Lösung des Opfers der Erstgeburt angesehen werden, folgt in v. 14 ss.
die rechnungsmässige Realisation derselben in der Weise, dass sämt-
liche Leviten und sämtliche Erstgeborene männlichen Geschlechtes
(von 1 Monat alten an) nachgezählt, verglichen und füi' den Über-
schuss der letzteren auf den Kopf fünf Sekel (18, 16) Lösegeld
nachbezahlt werden. Eine Steigerung dieser ideenlosen Phantasterei
sollte man nicht für möglich halten, sie ist aber dennoch in 8, 5 — 26
geleistet. Es wird hier zuerst die Reinigung der Leviten befohlen,
mehr nach den Muster der Aussätzigen- als der Priesterweihe, so-
dann ihre Schwingung. Da sie nämlich an die Stelle der Erst-
geborenen treten, welche Qodaschim sind (d. h. Abgaben, die nicht
auf den Altar gelangen, sondern den Priestern abgetreten werden),
so wird auch der charakteristische Ritus dieser Art von Abgaben
mit ihnen vorgenommen, nämlich das scheinbare Werfen auf den
Altar, die Thenupha — nach v. 13 von Mose, nach v. 21 von
Aharon. In einer so frivolen Weise ist die einfache Idee 3, 5 — 13
hier auf Grund gesetzlicher Vorstellungen mechanisch vergeschicht-
licht, noch einen Scliiitt über 3, 14 — 51 hinaus ^). Für den Process
des Wachstums, wodurch die Grundsclnift Q, mittels consequenter
Fortbildung; und Ausreckung ihrer eigenen Elemente, und auf dem
1) Für die Scheidung der sekundären und tertiären Schichten des Priester-
codex von den primären habe ich hier auf diejenigen Merkmale, welche die
Untersuchung von Exod. 25 — 40 an die Hand gegeben hat, mit Absicht ver-
zichtet, um nicht zu viel auf eine Karte zu setzen. Eines anderen höchst
wertvollen Kriteriums dagegen, nämlich der verschiedenen Übersetzungsweisen
der Septuaginta bediene ich mich bloss deshalb nicht, weil mich die genauere
Untersuchung derselben und die Sonderung der verschiedenen Hände zu weit
führen würde. — Auf den Widerspruch 8, 23 — 25 zu 4, 3 ss. aufmerksam
zu machen, bin ich durch die glückliche und übereinstimmende Beobachtung
desselben von Seiten meiner Vorgänger überhoben. Vgl. 1. Chron 23, 3.
24. 26.
Numeri 1—10. 179
Boden in dem sie selbst wurzelte, zum Priestercodex sich erweitert
hat sind diese Kapitel in hohem Grade lehrreich.
Kap. 7 hängt sachlich eng mit Kap. 1 — 4 zusammen und
davon ab, fällt aber durch die Angaben 7, 1. 10. 84. 88s. aus dem
chronologischen Faden (1, 1) so gänzlich heraus, dass die Unver-
träglichkeit zwischen Pragmatismus und Datum unbedingt die Posthu-
mität des Stückes beweist, welches im allgemeinen nach dem
selben Schema fabricii-t ist wie 1, 20 — 43. Auch hier zeigt sich 451
übrigens vielfach ein weiteres Ausspinnen einfacherer Vorstellungen,
z. B. darin, dass den Gersoniten und Merariten füi* den Transport
der Stiftshütte sechs Wagen mit zwölf Rindern geliefert werden,
wähi'end sie die zerlegbaren Teile derselben sonst einfach tragen
(4, 25. 31). — Die di-ei Stücke 9, 15 — 10, 28 mögen zu dem
ursprünglichen Kern von Q gehören, im dritten (10, 11 — 28) lenkt
diese Schrift wieder in die eigentliche Erzählung ein. Aber die
Geschichte von der Rotte Korah (s. oben p. 105 ss.) gab einen
passenden Anlass, auf die Leviten und Priester zurückzukommen,
ein Anlass, welcher in Kap. 17. 18 (Q) benutzt worden ist. Zuerst
17, 1 — 5 der Befehl, den Altar mit dem Erz der Pfannen, worauf
sich die sacrilegischen Leviten zu räuchern unterfangen hatten, zu
überziehen, zum warnenden Andenken an den tragischen Ausgang
ilner Anmassung; man wii'd an die Haut des ungerechten Satrapen
erinnert, womit der Perserkönig den Richtstuhl überziehen Hess.
Dann 17, 6 — 15 die Bestrafung der Teilnahme des Volkes füi' die
getöteten Leviten durch die Pest und die Beseitigung der Plage
durch das rechtmässige hohepriesterliche Räucheropfer: die Hervor-
hebung der Kraft und Bedeutung des letzteren ist in diesem Zu-
sammenhange (nach Kap. 16) die Hauptsache und die eigentliche
Pointe. Weiter 17, 16 — 26 die Geschichte von Aharons grünendem
Stabe. Es handelt sich darum, nicht gegen die Leviten, sondern
gegen das murrende Volk die göttliche Prärogative Aharons darzutun
(s. V. 20. 25), und insofern erklärt es sich, dass den elf Mattoth
(= Stäbe und Stämme) der Laien gegenüber Aharon durch den
Matte (= Stab und Stamm) Levis vertreten wird. Aber die jetzige
Version, die von Q, führt doch beinahe mit Notwendigkeit auf
eine ältere und ursprüngliche zurück, worin in der Tat nicht bloss
Aharon, sondern der ganze Stamm Levi auf diese Weise sein
Priesterrecht gegenüber den elf übrigen Stämmen bewiesen hat;
die Natur der Sache, die innere Anlage dieser Geschichte fordert
12*
;lgO I^iß Gesetzgebung.
das. — Das folgende Kapitel fängt an mit 17, 27. 28 und der
erste Absatz (18, 1 zu Aliaron) erstreckt sich bis 18, 7. Hier
wird in Anlass der berechtigten Angst des Volkes vor dem Heilig-
tum und der Gefahr seiner Berührung eingeschärft, nur die Aha-
roniden sollten die „Schuld" (Verantwortung und Gefahi*) des
Heiligtums und des Priestertums tragen, und ihre Brüder, die
Leviten, sollten sich als ihre und des Zeltes Wärter ihnen anschliessen,
aber nicht mit dem Altar und dem inneren Tempel (Qodesch) in
452 Berührung kommen. Der zweite Absatz v. 8 — 20 (18, 8 an Aharon)
handelt von den Einkünften der Priester. Landesanteil bekommen
sie nicht v. 20, dafür aber die geweihten Abgaben v. 8, indem sie
gewissermassen Mahl- und Bundesgenossen (rhu n'i'IÜ v. 19) Gottes
sind und darum auch die heiligsten Abgaben vor ihm verzehren
müssen. Zu den Therumoth gehören 1) die Qodsche Qodaschim,
die von den Männern im Heiligtum zu verzehren sind. Speis-, Sünd-
und Schuldopfer, 2) die Thenuphoth, die alle reinen Familien-
glieder essen dürfen, das sind die Aparchen. Obwol r^it^'N*! das
Beste (nur in Q und im spätesten Hebräisch der Anfang) und
□'•IIDIl das Früheste heisst, so scheint doch v. 12. 13 zwischen
beiden nicht der Unterschied gemacht zu werden, den die Halacha
schon bei Philo und Josephus (Sept. diza^yai und TCpduxo-j'svvTjfiaTa?)
macht, um des Guten lieber zu viel als zu wenig zu tun. Mit
den Thenuphoth wird v. 14 der Oberem gleichgesetzt, ebenso mit
Recht V. 15 — 18 die Erstgeburten, die hier trotz der scheinbar
ein- für allemal giltigen Lösung 3, 5 — 13 doch auch wieder von
den Menschen gefordert werden. Nur ganz beiläufig ist v. 18 noch
von der Webebrust und rechten Keule die Rede. Der dritte Ab-
satz (v. 25 an Mose) handelt von den Einkünften der Leviten,
die auch kein Landerbe bekommen v. 24, dafür aber den Zehnten
V. 21 — 24'), von dem sie aber ihrerseits wiederum den Zehnten
als eine den Aparchen der Laien entsprechende Abgabe dem Priester
bezahlen müssen V. 25 — 32. — Bemerkenswert sind 18, 20. 23. 24.
17, 25. 18, 23 die Anklänge an das Deuteronomium und besonders
an Ezechiel. Der Ausdruck ^112^ ''in, womit 17, 25 die Israeliten be-
zeichnet werden, ist keineswegs gewöhnliche hebräische Prosa und
erinnert sofort an Ezech. 2, 5. 7. 8. 6, 3. 9. 26. 27. 12, 2. 3. 9.
^) Der Zehnte schlechthin ist nach dem Deuteronomium der vom Felde
und nicht vom Vieh.
Numeri 26—36. 131
17, 12. 24, 3. 44, 6. Noch auffallender ist die Ähnlichkeit zwischen
18, 23 ü:)V INt^"» cn und Ezech. 44, 10 n:)V \N*iiOV Beidemale ist
damit die selbe Sache gemeint, aber nur im Ezechiel versteht man
die Berechtigung des Ausdrucks: die Leviten, d. i. die Priester
der abgeschafften Bamoth, haben sich am Dienst der Bamoth be-
teiligt und sollen zur Strafe dieser ihrer Schuld zu Tempel-
dienern der jerusalemischen Priester degradirt werden und an die
Stelle der bisherigen heidnischen Tempelsklaven treten. An gegen-
seitige Unabhängigkeit der Stellen kann also nicht gedacht werden,
auch darum nicht, weil Num. 18, 22 zu v. 23 sich genau so ver- 453
hält wie Ezech. 44, 9 zu v: 10 — nur werden Num. 18 die Leviten
bestellt, weil keine Israeliten, Ezech. 44 aber, weil keine
Heiden in den eigentlichen Tempel sich nahen sollen.
2. Mit Num. 20 macht Israel sich auf den Weg zu den Arboth
Moab (22, 1), wo der letzte Akt') der Gesetzgebung des Priester-
codex Num. 26 SS. spielt, vgl. 26, 3. 63. 33, 50. 35, 1. 36, 13.
Zu dem schon oben p. 112ss. Erörterten trage ich hier noch
einige wenige Bemerkungen nach. Absehend von den zu der histo-
rischen Situation nicht in Beziehung stehenden Stücken Num. 28
bis 30 und 33, 1—49 habe ich a. 0. zu zeigen gesucht, dass der
Faden von Q sich darstelle in Kap. 26. 27. 32 (JE abgereclmet).
33, 50 — 36, 13 (über 33, 50 — 56 s. p. 115), dass dagegen Kap. 31
secundär sei. Über Num. 28 — 30 kann ich nicht anders urteilen,
als über die in der ersten Hälfte unseres Buches eingestreuten
Gesetze. Die Zugehörigkeit des Lagerverzeichnisses 33, 1 — 49 zu
Q wüi'de ich, obwol ich es redlicher Weise nicht kann, doch aus
dem Grunde gerne zugeben, weil dadurch die Posteriorität dieser
Schrift im Vergleich zu JE klar hervorginge; denn dass hier neben
Q jew eilen auch JE benutzt wird, hat Kayser, wenigstens für eine
Reihe von Fällen^), constatirt. Er hält das Stück übrigens für
ein systematisches Elaborat „des Sammlers oder eines noch Späteren"
und macht es wahrscheinlich, dass ursprünglich 40 Stationen für
die 40 Jahre des Wüstenzuges angenommen wurden. Zu seiner
Widerlegung sagt Nöldeke, Jahrbb. für prot. Theol. I 347 : „Ähnlich
^) Der Stiftshüttenkultiis (Exodus, Leviticus) ist auf dem Berge Sinai
geoifenbart, die Gesetze Num. 1 — 19 in der Stiftshütte in der Wüste
Sinai. Der Unterschied ist jetzt freilich verwischt, doch tritt das Bewusstsein
desselben z. B. Num. 3, 1 gegen 3, 4 hervor.
2) Exod. 15, 22 s, 27. Num. 11, 34 s, 21, 10 s.
182 I^i^ Gesetz gebimg.
wie die Genealogien bilden auch die Angaben über die Stationen
in der Wüste ein geschlossenes System. Das Hauptverzeichnis
Num. 33 weist auch Kayser der Grundschi'ift (Q) zu; dagegen will
er ihr einige der zu dieser stimmenden, im Ausdruck ganz con-
stanten Einzelangaben über die Züge absprechen. Er hätte ebenso
gut auch die fingirte chronologische Kette der Grundschrift einiger
Glieder berauben können." Die Yorstellung, die sich Nöldeke von
Kaysers Ansicht macht, ist damit vielleicht treffend Aviderleg-t,
aber sie beruht auf mangelhafter Information. Kayser sagt auf
454 p. 97 SS. so ziemlich das Gegenteil von dem, was Nöldeke gelesen
zu haben scheint. — Ausserdem bleibt nur noch übrig, ein paar
Fragen zu beantworten, welche sich über das Verhältnis von Kap. 26
zu der und jener Parallele aufdrängen.
Zunächst werden in diesem Kapitel die Leviten anders auf-
gezählt und gruppirt wie an zwei anderen Stellen des Priestercodex.
In Num. 26 wird zwar zuerst v. 57 die gewöhnliche Dreiteilung
Levis gegeben: Gerson, Kehath, Merari, dann aber eine der-
selben . beziehungslos coordinirte, ganz selbständige Sechsteilung,
worin Kehath no ch einmal vorkommt : Libni, Hebroni, Machli,
Muschi^), Kor ah, Kehath (= Amram); von dem letzten Ge-
schlecht werden die Aharoniden abgeleitet. In Num. 3, 14 ss. be-
herrscht die vorangestellte Dreiteilung auch wii'klich den folgenden
Stoff: Gerson = Libni und Schimi; Kehath = Amram, Izhar,
Hebron, Uzziel; Merari = Machli und Muschi. Damit stimmt
Exod. 6, 16s. genau überein, nur dass hier (v. 21. 22) hinzugefügt
wird: Izhar = Korah, Nepheg, Zikri; üzziel = Mischael
Elsaphan, Sitri. Obwol die Materialien von Num. 26 auf der
einen, von Exod. 6. Num. 3 auf der anderen Seite zum grossen
Teil sich decken, so ist doch nicht anzunehmen, sie seien von der
selben Hand und in dem selben Buche bald so bald so geordnet.
Peine Willkür ist es nicht ob man z. B. Korah direkt oder durch
zwei Mittelglieder von Levi ableitet, vielmehr spricht sich darin
^) Wie Sichemi 26, 31 von Sichern, so sind oifenbar Libni und Hebroni
von den jüdischen Städten Libna Lind Hebron abgeleitet, Muschi dagegen regel-
recht von Mose. Die Gentilformen auf i sind zum Teil in ihrer Anwendung
auf die Leviten die ursprünglichen, erst später wurden die hebronitischen
Leviten einfach Hebron genannt. So wird auch Korchi ursprünglicher sein
als Korah, Korah war ein judäisches Geschlecht und dessen Leviten Messen
die korahitischen Leviten.
Numeri 26—36. 183
ein differentes Urteil über seine Bedeutung aus. Wir haben nun
bereits Exod. 6, 13 — 28 und Num. 3, 14 ss. als secundäre Erweite-
rungen von Q beurteilt und entscheiden uns mithin füi' die Ur-
sprünglichkeit von Num. 26, 57 — 62, für welche auch die unent-
wickelte Einfachheit der Genealogie spricht. — Auch der Vergleich
von Num. 26 mit Gen. 46, 8 — 27 fällt zu Gunsten des ersteren
Stückes aus. Nach der Weise späterer Zeit ist der Verfasser von
Gen. 46, 8ss. beflissen, die 70 Seelen, welche nach alter Tradition
den ursprünglichen Bestand Israels in Ägypten ausmachen, einzeln
und mit Namen nachzuweisen und sich dabei einigermassen in den
Grenzen der Möglichkeit zu halten; darum tut er zu dem, was er 455
JN^um. 26 vorfand, einiges zu, einiges davon ab und modificirt an-
deres, macht z. B. Benjamins Enkel in vermehi'ter Anzahl zu Söhnen
und schweigt von Josephs Enkeln, welche er nicht wol zu Söhnen
machen konnte. — Am schwierigsten ist es, sich das Verhältnis von
Num. 26 und Num. 1. 2 zurecht zu legen. Zwar dass die Israe-
liten zweimal gezählt werden, einmal zu Anfang und einmal am
Ende des 40jährigen Wüstenzuges, ist ganz in der Ordnung, zumal
das zweite Mal der Zweck ist, die Zahl und Grösse der Geschlechter
festzustellen, um daran einen Massstab füi' die richtige Verteilung
des Landes zu haben (26, 52 ss.). Jedoch sehr sonderbar ist es,
dass bei der zweiten Zählung auf die erste gaT keine Rücksicht
genommen wird. Jahve hätte doch v. 2 wenigstens sagen sollen:
)^W )'2.W, und demgemäss v. 3 füi* lüb^b • • • -imil stehn sollen
n^:i^' .... "i3t)''V Aber nicht die leiseste Andeutung, dass es sich
um Wiederholung einer schon früher einmal geschehenen Sache
handelt! Erst zum Schluss heisst es: „dies sind die von Mose und
Eleazar in den Arboth Moab gemusterten Israeliten, und darunter
befand sich keiner der von Mose und Aharon in der Wüste Sinai
gemusterten, denn nach dem Worte Jahves waren sie alle in der
Wüste gestorben undnurKaleb und Josua übrig geblieben." Aber
das steht leider nicht im Einklang mit v. 4. 5, wo es heisst: „Mose
und Eleazar zählten sie in den Arboth Moab, von 20 Jahr alt, wie
Jahve befahl; und die Kinder Israel, die aus Ägyptenland aus-
gezogen waren, sind: Rüben u. s. w." Wenn auch hier C'HliC "ND"\1
nicht auf die einzelnen damals lebenden Israeliten sich bezieht, so
würde doch nicht so gesagt sein, wenn Nachdruck darauf liegen
sollte, dass unter den Gemusterten sich keiner von den aus Ägypten
Ausgewanderten befunden hätte. Andererseits ist weder Kap. 26 noch
;j^34 I^iß Gesetzgebimg.
auch Kap. 1. 2 für Q zu entbehren und die Anordnung der einzelnen
Stämme Kap. 26 scheint in der Tat von der Lagerordnung Kap. 2 abhängig
zu sein. Ich überlasse anderen die Lösung dieser Schwierigkeiten.
Mit der Untersuchung des Priestercodex sind wir zu Ende.
Wir haben gesehen, sein Kern ist Q, aber dieser Kern hat sich
vielfach erweitert, gewissermassen in organischer aber hypertro-
phischer Weise, sofern die Erweiterungen überall an den Kern
anknüpfen und dorther ihre Tendenzen, Vorstellungen, Formeln und
Manieren haben. Es ist der gleiche Boden des Zeitalters und der
456 Kreise, woraus Q und die secundären oder tertiären Nachwüchse
hervorgegangen sind. Ich füge hinzu, dass Q auch im erzählenden
Teile überarbeitet worden ist, beschränke mich aber hier darauf,
dies an Gen. 1 nachzuweisen.
Die Varianten der Sept. zu Gen. 1 beurteilt man am besten
nach Ilgens Emendationen, die sich grösstenteils nach jenen rich-
ten, aber konsequenter sind. Hgen setzt das kurze p "'H^l überall
hinter jeden Befehl, nicht nurv. 9. 11. 15. 24 (MT), sondern auch
V. 6. 20 (Sept.) und v. 26, wälirend er es v. 7 (nach Sept.) und
V. 30 streicht. Da ferner gewöhnlich nach p \"1''1 trotzdem der
ausgefühiie Bericht folgt, so restituirt er ihn auch in v. 9, nach
Sept. Desgleichen stellt er v. 14. 15, nach Anleitung wenigstens
der Sept., die vollkommene Gleichförmigkeit her, indem er die aus
V. 15 entnommenen Worte |nNn~7y "l\SP,b zwischen CDl^n und
b"'"innb V. 14 einsetzt und den Rest des v. 15, bis auf ]D \"1^1,
streicht. Aber wenn auch Ilgen mit einzelnen Emendationen im
Recht ist, so ist doch eine so konsequente Conformität nicht [das
Princip des ursprünglichen Textes. In v. 14 — 19 werden die Namen
Sonne und Mond so auffällig vermieden, dass man unwillküidich
denkt, es geschehe darum, weil die Benennung erst hinterher durch
Gott gegeben werden soll. Aber diese folgt nicht und wer hätte
den Mut, sie nachzutragen! Also die Varianten der Sept. beruhen
auf systematischer Überarbeitung. Diese aber ist bereits in der
hebräischen Vorlage vorgenommen, wie der auf xö üöwp (hebräisch
Plural) bezügliche Plural auxÄv in v. 9 klar beweist. Und aus
einer Spur lässt sich erkennen, dass die Conformirung auch in den
MT einzuschleichen drohte; denn das p \"T'1 v. 7 muss ursprüng-
lich als Randglosse zu v. 6 bestimmt und dann an falscher Stelle
recipirt worden sein. Vielleicht ist auch in v. 30 ein zu v. 26
bestimmtes p TT'l geraten.
Der Priestercodex. 135
Eine andere und ältere Überarbeitung ist auch im MT durch-
gedrungen. Die von Gabler und Ziegler und besonders von Ilgen
erhobenen Bedenken gegen die Originalität der Einteilung der
Schöpfung in sechs Tagewerke sind gegründet. Sie giebt zwar der
Darstellung Halt und ist von unleugbarer ästhetischer Wirkung,
verträgt sich jedoch nicht mit der angelegten jN^atur des Stoffes.
Denn 1) wird dadurch das zusammengehörige Scheidungswerk der
Wasser v. 6 — 10 zerrissen und dagegen werden zwei nicht zusammen-
gehörige Werke und zwei Billigungsformeln auf den dritten und
sechsten Tag vereinigt; 2) tritt der Wechsel von Tag und Nacht 457
ein, bevor die Vorsteher desselben v. 14 ss., nämlich Sonne, Mond
und Sterne, vorhanden sind. Zwar ist Licht und Finsternis auch
nach dem Original das erste Werk, und Licht nennt Gott Tag,
Finsternis Nacht, aber erst durch die Tagerechnung entsteht daraus
eine empfindliche Schwierigkeit: ohne diese sind Licht und Finsternis
nur überhaupt existirende Wesen, der regelmässige Wechsel aber
wird erst durch die Gestirne, die sie aus ihren Kammern rufen,
eingeleitet. 3) H^l^'N**!!! 1, 1 collidirt mit dem ersten Tag und
auch der Inhalt von v. 2 passt nicht in den Rahmen desselben-^).
M. E. ist dies Bedenken entscheidend.
Mit dem Fachwerk der sechs Tage streicht nun Ilgen auch 2,
2. 3 und gewinnt mit 2, 1 einen passenden Schluss. An dieser
Kritik wird uns Exod. 20, 11. 31, 17 nicht irre machen, aber wenn
^) „Im Anfange schuf" — vor dem ersten Tag? „Und die Erde war
wüste" — das dauert längere Zeit, liegt Yor dem ersten Tag und ist doch im
Anfange. Man könnte hiergegen seine Zuflucht zur Konstruktion Raschis
nehmen, aber sie ist nicht probabel. Die Schöpfung des seiner Natur nach
ewigen Chaos ist widerspruchsvoll, ja wol — aber hebraisirtes Heidentum.
Himmel und Erde bedeutet sonst nicht das Chaos, sondern den Kosmos, aber
wie sollten die Hebräer das Chaos nennen? potentielle Welt? vielmehr, da
sie potentiell nicht hatten, einfach Welt: für Abwehr jeglichen Misverständ-
nisses sorgt ja die Beschreibung v. 2. Ganz verfehlt sind die grammatischen
Bedenken gegen die absolute Auffassung des Status constr. D^li'i^li- Die jü-
dische Tradition verstand ^v dp^^iß Ixtigsv %tX. , es stand ihr frei baresith zu
sprechen, sie sprach aber bresith, s. Hieron. Quaest. zu 1, 1. Will man auch
im Syrischen die Adverbia in der Eorm des Status constr. corrigiren und z. B.
sagen ^^^^ti^X*^^ statt H^li^NI^? Das Aramäische herbeizuziehen hat man
um so mehr Recht, da n"'t^'N'1 im älteren Hebräischen nicht den Anfang,
sondern den ersten, besten Teil bedeutet und Gen. 1 noch manche andere Spuren
späterer Sprache und aramäischer Einflüsse aufweist, z. B. 5<1^, ])^p^i ]''D,
trn^, HTin WZ:, "»^^nt^n 0^\ aS statt des Yerbalsuffixes.
186 Die Gesetzgebimg.
man auf die innere Brücliigkeit von 2, 2 achtet, so ergiebt sich
eine andere Lösung. Es ist ein unzweifelhafter Widerspruch, wenn
es V. 2a heisst: er machte die Arbeit am 7. Tage fertigt) — und
V. 2b: er feierte am 7. Tage von der Arbeit. Handgreiflich ist
V. 2b das Spätere, aus einem sehr deutlichen Motiv nachgetragen.
Mit V. 2b fällt nun aber auch v. 3 a, und es bleibt v. 1 — 3: „also
458 wurden Himmel und Erde und all ihr Heer vollendet und Gott
vollendete sein Werk, das er machte, am 7. Tage und Gott segnete
den 7. Tag und heiligte ihn."
Das ist auch eine Schöpfung in Tagen, aber nicht in sechs,
sondern in sieben, und es ist etwas anderes, wenn nur am Scliluss
bemerkt wird, die Schöpfung sei in sieben Tagen fertig geworden,
als wenn das nun im Einzelnen von vornherein durchgeführt wird:
dabei kommen jene l^nzuträgiichkeiten nicht vor oder doch nicht
zur Empfindung. Vor Hgen aber haben wir den Vorteil, dass der
Anlass und das Motiv der Eintragung der sechs Tage nun deutlich
erhellt. Suchen wir nach Andeutungen, um die Schöpfung in sieben
Akte zu zerlegen, so reden die sieben Billigungeformeln "^s ^<"T'^
D-ltO ""D deutlich genug. Darnach ist der Mensch am Sabbath ge-
schaffen, die Yierfüssler am 6., Fische imd Vögel am 5., die Ge-
stirne am 4., die Pflanzen am 3., die Scheidung des Wassers (v. 6 — 10)
am 2., die des Lichtes und der Finsternis am 1. Tage. Vgl. Raschi
zu 1, 7.
Das Buch des Gesetzes. Deut. 1—31.
Dass diese Schrift von einem anderen Verfasser herrührt als
der übrige Pentateuch, hat schon Vater ^) zur Anerkennung gebracht.
Fraglich ist 1) ob und wie ein Urdeuteronomium ausgeschieden
werden muss, 2) ob das Deuteronomium mit JE oder mit dem
Pentateuch (JE + Q) verbunden worden ist.
1. Das Deuteronomium ist ursprünglich selbständig als eigene
Schrift herausgegeben und erst hernach einem grösseren Ganzen
^) Naiv Sept.: am 6. Tage. Je näher man zusieht, je glänzender bewährt
sich hier die relative Reinheit des MT nicht von Verderbnissen, aber von
Verbesserungen.
^) Abhandlung über Moses und die Verfasser des Pentateuchs. § 40. (III.
493). Auch übrigens verdanke ich Vater für diesen Abschnitt Anregung und
Belehrung, s. besonders §§ 54 — 60. § 28. — Die de Wette 'sehe Dissertation
(1805) steht bei weitem nicht auf der Höhe der glänzenden Beiträge,
Das D eilte ronomium. 1§7
einverleibt. Unter PN'in n^nPH wird Kap. 1 — 4. Kap. 27 ss.
immer nur das Deuteronomium allein und nicht der ganze Penta-
teuch verstanden (4, 44), und da mit dem Exemplar dieses
Gesetzes 17, 18 auch nichts anderes gemeint sein kann, so existirte
folglich das Deuteronomium als besonderes Buch. IS^m ist bekannt-
lich unter Josia das Buch der Thora aufgefunden und feierlich
als Gesetz publicirt. Es ist gewiss, bei der religiösen Bewegung,
die sich daran knüpft, dass dasselbe nicht wieder verloren gegangen,
sondern im jüdischen Kanon, zu dessen Entstehung es den Grund
legte, erhalten ist. Das selbstverständlich im Pentateuch zu suchende 459
Buch der Thora kann nun nicht JE sein, denn diese Scln-ift ist
ein Geschichtswerk; auch nicht Q, denn aus Q erklären sich Josias
reformatorische Massregeln nicht. Sondern nur entweder das Deutero-
nomium oder der ganze Pentateuch, und zwar der ganze Pentateuch
bloss darum und insofern, als er das Deuteronomium einschliesst,
auf welches letztere die Reformation Josias faktisch allein sich
gründen konnte.
Beinahe zwei Jahrhunderte nach Josias Regierungsantritt ward
abermals das Buch des Gesetzes Mosisin ganz ähnlicher Weise
publicirt und durch feierliche Verpflichtung zur Constitution der
jüdischen Gemeinde erhoben. Es kann nicht bezweifelt werden,
dass dies Gesetz den ganzen Pentateuch umfasste. Wenn dieser
aber erst durch Ezra public! iuris wurde, so kann er es nicht schon
durch Josia geworden sein. Wendet man ein, der spätere Akt sei
eine einfache Wiederholung des früheren gewesen'und darum nötig
geworden, weil das Gesetzbuch Josias durch das Exil in Vergessen-
heit geraten, so ignorirt man die 100 Jahre zwischen dem Exil und
Ezra, und weiss anderei'seits mehr als der sonst wol unterrichtete
Erzähler von Nehem. 8 — 10 und als die beteiligten Zeitgenossen
— auch mehr als walu' ist, denn was das Deuteronomium an-
geht, so ist es im Exil nicht latent, sondern recht wirksam gewesen,
wie z. B. die Überarbeitung der geschichtlichen Bücher bezeugt.
Es ist dem nicht zu entgehn, dass der ganze Pentateuch erst durch
Ezra zum Bundesbuch geworden ist, das Bundesbuch des Josia also
nur im Deuteronomium gesucht werden kann. Es wäre auch nicht
praktisch gewesen, wenn der Gesetzgeber dieses Buch worauf es
ihm allein ankam und das jedenfalls ursprünglich selbständig ex-
istii-te, in der Hülle des übrigen Pentateuchs versteckt veröffent-
licht hätte, w^oraus es nur durch Divination als das eigentlich mass-
188 Die Gesetzgebung.
gebende Gesetz erkannt werden konnte. Ausserdem erklärt es sich
wol durch allerlei geschichtliche Vermittlungen, wie schliesslich
der ganze Pentateuch zu dem Namen Thora kam, aber von vorn-
herein konnte er schwerlich als Sepher hatthora bezeichnet werden,
und so viel sich aus den Citaten ersehen lässt, versteht das Buch
der Könige darunter überall nur das Deuteronomium^).
460 Aber so wie es jetzt vorliegt, hat das Deuteronomium nicht
schon im Jahre 621 vor Christus existirt, denn die Kapitel 29 und
30 können nicht vor dem Exil geschrieben sein. Es gilt hier als
selbstverständlich, dass zuerst der Fluch, der auf den Bundesbruch
gesetzt ist, sich erfüllt und dass darnach, nachdem dies geschehen ist,
auch der Segen folgen wird, der für den Gehorsam gegen Jahves
Stimme verheissen ist. Die vorausgesetzte Verwirklichung des
Fluches ist der Standpunkt, von wo aus die Bekehrung und der
Segen für die Folgezeit erhofft wird. „Wenn alles dies (der ganze
Fluch) bei dir eingetroffen ist, so wirst ' du dein Herz bekehren
unter den Völkern, wohin dich Jahve Verstössen hat, und dich zu
Jahve bekehren, und er wird deine Gefangenschaft wenden und
sich deiner erbarmen und dich sammeln aus der Zerstreuung und
dich in das Land bringen, das deine Väter besessen haben, und
dich mehren über deine Väter, und dein Herz beschneiden, dass
du ihn liebest und lebest. Und er wird diese Flüche auf deine
Feinde und Hasser legen, die dich verfolgt haben, und du wirst
dich bekehren und der Stimme Jahves gehorchen, und er wird dir
Gedeihen geben in allem Tun, in der Frucht deines Leibes, in der
Frucht deines Viehes, in der Frucht deines Feldes, denn er wird
sich wieder über dich freuen, Avie einst über deine Väter." Man
sieht, eine Bekehrung zu Jahve zur Vermeidung des Fluches,
die doch im Jahre 621 das einzig naheliegende war, wird hier gar
nicht mehr in Aussicht genommen. Ich weiss wol, dass man sich
durch Verweisuno; auf die seit 721 exilirten Israeliten hilft; aber
1) Vgl. Corodi bei Vater p. 592: „Niemals werden Geschichten, die
im Pentateuch stehn, mit der Formel erwähnt: es steht im Gesetz oder im
Buch des Gesetzes." — Ebendas. p. 595: „Auf diesen Teil des Pentateuchs
(= Deuteronomium) führen auf eine auffallende Weise fast alle bestimmten
Erwähnungen in anderen Büchern." Daher Du-Pin, dissert. prelim. Paris (1701)
I, 62: Le livre du Deuteronome est plus souvent allegue qu'aucun autre,
parce qu'etant un abrege de toute la loi, compose pour Pusage ordinaire du
peuple, il etait plus naturel de le citer que les autres.
Das Deiiteronomiimi. 189
das Du im Deiiteronomium redet die Juden an, und das
Solidaritätsbewusstsein zwischen den Juden und den seit 100 Jahren
fortgeschleppten Israeliten war nicht so gross, dass jene bei solchen
Drohungen an diese denken konnten. Solche Ausflüchte sollte man
denen überlassen, denen es auf das, was schön wäre, mehr ankommt
als auf das, was wahr ist.
Man ist also zur Ausscheidung eines Urdeuteronomiums ge-
nötigt. Schon Yater (§ 28) hat die Aufmerksamkeit auf die Über-
sclii'ift 4, "55 — 49 und die Schlussformel 28, 69 gerichtet und Graf
darin die Marken des ursprünglichen Buches erkannt; beide haben
auf die Unvereinbarkeit der Angaben 2, 29 und 23, 5 (4, 41 — 43
und 19, 9; 2, 14 und 5, 3) hingewiesen. Einen anderen Weg 461
schlägt Hobbes ein^). Ea sola scripsit Moses, quae a scriptore
Pentateuchi scripsisse dicitur, nempe volumen legis, quae habetur
in Deuteronomio a capite undecimo usque ad finem capitis ^dce-
simi septimi et quam in aditu terrae Chananeae lapidibus inscribi
iussit cleus. Das Resultat seiner Abgrenzung ist unhaltbar, wenn
man nicht undecimo für ein blosses Versehen statt duodecimo hält,
das Princip derselben aber richtig. In Kap. 28 — 30 liegen die Ge-
setze und Rechte, die Mose bis dahin nur geredet, aber nicht auf-
geschrieben hat, plötzlich dem Redner selber als ein sclmftliches
Buch „dieser Thora" vor 28, 58. 61. 30, 10. In 31, 9 wird dann
zwar berichtet, Mose habe „diese Thora" aufgeschrieben, aber ein-
mal kann dies zur Motivii^ung der Ausdrücke in der vorhergehen-
den Rede Moses nichts helfen und sodann gehört Kap. 31 sicher
dem Deuteronomisten an, d. h. dem Schriftsteller, der das Deutero-
nomium in das pentateuchische Geschichtswerk einarbeitete. Es
bleibt nichts übrig als eine Verwechslung anzunehmen. Was sich
4, 45 — 26, 19 nur als eine Rede Moses giebt, das lag dem Ver-
fasser von Kap. 28 — 30 bereits als abgeschlossenes Buch vor und
er hielt es für eine Schrift von Moses Hand — gegen die Meinung
der Einleitung 4, 45 — 5, 1, wo von ihm in dritter Person erzälüt
wird und zwar vom Standpunkte Westpalästinas aus (4, 46). In
dem selben sekundären Verhältnis wie Kap. 28 — 30 steht aber auch
Kap. 27 zu den vorhergehenden Gesetzen. Wenn in Kap. 27 die
1) Leviathan c. 33. Vgl. die anderen bei Vater p. 563 citirten Schriften
und R. Simon, liv. I. chap. 6, auch Kuenen, Onderzoek P p. 10 s. Corodi
hält Deut. 12—28, Vater selbst (p. 462) Kap. 12—26 für das ursprüngliche
Gesetzbuch.
X90 I^iG Gesetzgebimg.
Erz all hing wieder beginnt, so muss die Rede Moses 26, 19 ab-
geschlossen sein. Wenn der Befehl gegeben wird, „dieses Gesetz"
nach der Ankunft im Lande Kanaan auf 12 Steinen zu verewigen
so kann unter diesem Gesetz nicht auch Kap. 27 selber oder
gar das Folgende einbegriffen sein^).
462 Den Ausdruck diese Thora haben Kap. 27 und Kap. 28 — 30
mit einander gemein, sie bezeichnen beide einen Codex damit und
nur der Unterschied herrscht, dass Kap. 27 sich selbst nicht mit
zu diesem Codex rechnet, dagegen Kap. 28 zwar dazu gerechnet
sein will, sich aber unwillkürlich als posthum dadurch verrät, dass
es den Mose mitten im Reden seine eigene Rede als Schrift an-
führen lässt. In Deut. 5 — 26 kommt der Ausdruck nicht vor, mit
einer demnächst zu besprechenden Ausnahme; hier heisst es immer
die Rechte und Satzungen, und Thora scheint (wie bei den
Propheten) die mündliche und lebendige Lehre in Besitz der
Priester zu bedeuten 17, 11. 24, 8. Wol aber findet sich n"^iinn
PN'in zweimal in Kap. 1 — 4, und auch hier wird damit auf ein
geschriebenes Buch hingewiesen, dessen Anfang 4,44 mit n*nnn PN*]!
markirt wird. Hiernach würde sich also der eigentliche Codex auf
4, 45 — 26, 19 begrenzen.
Nun zerfällt 4, 45 — 26, 19 in zwei Hälften. Die Gesetze
gehn erst Kap. 12 an, vorher will zwar Mose immer zur Sache
kommen, kommt aber nicht dazu. Schon 5, 1 kündigt er die
Satzungen und Rechte an, die das Volk im Lande Kanaan halten
solle, verwickelt sich aber darauf in die historische Darstellung
der Gelegenheit, bei der sie ihm selbst einst vor 40 Jahren auf
dem Horeb mitgeteilt wurden, da das Volk ihn bat, als Mittler
1) Man wird einwenden, Kap. 27 sei interpolirt. Aber die Sache steht
vielmehr so, dass Kap. 28 das 27. Kap. nicht vor sich kennt und duldet und
dass Kap. 27 das 28. Kap. nicht hinter sich kennt und duldet, d. h. es sind
zwei von einander unabhängige Anhänge zu dem ursprünglichen Deutero-
nomium aus zwei verschiedenen Ausgaben, die dann zusammengeworfen wurden,
obwol sie sich ausschliessen. Kap. 27 scheint deuteronomistische Überarbeitung
einer älteren Grundlage. — Man wird ferner einwenden, Kap. 28 sei unent-
behrlich, weil es die Flüche enthalte, die auf Josias solchen Eindruck machten.
Aber diese Flüche (28, 36) hat Josias schwerlich gehört. Ausserdem ist mit
Recht auf die Bemerkungen von J. H. Michaelis zu 2 Reg. 22, 8 und v. 16 auf-
merksam gemacht. Praedictio (v. 16) est prophetica non legalis (== kommt
im Gesetz nicht vor), ac manifestum satis est in hoc versu, legisse Josiam
eiusmodi comminationes, quae non essent condicionatae.
Das Deuteronomium. 191
einzutreten. Zu Anfang von Kap. 6 macht er abermals Miene, die
Satzungen und Rechte mitzuteilen, statt dessen aber motivirt er
vielmehr den Gehorsam gegen sie mit der Liebe zum Gesetzgeber.
Und so wird unsere Geduld auch in den folgenden Kapiteln noch
weiter auf die Probe gestellt. Immer ist die Rede von den
Satzungen und Rechten, die ich dir heute gebieten werde,
aber man erfälirt nicht, welche es sind. In Kap. 7 und 8 werden
allerlei drohende Gefahren, wodurch dieselben nach der Eroberung
Kanaans leicht in Nichtachtung geraten könnten, zum voraus zu
beseitigen gesucht. Jahves Gnade, deren man ausserhalb der Wüste
entraten zu können glauben möchte, habe man stets nötig, seinen
Zorn stets zu füi'chten. Dabei ergiebt sich der Anlass zu einer
grossen Digression über das goldene Kalb; erst 10, 12 ss. wird auf
die Einschärfung der Gebote zurückgekommen und in Kap. 11 zum
Schluss noch einmal hervorgehoben, die bisherige Fürsorge Jahves 463
füi- Israel bedinge Dank und Gehorsam gegen ihn, sie werde aber
künftig durch den Besitz des Landes nicht überflüssig, da dessen
Fruchtbarkeit von der Gnade des Himmels abhänge. Schwerlich
ist diese lange Einleitung Kap. 5 — 11, diese beständige Aufforderung
zum Halten noch gar nicht bekannt gemachter und nur zum Teil
inhaltlich antecipii'ter Gebote sachgemäss, schwerlich gehört sie zum
ursprünglichen Bestände des Gesetzbuches. Ilir Verfasser scheint
vielmehr nur deshalb stets zum voraus auf „die Befehle, die ich
dir heute gebieten werde", hinweisen zu können, statt sie mitzu-
teilen, w^eil sie ihm eben auch schon als Schrift vorlagen, die er
nur mit einer Vorrede versah. Ist es sonst zu verstehn, dass er
11, 26 SS. sogar den Segen und den Fluch vorlegt für das Halten
oder Übertreten noch gar nicht gegebener Gesetze? Ich glaube
nicht. Dann also umfasst das Ur deuteronomium nur Kap. 12
bis 26 und beginnt direkt mit dem Hauptgesetz über den Ort des
Kultus, womit auch das Bundesbuch Exod. 20, 23 ss., die Sammlung
Lev. 17 — 26, Ezechiel Kap. 40 ss. und Q Exod. 25 ss. anfangen.
Es felilt weder die Überschrift 12, 1, noch die Unterscliiift^ 26,
16 SS.; der Umfang ist derart, dass er etwa auf den zwölf dem
Jordan entnommenen Steinen Platz^ findet 27, 3. 8^).
^) Ebenso wie Kap. 27 und Kap. 28 schliessen sich auch Kap. 1—4 und
Kap. 5 — 11 aus, sie haben neben anderen Zwecken den gemeinsam, der deu-
teronomischen Gesetzgebung eine historische Situation anzuweisen; es sind
eigentlich zwei verschiedene A^'orreden zweier verschiedener Ausgaben.
192 . ^i® Gesetzgebimg.
Ich gehe jedoch noch einen Schritt weiter. Die Tätigkeit der
Editoren hat sich nicht bloss auf Hinzufügung von Einleitung und
Schluss beschränkt, sondern ist auch zur Überarbeitung des eigent-
lichen Kernes fortgeschritten. Eine Spur davon ist das Königs-
gesetz 17, 14 — 20. Dasselbe setzt einen Bericht voraus, der erst
Kap. 31, 9. 26 erstattet wird, und gebraucht den Ausdruck „Kopie"
und „Buch der Thora" in einem Augenblick, wo Mose noch lange
nicht mit seiner Rede fertig ist. Auch 16, 21 — 17, 7 steht
mindestens an verkehrter Stelle, denn über den Zusammenhang
von 16, 18 — 20 mit 17, 8ss. kann kein Zweifel sein, so wenig wie
über die beabsichtigte Reihenfolge der Autoritäten: Richter, Priester,
Propheten. Allem Anschein nach sind ferner die Verse 15, 4. 5
eine Glosse ; dieser unpraktische Idealismus widerspricht dem Gesetze
selbst total. Von diesem Gesichtspunkte aus möchte man sogar
die Ursprünglichkeit von Kap. 20 bezweifeln, denn nach den 20,
464 5 — 8 ausgesprochenen Grundsätzen hätte König Josia schwerlich
ein Heer aufbieten können, und die Anschauung eines wirklichen
jüdischen Reiches scheint hier schon gänzlich zu fehlen. Indessen
wird sich nur in wenigen Fällen die Überarbeitung positiv nach-
weisen lassen, meist wird sie in nicht weiter störenden Motivirungen
bestehn. Die specifisch „deuteronomischen" Phrasen^) finden sich
im eigentlichen Deuteronomium (Kap. 12 — 26) verhältnismässig am
wenigsten, und wo sie sich finden, scheinen sie teilweise von der
überarbeitenden Hand des Verf. von Kap. 5 — 11 herzurühren.
Auch z. B. 23, 5 — 7 ist wol von diesem eingewoben. Denn, es
heisst 26, 17. 18: „dem Jahve hast du heute sagen lassen, er solle
dir Gott sein und du wollest auf seine Stimme hören, und Jahve
hat dir heute sagen lassen, du sollest sein Eigentumsvolk sein,
wie er dir verheissen." Das führt auf keine andere Situation als
auf Exod. 19 und Exod. 24. Das Deuteronomium betrachtet sich
demnach wol ursprünglich als eine erweiterte Ausgabe des alten
Bundesbuches und lässt den Mose die Gesetze und Rechte, die er
^) Die Vorhaut und Beschneidung des Herzens 10, 16. 30, 6 ist
wol bei Jeremias ursprünglich, denn bei ihm sieht man den Ausdruck ent-
stehn, der im Deuteronomium bereits fertig ist. So mögen noch andere „deu-
teronomische" Phrasen mit dem color Hieremianus aus Jeremias entlehnt sein
und um so sicherer der Bearbeitung angehören. — Zu der üblichen Charak-
teristik des DeuteroiiiOmium sind die Materialien gewöhnlich nicht aus Kap. 12
bis 26 hergenommen.
Das Deuteroiiomium. 193
auf dem Horeb empfangen hat, nicht 40 Jahre mit sich herum-
tragen, sondern sie sogleich dem Volke publiciren. — Einiges von
dem ursprünglichen Bestände muss endlich durch die Veränderungen
der späteren Ausgaben verloren gegangen sein, z. B. die Flüche in
ihrer echten Gestalt.
Ich nehme also drei "Stadien für den literarischen Entstehungs-
process des 5. Buches Mosis an: 1) das Urdeuteronomium (Kap.
12 — 26), 2) zwei von einander unabhängige vermehrte Ausgaben
(Kap. 1—4, Kap. 12—26, Kap. 27 und Kap. 5—11, Kap. 12—26,
Kap. 28 — 30), 3) Vereinigung der beiden Ausgaben und Einsetzung
des so entstandenen Werkes in das hexateuchische Gesetzbuch. Die
letztere Operation ist nur nach hinten durch äusserlich hervor-
tretende Bindemittel (Kap. 31) erfolgt, nach vorn sind solche nicht
sichtbar. Denn Kap. 1 — 4 hat offenbar nicht den Zweck, an die
vorhergehende Erzählung anzuknüpfen, vielmehr sie ausführlich zu
recapituliren, d. h. zu ersetzen. Auf das dritte Stadium ist viel-
leicht Jos. 24, 26 zu beziehen, s. R. Simon (Rotterd. *1685) p. 20.
2. Ist nun das Deuteronomium, als ihm in einem grösseren 465
Geschichtswerk eine Stelle angewiesen wurde, mit JE oder mit
JE-hQ verbunden? denn nur um diese Alternative kann es sich
handeln. Zur Entscheidung derselben können zunächst die Unter-
suchungen dienen, die man angestellt hat, um zu sehen, welche
Gestalt der historischen und legislativen Tradition das Deuterono-
mium voraussetze. Natürlich das Deuteronomium in seiner gegen-
wärtigen Gestalt, in welcher es zu einem Teil des Pentateuchs ge-
worden ist.
Was zuerst die (zumeist aus Kap. 1 — 11 zu eruirenden) histo-
rischen Voraussetzungen anlangt, so sagt Kuenen, Godsdienst II 98,
das Deuteronomium kenne die Erzählungen von Q nicht, und
wälii'end durchgehens von älteren, speciell von den jehovistischen
Berichten Gebrauch gemacht werde, so schimmere die eigenartige
priesterliche Auffassung der Tradition nirgends durch. Dies sei er-
wiesen von W. H. Kosters, De historie-beschouwing van den Deu-
teronomist met de berichten in Genesis — Numeri vergeleken,
Leiden 1868. Ahnliches behauptet und sucht zu zeigen Kayser
a. 0. p. 141 — 146. Die Thesis ist richtig, JE, nicht Q und nicht
JE-i-Q, ist für die geschichtliche Anschauung des Deuteronomiums
massgebend.
Die Situation in Kap. 1 — 11 ist die nach der Niederlassung
Wellhausen, Comp. d. Hexateuclis. 3. Aufl. 13
194 Die Gesetzgebung.
im Reiche Sihons, kurz vor dem Übergange in das eigentliche
Kanaan; da veröffentlicht Mose die Gesetze, die nach der Ansiedlung
im heil. Lande Geltunsi; haben sollen. Für unseren Zweck kommen
zunächst Kap. 5 und Kap. 9. 10 in Betracht. Bisher, heisst es
hier, ist nur das unter allen Verhältnissen giltige und darum von
Gott selbst am Horeb verkündigte Grundgesetz der zehn Gebote
gegeben worden. Damals verbat sich das Volk weitere direkte
Mitteilungen von Jahve und beauftragte Mose mit der Vermittlung,
der sich demgemäss auf den heil. Berg begab, dort 40 Tage und
Nächte verweilte und von ihm die zwei Tafeln empfing, ausserdem
aber die Satzungen und Rechte, welche er erst jetzt nach 40 Jahren
zu publiciren in Begriff steht, da sie erst jetzt praktisch werden.
So etwa muss man sich die bald vorgreifende, bald zurück-
springende und weniger nach pragmatischen als nach paränetischen
Gesichtspunkten geordnete Erzählung zurechtlegen, vgl. 5, 19. 28 mit
9, 9. 10. Nachdem inzwischen unten das goldene Kalb gegossen
worden, steigt Mose vom Berge herab, zerschmettert im Zorn die
Tafeln und zerstört das Idol. Darauf begiebt er sich zum zweiten
^QQ Male wieder 40 Tage und 40 Nächte auf den Berg, bittet um
Gnade für das Volk und für Aharon, und nachdem er nach gött-
lichem Geheiss zwei neue Tafeln und eine hölzerne Lade für sie
gemacht hat, schreibt Jahve den Wortlaut der zerbrochenen noch
einmal auf. Bei jener Gelegenheit, wird 10, 8 s. Anlass genommen
zu bemerken, seien auch die Leviten zu Priestern bestellt. Aus
10, 10 (vgl. 9, 18. 25. 10, 1) geht hervor, dass nicht ein drei-
maliger, sondern nur ein zweimaliger vierzigtägiger Aufenthalt Moses
bei Jahve angenommen wdrd, und dass das Flehen für das ab-
trünnige Volk und die Restituirung der Tafeln beides in die zweiten
vierzig Tage fällt, welche nur durch das Herabsteigen 10, 1 einmal
unterbrochen werden. Nicht bloss der Darstellung, sondern auch
der Anschauung fehlt es an Einheit; hier jedoch weniger durch die
Schuld des Deuteronomiums, als seiner Quelle.
Dass die Quelle Exod. 19. 20. 24. 32—34, d. h. also JE ist,
liegt auf der Hand'). Hingegen wird Q vollkommen ignorirt. Nur
^) Ein Unterschied gegen JE macht sich bemerklich. Nach Exod. 24
werden die Worte und Rechte, die Mose (nach dem Dekalog) auf dem Berge
empfangen hat, alsbald nach seiner Herabkunft feierlich publicirt; nach dem
Deuteronomiimi geschieht das erst 40 Jahre später. Dieser Unterschied ist
aber bewusst und beabsichtigt. Dass der Verf. von Deut. 5 — 11 das alte Bundes-
Das Deuteronomium. 195
zwei Gesetze kennt das Deiiteronomium, den Dekalog, den das
Yolk, die Satzungen und Rechte, die Mose am IToreb empfing;
beide sind zu gleicher Zeit unmittelbar hinter einander offenbart,
aber nur der Dekalog bisher publicirt. Wo bleibt der gesamte
Priestercodex von Anfang bis zu Ende? wo insonderheit die Ge-
setzgebung von der Stiftshütte aus in der Wüste Sinai und in
den Arboth Moab? Eine wol aufzuwerfende Frage. Kann der
deuteronomische Erzähler zwischen Exod. 24 und Kap. 32 das ge-
lesen haben, was wir jetzt lesen? richtet sich etwa seine Vorstellung
von der Bestellung der Leviten zu Priestern (10, 8) nach Exod. 29?
Aber Nöldeke (Jahrb. für protest. Theologie I 350) findet in der
Lade von Akazienholz Deut. 10 eine Reminiscenz aus Q. Nun
kommt die Lade dort in einem Zusammenhange vor, der eine reine
Reproduction von JE Exod. 32. 33 ist und der Vorstellung von
Q, wonach dies Heiligtum nicht erst nach der Erwählung des
falschen Idols, sondern gleich zu Anfang als der Grundstein der 467
Theokratie gestiftet wird, durchaus widerspricht. Es ist wahr, wii'
finden gegenwärtig in Exod. 33 s. die Lade nicht erwähnt, aber in
dem nächsten Stück von JE (Num. 10, 33) ist sie plötzlich da,
und es musste doch ursprünglich gesagt sein, woher? Auch lässt
sich ohne sie der Gegensatz von Symbol ("[N'b-":D) Jahves und Jahve
selbst, der in Kap. 33 solche Bedeutung hat, nicht verstehn, so
w^enig wie der Zweck des Zeltes, dessen Stiftung in dem selben
Kapitel berichtet wird. Ohne all und jede Rücksicht auf das Deu-
teronomium, wie vielleicht nicht überflüssig ist zu versichern, habe
ich darum bereits früher (oben p. 93 ss.) angenommen, dass die
Herrichtung der Lade einst zwischen Exod. 33, 6 und v. 7 erzählt
und vom Redaktor des Pentateuchs aus Rücksicht auf Q Exod. 25
ausgelassen worden sei. Mussten nicht — trotz aller Weitherzig-
keit von R — manche Wiederholungen, die zu arg collidirten, der
Zusammenstellung von JE und Q zum Opfer fallen? Kann das
der Evidenz, dass der deuteronomische Erzähler JE und nicht
JE + Q reproducirt, entgegenstehn, dass er JE vor der Verar-
beitung mit Q noch vollständiger vorgefunden hat, als diese Schrift
uns nach der Verarbeitung vorliegt? ist diese Annahme so schwierig.
buch sehr wol kennt, erhellt aus Kap. 7 Ygl. mit Exod. 23. So sehr benutzt
er jene Quelle, dass ihm in 7, 22 sogar von dort her (23, 29 s.) etwas in
die Feder geflossen ist, was seiner eigenen Anschauung total widerspricht,
vgl. 9, 3 nriD.
13*
196 -Diö Gesetzgebung.
class man lieber zu den allerunniöglichsten greift? Nach Nöldeke
nämlich hat der Yerf. von Deut. 5 — 11 entweder den jetzigen
Pentateuch vor sich gehabt und es dann rätselhaft gut verstanden,
JE herauszudestilliren, oder er hat zwar JE als selbständige Schrift
benutzt, aber doch auch Q gelesen, so aber, dass seine Anschauung
nicht im mindesten von der priesterlichen beeinflusst ist, sondern
derselben total und (wolgemerkt !) unbewusst widerspricht, da sie
ftLr eine ausser dem Dekalog erfolgte Kultusgesetzgebung, d. h. für
den ganzen wesentlichen Inhalt von Q, keinen Platz offen lässt.
Zu diesem Dilemma sollte man sich deshalb verstehn, weil eine
oder die andere Anekdote der deuteronomischen Darstellung, die
gegenwärtig in JE nicht nachweisbar ist, ebenso in Q vorkommt?
ist denn, unter diesen Umständen, damit bewiesen, dass sie
dorther stamme? muss man nicht billigerweise einige Rück-
sicht auf das Ensemble nehmen? Vollends nun 10, 6 für eine
Reminiscenz aus Q zu erklären, dazu liegt auch nicht der Schatten
eines Grundes vor, zumal 10, 8 folgt. Aharon der Levit ist auch
in E der Priester neben Mose (Exod. 4, 14 Kap. 32), und Eleazar
ben Aharon auch in E der Priester neben Josua (Josua 24, 33).
Übrigens steht Deut. 10, 6. 7 sehr lose im Zusammenhang, viel
468 loser als z. B. 9, 22 — 24'), denn 10, 8 sind wir wieder am Horeb.
Der historische Faden, der Kap. 5. 9. 10 angesponnen wird,
lässt sich in Kap. 1 — 4 weiter verfolgen. Vom Horeb aufbrechend
kommen die Israeliten direkt (nach der Glosse 1, 2 in elf Tagen?)
nach Kades Barnea und schicken von hier, bevor sie den befohlenen
^) Mit Absicht habe ich oben die Übereinstimmung von Deut. 10, 1. 3
(Lade) und Deut. 10, 6. 7 (Aharon Eleazar) mit den betreffenden Angaben in
Q gelten lassen, weil auch sie nicht für Nöldeke beweist. Sie ist aber in der
Tat nicht vorhanden. Es gehört viel guter Wille dazu, in dem Befehl, „mach
dir eine Lade von Holz" eine Erinnerung an die Anweisung der Exod. 25
beschriebenen Lade zu sehen, die nach Analogie des goldenen Tisches und
Altars viel eher eine goldene als so einfach eine hölzerne Lade zu nennen
war. Noch mehr Voreingenommenheit für die Originalität von Q gehört jedoch
dazu, das Grab Aharons in Mosera auf dasjenige in Hör zurückzuführen.
Allerdings ist in JE jetzt der Tod und das Begräbnis Aharons nicht erhalten.
Billigerweise aber kann man von R nicht verlangen, dass er einen zweimal
sterben lässt, einmal nach Q und einmal nach JE. Das soll gerne zugestanden
werden, dass R, wenn er etwas auslassen muss, lieber Q schont als JE, und
dass seine Anschauung sich überhaupt in Widerspruchsfällen nach Q richtet.
Vgl. Gen. 7, 8. 9.
Das Denteronomliim. X97
Einfall in das Bergland der Amoriter wagen, aus eigener von Mose
gebilligter Vorsicht zwölf Kundschafter zur Recognoscirung aus,
unter ihnen Kaleb, aber nicht Josua. Nachdem diese bis zum
Bache Eskol vorgedrungen sind, kehren sie zurück, und obwol sie
die Güte des Landes preisen, Mdrd doch das Volk durch ihren Bericht
so entmutigt, dass es murrt und nicht angreifen mag. Zornig dar-
über heisst sie Jahve wieder umkehren in die Wüste, da sollen sie
sich so lange umhertreiben, bis die alte Generation ausgestorben
und eine neue herangewachsen sei. Als sie nun doch aus falscher
Scham nachträglich vordringen, werden sie mit blutigen Köpfen
heimgeschickt. Nunmehr wenden sie sich zurück zur Wüste, wo
sie lange Jahre in der Gegend des Gebirges Seir hin und her ziehen,
bis sie endlich, 38 Jahre nach dem Aufbruch von Kades (2, 14),
Befehl erhalten, nach Norden vorzugehn, jedoch der Moabiter und
Ammoniter als verwandter Völker zu schonen. Sie erobern das
Land der Amoriterkönige Sihon von Hesbon und Og von Basan,
Mose giebt es den Stämmen Rüben, Gad und Halb-Manasse, mit der
Massgabe, dass ihr Heerbann noch ferner am Krieg teilnehmen
müsse. Mit der Designirung Josuas zum künftigen Führer des
Volkes wird der fortlaufende Bericht abgeschlossen.
Man kann denselben, wenn man die hie und da im Deutero- 469
nomium zerstreuten Einzelheiten hinzunimmt ^) , gradezu als Leit-
faden zur Ermittlung von JE benutzen. Allerdings hat der Er-
zähler von Deut. 1 — 4 den jehovistischen Bericht nicht bloss mit
seinen Motiven durchwoben und gefärbt, sondern ihn auch, was
den Stoff betrifft, ziemlich frei behandelt. Z. B. lässt er den Ein-
fall in das Ostjordanlaud nicht von Kades aus erfolgen, sondern
wahrscheinlich von der östlichen Grenze Seirs aus, 38 Jahre nach,
dem Aufbruch von Kades; Edom liegt darum bei ihm dem Heere
nicht mehr im Wege, sondern nur Moab und Ammon. Aber die
Abhängigkeit von JE zeigt sich hier trotzdem in stehn geblie-
benen Einzelheiten, die sich der Veränderung nicht angepasst
^) Einsetzung' [von ^Richtern und Pflegern 1, 9 — 18. Tabeera, Massa,
Kibroth Thaawa 9, 22. Dathan und Abn-am 11, 6; Bileam 23, 5. Baal Pheor
4, 3. Bloss auf die jehovistische Erzählung Num. 12 scheint nirgends Bezug
genommen zu sein. Deut. 1, 9 — 18 spielt noch am Horeb wie Exod. 18, lässt
aber auch Bekanntschaft mit Num. 11 durchblicken und benutzt beide Yer-
sionen zu einer neuen und etwas andersartigen. Vgl. R. Simon (Rotterdam
1685), p. 36,
2^98 l^i® Gesetzgebung.
haben. Ein solcher nicht aufgegangener Rest ist 1,46, wo es nach
dem vergeblichen Angriff auf den Negeb heisst: und ihr bliebet in
Kades lange Tage. Nach J verbringen freilich die Israeliten an
40 Jahre in Kades, die deuteronomische Vorstellung ist dies aber
gar nicht, und nur aus der Abhängigkeit von JE ist die Incon-
sequenz zu erklären. Nicht ganz so, doch ähnlich steht es mit
2, 1: wir wandten uns zur Wüste und umzogen das Gebirge Seir
lange Tage. Ursprünglich hat diese TJmziehung nur in JE ihren
Platz, wo die Israeliten von Kades gegen Osten aufbrechen und,
weil der Edomiterkönig ihnen den Durchzug verweigert, sein Land
umgehn müssen. Der deuteronomische Erzähler hat der Sache
einen ganz anderen Sinn gegeben, in Anlehnung an Edom verbringt
bei ihm das Volk die 38 Jahre (2, 14) mit Nomadisiren um das
Gebirge Seir herum. Eine gewisse formelle Incongruenz ferner des
Stoffes zu der Auffassung, welche ebenfalls die Benutzung fremder
Elemente lehrt, zeigt sich 2, 17 ss. 26 ss., und zwar darin, class das
Du und Ich, welches nach JE und nach der Natur der Sache auf
Israel geht, v. 17. v. 26 auf Mose bezogen wird.
Was Q und überhaupt der Priestercodex vor JE voraus hat,
wird auch hier mit tiefem Stillschweigen übergangen und von
Exod. 34 direkt auf Num. 10 übergesprungen. Während nicht
wenige Geschichten, auf die im Deuteronomium zurückgekommen
470 oder angespielt wird, sich bloss in JE und nicht in Q finden,
kommt der umgekehi'te Fall nicht vor. Und bei den Erzählungen,
welche sowol in JE als auch in Q vorhanden sind, befolgt das
Deuteronomium in allen Fällen, wo man eine deutliche Differenz
zwischen JE und Q constatiren kann, immer die Version von JE.
Die Kundschafter gehn von Kades aus, nicht von der Wüste
Pharan, sie gelangen bis nach Hebron, nicht bis beinah nach
Hamath, Kaleb gehört zu ihnen, nicht aber Josua. Die Meuterer
von Num. 16 sind die Rubeniten Dathan und Abiram, nicht Korah
und die Leviten. Nach der Niederlassung im Ostjordanland hat
das Volk es mit Moab und Ammon, aber nicht mit Midian zu
tun; mit jenen und nicht mit diesem steht Bileam in Verbindung
und ebenso auch Baal Pheor, denn 4, 3 stimmt mit Num. 25, 1 — 5
und nicht mit der Anschauung von Q. Da die Sachen so stehn,
so kann man nicht mit Nöldeke in der Zwölfzahl der Kundschafter
1, 23 eine Spur des Einflusses von Q (Num. 13, 2) sehen. Hätte
der Verf. die Erzählung so gelesen, wie sie uns jetzt Num. 13. 14
Das Deuteronomium. 199
vorliegt, so wäre es unverständlich, dass, wie wir soeben gesehen
haben, nur der Bericht von JE auf ihn Eindruck gemacht hat.
Er müsste also Q als besondere Schrift gekannt haben, aber es ist
doch ül:)erhaupt höchst bedenklich, aus einem solchen einzelnen
Zuge auf die Benutzung einer Quelle zu schliessen, deren Einfluss-
losigkeit und Unbekanntschaft übrigens eine vollständige ist, zumal
die Priorität dieser Quelle keineswegs an sich feststeht, sondern
erst aus dieser Benutzung bewiesen wird. Wäre eine Differenz
zwischen JE und Q in diesem Punkte nachw^eisbar, könnte man
sagen, nur Q lässt zwölf, JE dagegen drei Männer aussenden, so
stünde es schon anders; aber der Anfang des Berichtes von JE ist
Num. 13 durch den von Q ersetzt und uns also unbekannt, man
weiss nicht, wie und ob JE die Zahl angab. In diesem Falle ist
es doch das einzig Rationelle, aus dem Deuteronomium, welches
sonst lediglich JE reproducirt, das Verlorene zu ergänzen und zu
schliessen, dass auch in JE der Kundschafter zwölf gewesen sind.
Leider ist damit die Sache nicht abgemacht. Denn Nöldeke
hat Gründe, die Ursprünglichkeit der Zwölfzahl für Q in Anspruch
zu nehmen. „Die grundschriftliche Erzählung nennt die 12 Männer
mit Namen." Das ausschliessliche Besitzrecht auf diese Namen
soll ihr in keiner Weise streitig gemacht werden. Aber es ist
gewiss, dass die Summe der Männer der grossen Synagoge eher fest-
stand, als man die Posten namhaft machte, und dass die 70
Seelen, mit denen Israel nach Ägypten kam, eher da waren, als 471
man sie — wahrlich mit Mühe und Not — einzeln herzuzählen
wusste. So sind auch Num. 13 die zwölf Namen jedenfalls das
Späteste und Künstlichste an der ganzen Geschichte, wie Nöldeke
selber nicht leuo-nen wird. Sein eioentlicher Grund, den Verfasser
von Q für den Erfinder der Zwölfe anzusehen, ist darum w^ol
ein anderer. Er verwertet solche Zahlen wie 12 und 70 manch-
mal so, als kämen sie ausschliesslich in Q vor. Aber ein aus-
schliessliches Eigentum von Q ist bloss die von der Schöpfung der
Welt an fortgeführte Chronologie und die Benutzung der Patri-
archenjahre zu diesem Zweck ^). Sonst kann man wol sagen, dass
in Q mehr Zahlensystematik herrscht, als in JE, aber unmöglich
etwas anderes. Wie Q im Anfang der Genesis nach der Zehn,
^) Dies nachgewiesen zu haben, ist ein Hauptverdienst von Nöldekes Unter-
suchungen. Yorher v?ar schon Ilgen (p. 400. 436 s.) auf gutem Wege. Das
Buch des alten Rektors ist zu sehr in Vergessenheit geraten.
200 ^i® Gesetzgebung.
so griippirt JE nach der Sieben; die Zwölf und die Vierzig kommt
in JE ebenso oft, wenn nicht öfter vor, als in Q, die Siebzig nicht
minder. Es ist darum wunderlich, wie Nöldeke die Erzählung von
den 12 Wasserquellen und 70 Palmbäumen zu Elim (Exod. 15, 27)
bloss wegen 12 und 70 zu Q rechnen kann. Nicht einmal
die Angaben über das Alter der Patriarchen — soweit sie nicht
dem chronologischen Systeme dienen — sind ein exklusives Merk-
mal von Q. Nöldeke selbst rechnet die Zahlen Gen. 31, 18. 37,
2. 41, 26. 50, 26 nicht zu seiner Grundschrift. Ebenso wenig
aber wie die 110 Jahre Josephs darf man die 120 Jahre Moses
Deut. 34, 7 und die 110 Josuas Jos. 24, 29 aus ihrem jehovistischen
Zusammenhange herausreissen und zu Q weisen. Sogar in Gen. 5,
einem unzweifelhaft zu Q gehörigen Kapitel, scheinen die Gesamt-
summen des Lebensalters zum Teil von dem Verfasser schon
A^orgefunden zu sein; denn die 777 Jahre Lamechs sind für Kap. 5,
wo er die 9. Stelle einnimmt, nicht motivirt, sondern erwachsen
auf Grund der jehovistischen Genealogie, wo Lamech der 7. Erz-
vater ist und sagt: siebenmal rächt sich Kain und Lamech sieben-
undsiebzigmal. Auch darin kann ich Nöldeke nicht Recht geben,
dass die latente Zahlensystematik, welche hinter den ethnogenea-
logischen und anderen Aufzählungen versteckt ist, ein so sicheres
Kennzeichen von Q ist, dass dagegen alle anderen Bedenken
schweigen müssen. „Es kann doch kein Zufall sein, dass die Zahl
70, welche bei der Einwanderung in Ägypten ausdi'ücklich genannt
472 wird, auch bei den Kindern Noahs und ebenso durch Summirung
aller übrigen Genealogien der Abrahamiden herauskommt." Gewiss
nicht; ich glaube auch, dass Kayser Recht hat, das Mass der
Stationenzahl Num. 33 in den 40 (42 nach Sept. Jos. 5, 5) Jahi'en
des Wüstenzuges zu sehen. „Ist das aber beabsichtigt, so muss
alles aus einer Quelle stammen, und da einige dieser Genealogien
notwendig zur Grundschrift gehören, so scheint mir ihrer aller Ab-
kunft aus dieser gesichert zu sein." Dieser construktiven Logik
vermag ich nicht zu folgen, da ihr philologische Indicien bestimmt
widersprechen. Gen. 10 ist eine Composition von Q und JE, und
erst der Component, also R, hat es darauf angelegt, die Zahl 70
herauszubringen; er hat dabei auch die Philister mitgezählt, die
nur in einer alten Glosse vorkommen. Ebenso gehören, nach
philologischen Merkmalen, die Genealogien der Abrahamiden teils
zu Q, teils zu JE; ich weiss nicht, was darin Widersinniges liegen
Das Deuteronomiiim. 90J
soll, dass der Redaktor (vielleicht allerdings bewogen durch die
70 Seelen Exod. 1) sie so zusammengestellt hat, dass die Summe der
Glieder 70 beträgt. Derjenige, der zuerst in unserer Zeit die runde
Zahl als Mass dieser Aufzählungen erkannt hat, ist nicht Fürst, wie
Nöldeke glaubt, sondern Bertheau, und zwar im Kommentar zur
Chronik. Das ist ganz bezeichnend; es sind eben die Späteren,
welche das von überall zusammengeholte Material heimlich auf so
künstliche Einheit zu bringen belieben.
Mit dem meisten Rechte lässt sich noch die Bekanntschaft
des Deuteronomiums mit der Erzählung von Q aus 10, 22 beweisen.
Denn die 70 Seelen, die den Bestand Israels bei der Einwanderung
in Ägypten ausmachen, werden in JE nicht erwähnt, und eine
Lücke in der jehovistischen Tradition ist in dieser Beziehung nicht
fühlbar. Aber sie widersprechen ihr doch keineswegs, und ich
halte Deut. 10, 22 füi* einen Beweis, dass sie ursprünglich auch
in dieser ihre Stelle hatten^). Will man die Mücke seigen, so
wird man den Elephanten verschlucken müssen. Es muss fest-
stehn, 1) dass das Deuteronomium ausführlich die ältere Ge-
schichte von Exod. 19 an reproducirt, 2) dass es dabei aus-
schliesslich der jehovistischen Anschauung folgt und bei allen
Differenzen die priesterliche vollkommen ignorirt, 3) dass diese 473
völlige Einflusslosigkeit von Q auf das Ganze der Anschauung nur
aus Unbekanntschaft mit dieser Sclirift zu erklären ist, und 4) dass
eine mit Q sich berülu'ende Einzelheit, die nicht der jehovistischen
Tradition widerspricht, sondern in den uns vorliegenden Fragmenten
derselben nur nicht direkt nachweisbar ist, unter diesen Umständen
nichts beweist.
Was nun zweitens die legislativen Voraussetzungen des Deu-
teronomiums (Kap. 12 — 26) betrifft, so scheint schon aus Kap. 5
bis 11, wonach Mose im Begriff ist, die ihm einst nach der Ver-
kündigung des Dekalogs auf dem Horeb mitgeteilten Gesetze jetzt
zu publiciren, zu erhellen, dass das Bundesbuch (Exod. 20, 1 22
1) Man könnte denken, dass Gen. 46, 8 — 27 und Exod. 1, 1 — 5 nahe bei
einander in der selben Quelle sich stossen. An Exod. 1, 1 — 5 = Q ist nicht
zu zweifeln und daran auch nicht, dass Gen. 46, 8 — 27 auf Q beruht und nur
vielleicht von R noch weiter ausgeführt ist. Aber R könnte mit seiner Aus-
fühi-ung eine ältere einfache Angabe von JE verdrängt haben, dann würde
sich die Wiederholung Gen, 46 und Exod. 1 und die Wahl der Stelle Gen. 46
erklären,
202 I^ie riresetzgebimg-.
bis 23, 33) zu Grande liegen miiss, an dessen Stelle das Deuterono-
mium treten will. Dass dem wirklich so sei, hat Graf (p. 21 — 25)
zu zeigen gesucht. In der Tat gründet sich die Ansicht, dass
die deuteronomische Gesetzgebung ein Ersatz für die nicht mehr
beobachtete der Bücher Leviticus und Numeri sei, auf apriorische
Mutmassung; eine beobachtende Vergleichung ergiebt, dass sie viel-
mehr ein Ersatz der jehovistischen Gesetzgebung ist. Das Deute-
ronomium richtet sich wie JE^) bloss an das Volk und enthält
nur Verordnungen, welche dieses zu wissen nötig hat, nicht auch
Anweisungen an die Priester über die Technik des Kultus —
Avährend Q sich wesentlich an die Priester richtet und eine Menge
Stoff enthält, der für die Laien keine praktische Bedeutung hat.
Das Deuteronomium verzeichnet wie JE Satzungen und Rechte,
nicht aber Thora^), welche es vielmehr im mündlichen Besitz der
Priester belässt, die Fragenden auf sie verweisend (17, 11. 24, 8);
während Q wesentlich Codification der Thora ist. Es hängt damit
zusammen, dass der Kultus im Deuteronomium lange nicht so in
den Vordergrund tritt wie in Q. Israel ist im Deuteronomium wie
in JE zwar ein frommes Volk, aber doch ein Volk, ein bürger-
liches Gemeinwesen — in Q ist es eine Kirche, eine Gemeinde, die
rein aufgeht in den geistlichen Angelegenheiten. Mchts ist dafür
charakteristischer als der Gebrauch von my (bnp) in Q, welches
nicht die Versammlung bedeutet, sondern immer füi* das ganze Volk
474 steht, dasselbe aber nicht als ein natürliches, sondern als ein geist-
liches Gemeinwesen bezeichnet, ganz dem Begriffe der ecclesia
entsprechend. In JE und im Deuteronomium kommt dieser Ge-
brauch nicht vor, hier bedeuten die Worte einfach die wirkliche
Panegyris, z. B. Deut. 23, 4. Von selbst versteht sich endlich,
dass das Deuteronomium (wie JE) einen viel praktischeren und
realistischeren Zug hat als Q; die weltlichen Dinge werden (abge-
sehen von Kap. 20) sachgemäss behandelt und nicht so aus der
Vogelperspektive wie in Q. Ganz bezeichnend ist es in dieser
Hinsicht, dass Q eine Gesetzgebung nicht bloss in der Wüste, son-
dern auch für die Wüste sein will, das Deuteronomium dagegen
1) Der Kürze wegen bezeichne ich hier mit JE die jehovistische Gesetz-
gebung und mit Q den Priestercodex.
2) Darüber, dass das eigentliche Deuteronomium sich selber nie n^lirin
nennt, s. das p. 190 Gesagte. Im Priestercodex ist der Name Thora vorzugs-
weise für die Peinheitsgesetze gebraucht.
Das Deuteronomiiini. 203
SO wenig wie das alte Bundesbucli zu verleugnen sucht, dass seine
Verordnungen sich auf die späteren realen Verhältnisse des an-
sässigen Lebens im Lande Kanaan beziehen.
Dies genügt, um die Gleichartigkeit von Deut. 12 — 26 mit JE
und die I^ngleichartigkeit mit Q erkennen zu lassen. Li eine Ver-
gleichung der einzelnen Gesetze kann ich mich hier nur oberfläch-
lich einlassen ^). Deut. 12 polemisirt gegen den durch Exod. 20, 24
sanktionirten Zustand und hat von der Stiftshütte, als dem
alleinigen Fundament des Kultus seit dem Bunde am Sinai, keine
Ahnung. „Ihr sollt nicht so tun, wie wir heute zu tun pflegen, jeder
nach seinem Belieben; denn ihr seid noch nicht zur Ruhe und in
das Erbe gekommen." Wäln-end in Q die durch einen tragbaren
Tempel auch in der Wüste ermöglichte Herstellung des einheit-
lichen Centralkultus mit der Gründung der Theokratie selber zu-
sammenfällt, ist sie hier von zukünftigen Verhältnissen abhängig 475
gemacht, von fester Ansiedlung und einem festen Gotteshause : kein
Gedanke an die Möglichkeit, dass es auch anders und früher ginge.
Deut. 13 bekämpft den Götzendienst — im Priestercodex wird dies
für überflüssig gehalten. Deut. 14, 1 — 21 ist die Aufzeichnung
eines für das tägliche Leben ausnahmsweise wichtigen Stückes der
Thora, der Hauptsache nach mit Lev. 11 beinahe identisch. AVel-^
dies das Original sei, kann nur durch allgemeine Gründe und nicht
durch eine specielle Vergleichung entschieden werden. Deut. 14, 22
1) Übersicht von Deut. 12—26: a) Die Sacra 12, 1—16, 17. Monolatrie
zu Jerusalem geboten Kap. 12, fremder Dienst verboten Kap. 13. Heiligkeit
der Laien 14, 1 — 21. Die Abgaben und die Feste 14, 22 — 16, 17. b) Die
theokratischen Autoritäten 16, 18 — 18, 22. Richter 16, 18 — 17, 20,
Priester 18, 1—8, Propheten 18, 9—22. c) Kriminaljustiz 19, 1—21, 9.
Unfreiwillige Tödtung 19, 1—10. Mord 19, 11—13. Grenzverrückung 19, 14.
Falsche Anklage 19, 15 — 21. Sühne nicht zu rächenden Blutes 21, 1 — 9.
d) Familienrecht 21, 10—23, 1. Kriegsgefangene Beischläferin 21, 10 — 14.
Kinder der vorgezogenen und zurückgesetzten Frau 21, 15—17. Widerspenstiger
Sohn 21, 18—21. Beweis der Jungfrauschaft 22, 13—21. Ehebruch 22, 22.
Schändung einer verlobten Jungfrau 22, 23 — 27, einer unverlobten 22, 28. 29.
Verbot der Heirat mit des Vaters Weibe 23, 1. e) Heiligkeit der gottesdienst-
lichen Versammlung 23, 2 — 9 und (v. ,15) des Kriegslagers 23, 10 — 15.
f) Humanitätsgesetze 23, 16—25, 4. g) Nachträge 25, 5—19 und
Kap. 26. — Die Titel der Abteilungen verstehn sich zum Teil a potiori, einige
heterogene Elemente mögen übrigens erst nachträglich eingesetzt sein, z. B.
Kap. 20 und 16, 21—17, 7. Denn dass 17, 8 fortfährt, wo 16, 20 aufhört,
ist nicht zu leusnen.
204 I^ie Gesetzgebung.
bis 16, 17 enthält die positiven kultischen Verpflichtungen des
Volkes, in deren Erfüllung wesentlich die Religion des gemeinen
Mannes bestand. Die Abgaben werden verbunden mit den Festen,
man soll dreimal nach Jerusalem kommen und sie dort in Freude
vor Jahve verzehren, zu Ostern die Erstgeburten, zu Pfingsten
wahrscheinlich den Getreidezehnten, zum Herbstfest wahrscheinlich
den Zehnten von Most und Öl. Der Zusammenhang der Feste mit
dem Ackerbau und dass sie eigentlich weiter nichts sind als der
Dank füi* den Segen des Landes und die Fruchtbarkeit des Viehes,
schimmert hier hoch ebenso deutlich durch wie in JE. In Q hat
sich die Darbringung gänzlich von den Festen abgelöst, sie sind
gewissermassen auch Wüstenfeste mit abstrakt religiösem Cha-
rakter, während höchstens ein stehn gebliebener Ritus an die
Naturbedeutung erinnert. Rein als Modification von JE erscheinen
die Verordnungen 15, 1 — 6 und v. 12 — 18. In Deut. 16, 18 bis
18, 22 wird die Ordnung des Gemeinwesens auf drei Grundpfeilern
aufgebaut, Richter, Priester, Propheten. Das Nebeneinander dieser
drei Autoritäten wäre in JE wenigstens denkbar, in Q weicht es
der Alleinherrschaft der Priester. Q weiss nichts von Propheten
und hält nicht ihr lebendiges und nie versiegendes AVort, sondern
den Kultus und die Thora für den göttlichen Lebensodem in Israel.
Wie anders ist die Auffassung Moses in Deut. 18, 18, als in Q!
Aber auch die Priester haben hier andere Bedeutung, andere Ein-
künfte, andere Namen (Bne Levi, nicht Bne Aharon). Deut. 19,
1 — 21, 9 enthält Kriminalrecht und ist durch die Art des Inhalts
mit JE verwandt. Aber eine Einzelheit berührt sich mit Q, näm-
lich das Gesetz über die Asylstädte 19, 1 — 10 mit dem ähnlichen
Num. 23. Jos. 20. Nöldeke hält das letztere für das Original.
„Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass die ausgeführte, in der um-
ständlichen Gesetzessprache, wie wir sie in der Grundschrift kennen,
abgefasste Darstellung der Grundschrift das Original ist, als die ge-
legentlichen Worte des Deuteronomiums." Gelegentlich sind die
476 Worte des Deuteronomiums nicht ^), und was die Sache betrifft, so
hat sie sogar nur im Deuteronomium ihre Wurzeln. Bis dahin
waren die Altäre die Asyle (Exod. 21 , 14. 1 Regum 2 , 28), das
^) Es schemt, dass Nöldeke so urteilt im Hinblick auf Deut. 4, 41 — 43.
Jedenfalls aber- haben diese Verse mit dem eigentlichen Gesetze Deut. 19 nichts
zu tun. Dort überlässt Mose die Wahl der bestimmten Städte der Zukunft
und stellt anheim, ob zu den drei westjordanischen vielleicht irgend wann
Das Deiiteronomiiim. 205
Deuteronomium schaffte sie ab, wollte aber nicht zugleich die Asyle
abschaffen und griff nun zu diesem Ersätze. Hier sieht man also in
die Genesis der Einrichtung, die mit dem Hauptgesetz des Deute-
ronomiums enge zusammenhängt. Yon dem Gesetze in Q kann man
keineswegs das Gleiche sagen, da ist die Sache von ihren Gründen
abgetreimt und auf sich selbst gestellt. Über den Grundsatz aber,
dass das Ausgeführtere die Präsumtion der Priorität füi* sich habe,
lässt sich rechten, während hingegen feststeht, dass das Deutero-
nomium nicht von Num. 35 als Prämisse ausgehn kann. — Das
Familienrecht 21, 10 — 23, 1 ist dem Deuteronomium eigentümlich,
hat aber, als büi'gerliche Gesetzgebung, jedenfalls zu JE nähere
Beziehungen als zu Q. Yon Deut. 23, 2 — 15 gilt allerdings eher
das Umgekehrte, obwol der Begriff sowol der Versammlung als auch
des Lagers hier bestimmt und nicht so abgeblasst ist wie in Q.
Dagegen stehn die Humanitätsgesetze 23, 16 — 25, 4 wiederum voll-
kommen mit denen in JE gleich^).
3. Grader als auf dem so eben eingeschlagenen Wege lässt sich
die Frage, ob das Deuteronomium mit JE oder mit JE -|- Q ver-
bunden wurde, auf einem andern Wege entscheiden. Der Deute-
ronomist, d. h. der Scliriftst eller, der das Deuteronomium in das
hexateuchische Geschichtsbuch eingesetzt hat, hat zugleich das letztere
in deuteronomischem Sinne überarbeitet; von dieser Überarbeitung
ist nun aber nicht Q, sondern vielmelii' JE betroffen. Schon
Gen. 26, 5 findet sich eine Spur derselben, wie Delitzsch erkennt,
der zugleich richtig den Unterschied dieser Redensarten von denen 477
des eigentlichen Deuteronomiums hervorhebt. Stärker werden die
Spuren im Exodus seit dem Auszuge aus Ägypten Exod. 13. Kap. 16.
Kap. 19—24 Kap. 32—34; s. die Erörterungen p. 75 s. 79. 86.
89 s. 91 s. Am stärksten hat der Deuteronomist die jehovistische
Erzählung im Buche Numeri und im Josua beeinflusst und ver-
einmal noch drei andere kommen sollen. Dagegen bestimmt er Deut. 4 gerade
diese letzteren drei nominatim, in vollem Widerspruch zu Kap. 19. Übrigens
stehn die Yerse 4, 41 — 43 so vollkommen verloren und zusammenhanglos, dass
es an sich unerlaubt ist, sie so zu benutzen, wie Nöldeke tut.
^) Dass die dem Priestercodex einverleibte Gesetzsammlung Lev. 17 — 26
eine mittlere Stellung zwischen Deuteronomium und Q einnimmt, ist oben zu
zeigen gesucht. Die Heiligkeit Israels als Motiv der Gesetze tritt beim Deute-
ronomium lange nicht so stark hervor; die Heirat mit den Weibern des Vaters
scheint einfach aus dem sehr praktischen Grunde verboten zu werden, weil
diese im Orient vielfach zur Erbschaft gehörten.
206 I^iö Gesetzgebung.
mehrt ^). Ein sicheres Beispiel, dass er auch auf Q eingewirkt habe,
ist nicht aufzutreiben, weder im Pentateuch noch auch — wo man
es am ehesten zu finden erwarten sollte — im Josua. Nach
Nöldeke zwar (a. 0. p. 350 s.) ist „der deuteronomistische Bericht
über den Tod Moses Deut. 32, 48 ss. Kap. 34 nicht anders aufzu-
fassen, als wie eine Erweiterung des fast noch im genauen Wort-
laut erhaltenen Berichts der Grundschrift", aber Deut. 34, 1 b — 7
enthält nichts von Q und 32, 48 — 52 ist nicht deuteronomisch
überarbeitet, sondern rein = Q. Zu Jos. 9, 27 verweise ich auf
das oben p. 125 Bemerkte: 1 Hl^'p ist eine (mit der Anschauung
von Q übereinstimmende) Korrektur von R. Nach Ezech. 44
sollten nicht mehr heidnische Krieo-so-efang-ene die Hierodulen-
dienste im Tempel verrichten, sondern die Leviten; aus diesem
Grunde nahm man späterhin Anstoss daran, dass Josua die
Gibeoniten dem Altare und Hause Jahves zuweist, und machte
sie vielmehr zu Knechten der Gemeinde. Der Ausdruck Holz-
hauer und Wasserschöpfer kommt in JE (v. 23) so gut vor
wie in Q (v. 21); wo er ursprünglich ist, das ist die Frage, aber
wenn der Deuteronomist ihn gebraucht, so hat er ihn aus JE.
Über Jos. 18, 3ss., worin Nöldeke ebenfalls einen deuteronomisti-
schen Zusatz zu dem Bericht der Gruudschrift erblickt, habe ich
meine Ansicht oben p. 128ss. entwickelt; wenn die Meinung, dass
Josua gerade sieben Stämmen erst später ihr Land zugeteilt habe,
überhaupt die Meinung von Q ist, so ist sie ein Erbteil von JE,
wo sie allein ihre Wurzeln hat. Über Jos. 20. 22 vgl. oben
p. 132 s. Gesetzt übrigens, es Hessen sich wirklich einige schein-
bare Spuren deuteronomistischer Bearbeitung in Q nachweisen, so
muss doch die Erscheinung erklärt werden, dass sie so unverhält-
478 nismässig viel mehr in JE vorkommen — warum z. B. überhaupt
nicht in der Gesetzesmasse von Q, sondern immer in dem geschicht-
lichen Stoffe des Hexateuchs? Diese sichere und durchgehende
Erscheinung muss gegen einzelne Gegeninstanzen von vornherein
^) Wenn Stähelin den Jehovisten mit dem Deuteronomisten identificirt
hat, so ist das — namentlich wenn man den Jehovisten in unserem Sinne
versteht — nicht aus der Luft gegriffen, freilich auch nicht richtig, denn das
Deuteronomium setzt schon J + E = JE voraus. Über JE hinaus hat sich
die deuteronomische Bearbeitung auf die mit JE gleichartigen Bücher Jud.,
Sam., Regum erstreckt, während dagegen in der Chronik die Geschichte nach
den Voraussetzungen von Q dargestellt wird.
Das Deuterouomiiim. 207
mistraiiiscli machen, um so mehr, da Jos. 20 zeigt, dass die spä-
teren Retouchen des kanonischen Textes manchmal den Ton des
Deuteronomisten nachahmen ^).
Das soll nicht geleugnet werden, dass sowol die Gesetze als
die Erzählungen des Deuteronomiums von JE aus einen Scluitt
weiter tun in der Richtung nach Q zu. Bei den Gesetzen ist
dies am deutlichsten, namentlich bei Kap. 12. 19, 1 — 10. Kap. 20.
23, 1 — 15. Hinsichtlich der Erzählung möchte ich auf 1, 37. 38
verweisen, woraus man den Übergang zu der Version in Q ver-
steht, dass nicht bloss Kaleb, sondern auch Josua sich unter den
Kundschaftern befunden habe. Ausserdem kommt die Sprache des
Deuteronomiums der von Q schon näher, z. B. ^'^p^ Kades Barnea,
Pesah, Sukkoth. Auf diese oberflächlichen Andeutungen muss ich
mich hier beschränken. Ich füge noch hinzu, dass bei der Zu-
sammensetzung von JE + Dt mit Q der Redaktor auch im Deute-
ronomium irgendAvie tätig gewesen sein muss. So z. B. Deut.
1, 3. Das Deuteronomium kennt nicht die durchgeführte Jahres-
rechnung von der Epoche des Auszugs an und nennt die Monate
16, 1 noch mit ihren althebräischen Namen.
Am Schluss meiner Untersuchung angelangt, fasse ich ihre
Ergebnisse noch einmal kurz zusammen. Aus J und E ist JE zu-
sammengeflossen und mit JE das Deuteronomium verbunden; ein
selbständiges Werk daneben ist Q. Erweitert zum Priestercodex
ist Q mit JE + Dt vereinigt und daraus der Hexateuch entstanden.
Der Einfachheit wegen abstrahire ich meistens davon, dass der
literarische Process in Wirksamkeit complicirter gewesen ist und
die sogenannte Ergänzungshypothese in untergeordneter Weise doch
ihre Anwenduno; findet. J und E haben wol erst mehrere ver-
mehrte Ausgaben (J ' J^ J^, E^ E'^ E^') erlebt und sind nicht als J'
und E\ sondern als J^ und E^ zusammengearbeitet; Ähnliches gilt
von JE, Dt und Q, bevor sie mit den betreffenden grösseren Ganzen
vereinigt wurden. Doch bin ich davon überzeugt, dass abgesehen
vom Deuteronomium nur drei selbständige und den Zusammen- 479
hang vollständig darstellende Schriften anzunehmen sind, J und E
und Q. Freilich ist es mir nicht gelungen, den Faden von J und
1) Dass auch Deut. 1, 39 (vgl. Sept.) eine solche Retouche des MT sei
und darum nichts für die Herkunft von Nnm. 14, 31 (s. oben p. 101) beweist,
bin ich von Leiden aus freundlichst belehrt worden.
208 Das Buch der Richter.
E durch das Ganze zu verfolgen. In der zweiten Hälfte des Buches
Numeri und im Buche Josua tritt ein Element auf, das unent-
schieden zwischen JE und Q schwebt und sich nicht recht be-
stimmen lässt. Den Bericht Nr. 2, den ich in Num. 16 und
öfters ausgeschieden habe, kennt das Deuteronomium nicht (11, 6),
welches hingegen E sehr gut kennt, wie die Reproduction von
Exod. 19—24. 32—34 zeigt.
Die Composition der Mstorischeii Bücher.
Bleek* Bei dem gänzlichen Mangel positiver Angaben über die Ent-
1^^ stehung der Geschichtsbücher des Alten Testaments, die ebenso wie
der Hexateuch allesamt anonym sind, bleibt nur die Analj'se des
Inhalts übrig, um irgend welchen Aufschluss zu gewinnen. Dabei
lassen sich die formalen und literarischen Fragen nicht unter Aus-
schluss der sachlichen und geschichtlichen behandeln.
I. Das Buch der Richter
zerfällt in drei Teile; der mittlere ist der Hauptteil und steht
selbständig und abgeschlossen für sich, wodurch die beiden anderen
etwas Zusammenhangloses und Fragmentarisches erhalten.
Die Eroberung Palästinas. Kap. 1, 1 — 2, 5.
1. Durch die mit Jos. 1, 1 gleichlautende Einleitungsformel
„und es geschah nach dem Tode Josuas" wird dies Stück an das
B. Josua angeknüpft. Aber in Wahrheit ist es keine Fortsetzung,
sondern eine Parallele dazu, die sachlich an den Pentateuch an-
schliesst und wol die Eroberung des ostjordanischen, aber nicht
die des westjordanischen Landes voraussetzt, diese vielmehr erst
selber erzählt, und zwar in einer ganz anderen Weise als wie es
im B. Josua geschieht.
Dort hat Josua, in mehreren von ganz Israel gemeinschaftlich
geführten Feldzügen, das ganze Land von Gilgal aus erobert und
es zu Silo den einzelnen Stämmen ausgeteilt, von denen es darauf
ohne weiteren Kampf in Besitz genommen ist. Hier ist zu Anfang
Kap. 1, 1-2, 5. 209
(1, 1) ganz Israel noch im Lager zu Gilgal 2, 1 (womit 1, 7. 10.
16 SS. und 1, 22 stimmen) Ijeisammen, von da ziehen die einzelnen
Stämme allein aus, um sich, wo es gelingt, ein Los (1, 3. 18, 1)
zu erkämpfen, zuerst^) Juda in Gemeinschaft mit Simeon und
einigen nicht eigentlich zu Israel gehörigen Geschlechtern, sodann
Joseph, an den sich die übrigen westjordanischen Stämme anschliessen. 182
Die Einheit Israels, vertreten durch den Mal'ak 2, 1 (Exod. 23, 20),
ist nur eine ideelle, Josua als der gemeinsame Herzog wird gar
nicht erwähnt, und statt dass er im Auftrage und auf direkte Ein-
gebung Jahves handelt, befragen 1, 1 die Bne Israel das Orakel
— was im B. Josua ebenso unerhört ist wie im Pentateuch. Wenn
hierdurch das Nacheinander von Jos. 1 — 24 und Jud. 1, 1 — 2, 5
unmöglich gemacht und das Statteinander gefordert wird, so kommt
noch hinzu, dass nicht wenige Stellen unseres Kapitels wörtlich
oder ähnlich auch im Josua vorkommen, und dass es gar nicht auf-
fallen wüi'de, das ganze Kapitel darin verarbeitet zu sehen. Es
scheint, dass in der gegenwärtigen Gestalt des B. Josua eine ältere
Version restweise erhalten ist, die mit der von Jud. 1 näher ver-
wandt war. Vgl. Jos. 9, 4 — 7. 12 — 14, wo statt Josua vielmehr
der israelitische Mann handelt. .
Drei Abschnitte. A. 1, 4 — 21. Die Judäer ziehen gegen die
Kanaaniter und Phereziter (= die städtische und ländliche Be-
völkerung) und schlagen den Adonibezek zu Bezek (in der Nähe
von Jerusalem v. 7 und Gibea 1. Sam. 11, 8), der an Adonisedek
von Jerusalem (AöwvißsCex Jos. 10, 1) erinnert; sie erobern Jeru-
salem V. 8, darauf Hebron v. 10, und weiter den Negeb v. 16. 17,
wo sich Kain zu Arad und Simeon zu Horma niederlässt, endlich
sogar Gaza, Askalon und Akkaron. Die einzelnen Züge der Erzählung
sind anekdotisch, z. T. unhistorisch (v. 8. 18) und ausserdem sich
nicht ganz gleichartig. Der 9. Vers fällt durch die Allgemeinheit
der Ausdrucksweise auf, v. 11 — 15 stimmt im Grunde nicht zu
V. 10, w^o Juda und nicht Kaleb als Eroberer Hebrons erscheint,
V. 19 — 21 scheint angehängt, denn v. 19 ist Korrektur zu 18,
V. 20 zu 10, V. 21 zu 8. — B. 1, 22—36. Joseph zieht (von
Gilgal aus) gegen Bethel und gewinnt die Stadt durch Verrat;
dies ist alles was von der Eroberung des mittleren und nördlichen
Landes gesagt wird. Von den übrigen Stämmen wird im Anschluss
^) nicht: im Yortrabe.
Well hausen, Comp, d, Hexateuchs. 3. Aufl. ^4
210 Das Buch der Richter.
an Manasse v. 27 und Ephraim v. 29 nur angegeben, welche Städte
ihres Loses im Besitze der Kanaaniter geblieben und erst, als
Israel stark ward (d. h. in der Königszeit), tributpflichtig geworden
seien; Benjamin und Issachar werden ignorirt oder unter Joseph
mit inbegriffen. Dan wohnt v. 34s. noch nicht unter dem Hermon,
sondern westlich von Juda und Ephraim, die Amoriter (nicht wie
sonst die Kanaaniter, aber auch nicht die Philister) verdrängen
ihn aus den einst von ihm besessenen Städten (anders wie y_ 27
29. 30. 31. 33), die nachgehens von Joseph unter israelitische
Hoheit zurückgebracht werden. Die Angabe v. 36, das Gebiet der
183 Amoriter habe sich von der Südgrenze Judas an weiter aufwärts
nach Norden erstreckt, stimmt nicht zu der Anschauung von
V. 1 — 33 und trägt nichts zur Aufklärung über die v. 34. 35
gemeinten Amoriter bei, welche von der Ebene her den Stamm
Dan in das Gebirge drängen. — C. 2, 1 — 5. Nachdem von Gilgal
aus das Land erobert ist, rückt das religiöse Centrum Israels von
da weiter, nicht wie im B. Josua nach Silo, sondern in die Nähe
von Bethel 1, 22 ss., wo nach Gen. 35, 8 D''D!1 zu suchen ist, vgl.
Sept. 2, 1 y.a\ avsßyj ay^sXos xupiou airo raXyaX sttI Baiör^X (denn
dass xotl sTül yAaüOfxwva Dublette ist, sieht man aus dem PL vXau-
0(xa>v£? V. 5 = CDU 2. Sam. 5, 24). Dort wird eine Opferstätte
errichtet. Was zwischen v. la (bis D^DÜH) und 5b ("»^b Dl^* lMn.n)
in der Mitte steht, widerspricht der Anschauung von Kap. 1, in-
dem es sich der deuteronomischen nähert, und macht die Korrektur
Bethel (Sept. v. 1) fast notwendig. Auch ist das Opfer v. 5
schwerlich der ursprüngliche und natürliche Schluss des grossen
Weinens gewesen; und die Aussprache Bokim statt Bekaim scheint
künstlich.
Die Richter. Kap. 2, 6—16, 31.
2. Der Anfang 2, 6 — 10 knüpft direkt an das Buch Josua
24, 28—31 an (vgl. Esdr. 1, 1—3 mit 2. Chrön. 36, 22s.) und
setzt das Stück 1, 1 — 2, 5 nicht voraus, obwol, da ja letzteres mit
Josua parallel läuft, die durch 2, 6ss. eingeleitete Hauptpartie des
Richterbuchs sachlich und zeitlich ebenso gut auf Kap. 1 wie auf
das B. Josua folgen kann.
Die Abgeschlossenheit und Zusammengehörigkeit von 2, 6 bis
16, 31 ergibt sich 1) aus der Gleichartigkeit des Stoffs, sofern nur
hier von den Richtern gehandelt wird und zwar von ihrer zwölf
Kap. 2, G— 16, 31. 211
(mit Ausschluss des Abimelecli); 2) aus der nur hier durchgeführten
schematischen Form der Chronologie und des religiösen Pragmatismus.
Jedoch sind die einzelnen Erzählungen, aus denen dieser Hauptteil
des Richterbuchs besteht, hierdurch nur in eine äusserliche und
leicht ablösbare Verbindung; o-ebracht, während sie in keiner inner-
liehen und sachlichen Beziehung zu einander stehn.
3. Folgendes ist das chronologisch-religiöse Schema, welches
indessen nur bei den sechs s. g. grossen Richtern, nicht bei den
sechs kleinen hervortritt. „Und die Kinder Israel taten was böse
ist vor Jahve . . . und Jahves Zorn ergrimmte über Israel und er
verkaufte sie in die Hand Kusan-Risathaims von Aram und sie
dienten ihm 8 Jahre. Und die Kinder Israel schrien zu Jahve
und Jahve erweckte ihnen einen Helfer . . . den Othniel . . . Und
das Land hatte Ruhe 40 Jahre, da starb Othniel ben Kenaz". 3, 7
bis 11, „Und die Kinder Israel taten weiter was böse ist vor
Jahve und Jahve stärkte ojeo'en sie den Edon von Moab . . . und
sie dienten ihm 18 Jahre. Und die Kinder Israel schrien zu Jahve 184
und Jahve erweckte ihnen einen Helfer, den Ehud . . . Und das
Land hatte Ruhe 80 Jahre." 3, 12—30. „Und die Kinder Israel
taten weiter was böse ist vor Jahve nach Ehuds Tode und Jahve
verkaufte sie in die Hand Jabins von Kanaan . . . Und die Kinder
Israel schrien zu Jahve, denn er , . . bedrängte sie 20 Jahre . . .
(folgt die Hilfe durch Barak und Debora) . . . Und das Land hatte
Ruhe 40 Jahre." 4, 1 — 5, 31. „Und die Kinder Israel taten
weiter was böse ist vor Jahve und er gab sie in die Hand Midians
7 Jahre . . . Und die Kinder Israels schrien zu Jahve , . . (folgt
die Hilfe durch Gideon) . . . und das Land hatte Ruhe 40 Jahre
in den Tagen Gideons." 6, 1 — 8, 28. „Und die Kinder Israel
taten weiter was böse ist vor Jahve . . . und Jahves Zorn er-
grimmte über Israel und er verkaufte sie in die Hand der Philister
und Ammoniter ... 18 Jahre . . . Und die Kinder Israel schrien
zu Jahve . . . (folgt die Hilfe durch Jephthah) . . . und Jephthah
richtete Israel 6 Jahre und er starb und waixl begraben in den
Städten Gileads." 10, 6 — 12, 7. „Und die Kinder Israel taten
weiter was böse ist vor Jahve und Jahve gab sie in die Hand
der Philister 40 Jahre . . . (folgt Simson) ... Und er richtete
Israel 20 Jahre." 13, 1—16, 31.
Die innerhalb dieses Rahmens vorkommenden Zahlen sind von
zweierlei Ai't, erstens für die Regierungen der Richter oder die
14*
212 Das Buch der Bichter,
Ruliezeiten des Landes, und zweitens für die Interregna oder die
TTnterdrückungszeiten. Letztere betragen bis zum Antritt Jeplithalis,
bei dem 11, 26 ein Abschnitt gemacht wird, 8+18+20-1-7+18
= 71, erstere 40 + 80+40 + 40=200, beide zusammen also 271
Jahre von Othniel oder 301 Jahre (11, 26) von Moses Tode bis
Jephthah-, denn Josua hat 30 Jahre ^). Da nun nach 1. Reg. 6, 1
im Ganzen 480 Jahre, d. h. zwölf 40jährige Generationen, ent-
sprechend 12 Hohenpriestern^), vom Auszuge aus Ägypten bis zum
Tempelbau im 4. Jahre Salomos herauskommen müssen und zu
den 301 Jahren von Josua bis Jephthah einerseits die 40 Jahre
Moses, andererseits die 6 Jahre Jephthahs, die 40 Jahre Davids und
die 3 ersten Jahre Salomos als klare und bestimmte Grössen hin-
zukommen, so bleiben füi' die Pliilisterherrschaft — die 40 Jahre
gedauert hat (13, 1) und auf keinen Fall mit den 20 Jahren Simsons,
den 40 JahrenElis (1. Sam. 4, 18) und dem 20jährigen Interregnum
(1. Sam. 7, 2) addirt werden darf, vielmeln* wahrscheinlich Simson
und Eli einbegreift — und für Samuel und Saul zusammen
90 Jahre übrig.
Die sechs kleinen Richter stehn ausserhalb dieses Schemas; in
185 4, 1 (nc "lIHNl) wird Samgar ganz ignorirt. Gegenwärtig sind aber
auch sie mit Zeitangaben bedacht; sie haben zusammen 23+22
+7+10+8=70 Jahre (10, 2. 3. 12, 9. 11. 14), was mit den 71
Jahren der Interregna nahezu sich deckt. Derjenige, der diese
kleinen Richter einfügte, wird also die Interregna nicht mitgerechnet
haben, sondern bloss die Regierungen oder Ruhezeiten; ausserdem
aber wird er die Notiz, dass Salomo in seinem 4. Jahre den
Tempelbau begonnen habe, ungenau dahin verstanden haben, dass
vier Jahre seiner Regierung damals bereits verflossen gewesen seien:
so kommen auch nach dieser Rechnung die 480 Jahre heraus.
Die Richtigkeit der ersten Annahme erhellt daraus, dass die Inter-
regna bei den kleinen Richtern regelmässig fehlen, während sie bei
den grossen, die in das oben ausgezogene Schema aufgenommen
sind, ausnahmslos vorkommen ; und auch vielleicht daraus, dass nur
fünf von den kleinen Richtern (Samgar 3, 31 nicht) mit Zahlen
versehen sind, wegen der fünf Interregna, denen sie substituirt
werden. Es folgt übrigens von selbst, dass die kleinen Richter
^) Giitschmid bei Nöldeke, Untersuchungen p. 192.
2) Bertheau, Richter und Ruth 1883 p. XIII.
Kap. 2, 6— IG, 31. 213
erst später zugesetzt worden sind, um das Dutzend voll zu machen.
Sie haben auch ihr besonderes Schema: „und nach ihm erhub sich
(richtete) Thola (Jair Ibsan Elon Abdon, vgl. 3, 31 Samgar) und
richtete Israel 23 Jahre und starb und ward begraben zu
Schamir"^).
Der Inhalt der kurzen Angaben ist meist ethnologisch, s. Nöldeke
a. 0. p. 181 SS. Elon der Zebulonit heisst wie eine Stadt in Zebuion,
in der er auch begraben wird 12, 12; Thola ben Phua 10, 1 erscheint
Num. 26, 23 wieder. Jaii* ist ein bekanntes gilead. Geschlecht, er
hat dreissig Söhne, die entsprechen di-eissig Städten und durch ein
Misverständnis auch dreissig Eseln; das Wort für Esel und Städte
ist im Hebr. das selbe. Wie von Jair wird auch von Ibsan und
Abdon nur mitgeteilt, wie viel Kinder sie hatten, und welches ilu*
Stammsitz war: es sind also wol Geschlechter. Die Notiz über
Samgar 3, 31 erinnert an die Anekdoten 2. Sam. 21, 15ss. 23, 8ss.;
als Philisterkämpfer ist er verfrüht.
In dem Hauptschema, mit dessen Form und Inhalt wir es
fortan allein zu tun haben werden, tritt zu dem chronologischen
Element das religiöse^) hinzu, wie denn beides genau ebenso in
der Epitome des B. der Könige vereinigt erscheint. An zwei
Stellen erweitert sich die Darstellung des religiösen Pragmatismus
zu principieller Ausführlichkeit, nämlich 10, 6 — 16 und passender
in der Einleitung 2 , 6 — 3 , 6. In dieser letzteren scheint zugleich
die chronologische Systematik durch, wenn es 3, 6 — 10 heisst, das
erste nachmosaische Geschlecht sei Jahve treu geblieben, dann
aber, nach dem Aussterben Josuas und seiner ihn überlebenden
Zeitgenossen, sei im zweiten Geschlecht der Abfall erfolgt. Den
engen Zusammenhang, in welchem die wie eine Art Leitartikel an 186
die Spitze gestellte grundsätzliche Auseinandersetzung mit den
Gesichtspunkten und Ausdrücken des Schemas steht, erkennt man
namentlich aus 2, 12. 14. 16. 18: „und die Kinder Israel taten
was böse ist vor Jahve . . . und Jahves Zorn entbrannte über
Israel und er gab sie . . . und verkaufte sie in die Hand ihrer
1) [Etwas anders habe ich in den Prolegomena 1895 p. 230 s. die arithme-
tische Aufgabe zu lösen gesucht. Ich habe indessen kein grosses Vertrauen
mehr zu der Richtigkeit solcher Lösungen. Man wird die Hoffnung aufgeben
müssen, den Schlüssel zu allen Details der künstlichen Rechnung zu finden.]
2) „der fast rhythmische Wechsel von Götzendienst und Unterjochung,
Bekehrung zu Jehova und Befreiung" Yatke, Bibl. Theologie p. 181.
214 I^as Buch der Richter.
Feinde . . . und Jalive erweckte Richter . . . und half ihnen von
ihren Feinden alle Tage des Richters, weil ihr Geschrei vor ihren
Drängern ihm zu viel wurde, aber nach dem Tode des Richters
fielen sie wieder ab u. s. w." Nun ist es klar, dass 2,6 — 3,6 und
ebenso 10,6 — 16 das Werk eines deuteronomistischen Bearbeiters sind;
es wird also diesem auch das chronologisch-religiöse Schema seine
Entstehung verdanken, ebenso wie die Epitome des B. der Könige
von dem selben Verfasser herrührt, der die Betrachtung 2. Reg. 17
geschrieben hat. Doch wird man nicht annehmen dürfen, dass
erst durch diesen deuteronomistischen Bearbeiter überhaupt die Ver-
bindung der einzelnen Richtergeschichten hergestellt ist; er wird
dieselbe vielmehr schon vorgefunden haben. Nur zu Anfang hat
er den Othniel hinzugefügt, denn 3, 7 — 11 besteht lediglich aus
den schematischen Wendungen.
4. Das vordeuteronomistische Richterbuch enthielt dann die
Erzählungen von Ehud, Debora-Barak, Gideon (Abimelech), Jeph-
thah und Simson. Es scheint, dass schon hier gewisse Andeutungen
des von dem letzten Bearbeiter dann in seiner Weise retouchirten
Pragmatismus (vielleicht auch die ersten Ansätze zu einer Zeit-
rechnung) sich fanden, beispielsweise in folgender Form: „da ward
die Hand Midians stark über Israel . . . und Israel kam sehr
herunter vor Midian und sie schrien zu Jahve. Da erschien der
Engel Jahves dem Gideon u. s. w. . . . und Midian ward ge-
demütigt vor Israel und hob nicht mein* das Haupt empor" 6, 2 — 6.
11 SS. 8, 28. Mit Bertheau (a. 0. p. 132) die ganze Partie 6, 1—10
für deuteronomistischen Zusatz zu erklären, geht nicht an, denn in
V. 11 SS. wii-d V. 2 — 6 vorausgesetzt. Nur v. 7 — 10 sind, wie
man auch aus der Anflickung von v. 7 und aus dem abrupten
Schluss V. 10 sieht, vom Deuteronomisten zugesetzt und stimmen
nicht zu der Anschauung von v. 11 ss.; denn während in v. 7 — 10
das Unglück bloss als Kehi'seite des sündigen Abfalls betrachtet
und den Israeliten selber zur Last gelegt wü'd, wird es dagegen
V. 11 SS. (v. 13) lediglich dem Jahve zum Vorwurf gemacht. In
der früheren Gestalt des Richterbuches scheint die Sünde als Ur-
sache der Kalamität noch nicht hervorgehoben, diese vielmehr erst
vom Deuteronomisten zugetan zu sein, wie denn auch grade sie in
den stereotypsten Formeln und immer ganz allgemein als Abfall zu
187 den Baalim und Astaroth auftritt. Dagegen das Schreien zu Jahve
als Einleitung der von ihm gewährten Hilfe 3, 15. 4, 3. 6, 6 ist
Kap. 2, 6—16, 31. 215
wol älter. Ebenso die Angabe des Resultats zum Scliluss „und
Moab (Kanaan Midian Ammon) ward gedemütigt unter die Hand
Israels" 3, 30. 4, 24. 8, 28. 11, 33; denn dass diese nicht eng mit
der gegenwärtig meistens darauf folgenden chronologischen Klausel
zusammenhängt, ergiebt sich aus 4, 24 vgl. mit 5, 31 und 11, 33
vgl. mit 12, 7. Gleichfalls schon dem vordeuteronomistischen Ver-
fasser muss die Verallgemeinerung der sich tatsächlich fast immer
nur auf diesen oder jenen Stamm beziehenden Bedrängnis und
Rettung auf ganz Israel zugeschrieben werden. Er stellt die Richter-
zeit als Vorbereitung auf das eigentlich erst die Gesamtgeschichte
Israels eröffnende Königtum Sauls dar, was besonders bei dem von
Simson handelnden Abschnitt hervortritt. An sprachlichen Eigen-
tümlichkeiten, die den Erzählungen des älteren Richterbuchs ge-
meinsam sind, lässt sich anführen: Israel, selten Bne Israel, \l/
statt "1^\S% Hjp (preisen), Neigung zum Gebrauch von El oh im. An
sachlichen: die ausschliessliche Berücksichtigung des eigentlichen
Israels und Ignorirung Judas, die Auffassung der Richterzeit als
Vorbereitung des ephraimitischen Königtums.
5. In sachlicher Verbindung mit einander stehn die einzelnen
Geschichten nicht, so dass es sich nicht einmal ausmachen lässt,
ob ihre Anordnung der historischen Folge der Dinge entspricht.
Über Ehud, den Befreier des Stammes Benjamin von dem Druck
der Moabiter, die damals ihre Macht sogar über das westjordanische
Land ausdehnten, ist nichts zu bemerken. Debora-Barak liegt in
zwei Versionen vor, einer primären poetischen Kap. 5, und einer
sekundären prosaischen Kap. 4. Sie unterscheiden sich in folgenden
Punkten. 1) In Kap. 5 handelt es sich um eine Vereinigung der
Könige Kanaans, Sisera ist der Oberkönig. Nicht nur würde man
dies — wäre nicht Kap. 4 — aus v. 19. 20 schliessen, sondern
namentlich v. 28 ss. erklärt sich nur so. Siseras Mutter wird
erwähnt, weil die Herrscher nur eine Mutter haben und diese die
angesehenste Person am Hofe ist. Ihi'e Dienerinnen heissen v. 29
Fürstinnen, also ist sie selbst die Königinmutter. Siseras Gemahlin
heisst V. 30 b^I^ (so mit Ewald statt des schliessenden bbli^)
d. i. the queen. Dagegen in Kap. 4 ist von dem Könige
Kanaans die Rede, als sei Kanaan nicht ein bloss geographisch-
ethnologischer, sondern ein politischer Begriff. Er wird Jabin ge-
nannt, Sisera sei nur sein Feldhauptmann gewesen. Aber der letztere
ist nicht nur die einzige handelnde Person, sondern er hat sogar
216 Das Buch der Richter.
seine eigene Residenz 4, 2, was denn doch für den Obersten des
Heeres eine bedenkliche Sache ist. Jabin von Hasor und Sisera
188 von Haroseth sind durch einen harmonistischen Kunstgriff neben
einander möglich gemacht, eigentlich sind sie Pendants. Es sind
zwei Geschichten, die sowol örtlich und zeitlich als auch inhalt-
lich nahe bei einander liegen, confundirt; die von Jabin von Hasor
wird selbständig in Jos. 11 erzählt. 2) Aus Kap. 5 erhalten wii'^)
weniger das Bild eines vom Feinde bereits unterworfenen und
in tributäre Abhängigkeit versetzten, als vielmehr eines von ihm
durch Streifzüge beunruhigten und unsicher gewordenen Landes;
früher hatte Handel und Wandel geblüht, dann aber feierten die
Strassen. Damit vgl. 4, 2. 3: „Jahve verkaufte sie in die Hand
Jabins und er bedrückte sie mit Härte." 3) In Kap. 5 sind es
Ephraim mit Benjamin, Machir (= Westmanasse), Zebuion, Naph-
thali und Issachar, die zum Kampfe ausziehen, d. h. diejenigen
Stämme, die in der Ebene Jezreel ihren Mittelpunkt haben und
sowol nördlich als auch namentlich südlich davon wohnen. Von
dieser Ebene (offenbar von den hier gelegenen festen Städten) geht
also der Druck der Kanaaniter aus, und der am meisten davon
betroffene Stamm ist der hier wohnende Issachar; denn ihm ge-
hören nach dem nicht aus Kap. 4, sondern aus sich selbst zu ver-
stehenden Yerse 5, 15 die beiden Unternehmer und Führer der
Erhebung an, Barak und Debora. Hingegen in Kap. 4 ziehen nur
Zebuion und Naphthali in den Kampf, die zwar auch 5, 18 er-
wähnt werden, aber so, als ob sie eigentlich ähnlich wie Kuben
Gilead Dan und Äser der Sache ferner stünden und daher doppelt
zu loben wären, dass sie dennoch daran teilgenommen hätten. Ver-
steht sich, muss zu Gunsten des Liedes entschieden werden, zumal
da auch die nur in die Ebene passenden kanaanitischen Kriegs-
wagen am wenigsten gegen die galiläischen Gebirgsstämme anwend-
bar sind. Barak selber stammt nach Kap. 4 aus Kedes Naphthali
— wol eine Verwechslung mit Kedes Issachar (am Thabor 4, 9),
worauf die Niederlassung der Keniter bei Elon Besaanim 4, 11 ein-
gewirkt hat, welche letztere aber schwerlich 5, 24. 4, 17 gemeint
sein kann, da Jael viel näher bei Megiddo und in der Ebene
Jezreel gewohnt haben muss. Debora soll gar nach 4, 5 zwischen
^) Wie Studer in seinem zwar fragmentarischen aber vortrefflichen Kom-
mentar zum Buch der Richter (Bern 1835) zu 5, 6 bemerkt.
Kap. 4, 1-
1.
217
Rama und Bethel auf dem Gebirge Ephraim gewohnt haben — da
gab es in der Tat einen Baum der Debora (Gen. 35, 8. 1. Sam.
10, 3), der die Veranlassung geworden ist, unsere Richterin höchst
unpassender Weise dort anzusiedeln, denn offenbar steht sie als
die Seherin von Issachar dem Barak als dem Krieger von Issachar
zur Seite. Übrigens scheint Barak nach 5, 12, wo Luther gewiss
richtig übersetzt fange deine Fänger und die Punktation nur
aus harmonistischen Gründen vokalisirt fange deine Gefange-
nen, einen persönlichen Anlass gegen die Kanaaniter gehabt und 189
nicht zögernd der Aufforderung Deboras gehorcht zu haben. 4) Die
Hauptdifferenz, die zugleich, schlagend die Abhängigkeit des histo-
rischen Kommentars vom Liede erweist, betrifft die Ermordung
Siseras.
5, 24. Gepriesen über alle
Weiber sei Jael, das Weib He-
bers des Kernten, über die Zelt-
weiber sei sie gepriesen. Wasser
forderte er, Milch gab sie, in
prächtiger Schale brachte sie
Milch. Ilii-e Hand streckte sie
nach dem Stiele und ilu'e Rechte
nach dem Werkhammer, und
schlug den Sisera, traf seinen
Kopf, zerschmetterte und zer-
schlug seine Schläfe. Vor ilii'e
Füsse sank er hin, fiel und lag
am Boden, vor ihre Füsse sank
er hin und fiel, blieb erschlagen
liegen, wo er hingesunken.
4, 19. Sisera ging zu Jael
in das Zelt und sie deckte ihn
zu mit dem Netze und er bat
sie um etwas Wasser und sie gab
ihm Milch aus dem Schlauche
und deckte ihn wieder zu. Und
er hiess sie Wache halten am
Eingange und ihn verleugnen,
wenn jemand fragte. Sie aber
nahm den Zeltpflock und den
Hammer in die Hand und trat
leise zu ihm und schlug den
Pflock durch seine Schläfen und
trieb ihn in den Boden, Avährend
er fest entsclilafen war; und er
ward ohnmächtig und starb.
Nach Kap. 5 muss man sich folgende Vorstellung machen.
Während Sisera gierig trinkt und die gewaltige Schale sein Gesicht
bedeckt, ergreift Jael den Hammer und schlägt ihn damit vor die
Schläfe, so dass er auf der Stelle tot bleibt; natüidich ist er
stehend gedacht, denn sonst kann er nicht vor ihr zusammenbrechen
und zu Boden stüi'zen. Ganz anders in Kap. 4. Da liegt Sisera
und schläft, im Schlaf wii'cl er gemordet, aber nicht mit einem
Hammerschlag, sondern so dass ein Zeltpflock mittels eines Hammers
218 Das Buch der Richter.
ihm durch die Schläfe in den Boden getrieben wird (n^i^m 4, 21
schlägt zurück auf HD^n 5, 26). Diese grausame und unsinnige
Weitläufigkeit — zu der denn auch der tiefe Schlaf und das Liegen
Siseras erforderlich ist — beruht auf misverstandener Differenzirung
von in'' und m?obn 5, 26, während diese Ausdrücke dort in
Wahi-heit ebenso gleichbedeutend sind wie Hl'' (nicht nb>s?2t^) und
r{jV2"' und nur des poetischen Parallelismus wegen variiren; vgl.
Zach. 9, 9 mit Matth. 21, 2. 7. Nur in Kap. 5 ist Jaels Tat
heroisch, in Kap. 4 feige und heimtückisch. 5) Das Einzige, was
in Kap. 4 nicht aus Misverständnis oder Ausspinnung, sondern aus
Tradition zu erklären ist, ist der Name von Deboras Manne, Lappi-
doth, der freilich der Bedeutung nach (Exod. 20, 18) merkwürdig
an Barak erinnert^).
190 6. Über Gideons Besiegung der Midianiter besitzen wir gleich-
falls zwei ganz verschiedene Versionen, von denen die eine voll-
ständig und sogar mehr als vollständig erhalten ist 6, 1 — 8, 3,
die andere aber am Anfange verstümmelt. Nach der ersten wird
Gideon nicht durch einen persönlichen und sachlichen Anlass be-
wogen, den Feinden entgegen zu treten, sondern im voraus, ehe die
jMidianiter ihren diesjährigen Einfall gemacht haben, durch eine
Theophanie zum Helfer Israels designirt. Wie nun wirklich die
Midianiter kommen, ergreift den also Prädisponirten der Geist, er
stellt sich an die Spitze seines Geschlechtes Abiezer und der israe-
litischen Bauerschaft und zieht, nicht ohne vorher noch durch ge-
wisse Proben seines göttlichen Auftrags sich versichert zu haben,
gegen den im Osten der Ebene Jezreel (7, 12) am Pass nach
Bethsean zu gelagerten Feind. Sein anfangs 32,000 Mann starkes
Heer schmilzt durch göttliche Veranstaltung auf 10,000 und end-
1) Für die Gleichzeitigkeit des Liedes ist zunächst 5, 8 anzuführen, wo
die Gesamtzahl der streitbaren Männer Israels auf 40 000 (im Pentat. 600 000)
angegeben wird, sodann die Wildheit des Aifectes 5, 25 — 27 und die Freude
über die getäuschten Erwartungen der Mutter 5, 28 ss. „Mit diesem glühenden
Hass kann bloss ein Beteiligter, der den Hohn eines übermütigen Unterdrückers
an sich selbst erfahren hat, sich über einen toten Feind aussprechen, nicht
ein Jahrhunderte später lebender Dichter" (Studer p. 166). Die Abfassung
durch Debora ist dagegen unwahrscheinlich, denn in 5, 3 ist ^2^5^ Israel wie
Exod. 15, und in 5, 15 wird von Debora in 3. Person geredet. Es bleibt nur
V. «7 übrig, aber da ist Tl^Dp als erste Person durch den Glauben, Debora sei
die Dichterin, entständen und in Wahrheit entweder als dritte oder als zweite
Person sg., fem. gemeint.
Kap. 6, 1-9, 57. 219
lieh auf 300 zusammen, mit diesen wagt er einen nächtlichen Über-
fall und zersprengt die Nomaden. Während sie dem Jordan zu
fliehen, bietet Gideon den Heerbann Israels und namentlich Ephra-
ims auf, um den Flüchtigen die Furten zu verlegen-, es gelingt,
und unter anderen fallen die beiden Fürsten der Midianiter, Oreb
und Zeeb, den Ephi*aimiten in die Hände. Nachdem so weit alles
gut gegangen, droht zum Schluss noch ein unangenehmes Nach-
spiel. Die Ephraimiten, übermütig über ihren Erfolg, sprachen zu
Gideon: was ist das für ein Streich, den du uns gespielt, uns nicht
aufzubieten, (gleich anfangs) als du in den Kampf zogest gegen
Midian? und zankten heftig mit ihm. Aber er antwortete ihnen:
was habe ich denn jetzt getan im Vergleich zu euch? ist nicht die
Nachlese Ephraims besser als die Ernte Abiezers? in eure Hand
hat Gott die Fürsten Mdians gegeben und was habe ich dagegen
zu tun vermocht? Da liess ihr Zorn ab von ihm, als er so redete
(8, 1-3).
Man sollte denken, bemerkt Studer p. 212 — 215 mit Recht,
zu einer solchen Erörterung sei erst Zeit gewesen, nachdem die
Verfolgung beendet, der Sieg vollständig und seine Früchte ge-
pflückt waren ; wie hätte sonst auch das Bild von der Ernte und
gar von der Naclilese gebraucht werden können? Statt dessen ist 191
nun im Folgenden, von 8, 4 an, noch beinah alles zu tun übrig.
Da setzt Gideon mit seinen 300 jMann in rastloser Verfolgung den
Midianitern über den Jordan nach; auf die Bitte um Brot für
seine erschöpften Leute fragen ihn die Bürger von Sukkoth und
Plienuel höhnisch, ob er denn etwa schon des Erfolges sicher sei,
so dass man Ursach habe, für ihn Partei zu nehmen; aber un auf-
gehalten setzt er seinen Weg nach Osten fort und erreicht endlich
am Saum der Wüste, bei Karkor, das Lager der Nomaden. Sie
werden vollständig überrascht und ihi'e beiden Könige, die hier
Zebah und Salmunah heissen, gefangen genommen. Auf diese
letzteren hat es Gideon eigentlich abgesehen, denn wie wir nun zum
Schluss erfahren, hatten sie am Thabor Brüder von ihm getötet,
und es war die persönliche Pflicht der Blutrache, wegen deren er
sich mit seinem Geschlecht zur Verfolgung aufmachte und nicht
eher ruhte, als bis er die Schuldigen in seiner Gewalt hatte. Die
Rache selbst zu vollstrecken, schämt sich anfangs der männliche
Held; da aber sein Erbe sich als zu jung erweist, kann er sich der
Pflicht nicht entziehen.
220 Das Buch der Richter.
Nicht bloss ist mit 8, 1 — 3 das Vorhergehende notwendig ab-
geschlossen, sondern das Folgende 8, 4 — 21 geht auch von ganz
anderen Voraussetzungen aus. Während nach 7, 23 ss. der Heer-
bann Israels und Ephraims aufgeboten ist, sind 8, 4ss. nur Gideon
und seine 300 Leute unaufhaltsam hinter den Feinden her.
Während nach 8, 1 — 3 (vgl. 7, 24. 25) schon Lese und Nachlese
gehalten und die Verfolgung zum Ziel gelangt ist, halten es die
(kanaan.) Bürger von Sukkoth und Phenuel 8, 6. 8 noch für zweifel-
haft, wie die Sache auslaufen werde. Die beiden Häuptlinge, die
7, 25. 8, 3 die Fürsten Zeeb und Oreb heissen und bereits ge-
fangen sind, heissen 8, 5ss. die Könige Zebah und Salmunah und
■sind noch nicht gefangen. Die Hauptsache aber ist, dass der An-
lass, weshalb Gideon, hier ein vornehmer und königlicher Mann
8, 18 und nicht der Unansehnlichste seines Geschlechts 6, 15, in
der zweiten Version sich gegen die Midianiter aufmacht, ein ganz
anderer ist als in der ersten, wie wir leider nur aus 8, 18 ss.
schliessen können, da uns der Anfang der mit 8, 4 einsetzenden
Geschichte nicht erhalten ist. Dort ist es der Befehl Jahves, der
ihn, sehr gegen seinen Willen, zum Retter Israels bestimmt-, hier
sind es natüidiche und menschliche Motive, die ihn antreiben, den
midianitischen Königen nachzusetzen — nicht im Interesse des
Ganzen, sondern seiner Person, nicht an der Spitze Israels, sondern
seiner 300 Leute, die bis zuletzt seine einziehe Mannschaft bilden.
Schon bei Barak vermuteten wir in Veranlassung von 5, 12 eine
192 ähnliche Differenz, wie sie hier ungleich klarer vorliegt. Harmo-
nistische Klammern, wodurch die beiden Versionen zusammenge-
halten werden, sind in 7, 25 und 8, 10 zu entdecken. „Die Köpfe
Orebs und Zeebs brachten die Ephraimiten zu Gideon jenseit des
Jordans", heisst es 7,25. Aber erstens geht er erst 8,4 hinüber
und ist 8, 1 — 3 noch diesseits, wie denn überhaupt in 6, 1 — 8, 3
sich alles im westlichen Lande abspielt; zweitens ist es absurd,
dass die aufsässigen Ephraimiten ihm ihi'e spolia opima aus 'freien
Stücken sollten zu Füssen gelegt haben. Von 8, 10 sind nur die
ersten Worte echt, dagegen passen die 120,000 Erschlagenen offen-
bar nicht zu den 300 Mann, welche sie nach den anderweitigen
Voraussetzungen von 8, 4ss. hätten erschlagen müssen^).
^) Einer dritten Version folgt Isa. 10, 26. Darnach ist der Haiiptschlag beim
Felsen Oreb gefallen, der 7, 25 nur beiläufig erwähnt wird. Studer p. 215.
Kap. 6, 1—9, 57 221
Ohne Zweifel ist die natürliche Version 8, 4 — 21 die primäre
und die religiöse 6 , 1 — 8 , 3 secundär. Bei der letzteren hat sich
übrigens der ursprüngliche Kern durch spätere Zusätze sehr er-
weitert. Nach 6, 34 hat Gideon zunächst bloss sein Geschlecht
Abiezer hinter sich, dann aber bietet er 6, 35 auch das übrige be-
nachbarte Israel auf. Nachdem jedoch glücklich 32,000 j\Iann bei
einander sind, muss auf alle Weise dafür gesorgt werden, sie wieder
auf 300 herabzubringen, denn nur so viel zogen nach der alten
Tradition (8, 4) in den Kampf. Der Verdacht , dass sowol 6, 35
als ein grosser Teil von Kap. 7 spätere, aus der Tendenz, wo-
möglich immer ganz Israel handeln zu lassen, entsprungene Zu-
sätze seien, wird noch verstärkt durch 7, 23 — 8, 3. Nämlich hier
bietet Gideon den allgemeinen Heerbann erst bei der Verfolgung
auf, offenbar damals zum ersten, nicht zum zweiten Male; denn
die Ephraimiten zürnen darauf, dass sie nicht gleich') gerufen
seien, während sie doch 6, 35 gewiss nicht absichtlich ausgeschlossen
sind; und ebenso hat es 8, 1 — 3 den Anschein, als ob vor 7, 23
dem Gideon niema^nd weiter gefolgt sei, als eben sein eigenes Ge-
sclilecht Abiezer. Ein ferneres Supplement ist 6, 25 — 32. In dem
n. p. Jerubbaal konnte einer einigermassen alten Tradition — und
das ist in iln-en Grundlagen auch die von 6, 1 — 8, 3 — der Name
Baal so wenig anstössig vorkommen, wie in den ähnlichen nn. pp.
Isbaal oder Meribaal. Und wozu der neue Altar, da ja gerade
vorher v. 24 schon einer errichtet ist, der noch heute steht?
Übrigens ist auch schon dieser letztere im Vergleich zu 6, 17 — 21
ein Nimium. Denn der ursprüngliche Altar ist der als Sitz der
Theophanie gedachte Stein unter der Eiche, auf dem Gideon v. 19 s.
opfert und aus dem v. 21 die Flamme schlägt — eine altertüm- 193
lichere Vorstellung als das Herabfallen des ersten Opferfeuers vom
Himmel, die eine gewisse Identificii^ung von Stein und Gottheit
voraussetzt. Der Altar und das Opfer von v. 22 — 24 kommen
post festum, obwol es deutlich ist, dass v. 22 an 21 anknüpft.
Man beachte auch, dass schon in v. 17 Gideon ahnt, wen er vor
sich hat, und grade deshalb opfert, um der Sache gewiss zu werden,
^) [Das von mir Jiid. 8,1 siipplirte „gleich anfangs" — vgl. p. 219, 10 —
kann zwar mit einigem Recht aus riDvil (als du in den Kampf gingest) her-
aus gelesen werden, entspricht aber doch vielleicht nicht der ursprünglichen
Meinung des Yerses. Dann würde sich der schon so vorhandene Widerspruch
von 7, 23 — 8, 3 zu dem vorhergehenden noch verstärken].
222 Das Buch der Richter.
also füglicli nicht, wie in v. 22, erschrecken kann, da die Probe
nach Wunsch ausfällt; dass ferner, wenn Jahve v. 21 vor ihm ver-
schwindet, er nicht mehr, wie in v. 23, mit ihm reden kann. —
Es ist möglich, dass der ursprüngliche Erzähler von 6, 1 — 8, 3
(oder viell. überhaupt der vordeut. Verfasser des Richterbuchs)
Elohim und nicht Jahve gesagt hat; denn in 6, 20 ist
D\lbNn "]iS*bo gewiss nicht aus dem gewöhnlichen mni "D, sondern
umgekehrt dieses aus jenem hergestellt, und in 8, 1 — 3 sagt Gideon
Elohim. Auf 6, 36 — 40 darf man sich indessen schwerlich be-
rufen, denn diese abermalige Probe steht sehr ungeschickt, und
der Ausdruck v. 39 stimmt wörtlich mit einer späten Stelle der
Genesis (18, 32). Doch mag immerhin 6, 36 — -10 älter sein als
6, 22 — 24. 25—32 und 7, 2 — 9, und andererseits mag der Name Jahve
in 6, 11 — 21 und in Kap. 7 auf späterer Redaktion beruhen.
Was den Schluss der Geschichte Gideons betrifft 8,22 — 28,
so ist derselbe, sofern er die Nachricht über das Ephod zu Ophra
enthält, die Fortsetzung der Version 8, 4 — 21, denn mit den letzten
Worten von 8, 21 ist der Ansatz gemacht, etwas Näheres über die
goldene Beute zu berichten. Aber der Zusammenhang, worin die
Nachricht jetzt steht, ist jung. Die alte Sage kann es nur als einen
schönen Zug von Gideons Uneigennützigkeit berichtet haben, dass
er die Beute nicht für sich behielt, sondern Gotte weihte. Das
ursprüngliche Motiv hat vielleicht nachgewirkt in der Ablehnung
des ihm angetragenen Königtums v. 22, die von einem sehr späten,
zuerst bei dem nordisraelitischen Propheten Hosea auftauchenden
Gegensatz der menschlichen zur göttlichen Herrschaft ausgeht (Vatke,
p. 263) und zudem, obwol auf der Parabel Jothams beruhend, doch
nicht zu der Angabe 9, 2 stimmt, wonach Gideon der Sache nach
allerdings König von Ephraim und Manasse gewesen ist und seine
Herrschaft auf sein Geschlecht vererbt hat — was ältere Ausleger
vergebens weg zu interpretiren suchen.
8, 29 — 35 ist die Einleitung zu Kap. 9, eine rein re-
daktionelle Arbeit, grösstenteils bis auf den Ausdruck aus Kap.
9 entlehnt. Wenn es v. 39 heisst: „als nun Gideon starb, hurten
die Kinder Israel wieder hinter den Baalim her und machten sich
den Baal Berith zum Gott", so ist das eine ganz unhistorische, aber
194 füi- das Verfahren des Redigenten charakteristische Verallgemeinerung
der Nachricht von Kap. 9, dass die damals noch kanaanitischen
Bürger von Sichem einen Tempel des Baal Berith besassen. Das
Kap. 11, 1-12, 7. 223
9. Kapitel selber zeichnet sich durch Vermeidung des Namens Jahve
und durch den Gebrauch des Namens Jerubbaal aus, welcher
letztere sich jetzt in Kap. 6 — 8 nur hie und cla findet, ursprünglich
aber auch in einer der beiden Versionen über Gideon, und zwar
nicht in der ersten, der 6, 11 — 21 angehört, regelmässig gebraucht
sein muss, da sich sonst die Interpolation 6, 25 — 32 und ihre Stelle
nicht wol erklären liesse. Im Ton und Geist hat Kap. 9 gar keine
Verwandtschaft mit der ersten, dagegen eine sehr grosse mit der
zweiten Version. „Der theokratische Pragmatismus macht hier einer
schlichten Darstellung des Kausalnexus der Begebenheiten Platz,
der nicht wie früher durch das wunderbare Einsekreiten einer
überirdischen Macht und Leitung aufgehoben wird. Die religiöse
Betrachtungsweise des Erzählers bescheidet sich, in dem Schicksal
des freveln Abimelech und der ihm zu seinen Schandtaten behilf-
lichen Sichemiten die Spuren einer moralischen Weltordnung,
welche das Böse nicht unbestraft lässt, sondern früher oder später
den Frevler mit rächender Hand ereilt, nachgewiesen zu haben
(v. 20. 24. 56. 57). Es ist der Standpunkt religiöser Weltanschau-
ung, auf welchem bei den Griechen etwa das Zeitalter des Hero-
dotos und der gleichzeitigen Tragiker stand." So mit Recht Studer
p. 231 s. Merkwüi'dig ist in dieser Hinsicht noch die dem Prag-
matismus zwar nur äusserlich aufgeheftete, aber in ihrem Geist zu
dem Ganzen ausgezeichnet stimmende Parabel des Jotham , sofern
sonst zu solchen Blicken in die Zukunft stets ein Bote Gottes
erscheint, hier aber ein gewöhnliches Menschenkind ohne alles
religiöse Pathos vom Standpunkt der moralischen Wahrscheinlich-
keit aus redet. Gewiss gehört Jud. 9 (ebenso wie 8, 4 — 22) zu
den allerältesten Erzählungen des Alten Testaments, stammt jedoch
erst aus der Königszeit ; denn in 9,2 gilt die Monarchie im Vergleich
zur patriarchalischen Adelsherrschaft im Grunde doch als eine
höhere Stufe.
7. Eine eigene Bewandtnis hat es mit Jephthah 11,1 — 12,7 ').
Obwol nicht dem Familienverb ande Gileads angehörig, wird er doch
zum Häuptlinge gemacht behufs des Kampfes gegen die Ammoniter.
^) Dass 10, 6 — 16 vom Deiiteronomisten stamme (die sieben Götzen 10, 6
entsprechen den sieben Völkern v. 11. 12), 'haben wir gesehen; vgl. 1. Reg.
11, 5. 33. Von diesem stammt aber auch 10, 17. 18, womit er Anschluss
sucht an Kap. 11. Die beiden Verse sind ebenso aus Kap. 11 entlehnt (11,4
8 SS.), wie 8, 30—35 aus Kap. 9.
224 Das Buch der Richter.
Das erfahren wir aus 11,1 — IIa. Der Satz „imdJeplithali redete
195 alle seine Worte vor Jahve zu Misplia" v. IIb hat erst 11,30 seine
Konsequenz, wodurch er verständlich wird: „und gelobte ein Ge-
lübde dem Jahve und sprach — ". In der Mitte steht gegenwärtig
eine gelehrte historische Auseinandersetzung, die aus dem jeho-
vistischen Berichte ^^um. 20. 21 entlehnt ist und sich in Jephthahs
Munde sehr sonderbar ausnimmt, zumal wenn er damit auf die
Ammoniter Eindruck machen soll. Für den Zusammenhang ist
dieselbe nicht allein ganz wertlos, sondern sie passt auch nicht
hinein. Denn sie redet, der pentateuchischen Erzählung folgend,
immer bloss von den Moabitern und ilii'en unberechtigten Ansprüchen;
aber hier handelt es sich ja gar nicht um die Moabiter, sondern
um die Ammoniter (Studer zu 11, 24). An der späteren Ein-
schiebung des Stückes 11,12 — 29 kann man um so weniger zweifeln,
als auch der historische Schluss v. 28. 29 dem Folgenden sich nicht
gut fügt; denn v. 29 — der etwas sagen will und doch nichts sagt
— greift dem v. 32 vor.
Ist dem nun so, so bleibt von Jephthah, da von seinen Kriegs-
taten gegen Ammon gar nichts erzählt wird, eigentlich nichts übrig
als das Opfer seiner Tochter, welches alle Jalir durch ein vier-
tägiges Fest gefeiert wurde (11, 40). Mit anderen Worten ist
Jephthah eine Schattengestalt, hat keinen Geburtsort, kein Geschlecht
und wird begraben „in den Städten Gileads". Seine ganze Ge-
schichte hat nur ihre Pointe in dem Opfer der Jungfrau und dient
zur Erklärung des Festes, welches man alljälndich in Gilead zu
Eln'en der Tochter Jephthahs feierte. Darum wol richtet er nur
6 Jahre (12, 7). An diesem Urteil ändert auch 12, 1 — 7 nichts.
Denn dies ist ein posthumer Nachtrag, der viel zu spät kommt, da
Jephthah bereits 11, 34 zu Hause gekommen ist und seitdem sogar
zwei Monate (11, 39) verflossen sind. Auch passt die 12, 2 aus
freier Hand gemachte Yoraussetzung nicht zu Kap. 11, und über-
haupt ist das Auftreten der Eplii'aimiten, die ja jenseit des Jordans
nichts zu suchen hatten und nicht durch einen eben erfochtenen
Sieg aufgebläht waren, hier völlig unmotivii't, ein reiner Abklatsch
von 8, 1 — 3, herrührend von einem, der Gideons Nachgiebigkeit
nicht begriff und dem hochmütigen Stamme eins versetzen wollte.
Das Schibboleth 12, 6 ist ein zur Zeit der lebenden Sprache sehr
billiger, also nicht geschichtlicher und auch für den besonderen
Zweck höchst überflüssiger Zug, und die 42 000 Gefallenen von
Kap. 13, 1—16, 31. 225
Ephraim flössen ebenfalls kein Vertrauen ein. Die zweite Hälfte
des V. 4 von n?3N ""D an ist Glosse zu v. 6.
8. In den Sagen von Simson 13, 1 — 16, 31, die sichtlich von
Einer Hand aufgezeichnet sind, stehn der derb volkstümliche Stoff
und die religiös-nationale Form, so eng sie verwachsen sind, doch
in einem auffallenden innerlichen Kontrast: der Geist Jahves treibt 196
ihn und dann vollführt er tolle Streiche, die Israel nichts nützen.
Was nun zunächst den Stoff angeht, so ist Simson offenbar kein
eigentlicher Richter, er handelt immer allein für sich und steht
nicht an der Spitze seines Stammes. Sein Name bedeutet Sonne-
mann (wie ^2^ü^' Esdr. 4, 8. 17) und schon den älteren Auslegern
(Studer zu 15, 4) ist die Ähnlichkeit der Geschichte von den das
Getreide anzündenden Füchsen 15, 1 — 8 mit dem Ritus der römi-
schen Robigalien aufgefallen, die in Beziehung zu dem schädlichen
Einfluss des Sonnenbrandes auf das Korn zu stehn scheinen. Von
hier aus hat H. Steinthal ') den Versuch gemacht, auch alles übrige
was von Simson erzählt wird, mit dem Sonnenmythus zu combi-
niren. Man kann zugeben, dass die langen Haare des Naziräers
eine Metamorphose der Strahlen des Helios sein können und dass
Delila an Omphale oder Deianira erinnert; sonst aber hat Steinthal
zu viel an Einen Nagel gehängt. Die Geschichte von dem Esels-
kinnbacken — wozu St. passend "Ovoü pa{}ov xaTrsivTjv ;(£pp6v/)aov
Ivootspo) TÄv MaXsüJv (Strabo p. 363) vergleicht — und von der
aus einem Felszahn desselben springenden Rephuhnsquelle hat
bereits J. D. Michaelis^) ziemlich richtig aufgefasst, sie erinnert an
Jakobs Auftürmung des Gebirges Gilead als Grenzwall zwischen
Israel und Aram (wie denn überhaupt Jakob hie und da mit
Simson Ähnlichkeit hat), hat aber mit der Sonne nichts Erkenn-
bares zu tun. In welcher Beziehung die beiden Säulen des Dagon-
tempels, die Simson 16, 29 umstürzt, oder die Türflügel des Stadt-
tores, die er 16, 3 den Philistern von Gaza samt den Pfosten
auslieht und auf einen hohen von Hebron aus sichtbaren Berg trägt,
zu den Säulen des Herkules stehn, ist für den in diese Mysterien
nicht Eingew^eihten rätselhaft. Vollends lächerlich ist die Erklärung
des Bienenschwarmes, der aus dem Aase des Löwen kommt 14, 8;
wenn die Sonne im Löwen stehe, also in den Hundstagen, soTsei
die Bienenzucht und der Honigbau am ergiebigsten. Schon Bochart
^) Zeitschr. für Völkerpsychologie 2, 129 ss.
2) Suppl. ad lex. Hebr. n. 1307.
Well hausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 15
226 Das Buch der Richter.
und neuerdings Studer haben auf den Volksaberglauben der Griechen
- und Römer Q-ewiesen, wonach die Bienen aus dem Aase des Ochsen
entstehn — doch wol nicht, wenn die Sonne im Ochsen einkehrt.
Einstweilen wird man auch die höchst unwahrscheinliche Tatsache,
dass die Hundstage in dem heissen Palästina, wo dann bereits
alles abgeblüht hat, die günstigste Zeit für die Bienen sein sollen,
so lange zu bezweifeln haben, bis die naturwissenschaftliche Beob-
achtung sie bestätigt hat. Die Geschichtlichkeit der Person Simsons
soll nicht gerade mit diesen Bemerkungen gerettet werden. Man
197 sucht sie zwar durch Gen. 49, 16 zu erweisen, aber die Worte
„Dan wird richten sein Volk so gut wie einer der Stämme Israels"
können nicht den Sinn haben „Dan wird so gut einen Richter über
Israel stellen wie die übrigen Stämme" ; Israel kann nicht das Volk
des Stammes Dan heissen, Simson war kein Richter, und Richter
über Israel hat es nie gegeben. Es kann nur gemeint sein, dass
im Gegensatz zu Rüben Simeon und Levi der kleine Stamm Dan
der auch ihm di'ohenden Gefahr der Auflösung; ento-ehn und seine
politische Selbständigkeit sich bewahren werde. Dillmann bemerkt,
loy sei deshalb nicht das Volk Dans selber, weil es sich ohnehin
verstehe, dass der Stamm seine eigene Verwaltung und Gerichts-
barkeit habe ^). Verstand sich das bei Simeon und Levi auch von
selber? war nach Jud. 17. 18 die Gefahr nicht grade bei Dan sehr
gross, dass er verschlungen oder zersplittert wurde, und gehörte
nicht wirklich eine ungewöhnliche Energie dazu, dass er sich seine
Existenz als selbständiger Stamm dennoch erhielt? Was Simsons
Vater Manoah betrifft, so ist dies der Name der Bevölkerung von
Soraa. Als diese Stadt nach dem Exil neu besiedelt war, leitete
sich die Hälfte des Manachthiten von Soraa — der alte Name blieb
— von Schobal und die andere Hälfte von Salma ab, was von
Haus aus zwei kalibbäische d. i. süd-judäische Geschlechter gewesen
sein sollen 1. Chron. 2,52. 54. Merkwürdigerweise kommt Ma-
nachath ben Schobal auch bei den Edomitern vor (Gen. 36, 23).
Die Form der Schwanke und Sagen ist in diesem Falle der
religiöse und nationale Geist, woher sie zugleich den tragischen
Zug empfangen. Sie tritt am meisten in der Einleitung Kap. 13
und im Scliluss 16, 23 — 31 hervor, durchzieht aber auch alles
Übrige. Sie ist es, wodurch die grosse Ähnlichkeit der Geschichte
Simsons mit der Gideons (6, 1 — 8, 3) entsteht, vgl. 13, 9 — 23
^) Kommentar zur Genesis. 3. Aufl. In den späteren Auflagen korrigirt.
Kap. 17. 18. 227
(Elohiiü) mit 6, 11—24: 8tuder hat Reclit zu vermuten, dass in
13, 19 ursprünglich ebenso wie in 6, 21 berichtet wurde, wie der
Engel durch Berührung dem Felsen ein Feuer entlockt habe, durch
welches das Opfer verzehrt worden sei. Wie Gideon und Saul
darin übereinkommen (6, 15. 1. Sam. 9, 21), dass sie beide zuvor
ihres göttlichen Rerufs versichert werden und dann, wenn der Anlass
zu handeln kommt, tun, wozu der Geist sie treibt, so ist Simson
sogar ausgesprochenermaassen (13, 5) das Vorspiel zu Saul. Auch
Saul ist leiblich und geistig eine elementare Natur, auch er widmet
sein Leben dem Kampfe gegen die Philister und nimmt ein
tragisches Ende, seit der Geist Jahves von ihm gewichen ist. Man
darf wol in Simson, sofern er der patriotische Streiter gegen den
Erbfeind ist, den Schatten Sauls erkennen. Passend wird er einem
Stamme zugesprochen, von dem nur eine dunkle Kunde vorhanden
war, dass er einst in der Nähe Benjamins und Philisthäas gewohnt
hatte. Die Aufzeichnung dessen, was man sich von ihm erzählte,
ist zwar in einer vergleichsweise alten Zeit geschehen, wo es aber
doch schon halb verklungen war, dass jemals die Philister über
Israel geherrscht hatten (14, 4).
Dan und Benjamin. Kap. 17 — 21.
9. Wenn der kritische Grundsatz allgemeine Geltung hat, dass
wir uns imierhalb der Tradition über die alte Zeit vorzugsweise
an solche Punkte zu halten haben, welche von den späteren Vor-
stellungen und Gebräuchen abweichen, so ist die Erzählung Jud. 17. 18
eine der historisch wertvollsten im ganzen Alten Testament. Die
Art und Weise, wie die einzelnen Stämme zu ihrem besonderen
Gebiete kommen, ist zwar hier in Übereinstimmung mit Jud. 1,
aber ganz anders wie im Buch Josua dargestellt. Vgl. 18, 1: in
jener Zeit suchte sich der Stamm Dan (der bis dahin in einem
Kriegslager nach Analogie von Gilgal und Silo, zwischen Soraa und
Esthaol, gehaust hatte) ein Erbe zum Wohnen, denn bis dahin war
ihm noch keins zum Lose gefallen unter den Stämmen Israels.
Noch viel bedeutsamer aber weicht der Jahvekultus, wie er hier
geschildert wird, von dem Muster des pentateuchischen Ritualgesetzes
ab, grade so wie auch die übrigen bezüglichen Angaben des Richter-
buchs, z. B. über das Opfern Gideons und Manoahs und über das
goldüberzogene Jahvebild des ersteren.
Vatke (p. 268) ist der Meinung, dass unser Stück zwei ein-
15*
228 Das Buch der Richter.
ander im Einzelnen widersprechende Relationen enthalte, weshalb
bald von einem, bald von zwei oder drei oder vier Bildern die
Rede zu sein scheine, einem geschnitzten, gegossenen oder über-
zogenen Bilde und von Theraphim (17, 3. 4. 5. 18, 14. 18. 30. 31).
In Wahrheit finden sich aber nur an einzelnen Stellen Glossen
welche von Hass und Verachtung gegen den ketzerischen Kultus zu
Dan eingegeben sind. So schliesst sich in Kap. 17 der v. 5 un-
mittelbar an V. 1 und setzt v. 2 — 4 nicht voraus, namentlich nicht
HD^D n^nn v. 4. Ferner scheint in 18, 14—18 der Text, z. T. von
199 17, 2 — 4 aus, gründlich verderbt zu sein. Man muss lesen und
übersetzen: „Und die fünf Kundschafter hüben an und sprachen
zu ilu'en Brüdern: wisst ihr, dass in diesem Gehöft ein Ephod und
Theraphim sich befindet? also wisset, w^as ilu' zu tun habt, geht
hinein und nehmt das Ephodbild und die Theraphim! Der Priester
aber stand vor dem Tore und sie (die ihm von 18, 3 her bekannten
fünf Männer) traten hinzu und gingen in das Haus des ' jungen
Leviten und grüssten ihn freundlich — derweil drangen jene (die
übrigen Daniten) in das Gotteshaus des Micha und nalmaen das
Ephodbild und die Theraphim." Dass v. 17 unmittelbar an v. 14 an-
schliesst, verrät sowol das Subject (17a = 14a) als das Asyndeton
inpb INIL? welches in altem Hebräisch nur bei Imperativen vor-
kommt, die dann notwendig 1J71 v. 14. fortsetzen. Die letzten
Worte in v. 17, von ti'li^l an, gehören als (richtige) Glosse von
r\b^) zu V. 18; V. 15 folgt auf v. 14. 17; v. 16 enthält wertlose
Rudera aus v. 17. Es wird unterschieden zwischen den fünf Kund-
schaftern, die den Priester in ein Gespräch verwickeln, und den
übrigen Daniten, die inzwischen den Raub ausführen, desgleichen
zwischen dem Wohnhause des Priesters und dem Gotteshause
Michas. — Endlich ist auch 18, 30 vgl. mit 18, 31 eine Inter-
polation. Ein Widerspruch zwischen den beiden Angaben besteht
allerdings nicht, denn es handelt sich um verschiedene Dinge,
nämlich v. 31 um das Ephod Michas, welches nur, solange der
Tempel zu Silo bestand (d. h. bis zum Tode des Eli), zu Dan
aufgestellt war, dagegen v. 30 um das Priestergesclilecht Jonathans,
welches bis zur Zerstörung des Heiligtums durch die Assyrer das
heilige Amt zu Dan in erblichem Besitze hatte. Aber der Anfang
von V. 31 setzt offenbar den Anfang von v. 30 nicht voraus.
Ausserdem datirt die ursprüngliche Aufzeichnung von Kap. 17. 18
gewiss nicht erst aus der Zeit nach dem Untergange Samariens.
Kap. 19—21. 229
10. Ein Anhang ganz anderer Art ist Kap. 19 — 21; er wider-
spricht allem, was wir sonst über die Richterzeit wissen. Wähi*end
sonst überall nur die einzelnen Geschlechter und Stämme oder
wechselnde Verbindungen derselben auftreten, so ist liier Israel
vollkommen centralisii't , ein einheitlicher Automat. Wie Ein
Mann entrüsten sie sich, kommen zu Häuf, beraten und beschliessen,
kämpfen und siegen, weinen und klagen. Nachdem Benjamin
aufgerieben ist, herrscht grosse Trauer, dass nun ein Stamm am
Dutzend fehle und Israel nicht melir vollständig sei, als ob die
Zwölfteilung je praktische Bedeutung und tatsäcliliche Existenz
gehabt hätte. Auch die grossen und genau angegebenen Zalilen
hängen mit dieser Anschauungsweise zusammen: 400,000 Mann
kommen auf die blosse Kunde der Schandtat instinktiv nach Mispha
zusammen, von Dan bis Beerseba und aus dem Lande Gilead;
26,700 Benjaminiten stellen sich ihnen entgegen, ersclilagen am
ersten Tage 22,000, am zweiten 18,000 Mann, sind am dritten
Tage selber noch halbwegs vollzählig, werden aber schliesslich bis
auf 600 allesamt niedergemacht.
Die Einheit Israels ist eine kii'chliche, das handelnde Subjekt
ist die Versammlung des Volkes Gottes (20, 2) oder, wie der ge-
wöhnliche Ausdruck lautet, die Gemeinde; als habe es damals nicht 200
tausende von Sakralvereinigungen, sondern nur eine einzige gegeben,
denn mV im technischen Sinn ist keine politische, sondern eine
sakrale Gemeinde. Es hat alles einen gesalbten, aber nicht pro-
phetisch - ausserordentlichen , sondern gesetzlich - ordnungsmässigen
religiösen Anstrich. Man fühlt sich wie in einer geistlichen Kon-
ferenz, der Gegensatz gegen die höchst natürlichen und frischen
Triebe, die das Volksleben übrigens, und zwar nicht bloss im
Richterbuche, sondern auch in den Bb. Samuelis und der Könige zeigt,
fällt merkwürdio- auf. Voll heilio-en Ernstes will die Gemeinde die
Sünde in iln-er Mitte nicht dulden, und scheut zu diesem Zwecke
den Kampf mit den kriegerischen Benjaminiten nicht, weinend
über die anfänglichen Niederlagen setzt sie ihn auf Gottes Befehl
gehorsam fort, bis sie ihren Beschlüssen Vollziehung verschafft hat.
Obwol sich die Schwerter in den Händen dieser Leute etwas
sonderbar ausnehmen, machen sie doch gründlichen Gebrauch da-
von und lassen aus frommer Konsequenz nichts übrig von allem
was ihnen in die Hände fällt. Dann erheben sie wieder ihre Stimme
und weinen ein grosses Weinen vor dem Herrn, bis sie Mittel und
230 I^fis Buch der Richter.
Wege gefuuden haben, den Schaden — durch abermalige fromme
Grausamkeit 21, 10^12 — wieder gut zu machen. „Vom mosai-
schen Gesetze kommt nichts in unseren Kapitehi vor, aber wer
könnte es verkennen, dass der Geist, welcher seinen Ausdruck ge-
funden hat im Gesetze, die so handelnde Gemeinde erfüllte! Ohne
die Nachrichten von der Gemeinde Israels im Hexateuch würde
unsere Erzählung ganz abgerissen und unverständlich dastehn;
man versuche sie zu verstehn ohne sie. Unser Verfasser klagt
19, 1. 21, 25 über die Unordnung der damaligen Verhältnisse und
wendet sich von den Kriegen innerhalb der Gemeinde ab, um
freudig hinzuschauen auf die Zeit der Ruhe unter königl. Herrschaft.
Freilich, Krieg führte die Gemeinde, einen furchtbaren Krieg
gegen ihr eigenes Fleisch und Blut, aber wo fänden wir unter
den Königen ein so einiges, kräftiges, ernstes, für die höchsten
Güter den schweren Kampf so willig übernehmendes Israel." So
äussert sich treffend Bertheau^). Nicht bloss unter den Königen
sind diese Zustände nicht zu finden, sondern erst recht nicht
unter den Richtern, überhaupt nicht im alten Israel, sondern erst
bei den nach exilischen Juden, wo es kein Volk, sondern nur noch
eine Kirche gab. Wenn jedoch Bertheau fortfährt: „Hätten wir
mehrere Erzählungen ähnlichen Inhalts aus den ersten Jaludiun-
derten des Wohnens Israels in Palästina, manches Rätsel des Pen-
tateuchs würden wir lösen, manche vereinzelte Erscheinung der
israelitischen Geschichte im erwünschten Zusammenhange uns deut-
201 lieh machen können", so ist das eine grosse Undankbarkeit gegen
das Buch der Chronik, wo es ja viele solche Erzählungen giebt.
Übrigens ist es deutlich, dass sich hier im Kleinen die Pentateuch-
frage wiederholt — sie ist auch im Kleinen lösbar.
In Kap. 19 wird der Anlass zu dem heiligen Kriege be-
richtet. Ein Levit vom Norden Ephraims hat seine Kebse Ver-
stössen (mim 19, 2), sie dann jedoch wieder in ilu^er Heimat
Bethlehem aufgesucht und nach langem Schwelgen in ikres Vaters
Hause sich endlich Abends mit ihr auf den Heimweg gemacht, ohne
vor Nacht weiter als bis Gibea zu kommen. Die gottlosen Buben
von Gibea wollen ihm an den Leib, er aber liefert ihnen in der
empörendsten Weise sein Weib aus, die sie zu Tode mishandeln.
Wegen dieser Schandtat nun, die vor allen Dingen seine eigene ist,
^) In der ersten Auflage seines Kommentars p. 213 s. Abgeschwächt in
der zweiten p. 557,
Kap. 19—21. 231
soll ganz Israel zu seinen Gunsten eingeschritten sein? Man be-
urteilt die alten Israeliten zu sclileclit, wenn man glaubt, sie hätten
nicht eher den heiligen Mann gesteinigt als die Rotte von Gibea
gezüchtigt. Die Ursache steht in vollständigem ^lisverhältnis zur
Wirkung, sie kann so erschütternde Ereignisse nicht erklären. Sonst
ist in den Büchern der Richter und Samuelis die Masse ziemlich
unbeweglich, sie lässt sich von den Feinden schinden und plagen
und rafft sich nicht auf, bis einer, dem die Galle überläuft, sich
an die Spitze stellt und sein Geist die Übrigen mit sich fortreisst
— und hier sollte ein vergleichsweise geringfügiger Vorfall eine so
ungeheure Metamorphose des Volkes bewirkt haben? Es hätte doch
wenigstens, nach allen Analogien, ein Einzelner die Seele des Ganzen
gewesen sein müssen; wie können 400,000 Mann so empfinden und
handeln! Aber vor nichts hat unser Erzähler eine so grosse Scheu
wie vor Namen. Keine einzige Person Avird namhaft gemacht, was
doch bei einem solchen, wenn geschichtlich, sich notwendig tief ins
Gedächtnis prägenden Unternehmen Verwunderung erregt'). Auch
in Kap. 19 sind alle Agirenden anonym, sowol der Levit (der nicht
einmal den Namen seiner Stadt weiss, sondern auf Befragen die
äusserste Ecke Ephraims als seine Heimat angiebt 19, 18), als seine
Kebse und iln* Vater, als endlich auch der alte Mann, der vom Gebirge
Ephraim gebürtig und darum (!) ein Fremdling zu Gibea ist. Die 202
scheinbar grössere Lebendigkeit von Kap. ,19, durch die Studer an
Kap. 17. 18 erinnert wird, ist lediglich genremässiger Natur und
ähnlich zu beurteilen wie z. B. die Anschaulichkeit der freilich
sonst ganz unvergleichlichen Geschichte Gen. 24. Die Pointe in
Kap. 19 ist einfache Reminiscenz von Gen. 19, die Übereinstimmung
erstreckt sich bis ins Kleine. Ähnliche Reminiscenzen kommen
öfters vor und nicht bloss in Kap. 19; insbesondere ist die Beschreibung
des Kampfes gegen Gibea Kap. 20 nahezu eine Kopie der Be-
schreibung des Kampfes gegen Ai (Jos. 8). Sonst vgl. 19,27 mit
•) In 20, 27. 28 ist die Parenthese zwischen mn'':i v. 27 und l^^b
V. 28 offenbares Glossem, denn sonst miisste sie bei v. 18 stehn, auch kann
IaOn'? nicht so von DNI^''') getrennt werden. Also fällt Phinehas der Hohe-
priester fort und damit der angebliche Anhalt zur Zeitbestimmung. Ebenfalls
zu streichen ist v. 35 und der erste Satz von v. 36; )2r\^) v. 36 schliesst an
V. 34. Diese Interpolation ist Korrektur zu v. 46 und es ist wahrscheinlich,
dass der erste Satz von v. 36 eigentlich v. 47 einleitet. In v. 46 fallen von den
25700 Benjaminiten (lies 20, 15 nt^^n) 25000 und 600 entrinnen; dableiben
100 übrig, die nach v. 35 auch noch mit gefallen sind.
232 I^as Buch der Richter.
1. Sam: 3, 15; 19, 29 mit 1. Sam. 11, 7; 20, 13 mit 1. Sam. 11, 12;
20, 16 mit 3, 15; 20, 26 mit 2, 4. 5, wo der Ort der gleiche;
20, 45 mit 8, 2; 20, 47 mit 2. Sam. 2, 25; 21, 15 mit 2. Sam. 6, 8.
Audi die Sprache dieser Kapitel weicht von der gewöhnlichen
der geschichtlichen Bücher ab und enthält manches Spätere. Zu
■ 20,13 n-iyn.: vgl. Deut. 13,6. 17,12. 22,22; zu 20,6. nbüJI noT
Lev. 18,17. Deut. 22,21. Besonders finden sich manche Aus-
drücke die dem Priestercodex und der Chronik eigentümlich sind,
z. B. -iDi und "1 2.22^12 21, 11. 12, b in Ansehung von 21, 12,
□^1^0 ^\L': 21, 23 (statt npb^ nur in der Chronik), yn:i :i^V^r2 20, 33
(nur in der Chronik), n.-in ?)V^ 20, 1. 15. 17. 25. 35. 46; wozu noch
die beständigen Zahlangaben kommen, grade wie im Priestercodex
und in der Chronik. Völlig unhebräisch ist der Ausdruck nW^n
nn^^:r\ 20,4 und Dnün "ihn ^\ND 20, 11, ebenso Verstössen gegen
den alten Sprachgebrauch die Asyndeta 20, 43 und die poetischen
Wendungen D.nyb 19, 9, b.sn^"' p'pni .""nt^ 20, 6, n'':^, 20, 33 (quoll
hervor lob. 38, 8), DPD ^^V (die Männerstadt lob. 24, 12). Hiezu
füge man 19, 16 „die Bewohner von Gibea waren Benjaminiten",
21, 19 „Silo im Norden von Bethel östlich von der Strasse, welche
von Bethel nach Sichem führt", 19, 12 „die Stadt der Jebusiter,
Ausländer, welche nicht zu den Kindern Israel gehören", 21, 12
„das Lager von Silo im Lande Kanaan" — Erklärungen, bei denen
man im Zweifel ist, ob sie aufrichtig gemeint sind oder einen
Schein der Altertümlichkeit (wie in Gen. 14) erwecken sollen.
Man wird zweifeln düi'fen, ob füi^ Jud. 19 — 21 überhaupt ein
historisches Faktum zu Grunde liegt. Irgendwelche Nachwirkung
in der Geschichte hat dasselbe jedenfalls nicht geäussert, denn
hernach ist grade Benjamin der Mittelpunkt, von dem die Neu-
schöpfung Israels zu einem einigen Yolk und Königreich ausge-
gegangen ist — ausserdem fehlt im Segen Jakobs jede Andeutung,
dass dem jüngsten und kleinsten, aber zugleich edelsten Stamme
einst die Gefahr , der Simeon und Levi erlegen sind , so nahe ge-
203 wesen ist. Unsere Erzählung scheint nicht auf naiver Überlieferung
zu beruhen, sondern künstlich zurecht gemacht zu sein. Die her-
vortretenden Orte sind fast lauter solche, die in der Zeit der
Genesis des Königtums historisch bedeutsam gewesen sind. Gibea
war die Heimat Sauls, von dort erliess er das gleiche Aufgebot
wie der Levit 19, 29. Unter dem Heere befanden sich die Jabe-
siten nicht, denn sie wm'den von den Ammonitern belagert. Wie
Kap. 19—21. 23B
in Kap. 21 Benjamin durch Jabes und Silo in seiner Existenz
als Stamm erhalten wird, so ging von Silo die Vorbereitung des
Königtums, der historischen Tat des Stammes Benjamin, aus, und
die Befreiung der Stadt Jabes war der direkte Anlass zur Erhe-
bung Sauls. Die Beziehung yon Gibea zur Bethlehemitin, wie
sie in Kap. 19 sich findet, könnte an Sauls Verhältnis zu David
anklingen, vgl. die 16 Monate 19, 2 mit 1. Sam. 27, 7. Mispha
als gegebener (20, 1) Centralpunkt der Gemeinde ist lediglich Sub-
stitut des noch nicht vorhandenen Jerusalems, wie nach Hierem.
40, 6 SS. auch 1. Sam. 7, 5ss. und 1. Macc. 3, 46 ss. Aber die
historischen Elemente, die hier benutzt sein mögen, sind in einer
"Weise combinirt, deren Sinn wir nicht zu erraten im Stande sind;
nur dass der jüdische Hass gegen die vordavidische Hegemonie
Benjamins dabei im Spiel gewesen ist, scheint klar. Möglicher-
weise nimmt unsere Erzählung von Os. 10, 9 ihren Ausgang-^).
Wenn übrigens die gänzliche Artverschiedenheit von Jud. 17. 18.
und Jud. 19 — 21 hiernach ausser allem Zweifel steht, so folgt,
dass die Wendung bxit^n l^bü ]\S' Dnn D''D^'2. 17, 6. 18, 1. 19, 1.
21, 25 erst von einer nachträglichen Redaktion in beiden Stücken
durchgefühi't ist.
Anhang: Das Buch Ruth 204
enthält die Geschichte von der Moabiterin Ruth, die nach ihres in
Moab weilenden Mannes Tode aus Anhänglichkeit zu ihrer Schwieger-
mutter Noomi mitzieht nach deren Heimatsorte Bethlehem und
durch ihre Heirat mit Boaz die Stammmutter Davids wird, dessen
Genealogie zum Schlüsse 4, 18 — 22 mitgeteilt ist. Weil diese Ge-
schichte in die Richterzeit fällt (1, 1) wird sie seit alters als Anhang
zum Richterbuch behandelt. Die bei Josephus contra Apion. 1, 38
und mehrfach bei Kirchenvätern sich findende Zählung: von 22
^) Sicher wenigstens nimmt nicht umgekehrt der Prophet Eücksicht auf
Jud. 19 SS. Denn die dort erzählte Schandtat kann doch nicht dem ganzen
Yolke zur Last gelegt werden, im Gegenteil ist das Benehemen Gesamtisraels
bei dieser Gelegenheit untadelhaft. Ausserdem hat jenes Ereignis in keiner
Weise Epoche gemacht, so dass von da ab die Sünde Israels gerechnet werden
könnte. Es bleibt nur übrig sich dem Verständnis des Targiims anzuschliessen,
wonach die Tage Gibeas (Os. 10, 9) zu verstehn sind von der Erwählung
Sauls. Dies ist durchaus im Sinne Hoseas, der es beständig als gleichmässige
Felonie in Parallele stellt, dass Israel 1) andere Götter und 2) andere Könige
dem Jahve an die Seite setzt.
234 I>as Buch Ruth.
(statt 24) Bücliern des A. T. fasst Eutli und Richter zusammen.
Aber in unserem hebräischen Kanon steht die Erzählung unter den
Hagiographen , und dass dies das Ursprüngliche ist, folgt daraus,
dass eine Versetzung von dort her sich sehr avoI, nach dort hin
aber sich nicht erklärt, dass also diese Stellung (so gut wie die
des Daniel) historische Gründe haben muss, welche nur darin liegen
können, dass der Kanon der Propheten bereits abgeschlossen war,
als Ruth recipirt wurde. Ausserdem hat die Zahl 22 den Verdacht der
Künstlichkeit gegen sich, weil sie mit den Buchstaben des Alphabets
übereinkommen soll und nicht bloss die Zusammenfassung von Ruth
und Richter, sondern auch von Klagelieder und Jeremias nötig macht.
Auf eine späte Abfassungszeit führt nicht bloss das antiqua-
rische Interesse an dem Verfahren bei der Leviratsehe 5, 1 — 12
(v. 7), einer Sitte, die noch zur Zeit des Deuteronomiums lebendig
gewesen sein muss'), sondern auch die Sprache: D^lODt^'H ü^\l/ *'ü''^
1, 1, n:nnCT jn'? und n::vr) ]rh 1, 13, ^-t^' 1,20. 21, n'^pü y^)
2, 3, der Gruss 2, 4, r\)b:^,r2 3, 4. 7. 8. 14, D^p 4, 7 und andere
Erscheinungen^). Wenn ferner das Buch der Richter einen zu-
verlässigen Eindruck von der Periode giebt, über die es handelt,
so ist dies Idyll vollständig unhistorisch. „Lässt man auch den
von wilden Elementen bewegten Vordergrund (der Richterzeit) zu-
rück und den Hintergrund divinatorisch hervortreten, so wird man
darin doch keineswegs ein so gesittetes und religiöses Leben ent-
decken, wie die Schilderungen des Buches Ruth vermuten lassen."
Das wichtigste Merkmal der Zeit ist aber die Genealogie Davids.
Wie in 1. Clii'on. 2 wird über Isai Obed Boaz auf Salma zurück-
gegangen. Salma nun ist deswegen der Vater Davids, weil er der
Vater Bethlehems (und anderer Städte der Landschaft Ephrath)
205 ist (1. Chron. 2, 54). Aber Salma ist der Vater Bethlehems nach
dem Exil. Er gehört nämlich zu Kaleb Abi Hur, und wenn irgend
etwas gewiss ist, so ist es das, dass in der alten Zeit die Kalibäer
im Süden und nicht im Norden Judas wohnten und dass speciell
^) Deut. 25, 5 — 10. Vgl. allerdings dagegen schon Lev. 18, 16. 20, 21.
2) Sehr auffallend ist auch Noomi, Femininum zu Nooman, als Name
eines Weibes aus Bethlehem in yordavidischer Zeit. Man könnte nach dem
Arabischen erklären (Nu' man Nu'mä, Ewald gramm. arab. I § 287), oder
vielleicht besser nach dem Aramäischen, wo ochorän ochori eine vollkommene
Parallele zu Nooman Noomi abgiebt. Im Hebräischen wird bekanntlich das
schliessende Tau bei den Femininendungen auf it und üt niemals abgeworfen.
Meine Huld bedeutet Noomi o-ewiss nicht.
Kap. 1—4. 235
David durch seine Geburt nicht zu ihnen, sondern viehneln- zu
dem älteren Teile Judas gehörte, der gegen das eigentliche Israel
gravitirte und mit Benjamin in nächster Verbindung stand. Von den
übrigen Gliedern der Genealogie sind Nahson und Amminadab die
Fürsten Judas im Priestercodex, die passend als die Ahnen ihres Nach-
folgers angesehen werden; Ram aber ist der Erstgeborene des Erst-
geborenen Hesrons (1. Chron. 2, 25) und auch durch die Bedeutung
seines Namens (der Hohe) wie Abram zum Ausgangspunkte der
fürstlichen Linie qualificirt. Das Buch Samuelis weiss nur von
Davids Vater Isai, während dagegen Sauls Geschlecht höher hinauf
verfolgt wird und kein Grund war, dies bei seinem berühmteren
Nachfolger zu unterlassen. Vgl. meine dissertatio de gentibus et
familiis ludaeis (1870) p. 17.
Die Erzählung sieht es keinesfalls darauf ab, die Levii*atsehe
zu empfehlen, die vielmehr nur als ein interessantes Stück Alter-
tum behandelt wii-d. Vielmehr scheint der genealogische Zweck
die Hauptsache zu sein und dabei wiederum die Pointe (deren
historischer Anhalt in 1. Sam. 22, 3 zu suchen ist) dies, dass das
vornehmste Geschlecht in Israel von einer moabitischen Proselytin
abstammt. Aus diesem Grunde schliesst Kuenen (Onderzoek^ I
p. 212. 214), dass das Buch Ruth vor der Reformation Ezras und
Nehemias (ungefähr 444 v. Ch.) gesclnieben sein müsse, wodurch die
Heiraten mit fremden, auch moabitischen Weibern auf das streng^ste
untersagt wurden. Aber auf die Weise könnte man am Ende die
Abfassung in der vordeuteronomischen Zeit ansetzen, was sicher
unrichtig ist.
II. Das Buch Samuelis. 206
Wähi'end das Buch der Richter einzelne Erzählungen enthält,
welche nicht pragmatisch zusammenhangen, wird mit dem Buch
Samuelis der Geschichtsfaden fortlaufend und, wenngleich vielfach
sehr dünn, reisst er doch nicht ab bis zum Schluss des Buches der
Könige. Die durch das Königtum bewirkte Centralisirung hat dem
Volke ein politisches Gesamtb ewusstsein und Simi für seine Ge-
schichte gegeben. Aber einheitliche schriftstellerische Konceptioneu
sind die Bücher Samuelis und der Könige dennoch nicht, vielmelu"
ebenfalls Kompilationen aus verschiedenen Quellen. Wie in den
Bb. der Richter und der Könicre ist auch im Buch Samuelis die
236 Das Buch Samuelis.
ScHussredaktion naclideiiteronomiscli ; jedoch ist dieselbe hier bei
weitem nicht so konsequent und systematisch durchgeführt wie dort.
Es ist darum besser, gleich mit der Untersuchung der einzelnen
Abschnitte vorzugehn und erst zum Schluss von der Redaktion zu
handeln.
Eli, Samuel, Saul. 1. Sam. 1 — 14.
1. Bei der Jugendgeschichte Samuels 1. Sam. 1 — 3 ist die
Erzählung zu Anfang unvollständig, denn wenn 1, 3 gesagt wird:
dort waren die beiden Söhne Elis Priester, Hophni und Phinehas,
so gilt Eli selber als bekannt und es muss schon früher von ihm,
von seiner Stellung am Tempel zu Silo und seinem Yerhältnis zu
Israel, die Rede gewesen sein. Die Septuaginta hat den Anstoss
durch Korrektur beseitigt, indem sie liest: dort waren Eli und seine
beiden Söhne Priester.
Silo gilt hier als der Mittelpunkt Israels in der das Königtum
negativ vorbereitenden Periode; aber nur im üntergehn wdrd dieser
Mittelpunkt vorgeführt, um denjenigen dazu in Beziehung zu setzen,
der aus dem untergegangenen alten zu einem neuen Zustande hin-
überfüln'te. Samuel, aus der später Ramathaim (Sept. und MT 1, 1
vgl. 1. Macc. 11, 34. Marc. 15, 43. Joh. 19, 38) genannten Stadt
Rama in der unweit der benjaminitischen Grenze gelegenen südwest-
207 liehen Landschaft Epliraims gebürtig, wird als kleiner Knabe von
seiner Mutter zum Priester (keineswegs zum Nazir) geweiht, dient
mit dem Priesterornat bekleidet (2, 18. 19) unter der Aufsicht
Elis (2, 11. 3, 1, wie Num. 3, 4) am Heiligtum zu Silo und schläft
als Aedituus im Tempel bei der Lade Gottes 3, 3. Er ist der
wählte von Jahve bestimmte Erbe Elis und wird als solcher dessen
leiblichen Erben entgegengesetzt 2, 11. 18 — 21. 26, welche letzteren,
weil sie das Opfer Jahves in Verachtung bringen, den LTntergang
Silos und des dortigen Priestertums verschulden, dessen geistige
Bedeutung füi- Israel dann durch Samuel in viel höherem Sinne
aufgenommen und fortgesetzt wird. Passend ist es Samuel selbst,
dem zum Schluss in Kap. 3 die göttliche Offenbarung über den
drohenden Sturz des Alten zu teil Avird, aus dessen Ruinen er dann
das Neue vorzubereiten berufen ist.
Zwei spätere Einsätze grösseren Umfangs lassen sich in
Kap. 1 — 3 erkennen. Der Psalm der Hanna 2, 1 — 10 handelt von
ganz anderen Dingen als die in die Situation passen, und ist gar
1. Sam. 1—6. 237
keine dem Zusammenhange sich anfügende Ergänzung, sondern eine
fremdartige und späte Interpolation. Anders steht es mit der
Drohung des prophetischen Anonymus an Eli 2, 27 — 36. Dies ist
ein zur Sache sprechender Nachtrag aus weit früherer Zeit, der
jedoch schwerlich älter ist als das Deuteronomium und die Refor-
mation des Josia (621 v. Chr.). Man erkennt dies schon aus der
Sprache (-[r^^mx n.nisbi "]^:^y nx m^Db 2, 33 und nnDN vxb t^'w
als Transitivum von t2^\S "|7 H'ID'' nS), aber weit mehr aus dem
Inhalte. Es wird, von einem spezifisch judäisch -jerusalemischen
Standpunkte aus, der sonst in Kap. 1 — 3 sich nicht geltend macht,
herabgesehen auf eine lange Dauer der Davidischen Dynastie,
welcher, in gleich ununterbrochener Succession, das Priestertum
„eines festen Hauses" zur Seite geht. Auch wenn 1. Reg. 2, 27
nicht wäre, würde es nicht möglich sein, die Worte: ich will mir
einen verlässigen Priester erwecken, der nach meinem Herzen handeln
wird, und will ihm ein verlässiges Haus gründen, das vor meinem
Könige allezeit wandeln soll (2, 35) — anders zu verstehn als von
dem Geschlechte Sadok, das seit Salomo ununterbrochen den
heiligen Dienst am königlichen Tempel zu Jerusalem inne hatte;
die Deutung auf Samuel, die allerdings, wenn 2, 26 — 36 in wahrem
Zusammenhange mit Kap. 1 — 3 stünde, angezeigt wäre, ist durch
das feste Haus, das alle Tage im Dienste des Gesalbten Jahves das
Priestertum besitzen werde, ganz unmöglich gemacht. Silo wird wie
bei Jeremias (7, 12. 26, 6) als Vorgängerin Jerusalems aufgefasst,
weil es die alte Stätte der Lade Jahves war; das Haus Elis ist
dasjenige, dem alle Opfer der Kinder Israel gegeben sind (2, 28);
die Centralisation des Opferdienstes, welche in Jerusalem seit dem
Fall Samariens angebahnt und durch Josia Gesetz geworden ist, 208
wird wenigstens der Theorie nach in die graue Vorzeit übertragen.
Darnach ist es auch gar nicht unwahrscheinlich, dass 2, 36 auf die
nicht zur jerusalemischen Priesterschaft gehörigen Leviten geht,
welche durch die Abschaffung der Höhen ausser Dienst gesetzt und
gezwungen wurden, sich den Söhnen Sadoks, den Emporkömm-
lingen aus der Zeit Salomos (1. Reg. 2, 35), unterzuordnen und
von ilu'er Gnade zu leben. — Abgesehen hiervon ist es übrigens
an sich klar, dass die vorausgehende Drohung 2, 27 — 36 der fol-
genden 3, 2 — 18, worin viel passender das als das Wesentliche
gilt, was 2, 34 nur als das Zeichen verkündigt wird, die Luft
raubt, die Pointe vorwegnimmt und ilii'en Eindruck auf Eli ver-
238 ^^^ ß^ch Samuelis.
niclitet, der ja dann schon alles und nocli viel mehr zum voraus
weiss. Ausserdem sind alle anonyme Männer Gottes (2, 27) stets
ad hoc eingeschoben, um ihren Spruch zu sagen und dann wieder
zu verschwinden.
Kleinere Interpolationen, die in der Septuaginta fehlen oder
ganz anders lauten, sind 2, 22 b und 3, 20. 21. 4, 1 (bis zum
Athnach), ausserdem einige Sätze in 2, 31 — 33.
2. Während ohne Zweifel die Kapp. 1 — 3 im Hinblick auf
Kap. 4 geschrieben sind, und ohne dasselbe des Abschlusses ent-
behren würden, ist es nicht so sicher, dass die Kapp. 4 — 6 die
Erzählung von Kap. 1 — 3, in ihrer uns vorliegenden Gestalt, vor-
aussetzen. Die Lade Gottes, um die sich hier alles dreht, ist dort
nur emmal und ganz beiläufig erwähnt; die Person Samuels aber,
die dort im Mittelpunkte steht, ist hier (vgl. besonders 4, 4 mit
3, 3 und 1, 3) verschwunden^). Es hängt damit ein anderes Mis-
verhältnis zusammen. Nämlich nach Kap. 1 — 3 wüi'de das Familien-
unglück Elis als die Hauptsache in Kap. 4 hervortreten müssen,
aber in der Tat ist dies hier nur begleitende Folge des eigentlichen,
ganz Israel treffenden Hauptschlages, und der besteht in der
Gefangennahme der Lade durch die Philister, welche in Kap. 4 — 6
krasser wie sonst im A. T. mit Jahve selber gleichgesetzt wird
(4, 18 SS. 5, 3 SS. 6, 8. 9) und sichtlich ganz etwas anderes ist
als ein blosser Kasten für die Gesetzestafeln. Obendi'ein wird das
Geschick der Lade gar nicht ausschliesslich, wie man nach Kap. 2. 3
erwarten sollte, unter den Gesichtspunkt der Katastrophe gestellt,
sondern eigentlich mehr unter den des Triumphes des Gottes Israels,
209 der den Philistern und ilii"em Gott ebenso übel mitspielt wie einst
den Ägyptern, die ihn auch glaubten zurückhalten zu können^).
In sprachlicher Hinsicht darf man vielleicht einigen Wert darauf
legen, dass in Kap. 1 — 3 fast nur Jahve gesagt wird, dagegen in
^) In Kap. 4 — 6 haben wir Geschichte, in Kap. 1 — 3 ein bedeutsames
Idyll. Was von solchen Jugendgescliichten historisch zn halten ist, weiss man:
Samuels Kindheit liegt in hellem und charakteristischem Lichte, darnach schlägt
das Dunkel über ihm zusammen und er erscheint wieder als alter Mann, der
in Saul den Mann der Zeit erkennt und seine Autorität als Seher für ihn in
die Wage wirft.
^) In 4, 8. 6, 6 finden sich Beziehungen auf die jehovistische Erzählung
im Exodus.
1. Sam. 7. 239
Kap. 4 — 6 ebenso oft Elohim. Allerdings ist ausserhalb des Pen-
tateuchs auf treue Erhaltung des ursprünglichen Textes in solchen
Dingen nicht zu rechnen; doch wird man a potiori immerhin vor-
sichtige Schlüsse machen können.
Der Redaktion gehört an der letzte Satz von 4, 18, wozu viel-
leicht 4, 15 (fehlt in Sept., teilweise schwer zu vereinigen mit
n^liC V. 13) in Beziehung steht. Glossen verschiedenen Ursprungs
sind 4, 21b. 22; ferner 6, 5 a (bis VimTi^) und 6, 17. 18 a (bis
zum Athnach); endlich 6, 15 (bis mby )bvn = ^^b rhv )bvn v. 14)
und teilweise 6, 19.
3. In 7, 2 — 17 tritt Samuel wieder auf, aber erst nach einem
Zeitraum von 20 Jahren der Philisterherrschaft 7, 2. Da bekehrt
sich das Yolk vom Götzendienst, der Schuld, die wie im Richter-
buche als selbstverständliche Ursache des Unglücks vorausgesetzt
wird, hält auf Samuels Anordnung ein grosses Fasten zu Mispha,
und als die Philister gegen die Betversammlung zu Felde ziehen
und diese ängstigen, werden sie, auf Samuels Opfer und Gebet, von
Jahve in panischen Schrecken gesetzt und von den Israeliten weit-
hin verfolgt, worauf Samuel den Stein Ebenhaezer bei Mispha auf-
richtet als Zeugen dafür, dass Jahve geholfen. „Die Philister aber
wurden gedemütigt und kamen nicht wieder ins Gebiet Israels,
und Jahves Hand war wider sie alle Tage Samuels, und die
Städte, welche die Philister erobert hatten, kamen wieder zu Israel."
7, 13 s.
Abgesehen von der inneren Unwahrscheinlichkeit dieser Legende
widerspricht sie vollkommen dem, was wir von der Folgezeit wissen.
Da ist nämlich die Philisterherrschaft nicht beseitio-t sondern drückend
vorhanden; sie gerade bewirkt die Zusammenfassung der bis dahin
zersplitterten Kräfte Israels zum Königtum, der Kampf gegen sie
ist der eigentliche Zweck, zu dem Saul gesalbt und gewählt wurde.
Was 1. Sam. 7 dem Samuel zugeschrieben wird, war in Wahrheit
das Verdienst Sauls und Davids.
Nach 7 , 2 — 4 — welche Verse von v. 5 ss. unablösbar sind —
haben wir es mit einem nachdeuteronomischen Schriftsteller zu tun.
Dazu stimmt der geistliche Ton v. 5 — 10, das allgemeine Fasten
(Jud. 20, 26) zu Mispha, der Stellvertreterin Jerusalems. Dass an
der Mehrheit der Altäre kein Anstoss genommen wird (7, 17),
entspricht dem Grundsatz 1. Reg. 3, 2, wonach bis zum Tempelbau
Salomos die Höhen erlaubt waren: die Vorstellung der Stiftshütte
240 I^as Buch Samuelis.
210 als vorsalomonischen Centrallieiligtiims ist noch unbekannt.
Auch der Ritus (v. 6. 9) erweist die Unbekanntschaft mit dem
Priestercodex.
Zu den Philisterkämpfen, welche die ganze Regierung Sauls
und den Anfang der Regierung Davids ausfüllten, mangelt jetzt
eine entsprechende Darlegung ihrer Voraussetzung, nämlich der seit
Elis Tode datirenden Philisterherrschaft; wir wünschen zu wissen,
wie der philisthäische Statthalter zu Gibea, mit dessen Erschlagung
Jonathan das Signal zur Erhebung gab (13, 3), dorthin gelangt, Avie
der 13, 19 ss. bescluiebene Zustand eingerissen, wie es gekommen
ist, dass Silo, bis dahin das Centrum Israels, plötzlich seine Be-
deutung verloren hat und die dortige Priesterschaft nach Nob (bei
Jerusalem) übergesiedelt ist. Es lässt sich vermuten, dass dies
alles die Folge der 1. Sam. 4 erzählten Schlacht war; aber es ist
nicht in der Ordnung, dass man das nur vermuten kann. Es muss
ursprünglich gesagt sein und zwar wol an der Stelle, die jetzt
Kap. 7 einnimmt. Es fällt nämlich auf, dass der Ort, wo Samuel
siegt, von ihm Ebenhaezer genannt wii'd. Nach 4, 1 bestand dieser
Name schon früher, und es war der Name eben des Ortes, wo die
entscheidende Niederlage der Israeliten statt fand (angeblich bei
Mispha, in der Tat in der Ebene Saron). Also ist Kap. 7, wie es
scheint, eine an die appellative Bedeutung von Ebenhaezer ge-
knüpfte ümdichtung einer ursprünglich an die Niederlage von Eben-
haezer angeschlossenen Erzählung über die Niederwerfung von
Joseph und Benjamin durch die Philister. Yiell eicht hat noch der
Prophet Jeremias die Zerstörung des Tempels zu Silo, die damals
stattgefunden haben muss (1. Sam. 22, 6 ss. Hier. 7, 14. Am. 5, 5.
1. Reg. 12, 29), an dieser Stelle vorgefunden. Denn daraus, dass
er 19, 3 die Worte 1. Sam. 3, 11 anwendet auf die Zerstörung
des Gotteshauses in Jerusalem — vgl. ähnlich 2. Reg. 21, 12. 13
— wird es wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass ihm die Stadt
Jerusalem als rechtmässige Erbin von Silo und ilir Schicksal in dem
der Vorgängerin vorgezeiclmet* erscheint, dass er 1. Sam. 3, 11
nicht auf den blossen Untergang des Hauses Eli, sondern auf den
des alten Jahvesitzes in Silo bezogen hat. Das konnte er aber
nicht, wenn ihm 1. Sam. 4 — 7 nichts Weiteres vorlag, als was uns
jetzt vorliegt.
4. Geschichte Sauls Kap. 8 — 14. Über die Weise wie er
König geworden, haben wir zwei Versionen. Die eine knüpft an
1. Sam. 4—7. 241
Kap. 7 an und ist in Kap. 8. 10, 17 — 27 [Kap. 11 und] Kap. 12
enthalten. Nach Zerbrechung des Jochs der Pliilister führte Samuel
von da ab ein ruhiges und glückliches Regiment, bis in sein Alter,
wo seine ihm beigeordneten Söhne das Richteramt nicht gut ver-
walteten. Das nalimen die Ältesten Israels zum Anlass, sich von
ihm, dem Stellvertreter Jahves, einen König zu erbitten; es war 211
aber nur ein Vorwand füi* ihr Gelüste, die göttliche Herrschaft ab-
zuschütteln und zu werden, wie die Heiden. Samuel, höchst auf-
gebracht über die Undankbarkeit, wird von Jahve erinnert: „sie
haben nicht deine sondern meine Herrschaft verschmäht", und an-
gewiesen dem Yolk zu ^\^llen zu sein. Nachdem er vergebens
durch eine Schilderung der Schattenseiten des menschlichen König-
tums die Ältesten von iln-em Plane abzubringen gesucht hat, be-
ruft er 10, 17 eine Volksversammlung vor Jahve nach Mispha.
Dort wird um den König gelost und Saul getroffen, worauf Samuel
noch das Königsgesetz sclu*eibt und es vor Jahve deponirt. Dann
geht man nach Hause und alles bleibt beim Alten. Wirklicher
König wird Saul erst in Kap. 11, nachdem er sich durch die Be-
freiung der Stadt Jabes von den Ammonitern erprobt hat. Darauf
wird ihm zu Gilgal „das Königtum erneuert" 11, 14, und nun erst
tritt ihm Samuel in langer feierlicher Rede die Regierung ab Kap. 12.
Dass Kap. 11 in diese Version aufgenommen ist, erhellt nicht
bloss aus 12, 12, sondern auch aus 11, 12. 13 vgl. mit 10, 27, und
aus 11, 14 Win^' Aber noch viel klarer ist es allerdings, dass
Kap. 11 nicht ursprünglich füi' diesen Zusammenhang berechnet ist.
Denn von den Kriegsmännern, die Saul nach 10, 26 begleitet haben
sollen, merkt man 11, 1 ss. nichts; die Boten von Jabes kommen
nicht seinetwegen nach Gibea; in v. 5, wo der vermeintliche König
mit den Rindern vom Pflügen zu Hause kommt, wird gar nicht
getan, als gehe ihn die Botschaft näher an als andere: niemand
teilt sie ihm mit, er muss sich nach der Ursache des allgemeinen
Weinens erst erkundigen. Nicht ki'aft seines Amtes als König,
sondern in der Autorität des Geistes bietet er den Heerbann Israels
auf und findet begeisterten Gehorsam. Erst nachdem er seine Kraft
gezeigt und die Ammoniter geschlagen hat, wird er 11, 15 vom
A^olk zum Könige gemacht — die Erneuerung des Königtums
V. 14 ist eine höchst durchsichtio'e Naivetät des Verfassers von
Kap. 8. 10, 17 — 27. Kap. 12, der auf diese Weise das ältere Stück
Kap. 11 seiner Version einverleibte.
Wellhaus'eu, Comp. d. Hexateuchs. 3, Aufl. \Q
242 ^^^ Buch Samuelis.
Der Ziisammenliang, worin 1. Sam. 11 ursprünglich stand —
die Notwendigkeit von Prämissen folgt aus dem Anfang: und etwa
nach einem Monat (Sept.) zog Nahas 10, 27. 11, 1 — ist die
andere Version über das Königtum Sauls 9, 1 — 10, 16. Hier ist
Samuel ein Seher "), in Rama angesehen, aber darüber hinaus nicht
212 weit bekannt 9, 6 ss., nicht der theokratische Herrscher über Israel,
der das Volk aus der Knechtschaft der Philister erlöst hat. Die
Fremdherrschaft lastet vielmehr auf Israel und Samuel ist es, der
sie am tiefsten empfindet, im Königtum die Rettung erblickt und
nach der Persönlichkeit ausschaut, die seinen Gedanken verwirk-
lichen kann. Zufällig wird er von Saul, einem edlen Benjaminiten
aus Gibea, der Residenz des Philister vogtes, aufgesucht und erkennt
durch göttliche Inspiration in ihm sogleich den Mann der Zeit.
Wie Elisa dem Hazael, so setzt Samuel kraft seiner Autorität als
Seher dem Saul in den Sinn, er sei von Jahve ausersehen zum
König und Helfer Israels. Weiter tut er nichts, ihn zu seinem
„Nachfolger in der Regierung" (wie Kap. 8. 12) zu ernennen, steht
nicht in seiner Gewalt; nur die Mahnung giebt er ihm mit auf den
Weg: wenn Gelegenheit zu handeln komme, so solle er sie in dem
Bewusstsein brauchen, dass Gott mit ihm sei. Auf dem Heimwege
durch das Eintreffen dreier Zeichen von der Zuverlässigkeit der An-
kündigung versichert kommt Saul nach Gibea, und obwol durch
sein seltsam verändertes Wesen (10, 10) den Leuten auffallend,
verrät er zu Hause (nn''!in st. n?3Iin 10, 13) doch keinem, was
ihm Samuel gesagt, sondern bestellt nach wie vor den Acker. Aber
etwa nach einem Monate, als die Jabesiten, unter der Bedingung
sich alle das rechte Auge ausstechen zu lassen, sich binnen sieben
Tagen dem Ammoniter ergeben wollen, zuvor aber noch, mit der
höhnischen Erlaubnis des Belagerers, ihre Landsleute zur Hilfe auf-
bieten, da überfällt, während alle anderen weinen, den Saul der
^) In der Glosse 9, 9 wird Seher als identisch mit Nabi gefasst, aber nicht
im Sinne unseres Verfassers, der auch Nebiim kennt und erwähnt, darunter
jedoch bandenweis auftretende religiös-patriotische Bacchanten versteht, deren
Raserei ansteckend wirkt. In 19, 18 — 24 erscheint zwar Samuel an der Spitze
eines solchen ekstatischen Haufens, aber die dortige Erklärung des Sprich-
worts widerspricht der hier (10, 11) gegebenen, und es ist nicht zweifelhaft,
dass hier der Seher oder Mann Gottes von den Nebiim deutlich unterschieden
wird. Nabi ist kein hebräisches Wort (dies ist wichtiger als alle Etymologien)
und ursprünglich wol auch, grade in der ältesten Anwendung für pluralische
Ekstatiker, keine hebräische Sache. Vgl. Kuenen, de profeten 2, 322 — 330.
1. Sam. 8—14. 243
Geist Jahves; er hcat von jener Unterredung her den Stachel im
Herzen und eingedenk der Mahnung des Sehers tut er, was seine
Hand findet. Der Erfolg ist überraschend; der Yorhersagung Samuels
gemäss, aber auf die natürlichste Weise von der Welt, mrd Saul
König von Israel.
Man fühlt sich wie aus der Judenschule in die freie Luft ver-
setzt, wenn man von jener ersten zu dieser zweiten Erzählung,
deren Ähnlichkeit mit Jud. 6 schon p. 227 hervorgehoben ist^
übergeht. Sie allein hat historischen Wert, wenn gleich materiell
nur in dem darum auch in die andere Relation übergegangenen
Kap. 11; doch ist auch von 9, 1 — 10, 16 jedenfalls die charakte-
ristische Verbindung des Kriegers mit dem inspirii*enden Seher fest- 213
zuhalten (Jud. 4. 5. 2 Reg. 8, 13. 9, 3); und nur die idyllische
Form der Begegnung und die Vorstellung, als sei Saul, dem von
Anfang an Jonathan zur Seite stand (13, 2), damals noch ein nicht
ganz mündiger Haussohn gewesen, ist aufzugeben. Die andere
Relation macht aus dieser primären, von der sie abhängig ist (ausser
Kap. 11 vgl. 10, 23 mit 9, 2) bis zum Widerspruch gegen sich
selber (12, 12), heilige Geschichte' nach dem späteren Geschmack,
indem sie das Los an Stelle der Motive setzt und den die Zukunft
kündenden Seher in den Reichsverweser Jahves verwandelt, der
auf die Bitte der Ältesten die Reo-ieruno; an einen mehr oder weniofer
von ihm selbst ernannten König abtritt. Sie steht im engsten Zu-
sammenhange mit Kap. 7 (Mispha 10, 17. 7, 5), und ist gleich-
falls nachdeuteronomisch. Vgl. die Entwicklung des grundgesetz-
lichen Schemas der theokratischen Geschichte 12, 7 — 25, den Rück-
blick auf das deuteronomistische Richterbuch v. 9 — 11 und die Aus-
di'ücke V. 20 — 25. Es ist darum nicht unwalu'scheinlich, dass mit
nd^t^il nsti^D 10, 25 das Königsgesetz des Deuter onomiums gemeint
ist, welches dort (17, 14 — 20) jedenfalls erst nachgetragen ist. Die
Abfassung von 1. Sam. 8 mit Zubehör ist schwerlich in eine Zeit
zu setzen, wo noch das judäische Königtum bestand. Denn zwar
hat schon der Prophet Hosea ähnliche Gedanken über den Wert
des menschlichen Königtums geäussert, aber er hatte Nordisrael
vor Augen und scluieb angesichts des Untergangs Samariens; da-
gegen hat in Juda, solange das Reich Davids bestand, keine solche
Anschauung in ii'gend welchen Kreisen bestanden, und darüber
kann kein Zweifel sein, dass alle deuteronomistischen Erzählungen
spezifisch jüdisch sind.
16*
244 Das Buch Samuelis.
Kap. 13 und 14 setzen die genuine Version über König Saul
fort und brino-en sie zum Abschluss. Allerdings ojehört 13, 1, ein
in der Septuaginta fehlender Vers, erst der chronologischen Redak-
tion an, aber 13, 2 schliesst unmittelbar an 11, 15. Die Königs-
wahl an sich und deren durch die Erschlagung des Philistervogtes
klar gewordene Bedeutung veranlassen die Philister mit Heeres-
macht gegen den Herd des Aufstandes vorzurücken. Sie lagern
bei Michmas, nur durch eine schwer zu passirende Schlucht von
dem gegenüber liegenden Gibea getrennt; von da aus verbreiten
sie sich in drei Haufen verwüstend über das Land und lassen bloss
eine kleine Abteilung bei der Schlucht auf Wache. Ohne jemandes
Yorwissen nun klettert Jonathan mit seinem Waffenträger auf
Händen und Füssen an der steilsten Stelle der Schlucht herunter
und wieder hinauf, und steht plötzlich in Waffen vor den erstarrten
Vorposten der Feinde, die, in dem Glauben, dass ihm andere
214 folgen, sich zur Flucht wenden und den Schrecken in das Lager
tragen, von wo er sich weiter unter den raubenden Haufen ver-
breitet. Drüben in Gibea wird die Verwirrung bemerkt und von
Saul zu einem raschen Überfall " des Lagers benutzt, der vollständig
gelingt. Doch wird der Vorteil nicht weiter verfolgt, die Philister
ziehen sich unbehelligt in ihr Land zurück. Der Schluss dieser
Erzählung lautet: „Da Hess Saul ab von den Philistern und die
Philister zogen an ilu^en Ort. Iiid Saul, nachdem er das Königtum
gewonnen hatte, stritt wider alle Feinde Israels ringsum, wider
Moab und Ammon und Edom und die Könige von Soba und wider
die Philister, und wohin er sich wandte, war er siegreich und be-
wies seine Kraft; und er schlug die Amalekiter und rettete Israel
von seinen Plünderern. LTnd die Söhne Sauls waren Jonathan
und Isjahu und Malchisua; und seine beiden Töchter Messen Merab
und Micha! , und sein Weib Ahinoam bath Ahimaas, sein Feld-
hauptmann aber Abner" 14, 46 — 51. Dies muss zugleich der Ab-
schluss der Geschichte Sauls selber sein, deren Summe und Resultat
hier angegeben wird. Dass das Folgende nirgend als Fortsetzung
dazu angesehen werden kann, geht auch aus dem IMerschiede der
Betrachtungsweise hervor. Denn während die sämtlichen folgenden
Erzählungen ihr Interesse dem David zukehren, ist der Verfasser
von 14, 46 — 51 ganz für Saul eingenommen. Er schreibt ihm
eine Menge Grosstaten zu, an denen er unschuldig gewesen ist.
Erst David hat die Kriege mit Moab Ammon Edom und Aram
1. Sam. 8—14. 245
Soba geführt. Saiü hat, al)geselien von der Entsetzung von Jabes
und der Züchtigung Amaleks, sein Lebetage lang sich gegen die
Philister zu wehren gehabt und in diesem Kampf ist er erlegen.
Dies wird hier verschwiegen (v. 47 V^'V) und dafüi' das andere
hinzugetan ^).
Der Gang der Erzählung in Kap. 13. 14 wird durch einige
ziemlich umfangreiche Einsätze in störender Weise unterbrochen.
Zu Anfang von Kap. 13 ist Saul von Gilgal (11, 15) zurückgekelnt
nach Gibea (vgl. v. 16 C^tJ^""). Dann jedoch finden wir ilm plötz-
lich, ohne dass der Ortswechsel erwähnt ist, in Gilgal, wo der
israelitische Heerbann zu ihm stösst. Aber die Philister setzen
trotzdem voraus, dass er und seine Männer sich in Gibea befinden,
demi sonst hätten sie nicht vor Gibea halt gemacht, sondern den
Mittelpunkt der Erhebung selbst besetzt. Noch viel bedenklicher
wie hierdurch wird die Digression Sauls nach Gilgal durch den
Bruch mit Samuel, der in diesem kritischen Augenblick daselbst
vorgefallen sein soll. Samuel soll dem Könige befohlen haben,
sieben Tage auf ihn zu warten, ehe er von Gilgal den Pliilistern 215
entgegen zöge. Da nun die Frist verstreicht 13, 8 und das Kiiegs-
volk sich verläuft, will Saul nicht länger sich aufhalten, sondern
aufbrechen. Wie er nun eben das jeden Feldzug eröffnende Opfer
darbringt, erscheint Samuel und sagt ihm, er sei wegen seines Un-
gehorsams von Jahve als König verworfen. War Samuel bei Sinnen?
wozu die Wartezeit von sieben Tagen, wenn auch nach deren Ab-
lauf weiter gewartet werden musste.f^ und es war doch walndiaftig
Gefahr im Verzuge. In Kap. 14 verrät nicht die geringste Spur,
dass das ominöse Ereignis auf Sauls, des Volkes und des Schrift-
stellers Seele laste. Es ist eine einfache Vorschiebung der Ge-
schichte 1. Sam. 15 — daher auch Gilgal als der notwendige ob-
wol unmögliche Schauplatz der Scene. Diesem Interpolator kam
der Bruch zwischen Samuel und Saul, wie er in Kap. 15 erzählt
wird, viel zu spät; er hatte Eile mit der Verw^erfung des nicht-
davidischen Königs und setzte sie gleich an die Schwelle von dessen
Regierung. Er ist es natüidich auch, der zur Vorbereitung von
13, 7 b — 15 den Vers 1. Sam. 10,8 eingeschoben hat, der in dem
^) Wie es mit 14, 52 steht, ist zunächst unklar. Der Vers kann (wegen
''C v!D) mit zu dem vorhergehenden Resume gehört haben, er kann aber anch
ein Übergang zu David gewesen sein. Ygl. p. 252. 255 s.
246 ^^^ Buch Samuelis.
dortigen Zusammenhange absolut unverständlicli ist. — Unscliuldi-
gerer Natur ist 13, 19 — 22, gieichwol nicht ursprünglich, eben so
wenig wie die damit in Beziehung stehenden vier letzten Worte
von 14, 14. In Kap. 14 ist v. 36 — 45 dem echten Zusammen-
hange fremd, ausserdem muss v. 31 bis zum Atlinach gestrichen
werden, da NIHH DV!! es verbietet, den Satz als Schluss der Rede
Jonathans aufzufassen.
Erste Geschichte Davids. 1 Sam. 15 — 2 Sam. 8.
Durch das Zwischenstück Kap. 15 (v. 28) wird es motivirt,
dass von Kap. 16 an David noch bei Lebzeiten Sauls die Haupt-
person ist. Die Erzählung gehört einer Schicht an, welche zwischen
der von 9, 1—10, 16. Kap. 11. 13. 14 und der von Kap. 7. 8.
10, 17—27. Kap. [11] 12 in der Mitte steht. Jene setzt sie vor-
aus, denn die Salbung Sauls 15, 1. 17 kommt nur 10, 1 vor und
der Ausdruck 15, 19 beruht auf 14, 32 — aber der Standpunkt
ist ein ganz anderer, vgl. 14, 48 mit 15, 2. Diese kennt sie noch
nicht, denn nach 10, 17 — 27 wird Saul nicht gesalbt, und nach
den Prämissen von Kap. 8. 12 würde Samuel weder sein Recht,
ihm zu befehlen, zu motiviren brauchen wie in 15, 1, noch auch
über seine Verwerfung Yaterschmerz empfinden können wie in 15,
11. 35 — gieichwol ist der Standpunkt ein mehr verwandter. Der
König als Stellvertreter Jahves hat dem Worte Jahves zu gehorchen,
das ist das von ihm selbst anerkannte Gesetz seiner Regierung
(15, 13. 18. 20). Samuel ist eine ihm übergeordnete Persönlich-
keit. Er ist nicht mehr der Zukunft kündende Seher, aber auch
nur teilweise (15, 33) der Heros vom Schlage Elias und Elisa, viel-
216 mehr seinem geistigen Gehalt nach ein Prophet von der specifischen
Art des Amos Hosea und ihrer Nachfolger. Dies tritt bes. in
V. 22. 23 hervor, vgl. z. B. mit 26, 19. 19, 13; D^Dim Jl^^ = "m 1)B^
Os. 3, 5. Jud. 17. 18. Die Moral der ganzen Geschichte ist, Jahve
wolle keine Opfer, sondern Gehorsam (Hierem. 7, 21 — 26). Ein
anderes Zeichen der Zeit ist, dass der Yertilgungskrieg, den Saul
gegen die Amalekiter unternahm um Israel von seinen Plünderern
zu befreien 14, 48, hier theoretisch motivirt wird (v. 2. 6) — als
sei die Erzählung Exod. 17 ein tatsächlich auf das damalige Ge-
scHecht wirkender Faktor gewesen. Dies hat mehr auf sich als
einfache Reminiscenzen an das jehovistische Geschichtsbuch, wie
1. Sam. 13—15. 247
sie im Buch der Richter sehr häufig und in 1. Sam. nicht selten
sind. Eine solche kommt 15, 29 (Num. 23, 19) vor, veranhisst
durch die Beziehung, welche im Segen Bileams auf den Sieg über
Amalek genommen wird, der al)er dort (24, 7) rein als Triumph
Sauls, ohne trübe Beimischung, aufgefasst wird. Von 1. Sam. 7. 8
nebst Zubehör unterscheidet sich 1. Sam. 15 hauptsächlich dadurch,
dass es keine gemachte, sondern wirkliche Geschichte enthält und
dieselbe nur von fremdartigen Motiven aus beleuchtet. Daran
braucht man nicht zu zweifeln, dass Saul wirklich die Amalekiter
gezüchtigt und Samuel wirklich den Agag als beste Kriegsbeute dem
Jahve zu Gilgal geopfert hat.
6. David wird auf zweifache Weise in die Geschichte einge-
fülirt. Zunächst 16, 14 — 23. Hier ist er schon ehe er zu Saul
kommt, bekannt als ein tapferer und kriegsgeübter Mann, von an-
sehnlicher Gestalt, treffender Rede und glücklicher Hand; an den
Hof wird er seiner musikalischen Begabung wegen gezogen, um
Saul zu erheitern, wenn ein Anfall des bösen Geistes über ihn
kommt. Er tritt alsbald in ein nahes Verhältnis zum Könige und
wird sein Waffenträger.
Ganz anders 16, 1 — 13 und Kap. 17, 1 — 18, 5. Hier wie dort
ist David ein friedlicher Hirtenknabe, der wegen seiner Jugend
noch gar nicht in Betracht kommt und nichts weniger als kriegs-
gewolint ist. Ob man iii Kap. 17 dem Text der Masora oder der
Sept. folgt, macht in dieser Hinsicht keinen Unterschied; 17, 38 ss.
genügt, um die Unvereinbarkeit mit 16, 18 zu erweisen. Noch
deutlicher wird allerdings der Widerspruch zu 16, 14 — 23 durch
17, 12 — 31. 17, 55 — 18, 5, wo David dem Saul noch ganz unbe-
kannt ist. Die Septuaginta freilich lässt diese Verse aus^).
Sowol nach 16, 1 — 13 als nach 17, 1 — 18, 5 ist David Isais
Jüngster, der, noch halb Kind, seines Vaters Schafe hütet, als er
plötzlich hinter der Herde weg zu hohen Dingen berufen wird
(2. Sam. 7, 8). Aber 16, 1 — 12 wird vom Verfasser des 17. Kap. 217
nach V. 12 — 31 nicht vorausgesetzt. Es kommt liinzu, dass Isai
16, 10 sieben Söhne ausser David hat, 17, 14 sichtlich nur di-ei,
und dass offenbar Davids Brüder 17, 28 von seiner Salbung keine
Ahnung haben. Wenn nun Kap. 17 von 16, 1 — 13 unabhängig
ist, so kann das Umgekehi'te nicht der Fall sein; denn sonst würde
1) Vgl. Text der Bücher Samuelis (1S71) p. 104 s.
248 ^^^ Buch Samuelis.
sich weder die allgemeine Gleichartigkeit der Anschauung von
David noch die bestimmte Berührung im Ausdruck (16, 12. 17, 42)
erklären. Also ist 16, 1 — 13 später als Kap. 17 und giebt der
dortigen weltlichen Einführung Davids gleichsam die geistliche
Weihe.
Handelt es sich um die Wahl zwischen 16, 14 — 23, wo David
als fertiger Mann zu Saul in Beziehung tritt, und 17, 1 — 18, 5,
wo eine legendarische Jugendgeschichte darüber erzählt wird, so
kann die Entscheidung nicht zweifelhaft sein, zumal da nach
2 Sam. 21, 19 Goliath von Gath, dessen Speerschaft dick wie ein
Webebaum war, nicht in den Philisterkriegen Sauls, sondern seines
Nachfolgers auftrat, und nicht von David, sondern von Elhanan
aus Bethlehem erlegt wurde. Damit ist zugleich über 16, 1 — 15
das Urteil gefällt, welches auch durch den Inhalt dieses Stücks be-
stätigt wird. Es ist eine Imitation von 10, 1 ss., aber wie magisch
ist hier die Inspiration des Sehers, wie wirkungslos die Salbung,
auch an psychologischem Einfluss auf David! Samuel steht in
so füi'chterlichem Ansehen, dass ihm die Altesten Bethlehems ent-
gegen zittern 16, 4. Das geht noch über Kap. 15 hinaus. Zwar
schliesst die Einsetzung des Nachfolgers deutlich an die Verwerfung
des Vorgängers an, aber weder passt die Furcht Samuels vor
Saul 16, 2 zu dem Verhältnis, wie es nach Kap. 15 erscheint;
noch ist die Anknüpfung von 16, 1 an 15, 35 eine mehr als äusser-
liche. „Samuel sah Saul nie wieder, bis an seinen Tod, denn er
trauerte über ihn, da es Jahve gereute, dass er ihn zum König
über Israel gemacht hatte. Und Jahve sprach zu ihm: wie lange
willst du über Saul trauern, da ich ihn doch verworfen habe?"
Offenbar muss der Grund ebenso lange dauern als die Folge, und
also zieht Samuel sich nicht bloss bis an seinen Tod zurück,
sondern trauert auch bis an seinen Tod. Der Verfasser von 16, 1
hat 15, 35 bloss als Haken benutzt und übrigens den grossartigen
Geist von Kap. 15 materialisirt '). Die walii'e Fortsetzung von
Kap. 15 könnte 16, 14 ss. sein, obwol der böse Geist von Jahve
1) Das Motiv der „Ergänzung" 16, 1 — 13 ist klar. Wenn Saul vom Seher
zum Königtum berufen war, so durfte David nicht rein als self-made man er-
scheinen. Ein Schritt weiter ist es, dass Saul nicht gesalbt wird 10, 22 ss.
Geschichtlich hat man ebensowenig Grund, Samuels Beziehung zu Saul zu be-
zweifeln, als seine Beziehung zu David zu glauben.
1. 8am. 15—17. 249
hier eigentlich gar nicht als Schuld, sondern nur als Unglück auf-
gefasst wird; so dass es auch denkbar wäre, dass 16, 14 ss. ur- 218
sprünglich an 14, 52 anschloss und Kap. 15 erst später eingesetzt
ward. Ygl. weiter zu Kap. 28.
7. Die Entstehung der Furcht Sauls vor David 18, 6 — 30.
Das Hauptstück ist v. 17—29. Wenn hier Saul in v. 22. 23 den
David heimlich durch dritte Hand auf seine zweite Tochter Michal
aufmerksam macht, so hat er sie ihm nicht vorher direkt ange-
boten-, also ist V. 21b eingeschoben. Wenn ferner DaA-id den Ge-
danken des Königs Eidam zu werden füi' absurd und unmöglich
ansieht v. 23, so weiss er nicht, dass er bereits mit der älteren
Tochter verlobt gewesen ist; also wird das Stück v. 17 — 19, womit
V. 21b zusammenhängt, in v. 20 ss. nicht vorausgesetzt. In der
Sept. fehlt V. 17—19 (vgl. 2. Sam. 21. 8) und v. 21 b. Die Ge-
schichte nun von Da^dds Yerschwägerung mit dem Könige, wie sie
gegenwärtig — gewiss nicht ursprünglich — erzählt wird, hat schon
die Furcht Sauls vor ihm zur Prämisse, vgl. =^ö>^''1 v. 29. Der
Anlass zu dieser Furcht muss also vorher berichtet sein. Aber
David darf von der Gesinnung des Königs gegen ihn noch nichts
wissen, der eklatante Ausbruch v. 10. 11 (der aus 19, 9s. leicht
zu entlehnen war) kann nicht vorhergegangen sein. Die Septuaginta
hat V. 10—12 mit Ausnahme von 12 a nicht gelesen^). An harmo-
nistische Kritik ist nicht zu denken, denn dann würde auch v. 12 a
gestrichen worden sein. Sie hat überhaupt den besseren Text und
man wird nach ihr auch v. 29 b und v. 30 zu streichen haben.
Es entstehn dann cbei Absätze a) v. ß — 8. 12 a; b) v. 13. 14. 15;
c) V. 16. 20 — 29 a; der erste schliesst mit und Saul fürchtete
sich vor David, der zweite mit und er graute sich vor ihm,
der dritte und er fürchtete sich noch mehr vor ihm.
Schwierig ist die Anknüpfung von 18, 6 ss. an das Vorher-
gehende. Die in v. 6 versuchte Verbindung mit Kap. 17 ist rein
äusserlich, denn wenn Saul seine (des Philisters) Tausende und
David seine Myriaden gesclilagen hat, so ist der letztere nicht der
unbekannte Hirtenknabe, der mit der Schleuder den Riesen erlegt
hat, sondern neben Saul der Führer Israels, offenbar überall in
18, 6 SS. ein völlig ausgewachsener Kriegsmann, wie 16, 18. Es
kommt hinzu, dass die Sept. den Anfang von v. 6 nicht hat —
^) [Der Yers 18, 9 ist in der Sixtina nur diircli Versehen ausgefallen,
s. Nestle in Stades Ztsch. 1892 p. 29 s.].
250 Das Buch Samuelis.
was nicht im Ziisammenliang mit dem Fehlen von 17, 12 — 31
und 17, 55 SS. stehn kann. Aber wenn nicht das gegenwärtige
Kap. 17, so mnss doch etwas anderes zwischen 18, 6 ss. und 16,
14 — 23 gestanden haben über die Lorberen, die David sich im
Kampfe gegen die Philister erwarb : sonst würde sich der Triumph-
gesang der Weiber und Sauls Eifersucht nicht erklären. Eine
219 leise Spur davon kann in 17,54 erhalten sein, wo David, im Gegen-
satz zu der übrigen Anschauung des Kap. 17, bereits sein eigenes
Haus hat — doch ist dieser Vers wol wahrscheinlich eine Glosse.
8. Der Ausbruch der Feindschaft Sauls und Davids Flucht
wird in Kap. 19. 20 recht verworren erzählt. Nach Sauls Speer-
wurf entflieht David zum ersten Male 19, 10; v. 11 ist er aber
noch zu Hause. Zum zweiten Male entflieht ßr v. 12 und ge-
winnt durch Michals List Zeit zu einem Yorsprunge v. 13 — 17.
Bei Samuel in Rama angelangt wartet er die sich wiederholenden
Verfolgungen ruhig ab ohne sich aus dem Staube zu machen (v. 18
bis 24) und ist in Kap. 20 nach wie vor zu Gibea. Es fällt dem
Saul auf, dass er hier nicht an der königlichen Tafel erscheint;
Jonathan versichert ihn der Gewogenheit seines Vaters, an der
David allerdings zweifelt ohne indes vom Gegenteil deutliche Be-
weise zu haben, so dass die Ausforschung Sauls in dieser Hinsicht
noch nötig und sogar die Pointe des Kapitels ist. Nachdem der
tödliche Hass des Königs konstatii't ist, macht David nun endlich
Ernst mit der Flucht (über Nob nach Juda), aber merkwürdiger
Weise steht 21, 1 nur "jb""! □p''l, und bloss aus den Äusserungen
des Priesters erschliesst man die Verfassung, in der David ankam.
Dass 19, 18 — 24 und Kap. 20 sich störend eindrängen, liegt
auf der Hand. Es ist ganz ungeschickt, dass David wie zum Spass
erst nach Rama (im Norden) flieht und dort unter Samuels Schutz
den Häschern Sauls und ihm selber ein Schnippchen schlägt; vgl.
übrigens 1. Sam. 10, 11. 15, 35 und 2. Reg. 1. Das 20. Kap. ist
ein Pendant zu 19, 1 — 7 und stünde dort an der richtigen Stelle,
indessen hat auch 19, 1 — 7 keine pragmatische Bedeutung, sondern
hält nur auf. Nach der ursprünglichen Version ist die Flucht
Davids von Gibea gleich nach Nob und weiter nach Adullam ge-
gangen, so dass LD^D^I mü im 19, 18 durch nD.3 NU'"! 21, 2 fort-
gesetzt wurde. Fraglich kann nur sein, ob die Fluchtberichte 19,
8 — 10 und V. 11 — 17 zusammengehören („und es geschah in sel-
biger Nacht, da sandte" Sept. zu v. 10. 11), oder ob nur einer
' 1. Sam. 18—22. 251
von den beiden die Prämisse zu Kap. 21 ist, nämlich der zweite.
Vgl. n-in.^1 22, 20. 23, 6 wie 19, 12. 18, gegen ^: 19, 10.
Der historische Faden setzt sich von 21, 2 — 7 her fort in
Kap. 22. Denn nicht nur ist 21, 10 — 16 ebenso zu beurteilen wie
19, 18 — 24 (vgl. 27, 1), sondern auch 21, 8 und 9 sind spätere
Zutaten, v. 8 abstrahii't aus 22, 9 — wo Doeg durch den Satz
"U) niii Nim zum ersten Male vorgestellt wird — und v. 9 zurück-
greifend auf Kap. 17; vgl. 17, 54, wo Jerusalem an Stelle des be-
nachbarten Nob gesetzt ist.
9. Da^dd als Bandenführer Kap. 23 — 27. Zusammenhang
lässt sich darin erkennen, dass David zunächst auf der Warte von 220
Adullam sich aufhält (ühlV nil^D 22, 1 ; 22, 5 ist verdächtig), so-
dann in der Stadt Kegila weiter im Südwesten 23, 1 — 13, endlich
im Negeb Juda an verschiedenen Orten, besonders in der Wüste
von Maon (25, 2 — 43, vgl. 23, 24), bis er um vor Sauls Verfol-
gungen sicher zu sein auf philisthäisches Gebiet übertritt Kap. 27.
Das Übrige (23, 14—24, 23 und 26, 1 — 25) ist anekdotenhaft;
23, 19 — 24, 23 kehrt in einer etwas andren und wie es scheint
älteren Version in 26, 1 — 25 wieder, z. T. mit wörtlichen Wieder-
holungen. Der Abstand von Kap. 25 dagegen ist sehr auffallend.
— In Kap. 27 ist v. 7 — 12 ein später Zusatz, der an unübermnd-
lichen inneren Schwierigkeiten leidet und, sofern nicht Siklag, sondern
Gath als Ausgangspunkt der Razzien vorausgesetzt wird, dem Vor-
hergehenden und dem Folgenden widerspricht^). Zur Motivirung
von Kap. 30 ist keineswegs das hier Erzählte notwendig.
10. Sauls letzter Kampf gegen die Philister und Davids Ver-
halten dabei 1. Sam. 28 — 2. Sam. 1. Der Faden von 28, 1. 2,
anscliliessend an Kap. 27, wird 29, 1 ss. fortgesetzt. Inzwischen
ist 28, 3 — 25 eingeschoben. Nach 28, 4 sind die Philister schon
zu Sunem (in Jezreel), nach 29, 1 sind sie noch in Aphek und
ziehen erst 29, 11 von da weiter nach JezreeP). Ebenso lagern
die Israeliten 29, 1 nicht, wie 28, 4, auf dem kahlen Gilboa, sondern
') 27, 7 beruht auf 29, 3. Ähnlich 25, 1 auf 28, 3; 25, 44 auf 2. Sam. 3, 15
(zur Hinzufügung Yon Gallini zu Lais, Ygl. Isa. 10, 30). In solchen Zusätzen
die, dem Folgenden entnommen, das Folgende vorbereiten sollen, zeigt sich
die Redaktion.
2) Jezreel ist 29, 1. 11. 2 Sam. 2, 9. 4, 4 noch nicht Name einer Stadt,
sondern nur der Landschaft. Aphek hat nach 29, 11 auf dem Wege zwischen
Philisthäa und Jezreel gelegen, also in Saron Jos. 12, 28. Eusebius, der es
252 r_)as Buch Saimielis.
bei der Quelle in Jezreel, und in der Schlaclit werden sie auf den
Gilboa zurückgetrieben 31, 1 — was 28, 4 übel antecipirt wird.
Da also 28, 3 — 25 deutlich auf späterer Ergänzung beruht, worin
in üblicher, hier höchst wirksamer Weise das drohende Ereignis
seinen Schatten vorauswirft, so wird es bei der ausgesprochenen
Verwandtschaft dieses Stückes mit Kap. 15 wahrscheinlich, dass
auch die letztere Erzählung ein Supplement ist, und dass in der
Tat, wie p. 245 vermutet worden, der Yers 14, 52 den alten Über-
gang von der mit 14, 51 abschliessenden Geschichte Sauls zu der
16, 14 — 23 beginnenden Geschichte Davids gemacht hat.
221 Zu Kap. 29 ist Kap. 30 imd 31 die Fortsetzung. Das letztere
Kapitel ist als Schluss hier ganz unentbehrlich und kann auf keine
Weise durch 2. Sam. 1 ersetzt werden, zumal da auch 2. Sam. 2
(v. 4 — 8) sonst in der Luft schwebte. Allerdings scheint 2. Sam. 1
ebenso durch 2. Sam. 4, 10 vorausgesetzt zu werden. Man könnte
allenfalls 1. Sam. 31 und 2. Sam. 1 mit einander vereinigen, wenn
man die Erzählung des Amalekiters für erlogen hielte; aber das
wäre doch nur ein Notbehelf. Wenn die beiden Kapitel sich aus-
schliessen, so hat man sich für 1. Sam. 31 zu entscheiden; denn
während 2. Sam. 2, 4 — 7 ohne 1. Sam. 31 unverständlich wäre, so
kann man das von 2. Sam. 4, 10 im Verhältnis zu 2. Sam. 1 nicht
behaupten. Und jedenfalls ist der Bericht von 1. Sam. 31 glaub-
würdiger als der von 2. Sam. 1. Wenn man es auch für möglich
hält, dass der Amalekiter gerade in diesem Augenblicke (1. Sam. 30)
David unter die Augen zu treten wagt, so ist es doch nicht recht
wahrscheinlich, dass er sich zufällig (1, 5) in das dichteste Kampf-
gewühl, das Saul umgab, verirrt hat und ungestört mit Diadem
und Spange davon gekommen ist. Dass er vollens David als
geborenen Nachfolger Sauls ansieht und ihm die Insignien der
Herrschaft überbringt, erscheint gar zu bedeutungsvoll, es würde
ausserdem den David bei seinem philisthäischen Lehnsherrn, mit
dem er es die nächsten Jahre noch keineswegs (5, 17) verdarb,
in schlimmen Verdacht gebracht haben. 2. Sam. 1, 1 — 15 ist,
allerdings sehr passend und vielleicht an Stelle eines älteren Be-
in die Nähe von Enclor verlegt, hat 29, 1 mit Kap. 28 combinirt. Auch 4, 1
ist Aphek in Saron gemeint, desgl. 1. Reg. 20, 26 wegen v. 23 ll^iDj und 2.
Reg. 13, 17 wegen 12, 18 und Sept. (codd. 19. 82. 93. 108) zu 13, 22:
xai eXaßsv ACar]X xov dXXdcpuXov i'A yzipoQ auxoü aTTO ^aXaaar]; zfig xa^' eGTiepav
£ü)S Acpex.
1. Sam. 23 — 2. Sara. 1. 253
richtes von einem späteren Bearbeiter eingeschaltet, der wol
auch das Lied v. 16 ss. aus dem Buche des Redlichen herge-
setzt hat.
Vgl. noch 29, 5 mit 18, 6; 30, 5 mit 27, 3; 30, 7 ss. mit
22, 20 SS. 23, 9 ss. ; 30, 26 ss. mit 25, 2 ss. : die Ehen mit Abi-
gail und Ahinoam bereiten die politische A^erbindung mit den süd-
judäischen Edeln vor. Dahingegen existiert kein ursprünglicher lite-
rarischer Zusammenhang von Kap. 31 mit Kap. 11. Denn Sauls Ent-
setzung der Stadt Jabes, worauf 31, 11 — 13 stillschweigendRücksicht
genommen wird, ist ein Ereignis der Wirklichkeit, welches nicht
bloss durch 1. Sam. 11 bekannt war. Und der 31, 2 als Sohn
Sauls aufgeführte Abinadab ist 14, 49 (aus gleicher Quelle wie
Kap. 11) nicht erwähnt; dort hat Saul überhaupt nur drei Söhne,
während hier ihrer drei, die mit in den Streit gezogen sind, fallen
und doch noch einer übrig bleibt, der zu Hause gebliebene Isbaal
(= Isjahu 14, 49).
11. Nach Sauls Tode wird David König von Juda zu Hebron
und nach Isbaals Tode König von Israel zu Jerusalem, worauf
dann eine Gesamtübersicht über seine Regierungstaten den Schluss
bildet 2. Sam. 2 — 8. Die seit 1. Sam. 14, 52 laufende Geschichte
Davids kann nicht mit 1. Sam. 31 abbrechen, sondern muss ihren
Helden weiter begleiten, bis er am Ziel steht. Es ist denn auch 222
klar, dass Davids Übersiedlung nach Hebron und seine Königs-
salbung seitens der Ältesten Judas 2, 1 — 4 zu den Geschenken,
die er vielleicht erst nach dem Tode Sauls den letzteren übersandt
hat 1. Sam. 30, 26 ss., in direkter Beziehung steht, dass ferner
seine Botschaft an die Bürger von Jabes 2, 4 — 7 von dem selben
Verfasser erzählt wird, der 1. Sam. 31, 11 — 13 ihre Veranlassung
berichtet hat, und dass endlich 2, 8 der Faden da aufgenommen
wird, wo er 1. Sam. 31 fallen gelassen ist. Von da an setzt sich
dieser Faden in Kap. 2 — 5 ununterbrochen fort. Vgl. noch 2, 1.
5, 19 mit 1. Sam. 23, 2. 30, 8; und 3, 14 mit 1. Sam. 18, 25. 27
(Sept.)
Der Fortschritt der einzelnen Akte in Kap. 2 — 5 ist beinah
di-amatisch, Stufe für Stufe werden wir über die Hindernisse hin-
weg bis zur Höhe fortgeführt. Hie und da findet sich ein redak-
tioneller Zusatz. Da 2, 10b unmittelbar an v. 9 anschliesst, so
ist V. 10a eingeschoben. In Wahrheit ist Isbaal nicht 40 Jahre
alt gewesen, sondern noch ziemlich unmündig und wie es scheint
254 Das Buch Samuel is.
iTiiverlieiratet. Auch 2, 11 ist eingearbeitet, denn v. 10b wird
durch V. 12 fortgesetzt. Schwerlich stehn ferner 3, 2 — 5 hier am
richtigen Orte, denn v. 6b schliesst an v. 1, und 6a verdeckt
die Fuge. Ebenso ist in 4, 2 b (nach dem Athnach) v. 3. 4 ein
aus verschiedenen Elementen bestehender Einsatz zu erkennen, der
jedenfalls nicht in den Zusammenhang gehört. Woher die An-
gab'en stammen, ist schwer zu sagen; teilweise mögen sie durch
den Redaktor versetzt sein. So hat Adelleicht 3, 2 — 5 (nebst 5,
13 — 15) in Kap. 8, und 4, 4 wahrscheinlich hinter 9, 3 gestanden.
In Kap. 5 scheint der urspr. Bestand durch ein grösseres Stück
erweitert zu sein. Nämlich v. 17 greift nicht bloss auf v. 3 zurück,
sondern ignorirt auch das Dazwischenliegende, wie aus den
Worten und David zog auf die Burg hervorgeht. Denn
versteht man, wie man nach v. 7. 9 müsste, unter der Burg den
Sion, so tritt "n% ein Yerbum der Bewegung, in Widerspruch dazu,
dass David nach v. 9 ss. längst auf dem Sion wohnte; ist aber die
Burg nicht der Sion (23, 13), so kann nicht ein und der selbe
Schriftsteller mit dem gleichen Worte (v. 7.9) bald dies. bald jenes
meinen. Übrigens fallen auch der Zeit nach wenigstens die
Bauten des Königs ohne Zweifel später, als der Philisterkrieg, der
gleich auf Davids (wie auf Sauls) Salbung zum Könige über
Israel folgte (5, 17).
Kap. 6 und 7, die an die Einrichtung der Residenz zu
Jerusalem und an den Bau des Cederpalastes anknüpfen, sind gleich-
falls supplirt. Dies wird dadurch bestätigt, dass in 8, 1 da fort-
gefahren wird, wo in 5, 25 aufgehört ist. Die Beziehung von Kap. 6
223 zu 1. Sam. 4, 1 — 7, 1 ist nur eine sachliche, keine literarische;
denn Kiriathjearim heisst hier Baale Juda und Eleazar abgekürzt
Uzza. Das 7. Kapitel ist abhängig von Kap. 6 und ziemlich jungen
Datums. Die durch die Interpolation 7, 13 verdunkelte Pointe')
ist nicht die, dass erst Salomo und nicht David den Tempel
bauen solle, sondern die, dass nicht David dem Jahve, sondern
Jahve dem David ein Haus bauen werde, nämlich das feste Königs-
^) Vgl. den Text der Bb. Samuelis p. 171s., wo ich mich leider durch
1. Reg. 5, 19 habe abhalten lassen, aus meinen Gründen den Schluss zu ziehen.
Denn ich habe dort nachgewiesen, dass der Same Dayids v. 12. 14 ss. nicht
Salomo, sondern seine ganze Descendenz ist, und dass die Ader der Pointe
nicht du mir, sondern ich dir ein Haus durch v. 13 durchschnitten wird.
2. Sam. 2—8. 255
haus der Davicliden. „Ich will ihm (dem Samen = dem Hause)
Vater sein und er soll mir Sohn sein, so dass wenn er sich ver-
fehlt, ich ihn mit Kindesrute und mit menschlichen Schlägen
züchtige, aber meine Gnade ihm nicht entziehe." Der Verfasser
sieht also auf eine lange Dauer der david. Dynastie zurück (v. 19)
und kennt darunter böse und gute Glieder; aber trotz der jeweilig
notwendigen Schläge wechselt Jahve doch nicht, wie im Reiche
Israel, das Objekt der Erziehung; er erzieht eben, vernichtet und
verwirft nicht. Man wird an 1. Sam. 2, 27 — 36 erinnert, wo den
Söhnen Sadoks verheissen wird, dass sie am Stamme Davids sich
heraufranken (v. 35) und ein ebenso beständiges Haus haben sollen.
Es ist wol der gleiche Concipient füi* beide Weissagungen anzu-
nehmen; er muss noch während des jüdischen Königtums geschrieben
haben, aber ziemlich spät, vielleicht unter Josias, wo man trotz
der bösen Vergangenheit doch für die Zukunft neue Hoffnung fasste.
Vgl 7, 8 mit 1. Sam. 16, 1—13. 17, 1 ss.
Das 8. Kapitel wird einerseits durch v. 1 mit dem vorher-
gehenden Hauptfaden 5, 17 — 25 verbunden, andererseits durch das
Folgende nicht fortgesetzt, dessen Inhalt es z. T. antecipii't;
vgl. 8, 2 ss. mit Kap. 10 — 12, und 5, 15 mit 12, 25. Es bildet
genau ebenso den Schluss der mit 1. Sam. 14, 52. 16, 14 ss. ein-
setzenden Geschichte Davids, wie 1. Sam. 14, 46 — 51 den Schluss
der Geschichte Sauls. Die Anlage dieser beiden Schriften ist ganz
ähnlich. Am ausführlichsten w^ird erzählt, auf welchem Wege die
Helden bis zum Gipfel des Königtums gelangt sind, Saul auf eine
mehi* ideale und rasche, David auf eine recht menschliche Weise
und durch viele Zwischenstufen. Sodann folgt ilii'e kriegerische
Haupttat, zu deren Erfüllung ihnen zunächst der hohe Beruf über-
tragen ist (1 Sam. 9, 16. 2 Sam. 3, 18. 19, 10), worauf alsbald
mit einer kurzen Übersicht über das sonst noch Bemerkenswerte
abgeschlossen wird. Vielleicht haben einst in 2. Sam. 8 (vor 224
V. 16) ebenso wie in 1. Sam. 14, 49. 50 auch die Familiennach-
richten gestanden, die sich jetzt 3, 2 — 5 und 5, 13 — 16 an wenig
passender Stelle finden. Übrigens scheinen diese kurzen Nachrichten
keineswegs alle zuverlässig und einige auch später (p'2.D v. 11)
interpolirt zu sein.
Zweite Geschichte Davids. 2. Sam. 19 — 20 (1. Reg. 1. 2).
12. Diese Kapitel haben das mit einander gemein, dass sie
256 Das Buch Samiielis.
ZU. Jerusalem spielen und Hofgescliiclite erzählen. Sie werden
durch Kap. 8, und auch durch ihre eigene Art, von dem Vorher-
gehenden geschieden, enthalten jedoch sachlich eine Art Fortsetzung
dazu, ebenso wie 1. Sam. 15 ss. zu 1. Sam. 9 — 14; vgl. 1. Reg.
2, 32. Der Anfang ist nicht erhalten; man könnte meinen, dass
ursprünglich noch Kap. 6 dazu gehört habe. Vgl. die Lade Gottes
11, 11. 15, 24 SS. (dagegen 1. Reg. 2, 26 wie 1. Sam. 14, 18 l)^m
zu lesen) und das Zelt 1. Reg. 2, 28 = 2. Sam. 6, 17.
13. Das Hauptstück ist Kap. 13 — 20. Hierzu steht Kap. 9
in notwendiger Beziehung, s. 16, 1—4. 19, 25—31 und vgl. 19, 18
mit 9, 10; 17, 27 mit 9, 5. Schwieriger ist es die Zugehörigkeit
von Kap. 10 — 12 zu erweisen. Sie wüi-de allerdings aus 12, 10—12
sich klar ergeben, wonach das häusliche Unglück Davids und der
Aufstand Absaloms als Strafe des Ehebruchs mit der Bathseba
erscheint. Aber diese Verse sind interpolirt. Denn weder nimmt
ni?on t^b V. 13 auf die Strafandrohungen v. 10 — 12 irgend welche
Rücksicht, noch lässt v. 14 die Annahme offen, dass ausser der
Strafe, welche dort ausdrücklich als einzige bezeichnet wird, auch
alle die anderen in v. 10 — 12 aufgezählten über DaNdd kommen
sollen. Diese Annahme aber wäre deshalb notwendig, weil die
Drohungen v. 10 — 12 sich in Wirklichkeit alle erfüllten. Übrigens
ist auch "jnxion "n''Iiyn V. 13 nicht eine Vergebung der Schuld
ohne Annullirung der Strafe — ein so wie so im Alten Testamente
unmöglicher Gedanke — , sondern es wird deutlich durch moH ^h
und durch die Exception v. 14 als Aufhebung der Strafe bestimmt.
Ästhetisch endlich lässt sich geltend machen, dass Nathan unmöglich
einer so furchtbaren Drohung, wie er sie v. 10 — -12 ausgesprochen
hat, in Einem Atem die Versicherung folgen lassen kann, es solle
nichts daraus werden, sobald nur David TIN'^n gesagt hat; so im
Handumdrehen darf die Tonart nicht wechseln. Wenn nun
die Verse 12, 10 — 12 hier nicht integriren, so fällt damit die
äussere Verbindung zwischen Kap. 10 — 12 und Kap. 13 — 20
fort. Aber eine innere lässt sich nichtsdestoweniger aufzeigen.
Nämlich nachdem in Kap. 10 — 12 die eigentümlichen Umstände
der Geburt Salomos erzählt worden sind, haben nun sowol
Kap. 13. 14 als auch Kap. 15 — 20 eine indirecte Pointe, welche
225 auf die Thronfolge dieses Sohnes zielt: wie man das namentlich
1. Reg. 1. 2 aus der Parallele Adonias mit Absalom erkennt.
Der Erstgeborene Davids, also sein eigentlicher Erbe, war Amnon
2. Sam. 9 ss. 257
ben Ahinocam: der wird, teils aus Rache teils aus Neid, von Ab-
salom erschlagen. Darauf ist Absalom, von seinem Vater wieder
zu Gnaden angenommen, der präsumtive Thronfolger 15, 1 ss. : der
erhebt den Aufstand und kommt darin um. Nun ist Adonia ben
Haggith der rechtmässige Erbe 1. Reg. 2, 22, sieht sich mit tat-
sächlicher Billigung Davids selber als solchen an 1, 5. 6 und wird
von ganz Israel dafüi* gehalten 2, 15, insbesondere von den Haupt-
würdenträgern des Reichs, Joab und Abiathar, und von den Prinzen
des königlichen Hauses 1, 9. Der aber fällt durch eine Koalition,
deren Seele der Prophet Nathan ist und wozu ausserdem Sadok
und Benaja gehören, die mit Abiathar und Joab rivalisiren und
an deren Stelle zu kommen hoffen: durch Nathan und Bathseba ver-
fügt diese Koalition über den altersschwachen David, und durch Be-
naja über die 600 Leibwächter, mit denen sich unter den Umständen
der damaligen Zeit alles durchsetzen Hess. So also wird Salomo
König, über Amnon, Absalom, Adonia hinweg; und dies ist in
Waln-heit das Band, welches 2. Sam. 10 — 12 mit dem Folgenden
verknüpft^). Vgl. noch 10, 1 ss. (Hanun ben Nahas 1. Chron. 19, 1)
mit 17, 27.
14. Der enge Zusammenhang der Kapitel 13 — 20 unter sich
braucht nicht näher nachgewiesen zu werden. Die statistischen
Notizen 20, 23 — 26 scheinen den formellen Abschluss der von
2. Sam. 9 an verfolgbaren Schrift über David als König zu Jerusalem
zu bilden. Aber sie sind sehr äusserlich angeleimt, nicht so
natürlich angewachsen wie 8, 16 — 18 und 1. Sam. 14, 51; und es ist
unverkennbar, dass die Erzählung 1. Reg. 1. 2 nicht allein die be-
absichtigte Fortsetzung der Hofgeschichte Davids enthält, sondern
auch von der gleichen Hand wie jene verfasst ist. Vgl. 1, 5. 6:
und Adonia ben Haggith war stolz in dem Gedanken, er werde
1) Irgendwo habe ich die Vermutimg gelesen, dass Eliam der Vater Bath-
sebas der 23, 34 genannte Hauptmann Davids sei; auf diese Weise würde sich
Urias Bekanntschaft mit ihr leicht erklären. Nun war Eliam nach 23, 34 der
Sohn Ahithophels von Gilo, der also wegen des Mordes seines Schwiegerenkels
und der Verführung seiner Grosstochter Ursach gehabt hätte, David zu hassen.
In Kap. 15 — 17 tritt dieser Mann als eine höchst bedeutende Persönlichkeit
und als der intellektuelle Urheber des Aufstandes hervor, ohne dass seine
Feindschaft gegen David irgendwie motivirt wird. Es ist allerdings möglich,
dass der Erzähler voraussetzt, das man wisse, er sei der Vater Eliams und
Grossvater Bathsebas. Das wäre ein abermaliges Band zwischen Kap. 10 — 12
und Kap. 13—20.
Well hau seil, Comp, d. Hexateuchs. 3. Aufl. 17
258 Das Buch Sarauelis.
König werden, und hielt sich Wagen und Rosse und fünfzig
Trabanten, und sein Vater schalt ihn niemals weshalb er das tue,
226 und er war auch sehr schöner Gestalt und ihn hatte er gezeugt
nach Absalom — mit 2. Sam. 14, 25: und wie Absalom war kein
anderer Mann in Israel so schön, 15, 1: und Absalom hielt sich
Wagen und Pferde und fünfzig Trabanten, 13, 21 (Sept.): und
David schalt den Amnon nicht, denn er hatte ihn lieb, weil er sein
Erstgeborener war. Desgleichen 1. Reg. 1, 23: Nathan warf sich vor
dem König mit dem Gesicht zur Erde — mit 2. Sam. 14, 22. 23:
Joab (bez. Absalom) warf sich vor dem Könige mit dem Gesicht zur
Erde. Ferner 1. Reg. 2, 28 n.sD. nV)J2:^n) mit 2. Sam. 13, 30 nyiDt^m
nN:i;n-;nsn 1, 33 mit nir^ 13, 29. 18, 9-, mn''D 2, 15 mit
r\)}i mni 16, 10. 17, 14; die Zeitbestimmung 2, 39 mit 13, 23.
14, 28. 15, 7 (sonst äusserst selten). In sachlicher Beziehung be-
achte noch das Gastmahl beim Königssohn als Scenerie 1. Reg. 1, 9
(2. Sam. 13, 23 ss. 15, 10 ss.), die Vorliebe Nathans für den Sohn
der Bathseba 1, 11 ss. (12, 1 ss. 25), das Personal: Nathan Bathseba
Salomo, Joab Abiathar Jonathan 1, 42 (18, 17), Sadok Benaja
Krethi und Plethi. Endlich fällt auch noch ins Gewicht, dass in
gewissem Sinne, wie oben dargelegt worden, 1. Reg. 1. 2 die dritte
Stufe zu 2. Sam. Kap. 13 s. Kap. 14 — 20 und das Finale zu
2. Sam. 12 ist. Wie Isaak den Inhalt des Lebens Abrahams ausmacht
und David seit 1. Sam. 15 den der Regierung Sauls, so nimmt
ähnlich, wenn auch in geringerem Grade, Davids Beerbung schon bei
seinen Lebzeiten das Interesse der Erzählung in Anspruch und mit
Salomos Thronbesteigung endigt seine Geschichte-^).
15. Wenn wir 2. Sam. 21, 1 — 24, 25 vor der Hand aus-
nehmen, so ist der behaglich ausgesponnene Faden 2. Sam. 9 — 1.
Reg. 2 verhältnismässig wenig durch fremdartige Einschaltungen
unterbrochen. Der einzige grössere Einsatz ist 1. Reg. 2, 1 — 12.
Die letzten Worte Davids tragen zur Motivirung des Folgenden
nichts bei, denn nicht durch Rücksicht auf sie wurde Salomo bei
seinem Verfahren gegen Adonia Abiathar Joab und Simei geleitet.
Sie sind gewiss von keinem belauscht, lassen sich dagegen mit
Leichtigkeit konstruiren und charakterisiren sich durch v. 2 — 4 als
deuteronomistisch, wozu die Chronologie v. 11 und der Ausdruck
^) Dass Davids Yerspreclien 1. Reg. 1, 13. 17 bisher nicht erwähnt ist,
kann nicht befremden, da er selber und alle Welt nichts davon weiss. Vgl.
1, 14 -jnn-i-ntN* ^n^bov
2. Sam. 9 SS. 259
imD^O V. 12 stimmt. Von kleineren Interpolationen sind ausser
2. Sam. 12, 10—12 und 1. Reg. 2, 27 bemerkenswert: 11, 21 die
Bezugnahme auf Abimelech ben Jerubbaal, eine im Munde des
Königs hier sehr überflüssige historische Gelehrsamkeit; 13, 18 die
Bemerkung über die ehemalige (D^lyp statt C^P'^y^) Tracht der
Prinzessinnen, eine Glosse zu v. 19; 14, 26 die Gewichtsangabe
von Absaloms Haar nach dem Stein des (Gross-) Königs; 16, 24 227
IHv^ G"'lbn ^Dl und 16, 27 t^'N^n ]n2n (so statt n^)^n "DH); 18,
15 die Nachricht, dass Absalom, schon halbtot vom Hängen und
mit drei Speeren im Herzen, von den zehn Wafi'enträgern Joabs —
— Saul und Jonathan haben je nur einen — vollens getötet sei;
18, 18 die wie es scheint im Widerspruch zu 14, 27 befindliche
Angabe, Absalom habe keinen Sohn gehabt. In 16, 13b scheint
r\DVh Zeichen der Interpolation zu sein.
16. Dass wir in 2. Sam. 9 — 20. 1. Reg. 1. 2 eine sehr gute
historische Quelle besitzen, bedarf keines Beweises. Bei aller Partei-
nahme für David und Salomo wird doch der Hergang der Dinge
mit sichtlicher Objektivität und mit grossem Interesse für das stoff-
liche Detail berichtet; aus keiner Periode der israelitischen Ge-
schichte haben wir so viele historische Namen. David erscheint
liebeuswüi'dig und ungewöhnlich und wird mit begeisterter Hingabe
von seinen Leuten verehrt, unter denen sich viele Ausländer be-
finden. Aber er hat nicht erst im Alter angefangen schwach zu
werden (13, 21. 14, 24. 15, 1. 14. 19, 6. 12. 14), Joab, dessen
Rücksichtslosigkeit durch beispiellose Treue gegen seinen Herrn
geadelt wird, ist die imponirendere Gestalt. Mit einer uns fast bos-
haft vorkommenden Aufrichtigkeit ist die Palastintrigue erzählt,
wodurch es erreicht wird, dass Salomo statt Adonias von David
zu seinem Nachfolger ernannt wird. Auf das hier stärker wie
anderswo und mit unleugbarem Geschicke eingestreute dialogische
Element darf man sich übrigens nicht berufen um die genaue In-
formation des Berichterstatters zu erweisen. Die Dicta des Königs
David (5, 8) 12, 23. 15, 19. 16, 10s. 18, 5. 19, 1 (ausgezeiclmet
das malerische inDT>^) mögen allerdings Eindruck gemacht ()illi
"lin 1. Sam. 16, 18) haben und auf wirklicher wenn auch nicht
wörtlicher (18, 5. 12) Tradition beruhen. Dagegen lässt es nur
auf die poetische Freiheit des Schriftseilers schliessen, dass nicht
selten die intimsten Gespräche dramatisch reproducirt werden; das
gehört zur Form und nicht zum Stoffe der Überlieferung.
17*
260 Das Buch Samuelis.
Wie liocli hinauf diese Form reiche, d. h. also die uns vor-
liegende schriftliche Darstellung, ist in diesem Falle so wenig zu
sagen wie in anderen. Für erheblich alt und den Dingen nahe-
stehend wird man sie halten müssen, doch sie macht nicht einen
so antiken Eindruck wie Jud. 9; der religiöse Standpunkt, obwol
nirgend den Pragmatismus fremdartig beeinflussend, ist in den
Reden sehr ausgeprägt, das Ganze uns vollkommen zugänglich und
verständlich^). Auch die Sprache ist reich und flüssig, wo nicht
228 der Text verdorben ist. Auffallend ist 12, 20 mn^ n^D., desgl. die
Übereinstimmung von 20, 1 mit 1. Reg. 12, 16. Die Abhängigkeit
ist auf Seiten der letzteren Stelle, obgleich gewiss schon der Verf.
von 2. Sam. 20 den Aufsand des Seba ben Bikri eben als Vorspiel
der späteren Trennung erzählt hat. Ein Interesse, das über das
bloss historische hinauszugehn und auf zeitgenössischen Motiven zu
beruhen scheint, tut sich kund für Meribaal (1. Chron. 9, 40) und
seinen Sohn Micha, für die aus Gilead nach Jerusalem übergesiedelte
Familie Barzillais (19, 38), und für Absaloms schöne Tochter
Thamar (14, 27); letztere ward das Weib Rehabeams und die
Stammmutter des jüdischen Königshauses. Auf das vor Alters
13, 18 und noch heutigen Tages 18, 18 darf kein Gewicht gelegt
werden, sowie auch nicht auf HD^v 16, 13 oder H'lp 17, 11.
Anhang. 2. Sam. 21 — 24. Endergebnis.
17. Diese Kapitel sind ähnlich wie Jud. 17 — 21 ein Anhang
am Schluss. Sie bestehn aus verschiedenen Elementen; 21, 1 — 14
gehört zusammen mit 24, 1 — 25; 21, 15 — 22 ist verwandt mit 23,
8 — 39; in der Mitte bleiben die beiden Lieder 22, 1 — 51 und 23,
1 — 7 übrig.
Die Erzählung 21, 1 — 14 setzt weder den Faden von Kap. 20
fort noch steht sie überhaupt in einer erkennbaren Beziehung dazu.
Sie fällt wol bedeutend früher, denn passend darf die Rache für
Sauls Frevel gegen die Gibeoniter — von dem uns im A^orher-
gehenden nichts mitgeteilt ist — nicht gar zu lange verschoben
werden. Es scheint, dass nicht bloss Simei 16, 7. 8 auf die
Opferung der Söhne und Enkel Sauls 21, 8. 9 Bezug nimmt, sondern
^) Obwol keineswegs in allen Punkten dem hergebrachten Schematismus
sich fügend. Ephraim ist Landesname 20, 21; Benjamin gehört zum Hause
Joseph 19, 21; Israel ist „erstgeborener" als Juda 19, 44.
2. Sam. 21—24. 261
dass auch die Verschonung Meribaals 21, 7 sich deckt mit dem in
Kap. 9 gegebeneu ausführlicheren Berichte. An 21, 1 — 14 schliesst
24, Iss. unmittelbar an. Darauf führt 24, 1 vgl. mit 21, 1 und
24, 25 vgl. mit 21, 14, desgleichen der verwandte Inhalt, betreffend
eine durch die Schuld des Königs (Sauls Kap. 21, Davids Kap. 24)
verursachte Landplage und die Sühne der zürnenden Gottheit.
Die Theophanie auf der Tenne Araunas inaugurirt den späteren
Altar von Jerusalem, ähnlich wie es in den Geschichten der Erz-
väter, Josuas (5, 15), Gideons und Manoahs geschieht. Hiedurch
ebenso wie durch den Mangel eines eigentlich historischen Zu-
sammenhangs bekommt unsere Erzählung einen von 2. Sam. 9 — 20
doch sehr verschiedenen, mehr volkstümlichen und sagenhaften
Charakter, der an den Jehovisten und das Richterbuch erinnert.
Auffällig ist die Zusammenstellung der heiligen Stätte zu Gibeon 229
(21,9) mit der späteren zu Jerusalem (24, 25); vgl. 1. Reg. 3.
Die beiden Stücke 21, 15—22 und 23, 8—39 werden, obwol
formell nicht zu einander gehörig, doch durch die Gleichartigkeit
ihres Stoffes verbunden. Das erste erscheint am Anfang abge-
brochen, wenn nicht DV 21, 15 zu streichen ist; es enthält vier
immer mit der gleichen Formel eingeleitete Einzelkämpfe mit
Riesen, die wie andere solche Geschichten (Jud. 3, 31) in die is-
raelitische Heldenzeit der Philisterkriege verlegt werden. Der
Schauplatz scheint überall der gleiche zu sein, nämlich Gob, wofüi-
V. 16 Nob und v. 20 Gath geschrieben wird. In 23, 8 — 39 lassen
sich zwei einander ergänzende Hälften unterscheiden, die erste
handelt von den Drei, die andern von den Dreissig. Zunächst
werden die drei grössten Philisterkämpfer aufgeführt v. 8 — 18;
jedoch ist v. 13 bis 17 a (bis zum Athnach) ein späterer Einsatz,
der vorgreift und die Anordnung zerstört. Sodann folgen die
dreissig anderen Helden, anfangend mit v. 18: Abisai war der erste
von den Dreissig und hervorragend unter den Dreissig; von den
Dreissig war er berühmt, aber an die Drei reichte er nicht. Vgl.
V. 23, wonach auch v. 22 zu verbessern. Der Text ist früh ver-
derbt, schon die Unterschrift 23, 39 zählt 37 statt 33 Helden.
Die Lieder Kap. 22 und 23, 1 — 7 sind an möglichst unpassen-
der Stelle eingeschaltet und man hat für ihr Alter keineswegs die
Gewähr früher Aufnahme in den historischen Zusammenhang; sie
stehn im Gegenteil vollkommen ausserhalb desselben.
18. Fassen wir zum Schlüsse das Ergebnis der einzelnen Unter-
262 Das Buch Samuelis.
sucliimgen zusammen, so zeigt sich, class die letzte Hand erst spät
an das Buch Samuelis gelegt ist, auch abgesehen von den Glossen,
die sich übrigens z. T. sehr schwer (1. Sam. 10, 8. 13, 1 Sept.)
von den Redaktionszusätzen unterscheiden lassen, wie denn über-
haupt zwischen vorkanonischer und nachkanonischer Diaskeue kaum
eine Grenze zu ziehen ist (1. Sam. 18). Nicht in dem von der
Bearbeitung der Bb. der Richter und der Könige geltenden Sinne
deuteronomistisch, aber doch vom Gesetze Josias beeinflusst wenn
auch noch vorexilisch ist 1. Sam. 2, 27 — 36 und vielleicht 2. Sam.
7, 1 — 29. Aus bedeutend späterer Zeit stammen die zusammen-
gehörigen Kapitel 1. Sam. 7, 2—8, 22. 10, 17—27. 11, 12
bis 14. 12, 1 — 25 (13, 8 — 15); sie enthalten eine Entstellung der
echten Überlieferung von Motiven des königslosen Judentums aus,
welche in Abhängigkeit steht von der deuteronomischen Bear-
beitung des Richterbuches, wie man aus 7, 2ss. und 12, 9ss. und
aus der Auffassung Samuels als regierenden Richters ersieht. —
Zu einer chi'onologischen Eingliederung der Periode Elis Samuels
230 Sauls und Davids ist nur der Ansatz gemacht; vgl. 1. Sam. 4, 18,
7, 2. 13, 1. 27, 7. 2. Sam. 2, 10. IL 5, 4. 5. 1. Reg. 2, 11. Be-
zeichnender Weise ist 1. Sam. 13, 1 nur das Schema angegeben:
Saul war . . . Jahre alt und . . . Jalu*e regierte er; aber die Zahlen sind
nicht ausgefüllt; denn die Zwei an der zweiten Stelle ist deutlich
falsch und einfach aus CJt^ geflossen. Ähnlich 2. Sam. 2, 10:
Isbaal war 40 Jalii'e alt und 2 Jahi-e regierte er; auch hier ist die
Zwei, die gleich dem folgenden Verse widerspricht, aus CJt^' ge-
flossen, die Vierzig aber vollkommen absurd, und die ganze An-
gabe deutlich- erst nachträglich zwischen v. 9 und 10 b eingesetzt,
ebenso wie v. 11 zwischen v. 10 b und 12. Die Septuaginta hat
den Vers 1. Sam. 13, 1 noch gar nicht gelesen, so jung ist hier
die chronologische Redaktion. Wie bei Saul ist dieselbe auch bei
Samuel nicht durchgeführt; denn die 20 Jahre 1. Sam. 7, 2 gehn
auf das der Regierung Samuels vorhergehende Interregnum. Da-
gegen wiederholt sich bei David die Angabe 2. Sam. 2, 11 noch
5, 4. 5 und 1. Reg. 2, 11. Vgl. Jud. 15, 20. 16, 31. — Eine ge-
wisse verknüpfende, Späteres im Früherem vorbereitende Tätigkeit
hat die Redaktion entwickelt durch die Zusätze, von denen p. 251
n. 1 und p. 253 s. die Rede gewesen ist.
Es braucht nicht noch einmal hervorgehoben zu werden, dass
von der systematischen und durchgeführten moralisch - chrono-
2. Sam. 21—24. 263
logischen Bearbeitung des Richter- und des Königsbuchs im Buche
Samuelis nicht viel zu bemerken ist. Es ist das wol zu erklären
mit der zusammenhängenden Ausfülirlichkeit des Stoffes, der nicht
gut in schematische Fächer zu zerlegen war. Dass kein Anstoss
an den Bamoth geäussert wird — was im Buche der Richter auch
nicht der Fall ist — muss nach der zu 1. Reg. 3, 2 gegebenen
Aufklärung beurteilt werden, dass vor dem Tempelbau die Höhen
erlaubt gewesen seien. Von der Stiftshütte als vorsalomonischem
Centralheiligtume hat die deuteronomistische Bearbeitung eben keine
Ahnung; sie basirt noch nicht auf dem Priestercodex wie die
Chi'onik.
Im Übrigen haben wir drei Teile im Buche Samuelis unter-
schieden 1. Sam. 1—14. 1. Sam. 14, 52 — 2. Sam. 8, 18. 2. Sam.
9 — 1. Reg. 2. Der letzte Teil ist, wenn man 2. Sam. 21 — 24 als
Appendix ausnimmt, eine deutliche literarische Einheit, wenn gleich
zu Anfang nicht vollständig erhalten; ebenso auch der mittlere,
wo aber der fortlaufende Faden häufig durch Fremdartiges unter-
brochen wird. Ohne Zweifel sind dies spätere Einsätze, Er-
gänzungen, welche dem älteren Zusammenhang sich anschmiegen
oder auch wol eine Neubearbeitung an Stelle eines echten Gliedes
desselben setzen. Der erste Teil vereinigt drei nicht aus einer und
der selben Conception entsprungene, aber doch historisch zu ein- 231
ander gehörige Stücke a) 1. Sam. 1 — 3. b) 4, 1 — 7, 2. c) 9, 1 bis
10, 16. 11, 1—11. 15. 13, 2—14, 51. Die Geschichte Sauls scheint
zu der Gideons und Simsons in Beziehung zu stehn, wie auch 1, 3
auf ausserhalb des gegenwärtigen Buches Samuelis liegende Prä-
missen hinweist. Die Verbindung der drei Teile (1. Sam. 14, 52),
die ursprünglich unabhängig von einander verfasst worden sind, ist
gewiss schon in ziemlich früher Zeit bewirkt und hat dem deut.
Redactor längst vorgelegen.
III. Das Buch der Könige.
Salomo. 1. Reg. 1 — 11.
1. Über Kap. 1. 2 ist schon gehandelt worden. Mit der Rück-
beziehung dieser Erzählung auf das Vorhergehende hängt es zu-
sammen, dass sie dem Folgenden vorgreift; s. 2, 39 — 46.
264 ^^^ Buch der Könige.
Die Geschichte Salomos, wie sie in Kap. 3 — 11 erzählt wird,
dreht sich fast nur um seine Bauten, insbesondere den Tempelbau
5, 16 — 9, 28. Der Kern ist Kap. 6. 7 ; nicht eigentlich Historie,
sondern vielmehr Beschreibung, und zwar 7, 13 — 51 der Tempel-
geräte, die der tyrische Meister Hiram goss, und 6, 1 — 7, 12 des
Gebäudes selber. In 7, 13 — 51 wird jetzt merkwürdigerweise das
Hauptgerät vermisst, nämlich der eherne Altar; auch in der Schluss-
übersicht. Derselbe kann nach 8, 64. 2. Reg. 16, 14. 15 ursprüng-
lich hier nicht gefehlt haben, sondern ist absichtlich ausgelassen,
mit Rücksicht auf den nach dem Priester codex ja längst vorhandenen
ehernen Attas Moses, den Salomo wie die Lade nur einfach um-
setzen durfte; s. zu 8, 4. In dem Abschnitt 6, 1 — 7,12 scheint
sich die Beschreibung der Hofburgbauten an verkehrtem Orte
232 zwischen die des Tempels und seiner Geräte einzudrängen. Die
Sept. hat darum die Verse 7, 1 — 12 umgestellt, hinter 7, 51. Aber
dies ist Korrektur; denn mit 6, 36: „er ummauerte den inneren
Yorhof mit drei Lagen Quadern und einer Lage Cedernbalken"
kann die Sache (d. i. hier der Tempelbau) nicht abgetan sein;
der innere Vorhof fordert einen äusseren zur Ergänzung. Wirklich
wird nun bei den Hofburgbauten der äussere Vorhof 7, 8. 9 er-
wähnt und zum Schluss ausdrücklich beschrieben 7, 12. Nun können
freilich bloss dann die Hofburgbauten in der Mitte zwischen der
inneren und der äusseren Vorhofsmauer 6, 36. 7, 12 behandelt
werden, wenn sie tatsächlich dazwischen lagen, wenn wie der Tempel
vom inneren, so der Königshof vom äusseren Vorhofe umgeben
war. Dass dies aber allerdings der Fall war, wird schon aus
2. Reg. 11 wahrscheinlich und aus Ezech. 43, 7. 8 ganz gewiss: die
Könige Judas, spricht Jahve, haben ihre Schwelle neben meine
Schwelle und ihre Pfosten neben meine Pfosten gesetzt, so dass
nur die Wand zwischen mir und ihnen ist.
Wird nun 6, 36 durch 7, 1 — 12 in der Tat unmittelbar fort-
gesetzt, so dürfen die Verse 6, 37. 38 (die genauesten Data der
alten hebräischen Geschichte) nicht in die Mitte treten. Die Sept.
lässt sie auf 5, 31. 32 folgen und vor 6, 2 ss. voraufgehn, an Stelle
des masorethischen Verses 6, 1. Diesen hat sie nicht gelesen; in
unseren Handschiiften ist er an einer ganz unglücklichen Stelle
zwischen 5, 30 und 31 nachgetragen; um so unpassender, da er
ja durch 6, 37. 38 vollkommen ersetzt wird. In diesem Falle wird
die Sept. das Ursprüngliche erhalten haben, Denn es steht fest,
1. Reg. 3-11. 265
nicht nur dass im MT. 6, 37. 38 versetzt ist, sondern auch, dass
6, 1 von 6, 37 abhängt und von einem anderen Verfasser hermlii't.
Denn wie man aus 6, 37. 38. 8, 2 ersieht, sagt der alte Schrift-
steller rn"» für Monat und der Bearbeiter in seinen angefügten Er-
klärungen der Daten sagt l^'in ; nun aber heisst es 6, 1 nicht bloss
''it^'^ ti^inn, sondern auch 1] ^nr\ (statt 11 nn""), wodurch der Be-
arbeiter sich unwillkürlich selbst verrät. Dass die 480 Jahre der
Periode vom Auszuge aus Ägypten bis zum Tempelbau künstlich
sind, weiss man ohnehin; interessant aber ist es zu sehen, wie
spät dieser Schlüssel zur systematischen Chi'onologie des Alten
Testaments hier, uns sehr zu Dank, eingetragen ist.
Was wir eben gefunden haben, führt darauf, die ursprüngliche
Grundlage der Kap. 6. 7 von einer wahrscheinlich in mehreren
Stufen (6, 11 — 13 deuteronomistisch) verlaufenen späteren Be-
arbeitung zu unterscheiden. Das wichtigste Merkmal dafür ist die
Datirung, dort Jerach Ziv Bul Ethanim, hier der zweite achte siebte
Chodesch. Die letztere Bezeichnung, nach Zahlen die den babylo-
nischen Jahresenfang im Frühling voraussetzen, findet sich zuerst 233
bei Jeremias in gewissen nicht von ihm selbst redigirten Teilen
seines Buches, sodann bei Ezechiel, Haggai, Zacharias und im Priester-
codex ^), und macht dann selbst wieder allmählich der syrischen
Platz. In der älteren hebräischen Literatur bezeichnet das Herbst-
fest den Abschluss des Jahres Exod. 23, 16. 34, 22. 1. Sam. 1, 20. 21.
Isa. 29, 1. 32, 10, und die Monate haben eigene Namen, nicht bloss
Exod. 23, 15. 34, 18, sondern auch noch Deut. 16, 1 — während
Deut. 1, 4 der letzten Redaktion angehört. Eine reinliche Sonderung
des Alten und des Neuen in 1. Reg. 6. 7 ist freilich unmöglich;
wollte man sie versuchen, so wüi'de die Kritik sehr weit auszu-
greifen sich genötigt sehen. Denn nicht bloss durch zufällige Be-
schädigung, sondern wol auch durch förmliche Überarbeitung ist
der Text so corrupt geworden wie er vorliegt. Das Interesse für
grösstmö gliche Ausführlichkeit in der Beschreibung aller Teile muss
im Exil, gleich nach der Zerstörung des Tempels, am , lebhaftesten
gewesen sein. Vgl. n\"i 7, 8 (fuit statt est), DD^'? «''5 19, den
Mangel des Artikels beim Nomen nnns^n "li^n, nbn:n lün 7, 8. 12.
2. Im Anschluss an Kap. 6. 7 untersuchen wir zunächst 8, 1
bis 9, 9. Der erste Abschnitt läuft von 8, 1 — 10. Die Sept. ist
^) Vgl. Exod, 12, 1 die Einführung der neuen Ära,
266 Das Buch der Könige.
liier zu Anfang (8, 1 — 5) viel kürzer als der masorethische Text.
„Da versammelte der König Salomo alle Ältesten von Israel nach
Jerusalem, um die Gesetzeslade Jahves aus der Stadt Davids d. i.
Sion lierüberzuliolen, im Monat Etlianim. Und die Priester trugen
die Lade und die Stiftsliütte, und die heiligen Geräte in der Stifts-
hütte, und der König und ganz Israel waren vor der Lade und
opferten Schafe, Rinder ohne Zahl." Yon dem Plus des MT. ge-
hört "'yni^'n znriil Nin v. 2 unzweifelhaft einer späteren Über-
arbeitung an, die Sept. hat es nicht. Ebenso unzweifelhaft sind
mnsM \s^t^: mioDH ^u;^i v. l, D''ibm cjnDn v. 4, b^^\i^^ my b^
V. 5 Ausdrücke, die in den älteren historischen und prophetischen
Büchern nie, sondern erst im Priestercodex und in der Clii'onik vor-
kommen; der Sept. fehlen sie. Endlich ist nob^* "jb^H'^N* v. 1
dem Schriftsteller, der im Flusse der ursprünglichen Conception
schrieb und grade vorher HD/tJ^ als Subject genannt hatte, nicht zu-
zutrauen: auch hier fällt in der Sept. der Anstoss weg. In v. 6
bis 10 stimmt die Sept. so ziemlich mit dem MT. Nur mangelt
ihr der Schluss v. 8 Hin DVn IV D'^' V^^^^ Derselbe muss in der
Tat später zugesetzt sein, denn et fuerunt ibi adhuc ist eine
234 contradictio in adjecto, wodurch sich der imitirende Epigone verrät.
In V. 9 dagegen steht in der Sept. hinter Di^ÜNH mn'P noch die
Apposition nimn mn^, welche im MT. selber durch den zweiten
Relativsatz n"lD "ItJ^K vorausgesetzt wird, da dieser sich nur auf
rrilD-H beziehen kann. Aber obwol die Sept. durchschnittlich einen
älteren Text giebt als der MT., so giebt sie doch auch nicht den
alten, sondern vielmehr nur die erste Stufe der Überarbeitung, die
im MT. dann noch einen Schritt weitergegangen ist.
Was zunächst v. 6 — 10 betrifft, so ist D^t^lpH ^\l/1p b^ deutlich
eine Glosse zu n^ÜH "^''Ü"] ^N% der Ausdruck das All erheiligste
für Debir stammt aus dem Priestercodex. Ebenso ist aber auch
das Heilige v. 8, das hier im Gegensatz zum Allerheiligsten
den Naos bezeichnet, dem älteren Sprachgebrauch vollkommen
fremd und zeigt (zusammen mit der zu der Beschreibung des
6. Kapitels keineswegs stimmenden Vorstellung, als ob das Alier-
heiligste vom Heiligen durch eine Art Wand abgeschieden und
nur durch eine offene Tüi' damit verbunden gewesen wäre), dass
V. 7. 8 nachtäglich eingeschoben ist. Der 9. Vers ist zwar anderer
Natur als die übrigen Interpolationen, nämlich deuteronomistisch;
aber er steht ganz abgerissen und ist unhistorischen Inhalts.
1. Reg. 3-n. 267
Denn so lange die Lade wirklich existirte, war sie die Lade
Jalives und ward erst später die Lade des Bundes. Lässt man
V. 7 — 9 aus, so tritt der enge Anscliluss von v. 10. 11 an v. 6
hervor. Sowie die Lade ins Debir gelangt, bezieht auch Jahve
sein neues Haus. Die Erfüllung mit Rauch (Isa. 6, 4) ist bei der
Einweihung des Hauses das selbe, was bei der Einweihung des
Altars das Herabfallen des Feuers.
Was aber 8, 1 — 5 betrifft, so ist hier die wichtigste Zutat,
die sich schon in der Sept. findet, in v. 4 die Hinzufügung des
Ohel Moed und aller ihrer Geräte zu der Lade, Die
Ausleger schwanken, ob sie unter dem Ohel Moed das Zelt der
Lade auf dem Sion verstehn sollen, von dem bisher allein die
Rede gewesen (1. Reg. 1, 39. 2, 28 — 30. 2. Sam. 6, 17), oder das
mosaische Zelt, das nach der Cln-onik in Gibeon stand, von dem aber
das Buch der Könige nichts berichtet und auch nichts weiss (3, 2 — 4).
Dem Verfasser der betreffenden Worte 8, 4 wird wahrscheinlich
beides in einand ergeflossen sein, wir aber sind vor folgende AI- 235
ternative gestellt. Entweder steht die Notiz im Zusammenhange
der Erzählung des Buchs, dann kann der Ohel Moed nur das Zelt
auf dem Sion sein — oder der Ohel Moed 8, 4 ist die mosaische
Stiftshütte, die von Gibeon in den salomonischen Tempel über-
geführt wurde: dann steht die Angabe ausserhalb des Zusammen-
hangs und geht nicht von den Prämissen aus, die dieser an die
Hand giebt, dann ist sie mit anderen Worten von einem Späteren
eingeschoben. Die erstere Möglichkeit ist unwahrscheinlich, denn
der Name Ohel Moed kommt abgesehen von der Interpolation
1. Sam. 2, 22 b in den Büchern Judicum Samuelis und Reo'um
Überhaupt nicht vor und insonderheit nicht für das Zelt Davids
auf dem Sion; dasselbe war auch zu wenig durch das Alter ge-
heiligt und nach 2. Sam. 7 zu unansehnlich und provisorisch, um
der Aufbewahrung im Tempel gewüi'digt zu werden. Wenn aber
der Ohel Moed hier wie immer die Stiftshütte ist, worauf auch die
heiligen Geräte führen, so sind die betreffenden Worte eben auch
Interpolation. Die Veranlassung dazu ist, auf Grund des mosai-
schen Gesetzes, leicht zu begreifen. L^numgänglich war die Stifts-
hütte, falls es sie gab, zu erwähnen, als der Tempel au ihre Stätte
trat. Für einen Juden, der vom Priestercodex ausging, lag es
darum sehr nahe, sie hier zu suchen und, wenn er sie nicht fand,
zu ergänzen. Doch auch die Interpolation beseitigt die Schwierig-
268 Das Buch der Könige.
keit nicht. Wo bleibt der mosaische Brandopferaltar? er war
ebenso wichtig und heilig als das Tabernakel selber, wird auch in
der Chronik stets daneben aufgeführt und verdiente nicht, dass
man ihn in Gibeon verkommen Hess. Ferner, wenn die heiligen
Geräte aus der Stiftshütte in den Tempel übertragen wurden,
warum goss denn Salomo nach Kap. 7 alles neu? Kostbar genug
waren auch die alten Geräte, zum Teil noch kostbarer als die
neuen, dazu durch ihr Alter geheiligt. Endlich hat dieser Einsatz
in 8, 4 gerade so wenig Konsequenz im Folgenden, wie am Schluss
das neben jnxH PN D"'jnDn )^\L^^) v. 3 tautologische DHw^ )bv^)
D''1/m D''jnDn5 welches deutlich (vgl. DHN) damit zusammenhängt.
Darüber, dass sowol 8, 14 — 66 als auch 9, 1 — 9 von Anfang
bis zu Ende deutoronomistisch sind, braucht mau kaum ein Wort
zu verlieren. In dem ersteren Abschnitte vgl. 8, 16 ss. mit Deut.
12, 5. 9. 2 Sam. 7, 1, die Weissagung 8, 25 mit Hier. 33, 17, das
siebentägige Fest 8, 65 mit Deut. 16, 13, dazu die sich stets
wiederholenden deuteronomistischen Ausdrücke und Vorstellungen
der Predigt; weiter das Misverständnis 8, 17 (= 2. Sam. 7, 13), die
Kibla, eine Einrichtung des Exils 8, 44, und besonders die Worte
236 8, 46 SS. : „wenn sie an dir sündigen und du sie dem Feinde hin-
gibst und sie gefangen geführt werden in Feindes Land, wenn sie
sich dann bekehren in dem Lande ihrer Gefangenschaft und zu
dir flehen und sich zu dir zurückwenden von ganzem Herzen und
von ganzer Seele und zu dir beten, nach der erwählten Stadt und
dem Tempel zugewandt, so erhöre du ihr Gebet und vergib
deinem Volke und verleih ihnen Erbarmen bei ihren Zwingherrn."
Die beliebte Auskunft, es werde nicht an das babylonische Exil
der Judäer, sondern an die assyrische Gefangenschaft der Nord-
israeliten gedacht, versagt hier, denn diese hatten mit dem Tempel
von Jerusalem nichts zu schaffen. — Der andere Abschnitt, ein
späteres Gegenstück zu 3, 5 ss, von sehr verschiedener Gesinnung,
ist dem ersten gleichartig (s. 9, 6. 8, 25. Hier. 33, 17 und die
Wendungen in v. 4. 6. 9) und ebenfalls exilisch 9, 7 ss. Er sollte
wol eigentlich wie 3, 5 ss. direkt auf das grosse Opfer 8, 63 ss.
folgen, ist aber durch 9, 1 in spätere Zeit verlegt, wol um den
Stimmungswechsel Jahves zu erklären.
Es bleiben noch übrig die beiden Verse 8, 11. 12. Das ist
auch eine Einweihungsrede Salomos, die mit der deuteronomisti-
schen 8, 14 SS. collidirt, wie nicht nur aus dem Anfange von 8, 14,
1. Reg, 3-11. 269
sondern aucli daraus hervorgeht, dass diese l^eiden Verse in der
Septuaginta nicht vor, sondern am Schlüsse der letzteren stehn,
hinter 8, 53. Sie lauten daselbst, nach n^^bl^ "lOX IvX, folgender-
massen: "HXiov h(V(iipiaE\> sv oupavco xupioc, sItts tou xaxoixsTv Iv
•yvocptp* oi/oSofir^Oiov olxov [jiou, oixov cUTrpsTrri aau-u) tou xaTOixsTv
£7rl xaivoxrjTo?. oux looh auT"/^ ^s^paTiTCd £v ßißXi'o) xr^? (ijÖY)?. Es ist
lyvcupiösv )in.n verwechselt mit )"'^n, su-äps-n:^ HU = "pi:!! des MT.
8, 13, £711 xaivotr^TO? D''Olby staxt DiD^ly, ty]? wor^? ^^\i^r\ statt "1tr^^•
Was oTxov {lou TlilL betrifft, so entspricht es dem masorethischen
TT'Jn und stimmt nicht zu aaüx(5 '°j'p; aber mit Rücksicht auf den
Sinn des Ganzen ist es für wahrscheinlicher zu halten, dass "j? in
'>b zu verwandeln ist, als ^r^in in "»H'»::!. Also: n)r\^ ü^üll^^ri yon t^'Dli^
n'^)DD iS\i N'bn DV2^v nüt^^ ^b m: n^ü ^n"":! n^n^ b^^^v p^b "idx
*1t^\"l ~lDt)!l = die Sonne am Himmel hat er geschaffen,
Jahve, doch hat er wollen wohnen im Dunkeln und ge-
sprochen: bau mir ein Haus, ein Haus meiner Heimstatt,
dass ich dort ewiglich wohne — siehe es steht ge-
schrieben im Buche des Redlichen. Diese im Ton sich so sehr
von der deuteronomistischen Rede unterscheidenden kurzen Worte
sind deshalb interessant, weil daraus hervorgeht, dass die „das
Buch des Redlichen" betitelte Liedersammlung in Juda angelegt
ist und zwar nicht in der allerältesten Zeit des judäischen Königtums.
3. Der Bericht über den Tempel, seine Geräte und seine Ein-
weihung wird vorn und hinten von gleichartigen Nachrichten ein- 237
gefasst, die über allerlei bezügliche Massregeln Salomos handeln,
namentlich über seine Verbindung mit dem tyrischen Könige Hiram
5, 15 — 32. 9, 10 — 38. Der erstere Abschnitt ist stark deuterono-
mistisch überarbeitet, namentlich in v. 15 — 21, vgl. 5, 18. 19 mit
8, 16 SS. 2. Sam. 7, 13. Gegen Ende fallen in 5, 29. 30. die un-
heuren Zahlen der Arbeiter am Libanon auf: 70,000 Lastträger und
80,000 Steinhauer unter 3600 Aufsehern. Um so mehr, da
gerade vorher in v. 27. 28 gesagt ist, der König habe Fron-
arbeiter aus ganz Israel ausgehoben, 30,000 Mann, und davon immer
10,000 zur Zeit im Libanon beschäftigt, so dass die Leute je einen
Monat arbeiteten und je zwei zu Hause waren. Die differenten
Angaben vertragen sich schwerlich. Wenn bereits die 3600 Auf-
seher (t^t^ statt \L^b\^' mit Sept. und Chron., vgl. Num. 3, 28) auf
150,000 + 30,000 berechnet sind, so zeigt sich gerade darin die
Posteriorität mindestens des v. 30: denn nach v. 27. 28 arbeiten
270 Das Buch der Könige.
ja gar -nicht 30,000, sondern immer nur 10,000 ^lann. Natürlich
ist die Nachlicht, wonach der König nur 10,000 Mann am Libanon
hat arbeiten lassen, die ältere; schon diese Zahl ist für die keines-
wegs so^ umfangreichen Bauten reichlich gross, aber doch nicht un-
glaubwürdig, zumal da sie in einem detaillirten Zusammenhange
auftritt. — Der andere Abschnitt 9, 10 — 28 ist ein Geröll von
allerlei Notizen, die allerdings allesamt zu den königlichen Bauten
in irgend einer Beziehung stehn, aber sehr verschiedenartigen
Ursprungs und Wertes sind und erst durch eine sehr späte Redak-
tion') so zusammengestellt. Der v. 10 steht ganz verbindungslos,
daher in der Septuaginta nicht an dieser Stelle (denn Iv xat? 7;{i£-
paic ixsivai? 9, 9 gehört zusammen mit v. .11 Xipati), sondern 8, 1.
Ebenso ist v. 11 (bis zum Athnach) ein plusquamperfectiscber Nach-
trag. Der ältere Anfang scheint jH"' i^< v. 11 zu sein, vgl. 3, 16.
8, 1. 8, 12. 11, 7. Die 120 Talente Goldes 9, 14 kommen wiederum
post festum, vgl. 10, 10. Auf 9, 15 folgt zuerst in v. 16 eine
zwar höchst wertvolle, aber gewiss erst spät hieher verschlagene
Parenthese; sodann wird der Schluss des v. 15 in v. 17 wieder auf-
genommen und mit der Aufzählung der Bauten fortgefahren, aber
erst V. 20 kommt die eigentliche Einlösung der Hinweisung mi
öon ^TlI V. 15. Es ist unnatürlich und ohne Zweifel nicht ur-
sprünglich, dass die so wichtigen Angaben v. 17 — 19 nur in einem
untergeordneten und unbehilflichen Nebensatz zu mjüb v. 15 einge-
schachtelt werden. Was dagegen den durch die Ankündigung
V. 15 jetzt zur Hauptsache gemachten Inhalt von v. 20 — 23
238 betrifft, so ist trotz Hin DVH "ly kein wahres Wort an der Naclnicht,
dass Salomo bloss Nichtisraeliten zum Frondienste gepresst habe.
Nach 5, 27. 28 hat er aus Israel seine Arbeiter ausgehoben, nach
11, 28 war Jerobeam Aufseher über die Fron des Hauses Joseph,
nach 12, 4 war das harte Joch Salomos der Anlass zum Abfall
nach seinem Tode^). Der Yers 9, 24 ist an anderen Stellen halb
oder ganz vorausgenommen (3, 1. 7, 8. 9, 16), vgl. 9, 15 mit dem
Schlüsse. Mit den Bauten hängt auch diese Notiz zusammen, ebenso
wie die 9, 25 und 9, 26 ss., letztere wenigstens insofern, als die
1) Vgl. die Septuaginta hier und zu Kap. 3. 4. Im cod. Alex, sind 9, 15 — 25
aus Theodotion ergänzt, der den Aquila benutzt hat.
-) Die beiden Yerse 5, 29. 30 scheinen dem Verfasser von 9, 20 — 23 noch
unbekannt zu sein, denn er giebt die Zahl der Aufseher auf 550 an.
■ 1. Reg. 3—11. 271
Verbindung mit Hiram vom Tempelbau herstammt. Die Septua-
ginta springt von 9, 14 auf 9, 2ß.
4. Wie 5, 15 — 32 und 9, 10 — 28, so entsprechen sich ähnlich
die davon kaum ablösbaren Abschnitte 3, 1 — 5, 14 und 10,
1 — 29, gleichsam die zusammengehörigen Hälften eines zweiten,
äusseren Gehäuses für den Kern der Geschichte Salomos, nämlich
den Tempelbau. Jenes grösste Ruhmeswerk wird hier auf eine
allgemeinere Grundlage gestellt und, in ausgesprochener Absicht,
Salomos Weisheit einerseits und seine Herrlichkeit andrerseits an
bedeutenden Beispielen aufgezeigt. Der Anfang, vor 3, 1, fehlt,
aber nur der formelle, denn sachlich eröffnet das grosse Antritts-
opfer zu Gibeon 3, 4 um so sicherer diese Erzählung, als darauf
dann gleich das Programm derselben folgt: in der durch das Opfer
veranlassten Traum-Offenbarung, welche der deuteronomistische Be-
arbeiter sich zum Muster seines so ganz andersartigen Gegenstückes
9, 2 — 9 genommen hat. Aufs engste schliesst sich weiter der Be-
richt über Salomos Entscheidung in dem Handel der beiden Huren
an, ein Beispiel der ihm so eben verliehenen Weisheit, Gericht zu
hören. Einiges Deuteronomistische läuft in Kap. 3 mit unter, nämlich
die successive eingesetzten Yerse 2 und 3, und ausserdem v. 14
und 15. Sodann ist das 4. Kap., insbesondere das alte und viel-
leicht authentische Verzeichnis der — keineswegs über die „zwölf
Stämme" gesetzten — zwölf Statthalter Salomos derartig in den
Zusammenhang eingefügt, dass es die Herrlichkeit des Königs
zeigen soll; demi diese Statthalter haben hier nur die Aufgabe,
jeder einen Monat im Jahre für den Tisch des Königs zu sorgen
4, 7. 5, 7. Es ist klar, dass 5, 7. 8 unmittelbar (wie in der Sept.)
auf 4, 7 — 19 folgen und dass das Wort min"' 4, 20 noch als Ge-
nitiv zum Stat. constr. Vl^ 4, 19 gezogen werden muss. Dadurch
erscheint ohne weiteres 4, 20 — 5 , 6 als spätere Einlage. Die
Elemente derselben sind ungleich, grösstenteils aber generalisirender
Natur und sehr späten Ursprungs, wie man besonders aus 5, 4
erkennt, wo Palästina von babylonisch-persischem Standpunkte aus 239
als die Provinz jenseit des Euphrat bezeichnet ist, wie Esdr. 8, 36.
Neh. 2, 7. 9. 3, 7. Die Notiz 5, 6 gehört zusammen mit 10, 28. 29;
es ist bei der willkürlichen und unordentlichen Redaktion ganz
gleichgiltig, ob etwas in 3, 1 — 5, 14 oder in 10, 1 — 29, ob in
5, 15—32 oder in 9, 10—28 steht. Die Chronik (H 1, 14 ss.)
scheint 10, 28. 29 sowol an der jetzigen Stelle wie auch bei 5, 6
272 Das Buch der Könige.
vorgefunden zu haben (vgl. 3, 1. 7, 8 mit 9, 24; 9, 15 mit 9, 24;
5, 27—30 mit 9, 20—23; 9, 26—28 mit 10, 22); die Sept. liest
4, 20 — 5, 6 an anderer Stelle, wie sie auch die Notizen 9, 15 — 25
teils in Kap. 3 teils in Kap. 10 darbietet. — Das noch übrige
Stück 5, 9 — 14 kann 4, 7 — 19. 5, 7. 8 fortsetzen, wahrscheinlicher
jedoch ist es gleichartig mit 4, 20 — 5, 6, woran es in der Sept. an-
schliesst. An 5, 13 hat die Aggada angesetzt; denn indem ^V und
bi<. nach späterer Sitte verwechselt ward, ist aus der Angabe,
Salomo habe über alles Vieh und über alle A^ögel und Fische ge-
redet, geworden, dass er zu allen Tieren geredet und ihre Sprache
verstanden habe^).
Die Erzählung von der Königin von Saba 10, 1 — 13, die sich
einigermassen fremdartig zwischen den kurzen Notizen 9, 10 bis
11, 29 ausnimmt, will ebenfalls die Weisheit und Herrlichkeit
Salomos zur Vorstellung bringen. Unter dem gleichen Gesichts-
punkte sind auch die übrigen Nachrichten des 10. Kapitels zu-
sammengestellt.
5. In Kap. 11 wird zu all dem Glanz der bisher geschilderten
Herrlichkeit ein wenig Schatten nachgetragen. Es ist keineswegs
an dem, dass das was hier berichtet wird der Zeit nach auf das
Vorhergehende folgte und in Salomos Alter fiele. Die Losreissung
Edoms vom Reiche Davids fand vielmehr nach 11, 21. 22 zu An-
fang der Regierung Salomos statt ^), ebenso die Errichtung des
damascenischen Königtums durch Reson ben Eljada v. 25, endlich
auch die Flucht Jerobeams zu der Zeit, wo Salomo die grosse
Böschungsmauer des Tempelberges baute 11, 27. 9, 15. 24. Also
ist die Betrachtungsweise, wonach alles dies Strafen dafür gewesen
seien, dass Salomo ausländische Weiber genommen und ihnen zu
lieb Götzendienst getrieben habe, unmöglich die des ursprüng-
lichen Erzählers; denn der kann doch die Strafe nicht der Schuld
vorausgehn lassen. In der Tat lässt sich nun auch an den
deuterpnomistischen Wendungen und Vorstellungen leicht erkennen,
dass 11, 1 — 13 total überarbeitet ist. Vordeuteronomisch ist sicher
der Satz v. 7: da baute Salomo dem Kamos eine Bama auf dem
Berge gegenüber Jerusalem — , sodann vielleicht eine jedoch
keinesfalls tadelnde Angabe über die Menge der Weiber. Aber
^) Ygl. ein ähnliches Beispiel im Text der Bb. Samuelis p. 13.
2) Hinter v. 22 stellt Sept. -IIH nm "l'^X H^nH PNI IIJ^N^ 2.1^^1
D"IX bv "j^D^T ^Snti'^2. Yp-»); vgl. MT. V. 25.
1. Reg. 3-11. 273
die Generalisirung der l)estimmt lokalisirten Angabe y. 7 a zum 240
allgemeinen Götzendienst, die Motivirung desselben durch die
Weiber, und der Anstoss, der an den Heiraten mit Ausländerinnen
genommen wird, gehören ebenso gewiss der Bearbeitung an, wie
die Meinung, diese Verschuldung sei in Salomos alten Tagen vor-
gekommen und die Ursache der folgenden Kalamitäten geworden.
Vgl. übrigens schon 9, 2 — 9. In der Vorgeschichte Jerobeams
V. 26—40" lässt sich v. 26—28. 40 von v. 29—39 scheiden. Es
ist klar, erstens, dass v. 40 im gegenwärtigen Zusammenhange un-
motivirt ist, zweitens, dass man nach v. 26 — 28 von einer
Empörung Jerobeams zu hören erwartet: davon ist aber nicht die
Eede, sondern statt dessen wird nun v. 29—39 eine Propheten-
geschichte (= 1. Sam. 15, 27 s. 24, 12) erzählt, welche den ursprüng-
lichen Bericht von dem misglückten Aufstande verdrängt hat und
sich durch v. 32 — 39 als deuteronomistisch bekundet. — 11, 41
bis 43 ist die stehende Klausel des moralisch - chronologischen
Schemas der Epitome.
6. Es scheint aus unserer Untersuchung von 1. Reg. 3 — 11
hervorzugehn, dass ein älteres Werk (nr^b^' ""i:!" ISt) 11, 41?)
zu Grunde liegt, welches aber die Geschichte Salomos nicht nach
der zeitlichen Folge erzählt, sondern mehr eine Sachordnung be-
folgt und vom Tempelbau ausgehend zu beiden Seiten die übrigen
Beispiele von Salomos Glanz und Weisheit gruppirt hat. Hierdurch
ist das eigentümliche Schwanken der Redaktion ermöglicht, denn
die Notizen, nicht durch den natürlichen Pragmatismus gehalten,
konnten zu lehrhaften Zwecken hier wie dort gebraucht werden,
und sind in der Tat in den Recensionen versetzt, wiederholt und
interpolirt. Von dieser älteren Schrift, welche übrigens gewiss
die von ihr benutzten Materialien vielfach schon geformt vorfand,
hat man keinen Grund Kap. 11 auszuschliessen. Auch hier finden
sich kurze geschichtliche Nachrichten nicht nach der Zeitfolge,
sondern nach ihrer inhaltlichen Art zusammengestellt, natürlich
nicht unter dem selben Gesichtspunkte wie Kap. 3 — 10, aber doch
ebenso wenig unter einem damit unvereinbaren. Denn wir haben
gesehen, dass der alte Erzähler nicht beabsichtigt, Salomos Weiber
und den Bau der Kamos-Bama als Verschuldung und andrerseits
seine politischen Miserfolge als Strafe darzustellen; die Worte
Jahve erweckte ihm einen Widersacher sind arglos gesagt,
sofern Jahve eben alles tut.
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. X3
274 ^^^ Buch der Könige.
Diese Gruiidsclirift ist nun hauptsäclilicli deuteronomistiscli er-
weitert 3, 3 s. 14 s. 5, 16—20. 6, 11—13. 8, 14—9, 9. 11, 1—13.
32 — 39. 41 — 43; wahrscheinlicli successive, vgl. 3, 2 mit 3, 3.
Ausserdem beweisen die Auslassung des ehernen Alters in Kap. 7,
241 die Hinzufügung der Stiftsliütte und ihrer Geräte zu der Lade, der
Leviten zu den Priestern in 8, 4, die Ausdrücke Allerheiligstes
und Heiliges und andere in 8, 1 — 8, der goldene Altar 7, 48, dass^
auch, aber in viel geringerem Umfange (und in der Sept. noch
weniger als im MT) eine Art Superrevision vom Standpunkte des
Priestercodex aus stattgefunden hat. Nicht zu reclmen sind aller-
hand naive Zusätze aus späterer Zeit, welche sich vermutlich in
Kap. 5 und in Kap. 9. 10 eingeschlichen haben.
Israel und Juda. 1. Reg. 12 — 2. Reg. 17.
Juda. 2. Reg. 18—25.
7. In diesen beiden letzten Teilen des- Buchs der Könige tritt
die Bearbeitung zwar nicht breiter und stärker auf als im ersten,
aber mit einem viel deutlicher in die Augen springenden Schema.
Die Anfangsformel desselben lautet bei den Königen von Juda
(ausgenommem Athalia): Im Jahre 27 des Königs Jerobeam von
Israel ward Azaria ben Amasia König von Juda; 16 Jahr
alt war er beim Antritt, und 52 Jahre regierte er zu Je-
rusalem, und seine Mutter hiess Jecholia aus Jerusalem —
zwei eng verbundene Sätze, deren erster eingliedriger den Synchro-
nismus, der zweite dreigliedrige zuerst das Alter, sodann die Re-
gierungsdauer und drittens den Mutternamen angibt'). Bei den
Königen von Israel fehlt das Alter und die Mutter und es heisst:
Im Jahre 15 des Königs Amasia ben Joas von Juda ward
(war) Jerobeam ben Jehoas König über Israel in Samarien
41 Jahre — ein einziger etwas zeugmatischer Satz, worin das Verbum
für alles, was dahinter steht, bedeutet: er führte die Herrschaft; allein
1) Der Synchronismus im ersten Satz fehlt natürlich bei Rehabeam I 14, 21,
Joas (in II 12, 2 nachgetragen) und seit Manasse; bei Josaphat steht er nicht
an der Spitze I 22, 41. Für (miH"') "j^D steht I 14, 21. 15, 1. 8. 22, 51
7V oder ^5 es ist also wol Nominativ, nicht Genitiv. Im zweiten Satze gibt
das erste Glied, welches bei Abia und Asa nicht von ungefähr ausgelassen ist,
den vollen Eigennamen, falls der Synchronismus fehlt; aber auch I 22, 41.
II 8, 26. 16, 2. Das dritte Glied fehlt bei Joram ben Josaphat und Ahaz II
8, 17. 16, 2. Es wird gesagt, wessen Tochter oder woher gebürtig die Mutter
sei, öfters beides, bei Manasse keins II 21, 2.
1. Reg. 12 SS. 275
für das vorhergeliende synchronist. Datum: er gelangte zur Herr-
schaft ^).
Die Schlussformel lautet bei den Königen von Juda: Und
der Rest der Geschichte Azarias und was er alles getan 242
. . . das steht geschrieben im Buch der Chronik der
Könige Judas; und Azaria legte sich zu seinen Vätern
und ward bei seinen Tätern begraben in der Davidsburg —
wiederum zwei Sätze, deren erster die Verweisung auf die Quelle
enthält, der zweite, selten vom ersten durch Einschaltungen unter-
brochen (I 14, 30. 15, 7, 23. 22, 46—50. II 15, 36), in cbei
Gliedern den Tod, das Begräbnis und die Nachfolge^). Bei den
Königen von Israel heisst es ganz ähnlich, nur mit charakteristischer
Auslassung des zweiten TTIiats* ÜV' Und der Rest der Ge-
schichte Jerobeams und was er alles getan .... das steht
geschrieben im Buch der Chronik der Könige Israels; und
Jerobeam legte sich zu seinen Vätern und ward begraben in
Samarien und sein Sohn Zacharia ward König an seiner statt ^).
Durch diese Eingangs- und Schlussformel wird nun für jede
Regierung ein Fach gebildet und darin alles untergebracht, was
wälirend derselben vorgefallen ist, wenn es auch, wie z. B. die
Geschichten II 4. 5., in gar keiner Beziehung zu der Herrschaft
1) Das Zeugma ist I 15, 25. 16, 29. 22, 52. II 3, 1. 15, 13 aufgelöst in
"j^Q und "ite"""!. Der Vatersname fehlt bei Zimri und Omri I 16, 15. 23-
Bei Zimri und Sallum ist, nicht ohne Absicht, 7X1^'"' bV (statt dessen II
14, 23 "^ "IvD) ausgelassen; bei Jerobeam I und Nadab die Residenz;; welche
von Ahab an Samarien, vorher Thirsa ist, während Omri den Übergang macht.
2) Die Schlussformel fehlt gänzlich bei Ahazia ben Joram, Joahaz ben
Josia, Jojachin und Sedekia, lauter gestürzten Königen, deren Sohn nicht an
ihrer statt folgte. Vom zweiten Satz fehlt das erste Glied, ^DU^^I; bei den
Königen, die ein gewaltsames Ende gefunden haben II 12, 22. 14, 20. 21, 26.
23, 30, es wird dann durch eine ausführlichere Relation ersetzt. Als Begräbnis-
ort ist bis auf Ahaz die Davidsburg, von da an der Garten Uzza genannt, der
nach Ezech. 43, 7 dicht beim Tempel gelegen haben muss. Dies ist wol
der Grund, warum beim frommen Josia der Ort, bei Hizkia das
ganze Begräbnis verschwiegen wird. Bei Jojakim ist dasselbe deshalb
nicht erwähnt, weil er wie ein Esel begraben ward Hier. 22, 19. [Vgl. aber
Stade Gesch. des Volkes Isr. 1, 679 n.]
2) Bei Joram ben Ahab und Hosea ben Ela ist, wegen des ausführlichen
Berichts über ihren Ausgang, die Schlussformel weggeblieben; sonst aber,
auch bei Zimri und Sallum, nicht. Veränderte Ordnung I 14, 19 s. 16, 27 s.
Dem ersten Satze werden öfter als bei den Königen von Juda noch positive
18*
276 I^^s Buch der Könige.
irgend eines Königes steht. Die Klausel macht die Türe zu, dann
kann höchstens noch eine vereinzelte Notiz nachgetragen werden.
Nur die Erzählung 2. Reg. 2 schwebt unentschieden zwischen Ahazia
und Joram von Israel. Dagegen muss es l^eanstandet werden, dass
bei Jehoas von Israel Anfangs- und Schlussformel dicht bei ein-
ander stehn und dann erst der Inhalt der Regierung folgt. Die
Verse II 13, 12. 13 sind interpolirt, da sie sowol im Ausdruck
als in der Anordnung der Glieder des zweiten Satzes vom Schema
243 abweichen. Wenn also die auch durch v. 17 beglaubigten Yerse
14, 15. 16 richtig stehn, so ist hier bloss der ungewöhnliche Fall
eingetreten, dass die Geschichte zweier gleichzeitigen Könige von
Israel und Juda nicht nach einander abgehandelt, sondern in ein-
ander verschränkt ist '). Dies ist allerdings eine Ausnahme. Sonst
richtet sich die Aufzählung mechanisch nach dem Datum der
Thronbesteigung, in der Weise, dass die Könige der beiden Reiche
gemischt an die Reihe kommen, und wer zuerst angetreten ist,
auch zuerst und zwar vollständig abgehandelt wird. Z. B. ist im
Ganzen die Regierung Josaphats von Juda mit der Ahabs von
Israel gleichzeitig; weil er aber etwas später angetreten ist, wird
er, trotz 22, Iss., erst nachgebracht, nachdem Ahab bestattet ist
I 22, 41 — 51, und dann auch gleich abgemacht, obwol er noch
den Ahazia von Israel überlebt hat. In der Sept. tritt Josaphat
früher als Ahab an, also steht er auch vor jenem; in richtiger
Einsicht in das Prinzip dieser Anordnung.
8. Ausgefüllt wird dies Fachwerk durch zweierlei, freilich
in einander greifendes und sich ergänzendes Material, ausführliche
Erzählungen und zusammengestellte Notizen. Jene werden eröffnet
durch I 12, 1 — 24. Das Stück beginnt nicht selbständig, sondern
setzt 11, 43 fort, woran sich 12, 2, da y^t^'D den Tod Salomos zum
Objekt hat, unmittelbar anschliesst, dann v. 1 und v. 3b. Nach
der Septuaginta (vgl. v. 20) ist am Schluss von v. 2 D'^'l^^ö
(rediit ex Aegypto) zu lesen und v. 3 a bis zum Athnach zu
streichen. Der Berichterstatter misst dem Rehabeam die Schuld
Angaben hinzugefügt. Der zweite Satz findet sich bloss bei den eines ruhigen
Todes gestorbenen Königen und bei Ahab I 22, 40. Das zweite Glied des-
selben fehlt I 14, 20. 22, 40. II 14, 29. 15, 22: als Ort des Begräbnisses wird
ausser bei Baesa nur Samarien angegeben.
1) Die sachliche Erklärung, welche 0. Wolff in den Stud. und Krit. 1858
p. 625 — 688 davon giebt, ist gewiss nicht richtig.
1. Reg. 12 s.S. 277
zu und findet das in der Tat doch trotzige und auffällige Vor-
gelin der Israliten ganz selbstverständlich, dass sie in Erinnerung
an die Wahl Sauls und Davids sich in Sichern versammeln und
von dort aus ihre Forderungen an den neuen König stellen, indem
sie nicht zu ihm gehn, sondern ihn zu sich kommen lassen. Gleich-
wol steht er nach v. 15 nicht auf ephraimitischen Standpunkte und
ist ausserdem abhängig von der offenbar echt judäischen Geschichte
Davids 2. Sam. 9 — 1. Reg. 2. Denn der Sohn Isais hat sicht-
lich 2. Sam. 20, 1 und nicht 1. Reg. 12, 16 seine ursprüngliche
Stelle, und auch das b^^\l/^ "(''Snxb lässt sich nur dort im eigentlichen
Sinne verstehn, da ja hier die Versammlung in Sichem sich be-
findet und ruhig bei einander bleibt. Vgl. 12, 16 mit 2, 15. 2 Sam.
16, 10. 17, 14. Der 17. Yers mangelt der Sept., erbringt an ver-
frühter Stelle eine auf v. 20 bezügliche Ausnahme und ist zu
streichen. Die Yerse 21 — 24 enthalten einen späten Zusatz, wie
sie in der Chronik sehr häufig vorkommen; vgl. die ungeheure Zahl
12, 21 und den unbedingten Gehorsam des Königs gegen das Wort
des Propheten Semaia (noch dazu debar Elohim). Nach 14, 30 244
war Krieg zwischen Jerobeam und Rehabeam alle Zeit.
Die nächste Erzählung, Kap. 13, knüpft an die kurzen No-
tizen 12, 25 — 31 an und zwar vermittelst der stark interpolirten
Verse 12, 32. 33: als Jerobeam festfeierte und um zu opfern auf
den Altar gegangen war, da kam ein Mann Gottes aus Juda —
eben in diesem Moment (vgl. v. 4 vom Altar herab). Nach-
dem der häretische Kultus kaum seinen Anfang genommen, wird
ihm der Untergang angesagt, natürlich durch einen Judäer. Die
Weissagung 13, 2. 3 ist ein vaticinium ex eventu, so handgreiflich,
dass sich Keil ihrer schämt und den Namen Josia wegdeutet; so-
gar die Auscbücke sind fast wörtlich aus II 23, 15—20 entnommen.
Die Sprache (mn*' n:i":i 13, 1. 9. 17 vgl. 20, 35. 1. Sam. 3,
21, .Xin 12, 33, "»PN^.^' und "IS"! 13, 9. 17), die Namenlosigkeit
der handelnden Personen, die Abenteuerlichkeit der Scene v. 24,
die geistlose Mache der ganzen Geschichte geben das Urteil über
sie an tlie Hand. Es ist eine Legende im Stil des Midrasch, viel-
leicht entstanden daraus, dass man wirklich in Bethel das Grab
eines angeblichen judäischen Propheten zeigte und dazu nun die
Entstehungsgeschichte erzählte ^) ; wobei eine Reminiscenz mit unter-
1) Jedoch ist 2. Reg. 23, 16—18 iuterpolirt, s. Thenius, die Bb. der
Könige 2. Aufl. p. 445 s.
278 I^^s Buch der Könige.
gelaufen sein mag an Arnos von Thekoa, der auch zur Zeit eines
Jerobeam aus Juda nach Bethel kam, um den Untergang des dor-
tigen Heiligtums zu verkündigen und ebenfalls geheissen wurde,
sein Brot zu essen, wo er zu Hause sei. Zum Schluss ist noch zu
bemerken, dass 13, 33 b zu 12, 31 die Fortsetzung ist.
Das Stück 14, 1 — 18 ist zwar anderen und weit älteren, aber
in seiner gegenwärtigen Gestalt doch erst nachdeuteronomischen
Ursprungs. Das geht aus der Weissagung 14, 7 — 16 hervor, die
ganz ähnlich wie Kap. 13 und gleichfalls an 12, 25 — 31. 13, 33. 34
angeknüpft, gleich am Anfang den Untergang des Zehnstämmereichs
andi-oht (v. 16) und zwar von judäischem Standpunkte aus, als
Strafe für den schismatischen Kultus, der nach dem Gesetze Josias
als fremder Dienst, als Erzürnung Jahves, als schlimme Erfindung
Jerobeams, womit er Israel angesteckt habe, beurteilt wird. Vgl.
die Sprache v. 8. 9. IV^ v. 10. 15. 16; die Ausdrücke in v. 10.
11 sind zwar originell, aber zugleich stereotyp 16, 13. 21, 21.
II 9, 8. 14, 28; sehr wenig hier passend ist ']'<:Bb "lt^'^? bDü j;"im
V. 9 und die Drohung v. 13, beides mechanisch angewandt. Zu-
gestehn lässt sich, dass eine kurze vordeuteronomische Erzählung
zu Grunde liegen kann, wo aber Ahia in seiner Antwort nicht über
die Frage hinausging.
245 9. Wir treffen nun erst wieder in Kap. 17 auf eigentliche
Erzählungen und zwar hier auf eine grössere Gruppe, wo der König
Ahab und sein Nachfolger Joram, und der Prophet Elias und sein
Nachfolger Elisa im Mittelpunkte stehn. Hier gehören zunächst
die Kapp. 17. 18 eng zusammen: Elias vorläufiger Triumph über
den Baal. Der Anfang des Dramas ist abgekürzt, die Exposition
auf 17, 1 zusammengeschrumpft. Zwar ist das Auftreten des Pro-
pheten 17, 1 nach 16, 30 — 33 nicht unmotivirt, aber die An-
knüpfung der Erzählung an diese Notizen ist sicher erst das Werk
dessen, der dieselbe recipirte, nicht dessen, der sie verfasste. Auch
genügt das nicht; wir vermissen den Ort, worauf sich niD 17, 3
bezieht, den Grund, warum Elias der Agitator Israels genannt und
vorzugsweise verfolgt wird 18, 10. 17, eine Angabe über den Pro-
phetenmord der Izebel 18, 13. Doch lässt sich nicht leugnen, dass
die plötzliche Einführung des Thisbiters seinem blitzartigen Wesen
entspricht, und dass es eine durch die Abkürzung erreichte Schön-
heit ist, weim der erste Akt sich auf die Worte beschränkt: und
es sprach Elias der Thisbiter, von Thisbe Gilead, zu Ahab: beim
1. Reg. 17 SS. 279
Leben Jalives des Gottes Israels, vor dem ich stehe, es soll diese
Jahre nicht tauen noch regnen, ausser auf mein Wort. — Im
zweiten Akt wird nun die Erfüllung der Drohung nicht an dem
allgemeinen Jammer, sondern, klug und einfach, an dem eigenen
Beispiele des unversehens wie er gekommen auch der Welt wieder
entrückten Propheten geschildert, wie er zuerst am Bache Krith
von den Raben, sodann im Lande Baals selber von einer Wittwe
ernährt wird 17, 2 — 24. — Nach geraumer Frist tritt schliesslich
der überall vergeblich Gesuchte unvermutet dem Könige unter die
Augen, während dieser gerade sich in einer ziemlich demütigenden
Situation befindet, und fordert ihn nach einem effektvollen Zu-
sammenstoss auf, eine Ai't religiösen Zweikampfes zwischen Baal
und Jahve zu veranstalten, eine Zumutung, auf welche Aliab ein-
geht. Die Sache wird durch die 450 Propheten Baals ^) und den
einzigen noch übrigen Propheten Jahves ausgefochten, im Beisein 246
des Königs und des Volkes ; die Opferprobe auf dem Karmel ent-
scheidet für Elias. Das Volk, bis dahin geteilten Herzens, tritt ganz
auf die Seite des Eiferers und schlachtet die Baalspropheten unten
am Berge: alsbald tränkt ein überraschender Platzregen das Land.
Das 19. Kap. enthält hierzu eine Fortsetzung. Elias Triumph
ist nur ein Vorspiel, gleich darauf flüchtet er um sein Leben nach
dem alten auch von Israel aus vielbesuchten Heiliojtum von Beer-
seba im südlichen Juda: mismutig bittet er, unter dem Ginster-
buscli in der Wüste, um seinen Tod. Da wird er durch einen
himmlischen Boten auf den Berg Gottes Horeb beschieden; und
wie er dort ano-elansft in eine Höhle sich zurückQ;ezog;en hat, rauscht
es an ihm vorüber: Sturm und Beben und Blitze sind Jahves Yor-
reiter, darnach kommt er selbst im leisen Säuseln hinter dem Ge-
witter. Verhüllten Hauptes tritt Elias aus der Höhle heraus und
hört eine Stimme fragen, was ihm sei. Nachdem er sein Herz
1) Die 400 Ascherapropheten v. 19 (beachte den Mangel des ^^s) sind zu
streichen, nach v. 22 und v. 40, wo sie weder versammelt noch geschlachtet
werden. Ascheren sind im Alten Testament eine Art künstlicher Bäume, die
in älterer Zeit nebst den Masseboth mit zum Inventar auch der Bamoth Jahves
gehörten Deut. 16, 21. 12, 3 ss, 2. Reg. 13, 6. Nur selten und erst in sehr
später Zeit wird Aschera mit Astoreth verwechselt, von dem letzten Bearbeiter
der geschichtlichen Bücher; vgl. Jud. 3, 7 mit 10, 6. 1. Sam. 7, 3. 4. 12, 10.
— In 18, 5 1. nonü l^^/O n"13'' ^bl ue deficiant nobis iumenta. — In
18, 41 ist das Explicitum )n^b^ verkehrt und Ü)1'-]V) item D110nti^''l auszu-
sprechen; s. Text der Bb, Samuelis p. 22 s.
280 '^'^^ Buch der Könige.
ausgeschüttet, wird ihm der göttliche Trost zu teil, dass keines-
wegs seine Sache verloren sei, vielmehr die grimmigste Rache,
deren Vollstrecker er selber berufen solle, über alle Verehrer Baals
ergehn, und diejenigen sieben Tausend in Israel das Feld behaupten
werden, die ihre Knie nicht dem Abgotte gebeugt^). „Du sollst
Hazael zum Könige über Damaskus salben und Jehu ben Nimsi
zum Könige über Israel und Elisa ben Saphat zum Propheten an
247 deiner statt, und wer dem Schwerte Hazaels entrinnt, den wird
Jehu, und wer dem ScliM^erte Jehus entrinnt, den wird Elisa töten."
Aus dieser Ankündigung können wir einige literarische Schlüsse
ziehen. Der ideelle Abschluss unserer Geschichte ist hiernach der
definitive Triumph Jahves und des Propheten über Baal, über den
König und das Volk, d. h. also der Sache nach das, was wir in
2. Reg. 9. 10 lesen. Aber der Form nach kann es nicht dieser
Bericht sein, auf den hier vorausgeblickt wird, weil dort Jehu nicht
durch Elias, sondern durch Elisa gesalbt wird. Ahnlich werden
durch 19, 15 ss. die Syrerkriege vorausgesetzt, so aber, dass sie,
äusserst unglücklich verlaufend, als Strafe für den Baalsdiener er-
scheinen und von Hazael geführt werden, der von Elias zu dem
Zweck gesalbt ist. Diesen Bedingungen entsprechen nun wiederum
die in Kap. 20. 22. II 6. 8 folgenden Syrerkriege gar nicht, die-
selben sind vielmehr von national israelitischem Standpunkte aus
erzählt und werden vom Hause Ahab keineswegs mit so ungünstigem
^) Durch die sentimentale Ausdeutung der rein sinnlichen und malerischen
Folge von Sturm Beben Blitzen und Säuseln — eine Ausdeutung, welche zu
dem Inhalt der Rede Jahves in klaffendem Widerspruch steht — wird ge-
wöhnlich ein abscheuliches Misverständnis dieser schönen Theophanie erzielt.
Mit verschuldet ist dasselbe freilich durch eine starke Yerunstaltung des Textes.
A'"on V. 9 b (nach dem Athnach) an bis v. 11 a (rijm excl.) ist alles zu strei-
chen, als falsche Vorausnähme von v. 14 nebst deren bösen Folgen. Äusser-
lich fällt am meisten auf der Widerspruch zwischen v. IIa und v. lob; nach
V. 11 hätte man zu denken, dass Elias zuerst aus der Höhle herausgetreten
und dann die Theophanie erfolgt wäre, aber nach v. 13 ist erst das Hören
der Theophanie die Veranlassung, dass er aus der Höhle tritt, in der er sich
bis dahin aufgehalten. Wesentlicher aber ist, dass ja die Vision in Wahrheit
die erste Einführung der Gottheit ist, und in dieser ihrer Bedeutung ganz
verdorben wird, wenn schon vorher Jahve privatim mit Elias geredet und
gleichsam gesagt hat: warte nur, gleich erscheine ich officiell, dann trag deine
Klage noch einmal vor und dann will ich antworten. Das Geheimnis und die
Spannung geht auf diese Weise davon.
1. Reg. 17 SS. 281
Erfolge geführt; Hazael wird nicht von Elias, sondern S'On Elisa
gesalbt und die schlimme Wendung, die er herbeiführt, beginnt
erst unter Jehu, dem Werkzeuge der Propheten, nach der Aus-
rottung des Baaldienstes. Es lässt sich also mindestens das sagen,
dass in 19, 15 ss. nicht auf diejenigen Berichte hingesehen wird,
die uns jetzt über die Syrerkriege Ahabs und Jorams und über
den Sturz der Dynastie Omri durch Jehu vorliegen, dass folglich
jene Berichte nicht zu der Quelle gehören, aus der Kap. 17 — 19
entnommen sind. Dass diese Quelle selber andersartige Berichte
über die betreffenden Fakta enthielt, ist nicht so gewiss, doch aber
wenigstens das wahrscheinlich, dass ursprünglich, wie 19, 19 ss.
die Salbung Elisas, so vorher die Ausführung der v. 15. 16 ja eben-
falls befohlenen Salbung Hazaels und Jehus erzählt worden ist.
A^or V. 19 ist eine Lücke, denn N'HD''1 C^'D "jb^l hat keine ordent-
liche Beziehung.
Aus der Quelle Kap. 17 — 19, deren nichtjudäischer Ursprung
zum Überfluss durch min'''? "1t^\S 19, 3 bewiesen wii'd, stammt
ausserdem noch das 21. Kap., welches sich störend (die Sept. ver-
setzt deshalb, vgl. jedoch 20, 43 mit 21, 4) zwischen Kap. 20 und
Kap. 22 eindrängt. Sachliche Ähnlichkeit: Elias als Hauptperson,
sein adlerartiges Stossen auf Ahab im richtigen Moment; formelle:
21, 1 vgl. mit 17, 17; 21, 17 vgl mit 18, 1. Mit Kap. 22 hängt
diese Erzählung von Naboth nicht zusammen, denn die Worte
21, 19, dass an dem Orte, wo die Hunde das Blut Naboths geleckt
haben, sie auch Ahabs Blut lecken sollen, beziehen sich, da dieser
Ort nur Jezreel sein kann, auf das Blutbad Jehus zu Jezreel
2. Reg. 9; Ahabs Blut ist nicht bloss das, was in seinen eigenen,
sondern auch das, was in seiner Kinder Adern fliesst, und in v. 29
heisst es ausdrücklich, die Drohung Elias solle sich erst an Ahabs
Sohne erfüllen. Indessen obwol unsere Perikope auf die 2. Reg. 9 248
berichtete Sache Bezug nimmt, so steht sie doch auch damit nicht
in formeller Verbindung, da in 2. Reg. 9, 25. 26 eine erheblich
andere Version über Naboth vorausgesetzt wird. Darnach handelte
es sich nämlich nicht um den Weinberg, sondern um den Acker
Naboths; der Acker lag nicht beim Palaste, sondern vor der Stadt
an einer genau bezeichneten Stelle; nicht Nal^oth allein, sondern
auch seine Familie wurden hingerichtet (daher II 6, 32 n^^?on);
am folgenden Tage, als Ahab in Begleitung Jehus und Bidekars
(1. Reg. 4, 9) hinausritt, um den Acker in Besitz zu nehmen,
282 ^'^^ Buch der Könige.
traf ihn das Wort des Propheten: fürwahr das Blut Naboths und
seiner Kinder habe ich gesehen, gestern Abend, und werde es dir
vergelten auf diesem Acker! Nach dieser Version hat der Justizmord
von Jezreel, wie Ewald feinfühlig bemerkt, eine viel grössere Auf-
regung im Volke hervorgerufen und für das Haus Omri eine viel
verhängnisvollere Bedeutung gehabt, als der Baalsdienst: ganz anders
als wie es nach 19, 15 ss., 21, 27 — 29 den Anschein hat. Übrigens
ist in unserem Kapitel die gleiche nachdeuteronomische Hand, wie
in 14, 1 — 18, tätig gewesen und hat namentlich v. 20 b — 26 ein-
gelegt. Die Wirkung des unerwarteten, grimmigen ntJ^I'' D^ll nriH^in
V. 19 wird nicht der originale Verfasser, ein Meister im Effekt,
durch fortgesetztes Hin"' "ION' HD A^erdorben haben.
Die Kapitel 2. Reg. 1 und 2 haben mit 1. Reg. 17 — 19. 21
zwar das gemein, dass sie sich auch um Elias drehen, sind aber
doch wesentlich anders geartet. Bei Kap. 1 ist dies zugestanden.
In der Tat besteht ein klaffender unterschied zwischen der Grösse
des echten und dem Auftrumpfen dieses entstellten Elias. Gott
ist in die Ferne gerückt und redet durch einen Engel (1, 3. 15;
ganz anders wie I 19, 15), dafür ist der Prophet zu einem über-
menschlichen Popanz geworden. Die Erzählung ist wol abhängig
von 1. Sam. 19, 18 — 24; auch formell enthält sie viel Unmotivirtes
und reicht nicht an die Vollendung von I 17 — 19. Anders ver-
hält es sich mit der Himmelfahrt Elias' 2. Reg. 2; jedoch steht
man auch hier nicht auf dem Boden von I 17 — 19. 21. Elias und
Elisa erscheinen in unzertrennlicher Einheit, wohnhaft zu Gilgal
2, 1, inmitten der Prophetenjünger daselbst, welche um den Zweck
des geheimnisvollen Weges Bescheid wissen v. 2 und die beiden
Meister sogar dabei begleiten v. 7. Allerdings auch nach I 19, 21
folgt Elisa dem Elias und dient ihm, aber trotzdem tritt letzterer
hinterher (21, 18) gerade so einsam und meteorisch auf wie vorher
und wird gewiss nicht vorgestellt als an einem festen Orte sess-
haft, geschweige als Haupt zahlreicher Jünger. Durch diese Unter-
schiede gegen I 17 — 19. 21 wird nun andererseits eine Ahnlich-
249 keit unseres Stückes mit den nachfolgenden Erzählungen über
Elisa begründet, die namentlich in 2, 19 ss. deutlich hervortritt
und dazu veranlasst, dasselbe mit jenen in gleiche Gruppe zu
setzen. Der Ort der Himmelfalii-t scheint durch Moses Grab bedingt
zu sein. Mit 2, 12 vgl. 13, 14.
10. Ahabs Kampf gegen Benhadad 1. Reg. 20. 22 eröffnet
1. Reg. 20. 22. 283
eine andere Reihe von Erzählungen. Es sind drei Feklzüge a) die
Belagerung Samariens 20, 1 — 21, I)) die Niederlage der Syrer in
der Ebene von Aphek 20, 22 — 34, c) Ahabs Tod in der Schlacht
von Ramath^) Gilead 20, 35—43. 22, 1—38'^). DieYerse 20, 35
bis 43 beziehen sich gerade so auf 22, 1 ss., wie 20, 22 auf 20, 23 ss.,
vgl. V. 13. 14. 28. Aber sie sind erst später eingesetzt, da sie,
wie 20, 43 vgl. mit 21, 4 zeigt, das 21. Kap. zwischen dem 20.
und 22. voraussetzen. Diese Weissagung eines Anonymus unter 250
den Prophetenjüngern unterbricht ausserdem den innigen Anschluss
von 22, 1 an 20, 34 und ist lediglich ein schattenhaftes Vorspiel
dessen, was hinterher wirklich Q-eschieht. Ebenso ist der namenlose
^) St. abs. non 2. Reg. 8, 29.
2) Nach 20, 7 — 9 ist die anfängliche Forderung Benhadads viel milder
gewesen als^ die schliessliche; die erste hat Ahab auf der Stelle bewilligt, die
zweite bringt ihn in Entrüstung. Dagegen lässt sich zwischen dem Inhalt des
Ansinnens in v. 3 und dessen in v. 5. 6 kein Unterschied entdecken; es ist
ein Akt exegetischer Verzweiflung, dass man das gar nicht hervortretende
"]''1!iy "Tl^ V. 6 krampfhaft betont. Auf das Richtige führt die Septuaginta
zu V. 7, welche 1 vor i^y auslässt: „nun sendet er zu mir um meine Weiber
und Kinder; mein Silber und Gold habe ich ihm nicht geweigert." Darnach
wird man in v. 3 zunächst D'^lLlLOn mit Sept. streichen und ferner CH l?
(behalt du) lesen müssen. — 20, 33 13^D mtO^n^l sie griffen das Wort von
ihm auf und fragten: dein Bruder ist B.? — 20, 34 '»jnbti^n nnnn ""JiNUind
ich — auf Kapitulation sollst du mich frei lassen. Das absolute ^JX ist
fälschlich als Subject aufgefasst, geradeso wie Ps. 91, 9 das absolute nDS^«
— 22, 10 ist nach Sept. pJ3. Dikographie, CIJID. sind nach v. 30 die
königlichen Gewänder. — 22, 28 ist D^D Ü^ÜV ^V^^^ ION"»! aus Mich. 1, 2
genommen und mit Sept. zu streichen. — 22,30 ND.N1 li'D^^^^. — 22,35 — 38
„Ahab war verwundet und wollte umwenden, aber das Gefecht rückte vor und
er war gezwungen, im Wagen stehn zu bleiben den Syrern gegenüber, und er
starb am Abend und das Blut der Wunde floss hinein in den Wagen.
— Und gegen Sonnenuntergang erhub sich im Heere der Ruf: jeder in seine
Stadt und seine Heimat, denn (flD ""D) der König ist tot. Und sie kamen
heim nach Samarien und begruben den König in Samarien und sie spülten
den Wagen am Teich von Samarien und die Hunde leckten sein
Blut und die Huren badeten darin nach dem Worte, das Jahve ge-
redet hatte." Die gesperrten Worte (v. 38) sind interpolirt. Sie wollen die
buchstäbliche Erfüllung der Drohung 21, 19 nachweisen und es erklären, wie
die Hunde zu Samarien das seit der Schlacht natürlich längst eingetrocknete
Blut haben lecken können. Aber der rabbinische Scharfsinn ist unnütz ver-
schwendet, denn nach 21, 19 sollen die Hunde nicht zu Samarien, sondern
zu Jezreel, auf dem Acker Naboths, des Königs Blut lecken. Vgl. ÜD1
gegen H^-DID v. 36.
284 Das Buch der Könige.
proplieta ex macliina 20, 13. 14. 22. 28 bloss zum Zwecke eines
cletaillirten A^aticinium ex eventu eingelegt; am besten gliedern
sich V. 13. 14 dem pragmatischen Zusammenhange ein, stimmen
indessen gleichwol nicht dazu, denn wenn hier Ahab auf gött-
lichen Befehl die Initiative ergreift, so ist nach v. 12 vielmehr das
Ausrücken der Syrer zum Angriff (l^D"":^') das Motiv zu seinem
Ausfall ihnen entgegen. Wie anders das Bild sich ausnimmt,
welches die ursprüngliche Erzählung von dem Yerhältnisse der
Propheten zum Könige entwirft, sieht man aus Kap. 22. — Die
Anschauungsweise und Stimmung von Kap. 20. 22 unterscheidet
sich merklich von der in Kap. 17 — 19. 21 herrschenden. Von Elias
ist keine Rede, dahingegen von 400 anderen Propheten Jahves 22, 5. 6,
die Ahab vor seinem letzten Feldzuge befragt. Der König ist
durchaus die Hauptperson und erscheint in einem viel günstigeren
Lichte. Obwol er für seine Gemahlin den Dienst des tyrischen
Baals in der Hauptstadt eingeführt" und sich dadurch die Feind-
schaft von Männern wie Micha ben Jimla zugezogen haben mag,
so hält er darum doch für sich und für Israel an Jahve fest —
wie das denn auch durch die Namen seiner Söhne Ahazja und
Joram und durch die Freundschaft mit Josaphat aufs unzweideutigste
bezeugt wird. Er ist ein Mensch 20, 31 und ein Mann 22, 34 s.,
dem Feinde furchtbarer als ein Heer 22, 32; was er getan, wird
gesagt, nicht wie er gewiesen.
Von dem Verfasser, der Kap. 20. 22 geschrieben hat, stammt
auch 2. Reg. 3, der Zug Jorams ben Ahab gegen Mesa von Moab.
Vgl. die auffallenden Berührungen 3, 7. 11. 22, 4. 5. 7, die Ver-
meidung der Eigennamen der Könige (auch bei den doch jedenfalls
dem Erzähler bekannten des Ahab und Joram), mit einziger Aus-
nahme Josaphats A^on Juda. Die Verhältnisse haben eine sicht-
liche Familienähnlichkeit mit denen A^on Kap. 22: Juda steht im
Bunde mit Israel, Jahve hat vor dem Feldzuge Erfolg geweissagt,
jedoch Avie es 3, 10 dem Joram scheint „durch den Lügengeist'',
ein Prophet von der Opposition (3, 13) Avird auf Josaphats Veran-
lassung nachträglich befragt, hier nicht Micha ben Jimla, sondern
Elisa ben Saphat, der auf Elias' Hände Wasser gegossen hat (nicht:
der Elias' Mantel trägt). Die Taten der Könige stehn im Vorder-
grund, für die Propheten herrscht avoI auch Interesse, Avelches
aber nicht das Ganze färbt und die Linie des Volkstümlichen nicht
251 überschreitet. Volkstümlich, nicht Avie 2. Sam. 9 — 20 historisch
2. Eeg. 3. 7. 9 s. 285
aus überlegener Sachkenntnis, ist überhaupt der Charakter sowol
unserer als der damit zusammenhangenden Geschichten, die trotz
der Parteinahme Elisas für den König von Juda 3, 14 zweifellos
samarischen Ursprungs sind. Das Wunder, dass in dem Wadi an
der Südgrenze Moabs Gruben angelegt werden und voll Wasser
laufen, verrät Lokalkenntnis in der Gegend al- Alisa; s. Wetzstein
bei Delitzsch, Genesis 4. Aufl. p. 567. Die Inschrift des Mesa deckt
sich mit der kurzen Angabe 3, 5 und erzählt weitläufig den näheren
Verlauf des Abfalles, der später die Ursache unserer Expedition
wurde. Sie ist offenbar vor dieser letzteren verfasst.
In die Reihe I 20. 22. II 3 ist ferner 6, 24—7, 20 zu stellen,
die mit dem Vorhergehenden nicht zusammenhangende (6, 24
gegen 6, 23) wunderbare Befreiung Samariens von der Belagerung
der Syrer. Vgl. 6, 24 mit 20, 1; 7, 9 mit 22, 2; 7, 12 mit 20, 18;
die sympathische Schilderung (6, 30) und die Namenlosigkeit des
Königs, der jedoch durch 6, 31 wde 3, 5. 13 als Sohn Ahabs zu
erkennen ist; das Verhältnis Elisas zu ihm, ganz wie in Kap. 3;
die grosse Anschaulichkeit des Details''') ohne dass man über den
realen Zusammenhang ins Klare kommt; es sind Historien und
zwar sehr wertvolle, aber keine Geschichte, obwohl wahrscheinlich
die Abgerissenheit jetzt grösser ist als in der originalen Schrift,
indem z.B. 6, 31. 33 (vgl. 3, 10) auf uns vorenthaltene Prämissen
(dass Elisa zum Kampf und zum Aushalten darin getrieben hatte)
hinweist. Der oft vorkommende Zug 6, 26 — 29 ist hier gleicliAvol
von individueller Originalität. Für die Zeit der Abfassung dieser
offenbar samarischen Erzählung ist 7, 6 wichtig: Jahve Hess die
1) Die Anschaulichkeit des Details ist allerdings im gegenwärtigen MT.'
getrübt, namentlich in 2. Reg. 6, 32. 33. Es muss heissen: „Elisa aber sass
in seinem Hause und die Ältesten waren bei ihm versammelt; ehe noch der
König zu ihm kam, sagte er zu den Ältesten: wisst ihr, dass dieser Mörders-
sohn Auftrag gegeben hat, mir das Haupt abzuschlagen? Während er noch
redete, da kam der König zu ihm herab und sprach: siehe in so grosses Un-
glück hat uns Jahve gestürzt, was soll ich noch seiner harren!" Nach 7, 17
(vgl. Sept.) ist 6, 33 "jNvOn falsche Auflösung für "7 vOH, veranlasst durch
Misverstänclnis von VbW v. 32: ebenso auch v. 32 a. Die Corruptel hat weiter
die Prämisse TiJD^^ t^1^< TöVl/^) v. 32 und den Zusatz am Schluss von v. 32
erzeugt (U1 IN"]), letzteren, um den Boten, da er nur im Wege ist, dadurch
mundtot zu machen, dass er hinter die Türe gedrängt wird. — In 7, 13 ist
eine Zeile zweimal geschrieben. — Was zwischen "Ipti^Il D^n nO""! 7, 17. 20
steht, ist interpolirt; bezeichnend.
286 Das Buch der Könige.
Syrer ein Geräusch von Wagen und Pferden und Truppen hören,
und sie sprachen einer zum andern: siehe der König von Israel
hat gegen uns die Könige der Hitthäer und der Ägypter gedungen,
uns zu überfallen. In Wahrheit kann es nur die Kunde von einem
der damals schlag auf schlag sich wiederholenden Einfälle der As-
252 Syrer in Syrien gewesen sein, welcher die Belagerer bewog, plötzlich
abzuziehen; wenn statt dieser ganz unbestimmte Könige der
Hitthäer und Ägypter genannt werden, so ist das wol ein Beweis
dafür, dass dem Erzähler die assyrische Gefalir noch ziemlich un-
bekannt ist.
Es ist wol nicht allzu kühn, anzunehmen, dass auch 2. Reg.
9. 10 zu dieser Quelle gehört, der Sturz der Dynastie Omri durch
Jehu ben Josaphat ben Mmsi. Der grössere historische Wert
dieser prachtvollen Erzählung kann nicht dagegen sprechen; die
dramatische Lebendigkeit der Scenen ist auch 6, 24 — 7, 20. I 22
bewundernswert. Man darf aber Gewicht legen auf *l"in!l lin
9, 2. 20, 30. 22, 25; nsn zaudern 9, 3. 7, 9; t)Tön ÜD^ 9, 18,
7, 14; in^ -|5:n 9, 23. 22, 34; ^n t^DH 10, 14. 7, 12. 20, 18; wSnn
10, 27. 6, 25 — auf die Stellung Elisas zu Joram (wie in Kap. 3
6, 24ss.); auf den \l^'^bw 9, 25. 7, 2; auf die Freundschaft der
Könige von Juda und Israel; am meisten aber auf die allgemeine
Art der Darstellung, die Freude an den Sachen, das Abwesen des
Urteils. Die nach Os. 1 lange fortlebende Teilnahme des Yolks
an dem schaurigen Untergange der bedeutendsten Dynastie Israels
kommt hier noch deutlicher, wenn auch durch rein sachliche Mittel,
zum Ausdruck, als in 6, 24 ss. die Sympathie für Joram und
I 20. 22 für Ahab. Das Interesse an den Propheten in dieser
Quelle ist nicht gleichbedeutend mit prophetischer Tendenz; wahr-
scheinlich tritt es dadurch verhältnissmässig stark hervor, weil sich
die Auswahl der aufgenommenen Stücke darnach gerichtet hat, ob
die Männer Gottes darin eine Rolle spielen (II 17, 13). Denn dass
die Quelle mehr enthielt als uns jetzt daraus mitgeteilt wird, ist
unzweifelhaft. Auch 2. Reg. 9. 10 (wozu 8. 28 s. nur in sachlicher
aber nicht in formeller Beziehung steht) hat einst Prämissen ge-
habt, die gegenwärtig abgeschnitten sind. Die dadurch erwachsenen
Schwierigkeiten des Verständnisses hat der Bearbeiter durch
Parenthesen zu heben gesucht; 9, 14. 15a sprengen den notwendigen
Zusammenhang zwischen V. 13 und v. 15b und stossen sich mit
der kurzen Notiz v. 16 denn Joram lag dort. Ähnlich hat
2. Reg. 2-G. 287
man über 9, 28. 29 zu urteilen, vgl. das zwiefache iHS*. Die Bear-
beitung hat sich indess nicht hierauf beschränkt, sondern weiter
gegriffen. So enthalten 9, 7 — 10a die stehenden Phrasen; auf
V. 5 muss sogleich t)i''l nb"in nnD"»! V. 10 folgen, sonst wird die
überraschende Plötzlichkeit der Erscheinung verdorben. Insonder-
heit haben einige Zusätze den Zw^eck, unsere Geschichte als Er-
füllung der Weissagung Elias 1. Reg. 21 zu erweisen: 9, 36. 37.
10, 10. 28 SS. Aber obwol in der Tat eine faktische Beziehung
waltet, so doch keine literarische zwischen 2. Reg. 9. 10 und
1. Reg. 21; s. p. 282. Dass 10, 28 ss. nicht der organische Schluss 253
unserer Erzählung ist, steht ohnehin fest. Eine simple Glosse
scheint der Satz 10, 6 b (hinter dem Athnach) zu sein. Für Zeit
und Ort der Abfassung kommt die Notiz 10, 27 in Betracht, man
habe den Tempel des tyrischen Baal in Samarien zum Immon-
dezzajo gemacht bis heute (Dm "ly, nicht das stereotype IV
nin Dvri).
Es scheint, dass auch 14, 8 — 14 ursprünglich eine samarische
und keine judäische Erzählung gewesen ist, vgl. v. 9. 10 und "^li^^s
rnirT'^P v. 11. l. Reg. 19, 3. Doch lassen sich keine Berührungs-
punkte mit den so eben behandelten Historien von Ahab Joram
und Jehu nachweisen.
11. Schon bisher ist uns einigemale der Prophet Elisa be-
gegnet, nicht wie Elias nur momentan von einsamer Höhe sein
nacktes Wort in die dunstige Atmosphäre blitzend, sondern viel tiefer
in die irdischen Angelegenheiten verwickelt, eine politischere und
wenn man will realere Grösse, einflussreicher, aber in dem selben
Grade niedriger. In einer anderen Gruppe lose verbundener
Erzählungen ist nun Elisa die Hauptperson. Eine Reihe davon
sind kurze Legenden aus den Kreisen der Prophetenjünger, in deren
Mitte er erscheint 2, 19—25. 4, 1—7. 38—44. 6, 1—7. Als Schau-
platz ist hier überall Gilgal vorausgesetzt, ein Ort, zwischen dem
und Jericho in der Mitte Bethel liegt 2, 1. 2. Das Stück 6, 1 — 7
wird nicht bloss durch die Prophetenjünger und die Art, wie Elisa
für sie sorgt, sondern ebenso durch das Lokal mit 4, 38 — 44 ver-
bunden, vgl. 6, 1 y:Bb D*^ D'^ii'ii/'' ):n:^ "Tl^n cipon mit 4," 38
V:iBb D'in.l^'' □\S^:i:n "»Jm; dagegen ist in 5, 1—27 Samarien Elisas
Wohnort. Die beiden Geschichtchen 4, 38 — 44 werden durch die
Hungersnot, auf der auch die Pointe von 4, 42 — 44 beruht, in
gegenseitige Beziehung gesetzt. Da es nun 4. 38 heisst: und Elisa
288 Das Buch, der Könige.
kehrte zurück nach Gilgal, so ist, vor dem Scenenwechsel von
4, 8 — 37, in 4, 1 — 7 Gilgal wiederum der Schauphitz, und wiederum
befindet sich hier der Meister in der ^Mitte seiner Jünger. Es scheint
darnach die Annahme nicht gewagt, dass, da die Gleichartigkeit
dieser Anekdoten mit denen 2, 19 — 2b ins Auge fällt, in 2, 25
p^l^ti' iL'i^' eine auf 3, 11 hinblickende redaktionelle Korrektur für
ursprüngliches n'p:i'p:in Üti^ (4, 38) sei, zumal da nach 2, 1 gar nicht
Samarien, sondern eben Gilgal der Ausgangspunkt gewesen ist. -
Von diesen kurzen und gewiss nicht jungen Erzählungen unter-
scheidet sich die vom sunamitischen Weibe 4, 8 — 27 durch ihre
Ausführlichkeit, durch die A^orstellung von Elisa als einem hohen
und unnahbaren Herrn 4, 13. 27, von Gehazi als seinem Minister.
Aber sie ist w^ol von vornherein als Supplement auf diese Stelle
berechnet, da sie annimmt, dass der Prophet auf dem Wege
254 von Gilgal nach dem Karmel öfters über Sunem kam. Die Folge
von 4, 37. 4, 38 ss. wird schon 8, 1 (Ankündigung der 4, 38 ein-
tretenden Hungersnot) vorausgesetzt, andrerseits entspricht die Folge
von 4, 1 — 7. 4 8 ss. derjenigen der ähnlichen Wunder Elias 1 17, 10
bis 16. 17 — 24. Ygl. die Reminiscenzen 4, 25 i:i:d mit 2, 7. 15;
4, 30 mit 2, 4. 6; 4, 31 mit I 18, 26. 29; 4, 34. 35 ^n: mit 18. 42;
die Bekanntschaft mit dem Jehovisten 4, 16. Gen. 18, 10. 14.
In 5, 1 — 27 (Heilung Naemans) ist, wie gesagt, Samarien des
Propheten Wohnort (6, 32); dem entsprechend ist der Horizont
nicht so idyllisch begrenzt. Aus dieser Erzählung stammt wahr-
scheinlich Gehazi in 4, 8 — 36. Nach 6, 23 vgl. 5, 2 könnte man
an einen engeren Zusammenhang von 5, 1 — 27 mit 6, 8 — 24 denken,
aber in diesem letzteren Stück ist nicht Samarien der Sitz Elisas;
dass ebenso Gehazi nicht der Diener ist, würde in 5, 27 eine
Erklärung finden, die jedoch beanstandet werden kann. Die
Erzählung 8, 1—6, noch jüngeren Ursprungs als 4, 8 — 36, ist darum
von Interesse, weil sie bereits einen Kreis von Wundergeschichten
Elisas kennt, und darauf das Siegel drückt, dass Gehazi der
Referent sei 8, 4 s. Anderer, mehr geschichtlicher Natur ist 8,7 — 15,
die Salbung Hazaels durch Elisa, die ebenso wie die Salbung Jehus
anderwärts dem Elias zugeschrieben wird. Doch ist auch diese
Geschichte eine von denen, die sich um Elisa als Mittelpunkt
drehen ; er wird hier, sogar von Ausländern, als eine Art höheren
Wesens behandelt, in einer Weise, die den p. 284 — 286 zusammen-
gestellten Erzählungen fern liegt. Endlich gehört hierhier noch 13, 14
2. Eeg. 18—20. 289
bis 21. Obwol jetzt durch 13, 25 und durch den Namen Joas
13, 14 an seiner Stelle fixirt, macht dies Stück doch keine Aus-
nahme von den verwandten darin, dass es gleichgiltig ist, Aver der
in Rede stehende König von Israel ist. Drei Schlachten, darunter
eine bei Aphek 13, 17, schlug auch Ahab gegen die SjTer, freilich
die letzte nicht glücklich; auch er schmiedete das Eisen nicht, da
es heiss war.
12. Yon Juda handeln sehr wenige Geschichten, 2. Reg. 11, 1
bis 12, 17. 16, 10 SS. 18, 13—20, 15. 22, 3—23, 27. Auffallender
Weise ist darunter nur eine, worin ein Prophet bedeutsam hervor-
tritt; doch aber ist auch bei den anderen der Grund der Auswahl
religiöses Interesse gewesen, wie demnächst gezeigt werden soll. Unter-
suchen wir zuerst die durch das mächtige Eingreifen des Propheten
Jesaias charakterisirte Erzählung über die Befreiung Jerusalems
von den Assyrern im 14. Jahre Hiskias 18, 13 — 19, 37. Für
ihre Abfassuns^szeit kommen zunächst die dem Jesaias in den Mund
gelegten Worte 19, 7 in Betracht: siehe ich will ihn ein Gerücht 255
hören lassen, dass er umkehre in sein Land, und will ihn durchs
Schwert fällen in seinem Lande. Die Meinung ist hier beim Re-
ferenten jedenfalls die, dass Sanherib bald nach dem vergeblichen
Feldzuge gegen Hizkia im J. 701 ermordet worden sei; in Wahr-
heit hat er aber bis mindestens 684, wahrscheinlich bis 681 regiert
(Smith, the assyrian eponym canon p. 90. 170). Unser Bericht-
erstatter hat also nicht bloss 20 Jahre nach den Ereignissen ge-
schrieben, sondern noch um so viel später als erforderlich ist,
damit sich jene 20 Jahre so stark verkürzen konnten. Die Yor-
stellung in 19, 35 — ^37 weicht von der in 19, 7 (vgl. 7, 6) etwas
ab, aber auch hier verrät sich durch nichts ein Bewusstsein davon,
wie gross in der Tat der Zwischenraum zwischen Sanheribs Rück-
kehr und seiner Ermordung gewesen ist , und auch hier erfahren
wir über die wirklichen Gründe des plötzlichen Abzuges der Assyrer
etwa ebenso viel wie Herodot (II 141) von den ägyptischen
Priestern. Bestimmter können wir auf Grund von 18, 22 sagen,
dass unsere Erzählung erst nach der Reformation des Josias ge-
schrieben sein kann. Denn es steht fest, dass der Prophet Jesaias
nicht auf die Beseitigung der Jahvealtäre hingearbeitet, diese also
nicht in den Tendenzen der Zeit gelegen hat. In einer seiner
spätesten Reden erwartet er von der Zeit der Gerechtigkeit und
der Gottesfurcht, welche nach der assyrischen l^ri^s anbricht: dann
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl.
290 ^^^ Buch der Könige.
werdet ihr eure silberbezogeiien Schnitzwerke und eure gold-
beschlagenen Gussbilder verunehren; hinaus damit, werdet ihr sagen!
Hofft er also auf eine Säuberung der Anbetungsstätten Jahves —
denn dass er von Götzendienst redet, erhellt nirgends; yielmeln*
waren nach Kap. 2 die Jahveheiligtümer voll goldener und silberner
Machwerke der Menschenhand — von abergläubischem Wust,
so ist es klar, dass er sie nicht selber abgetan wissen will. Die
Nachricht 18, 4. 22 muss also auf einer falschen Generalisirung be-
ruhen, die ihrerseits vor der deuteronomischen Centralisation des
Kultus nicht denkbar ist.
Die Verse 18, 14 — 16 fehlen in der Parallele Isa. 36, wo viel-
melu' 18, 13 gleich durch 18,17 fortgesetzt wird. Kuenen ^) macht
darauf aufmerksam, dass Hizkia hier nicht weniger als fünf mal
rr^pin geschrieben werde, während sonst v. 13. v. 17 ss. stets
trr'pin, dass ferner die schändliche Treulosigkeit Sanheribs, welche
man in Folge der Verbindung von 18, 14 — 16 mit 18, 17 ss.
zwischen den Zeilen lesen müsste, im Folgenden durchaus unbekannt
sei. Darnach ist es in der Tat wahrscheinlich, dass diese drei Verse
später eingeschaltet sind; wie sich zeigen wird, aus keiner schlechten
Quelle. Wenn dem so ist, so wird es nun aber fraglich, ob sie
256 an richtiger Stelle eingesetzt seien: man könnte denken, Hizkia
habe sich in Folge der assyrischen Demonstrationen 18, 17 ss. doch
schliesslich zur Unterwerfung bequemt. Doch ist diese Vermutung
wol unrichtig.
Was Sanherib selber über seinen Feldzug gegen die abtrünnigen
Vasallen in Palästina sagt (Smith a. 0. p. 67. 88. 131 — 136),
läuft parallel mit 18, 14 — 16. Nachdem er melii'ere phönicische
Städte eingenommen und von einer Reihe von Königen Tribut
empfangen hat, setzt er zunächst in Askalon den verjagten assyrischen
Füi'sten mit Gewalt wieder ein und wendet sich dann gegen Ekron,
welche Stadt ihi*en dem Oberherrn treuen König Padi in Fesseln
gelegt und dem Hizkia überantwortet hat; denn der letztere er-
scheint als die Seele des Aufstandes in diesen Gegenden. Die Ägypter,
die wie immer ihre Hand im Spiele haben, rücken zum Entsatz
der belagerten Stadt mit einem Heere an, werden aber in deren
Nähe, bei Eltheke, abgeschlagen; Ekron fällt, wird grausam be-
staft und muss Padi wieder zum Könige annehmen. Diesen hat
1) Onderzoeki I 269 s.
2. Reg. 18—20. Kap. 11s. 16. 23 s. 291
nämlich Hizkia inzwischen ausgeliefert, und im Schrecken über die
Eroberung seiner Festungen und die Entvölkerung und A^erwüstung
des Landes (Isa. 1) sich wieder als tributären Vasallen bekannt
und eine hohe Strafe gezahlt, unter anderem 30 Talente Gold und
800 Talente Silber. Dies der assyrische Bericht. Er füllt, wenn
man die 300 Silbertalente 18, 14 als syrische ansieht (= 800 babyl.)
die vagen Angaben 18, 14 — 16 vollkommen passend aus, und indem
er ihre Position hinter 18, 13 bestätigt, korrigirt er sie vielleicht
nur in dem Punkte, dass die Unterwerfung — die keineswegs mit
Auslieferung der Hauptstadt gleichbedeutend ist — wahrscheinlich
erfolgt ist, als Sanherib noch vor Ekron stand, nicht schon weiter
gen Süden nach Libna gegangen war. Über das weitere Vordringen
gegen Ägypten zu und über die Gründe des plötzlichen Abzuges
schweigt der Grosskönig sich aus, weil nicht damit zu prahlen
war. Die Schlacht von Eltheke, die nur als Zwischenspiel in der
Belagerung von Ekron, als Abwehr des ägyptischen Entsatzheeres
erscheint, ' ist kein bedeutendes Ereignis gewesen und weder
mit 19, 9 noch mit 19, 35 zu combiniren; Sanheribs Inschrift redet
nur von der ersten, nicht von der letzten und entscheidenden Phase
des Feldzuges, wie das namentlich aus dem Lokal erhellt. Scln^ader
Sayce Duncker identificiren auf Grund fehlender Vergleichungs-
punkte und tun dabei dem assyrischen Bericht noch mein* Gewalt
an als dem biblischen. Man kann mit dem gleichen Rechte Mesas
Stele mit 2. Reg. 3, 6 ss. (statt mit 3, 5), wie Sanheribs mit 2. Reg.
18, 17—19, 36 (statt mit 18, 13—16) combiniren.
An die Belagerung Jerusalems im 14. Jahre Hizkias ist an-
geschlossen die Krankheit des Königs und die babylonische Gesandt- 257
Schaft in dem selben Jahre 20, 1 — 19. Das späte Alter dieser Er-
zählung folgt zunächst daraus, dass sie zu der vorhergehenden ein
nachgetragener Anhang ist, denn die Association der beiden in
20, 6 geweissagten Fakta erklärt sich nur aus ihrer Zusammen-
gehörigkeit, wie sie denn auch in das gleiche Jahr fallen; die
Rettung von der Krankheit ist geradezu als Vorspiel (HIN*) der Rettung
von den Assyrern aufgefasst. In 20, 3 spricht Hizkia so, als ob er
die gegenwärtige Bearbeitung des Buchs der Könige gelesen und
daraus sein Urteil über sich selber geschöpft habe. Durch 20,
16—17 werden wir in die Zeit des babylonischen Exils geführt.
Die Gesandtschaft Merodachbaladans ist wol historisch, hat jedoch
einen ganz anderen Anlass und Zweck gehabt.
19*
292 ^^^ Buch der Könij^^e.
Was den Paralleltext Isa. 36, 1—39, 8 betrifft, worin 20, 4—11
(== 38, 4 — 22) anders redigirt und mit einem Liede Hizkias ver-
mehrt ist, so denkt man am natüriiclisten, dass er aus dem Buch
der Könige in das Buch Isa. übertragen sei, allerdings zu einer
Zeit, wo letzteres noch nicht um Kap. 40 — 66 vermehrt war. Das
Lied Hizldas beweist nicht gegen, allerdings aber andrerseits die
Yergleichung der Texte nicht für diese Annahme^).
Die übrigen judäischen Erzählungen drehen sich alle um den
Tempel und um die Massnahmen der Könige in diesem ihrem
Heiligtum, welches eine Art Dependance ihrer Hofburg gewesen zu
sein scheint. An ästhetischem und ideellem Werte stehn sie sehr
weit hinter den samarischen zurück, aber historisch sind sie zu-
verlässiger, nicht aus der Tradition, sondern wol aus schriftlichen
und amtlichen Quellen geflossen, wenn auch so wie sie uns vor-
liegen erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts geschrieben. In 2. Reg. 11
wird, unter Voraussetzung der Prämissen von Kap. 9, berichtet,
wie der Priester Jojada den sechs Jahre versteckt gehaltenen jungen
Prinzen Joas unter dem Schutz der von ihm gewonnenen Leib-
wächter an einem Sabbath vor allem Volke innerhalb des Tempels
258 zum Könige proklamirt und die Tyrannin Athalia abgetan habe^).
Daran schliesst sich 12, 5 — 17 ein Bericht, dass Joas, nachdem er
1) Gegenseitige Unabhängigkeit der Parallele 2. Reg. 18 ss. Isa. 36 ss. wird
durch gemeinsame Corruptelen ausgeschlossen. In 19, 26. 27 (= 37, 27. 28)
muss man abteilen ^jH^t^'l Tipp i^D7 vor mir ist dein Stehn und Liegen,
deinen^Ausgang und Eingang kenne ich. Dem Ausdrucke „Brandkorn
vor der Saat" einen Sinn abzugewinnen ist eine undankbare Aufgabe; anderer-
seits steht initial dem sich ergänzenden Paare "l^sm IHi'^i^ gegenüber auf
Einem Beine.
2) Der 2. Reg. 11, 5 ss. erzählte Sachverhalt ist gegenwärtig durch Ver-
derbnis des Textes verdunkelt und von keinem Ausleger verstanden. Der
Yers 11, 6 ist zu streichen. Denn er stösst sich mit seinem durch v. 9 be-
glaubigten Nachfolger, welcher abermals über die bereits v. 6 verausgabten
zwei anderen Drittel verfügt. Auch wird der v. 6 gegebene Befehl in der
doch ausdrücklich als ganz exact bezeichneten Ausführung v. 9 nicht berück-
sichtigt, ist zudem völlig unverständlich und wahrscheinlich ein Geröll ver-
fehlter Glossen. Die eine Compagnie, welche die Woche über die Wache im
Tempel gehabt hat, geht ordnungsmässig am Sabbath heim (= nn.^n ""i^Il)
und hat die Wache im Palaste; die beiden anderen Compagnien, welche die
Woche über die Wache im Palaste gehabt haben, ziehen am Sabbath auf
( = rütiTi ^^IJ'') und haben die Wache im Tempel, so' dass für gewöhnlich zwei
Compagnien im Palast und eine im Tempel, am Sabbath aber umgekehrt eine
Die Epitome. 293
allerlei einlaufende Tempelgelder zuerst den Priestern zugewiesen
und ihnen dafür die Last der von Zeit zu Zeit nötigen Reparaturen
auferlegt hatte, später wegen der Pflichtversäumnis des Jojada und
seiner Amtsgenossen eine andere Einrichtung traf, indem er nämlich
die betreffenden Gelder in eine Art Gotteskasten werfen und
diesen, wenn es nötig ward, ausschütten Hess, um die Bauarbeiten
am Heiligtum zu bezahlen. Mit diesem letzteren Stücke hängt aufs
engste die Erzählung über die Reformation Josias Kap. 22. 23 zu-
sammen, deren hauptsächlicher Schauplatz ebenfalls der Tempel
ist. Nämlich die Gelegenheit, dass der König Josia dem 12, 11
angegebenen Brauche gemäss seinen Schreiber abschickt, um bei
der Ausschüttung des Gotteskastens zur Löhnung der Maurer und
Zimmerleute zugegen zu sein, wird von dem. Hohenpriester Hilkia
benutzt, um ihm das Gesetzbuch als einen zufälligen Fund zu
insinuiren. Die Verbindung ist nicht bloss eine sachliche, sondern
auch die Ausdrücke von Kap. 12 kehren in Kap. 22 wieder, und
es kann nicht der geringste Zweifel w^ alten, dass 2. Reg. 11. 12.
22. 23 aus der selben Feder geflossen und folglich erst nach dem
Jahi-e 621, vielleicht erst nach dem Tode Josias geschrieben sind.
Ein Gleiches muss auch von der schwer abzugrenzenden Erzählung 259
16, 10 SS. gelten, die ganz in dem selben Geiste und Stile von
König und Priester und Tempel handelt. Die Vermutung liegt
nahe, dass zwischen diesen Stücken und der Beschreibung des
salomonischen Tempelbaus ein enger Zusammenhang statt finde.
13. Neben den ausführlichen Erzählungen stehn die bereits
p. 274ss. erwähnten kurzen und ziemlich locker zusammengestellten
Notizen, und sie bilden den regelmässigen und notwendigen Inhalt
im Palast und zwei im Tempel sich befinden. Die Ausdrücke J^D. und NIJ^
beziehen sich auf den natürlichen Standort der königlichen Leibwache, auf
den Palast, und bedeuten heimgehn und aufziehen. Die Pointe ist, dass
auch die eine Compagnie, die Sabbaths im Palast den Dienst hat, diesmal im
Tempel bleibt, damit der Athalia gar keine Truppen zur Hand seien. Die
Aktion ist auf den Sabbath verlegt, weil nur da Gelegenheit war, sämtliche
Truppen im Tempel zu vereinigen, und auch wegen des öffentlichen Eindracks
auf das Volk. In v. 7 lies i"lDti^1 im Participium. Also ; das Drittel von euch,
die am Sabbath heimgehn und den Dienst im Königshause versehen und die
zwei anderen Drittel von euch, die Sabbaths aufziehen und den Dienst im Jahve-
hause haben bei dem Könige: ihr (alle) sollt den König rings umgeben u. s, w.
V. 5. 7. 8. — Der 10. Vers ist wiederum eine Interpolation, und zwar eine
recht törichte. — In v. 12 lies nn^lJn (die Spangen 2. Sam. 1, 10) statt nn^H-
294 ^^^ Buch der Könige.
des schematischen Fachwerks-, vgl. I 14, 21 — 16, 34. II 13, 1 — 15, 38.
Ihre Auswahl ist durch die gleichen religiösen Gesichtspunkte ge-
leitet. Auf den chronologischen Eingang des Schemas folgt stehend
der Satz, der das Urteil über den Wert des Königs hinsichtlich
des Gottesdienstes ausspricht: er tat was Jahve wol bez. übel ge-
fällt; auch bei den allerkürzesten Regierungen, über die kaum ein
Urteil möglich war, fehlt derselbe nicht. Bei den Königen von
Juda nun wird nicht bloss im Allgemeinen zwischen frommen und
gottlosen unterschieden, sondern noch specieller zwischen Hizkia
und Josia einerseits, die ganz waren wie ihr Vater David (Sirac.
49, 4), und Asa Josaphat Joas Amasia Azaria Jotham andrerseits,
die zwar auch taten was recht ist, aber die Höhen nicht abschafften.
Sodann werden tatsächliche Angaben über das Tun und Lassen
der Könige in Hinsicht auf den Kultus des jerusalemischen
Tempels angeschlossen, namentlich bei Rehabeam Asa Josaphat
Ahaz Hizkia Manasse. Nicht selten kommen Nachrichten über
Kriege und auswärtige Beziehungen hinzu, auch hier schimmert
die besondere Teilnahme an dem Ergehn des Tempels und seiner
Schätze durch. Notwendig ist am Schluss eine eventuelle Mitteilung
über den gewaltsamen Tod des Königs, mit Rücksicht auf das
nDIi^^"»! der Klausel, welches dann ausbleibt. Die Könige von
Israel sind allzusammen gottlos, doch erscheint der Baalsdienst
noch als Steigerung des Kälberdienstes. Gewöhnlich steht nur das
allgemeine Urteil und die einförmige Angabe, der betreffende König
habe gewandelt in der Sünde Jerobeams, der Israel sündigen machte;
selten erfährt man sparsame Details (bei Ahab, Joram, Joahaz
(= Ahaz Sept.), in drei auf einander bezüglichen Yersen I 16, 32.
II 3, 2. 13, 6). Die übrigen Mitteilungen sind analog aber gleich-
falls viel magerer als bei den Königen von Juda und beziehen
sich, bis gegen den Schluss, wo die Assyrer auftreten, beinah nur
auf gewaltsame Regierungswechsel. Ein gleichmässiges und sach-
liches Interesse für den historisches Stoff zeigt sich nirgends; von
den wichtigsten Herrschern, wie Omri und Jerobeam II, erfahren
wir so gut wie nichts. In nicht wenigen Fällen beschränkt sich
260 die Kunde, die wir über einen Regenten erhalten, auf die Namen
des Vorgängers und des Naclifolgers, d. h. auf den Inhalt der An-
fangs- und Schlussformel des Schemas, dessen inniger Zusammen-
hang mit dieser Epitome somit auf der Hand liegt.
Der Schriftsteller, der dies Skelett des Buchs der Könige ge-
Die Epitome. 295
bildet hat, steht mit Leib und Seele zu der Reformation Josias.
Die frühere Geschichte erscheint ihm beinah nur wie die negative
Vorbereitung jener Epoche. Ohne zwischen Juda und Israel einen
Unterschied zu machen, legt er an die frühere so gut wie an die
spätere Zeit den gleichen Massstab der deuteronomischen Gesetz-
gebung; ja grade am allermeisten tut er es bei den ersten Herr-
schern, die er als Typen ihrer Nachfolger ansieht und als die
Urheber tatsächlich allgemeiner, nach seiner Meinung aber auf
individuellem Abfall beruhender Zustände I 12, 25 — 31. 14, 21 — 31.
Dass das Schisma der Nordisraeliten nicht bloss als politisches,
sondern vor allen Dingen als kirchliches aufgefasst wird, ist das
natürliche Ergebnis dieser judaistischen Betrachtungsweise. Charakte-
ristisch ist dabei noch das Vergleichen der Herrscher sowol aus
der selben als auch aus den beiden verschiedenen Reihen. Ahab
hat es schlimmer getrieben als seine Vorgänger, Hosea ist verhält-
nismässig besser gewesen; Hizkia und Josia werden über alle ilii'e
Väter und David selber gleich gesetzt, dagegen die gottlosen Könige
Judas mit den verworfenen Herrschern Israels auf gleiche Stufe
gestellt (II 21, 13). Ein Pascha wie das im 18. Jalu-e des Königs
Josia, heisst es II 23, 22, sei nicht gefeiert worden von den Tagen
der Richter an und alle Tage der Könige von Israel und von Juda.
Es wird auf diese Tage vom Standpunkte einer neuen Zeit zurück-
geblickt wie auf eine abgeschlossene Vergangenheit.
Woher hat aber dieser späte Scluiftsteller seine sichtlich gute
Information? Aus den jedesmal in der Klausel von ihm citirten
Chroniken der Könige von Israel und von Juda? AVir wissen über
den Inhalt dieser Werke nicht viel mehr, als was sich schon aus
dem Titel ergibt, nämlich erstens, dass sie aus offiziellen Quellen
geflossen sein müssen, zweitens, dass sie nicht diesen Quellen gleich-
bedeutend sein können. Denn es wird verwiesen nicht auf die
Dibre hajjamim selber, die für jeden König zu besondern gewesen
wären, sondern auf das Buch der Dibre hajjamim, welches die
ganze Königsreihe umfasst und sich etwa so von ihnen unter-
scheidet wie Fabius Pictor von den Annalen der Priester. Dies
Wenige reicht nun hin, um die sämtlichen ausgefülu'ten Erzählungen,
so weit sie Samarien betreifen, von der israelitischen Chronik aus-
zuschliessen ; denn dieselben enthalten teils prophetische teils naive
Tradition, zeichnen sich aus durch blühende Darstellung und ent-
behren ganz des trockenen Tons der Akten. Auch zu Gunsten von 261
296 Das Buch der Könige.
II 14, 8 SS. hat man keine Ausnalime zu machen, da der Vers
13, 12, durch welchen jenes Stück allerdings für die israelitische
Chronik reklamirt zu werden scheint, in der Interpolation 13, 12. 13
vorkommt und keine Autorität hat; s. p. 276. Unter den judäischen
Erzählungen wird die über die assyrische Belagerung Jerusalems,
nebst Anhang, ebenfalls durch ihren keineswegs offiziellen Charakter
von der judäischen Chronik ausgeschlossen. Dagegen was die
excerpirten Notizen betrifft, so passen sie sehr gut zu dem ver-
mutlichen Charakter jener Clii'oniken, sowol ihrem Inhalte nach,
der sich lediglich mit den Königen, deren Kultuseinrichtungen,
Kriegen und Bauten befasst, als auch ihrer Form nach, die sich
nicht frei ergeht, sondern auf knappe faktische Data beschränkt — ab-
gesehen natürlich von den leicht abzuscheidenden deuteronomistischen
Zutaten. Es ist doch auch zwar nicht notwendig, aber wol das
natürlichste, die Schlussformel des Epitomators, die übrige Geschichte
des vorhin abgehandelten Königs sei da und da zu lesen, als eine
Verweisung auf eben das Buch zu verstehn, woher er seine un-
vollständigen Excerpte genommen hat. Dass insbesondere die gottes-
dienstlichen Massnahmen der Herrscher mit zum Inhalte der Dibre
hajjamim gehörten, ergiebt sich aus 2. Reg. 21, 17, wo es in einer
beachtenswerten Variante von dem gewöhnlichen Ausdrucke heisst,
die sonstigen Taten Manasses und seine Sünde, welche er ge-
sündigt habe, stehe geschrieben u. s. w. Die Sünde, welche er
sündigte, kann sich im Munde dieses Bearbeiters auf nichts anderes
beziehen als auf die Einrichtungen im offiziellen Kultus, die Manasse
traf, von denen er einige, aber eben nicht alle berichtet hat (21 2, ss.).
Schliesslich scheint es, dass auch die Geschichten von Joas ben
Ahazia, Ahaz und Josia wenigstens ihrer Grundlage nach aus der
judäischen Chronik stammen, da sie jedenfalls auf die gleiche Quelle
zurückgehn wie die auf den Tempeldienst bezüglichen Data der
Epitome ^).
Betreffend das literarische Verhältnis der Epitome zu den in
^) Wie oben p. 293 ein Znsammenhang zwischen 1. Reg. 6. 7 nnd den
späteren Tempelgeschichten vermutet ist, so besteht eine formelle Ähnlichkeit
zwischen den locker zusammengestellten Notizen über Salomo und denen der
folgenden Epitome. Mit Recht macht Ewald I ^ 244 aufmerksam auf das häufige
IN (meist cum imperf. = hoc anno?) 3, 16. 8, 1. 12. 9, 11. 11, 7. 16, 21. 22, 50.
II 8, 22. 12, 18. 14, 8. 15, 16. 16, 5. Das Buch der Dibre Schelomo I 11, 41
ist vielleicht der Kopf der judäischen Chronik,
Abfa.ssiing'.szeit. 291
extenso mitgeteilten Erzählungen, so ist es die gleiche Hand, welche
jene geformt und diese recipii^t und bearbeitet hat. Auch bei den
letzteren richtet sich die Auswahl oder Aufnahme nach einem 262
religiösen Interesse, sei es füi- die Propheten oder für den Kultus,
auch hier findet sich die Bezugnahme der judäischen auf die israe-
litischen Stücke, vgl. II 11, 1 SS. mit 9, 27. 10, 12—14. Die deu-
teronomistischen Zusätze, gelegentlich zu langen Betrachtungen an-
schwellend n 17, 7 SS. 34 SS., sind gleichmässig hier wie dort ein-
gewoben und berühren sich formell, z. B. I 16, 2 — 4 mit 14, 7 ss.
21, 20 SS. II 9, 7 SS.; 16, 30 mit 14, 9; E 8, 18. 27. 17, 17. 21, 13
mit I 21, 20 SS. Die Hauptsache ist, dass die beiden in der Form
verschiedenartigen Elemente gegeniv artig nicht ohne einander be-
stehn können, sondern auf gegenseitige Ergänzung berechnet sind.
In der israelitschen Reihe versteht man Ahias Strafrede I 14 nicht
ohne 12, 25 ss., Elias Auftreten 17, 1 nicht ohne 16, 29 ss., den
Aufstand Jehus II 9 nicht ohne 8, 28 s. ; der Schluss der Epitome
setzt bei Ahab dii-ekt an die vorhergegangene Erzählung an und
wird bei Joram ben Ahab geradezu durch dieselbe ersetzt. Da
nun die ausführlichen Darstellungen nicht ihrerseits von Haus aus
die Epitome zur Prämisse haben, so ist der Epitomator als der-
jenige anzusehen, welcher sie recipirt und darauf von vornherein
seine Excerpte angelegt hat; d. h. mit anderen Worten, er ist der
eigentliche Verfasser des Buches der Könige. In der jüdischen
Reihe ist der Sachverhalt bei II 18, 13 — 19, 37 ein ähnlicher,
dagegen ist bei den Tempelgeschichten die Beziehung zu den Ex-
cerpten noch weit enger und zwar so, dass es unmöglich ist z. B.
in n 16 die beiden Bestandteile zu scheiden oder Kap. 22. 23
einer anderen Quelle zuzuschi'eiben als derjenigen, aus der 21, 1 ss.
18, 1 — 7 hergenommen sind. Thenius Behauptung (a. 0. p. XYII),
dass die Epitome ursprünglich als besonderes Schriftwerk bestanden
habe und erst nachträglich mit den unverkürzten Erzählungen ver-
schmolzen sei, ist wenig überlegt').
14. Wann hat nun der Schriftsteller, der dem Buche der
Könige seine jetzige Gestalt gegeben hat, geschrieben? Nach II 25
(= Hierem. 52) könnte man denken, erst am Ende des babylo-
nischen Exils, nach dem Tode Jojachins, vgl. V^Fi ^C ^D 25, 30.
Damit scheinen allerlei sonstige Stellen zu stimmen, welche die
^) Kuenen, Onderzoek^ I p. 266
298 I^as Buch der Könige.
Zerstörung des Reiches Jucla voraussetzen, z. B. II 17, 19. 20. 21,
10—15. (22, 20?) 23, 26. 27, um von I 8, 46 ss. liier zu schweigen.
Aber bei näherer Betrachtung sind diese Stellen eher ein Beweis
dafür, dass die eigentliche Abfassung des Buches der Könige noch
vor dem Exil statt gefunden hat und nur nachträglich noch eine
exilische oder (wenn nicht und) nachexilische Überarbeitung hin-
zugekommen ist. Sie sind nämlich allzusammen, man kann nicht
sagen interpolirt, aber doch nachträglich in die ältere deuterono-
mistische Ai'beit eingeschaltet. Am deutlichsten sieht man das bei
263 17, 19. 20; der ursprüngliche Verfasser sieht Juda, im Gegensatz
zu Israel, noch nicht als exilirt an, v. 21 schliesst unmittelbar an
V. 18, mit Überspringung von v. 19. 20. Wer diese beiden Yerse
eingelegt hat, hat auch v. 34 b von nilHDI an zugesetzt und
V. 35 — 41 angehängt, ohne zu beachten, dass vorher gar nicht
mehr von der israelitischen, sondern von der späteren Misch-
bevölkerung Samariens die Rede gewesen. Nachdeuteronomisch
sind beide Schriftsteller, aber es ist ein Unterschied zwischen ihnen
wahrzunehmen z. B. in der Anschauung der Thora 17, 13. 17, 37.
Dort heisst es ganz jeremianisch (vgl. 17, 15 mit Hier. 2, 5): Jahve
bezeugte Israel (und Juda) durch alle Propheten und Seher also:
bekehrt euch von eurem argen Wandel und haltet meine Gebote
und Sätze, nach all der Thora, die ich euren Vätern befohlen
und euch entboten habe durch meine Knechte die Propheten
(Esdr. 9, 10. 11). Hier dagegen: die Sätze und Rechte und die
Thora und das Gebot, welche er euch geschrieben hat, sollt
ihr halten — die Thora ist hier ein anderer und viel unlebendigerer
Begriff. In Betreff von 21, 10 — 15 ist wenigstens das nicht zu
leugnen, dass v. 16 da fortfährt, wo v. 9 aufgehört hat, und dass
die dazwischen liegenden Verse diese Verbindung unterbrechen.
Das selbe gilt von 23, 26. 27. Die ursprüngliche Absicht von
Kap. 22. 23 ist eher die, zu erzählen, wie das drohende Unheil
noch in zwölfter Stunde durch Josia abgewandt sei; doch kann man
sich allenfalls 22, 20 von einem unter Jojakim schreibenden Ver-
fasser gefallen lassen, schwerlich aber 23, 26. 27.
Dass die wesentliche Formung des Buches der Könige noch
während des Bestehns des jüdischen Reichs erfolgt ist, wird man
ferner aus mn DVn IV II 8, 22. 14, 7. 16, 6 (Kuenen a. 0. p. 263),
was hier ohne Zweifel vom Epitomator und nicht aus seiner Quelle
stammt, schliessen; desgleichen aus den genauen Angaben über die
Das Buch der Könige. 299
Samariter II 17, 24 — 34, welche einesteils von dem deuteronom.
Interesse für den legitimen Kultus ausgehn, anderenteils auf einer
präsentisclien Anschauung beruhen, wie sie im babylonischen Exil
nicht wol zu haben war. Dagegen wird die Zerstörung des Reiches
Israel von vornherein vorausgesetzt I 14, 14 ss. („dies schon jetzt
und was erst nun!") II 13, 23 („vor der Hand"), woran man sich
durch II 13, 5. 23 (V'^l^ wie Jud. 3, 9 u. s. w.) nicht irre machen
lassen darf.
Mit Recht unterscheidet also Ewald ') zwischen einem primären
und secundären Stadium der letzten Gestaltung unseres Buches.
Dem letzten Bearbeiter gehören ausser dem Schluss allerlei durch
ihre lockere Einfügung bemerkliche kleinere und grössere Zusätze
an; so wol auch I 12, 32 — 13, 32. Vor allem aber ist er es ge- 264
wesen, der die chronologischen Angaben in den Anfangsformeln
des Schemas — sie sind in beiden Reihen doppelter Art: Synchro-
nismen und Summen der Regierungsjahre — so zurecht gemacht
hat, wie sie jetzt vorliegen. Yon ihm stammen zunächst die Syn-
chronismen, die auf gewissermassen gelehrter Vergleichung eines
Epigonen beruhen und einfach durch Rechnung aus den Summen
abgeleitet sind^). Aber auch bei den Summen hat er seine Hand
mindestens stark im Spiele gehabt. Denn schwerlich ist es Zufall,
dass von der Epoche des Tempelbaues im 4. Jahre Salomos an,
durch welche die alte Geschichte halbirt wird (1. Reg. 6, 1), die
Gesamtsumme der jüdischen Königsreihe bis zur Zerstörung Jerusalems
sich beläuft auf 37 + 17 + 3 -^ 41 -f 25 + 8 + 1 + 6 + 40 +
29 4- 52 + 16 + 16 -f- 29 4- 55 + 2+31 -f 11 + 11 = 430 Jalu-e,
zusammen mit den 50 Jahren des Exils, die bis zur neuen Epoche
(= Gründung der zweiten Theokratie) hinzukommen, auf 480 Jahi'e.
Ebenso lange dauert bekanntlich auch die erste dem deuterono-
mistischen Schema des Richterbuchs zu Grunde liegende Periode
der alten Geschichte, von der Epoche des Auszugs bis zu der des
Tempelbaues; und wie sich die 480 Jahre der tempellosen Zeit auf
12 Hohepriester und 12 Generationen zu je 40 Jahren verteilen,
so werden 1. Chron. 5 von Azaria, der zuerst im Tempel fun-
girte, bis auf Josadak, der in die Gefangenschaft wanderte, 11 Hohe-
priester, inclusive des Exils also wol 12 Generationen gerechnet.
1) Geschichte des Volkes Israel^ I 227 ss.
^) Jahrbücher für Deutsche Theologie 1875 p. 607 ss.
300
Von liier aus fällt nun aber weiter ein eigentümliches Licht darauf,
dass auf die nordisraelit. Reihe 240 Jahre fallen, d. i. die Hälfte
der 480 jährigen Periode. Nämlich von Jerobeam I bis Joram
kommen 98, von Jehu bis Hosea 144 Jahre. Aber die 98 ersten
Jahre entsprechen 96 judäischen von Rehabeam bis Ahazia, und
wenn man demgemäss die 24 Jahre Baesas in 22 corrigirt, so er-
hält man
Jerobeam 22 Baesa 22 Omri 12 Ahab 22 Joram 12
Nadab 2 Ela 2 Ahazia 2
D. h. die 8 Könige haben 96, die 4 und 4 je 48 Jahre, zwei die
Durchschnittssumme 12, drei die man für unverhältnismässig wich-
tiger ansah als ihre Nachfolger, haben jedesmal den Löwenanteil
von 2 mal 12 und lassen jenen nur den Rest von 2 Jahren. An
den 144 Jahren von Jehu bis Hosea participiren 9 Könige; die Ai't
der Yerteilung ist hier noch unklar; doch ist Gewicht darauf zu
legen, dass 144 durch 9 aufgeht und 16 ergiebt^).
Daraus würde sich ergeben, dass die Chronologie in ihrer
265 jetzigen systematischen Gestalt das allerjüngste im Buch der Könige
wäre ').
266 Schluss. '
Die Untersuchung der drei historischen Bücher des Alten
Testaments hat gezeigt, dass die ursprünglichen Quellen nicht un-
bestimmt viele selbständige Erzählungen, sondern wenige grössere
und zusammenhängende Sclniften gewesen sind, die allerdings eine
^) Schürers Theol. L. Z. 1876 p. 540 s. imd besonders E. Krey in Hilgen-
felds Ztschr. 1877 p. 404—408.
2) Die mit dem System ausser Beziehung stehenden Daten, die wol ans
den Dibre hajjamim selber stammen, werden natürlich von dieser Kritik nicht
betroffen. Es sind aber auch nicht alle innerhalb desselben vorkommenden
Posten künstlich. Diejenigen von Josia bis Sedekia werden durch Angaben
Jeremias beglaubigt:
2. Reg. 25, 8 586 — 11. Sedekia — 19. Nebukadnezar
Hier. 33, 1 587 — 10. - - — 18.
2. Reg. 24, 12 597 — 11. Jojakim — 8. - - '
Hier. 25, 1 604 — 4. Jojakim — 1. Neb. 23. Jeremia.
Hier. 25, 1. 3 626 — 13. Josia — 1. Jeremia.
Wie hoch hinauf die chronologische Tradition reiche, lässt sich nicht aus-
machen, doch wird noch bei Amos nach dem „grossen Erdbeben", erst bei
Jeremias u.nd den proph. Epigonen nach Königs jähren datirt.
Chronologie. 301
oder mehrere verbesserte und vermehrte Ausgaben durchlaufen
haben. Was die Provenienz derselben betrifft, so lässt sie sich
aus dem Inhalt erschliessen. Darnach wird die erstere grössere
Quelle, welche die Geschichten von Gideon, Simson und Saul er-
zählt, im eigentlichen Israel geschrieben sein, dagegen die beiden
folgenden, die von David handeln (1. Sam. 15 — 2. Sam. 8. 2 Sam.
9 bis 1 . Reg. 2), in Juda oder Jerusalem ; nach dem gleichen Prinzip
lassen sich, mit einigen leicht bemerklichen Ausnahmen, die Quellen
des Buchs der Könige dem einen oder dem andern Reiche zu-
weisen. Von ephraimitischer oder judäischer Tendenz ist jedoch
in diesen älteren Schriften eigentlich gar nichts zu spüren. Was
die Zeit ihres Ursprungs anbetrifft, so scheinen sie durchschnittlich
nicht allzuweit von den Ereignissen abzuliegen; näheres lässt sich
im Allgemeinen nicht ausmachen. Die Zusammensetzung zu grossen
Geschichtsbüchern hat wol schon vor der frühesten deuteronomistischen
Bearbeitung statt gefunden, wenigstens in den Büchern der Richter
und Samuelis. Die deuteronomistische Bearbeitung dagegen scheint
es gewesen zu sein, welche in Richter, David (denn das wäre der
passende Name für Samuelis), und Könige abgeteilt hat; denn die
Anhänge Jud. 1, 1—2, 5. 17, 1—21, 24. 2. Sam. 21, 1—24, 25
setzen einesteils diese Abteilung voraus und sind andererseits nicht
mehr von der deuteronomistischen Bearbeitung betroffen. Die letztere
erstreckt sich im übrigen über alle drei Bücher und verbindet sie
mit dem Hexateuch. Ob sie überall von der selben Hand oder von
den selben Händen herrührt, ist gleichgiltig ; jedoch sind die Be-
rührungen in dem chronologisch -moralischen Schema der Bücher
der Richter und Könige so auffällig, dass man dies wol annehmen
muss und dann auch das dazwischen liegende Buch Samuelis nicht
gut ausnehmen kann.
NACHTRÄGE.
Gen. 2—4.
Eduard Bölimer hat bereits 1860 (Liber Genesis, Halis) den
Baum des Lebens Gen. 2, 9 für ein Zuviel erklärt, weil nach 3,
5 der Baum der Erkenntnis in der Mitte des Gartens steht und
neben ihm kein zweiter. Er hat dann auch 3, 22 — 24 einer
anderen Hand zugeschrieben. Vielleicht braucht man aber von
3, 24 nur die letzten Worte aufzuo-eben. Dann würde sich auch
3, 21 halten lassen, durch Verbindung mit v. 24. Die Vorstellung
vom Baume des Lebens ist natüidich älter und echter als die vom
Baum der Erkenntnis, aber der Verfasser von Gen. 2. 3 hat den
Baum der Erkenntnis seinen Absichten mehr entsprechend ge-
funden. Er hat den Stoff überhaupt schöpferisch behandelt und
ihm seinen Atem eingehaucht.
Böhmer hat ebenfalls erkannt, dass die Geschichte von Kain
und Abel keine ursprüngliche Fortsetzung der Paradiesesgeschichte
sei, und infolge davon 3, 20 für die Klammer eines Redaktors an-
gesehen. Über den Namen der Eva (Schlange) vgl. Evang. hieros.
unter o^pic, Midrasch rabba zu Gen. 3, 20, Philo de agr. Noe § 21,
Clem. AI. protrept. p. 9 und besonders die syrische Schatzhöhle
p. 24: Satan verkleidete sich in eine Schlange, um ebenso auszusehen
wie Eva und sie dadurch kirre zu machen; sowie jemand, um einen
Papagei sprechen zulelu'en, hinter einem Spiegel spricht, damit der
Papagei glaube, sein Ebenbild im Spiegel spreche (DMZ 1877 p. 581).
Hauva, die Schlange, war wol die Ahnfrau der Heviten (Hauviten);
von diesen könnten die Israeliten den Namen der Mutter des
Menschengeschlechts bekommen haben.
In der Genealogie von Gen. 4 fällt der Doppelname Thubal
Kain auf. Er scheint eine Gleichung zu enthalten, wie Jahve-
Elohim, Kanaan-Ham. Thubal ist sonst der Name der Tibarener;
Well hausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 20
306 Nachträge.
warum niclit auch liier? Die Eisengewinnung ist ja die Spezialität
der Tibarener. So könnten die Griechen etwa Ohalyps zum Vater
der Schmiede machen. Kain (in der der Septuaginta fehlend) muss
dann ein nachgetragenes Äquivalent von Thubal sein. Im Arabischen
bedeutet es iin Masculin (Plural qujün) den Handwerker über-
haupt (Hudh. 21, 15 schol.) und besonders den Schmied. So
Hudh. 21, 15. 93, 9. 142, 5. Aus b. Hagar 49, 1 (im Lisan 17,
231). Arab. Provv. 1, 155. Hälik b. Amr von Asad galt als der
erste qain und seine Nachkommen wurden damit geneckt
(Baladh. 284. Agh. 7, 189), Chabbäb b. Aratt, einer der ältesten
Anhänger IMuhammads, war auch qain (B. Hischam 234. Tab. 1,
3347), in der Regel aber waren die qujün fahrende Leute. Das
Femininum qaina bedeutet die Magd (Hudh. 107, 30) namentlich
im Plural (aqiän Zuh. 10, 2 = Alq. 13, 4. Hudh. 140, 2), im
Singular gewöhnlich die Sängerin oder Musikantin. Man hält nun
meistens das Wort für ein richtiges Appellativ und sieht Knecht
oder Magd als_ die Grundbedeutung an. Aber es hat keine Wurzel,
denn von Hjp lässt es sich schwerlich ableiten. Es kommt auch
niemals neben abd taim schaf salm als erster Bestandteil in
theophoren Eigennamen vor. Im Hebräischen ist Qain nicht
Appellativ, sondern Eigenname des Stammvaters der Schmiede.
Das aramäische qainäja^) setzt ebenfalls Qain als Eigennamen
voraus. Und dies scheint auch im Arabischen der Ausgangspunkt
zu sein. Denn Zuhair (16, 2 ed. Ahlwardt) nennt einen Sattel
qaini, einen qainitischen, so dass Qain der Eigenname eines be-
rühmten Handwerkers oder einer Handwerkerzunft^) ist. Die
Plurale qujün und aqiän können ebenso gut von qaini wie von
qain abgeleitet werden. Qain wäre dann eigentlich ein Stamm-
name und zwar der Name eines fahrenden Volkes, vergleichbar
den von Doughty geschilderten Solubba im jetzigen Syrien und
Arabien. Die Männer wären Schwertfeger, Kesselflicker und der-
gleichen gewesen, die Mädchen zu Sklavinnen oder Chanteusen ge-
braucht: neckisch ist im letzteren Falle die Ähnlichkeit von qaina
mit dem hebräischen qina und qonen. Dem Eigennamen Qain,
1) Im Plural qainäje bei Vogüe Palm. 23. Es ist niclit qainaija zu
sprechen, wegen des folgenden 'ab de.
2) In Sa' d alQain liegt die Passung des Genetivs als partitiv am nächsten,
so dass zu übersetzen wäre SaMus fabrorum, nicht Sa'dus faber. Vgl, Arab.
ProYv. 8, 18. Tab. 2, 1299.
Gen. 2-4. 307
der auch sonst vorkommt (mit und ohne Artikel, für Stämme und
Personen, vgl. Hamasa 221 v. 3. Tab. 2, 286 und Euting Sin. 553),
könnte ein Gott entsprochen haben; Qainän wenigstens scheint
ein solcher gewesen zu sein.
Das Lied Lamechs pflegt man als Schwertlied zu bezeichnen,
in der Meinung, es sei veranlasst durch die vorher berichtete Er-
findung der (Waffen-) Schmiedekunst. Man muss sich jedoch hüten,
diese Trümmer aus dem Zusammenhange zu verstehn. Durch den
Wortlaut des Liedes selber wird jene Motivirung nicht angezeigt.
Wenn darin auf die Schmiedekunst hingeblickt würde, so hätte
sich billigerweise Kain zu rühmen. Wie könnte Lamech auf
Grund der Erfindung des Schwertes sich über den Erfinder selbst
(v. 24) überheben? Die Verse enthalten eine gar keiner besonderen
Veranlassung bedüi-ftige Prahlerei eines Stammes (StammA^aters)
gegen den anderen. Und wie die Araber sich besonders gern
ihren Weibern gegenüber als grosse Eisenfresser rühmen, so macht
es hier auch Lamech.
Die Namen Henoch und Seth entsprechen den südarabischen
Hanäk und That (Hamd. 90, 9. Bai. 106, 6. 382, 13. 395, 18).
„Enos begann^) den Namen Jahves anzurufen", d. h. er war der
Anfänger des Gottesdienstes wie Noah des Ackerbaus und Nimrod
der Reichsgründung — Jahve ist hier nicht im Gegensatz zu
anderen Göttern, sondern ganz allgemein zu verstehn; ähnlich
wie 10, 9.
Gen. 6, 1—4.
Nach dem Zusammenhange mit 6, 1. 2 kann Jahve in 6, 3
nur sagen, er wolle die Vermischung von Gottessöhnen, d. i. Engeln,
und Menschen nicht länger dulden. Darnach ist Tin auf die
Engel zu beziehen, auf den spirituellen Stoff, aus dem sie ebenso
wie Jahve selber bestehn, während der Mensch Fleisch ist. Dieser
Deutung von nn widerspricht nun der letzte Satz: es sollen seine
Tage 120 Jahre sein. Damit ist eine Herabsetzung der (bisher
höheren Lebensdauer) der Menschen ausgesprochen: wenn dies die
praktische Folge der vorhergehenden Erwägung ist, so kann man
TiTn nicht von dem Stoffe der Götter und Göttersöhne verstehn,
sondern nur von dem die Kreaturen durchhauchenden Atem des
^) So nach Sept. Man erwartet allerdings hu für ze.
20^
308 Nachträge.
Allmäclitigen, mit dessen Zurückziehung ihrem Leben die Grenze
gesetzt wird. Dann aber fehlt eine logische Verbindung zwischen
V. 3 und V. 1. 2; die Konsequenz v. 3 entspricht nicht ihren
Prämissen v. 1. 2. Die Worte: es sollen seine Tage 120 Jahre
sein — sind eine misverstehende Glosse zu übvh D"IN!1 TIP isb-
Die Menschen leben ja schon vorher nicht ewig; 800 — 900 Jahr
und 120 Jahr ist kein prinzipieller Unterschied. Und durch
Herabsetzung der Lebensdauer würde das übvh xb durchaus nicht
erreicht; in dem Geschlechte (0"IX) bliebe der Atem Gottes darum
nicht minder ewig, weil er den Einzelnen nicht mehr so lange
belebt. Endlich ist nach der Stellung von 6, 1 — 4 zu erwarten,
dass der Entschluss v. 3 seine Ausführung finde in der Yertilgung
des ganzen Menschengeschlechts ohne jede Ausnahme.
Von der Rücksicht auf die Glosse entbunden, können wir als
den allgemeinen Sinn des göttlichen Ausspruches in v. 3 erkennen,
dass der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes ein gewaltsames
Ende gesetzt werden soll. Denn pflanzte es sich fort, so würde
die Vermischung des Götterstoffes, des Geistes, mit dem Menschen-
stoffe, dem Fleische, in alle Ewigkeit nicht aufhören. Auch wenn
die Gottessöhne sich nicht weiter mit den Menschentöchtern ein-
liessen, so blieben sie doch die Ahnherren des Geschlechts; ihr
Blut — das in diesem Falle allerdings nicht Blut, sondern Geist
ist — bliebe in der Race.
Im Einzelnen bereiten die beiden Worte Jl"]'' und D^t^'Il v. 3
dem Verständnisse unüberwindliche Schwierigkeiten. Für jn^ Nv
bietet die Septuaginta ou [xyj xaTajiei'v^], und dieser Sinn (oder ein
ähnlicher wie: es soll sich nicht vermischen) wird durch den Zu-
sammenhang gefordert. Aus )1"1'' aber kann er nicht herausgelesen
werden, man wird also eine Verderbnis des hebräischen Wortes
anerkennen müssen. Emendationen lassen sich nicht kommandieren,
jikkon würde nicht passen, jakün oder jado^n nur dann, wenn
der Text arabisch statt hebräisch wäre. Ebenso muss ü^Wü ver-
derbt sein. Der Sinn des durch c:it^!l eingeleiteten Satzes ist in
^^^^ nt^D. vollständig enthalten: die Grenze zwischen göttlichem
und menschlichem Geschlecht darf nicht verrückt werden; die gött-
liche Substanz, der Geist, soll deshalb nicht im Menschengeschlechte
bleiben, weil die menschliche Substanz Fleisch ist. In D^\l^:i
muss eine Kausalpartikel stecken (8ia xo sTvoti auxou? Sept.), und
es ist nicht nötig, wenngleich möglich, dass noch mehr darin steckt.
Gen. 6, 1—4. 309
Einen Verbesseriingsvorsclilag habe ich auch in diesem Falle nicht
zu machen; es muss genügen, die Korruptel festzustellen. Doch
will ich noch die zwei hauptsächlichen Meinungen der Exegeten
über D^l^^Ü zu widerlegen suchen.
Einige sehen darin eine Zusammensetzung aus der Präposition
3.5 dem Relativum \L^ und der Partikel C)l und übersetzen: „weil
auch er Fleisch ist". Aber I5^:i kommt im Hebräischen nicht so
wie "12. im Syrischen für weil vor, und ü^ ist hier nicht bloss
sinnlos, sondern sinnwicbig. „Mein Geist soll nicht ewig im
Menschengeschlechte sich fortpflanzen, weil es ebenfalls Fleisch
ist" enthält einen absurden Widerspruch.
Andere leiten üy\l/'2. von dem Verbum :i:i^* ab und übersetzen:
„bei (wegen) ihrer Verirrung ist er Fleisch". Sie sind nicht etwa
die Engel, sondern die Menschen, ganz das selbe wie er. Eine
solche Enallage Numeri, innerhalb eines allerkürzesten Satzes, soll
im Hebräische unanstössig sein. Aber welchen Sinn hat denn die
mit einer solchen Ungeheuerlichkeit belastete Übersetzung? „Weil
das Menschengeschlecht ein dem Irrtum unterworfenes sündiges
Geschlecht ist, deshalb ist es Fleisch" (Tuch) ist eine nicht in den
Zusammenhang gehörige Walu'heit — oder richtiger Unwahrheit,
denn es ist eine Umkehrung von Ursache und Wirkung. Delitzsch
erläutert: „bei jener Verirrung zu widergöttlicher Lust geht der
Mensch, das geistleibliche Wesen, wdder seine ursprüngliche Be-
schaffenheit und Bestimmung ganz im Fleische auf". Dogmatik,
keine Exegese. Wenn ein solcher Beo-riff in diesem Zusammen-
hange überhaupt zulässig wäre, so wäre die Yerirrung auf Seiten
der Gottessöhne, nicht auf Seiten der Menschentöchter, die sich
jenen kaum widersetzen können, geschweige auf Seiten des aus den
ungleichen Verbindungen hervorgegangenen Geschlechtes, welches
hier allein in Rede steht. Abo-esehen aber davon — wie kann der
Mensch dadurch ganz im Fleische aufgehn, dass er sich nicht mit
Fleische, sondern mit Geiste vermischt? Er wird ja nicht zu sehr
Fleisch durch jene Vermischung, sondern er bleibt es zu wenig;
er überspringt die Schranken seiner Gattung, Fleisch zu sein. Das
ist seine Schuld, d. h. sein Unglück. Die moralische Schuld
haben die Gottessöhne, er büsst nur die Folgen. Die Moral hat in
Gen. 6, 1 — 4 nichts mit der Schuld zu tun; von Moral ist hier
keine Spur und zu Moralpredigt keine Veranlassung.
Auch V. 4 gibt zu Bedenken Anlass. „Die Nephilim waren
310 Nachträge,
auf Erden in jenen Tagen und aucli noch später, indem die Gottes-
söhne eingingen zu den Menschentöchtern und diese ihnen gebaren
— das sind die Gewaltigen, die vor Alters waren, die hochbe-
rühmten Männer". Diese Bemerkung, an sich zu wichtig, um so
lose beigefügt zu werden, ist hinter v. 3 nicht mehr am Platze.
Sie erscheint erst allmählich zu ilu'em jetzigen Umfange herange-
wachsen zu sein. Das ]D ''^nx Dril sieht aus wie eine Korrektur
zu cnn CO""^, entsprungen aus der Erwägung, dass ja noch zur
Zeit Moses solche Nephilim in Kanaan lebten. Der Schlusssatz
Ij) D'''i:i;in r\^n enthält eine euhemeristische Begriffsbestimmung
der Nephilim. Ursprünglich sind diese nicht gleichbedeutend mit
kriegerischen und berühmten Männern; eher mögen sie mit den
Rephaim (Totengeistern) verwandt sein.
Man hat den Eindi'uck, dass Gen. 6, 1 — 4 stark verstümmelt
ist, und dass daran die Absicht mehr Schuld trägt als der Zufall.
Gen. 10, 8—12.
Durch den Nachweis, dass in Gen. 10 nicht bloss eine Yölker-
tafel aus Q, sondern auch eine aus JE steckt, ist die Stellung der
Verse 8 — 12, die man hier herausnahm und nirgendwo wieder ein-
fügte, zugleich erklärt und gesichert. Die Genealogie von Q baut
nur Namen und Zahlen auf und hat keinen Raum für etwas anderes.
Dahinein passt Nimrod allerdings nicht, wol aber in die jehovistische
Genealogie. Diese knüpft, wo sie kann, inhaltliche Notizen an die
Namen und hat keine Angst, dass dadurch die Form gesprengt
werden könnte. Wir können uns am besten einen Begriff davon
machen nach Gen. 4, 17 ss.
Dort dient die Genealogie zugleich dazu, den Fortschritt der
Civilisation zu verfolgen, die Gründer und Erfinder der wichtigsten
Eimichtungen und Künste stufenweise vorzuführen (Kain, Jabal,
Jubal, Thubal). Wenn von Noah nicht eine ausführliche Erzählung
handelte, so wüi'de er in der jehovistischen Genealogie wahrschein-
lich auch als Stifter des Weinbaues oder als erster Schiffer figuriren.
So ist Nimrod der erste Reichsgründer auf Erden, und nach
Art der alten morgenländischen Herrscher zugleich ein grosser Jäger.
„Und Kusch zeugte Nimrod, der begann ein Gewaltiger zu sein auf
Erden, und der erste Teil seines Reiches war Babel und Erech und
Akkad und Kalne im Lande Sinear; von da zog er aus nach Assur
Gen. 10 8— 12. 311
und baute Nineve u. s. w." Den Hebräern war das babylonisch-
assyrische Reich das Reich, und Nimrod als Gründer dieses Reichs
— nicht des vorgeschichtlichen, sondern des geschichtlichen, wie
aus der Aufzählung der Städte und auch aus der allgemeinen Art
von Gen. 10 erhellt — war das Prototyp des Grossherrschers. Er
repräsentirt zugleich König und Volk; das Volk ist die Familie des
ersten Königs. Die Genealogie macht keinen Unterschied zwischen
beiden, Heroen und Nationen stehn bei ihr auf gleicher Linie. AVas
von Mmrod gilt, gilt auch von Babel und Assur. Wenn also Nimrod
von Kusch abstammen soll, so wird die mächtige Nation von Babel
und Assur zu Kusch gewiesen. Kusch aber ist ein sehr umfassender
und vager Name, der eine klare geographische und ethnologische
Definition nicht zulässt.
Das Präformativ N scheint darauf hinzuweisen, dass Nimrod
den Hebräern durch Vermittlung der mesopotamischen Aramäer
zugekommen ist. Diese hatten später einen Gott Marri (Mari?),
mit den Hunden, der wol auch ein Jägersmann war.
Ich schliesse noch ein paar andere Bemerkungen an, die sich
auf die Völkertafel beziehen. Der Name J er ach ist arabisch
Varach (Hamd. 99, 23. 101, 12). Bei den Söhnen Japheths sucht
man die Perser vergebens^); sie sind vielleicht unter dem Namen
Elam an die Spitze der Söhne Sems gestellt. Beachtung verdient,
dass Cyprus nicht den Phöniziern, sondern den Griechen zuge-
wiesen wird, unter den Namen Kittim, der nicht der alte zu sein
scheint.
Gen. 14.
Ein sehi* wichtiges Beispiel der Nachtragung einer ganzen Er-
zählung in die fertige Genesis. Wenn sich ergeben hat, dass das
Kapitel weder zu dem ursprünglichen Bestände einer der fort-
laufenden Quellen gehört noch nachträglich in eine derselben auf-
genommen ist, so folgt, dass es sehr spät recipirt und ein äusserst
junges Stück ist.
Der Glaube an die Geschichtlichkeit der Erzählung von Abra-
hams Siege über den Elamiterkönig Kedarlaomer, der durch Nöldeke
den Todesstoss empfangen zu haben schien, ist neuerdings durch
^) Sie finden sich überhaupt erst in der Chronik (Esel. Neh.) und im Daniel.
312 Nachträge.
die Ergebnisse der Keilforschung wieder belebt worden. Die Namen
der Könige des Ostens sind zwar nicht so wie sie lauten auf den
Monumenten wieder gefunden, wol aber, wenigstens teilweise, die
Elemente, aus denen sie zusammengesetzt sind, auch wol Analogieen
ihrer Komposition. Es hat sich herausgestellt, dass Lagamar Name
einer elamitischen Gottheit gewesen ist, und dass es schon „zur
Zeit Abrahams" ein elamitisches Reich gegeben hat. Was hilft das
aber zur Rettung von Gen. 14? Wie babylonische und elamitische
Königsnamen etwa lauteten, konnte man noch zur Zeit des Berosus
sehr gut Avissen. Man kann — wie schon Nöldeke selber getan hat
— ruhig die Möglichkeit zugeben, dass Amraphel, Arioch, Kedor-
laomer und Tid'al wirklich einmal über ihre Länder geherrscht
haben, ohne dass daraus im mindesten die Wahrheit dessen folgt,
was in Gen. 14 über sie erzählt wird. Wenn das Subjekt nicht
existirt, so fällt die Aussage von selber, das ist wahi\ Aber man
darf die Sache nicht umkehren und aus der Wirklichkeit des Sub-
jekts auf die Richtigkeit der Aussage schliessen.
'Nöldekes Kritik ist unerschüttert und unumstösslich. Dass
„zur Zeit Abrahams" vier Könige vom persischen Meerbusen her
eine Razzia bis in die Halbinsel des Sinai machen, dass sie bei
der Gelegenheit fünf Stadtfürsten, welche im Toten Meere hausen,
überfallen und gefangen fortschleppen, dass endlich Abraham mit
318 Knechten den abziehenden Siegern nachsetzt und ihnen den
Raub abjagt — das sind einfach Unmöglichkeiten. Sie werden
dadurch nicht zutrauenswürdiger, dass sie mit grosser Geflissentlich-
keit in eine untergangene Welt placirt werden. Der Erzähler baut
diese untergegangene Welt grösstenteils aus zerstreuten Materialien
des Alten Testamentes auf. Adma und Seboim ist bei Hosea, d. h.
in Israel, das selbe wie Sodom" und Gomorrha bei Amos, d. h. in
Juda; der Verfasser von Gen. 14 scharrt die vier Namen zusammen.
Seiner Phantastik liegt die Schrift gel ehrsamkeit zu Grunde. Die
Glossen, die antiquarischen Notizen charakterisiren ihn. Die An-
gabe, dass im Toten Meere sich eine Asphaltquelle bei der anderen
finde, ist für den Zusammenhang ganz wertlos — denn die Flüch-
tigen fallen nicht etwa in die Pechgruben hinein, wie einige ingeniöse
Ausleger annehmen; sie verdankt ihre Entstehung dem Lacus
Asphaltitis, schildert das Aussehen der Gegend desselben, ehe er
selber da war und soll den Schein der Gegenwart über das höchste
Altertum werfen. Den selben Zweck hat es, wenn v. 13 ein wild-
Gen. 14. 313
fremder Mann namens Abraham uns vorgestellt wird als Eidgenosse
der bekannten Amoriter von Hebron, Mamre, Eskol und Aner.
Alles das hilft natüidich nichts, um die wahre Zeit des Er-
zählers zu verdecken. Nicht bloss dadurch, dass er Dan für Laisch
sagt, verrät er sich. Am durchsichtigsten ist der Priesterkönig von
Salem, dem Abraham den Zehnten gibt, nicht von der Kriegsbeute
— das wäre pragmatisch zu fordern — , sondern von allem, was
er hat. Salem steht archaistisch für Jerusalem. In Walii'heit hat
Jerusalem niemals so geheissen, sondern immer Jerusalem, nicht erst
seit David, sondern seit viel früheren Zeiten, wie wir jetzt wissen.
Auf eine Deutung der Namen der fünf Könige des Toten Meeres
darf man sich liicht einlassen. Wer weiss, woher der Verfasser sie
Jiat! Hätte er sie selbst gemacht, so wäre der fünfte König nicht
namenlos. Denn obwol Bela (Bileam) sonst Personenname ist, so
ist doch eine zweimalige Emendation: „und Bela König von Soar"
ausgeschlossen. Wol möglich aber ist es, dass die 318 Knechte aus
dem Zahlenwert von Eliezer geflossen sind.
Unrecht hat Nöldeke darin, dass Gen. 14 alt sei und uns die
Gestalt Abrahams in einer zwar andersartigen aber gleichzeitigen
Auffassung zeige wie der Jehovist. Abraham konnte nicht zu
gleicher Zeit so gänzlich verschieden aufgefasst werden; die Sage
hat nur einen einzigen Ausgangspunkt, und zwischen Sage und
künstlicher Geschichte liegt ein weiter Zwischenraum. Die lite-
rarische Kritik beweist das späteste Alter von Gen. 14; Psalm 110
dagegen beweist nicht das geringste. Unrecht hat Nöldeke ferner
darin, dass Gen. 14 mit grossem Geschick angelegt und vortrefflich
erzählt sei. Vielmehr' wird die Erzählung überwuchert durch Neben-
umstände, die gar keinen pragmatischen Nutzen haben und nur
dem antiquarischen Scheine dienen. Ist es geschickt, dass gar
nicht gesagt Avird, dass die drei Männer von Hebron mit Abraham
gegen die Könige des Ostens ausgezogen sind, und dass es dann
doch V. 24 vorausgesetzt wird! Die Gestalt des Melchisedek, die
Nöldeke grossartig erfunden nennt, ist nur grossartig, wenn man
an ihre Romantik glaubt; aber wenn sie erfunden ist, so ist sie
tendenziös erfunden. Mit anderen Worten: mit dem Uralter fällt
auch der Zauber der Erzählung. Die Juden konnten auch in
später Zeit schön erzählen, allerdings nicht im Stil des Jehovisten,
aber weit effektvoller, wie Dan. 5 zeigt. Allein Gen. 14 ist kein
Beweis dafür.
314 Nachträge.
Gen. 34.
Eine Reihe meiner Analysen hat Kiienen einer sehr frucht-
baren Kritik unterzogen, in den Bijdragen tot de critiek van Penta-
teuch en Joziia, welche in der Leidener Theol. Tijdschrift^) ver-
öffentlicht sind. Er hat vorzugsweise gewisse Erzählungen auf das
Korn genommen, in denen ein mir unklar gebliebenes weder zu
JE noch zu Q gehöriges Element vorkommt. Ei' weist dies Element
„der — noch nach der Vereinigung von JE --}- D -f- Q — fortge-
setzten Diaskeuase" zu, die sich im allgemeinen in den Gleisen
von Q hält, jedoch auch die differirenden Yorstellmigen und Aus-
drücke von JE -|- D kennt und gelegentlich einmischt, die den be-
stehenden Zusammenhang, Mielchen sie voraussetzt, manchmal nur
retouchirt, manchmal gänzlich umarbeitet, manchmal durch grössere
Einsätze eigener Erfindung ergänzt — genau so wie es die Chronik
mit den älteren geschichtlichen Büchern macht. „Dass diese Aus-
kunft an sich annehmlich ist — sagt Kuenen — , wird am wenigsten
Wellhausen leugnen, der uns, besonders im letzten Teil seiner Ab-
handlung^), so deutlich gezeigt hat, dass manche Perikope, die wir
zu Q zu rechnen pflegten, als spätere Erweiterung dieses Buches
betrachtet werden muss."
Ich bin von der Textkritik auf die literarische Kritik geführt
worden, weil sich ergab, dass manchmal die Grenze nicht zu finden
Avar, wo die Arbeit des Glossators aufhörte und die des Literators
anfing. Ich bin dadurch früh mistrauisch geworden gegen die
Manier, die hebräischen Geschichtsbücher als reines Mosaik zu be-
trachten, und habe diesem Mistrauen schon in der Vorrede zu
1. De aanwijzing der Yrijsteden in Joz. 20 1877 p. 467.
9
De stam Manasse 1877 p. 478.
3. De uitzending der verspieders in Num. 13 s. 1877 p. 545.
4. De opstand van Korach Dathan en Abiram 1878 p. 139.
5. De godsdienstige Yergadering bij Ebal en Gerizim 1878 p. 297.
6. Dina en Sichern (Gen. 34) 1880 p. 257.
7. Manna en Kwakkelen (Exod. 16) 1880 p. 281.
8. Israel bij den Sinai 1881 p. 164.
9. De geboortegeschiedenis van Gen. 1 — 9 3 884 p. 121.
10. Bileam 1884 p. 497.
2) S. oben p. 134 ss.
Gen. 34. 315
dem Text der Bücher Samuelis Ausdruck gegeben'). Bei der
Untersuchung der Komposition des Hexateuchs hat sich mir dann
herausgestellt, dass hier allerdings di-ei selbständige^) Erzählungs-
fäden fortlaufen, dass aber diese grossen Zusammenhänge nicht bloss
zugeschnitten und leicht vernäht, sondern, vor, bei, und nach ihrer
(nicht zugleich erfolgten) Vereinigung erheblich vermehrt und über-
arbeitet worden sind, dass mit anderen Worten der literarische
Prozess, wodurch der Hexateuch entstanden ist, sehr komplizirt ge-
wesen ist, und dass die sogenannte Ergänzungshypothese, in einem
anderen Sinne, als wie sie ursprünglich aufgestellt ist, in der Tat
ihre Anwendung findet '''). Jedoch das letzte Sediment, welches
sich über das ganze Geschiebe oberflächlich lagert, habe ich,
wenigstens in den erzählenden Partieen, nicht gehörig gewürdigt,
namentlich da nicht, wo es auffallend stark hervortritt. Hier hat
mich Kuenen, wie ich bereits an anderer Stelle dankbar gesagt
habe, befreit von hangen gebliebenen Resten des alten Sauerteiges
der mechanischen Quellenscheidung. Dieser Anerkennung tut es
keinen Abbruch, dass ich in der Bestimmung des ümfanges des
Eingreifens der spätesten Diaskeue nicht immer mit ihm einver-
standen bin.
Was Gen. 34 betrifft, so schliesst sich Kuenen (a. 0. 1880
p. 257 SS.) meiner Analyse im Wesentlichen an und rechtfertigt
^) „Auf eine so mechanische Weise, wie man es sich jetzt im Gegensatz
zn Ewald gewöhnlich vorstellt, sind überhaupt die geschichtlichen Bücher des
Alten Testaments nicht entstanden. Auch im Pentateuch sind nicht zwei oder
mehrere grosse geschichtliche Zusammenhänge, die den selben Gegenstand
haben, ursprünglich unabhängig von einander geschrieben, so dass der spätere
von dem früheren keine Notiz nimmt. Vielmehr an einen Kern, in welchem
zum ersten male die bis dahin vereinzelten Geschichten an einander gefügt
wurden, setzten sich teils kleinere Stücke an, teils wurde das Ganze im
Zusammenhange neu bearbeitet, vielleicht so, dass es selbst seinem wesent-
lichen Inhalte nach der neuen Bearbeitung von Anfang an einverleibt blieb,
oder so, dass nur die Grundlinien seines Planes für diese massgebend waren,
wodurch es einem späteren Redaktor möglich wurde, Altes und Neues zu kom-
biniren."
2) Selbständig durchaus nicht in dem Sinne, dass sie unabhängig von
einander entstanden sind, sondern nur in dem Sinne, dass sie für sich einen
vollständigen Zusammenhang darstellen, für sich verstanden werden können
und müssen.
3) S. oben p. 9 s. 203. p. 135. 181s. 184 ss, und vgl. Prolegomena 1895
p. 229, 299 s. 364—8.
316 Nachträge.
die Gesiclitsp unkte derselben gegen Dillmann '). Die Bruchstücke
weist auch er zu J, den dominirenden Zusammenhang (= X) aber,
mit dem ich nicht recht hin wusste, setzt er ganz auf Rechnung
eines sehr späten Diaskeuasten, der an der Erzählung von J An-
stoss nahm und sie von seinen korrekten Anschauungen aus gänz-
lich umgestaltete, aber dabei einige Brocken unverdaut lassen musste.
Er argumentirt so:
1. Die Sprache von X ist mit der von Q sehr nahe ver-
wandt, die Geistesart doch wieder nicht identisch; man erkennt
also in dem Schreiben einen im Stile von Q arbeitenden Epigonen.
2. X gehört zu keiner der fortlaufenden Quellenschriften, in-
sonderheit nicht zu E; denn 35, 5 ist Glosse, und 48, 22 beweist
nichts. 3. Spuren einer Redaktion von dritter Hand, welche J
mit X verband, sind nicht vorhanden; der Verfasser von X selber
ist zugleich auch der Redaktor. Die Teile von J, welche er, als
zur Festhaltung der Identität der Geschichte unentbehrlich, auf-
nahm, können nicht melii' herausgenommen werden, ohne dass in
X etwas fehlt.
Über das innere Verhältnis der beiden Relationen lässt sich
Kuenen folgendermassen aus. J hat wegen seiner Übereinkunft
mit Gen. 49, 5 — 7 (nur Simeon und Levi verantwortlich für den
Frevel) das Präjudiz höheren Alters für sich; X ist eine Korrektur
von J. Als Inhalt von J lässt sich aus den Fragmenten erschliessen :
Jakob und seine Söhne beruhigen sich über die Missetat gegen
Dina, sie legen Sichem eine schwere Busse (aber nicht die Be-
schneidung!) auf und geben ihre Zustimmung zu seiner Ehe mit
Dina; Simeon und Levi ermorden Sichem verräterisch und erregen
dadurch den heftigen Zorn ihres Vaters. An diesem Berichte nahm
der Verfasser von X Anstoss. Wie? Der Stammvater von Israel
und die Mehrheit seiner Söhne sollten die Ehre von Israels Tochter
ungerächt gelassen, in ihre Heirat mit einem Kanaaniter gewilligt,
und über den nationalen Eifer von Simeon und Levi sich entrüstet
haben? LTnbedenklich nahm er für die beiden Eiferer Partei, zumal
einer von ihnen Levi war. Aber dadurch war das Ärgernis nicht
beseitigt. Dazu gehörte eine radikale Umgestaltung des alten Be-
^) Genesis, 3. Aufl. 1875. In der 4. Auflage 1882 verändert Dillmann
seine Position wesentlich und fährt dann fort: „gegen das Ergebnis erheben
Wellhausen und Kuenen Einsprache". Auf solche Weise ist es leicht, Recht
zu behalten.
Gen. 34. 317
richts, und zwar gerade eine solche, wie sie jetzt in Gen. 34 vor-
liegt. Denn darin stellen die Söhne Jakobs die gesetzmässige Be-
dingung, unter der man in der Theorie die Proselyten zuliess: keine
Heiratsgemeinschaft als mit Beschnittenen. Aber der Vollzug dieser
Bedingung ist ihnen noch keine Sühne für die geschändete Ehre
Israels, sie legen es von vorn herein auf das A^erderben des Ver-
führers und seines Geschlechtes an und benutzen die Beschneidung
zugleich zu diesem Zwecke. Bezeichnend ist der öfters wiederholte
Ausdruck ^ü\2, der nicht bloss entehren, sondern besudeln
heisst und auf eine ganz bestimmte, in und nach dem Exil herrschende
Anschauungsweise leitet.
Ich kaim mich dieser einfachen Lösung nicht ganz anschliessen.
Zu dem ersten Punkt der Beweisfülu'ung habe ich zwar nichts zu
erinnern, als dass durch die nahe Verwandschaft zwischen X und
Q die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wird, dass in X eine ältere
Quelle (neben J) zu Grunde liegt, die später in der Manier des
Priestercodex überarbeitet wurde. Geo-en die beiden übrio-en Punkte
aber habe ich Einwendungen zu machen.
Daraus dass in Gen. 35, 1 — 4 von gefährdeter Lage Jakobs
nichts zu merken ist und erst in v. 5 erklärt wird, weshalb er sich
nicht zu füixhten braucht, zu schliessen, dass 35, 5 Glosse sei, ist
gewagt. Folgerichtig müsste dann auch Gen. 37, 13. 14 gestrichen
werden, wo die Söhne Jakobs friedlich als sei nichts geschehen bei
Sichem weiden: denn ob etwas längere oder kürzere Zeit seit dem
Frevel vergangen ist, macht füi' die Rache nichts aus. Übrigens
steckt nicht bloss in 35, 5 eine Rückbeziehung, sondern auch in
33, 18 — 20 — wie mir scheint — eine Vorbeziehung aus E auf
Gen. 34').
1) Ich habe (oben p. 48) 33, 19 wegen seines Widersprachs mit 48, 22 E
abgesprochen, jedoch mit Unrecht, wie Jos. 24, 32 beweist. Mit Recht aber
habe ich 33, 18 nach Abzug der Worte „als er von Paddan Aram kam" zu
E gerechnet. Man darf nicht ohne Not einen geschlossenen sachlichen Zu-
sammenhang zerreissen; stammt v. 19 s. aus E, so muss man auch die unent-
behrliche Prämisse v. 18 für E festzuhalten suchen. Es ist ja auch gar nicht
die Art von Q, so zu lokalisiren wie es 33, 18 geschieht: vgl. 37, 1. Also
33, 18—20 ist ganz aus E. Nun lässt sich ch'sl/ v. 18 nicht verstehn; denn
„Jakob kam wolbehalten nach der Stadt Sichems" ist eine unmögliche Über-
setzung. Es ist D'DW zu lesen: Jakob kam nach Sichem, der Stadt des Sichem.
Diese auffallende Hervorhebung der Person des Sichem (auch in v. 19 DDl^^^N)
318 Nachträge.
Der Art, wie Kuenen die Aussage Gen. 48, 22 durch die
widersprechende 33, 19 zu paralysiren sucht, kann ich ebenfalls
keinen Beifall schenken. Richtig ist, dass der Verfasser von Jos. 24, 32
beide Aussagen in der selben Quelle vorgefunden und geglaubt hat,
sie reimen zu können. Aber wegen Jos. 24, 32 anzunehmen, dass
in Gen. 48, 12 ursprünglich von gewaltsamer Eroberung Sichems
nichts berichtet gewesen sei, ist ein verzweifelter Schritt; weit
wahrscheinlicher ist es, dass der Verfasser von Jos. 24 das ''^'nn:i
''nirp:n (48, 22) nicht berücksichtigt hat, weil es mit 33, 19 nicht
zu stimmen schien^). Nun passt freilich, auch wenn man an dem
Wortlaute nichts ändert, trotzdem Gen. 48, 22 formell — ganz
abgesehen von i^lDJ^n und licn ""^D. — nicht gut zu Kap. 34.
Auf Grund dessen, dass alle seine Söhne gemeinschaftlich Sichem
überfallen haben, kann Jakob unmöglich behaupten, er habe die
Stadt mit Gewalt in Besitz genommen und dadurch das Recht
gewonnen, über sie zu gunsten eines seiner Söhne mit Ausschluss
der übrigen zu verfügen. Aber wenngleich Gen. 48, 22 keine
formelle Beziehung auf Kap. 34 hat, so reicht der Vers doch aus,
zu beweisen, dass es eine alte Version gab, nach welcher Israel
Sichern erobert hatte, nicht Simeon und Levi.
Am allerwenigsten gelungen scheint mii' aber der dritte Punkt
von Kuenens Argumentation. Er wirft die Frage auf, wie der Ver-
fasser von X in v. 27 von „den Erschlagenen" reden könne, wemi
nicht mit Rücksicht auf die Fragmente von J in v. 25. 26, welche
er also vorausgesetzt und in seine eigene Erzählung aufgenommen
habe. Es ist allerdings klar, dass in v. 27 etwas Ahnliches wie
V. 25 s. vorausgesetzt wird, aber ebenso klar, dass v. 27 nicht von
jemand geschrieben ist, welcher v. 25 s. fortsetzen wollte. Denn
der hätte in v. 27 gesagt: die übrigen Söhne Jakobs, und in
V. 25 s. hätte er nicht die widersprechenden Angaben ^) in die
Fragmente von J hineingebracht. Von dieser Evidenz ist ja die
ganze Kritik von Gen. 34 ausgegangen. Der vollkommen abrupte
^) Der Verfasser von E wird die Objekte in 33, 19 und 48, 22 als ver-
schieden angesehen haben, als handle es sich dort nur um das Temenos, hier
um die ganze Stadt und ihr Gebiet. Ursprünglich sind es natürlich sich aus-
schliessende Varianten der selben Sage; 48, 22 hat einen dichterischen Anflug,
ist schwerlich von E verfasst, sondern nur aufgenommen.
-) Richtig ist nur Kuenens Bemerkung, dass v. 27 auch an diese wider-
sprechenden Angaben in v. 25 s. keinen vollständigen Anschluss hat.
Gen. 34. 319
Einsatz von v. 27 spricht auf das stärkste gegen Kuenens Meinung.
Überhaupt ist es nicht zu begreifen, warum die von Kuenen her-
vorgehobene mangelhafte Redaktion von Gen. 34 beweisen soll,
dass nicht ein Dritter die Hand im Spiel gehabt, sondern der
zweite Erzähler selber die Sache besorgt habe. Der hätte ja, nach
Kuenen, so frei wie möglich mit dem Stoffe geschaltet, also auch
kein Bedenken getragen, alle Anstösse, Brüche und Unebenheiten
zu beseitigen und auszugleichen. Wenn dagegen harte Übergänge
und schlecht verdeckte Fugen vorkommen, so weist eben das auf
einen Dritten, der an gegebene Stoffe gebunden war und darum
ungeschickt, weil zaghaft, redigiren musste.
Was endlich Kuenens Yorstellunsj über das innere Verhältnis
der beiden Relationen betrifft, so bestreite ich ilu-e Möglichkeit nicht,
finde sie aber nicht evident. Yon der Tendenz aus, die Kuenen
dem Verfasser von X zusclu'eibt, konnte dieser allerdings in das
Yerdammungsurteil über Simeon und Levi nicht einstimmen, brauchte
aber gar nicht alle Sölme Jakobs an ihi'e Stelle zu setzen. Es
hätte ihm sogar näher gelegen, Levi allein das Verdienst des Eiferns
zuzusclu'eiben (Exod. 32. Num. 25).
Nach alle dem komme ich jetzt zu folgendem Scliluss. Mit
der Annahme einer starken Überarbeitung von Gen. 34 durch einen
Epigonen hat Kuenen Recht. Aber der Überarbeiter fand schon
eine durch einen früheren Redaktor aus zwei verschiedenen Ele-
menten zusammengesetzte Erzähluno; vor. Ausser den bereits an-
gefühlten Gründen spricht dafür auch die in v. 13 s. eingeschobene
Parenthese Dnn.X riji"! P^ ^ü^ ^\l/^ nD-T"!, welche jedenfalls dem
Diaskeuasten, aber keinenfalls dem Verfasser von v. 13 s. angehört').
Die beiden Quellen sind J und E. Der Kern ihrer Differenz liegt
lediglich darin, dass E Gesamtisrael an Stelle von Simeon und
Levi treten lässt. Davon hängt es ab, dass die Bedingung der Be-
schneidung hier von Anfang an in verräterischer Absicht gestellt
wird; denn die gute Treue von Gesamtisrael in dem Verfahren
gegen Sichem lässt sich nur wahren, wenn Simeon und Levi allein
den Vertraojsbruch beo-ehn. Wenn dem nun aber so ist, so ist die
1) „Und die Söhne Jakobs antworteten dem Sichem und seinem Vater
Hamor mit Trug — sie meinten nämlich, er habe ja ihre Schwester Dina be-
sudelt — und sagten zu ihm." Die Parenthese soll riD'HD^. rechtfertigen;
unter solchen Umständen war, ebenso wie im Kriege, Trug erlaubt.
320 Nachträge.
Beschneidung für E eigentlich unbequem. Sie hat hier nur als
Mittel des Truges eine Stelle: das kann nicht das Ursprüngliche
sein. Vielmehr wird es wahrscheinlich, dass E die Beschneidung
aus J nolens volens herübernahm, und dass sie in J ihre ursprüng-
liche Stelle hatte, wo sie bona fide dem Sichem auferlegt werden
konnte. Allerdings birgt diese Annahme grosse Schwierigkeiten,
die mich früher bewogen haben, sie völlig von der Hand zu weisen ^).
Aber man muss bedenken, dass die Forderung, die nach meiner
Meinung in J gestellt war, nicht die allgemeine Kinderbeschneidung
ist, sondern die Beschneidung des Bräutigams vor der Hochzeit, in
einem ganz bestimmten einzelnen Falle. Das verträgt sich mit
Exod. 4, 25 s. und stimmt zu der Art von J, solche alten Sitten
gelegentlich auf ungezwungene Weise einzuführen.
Man hat Gen. 34 mit Judic. 9 in Verbindung bringen wollen,
wo die Vorgänge erzählt werden, in Folge deren Sichem als kanaani-
tische Stadt zerstört und definitiv für Israel gewonnen wurde. Für
die ältere Version, die von J, die durch Gen. 49, 5 — 7 beglaubigt
wird, ist dies nun jedenfalls nicht möglich. Denn hier lässt sich etwa
folgender historischer Hintergrund erkennen. Simeon und Levi
haben sich auf dem Gebirge Ephraim eingenistet. Eins ihrer Ge-
schlechter, Dina bat Lea, hat in der Stadt Sichem Aufnahme ge-
funden und steht in Gefahr, sich unter den Kanaanitern aufzulösen ;
es ist also bereits ein friedliches Verhältnis zwischen den alten
Landeskindern und den neuen Ankömmlingen angebahnt. Darauf
aber brechen die beiden Brüder den Frieden, indem sie, wol im
Einverständnis mit „ihrer Schwester" Dina die Sichemiten über-
fallen und ein Blutbad unter ihnen anrichten. Es bekommt ihnen
schlecht. Die Kanaaniter der Umgegend vereinigen sich gegen sie
und reiben sie völlig auf. An der Glaub^\ürdigkeit dieser allerdings
etwas dunklen Naclnichten ist kein Zweifel; nur so lässt sich be-
greifen, warum Simeon und Levi, die ursprünglich ebenbüi'tig mit
Rüben und Juda in die Geschichte Israels eingetreten sind, schon
in der frühesten Richterzeit als selbständige Stämme verschwunden
sind. Aber est ist klar, dass dieser verunglückte Überfall Sichems
durch Simeon und Levi mit der Zerstörung der Stadt durch den
Manassiten Abimelech ben Jerubbaal auch nicht das geringste gemein
^) Oben p. 47: „was dem Sichem in J als Kaufpreis auferlegt wird, ist
nicht zu ermitteln, jedenfalls nicht die Beschneidung".
Gen. 34. 321
hat. Freilich kann das verhängnisvolle Ereignis auch nicht als vor-
mosaisch angesehen werden. Es muss in die sogenannte Richter-
periode fallen, jedoch in die Zeit vor der Eroberung des Landes
Ephraim durch Joseph, da es sonst nicht zu verstehn wäre, wie die
beiden Leastämme überhaupt in jener Gegend hätten Platz greifen
können.
Nun wissen wir aus Jud. 1, dass die Einwanderung der
israelitischen Stämme von den Arboth Moab in das Westjordanland
in zwei Absätzen erfolgt ist. Gemeiniglich ist nur von der zweiten
Einwanderung die Rede, die unter der Führung des Stammes Joseph
statt fand und vollständigen Erfolg hatte ; sie wird im Buche Josua
als Unternehmen Gesamtisraels vorgestellt. Aber schon vorher
hatte eine Einwanderung statt gefunden: vor Joseph ging Juda
über den Jordan und stritt wider die Kanaaniter. Mit Juda sind
ohne Zweifel auch Simeon und Levi gezogen; natüidich braucht
man sich die Gemeinschaft der drei von Rüben sich losreissenden
Brüder nicht so eng zu denken, dass nicht trotzdem jeder die volle
Freiheit der Aktion sich bewahrt hätte. Dass Simeon sich Juda
anschloss, wird ausdrücklich berichtet. Von Levi mrd nichts ge-
sagt, er ist aber durch sein Schicksal bei der Niederlassung unauf-
löslich an Simeon gebunden. Dass der Berichterstatter von Jud. I
über ihn schweigt, ist nicht zu verwundern, da es den Späteren
schwer fiel, sich ihn als einen Stamm wie die anderen Stämme
vorzustellen.
Mit diesem Zuge, an den sich in Jud. 1 nur eine ganz schwache
Erinnerung erhalten hat, muss man die ältere Version von Gen. 34.
49, 5 — 7 kombiniren. Er fiel unglücklich aus. Simeon und Levi
konnten sich nicht im Lande Epln^aim behaupten und wurden sogar
gänzlich zertrümmert. Aber auch Juda scheint von schweren
Schlägen betroffen und der Vernichtung nahe gebracht zu sein. A^on
seinen drei alten Zweigen, Er Onan und Schela, blieb nur einer
übrig; und erst durch den Zutritt fremder Elemente kam der Stamm
wieder zu Kräften, durch das frische Blut, welches ihm die Kainiter
des Negeb zuführten.
Dagegen wäre es nicht unmöglich, in der jüngeren Version,
von Gen. 34 (E) einen Nachhall von Jud. 9 zu erkennen. Dadurch,
dass in beiden Relationen der Anlass, die Schändimg der Dina,
der gleiche ist, scheint es allerdings formell ausgeschlossen zu
werden, dass sie sich auf verschiedene Ereignisse beziehen. Trotzdem
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 21
322 Nachträge.
aber könnte eine Art Contamination stattgefunden haben und eine
Einwirkung der definitiven Eroberung Sicliems (Jud. 9) auf den
Bericht von E angenommen werden.
Gen. 35.
In den drei ersten Auflagen der Prolegomena habe ich mit
Unrecht 35, 16a. 19 zu Q gewiesen, in Rücksicht auf 48, 7. Aber
48, 7 wäre gar nicht nötig gewesen, wenn die Sache an richtiger
Stelle in Q wäre erzählt worden. Jakob muss sie an ungeschickter
Stelle nachtragen.
Auch 35, 14 kann nicht zu Q gerechnet werden. Nämlich
wenn der Vers zu Q gehörte, so wäre das ein schwerer Anstoss für
die Pentateuchkritik. Der Verfasser von Q müsste sich einmal völlig
selber vergessen haben — was ihm nicht zuzutrauen ist. Nun konnte
der Passus IHX "ID."! "ll^N* Dlp-^n, welcher den Grund abgibt, um
V. 14 zu Q zu rechnen, leicht aus der Umgebung eindringen oder
eingesetzt werden, da er in v. 13 und v. 15 noch einmal vorkommt.
Streicht man ihn, so steht nichts im Wege, v. 14 entweder als
ein Fragment aus J oder als Original von n^lD Dli' ):i''l (E) v. 7
anzusehen, welche letzteren Worte dann spätere Korrektur wären.
Gen. 49.
„Die Zeit von Gen. 49 ergibt sich aus dem Spruche über Juda
und Joseph. Auf Juda geht das von Rüben, Simeon und Levi ver-
wirkte Recht der Erstgeburt über. Er soll der Herrscher über seine
Brüder sein, dem sie huldigen, ein vorzugsweise kriegerischer Stamm,
der seine Faust den Feinden in den Nacken schlägt und sich mit
der Beute in seine Berge zurückzieht, wie ein Löwe, der vom Raube
heimgekehrt nun unnahbar und trotzig in seiner Felsenfeste lagert
(v. 8 s.). In V. 10 wird die Hoffnung ausgesprochen, es werde das
Scepter von Juda nicht aufhören, noch ein Befehlshaber aus seinem
Samen, bis dass der komme, dem der Gehorsam der Völker ge-
bühre, d. h. der Messias: nb''l^ als Ort aufgefasst ergibt Wider-
sinn, man lese rh''2^ nach Ezech. 21, 32 und tilge ibv Da v. 11
über V. 10 hinweg an v. 9 anknüpft, so wird allerdings v. 10
später eingesetzt sein; aber auch abgesehen davon hängt die Be-
deutung, welche Juda hier hat, ganz und gar und lediglich von
Da^dd ab. — Joseph heisst 49, 26 der Gekrönte seiner Brüder
Gen. 49. 323
natürlich weil an ihm das Königtum über Nordisrael haftet. Die
Pfeilschützen, die ihn arg bedrängen, aber nicht ihn zu überwältigen
vermögen, können nur die Aramäer von Damaskus sein, deren An-
griffen er ein Jahrhundert lang ausgesetzt war."
So lautet eine in den späteren Ausgaben der Prolegomena nicht
wiederholte Anmerkung in der Geschichte Israels I p. 375, die zur
Begründung der Behauptung dient, dass erst mit dem Königtum
Israel zu sich selber kommt, dass auch das geteilte Königtum noch
nicht den Verfall bedeutet, und dass eben aus dieser Zeit die
Literatur stammt, in der das Volk sein eigenes Bild auf weite Ferne
abspiegelt. Ich füge einige Erläuterungen hinzu und beginne mit
V. 10. Silo als Ortsname ist im Zusammenhange nicht zu gebrauchen,
mag man nun die unmögliche Übersetzung „so lange man kommt
nach Silo" oder die mögliche „bis er kommt nach Silo" vorziehen.
Denn Silo war der heilige Mittelpunkt Josephs in der Richterzeit,
der Stamm Juda wurde in dieser Zeit kaum mitgerechnet in Israel,
geschweige dass er die Fülu-erschaft gehabt hätte, „so lange man
Jahve in Silo verehrte", oder gar „bis er nach Niederwerfung der
Kanaaniter triumphirend in Silo einzog". Juda ist erst in die
israelitische Geschichte eingetreten, als Silo längst zerstört und be-
deutungslos war. Aber nicht bloss dieser, sondern jeder geschicht-
liche Termin passt nicht hierher. Es muss ein idealer Termin ge-
stellt sein: bis der Messias kommt. Mit Recht hat so die gesamte
alte Exegese verstanden; vgl. Credner, Beiträge II p. 52 ss. Die
von mir vorgeschlagene Emendation flösst mir allerdings selber kein
Vertrauen mehr ein. Man versteht nicht, warum )b) hinter nb^
hätte eingesetzt sein sollen; eher wäre rÖV/ als Glosse zu )b) zu
begreifen. Aquila übersetzt: lo)? av IXötj (Subjekt = der unge-
nannte Bekannte) x«i auxtp Goazruia. Xauiv (Euseb. dem. ev. p. 372).
Aber dass er rih\^ in seinem Texte nicht vorgefunden haben sollte,
ist auf keine Weise denkbar.
V. 10 bedeutet: die Herrschaft Davids bleibt bestehn (niD"' N^),
bis sie übergeht in die des Messias. Nun zieht dieser Vers aller-
dings nicht für das Ganze; er gehört nicht in diesen Zusammen-
hang, wenngleich er wegen des seltenen nnp"" kaum als eine ge-
wöhnliche Interpolation sich betrachten lässt. Denn nachdem gesagt
ist: das Scepter wird von Juda nicht weichen, bis der kommt, dem
die Völker gehorchen — erwartet man nicht zu hören: er bindet
seinen Esel an den Weinstock; noch dazu mit Subjektswechsel.
21*
324 Nachträge.
Aber auch wenn man von v. 10 al:)sieht, so gelten doch die Aus-
sagen V. 8 und 9 nur von dem durch David geschaffenen Juda.
Vor David war Juda nichts weniger als der siegreiche Herrscher-
stamm, dem seine Brüder huldigten, vielmehr ebenso herunter-
gekommen wie Rüben, Simeon und Levi. Was ist überhaupt Juda
ohne David!
Wie Juda wird auch Joseph mit dem Königtum gesegnet; er
heisst der Gekrönte unter seinen Brüdern. Wir befinden uns also
in der Zeit des geteilten Reiches. In diese Zeit werden auch die
Kämpfe v. 23 s. fallen, in denen Joseph zwar sehr bedrängt wird,
aber doch tapfer aushält. Es ist ein Verteidigungskrieg — an die
Eroberung Kanaans kann man somit nicht denken; auch nicht an
Jud. 5, wo Joseph nur mittelbar beteiligt ist. Die Lage ist kritisch
— die Razzien der Midianiter, denen durch Gideon und 300 Mann
ein Ende gemacht wurde, genügen nicht sie zu erklären. Der Aus-
gang aber ist ehrenvoll — die Feinde sind also nicht die Philister,
denen Joseph erlag. Es bleiben nur die Aramäerkriege übrig, das
Hauptereignis in der Geschichte des Reiches Israel. Alle Zeichen
(auch der Pfeilkampf) weisen darauf hin, vgl. Prolegomena* p. 327.
Dass die Ausleger diese Zeichen nicht erkannt haben, erklärt sich
bei den einen aus der Schwäche ihres Glaubens an ferntreffende
Weissagungen, bei den anderen aus dem Streben, noch immer
zwischen der aufgegebenen Tradition und den inneren Indicien zu
vermitteln, statt letztere allein entscheiden zu lassen.
In V. 22 wird Joseph n*1D ]!! genannt. Die Aussprache phorat
will das Wort offenbar der Form und der Bedeutung von phorijja
annähern. Aber warum ist Joseph bloss ein Zweig des Frucht-
baums am Quell und nicht der Fruchtbaum selber? Es wird füi' n"l5
die Bedeutung Fruchtland gefordert. Auszusprechen aber ist es
rrjö = ^"3?^* ^ D^5^*• Es ist eine Anspielung auf den alten
Namen des fruchtbaren Berglandes, worin Benjamin und Joseph
wohnen und von dem der Hauptteil Josephs sogar seinen Namen
Ephraim erhalten hat. Die urspründliche Identität von Ephrat und
Ephraim erhellt daraus, dass das von Ephraim abgeleitete Adjec-
tivum Ephrati lautet.
Zum Schluss mögen noch einige charakteristische Auslassungen
Dillmanns (Genesis^ p. 457. 464. 466) angeführt werden. Er wider-
setzt sich dem Eindruck, dass in v. 8 — 10 die Grosstaten Davids
vorausgesetzt werden. „Von einer Herrschaft Judas über seine
Gen. 49. 325
Brüder, einer Hegemonie desselben sagt Yerf. nichts; dadurch dass
Mose aus Levi und Josua aus Ephraim die persönlichen Häupter
und Führer der Gesamtgemeinde waren, wird nicht ausgeschlossen,
dass Juda in erster Linie im Kampfe stand; die ruhmvollen Yor-
kämpfe Judas in den Kriegen um den Besitz Kanaans sind keines-
wegs das einzige, was Verf. an Juda preist, sondern nur ein ge-
schichtlicher Beweis für die sieghafte, ihm inne wohnende Löwen-
kraft, um deren willen ihn seine Brüder loben und verehi-en müssen.
Auffallend ist nur der Anachronismus, dass Jakob vom Kommen
nach Silo spricht, überhaupt die Nennung eines Ortseigennamens
in diesen sonst allgemein gehaltenen Sprüchen." Er leugnet, dass
mit V. 23 s. auf die Aramäerkriege Bezug genommen werde. „Da
namentlich die arabischen Völker berühmte Bogenschützen waren,
so denken jetzt die Meisten an Befeindung Eplu'aims und Manasses
durch arabische Nachbarn und Eindringlinge, sowie diu'cli Kanaanäer
in der Richterzeit; weniger passend an die Kriege mit anderen
israelitischen Stämmen, die vielmehr* durch Ephraims Übermut ver-
anlasst waren. Übrigens setzt die Anknüpfung an v. 22 vielleicht
Eifersucht der Feinde voraus; wenn demnach Alte und Neuere an
die Gen. 37 ss. erzählten Befeindungen Josephs in Kanaan und
Ägypten dachten, so erlauben freilich die gebrauchten Auschiicke
diese Beziehungen nicht, aber dennoch könnten in einem so alten
Texte noch Erinnerungen an alte stammgeschichtliche Feindschaften,
von welchen die Gen. 37 ss. geschilderten nur die jüngste L^m-
bildung wären, zu Grunde liegen. Die Deutung auf die Kriege
der Syrer ist ebenso willkürlich, wie sie völlig ausserhalb des Ge-
sichtskreises dieses alten Gedichtes liegt." Er will nichts davon
wissen, dass, wenn Joseph der Gekrönte seiner Brüder heisse, damit
auf das Königtum im Josephstamme angespielt werde. „Denn das
Königtum Nordisraels haftete gar nicht am Josephstamme, wenn-
gleich dieser immer der wichtigste Bestandteil des Nordreichs war."
Kurz, Dillmann leugnet die Tatsachen und stellt dafür alle
beliebigen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zur Wahl — weil
er Anachronismen in der Genesis auffallend findet. Über dergleichen
sollten wir hinaus sein.
Exod, 16.
Kuenen, Theol. Tijdsclmft 1880 p. 281 ss. Ebenso wie bei
Gen. 34, stimme ich auch hier Kuenen darin bei, dass eine starke
326 Nachträge.
Überarbeitung stattgefunden hat, gebe aber nicht zu, dass dieselbe
nur einen Bericht von Q getroffen hat, und dass von JE in Exod. 16
keine Spur zu finden ist.
1. Kuenen beginnt damit, Exod. 16 von Num. 11 (JE) los
zu haken: Exod. 16 werde in Num. 11 nicht vorausgesetzt, sondern
in Num. 11 zum ersten male nicht bloss von den Wachteln, sondern
auch von dem Manna erzählt. Aber die Wachteln sind in Num. 11
eine Ausnahme von der Regel, eine Unterbrechung in dem ewigen
Einerlei des Manna ; wenn die Pointe nicht verloren gehn soll, so
muss also über das Manna längst vorher berichtet sein. Kuenen be-
hauptet nun freilich, das Manna als das tägliche Brod Israels wähi*end
der Wüstenwanderung könne ohne besonderen Bericht einfach vor-
ausgesetzt werden, als bekannt aus der mündlichen Überlieferung.
Also die Hauptsache, die Regel, soll ausgelassen und bloss eine
vorübergehende Ausnahme erzählt sein? Wenn der Jehovist es
nicht füi' nötig hielt, dem Manna einen besonderen Bericht zu
widmen, so hätte er überhaupt nicht zu schi*eiben brauchen, sondern
alles der mündlichen Überlieferung überlassen können ^). Dass die
ausführliche Beschreibung des Mannas Num. 11, 7 — 9 nur am
Platze ist, wenn zum ersten mal davon die Rede ist, muss aller-
dings zugestanden werden; aber dergleichen Erklärungen lexikalischer
Natur stehn sehi' locker im Zusammenhange und lassen sich leicht
einsetzen und versetzen. Dieser Einwand wird schon dadurch
parirt, dass in v. 6 ]0n den Artikel hat. Jedenfalls bleibt es dabei:
der Jehovist durfte die Herabkunft des Manna nicht in Num. 11
erzählen, musste sie aber überhaupt erzählen und zwar notwendig
an früherer Stelle, hat sie also wahi'scheinlich in Exod. 16 erzählt.
Kuenen meint freilich, das Manna stehe dort nicht am richtigen
Orte. Aber es kann nirgend anders stehn als sofort am Anfange der
Wüstenwanderung; überall sonst ist es deplacirt und um so stärker
deplacirt, je näher es an Num. 11 heranrückt: denn ehe es den
Geniessenden zum Ekel werden kann, muss doch notwendig eine
Zeit vergehn. Richtig ist nur, dass der Verfasser von Q seine Er-
zählung über das Manna nicht für die Stelle von Exod. 16, sondern
für eine spätere Stelle bestimmt hat; und zwar einfach aus dem
Grunde, weil er Manna und Wachteln auf eine Linie setzte und
') Z. B. die Bundeslade, von der doch Kuenen a. 0. 1881 p. 172 selber
sagt, sie hätte in JE nicht fehlen können.
Exod. IG. 327
dadurch die Pointe seiner jehovistischen Vorlage verdarb. Ich möchte
übrigens Kuenen fragen, aus welchem Grunde der Redaktor sich
veranlasst fühlte, den Mannabericht von Q von seiner ursprünglichen
Stelle weg nach Exod. 16 zu rücken? Er hatte ja nur Unbequemlich-
keiten davon und musste unter anderem 16, 10 und 16, 34 korrigiren.
Der Grund ist einfach der, dass Exod. 16 der richtige alte Platz
für die Erzählung vom Anfange des Mannas war.
2. Dass von JE in Exod. 16 nichts stecke, beweist Kuenen
ferner daraus, dass das Deuteronomium nichts von diesem Kapitel
kenne und vom Manna eine ganz andere Vorstellung habe als die
dort herrschende. Im Deuteronomium (8, 3. 5. 16. 29, 5) sei das
Manna kein Brod, keine Woltat Jahves, sondern eine schlechte
Speise, bestimmt, das Volk Hunger leiden zu lassen, es zu prüfen
und zu züchtigen. Dagegen in Exod. 16 sei es, wie in Ps. 105,
Brot, Brot vom Himmel, Segnung Jahves, damit das Volk sich
sättige. Im Deuteronomium sei das wirkliche Manna noch zu er-
kennen, in Exod. 16 sei dasselbe ganz aus den Augen verloren
und ein Gewächs der Einbildung an die Stelle getreten. Wäre
diese Ansicht richtig, so wäre der Deuteronomiker der richtige
Rationalist. Sie ist aber viel zu scharf, und allzu scharf macht
schartig. Manna kann ja allerdings dem gewöhnlichen Brote ent-
gegengesetzt werden, aber doch ist es Brot (d. h. Speise) und eine
Woltat Jahves: wunderbares Himmelsbrot — wie auch der Tau,
der es mit sich bringt, vom Himmel kommt — und natüidich be-
stimmt, den Hunger zu stillen, nicht ihn hervorzurufen. Wo es
zum ersten mal herabkommt, da werden nur seine guten Eigen-
schaften empfunden, und nur diese dürfen darum Exod. 16 hervor-
gehoben werden. Wenn es aber 40 Jalii-e lang in einem fort ge-
sammelt und gegessen werden muss, so wird es einem zum Ekel
und dient zur Prüfung: das ist der Übergang von Exod. 16 zu
Num. 11. 21. Das Deuteronomium blickt eben zurück auf das
40 jährige toujours perdrix: daraus erklärt sich der von Kuenen
viel zu stark aufgebauschte Widerspruch. Es fällt zugleich sein
Hauptgrund füi- die wesentliche Einheit von Exod. 16: es gehe da
überall eine und die selbe Vorstellung vom Manna durch und zwar
nicht die des Jehovisten und des Deuteronomikers , sondern die
nachexilische.
3. Die aus der Analyse von Exod. 16 selber geschöpften
Gründe, dass hier neben Q auch noch Fragmente einer jehovistischen
328 Nachträge.
Version vorkommen, vermag Kuenen nicht zu entkräften. Eine
scheinbare Bruchstelle hat er allerdings glücklich geheilt, dadurch
dass er einfach v. 9 — 12 vor v. 6. 7 stellt und v. 8 streicht.
Offenbar ist v. 8 eine Glosse zu v. 6. 7; sie kann v. 6. 7 mit an
den Rand gezogen haben, so dass sie dann später mit v. 8 an
falscher Stelle eingetragen und an der richtigen getilgt wurden.
Auch darin mag Kuenen Recht haben, dass die Inconcinnität in
V. 27 nur auf ungeschickte Darstellung zurückgeht. Andere
Differenzen leugnet er jedoch vergebens. Ich habe eine solche
darin erkannt, dass nach v. 16a jeder sammelt so viel er nötig
hat, nach v. 16b jeder immer ein ümer. „Sehr wahr, — ruft Kuenen
aus — aber wenn nun eines jeden Bedürfnis immer grade ein
Omer war?" Diese an sich wie mir scheint recht notdürftige
Harmonisii'ung versagt hier darum gänzlich, weil sich in v. 16 nicht
zwei erzählende Aussagen, sondern zwei Befehle gegenüber stehn:
sammelt, soviel ihr essen mögt! sammelt für den Kopf ein Omer!
Zu V. 16a gehört v. 18: es stellt sich nachträglich heraus, dass
jeder genau ein Omer gesammelt hat — wenn das Befehl war
(v. 16b), was wäre es Wunders? Ich habe ferner darauf auf-
merksam gemacht, dass in v. 23 das Manna nicht roh gegessen,
sondern gebacken und gesotten wird, während es doch nach v. 21
schmolz, sobald die Sonne heiss wurde. Kuenen findet auch darin
keinen Widerspruch; es bleibt indessen ein Widerspruch, welcher
Gewicht erhält durch das Sekundäre der auch in der Glosse
Num. 11, 7 — 9 herrschenden Vorstellung, dass das Himmelsbrot
überhaupt noch erst menschlich präparirt werden muss. Ich habe
endlich in v. 14 s. und v. 31 eine nicht dem selben Schriftsteller
zuzutrauende Wiederholung gefunden. Kuenen hält v. 15 a füi*
interpolirt; ich sehe nicht ein, warum; jedenfalls ist der sonderbare
Aramaismus )D kein zureichender Grund ^). Aber gibt man die
Interpolation auch zu, so fällt nur die doppelte Benennung, nicht
die doppelte Beschreibung des Manna in v. 14 s. und v. 31.
Die Anstösse, die auch dann noch verbleiben, meint Kuenen
auf Rechnung seines Diaskeuasten nehmen zu können. Aber wie
kommt derselbe dazu, in einen einheitlichen Bericht der ganz nach
') Das Sonderbarste ist, dass jD als H^ gedeutet wird, während doch"^
bekanntlich man (was) eine junge Kontraktion des Syrischen ist, die im West-
aramäischen nicht vorkommt.
Exod. 19—34. 329
seinem Sinn war und seine eigene Anschauung völlig bestimmte,
allerhand unbedeutende Einträge zu machen, die gar keinen Zweck
haben, als den, Unordnung zu stiften und die Einheit der Vorlage
zu zerstören?
4. Auf den weitaus bedeutendsten inneren Widerspruch in
Exod. 16 geht Kuenen nicht näher ein. In Q. v. 3. 6 — 14 ist von
Brot und Fleisch (Manna und Wachteln) die Rede, in v. 4. 5 aber
nur von Brot (Manna). Diese beiden Verse sind der harte Knochen,
welcher sich der Auflösung in Diaskeuase entzieht. Es lässt sich
nicht zweifeln, dass das Zusammenwerfen von Manna und Wachteln,
wie es in Q geschieht, ungehörig und nicht ursprünglich ist; das
Brot ist die Regel und das Fleisch ist die Ausnahme. Ja bei Q
selber passen die der Küi'ze wegen mit dem Manna zusammen-
gepackten Wachteln nicht in den Verlauf der Geschichte und
müssen zum Schluss spurlos verschMdnden. Sollte nun der Diaskeuast
aus dem Berichte von Q das iTsprüngliche heraus divinii't und es
in V. 4.5 vorangestellt haben? Dergleichen kritische Spürkraft lässt
sich ihm doch wol nicht zutrauen.
Exod. 16, 4. 5 ist ein Bruchstück aus JE. Auch die Sprache
ist jehovistisch: DVn, 1^t>;N (Verb alsuf fix) , I^Ti^. G1^ "in" DV ü)\
Das Gleiche ist der Fall in v. 25—31, wie besonders die Verbal-
suffixe beweisen. Das Sabbatsgebot hindert nicht, diesen Abschnitt
zu JE zu ziehen. Wenn das jehovistische Werk in einem grossen
Teile der Genesis lauter ätiologische Kultussage enthält, warum
sollte es nicht auch im Buche Exodus die historische Veranlassung
von allerhand wichtigen Eim'ichtungen des Kultus in seiner Weise
erzählen dürfen? Was in v. 16 — 24 zu JE gehört — v. 6 — 15 ist
Q — lässt sich nicht mehr ermitteln. Die Prämissen für v. 4. 5
aus JE sind ersetzt durch ähnliche aus Q.
Der Diaskeuast, den Kuenen mit Recht annimmt, hat schon
die Komposition von JE-i-Q vor sich gehabt und sie einer erneuten
Bearbeitung unterworfen. JE scheint vor der Vereinigung mit Q
durch die Hand eines deuteronomistischen Redaktors gegangen zu
sein. Ich glaube aber nicht, dass das Sabbatsgebot erst von diesem
Redaktor herrührt.
Exod. 19—34.
Mit meiner Herstellung der Dekalogerzählung, d. h. des ge-
schichtlichen Zusammenhanges, in welchem die zehn Gebote von
330 Nachträge.
Exod. 20 ursprünglich gestanden haben (E), ist Knenen (Theol.
Tijdschrift 1881 p. 164 ss.) im wesentlichen einverstanden. Die
wichtigste Änderung, die er anbringt, ist, dass er Exod. 20, 18 — 21
dazu rechnet und hinter 19, 15 — 19 versetzt. Das ist eine durch-
aus einleuchtende Verbesserung.
Kuenen ist auch damit einverstanden, dass das s. g. Bundes-
buch mit der Dekalogerzählung nichts zu tun hat. Er geht aber
einen Schritt weiter als ich und leugnet, dass dasselbe überhaupt
hier im Zusammenhange irgend einer Erzählung von JE seine
Stelle habe. In der Tat sprengt das Corpus den historischen Rahmen,
und nur durch Künstelei gelingt es, es mit Exod. 19, 20 — 25. 24,
1. 2. 9 — 11 in Verbindung zu bringen.
Gehört das Bundesbuch nicht zu J, wenigstens nicht an diese
Stelle von J, so wii'd dadurch der Platz füi' Exod. 34 frei, den ich
vergeben hatte.
Meine Untersuchung hat eine bekannte Beobachtung des jugend-
lichen Goethe^) bestätigt. Wir haben in Exod. 34 ein anderes
Zehnwort auf zwei Tafeln in einer Erzählung, die genau ebenso
anhebt wie die zu Exod. 20 gehörige und auch ebenso abschliesst,
mit einem vierzigtägigen Aufenthalt Moses bei Jahve auf dem Sinai,
nach Empfang der zehn Gebote. Kuenen nimmt dies Ergebnis zum
teil an, zum teil verwirft er es. Er gibt zu, dass in Exod. 34 ein
selbständiger Bericht über die Bundschliessung am Sinai, eine voll-
kommene und ausschliessende Parallele zu Exod. 19 enthalten sei,
aber er leugnet, dass die Parallele sich auch über Exod. 20 er-
strecke. Wenigstens das leugnet er, dass die in Exod. 34 mitge-
teilten Gebote ebenfalls ein Zehnwort auf zwei Tafeln seien.
Man sollte meinen, das stehe doch in v. 27. 28 nicht un-
deutlich zu lesen. Nachdem Jahve die betreffenden Gebote geredet
hat, heisst es in unmittelbarem Anschluss daran v. 27 s.: „Und
Jahve sprach zu Mose: schreib dir diese Worte auf .... und er
war dort bei Jahve 40 Tage und 40 Nächte und schrieb auf die
Tafeln die zehn Worte." Mose erhält also den Befehl, diese d. h.
die eben vorher mitgeteilten Worte aufzuschreiben, und er vollzieht
denselben, indem er die zehn Worte auf die Tafeln schreibt. So
muss man verstehn, wenn man v. 27. 28 hinter einander liest.
') Der junge Goethe 2, 230 ss. (Hirzel 1875). Vgl. B. G. Niebuhr bei
Dora Ilensler 1, 493.
Exod. 19—34, 331
Kiieneii aber nimmt y. 1. 4. 28 aus Exod. 34 heraus und sieht
darin den Schkiss der Dekalogerzählung Exod. 19 — 33 (E), wodurch
dann v. 28 nicht auf v. 27, sondern auf v. 1 zurückschlägt.
„Jahve sprach zu Mose: hau dir zwei Tafeln von Steinen wie die
ersten, und ich will auf die Tafeln die Worte schreiben, die auf
den ersten Tafeln standen, welche du zerbrochen hast (v. 1). Und
er hieb zwei Tafeln von Steinen wie die ersten, und Mose machte
sich am anderen Morgen früh auf und stieg auf den Berg Sinai,
wie ihm Jahve befohlen hatte, und nahm zwei Tafeln von Steinen
mit sich (v. 4). Und er war dort bei Jahve 40 Tage und 40 Nächte,
ass nicht und trank kein Wasser, und er schrieb auf die Tafeln
die zehn Worte (v. 28)." So erreicht Kuenen, dass die zehn
Worte V. 28, die auf die Tafeln geschrieben werden, nicht diese
Worte V. 27, d. h. die Worte v. 14 — 26, sind, und dass als
Subjekt von er schrieb v. 28 zur Not Jahve angesehen werden
kann.
Kuenen ist seiner Sache sehr sicher, mii* kommt seine Ki'itik
unmöglich vor. Ich begreife schon nicht, wie 34, 1. 4. 28 den
Schluss zu Kap, 32. 33 (E) bilden sollen. Es ist überhaupt nicht
nötig, dass in E die Herstellung der zerbrochenen Tafeln erzählt
wurde. Wenn es aber geschah, so musste es bei der Einführung
der Lade geschehen, zwischen 33, 6 und 33, 7. Am Schluss von
Kap. 33 kann nichts anderes folgen als der Aufbruch vom Sinai ^).
Hätte Kuenen Recht, so hätte der Redaktor dadurch, dass er
V. 28 von V. 1. 4 löste und hinter v. 27 stellte, seinerseits das
Verständnis hervorgerufen, dass die Gebote 34, 14 ss. die zehn auf
die zwei Tafeln geschriebenen Worte gewesen seien. Denn er
rechnet natüidich nicht auf das durch Quellenscheidung zu er-
zielende Verständnis, macht ein solches vielmehr, soweit an ihm
liegt, unmöglich und will, dass man den Zusammenhang so, wie
er ihn gestaltet, nehmen, in unserem Falle v. 28 mit v. 27 ver-
binden soll. Statt zu harmonisiren hätte also hier der Redaktor
selber den bösesten Widerspruch verschuldet, der im Alten Testamente
vorkommt.
K. wird ferner zu der Annahme gezwungen, dass in der selben
Erzählung von dem selben Verfasser zweimal nach einander be-
^) S. oben p. 93 s. 96. Zu den patristischen r Citaten p. 98 lässt sich
noch C^em. Recogn. I 36 Aphhr. 318 s. hinzufügen,
332 Nachträge,
richtet gewesen sei, Mose habe sich 40 Tage auf dem Sinai bei
Jahve aufgehalten (24, 18 + 31, 18 = 34, 28). Aber dieser zwei-
malige 40tägige Aufenthalt Moses bei Jahve auf dem Sinai ist in
der selben Quelle doch ebenso anstössig, wie die von Kuenen selber
als anstössig empfundene zweimalige Vorbereitung dazu (Kap. 19
= Kap. 34 init.). Nur aus Zusammenschweissung zweier Parallel-
berichte lässt sich diese Dublette begreifen; als wiederholter Zug
einer originalen Erzählung ist sie höchst unwahrscheinlich und
jedenfalls durchaus unannehmbar auf Grund eines so gewaltsamen
Schnittes, wie Kuenen ihn macht, um v. 28 von v. 27 zu trennen^).
Meine Bedenken sind noch nicht erschöpft. Bei Kuenen steht
V. 27 in der Luft, und der Befehl ILPD hat keine Folge. Der
Subjektswechsel bei üPZil v. 28 ist sehr hart und vor allem sehr
unvorsichtig; wenn irgendwo, so war es hier geboten, das Explicitum
einzusetzen und den Leser nicht zu dem Irrtum zu veranlassen,
dass Mose, wie vorher, so auch bei D-n^""! der handelnde sei").
Ausserdem: wenn Jahve die Tafeln mit eigenem Finger beschreibt,
so braucht er sie sich auch nicht von Mose hauen und mitbringen
zu lassen; und umgekehrt, wenn Mose die Tafeln schafft,
so schafft er auch die Schrift. Und gräbt etwa Jahve 40 Tage
lang die zehn Worte in Stein? wähi'end Mose müssig zuschaut
und doch vor Eifer Essen und Trinken vergisst? Auch der Zwang,
34, 4 mit V. 1 gehn zu lassen und aus dem Zusammenhang her-
auszunehmen, ist keine Empfehlung für Kuenens Kritik. Denn der
Vers ist für v. 5 unentbehrlich, und zerreissen lässt er sich nicht.
Nach alle dem scheint mir der Versuch, v. 1. 4. 28 aus
Kap. 34 herauszuheben, gänzlich verunglückt. Freilich ist es, wenn
man diese Verse stehn lässt, notwendig anzunehmen, dass der
Redaktor durch Hinzufügung von v. Ib und von D''Jl^^S'*lJ v. la. 4
die Brücke geschlagen hat, die von Kap. 32. 33 zu Kap. 34 hiii-
überfülii't ^). Ist diese Annahme so willküidich und unwahrschein-
lich, dass sie auf jeden Fall vermieden werden muss? Sie ist viel-
0 Dass der Deiiteronomiker einen zweimaligen -40 tägigen Aufenthalt
Moses auf dem Sinai annimmt, beweist, dass er Exod. 34 an der jetzigen Stelle
kannte.. Über den Dekalog in Exod. 34 musste er wol oder übel still-
schweigen.
2) Man vergleiche, wie ausdrücklich 31, 18. 32, 16 hervorgehoben wird
dass Gott mit seinem Finger die Tafeln beschrieben habe.
3) Auch die Änderung von niiniDI v. 1 in ""niinDI kann dem Redaktor
Exod. 19—34. 333
mehr äusserst 'luilieliegend. A¥eiin Kcip. 34 überhaupt mit dem
Vorhergehenden in eine Verbindung gesetzt werden sollte, so mussten
die hier noch einmal erscheinenden zehn Worte auf zwei Tafeln
notwendig mit den früheren verselbigt werden; denn ein doppeltes
Zehngebot, ein doppeltes Zweitafelgesetz liess sich unmöglich zu-
geben. Der Redaktor gab also das Zweitafelgesetz Exod. 34 für
einen Ersatz des früheren zerbrochenen aus; nach einem öfters an-
gewandten Recepte (Jos. 5, 2. 1. Sam. 11, 14). Wenn das nicht
gelten soll, so gilt die gesamte Kritik der erzählenden Bücher
des Alten Testamentes nicht; denn diese fusst überall auf der An-
nahme eines die verschiedenen Stücke in notdürftige Verbindung
bringenden Redaktors.
Steht es nun fest, dass in Exod. 34 ein zweiter Dekalog steckt,
so muss der Versuch gemacht werden, ihn heraus zu holen. Der
Versuch wird durch die starke und in mehreren Stufen vor sich
gegangene Überarbeitung des seltsamen Kapitels^) erschwert, in-
dessen kaum in höherem Grade als es auch bei Exod. 20 der Fall
ist. Es lösen sich aus Exod. 34, 14^26 zunächst sehr einfach
folgende zwölf Worte aus^);
1. Du sollst keinen fremden Gott anbeten.
2. Gussgötter sollst du dir nicht machen.
3. Das Massothfest sollst du feiern.
4. Alle Erstgeburt ist mein.
(5). Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebten Tage ruhen.
6. Das Fest der Wochen sollst du halten.
7. Und das Fest der Lese beim Wechsel des Jahres.
(8). Dreimal im Jahre sollen alle deine Männer vor dem Herrn
Jahve dem Gotte Israels erscheinen.
9. Du sollst nicht mit Saurem das Blut meines Opfers ver-
mischen.
zugeschrieben werden. In v. 4 hat er vielleicht den ganzen ersten Satz ge-
schrieben — wegen der Artikellosigkeit des zweiten DiJ^-i^ nn>
') Vgl. oben p. 85 s. Ich bin aber jetzt nicht mehr davon überzeugt,
dass in der originalen Erzählung von einer Bundschliessung die Rede war.
Denn in v. 28 stossen sich „die Worte des Bundes" und „die zehn Worte";
die letzteren sind älter, weil sie kein fi^s vor sich haben.
-) Die Art, wie ich vor 24 Jahren den Dekalog von Exod. 34 rekonstruirt
habe (oben p. 85 n. 1), ist nicht genug überlegt.
334 Nachtrüge.
10. Das Fett meines Festes ^) soll nicht bis zum anderen Morgen
übrig bleiben.
11. Das Beste der Erstlinge deiner Flur sollst du zum Hause
Jahves deines Gottes bringen.
12. Da sollst das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter
kochen.
Um diese zwölf Worte auf zehn zu reduciren, müssen No. 5
und No. 8 herausgenommen werden. Das Sabbatsgebot drängt sich
störend zwischen das Osterfest und die beiden anderen Feste ein.
No. 8 ist eine vollkommen überflüssige Wiederholung der vorange-
gangenen Spezialgebote in allgemeiner Form und kann neben den-
selben nicht als besondere Nummer gezählt werden. Sowol No. 5
als No. 8 konnten leicht anders woher entlehnt und hier zugesetzt
werden.
Exod. 34 ist die Dekalogerzählung von J. Sie ist liintange-
stellt und gleichsam in die Rumpelkammer geworfen, weil es un-
möglich war, sie mit der Dekalogerzählung von E (Exod. 19 ss.)
zu vereinigen^). Die Korrespondenz der Parallelen von J und E
legt bei dieser allerwichtigsten Perikope die Frage nahe, welches
die ältere Yersion ist und welches die jüngere.
E dominirt, J ist verdrängt. Das Vorurteil für die Priorität
von J, welches damit erweckt wird, wird bestärkt dadurch, dass
die Form der Offenbarung in J altertümlicher und zugleich ein-
facher ist als in E: Mose, nicht Jahve haut und beschreibt die
Tafeln; der Gedanke eines Sprechens der Gottheit zu dem ganzen
Volk liegt fern, Jahve redet nur mit Mose, wenngleich seine Worte
für das ganze Volk bestimmt sind. Weiter dadurch, dass die
40 Tage, welche Mose in J braucht, um die zehn Worte in Stein
zu meisseln, in E keinen rechten Zweck haben, bis sie dann vom
Deuteronomiker zu seiner Antithese von thora explicita und im-
plicita benutzt werden (p. 88. 189). Die Entscheidung wird ge-
geben durch die Vergleichung der beiden Dekaloge.
Die beiden ersten Gebote von Exod. 34 sind nahezu identisch
') Vgl. Exod. 23, 18. Prolegomena 4 p. 84 n. 1.
2) Einige Trümmer von J mögen allerdings in den Hauptfaden (E) hin-
eingearbeitet sein. Ich verzichte aber darauf, den Zusammenhang von Exod. 34
nach vorn und hinten zu verfolgen und zu vervollständigen. Vgl. p. 93 s.
Exod. 19—34. 335
mit den beiden ersten von Exod. 20, nur ist in Nr. 2 das Verbot
von Gussgöttern Exod. 34 erweitert zu dem Verbot jeder Art von
Abbildern in Exod. 20. Über den Festkultus, der den ganzen Rest
von Exod. 34 ausfüllt, steht in Exod. 20 kein Wort; er ist ver-
drängt durch den Sabbat. Umgekehrt fehlen in Exod. 34 die
moralischen Gebote vollständig, welche in Exod. 20 die Hauptsache
sind. Aus diesem Tatbestande folgt mit Sicherheit, dass in Exod. 34
der ältere Dekalog erhalten ist — nach den Gründen, welche schon
p. 85 n. 1 entAvickelt worden sind.
Vgl. Encyclop. Brit. XIE (1881) p. 399. If the legislation of
the Pentateuch cease as a whole to be regarded as an authentic
source for our knowledge of what Mosaism w^as, it becomes a
somewhat precarious matter to make any exception in favour of
the Decalogue. In particular, the following arguments against its
authenticity must be taken into account. 1. According to Exod. 34
the commandments which stood upon the two tables were quite
different. 2. The prohibition of images was during the older period
quite unknown; Moses himself is said to have made a brazen
serpent which down to Hezekiahs time continued to be worshipped
at Jerusalem as an image of Jehovah. 3. The essentially and
necessarily national character of the older phases of the religion
of Jehovah completely disappears in the quite universal code of
morals which is given in the Decalogue as the fundamental law
of Israel; but the entii'e series of reügious personalities throughout
the period of the judges and the kings makes it very difficult to
believe that the religion of Israel was from the outset one of a
specifically moral character. The true spirit of the old religion
may be gathered much more truly from Judg. 5 than from Exod. 20.
4. It is extremely doubtful whether the actual monotheism which
is undoubtedly presupposed in the universal moral precepts of the
Decalogue could have formed the foundation ofa national religion.
It was first developed out of the national religion at the down-
fall of the nation, and thereupon kept its hold upon the people
in an artificial manner by means of the idea of a covenant formed
by the God of the universe with, in the first instance, Israel alone.
Zum Leviticus.
1. Die drei Stücke Lev. 4, 1—35 (Chattath), 5, 1 — 13
(Chattath-Ascham), 5, 14 — 26 (Ascham) sind von Haus aus nicht
3B6 Nachträo-e.
koordinirte Teile eines Ganzen, sondern selbständige Aufsätze aus
der selben Schule. Denn 5, 1 — 13 ist keine Fortsetzung oder Nach-
trag zu 4, 27 — 35, sondern eine völlig unabhängige Darstellung
der selben Materie, mit erheblichen Unterschieden der Form. An
die Stelle der allgemeinen Systematik des Kap. 4 tritt hier der
einzelne bestimmte Fall und seine Analogie, der Ritus wird weniger
genau angegeben, die hierarchische Rangordnung kommt bei dem
Yergehn nicht in Betracht. Auch wechseln in diesem Stück
Ascham und Chattath mit einander in gleicher Bedeutung. In dem
dritten Stück wird füi' den selben Fall ein Widder als Ascham
gefordert 5, 17 — 19, für den im ersten ein Bock resp. eine Ziege
als Chattath vorgeschrieben ist 4, 22. 27. Mit dem mittleren hat
das dritte Stück zwar formell grössere Ähnlichkeit, aber als wahre
Ergänzung desselben lässt es sich schon deshalb nicht ansehen,
weil jenes nicht zwischen Chattath und Ascham unterscheidet. —
Wenn man sich nach Lev. 5, 13 — 16. 20 — 26 richtet und in v. 17
bis 19 nicht in Betracht zieht, so tritt das Ascham nur ein bei
freiwilliger Erstattung widerrechtlich zurückbehaltenen oder ange-
eigneten Besitzes, namentlich der heiligen Abgaben. Die Sachen
müssen dem Eigentümer mit einem Aufgelde von einem Fünfteil
ihres Wertes erstattet werden, als Ascham kommt ein Widder dazu,
der an das Heiligtum fällt. In Num. 5, 5—10 ist die Sache zwar
ebenso, aber der Sprachgebrauch anders, denn hier wird das zu-
rückerstattete Eigentum Ascham genannt und der Widder heisst
onDDH b^^. Vgl. Lev. 22. 14.
2. Es möge hier noch eine in der Geschichte Israels I p. 66 s.
angestellte, in den späteren Ausgaben der Prolegomena aber weg-
gelassene Untersuchung Platz finden, über die Bedeutung eines für
die Sprache des Priestercodex sehr wichtigen Terminus.
Bei der Feststellung des Begriffs von "IDD (Piel) wird man
von Isa. 28, 18 absehen müssen, da das Wort hier ganz seltsam
steht und die ad hoc angenommene Bedeutung obliterare sich nicht
erweisen lässt; wahrscheinlich ist "iDm zu lesen, zumal n"*")!!
Femininum ist. Überall sonst kommt kapp er nur in einer dem
Subst. kopher entsprechenden Bedeutung vor. Das Etymon heisst
decken.
Der ursprüngliche Sprachgebrauch — der religiöse ist immer
abgeleitet — erhellt aus folgenden Beispielen. 1. Sam. 12, 3: „von
niemand habe ich (der Richter Samuel) Kopher empfangen und
Zum Leviticus. 337
meine Augen damit verhüllt". Gen. 32,11: „ich will sein Gesicht
mit der vorausgesandten Gabe kapp er". 2. Sam. 21, 3 s. „was
soll ich euch tun und womit kapp er? — wir wollen kein Silber
und Gold". Ygl. von dem verwandten, aber nicht so specifischen
n'OD und mt)!! Gen. 20, 26: „die 1000 Silberlinge seien dir eine
Decke der Augen" und lob. 9, 24: „das Gesicht der Richter be-
deckt er". Das Bedecken ist s. v. a. eine Schuld unangesehen
machen; das sprachliche Objekt desselben ist indessen nicht die
Schuld, sondern das Gesicht, die Augen (tropisch auch der Zorn)
dessen, der sie rächen müsste. Hinsichtlich der Wirkung ist es
zwar eins, ob die Decke über dem Gegenstande liegt, der nicht
gesehen werden soll, oder über den Augen der Person, die ihn nicht
sehen soll, aber die ursprüngliche Anschauung der Sprache
stellt doch eben das Kopher nicht wie ein Kleid des Schuldigen,
um seine Schuldblösse zu decken, sondern wie eine Augenbinde
des Rächers vor. Das Subjekt des Bedeckens ist natürlich der
Beleidiger, oder sein Vertreter. Das Mittel der Satisfaktion, d. h.
das Kopher, ist eine Gabe; das Geschenk macht den Sehenden
blind ^). — Die Etymologie gerät bei dem Substantivum vor dem
materiellen Inhalt mehr und mehr in Vergessenheit; es heisst Be-
stechung, Lösegeld (Amos 5, 12. Exod. 21, 30. 30, 12. Num. 35, 32),
sogar einfach Äquivalent Isa. 43, 3. Soweit scheint es sich aller-
dings von dem ursprünglichen Tropus nicht zu entfernen, dass es
Strafvertretung bedeutet; doch streift Prov. 21, 18 nahe an diesen
Sinn heran; vgl. 2. Sam. 21, 3 — 6.
Der religiöse Sprachgebrauch a) des Alten Testaments a po-
tior! unterscheidet sich dadurch, dass das Subjekt des Bedeckens
(nt)D5 "^sn) nicht der Schuldige, sondern der Beleidigte ist, nämlich
Gott, und dass das Objekt nicht das Gesicht Gottes, sondern die
Schuld des Beleidigers ist. Bedecken bedeutet hier nicht: be-
deckt machen, sondern: als bedeckt ansehen. Das Mittel der Be-
deckung, das Kopher, fällt dadurch von selbst dahin, b) Im Priester-
codex ist der Priester das Subjekt des Bedeckens (stets ISD), das
Mittel ist das Opfer. Da dies dem ursprünglichen profanen Gebrauch
entspricht, so sollte man nun auch erwarten, das Objekt sei mrr' "»JD?
und dies ist gewiss das Ursprüngliche gewesen, um so mehr da
ausserhalb des Priestercodex im gleichen Sinne immer gesagt wird
^) Vgl. Doughty, Travels in Arabia Deserta, 1, 349: he could not see
through sixty reals.
Wellhausen, Comp. d. Hexateuclis. 3. Aufl. 22
3B8 Nachträg-e.
mn'' 1:15 rhr\- Statt dessen ist das Objekt — aiicli nicht die Schuld
(wie 1. Sam. 3, 14), sondern der Schuldige, wenn anders bv
und "lyn einfach das Objekt einführen. Wahrscheinlich haben
diese Präpositionen aber die Bedeutung für, zum besten, wo
dann kapper absolut zu nehmen wäre = die Sühnungsgebräuche
(kippurim) vollziehen. Dieser Sprachgebrauch entfernt sich am
weitesten von dem Ursprünglichen, wie er auch die Scheidung des
Priesters und des Darbringers voraussetzt. Man ist freilich zu seiner
Erklärung unmittelbar auf das Etymon zurückgegangen: es kann
al^er nichts Verkehrteres geben. Das Mittel der Sühne ist hier
Adelleicht zum Teil die Gabe, hauptsächlich aber das Blut, das ge-
opferte Leben (Lev. 17, 11). — Ursprünglich scheint die Blut-
sprengung vielmehr Zeichen der Bundschliessung gewesen zu sein
wie Exod. 24, 6. Eine richtige stellvertretende Himichtung eines
Tiers statt eines Menschen findet sich Deut. 21, 1 — 9; sie ist
aber nicht Opfer. Auch D^^ ist eigentlich kein Opfer.
Num. 13. 14.
Kuenen (Theol. Tijdschrift 1877 p. 545 ss.) weist überzeugend
nach, dass in dem Stücke Num. 14, 26 — 38 nichts von JE ent-
halten ist. Mit den Gründen, worauf die irrtümliche Ansicht, der
auch ich mich angeschlossen habe, beruht, räumt er in folgender
Weise auf.
Deut. 1, 39 hat im MT den gleichen Eingang wie Num. 14, 31:
n\1'' nS oniON* lli'vS* DD?:01- Da der Deuteronomist Q nicht kennt,
so würde das beweisen, dass Num. 14, 31 zu JE gehöre. Aber in
der Septuaginta Deut. 1 , 39 fehlen die entscheidenden Worte ').
Ein Beispiel, wie die Textkritik eingreift in die literarische ; ähnlich
wie Jos. 20.
In Jos. 14, 6 — 15, einem mit Deut. 1, 19 — 46 genau ver-
wandten Stücke, ist "jTmN'vpl v. 6 (woraus hervorgehn würde,
dass der Deuteronomist auch Josua neben Kaleb zu den Kund-
schaftern gezählt hätte) ein leicht begreiflicher Einsatz eines Späteren.
Num. 32, 6 — 15 darf als Leitfaden zur Scheidung der Quellen
nicht benutzt werden, da dies Stück die Vorstellungen und Aus-
drücke der verschiedenen Quellen mischt und somit der spätesten
Diaskeuase angehört.
^) In den Cod. Alex, sind sie nach dem MT eingesetzt.
Num. 13. 14. 339
Ohne die Annahme einer späteren Überarbeitung von Q 14,
26 — 38 wird man allerdings nicht auskommen.
Noch ein Wort über Kaleb. Dass er als Kundschafter älter
ist wie Josua, und wie es gekommen ist, dass Josua ihm beigesellt
wurde, hat Kuenen gezeigt und damit die Priorität von JE vor Q
erwiesen. Aber auch Kaleb selber ist als Kundschafter, so wie er
in JE erscheint, sehr jung. Der historische Kaleb, der Bruder
Jerachmeels und Othniels, gehört gar nicht zu Israel, sondern zu
Kenaz oder Kain. Während die Israeliten nur auf dem Umwege
über das Ostjordanland in das eigentliche Palästina gelangten, drang
Kaleb von seinen ursprünglichen Sitzen im südlichen Negeb grades
weges nach Norden vor und bemächtigte sich insbesondere der Stadt
Hebron. Zur Zeit Davids wurde er noch von Juda unterschieden,
hinterher aber verschmolz er mit diesem Stamme und erlangie
darin wie es scheint sogar das Übergewicht. Was ist nun in JE
Num. 13. 14 aus diesem Kaleb geworden? Er befindet sich als
Vertreter des Stammes Juda mit unter den zwölf Kundschaftern
und ist der einzige unter ihnen und unter allem Volke , der den
Mut nicht sinken lässt und das direkte Vorgehn von Kades aus
gegen Norden fordert. Zum Lohne dafür- soll er allein von der
ganzen Generation die Eroberung des gelobten Landes erleben und
den Teil desselben zum Erbe erhalten, bis zu welchem ihn seine
Reise geführt hat, nämlich die Stadt Hebron und ilu'e Umgebung.
Die dreiste Behauptung, dass das nichtjudäische Geschlecht Kaleb
und der judäische Kundschafter Kaleb nichts mit einander zu tun
haben, schafft die auffälligen Berührungspunkte zAvischen beiden
nicht aus der Luft und scheitert völlig an Jos. 14.
Wir haben damit zugleich einen Blick getan in die Entstehung
von Num. 13 s. Der Gegensatz, dass Kaleb vom Negeb her direkt
nach Hebron vordringt, und dass die Israeliten um das Tote Meer
herum müssen und über den Jordan gehn, gehört zu den Elementen
der Geschichte von den Kundschaftern. Ihr eigentliches Problem
aber ist die Erklärung des langjährigen Aufenthaltes des Volkes in
der Wüste bei Kades, welcher am allerfestesten in der Erinnerung
an die Zeit Moses haftet. Da schliesslich das westliche Palästina
das Land wurde, worin sich die Israeliten, ihrer Hauptmasse nach,
auf die Dauer niederliessen, so schien es sich von selbst zu ver-
stelin, dass sie von Anfang an kein anderes Ziel in das Auge ge-
fasst hatten. Wenn sie nun, statt sofort darauf los zu gehn, lange
22*
340 Nachträge.
Jahre in der Gegend von Kades schwärmten, so war dies Haltmachen
vor dem Tore völlig unnatürlich und nur begreiflich in Folge gött-
licher Hemmung zur Strafe einer Schuld. Um so mehr musste
das so scheinen, da man ja immer ein Volk von drittehalb Millionen
und ausserdem ein Kulturvolk im Sinne hatte. Für ein solches
wäre allerdings der Aufenthalt in jener Gegend eine Strafe der
allerschlimmsten Art gewesen, während er den Ansprüchen der
Hirten von Gosen, die wenig zahlreich und an die Wüste gewöhnt
waren, zur Not genügte').
Es ist natürlich die ünwalu-scheinlichkeit selber, dass die
Israeliten unfreiwillig, bloss um ihre Strafe abzubüssen, sich so
lange haben in der Wüste zurückhalten lassen, bis die ganze Gene-
ration der Ungehorsamen ausgestorben war. Welche Mittel konnte
Moses haben, sie dazu zu zwingen? Man hat keinen Grund, anzu-
nehmen, dass es nicht im Plane der Auswanderer gelegen hätte,
dort zu bleiben, wo sie in Wirklichkeit wäln-end der ersten Gene-
ration geblieben sind. Die Wüste von Kades hat sie nicht gegen
ihi'en Willen festgehalten, sondern ist einfach das Ziel gewesen, auf
das sie ihr Absehen gerichtet hatten. Es ist sogar sehr die Frage,
ob sie, anstatt sogleich den graden Weg auf dies Ziel einzuschlagen,
vorher noch den Zug nach dem Sinai unternommen haben, der elf
Tagemärsche südöstlich von Kades liegt.
Num. 16.
Mit meiner Bestimmung des Charakters und der Aufeinander-
folge der drei Versionen ist Kuenen (Theol. Tijdschrift 1878 p. 139 ss.)
einverstanden, auch in dem wichtigen Punkte, dass in der zweiten
Version Korah kein Levit ist, sondern ein nichtlevitischer Rädels-
führer meuterischer Laien aus allen Stämmen gegen die Häupter
Levis, Moses und Aharon. Aber er weist nach, dass die zweite Version
nicht zu JE gehört, sondern zu Q, und dass meine dritte Version nicht
selbständig, sondern parasitisch ist, indem sie sich der Erzählung
von Q anschmiegt und sie korrigirt. Im Zusammenhang damit
wird die Analyse etwas alterirt; einiges, was ich zu Nr. 2 gerechnet
^) Ein Jahr bei Kades oder vierzig Jahr bei Kades macht, hinsichtlich der
Schwierigkeit der Ernährung von Menschen und Vieh, keinen wesentlichen
Unterschied. Die Apologeten verwandeln die Wüste in einen fruchtbaren
Garten; es sind eben jämmerliche Glaubenshelden.
Num. 16. 341
habe, gehört zu Nr. 1, und einiges, was ich zu Nr. 3 gewiesen
habe, gehört zu Nr. 2. Ich befinde mich hier in der angenehmen
Lage, jedes Wort Kuenens unterschreiben zu können.
Nr 2 zu JE zu reclmen, verbietet die Sprache und die Rück-
sicht auf Deut. 11, 6, wo Korah unbekannt ist. Dass es zu Q ge-
hört, ergiebt sich aus Num. 17, 6 ss. In Num. 17, 16 — 26 ist der
Gegensatz nicht der zwischen Levi und Aharon wie in Nr. 3, sondern
wie in Nr. 2 der zwischen den übrigen Stämmen und Levi, dessen
geborener Vertreter nach v. 18 Aharon ist'"). Ebenso 17, 6 — 15:
das Volk d. h. die Laien, nicht die Leviten sind die Schuldigen,
haben Strafe erlitten und erleiden noch fernere Strafe. Ebenso
17, 27 s. 20, 3 und 27, 3. An letzterer Stelle wird von Selophchad
gerühmt, er habe nicht mit zur Rotte Korahs gehört; da er Manassit
war, so bestand die Rotte Korahs nicht aus Leviten.
Nr. 3 gehört also nicht zu Q, sondern zu einer sekundären
Schicht des Priestercodex, ebenso wie Num. 17, 1 — 5, wo der Same
Aharons sich nicht mit Levi deckt, und 26, 9 — 11, wo die gegen-
wärtige Form von Kap. 16 vorausgesetzt wii'd.
Den Umfang der drei verschiedenen Bestandteile von Num. 16
bestimmt Kuenen so:
Nr. 1 (JE) = v. 1.12— 15. 25— 33, mit Ausnahme von V. 15 a.
27 a. 32 b. Der Anfang ist nicht heil, sonst ist die Erzählung voll-
ständig.
Nr. 2 (Q) = V. 2 — 7 ^ib IJn. DdS m v. 7 gehört an die
Stelle von Dd'? D.*1 v. 3, wo der Vokativ vielleicht absichtlich aus-
gelassen ist) und V. 19—24. 27 a (lies mn"» ]D12^0 v. 24 und v. 27 a).
Der Übergang von v. 7 auf v. 18 ist abrupt; man erwartet in-
zwischen die Mitteilung, dass Korah und die Seinen, gemäss der
Aufforderung Moses, sich am folgenden Tage nach der Stiftshütte
begaben. Es ist möglich, dass auch v. 15 a und vielleicht einige
Teile von v. 16 — 18, die aber nicht mein- auszulösen sind, noch
zu Q gehören.
Dem Diaskeuasten (Nr. 3) gehören v. 8 — 11. 16 — 18 (worin
wie gesagt vielleicht noch ein paar Brocken von Q stecken) und
V. 23 b. In V. 24 und v. 27 a hat derselbe den mn'' jJti^O von Q
1) Ich habe das selber gemerkt (oben p. 179), aber nicht die nötige Konse-
quenz daraus gezogen und überhaupt den Konnex zwischen Num. 17 und 16
nicht gehörig beachtet.
342 Nachträge.
in einen D"1^nN1 )m n"lp pW12 verwandelt, um Nr. 1 und Nr. 2
zu vereinigen. Dadurch fällt der Anlass weg, anzunehmen, so wie
ich getan habe, dass in Nr. 2 Korah, ebenso wie Dathan und Abiram
in Nr. 1, in seiner Wohnung verderbt und ebenso wie diese
von der Erde verschlungen sei. Mischkan ist ein eigentümlicher
Ausdruck für die Stiftshütte und bedeutet nicht einfach Wohnung,
die Kotte Korah Avohnte auch nicht mit einander in einer und der
selben Wohnung. Ausserdem ist Nr. 2 ganz darauf angelegt, dass
Korah und die Seinen von dem Feuer, welches sie bei der Stifts-
hütte auf ihre Räucherpfannen bringen, verzehrt werden.
Die Integrität der zu JE gehörigen Yerse v. 31 — 33 (ausge-
nommen V. 32b) wird durch Deut. 11, 6 gewährleistet. In Bezug
auf die von mir vorgebrachten Einwände dagegen schliesst sich
Kuenen der Meinung Colensos an: these instances, which might help
to show duplicity, if supported by other evidence, here show only
J's copiousness and vivacity of style.
Das wichtigste Ergebnis der Kritik von Num. 16 durch Kuenen
ist, dass hinsichtlich der Auffassung des Verhältnisses von Aharoniden
und Leviten ein Unterschied herrscht zwischen den primären und
den sekundären Bestandteilen des Priestercodex. Nach Q besteht
zwischen Aharon und Levi das beste Einvernehmen in der mosaischen
Zeit; über dem Unterschiede wird die Zusammengehörigkeit nicht
übersehen, eine ausgesprochene Sympathie mit den Leviten giebt
sich kund. So ausser in Num. 16. 17 auch in Num. 18. Sehr
bezeichnend ist es, dass die so drohende Älisserung Ezechiels über
die Leviten Ez. 44, 10 in Num. 18, 23 zwar wiederholt wird,
aber mit Unterlegung eines ganz anderen harmlosen Sinnes^). In
den sekundären Stücken des Priestercodex wird die Kluft zwischen
clerus major und minor weit stärker betont, die Leviten werden
möglichst herabgedrückt. So besonders in Num. 3. 4. 8. Die
Differenz besteht allerdings weniger in der Sache, als in der
Stimmung. Trotzdem darf sie nicht übersehen werden.
'&•
Die Eroberung des Amoriterreichs (Num. 21).
Die Amoriter wohnen nicht bloss östlich, sondern auch westlich
des Jordans. Ich habe oben p. 133. 134 hervorgehoben, dieser
^) ])V N*t^^ heisst bei Ezechiel die Schuld büssen, iu Num. 18 das Risiko
tragen. Vgl. oben p. 181.
Die Eroberung des Amoriterreichs, 3-43
Name sei in E der allgemeine der Urbevölkerung. Ebenso bei
Arnos und sonst. Er wird freilich nicht in so weitem Sinne ge-
braucht wie der der Kanaaniter, die sich ja nach Gen. 10 bis an
den Euphrat erstrecken; er l:)eschränkt sich auf die Vorgänger der
Hebräer in Palästina. Für diese wdrd er aber völlig allgemein an-
gewandt; das vorisraelitische Palästina, welches im Pentateuch das
Land Kanaans heisst, heisst beim Propheten Arnos das Land des
Amoriters, Während indessen die Kanaaniter noch in der Gegen-
wart der biblischen Erzähler im Lande wohnen, nämlich in den
von den Israeliten nicht okkupii'ten Städten der Ebene, haben die
Amoriter vor Zeiten da gewohnt, wo jetzt die Israeliten wohnen,
in dem Gebirgsland östlich und westlich vom Jordan. Sie gehören
lediglich der Vergangenheit an, sie sind ausgerottet, als ihre Schuld
voll war (Gen. 15). Es erklärt sich daraus, dass, wenn unter ge-
W'öhnlichen friedlichen Verhältnissen die Kanaaniter als die alten
Bewohner des Landes genannt werden, die Amoriter doch sofort an
ihre Stelle treten, wo von Krieg und Eroberung die Rede ist
(Gen. 48, 22). Sihon und Og, gegen die Moses kämpft, sind Könige
der Amoriter, ebenso hat es Josua im diesseitigen Lande mit den
zwölf Königen der Amoriter zu tun. Man versteht ferner, dass die
Amoriter, als untergegangene Bevölkerung, einen mythischen
Charakter angenommen haben und wie Riesen vorgestellt werden,
so hoch wde Cedern und so stark wie Eichen.
Wenn nun ein ethnologischer Unterschied zwischen Amoritern
und Kanaanitern nicht besteht, so w^ar also auch im Ostjordanlande
die amoritische Urbevölkerung kanaanitisch. Daraus erklärt sich,
dass nicht bloss die Israeliten, sondern auch die Moabiter und
zweifellos ebenso die Edomiter und Ammoniter die Sprache Kanaans
redeten. Dass Hebräisch nicht Phönicisch ist, ist kein Einwand
daojeQjen. Das Phönicische ist nur Ein kanaanitischer Dialekt und
wird sich vom Hamoritischen, Hevitischen, Amoritischen ebenso
unterschieden haben wie vom Hebräischen. Es ist möglich, dass
sich die Sprache Kanaans in grauer Vorzeit auch über die Nomaden-
stämme im Süden Palästinas erstreckt hat. Wenn das aber nicht
der Fall ist, so ist sie jedenfalls von den Israeliten schon in der
Zeit angenommen, als sie noch mit ihren Vettern vereinigt waren,
also nicht erst nach dem Auszuge aus Ägypten. Ein religiöser
Einfluss Kanaans auf Moab zeiget sich in dem Kultus des Baal
Pheor.
344 Nachträge.
Num. 21, 27 — 30 wü'd von Eduard Meyer und Bernhard Stade
auf weit spätere Ereignisse bezogen. Ich stimme dieser Meinung
zu, obwol ich mit der Begründung nicht ganz einverstanden bin.
Hätte das Lied hier seine richtige Stelle, so wäre es künstlich ge-
macht. Diesen Eindruck macht es durchaus nicht. Ist es aber
echt, so ist es nicht mosaisch. Trotzdem ich nun auf dies Zeugnis
verzichte, halte ich doch an den Grundzügen der Tradition über
das Eindringen der Israeliten in Palästina fest, weil ich glaube,
dass sie sich nicht anders erklären lassen als aus Fakten und iln-er-
seits eine genügende Erklärung der anderweit feststehenden Tat-
sachen bieten.
Aus dem Konglomerat der hebräischen Geschlechter, stelle ich
mir vor, erwuchsen mit ihrer Ansiedelung im Ostjordanlande
mehrere Volksgebilde und verfestigten sich zu selbständigem Leben.
Zuerst trennten sich Lot und Isaak^); der eine fasste im Norden,
der andere im Süden des Wüstenbaches Wurzel, der von Osten her
in das untere Ende des Toten Meeres einfällt. Innerhalb Lots ge-
langte dann ein Teil früher zu sesshafter Geschlossenheit als der
andere; Moab sonderte sich auf diese Weise von Ammon, dem
weniger begünstigten Reste, welcher in näherer Verbindung mit
der Wüste und dem Wüstenleben blieb. Ähnlich war in Isaak
das Verhältnis von Edom und IraeP). Nachdem Edom sich kon-
solidirt hatte, blieb noch unverbrauchtes Material zurück, wie ein
lockerer Schweif an einem festen Körper; gewisse Familien fanden
im Lande Seir keinen Platz oder waren aus anderen Gründen in
der edomitischen Volksbildung nicht aufgegangen. Das war Israel
im embryonischen Zustande^). Die wahre Heimat der Erzväter
liegt zwischen Edom und Ägypten, wo der Süden Palästinas in die
Wüste übergeht.
Von da nach Ägypten ist kein grosser Schritt. In dem Ml-
lande sind die Israeliten nach der echten Überlieferung nie ge-
wesen, sondern im Lande Gosen, welches noch nach Palästina hin-
eim-eicht (Jos. 10, 41. 11, 16), von den Griechen zu Arabien ge-
rechnet wird, und obzwar den Pharaonen unterworfen, doch zu
^) Abraham ist nicht mehr als Isaak; wäre er ursprünglich, so müsste er
Lot und Isaak zusammenfassen, was er bekanntlich nicht tut.
2) Es ist die ewig sich wiederholende Zwieteilung von .^oL^- und ob.
^) damals wol noch nicht unterschieden von Kain, Kenaz, Amalek.
Die Eroberung des Amoriterreichs. 345
allen Zeiten von semitischen Nomaden beweidet worden ist. Es
scheint aber, dass auch im Lande Gosen, unter ägyptischer Herr-
schaft, nicht alle israelitischen Stämme sich aufgehalten haben.
Die Söhne Jakobs stehn sich nach der Genesis hinsichtlich ihrer
Beziehung zu Ägypten nicht gleich, Joseph hat ein weit näheres
Verhältnis zu jenem Lande als seine Brüder. Dass diese ihm später
naclifolgen, ist die notwendige Konsequenz der Vorstellung, dass
Israel bereits Jahrhunderte vor Moses existirt habe und Jakob älter
sei, als seine zwölf Söhne. In Wirklichkeit sind vielleicht die Lea-
stämme nie in Ägypten gewesen, sondern haben von ihren östlich
angrenzenden Sitzen den stammverwandten Söhnen Raheis in Gosen,
zur Zeit des Auszuges, die Hand geboten und sich erst damals zu
einem Volke mit ihnen vereinigt. Dann würde sich auf eine ein-
fache Weise erklären, warum Moses von di'üben her nach Gosen
kam, um die Erhebung anzustiften, und warum er dort schlechthin
der Levit genannt wurde, ein Name, der in Lea oder in Levi selber
kaum hätte aufkommen können. Auch die überlegene Sonder-
stellung, welche Joseph als der eigentliche Träger der Geschichte
Israels von Anfang an einnimmt, wäre dann kein Rätsel mein-,
wälu'end man zugleich den Anspruch der Bne Lea auf höheres
Alter und ihi-es Erstgeborenen Rüben auf die Hegemonie wol be-
greifen könnte.
Wie dem auch sei, die Grenzgegend Palästinas zwischen Ägypten
und Edom, wie sie vielleicht die Urheimat des embryonischen
Israels gewesen ist, war sicher die Stätte, wo in der mosaischen
Zeit das geschichtliche Israel aus dem ethnischen Chaos sich aus-
scliied und zu einer wie immer beschaffenen nationalen Einheit
zusammenschloss. Ebenso unzweifelhaft aber ist es, dass die Israe-
liten nicht von da aus direkt nach Norden in ihre spätere Heimat
eingedrungen sind^). Diese Tatsache kann nicht erdichtet, sie
muss überliefert sein — schon deshalb, weil sie den Späteren so
sonderbar und rätselhaft vorkam, dass sie die Geschichte von den
Kundschaftern erfanden, um sie zu erklären. Auch Juda hat sein
Land nicht von Süden aus erobert. Denn einmal ist es schwer
mögHch, ihn von Rüben, Simeon und Levi zu trennen; sodann
steht es fest, dass der südliche Teil seines Landes am spätesten
^) Dass sie Versuche dazu gemacht haben, braucht natürlich nicht ge-
leugnet zu werden. Sie sind dann aber nicht gelungen.
346 Nachträge.
in seinen Besitz gelangt ist. Nicht Jnda hat Hebron erobert, son-
dern Kaleb. Erst in Folge der Politik Davids verwuchsen Kaleb,
Othniel, Jerachmeel und die übrigen Kainiten, die im Negeb wohn-
ten, völlig mit Juda, und dadurch wurde Hebron die Hauptstadt
des Stammes. Seine ältesten Sitze aber hatte er oben im Norden,
in der Gegend von Thekoa, Bethlehem, Baal Juda.
Also zogen die Israeliten östlich um das Tote Meer herum
und Hessen sich nördlich vom Ai'non, zwischen Moab und Ammon,
nieder. Das kann nun nur im Einverständnis mit Edom, Moab und
Ammon geschehen sein. Von Kades aus an den Arnon zu ge-
langen, ohne diese Völker zu berühren, war für ein Heer ein Ding
der Unmöglichkeit. In der Angabe Num. 20, 14. 21, dass die Israe-
liten durch die Feindseligkeit ihrer Vettern gezwungen seien, den
Umweg südlich um Seir herum durch die Wüste zu nehmen, zeigt
sich die Stimmung späterer Zeiten. Diese Feindseligkeit ist erst
eine Folge der Taten Davids; zur Zeit Moses hat sie schwerlich
bestanden. Vielmehr ist die Wahl der ostjordanischen Land-
schaft, welche die zweite Etappe der israelitischen Wanderung war,
nur erklärlich, wenn damals noch ein lebendiges Gemeinschafts-
gefühl zwischen den vier Brudervölkern bestand. Zufällig kann es
nicht sein, dass die Israeliten gerade die Lücke zwischen Moab
und Ammon stopften.
Dass diese Lücke von dem Wiedereindringen der Amoriter
herrührte, hat man ebenfalls keinen Anlass zu bezweifeln. Sie
kann nicht immer zwischen Moab und Ammon vorhanden gewesen
sein; die Ansprüche, welche die Moabiter später auf das Land
nördlich vom Arnon als auf ihr altes Eigentum machten, sind ohne
Zweifel begründet. Sie kann aber auch nicht erst durch die Israe-
liten gerissen sein; denn die konnten, wie wir gesehen haben, nicht
als Feinde der Moabiter dahin gelangen. Es bleibt mithin nur übrig,
sich bei der Überlieferung zu beruhigen, dass die Amoriter damals
Herren des Landes nördlich vom Arnon waren, und dass es ihnen
von den Israeliten entrissen wurde. Es war also im Ostjordan-
lande eine Art Rückschlag der Kanaaniter eingetreten gegen die
hebräischen Stämme, welche sie unterworfen hatten. Sie hatten
die Ammoniter aus Gilead verdrängt und den Moabitern die Nord-
hälfte ihres Landes abgenommen. Das war die Gelegenheit, wo-
durch die Israeliten in diese Gegend geführt wurden. Sie handel-
ten zugleich im eigenen Interesse und im Interesse ihrer Stamm-
Num. 22—24. 347
verwandten, indem sie Sihon von Hesbon angriffen und sein Reich
zerstörten. Wie sie auf andere Weise dazu kommen sollten, den
Sprung von Kades nach Ilesbon zu machen, wäre schwer zu erklären.
Dass die Moabiter und Ammoniter ihre Helfer hernach wieder los zu
werden sich bestrebten, ist nicht zu verwundern.
Die israelitische Ü)) erlief erung besteht in diesem Punkte die
Prüfung. Wenn sie auch nur möglich ist, so wäre es Torheit,
ihr eine andere Möglichkeit vorzuziehen. Jedenfalls ist eine zur
Zeit Moses begründete vorpolitische Einheit der \vichtigsten israe-
litischen Stämme zum Verständnis der folgenden Geschichte unent-
behrlich.
Num. 22—24.
Kuenen (Theol. Tijdschrift 1884 p. 497 ss.) bestreitet, dass sich
in der Haupterzählung (E), abgesehen von der Geschichte von der
Eselin (J), noch andere disparate Elemente und Spuren von Zu-
sammenstückung finden. Er ist der Meinung, dass der Verfasser
von E selber das aus J stammende Stück seiner Erzählung einver-
leibt habe. Was ich an Wiederholungen und Unebenheiten nach-
gewiesen habe, sucht er zu verwischen.
Zeichen von Komposition habe ich zunächst entdeckt im An-
fange A^^on Kap. 22. „Denn v. 3 a ist = v. 3b; der letzte Satz
von V. 4 setzt den v. 2 nicht voraus; in v. 5 ist )b J<"lp'p )ÜV "'^11 V*^^<
eine sehr fremdartige Apposition, und es steigt der Verdacht auf,
dass wol die Söhne Ammons gemeint sein möchten." Kuenen
erklärt „die Pleonasmen" in v. 2 — 4 aus Überarbeitung; als ob
nicht ein Überarbeiter diese Pleonasmen' eher gestrichen hätte, als
so ganz unmotivirt zugesetzt. In Bezug auf v. 5 findet er es un-
anstössig, dass hervorgehoben werde, Pethor sei nicht der zufällige
Aufenthalt, sondern die Heimat Bileams. Mag sein. Aber )DV ""-^ Y^.^
lässt sich von )b Nipb nicht trennen, und es ist zweifellos, dass
der Passus )h N"lp^ 'V 'ü pi< sich unpassend zwischen "in^rrby
und "IDi^b eindrängt. Dazu kommt, dass die Septuaginta wirklich
]'\12V ""ü Y^i< las statt )DV "2. 'N; dass dieser Widerspruch erst
hineingetragen wurde, ist offenbar schwieriger anzunehmen, als dass
er durch Streichung des Schlussbuchstabens beseitigt wurde. An
sich ist ein Schwanken der Sage über die Herkunft Bileams nichts
weniger als verwunderlich. Bela ben Beor Gen. 36, 32 ist doch
348 Nachträge.
gewiss mit Bileam ben Beor ursprünglich identiscli, trotzdem er
ein Edomit ist, der erste König von Edom.
Dillmann, der mir hier gegen Kuenen beitritt, meint, dass J
das Land Ammon oder jedenfalls ein Moab benachbartes Land als
Heimat Bileams genannt habe. Er beruft sich darauf, dass in dem
Stück über die Eselin, welches auch Kuenen als aus J eingesprengt
betrachtet, die Reise Bileams nicht durch die Wüste, sondern durch
Weinbergsmauern geht. Obwol dieser Grund nur bei gutem Willen
füi' beweiskräftig gehalten werden kann, so schliesse ich mich doch
der Meinung Dillmanns an. Und zwar deshalb, weil in J (22, 22 ss.)
Bileam allein reist: einen Weg wie von Pethor an den Jordan
kann man nicht ohne Begleitung unternehmen und gegen eine
solche Regel kann der alte Erzähler nicht Verstössen^).
Ich habe es ferner als einen nicht zu dem Hauptberichte von
E passenden Zug bezeichnet, dass nach 22, 37 Balak nach den
ersten Boten keine weiteren schickt, sondern da Bileam vergeblich
auf sich warten lässt, sich endlich persönlich aufmacht, um ihn
zu holen ^), und ich habe darum 22, 37 zu J gewiesen. Kuenen
sucht mich zu widerlegen, indem er den Sinn von v. 37 nach
V. 38 bestimmt, welchen letzteren Vers ich keineswegs auch noch
zu J gezogen habe. Natürlich ist das keine Widerlegung; v. 37
muss aus sich selbst interpretirt und nach seinem eigenen Wort-
laute verstanden werden. Wenn Kuenen behauptet, mit dem hin-
zugefügten Lifinitivus absolutus TH'p^ mbl^ werde unverkennbar
angedeutet, dass Balak mehr als einmal Boten zu Bileam ge-
sandt habe, und v. 37 sehe also auf den Bericht von E zurück, so
weiss ich nichts von einer solchen unverkennbaren Bedeutung des
Infinitivus absolutus. Wenn er ferner meint, aus Balaks Vorwurf:
warum bist du nicht zu mir gekommen? folge nicht, dass
Bileam wirklich noch nicht zu ihm gekommen sei, so versteh ich
^) Gegenwärtig würde ein solcher Weg auch nicht z u E s e 1 unternommen.
Die Araber bezeichnen sprichwörtlich eine kurze Strecke als Eselsdurst. Aber
Jakobs Söhne ziehen mit Eseln durch die Wüste nach Ägypten, und auch in
Isa. 30, 6 erscheinen die Esel neben den Kamelen. Der Karawanenhandel
über Palmyra wurde ebenfalls nicht bloss mit Kamelen, sondern auch mit Eseln
betrieben. Vgl. Doughty 1, 281. 428.
2) Bileam hat in J den Boten Balaks keinen abschlägigen Bescheid ge-
geben, sondern sie ziehen lassen mit ungewisser Aussicht, dass er nachkäme.
So kommt es mir jetzt vor, etwas anders als wie ich es oben p. 109 s. dar-
gestellt habe.
Niim. 22—24. 349
das cauch nicht. Kuenen kann doch unmöglich glauben, „warum
bist du nicht zu mir gekommen?" sei eben so viel wie „warum
bist du nicht gleich das erste mal, sondern erst jetzt, auf wieder-
holtes Drängen, zu mir gekommen?" Die Negation gilt dem Satz
und nicht einem (gar nicht vorhandenen) Adverbium der Zeit.
Wenn nun, nach dem allein zulässigen Sinne des Wortlautes von
22, 37, der Prophet nicht zu Balak gekommen ist und beide doch
bei einander sind, so ist Balak zum Propheten gekommen. Die
Voraussetzung ist, dass derselbe nicht so weit entfernt wohnt. In
E geht Balak ihm nur bis zur äussersten Grenze seines Landes
entgegen: das ist eine Abschwächung, die dadurch nötig gemacht
ist, dass Bileam nach E am Euphrat wohnt — so weit konnte der
Moabiterkönig nicht wol gehn. Weiter folgt mit Notwendigkeit,
dass Bileam in J auf das Widerstreben der Eselin umkehrte, dann
den Besuch des Königs selber empfing und mit diesem zu gehn
Erlaubnis erhielt.
Ich habe endlich zwischen Kap. 23 und Kap. 24 eine durch
23, 26 — 24, 1 verputzte Fuge entdeckt und die beiden Kapitel
für parallel erklärt. Die Gründe, welche ich dafüi' oben p. 110 s.
angeführt habe , ' machen auf Kuenen keinen Eindruck. Er ent-
kräftet sie aber nicht im geringsten^), sie lassen sich sogar noch
verstärken. Die ausfühidiche Wiederholung der Opfervorbereitung
in 23, 29 s., wörtlich übereinstimmend mit 23, Is., fällt um so
mehr auf, da schon in 23, 14 die Fassung viel kürzer gewesen ist
(Dillmann). Der Übergang von 24, 1 zu 24, 2 ist hart, die Nen-
nung Bileams in v. 2 durch keinen Subjektswechsel motivirt.
Wenn in J die Geschichte der Eselin enthalten gewesen ist,
so auch die ganze Geschichte Bileams. Dadurch erhalten auch
kleine Hemmnisse im Flusse der Erzählung Bedeutung, und Nuancen
das Gewicht von Widersprüchen. Auf jeden Fall ist die Aufgabe
nicht die, die Spuren von J zu verwischen, sondern sie aufzu-
decken. Dass die Aufgabe gelingt, habe ich gezeigt. Damit ist
Kuenens Behauptung widerlegt, dass in Num. 22 — 24 J und E nicht
^) Dem Nachweis, dass der Pisga der dominirende Berg über der Ebene
Jeschimon ist, sucht Kuenen dadurch zu entgehn, dass er Jeschimon mit
Wüste übersetzt. Über der Wüste ragen allerdings viele Berge hervor. Aber
Jeschimon ist Eigenname einer ganz bestimmten Lokalität, nicht Appellativ
für Wüste. Der Berg, der die Ebene Jeschimon beherrscht, ist mit sich selber
identisch.
350 Nachträge.
durch einen Dritten, d. Ii. durch den Jehovisten, sondern durch
den Verfasser A^on E selber zusammengefügt seien. Die auch von
mir anerkannte Glätte der Erzählung führt durchaus nicht vom
Jehovisten, als dem Verfasser derselben in ihrer gegenwärtigen Ge-
stalt, ab. Den Eindruck aus einem Gusse zu sein macht bei ober-
flächlicher Betrachtung nicht bloss die Geschichte von Bileam, son-
dern noch manches andere zu JE gehörige Stück. Warum also
soll die gelungene Verschmelzung von J+E hier nicht eben so
wol wie anderwärts dem Jehovisten zugeschrieben werden? warum
soll hier seine Tätigkeit überhaupt geleugnet und ein einzelner
Fall der Analogie entzogen werden?
Es bleibt noch die Frage übrig, ob Kap. 23 zu J und Kap. 24
zu E gehört, wie ich angenommen habe, oder ob es sich umge-
kehrt verhält, wie Dillmann annimmt^). Ich habe meine Ansicht
gestützt auf die am ehesten J zuzutrauende heidnische Weise , wie
in Kap. 23 Jahve durch Opfer veranlasst wird, dem Seher zu er-
scheinen. Aber dieser allgemeine Grund fällt doch nicht in das
Gewicht gegenüber den besonderen, welche für Dillmanns Ansicht
sprechen. Nach 23, 7 ist Bileam aus Ar am geholt worden, also
gehört Ivap. 23 zu E. Dagegen 24, 12 s. stimmt mit 22, 18, wel-
chen Vers ich oben p. 110 mit Recht zu J gerechnet habe; also
gehört Kap. 24 zu J^). Allerdings liegt die Erwartung nahe, dass
der spätere Erzähler die Orakelsprüche, die er bei dem älteren
vorfand, nicht änderte, sondern einfach übernahm. Aber er scheint
doch nicht so verfahren zu sein. Ganz ins Reine wird die Sache
wol schwerlich je gebracht werden.
Zum Schlüsse erlaube ich mir noch, einige textkritische und
1) Die Gottesnamen mn'' nncl DTi^^^H wechseln so willkürlich, dass dar-
aus kein Kriterium entnommen werden kann.
2) Nach 24, 11 kann man nun umgekehrt schliessen, dass auch 22, 16. 17
zu J gehören. Dagegen lässt sich aus 24, 12 s. nicht folgern, dass in J doch
nicht Balak persönlich den Seher geholt habe. Denn wenn dies in 24, 12 s.
ursprünglich erwähnt war, so musste der Jehovist es streichen, weil es, in
der Antithese zur Sendung der Boten, schlechterdings nicht miszuverstehn war.
Wir sind geneigt, zu verlangen, dass ein Redaktor immer schlafe, weil wir
niu- aus Stellen, wo er wirklich geschlafen hat, argumentiren können: aber in
Wahrheit schläft er doch nur zuweilen. Jedenfalls : an dem Sinne von 22, 37
lässt sich nicht rütteln, die Negation daselbst lässt sich durch keinen Kunst-
griff wegdeuten.
Num. 22—24. 351
exegetische Bemerkungen hinzuzufügen, die zum teil auch für die
literarische Kritik einige Bedeutung haben. Wenn 22, 41 und 23, 13
in echtem Zusammenhange stehn, so ist das DVn Hi^p 22, 41 auf-
fällig. Man erwartet „das ganze Volk"; diesen Sinn schreiben
Gesenius und Ewald wirklich den Worten zu, aber D^H iDip ist
nicht das selbe wie IHlipD D^n- Die absteigende Klimax 22, 41.
23, 13 scheint sich zu vollenden in 24, 1; denn V:© nD."IDn~bwX C^'>^
kann kaum etwas anderes bedeuten als: er drehte dem Lager
Israels den Rücken zu. — In "iB^l/ "jb'^'I 23, 3 hat Kuenen die A^er-
derbnis erkannt und sie durch die Emendation D''St^D HN'lp'/ zu
heilen gesucht; dass □''^t^'D auf Omina übertragen werden kann,
ist freilich nicht nachweisbar, aber vielleicht nicht unmöglich, da
die Etymologie verblasst war. — 23, 4 kann vb^ ^.Di^i) nach v. 1. 2
nichts anderes bedeuten als: Balak sagte zu Bileam. Der mit diesen
Worten eingeleitete Satz scheint also verstellt zu sein; die Folge
der Verstellung ist der Einsatz D^'^'^i p^^ v. 2, welcher in der
Septuaginta fehlt. — 23, 7 G^i^ = Dip """l^in ist sonderbar, wenn-
gleich es Hügel in der Nähe von Pethor giebt. Ich bezweifle, dass
der Ausdruck hier anders verstanden w^ erden darf als Deut. 33, 15.
— 23, 15 ist nip^ mit Bileam als Subjekt wol nicht der selbe
Stamm der Wurzel wie v. 3 s. 16 1p">) mit Jahve als Subjekt,
Vielleicht ist n^pi^ Mphal, dagegen "ip""! Kai. — 23, 21 liest Kuenen
mit Recht tO''3.N* und nx"1N* statt ID^^n und HNI. — 23, 20 habe
ich richtig "j"i:iNT (und ich habe gesegnet) erkannt in "|"in.1; des-
gleichen 24, 3. 15 pi? ncnw (schettamma) in jiyn nri'\l/- Aber statt
des allerdings völlig sinnlosen nophel 24, 4. 16 kann nicht neplial
gesprochen werden, weil es kein Mphal von bbü gibt, weil die ge-
forderte Bedeutung von bbs sich nicht erweisen lässt, und weil
ein so weit von seinem Genetiv getrennter Status constructus auf
Konjektur nicht acceptabel ist. — 24, 8 habe ich früher auch an
Viirb statt V^n gedacht, wie Dillmann scln^eiben will, jetzt glaube
ich aber, dass □»T'^^n, entsprechend dem vorhergehenden Gn'>mDiiy,
das richtige ist (Deut. 33, 11). — 24, 17 ist nil (dvaxelsX Sept.)
zu emendii'en statt "|*n- Als Prädikat zu ^2.3)3 ist "["n durchaus
nicht zu gebrauchen; es ist durch Hörirrtum entstanden, da "1 wie
I und D wie D ausgesprochen wii'd ^). Am Schluss muss man ent-
1) A^gl. in^tJD für in''t)nPs. 143, 9; 'HD füi-i^D Isa. 5, 13; OßsCa&r^s
Waddington 1977. BeCs^a oder Be&sCoc ist allerdings nur dann Neuhaus (Bell.
lud. 2, 350) wenn ^^mPl n''rL statt N*mn Nn'>n möglich ist.
352 Nachträge.
weder HNb' ''311 b'D "Ip"Ip lesen oder genau nacli Hier. 48, 45 (vgl.
Am. 2, 2) ]\S*^" 1:3. 'D 'p. Eine Form ni<*^ = ])^\y ist unmöglich.
Die Verweisung auf Lament. 3, 47 hilft nichts, um sie möglicher
zu machen, zumal dort die Bedeutung jl^^l^' gar nicht einmal passt.
Auch in 24, 18. 19 ist der Text nicht überall in Ordnung. — Die
letzten Sprüche machen einen apokalyptischen Eindruck, die Namen
sind gekünstelt altertümlich. In v. 22 wird Obad. 3 benutzt. Das
gemeinte Land ist jedenfalls die Gebalene, das Volk aber nicht
mehr Edom, sondern Qain, d. h. vielleicht die Nabatäer; von einer
Gefangenführung derselben durch Assur ist freilich nichts bekannt.
In bwNIDl^ V. 23 entdeckt DHMüller (Propheten p. 215) den
Landesnamen Sam'al, mit dem man meines Erachtens hier nichts
anfangen kann. Unter DTiD v. 24 scheint der Vf. des Daniel
(11, 30) die Römer verstanden zu haben; aber das Wort bezeichnet
kein Volk, sondern ein Land, wegen der Präposition 1^^- Was D""!?
bedeutet, steht nicht fest; w^enn von einer Invasion zu Schiff von
Westen her die Rede wäre, so würden wir in späte Zeit herabge-
führt. Mit Assur und Eber scheint „ganz Asien" gemeint zu sein.
Eber hält Dillmann für Transeuphratene ; in dieser Bedeutung ist
es nicht alt, vgl. auf p. 271 die Bemerkung zu 1. Reg. 5, 4, die
nicht von Eduard Meyer herrührt. Assur könnte an sich wol all-
gemeine Bezeichnung der asiatischen Grossmacht sein, sei es der
persischen oder seleucidischen; seltsam wäre aber dann die Coordi-
nation mit Eber, der erwarten lässt, dass Eber und Assur zwei
Hälften eines Ganzen sind. Man kommt über Fragen und Zweifel
nicht hinaus.
Num. 32. Jos. 20. 22.
Das Stück Num. 32, 6 — 15 weist Kuenen, wegen seines hy-
briden Charakters, mit Recht der spätesten Diaskeuase zu; desgleichen
Jos. 22, 9—34. Ebenfalls mit Recht streicht er in Num. 32, 33
die auf das voraufgegangene Pronomen folgende Explicirung: Gad,
Rüben und halb Manasse. Vgl. Theol. Tijdschr. 1877 p. 478 ss.
559 SS.
Jos. 20 (oben p. 132) ist ein locus classicus für die Be-
stimmung der Beschaffenheit und der Zeitgrenze der epigonischen
Diaskeuase. Sie hat keine Eigenart, sondert schillert im Reflex
des ihr vorliegenden Gemisches von Quellen, so aber, dass sie in
Deut. 12—26. 353
der Sache besonders von Q, im Ton daneben auch vom Deute-
ronomisten beeinflusst ist. Sie hat sich fortgesetzt bis unter die
Zeit der Entstehung der Septuaginta. Man kann die Septuagmta
als Grenze zwischen Textkritik und Literarkritik benutzen, muss
dabei aber eingedenk bleiben, dass diese Grenze eine rein zufällige
ist, und dass ein innerer Unterschied zwischen Ergänzen, Redigiren
und Glossiren auf diesem Gebiete nicht besteht.
Deut. 12—26.
Da die kurze Übersicht p. 203 nicht genügt, so trage ich hier
eine ausführlichere Inhaltsangabe des eigentlichen deut er onomischen
Gesetzes nach^). Die Anrede mit Du ist die Regel, die mit Ihr
ist vereinzelt^); sie beruht zum Teil auf Versehen wie 12, 16.
14, 21 oder findet sich in Nachträgen wie 13, 4—6. 20, 2—4.
Nur zwei Stücke gibt es, in denen die pluralische Anrede dm'ch-
geht, nämlich 14, 1 — 20 und 12, 1 — 12. In dem letzteren Stück,
das als Anfang des Ganzen das wichtigste ist, ist HDIS^ HN*!!"! am
Schluss von v. 6 aus dem unmittelbar folgenden HDt^ □^^<^m am
Anfang von v. 7 versehentlich verdoppelt. Drei Relativsätze mit
singularischer Am-ede in v. 1. 7. 9 sind nachgetragen. Der letzte
(Ul nbn^n b^l v. 9) zeigt eine falsche Auffassung von nmjon,
woran er anschliesst. Denn damit ist nicht die erste Ansiedlung
in Palästina unter Mose und Josua gemeint, sondern die Gründung
des Reichs und des politisch-religiösen Centrums .unter David und
Salomo, wie ich in den Prolegomena dargelegt habe (1895 p. 20.
256 vgl. Ps. 132, 8). Bis dahin erstreckt sich eine Übergangszeit,
in der es nicht so genau genommen werden kann (12,8). Erst
mit der Erwählung Jerusalems soll das Gesetz der Einheit der
Cultusstätte in Kraft treten; im Gegensatz zu der Anschauung des
Priestercodex, wonach es schon seit der Einrichtung der Stiftshütte
durch Mose gilt, nicht bloss de iure, sondern auch de facto.
12, 1 — 13, 1 Yerbot des Jahve-Dienstes ausserhalb Jerusalems.
1) Ihr (2. pl.) sollt die heidnischen Cultusstätten, die ihr vorfindet,
nebst allem Zubehör zerstören und selber nur an dem Orte, den
^) Ein alter Zuhörer, Herr Krause, hat die Güte gehabt, mir die Nach-
schrift einer Vorlesung zur Verfügimg zu stellen, die ich in Halle einmal über
das Deuteronomium gehalten habe.
2) Vgl. oben p. 89 s. 153 s. 166.
Wellhausen, Comp. d. Hexateuchs. 3. Aufl. 23
354 Nachträge.
Jalive erwählt, nachdem ihr zu Ruhe und Sicherheit gelangt seid,
eure Opfer, Abgaben und Gelübde darbringen und dort die heiligen
Freudenmahle halten, zu denen ihr auch eure Familie, euer Gesinde
und eure LcAdten mit nehmen sollt (12, 1 — 12). 2) Du darfst an
jedem beliebigen Orte, nur unter Beobachtung des Blutritus, profane
Schlachtungen vornehmen und davon Mahlzeiten veranstalten, an
denen Rein und Unreiner sich beteiligen kann; jedoch die Freuden-
mahle, die mit der Darbringung des Zehnten und der Erstgeburten
und der Gelübde verbunden sind, dürfen ihi-en Opfercharakter
nicht verlieren und müssen an der einen heiligen Stätte
gefeiert werden, mit Hinzuziehung der Familie, des Gesindes
und der Leviten (12, 13 — 19). 3) Du darfst, wenn das
Centralheiligtum zu weit ist, auch überall sonst, unter Aus-
schüttung des Blutes, Schafe und Rinder schlachten zum Zweck
profaner Mahlzeiten, an denen Rein und Um^einer teilnehmen kann;
aber die Qodaschim und Nedarim, die vorgeschriebenen und die
gelobten Opfer, müssen mit Festhaltung des Opferritus ^) an der
einen heiligen Stätte dargebracht und dort verzehrt werden. (12,
20 — 28). 4) Du sollst, nach der Eroberung des heiligen Landes,
nicht fragen, wie die früheren Bewohner ihi*e Götter verehrt haben,
um die selbe Weise auf den Dienst Jahves zu übertragen, denn sie
ist ihm greulich (12, 29 — 13, 1). Nr. 3 ist eine blosse Variante
zu Nr. 2. In Nr. 4 tritt das eigentliche Motiv des Gesetzgebers
zu Tage: die heidnischen Stätten sollen deshalb von den Israeliten
nicht übernommen werden, damit nicht auch die dort geübten
heidnischen Bräuche auf den Cultus des israelitischen Gottes über-
gehn. Der Deuteronomiker ist nicht fern von der richtigen Erkennt-
nis, dass die Lokalculte eigentlich Culte sehr verschiedener Lokal-
götter sind, die erst nachträglich auf den Namen Jahve getauft
wurden. Vgl. oben p. 151 s. zu Lev. 17, 7.
13, 2 — 19 Verbot des Dienstes fremder Götter, oder vielmelu-
Consequenzen, die aus diesem selbstverständlichen Verbote fliessen ^).
Du sollst dich weder von einem Propheten, mag er sich auch durch
1) Bei den gewöhnlichen Opfern wird nach v. 27 bloss das Blut auf den
Altar geschüttet, aber auf eine gewisse Anzahl derselben scheint eine ola zu
kommen, deren Fleisch ganz verbrannt wird. Es ist klar, dass in dem Aus-
schütten des Bluts auch bei den profanen Schlachtungen der alte Opferritus
in der Tat beibehalten ist.
2) Ungenau Driver: eh. 13 continues the subject of 12, 29—31. Denn in
Deut. 12—26. 355
Zeichen und Wunder legitimiren, zu Götzendienst verleiten lassen,
noch von dem leiblichen Bruder oder der eigenen Frau. Die Ver-
fülu'er sind des Todes schuldig und müssen angezeigt werden, wenn
es auch die nächsten Verwandten sind. Eine ganze Stadt, die der
Verführung erlegen ist, soll dem Banne verfallen und als ewiger
Trümmerhaufe liegen bleiben.
14, 1 — 21. Andere religiöse Verbote für die Bürger der Ge-
meinde. Ihr (2. pl.) seid Söhne Jahves, ihr sollt euch keine
Schnitte beibringen und keine Tonsur auf der Stirne wegen eines
Toten (14, 1. 2). Dies sind die Tiere, die ilu* essen dürft, nämlich
. . .; und dies sind die, die ihr nicht essen dürft, nämlich . . .
(14, 4 — 20). Gefallenes darfst du (2 sg.) nicht essen, du magst es
dem Aufenthalter schenken oder einem Fremden verkaufen'); du
sollst den Bock nicht in der Milch seiner Mutter kochen (14, 3. 21).
14, 22 — 16, 17 Zehnten, Erstgeburten, Feste und Perioden.
1) Du sollst alle Jalu'e vom ganzen Ertrag deines Feldbaus den
Zehnten geben und ihn an dem Orte, den Jahve erwählen wird,
verzehren, darfst aber auch, wenn es dir bequemer ist, ihn ver-
kaufen und für den Erlös Freudenmahle am heiligen Orte veran-
stalten, zu denen du nicht vergessen musst, deinen Leviten mitzu-
nehmen (14, 22 — 27). 2) Alle drei Jahi'e sollst du den ganzen
Zehnten (nicht selber essen, sondern) herausgeben für* die Leviten
und Aufenthalter und Witwen und Waisen (14, 28. 29). 3) Alle
sieben Jahr sollst du eine Sch'mitta machen, d. h. kein Darlehen
eintreiben (15, 1 — 11). 4) Ein hebräischer Knecht kann sich dir
nur auf sechs Jahre verkaufen, im siebten musst du ihn frei lassen;
wenn er aber nicht von dir weg will, sollst du ihm das Oln* am
Türpfosten^) durchbolu*en, dadurch wird er dein ewiger Knecht
(15, 12 — 18). 5) Alle männliche Erstgeburt von Rindern und
Schafen sollst du dem Jahve weihen und jähiiich zu heiligen jMahlen
12, 29 SS. ist nicht vom Dienst fremder Götter die Rede, sondern von der
Einführung fremder Riten in den Dienst Jahves.
^) Weder der Ger noch der Nokri sind Israeliten; aber der Ger steht dem
Israeliten doch um eine Stufe näher und ist auf dem Wege, sich zu assimiliren.
Der Grad der religiösen Verpflichtung entspricht dem Grade der politischen
Zugehörigkeit. Zu den Opfermahlzeiten wird der Ger als Gast zugezogen.
2) des Hauses, nicht (wie Exod. 21) des Heiligtums; eine durch das
deuteronomische Hauptgesetz bewirkte Änderung, wodurch die Ceremonie den
Charakter der Öffentlichkeit einbüsste. In einer weit späteren Zeit geschah
die manumissio in der Synagoge (Latyschew Inscr. Euxin. n. 52).
23*
356 Nachträge.
verwenden an dem Orte, den Jahve erwählen wird; nur die mit
Fehl behaftete Erstgeburt soll daheim geschlachtet und von Rein
und Unrein verzehrt werden (15, 19 — 23). 6) Im Monat Abib
sollst du das Pascha feiern, mit Opfern von Schafen und Rindern
an dem heiligen Orte, die daselbst sofort binnen der ersten Nacht
verzehrt werden müssen, und nach der Heimkehr mit noch sechs-
tägiger Enthaltung von Gesäuertem in deinem ganzen Gebiete und
einer Nachfeier am letzten Tage (16, 1 — 8). Sieben Wochen nach
dem Anhieb der Sichel in die Saat sollst du Pfingsten feiern auf
Grund freiwilliger Gaben, mit Freudenmahlen vor Jahve, wozu die
Familie, das Gesinde, die Leviten, Aufenthalter, Witwen und Waisen
mitzunehmen sind (16, 9 — 12). Sieben Tage sollst du das Laub-
hüttenfest feiern auf Grund des Herbstes von Tenne und Kelter,
und Freudenmahle veranstalten sieben Tage lang an dem Orte, den
Jahve erwählen wird. Drei mal im Jahr haben alle deine Männer
die Pflicht, vor Jahve an dem heiligen Orte zu erscheinen, an den
genannten drei Festen, und nicht mit leeren Händen (16, 13 — 17).
Durch die Zusammenstellung der Materien in diesem Abschnitt
verrät sich noch der alte Zusammenhang der Abgaben und der
Feste, der indessen schon gelockert ist. Die Heptaeteris in Nr. 3
lehnt sich an die Trieteris in Nr. 2. Diese erscheint als eine
Steigerung des jähi'lichen Zehnten, an den sie angeschlossen ist.
Sie ist aber in Wirklichkeit auch iln-erseits ein Ersatz der alten
Preisgabe des Ertrags von Acker und Obstgarten im siebten Jahre,
ebenso wie die Sch'mitta in Nr. 3, nur mit dem Unterschied, dass
bei der letzteren das siebte Jahr beibehalten und nicht das dritte
an die Stelle gesetzt ist. In 14, 23 ist die Erwähnung der Erst-
geburten verfrüht ; auch wird in Nr. 5 der Verkauf der Erstgeburten
gar nicht in der selben Weise gestattet wie in Nr. 1 der des
Zehntens. In Nr. 3 findet sich ein Zusatz, worin Mose sagt, Pro-
longirung der Schulden sei eigentlich ganz überflüssig, da es keine
Schuldner in Israel gebe; derselbe geht von der ganz richtigen
Empfindung aus, dass das Gebot nur für die schlechte Gegenwart,
aber nicht für die mosaische Vergangenheit passe ^); es ist in der
Tat die zeitgemässe Umgestaltung eines veralteten Brauches von
^) Arm waren nur die Nicht-Israeliten, die keinen Grundbesitz hatten,
und die Witwen und Waisen. Die Worte pi^N und t^NI scheinen beide
ursprünglich etwas Anderes als arm bedeutet zu haben; die Etymologie ist
ganz unklar, wie auch bei dem aramäischen |D^D-
Deut. 12—26. 357
ganz anderer Natur. Zwischen 15, 4 und 15, 11 herrscht ein un-
begreiflicher Widerspruch-, vielleicht aber kannte der Verfasser von
15, 4 den Passus 15, 7—11 noch nicht.
16, 18 — 18, 22. Richter, Priester und Propheten. Eine Art
Verfassungsgesetz (welches freilich das Bestehende voraussetzt und
wenig daran ändert), während im Ganzen nur das Recht codificii-t
und der Cultus ausserhalb Jerusalems verboten wird. 1) Richter
und Ordner sollst du dii' setzen in allen Provinzialstädten und für
gerechtes Gericht die grösste Sorge tragen. Die Richter sind hier
gesetzte Beamte, aber hernach erscheinen doch gewöhnlich die ge-
borenen Richter, die Ältesten, in den Provinzialstädten (16, 18 — 20).
Streitsachen, die füi* die Provinzialbehörden zu schwer sind, sollst du
nach Jerusalem bringen zu den levitischen Priestern und zu dem jeweils
fungirenden Richter und deren Entscheidung annehmen; wer dem
dortigen Priester oder dem Richter trotzt, soll getötet werden (17,
8 — 13). Wenn du nach der Ansiedlung im gelobten Lande einen
König zu haben wünschest, wie die Völker rings um, so magst du
einen Mann aus deinen Brüdern, den Jahve erwählen wird, dir
zum Könige setzen; er darf aber nicht viel Rosse und Weiber
halten und keine Schätze häufen; und wenn er auf den Thron ge-
langt ist, soll er sich ein Exemplar dieses Gesetzes abschreiben
lassen und täglich darin lesen und sich darnach richten (17, 14 — 20).
2) Die levitischen Priester sollen keinen Grundbesitz haben wie die
übrigen Israeliten, sondern sich von den Opfern Jahves nälu'en.
Und zwar gebülu't ihnen davon Bug, Kinnlade und Magen, ausserdem
sollen sie die Aparche von Most, Öl und Wolle (nicht von Korn)
bekommen. Jeder proräziale Levit hat das Recht, in Jerusalem
zu opfern, so gut wie die dort eingesessenen Leviten (18, 1 — 8).
3) Du sollst nicht wie die Heiden allerhand des Zaubers und der
schwarzen Künste sich bedienende Wahrsager und Beschwörer haben,
Jahve hasst solche Medien, er wird dir stets einen Propheten wie
mich erwecken und dir durch ihn entbieten, was er dir zu sagen
hat (18, 9 — 22). Ich habe bereits oben p. 192 bemerkt, dass die
notwendige Verbindung zwischen 16, 20 und 17, 8 durch ein nicht
her gehöriges Stück gesprengt ist; 16, 21. 22 stellt sich zu 12, 29 — 31,
17, 1 — 7 zu Kap. 13. Anderes ist Erweiterung und Korrektur.
In 18, 1 — 8 machen sich mehrere Zusätze durch die Vorstellung
von Levi als einem geistlichen Stamme kenntlich. In 17, 8 — 13
entdeckt man die Tendenz, dem jeweiligen regierenden Richter von
358 Nachträge.
Jerusalem, d. h. dem Könige, die Priester (v. 9) oder auch den
Hohenpriester (v. 12) zu substituiren ; das geschieht, um das Deute-
ronomium den Verhältnissen der nachexilischen Zeit anzupassen,
in denen es eigentlich erst zu rechter Wirkung gelangte^). Vgl.
19, 17. 20, 2. 21, 5. 26, 3 und meine Anzeige von Dillmanns
Kommentar in der Deutschen Literaturzeitung vom 2. April 1887.
Über das Königsgesetz 17, 14 — 20 habe ich mich schon p. 192
geäussert. Yielleicht wird 1. Sam. 10, 25 angedeutet, dass dasselbe
erst von Samuel hinzugefügt sei. Ob 17, 14s. von 1. Sam. 8 ab-
hängt oder umgekehi't, ist zweifelhaft; sicherer lässt sich in 17, 16
eine Bezugnahme auf das Buch Hosea erkennen.
19, 1 — 21, 9 Blutrecht. 1) Du sollst drei oder, wenn diese
Zahl nicht mein- ausreicht, sechs Asylstädte bestimmen, in denen
der unfreiwillige Blutvergiesser Zuflucht vor dem Bluträcher findet.
Die private Blutrache wird nicht aufgehoben, auch dann nicht,
wenn das Blut ohne Absicht vergossen ist; aber sie wird in diesem
Falle unwirksam gemacht durch die Einrichtung der Asylstädte,
die an Stelle der abgeschafften Altäre mit Asylrecht treten (19,
1 — 10). 2) Wer aber einen Mord begangen hat, findet keinen Schutz
in den Asylstädten, sondern ist den Ältesten seiner Stadt auszu-
liefern und von diesem dem Bluträcher zu übergeben; er muss
unter allen Umständen getötet werden , damit keine Schuld auf
Israel laste (19, 11 — 13). 3) Wenn ein (schwer) Beschuldigter
die Schuld in Abrede stellt, so soll die Sache an die höhere Instanz
gehn; wird dort der Ankläger der Lüge überführt, so soll er die
Strafe erleiden, die er eventuell dem Anderen zugezogen haben
würde. Der Grundsatz 19, 15 stimmt nicht mit der Praxis des
folgenden Beispiels. Wie in 18, 8 ss., so tritt auch hier das Streben
hervor, die Rechtsprechung zu vereinheitlichen und die schweren
Fälle nach Jerusalem zu ziehen, während man im Altertum wol
ausnahmsweise an den König appellirte, aber eine regelmässige In-
stanz über den Ältestengerichten nicht kannte (19, 15 — 21).
4) Wenn ein Erschlagener auf dem Felde gefunden wird und der
Mörder nicht zu ermitteln ist, so fällt die Blutschuld auf die nächst-
gelegene Stadt. Die Ältesten derselben sollen dann anstatt des un-
bekannten Verbrechers ein Rind himichten, an einem fliessenden
^) Wenn das Gericht in der späteren Königszeit überhaupt in den Händen
der Priester gewesen wäre, so doch auch, und erst recht, in den Provinzial-
■städten: davon ist aber nirgend die Rede.
Deut. 12—26. 359
Bach in unbebauter Gegend, und beten, dass Jahve die Sühne an-
nehmen möge. Von der Himichtung am Wasser (1. Reg. 18, 40.
2. R. 10, 14) finden sich viele Beispiele bei den Arabern; der ur-
sprüngliche Grund war vielleicht, dass das Blut fortgespült und
aufgelöst werden sollte, damit es nicht um Rache schreien könnte
(21, 1 — 9). Das Verbot der Grenzverrückung erscheint 19, 14
verschlagen; der Widerspruch fällt auf, dass nach dem zweiten Satze
die Israeliten das Land erst noch in Besitz nehmen sollen, während
nach dem ersten die Ackerverteilung aus grauer Vorzeit stammt.
Dass Nr. 4 mit Nr. 1 — 3 in enger Verbindung steht, leuchtet ein.
Das 20. Kapitel trennt Zusammengehöriges. Vielleicht sollte es
eigentlich nicht vor, sondern hinter Nr. 4 zu stehn kommen, und
den Anlass, es an dieser Stelle einzusetzen , gab der Anfang von
21, 10, der in 20, 1 wörtlich wiederholt wird. Einzelne Bestim-
mungen mögen alt sein; so 20, 7 vgl. 24, 5 Arrians Anab. 1, 24,
und 20, 19 s. vgl. Sur. 59, 5. Tabari 1, 1850. Das Ganze kann
aber kaum vor dem Exil geschrieben sein, s. oben p. 192; es
werden keineswegs bloss theoretische Grundsätze aufgestellt füi* eine
Zeit, die eigentlich vergangen war (die Josuas). In 19, 17 sind
die Priester neben den Richtern nachgetragen, in v. 18 fehlen sie.
Ebenso 21, 5 neben den Ältesten: sie kommen post festum, haben
gar nichts zu tun, sondern sollen nur nicht fehlen; das Gebet sprechen
nicht sie, sondern die Ältesten. Endlich auch in 20, 3. 4. Diese
Verse verraten sich nicht bloss durch die pluralische Anrede als
Einsatz, sondern auch durch iln* Vorgreifen : hier sind wir schon un-
mittelbar vor der Schlacht, im Folgenden dagegen, wo die Friedens-
beamten den Befehl an die Kriegsobersten übergeben, erst beim
Ausmarsch des Heeres.
21, 10 — 23, 1 Familienrecht. 1) Verfahren (sehi- altertümlich)
bei der Erhebung einer Kriegsgefangenen zur Ehefrau (21, 10 — 14).
2) Verbot, einem anderen Sohn den Vorzugsanteil am Erbe zu
geben als dem Erstgeborenen, wenn er auch von einer minder ge-
liebten Frau stammt (21, 15. 17). 3) Die Eltern haben zwar selbst
nicht mehr das Recht, einen ungeratenen Sohn zu töten, aber auf
ihi'en Antrag müssen die Ältesten veranlassen, dass alle Männer
der Stadt ihn steinigen. Die Steinigung ist die Strafe der Verbrechen,
welche gegen die guten Sitten in der Gemeinde sich richten, und
muss wol unterschieden werden von der Talio, die auf die Blut-
rache zurückgeht und eigentlich keine Strafe ist (21, 18 — 21).
360 Nachträge.
4) Wenn ein Mann seiner jungen Frau nachsagt: er liabe sie nicht
als Jungfer erfunden, und es ihrem Vater gelingt, den Gegenbeweis
vor den Ältesten zu führen, so niuss ihm der Eidam 100 Silber-
linge Busse zahlen und verliert das Recht, die Frau jemals zu ent-
lassen. Wenn aber der Vorwurf sich als wahr erweist, so soll die
Frau vor der Tür ihres Vaters von den Männern der Stadt ge-
steinigt werden (22, 13 — 21). 5) Auf Ehebruch mit einer ver-
heirateten Frau steht die Todesstrafe für beide Teile. Ebenso auf
Beischlaf mit einer einem Anderen verlobten Jungfrau innerhalb
der Stadt; ist aber die Sache draussen geschehen, so geht der weib-
liche Teil frei aus, und nur der männliche wird gesteinigt. Schwächt
ein Mann eine unverlobte Jungfrau, so hat er dem Vater 50 Silber-
linge zu zahlen, muss die Geschwächte zur Frau nehmen und darf
sie niemals entlassen (22, 22 — 29). 6) Der Sohn darf die Witwe
seines Vaters (die nicht seine Mutter ist) nicht heiraten (23, 1).
Zwischen Nr. 3 und 4 hat sich ein fremdes Stück eingedrängt (21,
22 — 22, 12), welches durch Form und Inhalt zu dem Sclilussteil
23, 16 SS. gewiesen wird.
23, 2 — 15. Die Gemeinde und das Heerlager. 1) Ein für
alle mal ausgeschlossen sind von der Gemeinde, d. h. von dem
religiösen und politischen Vollbüi'gerrecht, die nicht zeugungsfähigen
Männer, die Mamzerim (Asdodier), die Ammoniter und Moabiter.
Dagegen wachsen edomitische und ägyptische Gerim im dritten Ge-
schlecht in die Gemeinde hinein (23, 2 — 9). 2) Das Kriegslager
ist heilig, die Notdurft darf nur ausserhalb desselben verrichtet
werden. Verunreinigte müssen Tags über draussen bleiben (23,
10 — 15). Die Begriffe der Gemeinde und des Heeres deckten sich
zwar in der Urzeit; früh aber wurde das Heer, als Gesamtisrael,
der Gemeinde, welche Ortsgemeinde blieb, übergeordnet, bis zum
Schluss der Unterschied sich wieder ausglich und die Gemeinde
Kirche wurde. Die historische Motivirung v. 5 ss. besteht aus zwei
durch Ihr und Du geschiedenen Sätze; dem zweiten fehlt das Subjekt.
Zum Schluss wird der Rest ausgeschüttet, der vorher keinen
Platz fand; ich ziehe dazu auch 21, 22 — 22, 12. Es befinden sich
darunter nur wenige ausgeführtere Stücke, und zwar sind das ge-
wöhnlich solche, von denen man den Eindruck hat, dass der alte
Autor sie im systematischen Teile würde untergebracht haben.
Zum Familienrechte stellen sich die moderne Forderung eines
Scheidebriefs mit dem Verbot, die Geschiedene wieder zu heiraten,
Deut. 12—26. 361
nachdem sie Frau eines Anderen geworden (24, 1 — 4), und die
merkwürdig archaistische Aufrechterhaltung der Leviratsehe (25,
5 — 10). Das 26. Kapitel ist ein Nachtrag nicht zu 18, 3, wo die
Reschith in einer Abgabe von Most, Öl und Wolle und nicht in
einem Korb voll Früchten besteht, sondern zu dem Abschnitt über
Zehnten und Feste. Es wird eine Liturgie vorgeschrieben, die der
Laie alljährlich vor dem Altar vollziehen, und eine Deklaration,
die er am Schluss der di-eijährigen Periode vor dem Altar ablegen
muss. Beides geschieht am Ende des Jahres, d. h. am Laubhütten-
feste. Die Yerse 3. 4 stören; der Hohepriester — denn er müsste
unter dem gewählten Ausdruck verstanden werden — hat hier nichts
zu tun, sondern der Darbringer selber tritt vor den Altar, setzt
den Korb darauf nieder (v. 10) und spricht das Gebet. Die dem
Kap. 26 vorhergehende Einschärfung der Rache gegen Amalek
(25, 15 — 17) steht ganz verloren; sie wüi'de zu Kap. 20 gehören,
wenn dieses selber zum alten Bestände zu rechnen wäre.
Die übrigen Gebote sind kurz und lose an einander gereiht.
Sie betreffen zum Teil den religiösen und moralischen Anstand.
Das von Natur Geschiedene soll getrennt bleiben, ein Mann nicht
Frauentracht anlegen und umgekehrt, Ochs und Esel nicht vor einem
Pflug gespannt , Wolle und Flachs nicht zusammengewoben, ein
Weinberg nicht auch noch besät werden (widiigenfalls der ganze
Ertrag heilig wird d. h. verfällt) 22, 5. 9 — 11. Israeliten sollen
keine Hierodulen sein, Preisgabe des eigenen Leibes in Folge Ge-
lübdes ist ein Greuel flu' Jahve 23, 18. 19. Übrigens müssen Ge-
lübde gemäss dem Wortlaut gehalten, sollen aber nicht empfohlen
werden 23, 22 — 24. Einer Frau, die, um ihren Mann im Streit
beizustehn, nach der Scham des Gegners packt, soll die Hand ab-
gehauen werden 25, 11. 12. Der Aussätzige soll sich genau nach
den Vorschriften des Priesters richten 24, 8. 9. Jeder Israelit soll
an den vier Zipfeln des Obergewandes Quasten tragen 22, 12.
Meist sind es Forderungen der Milde und Billio-keit. Der Ge-
henkte soll nicht über Nacht am Galgen bleiben (sondern begraben
werden) 22, 22. 23. Es dürfen nicht mehr als 40 Hiebe verhängt
werden 25, 1 — 4. Die Söhne sollen nicht mit dem Vater und der
Vater nicht mit den Söhnen hingerichtet werden 24, 16. Beim
Ausnehmen eines Nestes soll nicht auch die Mutter mit den Eiern
oder den Jungen genommen werden 22, 6. 7. Dem Dreschochsen
soll das Maul nicht verbunden werden 25, 4. Verlaufener Tiere
362 Nachträge.
soll man sicli annelimen und sie dem Besitzer wieder zuführen,
einen gefallenen Esel oder Ochsen aufrichten helfen 22, 1—4. Um
das Dach herum muss eine Schutzvorrichtung laufen, damit niemand
herabfalle 22, 8. Der junge Ehemann ist das erste Jahr nicht
kriegspflichtig 24, 5.
Yorzugsweise hat der Gesetzgeber bei der Empfehlung von
Milde und Billigkeit die Hilf- und Besitzlosen im Auge. Er ver-
bietet die Auslieferung entlaufener Sklaven 23, 16 und bei Todes^-
strafe den Menschenraub 24, 7. Er erlaubt, Trauben im Weinberg
eines Anderen zu pflücken und Ähi'en aus der Saat zu raufen;
nur soll man nichts in den Korb tun und nicht die Sichel ge-
brauchen 23, 25. 26. Die Nachlese auf dem Saatfeld und im
Oliven- oder Weingarten soll man den Armen überlassen 24, 19 — 22.
Das Recht der Schwachen soll man nicht beugen, den Lohn des
Arbeiters sofort auszahlen, mit Mass und Gewicht (welches bei der
Naturalwirtschaft vorzugsweise gegenüber den Grundbesitzlosen
zur Anwendung kam) nicht betrügen 24, 14 s. 17. 25, 13 — 16.
Zinsnehmen ist verboten 23, 20. 21; das Pfandrecht soll mit
Milde geübt werden 24, 6. 10 — 18. Die Mühle darf nicht
gepfändet werden, auch das Obergewand nicht, oder es muss
doch vor Nacht zurückgegeben werden, weil es als Schlafdecke
dient. Zuweilen werden inhaltlich gleichartige Vorschriften wieder-
holt, vielleicht weil sie von dem deuteronomischen Gesetzgeber
nicht selber geschöpft, sondern in verschiedener Form vorgefunden
sind. So decken sich die Stücke 24, 10 — 15 und 24, 17. 18 in der
Sache, unterscheiden sich aber ziemlich stark in der Form. Be-
sonders darin, dass dort allgemein von den Armen oder höchstens
von Tagelöhnern die Rede ist, hier dagegen in der alten Weise
von Aufenthaltern, Witwen und Waisen. Aber auch darin, dass
Pfänden dort tOüy, hier 'PD.n heisst. Letzteres ist das alte he-
bräische Wort, jenes aber das aramäische Äquivalent für arab. La;^;
vgl. gegen Gesenius meine Bemerkungen zu Amb. 2, 6. Joel 2, 7.
Amos 8, 5.
Ich schliesse noch einige Bemerkungen über Deut. 27 an. Y. 9s.
setzt den vorhergehenden Zusammenhang nicht fort; Ewald hat
darin eine Überleitung von Kap. 26 auf Kap. 28 entdeckt und
Andere sind ihm gefolgt, vgl. Driver ad loc. Aber auch v. 1 — 8
ist nicht aus einem Guss. Y. 4 wiederholt Yorhergesagtes , um
etwas Fremdartiges anzuhängen. Denn in v. 1 — 3 ist von Steinen
Deut. 12— 2ß. 363
die Rede, auf die das deuteron. Gesetz geschrieben werden soll, in
V. 5 — 7 aber von Steinen, aus denen, ganz undeuteronomiscli, auf
dem Ebal ein Altar gebaut werden soll: dazwischen sucht ein
Redaktor durch v. 4 und v. 8 vergeblich eine Brücke zu schlagen.
— Darauf, dass v. 14 ss. nicht die wahre Fortsetzung von v. 11 — 13
sein könne, hat Kuenen aufmerksam gemacht (Th. T. 1878 p.
297 SS.). Es zeigt sich hier ein auffallender Fortschritt im Verbot
der Yerwandtschaftsehen über 23, 1 und 25, 5 — 9 hinaus. Aus
Deut. 27, 13 (Sept.) und nicht aus Lev. 17, 18 stammt das kirch-
liche Verbot der Ehe mit der Schwägerin im Codex Theodosianus,
wie die Collatio Legum Mosaicarum beweist, die sich auf die
deuteronomische Stelle beruft^).
Darnach ist Deut. 27 ein buntscheckiges und im Ganzen junges
Stück, es bildet nicht in der Weise den Schluss einer alten Aus-
gabe des Gesetzes, wie ich oben p. 193 angenommen habe. Die
Vorstellung, dass Mose befohlen habe, das Deuteronomium auf
grosse öffentlich auszustellende Steine zu schreiben, ist freilich älter
als die, dass er es als Buch in der Lade niederlegen Hess. Letztere
mag aus 2. Reg. 22 stammen.
Judicum 17. 18.
über die literarische Beschaffenheit dieses Stücks bin ich in-
zwischen zu einer anderen Meinung gelangt. Ich habe das bereits
in der isr. und jüd. Geschichte 1895 p. 40 n. 1 kurz angedeutet.
Die merkwüi'dio-e Erzählung; verdient aber eino-ehend behandelt zu
werden. Ich setze zunächst ihren Wortlaut in Übersetzung her.
17, 1. „Es war ein Mann vom Gebirge Ephraim namens
Micha. 2. Der sagte zu seiner Mutter: die elf hundert Silberlinge,
die dir weggenommen sind, und wegen deren du einen Fluch vor
meinen Ohren ausgesprochen hast, die sind bei mir, ich selber habe
sie genommen. [Da sprach seine Mutter: gesegnet von Jahve sei
mein Sohn^). 3. Und er gab die elf hundert Silberlinge seiner
Mutter zurück und seine Mutter sagte: ich weihe das Silber dem
Jahve, von mir aus zum Besten meines Sohnes, damit daraus ein
1) Wenn also auch Lev. 17, 18 fällt, so lässt sich das betreffende Verbot
dennoch auf die Bibel gründen.
2) Sie hebt den condicionellen Fluch förmlich auf, nachdem der Zweck
erreicht ist, dadurch ein Geständnis oder eine Anzeige zu erpressen. Vgl.
Reste arab. Heidentums 1897 p. 192.
364 Nachträge.
Giissbild ^) gemacht werde] und nun gebe ich sie dir zurück, 4. und
er gab das Silber seiner Mutter zurück. Und seine Mutter nahm
zweihundert Silberlinge und gab sie ihm. [Und sie gab sie dem
Giesser, und der machte daraus ein Gussbild, und das war im Hause
Micha.] 5. Und der Mann Micha bekam ein Gotteshaus und er
machte ein Ephod und Theraphim [und er füllte die Hand eines
seiner Söhne an und er ward ihm Priester.]
6. In jenen Tagen war kein König in Israel, jeder tat, was
ihm gut dünkte.
7. Und es war ein junger Mann von Bethlehem Juda, aus
dem Geschlecht Juda, ein Levit, der sich dort aufhielt. 8. Und
der Mann ging fort aus der Stadt, aus Bethlehem Juda, um
anderswo Aufenthalt zu suchen, und kam auf das Gebirge Ephraim
nach Beth Micha, um seinen Weg zu machen. 9. Fragte ihn
Micha: woher kommst du? und er antwortete ihm: ich bin
ein Levit aus Bethlehem Juda, ich bin auf der Wanderschaft, um
zu sehen, wo ich Aufenthalt finde. 10. Da sagte ihm Micha: bleibe
bei mir, und sei mir Yater und Priester, so will ich dir jährlich
zehn Silberlinge geben und einen vollständigen Anzug und deinen
Unterhalt^). 11. Und der Levit willigte ein, bei dem Manne zu
bleiben, und der junge Mann ward ihm wie einer seiner Söhne.
12. Und Micha füllte die Hand des Leviten und der junge Mann
wurde ihm Priester und er war im Hause Michas. 13. Und Micha
sagte: nun weiss ich, dass mir Jahve Gutes tun wird, denn der
Levit ist mir Priester geworden.
18, 1. In jenen Tagen war kein König in Israel.
Und in jenen Tagen suchte der Stamm der Daniten sich Land
zu wohnen, denn bis dahin war ihm noch keins zugefallen unter
den Stämmen Israels. 2. Und die Kinder Dan schickten aus ihrem
Geschlecht- fünf Männer aus ihrer Mitte, kriegstüchtige Männer von
Soraa und Esthaol, das Land auszukundschaften und zu erforschen,
und sagten zu ihnen: geht erforscht das Land! Und sie kamen
auf das Gebirge Ephraim nach Beth Micha und übernachteten dort.
1) Phesel und Masseka ist ein Hendiadys, beides wird vom Giesser ge-
macht, der das Metall um einen Holzkern schlägt oder giesst. In 18, 17. 18
ist das Znsammengehörige durch Misverständnis getrennt.
2) Die beiden letzten Worte von v. 10 könnten aus den beiden ersten von
V. 11 falsch wiederholt sein. Indessen wäre an dieser Stelle eine Dublette nicht
auffallend, nur müsste ursprünglich das Subjekt verschieden ausgedrückt sein.
Jiidiciim 17. 18. .365
3. Als sie in der Nähe des Hauses Michas waren, erkannten sie
die Stimme des jungen Mannes, des Leviten '), und sie bogen dort-
hin ab und fragten ihn: wer hat dich hieher gebracht, was machst
du hier, was hast du hier zu tun? 4. Und er antwortete ihnen:
so und so hat mir Micha getan, er hat mich gedungen und ich
bin ihm Priester geworden. 5. Da sagten sie zu ihm: hol uns
Gottesbescheid ein, dass wir erfahren, ob der Weg zu gutem Ziel
führen wird, auf dem wir gehn! 6. Und der Priester sagte zu
ihnen: geht mit Glück; der Weg, auf dem ihr geht, ist Jahves Be-
schlüsse). 7. Da gingen die fünf Männer und kamen nach Lais
und sahen, dass die Leute darin [sorglos wohnten ^) in der Weise
der Sidonier] ruhig und sorglos waren [und kein Mangel war an
allem, was es auf Erden gibt], und dass sie fern waren von den
Sidoniern und keine Gemeinschaft hatten mit den Aramäern^).
8. Und sie kamen zu ihren Brüdern nach Soraa und Esthaol, und
sie fragten sie: was bringt ihr mit^)? 9. Und sie antworteten:
kommt, lasst uns gegen sie heraufziehen^), denn wir haben gesehen,
dass das Land sehr gut ist ^) . . [seid nicht faul, hinzugehn, um das
Land einzunehmen], 10. wenn ihr hinkommt, kommt ihr zu sorg-
losen Leuten, und das Land ist geräumig^) [denn Gott hat es in
eure Hand gegeben, eine Gegend, wo kein Mangel ist an allem,
was es auf Erden gibt]. 11. Da brachen sie auf von dort, das
Geschlecht der Daniten von Soraa und Esthaol, sechshundert be-
1) Es whd vorausgesetzt, dass der Levit den Daniten schon von früherher
bekannt gewesen sei. In der uns erhaltenen Erzählung ist darüber nichts be-
richtet. Vgl. die Note zu 18, 9.
2) Yor Jahve d. i. propositum Domini.
^) Das sing. Femininum r\lClpW richtet sich nach Buddes sehr -wahr-
scheinlicher Vermutung auf ein Subjekt, das bei der Zu.sammensetzung der
hier deutlich vorliegenden Dublette ausgelassen ist, ohne dass doch dement-
sprechend das Prädikat corrigirt ^nirde; nämlich die Stadt.
*) So nach der Septuaginta; notwendig. Im Übrigen nach v. 10; ^U^ \^^,i
^) Lies ma itt'kem. Es entspricht, dem Gebrauche nach, der ständigen
arabischen Frage an zurückkehrende Boten ma varäakum.
6) Die Kundschafter setzen als bekannt voraus, dass sie nach Lais ge-
schickt sind, und berichten nur, wie sie es dort gefunden haben.
^) Zwei unverständliche Worte sind in der Übersetzung ausgelassen.
8) Studer; ist offen, passender, aber nach dem hebräischen Wortlaut
schwerlich möglich. Vgl. Beth Rehob 18, 28.
366 Nachträge.
waffnete Männer stark. 12. Und sie gingen herauf und lagerten
in Kiriathjearim in Juda, die Stätte lieisst darnach bis heute das
Lager Dans, es liegt westlich von Kiriathjearim. 13. Und sie zogen
von dort weiter auf das Gebirge Ephraim und kamen nach Beth
Micha. 14. Da hüben die fünf Männer an, die gegangen waren,
das Land, Lais, auszukundschaften, und sagten zu ilu'en Brüdern:
wisst ihr, dass in diesen Häusern ein Ephod und Theraphim sich
befindet und ein Gussbild? also fasst einen Entschluss! 15. Da
bogen sie dorthin ab und kamen zu dem Hause des jungen Mannes,
des LeAdten, zu dem Hause Michas und grüssten ihn. 16. Und die
sechshundert Gewaffneten von den Kindern Dan stellten sich vor
dem Tore auf, 17. und die fünf Männer, die gegangen waren,
das Land auszukundschaften, drangen dort ein und nahmen ^) Ephod
und Theraphim und das Gussbild. Und der Priester [stellte sich vor
dem Tore auf und die sechshundert Gewaffneten. 18. Und jene^)
drangen ein in das Haus Michas und nahmen Ephod und Theraphim
und das Gussbild. Und der Priester] sprach zu ihnen: was treibt
ihr da! 19. Und sie sagten zu ihm: still, leg die Hand auf den
Mund, und geh mit uns und sei uns Yater und Priester! ist es
besser für dich, Priester für das Haus eines einzelnen Mannes zu
sein oder für einen Stamm und ein Geschlecht in Israel? 20. Da
wurde der Priester gutes Mutes und nahm Ephod und Theraphim
und das Bild an sich und kam mit unter dem Volk. 21. Und sie
wandten sich und gingen und Hessen die Weiber und Kinder, das
Yieh und den Tross vorangehn. 22. Als sie schon eine Strecke
Ton Beth Micha entfernt waren, da schlugen die Männer in den
Häusern, die bei dem Hause Michas lagen, Lärm und holten die
Kinder Dan ein 23. und riefen die Kinder Dan an. Sie aber
wandten sich um und sagten zu Micha: was willst du, dass du
Lärm schlägst? 24. Er sprach: meinen Gott, den ich gemacht
habe, habt ihr genommen und den Priester und seid damit abge-
zogen, ist das nicht genug? warum fragt ihr* noch: was willst du!
25. Da sagten die Kinder Dan zu ihm: mach dich nicht laut gegen
uns, sonst stossen auf dich verzweifelte Gesellen und räumen mit dir
und deinem Hause auf! 26. Damit gingen die Kinder Dan ilu-es Weges,
^) mpvl 5^3. könnten als Inif. abss. mit l7y>1 verbunden werden, wäre
nicht nDZ*-
2) Die Kundschafter.
Judiciim 17. 18. 367
und da Micha sah, dass sie ihm zu stark waren, wandte er sich
und ging heim. 27. Jene aber nahmen den Gott^), den Micha
gemacht hatte und den Priester, den er hatte, und kamen über
Lais, über ruhige und sorglose Leute, und schlugen sie nach Krieges-
brauch und verbrannten die Stadt mit Feuer, 28. ohne dass einer
zu Hilfe kam, denn sie war fern von den Sidoniern und hatte
keine Gemeinschaft mit Aram, sie liegt aber in dem Tale, das zu
Beth Rehob gehört^). Und sie bauten die Stadt neu und wohnten
darin 29. und nannten den Namen der Stadt Dan nach ilii'em Vater
Dan, dem Sohne Israels, während der alte Name der Stadt Lais
war.
30. Und die Kinder Dan richteten sich (dort) das Bild auf, und
Jonathan der Sohn Gerschoms des Sohnes Moses und seine Nach-
kommen waren Priester des Stammes der Daniten, bis zu der Zeit ^),
wo die Bevölkerung gefangen geschleppt wurde. 31. LTnd sie setzten
sich das Bild, das Micha gemacht hatte, alle Tage, wo das Gottes-
haus in Silo war."
Ein alter Bericht (A) imd eine jüngere Recension desselben
(B) sind in dieser Erzählung von einem Dritten so verbunden, dass
er die Varianten neben einander stellte. Nur in der zweiten Hälfte
von Kap. 18 tritt A fast rein hervor, vielleicht weil B hier nur
wenige und unwesentliche Varianten bot. Ich habe in der Über-
setzung die Varianten nicht durchgehend in Klammern gesetzt,
sondern nur die grösseren, namentlich dann, wenn der Zusammen-
hang darunter leidet, der meistens dadurch wol überfüllt, aber nicht
eigentlich gestört wird.
Der Schluss von 17, 3 ist, wie aus dem darauf zurück-
schlagenden Anfang von 17, 4 hervorgeht. Rede Michas und also
^) Nach V. 24 zu ergänzen.
2) Dies lautet so, als ob Lais in der Gegenwart des Erzählers, obwol von
Israeliten bewohnt und eine israelitische Cultusstätte , doch politisch nicht
mehr zu Israel, sondern zu Aram Beth Rehob gehört hätte, während zugleich
ausdrücklich hervorgehoben wird, dass zur Zeit des Ereignisses die Aramäer
noch keine Beziehung zu der Gegend gehabt hätten. In 2. Reg. 15, 29 wird
Dan in der ziemlich vollständigen Aufzählung nicht mit genannt, nach 1. Reg.
15, 20 ist es eine Zeit lang damascenisch gewesen, wie auch andere dort ge-
legene Städte, die aber 2. Reg. 15, 29 wieder als israelitisch erscheinen. Ygl.
Hogg im Expositor vom Dezember 1898.
^) Ob die Frist ursprünglich für den zweiten oder wie in dem folgenden
Verse für den ersten Satz bestimmt ist, lässt sich nicht entscheiden.
368 Nachträge.
Fortsetzung seiner Rede in 17, 2; der eingeklammerte Passus in
der Mitte erweist sich dadurch als Variante aus B. Nach derselben
stiftet die Mutter die ganze Summe für ein Gussbild, wäln^end
sie nach A nur 200 Silberlinge dem Micha gibt, der daraus Ephod
und Theraphim macht. Durch das Gussbild, welches im Auftrage
der Mutter der Giesser herstellt, wird auch der eingeklammerte
Passus in v. 4 zu B gewiesen. Das injnm in v. 4 gehört sowol
zu A als zu B; ich habe es in der Übersetzung in Sperrdi'uck
wiederholt, mit Ergänzung des Dativs. Über die Zugehörigkeit des
eingeklammerten letzten Satzes von v. 5 zu B entscheidet der bei
einem alten Schriftsteller sehr eigentümliche Ausdruck „die Hand
füllen" (d. i. anstellen), welcher bei B in v. 12 wiederkehrt.
Die Angabe 17, 6, worin sich das Befremden über so unglaub-
liche Zustände ausdrückt, wird 18, 1 wiederholt und steht in beiden
Fällen ausserhalb des Pragmatismus. Sie rührt aber von einem
Manne her, der noch in der Königszeit schrieb und diese Periode
als einen grossen Fortschritt gegen die Anarchie der Richterzeit
ansah — sehr im Gegensatz zu der späteren Betrachtungsweise.
In 17, 7 stimmt aus dem Geschlecht Juda nicht mit dem
Übrigen, wie man längst empfunden hat; vgl. Studer zu der Stelle.
Ein Levit kann wol in einer jüdischen Stadt wohnen, aber er bleibt
Ger d. i. Aufenthalter und wird nie Angehöriger des Stammes Juda.
Die Angaben sind also unvereinbar. Vatke (a. 0. p. 268) hat
richtig erkannt, dass nur in B von einem Leviten, d. h. nach dem
alten Sprachgebrauch einem geborenen Priester, die Rede ist, in
A dagegen von einem Laien, der erst durch die Anstellung von
Seiten Michas zu einem Priester wird. Vgl. den Wechsel in 18, 3
(der Levit) und v. 6 (der Priester), desgleichen in 18, 15 (der
Levit) und v. 17 (der Priester); von der Mitte des Kap. 18 an,
wo A so gut wie ausschliesslich das Wort hat, verschwindet der
Levit, und es heisst immer nur der Priester. Aber darin irrt
Vatke, dass er den Priester in A einfach für den Sohn Michas hält,
dem in 17, 5 das Amt übertragen wird. Der Sohn kann nicht in
der Weise, wie es 18, 20 geschieht, Verrat gegen seinen Vater
üben und froh sein, dass er von der Räuberbande mitgenommen
wird. Dem Irrtum liegt vermutlich die Meinung zu Grunde, dass
mit 18, 1 der 17, 6 verlassene Faden wieder aufgenommen werde,
und dass also das dazwischen liegende Stück 17, 7 — 13 einen anderen
Faden darstelle. Indessen weist dieses Stück eine Anzahl von
Judiciim 17. 18. 369
Wiederholungen auf, die sich nur aus der Verbindung zweier Be-
richte erklären und beweisen, dass hier sowol A als B durchgehn.
Nach A hat Micha, der bis dahin selber sein Gottesbild hütete, bei
guter Gelegenheit einen fahrenden Judäer'), gegen angemessenen
jährlichen Lohn, als Priester angestellt; v. 10 gehört nach 18, 19
(Vater und Priester) zu A. Nach B hat er statt seines Solmes
einen richtigen Leviten gewonnen und dadurch die Überzeugung
erlangt, dass Jahve ihn nun segnen werde; v. 12 und 13 gehören
grösstenteils zu B. In v. 11 steckt sowol A als B; auch in A
muss berichtet gewesen sein, dass der Mann das Angebot Michas
annahm.
In der ersten Hälfte von Kap. 18 lässt sich leicht eine ganze
Anzahl von Dubletten aufweisen, aber nicht leicht sagen, was da-
von zu A und was zu B gehört. Der Levit in v. 3 führt auf
B; doch beweist der Priester in v. 6 und die Dublette in der
Frage v. 3 sowie in der Antwort v. 4, dass auch A die Befragung
des Orakels durch die Kundschafter berichtet hat. Die Verschlin-
gung in V. 7. 8 ist durch Budde entworren, ein Kriterium füi- A
hat man an v. 28, charakteristisch ist die verschiedene Verwendung
der Sidonier in A und B. Budde hat auch richtig gesehen, dass
der von mii' eingeklammerte Satz am Scliluss von v. 10 mit der
Aufforderung am Schluss von v. 9 verbunden werden muss, die er
begründet, und dass beides zu B gehört.
Ein Knoten, der bisher allen Lösungsversuchen widerstanden
hat, liegt in 18, 16 — 18. Er ist aber in Tat gar nicht so intrikat.
Der von mii- eingeklammerte Passus v. 17. 18 wiederholt fast wört-
lich den vorhergehenden^). Nämlich und die sechshundert Be-
waffneten, die jetzt am Schluss von v. 17 in der Luft schweben,
haben nach v. 16 a in Wahi'heit ihr Prädikat in dem vorhergehenden
standen vor dem Tore. Um die beiden fast identischen Passus
hinter einander möglich zu machen, ist dieses Prädikat von seinem
wahren Subjekte getrennt und mit der Priester verbunden, welcher
seinerseits sein wahres Prädikat vielmehr in sprach zu ihnen
(v. 18) hat. Also:
1) Man darf nach dem Leviten von Bethlehem in B vermuten, dass auch
nach A der Judäer aus Bethlehem war.
2) Die Gleichheit der beiden Passus ist wol von Haus aus geringer ge-
wesen und nachgehens vergrössert dadurch, dass in den einen das Gussbild,
in den anderen Ephod und Theraphim nachgetragen wurde.
Welihausen, Comp. d. Hexateuchs. 3, Aufl. 24
370 Nachträge.
Und die 600 Gewaffneten von den
Kindern Dan stellten sich vor dem Tore
auf, und die fünf Männer, die gegangen
waren, das Land auszukundschaften,
drangen dort ein und nahmen Ephod
und Theraphim und das Gussbild. Und
der Priester
Und die 600 Gewaff-
neten stellten sich vor
dem Tore auf, und jene
drangen ein in das Haus
Michas und nahmen
Ephod und Theraphim
und das Gussbild. Und
der Priester
sprach zu ihnen; was treibt ihr da!
Die Schlussverse 18, 30. 31 sind Parallelen, die einander aus-
schliessen. In ihrem ersten Teil stimmen sie mit einander über-
ein, auch in dem auffallenden Gebrauch des Ausdrucks Phesel.
Im zweiten widersprechen sie sich. Die chronologische Angabe
von V. 31 kann gegen die von v. 30 nicht aufkommen. Es ist
gewiss richtig, dass bis zur assyrischen Deportation der Phesel in
Dan stand und eine Priesterfamilie dort amtete, welche sich von
Jonathan ben Gersom ben Mose ableitete. Aber freilich kann auch
diese Angabe weder von A noch von B stammen. Denn A hat
vor der assyrischen Deportation geschrieben, und B kann nicht erst
post festum den Leviten beim Namen nennen, nachdem bis dahin
die Anonymität sorgfältig gewahrt war.
Es mögen hier noch ein paar durchgehende Varianten von A
und B zusammengestellt werden. A sagt Ephod und Theraphim,
B dagegen Gussbild; das letztere ist 18. 14. 17. 18 nachgetragen
und dabei zum Teil aus einander gerissen; in v. 20 heisst es nur
das Bild und in 18, 24 (27) der Gott. A gebraucht Beth
Micha als (noch zu seiner Zeit bestehenden) Eigennamen für das
Gehöft, worin das Haus d. i. die Sippe Michas wohnte, B dagegen
als Appellativ für das von Micha gebaute Gotteshaus, worin auch
der Levit wohnte; man sieht freilich nicht überall, ob A oder B
das Wort hat und welche Bedeutung demgemäss am Platze ist,
aber nach einigen sicheren Beispielen steht der Unterschied des
Gebrauches fest. A sagt mischpacha für Stamm (17, 7. 18, 2.
11. 19), ein in dieser Anwendung sehr seltenes Wort; in 18, 1
(vgl. 18, 11) ist das übliche schebet an die Stelle und in 18, 19
daneben gesetzt. Es gibt noch mehr derartiges, doch ist es von
untergeordneter Bedeutung.
Ich habe mit Yatke den Bericht, worin der Priester ein Judäer
ist, für den ursprünglichen genommen, und den anderen, worin er
1. Sara. 4, 16 SS. 371
ein Levit ist, für die spätere Recension. Ich halte das für das
Avahrscheinlichste. Aber bei der völligen Gleichheit des Erzählungs-
stoffes in beiden Recensionen lässt sich allerdings die Möglichkeit
nicht ausschliessen, dass das Verhältnis umgekelii-t und der Laie
eine Correctur des Klerikers sei.
1. Sam. 4, 16ss. 2. Sam. 11, 11. 20, 8. 2. Reg. 11, 18ss.
1. Sam. 4, 16 „Ich bin der aus der Schlacht Gekommene,
und ich bin heute aus der Sclilacht geflohen". Varianten.
1. Sam. 4, 21. 22. „Und sie nannte das Knäblein Ikabod,
als wollte sie sagen: die Elii'e ist fort von Israel — wegen des
Raubes der Lade Gottes und (des Todes) ihres Schwähers und ihres
Mannes; und sie sprach: die Ehre ist fort von Israel — weil die
Lade Gottes geraubt war". Die gleiche Etymologie von Ikabod wird
zweimal wiederholt. Sie ist wahrscheinlich unrichtig. Denn Ikabod
ist s. V. a. Abikabod, wie lezer Ischai Ehud s. v. a. Abiezer Abischai
Abihud. Der selbe Name wird anderswo Jokebed ausgesprochen;
das Jod ist da irrig in Jo aufgelöst. Das könnte auch noch in
anderen Fällen vorgekommen sein (Jo = Abi).
1. Sam. 5, 1. 2. „Und die Philister nahmen die Lade Gottes
und brachten sie von Ebenhaezer nach Asdod, und die Philister
nahmen die Lade Gottes und brachten sie in das Haus Dagons."
Die beiden Sätze sind allerdings nicht ganz identisch, da der zweite
eine genauere Ortsbestimmung nachbringt. Aber zu diesem Zweck
bedurfte es doch nicht einer so weitläufigen Wiederholung, dieselbe
erklärt sich daraus nicht.
2. Sam. 11, 11. „Die Lade und Israel und Juda wohnen in
Buden, und Joab und die Knechte meines Herrn lagern auf dem
Felde". Obgleich die beiden Aussagen sich nicht völlig decken, da
die Knechte Davids von dem Volksheer unterschieden werden müssen,
bedeuten sie hier doch das selbe und können für einander vikarü'en.
2. Sam. 20, 8. Das vorangestellte Subjekt Joab hat zwei Prädi-
kate, die ganz das Gleiche aussagen: nc mn und "ll^n vhv Vti'inb'
das Vau am Schluss von ll^llL'7 hat sich falsch verdoppelt, *n:;n
ist beidemale Partie. Passivi. Also liegt eine ausgesprochene Vari-
ante vor. „Joab hatte sein Gewand hochgeschürzt und enggegürtet
und trug das Schwert nicht über der Schulter, sondern im Gurt" —
die letzten drei Worte von v. 8 sind ganz unverständlich, sollen
24*
372 Nachträge.
aber wol die in v. 9 beschriebene Manipulation vorbereiten. Der
von Buclde gebilligte Vorschlag Klostermanns bessert meines Er-
achtens nichts, sondern ergibt nur Überflüssiges.
2. Reg. 10, 18—27. „Und Jehu') versammelte alles Volk') und
sprach : Ahab hat dem Baal zu wenig gedient, Jehu wird ihm besser
dienen; 19. also nun, alle Propheten des Baal und all seine Diener^)
und all seine Priester ruft her zu mir, niemand bleibe aus, denn
ich veranstalte dem Baal ein grosses Opfer; wer sich vermissen
lässt, wird nicht leben bleiben! Jehu handelte aber mit List, um
die Diener des Baal umzubringen. 20. Und Jehu sprach: ordnet
eine Feier für den Baal an, und sie riefen aus*). 21. Und Jehu
sandte durch ganz Israel, und alle Diener Baals kamen, und keiner
war übrig, der nicht gekommen wäre. Und sie kamen zum Hause
des Baal, und das Haus des Baal ward voll von Rand zu Rand.
22. Und er sprach zu dem Vorsteher der Zeugkammer: gieb allen
Dienern des Baal einen Anzug heraus! und er gab ihnen einen
Anzug ^). 23. Und Jehu kam mit Jonadab ben Rekab nach dem
Hause des Baal, und er sprach zu den Dienern des Baal: seht genau
nach, das hier keine Diener Jahves unter euch seien, sondern nur
allein Diener des Baal. 24. Und er kam^) um die Opfer zu ver-
richten. Jehu hatte aber draussen achtzig Mann bestellt und ge-
sagt: wer einen von denen, die ich vor eure Hand bringe, entrin-
nen lässt, wird es mit dem Leben büssen. 25. Und als er mit
dem Brandopfer fertig war, sagte Jehu zu den Trabanten und den
Knappen: kommt herein, erschlagt sie, keiner entkomme! Und
sie erschlugen sie mit dem Schwert und warfen ^) ^ ^ *. Und die
1) lou = Abihu.
2) Lucian fügt hinzu ^v Safxapet'qc, sachlich richtig.
2) Die Diener dürfen nicht zwischen den Propheten und Priestern stehn,
vielleicht sind die Priester nachgetragen.
*) Wenn mit ^^?^p''') nur die Ausführung~des Befehls Wip erzählt wer-
den sollte, so würde der Ausdruck nicht wechseln. Vielleicht ist das Niphal
zu sprechen und mit IN^^l v. 21 zu verbinden.
^) Die zwei ersten Buchstaben von t^^lllten sind aus dem vorhergehenden
Cn? irrig wiederholt.
^) Wegen IH^DD v. 25 ist auch hier der Singular i^i^l zu lesen, Jehu
selber bringt das Opfer.
^) Objekt und Ortsangabe fehlen. Etwa; sie warfen die Leichen in den
heiligen Brunnen, oder in die heilige Höhle des Baal.
1. Sam. 4, 16 SS. 373
Trabanten und die Knappen ^) gingen in . . . '*) des Hauses des Baal
26 und holten die . . /) des Hauses des Baal heraus und verbrannten
sie. 27 Und sie zerstörten die Ma^^eba des Baal und sie zer-
störten das Haus des Baal und machten es zu einem Aborte, bis auf
diesen Tag."
V. 20 sagt mit kürzeren Worten noch einmal, was weitläu-
figer schon in V. 19 gestanden hat; denn man kann nicht annehmen,
dass in v. 19 Jehu nur die Priester und Propheten des Baal ent-
bietet und ihnen dann v. 20 aufträgt, eine allgemeine Feier anzu-
stellen. V. 21 ist sachlich sowol für v. 19 als für v. 20 unent-
behrlich; formell weicht der Ausdruck "iNti^J von dem in v. 19
gebrauchten IpDJ ab. Der Vers 23 setzt seinen Vorgänger nicht
voraus; denn dort ist Jehu schon da, hier kommt er erst. Ausser-
dem deckt sich, wie es scheint, der Inhalt der beiden Verse, die
Jahvediener werden nach v. 22 eben dadurch ausgeschlossen, dass
nur solche Leute Einlass finden, die ein besonderes Festkleid be-
kommen haben. Die achtzig von Jehu draussen postirten Männer
V. 24 stimmen formell nicht zu den Trabanten und Knappen, die
in V. 25 eindi'ingen. Es ist jedoch kaum möglich zu entscheiden,
welche Varianten zusammengehören, und wie sie sich zu zwei Re-
censionen formiren; denn der sachliche Unterschied der Recensionen
ist zu gering. In dem ursprünglichen Bericht hat jedenfalls nicht
gestanden, dass Jehu Boten durch ganz Israel gesandt habe, um
alle Baalsdiener aus dem ganzen Lande zusammen zu bringen.
Denn das verdirbt Alles; er muss mit überraschender Eile verfah-
ren und sich auf die Hauptstadt, Samarien, bescln^änken. Auch das
ist wol kein ursprünglicher Zug, dass er mit Jonadab ben Rekab
zusammen zu dem Baalsopfer gegangen sei.
Die Abweichungen der Septuaginta, besonders des Lucianus
vom masor ethischen Texte, sind schwerlich von Wert. Sie scheinen
zum Teil auf Kritik und nicht auf Tradition zu beruhen.
^) Die Trabanten und die Knappen sind hier nur zu halten, wenn man
sie hinter das nächste Verbum versetzt.
^) ^^y iy^ Gemeint ist: in das Adyton.
^) Die MaQ^eboth werden hier aus dem Adyton herausgeholt; da befinden
sich aber sonst keine Ma99eboth. Sie sind auch von Stein und lassen sich
nicht verbrennen. In v. 27 ist wie gewöhnlich von einer singularischen
Ma^^eba des Baal die Rede, die im Freien steht und zertrümmert wird.
Verlag von Georg Reimer in Berlin.
Aus den Quellen der Kirchengeschiclite
von ü. Paul Mehlhorii.
I. Heft: Bis Konstantin.
Preis: M. 1.60.
Studien zur Keligions- und Sprachgescliiclite
des alten Testaments
von Dr. Willy Staerk
Lic. tlieol.
I. Heft.
Inhalt: I. Prolegomena zu einer Geschichte des israelitischen Yätersage.
II. Zur Geschichte der hebräischen Volksnamen.
Preis ; Mark 3.—.
ACTA AP08T0L0RÜM
ÖRAECE ET LATffiE
SECÜNDUM
ANTIQUISSIMOS TESTES
EDIDIT
ACTUS APOSTOLOEUM EXTRA CANONEM RECEPTUM
ET
ADNOTATIONES AD TEXTUM ET ARGUMENTUM
ACTUUM APOSTOLORUM
ADDIDIT
ADOLFUS HILGENFELD.
Preis: Mark 9.—.
Verlag von Georg Reimer in Berlin.
Die Berichte über die
Auferstehung Jesu Christi
von Lic. Dr. P. Rolirbach.
Preis M. 1.40.
Der Protestant.
Eyangelisches Gemeindeblatt.
Herausgegeben
von
Lic. Dr. W. Staerk.
Jährlich 52 Nummern.
Preis pro Quartal 1 Mark 50 Pf.
Protestantische
Monatshefte
Neue Folge der Protestantischen Kirchenzeitung.
Heraussfegeben
^&""&^
D. JuUus Websky.
Mitte jeden Monats ein Heft von 2^1^ Bogen.
Preis pro Semester 4 Mark.
r
1)
^^
■\
%.
i:
%
W-^
:,-^-
'/-^ ^ "--
♦i?%
x^e:
BS 1
3 9097 00001545 4
Wellhausen, Julius,
Die composition des Hexateuchs u
»-«(»^Si,
Qüwrs
BS1215
1899
1899.
719602
VA
BRANDEIS UNIVERSITY
LIBRARY
lÄ^